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Full text of "Dr. H.G. Bronn's Klassen und Ordnungen des Thier-Reichs : wissenschaftlich dargestellt in Wort und Bild"

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Klassen  und  Ordnungen 


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des 


THIER-REICHS 


wissenscbaftlicli  darfirestellt 


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in  Wort  und  Bild, 


ERSTER  BAND.    PROTOZOA. 

Von 

Dr.  0.  Bütschli, 

Professor  der  Zoologie  iii  Heidelberg. 

Mit  einem  Beitrag: 

Palaeontologische  Entwicklung  der  Rhizopoda  von  C.  Schwager 


I.  Abtheilimg: 
Sarkodina  und  Sporozoa. 

Mit  Tafel  I  — XXXVIII  und  einem   Tlieü  von   Tafel  XXXIX 

sowie  9  Holzsclmitten. 


Leii)zig  und  Heidelberg-. 

C.  F.  Winter'sche  Yerlagshandlung. 

1880—82. 

(1880  p.  1      224;    1881  p.  225  — 320;    1882  p.  321  — 616.^ 


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Inhalt. 


raff. 

Einleitung: I— XVIII 

A.  Klasse  Sarkodina 1 

I.   Unterklasse  Rhizopoda 3 

1.  Historische  Eutwicld  unj;-  unserer  Kenntnisse 3 

Literatur ](> 

2.  Morphologische  Auffassung-  und  Gestaltung,  sowie  die  Haupt- 
gruppen      14 

3.  Schalen  bau. 

A.  MaterialiendesSchalenbau's 18 

a.  Chitinöse  Schalen 19 

ß.  Kalkschaleu 21 

y.  Fremdkörperschalen 28 

6.  Kieselige  Schalen 33 

B.  Morphologie  der  Schalen 35 

a.  Houiaxone  Schalen 35 

ß.  Monaxone,  monothalame  Schalen 3(3 

y.  Polythalame  Schalen 44 

y  1.  Polythalame  Imperforata 46 

}'  2.  Polythalame  Perforata 58 

Abnorme  Schalenbildung 94 

4.  Der  Weich  kör  per 95 

a.  Allgemeine  Gestaltung 95 

ß.  Beschaffenheit  des  Protoplasmas 97 

y.  Differenzirung  in  Eegionen 98 

6.  Färbung  des  Plasmas 100 

f.  Einschlüsse  des  Plasmas 100 

f  1.  Nichtcontractilc  Vacuolen,  Gasblasen,  Sfoffwechselproducte  100 

f  2.  Contractile  Vacuolen 105 

f  3.  Nuclei 107 

Allgemeines  Vorkommen 10" 

Gestalt  und  Bau  der  Kerne 112 

5.  Pseudopodienbildung,  Bewegung  und  Nahrungsaufnahme   .     .     .  114 

?/.  Gallertige  Umhüllungen 124 

5.  Verhalten  des  Weichkörpers  zur  Schale  und  Bildung  der  Schale  125 

6.  Fortpflanzung,  Kolonie bildung  und  En  cystirung 134 

«.  Fortpflanzung  durch  Theilung  oder  Knospung 134 

ß.  Koloniebildung 143 

}'.  Encystirung 148 

rf.  Copulation  und  Conjugation 153 

f.  Angebliche  geschlechtliche  Fortpflanzung 156 

7.  Biologische  Verhältnisse 161 

u.  Wohnort 161 

ß.  Nahrung 169 

)'.  Abhängigkeit  der  Organisation  von  den  äusseren  Lebensbedingungen  1 70 


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Inhalt. 

Pap. 

S.  System 172 

a.  Historisches 172 

ß.  üebersicht  des  Systems  bis  zu  den  Gattungen 176 

y.  Anhang-  zum  System. 

Eozoon 217 

Stromatoporida 221 

Dratyloporida 224 

9.  Geographische  Verbreitung 22S 

10.  Paläontologische  Entwicklung.     Von  C.  Schwager 242 

IT.   Unterklasse  Heliozoa 261 

1.  Historische  Entwicklung  unserer  Kenntnisse 261 

Literatur 265 

2.  Morphologische  Auffassung  und  Gestaltung,  sowie  die  Haupt- 
gruppen      267 

3.  Der  Weichkörper 269 

4.  Pseudopodien;  Nahrungsaufnahme;  Bewegung 284 

5.  Skeletbilduugcn 29*i 

A.  Gallertige  Hüllen 296 

B.  Kieselige  Skelete 298 

C.  Fremdkörperskelete 302 

6.  Fortpflanzungserscheinungeu 303 

A.  Einfache  Theilung  und  Koloniebildung 303 

B.  Fortpflanzung  durch  Knospung  und  Schwärmerbildung    .  307 

C.  Encystirung 310 

D.  Conjugation  und  Copulatiou 317 

7.  System 318 

A.  Allgemeine  systematische  Auffassung 318 

B.  üebersicht  des  Systems 320 

8.  Vorkommen,    geographische    Verbreitung,    biologische    Ver- 
hältnisse        329 

III.    Unterklasse  Eadiolaria 332 

1.  Historische  Entwicklung  unserer  Kenntnisse 332 

Literatur 342 

2.  Morphologische  Auffassung  und  Gestaltung,  sowie  die  Haupt- 
gruppen      344 

3.  Skeletbau 347 

A.  Skeletsubstanz • 348 

B.  Morphologischer  Bau  des  Skelets 350 

a.  Acanthometrecn 351 

ß.  Sphäroidskeletc 358 

)'.  Phaeodarienskelete 379 

ö.  MonopylaricnsKelete 3S4 

4.  Der  Weichkörper 402 

A.  Die  Centralkapscl 402 

B.  Intrakapsuläres  Plasma  und  seine  Einschlüsse 410 

ß.  Das  intrakapsuläre  Plasma 411 

ß.  Einschlüsse  mit  Ausnahme  der  Nuclci 413 

1.  Nichtcontractile  Vacuolen 413 

2.  Eiweisskugeln 415 

3.  Oelkugeln " 416 

4.  Pigmente 418 

5.  Concretionen  und  Krystalle 420 


Inhalt. 

Pag. 

y.  Die  Nuclei 421 

1.  Lagerung  im  Körper  und  Zahl 421 

2.  Bau  und  Vermehrung 424 

C.  Extrakapsuläres  Plasma,  seine  EinscJilüsse  und  Erzeugnisse  430 

1.  Das  Plasma  und  die  Gallerte 430 

2.  Einschlüsse 4-J4 

D.  Pseudopodien,  Nahrungsaufnahme  und  Bewegung.     .     .     .  437 

1.  Pseudopodien 437 

2.  Sarkodegeisscl  und  contractile  Fäden 4^0 

3.  Bewegung 442 

4.  Nahrungsaufnahme  und  Ernährung  überhaupt 444 

5.  Fortpflanzung 445 

A.  Theilung 445 

B.  Koloniebildung 446 

C.  Schwärmerbildung 449 

(').  Biologische  Verhältnisse 456 

A.  Parasiten 456 

B.  Regeneration 463 

C.  Missbildung  und  Deformation 463 

D.  Verhalten  bei  Reizung 464 

E.  Wohnortsverhältnisse 4156 

7.  Paläontologisches  Vorkommen 472 

B.    Klasse  Sporozoa 479 

Historische  Entwicklung  unserer  Kenn  tnisse 480 

Literatur 498 

I.  Unterklasse  (Jreg'ariiiida 503 

1.  Morphologische  und  sonstige  Charactere 503 

2.  Genauere  Schilderung  der  Gestaltung 504 

3.  Einzelne  Organ  i  sationselemente 508 

A.  Cuticula 508 

B.  Ectoplasma 510 

C.  Entoi^Iasma 516 

D.  Bewegung  und  Ernährung 518 

E.  Nuclei 522 

4.  Fortpflanzung 526 

I.  Fortpflanzung  der  nicht  intracellularen  Gregariniden    .     .     .  526 

A.  Vorbereitende  Erscheinungen,  Conjugation 526 

B.  Encystirung 531 

G.   Gestalt  der  Cysten  und  Beschaffenheit  ihrer  Hüllen 535 

D.  Sporulation 538 

E.  Weitere  Ausbildung  und  Bau  der  reifen  Sporen 547 

F.  Bildung  sichelförmiger  Keime 550 

G.  Wiederentwicklung  der  Gregariniden  aus  den  Sporen 552 

II.  Fortpflanzung  der  sog.  Coccidien 558 

5.  System 572 

6.  Verbreitung  und  Wohnortsverhältnisse 581 

II.  Unterklasse  Myxosporidia 590 

III.  Unterklasse  Sarcosporidia 604 

Anhang:  Sog    Microsporidien  (Peprinekörperchen) 614 


Einleitung*). 


Den  Namen  Protozoa  gebrauchte  zuerst  Goldfuss  (1820)  für  die 
auf  der  Stufenleiter  des  Systems  den  niedrigsten  Rang  einnehmende 
Abtheihing  des  grossen  Tbierreiehs.  Erst  1841  verwendete  Siebold 
diese  Bezeichnung  in  dem  Sinne,  welchen  sie  im  Wesentlichen  jetzt 
noch  besitzt,  während  Goldfuss  (und  Andere,  die  sich  ihm  anschlössen) 
nicht  wenige  der  heutigen  Metazoen  in  ihren  Protozoen  einbegriifen  hatten. 
(Näheres  hierüber  siehe  p.  1136  u.  ff.).  Die  Siebold 'sehen  Protozoen 
umfassten  die  Infusoria  der  älteren  Forscher  (0.  F.  Müller,  Ehren- 
berg und  Dujardin),  nach  Ausscheidung  der  Rotatorien  und  anderer, 
einst  irrthümlich  hierher  gerechneter  Metazoen,  sowie  derjenigen  einfach- 
sten Organismen,  welche  in  ihrem  physiologischer  Charakter  den  typischen 
Pflanzen  nahe  kamen.  Genaueres  über  die  allmähliche  Reinigung  der  Ani- 
malcula  infusoria  von  nicht  zugehörigen  Formen,  wie  sie  sich  im  Laufe  der 
Jahrzehnte,  von  Müller  bis  auf  Siebold  vollzog,  gibt  der  Abschnitt  über 
die  Geschichte  der  Infusorien,  auf  welchen  wir  verweisen.  Dort  wird  auch 
eingehender  erläutert,  dass  die  Abtheilung  gelegentlich  noch  andere  Namen 
erhielt,  wie  Microscopica  (Bory  de  St.  Vincent),  Zoophytes  in- 
fusoires  (Dujardin  und  Andere),  Archezoa  (Perty),  Micro- 
zoaires  (Frommen tel  und  Andere).  Auf  gewisse  andere  Benennungen 
wird  später  noch  hingewiesen  werden. 

Siebold  wurde  jedoch  nicht  nur  der  Pathe  der  Gruppe,  sondern  er 
ermittelte  auch  zuerst  den  gemeinsamen  Charakter,  welcher  die  mannig- 
faltigen Formen  derselben  verbindet  und  von  den  übrigen  Thieren  trennt. 


*)  Geschrieljeii  März  1888. 

Meine  ursprüngliche  Absicht,  in  der  Einleitung-  die  Grunderscheinungen  des  einfachsten 
Lebens,  Plasma,  Kern,  Zelle  und  ihre  Lebensäusserungcn  zu  behandeln  ,  wird  durch  den  Um- 
fang, welchen  das  Werk  allmählich  erreichte,  vereitelt.  Dem  mehrfach  geäusserten  Wunsch:  das 
Binden  der  ersten  Theile  des  Werks  zu  ermöglichen,  entgegenkommend,  beschränke  ich  mich 
in  den  einleitenden  Worten  auf  eine  Besprechung  der  Protozoen-  und  Protistenfrage.  Die 
baldige  Vollendung  der  Infusorien  erscheint  mir  wichtiger  wie  eine  weitere  Ausführung  der 
Einleitung. 

Bronn,   Klassen  des  Tliier- Reichs.    Protozoa.  '  A 


n  Protozoa. 

Seine  Definition  der  Protozoa  lautete:  „Thiere,  in  welchen  die  verschie- 
denen Systeme  der  Organe  nicht  scharf  ausgeschieden  sind,  und  deren 
unregelmässige  Form  nnd  einfache  Organisation  sich  auf  eine  Zelle  redu- 
ciren  lassen.''  Zu  dieser  scharfen  Umgrenzung  der  Gruppe  gelangte  S. 
hauptsächlich  dadurch,  dass  er  die  Spongien  nicht  mit  den  Protozoen  ver- 
einigte, wie  es  später  längere  Zeit  geschah.  Diese  Gruppe  fehlt  seinem 
System  überhaupt;  er  schloss  sie  also  von  dem  Thierreich  aus.  Dass 
Siebold  nicht  ganz  unvermittelt  zu  dieser  Auffassung  der  Protozoen  ge- 
langte, ihm  vielmehr  in  der  Rückführung  der  Protozoenorganisation  auf  das 
Zellenschema  Vorläufer  vorangingen  —  dass  ferner  die  Hypothese  vom 
einzelligen  Bau  der  Protozoen  sich  ihre  Begründung  eist  in  der  kommen- 
den Zeit  mühsam  erkämpfen  musste,  bis  sie  endlich  vor  etwa  einem  De- 
cennium  den  Sieg  erfocht  —  darüber  gewähren  die  historischen  Abschnitte 
der  einzelnen  Abtheilungen  genauen  Aufschluss.  Um  aber  die  Bedeutung 
der  Sieb  old 'sehen  Hypothese  voll  würdigen  zu  können,  möge  hier  der  An- 
sicht eines  der  grössten  Biologen  unseres  Jahrhunderts,  Job.  Müller 's, 
gedacht  werden ,  welcher  1841  (s.  Sporozoa  Nr.  99  p.  493)  bemerkte : 
dass  die  Existenz  einzelliger  Organismen  zwar  nicht  als  unmöglich  und 
absurd  zu  verwerfen  sei,  eine  solche  Annahme  jedoch  nach  dem  zeitigen 
Stand  unserer  Kenntnisse  ganz  unstatthaft  erscheine.  — •  Auch  später 
nahm  Müller,  obgleich  mehr  indirect,  an  der  Bekämpfung  der  Siebold'- 
schen  Lehre  lebhaften  Antheil. 

Die  von  Letzterem  aufgestellte  Charakteristik  der  Protozoen  kann 
noch  heute  ohne  sehr  wesentliche  Veränderung  gelten.  Jetzt  dürfen  wir 
die  Einzelligkeit  in  erster  Linie  betonen  und  etwa  sagen:  Als  Pro- 
tozoen bezeichnen  wir  die  Organismen,  welche  einfache  Zellen  oder 
Verbände  gleichgebildeter,  einfacher  Zellen  sind  und  sich  in  ihren  physio- 
logischen Lebensäusserungen  (Ernährung  und  Stoffwechsel  überhaupt, 
Reizbarkeit  und  Beweglichkeit)  den  typischen  mehrzelligen  Thieren  ähn- 
lich verhalten. 

Zwei  Punkte  dieser  Charakteristik  bedürfen  etwas  genauerer  Erläute- 
rung. Einmal  bemerkt  dieselbe,  dass  wir  nicht  nur  streng  einzellige,  sondei'u 
auch  in  ihrem  erwachsenen  Zustand  mehrzellige  Wesen  den  Protozoen 
beizählen.  Dadurch  wird  die  Grenze  gegen  die  mehrzelligen  Thiere  etwas 
verwischt.  Die  sogenannten  Gesellschaften  und  Kolonien ,  welche  mehr- 
zellige Verbände  darstellen,  haben  jedoch  ein  Recht  unter  den  Protozoen 
eingereiht  zu  werden,  so  lange  die  constituirenden  Zellen  sämmtlich  in 
Bau  und  Leistungen  übereinstimmen,  so  lange,  um  es  anders  auszu- 
drücken, eine  mit  Arbeitstheilung  verknüpfte  Differenzirung  fehlt.  Eine 
derartige  Gesellschaft  oder  Kolonie  bildet  keinen  einheitlichen  vielzelligen 
Organismus  wie  der  Leib  der  höheren  Thiere,  dessen  einzelne  Zellcon- 
stituenten  nicht  mehr  selbstständig  leben  können ,  da  sie  ausser  Stande 
sind ,  sämmtliche  physiologischen  Leistungen  allein  zu  tibernehmen.  Ob- 
gleich nun  die  mehrzelligen  Verbände  der  Protozoen  diesen  gleichmässigen 
Charakter   ihrer  Constituenten  fast  durchgängig  bewahren ,    begegnen  wir 


Einleitung-.  Hl 

doch  verein/elten  (Volvox,  Zoothamnium),  bei  welchen  dies  nicht  mehr 
völlig  zutrifft,  die  vielmehr  Anfänge  der  Differenzirung  und  damit  eine 
Aasbildungsstufe  erreichen ,  welche  über  die  Protozoennatur  hinausstrebt. 
Dies  kann  uns  nicht  überraschen,  da  ja  die  höheren,  d.  h.  die  mehrzelligen 
und  heteroplastiden  Organismen  zweifellos  aus  einzelligen  hervorgingen; 
scharfe  Grenzen  aber  nach  unserer  Vorstellung  über  die  Zusammenhänge 
der  Lebewesen  überhaupt  nur  auf  Unkenntniss  oder  der  Zerstörung  der 
Bindeglieder  beruhen  werden.  Dennoch  erhebt  sich  die  Frage,  ob  wir 
berechtigt  sind,  solche,  eine  gewisse  Difterenzirung  ihrer  Constituenten 
zeigende  Kolonien  den  Protozoen  unterzuordnen.  Dies  wird  meiner  An- 
sicht nach  erlaubt,  ja  nothwendig  sein,  so  lange  die  Differenzen  einen 
massigen  Grad  der  Complication  nicht  überschreiten;  wenn  die  betreffen- 
den Organismen  ferner  deutlichen  Anschluss  an  sichere  Protozoen  zeigen 
und  andererseits  nicht  zu  typischen  Heteroplastiden  überführen,  sondern 
isolirte  Seitenzweige  darstellen. 

Anders  liegt  die  Sache,  wenn  solch  ein  selbstständiger  Seitenzweig 
aus  den  Protozoen  heraus  zu  einem  relativ  hohen  Grade  der  Complication, 
analog  typischen  Heteroplastiden  sich  entwickelt  hätte.  Dann  erschiene 
es  jedenfalls  angezeigt,  ihn  nicht  mit  den  Protozoen  zu  vereinigen, 
sondern  als  selbstständigen,  den  übrigen  Heteroplastiden  coordinirten 
Stamm  zu  betrachten.  Ob  derartige  Vorkommnisse  wahrscheinlich  sind, 
soll  später  erörtert  werden. 

Wie  oben  bemerkt  wurde,  bedarf  noch  ein  zweiter  Punkt  unserer 
Charakteristik  der  Erläuterung.  Derselbe  bietet  grössere  Schwierigkeiten, 
und  von  seiner  Erledigung  wird  es  abhängen,  ob  die  wie  oben  um- 
schriebene Abtheilung  überhaupt  als  natürliche  betrachtet  werden  darf. 
Siebold  beginnt  nämlich  seine  Charakteristik  der  Protozoen  mit  der  Be- 
merkung, dass  sieThiere  seien;  auch  in  unserer  Definition  betont  der 
Schlusssatz  die  Thierähnlichkeit  ihrer  Lebensäusserungen. 

Diese  Einschränkung  des  Protozoenbegrift'es  ist  eine  physiologische, 
d.  h.  eine  solche,  welche  sich  nicht  auf  Bau  und  Structur  des  Organis- 
mus, sondern  auf  den  Verlauf  der  Lebensprocesse  und  Lebensäusse- 
rungen bezieht.  Ln  Allgemeinen  hat  man  schon  lange  erkannt,  dass 
physiologische  Charaktere  bei  der  Bildung  natürlicher  systematischer 
Gruppen  möglichst  zu  vermeiden  sind;  dass  vielmehr  die  morphologische 
Beschaffenheit  ausschlaggebend  ist.  Dies  stützt  sich  auf  die  wohlbegrün- 
dete Ueberzeugung,  dass  das  natürliche  System  auf  genealogischer  Basis 
beruht  und  die  Gruppenbildung  das  genealogisch  Uebereinstimmende,  d.  h. 
das  von  demselben  Ursprung  Herkommende  umgreifen  soll.  Da  nun  die 
Erfahrung  häufig  genug  lehrt,  dass  gleiche  Abstammung  und  daher  Zu- 
sammengehörigkeit sich  mit  physiologisch  difterenten  Leistungen  sehr  wohl 
verträgt,  so  ist  die  Einführung  physiologischer  Charaktere  stets  bedenk- 
lich, wenn  auch  von  vornherein  nicht  ganz  unzulässig. 

Dass  nun  gerade  für  die  Umgrenzung  der  Protozoen  ein  physiologi- 
scher Charakter  nothwendig  wurde,   beruht  auf  dem   Umstand,    dass  von 

A* 


IV  Protozoa. 

allen  Eigentliümlichkeiten  der  höheren  Thierwelt  nur  die  physiologischen 
verwerthbar  erscheinen,  um  zwischen  Lebewesen  wie  die  Einzelligen  — 
deren  Organisation  durch  eine  tiefe  Kluft  von  jener  der  heteroplastiden 
Thiere  geschieden,  ja  eigentlich  mit  derselben  unvergleichbar  ist  —  und 
jenen  Höheren  eine  Vermittelung  herzustellen. 

Dass  dies  geschah  und  man  auf  solcher  Grundlage  seit  alter  Zeit 
thierische  und  pflanzliche  Einzellige  zu  unterscheiden  suchte,  basirt  selbst 
wieder  darauf,  dass  man  bei  der  Begriffsbestimmung  von  Thier  und  Pflanze 
die  physiologischen  Leistungen  stets  in  den  Vordergrund  stellte,  dagegen 
die  morphologische  oder,  sagen  wir  besser  die  genealogische  Umgrenzung 
der  beiden  Reiche  erst  in  zweiter  Linie  beachtete,  diejenige,  welche  doch 
allein  die  naturgemässe  sein  kann. 

Während  nun  die  mehrzelligen  Pflanzen  und  Thiere  fast  ausnahmslos 
genügend  morphologische  Charaktere  aufweisen,  um  mit  Sicherheit  dem 
einen  oder  dem  anderen  Reich  zugetheilt  zu  werden,  versagte  dies 
Htilfsmittel  natürlich  auf  dem  Gebiet  der  Einzelligen.  Hier  entbrannte 
denn  auch  seit  alter  Zeit  der  Streit  über  die  Grenze  beider  Reiche,  über 
die  Zurechnung  der  einzelnen  Abtheilungen  zu  dem  einen  oder  dem  andern. 
Nach  dem  oben  Bemerkten  musste  im  Einzelfalle  natürlich  der  Grad  der 
thier-  oder  pflanzenähnlicheu  Leistungen  der  betreffenden  Organismen 
bei  der  Entscheidung  den  Ausschlag  geben.  Früh  genug  hatte  man 
sich  überzeugt,  dass  das  lang  gesuchte  absolute  Kriterium  zur  Unter- 
scheidung beider  Reiche  nicht  zu  finden  sei  und  dass  solch'  künstliche 
Versuche  keine  Beachtung  verdienten,  welche  in  der  Gegenwart  oder 
dem  Mangel  der  Cellulose,  der  contractilen  Vacuole  oder  sonstiger  ein 
zelner  Organisationstheile,  in  der  activen  Bewegung  oder  deren  Mangel, 
resp.  in  der  Art  der  Bewegung  und  dergleichen  mehr,  absolute  Unterschiede 
der  beiden  Reiche  erblicken  wollten. 

Entscheidenden  Aufschluss  in  dieser  Frage  könnte  nur  die  Erkennt- 
niss  des  genealogischen  Zusammenhangs  der  Gruppen  der  Einzelligen  unter 
einander  und  ihrer  Verbindung  mit  den  mehrzelligen  Thieren  und  Pflanzen 
gewähren.  Nur  auf  dieser  Grundlage  Hesse  sich,  wenn  auch  als  Wahr- 
scheinlichkeitsresultat, feststellen,  ob  die  Unterscheidung  einer  Abthei- 
lung thierähnlicher  Einzelligen  berechtigt  ist  und  ob  dieselbe  genea- 
logisch mit  den  typischen  mehrzelligen  Thieren  zusammenhängt,  und  ob 
ferner  den  gewöhnlich  mit  den  Pflanzen  vereinigten  Einzelligen  eine 
solche  Stellung  naturgemäss  ist.  A  priori  lässt  sich  nicht  bestreiten, 
dass  die  Differenzirung  der  beiden  organischen  Reiche  schon  auf  tiefster 
Stufe  der  Einzelligen  anheben  konnte,  ja  dass  die  Vorläufer  dieses  Entwick- 
lungsprocesses  vielleicht  heutzutage  gar  nicht  mehr  existiren,  demnach 
alle  Organismen  in  eine  der  beiden  genealogischen  Reihen  eingeschaltet 
werden  könnten.  Ein  solcher  Gedankengang  scheint  um  so  eher  be- 
rechtigt, als  thatsächlich  alle  Organismen  nur  zwei  Hauptentwicklungs- 
richtungen des  Lebens  zustreben,  der  thierischen  und  der  pflanzlichen; 
eine    dritte,    irgendwie   bestimmt   charakterisirte   nicht   zu   erkennen   ist 


Einleitung.  y 

Bevor  wir  eingehender  untersuchen,  welche  Wahrscheinlichkeits- 
schlüsse  unsere  zeitigen  Kenntnisse  in  dieser  Hinsicht  gestatten,  scheint 
es  angezeigt,  die  seitherigen  Meinungen  kurz  zu  charakterisiren,  wobei 
uns  natürlich  die  der  Zoologen  besonders  beschäftigen  müssen. 

Es  ist  nicht  unsere  Absicht,  an  dieser  Stelle  eine  ausführliche  historische  üebersicht 
der  Erörterungen  über  die  Grenzlinie  beider  Eeiche  im  Gebiet  der  Einzelligen  zu  geben.  Ein- 
gehenderes hierüber  bieten  die  historischen  Abschnitte,  welche  den  einzelnen  Protozoengruppen 
vorausgehen,  speciell  die  über  die  Flagellaten  und  Infusorien.  Ebensowenig  verweüen  wir 
bei  den  vielfach  wiederholten  Versuchen:  einzelne  Gruppen  der  Protozoen  oder  die  ganze 
Abtheilung  den  höheren  Thieren  oder  auch  den  Pflanzen  einzureihen  und  so  schliesslich  die 
Abtheilung  überhaupt  zu  streichen.  Auch  über  diese  schon  frühzeitig  auftretenden  Versuche 
gewähren  die  historischen  üebeiblicke  der  Einzelgruppen  speciellcren  Aufschluss,  namentlich 
möge  wieder  auf  den  Abschnitt  über  die  Infusorien  verwiesen  werden.  Erwähnt  werde  nur,  dass 
von  neueren  Forschern  besonders  L.  Agassiz*)  und  Milne-Edwards**)  für  die  gänzliche 
Auflösung  .  der  Protozoen  und  ihre  Vertheilung  auf  Pflanzen  und  Thiere  oder  gewisse 
Grujipen  der  höheren  Thierwelt  eintraten. 

Die  Ansichten  der  Forscher  über  die  Abgrenzung  der  beiden  Reiche  auf  dem  Gebiet 
der  Einzelligen,  resp.  über  die  Stellung,  welche  den  sog.  Protozoen  zu  oder  zwischen  beiden 
Eeichen  anzuweisen  sei,  bewegten  sich  in  zwei  Richtungen.  —  Die  meisten  Biologen  hielten 
daran  fest,  dass  die  Sonderung  beider  Reiche  bis  zur  tiefsten  Stufe  der  Lebewesen  hinab 
durchführbar  sei;  sie  vertraten  daher  im  Allgemeinen  die  Ansicht,  welche  oben  als  eine  mög- 
liche, wenn  auch  unerwiesene  bezeichnet  wurde.  Dass  die  Annäherung  beider  Reiche 
eine  sehr  weitgehende  sei,  erliannten  zwar  auch  diese  Forscher  meist  bereitwillig  an,  glaubten 
aber,  dass  bei  allseitiger  Berücksichtigung  des  Gesammtcharakters  eines  zweifelhaften 
Organismus  eine  Entscheidung  über  seine  Stellung  möglich  sei.  Es  soll  nicht  näher  er- 
örtert werden,  inwiefern  die  Gründe,  welche  den  einzelnen  Gelehrten  maassgebend  schienen, 
mehr  oder  weniger  künstlich  oder  natürlich  waren.  Wie  gesagt,  hatte  diese  Auffassung  ent- 
schieden die  Mehrzahl  der  Biologen  für  sich,  unter  denen  wir  hier  nur  Ehrenberg***), 
Dujardin,  Siebold,  Stein,  Carust),  Clapar ede-Lachmann,  Gegenbaur,  Claus, 
Huxley,  Kent  und  Künstlerff)  ausser  vielen  Andern  nennen. 

Nach  der  Art,  wie  die  Sonderung  der  beiden  Reiche  durchgeführt  werden  sollte,  trennten 
sich  die  Anhänger  dieser  Ansicht  selbst  wieder  in  zwei  Gruppen.  Fast  Alle  betrach- 
teten die  physiologischen  Leistungen  als  ausschlaggebend  und  beurtheilten  danach  die  Stellung 
zweifelhafter  Organismen.  Nur  Gegenbaurfft)  vertrat  eine  andere  Auffassung.  Er  hoffte 
auf  morphologischer  Grundlage  zu  einer  naturgemässen  Sonderung  der  beiden  Reiche  ge- 
langen zu  können.  Der  Bau  der  Gewebe  typischer  Thiere,  die  innigere  Vereinigung  ihrer 
Zellen  in  Verbindung  mit  tiefer  gehender  Diffcrenzirung  derselben  zu  verschiedenartigen 
Leistungen,  schien  ihm  den  wesentlichen  morphologischen  Charakter  der  Thierheit  zu 
bilden.     Im    Gegensatz    dazu    boten    die    pflanzlichen    Organismen    strengere    Individualisation 


*)  Siebe  Näheres  pag.  1156.     Dort  auch  über  ähnliche  Versuche  von  anderer  Seite. 
**)  Lebens  s.  la  jibysiologie  et  l'anatomie  comparee.  T.  IL  p.  13  u.  T.  V.  p.  289  u.  328  Anm. 
***)  Dass  die  Ansicht  Ehrenberg's  über  den  Umfang  des  Thierreichs  speciell  auf  dem 
Gebiet  der  Einzelligen  von  der  der  übrigen  Forscher  sehr  abwich,  kommt  hier  natürlich  nicht 
in  Betracht.     Um  so  entschiedener  vertrat  er,  auf  Grund  seiner  Meinungen,  die  absolute  Diffe- 
renz zwischen  den  beiden  Reichen. 

t)  System  der  thierischen  Morphologie.  Leipzig  1853. 
tt)  Les  origines  de  la  vie.  Journ.  de  Micrograpliie  T.  VIII. 
ttt)  ^^  animalium  plantarumque  regni  terminis  et  differentiis.  Programma  Jen.  1860.  Auf 
die  besondere  Bedeutung  der  Verschiedenheit  der  Gewebe  für  die  Charakterisining  der  beiden 
Reiche  hatte  Gegenbaur  schon  1858  in  seinen  Grundzügen  der  vergl.  Anatomie  hingewiesen, 
hier  jedoch  noch  einzellige  Thiere  anerkannt.  Für  das  Vorkommen  solcher  war  namentlich 
auch  J.  V.  Carus  1853  eingetreten  (System  der  thierischen  Morphologie). 


VI  Protozoa. 

(Sonderung)  der  constituirenden  Zellen  ihrer  Gewebe,  neben  einer  viel  geringeren  DifFerenzi- 
rung  derselben.  Auf  diesem  Wege,  welcher  unsere  Anerkennung  insofern  verdient,  als  er  von 
dem  richtigen  Gedanken  ausging,  dass  die  morphologischen  Charaktere  für  die  Abgrenzung 
natürlicher  Gruppen  vornehmlich  maassgebend  seien,  entschied  sich  Gegenbau r  dafür,  dass 
überhaupt  sämmtliche  einzelligen  Wesen  dem  Pflanzenreich  überwiesen  werden  müssten.  Zum 
besseren  Verständniss  dieser  Ansicht  muss  betont  worden,  dass  Gegenbaur  die  thierähn- 
lichsten  Protozoen,  wie  Infusorien  und  Rhizopoden,  für  Complexe  theilweis  verschmolzener 
Zellen  hielt  und  sie  daher  anstandslos  seinem  Thierreich  unterordnete.  —  Dass  G.'s  Ansicht 
keinen  Beifall  fand  —  nur  Häckel  stimmte  ihr  1S62*)  lebhaft  zu  —  lag  wohl  darin,  dass 
es  in  gewissem  Grade  willkürlich  erschien:  alle  Einzelligen  einfach  zu  Pflanzen  zu  stempeln. 
An  und  für  sich  wäre  gegen  die  vorgeschlagene,  morphologisch  schärfere  Umgrenzung  einer 
typischen  Thiergruppe  in  der  Gegenbaur'schen  Weise  nichts  einzuwenden  gewesen:  auch  lebte 
dieselbe  später  ihrem  Wesen  nach  in  der  Abtheilung  der  Metazoen  wieder  auf.  Es  schien 
aber  doch  sehr  fraglich :  ob  in  Betracht  der  ausgesprochenen  Thierähnlichkcit  zahlreicher  Ein- 
zelligen und  der  Zweifel,  welche  über  die  Ein-  oder  Mehrzelligkeit  vieler  sog.  Protozoen  noch 
bestanden,  der  Stamm  der  typischen  Thiere  nicht  noch  tiefer  abwärts  ins  Gebiet  der  Ein- 
zelligen zu  verfolgen  sei.  Denn  dass  die  mehrzelligen  Thiere  aus  einzelligen  Organismen  ent- 
standen seien,  war  auch  Gegenbaur's  Ansicht.  Wäre  aber  der  Stamm  des  Gegenbaur'schen 
Thierreichs  bis  auf  zweifellos  einzellige  Organismen  zu  verfolgen,  dann  erschien  es  unnatür- 
lich, alle  Einzelligen  den  Pflanzen  zu  überweisen. 

Ein  solcher  Gedankengang  lag  denn  auch  wohl  der  Kritik  zu  Grunde,  welche  vornehm- 
lich Claus**)  an  Gegenbaur's  Ansicht  übte,  obgleich  mehr  unbewusst;  denn  dass 
allein  die  genealogischen  Beziehungen  für  die  Entscheidung  maassgebend  sein  könnten,  wird  in 
seiner  Schrift  nicht  angedeutet.  Dieselbe  vertheidigt  vielmehr  hauptsächlich  die  Ansicht,  dass 
auch  Einzellige  mit  ausgesprochen  physiologisch-thierischer  Natur  existiren  dürften. 

Auf  einem  anderen  Wege  wurde  endlich  schon  seit  alter  Zeit  eine  Lösung  des  Dilemma 
versucht,  nämlich  durch  Aufstellung  eines  dritten  oder  Mittelreichs  der  Organismcnwelt,  dazu 
bestimmt,  die  niedrigsten  und  zweifelhaften  Formen  im  Gegensatz  zu  den  typischen  Thieren 
und  Pflanzen  aufzunehmen.  Wir  übergehen  hier  die  älteren  Versuche  in  dieser  Richtung. 
Schon  Buffon,  Münchhauscn,  Oken,  später  Bory  de  St.  Vincent  machten  Vorschläge 
in  dieser  Hinsicht,  über  welche  das  Genauere  in  dem  historischen  Abschnitt  über  die  Infu- 
sorien dargelegt  wurde.  Die  meisten  dieser  Bemühungen  waren  schon  deshalb  hinfällig, 
weil  sie  in  das  Mittelreich  mehr  oder  weniger  willkürlich  auch  echte  Thiere  von  pflanzen- 
ähnlichem Aeusseren  zogen.  Erst  in  neuerer  Zeit  erhoben  sich  wieder  Stimmen,  welche  die 
Schwierigkeiten  in  ähnlicher  Weise  zu  lösen  versuchten. 

Soviel  mir  bekannt,  ging  diese  Bewegung  von  Owen,  dem  verdienstvollen  englischen 
Morphologen  aus***).  ISßOf)  plädirte  derselbe  für  eine  grundsätzliche  Gegenüberstellung  der 
sog.  Protozoa  gegen  die  Reiche  derAnimalia  und  Vegetabilia.   Die  Protozoen  bildeten 


*)  Die  Radiolarien  p.  163.  Alles  Einzellige  gehöre  zu  den  Pflanzen.  Zweifelhaft  in 
ihrer  Stellung  seien  die  Spongien,  Gre  garinen  und  Myxom  ycetcn.  Gleichzeitiger- 
achtete er  es  auch  für  wahrscheinlich,  dass  die  bei  den  Thieren  verbleilienden  Protozoen  später 
in  mehrere  Gruppen  zerlegt  werden  müssten ,  dass  namentlich  die  Infusorien  und  Rhizopoden 
gesondert  zu  werden  verdienten,  ähnlich  wie  dies  s.  Z.  für  Coelenterata  und  Echinodermata 
geschehen  sei.  Es  handelte  sich  also  um  eine  Auflösung  des  Typus,  wie  sie  Carle  er  schon 
früher  (Ann.  des  universites  de  Belgique  II.  s.  I.  1858—59  p.  281)  vorgeschlagen  hatte,  der  den 
Protozoentypus  in  die  Infusoria  und  Rhizopoda  zerlegen  wollte.  Die  ersteren  seien  mit  den 
Polypen  (=  Coelenterata)  in  gewissem  Zusammenhang;  die  letzteren  bildeten  eine  Gruppe 
für  sich,  die  unterste  des  ganzen  Thierreichs. 

**)  Claus,  C. ,  Ueber  die  Grenze   des   thierischen  und  pflanzlichen  Lebens.     Marburger 
Programm  1864. 

***)  Einige    Erörterungen   über  die  Möglichkeit  eines   Mittelreichs  der  Einzelligen  linden 
sich  zwar  schon  bei  Carus  (System  der  thierischen  Morphologie  1853). 
t)  Palaeontology.  1.  Auflage  p.  4. 


Einleitung'.  VII 

ein    (IriUes     Eeicli    von    Lebewesen    indiUereiiter    Natur.      Er    betonte    nameutlicli ,    dass    sie 
meist   aus    einfachen    Zellen    bestünden.     Owen    rechnete   zu    seinen    Protozoen    die    Klassen 
der  Amorphozoa  (Spongia),  l\hizopoda  und  „die  meisten  der  Polygastrica  Ehreiiberg's" 
(einschliesslich  der  Diatomeen  und  Desmidiaceen).  —  Ihm  schloss  sich  J.  H egg  (1861)*) 
an,  oliue  etwas  Wesentliches  zuzufügen;   nur  sticss  er  sich  an  dem  Namen  Protozoa,  "welchen 
Owen   dem  indifferenten  Mittelreich  belassen   oder  gegeben  hatte,  da  es  doch  keine  Thicrc 
enthielte,   und   nannte   dasselbe   daher  Protoctista  {xxiaza  =  geschaffene  Dinge).     Owen 
fühlte  später  selbst  das  Bedürfniss  einer  andern  Bezeichnung  und  verwendete  daher  in  der  2.  Auf- 
lage seiner  Paläontologie  (1S61)  den  Namen  Acrita  (=  üudilferenzirte,  von  xqivm,  sondern). 
Auf  directe  Anregung  durch  Owen   ist  auch  die  Ansicht  der  Amerikaner  Wilson  und 
Cassin    (1862)**)    zurückzuführen.      Auch    sie    hielten    die    Errichtung    eines    Mittelreiches, 
Primalia    genannt,     für    noth wendig;    sie    glaubten,    dass    ihre    drei    Reiche    scharf   von 
einander  geschieden   seien.     Ohne   hier  genauer  auf  W.'s  und  C.'s  Erörterungen  einzugehen, 
werde  nur  betont,  dass  ihre  Primalia  sich  durchaus  nicht  mit  Owen's  Protozoa  oder  Acrita 
deckten;    nach    ihrer   Aufzählung    enthielten    dieselben   vielmehr  als  eigentlichen   Stamm   die- 
jenigen Pflanzen,  welche  jetzt  als  Thallophyta  bezeichnet  werden,  daneben  noch  die  Spongia. 
Jedenfalls    rechneten    sie    dazu    auch    Owen's    Protozoa,    doch    äussern    sie    sich    über   die- 
selben   nicht    spccieller.     W.'s  und  G.'s  Ansichten    gingen    daher    weit  über  Owen  und  alles 
spätere  hinaus;   ihre  Primalia  waren   unnatürlicher  als  alle   ähnlichen   Versuche. 

Seit     1866    vertrat    Häckel    die    Errichtung    eines    neutralen    Mittelreichs    der  Pro- 
tista    mit    besonderer     Wärme.      Man    kann     aber    schwerlich    behaupten,    dass    sein    Ge- 
dankengang,  wie  er  sich  1S66  in   der  generellen   Morphologie  offenbart,    ein  zutreffen- 
der war.     Von  vornherein  war  H.  überzeugt,  dass  die  Hauptgruppen  des  Organismensystems, 
die  beiden  oder  die  drei  Eeiche,  welche  er  jetzt  aufstellte,  unnatürliche  oder  künstliche  Ab- 
theilungen sein  müssten.     Er  erachtete  es  damals  für  sehr  wahrscheinlich,  dass  nicht  nur  die 
einzelnen  Stämme  oder  Phylen  seiner  Pflanzen  und  Thiere,  sondern  auch  die  Hauptgruppen  oder 
Stämme  des  Protistenreichs  selbstständig  und  getrennt  aus  den  niedersten  Moneren 
entsprungen  seien.  Die  Consequenz  dieser  Anschauung  hätte  naturgcmäss  zu  einer  Auflösung 
der   beiden  früheren   Reiche   und   zur  Errichtung  einiger  selbstständiger  Stämme  für  die  ver- 
meintlichen Protisten  führen  müssen,  schwerlich  aber  zur  Aufstellung  eines  dritten  künstlichen 
Reiches  neben  zwei  anderen,  gleichfalls  künstlichen.   Hierzu  lag  um  so  weniger  Nöthigung  vor, 
als  Häckel    selbst    anerkannte,    dass  man   thierische  und  pflanzliche  Protisten  unterscheiden 
könne.     Wenn   daher  die  beiden  Eeiche  der  Pflanzen  und  Thiere  künstliche  sind,   wie  ange- 
nommen wurde,  so  hätten  wohl  auch  die  Protisten  auf  sie  vertheilt  werden  können,   ohne  die 
Künstlichkeit   besonders    zu    vermehren.     Dieser  Schluss    scheint    um    so  gerechtfertigter,    als 
Häckel  nicht   versuchte,  seine  Protisten  morphologisch  schärfer  zu  charakterisiren ,  vielmehr 
nur  die  Einfachheit  der  Organisation  und  Fortpflanzung,   sowie  die  häufige  ünentschiedenheit 
des    physiologischen    Charakters    als    Eigenthümlichkeiten    des    Reiches    hervorhob.      Während 
Owen,  obgleich  nicht   ganz  consequent,   die  einzellige  Natur  seiner  Protozoon  betonte,   that 
dies  Häckel  keineswegs,  denn  er  überwies  typisch  einzellige  Algen,  wie  die  Protococcoi- 
deen  und  Desmidieen  ,  dem  Pflanzenreich,  andererseits  die  Infusorien  den  Tliieren,  obgleich 
deren  Mehrzelligkeit  viel  zweifelhafter  schien  wie  die  der  Radio laria  (seiner  damaligen  Auf- 
fassung   gemäss)     oder    gar    die    der    Spongien.      Demnach    ermangelte    das    Protistenreich 
Häckel's  von  1866   (Moneres,    sog.  Protoplasta  [Amöben  und  Gregarinen],  Diatomca, 
Flagellata,    Myxomycetes,    Noctiluca,    Rhizopoda  und  Spongiae)    eines  einheit- 
lichen morphologischen   und    daher   auch    genealogischen  Charakters    im  Sinne    des  Gründers 
selbst.   Für  seine  Errichtung  war  im  Wesentlichen  der  unentschiedene  physiologische  Charakter 
der  vereinigten  Gruppen  und  die  Einfachheit  ihrer  Organisation  ausschlaggebend.     Schien  der 
physiologische  Charakter  entschiedener  pflanzlich  oder  thierisch,  so  zögerte  Häckel  auch  bei 
einfachster  Organisation  der  betreffenden  Organismen  nicht,  sie  den  beiden  andern  Reichen  zu 


*)  On  the  distinctions  of  a  Plant  and  an  Animal,  and  on  a  fourth  kingdom  of  nature. 
Edinburgh  n.  philospli.  Journal  N.  s.  Vol.  XII. 

**)  On   a  third  kingdom  of  organizod   bcings.     Proceed.  Acad.  nat.  sciencc  Philadelphia 
1863.  p.  113. 


VIII  Protozoa. 

überweisen.  Man  wird  es  daher  auch  nicht  ungerechtfertigt  erachten,  dass  das  Protistenreich 
nicht  viele  Anhänger  fand.  In  der  Icommenden  Zeit  arbeitete  Häckcl  fortgesetzt  an  der  Ver- 
besserung des  neuen  Eeichs ,  und  es  gelang  ihm  denn  auch ,  dasselbe  in  mancher  Hinsicht 
natürlicher  zu  gestalten  und  einer  wirklichen  morphologisch  genealogischen  Gruppe  näher  zu 
fahren.  Dennoch  bildete  der  physiologische  Charakter,  rcsp.  dessen  angebliche  ünentschieden- 
heit,  welche  für  zahlreiche  Protisten  (man  denke  nur  an  die  Infusorien)  keineswegs  zutrifft, 
stets  maassgebend  für  Häckel's  Umgrenzung  der  Protisten.  Auch  in  seinem  letzten  Protisten- 
system  werden  wie  früher  die  einzelligen  Algen  ausgeschlossen.  Bis  zuletzt  hielt  er 
ferner  den  polyphyletischen  Ursprung  der  Protisten  für  das  Wahrscheinlichste  und  bezweifelte 
daher  selbst  ihre  Bedeutung  als  genealogische  Gruppe;  doch  gelang  es,  sie  wenigstens 
gegen  die  typischen  Thiere  schärfer  abzugrenzen.  Die  1868*)  den  Protisten  zugerechneten 
sog.  Phycochromaceae  der  Botaniker  wurden  später  (1875)**)  und  1878***)  wieder  aus- 
geschieden. Seit  1868  rechnete  er  dagegen  sämmtliche  Fungi  zu  den  Protisten,  wofür  neben 
dem  thierähnlichen  Stoffwechsel  hauptsächlich  die  angebliche  Kernlosigkeit  und  die  vermeint- 
liche Verwandtschaft  mit  den  Myxomyceten  maassgebend  schienen.  Wie  unsicher  sich 
Häckel  jedoch  hinsichtlich  der  Fungi  fühlte,  geht  daraus  hervor,  dass  er  sie  1875  wieder 
eliminirte,  1878  von  neuem  aufnahm.  Diese  Einreihung  aller  Pilze  unter  die  Protisten 
beeinträchtigte  unserer  Ansicht  nach  die  Natürlichkeit  der  Abtheilung  sehr.  Selbst  wenn  man 
zugibt,  dass  diese  Gruppe  direct  aus  einfachsten  Moneren  entsprungen  sei,  wäre  wegen  der 
eigenartigen,  hohen  Organisation,  welche  sie  im  Gegensatz  zu  allen  übrigen  Protisten  erlangt,  ihre 
Abtrennung  und  selbstständige  Stellung  angezeigt,  um  so  mehr,  als  Häckel  selbst  den 
polyphyletischen  Ursprung  seiner  Protisten  vertheidigte.  Dagegen  vermissen  wir  noch  1875 
(wie  früher)  unter  den  Protisten  die  Bacteriaceen.  Die  Spongien  wurden  seit  ihrer  Auf- 
fassung als  Coelcnteraten  entfernt.  Erst  1873  gesellten  sich  die  Infusorien  den  Protisten  zu, 
nachdem  mit  Aufstellung  der  Gastraeatheorie  der  sog.  Metazoen  die  ünhaltbarkeit  der  früheren 
Ansicht  über  die  Stellung  der  Infusorien  eclatanter  hervorgetreten  warf).  Dazu  hätte  es  aber 
wohl  der  Theorie  der  beiden  Keimblätter  der  typischen  Thiere  nicht  bedurft,  denn  die 
Furchung  ihrer  Eier  war  seit  langer  Zeit  und  die  Erfahrungen  über  die  angebliche  Nicht- 
existenz  dieser  Erscheinung  an  den  Eiern  oder  Keimen  der  Infusorien  schon  vor  1866 
genügend  bekannt. 

Gelegentlich  gab  Häckel  zu,  dass  es  ihm  gleichgültig  scheine,  ob  seine  Protista  als 
Protozoa  bezeichnet  und  dem  Thierreich  einfach  im  Gegensatz  zu  den  Metazoa  einverleibt 
würden,  oder  ob  sie  als  Protista  die  Eolle  eines  Mittelreichs  weiterführten  ff ).  Zwar  wären 
theoretisch  Protozoen  (d.  h.  die  genealogisch  directen  Vorläufer  der  typischen  Thiere)  von 
Protisten  (die  weder  mit  echten  Thieren  noch  Pflanzen  genealogisch  verknüpft  seien),  zu 
unterscheiden,  doch  sei  die  Durchführung  dieser  Scheidung  praktisch  ganz  unmöglich. 
Früher  zwar  hatte  er  mehrfach  versucht,  Protozoa  im  obigen  Sinne  aus  den  ehemaligen 
Protisten  zu  sondern f ff);  als  solche  schienen  die  Infusorien  und  seltsamer  Weise  die 
Gregarinen  gelten  zu  dürfen,  welchen  sich  dann  als  Ovularia  oder  Eithiere  diejenigen  hypo- 
thetischen Moneren  und  Amöben  zugesellten,  durch  welche  der  genealogische  Stamm  der  Thiere 
zur  Vielzelligkeit  emporgestiegen  sei. 

187S  endlich  nahm  Häckel  wieder  die  Protista  im  ganzen  Umfange  auf,  bestehend  aus 
den  14  Klassen  der:  Monera,  Lobosa,  Gregarinae,  Flagellata,  Catallacta, 
Ciliata,  Acineta,  Labyr inthulea,  Bacillariae,  Fungi,  Myxomycetes,  Tha- 
lamophora,  Heliozoa  und  Eadiolaria.  Dabei  betonte  er  nochmals,  dass  er  der  polyphy- 
letischen Entstehung  der  Protisten  den  Vorzug  gäbe. 


*\ 


*)  Monographie  der  Moneren.  IV.  Begrenzung  des  Protistenreichs.  Jen,  Ztschr.  IV.  1868. 
**)  Natürliche  Schöpfungsgeschichte  (3.  Auflage.  1875. 
***)  Das  Protistenreich.  1S7S. 

f)  Morphologie  der  Infusorien.  Jenaische  Zeitschr.  f.  Naturw.  Bd.  VIII,  1873. 
ff)   Nachträge  zur  Gastraeatheorie.  Jen.  Zeitschr.  XL  1877. 
ftf)  Morphologie  der  Infusorien  und  Schöpfungsgeschichte.  6.  Aufl. 


Einleitung.  IX 

Das  Häckel'sche  Prolistenreich  erwarb  sich  eine  Reihe  Anhänger,  auf  welche  einzugehen 
unnöthig  erscheint,  da  sie  den  weiteren  Ausbau  der  Lehre  nicht  förderten.  Fassen  wir  das 
über  die  Bestrebungen  zur  Gründung  eines  Mittel-  oder  Protistenreichs  Bemerkte  zusammen, 
so  fällt  das  Schwankende  in  der  Umgrenzung  der  Grupi^e  auf,  der  bald  einiges  zugefügt,  bald 
einiges  weggenommen  wurde.  Zwar  trat  die  ursprüngliche  Ansicht:  in  den  Protisten  eine 
ganz  künstliche,  vorwiegend  praktischer  Bedürfnisse  wegen  vereinigte  Gruppe  aufzustellen,  bald 
mehr  in  den  Hintergrund;  es  wurde  wenigstens  die  Möglichkeit  zugegeben,  dass  die  Pro- 
tisten selbst  monophyletisch  entstanden  und  daher  einer  genealogischen  Gliederung  und  einer 
Abgrenzung  gegen  die  beiden  höhern  Reiche  zugänglich  seien.  Dass  die  Monophylese  der 
typischen  Pflanzen  und  Thierc  die  naturgemässere  Hypotliesc  sei,  hatte  Häckcl  seit  Be- 
ginn der  70er  Jahre  gegen  früher  anerkannt.  Das  Schwankende  in  der  Umgrenzung  der  Pro- 
tisten rührte  wesentlich  daher,  dass  nicht  versucht  wurde,  sie  morphologisch  schärfer  zu  cha- 
rakterisiren.  Mit  der  Einreihung  der  Pilze  unter  die  Protisten  war  dies  unmöglich  geworden; 
ebenso  blieb  eine  morphologische  Abgliederung  gegen  das  Pflanzenreich  unmöglich,  denn  die 
einzelligen  Algen  morphologisch  von  gewissen  Abtheilungen  der  Protisten  zu  scheiden,  war 
undurchführbar.  —  Wollte  man  aber  andererseits,  wie  es  Häckel  gelegentlich  auch  bevor- 
zugte, die  Stämme  der  Pflanzen  und  Thiere  bis  zu  den  niedersten  einzelligen  abwärts  ver- 
folgen und  daneben  noch  eine  Reihe  niederer  Formen  als  neutrale  Protisten  festhalten,  so 
durfte  man  fragen,  mit  welchem  Recht  dies  geschehe?  Warum  die  Rhizopoden  neutrale  Pro- 
tisten sein  sollten,  während  die  Amöben  oder  ihnen  doch  entsprechende  in  den  genealogischen 
Stamm  der  Thiere  gehörten?  Wieso  die  Gregarinen  dazu  kamen,  als  Thiere  zu  fungiren,  ja  in 
die  Ursprungslinie  der  Metazoen  fielen?  Darauf  dürfte  schwerlich  eine  genügende  Antwort 
gegeben  werden  können.  Wodurch  sich  die  Monera  animalia  als  Stammväter  des  Thierreichs 
von  den  Monera  neutralia,  den  Eltern  der  neutralen  Protisten  unterscheiden,  dürfte  als  ein  un- 
lösbares Räthsel  erscheinen.  Dagegen  wäre  es  jedenfalls  besser  erschienen,  die  beiden  alten 
Reiche  zu  belassen  und  die  Einzelligen  nach  ihren  Charakteren  auf  dieselben  zu  vertheilen, 
so  gut  es  eben  ging ;  ähnlich  wie  dies  seit  alter  Zeit  gehalten  worden  war. 

Jedenfalls  erforderte  das  Protistenreich  so  gut  wie  die  beiden  anderen  Reiche  einen  ein- 
heitlichen morphologischen  Charakter.  Denn  dass  die  beiden  letzteren  überhaupt  von  ihnen 
abgesondert  wurden ,  heruhte  wenigstens  für  die  typischen  Thiere  darauf,  dass  ein  solcher 
gemeinsamer  und  höherer  Charakter  der  Organisation  nachweisbar  schien. 

Unserer  Ueberzeugiing  gemäss,  worin  wir  mit  Häckel  und  den 
meisten  Biologen  übereinstimmen,  ist  die  Frage  nach  der  Grenze  beider 
Eeiche  und  die  Stellung  der  Einzelligen  zu  denselben  nur  auf  genealogischem 
Wege  zu  lösen.  Inwiefern  unsere  heutigen  Kenntnisse  dazu  ausreichend 
erscheinen,  kann  mit  Recht  bezweifelt  werden.  Dennoch  muss  der  Ver- 
such gewagt  werden,  wollen  wir  anders  nicht  auf  jede  Lösung  und  eine 
Stellungnahme  in  der  Angelegenheit  verzichten.  Die  Möglichkeit  eines 
polyphyletischen  Ursprungs  der  Organismen  kann  nicht  geleugnet  werden. 
Irgend  ein  positiver  Nachweis  hierfür  scheint  aber  ausgeschlossen.  Zu 
einer  solchen  Annahme  könnte  demnach  nur  die  erwiesene  Unmöglichkeit 
eines  monophyletischen  Stammbaums  der  Organismenwelt  führen.  Für 
die  typischen  mehrzelligen  Thiere  und  Pflanzen  dürfte  die  Monophylese 
heutzutage  mehr  als  wahrscheinlich  sein;  für  die  Einzelligen  ist  ihre 
Möglichkeit  keineswegs  von  vornherein  zu  leugnen*). 


*)  Ich  bin  mir  wohl  hewusst,  dass  gerade  die  entgegengesetzte  Ansicht:  nämlich  der 
polyphyletische  Ursprung  der  Organismen,  und  im  Besonderen  der  der  Einzelligen,  von  Bio- 
logen, welche  viel  und  gut  über  diese  Frage  nachgedacht  haben,  vertheidigt,  ja  für  die  einzige 
wissenschaftliche  Möglichkeit  erklärt  wurde.  Abgesehen  von  Häckel  geschah  dies  nament- 
lich von  Nägeli   (s.  Mechanisch -physiologische  Theorie   der  Abstammungslehre   1884).     Ich 


X  Protozoa. 

Ueberscbancn  wir  dieselben  im  Liebte  unserer  beutigen  Erfabrungcn, 
so  scheint  sieb  viebnebr  ein  monopbyletischer  Zusanimenbang  der  Grui)pen 


glaube  daher  meinen  abweichenden  Standpunkt  ein  wenig  nälier  darlegen  zu  soUcn ,  um 
nicht  Gefahr  zu  laufen,  durch  blossen  Hinweis  auf  Nägeli's  Ansichten  anscheinend  wider- 
legt zu  werden.  N.  (p.  464)  erachtet  allein  die  Annahme:  dass  die  spontane  Erzeugung  ein- 
fachster Organismen  zu  allen  Zeiten  stattgefunden  habe ,  für  wissenschaftlich  begründbar.  Er 
bemerkt  dann  weiter:  „Wenn  einmal  aus  unorganischen  Stolfen  organische  Verbindungen  und 
Organismen  entstehen  konnten,  so  musste  dies  stets  eintreten,  wo  und  wann  jene  Bedingungen 
vorhanden  waren."  Dies  klingt  sehr  präcis  und  wäre  es  auch,  wenn  nicht  das  ganze  Fun- 
dament des  Schlusses  völlig  unbestimmt  erschiene.  Was  wissen  wir  denn  von  den  Bedingungen 
der  spontanen  Entstehung  einfachster  Organismen?  Nage  11  verweist  uns  zwar  auf  sein 
Kapitel  über  die  Urzeugung,  es  bedarf  aber  wohl  keines  Nachweises,  dass  dasselbe  von  jenen 
Bedingungen  durchaus  nichts  mitfheilt,  sondern  nur  einige  ganz  allgemeine  Erwägungen  dar- 
über anstellt,  was  man  sich  allenfalls  bei  dem  ganz  embryonalen  Stand  unserer  diesbezüglichen 
physikalisch- chemischen  Kenntnisse  über  eine  Urzeugung  denken  könne.  Da  wir  von  diesen 
Bedingungen  geradezu  nichts  wissen  —  höchstens  berechtigt  sind,  die  Möglichkeit  des  Ein- 
tretens geeigneter  Bedingungen  auf  Grund  unseres  Wissens  zuzugeben  —  so  lässt  sich  auch  vor- 
erst in  keiner  Weise  entscheiden,  ob  diese  Bedingungen  in  der  Entwicklungsgeschichte  unseres 
Planeten  nur  einmal,  mehrmals  oder  ob  sie  gar  stets  statthatten.  Da  Nägeli  letzteres  annimmt, 
und  seine  mechanisch-physiologische  Aljstammungstheorie  gleichzeitig  eine  fortwährende  Weiter- 
bildung einmal  entstandener  Organismen  zur  Voraussetzung  hat,  einen  Beharrungszustand  der 
Organismen  eigentlich  ausschliesst,  so  führt  ihn  dies  nothwendig  zur  Annahme,  dass  die 
Stämme  der  höchstentwickelten  Organismen  die  ältesten  sein  müssten,  die  einfachsten  dagegen, 
speciell  die  Einzelligen,  relativ  sehr  jungen  Datums.  Die  Einfachheit  letzterer  ist  eben  nach 
seiner  Ansicht  eine  Folge  ihrer  verhältnissmässig  jugendlichen  spontanen  Entstehung.  Im  Be- 
sonderen entwickelt  er  diesen  Gedanken  für  die  Schizophyceen.  Wie  gesagt,  scheint  mir 
theoretisch  keine  Nöthigung  zu  einer  solchen  Annahme  vorzuliegen;  auch  wäre  wohl  ein  viel 
grosserer  Kcichthum  an  verschiedenen  Stämmen  zu  erwarten ,  wenn  die  Sache  einen  solchen 
Verlauf  genommen  hätte. 

Wie  verhalten  sich  aber  dazu  die  paläontologischen  Thatsachen,  welche  uns  doch  allein  einen 
thatsächlichen  Maassstab  für  das  Alter  der  Stämme  geben?  Zunächst  lehren  dieselben  auf  das 
Bestimmteste,  dass  von  dem  Muss  einer  unltcdingtcn  Weiterbildung  keine  Eede  sein  kann.  Die 
Beispiele  der  Brachiopoden,  Gcphalopoden  und  anderer  Abthcilungcn  sind  zu  bekannt, 
um  hier  genauer  ausgeführt  zu  werden.  Vielleicht  wird  man  aber  einwerfen,  dass  dies  Abthei- 
lungen seien,  welche  seit  der  Urzeit  schon  rückschritten.  Wenden  wir  uns  zu  den  Protozoen 
selbst.  Da  finden  wir  denn,  dass  die  beiden  Abtheilungen  der  Ehizopoden  und  Kadio- 
larien,  über  welche  die  Paläontologie  Aufschluss  geben  kann,  schon  in  den  ältesten 
Ablagerungen  unzweifelhaft  vertreten  sind.  Wenn  auch  die  Ehizopodenfauna  der  älteren  pa- 
läozoischen Schichten  noch  immer  etwas  unsicher  erscheint,  so  beweist  doch  die  reiche  Mannig- 
faltigkeit der  Ehizopoden  der  Kohlenformation,  unter  welchen  sich  schon  höchstentwickelte 
Formen  finden,  zweifellos,  dass  der  Ursprung  der  beschälten  Ehizopoden  viel  tiefer  hinabreicht. 
—  Für  die  Eadiolarien,  welche  lange  nicht  über  die  Tertiärzeit  zurückverfolgt  werden 
konnten,  wissen  wir  jetzt,  dass  sie  in  den  ältesten  paläozoischen,  ja  cambrischen  Schichten 
vorkommen  (vergl.  Eust,  Palaeontographica  Bd,  31  ,  p.  271  und  Häckel,  die  Eadiolarien 
2.  Theil,  1S87).  Beide  Gruppen  lassen  ferner  erkennen,  dass  zwar  im  Allgemeinen  während 
dieser  langen  Zeit  ein  gewisser  Fortschritt  stattgefunden  hat,  dass  gewisse  Formen  erloschen, 
andere  sich  allmählich  difierenzirten  und  änderten,  dass  jedoch  über  den  Typus  der  Abthei- 
lung hinaus  keine  Fortbildung  geschah.  Letzteres  lässt  sich  mit  aller  Bestimmtheit  behaupten, 
da  heutzutage  keine  Organismen  existiren,  welche  als  entwickeltere  auf  diese  Gruppen  zurück- 
zuführen wären,  Während  eines  Zeitraums  also,  in  welchem  die  Ahnen  der  Säugethiere  von 
einer  fischähnlichen  Stufe  bis  zum  Menschen  fortgeschritten  sein  müssen  und  zu  dessen  Beginn 
noch  keine  phancrogame  Pflanze  existirte,  verharrten  diese,  wie  viele  andere  Gruppen  der  Thier- 


Kiuloiliiiif;-.  XI 

als  walirscbeinlich  zu  ergeben  und  damit  auch  eine  monophyletisclie  Ab- 
stammung der  ganzen  Orgauismenwelt-'').  Da  eine  Orientirung  über  die 
vermuthlichen  genealogischen  Zusammenhänge  am  kürzesten  und  präg- 
nantesten durch  die  Aufzeichnung  eines  Stammbaums  geschieht,  geben 
wir  unseren  Ideen  in  einem  solchen  Ausdruck,  ohne  damit  zu  verkennen, 
wie  viele  Schwierigkeiten  der  hypothetischen  Begründung  desselben  zur 
Zeit  noch  entgegenstehen  (s.  den  Holzschnitt  auf  d.  folg.  p.). 

Zur  Erläuterung  dieser  Aufstellungen  und  der  Schlussfolgerungeu, 
welche  denselben  für  unser  Thema  entspringen,  diene  das  Nachstehende. 

Die  Wurzel  aller  Einzelligen  suchen  wir  nicht  in  amöbeuavtigen  For- 
men, sondern  wie  es  im  Abschnitt  über  die  Verwandtschaftsverhältnisse 
der  Flagellaten  schon  früher  dargelegt  wurde,  in  Formen,  welche  durch 
ihre  Eigenthümlichkeiten  zwischen  den  Sarkodinen  und  den  Masti- 
gop hören  vermittelten  und  sich  vielleicht  noch  in  der  Gruppe  der 
Khiz  omastigoda  am  reinsten  erhielten.  Es  scheint  zur  Zeit  unnütz, 
darüber  speculiren  zu  wollen,  ob  diesen  Formen  noch  einfachere  voraus- 
gingen und  welchen  Bau  dieselben  eventuell  besassen  '''*). 

Dagegen  bedarf  die  Frage  nach  der  Berechtigung  der  sog.  Moneren- 
abtheiluug,   welche   Häckel   stets   als   die  primitivste  aller  Protisten  bc- 


welt  auf  wesentlicli  derselben  Bildungsstufe.  Beide  (jruijpcn  aber  sind  solclie,  welche  in  der 
Jetztwelt  noch  eine  ganz  bedeutende  Eolle  spielen,  für  welche  keinerlei  Anzeichen  des  Eiick- 
schritts  vorliegen. 

Ausser  den  Bacillariaceen  gibt  es  keine  weitere  Gruppe  der  Einzelligen,  welche  fossil 
ausgiebig  erhaltungsfähig  ist.  Die  Bacillariaceen  konnte  man  vorerst  nicht  sicher  liber 
die  Jurazeit  zuruckverfolgen  (vergl.  11  (Ist  1.  c).  Eine  triasische  Form  (Bactryllum)  ist  zweifel- 
haft. Wenn  es  auch  möglich  ist,  dass  sie  thatsächlich  nicht  iiltcr  sind,  oder  vielleicht  von 
Ahnen  abstammen,  deren  Zellhäute  unverkieselt  waren,  so  scheint  es  mir  doch  sehr  ge- 
rathen ,  weitere  Untersuchungen  abzuwarten ,  namentlich  im  Hinblick  auf  die  neueren  Erfah- 
rungen über  die  Radiolarien.  Die  paläontologischen  Ergehnisse  lehren  demnacli  gerade  das 
Entgegengesetzte  wie  Nägeli's  Theorie.  Sie  zeigen,  dass  Gruppen  der  Einzelligen  sich  seit 
uralter  Zeit  in  wesentlich  gleicher  Bildung  erhielten  und  zu  keiner  höhern  Entwicklungsreihe 
fnhrten.  Dieselbe  Möglichkeit  ist  demnach  auch  fiir  die  übrigen  Gruppen  nicht  ausgeschlossen 
und  die  Erwägung  eines  monophyletischen  Ursprungs  wird  dadurcli  nälier  gelegt. 

Ueberhaupt  lehrt  uns  der  Gesammtgang  der  paläontologischen  Entwicklung,  dass  stets 
nur  wenige  Formen  einer  Gruppe  (wenn  überhaupt  welche!  einer  aufsteigenden  Entwicklung 
in  erheblichem  Maasse  fällig  waren,  dass  die  grosse  Masse  dagegen  nie  mehr  über  den  be- 
schränkten Typus  ihres  Zweiges  hinausgelangte  ,  wenn  sie  nicht  überhaupt  ausstarb.  Worauf 
dies  eventuell  zurückführbar  scheint,  kann  an  dieser  Stelle  nicht  untersucht  werden. 

*)  üeber  die  Bedeutung  der  grossen  Uebercinstimmung  der  Kerntheilungsvorgänge  thie- 
rischcr  und  pflanzlicher  Zellen  für  die  Monophylese  vergl.  meine,  im  Anschluss  an  Stras- 
burger geäusserten  Bemerkungen  in  ,, Studien  über  die  Entwicklung  etc."  Abhandl. 
Senckenberg.  Gcsellsch.  Bd.  X.  1876  (p.  20G — 7  des  S.  A.'s).  Die  Schwierigkeit,  welche  da- 
mals noch  in  der  vermeintlichen  spontanen  Entstehung  von  Nuclei  erblickt  wurde,  besteht 
natürlich  heute  nicht  mehr. 

**)  Speculationeu  hierüber  findet  man  bei  Nägeli:  , .Mechanisch-physiologische  Theorie 
der  .Abstammungslehre"  1884,  welcher  ein  besonderes  Reich  der  Probien  oder  Urorganismen 
aufstellt,  die  einfachsten  ursprünglichsten,  jedoch  bis  jetzt  noch  ganz  unbekannten.  Mit  dieser 
Erwähnung  will  ich  jedoch  keineswegs  meine  Uebercinstimmung  mit  der  Nägeli'schen  Specu- 
lation  aussprechen. 


XII 


Protozoa. 


trachtete,  einer  kurzen  Erörterung.  Wie  die  frühem  Abschnitte  dieses 
Werkes  schon  zeigten,  vermied  ich  die  Aufstellung  einer  solchen  Gruppe, 
da  ich  ihre  Existenz  von  jeher  bezweifelte.  Bekanntlich  bildet  die  Kern- 
losigkeit  den  einzigen  Charakter  der  sog.  Moneren,  Vielehe  im  Uebrigen 
bald  mehr  flagellatenartig ,    bald   mehr  sarkodinenartig  erscheinen.     Die 


Typ.Thiere 


Höhere 
Pflanzen 


Vielzellige 


Spongiae  ; 


Frotococcoidea 

SaCillariaCea         /«  weitere  ein- 
xeär^e  Al^en 
(fracfifch  Desmin 


Infusoria  Choanoflag 


SchhopJit/cea 
BadericLcm 


Errichtung  der  Gruppe  fällt  in  eine  Zeit,  wo  die  Methoden  der  Kernnach- 
weisung sehr  wenig  ausgebildet  waren,  namentlich  aber  auch  die  That- 
sache  kaum  gewürdigt  Avurde,  dass  häutig  statt  eines  einzigen  an- 
sehnlichen Kernes  zahlreich  kleine  und  daher  schwer  nachweisbare  vor- 
handen sein  können.  Die  Erfahrungen  auf  botanischem  wie  zoologischem 
Gebiet,  sowohl  im  Bereich  der  Viel-  wie  der  Ein-zelligen  haben  seit  dieser 
Zeit  ergeben,  dass  die  Kerne  in  den  meisten  Fällen,  wo  sie  lange  ver- 
misst  wurden,  thatsächlich  nicht  fehlen.  Wenn  wir  auf  Gesetzmässigkeit 
in  der  Natur  überhaupt  bauen  dürfen ,  so  berechtigen  die  heutigen  Er- 
fahrungen zum  Schlüsse,  dass  mit  alleiniger  Ausnahme  der  Gruppen  der 
Schizophyceae  und  Bacteriaceae  am  allgemeinen  Vorhanden- 
sein der  Kerne  nicht  zu  zweifeln  ist.  Ich  hege  denn  auch  die  feste 
Ueberzeugung,  dass  bei  allen  angebhchen  Moneren  Hack  eis,  sofern  sie 
nicht  diesen  beiden  Gruppen  zugehören  (allein  die  Bacterien  zählt  übrigens 
Häckel    als    Tachymonera   der   Monerengruppe   zu)    der   angebliche 


Einleitung.  XIII 

Kernmangel  nur  auf  ungenügender  Erforschung  beruht.  Mir  begegnete 
bei  vielfachen  Studien  in  der  Welt  der  Einzelligen  wenigstens  niemals 
eine  Protamoeba  oder  eine  Protomonas,  und  anderen  Beobachtern  er- 
ging es  ähnlich  (s.  Entz*);  auch  Schmitz**),  der  sich  um  den  Nach- 
weis der  Kerne  niederer  Pflanzen  grosse  Verdienste  erwarb,  spricht  sich 
ähnlich  aus). 

Wie  es  aber  mit  der  anscheinenden  Kernlosigkeit  der  Schizophy- 
ceen  und  Bacteriaceen  steht,  bedarf  zweifellos  weiterer  Aufklärung. 
Die  Untersuchung  dieser  Gruppen  auf  Nuclei  oder  ähnliche  Einschlüsse 
wurde  lange  Zeit  sehr  vernachlässigt,  da  die  Frage  nach  den  Kernen  von 
den  Botanikern,  welchen  das  Studium  dieser  Abtheilungen  dem  Herkom- 
men gemäss  oblag,  bis  in  die  jüngste  Zeit  wenig  beachtet  wurde.  Zwar 
wurden  die  Bacterien  neuerdings  der  Gegenstand  zahlloser  Untersuchungen, 
die  aber  hauptsächlich  von  Gesichtspunkten  ausgingen,  welchen  morpho- 
logische Fragen  fern  lagen  und  denen  gleichzeitig  ein  weiterer  Ausblick 
auf  die  Welt  der  verwandten  niederen  Organismen  mangelte. 

Immerhin  zeigten  die  Untersuchungen  von  Schmitz***),  dass  das 
Plasma  der  Schizophyceae  stark  färbbare  kleinere  oder  grössere 
Körnchen  in  verschiedener  Zahl  enthält,  die  manchmal  auch  in  einer 
Gruppe  zusammenliegen.  Zwar  zweifelt  Schmitz  an  der  Kernnatur 
dieser  Einschlüsse,  obgleich  er  sie  früher  (1879)  für  echte  Nuclei  gehalten 
hatte.  Ich  erachte  es  aber  doch  für  möglich,  dass  diese  Körper  Nuclei 
einfachster  Art  entsprechen,  d.  h.  dichte  Nucleinkörner  sind.  Auch  sehr 
verdichtete  kleine  Kerne  oder  Kernfragmente  unzweifelhafter  Natur  er- 
scheinen bei  Infusorien  etc.  als  kleine  stark  färbbare  Körner.  Auch  für 
die  Bacterien  liegt  die  Frage  keineswegs  klar,  was  de  Baryj)  an- 
erkannte. Färbbare  Körner  sind  im  Plasma  gewisser  Bacterien  nachweis- 
bar; ihre  Bedeutung  ist  jedoch  vorerst  ähnlich  unsicher,  wie  die  der 
Oscillarien  und  Verwandten.  Wir  können  aus  dem  Ermittelten  nur 
schliessen,  dass  selbst  für  die  beiden  letzterwähnten  Gruppen  der  Kern- 
mangel zweifelhaft  ist.  Daher  scheint  die  Möglichkeit  vorerst  nicht  aus- 
geschlossen, dass  der  Aufbau  aus  Plasma  und  geformter  Kernsubstanz 
überhaupt  eine  Auszeichnung  alles  Lebenden  ist. 

Bei  diesem  Stand  der  Forschung  vermag  ich  eine  Abtheilung  der 
Monera  als  Ausgangspunkt  der  höheren  Einzelligen  nicht  zu  rechtfertigen. 

Unsere  Gründe  für  die  Ableitung  der  Gruppen  der  Bacterien, 
Schizophyceen,  Sarkodinen,  Myxomyceten  und  wahrscheinlich 
auch  der  Chytridiaceen  (wenigstens  z.  Th.)  wurden  im  Abschnitt  über 
die   Verwandtschaftsbeziehungen   der  Flagellaten   eingehender   darge- 


*)  Entz,  Studien  über  Protisten  I.  Th.  Pestli  1888.  p.  254—55. 
**)  Schmitz,   ßesultatc  seiner  Untersuch,  über  die  Zellkerne  der  Thallophyten.   SitzLer. 
der  niederrh.  Gesellsch.  f.  Nat.  u.  Heilk.  1879. 

***)  ibid.  1880  Untersuch,  über  die  Structur  des  Protoplasmas  u.  d.  Zellkerne  der  Pflanzen- 
zellen. 

f)  Vorlesungen  über  Bacterien  1885  p.  3. 


XIV  Protozoa. 

legt  (s.  p.  803  ff.).  :5ie  hatten  sich  im  Allgemeinen  der  Zustimmung  eines 
unserer  hervorragendsten  Botaniker,  de  Bary's  zu  erfreuen*).  Dass  die 
Myxomyceten  wohl  in  directerer  Beziehung  zu  dem  Stamm  der  Sarko- 
dinen  stehen,  bedürfte  heutzutage  keiner  besonderen  Belege  mehr,  da  die 
Ansicht  über  deren  Nichtzusamineuhang  mit  den  eigentlichen  Pilzen  sich 
mehr  und  mehr  befestigt. 

Auf  die  Frage  nach  der  Beziehung  und  Ableitung  der  eigentlichen 
Pilze  einzugehen  vermag  ich  nicht.  Weder  meine  Kenntniss  dieser  Gruppe 
berechtigt  mich  hierzu,  noch  dürfte  es  der  Stand  unserer  Erfahrungen 
gestatten.  Es  bleibt  daher  competenterem  Urtheil  anheimgestellt,  zu  ent- 
scheiden ,  ob  die  höheren  mehrzelligen  Pilze  ganz  oder  zum  Theil  von 
den  Chytridiaceen  abzuleiten  sind.  Aber  auch  zugegeben,  dass  dies 
so  sei,  so  würde  die  Eeihe  der  höheren  Pilze  als  ein  selbstständiger 
Zweig,  der  aus  niederem  Ursprung  erwachsen  ist,  zu  betrachten  sein,  der 
wegen  der  Höhe  der  Organisation,  welche  er  erlangte,  ein  Recht  besitzt, 
als  besonderer  Stamm  von  den  Einzelligen  getrennt  zu  werden.  Ich 
glaube  aber,  die  Botaniker  werden  für  viele  der  höheren  Pilze  die  Mög- 
lichkeit der  Ableitung  und  des  Anschlusses  an  typische  Pflanzen  natur- 
gemässer  erachten. 

Ueber  die  Herleitung  des  Mastigophorenstammes  aus  der  an- 
gegebenen Wurzel  werden  schwerlich  ernstliche  Meinungsverschiedenheiten 
bestehen,   ebensowenig   auch  über  seine  Gliederung  in  die  verschiedenen 


*)  de  Bary,  Vergl.  Morphologie  uad  Eiologie  der  Pilze,  Mycetozoeii  und  Bacterieu. 
1884,  p.  417  ff.  und  p.  513.  Dass  die  Scliizopliyceen  eine  isolirte,  mit  höheren  eigentlichen 
Pflanzen  nicht  in  Verbindung  stehende  Gruppe  sind,  erkennt  auch  Nägeli  an  (Mechaniscli- 
physiologische  Abstammungslehre).  Dass  ein  gewisses  Maass  von  Zelldifferenzirung  bei  einem 
Theil  dieser  Gruppe  zur  Ausbildung  gelangte,  kann ,  da  es  einen  massigen  Grad  nicht  über- 
schreitet, nicht  wohl  Veranlassung  geben,  sie  von  den  übrigen  Einzelligen  zu  trennen.  Dies 
wäre  anders,  wenn  höiicrc  Gruppen  auf  diese  Wurzel  rilcliführbar  wären,  was  thatsächlich 
nicht  der  Fall  zu  sein  scheint. 

Die  schon  früher  und  hier  wieder  besprochenen  Beziehungen  der  Bacteriaceen  zu  den 
ursprünglicheren  Flagcllaten  wurden  eine  wichtige  Bestätigung  erhalten,  wenn  sich  Künstler's 
Schilderung  eines  eigenthümlichen  parasitischen  Organismus,  Bacterioidomonas  spori- 
fera  Kstl.  bestätigte.  Das  im  Blinddarm  des  Meerschweinchens  gefundene  Wesen  nimmt  nach 
K.'s  Beschreibung  sowohl  durch  seinen  Bau  wie  wegen  der  endogenen  Sporenbildung  eine  ver- 
mittelnde Stellung  zwischen  primitiven  Flagcllaten  und  endosporen  Bacterien  ein.  Es  soll  aber 
einen  deutlichen  Nucleus  besitzen  und  eine  Länge  von  0,024  erreichen  (s.  Journal  de  Micro- 
graphie  T.  YIII.  1884  p.  376).  Bei  dieser  Gelegenheit  möchte  ich  mich  verwaliren  gegen  die 
gelegentliche  Besprechung  de  Bary's  und  meiner  Ansichten  über  die  verwandtschaftlichen  Be- 
ziehungen der  Bacterien  (s.  Fisch  im  Biolog.  Centralblatt  Bd.  V.  1S85  p.  97),  welche  den 
Anschein  erweckt,  als  hätten  de  Bary  und  ich  gleichzeitig  und  unabhängig  Aehnliches  über 
diesen  Gegenstand  geäussert.  Das  Umgekehrte  ist  das  Richtige.  Wie  de  Bary  selbst  hervor- 
hebt, war  ihm  meine  Erörterung  in  dem  Abschnitt  über  die  Flagcllaten  bekannt.  Ob  de  Bary 
selbstständig  zu  ähnlichen  Ansichten  gelangte,  wie  die  Form,  in  welcher  er  meiner  gedenkt  — 
er  spricht  davon,  dass  auch  ich  derartige  Ansichten  ausgesprochen  hätte  —  anzudeuten 
scheint,  ist  an  und  fiir  sich  gleichgültig,  da  meine  Publication  vorlag,  darf  jedoch  wohl  be- 
zweifelt werden. 


Einleitung.  XV 

Hauptzweige    der   Flagellata,    Dinoflagellata,    Cli  oauoflagel- 
lata  und  Cy  stofl  agellata. 

Unsicherer  bleibt  leider  noch  die  Ableitung  der  lufusoriengruppe. 
Vermittelnde  Formen,  welche  den  Zusammenhang  mit  niederen  Einzelligen 
herstellten,  sind  nicht  bekannt.  Genauer  wird  diese  Schwierigkeit  bei 
der  Erörterung  der  verwandtschaftlichen  Beziehungen  der  Infusorien  dar- 
zulegen sein;  je:lenfalls  deutet  alles  darauf  hin,  dass  die  Gruppe  weder 
einem  der  difterenzirteren  Zweige  der  Mastigophoren,  noch  einem 
der  tieferen  Seitenzweige  des  Hauptstamms  entsprossen  ist.  Die  versuchte 
Herleitung  aus  dem  Hauptstamm  gründet  sich  daher  mehr  auf  Exclusion 
wie  auf  den  Nachweis  directer  Beziehungen.  Die  Vorstellung,  dass  die 
Infusorien  aus  mastigophorenähnlichen  Formen  entstanden ,  welche  zahl- 
reiche Geisseifäden  auf  der  gesammten  Körperoberfläche  entwickelten, 
scheint  vorerst  die  naturgemässeste.  Immerhin  bleibt  die  Abzweigungs- 
stelle des  Infusorienstnmms  noch  recht  fraglich,  da  sie  auch  beträcht- 
lich tiefer  gelegen  sein  könnte.  Dagegen  ist  zweifellos,  dass  die  Infu- 
soriengruppe isolirt  ausläuft,  dass  höhere  Formen  an  sie  nicht  anschliessen. 
Es  verdient  dies  besondere  Betonung  im  Hinblick  auf  die  immer  wieder- 
kehrenden Versuche,  sie  mit  den  Metazoen  in  einen  unnatürlichen  Zu- 
sammenbang zu  bringen. 

Einzelne  Zweige  des  Mastigophorenstamms  führten  ohne  Zweifel  zu 
neuen  und  bedeutungsvollsten  Entwicklungsrichtungen.  Als  ein  isolirter, 
in  sich  abgeschlossener  und  zu  höheren  Formen  nicht  aufsteigender  Ast 
begegnen  wir  den  Bacillariacea,  deren  vermuthliche  Beziehung  zu 
den  Dinoflagellata  bei  diesen  näher  dargelegt  wurde  (s.  p.  1001)*). 
Unsicher  ist  die  Herleitung  der  Sporozoa,  deren  Beziehungen  noch 
in  tiefes  Dunkel  gehüllt  sind.  Im  Abschnitt  über  die  verwandtschaft- 
lichen Beziehungen  der  Flagellaten  (p.  807)  wurde  die  hier  reproducirte 
provisorische  Ableitung  etwas  näher  zu  begründen  versucht;  wir  verweisen 
daher  auf  das  dort  Bemerkte.  Es  ist  aber  keineswegs  unmöglich,  dass 
die  Sporozoa  sich  schon  viel  früher  von  dem  Hauptstamm  abzweigten, 
etwa  in  der  Gegend  des  Chytridiaceenastes.  Auch  gilt  alles  Bemerkte 
nur  für  die  Gregariniden,  da  die  Beziehungen  der  übrigen  sog.  Sporozoen- 
abtheilungen zu  den  ersteren  selbst  noch  sehr  zweifelhaft  sind. 

Zweifellos  ist  dagegen  der  Zusammenhang  der  Protococcoidea 
mit  den  Phy tomastigoda,  welche  ja  von  den  Botanikern  gewöhnlich 
mit  den  erstem  vereinigt  werden.  Gleich  sicher  erscheint  wohl  auch  die 
Ableitung  des  grossen  Stamms  der  höhern  mehrzelligen  Pflanzen  aus  diesen 
Einzelligen.  Zweifelhaft  bleibt  meines  Erachteus  vorerst  die  Beziehung 
der  Conjugaten  zu  den  Protococcoidea.  Die  Möglichkeit  scheint 
nicht  ausgeschlossen,   dass  diese  Algen   einen   besonderen  Ursprung  aus 


*)  Dass  die  Bacillariaceen  ein  isolirter  Zweig  sind,  der  mit  liölicren  Gruppen  keiner- 
lei Connex  besitzt,  wird  von  den  Botanikern  wolil  allgemein  anerkannt.  So  betont  es  t.  B. 
auch  Nägeli  (Mechaniscli-pliysiolog.  Abstamuuingslehre  1S84)  bestimmt. 


XVI  Protozoa. 

holopbytischen  Mastigophoren  besitzen,  doch  wage  ich  in  dieser  Hinsicht 
kein  bestimmtes  Urtheil. 

Bei  Besprechung  der  Choanoflagellata  (s.  p.  901)  wurde  dar- 
gelegt, dass  uns  die  Beziehungen  der  Spongien  zu  dieser  Gruppe 
zweifellos  erscheinen;  wie  auch,  dass  die  übrigen  Metazoa  eine  selbst- 
ständige Entwicklung  neben  den  Spongien  genommen  haben  dürften,  Dass 
der  Ursprung  derselben  gleichfalls  auf  die  Mastigophora  zu  führen  scheint, 
wurde  schon  angedeutet.  Dieser  Schluss  beruht  gleichfalls  mehr  auf  Ex- 
clusion  als  auf  directen  Belegen  durch  Uebergangsformen,  welche  fehlen. 
Die  Möglichkeit  eines  Zusammenhangs  der  Wurzel  des  Spongienzweiges 
mit  den  eigentlichen  Metazoa  soll  nicht  bestritten  werden.  Nähere  Auf- 
klärungen über  diese  Frage  kann  ja  doch  nur  die  Zukunft  bringen. 

Wie  gestaltet  sich  aber  auf  Grund  dieser  Ergebnisse  über  die  Genea- 
logie der  Organismen  die  Frage  nach  dem  Umfang  der  Protozoen  in 
ihren  Beziehungen  zu  den  typischen  Pflanzen  und  Thieren?  Zunächst 
scheint  klar,  dass  eine  Zerlegung  der  Einzelligen  in  zwei  von  Beginn  ge- 
trennte Stämme  der  thierischen  und  pflanzlichen  undurchführbar  ist,  wenn 
nicht  etwa  am  Beginn  der  Isomastigoden  eine  sehr  künstliche  Grenze  er- 
richtet werden  soll.  Auch  dann  aber  blieben  jedenfalls  die  Euglenoidina 
mit  zahlreichen   holopbytischen   Formen   bei   den  thierischen  Einzelligen. 

Erweist  sich  also  die  Scheidung  der  Einzelligen  nach  ihrem  thierischen 
oder  pflanzlichen  Charakter  und  ihrem  genealogischen  Zusammenhang  mit 
den  typischen  Thieren  und  Pflanzen  als  unthunlich  und  ohne  Zwang 
nicht  durchführbar,  so  dürfte,  wenn  überhaupt  nicht  auf  eine  natürliche 
Gruppenbildung  in  der  Organismenwelt  verzichtet  wird,  die  Zusammen- 
fassung aller  einzelligen  Wesen  zu  einer  Gesammtabtheilung  im  Gegensatz 
zu  den  typischen  mehrzelligen  Thieren  und  Pflanzen  das  naturgemässeste 
erscheinen. 

Ein  consequentes  Bestreben  nach  möglichst  natürlicher,  der  Genea- 
logie entsprechender  Grnppirung  der  Organismen  führt  uns  so  zur  Aner- 
kennung des  Mittelreiches,  der  Häckel'schen  Protisten  in  modificirtem 
Sinne.  Obgleich  ich  überzeugt  bin,  dass  in  der  Praxis  auf  nicht  abseh- 
bare Zeit  die  Welt  der  Einzelligen  je  nach  Bedttrfniss  und  Herkommen 
zwischen  Botanik  und  Zoologie  getheilt  werden  wird,  kann  ich  mich 
obiger  Consequenz  vom  theoretischen  Standpunkt  aus  doch  nicht  entziehen. 
Auch  jeder  Classification  auf  genealogischer  Grundlage  klebt  insofern 
etwas  Willkürliches  an,  als  wir  gezwungen  sind,  Gruppen  beginnen 
zu  lassen ;  wo  dies  geschehen  soll,  wird  stets  Sache  des  Uebereinkommens 
bleiben  und  um  so  willkürlicher  erscheinen,  je  zahlreicher  die  Uebergangs- 
formen sich  erhielten.  Bei  dem  Bestreben,  naturgemässe  Grenzen  der 
systematischen  Gruppen  zu  finden,  kann  uns  wohl  nur  der  Grundsatz 
leiten,  dem  Inhalt  jeder  Gruppe  ein  einheitliches  morphologisches  Gepräge 
zu  geben,  d.  h.  nichts  aufzunehmen,  was  in  seinem  Bau  weit  über  die 
Organisation  der  Mehrzahl  hinausgeht,  ebenso  aber  auch  nichts  auszu- 
schliessen,  was  seiner  morphologischen  Entwicklung  nach  in  den  Rahmen 


Einleitung.  XVII 

der  Gruppe  fällt.  Diesem  Grundsatz  gemäss  würde  ich  zu  einem  natür- 
lichen Reich  der  Urwesen  oder  Einzelligen  auch  diejenigen  seither  dem 
Pflanzenreich  zugerechneten  Organismen  ziehen,  welche  sich  in  ihrer 
morphologischen  Entwickluiig  nicht  über  die  Einzelligen  erheben,  also  vor 
allem  die  Protococco  idea  und  andere.  Die  Grenze  gegen  die  typische 
Pflanzenwelt  wäre  dann  erst  da  zu  statuiren,  wo  eine  Difl'eienzirung  der 
Zellverbände  zu  verschiedenartigen  Leistungen  anhebt,  was  sich  zuerst 
darin  ausspricht,  dass  nur  gewisse  Zellen  die  Fortpflanzung  übernehmen, 
zu  typischen  Propagationszellen  werden.  Schon  früher  wurde  betont,  dass 
diese  Differenzirung  auch  bei  einzelnen  Formen  eintritt,  welche  wir  von 
den  übrigen  Einzelligen  nicht  scheiden  können,  dass  dies  jedoch  insofern 
ohne  Belang  ist,  als  diese  Formen  isolirte  Ausläufer  bilden,  während  sich 
an  die  echten  mehrzelligen  Pflanzen  eine  reiche  Weiterentwicklung  an- 
schliesst. 

In  diesem  Punkt  wäre  ich  demnach  geneigt,  den  Umfang  des  Reiches 
der  Einzelligen  weiter  zu  ziehen  als  es  Häckel  thut,  da  ich  die  morpho- 
logische Uebereinstimmuug  der  Einzelligkeit  oder  die  homoplastide  Aus- 
bildung als  Grundcharakter  der  Gesammtheit  betrachten  muss.  Dass  sich 
jedoch  eine  solche  Umgrenzung  des  Reiches  in  der  Praxis  Geltung  er- 
werben dürfte,  glaube  ich  nicht.  Der  Zusammenhang  der  Einzelligen  von 
entschieden  physiologisch  pflanzlichem  Charakter  mit  den  echten  mehr- 
zelligen heteroplastiden  Pflanzen  ist  zu  innig,  als  dass  man  sich  bequemen 
wird,  einer  solchen  Abgrenzung  zuzustimmen,  welche  ja  auch  nur  auf  dem 
Bedürfniss  beruht,  eine  Grenzmarke  zu  ziehen.  Man  wird  daher  in  der 
Praxis  wohl  vorziehen,  das  Pflanzenreich  mit  denjenigen  Einzelligen  be- 
ginnen zu  lassen,  welche  physiologisch  den  höheren  Pflanzen  entsprechen, 
d.  h.  holophytisch  leben  und  während  der  längeren  Periode  ihres  Lebens 
unbeweglich  sind.  Die  Abgrenzung  der  Einzelligen  gegen  die  hetero- 
plastiden Thiere  ist  dagegen  scharf,  da  hier  Uebergangsformen  nicht 
mehr  existiren  oder  doch  unbekannt  sind. 

Diejenigen  Abtheilungen  der  Einzelligen  aber,  welche  wir  in  diesem 
Werk  als  Protozoen  beschreiben,  haben  kein  Anrecht  als  eine  na- 
türliche Gruppe  zu  gelten.  Es  sind  die,  ihres  mehr  physiologisch- 
thierischen  Charakters  wiegen  seither  conventioneil  unter  die  Thiere  auf- 
genommenen und  beschriebenen  Gruppen,  von  welchen  aber  nicht 
wenige  Angehörige  dem  pflanzlichen  Leben  physiologisch  sehr  nahe 
treten.  Diese  Gruppen  sind  die  Sark  odina,  Mastigophora,  Spo- 
rozoa  und  Infusoria.  Es  bleiben  demnach  zum  mindesten  die  Ab- 
theilungen der  Bacteriacea  mit  den  sich  höchst  wahrscheinlich  an- 
schliessenden Schizophycea,  die  Myxomycetes  und  Bacillaria- 
ceae,  welche  Anrecht  auf  Betrachtung  hätten.  Dass  dies  nicht  ge- 
schehen, dass  dies  Werk  nicht  zu  einem  solchen  über  die  einzelligen 
Urwesen,  die  Protisten  überhaupt,  erweitert  wurde,  dürfte  keinen  Anstoss 
erregen,  da  es  nicht  seine  Aufgabe  war,  eine  Reform  durchzuführen, 
sondern  die  sog.  Protozoen,  wie  sie  im  historischen  Gange  unserer  Wissen- 
Bronn,  Kiasseu  des  Tliier-Reichs.    Protozoa.  B 


XVIII  Protozoa. 

Schaft  allraählicli  entstanden,  soweit  möglich,  erschöpfend  darzustellen. 
Wie  wir  uns  aber  deren  Beziehungen  zu  den  übrigen  Einzelligen  und  den 
höheren  Organismen  denken  dürfen ,  suchte  diese  Einleitung  darzulegen. 
Mit  dem  Fortschreiten  und  der  Klärung  unseres  Wissens  von  den  genea- 
logischen Beziehungen  der  Gruppen  dürfte  die  allseitige  Anerkennung  einer 
Reform  nicht  ausbleiben ,  wenn  dieselbe  sich  auch  zunächst  auf  die 
theoretische  Ueberzeugung  beschränken  sollte,  dass  die  seither  beliebte 
Vertheilung  der  Einzelligen  auf  die  beiden  Keiche  in  der  Natur  nicht 
begründet  ist. 


A.   Ab th eilung  (Klasse,  Subphylum). 

Sarkodina. 

In  der  Abtheilung  der  Sarkodina*)  fassen  wir  die  Gesammtheit  der- 
jenigen Protozoen  zusammen,  welche  während  der  Hauptperiode  ihres 
thätigen  (beweglichen)  Daseins  mittels  einfachster  Protoplasmabewegungen, 
also  entweder  durch  einfaches  Hinfliessen  (Hinströmen)  oder  durch  Ent- 
wicklung nicht  schwingender,  protoplasmatischer  Fortsätze  wechselnder 
Gestalt  den  Ortswechsel  vollziehen,  wobei  dann  ihr  Körper  mannigfachen 
Gestaltsveränderungen  unterworfen  ist.  Auch  die  Nahrungsaufnahme  wird 
mit  Hülfe  solcher  Protoplasmabewegungen  bewerkstelligt. 

Bezüglich  ihrer  Fortpflanzungsverhältnisse  zeigen  sie  einfache  Thei- 
lungs-  oder  Sprossungserscbeinungen  ohne  Hervorbildung  besonderer  spo- 
rangienartiger  Fortpflanzungskörper  (wodurch  eine  Trennung  von  den  in 
ihren  beweglichen  Zuständen  in  vieler  Hinsicht  sich  ähnlich  verhaltenden 
Myxomyceten  gezogen  wird,  welche  letzteren  eben  dieser  Fortpflanzungs- 
erscheinungen wegen,  den  einfachsten  pflanzlichen  Organismen  näher  an- 
geschlossen w^erden). 

Die  hier  unter  der  Bezeichnung  Sarkodina  vereinigten  Protozoen 
werden  in  neuerer  Zeit  gewöhnlich  sämmtlich  als  Rhizopoda  zu- 
sammengefasst,  ein  Verfahren,  von  dem  hier  Abstand  genommen 
wurde,  weil  einerseits  die  mit  der  Bezeichnung  Rhizopoda  verknüpfte 
Vorstellung  keineswegs  mit  den  thatsächlichen  Bauverhältnissen  dieser 
Formen  sich  deckt,  andrerseits  der  Name  Rhizopoda  von  seinem  Begründer 
(Dujardin)  in  einem  viel  beschränkteren  Sinne  gebraucht  wurde  und  zwar 
in  einer  Ausdehnung,  die  auch  hier  mit  einer  kleinen  Erweiterung  An- 
wendung finden  soll. 

Die  Abtheilung  der  Sarkodina  zerfällt  ziemlich  ungezwungen  in 
3  Unterabtheilungen  oder  Unterklassen,  nämlich: 


*)  Der  Name  Sarkodina  ist  schon  frilherhin,  jedoch  in  anderem  Sinne,  von  Hertwig  und 
Lesser  zur  Bezeichnung  unsrer  Abtheilung  der  Khizopoda  (einschliesslich  der  Heliozoa)  in  Vor- 
schlag gebracht  worden  (vergl.  99").  Die  Anwendung ,  die  wir  hier  von  demselben  machen, 
geht  aus  dem  Folgenden  hervor. 

Bronn,  Klassen  des  Thiei-Eeichs.    Protozoa.  1 


2  Ehizopoda. 

I.  Rhizopoda. 

Nackte  (hüllenlose)  oder  umhüllte  (beschalte)  Sarkodinen,  die  sich 
entweder  durch  einfaches  Hinfliessen  ihres  protoplasmatischen  Zellenleibes 
oder  durch  Aussenden  mehr  oder  weniger  bis  sehr  gestaltsveränderlicher, 
und  häufig  unter  einander  Verschmelzungen  bildender  Protoplasmafort- 
sätze (Pseudopodien)  bewegen.  Solche  Pseudopodien  können  sowohl  von 
der  Gesammtoberfläche  des  Körpers,  als  auch  nur  von  einem  beschränk- 
ten Theil  derselben  entspringen.  Die  Gesammtgestalt  des  Körpers  ist 
entweder  sehr  veränderlich,  oder  wo  sie  mit  oder  ohne  Beihülfe  einer  Um- 
hüllung (Schale)  eine  grössere  Constanz  zeigt,  offenbart  sich  an  ihr  sehr 
gewöhnlich  eine  Hinneigung  zu  einaxiger  Gestaltung,  indem  entweder 
durch  verschiedenartige  Ausbildung  entgegengesetzter  Körperenden  oder 
durch  eine  Längsstreckung  des  Gesammtkörpers  eine  Hauptaxe  zu  deut- 
licher Entwicklung  gelangt.  (Nur  wenige  Formen  weichen  von  dieser 
Regel  ab  und  bewahrheiten  dadurch  nur  die  alte  Erfahrung,  von  der 
Unmöglichkeit  absolut  scharfer  Gruppentrennung  in  der  Organismenwelt.) 

II.  Heliozoa. 

Nackte  oder  umhüllte  (von  einem  Kieselskelet  umkleidete)  Sarko- 
dinen, von  meist  nahezu  regelmässiger  hügliger  Gestaltung  (welche  nur 
bei  einer  Anzahl  wenig  differenzirter  Formen  durch  den  Gestaltswechsel 
des  Gesammtkörpers  zeitweise  beeinträchtigt  wird).  Pseudopodien  fein, 
wenig  gestaltsveränderlich  und  verhältnissmässig  wenig  zu  Verschmel- 
zungen geneigt,  von  der  Gesammtoberfläche  des  Körpers  allseitig  aus- 
strahlend. 

(Durch  ihre  einfacheren,  wenig  differenzirten  und  gestaltsveränder- 
lichen Formen  zeigt  diese  Unterabtheilung  innige  Beziehungen  zu  den 
Rhizopoden,  wie  andrerseits  die  kuglig  gestalteten  Formen  dieser  letzte- 
ren sich  zu  den  Heliozoen  hinneigen.  Die  allgemeinen  Gestaltsverhält- 
nisse und  die  Skeletentwicklung  bringen  ferner  die  Heliozoa  in  nähere 
Beziehung  zu  der  folgenden  und  letzten  Abtheilung  der  Radiolaria.) 

III.  Eadiolaria. 

Sarkodinen  von  homaxoner  (hügliger)  Grundgestalt,  die  jedoch  durch 
auftretende  Modificationen  häufig  in  eine  einaxige  übergeführt  wird.  Eine 
kuglige  oder  einaxig  modificirte  Hüllbildung  stets  vorhanden,  die  je- 
doch von  hervorgedrungnem  Protoplasma  äusserlich  überzogen  wird 
(ähnlich  wie  bei  manchen  Rhizopoden)  und  dadurch  ins  Innere  des  Proto- 
plasmakörpers eingelagert  erscheint  (sogenannte  Centralkapsel).  Hierzu 
gesellen  sich  gewöhnlich  noch  weitere  Skelettheile. 

Pseudopodien  allseitig  von  der  Körperoberfläche  ausstrahlend,  fein 
und  in  massigem  Grade  zur  Verschmelzung  geneigt. 

(Die  Radiolaria  zeigen,  wie  schon  oben  bemerkt,  deutliche  Beziehungen 
zu  den  Heliozoa,  andrerseits  jedoch  auch  solche  zu  den  homaxonen  For- 
men unter  den  Rhizopoda.) 


Geschiebte.  3 

I.  Unterabtheilung  (Unterklasse). 

Rhizopoda. 

1.    rebei'sieht  der  historiselieu  Entwickliing'  uiisier  Kenntnisse  von  den 

Rhizopoden. 

Bei  der  verbältnissmässig  sebr  beträchtlichen  Grösse,  welche  gewisse 
Rhizopoden  erreichen  und  der  Häufigkeit,  in  welcher  ihre  Schalenreste  in 
gewissen  Erdschichten  aus  vergangenen  Epochen  aufgespeichert  sich  vor- 
tinden,  konnten  solche  fossile  Rhizopoden  auch  dem  Alterthum  nicht  völlig 
verborgen  bleiben,  wie  denn  auch  die  Nummuliten  schon  bei  Strabo*)  er- 
wähnt werden.  Eine  wirklich  wissenschaftliche  Beschäftigung,  wenn  auch 
nur  mit  den  Schalenresten  der  Rhizopoden,  erforderte  jedoch  optische 
Hiilfsmittel  und  eine  besondere  Hinlenkung  des  Beobachtungssinnes  auf 
die  Welt  des  Kleinen,  wie  sie  hauptsächlich  durch  die  Leeuwenhoek'schen 
Bestrebungen  im  17.  Jahrhundert  erzeugt  wurde.  So  lieferte  denn  auch 
schon  die  erste  Hälfte  des  18.  Jahrhunderts  eine  Anzahl  Beobachtungen 
über  die  zahlreichen  Schalenreste  der  Rhizopoden,  wie  sie  sich  sowohl  im 
recenten  Meeressand,  als  auch  in  den  Ablagerungen  der  verschiedensten 
geologischen  Formationen  finden.  Beccarius  1731  (1)  und  Breyn  1732(2) 
gaben  Beschreibungen  recenter  und  fossiler  Rhizopodenschalen  und  letz- 
terer gebrauchte  flir  dieselben  schon  die  Bezeichnung  Polythalamia,  welche 
auch  jetzt  noch  häufig  für  eine  Abtheilung  derselben  verwerthet  wird. 
Plauens  (Bianchi)  veröffentlichte  1739  (3)  zuerst  Abbildungen  derselben, 
ebenso  wie  Gualtieri  1743  (4)  und  Ledermüller  1763  (15). 

Die  ursprüngliche  Auffassuug  dieser  Schalenreste  als  Cephalopoden- 
gehäuse  sollte  noch  lange  Zeit  die  herrschende  bleiben.  Die  15  von 
Linne  in  der  12.  Ausgabe  seines  Systema  naturae  aufgeführten  und  auf 
die  Beobachtungen  von  Plauens,  Gualtieri  und  Ledermüller  gegründeten 
Arten  wurden  in  die  Geschlechter  Nautilus  (14)  und  Serpula  (1)  ver- 
theilt.  Hierzu  gesellte  Gmelin  noch  weitere  8  Arten  (7  Nautilus  und 
1  Serpula),  die  sich  auf  die  mittlerweile  erschienenen  Miltheilungen  von 
Spengler,  Schröter  und  Gronovius  basirten  (8,  9  u.  10).**) 

Die  zweite  Hälfte  des  18.  Jahrhunderts  lieferte  noch  einige  wichtige 
Beiträge  zur  Kenntniss  der  Rhizopodenschalen.  Während  die  früheren 
Beobachtungen  wesentlich  die  Formen  des  Mittelmeeres  betrafen,  bildeten 
Boys  und  Walker  (Beschreibungen  von  Jacob)  eine  Reihe  von  Arten 
der  englischen  Küste  ab,  die  sie  gleichfalls  den  Genera  Nautilus,  Serpula 
und  eine  sogar  Echinus  einverleibten.***)  Bat  seh  hingegen  veröffent- 
lichte 1791  6  vorzüglich  ausgeführte  Kupfertafeln  mit  Abbildungen  von 
16  Rhizopodenarten,  über  deren  Herkunft  jedoch  nichts  mitgetheilt  wurde. f) 


*)  Vergl.  hierüber  bei  D'Archiac  et  Haime,  Descript.  des  anim.  foss.  d,  groupe  Num- 
mulitique  de  l'Inde.    Paris  1853. 

**)  Analyse  der  Arten  bei  Parker  u.  Jones  62  a. 

***)  Analyse  der  Arten  bei  Parker  u.  Jones  62  b. 

t)  Analyse  der  Arten  bei  Parker  u.  Jones  62  1. 

1* 


4  Rhizopoda. 

Bei  weitem  die  hervorragendsten  und  ansgedelmtesteo  Untersuchungen 
über  unsern  Gegenstand  lieferte  jedoch  Soldaui*)  in  zwei  Werken,  von 
denen  das  ältere  1780,  das  jüngere,  die  Testaceographia,  1789  bis  1798 
erschien  und  von  nicht  weniger  als  228  Kupfertafeln  begleitet  ist  (7  u.  13). 
Sowohl  die  fossilen  als  die  recenten  Rhizopodenschalen  Italiens  und  der  ita- 
lischen Küste  zog  Soldani  in  den  Bereich  seiner  Darstellungen.  Eine  Beein- 
trächtigung erlitten  die  Soldani'schen  Werke  durch  die  Nichtanwendung 
der  binomischen  Bezeichnung,  jedoch  basiren  eine  grosse  Zahl  später  auf- 
gestellter Arten  auf  seinen  Abbildungen.**) 

Auch  die  Beiträge,  welche  Fichtel  und  Moll  in  ihrem  1803  er- 
schienenen Werk  (14)  gaben,  waren  hauptsächlich  wegen  der  VorzUglich- 
keit  der  Abbildungen  von  nicht  geringer  Bedeutung.  Eine  beträchtliche 
Zahl  von  Arten  wurden  hier  beschrieben  und  sämmtlich  als  Angehörige 
des  Geschlechtes  Nautilus  betrachtet.  Mit  Ausnahme  einer  Anzahl  fos- 
siler Formen  sind  es  Bewohner  des  Mittel-  und  rothen  Meeres.***)  Schon 
diesen  beiden  deutschen  Beobachtern  drängte  sich  die  grosse  Variabilität 
der  von  ihnen  untersuchten  Formen  unwillkürlich  auf  und  ähnlich  sprach 
sich  auch  ein  gleichzeitiger  Beobachter  der  britischen  Rhizopodenschalen, 
Montague  (16),  aus  (1803—1808).  — 

Von  Wichtigkeit  erscheinen  ferner  die  Beiträge,  die  Lamarck  seit 
1801  zur  Kenntniss  der  Rhizopodenschalen  hauptsächlich  durch  seine 
Untersuchungen  über  die  Fossilien  des  Pariser  Grobkalkes  lieferte. 

Zusammenfassungen  der  ihm  bekannten  Rhizopodenschalen  gab  er 
später  in  dem  Tableau  encyclop.  et  meth.  23.  Th.  1816  und  in  der  Hi- 
stoire  nat.  d.  anim.  sans  vert.  1815—22.  Er  vertheilte  unsre  Formen 
unter  Cephalopoden  und  Korallen,  errichtete  jedoch  zu  ihrer  Aufnahme  eine 
grössere  Zahl  selbständiger  Geschlechter,  die  zum  Theil  noch  heute  Ver- 
wendung fiodea.f) 

Weniger  glücklich  als  Lamarck,  in  Bezug  auf  die  systematische  Gruppi- 
rung  der  Rhizopodenschalen,  warDenys  deMontfort  (18),  der  1808 — 1810 
nicht  weniger  als  60  neue  Genera  aufstellte,  von  welchen  nur  eine  ganz 
geringe  Zahl  von  spätem  Forschern  festgehalten  werden  konnten,  ff)  — 
Auch  Blainville  und  Defrance  vermehrten  durch  eine  Reihe  von  Arbeiten 
die  Kenntniss  unserer  Formen  und  es  mag  hier  noch  besonders  hervor- 
gehoben zu  werden  verdienen,  dass  der  erstgenannte  Forscher  nach  Beob- 
achtung einer  lebenden  Miliola  seinen  Zweifeln  an  der  Cephalopodennatur 
dieser  Wesen  Ausdruck  verlieh. 

Eine  neue  und  bedeutsame  Epoche  in  der  Geschichte  der  Rhizopoden- 
kenntniss  wurde  durch  die  1826  anhebenden  Arbeiten  Aleide  d'Orbigny's 


*)  Mönch  mid  später  Prof.  der  Matliematik  zu  Sienna.  gob.  1736,  gest.  1808. 
**)  Siehe    die  Analyse    der   von   d'Orbiguy   auf  Soldani'sche    Abbildungen  gegründeter 
Arten  bei  Parker  u.  Jones  62  o. 

***)  Analyse  der  Arten  bei  Parker  u.  J.  62  c. 
t)  Siehe  bei  Parker  u.  J.  62  d. 
ft)  Siehe  bei  Parker  u.  J.  62  e. 


Geschichte.  5 

begrttndet.  Wie  sehr  auch  die  zahlreichen,  im  Laufe  von  30  Jahren 
(1S26 — 52)  fortgesetzten  Arbeiten  d'Orbigny's  durch  eine  Reihe  von  nach- 
theiligen Einfltissen  beeinträchtigt  wurden,  —  so  die  ganz  mangelhaften 
Erfahrungen,  welche  er  von  den  thierischen  Insassen,  der  von  ihm  so 
anhaltend  untersuchten  Schalen  besass,  ebenso  wie  seine  ausschliessliche 
Beschränkung  auf  die  marinen  Formen,  ferner  die  Zugrundelegung  einer 
wenig  natürlichen  Klassifikationsweise  und  eine  ausgesprochene  Neigung 
zur  Schaffung  neuer,  auf  sehr  geringfügige  Unterschiede  basirter  Arten 
—  so  wird  doch  nie  der  hervorragende  Einfluss  und  die  grosse  Bedeu- 
tung der  d'Orbigny'schen  Untersuchungen  in  Abrede  gestellt  werden  können. 

Einmal  ist  die  Gesammtmenge  der  Rhizopodenschalen,  und  zwar  fos- 
siler wie  lebender,  weder  vor  noch  nach  ihm  in  so  vollständiger  Weise 
zusammengetragen  und  verarbeitet  worden;  ferner  hat  er  sowohl  die  Zu- 
sammengehörigkeit der  so  zahlreichen  Formen  als  besondere  Gruppe 
zuerst  hervorgehoben  und  schliesslich  den  Grund  zu  einer  systematischen 
Gruppirung  derselben  gelegt,  welche  die  Basis  für  alle  weiteren  Versuche 
auf  diesem  Gebiet  wurde. 

D'Orbigny  war  anfänglich  völlig  von  der  Cephalopodennatur  der  thie- 
rischen Bewohner  der  Rhizopodenschalen  überzeugt,  ja  glaubte  sogar 
durch  eigne  Untersuchungen  festgestellt  zu  haben,  dass  diese  Schalen 
als  innre  (z.  B.  ähnlich  Spirula)  im  hintern  Körperende  des  Thieres  ein- 
geschlossen seien.  Demgemäss  vereinigte  er  diese  Schalenreste  in  einer 
besondern  Ordnung  unter  dem  Namen  Foraminifera,*)  im  Gegensatz 
zu  den  übrigen  mit  gekammerter  Schale  versehenen  Cephalopoden,  die 
er  als  Ordnung  der  Siphonifera  zusammenfasste.  Späterer  besserer 
Einsicht  in  den  eigentlichen  Bau  des  Weichkörpers  unsrer  Organismen 
konnte  sich  jedoch  d'Orbigny  nicht  verschliessen ;  er  erkannte  1839  die 
seitdem  durch  Dujardin  festgestellte  wahre  Natur  derselben  an. 

Das  1826  erschienene  Tableau  method.  d'Orbigny's  gab  eine  Ueber- 
sicht  aller  von  ihm  damals  unterschiednen  fossilen  und  recenten  Formen, 
von  denen  jedoch  ein  grosser  Theil  (ca.  253)  wegen  der  mangelnden  Be- 
schreibungen niemals  hat  festgestellt  werden  können.  Eine  Anzahl  dieser 
Arten  wurde  noch  durch  die  von  ihm  1825—26  hergestellten  4  Lieferungen 
von  Modellen  kenntlich  gemacht;  weitere  durch  seine  späteren  faunisti- 
schen  und  paläontologischen  Arbeiten.  1839  beschrieb  er  die  Foramini- 
feren  von  Cuba  und  den  Canarischen  Inseln,  den  Küsten  Südamerika's 
und  der  Pariser  Kreide;  1846  die  des  Tertiärbeckens  von  Wien  und 
1852  veröffentlichte  er  noch  eine  Uebersicht  der  fossilen  Genera  (s.  28— 
30,  34,  38  u.  44). 


*)  Der  Name  Foraminifera  bezieht  sich  keineswegs  nach  der  ihm  von  d'Orbigny  ge- 
gebnen Begründung  auf  die  Perforation  der  Schalenwände  bei  der  Abtheilung  der  Perforata, 
wie  dies  in  neueren  Schriften  gewöhnlich  dargestellt  wird,  sondern  sollte  der  Durchbohrung 
der  Scheidewände  durch  eine  oder  mehrere  Ocftiiungen  bei  gleichzeitigem  Fehlen  einer  Sipho- 
bildung  Ausdruck  verleihen  (s.  d'Orbigny  22). 


6  Eliizopoda. 

In  Frankreich  war  es  jedoch,  wo  zuerst  das  richtige  Verständniss 
für  die  thierischen  Körper,  welche  diese  Schalen  erbauten ,  angebahnt 
wurde.  Im  Jahre  1835  gelangte  Fei.  Duj ardin  (s.  24—26)  durch  wieder- 
holte Beobachtung  lebender  Formen  zu  der  Ueberzeugung,  dass  es  sich 
hier  nicht  um  complicirt  zusammengesetzte,  sondern  höchst  einfach  ge- 
baute Organismen  handle,  deren  Körper  aus  einer  einfachen  thierischen 
Ursubstanz  (Sarkode)  bestehe  und  sich  am  besten  den  schon  lange  unter 
der  Bezeichnung  Proteus  oder  Amoeba  aus  süssem  Wasser  bekannten  un- 
beschalten  Formen  vergleichen  lasse. 

Den  von  ihm  ursprünglich  für  die  Foraminifera  d'Orbigny's  vorge- 
schlagenen Namen  Symplectomeres  verliess  er  jedoch  sofort,  um  hierfür 
die  charakteristische,  der  Beschaffenheit  der  Bewegungsorgane  entnommne 
Bezeichnung  Rhizopoda  zu  substituiren,  welcher  Abtheilung  er  jedoch 
auch  die  ähnlichen  Formen  des  Süsswassers  zugesellte. 

Die  zuerst  von  Dujardin  erkannte  enge  Beziehung  der  Rhizopoden- 
schalen  des  Meeres  zu  gewissen,  im  Süsswasser  einheimischen  und  schon 
lange  im  lebenden  Zustand  gekannten  Formen,  veranlasst  uns  hier,  noch 
einen  Blick  auf  die  Geschichte  uusrer  Kenntniss  dieser  Formen  zu  werfen. 

Im  Jahre  1755  hatte  Rösel  von  Rosenhof*)  die  ersten  Amöben 
entdeckt  und  unter  dem  Namen  Proteus  beschrieben.  Gleichen  und 
andre  Forscher  beobachteten  ähnliche  Formen  und  Bory  de  St.  Vin- 
cent stellte  1822  den  Namen  Amoeba  auf,  den  er  jedoch  auf  sehr  hetero- 
gene Organismen  ausdehnte.  Beschalte  Süsswasserformen  (Difflugia)  wur- 
den zuerst  von  Lee  lere  1815**)  beschrieben  und  auch  sehr  richtig  als 
Verwandte  des  Proteus  gedeutet,  während  spätere  Forscher,  wie  Lamarck, 
Oken  und  andre  sie  weit  von  diesem  entfernen  wollten.  Weitere  ansehn- 
liche Vermehrung  erfuhr  unsre  Kenntniss  der  Süsswasserformen  durch 
G.  Ch.  Ehrenberg,  der  neben  der  Gattung  Difflugia  noch  eine  weitere, 
Arcella,  für  von  ihm  gefundne  beschalte  Süsswasserrhizopoden  aufstellte, 
die  nahe  Verwandtschaft  dieser  Formen  anerkannte  und  sie  in  seinem 
Hauptwerk,  1838,  in  zwei  Familien  der  Amoebaea  und  der  Arcellina  neben 
einander  stellte.  Schon  damals,  jedoch  noch  weit  bestimmter  in  späteren, 
gleich  zu  erwähnenden  Arbeiten  sprach  er  sich  gegen  die  von  Dujardin 
bezüglich  der  Verwandtschaft  und  Organisation  der  marinen  Foramini- 
feren  aufgestellten  Ansichten  aus,  in  welch  letzteren  er  höchst  wahrschein- 
lich kolonienbildende  Formen  und  zwar  Moosthierchen  (Bryozoa)  erkannt 
haben  wollte.  —  Die  eingehende  Beschäftigung  mit  den  fossilen  Resten 
mikroskopischer  Organismen,  so  zunächst  hauptsächlich  der  der  Kreide, 
führte  Ehrenberg  schon  1838  und  39  zu  einem  genaueren  Studium  der 
lebenden  Foraminiferen,  von  welchen  er  einige  Formen  der  Nordsee  beob- 
achten konnte.  Das  Resultat  dieser  Untersuchungen  bestärkte  ihn  jedoch 
nur  noch  mehr  in  seiner  schon  vorgetragenen  Ansicht  von  der  Bryozoen- 


*)  Insectenbelustiguugeu.  III. 
**)  Ann.  du  Mus.  d'hist.  nat.  II.   1815. 


Geschichte.  7 

natur  derselben  (nach  ihm  Polythalamia).  Ausser  einem  einfachen,  röh- 
rigen Darmkanal,  glaubte  er  auch  Ovarien  und  zuweilen  den  Schalen 
äusserlich  anhängende  Eierbeutel  beobachtet  zu  haben.  Nach  besonders 
missverständlich  aufgefassten  Eigeuthümlichkeiten  der  Schale  versuchte 
er  ferner  einfach  lebende  und  koloniebildende  Formen  zu  unterscheiden.  — 
Die  Kalkschale  und  deren  zuvs^eilen  complicirter  Bau  bildete  für  Ehreu- 
berg  noch  ein  besonderes  Moment  zur  Abtrennung  dieser  Formen  von  den 
Arcellinen  des  süssen  Wassers.  —  Mit  bekannter  Hartnäckigkeit  und  Un- 
zugänglichkeit für  Aufklärungen,  die  seine,  durch  vorgefasste  Meinungen 
über  den  thierischen  Bau  im  Allgemeinen  beeinflusste  Ansichten  zu  ver- 
bessern im  Stande  gewesen  wären,  hielt  Ehrenberg  stets  an  seiner  Deu- 
tung des  Foraminiferenorganismus  fest,  ohne  jedoch  durch  weitere  Unter- 
suchungen lebenden  Materials  neue  Belege  hierfür  beizubringen.  Desto 
eifriger  hingegen  durchforschte  er  die  Erdschichten  der  verschiedensten 
Epochen  nach  Schalenresten  unsrer  Thiere  und  gab  eine  Zusammen- 
stellung der  hierbei  erzielten  Resultate  in  dem  umfangreichen  Werk 
„Mikrogeologie"  1856.  Ebenso  nahmen  die  Foraminiferenreste  der  Tief- 
see seine  Aufmerksamkeit  in  hohem  Grade  in  Anspruch,  worüber  er 
gleichfalls  die  erzielten  Resultate  in  einer  grössern  Abhandlung  1873 
sammelte  (97  a),  Auch  in  dem  Luftstaub,  den  Ehrenberg  lange  fortgesetzt 
und  aus  den  verschiedensten  Gegenden  untersuchte,  fanden  sich  mancher- 
lei Schalenreste  von  Rhizopoden  (hauptsächlich  jedoch  von  Süsswasser- 
formen),  worüber  er  1871  eine  übersichtliche  Zusammenstellung  publi- 
cirte  (95). 

Obgleich  in  diesen  letztgenannten  Arbeiten  Ehrenberg's  eine  grosse 
Zahl  von  Formen  abgebildet  und  beschrieben  wurde,  trugen  dieselben 
doch  zum  allgemeinen  Fortschritt  unsrer  Kenntnisse  nur  sehr  wenig  bei, 
was  hauptsächlich  darauf  beruht,  dass  Ehrenberg  ebenso  hartnäckig  wie 
an  seinen  Ansichten  über  die  Organisation  der  Foraminiferen ,  auch  an 
seiner  eigenthümlichen  und  sich  keiner  Anerkennung  seitens  andrer  For- 
scher erfreuenden  systematischen  Gruppirung  derselben  festhielt,  in  der 
Aufstellung  der  Arten  ziemlich  willkürlich  verfuhr  und  dieselben  wenig 
ausreichend  charakterisirte  und  die  systematischen  Bestrebungen  ande- 
rer Forscher  bei  ihm  keine  Berücksichtigung  fanden.  Ausserdem  wird 
der  Werth  dieser  Arbeiten  noch  dadurch  sehr  vermindert,  dass  die  Unter- 
suchung der  Formen  fast  stets  an  Canadabalsampräparaten  im  durch- 
fallenden Lichte  vorgenommen  und  hiernach  auch  die  Abbildungen  ge- 
fertigt wurden,  wesshalb  die  Wiedererkennung  der  Arten  grosse  Schwierig- 
keiten bereitet. 

Von  hervorragender  Bedeutung  für  die  weitere  Entwicklung  unsrer 
Kenntniss  der  marinen  Rhizopoden  und  hauptsächlich  des  feineren  Bau's 
ihrer  Schalen  wurden  die  Untersuchungen  William son 's.  Ursprünglich 
noch  auf  dem  Standpunkte  Ehrenberg's  bezüglich  der  Beurtheilung  der 
Organisation  der  Rhizopoden  stehend,  gab  er  denselben  doch  bald  auf 
und  näherte  sich  dem   Dujardin's,  wenngleich  er  in  der  Erforschung  des 


g  Rhizopoda. 

Weichkörpeis  im  ganzen  keine  sehr  erheblichen  Resultate  zu  Tage  för- 
derte. Bei  weitena  bedeutender  waren  seine  Beobachtungen  über  den 
feineren  Bau  der  Schalen,  den  er  zum  ersten  Mal  mit  Hülfe  von  Dünnschliffen 
untersuchte,  die  denn  auch  sowohl  Carp enter  als  ihn  ziemlich  gleich- 
zeitig zur  Entdeckung  des  Kanalsystems  führten  (43,  46  u.  47).  Schon 
früher  1848  betrieb  er  auch  systematisch  faunistische  Studien  auf  diesem 
Gebiet,  zunächst  über  die  Gattung  Lagena  und  krönte  dieselben  1858 
durch  sein  Werk  über  die  Foraminiferen  der  britischen  Küsten  (61). 
Diesen  Beobachtungen  von  Williamson  über  die  feinere  Schalenstructur 
der  Foraminiferen  schlössen  sich  die  von  Carter  (49)*)  seit  1849  und  die 
weiteren  sehr  wichtigen  von  Carpenter  1856  (59  und  60)  an,  weswegen 
dieselben  gleich  hier  kurz  erwähnt  werden  mögen.  Durch  diese  ausge- 
dehnten und  eingehenden  Untersuchungen  vorbereitet,  konnte  dann  Car- 
penter 1862  dazu  schreiten ,  unterstützt  von  Parker  und  Jones ,  eine  Ge- 
sammtdarstellung  der  Rhizopoden  (wesentlich  jedoch  nur  der  Schalen- 
verhältnisse derselben)  zu  entwerfen,  die  wohl  für  lange  Zeit  das  grund- 
legende Werk  sowohl  für  die  Kenntniss  des  Schalenbaues  als  der  hierauf 
basirten  Classification  der  Foraminiferen  bleiben  wird.  Parker  und  Jones 
hatten  sich  seit  1857  hauptsächlich  in  faunistisch-systematischem  Sinne  mit 
der  Erforschung  der  Foraminiferen  beschäftigt,  namentlich  auch  in  einer 
Reihe  fortgesetzter  Arbeiten  die  so  verwirrte  Synonymie  dieser  Formen  auf- 
zuklären versucht  (62).  Ihr  Antheil  an  den  ,,Introduction'^  ist  ein  ganz  er- 
heblicher. 

So  bedeutend  auch  die  Bestrebungen  der  genannten  englischen  For- 
scher auf  dem  Gebiete  der  Foraminiferenkunde  erschienen,  so  wäre  die 
gänzliche  Vernachlässigung  des  Studiums  des  Weichkörpers  doch  eine 
sehr  empfindliche  Lücke  geblieben,  wenn  nicht  schon  1854  von  einem 
deutschen  Forscher,  M.  Schnitze,  in  trefflicher  Weise  hierüber  Licht  ver- 
breitet worden  wäre,  so  dass  dessen  Werk  „Ueber  den  Organismus  der 
Polythalamien''  in  Bezug  auf  den  Weichkörper  dieselbe  hohe  Bedeutung 
beansprucht,  wie  die  Untersuchungen  Carpenter's  bezüglich  des  Schalen- 
baues. M.  Schnitze  stellte  zuerst  den  Bau  des  Weichkörpers,  und  da- 
durch auch  die  Stellung  der  Foraminiferen  überhaupt,  im  Sinne  Dujardin's 
ganz  sicher. 

Weniger  glücklich  war  Schnitze  in  seinen  systematischen  Bestrebungen. 
Dagegen  hat  ein  anderer  deutscher  Foraminiferenforscher,  Reuss,  der 
in  einer  grossen  Reihe  von  Arbeiten  seit  dem  Beginn  der  40  er  Jahre  sich 
die  Erforschung  der  fossilen  Reste  der  Foraminiferen  zur  Aufgabe  machte, 
sich  nicht  unbedeutende  Verdienste  um  die  Systematik  dieser  Abtheilung 
errungen,  die  ihn  1861  (65)  zur  Aufstellung  eines  Systemes  derselben 
führten,  das  sich  in  vieler  Hinsicht  dem  unabhängig  entstandenen  der  oben 
genannten  englischen  Forscher  anschloss. 


*)  Vergl.  jedoch   auch   42.   sowie  bei   d.  Gattungen   Operculina,  Orbitolites,    Aiveolina. 
Patellina  etc. 


Geschichte.  9 

Ueber  die  Fortpflanzungserscheiüungen  der  Foraminiieren  war  im 
Ganzen  nur  wenig  ermittelt  worden;  einer  älteren  Mittheilung  von  Gervais 
schlössen  sich  Untersuchungen  von  M.  Schnitze  und  Str.  Wright  an,  ohne 
sehr  erheblich  die  Frage  zu  fördern. 

Werfen  wir  nun,  rückwärts  schauend,  einen  Blick  auf  die  seither 
ausser  Auge  gelassenen  Süss  wasserformen,  so  haben  wir  zunächst  zu  ver- 
zeichnen, dass  Dujardin  die  Kenntniss  derselben  vielfach  förderte,  Ehren- 
berg dagegen  mit  der  Aufstellung  zahlreicher  und  meist  sehr  mangelhaft 
charakterisirter  Arten  im  Ganzen  wenig  zum  besseren  Verständniss  der- 
selben beitrug.  Nicht  unwichtige  Beiträge  lieferten  Schlumberger  1845*), 
Perty  1852  (48),  M.  Schnitze  1854  (53)  und  namentlich  auch  Claparede 
und  Lachmann  1858 — 59  (60).  In  England  haben  Carter  seit  1856  (56), 
Wallich  seit  1864  sich  vielfach  mit  diesen  Formen  beschäftigt  und  in 
Deutschland  wurden  sehr  namhafte  Beiträge  zur  Kenntniss  derselben  von 
Greeff,  R.  Hertwig  und  Lesser,  F.  E.  Schulze  und  andern  geliefert, 
denen  sich  die  Untersuchungen  Archer's  in  Irland  und  Cienkowsky's 
in  Russland  würdig  anreihen. 

Durch  die  Bestrebungen  Häckel's  um  die  Erforschung  der  von  ihm 
sogenannten  Moneren  wurden  gleichfalls  eine  Reihe  hierher  gehöriger  For- 
men aufgedeckt. 

In  der  Aufklärung  der  Bauverhältnisse  des  Weichkörpers  der  marinen 
Rhizopoden  geschah  ein  sehr  wesentlicher  Schritt  durch  den  von  Hertwig 
und  F.  E.  Schulze  erbrachten  Nachweis  der  Anwesenheit  von  Zellkernen 
im  Plasmaleib  derselben.  Auch  suchten  beide  Forscher  das  System  nach 
ihren  Erfahrungen  und  Anschauungen  zu  verbessern. 

Die  wesentlichsten  systematischen  und  faunistischen  Bestrebungen 
der  neuern  Zeit  bezüglich  der  marinen  Formen  behaupteten  jedoch  ihren 
Sitz  in  England  und  wurden  namentlich  von  Parker,  Jones  und  Brady 
gepflegt,  die  sich  auch  vielfach  um  die  Kenntniss  der  fossilen  Formen 
verdient  machten. 

Die  Erforschung  der  im  fossilen  Zustand  aus  früheren  Epochen  der 
Erdgeschichte  uns  aufbewahrten  Rhizopodenreste  hatte  ausser  den  schon 
genannten  Forschern,  wie  d'Orbigny,  Ehrenberg,  Reuss  und  Anderen  noch 
die  Aufmerksamkeit  zahlreicher  Paläontologen  und  Geologen  in  Anspruch 
genommen,  unter  denen  hier  hauptsächlich  noch  hervorgehoben  werden 
mögen:  Joly  und  Leymerie,  d'Archiac  und  Haime,  sowie  Terquem  in 
Frankreich,  in  Belgien  van  den  Broeck  und  Miller,  in  Deutschland  Geinitz, 
Römer,  Czjzek,  Richter,  Hagenow,  Gümbel,  Karrer,  Rütimeyer,  von  Schlicht, 
Bornemann  und  Schwager;  in  England  und  Nordamerika  Hall,  Young, 
Armstrong,  Dawson  und  Andere,  in  Russland  Fischer  von  Waldheim, 
Eichwald,  Zborczewsky  und  neuerdings  von  Möller  (116);  in  Italien 
Seguenza,    Michelotti    und    Sismonda.      Eine  Zusammenfassung    der  Be- 


*)  Ann.  d.  sc.  nat.  III.  vol.  o.  1845. 


10  KMzopoda. 

strebungen  auf  dem  Gebiet  der  fossilen  Forarainiferenreste  gab  Zittel 
neuerdings  in  seinem  vortrefflichen  Handbuch  der  Paläontologie. 

In  vieler  Hinsicht  fördernd  griffen  auch  die  in  neurer  Zeit  schwung- 
haft betriebenen  Tiefseeforschungen  namentlich  von  englischer  Seite  in 
die  Entwicklung  unsrer  Kenntniss  von  den  marinen  Rhizopoden  ein  und 
erwarben  sich  auf  diesem  Feld  namentlich  Wallich,  W.  Thomson  und 
Murray  ausser  schon  genannten  englischen  Forschern  Verdienste. 

Ueberblicken  wir  zum  Schluss  noch  einmal  die  in  den  vorher- 
gehenden Zeilen  versuchte  kurze  Darstellung  der  geschichtlichen  Entwick- 
lung unsrer  Kenntnisse  von  den  Rhizopoden,  so  müssen  wir  erkennen,  dass 
die  Erforschung  derselben  sich  bis  jetzt  mit  Vorliebe  den  zwar  auch 
leichter  zugänglichen  Schalenresten  zugewendet  hat,  dass  hingegen  das 
Studium  des  Weichkörpers  mit  Ausnahme  der  Süsswasserformen  trotz  der 
hervorragenden  Bemühungen  eines  Max  Schnitze  sehr  zurückgeblieben 
ist.  Es  bildet  daher  die  genauere  Erforschung  des  Baues  und  der  Lebens- 
erscheinungen, namentlich  aber  der  Fortpflanzungsverhältnisse  der  marinen 
Rhizopoden  noch  eine  bedeutsame  der  Zukunft  gestellte  Aufgabe,  die 
hoffentlich  in  nicht  zu  langer  Zeit  einer  entsprechenden  Lösung  entgegen- 
gehen wird. 

Ueb  er  sieht  der  Literatur.*) 

1.  Beccarius,    De  Boimoniensi   arena   i^uodam    1731.     Commentarii  de  Bonnon.  scient.  et 
art.  instituto.  T.  I.  p.  68. 

2.  Breyn,  J.  P.,  Dissert.  pliysica  de  Polythalamiis,  iiova  testac.  classe.  Gedaui.  1732. 

3.  Plancus,  Jan.,  De  concliis  minutis  notis.    1.  ed.  V'euetils  1739.    2.  edit.  I?omae  1760. 

4.  Grualtieri,  Nie,  Index  Testar.-Conchyl.  quae  adversant.  in  mus.  suo.  Florentiuae  1742. 

5.  Ledermüller,  M.  F.,  Mikroskop.  Augen-  u,  Gemüthsergötzungeu.    Nürnberg  1763. 

6.  Lirnie,  Systema  naturae  etc.,  edit,  XII,  reform.  Holmiae.  1766 — 68.  T.  I. 

7.  Soldani,  Arab. ,    Saggio  orittografico  overa  osservazioni  sopra  le  terre  nautilitiche  della 
Toscana.  Sienae  1780. 

8.  Gronovius,  L.  Th,,  Zoophylacium  Gronovianum.  Fase.  III.  Lugd.  Batavor.  1781. 

9.  Spenglei',  Lor.,  Beskrivelser  ov.  nogle  i  Havsand.  nyl.  opdag.  EoMlier.   —  Nye  Saml. 
af  de  kong.  Danske  Vidensk.  Selsk.  Skrifter.  Kjöbenhayn.  Vol.  I.  1781. 

10.  Schroeder,  Einleitung  in  die  Conchyologie.  Halle  1783—86.  Th.  I. 

11.  Boys,  W.,   et   Walker,    G, ,  Testacea   minuta  rariora    nnp.   detecta  in  arena  littor. 
Sandvicensis.  London  17S4. 

12.  Batsch,  A.  J.,    Seclis  Kupfertafeln  mit  Conchylien  des  Seesandes.  Jena  1791. 

13.  (F)  Soldani,    Testaceographiae  ac  zoophytographiae  parpae  et  microscopiae.  Senis  1789 
—98. 

14.  Fiehtel  et  Moll,  Testacea  microscopia  aliaque  minuta  etc.  Wien  1803, 


*)  In  naclisteheuder  üebersiclit  sind  zunächst  diejenigen  Arbeiten  aufgenommen,  die  von 
allgemeiner  Bedeutung  für  die  Organisation  oder  die  Lebenserscheinungen  der  Ehizopoden 
sind ,  oder  doch  ein  grösseres  historisches  Interesse  beanspruchen.  Monographien  oder  Mit- 
theüungeu  über  einzelne  Arten,  z.  Th.  auch  Familien,  finden  ihre  Ervvähnung  später  bei  die- 
sen; hier  sind  zumeist  nur  diejenigen  Arbeiten  berücksichtigt,  die  von  einer  Anzahl  verschie- 
dener Formen  handels.  Gleichzeitig  ist  an  dieser  Stelle  auch  schon  die  wichtigste  faunisti- 
sche  Literatur  angegeben,  ebenso  wie  die  auch  in  allgemeiner  Hinsicht  wichtigeren  Arbeiten 
über  die  fossilen  Ehizopoden.  Speciellere  Angaben  über  die  einzelnen  Formationen  folgen 
dann  später  bei  dem  Kapitel  über  die  paläontologische  Entwicklung  der  Ehizopoda.  Die 
Voranstellung  eines  F  in  Klammern  soll  darauf  hinweisen,  dass  die  betreuende  Schrift  aus- 
schliesslich oder  doch  vorzugsweise  fossile  Formen  bespricht. 


Literatur.  11 

15.  Montfort,  Denis  de,   Histoire  nat.  g6n6r.  et  partic.  des  MoUusques  (Partie  du  Buffon 
de  Sonnini).  Paris  1802—5.  T.  IV. 

16.  Montague,  0-.,  Testacea  brittanica.  London  1803 — 8.  SuppL  1808. 

1  7.  (F)  Lamarck,  J.  B.  de,  Suite  des  Memoires  sur  les  coquillcs  fossiles  des  environs  de 
Paris.  Anuales  du  Museum.  Tom.  V— IX.  1804—1807. 

18.  Montfort,  Denis  de,   Concliyliolog-ie  systt^matique  et  Classification  methodique  des  co- 
quilles.  Paris  180S— 10. 

19.  Lamarck,   J.  B.  de,   Histoire  nat.   des   animaux  sans  vertebres.   Paris  T.  VIL    1822 
(1.  cdit);  2.  edit.  1843. 

20.  Defrance,  J.  L.  M.,  Dictiounaire  des  sciences  naturelles.  Paris  1814 — 30. 

21.  Blainville,  H.  D.  de,  Manuel  de  Malacologie.  Paris  1825. 

22.  Orbigny,   A.  d',   Tableau   methodique   de   la   classe  des  Ceplialopodes ,   pr6c6d6  d'un 
introduction  de  Ferussac.  Annales  des  sc.  nat.  T.  VIL  1826.  p.  96  u.  245. 

23.  Deshayes,   G.  P.,  Encyclop6die  m6thodique.     Histoire   nat.  des  zoophytes.  1830 — 32. 

24.  Dujardin,   F.,   Observations  nouv.  s.  I.   prAtend.   Ceplialopod.  microscop.     Ann.  d.  sc. 
nat.  ZooL  2.  S6r.  T.  IIL  pp.  108,  312. 

25. Obserpations   s.    les  Khizopodes  et  infusoires.    Conipt.  rend.  1835.  p.  338  u.  l'In- 

stitut  1835.  Nr.  111.  pp.  202.  203. 

26.  Kechercbes  sur  les  organismes  införieures.   Ann.  d.  sc.  nat.  1835.  2.  S6r.  T.  IV. 

p.  343. 

27.  (F)  Bronn,  H,  G.,  Lethaea  geognostica  1.  edit.  1838.  3.  ed,  1851—56. 

28.  Orbigny,    A.  d',   Foraminife  res   de  l'ile  de  Cuba,   in  Ramon  de  la  Sagra, 
Histoire  nat.  de  l'ile  de  Cuba.  Paris  1839. 

29, Voyage  daus  l'Am^rique    m6ridionale.    T.    V.    Part.  5,    Foraminiföres. 

1839.     Erschienen  Paris  1843. 
30. Foraminif6res  des  iles  Canaries  1839  in  Barker-Webb  et  Berthelot, 

Hist.  nat.  des  iles  Canaries.  Paris  1835 — 50.  T.  II   Zoologie. 

31.  Ehrenberg,  C.  G.,  Die  Infusionstliierchen  als  vollkonimne  Organismen.  Leipzig  1838. 
(Nur  Süsswasserformen.) 

32.  (F) üeber  die  Bildung  der  Kreidefelsen  und  des  Kreidemergels  durch  unsichtbare 

Organismen.  Abh.  d.  Berl.  Akademie  1838.  p.  59—148,  4  Taf. 

33.  üeber  jetzt  noch  zahlreich  lebende  Thierarten  der  Kreidebildung  und  den  Orga- 
nismus d.  Polythalamien.  Abh.  d.  Berl.  Ak.  1S39.  p.  81—174.  4  Taf. 

34.  (F)  Orbigny,  A.  d'.  Memoire  sur  les  foraminiferes  de  la  craie  blanche  du  bassin  de 
Paris.  M6m.  soc.  g6olog.  de  France  1840.  T.  IV.  p.  1—51.  4  Taf. 

35.  Dujardin,  Fei.,  Histoire  nat.  des  Zoophytes  infusoires.  Paris  1841  (hauptsächlich 
Süsswasserformen). 

36.  Orbigny,  A.  d',  Article  Foraminiferes  in  Dielion.  nnivers.  d'hist.  nat.,  dirig6  p.  Ch. 
d'Orbigny.  T.  V.  1844.  p.  662. 

37.  (F)  ReusB,  A.  E.,  Geognost.  Skizzen  aus  Böhmen;  Bd.  IL  Die  Kreidegebilde  des  westl. 
Böhmens.  Prag  1844.  p.  210. 

38.  (F)  Orbigny,  A.  d',  Foraminiferes  fossiles  du  Bassin  tertiaire  de  Vienne,  Paris  1846. 
(Französ.  und  deutsch.) 

39.  Dujardin,  Fei.,  Article  Khizopodes  in  Diction.  uuivers.  d'hist.  nat.  Paris  1841 — 49. 
Vol.  XL  1848. 

40.  (F)  Czjzek,  J.  B.,  Beitrag  zur  Kenntniss  der  fossilen  Foraminifereu  des  Wiener  Beckens. 
Heidinger's  naturw^.  Abhandl.  Bd.  I.  1845. 

41.  (F)  Reuss,  A.  E. ,  Neue  Foraminifereu  aus  d.  Schichten  des  österr.  Tertiärbeckens. 
Deukschr.  d.  k.  k.  Ak.  zu  Wien.  Bd.  1.  1849. 

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12  Ehizopoda. 

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b)  Part  IL    On    the    species    enumerat    by    Walker    and  Montagu     3.  ser.    Vol.   IV 
1859. 

c)  P.  III.  The  species  en.  by  Fichtel  and  Moll.  3.  s.  Vol.  V.  1860. 

d)  P.  IV.  The  species  en.  by  Lamarck.  3.  s.  Vol.  V.  1860  u.  Vol.  VI.  1860, 

e)  P.  V.  The  species  en.  by  D.  de  Montfort.  3.  s.  Vol.  VI.  1860. 

f)  P.  VL  Alveolina.  3.  s.  Vol.  VIIL 

g)  P.  VII.  Operculina  and  Nummulina.  3,  s.  Vol.  VIIL 
h)  P.  VIIL  Textularia.  3.  s.  Vol.  XI. 

i)  P.  IX.  The  species  enumer.  by  de  Blainville  and  Defrance.  3.  s.  Vol.  XII. 

k)  P.  X.   The   species  enumer.  by  d'Orbigny  (in  Ann.  d.  sc.  nat.  Vol.  VII.  1826.)  3.  s. 

Vol.  XII. 
I)  P.  XL  The  species  enumer.  by  Batsch  in   1791.  3.  s.  Vol.  XV. 
m)  P.  XII.  The  species  illustr.  by  Models  of  d'Orbigny.   3.  s.   Vol.  XVI. 
n)  (F)  P.  XIII.  The  Permian  Trochammina  pusilla  and  its  allies.  4.  s.  Vol.  IV. 
o)  (F)  P.  XIV.  The  species  founded  by  d'Orbigny  (Ann.  sc.  n.  1826)  upon  the  figures 

in  Soldani's  Testaceographia  et  Zoophytographia.  4.  s.  Vol.  VIIL 
p)  (F)  P.  XV.   The   species  figured  by  Ehrenberg.   (Abb.  d.  Berl.  Ak.  1838—47  und 

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14  KMzopotla. 

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117.  Brady,  H.  B.,   Notes  on  some  Eeticularian  Ehizopoda  of  the  „Challenger"  expedition. 

I.  On  new   or   little  known  arenaceous  types.   Qu.  journ.  of  microsc.  sc.   N.  S.   Bd.  19. 

II.  Addit.  to  the  knowledge  of  porcellanous  and  hyal.  types.  ibid. 

118.  Mereschkowsky,  C,  von,  Studien  über  die  Protozoen  des  nördl.  Eusslands.  Arch.  f. 
mikrosk.  Anatomie  Bd.  16.  (Süsswasserformen.) 

2.  Kurzer  Ueberblick  der  morphologischen  Auffassung  und  Gestaltung* 
der  Rhizopoda,  sowie  der  HauptnntergTuppen  dieser  .\btheilung'. 

Die  Rhizopoda  begreifen  nach  unsrer  schon  oben  kurz  hervorgehobneu 
Definition  sowohl  nackte  hüllenlose,  als  beschalte,  umhüllte  einzellige 
Sarkodinen,  welche  verhältnissmässig  nur  selten  Neigung  zur  Bildung  von 
organischen  Verbänden  mehrerer  Individuen,  zur  Entwicklung  echter  Kolo- 
nien oder  Stöcke  zeigen.  Wir  bezeichnen  hier  die  Rhizopodenindividuen 
durchaus  als  einzellig,  da  wir,  wie  in  der  Einleitung  des  genaueren  aus- 
geführt ist,  den  Begriif  der  Zelle  sowohl  auf  solche  Elementorganismen  oder 
Piastiden  ausdehnen,  welche  kernlos  als  auch  auf  solche,  die  eine  grössere 
Zahl  von  Kernen  einschliessen  und  nicht  nachweislich  aus  der  Verschmel- 
zung ursprünglich  getrennter  einkerniger  Zellen  hervorgegangen  sind. 

Wir  behandeln  daher  unter  den  Rhizopoda  sowohl  kernlose  Formen 
(sog.  Moneren  HUckel's)  als  kernführende,  und  dies  um  so  mehr,  als  die 


Einleitende   Uebersicht.  15 

Frage  nach  dem  Vorhandensein  oder  dem  Mangel  von  Kernen  bis  jetzt  in 
vielen  Fällen  noch  nicht  mit  hinreichender  Sicherheit  entschieden  ist. 
Auch  der  grössre  oder  geringre  Grad  von  Diiferenzirung,  welche  der  Proto- 
plasmakörper der  Rhizopoden  erreicht  hat,  kann  nur  in  sehr  bedingtem 
Maasse  unsere  Auffassung  von  dem  Umfang  der  hier  zu  betrachtenden 
Gruppe  beeinflussen.  So  sehen  wir  keinen  Grund  ein,  Formen  mit  Diife- 
renzirung in  Ecto-  und  Entoplasma  von  solchen  schärfer  zu  scheiden,  bei 
welchen  deiselbe  fehlt;  auch  An-  oder  Abwesenheit  einer  schalenartigen 
Umhüllung,  oder  die  Ausbildung  contractiler  Vacuolen  scheint  keineswegs 
hinreichend  zur  Trennung  der  hier  vereinigten  Formen  in  besondre  Ab- 
theilungen, 

Alle  hier  als  Rhizopoda  vereinigten  Formen  schliessen  sich,  wenn 
wir  von  den  soeben  als  nicht  entscheidend  zurlickgewiesenen  Charakteren 
absehen,  unter  einander  so  innig  an  und  sind  durch  Uebergangsformen  so 
innig  verbunden,  dass  eine  Auflösung  derselben  in  getrennte  Gruppen, 
wie  dies  mehrfach  versucht  wurde,  keineswegs  natürlich  erscheinen  kann. 
Schwieriger  erscheint  es  hingegen,  die  Gesammtheit  der  Rhizopodenformen 
durch  scharfe  Angabe  positiver  Charaktere  von  den  beiden  andern  hier 
noch  unterschiednen  Abtheilungen  der  Sarkodina,  den  Heliozoa  und  Radio- 
laria  zu  scheiden.  Leichter  geschieht  dies  in  negativer  Weise  durch  Her- 
vorhebung der  für  beide  letztgenannten  Abtheilungen  charakteristischen 
Momente,  welche  den  Rhizopoda  abgehen. 

Versuchen  wir  es  jedoch  hier,  die  schon  früher  angedeuteten  positiven 
Merkmale  dieser  Abtheilung  noch  etwas  eingehender  darzustellen  und  da- 
bei gleichzeitig  einen  Ueberblick  über  die  morphologische  Gestaltung  des 
Rhizopodenkörpers  zu  gewinnen. 

Die  morphologische  Gestaltung  des  Rhizopodenkörpers  ist,  wenn  nicht 
durch  die  Ausbildung  einer  Schalenumhüllung  die  Gestaltung  eine  be- 
stimmtere, eben  durch  die  Schale  bedingte,  geworden  ist,  eine  gewöhn- 
lich sehr  veränderliche,  indem  das  Plasma  des  Körpers  mit  oder 
ohne  Bildung  wahrer  Pseudopodien  mannigfachem  Gestaltswechsel  unter- 
liegt. Aber  auch  die  wechselgestaltigen  nackten  Rhizopoden  nehmen 
nicht  selten  zeitweise  beim  Eintritt  von  Ruhezuständen  eine  schärfer  um- 
schriebene Gestaltung  an,  die  sich  dann  gewöhnlich  der  kugligen,  hom- 
axonen,  nähert.  Auch  bei  denjenigen  wenigen  Formen,  die  mit  einer  bestimm- 
teren bleibenden  Körpergestalt  den  Mangel  einer  wirklichen  Umhüllung 
verbinden  und  bei  welchen  die  Formveränderung,  die  Entwicklung  von 
Pseudopodien,  auf  einen  beschränkten  Bezirk  der  Körperoberfläche  be- 
grenzt ist,  sind  wir  wohl  berechtigt  eine  oberflächliche  Verdichtung  des 
Plasma's  anzunehmen,  wenn  dieselbe  auch  noch  nicht  bis  zur  Bildung 
einer  wirklichen  Schalenhaut  geführt  hat.  Nur  in  seltnen  Fällen  sehen 
wir  jedoch  unter  den  Rhizopoden  die  bei  Ruhezuständen  nackter  Formen 
gewöhnliche  kuglige  Gestaltung  auch  noch  bei  dauernder  Bildung  einer 
Hülle  bewahrt,  sondern  die  eben  schon  angedeutete  monaxone  Gestaltung 
dadurch  zur  Ausbildung  gelangend,  dass  die  Bildung  der  Schalenhaut  an 


1 6  Ehizopoda. 

einer,  unter  Umständen  jedoch  auch  zwei  entgegengesetzten  Stellen  der 
Körperoberfläche  unterbleibt,  wodurch  demnach  grössere  Oeffnungen  in 
der  Schaleuhaut,  zur  Communication  des  Plasmakörpers  mit  der  Aussen 
weit  entstehen. 

Auch  die  homaxone,  kuglige  und  bleibende  Schalenhaut  erfordert  je- 
doch geeignete  Einrichtungen,  welche  eine  Communication  des  Plasma- 
körpers mit  der  Aussenwelt  gestatten,  die  denn  auch  ohne  die  homaxone 
Gestaltung  aufzuheben  in  der  Weise  zur  Ausbildung  gelangen,  dass  die 
Schalenhaut  hier  von  mehr  oder  minder  zahlreichen  feinen  Oeffnungen 
durchbrochen  ist 

Wir  erkennen  in  dieser  Weise  zugleich,  dass  die  Rhizopoden,  ab- 
gesehen von  den  unbeschalten,  nackten  Formen,  sich  in  zvs^ei  Haupt- 
gruppen spalten ,  je  nachdem  die  Communication  des  beschälten  Weich- 
körpers mit  der  Aussenwelt  sich  durch  eine  oder  zwei  grössere  Schalen- 
öffnungen oder  durch  eine  grössere  Zahl  kleiner  Oeffnungen  vollzieht 
(Iniperforata  und  Perforata).  Da  nun  aber  auch  bei  den  allseitig  von 
feinen  Löchern  durchbrochnen  Schalen  dieser  Perforirten  eine  weitere 
HauptöffnuDg  gewöhnlich  zur  Ausbildung  gelangt,  so  bietet  auch  die 
grosse  Mehrzahl  dieser  Formen  eine  homaxone  Gestaltung  dar. 

Im  weiteren  morphologischen  Verhalten  zeigt  der  beschalte  Rhizopoden- 
organismus  sich  namentlich  darin  noch  dififerent,  dass  das  Wachsthum 
des  Individuums  entweder  ein  das  ganze  Leben  hindurch  gleichmässig 
fortschreitendes  ist,  was  seinen  Ausdruck  in  dem  durchaus  einheitlichen, 
keine  Unterabtheiluugen  zeigenden  Schalenbaue  erhält  (Eiukammerige, 
Mouothalamia),  oder  aber,  dass  das  Wachsthum  ein  periodisch  absetzen- 
des und  anschwellendes  ist,  wobei  der  Schalenraum,  den  einzelnen 
Wachsthumsperioden  entsprechend,  in  eine  kleinere  oder  grössere  Anzahl 
mehr  oder  weniger  von  einander  geschieduer  Abtheilungen  zerlegt  wird 
(Mehrkammerige,  Polythalamia).  In  dieser  Kammerbilduug  der  beschälten 
Rhizopoden  eine  Wiederholuug  des  Einzelindividuums,  also  eine  Kolonie- 
bildung zu  erblicken,  wie  dies  wenigstens  für  einen  Theil  der  Formen 
anfänglich  sehr  natürlich  erscheint,  hat  sich  durch  die  Untersuchung  des 
Weichk<^i'P6''S  nicht  ausreichend  bewahrheitet  und  wird  späterhin  das  Nä- 
here über  diese  Frage  raitzutheilen  sein. 

Eine  weitere  hier  vorläufig  flüchtig  zu  berührende  Eigenthümlichkeit 
der  beschälten  Rhizopoden  betrifft  die  Natur  des  Materials  der  Schale, 
worin  sich  nicht  unerhebliche  Verschiedenheiten  zeigen  können.  Gegen- 
über den  beiden  anderen  Abtheilungen  der  Sarkodiuen  fällt  hier  die 
Seltenheit  der  Abscheidung  von  Kieselsäure  als  Material  des  Schalenbau's 
auf.  Wenn  es  sehr  wahrscheinlich  ist,  dass  Kieselsäure  in  einigen 
Fällen  das  Schalenmaterial  bildet,  so  ist  doch  hierüber  noch  keine  völlige 
Sicherheit  erreicht.  Fast  sämratliche  Hüllbildungen  der  Rhizopoden  sind 
entweder  aus  reiner  chitinartiger  Masse  gebildet,  oder  aber  durch  secun- 
däre  Imprägnation  und  Auflagerung  von  kohlensaurem  Kalk  zu  Kalkschalen 
umgebildet;    oder    schliesslich    aus    dem   Rhizopodenkörper   ursprünglich 


Einleitende   Uebersicht.  •  17 

fremden,  von  aussen  her  aufgenouimeneu  festen  Partikeln  der  verschieden- 
sten Art,  unter  Mitv^^irkung  eines  ebenfalls  seiner  Natur  nach  verschieden- 
artigen, von  dem  thierischen  Körper  gelieferten  Bindemittels  aufgebaut. 
Versuche,  die  Natur  dieser  verschiedenartigen  zum  Aufbau  der  Schalen 
verwertheten  Substanzen  zur  Grundlage  einer  natürlichen  Klassifikation 
derselben  zu  machen,  haben  sich,  wie  späterhin  noch  genauer  zu  erörtern 
sein  wird,  als  trügerisch  herausgestellt. 

Was  schliesslich  die  Erscheinungen  der  Fortpflanzung  der  Rhizopoden 
in  Beziehung  zu  ihrer  morphologischen  Auffassung  und  ihrer  Stellung  in 
der  Klasse  der  Sarkodinen  betrifft,  so  lässt  sich  bei  der  im  Ganzen  sehr 
spärlichen  Erfahrung  über  diesen  wichtigen  Abschnitt  ihrer  Lebenserschei- 
nungen nur  wenig  Positives  berichten.  Die  Fortpflanzungserscbeinungen 
der  Rhizopoden  sind  wie  die  der  Protozoen  überhaupt  identisch  mit 
denen  der  Zelle  im  Allgemeinen.  Es  sind  die  Erscheinungen  der  Thei- 
lung  und  die  daraus  abgeleiteten  der  einfachen  und  vielfachen  Knospung 
oder  Sprossung,  zum  Theil  jedoch  auch  Avohl  die  der  simultanen  Theilung 
in  zahlreiche  Tochterindividuen.  Diese  Vermehrungserscheinungen  können 
sowohl  am  nackten  Plasma  der  Rhizopoden  auftreten,  als  auch  seltner 
nach  vorhergehender  Umhüllung  durch  eine  sogen.  Cyste  während  eines 
Ruhezustandes. 

In  wieweit  ein  durch  eine  Copulation  oder  Conjugation  sich  voll- 
ziehender Vermischungs-  oder  Verschmelzungsprocess  des  Plasmakörpers 
zweier  oder  mehrerer  Individuen  von  Einfluss  auf  die  oben  hervorgehobe- 
nen Vermehrungsvorgänge  der  Rhizopoden  ist,  scheint  bis  jetzt  noch  sehr 
wenig  festgestellt. 

Die  durch  die  Theilung  oder  Knospung  erzeugten  neuen  Individuen 
können  entweder,  und  es  scheint  dies  wohl  in  der  Mehrzahl  der  Fälle 
sich  zu  ereignen,  schon  von  Anfang  an  die  Gestaltung  des  Mutterorganis- 
mus besitzen  (abgesehen  von  etwa  nachträglich  erst  eintretender  Schalen- 
bildung) ,  oder  sie  treten  zuerst  in  einer  von  dem  Mutterorganismus  ab- 
weichenden Form  flagellatenartiger  Schwärmer  auf.  Letztere  gehen  bald 
in  die  Gestaltung  des  mütterlichen  Organismus  über  und  ihre  Entwicklung 
verräth  eine  auch  durch  anderweitige  Erfahrungen  bestätigte  Beziehung  der 
Rhizopoden  und  Sarkodinen  überhaupt  zu  den  flagellateuartigen  Wesen. 

Die  vorstehende  allgemeine  Betrachtung  der  Rhizopoda  hat  uns 
gleichzeitig  befähigt,  die  von  uns  unterschiednen  Hauptunterabtheilungen 
dieses  Formenkreises  kurz  zu  charakterisireU;  was  noch  hier  bevor  wir 
zu  einer  genaueren  Betrachtung  der  Organisation  im  Einzelnen  schrei- 
ten, geschehen  soll.  Die  in  der  Einleitung  schon  hervorgehobnen  Schwie- 
rigkeiten einer  auf  natürlichen  und  vor  Allem  genetischen  Beziehungen 
basirten  Klassifikation  der  Protozoen  überhaupt,  wird  jedoch  auch  in  die- 
sem speciellen  Falle  den  systematischen  Versuchen  zur  Beurtheilung  unter 
zulegen  sein. 

Wir  bringen   zunächst   sämmtliche   unbeschalten  Formen  in  eine  Ab 
theilung  der  Amöbaea,  denen  die  beschälten  als  Testacea  gegenüber 

Bronn,  Klassen  des  Thier-Reichs.     Protozoa.  9 


18  Rhizopoda. 

stehen,  ohne  dass  jedoch  diese  Ahtheüuug  der  Testacea  als  eine  ganz 
natürliche,  auf  gemeinsamem  Ursprung  beruhende,  zu  betrachten  wäre. 
Die  Testacea  zerfallen  wir  in  die  zwei  Gruppen  der  Imperforata  und 
Perforata ,  welche  sich  auf  den  oben  hervorgehobnen  Unterschied  in  der 
feinern  Beschaffenheit  der  Schalenwandungen  gründen. 

In  dem  besonderen,  der  Systematik  gewidmeten  späteren  Abschnitt 
wird  diese  Gruppirung  und  ihre  Beziehungen  zu  anderweitigen  Klassifika- 
tionsversuchen auf  diesem  Gebiet  eine  eingehendere  Besprechung  zu  er- 
fahren haben. 

3.  Der  Schaleubaii  der  Rhizopoda. 

Indem  wir  unsre  Aufmerksamkeit  hier  zunächst  dem  Schalenbau  der 
Rhizopoda  zuwenden,  verlassen  wir  eigentlich  den  Gang  einer  natürlichen 
Betrachtung,  indem  wir  statt  des  eigentlich  Primären,  des  protoplasmati- 
tischen,  die  Schale  erzeugenden  Weicbkörpers,  diesem  secundären  Erzeug- 
niss  des  Rhizopodenkörpers  die  erste  Stelle  in  unsrer  Betrachtung  ein- 
räumen. Da  jedoch  die  grosse  Mehrzahl  der  Rhizopoden  eine  Schale  er- 
zeugt und  diese  für  die  Gestaltung  des  ganzen  Organismus  dann  ge- 
wissermaassen  bestimmend  erscheint,  wenn  ja  auch  dieses  Bestimmungs- 
.  verhältniss  eigentlich  umgekehrt  liegt,  so  wird  es  aus  Gründen  der  tiber- 
sichtlichen Darstellung  gerechtfertigt  erscheinen,  mit  der  Besprechung  des 
Schalenbaues  zu  beginnen. 

A.  Materialien  des  Schale nb aus. 

Schon  an  einer  früheren  Stelle  haben  wir  in  Kürze  die  Natur  der- 
jenigen Stoffe  kennen  gelernt,  welche  der  Rhizopodenorganismus  zum  Auf- 
bau seiner  Schale  verwendet.  Es  ist  dies  zunächst  eine  organische,  stick- 
stoffhaltige Substanz,  die  wir  nach  ihrem  Verhalten  gegenüber  Reagentien 
wohl  als  Chitin,  einen  bei  den  wirbellosen  Thieren  so  verbreiteten,  zur  Bil- 
dung der  mannigfachsten  Hüllen  verwertheten  Stoff,  bezeichnen  dürfen. 
Von  jenen  aus  reiner  Chitinmasse  aufgebauten  Schalen  leiten  sich  ohne 
Zweifel  die  bei  den  marinen  Formen  so  verbreiteten  Kalkschalen  ab, 
welche  durch  Imprägnation  einer  meist  sehr  spärlichen  chitinösen  Grund- 
lage mit  mineralischen,  hauptsächlich  aus  kohlensaurem  Kalk  bestehenden 
Substanzen  gebildet  werden.  Eine  weitere  dritte  Reihe  von  Schalen 
wird  dadurch  erzeugt,  dass  zur  Verstärkung  der  Schalenwandungen 
mannigfache  Fremdkörper  aufgenommen  werden  und  durch  ein  verschie- 
denartiges Cement  zusammengekittet  die  Schale  aufbauen.  Je  nach  der 
Natur  dieses  Cements  leiten  sich  solche  Bildungen  sowohl  von  rein  chiti- 
nösen als  kalkigen  Schalen  her,  oder  es  können  auch  noch  weitere  che- 
mische Substanzen,  so  Eisenoxydsalze  oder  seltner  Kieselsäure  zur  Ver- 
kittung der  Fremdkörper  verwerthet  sein. 

Nur  in  seltnen,  und  bis  jetzt  noch  nicht  hinreichend  sicher  gestellten 
Fällen,  scheint  die  Schale  der  Rhizopoden  aus  Kieselsäure  zu  bestehen 
und  wird  es  später  noch  unsre  Aufgabe  sein,  diese  Fälle  etwas  genauer 
zu  betrachten. 


Schalenmaterial.  19 

a,    Chitinöse  Schalen. 

Die  Verwerthung  reiner,  von  mineralischen  Stoffen  nicht  imprägnirter 
Chitinmasse  zum  Schalenbau  ist  vorwiegend  den  Formen  des  süssen 
Wassers  eigenthiimlich ,  jedoch  keineswegs  ausschliesslich  auf  diese  be- 
schränkt. Indem  wir  hier  zunächst  von  den  morphologischen  Verhältuissen 
der  Schalen  absehen,  beschäftigen  wir  uns  mit  den  Eigenthiimlich- 
keiten  der  diese  Schalen  aufbauenden  chitinösen  Substanz  und  dem  fei- 
neren Bau  der  Schalenwände. 

Entsprechend  dem  chemischen  Verhalten  des  Chitins  widerstehen 
solche  Schalen  der  Einwirkung  verdünnter  Mineralsäuren,  lösen  sich  je- 
doch in  concentrirten,  namentlich  concentrirter  Schwefelsäure  auf.  Kausti- 
schen Alkalien  widerstehen  sie  sogar  gewöhnlich  beim  Erhitzen.  Dennoch 
ist  nach  dem  bis  jetzt  hierüber  Ermittelten  die  Widerstandsfähigkeit  der 
gemeinhin  als  chitinös  bezeichneten  Schalen  gegenüber  den  oben  genann- 
ten Reagentien  keineswegs  gleich  ausgebildet. 

Ein  derartiges  chitinöses  Schalenhäutchen  kann  nun  in  sehr  verschie 
dener  Stärke  zur  Entwicklung  gelangen,  z.  Th.  nur  als  ein  äusserst  zar- 
tes, schwer  sichtbares  Häutchen,  der  Oberfläche  des  Plasmakörpers  dicht 
anliegend  (so  Lieberkühnia,  Gromia  z.  Th.,  Pamphagus,  Diplophrys,  IL 
16,  III.  6,  1)*),  z.  Th.  eine  ansehnlichere  Stärke  erreichend,  jedoch 
noch  eine  biegsame  elastische  Beschaffenheit  bewahrend  und  der  Kör 
peroberfläche  dicht  aufliegend  (so  Gromia  z.  Th.,  Lecythium),  während 
sich  bei  stärkerer  Entwicklung  der  Schalenhaut  und  einer  mehr  star- 
ren, weniger  biegsamen  Beschaffenheit  derselben  der  Plasmakörper  von 
der  Schale  gewöhnlich  mehr  oder  weniger  zurückzieht  (so  z.  B.  Pla- 
tovum,  Hyalosphenia  etc.  II.  10,  III.  17a).  Alle  die  seither  erwähn- 
ten Schalenbildungen  bestehen  aus  ganz  homogener,  durchsichtiger,  keine 
besonderen  Structurverhältnisse  zeigender  Chitinmasse,  die  meist  auch 
völlig  farblos  ist  oder  doch  nur  von  leicht  gelblicher  Färbung.  Eine  wei- 
tere Reihe  chitinöser  Schalen  zeigt  jedoch  eigenthüraliche  Structurverhält- 
nisse, die  einer  genaueren  Erwähnung  bedürfen.  Die  ersten  Andeutungen 
solcher  feineren  Structuren  an  chitinösen  Schalen  treten  uns  entweder 
als  eine  Bedeckung  der  äusseren  Schalenoberfläche  mit  feinen  Höckerchen 
entgegen  (Pyxidicula  Ehrbg.)  oder  als  eine  zarte  Strichelung  der  Schalen- 
oberfläche (Plectophrys  Entz.)  oder  auch  als  eine  feine  reticuläre  oder 
areoläre  Zeichnung  der  Aussenseite  (so  Pseudochlamys,  einige  sogen.  Dif- 
flugien ,  triangulata  Lang,  und  carinata  Arch.).  Von  diesen  feinen  Structur- 
verhältnissen,  welche,  wie  es  scheint,  auf  die  Schalenoberfläche  beschränkt 
sind,  leiten  sich  iedoch  wohl  die  Einrichtungen  einer  Reihe  weiterer  Formen 
ab,  bei  welchen  die  Schale  aus  feinen  Plättchen  aufgebaut  ist,  die  wohl  den 
durch  die  erwähnten  reticulären  Zeichnungen  umschriebnen  Feldchen  ent- 
sprechen dürften.   Ueber  die  chemische  Natur  dieser  Plättchen  existiren  bis 


*)  Die   Schwierigkeiten   der  sicheren   Erkennung  eines   so  zarten   Häutcliens  machen  es 
erklärlich,  dass  dessen  Existenz  bei  manchen  der  hierherzurechnenden  Formen  noch  streitig  ist. 

2* 


20  Rhizopoda. 

jetzt  noch  mannigfache  Zweifel  und  scheint  es  nach  den  vorliegenden  Unter- 
suchungen nicht  unwahrscheinHch ,  dass  einestheils  sowohl  eine  chitinöse 
Bildung,  als  eine  Verkieselung  derselben  statthaben  kann.  Die  Unsicher- 
heit, welche  bis  jetzt  über  diese  Verhältnisse  herrscht,  im  Zusammenhang 
mit  der  grossen  morphologischen  Aehnlichkeit  dieser  Plättchenformen 
untereinander,  veranlasst  uns  diese  Bauverhältnisse  der  Schalen  hier  im 
Zusammenhang  zu  betrachten*). 

Die  erwähnten  Plättchen  treten  entweder  in  rundlich  scheibenförmiger 
Gestalt  auf  und  setzen  in  dichter  Zusammensetzung  oder,  indem  sich  ihre 
Ränder  etwas  über  einander  schieben,  die  Schalenwandung  zusammen  (so 
Cyphoderia,  Difflugia  bipes  Cart. ,  Euglypha  und  Trinema  nach  F.  E. 
Schulze,  s.  III.  13,  10,  12),  oder  sie  besitzen  einen  mehr  oder  weniger 
regelmässig  viereckigen  bis  mehreckigen  Umriss,  sich  mit  ihren  Bändern 
aneinanderfügend  (Quadrula  mit  vorzugsweise  viereckigen  Plättchen, 
T.  IL  12,  Euglypha  nach  Hertwig  und  Lesser  mit  sechseckigen  Plättchen). 
Unter  einander  stehen  diese  Plättchen  in  mehr  oder  weniger  fester  Ver- 
bindung, so  dass  es  z.  Th.  nicht  unschwer  gelingt,  die  Plättchen  von  ein- 
ander zu  isoliren.  Was  ihre  Anordnung  betrifft,  so  ordnen  sie  sich  gewöhn- 
lich in  ziemlich  regelmässigen  Reihen,  die  entweder  nach  der  Längs-  und 
Querrichtung  der  Schale  verlaufen  (so  Quadrula  gewöhnlich)  oder  schief 
zur  Schalenaxe  stehen  (Euglypha,  Trinema,  Cyphoderia).  Besondere 
Auszeichnungen  einzelner  solcher  Plättchen  sind  z.  Th,  vorhanden;  so 
tragen  die  des  Hinterendes  zuweilen  borsten-  bis  stachelartige  Fortsätze 
(Euglypha  IIL  12  a,  Quadrula  z.  Th.)  und  bei  ersterer  Gattung  können 
solche  borstige  Fortsätze  auch  über  die  ganze  Schale  verbreitet  sein. 
Bei  Euglypha  zeigen  gleichzeitig  auch  die  die  Mündung  der  Schale  um- 
säumenden Plättchen  eine  abweichende  Gestaltung,  endigen  fein  zugespitzt 
und  mit  gezähnten  Rändern,  so  dass  hierdurch  der  Mündungsrand  ge- 
wöhnlich eine  gezackte  Beschaifenheit  erhält  (IIL  12  a). 

Etwas  abweichend  von  dem  soeben  erörterten  Schalenbau ,  jedoch 
sich  nahe  anschliessend,  erscheint  der  der  Gattung  Arcella.  Die  Schalen- 
wandung derselben  zeichnet  sich  einmal  dadurch  aus,  dass  sie  zwei  tiber- 
einandergelagerte  Schichten  unterscheiden  lässt  (IL  9  c) ,  eine  dünnere, 
innere,  welche  keine  Structurverhältnisse  zeigt  und  eine  dickere  äussere, 
welche  von  der  Fläche  betrachtet  eine  feine  reticuläre  Zeichnung  erkennen 
lässt  (IL  9  b),  deren  einzelne  hexagonale  Feldchen  in  ihrer  Anordnung  die 
auf  der  Rückseite  von  Taschenuhren  gewöhnlich  angebrachte  Zeichnung 
wiedergeben.  Es  rührt  dieselbe  davon  her,  dass  in  der  äussern  Schicht 
zahlreiche  hexagonale  prismatische  (wohl  mit  Flüssigkeit  gefüllte)  Hohl- 
räume dicht  zusammenstehen.  Zuweijen  lässt  sich  ein  Zerfall  der  äussern 
Schicht  in  diesen  Hohlräumchen  entsprechende  Prismen  beobachten,  wor- 
aus also  eine  Zusammensetzung  der  äussern  Schicht  der  Arcellaschale 
aus  zahlreichen  kleinen  hexagonalen,   hohlen  Prismen  sichergibt,  welche 


Vgl.  hierüber  auch  weiter  unten  im  Abschnitt  über  kieselige  Schalenbildungen  derRhizopoda, 


Schalenmaterial.  21 

den  Plättchen  der  seither  besprochenen  Formen  wohl  an  die  Seite  gestellt 
werden  dürfen*). 

Ausser  den  schon  hier  hervorgehobnen  Structurverhältnissen  mögen 
wohl  noch  eine  Reihe  von  besonderen  Bildungsverhältnissen  sich  finden, 
wie  dies  aus  den  zahlreichen  von  Ehrenberg  (95)  beschriebenen  und  ab- 
gebildeten Schalen  von  Arcellinen  und  Euglyphinen  sieh  erschliessen 
lässt,  die  jedoch  im  Ganzen  zu  ungenau  untersucht  sind,  als  dass  sich 
bezüglich  ihrer  feineren  Schalenstructur  eine  sichere  Angabe  machen  Hesse. 

Ein  beträchtlicher  Theil  der  structurlosen  wie  der  structurirten  Chitin- 
schalen bleibt  stets  farblos,  wasserhell,  und  in  gleicher  Weise  tritt  auch 
das  Schalenhäutchen  ursprünglich  bei  den  im  entwickelten  Zustand  ge- 
färbten Chitinschalen  auf.  Die  bei  letzteren  auftretende  Färbung  ist  eine 
mehr  oder  weniger  intensiv  gelbliche  bis  bräunliche  (so  Cochliopodium, 
Pseudochlamys ,  Pyxidicula,  Ditrema,  Gromia  z.  Th.),  ja  kann  zuweilen 
ein  gesättigtes  Braun  erreichen  (Arcella).  — 

ß.  Die  Kalkschalen. 

Bei  weitem  complicirtere  Structurverhältnisse  zeigen  die  Kalkschalen, 
welche  bis  jetzt  ausschliesslich  bei  marinen  Formen  angetroffen  wurden. 
Dass  dieselben  sich  ursprünglich  von  chitinigen  Schalenbildungen  herleiten, 
geht  einmal  daraus  hervor,  dass  sich  nach  Auflösung  des  Kalkgehaltes 
durch  verdünnte  Säuren  eine  aus  einer  organischen,  wohl  zweifellos 
chitinigen  Substanz  bestehende  Grundlage  wohl  constatiren  lässt,  wenn 
dieselbe  auch  nie  in  sehr  erheblichem  Grade  entwickelt  ist  und  dass  fer- 
ner unter  gewissen  später  noch  näher  zu  bezeichnenden  Bedingungen  der 
Gehalt  solcher  Schalen  an  Kalk  sich  sehr  verringern  kann,  ja  die  Schale 
eine  rein  chitinöse  Beschaffenheit  anzunehmen  im  Stande  ist. 

Was  zunächst  die  chemische  Natur  der  zur  Verstärkung  in  die 
Schalenwandungen  aufgenommenen  mineralischen  Bestandtheile  betrifft,  so 
wird  die  Hauptmasse  derselben  aus  kohlensaurem  Kalk  gebildet,  neben 
dem  jedoch  M.  Schnitze  bei  Orbiculina  und  Polystomella  auch  geringe 
Mengen  von  phosphorsaurem  Kalk  nachzuweisen  vermochte.  Genaue 
Analysen  der  kalkigen  Rhizopodenschalen  liegen  jedoch  bis  jetzt  noch 
nicht  vor. 

Ueber  den  Antheil,  welchen  die  chitinöse  organische  Grundlage  der 
Kalkschalen  an  deren  Aufbau  nimmt,  sind  die  Ansichten  der  Beobachter 
etwas  getheilt.  M.  Schnitze  und  Carpenter  folgern  aus  ihren  Beobach- 
tungen eine  durchgehende  Imprägnation  der  kalkigen  Schalenwandungen 
mit  organischer  Substanz,  die  daher  nach  vorsichtigem  Auflösen  der  Kalk- 
salze durch  verdünnte  Säuren  als  zarter,  etwas  körniger  oder  faserig- 
flockiger Rest  in  der  ganzen  Dicke  der  Schalenwandungen  erhalten  bleibt. 
Auch  ich  muss  mich  nach  mehrfachen  Versuchen  sowohl  an  Imperforaten 
als  Perforaten   dieser  Auffassung  im  Gegensatz  zu  Kölliker   anschliessen, 


*")  S.  hierüber  hauptsächlich  Nr.  99  u.  Bütschli,  Arch.  f.  m.  An.  XI. 


22  Ehizopoda. 

der  ausser  dem  gleich  zu  erwähnenden  inneren  und  äusseren  Schalen- 
häutchen  kaum  eine  Spur  von  organischer  Substanz  nach  Entfernung  der 
Kalksalze  angetroffen  haben  will.  Die  soeben  erwähnten  Schalenhäutchen 
bleiben  nach  der  Behandlung  mit  Säuren  als  verdichtete,  ohne  Zweifel 
reichlicher  mit  organischer  Substanz  imprägnirte  Grenzschichten  der 
SchalenwanduBgen  sowohl  auf  der  inneren  wie  äusseren  Oberfläche  zurück, 
und  da  auch  sämmtliche  weiteren  oder  feineren,  die  Schalenwandungen 
durchsetzenden  Oeffnungen  oder  Kanäle  nach  der  Entkalkung  ein  der- 
artiges Häutchen  als  Auskleidung  aufweisen,  so  stehen  hierdurch  das 
innere  und  äussere  Häutchen  in  directer  Verbindung  (IX.  10).  Schon 
Dujardin  und  Ehrenberg  kannten  das  innere  Schalenhäutchen  und  M.  Schnitze 
beschreibt  es  eingehend  und  hält  es  für  unverkalkte  chitinöse  Substanz. 
Auch  Kölliker  ist  geneigt,  sich  ihm  in  dieser  Beziehung  anzuschliessen ; 
er  glaubt  jenes  innere  Schalenhäutchen,  das  M.  Schnitze  allein  bekannt 
war,  für  die  äussere  Grenze  des  Thierleibes  selbst  halten  zu  dürfen.  Im 
Gegensatz  hierzu  bezeichnet  er  das  äussere  Schalenhäutchen  als  verkalkt. 
Nach  meinen  Untersuchungen  bin  ich  geneigt,  die  sehr  scharfe  und  deut- 
liche, jedoch  etwas  unregelmässige  Ausbildung,  welche  sowohl  das  innere 
wie  äussere  Schalenhäutchen  häufig  zeigen,  vorzüglich  auf  vertrocknete 
Reste  des  protoplasmatischen  Inhalts  der  Schalen  oder  eines  äusserlichen 
Ueberzugs  derselben  zu  beziehen,  da  nach  sorgiältigem  Auskochen  der- 
selben in  Kalilauge  sowohl  das  äussere  wie  innere  Häutchen  gewöhnlich 
nur  als  wenig  deutliche,  etwas  verdichtete  Grenzschichten  der  organischen 
Grundlage  der  Schalenwandungen  sich  darstellen,  die  sogar  meiner  Auffassung 
nach  kaum  die  Bezeichnung  Schalenhäutchen  oder  Cuticula  verdienen.  Immer- 
hin scheint  eine  solche  Grenzschicht  der  Schalenwandungen  gewöhnlich 
entwickelt  zu  werden,  da  man  einmal  bei  Imperforaten  die  Grenze  zwischen 
zwei  sich  aufeinanderlegenden  Kammern  oder  Umgängen  durch  eine  solche 
Schicht  häufig  sehr  deutlich  bezeichnet  trifft,  andrerseits  dagegen  die  sehr 
deutliche  Schichtung  der  Schalenwandungen  zahlreicher  Perforateu  ihren 
Grund  wohl  ohne  Zweifel  in  der  Ausbildung  derartiger  etwas  mehr  ver- 
dichteter Grenzschichten  besitzt,  und  sowohl  das  erste  wie  das  letztge- 
nannte Verhalten  sich  bei  vorsichtiger  Entkalkung  z.  Th.  noch  recht  wohl 
an  den  organischen  Resten  der  Schalen  nachweisen  lässt. 

Eine  weitere  Frage  ist,  ob  die  Ausbildung  einer  sogen,  inneren  oder 
primären  Schalenlamelle,  wie  sie  sich  nach  Carpenter's  Untersuchungen 
bei  zahlreichen  Perforaten  findet,  und  worüber  weiter  unten  noch  Näheres 
mitzutheilen  sein  wird,  nicht  durch  ihr  Verhalten  nach  der  Entkalkung 
mehrfach  als  inneres  Schalenhäutchen  in  Anspruch  genommen  werde. 

Was  die  feinere  Beschaffenheit  der  verkalkten  Schalenwandungeu  der 
Imperforaten  betrifft,  so  erscheinen  dieselben  im  auffallenden  Licht  stets 
weiss,  opak,  porcellanartig,  was  hauptsächlich  bei  solchen  Formen  noch 
deutlicher  hervortritt,   welche   eine   glänzend  polirte  Oberfläche   besitzen. 


*)  Icoues  zootomicae  I.  186. 


Schalenmaterial.  23 

Im  durchfallenden  Licht  hingegen  erscheinen  sie  selbst  in  Dünnschliffen 
ziemlich  tief  braun ,  was  von  M.  Schnitze  und  Carpenter  dem  Gehalt  an 
organischer  Substanz  zugeschrieben  wird,  eine  Ansicht,  die  ich  nicht  für 
richtig  halte,  da  nach  Auflösen  des  Kalkes  die  rückbleibenden  Reste 
höchstens  eine  schwach  gelbliche  Färbung  zeigen.  Die  verkalkten  Wan- 
dungen dieser  Schalen  sollen  nach  Carpenter  ganz  structurlos,  homo- 
gen sein,  was  ich,  wie  schon  früher  KöUiker,  nicht  für  ganz  richtig  halte, 
so  zeigt  wenigstens  Orbitolites  und  ähnlich  auch  Alveolina  bei  starken 
Vergrösserungen  ein  sehr  feinfaserig  -  körniges  Wesen  der  Schalenmasse, 
was  wohl  nicht  ohne  Beziehung  zu  der  bräunlichen  Färbung  der  Schalen 
sein  dürfte.  Was  die  bei  dieser  Abtheilung  nicht  seltnen  Verzierungen 
der  äusseren  Schalenoberfiäche  betrifft,  so  bestehen  diese  entvs^eder  in 
mehr  oder  weniger  tiefen  punktförmigen  Eindrücken,  die  nicht  mit  den 
Porenkanälen  der  perforirten  Schalen  verwechselt  werden  dürfen,  oder 
aber  indem  derartige  Eindrücke  weiter  und  flacher  werden,  kann  eine 
netzförmige,  areoläre  Zeichnung  sich  ausbilden.  Sehr  häufig  begegnet  man 
ferner  auf  der  Oberfläche  solcher  Schalen  einer  Bildung  erhabner  Streifen 
mit  dazwischen  liegenden  Furchen,  und  zwar  meist  parallel  der  Schalen- 
axe,  seltner  in  zu  dieser  senkrechter  Richtung.  In  der  näheren  Ausfüh- 
rung dieser  Verzierungen  zeigt  sich  eine  grosse  Mannigfaltigkeit. 

Im  Gegensatz  zu  den  soeben  besprochenen  Kalkschalen  der  Imper- 
foraten  zeigen  die  der  Perforata  niemals  eine  so  opake  Beschaffenheit 
der  Schalenwandungen ,  sondern  im  Gegentheil  meist  eine  vollkommen 
durchsichtig  glasartige,  wo  nicht  die  zahlreichen  Porenkanäle  eine  Ver- 
änderung des  optischen  Verhaltens  der  Schalenwandungen  bedingen. 
Es  hängt  die  glasartig  durchsichtige  Beschaffenheit  der  Schalenwan- 
dungen dieser  Formen  ohne  Zweifel  damit  zusammen,  dass  ihnen  das 
feinfaserig  körnige  AVesen,  welches  wir  bei  den  Imperforaten  trafen, 
meist  völlig  abgeht.  Deutlich  tritt  jedoch  diese  pellucide,  glasartige 
Beschaffenheit  nur  bei  solchen  Geschlechtern  der  Perfo raten  hervor, 
welche  mit  relativ  dünnen  Wandungen  ziemlich  weite  und  nicht  sehr 
dichtstehende  Porenkanäle  verbinden,  wie  z.  B.  bei  gewissen  Rotalinen. 
Wird  hingegen  die  Dicke  der  Schalenwandungen  beträchtlich,  sind 
dieselben  gleichzeitig  von  sehr  dicht  stehenden  und  engen  Poren 
kanälchen  durchsetzt,  so  wird  hierdurch,  bei  der  Erfüllung  der  Poren- 
kanälchen  mit  Luft  oder  einem  andern  in  seinen  Brechungsverhältnissen 
von  den  Schalenwandungen  verschiednen  Stoff,  die  Durchgängigkeit  der 
letzteren  für  das  Licht  wegen  der  häufigen  Reflexionen  sehr  alterirt  und 
an  Stelle  der  glasartig  durchsichtigen  Beschaffenheit  der  Schalenwan- 
dungen tritt  eine  getrübte,  milchige,  halbopake,  wie  dies  bei  den  Nummu- 
liniden  fast  durchaus  der  Fall  ist.  Indem  sich  jedoch  an  derartigen  halb- 
opaken Schalen  der  Perforaten  häufig  lokale  Anhäufungen  von  solider, 
nicht  mit  feinen  Porenkanälen  oder  doch  nur  von  weiteren  Kanälen  durch, 
zogner  Schalenmasse  in  Gestalt  von  Bändern,  Tuberkeln,  Kielen  etc.  bilden, 


24  Ehizopoda. 

SO  trittauch  an  solchen  Stellen  die  glasartige  Beschaffenheit  wieder  deutlich 
hervor.  Dasselbe  ist  natürlich  auch  der  Fall  an  genügend  dünnen  Schliffen, 
die  in  geeigneter  Richtung  zu  dem  Verlauf  der  Porenkanäle  geführt  sind. 
Wenn  nun  auch  eine  solche  glasartig  durchsichtige  Beschaffenheit  eine 
fast  allgemeine  Verbreitung  unter  den  Perforaten  zu  besitzen  scheint,  so 
sind  doch  zuweilen  auch  rein  opake  Schalen  dieser  Typen  anzutreffen, 
so  z.  B.  Calcarina,  und  nach  Carpenter  sollen  die  todten  Schalen 
durch  langes  Liegen  in  Seewasser  häufig  durchaus  weiss  und  opak  werden. 

Was  die  Färbung  der  Schalenmasse  der  Perforaten  anbetrifft,  so  fehlt 
eine  solche  gewöhnlich  durchaus,  sie  ist  ganz  oder  nahezu  farblos;  da- 
gegen findet  sich  bei  Polytrema  sehr  gewöhnlich  eine  mehr  oder  weniger 
intensiv  rothe  Farbe  derselben,  wie  sie  ähnlich  auch  einer  Anzahl  Rota- 
lineu  eigen  sein  soll,  wogegen  M.  Schnitze  die  Färbung  letztrer  auf 
die  der  durchschimmernden  Sarkode  bezieht.  Eine  sehr  schöne  blaue 
Färbung  zeigt  die  Schalenmasse  der  interessanten  Carpenteria  Raphido- 
dendron  Mob. 

Der  wichtigste  Charakter  im  feineren  Schalenbau  der  Perforaten  liegt 
jedoch  in  der  Perforation  der  Schalenwandungen  durch  mehr  oder  minder 
zahlreiche  Porenkanäle,  die  fast  stets  in  ziemlich  gestrecktem  Verlauf  die 
innre  Schalenfläclie  mit  der  äussern  in  Verbindung  setzen.  (Eine  Reihe 
von  bildlichen  Darstellungen  dieser  Porenkanäle  bieten  die  Tafeln  VII — 
XIII.)  Bezüglich  ihrer  feineren  Ausbildungsverhältnisse  zeigen  diese 
Porenkanäle  eine  ziemliche  Mannigfaltigkeit.  Zunächst  sind  es  die  Grössen- 
verhältnisse  derselben  und  ihre  Vertheilung  über  die  Schale,  die  hier 
unsre  Aufmerksamkeit  in  Anspruch  nehmen.  Die  weitesten  Porenkanäle 
finden  sich  bei  den  Globigeriniden,  wo  sie  zwischen  0,0127—0,0025  Mm. 
Durchmesser  schwanken,  im  Allgemeinen  jedoch  die  gröberen  Porenkanäle 
von  ca.  0,0127—0,005  Mm.  Durchmesser  vorherrschen  (VII.  28  a,  IX.  8). 
Relativ  weite  Porenkanäle  von  0,017  Mm.  finden  sich  bei  Orbulina,  hier 
jedoch  neben  sehr  feinen,  so  dass  bei  dieser  Form  sich  gleichzeitig  zweier- 
lei Porenkanäle  vorfinden,  wie  es  von  Wallich  auch  für  die  nahver- 
wandte Globigerina  (VII.  29  c)  und  von  M.  Schultze  für  Discorbinia  an- 
gegeben wird,  so  dass  dieses  Verhalten  unter  den  Globigeriniden  keines- 
wegs isolirt  zu  sein  scheint*). 

Schon  bei  Rotalia  und  einigen  weiteren  Formen  unter  den  Globige- 
riniden verfeinern  sich  jedoch  die  Porenkanäle  sehr  beträchtlich  und  das- 
selbe gilt  nahezu  durchaus  von  den  Nummuliniden,  bei  letzteren  Formen 
besitzen  sie  einen  Durchmesser  von  ca.  0,0025  Mm.  und  erinnern  durch 
ihre  Feinheit  und  ihr  dichtgedrängtes  Beisammenstehen  sehr  an  die  Dentin- 
röhrchen  bei  den   Wirbelthieren    (X   u.   XII).     Noch    weiter  jedoch  gebt 


*)  Auch  an  der  ansehnlichen  kuglig  angeschwollnen  Endkammer  gewisser  Cymbaloporen 
sind  ähnlich  wie  bei  Orbulina  grobe  und  feine  Poren  vorhanden. 


Schalen  material.  25 

die  Feinheit  der  Porenkanäle  bei  der  Abtheilung  der  Lagenideen,  wo  ihr 
Durchmesser  kaum  noch  nennbar  ist  und  sie  ungemein  dicht  zusammen- 
gedrängt stehen.  Im  Allgemeinen  scheint  daher  die  Feinheit  der  Röhr- 
chen und  die  Entfernung  derselben  von  einander  proportional  zu  sein. 

Im  besondern  zeigen  die  feineren  Bauverhältnisse  dieser  Porenkanäle 
noch   einige  erwähnenswerthe   Verhältnisse.     Während  sie  gewöhnlich  in 
ihrem   ganzen   Verlauf  durchaus   gleiche  Weite   besitzen,   findet   sich  bei 
einigen  Globigeriniden   eine   trichterförmige  Erweiterung   der  Porenröhren 
nach   der  Aussenfläche   der   Schale   zu    (so   namentlich  bei  Globigerina) ; 
andrerseits  können   sich  jedoch  auch   die  Porenkanälchen  über  die  Ober- 
fläche der  Schale  hinaus  zu  kurzen  Röhrcheu  verlängern,  wie  solches  von 
verschiednen   Gattungen   der   Globigeriniden,   so  hauptsächlich  Bigenerina 
(Textularia)   und  Planorbulina   bekannt  ist.     In  ihrem  Verlauf  zeigen  die 
Porenkanälchen  sehr  häufig  eine  quere  Streifung,  die  mit  der  Schichtung 
der  Schalenmasse  im   Zusammenhang  steht,   indem   die  Schichtengrenzen 
durch  schwache  Faltungen  in  den  Porenkanalwandungen  angedeutet  sind 
(IX.   10).     Auf   der    Schalenoberfläche    lassen    sich    um   die   Mündungen 
der  Poren  bisweilen   zarte,   dieselben   umziehende  erhabne   Kanten  wahr- 
nehmen,  die   zusammen   eine   reticuläre   Felderung   bilden,   so  dass  jede 
Porenöö'nung  in  einem  solchen  Feldcheu  liegt,  wie  solches  bei  Globigerina 
und  Orbulina   häufig   deutlich   zu   beobachten   ist.     Eine  ähnliche,  jedoch 
viel  zartere  areoläre  Zeichnung  um  die  Porenöft'nungen  findet  sich  jedoch 
nach   Carpenter    auch  bei  Operculina   und   da   diese   sich   auch   um   den 
Querschnitt  jedes   Porenkanals   auf  TangentialschHffen   der  Schale  zeigt 
(X.   4d  u,   e),    so   liegt  die   Vermuthung  nahe,   dass   sich  die   Schalen- 
masse  hier   aus   sehr   feinen    senkrecht  zur   Oberfläche  stehenden   Kalk- 
prismeu  aufbaue,   von   welchen  jedes   von   einem   Poreukanal  durchsetzt 
wird.     Dasselbe   hat  KöUiker   auch  bei  Heterostegina,   Cycloclypeus  und 
Rotalia   nachzuweisen    vermocht   und   schliesst  sich   der    Carpenter'schen 
Deutung  an,  während  Carter  bei  einer  Planorbulina-artigen  Form  (seiner 
Aphrosine)    gleichfalls    dieselbe    Bildung    traf.      Andrerseits    ist   für   die 
äussere   Schalenmasse   bei   Orbulina   und   Globigerina   durch  Wallich  der 
Nachweis  geführt  worden,   dass   sie   sich  aus  keilförmig  nach  aussen  er- 
weiterten, an  krystallinische  Bildungen  erinnernden  Partikeln  zusammensetze 
(VII.   2,   9a   u.  b),   und  eine   ähnliche   Structur   wird   auch   für  die   ent- 
sprechende äussere  Schalenmasse  weiterer  Perforaten  angegeben,   sowohl 
Lagenideen  (z.  B.  Lagena)  als  Globigerinideen   (z.  B.  Pulvinulina).     Von 
Carter  wurde  schon   früherhin   versucht,   eine  Zusammensetzung  gewisser 
späterhin     näher    zu    erörternder    Schalentheile    einiger    Perforaten    aus 
zahlreichen     feinen     spicula  -  artigen     Gebilden    zu     erweisen,     wogegen 
späterhin    hauptsächlich    Carpenter    zu   zeigen   versuchte,    dass    es   sich 
hier   um   ein   anderes,   mit   dem  Verhalten   und   dem  Verlauf  des  sogen. 
Kanalsystems    in    Zusammenhang    stehendes    Structurverhältniss    handle. 
Neuerdings   hat  jedoch  Carter  bei   einer  als   Rotalia  bezeichneten  Form 
(wohl   Planorbulina)    die  Bildung    der  Schalenwandungen    aus  dicht  zu- 


26  Ehizopoda. 

sammenstebenden,  doppelspitzigen  Kaliiuadeln,  welche  durch  ein  fein- 
krystallinisches  Kalkcement  verbunden  wareu,  beobachtet*). 

Das  oben  hervorgehobene  Vorkommen  einer  sogen,  äussern  Schalen- 
masse führt  uns  noch  auf  einen  weiteren  eigenthümlichen  Punkt  in  dem 
feineren  Aufbau  der  Perforatenschalen.  Bei  den  Imperforaten  er- 
scheint die  Schalenmasse  durchaus  gleichmässig  und  ohne  Andeutung  von 
Schichtung,  bei  den  Perforaten  hingegen  lässt  sich  wohl  durchgehend  oder 
doch  sehr  gewöhnlich  eine  primäre  innerste  Schalenlage  erkennen  (der 
sogen,  proper  wall  Carpenter's),  die  gewöhnlich  von  geringer  Dicke  ist 
und  ihre  definitive  Stärke  frühzeitig  zu  erreichen  scheint  (VII.  29  a 
u.  c,  IX.  IIb).  Auf  diese  primäre  Schalenschicht  lagert  sich  eine  weitere 
Schalenschicht  ab  (sogen,  exogene  Schalensubstanz  auch  Zwischen-  oder 
supplementäres  Skelet  Carpenter's),  die  entweder  ganz  wie  die  primäre 
Schalenschicht  von  den  Porenkanälen  gleichmässig  durchbohrt  sein  kann, 
oder  aber  auch  ganz  solid  und  unperibrirt  auftritt,  so  dass  durch  ihre 
Auflagerung  die  gleichmässige  Perforirung  der  Oberfläche  der  Schale  be- 
einträchtigt wird.  Es  kann  aber  diese  Auflagerungsmasse  auch  von  wei- 
teren und  von  den  gewöhnlichen  Porenkanälen  abweichenden  Kanälen 
durchzogen  sein,  dem  sogen.  Zwischenkanalsystem  Carpenter's,  neben 
dessen  Entwicklung  sich  jedoch  auch  noch  wahre  Porenkanäle  in  dem 
aufgelagerten  supplementären  Skelet  finden  können.  Nicht  immer  jedoch 
scheint  der  primäre  Schalenwall  von  der  aufgelagerten  exogenen  Schalen- 
masse scharf  geschieden  zu  sein,  wie  dies  hauptsächlich  bei  Nummuliniden 
der  Fall  ist,  wo  es  zuweilen  (so  wenigstens  bei  Operculina)  nicht  mög- 
lich ist,  zwischen  einer  primären  Schalenschicht  und  einer  aufgelagerten 
Schalenmasse  eine  Grenze  zu  ziehen,  obgleich  hier  dasselbe,  später  noch 
genauer  zu  besprechende  Kanalsystem  sich  findet,  welches  gewöhnlich 
eine  Auszeichnung  der  Auflagerungsmasse  bildet. 

Die  Unterscheidung  eines  sogen,  supplementären  oder  Zwischen- 
skelets  von  einer  primären  Schalen wandung,  hat  seit  Carpenter's  Dar- 
stellung eine  ziemlich  allgemeine  Aufnahme  gefunden,  ohne  dass  mir  je- 
doch der  Begriff  einer  solchen  Zwischenskeletbildung,  der  in  obigen  Zeilen 
kurz  zu  entwickeln  versucht  worden  ist,  völlig  klar  und  sicher  gestellt 
scheint.  Mir  scheint  der  Unterschied  zwischen  einer  primären  Schalen- 
schicht und  spätem  secundären  Auflagerungsschichten  keineswegs  ein  so 
fundamentaler,  wie  dies  aus  der  Carpenter'schen  Darstellung  dieser  Ver- 
hältnisse wohl  erscheint,  namentlich  jedoch  aus  der  Bezeichnung  dieser 
secundären  Auf  lagerungsschichten  als  supplementäres  oder  Zwischenskelet, 
eine  Bezeichnungsweise,  die  ich  einmal  wegen  des  Ausdrucks  Skelet  in 
Verbindung  mit  Schalenbildungen  für  wenig  geeignet  halte,  ferner  jedoch 
auch  deshalb,   weil  sie   einen  sehr   tiefgreifenden   Unterschied  und  eine 


*)  Dass  es  sich  hier  nicht  um  fremde  von  Aussen  in  die  Schalenwandung  aufgenom- 
mene Nadeln  handelt,  wird  durch  ihre  successive,  dem  Wachsthum  der  Schale  parallel  gehende 


Grössenzunahme  wohl  unzweifelhaft  dargethan. 


Schalenmaterial.  27 

scharfe  Grenze  dieser  Auflageruugsschicbten  gegenüber  der  primären 
Schalen  wand  festzustellen  scheint,  während  eine  solche  Grenze  thatsäch- 
lich  z,  Th.  nur  sehr  wenig  ausgeprägt,  z.  Th.  hingegen  gar  nicht  festzu- 
stellen ist.  Wir  werden  daher  im  Verlaufe  dieser  Darstellung  unterschei- 
den zwischen  einer  primären  Schalenlage  (dem  Carpenter'schen  sogen, 
proper  chamber-wall)  und  einer  secundären  Schalenmasse,  gleichgültig  ob 
die  letztere  perforirt  oder  unperforirt  oder  noch  von  einem  besondern 
Kanalsystem  durchzogen  ist. 

Diese  exogene  Schalenmasse,  welche  bei  einem  beträchtlichen  Theil 
der  Perforirten  die  Hauptmasse  der  Schalen  Wandungen  bildet,  zeigt  ge- 
wöhnlich sehr  deutlich  einen  geschichteten  Bau,  worauf  schon  oben  bei 
Gelegenheit  der  mit  demselben  in  Zusammenhang  stehenden  queren  Strei- 
fung der  Porenkanälchen  hingewiesen  wurde. 

Wie  bei  den  Imperforaten  ist  auch  die  Schalenoberfläche  der  Perfo- 
raten  der  Sitz  mannigfaltiger  Verzierungen,  deren  Entwicklung  hier  vor- 
zugsweise von  der  Ausbildung  der  secundären  Schalenmasse  abhängt. 
Indem  diese  bei  den  Lagenideen  als  imperforirte  Auflagerungsmasse  nur 
Theile  der  primären  Schalenschicht  überzieht,  bildet  sie  je  nach  ihrer 
Anordnung  die  mannigfachsten,  aus  erhabnen  Rippen,  Kielen,  Netzen  und 
dergleichen  gebildeten  Zeichnungen  (VII.  5  — 17).  Auch  borsten-  und 
dornartige  Bedeckungen  der  Schalenoberfläche  werden  wohl  in  dieser 
Weise  gebildet  sein. 

Wenn  hingegen  die  secundären  Auflagerungsschichten  die  gesammte 
Schalenoberfläche  gleichmässig  überziehen,  wie  dies  bei  den  Globigeri- 
niden  und  den  Nummuliniden  der  Fall  ist,  so  entstehen  Verzierungen  der 
Oberfläche  entweder  einfach  durch  erhabne  und  vertiefte  Zeichnungen, 
oder  noch  besonders  dadurch,  dass  gewisse  Stellen  der  Auflagerungs- 
schichten  durch  den  Mangel  der  Perforirung  sich  auszeichnen  und  indem 
sie  gleichzeitig  gewöhnlich  knöpf-  oder  bandartig  über  die  benachbarte 
Schalenoberfläche  hervorspringen,  als  glasartig  durchsichtige  Knöpfe  oder 
Bänder  die  Schaleuoberfläche  zieren. 

Bekanntlich  sind  eine  Anzahl  pelagisch  lebender  Perforatenformen, 
nämlich  die  so  nahe  verwandten  Geschlechter  Orbulina  (VII,  30)  und 
Globigerina  mit  einem  Besatz  sehr  ansehnlicher,  von  der  Schalenober- 
fläche ausstrahlender  Stacheln  ausgerüstet.  Auch  die  wohl  nur  als  Unter- 
geschlecht von  Globigerina  zu  betrachtende  Hastigerina  (IX.  1)  ist 
durch  einen  entsprechenden  Stachelbesatz  ausgezeichnet.  Ob  ein  solcher 
Stachelbesatz  sämmtlichen  zu  den  erwähnten  Geschlechtern  gehörigen 
Arten  zukommt,  scheint  bis  jetzt  noch  fraglich,  jedenfalls  scheinen  aber 
die  pelagischen  Formen  stets  mit  demselben  versehen  zu  sein.  Diese 
sehr  langen  und  dünnen  Stacheln  erheben  sich  entweder,  wie  bei 
Orbulina,  von  niedern  Papillen  der  Schalenoberfläche,  oder  aber  bei  Glo- 
bigerina und  Hastigerina  von  den  Eckpunkten  der  erhabenen,  die  Poren- 
öflfnungen  umstehenden  Netzkanten,  die  schon  oben  geschildert  wurden. 
Die    4 — 5    Mal    den   Durchmesser    der    Schale    messenden   Kalkstacheln 


28  Ehizopoda. 

sind  etwas  biegsam,  aber  doch  sehr  zerbrechlich.  Im  Querschnitt  ersehei- 
nen sie  nicht  rundlich,  sondern  mehrkantig  (VII.  28b— c)*).  Die  Be- 
hauptung, dass  es  sich  hier  um  hohle,  für  den  Austritt  der  Pseudopodien  die- 
nende Stachelbildungen  handle,  welche  mehrfach  aufgestellt  wurde,  scheint 
wenigstens  für  Globigerina  und  Hastigerina  nach  den  übereinstimmenden 
Beobachtungen  von  Wallich,  W.  Thomson  und  Murray,  sowie  R.  Hertwig 
nicht  zutreffend  zu  sein,  wogegen  für  Orbulina  die  Hohlheit  der  Stacheln 
noch  von  Thomson  und  Murray  behauptet  wird. 

y.    Aus  Fremdkörpern  aufgebaute  Eliizopodenschalen. 

Eine  nicht  unbeträchtliche  Zahl  von  ßhizopoden  bildet  ihre  Schale 
nicht  allein  aus  vom  Thierkörper  selbst  erzeugter  Substanz,  sei  diese  nun 
organischer  oder  unorganischer  Natur,  sondern  verwerthet  hierzu  kleine 
aus  der  Umgebung  aufgenommene  feste  Partikel  verschiedener  Art,  welche 
durch  einen  von  dem  Plasmakörper  ausgeschiednen  Kitt  zu  einer  mehr 
oder  minder  festen  Schale  vereinigt  werden.  Zwischen  den  seither  be- 
sprochenen chitinösen  und  kalkigen  Schalen  und  diesen  jetzt  noch  etwas 
näher  zu  betrachtenden,  aus  Fremdkörpern  aufgebauten,  die  entsprechend 
dem  bei  weitem  am  häufigsten  verwertheten  fremden  Material  gewöhnlich 
als  sandige  Schalen  bezeichnet  werden ,  existirt  jedoch  keineswegs  eine 
scharfe  Grenze. 

Es  ist  kein  seltner  Fall,  dass  der  chitinösen  Schale  gewisser  Süss- 
wasserformen  fremde  Partikel  anhaften,  oder  auch  mehr  oder  weniger 
fest  mit  derselben  verkittet  sind.  Durch  reichlichere  Aufnahme  solcher 
Fremdkörper  und  Verkittung  derselben  durch  die  ursprünglich  chitinöse 
Grundlage  der  Schale  entstehen  die  bei  einer  ganzen  Anzahl  Geschlech- 
tern der  Süsswasserrhizopoden  sich  findenden  Fremdkörperschalen.  Andrer- 
seits nehmen  jedoch  auch  eine  nicht  geringe  Zahl  kalkschaliger  Meeres- 
formen Fremdkörper,  vorzugsweise  Sandkörner,  in  ihren  Schalen  auf, 
welche  die  Oberfläche  derselben  mehr  oder  weniger  überziehen  und  ihr 
eine  rauhe,  sandige  Beschaffenheit  ertheilen. 

Es  findet  sich  ein  solches  Verhalten  sowohl  unter  den  Imperforaten 
(so  z.  B.  bei  Nubecularia  ganz  gewöhnlich,  auch  zuweilen  bei  Quinque- 
loculina),  als  andrerseits  bei  gewissen  Perforata.  Unter  letzteren  treffen 
wir  es  sehr  gewöhnlich  bei  Textularia  und  den  verwandten  Geschlechtern, 
wie  bei  Bulimina  und  andern. 

Von  solchen  nur  wenig  mit  fremden  Partikeln  ausgestatteten  kalkigen 
Schalen  scheint  jedoch  ein  ziemlich  allmählicher  Uebergang  zu  den  speci- 
fisch  sandigen  Schalen  sich  zu  finden,  die  von  Carpenter,  Parker  und 
Jones  in  einer  besondern  Abtheilung  der  Lituolidae  unter  den  Imperfo- 
raten vereinigt  worden  sind.  Da  nun,  wie  späterhin  bei  der  eingehendem 
Betrachtung  der  systematischen  Fragen  noch  näher  zu  erörtern  sein  wird, 


*)  Vergl.  hauptsächlich  Wyw.  Thomson  und    Murray  Proc.    roy.  soc.  23  und  Hertwig, 
Jenaische  Zeitschr.  XI,  auch  Wallich,  Deep-sea  res.  on  the  biology  of  Globigerina  Lond.  1876. 


Schalenuiaterial.  29 

die  Aufstellung  einer  solchen  Abtheilung  der  Lituolidae  sehr  wenig  natür- 
lich erscheint  und  die  seither  in  derselben  untergebrachten  Formen  mit 
sandiger  Schale  ihre  natürlichen  Beziehungen  theils  unter  den  Imperfo- 
raten,  theils  unter  den  Perforaten  finden,  indem  sie  sich  den  bekannten 
kalkschaligen  Geschlechtern  dieser  grossen  Gruppen  zum  Theil  wenigstens 
näher  anschliessen,  so  dürfte  hieraus  hervorzugehen,  dass  die  Fähigkeit 
zur  Aufnahme  von  Fremdkörpern  in  die  Schale  und  der  Uebergang  zu 
völlig  sandigen  Schalen  sowohl  unter  den  Imperforaten  als  Perforaten  in 
viel  ausgedehnterem  Maasse  verbreitet  ist,  als  dies  nach  der  gewöhnlichen 
Auffassung  der  Fall  scheint. 

Was  zunächst  die  Natur  der  zum  Aufbau  der  Schale  verwendeten 
Fremdkörper  betrifft,  so  herrscht  hierin  grosse  Mannigfaltigkeit.  Bei 
weitem  am  häufigsten  sind  es  kleine  Sandkörnchen  und  zwar  vorwiegend 
Quarzkörnchen,  sowohl  bei  Süsswasserformen  (Difflugia,  Pseudodifflugia  etc.), 
als  bei  zahlreichen  marinen  Formen ,  aus  denen  sich  die  Schale  auf- 
baut. Selten  finden  wir  Kalksandkörnchen,  Körnchen  vulkanischen  San- 
des etc.  verwerthet.  Auch  in  den  Grössenverhältnissen  der  verwendeten 
Sandkörner  zeigt  sich  eine  weitgehende  Verschiedenheit  und  häufig  eine 
gewisse  Auswahl  von  Seiten  der  Erbauer  solcher  Schalen,  indem  die  eine 
Form  nur  grössere,  die  andre  nur  kleinere,  die  dritte  hingegen  Körnchen 
verschiedner  Grösse  verbaut. 

Gewisse  Formen  bedienen  sich  jedoch  noch  feineren  Materials,  sie 
bilden  eine  Schlammhülle  von  grössrer  oder  geringerer  Festigkeit  (so  z.  B. 
Astrorhiza  limicola,  Pelosina*). 

Als  weiteres  Material  des  Schalenbaus  dienen  sehr  häufig  die  auf  dem 
Meeresboden  ja  in  so  grosser  Menge  verbreiteten  Schwammnadeln,  und 
manche  Formen  scheinen  zur  Verwerthung  derselben  gerade  eine  be- 
sondre Neigung  zubesitzen  (so  Haliphysema,  die  etwas  zweifelhafte  Marsi- 
pella  Norm.,  Aschemonella  ßrdy.),  gewöhnlich  jedoch  werden  sie  unter- 
mischt mit  Sandkörnern  verbaut. 

Von  anderweitigen  zum  Schalenbau  dienenden  Fremdmaterialien  sind 
bei  den  marinen  Rhizopoden  hauptsächlich  noch  zu  erwähnen  die  Kalk- 
schalen kleinrer  Formen,  sowie  die  späterhin  hinsichtlich  ihrer  Natur  noch 
etwas  eingehender  zu  besprechenden,  unter  der  Bezeichnung  Coccolithen 
und  Cyatholithen  bekannten  und  im  Tiefseeschlamm  so  verbreiteten  sehr 
kleinen  Kalkgebilde.  Seltner  werden  Fragmente  von  Molluskenschalen 
mit  anderen  Materialien  in  die  Schalenwandungen  aufgenommen. 

Die  Süsswasserformen  dagegen  nehmen  in  ihre  Schalen  ausser  den 
schon  erwähnten  gewöhnlichen  Sandkörnern  sehr  häufig  auch  die  Kiesel- 
hüllen der  Bacillariaceen  **)  auf  und  bei  gewissen  Geschlechtern  (haupt- 
sächlich Difflugia)  finden  sich  zuweilen  auch  eigenthümliche  Schalenmate- 


*)  Vergl,  T.  III.  Figg.  1—8,  11  u.  14,  IV,  1  u.  3,  V.  5—18. 
**)  Auch  Protococcuszelleii  sind  von  Archer  bei  Diaphoropodon  als  Schalenmaterial  neben 
Diatomeen  beobachet  worden. 


30  Rhizopoda. 

rialien,  über  deren  Herkunft  noch  keine  völlige  Sicherheit  erreicht  ist,  ja 
bezüglich  deren  noch  nicht  einmal  sicher  entschieden  ist,  ob  sie  als  von 
Aussen  in  die  Schale  aufgenommne  Fremdkörper,  oder  als  von  dem  thie- 
rischen  Körper  selbst  erzeugte  Gebilde  zu  betrachten  sind.  So  finden  sich 
Difflugien,  die  in  ihren  allgemeinen  Gestaltungsverhältnissen  sich  durch- 
aus an  solche  Formen  anschliesseu ,  deren  Schalen  deutlich  aus  Sand- 
körnern oder  Diatomeenschalen  erbaut  sind,  bei  welchen  die  Schalen  aus 
länglich  ovalen,  z.  Th.  Hinneigung  zu  hexagonalen  Umrissen  zeigenden 
Plättchen  besteht ;  an  diese  schliessen  sich  weitere  Formen  an  mit  runden 
scheibenförmigen  Plättchen,  entweder  von  annähernd  gleichen  Grössen- 
verhältnissen  oder  grössere  untermischt  mit  kleineren.  Schliesslich  reiht 
sich  hier  noch  an  die  bei  der  kaum  von  Difflugia  zu  trennenden  sogen. 
Echinopyxis  gewöhnlich  (jedoch  auch  bei  gewissen  Difflugien)  sich  fin- 
dende Zusammensetzung  der  Schale  aus  kleinen  cylindriscben,  geraden 
oder  mannigfach  gebognen  stäbchenartigen  Gebilden  (IIL  9).  Wallich*), 
der  diesen  feineren  Structurverhältnissen  der  Difflugienschalen  eingehen- 
dere Aufmerksamkeit  gewidmet  hat,  kommt  zu  dem  Schluss,  dass  alle 
die  soeben  erwähnten  Gebilde  ursprünglich  aus  von  Aussen  aufgenommnen 
kieseligen  Diatomeenschalen  (hauptsächlich  der  Gattung  Eunotia)  hervorge- 
gangen seien,  indem  dieselben  durch  active  Einwirkung  des  Plasma's  der  Dif- 
flugien eine  allmählich  immer  weiterschreitende  Umgestaltung  erlitten  hätten, 
was  wegen  der  ganz  allmählichen  Uebergänge,  welche  die  erwähnten 
Schalenbestandtheile  unter  sich,  andrerseits  jedoch  auch  zu  den  Schalen 
der  Eunotia  zeigen  sollen,  nicht  unwahrscheinlich  klingt.  Kaum  glaublich 
erscheint  jedoch  die  von  Wallich  auch  für  die  quadratischen  regelmässigen 
Plättchen  der  Quadrula  (vergl.  S.  20)  geltend  gemachte  gleiche  Entstehung, 
wie  denn  überhaupt  die  hervorgehobnen  besondern  Structurverhältnisse  gewis- 
ser Difflugienschalen  weiterer  Untersuchungen  zu  ihrer  Aufklärung  bedürfen. 

Die  Vereinigung  der  die  sandigen  Schalen  aufbauenden  Partikelchen 
geschieht  durch  eine  Kittsubstanz  oder  ein  Cement  sehr  verschiedner  Natur. 

Für  die  Fremdkörperschalen  der  Süsswasserrhizopoden  wird  die  chi- 
tinöse  Natur  dieses  Kittes  ziemlich  allgemein  angenommen.  Derselbe  ver- 
bindet die  Fremdpartikel  loser  (Diaphoropodon)  oder  fester  mit  einander. 
Das  gelegentliche  Auftreten  solcher  Formen  mit  häutiger  von  Fremd- 
körpern freier  Schale  —  so  z.  B.  der  Difflugia  spiralis  nach  Mereschkowsk}' 
(118),  ähnlich  auch  nach  Entz  (110)  —  spricht  für  eine  solche  Auffassung 
der  Kittsubstanz.  Auch  scheint  bei  der  Mehrzahl  dieser  Schalen  ur- 
sprünglich eine  innerliche  rein  chitinöse  Lamelle  gebildet  zu  werden,  wofür 
Wallich's,  Hertwig  und  Lesser's  und  Entz'  Untersuchungen  sprechen. 

Ob  aber  bei  sämmtlichen  Fremdkörperschalen  der  Süsswasserrhizo- 
poden die  Kittmasse    eine  chitinöse  Beschaffenheit  besitzt,    ist  fraglich. 


*)  S.  Aim.  mag.  nat.  bist.  III.  lü.  Leidy  hat  für  die  birnförmigen.  durch  eine  derartige 
Schalenstructur  ausgezeichneten  Difflugien  neuerdings  das  Genus  Nebela  aufgestellt.  Er  ist 
geneigt,  die  betreff.  Schalengebilde  als  Erzeugnisse  des  Thierkörpers  selbst  zu  betrachten. 
(Proc.  Ac.  PhUad.  1876.) 


Schaleninaterial.  31 

indem  bei  einem  Theil  möglicherweise  ein  protoplasmatisehes  oder  gallertiges 
Bindemittel  vorhanden  sein  könnte.  Ich  selbst  habe  bei  Difflugia  acnmi- 
nata  dasselbe  in  Carmin  sich  lebhaft  färben  sehen  und  Carter  schreibt 
demselben  bei  D.  pyriformis  eine  glutinöse  (eiweissartige?)  Beschaffenheit 
zu  (75).  In  Beziehung  hiermit  Hessen  sich  auch  die  Verhältnisse  bei  dem 
Diaphoropodon  Archer's  bringen,  wo  zwischen  den  lose  vereinigten  Schalen- 
partikeln über  die  Gesammtoberfiäche  der  Schale  feine  Pseudopodien 
hervortreten  sollen,  was  sich  wohl  durch  die  Annahme  eines  protoplasma- 
tischen oder  gallertartigen  Bindemittels  erklären  Hesse*). 

Bei  dieser  Gelegenheit  sei  jedoch  noch  erwähnt,  dass  auch  WaHich 
zur  Annahme  geneigt  ist,  dass  bei  den  Difflugien  das  Protoplasma  des 
Thierkörpers  aus  feinen  Löchern  zwischen  den  Schalenpartikeln  hervor- 
treten könne,  während  Carter  sich  von  einem  solchen  Hervortreten  von 
Pseudopodien  aus  dem  Hinterende  der  Schale  der  Difflugien  überzeugt 
haben  will  und  Entz  von  seiner  Pleurophrys  Helix  (einer  zwischen  Dif- 
flugia und  Pseudodifflugia  schwankenden  Form  (III.  Fll),  sowie  der 
Pleurophrys  sphaerica  gleichfalls  ähnliches  berichtet. 

Andrerseits  ist  auch  das  Vorkommen  eines  kieseligen  Cementes  in 
den  Fremdkörperschalen  gewisser  Süsswasserformen  nicht  unwahrschein- 
lich in  Betracht  der  für  gewisse  Difflugienformen  behaupteten  grossen 
Widerstandsfähigkeit  gegen  starke  Mineralsäuren**). 

Auch  von  den  marinen  Formen  mit  Fremdkörperschalen  wird  das 
Vorkommen  des  Chitins  als  Cement  mehrfach  berichtet,  so  hat  Brady  (89) 
gezeigt,  dass  die  gewöhnlich  durch  kalkiges  Cement  ausgezeichneten 
Trochamminaformen  im  brackischen  Wasser  statt  des  Kalkes  eine  chitinöse, 
die  Fremdkörper  verkittende  Schalenhaut  zeigen.  Auch  gewisse  Reophax- 
formen,  sowie  die  noch  etwas  zweifelhafte  Gattung  Pelosina  zeigen  das 
gleiche  Verhalten  (117).  Bei  einer  Anzahl  weiterer  Formen  scheint  da- 
gegen, ähnlich  wie  dies  auch  für  gewisse  Süsswasserformen  bemerkt 
wurde,  das  organische  Bindemittel  keineswegs  die  vom  Chitin  bekannte 
Widerstandsfähigkeit  gegen  Säuren  und  Alkalien  zu  besitzen,  wie  solches 
z.  B.  von  Bessels  bei  Astrorhiza  limicola,  von  Brady  bei  der  noch  etwas 
unsicheren  Gattung  Rhizammina  beobachtet  wurde  (117). 

Die  Fähigkeit  Pseudopodien  zwischen  den  die  Schale  aufbauenden 
Partikeln  auszusenden,  die  einer  ziemlichen  Reihe  von  marinen  Sand- 
formen unzweifelhaft  zukommt,  mag  bei  losen  Schalenbauten,  wie  z,  B. 
denen  der  Astrorhiza  vielleicht  durch  die  Beschaffenheit  des  organischen 
Bindemittels  ermöglicht  werden,  wogegen  bei  den  festeren  Schalen- 
bauten  mit  unorganischer  Cementirung  besondere  feine  Austrittswege, 
wohl  in  Gestalt  unregelmässig  zwischen  den  Partikeln  verlaufender  und 
daher  schwer  sichtbarer  Porenkanäle,  zu  diesem  Behuf  vorhanden  sein 
werden. 


*)  Qu.  joum.  m.  sc.  IX. 
**)  Vergl.  Schneider  Z.  f.  w.  Z.  Bd,  21. 


32  Rhizopoda. 

Zahlreiche  marine,  sandige  Rhizopodenschalen  scheinen  jedoch 
ein  kalkiges  Ceraent  aufzuweisen,  wie  dies,  in  Betracht  ihrer  nahen  Be- 
ziehungen zu  den  rein  kalkschaligen  Formen,  natürlich  erscheint.  Doch 
rauss  bemerkt  werden,  dass  über  die  Natur  des  Cementes  viel  Unsicher- 
heit in  den  Schriften  über  die  sandigen  Formen  sich  findet,  und  diese  Frage 
bis  jetzt  keineswegs  hinreichend  genau  untersucht  scheint.  Als  mit  Kalk- 
cement  versehen  darf  jedenfalls  die  jetzt  mit  Recht  zu  den  Perforaten  ge- 
zogene Gattung  Valvulina  bezeichnet  werden ;  auch  von  den  sogen.  Tro- 
charaminaformen  der  englischen  Forscher  scheinen  nach  Brady  zahlreiche 
ein  solches  Cement  zu  besitzen,  während  Carpenter  denselben  ein  dichtes, 
eisenschüssiges  Cement  von  ockerartigem  Aussehen  zuschreibt. 

Im  Allgemeinen  scheint  ein  Gehalt  an  Eisenoxyd  überhaupt  für  das 
Schalencement  mannigfacher  Sandrhizopoden  charakteristisch  zu  sein  So 
wird  von  Carpenter  auch  das  Cement  der  Rhabdammina  als  eisenschüssig 
erwähnt  und  neuerdings  den  Lituolaformen  eine  aus  phosphorsaurem 
Eisenoxyd  bestehende  Kittsubstanz  zugeschrieben,  während  in  der  „Intro- 
duction"  bezüglich  dieses  Punktes  nichts  sicheres  angegeben  wird  (abge- 
sehen von  der  Angabe,  dass  das  Cement  in  sehr  geringer  Quantität  vor- 
handen sein  soll).  Die  rothe  bis  braune  Färbung,  welche  die  Sand- 
schalen gewisser  Rhizopoden  häufig  zeigen,  wird  gewöhnlich  einem  Ge- 
halt an  Eisenoxyd  zugeschrieben,  ohne  dass  jedoch  meist  genauere  che- 
mische Untersuchungen  über  die  Natur  dieser  Färbung  vorliegen. 

Zwei  Analysen  von  Sandschalen,  die  Brady  bekannt  gemacht  hat 
(Hyperammina  und  Cyclammina  117),  zeigen  einen  auffallend  geringen  Kalk- 
gehalt (2—3  Proc),  wogegen  das  Eisenoxyd  (einschliesslich  etwas  Thon- 
erde)  bei  der  ersteren  Form  2,  bei  der  letzteren  sogar  8,9  Proc.  betrug. 
Hiernach  scheint  also  Eisenoxyd  wirklich  eine  Rolle  im  Cement  der 
marinen  Sandschalen  zu  spielen ,  wobei  jedoch  beachtenswerth  erscheint, 
dass  es  sich  in  den  erwähnten  beiden  Fällen  weder  als  Silicat  noch  als 
Phosphat,  sondern  als  unverbundenes  Oxyd  gefunden  haben  soll.  Neben 
kalkiger  und  eisenoxydhaltiger  Kittsubstanz  scheint  jedoch  nach  neue- 
ren Erfahrungen  von  Brady  (117)  auch  Kieselsäure  als  Bindemittel  auf- 
treten zu  können ,  insofern  nämlich  aus  der  vollständigen  Unveränder- 
lichkeit  der  Schalen  gewisser  Ammodiscus-  und  Reophaxformen  in  Säu- 
ren ein  solcher  Schluss  gezogen  werden  darf. 

Weitere  Verschiedenheiten  lassen  die  Sandschalen  der  marinen  Rhizo- 
poden in  der  feineren  Ausbildung  ihrer  Schalenwände  erkennen.  Bei 
einer  Anzahl  von  Formen  sind  die  kleinen  Fremdkörper  (hauptsächlich 
Sandkörner)  vollständig  in  das  in  ziemlich  reichlicher  Quantität  vorhandne 
Cement  eingebettet,  so  dass  sowohl  die  äusseren  wie  die  inneren  Flächen 
der  Schale  glatt,  ja  z.  Th.  sogar  wie  polirt  erscheinen.  Dieser  Charakter 
zeichnet  hauptsächlich  die  sogen.  Trocharaminen  der  englischen  For- 
scher aus,  ja  bildet  eigentlich  den  einzigen  bezeichnenden  Charakter  dieses 
Gewirres    von    Formen.      Aehnliches    zeigen    eine    Anzahl    weiterer  von 


Schalenmaterial.  33 

F.  E.  Schulze  und  Brady  neuerdings  beschriebener  Gattungen,  namentlich 
die  Glättung  der  inneren  Schalenfläche  (so  Psammosphaera,  Stortosphaera, 
Marsipella).  Aus  grösseren  Sandkörnern  oder  anderweitigen  grösseren 
Fremdkörpern  erbaute  Schalen  zeigen  hingegen  unregelmässige,  durch 
die  vorspringenden  Partikel  rauhe  Flächen,  welche  von  dem  nur  in  ge- 
ringerer Quantität  vorhandenen  Cement  nicht  geglättet  werden.  Dieser 
Charakter  wurde  von  Carpenter  und  seinen  Mitarbeitern  Parker  und  Jones 
für  so  wichtig  erachtet,  dass  sie  einen  weiten  Formenkreis,  wesentlich  auf 
diese  Beschaffenheit  der  Schale  hin,  zu  einer  Gattung  Lituola  ver- 
einigten. 

Die  späteren  Forschungen  haben  jedoch  noch  zahlreiche  weitere  For- 
men solcher  rauhschaligen  Sandrhizopoden  kenneu  gelehrt  und  auch  die 
Gattung  Lituola  in  verschiedene  Formreihen  zerlegt. 

Eine  besondere  Eigenthümlichkeit  zeigt  nicht  selten  die  innere  Schalen- 
fläche solcher  rauhen  Formen,  indem  die  ursprüngliche  Rauhigkeit  all- 
mählich zur  Bildung  unregelmässiger  netzartiger  oder  labyrinthisch  verwirr- 
ter Einwüchse  der  Wandung  in  die  Höhlung  der  Schale  überführt,  woraus 
schliesslich  eine  mehr  oder  weniger  vollständige  Ausfüllung  der  Schalen- 
höhlung durch  solche  Einwüchse  hervorgehen  kann.  Hinsichtlich  ihres 
Aufbaues  zeigen  diese  Einwüchse  ganz  dieselbe  Bildung  aus  Fremdpar- 
tikeln, wie  die  eigentlichen  Schalenwandungen  (vergl.  bezüglich  dieses 
Verhaltens  hauptsächlich  die  Gattungen  Lituola,  Haplostiche,  Botellina, 
Cyclammina,  Bdelloidina;  in  geringerer  Ausbildung  findet  sich  Aehnliches 
noch  bei  einer  Anzahl  weiterer  Formen). 

6.    Aus  Kieselsäure  bestehende  Schalenbildungen  der  Khizopoden. 

Die  gelegentlichen  Mittheilungen  älterer  Rhizopodenforscher  über  das 
Vorkommen  kieseliger  Schalen  haben  sich  zum  grössern  Theil  als  irr- 
thümliche  herausgestellt,  es  waren  kieselsandige  Schalen,  die  solche  An- 
gaben veranlassten. 

Dies  gilt  von  der  von  M.  Schultze  (53)  beschriebenen  Polymorphina 
silicea  (nach  Parker  und  Jones  =  Verneuilina  polystropha)  und  ähnlich 
dürfte  es  sich  auch  mit  der  von  Ehrenberg  beschriebenen  kieselschaligen 
Spirillina  verhalten.  Auch  den  aus  Kieselsandsttickchen  ihre  Schale  aufbauen- 
den Difflugien  ist  mehrfach  das  Vermögen  der  Kieselsäureabscheidung  zu- 
geschrieben worden;  so  hat  M.  Schultze  in  Berücksichtigung  seiner  irr- 
thümlichen  Untersuchungen  über  die  Kieselschaligkeit  der  oben  angeführ- 
ten sogen.  Polymorphina  auch  den  Difflugien  die  Fähigkeit  der  Kiesel- 
säuresecretion  zugeschrieben.  Auch  A.  Schneider*)  bemühte  sich  nachzu- 
weisen, dass  die  Schale  der  Difflugien  ganz  allgemein  eine  directe  Aus- 
scheidung des  Thierkörpers  sei  und  Entz  sprach  sich  neuerdings  in  dem- 
selben Sinne  für  Difflugia  und  Pseudodifflugia  aus. 


*)  Ztschr.  f.  w.  Z.  Bd.  21. 

Broun,  Klassen  des  Thiei-Keiclis.    Piotuzoa. 


34  ■    Eliizoi^oda. 

Angesichts  der  ganz  unbezvveifelbaven  Aufnahme  von  Fremdkörpern 
in  die  Schale  dieser  und  anderer  Süsswasserformen  scheint  zum  mindesten 
die  Behauptung,  dass  die  Schalen  dieser  Formen  ganz  allgemein  eine  di. 
recte  thierische  Abscheidung  darstellten,  ganz  ungerechtfertigt.  Andrer- 
seits kann  jedoch,  wie  auch  schon  oben  angedeutet  worden,  das  Vor- 
kommen kieseliger  Ausscheidungen  bei  den  Difflugien  und  eine  ähn- 
liche Schalenstructur  zeigenden  Formen  des  süssen  Wassers  nicht  un- 
bedingt zurückgewiesen  werden,  da  kieselige  Abscheidungen  ja  den  Rhi- 
zopoden  nicht  durchaus  fehlen  und  die  speciellen  Structurverhältnisse 
mancher  Difflugien  noch  nicht  recht  aufgeklärt  sind. 

Dass  in  jener  Beziehung  vorschnelles  Verallgemeinern  zu  irrthüm- 
lichen  Behauptungen  wohl  führen  kann,  geht  deutlich  aus  den  Erfahrungen 
der  neueren  Zeit  hervor,  die  eine  kieselige  Schalenbildung  sowohl  bei 
gewissen  Süsswasser-  als  Meeres -Ehizopoden  ziemlich  sicher  erwiesen 
haben. 

Was  zunächst  die  Süsswasserformen  betrifft,  so  blieb  Hertwig  zweifel- 
haft, ob  nicht  doch  die  Schale  von  Microgromia  ihre  grosse  Widerstands- 
fähigkeit einem  Gehalt  an  Kieselsäure  verdanke.  Unzweifelhaft  kieseliger 
Natur  scheinen  die  Plättchen  der  Euglypha  zu  sein,  wogegen  die  ähn- 
lichen der  Cyphoderia  nach  F.  E.  Schulze  einen  rein  chitinösen  Charakter 
besitzen.  Bei  einer  Reihe  verwandter  Formen  liegen  keine  sicheren  Be- 
obachtungen über  die  chemische  Natur  ihres  Schalenmaterials  vor. 

Was  die  marinen  Formen  anbetrifft,  so  wurde  schon  oben  auf  das 
wahrscheinlich  kieselige  Cement  gewisser  Fremdkörperschalen  hingewiesen 
und  hieran  schliesst  sich  die  eigenthümliche  Beobachtung  Brady's  (117), 
der  eine  kleine  Miliola  mit  ganz  homogener  durchsichtiger  Schale  beob- 
achtet hat,  die  sich  bei  weiterer  Untersuchung  als  kieselig  herausstellte.  — 
Im  Jahr  1856  wurde  durch  Bailey  *)  eine  marine,  Cadium,  genannte  Rhizo- 
podenform  entdeckt,  die  auch  von  Ehrenberg  **)  bei  seinen  Tiefseestudien 
wieder  beobachtet,  als  kieselschalig  erkannt,  und  zu  seiner  Familie  der 
Arcellinen  gestellt  wurde.  Später  hat  Wallich***)  ausser  der  schon  be- 
kannten noch  eine  weitere  Form  beobachtet  und  durch  die  Challenger- 
expedition  ist  auf  das  Vorkommen  einer  sehr  mannigfaltigen  Gruppe 
kieselschaliger,  rhizopodenartiger  Organismen  in  den  Tiefgründen  des 
pacifischen  Oceans  (hauptsächlich  in  dem  an  gewissen  Stellen  aufgefun- 
denen Radiolarienschlamm)  hingewiesen  worden  f). 

Es  scheint  mir  ziemlich  sicher,  dass  die  ältere  unter  dem  Namen 
Cadium  beschriebne  Form  ein  Mitglied  dieser  von  W.  Thomson  und 
Murray  „Challengeridae"  getauften  kieselschaligen,  rhizopodenartigen  Or- 
ganismen bildet.  Die  von  E.  Häckel  unternommene  genauere  Untersuchung 


■     *)  Sillim.  Americ.  journ.  sc.  a.  arts  1856  p.  3. 
**)  M.  B.  d.  Berl.  Ak.  1860. 
***)  A.  ai.  11.  li.  III.  13. 
t)  Proc.  roy.  soc.  24. 


Sclialeugestaltung.     (Homaxone  Formen.)  35 

dieser  „Challengeridae",  über  welche  erst  während  des  Druckes  dieses  Bogens 
durch  eine  vorläufige  Mittheilung  weiteren  Kreisen  Nachricht  zukommt,*) 
scheint  mit  Sicherheit  zu  ergeben,  dass  diese  Formengruppe  zu  den  Ka- 
diolarien  zu  rechnen  ist,  wodurch  denn  auch  die  erwähnte  G.  Cadium  von 
den  Rhizopoda  wohl  definitiv  abgetrennt  erscheinen  dürfte. 


B.   Der  morphologische  Aufbau  der  ßhizopoden- 

schalen. 

K.   Homaxone  Schalenbildungen. 

Wie  schon  bei  der  Besprechung  der  allgemeinen  morphologischen 
Verhältnisse  der  Rhizopoden  erörtert  wurde,  ist  die  Schalengestaltung  der- 
selben fast  durchaus  eine  einaxige.  Dennoch  findet  sich  eine  geringe 
Anzahl  von  Formen,  welche  als  homaxone  bezeichnet  werden  müssen  und 
und  die  wegen  dieses  Verhaltens  einen  Anscbluss  an  die  Heliozoen  ver- 
mitteln. Diese  homaxon  gestalteten  Formen  gehören  zu  den  Perforaten 
und  sind  vorwiegend  marine,  wogegen  nur  eine  wohl  hierhergehörige 
Form  des  süssen  Wassers  bekannt  ist.  Jene  letzterwähnte  Form,  die 
Gattung  Micro  CO  metes  (IV.  5)  besitzt  eine  kuglige,  chitinöse  Schale 
von  sehr  unbedeutender  Grösse,  die  von  1 — 5  kreisförmigen  ziemlich  engen 
Porenöffnungen  (o)  zum  Durchtritt  der  Pseudopodien  durchbrochen  wird. 
Die  Variabilität  in  der  Zahl  der  Porenöifnungen  bei  dieser,  wohl  un- 
zweifelhaft als  homaxon  zu  bezeichnenden  Form  verräth  innige  Be- 
ziehungen zu  den  monaxon  gebauten  Schalen  und  wenn  es  nicht  ein  zu 
unsicheres  Unternehmen  wäre,  einen  natürhchen  Stammbaum  der  Rhizo- 
poden entwerfen  zu  wollen,  so  dürfte  eine  solche  Gestalt  wohl  als  Aus- 
gangspunkt der  beschälten  Rhizopoden  überhaupt  aufgestellt  werden. 

Die  marinen  homaxonen  Formen  sind  theils  kalkschalige,  theils  san- 
dige. Von  erstem  gehört  allein  die  meist  exquisit  homaxone  Gattung 
Orbulina  (VII.  30)  hierher,  deren  ganz  sphärische,  bestachelte  Schale 
von  dicht  stehenden,  sehr  feinen  Porenkanälen  und  weiter  gestellten, 
gröberen  Poren  allseitig  durchbohrt  wird.  Obgleich  nun  hier  eine  rein 
homaxone  Form  vorzuliegen  scheint,  so  bietet  dieselbe  doch  ebenfalls 
wieder  innige  Beziehungen  zur  monaxonen  Gestaltung  dar,  indem  sich 
nicht  selten  eine  einfache  weitere  Schalenöffoung  finden  soll,  die  durch 
besondere  Erweiterung  eines  der  grossen  Porenkanäle  entstanden  gedacht 
werden  darf  und  wodurch  dann  der  erste  Schritt  zur  monaxonen  Gestal- 
tung geschehen  ist.  (Vergl.  hierüber  Carpenter  74  und  Wallich  D.  sea 
research.  on  Globigerina,  sowie  Brady  117.  II.)  In  mehr  oder  weniger 
innigem  Anschluss  an  die  homaxone   kalkschalige  Orbulinaform  scheinen 


*)  Häckel,  E.,  Ueber  die  Phaeodarien,   eine  neue  Gruppe  kieselschaliger  mariner 
Ehizopodcn.     Sitzb.  d.  Jen.  G.  f.  Med.  u.  Naturw^.   Jahrg.  1879. 


36  Ebizopoda. 

eine  Anzahl  in  neuerer  Zeit  durch  F.  E.  Schulze  (103)  und  Brady  (117.  I) 
bekannt  gevvordner  sandiger  mariner  ßhizopoden  zu  stehen,  nämlich  die  Gat- 
tungen Psammo8phaera(V.  6),  Sorosphaera,  StortosphaeraundThu- 
rammina  (V.5).  Es  sind  dies  entweder  freie  oder  auch  aufgewachsene,  sand- 
schalige  Rhizopoden  mit  sphärischer  oder  nahezu  sphärischer  Schale.  Bei 
der  freien  Psammosphaera  findet  sich  keinerlei  Oefifuung  an  der  Schale, 
so  dass  die  Pseudopodien  wohl  ihren  Austritt  zwischen  den  die  Wan- 
dungen aufbauenden  Partikeln  nehmen  müssen*).  Aehnlich  verhält  sich 
auch  Sorosphaera.  Bei  Stortosphaera  finden  wir  die  freie  kuglige  Schale 
äusserlich  von  kurzen  zackenartigen  Fortsätzen  bedeckt,  ohne  jedoch  eine 
Münduugsöflfuung  zu  beobachten,  wogegen  Thurammina  (V.  5)  sich 
noch  am  nächsten  an  Orbulina  anschliesst,  indem  die  gewöhnlich  sphäri- 
sche Schale  eine  grössere  Zahl  auf  vorspringenden  Tuberkeln  gelegener 
Porenöffnungen  zeigt,  denen  sich  jedoch  sehr  gewöhnlich  noch  eine  von 
einem  kurzen  röhrenförmigen  Hals  getragne  Hauptöflfnung  zugesellt,  so 
dass  also  auch  bei  dieser  sandschaligen  Form  die  gleiche  Hinneigung  zur 
Monaxonie  auftritt,  die  wir  schon  bei  Orbulina  bemerkten. 

ß.  Monaxone,  monothalame  Schalenbildungen. 

Von  der  grossen  Zahl  der  restirenden  monaxonen  beschälten  Rhizopoden 
würden  sich  zunächst  die  einaxigen  und  gleichpoligen  Formen  hier  an- 
schliessen,  die  nach  dem  Vorschlag  von  Hertwig  und  Lesser  (99)  gewöhnlich 
als  besondere  Gruppe  der  Amphistomata  unter  den  Imperforaten  aufge- 
führt werdeu.  Es  sind  dies  Süsswasserformen  mit  ellipsoidischer,  mehr  oder 
weniger  langgestreckter,  entweder  chitinöser  (Diplophrys  IV.  2a  und 
Ditrema)  oder  sandiger  Schale  (Amphitrema  IV.  3),  welche  an  beiden  Polen 
mit  ziemlich  weiter  Mündung  zum  Austritt  der  Pseudopodien  versehen  ist. 
So  natürlich  eine  solche  Gruppe  der  doppelmündigen  Formen  unter  den 
übrigen  einkammerigen  Imperforaten  auch  auf  den  ersten  Blick  er- 
scheint, so  kann  doch  wohl,  wegen  des  interessanten  Verhaltens  gewisser 
einkammeriger  und  einmündiger  perforirter  Formen  der  Gattung  Lagena, 
die  scharfe  Scheidung  solcher  doppelmündiger  Formen  von  den  einmün- 
digen kaum  streng  durchgeführt  werden.    Bei  dieser  kalkschaligen,   sehr 


*)  Bei  dem  heutigen  Stand  unserer  Kenntnisse  der  Sarkodinen  ist  es  kaum  möglich, 
eine  scharfe  Grenze  zwischen  den  Gruppen  derselben  zu  ziehen.  Es  wird  daher  in  gewissen 
Fällen  schwierig,  eine  Form  der  einen  oder  der  andern  AbtheUung  zuzuweisen.  Die  von  Entz 
(110)  beschriebene  Gattung  OrbulineUa  (IV.  4)  macht  diese  Schwierigkeit  sehr  fühlbar.  Sie 
bietet  einerseits  Beziehungen  zu  den  erwähnten  homaxonen  Khizopoden  dar,  wie  sie  anderer- 
seits auch  den  Helizoen  sich  sehr  nähert.  Da  sie  jedoch  ein  kieseliges  Skelet  besitzt, 
so  glaube  ich,  dass  ihre  verwandtschaftlichen  Beziehungen  zunächst  nicht  auf  die  kalkschaligc 
Gattung  Orbulina,  sondern  auf  die  kieselschalige  Gattung  Clathrulina  der  Heliozoen  hindeuten. 
Wie  wenig  scharf  sich  jedoch  zwischen  homaxonen  Ehizopoden  und  Heliozoen  eine  Grenze 
wird  ziehen  lassen,  geht  auch  noch  daraus  hervor,  dass  es  auch  heliozoenartige  Formen  gibt, 
die  sich  mit  einer  aus  Fremdkörpern  erbauten  HüUe  umkleiden,  was  bei  der  Erörterung  der 
verwandtschaftlichen  Beziehungen  der  oben  aufgeführten,  im  ganzen  bis  jetzt  sehr  wenig  ge- 
kannten homaxonen  Sandforaminifera  nicht  aus  dem  Auge  zu  lassen  ist. 


Schalengestaltunj.     (Monaxone  Monothalamien.)  37 

artenreichen  Gattung  treten  nämlich  neben  typischen  einmiindigen  Formen 
auch  eine  kleine  Anzahl  doppelmündiger  auf,  die  in  ihren  Gestaltsver- 
hältnissen sich  innigst  an  die  erwähnten  Amphistoraen  anschliessen ,  in 
ihrem  übrigen  Verhalten  jedoch  so  nahe  mit  den  einmündigen  Lagenen 
übereinstimmen,  dass  eine  generische  Trennung  von  diesen  nicht  wohl 
gerechtfertigt  erscheint.  (Vergl.  Lagena  distoma  P.  u.  J. ,  Lyelli  Segu. 
und  gracillima  Segu.  VII.  20.) 

Bei  den  übrigen  Rhizopodenschalen  sehen  wir  den  monaxonen  und 
ungleichpoligen  Schalenbau  entweder  an  der  ausgebildeten  Schale  aufs 
deutlichste  ausgeprägt  oder,  da  durch  die  mannigfachen  mit  der  Kammer- 
bildung Hand  in  Hand  gehenden  Modificationen  die  Gcsammtgestalt  der 
ausgebildeten  Schale  eine  sehr  wechselnde,  bis  ganz  unregelmässige  wer- 
den kann,  diesen  Charakter  doch  noch  an  dem  jugendlichen  Anfangstheil 
derselben  oder  der  sogen.  Embryonalkammer  ausgeprägt. 

Betrachten  wir  hier  zunächst  die  einkammerigen ,  monaxonen  und 
ungleichpoligen  Schalen,  die  sowohl  in  der  Abtheilung  der  Imperforata 
als  der  Perforata  vertreten  sind  und  in  beiden  Gruppen,  abgesehen  von 
dem  feineren  Bau  der  Schalenwandungen,  sehr  ähnliche  Gestaltungsver- 
hältnisse und  parallel  laufende  Modificationen  zeigen,  wie  denn  auch  in 
beiden  Gruppen  sandschalige  Vertreter  dieses  Formtypus  sich  finden. 

Zunächst  gehört  von  den  Imperforaten  hierher  die  ganze  Reihe  der 
beschälten  Süsswasserforraen  (mit  Ausnahme  der  schon  erwähnten  wenigen 
abweichenden  Gattungen).  Die  bei  weitem  vorherrschendste  Gestaltung 
dieser  chitinösen,  kieseligen  oder  sandigen  Schalen,  mit  deren  feinerer 
Structur  wir  uns  schon  früher  beschäftigt  haben,  ist  im  Allgemeinen  eine 
sack-  bis  eiförmige,  die  jedoch  nicht  selten  durch  etwas  röhrige  Verlänge- 
rung des  die  Mündung  tragenden  Pols  eine  mehr  fiaschenförmige  wird 
(z.  B.  bei  Mikrogromia  III.  15,  Platoum  III.  17  a,  Lecythium  etc.). 

Durch  starke  Verkürzung  der  Längsaxe  und  scharfe  Absetzung  einer 
abgeflachten,  die  Mündung  tragenden  Oralfläche  von  einer  kuglig  gewölb- 
ten Aboralfläche  geht  die  bekannte  Schalengestalt  der  Arcella  hervor 
(II.  9  a),  die  sich  ähnlich  auch  bei  den  als  Pyxidicula  und  Pseudochlamys 
(II.  8)  unterschiednen  Formen  findet,  wo  jedoch  die  Oralfläche  der  Schale 
entweder  nur  als  dünne  Haut  oder  als  schmaler  Saum  ausgebildet  ist, 
der  zuweilen  auch  vöillig  fehlt*). 

Gewöhnlich  ist  die  Gestalt  der  hier  zunächst  zu  erörternden  Arcellinen, 
Euglyphinen  und  Gromiinen  eine  drehrunde,  also  ohne  Hervortreten  be- 
sondrer Queraxen,  zuweilen  bilden  sich  jedoch  durch  Abplattung  der 
Schale  in  einer  der  Längsaxe  parallelen  Ebene  zwei  solcher  Queraxen 
deutlich  aus  und  die  Schalengestaltung  wird  dadurch  eine  zweistrahlige. 
Sehr  deutlich  tritt  dies  unter  den  Arcellinen  bei  den  Gattungen  Hyalo- 
sphenia   (II.  10)  und   Quadrula  hervor  (II.  12),   z.  Th.  jedoch  auch  bei 


*)  üeber  die  wahrscheinlichen    Beziehungen  dieser  beiden    Gattungen  zu  Arcella  vergl. 
im  System.  Abschnitt. 


38  Rhizopoda. 

Difflugia.  Die  Abplattung  kann  sich  bei  gewissen,  wohl  zu  Hyalosphenia 
gehörigen  Formen  so  vermehren,  dass  der  Schalenrand  zu  einem  zuge- 
schärften Kiel  ausgezogen  erscheint  (vergl.  die  sogen.  Difflugia  carinata*), 
auch  bei  einer  gewissen  Form  des  Leidy'schen  Genus  Nebela  soll  sich  eine 
ähnliche  Kielbildung  finden.  Auch  bei  Angehörigen  der  Gattung  Euglypha 
tritt  eine  solche  Abplattung  z.  Th.  sehr  ausgeprägt  hervor  (so  E.  com- 
pressa  Gart.)  und  fehlt  ferner  nicht  gewissen  Gromiinen,  ja  es  kann  die 
Gesammtgestalt  des  Körpers  hier  zuweilen  platt  schildförmig  werden 
(vergl.  Gromia  [Plagiophrys]  scutiformis  H.  u.  L,,  III.  18). 

Durch  eintretende  Excentricität  der  Mündungsöflfnung  kann  die  öchalen- 
gestalt  jedoch  auch  in  eine  bilateral-symmetrische  übergehen,  wie  solches 
mehr  oder  weniger  deutlich  in  jeder  der  3  genannten  Abtheilungen  der 
beschälten  Süsswasserrhizopoden  hervortritt.  Ein  derartiges  Verhalten 
finden  wir  zunächst  bei  einer  ganzen  Anzahl  Difflugiaformen  (so  z.  B. 
D.  aculeata  Ehbg.  III.  4,  marsupiformis  Wall.  III.  2,  3,  cassis  Wall.).  In- 
dem sich  zu  solcher  Excentricität  der  Münduug  bei  der  Difflugia  spiralis 
(III;  9)  noch  eine  spiralige  Einkrümmung  der  Schalenhauptaxe  gesellt, 
zeigt  sich  die  erste  Hinneigung  zu  spiraliger  Einrollung  der  bilateral-sym- 
metrischen Schale,  eine  Eigenthümlichkeit,  die  in  so  grosser  Verbreitung 
den  marinen  Formen  zukommt.  Unter  den  Süsswasserformen  bilden  die 
erwähnte  Art  und  die  etwas  zweifelhafte  Pleurophrys  (?)  Helix  Entz 
(III.  11)  die  einzigen  bis  jetzt  bekannten  Beispiele  spiraliger  Einrollung, 
jedoch  erreicht  dieselbe  hier  höchstens  ^/g  Umgang. 

Die  Excentricität  der  Mündung  ist  unter  den  Euglyphinen  charakte- 
ristisch für  die  G.  Trinema,  deren  Schalengestaltung  sehr  an  die  ähnlich 
ausgezeichneten  Difflugien  erinnert,  wogegen  bei  der  G.  Cyphoderia  eine 
bilaterale  Gestaltung  durch  die  schiefe  Neigung  des  die  Mündung  tragen- 
den Halses  hervortreten  kann  (C.  margaritacea  III.  13). 

Auch  für  eine  Anzahl  Genera  der  Gromiinen  ist  eine  geringe  Excen- 
tricität der  Mündung  charakteristisch,  so  z.  B.  deutlich  ausgeprägt  bei 
Lieberkühnia  (III.  16),  Mikrogromia  (III.  15),  Platoum  (III.  17)  und 
Pseudodifflugia  zum  Theil. 

Es  geht  aus  dieser  Betrachtung  hervor,  dass  eine  Hinneigung  zu  bi- 
lateraler Schalengestaltung  unter  den  erwähnten  Süsswasserformen  sehr 
verbreitet  ist  und  ihr  gelegentliches  Auftreten  nicht  einmal  immer  zur 
Charakteristik  bestimmter  Genera  geeignet  erscheint. 

Ganz  ähnliche  Gestaltungsformen  zeigen  uns  auch  die  monothalameu 
marinen  Rhizopoden,  seien  dies  nun  kalkschalige  oder  mit  Fremdkörper- 
schalen versehene. 

In  sehr  regelmässig  monaxoner  Bildungsweise  und  sehr  mannigfaltiger 
Entwicklung  tritt  uns  zunächst  die  Gattung  Lagena  unter  den  kalkschali- 
gen  Perforaten  entgegen  (VII.  2 — 17). 


*)  Archer,  Qu.  j.  micr.  sc.  VII. 


Schalengestaltiiiig.    (Moiiaxone  Mouothalamia.)  39 

Hier  finden  wir  meist  einen  sehr  regelmässig  drelirunden,  ei-  bis 
spindelförmig  längsgestreckten  Körper,  der  an  einem  Pol  in  einen  mehr 
oder  minder  verlängerten,  halsartigen  Fortsatz  ausgezogen  ist,  auf  dessen 
etwas  knopfartig  angeschwollenem  Ende  die,  meist  von  strahligen  Furchen 
oder  Rippen  umstellte  Mündung  liegt.  Die  drehrunde  Gestalt  kann  jedoch 
durch  Entwicklung  von  Längsrippen  in  eine  auf  dem  Querschnitt  poly- 
gonale übergehen,  oder  die  Schale  ist  mehr  oder  minder  comprimirt,  wo- 
bei der  Rand  ebenfalls  sehr  gewöhnlich  als  Kiel  vorspringt,  ja  es  kann 
dieser  Randkiel  zu  einer  ansehnlichen  Lamelle  auswachsen,  die  wie  ein 
Hof  die  Schale  umzieht  (H.  14).  Auch  die  sonst  rundliche  Schalenmündung 
wird  bei  den  comprimirten  Formen  häufig  spaltartig  ausgezogen  (Fissu- 
rina Rss.). 

Eine  besondere  Eigenthümlichkeit  dieser  comprimirten  Lagenaformen 
mag  hier  noch  kurz  erwähnt  werden.  Bei  einer  grossen  Reihe  von  in 
allen  übrigen  Beziehungen  mit  den  ebengeschilderten  übereinstimmenden 
Formen  (VH.  13)  findet  sich  nämlich  keine  halsartige  Verlängerung  der 
Schale,  dagegen  ist  eine  von  der  äusseren,  einfachen  Mündung  in  die 
Schalenhöhlang,  z.  Th.  bis  zum  Grunde  derselben,  hineinreichende,  an 
ihrem  Ende  ofifne  Röhre  (gewissermaassen  der  umgestülpte  Hals)  vorhan- 
den (Entosolenia  Ehbg). 

Auch  sandige,  an  Lagena  sich  wohl  anschliessende  Formen  sind 
neuerdings  von  Brady  aufgefunden  und  mit  anderen  nodosariaartig  ge- 
stalteten Formen  unter  dem  Namen  Hormosina  (V.  8)  beschrieben  worden. 

Unter  den  kalkschaligen  marinen  Imperforaten  tritt  die  regulär  mon- 
axone  Gestaltung  nicht  deutlich  hervor,  sondern  sie  sind  entweder  stets  ent- 
schieden bilateral  entwickelt  oder  unregelmässig  ausgebildet,  wie  dies  bei 
der  M.  Schultze'schen  Squammulina  der  Fall  ist,  einer  etwa  linsenförmig 
gestalteten  kleinen,  mit  der  einen  abgeflachten  Seite  festgehefteten  Schale 
(IV.  7),  die  auf  der  convexen  Oberseite  eine  excentrisch  gelegene,  ziem- 
lich weite  Mündung  zeigt.  Sehr  wohl  entwickelt  tritt  jedoch  die  regulär 
monaxone  und  monothalame  Bildung  bei  einem  Theil  der  gewöhnlich  zu 
den  Imperforaten  gestellten*),  sandigen  marinen  Rhizopoden  hervor  und 
bedürfen  diese  Formen  daher  hier  noch  einer  kurzen  Erwähnung. 

Die  Gestaltung  ihrer  Schalen  ist  entweder  eine  mehr  kuglige  bis  ei- 
förmige, mit  an  einem  Fol  hervortretender  Mündungsöffnung,  die  häufig 
auch  auf  einer  halsartigen  verlängerten  Röhre  sich  findet  (so  z.  Th.  bei 
Pelosina  [V.  7],  Webbina)  oder  aber  die  Schale  ist  länger  gestreckt  kegel- 
bis  stabförmig,  auch  pokalförmig  (Haliphysema) ,  wobei  das  erweiterte 
Ende  die  gewöhnlich  weit  geöffnete  Mündung  darstellt  (so  Hyperammina 
z.  Th.,  Jacullela,  Botellina,  Rhabdopleura).    Dabei  sind  die  Formen  ent- 


*)  Die  Zutheiluiig  dieser  Formen  zu  den  Imperforata  ist  Ijis  jetzt  keineswegs  gesichert, 
wenigstens  können  sicli  darunter  recht  wohl  perforirte  Formen  befinden.  Der  kleinste  Theil 
derselben  ist  bis  jetzt  im  lebenden  Zustand  beobachtet  worden,  meist  sind  es  nur  leere  Schalen, 
die  bekannt  geworden  sind  und  über  deren  Zugehörigkeit  zu  den  Ehizopoden  sogar  in  einigen 
Fällen  die  Acten  noch  nicht  geschlossen  erscheinen. 


40  Khizopoda. 

weder  frei,  oder  mit  dem  aboralen  Ende  aufgewachsen  (Haliphysema,  Bo- 
tellina wahrscheinlich),  oder  auch  ähnlich  der  schon  beschriebnen  Squam- 
mulina  mit  einer  Flachseite,  die  dann  häufig  nur  unvollständig  ausgebildet 
ist,  befestigt  (so  Webbina  zum  Theil). 

Die  hals-  oder  röhrenartige,  die  Mündung  tragende  Schalenverlänge- 
rung kann  ihre  einfache  Bildung  mit  einer  verästelten  vertauschen  (so 
flyperammina  z.  Th.),  wobei  dann  statt  der  einfachen  Mündungsöflfnung 
mehrere  an  den  Zweigenden  der  verästelten  Röhre  auftreten,  eine  Er- 
scheinung, die  auch  unter  den  kalkschaligen  Monothalamen,  wenn  auch 
selten  hervortritt,  indem  bei  gewissen  abweichenden  Lagenaformen  accesso- 
rische  Mündungen,  die  selbst  wieder  auf  kurzen  Röhren  sich  finden,  an 
dem  Schalenhals  auftreten  können.  Auch  bei  der  schon  erwähnten  sand- 
schaligen  Haliphysema  tritt  eine  Verästelung  der  Schale  zuweilen  auf 
(H.  ramulosa  Cart). 

Andrerseits  tritt  bei  einer  Reihe  sich  hier  anschliessender  Sandschalen 
eine  Mündungsbildung  auch  am  anderen  Pol  der  Schale  auf,  so  dass  die- 
selbe hierdurch  den  amphistomen  Charakter  annehmen,  womit  jedoch 
ebensowenig  wie  bei  Lagena  eine  schärfere  Abgrenzung  derselben  von 
den  monostomen  Formen  angezeigt  scheint.  Die  Gestalt  wird  in  diesem 
Falle  bei  langgestreckten  Schalen  etwa  eine  spindelförmige  mit  etwas  ver- 
dickter Mittelregion  (Marsipella  V.  10)  oder  die  beiden  Mündungen  liegen 
auf  röhrenförmigen  Verlängerungen  einer  mehr  kugligen  oder  scheiben- 
förmigen Schale  (Rhabdammina  zum  Theil). 

Die  Zahl  der  Mündungsöfi'nungen  kann  aber  bei  den  hier  zu  be- 
sprechenden Formen  noch  eine  weitere  Vermehrung  erfahren.  So  können 
bei  der  eben  erwähnten  Rhabdammina  an  Stelle  zweier  sich  3 — 5  mit 
endständigen  Mündungen  versehene  armartige  Röhren  entwickeln,  so  dass, 
da  diese  Arme  sich  gewöhnlich  nur  in  einer  Ebene  ausbreiten,  eine  rad- 
oder  sternförmige  Gestalt  entsteht.  Die  Entwicklung  dieser  Arme  kann 
so  weit  gehen,  dass  von  einem  scheibenförmigen  Centraltheil  der  Schale 
nichts  mehr  übrig  bleibt.  In  noch  beträchtlicherer  Zahl  können  solche 
Arme  aus  dem  scheibenförmigen  Centraltheil  der  Schale  bei  der  Gattung 
Astrorhiza  sich  entwickeln,  wobei  die  Arme  entweder  unverzweigt  bleiben, 
und  die  Centralscheibe  einen  ansehnlichen  Durchmesser  erreicht  (V.  11) 
oder  die  Arme  verzweigen  sich  geweihartig  und  die  Centralscheibe  redu- 
cirt  sich  sehr  oder  ist  kaum  angedeutet. 

Während  bei  den  eben  erwähnten  Formen  die  die  Mündungen  tra- 
genden Arme  gewöhnlich  nur  in  einer  Ebene  an  den  Scheibenrändern 
hervortreten,  strahlen  bei  einer  weiteren,  gleichfalls  zu  Astrorhiza  gestell- 
ten Form  (A.  catenata)  von  dem  etwa  eiförmigen  Centraltheil  allseitig  ähn- 
liche armartige  Fortsätze  aus  und  schliesslich  bilden  sich  auch  ganz  röhrige, 
unregelmässig  verzweigte  Formen.  Im  Gegensatz  zu  den  ebenerwähnten 
interessanten  Gattungen  Rhabdammina  und  Astrorhiza  ist  die  nahver- 
wandte Dendrophrya  mit  der  Centralscheibe  der  Schale  aufgewachsen  und 


Schalengestaltung.    (Spirale  Monothalamicn.)  41 

von  ihr  entspringen  wie  bei  Astrorhiza  eine  grössre  Zahl  geweihartig  ver- 
ästelter  Röhren,  die  an  ihren  Enden  geöffnet,  den  Pseudopodien  Durch- 
tritt gewähren. 

Schliesslich  können  dann  hier  noch  einige  Formen  angereiht  werden, 
die  vielfach  verästelte,  entweder  freie  (Rhizammina)  oder  auf  einer  Unter- 
lage aufgewachsene  Röhren  bilden  (Sagenella  V.  16),  wobei  die  einzelnen 
Zweige  entweder  frei  ohne  gegenseitige  Verbindung  bleiben  können  oder 
aber  mit  einander  Anastomosen  zu  bilden  vermögen  (Sagenella),  so  dass 
die  Gesammtbildung  dann  gewissermaassen  an  ein  Plasmodium  erinnert, 
das  sich  allseitig  mit  sandiger  Hülle  umkleidet  hat,  ausgenommen  die 
freien  Enden  seiner  Zweige. 

Wenden  wir  uns  nach  dieser  Betrachtung  der  sandigen  monothalamen 
Formen  von  eigenthümlichem  Bau  nun  wieder  zu  den  kalkschaligen  Mono- 
thalamien  mit  ausgeprägter  Bilateralität. 

Eine  solche  Bildung  wird  bei  den  marinen  Formen  sehr  gewöhnlich 
dadurch  hervorgerufen,  dass  die  Schalenhauptaxe  ihre  gerade  Streckung 
aufgibt  und  sich  spiralig  einkrümmt.  Die  Einrollung  erfolgt  bei  den  bi- 
lateral gebildeten  Schalen  natürlich  in  einer  Ebene,  die  als  die  Windungs- 
ebene bezeichnet  wird  und  die  Medianebene  der  Schale  repräsentirt.  Der- 
artige Schalenformen  sind  sowohl  unter  den  Imperforaten,  wie  Perforaten 
verbreitet  und  auch  durch  sandschalige  Formen  vertreten. 

Da  die  spiralig  eingerollten  Schalen  sowohl  unter  den  Monothalamen 
wie  den  Polythalamen  eine  so  hervorragende  Rolle  spielen,  wird  es 
hier  gerechtfertigt  erscheinen,  über  eine  Anzahl  technischer  Ausdrücke, 
die  zur  Verständigung  über  die  Eigenthümlichkeiten  solcher  Schalenformen 
von  Nutzen  sind,  noch  vorläufig  kurz  zu  berichten.  Schon  oben  wurde 
der  Windungsebene  gedacht;  eine  auf  dieser  Ebene  in  dem  Anfangs- 
punkt der  spiralig  gekrümmten  Längsaxe  errichtete  Senkrechte  wäre  als 
Windungsaxe  zu  bezeichnen,  während  die  spiralig  eingerollte  Längsaxe 
wohl  am  besten  als  Spiralaxe  bezeichnet  wird.  Den,  einem  vollständigen 
Umlauf  dieser  Spiralaxe  ent?jprechenden  Schaleutheil  bezeichnen  wir  als 
einen  Umgang  und  messen  demnach  auch  die  Spiralaxe  nach  der  Zahl 
ihrer  Umgänge.  Der  Abstand  der  beiden  Punkte,  in  welchen  ein  Radius 
der  Spiralaxe  die  innere  und  äussere  Oberfläche  eines  Umgangs  schneidet, 
wird  Umgangshöhe  genannt. 

In  gleicher  Weise,  wie  für  die  ähnlich  spiral  aufgerollten  Schalen  der 
Cephalopoden  und  Gastropoden  eine  mathematisch  gesetzmässige  Bildung 
der  Spiralität  hauptsächlich  durch  Naumann  nachgewiesen  wurde,  konnte 
auch  in  neuerer  Zeit  das  Gleiche  für  die  entsprechenden  Rhizopodenschalen 
durch  V.  Möller  bestätigt  werden  (116).  Es  hat  sich  ergeben,  dass  eine 
sehr  auffallende  Uebereinstimmung  der  spiral  gewundenen  Rhizopo- 
den-  und  Cephalopodenschalen  existirt.  Zur  genaueren  Untersuchung 
der  der  spiralen  Aufrollung  zu  Grunde  liegenden  mathematischen  Ge- 
setzmässigkeit betrachtet  man  gewöhnlich  die  sogen.  Rückenspirale, 
d.  h.   die    spiralige  Durchschnittslinie    der  peripherischen   Wandung  der 


42  Rhizopoda. 

Schalenwindiingen  mit  der  Windimgsebenc.  Ein  tieferes  Eingehen  auf 
die  von  Möller  für  eine  Reihe  von  Geschlechtern  der  Nummuliniden 
festgestellten  mathematischen  Gesetze  der  Spiralen  Aufrollung  glau- 
ben wir  hier  unterlassen  zu  können,  namentlich  auch  deshalb,  weil,  so 
interessant  diese  Erscheinungen  auch  an  und  für  sich  und  vorzüglich  im 
Vergleich  mit  den  spiral  gewundnen  Cephalopoden  erscheinen,  bis  jetzt 
doch  alle  Anhaltspunkte  fehlen,  um  diese  Regelmässigkeiten  mit  ander- 
weitigen Organisations-  und  Wachsthumsverhältnisseu  in  Beziehung  zu 
setzen  und  eventuell  hierdurch  zu  einer  Erklärung  derselben  zu  gelangen. 

Nach  welchen  Gesetzen  sich  die  Spirale  bei  den  Monothalamen ,  die 
uns  hier  zunächst  interessireu,  aufbaut,  ist  bis  jetzt  noch  nicht  ermittelt, 
die  später  erst  genauer  zu  erörternden  gekammerten  Formen  sind  hin- 
gegen fast  durchaus  nach  der  sogen,  cyclocentrischen  Conchospirale  Nau- 
mann's  gewunden,  d.  h.  einer  Conchospirale,  deren  Mittelpunkt  sich  ge- 
wissermaassen  zu  einem  Kreis  erweitert  hat.  Letztres  hängt  damit  zu- 
sammen, dass  bei  diesen  gekammerten  Formen  stets  eine  im  Median- 
schnitt nahezu  kreisförmige  sogen.  Central-  oder  Embryoualkammer  sich 
findet,  auf  welche  erst  die  spiralige  Einrollung  der  Schalenwände  folgt. 
Der  Charakter  der  sogen.  Conchospirale  ist  dadurch  bestimmt,  dass  bei 
ihr  nur  die  sich  entsprechenden  Windungsabstände  (also  die  auf  einem 
Radius  liegenden)  in  geometrischer  Progression  zunehmen,  während  bei 
der  logarithmischen  Spirale  (die  nur  einen  besondern  Fall  der  Concho- 
spirale darstellt)  auch  die  Durchmesser  und  Halbmesser  in  geometrischer 
Progression  wachsen.  Aber  auch  der  Specialfall  der  logarithmischen  Spi- 
rale wird  nach  den  Untersuchungen  MöUer's  von  einem  Theil  der  ge- 
kammerten Formen  repräsentirt. 

Zur  Bestimmung  der  Gleichung  einer  gewissen  cyclocentrischen 
Conchospirale  ist  erforderlich  die  Kenntuiss  des  Radius  desjenigen  Kreises, 
auf  dessen  Peripherie  der  Anfangspunkt  der  Spirale  liegt.  Dieser  sogen. 
Archiradius  (a)  ist  also  nach  dem  oben  bemerkten  gleich  dem  Halbmesser 
der  Centralkammer.  Ferner  wird  noch  erfordert  der  sogen.  Parameter  (a), 
die  absolute  Höhe  der  ersten  Windung  an  ihrem  Endpunkt  und  schliess- 
lich der  sogen.  Windungsquotient  (p),  d.  h.  das  Verhältniss  zwischen  zwei 
aufeinanderfolgenden,  entsprechenden  Windungshöhen.  Aus  diesen  Grössen 
ergibt  sich  die  Grösse  des  Radius  (r)  der  Spirale  für  einen  beliebigen 
Umlaufswinkel  desselben  (v)  zu 

Die  logarithmische  Spirale  ist  derjenige  bestimmte  Fall  dieser  cyclo- 
centrischen   Conchospirale,   in   welchem  der  Archiradius  a  =  ^  wird, 

woraus  für  dieselbe  die  entsprechende  Gleichung  r  = ^  P  Jn   ^^^^  ^^'' 

giebt.  Wie  jedoch  von  Naumann  schon  für  die  spiralgewundenen  Schalen 
der  Mollusken  gezeigt  wurde,   erfolgt  auch  für  die  ähnlichen  der  Rhizo- 


Sclialeiigestaltung.     (Spirale  Moiiothalauiia.)  43 

poden  häufig  die  spirale  Aufrollung-  nicht  durchaus  nach  derselben  Concho- 
spirale,  sondern  durch  plötzliche  Aenderung  des  Windungsquotienten  und 
zwar  sowohl  Vergrösserung  als  Verkleinerung  desselben,  kann  plötzlich 
die  spirale  Aufrollung  nach  einer  cyclocentrischen  Conchospirale  von  an- 
derer Gleichung  weitergehen,  für  welche  der  Abstand  des  Anfangspunktes 
(Aenderungspunktes)  vom  dem  Centrum  den  sogen.  Archiradius  bildet. 
Es  finden  sich  also  auch  hier  bei  den  Rhizopoden  die  zusammengesetzten 
sogen.  Pleospiralen  Naumann's  wieder  und  lassen  sich  im  speciellen  Fall 
als  Diplo-,  Triplospiralen  und  so  fort  bezeichnen.  Da  die  Veränderung 
des  Windungsquotienten  hierbei  sowohl  in  einer  Vergrösserung  als  Ver- 
kleinerung gegenüber  der  Anfangsspirale  bestehen  kann,  so  lassen  sich 
auch  hier  exostehne  und  entostehne  Pleospiralen  unterscheiden. 

Noch  eine  weitere  Eigenthümlichkeit  der  Spiralen  Aufrollung  der 
Rhizopodenschalen  wurde  hauptsächlich  durch  von  Möller  aufgedeckt, 
nämlich  der  unter  den  Nummuliniden  häufige  Uebergang  der  letzten  Win- 
dung aus  dem  spiralen  in  ein  kreisförmiges  Wachsthum.  Hiermit  muss 
natürlich  schliesslich  eine  Berührung  der  letzten  Windung  mit  der  äusse- 
ren Oberfläche  der  vorletzten  und  damit  ein  Verschluss  und  Abschluss  der 
Schale  eintreten.  Dieser  Fall  tritt  natürlich  dann  ein,  wenn  der  Windungs- 
quotient der  Spirale  plötzlich  gleich  Null  wird. 

Im  Gegensatz  hierzu  ist  es  jedoch  bei  den  spiralgewundnen  Rhizo- 
poden eine  nicht  seltene  Erscheinung,  dass  die  spirale  Einrollung  allmäh- 
lich in  gerade  gestrecktes  Wachsthum  übergeht,  so  dass  ein  spiral  auf- 
gerollter Anfangstheil  von  einem  geradlinigen  Endtheil  zu  unterscheiden 
ist.  Ausserdem  treten  jedoch  mannigfache  weitere  Unregelmässigkeiten 
in  der  spiraligen  Aufrollung  noch  hervor,  die  späterhin  eingehender  zu 
erörtern  sein  werden. 

Nach  dieser  allgemeinen  Betrachtung  der  mathematischen  Gesetz- 
mässigkeiten, die  sich  im  Spiralen  Aufbau  der  Rhizopodenschalen  erkennen 
lassen,  gehen  wir  jetzt  wieder  über  zur  Besprechung  des  morphologischen 
Aufbau's  der  einkammerigen  spiralgewundenen  Formen. 

Es  finden  sich  solche  sowohl  unter  den  Injperforata  wie  Perforata 
und  werden  auch  durch  sandige  Formen  repräsentirt.  Die  einfachsten 
Gestaltungsverhältnisse  erkennen  wir  unter  den  Imperforata  bei  der  Gat- 
tung Cornuspira  (IV.  8),  unter  den  Perforata  bei  der  ganz  ähnlich  ge- 
bauten Spirillina  (VIII.  1),  unter  den  Formen  mit  sandiger  Schale  bei 
Ammodiscus  (V.  20—22)  Bei  diesen  sämmtlichen  Formen  berühren  sich 
die  mehr  oder  minder  zahlreichen  Windungen  der  Schale  nur,  ohne  sich 
zu  umgreifen,  und  die  Umgangshöhe  wächst  entweder  in  Zusammenhang 
mit  einer  Abplattung  der  Umgänge  (parallel  der  Windungsebene)  rasch 
an  (Cornuspira)  oder  nur  sehr  allmählich  (Spirillina  und  Ammodiscus). 
Während  bei  Cornuspira  die  spiralige  Aufrollung  eine  ganz  regelmässig 
symmetrische  ist,  treten  dagegen  bei  Spirillina  auch  asymmetrische  For- 
men auf,  bei  welchen  die  Aufrollung  nicht  mehr  in  einer  Ebene,  sondern 
niedrig  schraubenspiralig  erfolgt  (Brady  117,  II)  und   noch  weit  unregel- 


44  Rhizopoda. 

massiger  erfolgt  z.  Tb.  die  Aufrollung  bei  der  sandscbaligen  Gattung 
Ammodiscus.  Hier  finden  sieh  neben  ganz  regelmässig  symmetrisch  spi- 
raligen Formen  auch  solche,  bei  denen  die  Aufwindung  nicht  mehr  nur 
in  einer  Ebene  erfolgt,  sondern  eine  ganz  unregelmässige,  knäuelförniige 
wird  (V.  21  u.  22),  ein  Uebergang  zu  unregelmässigem  Wachsthum,  wie 
ihn  auch  andere  Rhizopodengattungen  noch  zeigen.  Auch  ein  Aufgeben 
der  spiraligen  Einrollung  und  Weiterwachsthum  in  gestreckter  Linie  ist 
hier  z.  Th.  schon  zu  bemerken. 

Im  Gegensatz  zu  diesen  eben  erwähnten  Formen  mit  sich  nur  berüh- 
renden, äusserlich  wohl  sichtbaren  Umgängen  stehen  zwei  im  Grunde  sehr 
ähnlich  gebaute  perforate  Gattungen:  Involutina  (IX.  12)  und  Archaeo- 
discus  (IX.  13),  bei  welchen  sich  zwar  die  Hohlräume  der  aufeinander- 
folgenden Umgänge  nur  wenig  umfassen,  wo  jedoch  die  die  Wandungen 
der  Jüngern  Umgänge  bildende  Schalenmasse  über  die  älteren  successive 
sich  ausdehnt,  so  dass  also  dennoch  eine  Umwachsung  der  älteren  durch 
die  jüngeren  Umgänge  vorliegt.  Hierbei  kommt  denn  weder  eine  nabel- 
artige Vertiefung  zur  Ausbildung,  noch  ist  äusserlich  von  den  einzelnen 
Umgängen  etwas  zu  erkennen,  sondern  die  Schale  besitzt  eine  einfach 
linsen-  bis  scheibenförmige  Gestaltung.  Während  bei  Involutina  die 
Aufrollung  regelmässig  in  einer  Ebene  vor  sich  geht,  verläuft  dieselbe 
hingegen  bei  Archaeodiscus,  ähnlich  wie  dies  schon  für  gewisse  Am- 
modiscen  hervorgehoben  wurde,  etwas  unregelmässig  (s.  den  Querschnitt 
IX.  13b),  indem  die  Windungsebene  im  Verlaufe  des  Wachsthums  sich 
mehrfach  ändert. 

y.    Mehrkammerige  (polythalame)   Schalenbildungen. 

Weitaus  die  meisten  marinen  Rhizopoden  bilden  durch  periodische 
Unterbrechungen  und  darauf  folgende  besondere  Intensität  des  Wachs- 
thums Schalen,  welche  mehr  oder  weniger  deutlich  diese  Wachsthums- 
perioden  durch  ihre  Zusammensetzung  aus  einer  mit  dem  Alter  des  Thiers 
sich  erhöhenden  Zahl  von  Abschnitten,  sogen.  Kammern,  verrathen.  Wie 
wir  jedoch  die  mannigfaltigen  Gestaltsbildungen  der  monothalamen  Schalen 
durch  sehr  allmähliche  Uebergänge  mit  einander  verbunden  sahen,  so 
stehen  auch  die  mehrkammerigen  keineswegs  unvermittelt  den  ersteren 
gegenüber,  sondern  sind  durch  Zwischenbildungen  mit  denselben  ver- 
knüpft. 

Schon  bei  gewissen  spiralgewundenen  monothalamen  Geschlechtern, 
so  Cornuspira  und  Ammodiscus,  verräth  sich  zuweilen  eine  Hinneigung 
zur  Bildung  einer  Anzahl  Abschnitte  durch  seichte  in  unregelmässigen  Ab- 
ständen die  Umgänge  umziehende  Einschnürungen  der  Schalenwandung, 
die  nur  wenig  tiefer  greifen  und  in  regelmässigerer  Folge  auftreten  müss- 
ten,  um  die  monothalame  Schale  in  eine  polythalame  überzuführen.  Die 
Bildung  regelmässig  sich  wiederholender  Kammerabschnitte  findet  sich  in 
ganz  entsprechender  Weise  durchgeführt  sowohl  bei  Imperforata  als  Per- 


Schalengcstaltung.     (Polythalamia.)  45 

forata  und  wie  wir  nach  den  Beziehungen  der  sandigen  Formen  er- 
warten dürfen,  auch  bei  diesen. 

Ihre  innigen  Beziehungen  und  ihre  ursprüngliche  Herleitung  von  mono- 
thalamen  Formen,  verrathen  jedoch  die  poly thalamen ,  spiralig  auf- 
gerollten SchalenbilduDgen  auch  noch  dadurch,  dass  sie  ihr  Wachsthum 
stets  mit  einer  kugeligen  oder  eiförmigen  Anfangskammer  beginnen,  die 
mouaxon  gebildet  ist  und  durch  diesen  Bau  verräth,  dass  auch  diese  For- 
men sich  ursprünglich  von  gestreckten,  monaxonen  Gestalten  herleiten, 
die  erst  späterhin  zu  einem  Spiralen  Wachsthum  übergingen. 

Die  Art  der  Kammerbildung  bei  den  polythalamen  Formen  ist  etwas 
verschieden,  was  hauptsächlich  von  der  Bildungsweise  der  Kammern 
selbst  herzurühren  scheint.  Sind  dieselben  ungefähr  röhrenförmig  mit  weite- 
rer, wenig  verengter  Mündung,  so  lagert  sich  jede  folgende  Kammer  so 
an  die  vorhergehende  an,  dass  zwischen  beiden  nur  eine  wenig  scharfe 
Grenzmarke  sich  findet,  meist  als  eine  Einschnürung  auf  der  Grenze  bei- 
der Kammern,  die  von  der  etwas  verengten  Mündung  der  altern  Kammer 
herrührt.  Sind  hingegen  die  Mündungsöffnungen  der  Kammern  sehr  ver- 
engt, so  lagert  sich  jede  neue  Kammer  gewöhnlich  in  der  Weise,  die  Mün- 
dung überdeckend  auf  die  vorhergehende  auf,  dass  der  überdeckte  Theil 
der  Wand  der  vorhergehenden  Kammer  nun  eine  Scheidewand  zwischen 
den  Höhlungen  der  beiden  aneinandergelagerten  Kammern  bildet.  In  den 
meisten  Fällen  wird  diese  Scheidewand  in  der  geschilderten  Weise  nur 
von  einer  einfachen  Schalenlamelle,  nämlich  der  Fortsetzung  der  Wand 
der  älteren  Kammer  gebildet,  indem  nämlich  derjenige  Abschnitt  der  neuen 
Kammer,  der  sich  an  die  alte  anlehnt,  keine  besondere  neue  Wand  er- 
hält, sondern  einfach  durch  die  Wand  der  vorhergehenden  Kammer  ver- 
vollständigt wird.  So  ist  das  Verhalten  wenigstens  durchweg  bei  den  poly- 
thalamen Imperforaten  und  einem  grossen  Theil  der  einfacheren  Perforaten. 
Bei  den  höher  entwickelten  Formen  dieser  letzten  Abtheilung  hingegen 
erhält  die  Scheidewand  jedoch  noch  eine  Verstärkung  dadurch,  dass  sich 
an  ihrer  Bildung  auch  die  Wand  der  neuen  Kammer  betheiligt.  In  dieser 
Weise  wird  demnach  bei  jenen  letzterwähnten  Formen  jede  Scheidewand 
aus  zwei  Lamellen  aufgebaut,  die  sich  entweder  dicht  aufeinanderlegen 
oder  LückcDräume  zwischen  sich  lassen,  welche  zur  Bildung  eines  sogen. 
Kanalsystems  der  Schale  beitragen.  Die  genauere  Besprechung  der  ver- 
schiedenen Bildungsvorgänge  der  polythalamen  Schalen  wird  die  eben  an- 
gedeuteten Verschiedenheiten  klarer  darlegen  und  werden  wir  in  der  fol- 
genden Darstellung  dieser  höchst  mannigfaltigen  und  zum  Theil  sehr  com- 
plicirten  Schalenbildungen  uns  weniger  von  allgemeinen  morphologischen 
Gesichtspunkten,  die  bei  den  verschiedenen  Unterabtheilungen  z.  Th.  in 
recht  ähnlicher  Weise  zur  Ausbildung  gelangen,  leiten  lassen,  als  weit 
mehr  von  dem  genetischen  Zusammenhang  der  Formen  unter  einander, 
der  ein  sehr  inniger  ist,  und  beginnen  daher  naturgemäss  mit  den  ein- 
facheren Imperforata. 


46  Ehizopoda. 

y/   Imperforate   Poly thalamia. 

Als  ein  Beispiel  sehr  unvollständiger  Sonderung  der  aufeinander- 
folgenden Kammern  einer  polytlialamen  Imperforaten  verdient  hier  zu- 
nächst die  sehr  eigenthümliche  Gattung  Nubecularia  hervorgehoben 
zu  werden  (IV.  9).  Ausser  durch  den  eben  erwähnten  Charakter  wird 
dieses  Geschlecht  noch  durch  seine  grosse  Mannigfaltigkeit  und  meist 
auch  Unregelmässigkeit  der  Gestaltung  ausgezeichnet,  welche  letztere 
Eigenthtimlichkeit  ohne  Zweifel  in  Zusammenhang  mit  der  festsitzenden 
Lebensweise  steht.  Wir  haben  es  hier  mit  einem  der  nicht  seltnen  pro- 
teisch vielgestaltigen  Formenkreise  zu  thun,  wie  sie  gerade  die  aufge- 
wachsenen marinen  Rhizopoden  mehrfach  darbieten.  Das  Wachsthum  der 
Schale  ist  ursprünglich  ein  spiralig  aufgerolltes  (9  c),  ähnlich  etwa  dem  von 
Cornuspira,  jedoch  ein  polythalames ,  wenngleich  die  einzelnen  Kammer- 
abschnitte nicht  durch  wohl  ausgebildete  Scheidewände  von  einander  ge- 
schieden werden,  sondern  ihre  Sonderung  nur  durch  eine  Verengerung 
des  Endtheils  der  Kammern,  und  eine  beträchtliche  Erweiterung  des  hin- 
tern Abschnittes  der  folgenden  Kammer  zu  Stande  kommt.  In  der  Art 
wird  eine  Scheidewand  zwischen  den  aufeinanderfolgenden  Kammern  nur 
durch  eine  schwache  Einfaltung  der  Kammerwand  angedeutet.  Da  die 
Schale  mit  einer  der  Windungsebene  parallelen  und  abgeplatteten  Fläche 
aufgewachsen  ist,  ist  eine  symmetrische  Ausbildung  der  Spiralschale  hier 
nicht  möglich  und  diese  asymmetrische  Bildung  wird  dadurch  noch  er- 
heblich vermehrt,  dass  die  Schalen  wand  der  aufgewachsenen  Seite  ent- 
vs^eder  nur  sehr  dünn  oder,  was  noch  häufiger,  überhaupt  nicht  entwickelt 
ist,  so  dass  also  der  als  Unterlage  dienende  Fremdkörper  den  Ab- 
schluss  der  Schalenwandung  bildet.  Dagegen  besitzt  die  freie  Seite  sehr 
dicke,  starke  Kalkwände,  welche  meist  so  sehr  verdickt  sind,  dass  äusser- 
lich  eine  Unterscheidung  der  einzelnen  Kammerabschnitte  und  ihrer  An- 
ordnung nicht  mehr  möglich  ist.  Nur  sehr  selten  bleibt  jedoch  das  regu- 
lär spiralige  Wachsthum  während  der  ganzen  Lebensdauer  erhalten,  sehr 
häufig  geht  es  nach  einiger  Zeit  in  ein  geradliniges,  ebenso  häufig  jedoch 
auch  in  mehr  oder  weniger  uuregelmässig  hin-  und  hergebogenes  über,  ja 
es  finden  sich  auch  solche  geradlinig  oder  unregelmässig  entwickelte  For- 
men, welchen  ein  spiraliger  Anfangstheil  ganz  abgeht.  Auch  Verzwei- 
gungen der  einfachen  Kammerreihe  sind  zu  beobachten,  wo  dann  mehrere 
neben  einander  hinlaufende  Reihen  sich  finden  können,  und  durch 
vielfache,  hier  nicht  näher  zu  erörternde  Foimbildungen  hindurchgehend, 
treffen  wir  schliesslich  auch  auf  ganz  unrege  massig  neben-  und  überein- 
ander gehäufte  Kammermassen  (9  a),  die  nur  durch  Berücksichtigung  aller  der 
Mittelstufen  und  der  Schalentextur  etc.  als  in  diesen  Formenkreis  gehörig 
erkannt  werden  können.  Eine  Abweichung  nach  anderer  Richtung  muss 
hier  noch  kurz  erwähnt  werden,  es  besteht  dieselbe  nämlich  in  beträcht- 
licher Verbreiterung  der  Kammern,  so  dass  diese  bei  ihrer  geringen  Höhe 
eine   bandartig  ausgedehnte   Form   annehmen   (9  b).     Hiermit    ist   jedoch 


Sclialeugcstaltung.    (Nubecularia  etc.,  Miliolina.)  47 

eine  etwas  vollständigere  Ausbildung  der  Scheidewände  zwischen  den 
Kammern  verknüpft,  indem  die  einfache  weite  Verbindungsöffnung  zwi- 
schen den  aufeinanderfolgenden  Kammern  durch  einwachsende  Brücken 
in  eine  grössere  Zahl  secundärer  Oeffnungen  zerlegt  wird.  Durch  der- 
artige Wachsthumsmodificationen  können  sogar  Formen  entstehen,  die 
eine  gewisse  morphologische  Aehnlichkeit  mit  den  später  zu  schildern- 
den Geschlechtern  Peneroplis  und  Orbitolites  aufweisen. 

Wie  zahlreiche  andere  Geschlechter  der  kalkschaligen  marinen  Rhizo- 
poden  zeigt  auch  die  Gattung  Nubecularia  eine  ziemlich  ausgesprochene 
Neigung  (wenigstens  in  gewissen  Modificationen  ihrer  Bildung)  Sand  zur 
Verstärkung  in  die  Schalenwandungen  aufzunehmen.  Es  erscheint  dieses 
Verhalten  gerade  hier  nicht  uninteressant,  da  sich  auch  unter  den  rein 
sandigschaligen  marinen  Rhizopoden  eine  Anzahl  Formen  finden,  welche 
eine  ziemliche  morphologische  Aehnlichkeit  im  Schaleubau  mit  der  soeben 
beschriebenen  Gattung  aufweisen.  Dies  gilt  hauptsächlich  von  der  d'Or- 
bigny'schen  Gattung  Placopsilina,  welche  von  den  englischen  Forschern 
gewöhnlich  in  ihrem  sehr  erweiterten  Genus  Lituola  eingeschlossen  wird. 
Wir  haben  es  hier  mit  äusserlich  rauhen  sandigschaligen  Formen  zu  thun, 
die  ähnlich  wie  bei  Nubecularia  gewöhnlich  einen  deutlich  spiraligen 
Wachsthumsbeginn  zeigen,  ja  meist  deutlicher  als  bei  dieser  kalkschaligen 
Gattung.  Mit  der  einen  Seite  sind  sie  aufgewachsen  und  ähnlich  Nube- 
cularia ist  dann  die  Wandung  dieser  aufgewachsenen  Seite  häufig  nur 
sehr  unvollständig  ausgebildet.  Gewöhnlich  wird  das  spiralige  Wachs- 
thum  nicht  bis  zu  Ende  fortgesetzt,  sondern  geht  in  gerades  bis  unregel- 
mässiges über ;  auch  Verzweigungen  treten  ähnlich  wie  bei  Nubecularia 
auf,  wie  denn  auch  aus  ganz  unregelmässig  zusammengehäuften  Kammern 
gebildete  Formen  hier  nicht  fehlen. 

Einen  nur  geringen  Grad  der  Sonderung  der  Kammern  von  einander 
zeigen  auch  die  hier  zunächst  sich  anschhessenden  Miliolinen.  Durch  die 
Gattung  Spiroloculina  reihen  dieselben  sich  recht  innig  an  die  früher  er- 
wähnte monothalame  Cornuspira  an.  Mit  einer  nahezu  kugeligen  Anfangs- 
kammer beginnend  wächst  die  Schalenröhre  in  spiralig  sich  aufrollenden, 
sich  berührenden  Umgängen  symmetrisch  vreiter  (IV.  10),  wobei  nach  Car- 
penter  der  innere  Abschluss  jedes  neuen  Umgangs  gar  nicht  von  besonderen 
Wandungen,  sondern  von  der  peripherischen  Wand  des  vorhergehenden 
Umgangs  gebildet  wird,  eine  Regel,  die  wenigstens  für  Spiroloculina  nach 
meinen  Erfahrungen  nicht  durchaus  richtig  ist. 

Indem  die  Schalenröhre  am  Ende  jedes  halben  Umgangs  eine 
Einschnürung  erhält,  die  ohne  Zweifel  eine  Wachsthumspause  ver- 
räth,  während  welcher  die  Einschnürungsstelle  als  häufig  noch  durch  be- 
sondere Eigenthümlichkeiten  ausgezeichnete  Mündungsöfifnung  fungirt, 
wird  eine  vielkammerige  Schale  gebildet,  deren  einzelne  Kammern  je  einen 
halben  Umgang  Ausdehnung  besitzen.  Sämmtliche  Einschnürungsstellen 
einer  solchen   Schale  liegen,  wie   aus   obiger  Schilderung  hervorgeht,  in 


48 


Ehizopoda. 


einer  geraden  Linie,  die  wohl  auch  die  ursprüngliche  Hauptaxe  der  durch 
excentrische  Verlagerung  der  Mündungsöffnung  symmetrisch  bilateral  ge- 
wordenen Embryonalkammer  darstellt.  In  der  Richtung  dieser  Hauptaxe 
zeigen  die  Angehörigen  der  Gattung  Spiroloculina  sowohl  als  die  übrigen 
Miliolinen  gewöhnlich  eine  Längsstreckung,  wodurch  die  regulär  spira- 
lige Aufrolluug  etwas  alterirt  wird. 

Eine  weitere  Abweichung  zeigen  die  übrigen  Miliolinen  dadurch,  dass 
die  bei  Spiroloculina  sich  nur  berührenden,  daher  auf  beiden  Seitenflächen 
der  Schale  völlig  sichtbaren  Umgänge  (oder  die  sie  constituirenden 
Kammerabschnitte)  sich  bei  den  übrigen  mehr  oder  minder  umfassen,  so  dass 
jeder  neue  Umgang  den  vorhergehenden  entweder  nur  zum  Tbeil  (Quinque- 
loculina)  oder  gänzlich  (Biloculina)  verdeckt.  Bei  Quinqueloculina 
(IV.  11)  wird  die  Schale  durch  abwechselnde  ungleiche  Umfassung  auf 
den  beiden  Seitenflächen  gleichzeitig  asymmetrisch  (s.  den  nebenstehenden 
Holzschnitt  a),  so  dass  gewöhnlich  auf  der  einen  Seitenfläche  der  Schale 
4,  auf  der  entgegengesetzten  durch  stärkere  Umfassung  hingegen  nur 
3  Kammerabschnitte  sichtbar  bleiben.*) 

Biloculina  (IV.  12  u.  13)  hingegen  ist  durch  völlige  und  symmetrische 
Involubilität  ausgezeichnet,  so  dass  hier  stets  nur  die  beiden  jüngsten 
Kammerabschnitte  sichtbar  bleiben  (vergl.  auch  den  Querschnitt  der  ent- 
sprechend gebauten  Fabularia  IV.  21). 

Bedeutsamer  erscheint  die  Abweichung 
von  der  den  Ausgangspunkt  unserer  Be 
trachtung  bildenden  Spiroloculina  bei  der 
Gattung  Triloculina,  die  äusserlich  nur 
3  um  die  Längsaxe  regelmässig  gruppirte 
Kammerabschnitte  bemerken  lässt(VIII.  3). 
Es  lässt  sich  diese  Form  entweder  so  deu- 
ten, dass  hier  die  Winduugsebene  nach  je- 
dem halben  Umgang  sich  um  120*'  um  die 
Längsaxe  verschiebt,  oder  aber  auch  durch 
eine  besondere  Art  der  gegenseitigen  Um- 
wachsung der  einzelnen  Kammerabschnitte 
in  der  Weise,  dass  während  der  2.  (vergl. 
nebenstehenden  Holzschnitt  b)  sich  nach  bei- 
den Seitenflächen  hin  gleichmässig  aus- 
dehnt, der  3.  hingegen  hauptsächlich  über  die  linke,  der  4.  über  die 
rechte  Seitenfläche  hinwächst  u.  s.  f. 

Von  besondrem  Interesse  ist  noch  eine  sehr  gewöhnliche  Auszeich- 
nung der  Mündungsöffnung  der  besprochnen  Miliolinen,  indem  in  dieselbe 
ein  zungenartiger,  bei  den  einzelnen  Formen  recht  mannigfach  gestalteter 
Vorsprung  von  der  Aussenvvand  des  vorhergehenden  Umgangs  hineinragt 


a.  Idealer  Querschnitt  von  Quinqueloeulina, 
b.   ebens.  von  Triloculina. 


*)  Doch  herrscht  bezüglich   der  Zahleaverhältaisse  der  sichtbaren    Kammern   ziemliche 
Variabilität. 


Monothalame  Impcrforata.     (Miliolina,  Peneroplina.)  49 

(IV.  13,  14  u.  15),  eine  Einrichtung,  die  vielleicht  mit  der  bei  verwandten 
Formen  auf  der  Grenze  der  Kammern  auftretenden  Scheidewandbildung 
in  Verbindung  gebracht  werden  darf.  Letzteres  scheint  um  so  mehr  ge- 
stattet, da  zuweilen  (Quinqueloculina  saxorum)  durch  diese  vorspringende 
Zunge  und  noch  weitere  hierzu  sich  gesellende  rippenartige  Vor. 
Sprünge  der  innern  Mündungsränder,  welche  mit  jener  verwachsen,  die 
Mihidung  bis  auf  eine  Anzahl  Durchlassporen  ganz  verschlossen  werden 
kann. 

Wie  schon  oben  im  Allgemeinen  hervorgehoben  wurde,  ist  es  eine 
unter  den  spiralgewundnen  Rhizopoden  sehr  verbreitete  Erscheinung,  dass 
nach  einer  Anzahl  von  Umläufen  die  spiralige  Krümmung  allmählich  ge- 
ringer wird  und  schliesslich  in  ein  geradliniges  Wachsthum  übergeht. 
Diese  Erscheinung  tritt  auch  bei  dem  zunächst  mit  den  Miliolinen  ver- 
wandten Genus  Vertebralina  hervor,  wie  bei  der  gleichfalls  nahe 
verwandten  Peneroplis.  Bei  Vertebralina  (IV.  17)  ist  der  ältere  Anfangs- 
theil  der  Schale  in  miliolinenartiger  Weise  spiralig  eingerollt,  so  jedoch, 
dass  gewöhnlich  3 — 4  Kammerabschnitte  einen  Umgang  bilden,  worauf 
dann  die  Schale  ihr  Wachsthum  in  gerader  Linie  mehr  oder  weniger  lang 
fortsetzt.  Auch  hier  sind  zwischen  den  einzelnen  Kammern  Scheidewände 
noch  kaum  gebildet,  sondern  jede  folgende  Kammer  ist  auf  die  gewöhnlich 
etwas  erweiterte  Mündung  der  vorhergehenden  aufgesetzt.  Gelegentliches 
Fehlen  des  geradlinigen  Endtheils  der  Schale  schliesst  diese  Formreihe 
noch  näher  an  die  Miliolinen  an,  wie  jedoch  andrerseits  auch  der  gerad- 
linig gestreckte  Schalentheil  bei  weitem  überwiegen  kann,  so  dass 
schliesslich  ein  spiralig  eingerollter  Anfangstheil  ganz  unterdrückt  wird 
(ünterg.  Aiticulina  d'Orb.  IV.  18). 

Sehr  ähnlich  dem  spiralig  aufgerollten  Anfangstheil  der  Vertebralina- 
schale  ist  auch  hinsichtlich  ihrer  allgemeinen  Configuration  die  Gattung 
Hau  er  in  a  (IV.  20),  welche  von  Carpenter  zu  Miliola  gezogen  wird.  Sie 
beginnt  ganz  miliolartig,  setzt  jedoch  ihr  weiteres  Wachsthum  mit  3  bis 
4  Kammern  auf  den  Umgang  fort.  Der  vorzugsweise  hervorstechende 
Charakter  dieser  Form  ist  jedoch  die  Umbildung  der  Mündung  zu  einer 
siebförmig  von  Poren  durchbrochnen  Platte  (IV.  20  b,  ähnlich  der  er- 
wähnten Quinqueloc.  saxorum),  so  dass  füglich  hier  auch  die  aufeinander- 
folgenden Kammern  durch  solche  von  Poren  durchsetzte  Scheidewände 
geschieden  werden. 

In  nahem  Anschluss  an  die  soeben  erwähnten  Formen  steht  die 
Gruppe  der  Peneropliden  (IV.  22,  V.  1,  VIII.  12)  mit  der  Hauptgattung 
Peneroplis.  Wir  haben  es  hier  mit  symmetrisch-spiralig  aufgerollten 
Formen  zu  thun,  die  jedoch  schon  von  Beginn  eine  ziemlich  beträchtliche 
Zahl  von  Kammern  in  den  Umgängen  aufweisen.  Es  ist  nämlich  die 
Länge  jeder  Kammer  nur  eine  geringe,  dagegen  die  Höhe  meist  recht 
beträchtlich.  Gewöhnlich  sind  die  Umgänge  parallel  der  Medianebene 
sehr  comprimirt,  wodurch,  in  Zusammenhang  mit  der  beträchtlichen 
Kammerhöhe,  die  Mündungsfläche,  sowie  die  entsprechenden  Septalflächen, 

Bronn,  Klassen  des  Thier-Eeichs.    Protozoa.  4 


50  Rhizopoda, 

hoch  und  schmal  werdeo.  Die  Septalflächen  sind  hier  durch  eine  Ein- 
faltung-  der  Kainmerwand  zum  grösseren  Theil  geschlossen,  so  dass  also 
wohlgebiidete  Scheidewände  und  eine  entsprechende  Mündungswand  sich 
finden,  die  entweder  von  einer  langgestreckten  spaltartigen  und  dendritisch 
verzweigten  Mündungs-  oder  Septalötfnung  durchsetzt  werden  (Dendritina 
IV.  24),  oder  nur  eine,  bei  breiterer  Gestaltung  der  Septalflächen  jedoch 
auch  zwei  Eeihen  von  Porenöffnungen  aufweisen  (Peneroplis  V.  1).  Letzteres 
Verhalten  leitet  sich  wohl  von  der  Auflösung  der  dendritisch  verzweigten 
Mündungsspalte  in  eine  grössere  Zahl  von  Poren  her  (eine  Art  Uebergangs- 
bildung  siehe  IV.  25).  Die  Zahl  dieser  Poren  der  Scheidewände  vermehrt 
sich  successive,  die  älteste  weist  nur  einen  Porus  auf,  in  den  folgenden 
nimmt  ihre  Zahl  stetig  zu.  Eine  weitere  Mannigfaltigkeit  dieser  Formen- 
reihe wird  noch  dadurch  erreicht,  dass  die  sich  gewöhnlich  nur  berührenden 
Umgänge  sich  mehr  umfassen,  ein  Verhalten,  das  namentlich  häufig  an 
der  jüngeren  Hälfte  des  letzten  Umgangs  hervortritt,  sich  jedoch  auf  die 
gesammten  Umgänge  ausdehnen  kann ,  so  dass  die  Schale  hierdurch 
ziemlich  iuvolut  wird  (Dendritina)  und  die  Septalflächen  eine  mehr  huf- 
eisenförmige Gestaltung  annehmen.  Auch  Uebergang  in  geradliniges 
Wachsthuni  tritt  sehr  häufig  bei  Peneroplis  wie  Dendritina  hervor.  Von 
besonderem  Interesse  ist  ferner  noch,  dass  in  Verbindung  hiermit  bei 
Peneroplis  sehr  gewöhnlich  die  letzten  Kammern  besonders  in  der  Rich- 
tung der  Umgangshöhe,  also  senkrecht  auf  die  Längsaxe  (Spiralaxe) 
ausvvachsen,  wobei  gleichzeitig  die  Kammerlänge  sehr  gering  wird  (V.  1). 
Indem  in  dieser  Weise  die  letzten  Kammern  sich  successive  sehr  rasch 
senkrecht  zur  Längsaxe,  verbreitern,  nimmt  so  der  Endtheil  der  Schale 
eine  fächerartig  ausgebreitete  Gestalt  au  und  werden  die  Septalflächen 
sehr  lang  und  stark  gekrümmt.  Indem  sie  sich  mit  ihren  Enden  stark 
nach  den  äheren  Schalentheilen  zurückbiegen,  kann  die  Ausdehnung  der 
Mündungsfläche  schliesslich  nahezu  ^/^  des  ganzen  Schalenumfanges  be- 
tragen. In  solcher  Weise  ist  hier  schon  eine  Hinneigung  zum  Uebergang 
in  das  sogen,  cyklische  Wachsthum  gegeben,  wie  es  bei  den  später  zu 
besprechenden  Orbiculina-  und  Orbitolitesformen  in  hoher  Ausbildung 
hervortritt,  wo  die  einzelnen  Kammern  sich  bis  zur  Bildung  geschlossener 
Ringe  zurückbiegen.  Auch  die  früher  erwähnte  Gattung  Vertebralina  zeigt 
schon  eine  ähnliche  Modifikation  ihres  Wachsthums  in  den  als  Renulites 
bezeichneten  fossilen  Formen  (IV.  19). 

In  allgemein  morphologischer  Hinsicht  scheinen  die  mit  sandiger 
Schale  versehenen  Gattungen  Lituola  Lmck.  und  Haplophragmium  Rss. 
in  ziemlich  naher  Beziehung  zu  den  eben  geschilderten  Formen  der  Pene- 
ropliden  zu  stehen  (fraglich  bleibt  jedoch  bis  jetzt,  ob  eine  solche  An- 
näherung auch  in  genetischer  Beziehung  gerechtfertigt  ist).  Es  sind  dies 
freie  Formen  mit  symmetrisch  spiraliger  Schale,  deren  Umgänge  gewöhnlich 
einen  ziemlich  hohen  Grad  von  Involubilität  zeigen  und  entweder  ihr 
ganzes  Wachsthum  in  der  begonnenen  spiraligen  Aufrollung  fortsetzen 
(so  dass  die  Gesammtgestalt  der  Schale  dann  von  einem  Dendritina-artigen 


Polythalame  Imperforata.     (Lituola,  Orbitolitiiia.)  51 

Habitus  ist  [V.  17])  oder  es  gehen,  ähnlicli  wie  bei  den  als  Spirolina  be- 
zeichneten Modifiliationen  von  Dendritina,  die  letzten  Kammern  in  ein 
geradliniges  Wachsthiim  über  und  wird  die  Gesammtform  der  Schale 
hierdurch  eine  bischofstabförmige  (V.  18  a).  Die  Mündungsbeschaffenheit 
dieser  saudigen  Formen  ist  eine  etwas  verschiedenartige;  entweder  sind 
die  Kammerscheidewände  von  einer  einfachen,  jedoch  häufig  unregel- 
mässigen Oeffnung  durchbrochen,  die  auch  ähnlich  wie  bei  Dendritina 
eine  dendritisch  verzweigte  Beschaffenheit  besitzen  kann,  oder  es  finden 
sich  bei  Lituola  statt  der  einfachen  Mündung  zuweilen  auch  mehrere 
Durchbrechungen  der  Scheidewände,  die  Mündung  nimmt  eine  zusammen- 
gesetzte Beschaffenheit  an,  ja  die  Scheidewände  werden  z.  Th.  siebartig 
(V.  18  b).  Letztere  Eigenthtimlichkeit  steht  wohl  ohne  Zweifel  in  Zu- 
sammenhang mit  den  labyrinthischen  Auswüchsen,  die  hier  von  den  innern 
Flächen  der  Kammerwände  entspringen  und,  wie  dies  früher  schon  im  All- 
gemeinen als  für  einen  Theil  der  sandigschaligen  Formen  charakteristisch 
geschildert  wurde,  die  Kammerhöhlungen  in  ein  Maschenwerk  von  zahl- 
reichen uuregelmässigen  Kämmerchen  theilen. 

Zu  den  interessantesten  morphologischen  Wachsthumsverhältnissen 
der  polythalamen  Schalen  der  marinen  Rhizopoden  gehört  die  eigenthüm- 
liche  Umwandlung  des  spiralig  symmetrischen  Wachsthums  in  das  sogen, 
cyklische,  wie  wir  solches  unter  den  Imperforaten  bei  den  Geschlechtern 
Orbiculina  und  Orbitolites,  unter  den  Perforaten  hingegen  bei  Heterostegina, 
Cycloclypeus  und  Orbitoides  antreffen.  In  beiden  morphologischen  Reihen, 
welche  durch  diese  besonderen  Wachsthumsverhältnisse  charakterisirt  werden, 
tritt  noch  eine  weitere  Eigenthümlichkeit,  die  wohl  nicht  ausser  Zusammen- 
hang mit  der  ersteren  steht,  hervor,  nämlich  eine  Unterabtheilung  der 
ursprünglichen  Kammerräume  durch  secundäre,  in  senkrechter  Richtung 
zu  den  primären  verlaufende  Scheidewände  in  eine  mehr  oder  minder 
grosse  Zahl  secundärer  Kammern  oder  Kämmerchen  (chamberlets,  Carpenter). 
Dieselbe  Erscheinung  fanden  wir,  wenngleich  von  viel  unregelmässigerer 
Ausbildung,  schon  bei  den  sandschaligen  Rhizopoden  und  letzthin  speciell 
bei  der  Gattung  Lituola.  Obwohl  es  sich  hier  um  ganz  unregelmässige 
Untertheilungen  der  Kammerräume  handelt,  so  unterliegt  es  doch  wohl 
keinem  Zweifel,  dass  in  beiden  Fällen  im  Princip  dieselbe  Erscheinung 
vorliegt. 

Das  beste  Verständniss  für  die  Herleitung  dieses  cyklischen  Wachs- 
thums aus  dem  einfach  spiraligen  bietet  die  imperforate  Gattung  Orbiculina 
dar  (VI.  2)  und  indem  wir  die  Betrachtung  der  durch  ähnliche  Wachthums- 
vorgänge  ausgezeichneten,  jedoch  ohne  Zweifel  genetisch  nicht  hierher 
gehörigen  Gattungen  der  Perforata  auf  später  verschieben,  beschäftigen 
wir  uns  zunächst  mit  den  cyklischen  Imperforata  und  zwar  der  erwähnten 
Gattung  Orbiculina. 

Diese  Form  lässt  sich  am  natürlichsten  herleiten  von  gewissen  Modi- 
fikationen   der  schon   früher    geschilderten   Peneroplis   und  es   unterliegt 

4* 


52  Khizopoda. 

wohl  auch  keinem  Zweifel,  dass  es  sich  hier  um  einen  wirklich  genetischen 
Zusammenhang  handelt.  Die  hier  in  Betracht  kommenden  Peneroplis- 
formen  sind  die  schon  erwähnten ,  bei  welchen  die  jüngsten  Kammern, 
indem  sie  ihr  spiraliges  Wachsthum  aufgeben,  sich  sehr  rasch  verbreitern, 
so  dass  die  Gesammtgestalt  der  Schale  hierdurch  eine  fächerföraiige  wird. 
Denkt  man  sich  diese  Verbreiterung  rasch  noch  mehr  anwachsen,  indem 
die  Kammerenden  sich  dabei  mehr  und  mehr  um  den  spiraligen  Anfangs 
theil  der  Schale  herumlegen  (VI.  2A),  so  dass  schliesslich  die  Enden 
einer  gewissen  Kammer  sich  treffen  und  zu  einer  kreisförmig  geschlossenen 
verschmelzen  (VI.  2B),  so  erhält  man  eine  ungefähre  Vorstellung  davon, 
in  welcher  Weise  aus  den  in  spiraliger  Anordnung  aufeinanderfolgen- 
den Kammern  schliesslich  kreisförmig  geschlossene  hervorgehen  und  das 
Weiterwachsthum  dann  durch  peripherische  Neubildung  solcher  kreis- 
förmiger Kammern  cyklisch  vor  sich  geht. 

Eine  etwas  eingehendere  Darstellung  der  Bauverhältnisse  von  Orbi- 
culina  wird  diese  Wachsthumsvorgänge  noch  deutlicher  machen.  Mit 
einer  oder  mehreren  ziemlich  ansehnlichen  Embryonalkammern  beginnend, 
geht  diese  Form  dann  in  ein  symmetrisch  spiraliges  Wachsthum  über, 
das  sie  in  regelmässiger  Weise  mehrere  Umgänge  hindurch  verfolgt 
(VI.  2  C).  Diese  spiraligen  Umgänge  werden  ähnlich  wie  bei  Peneroplis 
von  zahlreichen,  sehr  schmalen  Kammern  gebildet,  die  sich  rasch  ver- 
breitern, da  die  Umganghöhe  schnell  zunimmt.  Diese  spiraligen  Umgänge 
umhüllen  sich  völlig  und  es  besitzt  daher  die  junge  Schale  oder  der 
spiralige  Anfangstheil  älterer  Schalen  eine  nahezu  kuglige  Gestaltung. 
Die  die  Kammern  scheidenden  Septen  sind  sehr  stark  nach  vorn  convex 
gekrümmt  und  die  Kammerräume,  wie  schon  erwähnt,  durch  auf  den  pri- 
mären Septen  senkrecht  aufstehende  secundäre  in  zahlreiche  Kämmerchen 
getheilt,  deren  Zahl  sich  natürlich  mit  der  Verbreiterung  der  Kammern 
(entsprechend  der  Zunahme  der  Umgangshöhe)  rasch  vermehrt.  Unter 
sich  stehen  alle  diese  Kämmerchen  eines  Kammerabschnitts  durch  eine, 
oder  bei  bedeutenderer  Höhe  der  Secundärsepten  (die  Höhe  hier  parallel 
zur  Windungsaxe  genommen)  durch  mehrere  Verbindungskanäle  in  Com- 
munication.  Ebenso  stehen  auch  die  Kämmerchen  der  aufeinanderfolgenden 
Kammerabschnitte  durch  Porenkanäle  in  Verbindung,  die  in  Zahl  ähnlichen 
Schwankungen  unterliegen,  wie  die  zuvor  geschilderten,  und  die  nicht  von 
den  Kämmerchen  selbst  ausgehen,  sondern  von  den  oben  geschilderten 
Verbindungskanälen  zwischen  den  benachbarten  Kämmerchen  eines 
Kammerabschnittes  (vergl.  die  ähnliche  Bildung  bei  Orbitolites  VI.  lA,  c). 
Diese  letzterwähnten  Porenkanäle  sind  es  dann  natürlich  auch,  die,  indem 
sie  auf  der  Septalfläche  der  jüngsten  Kammer  münden,  die  Verbindung 
mit  der  Aussenwelt  herstellen  (VI.  2D).  —  Aehnlich  wie  bei  Peneroplis 
fungiren  daher  statt  einer  einfachen  Mündung  hier  eine  oder  mehrere 
Reihen  von  Poren  auf  der  Münduugsfläche  (VI.  2  E).  —  Die  stark  convexe 
Vorwärtsbiegung  der  Primärsepten  macht,  dass,  im  Zusammenhang  mit 
der   bedeutenden   Höhe    der   Umgänge,    die   Septalflächen   rasch    zu  sehr 


Polytlialame  Imperforata.     (Orbitolitina.)  53 

ansehnlicher  Ausdehnung  gelangen,    so   dass   sie  bald   etwa   Va   ^er  ge- 
samniten   Schalenperipherie   bilden.     Das  Weiterwachsthura   vollzieht  sich 
nun  in  etwas  verschiedener  Weise.   Entweder  indem  das  spiralige  Wachs- 
thum  in  ein  geradliniges  übergeht  und  der  periphere  Schalenrand  in  einer 
ziemlich  geraden  Linie  weiterwächst  (VI.  2C*),  so  dass  demnach  hier  die 
Kammerenden  in  gerader  Linie  übereinander   aufgestapelt  sind ,   während 
im  Gegensatz  zu  diesem  Halt,  der  den  peripheren  Kammerenden  hier  ge- 
setzt ist,  die  Kammern  sehr  rasch  nach  der  entgegengesetzten  freien  Seite 
auswachsen,  indem  sie  sich,  sich  immer  mehr  und  mehr  vcrgrössernd,  um 
den  spiraligen  Theil    der  Schale   allmählich  völlig  herumziehen.     Endlich 
legen   sie  sich   bei   fortdauernder  Neubildung  und  Vergrösserung  um  den 
oben  erwähnten  geradlinig  fortgewachsenen  peripheren  Schalenrand  herum, 
bis  schliesslich  eine  der  Kammern   mit   dem   Ende   ihrer  cyklisch  um  die 
älteren   Theile    herumgelagerten  Partie    wieder   auf  ihren   peripherischen 
Anfangstheil  stösst,    und   so  die   erste  völlig  kreisförmig  abgeschlossene 
Kammer  gebildet  worden  ist  (VL  2  B).  Durch  weitere  Neubildung  solcher 
kreisförmiger  Kammern  kann    dann   auch  der  Gesammtumriss  der  Schale 
sich  der  Kreisgestalt  mehr  und  mehr  nähern ,  jedoch  wird   dieselbe   in 
diesem   Falle  gewöhnlich    nicht   völlig    erreicht,    da    der  geradlinig  fort- 
gewachsene  peripherische  Rand   sich   noch   durch   eine  Einbiegung   oder 
Abstumpfung  der  Peripherie   merklich   macht.     Bei   der   zweiten  Art  des 
Uebergangs   ins   cyklische  Wachsthum   bildet  sich  dagegen  eine  ziemlich 
reguläre  Kreisform  aus,  indem  hier  das  rasche  Auswachsen  der  Kammer- 
enden beim  üebergang  ins  geradlinige  Wachsthum  gleichmässig  nach  dem 
peripherischen  wie   nach  dem  centralen   Kammerende  hin  geschieht.     Es 
lagern   sich   daher  hier  die   Enden   der  Kammern   allmählich  von  beiden 
Seiten  um  den  spiraligen  Anfangstheil  der  Schale  herum  (VL  2A),   und 
das   Zusammenstossen   derselben  zur  Bildung  der  ersten  cyklischen  Kam- 
mer vollzieht   sich   also    in   der  Verlängerung  der  Axe   des  geradlinigen 
Wachstbums.   Mit  der  Neubildung  von  cyklischen  Kammern  wird  hier  die 
ursprünglich  noch  vorhandene  Einschnürung  rasch    ausgeglichen  und  der 
Umriss  der  Schale  nahezu  kreisförmig.     Noch  ist  zu  erwähnen,   dass  mit 
dem  Üebergang  des  ursprünglich   spiraligen  Wachsthums  ins  geradlinige 
die  Umfassung  der  früheren  Windungen  durch  die  neugebildeten  Kammern 
allmählich   gänzlich  aufhört,   womit   sich  gleichzeitig  auch  die  Höhe  der 
neugebildeten    Kammern    (im    Sinne    der    Windungsaxe)    verringert,    so 
dass   die  Schale  nach   dem  Rande  hin   dünner  wird  und  die  Porenreihen 
auf  den  Scheidewänden  sich  verringern,  während  der  spiralige  Anfangstheil 
der  Schale  knopfartig  hervorsteht. 

In  noch  viel  vorzüglicherer,  jedoch  jedenfalls  principiell  überein- 
stimmender Weise  tritt  das  cyklische  Wachsthum  bei  der  nächstver- 
wandten Gattung  Prbitolites  hervor  (VI.  1).  Das  wichtigste  Charakte- 
ristikum dieser  Gattung  gegenüber  Orbiculina  besteht  in  der  sehr  früh- 
zeitigen Ausbildung  der  cyklischen  Wachsthumsweise,  indem  hier 
bei   Orbitolites    gewöhnlich     auf     eine     recht     ansehnliche    Embryonal- 


54  Rhizopoda. 

kammer  (VI.  1 E,  a),  die  von  einer  dieselbe  zur  Hälfte  oder  nahezu  völlig 
umfassenden,  ansehnlichen  und  nur  zuweilen  durch  eine  senkrechte 
Scheidewand  theilweis  untergetheilten  zweiten  Kammer  umgeben  wird  (b), 
sogleich  die  kreisförmig  geschlossenen  Reihen  von  kleinen  Orbiculina- 
artigen  Kämmerchen  folgen.  Indem  sich  zahlreiche  weitere  derartige 
Cyklen  von  Kämmerchen  beim  Weiterwachsthum  ausbilden,  wird  die 
Schalengestaltung  sehr  bald  eine  scheibenförmige  mit  ganz  regulär 
kreisförmigem  Umriss  (VI.  lA),  Da  ferner  im  Gegensatz  zu  Orbiculina 
die  jüngeren  Cyklen  allmählich  an  Höhe  (im  Sinne  der  Windungsaxe) 
zunehmeo,  so  verdickt  sich  die  Scheibe  nach  den  Rändern  zu  mehr  oder 
minder  regelmässig,  so  dass  die  Flachseiten  der  Scheibe  schwach  concav 
ausgehöhlt  erscheinen  (VI.  1,  B— D),  oder  doch  wenigstens  im  Centrum 
eine  derartige  concave  Aushöhlung  und  starke  Verdünnung  der  Scheibe 
aufweisen  (im  Gegensatz  zu  der  knopfartigen  Verdickung  bei  Orbiculina). 
Die  ursprüngliche  Herleitung  dieser  cyklischen  Wachsthumsweise  aus 
der  spiraligen  lässt  sich  jedoch  zuweilen  noch,  wenn  auch  nicht  so 
charakteristisch  wie  bei  Orbiculina,  bei  gewissen  fossilen  Orbitoliten  nach- 
weisen (auch  bei  dem  recenten  Orb.  tenuissimus*)  soll  sich  dieses  Ver- 
halten zum  Theil  zeigen),  indem  die  ersten  Kämraerchenreihen  nicht  als 
geschlossene  Cyklen  hervortreten,  sondern  sich  wie  bei  Orbiculina  auf 
die  üntertheilung  von  spiralig  angeordneten  primären  Kammern  zurück- 
führen lassen,  welche  jedoch  hier  sehr  bald  in  das  cykliscbe  Wachsthum 
übergehen.  Die  feineren  Bauverhältnisse  der  kreisförmigen  Kämmerchen- 
reihen  zeigen  auch  bei  Orbitolites  eine  ziemliche  Mannigfaltigkeit  der 
Bildung,  die  zur  Unterscheidung  von  einfachen  und  complicirt  gebauten 
Formen  geführt  hat.  Bei  den  ersteren  (VI.  1,  A  u.  B)  besitzen  die 
Kämmerchen  die  einfache  Bildung  wie  bei  Orbiculina  und  eine  verhältniss- 
mässig  geringe  Höhe;  jedes  der  Kämmerchen  steht  mit  den  benachbarten 
desselben  Cyklus  durch  eine  Verbindungsröhre  in  Communication,  während 
die  Verbindung  der  Kämmerchen  der  aufeinanderfolgenden  Cyklen  durch 
radiale  Röhrchen,  die  von  jenen  erstgenannten  Verbindungsröhrchen  ent- 
springen und  in  die  alternirend  gestellten  Kämmerchen  des  nächst  jüngeren 
Cyklus  münden,  vermittelt  wird  (VI.  1,  A,  c).  Auf  der  peripherischen 
Randfläche  der  Scheibe  tritt  so  eine  Reihe  von  Mündungsporen  hervor, 
welche  die  Ausmündungsstellen  solcher  radialen  Röhrchen  darstellen  und 
über  denen  sich  in  der  Folge  die  Kämmerchen  eines  neuen  Cyklus  bilden 
werden  (VI.  1,  A,  d).  Bei  den  complicirter  gebauten  Formen  hingegen 
(VI.  1,  C  u.  D)  beginnen  die  cyklischen  Kämmerchenkreise  im  Centrum 
der  Scheibe  in  ähnlich  ^einfacher  Weise,  gehen  jedoch,  indem  die  Höhe 
der  Kämmerchen  rasch  zunimmt,  früher  oder  später  in  complicirtere 
Bildungsverhältnisse  über.  Zunächst  nämlich  treten  statt  der  einfachen 
cirkulären  Verbindungsröhren  zwischen  den  Kämmerchen  der  einzelnen 
Cyklen  zwei  solcher  Verbindungsröhren   auf,   die  nahe  an  die  Ober-  und 


*)  Carpenter  etc.     Proc.  roy.  soc.  XYIII.  u.  Brady  115  II. 


Polytbalamo  Iinperforata.     (Orbitolitos.)  55 

Unteifläche  der  Scheibe  rücken  (V.4,h%^).  Gleichzeitig  sondern  sich  hiermit 
die  jenseits  dieser  cirkulären  Verbindungsröhren  den  Scheibenflächen  anlie- 
genden Theile  der  Kämmerchen  von  dem  mittleren  Abschnitt  ab,  so  dass 
durch  diese  Sonderung  die  peripherischen  Scheibentheile  wie  aus  3 
Kämmerchenlagen  zusammengesetzt  erscheinen;  nämlich  einer  mittleren, 
die  nach  aussen  rasch  an  Höhe  anwächst  und  zwei  oberflächlichen  (c^),  die 
sich  auf  der  gesammten  Scheibe  nahezu  in  gleicher  Höhe  erhalten  (VI.  1 D). 
Unter  sich  stehen  die  jedem  Cyklus  entsprechenden  3  Kämmerchen- 
lagen (wenigstens  bei  den  typischen  Exemplaren)  in  Verbindung  durch 
Vermittlung  der  beiden  cirkulären  Verbindungsröhren  jedes  Cyklus,  indem 
sich  die  Kämmerchen  der  mittleren  Lage  direct  (gewissermaassen  wie 
Communikationskanäle)  zwischen  den  beiden  cirkulären  Eöhren  ausdehnen, 
wogegen  die  oberflächlichen  Kämmerchen  so  geordnet  sind,  dass  sich  ein 
Cyklus  von  ihnen  zwischen  zwei  aufeinanderfolgende  cirkuläre  Verbindungs- 
röhren einschiebt  und  jedes  der  oberflächlichen  Kämmerchen  sich  durch 
je  ein  feines  Verbindungsröhrchen  mit  diesen  beiden  cirkulären  Verbindungs- 
röhren in  Communikation  setzt.  Die  hohen  Kämmerchen  der  mittleren  Lage 
sind  wie  die  der  einfachen  Formen  alternirend  gestellt  in  den  aufeinander- 
folgenden Cyklen  (V.  4,  c)  und  es  stehen  auch  die  der  benachbarten  Cyklen 
in  Communikation  durch  feine  Verbindungsröhren,  die  von  jedem  Kämmer- 
chen der  mittleren  Lage  in  verschiedener,  meist  jedoch  recht  beträchtlicher 
Zahl  (je  nach  der  Höhe  derselben)  alternirend  nach  rechts  und  links  hin 
entspringen  und  sich  zuden  beiden  alternirend  gestellten  Kämmerchen  des 
folgenden  Cyklus  begeben  (c  u.  e^).  Auf  dem  peripherischen  Rand  der  Scheibe 
münden  die  entsprechenden  Verbindungsröhrchen  des  letzten  Cyklus  der 
mittleren  Lage  in  Gestalt  zahlreicher  in  mehr  oder  weniger  regelmässigen 
senkrechten  Reihen  neben  einander  gestellter  Poren  aus  (f).  Ueberhaupt  ist 
jedoch  die  Regelmässigkeit  in  der  Bildung  der  mittleren  Kämmerchen 
keine  sehr  grosse;  häufig  nehmen  sie  zum  Theil  eine  recht  unregelmässige 
Gestaltung  an  und  in  Verbindung  hiermit  bilden  sich  accesorische,  zum 
Theil  gleichfalls  recht  unregelmässig  beschaffene  Communikationen  zwischen 
den  benachbarten  Kämmerchen  aus.  Im  Gegensatz  hierzu  stehen  die 
Kämmerchen  der  oberflächlichen  Lagen  unter  einander  in  keiner  directen 
Communikation  und  die  der  aufeinanderfolgenden  Cyklen  alterniren  auch 
nicht  mit  einander.  In  Betreff  der  Zahlenverhältnisse  besteht  keine  Be- 
ziehung zwischen  den  Kämmerchen  der  mittleren  und  der  oberflächlichen 
Lagen ,  stets  jedoch  sind  die  letzteren  an  Zahl  viel  reichlicher  wie  die 
ersteren,  so  dass  ca.  3 — 4  in  jeder  oberflächlichen  Lage  auf  1  Kämmerchen 
der  mittleren  Lage  kommen. 

Aus  dieser  Schilderung  der  Bauweise  der  complicirten  Formen  dürfte 
hervorgehen,  dass  eine  so  directe  Ableitung  derselben  von  den  ein- 
fachen, wie  sie  oben  der  Einfachheit  der  Darstellung  wegen  gegeben 
worden  ist  und  wie  sie  Carpenter  darzustellen  versucht,  in  der  Natur 
nicht  begründet  erscheint.  Die  Herleitung  der  complicirten  Formen  aus 
den   einfachen   scheint  sich  vielmehr   in   der  Weise   vollzogen  zu  haben, 


56  ßhizopoda. 

dass  sich  allmählich  die  mittlere  Kämmerchenlage  zwischen  die  beiden 
Hälften  der  ursprünglich  einfachen  Kammern  eingeschaltet  hat  und  im 
wesentlichen  darauf  zu  beruhen,  dass  sich  mit  der  Ausbildung  der  zwei 
gesonderten  cirkularen  Verbindungsröhren  und  ihrer  weiten  Trennung  von 
einander  ein  System  von  Verbindungsröhren  (die  Kämmerchen  der  mitt- 
leren Lage)  entwickelt  hat.  Hieraach  würden  also  die  oberflächlichen 
Kammerlagen  eigentlich  den  Kämmerchen  der  einfachen  Form  entsprechen, 
jedoch  zeigen  sie  durch  ihre  abweichenden  Stellungsverhältnisse  (nicht 
alternirend  in  den  aufeinanderfolgenden  Cyklen)  sich  gleichfalls  etwas 
verschieden  von  dem  Verhalten  bei  den  einfach  gebauten  Formen.  Nach 
Carpenter  sollen  sich  jedoch  zahlreiche  Uebergangsformen  zwischen  dem 
einfachen  und  dem  complicirten  Typus  finden,  die  hier  näher  zu  schildern 
der  Raum  gebricht,  so  dass  gleichwohl  eine  nähere  Beziehung  zwischen 
diesen  beiden  zu  existiren  scheint,  wenn  auch  durch  die  bis  jetzt  vor- 
liegenden Schilderungen  der  morphologische  Zusammenhang  derselben 
keineswegs  völlig  aufgeklärt  scheint. 

Von  Interesse  erscheinen  einige  morphologische  Besonderheiten  im 
Schalenbau  gewisser  Orbitoliten.  So  wird  zuweilen  (namentlich  bei  ge- 
wissen fossilen  durch  Gümbel*)  näher  bekannt  gewordenen  Formen) 
das  Dickenwachsthum  der  Randzone  ein  abnorm  starkes,  so  dass  die- 
selbe zu  einem  dicken  ringförmigen  Wulst  auswächst  (Orbitolites  circum- 
valvata  Gmb.).  Auf  ähnliche  abnorme  Wachsthumsvorgänge  in  der  Rand- 
region der  Scheibe  dürfen  auch  die  recenten  Formen  des  complicirten 
Typus  zurückgeführt  werden,  bei  welchen  die  Raudpartie  der  Scheibe 
eine  krausenartige  Faltung  zeigt  und  woran  sich  dann  schliesslich  die 
eigen thümlichsten  Formen  anreihen,  wo  sich  von  der  Höhe  dieser  Falten, 
hauptsächlich  auf  der  einen  Seite  der  Scheibe,  senkrechte  leistenartige 
Auswüchse  von  ziemlicher  Höhe  entwickeln  (V.  5);  indem  sich  die  Enden 
dieser  Leisten  brückenförmig  zusammenneigen,  können  sie  schliesslich  mit 
einander  verwachsen  und  der  Art  durch  weitergehende  Entwicklung  in 
dieser  Richtung  ein  netzartiges  durchbrochnes  Dach  über  der  einen  Seiten- 
fläche der  Scheibe  bilden. 

Einen  besondern  Typus  der  morphologischen  Entwickelung  weist 
noch  unter  den  Imperforaten  die  Gattung  Alveolina  auf  (V.  2a— b), 
die  in  gewisser  Hinsicht,  nämlich  durch  die  Untertheilung  der  pri- 
mären Kammerräume,  an  die  soeben  genauer  geschilderten  Formen 
sich  anschliesst,  dagegen  in  dem  allgemein  morphologischen  Typus  ihres 
Schalenbaues  unter  den  Imperforaten  kein  eigentliches  Ebenbild  hat. 
Dagegen  finden  sich  unter  den  Perforaten  und  zwar  in  der  Abtheilung 
der  Nummuliniden  eine  Anzahl  um  die  Gattung  Fusulina  sich  gruppirender 
Formen,  die  in  Bezug  auf  die  allgemeinen  Gestaltsverhältnisse  am  meisten 
an  den  jetzt  zu  besprechenden  Typus  der  Imperforaten  sich  anschliessen, 
wenn    auch    die    feineren    Bau  Verhältnisse    hier    ebenso    wenig   an  eine 


*)  Jahrb.  f.  MineraJ.  u.  Geol.  1872. 


Imperforate  Polythalainia.     (Älveolina.)  57 

genetische  Zusammengehörigkeit  denken  lassen,  als  dies  bezüglich  der 
nach  cyklischem  Wachsthum  sich  entwickelnden  Formen  der  Impertbraten 
und  der  Perforaten  der  Fall  ist. 

Die  zunächst  ins  Auge  fallende  Eigenthümlichkeit  dieses  Genus, 
welche  dasselbe  auch  mit  den  soeben  erwähnten  Fiisuliniden  unter  den 
Perforaten  gemein  hat,  ist  die  meist  langgestreckte,  etwa  ei-  bis  spindel- 
förmige Gestaltung,  welche  in  beiden  Fällen  auf  den  gleichen  Bedingungen 
beruht.  Wir  haben  es  hier  nämlich  mit  symmetrisch  spiralig  aufgerollten 
Schalen  von  völliger  Involubilität  zu  thun,  bei  welchen  die  Umgangshöhe 
im  Allgemeinen  eine  recht  geringe  ist  und  auch  nur  sehr  allmählich  zunimmt 
(siehe  den  Querschnitt  V.  2  b).  Besonders  ansehnlich  stark  sind  dieselben 
hingegen  in  der  Richtung  der  Windungsaxe  verlängert,  sodass  bei  Alveolina 
die  Länge  der  Windungsaxe  wenigstens  dem  Durchmesser  der  Schale  (in 
der  Windungsebene  gleichkommt,  und  die  Gestalt  der  ganzen  Schale  der 
Art  nahezu  oder  völlig  kugelförmig  wird;  gewöhnlich  übertrifft  jedoch 
die  Länge  der  Windungsaxe  den  erwähnten  Durchmesser  sehr  beträchtlich 
und  damit  wird  die  Schalengestalt  eine  verlängert  eiförmige  bis  spindel- 
förmige, ja  sogar  cylindrische  (V.  2  a).  Die  feineren  Verhältnisse  der 
inneren  Organisation  zeigen  auch  bei  diesem  Formtypus  einen  verschiednen 
Grad  von  Complication ,  ähnlich  wie  wir  solches  schon  von  Orbitolites 
kennen  gelernt  haben.  Bei  den  einfacheren,  fossilen  Formen  wird  jeder 
Umgang  durch  eine  Anzahl  primärer  Septen,  die  jedoch  im  Ganzen  wenig 
entwickelt  sind,  in  eine  massige  Zahl  von  primären  Kammern  getheilt. 
Dieselben  haben  im  Zusammenhang  mit  der  allgemeinen  Configuration  der 
Schale  eine  niedere,  jedoch  in  der  Richtung  der  Windungsaxe  sehr  ver- 
längerte bandförmige  Gestalt.  Die  Septalflächen  und  die  Endfläche  der 
letzten  Kammer  haben  natürlich  eine  entsprechende  Gestaltung;  sie  besitzen 
nur  eine  sehr  geringe  Höhe,  dagegen  eine  Länge,  die  von  dem  einen  Pol 
der  Schale  bis  zu  dem  andern  reicht.  Jede  Primärkammer  wird  durch 
eine  grosse  Anzahl  secundärer,  senkrecht  zur  Windungsaxe  verlau- 
fender Septen  in  zahlreiche  ziemlich  schmale,  langgestreckte  secuudäre 
Kämmerchen  getheilt,  jedoch  bleiben  an  ihrem  Hinterende  sämmtliche 
secundäre  Kämmerchen  durch  einen  parallel  der  Windungsaxe  in  jedem 
primären  Karamerabschnitt  ziehenden,  dicht  unter  der  äussern  Oberfläche 
verlaufenden  Kanal  in  Verbindung.  Auf  der  Endfläche  der  letzten 
Kammer  münden,  wie  zu  erwarten,  die  secundären  Kämmerchen  je 
durch  einen  Mündungsporus  aus,  so  dass  die  Gesammtheit  dieser  Poren 
in  einer  Reihe  etwa  längs  der  Mittellinie  der  Mündungsfläche  hinzieht. 
Zuweilen  tritt  jedoch  auch  hier  schon  eine  Vermehrung  der  Müudungs- 
poren  jedes  Kämmerchens  zu  zweien  auf  und  eine  noch  reichere  Ver- 
mehrung dieser  Poren  in  Zusammenhang  mit  weiteren  inneren  Com- 
plicirungen  charakterisirt  nun  die  complicirter  gebauten  recenten  Alveolinen 
(V.  2).  Bei  diesen  letzteren  finden  wir,  dass  jedes  der  secundären 
Kämmerchen  der  einfachen  Form  durch  das  Auftreten  von  Septen  3.  Ord- 
nung (V.  2''  d— dg),  die  in   der  2—5  Zahl  vorhanden  sein  können  (jedoch 


58  Eliizopoda. 

gewöhnlich  in  der  Dreizahl  jedes  Kämmerchen  durchziehen)  in  weitere  und 
zwar  röhrige  Kämmerchen  3.  Ordnung  zerlegt  wird  (e — eg),  von  denen 
nun  jedes  auf  der  Septal-  oder  Miindungsfläche  durch  einen  besonderen 
Porus  nach  Aussen  mündet,  so  dass  sich  hier  auf  der  MUndungsfläche 
zahlreiche  vertikale  Reihen  von  gewöhnlich  je  4  Poren  neben  einander 
finden  (V.  2  a).  Diese  tertiären  Septen  theilen  jedoch  die  Kämmerchen 
2.  Ordnung  nicht  völlig,  sondern  lassen  in  jedem  den  hintersten  Abschnitt 
ungetheilt  (2b,  f),  durch  welchen,  wie  durch  eine  radiale  Verbindungs- 
röhre, die  4 — 5  Kämmerchen  3.  Ordnung  in  Verbindung  stehen.  Unter 
sich  stehen  jedoch  diese  hintern  Reste  der  secundären  Kämmerchen  jeder 
Primärkammer  gewöhnlich  durch  2  longitudinal,  parallel  der  Windungsaxe, 
verlaufende  Kanäle  (2  b,  c  u.  b)  in  Communikation.  Zu  bemerken  dürfte 
noch  sein,  dass  die  oberflächlichsten  Kämmerchen  3.  Ordnung  in  viel 
grösserer  Zahl  neben  einander  in  jeder  Primärkammer  zu  finden  sind,  wie 
die  tiefer  liegenden,  wodurch  die  oben  gegebene  und  im  Interesse  des 
leichteren  Verständnisses  gewählte  Art  der  Ableitung  dieser  complicirten 
Formen  von  den  einfachen  ähnlich  wie  bei  Orbitolites  etwas  unsicher 
wird.  Es  erinnert  aber  gerade  diese  Kleinheit  und  die  entsprechende 
grössere  Zahl  der  oberflächlichen  Kämmerchen  an  ähnliche  Verhältnisse 
bei  Orbitolites.*) 

Neuerdings  wurde  von  v.  Möller  (116)  eine  fossile  Foraminiferengattung  unter  dem 
Namen  Fusulinella  aus  dem  Kohlenkalk  beschrieben,  die  sich  in  allen  ihren  Bauverhältnissen 
auf  das  innigste  an  die  schon  erwähnten  perforirten  Fusuliniden  anschliesst,  unter  anderem 
auch  ein  sogen.  Kanalsystem  aufweist,  wie  solches  bei  keiner  Gattung  der  Imperforaten  bis 
jetzt  gefunden  wurde.  Nach  v.  Möller  soll  jedoch  diese  Gattung  Fusulinella  sich  durch  die 
fehlende  Perforirung  der  Schalenwände  von  den  eigentlichen  Fusuliniden  unterscheiden  imd 
daher  zu  den  Imperforata  zu  rechneu  sein.  Trotz  der  Güte  der  v.  MöUer'schen  Untersuchungen 
können  wir  doch  unsere  Zweifel  an  der  Richtigkeit  seiner  Beobachtung  nicht  unterdrücken, 
um  so  mehr,  als  auch  die  Zugehörigkeit  der  übrigen  Fusuliniden  zu  deu  Perforaten  erst  sehr 
allmählich  festgestellt  wurde.  Wir  werden  daher  erst  späterhin  bei  der  Besprechung  der 
Fusuliniden  auf  die  Besonderheiten  dieses  Genus  zurückkommen. 

y,^    Morphologische  Verhältnisse    der    hauptsächlichsten  Typen    der   poly- 

thalamen  Perforata. 

Während  uns  die  Betrachtung  der  Formtypen  der  Imperforaten  mehr- 
fach Gelegenheit  gegeben  hat,  den  Uebergang  des  ursprünglich  spiraligen 
Wachsthums  in  das  geradlinig  gestreckte  zu   verfolgen,    bieten  uns  die 


*)  Carpeuter  (74,  p.  104)  glaubt  zwischen  den  Orbiculinen  und  Alveolinen  eine  nahe 
Verwandtschaft  annehmen  zu  dürfen,  indem  sich  die  letztern  aus  den  erstem  durch  ent- 
sprechende Aenderung  der  allgemeinen  Gestaltung  leicht  ableiten  Hessen.  Gegen  diese  Be- 
ziehung dürften  sich  jedoch  gegründete  Bedenken  erheben  lassen,  da  die  secundären  Septen 
der  Orbiculinen  mit  denen  der  einfachen  Formen  der  Alveolinen,  die  doch  hier  zunächst  in 
Betracht  kommen,  der  Lage  nach  gar  nicht  übereinstimmen,  wie  sich  solches  durch  einige 
üeberlegung  leicht  ergibt.  Während  diese  secundären  Septen  bei  Orbiculina  parallel  zur 
Windungsaxe  gestellt  sind,  verlaufen  sie  dagegen,  wie  oben  hervorgehoben,  bei  Alveohna  senk- 
recht zu  dieser,  womit  meiner  Ansicht  nach  ein  recht  principieller  Unterschied  zwischen  beiden 
Formen  gegeben  ist. 


Pcrforate  Polytlialamia.    (Nudosarien.)  59 

jetzt  zunächst  in  Betrachtung  zu  ziehenden  einfachsten  morphologischen 
Bildungsverhältnisse  der  Perforata,  die  wir  in  der  Abtheilung  der  Lagenida, 
jedoch  auch  z.  Th.  ähnlich  in  der  der  Globigerinida  antreffen,  Gelegenheit, 
uns  davon  zu  überzeugen,  dass  auch  die  morphologischen  Umbildungs- 
verhältnisse in  umgekehrter  Weise  ihren  Verlauf  nehmen  können,  dass 
nämlich  ein  ursprünglich  gestreckt  geradliniges  Wachsthum  durch  Ein- 
krümmung  in  ein  spiraliges  sehr  allmählich  überführen  kann.  Aus  den 
uns  früher  schon  bekannt  gewordenen  einfachsten  monothalamen  Formen  der 
Perfo raten,  die  in  der  Gattung  Lagena  (einschhesslich  Entosolenia)  zusammen- 
gefasst  werden,  gehen  nämlich  in  sehr  natürlicher  und  einfacher  Weise 
eine  Reihe  sehr  nahe  mit  einander  verwandter  polythalamer  Formen  her- 
vor, die  von  Carpenter  sämmtlich  dem  Genus  Nodosa rina  eingereiht 
werden.  Im  Allgemeinen  vollzieht  sich  die  Bildung  solcher  polythalamer 
Formen,  ausgehend  von  der  monothalamen  Lagena,  in  der  uns  schon  von 
den  Imperforaten  her  bekannten  Weise,  indem  sich  nämlich  über  die  Mün- 
dung einer  einfachen  Kammer  eine  neue  aufsetzt,  so  dass  die  hintere 
nicht  mit  eigenen  Schalenwandungen  versehene  Partie  dieser  neuen  Kammer 
durch  den  überdeckten  Theil  der  alten  ihren  Abschluss  erhält  und  die 
Mündungsöffnung  der  ersten  Kammer  in  den  Hohlraum  der  zweiten  führt. 
Der  von  der  neuen  Kammer  überdeckte  Theil  der  Wandung  der  ersten 
fungirt  nun  als  Scheidewand  zwischen  beiden  Kammern.  Dass  die  Ab- 
leitung solcher  polythalamen  Formen  von  dem  monothalamen  Geschlecht 
Lagena  gerechtfertigt  ist,  ergibt  sich  aus  gelegentlich  bei  gewissen  Formen 
des  letztern  auftretenden  Doppelbildungen,  die  ganz  einen  solchen 
Typus  der  Kammervermehrung  darstellen.  In  dieser  Weise  können  sich 
eine  mehr  oder  minder  grosse  Anzahl  von  Kammern  zur  Bildung  einer 
derartigen  polythalamen  Form  aneinanderreihen ,  jedoch  bieten  sich  im 
speciellen  zahlreiche,  durch  besondere  Wachsthumsbedingungen  und  Ge- 
staltungsverhältnisse hervorgerufene  Modifikationen  dar. 

Die  einfachsten  Verhältnisse  treffen  wir  zunächst  bei  einer  Reihe  von 
Formen  an,  bei  welcher  die  Kammern  so  aufeinander  aufgesetzt  sind,  dass 
die  Axen  sämmtlicher  monaxoner  Einzelkammern  zusammen  eine  gerade 
Linie,  nämlich  die  Hauptaxe  der  ganzen  polythalamen  Schale  bilden.  Im  All- 
gemeinen wird  die  Gestalt  einer  solchen  Schale,  als  deren  typischer  Ver- 
treter die  Gattung  Nodosaria  (in  weiterem  Sinne)  zu  betrachten  ist,  eine  ge- 
streckte, stabförmige  sein  (VIII.  14),  jedoch  geht  dieselbe  häufig  über  in  eine 
mehr  kegelförmige,  wenn  nämlich  die  jüngeren  Kammern  an  Grösse  mehr 
zunehmen;  und  durch  besondere  Gestaltungsverhältnisse  der  einzelnen  Kam- 
mern, sowie  ihr  gegenseitiges  Verhalten,  werden  noch  eine  grosse  Zahl  spe- 
cieller  Modifikationen  hervorgerufen.  Bleiben  die  Einzelkammern  nahezu 
kugelig,  indem  sie  sich  gegenseitig  nur  wenig  umfassen,  so  dass  die  Gren- 
zen oder  Nähte  zwischen  ihnen  ziemlich  vertieft  erscheinen,  so  sehen  wir 
die  wesentlichsten  Eigenthümlichkeiten  der  Gattung  Nodosaria  vor  uns. 
Natürlich  ist  bei  der  regulären  Gestaltung  der  Einzelkammern  hier  die 
Mündung    auch    eine    rundliche  und  genau   axial  gelegene  (VIII.   14 e). 


60  Khizopoda. 

Variationen  in  der  Form  sind  hier  hauptsächlich  durch  innigeres  Zusamnaen- 
rücken  der  einzelnen  Kammern  oder  aber  durch  Auseinanderrücken  der- 
selben gegeben,  was  in  der  Weise  zu  Stande  kommt,  dass,  ähnlich  wie 
dies  bei  der  monothalamen  Lagena  gewöhnlich,  jede  Einzelkammer  eine 
die  Mündung  tragende  halsartige  Röhre  entwickelt  und  die  folgenden 
Kammern  nur  auf  diese  Halsröhren  aufgesetzt  sind,  so  dass  demnach  die 
Gesammtgestalt  einer  solchen  Nodosaria  ein  perlschnurartiges  Aussehen 
darbietet. 

Durch  einfache  Modifikation  der  Gestaltung  der  Einzelkammern 
sehen  wir  aus  Nodosaria  die  als  Lingulina  bezeichneten  Formen  hervor- 
gehen (VII.  23),  indem  nämlich  die  Kammern  ihre  kugelige  Form  mit 
einer  parallel  der  Hauptaxe  comprimirten  vertauschen  und  gleichzeitig 
auch  die  axenständige  Mündung  entsprechend  der  Comprimirung  der 
Schale  eine  in  die  Länge  gezogene,  schlitzförmige  wird  (VII.  23  b).  Rücken 
die  Kammern  inniger  aufeinander  als  dies  bei  Nodosaria  der  Fall  ist,  so 
dass  jede  jüngere  ungefähr  die  Mündungshälfte  der  nächst  altern  umfasst, 
so  entstehen  kürzere,  mehr  oder  weniger  eiförmige  Gestalten,  indem  die 
umfassenden  jüngeren  Kammern  verhältnissmässig  rasch  anwachsen 
müssen  (VII.  25).  Für  solche  Formen  wurde  von  d'Orbigny  der  Name 
Glandulina  aufgestellt.  Bei  der  Gattung  Frondicularia  umfassen  sich 
hingegen  die  Kammern  nahezu  völlig  oder  völlig  und  die  eigenthümliche 
Form  dieser  Gattung  wird  noch  weiter  durch  eine  sehr  starke  Compri- 
mirung parallel  der  Hauptaxe  bestimmt,  wodurch  die  Gesammtgestalt 
blattartig  wird  (VII.  26).  Auch  eine  vier-  oder  dreiseitig- prismatische 
Gestaltung  der  einzelnen  Kammern  ist  bei  der  Gattung  Orthocerina  d'Orb. 
anzutreffen  und  da  die  Kammern  sehr  dicht  zusammengerückt  sind,  wird 
die  Gesammtgestalt  der  Schale  hier  eine  drei-  bis  vierseitig  pyra- 
midale. 

Bemerkenswerthere  Modifikationen  des  allgemeinen  Typus  entstehen 
jedoch  dadurch,  dass  die  Hauptaxe,  längs  welcher  die  Kammern  gruppirt 
sind,  ihren  geradlinigen  Verlauf  aufgiebt  und  eine  mehr  oder  minder  aus- 
geprägte Einkrümmung  aufweist,  welche  schliesslich  bis  zu  regulär 
spiraliger  Einrollung  führt.  Die  ersten  Anfänge  einer  solchen  Einkrüm- 
mung sehen  wir  in  dem  Genus  Dentalina  realisirt,  dessen  Formen  sich 
im  Allgemeinen  aufs  innigste  an  Nodosaria  auschliessen ,  im  wesent- 
lichen nur  durch  eine  schwache,  bogenförmige  Krümmung  der  Hauptaxe 
unterschieden.  In  Verbindung  hiermit  steht  die  fast  stets  excentrische 
Lage  der  Mündung,  die  der  concaven  Einkrümmungsseite  der  Schale 
genähert  ist.  Aehnlich  wie  seitlich  comprimirte  nodosariaartige  Formen 
sich  finden  (Lingulina),  sehen  wir  auch  solche  von  Dentalina-artigem  Bau 
auftreten,  sie  sind  durch  die  Benennung  Vaginuli  na  d'Orb.  ausgezeichnet 
worden.  Ist  mit  einer  solchen  Vaginulina-artigen  Gestaltung  eine  sehr 
langgestreckte  über  einen  ansehnlichen  Theil  der  convexen  Schalen- 
seite sich  hinziehende,  schlitzförmige  Mündung  verbunden,  so  gilt  die 
Bezeichnung  Rimulina  d'Orb.  (VII.  24). 


Polythalame  Perforata.     (Nodosarien.)  61 

Gebt  die  Einkrümraung  der  Hauptaxe  in  völlig  spiralige  Aufrollnng 
über,  so  entstebt  das  Genus  Cristellaria  (VII.  27;  VIII.  10).  Jedoch 
scheint  dies  nicht  unmittelbar  aus  den  seither  beschriebenen  Formen  her- 
vorzugehen, sondern  durch  Einschaltung  einer  vermittelnden  Uebergangs- 
stufe,  welche  durch  das  Geschlecht  Margin  ulina  repräsentirt  wird.  Bei 
letzterem  sehen  wir  die  ältesten  Kammern  spiralig  eingerollt  oder  doch 
stark  eingekrümmt,  während  die  jüngeren  in  ein  schwach  gebogenes, 
Dentalina-artiges  Wachsthum  übergehen.  Eine  starke  seitliche  Compri- 
mirung  zeichnet  diese  Form  wie  die  völlig  spiralige  Cristellaria  aus  und 
macht  die  bilaterale  Bildung  der  Schale,  die  sich  schon  in  der  Einlcrüm- 
mung  ausspricht,  noch  hervorstechender.  Wie  bei  Dentalina  treffen  wir 
auch  hier  die  Mündungen  nicht  mehr  central,  axenständig  auf  den 
Einzelkammern  (speciell  der  letzten  Kammer,  wo  sie  frei  hervortritt)  an, 
sondern  excentrisch.  Jedoch  zeichnet  sich  die  Mehrzahl  der  hierher- 
gehörigen Formen  durch  eine  entgegengesetzte  Verschiebung  der  Mündung 
aus;  dieselbe  ist  nämlich  hier  bei  Marginulina  wie  Cristellaria  an  die  con- 
vexe  Krümmungsseite  der  Schale  verschoben ,  wo  sie  meist  etwas  zu- 
gespitzt hervortritt  (VIII.  10,  o).  Wie  bei  Dentalina  und  Cristellaria  ver- 
laufen auch  bei  Marginulina  die  Kammernähte  (oder  Septalgrenzen)  sehr 
schief  zur  Hauptaxe  (resp.  Spiralaxe  bei  Cristellaria),  ein  Umstand,  der  wohl 
mit  der  excentrischen  Verlagerung  der  Mündung  im  Zusammenhang  steht. 

Wie  gesagt,  ist  bei  Cristellaria  die  spiralige  Einrollung  eine  völlige 
geworden;  die  einzelnen  Umgänge  sind  verhältnissmässig  stark  involut 
(VII.  27).  Charakteristisch  ist  die  schon  erwähnte  Lagerung  der  kleinen 
gewöhnlich  rundlichen  Mündung.  Obgleich  meist  rundlich  gestaltet,  nimmt 
sie  doch  z.  Th.  auch  die  Form  eines  Schlitzes  an,  ja  wird  auch  läng- 
lich dreieckig  (eine  Mündungsform,  die  den  wesentlichsten  Charakter  des 
LJntergenus  Roh  ulina  darstellt,  das  jedoch  kaum  von  den  eigentlichen 
Cristellarien  mit  einiger  Schärfe  zu  scheiden  ist). 

Die  mannigfachen  Modifikationen  der  Cristellaringestalt,  die  sich 
durch  sehr  wechselnde  äussere  Verzierungen  (VII.  27)  und  dergleichen 
entwickeln,  können  hier  nicht  Gegenstand  unserer  Betrachtung  sein. 

Doch  auch  in  anderen  der  oben  kurz  charakterisirten  nodosaria- 
artigen  Formtypen  macht  sich  z.  Th.  eine  Marginulina-ähnliche  Neigung 
zur  spiraligen  Einrollung  des  Anfangstheiles  der  Schale  geltend;  so  unter- 
scheidet Reuss  einen  sogen.  Mischtypus  Lingulinopsis,  der  sich  von  der 
oben  erwähnten  Form  Lingulina  durch  cristellaria-artige  Einrollung  der 
Anfangskammern  herleitet,  und  in  ähnlicher  Weise  verhält  sich  die 
d'Orbigny'sche  Gattung  Fl  ab  eil  in  a  (VII.  26)  zu  der  schon  charakterisirten 
Frondicularia. 

Nach  ihrer  Bauweise  schliessen  sich  den  nodosaria-artig  entwickelten 
Formen  jedoch  auch  eine  Anzahl,  z.  Th.  erst  in  neuerer  Zeit  bekannt 
gewordener  Rhizopoden  mit  sandiger  Schale  an ,  die  früher  wenigstens 
theilweise  den  Geschlechtern  Lituola  und  Trochammina  zugesellt  wurden 
und   auch  jetzt   gewöhnlich    noch  in  näheren  Anschluss   an  dieselben  ge- 


ß2  RUzopoda. 

bracht  werden.  Ueber  ihre  Zugehörigkeit  zu  den  Imperforatea  oder  Per- 
foraten  scheint  mit  Sicherheit  noch  keine  Entscheidung  gegeben  werden 
zu  können,  obgleich  sie,  wie  erwähnt,  gewöhnlich  als  imperforirt  be- 
trachtet werden.  Von  ganz  nodosaria-artigem  Bau  erscheinen  die  Ge- 
schlechter Reophax  Montf.  (emmeud.  Brady  117  L),  Haplostiche  Reuss 
und  Hormosina  Brady  (V.  14,  15).  Die  beiden  erst  erwähnten  Geschlechter 
besitzen  äusserlich  eine  rauhe,  sandige  Oberfläche  und  werden  daher  von 
den  englischen  Forschern  dem  Genus  Lituola  näher  angeschlossen,  während 
Hormosina  wegen  ihrer  geglätteten  Schalenoberfläche  dem  proteischen 
Genus  Trochammina  P.  u.  J.  angereiht  wird.  Haplostiche  unterscheidet 
sich  von  Reophax  durch  eine  labyrinthische  Kämmerchenbildung  in  den 
Hauptkammern  in  ähnlicher  Art,  wie  sich  die  früher  erwähnte  Gattung 
Lituola  von  Haplophragmium  unterschied.  In  ähnlicher  Weise  wird  denn 
auch  die  bei  Reophax  einfache  Mündung  bei  Haplostiche  häufig  dendritisch 
bis  zusammengesetzt.  Auch  die  bis  jetzt  nur  fossil  gefundene  sandige 
Gattung  Nodosinella  Brady  (105)  zeigt  eine  ziemliche  Aehnlichkeit  in 
ihren  Wachsthumsverhältnissen,  ist  jedoch  bis  jetzt  noch  sehr  wenig  genau 
bekannt.  Schliesslich  dürften  ihrer  Bauweise  nach  (abgesehen  von  ihrer 
wahren  systematischen  Stellung)  hier  auch  noch  angereiht  werden  die 
polythalamen  Formen  des  Genus  Saccammina  Sars  (V.  13b),  die  aus  einer 
Anzahl  von  spiudel-  bis  birnförmigen  Kammern  bestehen,  welche  kurze 
Röhrchen  mit  einander  in  Verbindung  setzen  (ähnlich  wie  dies  auch  bei 
gewissen  Nodosarien  der  Fall  ist),  und  eine  gerade  oder  wenig  gebogene 
polythalame,  perlschnurartige  Schale  bilden.  Es  darf  wohl  mit  Recht 
vermuthet  werden ,  obgleich  hierüber  die  bis  jetzt  vorliegenden  Unter- 
suchungen der  Sacc.  Carter!  und  Schwageri,  die  nach  diesem  Typus 
gebaut  sind,  keinen  Aufschluss  geben,  dass  die  Schale  auch  hier  ihr 
Wachsthum  mit  einer  einmündigen  Kammer  ähnlich  Nodosaria  beginnt, 
und  die  gewöhnlich  gefundenen  doppelmündigen  Einzelkammern  (13a)  nur 
von  dem  Zerfall  der  vielkammerigen  Schalen  herrühren. 

Im  Anschluss  an  die  nodosaria-artig  gebauten  Schalen  sei  hier  kurz 
noch  einiger  sehr  eigenthümlicher  Formtypen  gedacht,  die  sich  bis  zu 
einem  gewissen  Grade  hier  anzureihen  scheinen,  obgleich  über  ihre  wahren 
Beziehungen  durch  die  Besprechung  an  diesem  Ort  kein  Urtheil  abgegeben 
werden  soll.  Zunächst  ist  es  die  nur  fossil  bekannte  Gattung  E 11  ipso i- 
dina  Segu.,  deren  wir  hier  zu  gedenken  haben  und  deren  noch  nicht  völlig 
aufgeklärter  Bau  sich  vielleicht  in  der  Weise  kurz  versinnlichen  lässt,  dass 
man  eine  Anzahl  an  Grösse  ziemlich  rasch  zunehmender  eiförmiger,  lagena- 
artiger  Kammern  sich  vollständig  successive  einhüllend  denkt,  so  dass 
die  aboralen  Polflächen  der  in  einander  steckenden  Kammern  ziemlich 
dicht  bis  zur  Berührung  aneinander  gelagert  sind,  wogegen  die  vorderen 
durch  weitere  Abstände  getrennt  werden.  Unter  einander  stehen  jedoch 
die  Vorderenden  der  Kammern  durch  eine  axial  verlaufende,  säulenartige 
Bildung  in  Verbindung,  die  sich  nicht  etwa  als  Homologon  der  röhren- 
förmig  ausgezogenen    Mündung    der  Lagenen    und   gewisser  Nodosarien 


Polythalame  Perforata.     (Chilostomella,  Üvigerina.)  63 

betrachten  lässt,  sondern  als  ein  besonderer,  häufig  wenig  solider  Ein- 
wuchs des  oralen  Pols  der  respectiven  Kammern,  An  der  Basis  jedes 
zwischen  zwei  Kammern  ausgespannten  Säulenstücks  findet  sich  ein  diese 
Basis  halbkreisförmig  umgreifender  Mündungsschlitz,  der  häufig  noch  durch 
zwischen  seinen  Rändern  sich  ausspannende  Querbrücken  in  eine  Anzahl 
von  secundären  Oeffnungen  getheilt  wird. 

Auch  die  erst  in  neuerer  Zeit  auch  im  recenten  Zustand  gefundene 
Gattung  Chilostomella  Reuss  besteht  aus  einer  Anzahl  eiförmiger,  sich 
völlig  einhüllender  und  mit  ihren  Axen  nahezu  oder  völlig  zusammen- 
fallender Kammern.  Jede  neue  Kammer  wächst  hier  mit  ihrem  Mündungs- 
ende so  an  dem  aboralen  Pol  der  vorhergehenden  fest,  dass  eine 
gewisse,  ziemlich  schief  umschriebene  Fläche  dieses  Pols  der  älteren 
Kammer  unbedeckt  bleibt.  Die  Mündung  ist  ein  halbkreisförmig  die 
Schale  umfassender  Schlitz  an  jener  Verwachsungsstelle,  der  eben  dadurch 
entsteht,  dass  hier  keine  Verwachsung  der  Wand  der  jüngeren  Kammer 
mit  der  der  älteren  stattfindet.  Aus  den  geschilderten  Wachsthumsvorgängen 
der  Schale  ergibt  sich  natürlich,  dass  ähnlich,  wie  wir  dies  bei  den 
Miliolinen  unter  den  Imperforaten  gesehen  haben,  die  Mündung  der  auf- 
einanderfolgenden Kammern  abwechselnd  nach  dem  einen  und  dem  andern 
Pol  der  Axe  schauen ,  wie  denn  überhaupt  die  allgemeinen  Bildungs- 
verhältnisse dieser  Perforaten  sich  sehr  innig  an  die  für  das  angebliche 
Miliolidengenus  Uniloculina*)  geltend  gemachten  anschliessen. 

Etwas  modificirt  erscheint  dieselbe  Bauweise  in  dem  nächst  ver- 
wandten Geschlecht  Allomorphina  Reuss,  hier  bleibt  die  Umfassung  der 
Kammern  unvollständig,  so  dass  äusserlich  die  3  jüngsten,  ähnlich  wie 
bei  Triloculina,  sichtbar  sind ;  wie  denn  überhaupt  die  allgemeine  Kammer- 
anordnung dieser  Gattung  ebenso  Triloculina  zu  entsprechen  scheint,  wie 
für  Chilostomella  eine  derartige  Analogie  zu  Uniloculina  wahrscheinlich  wurde. 

In  naher  Beziehung  zu  den  früher  besprochenen  Nodosarinen  und 
daher  von  Carpenter  und  den  übrigen  englischen  Forschern  mit  denselben 
in  der  Abtheiluug  der  Lagenideen  vereinigt,  stehen  zwei  Gattungen,  die 
uns  zum  ersten  Male  einen  weiteren  Formtypus  der  polythalamen  Schalen- 
bildung vorführen ,  nämlich  die  Aufrollung  der  Kammern  nicht  in  einer 
symmetrischen,  sondern  in  einer  asymmetrischen  Spirale  oder,  besser  aus- 
gedrückt, in  einer  schraubenförmigen  Spirallinie.  Es  sind  dies  die  haupt- 
sächlich wegen  der  feineren  Bauverhältnisse  ihrer  Schalenwände,  sowie  ihrer 
Mündung  als  Verwandte  der  Nodosarinen  zu  erkennenden  Gattungen 
Üvigerina  und  Polymorphina  (VII.  31,  VIII.  4).  Bei  beiden  sind  die 
Kammern  in  einer  hohen  Schraubenspirale  aufgerollt,  so  dass  die  Gesammt- 
gestalt  eine  gewöhnlich  ziemlich  langgestreckt  kegelförmige  bis  ovoide 
wird.  Stets  bleibt  die  Zahl  der  auf  einen  Umgang  kommenden  Kammern 
eine  nur  geringe.  Bei  Üvigerina  (VII.  31)  treffen  wir  gewöhnlich  3  ziem- 
lich kugelige,   nodosaria-artige  Kammern  in  einem  Umgang  an,  so  dass, 


*)  Vergl.  hierüber  den  system.  Absclm. 


{j4  Ehizopoda. 

da  die  entsprechenden  Kamnaern  der  aufeinanderfolgenden  Umgänge  sieb 
reihenweis  übereinander  ordnen,  eine  niehr  oder  minder  regelmässige 
dreizeilige  Anordnung  resultirt.  Die  nahe  Beziehung  dieser  Formen  zu 
den  Nodosarien  ergibt  sich  auch  aus  den  nicht  seltenen  Uebergängen  zu 
zweizeiliger  und  einzeiliger  Anordnung  der  jüngeren  Kammern  (gewöhn- 
lich als  Sagrina  d'Orb.  bezeichnete  Formen). 

Bei  Polymorphina  (VIII.  4),  einem  äusserst  formenreichen  und  viel- 
gestaltigen Geschlecht,  ist  die  Anordnung  der  ziemlich  schief  zur  Schrauben- 
axe  gestellten  Kammern  gewöhnlich  eine  mehr  oder  minder  deutlich  zwei- 
zeilige. Die  Kammern  sind  bald  ziemlich  stark  blasig  angeschwollen  und 
dann  äusserlich  schärfer  gegen  einander  abgesetzt,  oder  indem  die  Einzel- 
kammern sich  nur  wenig  scharf  von  einander  absetzen,  bleibt  die  äussere 
Schalentläche  abgerundet  ohne  Septalfurchen.  Die  jüngeren  Kammern 
greifen  in  verschiedenem  Grad  nach  hinten  auf  die  älteren  über  und 
zwar  geschieht  dieses  Uebergreifen  gewöhnlich  in  beiden  Kammerreihen 
in  verschiedenem  Maasse,  wodurch  die  ganze  Schale  etwas  asymmetrisch 
wird;  ja  es  kann  die  Umhüllung  der  älteren  Kammern  so  weit  gehen, 
dass  nur  die  beiden  jüngsten  äusserlich  sichtbar  bleiben.  — 

Von  morphologischem  Interesse  ist  ein  bei  gewissen  Formen  von 
Polymorphina  zu  beobachtendes  excessives  Wachsthum  der  letzten  Kammer. 
Bei  Polym.  concava  Williamson  wächst  dieses  keine  Mündung  zeigende 
letzte  Segment  in  Gestalt  einer  ringförmigen  ansehnlichen  Scheibe  um  die 
ganze  Schale  in  der  Ebene  der  beiden  Kammerreihen  herum,  so  dass  die 
nach  gewöhnlichem  Typus  gebauten  jüngeren  Kammern  gleichsam  im 
Centrum  dieser  Scheibe  eingelagert  erscheinen.  Bei  Polym.  d'Orbignyi 
Zborz.*)  (VII.  37)  hingegen  entwickeln  sich  von  der  Mündungsgegend 
des  letzten  Segmentes  röhrige  Auswüchse,  die  nach  hinten  zu  die  Schale 
mehr  oder  minder  völlig  überwachsen  und  von  denen,  oder  auch  direct 
von  dem  letzten  Segment  mehr  oder  minder  zahlreiche,  sich  frei  erhebende, 
häufig  sehr  reichlich  verästelte,  dünnwandige  Eöhrchen  entspringen.  Bei 
reichlicher  Entwickelung  solcher  verzweigter  Röhrchen,  welche  die  Schale 
mehr  oder  weniger  umwachsen  haben,  erscheint  dieselbe  wie  mit  hirsch- 
geweihartigen Auswüchsen  bedeckt.  Die  Mündung  des  letzten  Segmentes 
wird  nicht  selten  durch  solche  Auswüchse  ganz  geschlossen,  wogegen  die 
frei  sich  erhebenden  Röhrchen  an  ihren  Enden  z.  Th.  geöffnet  und  daher 
die  Function  der  Mündung  zu  übernehmen  im  Stande  sind,  wenngleich 
es  zwar  den  Anschein  hat,  dass  sie  ursprünglich  blind  geschlossen  sich 
bilden  und  ihre  Oeffnungen  durch  Zerbrechen  der  Enden  entstehen.  Eigen- 
thümlich  ist  ferner,  dass  sich  in  den  von  den  röhrigen  Auswüchsen  überzoge- 
nen Wänden  der  älteren  Kammern  Durchlöcherungen,  zuweilen  von  ziemlicher 
Weite  finden,   die  wohl  ohne  Zweifel  durch  nachträgliche  Resorption  der 


*)  Jedocli  nur  ein  Sammelname  fiir  in  ähnlicher  Weise  variirende  Modifikationen  zahl- 
reicher Polymorphina-Arten.  Vergl.  hierüber  Brady,  P.  u,  J,,  Monogr.  of  the  g.  Polymor- 
phina (s.  unt.  b.  Polymorphina). 


Polytlialame  Perforata.     (Textulariden.)  65 

Kalkwände  erzeugt  werden.  (Derartige  Lochbildungen  sind  auch  in 
den  Wänden  anderer  Poly morphinen  gar  nicht  sehr  selten.)  Auch  die 
die  einzelnen  Kammern  scheidenden  Septen  des  Schaleninneren  zeigen 
sich  nicht  selten  stark  rückgebildet  bis  fast  gänzlich  geschwunden,  was 
wohl  gleichfalls  nur  auf  nachträgliche  Resorption  zurückzuführen  sein 
dürfte.  *) 

Wie  wir  schon  bei  Uvigerina  die  ursprüngliche  Anordnung  zuweilen 
in  eine  einreihige  übergehen  sahen,  so  tritt  dieser  Fall  auch  bei  poly- 
raorphina-artigen  Formen  auf,  welche  auf  Grund  dieses  Verhaltens  zu  einem 
besonderen  Geschlecht  Dimorphina  erhoben  worden  sind. 

Ganz  entsprechenden  Wachsthumsverhältnissen  und  Schalengestal- 
tungen, wie  wir  sie  soeben  bei  den  Gattungen  Polymorphina  und  Uvigerina 
kennen  gelernt  haben,  treten  uns  auch  in  einer  grossen  Mannigfaltigkeit 
der  Ausführung  bei  der  Gruppe  der  Textulariden  unterj  der  Abtheilung 
der  Globigeriniden  entgegen.  Auch  hier  finden  wir  im  Allgemeinen  ein 
hoch  schraubenspiraliges  Wachsthum,  was  im  Zusammenhang  mit  der 
Grössenzunahme  der  jüngeren  Kammern  den  Schalen  im  Ganzen  ein 
spitz  kegelförmiges  Aussehen  gibt;  und  wie  bei  den  letzthin  besprochenen 
Geschlechtern  der  Lagenideen  variirt  die  Zahl  der  auf  jedem  Umgang 
sich  findenden  Kammern  in  ziemlicher  Ausdehnung,  so  dass  wir  zwei- 
zeilige, dreizeilige  und  schliesslich  auch  eine  mehr  oder  minder 
regelmässige  schraubenspiralige  Anordnung,  ohne  den  Ausdruck  einer 
Reihenordnung  der  Kammern,  antreffen.  Die  Gestaltungsverhältnisse 
zeigen  sogar  in  den  einzelnen  Geschlechtern  einen  ziemlichen  Spiel- 
raum für  Modifikationen,  so  dass  es  meist  eigentlich  untergeordnet  er- 
scheinende Eigenthümlichkeiten ,  so  namentlich  die  Gestaltungsverhält- 
nisse der  Mündung,  sind,  durch  welche  die  einzelnen  Formkreise 
gesondert  werden. 

Eine  regulär  zweizeilige  und  alternirende  Anordnung  der  Kammern 
herrscht  in  dem  Genus  Textularia  (im  engeren  Sinne) ;  indem  die  Kammern 
ziemlich  stetig  anwachsen,  wird  die  Gestalt  der  Gesammtschaie  eine 
kegel-  oder  keilförmige  (VIII.  5),  da  sehr  häufig  die  Schale  in  der  Ebene 
der  beiden  Kammerreihen  stark  abgeplattet  ist.  Die  Mündung  hat  eine 
für  dieses  und  die  verwandten  Geschlechter  ziemlich  charakteristische 
Lagerung,  sie  ist  nämlich  nach  der  Schalenaxe  gewendet  und  liegt  dem 
Nahtrand  an,  welchen  die  zwei  aufeinanderfolgenden  Kammern  der  beiden 
Reihen  bilden  (VIII.  5  a  u.  b).  Indem  sie  diesem  Nahtrand  meist  aut 
eine  gewisse  Ausdehnung  folgt,  zeigt  sie  gewöhnlich  eine  halbkreis-  bis 
schlitzförmige  Beschaffenheit.  (In  seltneren  Fällen  sehen  wir  sie  jedoch 
auch  auf  die  nach  vorn  gerichteten  Endflächen  der  Kammern  hinaufrücken. 


*)  Vergl.  über  diese  Verliältaisse  Alcock,  Quart,  jourii.  of  microsc.  sc.  T.  VII.  p.  237, 
und  Mem.  of  the  litter.  and  philos.  soc.  of  Manchester  1868  III.  y.  241,  sowie  Brady,  P.  a.  J., 
Transact.  of  Linn.  soc.  Yol.  27.  p.  244. 

Bronn,  Klassen  des  Thier-Eeichs.     Piotozüa.  5 


66  Ehizopoda. 

ja  sogar  etwas  röhrenförmig  ausgezogen;  auch  eine  labyrinthisehe  und 
zusammengesetzte  Beschaffenheit  derselben  wird  z.  Tti,  angegeben.) 

Wie  wir  schon  früher  zu  erwähnen  Gelegenheit  hatten,  nehmen  die 
Textularia-Arten  sehr  häufig  Sand  in  ihre  Schalenwände  auf  (wie  dies 
überhaupt  für  die  gesammte  Gruppe  dieser  Formen  mehr  oder  weniger 
gültig  zu  sein  scheint).  Ganz  sandschalige  Formen,  von  Textularia  entspre- 
chender Bauweise,  hat  Reuss  durch  den  Namen  Plecanium  ausgezeichnet. 
An  die  eigentlichen  Textularien  schliessen  sich  aufs  innigste  Formen  an, 
welche  die  ursprünglich  zweireihige  Anordnung  der  Kammern  später  mit 
einer  einreihigen  vertauschen ;  rein  kalkschalige  derartige  Formen  werden 
unter  der  Bezeichnung  Gemmulina  d'Orb.  beschrieben,  während  die  Mehr- 
zahl der  hierhergehörigen  Formen  eine  ziemlich  sandige  Schale  besitzen 
und  als  Bigenerina  d'Orb.  zusammengefasst  werden.  Auch  eine  sehr  alte 
Form  der  Kohlenformation,  die  von  Brady  (105)  den  Namen  Climacimma 
erhalten  hat,  zeigt  einen  sehr  ähnlichen  Bau,  soll  jedoch  angeblich  im- 
perforirt  sein.  In  die  Reihe  dieser  sich  an  Textularia  zunächst  an- 
schliessenden Formen  gehören  auch  einige  mit  abweichend  gebauter  Mün- 
dung, so  zunächst  die  Gattung  Grammostomum  Ehrbg.,  welche  eine  sehr 
stark  comprimirte  Textularia  mit  sehr  schief  zur  Längsaxe  gestellten 
Kammern  darstellt,  deren  Mündung  ein  auf  dem  Vorderende  der 
Kammern  befindlicher  und  parallel  der  Compressionsebene  laufender 
Schlitz  ist.  Etwas  abweichender  gestaltet  sich  der  Bau  bei  der  Gat- 
tung Pavonina  (VIII.  13),  deren  Zugehörigkeit  zu  der  hier  besprochenen 
Gruppe  erst  neuerdings  durch  Brady  (117  II.)  festgestellt  wurde.  Wir 
haben  hier  eine  bigenerina-artige  Schale,  deren  Anfangskammern  deutlich 
alternirend  zweizeilig  geordnet  sind,  während  die  sehr  rasch  in  die  Breite 
anwachsenden  jüngeren  Kammern  in  eine  einzeilige  Anordnung  übergehen; 
gleichzeitig  ist  die  Schale  sehr  stark  textularia-artig  comprimirt,  so  dass 
die  Gesammtgestalt  eine  fächerartige  wird.  Statt  einer  einfachen  Mündung 
finden  wir  auf  der  lang  bandförmigen  Endfläche  der  jüngsten  Kammer 
eine  Reihe  von  grossen  Poren  (13  b).  In  Bezug  auf  die  allgemeineren 
Gestaltsverhältnisse  und  die  Beschatfenheit  der  Mündung  schliesst  sich  die 
d'Orbigny'sche  Gattung  Cuneolina  sehr  nahe  an  die  eben  erwähnte  Pavo- 
nina an,  obgleich  ihr  allgemeines  Gestaltungsprincip  ein  wesentlich  ver- 
schiedenes ist,  indem  wir  es  hier  mit  einer  Textulariaform  zu  thun  haben, 
die  nicht  im  Sinne  der  gewöhnlichen  Formen  comprimirt  ist ,  sondern  in 
einer  hierzu  senkrechten  Ebene,  so  dass  demnach  bei  dieser  breit  fächer- 
förmigen Cuneolina  jede  der  Breitseiten  von  einer  der  Kammerreihen 
gebildet  wird. 

In  nächster  Beziehung  zu  den  typischen  Textularien  stehen  nun 
jedoch  noch  Formen,  die  statt  einer  zweizeiligen  eine  dreizeilige  Anordnung 
der  Kammern  zeigen,  es  sind  dies  die  zur  Gattung  Verneuilina  d'Orb. 
gerechneten  Formen,  welche  jedoch  leicht  in  solche  übergehen,  bei  welchen 
die  jüngeren  Kammern  eine  zweizeilige  (Gaudryina  d'Orb.)  und  sogar 
eine  einzeilige  Anordnung  annehmen  (Clavulina  d'Orb.  p.  p.). 


I 


Polythalamc  Peii'orata.     (Biilimina,  Valvulina  etc.)  (57 

Ihren  allgemeinen  Formverhältnissen  nach  reiht  sich  die  Gattung  Bnli- 
mina  (VII.  32)  mit  ihren  Untergeschlechtern  aufs  innigste  hier  an  und  wird 
vorzugsweise  durch  Eigenthümlichkeiten  der  Müiaduug  von  den  ähnliche 
Wachsthumsverhältnisse  zeigenden  textularia-artigen  Formen  unterschieden. 
Es  sind  hoch  schraubenspiralige  Formen ,  bei  welchen  eine  2 — 3  zeilige 
Anordnung  der  Kammern  meist  nur  wenig  deutlich  ausgeprägt  ist  (Buli- 
mina  im  engeren  Sinne)  oder  aber  eine  zweizeilige  Textularia  artige  An- 
ordnung ziemlich  deutlich  hervortritt  (Virgulina  d'Orb.  und  Bolivina  d'Orb.). 
Wie  gesagt,  liegt  das  Hauptcharakteristikum  in  der  Gestaltung  der  Mün- 
dung. Dieselbe  ist  wie  bei  den  typischen  Textularien  auf  der  nach  der 
Schalen axe  schauenden  Fläche  der  Kammern  angebracht  und  entweder 
rundlich  oder  meist  schlitzförmig  in  der  Richtung  der  Axe  oder  etwas 
schief  zu  ihr  in  die  Länge  gezogen.  Dabei  ist  ihr  vorderes  Ende  meist 
rundlich  erweitert,  so  dass  sie  das  Aussehen  eines  Komma's  erhält.  Die 
Mündungsränder,  welche  gewöhnlich  etwas  lippenförmig  aufgeworfen  sind, 
schieben  sich  mit  ihren  hinteren  Abschnitten  etwas  übereinander,  was 
gleichfalls  für  recht  charakteristisch  gelten  darf.  Bei  den  zur  Gattung 
Bulimina  (im  engeren  Sinne)  gehörigen  Formen  macht  sich  zuweilen  eine 
ziemliche  Involubilität  der  Umgänge  geltend,  indem  die  abgeflachten 
hinteren  Ränder  der  Kammern  über  die  früheren  Umgänge  mehr  oder 
weniger  nach  hinten  sich  hinüberlegen  oder  in  stachelartige  Fortsätze 
auswachsen. 

Aehnliche  allgemeine  Formverhältnisse,  jedoch  in  noch  grösserer 
Breite  schwankend,  bietet  auch  die  Gattung  Valvulina  dar  (VII.  34.  35), 
die  wegen  ihrer  im  Alter  stets  sandigen  Schalenbeschaffenheit  früher  zu 
den  Lituolida  Carpenter's  gerechnet  wurde.  Hoch  schraubenspiralige 
Formen  von  mehr  bulimina-artigem  Aussehen  reichen  sich  hier  die  Hand 
mit  niedergedrückten  kreiselförmigen  und  den  wesentlich  verbindenden 
Charakter  derselben  bildet  die  Gestaltung  der  Mündung,  die  einen 
bogenförmigen  Schlitz  darstellt,  dessen  einer  Rand  mehr  oder  minder 
zungenförmig  gegen  den  anderen  vorspringt.  Auch  solche  Formen  können 
in  einreihiges  Wachsthum  übergehen  (VII.  36)  und  sind  von  d'Orbigny 
dann  seinem  Genus  ClavuHna  zugerechnet  worden. 

Ein  weiterer  sehr  eigenthümlicher  Formtypus  lässt  sich  von  der 
Gattung  Textularia  herleiten ,  indem  die  Axe ,  um  welche  die  Kammern 
zweizeilig  alternirend  geordnet  sind,  ihre  gerade  Streckung  aufgibt  und 
sich  selbst  spiralig  oder  flach  schraubenspiralig  einrollt.  In  dieser  Weise 
gebildet  sind  die  Genera  Cassidulina  d'Orb.  (VIII.  6)  und  Ehrenbergina 
Reuss.  (VII.  33),  von  welchen  sich  das  letztere  dadurch  auszeichnet,  dass 
bei  ihm  die  spiralige  Einrollung  nur  auf  den  älteren  Schalentheil  be- 
schränkt ist,   während   der  jüngere   in  gestrecktes  Wachsthum  übergeht. 

Auch  die  zahlreichen  übrigen  Formen  der  Abtheilung  der  Globigerinida 
sind  fast  sämmtlich  nach  dem  jetzt  schon  vielfach  erörterten  Schema  der 
Schraubenspirale  gebaut,  jedoch  dadurch  von  den  seither  besprochenen 
Formen   abweichend,   dass   unter  ihnen  die  niedere,   flache  Entwicklung 


68  KMzopoda. 

der  Schraubenspirale  herrscht,  während  die  seither  besprochenen  Formen 
sich  fast  durchaus  durch  eine  sehr  hohe  Form  derselben  auszeichneten. 
Im  Zusammenhang  hiermit  steht  dann  ferner  die  Eigenthümlichkeit,  dass 
die  jetzt  zu  besprechenden  Formen  gewöhnlich  eine  grössere  Zahl  von 
Kammern  in  einem  Umgang  bilden,  also  die  Entwicklung  zwei-  und  drei- 
zeiliger  Formen  nicht  mehr  zu  verfolgen  ist.  Zunächst  ist  es  die  Gattung 
Globigerina  selbst,  die  unsere  Aufmerksamkeit  in  Anspruch  nimmt,  und 
auch  ein  erhöhtes  Interesse  verdient,  weil  sie  sich  durch  eine  ziemliche 
Variabilität  ihrer  Gestaltung  bemerkbar  macht.  Die  typische  Form  der- 
selben wird  eben  durch  eine  flache  schraubenspiralige  Anordnung  ihrer 
kugeligen  oder  nahezu  kugeligen  und  nur  wenig  innig  mit  einander  ver- 
bundnen  Kammern  charakterisirt  (VIII.  9).  Indem  die  jüngeren  Kammern 
sich  nur  massig  vergrössern,  bleibt  auf  der  basalen  Seite  der  Schale  eine 
ziemlich  weite  nabelartige  Höhlung  frei,  um  die  sich  die  Kammern  herum- 
legen und  in  diese  sogen.  Nabelhöhle  öffnen  sich  dann  auch  die  gewöhnlich 
halbmondförmigen  Mündungen  der  einzelnen  Kammern.  Diese  letztere 
Eigenthümlichkeit  verräth  noch  besonders  die,  auch  schon  aus  der  ge- 
sammten  Anordnung  hervorgegangene,  relative  Selbständigkeit  der  einzelnen 
Kammern.  Daneben  finden  sich  jedoch  auch  Globigerinaformen,  bei  welchen 
die  jüngeren  Kammern  so  ansehnlich  wachsen  und  anschwellen,  dass  sie 
in  der  Scbraubenaxe  zusammenstossen  und  so  eine  Nabelhöhle  nicht  mehr 
zur  Ausbildung  kommt.  Auf  der  apicalen  Seite  sind  hier  sämmtliche 
Kammern  in  ihrer  schraubenspiraligen  Anordnung  zu  bemerken,  auf  der 
basalen  Seite  hingegen  nur  einige  (3,  4)  der  jüngsten  (VIII.  9),  Gleich- 
zeitig tritt  jedoch  bei  den  hierhergehörigen  Formen  (deren  Typus  Glob. 
inflata  d'Orb.  bildet)  nur  an  der  jüngsten  Kammer  noch  eine  freie,  an- 
sehnliche Mündung  auf,  während  die  Mündungen  der  älteren  durch  die 
jüngeren  überdeckt  worden  sind.  Hierzu  gesellt  sich  dann  drittens  noch 
eine  Reihe  von  Formen,  welche  sich  in  ihrem  allgemeinen  Bau  ziemlich 
nahe  an  die  Letztbesprochenen  anschliessen,  bei  denen  jedoch  die  Mündung 
der  jüngsten  Kammer  klein  bleibt.  Dagegen  entwickeln  sich  nun  aber 
hier  (nach  den  Beobachtungen  von  van  den  Broeck  [102J  und  Brady 
[117  II.])  auf  der  apicalen  Seite  der  Schale  au  einer  ganzen  Reihe  von 
Kammern  accessorische  und  ziemliche  weite  Oeffnungen  (z.  Th.  sogar  in 
Zweizahl  auf  einer  Kammer). 

Interessant  ist  jedoch,  dass  auch  die  schraubenspiralige  Anordnung 
der  Kammern  in  eine  symmetrisch  spiralige  übergehen  kann,  wie  wir 
dies  unter  den  echten  Globigerinen  bei  einer  Form  (Glob.  aequilateralis 
Brdy.  117  II)  antreffen,  fernerhin  jedoch  auch  in  dem  Globigerina  sehr 
nahe  verwandten  Genus  Hastigerina  Wyw.  Thoms.  sehen  (IX.  1),  welche 
Form  sich  noch  durch  völlige  Involubilität  der  Umgänge  und  eine  einzige 
ansehnliche  Mündung  auf  der  Endfläche  der  jüngsten  Kammer  auszeichnet. 

In  einer  eigenthümlichen  und  noch  keineswegs  völlig  aufgeklärten 
Beziehung  zu  der  besprochenen  Gattung  Globigerina  steht  die  schon  früher 
unter  den  monothalamen  Formen  erwähnte  Orbulina,  welche  ohne  Zweifel 


Polythalame  Perforata.     (Globigerina,  Gymbalopora.)  69 

zunächst  mit  Globigerina  verwandt  ist.  Es  hat  sich  nämlich  durch  eine 
Reihe  Untersuchungen  von  Pourtales*),  M.  Schnitze  und  Krohn**), 
Reuss***),  Major  Owen  t)  undAlcockff)  herausgestellt,  dass  die  kugelige 
Schale  zahlreicher  Orbulinen  eine  kleine,  häufig  sogar  bestacbelte 
Globigerina  im  Innern  einschliesse  (VII.  30).  Es  ist  dieses  Verhalten  in 
verschiedener  Weise  beurtheilt  worden,  entweder,  wie  späterhin  bei  der 
Besprechung  der  Fortpflanzung  noch  genauer  zu  erörtern  sein  wird,  als 
ein  Fortpflanzungsakt,  so  von  Pourtales,  M.  Schnitze  und  Reuss,  indem 
man  sich  die  Orbulinen  als  losgelöste  Endkammern  von  Globigerinen 
dachte,  die  nun,  als  Brutkammer  fungirend,  eine  junge  Globigerina  in  sich 
erzeugten,  oder  sich  die  Globigerinen  enthaltenden  Orbulinen  durch  be- 
sondere Wachsthumsvorgänge  aus  gewöhnlichen  Globigerinen  hervor- 
gegangen dachte.  Letztere  Betrachtungsweise,  die  zuerst  von  Major 
Owen  aufgestellt  und  neuerdings  von  Brady  adoptirt  wurde,  erklärt  sich 
die  Entstehung  dieser  globigerinenhaltigen  Orbulinen  in  der  Weise,  dass 
von  einer  gewöhnhchen  Globigerina  eine  excessiv  grosse,  sämmtliche 
früheren  Kammern  einschliessende,  sphärische  Endkammer  gebildet  werde. 
So  wahrscheinlich  auch  letztere  Bildungsweise  der  globigerinenhaltigen 
Orbulinen  erscheint,  so  wird  doch  daraus  noch  nicht  nothwendig  folgen, 
dass  die  Gattung  Orbulina  überhaupt  gestrichen  oder  doch  nur  als  Unter- 
genus von  Globigerina  betrachtet  werden  müsse,  wie  dies  Brady  (und 
vor  ihm  schon  S.  Owen)  will,  da  bekanntlich,  worauf  namentlich  Carpenter 
(74)  hingewiesen  hat,  keineswegs  sämmtliche  Orbulinen  den  Globigerina- 
einschluss  aufweisen.  Wollte  man  auch  letztere  Formen  in  der  von  Owen 
und  Brady  vermutheten  Weise  entstanden  sein  lassen,  so  müsste  man  zur 
Erklärung  eine  spätere  Resorption  der  eingeschlossenen  Globigerinaschale 
zu  Hülfe  nehmen. 

In  ziemlich  naher  morphologischer  Beziehung  zu  Globigerina  scheint 
die  Gattung  Gymbalopora  Hagen,  zu  stehen  (IX.  4).  Wir  haben 
hier  eine  etwa  flach  kegelförmige  Schale,  die  ihr  Wachsthum  in 
deutlich  schraubig  spiraliger  Anordnung  der  niedrigen  Kammern  beginnt, 
wobei,  ähnlich  gewissen  Globigerinaformen,  eine  axiale  Nabelhöhle 
auf  der  Basalseite  offen  bleibt.  Bald  jedoch  geht  dieses  schraubenspiralige 
Wachsthum  in  ein  cyklisches  über,  indem  Ringe  von  Kammern,  von  all- 
mählich sich  vergrösserndem  Durchmesser,  an  den  schraubenspiraligen 
Anfangstheil  sich  ansetzend  untereinanderlagern.  Wie  bei  den  erwähnten 
Globigerinaformen  öffnet  sich  jede  Kammer  mit  einer  auf  einem  röhren- 
förmigen Hälschen  gelegenen  Mündung  in  die  gemeinsame  Nabelhöhle, 
soll  jedoch  nach  Carpenter  jederseits  noch  eine  grosse  gelippte  Oefifnung 
besitzen,  vermittels  welcher  die  benachbarten  Kammern  in  Communikation 


*)  Sillim.  Americ.  j.  1858.  XXVI. 
•**)  Arch.  f.  Naturgesch.  1860.  I. 
***)  Sitzungsb.  der  k.  böhm.  G.  d.  W.  1861. 

f)  Journ.  Linn.  soc.  Zool,  IX. 
tt)  Mem.  of  the  litterar.  and  pliilos.  soc.  Manchester  1868.  III. 


YO  Rhizopoda. 

treten  (ohne  dass  jedoch  diese  Commnnikation  eine  directe  wäre).  Es 
scheint  von  Interesse,  namentlich  im  Hinblick  auf  die  verwandtschaft- 
lichen Beziehungen  dieser  Form  zu  Globigerina,  dass  eine  ihrer  Arten 
(C.  bulloides  d'Orb.)  sich  durch  die  Bildung  einer  abnorm  grossen  orbulina- 
artigen  Endkammer  auszeichnet,  welche  die  Nabelhöhle  erfüllt  und  sich 
wie  Orbulina  durch  den  Besitz  weiterer  Porenöffnungen  neben  feineren 
(bei  mangelnder  grösser  Mündungsöffnung)  auszeichnet. 

Eine    noch    eigenthümlichere    Modifikation    des    globigerina -artigen 
Baues,    wie    wir    sie    soeben    bei   Cymbalopora    kennen   gelernt    haben, 
treffen  wir  bei  der  aufgewachsenen   Gattung   Carpenteria  an   (IX.  2). 
Hier  tritt  einmal  mit  der  Festheftung  eine  gewisse  und  zum  Theil  sogar 
recht  unregelmässige  Bildungsweise  ein,   wie  solches  ja  bei  festsitzenden 
Formen  von  uns  schon  mehrfach  beobachtet  wurde,  andererseits  dagegen 
zeigt  diese  Gattung  auch  Spuren  einer  höheren  Ausbildung,  wie  wir  sie 
in   besserer  Entwickelung  in   der   zunächst  zu  besprechenden  Abtheilung 
der  Rotalinen   antreffen    werden.     Im   Allgemeinen    können   wir  uns    die 
Bauweise  der  Carpenteria  in  der  Art  kurz  versinnlichen ,   dass   wir  uns 
eine  in  flacher   Schraubenspirale   aufgerollte  Globigerina  mit  dem  Apex 
der  Spirale,  also  den  ältesten  und  kleinsten  Kammern,  auf  eine  Unterlage 
aufgewachsen  denken;   gleichzeitig  jedoch  auch   die  einzelnen  Kammern 
so  innig  mit  einander  verbunden,  dass  sie  äusserlich  nur  noch  sehr  wenig 
von   einander  geschieden   erscheinen  und   die  Gesammtschaie    etwa    die 
Gestaltung  eines  Kegels  erhält,  der  auf  der  Spitze  eine  Oeflfnung  (a)  zeigt. 
Diese  Oeflfnung  und  die  durch  sie  ausmündende,    ziemlich  vertikal  in  die 
Schale  hinabsteigende  Höhlung  (2  b,  a)  entspricht  der  uns  von  Globigerina 
und  Cymbalopora  her  bekannten  Nabelhöhle  und  wie  bei  jenen  Formen, 
so  münden   auch  hier  sämmtliche  Kammern   (k,  k',  k")   in  diese  Central- 
höhle.     Die  Mündungsöfifnung    der    gemeinsamen    Centralhöhle    auf   der 
Spitze  des  Kegels  ist  häufig  noch  der  Sitz  einer  besonderen  Entwickelung, 
wie  sie  nur  selten   bei  den  Foraminiferen  uns  entgegentritt.     Sie  wächst 
nämlich   bei  gewissen   Formen  röhrenförmig  aus ,  ja  verästelt  sich  dann 
baumförmig    (wie    dies   namentlich   durch    Carter*)  und   dann    weiterhin 
durch  Möbius**)  bei  einer  sehr  interessanten  neuen  und  durch  sehr  unregel- 
mässige Kammeranordnung  sich  auszeichnenden  Form,  C.  raphidodendron, 
nachgewiesen  wurde),  wobei  jedes  der  häufig  zahlreichen  Aestchen  dieser 
Mündungsröhre    eine   Oeflfnung  zur  Ausstrahlung   der  Pseudopodien   auf- 
weist.     Abgesehen    von    untergeordneten    morphologischen    Bauverhält- 
nissen ,    wie   eine    mehr   oder   minder   vollständige    Unterabtheilung   der 
ursprünglichen  Kammern  durch  secundäre  Septen,   sehen  wir,   wie  schon 
oben  angedeutet,   eine  höhere   Entwickelungsstufe   im  Schalenbau  dieser 
Gattung  noch   darin   ausgeprägt,   dass    die   Scheidewände   zwischen   den 


*)  Ann.  m.  n.  Ii.  4.  XX. 
**)  PalaeontograiJliica  XXV. 


Polythalame  Perforata.    (Rotalinen.)  71 

Kammern  in  ihrer  feineren  Beschaflfenheit  sich  von  den  äusseren  Kammer- 
vvandungen  differenzirt  haben.  Während  nämlich  die  letzteren  die  grobe 
Perforation  der  Globigerinen  zeigen,  sind  die  ersteren  imperforirt  und  aus 
zwei  Lamellen  zusammengesetzt  ('2Q,  d — d^).  —  Indem  letztere  jedoch 
nicht  überall  vollkommen  bis  zu  völliger  Berührung  aufeinander  gelagert 
sind,  bleiben  zwischen  ihnen  hier  und  da  kanalartige  Lücken  übrig,  die, 
indem  sie  sämmtliche  Septen  (auch  die  unvollständigen,  secundären) 
zusammenhängend  durchziehen,  ein  sogenanntes  Kanalsystem  formiren 
(2  b,  g,  g^),  das  uns  hier  zum  ersten  Mal  begegnet,  welches  wir  jedoch  bald 
bei  den  höher  entwickelten  Typen  in  seiner  ganzen  reichen  Ausbildung 
kennen  lernen  werden. 

Noch  einmal  tritt  uns  der  flach  schraubenspiralige  Typus  des 
Schalenbaues  in  einer  sehr  reichen  und  z.  Th.  sehr  eigenthUmlichen 
Entfaltung  in  der  grossen  und  mannigfaltigen  Abtheilung  der  Rota- 
linen entgegen.  Die  ziemlich  beträchtliche  Zahl  von  Gattungstypen, 
welche  in  dieser  Abtheilung,  bei  verhältnissmässig  hohem  Grad  von  Ueber- 
einstimmung  in  den  allgemeinen  Bauverhältni^sen,  unterschieden  werden 
(welche  also  im  wesentlichen  durch  Charaktere  von  secundärer  Bedeutung 
gekennzeichnet  sind),  veranlasst  uns,  bei  Gelegenheit  dieser  morphologi- 
schen üebersicht,  die  zahlreichen  Formen  nur  im  Allgemeinen  und  im 
Hinblick  auf  ihre  mehr  gemeinsamen  morphologischen  Charaktere  zu 
verfolgen. 

Die  einfacheren  Formen  der  Eotalinen  bieten  uns  im  Allgemeinen 
eine  ähnliche  Gestaltungsweise  dar,  wie  wir  sie  schon  bei  den  schrauben- 
spiraligen  Globigerinen  kennen  gelernt  haben,  wie  sich  denn  auch 
durch  die  grob  perforirte  Beschaffenheit  der  Schalenwandungen  (Dis- 
corbina  und  Planorbulina)  noch  eine  nähere  Beziehung  zu  den  Globi- 
gerinen ergibt.  Wie  gesagt,  ist  die  Höhe  der  Schraubenaxe  stets 
nur  wenig  beträchtlich,  so  dass  die  steilsten  Formen  gewöhnlich 
eine  massig  hohe  kegelförmige  Gestaltung  nicht  überschreiten,  meist 
jedoch  die  Erhebung  der  Schalenaxe  eine  noch  geringere  bleibt. 
Die  Gesammtgestalt  der  Schale  ist  dann  eine  kreisel-  bis  flach  scheiben- 
förmige (IX.  3,  6).  Natürlich  sind,  wie  dies  sich  aus  der  morpho- 
logischen Bildungsweise  dieser  flachen  scheibenförmigen  Schalen  ergibt, 
auch  bei  ihnen  die  beiden  Flachseiten  verschieden  gebaut  und  die  Gesammt- 
schaie daher  asymmetrisch.  Wir  bezeichnen  diejenige  Seite,  auf  welcher 
sich  die  Spitze  (Apex)  der  Schraubenspirale,  also  die  älteste  und  kleinste 
Kammer  findet,  als  die  apicale,  die  entgegengesetzte  Seite  hingegen, 
welche  durch  die  ansehnlichsten  jüngsten  Kammern  ausgezeichnet  wird, 
als  die  basale.  Die  Verschiedenheit  dieser  beiden  Seiten  der  Schale  wird 
noch  dadurch  erhöht,  dass  auf  der  apicalen  Seite  die  meist  recht  zahl- 
reichen Umgänge  sämmtlich  zu  sehen  sind  (3  a),  da  jeder  folgende  durch 
einen  etwas  grösseren  Durchmesser  über  den  vorhergehenden  randlich 
ein  wenig  hervorragt.  Auf  der  basalen  Seite  bleibt  hingegen  gewöhn- 
lich nur  der  letzte  oder  doch  wenig  mehr  als  dieser  Umgang  sichtbar,  indem 


72  Rhizopoda. 

die  Kammern  der  jüngeren  Umgänge  sich  nach  der  Schraubenaxe  zu  so 
ansehnlich  erweitern,  dass  jeder  folgende  Umgang  den  vorhergehenden 
völlig  oder  doch  nahezu  völlig  auf  der  Basalseite  bedeckt.  Ausserdem  ist 
die  meist  nicht  sehr  ansehnliche  axiale  Nabelhöhle,  welche  sich  z.  Th. 
erhält,  meist  noch  durch  secundäre  Auflagerung  von  Schalenmasse  aus- 
gefüllt, so  dass  in  ihr  nichts  von  den  älteren  Umgängen  sichtbar  bleibt. 
Mit  der  asymmetrischen  Entwickelung  dieser  Rotalinenschalen  steht  im 
Zusammenhang,  dass  dieselben  häufig  mit  einer  Seite  aufgewachsen  sind 
(Planorbulina,  Truncatulina)  oder  doch  die  lebenden  Thiere  sich  mit  einer 
ihrer  Seiten  anheften.  Je  nach  der  speciellen  morphologischen  Gestaltung 
kann  diese  zur  Befestigung  dienende  Seite  bald  die  apicale,  bald  hin- 
gegen die  basale  sein ,  da  nämlich  die  Befestigung  gewöhnlich  mit  der 
flacheren  Seite  geschieht  und  in  dieser  Hinsicht  die  beiden  Seiten  sehr 
variiren. 

So  sehen  wir  z.  Th.  eine  ziemlich  gleichmässige  Wölbung  beider 
Seitenflächen  bei  der  Gattung  Rotalia  (abgesehen  natürlich  von  der 
sonstigen  Verschiedenheit  dieser  beiden  Seiten ,  welche  diese  ziemlich 
biconvexen  Schalen  dennoch  zu  asymmetrischen  stempelt),  oder  aber  es 
erhebt  sich  die  apicale  Seite  convex  bis  kegelförmig,  während  die  basale 
flach  convex  oder  abgeplattet  bleibt  und  zur  Befestigung  dient,  wie  dies 
namentlich  auch  in  den  Gattungen  Discorbina  und  Pulvinulina  deutlich 
hervortritt.  Der  umgekehrte  Fall  dagegen  ist  bei  den  Gattungen  Plan- 
orbulina und  Truncatulina  anzutreffen ;  hier  bleibt  die  apicale  Seite  flach 
oder  ist  sogar  etwas  concav  ausgehöhlt,  und  dient  daher  zur  Befestigung, 
die  basale  hingegen  wölbt  sich  convex  feis  kegelförmig  hervor,  so  dass 
hier  die  gesammte  Schalengestaltung  gewissermaassen  umgekehrt  ist.  Bei 
diesen  letztgeannten  Formen  ist  denn  eigentlich  auch  von  einer  schrauben- 
spiraligen  Aufwindung  nicht  mehr  die  Rede,  sondern  man  kann  sich  die 
Schalengestaltung  besser  in  der  Weise  entstanden  denken,  dass  die  Um- 
gänge sich  in  regulär  spiraliger  Weise  aufrollen,  jedoch  in  sehr  asym- 
metrischer Weise  nach  den  beiden  Seiten  der  Spiralaxe  sich  entwickeln; 
auf  derjenigen  Seite  der  Spiralaxe,  auf  welcher  ihre  Entwickelung  gering 
bleibt,  sind  sie  sämmtlich  sichtbar  (apicale  Seite)  und  diese  Seite  bleibt 
flach,  auf  der  entgegengesetzten  aber  schwellen  die  Umgänge  rasch  sehr 
an,  so  dass  die  jüngeren  die  älteren  überdecken  und  nur  der  letzte 
sichtbar  bleibt,  die  ganze  Seite  aber  eine  convex  hervorgewölbte  Beschaffen- 
heit erhält.  Auch  bei  der  oben  schon  erwähnten  Gattung  Rotalia  tritt 
häufig  in  ähnlicher  Weise  die  basale  Seite  gegenüber  der  apicalen  durch 
stärkere  Wölbung  hervor. 

Die  soeben  gegebene  Auffassung  des  Schalenbaues  der  Gattungen 
Planorbulina  und  Truncatulina  lässt  jetzt  auch  leicht  verstehen,  dass  in 
nahem  Anschluss  an  dieselben  sich  auch  gewisse  Formen  finden ,  welche 
eine  nahezu  symmetrisch-spiralige  Bildung  aufweisen,  wie  wir  ja  auch 
schon  bei  den  Globigerinen  solche  symnietrisch-spiralige  Formen  kennen 
gelernt  haben.  (Hierher  gehören  die  sehr  flach  scheibenartigen  Planorbulina- 


Polythalamo  Perforata.    (Rotalinen.)  73 

Alten  und  die  Anomalinen  d'Orbigny's,  doch  zeigt  auch  die  Gattung 
Discorbina  z.  Tb.  eine  Hinneigung  zu  regulär  spiraliger  Ausbildung.) 

Die  Zahl  der  auf  einen  Umgang  kommenden  Kammern  ist  gewöhnlich 
ziemlich  beträchtlicb.  Entweder  treten  diese  Kammern  äusserlich  blasig 
kugelig  hervor  (wie  dies  bei  Discorbina  gewöhnlich  (IX.  6),  z.  Tb.  jedoch 
auch  bei  Planorbulina  der  Fall  ist),  oder  aber  sie  sind  innig  zusammen- 
gepresst,  so  dass  die  Oberfläche  der  Schale  mebr  oder  weniger  eben  wird 
und  die  Grenzen  der  Kammern  nur  noch  als  Nähte  hervortreten.  Häufig 
sind  diese  Nähte  noch  besonders  ausgezeichnet  durch  Auflagerung  von 
unperforirter  secundärer  Schalensubstanz,  die  dann  besondere  Nahtbänder 
bildet  und  gleichzeitig  noch  in  verschiedener,  hier  nicht  näher  zu  be- 
sprechender Weise,  Verzierungen  auf  der  Oberfläche  der  Schale  hervorruft. 

Unter  einander  stehen  die  Kammern  durch  Septalöffnungen  in  Ver- 
bindung, welche  sich  an  der  Basis  der  Septen,  also  da,  wo  die  letzteren 
auf  den  vorhergebenden  Umgang  sich  aufsetzen,  befinden.  Im  Allgemeinen 
stellen  sich  diese  Oefifnungen  als  etwa  halbmondförmige  Schlitze  dar;  im 
speciellen  hingegen  zeigen  sie  bei  den  einzelnen  Gattungen  ziemliche 
Verschiedenheiten,  sowohl  in  ihrer  Gestaltung  als  Lagerung.  Bei  den 
oben  erwähnten  spiralig  symmetrischen  Formen  lagern  sich  die  Septal- 
öffnungen gleichfalls  symmetrisch.  Bei  den  übrigen  Formen  dagegen  ist 
auch  ihre  Lagerung  eine  asymmetrische.  So  sind  sie  bei  Discorbina  und 
Pulvinulina  ganz  auf  die  basale  Seite  gerückt,  während  sich  bei  der 
Gattung  Rotalia  meist  nur  eine  geringere  Asymmetrie  der  massig  grossen 
Mündungsöifnung  durch  Verschiebung  nach  der  Basalseite  findet.  Etwas 
eigenthümlich  ist  die  Lage  der  Mündung  bei  der  Gattung  Truncatulina; 
auch  hier  dehnt  sie  sich  mit  ihrem  Haupttheil  auf  der  basalen,  hervor- 
gewölbten Seite  der  Schale  lang  schlitzartig  aus,  erstreckt  sich  jedoch 
auch  auf  die  abgeflachte  Oberseite,  wo  sie  sich  längs  der  Naht,  welche 
die  betreifende  Kammer  mit  dem  vorhergehenden  Umgang  bildet,  hin- 
erstreckt. Da  dieser  letzterwähnte  Theil  der  Mündungsöifnung  auf  der 
abgeflachten  Oberseite  bei  der  Bildung  der  folgenden  Kammer  nicht  um- 
schlossen und  verdeckt  wird,  so  zeigt  sich  demnach  hier  die  Eigenthüm- 
lichkeit,  dass  wenigstens  noch  eine  Anzahl  der  jüngsten  Kammern  durch 
besondere  Oeff'nungen  nach  aussen  münden;  an  den  älteren  Kammern 
hingegen  wird  dieser  frei  bleibende  Theil  der  Mündung  durch  Auflagerung 
secundärer  Schalensubstanz  geschlossen. 

In  der  Beschaffenheit  der  Septen  zeigt  sich  in  bei  weitem  den  meisten 
Fällen  noch  das  einfachste  Bildungsverhältniss,  indem  dieselben  nur  aus 
einer  einfachen  Lamelle  durch  Einfaltung  der  Vorderwand  jeder  Kammer 
gebildet  werden,  und  meist  auch  in  derselben  Weise  wie  die  übrigen 
Schalenwände  perforirt  sind.  In  letzterer  Beziehung  macht  sich  jedoch 
schon  hier  und  da  eine  höhere  Ausbildungsstufe  geltend,  indem  sich  die 
gewöhnliche  Perforation  der  Scheidewände  verliert  und  die  letzteren 
nur  von  einer  geringen  Anzahl  gröberer  Poren  durchbohrt  werden. 


74  Khizopoda. 

Dagegen  schliesst  sich  die  Gattung  Rotalia  in  Betreff  der  Entwickelung 
der  Scheidewände  an  die  höheren  Ausbildungszustände  der  Nummuliniden 
an,  indem  sie,  ähnlich  wie  wir  das  schon  bei  Carpenteria  fanden,  Septen 
besitzt,  die  aus  zwei  Lamellen  bestehen,  von  welchen  die  hintere  durch 
Einfaltung  der  Wand  der  hinteren  Kammer,  die  vordere  durch  eine  ent- 
sprechende Einfaltung  der  Wand  der  vorderen  Kammer  hervorgegangen 
ist.  In  gleicher  Weise  wie  bei  Carpenteria,  bleibt  zwischen  diesen  beiden 
Septallamellen,  indem  sie  nicht  völlig  zusammenschliessen,  ein  Interseptal- 
raiim  übrig,  der  auf  Längsschnitten  des  Septums  ein  kanalartiges  Ansehen 
darbietet,  sich  jedoch  spaltartig  fast  durch  das  ganze  Septum  erstreckt 
(IX.  3b).  Längs  der  Kammernähte,  auf  der  äusseren  Oberfläche  der 
Schale,  münden  jederseits  eine  Reihe  von  Kanälchen  durch  Poren  aus, 
welche  von  dem  entsprechenden  Interseptalraum  ihren  Ursprung  nehmen. 
Indem  sich  nun  die  Interseptalräume  der  jüngeren  Umläufe  durch  diese 
Poren  und  die  zu  ihnen  führenden  Kanälchen  mit  den  Interseptahäuraen 
der  früheren  Umgänge  in  Verbindung  setzen,  steht  das  gesammte  sogen. 
Kanalsystem  der  Schale  in  organischem  Zusammenhang  und  gibt  uns 
schon  eine  ungefähre  Vorstelkmg  von  der  Entwickelung  der  entsprechenden 
Einrichtung  bei  den  höheren  Nummuliniden. 

Zum  Beschluss  unserer  Betrachtung  der  Morphologie  der  Rotalinen- 
schalen  müssen  wir  noch  auf  gewisse  Unregelmässigkeiten  und  Ab- 
weichungen im  Wachsthum  hinweisen ,  die  wir  ja  schon  mehrfach  und 
namentlich  bei  festgewachsenen  Rhizopoden  eine  nicht  unbedeutende  Rolle 
spielen  sahen.  —  So  geht  zunächst  die  typische  Gattung  Planorbulina  in 
ihrem  entwickelteren  Zustand  gewöhnlich  in  das  cyklische  Wachsthum 
über  (IX.  8) ,  indem  in  der  von  uns  schon  mehrfach ,  zuletzt  wieder  bei 
der  Gattung  Cymbalopora,  angetroffenen  Weise  von  dem  letzten  spiraligen 
Umgang  randlich  allseitig  Kammern  hervorsprossen,  die  einen  ersten 
Cyklus  bilden,  auf  dem  nun  in  ähnlicher  Weise  eine  grössere  oder  klei- 
nere Zahl  weiterer  Cyklen  folgt.  Jede  Kammer  dieser  Cyklen  besitzt 
statt  der  früheren  einfachen  Oeffnung  deren  zwei,  welche  seitlich  und 
nach  Aussen  schauend  angebracht  sind  und  sich  gewöhnlich  mit  den  zwei 
alternirend  gestellten  benachbarten  Kammern  des  folgenden  Cyklus  in 
Verbindung  setzen.  Diese  meist  etwas  lippenförmig  aufgeworfenen  Mün- 
dungen können  sich  zuweilen  auch  hals-  bis  röhrenförmig  ausziehen  und 
die  durch  sie  in  Verbindung  gesetzten  Cyklen  von  Kammern ,  sowie  die 
einzelnen  Kammern  selbst,  auseinanderrücken,  so  dass  in  dieser  Art  ein 
flach  ausgebreitetes  reticuläres  Werk  von  Kammern  und  Verbindungs- 
röhrchen  entsteht.  Jedoch  sehen  wir  auch  die  Gattung  Planorbulina  (und 
ähnlich  verhalten  sich  zuweilen  auch  die  jüngsten  Kammern  anderer 
Gattungen)  in  ein  ganz  unregelmässig  zusammengehäuftes  Wachsthum 
tibergehen,  das,  nachdem  M.  Schnitze  eine  hierhergehörige  Form  unter  der 
Bezeichnung  Acervulina  beschrieben  hat  (VIII.  17),  gewohnlich  als  acer- 
vuline  Bildungsweise  oder  acervulines  Wachsthum  unterschieden  wird. 
Eine  sehr  merkwürdige  Modifikation  bietet  noch  die  Gattung  Pulvinulina 


Perforate  Polythalamia.     (Calcariua.)  75 

dar  (IX.  5),  indem  sie  durch  starke  Abfiachung  in  eine  scheibenförmig 
entwickelte  Form  llbergeht,  deren  Kammern  sich  allmählich  sehr  ver- 
längern, so  dass  schliesslich  nur  wenige,  bis  zwei,  auf  den  Umgang  kom- 
men, was  auch  hier  schliesslich  in  cirkuläre  Anordnung  überführt.  Ja  es 
treten  in  diesem  Fall  sogar  Ringe  auf,  welche  nur  aus  einer  einzigen  in 
sich  zurückkehrenden  Kammer  bestehen   (Pulvin.  vermiculata  d'Orb.  sp.). 

Eine  besonders  eigenthümliche  Entwickelung  erreicht  der  Rotalinen- 
typus  in  der  Gattung  Calcarina  und  zwar  nicht  durch  beson- 
dere morphologische  Anordnuugs-  und  Wachsthumsverhältnisse  der 
Kammern,  sondern  durch  die  ungemein  reichliche  Entwickelung  secundär 
aufgelagerter  Schalenmasse,  wie  wir  sie  ja  auch  schon  bei  den  seither 
besprochenen  Rotalinen  fanden.  Dieser  besonderen  Bilduugsverhältnisse 
wegen  verdient  die  genannte  Gattung  hier  noch  eine  kurze  Besprechung. 
Bezüglich  der  allgemeinen  Anordnungsverhältnisse  der  Kammern  verhalten 
sich  die  hierhergehörigen  Formen  (IX.  7)  wie  die  meisten  übrigen  Rota- 
linen, es  bilden  die  Kammern  eine  flache  Schraubenspirale,  die  jedoch 
hier,  da  die  Umgänge  nur  ziemlich  allmählich  an  Breite  zunehmen  und 
mit  ihren  axialen  Rändern  weit  von  der  Schraubenaxe  entfernt  bleiben, 
eine  weite  Nabelhöhle  aufweisen  würde,  wenn  nicht  schori  seit  dem  ersten 
Beginn  der  Schalenbildung  eine  dicke  Lage  von  secundärer  Schalenmasse 
(sogen,  supplementäres  Skelet  Carpenter's  d,  d')  auf  die  primären  Kammer- 
wände allseitig  aufgelagert  würde.  Durch  diese  Auflagerung  wird  die 
weite  Nabelhöhle  völlig  ausgefüllt.  Es  bildet  demnach  diese  secundäre 
Schalenmasse  hier  eine  dicke  Auflagerungsschicht  über  die  ganze  Schale 
und  lässt  äusserlich  keine  Unterscheidung  der  Kammern  mit  Ausnahme 
der  jüngsten  zu.  Es  ruhen  daher  auch  hier  die  primären  Wandungen 
der  jüngeren  Umgänge  nicht  auf  den  entsprechenden  der  älteren  direct 
auf,  sondern  auf  der  secundären  Schalenmasse,  welche  diese  älteren  Um- 
gänge überdeckt  (7,  d',  d').  Diese  secundäre  Schalenmasse  entwickelt 
jedoch  hier  noch  einen  besonderen,  in  geringerem  Grad  auch  bei  gewissen 
Rotalinen  ausgeprägten  Charakter,  indem  sie,  schon  von  dem  ersten  Um- 
gang aus,  und  so  fort  von  den  übrigen,  am  peripherischen  Rand  in  ziem- 
lich ansehnliche  Stacheln  auswächst  (7,  f,  f).  Zahl,  Länge  und  Gestaltung 
dieser  Stacheln,  welche  die  äussere  Erscheinung  der  Schale  hier  vorzugs- 
weise bestimmen,  variiren  sehr;  bald  sind  sie  einfach,  bald  an  ihren 
Enden  verzweigt,  meist  jedoch  stumpf  abgerundet. 

Während  die  dünnen  primären  Schalenwandungen  grob  perforirt 
erscheinen,  wird  dagegen  die  gesammte  secundäre  Schalensubstanz  von 
zahlreichen,  im  Allgemeinen  radiär  nach  der  Oberfläche  der  Schale  strah- 
lenden, unter  einander  jedoch  vielfach  auastomosirenden  Kanälen  durch- 
zogen, die  auf  der  Schalenoberfläche  ausmünden.  Indem  jedoch  gewisse 
gleichfalls  radial  ziehende  Partien  von  solchen  Kanälen  frei  bleiben,  bilden 
sie  zapfenähnliche  solide,  in  der  kanaHsirten  Masse  steckende  Partien 
(7,  e',  e'),  die  auf  der  Oberfläche  tuberkelartig  vorspringen  (7,  e).  Carpenter 
bezeichnet   das  die  secundäre  Schalensubstanz  durchziehende  Kanalwerk 


76  Rhizopoda. 

auch  hier  als  Kanalsystem  und  stellt  es  in  eine  Kategorie  mit  dem  oben 
beschriebenen  Kanalsystem  der  Carpenteria,  Rotalia  und  dem  noch  weiter- 
hin zu  besprechenden  der  Nummuliniden.  Ich  kann  hingegen  eine  Bildung, 
äholich  dem  Kanalsystem  der  erwähnten  übrigen  Formen,  hier  nicht  er- 
kennen, da  ihm  der  wichtige  Charakter  desselben,  nämlich  aus  Inter- 
septalräumen  wenigstens  zum  Theil  hervorgegangen  zu  sein,  abgeht.  Die 
Septen  der  Calcarina  sind  einfach  und  enthalten  keine  Kanalräume. 

Auch  in  der  Bildung  der  Septalöffnung  zeigt  sich  bei  Calcarina  eine 
Abweichung  von  den  eigentlichen  Rotalinen;  statt  einer  einfachen  findet 
sich  hier  am  basalen  Rand  des  Septums  eine  Reihe  porenartiger  Oefif- 
nungen;  im  Uebrigen  sind  die  Scheidewände  hier  imperforirt.*) 

Die  höchste  Ausbildungsstufe  erreicht  der  Schalenbau  der  Rhizopoden, 
wie  schon  mehrfach  angedeutet  wurde,  in  der  Abtheilung  derNummuli- 
niden;  wo,  wie  dies  ja  ein  überhaupt  in  der  Thierwelt  mehr  oder  minder 
gültiges  Gesetz  zu  sein  scheint,  mit  der  höheren  Stufe  der  Entwickelung 
im  Allgemeinen  auch  eine  ansehnliche  Grösse  verbunden  ist.  Innerhalb 
dieser  Abtheilung  begegnen  wir  aber  dennoch  einfacheren,  ja  verhältniss- 
mässig  sehr  einfach  gebauten  Formen  neben  den  complicirten,  und 
sind  im  Stande,  eine  mehr  oder  minder  zusammenhängende  Reihe  von 
allmählich  fortschreitenden  Ausbildungszuständen  nachzuweisen,  von  den 
einfachsten  ausgehend,  bis  zu  den  höchst  entwickelten  fortschreitend. 

Was  die  gemeinsamen  morphologischen  Charaktere  der  hier  zusammen- 
gefassten  Formen  betrifft,  so  können  wir  die  fast  durchweg  regulär  spi- 
ralige Aufrollung  hervorheben,  welche  in  seltenen  Fällen  etwas  zur  asym- 
metrisch schraubenförmigen  hinneigt  und  bei  den  höchstentwickelten 
Formen  in  ähnlicher  Weise  den  Uebergang  ins  cyklische  Wachsthum 
darbietet,  wie  wir  dies  auch  schon  in  der  Reihe  der  Imperforaten  gesehen 
haben.  Fast  durchaus  ist  fernerhin  diese  regulärspiralige  Schale  durch 
einen  hohen  Grad  von  Involubilität  ausgezeichnet,  obgleich  in  dieser  Hin- 
sicht auch  Modifikationen  sich  finden.  Die  höher  entwickelten  Formen 
zeichnen  sich  durch  die  sehr  vollständige  Ausbildung  eines,  von  uns  schon 
in  geringeren  Entwickelungsstufen  besprochenen,  sogen.  Kanalsystems 
aus  und  als  weiteren  Charakter,  der  uns  zwar  hier  nicht  näher  berührt, 
dürfen  wir  noch  die  fast  durchaus  sehr  feine  Perforirung  der  Schalen- 
wände hervorheben. 

Als  einfachste  hierhergehörige  Form  können  wir,  indem  wir  absehen 
von  gewissen  schon  kurz  besprochenen  monothalamen,  durch  engere  Ver- 
wandtschaftsbande sich  hier  wahrscheinlich  anschliessenden  Typen  (wie 
Involulina  und  Archaeodiscus),  die  Gattung  Pullenia  P.  u.  J.  betrachten 


*)  unter  den  sandschaligen  und  angeblich  imperforaten  Formen  des,  wie  schon  mehrfach 
bemerkt,  eine  grosse  Zahl  sehr  verschiedenartiger  Gestalten  umschliessenden  Genus  Trocham- 
mina  P.  u.  J.  finden  sich  auch  eine  Anzahl  Arten,  die  sich  in  ihrer  allgemeinen  Bauweise 
sehr  nahe  an  die  Kotalinen  anschliessen.  Es  erscheint  daher  wohl  nicht  unmöglich,  dass  sich 
durch  genauere  Untersuchungen  für  diese  Formen  ein  näherer  Anschluss  an  die  eben  betrach- 
tete Gruppe  der  Globigeriniden  herausstellen  dürfte. 


I 


Perforate  Polythalamia.     (Pullenia,  Sphaeroidiua  etc.)  77 

(IX.  14),  Dieselbe  wird  zwar  gewöhnlieh  in  die  Nähe  der  Globigerinen 
gestellt,  mit  deren  symmetrisch  spiraligen  Formen  sie  wohl  auch  durch 
verwandtschaftliche  Beziehungen  verknüpft  sein  dürfte,  doch  scheinen  ihre 
Beziehungen  zu  den  Nummuliniden,  hauptsächlich  bei  Berücksichtigung 
erst  in  neuerer  Zeit  aufgefundener  Zwischenstufen,  recht  innige.  Diese 
nur  durch  wenige  Modifikationen  vertretene  kleine  Form  bietet  uns 
das  Bild  einer  symmetrisch  spiraligen  Schale  mit  nahezu  oder  völlig 
involuten  Umgängen,  die  sich  aus  einer  geringen  Anzahl  (4  —  5) 
verhältnissmässig  sehr  rasch  an  Grösse  zunehmender  Kammern  zusammen- 
setzen. Die  verhältnissmässig  geringe  Höhe  der  Kammern  in  Verbindung 
mit  ihrer  ansehnlichen  Breite  macht  die  Gesammtgestalt  der  Schale  zu 
einer  nahezu  kugeligen.  Die  Septalöffnung  ist  ein  sehr  breiter  und 
niedriger  Schlitz  an  der  Basis  der  Septen.  Letztere  sind,  so  weit  die 
vorliegenden  Untersuchungen  hierüber  Aufschluss  verleihen,  einfach  und 
von  derselben  feineren  Structur  wie  die  übrigen  Theile  der  Karamer- 
wandung. 

Als  nahe  verwandt  mit  der  soeben  kurz  beschriebenen  Form  wird 
gewöhnlich  die  Gattung  Sphaeroidina  (IX.  15)  betrachtet,  der  wir 
daher  hier  noch  einige  wenige  Worte  widmen  wollen.  In  vieler 
Hinsicht  an  Pullenia  sich  anschliessend,  weicht  sie  von  dieser  durch  die 
etwas  asymmetrische  schraubenspiralige  Aufrollung  ab,  ist  gleichfalls  ganz 
involut,  so  dass  äusserlich  meist  nur  die  3  letzten  Kammern  sichtbar 
sind.  Am  abweichendsten  verhält  sich  die  Mündung,  welche  sich  durch 
Kleinheit  und  asymmetrische  Lage  sehr  von  der  von  Pullenia  unterscheidet. 

Möglicherweise  dürfte  sich  eine  neuerdings  von  Wallich*)  beschriebene, 
jedoch  noch  nicht  ausreichend  bekannte  Gattung  (Rupertia)  ebenfalls  näher 
an  Pullenia  anschliessen.  Es  ist  dies  eine  Form,  welche  namentlich  durch 
einen  nur  selten  bei  den  kalkschaligen  Rhizopoden  beobachteten  Charakter 
sich  auszeichnet.  Sie  erhebt  sich  nämlich  auf  einem,  jedenfalls  durch  Aus- 
scheidung secundärer,  nichtperforirter  Schalenmasse  gebildeten  Stiele.  Auf 
diesem  ziemlich  dicken  Stiel  ist  eine  an  Pullenia,  hauptsächlich  durch  die 
ähnlich  gestaltete  Mündung,  erinnernde  Schale  aufgewachsen,  welche 
jedoch  eine  viel  unregelmässigere  Bildung  besitzt  und  daher  auch  in 
mancher  Beziehung  an  gewisse  Rotalinen,  so  namentlich  die  Gattung 
Planorbulina,  erinnert. 

Wir  erlauben  uns  an  dieser  Stelle  einzuschalten,  dass  schon  früher 
gelegentlich  durch  Macdonald  (59)  eine  ähnliche,  wenngleich  nicht  ganz 
sichere,  Stielbildung  bei  einer  zu  den  Rotalinen  gehörigen  und  von  Parker 
und  Jones  als  Calcarina  Spengleri  gedeuteten  Form  beschrieben  wurde, 
auch  bei  einer  Nummulites  ähnlichen,  jedoch  nicht  näher  zu  bestimmenden 
Form  will  er  eine  solche  Stielbildung  beobachtet  haben  (wogegen  die 
übrigen  von  ihm  als   Stielbildungen  beschriebenen  Verlängerungen  nichts 


*)  A.  m.  n.  h.  4,  XX. 


78  Ehizopoda. 

weiter  wie  die  bekanntlich  bei  gewissen  Formen  röhrenförmig-  ausgezogenen 
Schalenmündungen  sind). 

In  nahem  Anschluss  an  die  jetzt  noch  lebende  Gattung  Pullenia 
scheinen  mir  eine  Anzahl  fossiler,  erst  in  neuerer  Zeit,  vorzüglich 
durch  Brady  (105)  und  v.  Möller  (116),  näher  bekannt  gewordener  Gat- 
tungen zu  stehen,  welche  jedoch  wenigstens  zum  Theil  schon  auf  einer 
höheren  Ausbildungsstufe  stehen.  In  ihrer  allgemeinen  Gestaltung  nähern 
sich  diese,  hauptsächlich  durch  Endothyra  Phill,  (IX.  16)  und  Bradyina 
V.  Moll.  (IX.  17)  vertretenen  Formen  der  Gattung  Pullenia  recht  sehr, 
unterscheiden  sich  jedoch  durch  eine,  wenngleich  sehr  geringe,  schraubig 
spiralige  Aufrollung  der  Umgänge,  welche  zwar  bei  der  völligen  Involu- 
bilität  der  Umgänge  nur  wenig  hervortritt,  aber  doch  eine  etwas  asym- 
metrische Gestaltung  der  Schale  bedingt.  Die  Zahl  der  Kammern  in  den 
Umgängen  ist  auch  hier  im  Ganzen  gering  und  ihr  Wachsthum  in  die 
Breite  rasch,  wodurch  eben,  im  Zusammenhang  mit  den  schon  hervor- 
gehobenen Charakteren,  die  allgemeine  Aehnlichkeit  mit  Pullenia  wesentlich 
bedingt  wird.  Bei  Endothyra  sehen  wir  denn  auch  dieselbe  weite  Mündung 
wie  bei  Pullenia  die  einfachen  und  in  ihrer  feinporösen  Beschaffenheit  sich 
nicht  von  den  übrigen  Kammerwandungen  unterscheidenden  Septen  durch- 
setzen. Sehr  eigenthümlich  gestalten  sich  hingegen  die  Mündungsverhältnisse 
bei  der  Gattung  Bradyina  und  der  nahe  verwandten  Cribrospira;  hier 
soll  nach  den  Möller'schen  Untersuchungen  jedes  Septum  anfänglich  völlig 
geschlossen  gebildet  werden,  so  dass  also  das  jüngste  Septum  oder  die 
Endfläche  der  jüngsten  Kammer  keine  Mündung  aufweist.  Nach  Bildung 
einer  weiteren  Kammer  wird  der  dünne  Basaltheil  des  Septums  zerstört 
und  damit  eine  ähnliche  weite  Communikationsöffnung  zwischen  den 
Kammern  hergestellt  wie  bei  Endothyra  und  Pullenia. 

Während  bei  der  genannten  Cribrospira  die  Septen  noch  einfach 
gebaut,  jedoch  von  grösseren  Poren  wie  die  übrigen  Schalenwandungen 
durchbrochen  werden,  stehen  dagegen  die  Septen  von  Bradyina  auf  einer 
höheren  Ausbildungsstufe,  indem  sie  von  zwei  Lamellen  zusammengesetzt 
werden,  zwischen  welchen  eine  Anzahl  radiär  verlaufender  Interseptal- 
kanäle  frei  bleiben,  die  auf  der  Oberfläche  der  Schale  längs  der  Kammer- 
nähte in  ziemlich  ansehnlichen  Poren  ausmünden.  Andererseits  münden 
jedoch  diese  Interseptalkanäle  auch  frei  in  die  Kammerhöhlungen  aus  und 
zwar  sowohl  auf  der  centralen  freien  Schneide  der  Septen  wie  auch  auf 
deren  vorderer  und  hinterer  Fläche.  Im  Princip  gestaltet  sich  daher  das 
Kanalsystem  hier  recht  ähnlich  dem  schon  früher  bei  Rotalia  kennen 
gelernten  und  schliesst  sich  an  die  noch  weiter  bei  den  Nummuliniden 
auftretenden  höheren  Ausbildungsstufen  desselben  an. 

Sehr  nahe  Beziehungen  zu  den  seither  besprochenen  Formen  scheint 
mir  die  Gattung  Aniphistegina  d'Orb.  (X.  1 — 3)  aufzuweisen,  wenngleich 
dieselbe  auch  von  neueren  Forschern  gelegentlich  zu  den  Rotalinen  gezogen 
wurde.      An    die  letztbesprochenen  Genera    schliesst   sich    Aniphistegina 


Perforate  Polythalamia.    (Amphistegina,  Nonionina  etc.)  79 

speciell   dadurch  näher  an,   dass  ihre  ganz  involute  iSchale  eine   ziemlich 
bedeutende   Asymmetrie  der    beiden   Seiteuflächen   aufweist  (X.  3).     Es 
lässt  sich  diese  Asymmetrie  entweder  auf  eine  schwach  schraubenspiralige 
Anordnung;  oder,  wie  es  hier  auf  dem  Durchschnitt  der  Schale  eigentlich 
mehr  den  Anschein  hat,  nur  auf  eine  stärkere,  asymmetrische  Ausbildung 
der    einen   Seite    zurückführen.      Diese    durch   stärkeres,    etwa    stumpf- 
kegeliges  Hervorspringen    ausgezeichnete  Seite   (X.  3,  b^)   wird,   da   die 
Septalöflfnungen  ähnlich  wie  bei  den  asymmetrischen  Rotalinen  sämmtlich 
auf  diese  Schalenseite  verschoben  sind  (3,  f),  als  die  Unterseite  bezeichnet. 
Im  Gegensatz   zu   den  seither  besprochenen   Formen   sehen   wir  hier  die 
Umgangshöhe    nur    sehr   allmählich    anwachsen   und   da   gleichzeitig   die 
Umgänge  auch  in  der  Richtung  der  Windungsaxe  nur  massig  zunehmen, 
besitzt   die  Gesammtgestalt  hier   nicht  das   kugelige  Aussehen   der  letzt- 
besprochenen Formen,  sondern  nähert  sich  mehr  einer  biconvexen  Gestal- 
tung (X.  Ic).     Die  Zahl   der  auf  einen    Umgang  kommenden  Kammern 
ist   sehr    ansehnlich,    die    die   Kammern    scheidenden    Septen   sind    sehr 
schief  zur  Spiralaxe   gestellt  und   zeigen  noch  eine   besondere,   auf  der 
Unterseite   hervortretende  Eigenthümlichkeit,   welche  für  unsere   Gattung 
vorzugsweise   bemerkenswerth   ist.     Auf  der  Oberseite   der  Schale  reprä- 
sentiren  sich  die  zahlreichen  Kammernähte  als  stark  nach  vorn  geknickte 
Linien  (X.  la);   auf  der  Unterseite  dagegen  sehen  wir  anscheinend  zwxi 
concentrisch  umeinander  gelagerte  Kämmerchenspiralen  (X.  Ib).     Und  in 
der  That  ist  etwas  derartiges  hier  auch  wirklich  zur  Ausbildung  gelangt. 
Es  hat  sich  nämlich   auf  der  Unterseite  die  flügelartig  nach  der  Axe  hin 
um    die    frühereu   Umgänge    herumlegende    Verlängerung    der  Kammern 
durch  eine  secundäre  Scheidewand  von   dem  peripherischen  Kammertheil 
abgesondert  und   diese  beiden  Theile  jeder  Kammerhälfte  der  Unterseite 
stehen   nur  noch   durch   eine  meist  enge  Communikationsöffnung  in  Ver- 
bindung,  was   sich  namentlich  gut  an  Steinkernen  fossiler  Schalen  nach- 
weisen lässt  (X.  2,  a).  Die  Septen  selbst  sind  von  einfacher  Bildung  und 
ausser  der   basal   und  auf  der  Unterseite  der  Schale  gelegenen  ziemlich 
ansehnlichen   Septalöfifnung   weisen  sie  gewöhnlich  nur  noch  eine  Anzahl 
grober  Poren    auf.     Wie    wir    ähnliches    auch  noch    bei    den    weiterhin 
zu  besprechenden  Formen  finden  werden,  sehen  wir  auch  hier  die  um  die 
Windungsaxe    gelagerte    Schalenpartie   (X.  3,  b,  b^)  aus    dichter,    nicht 
perforirter   Schalensubstanz   aufgebaut  und  ein  Streif  ähnlicher  nicht  per- 
forirter  Substanz   bildet   ferner  ein   durch  den  Verlauf  der  Rückenspirale 
bezeichnetes   Band  in   den   Umgangswandungen,    das    man   seiner  Lage 
nach  den  Dorsal  st  rang  nennt  (3,  c^,  c^).   Ein  Kanalsystem  ist  bei  der 
eben  kurz  geschilderten  Form  nicht  angedeutet. 

Eine  hohe,  ja  die  höchste  Entwickelungsstufe  erreicht  hingegen  das 
Kanalsystem  bei  den  beiden  in  sehr  naher  Beziehung  zu  einander  stehen- 
den Gattungen  Nonionina  und  Polystomella,  zwischen  welchen,  da 
sie  durch  zahlreiche  Uebergangsformen  mit  einander  verknüpft  scheinen, 
eine  scharfe  Grenzlinie  nicht  zu  ziehen  ist. 


80  Ehizopoda. 

Die  bei  weitem  einfacheren  Formen  umscbliesst  die  Gattung  Non io- 
nin a,  die  in  ihren  allgemeinen  Gestaltsverhältnissen  sich  z,  Th.  noch  sehr 
nahe  an  Pullenia  und  Endothyra  anreiht.  Im  Gegensatz  zu  letzterer 
Gattung  jedoch  haben  wir  hier  fast  durchaus  regulär-symmetrisch  gestal- 
tete Formen  von  gewöhnlich  sehr  bedeutender,  bis  völliger  Involubilität. 
Die  Zahl  der  auf  einen  Umgang  kommenden  Kammern  ist  meist  ziem- 
lich beträchtlich  und  die  Zunahme  der  Umgangshöhe  nicht  sehr  be- 
deutend. Zuweilen  jedoch  wächst  der  letzte  Umgang  recht  beträchtlich 
in  die  Höhe  und  es  nähert  sich  damit  die  ganze  Gestaltung  der  nahe 
verwandten  Gattung  Operculina.  Die  weniger  involuten  Formen  können 
jederseits  eine  recht  deutliche  Nabelhöhle  aufweisen,  meist  jedoch  wird 
dieselbe  durch  secundäre  Schalenmasse  völlig  ausgefüllt  und  die  Ablagerung 
derselben  erstreckt  sich  zuweilen  strahlenartig  von  dem  Nabel  aus  auf 
die  Kammernähte,  so  dass  hierdurch  eine  sternartige  Figur  auf  den  Seiten 
der  Schale  gebildet  wird. 

Die  ziemlich  senkrecht  zur  Spiralaxe  verlaufenden  Septen  werden 
von  einer  basalen  schlitzartigen  Mündung  durchbohrt.  Sie  sind  nicht 
perforirt  wie  die  Kammerwandungen,  aus  zwei  Lamellen  zusammengesetzt, 
zwischen  welchen  sich  ein  Kanalsystem  entwickelt.  Wie  sich  die  Ent- 
faltung dieses  Kanalsystems  speciell  bei  den  Nonioninen  gestaltet,  scheint 
noch  wenig  sicher  bekannt  zu  sein.  Nach  den  Angaben  von  Parker  und 
Jones  ist  es  häufig  sehr  wenig  ausgebildet  oder  soll  sogar  gänzlich  fehlen. 
Wir  schildern  hier  die  Ausbildung  des  Kanalsystems  bei  den  Nonionina 
so  nahestehenden  Polystomellen  (nach  den  Untersuchungen  Carpenter's), 
welchen  sich  in  dieser  Hinsicht  auch  die  Nonioninen,  wenigstens  in  ihren 
höher  entwickelten  Formen,  anschliessen  werden.  Jederseits  bemerkt  man 
hier  in  jedem  Septum  einen  Interseptalkanal,  der  dicht  unterhalb  der 
äusseren  Schalenoberfläche  verläuft  und  an  der  Rückenseite  des  Septums 
in  den  der  andern  Seite  übergeht  (X.  6  c,  d).  Von  jedem  dieser  Kanäle 
entspringen  vorn  und  hinten,  nach  der  Schalenoberfläche  zu,  zahlreiche 
secundäre  Kanälchen  (6  c,  f),  die  wie  bei  Rotalia  auf  der  Oberfläche  der 
Kammern  längs  der  Kammernähte  in  je  einer  vordem  und  hintern  Reihe 
von  Poren  ausmünden.  Die  Interseptalkanäle  jeder  Seite  nehmen  ihren 
Ursprung  von  einem  jederseits  der  Schale  verlaufenden  Spiralkanal  (X.  6c, 
e;  6  b,  e  u.  e^),  der  in  der  Gegend  der  Embryonalkammer  aus  einer  Art 
lakunären  Lücken werks,  wie  es  häufig  scheint,  beginnend,  die  nach  der 
Winduugsaxe  schauenden  Ränder  der  Umgänge  begleitet.  Die  Bildung 
dieser  Spiralkanäle  kann  man  sich  in  der  Weise  vor  sich  gehend  denken, 
dass,  bei  der  Auflagerung  jedes  neuen  Umgangs  auf  den  vorhergehenden, 
ein  solcher  spiraliger  Kanal  zwischen  der  Oberfläche  des  vorhergehenden 
Umgangs  und  der  sich  auflagernden  Wandung  des  folgenden  frei  gelassen 
wird.  Von  diesen  Spiralkanälen  entspringen  dann  noch  bei  denjenigen 
Formen,  bei  welchen  der  Nabel  von  einer  secundären  Auflagerungsmasse 
ausgefüllt  wird,  zahlreiche  letztere  durchsetzende  Kanälchen,  welche  in 


Polythalamc  Perforata.     (Polystomclla,  Oiierculina.)  81 

ziemlich  gestreckter  Richtung  nach  der  Schalenoberfläche  aufsteigen  und 
hier  ausmünden  (X.  6  b). 

Wie  gesagt,  besitzt  dieses  Kanalsystem  seine  höchste,  eben  geschil- 
derte Ausbildung  bei  der  Gattung  Polystomclla;  jedoch  sind  es  noch 
einige  nicht  uninteressante  morphologische  Eigenthümlichkeiten ,  welche 
letztere  weiterhin  charakterisiren.  Schon  bei  eigentlichen  Nonioninen  zeigt 
sich  nicht  selten  eine  Hinneigung  zum  Zerfall  der  schlitzartigen  Septal- 
öfifnung  in  eine  grössere  Anzahl  secundärer,  porenartiger  Oeffnungen. 
Letzteres  Verhalten  ist  dann  für  die  eigentlichen  Polystomellen  typisch 
geworden;  es  findet  sich  also  hier  statt  einer  einfachen  Septalöfifnung  eine 
Reihe  längs  des  ganzen  Basalrandes  des  Septums  hinziehender  Poren 
(6  b  u.  6  c,  s).  Ausserdem  bilden  sich  jedoch  hier  weiterhin  am  periphe- 
rischen Rand  der  Septen  eigenthümliche,  dicht  unter  der  Schalenoberfläche 
sich  entwickelnde  und  entweder  in  die  hintergelegene  Kammer  hinein- 
ragende, sackartige  Ausstülpungen,  oder  röhrenförmig  in  die  äussere 
Kammerwandung  sich  erstreckende  Fortsetzungen.  Auch  auf  die  Con- 
figuration  der  Schalenoberfläche  sind  diese  Bildungen  von  Einfluss,  indem 
entweder  bei  der  letzterwähnten  Ausbildungsform  derselben  längs  dem 
hinteren  Rand  jeder  Kammer  grubenförmige,  je  zwischen  zwei  der  Septal- 
röhrchen  gelegene  Einsenkungen  sich  finden  (XL  2  g),  oder  aber  bei  der 
erstgenannten  Ausbildungsform  eine  Längsfurchenbildung,  welche  haupt- 
sächlich auf  dem  jüngsten  Umgang  hervortritt  (X.  6  a),  von  jener  eigen- 
thümlichen  Beschaffenheit  der  Septen  äusserlich  Zeugniss  gibt. 

Wie  wir  schon  öfter  den  innigen  Zusammenhang  von  kalk-  und 
sandschaligen  Formen  zu  constatiren  hatten,  so  sehen  wir  denn  auch 
sandschalige  Rhizopoden  auftreten,  die  sich  in  ihrer  Gestaltung  so  nahe  an 
Nonionina  anschliessen,  dass  ich  ihre  Hierhergehörigkeit  nicht  bezweifeln 
kann.  Eine  solche  Form  ist  z.  B.  von  Brady  (117  I.)  als  Angehörige 
der  Gattung  Trochammina  (Tr.  trulissata  Brdy.)  geschildert  worden,  eine 
andere,  wohl  gleichfalls  sich  hier  anschliessende,  sandschalige  Form  ist 
noch  deshalb  von  besonderem  Interesse,  weil  Carter*)  bei  ihr  die  Per- 
foration der  Wände  sehr  wahrscheinlich  gemacht  hat.  Es  ist  dies  die  von 
Brady  (117  1.)  zum  besonderen  Geschlecht  erhobene  Cyclammina,  bei 
welcher  sich  nach  letzterem  Beobachter  der  von  Sandrhizopoden  schon 
vielfach  hervorgehobene  Charakter  auch  wieder  zeigen  soll,  nämlich  die 
z.  Th.  völlige  Erfüllung  der  Kammerhöhlungen  durch  Auswüchse  der  Wände. 

In  sehr  inniger  Beziehung  zu  einander  stehen  die  beiden  Gattungen 
Operculina  (X.  4)  und  Nummulites  (XII.  1 — 10),  so  dass  es  eigentlich 
nur  gewisse  Wachsthumsverhältnisse  sind,  welche  dieselben  unterscheiden. 
Andererseits  schliessen  sie  sich  auch  recht  innig  an  die  letztbesprochenen 
Formen,  Nonionina  und  Polystomclla,  an. 

Wir  haben  hier  gleichfalls  wieder  (mit  seltenen  kleinen  Abweichungen) 
die  regulär  spiralische  Aufrollung,  welche  zwischen  völliger  und  geringer 


*)  A.  m.  n.  h.  4.  XIX. 

Bronn,  Klassen  des  Thier-Eeichs.    Protozoa.  6 


82  Ehizopoda. 

Involubilität  schwanken  kann.  Da  jedoch  bei  den  wenig  involuten  Formen 
(wie  z.  B.  Operculina  und  den  in  der  Untergattung  Assilina  zusammen- 
gefassten  Formen  von  Nummulites),  wenn  auch  die  Kammerhöhlungen  der 
jüngeren  Umgänge  nicht  bis  zu  völliger  Umfassung  der  früheren  Umgänge 
sich  ausdehnen,  doch  die  Schalenwandung  der  jüngeren  Umgänge  sich 
verstärkend  auf  die  vorhergehenden  überlegt,  so  darf  hier  dennoch,  wie 
dies  auch  bei  einem  Theil  der  Polystomellen  der  Fall  ist,  von  völliger 
Involubilität  gesprochen  werden. 

Die  auf  allgemeinen  Wachsthumsverhältnissen  beruhenden  Unterschiede 
beider  Gattungen  sind  hauptsächlich:  das  verhältnissmässig  sehr  rasche 
Anwachsen  der  Umgangshöhe  bei  Operculina  (X.  4  a  u.  b),  was  sich 
namentlich  in  der  raschen  Höhenzunahme  des  letzten  Umgangs  ausspricht 
und  mit  der  geringen  Ausdehnung  in  der  Richtung  der  Windungsaxe  eine 
meist  sehr  abgeflachte,  scheibenförmige  Gestalt  der  Schale  bedingt.  Bei 
Nummulites  hingegen  wachsen  die  meist  sehr  zahlreichen  Umgänge  nur 
sehr  allmählich,  häufig  nahezu  unmerklich  in  die  Höhe  (XII.  1,  2,  6)  und 
eine  operculina-artige  Erhöhung  des  letzten  Umgangs  tritt  nie  auf,  sondern 
die  ausgewachsene  Schale  scheint  sich  im  Gegentheil  ziemlich  allgemein, 
wie  dies  schon  früher  angedeutet  wurde,  durch  Uebergang  der  spiraligen 
Aufrollung  in  eine  kreisförmige  zu  schliessen. 

Bei  beiden  Gattungen  sehen  wir  zahlreiche  ziemlich  genau  radiale  und 
nach  vorn  etwas  convex  hervorgewölbte  Septen  die  einzelnen  Kammern 
scheiden,  zwischen  welchen  an  der  Basis  der  Septen  gelegene,  spaltartige 
Oefifnungen  die  Communikation  herstellen  (X.  4b,  e  uud  XI.  8,  c). 
Gemeinsam  für  beide  ist  fernerhin  die  Ausbildung  eines  aus  nicht  per- 
forirter  Schalensubstanz  bestehenden  sogen.  Dorsalstrangs  (X.  4  b,  a — a^ 
u.  XII.  6  u.  8,  a — a^),  wie  wir  ihn  ähnlich  auch  schon  bei  der  Gattung 
Amphistegina  angetroffen  haben.  Hier  zeichnet  sich  derselbe  durch  seine 
bei  Operculina  sehr  deutliche  Zusammensetzung  aus  parallel  der  Spiral- 
axe  gelagerten  Kalkspicula  aus*),  fernerhin  jedoch  noch  durch  die  ihn 
der  Längsrichtung  nach  durchziehenden  zahlreichen  Kanäle,  welche 
unter  sich  vielfach  anastomosiren  und  einen  Abschnitt  des  hochausgebil- 
deten Kanalsystems  darstellen,  den  wir  bei  Polystomella  sammt  dem 
Dorsalstrang  vermissten.  Bei  Nummulites  treten  unter  den  Längskanälen 
des  Dorsalstrangs  hauptsächlich  zwei  Paar  ansehnlich  hervor  (XII.  8,  a). 
Das  übrige  Kanalsystem  wird  auch  hier  durch  dasselbe  Paar  ansehnlicher 
Spiralkanäle  gebildet  (X.  4  b,  4  c,  h,  XII.  8),  welche  wir  auch  schon  bei 
Polystomella  angetroffen  haben,  jedoch  ist  ihre  Lage  hier  eine  etwas 
andere,  indem  sie  einander  näher  gerückt  sind,  zu  beiden  Seiten  des 
Dorsalstrangs  und  demselben  aufgelagert  hinziehen,  also  die  Septen  jeder- 
seits  dicht  neben  den  seitlichen  Enden  der  spaltartigen  Septalöffnung 
durchsetzen.    Zwischen   die  beiden  Lamellen  jedes   Septums  schickt  der 


*)  Gegenüber   Carpenter  muss  ich,  nach  eigner  Untersuchung,  die  von  Carter  an- 
gegebene Zusammensetzung  des  Dorsalstrangs  aus  Kalkspicula  bestätigen. 


Polythalame  Perforata.     (Nummulitcs.)  ^3 

Spiralkanal  jeder  Seite  einen  nach  dem  Dorsalstrang  aufsteigenden  Inter- 
septalkanal  (X.  4b,  4c,  g;  u.  XII.  8f,  10b),  der  sich  während  seines  Ver- 
laufs meist  vielfach  verzweigt  und  indem  die  Zweige  jeder  Seite  unter 
sich,  häufig  jedoch  auch  mit  denen  der  gegenüberliegenden  Seite  anasto- 
raosenartige  Verbindungen  eingehen,  entsteht  ein  netzartiges  Kanalwerk 
von  mehr  oder  minder  regulärer  Ausbildung.  Von  dem  in  der  Dorsal- 
partie des  Septums  gelegenen  Theil  dieses  Gefässwerkes  nehmen  denn 
auch  die  den  Dorsalstrang  durchziehenden  Gefässe  ihren  Ursprung  (X. 
4  c,  a^).  Bei  Nummulites  wenigstens  ist  ferner  der  Zusammenhang  der 
Kanäle  des  Dorsalstrangs  mit  den  beiden  ihm  aufliegenden  Spiralkanälen 
des  folgenden  Umgangs  sichergestellt,  so  dass  also  in  dieser  Weise  das 
Kanalsystem  der  aufeinanderfolgenden  Umgänge  und  schliesslich  das  der 
ganzen  Schale  in  Zusammenhang  steht.  Wie  bei  Polystomella  sehen  wir 
fernerhin  auch  bei  Operculina  von  den  Interseptalkanälen  jedes  Septums 
zahlreiche  Aestchen  nach  der  äusseren  Schalenoberfläche  dringen  und 
hier  jederseits  der  durch  imperforirte  Schalenmasse  ausgezeichneten  Kammer- 
nabt in  je  einer  Porenreihe  ausmünden  (X.  4  b,  b).  Etwas  anders  hin- 
gegen gestalten  sich  diese  Verhältnisse  bei  Nummulites,  indem  hier  jene 
nach  aussen  führenden  Aestchen  nicht  gleichmässig  längs  jeder  Kammer- 
naht sich  erstrecken  (wie  denn  hier  auch  die  Kammernähte  nicht  wie  bei 
Operculina  durch  einen  fortlaufenden  Streif  imperforirter  Substanz  aus- 
gezeichnet sind),  sondern  es  dringen  sowohl  von  den  Interseptalkanälen, 
als  auch  direct  von  den  Spiralkanälen,  Bündel  feiner  nach  aussen  führender 
Zweigkanälchen  in  zapfenartige  nach  der  Schalenoberfläche  sich  erweiternde 
und  über  den  Septen  die  feintubulirten  Schalenwände  durchsetzende  Par- 
tien imperforirter  Substanz  ein  (XII.  8e),  um  auf  der  tuberkelartig  vor- 
springenden Aussenfiäche  dieser  Zapfen  oder  Pfeiler  auszumünden  (XII. 
6,  e,  9  e).  Wenn  nun ,  wie  dies  bei  den  involuten  Nummuliten  gewöhn- 
lich der  Fall  ist,  derartige  Zapfen  nicht  perforirter,  jedoch  von  Zweigen 
des  Kanalsystems  durchzogener  Schalensubstanz  der  übereinandergelagerten 
Umgänge  aufeinandertreff'en,  so  setzen  sie  sich  direct  ineinander  fort 
(XII.  2,  9e).  Wir  begegnen  dann  auf  den  Durchschnitten  solcher  Schalen 
sehr  häufig  derartigen  Pfeilern,  welche  durch  mehrere,  ja  durch  sämmtliche 
Umgänge  hindurch  sich  fortsetzen.  Die  Septen  werden  ausser  von  der 
SeptalöffnuDg  noch  von  einer  Anzahl  gröberer  Poren  durchbrochen,  welche 
auch  z.  Th.  eine  Communikation  der  Interseptalkanäle  mit  den  Kammer- 
räumen herstellen.  Im  übrigen  sind  wenigstens  bei  Operculina  die  Septen 
imperforirt,  wogegen  für  Nummulites  (z.  Th.)  von  v.  Möller  (116),  wie 
früher  auch  schon  von  d'Archiac  und  Haime,  eine  perforirte  Beschaffenheit 
der  Septen  angegeben  wird. 

Besondere  Eigenthümlichkeiten  zeigen  sich  noch  im  gegenseitigen 
Verhalten  und  der  Anordnung  der  Septen  bei  Nummulites,  wo  eine  be- 
deutende Mannigfaltigkeit  in  dieser  Hinsicht  angetroffen  wird.  Wie  schon 
oben  bemerkt  wurde,  ist  ein  Theil  der  Nummuliten  sehr  wenig  involut, 
wenigstens   in   dem  Sinne,    dass  die   eigentlichen   Kammerhöhlungen  der 

6* 


84  Ehizopoda. 

aufeinanderfolgenden  Unigänge  sich  ähnlich  wie  bei  Operculiua  nur  wenig 
umfassen  (XII.  4  a,  5).  Bei  den  involuten  Formen  dagegen,  bei  welchen 
die  Kammerhöhluugen  die  vorhergehenden  Umgänge  seitlich,  flügelartig 
ausgezogen,  bis  zur  Windungsaxe  überdecken  (XII.  2,  6),  findet  sich  ent- 
weder ein  einfach  strahlenartig  radiärer  Verlauf  der  Septen  bis  zur 
Windungsaxe  hin  (XII.  3),  oder  diese  nach  der  Windungsaxe  jederseits 
sich  erstreckenden  Seitentheile  der  Septen  zeigen  einen  mehr  oder  weniger 
unregelmässig  hin-  und  hergewundenen  Verlauf.  Bei  weiterer  Entwicke- 
lung  dieses  Verhaltens  trefiFen  die  Ausbuchtungen  dieser  seitlichen  Flügel- 
theile  der  aufeinanderfolgenden  Septen  verschmelzend  aufeinander  (XII.  7  b^). 
Durch  diese  eigenthümlichen  Wachsthumserscheinungen  werden  die  ur- 
sprünglich einfachen  Seitenflügel  der  Kammern  in  zahlreiche  secuudäre 
Kämmerchen  zerlegt  (XII.  6).  Ein  in  der  Windungsaxe  geführter  Durch- 
schnitt eines  solchen  Nummuliten  bietet  daher  in  der  Medianlinie  eine 
Reihe  grösserer  Kammern  (XII.  9,  b),  d.  h.  die  centralen  Kammertheile 
dar,  welche  seitlich  von  einer  ganzen  Anzahl  Schichten  sehr  niederer 
Kämmerchen  überdeckt  werden  (XII.  9d);  es  sind  dies  eben  die 
aus  der  Umbildung  der  Seitenflügel  der  Kammern  hervorgegangenen 
Kämmerchen. 

Eine  eigenthümliche  Parallelgruppe  zu  der  von  uns  schon  früher  be- 
sprochenen iraperforaten  Gattung  Alveolina  bilden  unter  den  Nummuliniden 
die  sogen.  Fusuliniden  (XII.  11 — 15)  mit  der  Hauptgattung  Fusulina.  In 
mancher  Hinsicht  schliessen  dieselben  sich  gerade  der  Gattung  Nummulites 
au,  von  der  sie  sich  jedoch  durch  eine  im  allgemeinen  viel  einfachere 
Bildungsweise  wieder  entfernen.  Der  hauptsächlichste  morphologische 
Charakter  dieser  Formen,  welcher  dieselben  gleichzeitig  den  Alveolinen 
nähert,  ist  die  völlige  Involubilität;  die  Umgänge  umhüllen  sich  hier 
völlig  (XII.  15),  so  dass  jeder  neue  Umgangsraum  allseitig  den  vorher- 
gehenden umfasst.  Aeusserlich  ist  daher  von  den  früheren  Umgängen 
absolut  nichts  sichtbar.  Gleichzeitig  ist  jedoch  die  Gesammtschaie  in  der 
Richtung  der  Windungsaxe  sehr  verlängert  (XII.  11,  12,  13,  15);  wes- 
halb, da  die  Umgangshöhe  nur  sehr  allmählich  anwächst,  die  Gesammt- 
gestalt  der  Schale  derjenigen  von  Alveolina  sehr  ähnlich  wird.  Bei  ge- 
ringerer Streckung  der  Windungsaxe  erscheint  sie  demnach  etwa  kugelig 
(Schwagerina),  bei  grösserer  Streckung  hingegen  spindelförmig  bis  cylin- 
drisch  (Fusulina  und  Hemifusulina).  Die  Umgänge  werden  wie  bei 
Nummulites  durch  zahlreiche  Septa  in  Kammern  zerlegt  (XII.  14),  die 
unter  einander  durch  spaltartige,  am  Innenrand  der  Septa  gelegene  Oeff- 
uungen  in  Verbindung  stehen  (XII.  lim).  Aehnlich  wie  wir  jedoch  die 
seitlichen  Theile  der  Septen  bei  gewissen  Formen  von  Nummulites  in  sehr 
eigenthümlicher  Weise  gefältelt  und  damit  die  Erzeugung  secundärer 
Kämmerchen  verbunden  sahen,  finden  wir  solches  auch  bei  den  Fusu- 
linen.  Bei  der  Gattung  Schwagerina  sind  die  Septen  in  ihrer  grössten 
Ausdehnung  von  regelmässig  ebenem  Verlauf,  an  den  Polen  der  Schale 
jedoch,    wo   sie  sich   der  Windungsaxe  nähern,    gehen  sie  plötzlich   in 


Polythalame  Perforata.     (Fusuliniden,  Loftusia.)  85 

wellenförmig  gebogeuen  Verlauf  über,  verzweigen  sich  auch  und  indem 
die  hier  zusammenkommenden  zahlreichen  Septen  eines  Umgangs  —  und, 
wie  es  scheint,  sogar  der  aufeinanderfolgenden  Umgänge  —  mit  ihren  Ver- 
zweigungen und  Hin-  und  Herbiegungen  vielfach  anastomosiren ,  bildet 
sich  in  der  Windungsaxe  ein  ganz  unregelmässiges,  labyrinthisches  Fach- 
werk (XH.  15  n)  kleiner  Kämmerchen  aus  (sogen,  filet  cloisonnaire,  nach 
der  Bezeichnung  von  d'Archiac  und  Haime  für  das  in  mancher  Hinsicht 
ähnliche  Verhalten  der  seitlichen  Septentheile  der  oben  beschriebenen 
Nummuliten).  Anders  hingegen  ist  das  Verhalten  bei  den  Gattungen 
Fusulina  und  Hemifusulina.  Hier  sind  die  Septen  durchaus  wellenförmig 
gefältelt,  parallel  dem  medianen  Durchmesser  der  Schale  (XH.  11  s,  13), 
jedoch  verliert  sich  diese  Fältelung  etwa  in  Va  bis  ^/g  der  Höhe  der 
Septen,  so  dass  sich  letztere  in  gestrecktem,  geradem  Verlauf  an  die 
äussere  Schalenwandung  anheften.  Indem  nun  die  sich  gegenüberstehenden 
Ausbiegungen  der  aufeinanderfolgenden  Septen  mit  einander  verschmelzen, 
wird  jeder  Kammerraum  in  eine  grosse  Zahl  secundärer  Kämmerchen 
getheilt,  welche  jedoch  sämmtlich  mit  ihren  äusserlichen  Theilen  unter 
einander  in  Verbindung  stehen,  da  ja  hier,  wie  erwähnt,  die  Fältelung 
der  Septen  fehlt. 

Die  einfachere  Bauweise,  gegenüber  Nummulites  etc.,  zeigt  sich  in 
dem  völligen  Mangel  eines  Kanalsystems  bei  Fusulina  und  Schwagerina, 
womit  denn  auch  die  Einfachheit  der  nichtperforirten  Septen  in  Verbin- 
dung steht.  Bei  der  Gattung  Hemifusulina  dagegen,  die  sich  in  allge- 
mein morphologischer  Beziehung  genau  an  Fusulina  anschliesst,  ist  mit 
dem  Auftreten  einer  doppelten  Septenwand  auch  ein,  wenn  auch  sehr 
mangelhaft  ausgebildetes,  Kanalsystem  verbunden. 

Wir  glauben,  im  Anschluss  an  die  Fusuliniden,  an  eine  sehr  eigen- 
thümliche,  von  ihrem  Monographen  Brady  (88)  für  eine  sandschalige  Form 
erklärte  Rhizopode  erinnern  zu  dürfen,  über  deren  Stellung  sich  bis  jetzt 
mit  Sicherheit  nur  wenig  bemerken  lässt.  Es  ist  dies  die  auch  durch 
ihre  Grösse  bemerkenswerthe  Gattung  Loftusia  (VII.  1),  welche  zuerst 
tertiär,  neuerdings  jedoch  auch  in  der  Kohlenformation  nachgewiesen 
wurde.  Wie  die  sandschaligen  Formen  überhaupt,  wird  auch  die  Loftusia 
von  Brady  für  eine  Imperforate  gehalten,  wogegen  viel  für  ihre  Zugehörig- 
keit zu  den  Perforaten  zu  sprechen  scheint  und  auch  die  angebliche  Zu- 
sammensetzung ihrer  Schale  aus  Kalksand  scheint  etwas  fraglich,  da  wir 
neuerdings  durch  v.  Möller  (116)  erfahren  haben,  dass  eine  Reihe  fossiler, 
angeblich  kalksandschaliger  Formen  als  echt  kalkschalige  zu  betrachten 
sind,  welche  durch  den  Fossilisationsprocess  eigenthümlich  verändert 
wurden.  In  ihren  allgemeinen  morphologischen  Bauverhältnissen  nähert 
sich  Loftusia  in  mancher  Hinsicht  den  besprochenen  Fusuliniden;  sie 
ist  gleichfalls  eine  völlig  involute  und  in  ihrer  Windungsaxe  sehr  ver- 
längerte, daher  ei-  bis  spindelförmige  Form,  die  jedoch  in  ihrem  feineren, 
inneren  Bau  mannigfache  sehr  eigenthümliche  Verhältnisse  darbietet.  Auf 
der  Innenfläche  einer  die  Umgänge  äusserlich  bildenden,  vcrhältnissmässig 


3  Q  Ehizopoda. 

dünnen  Schalenlamelle  hat  sich  nämlich  eine  ziemlich  beträchtliche  Menge 
einer  secundären,  eigenthümlich  reticulären,  bis  labyrinthiscben  Schalen- 
masse abgelagert  (1,  c),  welche  auch  die  elllpsoidische  Centralkammer 
vollständig  erfüllt.  Von  dieser  Auskleidungsmasse  entspringen  zahlreiche 
sehr  schief  zur  Spiralaxe  die  Umgangshöhlungen  durchsetzende  Septen, 
die  keine  regulären  Communikationsöffnungen  besitzen,  jedoch,  da  sie  aus 
der  gleichen  labyrinthisch  reticulären  Masse  gebildet  sind,  vielfache  Com- 
raunikationen  zwischen  den  durch  sie  geschiedenen  Kammern  gestatten. 
Ausserdem  erstrecken  sich  jedoch  noch  zahlreiche,  hohle  säulenartige 
Auswüchse  zwischen  den  benachbarten  Septen,  durch  welche  der  Kammer- 
raum vielfach  unregelmässig  untergetheilt  wird.  Wie  gesagt,  ist  der 
eigenthümliche  Bau  dieser  Gattung  (deren  Rhizopodennatur  sogar  von 
Carter,*)  jedoch,  wie  ich  glaube,  mit  Unrecht  bezweifelt  wird)  bis  jetzt 
in  keine  sichere  Beziehung  zu  anderen  Formen  zu  bringen,  doch  dürften 
die  allgemeinen  Bauverhältnisse  den  vorläufigen  Anschlus^  an  die  Fusu- 
liniden  wohl  rechtfertigen. 

Schon  früher  wurde  bei  Betrachtung  der  Imperforata  darauf  hin- 
gewiesen, dass  ein  ganz  ähnlicher  Uebergang  zur  cyklischen  Aus- 
bildungsweise, wie  er  von  Peneroplis  durch  Orbiculina  zu  Orbitolites  zu 
verfolgen  ist,  auch  bei  den  Perforaten  angetroffen  wird.  Hier  wird  dieser 
Uebergang  durch  die  Gattung  Heterostegina  (X.  5)  bewerkstelligt 
und  zwar  schliesst  sich  diese  zunächst  an  Operculina  an.  Wie  bei  letzterer 
haben  wir  auch  bei  Heterostegina  ein  ursprünglich  vollständig  oder  nahezu 
vollständig  involutes  Wachsthum,  das  jedoch  mit  dem  raschen  Höhen- 
wachsthum  der  Umgänge  schliesslich  in  ein  nur  wenig  involutes  übergeht, 
indem  sich  wie  bei  Operculina  der  letzte  Umgang  sehr  rasch  bedeutend 
erhöht  und  in  der  Richtung  der  AVindungsaxe  entsprechend  abflacht.  Eine 
sehr  grosse  Anzahl  nach  ^orn  convexer  und  ziemlich  schief  zur  Spiralaxe 
verlaufender  Septen  theilt  die  Umgänge  in  zahlreiche  und  nur  sehr  kurze 
Kammern,  während  dieselben  natürlich  sehr  rasch  an  Höhe  wachsen  und 
so  bei  der  Betrachtung  von  der  Seite  eine  etwa  bandförmige  Gestalt 
zeigen.  An  der  Basis  jedes  Septums  existirt  wie  bei  den  meisten  seither 
besprochenen  Nummuliniden  eine  Communikationsöffnung  zwischen  den 
Kammern.  Diese  bandförmigen  Kammern  werden  jedoch  ähnlich  wie  bei 
Orbiculina  durch  zahlreiche  secundäre  Scheidewände,  welche  senkrecht 
auf  die  primären  aufgesetzt  sind,  in  secundäre  Kämmerchen  getheilt. 
Unter  sich  stehen  diese  secundären  Kämmerchen  jeder  Kammer  in  keiner 
directen  Verbindung,  dagegen  communiciren  die  alternirend  gestellten  der 
aufeinanderfolgenden  Kammern  in  ganz  ähnlicher  Weise,  wie  wir  dies 
schon  mehrfach  unter  entsprechenden  Verhältnissen  fanden,  indem  jedes 
Kämmerchen  sowohl  mit  den  zwei  benachbarten  der  vorhergehenden  wie 
der  folgenden  Kammer  durch  schiefe  Communikationsöffnungen  in  Ver- 
bindung steht.    Sowohl   die  primären  wie   die  secundären  Scheidewände 


")  A.  m.  n.  h.  4.  XVII. 


Polythalame  Perforata.     (Cycloclypeus,  Orbitoides.)  87 

werden  von  zwei  Lamellen  zusammengesetzt,  zwischen  welchen  ein  Inter- 
Kanalsystem  verläuft,  das  sich  wie  bei  der  nahe  verwandten  Opereulina 
mit  einem  in  einem  Dorsalstrang  zur  AusbilduDg  kommenden  Theil  in 
Verbindung  setzt. 

Das  regulär -cyklische  Wachsthum,  wie  wir  es  unter  den  Im- 
perforaten  schon  bei  Orbitolites  antrafen,  linden  wir  unter  den  Perforaten 
bei  2  Gattungen,  Cycloclypeus  (VI. 3)  und  Orbitoides  (XII.  17— 21)  ver- 
treten, von  welchen  die  erstere,  als  die  einfacher  gebaute,  hier  zunächst 
unsere  Aufmerksamkeit  in  Anspruch  nehmen  wird.  Wie  bei  der  einfachen 
Form  von  Orbitolites  sehen  wir  hier  um  eine  ansehnliche  Centralkammer 
zahlreiche,  in  einer  Ebene  ausgebreitete  Kämmerchencyklen,  die  scheiben- 
förmige Schale  bilden  (VI.  3  B).  Zwischen  den  Kämmeichen  jedes  Cyklus 
existirt  auch  hier  keine  directe  Verbindung,  dagegen  stehen  die  alternirend 
gestellten  der  aufeinanderfolgenden  Cyklen  durch  mehrfache  übereinander- 
gelegene,  schiefe  Communikationen,  ähnlich  wie  bei  der  complicirten  Form 
von  Orbitolites,  in  Verbindung  (3,  D,  c,  f).  An  jedem  Kämmerchen  lässt 
sich  eine  primäre  innerste  Schalenlamelle  unterscheiden,  welche  jedoch 
auf  den  Seitenflächen  der  Schale  von  einer  dicken  Lage  geschichteter, 
secundärer  Schalensubstanz  überlagert  wird  (3  D  a),  während  gleichzeitig 
auch  die  aneinanderstosseuden  primären  Schalenlamellen  der  benachbarten 
Kämmerchen  durch  eine  Zwischenlagerung  ähnlicher,  jedoch,  wie  die 
Scheidewände  überhaupt,  nicht  perforirter  Substanz  gesondert  werden.  In 
dieser  Zwischensubstanz  der  Scheidewände  breitet  sich  nun  ein  hoch  ent- 
wickeltes Interkanalsystem  aus  (3  D,  c),  das  sich  im  wesentlichen  aus 
zahlreichen  radiären  (3  C,  g),  die  secundären  Septen,  und  cirkulären  (3  C, 
h,  h^),  die  primären  Septen  durchziehenden  Kanälen  zusammensetzt. 
Aestchen,  welche  von  den  Kanälen  der  secundären  Septen  abgehen, 
münden  in  die  Kämmerchenhöhlungen  ein  (3  C,  g),  während  andere,  in 
der  Dickenrichtung  der  Schale  von  den  radialen  und  cirkulären  Kanälen 
aufsteigende  Aestchen  durch  die  nichtperforirte  Schalensubstanz,  welche 
die  Fortsetzung  der  Septen  durch  die  perforirten  Auflagerungen  der  Seiten- 
flächen bildet,  hindurchtretend  (3  D,  e),  auf  der  Oberfläche  der  Schale 
in  feine  Poren  ausmünden,  lieber  den  Kanten,  welche  durch  die  zu- 
sammenstossenden  Wände  benachbarter  Kämmerchen  gebildet  werden» 
verdicken  sich,  namentlich  im  centralen  Gebiet  der  Scheibe,  diese  aus 
nichtperforirter  Substanz  bestehenden  Fortsetzungen  der  Septen  zu  nach 
der  Schalenoberfläche  zu  kegelartig  sich  verbreiternden  Pfeilern  (3  D,  c, 
c,  d).  Aehnliche  Bildungen  haben  wir  bei  verwandten  Formen  schon 
mehrfach  angetroffen  und  wie  dort  sind  sie  auch  hier  von  Ausläufern  des 
Kanalsystems  durchzogen.  Von  der  einfacher  gebauten  Gattung  Cyclo- 
clypeus unterscheidet  sich  der  complicirtere  Orbitoides  (XII.  17 — 21) 
hauptsächlich  durch  die  Eigenthümlichkeit,  dass  hier  zwischen  den  zahl- 
reichen aufeinandergeschichteten  Lamellen,  welche  wie  bei  Cycloclypeus 
die  seitlichen  Flächen  der  medianen  Kämmerchenschicht  überlagern,  zahl- 
reiche Schichten  secundärer  und  sehr  niedriger  Kämmerchen  eingeschaltet 


§8  Ehizopoda. 

sind  (21b,  20d),  demnach  in  einer  mehr  oder  minder  dicken  Lage  jeder- 
seits    die  mediane  Hauptkammerschicbt  (a)   überkleiden.     Da  ancb  hier 
wie  bei  Cycloclypeus  die  seitlichen  Auflagerungsmassen  am  stärksten  in 
der   centralen  Partie  der  Scheibe  entwickelt  sind,  so  tritt  diese  einmal 
gewöhnlich  knopfförmig    hervor    und    weist  ferner   zahlreichere  tiberein- 
andergestapelte  Schichten   von  Nebenkämmerchen    auf,   als   dies  in   den 
peripherischen  Theilen  der  Scheibe  der  Fall  ist.    Zwischen  den  grösseren 
Mediankammern  der  aufeinanderfolgenden,  häufig  jedoch  z.  Th.  nicht  ganz 
vollständigen,   Cyklen  existiren  ähnliche  Communikationen  (22,  a  b),   wie 
bei  Cycloclypeus;  dagegen  sollen  hier  gewöhnlich  auch  die  Kämmerchen 
jedes  Cyklus   durch  eine   die  secundären  Septen  durchsetzende  Oeffnung 
(22  a^)  in  directer  Verbindung  stehen.    Aber  auch  die  Nebenkämmerchen 
der  übereinandergeschichteten  Lagen  stehen  durch  Communikationskanäle 
in  Verbindung   (20 d),   indem  jedes   derselben   sich  durch  schief  von  ihm 
auf-  und  absteigende  Kanäle  mit  den  2  benachbarten,  jedoch  alternirend 
gestellten  der  über-  und  untergelagerten  Schicht  in  Communikation  setzt. 
Auf    der    Scheibenoberfläche    treten    die    nichtperforirten    Scheidewände 
zwischen  den  Nebenkämmerchen  gewöhnlich  etwas  leistenartig  hervor  (20) 
und  die  Gesammtheit  dieser  Leisten  bildet  eine  erhabene  netzartige  Zeich- 
nung.   Aehnlich  wie   bei  Cycloclypeus  entwickeln   sich  jedoch  auch  hier 
in  den  zusammenstossenden  Kanten  der  Scheidewände  der  Nebenkämmer- 
chen kegelartige  Pfeiler  (20 e)  von  nichtperforirter  Masse,   welche  in  den 
Knotenpunkten  des  oberflächlichen  Leistenwerks  warzig  vorspringen. 

In  ähnlicher  Weise  wie  bei  Cycloclypeus  ist  ferner  hier  auch  ein 
Kanalsystem  (20  h,  22)  entwickelt,  das  jedoch  im  Ganzen  weniger  genau 
bekannt  ist.  In  Kürze  mag  noch  erwähnt  werden,  dass  sich  in  dem 
hierhergehörigen  Formenkreis  eine  reiche  Mannigfaltigkeit  der  äusseren 
Gestaltung  kundgibt,  welche  jedoch  durch  gewisse  Modifikationen  aus  der 
typisch  scheibenförmigen  ohne  Schwierigkeit  abgeleitet  werden  kann. 
Durch  besondere  Mächtigkeit  der  seitlichen  Auflagerungen  von  Neben- 
kämmerchenschichten  geht  die  allgemeine  Gestaltung  in  eine  linsenförmige, 
ja  nahezu  kugelförmige,  über.  Durch  besonders  ansehnliche  Entwickelung 
der  Mediankamraern  in  gewissen  Radien  der  Scheibe  bilden  sich  auf  der 
Oberfläche  hervorspringende  Rippen  (19),  die  gleichzeitig  auch  eine  be- 
sondere randliche  Verlängerung  eingehen  können,  so  dass  der  Umriss  der 
Scheibe  eine  polygonale  (17)  oder,  bei  noch  stärkerem  Vorspringen  dieser 
Rippen,  sogar  eine  sternförmige  Gestaltung  (18)  annehmen  kann. 

In  ziemlich  naher  Beziehung  zu  Orbitoides  scheint  mir  in  allgemein 
morphologischer  Hinsicht  die  gewöhnlich  zu  den  Rotalinen  gerechnete 
Gattung  Tinoporus  (XIII.  2 — 3)  zu  stehen  und  zwar  wenigstens  mit 
der  unter  dem  Namen  T.  baculatus  bekannten  Art  (3).  Im  Hinblick  auf 
die  soeben  kurz  beschriebenen  Orbitoidesformen  können  wir  die  haupt- 
sächlichsten morphologischen  Besonderheiten  dieses  T.  baculatus  in  der 
Weise  charakterisiren ,  dass  wir  ihn  als  einen  Orbitoides  bezeichnen,  bei 
welchem    es    nicht   zur    Ausbildung   der   medianen  Kämmerchenlage   ge- 


Polytlialame  Perforata.     (Tiaoporus.)  89 

kommen  ist,  oder  bei  welchem  sich  dieselbe  nicht  von  den  übrigen 
Kämmerchen  unterscheidet.  Der  Wachsthumsanfang  des  Tinoporus  wird 
jedoch  an  Stelle  der  ansehnlichen,  bei  Orbitoides  sich  findenden  Central- 
kammern  durch  eine  Anzahl  deutlich  spiralig  aufgerollter  Kammern  be- 
zeichnet, die  man  wohl  als  die  sehr  reducirte  Medianlage  des  Orbitoides 
betrachten  dürfte.  Dies  scheint  um  so  mehr  gestattet,  als  sich  auch  bei 
gewissen  Orbitoidesformen  eine  so  erhebliche  Entwickelung  der  Neben- 
kammern findet,  dass  dagegen  die  mediane  Kämmerchenlage  sehr  zurück- 
tritt und  namentlich  die  beiden  seitlichen  Nebenkammerlagen ,  um  den 
peripherischen  Rand  der  Medianlage  herumgreifend,  in  einander  übergehen, 
wobei  natürlich  das  Weiterwachsthum]  der  medianen  Lage  gänzlich 
sistirt.  Es  Hesse  sich  der  Bau  von  Tinoporus  im  Anschluss  hieran  in  der 
AYeise  deuten,  dass  bei  ihm  die  mediane  Kammerlage  durch  sehr 
frühzeitiges  allseitiges  Herumwachsen  der  Nebenkämmerchen  nur  eine  sehr 
geringe  Ausbildung  erreicht,  wogegen  aber  die  Nebenkämmerchenlagen 
sich  sehr  entwickeln  und  in  allseitig  kugelig  umfassenden  Schichten  weiter- 
wachsen. Gleichzeitig  ordnen  sich  die  Kämmerchen  in  radialen,  ziemlich 
regelmässigen  Reihen,  wie  ja  solches  auch  bei  Orbitoides  hervortritt.  In 
dieser  Weise  wird,  da  auf  der  einen  Seite  der  spiraligen  Anfangs- 
kammerlage die  Entwickelung  der  Kämmerchenlagen  eine  etwas  reich- 
lichere ist  als  auf  der  entgegengesetzten  Seite,  eine  Gesammtschaie  von 
etwas  asymmetrischer,  brodförmiger  oder  bei  dem  Tinoporus  vesicularis 
(XIII.  2a)  stumpf  kegelförmiger  Gestalt,  mit  abgeplatteter  Unterfläche,  erzeugt. 
Unter  sich  stehen  die  Kämmerchen  in  ganz  ähnlicher  Verbindung 
wie  die  Nebenkämmerchen  bei  Orbitoides,  und  zwar  in  der  Art,  dass 
jedes  der  Kämmerchen  einer  radialen  Reihe  durch  Communikations- 
öffnungen  (2  b)  mit  den  zwei  weiter  nach  aussen  und  ebenso  den  zwei 
weiter  nach  dem  Centrum  zu  alternirend  gestellten  der  beiden  benach- 
barten Radialreihen  in  Verbindung  steht.  Während  die  parallel  der 
Oberfläche  verlaufenden  Böden  der  Kämmerchen  perforirt  sind,  wie  dies 
gleichfalls  bei  Orbitoides  der  Fall,  sind  hingegen  die  seitlichen  Wände 
solid.  Wie  bei  Orbitoides  entwickeln  sich  jedoch  auch  hier  längs  der 
Kanten,  in  welchen  die  Radialreihen  von  Kämmerchen  zusammenstossen, 
kegelförmige  Zapfen  von  solider  Schalensubstanz,  die  auf  der  Schalen- 
oberfläche warzig  hervorspringen,  wie  denn  auch  auf  der  Oberfläche 
eine  ähnliche  Netzzeichnung  sichtbar  ist,  die  von  den  vorspringenden 
Septen  der  oberflächlichsten  Kämmerchenschicht  herrührt.  Ausser  diesen 
Kegelzapfen  von  nichtperforirter  Schalensubstanz  (sogen,  supplementäres 
Skelet  Carpenter's)  bilden  sich  jedoch  hier  (T.  baculatus)  noch  weit 
ansehnlichere  und  zum  grössten  Theil  in  die  Ebene  der  anfänglichen 
Kämmerchenspirale  fallende  Ansammlungen  von  nicht  perforirter  Schalen- 
substanz ,  die  sich  radiär  stachelartig  (3) ,  ähnlich  wie  die  Stacheln  bei 
Calcarina,  über  die  Peripherie  der  Schale  hinaus  erstrecken  und  ziemlich 
zugespitzt  in  mehr  oder  minder  ansehnlicher  Längenentwickelung  endigen. 
Ein  reichlich  entwickeltes  Kanalsystem  durchzieht  diese  Stacheln,  um  auf 


90  Khizopoda. 

ihrer  freien  Aussenfläche  zu  münden,  und  setzt  sieh  andererseits  auch 
mit  den  anliegenden  Kämmerchenhöhlungen  in  Verbindung.  Auch  in  die 
Kämmerchenwandungen  soll  sich  nach  Carpenter  dieses  Kanalsystem 
erstrecken. 

Weit  einfacher  gestaltet  sich  der  Bau  bei  dem  Tinoporus  vesi- 
cularis,  dessen  allgemeine  Gestalt  schon  oben  erwähnt  wurde.  Hier 
fehlt  mit  der  Ausbildung  besonderer  Züge  unperforirter  Substanz  auch 
die  Entwickelung  eines  Kanalsystems.  Carter*)  will  daher  diese  Art 
gar  nicht  als  hierher  gehörig  gelten  lassen,  sondern  erhebt  sie  sammt 
einer  von  ihm  beobachteten  Form,  die  flache,  melobesia-artige  Ueberzüge 
auf  Korallen  etc.  bildet,  zu  einer  besonderen  Gattung  Gypsina. 

Einen  eigenthümlichen  Formtypus,  Patellina  Williams.,  glauben  wir 
hier,  des  leichteren  Verständnisses  wegen,  gleichfalls  im  Anschluss  an  die 
Gattung  Orbitoides  besprechen  zu  dürfen,  obgleich  die  näheren  verwandt- 
schaftlichen Beziehungen  dieser  im  Ganzen  bis  jetzt  nur  unzureichend 
erkannten  Formen,  noch  keineswegs  als  sicher  gestellt  betrachtet  werden 
dürfen.  Die  einfacheren  Ausbildungszustände  zeigen  Bauverhältnisse,  die 
in  ziemlich  hohem  Grade  für  einen  Anschluss  an  gewisse  Rotalinen 
sprechen,  wohin  denn  auch  die  Gattung  Patellina  von  den  meisten 
Forschern  gestellt  wird.  Die  äussere  Gestaltung  ist  im  Ganzen  charak- 
teristisch für  unsere  Gattung,  indem  dieselbe  stets  eine  höher  oder  flacher 
kegelförmige  ist  (IX.  9  a — b).  Bei  der  einfachst  gebauten  Form  findet 
sich  auf  der  Spitze  dieses  Kegels  eine  Embryonalkammer,  um  die  sich 
eine  spiralig-schraubig  geordnete  Kammerlage  herumlagert,  welche  jedoch 
bald,  ganz  ähnlich  wie  dies  bei  der  früher  erwähnten  Pulvinulina  vermi- 
culata  geschieht,  in  Umgänge  übergeht,  welche  nur  aus  zwei  schmalen 
bandförmigen  Kammern  bestehen.  Diese  letzteren  Kammern  lagern  sich 
mehr  oder  weniger  regelmässig  alternirend  um  einander.  Der  von  dieser 
eben  geschilderten  [einfachen  Kammerlage  gebildete  dünne  Mantel  des 
Kegels  umschliesst  eine  weite  axiale  oder  Nabelhöhle,  die  von  einer 
Ablagerung  secundärer  Schalensubstanz  mehr  oder  weniger  ausgefüllt 
wird.  Die  beschriebenen  halbkreisförmigen  Kammern  lassen  unter  sich 
keinerlei  deutliche  Communikationen  wahrnehmen  und  ihre  Hohlräume 
werden  mehr  oder  minder  vollständig,  jedoch  nie  gänzlich,  durch  von  der 
Aussenwand  hereinwachsende  secundäre  Septen  in  Kämmerchen  getheilt. 
Bei  einer  sich  hieran  anschliessenden,  wie  die  eben  erwähnte,  gleichfalls 
recenten  Form  (IX.  9),  ist  die  Theilung  der  Kammern  in  Kämmerchen 
eine  völlige,  so  dass  sich  zwischen  den  einzelnen  Kämmerchen  keine 
Communikationen  mehr  auffinden  lassen,  und  dies  um  so  mehr,  als  die 
secundären  Septen  solid  sind,  während  die  äussere  Wandung  jedes 
Käramerchens  von  einer  geringen  Zahl  von  Poren  durchbrochen  wird. 
Weiterhin  hat  sich  jedoch  bei  dieser  Form  ein  völlig  cyklisches 
Wachsthum  der  Kammern  ausgebildet,   so  dass  auf  die  verhältnissmässig 

*)  A.  m.  n.  L 


Polytlialaiue  Pcrforata.     (Patclliua.)  91 

grosse  Embryonalkammer  der  Kegelspitze  sogleich  völlig  cyklisch 
geschlossene  Kammern  folgen ,  welche  in  die  erwähnten  Käramerchen 
untergetheilt  sind.  Auch  die  Ausfüllungsmasse  der  Nabelhöhle  (9  b)  zeigt 
hier  eine  Weiterbildung,  da  sie  von  einem  lacunenartigen  Netzwerk 
secundärer  Kämmerchen  durchzogen  wird.  Es  lässt  sich  daher  die  letzt- 
besprochenc  Form  auch  wohl  mit  einem  Orbitoides  vergleichen,  dessen 
Mediankanimerlage,  statt  scheibenförmig  in  einer  Ebene  ausgebreitet  zu 
sein,  eine  kegelmantelartige  Entwickelung  genommen  hat  und  bei  welchem 
die  Ablagerung  secundärer  Schalenmasse,  sowie  die  von  ihr  bedingte 
Bildung  secundärer  Kämmerchen,  nur  auf  einer  und  zwar  der  Unterseite 
der  Hauptkammerlage  stattgefunden  hat.  Noch  mehr  Uebereinstimmung 
mit  der  Ausbildung  der  accessorischen  Nebenkämmerchenschichten  bei 
Orbitoides  scheint  die  Ablagerung  der  Nabelhöhle  bei  gewissen  fossilen, 
bedeutend  grossen  Patellinen  zu  besitzen.  Hier  sind  zunächst  diese  zahl- 
reichen Schichten  von  Nebenkämmerchen  so  geordnet,  dass  wie  bei 
Orbitoides  oder  Tinoporus  die  Kämmerchen  der  verschiedenen  Schichten 
in  vertikalen  Reihen  libereinandergelagert  sind.  Auch  tritt  wenigstens  bei 
einem  Theil  der  hierhergehörigen  Formen  auf  der  Kegelbasis  eine  ähn- 
liche netzartige  Zeichnung  hervor,  wie  wir  sie  oben  bei  Orbitoides  und 
Tinoporus  kennen  gelernt  haben,  wie  denn  auch  die  zwischen  den  senk- 
rechten Reihen  von  Nebenkämmerchen  sich  findenden  soliden  Pfeiler,  die 
mit  ihren  Breitenden  tuberkelartig  über  die  Oberfläche  der  Kegelbasis 
hervorragen,  sich  hier  wiederfinden. 

Etwas  abweichend  verhält  sich  bei  letzteren  Formen  z.  Th.  die  den 
Kegelmantel  bildende  Lage  der  Hauptkämmerchen.  Dieselben  können  näm- 
lich nochmals  durch  tertiäre,  nicht  völlig  die  Kammeriäume  durchsetzende 
Scheidewände  in  Kämmerchen  tertiärer  Ordnung  getheilt  sein,  oder  aber 
es  kann  das  cyklische  Wachsthum  in  dieser  Kämmerchenlage  unterbleiben, 
so  dass  dieselbe  sich  in  Form  einer  regulär  schraubenspiraligen  Röhre 
darstellt,  welche  durch  zahlreiche  Scheidewände  in  Kämmerchen  getheilt 
ist,  so  dass  also  in  letzterem  Fall  eine  Ausprägung  der  primären  Kamraer- 
abschnitte,  wie  wir  sie  bei  den  seither  besprochenen  Formen  kennen 
gelernt  haben,  sich  nicht  zu  finden  scheint. 

Den  Abschhiss  unserer  Betrachtung  der  morphologischen  Eigenthüm- 
lichkeiten  des  Schalenbaues  der  Rhizopoden  möge  ein ,  wie  es  scheint, 
sehr  eigenthtimlicher  Typus  bilden,  der  gewöhnlich  den  Rotalinen  näher 
angeschlossen  wird,  welche  Anreihung  mir  jedoch  im  Ganzen  wenig 
gesichert  erscheint;  es  ist  dies  die  Gattung  Polytrema  (IX.  IIa  —  b). 
Unter  den  jetzt  Lebenden  steht  dieselbe  sehr  vereinzelt,  wogegen 
sie  mit  gewissen  fossilen,  aber  ihrer  Natur  nach  noch  nicht  völlig  sicher- 
gestellten Formen  eine  Anzahl  Structureigenthümlichkeiten  theilt.  Wir 
meinen  hier  einmal  die  so  eigenthümliche,  nach  Carpenter  und  Brady  eine 
sandschalige  Foraminifere  darstellende  Parkeria  und  dann  die  palaeozoische 
Gruppe  der  Stromatoporidae,  in  deren  Nähe  zuweilen  auch  das  zweifel- 
hafte Eozoon  gebracht  wird. 


92  Ehizopoda. 

Wie  bemerkt,  ist  allein  die  recente  Gattung  Polytrema  allseitig  als 
Rhizopode  anerkannt,  obgleich  ihr  Aeusseres  sehr  abweichend  von  den 
meisten  seither  besprochenen  Formen  ist  und  weit  mehr  das  Bild  eines 
kleinen  Korallenskelets  (Edelkoralle),  als  das  einer  Rhizopodenschale  dar- 
bietet (IIa). 

Mit  einigen  Worten  müssen  wir  daher  hier  zunächst  des  Gesammt- 
habitus  gedenken.  Von  einem  mehr  oder  weniger  dicken,  stammartigen  und 
massig  hohen,  festgewachsenen  Basalstock  erheben  sich  eine  Anzahl  mehr 
oder  minder  entwickelter,  verzweigter  oder  un verzweigter  Aeste,  deren 
Enden  geöffnet  sind,  wenn  man  auch  im  Ganzen  nur  selten  noch  intakte 
Astenden  trifft.  Was  den  feineren  Bau  betriff't,  so  bemerkt  man  zunächst 
an  der  Basis  eine  Anzahl  unregelmässig  gehäufter  bis  spiralig  angeordneter 
Anfangskammern,  deren  äussere  Schalenwandung  feinperforirt  ist,  wogegen 
die  Septen  solid  sind.  Das  Weiterwachsthum  vollzieht  sich  durch  eine 
ziemlich  unregelmässige  Aufeinanderhäufung  von  Kammern,  die  sich  rasch 
lamellenartig  in  die  Breite  ausdehnen  und  sehr  nieder  werden.  Zugleich 
bildet  sich  an  diesen  Kammern  ein  sehr  eigenthümlicher  Charakter  aus. 
In  mehr  oder  weniger  regelmässigen  Abständen  senkt  sich  nämlich  die 
Schalenwandung,  indem  sie  gleichzeitig  ihre  Perforation  verliert,  zu  hohlen 
Pfeilern  nach  Innen  ein  (IIb  Is),  die  sich  auf  die  Aussenfläche  der 
unterliegenden  Kammer  aufsetzen.  In  Höhe,  Dicke  und  Weite  des  Lumens 
unterscheiden  sich  diese  Pfeiler  beträchtlich  und  z.  Th.  werden  sie  auch 
durch  Obliteration  ihrer  Lumina  solid.  Die  Lumina  der  hohlen  Pfeiler 
führen  natürlich  durch  eine  porenartige  Oeffnung  auf  der  Aussenfläche  der 
Kammerwand  in  den  Hohlraum  der  aufliegenden  Kammer  oder,  wo  solche 
fehlt,  nach  aussen.  Durch  diese  hohlen  Pfeiler  wird  jedoch  gleichzeitig 
eine  Coramunikation  der  Kammerräume  unter  einander  und  mit  der 
Aussenwelt  hergesteUt,  indem  die  Pfeiler  an  der  Basis  sehr  gewöhnlich 
(ob  immer?)  eine  ziemlich  ansehnliche  Oefiiiung  besitzen  (Hb,  o).  Die 
Bauweise  der  Aeste  ist  noch  nicht  ganz  sicher  ermittelt,  scheint  jedoch 
im  Princip  in  der  Weise  sich  zu  gestalten,  dass  eine  oder  mehrere  über 
einander  gelagerte  Kammerlamellen  in  einen  astartigen  hohlen  Fortsatz  aus- 
wachsen,  wobei  sich  die  Pfeiler  in  der  innersten  Kammerröhre  eines  solchen 
Astes  nicht  mehr  gegen  eine  unterliegende  Wandung,  sondern  gegen  ein- 
ander stützen.  An  den  Enden  sind,  wie  schon  gesagt,  die  Zweige  geöffnet. 
Weiter  im  Inneren  des  basalen  Stammes  zuweilen  sich  findende  grössere 
Räume  werden  von  Carter*)  durch  nachträgliche  Resorption  erklärt,  wo- 
gegen es  mir  eher  scheinen  will,  dass  dieselben  davon  herrühren,  dass 
bei  fortgesetztem  Wachsthum  die  ursprünglich  freien  Basen  der  Zweige 
mit  ihren  weiteren  Höhlen  in  den  Stamm  eingeschlossen  wurden. 

In  Kürze  möge  denn  hier  noch  eine  Darstellung  der  Hauptzüge  der 
Bauweise  jener  oben  schon  erwähnten  fossilen  und  zweifelhaften  Parkeria 
folgen,   wodurch  die  bis  zu  einem  gewissen  Grade  vorhandene  Aehnlich- 


*=)  A.  m.  II.  h.  4.  XVII. 


Polythalame  Perforata.     (P^rkeria.)  93 

keit  mit  dem  geschilderten  Bau  von  Polytrema  erhellen  dürfte.  Diese 
bis  zu  2  englischen  Zoll  im  Durchmesser  erreichende,  gewöhnlich  ziem- 
lich regulär  kugelige  Form  (V.  23)  soll  nach  Carpenter  und  Brady  (88) 
eine  kalksandschalige  Imperforate  sein,  jedoch  dürften  bezüglich  des  einen 
wie  des  anderen  Charakters  noch  einige  Zweifel  erlaubt  sein,  wie  wir  sie 
oben  schon  für  die  ähnlich  geschilderte  Loftusia  geltend  machten. 

Eigenthümlich  ist  der  Bau  der  von  Carpenter  geschilderten  Central- 
kammern  bei  Parkeria,  welche  in  grösserer  Zahl  in  gerader  Linie  und  in 
einem  Radius  der  kugeligen  Schale  angeordnet  sein  sollen  (23,  c^ — c^), 
so  dass  die  älteste  und  kleinste  am  meisten  peripherisch,  die  jüngste  und 
grösste  hingegen  im  Centrum  der  Kugel  gelegen  ist.  Carter*)  bestreitet 
jedoch  die  Natur  dieser  vermeintlichen  Centralkammern,  und  hält  sie  für 
einen  Fremdkörper,  welcher  von  der  Parkeria  überwachsen  wurde.  Nach 
ihm  sollen  verschiedenartige  Bruchstücke  von  Cephalopodenschalen  oder 
auch  Aggregate  von  kleineren  Rhizopodenschalen  und  Schwammnadeln 
die  Stelle  dieser  vermeintlichen  Centralkammern  vertreten  können.  . 

Um  diesen  Centraltheil  lagern  sich  nun  zahlreiche  kugelige  Schalen- 
lamellen (Ij — 14)  herum,  welche  durch  Zwischenräume,  die  etwa  primären 
Kammerräumen  der  Rhizopoden  gleichzustellen  wären,  von  einander  getrennt 
werden.  Jede  dieser  Lamellen  besteht  aus  zwei  Schichten,  einer  inneren 
dünneren  und  angeblich  soliden  und  einer  äusseren  dickeren  labyrinthisch 
röhrigen,  die  sich,  wie  die  Schalensubstanz  überhaupt,  aus  verkitteten 
Sandkörnchen  aufbauen  soll.  Zwischen  den  einzelnen  Schalenlagen  wird 
die  Verbindung  durch  pfeilerartige  oder  kegelförmige  hohle  ßadialbalken 
hergestellt  (23  b,  rp,  23  a  D,  A,  B).  In  den  Centraltheilen  der  Schale  sollen 
diese  Pfeiler  fast  nur  von  der  soliden  Innenlamelle  gebildet  werden, 
während  sie  in  den  äusseren  Theilen  eine  sehr  ansehnliche  Umhüllung 
von  der  labyrinthischen  Aussenschicht  erhalten  (23  b,  rp).  Auf  der  Aussen- 
fläche  jeder  Schalenlage  öffnen  sich  die  Hohlräume  der  sie  stützenden 
Pfeiler  in  den  nächstfolgenden  Kammerraum.  Ausserdem  setzen  sich 
jedoch  auch  die  Hohlräume  der  labyrinthischen  Schichten  je  zweier  auf- 
einanderfolgender Schalenlagen  durch  die  Vermittelung  der  Pfeiler  in 
directe  Verbindung. 

Wir  erkennen  aus  diesem  Verhalten,  dass  hauptsächlich  durch  die 
hohlen  Pfeiler  und  ihre  Beziehung  zu  den  von  ihnen  in  Verbindung  ge- 
setzten Schalenlagen  zwischen  Parkeria  und  der  früher  geschilderten 
Polytrema  eine  gewisse  Aehnlichkeit  hergestellt  wird. 

Auf  ähnliche  Verhältnisse  gründen  sich  auch  die  von  einer  Reihe 
von  Forschern  betonten  Beziehungen  zwischen  der  Gattung  Polytrema 
(und  den  Rhizopoden  überhaupt)  und  der  eigenthümlichen  Abtheilung  der 
sogen.  Stomatoporiden.  **) 


*)  A.  in.  n.  h.  4.  XIX. 

**)  Vergl.  über  diese  zweifelhafte  Gruppe,  sowie  über  das  Eozoon  den  systemat.  Absclinitt. 


94  Eliizopoda. 

Abnorme  Seh alenbildungs Verhältnisse. 

Unter  den  mannigfachen  Abnormitäten  und  Missbildungen  der  Schalen 
unserer  Rbizopoda,  die  gelegentlich  zur  Beobachtung  gekommen  sind, 
sind  hauptsächlich  die  eigenthümlichen  Doppelbildungen  von  Interesse, 
welche  sowohl  bei  monothalamen  wie  polythalamen  Schalen  sich  zuweilen 
finden.  Bei  den  monothalamen  Süsswasserbewohnern  sind  derartige  Fälle 
bis  jetzt  nur  sehr  selten  beobachtet  worden,  jedoch  zeigt  eine  Beobachtung 
von  Hertwig  und  Lesser  an  Trinema,  dass  sie  auch  hier  nicht  völlig 
fehlen.  Bei  letzterer  Form  beobachteten  H.  und  L.  ein  Monstrum,  das 
sich  etwa  wie  2  Einzelindividuen  darstellte,  die  mit  ihren  vorderen  Enden 
verschmolzen  und  in  einem  Winkel  von  etwa  100*'  zusammengestellt 
waren ;  auch  eine  eigenthUmliche,  fast  wie  in  Theilung  sich  repräsentirende 
Arcella  vulgaris,  die  vom  Verf.  gelegentlich  beschrieben  wurde,  darf  zu 
der  Kategorie  dieser  Bildungsabweichungen  gezählt  werden. 

G.ar  nicht  sehr  selten  scheinen  sich  derartige  Doppelbildungen  dagegen 
bei  der  monothalamen  Gattung  Lagena  zu  finden  und  hierhergehörige 
Exemplare  -sind  schon  von  Williamson  (61),  Parker  und  Jones  (79), 
Alcock  (86)  und  Anderen  beschrieben  worden,  Sie  repräsentiren  sich  in  Ge- 
stalt von  flaschenförmigen  Lagenagehäusen,  die  an  ihrem  Hinterende 
durch  eine  mehr  oder  weniger  tiefgreifende  Einfurchung  in  zwei  Lappen 
getheilt  sind  (VII.  22)  oder  erscheinen  wie  zwei  Lagenen,  die  mit  ihren 
Hinterenden  verschmolzen  sind  (VII.  18).  Andersartig  dagegen  sind  die 
auch  gar  nicht  so  selten  bei  dieser  Gattung  anzutreffenden  Doppelbildungen, 
welche  den  Uebergang  zu  den  polythalamen  Nodosarinen  vermitteln.  Hier 
ist  seitlich  oder  auf  das  Mündungsende  einer  Lagena  eine  zweite  Kammer 
mehr  oder  minder  regelmässig  aufgesetzt  (X.  21). 

Wie  gesagt,  sind  derartige  Doppelbildungen  jedoch  auch  bei  Poly- 
thalamen gelegentlich  beobachtet  worden  und  während  ihre  Bildungsweise 
bei  Lagena  und  anderweitigen  Monothalamen  im  Ganzen  ohne  grosse 
Schwierigkeit  verständlich  wird,  dürfte  sich  für  die  zu  erwähnenden  Poly- 
thalamien  die  Frage  nach  der  Bildung  solcher  Vorkommnisse  etwas 
schwieriger  gestalten.  Da  bis  jetzt  genauere  Untersuchungen  des  feineren 
Schalenbaues  nicht  vorliegen,  so  lässt  sich  auch  vermuthungsweise  nur 
wenig  in  dieser  Richtung  äussern.  Speciell  die  Gattung  Polystomella 
unter  den  Nummuliniden  scheint  eine  Neigung  zu  derartigen  Missbildungeu 
zu  besitzen.  M.  Schnitze  hat  solche  von  Polystomella  strigilata  beschrieben, 
bei  welchen  sich  der  letzte  Umgang  in  zvs'ei  neben  einander  herlaufende 
Umgänge  spaltet,  so  dass  die  Schale  Aehnlichkeit  mit  einem  Verwachsungs- 
zwilling erhält.  Entsprechende  Vorkommnisse  haben  weiterhin  Parker  und 
Jones  von  P.  striatopunctata  bekannt  gemacht.*) 

Sehr  bemerkenswerth  sind  fernerhin  die  eigenthümlichen  Abnormitäten, 


*)  Beschreibungen  \veiterer   Monstrositäten  von  Nodosaria  und  Marginulina  sollen  sich 
bei  Keuss  (Die  Verstein.  d.  böhm.  Kreideform.  1.  Abth.  1845)  finden. 


Gestaltung  des  W'ciclikörpers.  95 

welche  die  Gattung  Orbitolites  zuweilen  darbietet  und  die  gleichfalls  der 
Kategorie  der  eben  besprochenen  Bildungen  wohl  angereiht  werden 
dürfen.*)  So  sind  zuweilen  Exemplare  von  Orbitolites  gefunden  worden, 
bei  welchen  die  eine  Hälfte  der  Scheibe  von  regulärem  Bau  war,  während 
die  entgegenstehende  Hälfte  sich  in  zwei  unter  mehr  oder  minder  grossem 
Winkel  von  einander  abstehende  Scheiben  spaltete.  Eine  derartige 
Monstrosität  lässt  sich  wohl  in  ähnlicher  Weise  als  eine  Art  von  Doppel- 
bildung betrachten,  wie  die  früher  geschilderten  von  Polystomella.  Etwas 
abweichender,  wenn  auch  im  Princip  wohl  auf  entsprechende  Bil- 
dungsvorgänge zurückführbar,  sind  die  gleichfalls  nicht  gar  seltenen 
Exemplare  von  Orbitolites,  bei  welchen  aus  einer  regulär  gebauten  Scheibe 
sich  einseitig  eine'  vertikal  aufgesetzte  halbe  Scheibe  erhebt,  die  entweder 
von  gleichem  Durchmesser  wie  die  Hauptscheibe  ist,  oder  aber  nur  die 
Hälfte  dieser  erreicht,  in  welch  letzterem  Fall  sie  sich  dann  über  einem 
Radius  der  Hauptscheibe  erhebt.  Andererseits  reihen  sich  hier  dann  noch 
weitere  Formen  an,  bei  denen  eine  oder  mehrere,  jedoch  weniger  voll- 
ständige Scheiben  sich  von  der  Hauptscheibe  zu  erheben  vermögen,  die 
häufig  nur  peripherisch  zur  Ausbildung  gelangen  und  durch  welche  Formen 
der  Anschluss  an  die  früher  schon  kurz  erwähnten  gefalteten  und  mit 
radialen  Auswüchsen  verseheneu  grossen  Formen  vermittelt  zu  werden 
scheint. 


4.    Der  Bau  des  Weichkorpers  der  Rhizopoda. 

a.    Allgemeine   Gestaltsverhältnisse   des   Weichkorpers. 

Die  Gestalt  des  protoplasmatischen  Weichkörpers  der  beschälten 
Rhizopoda  wird  natürlich  von  der  Gestaltung  der  Schale,  sei  diese  nun 
völlig  oder  nur  z.  Th.  von  demselben  erfüllt,  bestimmt.  Bei  der  grossen 
Mehrzahl  der  unbeschalten  Rhizopoda  hingegen  ist  die  Gestalt  des  Weich- 
körpers eine  mehr  oder  minder  unregelmässig  wechselnde,  wie  es  die  in 
sehr  verschiedener  Weise  sich  entwickelnden  Pseudopodien  während  des 
beweglichen  Zustandes  bedingen.  Dennoch  lässt  sich  bei  einer  Reihe  von 
Formen,  trotz  der  wechselnden  Gestaltungszustände,  eine  gewisse  Grund- 
gestalt mehr  oder  minder  deutlich  erkennen. 

Im  Allgemeinen  scheint  wenigstens  für  eine  beträchtliche  Zahl  dieser 
nackten  Rhizopoden  eine  allseitig  abgerundete,  kugelige  Gestaltung  als 
Grundform  des  Körpers  festgehalten  werden  zu  dürfen,  da  wir  sehen, 
dass  unter  gewissen  Verhältnissen,  die  eine  Unterbrechung  der  Bewegung 
und  der  Pseudopodienentwickelung  hervorrufen  —  so  bei  dem  Uebergang 
in  den  Ruhezustand  (bei  der  Encystirung),  fernerhin  bei  der  Einwirkung 
von  Inductionsschlägen ,  sowie  z.  Th.  auch  ehem.  Reagentien  —  der 
betreffende  Rhizopodenkörper  sich  der  Kugelgestalt  nähert.   Wie  bemerkt. 


^).  Vergl.  bei  Carpenter  (74). 


96  Eliizopoda. 

bewahren  aber  auch  eine  Reihe  von  Formen  eine  gewisse  Grundgestalt 
ihres  Weichkörpers  trotz  reichlicher  und  wechselnder  Pseudopodienbildung 
ziemlich  dauernd  bei.  Zunächst  haben  wir  hier  Formen  zu  erwähnen, 
bei  welchen  es  überhaupt  nicht  zur  Entwicklung  eigentlicher  Pseudopodien 
kommt,  sondern  wo  sich  der  Rhizopodenkörper  ohne  tiefgreifende  äussere 
Gestaltveränderungen,  so  zu  sagen,  fiiessend  fortbewegt,  gewissermaassen 
ein  einziges  Pseudopodium  darstellend.  Als  Beispiele  dieser  Art  können 
wir  zunächst  die  bekannte  Amoeba  Guttula  Duj.  (II.  3)  (in  deren  Nähe 
jedenfalls  auch  die  Gattung  Hyalodiscus  H.  u.  L.  gehört)  aufführen.  Wir 
finden  hier  einen  scheibenförmig  abgeflachten  Körper,  von  nahezu  kreis- 
runder bis  ovaler  Gestalt,  der  tropfenartig  und  sehr  anhaltend  in  einer 
und  derselben  Richtung  hinfliegst,  ohne  seine  Gesammtgestaltang  namhaft 
zu  ändern.  Aehnlich  sehen  wir  bei  der  Amoeba  Limax  Duj.  (IL  2)  und 
einigen  Verwandten  eine  mehr  bandartig  gestreckte  Form  fast  ohne 
Pseudopodienentwickelung  hingleiten. 

Auch  die  Formen  mit  reichlicher  Entwickelung  von  Pseudopodien, 
seien  letztere  nun  von  einfacher  stumpfer,  bis  zarter  und  verästelter 
Gestaltung,  lassen  gewöhnlich  eine  gewisse  Grundgestalt  des  Pseudopodien 
aussendenden  Weichkörpers  erkennen  und  zwar  nähert  sich  derselbe 
gleichfalls  entweder  mehr  der  kugeligen  bis  scheibenförmigen  oder  der  in 
einer  Richtung  ausgezogenen,  bandförmigen  Gestalt. 

Ob  eine  dauernde,  bestimmte  Gestaltung  des  Weichkörpers  sich  bei 
einem  völlig  nackten  Rhizopoden  findet,  ist  eine  Frage,  welche  keineswegs 
sicher  entschieden  scheint,  wenngleich  jedenfalls  für  eine  Anzahl  Formen 
von  monaxonem  Bau  die  Schalenhaut,  wenn  sie  überhaupt  entwickelt 
ist,  eine  so  zarte  Beschaffenheit  besitzt,  dass  die  dauernde  und  bestimmte 
Gestaltung  des  Körpers  bei  der  Schmiegsamkeit  der  Membran  ohne  Zweifel 
vorzugsweise  von  der  Formbeständigkeit  des  Weichkörpers  bedingt  wird. 

Als  hierhergehörige  Beispiele  dürfen  aufgeführt  werden  der  nach 
Claparede  und  Lachmann  schalenlose  Petalopus  (IL  13)  mit  etwa  ovalem, 
vorn  abgestutztem  Körper,  von  welchem  abgestutzten  Körperende  die 
eigenthümlichen  Pseudopodien  entspringen.  Auch  die  im  Allgemeinen 
durch  ähnliche  Gestaltung  sich  auszeichnende  Gattung  Plagiophrys  ist  nach 
ihren  Entdeckern  Claparede  und  Lachmann  schalenlos  und  F.  E.  Schulze 
konnte  sich  bei  den  von  ihm  beobachteten  hierhergehörigen  Formen  eben- 
falls nicht  von  der  Existenz  einer  Schalenhaut  überzeugen.  Zweifelhaft 
in  dieser  Hinsicht  erscheint  ferner  noch  die  Gattung  Diplophrys  mit  ihren 
von  beiden  Polen  des  ovalen  Körpers  entspringenden  Pseudopodien- 
büscheln.  Uebrigens  ist  ja  die  Schwierigkeit  des  Nachweises  zarter 
Schalenhäutchen  genugsam  bekannt  und  andererseits  eine,  wenn  auch  nur 
zeitweise,  Formbeständigkeit  des  Weichkörpers  der  Rhizopoda,  bei  der 
Regularität  der  von  ihm  erzeugten  Schalenbildungen,  nicht  wohl  zu  be- 
zweifeln. 


Allgemeines  über  Jas  Protoplasma.  97 

ß.     Beschaffenheit    des    Protoplasmas    des   Rhizopodenkörpers    im 

Allgemeinen. 

Im  Ganzen  haben  wir  in  diesem  Abschnitt  nur  wenige  Bemerkungen 
beizubringen,  da  die  Schilderung  der  allgemeinen  Eigenschaften  und  des 
Verhaltens  des  Protoplasmas  der  Protozoen,  die  wir  in  der  allgemeinen 
Einleitung  zum  Gegenstand  unserer  Betrachtung  erwählt  haben,  auch 
für  die  Rhizopoden  im  Besonderen  ihre  Gültigkeit  besitzt. 

Die  physikalischen  Erscheinungen  des  Rhizopodenprotoplasmas  können 
beträchtlichen  Schwankungen  unterworfen  sein.  Schon  das  optische  Ver- 
halten lässt  in  manchen  Fällen  einen  Schluss  auf  die  bei  verschiedenen 
Formen  sehr  verschiedene  Consistenz  zu.  Ein  geringeres  Lichtbrechungs- 
vermögen deutet  im  Allgemeinen  auf  eine  geringere  Consistenz,  auf  eine 
flüssigere  Beschaffenheit  hin,  umgekehrt  ein  stärkeres  auf  einen  geringeren 
Grad  von  Verflüssigung.  In  gleicher  Weise  lässt  sich  aus  der  Art  der 
Bewegung  ein  Schluss  in  dieser  Hinsicht  ziehen,  da  eine  rascher  strömende 
Bewegung  und  Verschiebung  der  Plasmatheilchen  gegeneinander  gleichfalls 
eine  mehr  flüssige  Beschaffenheit  des  betreffenden  Plasmas  anzuzeigen  scheint, 
wie  trägere  Bewegungsvorgänge  das  Gegentheil  wohl  vermuthen,  jedoch 
nicht  mit  Bestimmtheit  voraussetzen  lassen.  In  wie  weit  die  später  noch 
zu  besprechenden  Gestaltsverschiedenheiten  der  Pseudopodien  mit  der 
verschiedenen  Consistenz  des  Protoplasmas  im  Zusammenhang  stehen  und 
daher  einen  Rückschluss  auf  die  Protoplasmaconsistenz  gestatten  mögen 
(wie  dies  zuweilen  angenommen  worden  ist;  vergl.  bei  Mereschkowsky  [118]), 
scheint  sehr  wenig  sicher.  Jedenfalls  scheint  es  nicht  zulässig,  die  Ent- 
wickelung  feiner,  zarter  Pseudopodien  in  einen  directen  Zusammenhang 
mit  einer  mehr  schwerflüssigen  Beschaffenheit  des  Protoplasmas  zu  bringen 
und  umgekehrt,  da  ja  häufig  gerade  sehr  zarte  Pseudopodien  durch  ihre 
sehr  lebhaften  Strömungserscheinungen  auf  eine  mehr  flüssige  Beschaffen- 
heit ihres  Protoplasmas  hindeuten. 

Als  Beispiele  protoplasmatischer  Rhizopodenkörper  von  dichterer, 
grösserer  Consistenz  darf  hier  wohl  an  die  grossen  in  der  Erde  lebenden 
Amöben  erinnert  werden,  bei  welchen  wenigstens  die  peripherische  Körper- 
partie eine  solche  hohe  Consistenz  zu  besitzen  scheint,  wogegen  zahl- 
reiche kleinere  Amöben  sich  durch  sehr  leicht  fliessende  Beschaffenheit 
ihres  Plasmas  auszeichnen.*)  Im  Allgemeinen  scheint  auch  für  die  zahl- 
reichen in  süssem  Wasser  lebenden,  einkammerigen  Formen  mit  spitzigen 
und  im  Ganzen  wenig  verästelten  und  wenig  anastomosirenden  Pseudopodien 
eine  zähere  Consistenz  des  Plasmas  gegenüber  den  marinen  Reticulaten,  mit 
ihrer  gewöhnlich  so  lebhaften  Körnchenströmung  der  Pseudopodien,  fest- 
gehalten werden  zu  dürfen.  Im  Speciellen  dürfte  jedoch  der  Consistenz- 
grad  bei  einer  und  derselben  Form  zu  verschiedenen  Lebenszeiten  wechselnd 


*)  Die  sich  zuweilen  bei  Amöben,  wie  auch  der  grossen  Pelomyxa,  durch  lebhafte  Mole- 
kularbewegung der  feinkörnigen  Einschlüsse  des  Endoplasmas  ausspricht. 

Bronn,  Klassen  des  Tliier-Reiclis.    Piotozoa.  7 


98  Ehizopoda. 

sein,  wie  sich  dies  z.  B.  mit  einiger  Berechtigung  aus  dem  verschie- 
denen Verhalten  der  Amoeba  radiosa  (jedoch  auch  zahlreicher  anderer 
in  bald  trägeren,  bald  rasch  beweglichen  Zuständen  sich  findender  Formen) 
wird  entnehmen  lassen.  Erstgenannte  Form  sehen  wir  ziemlich  plötzlich 
aus  einem  starren,  mit  langen,  wenig  beweglichen  Pseudopodien  aus- 
gerüsteten Zustand  in  einen  recht  beweglichen,  durch  stumpfe,  breite  Fort- 
sätze fortschreitenden,  übergehen,  was  wohl  mit  einer  Veränderung  in 
der  Consistenz  des  Plasmas  verknüpft  sein  dürfte. 

Eine  dichtere  Beschaffenheit  scheint  das  Plasma  ferner  nicht  selten 
bei  dem  Uebergang  in  den  encystirten  Zustand  anzunehmen,  indem  hier- 
mit, wie  wir  später  noch  genauer  zu  betrachten  haben  werden,  nicht 
selten  eine  Volumverminderung  verbunden  ist  und  sich  auch  eine  dichtere 
Beschaffenheit  schon  durch  die  erhöhte  Lichtbrechung  des  encystirten 
Plasmakörpers  kundgibt. 

Was  die  Structurverhältnisse  betrifft,  so  müssen  wir  zunächst  das 
Vorkommen  ganz  structurlosen,  hyalinen  Plasmas  anerkennen,  möge  dies 
nun,  wie  dies  z.  Th.  bei  gewissen  Formen  der  Fall  ist,  den  ganzen 
Weichkörper  bilden  oder  nur  eine  äusserliche  Zone  desselben. 

In  den  meisten  Fällen  jedoch  bietet  das  Plasma  eine  äusserst  fein- 
körnige Beschaffenheit  dar,  und  es  unterliegt  wohl  keiner  Frage,  dass 
wir  in  dieser  gleichmässig  durch  das  ganze  Plasma,  oder  doch  einen 
bestimmten,  von  dem  übrigen  in  dieser  Hinsicht  differenzirten  Theil,  sich 
erstreckenden  Granulation  ein  bestimmtes  Structurverhältniss  zu  erkennen 
haben;  wiewohl  häufig  die  feine  Granulation,  welche  wir  hier  im  Sinne 
haben,  von  den  verschiedeneu  Forschern  nicht  hinreichend  scharf  von 
körnigen  Einschlüssen,  wie  sie  in  sehr  mannigfacher  Ausbildung  anzu- 
treffen sind,  unterschieden  wurde.  Weitere  Structurverhältnisse  scheinen 
nur  selten  zur  Ausbildung  zu  kommen,  beschrieben  wird  zwar  z.  Th.  eine 
netzförmig-faserige  Structur  gewisser  Amöben,*)  jedoch  könnte  diese 
Erscheinung  sich  wohl,  wie  unten  noch  gezeigt  werden  wird,  auf  eine 
allgemeine  Vacuolisation  zurückführen  lassen.  Eine  eigenthümliche  faserige 
Structur  des  Plasmas  wurde  von  mir  bei  einer  grossen  Amöbe  beob- 
achtet (II.  4).**) 

y.   Differenzirung  des  Plasmas  in  besondere  Zonen  oder  Eegionen.- 

Wie  schon  mehrfach  hervorgehoben,  wird  bei  einer  sehr  grossen  Zahl 
von  Rhizopoden  der  gesammte  Weichkörper  von  durchaus  gleichmässiger 
Plasmamasse  gebildet.  Hierher  gehört  vor  Allem  die  grosse  Zahl  der 
marinen  Rhizopoden,  die  Perforata  also  durchaus  und  von  den  Imperfo- 
rata  ein  grosser  Theil.  Von  nackten  Formen  gehört  hierher  ein  Theil 
der  Amöben  (einschliesslich  Protamoeba);  auch  bei  der  ansehnlichen 
Pelomyxa  lässt  sich  kaum  von  einem  ständig  differenzirten  Aussenplasma 


*)  S.  bei  Heifzmann,  Sitzungsb.  d.  Wien.  Akad.  1873.  III.  Abth. 
**)  Ztschr.  f.  V.  Z.  Bd.  30. 


DifFerenzirung  des  Plasmas.     (Ecto-  und  Entoplasma.)  99 

reden.  Auch  die  marinen  Monerenformen  Protomyxa,  Myxodyctium  und 
Protogenes,  welche  wir  gleichfalls  unter  die  Rhizopoden  (in  unserem  Sinne) 
einreihen,  zeigen  keinerlei  Unterscheidung  von  besonderen  Plasmaregionen. 
Ebenso  ist  bei  den  beschälten  Süsswasserformen  im  Allgemeinen  nicht 
viel  von  der  Differenzirung  einer  besonderen  Rindenschicht  wahrnehmbar, 
wenn  sich  auch  die  oberflächlichste  Schicht  des  Weichkörpers  häufig 
etwas  freier  von  körnigen  Einschlüssen  zeigt.  Dennoch  erkennt  man  bei 
letzteren  Formen  eine  Hinneigung  zur  Sonderung  des  Plasmas,  indem 
die  Pseudopodien  gewöhnlich  eine  hyaline,  von  körnigen  Einschlüssen 
wenigstens  ganz  freie  Beschaffenheit  zeigen,  ihre  Bildung  demnach  durch 
lokales  Zusammenströmen  reinen,  von  Einschlüssen  freien  Plasmas 
geschehen  muss. 

Eine  mehr  oder  minder  scharf  ausgeprägte  Sonderung  des  Plasmas 
in  eine  oberflächliche  Rinden-  und  eine  Marksubstanz  (Ectosark  und  Ento- 
sark,  Ectoplasma  und  Entoplasma)  zeigt  sich  hingegen  bei  einem  Theil 
der  nackten  Formen.  Zahlreiche  Amöben  und  amöbenartige  Organismen 
(wie  die  Gattungen  Hyalodiscus  H.  u.  L.,  Dactylosphaera  H.  u.  L.,  Gloi- 
dium  Sorok.,  Plakopus  F.  E.  Seh.)  zeigen  eine  oberflächliche,  mehr 
oder  weniger  dicke,  aus  hyalinem  Protoplasma  gebildete  Rindenschicht 
(I.  11,  12;  II.  1,  5,  6),  welche  ein  körniges  Entoplasma  umschliesst.  Beson- 
dere Structurverhältnisse  dieses  Ectoplasmas,  wie  sie  uns  bei  anderen 
Protozoen  noch  begegnen  werden,  sind  hier,  soweit  bekannt,  niemals 
vorhanden.  Eine  scharfe  Grenze  existirt  natürlich  zwischen  dem  hyalinen 
Ecto-  und  dem  körnigen  Entoplasma  nicht,  wie  auch  schon  daraus  her- 
vorgeht, dass  bei  gewissen  Amöben  und  auch  Pelomyxa,  wo  für 
gewöhnlich  ein  Ectoplasma  sich  nicht  unterscheiden  lässt,  unter  gewissen 
Verhältnissen  eine  solche  hyaline,  äussere  Plasmalage  auftritt,  die  sich 
demnach  hier  in  gleicher  Weise  aus  dem  körnigen  Plasma  hervorgebildet 
haben  muss,  wie  sich,  lokal  begrenzt,  ein  hyalines  Pseudopodium  aus  einem 
aus  körnigem  Plasma  bestehenden  Rhizopodeukörper  entwickelt.*) 

Eine  Diff'erenzirung  gewisser  Körperregionen  kann  sich  jedoch  auch 
noch  in  anderer  Weise  an  dem  Leibe  gerade  solcher  Rhizopoden  hervor- 
bilden, welchen  die  oben  schon  geschilderte  Unterscheidung  von  Ecto- 
und  Endoplasma  abgeht. 

Bei  einer  Reihe  von  Euglyphinen  und  Gromiinen  lassen  sich  2,  auch 
3  hintereinander  gelegene  Abschnitte  des  monaxonen  Körpers  dadurch 
untercheiden,  dass  sich  die  später  noch  genauer  zu  erwähnenden,  körnigen 
Einschlüsse  vorzugsweise    in    der  mittleren   Körperregion   anhäufen   (III. 


*)  In  neuerer  Zeit  wurde  von  zwei  italienischen  Forschern,  Maggi  und  Cattaneo,  hei  der 
eigenthümlichen  aniöhenartigen  Gattung  Podostoma  Clp.  u.  L.  (vergl.  hierüher  den  systemat. 
Abschnitt),  weiterliin  jedoch  auch  hei  Arcella,  noch  eine  dritte,  zwischen  Ecto-  und  Entoplasma 
sich  einschiebende  Eegion  als  „Mesoplasma"  unterschieden.  Diese  Mesoplasmaregion  soll 
hauptsächlich  durch  die  Einlagerung  der  contractilen  Vacuolen  charakterisirt  sein.  Bis  jetzt 
scheint  mir,  die  Berechtigung  zur  Unterscheidung  eines  solchen  Mesoplasma  noch  nicht  ge- 
nügend begründet  zu  sein.  (Vergl.  Kendic.  R.  Ist.  Lomb.  2,  IX;  Atti  soc.  ital.  d.  sc.  n.  XXI). 

7* 


lOQ  fihizopoda. 

12a,  17a),  während  die  vordere  wie  auch  die  hintere,  den  Kern  ein- 
schliessende  Region  homogen  bleiben ;  häufig  dehnt  sich  jedoch  die  körnige 
Erfüllung  auf  die  gesammte  vordere  Körperhälfte  aus,  so  dass  dann  nur 
zwei  Abschnitte  hervortreten  (so  Euglypha,  Trinema,  Lecythium,  Platoum). 
Auch  das  umgekehrte  Verhalten  wird  angetroffen,  so  bei  Cyphoderia,  wo 
der  hintere,  kernhaltige  Abschnitt  sich  durch  seinen  Körnerreichthum  von 
dem  vorderen  unterscheidet  (III.  13).  Natürlich  ist  in  solchen  Fällen  die 
Scheidung  dieser  Regionen  noch  weniger  scharf  als  in  den  gewöhnlichen 
Fällen  der  Dififerenzirung  in  Ecto-  und  Entoplasma. 

Eine,  an  die  soeben  erwähnte  erinnernde,  Regionenbildung  wird  auch 
gewöhnlich,  doch  ohne  scharfe  Scheidung  in  einzelne  Regionen,  im  Körper 
der  polythalamen  marinen  Rhizopoden  durch  die  Vertheilung  des  fast 
regelmässig  vorhandenen ,  feinkörnigen  Farbstoffes  hervorgerufen.  Die 
grösste  Anhäufung  desselben  findet  sich  in  den  ältesten  Kammern,  wogegen 
sich  seine  Menge  in  den  jüngeren  successive  verringert,  so  dass  das 
Protoplasma  der  jüngsten  oder  auch  noch  das  mehrerer  vorletzten  Kammern 
nahezu  oder  völlig  farblos  erscheint. 

6.  Färbung-  des  Protoplasmas. 

In  den  allermeisten  Fällen  besitzt  das  Plasma  der  Rhizopoden  keine 
besondere  Färbung,  sondern  zeigt  die  bekannte,  schwach  bläulich-grüne, 
zuweilen  auch  mehr  gelbliche  Färbung,  welche  dem  Protoplasma  unter 
dem  Mikroskop  überhaupt  eigenthümlich  ist.  Es  scheint  überhaupt  fraglich, 
ob  jemals  eine  intensivere  eigenthümliche  Färbung  des  Plasmas  sich 
findet;  es  dürften  sich  vielmehr  die  wenigen  Fälle,  in  welchen  eine  Fär- 
bung des  Plasmas  selbst  angegeben  worden  ist,  doch  vielleicht  auch  als 
zu  der  gewöhnlichen  Kategorie  gehörig  herausstellen,  wo  nämlich  die 
scheinbar  diffuse  Färbung  durch  sehr  fein  vertheilten  Farbstoff  bedingt 
wird.  So  gibt  z.  B.  Häckel  für  seine  Protomyxa  aurantiaca  auch  neben 
dem  Vorhandensein  eines  röthlichen  bis  orangerothen  Farbstoffs  eine  gelb- 
röthliche  Färbung  des  Protoplasmas  selbst  an.  So  erwähnen  ferner 
Carpenter,  Jeffreys  und  Thomson*)  eines  Rhizopoden  mit  olivengrüner 
Sarkode. 

f.    Besondere  Einschlüsse  des  Protoplasmas. 

f'.     Nicli tcontractile    Vacuolen,    Gasblasen    und    eigenthümliche    Prodncte 

des  Stoffwechsels. 

Nie h tcontractile  Flüssigk ei ts räume  (Vacuolen)  sind  eine 
sehr  gewöhnliche  Erscheinung  im  Protoplasma  der  Rhizopoden  und  treten 
in  sehr  verschiedener  Grösse  und  Zahl  auf  (I.  1  a).  Gewöhnlich  finden  sie 
sich  vereinzelter  im  Weichkörper,  und  wo  derselbe  eine  Sonderung  in  Ecto- 
und  Entoplasma  zeigt,  in  diesem  letzteren  zerstreut;  seltener  hingegen  wird 


*)  Proc.  roy.  soc.  XVIII. 


Gasblaseu,  Nahruugsvacuoleu,  Farbstoifbläschen.  101 

ihre  Zahl  so  beträchtlich,  dass  das  sie  trennende  Plasma  nur  noch  ein 
Maschenwerk  von  Scheidewänden  zwischen  ihnen  herstellt,  das  Plasma  eine 
schaumige  oder  alveoläre  Beschaffenheit  annimmt.  Ein  derartiges  Verhalten 
begegnet  uns  z.  B.  gewöhnlich  bei  Pelomjxa  (II.  ^g),  auch  bei  gewissen 
Amöben  tritt  ähnliches  mehr  oder  weniger  deutlich  hervor  (so  z.  B.  bei  der 
von  Mereschkowsky  [118]  beschriebenen  A.  alveolata  und  der  neuerdings 
von  R.  Lankester  aufgestellten  Gattung  Lithamoeba*);  auch  bei  Plakopus 
ruber  ist  nach  F.  E.  Schulze  eine  schaumige  Beschatfenheit  eines  Theils 
des  Körpers  ziemlich  häufig). 

Der  Betrachtung  der  contractilen  Vacuolen  werden  wir  einen  beson- 
deren Abschnitt  widmen. 

Eine  sehr  eigenthümliehe  Erscheinung  im  Protoplasma  gewisser  Süss- 
wasserrhizopoden  bildet  das  zeitweilige  Auftreten  von  Gasvacuo  len.  Zuerst 
wurde  dieses  Phänomen  von  Perty  bei  Arcella  beobachtet**),  bei  welcher 
Gattung  dasselbe  auch  späterhin  am  häufigsten  studirt  wurde;  weitere 
Beobachtungen  hierüber  rühren  von  Engelmann,  Bütschli,  Entz  und  du 
Plessis***)  her,  die  das  Vorkommen  solcher  Gasblasen  auch  bei  Difflugia 
und  Amoeha  constatirt  haben.  Wie  schon  der  erste  Beobachter  derselben 
richtig  fand,  dienen  sie  den  betreffenden  Organismen  gewissermaassen  als 
Schwimmblasen  zur  Erhebung  und  zum  Schwimmen  im  Wasser,  oder  auch 
nur,  wie  dies  z.  B.  bei  Arcella  beobachtet  wurde,  zur  Veränderung  der 
Lage  des  Thieres,  Aufrichtung  oder  ümkehrung  desselben.  Die  Entwicke- 
lung  des  Gases  geschieht  nach  Engelmann  bei  Arcella  sehr  plötzlich  und 
wachsen  die  Blasen  in  etwa  5  —  20  Minuten  zu  ihrer  häufig  recht  be- 
trächtlichen Maximalgrösse  heran.  Ihre  Zahl  ist  sehr  verschieden;  wäh- 
rend bei  Arcella  gewöhnlich  2—5,  zuweilen  jedoch  auch  bis  14,  beobachtet 
wurden,  scheint  bei  Difflugia  gewöhnlich  nur  eine  einzige,  dafür  jedoch 
desto  ansehnlichere,  zur  Ausbildung  zu  kommen.  Auch  bei  Amoeba  wurden 
von  Entz  mehrere  Blasen  beobachtet.  Im  Ganzen  scheinen  sie,  wie  sie 
rasch  entstanden,  auch  rasch  wieder  zu  vergehen.  In  5—10  Minuten, 
oder  auch  noch  kürzerer  Zeit,  können  sie  vom  umgebenden  Protoplasma 
wieder  vöUig  absorbirt  werden.  Ueber  die  Natur  des  entwickelten  Gases 
liegen  bis  jetzt  kaum  Beobachtungen  vor,  Bütschli  glaubt,  wegen  der 
raschen  Absorption  desselben  durch  Kalilauge,  auf  COg  schliessen  zu 
dürfen. 

Wie  bei  den  Protozoen  sehr  gewöhnlich,  wird  auch  bei  den  Rhizo- 
poden  die  in  den  Körper  eingeführte  Nahrung  häufig  von  Flüssigkeit  um- 
geben, in  Vacuolen  eingeschlossen,  so  dass  wir  also  auch  hier  Nahrungs- 
vacuolen  antreffen,  über  deren  Bildung  dann  später  noch  Weiteres  zu  be- 


*)  Qu.  journ.  micr.  sc.  XIX. 

**)  Perty,  M. ,  Eine  physiol.  Eigenthümlichkeit  der  Khizopodensippe  Arcella.  Mittheil. 
der  iiaturf.  Gesellsch.  zu  Bern,  1849. 

***)  Engelmann,  Arch.  neerland.  sciences  cxactes  et  nat.  T.  IV.,  Zoolog.  Anzeiger 
Jahrg.  I.  —  Bütschli,  Archiv  f.  mikrosk.  Anatomie  Bd.  XI.  —  Entz,  Zoolog.  Anzeiger  Jahrg.  I. 
—  Du  Plessis,  Bull.  soc.  Vaudoise  sc.  nat.  Vol.  15. 


102  ßliizoijoda. 

richten  sein  wird.  Möglicherweise  sind  die  bei  den  marinen  Rhizopoden 
mehrfach  erwähnten  grösseren  Farbstoffb  las  eben  z.  Th.  auf  solche 
Nahrungsvacuolen  zurückzuführen,  deren  Flüssigkeit  bei  der  Veränderung 
der  aufgenommenen,  pigmentirten  Nahrung  durch  aufgelöste  Farbstoffe 
sich  färbt,  was  auch  schon  Carpenter  vermuthete.  *)  Wir  sehen  wenigstens 
ähnliches  bei  gewissen  Infusorien  vor  sich  gehen.  Die  Färbung  solcher 
Bläschen  ist  dieselbe,  wie  die  des  noch  zu  besprechenden,  körnigen 
Pigments,  also  gewöhnlich  eine  rothe  bis  bräunliche. 

An  die  besprochenen  Farbstoffbläschen  von  wahrscheinlich  vacuolärer 
Natur  schliessen  sich  nun  die  feinkörnigen  und  anderweitigen  Pigmente 
an,  welche  sehr  gewöhnlich  im  Protoplasma  der  Rhizopoden  und  in  dem 
der  marinen  fast  durchaus  verbreitet  sind.  Unter  diesen  Pigmenten  sind, 
namentlich  die  feinkörnigen,  intensiv  rothen  bis  gelblichrothen  und  gelb- 
braunen bei  den  marinen  Rhizopoden  ungemein  verbreitet  und  verleihen, 
wie  schon  oben  bemerkt  wurde,  durch  ihre  reichliche  Anhäufung  diesen 
Formen  meist  eine  mehr  oder  minder  intensive  Färbung.  Schon  oben 
wurde  ihrer  besonders  reichlichen  Anhäufung  in  den  älteren  Kammern 
der  Polythalamen  gedacht.  Die  genauere  Untersuchung  dieses  Farbstoffs, 
sowie  der  oben  schon  erwähnten  Farbstoffbläschen,  bei  Polystomella  und 
Gromia  durch  M.  Schnitze  (53)  ergab,  dass  es  sich  hier  um  einen  dem 
Diatomin  entsprechenden  Körper  handelt,  weshalb  M.  Schnitze  nicht 
anstand,  denselben  von  der  vorzugsweise  aus  Diatomeen  bestehen- 
den Nahrung  herzuleiten.  Die  Richtigkeit  dieser  Auffassung  ergab  sich 
auch  noch  daraus,  dass  sich  in  hungernden  Polystomellen  der  Farbstoff" 
sehr  verminderte,  wogegen  reichliche  Fütterung  ihn  bald  wieder  vermehrte. 

Aber  auch  die  Süsswasserformen  weisen  Pigmente  ähnlicher  Art  nicht 
selten  auf.  So  findet  sich  ein  ähnliches  diatomin-artiges  Pigment  häufig 
bei  Pseudochlamys  patella.  Ein  tiefviolettes,  feinkörniges  Pigment  findet 
sich  bei  der  Amphizonella  violacea  Greeff.  Ein  zinnoberrothes,  zuweilen 
ins  braunrothe  und  grünliche  gehendes,  ist  charakteristisch  für  denPlakopus 
ruber  F.  E.  Schulze's  und  soll  wahrscheinlich  aus  dem  Chlorophyll  der 
aufgenommenen  Nahrung  hervorgehen,  wie  ja  ähnliche  Umwandelungen 
gefressener  Chlorophyllmassen  zu  gelben  bis  braungelben  Massen  auch 
schon  anderweitig,  so  z.  B.  von  Auerbach  bei  dem  Cochliopodium  bilim- 
bosum  beobachtet  wurden.  **)  Chlorophyll  selbst,  als  endogenes  Erzeugniss 
des  Rhizopodenkörpers,  ist  mit  Sicherheit  kaum  bekannt,  es  scheint  sich 
hier  fast  durchaus,  um  als  Nahrung  aufgenommenes  Chlorophyll  zu  handeln. 
Doch  ist  eine  der  beschriebenen  Varietäten  der  Dactylosphaera  vitieum 
H.  u.  L.  mit  grünen  Körnern  reichlich  gefüllt,  während  die  andere  Varietät 
ähnliche  gelbe  Körner  zeigt.  Zahlreiche  Chlorophyllkörner  enthalten 
fernerhin  auch   eine  Art  oder  Varietät    von   Cochliopodium,    sowie   sehr 


*)  Grössere   Nahrungsbestaiidtheile ,   wie   Diatomeen,    scheinen   jedoch   bei   den   marinen 
Khizopoden  gewöhnlich  nicht  in  besondere  Nahrungsvacuolen  eingeschlossen  zu  werden. 
**)  Z.  f.  w.  Z.  VII. 


Pigmente,  C]iIoro2)hyll,  Fettkörnchen,  Excretkoruchcn.  103 

häufig-  die  Difflugien.*)  ReiDgelbes  Pigment  findet  sich  auch  noch  bei 
einigen  weiteren  Formen;  so  sind  die  Spindelzellen  einer  Art  der,  in 
ihren  Beziehungen  zu  den  ßbizopoden  zwar  noch  etwas  zweifelhaften  Lab}'- 
rintbula  Cienkowsky's  von  feinkörnigem,  gelbem  Pigment  erfüllt,  während 
bei  der  eigenthümlichen  Diplophrys  sich  ein  oder  mehrere  gelbe  bis  orange- 
farbene, oder  sogar  rubinrotbe  und  zuweilen  recht  ansehnliche  Kugeln 
finden  (zuweilen  sind  sie  jedoch  auch  farblos)  (IV.  2  a,  a).  Hier  handelt 
es  sich  jedoch,  wie  das  Verhalten  zu  Chloroform  und  Alkohol  ausweist, 
wohl  sicher  um  einen  festen,  gefärbten,  fettartigen  Körper,  also  kein 
eigentliches  Pigment. 

Ausser  gefärbten,  körnigen  oder  tröpfchenförmigen  Einschlüssen  des 
Rhizopodeuprotoplasmas  finden  sich  jedoch  auch  sehr  gewöhnhch  un- 
gefärbte vor,  deren  Natur  keineswegs  immer  ganz  sicher  gestellt  scheint. 
Häufig  mögen  diese  z.  Th.  sehr  kleinen,  stark  lichtbrechenden  Körnchen 
und  Tröpfchen  mit  Recht  als  Fett  betrachtet  werden.  So  sind  sehr  kleine 
derartige  Fetttröpfchen,  jedoch  auch  gewöhnlich  untermischt  mit  etwas 
grösseren  (bis  zu  0,001 — 0,002"'),  im  Protoplasma  der  marinen  Rhizopoden 
durchaus  verbreitet ;  auch  bei  den  Süsswasserrhizopoden  sind,  wie  soeben 
schon  gelegentlich  von  Diplophrys  erwähnt  wurde,  zuweilen  Fettkugeln 
vorhanden;  so  haben  ferner  die  Untersuchungen  Hertwig's  die  fettige 
Natur  der  im  Protoplasma  der  Mikrogromia  zerstreuten,  feinen  Körnchen 
wegen  ihres  Verhaltens  zu  Osmiumsäure  sehr  wahrscheinlich  gemacht. 

Eine  grosse  Zahl  der  im  Protoplasma  der  Süsswasserrhizopoden  sehr 
verbreiteten  und  wohl  in  Zusammenhang  mit  den  Stoffwechselverhältnissen 
zu  gewissen  Zeiten  in  grösserer  Menge  angehäuften,  stark  lichtbrechenden 
Körner  sind  jedoch  häufig  unrichtig  als  Fettkörner  beansprucht  wor- 
den.**) Es  sind  dies  Körnchen  von  äusserster  Kleinheit  bis  zu  ziem- 
lich ansehnlichen  Dimensionen,  so  dass  die  grössten  derselben  sich  als 
concrelionenartige  Einschlüsse  darstellen.  ***)  Ihre  Färbung  ist  gewöhnlich 
etwas  dunkel,  mit  einem  Stich  ins  gelblichbraune  oder  olivenfarbige. 
Meist  bieten  sie  ziemlich  wechselnde,  unregelmässige  Formen  dar  (s.  H.  11; 
HI.  12  a,  17a),  doch  ist  für  ihre  ßeurtheilung  noch  besonders  charak- 
teristisch, dass  sie  gar  nicht  selten  auch  in  krystallinischer  Gestaltung 
auftreten  können,  und  zwar  scheinen  sie  rhombisch  zu  krystallisiren, 
vorzugsweise  in  Pyramiden  oder  Combinationen,  in  welchen  eine  Pyramide 
vorherrscht  (vergl.  hierüber  haupts.  bei  Auerbach  f)).  Ihre  Unlöslichkeit 
in  Alkohol  und  Aether,  sowie  verdünnten  Mineralsäuren,  ihre  Löslichkeit 
dagegen  in  concentrirten  Säuren  und  Alkalien  schliesst  ihre  Fettnatur 
aus;    Auerbach    vergleicht   sie    den   Dotterplättchen    des    Fischeies,    ich 


*)  S.  haupts.  Carter  A.  m.  n.  h.  3.  XIII. 

**)  Bei  Carter  erscheinen  sie  unter  der  Bezeichnung  „granules". 
***)  Wie  sie  z.  B.  neuerdings  in  sehr  hervorragender  Grösse  und  Zahl  von  Kay  Lankester 
in  seiner  Lithamoeha  discus  angetroffen  worden  sind     (Quart,  journ.  Micr.  sc.  N.  S.  T.  XIX.) 
t)  Z.  f.  w.  Z.  Bd.  VII. 


1Q^  Rhizopoda. 

halte  es  hingegen,  wie  ich  das  auch  schon  früher  ausgesprochen  habe,*) 
für  das  Wahrscheinlichste,  dass  wir  es  hier  mit  einem  Endproduct  des 
Stoffwechsels  zu  thun  haben.  Da  die  chemische  Natur  dieser,  bei 
den  Protozoen  überhaupt  sehr  verbreiteten  Körperchen  mit  Sicherheit 
noch  nicht  festgestellt  ist,  so  bleibt  es  bis  jetzt  nur  Vermuthung,  in  ihnen, 
wie  ich  gethan,  ein  oxalsaures  oder,  wie  Entz  will,  ein  harnsaures  Salz 
anzunehmen.  Ihre  bei  Infusorien  häufig  sehr  eigenthümliche,  büschelig 
krystallinische  Beschaffenheit  hat  mich,  hauptsächlich  im  Hinblick  auf  ähn- 
liche Krystallbildungeu  oxalsaurer  Salze,  zu  der  ausgesprochenen  Ver- 
muthung veranlasst.  Die  grosse  Verbreitung  dieser  von  mir  mit  dem 
Namen  Secretkörnchen  (wohl  besser  Excretkörnchen)  belegten  Ein- 
schlüsse bei  den  Protozoen  überhaupt,  lässt  auch  wohl  mit  Recht  ver- 
muthen,  dass  sie  bei  den  marinen  Rhizopoden  ebenso  häufig  sein  werden, 
wie  bei  den  Süsswasserformen. 

Eigenthümlich  ist  ferner  noch,  dass  es  hauptsächlich  diese  Excret- 
körnchen zu  sein  scheinen,  welche,  durch  ihre  Anhäufung  in  gewissen 
Körpergegenden,  die  oben  schon  bei  einer  Anzahl  Süsswasserformen  be- 
tonte Unterscheidung  bestimmter  Regionen  ermöglicht.  Es  scheint  hier- 
nach, dass  die  Abscheidung  solcher  Excretkörnchen  bei  den  betreffenden 
Formen  vorzugsweise  auf  gewisse  Körperregionen  lokalisirt  ist. 

Das  Vorkommen  von  Stärkemehlkörnern,  als  endogener  Erzeugnisse 
der  Sarkode  des  Rhizopodenkörpers,  scheint  bis  jetzt  mit  Sicherheit  in 
keinem  Fall  erwiesen  zu  sein.  Auerbach**)  erwähnt  zwar  z.  B.  des  Vor- 
kommens zahlreicher  kleiner  Amylumkörnchen  in  der  oberflächlichen 
Plasmaschicht  seines  Cochliopodium  bilimbosum,  jedoch  ist  derartiges  von 
andern  Untersuchern  dieser  und  nahe  verwandter  Formen  bis  jetzt  nicht 
wieder  gesehen  worden.  Stärkekörner  werden  nach  Carter***)  auch  im 
Protoplasma  gewisser  Difflugien  reichlich  angetroffen  und  sollen  sich  nach 
demselben  Forscher  auch  im  Plasma  seiner  Operculina  arabica,  also 
einer  marinen  Form,  gefunden  haben. f)  Ob  die  Beobachtung  Cien- 
kowsky's,tt)  dass  die  Spindelzellen  der  in  ihrer  Stellung  noch  zweifelhaften 
Labyrinthula  sich  durch  Jod  blau  färben,  hierhergezogen  werden  darf, 
scheint  sehr  zweifelhaft,  da  diese  Bläuung  bei  vorheriger  Behandlung  der 
Spindeln  mit  Alkohol  nicht  eintreten  soll. 

Wir  haben  dann  noch  einer  Reihe  von  Inhaltskörpern  zweifelhafter 
Natur  zu  gedenken,  die  sich  z.  Th.  verbreiteter,  z.  Th.  hingegen  nur  bei 
gewissen  Formen  im  Protoplasma  gefunden  haben.  Hierher  gehören  zu- 
nächst blasse  Bläschen  mit  homogenem  oder  feiugranulirtem  Inhalt  und 
einem  Durchmesser  von  etwa  0,002—0,003'",  die  M.  Schnitze  sehr  ver- 
breitet bei   den  marinen  Rhizopoden  getroffen  hat  und  die  durch  Einwir- 


*)  Z.  f.  w.  Z.  XXX. 
**)  Z.  f.  w.  Z.  VIII. 
***)  A.  m.  n.  h.  3.  XII.  u.  XIII. 

t)  A.  lü.  11.  h.  8.  VIII. 
tt)  Arcli.  f.  m.  A.  III. 


Stärkemehlkömer,  Glanzkörper  etc.  105 

kling  von  Essigsäure  oder  verdünnter  Kalilauge  bis  zum  Verschwinden 
erblassen  sollen.  Ihre  Natur  dürfte  nach  diesen  Angaben  schwer  zu 
beurtlieilen  sein.  Zweifelhafter  Natur  sind  auch  die  bräunlichen  und 
z.  Th.  sehr  unregelmässig  gestalteten  Körperchen,  welche  nach  den  Unter- 
suchungen von  M.  Schnitze  der  Grouiia  Dujardini  ihre  braune  Färbung 
verleiben.  Ihre  Resistenz  gegen  starke  Alkalien  und  Mineralsäuren  und 
die  schwärzlichviolette  Färbung  durch  Jod  und  Schwefelsäure  machen  eine 
Beziehung  zu  Cellulose  noch  am  wahrscheinlichsten,  obgleich  ihre  Unlös- 
lichkeit in  concentrirtcr  Schwefelsäure  hiermit  nicht  übereinstimmt. 

Von  besonderem  Interesse  erscheinen  noch  eigenthümliche  Einschlüsse, 
welche  die,  auch  in  anderer  Beziehung  so  interessante  Pelomyxa  gewöhn- 
lich enthält.*)  Zunächst  sind  die  sogenannten  Glanzkörper  Greeff's 
zu  erwähnen  (II.  6d — f,  6  g,  f),  die  wir  am  besten  hier  besprechen  werden, 
da  ihre  Natur  bis  jetzt  noch  nicht  hinreichend  aufgeklärt  werden  konnte, 
wenn  auch  einige  Beobachtungen  für  ihren  Zusammenhang  mit  der  Fort- 
pflanzung der  Pelomyxa  zu  sprechen  scheinen.  Die  Hauptauszeichnung 
dieser  Körper  besteht  in  ihrer  homogenen,  glänzenden  Beschatfenheit,  doch 
lässt  sich  auf  der  Oberfläche  eine  kapselartige,  feste,  glänzende  Hüllschicht 
nachweisen.  In  Bezug  auf  Gestalt  und  Grössenverhältnisse  sind  sie  sehr 
verschieden,  wenn  auch  die  kugelige  Form  meist  vorherrscht;  daneben  finden 
sich  jedoch  auch  ovale  bis  völlig  unregelmässige  Gestalten.  Gegen  verdünnte 
Essigsäure  verhalten  sie  sich  resistent,  concentrirte  jedoch  macht  sie 
zusammenfallen  und  granulirt  und  Jod  färbt  sie  stark  braun.  Greeff"  ver- 
muthet  eine  selbständige  Vermehrung  dieser  Körper  durch  Theilung, 
jedoch  darf  dies  wohl  noch  als  zweifelhaft  betrachtet  werden,  da  directe 
Theilung  nicht  verfolgt,  sondern  nur  aus  bisquitförmigen  Gestaltungen 
erschlossen  wurde  (6f).  In  gleicher  Weise  ist  das  von  Greeff  vermuthete 
Hervorgehen  dieser  Glanzkörper  aus  den  frei  gewordenen  Kernkörperchen 
der  zahlreichen  Nuclei  bis  jetzt  noch  keineswegs  hinreichend  erwiesen 
oder  auch  nur  sehr  wahrscheinlich. 

Neben  diesen  Glanzkörpern  birgt  nun  das  Protoplasma  der  Pelomyxa 
gewöhnlich  noch  zahlreiche  eigenthümliche,  kleine,  stäbchenförmige  Kör- 
perchen,**) die  häufig  dadurch  in  eine  nähere  Beziehung  zu  den  Glanz- 
körpern treten,  dass  sie  dieselben  äusserlich  dicht  umhüllen  (II.  6  b).  Die 
Stäbchen,  welche  aus  organischer  Substanz  gebildet  sind,  erscheinen  hyalin 
und  erreichen  bis  zu  0,008  Mm.  Länge;  von  einer  feineren  Structur  ist 
an  ihnen  kaum  etwas  mit  Sicherheit  zu  bemerken. 

e^.    Contractilc  Vaciiolen. 

Die  Bildung  contractiler  Vacuolen  kommt  nur  einem  Theil  der  Rhizo- 
poden  zu  und  scheint  sogar  der  grossen  Mehrzahl  derselben,  nämlich  den 

*)  Vergl.  Greeff,  Arcli.  f.  m    A.  X. 
**)  Archer   (Qu.  journ.  uiicr.  sc.  1871  p.  101)  hat  bei  den  von  ihm  untersuchten  Pelo- 
myxen    diese  Stäbchen    vermisst,    so    dass  es  sich   hier  doch  vielleicht  um  nicht  constanto 
Gebilde  handelt. 


106  Ehizopoda, 

marinen  Formen,  abzugehen.  Ob  jedoch  letztere  dieser  Gebilde  durchaus 
entbehren,  scheint  zur  Zeit  noch  keineswegs  sicher  gestellt  und  bedarf  es 
neuer  Untersuchungen,  um  über  diesen  Punkt  ins  Klare  zu  kommen. 

Mit  Sicherheit  ist  das  Fehlen  contractiler  Vacuolen  für  eine  Anzahl 
Stisswasserformen  festgestellt,  so  fehlen  sie  den  Protamöben,  wie  auch 
bei  der  viel  höher  differenzirten  Pelomyxa  keine  besonderen  contractilen 
Vacuolen  sich  finden  sollen.  Bei  den  kernlosen  Mjxodictyum  und 
Protogenes  Häckel's  sind  überhaupt  keinerlei  Vacuolen  im  Plasma  beob- 
achtet worden.  Doch  auch  beschälten  Süsswasserformen  fehlen  contractile 
Vacuolen  z.  Tb,;  so  sind  sie  vermisst  worden  bei  Lecythium  und  Plagio- 
phrys,  wie  ja  auch  für  die  nahe  verwandten  Gromien  von  den  meisten 
F'orschern  das  Fehlen  der  Vacuolen  behauptet  wird,  während  sie  neuer- 
dings von  Wallich  sowohl  bei  marinen  als  Süsswasser-Gromien  angegeben 
worden  sind.  Mit  Sicherheit  fehlen  sie  jedoch  wieder  der  sehr  nahe- 
stehenden Lieberkühnia.*) 

Bei  gewissen  Formen,  so  nach  Häckel's  Angabe  bei  der  Protomyxa, 
scheint  sich  kaum  eine  Scheidung  zwischen  contractilen  und  nicht  con- 
tractilen Vacuolen  ziehen  zu  lassen,  da  sich  die  zahlreich  vorhandenen 
Vacuolen  hier  sämmtlich  sehr  langsam  zu  contrahiren  scheinen. 

Die  Zahl  der  contractilen  Vacuolen  der  zahlreichen  Süsswasserformen, 
wo  solche  deutlich  entwickelt  sind,  ist  sehr  verschieden  und  scheint  auch 
bei  einer  und  derselben  Form  kaum  jemals  völlig  constant  zu  sein.  Neben 
solchen,  die  gewöhnhch  nur  eine  zeigen,  wie  dies  z.  B.  bei  zahlreichen 
Amöben  der  Fall  ist,  treffen  wir  andere  mit  2,  3  und  mehr,  bis  über  ein 
Dutzend  bei  Arcella  z.  B. ;  Claparede  und  Lachmann  (60)  haben  Amöben 
mit  bis  zu  20  contractilen  Vacuolen  beobachtet. 

Auch  die  Lage  der  contractilen  Vacuolen  im  Körperprotoplasma  ist 
mannigfachen  Verschiedenheiten  unterworfen.  Während  bei  den  proteischen 
Amöben  auch  die  contractile  Vacuole  im  Allgemeinen  ihre  Lage  stets 
wechselt,  zeigt  sich  doch  bei  zahlreichen  eine  Neigung  zu  constanter 
Lagerung  derselben  in  dem  hinteren,  bei  der  Bewegung  nachfolgenden 
Körperende,  und  bei  einer  Anzahl  von  Formen,  wie  A.  Limax  und  Guttula 
(IL  2,  3),  aber  auch  verrucosa  (Ehrbg.)  Duj.  (=  quadrilatera  Carter),  ist 
diese  Einlagerung  der  Vacuole  in  das  Hinterende  ganz  constant  geworden. 

Bei  den  monaxonen,  beschälten  Formen  ist  ihre  Lage  recht  verschieden, 
jedoch  finden  sie  sich  bei  Anwesenheit  mehrerer  gewöhnlich  ziemlich 
nahe  beisammen.  So  sehen  wir  die  bei  Euglypha  (HL  12  a)  und  Trinema 
meist  in  mehrfacher  Zahl  (gewöhnlich  bis  zu  3)  vorhandenen  Vacuolen  in 
einer  mittleren  Zone,  auf  der  Grenze  zwischen  der  körnigen  Region  und 
der  hinteren  homogenen  versammelt,  und  ähnlich  verhält  es  sich  auch  bei 
gewissen  Gromiinen,  wie  Platoum  (IIL  17  a).  Auch  bei  Arcella  (H.  9  a) 
ist  dasselbe  Verhahen  zu  constatiren,  indem  hier  die  Vacuolen  ringförmig 
im  peripherischen  Rand  des  abgeplatteten  Körpers  zusammengestellt  sind, 


*)  S.  Cienkowsky,  104  a,  Gromia  paludosa  =  Lieberkühnia  Clap.  Lachm. 


Coiitractilo  Vacuoleii,  Nucloi.  107 

welcher  Raod  ja  etwa  der  Aequatorialzone  der  gestreckten  Formen  ent- 
spricht. Bei  anderen  Formen  treffen  wir  sie  jedoch  bald  mehr  in  den 
vorderen,  bald  in  den  hinteren  Körperabschuitt  verlagert.  Das  erstere 
Verhalten  gilt  für  Cyphoderia  (III.  13,  cv)  und  Mikrogromia  (III.  15  b,  c), 
während  sie  bei  Hyalosphenia  und  Qiiadrula  mehr  ins  hintere  Körperende 
gerückt  sind  (II.  10  a  ii.  12  cv). 

Stets  jedoch  scheinen  die  Vacuolen,  wenigstens  kurz  vor  und  während 
ihrer  Contraktion,  dicht  unter  die  Körperoberfläche  zu  rücken,  ja  zuweilen 
auch  die  Oberfläche  buckelartig  hervorzutreiben  (vergl.  Platoum  stercoreum 
Cienkowsky,  Diaphoropodon  Arch.  flV.  1,  v]  und  Amoeba  Blattae  Bütschli). 
Deshalb  darf,  im  Hinblick  auf  die  Erfahrungen  über  ihre  Entleerung  bei 
anderen  Protozoenabtheiluugen,  wohl  auch  hier  diese  Entleerung  nach 
Aussen  angenommen  werden.  Durch  directe  Beobachtung  ist  jedoch  dieser 
Vorgang  bei  den  Rhizopoden  bis  jetzt  noch  kaum  festgestellt  worden; 
auch  sind  keinerlei  vorgebildete  Oefifnungen  oder  Ausführgänge  zur  Ent- 
leerung der  Vacuolen  gesehen  worden.  Die  Contraktion  selbst  erfolgt  mit 
sehr  verschiedener  Schnelligkeit. 

In  gleicher  Weise  liegen  auch  nur  sehr  wenige  Erfahrungen  über 
die  Neubildung  der  an  Stelle  der  contrahirten  tretenden  Vacuole  vor.  Im 
Allgemeinen  scheint  einfach  eine  kleine,  allmählich  heranwachsende  Va- 
cuole an  Stelle  der  geschwundenen  zu  entstehen,  doch  liegen  auch 
Beobachtungen  vor,  welche  eine  Entstehung  der  Vacuole  durch  den 
Zusammenfluss  mehrerer  kleiner  erweisen,  wie  solches  ja  bei  anderen 
Protozoenabtheilungen  sehr  gewöhnlich  ist.  Ein  solches  Verhalten  hat 
Greeff  bei  seiner  Amoeba  terricola*)  constatirt  und  Verf.  später  gleich- 
falls bestätigt  gefunden.  Hier  entstehen  an  Stelle  der  contrahirten,  in 
mehrfacher  Anzahl  vorhandenen  und  mit  den  Strömungen  des  Plasmas 
hin-  und  hergeschobenen  Vacuolen  zahlreiche  äusserst  kleine,  welche 
sich  rasch  zu  einer  Anzahl  grösserer  vereinigen,  die  nun  ihren  weiteren 
Zusammenfluss  langsam  weiter  fortsetzen,  oder  durch  die  Strömungen 
des  Plasma's  von  einander  fortgetrieben  werden,  um  dann  erst  alhnählich 
bei  ihrer  Begegnung  weiter  zu  verschmelzen.  Von  den  in  dieser  Weise 
entstandenen,  grösseren  Vacuolen  wird  dann  zuweilen  eine  nach  der  Ober- 
fläche getrieben,  worauf  ihre  Contraktion  eintritt.**) 

£^.    Nuclei  der  Khizopoden. 
Allgemeiues  Vorkommen  der  Rhizopodennuclei. 

Wie  schon  mehrfach  hervorgehoben  wurde,  ist  die  Anwesenheit  von 
Nuclei  im  Protoplasma  der  Rhizopoda,   in  dem  Umfang,   den   wir   dieser 


*)  Arch.  f.  mikr.  A.  II. 

**)  Ganz  ähnlicli  schildert  Lieberkühn  die  Hervorbildung-  der  contractilen  Vacuole  bei 
einer  von  ihm  beobachteten  Amöbe  (nach  der  Beschreibung  sehr  ähnlich  A.  Guttula  Duj.). 
Hier  vereinigen  sich  die  neu  entstandenen,  zahlreichen  kleinen  Vacuolen  successive  zu  einer 
einzigen  grossen ,  die  hierauf  stets  aus  Hinterende  geschoben  wird ,  wo  ihre  Contraction  sich 
vollzieht.     (Schrft.  d.  Ges.  z.  Bef.  d.  ges.  Naturw.  zu  Marburg  IX.  p.  371.) 


108  EMzopoda. 

Abtheilung:  g:eben ,  keineswegs  eine  allgemeine.  Sie  geht  den  häufig 
mit  (Jen  übrigen  kernlosen  Protozoen  als  Moneren  zusammengefassten 
Formen  ab.  Wir  haben  schon  früher  unsere  Gründe  angegeben,  weshalb 
wir  kernlose  sowohl  als  kernhaltige  Formen  in  näheren  Zusammenhang 
bringen  und  es  vorziehen,  ihre  verwandtschaftlichen  Beziehungen  nach 
ihrem  gesammten  körperlichen  Erscheinen  zu  bestimmen. 

Wir  werden  hierzu  hauptsächlich  auch  noch  dadurch  bestimmt,  dass 
der  Nachweis  der  Kerne  zuweilen  keine  geringen  Schwierigkeiten  hat,  die 
häufig  noch  dadurch  erhöht  werden  mögen,  dass,  wie  sich  dies  nament- 
lich durch  neuere  Untersuchungen  herausstellte,  statt  des  früher  meist 
gesuchten  einen  ansehnhchen  Kernes  häufig  mehr  oder  weniger  zahlreiche 
kleine  vorhanden  sind,  welche  der  Beobachtung  (namentlich,  wenn  dieselbe 
nicht  durch  Färbungsversuche  unterstützt  wird)  leicht  entgehen  können. 
Es  wird  daher  wohl  nicht  als  eine  unbegründete  Vermuthung  bezeichnet 
werden  dürfen,  wenn  wir  hier  den  Glauben  aussprechen,  dass  mannig- 
fache im  Laufe  der  Zeit  beschriebene  monere  Khizopoden  sich  doch  noch 
als  kernhaltig  herausstellen  dürften.  Wir  persönlich  haben  bis  jetzt  noch 
nicht  Gelegenheit  gehabt,  uns  bei  unseren  mannigfachen  Untersuchungen 
mit  einer  unzweifelhaft  kernlosen  SUsswasserform  bekannt  zu  machen. 

Immerhin  liegt  kein  ausreichender  Grund  vor,  die  Existenz  kernloser 
Formen  überhaupt  bezweifeln  zu  wollen.  Als  solche  kernlose  Formen 
sind  zunächst  amöbenartige  Süsswasser-  und  Meeresrhizopoden  beschrieben 
worden,  die  als  Protamoeba  oder  Gloidium  zu  besonderen  Gattungen 
erhoben  wurden.  Weiterhin  rechnen  wir  hierher  die  Häckel'schen  Moneren 
Protomyxa,  Myxodyctium  und  Protogenes.  Von  beschälten  Formen  wird 
das  Fehlen  des  Kernes  durch  Claparede  und  Lachmaun  von  Lieberkühnia 
berichtet  und  von  einem  auf  diesem  Gebiet  so  erfahrenen  Beobachter  wie 
Cienkowsky  bestätigt.  Von  mancher  anderen  Form  ist  bis  jetzt  die  Kern- 
haltigkeit noch  nicht  mit  Sicherheit  erwiesen,  wenn  auch  das  Vorhanden- 
sein von  Nuclei  bei  nahen  Verwandten  dieselbe  sehr  wahrscheinlich 
macht.  Was  die  marinen  Rhizopoden  betrifft,  so  war  für  diese  bis  in  die 
neueste  Zeit  die  Annahme  ihrer  Kernlosigkeit  eine  allgemeine,  bis,  wie 
dies  schon  früher  durch  M.  Schuhze  und  Wallich  für  Gromia  festgestellt 
worden  war,  durch  K.  Hertwig  und  F.  E.  Schulze  auch  für  eine,  bis  jetzt 
zwar  ziemlich  beschränkte  Anzahl  mono-  und  polythalamer  Formen  die 
Gegenwart  eines  oder  mehrerer  Kerne  erwiesen  wurde. 

Wie  schon  aus  den  eben  gemachten  Bemerkungen  hervorgeht,  ist 
die  Zahl  der  vorhandenen  Kerne  bedeutenden  Schwankungen  unterworfen, 
so  dass  wir  von  einem,  und  dann  gewöhnlich  auch  durch  beträchtliche 
Grösse  sich  auszeichnenden  Kern  Uebergänge  bis  zu  sehr  hohen  Zahlen, 
100  und  mehr,  finden,  in  welchen  Fällen  dann  die  Kerne  naturgemäss 
eine  relativ  sehr  geringe  Grösse  zeigen.  Wenn  wir  einerseits  derartige 
weite  Schwankungen  in  der  Kernzahl  durch  eine  Reihe  verschiedener 
Formen  hindurch  zu  verfolgen  vermögen,  so  begegnen  wir  andererseits 
zuweilen  ähnlichen  Schwankungen  in   gleich   weitem  Spielraum  bei  einer 


ö 


Nuclei.     (Zahlenverbältnisse.)  109 

und  derselben   Form,   wenn  auch  für  gewöhnlich   die  Differenzen  in  der 
Zahl  der  vorhandenen  Kerne  sich  in  engeren  Grenzen  bewegen. 

Nach  solchen  Erfahrungen  dürfte  es  überhaupt  fraglich  erscheinen, 
ob  sich  die  Einkernigkeit  bei  einem  Rhizopoden  das  gesammte  Leben 
hindurch  erhält  und  ob  nicht  derartige  raehrkernige  Zustände  zu 
gewissen  Zeiten  den  Rhizopoden  durchaus  eigenthümlich  sind.  Letztere 
Vermuthung  wird  noch  durch  die  Auffassung  der  mehrkernigen  Zustände 
überhaupt  gestützt,  denn  es  kommt  diesen  ohne  Zweifel  eine  nicht  un- 
wichtige Bedeutung  im  Leben  unserer  Organismen  zu,  und  werden  wir 
dieselbe  wohl,  ohne  fehlzugehen,  auf  dem  Gebiete  der  Fortpflanzung  zu 
suchen  haben.  Zunächst  machen  wir  uns  hier  mit  den  einschlägigen  Verhält- 
nissen etwas  näher  bekannt.  Eine  geringe  Zahl  von  Kernen  ist  gewöhnlich 
den  Amöben  eigenthümlich;  einer  (IL  1—5  n),  zuweilen  jedoch  auch  2  und  3 
finden  sich  hier  zumeist,  doch  zeigt  sich  gerade  bei  gewissen  hierhergehörigen 
Formen  eine  aufallende  Vermehrung  der  Kerne  bei  bestimmten  Individuen. 
So  hat  Bütschli*)  bei  der  Am.  princeps  neben  einkernigen,  durch  einen 
recht  ansehnlichen  Kern  ausgezeichneten  Individuen  häufig  auch  solche 
gefunden,  welche  eine  grössere  bis  sehr  grosse  Zahl  (100—200)  Kerne 
enthielten,  so  dass  sich  alle  Uebergangsstufen  bezüglich  der  Kernzahl 
nachweisen  Hessen,  wie  solches  auch  durch  frühere  Untersuchungen  von 
Stein,  Wallich**)  und  Carter***)  wahrscheinlich  gemacht  worden  war, 
wenn  auch  die  beiden  letzteren  Forscher  die  zahlreichen  kleinen  Kerne 
fälschlich  (Carter  z.  B.  als  Fortpflanzungszellen)  deuteten.  Während  wir 
so  bei  Amoeba  (ähnlich  verhält  sich  nach  Bütschli  auch  die  A.  Blattae) 
zuweilen  eine  sehr  hohe  Kernzahl  antreffen,  hat  sich  ein  solches  Verhalten 
bis  jetzt  bei  der  wohl  nahe  verwandten,  grossen  Pelomyxa  durchaus 
gezeigt;  die  Zahl  der  hier  vorhandenen  Kerne  ist  stets  eine  sehr  grosse 
und  steht  in  Beziehung  zu  der  Grösse  des  Thieres,  so  dass  sehr  grosse 
Exemplare  gewiss  mehrere  Hundert  solcher  Zellkerne  einschliessen 
(II.  Gg,  e). 

Obgleich  eine  ziemliche  Zahl  der  beschälten  Monothalamen  des  süssen 
Wassers  bis  jetzt  nur  in  Besitz  eines  oder  doch  nur  weniger  Zellkerne 
getroffen  wurde,  zeigen  andere  ganz  ähnliche  Verhältnisse  wie  die 
eben  erwähnten  Amöben,  und  gerade  von  solchen,  wie  z.  B.  Arcella  und 
Difflugia,  sind  die  grossen  Schwankungen  in  der  Kernzahl  schon  ver- 
hältnissmässig  lange  bekannt.  Bei  Arcella  finden  sich  fast  durchaus 
mehrere  Kerne  (IL  9  a,  n)  und  ihre  Zahl  ist  grossen  Differenzen  unterworfen, 
während  gewöhnlich  etwa  3 — 6  vorhanden  sind,  hat  doch  schon  Auerbach 
Individuen  mit  etwa  40  Kernen  beobachtet.  Aehnliches  treffen  wir  auch 
bei  der  nahe  verwandten  Gattung  Difflugia.  Hier  findet  sich  gewöhnlich 
im    hinteren   Abschnitt    des   Körpers    ein   Kern,    jedoch    hat  neuerdings 


*)  Abb.  d.  Senckeiib.  naturf.  Gesellscli.  X.  p.  164  (d.  Sep.-Abdr.). 
**)  An.  111.  n.  h.  S.  s.  XL  u.  XII. 
***)  An.  m.  n.  L.  3.  s.  XII, 


110  Rhizopoda. 

R.  Hertwig*)  auch  Individuen  der  Difflugia  proteiformis  untersucht,  die 
bis  zu  40  Kernen  enthielten  und  gleiches  wurde  auch  schon  früher  von 
M.  Schultze  berichtet.  Diese  Erfahrungen  machen  es  nicht  unwahrschein- 
lich, dass  die  von  Carter  bei  mehreren  Gelegenheiten  beschriebenen  sogen. 
Fortpflanzungszellen  der  Difflugia  pyriformis  und  compressa  in  gleicher 
Weise,  wie  dies  oben  bezüglich  der  sogen.  Fortpflanzungszellen  der 
Amöben  angedeutet  wurde,  als  solche  in  grosserer  Menge  vorhandene 
kleine  Nuclei  betrachtet  werden  dürfen.  (Wir  werden  späterhin  bei  Er- 
örterung der  Fortpflanzung  nochmals  auf  diese  Angelegenheit  zurück- 
zukommen haben.) 

Auch  für  einen  marinen  Rhizopoden,  nämlich  die  Gromia  oviformis, 
wurden  schon  vor  längerer  Zeit  durch  M.  Schnitze**)  ganz  gleiche  Ver- 
hältnisse constatirt.  Bei  jungen  Thieren  findet  sich  hier  ein  Kern,  wie 
das  unter  den  seither  beschriebenen  Formen  auch  für  Ärcella  nachgewiesen 
wurde.  Bei  den  älteren  Exemplaren  hingegen  war  die  Zahl  der  Kerne 
stets  vermehrt  (IV.  6n),  so  dass  sich  eine  grosse  Mannigfahigkeit  ver- 
schiedener Kernzahlen,  von  2  bis  zu  60  auffinden  Hessen.  Im  letzteren 
Fall  fand  sich  jedoch  neben  den  zahlreichen  kleinen  noch  ein  etwas 
grösserer.  (Auch  M.  Schultze  wurde  durch  diese  Beobachtungen  über  die 
zahlreichen  kleinen  Kerne  der  Gromien  auf  die  Vermuthung  geführt,  dass 
es  sich  hier  möglicherweise  um  Fortpflanzungszellen  handle.) 

Wie  schon  oben  hervorgehoben  wurde,  sind  die  Beobachtungen  über 
die  Verbreitung  der  Kerne  bei  den  kalkschaligen  und  sandschaligen 
Rhizopoden  noch  sehr  spärlich.  Die  ersten  einschlägigen  Beobachtungen 
auf  diesem  Gebiet  rühren  zwar  auch  schon  von  M.  Schultze  her,  dennoch 
sind  bis  jetzt  die  Kerne  nur  bei  einer  kleinen  Zahl  von  Gattungen  nach- 
gewiesen. Schultze  (53)  hat  sich  von  der  Gegenwart  eines  kernartigen 
Körpers  bei  einer  zu  Lagena  (Oolina  d'Orb.)  mit  Zweifel  gestellten  Form 
überzeugt,  die  mir  überhaupt  nicht  zu  dieser  Gattung  zu  gehören,  sondern 
eine  kalksandschalige  Form  zu  sein  scheint.  Ebenso  hat  er  einen  hellen 
kernartigen  Fleck  in  der  jüngsten  Kammer  junger  Pulvinulinen  (Rotalia 
veneta  M.  Seh.)  und  in  den  beiden  jüngsten  Kammern  gewisser  Textu- 
larien  nachgewiesen. 

Kerne  sind  jedoch  auch  von  einem  englischen  Forscher,  wiewohl 
o"hne  ihre  wahre  Natur  zu  erkennen,  bei  einer  Reibe  mariner  Rhizo- 
poden nachgewiesen  worden.  Es  scheint  mir  nämlich  keiner  Frage  zu 
unterliegen,  dass  die  von  Str.  Wright***)  im  Protoplasma  von  Gromiinen, 
Miliolinen,  Orbulina,  Rotalina  und  Truncatulina  aufgefundenen,  vermeint- 
lichen Eier  nichts  weiter  als  die  Kerne  der  betreffenden  Formen  waren ; 
wenigstens  scheint   dies   mit   grosser  Sicherheit   aus   der  Abbildung   der 


*)  Jenaisclie  Zeitschr.  f.  Naturwissensch.  Bd.  XI. 
**)  53  u.  Arcli.  f.  m.  A.  11. 
***)  A.  m.  n.  h.  3.  VH. 


^1 


Nuclei.    (Vorkommen  bei  uiarinen  Eliizopoden,  Zahl,  Lage.)  111 

betreffenden  Eier  in  einer  ziemlich  reicbkammerigen  Truneatulina  hervor- 
zugehen. *) 

Mit  voller  Sicherheit  sind  dagegen  erst  in  neuerer  Zeit  die  Kerne 
mit  Hülfe  von  Färbungsmethoden  von  F,  E.  Schulze  und  R.  Hertwig  bei 
einer  Reihe  mariner  Formen  nachgewiesen  worden.  Auch  hier  ver- 
ratheu die  zum  Theil  sehr  schwankenden  Zahlenverhältnisse  der  Kerne 
ein  ähnliches  Verbalten,  wie  bei  den  schon  besprochenen  Formen.  So 
fand  F.  E.  Schulze  bei  der  monothalamen  Lagena  (Entosoienia)  globosa 
Will.  1  Kern,  ähnlich  auch  bei  der  Quinqueloculina  fusca  Brdy.,  dagegen 
R.  Hertwig  bei  Spiroloculina  hyalina  F.  E.  Seh.  1 — 7  Kerne  (IV.  16). 
Bei  den  von  Hertwig  untersuchten  kleinen  Rotalinen  (wahrscheinlich  Pnlvi- 
nulina)  schwankte  die  Keinzahl  zwischen  1 — 4,  so  dass  in  einer  Anzahl 
von  Fällen  die  Zahl  der  Kerne  der  Kammerzahl  gleichkam,  z.  Th.  jedoch 
auch  geringer  blieb.  Eine  Beziehung  zwischen  der  Anzahl  der  Kammern 
und  Kerne  polythalamer  Rhizopoden  ist  jedoch  in  keiner  Weise  Regel; 
so  fand  sich  bei  2  Textularien  mit  respective  5  und  13  Kammern  je  nur 
1  Kern  und  dasselbe  gilt  für  Globigerina  (VH.  28  a)  und  eine  sogen. 
Rotalina  inflata  Will.**)  (VII.  38)  nach  R.  Hertwig.  Auch  F.  E.  Schulze 
fand  bei  der  vielkammerigen  Polystomella  striatopunctata  F.  u.  M.  ge- 
wöhnlich nur  einen  Kern,  seltener  2  und  nur  einmal  3.  Jedenfalls  geht  aus 
diesen  Beobachtungen  zur  Genüge  hervor,  dass  die  Zahl  der  Kerne  bei 
den  Polythalamen ,  möge  sie  auch  noch  so  verschieden  sein,  in  keiner 
Weise  mit  der  Karamerzahl  correspondirt. 

Hinsichtlich  der  Kernverhältnisse  der  marinen,  sandschaligen  Rhizo- 
poden ist  bis  jetzt  nur  sehr  wenig  ermittelt  worden.  Bessels***)  hat  in 
dem  Protoplasma  der  Astrorhiza  limicola  eigenthümliche  kugelige  Körper 
beobachtet,  die  er  encystirten  Moneren  vergleicht  und  die,  nach  der 
Abbildung  zu  urtheilen,  wohl  Kerne  gewesen  sein  könnten.  Diese  Deutung 
wird  dadurch,  dass  neuerdings  R.  Lankesterf)  im  Protoplasma  der 
Haliphysema  grosse  Mengen  bläschenförmiger,  kugeliger  Kerne  beobachtete, 
wesentlich  sicherer. 

Was  die  Lage  der  Kerne  im  Protoplasraakörper  betrifft,  so  ist  die- 
selbe häufig  eine  sehr  wechselnde,  da  sie  als  frei  im  Protoplasma  (resp. 
Entoplasma,  wo  ein  solches  entwickelt  ist)  schwebende  Körper  mit  dessen 
Verschiebungen  auch  ihre  Lage  ändern.  Dies  gilt  z.  B.  fast  durchaus  für 
die  Amöben  und  Verwandten,  wenngleich  bei  den  oben  schon  hervor- 
gehobenen Formen,   welche  mit  einer    eigenthümlichen  Bewegungsweise 


*)  Die  Kichtigkeit  dieser  Deutung  wird  ganz  unbezweifelbar,  wenn  man  bemerkt,  dass 
W'right  die  von  ihm  bei  seiner  Boderia  (Journ.  Anat.  and  Phys.  1.  1867)  beschriebeneu  Kerne 
bald  als  Nuclei,  bald  als  Eier  bezeichnet,  also  die  Kerne  der  Rhizopoden,  wie  aus  weiteren 
Bemerkungen  hervorgeht,  eben  für  die  Eier  hält. 

**)  Dieselbe   ist  jedoch   jedenfalls  nicht  identisch  mit   der   Williamson'schen   Art,    da 
letztere  nach  Parker  und  Jones  eine  sandschalige  sogen.  Trochammina  ist. 
***)  Jen.  Zeitschr.  IX. 
t)  Qu.  j.  micr.  sc.  XIX. 


-[^2  Rhizopoda. 

eine  fast  constante  Lagerung  der  Vacuole  im  Hinterende  verbinden,  auch 
der  Kern  gewöhnlich  hinten,  in  der  Nähe  der  Vacuole,  sich  findet.  Bei 
Anwesenheit  zahlreicher  Kerne  sind  dieselben  meist  durch  den  ganzen 
Körper  vertheilt,  doch  auch  zuweilen,  wie  z.  B.  bei  Gromia,  vorzugsweise 
im  Hinterende  versammelt.  Diese  Einlagerung  des  einen  oder  der  in 
Mehrzahl  vorhandenen  Kerne  im  Hinterende  des  monaxonen  Körpers  ist 
bei  den  monothalamen  Süsswasserformen  und  wie  es  nach  der  Beob- 
achtung F.  E.  Schulze's  bei  Lagena  scheint,  auch  bei  den  marinen  sehr 
gewöhnlich. 

Für  die  polythalamen  Formen  darf  bei  Anwesenheit  von  nur  einem 
Kern  wohl  vorausgesetzt  werden,  dass  derselbe  ursprünglich  seine  Lagerung 
in  der  Embryonalkammer  hatte.  Da  er  jedoch  späterhin  nicht  mehr  in 
derselben  angetroffen  wird,  sondern  sich  nach  F.  E.  Schulze  bei  Poly- 
stomella  gewöhnlich  in  einer  Kammer  des  mittleren  Drittels  findet,  so  darf 
schon  hieraus  auf  eine  allmähliche  Vorwärtswanderung  des  Kernes  mit 
der  Zunahme  der  Kammerzahl  geschlossen  werden.  Das  Gleiche  ergibt 
sich  aus  den  Beobachtungen  Hertwig's  an  Globigerina  und  der  sogen. 
Rot.  inflata.  Aber  auch  durch  directe  Beobachtung  liess  sich  eine  solche 
Vorwanderung  bei  den  Polythalamen  sehr  wahrscheinlich  machen,  in- 
dem es  beiden  Forschern  gelang,  den  Kern  noch  im  Stadium  des  Durch- 
tretens  von  einer  zur  folgenden  Kammer  wahrzunehmen.  Die  grosse  Enge 
der  Verbindungsöflfnungen  zwischen  den  aufeinanderfolgenden  Kammern 
bei  Polystomella  macht  es  nothwendig,  dass  sich  der  Kern  beim  Durch- 
tritt sehr  schmal  auszieht.  Bei  gewissen  Globigerina-Arten  wird  durch  die 
Beobachtung  eines  solchen  Durchtretens  des  Kernes  (VH.  28  a,  n)  von  einer 
Kammer  in  die  andere  die  Existenz  einer  Communikationsöffnung  zwischen 
den  Kammern  sicher  erwiesen. 

Gestalts-  und  Baiiverliältnisse  der  Ehizopodenkerne. 

Soweit  die  bis  jetzt  vorliegenden  Untersuchungen  reichen,  ist  die 
Gestaltung  der  Rhizopodenkerne  fast  durchweg  eine  kugelige,  ellipsoidische 
oder  scheibenförmig  abgeplattete.  Bandförmig  verlängerte  oder  gar  ver- 
ästelte Kerngestalten,  wie  sie  in  anderen  Protozoenklassen  zuweilen  auf- 
treten, sind  hier  noch  nie  be^pbachtet  worden. 

Was  ferner  die  feineren  Bauverhältnisse  betrifft,  so  ist  der  sogen, 
bläschenförmige  Bau  der  bei  weitem  vorherrschendste  und,  wie  wohl 
mit  Recht  angenommen  werden  darf,  auch  der  ursprünglichste.  Diese  Bau- 
weise des  Zellkernes  sehen  wir  namentlich  bei  den  zahlreichen  Süsswasser- 
formen fast  durchaus  vertreten  und  auch  bei  gewissen  marinen  Formen 
ist  eine  ähnliche  Bildungsweise  sehr  wahrscheinlich.  Ein  derartiger 
bläschenförmiger  Kern  (H.  1—3,  9a;  HL  10  etc.  n)  zeigt  zunächst  eine 
mehr  oder  minder  deutliche  Kernhülle  oder  Kernmembran,  welche  von  einer 
hellen,  durchsichtigen,  und,  wie  wohl  aus  ihrer  allgemeinen  Erscheinung 
mit   Recht  gefolgert  werden  darf,   flüssigen  Masse  erfüllt  ist,  dem  sogen. 


Bau  des  Nuclcus.     (Kernkörper.)  113 

Kernsaft.  Innerhalb  dieser  findet  sich  sodann  ein  mehr  oder  minder  an- 
sehnlicher, ziemlich  dichter  und  daher  dunkelbläulich  erscheinender  Binnen- 
oder Kernkörper.  Wie  angedeutet,  schwankt  dieser  Binnenkörper  in 
seinen  Grössenverhältnissen  sehr  beträchtlich ;  er  kann  den  von  der  Kern- 
hülle umschlossenen  Raum  nahezu  völlig  ausfüllen,  so  dass  zw^ischen  ihm 
und  der  äusseren  Membran  nur  eine  schmale,  helle,  mit  Kernsaft  erfüllte 
Zone  übrig  bleibt,  oder  es  sinkt  seine  Grösse  mehr  und  mehr  herab, 
bis  er  schliesslich  nur  ein  unansehnliches  Korn  in  dem  weiten ,  von 
Kernsaft  erfüllten  Binnenraum  des  Nucleus  darstellt  (IL  12).  Nicht  sämmt- 
liche  Kerne  der  Süss  wasserformen  verharren  jedoch  auf  einer  so  einfachen 
Bildungsstufe,  sondern  ein  Theil  zeigt  eine  etwas  complicirtere  Form,  welche 
sich  wohl  durch  eine  Umbildung  des  ursprünglich  einfachen  Binnen- 
körpers von  der  eben  geschilderten  herleiten  lässt.  So  zeigt  sich  z.  Tb. 
eine  Vermehrung  der  verhältnissmässig  kleinen  Binnenkörper,  statt  eines 
finden  sich  eine  Anzahl  rundlicher  Kernkörperchen,  wie  z.  B.  nach 
F.  E.  Schulze  bei  Hyalosphenia  (bis  6  Körperchen),  in  geringerem 
Maass  auch  bei  Cyphoderia  (II.  10,  n).  Auch  scheint  es  nach  den 
vorliegenden  Beobachtungen  nicht  unwahrscheinlich,  dass  sich  bei  ge- 
wissen Formen  eine  zeitweise  Veränderung  in  dem  gewöhnlichen  Ver- 
halten des  Kernes  zeigt;  so  wird  z.  B.  für  die  Euglyphen  von  Carter 
und  Hertwig-Lesser  in  übereinstimmender  Weise  ein  einfacher,  bläschen- 
förmiger Kern  beschrieben,  während  F.  E,  Schulze  bei  den  von  ihm 
untersuchten  Exemplaren  entweder  gar  nichts  von  einem  Kernkörper 
oder  an  dessen  Stelle  eine  grössere  Anzahl  kleiner  Kernkörperchen  fand. 
Bei  manchen  Formen  scheint  jedoch  die  Zertheilung  des  einfachen 
Kernkörpers  noch  weiter  zu  gehen,  wenigstens  dürfen  wir  diese  Auffassung 
im  Interesse  der  Schilderung  hier  festhalten;  so  zeigen  die  zahlreichen 
kleinen  Kerne  gewisser  Formen  der  Amoeba  Princeps  einen  ziemlich  ab- 
weichenden Bau  (IL  Ib).  Hier  liegt  dicht  unter  der  Kernmembran  eine 
Zone  kleiner,  dunkler  Körperchen,  in  einfacher  Schicht  angeordnet.  Aehn- 
lich  scheint  sich  der  Bau  des  Kernes  bei  den  erwachsenen  Formen  der 
Amoeba  terricola  Greeff's  (IL  5  n)  und  der  Amphizonella  violacea  desselben 
Forschers  zu  verhalten,  nur  wird  hier  eine  völhge  Erfüllung  des  Kern- 
inneren von  solchen  kleinen  rundlichen  Körperchen  beschrieben,  was  mir 
jedoch,  wenigstens  für  die  A.  terricola,  nach  den  gegebenen  Abbildungen 
nicht  ganz  wahrscheinlich   zu  sein  scheint.*)     Bei  den  mit  wenigen  oder 


*)  S.  Greeff,  Arch.  f.  mikr.  Anat.  Bd.  IL  —  Audi  bei  Pelomyxa  zeigen  die  so  massen- 
haft vorhandenen  Kerne  einen  sehr  ähnlichen  Bau.  Der  Innenseite  der  sehr  deutlichen  Kern- 
hülle sind  im  wasserhellen  Kerninhalt  (wohl  Kernsaft)  zahlreiche,  meist  ziemlich  feine  Körnchen 
angelagert,  unregelmässiger  oder  regelmässiger  über  die  ganze  Innenfläche  und  zuweilen  auch 
noch  durch  den  eigentlichen  Binnenraum  der  Kerne  zerstreut.  Zuweilen  fand  GreefF  diese 
feinen  Kernkörner  vergrössert  und  mit  vacuolenartigen  Bläschen  im  Inneren.  Durch  weitere 
Vergrösserung  der  Körner  und  hauptsächlich  dieses  Bläschens  lässt  er  aus  ihnen  schliesslich 
die  früher  geschilderten,  sogen.  Glanzkörper  der  Pelomyxa  hervorgehen,  welche  durch  Sprengung 
der  Kernhülle  ins  Körperprotoplasma  übertreten  sollen. 

Bronn,  Klassen  des  TMer-Eeiclis.    Protozoa.  § 


114  Ehizopoda. 

nur  einem  grossen  ovalen  Kerne  verseheneu  Exemjjlaren  der  A.  Princeps 
bat  sich  der  feinere  Bau  des  Kernes  etwas  anders  gestaltet  (II.  1  c),  statt 
der  Zone  rundlicher  Körner  unterhalb  der  Kernmerabran  findet  sich  hier 
eine  ähnlich  gelagerte  Zone,  welche  aus  unregelmässigen,  feinkörnigen, 
hier  und  da  netzförmig  verzweigten  und  zusammenhängenden  plasmatischen 
Massen  besteht,  also  eine  Bildung  zeigt,  welche  an  das  Fadennetz  der 
Zellkerne,  wie  es  durch  neuere  Forschungen  in  weiter  Verbreitung  nach- 
gewiesen wurde,  erinnert. 

Eine  ziemliche  Aehnlichkeit  mit  den  geschilderten  Kernen  der  Amöben 
scheinen  auch  die  Kerne  eiuer  Anzahl  bis  jetzt  hierauf  untersuchter 
mariner  Rhizopoden  zu  zeigen.  Nach  M.  Schnitze  sind  die  Kerne  der 
Gromien  gänzlich  von  kleinen,  sehr  blassen  Bläschen  erfüllt  und  nach 
F.  E.  Schulze  enthält  der  ansehnliche  Kern  älterer  Polystomellen  zahl- 
reiche stark  lichtbrechende,  meist  kugelige  Einschlüsse,  während  der 
kleinere  Kern  jugendlicher  Exemplare  meist  nur  einen  solchen  nucleolus- 
artigen  Körper  einschliesst,  so  dass  hieraus  auf  eine  fortdauernde  Ver- 
mehrung dieser  Einschlüsse  mit  dem  Wachsthum  des  Kernes  geschlossen 
werden  darf. 

Besonders  eigenthümlich  verhalten  sich  noch  die  Kerne  gewisser  von 
R.  Hertwig  untersuchter  Rotalinen  und  Globigerinen.  Bei  den  ersteren 
zeigten  zuweilen  vorhandene,  kleine  Kerne  eine  ganz  homogene  Beschaffen- 
heit, gewöhnlich  war  jedoch  der  nur  in  der  Einzahl  vorhandene,  kugelige 
und  ziemlich  grosse  Kern  sehr  eigenthümlich  gebaut,  wie  solches  bis  jetzt 
in  ähnlicher  "Weise  nur  bei  gewissen  ciliaten  Infusorien  nachgewiesen 
wurde.  Zunächst  war  der  Kern  hier  nicht  bläschenförmig,  sondern  es 
umschloss  die  Kernmembran  (sie  wurde  jedoch  hier  nicht  direct  beob- 
achtet) einen  sie  vollständig  erfüllenden,  plasmatischen  Inhalt,  der  sich 
aus  zwei  Abschnitten  zusammensetzte  (VII.  38  n),  einem  feinkörnigen, 
dichteren,  sich  mit  Karmin  stärker  färbenden  und  einem  hellen  homogenen, 
der  sich  nur  schwach  färbte.  In  ihrer  Grösse  verhielten  sich  beide  Ab- 
schnitte etwa  gleich,  oder  es  blieb  der  homogene  hinter  dem  körnigen  an 
Grösse  zurück.  Wir  erwähnen  schliesslich  noch,  dass  auch  der  von 
F.  E.  Schulze  bei  Lagena  beobachtete  Kern  eine  homogene  oder,  nach 
der  Anwendung  von  Säuren,  feinkörnige  Beschaffenheit  zeigte.  Auch  die 
von  Ray  Lankester  beschriebenen  Kerne  der  Haliphysema  scheinen  sich 
ihrer  Bauweise  nach  innigst  hier  anzuschliessen ,  da  sie  innerhalb  einer 
deutlichen,  dicken  Kernhülle  einen  feingranulirten  oder  homogenen  Inhalt 
zeigen. 

^.    Pseudopodienbililung',  Bewegung  und  Nahrungsaufnahme  der 

Ehizopoda. 

Wie  die  Ueberschrift  dieses  Abschnittes  besagt,  werden  wir  hier  mit 
der  allgemeinen  Besprechung  der  Pseudopodienbildung  gleichzeitig  auch 
die  Bewegungs-  und  Ernährungsverhältnisse  in  Betracht   ziehen,   da   die- 


Pseudopoclienbildung-.     (Lobosa,)  115 

selben   ja    mit    der    Beschaffenheit    der    Pseudopodien    in    den   innigsten 
Beziehungen  stehen. 

Wie  schon  gelegentlich  angedeutet  wurde,  kennen  wir  einfache  nackte 
Rhizopodenfornien ,  gewisse  Amöben,  welche  eigentlich  gar  keine  beson- 
deren Pseudopodien  entwickeln,  sondern  sich  fliessend  mit  ihrer  ge- 
sammten  Masse  bewegen,  ohne  hierbei  tiefgreifende  Gestaltsveränderungen 
zu  zeigen.  In  der  A.  Guttula  und  Limax  haben  wir  derartige  Formen 
schon  kennen  gelernt  und  auch  die  ansehnliche  Pelomyxa  bewegt  sich, 
wenigstens  häufig,  für  längere  Zeit  in  dieser  Weise.  Der  Vorgang  dieser 
fliesseuden  Bewegung  des  gesammten  Rhizopodenleibes  ergibt  sich  bei 
näherer  Untersuchung  in  der  Art,  dass  von  der  hinteren  Region,  das  heisst 
der  bei  der  Bewegung  das  Hinterende  bildenden  Leibespartie,  das  Proto- 
plasma beständig  in  einem  Strom  in  der  allgemeinen  Bewegungsrichtung 
des  Organismus  nach  dem  vorderen  Ende  hineilt  und,  hier  angelangt,  zu 
beiden  Seiten  abfliessend,  sich  in  den  seitlichen  Tbeilen  nach  hinten  wendet. 
Zu  beiden  Seiten  der  mittleren  Leibesgegend  sammeln  sich  so  die  zurück- 
kehrenden Protoplasmamassen  an  und  gehen  in  einen  relativ  ruhenden 
Zustand  über,  indem  ihre  Rückwärtsbewegung  allmählich  erlischt.  Weiter- 
hin werden  dann  diese  Ansammlungen  ruhenden  Protoplasmas  wieder 
in  den  nach  vorwärts  sich  bewegenden  Strom  hineingezogen,  so  dass  also 
eine  Art  Cirkulation  des  gesammten  Leibesprotoplasmas  die  Grundlage 
für  die  fliessende  Bewegung  des  Körpers  abgibt. 

Eine  derartige  Cirkulation  des  gesammten  Körperprotoplasmas  in 
ziemlich  regelmässiger  Weise  sehen  wir  nun  zuweilen,  abgesehen  von 
den  bei  jeder  Pseudopodienentwickelung  nothwendigen  Strömungen  und 
Verschiebungen,  auch  neben  einer  reichlichen  Pseudopodienentwickelung 
stattfinden.  Hierfür  bietet  die  sogen.  Lieberkühnia  (=  Gromia  paludosa 
Cienkowsky)  ein  gutes  Beispiel. 

Ganz  ähnlich  im  Allgemeinen  wie  die  fliessende  Bewegung  des 
gesammten  Leibes,  welche  eben  geschildert  wurde,  verhält  sich  auch  die 
Entwickelung  eines  Pseudopodiums  bei  den  übrigen  Lobosen ;  hier  bewegt 
sich  der  strömende  Zufluss  des  Protoplasma's  nach  einer  oder  mehreren 
lokal  beschränkten  Stellen  der  Leibesoberfläche  hin  und  tritt  hier  als  ein 
fingerartiger,  an  seinem  Ende  stumpf  abgerundeter  Fortsatz  hervor.  In 
einem  solchen  Pseudopodium  verhält  sich  der  eintretende  Strom  ganz 
ähnlich,  wie  wir  das  eben  bei  der  Strömung  des  gesammten  Leibesproto- 
plasmas gesehen  haben,  das  heisst:  es  bewegt  sich  das  Protoplasma 
in  dem  axialen  Theil  des  Fortsatzes  nach  vorwärts  und  fliesst  au 
dessen  Ende  allseitig  nach  den  Seiten  hin  ab,  und  indem  es  sich  hier 
in  relativ  ruhendem  Zustand  anhäuft,  wächst  durch  fortdauernden,  inneren 
Zufluss  das  Pseudopodium  allmählich  in  die  Länge.  Hierbei  kann  es  sich 
dann  ereignen,  dass  sich  der  zufliessende  Strom  an  seinem  Ende  ver- 
zweigt, in  Folge  dessen  dann  auch  das  Pseudopodium  sich  verästelt  und 
durch  mehrfache  Wiederholung  derartiger  Stromabzweigungen  können 
sich  dann  schliesslich  mehrfach  getheilte  Pseudopodien  hervorbilden. 

8* 


WQ  Ehizopoda. 

Ebenso  wie  solclie  Pseudopodien  an  einer  oder  mehreren  Stellen  der 
Körperoberfläche  hervorgeflossen  sind,  wie  man  sich  wohl  ausdrücken 
darf,  werden  sie  jedoch  auch  wieder  eingezogen.  Dieser  Vorgang  der 
Zurückziehung  der  Pseudopodien  bietet  ungefähr  das  entgegengesetzte 
Bild  wie  ihre  Entstehung.  Indem  nach  einer  gewissen  Zeit  der 
Zufluss  aus  dem  Körperinneren  sistirt,  kommt  das  Pseudopodium  zu  einem 
kurzen  Ruhezustand,  es  steht  der  zufliessende  axiale  Strom  desselben 
still.  Mittlerweile  haben  sich  die  Strömungsrichtungen  des  Körperplasmas 
überhaupt  geändert  und  in  Folge  dessen  beginnt,  durch  Zuströmung  des 
Plasmas  nach  einer  anderen  Stelle  der  Körperoberfläche,  sich  hier  ein 
neues  Pseudopodium  hervorzubilden.  Nach  einiger  Zeit  sehen  wir  dann, 
wie  der  axiale  Theil  des  Plasmas  des  alten  Pseudopodiums  in  eine 
rückströmende  Bewegung  tibergeht  und  so  die  Plasmamasse  des  Fort- 
satzes, zunächst  von  der  Endspitze  desselben  beginnend,  allmählich  in 
den  Körper  zurückgeführt  wird,  wobei  sich,  entsprechend  dem  Ahfluss, 
das  Pseudopodium  allmählich  verkürzt,  bis  es  schliesslich  wieder 
völlig  in  die  allgemeine  Leibesmasse  aufgenommen  worden  ist.  In 
solcher  Weise  also  sehen  wir  Neu-  und  Rückbildung  der  Pseudopodien 
bei  den  mit  derartigen  läppen-  oder  fingerförmigen  Pseudopodien  ver- 
sehenen Amöben  und  Verwandten  vor  sich  gehen,  die  man  häufig 
(nach  dem  Vorgange  Carpenter's),  eben  wegen  dieser  Beschaffenheit  ihrer 
protoplasmatischen  Leibesfortsätze,  als  Lobosa  zusammenfasst. 

Ist  die  Leibesmasse  solcher  Formen  deutlich  in  eine  hyaline  Rinden- 
schicht oder  Ectoplasma  und  eine  körnige  Inneumasse  oder  Entoplasma 
gesondert,  so  bilden  sich  die  Pseudopodien  zunächst  ausschliesslich  aus 
dem  hyalinen  Ectoplasma  und  bestehen  auch,  wenn  sie  eine  massige 
Grösse  nicht  überschreiten,  gewöhnlich  nur  aus  solchem.  Wenn  sich  je- 
doch durch  fortgesetzten  Plasmazufluss  das  Pseudopodium  zu  ansehnlicher 
Grösse  entwickelt,  dann  tritt  gewöhnlich  auch  die  körnige  Entoplasma- 
masse  in  dasselbe  ein  und  bildet  eine  axiale,  körnige  Partie  des  basalen 
Abschnittes  des  Pseudopodiums  (IL  la). 

Aus  diesen  Verhältnissen  darf  wohl  der  Schluss  gezogen  werden, 
dass  es  die  hyaline  Ectoplasmaschicht  ist,  welche  vorzugsweise  die 
Strömungserscheinungen  zeigt  und  dies  geht  auch  noch  dadurch 
besonders  hervor,  dass  sich  auch  bei  dem  Hinfliessen,  ohne  Entwicke- 
lung  eigentlicher  Pseudopodien,  eine  Anhäufung  solch  hyalinen  Plasmas 
am  Vorderende  findet,  wenn  überhaupt  eine  Sonderung  in  die  beiden 
Plasmapartien  am  Leibe  des  betreffenden  Rhizopoden  ausgebildet  ist. 
So  sehen  wir  denn  auch  die  Pseudopodienbildung  bei  einer  Reihe  von 
Lobosen,  an  deren  Körper  sich  keine  deutliche  Scheidung  zwischen  Ecto- 
und  Entoplasma  durchführen  lässt,  dennoch  nur  aus  hyalinem  oder  doch 
sehr  feinkörnigem  Plasma  stattfinden,  wie  dies  der  Fall  ist  bei  den  be- 
kannten beschälten  Lobosen,  Arcella,  Difflugia,  Hyalosphenia,  Qua- 
drula  etc.  (s.  II). 

Unter  den  Lobosa  selbst  zeigt  jedoch   im  Speciellen  die  Gestaltung 


Pseudopodienbilduiig.     (Lobosa.)  117 

der  Scheinfüsschen  eine  ziemlich  reiche  Mannigfaltigkeit,  und  eine  nicht 
unbeträchtliche  Reihe  noch  hierherzurechnender  Formen  weist  schon  An- 
klänge an  die  Gestaltungsverhältuisse,  wie  wir  sie  in  vollkommenerer  Weise 
bei  den  sogen.  Reticulosa  späterhin  kennen  lernen  werden,  auf. 

Bei  den  nackten  Formen  der  hier  zu  betrachtenden  Gruppe,  also 
vorzugsweise  den  Amöben  und  Verwandten,  wird  natürlich  die  Gesammt- 
gestalt  des  Körpers  im  beweglichen  Zustand  durch  Gestalt  und  Bildungs- 
weise der  Pseudopodien  bestimmt.  Neben  Formen  mit  kurzen,  stumpfen 
Fortsätzen,  welche  allseitig  vom  Körper  in  grösserer  oder  geringerer  Zahl 
entspringen,  treffen  wir  solche,  bei  welchen  dieselben  länger  und  dünner, 
mehr  fingerförmig  werden.  Entspringen  solche  Fortsätze  gleichmässig 
von  dem  gesammten  Rand  des  ziemlich  scheibenförmigen  Körpers,  so 
erhält  der  Körper  ein  strahliges  Aussehen,  wie  z.  B.  bei  der  Dactylo- 
sphaera  H.  und  Lesser's  (I.  III.  11,  12),  der  Amoeba  polypodia  M.  Seh. 
(F.  E.  Seh.)  und  der  Amoeba  radiosa  (bei  letzterer  treten  jedoch  auch 
Formen  auf,  welche  sich  durch  sehr  lange,  dünne,  strahlenartige  Pseudo- 
podien von  den  übrigen  Amöben  entfernen  [I.  10]).  Andererseits  sehen 
wir  die  Enden  der  fingerförmigen  Pseudopodien  sich  nicht  selten  ver- 
zweigen (seltener  bei  A.  diffluens  0.  F.  M.,  häufiger  bei  A.  brachiata  Duj.), 
und  in  eigenthümlicher  Weise  zugespitzt  und  zerschlitzt  erscheinen  die 
Pseudopodien  der  A.  lacerata  (Duj.)  From.  Auch  die  beschälten  Formen 
zeigen  z.  Th.  etwas  abweichende  Bildungsverhältnisse,  so  besitzt  eine  von 
Hertwig  und  Lesser  beschriebene  Difflugia  acropoda  ziemlich  breite,  ab- 
geflachte und  flammenartig  spitzig  zerschlitzte  Pseudopodien,  welche  an 
die  der  ebenerwähnten  A.  lacerata  sich  anschliessen. 

Auch  treten  hier  z.  Th.  besonders  abweichende  Pseudopodienbildungen 
auf;  so  dürfen  hierher  gerechnet  werden  die  eigenthümlichen,  an  ihren 
Enden  schwimmhautartig  verbreiterten  Pseudopodien  von  Petalopus  (II.  13) 
Gl.  u.  L.  und  die  noch  merkwürdigeren,  membranartigen  Pseudopodien 
von  Plakopus  F.  E.  Seh.,  welche  sich  in  verschiedenen  Richtungen  vom 
Körper  erheben  können,  unter  sich  winkelig  zusammenstossend  und  so 
trichter-  oder  kappenförmige  Hohlräume  zwischen  sich  einschliessen  (II.  14). 

Im  Anschluss  an  die  Betrachtung  der  Pseudopodienentwickelung  der 
Lobosa  fügen  wir  hier  gleich  einige  Angaben  über  die  Art  der  Nahrungs- 
aufnahme bei,  da  ja  dieser  Process  in  directer  Beziehung  zu  der 
Pseudopodienbildung  steht.  Es  liegen  hauptsächlich  bei  den  Amöben  ge- 
nauere Beobachtungen  dieses  Vorgangs  vor,  wo  Lachmann*)  und  Leidy**) 
denselben  in  übereinstimmender  Weise  verlaufen  sahen.  Ein  aufzunehmen- 
der Nahrungskörper  wird  von  den  Pseudopodien  gewissermaassen  allseitig 
umflossen  und  indem  sich  dieselben  jenseits  um  den  Nahrungskörper  ver- 
schmelzend vereinigen,  wird  dieser,  sammt  einer  gewissen  Quantität 
Wasser,   in   den   Protoplasmakörper   aufgenommen.     Auch    ein   einzelnes 


*)  Verh.  d.  iiat.-h.  Ver.  d.  preuss.  Eheinl.  XVI. 
**)  Proceed.  Acad    Philad.  1874.  p.  143  u.  1877.. p.  2^ 


118  Rhizopoda. 

Pseudopodium  wird  ohne  Zweifel  die  Fähigkeit  besitzen,  einen  kleineren 
oder  grösseren  Nahrungskörper  derartig  zu  umfliessen.  Etwas  anders 
gestaltet  sich  jedoch  der  Vorgaog  bei  Aufaahme  ansehnlich  grosser 
Nahrungstheile,  so  z.  B.  längerer  Algenfäden;  in  solchen  Fällen  sieht 
man  die  Amöbe  gewissermaassen  den  Nahrungskörper  umfliessen,  der  in 
dieser  Art,  häufig  nicht  ohne  beträchtliche  Anstrengungen  des  Amöben- 
körpers und  zuweilen  erst  nachdem  hierdurch  der  Algenfaden  in 
mehrere  Stücke  zerbrochen  worden  ist,  in  den  Körper  aufgenommen  wird. 
Interessant  ist  die  neuerdings  von  Duncan*)  und  Leidy  gemachte 
Beobachtung,  dass  die  Amöben  hauptsächlich  mit  ihrem  sogen.  Hinterende 
die  Nahrungsaufnahme  vollziehen  sollen. 

Wie  [angegeben,  zeigt  sich  schon  bei  einer  ziemlichen  Zahl  den 
echten  Lobosen  sehr  nahestehender  Formen  eine  Hinneigung  zur  Ent- 
wickelung  zarterer,  fadenförmiger  und  zugespitzter  Pseudopodien.  Diese 
treten  uns  in  noch  höherer  Entwickelung  in  der  Abtheilung  der 
sogen.  Keticulata  entgegen.  Einfachere  Verhältnisse,  durch  welche 
ein  naher  Anschluss  an  die  eben  charakterisirten  Lobosen  vermittelt 
wird,  zeigen  uns  die  meisten  Süsswasserformen  dieser  Gruppe,  wie  ja 
auch  die  Lobosen  vorzugsweise  dem  süssen  Wasser  angehören.  Hier 
treffen  wir  zarte,  ziemlich  dünne,  häufig  noch  ganz  hyaline  Pseudopodien 
mit  mehr  oder  minder  ausgeprägt  spitzwinkeliger  Verästelung  ihrer 
Enden,  jedoch  ohne  grosse  Neigung  zur  Verschmelzung  unterein- 
ander. Es  bilden  sich  hier  entweder  nur  wenige  oder  keine  Ana- 
stomosen zwischen  den  Pseudopodien,  fast  nie  aber  ein  so  reiches 
Netzwerk,  wie  dies  bei  den  marinen  Reticulata  fast  durchweg  der  Fall 
ist.  Treffliche  Beispiele  dieser  Form  der  Pseudopodienbildung  sehen  wir 
bei  Euglypha,  Trinema,  Cyphoderia,  Platoum  und  Lecythium  (s.  HL), 
hier  finden  wir  dieselben  ganz  hyalin  und  körnchenlos ;  auch  die  Amphi- 
stomeen  schliessen  sich  hier  an.  Gewisse  Gromien  (z.  B.  Gromia  Dujar- 
dini  M.  Seh.)  besitzen  ähnliche,  hyaline,  spitzig  verästelte  und  sehr  starr 
erscheinende  Pseudopodien.  Ob  bei  solchen  hyalinen  Pseudopodien  eine 
ähnliche,  wahrscheinlich  nicht  fehlende  Strömungserscheinung  des  Plasmas 
der  Pseudopodien  stattfindet,  wie  sie  an  den  köruerführenden  Pseudo- 
podien sehr  deutlich  ist,  kann  bei  dem  Mangel  der  Körnchen  hier  nur 
schwierig  festgestellt  werden. 

Die  typisch  reticulären  Formen,  wozu  wir  ausser  einer  kleinen  Zahl 
von  'Süsswasserformen  —  wie  z.  B.  die  Mikrogromia,  Lieberkühnia, 
einen  Theil  der  Gromien  und  Pseudodifflugien  —  die  grosse  Masse  der 
marinen  Rhizopoden  zu  rechnen  haben,  zeichnen  sich  durch  die  meist 
sehr  feinen,  fadenförmigen,  gewöhnlich  in  sehr  grosser  Anzahl  entwickelten 
Pseudopodien  aus.  Dieselben  sind  körnchenführend,  zeigen  das  Phänomen  der 
sogen.  Körnchenströmung  und  treten  durch  mehr  oder  weniger  zahlreiche, 


*)  Duncan,  P.  M. ,   Studies   amoiigst  Amoeba.     Populär  science  review  1S77.     (Nicht 
eingesehen !) 


P:>eudoi)odienbildung-.     (ßeticulata.)  119 

netzförmig  zwischen  den  Pseudopodien  ausgespannte  Anastomosen  in 
Communikation  (IV.  6;  IX.  1;  XL  2).  Die  trefflichsten  Schilderungen 
derartiger  Pseudopodiennetze,  ihrer  Bildung  und  ihres  Verhaltens,  hat 
M.  Schnitze  bei  mehreren  Gelegenheiten  gegeben.  *)  Bei  den  einnitindigen 
imperforaten  Formen  entwickeln  sich  diese  sehr  zahlreichen,  in  ihrer 
Stärke  etwas  schwankenden  Pseudopodien  aus  der  einfachen  Schalen- 
öffnung, z.  B.  einer  Gromia  oder  Miliola;**)  zuweilen  breitet  sich  je- 
doch das  Protoplasma,  indem  es  reichlicher  aus  der  Mündung  hervorquillt, 
wie  ein  Ueberzug  über  die  Schale  aus  und  lässt  nun  allseitig  die  zarten 
Pseudopodien  ausstrahlen.  Bei  den  Perforaten  scheint  zwar  die  Entwicke- 
lung  der  Pseudopodien  gleichfalls  zunächst  von  der  weiteren  Schalen- 
mündung aus  vor  sich  zugehen,  späterhin  treten  jedoch  die  Pseudopodien 
allseitig  aus  den  Poren  der  Schale  hervor. 

Es  bestehen  diese  Pseudopodien,  wie  eine  Untersuchung  bei  starker 
Yergrösserung  nachweist,  aus  einem  sehr  feingranulirten  Plasma,  das 
zahlreiche  stark  lichtbrechende  Körnchen,  von  rundlicher  bis  stäbchen- 
förmiger Gestalt,  mit  sich  führt,  die  an  der  Oberfläche  der  Fäden  hin- 
gleiten, so  dass  sie  meist  über  dieselbe  noch  etwas  hinausragen.  Wie 
schon  bemerkt,  sind  diese  Körnchen  in  mehr  oder  minder  lebhaft  strömen- 
der Bewegung  begriffen;  man  sieht  sie  an  den  Fäden  einerseits  von  der 
centralen  Körpermasse  hinauseilen  bis  zu  dem  äussersten  Pseudopodien- 
ende,  während  sie  andererseits  auf  den  gleichen  Fäden  in  rückläufigem 
Strom  sich  zur  Schale  zurückbewegen.  Hieraus  geht  hervor,  dass  sich 
an  jedem  der  Pseudopodienfäden  das  Plasma  in  strömender  Bewegung 
befindet,  dass  sich  ein  Strom,  aus  der  Körpermasse  hervortretend,  nach 
der  Peripherie  begibt,  während  gleichzeitig  ein  rückkehrender  dem  Körper 
wieder  zueilt.***)  Zuweilen  treten  an  den  fadenartigen^Pseudopodien  auch 
lokale,  spindelförmige  Anschwellungen,  Varicositäten,  auf,  die  sich  ähnlich 
wie  die  Körnchen  an  dem  Faden  fortbewegen  können,  f)    Was  die  Länge 


*)  S.  53  und:  Das  Protoplasma  der  Khizopoden  und  der  PÜaiizenzellea.  Leipzig  1863. 
**)  Bei  den  oben  erwähnten  Süsswassergeschleclitcrn  Mikrogromia,  Lieberkühnia  und 
z.  Th.  auch  Gromia  entspringen  die  Pseudopodien  von  einer  stielartigen  Verlängerung  des 
Vorderendes  des  Protoplasmakörpers,  die  aus  der  Schalenmündung  hervorgestreckt  wird,  dem 
sogen.  Pseudopodienstiel.  Bei  Mikrogromia  und  Lieberkühnia  (IIL  15,  16,  p)  entspringt  dieser 
Pseudopodieustiel  niclit  vom  vorderen  Theil  des  Weichkörpers,  sondern  etwas  hinter  demselben 
seitlich,  so  dass  hierdurch  die  schon  im  Schalenbau  angedeutete  bilaterale  Gestaltung  noch 
deutlicher  zum  Ausdruck  kommt. 

***)  Diese  Schilderung  M.  Schultze's  von  dem  Vorhandensein  der  Doppelströme  an  den 
Pseudopodien  der  Eeticularia  kann  sich  doch  wohl  vorzugsweise  nur  auf  die,  wenn  der  Aus- 
druck erlaubt  ist,  ruhenden,  d.  h.  in  ihrer  Gestalt  für  eine  gewisse  Zeit  wenig  veränderlichen 
beziehen ,  da  in  den  sich  hervorbildenden  Pseudopodien  oder  umgekehrt  in  den  sich  zurück- 
ziehenden doch  wohl  die  Strömung  einseitig  erfolgen,  oder  doch  die  Strömung  in  einer 
Richtung  sehr  gegen  die  in  anderer  vorherrschen  muss.  Doch  gibt  Schnitze  ausdrücklich  an, 
dass  sich  an  den  im  Hervortreten  begriffenen,  an  ihren  Enden  meist  knopfförmig  angeschwol- 
lenen Pseudopodien  ein  rückläufiger  Strom  bemerken  lasse,  wie  umgekehrt  auch  sogar  während 
der  Einzieluing  ein  centrifugaler  Strom  zu  bemerken  sein  soll. 

f )  Im  Allgemeinen  scheint  es  wenig  wahrscheinlich,  dass  den  fadenartigen  Pseudopodien 


X20  Ehizopoda. 

der  in  solcher  Weise  entwickelten  Pseudopodien  betrifft,  so  ist  dieselbe 
gewöhnlich  sehr  ansehnlich  und  erhebt  sich  bis  zu  dem  6 — 10  fachen  des 
Schalendurchmessers.  Natürlich  vermag  sich  ein  solch  zartes,  reiches 
Pseudopodiennetz  gewöhnlich  nicht  frei  in  dem  umgebenden  Medium  zu 
erheben,  sondern  kriecht  auf  einer  Unterlage  hin.  Es  ist  leicht  einzusehen, 
wie  durch  Verkürzung  der  Pseudopodien  auch  eine  langsame  Ortsverände- 
rung der  ganzen  Schale  bewerkstelligt  werden  kann  und  so,  ähnlich  wie 
dies  auch  für  die  seither  besprochenen  Formen  gilt,  der  Organismus  sich 
mit  Hülfe  seiner  Pseudopodien  kriechend  bewegt. 

Wie  durch  Verschmelzung  der  Pseudopodien  Netze  hergestellt  weiden 
können,  so  können  dieselben  auch  stellenweise  zu  grösseren  protoplasma- 
tischen, plattenartigen  Anhäufungen  zusammenfliessen  und  dies  findet 
namentlich  statt,  wenn  es  gilt,  Nahrungskörper  mit  Hülfe  der  Pseudo- 
podien in  den  Körper  einzuführen.  Es  geschieht  dies  in  der  Weise,  dass 
der  aufzunehmende  Körper  von  mehreren  Pseudopodien  ergriffen  und 
gewissermaassen  umflossen  wird,  indem  Protoplasma  reichlich  zuströmt, 
den  betreffenden  Körper  umhüllt  und  derselbe  hierauf  durch  Verkürzung 
der  Pseudopodien  allmählich  in  den  Körper  hereingezogen  wird.  *)  Fraglich 
scheint  es  jedoch,  ob  ein  solcher  Nahrungskörper  zu  seiner  Verdauung 
stets  nothwendig  in  die  Hauptkörpermasse,  resp.  die  Schale,  eingeführt 
zu  werden  braucht,  oder  ob  nicht  die  Assimiliruog  auch  ausserhalb  der 
Schale,  wenn  nur  eine  hinreichende  Umhüllung  desselben  durch  lebendiges 
Protoplasma  stattgefunden  hat,  vor  sich  zu  gehen  vermag. 

Die  hier  geschilderte,  jetzt  allgemein  anerkannte  Natur  der  reticulären  Pseudopodien 
der  Ehizopoden  und  ihrer  Körnchenströmung,  welche  schon  von  Dujardin  in  richtiger  Weise  auf- 
gefasst  worden  war ,  gab  seiner  Zeit  Veranlassung  zu  einem  hartnäckigen  Streit  zwischen 
M.  Schnitze  und  Eeichert,  wie  einer  Anzahl  weiterer  Forscher,  die  sich  theils  auf  die  eine, 
theils  mehr  auf  die  andere  Seite  schlugen.  Unter  diesen  ist  hauptsächlich  noch  Häckel  zu 
nennen,  der  mit  grosser  Lebhaftigkeit  die  Dujardin-Schultze'sche  Ansicht  vertheidigte.  Ehren- 
berg, dessen  Ansichten  über  die  Natur  der  marinen  Ehizopoden  schon  früher,  gelegentlich  des 
historischen  üeberblicks,  mitgetheilt  wurden,  hat  sich  nie  mit  der  Dujardin-Schultze'schen  Auf- 
fassung ausgesöhnt,  und  stets  daran  festgehalten,  dass  es  sich  bei  der  Bildung  der  Pseudopodien- 
netze  nicht  um  eine  wahre  Verschmelzung  handle,  sondern  um  eine  innige  Aneinander- 
lagerung  der  stets  getrennt  bleibenden  Pseudopodienfäden  —  dass  demnach  die  gesammte 
Netzbüdung  nur  eine  scheinbare  sei.  Eeichert,**)  als  ein  heftiger  Gegner  der  ganzen  sogen. 
Sarkodetheorie,  hält  wie  Ehrenberg   diese  Netzbildung  für  eine  scheinbare  und  wandte  sich 


der  Ehizopoden  z.   Th.   eine  Differenzirung  in  Axenfaden  und  Eindenschicht  zukomme,  wie 
wir  solches  späterhin  bei  einem  Theil  der  Heliozoen  und  Eadiolarien  finden  werden ;  dennoch ' 
möge  an  dieser  Stelle  darauf  aufmerksam  gemacht  werden,  dass  M.  Schnitze  für  die  körncheu- 
armen  und  weniger  leichtflüssigen  Pseudopodien  eine  solche    höhere  Ausbildungsstufe  nicht 
unmöglich  hält  (s.  „Das  Protoplasma"). 

*)  Bei  dieser  Gelegenheit  sei  noch  erwähnt,  dass  M.  Schnitze  mehrfach  eine  sehr  plötz- 
liche lähmende  Wirkung  der  Pseudopodiennetze  von  Gromia  und  Polystomella  auf  dieselben 
berührende  Infusorien  beobachtete;  ein  Moment,  das  für  ihre  Bedeutung  als  Organe  zur 
-Nahrungsaufnahme  nicht  gering  anzuschlagen  sein  wird. 

**)  Monatsberichte  d.  Berliner  Akad.  1862,  Arch.  f.  An.  u.  Physiol.  1862  (Abdruck). 
Monatsber.  1863,  1865  (Abdr.  im  Arch.  f.  A.  u.  Ph.).  üeber  Schultze's  Vertheidigung  siehe 
auch:  Arch.  f.  Naturgesch.  1863  und  haupts.:  Das  Protoplasma  1863. 


Pseudopodieubilduug-.     (Starre,  pseudopodienart.  Fortsätze  bei  Amöben.)  121 

namentlich  aucli  gegen  das  Phänomen  der  Körnchenströmung,  das  nach  ihm  nicht  durch 
Strömung  thatsäclilich  oxistirender  Körnchen,  sondern  durcli  das  Fortsclireiten  von  Contralctions- 
wellcn  an  den  Pscudopodienfäden  hervorgerufen  werde.  Es  handle  sich  also  hier,  wie  gesagt, 
nicht  um  wirkliche  Körnchen,  sondern  der  Anschein  solcher  sei  hervorgerufen  durch  schlingen- 
artige  Contraktionswellen ,  die  an  dem  Faden  hüpfend  sich  fortbewegten.  Es  kann  hier  nicht 
unsere  Aufgabe  sein,  diesen  Streit  durch  alle  die  Gründe  und  Gegengründo  hindurch  zu  ver- 
folgen. Wir  heben  nur  hervor:  dass  einmal  die  gesammte  optische  Erscheinung  der  Körnchen 
und  ihrer  Bewegungen,  ferner  die  Netzbildung  der  Pseudopodien  gegen  die  Ehrenberg- 
Reichert'sche  Auffassung  spricht,  andererseits  der  namentlich  von  Häckel  und  späterhin  auch 
von  M.  Schnitze  geführte  Nachweis,  dass  feine,  dem  Khizopodenkörper  zugeführte  Karmin- 
oder Stärkemehlkörnchen  in  derselben  Weise  wie  die  eigentlichen  sogen.  Protoplasmakörnchen 
die  Erscheinung  der  Strömung  auf  den  Pseudopodien  zeigen,  hinreichend  die  gegeutheilige 
Ansicht  widerlegt.  Auch  anderweitige  kleine  Fremdkörper  können  in  solcher  Weise  von  dem 
rückläufigen  Strom  der  Pseudopodien  ergriffen  und  als  Nahrungsbestandtheile  dem  eigentlichen 
Thierkörper  zugeführt  werden,  üebrigcns  hat  Eeichert  in  seinen  späteren  Abhandlungen  über 
diesen  Gegenstand  seinen  ursprünglich  schroffen  Gegensatz  vielfach  gemildert.  Wir  glaubten 
hier  einige  kurze  Bemerkungen  über  diese  Streitfragen  einschalten  zu  sollen,  da  hauptsächlich 
die  Untersuchung  unserer  Ehizopoden  zum  Austrag  derselben  geführt  hat. 

Eine  recht  eigentliUniliche  und  bemerkenswertlie  Erscheinung  tritt 
uns  noch  darin  entgegen,  dass  eine  Reihe  von  Rhizopoden  das  Vermögen 
besitzt,  Pseudopodien  oder  doch  pseudopodienartige  Fortsätze  von 
zweierlei  Gestalt  auszusenden.  Gelegentlich  haben  wir  dieses  Verhalten 
schon  bei  der  sogen.  Amoeba  radiosa  erwähnt,  die  zuweilen  ihre  ansehn- 
lich langen,  strahlenartigen  Pseudopodien  einzieht  und  sich  mit  Hülfe 
kurzer,  stumpfer  Fortsätze  weiterbewegt.  Auch  bei  seiner  Gromia  granu- 
lata  (=  Plagiophrys  lentiformis  H.  u.  L.)  hat  F.  E.  Schulze  zuweilen 
das  Hervortreten  kurzer,  lappenförmiger  Pseudopodien  zwischen  den  Basen 
der  gewöhnlichen,  lang  fadenförmigen  beobachtet. 

Ziemlich  allgemein  scheint  jedoch  den  Amöben  noch  die  Eigenthüm- 
lichkeit  zuzukommen,  an  ihrem  Hinterende  eine  Anzahl,  häufig  wie  ein 
Schopf  zusammenstehender,  kurzer  fransen-  oder  haarartiger,  ectoplasma- 
tischer  Fortsätze  zu  entwickeln  (U.  5,  d).  Möglich,  dass  diese  Erscheinung 
schon  von  Dujardin  bei  seiner  Amoeba  inflata  beobachtet  wurde,  späterhin 
haben  sich  hauptsächlich  Lieberkühn,*)  Wallich**)  (der  auf  diesen  ver- 
gänglichen Charakter  seine  A.  villosa  =  princeps  Ehrbg.  gründete), 
Carter  und  Andere  mit  dieser  Erscheinung  beschäftigt  und  es  hat  sich 
herausgestellt,  dass  es  sich  hier  wohl  um  eine  bei  Amoeba  und  verwandten 
Organismen  ziemlich  verbreitete  Erscheinung  handelt.  So  zeigt  sich 
dieselbe  ähnlich  zuweilen  auch  bei  Pelomyxa  und  Plakopus  F.  E.  Seh., 
und  auch  die  später  bei  den  Flagellaten  zu  besprechenden,  mit  Geissei 
versehenen  Amöben,  so  z.  B.  die  Mastigamoeba  F.  E.  Schulze's  und  die 
Amoeba  monociliata  Carter's  bieten  das  gleiche  Verhalten. 

Diese  haarartigen  Fortsätze  machen  einen  sehr  starren  Eindruck  und 
scheinen  keiner  activen  Bewegung  fähig  zu  sein ;  sie  sind  daher  auch 
kaum  in  die  Kategorie  der  eigentlichen  Pseudopodien  zu  ziehen.  Während 


*)  S.  bei  Clap.  u.  Lachm.  tiO. 
**)  A.  m.  n.  h.  3.  XI  u.  XII. 


122  KMzopoda. 

sie  meist  verhältnissmässig  sehr  kurz  bleiben,  hat  Archer*)  einmal  bei  einer, 
wegen  der  Anwesenheit  eines  solchen  hinteren  Schopfes  kurzer  Fortsätze 
als  A.  villosa  bezeichneten  Form,  auch  nebenbei  noch  einen  Büschel  feiner 
Fortsätze  von  Körperlänge  und  gelegentlich  auch  unter  den  gewöhnlichen 
kurzen,  hintern  Fortsätzen  einige  körperlange  angetroffen. 

In  dieselbe  Kategorie  starrer,  kurzer  Oberflächenfortsätze  gehören 
ohne  Zweifel  auch  die  von  Hertwig  und  Lesser  bei  ihrer  Dactylosphaera 
vitreum  beschriebenen ,  welche  die  ganze  oder  nur  einen  Theil  der  Ober- 
fläche sammt  den  Pseudopodien  bedecken,  und  an  denen  sie  gleichfalls 
Bewegungen  nicht  wahrzunehmen  vermochten  (I.  11).  Eine  solche  Aus- 
dehnung dieses  Härchen-  oder  Zöttchenbesatzes  über  das  gesammte  Ecto- 
sark  amöbenartiger  Rhizopoden  findet  sich  aber  noch  weiter  verbreitet,  so 
hat  schon  Stein**)  (13)  einen  amöbenartigen  Organismus,  der  gänzlich  von 
solchen  kurzen  Borsten  überzogen  war,  unter  dem  Namen  Chaetoproteus 
beschrieben;  späterbin  wurde  dann  ein  ähnlicher,  wenn  nicht  identischer, 
von  Leidy***)  aufgefunden.  In  dieselbe  Kategorie,  wie  die  eben  be- 
schriebenen haarartigen,  starren  Fortsatzbildungen  der  Amöben,  mögen 
auch  die  bei  dem  interessanten  Diaphoropodon  Archer's  von  der  gesammten 
Körperoberfläche  zwischen  den  Schalenpartikeln  entspringenden  haarartigen 
Fortsätze  gehören  (IV,1).  Neben  solchen  entwickelt  diese  Form  dann  noch  mehr 
oder  minder  zahlreiche,  sehr  lang  fadenartige,  oder  in  sehr  eigenthümlicher 
Weise  tannenbaumartig  verästelte  Pseudopodien  aus  der  Schalenmündung. 

Ueber  die  eigentliche  Natur  und  Bedeutung  dieser  zöttchen-  bis 
haarartigen  Fortsätze  der  amöbenartigen  Rhizopoden  vermag  vielleicht 
aus  einer  Beobachtung  Czerny'sf)  einiger  Aufschluss  geschöpft  werden. 
Derselbe  fand  nämlich,  dass  Amöben  bei  Zusatz  von  V4%  Kochsalzlösung 
zahlreiche,  feine,  wimperartige  Fortsätze  aussenden,  die  „rasch  länger, 
dann  knotig  werden,  sich  biegen  und  in  zitternde  Bewegung  gerathen." 
Möglich,  dass  hieraus  der  Schluss  gezogen  werden  darf,  dass  das  Ecto- 
plasma  der  Amöben  die  Eigenthümlichkeit  besitzt,  bei  stärkerer  Verdichtung 
durch  Wasserentziehung  (wie  sie  ohne  Zweifel  in  Folge  des  Zusatzes  von 
Kochsalzlösung  eintritt)  solche  Fortsätze  zu  entwickeln.  Diese  Auffassung 
erscheint  auch  noch  deshalb  nicht  unplausibel ,  weil  es  das  Hinterende 
der  kriechenden  Amöbe  ist,  wo  sich  der  Schopf  solcher  Fortsätze  gewöhn- 
lich entwickelt.  Aus  früher  in  der  Einleitung  erörterten  Gründen  aber, 
scheint  es  wahrscheinlich,  dass  eben  am  Hinterende  die  Dichte  des  Proto- 
plasmas am  bedeutendsten,  resp.  dasselbe  hier  am  wasserärmsten  ist. 

Gewisse  eigenthümliche  Erscheinungen  zeigen  sich  z.  Th.  noch  bei 
der  Einziehung  der  Pseudopodien  mancher  Rhizopoda,  und  verdienen 
hier  noch  eine  kurze  Besprechung.  Bei  der  schon  mehrfach  erwähnten 
Dactylosphaera  vitreum  haben  Hertwig  und  Lesser  beobachtet,   dass  die 


*)  Qu.  j.  lüicr.  bc.  VI. 
**)  Abh.  d.  k.  böhiü.  Ges.  d.  W.  X. 
***)  Proc.  acad.  Philad.  1874. 
t)  Arch.  f.  inikr.  Anatomie  Bd.  V.  p.  15S. 


PseudoiJodienbildung.     (Einziehung,  geisselnde  Pöeudüpodieu.)  123 

strahleDartigen,  jedoch  ziemlich  dicken  Pseudopodien  vor  ihrer  Einziehung 
plötzlich  knorrig-  und  unregelmässig  werden  und  hierauf  rasch  zurück- 
fliessen.  Noch  bemerkenswerther  ist  das  schon  Carter  (75.  13)  und 
Fresenius*)  bekannte,  später  auch  durch  Hertwig  und  Lesser  geschil- 
derte Verhalten  der  fadenartig  zugespitzten  Pseudopodien  bei  Cyphoderia. 
Hier  fliesst  das  Pseudopodium  entweder  rasch  zu  einem  Protoplasma- 
tropfen zurück  oder  zieht  sich  zunächst  plötzlich  zu  einer,  ihre  Windungen 
allmählich  verkürzenden,  Spirale  zusammen;  dasselbe  geschieht  gewöhnlich 
auch,  wenn  das  Pseudopodium  ein  Nahrungspartikelchen  ergriffen  hat, 
das  dann  in  einem  Protoplasmatropfen  eingeschlossen,  der  sich  an  dem 
Ende  des  Scheinfüsschens  gebildet  hat,  in  den  Körper  des  Thieres  ein- 
gezogen wird.  Einen  ähnlichen  Vorgang  hat  dann  ferner  auch  F.  E.  Schulze 
bei  seiner  Gromia  granulata  (wohl  =  Plagiophrys  lentiformis  H.  u.  L.) 
beobachtet,  indem  hier  bei  der  Einziehung  eines  Pseudopodiums  plötzlich 
eine  Erschlaffung  desselben,  mit  welliger  Kräuselung,  zu  beobachten  war, 
worauf  es  zu  einem  Klumpen  zusammenschmolz. 

Zum  Beschluss  unserer  Betrachtung  der  Pseudopodienbildung  der 
Rhizopoda  müssen  wir  noch  einen  Blick  auf  die  seltneren  Vorkommnisse 
pseudopodienartiger  Fortsätze  mit  schwingenden  bis  geisselnden  Bewegungs- 
erscheinungen werfen.  Wir  kennen  nur  einen  oder  vielleicht  zwei  hierher 
gehörige  Fälle,  die  sich  bei  amöbenartigen  Organismen  gefunden  haben 
und  die  unser  Interesse  um  so  mehr  in  Anspruch  nehmen,  als,  wie  be- 
kannt, eine  ganze  Reihe  amöbenartiger  Organismen  mit  der  Zeit  entdeckt 
worden  ist,  die  durch  den  Besitz  einer  mehr  oder  minder  ansehnlichen 
Geissei  sich  den  eigentlichen  Fiagellaten  so  innig  anschliessen,  dass  wir 
vorgezogen  haben,  sie  diesen  anzureihen  und  ihre  Besprechung  daher  auf 
später  zu  verschieben.  Die  jetzt  zu  erwähnenden  Vorkommnisse  aber 
scheinen  eine  ziemlich  directe  Uebergangsstufe  von  den  gewöhnlichen 
Amöben  zu  jenen  Geisseiamöben  zu  bilden. 

Der  einfachste  hierhergehörige  Fall  liegt  zunächst  bei  der  schon 
mehrfach  erwähnten  Amoeba  radiosa  Auerb.  vor.  Die  strahlenartigen 
langen  Pseudopodien,  welche  diese  Form  im  ruhenden  Zustand  aussendet 
(I.  10),  besitzen  nach  meinen  Beobachtungen*'^')  zeitweilig  die  Fähigkeit, 
mit  ihren  fein  ausgezogenen,  häufig  schlingenförmig  umgebogenen  Enden 
leicht  hin  und  her  zu  schwingen  oder  sich  anhaltend  drehend  zu  bewegen. 

Wie  schon  früher  bemerkt,  werden  dann  diese  Pseudopodien  zuweilen 
eingezogen  und  der  Organismus  bewegt  sich  mittels  breiter,  lappiger 
Pseudopodien  fort.  Ganz  ähnlich  verhält  sich  nun  nach  den  Untersuchungen 
Lachmann's  (60)  eine  zu  der  Gattung  Podostoma  erhobene  Form,  die 
sich  hauptsächlich  dadurch  von  der  geschilderten  A,  radiosa  unterscheidet, 
dass  die  langen,  fadenartigen  Fortsätze  sich  auf  einem  basalen  kurzen, 
dickeren  Fortsatz  erheben  und  der  Pseudopodienfaden  heftige  geisselnde 
Bewegungen   ausführt,   also  sich   hier   in   sehr   hohem   Grade   der  Natur 

*)  Abhandl.  d.  Senckenb.  iiat.  Ges.  IL 
**)  Z.  f.  w.  Z.  XXX. 


124  Ehizopoda. 

wahrer  Geissein  nähert.  Er  dient  zur  Nahrungsaufnahme,  indem  kleine 
Nahrungskörperchen  an  ihm  herabgleiten  und  durch  den  basalen  Träger 
des  Geisselfadens  aufgenommen  werden.  Dass  sich  an  dieser  Stelle  eine 
persistirende  Oeffnung  zur  Aufnahme  der  Nahrungskörper  finde,  wie  Cla- 
parede  und  Lachmann  angeben,  scheint  mir  sehr  wenig  wahrscheinlich. 
Etwas  abweichend  von  dieser  Schilderung  des  Podostoma  ist  die 
Darstellung,  welche  L.  Maggi*)  von  demselben  entwirft.  Nach  letzterem 
Beobachter  sollen  sich  statt  der  von  Claparede  und  Lachmann  geschil- 
derten, geisselnden  Fortsätze  auch  häufig  bedeutend  längere,  fadenförmige 
(und  wohl  auch  geisselnd  bewegliche)  finden,  die  sich  an  ihrem  Ende 
nicht  zuspitzen,  sondern  durchaus  gleichförmige  Dicke  besitzen.  Ihren 
Ursprung  sollen  sie  nicht,  wie  die  gewöhnlichen  Pseudopodien,  aus  dem 
Ectoplasma,  sondern  aus  der  früher  erwähnten,  sogen.  Mesoplasmascbicht 
nehmen.  Merkwürdigerweise  sollen  nun  diese  langen,  fadenartigen  Fort- 
sätze an  ihrem  Ende  eine  Oeffnung  zur  Aufnahme  der  Nahrung  besitzen, 
von  deren  Existenz  ich  jedoch  ebensowenig  tiberzeugt  bin,  wie  von  der 
oben  nach  Claparede  und  Lachmann  angegebenen  Mundöffnung  an  der 
Basis  des  geisselartigen  Pseudopodiums.  Ueberhaupt  scheint  mir  die 
Beziehung  der  von  Maggi  untersuchten  Organismen  zu  dem  Podostoma 
filigerum  Gl.  u.  L.  nicht  ganz  sicher,  wogegen  ich  trotz  der  Einwendungen 
Cattaneo's  die  Beziehungen  des  Podostoma  zu  A.  radiosa  für  sehr  innige 
halten  muss,  worin  auch  ihr  Entdecker  Lachmann  mit  mir  übereinstimmt, 
der  beide  Formen  gleichfalls  für  sehr  innig  verwandt  erklärt.**) 

ij.    Gallertige  Umhüllungen  des  Weiclikörpers. 

Bildungen,  wie  sie  die  Ueberschrift  dieses  Abschnittes  bezeichnet, 
sind  verhältnissmässig  seltene  Vorkommnisse  bei  den  Rhizopoda;  dennoch 
sind  2  hierhergehörige,  bei  verwandtschaftlich  sich  sehr  wenig  nahe- 
stehenden Formen  findende  Fälle  bekannt  geworden,  von  denen  es  jedoch 
fraglich  erscheinen  darf,  ob  sie  in  näherer  Beziehung  zu  einander  stehen. 
Der  erste  betrifft  eine  amöbenartige  Form,  die  sogen.  Amphizonella 
Greeflfs  ***)  (II.  7).  Hier  wird  der  amöbenartige  Körper  von  einer  ziemlich 
dicken,  hyalinen  Umhullungsschicht  überzogen.  Dieselbe  ist  recht  resistent 
gegenüber  Säuren  und  Alkalien,  besitzt  jedoch  jedenfalls  nur  eine  etwa 
gallertige  Consistenz,  da  sie  von  den  fingerförmigen  Pseudopodien  leicht 
durchbohrt  wird  und  ebenso  schnell  wieder  an  Stelle  der  eingezogenen 
Pseudopodien  zusammenfliesst. 

Der  zweite  Fall  hingegen  betrifft  eine  marine,  pelagische  Form  der 
Perforata,  nämlich  die  sogen.  Hastigerina  Murrayi  (Untergenns  von  Globi- 
gerina).  Hier  fand  zuerst  Murray*)  bei  wohlerhaltenen,  lebenden  Thieren 
eine   den   Durchmesser   der  Schale  fast  um  das  Doppelte  an  Dicke  tiber- 


*)  Kendic.  d.  E.  Istit.  Lomb.  IX.  1876. 
**)  Verh.  d.  nat.-hist.  Ver.  d.  pr.  Elieinl.  u.  Westpli.  XVI. 
***)  Arch.  f.  mikr.  A.  II. 

*)  Proc.  roy.  soc.  XXIV.  p.  532. 


I 


Gallertige  Hüllen.    Wcichlcörper  und  Schale  bei  Monotlialainia.  125 

treffende  Umhüllnng'  von  „bubble  like  extensions"  der  Sarkode,  wie  er 
sich  ausdrückt  (IX.  1).  Dass  es  sich  jedoch  hier,  wie  schon  der  erste 
Anblick  der  Abbildung  lehrt,  um  eine  ähnliche  AlveolenhüUe  handelt,  wie 
sie  bei  den  Radiolarien  so  weit  verbreitet  ist,  hat  R.  Hertwig,*)  der 
genaue  Kenner  der  Radiolaria,  durch  eigene  Untersuchung  der  Ilastigerina 
oder  einer  sich  ähnlich  verhaltenden  pelagischen  Globigerinenform  gezeigt. 
Demnach  wird  auch  hier  eine  ansehnlich  dicke  Gallerthülle  die  Schale 
sammt  Thierkörper  äusserlich  umhüllen,  durch  welche  Gallerthülle  sich 
Sarkodenetze  hindurchziehen,  die  von  der  Oberfläche  der  Gallerte  die 
Pseudopodien  entspringen  lassen.  Die  „bubble  like  extensions"  aber  sind 
zahh'eiche  ansehnliche,  sogen.  Alveolen  (Flüssigkeitsvacuolen),  die  in  der 
Substanz  der  Sarkodenetze  der  Gallerte  gebildet  werden. 

Eine  genauere  Darstellung  der  jentsprechenden  Bildungen  der  Radio- 
larien wird  späterhin  bei  diesen  mitgetheilt  werden.  Es  liegt  die  Ver- 
muthung  sehr  nahe,  dass  solche  Gallert-  und  Alveolenbildung  nicht  nur  auf 
die  erwähnte  Gattung  beschränkt  sei,  sondern  eine  weitere  Verbreitung  unter 
den  pelagischen  Rhizopoden  besitze,  worauf  denn  auch  die  Bemerkung 
Murray's  hindeutet,  dass  auch  die  stachellosen  Formen  der  pelagischen 
Rhizopoden  (also  wohl  hauptsächlich  Pulvinulinen)  ähnliche  blasige  Ueber- 
züge  entwickelten. 

5.    Verhalten  des  Weichkörpers  zur  Schale  und  Bildung'  der  Schale 

durch  den  Weichkörper. 

In  seinem  erwachsenen  Zustand  zeigt  der  Organismus  der  beschälten 
Rhizopoden  ein  etwas  verschiedenes  Verhalten  zu  der  ihn  umhüllenden 
Schalenhaut ;  wir  haben  daher  hier  auch  auf  diese  Verhältnisse  noch  einen 
Blick  zu  werfen. 

Unzweifelhaft  geschieht  die  erste  Bildung  eines  Schalenhäutchens  in 
directer  Auflagerung  auf  die  Oberfläche  des  Protoplasmaleibes  selbst,  ja 
es  handelt  sich  wohl  auch  hier  um  eine  directe  chemische  Umbildung 
der  äussersten  Plasmaschicht,  welche  den  Anstoss  zur  Schalenbildung 
gibt,  wofür  ja  die  von  uns  früher  namhaft  gemachten  Fälle  sprechen, 
in  welchen  das  Vorhandensein  eines  Schalenhäutchens  unsicher  ist.  In 
diesen  letzterwähnten  sowohl,  als  auch  in  den  sich  zunächst  anschliessenden 
Fällen  mit  sehr  dünner  oder  doch  biegsamer  und  zarter  Schalenhaut, 
wie  wir  solches  z.  B.  bei  Lieberkühnia,  Lecythium,  Gromia  und  unter 
den  Lobosen  bei  Cochliopodium  gefunden  haben,  liegt  daher  auch  die 
Schalenhaut  der  Oberfläche  des  protoplasmatischen  Weichkörpers  noch 
dicht  auf.  Hat  dieselbe  hingegen  eine  grössere  Festigkeit  erlangt,  so 
zeigt  sich  bei  den  monothalameu  Formen  des  Süsswassers  häufig  eine 
Zurückziehung  des  Körpers  von  der  Schale,  die  dann  also  nicht  mehr 
völlig  von  dem  Weichkörper  ausgefüllt  wird.  Ein  solches  Verhalten  ist 
namentlich  bei  den  Lobosen  weit  verbreitet,   wird  jedoch  auch  bei  den 

*)  Jen.  Zeitschr.  IX. 


126  Ehizopoda. 

Reticulata  nicht  selten  angetroffen.  Entweder  trennt  in  diesen  Fällen  eine 
mehr  oder  minder  ansehnliche,  mit  Flüssigkeit  erfüllte  Zone  den  Weich- 
körper völlig  von  der  Schale,  der  sich  dann  nur  noch  an  der  Mündung 
an  dieselhe  zur  Befestigung  anzulegen  scheint,  wie  sieh  solches  z.  B.  bei 
Mikrogromia  und  Platoum,  jedoch  auch  bei  Euglypha  und  Trinema 
beobachten  lässt;  oder  aber  es  heftet  sich  der  Weichkörper  durch  be- 
sondere zarte,  vom  Hinterende  des  Körpers  entspringende  Plasmafortsätze 
im  Grunde  der  Schale  fest.  In  diesen  Fällen,  wie  sie  unter  den  Lobosen 
sehr  w^ohl  ausgeprägt  bei  Arcella  (II.  9  a),  Hyalosphenia  (II.  10),  Qua- 
drula  (II.  12)  und  Difflugia,  unter  den  Reticulata  hingegen  bei  Cyphoderia 
(III.  13)  zu  beobachten  sind,  hat  sich  demnach  hauptsächlich  das  Hinter- 
ende des  Körpers  weit  von  dem  Schalengrunde  zurückgezogen,  so  dass 
bisweilen  der  Weichkörper  wie  in  der  Mündung  aufgehängt  erscheint. 

Unzweifelhaft  sind  diese  zur  Befestigung  verwertheten  protoplasma- 
tischen Fortsätze  des  Hinterendes  auch  einer  activen  Veränderung  fähig 
und  vermögen  den  Weichkörper  in  den  Schalengrund  zurückzuziehen. 
Einige  Forscher  berichten  sogar  von  einem  plötzlichen  Zurückziehen 
solcher  Formen,  ohne  Zweifel  mit  Hülfe  dieser  hinteren  Fortsätze.  So 
gibt  Stein*)  dieses  Verhalten  von  seiner  Hyalosphenia  cuneata  an,  doch 
hat  F.  E.  Schulze  bei  seiner  H.  lata  nichts  Aehnliches  beobachtet  und  Carter 
berichtet  ebenso  ein  plötzliches  Zurückziehen  seiner  Difflugia  bipes  (wahr- 
scheinlich zu  NebelaLeid.  zu  stellen  [III.  10])  mittels  ihrer  hinteren  Fortsätze, 
wobei  sich  der  Weichkörper  gleichzeitig  zu  einer  Kugel  abrunden  soll.**) 

Bei  den  marinen,  kalkschaligen  und  sandschaligen  Rhizopoden 
scheint  nach  den  Untersuchungen  M.  Schultze's  und  anderer  Forscher  der 
Weichkörper  die  Schalenhöhlungen  gewöhnlich  völlig  anzufüllen,  wie  dies 
schon  daraus  hervorgeht,  dass  man  durch  vorsichtiges  Auflösen  der  Kalk- 
schalen  mittels  Säure  gewöhnlich  einen  untadelhaften  Ausgnss  der  Schalen- 
räume in  Gestalt  des  restirenden  Plasmakörpers  erhält.  Für  die  poly- 
thalamen  Formen  hebt  jedoch  M.  Schnitze  hervor,  dass  die  jüngste  Kammer 
häufig  keine  völlige  Erfüllung  mit  Protoplasma,  sondern  nur  ein  feines 
Gespinnst  von  Protoplasmafäden  enthalte  und  hält  diesen  Zustand  für  den 
primitiven,  dem  eine  völlige  Erfüllung  erst  nachträglich  folge. 

Aber  nicht  nur  die  weiten,  eigentlichen  Schalenräume  der  marinen 
Formen  sind  in  dieser  Weise  meist  völlig  durch  Sarkode  erfüllt,  sondern 
auch  die  Porenkanäle  der  Perforaten  sowie  das  Kanalsystem,  wo  ein 
solches  vorhanden  ist,  besitzen  eine  Erfüllung  durch  Protoplasma.  Für 
die  Porenkanäle  ergibt  sich  dies  ja  schon  aus  dem  Durchtreten  der  Pseudo- 
podien, für  das  Kanalsystem  hingegen  ist  eine  solche  Erfüllung  gleichfalls 
verständlich,  da  dasselbe  ja  stets  in  irgend  einer  Weise  mit  den  Kammer- 
räumen communicirt.  Dass  jedoch  auch  dieses  Kanalsystem  der  Schale 
der    höheren  Rhizopoden    thatsächlich  mit  Protoplasma  erfüllt   sei,    wie 


*)  Abh.  (].  ]>.  bölnn.  G.  d.  W.  X. 
**)  A.  in.  11.  h.  4.  V. 


Bildung-  der  Schale  durch  Weichkörper  etc.  227 

Carpenter  vermnthete^  und  nicht  etwa  Flüssigkeit  führe,  wie  dies  z.  B.  von 
Carter*)  behauptet  worden  war  (der  hiernach  das  Kanalsystem  für  eine 
den  Einströmungskanälen  der  Spongien  vergleichbare  Einrichtung  erklärte), 
hat  erst  Kölliker**)  an  vorsichtig  entkalkten  Formen  nachgewiesen,  bei 
welchen  es  gelang,  die  Protoplasmareste  in  den  Kanälen  noch  deutlich 
zu  beobachten. 

Ein  weiteres  eigenthümliches  und  wichtiges  Verhalten  des  Weich- 
körpers zur  Schale  scheint  bei  den  marinen  Rhizopoden  zuweilen  vor- 
handen zu  sein,  nämlich  die  mehr  oder  minder  völlige  Umfliessung  der 
äusseren  Schalenoberfläche  durch  aus  dem  Inneren  hervorgedrungenes 
Protoplasma.  Bei  den  Imperforaten  (so  z.  B.  sehr  schön  bei  Gromia) 
tritt  das  Protoplasma  aus  der  Schalenöfifnung  aus  und  ergiesst  sich  als 
ein  Ueberzug  über  die  Schalenoberfläche  (IV.  6),  während  bei  den  Per- 
forata  ein  solcher  Ueberzug  durch  Verschmelzung  der  Basaltheile  der  aus 
den  Poren  hervorgedrungenen  Pseudopodien  sich  bilden  kann.  In  wie 
weit  jedoch  diese  Erscheinung  unter  den  marinen  Rhizopoden  verbreitet 
ist,  scheint  bis  jetzt,  bei  der  Mangelhaftigkeit  unserer  Kenntniss  derselben 
im  lebenden  Zustand,  nur  wenig  aufgeklärt.  Die  Wachsthums-  und 
Bildungsverhältnisse  der  Schale,  auf  die  wir  gleich  noch  näher  einzugehen 
haben  werden,  machen  es  sehr  wahrscheinlich,  dass  solche  Ueberdeckungen 
der  äusseren  Schalenfläche  mit  Protoplasma  hierbei  eine  wichtige  Rolle 
spielen,  wie  dies  ja  auch  durch  Carpenter  und  Wallich***)  betont  wurde, 
welch  letzterer  sogar  diese  äussere  Plasmalage  mit  einem  besonderen 
Namen,  Chitosark,  belegt  hat,  und  auch  bei  den  monothalamen  Süss- 
wasserformen  einer  solchen  (jedoch  bis  jetzt  von  Niemand  gesehenen) 
äusseren  Plasmalage,  eine  wichtige  Rolle  beim  Schalenbau  zuschreibt.  ] 

Wenn  wir  uns  jetzt  zu  einer  Erörterung  der  wichtigen  und  interes- 
santen Frage  wenden,  in  welcher  Weise  der  so  einfach  organisirte  Plasma- 
körper der  Rhizopoden  im  Stande  ist,  so  complicirt  gebaute  Schalen- 
bildungen zu  erzeugen,  wie  wir  sie  z.  B.  unter  den  Nummuliniden  antreffen, 
so  müssen  wir  zunächst  gestehen,  dass  thatsächliche  Erfahrungen  hierüber 
kaum  vorliegen.  Es  beschränken  sich  die  Vorstellungen  hierüber  wesentlich 
auf  Vermuthungen  und  Wahrscheinlichkeiten,  wie  man  sie  aus  den  Bau- 
verhältnissen der  fertigen  Schale,  mit  Berücksichtigung  der  Beschaffenheit 
des  Weichkörpers,  a  posteriori  zu  entwickeln  vermag.  Namentlich  Carpenter 
(74)  hat  sich  mit  der  Erörterung  dieser  Frage  bei  den  einzelnen  Formen 
beschäftigt.  Die  einfacheren  Verhältnisse  des  Schalenbaues  der  mono- 
thalamen Süsswasserformen  haben  wir  oben  schon  kurz  auch  in  Bezug 
auf  ihre  Entstehung  erörtert  und  kommen  späterhin  noch  auf  besondere 
Verhältnisse  zurück. 

Was  hingegen  die  marinen  kalkschaligen  Formen  betrifft,  so  heben 
wir  hier  kurz  noch  die  wichtigsten  Punkte  hervor,   ohne  uns  jedoch  auf 

*)  A.  m.  n.  h.  2.  X. 

**)  Icones  liistiologicae  I. 


*** 


)  A.  m.  n.  h.  3.  XIIL  p.  72—82. 


128  Ehizopoda. 

eine  Erörterung  der  besonderen  Bildungsverbältnisse  bei  einzelnen  Formen 
näher  einzulassen,  sondern  beschränken  uns  darauf,  uns  bei  einer  ausge- 
wählten, complicirten  Form  den  wahrscheinlichen  Gang  der  Scbalenbildung 
kurz  vorzuführen. 

Was  zunächst  den  Unterschied  in  dem  Bau  der  Schalenwandung 
bei  den  Imperforaten  und  Ferforaten  betrifft,  so  darf  derselbe  wohl  auf 
die  ursprüngliche  Verschiedenheit  der  die  Schalen  aufbauenden  Weich- 
körper zurückgeführt  werden.  Die  Iraperforata  leiten  sich  sonder  Zweifel 
von  Formen  ab,  welche  auch  schon  im  nackten,  schalenlosen  Zustand 
ihre  Pseudopodien  vorzugsweise  von  einer  gewissen  Körperstelle  aus- 
sendeten, so  dass,  indem  sich  die  Körperoberfläche  gleichmässig,  mit 
Ausnahme  der  Pseudopodienursprungsstelle,  mit  einem  Schalenhäutchen 
bekleidete,  eine  imperforate,  nur  mit  einer  grösseren  Oeffnung  versehene 
Schale  entstand.  Die  Ferforaten  hingegen  müssen  wir  von  Formen  her- 
leiten, welche  das  Vermögen  besassen,  allseitig  zarte,  fadenartige  Pseudo- 
podien auszusenden,  wenn  auch  eine  gewisse  Körperstelle  in  dieser  Hin- 
sicht bevorzugt  war.  Indem  sich  auf  der  von  unzähligen  feinen  Pseudopodien 
bedeckten  Körperoberfläche  einer  derartigen  Form  ein  Schalenhäutchen 
l)ildete,  blieben  natürlich  die  Ursprungsstellen  der  Pseudopodien  offen,  so 
dass  in  dieser  Weise  eine  von  zahlreichen  feinen  Porenöffnungen  durch- 
bohrte Schalenwand  ihre  Entstehung  nahm.  Diese  Bildungsweise  der 
perforirten  Schalenwandungen  scheint  durch  die  früher  geschilderte, 
interessante  Zusammensetzung  der  Wandungen  aus  zarten  prismatischen 
Gebilden,  von  welchen  jedes  von  einem  Porenkanal  durchbohrt  wird, 
noch  besonders  unterstützt  zu  werden.  Es  würde  so  jedes  dieser  Prismen 
das  Theilchen  der  Schalenwandung  repräsentiren,  das  von  je  einem 
Pseudopodium  gebildet  worden  wäre. 

Wenn  wir  uns  in  dieser  Weise  die  erste  Entstehung  eines  Schalen- 
häutchens  durch  Secretion  oder  Umbildung  der  oberflächlichsten  Plasma- 
schicht vorstellen  können,  welches  erste  Schalenhäutchen  vielleicht  auf 
die  sogen,  innere  Cuticula  (insofern  eine  solche  bei  den  Kalkschalen  über- 
haupt ausgeprägt  ist)  bezogen  werden  darf,  so  fragt  sich  weiter,  wie  das 
ansehnliche  Diekenwachsthum,  das  ja  die  Schalenwände  zahlreicher  Formen 
zeigen,  vor  sich  geht.  Bezüglich  dieser  Frage,  glaube  ich,  ist  das  Richtige 
schon  von  Carpenter,  Wallich  und  Kölliker  ausgesprochen  worden,  d.  h. : 
das  weitere  Diekenwachsthum  der  Schalenwand  erfolgt  vorzugsweise, 
wenn  nicht  ausschliesslich,  durch  Auflagerung  von  Schalenmasse  auf  die 
äussere  Fläche  der  Schalenanlage. 

Die  hierfür  hauptsächlich  geltend  gemachten  Gründe  sind:  1)  die 
Thatsache,  dass  von  einer  Verengerung  der  Schalenräume,  wie  sie  die 
Folge  einer  von  Innen  stattfindenden  Verdickung  sein  müsste,  nichts  zu 
beobachten  ist;  2)  die  Ausbildung  äusserlicher  Skulpturen  in  Gestalt  von 
Knoten,  Kippen,  Stacheln  und  dergleichen,  welche  der  jugendlichen  Schale 
fehlen,  hingegen  im  erwachsenen  Zustand  hervortreten;  3)  die  ganz 
zweifellose  Thatsache,   dass  bei  jenen  früher  schon  namhaft  gemachten 


Waclistluira  der  Sclmle.  129 

zahlreichen  Formen,  welche  eine  Auflagerung  von  sogen,  secundärer 
Schalensubstanz  (Zwiscbenskelet)  auf  die  primäre  Kamraerwand  zeigen, 
diese  secundäre,  häufig  sehr  deutlich  schichtweis  abgesetzte  Masse  eine 
äusserliche  Auflagerung  darstellt.  Dies  ist  hauptsächlich  in  den  Fällen 
sehr  deutlich,  wo  solche  Auflagerungsmasse  sich  von  einem  jüngeren 
Umgang  aus  als  directe  Fortsetzung  einem  älteren  auflagert.  (Zahlreiche 
Beispiele  hierfür  bieten  die  Nummuliniden.) 

Von  geringerer  Bedeutung  für  die  Entscheidung  dieser  Frage  scheint 
mir  hingegen  die  von  Kölliker  gleichfalls  betonte,  frühzeitige  und  stete 
Gegenwart  der  sogen,  inneren  Cuticula  zu  sein ;  einmal  deshalb,  weil,  wie 
oben  schon  erörtert  wurde,  diese  Cuticula  überhaupt  kaum  eine  selbständige 
Bildung  zu  sein  scheint,  andererseits  aber  ihre  stete  und  frühzeitige 
Gegenwart  sich  auch  wohl  mit  einigen  Voraussetzungen  bei  einer  Ver- 
dickung der  Schale  durch  innere  Auflagerung  verstehen  Hesse. 

Aus  diesen  Bemerkungen  über  die  Art  des  Dickenwachsthums  der 
Schaleuwandungen  erklärt  sich  wohl  die  grosse  Bedeutung,  welche  wir  mit 
Carpenter,  Kölliker  und  Wallich  schon  oben  dem  für  einige  Formen  mit 
Sicherheit  constatirten,  zeitweiligen  oder  dauernden  Sarkodeüberzug  der 
Schale  zugeschrieben  haben,  denn  in  diesem  müssen  wir  hauptsächlich 
die  Bildungsstätte  jenes  Wachsthums  der  Schale  durch  äussere  Auflage- 
rungen suchen.  Bei  den  Perforaten  mögen  jedoch  auch  die  basalen  Ab- 
schnitte der  zahlreichen  Pseudopodien  an  Stelle  eines  continuirlichen 
Ueberzugs  dienen  (soweit  es  sich  hier  nicht  um  lokale  Auflagerungen  von 
solider  Beschaffenheit  handelt). 

Es  darf  jedoch  hier  nicht  stillschweigend  übergangen  werden,  dass 
diese  Vermuthungen  über  den  Vorgang  des  Dickenwachsthums  der  Schalen 
in  mancher  Hinsicht  noch  problematisch  erscheinen,  da  ihnen  die  Grund- 
lage ausgedehnter  Beobachtungen  abgeht;  so  scheint  mir  namentlich  für 
die  porcellanartigen  Schalen  der  Imperforata,  an  welchen  von  einer 
Schichtung  nie  etwas  zu  sehen  ist,  diese  Auflagerungslehre  etwas  un- 
sicher; um  so  mehr,  als  z.  B.  M.  Schnitze  und  andere  Forscher,  welche 
die  hierhergehörigen  Milioliden  lebend  untersuchten,  nichts  von  einem 
protoplasmatischen  Ueberzug  der  Schalenoberfläcbe,  etwa  wie  bei  Gromia? 
berichten. 

Was  die  speciellen  Wachsthumsverhältnisse  bei  den  einzelnen  Gat- 
tungen betrifft,  die  zu  der  grossen  Mannigfaltigkeit  der  Rhizopoden schalen 
führen,  so  liegt  hierüber,  wie  schon  bemerkt,  wenig  oder  kein  Material 
zur  Beurtheilung  der  thatsächlichen  Vorgänge  vor,  so  dass,  wie  gesagt, 
es  sich  zutoeist  um  einige  aus  dem  Bau  der  betreffenden  Formen  her- 
zuleitende Schlussfolgerungen  bezüglich  der  Wachsthumsvorgänge  handelt. 
Was  zunächst  die  monothalamen  Formen  betrifft,  so  bieten  dieselben 
wenig  Anlass  zu  eingehenderen  Erörterungen  dar;  es  ist  ja  die  Schalen- 
gestaltung ohne  Zweifel  zunächst  abhängig  von  gewissen,  den  Protoplasma- 
körper beherrschenden  Gesetzmässigkeiten  der  Form,   ohne  dass  wir  bis 

P.  V  0  n  11 ,  Klassen  des  Thier-Reichs.    Prolozoa.  9 


130  -  Uhizopocia. 

jetzt  im  Stande  wären,  über  die  fraglichen  Gründe  und  Bedingungen  uns 
äussern  zu  können.  Denn  dass  diese  unmöglich  in  solchen  Aeusserlich- 
keiten  gesucht  werden  dürfen,  wie  sie  z.  B.  von  Wallich*)  für  die  Er- 
klärung der  so  mannigfachen  Schalengestaltungen  der  Difflugien  geltend 
gemacht  worden  sind,  dürfte  keinem  Zweifel  unterliegen.  Nach  diesem 
Beobachter  soll  nämlich  die  allgemeine  Gestalt  der  Difflugienschale 
wesentlich  von  solchen  Bedingungen  beeiuflusst  werden;  zunächst  durch 
die  Art  der  ursprünglichen  Vertheilimg  des  Fremdkörpermateiials,  das  zum 
Bau  der  Schalen  dient,  indem  eine  einseitige  Anhäufung  desselben  die 
Schale  schief  ziehen  und  die  Mündung  daher  excentrisch  verlagern  soll. 
Aehnlich  wirke  jedoch  auch  eine  fortdauernde,  gleichmässige  Strömung 
des  von  den  Difflugien  bewohnten  Wassers;  ja  es  soll  sich,  nach  seiner 
Vorstellung,  auf  die  einfache  Wirkuug  solcher  Wasserströmungen  die 
spiralige  Einrollung  der  Difflugia  spiralis  zurückführen  lassen.  Mag  man 
den  äusseren  Verhältnissen  einen  noch  so  weit  gehenden  Einfluss  auf  die 
Bildungsverhältnisse  der  Rhizopoda  zuschreiben,  so  wird  man  sich  doch 
wohl  nie  von  der  Wirksamkeit  derselben  eine  derartig  grobmechanische 
und   dabei   noch   sehr  unklare  Vorstelhing  machen  dürfen. 

Eine  sehr  eigenthümliche  Erscheinung  tritt  jedoch  im  Wachsthum  der 
monothalameu  Süsswasserrhizopoden  z.  Th.  hervor  und  ist  wohl  auch 
nicht  ohne  Einfluss  auf  die  Vorstellung,  die  man  sich  von  dem  Wachs- 
thum der  Polythalamen  zu  bilden  hat.  Es  ist  dies  nämlich  die  zunächst 
bei  Arcella  durch  Clapar^de  und  Lachmann  sehr  wahrscheinlich  gemachte 
sogen.  Häutung,  d.  h.  ein  Verlassen  der  alten  und  die  Bildung  einer 
neuen  Schale.  Hierbei  tritt  der  protoplasmatische  Thierleib  zum  grössten 
Theil  aus  der  Mündung  der  Schale  hervor  und  scheidet  hierauf  eine  neue 
ab,  so  dass  nach  Bildung  dieser  letzteren  zwei  mit  ihren  Mündungen 
einander  zugewendete  Schalen  aufeinandergelagert  sich  finden,  von 
welchen  die  neugebildete  noch  ganz  hell,  nahezu  ungefärbt,  ist,  die 
alte  hingegen  sich  durch  ihre  intensiv  braune  Färbung  auszeichnet. 
Schliesslich  soll  das  Thier  die  alte  Schale  völlig  verlassen  und  sich  in 
die  neugebildete  zurückziehen.  Nach  den  Angaben  Claparcde's  und 
Lachmann's  soll  sich  dieser  Process  der  Schalenneubildung  mehrfach  im 
Leben  der  Arcella  wiederholen,  wogegen  Hertwig  und  Lesser,  wie  wir 
unten  bei  der  Fortpflanzung  noch  näher  zu  besprechen  haben  werden, 
einige  Zweifel  gegen  die  zutreffende  Deutung  dieser  Vorgänge  erhoben, 
indem  sie  eine  ähnliche  Vermehrung  durch  Theilung  mit  Schalenneubildung 
beobachteten.  Jedoch  dürfte,  wie  sie  selbst  bemerken,  auch  wohl  eine 
solche  Häutung  neben  ähnlichen  Theilungserscheinungen  sich  finden. 

Auch  bei  Euglypha  und  der,  in  Bezug  auf  den  Aufbau  der  Schale 
aus  Plättchen,  ähnlichen  Quadrula,  finden  sich  Anzeigen,  die,  wenn  auch 
nicht  mit   völliger  Sicherheit,    auf  eine  Erneuerung  der  Schale,   eine  Art 


=*)  A.  111.  n.  li.  3.  Xni. 


Häutungsvorgänge,  Neubildung  von  Kammorn  bei  Polythalamia  131 

Häutung,  bezogen  werden  dürfen.  Schon  die  älteren  Beobachter  Carter 
und  Wallich  haben,  wie  die  neueren  Untersucher  Hertwig  und  Lesser, 
sowie  F.  E.  Schulze,  im  Hintergrund  leerer  oder  von  dem  protoplasma- 
tischen Thierleib  erfüllter  Schalen  häufig  freie,  oder  zu  ganzen  Packeten 
zusammengelagerte  Schalenplättchen  angetroffen.  Bei  lebenden  Euglyphen 
hat  namentlich  Schulze  solche  Plättchen  in  einer  Schicht  der  Oberfläche 
des  Thierleibes,  unterhalb  der  eigentlichen  Schale,  aufgelagert  gesehen. 
Die  Vermuthung  einer  gelegentlichen  Erneuerung  der  Schale  liegt  hier- 
nach, wie  auch  Hertwig  und  Schulze  annehmen,  sehr  nahe;  dennoch  ist 
bis  jetzt  eine  sichere  Entscheidung  dieser  Frage  nicht  wohl  möglich,  da 
nach  Hertwig  und  Lesser's  Beobachtungen  bei  der  Encystirung  von 
Euglypha  eine  aus  ähnlichen  Plättchen  zusammengesetzte  Cystenhülle 
unterhalb  der  alten  Schale  gebildet  wird,  zu  deren  Aufbau  die  er- 
wähnten Schalenplättchen  Verwendung  finden  könnten.  Aehnliches  wird 
über  einen  Häutungsvorgang  bei  Difflugia  von  Entz  (110)  berichtet,  hier 
soll  nach  der  Schilderung  dieses  Beobachters  die  Schale  zuweilen  in  Stücke 
zerfallen,  unterhalb  welchen  schon  eine  neugebildete  Schale  vorhanden  sei. 
(Auf  diese  Erscheinung  wird  denn  auch  von  Entz  vorzugsweise  die 
Behauptung  gegründet,  dass  die  die  Schale  der  Difflugien  aufbauenden 
Kieselstückchen  von  dem  Thierleib  selbst  gebildet  würden.) 

Ein  weiterer  Vertheidiger  der  zeitweiligen  Neubildung  der  Schalen 
der  Mouothalamen  ist  Alcock  (86),  der  diese  Ansicht  vorzüglich  auch 
für  die  marinen,  kalksclialigen  Formen  ausgesprochen  hat.  Den  Haupt- 
grund bildet  für  ihn  die  Unmöglichkeit,  das  Wachsthum  dieser  Formen 
ohne  Hülfe  eines  solchen  Vorgangs  zu  verstehen.  M.  Schnitze  (53)  hin- 
gegen ist  der  Ansicht,  dass  sich  das  Wachsthum  der  monothalamen 
Schalen  nur  durch  innere  Resorptions-  und  äussere  Auflagerungserschei- 
nungen erklären  lasse.  Wir  glauben  diese  Frage  hier  vorerst  auf  sich 
beruhen  lassen  zu  sollen,  da  es  für  ihre  Entscheidung  an  thatsächlichem 
Material  völlig  gebricht. 

Den  Vorgang  bei  der  Bildung  neuer  Kammern  der  polythalamen 
Rhizopoden  dürfen  wir  uns  wohl  im  Ganzen  ähnlich  wie  die  oben  charak- 
terisirte  Neubildung  einer  Schale  bei  Arcella  denken.  Soweit  ich  die 
zahlreichen  Abbildungen  und  Beschreibungen  von  polythalamen  Rhizopoden- 
schalen  vergleichen  konnte,  bin  ich  auf  kein  Beispiel  gestossen,  das  etwa 
eine  in  Bildung  begriffene,  noch  unvollständige  Kammer  darstellte.  Es 
scheint  daher,  dass  in  ähnlicher  Weise,  wie  sich  die  neue  Schale  bei 
jener  Häutung  oder  Theilnng  der  Arcella  bildet,  auch  die  Bildung  einer 
neuen  Kammer  bei  den  polythalamen  Schalen  vor  sich  geht.  Es  wird  zu 
diesem  Behuf  ziemlich  rasch  eine  entsprechende  Plasmamenge  aus  der 
einfachen  oder  den  mehrfachen  Oeffnungen  der  jüngsten  Kammer  aus- 
treten und  sich  gleichmässig  und  allseitig  mit  einem  Schalenhäutchen 
bekleiden,  oder  es  wird  doch  die  Ausbildung  des  Schalenhäutchens  sich 
über  den  gesaramten  neuen  Kammerabschnitt  hin  sehr  rasch  vollziehen. 
Hiermit    stimmen    auch    die   wenigen  directen   Beobachtungen    über    die 

9* 


1 32  Ühizopoda. 

Neubildung  einer  weiteren  Kammer,  die  M.  Schultze  (53)  bei  Polystoraella 
und  einigen  Rotalinen  anstellte,  ziemlich  gut  liberein.  Er  sah  die  neue 
Kammer  sich  wie  einen  Wulst  um  die  Mündung  der  jüngsten,  vorhergehen- 
den anlegen ,  bemerkt  jedoch  gleichzeitig,  dass,  „ehe  die  Schale  (dieser 
neuen  Kammer)  vollständig  erhärtet,  sie  meist  diejenige  Ausdehnung  an- 
zunehmen scheine,  die  ihr  im  vollständig  ausgebildeten  Zustand  zukomme." 
Bei  Polystomella  glaubt  er  jedoch  eine  nachträgliche,  nur  durch  innere 
Resorption  und  äussere  Auflagerung  stattfindende  Vergrösserung  der  neu- 
gebildeten Kammer  annehmen  zu  müssen,  auch  sollen  hier  die  eigenthüm- 
lichen  taschen-  oder  röhrenförmigen  Aussackungen  der  Kammerhöhle  erst 
nachträglich  gebildet  werden.  Möglich,  dass  durch  die  geschilderten 
Bildungs Vorgänge  sich  auch  die  von  M.  Schultze  bemerkte,  sehr  unvoll- 
ständige Füllung  der  jüngsten  Kammer  erklärt,  indem  das  Plasma  nach 
Bildung  dieser  Kammer  zum  Theil  wieder  in  die  alten  Kammern  zurück- 
treten mag. 

Suchen  wir  uns,  gestützt  auf  diese  wenigen  Erfahrungen,  Rechen- 
schaft zu  geben  von  dem  Bildungsgang  einer  neuen  Kammer  bei  einer 
etwas  complicirteren  Form,  z.  B.  einer  Operculina,  so  hätten  wir  etwa 
Folgendes  festzuhalten.  Zur  Bildung  einer  neuen  Kammer  wird  eine 
entsprechende  Protoplasmamasse  aus  der  basalen  Septalöifnung,  sowie 
den  secundären  Poren  Öffnungen  des  letzten  Septums  hervortreten  und  wird 
sich  vor  diesem  in  Form  eines  neuen  Kammerabschnitts  anhäufen. 
Gleichzeitig  wird  sich  jedoch  auch  hierzu  noch  Protoplasma  gesellen, 
welches  aus  dem  Kanalsystem  des  Dorsalstrangs  des  vorhergehenden 
Umgangs  hervorgedrungen  ist.  Der  plasmatisch  vorgebildete  neue  Kanimer- 
abschnitt  wird  sich  nun  allseitig,  mit  Ausnahme  des  durch  den  Dorsal- 
strang des  vorhergehenden  Umgangs  begrenzten  Abschnittes  mit  einer 
dünnen  Schalenlamelle  umkleiden,  jedoch  wird  diese  da,  wo  sie  sich  auf 
das  letzte  Septum  auflagert,  kanalartige  Räume  offen  lassen,  welche  das 
Kanalsystem  in  der  Scheidewand  zwischen  der  neugebildeteu  und  der 
vorhergehenden  Kammer  bilden.  Fernerhin  wird  gleichzeitig  zu  jeder 
Seite  des  Dorsalstrangs  des  vorhergehenden  Umgangs  ein  Theil  der  Spiral- 
kanäle gebildet,  indem  hier  die  neugebildete  Schalenlamelle  einen  kanal- 
artigen Raum  zwischen  sich  und  der  Oberfläche  des  vorhergehenden 
Umgangs  offen  lässt,  mit  welchen  Spiralkanälen  dann  der  neugebildete 
Abschnitt  des  Kanalsystems  in  der  Scheidewand  in  offene  Verbindung 
tritt.  Die  Art  und  Weise,  wie  die  neugebildete  Kammerlamelle  ihre 
Differenzirung  in  perforirte  und  solide  Theile  erhält,  ergibt  sich  nach  dem 
früher  darüber  Bemerkten  von  selbst.  Das  weitere  Dickenwachsthum  der 
Wände  der  neugebildeteu  Kammer  ist  gleichfalls  nach  den  früheren  An- 
gaben verständlich  und  dürfte  hier  nur  noch  hervorzuheben  sein,  dass  der 
Dorsalstrang  der  neugebildeten  Kammer  wohl  hauptsächlich  in  directem 
Anschluss  an  den  der  vorhergehenden  Kammer  wächst. 

Etwas  abweichend  geschieht  jedenfalls  das  Wachsthum  der  cyklisch 
gebauten  Rhizopodenschalen,  wie  Orbitolites  und  Orbitoides.  Hier  wird  bei 


Bilduiigsvorgaiig  der  Sclialo  bei  Upcrculiua  und  den  iaudsclialigeu  Ehizopodeii.       133 

der  einfachen  Form  von  Orbitolites  aus  den  zahlreichen,  rundlichen 
OeÖnungen  der  Kämmerchen  des  letzten  Cyklus  eine  ringförmige  Froto- 
plasmamasse  hervortreten,  die  sich  durch  ümkleidung  mit  einer  Schalen- 
lamelle zu  dem  Cyklus  neuer  Kämmerchen  mit  ihren  verhältnissmässig 
weiten  Communikationen  gestaltet.  Bei  der  complicirten  Varietät  von 
Orbitolites  hingegen  und  ebenso  bei  Cycloclypeus  und  Orbitoides  müssen 
sich  die  einzelnen  Kämmerchen  eines  neuen  Cyklus  mehr  unabhängig  von 
einander  bilden,  jedoch  ohne  Zweifel  ziemlich  gleichzeitig. 

Eine  Bemerkung  verdient  wohl  noch  die  Frage  nach  den  Bildungsvor- 
gängen der  aus  Fremdkörpern  aufgebauten  Schalen.  Schon  früher  wurde  die 
Thatsache  hinreichend  hervorgehoben,  dass  sich  hierbei  in  vielen  Fällen 
eine  unzweifelhafte  Auslese  des  verwertheten  Materials  erkennen  lässt.*) 
In  welcher  Art  jedoch  'eine  solche  bewerkstelligt  wird,  ist  bis  jetzt 
noch  ganz  unermittelt,  ebensowenig  als  etwas  darüber  bekannt  ist,  in 
welcher  Weise  die  betreffenden  Organismen  die  einzelnen  Fremdkörperchen 
ihrer  Schale  einfügen.  Bei  den  kalkschaligen  Formen,  die  äusserlich  ihre 
Schale  durch  mehr  oder  minder  reichlich  eingewebte  Sandkörner  ver- 
stärken, kann  dieses  Material  doch  wohl  nur  durch  äussere  Heranziehung- 
mittels  der  Pseudopodien  und  Einlagerung  —  insofern  es  etwa  nicht  blos 
mechanisch  anklebt  und  eingebacken  wird  —  der  Schale  eingefügt  werden. 
Die  rein  saudigen  Schalen  hingegen  lassen  vielleicht  noch  eine  andere 
Art  der  Entstehung  zu,  die  jedoch  hier  nur  als  eine  eventuell  zu  prüfende 
Vermuthung  ausgesprochen  werden  mag.  Wenn  wirklich,  wie  dies  oben  auf 
Grund  der  Beobachtungen  von  Entz  angegeben  wurde,  die  Difflugien 
ihre  Schale  z.  Th.  erneuern  und  unter  der  alten  die  neue  schon  vor- 
gebildet vorhanden  ist,  so  kann  sich,  meiner  Ansicht  nach,  diese  That- 
sache (da  ich  an  dem  Aufbau  der  Difflugienschale  aus  Fremdkörperu 
festhalten  muss),  nur  so  erklären  lassen,  dass  das  zum  Schalenbau  ver- 
werthete  Fremdmaterial  in  die  protoplasmatische  Leibesmasse  der  Difflugien 
selbst  aufgenommen  und  nachträglich  auf  der  Oberfläche  zur  Bildung  der 
Schale  angelagert  wurde.  Dass  Sand  und  Schlamm  nicht  selten  in  die 
protoplasmatische  Leibesmasse  gewisser  Rhizopoden  aufgenommen  werden, 
wissen  wir  z.  B.  durch  M.  Schnitze  für  Gromia,  durch  Greeff  für  Pelomyxa. 
Auch  eine  Mittheilung  von  Leidy,  der  eine  sehr  reichliche  Aufnahme  von 
Sand  in  die  Leibesmasse  einer  Amöbe  beobachtete,  darf  wohl  hier  an- 
geführt werden,  wenn  auch  durch  sie  direct  nichts  bewiesen  wird.  Auch 
die  vielfach  hervorgehobene  Eigenthümlichkeit  zahlreicher  sandschaliger 
mariner  Formen :  ihre  Kammerhöhlungen  durch  labyrinthische,  aus  Sand 
gebildete  Auswüchse  der  Kammerwand  mehr  oder  minder  auszufüllen, 
darf  wohl  hier  gleichfalls  aufgeführt  werden;  denn  es  kann  wohl  kaum 
anders  sein,  als  dass  solche  Auswüchse  nachträglich  entstehen  und  dann 
wird  ihre  Bildung  auch  nur  in  der  Weise  verständlich,  dass  das  zu 
ihrem  Aufbau  verwerthete  Material   durch  die  protoplasmatische   Leibes- 


*)  Vergl.  hierüber  auch  Normann  A.  in.  n.  h.  5.  I. 


134  Eliizopoda. 

masse  selbst  aufgenommen  und  an   den  Ort  seiner  Ablagerung  gebracht 
wurde.  *) 

6.   Fortpflanzuugserscheiiiungeii,  Koloiiiebildiiiig"  und  Encystirung: 

der  Rhizopoda. 

Wie  schon  bei  Gelegenheit  angedeutet  wurde,  sind  die  Fortpflanzungs- 
verhältnisse der  Rhizopoda  im  Ganzen  nur  wenig  und  speciell  die  der 
marineu  Formen  sehr  unzureichend  erforscht.  Im  Allgemeinen  darf  jedoch 
auf  Grund  der  bis  jetzt  vorliegenden,  gesicherten  Beobachtungen  wohl  be- 
hauptet werden,  dass  die  Fortpflanzungserscheinungen  der  Rhizopoda,  wie 
der  Protozoa  im  Allgemeinen,  die  der  Zelle  überhaupt  zukommenden 
sind,  d.  h,  Theilung,  Kuospung  und  möglicherweise  auch  endogene  Zell- 
bildung; dass  jedoch  in  keiner  Weise  hier  Fortpflanzungserscheinungen 
mit  Sicherheit  beobachtet  worden  sind,  welche  der  geschlechtlichen  Fort- 
pflanzung der  Metazoeu  in  einer  Weise  sich  näher  anschlössen,  dass 
hierdurch  die  einfache  Zellnatur  des  Rhizopodenorganismus  in  Frage  ge- 
stellt würde. 

a.    Fortpflanzung  durch  einfache  Theilung-  oder  Knospung. 

Die  einfache  Theilung,  wobei  der  Körper  der  betrefi'enden  Protozoen 
in  zwei,  seltener  durch  fortgesetzten  oder  zuweilen  auch  gleichzeitigen 
Zerfall  in  vier  und  mehr  Theilstiicke  zerlegt  wird,  wurde  bei  den  Rhizo- 
poden,  und  zwar  sowohl  nackten  als  beschälten,  häufig  beobachtet.  Bis  jetzt 
wurde  aber  nur  in  verhältnissmässig  wenigen  Fällen  der  nähere  Vorgang, 
namentlich  das  Verhalten  des  einen  oder  der  mehrfachen  Kerne,  insofern 
sich  solche  finden,  festgestellt. 

Für  eine  Reihe  von  unbeschalten,  kernlosen  Formen  (sogen.  Moneren 
Häckel's)  soll  die  einfache  Zweitheilung  die  einzige  Art  der  Vermehrung 
bilden;  es  sind  dies  namentlich  Protamoeba  und  Protogenes;  speciell  bei 
diesen  Formen  soll  keine  Andeutung  eines  umhüllten,  cystenartigen  Ruhe- 
zustandes sich  zeigen,  der  ja,  wie  wir  in  der  Folge  noch  mehrfach  zu 
sehen  Gelegenheit  haben  werden,  häufig  auch  mit  einer  Vermehrung  des 
in  der  Cystenhülle  eingeschlossenen  Thierkörpers  verbunden  ist.  Da 
jedoch  die  einschlägigen  Untersuchungen  dieser  Formen  keineswegs  so 
ausgedehnt  sind,  dass  hierdurch  mit  Sicherheit  das  völlige  Fehlen  eines 
solchen  eucystirten  und  eventuell  mit  Vermehrung  verknüpften  Ruhe- 
zustandes erwiesen  wäre,  so  darf  wohl  vorerst  noch  daran  gezweifelt 
werden,  ob  bei  ihnen  wirklich  die  einfache  Theilung  durchaus  die 
einzige  Art  der  Vermehrung  bildet.  Was  fernerhin  das  Vorkommen  der 
einfachen  Zwei-  oder  auch  Mehrtheilung  betrifft,  so  scheint  dieser  Vorgang 


*)  Auch  eine  Beobachtung  von  Brady  (117  I.),  der  im  Inneren  der  sandschaligen  und 
allseitig  abgeschlossenen  Thurammina,  zuweilen  eine  Ideinere,  ähnliche  Schale  beobachtete, 
könnte  möglicherweise  hierhergezogen  werden;  jedoch  liegt  hier  wohl  derselbe  Fall  vor,  wie 
bei  Orbulina,  über  die  weiter  unten  bei  der  Fortpflanzung  zu  vergleichen  ist. 


Thciluug  der  Amöben.  135 

sicher  gestellt  unter  den  nackten  Formen  bei  den  Gattungen  Amoeba, 
Gloidium  und  Pelomyxa,  sowie  Labyrinthula  (wenn  man  deren  Hierlier- 
stellung  zugibt);  unter  den  beschälten  hingegen  bei  Liebcrkühnia,  Diplo- 
phrys,  Arcella,  Lecythiura,  Mikrogromia,  Platoum  und  Microcometes.  Je 
nach  der  Bauweise  des  betreffenden  in  Theilung  eingehenden  Organismus, 
namentlich  insofern  es  sich  hierbei  um  einen  nackten  oder  beschälten 
handelt,  muss  natürlich  der  Verlauf  des  Vorgangs  ein  etwas  verschiedener 
sein.  Ueber  die  einfache  Zweitheilung  der  Amöben  oder  amobenartigen 
Rhizopoden  liegen  genauere  Untersuchungen  nur  von  F.  E.  Schulze 
bei  einem  mit  der  Amoeba  polypodia  M.  Seh.  identificirten  Organismus 
vor  (der  jedenfalls  der  sogenannten  A.  radlosa  Diij.  sehr  nahe  steht 
und  auch  mit  der  von  Hertwig  und  Lesser  beschriebenen  Dactylosphaera 
nahe  verwandt  ist).  Ueber  die  Vermehrung  der  Amoeba  durch  einfache 
Zweitheilung  haben  jedoch  auch  schon  frühere  Forscher  häufig  berichtet. 
So  hat  schon  Rösel  von  Rosenhof  die  Theilung  seiner  Amoeba  diffluens 
beschrieben  und  abgebildet,  von  späteren  Beobachtern  eines  solchen 
Vorgangs  seien  hier  nur  erwähnt  Pick*)  und  Greeff.**) 

Während  Greeff  bei  der  Theilung  seiner  Amoeba  brevipes  (wohl 
kaum  verschieden  von  der  A.  verrucosa  [Ehrbg.]  Diij.)  eine  sehr  unwahr- 
scheinliche, mit  der  Durchschnürung  des  Amöbenleibes  gleichzeitig  er- 
folgende Durchschnttrung  des  in  seiner  Gestalt  sich  gar  nicht  ver- 
ändernden Kernes  beschreibt,  hat  dagegen  F.  E.  Schulze  den  Theilungs- 
vorgang  bei  der  sogen.  A.  polypodia  in  einer  Weise  beobachtet,  die  sich 
den  genauer  bekannten  Theilungserscheinungen  anderer  Protozoen  näher 
ansehliesst.  Hier  erfolgte  die  Theilung  des,  einen  sehr  ansehnlich  grossen 
Kernkörper  einschliessenden  Kernes  vor  der  eigentlichen  Durchschnürung 
des  Protoplasmaleibes;  wenigstens  liess  sich  vor  der  vollständigen 
Sonderung  der  beiden  Kernhälften  keine  Andeutung  eines  Theilungs- 
vorgangs  an  dem  Thierleib  selbst  entdecken.  Die  Kerntheilung  wurde 
hauptsächlich  an  dem  Verhalten  des  grossen  Kernkörpers  festgestellt,  da 
sich  die  äussere  Kerngrenze  nicht  scharf  unterscheiden  liess.  Es  zeigte 
sich  zunächst  eine  Längsstreckuog  des  Kernkörpers  und  hierauf  dessen 
Einschnürung,  worauf  sich  das  Mittelstück  zu  einem  feinen  Verbindungs- 
fädchen  zwischen  den  Hälften  auszog,  das  schliesslich  durchrissen  wurde. 
Nachdem  sich  die  beiden  neugebildeten  Kerne  in  der  auf  der  späteren 
Theilungsebene  des  Thierkörpers  senkrechten  Richtung  etwas  von  einander 
entfernt  hatten,  erfolgte  denn  auch  die  allmähliche  Durchschnürung  des 
Amöbenleibes  selbst.  Der  ganze  Theilungsact  verlief  in  etwa  10  Minuten. 

Mit  dieser  Beobachtung  F.  E.  Schulze's  ist  denn  auch  alles,  was  wir 
bis  jetzt  von  den  Theilungsvorgängen  der  Zellkerne  bei  den  Rhizopoden 
wissen,  erschöpft.  Ich  habe  bei  einigen  vielkernigen  Exemplaren  der 
Amoeba  Blattae  zuweilen  Keruformen  beobachtet,  die  wegen  ihrer  spiudel- 


*)  Verli    d.  zoolog.  bot.  Ver.     Wien  1857. 
**)  Arcli.  f.  mikr.  Anat.  IL 


2^36  Ivliizopoda. 

förmigen  Gestalt  möglicherweise  auf  Tlieilungszustände  bezogen  werden 
durften.  =•')  Von  Cienkowsky  hingegen  wird  für  eine  Reihe  von  Rhizo- 
poden  geradezu  in  Abrede  gestellt,  dass  die  neuen  Kerne  der  beiden,  oder 
aber  der  in  grösserer  Menge  durch  Theilung  oder  Knospung  entstehenden 
jungen  Sprösslinge,  sieh  von  einer  Theilung  des  ursprünglichen  Zellkernes 
herleiten.  Nach  Cienkowsky's  Angaben  (104  a)  soll  sich  nämlich  bei  der 
gleich  noch  näher  zu  besprechenden  Theilung  von  Mikrogromia,  Lecythium 
und  Platoum  der  neue  Kern  des  einen,  aus  der  Schale  hervortretenden 
Theilungssprösslings  ganz  selbständig  und  unabhängig  von  dem  restirenden, 
alten  Kern  bilden. 

In  etwas  eigenthümlicher  und  mannigfaltiger  Weise  verläuft  der 
Theilungsvorgang  bei  den  beschälten  Monothalamen.  Bei  solchen  For- 
men, welche  mit  einem  sehr  dünnen,  der  Oberfläche  des  Körpers  dicht 
aufliegenden  Schalenhäutchen  versehen  sind,  wie  Lieberkühnia  und 
Lecythium,  tritt  der  interessante  Fall  ein,  dass  der  Thierkörper  mitsammt 
der  Schale  sich  theilt;  letztere  wird  gleichzeitig  mit  durchgeschnürt 
und  es  erfordert  dieser  Theilungsprocess  jedenfalls  noch  gewisse,  bis 
jetzt  wenig  aufgeklärte  Vorgänge  bei  der  Trennung  der  beiden  durch- 
schnürten Schalenhälften,  sowie  zur  Vervollständigung  des  Schalenhäutchens 
an  den  durchschnürten  Stellen.  Bei  Lieberkühnia  verläuft  die  Theilung  quer 
und  wird  zunächst  dadurch  angedeutet,  dass  sich  an  dem  Hinterende  des 
Thieres  aus  dem  Protoplasmaleib  ein  neuer  Pseudopodienstiel  entwickelt,  der 
den  hinteren  Pol  des  Schalenhäutchens  durchbricht  und  hier  eine  neue  Mün- 
dung erzeugt,  sofort  auch  seine  Pseudopodien  entwickelnd.  Hierauf  erfolgt  die 
Durchschnürung  im  Aequator  und  zieht  sich  die  eingeschnürte  Mittelregion 
schliesslich  zu  einem  Verbindungsstrang  aus,  welcher  endlich  durchreisst 
und  von  den  Theilsprösslingen  eingezogen  wird  (III.  16).  Im  Gegensatz 
hierzu,  geht  die  Theilung  bei  Lecythium  in  der  Längsebene  vor  sich.  Bei 
der  amphistomen  Diplophrys,  bei  der  die  Verhältnisse  des  Schalenhäutchens 
keineswegs  noch  ganz  sicher  gestellt  sind,  erfolgt  nach  Cienkowsky  die  Ver- 
mehrung gleichfalls  durch  einfache  Quertheilung,  jedoch  soll  bei  den  sich 
theilendeu  Individuen  ein  Schalenhäutchen  nicht  bemerkbar  sein.  Auch 
die  von  Greeff**)  beobachteten  Exemplare  von  Diplophrys  Archeri,  bei 
welchen  statt  der  gewöhnlichen  zwei,  4  Pseudopodienbüschel  entwickelt 
waren,   dürfen   wohl   auf  Theilungsvorgänge  bezogen   werden.     Da  man 


*)  Z.  f.  w.  Z.  XXX..  In  demselben  Bande  beschreibt  E.  Bück  eine  sehr  eigenthümliche, 
angebliche  Kernvermehrung  bei  Arcella,  doch  stehen  die  Angaben  zu  sehr  im  Widerspruch 
mit  den  von  verwandten  Organismen  bekannten  Vorgängen  der  Kern  Vermehrung ,  als  dass  wir 
sie  ohne  weitere  Bestätigung  für  wahrscheinlich  halten  sollten.  Bück  glaubt  die  Kerne  der 
Arcella  überhaupt  als  eine  Art  von  Tochterzellen  auffassen  zu  dürfen,  deren  Vermehrung  zunächst 
durch  eine  Art  endogener  Zellbildung  vor  sich  gehe,  wobei  sich  der  Kern  in  einen  maulbeer- 
artigen Haufen  kleinerer  Kerne  zerlege ;  während  bei  dem  zweiten  Modus  der  von  ihm  aufgeführten 
Kernvermehrung  eigentlich  nur  eine  Vermehrung  des  Kernkörpers  in  unserem  Sinne  erfolgt 
(für  Bück  ist  dies  der  eigentliche  Kern  einer  Tochterzelle).  Ein  näheres  Eingehen  auf  diesei 
zweifelhaften  Untersuchungen  glauben  wir  hier  unterlassen  zu  sollen. 
**)  Arch.  f.  m.  Anat.  XII. 


TliciluDg  bei  Moüolhaiamia.  137 

aber  sehr  häufig  Gelegenheit  hat,  4  zu  einer  Gruppe  innig  vereinigte 
kleine  Exemplare  dieser  Art  zu  beobachten  (IV.  2  b),  so  dürfte  wohl  die 
Theilung  hier  gewöhnlich  nicht  mit  einfachem  Zerfall  zu  zweien  ab- 
schliessen,  sondern  successive  zu  vieren  weiterschreiten.  Aehulich  scheint 
sich  auch  eine  kleine,  von  mir  mehrfach  in  Heuinfusionen  beobachtete 
Amöbe  zu  verhalten,  bei  welcher  ich  sehr  häufig  auf  Gruppen  von 
4  ruhenden  kleinen,  ohne  Zweifel  durch  Theilung  hervorgegangenen  Indi- 
viduen stiess.  Ferner  reiben  wir  denn  hier  auch  die  Beobachtung  ISorokin's 
an  seinem  kernlosen,  amöbenartigen  Gloidium  an,  *),  das  sich  durch  ziem- 
lich regelmässig  verlaufende,  jedoch  nicht  successiv,  sondern  simultan 
stattfindende  Viertheilung  vermehrt.  Weiter  unten  werden  wir  bei 
Protomyxa  noch  eine  weit  regere  Vermehrung  durch  gleichzeitigen  Zerfall 
kennen  lernen. 

Die  dickschaligen  Monothalamen  besitzen  naturgemäss  nicht  mehr 
das  Vermögen,  den  Körper  mitsammt  der  Schale  durch  Theilung  zu  ver- 
mehren. Hier  ist  (wenigstens  für  den  einen  Theilsprössling)  die  Neu- 
bildung einer  Schale  nothwendig. 

Schon  früher  hatten  wir  Gelegenheit,  auf  den  Zweitheilungspro- 
cess  der  Arcella  hinzuweisen,  wie  er  sich  nach  den  Beobach- 
tungen von  Hertwig  und  Lesser  gestaltet;**)  es  tritt  hier  der  zur  Bildung 
des  neuen  Sprösslings  verwerthete  Theil  des  protoplasmatischen  Leibes 
aus  der  Schalenmündung  hervor  und  lagert  sich,  indem  er  sich  mit  einer 
neuen  Schale  umkleidet,  vor  der  Mündung  an.  Nach  erfolgter  Schalen- 
bildung dieses  neuen  Sprösslings  vollzieht  sich  dann  die  Trennung  der 
beiden  Theilhälften,  von  denen  die  eine  die  alte  Schale  weiter  bewohnt, 
die  andere  sich  hingegen  in  neugebildeter  Schale  entfernt.  In  gleicher 
Weise  mag  sich  der  Theilungsvorgang  auch  noch  bei  zahlreichen  weiteren 
Monothalaraien  gestalten,  jedoch  wurde  bis  jetzt  nur  noch  bei  Platoum 
stercoreum   ein  entsprechender  Vorgang   von   Cienkowsky  nachgewiesen. 

Andererseits  kann  jedoch  der  Theilungsvorgang  solcher  Monothalamen 
auch  in  der  Weise  modificirt  auftreten,  dass  sich  die  völlige  Theilung 
innerhalb  der  Schale  vollzieht  und  die  Schalenneubildung  des  einen 
Sprösslings  erst  nach  seinem  Austritt  vor  sich  geht.  Ein  solcher  Vor- 
gang wurde  in  ziemlich  übereinstimmender  Weise  von  K.  Hertwig***) 
und  Cienkowsky  (104  a)  bei  der  Mikrogromia  socialis  beobachtet. 
Hier  erfolgt  die  Theilung,  wie  bemerkt,  innerhalb  der  Schale,  und  zwar 
ebensowohl  in  der  Längs-  als  Querrichtung.  Nach  erfolgter  Theilung 
schiebt  sich  der  eine  Sprössling  —  und  zwar  scheint  keiner  der  beiden 
in  dieser  Hinsicht  einen  bestimmten  Vorzug  zu  geniessen  —  aus  der 
Schalenmündung  hervor  (III.  15  c)  und  bewegt  sich  entweder  mit  seinen 


*)  Morph.  Jahrb.  IV. 

**)  Wir  glauben  ■  hier  auch  noch  darauf  hinweisen  zu  sollen,  dass  schon  Schneider  1854 
die  vermeintlichen  Conjugationszustände  der  Arcella  als  Theilungs-  und  Knospungsvorgänge 
gedeutet  hat.     (Arch.  f.  A.  u.  Ph.  1854.) 
***)  Arch.  f.  m.  A.  X.  Supplem. 


138  RLizopoda. 

Pseudopodien  amöbenartig  fort  oder  nimmt  nach  Einziehung  der  Pseudo- 
podien eine  flagellatenartige  Gestalt  an  (III.  15  d),  indem  er  zwei  Geissein 
an  dem  einen  Pol  des  ellipsoidischen  Körpers  entwickelt  und  in  dieser 
Verfassung  sich  von  seiner  Bruderhälfte  entfernt.  Dieser  interessante 
Fall  von  sogen.  Sehwärmerbildung  ist  bis  jetzt  (mit  Ausnahme  der  bei 
der  bezüglich  ihrer  Stellung  etwas  zweifelhaften  Protomyxa  zu  schildern- 
den Schwärmerbildung)  der  einzige  im  Bereich  der  Ehizopodenwelt  mit 
Sicherheit  bekannte.  Die  Verbreitung  jedoch,  welche  dieser  Modus  der 
Fortpflanzung  bei  den  z.  Tb.  so  nahe  verwandten  beiden  anderen  Ord- 
nungen der  Sarkodinen  besitzt,  legt  es  nahe,  zu  vermuthen,  dass  wohl 
auch  unter  den  Ehizopoden  diese  Art  der  Fortpflanzung  sich  noch  in 
weiterer  Verbreitung  finden  dürfte.  Nur  bei  Trinema  Acinus  haben  jedoch 
bis  jetzt  Hertwig  und  Lesser  durch  Beobachtung  das  Vorkommen  einer 
ähnlichen  Vermehrungsart  direct  wahrscheinlich  gemacht. 

Eine  Beobachtung  Cienkowskj^'s  an  seinem  Microcometes  paludosa 
belehrt  uns  jedoch  dariiher,  dass  die  Theilung  innerhalb  der  Schale 
auch  mit  einem  völligen  Verlassen  der  alten  Schale  von  Seiten  der  beiden 
Sprösslinge  verbunden  sein  kann,  wobei  also  jeder  der  Sprösslinge  in  die 
Nothwendigkeit  versetzt  ist,  sich  eine  neue  Schale  zu  bilden. 

Von  besonderem  Interesse  erscheint  der  bis  jetzt  nur  bei  der  Gattung 
Arcella  mit  einiger  Sicherheit  nachgewiesene  gleichzeitige  Knospungs- 
process  einer  grösseren  Zahl  kleiner,  schalenloser  Sprösslinge.  Leider 
sind  hierbei,  wie  bei  den  Theilnngserscheinungen  der  Rhizopoden  über- 
haupt, die  feineren  Bildungsvorgänge  noch  nicht  näher  verfolgt,  nament- 
lich ist  eine  etwaige  Betheiligung  der  Kerne  des  Mutterorganismus  noch 
unermittelt  geblieben.  Was  das  Nähere  dieses  Fortpflanzungsprocesses 
der  Arcella  betrifft,  so  bemerkt  man  auf  der  aboralen  Fläche  oder  an  der 
Peripherie  des  Thierkörpers  ziemlich  gleichzeitig,  oder  doch  im  Verlauf 
verhältnissmässig  kurzer  Zeit,  das  Auftreten  einer  ziemlichen  Zahl  (bis  9),*) 
flach  scheibenförmiger,  knospenartiger  Protoplasmastücke,  die  wohl  ohne 
Zweifel  durch  Kuospung  aus  dem  Arcellenleib  hervorgegangen  sind.  Sie 
erhalten  nach  einiger  Zeit  eine  contractile  Vacuole  und  lassen  auch  einen 
Kern  wahrnehmen.  Bald  beginnen  sie  amöboide  Bewegungen  auszuführen 
und  kriechen  schliesslich  in  Gestalt  kleiner,  unbeschalter  Amöben  aus  der 
Arcellaschale  heraus,  sich  von  dem  Mutterthier  entfernend. 

Die  Zweifel,  welche  über  Herkunft  und  Bedeutung  dieser  Sprösslinge 


*)  Kacli  den,  jedoch  nicht  hinreichend  zuverlässig  erscheinenden,  Beobachtungen  von 
E.  Bac1<  (Zeitschr  f.  wiss.  Zoologie  Bd.  30)  scheint  es  nicht  unmöglich,  dass  die  Zahl  dieser 
Sprösslinge  zuteilen  noch  eine  viel  höhere  ist.  So  will  B.  bis  zu  30  kleine  Amöbcnspröss- 
linge,  aus  einer  Arcella  hervorgehend,  gesehen  haben.  Die  Entstehungsart  dieser  Sprösslinge 
ist  jedoch  nach  ihm  eine  sehr  eigenthümliche,  indem  sie  durch  einen,  zunächst  von  einer 
"blasigen  bis  niaulbeerartigen  Beschaffenheit  angedeuteten,  Zerfall  des  gesammten  Arcellaleibes 
entstehen  sollen.  Hierbei  sollen  die  Kerne  der  Arcella  mit  etwas  umgebendem  Protoplasma 
sich  zu  grösseren  derartigen  Sprösslingen  umgestalten,  während  in  den  kleineren  sich  Kerne 
selbständig  hervorbildcii  sollen. 


Scliwärmer  v.  Mikrogr.,  Kuospensprössl.  v.  Aredia,  venu.  Fortijfl.-Körpcr  mariner  Ehizopoda.    139 

von  Arcella  uocli  berechtigter  Weise  erhoben  werden  dürften,  werden 
durch  die  von  Bück*)  und  Cattaneo**)  verfolgte  Umbildung  solch  nackter 
kleiner  Amöben  zu  einer  beschälten,  jungen  Arcella  beträchtlich  verringert. 

Was  jedoch  hauptsächlich  dieser  Fortpflanzungsweise  der  Arcella: 
durch  ziemlich  gleichzeitige  Entwickelung  einer  grösseren  Anzahl  von 
Sprösslingen,  ein  erhöhtes  Interesse  verleiht,  ist  die  wahrscheinliche  Ana- 
logie, welche  dieselbe  mit  den  bis  jetzt  bekannten  Fortpflanzungserschei- 
nungen der  marinen  Rhizopoden  aufweist. 

Von  dem  wirklichen  Fortpflanzungsact  dieser  letzteren  scheint  erst 
Gervais  im  Jahre  1847***)  etwas  Sicheres  beobachtet  zu  haben.  Die 
früheren  Angaben  von  Ehrenberg  über  die  Fortpflanzung  unserer  Formen 
durch  Eier  und  die  vermeintliche  Beobachtung  äusserlich  anhängender 
Eierbeutel  bei  Polystomella  und  Nonionina  haben  sich  durch  die  Be- 
mühungen von  M.  Schnitze  bald  als  irrig  erwiesen.  Ebenso  wenig  Erfolg 
hatten  die  von  anderer  Seite  ausgehenden  Bemühungen,  die  Bildung  sogen. 
Keimkugeln  oder  Eier  in  dem  Protoplasmaleib  der  marinen  Rhizopoden 
zu  erweisen.  Schon  Dujardin  gab  an:  zuweilen  den  protoplasmatischen 
Kammerinhalt  von  Truncatulina  zu  kugeligen  Haufen  zusammengriippirt 
getroffen  zu  haben.  M.  Schnitze  hat  hierauf  bei  gewissen  Rotalinen  das 
Auftreten  mehr  oder  minder  zahlreicher  dunkler  Kugeln  in  den  Kammern 
beobachtet,  zuweilen  so  reichlich  angehäuft,  dass  sie  sämmtliche  Kammern 
erfüllten.  Jedoch  schon  die  allmähliche  Bildung  dieser  Kugeln  aus  kleinen 
molekularen  Körnchen,  die  ohne  von  einer  gemeinsamen  Hülle  umschlossen 
zu  werden,  sich  zu  den  erwähnten  Kugeln  zusammengruppiren ,  lässt  die 
Bedeutung  derselben  als  Fortpflanzungskörper  sehr  zweifelhaft  erscheinen. 
Zu  völliger  Gewissheit  scheint  jedoch  dieser  Zweifel  erhoben,  wenn  wir 
ferner  beachten,  dass  diese  Kugeln  sich  durch  ihre  Resistenz,  selbst  gegen 
die  stärksten  Mineralsäuren  und  kochende  Alkalien,  als  Körper  ausweisen, 
die  unmöglich  von  lebendiger,   thierischer  Substanz  gebildet  sein  können. 

Auch  Carpenterf)  hat  kugelige  oder  ovale,  zuweilen  sogar  in 
Zweitheilung  begriffene  Körper  in  den  oberflächlichen  Kammern  von 
Orbitolites  zahlreich  gesehen;  sie  besassen  jedoch  eine  feste  Hülle.  Die 
Abbildungen,  welche  Carpenter  von  diesen  als  Fortpflanzungszellen  gedeuteten 
Körpern  gibt,  macht  es  mir  sehr  plausibel,  dass  die  neuerdings  von  Moseley  ff) 
ausgesprochene  Ansicht:  es  seien  dieselben  parasitische,  einzellige  Algen  (die 
nach  ihm  auch  im  frischen  Zustand  grün  gefärbt  sind),  wohl  zutrifft.  Sie 
für  Zellkerne  zu  halten,  wie  es  R.  Lankester  nicht  ganz  ungerechtfertigt 
dünkt,  erscheint  mir  dagegen  wenig  sicher.  Andererseits  habe  ich  jedoch 
schon  früher  meiner  Ueberzeugung  Ausdruck  verliehen,  dass  die  ver- 
meintlichen,   von    Str.     Wright    bei    einer    Reihe    mariner    Rhizopoden 


*)  1.  c. 
**)  Att.  soc.  Ital.  d.  sc.  natur.  XXI.  1878. 
***)  Compt.  rend.  1847,  auch  L'Institut  1847. 
t)  73. 
ft)  Not.  by  a  naturalist  oa  tho  Challeuger.  Lond.  1879.  p.  292. 


140  Elikopoda. 

Dachgewiesenen  Eier  nichts  weiter  wie  die  Zellkerne  gewesen  seien.  Die 
oben  erwähnten  kugeligen  Fortpflanziingskörper  haben  jedoch  auch 
Carter  beschäftigt,  der  sich  vielfach  bemühte,  eine  sogen,  geschlechtliche 
Fortpflanzung  der  Süsswasserformen  zu  erweisen.  Eine  Beobachtung 
über  angebhche  Embryonen  in  den  Kammern  von  Orbitolites*)  hat  er 
später  selbst  zurückgenommen  und  die  vermeintlichen  Embryonen  für 
parasitische  Diatomeen  (Cocconeis)  erklärt.**)  Schon  früher***)  hat  er 
das  Vorkommen  kugeliger  Fortpflanzungskörper  bei  seiner  Operculina 
arabica  nachzuweisen  gesucht  und  dieselben  mit  den  von  ihm  bei 
Süsswasserformen  (Amoeba  und  Euglypha)  aufgefundenen  sogen.  Fort- 
pflanzungskugeln verglichen.  Was  wir  von  jenen  Fortpflanzungskugeln 
der  Süsswasserformen  zu  halten  haben,  wurde  z.  Th.  schon  bei  Gelegen- 
heit der  Kernfrage  erörtert,  soll  jedoch  noch  weiter  unten  näher  besprochen 
werden.  Zur  Beurtheilung  der  Fortpflanzungskugeln  der  Operculina 
dagegen  fehlt  uns  ein  sicherer  Anhalt,  jedoch  darf  wohl  ohne  grosse  An- 
maassung  behauptet  werden,  dass  ihre  Bedeutung  für  die  Fortpflanzung 
mehr  wie  zweifelhaft  ist  und  dies  um  so  mehr,  als  der  gleiche  Beobachter 
dieselben  Fortpflanzungskörper  auch  bei  einer  Reihe  von  fossilen  Formen, 
wie  Nummulites,  Orbitoides  etc.  nachgewiesen  haben  will. 

Gehen  wir  jedoch  nach  kurzer  Besprechung  dieser  irrigen,  oder  doch 
jeder  sicheren  Basis  entbehrenden  Beobachtungen  zu  der  Betrachtung  der 
wenigen  sicheren  Beobachtungen  über. 

Der  oben  schon  erwähnte  Gervais  gab  1847  an,  bei  Milioliden  das 
Austreten  zahlreicher  lebendiger  Jungen  beobachtet  zu  haben,  nachdem 
ein  Begattungs-  (resp.  Conjugations-)  Act  vorhergegangen  sei.  Genauere 
Untersuchungen  über  die  Vermehrung  der  Milioliden  und  Rotalinen,  durch 
Erzeugung  einer  zahlreichen  Brut  junger  Thiere,  verdanken  wir  jedoch 
wieder  M.  Schnitze.  Es  gelang  ihm  durch  directe  Beobachtung  innerhalb 
der  zertrümmerten  Schale  einer  zehnkammerigen,  kleinen  Rotaline  nicht 
weniger  als  20—30  junge,  nur  dreikammerige  Thiere  nachzuweisen  (64).  Die 
Beobachtung  eines  zweiten  solchen  Thieres  liess  auch  das  ziemlich  plötz, 
liehe  Auftreten  zahlreicher  solcher  jungen  Rotalinen  in  der  nächsten  Um- 
gebung des  Mutterthieres  erkennen;  jedoch  konnte  nicht  mit  Sicherheit 
festgestellt  werden,  ob  dies  Austreten  der  jungen  Brut  durch  Aufbrechen 
der  Schale  des  Mutterthieres  oder  durch  Hervorgehen  derselben  aus  der 
Schalenmündung  bewerkstelligt  wurde.  Wenn  aus  diesen  Beobachtungen 
hervorzugeben  schien,  dass  nicht  der  ganze  Weichkörper  des  Mutterthieres 
zur  Bildung  der  Brut  verbraucht  wird,  so  schienen  hingegen  frühere 
Beobachtungen  über  die  Fortpflanzung  der  Milioliden  in  diesem  Sinne  zu 
sprechen.!)  Diese  zeigten  nämlich  das  Auftreten  zahlreicher  (bis  zu  40) 
kleiner  Milioliden  in  der  bräunlichen,   schleimigen  Umhüllungsmasse,   mit 


*)  A.  in.  11.  h.  4.  XIII.  p.  192. 
**)  A.  m.  n.  li.  4.  XVI.  p.  420. 
***)  Ann.  mag.  n.  h.  3.  VIII. 
i)  Arch.  f.  Au.  u.  Phys.  1856. 


Portpflanzniig  mariner  'Rliizopoclcn.  141 

welcher  sich  ansehnliche  Exemplare  von  Triloculina  umgeben  hatten,  und 
in  dieser  Weise  an  den  Wänden  eines  Glasgefässes  eine  ziemliche  Reihe 
von  Tagen  ruhend  befestigt  waren.  Die  Untersuchung  des  Mutterthieres 
nach  der  Entwickelung  der  Brut  Hess  nur  noch  sehr  geringe  Spuren  von 
feinkörniger  Sarkode  auffinden.  Wie  gesagt,  schien  daher  in  diesen  Fällen 
der  Weichkörper  nahezu  völlig  in  der  Bildung  der  Brut  aufgegangen  zu  sein. 

Auch  von  anderer  Seite  liegen  noch  einige  Angaben  über  die  Ent- 
wickelung beschälter  Brut  in  der  Schale  mariner  Rhizopoden  vor.  So  hat 
Str.  Wright  die  ältere  Beobachtung  von  Ehrenberg  über  das  Vorkommen 
junger  Thiere  in  der  Spirillina  vivipara  Ehrbg.  bestätigt.  Reuss  hat  ge- 
legentlich das  Vorhandensein  einer  jungen  Globigerina  in  der  Endkaramer 
einer  erwachsenen  gesehen  und  bezüglich  der  Entwickelung  einer  zahl- 
reichen beschälten  Brut  bei  Orbitolites  liegen  uns  die  übereinstimmenden 
Angaben  von  Carpenter  (und  Parker),  sowie  Semper*)  vor.  Hier  geschieht 
die  Entwickelung  je  eines  jungen  Thieres  in  den  einzelnen  Kämmerchen 
des  Scheibenrandes.  Innerhalb  dieser  Kämmerchen  des  Mutterthieres 
bildet  die  junge  Orbitolitesbrut  nur  den  embryonalen  Theil  der  Schale 
aus,  bestehend  aus  der  sogen.  Embryonalkammer  und  der  zweiten, 
nahezu  einen  völligen  Umgang  beschreibenden  Kammer.  Erst  nach  dem 
Hervortreten  der  jungen  Thiere  aus  der  Mutterschale,  was  nach  Semper 
durch  Aufbrechen  derselben  vor  sich  gehen  soll,  bildet  sich  der  erste 
Cyklus  der  Kämmerchen. 

Schon  oben  wurde  bei  Gelegenheit  der  Beschreibung  der  Gattungen 
Orbulina  und  Globigerina  auf  die  vielbesprochenen  Vorkommnisse  hin- 
gewiesen, die  von  Pourtales,  M.  Schultze,  Reuss  und  Anderen  als 
Fortpflanzungserscheinungen  der  Globigerina  gedeutet  worden  sind. 
Bekanntlich  bestehen  diese  Befunde  in  dem  häufigen  Vorhandensein  einer 
deutlichen,  kleinen  Globigerinaschale  in  einer  Orbulina.  Nach  der  Deutung, 
welche  dieser  Erscheinung  von  den  oben  erwähnten  Forschern  im  Sinne 
einer  Fortpflanzung  gegeben  wurde,  wären  die  Orbulinen  als  die  los- 
gelösten Endkammern  von  Globigerinen  zu  betrachten,  innerhalb  deren 
nun  eine  kleine,  junge  Globigerina  erzeugt  werde.  Dem  gegenüber  wurde 
schon  oben  die  entgegenstehende  Ansicht  von  Macdonald,  Alcock  und 
Brady  dargelegt,  wonach  es  sich  hier  keineswegs  um  eine  Fortpflanzungs- 
erscheinung handele,  sondern  die  Orbulinaschale  erst  nachträglich,  die 
Globigerina  einschliessend,  zur  Ausbildung  gelange.  Aus  den  schon  früher 
dargelegten  Gründen  halten  auch  wir  es  für  nicht  unwahrscheinlich,  dass 
die  letztere  Auffassung  das  Richtige  getroffen  hat. 

Fragen  wir  uns  nach  dieser  Uebersicht  der  spärlichen  Beobachtungen 
über  die  Vermehrungsweise  der  marinen  Rhizopoden,  wie  sich  dieselben 
in  eine  nähere  Beziehung  zu  den  genauer  bekannten  Fortpflanzungsver- 
hältnissen  der   Süsswasserrhizopoden   bringen   lassen,    so  finden   wir  bis 


*)  Die  von   Semper  untersuchte  und   als  Nummulites   bezeichnete   Form  war  sicher  ein 
Orbitolites.  (Z.  f.  w.  Z.  XIII.  p.  56S.) 


142  Eliizopoda. 

jetzt  nur  in  den  geschilderten  Erscheinungen  bei  Arcella  einen  Anknüpfungs- 
punkt. Wir  dürfen  uns  wohl  die  Brutbildung  bei  jenen  marinen  Formen 
z.  Th.  wenigstens  als  einen  ähnlichen  Knospungsprocess  deoken,  wie  wir 
ihn  auch  bei  Arcella  anzunehmen  berechtigt  sind.*)  Dabei  erhebt  sich 
jedoch  noch  die  Unterfrage:  ist  dieser  Vorgang  der  Brutbildung  wohl 
stets  unter  dem  Bild  einer  solchen  Knospung  verständlich,  wie  dies  z.  B. 
für  Orbitolites  mit  der  nur  in  der  Kaudzone  sich  entwickelnden  jungen 
Brut  erscheint,  oder  wird  nicht  auch  z.  Th.  die  Entwickelung  dieser  Brut 
in  ähnlicher  Weise  durch  einen  Zerfall  des  gesammten  Weichkörpers  vor 
sich  gehen,  wie  wir  den  gesammten  Inhalt  der  Centralkapsel  bei  den 
Radiolarien  in  die  Brutbildung  eingehen  sehen.  Die  Beobachtungen 
M.  Schultze's  an  den  Milioliden  scheinen  einer  solchen  Annahme  nicht 
ungünstig  zu  sein. 

.Was  jedoch  gegenüber  den  Fortpflanzungserscheinungen  der  Stiss- 
wasserformen  namentlich  auffällt  und  worüber  auch  kein  Zweifel  statt- 
finden kann,  ist  die  frühzeitige  Bildung  der  Schale,  schon  vor  dem 
Austritt  der  Brut  aus  dem  mütterlichen  Gehäuse  —  ein  Verhalten,  für  das  wir 
bis  jetzt  bei  den  Süsswasserformen  kein  Analogon  besitzen.  Damit 
scheint  auch  wohl  das  Vorkommen  einer  Metamorphose,  wenn  ich  mich 
so  ausdrücken  darf,  in  dem  Entwickelungsgang  der  marinen  Formen 
ausgeschlossen,  so  namentlich  das  Auftreten  von  Schwärmerbildung. 

Die  im  Obigen  gegebene  Darlegung  unserer  Kenntnisse  von  der 
Fortpflanzung  der  marinen  Rhizopoden  wird  jedoch,  auch  ohne  weitere 
Bemerkungen,  die  Ueberzeugung  hervorrufen,  dass  wir  noch  sehr  weit 
davon  entfernt  sind,  einen  einigermaassen  genügenden  Einblick  in  diese 
jedenfalls  viel  des  Interessanten  darbietenden  Verhältnisse  zu  besitzen. 

Obwohl  die  Fortpflanzung  durch  einfache  Theilung  schon  von  vorn- 
herein bei  den  marinen  beschälten  Rhizopoden  wenig  Aussicht  auf  Vor- 
handensein besitzt,  so  scheint  doch  unter  gewissen  anormalen  Verhältnissen 
etwas  derartiges  eintreten  zu  können.  Ich  meine  hier  nämlich  jene  selt- 
samen Doppelbildungen,  wie  sie  gelegentlich  sowohl  bei  monothalamen 
als   polythalamen  Rhizopoden  beobachtet   worden   sind.     Was   die  raouo- 


*)  In  neuester  Zeit  liat  E.  Lankester  inehrfacli  in  der  Mündiingsregion  des  proto- 
plasmatischen Leibes  der  sandschaligen  Halipliysema  eine  grössere  Zahl  ei-ähnlicher  Gebilde 
getrott'en.Dieselbeu  waren  hüllenlos ,  die  kleinen  ohne,  die  grösseren  mit  deutlichem  Zellkerne 
und,  wie  es  schien,  z.  Th.  sogar  in  Vermehrung  durch  Zweitheilung  begriffen.  Lankester 
erblickt  in  diesen  Gebilden  endogen  erzeugte  Keime  der  Haliphysema.  Ich  erwähne  diese 
Beobachtung  liier  hauptsächlich  noch  deshalb,  um  darauf  hinzuweisen,  dass  mit  obiger 
Darstellung  des  wahrscheinlichen  Fortpflanzungsprocesses  der  marinen  Rhizopoden  keineswegs 
die  Möglichkeit  der  Erzeugung  endogener  Keime  gänzlich  in  Abrede  gestellt  werden  soll, 
wenn  ich  auch  durch  die  mitgetheilte  Beobachtung  Lankcster's  diese  Möglichkeit  noch  in  keiner 
Weise  für  erwiesen  erachte  ^  da  über  das  weitere  Schicksal  dieser  vermeintlichen  Eikeime 
nichts  ermittelt  wurde.  Wir  machen  bei  dieser  Gelegenheit  noch  darauf  aufmerksam ,  dass 
S.  Kent  (A.  m.  n.  h.  5.  II.)  die  Jugendformen  der  Haliphysema  in  amöbenartigen,  kleinen, 
unbeschalten  Formen  entdeckt  haben  will,  die  sich  später  festhefteten  und  anfänglich,  vor 
dem  Bau  einer  Schalenhülle,  noch  von  ihrer  ganzen  Oberfläche  zarte  Pseudopodien  entwickelten. 


Abnorme  und  unvollständige  Tlieilung'sprocesse  von  Mono-  und  Polythalamia.         143 

thalamen  derartigen  Bildungen  betrifft,  wie  sie  z.  B.  in  der  Gattung 
Lagena  gar  nicht  so  selten  durch  Williamson,  Parker  und  Jones,  sowie 
durch  Alcock  beobachtet  wurden,  so  kann  deren  Entstehung  nicht  wohl 
auf  etwas  anderes,  als  auf  eine  sehr  frühzeitige,  noch  im  schalenlosen 
Zustand  stattgefundene,  jedoch  unvollständige  Theilung  zurückgeführt 
werden.  Alcock,  der,  wie  schon  oben  hervorgehoben  wurde,  für  einen 
mehrfachen  Schalenwechsel  im  Lebenslauf  der  monothalamen  Formen 
plaidirt,  ist  der  Ansicht,  dass  gerade  diese  Doppelmonstra  hierfür  be- 
weisend seien,  indem  er  ihre  Entstehung  auf  eine  unvollständige  Theilung 
während  eines  solchen  Schalenwechsels  zurückführt.  Was  ähnliche 
Doppelbildungen  der  polythalamen  Formen  betrifft,  wie  sie  durch  M.  Schnitze 
bei  Polystomella  und  in  etwas  abweichender  Weise  auch  durch  Parker 
und  Jones  nachgewiesen  wurden,  so  scheint  es  zweifelhafter,  wie  hier 
die  Entstehung  zu  deuten  ist,  da  genauere  Untersuchungen  über  den  Bau 
dieser  monströsen  Schalen  nicht  vorliegen.  Dagegen  scheinen  die  eigen- 
thümlichen  Doppelbildungen,  wie  sie  gelegenthch  bei  Orbitolites  beobachtet 
wurden,  kaum  einer  Erklärung  durch  einen  unvollständigen,  frühzeitigen 
Theilungsprocess  zugängig,  sondern  sind  wohl  das  Erzeugniss  besonderer, 
wiewohl  an  eine  Vermehrung  erinnernder  Wachsthumsvorgänge. 

ß.    Koloniebilduug  in  Zusammenhang  mit  der  Theilung  oder  Knospung 

der  Khizopoda. 

Die  Erscheinung  der  sogen.  Koloniebildung  steht  in  so  inniger  Be- 
ziehung zu  den  besprochenen  Fortpflanzungsvorgängen  durch  Theilung 
oder  Knospung,  dass  dieselbe  hier  im  Anschluss  an  letztere  zunächst 
einer  kurzen  Besprechung  unterzogen  werden  darf.  Wir  verstehen  unter 
einem  kolonialen  Verbände  nur  einen  solchen,  dessen  einzelne  Mitglieder 
thatsächlich  in  directer,  lebendiger  Verbindung  vermittelst  ihrer  protoplasma- 
tischen Leibessubstanz  stehen.  Derartige  koloniale  Verbände  gehören 
gerade  nicht  zu  den  häufigen  Erscheinungen  unter  den  Rhizopoden,  jedoch 
hat  die  neuere  Forschung  uns  auch  auf  diesem  Gebiet  mit  einer  Anzahl 
hierhergehöriger  und  nicht  uninteressanter  Fälle  bekannt  gemacht.  Das 
ausgezeichnetste  Beispiel  solcher  Koloniebildung  bietet  uns  wohl  die  hier- 
nach benannte  Mikrogromia  socialis  dar.*)  Wir  haben  schon  oben  die 
mit  Schwärmerbildung  verbundene  Fortpflanzung  dieser  Form  durch  Quer- 
oder Längstheihing  besprochen.  Nicht  stets  führt  jedoch  die  Längstheilung 
der  Thiere  zur  völligen  Trennung  der  beiden  Sprösslinge,  sondern 
es  erhält  sich  zwischen  beiden  häufig  ein  organischer  Zusammenhang 
durch  die  Pseudopodienstiele.  —  Auch  in  diesem  Fall  verlässt  jedoch  der 
eine  Theilsprössling  nach  einiger  Zeit  die  Schale  des  Mutterthieres,  mit 
dem    er    jedoch    durch    den     Pseudopodienstiel    noch    in     organischem 


*)  Unter  den  unbeschalten  Formen  tritt  uns  eine  sehr  hübsche  koloniale  Entwickelung 
bis  jetzt  allein  bei  der,  hinsichtlich  ihrer  Stellung  etwas  zweifelhaften,  monercn  Form  Myxo»- 
dyctium  entgegen  ;  hier  stehen  wie  bei  Mikrogromia  zahlreiche  Einzelindividuen  durch  ihre 
reichlich  wurzelartig  verästelten  Pseudopodiennctze  im  Zusammenhang. 


]44  Eliizopoda. 

Zusammenhang  bleibt.  Nach  einiger  Zeit  wird  sich  das  neugebildete 
Individuum  mit  einer  Schale  bekleiden.  Durch  fortgesetzte  Vermehrung 
können  sich  in  dieser  Weise  Kolonien  zahlreicher  Individuen  bilden,  indem 
diese  sämmtlich  durch  ihre  Pseudopodien  in  Verbindung  bleiben.  In  ihrem 
Verhalten  zeigen  diese  Kolonien  eine  Reihe  wechselnder  Zustände,  die 
sogar  zur  Trennung  derselben  in  zwei  Arten,  ja  sogar  Gattungen, 
Veranlassung  gaben.  Sie  treten  nämlich  einmal  im  gehäuften  Zustand  auf 
(III.  15  a),  indem  sämmtliche  Individuen  zu  einem  dichten  Klumpen  zu- 
sammengedrängt sind,  von  dem  dann  allseitig  die  Pseudopodien  aus- 
strahlen (dieser  Zustand  wurde  ursprünglich  von  Archer,  seinem  Entdecker, 
als  Cystophrys  Haekeliana  bezeichnet  und  in  die  Nähe  der  Radiolarien 
gezogen).  Andererseits  vermag  jedoch  die  Kolonie  sich  auch  flach  aus- 
zubreiten, die  einzelnen  Individuen  trennen  sich  durch  mehr  oder  minder 
weite  Zwischenräume  von  einander  und  stehen  untereinander  durch  die 
netzartig  ausgespannten  Pseudopodien  in  Verbindung.  (Es  ist  dies  der 
Zustand,  den  Archer  ursprünglich  als  Gromia  socialis  beschrieb.) 

In  ähnlicher  Weise  sehen  wir  jedoch  auch  noch  eine  Anzahl  nahe 
verwandter  Formen  eine  Koloniebildung  eingehen,  so  das  Lecythium  hya- 
linum.  Hier  hat  schon  Fresenius*)  in  richtiger  Weise  die  Koloniebildung 
durch  Längstheilung  beobachtet,  wie  sie  später  durch  die  Untersuchungen 
von  Cienkowsky  (104  a)  bestätigt  wurde.  Die  in  solcher  Weise  ent- 
standenen Kolonien  des  Lecythium  bilden  traubige  Verbände,  indem 
sämmtliche  Einzelthiere  durch  das  aus  den  Schalenmündungen  heraus- 
getretene und  zu  einer  breiten  Platte  verschmolzene  Protoplasma,  von 
welchem  die  Pseudopodien  ausstrahlen,  in  Verbindung  stehen.  Nach 
F.  E.  Schulze's  Beobachtungen  dieser  Form  (seiner  Gromia  socialis  Arch.) 
sollen  aber  solche  koloniale  Verbände  auch  durch  allmähliche  successive 
Verschmelzung  von  Einzelindividuen  entstehen  können;  jedoch  scheint  mir 
nicht  völlig  sichergestellt  zu  sein,  wenigstens  nach  dem  Wortlaut  der 
Schulze'schen  Beschreibung,  ob  er  wirklich  die  Verschmelzung  von  mehr 
als  zwei  Individuen  direct  beobachtet  hat  (s.  101  III.).  1 

Eine  ähnliche  Koloniebildung  treffen  wir  schliesslich  auch  bei  dem 
nahe  verwandten  Platoum  stercoreum  Cienk.  (=  Chlamydophrys  Cienk.); 
hier  geht  jedoch  die  Bildung  neuer  Kolonialindividuen  nach  den  Unter- 
suchungen von  A.  Schneider**)  und  Cienkowsky  (104a)  in  etwas  ab- 
weichender Weise  vor  sich.  Ein  einfaches  Thier  erzeugt  zunächst 
durch  theilweises  Austreten  des  Körperprotoplasmas  und  durch  Ab- 
scheidung einer  neuen  Schale  um  diesen  ausgetretenen  Theil  ein  neues 
Individuum,  ähnlich  wie  wir  es  auch  bei  Arcella  gesehen  jhaben.  Es 
erfolgt  nun  jedoch  häufig  keine  Trennung  der  beiden  Individuen,  sondern 
dieselben  bleiben  durch  eine  breite  Protoplasmabrücke,  von  der  die 
Pseudopodien  ausstrahlen,  in  Verbindung.     Aus  dieser  Protoplasmabrücke 


*)  Abli.  d.  Senckenb.  naturf.  Ges.  II. 
**)  Arch.  f.  A.  u.  Pli.  1854. 


Kolon iebildung-.    (Platoum,  Labyriiitliula.)  145 

gemeinschaftlicben  Pseudopodienplatte  können  sich  nun  noch  zahl- 
reiche weitere  Individuen  entwickeln,  indem  sich  an  derselben  neue  Aus- 
buchtungen erzeugen,  in  denen  nach  Cienkowsky  unabhängig  von  den 
frühereu  ein  neuer  Kern  entsteht  und  sich  weiterhin  eine  neue  Scbalen- 
umhiillung  bildet.  Die  Form  der  Kolonie  ist  ganz  ähnlich  der  von  Lecy- 
tbium  (III.  17  b).  Das  nur  durch  etwas  abweichende  Schalenstructur 
sich  unterscheidende,  von  Entz  (HO)  beschriebene  Geschlecht  Plecto- 
phrys  zeigt  auch  eine  ganz  entsprechende  Koloniebildung.*) 


'*)  In  die  Nälie  der  Ehizoi^odenkolonien  lassen  sich  vielleicht  auch  die  eigenthüm- 
lichen  ZcllenaggTcgate  der  sogen.  Labyrinthula  Cienkowsky's  (Arch.  f.  mikr.  A.  III.) 
bringen ,  die  wir  daher  hier  anmerkungsweise  kurz  noch  betrachten  wollen ,  da ,  wie  schon 
mehrfach  zu  bemerken  Gelegenheit  war,  die  Stellung  dieser  Gattung  bei  den  Khizoi)oda  über- 
haupt wenig  sicher  erscheint;  wir  haben  sie  dennoch  hierher  gezogen,  da  bei  den  übrigen 
Protozoen  noch  weniger  eine  passende  Einreihung  derselben  zu  ermöglichen  ist,  weiterhin 
jedoch  auch  die  betreffenden  Formen  noch  speciellerer  Aufklärung  zu  einem  vollen  Verständniss 
ihrer  Organisationsverhältnisse  nnd  einer  richtigen  Würdigung  ihrer  verwandtschaftlichen  Be- 
ziehungen bedürfen.  Im  nicht  beweglichen  Zustand  bildet  die  Labyrinthula  haufenförmige 
Aggregate  von  rundlichen  bis  bolmenförmigen  gekernten  Zellen,  die  entweder  ohne  erkennbare 
Zwischensubstanz  zusainmengelagert  sind,  oder  aber  von  einer  feinkörnigen  Zwischensuhstanz, 
die  auch  als  dünne  Einde  den  Haufen  überzieht,  zusammengehalten  werden  (I.  8d).  Der 
Uebergang  in  den  beweglichen  Zustand  vollzieht  sich  in  der  Weise,  dass  von  der  Oberfläche 
des  Haufens  farblose,  hyaline  oder  sehr  fein  faserige  Fortsätze  von  starrer  Beschaffenheit  her- 
vorgeschoben werden  (I.  8  a),  die  sich  vielfach  verästeln  und  durch  reichliche  Verbindungen 
unter  einander  ein  labyrinthisches  Netzwerk  bilden  (Sb),  längs  welcher  sogen.  Fadenbahn  nun 
die  Zellen  langsam  hinwandernd  von  dem  Centralhaufen  nach  der  Peripherie  fortgleiten. 
Bei  dieser  \\'anderung  nehmen  die  Zellen  eine  spindelförmige  Gestalt  an,  sind  jedoch  über- 
haupt etwas  gestaltsveränderlich  (Sc).  Der  fraglichste  Punkt  in  der  Natur  dieser  eigenthüm- 
lichen  Labyrinthula-Zellenaggregate  bildet  die  Entstehung  und  Natur  der  sogen.  Fadenbahn, 
Protoplasmatisch  scheint  dieselbe  nicht  zu  sein,  sondern  eine  Ausscheidung  der  Zellen  dar- 
zustellen ,  womit  jedoch  ihr  scheinbar  selbständiges  Entstehen  und  Vergehen  nicht  ganz  wohl 
in  Einklang  zu  bringen  ist.  Vielleicht  dürften  die  von  Cienkowsky  (104  a)  bei  seinem  Diplo- 
phrys  stercoreum  beobachteten,  eigenthümlichen  Aggregationen  zahlreicher  Einzelindividuen, 
die  mit  ihren  von  beiden  Körperpolen  ausstrahlenden,  fadenartigen  Pseudopodien  aneinander 
hinkriechen  und  so  gleichfalls  netzartige,  z.  Th.  hoch  sich  erhebende  Aggregate  von  Individuen 
bilden,  die  der  Fadenbahn  der  Labyrinthula  mit  ihren  Zellen  sehr  ähnlich  sehen,  doch  noch 
zur  Aufklärung  der  Verhältnisse  bei  Labyrinthula  beitragen.  In  wieweit  sich  ein  von  Archer 
(Qu.  j.  micr.  sc.  XV.)  beobachteter,  und  als  Chlamydomyxa  labyrinthuloides  bezeichneter 
rliizopodenartiger  Organismus  an  die  eben  erörterte  Labyrinthula  anschliesst  (I.  9),  lässt  sich 
bis  jetzt  noch  nicht  mit  genügender  Bestimmtheit  angeben.  Es  handelt  sich  hier  um  einen 
von  einer  Cellulosehülle  umkleideten,  protoplasmatischen  Körper,  der  durch  eine  polare,  riss- 
artige OefTnung  ansehnlich  lange,  pseudopodienartige  Fortsätze  aussendet,  welche  sich  baumförmig 
verästeln  und  zahlreiche  feine  hyaline  Fäden  entwickeln,  die  eine  ähnliche  Fadenbahn  formiren, 
wie  bei  der  Labyrinthula.  Auch  hier  gleiten  dann  zahlreiche,  während  ihrer  Wanderung 
spindelförmige,  jedoch  kernlose  Körperchen  auf  der  Fadenbahn  hin,  die  sich  in  dem  cen- 
tralen Protoplasmakörper  als  kugelige,  plastische  Körperchen  vorgebildet  vorfinden.  Die 
Fadenbahn  scheint  nach  Archer's  Schilderung  bei  der  Chlamydomyxa  die  Natur  pseudopodien- 
artiger  Fortsätze  zu  haben  und  da  die  sogen.  Spindeln  hier  kernlos  sind,  andererseits  auch 
der  Gesammtorganismus  durch  Nahrungsaufnahme  und  Vacuolenbildung  seines  Centralkörpers 
sich  dem  gewöhnlichen  Rhizopodenorganismus  nälier  anschliesst,  so  scheint  mir  vorerst  eine 
directe  Annäherung  der  Chlamydomyxa  an  die  Labyrinthula  kaum  gerechtfertigt.  Die  neuer- 
dings von  R  Laiikester  (Qu.  journ.  micr.  sc.  XIX.)  ausgesprochene  Ansicht,  dass  die  sogen. 
Bronn,  Klassen  des  Thier-Keichs.    Protozoa.  2Q 


146  Rliizopoda. 

Unter  den  marinen  Rhizopoden  scheint  eine  ähnliche  Kolonie- 
bildung  nur  sehr  selten  einzutreten.  Jedoch  hat  R.  Hertwig*)  neuer- 
dings eine  Kolonie  sehr  junger  (dreikammeriger)  Rotalinen  beobachtet. 
Etwa  30  —  40  Individuen  bildeten  ein  Häufchen  ähnlich  der  sogen. 
Cystophryskolonie  der  Mikrogromia  und  wurden  durch  eine  gemeinsame 
Protoplasmamasse  mit  einander  vereinigt.  Zu  den  kolonialen  Verbänden 
dürfen  wir  wohl  auch  die  von  Bessels**)  und  Anderen  mehrfach  beob- 
achteten, durch  ihre  armartigen  Fortsätze  in  directem  Verbände  stehenden 
Individuengruppen  der  Astrorhiza  limicola  Sund,  rechnen,  ßessels  ver- 
muthet  ihr  Hervorgehen  durch  Sprossung,  worauf  auch  die  zuweilen  zu 
beobachtende  Anschwellung  und  besondere  Grösse  eines  der  Arme 
hindeute. 

Im  Anschluss  an  diese  Erörterung  der  sogen.  Koloniebildung  der 
Rhizopoda  ist  es  wohl  am  Platze,  in  Kürze  auch  noch  der  Frage  nach 
der  morphologischen  Auffassung  der  polythalamen  Formen  der  Rhizopoden 
einige  Augenblicke  zu  schenken,  da,  wie  bekannt,  die  regelmässige 
Wiederholung  der  Kammerbildung  häufig  zur  Annahme  einer  Kolonie- 
bildung Gelegenheit  gegeben  hat.  Wir  sehen  hier  natürlich  ab  von 
solchen  Ansichten  über  die  koloniale  Zusammensetzung  der  marinen  Rhi- 
zopoden, wie  sie  Ehrenberg  seiner  Zeit  vortrug,  der  zum  Hauptkriterium 
in  dieser  Frage  die  Zahl  der  Kammermündungen  machte  und  daher  For- 
men mit  zahlreichen  Mündungen  (wie  z.  B.  Peneroplis)  zu  einer  von  zahl- 
reichen Einzelthieren ,  entsprechend  der  Zahl  der  Mündungsporen,  be- 
wohnten Kolonie  stempelte. 

Dagegen  scheint  es  nun  bei  erstmaliger  Ueberlegung  recht  natürlich, 
die  polythalamen  Formen ,  bei  welchen  eine  so  reguläre  Wiederholung 
bestimmter  Abschnitte  in  Form  und  Bildung  sich  findet,  als  in  innigem 
Verbände  stehende  Kolonien  zu  deuten,  da  ja  jede  Einzelkammer  einer 
solchen  Polythalamie  gewöhnlich  in  hohem  Grade  mit  der  Bildung  der 
einfachen  Kammer  einer  Monothalamie  übereinstimmt.  Die  Bildung  neuer 
Kammern  wäre  hiernach  als  ein  Theilungs-,  resp.  Sprossungsact,  zu  be- 
trachten. Diese,  von  einer  Reihe  von  Forschern  auch  heute  noch  vertretene 
Ansicht  steht  jedoch  mit  gewissen  anderweitigen  Bauverhältnissen  des 
Rhizopodenorganismus  in  nicht  wohl  zu  vereinbarendem  Widerspruch. 
Schon  M.  Schultze  (53)  hat  sich  gegen  diese  Auffassung  sehr  entschieden 
ausgesprochen,  obgleich  ihm  der  Hauptgrund,  welcher  gegen  dieselbe  vor- 
gebracht werden  kann,  noch  nicht  bekannt  war.  Diesen  Grund  jedoch 
bilden  die  Kernverhältnisse. 

Wie  wir  oben  schon  genügend  zu  erörtern  Gelegenheit  hatten,  steht 
die  Zahl  und  Vertheilung   der  Zellkerne   in   gar  keiner   bestimmten   Be- 

Spindelii  der  Chlamydomyxa  und  Labyrinthula  wohl  als  Zellkerne  zu  betrachten  seien,  könnte 
möglicherweise  für  die  erstgenannte  Gattung  einige  Wahrscheinlichkeit  besitzen ,   wogegen  mir 
dieselbe  für  Labyrinthula  ganz  ungerechtfertigt  erscheint. 
*)  Jen.  Zeitschr.  X. 
**)  Jen.  Zeitschr.  IX. 


Koloniebildung.     (Marine  Formen,  Bezieh,  d.  PolyÜialamie  z.  Kolonieb.)  147 

ziebiuig-  zu  der  Kamraerzahl,  wir  lernten  einkernige  Polythalamia  und 
vielkernige  Monothalamia  kennen.  Da  uns  jedoch  die  marinen  Poly- 
thalamia als  kernführend  wohl  bekannt  sind,  so  dürften  wir,  wenn  es 
sich  in  ihren  Kammerabschnitten  wirklich  um  individuelle  Wiederholungen 
im  Sinne  einer  kolonialen  Bildung  handelte,  mit  Recht  die  Gegenwart 
eines  oder  mehrerer  Zellkerne  in  jedem  Kammerabschnitt  verlangen. 

Wir  sind  daher  nicht  berechtigt,  in  der  Ausbildung  und  regelmässigen 
Wiederholung  der  Kammerabschnitte  bei  den  Polythalamen  eine  wirkliche 
morphologische  Wiederholung   von   Individuen    einfacherer  Art,    wie  sie 
uns  die  Monothalamien   darbieten,   nach   Art   einer  Kolonie-  oder  Stock- 
bildung zu  erkennen.     Immerhin  jedoch  ist   die   Regularität   der  Wieder- 
holung   der   einfachen   Kammerabschnitte    bei   diesen   Formen   von   einer 
Art,    dass    sie    bis    zu    gewissem    Grade    eine    wirkliche    Wiederholung 
der  Form   und  Theile   des  Einzelindividuums   der  Monothalamie  vorführt. 
Wenn  wir  uns   nun  nach  Vergleichen  für  ein  derartiges  morphologisches 
Verhalten  in  den  Abtheilungen  der  höheren  Thierwelt  umsehen,  so  werden 
wir  nicht  verkennen,    dass   von  einem  allgemein  morphologischen  Stand- 
punkt aus  die  Segmentation,  wie  sie  uns  in  verschiedenem  Grad  der  Aus- 
bildung   die   gegliederten   Metazoen   darbieten,    eine  nicht    zu   leugnende 
Aehnlichkeit  mit  der  Kammerung  der  Polythalamien  darbietet.    In  beiden 
Fällen    sehen    wir  Wiederholung    einer   Anzahl  morphologisch   sich   ent- 
sprechender Körperabschnitte,    die    gleichzeitig    bis    zu    einem   gewissen 
Grade   als  Homologa    einer    einfacheren,    ungegliederten    Individualitäts- 
stufe   erscheinen.      In    beiden    Fällen   jedoch    sind    die    einzelnen    Ab- 
schnitte   oder   Metameren    mehr    oder  weniger  weit  von   der  Höhe  der 
Individualisation  entfernt,  die  wir  an  den  einzelnen  Gliedern  einer  Kolonie 
oder   eines   Stockes   antreffen,    indem   ihnen    zunächst    eine   Anzahl   von 
Organisationseigenthümlichkeiten,  die  wir  dem  vollkommenen  Individuum 
zuschreiben  müssen,    abgehen,    wie  andererseits  dem   ganzen,   aus   den 
Wiederholungen    solcher    einzelner    Körperabschnitte    zusammengesetzten 
Organismus  eine  Reihe  von  Organisationseigenthtimlichkeiten  zukommen, 
die    in    centralisirter  Ausbildungsweise   gemeinsam   für   die  Gesammtheit 
des  betreffenden  Organismus  vorhanden  sind.    Wie  jedoch  die  Grenzlinie 
zwischen  Kolonie  und  gegliedertem  Organismus   auch  unter  den  höheren 
Formen  nur  schwierig  oder  nicht  scharf  zu  ziehen  ist,  so  kann  in  gleicher 
Weise  auch  hier  auf  dem  Gebiet  der  Protozoen  eine  solche  Schwierigkeit 
sich  erheben,  wenn  auch  die  bis  jetzt  bekannten  Beispiele  eigentlicher 
Koloniebildung    im   Bereich   der  Rhizopoda  sich    recht  scharf  abgrenzen 
lassen  gegen  die  Erscheinung  der  Polythalamie,  die  wir,  wie  gesagt,  im 
allgemein   morphologischen  Sinne   am   ehesten  mit  der  Segmentation  der 
Metazoen  zu  vergleichen  im  Stande  sind. 


10' 


148  Ehizopoda. 

y.    Ueber  di  e  Erscheinung  der  Encystirung    bei    den  Ehizopoden,  oline    oder 

in  Verbindung  mit  Vermelirung." 

Wie  bei  zahlreichen  Protozoen  überhaupt,  finden  wir  auch  unter  den 
Rhizopoden  (wenigstens  denen  des  süssen  Wassers)  eine  sehr  ausge- 
sprochene Neigung,  sich  zu  gewissen  Zeiten  ihres  Lebens  mit  einer  durch 
selbstthätige  Ausscheidung  gebildeten  Hüllhaut  zu  umkleiden  (die  gewöhn- 
lich nach  Aussen  völlig  abgeschlossen  ist)  und  in  diesem  encystirten  Zu- 
stand längere  oder  kürzere  Zeit  ruhend  zu  verharren,  oder  noch  innerhalb 
der  Cystenhülle  einen  Vermehrungsprocess  durch  Theilung  einzugehen. 
Wenn  nun  auch  bei  den  Protozoen  eine  solche  Vermehrung  im  encystirten 
Zustand  nicht  gerade  selten  stattfindet  (wiewohl  gerade  die  Rhizopoden 
hierfür  bis  jetzt  nur  wenige  Beispiele  geliefert  haben),  so  scheint  doch  in 
der  Mehrzahl  der  Fälle  der  Encystirungsprocess  wenigstens  ursprünglich 
hiebt  in  directem  Zusammenhang  mit  der  Vermehrung  gestanden  zu  haben. 
Er  scheint  im  Gegentheil  ursprünglich,  wie  dies  auch  jetzt  thatsächlich 
noch  häufig  der  Fall  ist,  entweder  zum  Schutz  des  Organismus  gegen 
äussere  schädliche  Einflüsse,  wie  Austrocknung  oder  faulige  Verderbniss 
des  Wassers  entstanden  zu  sein,  andererseits  jedoch  auch,  um  nach  reich- 
licher Nahrungsaufnahme  gewissermaassen  in  ungestörter  Ruhe  die  auf- 
genommene Nahrung  assimiliren  zu  können.  Wie  schon  bemerkt,  zeigen 
gerade  die  Rhizopoden  nur  selten,  nach  den  bis  jetzt  darüber  vorliegenden 
Beobachtungen,  eine  Vermehrung  durch  Theilung  innerhalb  der  Cysten- 
hülle, ja  der  einzige  Fall,  der  eine  regelmässige  Fortpflanzung  durch 
Encystirung  anzudeuten  scheint,  betrifft  gerade  einen  Organismus,  dessen 
Stellung  unter  den  übrigen  Rhizopoden  keineswegs  völlig  gesichert  ist, 
nämlich  die  bekannte  monere  Form,  die  Häckel'sche  Protomyxa. 

Betrachten  wir  zunächst  jene  Fälle  etwas  näher,  wo  bis  jetzt  wenig- 
stens keinerlei  Vermehrungsvorgänge  in  Verbindung  mit  der  Encystirung 
beobachtet  wurden.  Derartige  Encystirung  scheint  unter  den  nackten  und 
beschälten  Formen  des  süssen  Wassers  ziemlich  allgemein  verbreitet  zu 
sein,  wogegen  bis  jetzt  wenigstens  im  Bereich  der  marinen,  beschälten 
Formen  nichts  Analoges  beobachtet  wurde. 

Eine  Reihe  von  Beobachtungen  liegen  über  Encystirungsvorgänge  bei 
Amöben  und  amöbenartigen  Rhizopoden  vor,  ohne  dass  jedoch  bis  jetzt 
dieser  Vorgang  gerade  hier  in  eingehenderer  Weise  ermittelt  worden 
wäre.  A.  Schneider*)  will  die  Encystirung  der  Amöben  (es  ist  die  Rede 
von  A.  diffluens  und  radiosa)  beobachtet  haben  und  schildert  den  Vor- 
gang in  der  Weise,  dass  anfänglich  die  Bildung  der  Cystenhülle  lokal 
begrenzt,  einseitig  beginne,  während  gleichzeitig  noch  die  amöboide  Be- 
weglichkeit des  Protoplasmakörpers  auf  der  entgegenstehenden  Seite  sich 
äussere.  Allmählich  wachse  schliesslich  die  Hülle  allseitig  um  die  Amöbe 
herum.     Gegen  diese  Schilderung    hat  Auerbach**)   vielleicht  mit  Recht 


*)  Arch.  f.  A.  u.  Ph.  1854. 
**)  Z.  f.  w.  Z.  YII. 


Encystirung.    (Amöben  und  Verwandte.)  149 

Einsprache  erhoben  und  die  Veimuthung  geäussert,  dass  Schneider 
möglicherweise  durch  das  eigenthümliche  Verhalten  einer  Form,  wie  sie 
z.  ß.  Cochliopodium  darbietet,  getäuscht  worden  sei.  Sicherer  dagegen 
scheint  die  Beobachtung  des  Encystirungsprocesses  einer  fraglich  als 
Amoeba  Gleichen!  Djrd.  bezeichneten  Form  durch  Carter.*)  Hier  bildet 
sich  bemerkenswerther  Weise  keine  kugelige,  sondern  eine  etwas  kegelige, 
gewöhnlich  kurz  gestielte,  braune  und  rauhe  Cyste,  die  mit  ihrem  zu- 
gespitzten Ende  oder  dem  Stielchen,  in  welches  dieses  sich  fortsetzt,  an 
fremde  Gegenstände  festgeheftet  ist.  Weiterhin  haben  auch  J.  Lüders**) 
und 'Wallich  ***)  Encystirungserscheinungen  von  Amöben  beschrieben  und 
zwar  übereinstimmend  von  solchen  Formen,  die,  nach  reichlicher  Aufnahme 
von  Diatomeennahrung,  sich  nun  gewissermaassen  zu  einer  sogen.  Ver- 
dauungscyste,  wie  sie  hauptsächlich  bei  den  heliozoenartigen  Sarkodinen 
häufig  beobachtet  wird,  umbildeten.  Hierbei  wurde  nur  eine  zarte, 
z.  Th.  faltige  Cystenhülle  entwickelt.  Die,  nach  dem  Wiederaustreten  der 
Amöben,  in  der  Cystenhülle  zurückgelassenen  Diatomeenschalen  gaben 
mehrfach  Veranlassung  zu  der  Beschreibung  sogen.  Diatomeencysten, 
welche  jedoch,  wie  gesagt,  von  der  Encystirung  der  Amöben,  z.  Th.  jedoch 
auch  heliozoenartiger  Süsswassersarkodinen  herrühren. 

Für  den  amöbenartigen  Plakopus  ist  die  Encystirung  durch  F.  E.  Schulze 
mit  ziemlicher  Wahrscheinlichkeit  festgestellt  worden ;  die  dünne  Cysten- 
hülle besitzt  hier  eine  regulär  kugelige  Bildung  und  liegt  dem  eingehüllten 
Weichkörper  direct  auf.  Die  Bildung  geschichteter,  kugeliger  Cysten 
wurde  auch  von  Sorokinf)  bei  seinem  Gloidium  constatirt  und  ihr 
Bau  ist  von  besonderem  Interesse,  weil  sich  an  einer  Stelle  eine 
Einrichtung  zum  Austritt  des  encystirten  Plasmakörpers  findet.  Es  ist 
nämlich  nur  die  äusserste  und  älteste  Schicht  der  Cyste  völlig  geschlossen, 
während  die  jüngeren,  inneren  Schichten  au  der  erwähnten  Stelle  unter- 
brochen sind.  An  dieser  Stelle  wird  daher  in  der  Cystenhülle  ein  nach 
Innen  trichterförmig  sich  erweiternder  Kanal  gebildet,  der  nur  durch  die 
äusserste  Cystenschicht  geschlossen  ist.  Durch  diesen  Kanal  verlässt  denn 
auch  der  encystirte  Körper  die  Cystenhülle  wieder. 

Im  Bereich  der  Monothalamia  des  süssen  Wassers  scheint  die  En- 
cystirung sehr  allgemein  verbreitet  zu  sein,  jedoch  in  mancher  Hinsicht 
etwas  verschieden  zu  verlaufen.  So  kann  die  Encystirung  sowohl  inner- 
halb der  Schale,  als  auch  nach  Austritt  aus  derselben  vor  sich  gehen; 
es  kann  sich  nur  eine  einfache  oder  es  können  sich  mehrfache,  successive 
gebildete  und  ineinander  geschachtelte  Cystenliüllen  entwickeln.  Für 
gewöhnlich  encystirt  sich  der  Weichkörper  innerhalb  der  Schale  und 
unter  deren  Schutz. 


*)  A.  m.  n.  li.  2.  XVIII.  u.  3.  XIII. 
**)  Bot.  Zeitung  18.  Jahrg.  1860. 
***)  A.  m.  n.  h.  n.  XIII. 
t)  Morph.  Jahrb.  IV. 


]^50  Khizopoda. 

Zuweilen  tritt  sogar  ein  Theil  der  Schale  selbst  mit  in  die  Bildung 
der  Cystenwandung  ein,  wenigstens  lässt  sich  der  von  Archer  (108) 
beschriebene  Encystirungsprocess  der  Pseudochlamys  patella  in  dieser 
Weise  auffassen.  Hier  wird  nämlich  nicht  eine  den  Weichkörper  allseitig 
umgebende  Cystenhülle  abgeschieden,  sondern  es  bildet  sich  nur  eine 
uhrglasförmige  Umhüllung  auf  der  oralen  Seite  des  Weichkörpers,  deren 
Ränder  mit  der  Schale  verwachsen  und  die  in  solcher  Weise  den  Weich- 
körper gewissermaassen  nach  Aussen  abkapselt.  Ein  vielleicht  hiermit 
vergleichbarer  Verschluss  der  Schalenmündung  tritt,  wie  wir  gleich  noch 
sehen  werden,  auch  bei  dem  Encystirungsprocess  der  Gattungen  Difflugia 
und  Eugiypha  auf. 

Unter  den  Arcellinen  hat  Auerbach  die  Bildung  einer  einfachen 
kugeligen  und  ziemlich  dickwandigen  Cystenhülle  bei  seinem  Cochlio- 
podium  bilimbosum  beobachtet.  Die  Cystenhülle  liegt  hier  dem  Thier- 
körper  ziemlich  dicht  auf,  so  dass  nur  zuweilen  eine  schmale,  helle  Zone 
zwischen  ihm  und  der  Hülle  bemerkbar  ist.  Eigenthümlich  erscheint  noch 
eine  die  Cystenhülle  äusserlich  einhüllende,  schleimige,  feinkörnige  Lage. 
Wie  sich  bei  diesem  Encystirungsprocess  die  eigenthtimliche  eigentliche 
Schale  des  Cochliopodium  verhält,  ist  nicht  bekannt.*)  Die  Bildung 
einer  einfachen,  kugeligen  Cyste,  wohl  auch  mit  einfacher  Hülle, 
wurde  durch  Hertwig  und  Lesser  für  Arcella  festgestellt;  sie  liegt  hier 
innerhalb  der  Schale  dicht  der  Mündung  an.  Auch  bei  gewissen  Difflugien, 
die  jedoch  bezüglich  ihrer  Schalenstructur  sich  vielleicht  näher  an  die 
Gattung  Quadrula  anschliessen,  hat  Wallich**)  einen  Encystirungsprocess 
verfolgt;  hierbei  hatte  sich  der  Weichkörper  des  Thieres  kugelig  zusammen- 
geballt und  in  die  mittlere  Hälfte  der  Schale  zurückgezogen.  Die  sonst 
runde  Mündung  der  Schale  war  durch  Zusammenklappen  ihrer  Ränder 
geschlossen  und  ausserdem  hatte  sich  innerhalb  der  Schale,  etwas  vor 
dem  zusammengekugelten  Thierkörper,  ein  häutiges  Diaphragma  gebildet, 
wodurch  also  ein  völliger  Abschluss  des  Weichkörpers  gegen  die  Aussen- 
welt  hergestellt  wurde.  Bildung  einer  einfachen  kugeligen  Cyste  wurde 
ferner  von  Cienkowsky  bei  dem  Platoum  stercoreum  beobachtet,  wo  dieser 
Vorgang  hauptsächlich  noch  desshalb  unser  Interesse  beansprucht,  weil  er 
nicht  innerhalb  der  Schale,  sondern,  nach  Austritt  des  protoplasmatischen 
Körpers,  vor  oder  noch  innerhalb  der  Schalenmündung  stattfindet  (HI.  17  c). 
Auch  hier  tritt,  wie  solches  oben  schon  gelegentlich  der  Gattung  Cochlio- 
podium angedeutet  wurde,  noch  eine  feinkörnige,  äusserliche  Umhüllung 
zu  der  eigentlichen  Cystenkapsel  hinzu.  Von  besonderem  Interesse  erscheint 


*)  Auerljacli  kam  durch  fortgesetzte  Beobachtungen  zu  einigen  Vermuthungen  über 
das  weitere  Schicksal  dieser  Cysten,  mit  denen  er  eine  besondere  amöbenartige  Form,  die  er 
späterhin,  als  sich  zahlreiche  leere  und  aufgesprungene  Cysten  vorfanden,  vielfach  beobachtete, 
in  Zusammenhang  bringt;  da  jedoch  die  Zugehörigkeit  dieser  Formen  zu  dem  Entwickelungs- 
kreis  des  Cochliopodium  in  keiner  ^^"eise  sicher  festgestellt  scheint,  so  gehen  wir  hier  nicht 
näher  auf  diese  Beobachtungen  und  Vermuthungen  ein. 
**)  A.  m.  u.  h.  3.  XIII. 


Eucystirung.     (Mouothalamia.)  151 

uns  ferner  noch  die  Beobachtung,  dass  die  protoplasmatischen  Weichkörper 
einer  ganzen  Kolonie  dieser  Art  zuweilen  ausserhalb  der  Schalen  zu  einem 
einheitlichen  Protoplasmakörper  zusammenfliessen ,  der  sich  dann  ganz 
wie  ein  einfaches  Individuum  zu  encystiren  vermag.  Zur  Vervollständigung 
unserer  Angaben  über  die  Encystirungserscheinungen  der  hierhergehörigen 
Formen,  fügen  wir  noch  bei,  dass  durch  Cienkowsky  auch  für  den 
interessanten  Microcometes  einfache  kugelige  Cystenbildung  innerhalb  der 
Schale  festgestellt  wurde. 

Etwas  complicirter  gestalten  sich  die  Cystenbildungen  bei  den  jetzt 
noch  zu  erwähnenden  Formen,  bei  welchen  durch  successive  Wiederholung 
der  Hüllbildung  zwei  ineinander  geschachtelte  Cystenhäute  zur  Entwicke- 
lung  gelangen.  Durch  die  gesonderte  Betrachtung,  die  wir  diesen  Vor- 
kommnissen zukommen  lassen,  soll  nicht  etwa  angedeutet  werden,  dass 
wir  hierin  etwas  ganz  besonderes  sehen,  sondern  es  mögen  einfache'  und 
doppelte  Cystenumhtillungen  vielleicht  sogar  bei  einer  und  derselben  Form 
zuweilen  gleichzeitig  nebeneinander  sich  finden,  wie  solches  bei  den 
Heliozoen  z.  B.  thatsächlich  der  Fall  zu  sein  scheint.  Mit  einer  solchen 
doppelten  Cystenhtille  sah  Cienkowsky  die  Spindelzellen  der  merk- 
würdigen Labyrinthula  sich  zuweilen  umkleiden,  und  zwar  geht  hier  dieser 
Encystirungsprocess  ziemlich  gleichzeitig  für  sämmtliche  Individuen  eines 
Labyrinthula-Aggregates  vor  sich  (I.  8d),  und  werden  alle  die  Cysten 
in  eine  gemeinsame,  ziemlich  feste  Masse  eingehüllt,  welche  wohl  durch 
Umbildung  der  sogenannten  Rindenschicht  der  beweglichen  Aggregate 
hervorgeht. 

Eine  doppelte  Hüllbildung  scheint  ferner  in  der  Abtheilung  der 
Euglyphinen  ziemlich  allgemein  verbreitet  zu  sein,  da  sie  wenigstens  für 
Euglypha  und  Trinema  sicher  constatirt  ist,  wogegen  bei  Cyphoderia 
bis  jetzt  nur  eine  kugelige  Zusammenballung  des  Weichkörpers  in  der 
Schalenmitte  von  M.  Schnitze  und  F.  E.  Schulze  gefunden  wurde,  ein 
Vorgang,  der  wohl  ohne  Zweifel  zur  Encystirung  führen  dürfte. 

Bei  Euglypha  und  Trinema  ist  der  Encystirungsvorgang  zuerst  von 
Carter  (56),  späterhin  hauptsächlich  von  Hertwig  und  Lesser  (99)  beobachtet 
worden.  Der  Vorgang  ist  von  den  letztgenannten  beiden  Forschern  am 
genauesten  bei  Euglypha  alveolata  ermittelt  worden,  die  wir  daher  auch 
unserer  Schilderung  zu  Grunde  legen.  Wie  bei  Difflugia  wird  auch 
hier  zunächst  die  Schalenmündung  durch  ein  Diaphragma  gegen  die 
Aussenwelt  abgeschlossen  (III.  12  b,  d)  und  zwar  soll  dessen  Auf  bau  hier 
durch  verklebte  Fremdkörper,  wie  Algenfäden,  Diatomeen  und  dergleichen, 
zu  Stande  kommen.  Die  eigentliche  Cyste  liegt  im  Grunde  der  Schale 
und  wird  zunächst  von  einer  recht  ansehnlichen,  etwa  die  Hälfte  der 
Schalenlänge  erreichenden,  ovalen  Aussenhülle  gebildet  (b),  die  interessanter 
Weise  ganz  dieselbe  Zusammensetzung  aus  hexagonalen  Plättchen  zeigt, 
wie  die  eigentliche  Schale.  Innerhalb  dieser  Aussenhülle  liegt  die  kugelige 
innere  Cystenhülle  (c),    die   den   sehr  körnigen  und  daher  recht  undurch- 


152  Rhizopoda. 

sichtigen  Weichkörper  dicht  unischliesst.  Auch  diese  Innenhülle  ist 
nicht  völlig  glatt  und  structurlos,  sondern  äusserlich  wie  innerlich  von 
zahlreichen  feinen  Buckelchen  bedeckt,  so  dass  sie  auf  dem  optischen 
Durchschnitt  ein  perlschnurartiges  Aussehen  besitzt.  Bemerkenswerth  ist 
ferner  hauptsächlich  noch  die  Befestigung  dieser  inneren,  kugeligen  Cyste 
durch  einen  zarten,  homogenen  und  ziemlich  langen  Strang  (f)  in  dem 
spitzeren,  vorderen  Ende  der  Aussenhiille. 

Bei  der  nahe  verwandten  Gattung  Trinema  hat  Carter  die  Bil- 
dung einer  ovalen  bis  viereckigen,  einfach  umhüllten  Cyste  im  Schalen- 
hintergrund  beobachtet;  dagegen  wurde  von  Hertwig  und  Lesser  auch 
für  diese  Form  die  wenigstens  zeitweilige  Bildung  doppelter  Cysten- 
hüUen  wie  bei  Euglypha  ermittelt.  Die  eigentliche  innere  CystenhtiUe 
soll  auch  hier  kugelig  sein,  und  den  sehr  körnigen,  undurchsichtigen 
Weichkörper  dicht  umschliessen,  wogegen  die  äussere  Hülle  der  Innen- 
wand der  Schale  dicht  anliegen,  ja  vielleicht  mit  derselben  verschmolzen 
sein  soll. 

Unter  den  amphistomen  Monothalamien  ist  die  Encystirung  bis  jetzt 
nur  von  Cienkowsky  (104a)  für  Diplophrys  Archeri  constatirt  worden. 
Auch  hier  bilden  sich  zwei  zarte,  kugelige  Cystenhüllen,  von  welchen  die 
innere  glatt,  die  äussere  hingegen  mit  zahlreichen  bläschenförmigen  Aus- 
buchtungen besetzt  erscheint. 

Wenden  wir  uns  nun  zu  denjenigen  wenigen  Fällen,  wo  in  Zusammen- 
hang mit  der  Encystirung  ein  Vermehrungsprocess  aufgefunden  werden 
konnte.  Es  ist  dies  bis  jetzt  nur  bei  zwei,  wie  schon  früher  bemerkt, 
bezüglich  ihrer  verwandtschaftlichen  Beziehungen  zu  den  eigentlichen 
Rhizopoden  etwas  unsicheren  Formen  geglückt.  So  konnte  Cienkowsky*) 
feststellen,  dass  die  in  der  obengeschilderten  AVeisc  encystirten  Spindel- 
zellen der  Labyrinthula  sich  durch  Viertheilung  in  der  Cyste  vermehren 
(I.  8  c  u.  f).  Es  erfolgt  nach  einiger  Zeit  ein  Ausschlüpfen  der  Spröss- 
linge,  die  wohl  zu  jungen  Spindelzellen  sich  entwickeln,  wenngleich  dieser 
Uebergang  nicht  direct  beobachtet  werden  konnte. 

Etwas  abweichend  verhält  sich  der  zweite,  eventuell  hierher  zu  rech- 
nende Fall,  der  durch  Häckel**)  bei  seiner  Protomyxa  aurantiaca  entdeckt 
wurde.  Hier  scheint  die  Encystirung  sicher  zu  einem  Foripflanzungsact 
geworden  zu  sein,  obgleich  sich  nach  den  bis  jetzt  vorliegenden  Unter- 
suchungen auch  nicht  mit  völliger  Bestimmtheit  wird  verneinen  lassen, 
dass  nicht  gelegentlich  auch  hier  Encystirung  ohne  Vermehrung  vor- 
kommen möge. 

Die  Protomyxa  bildet  nach  Häckel's  Beobachtungen  kugelige,  von 
einer  einfachen,    jedoch   ziemlich   dicken   und   geschichteten   Gallerthülle 


*)  Arch.  f.  mikr.  A.  III. 
**)  Jen.  Zeitschr.  IV. 


Encystining  (mit  Vormcliruiig,  Protoinyxa).     Copulatiou.  153 

umschlossene  Cysten  (I.  Ib),  unter  deren  Schutze  der  eingeschlossene 
Protoplasnicakörper  durch  gleichzeitige  Theilnng  oder  Sprossung  (Mono- 
sporogonie  Häckel's)  in  zahlreiche  (ca.  200)  kugelige  Theilstücke  zerfällt. 
Letztere  treten  durch  Platzen  der  Cyste  nach  einiger  Zeit  hervor,  ent- 
wickeln eine  Geissei  (Ic)  und  schwärmen  —  sehr  ähnlich  den  Zoosporen 
der  Myxomyceten  (ohne  jedoch  einen  Nucleus  und  eine  contractile 
Vacuole  zu  besitzen)  —  eine  Zeitlang  umher.  Unter  Einziehung  der  Geissei 
gehen  sie  dann  in  kleine  amöbenartige  Gestalten  über  (Id),  die  entweder 
allmählich  und  direct  zu  der  reifen  Form  heranwachsen  sollen,  nicht 
selten  aber  durch  Verschmelzung  mehrerer  ein  Plasmodium,  ähnlich  dem 
der  Myxomyceten,  zu  bilden  im  Stande  sind,  durch  dessen  weiteres  Aus- 
wachsen sich  alsdann  die  entwickelte  Form  heranbildet. 

Ist  nun  schon  die  Stellung  der  Protomyxa  unter  den  übrigen  Rhizo- 
poden  in  Anbetracht  ihrer  allgemeinen  Bauweise  eine  etwas  zweifelhafte, 
so  dürften  durch  ihre  soeben  in  kurzen  Zügen  wiedergegebene  Fort- 
pflanzungsgeschichte diese  Zweifel  nur  noch  verstärkt  werden  und  hieraus 
vielleicht  eine  Anreihung  derselben  an  die  Myxomyceten  als  natürlicher 
sich  ergeben.  In  Berücksichtigung  jedoch,  dass  unsere  Kenntnisse  der 
Forfpflanzungserscheinungen  der  Rhizopoden  im  Ganzen  keine  sehr  ein- 
gehenden sind,  kann  wohl  auch  nicht  in  Abrede  gestellt  werden,  dass 
nicht  doch  noch  nähere  Anknüpfungspunkte  zwischen  den  Fortpflanzungs- 
verhältnissen der  Protomyxa  und  denen  echter  Rhizopoden  gefunden  werden 
dürften. 

S.   Copulations-  und  Conjugatiouserscheinungen  bei  den  Rhizopoda. 

Wenn  auch  im  Allgemeinen  bis  jetzt  fast  keine  sicheren  Unter- 
suchungen über  eine  Beziehung  der  Copulations-  oder  Conjugationserschei- 
nungen  der  Rhizopoda  zu  einem  damit  zusammenhängenden  Vermehrungs- 
process  vorliegen,  so  dass  eine  Anzahl  Forscher,  wie  Cienkowsky,  und  auch 
Hertwig  und  Lesser,  geneigt  sind,  überhaupt  jeden  Zusammenhang  dieser 
interessanten  Vorgänge  mit  der  Fortpflanzung  in  Abrede  zu  stellen,  so  dürfte 
sich  doch  vielleicht  bei  genauerer  Erforschung  ein  solcher  Zusammenhang, 
wenigstens  in  gewissen  Fällen,  ergeben.  Wie  die  Schwierigkeit  der  ein- 
schlägigen Untersuchungen  jedoch  von  vornherein  erwarten  lässt,  sind 
unsere  Kenntnisse  bezüglich  derartiger  Vorgänge  im  Leben  der  Rhizo- 
poden bis  jetzt  recht  beschränkte. 

Zunächst  finden  wir  hier,  wie  auch  in  anderen  Abtheilungen  der 
Protozoen ,  völlige,  gelegentlich  eintretende  Verschmelzungen  zweier  oder 
auch  mehrerer  Individuen  zu  einem  einheitlichen  Organismus,  und  wir 
hatten  schon  oben  Gelegenheit,  das  Vorkommen  solcher  Verschmelzungen 
bei  den  Gattungen  Lecythium  und  Protomyxa  zu  erwähnen.  Bei  letzterer 
Form  waren  es  die  jugendlichen,  amöbenähnlichen  Sprössliuge,  die  häufig 
zu  zweien  oder  zu  mehreren  einen  Verschmelzungsprocess  eingingen,  ohne 
dass  sich,  ebenso  wie  bei  den  sich  ähnlich  verhaltenden  Myxomyceten,  ein 


154  EhizoiJoda. 

directer  Zusammenhaag  dieses  Processes  mit  einer  Vermehrungserschei- 
nung  zeigte.  Auch  von  Amöben  ist  mehrfach  eine  solche  Ver- 
schmelzung zweier  oder  mehrerer  Individuen  berichtet  worden,  so  hat 
Kühne*)  diesen  Vorgang  bei  einer  kleinen  marinen  Amöbe  mehrfach 
gesehen,  das  Gleiche  wird  von  Maggi**)  berichtet,  und  auch  Carter  will 
einen  jedoch  etwas  zweifelhaften  Conjugationsprocess  bei  seiner  Amoeba 
radiosa  Djrd.  (die  jedoch,  wie  er  später  bemerkt,  wohl  eher  zu  Cochlio- 
podium  gehört)  beobachtet  haben.***)  Häufig  scheint  jedoch  ein  Copulations. 
process  bei  den  Amöben  nicht  stattzufinden,  da  man  so  vielfach  Gelegen- 
heit hat,  Amöben  in  dichtester  Berührung  aneinander  hinkriechen  zu 
sehen ,  ohne  dass  eine  Verbindung  zwischen  ihnen  hergestellt  würde. 
Auch  bei  den  Monothalamien  des  süssen  Wassers  sind  VerschmelzungS" 
processe  mit  Sicherheit  constatirt  worden,  jedoch  scheint  es  sich  hier  in 
den  meisten  Fällen  nicht  um  eine  dauernde,  völlige  Verschmelzung  der 
beiden  Weichkörper  zu  handeln,  sondern  um  eine  vorübergehende,  zeit- 
weise Vereinigung,  die  wir  daher  zum  Unterschied  von  der  völligen  Ver- 
schmelzung oder  Copulation,  nach  Analogie  mit  den  ähnlichen  Vorgängen 
bei  den  Infusorien,  als  Conjugationsprocess  bezeichnen.  Wie  bei  letzteren 
Formen  haben  auch  hier  diese  Vereinigungen  häufig  zu  der  Vorstellung 
einer  wirklichen  geschlechtlichen  Vermischung,  eines  Austausches  wahrer 
Geschlechtsprodukte,  Veranlassung  gegeben,  wie  weiter  unten  noch  näher 
erörtert  werden  wird.  Andererseits  hat  man  auch  die  Conjugations- 
erscheinungen  der  Monothalamien  ganz  in  Abrede  stellen  wollen,  nament- 
lich gestützt  auf  die  schon  früher  erwähnten  Theilungs-  und  Häutungs- 
erscheinungen der  Arcella,  wobei  die  beiden  Schalen,  die  alte  tiefbraune 
und  die  neugebildete,  noch  schwach  gefärbte,  eine  ähnliche  Stellung  zu 
einander  besitzen,  wie  sie  auch  die  in  Conjugation  befindlichen  Thiere 
annehmen.  Hierauf  gestützt  glaubte  man  die  Conjugationserscheinungen 
der  Monothalamia  wenigstens  grossentheils  als  solche  Theilungs-  oder 
Häutungserscheinungen  ansprechen  zu  dürfen. 

Es  unterliegt  nun  aber  keiner  Frage,  dass  auch  wirkliche  Conjugations- 
erscheinungen solcher  Formen  und  speciell  auch  der  Arcellen  sich  finden. 
Die  Conjugationszustände  der  Monothalamien  bieten  sich  gewöhnlich  in 
der  Weise  dar,  dass  zwei  Thiere  sich  mit  den  Mündungen  ihrer  Schalen 
gegeneinander  stellen,  wobei  gewöhnlich  die  Mündungsöfifnungen  dicht 
aufeinander  gepresst  werden,  während  die  beiderseitigen  Weichkörper  in 


*)  unters,  über  das  Protoplasma  etc.  1864. 
**)  Kendic.  d.  E.  Istit.  Lomb.  IX.  p.  436. 

***)  Einen  zweifelhaften  Conjugationszustand  hat  GreefF  bei  seiner  Amphizonella  violacea 
beobachtet.  Die  von  Tätern  (Monthl.  m.  journ.  VI.)  angeblich  gesehenen  Conjugationszustände 
von  Amöben  sind  jedenfalls  ganz  unbeweisend.  Derselbe  glaubt  nämlich  aus  dem  Verlauf 
der  Strömungserscheinungen  im  Protoplasmaleib  gewisser  Amöben  ihren  Hervorgang  aus  der 
Verschmelzung  zweier  Individuen  erschliessen  zu  können.  Es  sind  jedoch  diese  Strömungs- 
erscheinungen keine  anderen  als  die  schon  früher  geschilderten,  normalen  einer  einfach  hin- 
flicssenden  Amoeba. 


CoiJuIatioii  und  Coiijugatioii.  .  155 

Verschmelzung  treten,   so  dass  das  Protoplasma  in  strömender  Bewegung 
von  der  einen  nach  der  anderen  Schale  beobachtet  wird. 

Derartige  Coujugationsformen  sind  schon  von  Cohn*)  für  Arcella 
vermuthet  worden,  jedoch  hatte  er  es  wohl  sicher  mit  den  erwähnten 
Theilungszuständen  zuthun;  späterhin  hat  Bütschli**)  unzweifelhafte  Con- 
jugationszustände  bei  dieser  Gattung  beobachtet  und  nicht  nur  zwei,  son- 
dern auch  drei  Thiere  in  eigenthümlicher  Weise  zusammengelagert  und 
durch  directe  Verbindung  ihrer  Plasmakörper  in  Conjugation  angetroffen. 
Sehr  häufig  wurden  solche  Verbindungen  auch  bei  Difflugia  beobachtet***) 
und  von  Carter  f)  z.  B.  mit  geschlechtlicher  Fortpflanzung  in  Beziehung 
gebracht;  auch  Archer  ff)  hatte  häufig  Gelegenheit,  die  Conjugations- 
erscheinung  bei  Difflugia  zu  beobachten  und  hält  diesen  Vorgang  seiner 
Häufigkeit  wegen  für  recht  bedeutungsvoll.  Auch  er  wurde  durch  seine 
Beobachtungen  dazu  geführt,  die  Ansicht  zurückzuweisen,  dass  es  sich 
hier  vielleicht  um  einen  Knospungs-  oder  Theilungsprocess  handeln  könne. 

Wir  haben  ferner  noch  Kenntniss  von  dem  gleichen  Process  erhalten 
durch  Carter  für  Euglypha,ttt)  durch  Archer  und  F.  E.  Schulze  für 
Pseudodifflugia;  durch  letzteren  Forscher  für  Cyphoderia  wie  Hertwig  und 
Lesser  für  Trinema.  Gabriel  beobachtete  Conjugation  zweier  Thiere  mit 
nachfolgender  Trennung  bei  Platoum  (seinem  Troglodytes).  Hieraus 
scheint  jedenfalls  hervorzugehen,  dass  es  sich  hier  um  eine  Erscheinung 
von  sehr  allgemeiner  Verbreitung  handelt.  Zweifelhafter  dagegen  ist  es, 
ob  wir  auch  den  marinen  Mono-  und  Polythalamien  solche  Conjugations- 
erscheinungen  zuschreiben  dürfen.  Die  einzige  Beobachtung,  welche  sich 
in  dieser  Hinsicht  vielleicht  aufführen  lässt,  ist  die  alte  Angabe  von 
Gervais,*!),  der  Milioliden  vor  der  Erzeugung  einer  jungen  Brut  zu 
zweien  aneinanderhängend  getroffen  haben  will. 

Von  inneren  Veränderungen  im  Plasmaleib  der  conjugirten  Thiere 
ist  mit  Sicherheit  bis  jetzt  nichts  bekannt  geworden,  namentlich  ist  das 
Verhalten  der  Zellkerne  hierbei  sowohl,  als  auch  bei  den  Verschmelzungs- 
erscheinungen, die  früher  schon  erwähnt  wurden,  völlig  unbekannt.  Dass 
auch  bei  den  Monothalamien  derartige  Copulationsvorgänge  sich  zu  er- 
eignen vermögen,  daran  sei  hier  nachträglich  nochmals  durch  die  Hin- 
weisung auf  die  schon  oben  erwähnten  Verschmelzungserscheinungen  der 


*)  Z.  f.  w.  Zool.  IV. 
**)  Arch.  f.  m.  Anatomie  Bd.  XL 

***)  Schon  der  erste  Entdecker  der  Difflugia,  Ledere  (1815),  beobachtete  solche  mit 
ihren  Mündungen  zusammengelagerte  Exemplare  der  Difflugia  spiralis  und  hielt  sie  für 
Begattungszustände.  Auch  Cohn  liat  ^1.  s.  c)  derartige  Conjugationszustände  bei  Difflugia 
aufgefunden. 

t)  A.  m.  n.  h.  3.  XIL 
ft)  Qu.  journ.  micr.  sc.  VI. 
ttt)  Carter  hat  auch  schon  bei  Arcella   wie  Euglypha  die  Vereinigung  von   .5—4  Indi- 
viduen beobachtet  (56  u.  75). 

*t)  Compt.  rend.  1847.  p.  467. 


156  Rhizopoda. 

Weichkörper  einer  ganzen  Kolonie  von  Platoum  zur  Bildung  einer  Cyste 
erinnert. 

Was  die  Trennung  der  conjugirten  Monothalaniien  nach  vollzogenem 
Conjugationsprocess  betrifft,  so  scheint  gewöhnlich  jedes  der  beiden  oder 
der  in  grösserer  Zahl  zusammengetretenen  Individuen  seinen  Antheil  am 
Protoplasmaleib  wieder  mitzunehmen,  indem  sich  die  Verbindung  zwischen 
den  Einzelindividuen  löst.  Immerhin  erscheint  es  jedoch  auch  nicht  un- 
möglich, dass  in  gewissen  Fällen  der  Leib  des  einen  Thieres  völlig  mit 
dem  des  anderen  verschmilzt  und,  nach  Trennung  der  beiden  Schalen, 
die  eine  leer  zurückgelassen  wird  (wobei  es  sich  dann  also  eigentlich 
um  Copulation  handelte). 

f.  Kurze  üebersicht  der  Versuche,  eine  geschlechtliche  Fortpflanzung 
der  Rhizopoda  nachzuweisen. 

Obgleich  im  Ganzen  bis  jetzt  nur  wenig  sichere  Anzeigen  dafür 
sprechen,  dass  die  im  vorhergehenden  Abschnitt  beschriebenen  Copulations- 
und  Coujugationserscheinungen  in  eine  directe  Analogie  mit  dem  Copu- 
lationsvorgang  gebracht  werden  dürfen,  wie  ihn  die  Ei-  und  Spermazelle 
der  Metazoen  im  Befruchtiingsact  darbieten,  so  darf  dieser  Gesichtspunkt 
doch  nicht  aus  dem  Auge  gelassen  werden  und  erneute  und  erweiterte 
Forschungen  mögen  wohl  noch  sicherere  Anhaltspunkte  zu  einer  solchen 
Vergleichung  liefern.  *)  In  diesem  Sinne  lässt  sich  daher  möglicher- 
weise von  einer  geschlechtlichen  Fortpflanzung  der  Rhizopoda  wohl  reden. 
Daneben  haben  sich  jedoch  eine  Reihe  von  Bestrebungen  geltend  gemacht, 
die  darauf  hinzielten,  bei  den  Rhizopoden  geschlechtliche  Fortpflanzungs. 
verhällnisse  zu  erweisen,  die  sich  in  einem  viel  engeren  Sinne  jenen  der 
Metazoen  anschlössen,  wobei  nämlich  innerhalb  des  Rhizopodenleibes 
Geschlechtsprodukte  in  ähnlicher  Weise  wie  bei  den  Metazoen,  also  Ei- 
und  Samenzellen,  hervorgebracht  werden  sollten,  durch  deren  Vermischung 
oder  Aufeinanderwirkung  der  Fortpflanzungsact  zu  Stande  käme.  Die  in 
dieser  Richtung  angestellten  Versuche  waren  ohne  Zweifel  einmal  wesent- 
lich bedingt  durch  die  lange  Zeit  unklare  Vorstellung  von  dem  morpho- 
logischen Werth  des  Rhizopodenorganismus  überhaupt,  was  es  nicht  un- 
plausibel erscheinen  Hess,  in  der  Voraussetzung  eines  näheren  Anschlusses 
an  die  Metazoen,  auch  eine  Gleichheit  in  den  Fortpflanzungsverhältnissen 
zu  constatiren.  Andererseits  waren  sie  jedoch  wohl  auch  wesentlich  be- 
einflusst  durch  den  anscheinend  sehr  sicheren  Nachweis  derartiger  Vor- 
gänge bei  anderen  Protozoenabtheilungen,  namentlich  den  Infusorien. 


*)  Jedoch  sind  directe  Beziehungen  eines  Conjugations-  od'er  Copulationsactcs  zu  nach- 
folgender Vermehrung  durch  Theilung  oder  Knospung  nicht  mit  hinreichender  Sicherheit 
erwiesen.  Abgesehen  von  der  weiter  unten  zu  berührenden,  unsicheren,  älteren  Angabe  von 
Gervais  für  marine  Rhizopoden,  liat  neuerdings  Bütschli  die  früher  geschilderte  Knospenfort- 
pflanzung der  Arcella  mehrfach  auf  vorhergehende  Conjugation  erfolgen  sehen,  wenngleich 
auch  hieraus  noch  nicht  auf  einen  stetigen  Zusammenhang  dieser  beiden  Vorgänge  geschlossen 
werden  darf. 


Sogen,  gcsclilcclitl.  Fortpfl.     (Amöben.)  157 

Wir  dürfen  hier  jedoch  wohl  mit  Sicherheit  aussprechen,  dass  es  bis 
jetzt  in  keinem  Falle  geglückt  ist,  den  versuchten  Nachweis  für  die 
Rhizopoden  zu  führen;  sondern  dass  die  Beobachtungen,  worauf  sich  die 
betreffenden  Auffassungen  hauptsächlich  gründeten,  theils  viel  zu  lücken- 
haft sind,  um  als  Beweise  für  eine  derartige  Lehre  gelten  zu  können, 
theils  sich  jedoch  in  wesentlich  anderer  Weise  erklären  lassen. 

Es  ist  schwierig,  diese  hauptsächlich  von  Carter  in  England  und 
Greeif  in  Deutschland  vertretene  Auffassung  und  ihre  Beweisgründe  hier  in 
Kürze  zu  schildern.  Wir  wollen  dies  jedoch  so  kurz  wie  möglich  ver- 
suchen, da  ein  längeres  .Verweilen  bei  diesen,  nach  unserer  wie  Hertwig's 
Ansicht,  irrthümlichen  Deutungen  wohl  kaum  gerechtfertigt  wäre.  Eine 
Schwierigkeit  erwächst  unserer  Darstellung  noch  daraus,  dass  es  keines- 
wegs leicht  ist,  die  z.  Th.  schwankenden  Darstellungen  der  angeführten  For- 
scher, hauptsächlich  diejenigen  Carter's,  richtig  zu  verstehen  und  in  kurzen 
Ausdrücken  wiederzugeben.     Die  thatsächlichen  Beobachtungen  sind  aus- 

I  schliesslich  Süsswasserrhizopoden  entnommen,  und  vorzugsweise  an  Amoeba, 
Arcella,  Diftlugia  und  Euglypha  angestellt  worden.  Es  hatte  sich  durch 
die  Beobachtungen  Carter's*)  ergeben,  dass  bei  Amoeba  an  Stelle  des 
einfachen  Nucleus  zuweilen  zahlreiche  kleinere  kugelige,  bläschenförmige 
Körperchen  auftreten,  die  einen  granulirten  Inhalt  aufwiesen.  Bei  Amoeba 
Gleicheni  (?)  und  radiosa  Duj.  (?),  wo  Carter  zuerst  diese  Beobachtung 
machte,  glaubte  er  sich  davon  überzeugt  zu  haben,  dass  die  Entwickelung 
der  Bläschen  durch  einen  successiven  Theilungsprocess  des  Nucleus  vor 
sich  gehe.  Die  Inhaltskörnchen  der  Bläschen  werden  nun  hier,  zwar  mit 
einiger  Reserve,  als  Spermatozoidien  bezeichnet  und  auch  angegeben, 
dass  diese  vermeintlichen  Spermatozoidien  zuweilen  aus  ihren  Bläschen 
hervortreten  und  durch  das  Protoplasma  der  Amöben  zerstreut  angetrotfen 
werden.  Ausserdem  wird  jedoch  bei  den  gleichen  Amöben  auch  die  Ent- 
wickelung ei-artiger,  zellenähnlicher  Körper  im  Plasma  beschrieben,  von 
welchen  jedoch  nur  eine  sehr  unvollständige  Darstellung  gegeben  wird. 
^  Nach  der  Beschreibung  und  Abbildung  dieser  ei  artigen  Körper  bei  Euglypha 
haben  sie  ganz  die  Bildung  kleiner,  bläschenförmiger  Zellkerne  mit  ziem- 
lich ansehnlichem,  dunklem  Nucleolus. 

In  den  späteren  Abhandlungen  Carter's  wird  der  körnchenführenden 
Spermatozoenkapseln  der  Amöben  gar  nicht  mehr  gedacht,  sondern  es 
werden  schon  1857  bei  Amoeba  verrucosa  die  ganz  entsprechenden 
^  körnchenführenden  Bläschen  (granuliferous  cells)  als  Eier  bezeichnet.  Bei 
Amoeba  princeps  werden  dann  schliesslich  1863  dieselben  Gebilde,  die 
!  auch  hier  durch  successive  Theilung  des  grossen  einfachen  Nucleus  ent- 
stehen sollen,  als  Fortpflanzungszellen  betrachtet,  ohne  dass  jedoch  Carter 
anzugeben  im  Stande  wäre,  wie  die  Entwickelung  einer  jungen  Amöben- 
brut   aus    diesen    angeblichen    Fortpflanzungszellen    zu   Stande    komme. 


*)  Vergl.  hierüber  50,  75,  ferner  A.  m.  n.  li.  3.  Xlt.  XY. 


158  Eliizoi30tla. 

Höchstens  Hesse  sich  in  dieser  Hinsicht  eine  Beobachtung  Wallich's*)  ver- 
werthen,  der  gleichfalls  diese  vermeintlichen  Fortpflanzungszellen  bei  der- 
selben Amöbe  gesehen  hat,  jedoch  auch  die  Ausstossung  kleiner  Amöben 
aus  einer  Amoeba  princeps  beobachtet  haben  will.  Wir  haben  nun  schon 
oben  bei  Gelegenheit  der  Besprechung  der  Kernverhältnisse  der  Rhizo- 
poden  Gelegenheit  genommen,  darauf  hinzuweisen,  dass  die  angeführten 
Fortpflanzungszellen  der  Amöben,  Eier  sowohl  wie  vermeintliche  Spermato- 
zoenkapseln,  wohl  nichts  weiter  sind,  als  die  kleinen  Nuclei  eines  vielkernigen 
Zustandes,  wie  er  ja  bei  Amöben  und  Rhizopoden  überhaupt,  häufig  vor- 
zukommen scheint,  wobei  wir  es  als  eine  offene,  da  bis  jetzt  noch  durch 
keine  sicheren  Beobachtungen  erwiesene,  Frage  betrachten,  ob  diese 
zahlreichen  kleinen  Kerne  sieb  durch  successive  Theilung  aus  einem  ur- 
sprünglichen einfachen  Kern  entwickeln,  wie  es  die  mitgetheilten  Beob- 
achtungen Carter 's  und  Wallich's  angeben.  Noch  eine  weitere  vom  Nucleus 
ausgehende  Bildung  von  Fortpflanzungskörpern  sucht  jedoch  Carter  für 
die  Amoeba  princeps  wahrscheinlich  zu  machen.  Zuweilen  soll  der  ein- 
fache Nucleus  sich  vergrössern  und  eine  sehr  deutlich  granulirte  Be- 
schaffenheit der  nucleolaren  Substanz  annehmen.  Nach  Carter's  Vermuthung 
hätten  wir  es  hier  dann  mit  einem  zu  einer  Art  Brutkapsel  umgebildeten 
Kern  zu  thun;  die  Inhaltskörner  desselben  würden  vermuthlich  nach 
einiger  Zeit  entleert  werden  und  nach  vorübergehender  Annahme  eines 
flagellatenartigen  Stadiums  sich  zu  jungen  Amöben  entwickeln. 

Letztere  Ansicht  von  der  Bedeutung  des  Nucleus  als  einer  Art  von 
Fortpflanzuugsorgan  glaubt  auch  Greeff**)  durch  seine  Untersuchungen 
an  Amoeba  terricola  bestätigt  gefunden  zu  haben.  Auch  hier  soll  sich 
der  Nucleusinhalt  —  ursprünglich  ein  einfacher,  ansehnlicher  Nucleolus***) 
—  durch  allmählichen  Zerfall  zu  einer  grossen  Zahl  rundlicher  Körper  ent- 
wickeln, die  nach  erlangter  Reife  in  das  Protoplasma  der  Amöbe  entleert 
werden  sollen  —  ein  Vorgang,  der  jedoch  nicht  durch  directe  Beobachtung 
festgestellt,  sondern  nur  durch  die  Anwesenheit  ähnlicher  Körperchen  im 
Protoplasma  der  Amöben  wahrscheinlich  gemacht  wurde.  Zuweilen  sollen 
sich  auch  Amöben   finden,   die  ganz  erfüllt  von  solchen  Körperchen  sind 


*)  A.  in.  n.  h.  3.  XL 

**)  Aelmliclie  Anschauung-cn  über  die  Fortpflanzung  der  Amöben  entvrickelt  auch 
Wallicli.  Nach  ihm  (vergl.  haupts.  A.  m.  n.  h.  3.  XII.  p.  448)  soll  dieselbe  sich  in  dreierlei 
Weise,  abgesehen  von  einfacher  Theilung  oder  Knospung,  vollziehen.  Nämlich  einmal  durch 
directes  Lebendiggebären  lileiner,  schon  vollständig  entwickelter  Amöben.  Zweitens  durch 
Entwickelung  der  von  ihm  Sarcöblasten  genannten  Inhaltskörner  des  Amöbenleibes  (nach 
unserer  Deutung  kleine,  in  grösserer  Zahl  vorhandene  Zellkerne)  zu  jungen  Amöben,  mit  oder 
ohne  gleichzeitige  Encystirung  des  Mutterkörpers,  und  schliesslich  drittens  durch  Zerfall  der 
sogen.  Sarcöblasten  in  die  sie  constituirenden  Körner  und  durch  Entwickelung  dieser  zu  jungen 
Amöben.  Das  Auftreten  der  sogen,  Sarcöblasten  während  des  encystirten  Zustandes  lässt 
meiner  Ansicht  nach,  bei  Berücksichtigung  der  Abbildungen  Wallich's,  auch  die  Annahme  zu, 
dass  hier  möglicher  Weise  ein  Zerfall  des  encystirten  Amöbenkörpers  in  eine  grössere  Anzahl 
Theilsprösslinge  vorgelegen  habe. 
***)  Arch.  f.  mikr.  Anat.  IL 


Sogen,  gcschlcclitl.  Fortpfl.    (Amöben,  Monothal.)  159 

und  des  Nucleus  entbehren.  Die  Weiterentwickelung  dieser  Fortpflanzungs- 
körpereben  erfolge  jedocb  nicht  in  dem  Muttertbier,  sondern  erst  nach 
Entleerung  derselben.  Die  allmähliche  Hervorbildung  junger  Amöben  aus 
derartigen  Körperchen  wird  denn  auch  von  Greeff  geschildert;  zuerst  soll 
ein  als  heller  Fleck  erscheinender  Kern  und  hierauf  eine  contractile 
Vacuole  kenntlich  werden.  Wie  aus  dieser  kurzen  Schilderung  hervor- 
geht, fehlt  dem  wirklichen  Nachweis  eines  solchen  Entwickeiungsgauges 
die  Beobachtung  sehr  wichtiger  Uebergangsstadien  und  glaube  ich  wohl 
vermuthen  zu  dürfen,  dass  der  oben  geschilderte  Zustand  mit  zahlreichen 
solchen  Fortpflanzungskörperchen,  bei  fehlendem  Nucleus,  sich  vielleicht 
auch  als  ein  Stadium  mit  sehr  zahlreichen  kleinen  Kernen  erweisen 
dürfte.  *) 

Wie  schon  bemerkt,  hat  jedoch  Carter  auch  bei  beschälten  Süss- 
wasserformen  einen  ähnlichen  Fortpflanzungsprocess  nachzuweisen  ver- 
sucht. Zunächst  bei  Euglypha.  Hier  sollen  sich  in  der  Nucleusgegend, 
ohne  dass  jedoch  eine  Herleitung  von  dem  Nucleus  selbst  zu  beobachten 
war,  dieselben  Spermatozoidien  führenden  sogen.  Körnchenzellen  ent- 
wickeln ,  während  sich  in  anderen ,  zum  Theil  jedoch  auch  denselben 
Individuen,  ei- ähnliche  Zellen  (sehr  kernähnlich)  hervorbilden  sollen; 
letztere,  wie  auch  bei  Amoeba  ursprünglich  behauptet  wurde,  ohne  Be- 
ziehung zu  dem  Nucleus.  Dass  die  angeblichen  Geschlechtsprodukte 
während  des  Conjugationsactes  ausgetauscht  würden,  wie  es  als  Carter's 
Ansicht  mehrfach  angegeben  wurde,  scheint  mir  nicht  aus  seinen  Angaben 
hervorzugehen.  Dagegen  scheint  er  bei  Euglypha  die  Entwickelung  der 
sogen.  Spermatozoidenkapseln  von  vorhergehender  Conjugation  abhängig 
zu  machen,  wie  er  ähnliches  späterhin  auch  für  Difflugia  angab. 
Fraglicher  wie  bei  Amöben  erscheint  hier  bei  Euglypha  die  Bedeutung 
jener  sogen.  Samenkapsel-  und  ei-ähnlichen  Körperchen,  von  welchen  er 
die  letzteren  in  ähnlicher  Weise  auch  bei  Trinema  (56)  und  Arcella 
(75.  Xni.)  beobachtet  hat.  Für  letztere  Form  scheint  es  wohl  kaum 
zweifelhaft,  dass  es  sich  um  Kerne  gehandelt  hat,  von  denen  Carter  Arcella 


*)  Auch  bei  der  interessanten  Pelomyxa  glaiibt  GreefF  (A.  f.  mikr.  A.  X.)  einen  ähn- 
liclien  Fortpflanzungsprocess  wahrscbeinlich  gemacht  zu  liaben.  Hier  sollen  die  aus  den  Kernen 
hervorgetretenen  Keimliörner  zunächst,  wie  schon  früher  mitgetheilt  wurde,  zu  den  eigenthüm- 
lichen  Glanzkörpern  werden.  Da  er  nun  gelegentlicli  zahlreiche  kleine  Amöben  aus  einer 
Pelomyxa  hervorbrechen  sah,  so  glaubt  er  die  Glanzkörper  jedenfalls  als  die  Sporen  der  Pelo- 
myxa betrachten  zu  dürfen,  wenn  auch  ihr  directer  Zusammenhang  mit  den  erwähnten  kleinen 
Amöben ,  die  sich  z.  Th.  nach  ihrem  Hervortreten  zu  kleinen  Flagellaten  umbildeten ,  nicht 
sicher  erwiesen  sei.  Sporenartige  Gebilde,  jedoch  mit  deutlicher  Hülle  und  mit  Zellkern 
führendem  protoplasmatischem  Inhalt,  habe  ich  bei  Pelomyxa  beobachtet,  ohne  jedoch  ihre 
Weiterentwickelung  verfolgen  zu  können.  Auch  Str.  Wright  sucht  eine  vom  Nucleus  aus- 
gehende Fortpflanzung  bei  seiner  amöbenartigen  Boderia  nachzuweisen.  Der  Protoplasmakörper 
soll  nach  vorhergehendem  Verschwinden  der  Nuclei  in  eine  grosse  Zahl  von  navicula-artigen 
Körperchen  (die  den  Pseudonavicellen  der  Gregarinen  verglichen  werden)  zerfallen  und  jedes 
dieser  sich  nach  einiger  Zeit  zu  einer  kleinen  Amöbe  entwickeln ,  defen  weiteres  Yerhalten 
nicht  erkannt  wurde  (s.  Journ.  Anat.  a.  Phys.  I.  1867). 


1Q[)  Eliizo23oda. 

höchstens  zwei  zuschreibt.  Für  Euglypha  und  Trinema  scheint  mir  die 
Entscheidung  unsicherer,  da  neben  den  erwähnten  Körperchen  gewöhnlich 
noch  ein  ansehnlicher  Nucleus  beschrieben  wird  und  Hertwig  und  Lesser 
die  sogen.  Körnchenzellen  gleichfalls  gesehen  zu  haben  angeben,  ohne 
über  ihre  Natur  ins  Klare  gekommen  zu  sein. 

Auch  über  Difflngia  liegen  ähnliche  Beobachtungen  Carter's  vor. 
Hier  soll  der  Conjugationsact  gleichfalls  die  Einleitung  zur  Entwickelung 
der  Geschlechtsprodukte  sein.  Nach  der  Trennung  entwickeln  sich  zahl- 
reiche Kügelchen  im  Nucleus  und  es  schwinden  die  Chlorophyll-  und 
Stärkekörner.  Hierauf  sollen  sich  die  in  das  Protoplasma  ausgetretenen 
Nucleuskngelchen  zu  granulirteu  Körperchen,  den  Fortpflanzuugszellen, 
entwickeln.  Der  Nucleus  erscheine  hierauf  sehr  erschöpft  (effete).  Eine 
directe  Weiterverfolgung  dieser  Fortpflanzungskörperchen  gelang  nicht, 
dagegen  glaubt  er  dieselben  als  kleine  Flagellaten,  die  in  der  Umgebung 
seiner  Difflugien  auftraten,  wieder  gefunden  zu  haben  und  verfolgte 
schliesslich  noch  deren  üebergang  in  Amöben. 

Durch  spätere  Beobachtungen  hat  er  jedoch  seine  Ansicht  über  die 
Entwickelung  der  Geschlechtsprodukte  der  Difflugien  sehr  modificirt.  Er 
fand  nämlich  bei  seiner  Difflugia  compressa  grosse,  sogen.  Fortpflanzungs- 
körper neben  dem  Nucleus  im  Protoplasma  und  glaubt  daher  jetzt,  dass 
dieses  die  weiblichen  Elemente  seien ,  während  die  früher  beobachteten, 
kleinen  granulirten  Körperchen  wohl  männliche,  befruchtende  Elemente 
darstellten. 

Wir  haben  über  letztere,  wie  aus  den  obigen  Angaben  hervorgeht,  sehr 
schwankenden  Beobachtungen  und  Deutungen  kaum  zu  bemerken,  dass 
es  in  hohem  Grad  zweifelhaft  erscheint,  ob  hier  wirkliche  Fortpflanzungs- 
erscheinungen vorliegen.  Ob  auch  hier  nicht  vielkernige  Zustände  zu  den 
vermeintlichen  Deutungen  Veranlassung  gegeben  haben,  müssen  wir  vorerst 
dahin  gestellt  sein  lassen. 

Ein  Zerfall  des  Kernes  in  sporenartige  Kügelchen,  ähnlich  wie  es 
Greeff  und  Carter  für  gewisse  Amöben  geschildert  haben ,  wird  auch 
von  E.  Bück*)  als  Fortpflanzungsact  des  Platoum  beschrieben  und  die 
directe  Entwickelung  solcher  Sporen  zu  der  ausgebildeten  Form  zu  er- 
weisen gesucht.  Auch  für  Arcella  sucht  derselbe  Forscher  einen  ähnlichen 
Fortpflanzungsprocess  wahrscheinlich  zu  machen.**) 

Ganz  abweichend  von  allen  übrigen  seither  bekannten  Fortpflanzungs- 
erscheinungen der  Rhizopoden  wäre  nach  Gabriel's  Untersuchungen  die 
Vermehrungsart  seines  Troglodytes  zoster  (Wohl  identisch  mit  der  Platoum 
stercoreum  Cienkowsky's).  Wir  versuchen  in  einer  Anmerkung  das 
Wesentliche    dieses     vermeintlichen    Fortpflanzungsactes    wiederzugeben, 


*)  Z.  f.  w.  Z.  XXX. 

**)  Die  Ausbildung  zalilreiclier  körnchenartiger  Sporen  will  Maggi  auch  hei  gewissen 
Amöben  beobachtet  haben  und  glaubt,  dass  die  von  ihm  einmal  gesehene  Copulation  seiner 
Amöben  die  Einleitung  zu  dem  Sporenbildungsprocess  darstelle.  (Kendic.  d,  K.  Istit.  Lomb. 
IX.  p.  436.) 


Wobnortsverliältnisse.  161 

müssen  jedoch  gestehen,  dass  wir  den  ganzen  Process  für  sehr  unwahrschein- 
lich halten  und  die  Vermuthung  nicht  unterdrücken  kijnnen,  dass  Gabriel 
durch  postmortale  Zeifallsvorgänge,  sowie  durch  Entwickehmg  von  Schizo- 
myceten  getäuscht  wurde.*) 


7.  Bioloo'ische  Veiiiältiiisse  der  Rhizopodii ,  soweit  dieselben  im  Voraii- 
steliendeu  noch  keine  eiii<>'eliendere  Beaclitung  erfahren  haben. 

«.   Wohnorts  Verhältnisse. 

Die  wahre  ursprüngliche  Heimath  der  Rhizopoda  sind  die  Gewässer, 
und  zwar  sowohl  die  süssen  als  die  salzigen.  Es  erscheint  hier  zwecklos, 
noch  besonders  auf  den  Reichthum  der  fliessenden  und  stehenden  Gewässer 
des  Binnenlandes,  wie  der  verschiedenen  Meere  an  unseren  Rhizopoden 
aufmerksam  zu  machen.  Was  zunächst  die  specielleren  Lebensverhält- 
nisse der  Süsswasserformen  betrifft,  so  treffen  wir  dieselben  einmal  im 
Bodensatz,  im  Schlamm,  an  —  dieser  bildet  sogar  für  einen  Theil,  wie 
die  Amöben  und  amöbenartigen  unbeschalten  Formen,  die  eigentliche 
Heimath  —  wogegen  zahlreiche  beschalte  Formen  mit  Vorliebe  auch  auf 
Steinen  und  Wasserpflanzen  herumkriechen,  ja  z.  Th.  auch,  wie  dies 
wenigstens  für  die  Arcellen  und  Difflugien  nachgewiesen  ist,  sich  vorüber- 
gehend, mit  Hülfe  der  früher  erwähnten  Gasentwickelung,  an  die  Oberfläche 
der  Gewässer  zu  erheben  vermögen.  Nur  wenige  Formen  jedoch  scheinen 
sich  dauernd  oder  doch  zuweilen  in  fauligen  Infusionen  zu  entwickeln 
und  unter  diesen  sind  hauptsächlich  kleinere  Amöben  zu  erwähnen,  wo- 
gegen kleinere  Monothalamien  nur  selten  unter  solchen  Verhältnissen 
auftreten. 

Nicht  selten  hat  man  jedoch  Gelegenheit  zu  beobachten,  dass  Formen, 
deren  eigentliche  Heimath  jedenfalls  die  süssen  Gewässer  noch  sind  oder 


*)  Der  dem  Platoum  von  Gabriel  zugeschriebene  Fortpfianzungsvorgang  lässt  sich  kurz 
dahin  resümiren:  1)  Zwei  Thiere  conjugiren  sich  vorübergehend;  trennen  sich  hierauf  und 
alsdann  tritt  2)  eine  Auflösung  der  Körnchen  der  früher  von  uns  schon  erwähnten,  mittleren 
Körnchenzone  (des  sogen.  Zoster  Gabriel's)  ein ;  3)  treten  in  der  Leibesmasse  zahlreiche  feine, 
runde  Körperchen  auf,  die  sehr  lebhafte  Bewegungen  zeigen  und  unter  Nachlassen  der 
Bewegung  allmählich  schwinden.  Diese  Körperchen  werden  als  Befruchtungskörperchen  be- 
zeichnet, ohne  dass  hierfür  ein  ersichtlicher  Grund  vorhanden  ist.  4)  Bildet  sich  in  der 
Leibesmasse,  die  jetzt  Keimmasse  genannt  wird,  eine  feine  Körnelung  aus,  welche  an  Chagrin- 
papier erinnert,  und  daher  als  Chagrin  bezeichnet  wird.  Diese  Masse  ballt  sich  hierauf  etwas 
zusammen  und  wird  allmählich  durch  Zerfall  der  Schale  frei.  Bei  anderen  Ehizopoden  soll 
diese  Chagriumasse  sich  nur  aus  einem  Theil  der  Leibesmasse  entwickeln.  5)  Die  einzelnen 
Chagrinkörnchen  sind  die  Keime  des  Troglodytes.  Sie  lösen  sich  durch  Zerfall  der  Masse 
los  und  wachsen  allmählich  heran,  erhalten  eine  ovale  Form  und  eine  contractile  Vacuole  und 
werden  daher  als  Monostigmaform  bezeichnet.  6)  Je  zwei  solcher  Monostigmen  verschmelzen, 
zunächst  nur  theilweise,  mit  ihren  Hinterenden  und  bilden  so  die  sogen.  Diplostigmaform. 
7)  Diese  bildet  sich  nun  durch  allmähliches  Wachsthum,  Auftreten  der  sogen.  Zosterkörnchen 
und  eines  Kernes,  und  schliessliches  völliges  Verschmelzen  der  Vorderenden,  sowie  Bildung 
einer  Schale,  zu  dem  Troglodytes  aus. 

Broun,  Klassen  des  Tliier-rieichs.     Protozoa.  1] 


162  Ehizopoda. 

doch  früher  waren,  ausserhalb  derselben  an  Orten,  wo  ihnen  unr  ge- 
nügende Feuchtigkeit  geboten  wird,  ihr  Leben  fristen.  Am  auffallendsten 
dürfte  dies  für  die  nnbeschalten  Formen  erscheinen,  jedoch  bietet  das 
ähnliche,  ja  noch  auffallendere  Verhalten  der  Plasmodien  der  Myxo- 
myceten  ganz  entsprechendes  dar. 

So  treffen  wir  Amöben  in  feuchtem  Sand  oder  Moos  von  Bäumen 
und  zwar  sowohl  am  Fnsse  solcher  als  in  ziemlicher  Höhe  über  dem 
Erdboden  an.  Schon  Duj ardin  *J  hat  sich  von  solchen  Vorkommnissen 
überzeugt  und  Greeff**)  hat  später  eine  ganze  Reihe  Amöben,  sowie  die 
interessante  Amphizonella  in  feuchtem  Sande  gefunden,  mir  selbst  gelang 
es,  dieselben  Formen  im  feuchten  3Ioos  eines  Daches  nachzuweisen. 
Ganz  dieselben  Erscheinungen  bieten  uns  jedoch  auch  die  beschälten 
Formen  dar,  auch  von  diesen  hat  schon  Dujardin  Arcella,  Difflugia,  Euglypha 
imd  andere  im  Baummoos  aufgefunden:  auch  Ehrenberg  hat  sich  vielfach 
mit  solchen  Untersuchungen  beschäftigt,  so  schon  1848  ***  i  das  Vorkommen 
lebenskräftiger  Exemplare  von  Arcella.  Euglypha,  Lecythium  und  Dif- 
fiagia  (?)  im  Dachrinnensand  erwiesen,  dann  namentlich  seine  Studien 
auch  auf  das  in  beträchtlicher  Höhe  über  dem  Erdboden  an  Bäumen 
wachsende  Moos  ausgedehnt f/  und  auch  hier  in  seinen  zahlreichen  Ab- 
handlungen das  Vorkommen  von  Monothalamien  vielfach  nachgewiesen, 
obgleich  es  sich  hierbei  wohl  meist  um  leere,  todte  Schalen  handelte.  In 
neuerer  Zeit  hat  sich  auch  Leidyft)  in  Nordamerika  mit  der  Unter- 
suchung ähnlicher  Verhältnisse  beschäftigt  und  Difflugia,  Euglypha  und 
Trinema  unter  entsprechenden  Verhältnissen  gleichfalls  lebenskräftig  an- 
getroffen. Dass  es  sich  in  diesen  Fällen  meist  um  Formen  handelt,  die 
durch  Winde  im  encvstirten  oder  zum  Theil  vielleicht  auch  nicht  en- 
cystirten  Zustand  gewissermaassen  verschlagen  wurden,  dürfte  keinem 
Zweifel  unterliegen. 

In  dieselbe  Kategorie  dürfen  wir  vielleicht  auch  die  von  Cienkowsky 
auf  Pferdemist  beobachtete  Diplopbrys  stercoreum  und  das  unter  ähnlichen 
Verhältnissen  getroffene  Platoum  stercoreum,  sowie  den  jedenfalls  zur 
gleichen  Gattung  gehörigen,  von  Gabriel  in  feuchter,  mit  thierischen  Ex- 
crementen  durchsetzter  Erde  gefundenen  sogen.  Troglodytes  rechnen,  deren 
nächste  Verwandte  ja  das  süsse  "Wasser  bewohnen. 

Wenden  wir  uns  jetzt  zu  einer  etwas  näheren  Betrachtung  der  marinen 
Formen,  so  haben  wir  zunächst  die  relativ  recht  scharfe  Abgrenzung 
derselben  von  denen  des  süssen  Wassers  hervorzuheben.  Im  Ganzen 
scheinen  nur  sehr  wenige  Geschlechter  gleichzeitig  im  süssen  und  Salz- 
wasser   vertreten    zu    sein.     Unter    diesen    ist  zunächst   der  proteischen 


*)  Ann.  d.  sc.  nat.  3.  sex.  T.  IS. 
**)  Arch.  f.  mür.  Anat  IL 
***)  Monatsber.  d.  Berliner  Aiad.  1S4S. 
t)  Ebendaselbst  u.  M.  d.  Berliner  Akad.  1S49,  sowie  AbbandL  d.  Berl.  Atad.  1ST2. 
fr)  Proc.  acai  Pbilad.  HL   IST 7. 


Laudlebeiule,  ßraclwasscrformen  etc.  I(j3 

Gattung-  Anioeba  zu  gedenken,  von  der  ich  mit  Entz*)  wohl  annehmen 
möchte,  dass  sie  mit  identischen  Arten  in  beiden  Gebieten  vertreten  ist, 
jedenfalls  aber  auch  im  Meer  ein  häufiges  Vorkommen  besitzt.  Aehnlich 
scheint  sich  nur  noch  Gromia  zu  verhalten ,  die  Meeres-  und  Süsswasser- 
formen,  ja  identische  Arten  in  beiden  Eegionen  aufweist. 

Da  jedoch  eine  Reihe  von  Meeresformen  im  Stande  ist,  eine  Vermin- 
derung des  Salzgehaltes  bis  zu  gewissem  Grad  zu  ertragen,  umgekehrt 
dagegen  gewisse  Siisswasserformen  sich  an  etwas  gesalzenes  Wasser  zu 
gewöhnen  vermögen,  so  sehen  wir  solche  Meeres-  und  Siisswasserformen 
sich  in  brackischen  Gewässern  z.  Th.  begegnen  und  vermischt  leben.  So 
haben  die  Untersuchungen  von  Brady  und  Robertson  (89)  ergeben,  dass 
in  den  brackischen  Gewässern  Grossbrittanniens  mehr  als  ein  Drittel  der 
überhaupt  vorhandenen  marinen  Rhizopodengeschlechter  vertreten  sind 
und  die  fehlenden  Genera  sind  z.  Th.  überhaupt  sehr  selten  oder 
zweifelhaft.  Eine  Reihe  der  gelegentlich  vertretenen  Formen  ist  je- 
doch recht  selten,  wogegen  andere  in  beträchtlichem  Reichthum  vorhanden 
sind.  Einige  Formen  setzen  sich  sogar  bis  in  Gewässer  fort,  die  zeit- 
weise nur  Spuren  von  Salz  enthalten  (so  Quinqueloculina,  Trochammina, 
Lituola,  Truncatulina,  Rotalia,  Polystomella  und  Nonionina),  ja  die  beiden 
letzterwähnten  Geschlechter  gehen  sogar  in  reines  Süsswasser  über.  Da 
gewisse  Difflugien  auch  noch  in  schwach  gesalzenes  Wasser  hinein- 
gehen, so  treten  sie  gelegentlich  untermischt  mit  echten  Meeresformen  auf. 
Aehnlich  hat  auch  Siddall  (114)  Difflugien  mit  Gromia  oviformis  und 
Polystomella  striatopuuctata  gemeinschaftlich  lebend  im  brackischen  Wasser 
des  Dee  angetroffen.  Der  gleiche  Beobachter  führt  nicht  weniger  als 
62  marine  Arten  aus  dem  Brackwasser  des  erwähnten  Flusses  auf,  doch 
scheint  es  mir  nicht  ganz  sicher,  ob  diese  Arten  sämmtlich  auch  wirkliche 
Bewohner  des  Brackwassers  sind,  da  die  meisten  nur  als  todte  Schalen 
gefunden  wurden;  die  gleiche  Bemerkung  muss  jedoch  auch  bezüglich 
der  Untersuchungen  von  Brady  und  Robertson  gemacht  werden.**) 

Was  nun  die  Lebensweise  der  marinen  Rhizopoden  betrifft,  so  wissen 
wir  von  früher,  dass  ein  Theil  derselben  direct  festgewachsen,  dauernd 
seinen  Standort  auf  Steinen,  Korallen,  Muschelschalen,  Seepflanzen  etc. 
beibehält;  wir  brauchen  hier  nur  an  die  Geschlechter  Carpenteria,  Poly- 
trema,  Nubecularia  und  eine  Reihe  sandschaliger  Formen  zu  erinnern,  die 
exquisite  Beispiele  dieses  Verhaltens  darbieten.  Eine  grosse  Zahl  anderer 
Formen  hingegen,  die  sich  vorzugsweise  in  littoralen  Regionen  entwickelt 
zeigt,  sucht  sich  gleichfalls  einen  Wohnort  an  Seepflanzen,  Polypen- 
stöckchen  und  dergleichen,  ohne  sich  jedoch  dauernd  zu  befestigen,  son- 
dern nur  vermittels  der  Pseudopodien  sich  festhaltend  und  hinkriechend. 
Hierher  zählen  namentlich  zahlreiche  Imperforata,  jedoch  auch  viele  Per- 


*)  Naturhist.  Hefte  f.  Zoologie  etc.  v.  Nation.-Mus.  in  Budapest  1877.  4.  H. 
**)  Bezüglich  der  Veränderungen,  welche   die  Brackwasserformen   in  ihrem  Schalenbau 
gewöhnlich  zeigen,  vergl.  weiter  unten  p.  171. 

II* 


164  Rhizopoda. 

forata,  so  hauptsächlich  die  Rotalinen  und  wohl  auch  ein  ziemlicher  Theil 
der  Nummuliiiiden.  Für  weitere  Formen  bildet  scliliesslich  der  Meeres- 
grund den  vorzugsvveisen  Aufenthaltsort;  dies  gilt  wolil  ganz  besonders 
für  die  sandschaligen  Formen,  jedoch  auch  zahlreiche  kalkschalige. 
Immerhin  ist  es  schwer,  sich  nach  den  bis  jetzt  vorliegenden  Unter- 
suchungen ein  sicheres  Urtheil  darüber  zu  bilden,  ob  ein  solches  Leben 
im  Sand  und  Schlamm  der  Bodenfläche  sehr  verbreitet  ist,  da  die  meisten 
Untersuchungen  sich  eben  einfach  mit  dem  Nachweis  der  todten  Schalen 
begnügten,  von  denen  es  doch  häufig  sehr  fraglich  erscheint,  ob  sie  da, 
wo  sie  zur  Deponirung  gelangten ,  auch  thatsächlich  gelebt  haben.  Der- 
selbe Umstand  beeinflusst  jedoch  auch  unser  augenblickliches  Wissen  von 
der  Tiefen  Verbreitung  der  marinen  Rhizopoden  sehr,  da  auch  die  Unter- 
suchungen über  diese  Verhältnisse  sich  fast  durchaus  mit  der  Constatirung 
des  blossen  Vorkommens  der  Schalen  begnügten. 

Im  Allgemeinen  ist  zweifellos  die  marine  Rhizopodenfauna  in  ihrer 
grössten  Mannigfaltigkeit  in  der  littoralen  Zone  oder  doch  nur  bis  zu 
massigen  Tiefen  entwickelt.  So  gilt  dies  fast  durchaus  für  die  kalk- 
schaligen  Imperforata  und  wenn  hier  auch  einzelne  Formen  in  grosse 
Tiefen  hinabsteigen ,  wie  dies  z.  ß.  die  Miliolinen  z.  Th.  thun ,  so 
sind  es  gewöhnlich  ziemlich  verkümmerte  Exemplare,  die  dortselbst  an- 
getroifen  werden. 

Zu  sehr  grossen  Tiefen  scheinen  im  Allgemeinen  die  sandschaligen 
Formen  hinzuneigen,  so  gibt  Brady  (115  I.)  für  eine  ganze  Reihe  der- 
selben Tiefen  von  2000 — 3000  Faden  an,  wiewohl  auch  für  eine  ziemliche 
Zahl  dieser  ein  sehr  weiter  Spielraum  der  bathymetrischen  Verbreitung 
zu  bestehen  scheint,  da  manche  von  jenen  ungeheuren  Tiefen  bis  in  ver- 
hältnissmässig  seichtes  Wasser  hineinragen,  wenn  auch  die  meisten  mit 
ca.  300  Faden  ihre  obere  Grenze  erreicht  zu  haben  scheinen.  Immerhin 
finden  wir  jedoch  auch  eine  gewisse  Zahl  dieser  sandschaligen  Formen 
littoral. 

Die  Perforaten  entwickeln  ihre  grösste  Mannigfaltigkeit  in  Tiefen 
bis  zu  etwa  300  Faden,  doch  gehen  gewisse  Formen  bis  zu  sehr  grosser 
Tiefe  hinab.  So  sehen  wir  Lagena,  die  ihre  Hauptentwickelung  in  massiger 
Tiefe  erreicht,  auch  noch  in  sehr  grossen  Tiefen  ziemlich  reichlich  auf- 
treten, und  eine  Reihe  von  Geschlechtern  sind  anscheinend  vorzugsweise 
in  den  grössten  Abgründen  entwickelt.  Hierher  gehören  namentlich  Orbu- 
lina,  Globigerina,  Pulvinulina,  PuUenia  und  Sphaeroidina. 

Es  ist  nun  eine  sehr  eigenthümliche  Erscheinung,  dass  man  sich 
durch  neuere  Untersuchungen  immer  mehr  überzeugt  hat,  dass  gerade 
diese,  früher  vorzugsweise  der  Tiefsee  zugeschriebenen  Formen,  auch  in 
sehr  geringer  Tiefe  leben,  aber  nicht  in  der  nächsten  Nähe  der  Küsten, 
sondern  vielmehr  vorzugsweise  auf  hoher  See  als  pelagische  Oberflächen- 
thiere.  Diese  hochinteressante  Erfahrung,  durch  welche  eine  ziemliche 
Reihe  von  Rhizopodenformen  in  ihren  Lebensverhältnissen  plötzlich  in 
nächsten  Anschluss  an  die  ihnen  ja  auch  sonst  nahe  verwandten  Radiolarien 


Beziehung  zu  Meerestiefe,  pelag.  Formen.  105 

gebracht  werden,  ist  jedoch  keineswegs  so  sehr  neu,  wie  es  häufig  dar- 
gestellt wird.  Schon  d'Orbigny  (29)  hatte  1839  seine  sogen.  Nonionina 
pelagica  (=  Hastigerina  Murrayi  Wyw.  Thomson)  im  pacifiscben  Ocean 
pelagisch  gefischt;  später  hat  hauptsächlich  Major  Owen*)  unsere  Kennt- 
niss  vom  pelagischen  Leben  einer  Reihe  von  Rhizopodengeschlechtern 
gefördert,  indem  er  eine  ganze  Anzahl  Globigerinen,  fernerhin  Or- 
bulina,  ausserdem  jedoch  auch  noch  die  Gattung  Pulvinulina  mit 
mehreren  Arten  an  der  Meeresoberfläche  fischte.  Früher  schon  hatten 
jedoch  auch  Macdonald,  Wallich,  Bailey,  Job.  Müller,  Pourtales,  Krohn  und 
Häckel  einige  hierhergehörige  Beobachtungen  gesammelt.  Eine  weitere  wich- 
tige Vermehrung  hat  schliesslich  unser  Wissen  von  diesen  Verhältnissen 
durch  die  ausgedehuten  Erforschungen  der  Challengerexpedition  erfahren, 
die  gerade  der  Untersuchung  dieser  Frage  ihr  Augenmerk  vorzüglich 
zuwendete.  Aus  diesen  von  Brady  (115  II.)  einer  näheren  Unter- 
suchung unterzogenen  Ergebnissen  der  Challengerexpedition  hat  sich 
nun  herausgestellt,  dass  von  den  oben  erwähnten,  für  die  Tiefsee  be- 
sonders charakteristischen  kalkschaligen  Geschlechtern  auch  noch  Pullenia 
und  Sphaeroidina  pelagisch  gefunden  werden.  Die  Zahl  der  hiernach 
überhaupt  bis  jetzt  als  pelagisch  festgestellten  Geschlechter  beträgt  9 
und  zwar  gehören  diese  sämmtlich  zu  den  Perforata  und  nach  der 
Carpenter'schen  Classifikation  auch  sämmtlich  zu  der  Familie  der  Globi- 
gerinida.  Es  sind  nicht  weniger  als  6  Arten  von  Globigerina,  1  Orbulina, 
1  (oder  2)  Hastigerina,  ca.  4  von  Pulvinulina  und  je  1  von  Pullenia, 
Sphaeroidina,  Candeina,  Cymbalopora  und  Chilostomella,  also  im  Ganzen 
ca.  18  Arten. 

Unter  diesen  Formen  sind  einige,  wie  Candeina  und  Chilostomella, 
sehr  selten,  wogegen  Hastigerina  und  Cymbalopora  zwar  an  gewissen 
Orten  in  grosser  Menge  auftreten ,  jedoch  eine  sehr  lokale  Verbreitung 
zeigen.  Ueber  die  besonderen  Lebensverhältnisse  dieser  pelagischen 
Formen  ist  bis  jetzt  kaum  etwas  festgestellt.  Dennoch  wollen  wir  hier 
auf  die  Owen'scheu  Beobachtungen  hinweisen,  nach  welchen  diese  Wesen 
den  Tag  über  nicht  an  der  Meeresoberfläche  anzutreffen  sein  sollen, 
während  sie  nach  Sonnenuntergang  erscheinen ;  auch  windiges  Wetter  soll 
mehr  als  Windstille  ihr  Erscheinen  an  der  Oberfläche  begünstigen.  Diese 
Beobachtungen  würden  demnach  darauf  hindeuten,  dass  sie  wie  die  Radio- 
larien  die  Fähigkeit  besitzen,  sich  in  grössere  Tiefe  herabzusenken  und 
wieder  aufzusteigen.  Hiermit  steht  denn  auch  in  Einklang,  dass  es  durch- 
aus nicht  nur  die  oberflächhchsten  Regionen  des  hohen  Meeres  sind,  in 
welchen  man  die  erwähnten  pelagischen  Formen  antrifft,  sondern  auch 
mehr  oder  minder  tiefe  Regionen. 

Im  Anschluss  an  diese  Beobachtungen  hat  sich  nun,  wie  leicht  be- 
greiflich, eine  vielbesprochene  Streitfrage  über  die  Lebensweise  der  ge- 
nannten Geschlechter  erhoben,  namentlich  im  Hinblick  auf  ihr  gleichzeitiges 


*)  Journ.  Lina.  Soc.  Zool.  IX. 


166  Ehizopoda. 

Vorkommen  in  so  sehr  beträchtlichen  Tiefen.  Es  ist  jedenfalls  sehr 
eigenthümlich,  dass  gerade  diese  verbreitetsten  pelagischen  Geschlechter 
auch  zu  den  gewöhnlichsten  Tiefseeformen  gehören  und  sie  es  haupt- 
sächlich sind,  die  sich  in  grossen  Mengen  in  den  meisten  Oceanen  in 
Tiefen  von  250  bis  ca.  3000  Faden  in  Form  des  sogen.  Globigerinen- 
schlammes  anhäufen.  Die  erwähnte  Streitfrage  ist  daher  auch  als 
identisch  zu  betrachten  mit  der  Frage  nach  der  Eutstehungsweise  des 
sogen.  Globigerinenschlammes. 

Bei  dem  grossen  Interesse,  welches  diese  Angelegenheit  besitzt,  dürften 
an  dieser  Stelle  einige  historische  Notizen  nicht  unerwünscht  sein.  Die 
erste  Nachweisung  einer  solchen  ausgedehnten,  hauptsächlich  ans  Rhizo- 
podenschaleu  zusammengesetzten  Ablagerung  verdanken  wir  Bailey  im 
Jahre  1848.  *)  Zunächst  wurde  dieselbe  in  massiger  Tiefe  gefunden, 
1855**)  jedoch  konnte  ihre  Verbreitung  im  nordatlant.  Ocean  in  Tiefen 
von  1000  —  2000  Faden  von  dem  gleichen  Forscher  coustatirt  werden. 
Seit  dieser  Zeit  ist  dann  die  Bildung  einer  solchen  Ablagerung  noch  in 
weiterer  Verbreitung  festgestellt  worden  und  haben  wir  hauptsächlich 
wieder  durch  die  Challengerexpedition  einen  Einblick  in  die  geographische 
Verbreitung  und  die  Tiefenverhältnisse  derselben  erhaben.***)  Hieraus 
geht  hervor,  dass  die  Bildung  dieses  Globigerinenschlammes  im  paci- 
fischen  Ocean  eine  beschränktere  ist,  wie  im  atlantischen,  dass  im 
ersteren  seine  Verbreitung  hauptsächlich  zwischen  50**  s.  Br.  und  lO*'  n.  Br, 
eingeschlossen  ist,  während  er  im  letzteren  im  offenen  Ocean  stets  bis  zu 
1800  Faden  Tiefe  in  unregelmässig  begrenzten  Territorien  sich  vorfindet, 
wogegen  seine  Ausdehnung  auf  grössere  Tiefen  von  bis  jetzt  noch  un- 
bekannten, besonderen  Bedingungen  abhängig  scheint. 

Die  Frage  über  die  Entstehungsweise  dieses  Globigerinenschlammes 
wurde  nun  entweder  in  der  Weise  beantwortet,  dass  man  die  pelagischen 
Formen  allmählich  nach  ihrem  Absterben  zu  Boden  sinken  liess,  während 
nach  der  Ansicht  der  Gegner  die  betreffenden  Rhizopodeuformen,  also 
hauptsächlich  Orbulina  und  Globigerina,  auf  dem  Meeresboden  jener 
Tiefen  selbst  leben  über  dem  Leichenhaufen  ihrer  Millionen  von  Brüdern, 
die  ihnen  in  den  Tod  vorangingen.  Die  Entscheidung  dieser  Frage  hat 
ihre  grossen  Schwierigkeiten  und  es  darf  wohl,  ohne  dass  wir  hier  die 
ganze  stattliche  Reihe  von  Gründen  und  Gegengründen,  die  im  Laufe  der  Zeit 
beigebracht  worden  sind,  sämmtlich  aufführen,  zunächst  anerkannt  werden, 
dass  bis  jetzt  eine  ganz  sichere  Lösung  derselben  nicht  möglich  scheint. 
Dass  die  Schalenreste  der  abgestorbenen  pelagischen  Foraaen  zu  Boden 
sinken  und  hier  zur  Bildung  dieses  Schlammes  beitragen,  ist  eine  Sache, 
die  sich  wohl  von  selbst  erklärt,  um  so  mehr,  als  wir  in  demselben 
Schlamm  häufig  noch  Schalenreste  anderer  pelagischer  Thier-  und  Pflanzen- 


*)  Smithson,  contriliut.  II.  1851. 
**)  S.  Americ.  joiirn.  2.  s.  XXIII. 
***)  Proc.  roy.  soc.  XXV. 


Bildungsweise  des  sogen.  Globigerincnsclilammes.  167 

formen,  wie  Radiolarieu  und  Diatomeen,  antreffen.  Es  bleibt  also  haupt- 
sächlich die  Frage  übrig,  ob  die  erwähnten  Geschlechter  neben  ihren 
pelagischen  Formen  auch  Tiefseearten  umfassen,  oder  ob  dieselben  Arten 
für  beiderlei  Lebensbedingungen  eingerichtet  sind.  Was  den  ersten 
Punkt  betrifft,  so  scheint  es  nach  den  bis  jetzt  vorliegenden  Erfahrungen 
einigermaassen  sicher,  dass  wenigstens  von  Globigerina  und  Pulvinuliua 
(auch  Sphaeroidina  und  Pullenia)  gewisse  Arten  der  Tiefsee  ausschliess- 
lich eigenthümlich  sind,  woraus  also  die  Folgerung  gezogen  werden  darf, 
dass  jene  Geschlechter  beiderlei  Lebensbedingungen  gerecht  werden  können. 
Immerhin  ist  jener  Punkt  nicht  so  ganz  sicher  zu  entscheideo,  da  einmal 
die  Beobachtungen  über  pelagische  Formen  keine  allzuausgedehnten  sind 
und  andererseits  jene  Tiefseeformen  bis  jetzt  keineswegs  mit  Sicherheit 
im  lebenden  Zustand  constatirt  wurden.  Letzteres  gilt  jedoch  überhaupt 
für  die  Rhizopoden  des  Globigerinenschlammes.  Zwar  haben  Ehrenberg, 
Wallich*)  und  neuerdings  auch  Brady  (115  IL),  wie  auch  andere,  z.  Th. 
noch  eine  deutliche  und  frisch  erscheinende  Sarkodeerfüllung  gefunden; 
dagegen  ist  es  bis  jetzt  durchaus  nicht  gelungen,  wirkliche  Lebens-  und 
namentlich  Bewegungserscheinungen  jener  Sarkodekörper  wahrzunehmen, 
denn  die  von  Wallich  angeblich  gesehenen,  hügelartigen,  kleinen  Pseudo- 
podien scheinen  in  dieser  Frage  von  keiner  entscheidenden  Bedeutung  zu 
sein.  Wenn  wir  die  Erfahrungen  M.  Schultze's  berücksichtigen,  der  eine 
grosse  Resistenz  und  sehr  langsame  Zerstörung  des  Sarkodekörpers  auch 
nach  dem  Tode  beobachtet  hat  (53),  so  scheint  überhaupt  der  mehrfach 
erbrachte  Nachweis  einer  Sarkodeerfüllung  nur  mit  Vorsicht  verwerthet 
werden  zu  dürfen.  Durch  Wallich  und  Brady  ist  ferner  hauptsächlich 
darauf  aufmerksam  gemacht  worden,  dass  dieselben  Arten  in  der  Tiefe 
durchschnittlich  eine  bedeutendere  Grösse  und  dickere  Schalen  besitzen, 
wie  an  der  Oberfläche,  dass  es  daher  nicht  wohl  möglich  sei,  die  ersteren 
von  den  letzteren  herzuleiten;  doch  scheint  mir  auch  dieser  Punkt  nicht 
durchaus  beweisend  zu  sein,  da  gerade  die  allmähliche  Grössenzunahme 
in  Verbindung  mit  der  Verdickung  der  Schalenwände  das  allmähliche 
Sinken  der  Oberflächenthiere  hervorrufen  kann,  ohne  dass  dieselben  da- 
durch sofort  ihr  Leben  und  Weiterwachsthum  einbüssten  und  hieraus  der 
grössere  Reichthum  des  Bodens  an  grossen  und  dickschaligen  Formen 
sich  vielleicht  erklären  liesse.  Eine  derartige,  gewissermaassen  zwischen 
den  beiden  Extremen  vermittelnde  Ansicht  hat  noch  Carpenter**)  aus- 
gesprochen, der  übrigens  an  der  Lebensfähigkeit  der  Tiefseeglobigerinen 
nicht  zweifelt,  jedoch  der  Annahme  zuneigt,  dass  die  jungen  Globigerinen 
an  die  Oberfläche  aufstiegen,  hier  eine  Zeit  lang  lebten  und  alsdann 
wieder  zu  Boden  sänken;  eine  Ansicht,  die  wohl  kaum  recht  plausibel 
erscheinen  dürfte,  wenn  man  sich  eine  Vorstellung  von  den  Schwierigkeiten 


*)   The    north    atlantic  seabed.    Lond.    1862.     Deep-sea  researches  on   the  biology   of 
Globigerina.  Lond.  1876. 

**)  Proc.  roy.  soc.  XXIII. 


168  Eliizopoda. 

und  der   Dauer   der  Reise,   welche  diese  Jugendlieben  Globigerineu  durch 
die  lOüO — 2000  Faden  hohe  Wasserschicht  zu  unternehmen  hätten,  macht. 

Lassen  wir  daher  hier  diese  Angelegenheit  einstweilen,  bis  sicherere 
Beweise  nach  einer  oder  der  anderen  Richtung  beigebracht  sind,  auf  sich 
beruhen,  und  heben  wir  nur  noch  hervor,  dass  von  den  Forschern,  die 
sich  eingehender  mit  dieser  Frage  beschäftigt  haben,  Ehrenberg,  Wallich, 
Huxley  und,  wie  erwähnt,  auch  Carpenter  uud  Brady,  für  die  Lebens- 
fähigkeit der  Rhizopoden  des  Globigerinenschlammes  (natürlich  nur  der 
oberflächlichsten  Schicht  desselben)  eintreten,  wogegen  schon  Bailey  die 
späterhin  hauptsächlich  von  den  Gelehrten  der  Challengerexpedition, 
Wyw.  Thomson  und  Murray*)  vertheidigte  Ansicht  von  der  ursprünglich 
pelagischen  Lebensweise  derRhizopodenformen  des  Globigerinenschlammes, 
ausgesprochen  hat. 

Nur  selten  scheint  der  Rhizopodenorganismus  sich  an  parasitische 
Lebensweise  gewöhnen  zu  können  und  die  bis  jetzt  bekannt  gewor- 
denen, hierherzurechnenden  Fälle  gehören  fast  ausschliesslich  den  Amöben 
an.  Diese  scheinen  in  der  That  ziemlich  häufige  Parasiten  sowohl  bei 
Wirbelthieren  als  Wirbellosen  zu  sein,  wenn  auch  in  manchen  der  be- 
kannt gewordenen  Fälle  die  Amöbenformen  möglicherweise  als  eine  Eut- 
wickelungsstufe  gregarinenartiger  Parasiten  angesprochen  werden  dürften. 
Der  gewöhnliche  Aufenthaltsort  solcher  parasitischer  Amöben  scheint  der 
Darmkanal  zu  sein,  hier  sind  sie  bei  Wirbelthieren  sowohl  als  Wirbel- 
losen gelegentlich  in  recht  beträchtlicher  Menge  beobachtet  worden.  Im 
Dickdarm  des  Menschen  scheint  die  sogen.  Amoeba  Coli  Lösch**)  sogar 
unter  gewissen  Umständen  recht  nachtheilige  Wirkungen  hervorrufen  zu 
können  und  wenigstens  ein  schon  vorhandenes  Darmleiden  sehr  zu  ver- 
schärfen im  Stande  zu  sein.  Bei  Kaninchen***)  und  namentlich  Fröschen f) 
sind  gleichfalls  gelegentlich  solche  Darmamöben  beobachtet  worden  und 
im  Darm  der  Insekten,  so  hauptsächlich  der  so  parasitenreichen  Schaben  ff) 
hat  sich  ebenfalls  die  Anwesenheit  ansehnlicher  Amöben  mehrfach  con- 
statiren  lassen. 

Ueber  den  Parasitismus  beschälter  Formen  liegen  bis  jetzt  kaum 
sichere  Beobachtungen  vor,  doch  gibt  E.  Buckflf)  an,  das  Lecythium 
hyalinum  parasitisch  sowohl  in  verschiedenen  Räderthieren ,  Cyclops- 
larven  und  Infusorien,  als  auch  den  Zellen  von  Süsswasserpflanzen 
beobachtet  zu  haben.  Innerhalb  der  erwähnten  Thiere  sollen  die 
in  Form  der  früher  geschilderten  Sporen  eingedrungenen  Lecythien 
eine  so   grosse  Verwüstung   anrichten,    dass   sie  den  Tod  derselben  bald 


*)  Siehe  Proc.  roy.  soc.  XXII— XXV. 
**)  Lösch,  Arch.  f.  pathol,  Anat.  65,  siehe  namentlich  auch  Leuckart,  Die  Parasiten 
des  Menschen  II.  Aufl. 

***)  Waidenberg,  Arch.  f.  pathol.  Anat.  40. 
r)  Li  eher  kühn,  Arch.  f.  An.  u.  Phys.  18.54. 
tt)  Bütschli,    Zcitschr.  f.  wiss.  Zool.  XXX. 
ttt)  Z.  f.  w.  Z.  XXX. 


Parasitismus;  Nahrung.  169 

herbeiführen,  worauf  sie  wieder  zum  freien  Leben  übergehen.*)  Auch 
die  eigenthümliche  Chhunydomyxa  lebt  nach  Archer**)  in  ihrer  Jugend 
parasitisch  im  Zellgewebe  von  Süsswasserpflanzen  und  soll  hier  wieder- 
holte Encystirungeu  durchmachen. 

ß.    Nalirung-sverliältnisse  der  Rliizopoda. 

Da  wir  die  Art  der  Nahrungsaufnahme  unserer  Thiere  schon  bei 
früherer  Gelegenheit  hinreichend  charakterisirt  haben ,  so  bleibt  uns  hier 
hauptsächlich  noch  die  Natur  der  Nahrung  zu  betrachten  übrig.  In  dieser 
Hinsicht  lässt  sich  im  Allgemeinen  wenig  sagen,  jedoch  scheinen  im 
Ganzen  die  Rhizopoda  ihre  Nahrung  vorzugsweise  aus  dem  Pflanzenreich 
zu  entnehmen.  Einzellige  kleine  Pfläuzchen,  wie  Diatomeen,  Protococcen 
und  dergleichen ,  jedoch  auch  Detritus  und  Theile  mehrzelliger  Pflanzen, 
hauptsächlich  Algen,  machen  wohl  ohne  Zweifel  die  Hauptmasse  der  Rhizo- 
podennahrung  aus,  und  zwar  ebensowohl  der  Formen  des  süssen  Wassers, 
wie  der  marinen.  Namentlich  letztere  scheinen  nach  den  Beobachtungen 
von  M.  Schultze  besonders  auf  Diatomeen  angewiesen  zu  sein.  Ab-  i 
weichende  Fälle  sind  natürlich  hier  ebensowohl,  wie  anderwärts  vertreten, 
wir  brauchen  nur  auf  die  obenerwähnten  Vorkommnisse  von  Parasitismus 
hinzuweisen ,  wie  ja  auch  die  gelegentliche  Aufnahme  kleiner  Protozoen 
als  Nahrung  keineswegs  ausgeschlossen  ist. 

Besondere  Schwierigkeiten  scheint  die  Frage  nach  der  Ernährungs- 
weise der  Rhizopoden  der  Tiefseegründe  zu  bereiten,  was  denn  auch 
zu  der  Aufstellung  sehr  eigenthümlicher  Ansichten  geführt  hat.  Der  nächste 
Weg  zur  Lösung  dieser  interessanten  Frage  wäre  natürlich  die  genaue 
Untersuchung  des  Protoplasmaleibes  solcher  Formen,  woraus  sich  ergeben 
dürfte,  ob  und  welche  Art  geformter  Nahrung  dieselben  zu  sich  nehmen. 
Bis  jetzt  scheinen  jedoch  gesicherte  Beobachtungen  hierüber  kaum  vor- 
zuliegen. Da  nun  bis  jetzt  anscheinend  keine  geeignete  Nahrung  in 
jenen  Tiefseegründen  für  unsere  Rhizopoden  aufgefunden  wurde,  so 
haben  einige  englische  Forscher,  wie  Wallich,  Wyw.  Thomson***) 
und  Carpenterf)  die  Ansicht  ausgesprochen,  dass  dieselben  wohl  über- 
haupt nicht  mit  fester,  sondern  flüssiger  Nahrung  ihr  Leben  fristeten. 
Im  Speciellen  hat  Wyw.  Thomson  sich  die  Existenz  flüssiger  Nahrung  in 
jenen  Tiefseegründen  etwa  in  der  Art  vorgestellt,  dass  durch  das  be- 
ständige Absterben  so  grosser  Massen  mariner  Organismen  und  die 
allmähliche  Zerstörung  und  Lösung  derselben,  das  Meerwasser  stets  eine 
zur  Ernährung  dieser  Formen  hinreichende  Quantität  gelöster  organischer 


*)  Die  von  Lauibl  (Aus  dem  Franz-Josepli-Kiiider-Spitale  Bd.  I.)  angeblich  iui  Darm- 
schleime eines  Kindes  gefundenen  Arcellen  und  Difflugien,  werden  ohne  Zweifel  das  Kesultat 
einer  Täuschung  gewesen  sein. 

**)  Qu.  journ.  micr.  sc.  XV. 
***)  The  depth  of  the  sea.  Lond.  2.  ed.  1874. 
t)  Proc.  roy.  soc.  XIX.  p.  155. 


170  Ehizopoda. 

Substanzen   enthalte,  ja,   wie   er   sich  auch  ausdrückt,   gewissermaassen 
eine  sehr  verdünnte  Lösung  von  Protoplasma  darstelle. 

Mir  scheint  eine  solche  Theorie  sehr  wenig  plausibel,  hauptsächlich 
wegen  der  grossen  Verschiedenheit,  die  sie  zwischen  so  nahe  verwandten 
Formen  hinsichtlich  der  Ernähruugsverhältnisse  aufzustellen  sucht,  auch 
glaube  ich  nicht,  dass  thatsächlich  so  grosse  Schwierigkeiten  für  die 
Erklärung  der  Ernährungsverhältnisse  der  Tiefseerhizopoden  existiren. 
Wie  schon  Möbius  *)  sehr  wahrscheinlich  gemacht  hat,  dürfen  wir  voraus- 
setzen, dass  die  Zerfalismassen  der  abgestorbenen  Thier-  und  Pflanzen- 
bewohner der  seichteren  Küsteuregionen  allmählich  nach  der  Tiefe  geführt 
werden ;  **)  andererseits  existirt  ja  auch  in  jenen  Tiefseeregiouen  noch 
thierisches  Leben  höherer  Ausbildungsstufe,  von  dessen  Zerfallsprodukten 
wohl  die  Ernährung  jener  Tiefseerhizopoden  vor  sich  gehen  kann ,  ohne 
dass  wir  auf  jene  Ausflucht  der  flüssigen,  gelösten  Nahrungsstotfe  zu  re- 
curriren  nothig  hätten. 

Wie  leicht  begreiflich,  steht  diese  Frage  im  innigsten  Zusammenhang 
mit  jener  früher  erörterten:  nach  der  Lebensweise  jener  massenhaften 
Tiefseerhizopoden  des  sogen.  Globigerinenschlammes.  Wird,  wie  wir  dies 
für  sehr  wahrscheinlich  halten,  zugegeben,  dass  wenigstens  ein  grosser 
Theil  der  Rhizopoden  jenes  Tiefenschlammes  ursprünglich  von  der  Ober- 
fläche herstammt  und  dass  die  Sarkode  noch  z.  Th.  wohl  erhalten  mit 
nach  jenen  Tiefen  gebracht  wird,  so  dürfte  hiermit  eine  Erklärung  für 
die  Ernährung  nicht  nur  zahlreicher  Tiefseerhizopoden,  sondern  auch 
höher  organisirter  Tiefseethiere  gegeben  sein.***)  Auch  mag  es  nicht  ganz 
unwahrscheinlich  sein,  dass  auch  der  protoplasmatische  Leib  noch  weiterer 
einzelliger  Oberflächenorganismen,  wie  z.  B.  der  Diatomeen,  gleichfalls 
ähnlich  widerstandsfähig  ist  und  auch  durch  diese  in  gleicher  Weise  die 
Ernährung  der  Tiefseethiere  gefördert  wird. 

y.    Abhängigkeit  der  Organisation  von  äusseren  Lebensbedingungen. 

Bezüglich  dieser,  in  der  Neuzeit  mit  besonderem  Interesse  verfolgten 
Verhältnisse  haben  die  Khizopoden  bis  jetzt  nur  wenig  Bemerkens- 
werthes  erkennen  lassen.  Immerhin  sind  einige  Punkte  zur  Sprache  ge- 
kommen, die  hier  kurz  berührt  werden  mögen. 


*)  Z.  f.  wiss.  Zool.  XXI. 

**)  Durch  die  Challengerexi3edition  wurde  in  einer  ganzen  Reihe  von  Beobachtungen 
festgestellt,  dass  thatsächlich  Theile  von  Land-  oder  üferijflanzeu  bis  zu  Tiefen  von  1400  Faden 
und  in  weite  Entfernung  von  den  Küsten  herabgefuhrt  werden.  Aehnliches  haben  auch  die 
Tiefenuntersuchungen  von  A.  Agassiz  an  der  Küste  von  Florida  ergeben.  (Vergl.  Moseley, 
Notes  of  a  natur.  on  the  Challenger  p.  583  ff.) 

***)  Ganz  ähnlich  spricht  sich  auch  Moseley  an  eben  citirtem  Ort  aus.  Er  hat  sich  von 
der  lange  conservirenden  Eigenschaft  des  Meerwassers  gleichfalls  an  Salpen  überzeugt  und 
schätzt  nach  von  ihm  angestellten  Beobachtungen  die  Zeit,  die  eine  massig  grosse  Salpe  ge- 
brauche, um  bis  zu  einer  Tiefe  von  2000  Faden  zu  sinken,  auf  etwa  4  Tage  und  4  Stunden, 
während  die  Erhaltungsfähigkeit  der  todten  Salpe  in  Seewasser  eine  vielmal  längere  ist. 


^-  Eniähruug-  der  Tiefseerhizopoden ;   Eiafl.  äusserer  Lebensbed.  171 

Nach  einer  Reihe  von  Erl'ahrungeu  scheint  die  Mcerestiefe  nicht  ohne 
Einfluss  auf  die  Bildungsverhältnisse,  namentlich  die  Grössenentwickeluug 
gewisser  mariner  Rhizopoden  zu  sein.  Im  Allgemeinen  scheinen  z.  B. 
die  vorzugsweise  in  geringerer  Tiefe  einheimischen  und  hier  ihre  reichste 
und  höchste  Entwickelung  erreichenden  Imperforaten  in  grösserer  Tiefe 
zu  verkümmern  und  kleiner  zu  werden.  Auch  fiir  manche  Geschlechter 
der  Perforata  scheint  sich  Achnliches  zu  zeigen.  Etwas  zweifelhaft  muss 
jedoch  his  jetzt  noch  der  nähere  Grund  dieser  Verkümmerung  in  der 
Tiefe  bleiben.  Nach  den  Ergebnissen  der  neueren  Tiefseeforschungen 
hat  es  nämlich  den  Anschein,  als  wenn  diese  Erscheinung  eher  auf  die 
Temperatur-,  als  auf  die  gesteigerten  Druckverbältnisse  in  jenen  grösseren 
Tiefen  zurückführbar  wäre.  Es  haben  sich  nämlich  in  recht  beträchtlichen 
Tiefen  (600  Faden)  sehr  grosse  Exemplare  von  Cornuspira,  Biloculiua 
und  Cristellaria  gefunden,  jedoch  in  wärmeren  Meeren,  so  dass  hieraus 
mit  Carpenter,*)  wie  gesagt,  eher  die  Abnahme  der  Temperatur  als 
wesentlicher  Grund  für  die  erwähnte  Verkümmerung  angenommen  wer- 
den darf. 

Verändernd  wirkt  ferner,  wie  die  directe  Beobachtung  ergeben  hat, 
die  Abnahme  des  Salzgehaltes  auf  die  marinen  Rhizopoden  ein,  und  zwar 
vorzugsweise  auf  die  Öchalenbildung,  der  jedoch  wohl  auch  hauptsächlich 
die  Aufmerksamkeit  zugewendet  wurde.  Die  hierhergehörigen  Ergebnisse 
haben  sich  bei  der  Untersuchung  der  im  Brackwasser  lebenden  Rhizo- 
poden feststellen  lassen  und  sind,  wie  wir  schon  früher  zu  bemerken 
Gelegenheit  hatten,  hauptsächlich  Brady  (89)  und  Siddall  (114)  zu  ver- 
danken. 

Im  Allgemeinen  scheint  sich  aus  denselben  zu  ergeben,  dass  die  kalk- 
schaligen  Formen  mit  der  Abnahme  des  Salzgehaltes  an  Kalkgehalt  der 
Schale  Einbusse  erleiden.  Entweder  zeigt  sich  dies  nur  in  einer  Abnahme 
der  Wandstärke  der  Schalen,  oder  aber  in  völligem  Verluste  kalkiger 
Imprägnation.  Die  Schale  wird  rein  chitinös,  wie  solches  bei  gewissen 
Miliolinen  beachtet  worden  ist.  Auch  gewisse  sandschalige  Formen,  wie 
Trochammina  inflata  Mutg.,  sollen  unter  diesen  Verhältnissen  das  kalkige 
Schalencement  mehr  und  mehr  verlieren,  womit  gleichzeitig  auch  die  In- 
crustirung  durch  Fremdkörper  sich  vermindert,  so  dass  auch  hier  schhess- 
lich  die  Schale  völlig  chitinös  werden  soll. 

Von  beiden  englischen  Forschern  wird  ferner  noch  angeführt,  dass 
zuweilen  bei  den  Brackwasserformen  eine  grüne  Färbung  des  Thierleibes 
durch  Chlorophyll  zu  bemerken  sei,  eine  Erscheinung,  die  wohl  wahr- 
scheinlicher chlorophyllhaltiger  Nahrung,  als  endogener  Erzeugung  von 
Chlorophyll  zuzuschreiben  sein  dürfte. 

Schon  früher**)  haben  wir  der  Versuche  Wallich's  gedacht,  bei  den 
Difflugien   auch   die   allgemeinen  Gestaltungsverhältnisse  der  Schalen  von 


=*)  A.  m.  n.  h.  4.  IX.  p.  287. 
**)  S.  pag.  130. 


172  Ehizopoda. 

äusseren   Bediugiiagen  herzuleiten   und   uns    schon  gegen  die  Durchführ- 
bariceit  dieses  Versuclies  erklärt. 


8.  System  der  Rhizopoda. 

a.     Historische    Entwickeluug. 

Bekanntlich  herrschten  bis  zu  Dujardin's  bahnbrechenden  Unter- 
suchungen von  1835  und  1841  gänzlich  verfehlte  Vorstellungen  über  die 
Natur  und  daher  auch  die  Verwandtschaftsverhältnisse  der  marinen 
Rhizopoden ,  so  dass  wir  erst  von  dieser  Zeit  an  die  Aufstellung 
eines  natürlichen  Systemes  der  hierhergehörigen  Organismen  erwarten 
dürfen.  Was  zunächst  die  Ordnung  als  solche  betrifft,  so  hat,  wie  gesagt, 
erst  Dujardin  die  Zusammengehörigkeit  der  Süsswasser-  und  Meeresformen 
erkannt  und  sie  in  seinem  System  von  1841  (35)  in  zwei  Familien  direct 
neben  einander  unter  seine  II.  Ordnung  der  Infusoires  non  symetriques 
ou  asymetriques,  die  unseren  Sarkodina  entspricht,  gestellt.  Diebeiden 
Familien  der  Amibiens  und  Khizopodes  sind  in  einem  besonderen 
Paragraphen  im  Gegensatz  zu  dem  damals  einzig  bekannten  Genus  Ac- 
tinophrys  der  Heliozoa  vereinigt  (wozu  jedoch  unrichtiger  Weise  auch  noch 
die  Acineten  gesellt  wurden).  1848*)  vereinigte  v.  Siebold  jedoch  die 
beiden  Dujardin'schen  Familien  zu  einer  Klasse  der  Rhizopoda,  unter 
welchen  er  wohl  auch  die  damals  bekannten  Heliozoen  einbegriff. 
M.  Schultze  (53)  fasste  seine  Rhizopoda  in  dem  Sinne,  wie  wir  dies  in 
diesem  Buche  festgehalten  haben,  obgleich  er  hierzu  einmal  durch  die 
Nichtkenntniss  der  Radiolaria,  andererseits  durch  Zweifel  an  der  Selbst- 
ständigkeit der  Actinophryen  bestimmt  wurde.  Späterhin,  nach  genauerer 
Bekanntschaft  mit  den  Radiolarien  durch  die  Untersuchungen  Job.  Müller's, 
wurden  auch  diese  letzteren,  sowie  die  Heliozoa,  sehr  allgemein  mit 
unseren  Rhizopoda  zu  einer  Klasse  Rhizopoda  vereinigt,  so  von  J.  Müller,  **) 
Claparede  und  Lachmann  (60),  Häckel, ***)  Carpenter  etc.,  wogegen  wir 
uns  hier  erlaubt  haben ,  die  Bezeichnung  Rhizopoda  mehr  in  dem  alten 
Sinne  Dujardin's  wieder  nur  auf  einen  Theil  der  Pseudopodien  entwickeln- 
den Protozoen  zu  beschränken  und  nur  in  dem  geringfügigen  Umstand 
von  Dujardin  abzuweichen,  dass  wir  die  kleine  Dujardin'sche  Familie  der 
Amöben  gleichfalls  mit  den  Rhizopoden  vereinigen.  Diese  Beschränkung 
der  Bezeichnung  Rhizopoda  kann  um  so  mehr  als  gerechtfertigt  erscheinen, 
als  die  Bedeutung  des  Ausdrucks  im  Ganzen  doch  noch  mehr  für  die  von 
uns  hier  zusammengefasste  Gruppe  als  für  die  Radiolaria  und  gar  Heliozoa 
zutreffend  erscheint. 

Den  häufigen  Versuch,  die  d'Orbiguy'sehe  Bezeichnung  der  marinen 
Rhizopoden  als  Foraminifera,    die  noch  von  der  unrichtigen  Vergleichung 


*)  Lehrbuch  der  vergleichenden  Anatomie  wirbelloser  Thiere  von  Sicbold. 
**)  Abh.  d.  Berl.  Ak.  185S. 
***    MonogT.  d.  Kadiolaria.  1862. 


^  Systemat.  Auffassung  der  Hliizopoda;  Hauptuntergruppen.  173 

dieser  Formen  mit  den  Ceplialopoden  hergenommen  ist,  auf  die  Gesanimt- 
heit  unserer  Rhizopoda  auszudehnen,  halten  wir  für  wenig  nachahmens- 
werth,  da  dieser  Name,  abgesehen  von  seiner  ursprüiigliehen  Vcriehltheit, 
für  eine  ganz  ansehnliche  Reihe  von  Formen  in  keiner  Weise  irgend  eine 
Bedeutung  besitzen  kann. 

Nachdem  wir  uns  so  über  die  Ordnung  als  solche  orientirt  haben, 
fragt  es  sich,  wie  dieselbe  in  grössere  Untergruppen  oder  Unterordnungen 
zerlegt  wurde  und  auch  hierfür  finden  wir  die  ersten  Andeutungen,  denen 
wir  noch  heute  folgen,  bei  Dujardin.  Es  sind  die  beiden  Familien 
Dujardin's,  die  wir  zu  unserer  „Rhizopoda''  zusammenziehen,  nämlich  die 
Amibiens  und  die  eigentlichen  beschälten  Rhizopoden,  welche  auch  wir, 
zunächst  aus  mehr  praktischen  wie  zwingenden,  natürlichen  Gründen,  in 
gleicher  Weise  unterscheiden.  Aehnlich  hat  auch  schon  M.  Schnitze  seine 
Rhizopoda  in  2  Unterabtheilungen,  nämlich  Nuda  und  Testacea,  zerfällt. 
Dieselben  beiden  Abtheilungen  treten  uns  auch  späterhin  v^^ieder  in  dem 
System  von  R.  Hertwig  als  Unterabtheilungen  der  Rhizopoda  (im  weiteren 
Sinne)  entgegen,  nur  hat  Hertwig  die  Testacea  Schultze's  in  Thalamophora 
umgewandelt.  *) 

Häufig  wurde  der  Versuch  gemacht,  die  mit  contractilen  Vacuolen 
und  nach  den  früheren  Untersuchungen  auch  allein  mit  Kernen  versehenen 
Süsswasserrhizopoden  schärfer  von  den  marinen  Formen  zu  scheiden;  so 
hat  schon  Job.  Müller  1858  die  Ersteren  (einschliesslich  Actinophrys)  als 
Infusoria  rhizopoda  sämmtlichen  übrigen  Rhizopoda  (seinen  Rhizopoda 
genuina)  gegenübergestellt;  auch  Claparede  fasste  diese  Süsswasserfornien 
als  Ordn.  Froteina  seiner  Rhizopoda  (=  Sarkodina)  zusammen,  erhob  aber 
gleichzeitig  auch  die  Gromida  neben  den  übrigen  marinen  Formen  (seinen 
Foraminifera)  zu  einer  besonderen  Ordnung.  Bei  Stein  (und  Reuss)**) 
treten  die  Claparede'schen  Rhizopoda  proteina  neben  den  Foraminifera 
d'Orb.  als  die  beiden  Ordnungen  unserer  Rhizopoda  gleichfalls  auf,  wäh- 
rend Häckel  1862  diese  Proteina  als  Rhizopoda  sphygmica  (mit  contractiler 
Blase)  von  den  Rhizopoda  asphycta  (ohne  solche  Blase)  unterschied. 

Ein  anderes  Eintheilungsprincip  ist  von  Carpenter  1862  (74)  geltend 
gemacht  worden.  Er  zerlegt  unsere  Rhizopoda  nach  der  Beschaffenheit 
ihrer  Pseudopodien  in  die  beiden  Abtheilungen  der  Lobosa  und  Reticularia. 
Auch  F.  E.  Schulze  (101.  VI.)  adoptirt  diese  Untertheilung,  die  überhaupt 
viel  Anklang  gefunden  hat.  Wir  haben  schon  früher  mit  Hertwig  und 
Lesser***)  darauf  hingewiesen,  dass  wir  wegen  der  Unmöglichkeit,  eine 
auf  diesem  Princip  beruhende  Scheidung  mit  einiger  Schärfe  durchzu- 
führen, der  Eiutheilung  in  Amoebina  (oder  Nuda)  und  Testacea  (oder 
Thalamophora)  den  Vorzug  geben,  wenn  wir  auch  gestehen  müssen, 
dass   diese   Eintheilung  ebensowohl   auf  Schwierigkeiten   stösst,   wie   die 


*)  Vergl.  Jenaisclic  Zeitschr.  X.  und  Organismus  der  Kadiolarien.  1879. 
**)  (65). 
***)  S.  (99). 


J74  Rhizopoda. 

erstere.  Wir  verlassen  hiermit  die  Betrachtung  des  Entwickelungsganges 
der  systematischen  Bestrebungen  auf  dem  Gebiet  der  Rhizopoda  und 
werden  dieselbe  späterhin  bei  der  Cbarakterisirung  der  Untergruppen 
noch  weiter  fortzusetzen  haben. 

Es  bleibt  uns  jedoch  noch  eine  wichtige,  allgemein  systematische 
Frage  zur  Erörterung  übrig,  nämlich  die  nach  dem  Umfang  und  der  Cou- 
stanz  des  Artbegriffes  im  Bereich  der  Rhizopoda.  Aus  den  Erfahrungen 
zahlreicher  Erforscher  der  verschiedenen  Abtheilungen  der  Protozoenwelt, 
scheint  im  Allgemeinen  hervorzugehen ,  dass  die  Beständigkeit  der  Art- 
charaktere auf  dieser  niedersten  Stufe  thierischen  Lebens  nicht  viel  ge- 
ringer ist,  als  bei  den  höheren  Gruppen.  Es  hat  sich  dies  speciell  auch 
durch  die  älteren  und  neueren,  recht  zahlreichen  Erfahrungen  über  die 
Rhizopodenfauna  des  süssen  Wassers  bewährt.  Hier  erkennen  die  meisten 
Forscher  eine  ziemliche  Beständigkeit  der  Artcharaktere  und  hiermit  die 
Möglichkeit,  Arten  überhaupt  mit  einiger  Schärfe  zu  unterscheiden,  an. 
Sehen  wir  ab  von  so  proteischen  und  in  keiner  Weise  ausreichend  stu- 
dirten  Formen  wie  die  Amöben,  so  bleibt  uns  nur  ein  Süsswassergenus, 
wo  ähnlich,  wie  dies  durch  Parker,  Jones  und  Carpenter  für  die  marinen 
Formen  festgehalten  wird,  eine  Unterscheidung  von  scharfbegrenzten 
Arten  überhaupt  nicht  möglich  sein  soll,  nämlich  bei  Difflugia  nach  den 
Untersuchungen  von  Wallich.*)  Dieser  Forscher  will  nicht  nur  die  eigent- 
lichen Difflugien,  sondern  auch  die  Angehörigen  der  Gattungen  Quadrula 
und  Arcella  sämmtlich  zu  einer  Art  gerechnet  wissen,  da  alle  die  ver- 
schiedenen Formen  durch  Uebergäuge  aufs  innigste  mit  einander  verknüpft 
seien.  So  wenig  nun  auch  die  grosse  Variabilität  in  der  eigentlichen 
Gattung  Difflugia  geleugnet  werden  kann,  wie  dies  auch  schon  Lachmann**) 
hervorhob,  so  kann  man  doch  nur  mit  Archer***)  die  Ansichten  von 
Wallich  für  viel  zu  weit  gehend  erachten,  ja  es  dürften  sich  in  der  Gat- 
tung Difflugia  selbst  doch  wohl  noch  einigermaassen  fixirte  Arten  unter- 
scheiden lassen.  Wie  schon  gesagt,  ist  jedoch  die  Lehre  von  der  Un- 
möglichkeit der  Artunterscheidung  in  dem  gewöhnlichen  Sinne  zuerst 
durch  Parker,  Jones  und  Carpenter  für  die  marinen  Rhizopoden  geltend 
gemacht  worden  (73).  Nach  den  sehr  ausgedehnten  Erfahrungen  dieser 
Forscher  ist  die  Unterscheidung  distincter  Arten  eine  völlige  Unmöglich- 
keit, wenigstens  in  dem  Sinne,  in  welchem  der  Artbegrifif  bei  höheren 
Abtheilungen  gewöhnlich  aufgefasst  wird.  Die  einzig  mögliche  Art  der 
systematischen  Gruppirung  der  so  variablen  marinen  Formen  sei  die  Zu- 
sammenfassung und  Aneinanderreihung  der  um  eine  besonders  aus- 
gesprochene Form  sich  gruppirenden  mehr  oder  minder  abweichenden 
Gestalten  zu  einer  generischen  Abtheilung,  in  welcher  dann  z.  Th.  noch 
eine  Anzahl   von  Subgenera   zu   unterscheiden  sein  dürften.     Handelte  es 


*)  A.  m.  n.  h.  3.  XITI. 
**)  Verli.  d.  nat.-hist.  Vereins  d.  joreuss.  Rhein!.  XVI. 
***)  Qu.  journ.  micr.  sc.  VI.  p.   185. 


Artbegriir  bei  Rhizopoda.  175 

sich  um  eine  thatsäcliliche  Feststellung  der  mit  den  Species  höherer  Ab- 
theiluugen  zu  vergleichenden  Forrareiheu  der  marinen  Khizopodeu,  so 
seien  dies  jene  generischen  Abtheiluugen,  jedoch  nicht  die  von  früheren 
Autoren  beschriebenen  Arten,  noch  die  auch  noch  weiterhin,  aus  praktischen 
Gründen,  mit  binomischen  Bezeichnungen  belegten,  specielleren,  schwanken- 
den Formen,  sondern  es  hätten  diese  letzteren  höchstens  den  Werth  von 
Varietäten.  Wie  schon  hieraus  hervorgeht,  konnten  die  genannten  eng- 
lischen Forscher  doch  nicht  vermeiden,  aus  mehr  praktischen  Gründen 
ihre  umfassenden,  sogen,  generischen  Abtheilungen  in  eine  grosse  Anzahl 
von  sogen.  Arten  und  häufig  auch  Subgenera  zu  zerlegen. 

Auf  dem  Coutinent,  wo  namentlich  von  Seiten  der  Paläontologen  das 
Studium  der  fossilen  Schalenreste  der  Rhizopoda  mit  grossem  Eifer  be- 
trieben wurde,  hat  sich  diese  Auffassung  der  englischen  Forscher  niemals 
rechten  Beifall  erworben,  sondern  dieselben  haben  (wie  Keuss,  Gümbel, 
Schwager  und  Andere)  an  der  früheren  Auffassung  und  Unterscheidung 
der  Arten  festgehalten. 

Es  ist  nicht  zu  leugnen,  dass  durch  diese  Verschiedenheit  der  Auf- 
fassungen die  systematische  Bearbeitung  der  marinen  und  fossilen  Rhizo- 
poden  eine  z.  Th.  sehr  verwirrte  geworden  ist,  so  dass  von  dem  einen 
Forscher  eine  Formreihe  mit  der  binomischen  Bezeichnung  der  Art  ver- 
sehen wird,  die  von  Anderen  kaum  als  Varietät  betrachtet  wird,  oder 
von  denselben  Forschern  heute  Varietäten  zu  Arten  gemacht  werden,  die 
ein  anderes  Mal  wieder  eingezogen  werden.  Auch  die  Anwendung  der 
sogen,  subgenerischen  Bezeichnungen  wird  sehr  frei  gehandhabt,  so  dass, 
wie  bemerkt,  die  Verwirrung  der  Synonymik  und  die  Unsicherheit  der 
Feststellung  der  sogen.  Arten  auf  unserem  Gebiet  wohl  einen  so  hohen 
Grad  erreicht  hat,  wie  es  kaum  in  einer  anderen  Abtheilung  der  Thier- 
welt  der  Fall  sein  dürfte.  Dass  unter  solchen  Bedingungen  Aufgaben, 
wie  die  Ermittelung  der  geographischen  Verbreitung  oder  der  paläonto- 
logischen Entwickelung  auf  bis  jetzt  kaum  zu  bewältigende  Hindernisse 
stossen  müssen,  dürfte  ohne  weitere  Auseinandersetzungen  genügend 
erhellen. 

Bevor  wir  zu  der  speciellen  systematischen  Betrachtung  der  Rhizo- 
poden  übergehen,  möge  hier  noch  mit  wenigen  Worten  die  Mannigfaltig- 
keit der  Ausbildung  dieser  Gruppe  durch  einige  Zahlenangaben  etwas 
näher  erläutert  werden.  Nach  den  von  mir  gefertigten  Zusammenstellungen 
erhebt  sich  die  Zahl  der  bis  jetzt  mit  hinreichender  Sicherheit  unterschie- 
denen lebenden  Arten  (die  Art  in  dem  oben  näher  erläuterten  Sinne  auf- 
gefasst)  auf  ca.  650 — 700.  Die  Vertheilung  derselben  auf  Süsswasser  und 
Meer  ergibt  sich  folgendermaassen :  ca.  100  Arten  gehören  dem  Süsswasser 
oder  überhaupt  dem  Festlande  an,  während  auf  die  Meeresfauna  ca.  550 
bis  600  Arten   zu  rechnen   sind.  *)    Ich  habe  mich  bei  dieser  Zusammen- 

*)  Die  Zahl  der  zu  den  einzelnen  systematischen  Abtheilungen  gehörigen  Arten  ergibt 
sich  dem  Leser  leicht  aus  den  für  die  einzelnen  Gattungen ,  soweit  es  möglich  war,  namhaft 
gemachten  Artzahlen. 


176  Rhizopoda. 

Stellung  auf  die  lebenden  Arten  beschränkt,  weil  dieselben  unser  Interesse 
hier  zunächst  in  Anspruch  nehmen  und  weil  eine  entsprechende,  einiger- 
maassen  kritische  Sichtung  der  ausgestorbenen  Formen  bei  dem  oben  er- 
wähnten Stand  der  Dinge  Schwierigkeiten  bereiten  würde,  die  in  keinem 
Verhältniss  zu  dem  zu  erzielenden,  ohne  Zweifel  doch  sehr  problematischen 
Resultate  stünden. 

ß.    üebersicht  des  Systemes   der   Rhizopoda  mit   kurzer   Charakteristik  der 
Abtheilungen  bis  zu  den  Gattungen  hinab. 

Ordnung  Rhizopoda,  Dujard.  (1835)  1841,  emmend.  Bütschli, 

Ehizopodes  -\-  Amibiens  Duj.  1841,  Rhizopoda  v.  Siebold  1848,  Rhizopoda  M.  Schultze 
1854,  Infusoria  rhizopoda  -[-  Polythalauiia  Joh.  Muller  1858,  Proteina  pr.  p.  +  Gromida  -j- 
Foramiuifera  Claparede  1858;  Stein  (Reuss)  Rhizopoda  proteina  -f-  Foraminifcra  1S61 ;  Amoe- 
bidae  +  Acyttaria  Häckel  1862;  Lobosa  +  Reticularia  Carp.  1862;  Moneres  jjr.  p.  -\-  Laby- 
rinthulea  (?)  +  Protoplasta  ( —  Grcgarina)  +  Acyttaria  Häckel  1868;  Sarkodina  ( — Heliozoa) 
Hartwig  u.  Lesser  1874;  Lobosa  -\-  Reticularia  -\-  Rhizopoda  innucleata  pr.  p.  F.  E.  Schulze 
1877;  Moneres  pr.  p.  -{-  Amoebina  -f-  Thalamophora  R.  Hertwig  1879. 

I.  Unterordnung  Amoebaea,  Ehrbg.  1830. 

Amoebina  Duj.  1841  ,  v.  Siebold  1848,  Nuda  M.  Schultze  1854,  Infusoria  rhizopoda 
Joh.  Müller  1858,  Amoebina  pr.  p.  Claparöde  1858;  Gymnica  pr.  p.  Stein  1861,  Amoebidae 
pr.  p.  Häckel  1862,  Amoebina  ^v.  p.  Carpenter  1862,  Gymnomoneres  pr.  p.  +  Gymnamoeba 
pr.  p.  Häckel  1866;  Rhizopoda  innucleata  pr.  p.  +  Amoebidae  F.  E.  Schuize  1877;  Gymno- 
moneres 4"  Gymnamoebae  Hertwig  1879. 

Char.  Nackte  Rhizopoda  von  meist  unbeständig  wechselnder  Gestalt, 
mit  Pseudopodien  von  loboser  oder  reticulärer,  selten  hingegen  mehr 
strahlenartiger  Bildung.     Mit  oder  ohne  Kerne  und  contractilen  Vacuolen, 

1.  Familie.     Amoebaea  lobosa. 

Char.  Pseudopodien  von  loboser  Gestaltung  oder  doch  ohne  Netz- 
bildung. (Die  Scheidung  dieser  Formen  von  der  folgenden  Familie  mit 
reticulaten  Pseudopodien  wird  sich  ebensowenig  durchführen  lassen,  als 
solches  bei  den  beschälten  Formen  der  Fall  ist,  dennoch  glaube  ich  diese 
Sonderung  einer  etwaigen  Theilung  in  Nucleata  und  Innucleata  vorziehen 
zu  sollen.) 

Protamoeba,  Häckel  1866  (84);  Maggi  (R.  Istit.  Lomb.  Rendic.  X.), 
Mereschkowsky  (118). 

Lobose,  kleine  Amöben  ohne  Kern  und  contractile  Vacuolen.  Fort- 
pflanzung angeblich  nur  durch  Zweitheilung  im  beweglichen  Zustand. 
Süsswasser  und  Meer.     Zahl  der  unterschiedeneu  Arten  ca.  4—6. 

Gloidium,  Sorokin  1878  (Morph.  Jahrb.  IV.). 

Unterschieden  von  Protamoeba  durch  Besitz  von  contractiler  Vacuole 
und  die  Fortpflanzung  durch  simultane  Viertheilung  im  beweglichen 
Zustand.     Encystirung  ohne  Vermehrung  beobachtet.    Süsswasser.    1  Art. 

Amoeba,  Aut.  (emmend.  Bütschli)  (IL  1 — 5);  Auerbach,  Z,  f.  w.  Z. 
VII.;  Wallich,   A.  m.  n.  h.  3.  XI.  XII.;  Carter,   ibid.  XII.;   Greeff,  Arch. 


System.  177 

f.  mikr.  A.  II.;  Leidy,  Proc.  Ac.  Philad.  1874,  77;  Frommentel,  Etud.  sur 
les  microzoaires  etc.  Paris  1874;  Mereschkowsky  (118). 

Synon.  Proteus  Kösel  und  0.  F.  Müller  pr.  p.,  Corycia  Dujard.  ('?),  Trichamoeba 
Frommentel  pr.  p.,  Oouramoeba  Leidy  pr.  p.,  Lithamoeba  R.  Lankester  (Qu.  journ. 
micr.  sc.  1S79). 

'Kernhaltig;  stumpf  lobose,  selten  etwas  verästelte  oder  spitzige  und 
zerschlitzte  Pseudopodien.  Zuweilen  auch  ohne  eigentliche  Pseudopodien- 
entwickelung  sich  fliessend  bewegend.  Contractile  Vacuolen  vorhanden. 
Fortpflanzung  durch  Zweitb eilung  im  beweglichen  Zustand.  Encystirung 
bis  jetzt  ohne  Vermehrung  beobachtet.  Süsswasser  und  Meer.  Zahl  der 
unterschiedenen  Arten  sehr  beträchtlich,  von  denen  jedoch  höchstens  etwa 
ein  Dutzend  einigermaassen  wohl  charakterisirt  erscheinen. 

?  Chaeto Proteus,  Stein  1857  (Sitz.-B.  d.  k.  böhm.  Ak.  X.). 

Synon.  Dinauioeba  Leidy  (Proc.  acad.  Phil.  1874,  77). 

Von  Amoeba  durch  Besatz  der  Leibesoberfläche  und  der  Pseudopodien 
mit  kurzen,  stachelartigen  Fortsätzen  unterschieden.  Süsswasser.  1  oder 
2  Arten.     (Fraglich,  ob  von  Amoeba  zu  trennen.) 

Hyalodiscus,  Hertwig  und  Lesser  1874  (99). 

Synon.  Amoeba  (Guttula)  Duj.  und  Auerbach. 

Scheibenförmig,  ohne  Entwickelung  eigentlicher  Pseudopodien  sich 
fliessend  bewegend  mit  Erhaltung  der  Gestalt.  Kern  und  contractile 
Vacuolen  (ob  immer?)  vorhanden.     Süsswasser.     1—2  Arten. 

Plakopus,  F.  E.  Schulze  1875  (101)  (II.  14). 

Synon.  Hyalodiscus  Mereschkowsky  (118). 

Statt  der  gewöhnlichen  Pseudopodien  Entwickelung  schwimmhaut- 
artiger Plattenfortsätze,  die  sich  allseitig  erheben  können  und  in  geraden 
Kanten  zusammenstossen.  Zuweilen  jedoch  auch  in  hyalodiscusartigen 
Zustand  übergehend.  Kern  und  contractile  Vacuolen  vorhanden.  Süss- 
wasser.    2  Arten. 

Dactylosphaera,  Hertw.  u.  Lesser  1874  (99)  (L  10—12). 

Synon.  Amoeba  (radiosa,  Perty,  Auerbach  etc.:  polypodia  M.  Schnitze, 
F.  E.  Scliulze). 

Finger-  oder  strahlenartige  Pseudopodien  allseitig  radienartig  vom 
rundlichen  Körper  ausstrahlend  und  zuweilen  schwach  geisselartig  beweg- 
lich. Nach  Einziehung  der  langen  Pseudopodien  zuweilen  durch  kurze, 
bruchsackartige  sich  bewegend.     Süsswasser.     Artzahl  ca.  2—3. 

?  Podostoma,  Clap.  u.  Lachm.  1858;  Bütschli  (Z.  f.  w.  Z.  XXX.); 
Maggi  (Rendic.  R.  Ist.  Lomb.  2.  IX.) ;  Cattaneo  (Atti  soc.  ital.  d.  sc.  n.  XXL). 

Sehr  ähnlich  Dactylosphaera  (speciell  D.  radiosa);  jedoch  die  zeit- 
weise entwickelten,  strahlenartigen,  langen  Pseudopodien  heftiger,  geisseln- 
der  Bewegung  fähig;  sie  dienen  zur  Nahrungsaufnahme.  1  Art.  Süss- 
wasser.    (Fraglich,  ob  von  Dactylosphaera  zu  trennen.) 

Pelomyxa,  Greeff  1874  (Arch.  f.  mikr.  A.  X.)  (IL  6). 

Synon.  Pelobius  GreefF187Ü.  Vergl.  Archer  (Qu.jourii.  m.  sc.  1S71),  F.  E.  Scliulze 
(101,  IV.). 
Bronn,  Klassen  des  Thier-Eeichs.    Protozoa.  12 


178  Eliizopoda. 

Aiiiübenaitig-,  sebr  gross  (bis  2  Mm.  Durcbmesser);  BewegUDg  durch 
brucbsackartige ,  stumpfe  Fortsätze.  Sehr  grosse  Zahl  von  Kernen  und 
sogen.  Glanzkörpern,  sowie  gewöhnlich  kleine,  Stäbchen-  oder  bacterien- 
artige  Körperchen  einschliesseud.     1  Art.     Süsswasser. 

Amphizonella,  Greeff  1866  (Arch.  f.  mikr.  A.  IL)  (II.  7). 

Synon.    ?  Amoeba  (Auerbachii)  Laclim.   (Verh.  nat.-h.  Vereins  pr.  Rheinl.  XVI.). 

Amöbenartig,  mit  ziemlich  dicker,  gallertartiger  Hülle,  die  von  den 
hyalinen,  kurzen,  fingerartigen  Pseudopodien  durchbrochen  wird.  Feuchte 
Erde,  Süsswasser  (?).     2  Arten  etwa. 

2.  Familie.     Amoebaea  reticulosa,  Btschli. 

Mit  netzbildenden ,  meist  allseitig  vom  Körper  entspringenden 
Pseudopodien.  (Die  Beziehungen  dieser  Formen ,  namentlich  der  Pro- 
tomyxa,  scheinen  nach  den  Myxomyceten  hinzuweisen,  so  dass  ihre 
Hierherstellung  bis  jetzt  keineswegs  als  völlig  gesichert  betrachtet 
werden  darf.) 

Gymnophrys,  Cienk.  1876  (104  a). 

Kleiner,  ovaler  bis  unregelmässiger  Protoplasmakörper,  farblos,  ohne 
Kerne  und  contractile  Vacuolen.  Pseudopodiennetze  von  wenigen,  an 
beliebigen  Stellen  der  Körperoberfläche  sich  entwickelnden,  ziemlicli  an- 
sehnlichen Stämmen  entspringend.     1  Art.     Marin  und  Süsswasser. 

Boderia,  Str.  Wright  1867  (Journ.  Anat.  a.  Phys.  I.). 

Ziemlich  ansehnlicher,  nackter  (?)  *)  veränderlicher  Protoplasmakörper, 
mit  1  bis  zahlreichen  Nuclei  und  mehr  oder  weniger  zahlreichen,  Netze 
bildenden,  sehr  langen  Pseudopodien,  ähnlich  Gymnophrys.  (Abgesehen 
von  der  Anwesenheit  der  Kerne,  scheint  sich  diese  Form  sehr  nahe  an 
die  vorhergehende  anzuschliessen.)     1  Art.     Marin. 

Protomyxa,  Häckel  1868  (84)  (I.  1). 

Unregelmässiger,  kernloser,  bis  1  Mm.  im  Durchmesser  erreichender 
Protoplasmaklumpen,  von  dem  zahlreiche  dicke,  vielfach  baumförmig  ver- 
ästelte und  anastomosirende  Pseudopodien  ausgehen.  Fortpflanzung  durch 
Encystirung  und  Zoosporeubildung.     1  Art.    Marin. 

Myxodyctium,  Häckel  1868  (84). 

Zahlreiche,  Protomyxa  ähnliche,  kernlose  Einzelindividuen  zu  Kolo- 
nien durch  Anastomosirung  ihrer  Pseudopodien  vereinigt.  Fortpflanzung  ? 
(Kenntniss  bis  jetzt  sehr  mangelhaft).    1  Art.     Marin. 

Protogenes,  Häckel  1864  (Z.  f.  w.  Z.  XXVI.). 

Kugeliger,  bis  unregelmässig  scheibenförmig  ausgebreiteter,  kernloser 
Protoplasmakörper  mit  sehr  zahlreichen  feinen,  verästelten  und  anastomosi- 
renden  Pseudopodien.  Fortpflanzung  soll  nur  durch  Zweitheilung  geschehen, 
jedoch  Kenntniss  des  Organismus  bis  jetzt  sehr  mangelhaft.  1  Art.  Marin. 


*)  Wright  schreibt  zwar  seiner  Boderia    eine  „sehr   zarte,    farblose,    membranartige 
Hülle"   zu ,  jedoch  scheint  mir  die  Anwesenheit  einer  solchen  sehr  unwahrscheinlich ,   auch 


zeigen  die  Abbildungen  nichts  davon. 


System,  179 


All  hang  zu  der  Unterordnung-  der  Anioebaea. 

Batbybius,  Huxley  (Quart,  joiirn.  micr.  sc.  VIIL);  Häckel  (84); 
Gümbel  (Neues  Jahrb.  f.  Mineralogie  1870);  W.  Thomson  (Tlie  depth  of 
the  sea,  2.  ed.  1874);  Bessels  (Protobathybius),  Jenaische  Zeitschrift 
Bd.  IX. ;  American  naturalist  T.  IX. ;  Die  amerik.  Nordpolexpeditiou. 
Leipz.  1879,  p.  320—21;  Wallich,  Ann.  mag.  nat.  h.  4.  ser.  Vol.  II. 
u.  VI.;  Häckel,  Kosmos  Bd.  I. ;  W.  Thomson,  Proc.  roy.  soc.  Bd.  23. 

Problematischer,  sehr  einlacher  protoplasmatischer  Organismus,  ohne 
Kerne  und  Vacuolen,  der  in  ausgedehnten  Massen,  gewissermaassen 
Schleimnetze  bildend,  den  Grund  des  Meeres,  hauptsächlich  in  den  hoch- 
nordischen Regionen,  bedecken  soll. 

Die  ursprünglich  dem  Bathybiusschlamm  als  eigenthümliche  Inhalts- 
körper zugeschriebenen  sogen.  Coccolithen  (Discolithen  und  Cyatho- 
lithen  Huxley)  (I.  2 — 3)  haben  sich  bald  als  in  keiner  Weise  diesem  direct 
angehörig  erwiesen.  Es  sind  übrigens  diese  Coccolithen  schon  viel  früher 
hauptsächlich  durch  Ehrenberg''')  (zuerst  1836)  als  wesentliche  Bestand- 
theile  der  Kreide,  wie  auch  im  Meeresschlamm  nachgewiesen  worden 
(Kreide-Morpholithe,  Krystalloide).  Hierzu  gesellten  sich  dann  1860  die 
von  'Wallich  zuerst**)  beschriebenen  sogen.  Coccosphaeren  (I.  6).  Es 
sind  dies  rundliche  oder  eiförmige,  zellähnliche  Bläschen  von  0,003  bis 
0,032  Mm.  im  Durchmesser,  die  nach  Wallich  von  einer  äusseren,  festen 
Membran  gebildet  werden  sollen,  auf  deren  Innenfläche  mehr  oder  weniger 
zahlreiche  Coccolithen  anhaften  und  gewissermaassen  die  Kugel  aufbauen. 
0.  Schmidt***)  beschrieb  als  weitere  ähnliche  Kalkgebilde  des  Bathybius- 
schlammes  die  sogen.  Rhabdolithen  (I.  4),  kleine  stäbchenförmige  Körper- 
chen, die  z.  Tb.  einem  coccolithenartigen  Scheibchen  aufsitzen. 

Die  neueren  englischen  Untersuchungen  haben  dann  ergeben,  dass 
auch  diese  Rhabdolithen  zu  Rbabdosphaeren  vereinigt  getroffen  werden f) 
(I.  7)  und  dass,  wie  dies  früher  schon  von  Wallich  dargestellt  wurde, 
sowohl  Coccosphaeren  wie  Rbabdosphaeren  ihre  eigentliche  Heimath  an 
der  Oberfläche  der  hohen  See  haben,  wie  es  denn  auch  nach  diesen 
Ergebnissen  wohl  völlig  sicher  erscheint,  dass,  wie  schon  Sorbyft)  und 
Wallich  behaupteten,  die  freien  Coccolithen  und  Rhabdolithen  aus  dem 
Zerfall  der  Cocco-  und  Rhabdosphären  herzuleiten  sind. 

Sehr  fraglich  erscheint  jedoch  noch  immer  die  Natur  dieser  Kalk- 
gebilde.    Die  meisten  Anhänger  zählt  jetzt  wohl  die  von  Carterfff)  und 


*)  Vergl.    hier  M.-B.  d.  Berl.   Akademie   183G,    Abhandl.   der  Berl.   Akademie   1838, 
M.-B.  d.  Berl.  Ak.  1840,  Mikrogeologie  und  Nr.  95. 

**)  A.  m.  n.  b.  3.  VII.  (s.  auch  3.  XI.)   und  Notes  on   the   pres.   of  anim.  life  at  vast 
deapth  etc.  Lond.  1860  u.  schliessl.  A.  m.  n.  h.  -1.  XIX. 
***)  Sitz.-B.  d.  Wien.  Ak.  LXII.  1870. 

f)  Proc.  roy.  soc.  XXV. 
tt)  A.  m.  n.  h.  3.  VIIL 
ttt)  A.  m.  n.  h.  4.  VII. 

12* 


IgO  Rhizopoda. 

iihnlicli  auch  W.  Thomson*)  entwickelte  Ansicht,  dass  die  Coccolithen 
als  einzellige  Kalkalgen  zu  betrachten  seien,  die  Coccosphaeren  hingegen 
als  die  Sporangien  dieser  Algen.  Mir  scheint  jedoch  der  Beweis  für  eine 
solche  Auffassung  bei  weitem  nicht  auch  nur  annähernd  erbracht  zu  sein. 
Dagegen  müssen  wir  hier  darauf  aufmerksam  machen,  dass  Harting  in 
künstlicher  Weise,  nämlich  durch  sehr  langsame  Fällung  von  kohlensaurem 
Kalk,  bei  Gegenwart  von  eiweissartigen,  thierischen  Substanzen,  zahlreiche 
Kalkgebilde  hergestellt  hat  (I.  5),  die  eine  grosse  Aehnlichkeit  mit  den  Cocco- 
lithen besitzen.**)  Hiernach  ist  die  Möglichkeit  nicht  von  der  Hand  zu 
weisen,  dass  es  sich  bezüglich  der  Coccolithen  vielleicht  überhaupt  nicht  um 
im  lebenden  Organismus  erzeugte  Gebilde  oder  gar  selbst  Organismen 
handelt,  sondern  um  natürliche  Kalkconcretionen  bei  Gegenwart  organi- 
scher Stoffe,  eine  Ansicht,  die  von  Ehren berg  stets  vertreten  wurde. 

Was  den  Bathybiusschleim  selbst  betrifft,  so  schien  dessen  Natur 
durch  die  angeblich  von  Carpenter  und  W.  Thomson  constatirte  Proto- 
plasmabewegung desselben  gesichert.***)  Dagegen  ist  nun  jedoch  die 
ganze  Frage  durch  die  neueren  Beobachtungen  von  W.  Thomson  und 
den  übrigen  Zoologen  der  Challengerexpedition  wieder  zu  einer  sehr 
zweifelhaften  geworden.  Es  wollen  sich  nämlich  die  genannten  Forscher 
jetzt  überzeugt  haben,  dass  der  vermeintliche  Bathybiusschleim  nichts 
weiter  sei,  als  durch  Zusatz  starken  Alkohols  aus  dem  Meerwasser  ge- 
fällter feiner  Schlamm  von  schwefelsaurem  Kalk,  der  durch  sein  Ver- 
halten gegen  Färbungsmittel  und  sein  mikroskopisches  Aussehen  eine  Ver- 
wechselung mit  Protoplasma  wohl  möglich  mache.  Huxley  hat  hierauf  seine 
frühere  Ansicht  über  den  Bathybiusschlamm  gleichfalls  zurückgezogen.  Dem 
gegenüber  will  nun  aber  Bessels  während  der  nordamerikanischen  Polar- 
expedition im  Smithsund  (92  Faden  Tiefe)  bathybiusartige  Protoplasma- 
massen aufgefunden  haben,  denen  er  den  Namen  Protobathybius  Robert- 
son! gibt.  Dieselben  bildeten  maschenartige  Netzwerke  mit  prächtiger 
amöboider  Bewegung  und  Körnchenströmung,  nahmen  Karminkörnchen 
auf  und  enthielten  keine  Coccolithen.  Auf  diese  Beobachtungen  von 
Bessels  gestützt,  bekämpft  Häckelf)  die  neuere  Auffassung  Thomson's 
und  kommt  zum  Schluss:  der  Bathybius  sei  wohl  lokal  beschränkt  und 
nur  in  den  nördlichen  Meeren  verbreitet.  Den  Protobathybius  von  Bessels 
hält  er  für  identisch  mit  dem  Bathybius  Häckelii. 

Wenn  nun  auch  wohl  kein  berechtigter  Zweifel  an  der  plasmodium- 
artigen  Natur  des  von  Bessels  beobachteten  Organismus  erhoben  werden 
darf  und  hiernach  die  Existenz  eines  mit  den  früheren  Schilderungen  des 
Bathybius  ziemlich  übereinstimmenden,  rhizopodenartigen  Organismus  am 
Grunde  gewisser  Meere   nicht  in  Abrede  gestellt  werden  darf,   so  ist  da- 


*)  The  depth  of  the  sea.  2.  ed.  1S74. 
**)  Harting,  Rech,  de  morphol.  synthet.  etc,   Naturk.  Verh.  d.  kon.  Akad.  Deel  XIV. 
***)  \V.  Thomson  1.  c. 
f)  Kosmos,  herausgeg.  von  Caspary,  I. 


System.  181 

gegen  bis  jetzt  keine  sichere  Gewähr  vorhanden,  dass  der  ursprünglich 
untersuchte  sogen.  Bathybiusschleim  wirkliche  Protoplasmasscn  enthalten 
habe.  Nach  der  von  Günibel  (s.  oben)  vorgenommenen  Analyse  eines 
solchen  von  Huxley  ihm  übergebencn  Bathybiusschlammes  enthielt  derselbe 
nur  3,05  Vo  organischer  Substanz  (jedoch  auch  bemerkcnswerther  Weise 
gar  keine  Schwefelsäure,  dagegen  20  ^Iq  Kieselsäure). 

II.   Unterordnung.     Testacea,    M.   Schultze   1854.     (Thalamophora, 

R.  Hertwig  1876.) 

In  diese  Unterordnung  stellen  wir,  wie  schon  früher  bemerkt,  sämmt- 
liche  beschälten  Ehizopoden  ohne  Rücksicht  auf  die  ßilduugsverhältnisse  der 
Schale,  also  auch  die  mit  weniger  wohl  ausgebildeter  Hülle  versehenen 
amöbenartigen  Formen,  die  von  R.  Hertwig  nach  dem  Vorgang  Häckel's  als 
Lepamoeba  unter  die  Familie  der  Amoebina  gebracht  werden.  Es  ist  ferner- 
hin schon  mehrfach  hervorgehoben  worden,  dass  auch  eine  scharfe  Trennung 
zwischen  den  unbeschalten  und  beschälten  Formen  nicht  wohl  zu  bewerk- 
stelligen ist,  indem  die  Ausbildung  einer  Schalenhülle  sehr  allmählich  zu 
Stande  kommt  und  daher  eine  Anzahl  Mittelglieder  von  unentschiedener 
oder  doch  bis  jetzt  noch  zweifelhafter  Stellung  sich  finden  müssen.  Wir 
haben  dieselben  hier,  insofern  sie  sich  an  sicher  beschalte  Formen  näher 
anschliessen,  mit  diesen  zusammengestellt. 

Als  eine  natürliche  Gruppe  betrachtet  zu  werden ,  kann  die  grosse 
Abtheilung  der  Testacea  gewiss  nicht  beanspruchen  und  geben  wir  gern 
zu,  dass  dieselbe  wohl  sicher  von  verschiedenen  Punkten  aus  ihren  Ur- 
sprung von  den  Unbeschalten  genommen  haben  wird.  Die  grossen 
Schwierigkeiten  jedoch,  welche  sich  der  Begründung  wahrer  verwandt- 
schaftlicher Zusammenhänge,  bei  der  geringen  Zahl  und  der  Wandelbarkeit 
der  verfügbaren  Charaktere,  entgegenstellen,  mag  es  rechtfertigen,  dass 
wir  hier  von  einem  Versuch,  die  Ableitung  der  beschälten  Formen  von 
den  verschiedenen  Typen  der  Unbeschalten  in  der  Classifikation  zum 
Ausdruck  zu  bringen,  vorerst  Abstand  genommen  haben. 

Wir  glauben  am  besten  an  dieser  Stelle  eine  kurze  historische  Ueber- 
sicht  der  von  d'Orbigny  festgehaltenen  Classifikationsprincipien  der  be- 
schälten marinen  Rhizopoden  mittheilen  zu  sollen,  denn  nur  solche  bilden 
in  den  zahlreichen  Werken  dieses  Beobachters  der  Gegenstand  seiner 
Untersuchungen.  Ursprünglich  (22)  hat  er  nur  polythalame  Schalen 
gekannt  und  daher  auch  nur  solche  in  seinem  System  von  1826  berück- 
sichtigt. Die  Basis  seiner  systematischen  Anordnung  bildete  die  Art  des 
Aufbaus  der  polythalamen  Schalen,  die  Gruppirungsweise  der  Kammern; 
so  blieb  von  ihm  der  Unterschied  zwischen  Imperforata  und  Perforata 
völlig  unberücksichtigt,  wie  auch  andererseits  zahlreiche  Formen  auf 
Grund  der  ähnlichen  Zusammengruppiruug  der  Kammern  nebeneinander- 
gestellt wurden,  welche  die  spätere  Forschung  als  zu  verschiedenen  Reihen 
gehörig  erwiesen  hat.     Nachdem  ihm  späterhin  auch  die  einkammerigen 


Ig2  Eliizopoda, 

Formen  bekannt  geworden  waren,  erhob  er  diese  zu  einer  Abtheiliing 
der  Monostegia.  Die  raehrkammerlgen  vertheilte  er  dagegen  in  folgende 
Abtheilungen:  1.  Stichostegia,  mit  in  einer  einzigen,  nicht  spiralen 
Axe  aufgereihten  Kammern,  die  heutigen  Nodosarien  und  Verwandten 
umfassend.  2.  Die  Enallostegia  mit  Kammern,  die  ganz  oder  theil- 
weise  alternirend  nach  zwei  oder  drei  Axen  in  verschiedener  Weise 
zusammengruppirt  sind,  jedoch  ohne  regelmässige  spiralige  Anordnung. 
Hier  finden  wir  hauptsächlich  Textularia  und  Verwandte,  jedoch  auch 
Polymorphina,  Sphaeroidina  etc.  3.  Helicostegia.  Mit  regulär  spiralig, 
schneckenförmiger  Anordnung  der  Kammern  nach  1  oder  2  Axen.  Hierher 
wurden  zunächst  schraubig-spiralige  Formen  zu  einer  Unterabtheilung  der 
Turbinoidea  zusammengestellt,  wie  Uvigerina,  Bulimina,  Valvulina  und  die 
grosse  Reihe  der  Rotalinen ,  während  in  den  Unterabtheilungen  der  Am- 
monoidea  und  Nautiloidea  hauptsächlich  die  symmetrisch  spiraligen  Formen 
Ihren     Platz    fanden,     perforirte    und    imperforirte    bunt    durcheinander. 

4.  Die  Agathistegia  umgreifen  hauptsächlich  die  Milioliuen  und  bedürfen 
"daher  hier  keiner  besonderen  Charakteristik.  Die  Anordnungsverhältnisse 
der  Kammern  dieser  Formen  hat  d'Orbigny  schon  ziemlich  richtig  erkannt. 

5.  Entomostegia  werden  durch  die  Untertheilung  der  Kammern  durch 
Scheidewände  oder  kleine  Röhrchen  in  Unterkämmerchen  charaktcrisirt, 
und  hier  finden  sich  Amphistegina,  Orbiculina,  Heterostegina  neben  Fabu- 
laria  und  Alveolina.  Späterhin  (1852)  errichtete  d'Orbigny  für  die  cyklisch 
wachsenden  Formen  noch  eine  6.  Abtheilung  der  Cyclostegia,  welche 
die  früher  von  ihm  wenig  berücksichtigten  Genera  Orbitolites,  Orbitoides, 
-jedoch  auch  Tinoporus  (=  Orbitolina  d'Orb.)  umfasste. 

A.  Tribus  Imperforata,  Carpenter  1862  (Reuss  1861). 

Char.  Schalenwandungen  solid,  nicht  von  feinen  Poren  perforirt, 
dagegen  mit  1—2  Mündungsöffnungen,  oder  auch,  durch  Unterabtheilung 
der  ursprünglich  einfachen  Mündung,  einer  grösseren  Zahl  kleinerer  poren- 
artiger OeffuuDgen.     Einkammerig  bis  vielkammerig. 

Den  Imperforata  von  Carpenter  sind  hier  auch  die  beschälten  Lobosa 
desselben  eingeordnet,  da  wir,  wie  bemerkt,  die  Trennung  der  Rhizopoda 
in  Lobosa  und  Reticulosa  nicht  festhalten.  Die  schon  von  M.  Schnitze 
1854  versuchte  Eintheilung  der  Testacea  in  Mono-  und  Polythalamia 
halten  wir  mit  Carpenter  für  unnatürlich ;  natürlicher  wird  die  Verwerthung 
dieser  Bezeichnungen  dann,  wenn  man  wie  R.  Hertwig  (1879)  die  Mono- 
thalamia  auf  die  Süsswasserformen  und  die  Gromien  beschränkt;  jedoch 
wird  hierdurch  die  Bezeichnung  Polythalamia  für  die  restircnden  marinen 
Formen  ganz  verwirrend,  da  sich  unter  letzteren  zahlreiche  einkammerige 
finden. 


System.  .  183 

1.   Familie.    Arcellina,   Ebrbg.  1830   und   38   (nicbt  später). 

Arcellina  p.  p.  v.  Siebold  1848 ;  Lageuida  p.  p.  M.  Scbultze  1854 ;  Amoebina 

p.  p.  Clap.  1858;  Arcellina  +  Dif'fliigiua  p.  p.  Stein  1861;  Amoebina  p.  p. 

Carp.  1862;  Lepamoeba  Häckel  1868;  Tbekolobosa  Häckel  1878;  Mono- 

thalamia  monostomata  p.  p.  Hertwig  1879. 

Cbar.  Scbale  einaxig,  kappenförmig  bis  lauggestreckt,  zuweilen 
durcb  etwas  einseitige  Lagerung  der  polaren,  engeren  oder  weiteren  ein- 
fachen Mündung  bilateral.  Pseudopodien  lobos.  Kerne  und  contractile 
Vacuolen  gewöhnlich  vorhanden. 

Cochliopodium,  Hertwig  u.  Lesser  1874;  F.  E.  Schulze  (101,  III.) 
(II.  11). 

Synon.  Amoeba  p.  p.  Auerbach  (Z.  f.  w.  Z.  VII.),  Ampliizonella  (Greeff)  Archer 
(90),  ?  Cyphidium  Ehrbg.  (31). 

Schale  biegsam  und  von  kappenartiger  Gestalt,  dem  Körper  dicht 
aufliegend,  daher  mit  diesem  grosser  Gestaltsveränderiingen  fähig. 
(Structur  erinnert  an  Arcellaschale.)  Schalenöffuung,  aus  der  die  lobosen 
Pseudopodien  bündelartig  hervortreten,  sehr  weit.  Contractile  Vacuolen 
2  bis  mehr.     1  Kern.     Süsswasser.     1 — 2  Arten. 

?Pyxidicula,  Ehrbg.  1838;  Carter  (A.  m.  n.  h.  3.  XIII.) ;  Hertwig 
und  Lesser  (99). 

Synon.    Arcella  p.  p.  Clap.  u.  Lachui.  (60),  ?  Pseudochlamys  (Clap.   u.  Lachm.) 
F.  E.  Schulze  (101,  III.). 

Schale  uhrglasförmig  und  die  weite  untere  Oeffnung  nur  durch 
schmalen  Umschlagssaum  des  Randes  etwas  verengt.  Schaleuoberfläche 
mit  feinen  Höckerchen  bedeckt.  Thierkörper  wie  Arcella.  Süsswasser; 
1  Art.  (Nach  meiner  Ansicht  möglicherweise  nur  Jugendzustand  von 
Arcella,  vergl.  A.  f.  mikr.  A.  X.  und  Bück  Z.  f.  w.  Z.  XXX.) 

?Pseudoclilamys,  Clap.  u.  Lehm.  1858  (60);  Hertwig  u.  Lesser  (99) 
(IL  8). 

Schale  in  Gestalt  und  Farbe  wie  Arcella;  orale,  flache  Wand  jedoch 
sehr  dünn.  Oberseite  mit  arcella-artiger  Gitterzeichnung.  Thierkörper 
wie  Arcella  (gewöhnlich  nur  1  Kern).  1  Art.  Süsswasser.  (Auch  diese 
Form  möchte  ich  für  einen  Jugendzustand  von  Arcella  halten.) 

Arcella,  Ehrbg.  1830;  Perty  (48);  Clap.  u.  Lachm.  (60);  Carter 
(56,  etc.);  Wallich  (A.  m.  n.  h.  3.  XIII.);  Ehrenberg  (95);  Bütschli  (Arch. 
f.  m.  A.  X.);  Leidy  (Pr.  Ac.  Philad.  1876);  Bück  (Z.  f.  w.  Z.  XXX.); 
Cattaneo  (Att.  soc.  it.  d.  sc.  n.  XXI.);  Hertwig  u.  Lesser  (99)  (T.  IL  9). 

Char.  Schale  uhrglasförmig  mit  convexer  Oberseite  und  flacher  Oral- 
scite,  in  deren  Centrum  die  massig  weite,  kreisrunde  Mündung.  Braun. 
Feine,  eigenthümliche  Gitterstructur.  Thierkörper  füllt  die  Schale  nicht 
völlig  aus.  Meist  die  Kerne  und  contractilen  Vacuolen  in  grösserer  Zahl. 
Süsswasser  (auch  feuchter  Sand  und  Moos).  1  sichere  Art,  die  sonst 
noch  beschriebenen  Arten  sind  unsicher. 


184  Ebizopoda. 

Hyalosphenia,  Stein  1857  (Sitz.-B.  d.  k.  böhra.  G.  X.);  F.E.Schulze 
(101,  III.)  (II.  10). 

Synon.  Arcella  (oblonga)  Lachm.  (Verh.  des  ii.-V.  d.  preuss.  Eh.  XVI.),  Catharia 
Leidy  (Proc.  acad.  Philad.   J874.    1875). 

Schale  chitinös,  structurlos.  Gestalt  oval  bis  birnförmig,  mit  ver- 
längerter Hauptaxe,  parallel  dieser  stark  comprimirt.  Mündung  einfach. 
Thierkörper  die  Schale  nicht  völlig  ausfüllend,  difflugienartig.  Süsswasser. 
2—3  Arten.  (Einige  weitere  nordamerikanische  Formen  hat  Leidy,  jedoch 
bis  jetzt  sehr  unvollständig,  beschrieben.) 

Quadrula,  F.  E.  Schulze  1875  (101,  III.)  (II.  12). 

Synon.  DifÜiigia  p.  p.  Wallicli  (A.  m.  n.  h.  3.  XIII.),  Elirenberg  (95). 

Schalengestalt  ähnlich  Hyalosphenia,  jedoch  weniger  comprimirt; 
aus  meist  quadratischen,  glashellen  Plättchen  (Chitin?)  aufgebaut.  Hinter- 
ende der  Schale  zuweilen  bestachelt,  ähnlich  Euglypha.  Thierkörper 
difflugia-artig.  Süsswasser.  Sichere  Arten  2.  (Bei  Ehrenberg  [95]  linden 
sich  jedoch  eine  ziemliche  Anzahl  unsicherer,  wohl  hierhergehöriger 
Schalenformen  beschrieben.) 

Difflugia,  Ledere  1815;  Ehrenberg  (31);  Perty  (48);  Clap.  u. 
Lachm.  (60);  Wallich  (A.  m.  n.  h.  3.  XIII.);  Carter  (A.  m.  n.  h.  3.  XII. 
und  XIII.);  Hertwig  und  Lesser  (99);  Leidy  (Proc.  Ac.  Philad.  1877) 
(IL  1—8). 

Synon.   Arcella  p.  p.  Ehrenlierg  (1)5),  Echinopyxis  Clap.  u.  Lachm.  (60),   Ceutro- 
pyxis  Stein  (Sitz.-B.  d.  k.  böhm.  G.  X.),  Nebela  Leidy  (Pr.  A.  Philad.  1874  u.  76). 

Schale  mit  Fremdkörpern  incrustirt,  die  durch  chitinöses  oder  z.  Th. 
vielleicht  auch  mehr  protoplasmatisches  Bindemittel  verkittet  werden 
(hauptsächlich  Sandkörnchen,  Diatomeenschalen,  seltner  rundliche  bis  ovale 
Scheibchen  oder  cylindrische  Stäbchen  von  zweifelhafter  Herkunft).  Gestalt 
ziemlich  variabel.  Regulär  monaxon,  kugelig  bis  langgestreckt  und  dabei 
das  Hinterende  z.  Th.  in  Spitze  ausgezogen  oder  mit  mehreren  symmetrisch 
oder  asymmetrisch  gestellten,  hornartigen  Fortsätzen  geziert.  Häufig  stark 
comprimirt,  z.  Th.  die  Mündung  jedoch  einseitig  excentrisch  verschoben 
und  dann  Gestaltung  bilateral.  Mündungsrand  zuweilen  etwas  nach  Innen 
oder  Aussen  umgeschlagen,  z.  Th.  auch  eigenthümlich  crenulirt.  Thier- 
körper die  Schale  gewöhnlich  nicht  ganz  erfüllend;  mit  lobosen,  selten 
etwas  zerschlitzten  Pseudopodien.  Vacuolen  und  Kerne  in  sehr  verschie- 
dener Zahl.  Süsswasser.  Zahl  der  Arten  sehr  beträchtlich,  jedoch  schwierig 
festzustellen,  wegen  grosser  Variabilität;  bis  jetzt  mögen  sich  etwa 
IV2  Dutzend  Formtypen  einigermaassen  auseinanderhalten  lassen.  (Eine 
sehr  grosse  Zahl  unsicherer  Arten  wurde  von  Ehrenberg  [95]  beschrieben. 
Zu  einem  besonderen  Geschlecht  Nebela  erhebt  Leidy  diejenigen  Difflu- 
gien,  die  als  Schalenmaterial  die  erwähnten  eigenthümlichen  scheiben- 
förmigen Körperchen  oder  zugleich  Stäbchen  zeigen.  Dieselben  besitzen 
ferner  eine  birnförmige  Gestaltung  und  sind  meist  ziemlich  stark  com- 
primirt. 


System.  185 

Lee  queren  sia,  Schlumbcrger  (Ann.  d.  sc.  nat.  Zool.  3.  III.);  Ehien- 
berg  (M.-B.  d.  B.  A.  1840);  Cohu  (Zeitschr.  f.  w.  Z.  IV.);  Carter  (75); 
Entz  (110);  Mereschkowsky  (118)  (III.  9). 

Synon.  Difflugia  Aut. 

Schalenstrnctur  wie  Difflugia,  jedoch  durch  einseitige  Wendung  der 
Schalenmündung  und  spiraliges  Weiterwachsthum  des  Schalenhalses  etwa 
retortenförmig;  die  einzige  Form  des  Süsswassers,  die  eine  spiralige  Ein- 
rollung aufweist  (höchstens  jedoch  V2  Umgang).     1  Art. 

Anhang  zur  Familie  der  Arcellinen. 

Petalopus,  Cl.  u.  Lehm.  1858  (60)  (IL  13). 

Ovaler,  vorn  abgestutzter  Körper,  angeblich  ohne  Schale.  Pseudo- 
podien nur  vom  abgestutzten  Vorderende  entspringend;  etwas  verästelt 
und  an  den  Enden  plattenförmig  verbreitert.  Nucleus  und  contractile 
Vacuole?  1  Art,  Süsswasser.  (Diese  seither  noch  nicht  wiedergesehene 
Form  habe  ich  vorläufig  hierhergestellt,  da  mir  die  die  Abwesenheit  eines, 
wenn  auch  zarten  Schalenhäutchens  keineswegs  sicher  erwiesen  zu  sein 
scheint.) 

Are  eil  in  a,  du  Plessis  1876.  (Sitz.-B.  d.  phys.  medic.  Soc.  zu 
Erlangen  1876.) 

Zweifelhafte  marine  Form.  Kugelig,  seltener  eiförmig,  bis  zu  Hanf- 
korngrösse.  Dünne  Schale  chitinös  mit  rundlicher  Oefifnung  auf  konischem 
Vorsprung.  Schalenwände  sollen  sehr  fein  porös  (!)  sein,  jeder  Porus 
äusserlich  auf  einem  Wärzchen  der  Schalenoberfläche  münden.  Pseudo- 
podien lobos,  nur  aus  der  Mündungsöffnung  austretend.  Kerne  in  Mehr- 
zahl, sowie  sogen.  Glanzkörper  (ähnlich  Pelomyxa?)  vorhanden. 

2.  Familie.     Euglyphina  Btschli, 

Schale    chitinös    oder    kieselig,  aus    hexagonalen    oder    rundlichen 

Plättchen  aufgebaut.     Monaxon    bis  bilateral.     Pseudopodien    fadenartig 

zugespitzt,    wenig  anastomosirend.  Kern   und  contractile  Vacuolen  vor- 
handen. 

Euglypha,  Duj.  1841;  Carter  (A.  m.  n.  h.  3.  XIL  u.  XV.);  Hertwig 
u.  Lesser  (99);  F.  E.  Schulze  (101,  III.)  (III.  12). 

Synon.  Difflugia  p.  p.  Ehrbg.  (95),  Spheuoderia  Schlumberger  (A.  sc.  n.  Zool.  3.  III.). 

Schale  monaxon,  ellipsoidisch,  bis  beutel-  und  birnförmig;  Mün- 
dung ziemlich  weit.  Kieselige,  kreisförmige  bis  hexagonale  Plättchen 
bauen  in  schiefen  Reihen  die  Schale  auf.  Mündungsrand  gewöhnlich 
zackig.  Häufig  Hinterende  bestachelt  oder  auch  kürzere  Stacheln  über 
die  ganze  Schale  verbreitet.  Pseudopodien  nicht  anastomosirend.  Süss- 
wasser. Ca.  3 — 4  sichere  Arten,  jedoch  finden  sich  bei  Ehrenberg  (95) 
noch  eine  ziemliche  Reihe  unsicherer  Formen  erwähnt. 

Trinema,  Duj.  1836;  Carter  (56);  Hertw.  u.  Lesser  (99);  F.  E. 
Schulze  (101,  ni.). 

Synon.  Difflugia  (enclielys)  Elubg.   (31),  Euglypha   (pleurosoma)   Carter,  Arcella 
p.  p.  Ehrbg    (95)." 


186  Eliizopoda. 

Schaleiistriiclur  und  Thierkörper  wie  Englypha,  dagegen  Mündung 
auf  etwas  abgeplattete  Unterfläclie  gerückt  und  somit  Schale  bilateral. 
Süsswasser.     1  Art. 

Cypboderia,  Schlumb.  1845;  H.  u.  L.  (99);  F.  E.  Seh.  101,  III.) 
(III.  13). 

Synon.     Difflugia  Ehrbg.  p.  p.  (95),  Euglypha  Perty  p.  p.  (43),  Wallicli  p.  j). 

(1.  c.  s.  Diffl.),  Lagyiiis  M.  Schultze  (53). 
Schale    aus    chitinösen    Plättchen    gebildet,    die  jedoch  relativ   viel 
kleiner  sind,   als  bei  den   vorhergehenden   beiden  Geschlechtern.    Gestalt 
etwa  länglich    beutellormig   mit  halsartig  gerader    oder    nach    der  Seite 
gewendeter  Mündung.     Süsswasser  und  Ostsee,     2  Arten. 

Anhang  zur  Familie  der  Euglyphinen. 

Campascus,    Leidy  1877  (Proc.  Ac.  Philad.  1877.  P.  III.). 

Gestalt  der  Schale  und  Bau  des  Protoplasmakörpers  ähnlich  Cypho- 
deria,  Schale  chitinös  mit  Fremdkörpern  incrustirt.  Hinterende  jederseits 
mit  hornartigem  Fortsatz  ähnlich  gewissen  Difflugieu.  1  Art.  Süsswasser. 

2.   Familie.     Gromiina,   Btschli;    Gromidea    Clap.    und  Lachm.   1858; 
Stein  (Reuss)  1861;   dto.  Carp.  p.  p.  1862. 

Mit  chitinöser,  fast  stets  ganz  structurloser  Schale,  von  jnonaxoner 
oder  etwas  bilateraler,  ovaler  Gestaltung  und  ziemlich  verengter  Mün- 
dung. Pseudopodien  meist  reticulos,  stets  jedoch  dünn,  fadenförmig 
und  spitzig.     Kerne  und  contractile  Vacuolen  vorhanden  oder  fehlend. 

Lieberkühnia,  Clap.  u.  L.  1858  (60)  (III.  16). 

Syuon.  Gromia  Cienkowsky  (104a). 

Körper  ovoid,  mit  sehr  zarter,  dicht  anliegender  Hülle  bekleidet; 
Mündung  etwas  hinter  dem  etwas  zugespitzten  Vorderende.  Die  Pseudo- 
podien entspringen  von  einem  Pseudopodienstiel,  der  von  der  Mitte 
der  antioralen  Seite  des  Thierkörpers  seinen  Ursprung  nimmt  und  aus 
der  Mündung  austretend  ein  sehr  reiches  Pseudopodiennetz  entwickelt. 
Contractile  Vacuolen  und   Kerne   vermisst.    Süsswasser.     1  oder  2  Arten. 

Mikrogromia,  R.  Hertw.  1874  (Arch.  f.  mikr.  Anat.  X.  Suppl. 
(III.  15). 

Syuon.  Gromia  Archer  (90),  Cystophrys  Archer  (90). 

Schale  beuteiförmig,  klein,  etwas  bilateral  durch  die  sehr  wenig 
einseitig  verschobene,  etwas  halsartig  ausgezogene  Mündung.  Körper 
die  Schale  nur  z.  Th.  ausfüllend.  Pseudopodien  von  einem  oralen 
Pseudopodienstiel  entspringend.  1  Kern  und  1  contractile  Vacuole.  Häufig 
koloniebildend.     Süsswasser.     2  Arten. 

Platoum,  F.  E.  Seh.  1875  (101,  III.)  (III.  17). 

Synon.  Difflugia  Schneider  (A.  f.  A.  u.  Ph.  1854),  Chlamydophrys  Cienk.  (104a), 
Troglodytes  Gabriel  (Morph.  J.  I.). 

Unterschiede  von  Mikrogromia  sehr  gering.  Schalengestalt  sehr  ähn- 
lich, jedoch  Mündung  etwas  spitziger  ausgezogen,*  terminal  bis  sehr  wenig 


System.  ,.  187 

seitlich  verschoben.  —  Im  Qacrschnitt  elliptisch  bis  rundlich.  Schalen- 
haut etwas  bieg-sam.  Thierkörper  die  Schale  nicht  völlig  erfüllend.  Häufig 
kolouiebildend.  SUsswasser,  feuchte  Erde  und  faulende  Stoffe.  2—3  Arten. 

Plectophrys,  Entz  1877  (110). 

Nur  durch  eine  eigenthümlich  faserige  (oder  vielleicht  eher  etwas 
schuppig  zu  bezeichnende)  Schaleustructur  von  Platoum  unterschieden. 
1  Art.     Salzteich  bei  Klausenburg  (Ungarn). 

Lecythium,  H.  u.  L.  (99)  1874. 

Synoii.  Arcella  p.  p.  Elivbg-.  (31),  Fresenius  (Abh.  d.  Seiickeiib.  Ges.  IL),  Gromia 
Schlumberger  (A.  sc.  n.  Z.  3.  III.),  —  socialis  F.  E.  Scli  (1(J1,  III.),  Phonergates 
Bück  (Z.  f.  w.  Z.  XXX.). 

Schale  in  ihrer  Gestalt  sehr  ähnlich  Mikrogromia,  klein,  jedoch  dem 
Körper  dicht  aufliegend;  ob  biegsam  oder  starr,  wird  verschieden  an- 
gegeben. Contractile  Vacuole  gewöhnlich  nicht,  Kern  vorhanden.  Zuweilen 
Koloniebildung.     Stisswasser.     1  Art. 

Gromia,  Duj.  1835  (26);  M.  Seh.  (53);  F.  E.  Seh.  (101,  III.)  (III.  18, 
IV.  6). 

Synon.  Sphaerula  Dalyell  (The  powers  of  the  creat.),  Plagiophrys  Hertwig  und 
Lesser  (99). 

Gestalt  ei-  bis  kugelförmig;  chitinöse  Schale  dem  Körper  direct  auf- 
liegend und  meist  ziemlich  biegsam,  daher  zuweilen  mit  diesem  die 
Gestalt  etwas  ändernd.  Wanddicke  recht  variabel.  Mündung  terminal. 
Pseudopodien  theils  sehr  fein  reticulös,  körnchenfiihrend,  tbeils  hyalin, 
spitzig  verästelt  und  wenig  anastomosirend.  1  bis  zahlreiche  Kerne.  Con- 
tractile Vacuolen  gewöhnlich  fehlend.  Stisswasser  und  marin.  Ca.  4  Arten. 
(Wenn  es  wirklich  gromia-artige  ßhizopoden  ohne  Schalenhaut  gibt,  wie 
Claparede  und  Lachmann  (60)  für  ihre  Plagiophrys  angaben  und  wie  es 
nach  den  Beobachtungen  von  F.  E.  Schulze  (101,  III.)  gleichfalls  scheint, 
so  dürfte  für  diese  der  Gattungsname  Plagiophrys  zu  reserviren  sein.) 

?  Pamphagus,  Bailey  1853  (Sill.  amer.  journ.  2.  XV.);  Archer 
(Qu.  journ.  micr.  sc.  1871). 

Zweifelhaftes  Geschlecht,  soll  nach  Archer  biruförmigen,  von  sehr 
zarter  Schalenhaut  umschlossenen  Körper  besitzen,  von  dessen  breitem 
Ende  die  langen  verästelten  Pseudopodien  entspringen.  Grosser  Nucleus. 
Stisswasser.     1  Art. 

Pseudodifflugia,  Schlumberger  1845  (III.  14). 

Synon.  Pleurophrys  Clap.  u.  Lachm.  (60),  Kevtw.  u.  L.  (99),  F.  E.  Seh.  (101,  III.), 
Archer  (90). 

Gestalt  und  Bau  des  Weichkörpers  gromia-artig.  Schale  mit  Fremdkör- 
pern difflugia-artig  incrustirt.  Süsswasserund  Brackwasser.  Artzahl  ca.  5 — 6. 

Diaphoropodon,  Archer  1870  (90)  (IV.  1). 

Schale  monaxon,  eiförmig,  aus  lose  vereinigten  Fremdkörpern  (haupts. 
Diatomeen  und  Protococcuszellen)  gebildet.  Pseudopodien  von  zweier- 
lei Art;    einmal  zahlreiche   sehr  lange,   hyaline,   z.   Th.   tannenbauii^/ 

"^   '     *^  '  -    einer 


188  •  EMzopoda. 

verästelte,  aus  der  Mündung  hervortretende  und  dann  fein  haarförmige, 
nicht  retractile,  allseitig  zwischen  den  Schalenpartikeln  vorspringend. 
(Ob  wirklich  Pseudopodien?)  Contractile  Vacuole  vorhanden.  Süsswasser. 
1  Art. 

Anhano:  zur  Familie  der  Gromiina. 

Lecythia,  Wright  1861  (A.  m.  n.  h.  3.  VIII.). 

Mangelhaft  beschriebener,  vielleicht  hierher  gehöriger  Organismus. 
Etwa  zu  vergleichen  einem  auf  langem,  aboralem  Stiel  getragenen  Lecy- 
thium,  aus  dessen  Schalenöffnung  strahlenartig  zahlreiche  feine  Pseudo" 
podien  austreten.     1  Art.     Marin. 

Squamulina,  M.  Seh.  1854  (53). 

Schale  kalkig,  flach  linsenförmig  bis  unregelmässig,  mit  dünner, 
flacher  Seite  festgeheftet.  Auf  Oberseite  excentrisch  gelegene,  massig 
weite,  rundliche  Mündung.  Marin.  1  Art.  Fossil?  (Scheint  mir  ziemlich 
fraglich,  namentlich  im  Hinblick  auf  ihre  eventuellen  Beziehungen  zu  dem 
so  vielgestaltigen  Geschlecht  Nubecularia;  daher  auch  ihre  Stellung  bei 
den  Gromiinen  fraglich.  Von  Carpenter  an  die  Spitze  der  Miliolida 
gestellt.) 

4.   Familie.    Amphistomina   Btschli.  (Monothalamia  amphistomata 

Hertw.  1879). 

Char.  Schale  sehr  zart  bis  dicker,  chitinös  oder  von  Fremdkörpern 
gebildet.  Monaxon,  etwa  citronenförmig  und  an  beiden  Polen  mit  Mün- 
dung versehen.  Pseudopodien  fadenförmig,  spitzig  bis  reticulos.  Nucleus 
vorhanden. 

Diplophrys,  Barker  1868  (Qu.  journ.  micr.  sc.  VII.  p.  232,  VIII. 
p.  123);  Archer  (90);  Greeff  (Arch.  f.  mikr.  A.  XL);  Hertw.  u.  L.  (99); 
F.  E.  Seh.  (101,  III.)  (IV.  2). 

Körper  klein,  nahezu  kugelig  bis  spindelförmig.  Schalenhäutchen 
höchst  zart  (nicht  völlig  sicher).  Mehrere  contractile  Vacuolen  und  1  oder 
mehrere  gelbe  bis  orangerothe  Fettkörper.  Süsswasser  und  Mist.  2  Arten. 

Ditrema,  Archer  1876  (Qu.  journ.  micr.  sc.  XVI.). 

Schale  hyalin,  gelblich,  ziemlich  dick  und  starr.  Mündungsränder 
etwas  nach  Innen  umgeschlagen.     Süsswasser.     1  Art. 

Amphitrema,  Archer  1870  (90)  (IV.  3). 

Schale  oval,  mit  Fremdkörpern  incrustirt;  Mündungen  etwas  hals- 
artig verlängert.    Contractile  Vacuole  fehlt.    Süsswasser.    1  Art. 

Gruppe  Miliolida,    Carp.   emmend.   B.   (Miliolida  Carp.    1862   -J-   pars 

Lituolidarum  Carp.). 

Schalengestalt  sehr  verschieden,  mono-  und  polythalam.  Structur 
kalkig,  imperforirt,  äusserlich  gewöhnlich  porcellanartig  glänzend;  oder 
lichj^'jo;  und  imperforirt   (für  diese  sandigen  Formen  kann  ein  allgemeiner 


System.  .  189 

Charakter  nicht  angegeben  werden ;  ihre  wenig  sichere  Stellung  wird  ihnen 
durch  ihre  gestaltlichen  Beziehungen  zu  den  kalkschaligen  Formen 
gegeben). 

5.  Familie  Miliolidina  (Miliolidea  Reuss  1861  -f- pars  Lituolidarum). 

Char.     Mono-   bis  polythalam,    spiralig  eingerollt,    auf  1   Umgang 
kommen  nur  2  Kammern  bei  den  Polythalamen.   Kalk-  oder  sandschalig. 
Cornuspira,  M.  Seh.  1854  (53,  64)  (IV.  8). 

Synon.  Operculina  p.  p.  Keiiss  et  alior.  olim. 

Kalkig,  frei,  monothalam,  symmetrisch  spiralig  eingerollt  und  sehr 
wenig  involut.  Meist  parallel  der  Windungsebene  sehr  comprimirt  und 
letzter  Umgang  rasch  in  die  Höhe  wachsend.  Zahl  der  lebenden  Arten 
ca.  3.     Seit  Trias. 

Ammodiscus,  Reuss  (V.  20—22). 

Synon.  Cornuspira  Will.  p.  p.,  Trochauimina  Parker  u.  J.,  sowie  Carp.  p.  p.,  Invo- 
lutina  Terqu.  p.  p.,  Operculina  d'Orb.  p.  p. 

Frei,  cornuspira- artig,  jedoch  sandig;  äusserlich  ziemlich  glatt. 
Häufig  unregelmässiger  werdend,  so  z.  Th.  knäuelförmig  uuregelmässig 
gewunden,  oder  letzter  Umgang  geradlinig  weiter  wachsend.  Zu- 
weilen durch  gelegentliche  unregelmässige  Einschnürungen  Neigung  zur 
Polythalamie.  (Fraglich,  ob  alle  hierhergerechneten  Arten  imperforirt. 
Unsicher  ist  die  vielleicht  verwandte  Terebralina  Terqu.  aus  Lias.) 
Lebende  Arten  ca.  2.     Seit  Kohlenformation. 

Miliola,  Lamarck  1804;  Parker  (Transact.  micr.  soc.  n.  s.  VI.). 

Synon.  Serpula  p.  p.  Linne,  Frumentaria  Soldani,  Vermiculum  Montagu. 

Schale  kalkig  oder  seltener  sandig  bis  chitinös;  spiralig  ein- 
gerollt und  polythalam ;  jede  Kammer  nimmt  die  Hälfte  eines  Umgangs 
ein,  so  dass  die  Mündungen  abwechselnd  an  einem  und  dem  anderen  Pol 
liegen.  Mündung  weit,  gewöhnlich  springt  ein  zungenförmiger  Fortsatz 
von  der  Wand  des  vorhergehenden  Umgangs  in  sie  ein.  Wenig  bis  völlig 
involut  und  hiernach  die  Zahl  der  äusserlich  sichtbaren  Kammern  sehr 
verschieden.  (Hierher  dürfen  wohl  auch  eine  Anzahl  sandschaliger,  von 
Parker,  Jones,  Carpenter  und  Brady  zu  Trochammina  gezogener  fossiler 
Formen  gestellt  werden,  da  sie  ganz  den  Bau  von  Miliola  zeigen  und  die 
sandschaligen  Rhizopoden,  wie  schon  mehrfach  bemerkt,  überhaupt  keine 
natürliche  Abtheilung  bilden.) 

üntergenera: 

Spiroloculina  d'Orb.  1826  (IV.  10). 

Umgänge  sich  nur  berührend,  so  dass  äusserlich  die  Kammern  beider- 
seits sämmtlich  sichtbar  sind.  Zahl  der  lebenden  Arten  ca.  9.  Vom  oberen 
Jura  ab. 

Quinqueloculina,  d'Orb.  1829  (IV.  11). 

Synon.  Adelosina  d'Orb.,  Miliolina  Will.  p.  p. 

Umgänge    sich    mehr    oder    weniger    umfassend,    jedoch   auf    einer 


190  Rhizopoda. 

Seite  mehr ,  so  dass  äusserlieli  auf  dieser  Seite  gewöhnlicli  3 ,  auf 
der  entgegengesetzten  aber  4  Kammern  sichtbar  bleiben.  Jedoch  die 
Zahl  dieser  sichtbaren  Kammern  etwas  variabel.  Mündung  selten  sieb- 
förmig.     Zahl  der  lebenden  Arten  ca.  22.     Seit  Kreide. 

Triloculina,  d'Orb.  1827  (IV.  25,  VIII.  3). 

Synoii.  Cruciloculina  d'Orb.,  Lageiia  Brown  p.  p.,  Miliolina  Will.  p.  p. 

Char.  Aeusserlich  nur  die  3  jüngsten  Kammern  sichtbar.  Mündung 
meist  ähnlich  vorhergehenden,  z.  Tb.  jedoch  durch  4  vorspringende  Ecken 
kreuzförmiger  Schlitz  (Cruciloculina  d'Orb.).  Zahl  der  lebenden  Arten 
ca.  8.  Vom  Jura  ab.  (Brady  [117,  II.]  weist  neuerdings  wieder  auf  die 
zahlreichen  Uebergänge  zwischen  diesem  Untergenus  und  Quinqueloculina 
hin  und  schlägt  daher  vor,  beide  unter  der  schon  früher  von  Williamson 
in   diesem    Sinn    angewendeten  Bezeichnung  Miliolina  zusammenzufassen. 

Biloculina,  d'Orb.  1826  (IV.  12—15). 

Synon.  Rcnoidea  Brown  p.  p.,  Lagenula  Flemm.  p.  p.,  Pyrgo  Defr. 

Char.  Vollständig  involut,  so  dass  äusserlich  nur  die  2  jüngsten 
Kammern  sichtbar.  Meist  parallel  der  Längsaxe  linsenförmig  abgeplattet. 
MUndungszunge  häufig  sehr  entwickelt.  Zahl  der  lebenden  Arten  ca.  7. 
Seit  Trias. 

Anhang: 

Uniloculina  d'Orb.  (Mod.  und  1839)  soll  sich  durch  völlige  Um- 
fassiMig  der  früheren  Kammern  durch  jede  folgende  auszeichnen,  daher 
äusserlich  nur  die  jüngste  sichtbar.  Bis  jetzt  nur  1  zweifelhafte  lebend 
beobachtete  Form. 

Fabularia,  Defr.  (IV.  21,  VIII.  2). 

Gestalt  und  Wachsthum  wie  Biloculina,  nur  viel  grösser.  Kammer- 
höhlungen von  Schalenmasse  bis  auf  ein  System  zahlreicher,  anastomosi- 
render  Längsröhren  erfüllt;  daher  Mündung  siebförmig.    Nur  Tertiär. 

G.  Familie  Pener oplidina,  Reuss  1860  (Sitz.-B.  d.  k.  böhm.  G.  1860). 

Kalkig  oder  sandig,  polythalam;  z.  Th.  die  Kammern  noch  miliolinen- 
artig,  jedoch  stets  3  oder  mehr  auf  dem  Umgang  (wenigstens  in  den 
jüngeren  Umgängen).  Häufig  Uebergang  in  gerades  Wachsthum.  Mündung 
einfach  oder  in  zahlreiche  porenartige  Oeffnungen  zerfallend. 

Hau  er  in  a,  d'Orb.  1846  (IV.  20). 

Kalkig,  frei,  Spiral  aufgerollt.  Anfangsumgänge  miliola-artig,  spätere 
hingegen  mit  3  —  4  Kammern.  Grössenzunahme  der  Kammern  recht 
allmählich.  Mündung  siebförmig.  Zahl  der  lebenden  Arten  ca.  5.  Seit 
Jura. 

Vertebralina,  d'Orb.  1826  (IV.  17—19). 

Synon.  Articulina  d'Orb.,  Renulites  Lam.,  Renulina  Blainv.,  ?  Ceratospirulina  ELrbg. 

Kalkig,  frei,  Anfangskammer  spiral  eingerollt,  miliola-artig,  gewöhn- 
lich   3    Kammern    auf  den   Umgang,     Hierauf   geradliniges   Wachsthum, 


System.  191 

Scheidewandbildung  schwach,  Mündung  daher  einfach.  Häufig  parallel 
der  Längsaxe  sehr  abgeplattet.  Z.  Th.  spiraliger  Aufangstheil  sehr  klein 
und  wenig  entwickelt  (Articulina)  und  gleichzeitig  Kammern  sehr  lang- 
gestreckt. Zuweilen  dagegen  sehr  abgeplattet  und  Kammern  rasch  in  die 
Breite  wachsend,  so  dass  Gesammtgestalt  nierenförmig  (Renulites).  Zahl 
der  lebenden  Arten  ca.  5.     Seit  Unter-Tertiär. 

Peneroplis,  Montf.  1810;  Carpenter  (57,  3.  ser.). 

Synon.  Nautilus  p.  p.  F.  u.  M.,  Cristellaria  p.  p.  Lam. 

Char.  Kalkig,  frei,  spiralig  eingerollt,  wenig  bis  ziemlich  involut. 
Zahl  der  Kammern  auf  einem  Umgang  recht  beträchtlich,  daher  Einzel- 
kamraern  nur  kurz,  jedoch  ziemlich  rasch  an  Höhe  anwachsend.  Meist 
parallel  der  Windungsebene  sehr  abgeplattet.  Scheidewände  sehr  wohl 
entwickelt.   Mündung  verzweigter  Längsspalt  oder  Längsreihe  von  Poren. 

Untergenera: 

Peneroplis,  s,  str.  (V.  1). 

Wenig  involut,  letzter  Umgang  gewöhnlich  in  massig  langes  gerades 
Wachsthum  übergehend  und  sich  dann  häufig  fächerförmig  ausbreitend, 
mit  sehr  niederen,  jedoch  in  der  Höhenrichtung  sehr  ausgedehnten 
Kammern.  Mündung  gewöhnlich  1,  seltener  2  Längsreihen  von  Poren 
auf  der  Septalfläche.     Lebende  Arten  ca.  3.     Seit  Eocän. 

Dendritina,   d'Orb.  (IV.  22-24,  VIU.  12). 

Synon.  Spirolina  d'Orb.  p.  p.,  Coscinopora  Ehrbg. 

Mehr  involut,  Septalflächen  daher  hufeisenförmig;  ohne  fächerartige 
Ausbreitung  der  jüngsten  Kammern.  Spirolina  d'Orb.  mit  Uebergang  in 
gestrecktes  Wachsthum.  Mündung  dendritisch  verzweigter  Längsschlitz. 
Lebende  Art  1.    Seit  Tertiär. 

Anhang: 

Nubecularia,  Defr.  1825  (IV.  9). 

Synon.  Serpula  p.  p.  Sold.,  Webbina  p.  p.  d'Orb. 

Char.  Kalkig,  z.  Th.  jedoch  auch  etwas  sandig;  mit  breiter  Basal- 
fläche  aufgewachsen  und  diese  gewöhnlich  ohne  oder  doch  nur  mit  sehr 
dünner  Wandung.  Polythalam.  Anfang  spiralig,  jedoch  bald  sehr  unregel- 
mässig werdend.  Kammern  nur  durch  Waudeinschnürungen  getrennt. 
Aeusserlich  von  Kammerbildung  gewöhnlich  nur  wenig  sichtbar.  Zuweilen 
in  eine  Art  cyklischen  Wachsthums  übergehend.  Lebende  Arten  ca.  2. 
Seit  Trias. 

Placopsilina,  d'Orb.  1850  (V.  19). 

Synon.  Lituola  p.  p.  P.  u.  J.,  Carp. 

Char.  Sandig,  äusserlich  rauh;  aufgewachsen  ähnlich  Nubecularia 
und  auch  wie  bei  dieser  die  aufgewachsene  Seite  häufig  ohne  Wand- 
bildung. Beginn  mehr  oder  weniger  regelmässig  Spiral,  jüngerer  Theil 
häufig  in  gerades  Wachsthum  übergehend  oder  aber  auch  sehr  unregel- 
mässig bis  acervulin.     Lebende  Arten  ca.  1.     Fossil  seif? 


192  Rlüzopoda. 

Lituola,  Linck.  emmend.  B. 

Synon.  Lituola  P.  u.  J,.  Carp.  p.  p. 

Sandig,  äusserlich  raub,  frei,  polytlialam,  spiralig  symmetrisch  auf- 
gerollt; nahezu  völlig  involut;  jüngere  Kammern  häufig  in  gestrecktes 
Wachsthum  übergehend. 

üntergenera: 

Haplophragmium,  Reuss  1860  (V.  17). 

Synon.  Lituola  p.  p.  Carp.,  P.  u.  J.,  Nonionina  p.  p.  Will.,  M.  Seh.,  Spirolina 
Aiit.  p.  p.,  D'Orbignyina  v.  Hagen,  Proteonina  Will.  p.  p 

Kammerhöhlungen  ohne  labyrinthische  Einwüchse;  Mündung  ein- 
fach, gewöhnlich  an  Basis  des  Septums,  an  gerade  gestreckten  Kammern 
terminal.     Lebende  Arten  ca.  1  —  2.     Fossil  seit? 

Lituola,  s.  str.  Reuss,  Brady  (V.  18). 

Kammerhöhlungen  von  labyrinthischen  Auswüchsen  erfüllt;  Mündung 
unregelmässig,  dendritisch  bis  siebförmig.  Lebende  Arten  ca.  1.  Fossil 
seit  Kohlenformation. 

7.  Familie  Orbitolitina  (=  Orbitulitidea  Reuss  1861). 

Gestalt  und  Wachsthumsverhältnisse  ziemlich  verschieden.  Kalkig. 
Primäre  Kammern  durch  secundäre  Scheidewände  in  secundäre  Kämmer- 
chen  getheilt. 

Orbiculina,  Lamck.  1816;  Williamsou  (47);  Carpenter  (57,  2.  ser.) 
(VL  2). 

Synon.  Nautilus  F.  u.  M..  Helenis,  Archais,  Ilotes  Montf. 

Char.  Aufangstheil  der  Schale  spiralig,  involiit  aufgerollt,  hierauf 
in  cyklisches  mehr  oder  minder  völlig  kreisförmig  geschlossenes  Wachs- 
thum übergehend.  Umrisse  der  flachen  Schale  bis  fächer-,  nieren-  und 
nahezu  kreisförmig.  Ursprungstheil  knopfförmig  verdickt.  Bis  zu  1  Cm. 
und  mehr  Durchmesser  etwa.     Lebende  Arten  ca.  2.     Fossil  seit  Tertiär. 

Orbitolites,  Lam.  1801;  Williamson  (47);  Carpenter  (43,  57  1.  ser.); 
Gümbel  (96)  (VL  l,  V.  3,  4). 

Synon.  Discolithes  Fortis  p.  p.,  Madreporites  Deine,  Milleporites  F.  de  St.  Fond., 
Orbulites  Lam.,  Marginopora  Quoy  et  Gayni.,  Sorites  Ehrbg.,  Omphalocyclus  Bronn, 
CuiJulites  d'Orb.,  Cyclolina  d'Orb. 

Char.  Scheibenförmig,  kreisrund;  auf  Embryonalkammer  und  grosse, 
dieselbe  etwa  zur  Hälfte  umgebende  2.  Kammer  folgt  sogleich  cyklisches 
Wachsthum  zahlreicher  Kämmerchenkreise.  Entweder  nur  1  Lage  Kämmer- 
chen  oder  jederseits  oberflächlich  noch  eine  Lage  kleinerer  secundärer 
Kämmerchen  abgesondert.  Centrum  der  Scheibe  dünn,  häufig  concav  ver- 
tieft; Ränder  zuweilen  sehr  verdickt,  wulstförmig,  auch  z.  Th.  gefaltet. 
Durchmesser  zuweilen  bis  gegen  2  Centimeter.  Lebende  Arten  ca.  2  (wohl 
mehr).    Fossil  seit  Lias. 


System.  193 

Alveolina,  Bosc  (d'Orb.)  1826;  Deshayes  (A.  sc.  nat.  XV.);  Carter 
(A.  m.  n.  h.  2.  XIV.);  Carpenter  (57,  2.  s.);  Parker  u.  Jones  (62,  f)  (V.  2). 

Synon.  Discolithcs  Fortis  p.  p.,  Nautilus  F.  u.  M.  p.  p.,  Borelis,  Clausulus,  Milio- 
lites  Moiitf.,  Melonites,  Melonia  Lamck. 

Char,  Spiralig-symmetrisch  aufgerollt,  gänzlich  involnt  und  Windungs- 
axe  ansehnlich  verlängert;  daher  Gestalt  kugelig  bis  spindel-  und  cylinder- 
förmig.  Kammern  durch  auf  der  Windungsaxe  senkrechte  Septa  in  zahl- 
reiche Kämmerchen  getheilt,  und  z.  Th.  diese  nochmals  durch  tertiäre 
der  Windungsaxe  parallele  Septen  in  3  —  4  tertiäre  Kämmerchen  zerlegt. 
Hiernach  Zahl  der  porenartigen  Oeffnungen  auf  Endfläche  verschieden. 
Läugsdurchmesser  bis  zu  75  Mm.  (fossil),  recent  kleiner  bis  15  Mm. 
Länge.    Lebende  Arten  ca.  2.     Fossil  seit  Kreide. 

Familie  Arenacea. 

Wir  vereinigen  hier  eine  Reihe  mariner,  z.  Th,  sehr  unvollständig 
bekannter  sandschaliger  Rhizopoden  von  meist  monothalamem,  z.  Th.  aber 
auch  polythalamem  Bau.  Die  Zusammenstellung  dieser  Formen  ist  eine 
ganz  provisorische  und  nur  dadurch  bedingt,  dass  es  bis  jetzt  nicht  mög- 
lich erscheint,  dieselben  anderweitig  natürlich  einzureihen  und  wir  die 
schon  mehrfach  auch  von  anderer  Seite  ausgesprochene  Ueberzeugung 
theilen,  dass  die  Carpenter'sche  Gruppe  der  sandschaligen  Formen,  die 
Familie  der  Lituolida,  nicht  aufrecht  erhalten  werden  kann.  Es  wird 
daher  die  Aufgabe  der  kommenden  Zeit  sein,  die  verwandtschaftlichen 
Beziehungen  der  hierhergehörigen  Formen,  namentlich  ihr  Verhalten  zu 
Imperforata  oder  Perforata,  im  Einzelnen  genauer  festzustellen. 

a.  Schale  mehr  oder  minder  langgestreckt  konisch  bis  röhrig, 
monothalam,  am  spitzen  Ende  geschlossen,  am  breiten  geöffnet;  frei  oder 
aufgewachsen. 

Jacullela,  Brady  1879  (117,  L). 

Frei,  langgestreckt.  Kammerhöhle  ohne  labyrinthische  Einwüchse. 
Länge  bis  9  Mm.  1  Art  lebend.  (Nicht  sicher,  ob  überhaupt  zu  Rhizo- 
poden gehörig.) 

Botellina,  Carp.,  Jeffr.  u.  Thoms.  1870  (Proc.  roy.  soc.  XVIIL), 
Thoms.  (The  d.  of  the  sea). 

Mit  spitzem  Ende  wahrscheinlich  aufgewachsen.  Innenfläche  mit 
labyrinthischen  Auswüchsen.     1  Art  lebend  (bis  25  Mm.  lang). 

Hyperammina,  Brady  1878  (115,  117,  II.). 

Frei  oder  in  ganzer  Länge  aufgewachsen,  röhrig,  loser  Bau.  Ge- 
schlossenes Ende  abgerundet  oder  zu  kugeliger  Kammer  aufgebläht. 
MUndungsende  einfach  oder  sich  vielfach  verästelnd.  Aufgewachsene 
Formen  mit  vielfach  unregelmässig  hin-  und  hergebogener  Röhre.  Lange 
bis  16  Mm.  Lebende  Arten  3.  Fossil  wahrscheinlich  seit  Silur.  (Die 
aufgewachsenen  Formen  nähern  sich  sehr  Webbina  d'Orb.) 

B  r  0  u  u  ,  Klassen  des  Tliicr-Keiclis.     rrotuzoa.  lo 


X94  Ehizopoda. 

Haliphysema,  Bowerbank  1862.*) 

Synon.   Squamulina  Carter. 

Pokal-  bis  röhrenförmig,  mit  aboralem,  stielförmig  ausgezogenem 
Ende  und  verbreiterter,  scheibenförmiger  Basis  aufgewachsen.  Mündung 
einfach,  terminal,  oder  das  orale  Ende  verästelt  ausgewachsen.  Schwamm- 
nadeln gewöhnlich  sehr  zahlreich  in  Schalenwand  aufgenommen  und 
hauptsächlich  das  orale  Ende  meist  ganz  stachelig;  bis  jetzt  nur  lebend. 
Artenzahl  ca.  2. 

(Bekanntlich  wurde  die  Gattung  Haliphysema  von  Bowerbank  zu- 
nächst für  eine  Schwammform  erklärt.  Carter  hat  hingegen  1870  den 
Nachweis  zu  führen  versucht,  dass  dieselbe  zu  den  Rhizopoden  gehöre 
und  sie  dem  M.  Schultze'schen  Geschlecht  Squamulina  eingereiht.  Häckel 
fand  hierauf  ganz  ähnliche  Skeletbildungen  bei  seinen  Physemarien,  und 
erklärte  daher  auch  die  Haliphysema  Bowerbank's  und  Carter's  als  zu 
diesen  gehörige  Formen.  Schliesslich  wurde  durch  Kent  und  weiterhin 
bestätigend  durch  R.  Lankester  die  Rhizopodennatur  der  Bowerbank'schen 
Form  sicher  erwiesen.  Es  ist  daher  zunächst  nur  die  Annahme  möglich, 
dass  thatsächlich  äusserlich  ganz  übereinstimmend  sich  verhaltende,  bis 
zur  Verwechselung   ähnliche   Rhizopoden   und   Physemarien   sich  finden.) 

Pelosina,  Brady  1879  (117,  I.). 

Monothalam,  kugelig  bis  röhrenförmig,  monaxon,  mit  terminaler, 
auf  chitiniger  Halsröhre  gelagerter  Mündung.  Wandung  dick,  aus 
Schlamm  geformt.  Z.  Th.  zusammenhängende  Individuen  (jedoch  wohl 
nur  äusserlich).    Recent.     Arten  2. 

b.  Schale  röhrig;  an  beiden  Enden  geöffnet,  oder  von  einer  Central- 
kammer  gebildet,  von  der  zwei  oder  auch  mehr  einfache  oder  verästelte 
Mündungsröhren  ausgehen.     Frei  oder  aufgewachsen. 

Marsipella,  Norm.  1878  (A.  m.  n.  h.  5.  L);  Brady  (117, 1.)  (V.  9). 

Synon.  Proteonina  (Will.)  Carp.  The  Microscop  1875. 

Freie,  geradgestreckte,  in  Mittelregion  etwas  verdickte  Röhre;  beider- 
seits geöffnet.     Wand  dick.     (Länge  bis  6  Mm.)     Recent.     2  Arten. 

Rhabdammina,  Sars  1865  (80);  Brady  (117,  I.)  (V.  10). 

Frei;  kleine  Centralkammer  mit  2  entgegenstehenden,  langen  Armen 
oder  3  —  5  strahlenähnlichen.  Bis  zu  25  Mm.  Durchmesser.  Recent. 
2  Arten. 

Astrorhiza,  Sandahl  1857  (Ofvers.  Kongl.  Vet.  Ak.  Forh.  1857); 
Carpenter  (Qu.  journ.  micr.  sc.  XVI.);  Leidy  (Proc.  Ac.  Philad.  1875); 
Normann  (Pr.  roy.  soc.  XXV.);  Brady  (117,  I.)  (V.  11). 

Synon.   Hacclielina  Bessels  (Jen.  Zeitschr.  IX.),   Astrodiscus  F,  E.  Schulze  (lO.S). 


*)  Die  ziemlich  beträchtliche  Literatur  über  Haliphysema  niag  hier  kurz  angegeben 
werden.  Bowerbank,  Philos.  Transact.  1S62.  British  Spongiadae  1S65— lU").  Proc.  Zoolog, 
soc.  1873.  Parfitt,  Transact.  Devonsh.  Assoc.  1868,  A.  m.  n.  h.  5.  II.  Carter,  Ann.  m.  n.  h. 
4.  V.  VI.  XI.  XX.  5.  I.  Hcäckel,  Jen,  Zeitschr.  Bd.  X..  Kent,  S.,  A.  m.  n.  h.  5.  I.  u.  II. 
Normann,  A.  m.  n.  h.  5.  I.  Mereschko wsky ,  A.  m.  n.  h.  5.  I.  K.  Lankester,  Qu. 
j.  m.  sc.  XIX, 


System.  195 

Frei;  lose  oder  festere,  aus  Schlamm  oder  Sand  gebildete  Wand. 
Scheibenförmige  Centralkammer  mit  bis  zu  15  armartigen,  strahlenförmig 
gestellten  Mündungsfortsätzen,  oder  aber  auch  z.  Th.  mit  verzweigten, 
geweihartigen  Armen  (A.  arenaria  Carp.)  von  sehr  mannigfaltiger  und 
z.  Th.  sehr  unregelmässiger  Bildung.  Auch  eiförmige  Kammern  mit  zahl- 
reichen allseitig  entspringenden  Armen  etc.  Zuweilen  Vereinigung  mehrerer 
Individuen  mittels  der  Armfortsätze.  Recent.  Artzahl  4.  (Fraglich,  ob 
die  von  Carpenter,  Normann  und  Brady  hierher  gerechneten  Formen  sich 
wirklich  zunächst  an  die  A.  limicola  Sand,  anschliessen.) 

Aschemonella,  Brady  (117,1.)  schliesst  sich  Astrorhiza  sehr  nahe 
an;  2  oder  mehr  Armfortsätze  entspringen  von  dem  einen  Ende  der  ovalen 
bis  spindelförmigen  Kammern  und  endigen  frei  oder  verbinden  sich  mit 
benachbarten  Individuen  zu  mehrkammerigen  Gebilden. 

Dendrophrya,  Wright  1861  (A.  m.  n.  h.  3.  VII.). 

Lässt  sich  etwa  auffassen  als  eine  Astrorhiza,  die  mit  ihrer  Central- 
scheibe  aufgewachsen  ist,  und  zahlreiche  sich  frei  erhebende,  ver- 
ästelte oder  aber  auf  der  Unterlage  hinkriechende  Armfortsätze  aussendet. 
Bis  6  Mm.  Durchmesser.     Recent.     2  Arten.*) 

c.  Schale  ein  vielfach  verästehes,  zartes  Röhrenwerk  darstellend. 

Rhizammina,   Brady  1879  (117,  I.). 

Frei;  unregelmässig  verästeltes  Netzwerk  oder  algenartiges  Gewebe 
(bis  zu  25  Mm.  im  Durchm.  erreichend).     Recent.     Artzahl  1. 

Sagen ella,  Brady  1879  (117,  I.)  (V.  16). 

Aufgewachsen  in  ganzer  Ausdehnung;  dichotomisch  verästelt,  Aeste 
anastomosirend.    (Gesammtdurchmesser  bis  zu  6  Mm.)    Recent.    Artzahl  1. 

d.  Mono-  bis  polythalam,  Kammern  kugel-  bis  eiförmig,  mit  terminaler, 
häufig  röhrenförmig  verlängerter  Mündung.  Polythalame  Formen  mit 
nodosaria-artig  aufgereihten  Kammern. 

Saccammina,  Sars  1865  (80);  Brady  (117.  I.)  (V.  13). 

Synon.  Carteria  Brady  1869  (A.  m.  n.  h.  4.  VII.). 

Char.  Frei,  mono-  oder  polythalam.  Kammern  sphärisch  bis  spindel- 
und  birnförmig;  die  Kammern  der  polythalamen  Formen  durch  Ver- 
bindungsröhren in  gerader  Linie  nodosaria-artig  aufgereiht.  (Kammer- 
länge bis  zu  3  Mm.)    Lebende  Arten  1.     Fossil  seit  Kohlenforniation. 

Webbina,  d'Orb.  1839;  Brady  (117,  I.). 

Synon.  Trocliammina  P.  u.  J.  (^62,  XIII.),  Carp.  p.  p. 

Aehnlich  Saccammina,  jedoch  in  ganzer  Länge  aufgewachsen;  auf- 
gewachsene Fläche  ähnlich  Nubecularia  unvollständig.  Zusammenreihung 
der  Kammern  der  polythalamen  Formen  häufig  sehr  unregelmässig  werdend. 
Recent.    Zahl  der  Arten  ca.  2. 


*)  Dawson  führt  noch  zwei  von  ihm  gefundene  Gattungen  von  Sandrhizopoden  auf  (91), 
Hippocrepina  und  Rhabdopleura  (mit  ?),  die  zwar  durch  beigefügte  Holzschnitte  dar- 
gestellt, jedoch  nicht  weiter  geschildert  werden;  wir  begnügen  uns  daher  hier  mit  dem  Hin- 
weis auf  diese  Formen, 

13* 


196  Rliizopoda. 


Anhang: 

Trocliammina,  P.  u.  J.  1859  (62,  n.);  Carp.  (74);  Brady  (117.  I.). 

Bekanntlich  wurden  die  sandschaligen  marinen  Rhizopoden  von  P. 
u.  J. ,  sowie  Carpenter  in  nur  3  Gattungen  gebracht  und  in  der  Familie 
der  Lituolida  unter  den  Imperforata  zusammengestellt.  Von  diesen  3  Gat- 
tungen hat  sich  Valvulina  als  sicher  zu  den  Perforata  in  die  Nähe  von 
Bulimina  gehörig  ergeben;  die  Gattung  Lituola  wurde  schon  früher  be- 
sprochen ;  die  Gattung  Trochammina  hingegen  umschloss  eine  grosse  Zahl 
in  ihren  Gestaltsverhältnissen  ungemein  verschiedener,  mono-  und  poly- 
thalamer  Formen,  die  nur  durch  die  feinere  Beschaffenheit  ihrer  Schalen- 
wände zusammengehalten  wurden.  Dieselben  setzen  sich  nämlich  aus 
feinen  Sandkörnchen  zusammen ,  die  so  innig  verbunden  sind ,  dass  die 
Aussenfiäche  der  Schale  stets  glatt,  ja  z.  Th.  wie  polirt  erscheint;  auch 
die  Innenfläche  ist  glatt  und  niemals  mit  labyrinthischen  Auswüchsen 
bedeckt.  Brady  hat  dieses  proteische  Geschlecht  schon  in  die  Unter- 
gattungen Ammodiscus  Reuss,  Trochammina  s.  str.,  Hormosina  und 
Webbina  d'Orb.  zerlegt;  wir  glaubten,  wie  dies  auch  schon  von  Zittel 
durchgeführt  wurde,  diese  einzelnen  sogen.  Untergattungen  denjenigen 
kalkschaligen  Formen  anschliessen  zu  sollen,  denen  sie  durch  ihre  Gestalt- 
bildung am  nächsten  kommen.  Es  bliebe  hiernach  nur  die  sogen.  Unter- 
gattung Trochammina  s.  str.  Brady  übrig  (da  Hormosina  im  Anschluss 
an  die  Nodosarien  besprochen  werden  wird).  Diese  umfasst  polythalame, 
rotaloid,  trochoid  oder  nautiloid  aufgerollte  Formen,  die  sich  in  ihrer 
Gestaltung  z.  Th.  den  kalkschaligen  Rotalinen  oder  Nonioninen,  z.  Th. 
auch  Pullenia,  Globigerina  und  Haplophragmium  so  nahe  anschliessen, 
dass  wir  sehr  geneigt  sind,  sie  in  die  Nähe  dieser  zu  stellen.  Da  wir 
jedoch  keine  eigenen  Erfahrungen  über  diese  Formen  besitzen,  so  glauben 
wir  zunächst  auf  diese  Verhältnisse  nur  hinweisen  zu  sollen  und 
hoffen,  dass  künftige  Untersuchungen  über  die  Stellung  dieser  Formen 
wohl  bald  entscheiden  werden.  Wahrscheinlich  wird  wohl  das  Genus 
Trochammina  am  besten  gänzlich  eingezogen  werden. 

IL  Unterordnung  Perforata,   Carp.  1862  (-|-  pars  Lituolidarum). 

Grossentheils  kalkschalig,  hyalin  und  perforirt;  zum  kleineren  Theil 
hingegen  sandig  und  zwar  bis  zur  völligen  Verdrängung  und  Schliessung 
der  Poren.     Mono-  und  polythalam. 

Gruppe  Lagenidae,  Carp.  1862. 

Mono-  und  polythalam.  Wände  hyalin  und  sehr  fein  perforirt.  Poly- 
thalame Formen  mit  einfach  gebauten  Scheidewänden,  da  die  Wandung 
jeder  neuen  Kammer  nicht  allseitig  gebildet  wird,  sondern  der  hintere 
Abschluss  von  dem  zur  Scheidewand  werdenden  Vordertheil  der  vorher- 
gehenden Kammer  formirt  wird.    Eigentliches   sogen.  Zwischenskelet  und 


System.  197 

Kanalsystem  fehlt  daher,  hingegen  Auflagerungen  von  nicht  perforirter 
secundärer  Schalensubstanz  recht  verbreitet.  Mündung  gewöhnlich 
charakteristisch,  etwas  röhrenförmig  verlängert  und  meist  von  radialen, 
strahlenartigen  Furchen  umstellt. 

1.  Familie.  Rhabdoina,  M.  Seh.  1854. 

Char.  Mono-  und  polythalam.  Polythalame  Formen  durch  gerade 
oder  schwach  gebogene  bis  spiralig  eingerollte  Aufreihung  der  Kammern 
gebildet. 

Lagena,  Walker  u.  Jacobs  1784;  Williamson  (An.  m.  n.  h.  2.  I.); 
Reuss  (Sitzb.  d.  Ak.  Wien  1863);  Jones,  0.  R.  (Transact.  Lin.  soc.  XXX,) 
(VII.  2—22). 

Synon.*)  Scrpula  (Lagena)  \V.  u.  J. ,  Vermiculum  Montagu,  Serpula  Maton  a. 
Rackett,  Pcunant,  Turton ,  Lagenula  Montfort,  Fleming  etc.,  Oolina  d'Orbigny, 
Keuss  etc.,  Miliola,  Cenchridium  Ehrbg.,  Entosolenia  Ehrbg.,  Will.,  Ovulina 
Ehrbg.  etc.,  Apiopterina  p.  p.  Zborz.,  Fissurina  Reuss  etc.,  Ampborina  d'Orb.  etc., 
Amygdalina,  Phialina  Costa,  Seguenza,  Tetragonulina ,  Trigonulina,  Obliquina 
Seguenza. 

Char.  Einkammerig,  frei,  kalkig,  monaxon.  Ei-  bis  spindelförmig. 
Meist  eine  polare  Mündung,  selten  beiderseits  geöffnet.  Skulpturverhältnisse 
sehr  mannigfaltig.  Mündung  z.  Th.  in  nach  Innen  tief  hinabsteigende 
Röhre  ausgewachsen  (Entosolenia);  zuweilen  bei  starker  Schalenabplattung 
spaltartig  (Fissurina).  Lebende  Arten  sehr  zahlreich  (ca.  40—50).  Fossil 
seit  Kohlenformation. 

Nodosarina,  P.  u.  J.,  Carp.  1862. 

Frei,  polythalam,  kalkig.  Kammern  in  gerader  bis  schwach  bogiger 
Axe  aufgereiht.    Mündung  terminal  oder  etwas  seitlich  gerückt. 

Untergenera  von  Nodosarina: 

Nodosaria,  Lamck.  1816  (VIII.  14). 

Synon.  Nautilus  Linn6  etc.,  Orthoceras  Gualtieri  etc.,  Orthocera  Lamck.  etc. 

Schale  cylindrisch  bis  schwach  konisch,  Kammern  in  gerader  Axe 
aufgereiht,  sich  nicht  umfassend  oder  durch  Verbindungsröhren  getrennt. 
Mündung  central.  Fossil  bis  zu  1  Zoll  lang.  Lebende  Arten  ca.  12. 
Fossil  seit  Dyas  (Kohlenformation?). 

Lingulina,  d'Orb.  1826  (VIL  23). 

Geradaxig ;  parallel  der  Axe  stark  comprimirt,  Mündung  daher  schlitz- 
förmig. Kammern  dicht  aufeinandergepresst  bis  etwas  umfassend.  Lebend 
ca.  2  Arten.    Fossil  seit  Trias.    (Lingulinopsis  Reuss  ausgezeichnet  durch 
spiralige  Einrollung  der  Anfangskammern.) 
Glandulina,  d'Orb.  1826  (VIL  25). 

Synon.  Nautilus  (Orthoceras)  Batsch. 

Von  Nodosaria   unterschieden  durch  Umfassung  der  vorderen  Hälfte 


*)  Nach  Parker  u.  Jones  (81). 


198  Ehizopoda. 

der  älteren  Kammern  von  Seiten  der  jüngeren.  Gesammtgestalt  etwa 
eiförmig.  Lebende  Arten  ca.  1.  Fossil  seit  Trias.  (Psecadium  Reuss 
wird  durch  etwas  gebogene  Schalenaxe  charakterisirt.) 

Orthocerina,  d'Orb.  1826. 

Synon.   Triplasia  Eeuss,  Kliabdogonium  Eeuss. 

Geradegestreckt,  Kammern  dicht  aufeinandergesetzt,  sich  ziemlich 
rasch  vergrössernd.  Querschnitt  drei-  oder  vierseitig,  daher  Gesammt- 
gestalt etwa  umgekehrt  drei-  oder  vierseitige  Pyramide.  Mündung  einfach 
rund.  Lebende  Arten  1.  Fossil  seit  ob.  Jura.  (Dentalinopsis  Reuss  ist 
eine  Orthocerine  mit  Uebergang  in  dentalina-artig  gebogenes  Wachsthum. 
Kreideformation.) 

Dentalina,  d'Orb.  1826. 

Synon.  Ortlioceras,  Nautilus,  Orthocera  u.  Nodosaria  Autor,  p.  p. 

Ganz  ähnlich  Nodosaria,  jedoch  Axe  schwach  bogig  gekrümmt;  Mün- 
dung fast  stets  excentrisch  an  die  concave  Krümmungsseite  gerückt. 
Lebende  Arten  ca.  14.     Fossil  seit  Dyas  (Kohlenformation?). 

Vaginulina,  d'Orb.  1826. 

Synon.    Ortlioceras,   Nautilus,   Orthocera  Autor.,   Dentalina  Will.  p.  p.,   Spirolina 
Brown,  Citliarina  d'Orb. 

Unterscheidet  sich  von  Dentalina  hauptsächlich  durch  seitliche  Com- 
pression,  schwach  gebogen  bis  nahezu  gerade.  Lebende  Arten  ca.  8. 
Fossil  seit  Rhät.  Stufe. 

Rimulina,  d'Orb.  1826  (VIL  24). 
Wie  Vaginulina.    Mündung  jedoch  schlitzförmig  und  auf  die  convexe 
Krümmungsseite  der  Kammern  verlängert.    Lebende  Arten  1.     Fossil  seit 
Tertiär. 

Frondicularia,  d'Orb.  1826;  Reuss  (Sitzb.  d.  k.  böhm.  Ges.  1860). 

Synon.     Mucronina  d"Orb. 

Aeholich  Glandulina,  jedoch  Umfassung  der  Kammern  noch  voll- 
ständiger bis  zu  gänzlichem  Einschluss  der  älteren  durch  die  jüngeren. 
Parallel  der  Hauptaxe  sehr  stark  blattförmig  comprimirt.  Mündung  ein- 
fach, terminal,  eng.     Lebende  Arten  ca.  7.     Fossil  seit  Rhät.  Stufe. 

Flabelliua,  d'Orb.  1839;  Brady  (117,  IL)  (VIL  26). 

Unterscheidet  sich  von  der  vorhergehenden  Gattung  durch  spiralige 
Einrollung  oder  unregelmässige  Zusammenhäufung  der  Anfangskammern. 
Lebende  Arten  2.     Fossil  seit  Trias. 

Marginulina,  d'Orb.  1826. 

Synon.     Nautilus,    Ortboceras,    Orthocera,   Cristellaria ,   Orthocerina,   Hemicristel- 
laria  Autor. 

Unterscheidet  sich  von  Dentalina  und  Vaginulina  durch  die  spi- 
ralige Einrollung  der  Anfangskammern.  Mündung  excentrisch  und  auf 
die  convexe  Krümmungsseite  der  Schale  gerückt.  Uebergangsform 
zwischen  Dentalina  und  Cristellaria.  Lebende  Arten  ca.  9.  Fossil  seit  Trias. 


System,  199 

Cristellaria,  Lamck.  1816  (VII.  27,  VIII.  10). 

Synon.  Nautilus  Aut.  p.  p.,  Lenticulitcs  u.  Lenticulina  Lamck.  etc.,  Polystomella 
Lamck.,  Nummularia  p.  p.  Sorby,  Nummulina  p.  p.  d'Orb.,  16  verschiedene  Genera 
bei  Moiitf.,  Planularia,  Saracenaria  Defr.,  d'Orb.,  Robulina  d'Orb.  etc ,  Hemicristel- 
laria.  Hemirobulina  Stäche. 

Völlig-  spiralig  symmetrisch  eingerollt  und  involut;  Septen  und 
daher  auch  Kammernähte  recht  schief  nach  vorn  zur  Spiralaxe  ge- 
neigt. Kammerzahl  der  Umgänge  ca.  8 — 9.  Mündung  nodosaria-artig, 
am  peripherischen  convexen  Krtimmungsrand  gelegen;  zuweilen  schlitz- 
förmig bis  dreiseitig  (Robulina  d'Orb.).  Häufig  Kiel  oder  Nabelknopf. 
Lebende  Arten  ca.  20.     Fossil  seit  Trias. 

Anhang  zur  Familie  der  Rhabdoina. 

Conulina,  d'Orb.  1839. 

Frei,  kalkig;  Kammern  zahlreich  nodosaria-artig  in  gerader  Axe  auf- 
gereiht, sehr  niedrig  und  rasch  in  die  Breite  wachsend,  daher  Gesammt- 
gestalt  etwa  umgekehrt  konisch.  Statt  einfacher  Mündung  zahlreiche 
Poren  auf  Endfläche.  (Zugehörigkeit  zu  Perforata  bis  jetzt  noch  nicht 
constatirt.)     1  Art  lebend.     Kreideformation? 

Wir  schliessen  hier  ferner  noch  eine  Anzahl  sandschaliger  Formen 
an,  die  von  den  englischen  Forschern  gewöhnlich  als  Untergeschlechter 
der  Gattungen  Lituola  und  Trochammina  betrachtet  und  auch  dem- 
entsprechend als  imperforat  bezeichnet  werden.  Die  grosse  Ueberein- 
stimmung  in  den  allgemeinen  Bau-  und  Wachsthumsverhältnissen,  welche 
diese  Formen  z.  Th.  wenigstens  mit  den  kalkschaligen  Nodosarien  zeigen, 
lässt  ihre  einstweilige  Einreihung  an  dieser  Stelle  nicht  ungerechtfertigt 
erscheinen. 

Hormosina,  Brady  1879  (117,  I.)  (V.  15). 

Frei,  monothalam,  lagena-artig ;  oder  polythalam  nodosaria-artig. 
Feinsandig  glatt,  daher  von  Brady  als  üntergeschlecht  von  Trochammina 
betrachtet.     Recent.     2  Arten. 

Reophax,   Montf.  1808;   Brady  (105  u.  117,  I.)  (V.  8  u.  14). 

Synon.  Lituola  p.  p.  P.  u    J.,  Carp.,  Dentalina  Aut.  p.  p. 

Frei,  monothalam  lagena  artig,  oder  polythalam  nodosaria-artig,  gerade 
bis  gekrümmt.  Rauhsandig.  Mündung  einfach;  Kammerhöhlungen  ohne 
labyrinthische   Einwüchse.     Lebende  Arten   ca.  7.     Geolog.  Verbreitung? 

Haplostiche,  Reuss  1861. 

Wie  Reophax,  jedoch  Kammerhöhlungen  durch  labyrinthische  Ein- 
wüchse in  zahlreiche  unregelmässige  Kämmerchen  getheilt ;  Mündung  daher 
dendritisch  bis  zusammengesetzt.     Recent?    Fossil  Dyas. 

Polyphragma,  Reuss. 

Synon.  Lichenopora  Reuss. 

Aehnlich  Haplostiche,  jedoch  mit  Anfangsende  festgewachsen.  Mündung 
siebförmig.     Fossil.      Kreideformation.     (Noch    zweifelhafter    hinsichtUch 


200  Ehizopoda. 

ihrer  Stellung  sind  die  beiden  von  Brady  aus  der  Kohlenformation  und 
dem  Dyas  beschriebenen  sandschaligen  Gattungen  Nodosinella  und 
Stacheia  (105),  wir  versuchen  es  hier  nicht,  dieselben  zu  charakterisiren.) 

2.  Familie.     Polymorphinina. 

Char.  Polythalam,  kalkig;  Kammern  in  hoher  Schraubenspirale 
aufgerollt,  mit  mehr  oder  weniger  deutlicher  zwei-  bis  dreizeiliger  An- 
ordnung. 

Polymorphina,  d'Orb.  1826  (emmend.  Br.,  P.  u.  J.  Transact.  Linn. 
soc.  XXVII.);  Alcock  (Qu,  j.  m.  sc.  VII.  u.  Mem.  of  litter.  a.  philos.  soc. 
Manchester  III.)  (VIII.  4). 

Synon. *)  Polymorphium  Soldani  p.  p.,  Serpula  W.  u.  J. ,  Anthiisa,  Cantharus, 
Misilus  Montf.,  Renoidea  Brown  p.  p.,  Aulostomella  Alth.,  Eaphanulina,  Apiopterina 
p.  p.  Zborz.,  Piosoporus ,  Grammostomum ,  Strophoconus ,  Bigeneriua,  Vaginulina, 
Pleurites,  Sagrina,  Spliaeroidina  p.  p.  Elirbg.,  Globulina,  Guttulina,  Pyrulina  d'Orb., 
Eostroliua,  Atractolina  v.  Scliliclit. 

Meist  frei;  Kammern  mehr  oder  minder  deutlich  zweizeilig  geordnet 
und  ziemlich  schief  zur  Hauptaxe,  blasig  aufgetrieben  oder  Schale 
äusserlich  gleichmässig  abgerundet.  Jüngere  Kammern  die  älteren  in 
sehr  verschiedenem  Grad  tiberdeckend.  Mündung  rundlich  bis  spalt- 
förmig,  meist  etwas  zitzenförmig  verlängert  (lagena-artig) ,  am  vorderen 
Ende  der  Kammern  ziemlich  axial  gelegen.  Aeussere  Sculpturen  mannigfach, 
z.  Th.  abnorme  Wachsthumserscheinungen.  Lebende  Arten  ca.  22.  Fossil 
seit  Trias  (Silur?). 

Untergattung  Dimorphina,  d'Orb.  1826. 

Synon.  Orthoceratium  Sold.  p.  p. 

Von  Polymorphina  unterschieden  durch  den  Uebergang  der  jüngeren 
Kammern  in  gestreckt  einzeiliges,  nodosaria-artiges  Wachsthum.  Lebende 
Arten  1.     Fossil  seit  Tertiär. 

Uvigerina,  d'Orb.  1826  (VIII.  31).    Untergattung  Sagrina  (Sagraina) 

d'Orb.  1839. 

Synon.   Polymorphium  Soldani  p.  p. 

Frei.  Mehr  oder  minder  deutlich  dreizeilig,  jedoch  zuweilen  mit 
Uebergang  der  jüngeren  Kammern  in  zwei-  und  einzeiliges  nodosaria- 
artiges  Wachsthum  (Sagrina  d'Orb.).  Mündung  lagena-artig.  Zahl  der 
lebenden  Arten  ca.  14. 

Familie  Globige rininae,  Carp.  1862  (p.  p.). 

Char.  Mono-  bis  polythalam,  chitinös,  kalkig,  (hyalin)  oder  sandig; 
Perforation  gewöhnlich  (jedoch  keineswegs  durchaus)  grob  und  ziemlich 
weit  gestellt.  Mündung  im  Gegensatz  zu  den  Lagenidae  gewöhnlich 
schlitzförmig  und  nicht  röhrenförmig  ausgezogen.  Scheidewände  fast  stets 


*)  Nach  Brady,  P.  u,  J.  1.  c. 


.  System.  201 

einfach  und  daher  KauaLsystem  und  sogen.  Zwischenskelst  nur  bei  einigen 
Formen  entwickelt.  (Wie  sich  aus  dieser  Aufzählung  ergibt,  ist  es  nicht 
wohl  möglich,  diese  immerhin  recht  natürlich  erscheinende  Formenreihe 
durch  gewisse  feststehende  Charaktere  scharf  zu  definiren.) 

Unterfamilie  Globige rinae,   Carp.  1862  (p.  p.). 

Monothalam  oder  polythalam  und  dann  die  in  niedriger  Schrauben- 
spirale oder  symmetrischer  Spirale  aufgerollten  Kammern  blasig,  kugelig 
aufgetrieben  und  gewöhnlich  (jedoch  nicht  immer)  die  Kammermündungen 
getrennt  in  gemeinsame  Nabelhöhle  mündend. 

Microcometes,  Cienk.  1876  (104a);  Entz  (110)  (IV.  5). 

Schale  kugelig,  häutig  (chitinös)  mit  1 — 5  (häufig  3)  porenartigen 
Mündungen.  Thierkörper  füllt  die  Schale  nicht  aus.  Pseudopodien  lang, 
verästelt  oder  unverästelt,  nicht  anastomosirend.  1  Nucleus;  contractile 
Vacuolen  mehrfach.  Lebende  Arten  2.  Süsswasser  und  Salzteich  bei 
Klausenburg. 

?  Orbulina,  d'Orb.  1839;  Pourtales  (Sillim.  americ.  j.  1858); 
M.  Schultze  (Arch.  f.  Nat.-G.  1860  I.);  Reuss  (Sitzber.  d.  k.  böhm.  Ges. 
1861);  Wallich  (s.  b.  Globigerina);  Owen  (J.  Linn.  soc.  Zool.  IX.);  Alcock 
(Mem.  lit.  a.  philos.  soc.  Manchester  III.);  Thomson  a.  Murray  (Proc.  roy. 
soc.  23);  Brady  (117,  II.)  (VII.  30). 

Synon.  Sphaerula  Sold. 

Homaxon,  kugelig.  Zweierlei  Poren,  zahlreichere  feinere  und  gröbere, 
weitergestellte.  Grössere  Kammeröfi'nung  meist  fehlend  (ihr  Vorkommen 
überhaupt  nicht  ganz  sicher).  Aeusserlich  im  intakten  Zustand  meist 
lang  bestachelt  (ob  immer?).  Häufig  eine  kleinere  Globigerinaschale  ein- 
schliessend.  Lebende  Arten  2.  Fossil  seit  Rhät.  Stufe,  (lieber  die  Be- 
rechtigung der  Trennung  dieser  Formen  von  Globigerina  sind,  wie  schon 
früher  bei  Gelegenheit  der  morphologischen  Besprechung  des  Schalenbaues 
und  der  Fortpflanzung  näher  ausgeführt  wurde,  die  Ansichten  sehr  getheilt. 
Brady  (117,  II.)  führt  sie  neuerdings  als  Untergeschlecht  von  Globigerina 
auf.  Wenn  jedoch,  wie  Carpenter  und  andere  Beobachter  versichern, 
häufig  keine  innere  Globigerinaschale  zu  finden  ist,  so  könnte  bis  auf 
weiteres  wenigstens  für  solche  Formen  die  Gattung  Orbulina  reservirt 
werden.) 

Globigerina,  d'Orb.  1826;  Wallich  (Deep  sea  research.  London 
1876);  Thomson  and  Murray  (Proc.  roy.  soc.  23);  Brady  (117,  IL); 
Hertwig  (Jen.  Zeitschr.  XL)  (VIII.  9). 

Synon.  Polydexia  Elirbg.,  Khynchospira  Ehrbg.,  Coscinospira  Stuart. 

Polythalam,  kalkig,  Kammern  kugelig;  meist  in  flacher  Schrauben- 
spirale aufgerollt  und  die  Kammern  rasch  an  Grösse  wachsend.  Zu- 
weilen jedoch  nahezu  oder  völlig  symmetrisch  spiralig.  Halbmond- 
förmige Mündungen  entweder  sämmtlich  in  die  weite  Nabelhöhle  getrennt 
führend,  oder  nur  die  der  letzten  Kammer  frei  und  unbedeckt.  Zuweilen 
auf   Oberseite    accessorische    Kammermündungen    in    verschiedener  Zahl 


202  Rhizopoda. 

auftretend.  Meist  äusserlich  lang  bestachelt  (ob  immer?).    Lebende  Arten 
ca.  13.     Fossil  seit  Trias. 

Untergenus  Hastige rina,   Wyw.  Thomson  1876  (IX.  1). 

S  y  n  0  n.  Nonionina  (pelagica)  d'Orb.,  Globigerina  P.  u.  J. 

Aehnlich  Globigerina;  symmetrisch  spiralig,  gänzlich  involut,  Möndung 
der  letzten  Kammer  allein  nach  aussen  geöffnet,  gross.  —  Lang  gestachelt. 
Lebende  Arten  ca.  1 — 2.     Fossil? 

Candeina,  d'Orb.  (Mod.  1826)  1846;  Brady  (117,  IL). 

Polythalam,  kalkig,  schraubenspiralig  (3  Kammern  gewöhnlich  auf 
1  Umgang).  Kammern  kugelig  und  rasch  anwachsend.  Statt  einfacher 
Mündung  Reihen  von  grossen  Poren  längs  der  Kammernähte.  Recent. 
Artzahl  1. 

Cymbalopora,  Hagen.  1850  (IX.  4). 

Synon.  Eosalina  d'Orb.  p.  p. 

Char.  Kalkig,  frei,  feinporös,  globigerina-artig  schraubenspiralig 
beginnend,  jedoch  in  cyklisches  Wachsthum  übergehend.  Gesammtgestalt 
flach  kegelförmig  mit  tiefer  Nabelhöhle.  Kammeröffnungen  führen  getrennt 
in  diese  Nabelhöhle.     Lebende  Arten  ca.  4.     Fossil  seit  Kreide. 

Carpenteria,  Gray  1858;  Carpenter  (57,  4.  ser.,  74);  Carter  (A.  m. 
n.  h.  4.  XVn.  XIX.  XX.);  Möbius  (Palaeontographica  XXV.)  (IX.  2). 

Synon.  Kapliidodendron  (Möbius)  Carp. 

Kalkig,  aufgewachsen.  Kammern  schraubenspiralig  aufgerollt  bis 
sehr  unregelmässig.  Gesammtgestalt  etwa  kegelförmig,  Kammeröff- 
nungen führen  in  axialen  Centralraum,  der  auf  freiem  Kegelende  mündet. 
Zuweilen  diese  Mündung  in  einfache  oder  baumförmig  verästelte  Röhre 
auswachsend.  Kammern  durch  Secundärsepten  mehr  oder  minder  unter- 
getheilt.  Hauptscheidewände  doppelt  und  Kanalsystem  schwach  entwickelt. 
Recent.     Arten  ca.  2 — 3. 

Anhang  zur  ünterfamilie  der  Globigerinae. 

Wir  reihen  hier  noch  eine  Anzahl  bezüglich  ihrer  Stellung  zweifel- 
hafter Sandrhizopoden  an,  die  einen  orbulina-artigen  Bau  zeigen. 

Psammosphaera,  F.  E.  Seh.  1875  (103);  Brady  (117,  L)  (V.  6). 

Frei  oder  aufgewachsen,  sphärisch,  ohne  grössere  Mündungsöffnung. 
Wand  dick,  äusserlich  rauh.     2—4  Mm.  Durchm.     Recent.     1  Art. 

Stortosphaera,  F.  E.  Seh.  1875  (103). 

Frei,  sphärisch;  äusserlich  von  dichtstehenden,  nicht  geöffneten 
Zacken  bedeckt.     Ohne  Schalenmündung.     Recent.     1  Art. 

Thurammina,  Brady  1879  (117,  I.)  (V.  5). 
Synon.  Lituola  Carp.  (The  Microsc.  5.  edit.). 

Meist  frei ;  monothalam ,  sphärisch ;  mit  oder  ohne  Hauptmündung 
auf  kurz  röhrenförmigem  Hals;  stets  jedoch  noch  in  verschiedener 
Zahl    auf    Tuberkeln    über    die    ganze    Schale    verbreitete    Nebenmün- 


System.  203 

düngen.      Zuweilen    mehrere    Individuen    äusserlich    zusammenhängend. 
Feinsandig.     Reeent.     Artzahl  3. 

Sorösphaera,  Brady  1879  (117,  L). 

Frei;  polythalam;  Kammern  sphärisch  bis  etwas  unregelmässig.  In 
unregelmässig  acervuliner  Weise  zusammengeliäuft,  Kammer  hierbei  z.  Th. 
nur  halbkugelig  ausgebildet.  Keine  Mündungen  oder  Communikationen 
zwischen  den  Kammern.     Durchm.  4 — 5  Mm.     Reeent.     1  Art. 

Unterfamilie  Cryptostegia,  Reuss  1861. 

Kalkig,  frei,  hyalin,  feinporös;  polythalam.  Kammern  etwa  ovoid, 
völlig  oder  doch  sehr  involut.  In  gerader  Axe  aufgereiht  oder  zwei-  bis 
dreizeilig  geordnet.  Mündung  quer  schlitzförmig,  an  einem  Pol  der 
Kammern  gelegen. 

Ellipsoidina,  Seguenza;  Brady  (A.  m.  n.  h.  4.  I.). 

Kammern  in  gerader  Linie  aufgereiht,  die  jüngeren  die  älteren 
successive  völlig  umfassend  und  einschliessend ,  durch  eine  säulenartige 
Verbindung  ihrer  vorderen  Pole  zusammenhängend.  Mündungen  der 
Kammern  am  vorderen  Pol,  an  der  Basis  dieser  Säule,  schlitzförmig  und 
'  durch  Querbrücken  in  eine  Anzahl  secundärer  Oeffnungen  getheilt. 
Fossil.     Miocän  (1  Art). 

Chilostomella,  Reuss  1849;  Brady  (117,  II.). 

Kammern  ovoid,  sich  nahezu  völlig  umfassend,  alternirend  zwei- 
zeilig geordnet,  so  dass  die  schlitzförmigen,  queren  Mündungen  bald 
an  dem  einen,  bald  an  dem  andern  Pol  der  Schale  liegen.  (Allgemeine 
Bauverhältnisse  ganz  entsprechend  der  sogen.  Uniloculina  unter  den  Im- 
perforata.)    Lebende  Arten  1.     Fossil  seit  Tertiär. 

Allomorphina,  Reuss  1849;  Brady  (117,  IL). 

Aehnlich    Chilostomella    und  verhält    sich  zu   dieser   etwa  so,    wie 

Triloculina   zu  Uniloculina.     Also  Kammern   sich   weniger  umfassend  und 

äusserlich    3    sichtbar.     Lebende  Arten    1.     Fossil    seit    oberer    Kreide- 
formation. 

Unterfamilie  Textularidae,   Carp.  1862. 

Polythalam,  kalkig  und  sandig;  in  meist  hoher  Schraubenspirale 
zwei-,  mehrzellig  oder  ohne  Ausprägung  von  Zeilen  aufgerollt.  Meist 
ziemlich  grob  perforirt. 

Textularia,  Defr.  1828  (Textilaria);  Parker  u.  J.  (62,  h.). 

Kammern  alternirend  zwei-,  selten  dreizeilig  entlang  der  Hauptaxe 
aufgereiht.  Gesammtgestalt  stets  mehr  oder  weniger  umgekehrt  kegel- 
bis  keilförmig.  Mündung  meist  an  Basis  der  axialen  Kammerfläche, 
halbkreisförmig  bis  halbmond-  und   schlitzförmig,   seltener  mehr  terminal. 


204  Rhizopoda. 

Untergattungen: 

Textularia  s.  str.  (VIII.  5). 

Synon.    Polymorphium  Sold.   p.  p. ,   Loxostomum ,    Clidostomum,    Ehynchoplecta, 
Proroporus  p.  p.  Ehrbg. 

Regulär  zweizeilig,  häufig  stark  in  der  Medianebene  beider  Kammer- 
reihen  abgeplattet,  Mündung  meist  normal.  Grössere  Formen  häufig  etwas 
sandig.  Lebende  Arten  ca.  25.  Fossil  seit  Kohlenformation.  (Plecanium 
nannte  Keuss  sandschalige,  echte  Textularien.) 

Bigenerina,  d'Orb.  1826. 

Synon.  Gemmulina  d'Orb. 

Aehnlich  Textularia,  jedoch  jüngere  Kammern  in  einreihiges  Wachs- 
thum  übergehend.  Meist  etwas  sandig.  Lebende  Arten  ca.  5.  Fossil 
seit  Kohlenformation.  (Climacimma  nennt  Brady  (105)  bigenerina-artige 
und  angeblich  imperforirte,  innerlich  labyrinthische  Formen  der  Kohlen- 
formation.) 

Gramraostomum,  Ehrbg. 

Synon.  Vulvulina  d'Orb. 

Regulär  zweizeilig;  sehr  stark  comprimirt.  Mündung  spaltförmig 
parallel  der  Abplattungsebene.  Lebende  Arten  ca.  4.  Fossil  seit  Kohlen- 
formation. (Schizophora  Reuss  unterscheidet  sich  von  Grammostomum 
durch  Uebergang  in  einzeiliges  Wachsthum.     Tertiär.) 

Verneuilina,  d'Orb. 

Synon.   Tritaxia  Reuss. 

Dreizeilig.  Mündung  axial  oder  terminal.  Gaudryina  d'Orb. 
(emmend.  P. ,  J.  u.  Carp.)  ist  eine  Verneuilina  mit  Uebergang  in  zwei- 
zeiliges, Clavulina  d'Orb.  (emmend.  P.,  J.  u.  Carp.)  hingegen  mit  Ueber- 
gang in  einzeiliges  Wachsthum.  Lebende  Arten  ca.  8.  Fossil  seit  Kreide- 
formation. 

Cuneolina,  d'Orb.  1839. 

Frei;  Textularia  mit  starker  Abplattung,  jedoch  senkrecht  zu  der  bei 
Textularia  gewöhnlichen  Richtung.  Jüngere  Kammern  rasch  sich  ver- 
breiternd, daher  Gesammtgestalt  fächerförmig.  Statt  einfacher  Mündung 
eine  Reihe  grosser  Poren.   Lebende  Arten  1.   Fossil  seit  Kreideformation. 

Pavonina,  d'Orb.  1826;  Brady  (117,  IL)  (VIIL  13). 

Anfangskammern  textularia-artig  aufgereiht;  spätere  einzeilig;  sehr 
stark  abgeplattet  und  sich  sehr  rasch  verbreiternd ;  Gesammtgestalt  daher 
fächerförmig.  Statt  einfacher  Mündung  1  Reihe  von  Poren  auf  der  End- 
fläche.   Recent.    1  Art. 

Bulimina,  d'Orb.  1826. 

Frei,  kalkig  oder  etwas  sandig;  in  hoher  Schraubenspirale  aufgerollt 
mit  2  bis  zahlreichen  Kammern  auf  1  Umgang;  wenig  bis  recht  involut. 
Gesammtgestalt  stets  ziemlich  gestreckt  kegelförmig  bis  cylindrisch.  Be- 
sonders  charakteristisch  Mündung.     Der  Windungsaxe  zu  gerichtet  und 


System.  205 

parallel  dieser  meist  länglich  schlitzförmig  ausgezogen.  Vorderes  Ende 
des  Schlitzes  häutig  etwas  erweitert,  dann  etwa  kommafOrmige  Gestalt 
der  Mündung;  Ränder  häufig  lippenförmig  aufgewulstet  und  etwas  über- 
einander geschoben.     Fossil  seit  Triasformation. 

üiitergenera: 

Bulimina  s.  str. 
Deutlich  schraubenspiralig,  zuweilen,  jedoch  wenig  deutlich,  Neigung 
zu   drei-  oder   zweizeiliger  Anordnung,   z.  Th.   sogar  in  einreihige  über- 
gehend.    Zuweilen    Neigung    zur   Involubilität.     Lebende    Arten    ca.   13. 
(Ataxophragmium  nennt  Reuss  sandige  Buliminen.) 

Robertina,  d'Orb.  1846,  soll  sich  nach  d'Orbigny  hauptsächlich 
dadurch  von  Bulimina  unterscheiden,  dass  die  Kammern  noch  durch  eine 
secuudäre  Scheidewand  untergetheilt  werden.  (Carp.  definirt  hingegen 
dieses  Untergenus  etwas  anders.)     Lebend. 

Virgulina,  d'Orb.  1826. 

Synoii.  Grammobotrys  Ehrbg. 

Dünne,  kalkige,  langgestreckte  Schale,  mehr  oder  weniger  deutlich 
zweizeilig.     Lebende  Arten  ca.  3. 

Bolivina,  d'Orb.  1839. 
Ganz   regelmässig  zweizeilig,    jedoch   Mündung  ganz  bulimina-artig. 
Lebende  Arten  ca.  6. 

Valvulina,  d'Orb.  1826  (VIL  34—36). 

Synon.  Clavulina,  Virgulina,  Eobertina,  Bolivina  d'Orb.  p.  p. 

Frei  oder  angewachsen;  sandig  (in  der  Jugend  jedoch  deutlich  hyalin 
und  perforirt).  Schraubenspiralig  und  häufig  dreizeilig.  Gesammtgestalt 
dreiseitig  pyramidal,  kegel-  oder  kreiseiförmig.  Zuweilen  auch  ins  ein- 
zeilige übergehend  (Clavulina  d'Orb.  p.  p.).  Mündung  gewöhnlich  bogen- 
förmiger Schlitz  mit  zungenförmigem  Vorsprung  des  einen  Randes  (Haupt- 
charakter).   Lebende  Arten  ca.  10.    Fossil  seit  Kohlenformation. 

Chrysalidina,  d'Orb.  1846. 

Kalkig,  frei,  regulär  dreizeilig,  Kammern  sehr  niedrig  und  sehr 
schief  zur  Hauptaxe  gerichtet.  Aeussere  Kammernähte  hingegen  hori- 
zontal. An  Stelle  grösserer  Mündung  eine  Anzahl  grober  Poren.  Lebende 
Arten  1.    Fossil  seit  Kreideformation. 

Cassidulina,  d'Orb.  1826  (VIII.  6). 

Kalkig,  frei,  feinporös;  Kammern  textularia-artig,  zweizeilig  auf- 
gereiht, jedoch  Aufreihuugsaxe  nicht  gerade  gestreckt,  sondern  spiralig 
symmetrisch  oder  ganz  niedrig  schraubig  aufgerollt.  Letzter  Umgang  die 
vorhergehenden  einhüllend.  Mündung  lang  schlitzförmig,  asymmetrisch 
gelegen.  (Untergatt.  Ehrenbergina  Reuss  (VIL  33),  hier  die  spiralige 
Einrollung  auf  Anfangstheil  der  Schale  beschränkt.)  Lebende  Arten  ca.  6. 
Fossil  seit  Miocän. 


206  Ehizopoda. 

Unterfarailie    Rotalinae,   Carp.    (74);    Parker   u.   J.   (Qu.  journ.   geol. 

SOG.  1872). 

Polythalam ,  gewöhnlich  grobperforirt ;  kalkig  (jedoch  wohl  nicht 
durchaus);  niedrig  schraubenspiralig  aufgerollt,  so  dass  auf  der  apicalen 
Fläche  sämmtliche  Kammern,  auf  der  basalen  hingegen  nur  die  des  letz- 
ten Umgangs  sichtbar  sind.  Zuweilen  jedoch  auch  zu  völlig  symmetri- 
scher Aufrollung  übergehend.  Bald  die  apicale,  bald  die  basale  Seite 
mehr  hervorgewölbt.  Mündung  meist  schlitzförmig,  bald  mehr  auf  die 
apicale,  bald  mehr  auf  die  basale  Fläche  gerückt.  Scheidewände  gewöhn- 
lich einfach ,  nur  bei  Rotalia  doppelt  und  mit  Kanalsystem.  Häufig  in 
abnorme  Wachsthumsverhältnisse  übergehend. 

Discorbina,   Lamck.  (P.  u.  J.- emmend.)  1804  (IX.  6). 

Syuon.    Discorbitcs,    Eotalia,    Rosaliiia,   Valvulina,    Asterigerina,  Anomalina   nnd 
Globigerina  d'Orb.  p.  p.,  Kotalia  Will.  p.  p. 

Frei,  kalkig,  niedrige  Scbraubenspirale  mit  mehr  oder  weniger  empor- 
gewölbter Apicalseite.  Basalseite  flach.  Kammern  sphärisch,  meist  auf- 
gebläht. Ziemlich  grob  porös.  Mündung  excentrisch,  hauptsächlich  auf 
Basalseite,  schlitzförmig.  Nabelhöhle  der  Basalseite  meist  von  nicht  per- 
forirter  Kalkmasse  erfüllt  oder  von  Lamelle  solcher  überdeckt,  welche 
sternartige  Fortsätze  in  die  Septalfurchen  aussendet.  (Asterigerina  d'Orb.) 
Lebende  Arten  ca.  20.    Fossil  seit  Kreideformation. 

Piano rbulina  (d'Orb.  1826),  P.  u.  J.  (IX.  8). 

Synon.     Planorbulina,    Kotalia,    Rosalina.    Anomalina.    Truncatulina,    Planulina, 
Gyroidina  d'Orb.  p.  p  ,  Acervulina  M.  Scli. 

Kalkig,  recht  grob  porös  (vielleicht  bezeichnendster  Charakter  für 
diese  Formen);  aufgewachsen  mit  apicaler  Fläche;  diese  daher  abgeplattet, 
V7ährend  basale  Fläche  mehr  oder  minder  hervorgewölbt.  Mündung 
schlitzförmig,  auf  basale  Fläche  gerückt. 

Untergattungen: 

Planorbulina  s.  str. 

Synon.  Siphonia  Eeiiss,  Acervulina  M.  Seh. 

Flach  aufgewachsen,  Kammern  ziemlich  blasig  aufgetrieben.  Nach 
einer  Anzahl  von  Umgängen  in  mehr  oder  weniger  cyklisches  Wachs- 
thum  tibergehend,  wobei  die  Zahl  der  Kammermündungen  sich  vermehrt. 
Lebende  Arten  ca.  15.  Fossil  seit  Lias.  (Acervulina  M.  Seh.  ist  eine 
aus  sehr  unregelmässig  übereinandergethürmten  Kammern  bestehende 
Planorbulina,  und  auch  die  neuerdings  von  Carter  beschriebene  Aphrosine 
(Journ.  micr.  soc.  Vol.  IL)  scheint  nur  eine  etwas  unregelmässig  wachsende 
Planorbulina  zu  sein.) 

Truncatulina,  d'Orb.  1826  (emmend.  P.  u.  J.). 

Synon.   Lobatula  Flem.,   Polyxenes,   Cibicides,  Aspidospira,  Arisb^rospira  Ehvbg. 

Nicht  cyklisch  auswachsend.  Zur  Anheftung  dienende  Apicalfläche 
abgeflacht,     freie     Basalfläche    stark     convex    hervorgewölbt.      Mündung 


System,  207 

charakteristisch   (vergl.  frühere  Beschreibung).     Lebende  Arten  4.    Fossil 
seit  Kohlenformation. 

Anomalina,  d'Orb.  1826. 

Nahezu  symmetrisch  spiralig-,  bald  mehr  planorbulina-,  bald  mehr 
truncatulina-artig.     Lebende  Arten  2. 

Planulina,  d'Orb. 
Nahezu  symmetrisch  und  sehr  stark  scheibenförmig  abgeflacht,   nicht 
cyklisch  auswachsend.     Lebende  Arten  1. 

Pulvinulina  (d'Orb.  1826),  P.  u.  J.  emmend.  (IX.  5). 

Synon.  ßotalia,  Planorbulina,  Valvulina,  Nonionina  d'Orb.  p.  p. 

Frei,  kalkig,  fein  porös  (sehr  wichtiger  Charakter).  Apicalfläche 
meist  kegelförmig  erhaben,  Basalfläche  mehr  oder  weniger  convex.  Z.  Th. 
jedoch  auch  sehr  niedergedrückt.  Kammerzahl  massig  gross,  Nabel  der 
Basalfläche  häufig  ausgefüllt,  ebenso  die  Kammernähte;  häufig  gekielt. 
Mündung  auf  Basalfläche  schlitzartig.  Jüngere  Kammern  zuweilen  in  eine 
Art  cyklisches  Wachsthum  übergehend  (vermiculat).  Lebende  Arten  ca.  30. 
Fossil  seit  Kohlenformation. 

Rotalia  (Lamck.  1801)  P.  u.  J.  emmend.;  Williamson  (Transact. 
micr.  SOG.  2.  s.  L)  (IX.  3). 

Synon.  Nautilus  Aut.  ant.  p.  p.,  Kotalia ,  Eosalina,   Gyroidina,   Asterigerina  und 
Calcarina  d'Orb.  p.  p. 

Frei,  kalkig ;  feinporös ;  Kammerzahl  der  Umgänge  ziemlich  gross ; 
apicale  Seite  flach  oder  wenig  erhoben,  Basalseite  ziemlich  flach  bis 
kegelförmig  erhoben.  Mündung  wenig  asymmetrisch  gelegen  bis  ganz 
auf  Basalseite  gerückt.  Nabel  und  Kammernähte  häufig  von  nlchtperfo- 
rirter  Schalenmasse  erfüllt.  Septen  doppelt,  mit  wohlausgebildetem  Kanal- 
system. Lebende  Arten  ca.  13.  Fossil  seit  Kreideformation.  (Oberer 
Jura?) 

Calcarina,  d'Orb.  1826;  Carp.  (57,  4.  s.)  (IX.  7). 

Synon.  Siderolitlies  Lamck.,  Siderolina  d'Orb.,  Siderospira,  Pleurotrema  Elirbg. 

Frei,  kalkig,  niedere  Schraubenspirale,  mit  wenig  sich  verdeckenden 
Umgängen.  Hauptcharakter  allseitige  Umhüllung  durch  secundäre,  von 
zahlreichen  Kanälen  (sogen.  Kanalsystem)  durchzogene  Schalensubstanz, 
die  hauptsächlich  peripherisch  in  mehr  oder  minder  zahlreiche  einfache 
oder  verzweigte  lange  Stacheln  auswächst.  Mündung  an  Basis  der  ein- 
fachen Septen,  gewöhnlich  in  einer  Reihe  von  groben  Poren  untergetheilt. 
Lebende  Arten  ca.  4.     Fossil  seit  Kreideformation  (Kohlenform.?  Brady). 

Anhang  zur  ünterfamilie  der  Rotalinae: 

Sandschalige  Rotalinen.  Es  wurde  schon  früher  bemerkt,  dass 
eine  Anzahl  der  sandschaligen,  gewöhnlich  dem  Genus  Trochammina  bei- 
gerechneten Formen  wahrscheinlich  zu  den  Rotalinen  zu  stellen  sind. 


208  EJiizopoda. 

Polytrema,  Risso  1826;  Blainv.  1834;  M.  Schultze  (Arch.  f.  Nat.-G. 
1863,  I.) ;  Carpenter  (74  u.  A.  m.  n.  h.  4.  XVII.) ;  Carter  (A.  m.  n.  h.  4. 
XVII.  XIX.  XX.  (IX.  11). 

Synon.  Millepora  Pallas,  Liiin6,  Esper,  Lamclc,  Pustularia  Gray.    ' 

Kalkig,  aufgewachsen,  polythalam  spiralig  beginnend  und  hierauf  in 
sehr  eigenthtimlicher  Weise  weiterwachsend.  Gesammtgestalt  baumförmig, 
mit  mehr  oder  weniger  ästig  verzweigtem  Distalende.  Enden  der  Aeste 
geöffnet.  Meist  roth  gefärbt.  (Lieber  die  feineren  Bauverhältnisse  vergl. 
die  früher  gegebene  Beschreibung.)  Recent.  1  Art.  (Verwandtschaftliche 
Beziehungen  bis  jetzt  noch  wenig  aufgeklärt,  von  Carpenter,  P.  u.  J.  als 
eine  modificirte  Rotaline,  etwa  von  Planorbulina  sich  ableitend,  betrachtet. 
Doch  ist  die  feinere  Bauweise  so  eigenthümlich,  dass  mir  diese  Auffassung 
sehr  fraglich  erscheint.) 

?  Parkeria,  Carp.  1869  (88);  Carter  (A.  m.  n.  h.  XIX)  (V.  23). 

Frei;  nach  Carp.  kalksandschalig,  nach  Carter  kalkigfaserig,  nicht 
sandig.  Kugelig  bis  linsenförmig  (bis  zu  50  Mm",  im  Durchm.).  Aus 
zahlreichen  concentrischen  Lamellen,  die  durch  radiäre  Pfeiler  verbunden 
werden,  zusammengesetzt.  Ohne  grössere  Kammermündung.  Im  Centrum 
eine  Anzahl  in  gerader  Linie  hintereinanderliegender  Embryonalkammern, 
die  von  Carter  auf  einen  umwachsenen  Fremdkörper  zurückgeführt  werden. 
Fossil,  Kreideformation.  (Carter  leugnet  die  Rhizopodennatur  der  Parkeria 
und  betrachtet  sie  als  das  Basalskelet  eines  Hydractinia  ähnlichen 
Hydroidpolypen.) 

Patellina,  Will.  1858  (61);  Carp.  (74)  (IX.  9). 

Synon.  Orbitolina  d'Orb.  p.  p.  Aut.,  ?  Cyclolina  d'Orb.,  Conulites  Carter  (A.  m.  n.  h. 
3.  VIII). 

Ziemlich  verschieden  und  z.  Th.  bis  jetzt  noch  wenig  sicher.  Gestalt 
etwa  flach  kegelförmig.  Spitze  des  Kegels  mit  Embryonalkammer,  hieran 
anschliessend  der  Kegelmantel,  gebildet  aus  halbe  Umgänge  formiren- 
den  Kammern  oder  aus  schraubigspiraliger  Röhre.  Stets  jedoch  Untertheilung 
der  Kammern  durch  zahlreiche  secundäre  Septen.  Von  besonderen  Kammer- 
mündungen nichts  bekannt;  auf  der  Aussenfläche  eine  Anzahl  Poren. 
Kegelhöhle  von  exogener  Schalenmasse  mehr  oder  weniger  erfüllt.  Hierin 
z.  Th.  Ausbildung  von  Nebenkämmerchen  von  unregelmässiger  oder  regel- 
mässigerer  Bildung  und  häufig  ganz  orbitoides-  oder  tinoporus- artiger 
Anordnung.  Lebende  Arten  ca.  3.  Fossil  seit  Kreide.  (Wie  schon  früher 
bemerkt,  scheinen  mir  die  verwandtschaftlichen  Beziehungen  dieser 
interessanten  Gattung  noch  keineswegs  hinreichend  aufgeklärt;  ja  es 
scheint  mir  sogar  bis  jetzt  ihre  Zurechnung  zu  den  Perforaten  noch  nicht 
gegen  jeden  Zweifel  sichergestellt.  Ob  die  von  P..  J.  und  Carp.  ihr  an- 
gewiesene Stellung  bei  den  Rotalinen  sich  durch  eingehendere  Unter- 
suchungen als  richtig  erweisen  dürfte,  oder  ob  nicht  doch  ein  näherer 
Anschluss  an  Orbitoides  und  Tinoporus  gerechtfertigt  erseheint,  wagen 
wir  hier  nicht  zu  entscheiden. 


System.  209 

Familie  Nummulitinae  (Nummulinida  Carp.  1862)  emmend.  Btschli. 

Kalkig,  selten  sandig;  hj^alin  und  gewöhnlieh  fein  bis  sehr  fein  porös. 
Mono-  bis  polythalam,  symmetrisch  spiralig  aufgerollt,  selten  etwas  asym- 
metrisch schraubenförmig.  Fast  stets  völlig  involut,  jedoch  häufig  die 
seitlich  übergreifenden  Partien  der  späteren  Umgänge  ohne  zwischen- 
bleibende Kammerhöhlungen  direct  zur  Verstärkung  der  Wand  des  vorher- 
gehenden Umgangs  aufgelegt.  Mündung  fast  stets  schlitzförmig  an  Basis 
des  einfachen  oder  doppelten  Septuras  gelegen;  dieses  gewöhnlich  nicht 
perforirt,  nur  von  einer  Anzahl  grober  Poren  durchbohrt.  Kanalsystem 
bei  den  höheren  Formen  sehr  wohl  und  z.  Th.  in  sehr  complicirter  Weise 
entwickelt.  Z.  Th.  mit  Uebergang  in  cyklisches  Wachsthum  und  Unter- 
theilung  der  Kämmerchen  durch  Secundärsepta,  in  ähnlicher  Weise  wie 
bei  den  Orbitolitina  unter  den  Imperforata. 

(Die  Familie  der  Nuuiuuilitinae  ist  liier  in  einem  weiteren  Sinne  gefasst,  als  dies  von 
Carpenter  geschehen,  indem  ihr  eine  Anzahl  Formen  zugesellt  wurden,  die  Carpenter  unter 
den  Globigeriniden  aufführt  oder  die  erst  in  neuerer  Zeit  bekannt  wurden.  Neben  anderen 
Charakteren  scheint  mir  die  ausgesprochene  Neigung  zu  symmetrisch  spiraligem  und  völlig 
involutem  Wachsthum  diese  Formen  hauptsächlich  zu  verbinden.) 

Unterfamilie  Involutinae,  Btschli. 

Monothalam,  symmetrisch  bis  etwas  asymmetrisch  spiralig,  kalkig, 
cornuspira-artig,  jedoch  involut,  mit  Beschränkung  der  Kammerhöhlung 
auf  die  peripherischen  Theile  der  Umgänge. 

Involutina  (Terqu.  1862),  Bornemann  emmend.  (Z.  d.  d.  geolog. 
G.  26)  Brady  (IX.  12). 

Kalkig,  frei,  cornuspira-artig  aufgerollt  und  selten  etwas  asym- 
metrisch. Durch  Ueberlagerung  durch  die  Schalenlamellen  der  späte- 
ren Umgänge  die  Nabelhöhlungen  ganz  ausgefüllt,  so  dass  Umgänge 
äusserlich  nicht  sichtbar.  Feinere  und  gröbere  Poreukanäle  vorhanden 
(jedoch  die  feinen,  nummulitenartigen  Porenkanäle  von  Archaeodiscus 
nicht  beobachtet,  aber  doch  vielleicht  vorhanden).  Fossil  (Lias).  (Proble- 
matina  nennt  Bornemann  einige  von  Terquem  beschriebene  Involutina- 
arten,  die  durch  den  Besitz  von  Scheidewänden  sich  als  polythalam  er- 
weisen sollen;  Silicina  (Involutina  Terq.  p.  p.)  hingegen  sandig-kieselige 
involutina-artige  Formen;  beide  Gattungen  sind  jedoch  bis  jetzt  noch  zu 
wenig  genau  bekannt,  um  über  ihre  Stellung  mit  Sicherheit  urtheilen  zu 
können.     Lias.) 

Archaeodiscus  (Archaediscus),  Brady  (A.  m.  n.  h.  4.  XI.  u.  105) 
(IX.  13). 

Monothalam,  ähnlich  Involutina,  jedoch  die  Aufrollung  nicht  in  einer 
Ebene,  sondern  wechselnd  in  verschiedenen.  Aeusserlich  die  Umgänge 
nicht  sichtbar.  Gesammtgestalt  linsenförmig.  Zweierlei  Poren.  Fossil, 
Kohlenformation.     1  Art. 

Bvonn,  Klassen  des  TMer-Eeiclis.    Protozoa.  14 


2 10  Rliizopoda. 

Spirillina,  Ehrbg.  1841  (emmend.  P.,  J.  u.  Carp.). 

Synon.  Oolis  Phill.,  Operculina  Eeuss  etc,  p.  p.,  Cornuspira  M.  Seh.  p.  p. 

Kalkig,  frei,  symmetrisch  bis  etwas  asymmetrisch  aufgerollt  und  Um- 
gänge nur  sehr  allmählich  anwachsend.  Nicht  involut.  Meist  grob  porös. 
Häufig  Auflagerungen  von  exogener  Schalenmasse.  Lebende  Arten  ca.  7. 
Fossil  seit  Tertiär.  (In  mancher  Hinsicht  scheint  mir  die  Gattung  Spi- 
rillina zunächst  an  die  beiden  soeben  besprochenen  Gattungen  sich  an- 
zuschliessen,  jedoch  sind  nach  den  bis  jetzt  vorliegenden  Untersuchungen 
sehr  erhebliche  Unterschiede  nicht  zu  verkennen.  Carp.,  P.  u.  J.  stellen 
sie  zu  den  Globigerinida.) 

Unterfamilie  Pulleninae^  Btschli. 

Polythalam,  kalkig,  feinporös,  meist  frei.  Spiralig  aufgerollt,  zu- 
weilen etwas  asymmetrisch.  Involut;  Kammerzahl  der  Umgänge  gering 
und  Kammern  rasch  in  die  Höhe  und  namentlich  auch  Breite  wachsend, 
daher  Gesammtgestalt  mehr  oder  weniger  kugelig.  Septa  gewöhnlich 
einfach,  daher  meist  kein  Kanalsystem.  Mündung  meist  sehr  ansehnlicher 
Querschlitz  an  Basis  der  Septen. 

Pullenia,  P.  u.  J.  1862  (IX.  14). 

Synou.  Nonionina  p.  p.  d'Orb. 

Symmetrisch,  völlig  involut.  Kammerzahl  auf  1  Umgang  4 — 5;  Höhe 
der  Kammern  gering ,  dagegen  Breite  recht  ansehnlich.  Gesammtgestalt 
kugelig.  Mündung  sehr  breiter,  niederer  Schlitz  an  Basis  der  Septen. 
Kein  Kanalsystem.  Septen  perforirt  (?).  Lebende  Arten  ca.  5.  Fossil 
seit  oberer  Kreideformation. 

Sphaeroidina,  d'Orb.  1826  (IX.  15). 

Synon.     Sexloculina  J  iz . 

Unterscheidet  sich  hauptsächlich,  durch  asymmetrisch,  seitlich  an  der 
Basis  der  Septen  gelegene,  kleine  halbmondförmige  Mündung.  Zahl  der 
lebenden  Arten  2.  Fossil  seit  oberer  Kreide.  (Die  Hierhergehörigkeit 
der  Sphaeroidina  ist  etwas  fraglich ;  da  sie  jedoch  ohne  Zweifel  in  nächster 
Beziehung  zu  Pullenia  steht,  so  dürfte  trotz  ihrer  Abweichungen  ihre 
Hierherziehung  gerechtfertigt  erscheinen.) 

?Ilupertia,  Wallich  1877  (A.  m.  n.  h.  4.  s.  XIX.). 

Kalkig,  zuweilen  jedoch  auch  etwas  sandig,  verhältnissmässig  grob 
porös.  Ziemlich  unregelmässige  spiralige  Aufrollung.  Gesammtgestalt 
kugelig  bis  unregelmässig.  Kammern  äusserlich  nicht  unterscheidbar. 
Mündung  breit  halbmondförmig.  Durch  dicken,  kurzen,  aus  nicht  perfo- 
rirter  Schalenmasse  bestehenden  Stiel  aufgewachsen.  Scheidewände  im- 
perforirt.  Recent.  1  Art.  (Die  Hierhergehörigkeit  dieser  Gattung  scheint 
recht  fraglich,  jedoch  scheinen  mir  die  verwandtschaftlichen  Verhältnisse 
noch  am  meisten  auf  Pullenia  hinzudeuten.) 


System.  211 

Endothyra,  Phill.  1846;  Brady  (105);  v.  Müller  (116)  (IX.  16). 

Synon.  Eotalia  Hall,  Nouionina  p.  p.  Eichwald,  Involutina  p.  p.  Brady. 

Allgemeine  Bildung  ähnlich  Pullenia.  Kammerzahl  der  Umgänge 
jedoch  bedeutend  grösser  (bis  20  im  letzten  Umgang).  Kalkig  nach 
Möller  (nach  Brady  angeblich  kalksandig),  feinporös.  Septen  einfach, 
perforirt;  Mündung  ansehnlich.  Fossil,  Kohlenformation.  (Nach  Brady 
angeblich  zu  sandigen  Imperforata  gehörig.) 

Cribrospira,  v.  Möller  (116). 

Aehnlich  Endothyra,  jedoch  etwas  asymmetrisch  schraubenspiralig. 
Mündung  gross,  jedoch  nach  v.  Möller  secundär  gebildet,  daher  der 
letzten  Scheidewand  gewöhnlich  fehlend.  Septa  einfach,  mit  gröberen 
Poren.     Fossil,  Kohlenformation. 

Bradyina,  v.  Möller  (116)  (IX.  17). 

Synon.  Nonionina  Eicliwald  p.  p.,  Lituola  Brady  p.  p. 

Aehnlich  Cribrospira,  grob  perforirt,  asymmetrisch.  Kammerzahl  der 
Umgänge  massig  gross  (7 — 8  im  letzten  Umgang).  Zweiter  Umgang  mit 
abgeschnürten  Seitenkammern  unter  der  apicalen  Windungsspitze.  Mün- 
dung wie  Cribrospira.  Septa  zweiblätterig  mit  Kanalsystem  und  einer 
Anzahl  gröberer  Poren.     Fossil,  Kohlenformation. 

Amphistegina,  d'Orb.  1826;  Williamson  (47);  Carpenter  (57,  3.  s.) 
(X.  1—3). 

Kalkig,  frei.  Etwas  asymmetrisch,  flach  schraubenspiralig;  eine  Seite 
mehr  convex  als  die  andere.  Kammerzahl  der  Umgänge  zahlreich,  die 
Höhlungen  erstrecken  sich  bis  nahezu  zur  Windungsaxe.  Höhen-  und 
Breitenzunalime  sehr  allmählich,  daher  Gesammtgestalt  etwa  linsenförmig. 
Septa  stark  vorwärts  gekrümmt;  auf  mehr  convexer,  sogen.  Unterseite 
durch  secundäre  Septen  von  jedem  KammerflUgel  ein  secundäres  Käm- 
merchen  abgetheilt.  Septa  einfach,  ohne  Kanalsystem.  Mündungen  spalt- 
artig, einseitig  auf  sogen.  Unterseite  gerückt.  Lebende  Arten  ca.  3. 
Fossil  seit  Kohlenformation.  (Diese  Gattung  neigt  sich  durch  zahlreiche 
Charaktere  schon  sehr  zu  der  folgenden  Unterfamilie  hin,  ist  daher  wohl 
am  besten  als  eine  mit  dieser  vermittelnde  zu  betrachten.) 

Unterfamilie  Nummulitidae. 

Symmetrisch,  gewöhnlich  sehr  vielkammerig,  Kammern  meist  nur 
wenig  in  die  Breite  wachsend,  daher  Gesammtgestalt  gewöhnlich,  jedoch 
keineswegs  immer,  ziemlich  abgeflacht.  Septa  imperforirt,  zweilamellig 
mit  mehr  oder  minder,  z.  Tb.  sehr  hoch  entwickeltem  Kanalsystem. 

Polystomella,  Lamck.  1822;  Williamson  (46  u.  47);  Carpenter 
(57,  4.  ser.)  (X.  6,  XL). 

Umgänge  ziemlich  in  die  Breite  wachsend,  dagegen  in  der  Höhe  nur 
massig    zunehmend.      Gesammtgestalt    daher    nicht    sehr    abgeflacht    bis 

14* 


<2\2  Rhizopoda. 

linsenförmig.  Kammerzalil  der  Umgänge  gering  bis  massig  gross.   Kanal- 
system mehr  oder  weniger  wohlentwickelt.     Kein  Dorsalstrang. 

Untergenus  Nonionina,  d'Orb.  1826. 
Synon.  Noniona,  Melonis,  Florilus,  Chrysolus  Montf.,   Pulvillus,  Lenticulina  p.  p.,  Placentula 

Lamck.,  Geoponus  Ehrbg. 

Mündung  einfacher,  basaler,  halbmondförmiger  Schlitz.  Kammer- 
höhlungen einfach  ohne  zipfelförmige  Aussackungen.  Nabel  z.  Tb.  un- 
ausgefüllt.  Kanalsystem  weniger  wohl  entwickelt.  Lebende  Arten  ca.  14. 
Fossil  seit  Kreideformation.  (Durch  die  einfachsten  Formen  scheint  sich 
diese  Gattung  noch  ziemlich  innig  an  Pullenia  anzuschliessen ,  die  höher 
entwickelten  führen  ganz  allmählich  zu  Polystomella  s.  str.  hinüber.) 

Untergenus  Polystomella  s.  str. 

Synon.  Nautilus  p.  p.  L.  et  Aut.  ant.,  Geophonus,  Elphidium,  Pelorus,  Andromedes,  Sporilus 
Themeon,  Calcanthus  Montf.,  Vorticialis  Blainv.,  Polystomatium  Ehrbg.,  Faujasina  d'Orb. 

Mündung  in  eine  basale  Reihe  von  groben  Poren  untergetheilt. 
Kammerzahl  der  Umgänge  ziemlich  gross.  Kammerhöhlungen  peripherisch 
nach  hinten  in  zipfelförmige  Aussackungen  fortgesetzt  (z.  Th.  äusserlich 
wohl  sichtbar).  Kanalsystem  sehr  wohl  entwickelt.  Nabel  stets  aus- 
gefüllt. Lebende  Arten  ca.  11,  Fossil  seit  Kreideformation  (Kohlen- 
formation'?). 

Cyclammiua,  Brady  1876  (Proc.  roy.  soc.  XXV.  u,  117,  I.). 

Synon.  Lituola  Carp.  The  Microsc.  5.  edit.,  Carter  A.  m.  n.  L.  4.  XIX. 

Ganz  ähnlich  Nonionina,  jedoch  sandschalig.  Kammerhöhlungen 
durch  röhrige  Auswüchse  mehr  oder  weniger  erfüllt.  Recent.  1  Art. 
(Sandige,  ganz  nonionina-artige  Formen  hat  ferner  Brady  als  Trochammina 
beschrieben,  so  Trochammina  trulissata  [117,  I.].) 

Operculina,  d'Orb.  1826;  Carter  (An.  m.  n.  h.  2.  X.);  Carpenter 
57,  3.  ser.);  Parker  u.  J.  (Q2,  g.)  (X.  4). 

Synon.  Nautilus  Gronovius,  Schroedt.,  Lenticulites  Basterot,  Defr. 

Wenig  Umgänge,  sehr  rasch,  namentlich  der  letzte,  in  die  Höhe  wach- 
send, dagegen  in  Breite  sehr  wenig  zunehmend;  Gesammtgestalt  daher 
scheibenförmig  abgeplattet.  Kammerzahl  massig  gross.  Kammerhöhlungen 
nicht  flügelartig  über  die  Seitenflächen  fortgesetzt.  Mündung  einfach, 
niedriger  Querschlitz.  Kanalsystem  wohl  entwickelt,  mit  Dorsalstrang. 
Lebende  Arten  ca.  2 — 3.     Fossil  seit  Kreideforraation. 

Nummulites,  Lamck.  1801;  Joly  et  Leymerie  (Mem,  Acad.  sc.  de 
Toulouse  3.  s.  IV.);  Carpenter  (43);  d'Archiac  et  Haime,  Descript.  d. 
anim.  foss.  d.  groupe  Nummulitique  de  Finde.  Paris  1853);  Parker  u.  J. 
(62,  g);  Gümbel  (N.  Jahrb.  f.  Min.  1872);  Brady  (A.  m.  n.  h.  4.  XIIL 
u.  105);  V.  Möller  (116)  (XIL  1—10). 

Synon.   Helicites  Sold.,   Discolithes,   Camerina  Brug. ,  Lenticulites  Schloth.,  Lyco- 
pliris  p.  p.  Rotalites  Montf.,  Nummularia  Sowb.,  Nummulina  d'Orb.  etc.,  Orobias  Eichw^. 

Umgangszahl    meist    sehr    gross ;     Umgangshöhe    sehr    allmählich 


System.  213 

wachsend,  Bieiteziinahine  gleichfalls  meist  gering,  daher  gewöhnlich 
scheibenförmig  bis  linsenförmig,  seltener  bis  kugelig.  Kammerzahl  der 
Umgänge  sehr  gross;  letzter  Umgang  meist  cyklisch  geschlossen.  Mün- 
dung einfach.     Kanalsystem  sehr  wohl  entwickelt,  mit  Uorsalstrang, 

Unterg.  Assilina,   d'Orb.  (Explanatae  d'Arch.  et  H.)  (XII.  4,  5). 

Kammerhöhlungen  ähnlich  Operculina  nicht  fltigelartig  über  die  Seiten 
bis  zum  Nabel  fortgesetzt,  daher  die  Umgänge  äusserlich  meist  sämmtlich 
sichtbar. 

Unterg.  N  um  muH  na,  d'Orb.  (XII.  1—3,  6—10). 

Kammerhöhlungen  flügelartig  über  die  Seiten  der  Schale  bis  zur 
Windungsaxe  sich  fortsetzend,  daher  äusserlich  gewöhnlich  nur  der  letzte 
Umgang  sichtbar.  Verhalten  der  die  seitlichen  Kammerflügel  scheidenden 
Theile  der  Septen  verschieden,  z.  Th.  einfach  radiär  verlaufend  (Radiata 
P.  u.  J.  =  Plicatae  +  striatae  d'Arch.  et  H.  [XII.  3]);  oder  sinuös  sich 
hin-  und  herbiegend  (Sinuatae  P.  u.  J.  =  laeves  -{-  sublaeves  -f  pars 
puuctulatarum  d'Arch.  et  H.),  oder  die  gewundenen  Septen  vielfach  ana- 
stomosirend  und  daher  die  Seitenflügel  in  zahlreiche  secundäre  Kämmer- 
chen  zerlegt  (Reticulata  P.  u.  J.  =^  Reticulatae  +  Subreticulatae  d'Arch. 
et  H.).     Lebende  Arten  ca.  1.     Fossil  seit  Kohlenformation. 

Anhang  zur  Unterfamilie  der  Nummulitiden. 

?Bdelloidina,  Carter  1877  (A.  m.  n.  h.  4.  XIX.). 

Flach  aufgewachsen,  kalksandig,  allgemeine  Bauweise  erinnert  sehr 
an  Peneroplis  unter  den  Imperforata;  Mündung  eine  Reihe  die  Septen 
durchsetzender  Poren.  Obere  freie  Schalenwand  labyrinthisch  entwickelt, 
jedoch  nach  Carter  sicher  perforirt.  Recent.  1  Art.  (Die  Stellung  dieser 
Form  erscheint  bis  jetzt  ganz  zweifelhaft,  und  haben  wir  sie  daher  einst- 
weilen ganz  provisorisch  hierhergewiesen,  da  wir  ausser  Stande  sind,  mit 
einiger  Sicherheit  über  ihre  verwandtschaftlichen  Beziehungen  zu  ent- 
scheiden. Der  Nachweis  der  Perforirung  verbietet  ihre  Unterbringung 
bei  Lituola  und  Verwandten.) 

Unterfamilie  Fusulinidae,  v.  Möller  1878. 

Kalkig,  frei,  feinporös.  Regulär  spiralig  aufgeroUt,  völlig  involut. 
Umgänge  nur  massig  in  die  Höhe  wachsend,  dagegen  sehr  rasch  in  die 
Breite,  so  dass  die  Gesammtgestalt,  ähnlich  Alveolina  unter  den  Imperfo- 
rata, kugelig  bis  in  der  Windungsaxe  langgestreckt,  spindelförmig  und 
cylindrisch  wird.  Kammerhöhluugen  bis  zur  Windungsaxe  ausgedehnt, 
daher  die  früheren  Umgänge  völlig  von  dem  letzten  verdeckt.  Kammer- 
zahl der  Umgänge  ziemlich  hoch.  Letzter  Umgang  durch  cyklisches  Aus- 
wachsen oder  in  anderer  Weise  völlig  abgeschlossen.  Mündung  massig 
breiter,  basaler  Querschlitz,  symmetrisch  gelegen.  Septa  meist  einfach 
und  Kanalsystem  selten  angedeutet.     Durchaus  fossil. 


2 1 4  Ehizopoda. 

Fusulina,  Fischer  v.  W.  1829  (Bullet,  s.  imp.  nat.  Moseou  1829); 
Verneuil  (Sill.  am.  journ.  2.  ser.  IL)  v.  Möller  (116);  (XII.  11—15). 

Synon.  Alveolina  Ehrtg.  j).  p. 

Schale  spindelförmig  bis  cylindrisch.  Septa  einfache  Lamellen;  ihr 
nach  der  Windungsaxe  gerichteter  Theil  (bis  zu  ^g  ihrer  Höhe)  in  wellen- 
förmige, parallel  der  Höhenlinie  der  Kammern  gerichtete  Falten  gelegt. 
Durch  Zusammentreffen  dieser  Falten  der  benachbarten  Septen  Bildung 
zahlreicher  secundärer  Kämmerchen.  (Bis  zu  12  Mm.  lang.)  Kohlen- 
formation. 

Schwager ina,  v.  Möller  1877  (116). 

Synon    Borelis  Ehrbg.  p.p.,  Fusulina  p.  p.  Meck,  Barbot  de  Marny,  Stuckenberg. 

Kugelig  bis  etwas  längsgestreckt;  Hauptunterschied  von  Fusulina, 
dass  Septa  hier  in  ihrer  grössten  Ausdehnung  nicht  gefältelt  und  erst  bei 
ihrer  Annäherung  an  die  Windungsaxe  plötzlich  stark  wellenförmig  sich 
hin  und  her  falten  und  sich  verzweigend  unter  einander  anastomosiren. 
Fossil.     Obere  Kohlen-  bis  untere  Dyasformation. 

Hemifusulina,  v.  Möller  1877  (116). 

Allgemeiner  Bau  sehr  ähnlich  Fusulina;  Septa  jedoch  doppellamellig 
mit  kanalsystemartigen  Interseptalräumen.  Grösse  gering.  Kohlenfor- 
mation. 

Anhang  zur  Familie  der  Fusulinida. 

Fusulinella,  v.  Möller  1877  (116). 

Synon.   Melonia   Ehrbg..  Borelis  p.  p.  Ehrbg.,   Alveolina  p.  p.  Ehrbg.,   Fusulina 
p.  p.  Abich,  Schvrager,  Brady. 

Gestaltsverhältnisse  ähnlich  Fusulina.  Septa  mit  mittleren,  ebenen 
und  seitlichen,  schwach  gefältelten  Theilen.  —  Schalenwandungen  nach 
V.  M.  dicht,  imperforirt;  sammt  den  Septa  aus  zwei  Lamellen  gebildet, 
zwischen  welchen  ziemlich  entwickeltes  Kanalsystem  sich  findet.  (Bis 
5  Mm.  Länge.)  Fossil.  Kohlenformation.  (Wie  schon  früher  bemerkt, 
sind  die  Beziehungen  dieser  Form  zu  den  perforirten  Fusuliniden  so  innig, 
dass  sie  vorerst,  bis  zu  einer  eventuellen  Bestätigung  ihrer  Imperforirt- 
heit,  wohl  am  besten  hier  zu  belassen  sein  dürfte.) 

?  Loftusia,  Brady  1869  (88);  Carter  (A.  m.  n.  h.  4.  XVH.);  Dawson, 
G.  M.  (Qu.  j.  geol.  soc.  35)  (VIL  1). 

Frei,  spiralig  symmetrisch  aufgerollt,  völlig  involut,  ähnlich  Fusuli- 
nida, Gestalt  ellipsoidisch  bis  linsenförmig.  Umgänge  sehr  nieder  (bis  25), 
durch  zahlreiche  sehr  schiefe  Septen  in  Kammern  getheilt,  die  durch 
säulenartige,  senkrecht  sich  erhebende  Auswüchse  der  Septen  noch  in 
zahlreiche  unregelmässige  secundäre  Kammerräume  untergetheilt  werden. 
Kalksandig  nach  Brady.  Aeussere  Kammerlamelle  dicht  (?),  innere  dickere 
aus  labyrinthischem  Werk  gebildet,  das  auch  die  Septen  und  säulen- 
artigen Auswüchse  bildet.  Längsdurchmesser  bis  80  Millim.  Fossil. 
Kohlenformation  und  Tertiär.  (Carter  ist  geneigt,  auch  diese  Form,  wegen 


System.  215 

ihrer  Beziehungen  zu  der  Parkeria,  die  mir  jedoch  sehr  wenig  nahe  zu 
sein  scheinen,  für  das  Basalskelet  eines  Hydroidpolypen  zu  erklären. 
Mir  scheint  die  ßhizopodennatur  der  Loftusia  nicht  wohl  zu  bezweifeln, 
dagegen  ihre  Stellung  sehr  unsicher.  Ihre  Hierherziehung  ist  daher  eine 
ganz  provisorische.) 

Unterfamilie  Cycloclypidae,  Btschli. 

Polythalam,  mit  ursprünglich  spiraliger  Aufrollung,  die  späterhin, 
ähnlich  wie  bei  den  Orbitolitina  unter  den  Imperforata,  in  cyklisches  Wachs- 
thum  übergeht,  oder  cyklisches  Wachsthum  sogleich  auf  die  Central- 
kamraer  folgend.  Ursprüngliche  Kammerräume  wie  bei  den  Orbitolitina 
durch  secundäre  Septen  in  Kämmerchen  untergetheilt.  Gestalt  stets 
scheibenförmig  abgeflacht.  Primäre  und  secundäre  Septa  zweilamellig, 
mit  sehr  hoch  entwickeltem  Kanalsystem. 

Heterostegina,  d'Orb.  1826;  Carpenter  (57,  2.  ser.  (X.  5). 

Beginn  der  Schale  symmetrisch  spiralig,  involut  aufgerollt;  letzter 
Umgang  sich  rasch  operculina- artig  erhöhend  und  verflachend.  Kammer- 
länge sehr  gering,  und  die  Kammern  des  letzten  Umgangs  häufig  sehr 
schief,  nahezu  parallel  mit  der  Spiralaxe  verlaufend,  so  dass  hierdurch 
Uebergang  zu  cyklischem  Wachsthum  angebahnt  wird.  Mündung  an 
Basis  der  Primärsepten,  ähnlich  Operculina.  Dorsalstrang  entwickelt  (bis 
12  Mm.   Durchmesser).     Lebende  Arten  1—2.     Fossil  seit  Untertertiär. 

Cycloclypeus,  Carp.  1856  (57,  2.  ser.  u.  74  (VI.  3). 

Scheibenförmig,  kreisrund  bis  gegen  60  Mm.  Durchmesser,  Um  ein- 
fache Centralkammer  sogleich  Cyklen  von  radial  verlängerten  Kämmerchen 
in  einfacher  Lage.  Seitenflächen  der  Scheibe  von  dicker,  geschichteter, 
perforirter  Kalkmasse  überdeckt.  Kanalsystem  sehr  hoch  entwickelt. 
Lebende  Art  1.     Fossil  seit  Miocän. 

Orbitoides,  d'Orb.  1847;  Carpenter  (43,  57,  2.  ser.);  Gümbel  (Abh. 
d.  k.  bair.  Ak.  X.  2.  Abth.)  (XII.  16-21,  XIIL  1). 

Synon.  Nummulites  und  Lenüculites  Aut.  p.  p. ,  Discolithes  Fortis  p.  p. ,  Lyco- 
phrys  Defr.  p.  p.,  Asteracites  Schloth.  p.  p.,  Orbitulites  Aut.  p.  p.,  Hymenocyclus 
Bronn,  Cyclosiphon  Ehrbg. 

Gestalt  und  Bau  schliesst  sich  nahe  an  Cycloclypeus  an  und  unter- 
scheidet sich  hauptsächlich  dadurch,  dass  auf  beiden  Scheibenflächen, 
zwischen  den  hier  aufeinandergeschichteten  Kalklamellen,  mehr  oder  minder 
zahlreiche  Lagen  von  Nebenkämmerchen  sich  entwickeln.  Grosse  Embryo- 
nalkammer und  diese  noch  von  3—5  recht  grossen  Centralkammern  in 
spiraliger  Anordnung  umgeben;  hierauf  folgen  die  kleinen  Kämmerchen 
der  Medianlage,  gewöhnlich  sehr  bald  in  regulär  cyklischer  Anordnung. 
Fossil,   oberste  Kreideformation  bis  Miocän.     Artzahl  recht  beträchtlich. 


21 G  Khizopoda. 


üntergenera: 


Discocyclina,  Gttmbel  1868  (XII.  16). 

Linsenförmig,  oder  dünn  scheibenförmig;  Mediankammern  der  Peri- 
pherie nicht  dm'ch  Querwände  untergetheilt. 

Rhipidocyclina,  Gtimbel  1868. 

Linsenförmig ;  Mediankammern  nach  der  Peripherie  zu  stark  in  Höhe 
imd  Breite  erweitert  und  durch  der  Medianebene  parallele  tertiäre  Scheide- 
wände untergetheilt. 

Actin ocy Clin a,  Gümbel  1868  (XII.  19). 

Flach  linsenförmig,  kreisrund  mit  zahlreichen  strahlenartigen  Ver- 
dickungen, die  vom  Centrum  der  Scheibe  auslaufen  und  durch  erweiterte 
Mediankammern  gebildet  werden. 

Asterocyclina,   Gümbel  1868  (XIL  17,  18,  XIIL  1). 

Aehnliche  radiale  Verdickungen,  wie  bei  der  vorhergehenden  Unter- 
gattung, diesen  entsprechend  der  Rand  der  Scheibe  ausgewachsen,  so 
dass  die  Gesammtgestalt  polygonal  bis  sternförmig  wird.  Erweiterte 
Mediankammern  auch  hier  untergetheilt. 

Lepidocyclina,  Gümbel  1869  (XIL  22). 

Flach  linsen-  oder  dünn  scheibenförmig;  Mediankammern  auf  dem 
Horizontalschnitt  peripherisch  halbkreisförmig  abgerundet.  (Bei  den  vor- 
hergehenden Untergattungen  dagegen  rectangulär.) 

Anhang  zur  Unterfamilie  der  Cyclocly  piuae. 

Tinoporus,  de  Montf.  1808;  Carpenter  (57,  4.  ser.,  74);  Carter 
(A.  m.  n.  h.  4.  XIX.  u.  XX.)  (XIIL  2). 

Synon.  Orbitolina  P.  u.  J.,  Calcarina  d'Orb.,  Keuss  p.  p. 

Etwa  von  der  Bildung  eines  Orbitoides,  bei  welchem  die  mediane 
Kammerlage  nahezu  völlig  rudimentär  geworden  ist.  Sie  spricht  sich 
nur  noch  aus  in  den  planorbulina-artig  sehr  bald  in  cyklisches  Wachs- 
thum  übergehenden  Anfangskammern  der  Schale.  Nach  beiden  Seiten 
von  diesen  sind  zahlreiche  Schichten  von  Kämmerchen,  ähnlich  den 
Nebenkämmerchen  von  Orbitoides  entwickelt.  Gesammtgestalt  etwa  linsen- 
förmig bis  stumpfkegelig.  Sogen.  Zwischenskelet  und  Kanalsystem  z,  Th. 
wohl  ausgebildet  (T.  baculatus)  und  dann  ersteres  in  eine  Anzahl  von 
strahlenartigen  Stacheln  randlich  hervortretend,  gleichzeitig  auch  das  Aus- 
wachsen der  Kämmerchenlagen  längs  dieser  Stacheln  mehr  oder  minder  ver- 
anlassend, z.  Th.  jedoch  ohne  Entwickelung  eines  solchen  Zwischen- 
skelets  und  Kanalsystems.  Lebende  Arten  2.  Fossil  seit  Kreideformation. 
(Die  Gründe,  wesshalb  wir  die  Gattung  Tinoporus,  entgegen  der  Auf- 
fassung von  Parker,  J.  und  Carp.,  von  den  Rotalinen  entfernen  und  in 
Anschluss  an  die  Cycloclypinen  bringen,  sind  schon  früher  bei  Gelegen- 
heit der  morphologischen  Betrachtung  des  Schalenbaues  erörtert  worden. 
Carter  hingegen   hält  den   Tinoporus    baculatus    für  nächstverwandt  mit 


System.  217 

Calcarina,  dagegen  die  des  Kanalsystems  entbehrende  Form  T.  vesicularis 
für  hiervon  sehr  verschieden,  die  er  nun  für  uächstverwandt  mit  einer  von 
ihm  früher  zu  Polytrema  gezogenen  Form  hält.  Letztere  erhebt  er  jetzt 
zu  einer  besonderen  Gattung  Gypsina;  sie  bildet  flache,  melobesia- 
artige*)  Ueberzüge  auf  Korallen  etc.,  aus  zahlreichen  tinoporusartig  auf- 
einandergehäufteu  Kammern  bestehend,  ohne  Anwesenheit  einer  grösseren 
besonderen  Mündung  der  Schale.) 

y.  Anhang  zur  systematischen  Uebersicht  der  ßhizopodengattungen. 

Zweifelhafte  oder  durch  neuere  Untersuchungen  als  nicht  hierher- 
gehörig erwiesene  Formen. 

Eozoon,  Dawson  1865  (XIII.  8). 
Uebersicht  der  wichtigsten  Schriften  über  Eozoon: 
Logan,  Qu.  j.  geolog.  soc.  XXI. 
Dawson,  Qu.  j.  geolog.  soc.  XXI. 
Carpenter,  Qu.  j.  geolog.  soc.  XXI. 
Gümbel,  Sitzungsb.  bayr.  Akad.  1866. 
Pousyrewski,  B.  Ac.  Petersb.  X. 
Hochstetter,  Sitzungsb.  d.  Wiener  Ak.  53. 
Fritsch,  Arb.  d.  geolog.  Sect.  d.  Landesdurchforsch.  in  Böhmen  1869. 

King  and  Rowney,  Qu.  j.  geolog.  soc.  XXII. ;  Proc.  irish  Acad.  Vol.  X.  und  N.  S. 
Vol.  I. 

Carpenter,  Qu.  j.  geolog.  soc.  XXII. 
Carter,  A.  m.  n.  h.  4.  XIII.,  XIV.,  XVI. 
Carpenter,  A.  m.  n.  h.  4.  XIII. 
Burbank  and  Perry,  Proc.  Boston  soc.  14. 

M.  Schnitze,  Vcrhandl.  naturh.  Vereins  preuss.  Kheinl.  u.  \V.  XXX,  u.  Tagebl.  der 
Naturf.-Vers.  1873;  A.  m.  n.  h.  4.  s.  XIII. 

King  and  Rowney,  A.  m.  n.  h.  4.  s.  XIII.  u.  XIV. 

Dawson,  The  dawn  of  life  etc.  London  1875;  A.  m.  n.  h.  4.  XVII.  XVIII.;  Qu.  j. 
geol.  soc.  1876. 

Halm,  C,  Würtemb.  naturw.  Jahresh.  1876  u.  78. 
Gümbel,  Corrcsp.-Bl.  zool.  min.  Verein  Eegensb.  1876. 
Möbius,  Palacontograph.  XXV. 
Dawson,  Am.  j.  sc.  a.  arts  1879. 
Möbius,  Am.  j.  sc.  a.  arts.  1879. 

Die  von  Logan  (1865)  entdeckten,  eigenthümlichen  Einschlüsse 
in  gewissen  Schichten  krystallinischen  Kalkes  der  laurentischen  Gneiss- 
formation Canada's,  welche  Einschlüsse  von  Dawson  den  Namen  Eozoon 
canadense  erhalten  haben,  sind  bis  zu  dieser  Stunde  trotz  vielfacher  Unter- 
suchungen seitens  der  Zoologen,  Paläontologen  und  Mineralogen  noch  ein 
ihrer  Natur  nach  sehr  bestrittenes  Object  geblieben.  Es  ist  bekannt,  dass 
die  hervorragendste  Autorität  auf  dem  Gebiet  der  Schalenbildungen  der 
Rhizopoden,  Carpenter,  nach  eigenen  Untersuchungen  sich  sofort  für  die 
Rhizopodennatur  der  fraglichen  Gebilde  erklärte  und  seit  dieser  Zeit  mit 
Lebhaftigkeit  diese,  wesentlich  von  ihm  begründete  Auffassung  gegen 
zahlreiche  Angriffe  vertheidigt  hat. 


*")  Melobesia,  eine  flache,  unregelmässige  Ueberzüge  auf  Steinen  etc.  bildende  Kalkalg 


218  Ehizopoda. 

Ausser    an   ihrer    ursprünglichen    Fundstätte   wurden    diese   Eozoon- 

sgebilde  bald  auch  noch  in  entsprechenden  Schichten  Baierns,  Böhmens, 

Irlands  und  Finnlands  gefunden  und  sogar  mehrere  Arten  unterschieden. 

Dieselben  bestehen  aus  mehr  oder  weniger  ausgedehnten ,  ca.  4  bis 
5  Millim.  dicken  Lagen  von  Serpentin,  die  in  verschiedener  Zahl, 
durch  Zwischenlagen  von  krystallinischem  Kalk  getrennt,  regelmässiger 
oder  unregelmässiger  übereinandergeschichtet  sind.  Das  Ganze  bildet 
knollige  Massen,  die  bis  Kopfgrösse  erreichen.  Die  Serpentinlagen  er- 
scheinen wie  aus  einer  grossen  Anzahl  kugeliger  bis  ellipsoidischer  An- 
schwellungen zusammengesetzt  (8,  k),  die  etwa  den  Ausgüssen  der  Kammer- 
höhlungen unregelmässig  gebauter,  poly thalamer  Rhizopoden  gleichen 
und  daher  auch  in  diesem  Sinne  von  den  Vertheidigern  der  Rhizopoden- 
natur  des  Eozoon  aufgefasst  werden.  Auf  der  Grenze  zwischen  den  ein- 
zelnen Serpentinlagen  und  den  zwischen  gelagerten  Kalkschichten  findet 
sich  gewöhnlich  (jedoch  keineswegs  ganz  regelmässig  und  in  sehr  verschie- 
denem Grad  der  Deutlichkeit)  eine  feinfaserige  Lage  (8,  k^).  Die  Faserung 
derselben  ist  gewöhnlich,  jedoch  keineswegs  wieder  durchaus,  senkrecht 
zur  Oberfläche  der  Serpentinlamellen  gerichtet.  Nach  der  Auffassung  von 
Carpenter  u.  A.  entspräche  diese  Lage  der  feinperforirten ,  eigentlichen 
Kammerwandung,  deren  Tubuli  durch  Serpentin  erfüllt  sind. 

Weiterhin  lassen  sich  in  den  kalkigen  Zwischenlagen  noch  verästelte, 
dendritische  Einlagerungen  wahrnehmen  (c),  die  sich  etwa  als  Ausfüllungen 
eines  Systems  verzweigter  Kanäle,  das  die  Zwischenmasse  durchzieht, 
auffassen  lassen.  Eine  ganze  Reihe  verschiedener  Mineralien  sollen  sich 
an  der  Bildung  dieser  dendritischen  Gestaltungen  betheiligen,  so  haupt- 
sächlich Serpentin  und  andere  SiUkate,  jedoch  auch  Calcit,  Bitterspath 
und  sogar  vielleicht  zuweilen  Graphit.  Jedoch  wird  die  ursprüngliche 
Bildung  durch  Calcit  und  Bitterspath  von  King  und  Rowney  in  Abrede 
gestellt,  es  soll  sich  nach  ihnen  hier  um  Pseudomorphosen  handeln. 

Carpenter,  Dawson  und  die  sich  ihnen  anschliessenden  Vertheidiger 
der  Rhizopodennatur  des  Eozoon  haben  nun  die  geschilderten  Befunde  in 
nachstehender  Weise  auf  die  Organisationsverhältnisse  der  Schalengebilde 
der  Rhizopoden  zurückzuführen  gesucht.  Wie  schon  bemerkt,  entsprechen 
nach  ihnen  die  Serpentinlagen  mit  ihren  knolligen  Anschwellungen  den 
Ausfüllungsmassen  der  in  unregelmässigen  Schichten  übereinandergelagerten 
Kammern  (k),  die  in  je  einer  Lage  durch  ziemlich  weite  Verbindungskanäle 
oder  Oeffnungen  communiciren,  z.  Th.  jedoch  auch  stolonenartige  Verbin- 
dungen mit  den  benachbarten  Kamraerlagen  eingehen  (st).  Die  feinfaserige 
Schicht  (k^)  hingegen  repräsentirt  die  eigentliche  Kammerwand.  Die  zwischen 
den  einzelnen  Serpentinschichten  eingelagerten  Kalkschichten  (sk)  vertreten 
das  sogen.  Zwischenskelet  und  die  sich  darin  findenden,  dendritischen 
Bildungen  (c)  sind  das  von  verschiedenen  MineraUen  ausgefüllte  Kanal- 
system, welches  die  Communikation  der  einzelnen  Kammerlagen  durch  das 
Zwischenskelet  hindurch  vermittelte.  Im  Allgemeinen  führt  dann  diese 
Auffassung  vom  Bau  des  Eozoon  zu  der  Einreihung  dieser  Form  bei  den 


Eozoon.  219 

Nummuliuiden,  zu  denen  sie  nach  Carpenter  etwa  in  ähnlicher  Beziehung 
stehen  soll,  wie  die  Gattung  Polytrema  zu  den  Rotalinen. 

Dawson  hat  ferner  einzelne  oder  in  geringer  Zahl  zusammenhängende, 
eiförmige  bis  kugelige  Serpentingebilde  von  faseriger  Struetur  gefunden 
(Kalk  von  St.  Pierre  Seigniory  of  Petite  Nation),  die  er  als  losgelöste 
Kammern  von  Eozoon  anspricht  und  mit  dessen  Fortpflanzung  in  Be- 
ziehung setzt.  (Ursprünglich  wurden  sie  von  ihm  Archaeosphaerium 
genannt.) 

Von  deutschen  Forschern  hat  hauptsächlich  Gümbel  die  Rhizopoden- 
natur  des  Eozoon  vertheidigt;  M.  Schnitze  gab  an,  sich  von  der  organi- 
schen Natur  des  sogen.  Kanalsystems  überzeugt  zu  haben,  wogegen  er 
in    der    sogen.   Kammerwandung    eine    unorganische    Bildung    erblickte. 

Mit  grosser  Entschiedenheit  wurde  jedoch  schon  sehr  bald  nach  der 
ersten  Bekanntwerdung  der  Eozooneinschlüsse  durch  zwei  englische 
Forscher,  King  und  ßowney,  die  organische  Natur  desselben  in  Abrede 
gestellt.  Die  gewichtigsten  C^ründe,  die  von  ihnen  gegen  die  Carpenter- 
Dawson'sche  Ansieht  vorgebracht  wurden,  glauben  wir  hier  ganz  kurz 
anführen  zu  sollen.  1)  Werden  nach  ihnen  ganz  ähnliche  Gestaltungen, 
wie  sie  uns  in  den  Serpentinlagen  des  Eozoons  entgegentreten,  auch 
durch  Concretionenbildung  verschiedener  anderer  Mineralien  erzeugt  (so 
Chondrodit,  Coccolit,  Pargasit  etc.);  2)  verhält  sich  das  sogen.  Zwischen- 
skelet  des  Eozoon  ganz  so  wie  die  Grundmassen,  in  welchen  die  Con- 
cretionen  der  erwähnten  Mineralien  zur  Ausbildung  gelangen;  3)  die 
faserige  eigentliche  Kammerwand  verhält  sich  genau  wie  eine  den 
Chondrodit  umhüllende,  asbestförmige  Lage  und  ist  nichts  wie  eine  äusser- 
liche  Umbildung  der  Serpentinlagen  zu  Chrysotil;  4)  das  sogen.  Kanal- 
system verhält  sich  ganz  wie  ein  dendritisches  Mineral,  wie  sich  solche 
dendritische  Bildungen  zuweilen  auch  in  reinen  Kalken  und  gewissen 
anderen  Mineralien  finden.  Aehnliche  schichtförmige  Abwechselungen 
verschiedener  Mineralien,  wie  sie  bezüglich  Kalk-  und  Serpentinlagen  im 
Eozoon  vorliegen,  sollen  sich  gelegentlich  auch  in  anderen  Gesteinen 
finden,  wo  ihr  Nichtzusammenhaug  mit  organischen  Structurverhältnissen 
unfraglich  sei.  Auch  Carter  hat  sich  bei  verschiedenen  Gelegenheiten 
gegen  die  organische  Herkunft  des  Eozoon  ausgesprochen.  Von  deutscher 
Seite  wurde  von  v.  Hahn  die  Zurückweisung  der  Carpenter'schen  Auf- 
fassung versucht,  jedoch  glauben  wir  die  Untersuchungen  dieses  Beob- 
achters hier  wohl  ohne  Vorwurf  mit  Stillschweigen  übergehen  zu  dürfen, 
als  er  in  seinem  neuesten  Elaborat*)  nun  doch  wieder  zu  der  organischen 
Natur  des  Eozoon  zurückgekehrt  ist,  es  jedoch  jetzt  für  einen  pflanzlichen 
Organismus  (den  er  auch  Eophyllum  benennt)  erklärt.  Das  berechtigte 
Aufsehen,  welches  die  Hahn'sche  Arbeit  über  das  Eozoon  einst  erregte, 
erscheint  jetzt  durch  die  wunderlichen  neuesten  Entdeckungen  dieses 
Forschers  in  einem  sehr  zweifelhaften  Lichte. 


=*■■)  Die  ürzelle  etc.    Tübingen  1879. 


220  Rhizopoda. 

Während  Hahn  das  Eozoon  hauptsächlich  durch  Umbildung  von  in 
Kalk  eingeschlossenem  Olivin  zu  Serpentin  sich  entstanden  dachte,  haben 
King  und  Rowney  eine  hiervon  sehr  verschiedene  Ansicht  zu  entwickeln 
versucht,  von  der  hier  nur  soviel  bemerkt  sei,  dass  sie  es  durch  all- 
mähliche Zerstörung  und  Ersetzung  einer  ursprünglichen  Serpentinbildung 
durch  ein  Carbonat  entstehen  lassen. 

Wie  King  und  Rowney  ging  auch  neuerdings  K.  Möbius  in  der  Hoff- 
nung, die  Rhizopodennatur  des  Eozoon  sicher  erweisen  zu  können,  an 
eine  erneute  Untersuchung  desselben.  Er  wurde  jedoch  gleichfalls  zu 
der  entgegengesetzten  Ansicht  geführt  und  seine  Gründe  sind  in  vieler 
Hinsicht  tibereinstimmend  mit  denen  seiner  englischen  Vorgänger.  Wir 
glauben  auch  hier  noch  die  wesentlichsten  derselben  andeuten  zu  sollen. 
Die  Deutung  der  faserigen  Hüllschicht  als  Kammerwand  einer  Rhizo- 
podenschale  ist  unzulässig,  da  sie  sich  durchaus  aus  feinen  prismatischen 
Krystallnadeln  ohne  Zwischenmasse  zusammensetzt;  auch  ist  der  Verlauf 
der  Faserung  häufig  ein  solcher,  dass  er  sich  nicht  mit  der  Tubulation 
der  Rhizopodenschalen  in  Einklang  bringen  lässt.  Auch  die  Form- 
verhältnisse des  sogen.  Kanalsystems  entsprechen  nicht  denen  dieser 
Einrichtung  bei  den  Rhizopoden.  Es  sind  nach  Möbius  plattgedrückte, 
stengelartige  Bildungen  ohne  organische  Regelmässigkeit.  Schliesslich 
vermisst  M.  im  Bau  des  Eozoon  den  genetischen  und  physiologischen 
Zusammenhang  der  einzelnen  Formtheile  untereinander;  so  namentlich 
den  für  die  polythalamen  Rhizopoden  allgemein  gültigen  Beginn  des 
Wachsthums  von  Anfangskammern  aus  und  ferner  hinreichend  regel- 
mässige Beziehungen  der  Kammerräume,  der  faserigen  Kammerwand  und 
des  vermeintlichen  Kanalsystems  zu  einander. 

Wenn  wir  hier  noch  hervorheben,  dass  Carpenter  und  Dawson 
auch  gegenüber  diesen  neuesten  und  eingehenden  Untersuchungen  von 
Möbius,  ihre  Auffassung  des  Eozoon  unverändert  aufrecht  halten,  so 
hätten  wir  damit  ungefähr  die  Hauptphasen  in  der  Eozoonfrage  kurz  ge- 
kennzeichnet. Wir  überlassen  es  dem  Urtheil  der  Leser,  sich  für  die 
eine  oder  die  andere  Seite  zu  entscheiden  und  wollen  nur  bezüglich 
unserer  eigenen,  allein  auf  das  ernstliche  Studium  der  einschlägigen  Lite- 
ratur gestützten  Meinung  bemerken,  dass  wir  uns  persönlich  der  durch 
King  und  Rowney,  sowie  Möbius,  vertheidigten  Ansicht  von  der  nicht- 
organischen Natur  dieser  Bildungen  auschliessen.  Ein  entscheidendes 
Wort  in  dieser  auf  dem  Grenzgebiet  biologischer  und  petrographischer 
Forschung  sich  bewegenden  Frage  wird,  unserer  Meinung  nach,  wohl 
erst  dann  ausgesprochen  werden,  wenn  sich  Petrographen  und  Zoologen 
zu  gemeinsamer  Arbeit  die  Hände  reichen,  während  seither  die  Unter- 
suchung wesentlich  immer  nur  von  der  einen  oder  der  anderen  Seite 
in  Angriff  genommen  wurde. 


Eozoon,  Stromatoporida.  221 

Stromatoporida  (XIII.  Figg.  9  u.  10). 

In  den  silurischen  und  devonischen  Schiebten  Europas  und  Nordame- 
rikas finden  sich  häufig  und*  z.  Th.  in  grossen  Massen  Ueberreste  einer 
eigenthümlichen  Gruppe  fossiler  Organismen,  die  bis  jetzt  trotz  ziemlich 
zahlreicher  Untersuchungen  hinsichtlich  ihrer  wahren  Natur  nicht  aus- 
reichend aufgeklärt  sind.  Es  sind  dies  die  sogen.  Stromatoporiden, 
wie  nach  der  zuerst  1827  durch  Goldfuss*}  beschriebenen  Gattung 
Stromatopora  diese  Abtheilung  benannt  wurde.  Goldfuss  glaubte  jene 
Stromatopora  zu  den  Spongien  rechnen  zu  sollen  und  diese  Auffassung 
hat  sich  bis  zur  neuesten  Zeit  vielfacher  Anerkennung  erfreut,  namentlich 
haben  die  eingehendsten  Erforscher  der  durch  die  Auffindung  einer  Reihe 
von  Stromatopora  etwas  abweichender  Geschlechter  allmählich  erweiterten 
Gruppe  der  Stromatoporiden,  Rosen  1867**)  und  Murie  und  Nicholson 
1878***)  die  Spongiennatur  derselben  gleichfalls  zu  erweisen  gesucht. 
Während  jedoch  Rosen  auf  Grund  seiner  Untersuchungen  eine  eigen- 
thümliche  Gruppe  fossiler  Hornschwämme  in  ihnen  erkannt  haben 
wollte,  suchten  Murie  und  Nicholson  ihre  Zugehörigkeit  zu  den  Kalk- 
schwämmeu  zu  erweisen,  unter  denen  sie  ihnen  eine  ähnliche  Stellung 
zuwiesen,  wie  den  Hexactinelliden  unter  den  Kieselschwämmen.  Immerhin 
muss  jedoch  hervorgehoben  werden,  dass  die  letzterwähnten  Untersucher 
ihrer  Ansicht  nur  mit  einiger  Reserve  Ausdruck  verleihen  und  die  mög- 
liche Richtigkeit  der  von  anderer  Seite  betonten  Zugehörigkeit  derselben 
zu  den  Hydroiden  nicht  ganz  zurückweisen.  Ohne  dass  wir  hier  näher 
auf  die  historische  Entwickelung  der  Kenntnisse  von  den  Stromatoporiden 
einzugehen  gedenken,  heben  wir  doch  hervor,  dass  sie  von  anderer 
Seite  theils  den  Korallen ,  theils  den  Bryozoen  zugerechnet  wurden  und 
schliesslich  noch  die  Ansicht  zu  entwickeln  versucht  wurde,  dass  sie 
ihre  richtige  Stellung  bei  den  Rhizopoden  finden.  Letztere  Auffassung 
wurde  ursprünglich  von  Carpenter  angedeutet  und  hierauf  namentlich  von 
Dawson  näher  zu  begründen  versucht.!)  Ohne  dass  wir  hier  ein  Urtheil 
nach  einer  oder  der  andern  Seite  hin  auszusprechen  uns  berufen  fühlten, 
halten  wir  es  doch  für  gerechtfertigt,  die  wichtigsten  Eigenthümlichkeiten 
der  Gruppe  kurz  zu  besprechen,  da  in  der  That  mancherlei  Anklänge 
mit  gewissen  Rhizopoden,  namentlich  der  Gattung  Polytrema  und  den  zwar 
gleichfalls  unsicheren  Gattungen  Parkeria  und  Eozoon  vorhanden  sind. 

Nach  ihrer  makroskopischen  Entwickelung  bilden  die  Stromatoporiden 
mehr  oder  minder  unregelmässige,  meist  flach  ausgebreitete  Ueberzüge  (Fig.  9). 
Zuweilen  erreichen  sie  eine  sehr  ansehnliche  Ausbreitung  bis  zu  mehreren 


ft 


*)  Goldfuss,  Petrefacta  Germaniae  1826. 

**)  Rosen,  Fr.,  üeber  die  Natur  der  Stromatopora  etc.     Inauguraldissert.    Dorpat  1867. 
***)  Nicholson  and  Murie,   On   the   niinute   struct.   of   Stromatoi)ora    and   its   allies. 
Journ.  Linn.  soc.  Zoology  XIV.  1878.    Eine  vollständigere  üebersicht  über  die  Literatur  siehe 
an  dieser  Stelle. 

f)  Quart,  journ.  geolog.  soc.  1879, 


222  Ehizopoda. 

Füssen,  verhältnissmässig  selten  erheben  sie  sich  höher  von  ihrer  Unter- 
lage bis  zu  halbkugeligen,  z.  Th.  auch  etwas  gelappten  bis  ästigen 
Massen.  Die  freie  Oberfläche  dieser  Gebilde  ist  entweder  ziemlich  glatt 
oder  wellig  auf-  und  niedergebogen,  häufig  auch  warzig;  zuweilen 
und  namentlich  bei  gewissen  Geschlechtern  (Cauuopora,  nach  M.  und  N. 
auch  Stromatopora,*)  Stromatocerium)  zeigen  sich  mehr  oder  weniger 
"weite,  porenartige  Oeffnungen  der  Oberfläche,  die  in  vertikal  durch  die 
Masse  absteigende  Röhren  führen,  welche  von  den  Vertheidigern  der 
Schwammnatur  der  Stromatoporiden  gewöhnlich  den  Oscula  der  Schwämme 
verglichen  wurden.  Diese  Oeffnungen  sind  dann  nicht  selten  auf  der 
Spitze  der  warzenartigen  Erhebungen  gelagert. 

Ueber   die  feinere  Bauweise   unserer  Fossilien   geben   hauptsächlich 
Vertikal-  und  Horizontalschliffe  Auskunft,  jedoch   scheint  der  Erhaltungs- 
zustand im  Allgemeinen  kein  sehr  günstiger  zu  sein,  so  dass  eine  genauere 
Untersuchung    unter    starken    Vergrösserungen    Schwierigkeiten    bereitet. 
Eine   derartige   Untersuchung   zeigt  zunächst,   dass  die  ganze  Masse  aus 
meist  dünnen  Kalklamellen  zusammengesetzt  ist  (1),  die  bei  den  flach  aus- 
gebreiteten  Exemplaren   der  Unterlage   mehr  oder  weniger  parallel  hin- 
ziehen,  bei  den   sich   freier   erhebenden  hingegen  mehr  der  freien  Ober- 
fläche   parallel    angeordnet    sind.      Zwischen    diesen    Lamellen,    deren 
ursprüngliche  Bildung  aus  Kalk,  trotz  ihrer  gelegentlichen  Umwandelung 
in  Kiesel,   füglich  nicht  bezweifelt  werden   kann,    bleiben   entsprechend 
aufeinander  geschichtete  Interlamellarräume  (il),  die  meist  in  ihrer  Höhen- 
entwickelung   die   Lamellen  etwas  übertreffen,   zuweilen  jedoch  auch  (so 
bei  Stromatocerium  [Wall.]   Nich.  u.  M.  und  Pachystroma  N.  u.  M.)  sehr 
niedrig  und  unregelmässig  sind,  bei  sehr  ansehnlicher  Dicke  der  Lamellen. 
Bei  den   meisten  Stromatoporiden  stehen   nun    die   successiven  Lamellen 
durch    zahlreiche    senkrecht    zwischen    ihnen    ausgespannte    pfeilerartige 
Bildungen  (pf)  in  Verbindung,  so  dass  also  auf  dem  Vertikalschliff  dieser 
Formen  eine  mehr   oder  weniger  regelmässige,  rechteckige  Maschenzeich- 
nung,   durch   Lamellen    und  Pfeiler   gebildet,    hervortritt.     Nicht  immer 
scheinen  jedoch  diese  Pfeiler  vollständig  zu  sein,  sondern  reichen  zuweilen 
nicht  bis  zur  nächsten  Lamelle,  endigen  also  dann  frei  in  den  Interlamellar- 
räumen.  Was  die  feinere  Beschaffenheit  der  die  Lamellen  und  Pfeiler  auf- 
bauenden Kalkmasse  betrifft,  so  bietet  dieselbe  nach  M.  und  N.  eine  gra- 
nulirte    Beschaffenheit    dar,    lässt   jedoch    keine    Zusammensetzung    aus 
Nadeln   wahrnehmen.     Nach  Dawson  sind   die  Lamellen   von  zahlreichen 
runden  Poren  durchbrochen,  durch  welche  die  benachbarten  Interlamellar- 
räume  in   Communikation   stehen,   und   welche  Poren   bei  ansehnlicherer 
Dicke  der  Lamellen  auch  zu  Tubuli  werden  können.   M.  und  N.  konnten 
nicht  überall  solche  Communikationen   zwischen  den  Interlamellarräumen 
constatiren,  bei  gewissen  Formen  jedoch  fanden  sie  die  Durchbrechungen 
der  Lamellen  so  zahlreich  und   regelmässig,  dass   die  Structur   derselben 


*)  Eiaschliesslicli  Coenostroma. 


Stromatoporida.  223 

eine  netzförmige  wurde.  Aebnliches  hatte  früher  schon  Rosen  geschildert 
und  abgebildet  und  hauptsächlich  auf  Grund  dieser  Structurverhältnisse 
eine  ursprüngliche  Zusammensetzung  der  Lamellen  und  Pfeiler  aus  Horn- 
fasern  angenommen.  Was  die  Beschaffenheit  der  Pfeiler  betrifft,  so 
werden  dieselben  von  Rosen  wie  N.  und  M.  als  solide  geschildert,  wogegen 
sie  Dawson  neuerdings  nur  z.  Th.  für  solid,  z.  Th.  jedoch  für  hohl  erklärt, 
so  dass  durch  die  Höhlung  der  Pfeiler  je  zwei  luterlamellarräume,  mit 
Ueberspringung  des  vom  Pfeiler  durchsetzten,  zwiscbenliegenden,  in  Com- 
munikation  gesetzt  werden.  Wir  erinnern  hier  gleich  an  das  ähnliche 
Verhalten  der  hohlen  Pfeiler  zwischen  den  Lamellen  der  Parkeria  und 
Polytrema,  da  diese  Einrichtungen  hauptsächlich  zu  der  Vergleichung 
mit  den  erwähnten  Rhizopodengeschlechtern  Veranlassung  gaben. 

Nicht  bei  sämmtlicheu  Geschlechtern  der  Stromatoporiden  sind  jedoch 
solche  Pfeiler  entwickelt,  bei  Arthrodyction  N.  und  M.  sind  die  Lamellen 
wellenförmig  hin-  und  hergebogen  und  werden  die  luterlamellarräume 
durch  Aufeinandertreffen  der  Wellenberge  und  Thäler  der  benachbarten 
Lamellen  in  blasig-zellige  Räume  untergetheilt ;  auch  bei  den  Gattungen 
Stromatocerium  (Hall)  N.  und  M. ,  sowie  Pachystroma  N.  und  M.  sind 
keine  Pfeiler  entwickelt. 

Besonders  eigenthümlich  ist  das  Vorkommen  ziemlich  weiter,  schon 
oben  erwähnter  Vertikalröhren,  die,  von  der  Oberfläche  entspringend, 
die  gesammte  Lamellenmasse  mehr  oder  weniger  tief,  bis  vollständig 
durchsetzen.  Bei  Stromatopora  (wo  nach  N.  und  M.  sich  solche  Vertikal- 
röhren gleichfalls  finden,  während  Dawson  das  Vorkommen  solcher 
Röhren  bei  der  eigentlichen  Gattung  Stromatopora  leugnet  und  die  be- 
treffenden Vorkommnisse  für  Bohrröhren  parasitischer  Thiere  oder  über- 
wachsene Korallenröhren,  Syringopora  hauptsächlich,  erklärt)  —  bei 
Stromatopora  und  Stromatocerium  sind  diese  Röhren  ohne  besondere 
Wandungen,  bei  Caunopora  hingegen  sind  sie  mit  eigenen  Wandungen 
versehen.  Bei  Coenostroraa  sollen  nach  Dawson  auch  Gruppen  solcher 
Vertikalröhren  zusammenstehend  vorkommen. 

Von  besonderem  Interesse  sind  ferner  noch  eigenthümlich  sternförmig 
zusammengruppirte  Systeme  von  horizontal  oder  meist  etwas  schief  zu 
den  Lamellen  verlaufenden  Kanälen,  die  nach  Rosen  (Ausströmungskanäle) 
sowie  M.  und  N.  ohne  besondere  Wandungen  sein  sollen  und  gewöhnlich 
in  grosser  Zahl  in  mehr  oder  weniger  regelmässigen  Abständen  sich  bei 
einer  ziemlichen  Reihe  von  Formen  finden.  Meist  liegen  die  Centren  der 
oberflächlichen  dieser  sternförmigen  Kanalsysteme  auf  warzenartigen 
Erhebungen.  Dawson  verlegt  diese  Kanäle  bei  Caunopora  und  Coeno- 
stroma  in  eine  hier  jeder  Lamelle  zukommende  Auflagerungsschicht  (die 
er  dem  sogen,  supplementären  Skelet  der  Rhizopodenschalen  an  die  Seite 
stellt,  während  nach  Rosen  wie  N.  und  M.  diese  Kanalsysteme  sich  ver- 
ästelnd meist  schief  durch  eine  grössere  Zahl  von  Lamellen  fortsetzen. 
Rosen  und  Dawson  lassen  diese  sternförmigen  Kanalsysteme  in  ihrem 
Centrum  in  die  Vertikalröhren   einmünden,  während  M.  und  N.  sich  von 


224  Ehizopoda. 

einer  derartigen  Verbindung  mit  ausführenden  Vertikalröhren  nicht  über- 
zeugen konnten. 

Bei  dieser  Gelegenheit  mag  noch  erwähnt  werden,  dass  auch  Dawson 
Kanäle  beschreibt,  welche  die  Lamellen  schief  durchsetzen  und  z.  Th.  in 
die  hohlen  Pfeiler  einmünden  sollen. 

Etwas  besondere  Verhältnisse  zeigt  noch  die  Gattung  Stylodyctj^on 
(Syringostroma  N.  pr.  p.),  wo  sich  durch  die  ganze  Masse  der  Lamellen 
hindurch  vertikale  Pfeiler  entwickeln,  die  durch  Einfaltung  und  Ver- 
schmelzung sämmtlicher  Lamellen  längs  gewisser  Vertikallinien  entstehen, 
wobei  diese  Pfeiler  entweder  eine  ziemlich  solide  oder  eine  retikuläre  Be- 
schaffenheit besitzen. 

Nach  dieser  kurzen  Erörterung  der  wichtigsten  Organisationseigen- 
thümlicbkeiten  der  Stromatoporiden  brauchen  wir  kaum  noch  näher 
auseinanderzusetzen,  in  welcher  Weise  speciell  von  Dawson  der  Vergleich 
mit  den  ßildungsverhältnissen  der  Gattung  Parkeria  und  dem  Eozoon 
durchgeführt  wird  und  darauf  hin  die  gesammte  Gruppe  den  perforaten 
Rhizopoden,  gewissermaassen  als  Vertreter  des  Eozoon  während  der  palaeo- 
zoischen  Zeit,  zugetheilt  wird. 

Gegenüber  dieser  Auffassung  hat  sich  dann  hauptsächlich  die  zuerst 
von  Lindström,*)  dann  Carter,**)  Steinmann***)  und  Zittel  (11)  ver- 
tretene Ansicht  von  der  Hydrozoennatur  der  Stromatoporiden  Geltung  ver- 
schafft. Hiernach  wären  dieselben,  ebenso  wie  die  Parkeria  nach  Carter, 
als  die  verkalkten  Basalskelete  Hydractinia  ähnlicher  Hydroidpolypen  zu 
betrachten.  Nach  Steinmann  fände  sich  auch  ein  hierhergehöriger  Ver- 
treter in  der  Kreideformation. 

Wie  schon  früher  bemerkt,  maassen  wir  uns  kein  Urtheil  über  diese 
Frage  an  und  haben  den  Leser  durch  die  obigen  Schilderungen  in  den 
Stand  setzen  wollen,  sich  einigermaassen  selbst  zu  orientiren.  Uebrigens 
erscheinen  uns  die  jetzigen  Untersuchungen  noch  kaum  zu  einer  sicheren 
Entscheidung  ausreichend,  namentlich  da  auch  die  zum  Vergleich  heran- 
gezogenen Basalskelete  der  Hydractinien  noch  nicht  genügend  erforscht 
sein  dürften. 

Die  Familie  der  sogen.  D  a  c  t  y  1  o  p  o  r  i  d  a. 
Wichtigste  Literatur : 

D'OrIjigny  i.Cours  cl6menf.  d.  Palaeont.  et  Göol.  T.  II.  1S52),  Parker  u.  Jones  (62  d), 
Carpenter  (74),  Gümbel,  Abhandl.  d.  bair.  Akad.  Bd.  XI.  (sehr  wichtige  monogTaph.  Bearbei- 
tung), X.  (Receptaculites)  u.  Sitz.-B.  d.  bair.  Akad.  (Petrascula) ,  Munier-Chalmas,  Compt. 
rend.  85,  Parker  u.  Jones  (Ovulites)  A.  m.  n.  h.  4.  XX.,  Munier-Chalmas  (Ovulites)  soc. 
geolog.  de  France  1879. 

Obgleich  es  keinem  Zweifel  mehr  unterliegt,  dass  die  sogen.  Gattung 
Dactylopora   und    die    ganze   Familie   der  Dactyloporida,    wie    sie    von 


*)  Oefyers.  af  Kongl.  Vetensk.  Akad.  Förh.  1873. 
**)  A.  m.  n.  h.  4.  XIX. 
***)  Steinmann,  Palaeontographica  25.  1877. 


Dactyloporida.  225 

Andern  ins  System  der  Rhizopoden  eingereiht  wurde,  ins  Pflanzenreich 
und  zwar  zu  den  Algen  zu  verweisen  ist,  so  dürfte  es  doch,  in  Anbetracht 
der  Rolle,  welche  diese  Formen  lange  Zeit  unter  den  Rhizopoden  gespielt 
haben,  nicht  unberechtigt  erscheinen,  ihrer  hier  mit  wenigen  Worten  zu 
gedenken.  Dies  wird  auch  desshalb  nicht  unerwünscht  sein,  als  gewiss 
von  neuem  Versuche  auftauchen  werden ,  sie  unter  den  Rhizopoden  zu 
belassen,  wie  denn  z.  B.  Brady  sich  neuerdings  wieder  zweifelnd  über  ihre 
Stellung  bei  den  Rhizopoden  ausgesprochen  hat  (117,  IL). 

Hierhergehtirige  Formen  hat  zuerst  Bosc  unter  dem  Namen  Reteporites 
zu  den  Zoophyten  gestellt,  wohin  sie  auch  von  Laraouroux  verwiesen 
wurden.  Gleicher  Ansicht  waren  ferner  Lamarck,  Blainville  und  Defrance, 
von  welchen  der  erstere  das  Genus  Dactylopora  zur  Aufnahme  dieser 
Formen  schuf,  dem  noch  ein  zweites,  Polytrypa,  von  den  beiden  letzt- 
genannten Forschern  an  die  Seite  gestellt  wurde.  D'Orbigny  zog- Dactylo- 
pora zuerst  zu  den  Rhizopoden  und  erklärte  sie  für  nächstverwandt  mit 
dem  von  ihm  gleichfalls  zu  den  Rhizopoden  gezogenen  Lamarck'schen 
Genus  Ovulites.  Reuss  war  noch  1861  ein  Anhänger  der  Bryozoennatur 
dieser  Formen,  erklärte  sich  jedoch  1866  für  ihre  Zurechnung  zu  den 
Rhizopoden.  Durch  die  Untersuchungen  von  Parker  und  Jones,  sowie 
Carpenter,  schien  die  Rhizopodennatur  der  3  von  ihnen  unterschiedenen 
Genera  Dactylopora,  Acicularia  d'Arch.  (1843)  und  Ovulites  sichergestellt, 
jedoch  verwiesen  sie  die  beiden  erstgenannten  Gattungen  als  nächstver- 
wandt unter  die  Imperforata,  die  letzte  hingegen  zu  der  Familie  der 
Globigerinida  unter  die  Perforata.  Später  haben  jedoch  Parker  und  Jones 
diese  Stellung  der  G.  Ovulites  corrigirt  und  sie,  wie  schon  d'Orbigny,  in 
die  Nähe  von  Dactylopora  gezogen.  Ein  sehr  eingehendes  Studium 
widmete  Gümbel  hauptsächlich  den  so  zahlreichen  fossilen  Vertretern 
dieses  Forraenkreises  und  unterschied  eine  grosse  Anzahl  von  Gattungen 
und  Arten.  Jeden  Zweifel  an  der  Rhizopodennatur  dieser  Gebilde  glaubte 
er  für  beseitigt  erklären  zu  dürfen. 

Wir  entwerfen  hier  eine  kurze  Charakteristik  dieser  Formen  mit 
Beiseitelassung  einer  Anzahl  zweifelhafter,  noch  später  zu  erwähnender 
Geschlechter,  indem  wir  uns  zunächst  auf  den  Standpunkt  der  Vertreter 
ihrer  Rhizopodennatur  stellen.  Wir  haben  es  hier  zu  thun  mit  kalkigen, 
porcellanartigen  und  z.  Th.  nicht  unansehnlichen  Gehäusen,  von  cylin- 
drischer  bis  tonnenförmiger  Gestaltung  und  einem  weiten,  cylindrischen, 
nicht  weiter  untergetheilten  axialen  Hohlraum  (XIII.  6,  7).  Das  eine 
Ende,  und  zwar  ist  dies  das  Anfangsende  des  Wachsthums,  ist  geschlossen, 
das  andere  hingegen  weit  geöffnet.  (Häufig  jedoch  erscheint  durch  Ab- 
reibung oder  Bruch  beiderseits  eine  Oeffnung.)  Aufgebaut  wird  diese 
Schale  aus  vertikal  aufeinandergesetzten  Ringsegmenten  (XIII.  5  a,  7),  die 
loser  oder  so  fest  mit  einander  verwachsen  sind,  dass  sie  nicht  mehr  von 
einander  unterschieden  werden  können  (XIII.  6).  (Zuweilen  finden  sich 
auch  freie  Ringe  oder  sogar  nur  Ringabschnitte,  die  als  besondere  ein- 
fachste  Form,   Dactylopora  eruca,   von  P. ,  J.   und   Carpenter   betrachtet 

Bronn,  Klassen  des  Thier-Hoiclis.    Protozoa.  X5 


226  Ehizopoda. 

werden  (4,  5  b),  während  Giimbel  geneigt  ist,  hierin  nur  Zerfallsprodukte 
höher  entwickelter  Formen  zu  erkennen.) 

Jeder  Ring  oder  Ringabschnitt  wird  von  einer  grösseren  Anzahl 
meist  ganz  innig  verwachsener  Kammern  aufgebaut  (7,  a),  von  denen 
jede  einen  gewöhnlich  eiförmigen  Hohlraum  umschliesst,  der  sich  in  die 
Centralhöhle  des  Gehäuses  öffnet;  gleichzeitig  strahlen  auf  der  Grenze 
der  benachbarten  Ringe  zahlreiche,  ziemlich  weite,  unverzweigte  Kanäle 
von  dem  inneren  Centralraum  bis  zur  Aussenfläche  aus,  wo  sie  münden 
(Haploporella  Gümb.).  Zuweilen  (Dactyloporella  Gtimb.)  finden  sich  neben 
den  eigentlichen  Kammerhöhlungen  noch  sackartige,  secundäre  Hohlräume 
oder  auch  an  ihrer  Stelle  Hohlringe  (7,  b)  in  den  Wandungen  der  Ge- 
häuse, von  welchen  aus  zahlreiche  Kanälchen  in  divergireuder  Richtung 
büschelnrtig  oder  wie  die  Finger  an  der  Hand  gruppirt,  aber  nie  ver- 
zweigt, bis  zur  Oberfläche  ausstrahlen  (XIH.  7d),  während  gleichzeitig 
kurze  Kanälchen  die  Verbindung  mit  dem  Centralraum  herstellen.  Schliess- 
lich können  auch  z.  Th.  weder  eigentliche  Kammer-  noch  Nebenhöhlungen 
zur  Ausbildung  gelangen  (Thyrsoporella  und  Gyroporella  Gümb.)  und 
dann  bleiben  nur  die  vom  centralen  Hohlraum  radial  zur  Oberfläche  ver- 
laufenden Kanälchen  als  gemeinsamer  Charakter  der  ganzen  Abtheilung 
übrig.  In  Anschluss  an  die  Reihe  der  soeben  kurz  besprochenen  Formen 
werden  nun  z.  Th.  durch  Carpenter,  z.  Th.  durch  Gümbel,  noch  eine  An- 
zahl etwas  abweichender  fossiler  Formen  gebracht,  von  denen  die  Gat- 
tungen Ovulites  Lamck.,  Petrascula  Gümb.,  Acicularia  d'Arch.,  Uteria  Mich, 
und  Cylindrella  Gümb.  wohl  zweifellos,  wie  dies  auch  aus  den  gleich 
noch  zu  erwähnenden  Untersuchungen  von  Munier-Chalraas  hervorgeht, 
mit  Recht  hier  angereiht  werden ,  während  die  sehr  alte  silurische  und 
devonische  Form  Receptaculites  ihren  Platz  kaum  mit  einiger  Sicherheit 
hier  angewiesen  erhalten  kann,  wenngleich  sie  durch  Gümbel,  ihrem  ge- 
nauesten Monographen,  gleichfalls  den  Dactyloporiden  angereiht  wurde. 
Soweit  ich  mir  ein  Urtheil  über  dieselbe  zu  bilden  vermochte,  kann  ich, 
wie  gesagt,  in  ihren  Bauverhältnissen  nichts  finden,  woraus  sich  mit 
Sicherheit  eine  Hierherziehung  rechtfertigen  Hesse  und  ebensowenig  ver- 
mag ich  ihren  Bau  mit  der  gleich  zu  besprechenden  Auffassung  der 
Dactyloporiden  als  Kalkalgen  zu  vereinbaren. 

Im  Jahre  1877  hat  Munier-Chalmas  neue  Beobachtungen  über  die 
Dactyloporiden  mitgetheilt,  aus  denen  hervorgeht,  dass  es  sich,  wenigstens 
insoweit  die  eigentlichen,  soeben  charakterisirten  Formen  in  Betracht 
kommen,  nicht  um  Rhizopoden,  sondern  um  Kalkalgen  handelt.  Nach 
ihm  schliessen  dieselben  sich  der  Familie  der  Dasycladeen  Harvey's  am 
nächsten  an,  ja  sind  z.  Th.  sogar  nicht  einmal  generisch  von  gewissen 
zu  dieser  gehörigen  Gattungen  unterschieden.  Bis  jetzt  liegt  über  die 
Munier'schen  Untersuchungen  nur  ein  kurzer  vorläufiger  Bericht  vor,  so 
dass  wir  kaum  in  der  Lage  sind,  hiernach  die  Beziehungen  der  mannig- 
fachen Formen  zu  den  Kalkalgen  hinreichend  zu  würdigen.  Wir  werden 
jedoch  versuchen,  in  Kürze  die  Eigenthümlichkeiten  unserer  Formen  auf 


Dactyloporida,  227 

die  Organisationsverhältnisse  der  Kalkalgen  zurückzuführen,   wie  sie  sich 
aus  den  erwähnten  Untersuchungen  ergeben. 

Dasycladeen  und  Dactyloporiden  vereinigt  M.  zu  einer  Abtheilung 
der  Siphoniata  verticillata ,  für  welche  folgende  Eigenthümlichkeiteu 
hauptsächlich  maassgebend  sind.  Der  Thallus  dieser  Algen,  von  einfacher 
oder  verzweigter  Bildung,  wird  gebildet  von  einer  axialen  Haupt- 
zelle (die  dem  centralen  Hohlraum  des  Dactyloporidengehäuses  ent- 
spricht) ;  um  diese  herum  gruppiren  sich  zahlreiche  radiär  und  zu 
Wirtein  zusammengestellte  secundäre  Zellen  (die  einerseits  den  sogen. 
Kanälen,  andererseits  jedoch  auch  Theilen  der  Kammerhöhlungen  der 
Dactyloporiden  entsprechen).  Durch  Bildung  einer  Kalkhülle  werden 
dann  schliesslich  alle  diese  Zellen  in  einen  festen  Kalkcylinder  zusammen- 
gepackt. 

Bei  einem  Tlieil  der  Geschlechter  zeigen  jedoch  die  secundären 
Wirtelzellen  selbst  wieder  Differenzirung,  und  zwar  zunächst  zu  einer  die 
Centralzelle  direct  umgebenden  Lage ,  die  denjenigen  Kanälchen  von 
Dactylopora  entsprechen,  die  aus  dem  centralen  Hohlraum  in  die  eigent- 
lichen Kammerhöhkmgen  oder  in  die  ringförmigen  Nebenhöhlungen 
Gümbels  führen.  Ferner  hat  sich  hier  eine  zweite  äussere  Lage  grösse- 
rer schlauchförmiger  Zellen  gebildet,  welche  den  Kanälen  von  Dactylopora 
entspricht.  Schliesslich  gesellen  sich  hierzu  dann  noch  Sporangien ,  ein- 
fache oder  untergetheilte  Hohlräume,  in  welchen  wir  die  eigentlichen 
Kammerhöhlungen  von  Dactylopora  wiederfinden.  Wie  sich  die  Formen 
verhalten ,  bei  welchen  von  solchen  Kammerhöhluugen  nichts  vorhanden 
ist  und  ob  bei  sämmtlichen  Dactyloporiden  mit  Kamnierhöhlungen  diese 
letzteren  als  solche  Sporangienräume  zu  deuten  sind,  scheint  uns  aus  den 
bis  jetzt  vorliegenden   Mittheilungen   nicht  mit  Sicherheit  hervorzugehen. 

Wie  gesagt,  ist  nach  M.  die  Verwandtschaft  gewisser  Formen  der 
Dactyloporiden  zu  einzelnen  Gattungen  der  Dasycladeen  so  gross,  dass 
sie  geradezu  unter  lang  bekannte  Gattungen  dieser  letzteren  einzureihen 
sind.  So  gehört  Haploporella  Gmb.  als  Untergenus  zu  Cymopolia  Lamour. 
und  auch  Zittel  hat  sich  durch  eigene  Untersuchung  von  Cymopolia  von 
dieser  Uebereinstimmung  überzeugt. 

Auch  von  den  oben  anhangsweise  erwähnten  Geschlechtern  will 
Munier  z.  Th.  die  Algenuatur  festgestellt  haben,  so  von  Ovulites,  Acicu- 
laria  und  Uteria. 

Wenn  auch,  wie  bemerkt,  bis  jetzt  noch  nicht  die  wahre  Natur  der 
Dactyloporiden  in  jeder  Hinsicht  aufgeklärt  erscheint,  so  wird  doch  wohl 
kein  Zweifel  mehr  obwalten  können,  dass  sie  aus  der  Liste  der  Rhizo- 
poda  und  überhaupt  aus  der  Reihe  der  thierischen  Organismen  zu 
streichen  sind. 


15* 


228  Ehizopoda. 


0.   GeogTiiphische  Verbreitung'  der  Rliizopoda. 

Bei  der  Besprechung  der  in  dieses  Kapitel  gehörigen  Fragen  dürfen 
wir  uns  im  Allgemeinen  wohl  kurz  fassen,  da  die  thatsächlichen  Grundlagen 
für  eine  ausreichende  Discussion  derselben  noch  sehr  wenig  ausgedehnte 
sind.  Wie  es  für  die  SUsswasserprotozoen  überhaupt  gültig  zu  sein 
scheint,  bieten  uns  auch  die  Rhizopodenbewohner  der  süssen  Gewässer 
keine  Anhaltspunkte  zur  Annahme  besonderer  geographischer  Verbreitungs- 
bezirke dar,  sondern  ihre  Verbreitung  scheint  eine  ganz  allgemeine  zu 
sein  und  sich  überall  für  die  verschiedensten  Gattungen  derselben  da  und 
dort  die  geeigneten  Lebensbedingungen  zu  finden.  Wir  können  zwar 
ebensowenig,  wie  z.  B.  bei  den  Infusorien,  bis  jetzt  die  Allgemeingiiltig- 
keit  dieses  Ausspruchs  stricte  erweisen,  doch  deutet  das  Auftreten  einer 
ganzen  Reihe  von  Geschlechtern  an  sehr  weit  von  einander  entfernten 
Orten  darauf^  hin,  dass  auch  die  scheinbar  weniger  verbreiteten  Ge 
schlechter  bei  eingehenderer  Untersuchung  eine  entsprechende  weite 
Verbreitung  zeigen  werden. 

Wie  gesagt,  ist  jedoch  bis  jetzt  unser  thatsächliches  AVissen  auf 
diesem  Gebiet  sehr  beschränkt.  Wirklich  methodische  Durchforschungen 
aussereuropäischer  Gebiete  liegen,  so  zu  sagen,  nicht  vor.  Vereinzeltere 
hierhergehörige  Beobachtungen  verdanken  wir  Carter*)  und  Wallich**) 
in  Ostindien,  letzterem  Forscher  z.  Tb.  noch  aus  verschiedenen  anderen, 
gelegentlich  von  ihm  berührten,  aussereuropäischen  Orten  (wie  Grön- 
land etc.),  ferner  Leidy***)  und  einigen  weiteren  Forschern  bezüglich 
der  nordamerikanischen  Fauna  und  schliesslich  hauptsächlich  auch  Ehren- 
berg,!) der  ja  mit  grossem  Fleisse  die  verschiedenartigsten  Schlammproben 
und  dergleichen  aus  den  entlegensten  Stellen  der  Erde  auf  die  Gegen- 
wart unserer  Organismen  geprüft  hat.  Auf  die  Angaben  dieser  Forscher 
gestützt,  glauben  wir  zum  Beleg  unseres  oben  über  die  geographische 
Verbreitung  der  Süsswasserformen  aufgestellten  Satzes  doch  noch  eine 
Reihe  von  Thatsachen  mittheilen  zu  sollen,  die  wir  hier  in  Form  einer 
Tabelle  folgen  lassen.  In  diesen  Fällen  weiterer  Verbreitung  sind  es  ge- 
wöhnlich sogar  dieselben  Arten,  soweit  sich  hierüber  nach  den  vorliegenden 
Untersuchen  urtheilen  lässt,  welche  die  betreffenden  Gattungen  an  so  weit 
von  einander  entlegenen  Punkten  repräsentiren. 


*)  S.  hauptsilchlicli  56,  75. 
'**)  Ann.  mag.  nat.  h.  3.  XIII. 
***)  Proc.  acad.  Philad.  II.  III. 
f)  Hauptsächlich  95,  jedoch  zahlreiche  weitere  Abhandlungen  in  den  Monatsberichten 
der  Berliner  Akademie,  sowie  über  polare  Formen  in   „Die  zweite  deutsche  Nordpolarfahrt" 
Leipzig   1873.  1874.     Vergl.  auch  Schmarda:    Zur  Naturgeschichte  Aegyptens,  Denkschr.  der 
Wiener  Akademie  VII. 


Geographische  Verbreitung  (Susswasserformen). 


229 


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Süd- 
Asie 

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Amoeba 

* 

* 

* 

* 

* 

Ohaetoproteus    .     .     . 

* 

* 

Pyxidicula    .... 

* 

* 

Arcella 

* 

* 

* 

* 

* 

* 

* 

Difflugia 

* 

* 

* 

* 

* 

* 

* 

Hyalosphenia     .     .     . 

* 

* 

Quadru  a 

* 

* 

* 

* 

Euglypha      .... 

* 

* 

* 

* 

* 

* 

* 

Triuema 

* 

* 

* 

'? 

* 

* 

* 

Cyphoderia    .... 

* 

* 

* 

* 

* 

* 

Sehen  wir  in  dieser  Weise  die  bekannteren  und  häufigeren  Gattungen 
eine  weite,  ja,  wie  wohl  angenommen  werden  darf,  eine  allgemeine  Ver- 
breitung in  horizontaler  Ausdehnung  über  die  Erdoberfläche  darbieten,  so 
scheint  das  Gleiche  auch  für  die  Verbreitung  in  vertikaler  Richtung 
Gültigkeit  zu  haben.  Natürlich  sind  die  über  diesen  Punkt  vorliegenden 
Beobachtungen  noch  spärlicher,  als  die  erstbesprochenen,  dennoch  geben 
auch  hierüber  die  Untersuchungen  von  Perty  in  der  Schweiz  und  Leidy 
in  Nordamerika,  sowie  gelegentliche  Beobachtungen  Ehrenbergs  einigen 
Aufschluss.  So  traf  Perty  (48)  in  den  Alpen  Difflugien  in  8000'  Höbe 
an  (die  gleiche  Höhe  constatirte  auch  Ehrenberg  für  eine  Difflugia  des 
Hinialaya),  Arcella,  Euglypha  und  Trinema  konnten  in  Höhen  von  5000' 
in  der  Schweiz  nachgewiesen  werden.  Leidy  (Proc.  acad.  Philad.  HI. 
p.  321)  überzeugte  sich,  dass  die  Rhizopodenfauna  der  Rocky-mountains 
noch  in  10,000'  Höhe  wesentlich  denselben  Charakter  besitzt,  wie  die 
Philadelphia's  und  machte  bei  dieser  Gelegenheit  noch  die  Erfahrung, 
dass  dieselbe  sich  vorzügUch  reichlich  auf  Sandstein,  Quarz,  Thon-  und 
granitischem  Boden  entwickelt,  wogegen  auf  Kalkboden  stets  nur  eine 
sehr  ärmliche  Rhizopodenfauna  zur  Ausbildung  gelangen  soll.  Ein  wesent- 
licher Einfluss  der  Höhe  auf  die  Verbreitung  der  Süsswasserrhizopoden 
hat  sich  demnach  bis  jetzt  nicht  ergeben  und  dies  um  so  weniger,  als 
es  dieselben  Arten  sind ,  die  sich  in  der  Ebene  und  jenen  z.  Th.  so  be- 
trächtlichen Höhen  finden. 

Etwas  anders  gestaltet  sich  die  geographische  Verbreitung  der  Meeres- 
formen. Nicht  dass  hier  eine  ähnlich  lokale  Verbreitung  der  grossen 
Mehrzahl  der  Geschlechter  sich  zeigte,  wie  sie  in  höheren  Abtheilungeu 
der  Thierwelt  gewöhnlich  angetroffen  wird,  sondern  aus  den  bis  jetzt  in 
ziemlicher  Zahl  vorliegenden  Untersuchungen  scheint  im  Gegentheil  her- 
vorzugehen, dass  eine  sehr  grosse  Zahl  der  Geschlechter  eine  kosmopoli- 
tische Verbreitung  besitzt.  Dennoch  ergibt  sich  mit  Sicherheit,  dass 
einer  Reihe  von  Geschlechtern  eine  beschränktere  Verbreitung  zukommt; 
—  fraglich  bleibt  jedoch,  wie  mir  scheint,  die  Verbreitung  der  bis  jetzt 
nur  selten  gefundenen  Geschlechter,  von  denen  es,  in  Anbetracht  der  trotz 
aller  Beschränkung  immer  noch   sehr  weiten  Verbreitung  der  besser  be- 


230  Rhizopoda. 

kannten  Geschlechter,  sehr  wahrscheinlich  ist,  dass  auch  sie  sich  einer 
ähnlichen  weiten  Verbreitung  erfreuen,  und  nur  ihre  relative  Seltenheit 
die  Ursache  für  ihre  scheinbare  lokale  Beschränktheit  bildet. 

Ich  habe  mich  bemüht,  das  mir  zugängliche  Material  über  die  geo- 
graphische Verbreitung  der  marinen  Rhizopoden  zu  sammeln,  um  zu  einem, 
wenn  auch  noch  sehr  beschränkten,  Ueberblick  über  diesen  Gegenstand 
zu  kommen.  Diese  Arbeit  wird  natürlich  sehr  erschwert,  ja  z.  Th. 
geradezu  illusorisch  gemacht,  durch  die  grosse  Schwierigkeit  der  Arten- 
begrenzung und  die  Verwirrung  der  Synonymik.  Denn  wenn  man  sich  der 
Auffassung  von  Parker,  Jones  und  Carpenter  anschliesst,  so  dürfte  es,  bei 
der  von  diesen  Forschern  betonten  so  überaus  grossen  Variabilität  der 
Formen,  schwierig  sein  zu  erweisen,  dass  zwei  identische  oder  doch  sehr 
ähnliche  Formen  weit  entlegener  Gebiete  thatsächlich  sich  in  entsprechen- 
der Weise  verhalten,  wie  dies  für  die  höheren  Thiere  angenommen  wird  — 
d.  h.  dass  sie  als  eine  Formreihe  gemeinsamen  Ursprungs  zu  betrachten 
sind,  die  sich  über  eine  weite  Fläche  ausgebreitet  hat,  oder  ob  nicht 
beide  sehr  ähnliche  Formen  gesondert  von  einander  ihren  Ursprung  ge- 
nommen haben. 

Eine  Hauptschwierigkeit  bei  dem  Versuch  der  Erörterung  der  geographi- 
schen Verbreitung  bildet  jedoch  der  Mangel  einer  durchgehenden  kritischen 
Sichtung  der  zahlreichen  d'Orbigny'schen  Arten.  Da  sich  ein  derartiges 
Unternehmen  nur  unter  Mithülfe  eigenen,  ansehnlichen  Vergleichmaterials 
wird  bewerkstelligen  lassen,  so  konnte  ich  dies  nur  bis  zu  einem  gewissen 
Grade  durchführen.  Immerhin  hoffe  ich,  dass  durch  die  unten  mitgetheilte 
Tabelle  über  die  geographische  Verbreitung  der  Gattungen,  Untergattungen 
und  Arten  eine  annähernde  Uebersicht  gewonnen  werden  kann. 

Die  Vergleichung  dieser  Tabelle  ergibt  nun  eine  Reihe  allgemeinerer 
Punkte,  die  hier  zunächst  kurz  erörtert  werden  mögen. 

Die  Zahl  der  Geschlechter  und  Untergeschlechter*)  nimmt  im  All- 
gemeinen in  den  wärmeren  Meeren  zu,  oder  anders  ausgedrückt,  eine 
ziemliche  Anzahl  von  Formen  ist  auf  die  wärmeren  Meere  beschränkt; 
wenigstens  fehlen  sie  den  kälteren  Meeren  der  nördlichen  Hemisphäre, 
die  bis  jetzt  allein  eingehender  durchforscht  sind.  Eine  Zählung  ergibt, 
dass  von  70  kalkschaligen  Gattungen  und  Untergattungen  ca.  die  Hälfte  (38) 
den  arktischen  Meeren  fehlen;  dass  hingegen  an  den  brittischen  Küsten 
und  der  Nordsee  dieser  Mangel  sich  nur  auf  ca.  25  Gattungen  erstreckt, 
im  Mittelmeer  schliesslich  nur  auf  15  herabsinkt.  Dagegen  ist  kein  Ge- 
schlecht oder  Untergeschlecht  den  arktischen  oder  den  nördlichen  gemässig- 
ten Meeren  eigenthümlich,  alle  hier  vertretenen  verbreiten  sich  auch  durch 
die  warmen  Meere. 

Eine  im  Ganzen  nicht  sehr  erhebliche  Zahl  von  Geschlechtern  scheint 


*)  Bei  dieser  Betrachtung  sind  die  sandschaligen  Formen  nicht  weiter  berücksichtigt 
worden,  da  eine  beträchtliche  Zahl  derselben  nur  sehr  wenig  bekannt  ist  und  die  systemati- 
schen Fragen  hier  am  unsichersten  liegen. 


Geographische  Verbreitung  (Meeresformen).  231 

den  tropischen  Meeren  allein  eigenthümlich  zu  sein,  es  sind  dies  12  von 
jenen  15  Geschlecbtern,  die  nach  obiger  Angabe  dem  Mittelmeer  fehlen, 
während  die  3  übrigen  Gattungen  (Chilostomella,  Hauerina  und  Nummu- 
lites)  die  sich  in  nördlicheren  Meeren  gefunden  haben,  wohl  ohne  Zweifel 
auch  noch  im  Mittelmeer  anzutreffen  sein  werden.  Es  sind  diese  12  Gat- 
tungen sämmtlich  an  Artzahl  sehr  beschränkt;  auch  ist  ihre  geographische 
Verbreitung  in  den  tropischen  Meeren,  soweit  dieselbe  bis  jetzt  be- 
kannt, meist  keine  weite;  jedoch  mag  dies,  wie  schon  oben  bemerkt 
wurde,  mehr  auf  unzureichender  Erfahrung,  als  auf  einem  thatsächlich 
lokal  beschränkten  Auftreten  dieser  Formen  beruhen.  Die  eben  hinsicht- 
lich der  Zahl  der  vorhandenen  Gattungen  kalkschaliger  Rhizopoden  näher 
betrachteten  Districte  sind  bei  weitem  die  am  besten  durchforschten ; 
wollte  man  nach  den  thatsächlich  in  den  verscbiedenen  wärmeren  Meeren 
bis  jetzt  gefundenen  Zahlen  von  Gattungen  urtheilen,  so  müsste  man  eine 
z.  Th.  nicht  unbeträchtliche  Verminderung  gegenüber  dem  Mittelmeer  an- 
nehmen. So  stellt  sich  mit  Berücksichtigung  aller  sicheren  mir  vor- 
liegenden Daten  die  Zahl  der  bis  jetzt  im  rothen  Meer  gefundenen  Gat- 
tungen und  Untergattungen  nur  auf  ca.  29,  die  von  den  canarischen 
Inseln,  der  Westküste  von  Afrika  und  dem  tropischen  atlantischen  Ocean 
auf  38,  die  von  den  westindischen  Meeren  auf  42,  von  der  Ostküste 
Südamerikas  auf  37,  von  der  Ostküste  Afrikas  (Seychellen,  Madagascar 
und  indischer  Ocean)  auf  48,  vom  malayischen  Archipel  auf  24,  Australien 
und  Neuseeland  auf  42  und  den  oceanischen  Inseln,  sowie  dem  pacifischen 
Ocean  überhaupt  auf  37.  Wie  gesagt,  wäre  es  jedoch  gewiss  ungerecht- 
fertigt, in  diesen  Zahlenverhältnissen  die  Summe  der  thatsächlich  in  jenen 
angeführten  Regionen  verbreiteten  Gattungen  und  Untergattungen  finden 
zu  wollen;  die  einzige  Thatsache,  dass  von  jenem  Plus  des  Mittelmeeres 
die  eine  oder  die  andere  Gattung  bald  in  der,  bald  in  jener  der  oben 
aufgeführten  Regionen  angetroffen  wird  (mit  alleiniger  Ausnahme  der  sehr 
wenig  bekannten  Gattungen  Squamulina  und  Rimulina)  beweist  zur 
Genüge,  dass  jene  Verhältnisse  nur  aus  unserer  unzureichenden  Erfahrung 
sich  herleiten.  Andererseits  ist  uns  jedoch  auch  dieser  Umstand  direct 
wohl  bekannt. 

Berücksichtigen  wir  die  Zahl  der  Arten,  so  lässt  sich  fernerhin  aus 
der  weiter  unten  folgenden  Tabelle  wohl  noch  einiges  hervorheben,  wenn 
auch  der  Grad  der  Sicherheit  kein  sehr  erheblicher  ist.  Für  eine  ziem- 
liche Reihe  von  Gattungen  scheint  nämlich  die  Artzahl  in  den  wärmeren 
Meeren  zuzunehmen ;  wir  führen  als  Beispiele  hierfür  namentlich  die  Gat- 
tungen Quinque-  und  Triloculina,  ferner  Nodosaria,  Vaginulina,  Cristellaria, 
Marginulina,  Textularia  und  Pulvinulina  auf.  Dagegen  scheinen  eine 
weitere  Reihe  von  Gattungen  eine  ebenso  reiche  Artzahl  in  den  kälteren, 
wie  den  wärmeren  Meeren  aufzuweisen ;  ein  Blick  auf  Lagena ,  Poly- 
morphina,  Virgulina,  auch  Rotalia  (jedoch  erst  in  der  gemässigten  Region 
beginnend)  wird  dies  lehren.  Inwiefern  bis  jetzt  ein  Werth  auf  die  be- 
sonders  reichliche   Entwickelung    einiger   Gattungen   (wie    Bulimina    und 


232  Rhizopoda. 

Nonionina)  in  der  arktischen  Region   zu  legen  ist,    wollen  wir  hier  nicht 
zu  entscheiden  suchen. 

Was  den  Reichthum  der  einzelnen  oben  unterschiedenen  Faunen- 
gebiete an  Arten  betrifft,  so  wollen  wir  hier  nur  die  drei  bestbekannten 
derselben  vergleichen,  nämlich  das  arktische,  das  nördliche  gemässigte 
und  das  mittelmeerische,  wobei  wir,  wie  auch  schon  bei  der  Betrachtung 
der  Geschlechter,  eine  Zunahme  der  Artzahl  in  den  wärmeren  Meeren  im 
allgemeinen  antreffen  werden.  Die  Zahl  der  bis  jetzt  in  den  erwähnten 
drei  Regionen  gefundenen  Arten  beträgt  in  der  Reihenfolge,  in  der  sie 
soeben  genannt  worden  sind,  ca.  99,  185  und  198,  wobei  jedoch  zu  be- 
merken ist,  dass  die  nördliche  gemässigte  Region  bei  weitem  die  genauest 
bekannte  ist,  und  namentlich  für  die  Mittelmeerregion  die  Zahl  der  Arten 
bei  ausgebreiteteren  Untersuchungen  sich  wohl  noch  ziemlich  erhöhen 
dürfte.  So  beträgt  die  Zahl  der  bis  jetzt  allein  an  den  britischen  Küsten 
nach  der  Zusammenstellung  von  Siddall  und  Brady  gefundenen  Arten 
166,  so  dass,  wie  gesagt,  diese  Region  mit  Bestimmtheit  als  die  genauest 
durchforschte  zu  bezeichnen  sein  dürfte. 

Was  die  99  Arten  der  arktischen  Region  betrifft,  so  dürfte  hier  noch 
hervorgehoben  werden,  dass  nach  den  Erfahrungen  der  britischen  Nord- 
polexpedition (115)  die  Rhizopodenfauna  der  arktischen  Region  des  paci- 
fischen  Oceans  im  Ganzen  ein  sehr  einförmiges  Gepräge  besitzt,  indem 
die  grosse  Mehrzahl  (ca.  95  *^/o)  sämmtlicher  angetroff"ener  Rhizopoden 
sich  aus  wenigen  Arten  zusammensetzt  und  zwar  sind  dies:  Globigerina 
bulloides,  Cassidulina  laevigata  und  crassa  und  Polystomella  striatopunc- 
tata.  Hierzu  gesellen  sich  gewöhnlich  noch  ein  oder  zwei  Formen  von 
Nonionina  und  auf  sandigem  Grund  auch  Polystomella  arctica.  Hieruach 
möchte  es  scheinen,  dass  auch  die  Rhizopodenfauna  der  arktischen  Re- 
gionen, trotz  der  nicht  unerheblichen  Zahl  von  99  bis  jetzt  überhaupt  in 
ihr  angetroffenen  Arten,  doch  im  Ganzen  einen  ähnlichen  Charakter  zeigt, 
wie  die  arktische  Meeresfauna  überhaupt,  d.  h.  das  Vorherrschen  weniger 
Formen  in  sehr  beträchtlichen  Mengen. 

In  der  folgenden  Tabelle  versuchen  wir  nun  eine  Uebersicht  der  bis 
jetzt  ermittelten  Hauptergebnisse  über  die  geographische  Verbreitung  der 
marinen  Rhizopoden  zusammenzustellen.  Zum  Verständniss  derselben 
schicken  wir  einige  Erläuterungen  voraus.  Die  Unterscheidung  einzelner 
Faunengebiete  ist  eine  ziemlich  willkürliche  und  einzig  von  den  vorliegen- 
den, ausgedehnteren  Untersuchungen  gewisser  Gebiete  abhängig  gewesen. 
Wir  haben  solche  Gebiete  wie  die  Antillen  und  die  canarischen  Inseln, 
über  welche  eingehendere  Untersuchungen  vorliegen ,  zum  Mittelpunkt 
einer  Region  erhoben,  der  wir  weitere,  zerstreute  Beobachtungen  aus  be- 
nachbarten Gebieten  angeschlossen  haben.  Nach  diesem  Grundsatz  sind 
demnach  in  der  folgenden  tabellarischen  Uebersicht  11  Regionen  unter- 
schieden, die  wir  zunächst  hier  etwas  genauer  zu  charakterisiren 
haben. 


Geograpliisclie  Verbreitung  (Meeresformen).  233 

I.  Arktische  Meere;  die  bezüglichen  BeobacbtuDgen  beziehen  sich 
sowohl  auf  den  arktischen  atlantischen  als  pacifischen  Ocean,  die  Küsten 
von  Grönland,  des  arktischen  Norwegens,  die  Bafiinsbai  etc. 

IL  Nördlich  gemässigte  Meere;  begreifend  die  Küsten  von 
Grossbritaunien ,  die  Nordsee,  Ostsee,  die  Küstengebiete  des  gemässigten 
Norwegens,  die  Ostküste  von  Nordamerika,  die  gemässigten  Gebiete  des 
nordatlantischen   Oceaus,   den  Kanal   und  die  Westküste  von  Frankreich. 

III.  Das  Mittelmeer. 

IV.  Das  r  0 1  h  e  Meer. 

V.  Die  c anarischen  Inseln,  die  wenigen  Beobachtungen  von 
der  Westküste  von  Afrika  und  aus  dem  tropischen  atlantischen  Ocean. 

VI.  Westindische  Meere. 

VII.  Die  Ostküste  von  Südamerika,  hauptsächlich  Befunde 
von  der  sogen.  Albrolhos  Bank. 

VIII.  Die  Ostküste  von  Afrika,  hauptsächlich  Befunde  von  den 
Seychellen  und  Madagascar,  sowie  dem  indischen  Ocean. 

IX.  Malayischer  Archipel. 

X.  Australien  und  Neuseeland. 

XI.  Die  Küsten  der  oceanischen  Inseln  und  die  im  Ganzen 
sehr  spärlichen  Beobachtungen  aus  dem  pacifischen  Ocean  überhaupt, 
mit  Ausnahme  seiner  arktischen  Region. 

Wir  geben  zunächst  stets  eine  Totalübersicht  der  Zahl  der  überhaupt 
bis  jetzt  in  jeder  Gattung  oder  Untergattung  unterschiedenen  Arten  und 
hierauf  die  Totalzahl  der  in  jeder  der  unterschiedenen  Regionen  bis  jetzt 
angetroffenen  Arten.  Hierauf  folgt  eine  nach  Nummern  gegebene  Ueber- 
sicht  der  Arten  jeder  Region,  so  dass  hieraus  in  jedem  einzelnen  Fall 
leicht  zu  eruiren  ist,  wie  viel  Arten  je  zwei  Regionen  gemeinsam  sind, 
und  in  welcher  Verbreitung  durch  die  verschiedenen  Regionen  bis  jetzt 
eine  und  dieselbe  Art  angetroffen  wurde.*)  Wenn  das  Vorkommen  einer 
Gattung  in  einer  Region  nur  im  Allgemeinen,  ohne  Kenntniss  der  betreffen- 
den Arten,  bekannt  wurde,  so  bezeichnen  wir  dies  durch  ein  * ;  wo  ferner 
die  Verbreitung  einer  Gattung  durch  gewisse  Regionen,  aus  welchen  noch 
kein  directer  Beweis  für  ihr  Vorkommen  vorliegt,  aus  der  sonstigen  Ver- 
breitung mit  Sicherheit  wohl  zu  erschliessen  ist,  so  deuten  wir  dies  durch 
ein  ?  an.**) 


*)  Das  ganze  Arsenal  von  Artnamen  hier  vorzuführen,  glaubten  wir  nicht  unternehmen 
zu  sollen. 

**)  Ausser  den  schon  in  der  allgemeinen  LiteraturülDcrsicht  aufgeführten  Schriften  über 
die  geographische  Verbreitung  der  marinen  ßhizopoden,  die  fast  sämmtlich  von  mir  bei  der 
Zusammenstellung  der  folgenden  üebersicht  benutzt  werden  konnten,  mögen  hier  noch  nach- 
stehende Abhandlungen  angemerkt  werden,  die  mir  unzugänglich  blieben: 

Robertson,  D.,  Note  ofrec.Foraminif.  etc.  ofFirth  ofClyde  (Transact.  geol.  soc.  Glasgow  V.). 

Eeport  on  dredging  etc.  of  Durham   and  N.-Yorksh.   (Rep.  Brit.  Assoc.  Bristol  Meet.). 

Winther,  G.,  Danmarks  Foraminifera.  Kjöbenh.  1874. 

Terquem,  0.,    Foraminif.  de  la  plage  de  Dunkerque.  2  p.  Paris  1876 — 78. 


234 


Bhizopoda. 


Imperforata. 


I. 

II. 

III. 

IV. 

V. 

VI. 

VII. 

VIII. 

IX. 

X. 

XI. 

Squamulina  .... 

1 

Totalzahl  1. 

Ammodiscus    .  .  , 

1 

4 

9 

■? 

1 

2 

3 

? 

? 

? 

? 

Tot.  4. 

1 

1 

1 
4 

2 

3 

2 

2 

3 

1 
3 

Cornuspira  

3 

3 

1 

? 

? 

1 

1 

1 

? 

1 

? 

Tot.  3. 

I 

1 
2 

1 
3 

1 

1 

1 

1 

1 

Nubecularia .... 

1 

1 

? 

? 

? 

9 

1 

1 

1 

Tot.  2. 

t 
2 

Placopsllina    .  .  . 

1 

1 

■? 

9 

? 

? 

1 

? 

? 

V 

Tot.  1. 

Spiroloculina  .  .  . 

4 

6 

? 

1 

4 

3 

3 

1 

4 

3 

Tot.  11. 

1 

1 

1 

3 

7 
1 

1 
2 

1 

1 

1 

1 
2 

1 
5 

4 

tj 

9 
10 

7 

3 

5 

11 

Quinqueloculina  . 

4 

13 

11 

3 

4 

16 

8 

9 

5 

11 

7 

Tot.  29. 

1 

1 

1 

1 

1 

2 

1 

1 

2 

1 

1 

3 

1 

1» 

2 

3 

1 

3 

1 

0 

1 

1 

1 

9 

11 

13 

4 

4 

4 

5 

6 

5 

3 

5 

14 

9 

6 

1 

7 

9 

9 

5 

1 

9 

6 

12 

17 

17 

6 

16 

11 
12 
14 
17 
20 
24 

1 
29 

9 
17 
22 

13 
20 

1 
20 

18 
23 

Triioculina    .... 

3 

6 

7 

1 

3 

10 

7 

3 

3 

5 

3 

Tot.  23. 

1 
1 

1 

2 

1 

3 
4 

3 
4 

1 

1 

3 

1 

2 

3 

2 

3 

3 
6 

3 

5 
12 

7 
12 

23 

15 

1 
22 

3 

9 

10 

11 

14 

5 

5 

5 

6 

13 

Biloculina 

1 

6 

4 

1 

1 

5 

4 

3 

? 

3 

1 

Tot.  6. 

1 

1 

1 
1 

3 

1 

1 
1 

1 

2 

3 

1 
1 

1 

6 

3 
5 

3 
5 
6 

3 
5 

6 

3 

I. 

II. 

III. 

IV. 

V. 

VI. 

VII. 

VIIL 

IX. 

X. 

XI. 

Geographische  Verbreitung  beschälter  Meeresformen. 


235 


1 

II. 

III. 

IV. 

V. 

VI. 

VII. 

VIII. 

IX. 

X. 

XI. 

Vertebralina   .  .  . 

Tot.  Ü. 

Hauerina 

Tot.  5. 

1 

.3 

4 

1 

1 
4 

9 

7 

1 

4 

? 
7 

4 

2 

1 
5 

? 

3 

1 
3 
6 

v 

1 

3 

? 
7 

4 

1 

3 
5 

3 
1 

1 
2 

1 
4 

Peneroplis  . 
Tot.  5. 


Dendritina  . 
Tot.  1. 


Spirolina 

Tot.   1. 

Haplophragmium 
Tot.  3. 


Lituola  s.  Str. 
Tot.  1. 


Orbiculina  . 
Tot.  2. 


Alv  eolina  .  . 
Tot.  3. 


Orbitolites*) 
Tot.  4. 


Boteliina  .  .  . 

Tot.  1. 
Hyperauimina 

Tot.  3. 
Jacullela  .  .  . 

Tot.  1. 
Marsipella  .  . 

Tot.  1. 
Rhyzammina 

Tot.  1. 
Sagenella    .  . 

Tot.  1. 
Rhabdammina 

Tot.  3. 


Arenacea. 

Reg.  II. 

durchaus  sehr  weit  verbreitet. 

Reg.  II,  weitere  Verbreitung  unsicher. 

Reg.  V,  und  weiter. 

Verbreitung  sehr  weit. 

Reg.  XI. 

Reg.  II,  VI  und  VII. 


die 

5.  Art  nach 

Brady  weit  verbreitet. 

3 

2 

1 

1 

1 

1 

7 

7 

4 
5 

2 

2 

? 

2 

3 

1 

7 

7 

1 

7 

7 

7 

1 

1 

1 

? 

7 

? 

7 

7 

1 

i  2 

3 

2 

1 

2 

1 

1 

1 

1 

1 

1 

1 

2 

1 

1 

2 

2 

1 
2 

3 

1 
2 

1 
2 

1 

1 

1 

1 
1 

7 

2 
1 
2 

7 

1 

1 

* 

* 

7 

* 

7 

* 

2 
1 
3 

7 

2 
1 
2 

7 

3 

1 
2 

* 

* 

* 

* 

* 

? 

? 

* 

? 

* 

1 

2 


1 

1 


*)  Da  es  mir  nicht  möglich  war,  die  Verbreitung  der  einzelnen  Formen  einigermaassen 
sicher  zu  ermitteln,  so  habe  ich  speciellere  Angaben  unterlassen;  jedoch  sei  hier  soviel  be- 
merkt, dass  die  complicirter  gebauten  Formen  auf  die  wärmeren  Meere  beschränkt  sind. 


236 


Ehizüpoda, 


I. 

IL 

m. 

IV. 

V. 

VI. 

VII. 

VIII. 

IX. 

X. 

XI. 

Astrorhiza 

Tot.  3. 

1 

2 

3 

1 

1 
3 

1 

2 

1 

3 

1 

3 

1 

2 

Aschemonella    .  . 
Tot.  1. 

ßeg. 

V,  VII  und  XII. 

Dendroplirya    .  .  . 
Tot.  2. 

-Reg. 

II. 

Haliphysema    .  .  . 
Tot.  1—2. 

Reg. 

II. 

Saccammina  .... 
Tot.   1.- 

-Reg 

II  und  weiter. 

Webbina 

Tot.  2. 

Reg 

II,  y  und  VI. 

Perforata. 


Lagena    

16 

37 

8 

4 

1 

6 

9 

8 

33 

13 

3 

Tot.  54. 

1 

1 

1 

2 
12 

10 

0 

2 

S 

2 

2 

1 

2 

1 

2 

i 

10 
12 

16 

7 

13 

12 

10 

5 

4 

4 

4 

10 

I 

15 

12 

7 
8 

8 
10 

5 

7 

7 
10 

15 

14 

11 

12 

9 

12 

17 

1 

12 
14 

1 
14 

13 

1 
15 

19 

20 

17 

44 

1 
41 

42 
43 

54 

Nodosaria  s.  str.  .  . 

3 

6 

8 

? 

1 

6 

3 

1 

V 

*? 

0 

Tot.  13. 

1 
2 

1 

1 
5 

13 

1 

3 
10 

5 

1 

3 
8 

11 
12 

1 
4 

4 

Dentalina 

4 

5 

9 

1 

5 

3 

3 

3 

7 

3 

7 

Tot.  14. 

1 

1 

1 

1 

1 

1 

1 

1 

1 

1 

2 

4 

3 

4 

7 

4. 

4 

4 

4 
5 
9 

1 

7 

9 

11 

1 
13 

5 

9 

10 

14 

9 

5 

8 

Glandulina 

1 

1 

1 

1 

') 

? 

1 

'P 

7 

1 

■? 

Tot.  1. 

Lingulina 

1 

2 

1 

1 

Tot.  2. 

1 

1 
2 

1 

I. 

II. 

III. 

IV. 

V, 

VI. 

VII. 

vm. 

IX. 

X. 

XI. 

Geographische  Verbreitung  beschälter  Meeresformen. 


23; 


I. 

II. 

III. 

IV. 

V. 

VI. 

VII. 

VIII. 

IX. 

X. 

XI. 

Vaginulina    .... 

Tot.  8.  * 

1 
1 

2 
1 
3 

7 
1 

1 

7 

? 

? 

? 

? 

1 

8 

? 

1 

8 

? 

E  i  um  1  i  n  a 

Tot.   1. 

1 

0  r  t  h  0  c  e  r  i  n  a  .  .  .  . 
Tot.  1. 

1 

C  0  n  11 1  i  n  a 

Tot.   1. 

1 

F  r  0  n  d  i  c  u  I  a  r  i  a  .  .  . 
Tot.  7. 

3 
4 
5 

3 
2 
3 

? 

3 
1 
2 

? 

? 

? 

? 

0 

3 
6 

7 

Flabellina 

Tot.  2. 

1 
2 

3 
l 

1 
2 

M  a  r  g  i  n  u  1  i  n  a    ... 
Tot.  9. 

1 

8 

3 

1 

8 
9 

7 
2 

1 

8 

1 

5 

1 

8 

1 

8 

1 

8 

•p 

,  ? 

•? 

? 

Cristellaria  .... 
Tot.  2(». 

4 

1 

1 

4 

1 

16 

1 

0 

1 

1 

5 

1 

1 
2 

1 

2 

•p 

1 

2 

1 

7 

Hormosina 

Tot.  2. 

1 

'S 
16 

Verl 

4 

)reitun| 

15 
17 

j  sehr 

■weit. 

1 
3 

7 

19 

20 

3 

7 

18 

, 

i 

Haplostichc  .... 
Tot.? 

Verbreitung? 

Eeophax    

Tot.  ca.  7. 

Verbreitung  sehr 

weit. 

Polymorphina    .  . 

(ei]isclil.  Dimorphina) 

Tot.  25. 

8 
1 

1 

18 
22 

13 

1 

1 
6 

IG 

17 

21 

23 

1 
25 

8 
1 

1 
3 

6 

9 
21 

* 

* 

4 

11 
12 
15 
21 

3 

1 

13 

21 

3 

1 

21 

* 

6 

1 
3 
6 

10 
14 
21 

* 

Uvigerina 

(einschl.  Sagrina) 
Tot.  14. 

2 
1 

2 

3 

1 

2 

7 

4 

1 

4 

? 

4 

1 
2 

8 
11 

4 

3 

4 

9 

10 

3 
1 
6 

3 

2 
3 
5 

1 

5 

3 
2 
3 

5 

1 
11 

14 

I. 

II. 

ni. 

IV. 

V. 

VI. 

VII. 

vin. 

IX. 

X. 

1 

XI. 

238 


Ehizopoda. 


I. 

II. 

m. 

IV. 

V. 

VI. 

vn. 

vm. 

IX. 

X. 

XI. 

Orbulina 

1 

1 

1 

1 

1 

1 

1 

? 

? 

9 

"? 

Tot.  1. 

Globigerina  .... 

3 

3 

3 

3 

3 

4 

1 

3 

? 

1 

1 

Tot.  11  (oder  18) 

1 

1 

1 

1 

1 

1 

1 

1 

1 

1 

(liierFon  jedoch   nur  7 

2 

2 

1 

3 

2 

4 

1 

bis  jetzt  hins.  Verbreit. 

4 

3 

7 

5 

3 

näher  bekannt). 

Hastigerina    .... 

Verbreitung  weit 

Tot.  1. 

Carpen teria  .... 

3 

1 

1 

Tot.  3. 

1 
2 

1 

2 

Candeana  

1 

1 

? 

1 

1 

1 

Tot.  1. 

Cymbalopora  .  .  . 

3 

4 

1 

1 

? 

3 

1 

Tot.  4. 

1 
3 

1 

1 
4 

1 

1 

1 
2 

1 

Psammosphaera  . 

1 

1 
1 

1 

1 

1 

1 

Tot.  1. 

Stortosphaera  .  .  . 

Reg.  2. 

Tot.  1. 

Thurammina .... 

Sehr  weit  verbrei 

tet. 

Tot.  3. 

Sorosphaera  .... 

1 

1 

1 

1 

Tot.  1. 

Chilostomella  .  .  . 

1 

1 

1 

1 

1 

Tot.  1. 

• 

Allomorphina  .  .  . 

1 

Tot.  1. 

Textularia 

3 

13 

13 

'P 

4 

9 

7 

5' 

? 

7 

3 

Tot.  26. 

1 

1 

1 

5 

1 

1 

1 

1 

1 

1 

2 

2 

7 

5 

3 

2 

7 

18 

3 

4 

1 
12 

26 

4 

1 

8 

13 
14 
18 

20 

18 
21 

8 

15 
16 
18 
23 

25 

7 
14    , 

1 
17 

5 

8 
15 

8 
14 

1 

16 
22 

Bigenerina  ..... 

1 

3 

4 

? 

1 

1 

1 

• 

Tot.  5. 

1 

1 

l 
3 

1 
2 
4 
5 

1 

1 

1 

I. 

II. 

III. 

IV. 

V. 

VL 

VII. 

VIII. 

IX. 

X. 

XI. 

Geographische  Verbreitung  beschälter  Meeresformen. 


239 


I. 

n. 

m. 

IV. 

V. 

VI. 

VII. 

vni. 

IX. 

X. 

XI. 

Verneuilina  .... 

1 

3 

4 

1 

2 

2 

V 

2 

1 

? 

1 

Tot.  6. 

1 

1 

1 

3 

4 

3 

3 

3 

5 

(einschl.   Clavulina 

1 

1 

6 

5 

d'Orb.  p.  p.) 

2 
4 

4 

Grammostomum    . 

4 

1 

Tot.  4. 

1 

1 
4 

2 

Cuneolina 

1 

Tot.  1. 

Pavonina  

1 

1 

1 

Tot.  1, 

B  u  1  i  m  i  n  a 

8 

9 

7 

2 

1 

3 

3 

2 

? 

4 

3 

Tot.  \S. 

1 

1 

1 

3 

13 

3 

4 

1 

4 

4 

(einschl.  Kobertina.j 

1 

1 

1 

7 

4 

5 

4 

5 

7 

7 

8 

5 

12 

7 

7 

10 

11 

13 

7 
9 

8 

Virgulina 

2 

2 

2 

1 

? 

1 

2 

3 

1 

3 

1 

Tot.  3. 

1 

1 

1 

2 

3 

1 

1 

1 

1 

1 

2 

2 

2 

2 

2 

2 

Boli  vina 

2 

3 

2 

4 

5 

4 

3 

1 

3 

Tot.  6. 

1 

1 

1 

1 

1 

1 

1 

1 

1 

4 

2 
4 

5 

3 

1 
5 

3 

1 
6 

2 
3 
6 

5 

2 
4 

Valvulina 

1 

2 

2 

1 

3 

2 

? 

? 

0 

6 

7 

Tot.  10. 

1 

1 
2 

1 
3 

7 

9 
10 

1 

8 

1 
3 

1 

Chrysalidina  .  .  . 

■ 

1 

1 

Tot.  1. 

Cassidulina  .... 

3 

3 

1(3?) 

? 

? 

1 

5 

4 

? 

? 

? 

Tot.  7. 

1 

1 
3 

1 
2 

7 

2 

4C?) 

1 

1 
2 
4 

1 
6 

1 
2 
4 
6 

Discorbina 

2 

6 

5 

1 

4 

6 

2 

1 

3 

8 

8 

Tot.  20. 

3 

1 

1 

1 

4 

3 

3 

5 

3 

3 

3 

5 

1 

3 

5 

1 

5 

5 

1 

4 

5 

4 

16 

6 

5 

7 

13 

6 

7 

17 

15 
16 

8 

1 
12 

11 
13 

18 

1 
20 

I. 

II. 

III. 

IV. 

V. 

VI. 

vn. 

VIII. 

IX. 

X. 

XI. 

240 


Rhizopoda. 


I. 

II. 

ni. 

IV. 

V. 

VI. 

VII. 

VIII. 

IX. 

X. 

XI. 

Planorbiilina  s.  str. 

3 

0 

2 

3 

7 

3 

4 

3 

3 

3 

Tot.  Iß. 

1 

1 

6 

1 

1 

2 

2 

1 

1 

1 

1 

1 

11 

7 

1 

4 

4 

4 

2 

10 

3 

3 
4 
5 
11 

12 

5 

7 
13 

14 

8 
10 

15 

4 

16 

T  r  u  n  c  a  t  u  1  i  n  a  .  .  . 

1 

2 

3 

1 

1 

1 

1 

1 

1 

2 

1 

Tot.  4. 

1 

1 
2 

1 
3 

1 

1 

1 

1 

1 

! 

1 
2 

1 

Anouialina 

1 

1 

3 

1 

Tot.  2. 

1 

1 

1 
2 

1 

Planuliiia 

1 

1 

1 

Tot.   1. 

P  u  1 V  i  n  u  1  i  n  a  .  .  .  . 

3 

11 

11 

8 

7 

13 

s 

10 

3 

2 

2 

Tot.  .^.0. 

3 

1 

1 

5 

6 

2 

2 

1 

2 

11 

28 

9 

1 

1 

j 

1 

7 

3 

6 

2 

5 

15 

29 

10 

9 
17 

3 
5 

9 
16 

18 
19 

5 

7 
11 

5 

1 

6 

30 

1 

7 

9 
11 

14 

17 
19 

23 
25 

7 
9 
11 

13 
17 
20 

1 
22 

13 

18 

26 

27 

9 
11 
16 
17 

■ 

Rotalia 

4 

5 

? 

2 

4 

3 

4 

4 

2 

3 

Tot.  13. 

1 

1 

3 

1 

1 

4 

1 

1 

1 

1 

1 

4 

11 

4 

6 

3 

7 

9 

4 

5 

12. 
13 

7 

7 

8 
9 

10 

Galcarina 

lod.3 

? 

1 

1 

4 

1 

1 

1 

2 

Tot.  4. 

IV 
2 

1 

4 

1 
4 

4 

1 

1 

1 
3 

Polytrema 

.    1 

1 

1 

1 

Tot.  1. 

Patellina 

1 

1 

1 

3 

2 

2 

Tot.  3. 

1 

1 

1 

1 
3 

2 

3 

2 
3 

Pullenia 

1 

1 

1 

2 

2 

4 

1 

Tot.  5. 

1 

1 

1 

1 
4 

2 

3 

1 
2 
4 
5 

1 

I. 

II. 

III. 

IV. 

V. 

VI. 

VII. 

vm. 

rs. 

X. 

XI. 

Geographische  Verbreitung  beschälter  Meeresformen. 


241 


I. 

n. 

m. 

IV. 

V. 

VI. 

vn. 

VI  IT. 

IX. 

X. 

XI. 

Sphacroidina    .  .  . 

1 

1 

1 

1 

1 

Tot.  2. 

1 

1 

2 

2 

j 

Spirillin  a 

2 

2 

1 

1 

2 

2 

3 

Tot.  7. 

1 
2 

1 
6 

1 

1 

5 
6 

1 

4 

3 
4 
5 

Amphistegina  .  . 

1 

2 

2 

2 

1 

1 

Tot.  3. 

3 

1 
3 

1 
3 

1 
2 

1 

1 

Operculina 

1 

1 

1 

1 

* 

* 

* 

2 

2 

2 

Tot.  3. 

3 

3 

3 

3 

1 
2 

1 

3 

1 
3 

Nummulites  .... 

* 

* 

* 

* 

* 

* 

Tot.  1  od.  2. 

Nonionina 

9 

6 

8 

1 

3 

2 

2 

4 

1 

2 

2 

Tot.  14. 

1 

1 

1 

5 

1 

1 

1 

1 

4 

2 

1 

2 

1 

2 

4 

4 

4 

2 

4 

5 

4 

1 

6 

4 

1 

5 

4 

6 

7 

6 

9 

8 

11 

10 

12 

13 

Polystomella  .  .  . 

3 

3 

4 

1 

4 

6 

3 

4 

6 

4 

Tot.  11. 

1 

1 

1 

7 

2 

1 

1 

2 

1 

1 

1 

1 

2 

4 

2 

2 

5 

2 

2 

3 

3 

4 

1 

6 

4 

1 

4 

4 

8 

6 

7 
10 
11 

7 

6 

1 

8 

6 

Cyclammina .... 

1 

1 

1 

l 

1 

1 

1 

Tot.  1. 

Heterostegina    .  . 

* 

* 

* 

* 

Tot.  ca.  4.*) 

Cycloclypeus  .  .  . 

* 

Tot.  2.**) 

I, 

IL 

iii. 

IV. 

V. 

VI. 

VII. 

vm. 

IX. 

X. 

XI. 

*)  Eingerechnet  zwei  neuerdings  von  Möbius  (Beiträge  zur  Meeresfauna  der  Insel  Mau- 
ritius etc.  1880)  von  Mauritius  beschriebne  Arten. 

**)  Eingerechnet  eine  neuerdings  von  Brady  (Qu.  journ.  micr.  sc.  Vol.  21.  n.  s.)  von  den 
Fiji-Inseln  beschriebne  Art. 


Broun,  Klassen  des  Tbierreichs.    Protozoil. 


u 


242  Eliizoi^oda. 

10.  Paläontolog'isclie  Eiitwickluiio'  der  Rliizopoda. 

Bearbeitet  von  C.  Schwager.*) 

Nachdem  die  Eozoonfrage  schon  bei  früherer  Glelegenheit  eine  ziem- 
lich ausführliche  Erörterung  erfahren  hat,  würde  es  zu  weit  führen, 
wenn  man  dieselbe  hier  nochmals  berühren  wollte,  und  will  ich  nur  be- 
merken, dass  trotz  allem  bisher  Angeführten  erst  die  Zukunft  endgültig 
zu  entscheiden  haben  wird,  ob  wir  in  dem  Eozoon  den  ältesten  bekannten 
Vertreter  der  Rhizopoden  aus  den  sogenannten  archäischen  Formationen 
zu  begrüssen  haben  oder  nicht. 

Wir  wenden  uns  daher  gleich  zur  Betrachtung  der 

Paläozoischen  Formationen. 

Wichtigere  Literatur: 

Ehrenberg,   Monatsber.  der  Berliner  Akad.  1858. 

Parker  und  Jones,  Ann.  magaz.  nat.  bist.  London  1863  u.  1872. 

Dawson,  G.  M.,  On  a  new  species  of  Loftusia.     Quart,  journ.  geolog.  soc.  Vol.  35. 

Fischer  de  "Waldheim,  G.,  Oryctograpble  du  Gouvernem.  de  Moscou.  1829 — 37. 

Ehrenberg,  Mikrogeologie  1854. 

Geinitz,  Die  Versteinerungen  d.  deutsclien  Zechsteingebirges  u.  Rothliegenden.    Dresden  1848. 

Jones,  R.,  in  King,  W.,  Monograph.  of  the  Permian  fossils  of  England.  London  1850. 

Eeuss,  A.  E.,  Entoniostr.  u.  Foraminiferen  im  Zechstein  der  Wetterau.    Jahrb.  der  Wettcr- 

auischen  Gesellschaft  f.  1851 — 53.     Hanau  1854. 
Richter,  R.,  Zeitschr.  d.  deutschen  geolog.  Gesellsch.  Bd.  VII. 
Hall,  J.,  Trans.  Albany  Institute  Vol.  IV.  (Kohlenkalk  von  Indiana  u.  Illinois.) 
Eichwald,  E.,  Lethaea  rossica.     Stuttgart  1860. 
Geinitz,  H.  B.,  Dyas.     Leii)zig  1861. 
Schmidt,  E.,  üeber  die  kleineren  organ.  Formen  des  Zechsteinkalkes  von  Selters.    N.  Jahrb. 

f.  Mineralogie  etc.  1867. 

Young   and  Armstrong,   Transact.  geolog.   soc.   of  Glasgo^v.   Vol.  III.  u.  IV.  (Kohlenkalk 
von  Schottland.) 

Brady,   H.  B.,    A  monograph  of  Carboniferous  and  Permian   Foraminifera.     Palaeontogr. 
soc.  1876. 

On  a  Group  of  Russian  Fusulinae.  Ann.  mag.  nat.  bist.  1876. 

Stäche,  Fusulinenkalke  aus  Ober-Krain,  Sumatra  u.  Chios.  Verb.  geol.  Reichsanst.  Wien  1876. 

Zittel,  Handbuch  der  Paläontologie.  München  1876. 

Möller,   V.   von.    Die    spiralgewundnen   Foraminiferen   des   russischen    Kohlenkalks.     Mem. 

acad.  St.  Petersburg  7.  s.  T.  XXV.  1878. 
', Die  Foraminiferen  des  russischen  Kohlenkalks.    Ibid.  7.  s.  T.  XXVII.  1879. 

üeber  einige   Foraminiferen   führende    Gesteine   Persiens.      Jahrb.   der   geolog.  Eeichs- 

anbt.  Wien  1880. 

Steinmann,   G.,  Mikroskopische  Thierreste   aus  dem   deutschen  Kohlenkalk.     Zeitschr.  der 
deutschen  geolog.  Gesellsch.  1880. 


*)  Die  Schwierigkeiten,  welche,  wegen  des  ümfangs  und  der  weiten  Zerstreuung  der  ein- 
schlägigen Literatur,  sowie  der  Verwicklung  der  systematischen  Verhältnisse,  die  Abfassung 
eines  kurzen  Berichtes  über  die  paläontologische  Entwicklung  der  Rhizopoden  darbietet,  Hess  es 
mir  wünschenswerth  erscheinen ,  einen  auf  diesem  Gebiet  seit  längerer  Zeit  thätigen  Fach- 
mann um  seine  gütige  Mitwirkung  zu  ersuchen.  Ich  hege  die  Hoffnung,  dass  trotz  einiger 
Ungleichheiten,  welche  hierdurch  in  die  Darstellung  eingeführt  Avorden  sind,  das  Werk  im 
Ganzen  dadurch  gewonnen  hat.  *  ü.  Bütschli. 


Paläontolog.  Entwicklung  (Kolilenform.)-  243 

Es  existiren  zwar  mannigfache  Angaben  über  das  Auftreten  von 
Rhizopoden  im  Silur,  von  welchen  namentlich  jene  so  bewährter  Forscher, 
wie  es  Parker  und  Jones  sind,  gewiss  alle  Beachtung  verdienen;  trotz- 
dem schwebt  aber  noch  ein  gewisses  Dunkel  über  diesen  Vorkomm- 
nissen, und  lässt  sich  an  das,  was  von  denselben  bisher  bekannt  wurde, 
kaum  irgendwie  anknüpfen.  Auch  im  Devon  fand  Schlüter*)  eine  Form, 
welche  er  als  Coelotrochium  Decheni  an  Ovulites  anschliessen  zu  können 
glaubt,  die  aber  Steinmann  wohl  mit  Recht  zu  den  Kalkalgen  stellen 
möchte,  zu  denen  allerdings  auch  Ovulites  gehört.**)  Auf  die,  ausserdem 
im  Silur  und  Devon  vorkommenden  Receptaculiden  und  Stromatoporiden 
brauchen  wir  hier  nicht  näher  einzugehen ,  da  wir  über  dieselben  schon 
früher  berichtet  haben  und  deren  Beziehungen  zu  den  Rhizopoden  über- 
haupt noch  mannigfach  in  Frage  kommen. 

Ganz  anders  gestaltet  sich  das  Verhältniss  dagegen  bei  den  Rhizo- 
poden des  Kohlenkalks.  Hier  sind  es  keine  zweifelhaften  Formen,  denen 
wir  gegenüberstehen,  wir  finden  da  im  Gegentheil  manche  Vorkommnisse, 
die  sich  in  ungeahnter  Weise  selbst  an  recente  Formen  anschmiegen. 

Steinkohlen  formation. 

Obwohl  gewiss  vorauszusetzen  ist,  dass  es  früher  oder  später  gelingen 
wird,  in  älteren  Schichten  die  Vorläufer  der  verhältnissmässig  so  hoch 
entwickelten  Rhizopodenfauna  dieser  Formation  zu  entdecken,  so  spielt 
dieselbe  bei  dem  jetzigen  Stande  unseres  Wissens  doch  immerhin  die  Rolle 
einer  Primordialfauna,  und  muss  man  sich  vor  der  Hand  damit  begnügen, 
von  dieser  Etappe  aus  die  weitere  Entwicklung  der  bezüglichen  Formen 
zu  verfolgen. 

Dies  aber  dürfte  es  rechtfertigen,  wenn  wir  bei  der  Vorführung  der 
betreffenden  Fauna  etwas  mehr  ins  Detail  eingehen,  um  so  mehr,  als 
manche  Unsicherheiten,  welche  sich  in  den  bisherigen  Bearbeitungen  der- 
selben noch  finden,  wohl  einer  gewissen  Feststellung  bedürfen.  Es  ist 
dies  übrigens  nicht  zu  verwundern,  wenn  man  die  Schwierigkeiten 
in  Betracht  zieht,  welche  der  Erhaltungszustand  hier  so  häufig  einer  ge- 
naueren Untersuchung  entgegensetzt.  Was  die  Reihenfolge  betrifft,  in 
welcher  diese  Formen  vorgeführt  werden,  so  schliesst  sie  sich,  der 
Gleichartigkeit  wegen,  im  Ganzen  an  die  im  systematischen  Abschnitt 
eingehaltene  Folge  an,  und  sind  die  bisher  aus  dem  Carbon  bekannt 
gewordenen  Gattungen  mit  Ausschluss  der  Synonyme  folgende: 

Haplophragmium  Reuss.  Brady  führt  in  seiner  Monographie 
bloss  eine  Form  dieser  Gattung  an,  die  allerdings  mit  Recht  der  vorliegen- 
den Abtheilung  zugezählt  werden  muss  und  zwar  jener  Untergruppe  mit 
einfacher  centraler  Mündung,  welche  bereits  von  Reuss  als  d'Orbignyna 
Hagenow   abgetrennt  wurde;    von   Haplophragmien   sensu   strictiori,   mit 


*)  Zeitschr.  der  deutsclien  geolog'.  Gesellsch.  1879. 

**)   Die    eingehende    Bearbeitung   von    Munier- Clialmas   in    Bull.   soc.  geol.   de   France 
3.  Ser.  T.  VII.  Nr.   10  lässt  über  die  Stellung  dieser  Form  kaum  mehr  einen  Zweifel  zu. 

16* 


244  Rliizopoda. 

einfachen  Kammern,  aber  mehr  oder  weniger  siebförmiger  Mündung, 
findet  man  dort  jedoch  nichts  erwähut,  doch  kann  ich  nicht  umhin,  Endo- 
thyra  globulus  (Eichwald)  Möller  (IL  Taf.  I.  Fig.  1),  sowie  auch  die  als 
Endothyra  Panderi  M.  und  End.  parva  M.  aufgeführten  Formen  dafür 
zu  erklären,  denn  ich  vermag  kein  Merkmal  zu  finden,  das  sie  von  ersterer 
Gattung  trennen  würde.  Auch  die  bei  Möller  als  fraglich  angegebene 
Form ,  die  1.  c.  Abth.  I.  Taf.  IV.  Fig.  6  abgebildet  ist ,  dürfte  wohl 
hierher  gehören,  falls  sie  nicht  eine  echte  Lituola  mit  Sekundärsepten 
darstellt. 

Lituola  Lamarck.  Von  typischen  Lituolen  wird  bei  Brady  eine 
Form  als  L.  nautiloidea  Lmk.  angeführt,  was  jedenfalls  auf  eine  exorbi- 
tante Langlebigkeit  dieser  Species  hiüdeuten  würde. 

Wichtiger  jedoch  als  die  bisher  angeführten  Lituolideen,  in  Anbetracht 
der  Eolle,  welche  er  zum  Theile  in  der  Zusammensetzung  der  Kohlenkalk- 
faunen  spielt,  ist  ein  anderer  Repräsentant  dieser  Gruppe,  welcher  wohl 
als  das  aufgefasst  werden  muss,  was  man  bisher  als  die  Nonioninenform 
von  Haplophragmium  zu  betrachten  gewöhnt  war,  nämlich : 

Endothyra  Phillips.  Die  älteren  Formen,  wie  z.  B.  die  von  Phillips 
zuerst  aufgestellte  Species  E.  Bowmanni  Ph.  zeigen  zwar  meist  eine 
ausgesprochene  Ungleichseitigkeit,  während  unter  denen  aus  jüngeren 
Schichten  sich  gerade  im  Gegentheil  mehr  annähernd  gleichseitige  Formen 
finden,  doch  wird  man  bei  genauerer  Untersuchung  wohl  auch  bei  letz- 
teren den,  wenn  auch  flach  tarbinoiden  Aufbau  zu  erkennen  vermögen. 
Brady  führt  diese  Formen  als  porenlos  und  halbsandig  an,  während 
Möller,  dem  augenscheinlich  ein  besser  erhaltenes  Material  zu  Gebote 
stand,  das  Vorhandensein  von  Poren  betont.  Ich  kann  nach  den  Beob- 
achtungen, die  ich  zu  machen  Gelegenheit  hatte,  nur  Beides  bestätigen, 
so  sehr  es  sich  auch  zu  widersprechen  scheint.  Die  vorliegende  Gattung 
kann  au  Massenhaftigkeit  des  Vorkommens  im  Kohlenkalke  stellenweise 
selbst  mit  den  Fusulinen  wetteifern. 

Trocbammina  P.  et  J.  An  die  von  Brady  aufgeführten  Arten 
dieser  Gattung  schliessen  sich  jene  eng  an,  die  aus  demi  oberen  Zech- 
steine angegeben  werden,  und  ist  möglicherweise  hier  der  Ausgangspunkt 
mancher,  später  gesondert  auftretender  Formen  zu  suchen. 

Saccammina  Sars.  Zu  den  genauen  Untersuchungen  dieser  Gattung, 
wie  wir  sie  Brady  verdanken,  wäre  nur  hinzuzufügen,  dass  die  grosse  Form 
aus  dem  Kohlenkalke  von  Punchab,  welche  Prof.  Zittel  in  seinem  Handbuche 
erwähnt,  in  ganz  ausgezeichneter  Weise,  jenes  eigenthümliche  Relief  kleiner 
Sechsecke  zeigt,  wie  wir  es  bei  manchen  Lageniden  beobachten  können. 

No  dosin  eil  a  Brady.  Repräsentirt  hier,  in  Gemeinschaft  mit  der 
vorhergehenden  Form,  die  Gruppe  der  Arenacea,  die  ich  als  wohl  be- 
rechtigt zu  betrachten  allen  Grund  habe. 

Lagena  Walker  et  Jakob.  Von  den  bei  Brady  angeführten  Formen 
besitzt  namentlich    L.  Lebouriana  B.   ein   so  charakteristisches  Aussehen, 


Paläontolog.  Entwicklung  (Kohlcnfomi.).  245 

dass  an  deren  Zugehörigkeit  zu  der  betreffenden  Gattung  kaum  gezweifelt 
werden  kann. 

C 1  i  m  a  c  a  m  m  i  n  a  Brady  (Cribrostomum  Möller).  *)  Bei  diesem  Genus 
scheint  ein  eigenthtimliches  Verhältniss  im  Aufbau,  das  bei  anderen 
agglutinirenden  Foramiuiferen  nur  hier  und  da  beobachtet  wird,  als 
Norm  vorzukommen.  Die  Schale  wird  nämlich  bei  jeder  einzelnen  Kam- 
mer Anfangs  rein  kalkig,  mit  ziemlich  gedrängt  stehenden,  gieichmässig 
vertheilten  Poren  abgeschieden.  Erst  später  werden  Sandkörner  mit  zum 
Aufbaue  derselben  verwendet,  wodurch,  wie  es  nicht  anders  zu  erwarten 
ist,  die  Entstehung  von  Poren  auf  einzelne  Partien  beschränkt,  oder 
deren  Bildung  auch  vollständig  sistirt  werden  kann.  Die  Zeichnungen, 
welche  v.  Möller  seinem  Werke  beigibt,  zeigen  dieses  Verhältniss  in  ganz 
ausgezeichneter  Weise,  aber  auch  bei  Brady  ist  Taf.  IL  Fig.  8  Aehn- 
liches   bereits  angedeutet. 

Textularia  Defrance.  Manche  Formen,  die  ich,  namentlich  aus 
dem  Carbon  von  China  und  Japan  kennen  zu  lernen  Gelegenheit  hatte, 
dürften  wohl  zu  den  echten  Textularien  oder  wenigstens  zu  der  agglu- 
tinirenden Abänderung  derselben,  den  Plecanien,  zu  zählen  sein. 

Tetrataxis  Ehrenberg.  Was  diese  eigenthUmliche  Form  betrifft, 
die  eine  sehr  grosse  horizontale  Verbreitung  besitzt,  jedoch  nirgends 
gerade  häufig  zu  sein  scheint,  so  erinnert  dieselbe  in  dem  äusseren  Aufbaue 
ihres  konischen  Schalen-Mantels  an  Patellina,  obwohl  sie  anderseits  doch 
wieder  viel  mehr  Aehnlichkeit  mit  manchen  gerundet  konischen,  agglutini- 
renden Textilarien  besitzt.  Dass  aber  diese  Tetrataxis  -  Form  aus  der 
Reihe  der  Arten,  die  bisher  unter  der  Genusbezeichnung  Valvulina  auf- 
geführt wurden,  ausgeschieden  und  die  alte  Ehrenberg'sche  Bezeichnung 
für  dieselben  beibehalten  werden  müsse,  darin  kann  man  v.  Möller  nur 
beistimmen.  Ebenso  kann  ich  die  Beobachtung  Möllers  nur  bestätigen, 
dass  auch  bei  dieser  Gattung,  zumeist  nur  in  den  Jüngern  Theil  der  Schale 
Sand  aufgenommen  wird. 

Höchst  eigenthümlich  ist  das,  sowohl  von  Brady  als  auch  von  Möller 
beobachtete  Auftreten  zierlich  vertheilter  Sekundärsepta  bei  manchen  dieser 
Formen.  Durch  das  letztere  Merkmal  würde  sich  auch  Brady's  Valvulina 
rudis  annähernd  hier  anschliessen,  doch  erweist  sich  dieselbe  im  Ganzen 
als  so  eigenartig,  dass  ich  sie  bei  keiner  bisher  aufgestellten  Gattung 
unterzubringen  wüsste. 

Valvlulina  plicata  Br.  und  Valv.  bulloides  Br.  werden  wohl  bei 
Valvulina  verbleiben  müssen;  doch  dürfte  es  nothwendig  werden,  dieses 
Genus  etwas  mehr  einzuengen,  als  dies  bislang  vielfach  der  Fall  war. 

Truncatulina  d'Orbigny.  Wenn  man  die  Beschreibung,  und 
namentlich  die  Abbildung  der  Form,  welche  Brady  unter  dem  Namen 
T.    Boueana    d'Orb.    aus    dem   Kohlenkalke    anführt,    mit    den  tertiären 


*)  Durch  ein  Versehen  wurde  p.  204  fälschlich  geschrieben  Climacimuia. 


246  '      ■  Khizopoda. 

Eepiäsentanten  dieser  Art  vergleicht,  so  dürften  sich  doch  wohl  Merkmale 
finden  lassen,  welche  beide  Arten  von  einander  scheiden,  obwohl  sich 
scheinbar  unmittelbar  verbindende  Glieder  immerhin  finden  lassen  mögen. 

Pulvinulina  Parker  et  Jones.  Eine  sehr  charakteristische  Art 
dieser  Gattung,  welche  in  einer  nahestehenden  Verwandten  allerdings  erst 
wieder  in  der  Kreide  erscheint,  dann  aber,  mit  wenig  Veränderungen  bis 
in  die  Jetztzeit  hinaufreicht,  lernen  wir  ebenfalls  durch  Brady,  in  der 
P.  Broeckiana  Br.  aus  dem  Kohlenkalke  kennen,  und  gibt  so  dieselbe 
thatsächlich  das  Beispiel  einer  sehr  langlebigen  Gruppe  ab. 

Calcarina  d'Orbigny.  Der  äusseren  Form  nach,  wie  sich  aus  der 
Abbildung  bei  Brady  ersehen  lässt,  zeigt  die  betreffende  Kohlenkalkform 
keine  besondere  Aehnlichkeit  mit  den  jüngeren  Vertretern  dieser  Gattung, 
doch  die  Angabe  der  Schalenstruktur  muss  jedes  Bedenken  beseitigen, 
das  sich  gegen  die  richtige  Einreihung  der  als  C.  ambigua  Brady  be- 
zeichneten Form  erheben  könnte. 

Spirillina  Ehrbg.  Von  diesem  Genus  werden  von  Möller  einige  recht 
charakteristische  Formen  angeführt,  die  sich  ganz  ungezwungen  an  die 
jüngeren  Vertreter  dieser  Gruppe  anschliessen,  obwohl  sie  immerhin  merk- 
liche Verschiedenheiten  zeigen. 

Archaediscus  Brady.  Diese  eigenthümliche  Gattung,  deren  Durch- 
schnitte, wie  sie  sich  in  den  Dünnschliffen  zeigen,  namentlich  bei  Möller 
sehr  charakteristisch  gezeichnet  sind,  repräsentirt  meist  in  den  verschie- 
denen Kohlenkalkproben ,  in  denen  ich  sie  zu  beobachten  Gelegenheit 
hatte,  für  sich  allein  die  rein  kalkschaligen  Foraminiferen ,  und  fällt 
dieselbe  durch  ihre  auffallend  durchsichtige,  dicke  Schale  meist  ziemlich 
auf.  Im  Ganzen  scheint  dieselbe  feinporös  zu  sein,  doch  konnte  ich 
auch  mehrmals  grobporige  Partien  deutlich  unterscheiden,  genau  in  der 
Weise  wie  sie  Brady  zeichnet. 

Cribrospira  Moll.  Diese  Gattung,  welche  ich  jedoch  nicht  selbst 
untersuchen  konnte,  schliesst  sich  der  allgemeinen  Gestalt  nach  an  die 
ganz  eingerollten  Formen  von  Haplophragmium  an,  doch  wäre  es  immer- 
hin denkbar,  dass  sie  eine  rein  kalkige  Schale  besitzt,  wofür  jedenfalls 
die  Art  der  Perforation  sprechen  würde. 

B  r  a  d  y  i  n  a  Moll.  Ganz  unerwartet  steht  man  hier  einer  Form  gegenüber, 
die  enge  Beziehungen  zu  den  Polystomellen  besitzt,  von  denen  sie  sich 
aber  durch  ihren  unsymmetrischen  Aufbau  unterscheiden  würde.  Exem- 
plare von  Kaluga,  die  ich  zu  untersuchen  Gelegenheit  hatte,  und  die  ich 
allen  Grund  habe  hierher  zu  rechnen,  zeigen  dieses  Merkmal  ganz  augen- 
fällig, doch  scheinen  dieselben  eine  agglutinirte  Schale  zu  besitzen. 

Amphistegina  d'Orbigny.  Einen  eigenthümlichen  Eindruck  macht 
es,  diese  Form,  welche  man  höchstens  in  der  oberen  Kreide  zu  suchen 
gewöhnt  war,  in  überdies  noch  so  sehr  typischen  Repräsentanten  hier 
wiederzufinden,   und   könnte  man   durch  solche  Funde  verleitet   werden. 


Paläoiitolog;.  Eiitwickliuig'  (lviililcnform.\  247 

Jenen  recht  zu  geben,  welche  den  Foraminiferen  alle  Tauglichkeit  zur 
Unterscheidung  von  Schichten  absprechen  möchten.  Doch  gibt  es  der 
Gründe  übergenug,  welche  für  das  Gegentheil  sprechen. 

Numraulites  Lamarck.  Was  von  der  vorhergehenden  Gattung  ge- 
sagt wurde,  gilt  von  der  vorliegenden  noch  in  erhöhtem  Maasse,  deren 
erstes  Auftreten  einst  als  eines  der  charakteristischsten  Merkmale  des 
Eocän  galt.  Durch  die  exorbitante  Entwicklung,  welche  sie  dort  findet, 
wird  sie  aber  für  diese  Abtheiking  ihre  bezeichnende  Rolle  allerdings 
auch  immer  behaupten. 

Fusulina  Fischer  v.  Waldheim.  Die  beste  Charakterisirung  dieser 
für  den  Kohlenkalk  schon  lange  als  typisch  bekannten  Rhizopode  ver- 
danken wir  Val.  v.  Möller,  dem  aber  auch  bei  der  Bearbeitung  dieser 
Formen  ein  ganz  besonders  umfangreiches  Material  zu  Gebote  stand. 

Noch  in  Zittels  Handbuche  der  Paläontologie,  in  welchem  mir  die 
Aufstellung  der  Diagnose  für  diese  Gattung  überlassen  wurde,  hatte  ich 
der  bisherigen  Auffassung  folgend  die  Fusuliniden  im  Allgemeinen  unter 
diesem  Namen  zusammengefasst,  und  auf  die  damals  noch  unfertige  Unter- 
suchung dieser  Abtheilung  fassend,  die  Mündungsverhältnisse  von  Formen 
aus  dem  Kohlenkalke  von  China  als  die  typischen  betrachtet.  Sehr  bald 
wurde  jedoch  auch  mir  klar,  dass  hier  eine  Trennung  in  verschiedene 
Gruppen  nicht  zu  vermeiden  sei.  Mehr  als  irgend  ein  anderes  Vorkommen 
sind  es  aber  die  erwähnten  Funde  aus  dem  chinesischen  Kohlenkalke, 
welche  Klarheit  in  das  gegenseitige  Verhältniss  dieser  jedenfalls  ver- 
wandten Typen  zu  bringen  vermögen,  und  geht  aus  denselben  nicht  nur 
hervor,  dass  jene  Formen,  welche  v.  Möller  als  S  ch  wager  in  a  ab- 
trennt, thatsächlich  eine  selbständige  Gruppe  bilden ;  sondern  dass  die  ex- 
tremen dort  vorkommenden  Repräsentanten  dieser  neuen  Gattung  es  ausser- 
dem möglich  machen,  die  für  dieselbe  aufgestellte  Diagnose  wesentlich  zu 
ergänzen.  Für  die  Fusulinen  bleibt  die  Fältelung  der  Kammern,  welche 
zwar  schon  Salter  kenntlich  abgebildet  hat,  und  die  auch  v.  Möller  be- 
sonders hervorhebt,  immerhin  charakteristisch,  den  Schwagerinen  gegen- 
über tritt  aber  noch  als  trennendes  Merkmal  der  Mangel  des  Basalskelets 
hinzu,  das  wir  dort  kennen  lernen  werden.  Die  Mündung,  welche  bei  der 
Form  von  Savaninsk,  die  ich  zuerst  zu  untersuchen  Gelegenheit  hatte,  so 
häufig,  sehr  bald  verschwindet,  stellt  bei  den  Fusulinen  ausserdem  that- 
sächlich, im  normalen  Zustande,  eine  aus  dem  Unterrande  der  Septal- 
fläche  ausgeschnittene  mediane  Spalte  dar,  während  wir  bei  den  Schwage- 
rinen mannigfache  Schwankungen  in  dieser  Richtung  kennen  lernen  werden. 
'  Ein  verbindendes  Merkmal  dagegen ,  welches  beide  Formengruppen  zu 
einem  Ganzen,  den  Fusulineen  vereinigt,  liegt  jedoch  in  den  eigenthüm- 
lich  in  die  äussere  Wand  eingekeilten  Septalwänden ,  die  mir  sonst  bei 
keiner  andern  Foraminifere  bekannt  sind.  Bei  einem  Durchschnitte,  wie 
wir  ihn  etwa  Taf.  XII.  Fig.  14  sehen,  findet  man  nämlich,  dass  das  Sep- 
tum   sich    mit   zugeschärftem   Aussenrande,   zwischen    die    benachbarten 


248  Ehizopoda. 

Aussenränder  zweier  Kammern  hineinschiebt,  sodass  es  gerade  nur  noch 
an  die  Septalnaht  heranreicht. 

Hemii'usulin  a  Möller.  Das  einzige  trennende  Merkmal,  welches 
diese  Form  von  den  eigentlichen  Fusulinen  scheiden  würde,  wäre 
das  Vorhandensein  eines  Interseptal-Canalsystems,  doch  muss  ich  ge- 
steben, dass  ich  einige  Zweifel  an  dem  Vorhandensein  desselben  nicht 
zu  unterdrücken  vermag,  denn  ähnliche  Bilder  wie  das  auf  Taf.  XI. 
Fig.  1  und  Taf.  XIV.  Fig.  1—4  der  1.  Abth.  bei  v.  Möller,  konnte 
ich  mehrfach  an  Fusulinellen  beobachten;  doch  scheinen  mir  dieselben 
stets  nur  durch  die  allmähliche  Umwandlung  der  ursprüDglichen  Kalksub- 
stanz hervorgebracht  zu  sein.  Jedenfalls  wird  es  erneuter  Untersuchungen, 
an  vielleicht  noch  besser  erhaltenem  Materiale  bedürfen,  um  diese  Frage 
zur  vollen  Klarheit  zu  bringen. 

Was  die  geologische  Verbreitung  der  Fusulinen  betrifft,  so  ist  es  be- 
kannt, welche  Rolle  sie  namentlich  im  oberen  Kohlenkalke  spielen,  wo  sie 
nicht  selten  in  der  Art  der  Nummuliten  im  Eocän  förmlich  gesteinsbildend 
auftreten.  Ihr  vertikales  Vorkommen  ist  jedoch  ziemlich  eng  begrenzt 
und  gehen  sie  nicht  über  die  obere  Abtheilung  des  untern  Kohlenkalkes 
einerseits  und  über  die  untern  Dyasschichten  anderseits  hinaus. 

Schwager ina  Möller.  Von  den  Formen,  welche  v.  Möller  als  grund- 
legend für  dieses  Genus  betrachtet,  konnte  ich  bloss  Schw.  Verbeeki 
untersuchen,  da  es  mir  nicht  gelang,  Exemplare  der  in  Berlin  deponiiten 
Schw.  princeps  Ehrbg.  zur  Ansicht  zu  erhalten.  Die  treflflich  erhaltenen 
Exemplare  von  ersterer  Art  jedoch,  die  ich  Herrn  Ingenieur  Verbeek 
und  Prof.  F.  Römer  verdanke,  lassen  so  sichere  Vergleiche  zu,  dass  ein 
Zweifel  an  der  Zusammengehörigkeit  derselben  mit  den  mannigfaltigen 
Vorkommnissen  aus  dem  Kohlenkalke  von  China  nicht  aufzukommen 
vermag.  Bei  den  extremsten  Formen  dieser  Abtheilung,  die  mir  von  den 
erwähnten  Fundpunkten  bekannt  wurden,  zeigt  sich  aber  das  eigenthüm- 
liche  Verhältniss,  dass  auf  der  Basis  jeder  Kammer  eine  schwache  Kalk- 
platte abgesetzt  wird,  von  welcher  wallartige  Erhöhungen  sich  erheben, 
die  in  ihrem  Gesammtverlaufe  sich  zu  Spiralreifen  vereinigen.  Diese 
Erhöbungen,  welche  die  Schale  wie  nahe  an  einandergelegte  Fassreifen 
umgeben,  können  dort,  wo  sie  stärker  entwickelt  sind,  die  langen,  geraden 
Kammern  förmlich  in  Nebenkammern  abtheilen ;  während  sie  anderseits 
wieder  manchmal  so  wenig  ausgesprochen  erscheinen,  dass  man  sie  sehr 
leicht  übersehen  kann,  wie  diess  sowohl  bei  Brady  als  auch  bei  Möller 
der,  allerdings  sehr  zu  entschuldigende  Fall  war.  Bei  Schw.  Verbeeki  und 
ihren  nächsten  Verwandten  muss  man  allerdings  schon  sehr  gute  Exem- 
plare zur  Verfügung  haben  und  bereits  darauf  aufmerksam  sein,  um  diese 
Reifen  zu  sehen;  ich  fand  sie  aber,  nachdem  ich  sie  einmal  kennen  ge- 
lernt hatte,  doch  immer  wieder,  ja  Spuren  derselben  kann  man  selbst 
an  der  von  Möller  auf  Taf.  IX.  Fig.  1^  der  1.  Abth.  gegebenen  Abbildung 
bemerken. 


Paläoutolog.  Entwicklung  (Kohlenforin.).  249 

Für  diese  eigenthümliche  Ablagerung,  welche  ich  als  ein  besonders 
charakteristisches  Merkmal  der  Schwagerinen  zu  betrachten  Grund  habe, 
möchte  ich  die  Bezeichnung  „Basalskelef'  in  Vorschlag  bringen.  Auch  die 
Mtiudungsverhältuisse  werden  übrigens  von  diesem  Basalskelete  wesentlich 
beeinflusst,  denn  die  Formen ,  welche  diese  Ablagerung  kaum  wie  einen 
Hauch  angedeutet  besitzen,  zeigen  einfache  Spaltmlindungen,  während  bei 
etwas  stärker  entwickelten  Reifen  sowohl  Spaltmündungen  als  auch 
zugleich  Reihen  runder  Miindungslöcher  vorkommen  können;  bei  hochent- 
wickeltem Basalskelete  aber  jedem  Intervalle  zwischen  den  Reifen  ein 
rundes  Müudungsloch  entspricht. 

In  der  geologischen  Verbreitung  schliessen  sich  die  Formen  dieser 
Gattung  eng  an  Fusulina  an  mit  dem  einzigen  Unterschiede,  dass  sie 
etwas  später  auftreten. 

Fusulinella  Möller.  Dieses  Genus  scheint  sich  in  manchen 
seiner  Repräsentanten  den  Fusulinen  sehr  zu  nähern  und  ist  es  wohl 
diese  Beziehung,  welche  v.  Möller  durch  die  Wahl  des  Namens  aus- 
sprechen wollte.  Das  Hauptmerkmal  jedoch,  welches  die  vorliegenden 
Formen  von  den  Fusuliniden  scheidet,  ist  der  auch  von  Möller  betonte, 
ununterbrochene  Uebergang  der  äusseren  Schalenwand  in  die  Septalfläche 
bei  den  ersteren,  während  als  eines  der  wichtigsten  Merkmale  bei  letz- 
terer Gruppe  das  Einkeilen  der  Septalflächen  zwischen  die  Aussenwände 
der  Kammern  bereits  erwähnt  wurde.  Die  typischen  Repräsentanten  dieser 
Gattung  scheinen  ebenfalls  rein  kalkschalig  zu  sein,  obwohl  sie  an  Durch- 
sichtigkeit den  Formen  von  Archaediscus  immerhin  weit  nachstehen. 

Ob  die  agglutinirenden  Formen  mit  ähnlichem  Aufbaue,  wie  z.  B. 
Fus.  Struvi  Möller,  die  auch  Steinmann  anführt,  zu  einer  besonderen 
Gruppe  zusammenzulegen  wären,  müssen  noch  eingehendere  Unter- 
suchungen erweisen. 

Auch  Fusulinella  besitzt  eine  grosse  Verbreitung. 

Stacheia  Brady.  Ich  führe  diese  eigenthümliche  und  interessante 
Form  erst  hier,  gewissermaassen  im  Anhange  an,  weil  ich  dieselbe  nir- 
gends streng  anzuschliessen  vermag.  Für  die  so  gleichmässige  Unter- 
abtheilung der  Kammern  finden  sich  allerdings  auch  bei  Tetrataxis  Ana- 
logien, und  für  das  Proteische  der  Form,  welches  z.  Th.  durch  die  An- 
heftung bedingt  wird,  die  sie  von  der  Unterlage  abhängig  macht,  lassen 
sich  mannigfache  Vergleiche  finden;  aber  dennoch  zeigt  die  Gattung  so 
viel  Eigenartiges  im  Habitus,  dass  sie  dadurch  eine  sehr  isolirte  Stellung 
erhält.  Auch  Stacheia  scheint  im  Kohlenkalke  eine  ziemliche  Verbreitung 
zu  besitzen.  Ob  Loftusia  mit  ihren  vielfach  unterabgetheilten  Kammern 
hier  nicht  nahe  Beziehungen  findet,  möchte  allerdings  zu  erwägen  sein, 
namentlich  da  diese  Gattung  nach  den  Untersuchungen  Dawson's  eben- 
falls  schon  im  Kohlenkalke  Nordamerikas  vertreten  ist. 


250  Kliizopüda. 

Dyas-Forraation. 
Wenn  wir  die  Rhizopodenvorkommuisse  innerhalb  dieser  Formation 
mit  jenen  vergleichen ,  die  wir  in  der  vorhergehenden  kennen  lernten,  so 
finden  wir  Anfangs  kaum  eine  wesentliche  Veränderung,  und  Alles, 
was  sich  an  Verschiedenheiten  findet,  Hesse  sich  wohl  als  durch  den 
Mangel  unserer  derzeitigen  Kenntniss  erklärt  betrachten.  Anders  ge- 
staltet sich  diess  jedoch,  wenn  wir  in  die  höheren  Lagen  dieser  Ab- 
theilung hinübertreten.  Hier  findet  sich  keine  Spur  mehr  von  Fusulinen, 
und  auch  Climacammina  scheint  zu  verschwinden.  Statt  dessen  ge- 
winnen die  echten  Nodosarien,  die  nach  meinen  Erfahrungen  schon  im 
Kohlenkalke,  wenn  auch  sehr  selten,  vorkommen,  hier  grösstentheils 
numerisch  das  Uebergewicht.  Nodosinella  kommt  nach  Brady  vor.  Tetrataxis 
wurde  bisher  noch  nicht  nachgewiesen,  dürfte  aber  kaum  ganz  fehlen.  Archae- 
discus  wurde  zwar  nicht  gefunden,  doch  tritt  statt  dessen  eine  andere  dieser 
Gattung  im  Aufbau  äusserst  ähnliche  Form  (stellenweise  sogar  ganz  häufig) 
auf,  bei  der  ich  aber,  trotzdem  ich  sie  von  verschiedenen  Fundpunkten 
kenne,  nie  eine  Spur  von  Poren  zu  entdecken  vermochte.  Auch  Cornu- 
spira,  allerdings  meist  mit  wechselnder  Spiralebene  und  deshalb  der  viel- 
umfassenden Species  Trochammina  incerta  zugehörig  (wenn  man  diese 
Fassung  annehmen  will)  kommt  stellenweise  nicht  selten  vor;  vereinzelt 
ist  dagegen  das  Vorkommen  agglutinirender  Textilarien,  die  jedoch  dem 
Kohlenkalke  auch  keineswegs  vollständig  fehlen.  Stacheia  wurde  bisher 
noch  nicht  nachgewiesen.  Auch  für  die  übrigen,  meist  mehr  vereinzelten 
Vorkommnisse  des  Kohlenkalkes  wurden  in  der  vorliegenden  Formation 
noch  keine  Vertreter  gefunden. 

Mesozoische  Formationen. 
Wichtigere  Literatur: 

Jones  and  Parker,   Oa  some   fossil  Foraminif.  from  Chelastoii  near  Derby.     Quart.  Journ. 

geol.  soc.  Vol.  XVI.  1860. 
Schwager,  in  Dittmar:  Die  Contortazone.     Foraminif eren. 

Reuss,  Foraminiferen  imd  Ostrak.  aus  den  Schichten  von  St.  Cassian.    Wien.  Sitzb.  Akad.  W. 

Bd.  57. 
Gümbel,  C.  W.,  Ueber  die  Foraminiferen  und  Ostrak.  von  St.  Cassian  u.  Kaibl.  Jahrb.  geol. 

Eeichs-A.  Bd.  19. 
Peters,  lieber  Foraminif.  im  Dachsteinkalk.  Wien.  Sitzb.  geol.  Eeichsanst.  1863. 

Kurze  Anleitung  zu  geologischen  Beobachtungen  in  den  Alpen. 

Bornemann,  üeber  die  Liasformation  bei  Göttingen  etc.  Berlin  1854. 

Terquem,   M6moires   sur   les   Foraminiferes  du    Lias   et   du   Systeme  oolithique  etc.     Mem. 

Acad.  imi5.  Metz  1858;    1862;  1863;   1864;  1866;  1867;  1869;  1870. 

Bornemann  jun.,  üeb.  d.  Foraminif.-Gatt.  Involutina.  Ztschr.  deutsch,  geol.  Ges.  Bd.  26.  1874. 
Buvignier,  Statistique  gcologi(|ue  etc.  de  la  Meuse. 

Gümbel,    Die    Streitberger    Schwammlager    und    ihre   Foraminifereneinschlüsse.      Würtemb. 
naturw.  Jahresh.  Bd.  18. 

Schwager,   Beitrag  zur  Kenntniss   der  mikroskop.  Fauna  jurassischer  Schichten.     Würtemb. 
naturw.  Jahresh.  Bd.  21. 

Gümbel,  Die  geognostischen  Verhältnisse  des   ülmer  Cementmergels.     Sitzber.  Bair.  Akad. 
Bd.  1. 

Karrer,   üeber  einige  Foraminiferen  aus  dem  weissen  Jura  von  St.  Veit  bei  Wien.     Sitzber. 
Akad.  Wiss.  Wien  1867.  Bd.  LV. 


Paläontolog.  Entwiclluiig  (Triasforui.).  251 

Gümbel,   Ucbor   zwei  jurassisclie   Vorläufer  des   Foraininiferengesclilöchtcs   Numinuliiia  und 

Orbitulites.     N.  Jahrb.  1872. 
Bornemann,  Ueber  die  Foraminifercu-Gattung  Involutina.    Zeitschr.  Deutsch,  geol.  Gcsellscli. 

Bd.  20. 
d'Orbigny,  Sur  Ics  Foraminifrres  de  la  craie  blanche  etc.  Mein.  soc.  geol.  France  Tom.  IV. 
Reuss,  Versteinerungen  der  böhmischen  Kreideformation.    Stuttgart  1845. 
Cornuel,  Description  etc.  du  terrain  cretace  etc.  de  la  Haute  Marne.  M6m.  soc.  geol.  Frauce 

Tom.  III. 
Reuss,  Die  Foraminiferen  etc.  des  Kreidemergels  von  Lemberg.  Haidinger  naturw.  Abhandl. 

Abth.  IV. 
Beiträge  zur  Charakteristik  der  Kreideschichten  in  den  Ostalpen.  Denkschr.  Akad.  Wiss. 

Wien.  Bd.  7. 
Beiträge  zur  genaueren  Kenntniss  der  mecklenburg.  Kreidegebilde.     Zeitschr.  Deutsch. 

geol.  Gesellsch.  Bd.  7. 
Die   Foraminiferen    der   westphälischen   Kreideformation.     Sitzber.    Wien.   Akad.    Wiss. 

Bd.  40. 

Die  Foraminiferen  des  Kreidctuiles  von  Mastricht.    Sitzber.  Wien.  Akad.  Wiss.  Bd.  44. 

Die   Foraminiferen  des  senonischen  Grünsandes  von  New-Jersey.     Sitzber.  Wien.  Akad. 


Wiss.  Bd.  44. 
Die  Foraminiferen    des   norddeutschen   Hils    und   Gault.     Sitzber.  Wien.   Akad.  Wiss. 

Bd.  46. 

Die  Foraminiferenfamilie   der  Lageniden.    Sitzber.  Wien.  Akad.  Wiss.  Bd.  46. 

Die  Foraminiferen  etc.  der  Kreide  vom  Kanara-See.  Sitzber.  Wien.  Akad.  Wiss.  Bd.  52. 

Sandberger:  in  den  Verhandl.  der  k.  k.  geol.  Eeichsanstalt  zu  Wien  1868.  S.  192—219. 
Karrer,   Ueber   ein  neues  Vorkommen  von  oberer  Kreideformation  etc.     Jahrb.  geol.  Eeichs- 

Aust.  Wien.  Bd.  XX.  Nr.  6. 
Eley,  Foraminifera  of  the  Chalk.     Geolog.  Magaz.  1871. 
Jones  and  Parker,   On  the  Foraminifera  of  the  Family  Eotalinae  found  in  the  cretaceous 

Formation.     Quart,  jourii.  geol.  soc.  XXVIII. 
Reuss,  in  Geinitz :  Eibthalgebirge  etc.  Abth.  I  u.  II. 
Marsson,   Die  Foraminiferen   der  weissen  Schreibkreide  der  Insel  Rügen.     Mitth.  naturwiss. 

Ver.  Neuvorpommern  u.  Rügen,  lü.  Jahrg. 

Trias-Formation.  Für  diese  Formation  ist  namentlich  ein  Fora- 
miniferen-Vorkommen  von  Wichtigkeit,  dessen  genauer  geologischer  Hori- 
zont zwar  noch  Gegenstand  der  Controverse  ist,  der  sich  aber  keines- 
falls von  der  unteren  Grenze  der  Trias  vreit  entfernt.  Es  sind  diess 
die  Belerophonschichten ,  wie  sie  Stäche  nennt,  aus  dem  Pusterthale  in 
Tyrol,  auf  deren  Foraminiferenreichthum  bereits  Loretz  (Zeitschr.  Deutsch, 
geolog.  Gesellsch.  1874)  besonders  aufmerksam  machte,  und  deren  ein- 
gehende Bearbeitung  wir  von  Gümbel  zu  erwarten  haben.  *) 

In  diesen  Schichten,  deren  Einschlüsse  ich  namentlich  aus  dem  reichen 
Materiale,  das  ich  Prof.  R.  Hörnes  verdanke,  und  aus  den  Präparaten  des 
Dr.  Loretz  kenne,  kommt  neben  sehr  zahlreichen  Cyprideen,  Bryozoen  etc. 
besonders  eine  Rhizopodenform ,  und  stellenweise  sogar  sehr  häufig  vor, 
welche  dem  äusseren  Ansehen  nach  an  manche  Involutinen  erinnert,  den 
Struktur-  und  Aufbauverhältnissen  nach  sich  aber  näher  an  Archaediscus 
anzuschliessen  scheint.  Für  dieselbe  wäre  die  Speciesbezeichnung  gre- 
garia  wohl  am  Platze.  Neben  dieser  Form  macht  sich  ebenfalls  eine 
zweite,  wenn  auch  lange  nicht  so  häufig  vorkommende  bemerkbar,  welche 


*)  Die  vorläufige  Benennung  und  Abbildung  des  grössten  Theiles  dieser  Formen  findet 
man  bereits  in  Gümbers  „Anleitung  zu  geol.  Beob.  in  den  Alpen". 


^52  Rhizopoda. 

ZU  jenen  Valvulinen  gehört,  welche  wir  oben  als  typisch  bezeichnet 
haben.  Gümbel  nennt  sie  V.  alpina.  Zum  Theile  gleichfalls  nicht  selten 
kommt  Bulimina  contorta  G.  vor,  die  im  Ganzen  allerdings  an  manche 
agglutinirende  Buliminen,  namentlich  an  Ataxaphragmium  variabile  aus 
der  Kreide  erinnert,  aber  eine  gelippte  Mündung  und  ausserdem 
aus  alternirenden  Kammern  zusammengesetzte  Umgänge  besitzt.  Endo- 
thyra  radiifera  Gümbel  dürfte  vielleicht  besser  zu  Fusulinella  zu  stellen 
sein.  Auch  Textilarien  fehlen  in  diesen  Schichten  nicht;  sowie  ich  auch 
Tetrataxis  erkannt  zu  haben  glaube. 

Ueberblicken  wir  nun  nochmals  die  angeführten  Formen,  so  zeigen 
dieselben  mehr  oder  weniger  Verwandtschaft  mit  den  Vorkommnissen 
des  Kohlenkalks.  Anders  gestaltet  sich  dies  jedoch  bei  den  Lingulinen, 
indem  Lingulina  lata  Gümb.  nahe  Beziehungen  zu  gewissen  Formen  des 
Muschelkalkes  und  unteren  Keupers  und  L.  subacuta  Gümb.  sogar  zu 
solchen  aus  dem  Lias  besitzt.  Trochammina  vnlgaris  Gümb.  findet  da- 
gegen Vewandte  sowohl  nach  oben  als  nach  unten. 

Wenden  wir  uns  nun  zu  den  mit  Sicherheit  der  Trias  zugezählten 
Schichten,  so  sind  aus  dem  Gebiete  des  Buntsandsteins,  wohl  in  Folge 
des  meist  so  ungünstigen  Versteinerungsmittels  bisher  noch  keine  Khizo- 
poden  nachgewiesen  worden.  Auch  aus  dem  Muschelkalke  wurden  die- 
selben noch  nicht  beschrieben,  doch  fehlt  es  nicht  an  Angaben  über  das 
Vorkommen  derselben.  Im  alpinen  Muschelkalke  hatte  ich  selbst  Gelegen- 
heit, dieselben  zu  beobachten,  und  sind  sie  in  jenem  von  der  Schreyer- 
alpe  gar  nicht  so  selten.  Nodosarien  machen  sich  dort  ziemlich  be- 
merkbar, und  ausserdem  konnte  ich  eine  Form  erkennen,  welche,  wie 
bereits  erwähnt,  der  Lingulina  lata  Gümb.  wohl  sehr  nahe  steht.  Auch 
typische  Cristellarien  kommen  hier  bereits  vor.  Pulvinuliuen  finden  sich, 
ebenfalls  und  zum  Theile  sogar  nicht  selten.  Die  Reihe  der  poren- 
losen Foraminiferen  scheint  hier  ausserdem  durch  eine  archaediscus- 
ähnliche  Nubecularia  vertreten  zu  werden,  wie  wir  sie  ähnlich  im  Zech- 
stein kennen  lernten. 

Wenden  wir  uns  jetzt  zu  den  nächsthöheren  Schichten  des  unteren 
Keupers,  so  führen  uns  dieselben  wieder  auf  bereits  bebautes  Terrain. 
Es  sind  dies  vor  Allem  die  Ablagerungen  von  St.  Cassian  und  die  so- 
genannten Raibler  Schichten,  deren  Rhizopodenvorkommen  wir  namentlich 
durch  Reuss  und  Gümbel  kennen.  Auch  das  von  mir  vielfach  beobachtete 
Vorkommen  von  Rhizopodeu  in  den  sogenannten  Hierlatzschichten  wäre 
hier  anzuschliessen. 

Als  die  auffälligste  Erscheinung  tritt  uns  hier  vor  allem  das  erste 
Auftreten  echter  Globigerinen  entgegen,  an  welches  sich  das  Vorkommen 
von  Textilarien  aus  der  Gruppe  der  Globifera  Ehrbg.,  wie  es  Sandberger 
angibt,  eng  anschliesst.  Cristellaria  setzt  hier  fort,  zum  Theile  bereits 
begleitet  von  Marginulina,  von  der  sich  jedoch  Spuren  auch  selbst  schon 
im  alpinen  Muschelkalke  finden.  Nodosarien  sind  zum  Theil  nicht  selten, 
doch  wäre  Dentalina  Korynephora  G.  die  erste  echte  Dentalina  mit  schief 


Paläontolog.  Entwicklung!:  i^Trias-  und  Juraform.).  253 

gegen  die  Hauptachse  liegenden  Septalwänden.  Lingulina  entwickelt  sich 
gleichmässig  weiter.  Polymorphina  wird  zwar  hier  zuerst  angegeben,  doch 
dürfte  diese  Gattung  immerhin  erheblich  tiefer  herabgehen.  Fraglich  ist  es, 
ob  Polym.  '?  longirostris ,  welche  sich  in  verwandten  Formen  durch  den 
Lias  bis  in  den  oberen  Jura  fortsetzt,  hierher  oder  zu  den  Milioliden  zu 
stellen  sei,  da  die  Schalenbeschaffenheit  dieser  Form  bisher  noch  nicht 
sicher  erkannt  werden  konnte.  Rotalien,  namentlich  Pulvinulinen,  von 
denen  Gümbel  auch  eine  angibt,  finden  sich  besonders  in  den  Hierlatz- 
schichten,  und  zum  Theile  sogar  häufig.  Von  porenlosen  Foraminiferen 
führt  Reuss  eine  Biloculina  an,  und  ausserdem  kommen,  stellenweise 
sogar  durchaus  nicht  selten,  namentlich  in  den  Hierlatzschichten,  die  be- 
reits erwähnten  archaediscus-  oder  auch  involutina-ähnlichen  Nubecularien, 
sowie  auch  Cornuspira  vor. 

Gehen  wir  in  der  Reihe  der  Schichten  noch  ein  klein  wenig  höher, 
so  sind  für  uns  die  Angaben  besonders  von  Wichtigkeit,  welche  Peters 
über  das  Vorkommen  von  Rhizopoden  im  Dachsteinkalke  macht.  Die  ver- 
schiedenen Faciesverhältnisse ,  unter  denen  uns  hier  das  Rhizopodenvor- 
kommen  vorgeführt  wird,  geben  uns  einen  werthvollen  Ruhepunkt  zum 
Vergleiche  mit  den  Vorkommnissen  aus  älteren  oder  jüngeren  Schich- 
ten, von  denen  wir  im  besten  Falle,  nach  unserer  jetzigen  Kenntniss, 
meist  nur  durch  kurze  geologische  Zeiträume  analoge  Faciesverhältnisse 
zu  verfolgen  vermögen. 

Hier  finden  wir  das  erste  Mal  das  Massenvorkommen  der  Globigerinen 
erwähnt,  sowie  auch  das  häufige  Auftreten  einer  langhalsigen  Lagena. 
Kaum  merklich  ist  dagegen  die  Aenderung  in  dem  Gesammtbilde  der 
Rhizopodenfauna  bei  dem  Uebertritt  in  die  höchsten  Schichten  der 
Trias,  in  jene  des  rhätischen  Keupers.  Wenn  wir  von  den  Vorkommnissen 
in  Chelaston  absehen,  welche  die  betreffenden  Autoren  selbst,  der  geogno- 
stischen  Lage  nach  als  zweifelhaft  bezeichnen,  so  ist  das,  was  wir  über 
die  Foraminiferen  dieser  Zone  kennen,  doch  recht  geriug.  Es  führen  zwar 
Gümbel*)  und  Schaf häutl**)  verschiedene  Formen  an,  doch  bedarf  manche 
bezügliche  Angabe,  namentlich  jene  des  Vorkommens  von  Cuneolina  doch 
wohl  erst  der  Bestätigung.  Auch  ich  veröffentlichte  einige  wenige  Arten 
in  Dittmar's  „Contortazone".  Aus  dem  Allen  lässt  sich  aber  doch  nur 
sehr  wenig  entnehmen,  was  den  Einblick  in  die  Entwicklung  der  Fora- 
miniferen im  Allgemeinen  besonders  fördern  würde.  Erfreulicheres  Licht 
in   dieser  Richtung  finden  wir  dagegen  in  der  nächsten  Formation,  der 

Jura- Formation.  Namentlich  was  die  untere  und  mittlere  Ab- 
theilung derselben,  den  Lias  und  Dogger,  betrifft,  so  verdanken  wir 
das  Meiste,  was  wir  an  Foraminiferenvorkommen  aus  derselben  ken- 
nen, dem  unermüdlichen  Eifer  eines  französischen  Forschers,  Terquem's, 
dessen  Arbeiten  wohl  erst  in  späterer  Zeit  in  ihrem  vollen  Werthe  erkannt 


*)  Gümbel,  C.  W.,  Geognost.  Besclir.  des  bayr.  Alpengebirges.  Gotha  1861. 
**)  Schaf häutl,  Geognost.  Unters,  d.  südbayr.  Alpengebirges.  München  1851. 


254  Rhizopoda. 

werden  dürften.  Mag  auch  Manchem  die  Zersplitterung  seiner  Arten  zu  gross 
erscheinen,  es  spricht  sich  doch  gewiss  ein  selten  feiner  Formsinn  und  eine 
grosse  Sorgfalt  darin  aus,  wie  er  die  Einzelformen  zur  Species  zusammenfügt. 
Sehr  werthvoUe  Beiträge  haben  wir  in  dieser  Richtung  auch  Bornemann 
zu  danken,  der  übrigens  der  erste  war,  von  dem  die  Bearbeitung  der 
Foraminiferen  einer  speciellen  Liasfauna  in  die  Hand  genommen  wurde. 
Obgleich  aber  auch  selbst  hier  noch  gar  manche  Lüciie  auszufüllen  ist 
und  wir  namentlich  nicht  selten  genöthigt  sind,  die  Vorkommnisse  aus 
verschiedenen  Faciesverhältnissen  mit  einander  zu  vergleichen,  wenn  wir 
ein  zusammenhängendes  Band  der  Entwicklung  erhalten  wollen,  so  genügt 
doch  das  was  wir  bereits  kennen,  um  uns  einen  grossen  Theil  der  Beziehun- 
gen erkennen  zu  lassen,  welche  sich   nach  oben  und  nach  unten  ergeben. 

Vor  Allem  auffällig  erscheint  die  fortschreitende  Differenzirung  bei  den 
Nodosarien  und  Dentalinen,  die  zu  einer  immer  grösseren  Mannig- 
faltigkeit der  vorkommenden  Formen  Veranlassung  gibt.  Dasselbe  gilt 
und  vielleicht  sogar  in  noch  höherem  Grade  von  den  Cristellarideen, 
speciell  den  Marginulinen ,  welche  hier  einen  ausserordentlichen  Form- 
reichthum  entfalten.  Allmählich  sieht  man  da  auch  die  flache,  als 
Vaginulina  bezeichnete  Abänderung  aus  denselben  hervorgehen,  an- 
fangs mit  den  zugleich  vorkommenden  Marginulinen  noch  eng  ver- 
knüpft, bis  sie  endlich  in  jüngeren  Formationen  zu  jener  typischen  Ent- 
wicklung gelangt,  wo  sie  förmlich  Hemiediien  der  mit  vorkommenden 
Frondicularien  darstellt.  Auch  bei  den  hier  ebenfalls  nicht  selten  vor- 
kommenden Linguliuen  finden  wir  Aehnliches.  Unter  der  grossen  Zahl 
von  Formen,  wie  wir  sie  namentlich  bei  Terquem  kennen  lernen,  heben 
sich  nämlich  zwischen  ganzen  Reihen,  die  man  förmlich  als  Pseudo- 
Frondicularien  bezeichnen  könnte,  immer  mehr  solche  heraus,  welche 
sich  mehr  oder  weniger  an  die  spätere  typische  Entwicklung  dieser  Formen 
anschliessen,  die  nur  mehr  lose  mit  den  gleichzeitigen  Frondicularien  zu- 
sammenhängen. Eine  grosse  Mannigfaltigkeit,  in  welche  einige  Ordnung  zu 
bringen  Terquem  mit  Erfolg  versucht,  zeigen  hier  auch  die  Polymor- 
phinen, während  die  Textularien  dagegen  keine  besonders  hervorragende 
Rolle  zu  spielen  scheinen.  Cornuspira  macht  sich  jetzt  überall  bemerk- 
bar meist  in  Gemeinschaft  von  Involutina,  welche  namentlich  in 
manchen  alpinen  Liasgesteinen  in  erstaunlicher  Menge  vorkommt.  Die 
Rotalideen  scheinen  zwar  bloss  an  einzelnen  Punkten  häufiger  auf- 
zutreten, doch  zeigen  sie  stellenweise  eine  immerhin  bemerkenswerthe 
Entwicklung.  Auch  eine  echte  Polystomella  wird  von  Terquem  be- 
reits hier  vorgeführt. 

Was  nun  die  porenlosen,  rein  kalkigen  Formen  betrifft,  von  denen 
wir  Cornuspira  schon  erwähnten,  so  ist  hier  namentlich  das  erstmalige 
Auftreten  von  Orbitulites  von  Wichtigkeit,  dessen  Kenntniss  wir  Gtimbel 
verdanken.     Auch  Milioliden  kommen  sporadisch  vor. 

Nicht  sehr  wesentlich  finden  wir  den  Charakter  der  Fauna  verändert, 
wenn  wir  in  den  oberen,    den  sogenannten  weissen  Jura  oder  Malm  ein- 


Paläoiitolog.  Entwicklung-  (Krcidcform.).  255 

treten  und  eist  in  den  obersten  Lagen  desselben,  dem  Kimraeridgien, 
findet  sich  eine,  neu  auftauchende  Gattung  Rhabdogonium,*),  welche 
dann  in  sehr  nahe  verwandten  Formen  nach  oben  unmittelbar  weiter 
fortsetzt.  Erw-ähnungswerth  ist  ausserdem  auch  der  Nachweis  von 
Nummuliteniformen  im  Mahn,  obwohl  wir  Repräsentanten  dieser 
Gruppe  bereits  im  Kohleukalke  kennen  gelernt  haben. 

Kreide-F-brmation.  Haben  wir  im  Jura  Terquem's  und  Borne- 
mann's  gedacht,  an  die  sich  im  Malm  die  Arbeiten  Gümbers  und  des 
VerfassOirs  vorliegenden  Ueberblickes  anschliessen,  so  dürfen  wir  hier  des 
Altmeisters  der  systematischen  Foraminiferenkunde,  A.  E.  Reuss,  nicht 
ve'-|essen,  dem  wii\  so  wichtige  Arbeiten  über  die  Faunen  der  Kreide, 
n&jcn  nicht  minder  umfassenden  und  noch  zahlreicheren  über  die 
Einschlüsse  des  Tertiärs  verdanken,  und  als  deren  unmittelbare  Fort- 
setzung in  jeder  Hinsicht  jene  seines  Schülers  und  Freundes  F.  Karrer 
gelten  können.  Uebersehen  dürfen  wir  aber  auch  hier  keinesfalls  die 
Verdienste,  welche  sich  um  die  Kenntniss  der  Rhizopodenfauna  dieser 
Formation  der  Vater  der  allgemeinen  Rhizopodenkunde,  d'Orbigny,  er- 
worben hat.  Auch  Marsson  brachte  uns  in  neuerer  Zeit  einen  werthvollen 
Beitrag  in  dieser  Richtung. 

Wenden  wir  uns  nun  wieder  zu  dem  Forarainiferen- Vorkommen  selbst, 
so  weit  wir  es  innerhalb  der  Kreideformation  kennen,  so  macht  sich  vor 
Allem  schon  in  der  unteren  Kreide  das  Aufleben  der  Rotali  de  en 
und  der  verwandten  Globigerinideen  bemerkbar;  auch  das  Massen- 
vorkommen von  typischen  Globigerinen,  das  wir  allerdings  bereits  in  der 
Trias  erwähnt  finden,  das  aber  dort  bloss  eine  Einzelerscheinung  dar- 
zustellen scheint,  dürfte  damit  zusammenhängen.  Die  Cristellarideen 
und  noch  mehr  die  Vag inul inen  spielen  zwar  auch  hier  noch  eine  be- 
deutende Rolle,  doch  dominiren  sie  bereits  lange  nicht  mehr  in  dem 
Maasse,  wie  diess  besonders  in  den  tieferen  Schichten  des  Jura  der  Fall 
war.  Bei  den  Nodosa rien  und  Dentalinen  zeigt  sich  anderseits  in- 
sofern eine  Veränderung,  als  die  in  einander  fliessende  Masse  kleiner  For- 
men, wie  sie  namentlich  im  oberen  Jura  vorkommt,  sich  hier  um  festere  Typen 
zu  gruppiren  beginnt.  Echte  Haplophragmien  treten  ausserdem  in  der 
unteren  Kreide  und  zum  Theile  in  grosser  Häufigkeit  auf,  nicht  selten  begleitet 
von  verwandten  nonioninenartigen  Formen,  die  ich,  wie  bereits  erwähnt, 
von  dem  Grundstocke  der  Endothyren,  nach  meiner  Auffassung  genommen, 
vor  der  Hand  nicht  zu  trennen  vermag.  Nirgends  sehr  häufig  vorkommend, 
aber  durch  sehr  charakteristische  Formen  vertreten,  sind  ausserdem  die 
Frondicularien  und  Flabellinen.  Auch  Folymorphina  findet 
sich  ziemlich  gleichmässig  zerstreut  und  erhält  einen  neuen  Zuwachs 
durch  die  verwandte   Pleurostomella.     Amphimorphina**)    wird 


*)  Im  systematischen  Abschnitt  zu  Orthocerina  d'Orb.  gezogen. 
'**)  Durch   ein  Versehen  wurde  sowohl  Pleurostomella  Kss.  wie  Amphimorphina  Neugeb. 
im  systematischen  Theil   nicht   erwähnt.     Beide   gehören  zu  der  Familie  der  Khabdoina.     Die 


256  Rhizopoda. 

hier  zwar  das  erste  Mal  angegeben,  doch  dürfte  v  '  '•  ^  eiue  (riandiilina 
Gümbel's  von  St.  Cassian  besser  hier  einzureihen  öciu ,  und  d^lr  Anfang 
dieser  Form  dadurch  bedeutend  weiter  nach  rilckwärts  ''ersetzt  werden. 
Von  geflochtnen  Formen  finden  sich  namentlich  Textularien  mchl  selten,  Deben 
denen  dann  Proroporus  Ehrbg.  (Textularia)  dat«  eiste  Mal  erscheint,  sowie 
TritaxiaRss.(Verneuilinad'Orb.).  Von  den  niohtporösen  kalkschaligen For- 
men macht  sich  Nubecularia  und  Cornuspira  mit  verschiedenen  sieh  ihnen 
eug  anschliessenden  Formen  hier  bemerkbar,  sowie  Haueri'na,  die  jedoch 
Reuss  auch  schon  aus  dem  braunen  Jura  angibt.  Miliolide*,^  kommen 
ebenfalls,  jedoch  stets  bloss  vereinzelt  vor. 

Hier  ist  es  auch  am  Platze  einer  Foim  ,.j  gedenken;  »He  ,^gf^  die 
Grenzlage  zwischen  der  unteren  und  mittleren  Kreide  stellenweisV%i\ie 
hohe  Bedeutung  besitzt,  und  die  zum  Theil  s(r  ffiassGühait  vorkommt, 
dass  sie  thatsächlich  gesteiusbildend  auftritt.  Es  ist  diess  Orbitolina 
(im  systematischen  Theile  unter  Patellina  aufgeführt),  deren  Foraminiferen- 
charakter  mir  jedoch  jetzt  zum  mindesten  zweifelhaft  geworden  ist.  Mit 
Patellina,  an  welche  sie  vielfach  angereiht  wurde,  hat  dieselbe  vor  Allem 
entschieden  nichts  gemein,  denn  ich  fand  bei  allen  Orbitolinen,  von  den 
verschiedensten  Fundorten  genommen,  stets  wenigstens  Spuren  eines 
kieseligen  Skelets,  das  bei  Patellina  wohl  noch  Niemand  gesehen  haben 
dürfte,  und  besitzt  diese  Form  überdiess  eine  förmliche  Epithek,  welche 
wohl  bei  keiner  Foraminifere  vorkommt. 

Gehen  wir  nun  aus  der  unteren  Kreideformation  noch  um  einen 
Schritt  höher  in  die  mittlere  und  obere  Abtheilung  derselben,  so  ver- 
lieren die  Cristellarien  nach  und  nach  relativ  immer  mehr  an  Boden, 
während  die  Rotalien  und  Globigerinen  immer  mehr  davon  gewinnen. 
Allmählich  stellen  sich  auch  immer  mehr  neue  Typen  ein,  von  denen  die 
bemeikensweithesten,  die  echten  Orthocerinen,  Bulimina  (hier  meist 
durch  agglutinirende Formen  vertreten),  Gaudryina,Verneuilina,Chry- 
salidina,  dann  Cymbalopora  Park,  et  Jones  (non  Hagenow),  Allo- 
morphina,  Alveolina,  und  in  den  höchsten  Lagen  Orbitoides  sein 
dürften.  Auch  Amphistegina  sowie  Calcarina,  von  denen  wir  zwischen  ihrem 
ersten  Auftreten  im  Kohlenkalke  und  dem  hier,  keine  Verbindung  kennen, 
treten  wieder  auf  Cymbalopora  Hagenow  aus  der  Kreide  von  Mastricht, 
hat  dagegen  mit  den  Formen,  welche  später  mit  diesem  Namen  be- 
zeichnet wurden,  gewiss  nichts  zu  thun. 


erstere  Form  besitzt  ein  iiodosaria-  bis  dentalina-artiges  Gehäuse.  Die  jüngeren  Kammern 
umfassen  den  oralen  Theil  der  nächst  älteren  ab\rechselnd  auf  einer  Seite  mehr  wie  auf  der 
andern.  Die  jüngste  Kammer  kurz  zugespitzt.  Mündung  halbrund  oder  halbelliptisch,  unter 
der  Spitze  auf  einer  Seite  der  Kammer  liegend  und  zwar  abwechselnd  auf  der  vordem  und 
hintern  Seite.  Die  Form  ist  aus  der  Kreide  und  dem  Tertiär  bekannt.  Amphimorphin  a 
Neugeb.  lässt  sich  als  eine  Frondicularia  auffassen,  die  in  ihren  jüngeren  Theilen  in  ein 
Iiodosaria-  oder  dentalina-artiges  Wachsthum  übergeht.  Auch  sie  fand  sich  bis  jetzt  nur  fossil 
und  reicht  bis  in  das  Tertiär  hinein.  0.  B. 


Palilontolog.  Entwicklung  (Tertiär).  257 


Känozois che  Formationen. 
Wiebtigere  Literatur : 

d'Orbigny,  Foraminif.  foss.  tert.  de  Vienne.     Paris  1846. 

Czizek,   Beiträge  zur  Kenntniss  der  fossilen  Foraminiferen  des  Wiener  Beckens.     Haidinger, 

naturw.  Abhandl.  II.    1847. 
d'Archiac,  Description  des  fossiles  du  groupe  nummulitique  aux  environs  de  Bayonne  et  de 

Dax.     M6m.  soc.  geol.  de  France  Tom.  III.  1848. 
A.  E.  Reuss,   Neue   Foraminiferen   aus   den  Schichten   des  österreichischen  Tertiärbeckens. 

Denksclir.  Wien.  Akad.  Wissensch.  Bd.  1.  1849. 
üeber  die  fossilen   Foraminiferen   etc.   der   Septarienthone   der  Umgegend   von  Berlin. 

Zeitschr.  deutsch,  geol.  Ges.  Bd.  3.  1851. 

üeber  einige  Foraminiferen  etc.    des  Mainzer  Beckens.   Neues  Jahrb.  f.  M.  etc.  1853. 

Costa,  Fauna  del  Eegno  di  Napoli  „Foraminiferi".     Napoli  1853. 

d'Archiac  et  Haime,  Description  des  animaux  fossiles  du  groupe  nummulit.  de  l'Inde. 

Bornemann,  Die  mikroskop.  Fauna  des  Septarienthones  von  Hermsdorf.     Zeitsehr.  Deutsch. 

geol.  Ges.  Bd.  VII.  1855. 
Reuss,  Beiträge  zur  Charakteristik  der  Tertiärschichten  des  nördlichen  und  mittleren  Deutsch- 
lands.    Sitzber.  Wien.  Akad.  Wiss.  Bd.  18.  1855. 
Neugeboren,  Die  Foraminiferen  etc.  von  Ober-Lapugy.     Denkschr.  Wien.  Akad.  Wissensch. 

Bd.  12.  1856. 
Costa,  Foraminif.  foss.  etc.  del  Vaticano.     Napoli  1857. 
Egger,  Die  Foraminif.  etc.  bei  Ortenburg.     Neues  Jahrb.  f.  M.  etc.  1857. 
Costa,  Foraminif.  foss.  etc.  di  Messina.   2.  Mem.  1857. 
Bornemann,  üeber  einige  Foraminiferen  aus  den  Tertiärbildungen  von  Magdeburg.  Zeitschr. 

Deutsch,  geol.  Ges.  Bd.  XII.  1860. 
Parker  and  Jones,  On  the  nomenclature  of  the  Foraminifera  (s.  p.  12.  Nr.  62). 
Karrer,    üeber  das  Auftreten   der  Foraminiferen   im  marinen   Tegel   des   Wiener  Beckens, 

Sitzb.  Wien.  Akad.  Wiss.  Bd.  44.  1861. 
Seguenza,  Ricerche  interna  ai  Ehizopodi  fossili  delle  Argile  pleistoceniche  di  Catania  1862. 

Descrizione  der  Foraminif.  monothal.  di  Messina.     Messina  1862. 

Reuss,   Beiträge    zur  Kenntniss    der  tert.   Foraminif.-Fauna  von   Offenbach  und   Kreuznach. 

Sitzb.  Wien.  Akad.  Wiss.  Bd.  48.  1863. 
Speyer,  Die  Tertiärfauna  von  Sollingen  bei  Jerxheim  in  Braunschweig.     Cassel  1864. 
Karrer,   üeber    das  Auftreten   der  Foraminif.  etc.  im  Lithakalk  des  Wiener  Beckens.     Sitzb. 

Wien.  Akad.  Wiss.  Bd.  50.  1864. 
Reuss ,    Die    Foraminiferenfauna    des    deutschen    Oberoligocän.     Sitzb.    Wien.  Akad.    Wiss. 

Bd.  50.  1864. 

Die  foss.  Foraminif.  etc.  von  Oberburg  in  Steyerm.  Denkschr.  Wien.  Ak.  Wiss.  Bd.  23.  1864. 

Karrer,   Die  Foraminiferenfauna   des   tertiären  Grünsandsteins   der  Orekai-Bay  bei  Aukland. 

NovaraExped.  Bd.  1.  Abth.  2.  1864. 
Stäche,   Die  Foraminiferen  der   tert.  Mergel  des  Whaingaroahafens.     Novara-Exped.  Bd.  1. 

Abth.  2.  1864. 
Karrer,  üeber  die  Foraminif.  etc.  des  Wiener  Sandsteins.    Sitzb.  Wien.  Akad.  Wiss.  Bd.  52. 

1865. 
Schwager,  Fossile  Foraminif.  von  Kar  Nikobar.     Novara-Exped.  Bd.  2.  Abth.  2.  1866. 
Jones,  Parker  and  Brady,  Monogräph.  of  the  Foraminif.  of  the  Crag.     London  1866. 
Reuss,    Die   Foraminiferen    des  deutschen  Septarienthones.      Denkschr.   Wien.   Akad.   Wiss. 

Bd.  25.   1866. 
Karrer,  Zur  Foraminiferenfauna  in  Oesterreich,     Sitzb.  Wien.  Akad.  Wiss.  Bd.  55.  1867. 
Reuss,  Die  fossile  Fauna  der  Steinsalzablagerungen  von  Wieliczka.   Sitzb.  Wien.  Akad.  Wiss. 

Bd.  55.   1867. 
Giimbel,    Beitrag  zur  Foraminiferenfauna   der  nordalpinen   Eocängebilde.     Abhandl.   bayr. 

Akad.  Wiss.  II.  Gl.  Bd.  10.  1868. 
Karrer,   Die  miocäne  Foraminiferenfauna  von  Kostey  im  Banat.     Sitzb.  Wien.  Akad.  Wiss, 

Bd.  58.  1868. 
V.  Hantken,  Foraminiferenfauna  des  Kleinzeller  Tegels.    Budapest  1868. 

Bronn,  Klassen  des  Thierreichs.    Piotozoa.  17 


258  Rhizopoda. 

Reuss,  Zur  foss.  Fauna  der  Oligocänschichten  von  Gaas.  Sitzb.  Wien.  Akad.  Wiss.  Bd.  59.  1869. 
V.  Schlicht,  Die  Föramiuiferen  des  Septarientliones  von  Pietzpuhl.     Berlin  1S70. 

Reuss,    Die  Foraminiferen  des   Septarientliones    von   Pietzpuhl.     Sitzb.    Wien.   Akad.   Wiss. 

Bd.  G2.  1870. 
Fischer,  Bryoz.  etc.  et  Foraminif.  de  la  Gironde  etc.     Bordeaux  1871. 
Silvestri,  Le  Nodosarie  fossili  nel  terreno  subappenino  etc.   Catania  1872. 
V.  Hantken,  Die  Fauna  der  Clavulina  Szaboi-ScMchten.    Budapest  1875. 

Karrer  und  Sinzow,  üeljer  das  Auftreten  von  Nubecularia  im  Sarmat.  Sande  von  Kischenew. 
Sitzb.  Wien.  Akad.  Wiss.  1876. 

Karrer,  Geologie  der  Kaiser  Franz  Joseph  Hoch(|uellen- Wasserleitung.     Wien  1877. 

Foraminiferen  der  tertiären  Thone  von  Luzon.     Wien  1877. 

Terquem,   Les  Foraminiferes   etc.  du  Pliocene  superieur  de  l'üe   de  Rhodus.     Mem.  soc. 

geol.  de  France  III.  ser.  T.  1.  1878, 
Hantken,   Hebert  vmd  Munier-Ch. ,  ]\Iittheilungen  über  die  ungar.  Tertiär-Bildungen. 

Budapest  1879. 

Tertiär-Formation.  Mit  dem  Eintritt  in  diese  Formation  machen 
sich,  so  wie  auf  anderen  Gebieten  der  organischen  Welt,  so  auch  bei 
den  Foraminiferen  ungewöhnlich  eingreifende  Veränderungen  bemerkbar. 
Haben  schon  früher  die  Rotalideen  und  Globigerinideen  den  Stichostegieru 
und  Cristellarideen  den  Vorrang  abgelaufen,  so  treten  jetzt  auch  die 
porenlosen  Formen,  namentlich  die  Miliolideen  immer  mehr  in  den 
Vordergrund.  Zwar  finden  sich  dieselben  bereits  in  der  oberen  Kreide, 
vor  Allem  in  jener  der  Gosau,  und  an  einzelnen  Stellen  sogar  in  grosser 
Menge  zusammengehäuft,  aber  erst  hier  gewinnt  deren  Vorkommen  eine 
allgemeinere  Verbreitung.  Auch  Alveolina,  die  allerdings  von  d'Archiac 
bereits  aus  dem  Cenoraan  angegeben  wird  und  später  auch  in  höheren 
Kreideschichten  nachgewiesen  wurde,  gelangt  erst  mit  dem  Beginne  des 
Eocän  zu  so  massenhafter  Entwicklung,  dass  sie  sogar  an  der  Zusammen- 
setzung mancher  Gesteine  einen  wesentlichen  Antheil  nimmt.  Aehnliches, 
wenn  auch  in  weit  bescheidenerem  Maasse,  gilt  von  Orbitulites. 
Neu  erscheinen  dagegen,  Peneroplis  mit  der  Nebenform  Dendritina; 
dann  Fabularia,  Articulina  und  Vertebralina,  und  namentlich  ist 
es  das  Pariser  Eocän,  welches  hier  wie  eine  Colonie  im  Sinne  Barrande's 
zu  einer  wahren  Brutstätte,  besonders  von  Miliolidenformen  wird. 

Wenden  wir  uns  nun  wieder  zu  den  Perforaten,  so  sind  es  hier  vor 
Allem  die  Nummuliten,  welche  unser  Interesse  in  hervorragender 
Weise  in  Anspruch  nehmen  und  zwar  hauptsächlich  deshalb,  weil  sie  zum 
Theile  eine  so  ausserordentliche  Massenentwicklung  zeigen,  dass  sie  stellen- 
weise förmlich  ganze  Gebirge  zusammensetzen.  Ihnen  schliessen  sich 
beinahe  ebenbürtig  die  Orbitoiden  an.  Von  den  mehr  vereinzelt  vor- 
kommenden Formen  machen  sich  ausserdem  die  neu  auftretenden  Gattungen 
Heterostegina,  Tinoporus,  dann  Clavulina  und  in  den  obersten 
Lagen  des  Eocän  stellenweise  Bolivina  bemerkbar,  von  welchen  letztere 
jedoch  auch  bereits  in  der  oberen  Kreide  und  zum  Theil  sogar  recht 
häufig  vorkommt.  Auch  die  Gattungen  und  Untergattungen  Uvigerina, 
Rhynchospira,*)  Sphaeroidina  etc.   erscheinen  das  erste  Mal. 


Im  systematischen  Theil  unter  Globi gerin  a  aufgeführt. 


Paläontolog.  Entwicklung-  (Tertiär).  259 

Wenn  wir  nun  zu  den  oberen  Abtheilungen  des  Tertiär  tibergeben, 
so  macbt  sich-  vor  Allem  die  rapide  Abnahme  der  Orbitoideen  und  der 
Numrauliten  bemerkbar,  von  denen  erstere  hier  ganz  auszusterben  scheinen, 
während  die  letzteren  nur  mehr  in  kleinen  Formen  kümmerlich  weiter 
existiren,  und  theilweise  durch  die  einfacheren,  hier  nicht  selten  massen- 
haft auftretenden  Amphisteginen  ersetzt  werden.  Die  Differenzirung  der 
Formen  schreitet  aber  immer  noch  weiter  fort  und  macht  sich  jetzt 
namentlich  bei  jenen  mit  trochoidem  Aufbaue  bemerkbar,  unter  denen 
besonders  die  dünnschaligen  von  der  Bewegung  ergriffen  werden.  Aste- 
rigerina,  Patellina,  Discorbina  etc.  erscheinen  als  Produkte  der- 
selben. 

Auch  die  Textilarien  halten  sich  ziemlich  auf  der  Höhe  der  Entwick- 
lung, namentlich  soweit  es  die  agglutinirende  Abtheilung  (Plecanium 
Reuss)  betrifft,  ja  letztere  treten  zum  Theile  noch  häufiger  auf,  als  diess 
jemals  in  der  Kreide  der  Fall  war.  Dass  aber  irgendwo  echte,  rein  kalk- 
schalige  Textilarien  im  Tertiär  zu  einer  so  bedeutenden  Massenentwick- 
lung gelangen  würden,  wie  diess  z.  B.  in  der  Kreide  von  Palästina  zum 
Theile  der  Fall  ist,  wo  sie  die  Globigerinen  förmlich  vertreten,  dafür 
ist  mir  kein  Beispiel  bekannt.  Im  Anschluss  an  die  Textilarien  tritt  hier 
ausserdem  Reussia  das  erste  Mal  auf;  eine  Form,  die  ich  um  ihrer 
Schalenbeschaffenheit  willen  von  Tritaxia  abtrennen  zu  müssen  glaubte.*) 
Auch  Cassidulina  und  Ehrenbergina  kennt  man  bisher  noch  nicht 
aus  älteren  Schichten.  Polystomella  und  die  Cryptostegier  (Allo- 
morphina  und  Chilostomella)  kommen  zwar  schon  früher  vor,  aber  erst 
hier  gelangt  besonders  die  erstere  zu  der  Bedeutung,  welche  sie  im 
oberen  Tertiär  und  in  der  Jetztzeit  besitzt.  Bei  den  agglutinirenden  For- 
men macht  sich  dagegen,  den  Vorkommnissen  aus  der  nächst  älteren 
Periode  gegenüber,  eine  gewisse  Abnahme  geltend,  obwohl  dieselben  in 
unserer  Zeit  zum  Theile  wieder  aufzuleben  scheinen. 

Quartär-Formation.  Mit  Sicherheit  der  Diluvialperiode  zuzuweisende 
marine  Ablagerungen  kennt  man  so  wenige,  dass  man  von  denselben  hier 
abzusehen  genöthigt  ist,  und  nun  eigentlich  zu  der  jüngsten  Periode,  jener 
der  Jetztzeit  übergehen  sollte.  Von  dem  Foraminiferenvorkommen  desselben 
aber  einen  Ueberblick  geben  zu  wollen,  wäre  vor  der  Hand  in  so  ferne  un- 
nütz, als  ja  doch  zu  erwarten  steht,  dass  das  Gesammtbild  durch  die  Resultate 
der  eingehenden  Untersuchungen,  welche  wir  in  der  nächsten  Zeit  von  H.  B. 
Brady  zu  erwarten  baben,  wesentlich  alterirt  werden  könnte,  indem  dieselben 
das  umfassendste  bisher  bekannte,  recente  Material,  jenes  der  Challenger-Ex- 
pedition  zum  Gegenstande  haben.  Namentlich  diese  Untersuchungen  dürften 
aber  erst  erweisen,  ob  bei  den  gekammerten  Rhizopoden  (Foraminiferen)  that- 
sächlich  zweierlei  Entwickelungstendenzen  bestehen,  wie  mir  aus  dem  bis- 
her Bekannten  hervorzugehen  scheint.    Es  drängt  nämlich  augenscheinlich 


*)  C.  Schwager.     Saggio  di  una  classificazione  dei  Foraminiferi.    Boletino  E.  com.  geol. 
d'Italia  1877.  pag.  18.  Nr.  66. 

17* 


260  Rhizopoda. 

eine  Reihe  von  Formen  nach  einer  Complicirung  in  dem  architektonischen 
Gesetze  des  Aufbaues  der  Schale,  ohne  jedoch  über  den  Rahmen  der 
Protozoennatur  hinüberzugreifen ;  während  die  andere  dagegen,  welche  sich 
mehr  an  die  Süsswasserformen  anschliesst,  nach  einer  höheren  Orga- 
nisation des  Weichkörpers  zu  gravitiren  scheint,  und  für  welche  auch  die 
Schalenform  deshalb  weit  weniger  an  feste  Regeln  des  Aufbaues  gebunden 
sein  dürfte.  Diese  letztere  Abtheilung  wird  wohl  zum  grössten  Theile  mit 
der  Gruppe  der  Arenacea  Bütschli  zusammenfallen,  während  als  Gipfel- 
formen im  Sinne  der  ersteren  Rotalia,  Polystomella,  Nummulites,  Fusulina 
und  Orbitoides  etc.  gelten  können. 

Das  hier  Gegebene  soll  nur  eine  in  ihren  einfachsten  Grundlinien 
gezeichnete  Skizze  der  Foraminiferen-Entwicklung  im  Laufe  der  geologi- 
schen Zeiten  darstellen;  es  dürfte  aber  dennoch  genügen,  um  die  fort- 
schreitende Entwicklung  dieser  Formen  zu  zeigen,  die  allerdings  auch 
hier  nicht  in  einer  geraden  Linie  stattfindet,  und  gerade  dadurch  charak- 
terisirt  erscheint,  dass  bald  die  eine,  bald  die  andere  Gruppe  mehr  in  den 
Vordergrund  trat;  oder  anderseits  manche,  welche  gewissermaassen  in 
eine  Sackgasse  der  Entwicklung  gerieth,  einen  Abschluss  ihrer  Existenz 
fand. 


Hcliozoa,     Geschichte.  261 


II.  Unterabtheilung  (Unterklasse). 
Heliozoa. 

1.    Uebersicht  der  historischen  Entwicklung  unsrer  Kenntnisse  von  den 

Heliozoen. 

Die  geschichtliche  Entwicklung  der  Heliozoen forschung  schliesst  sich 
auf  das  innigste  an  den  schon  früher  besprochnen  Entwicklungsgang 
unsres  Wissens  von  den  Süsswasserrhizopoden  an,  da  ja  die  Heliozoa 
ganz  vorzugsweise  im  süssen  Wasser  ihre  Heimath  haben.  Im  Ganzen 
hat  jedoch  die  Erforschung  dieser  nicht  gerade  sehr  umfangreichen  und 
daher  dem  Auge  des  Beobachters  seltner  sich  darbietenden  Gruppe  lang- 
samere Fortschritte  gemacht,  als  dies  bezüglich  der  Süsswasserrhizopoden 
zu  verzeichnen  war;  es  ist  erst  der  jüngsten  Zeit  aufgespart  geblieben, 
den  Nachweis  zu  führen,  dass  doch  auch  diese  Abtheilung  eine  bei 
weitem  reichhaltigere  und  mannigfaltigere  Ausbildung  besitzt,  als  bis  vor 
verhältnissmässig  kurzer  Zeit  vermuthet  wurde. 

Die  erste  Beobachtung  und  Schilderung  eines  hierhergehörigen  Ge- 
schöpfes fällt  in  die  zweite  Hälfte  des  vergangnen  Jahrhunderts.  Wenn 
Joblot' s  (1)  Abbildung  mit  Recht  auf  eine  Actinophrys  bezogen  werden 
darf,  gebührt  ihm  (1754)  die  Ehre  des  ersten  Darstellers  eines  Heliozoon; 
mit  Sicherheit  dürfen  wir  dagegen  die  Trieb o da  sol  des  verdienstvollen 
0.  F.  Müller  (2  u.  5)  auf  Actinophrys  und  Actinosphaerium  (die  erst 
relativ  spät  unterschieden  wurden)  zurückführen.  Möglicherweise  gleich- 
falls hierher  gehörig  scheint  mir  ein  1775  von  demselben  Beobachter  (3) 
kurz  beschriebner  Organismus,  welcher  einen  kugligen,  bis  zu  1  Linie  im 
Durchmesser  erreichenden,  grünen  Körper  besass,  von  dem  allseitig  zarte, 
farblose  Fäden  ausstrahlten.  Die  ansehnliche  Grösse  dieses  in  der  Ab- 
bildung sehr  heliozoenartig  erscheinenden  Organismus  verbietet  es,  den- 
selben etwa  als  ein  chlorophyllführendes,  einfaches  Heliozoenthier  zu 
deuten;  dagegen  ist  es  immerhin  möglich,  dass  es  Kolonien  zahlreicher 
Einzelindividuen  eines  grünen  Heliozoon  waren,  welche  0.  F.  Müller  hier 
beschrieben  hat.  ^ 


262  Heliozoa. 

Treffliche  Untersnehungen ,  in  Anbetracht  der  sehr  beschränkten 
Hülfsmittel  seiner  Zeit,  verdanken  wir  dem  Pastor  Eichhorn  (4,  1783), 
der  eine  musterhafte  Schilderung  und  zahlreiche  Abbildungen  des  Actino- 
sphaerium  lieferte  und  namentlich  schon  die  allgemeinen  Lebenserschei- 
nungen dieses  interessanten  Organismus  vortrefflich  aufklärte. 

0.  F.  Müller  hatte  seine  Trichoda  sol  mit  zahlreichen  ciliaten 
Infusionsthieren  in  einer  Gattung  vereinigt  und  fand  hierin  an  seinem 
Nachfolger  Ehrenberg  einen  Gesinnungsgenossen,  der  zv^ar  die  erwähnten 
Heliozoen  von  der  direkten  Gattungsgemeinschaft  mit  Ciliaten  erlöste, 
indem  er  für  die  Trichoda  sol  Müller's  1830  die  Gattung  Actinophrys 
errichtete,  dieselbe  jedoch  noch  in  seinem  grossen  Infusorien  werk  (6)  in 
einer  Familie  mit  ciliaten  Infusorien  zusammenstellte  und  so  ihre  wahren 
Beziehungen  zu  den  rhizopodenartigen  Organismen  völlig  verkannte. 
Eine  Anzahl  weiterer  Arten  und  eine  neue  Gattung  Trichodiscus,  die 
er  1838  noch  beschrieb,  haben  sich  theils  nicht  aufrecht  erhalten  lassen, 
theils  konnten  sie  bis  jetzt  nicht  mit  Sicherheit  auf  seither  besser  bekannt 
gewordene  Formen  zurückgeführt  werden. 

Erwähnenswerth  erscheint  jedoch  an  dieser  Stelle  noch,  dass  sich 
Ehrenberg  1840*)  tiberzeugte,  dass  der  von  Eichhorn  beschriebne  „Stern" 
specifisch  verschieden  sei  von  einer  kleineren  Form,  für  die  er  den 
Müller'schen  Speciesnamen  „sol"  beibehielt,  während  die  grössere,  Eich- 
horn'sche  Form  von  ihm  jetzt  als  Actinophrys  Eichhornii  aus- 
gezeichnet wurde. 

Ehrenberg  hatte  jedoch  noch  in  andrer  Hinsicht  die  verwandtschaft- 
lichen Beziehungen  der  Actinophrys  irrthümlich  aufgefasst,  indem  er  sie 
mit  seiner  den  Acinetinen  angehörigen  Gattung  Podophrya  zusammen- 
stellte, eine  Missdeutung,  die  sich  noch  verhältnissmässig  lange  Zeit  in 
d.er  Zusammenfassung  der  Acineten  und  der  Actinophryeu  geltend  machte. 

Erst  Duj  ardin  erkannte  1841  (7)  die  wahren  Beziehungen  der 
Actinophrys,  geleitet  durch  seine  schon  früher  genügend  betonte,  richtige 
Deutung  des  Rhizopodenorganismus.  Er  würdigte  zuerst  die  wahre  Natur 
der  strahligen  Fortsätze  des  Actinophryenkörpers,  indem  er  sie  den 
Pseudopodien  der  Ehizopoden  an  die  Seite  stellte  und  die  früher  beliebte 
Vergleichung  mit  den  Wimpern  der  Ciliaten  abwies.  Wie  gesagt,  wies 
er  daher  den  Actinophrysformen,  direct  neben  den  Rhizopoden,  den  ihnen 
gebührenden,  richtigen  Platz  an,  beharrte  jedoch  noch  bei  der  irrigen 
Vereinigung  der  Acinetinen  mit  den  Actinophryiden. 

Ende  der  40  er  Jahre  wurde  diese  Auffassung  Dujardin's  durch  die 
KöUiker'sche  Untersuchung  der  Actinophrys  Eichhornii  (9)  bestätigt 
und  gesichert  und  verschaffte  sich  denn  auch  bald  allgemeine  Geltung 
(obgleich  noch  Perty  [12]  1852  der  alten  Anschauung  huldigte).  Durch 
die  eben  erwähnten  Untersuchungen  Kölliker's,  durch  frühere  Beobachtungen 


*)  Monatsberichte  der  Berliner  Akademie  f.  d.  J.  1840.  p.  198. 


Geschichte.  263 

von  Sie bo  1(1 's*),  durch  weitere  von  Cohn  (10),  Claparcde  (13), 
Fr.  Stein  (14),  Weston  (16),  Lieber  kühn  (15),  Gl  aparede  und 
Lachmann  (17)  wurde  die  genauere  Kenntniss  der  Organisation  und 
der  Lebenserscheinungen  von  Actinophrys  und  Actinosphaerium  im  Laufe 
der  50  er  Jahre  bedeutsam  gefördert.  Wir  heben  hier  nur  den  Nachweis 
des  Ecto-  und  Entosarks,  der  contraktilen  Vacuolen,  des  Kerns  etc.,  so- 
wie von  den  Lebenserscheinungen  Beobachtungen  über  Nahrungsaufnahme, 
Fortpflanzung  und  Conjugation  hervor.  Gegen  Schluss  der  50er  Jahre  wurde 
durch  Untersuchungen  von  Claparede  und  Lachmann,  hauptsächlich 
jedoch  von  Joh.  Müller  und  E.  Häckel  die  hochinteressante  Gruppe  der 
marinen  Radiolarien  einer  genaueren  Erkenntniss  zugeführt  und  damit 
hebt  denn  auch  eine  neue  Phase  in  der  Geschichte  unserer  Heliozoen  an. 

Wenngleich  keiner  der  genannten  Forscher  eine  innigere  Zusammen- 
fassung der  damals  bekannten  Heliozoa  mit  den  Radiolaria  befür- 
wortete, sondern  Alle  die  ersteren  in  innige  Beziehungen  zu  den  Süss- 
wasserrhizopoden  brachten,  so  wurde  doch  bald  eine  solche  Zusammen- 
fassung der  beiden  Gruppen  versucht,  und  zwar  scheint  dies  zuerst  1861 
mit  voller  Entschiedenheit  von  Carpenter  unternommen  worden  zu 
sein**).  Eine  genauere  Erörterung  der  für  diese  Zusammenstellung 
maassgebenden  Gründe  kann  hier  vorerst  nicht  unsre  Aufgabe  sein,  es 
wird  genügen,  in  dieser  Beziehung  auf  die  allgemeinen  Gestaltsähn- 
lichkeiten, welche  die  Vertreter  beider  Abtheilungen  darbieten,  hin- 
zuweisen. Durch  eine,  im  Jahr  1864  von  Carter  (21)  gefundne 
neue  Heliozoenforni  (Acanthocystis)  erwuchsen  dieser  Vergleichung  neue 
und  sehr  gewichtige  Stützpunkte;  in  dieser  Acanthocystis  war  nämlich 
zuerst  mit  Sicherheit  eine  mit  Kiesel  Nadeln  und  -Stacheln  ausgerüstete 
Form  nachgewiesen  worden,  welche  eben,  auf  Grund  dieser  Eigenthüm- 
lichkeit,  sehr  innige  Beziehungen  zu  den  Radiolarien,  speciell  den  Acantho- 
metriden,  darzubieten  schien.  Auch  in  der  wichtigen,  von  M.  Schultze 
1862  ermittelten  Bauweise  der  Pseudopodien  von  Actinosphaerium  glaubten 
wenigstens  eine  Reihe  von  Forschern  eine  neue  Verwandtschaftsbeziehung 
zu  den  Radiolarien  zu  erkennen. 

Es  dürfte  wohl  nicht  unrichtig  sein,  wenn  wir  es  hauptsächlich  diesen 
neueröffneten  Gesichtspunkten  zuschreiben ,  dass  die  Erforschung  der 
Heliozoen  in  den  folgenden  Jahren  einen  bedeutsamen  Aufschwung  nahm, 
der  eben  sowohl  zu  einem  tiefergehenden  Verständniss  des  allgemeinen 
Baues,  wie  zur  Auffindung  einer  ziemlichen  Reihe  neuer  und  z.  Th.  sehr 
interessanter  Formen  führte. 

Grosse  Verdienste  erwarb  sich  in  dieser  Hinsicht  zunächst  R.  Greeff, 
der  schon  1867  (27)  die  grosse  Radiolarienähnlichkeit  des  Actinosphaerium 
hervorzuheben  glauben  durfte  und  durch  seine  fortgesetzten,  umfang- 
reichen Studien  unsrer  Gruppe,  die  ihn  zur  Entdeckung  zahlreicher  neuer 

*)  Vergl.  Anatomie  der  wirbellosen  Thiere.  1848. 
**)  On  the  systematic  Arrangement   of  the  Rhizopoda  (The  nat.  history  review  N.  IV. 
1861)  und  Introduct.  to  the  stud.  of  Foraminifera.  1862. 


264  '  Heliozoa. 

Formen  führten,  zu  dem  beredtesten  Vertheidiger  dieser  Ansicht  wurde 
(27,  33,  35,  40).  Es  sei  hier  gleich  betont,  dass  als  Cardinalpunkt  für 
diese  Vergleichung  der  Nachweis  eines,  der  sogen.  Centralkapsel  der 
Radiolarien  entsprechenden  Gebildes  auch  bei  den  Heliozoen  gelten 
musste,  welcher  Nachweis  denn  auch  von  Greeff  für  zahlreiche  Heliozoen- 
formen,  jedoch  mit  wenig  Glück,  zu  führen  versucht  wurde.  Zur  gleichen 
Ansicht  bekannten  sich  weiterhin  Focke  1868  (28)  und  Grenacher 
(29,  31)  1868  und  69,  von  welchen  der  erstere  jedoch  kaum  einen  be- 
deutsamen Grund  für  die  Zusammenstellung  der  von  ihm  gefundenen 
Heliozoenformen  mit  den  Radiolarien  hervorzuheben  wusste,  während 
Grenacher  durch  den  Nachweis  gewisser,  vor  ihm  wenig  oder  nicht  be- 
kannter Eigenthümlichkeiten  von  Actinophrys  und  Acanthocystis  seiner 
Ansicht  eine  gewisse,  wenn  auch  gerade  nicht  sehr  haltbare,  Stütze  verlieh. 

In  England  begann  der  verdienstvolle  W.  Archer  etwa  zu  gleicher 
Zeit  die  Erforschung  der  Heliozoen  (32)  und  glaubte  ebenfalls,  auf  Grund 
seiner  Beobachtungen,  die  nahe  Verwandtschaft  mit  den  Radiolarien  für 
sehr  wahrscheinlich  erachten  zu  dürfen. 

Im  Anschluss  hieran  sei  dann  noch  erwähnt,  dass  auch  Ant.  Schneider 
(36)  sich  sehr  energisch  zu  Gunsten  dieser  Auffassung  aussprach. 

Als  Gegner  der  Radiolariennatur  der  Heliozoa  erhoben  sich  im  Jahr 
1874,  gestützt  auf  eigne  Untersuchungen,  R.  Hertwig  und  Lesser  (39). 
Indem  sie  die  einzelnen,  zu  Gunsten  dieser  Auffassung  geltend  gemachten 
Merkmale  der  Heliozoa  einer  genauen  Besprechung  und  Vergleichung 
unterzogen,  gelangten  sie  zu  der  Ueberzeugung,  dass  eine  direkte  Ver- 
wandtschaft zwischen  den  beiden  in  Sprache  stehenden  Abtheilungen, 
nach  dem  Stande  der  augenblicklichen  Kenntnisse,  keine  Wahrscheinlich- 
keit besitze  und  suchten  mit  Glück  die  einzelnen  von  Greefif,  Archer, 
Grenacher  und  Schneider  hervorgehobnen  Vergleichspunkte  zu  widerlegen. 
Dennoch  hatten  sie  sich  hierbei  zu  weit  führen  lassen ;  wesentlich  wegen 
der  damals  in  vieler  Hinsicht  noch  mangelhaften  Kenntniss  der  Radio- 
larien. So  ist  hauptsächlich  das  von  ihnen  in  erster  Reihe  aufgeführte 
Argument,  nämlich  die  Vielzelligkeit  der  Radiolarien,  im  Gegensatz  zu 
der  aus  ihren  Untersuchungen  hervorgehenden  Einzelligkeit  der  Heliozoen, 
durch  die  späteren  Radiolarienuntersuchungen  R.  Hertwig's*)  selbst  hin- 
fällig geworden.  Immerhin  wird  den  Untersuchungen  und  Erörterungen 
beider  Forscher  das  grosse  Verdienst  zuzuerkennen  sein,  dass  sie  in  sehr 
präciser  Weise  die  Diflferenzpunkte  der  beiden  Gruppen  hervorhoben, 
wozu  sie  eben  hauptsächlich  ihr  tiefergehendes  Verständniss  des  Heliozoen- 
organismus  befähigte. 

Nach  dem  eben  bemerkten  wird  es  nicht  verwunderlich  erscheinen, 
dass  R.  Hertwig  in  seinen  spätem  Arbeiten  die  frühere,  scharfe  Entgegen- 
setzung der  Heliozoen   und  Radiolarien  aufgab  und  im  Jahre  1879  sogar 


*)  Hertwig,  E. ,   Zur  Histologie   der  Kadiolarien.    Leipzig  1876  und:  Der  Organismus 
der  Radiolarien.   Jena  1879. 


Geschichte  und  Literatur.  265 

die  BerechtigUDg-  der  Zusammenstellung  beider  Abtheilungen  zu  einer  grösse- 
ren Gruppe,  im  Gegensatz  zu  unseren  Rhizopoda,  anerkannte.  Auch 
F.  E.  Schulze,  der  gleichfalls  eine  Reihe  hierhergehöriger  Formen 
durch  treffliche  Untersuchungen  aufklärte,  hatte  schon  1877  einer  ähn- 
lichen Ansicht  Ausdruck  gegeben,  indem  er  die  beiden  Abtheilungen  zu 
einer  Gruppe  der  Radiaria  zusammenstellte  (38,  V).  Archer  stellte  sich 
in  seinen  späteren  Arbeiten  ganz  auf  den  Standpunkt  R.  Hertvvig's  und 
Lesser's  und  gab  die  direkte  Unterordnung  der  Heliozoa  unter  die  Radio- 
laria  auf.  Wir  werden,  wie  schon  früher  bemerkt,  die  Heliozoa  als  gleich- 
berechtigte Gruppe  zwischen  Rhizopoda  und  Radiolaria  betrachten  und 
unsere  Gründe  hiefür  späterhin,  bei  der  Besprechung  der  Radiolaria,  etwas 
genauer  darstellen. 

Wie  schon  aus  dem  seither  Bemerkten  hervorgeht,  haben  die  erwähn- 
ten Forscher,  Greeflf,  Hertwig  und  Lesser,  Archer  und  F.  E.  Schulze  durch 
ihre  Untersuchungen  zur  Aufklärung  der  Bau-  und  Lebensverhältnisse 
unsrer  Gruppe  sehr  wichtige  Beiträge  geliefert  und  ihnen  reihen  sich 
weiter  noch  die  Beobachtungen  E.  Häckel's  (der  auch  den  Namen  Helio- 
zoa aufstellte)*)  und  Cienkowsky's  an. 

Um  die  Erforschung  der  Fortpflanzungsverhältnisse  haben  sich  haupt- 
sächlich verdient  gemacht  Cienkowsky,  Greeflf,  Ant.  Schneider,  F.  E.  Schulze, 
Hertwig  und  neuerdings  A.  Brandt. 

So  sehen  wir  denn  durch  die  vereinten  Bemühungen  dieser  Beob- 
achter unsre  Kenntniss  der  Heliozoen  zu  einer  ziemlichen  Ausbildungsstufe 
erhoben ,  von  der  wir  in  den  folgenden  Abschnitten  versuchen  wollen, 
eine  Darstellung  zu  geben. 

Literaturübersicht.**) 

1.  Joblot,  Observatioiis  d'histoire  naturelle,  faitcs  avec  le  microscope,  ä  Paris.  1754.  . 

2.  Müller,  O.  F.,  Vermium  ten'estrium  et  fluviatil.  etc.  historia.     Havniae  et  Lipsiae  1773. 

3.  Nachricht  von   einer  sonderbaren   und   seltnen  Pflanze.     Walch,  Der  Naturforscher 

VII.  Stück.  1775.  p.  189—194.  T.  III.  Figg.  1—3. 

4.  Eichhorn,  J.  C,  Zugabe  zu  meinen  Beiträgen  zur  Naturgeschichte  der  kleinsten  Wasser- 

thiere  etc.     Danzig  1783.  _  , 

5.  Müller,  O.  F.,  Aiiimalcula  infusoria  fluviat.  et  marina  etc.     Havniae  1786. 

6.  Ehrenberg,  Ch.  G.,  Die  Infusorien  als  vollkommene  Organismen.     Leipzig  1838. 

7.  Dujardin,  F.,  Histoire  nat.  des  Zoophytes  infusoires.     Paris  1841. 

8.  Nicolet,   Observations  s.   l'organis.   et  le  d6veloppement  des  Actinophrys.     Compt.  rend. 

Ac.  Sc.  Paris.  T.  26.  1848. 

9.  Kölliker,   A. ,   Das  Sonnenthierchen,  Actinophrys  sol,  beschr.     Ztschr.  f.  wiss.  Zoologie 

L  1849. 

10.  Cohn,  Fr.,  Jahresbericht  der  schles.  Gesellschaft  für  vaterl.  Cultur  1850.  p.  37. 

11.  Cohn,   F.,   in   v.    Siebold,    üeber    die   Conjugation  des  Diplozoon   paradoxum,  nebst 

Bemerkungen  über  den  Conjugationsprocess  der  Protozoen.     Zeitschr.  f.  wissensch.    Zoo- 
logie Bd.  m.  1851.  p.  62—68. 

12.  Perty,  M.,  Zur  Kenntniss  der  kleinsten  Lebensformen  in  der  Schweiz.     Bern  1852. 


*)  Generelle  Morphologie.  1866. 
**)  Alles  Wichtige  ist  hier  chronologisch  zusammengestellt  worden,    ohne  Rücksicht  auf 
den  Umfang  der  betreffenden  Abhandlungen. 


266  Hcliozoa. 

13.  Claparede,  E.,  üeber  ActinopLrys  Eichhornii.  Arch.  f.  Anat.  u.  Physiol.  1854.     (Auch 

Ann.  mag.  nat.  liist.  II.  15.  1855.) 

14.  Stein,  Fr.,  Die  Infusionsthiere  auf  ihre  Entwickelungsgeschichte  untersucht.  Leipzig  1854. 

15.  Lieberkühn,  N.,  üeber  Protozoon.     Zeitschr.  f.  wiss.  Zeel.  VIII.  1856.  p.  308. 

16.  Weston,  J.,  On  the  Actinophrys  sei.     Quart,  journ.  micr.  sc.  Vol.  4.  1856. 

17.  Claparede  u.  Laehmann,  Etudcs  s.  les  Infusoires  et  les  Khizopodes.  Geneve  1858 — 59. 

18.  Stein,  Fr.,    üeber  die  aus  eigener  Untersuchung  bekannt  gewordenen  Süsswasser-Khizo- 
poden.     Sitzungsber.  d.  k.  böhm.  Akademie  d.  Wissensch.  1857.  Bd.  X.  p.  41 — 43. 

19.  Laehmann,  J.,  üeber  Khizopoden-Infusorien  der  Gegend  von  Bonn.    Verh.  d.  naturhist. 

Vereins  der  preuss.  Kheinlande  zu  Bonn.  Bd.  XVI.  p.  57  u.  93. 
19  a.  Wallich,  G.  C,  Further  obserpations  on  Amoeba  villosa  etc.    Ann.  mag.  nat.  bist.  III. 

II.  1^.63.  p.  434  fl. 

20.  Schviltze,  M.,  Das  Protoplasma  der  Khizopodcn  u.  d.  Pflanzenzellen.  Leipzig  1863. 

21.  Carter,  K.  J.,  On  freshwater  Ehizopoda  of  England  and  India.  A.  m.  n.  h.  III.  13.    1864. 

22.  Kölliker,  A.,  Icones  zootomicae.  I.  1864. 

23.  Carter,  H.  J.,  On  the  fresh-  and  saltwater  Ehizopoda  of  England  and  India.  A.  m.  n.  h. 

III.  15.  1865. 

24.  Cienkowsky,   L.,   Beiträge  zur   Kenntniss   der  Monaden.     Arch.  f.  mikrosk.  Anatomie 

Bd.  I.  1865.  p.  203—33. 

25.  Zenker,  W.,  Beiträge  zur  Naturgeschichte  der  Infusorien.  Arch.  f.  mikr.  Anat.  II.  1866. 

26.  Cienkowsky,  L.,  üeber  die  Clathrulina,  eine  neue  Actinophryengattung.  Arch.  f.  mikr. 

Anatomie.  Bd.  III.  1867.  p.  311. 

27.  GreefF,  R.,  üeber  Actinophrys  Eichhornii  und  einen  neuen  Stisswasserrhizopodeu.  Arch. 

f.  mikr.  Anat.  III    1867.  p.  396. 

28.  Focke,  W.,  üeber  schalenlose  Radiolarien  des  süssen  \\'assers.  Zeitschr.  f.  wiss.  Zoologie 

XVIli.   1868    p.  345—58.  T.  25. 

29.  G-renacher,   H.,  üeber  Actinophrys  sol.     Verh.  d.  phys.-med,  Gesellsch.  zu  Würzburg. 

N.  F.  I.   1868. 

30.  Häckel,   E. ,   Monographie  der  Moneren.     Jenaische  Zeitschr.   f.   Medic.  u.  Naturwiss. 

Bd.  IV.  1868. 

31.  Grenacher,   H. ,   Bemerkungen  über  Acanthocystis  viridis  Ehrbg.  sp.     Zeitschr.  f.  wiss. 

Zoologie  Bd.  19.  1869.  p.  289. 

32.  Archer,    W. ,    On  some  freshwater  rhizopoda,    new  or  little  known.     Qu.  journ.  micr. 

science.  N.  ser.  Vol.  IX  u.  X.  1869  u.  1870. 

33.  Greeff,   R. ,   üeber  Eadiolarien   und  radiolarienartige  Ehizopoden  des  süssen  Wassers.  I. 

Arch.  i.  mikr.  Anat.  Bd.  V.  1869.  (Vorläufigen  Bericht  siehe  in  Sitzungsber.  d.  nieder- 
Thein.  Gesellsch.  f.  Natur-  u.  HeUk.  Bd.  26.  1869.) 

34.  Lieberkühn,  N.,  üeber  die  Bewegungserscheinungen  der  Zellen.  Schriften  d.  Gesellsch. 

zur  Bef.  der  ges.  Naturw.  Marburg.  Bd.  IX.  1870. 

35.  GreefF,  R. ,    I.  üeber  die  Actinophryen   oder  Sonnenthierchen   des   süssen  Wassers  als 

echte  Radiolarien,  zur  Familie  der  Acanthometriden  gehörig.  II.  üeber  die  Fortpflanzung 
der  Actinophryen.  Sitzungsber.  der  niederrhein.  Gesellsch.  in  Bonn.  28.  Jahrg.  1871. 
p.  4—9. 

36.  Schneider,  Ant.,  Zur  Kenntniss  der  Radiolarien.   Z.  f.  wiss.  Zool.  XXI.  1871.  p.  505 — 

512  (s.  auch  Bd.  XXIV.  p.  579). 

37.  GreefF,   R. ,   üeber   die  Encystirung  und  Fortpflanzung  des  Actinosj^haerium  Eichhornii. 

Arch.  f.  mikr.  Anatomie  Bd  14.  1877.  p.  167 — 71.  Abdruck  aus  Sitzungsberichte  der 
Ges.  zur  Beförd.  der  ges.  Naturw.  zu  Marburg.  1873.  p.  61. 

38.  Sehvüze,  F.  E.,  Rhizopodenstudien.  Arch.  f.  mikr.  Anat.  I.  II.  (Bd.  X,)  1874.  V.  (Bd.  XIII.) 

39.  Hertwig,  R.,  vmd  Lesser,  E.,  üeber  Rhizopoden  und  dens.  nahestehende  Organismen. 

Arch.  f.  mikr.  Anat.  X.  Suppl.  1874. 

40.  Greeff,  R.,  üeber  Radiolarien  und  radiolarienartige  Ehizopoden  des  süssen  Wassers.  Arch. 

f.  mikr.  Anat.  XI.  1875.  (Vorläufiger  Bericht  im  Sitzungsber.  der  Gesellsch.  z.  Beförd. 
d.  ges.  Naturw.  zu  Marburg.  Novbr.  1873.1 

41.  Cienkowsky,  L.,   üeber  einige  Rhizopoden  und  verwandte  Organismen.    Arch.  f.  mikr. 

Anat.  XII.  1876. 

42.  Archer,  W.,  Resum6  of  recent  contributions  to  the  knowledge  of  „freshwater  rhizopoda". 

Qu.  journ.  micr.  sc.  Vol.  XVI.  u.  XVII.   1876  u.  77. 

43.  Hertwig,   R. ,   Studien  über  Rhizopoden.    Jenaische   Zeitschr.   f.  Medic.   u.  Naturwiss. 

Bd.  XI.  1877.  p.  324—48. 


Allgem.  morpliolog.  Auffassung.  267 

44.  Brandt,  K.,  Ueber  die  Fortpflanzung  von  Actinosphaerium  Eichhornii.     Sitzungsberichte 

der  Gesellschaft  naturforschender  Freunde  zu  Berlin.  1877.  p.  7.3. 

45.  Brandt,  K.,  Ueber  die  Axenfäden  der  Heliozoön  u.  die  Bewegungen  von  Actinosphaerium. 

Sitzungsber.  d.  Gesellsch.  naturf.  Freunde  zu  Berlin  f.  1878. 
4G.  Meresehkowsky,  C.  v.,  On  Wagnerella  borealis,  a  new  genus  of  spongc,  nearly  all.  to 
the  Physeniaria.    A.  m.  n.  h.  5.  s.  Vol.  I.  1878. 

Etudes   s.  les   (iponges  de  la  uier  blanche.     M6ni.  Acad.  imp.  Pctersbourg.  7.  s. 

T.  XXVI.  1878. 

47.  Meresehkowsky,    C.  v.,   Studien    über   die  Protozoen  des  nördl.  Eusslands.     Arch.  f. 

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48.  Mayer,  P.,  Wagnerella  borealis.     Zoolog.  Anzeiger  Bd.  If.  1879.  p.  357 — 58. 

49.  Schneider,    Aim. ,    Monobia   confluens,    nouv.    monere.     Arch.    de    Zoologie  experim, 

T.  VII.  1878. 

50.  Leidy,  J.,  Freshwater  Khizopods  of  North-America.  ün.  St.  geologic.  survey  of  the  Ter- 

ritories.  Vol.  XII.  1879.  Washington. 

51.  Cattaneo,  G.,  Süll'  Anatomia  e  fisiologia  dell'  Acanthocystis  flava  Greetf,     Ann.  societ. 

ital.  sc.  nat.  Vol.  22  (s.  auch  Stud.  fatt.  n.  laboratorio  di  Pavia  1879). 


3.  Kurzer  lieberblick  der  morphologi sehen  Äiiffassuiig'  und  Gestaltung' 
des  Heliozoenkörpers,  sowie  der  Hauptgruppen  dieser  Abtlieilung:. 

Gemäss  nnsrer  schon  früher  (p.  1  und  2)  gegebenen  Definition  der 
Sarkodinen  im  Allgemeinen  und  der  Heliozoa  im  Speciellen,  haben  wir 
die  uns  hier  beschäftigenden  Wesen  als  einzellige  Organismen  aufzufassen, 
seien  es  nun  kernlose,  einkernige  oder  mehrkernige  Formen.  Nicht  selten 
begegnen  wir  jedoch  bei  ihnen  einer  Neigung  zur  Bildung  kolonialer  Ver- 
bände, wofür  ja  auch  schon  die  Rhizopoden  einige  Beispiele  lieferten.  Schon 
früher  lernten  wir  ferner  die  homaxone,  kuglige  Gestaltung  als  eine  sehr 
charakteristische  Eigeuthümlichkeit  der  Heliozoa  kennen  und  zwar  zeich- 
nen sich  durch  solche  sowohl  der  hüllenlose  Weichkörper  wie  die  Skelet- 
oder  Hüllbildungen,  welche  sich  bei  einigen  Formen  entwickeln,  aus. 
Dennoch  verrathen  auch  die  hierherzurechnenden  Sarkodinen  eine  all- 
mähliche Befestigung  dieser,  bei  den  hochentwickelten,  typischen  Formen 
kaum  veränderlichen  Kugelgestalt. 

Eine  Anzahl  entschieden  tiefer  stehender  Formen  zeigt  nämlich  eine  viel  geringere 
Constanz  der  homaxonen  Gestaltung ,  die ,  zwar  vorübergehend ,  im  ruhenden  Zustand  sehr 
deutlich  hervortritt,  dagegen  während  der  Bewegung  tiefgreifende  Veränderungen  erfährt,  in- 
dem der  Gesammtkörper  dabei  in  amöbenartiger  Weise  seine  Gestalt  wechselt. 

Die  noch  wenig  ausgeprägte  Kugelgestalt  mancher  Formen  berechtigt 
uns,  dieselben  zunächst  an  die  nackten  Rhizopoden  anzuschliessen  und 
die  Annahme  wird  wohl  erlaubt  sein,  dass  die  höheren  Formen  sich  all- 
mählich aus  derartigen  einfacheren  hervorgebildet  haben. 

Einen  weiteren,  höchst  wichtigen  Charakter  bildet  die  Stellung  und 
Beschaffenheit  der  Pseudopodien.  Zunächst  ist  hinsichtlich  dieser  hervor- 
zuheben, dass  sie  stets  sehr  fein,  strahlenartig,  nie  jedoch  stumpf lobos, 
wie  die  Pseudopodien  gewisser  Süsswasserrhizopoden,  erscheinen.  Ferner 
strahlen  sie  fast  stets  allseitig  von  der  Körperoberfläche  aus,  wenngleich 
auch  in  dieser  Beziehung  bei  den  niederen  Formen  einige  Abweichungen 
zu  verzeichnen  sind.  Bei  typischer  Anordnung  strahlen  die  Pseudopodien 
demnach  in  den  Radien  des  kugligen  Heliozoenkörpers  aus,   so  dass  eia 


268  PIcliozoa. 

solcher,  mit  voll  entwickelten  Pseudopodien,  wohl  die  Bezeichnung  Sonnen- 
thierchen  verdient. 

In  Zusammenhang  mit  dieser  Anordnung ,  wie  andrerseits  einer 
sehr  geringen  Neigung  zur  Verästelung  und  weiterer,  später  zu  er- 
wähnender Eigenthümlichkeiten ,  kommt  es  nur  selten  zu  Verschmel- 
zungen benachbarter  Pseudopodien  und  niemals  zur  Entwicklung  eines 
so  reich  entfalteten  Pseudopodiennetzes,  wie  wir  es  bei  der  grossen 
Mehrzahl  der  Rhizopoden  antrafen. 

Ein  Theil  der  Heliozoa  besitzt  dann  weiterhin  noch  einen  besonderen 
Stützapparat  der  einzelnen  Pseudopodien,  eine  Einrichtung,  die  sich  bis 
jetzt  nur  noch  bei  gewissen  Radiolarien  vorgefunden  hat.  Durch  das  be- 
sondre Verhalten  dieser  fadenartigen  Axeustützen  der  Pseudopodien  im 
Innern  des  eigentlichen  Heliozoenkörpers  werden  noch  eine  Reihe  besondrer 
Organisationseigenthüralichkeiten  bedingt.  —  Ein  allmählicher  Fortschritt 
in  der  Ausbildung  des  Heliozoenorganismus  zeigt  sich  ferner  durch  die 
bei  den  höheren  Formen  meist  deutliche  Diiferenzirung  in  Ecto-  und  Ento- 
sark,  wie  durch  den  möglichen  Kernmangel  gewisser  niederer  Formen. 
Contraktile  Vacuolen  sind  sehr  allgemein  verbreitet,  doch  wird  ihr  gelegent- 
liches Fehlen,  nach  den  von  uns  schon  früher  entwickelten  Principien, 
keinen  Grund  zur  Abtrennung  dieser  Formen  bilden  können. 

Von  besondrem  Interesse  und  beachtenswerther  Wichtigkeit  sind  die 
Skeletelemente,  welche  sich  bei  zahlreichen  höheren  Formen  zum  Schutze 
des  Weichkörpers  entwickelt  haben.  Schon  die  durchaus  kieselige  Natur 
dieser  Skeletelemente  verräth  einen  tieferen  Unterschied  von  den  gewöhn- 
lichen Hüllbildungen  der  Rhizopoden,  nähere  Beziehungen  dagegen  zu  den 
Radiolarien.  Jedoch  ist  auch  die  morphologische  Entwicklung  dieser  Skelet- 
gebilde  ziemlich  verschieden  von  den  Hüllgebilden  der  Rhizopoden.  Ihre 
Bildung  scheinen  diese  Skelettheile  stets  auf  der  Oberfläche  des  Thier- 
körpers  durch  Abscheidung  des  Protoplasmas  zu  nehmen,  dagegen  er- 
strecken sie  sich,  soweit  bekannt,  nicht  in  das  Innere  des  Protoplasma- 
leibes, wie  dies  bei  einer  ziemlichen  Zahl  von  Radiolarien  gefunden  wird. 
Meist  sind  es  nur  lose  zusammenhängende,  kleine  Skeletgebilde,  sehr  ver- 
schiedenartiger Gestalt,  welche  eine  der  Oberfläche  des  Thierkörpers  mehr 
oder  minder  dicht  aufliegende,  kuglige,  lockre  Hülle  bilden.  Andrerseits 
kann  jedoch  auch  eine  allseitig  durchlöcherte,  zusammenhängende  Kiesel- 
hülle zur  Entwicklung  kommen.  Gewissen  Heliozoen  scheint  weiterhin  dauernd 
oder  vorübergehend  eine  gallertartige  Umhüllung  eigenthümlich  zu  sein. 

Die  Fortpflanzungsverhältnisse  verrathen,  soweit  bekannt,  ziemliche 
Uebereinstimmung  mit  denen  der  Rhizopoden.  Einfache  oder  mehrfach 
wiederholte  (wahrscheinlich  z.  Th.  auch  simultane)  Theilung  im  nackten 
oder  encystirten  Zustand  scheint  sehr  verbreitet  zu  sein.  Daneben  findet 
sich  jedoch  auch  die,  uns  schon  von  den  Rhizopoden  her  bekannte  Fort- 
pflanzung durch  Schwärmerbildung. 

Auf  Grundlage  der  vorstehenden  Erörterungen  können  wir  am  Schlüsse 
dieses  Abschnittes   die  in   der  Folge  zu  unterscheidenden  Hauptgruppen 


Weichkörper  (Protoplasma,  Ecto-  und  Entosark).  269 

kurz  charakterisiren.  Wir  fassen  die  nackten  skeletlosen  Formen  zunächst 
zu  einer  Gruppe  der  Aph  rotlioraca  zusammen,  reihen  hieran  die  kleine 
und  bis  jetzt  noch  wenig  sichere  Abtheilung  der  Chlamy  dophora,  der 
mit  gallertartiger  Hülle  versehenen  Formen ;  hieran  schliessen  sich  dann 
die  Heliozoen  mit  aus  losen  Skeletelementen  gebildeter  Kieselhülle  als 
Chalarothoraca  und  endlich  diejenigen  mit  zusammenhängender  kie- 
seliger Kugelhülle,  als  Desmothoraca  an. 

3.  Der  Bau  des  Weichkörpers  der  Heliozoa. 

Ein  näheres  Eingehen  auf  die  allgemeinen  Eigenthümlichkeiten  des 
Protoplfismas  der  Heliozoa  dürfen  wir  hier  füglich  unterlassen.  Im  Be- 
sonderen sei  nur  bemerkt,  dass  die  Consistenz  des  Plasmas  auch  hier 
eine  ziemlich  verschiedenartige  zu  sein  scheint,  wenn  es  erlaubt  ist,  hier- 
auf aus  der  grösseren  oder  geringeren  Intensität  der  Strömungserschei- 
nungen der  Pseudopodien  und  aus  dem  allgemeinen  optischen  Verhalten 
einen  Schluss  zu  ziehen. 

In  den  meisten  Fällen  besitzt  das  Protoplasma  keine  specifische 
Färbung,  sondern  zeigt  den  bläulichen  bis  grünlichen  Schimmer,  der  dem- 
selben überhaupt  unter  dem  Mikroskop  eigenthtimlich  ist. 

Doch  gibt  GreefF  für  zwei,  bis  jetzt  im  Ganzen  wenig  genau  bekannte  Formen  (Chondro- 
pus  viridis  und  Astrodisculus  flavescens)  eine  mehr  oder  minder  intensiv  gelbe  Färbung  des 
Plasmas  an,  während  Acanthocystis  flava  GrfF.  (wahrscheinlich  identisch  mit  A.  Pertyana  Arch.) 
eine  gelblichbraune  Körperfärbung  besitzt.  Ebenso  zeigen  die  nackten  Vampyrellen  sehr  ge- 
wöhnlich eine  verschieden  nüancirte,  anscheinend  diffuse  Färbung  des  Plasmas,  die,  wie  es 
nach  den  Cienkowsky'schen*)  Untersuchungen  (24,  41)  nicht  zweifelhaft  erscheint,  in  direktem 
Zusammenhange  mit  der  Art  der  aufgenomuienen  Nahrung  steht.  Die  auftretenden  Färbungen 
sind  verschiednes  Roth,  von  Hellroth  bis  Orange  und  lebhaftem  Ziegelroth ;  andrerseits  finden 
sich  dagegen  auch  mehr  bräunliche,  bis  sogar  ins  Grünliche  gehende  Färbungen;  seltner 
hingegen  trifft  man  ungefärbte  Exemplare.  Ob  in  diesen  Fällen  wirklich  eine  diffuse 
Färbung  des  Plasmas  vorliegt,  oder  ob  es  sich  nur  um  sehr  fein  vertheiltes  Pigment, 
wie  es  ja  bei  den  Heliozoen  so  verbreitet  ist,  handelt,  scheint  bis  jetzt  noch  kaum  hin- 
reichend sichergestellt.  Speciell  bei  dem  erwähnten  Chondropus  ist  es  sogar  fraglich,  ob  der 
gelbe,  von  Greeff  beschriebne  und  abgebildete  Sarkodesaum  thatsächlich  als  ein  solcher,  oder, 
wie  Archer  (42)  auch  vermuthet,  als  eine  gallertartige  Hüllbildung  in  Anspruch  zu  nehmen  ist. 

Der  plasmatische  Weichkörper  der  Heliozoa  erscheint  entweder  durch- 
aus gleichartig,  ohne  Differenzirung  in  besondre  Unterabschnitte  oder  es 
lässt  sich  ein  äusseres  Ectosark  (Rindenschicht)  und  ein  inneres  Entosark 
(Markschicht)  mehr  oder  weniger  deutlich  unterscheiden**). 

Was  zunächst  die  ersteren  Formen  betrifft,  so  dürfen  wir  sie  ohne  Zweifel  wegen  dieser 
gleichartigen  Beschaffenheit  des  Plasmas  als  die  einfacheren  und  niedriger  stehenden  betrachten. 
Dies  stimmt  auch  damit  überein,  dass  wir  die  grösste  Zahl  solcher  einfach  gebauten  Formen 


*)  Chlorophyllreiche  Nahrung  scheint  hauptsächlich  die  rothen  Färbungen  hervorzurufen, 
wogegen  ausschliessliche  Diatomaceennahrung  hellere  Nüancirung  bis  Farblosigkeit  zu  erzeugen 
scheint. 

**)  Die  erste  sichere  Unterscheidung  des  Ecto-  und  Entosarks  scheint  1848  von  Nicolet 
(8)  bei  Actinophrys  ausgeführt  worden  zu  sein,  worauf  dann  im  folgenden  Jahr  Kölliker  (9) 
das  Gleiche  bei  Actinosphaerium  zeigte. 


270  Hcliozoa. 

auch  unter  den  skeletlosen  antreffen  (von  den  skeletlosen  Formen  machen  nur  die  Gattungen 
Actinoloi)hus,  Actinophrys  und  Actinosphaerium  eine  Ausnahme).  Unter  den  Chlamydophora 
und  Chalarothoraca  scheint  dagegen  die  DifFerenzirung  dieser  beiden  Plasmaregionen  eine 
ziemlich  allgemeine  Verbreitung  zu  besitzen,  wenn  auch,  wie  natürlich,  bei  gewissen  Formen 
noch  keine  völlige  Sicherheit  bezüglich  dieses  Punktes  erreicht  ist.  Auffallend  erscheint  es 
unter  diesen  Verhältnissen,  dass  die  durch  ihre  vorzügliche  Skeletbildung  sich  auszeichnenden 
Desmothoraca  nach  den  übereinstimmenden  Angaben  der  Forscher  einer  solchen  Differenzirung 
völlig  ermangeln. 

Indem  wir  die  Besprechung  der  specielleren  Bildungsverhältnisse  und 
der  unterscheidenden  Momente  zwischen  Eeto-  und  Entosark  auf  später 
verschieben,  muss  jedoch  hier  hervorgehoben  werden,  dass  in  der  Aus- 
bildung dieser  Plasmaregionen  bei  den  Heliozoen  eine  nicht  zu  verken- 
nende Verschiedenheit  gegenüber  den  von  uns  schon  früherhin  erläuterten, 
entsprechenden  Diiferenzirungsverhältnissen  gewisser  Rhizopoda  sich  findet. 
Während  bei  den  letzteren  das  Ectosark  sich  gewöhnlich  durch  sehr 
homogene,  körnerfreie  Beschaffenheit  gegenüber  dem  körnigen,  die  Nah- 
rungskörper während  der  Verdauung  einschliessenden  Entosark  auszeichnet, 
finden  wir  hier  sehr  häufig,  jedoch  nicht  durchaus,  das  Umgekehrte. 
Ueber  die  gegenseitigen  Lagerungsbeziehungen  der  beiden  Plasmaregionen 
ist  zu  bemerken,  dass  das  Ectosark  natürlich  als  eine  mehr  oder  minder 
ansehnliche  Rindenschicht  das  centrale  Entosark  umscheidet,  ohne  dass 
jedoch  die  beiden  Regionen,  wie  der  homaxone  Bau  des  Heliozoenkörpers 
es  vermuthen  liesse,  sich  stets  völlig  concentrisch  umfassen. 

Das  letztere  ist  jedoch  ganz  sicher  der  Fall  bei  Actinophrys  und  Actinosphaerium 
(T.  XIV.  7a,  XV.  la,  Ib),  wo  das  Entosark  (M)  eine  centrale  Kugel  bildet,  die  von  einer, 
je  nach  dem  Alter  der  Thiere  verschieden  starken  Ectosarkhttlle  (K)  allseitig  umschlossen 
wird.  Inwiefern  sich  ein  derartiges  Verhalten  auch  bei  den  skeletführenden  Formen  findet, 
muss  noch  weiterer  Forschung  unterzogen  werden.  Gerade  bei  den  in  dieser  Hinsicht  best- 
gekannten Chalarothoraca  (Acanthocystis  hauptsächlich)  und  ebenso  bei  der  Gattung  Actinolo- 
phus  unter  den  Skeletlosen  findet  sich  ein  durch  E.  Hertwig  (43)  nachgewiesenes,  abweichen- 
des Verhalten.  Hier  liegt  die  den  Kern  umschliessende,  mehr  oder  minder  kuglige  Entosark- 
masse  entschieden  exceutrisch  zu  dem  Mittelpunkt  des  Gesammtkörpers ,  ja  sie  reicht  sogar 
an  einer  gewissen  Stelle  bis  zur  Körperoberfläche  heran,  so  dass  hier  das  Entosark,  unbedeckt 
von  Ectosark,  einen  Theil  der  Körperoberfläche  formirt  (XVI.  8a,  M).  Durch  diese  excen- 
trische  Lagerung  des  Eutosarks,  wodurch  gleichzeitig  eine  ebensolche  des  Kernes  veranlasst 
wird ,  erfährt  natürlich  auch  die  streng  homaxone  Bauweise  der  betreffenden  Heliozoen  eine 
Beeinträchtigung,  wenn  dieselbe  auch  in  der  äusserlichen  Gestaltung  nicht  in  Erschei- 
nung tritt. 

Die  Schärfe  der  Scheidung  zwischen  Ento-  und  Ectosark  ist  natürlich 
Verschiedenheiten  unterworfen  und  obgleich  beide  Regionen  thatsächlich 
allmählich  in  einander  übergehen,  so  ist  dieser  Uebergang  z.  Th.  doch 
ein  so  rascher,  dass  eine  ziemlich  scharfe  Grenze  zwischen  beiden  Regionen 

hervortritt. 

Es  wird  in  solchen  Fällen  nicht  sehr  verwunderlich  erscheinen,  dass  im  Zusammenhang 
mit  den  früher  geschilderten  Annäherungsversuchen  zwischen  Heliozoen  und  Eadiolarien, 
hauptsächlich  von  Greeff  für  eine  Anzahl  von  Formen  die  Ansicht  geltend  gemacht  wurde, 
dass  das  Entosark  der  Centralkapsel  der  Eadiolarien  zu  homologisiren  sei  (im  Speciellen  ge- 
schah dies  z.  B.  für  das  Actinosphaerium).  Im  Hinblick  auf  eine  derartige  Auffassung,  darf 
wohl  hier  nochmals  besonders  betont  werden,  dass  bis  jetzt  in  keinem  Falle  eine  wirkliche, 
membranartige  Grenzschicht  zwischen  Ento-  und  Ectosark  beobachtet  worden  ist ,   also  eine 


Weichkörper  (Ecto-  und  Entosark,  Vacuolisation).  271 

Einrichtung,  die  sich  der  Centralkapsclmembran  der  Radiolarien  an  die  Seite  stellen  liesse, 
völlig  fehlt*).  Auch  die  mehrfach  geäusserte  Ansicht,  dass  die  Entosarkmasse  der  Heliozoen 
gleichwohl  dem  in'rakapsulären  Protoplasma  der  Radiolarien  zu  homologisiren  sei,  dass  dem- 
nach unsre  Gruppe  gewissermaassen  den  Kadiolarienbau  in  sehr  unvollständig  ausgebildeter 
Form  vorführe,  kann  ich  keineswegs  für  wahrscheinlich  erachten,  doch  werden  die  Gründe 
hierfür  sich  besser  erst  später  bei  Besprechung  der  Radiolarien  entwickeln  lassen. 

Indem  wir  nun  zu  der  Besprechung  der  besonderen,  im  Protoplasma 
der  Heliozoen  sich  findenden  Einschlüsse  übergehen ,  werden  wir  gleich- 
zeitig Gelegenheit  haben,  die  Unterschiede  zwischen  den  beiden  Proto- 
plasmaregionen genauer  zu  entwickeln,  da  ihre  Differenz  vorzugs- 
weise auf  der  Natur  und  Vertheilung  dieser  Einschlüsse  beruht.  Zu- 
nächst wenden  wir  unsre  Aufmerksamkeit  den  Flüssigkeitsvacuolen  zu, 
die  gerade  bei  unseren  Heliozoen  häufig  eine  ganz  hervorragende  Rolle 
spielen.  Unter  diesen  sind  es  dann  wieder  die  nicht  contractilen  oder 
doch  wenigstens  die  nicht  rhythmisch  an-  und  abschwellenden,  welche  an 
erster  Stelle  betrachtet  zu  werden  verdienen.  Die  Entwickelung  derartiger 
Flüssigkeitsräume  im  Plasmaleibe  der  Heliozoa  ist  eine  ungemein  ver- 
breitete Erscheinung  und  es  dürfte  wohl  mit  Recht  bezweifelt  werden,  ob 
sie  irgend  einer  Form  gänzlich  fehlen,  wenn  auch  bis  jetzt  für  einzelne 
Arten  ihre  Gegenwart  nicht  mit  Bestimmtheit  angegeben  wird.  Was  ihre 
Vertheilung  im  Plasmaleib  betrifft,  so  finden  sie  sich  bei  mangelnder 
Scheidung  von  Ecto-  und  Entosark  meist  ohne  Regel  durch  den  ganzen 
Körper  vertheilt,  wogegen  die  höher  dififerenzirten  Formen  sehr  gewöhn- 
lich eine  mehr  oder  minder  ausgesprochene  Verschiedenheit  des  Ecto-  und 
Entosarks  in  Bezug  auf  die  Vertheilung  oder  das  sonstige  Verhalten  der 
Vacuolen  erkennen  lassen.  Aber  auch  hinsichtlich  der  Reichlichkeit  ihres 
Auftretens  macht  sich  ein  recht  verschiedenes  Verhalten  kenntlich;  wäh- 
rend sie  nämlich  bei  einem  Theil  der  Gattungen  nur  vereinzelt  oder  doch 
im  Ganzen  spärlich  zu  bemerken  sind,  treten  sie  bei  anderen  in  so  reich- 
licher Zahl  auf,  dass  das  gesammte  Protoplasma  die  alveoläre  oder 
vacuolisirte  Beschaffenheit  annimmt,  die  uns  schon  bei  einzelnen  Rhizo- 
poden  aufstiess.  —  Doch  ist  auch  der  Vacuolenreichthum  bei  einem  und 
demselben  Individuum  Schwankungen  unterworfen  und  werden  wir  später 
noch  zu  erwähnen  Gelegenheit  haben ,  dass  selbst  solche  Formen ,  für 
welche  die  Vacuolisation  durchaus  eigenthümlich  und  constant  erscheint, 
dieselbe  in  gewissen  Lebensperioden  völlig  einbüssen  können. 

unter  den  einfacheren,  nackten  Formen  zeigt  sich  eine  reichliche  Vacuolisation,  ja  z.  Th. 
ein  ganz  schaumiges  Plasma  bei  der  Gatt.  Nuclearia  und  ähnlich  auch  bei  gewissen  Formen 
oder  doch  unter  gewissen  Lebensverhältnissen  bei  Vampyrella,  während  andererseits  die 
Vacuolen    hier   zuweilen  nur  sehr  spärlich  gefunden  werden.     Ein  Beispiel   für  sehr  geringe 


*)  Greeff  (27)  hat  zwar  speciell  für  Actinosphaerium  eine  membranartige  Protoplasma- 
hülle um  die  Entosarkmasse  nachzuweisen  versucht,  und  hierin  ein  Homologon  der  Central- 
kapsclmembran der  Radiolarien  erblickt,  jedoch  haben  —  abgesehen  von  der  schon  an  und 
für  sich  wenig  bedeutungsvollen  Vergleichung  einer  Protoplasmahülle  und  einer  chitinösen 
Membran  —  die  späteren  üntersucher,  F.  E.  Schulze  wie  Hertwig  und  Lesser,  eine  derartige 
Protoplasmamembran  um  die  Entosarkmasse  nicht  nachzuweisen  vermocht. 


L 


272  Heliozoa. 

Entwickelung  der  Vacuolen,  ja  wohl  zeitweisen  völligen  Mangel  derselben"  bietet  unter  den 
Skeletlosen  die  Gatt.  Actinolophus  dar  und  unter  den  skeletführenden  Formen  scheint  sich 
keine  zu  finden,  bei  welcher  von  einer  Vacuolisation  des  Plasmas  die  Rede  sein  könnte, 
wenn  auch  spärliche  Vacuolen  wohl  überall  gelegentlich  angetroffen  werden. 

Eiae  ganz  besondere  Entwickelung  erreichen  die  Vacuolen  bei  zwei 
typischen  skeletlosen  Heliozoenformen ,  den  Gattungen  Actinophrys  und 
Actinosphaerium.  Hier  ist  der  Reichthum  an  Vacuolen  so  gross,  dass 
eine  völlig  alveoläre  Bildung  des  Plasmas,  wenigstens  in  gewissen  Regionen, 
eingetreten  ist,  wodurch  denn  auch  gelegentlich  mannigfache  Missdeutungen 
dieser  Organisationsverhältnisse  hervorgerufen  wurden. 

Etwas  einfachere  Verhältnisse  bietet  die  kleinere  Actinophrysform 
dar,  indem  sich  die  Vacuolen  hier  auf  das  verhältnissmässig  sehr  dicke 
Ectosark  beschränken  (XIV,  7  a).  Sie  liegen  darin  so  dicht  gedrängt, 
dass  die  sie  scheidenden  Plasmamassen  zu  dünnen  Scheidewänden  werden. 
Die  grössten,  häufig  auch  etwas  convex  über  die  Oberfläche  des  Thier- 
körpers  vorspringenden  Vacuolen  liegen  nach  aussen,  nach  innen  nehmen 
sie  allmählich  an  Grösse  ab ;  das  wenig  umfangreiche  Entosark,  welches  den 
central  gelegnen  Kern  umschliesst,  und  sehr  allmählich  in  das  Ectosark 
übergeht,  ist  hier  ganz  vacuoleufrei.  Anders  hingegen  gestalten  sich  die 
Verhältnisse  bei  dem  grösseren  Actinosphaerium  (XV.  1  a — 1  b) ;  hier  er- 
scheint das  gesammte  Plasma,  Ectosark  (R)  sowohl  wie  Entosark  (M), 
durchaus  vacuolär,  jedoch  unterscheiden  sich  beide  Regionen  durch  die 
Beschaffenheit  und  die  Anordnung  der  Vacuolen.  Das  Entosark  ist  von 
zahlreichen  kleineren  und  ohne  besondere  Anordnung  zusammengelagerten 
Vacuolen  ganz  durchsetzt,  auch  scheinen  dieselben  hier  im  allgemeinen 
durch  etwas  stärkere  Plasmazwischenwände  geschieden  zu  sein,  wenn  sie 
auch  gewöhnlich  so  dicht  zusammengedrängt  sind,  dass  sie  sich  gegen- 
seitig polygonal  abplatten.  Die  bei  erwachsenen  Thieren  etwa  Vio — V»; 
des  Gesammtdurchmessers  erreichende  Ectosarkschicht  weist  grössere 
Vacuolen  auf,  welche  hauptsächlich  im  jugendlichen  Zustand,  wo  sie  nur 
eine  einzige  Lage  im  sehr  ansehnlich  dicken  Ectosark  bilden,  eine  sehr 
regelmässig  radiäre  Anordnung  besitzen,  sich  gegenseitig  in  radialer  Rich- 
tung abplattend.  Im  erwachsenen  Zustand  liegen  gewöhnlich  mehrere 
Schichten  von  Rindenvacuolen  über  einander  (XV.  Ib,  R),  womit  denn 
auch  die  radiäre  Anordnung  etwas  an  Regelmässigkeit  verloren  hat. 

Diese  Verschiedenheit  der  Vacuolen  Bildung  und  -Anordnung  im  Ecto- 
und  Entosark  des  Actinosphaerium  ist  Ursache,  dass  hier  eine  ziemlich 
scharfe  Grenze  zwischen  den  beiden  Plasmaregionen  sich  findet,  obgleich 
natürlich  die  eigentliche  Plasmamasse  beider  unmittelbar  in  einander 
übergeht;  die  Bestimmtheit  dieser  Grenze  wird  noch  dadurch  erhöht,  dass 
nach  F.  E.  Schulze  (38,  I.)  die  Vacuolen  der  äussersten  Grenzregion  des 
Entosarks  sich  durch  Kleinheit  auszeichnen ,  wie  denn  hier  auch  die 
dunkeln  Körnchen,  welche  eine  Auszeichnung  des  Entosarks  bilden,-  be- 
sonders reichlich  angehäuft  sind.  Im  Ganzen  macht  diese  Grenzregion 
des  Entosarks  den  Eindruck  grösserer  Dichtigkeit  und  Festigkeit. 


Bau  des  Weiehkörpers  (Vacuolisation).  273 

Trotz  ihrer  grossen  Constanz  sind  diese  Vacuolen  von  Actinophrys 
und  Actinosphaeriiim  dennoch  vergängliche  Gebilde,  wenn  sie  auch  unter 
den  gewöhnlichen  Lebensverhältnissen  wohl  nur  gelegentlich  und  vereinzelt 
schwinden  und  sich  wieder  neu  bilden.  Dagegen  ist  für  beide  Gattungen 
durch  die  Untersuchungen  Hertwig  und  Lesser's  (39),  sowie  die  Ktihne's*) 
bekannt,  dass  sowohl  durch  heftige  mechanische,  wie  elektrische  Reizung 
ein  Schwinden  der  Vacuolen  des  Ectosarks  eintritt.  Hertwig  und  Lesser 
sprechen  von  einem  Collabiren  derselben,  Kühne  hingegen  lässt  dieselben 
bei  Aetinophrys  platzen  und  sich  entleeren.  Mir  scheint  das  Letztere 
überhaupt  mehr  Wahrscheinlichkeit  für  sich  zu  haben.  Das  Schwinden 
der  Vacuolen  kann  schliesslich  bei  Actinosphaerium  so  weit  gehen,  dass 
das  Ectosark  völlig  homogen  und  vacuolenfrei  wird. 

Bei  beiden  Heliozoenformen  wird  dadurch  jedoch  die  Lebensthätigkeit 
nicht  im  geringsten  beeinträchtigt,  indem  nach  einiger  Zeit  die  Neubildung 
der  Vacuolen  beginnt  und  schliesslich  das  Thier  sich  völlig  wieder  zu 
seinem  ursprünglichen  Zustand  restituirt.  Die  Neubildung  der  Ectosark- 
vacuolen  bei  Actinosphaerium  machte  auf  Hertwig  und  Lesser  den  Ein- 
druck, als  wenn  Flüssigkeit  aus  den  centralen  Partien  in  die  homogen 
gewordene  Rinde  eindringe.  Aber  auch  ohne  solche  Veranlassung  durch 
äussere  Reizung  tritt  im  Leben  der  beiden  genannten  Gattungen  zuweilen 
ein  Schwinden  der  Vacuolen  ein,  ja  noch  weitergehend,  indem  für  Actino- 
sphaerium dann  auch  die  Entosarkmasse  devacuolisirt  wird.  Dieser  Fall 
ereignet  sich,  wie  wir  später  noch  genauer  zu  erörtern  haben  werden,  bei 
dem  Uebergang  in  den  encystirten  Zustand,  der  hierdurch  eingeleitet  wird. 

Ob  sich  auch  sonst  gelegentlich  eine  völlige  Rückbildung  der  Vacuolen 
bei  einer  der  beiden  in  Frage  stehenden  Gattungen  ereignet,  scheint  sehr 
unwahrscheinlich,  denn  die  Angabe  Carter's  (23),  dass  er  manchmal  Aetino- 
phrys sol  ganz  vacuolenfrei  beobachtet  habe,  kann  einmal  von  der  zu- 
weilen nicht  geringen  Schwierigkeit  herrühren,  welche  die  Beobachtung 
der  Vacuolen  gerade  bei  dieser  Form  nach  dem  übereinstimmenden  Urtheil 
der  Forscher  häufig  bereitet,  andererseits  könnte  sie  jedoch  auch  durch 
Verwechselung  mit  einer  anderen  Heliozoenform  hervorgerufen  wor- 
den sein. 

Im  Anschluss  an  die  vorstehende  Besprechung  der  Vacuolen  verdient 
fernerhin  Erwähnung,  dass  auch  bei  unserer  Abtheilung,  wie  wir  solches 
schon  mehrfach  bei  den  Rhizopoden  zu  verzeichnen  hatten,  die  aufge- 
nommenen Nahrungskörper  sehr  allgemein  von  sogen.  Nahrungsvacuolen 
eingeschlossen  und  hierin  der  Assimilation  unterzogen  werden,  lieber  die 
Bildung  dieser  Vacuolen  herrscht  keineswegs  hinreichende  Sicherheit.  Bei 
Aetinophrys  und  Actinosphaerium,  wo  bis  jetzt  die  eingehendsten  Studien 
über  diese  Verhältnisse  angestellt  worden  sind,  scheint  es  nicht,  dass  es 
peripherische  Vacuolen  des  Ectosarks  sind,  in  welche  die  Nahrung  auf- 
genommen  wird  und  welche  so  zu  Nahrungsvacuolen  würden,   wie  dies 


*)  Untersuchungen  über  das  Protoi^Iasma.    Leipzig  1864. 

Bronn,  Klassen  des  Thier-Eeichs.     Protozoa.  18 


^74  Heliozoa. 

mehrfach  vermuthet  wurde,  sondern  es  ist  wahrscheinlicher,  dass  sich 
solche  Nahrungsvacuolen  durch  Flüssigkeitssekretion  um  die  aufgenom- 
mene Nahrung  bilden.  Weiteres  über  diese  Frage  wird  sich  dann  noch 
besser  bei  Besprechung  der  Nahrungsaufnahme  mittheilen  lassen. 

Wenden  wir  uns  im  Verlaufe  unserer  Darstellung  jetzt  sogleich  zu 
den  sogenannten  contractilen  Vacuolen,  die  wie  bei  den  Süsswasser- 
rhizopoden  auch  hier  eine  weite  Verbreitung  besitzen.  Dennoch  haben 
wir  auch  in  dieser  Abtheilung  eine  Reihe  von  Formen  zu  verzeich- 
nen, welchen  solche  Einrichtungen  völlig  zu  fehlen  scheinen,  wenn  sie 
nicht  zum  Theil  durch  sehr  unregelmässig  schwindende  und  sich 
neubildende  Vacuolen  der  schon  beschriebenen  Art  functionell  vertreten 
werden. 

Speciell  bei  den  skeletlosen  Formen  scheint  der  Mangel  contractiler  Vacuolen  z.  Th. 
ziemlich  sicher  zu  sein.  So  werden  sie  für  Vampyrella  und  Myxastrum  von  den  Beobachtern 
entschieden  in  Abrede  gestellt;  auch  bei  Actinolophus  vermisste  F.  E.  Schulze  jegliche 
Vacuolenbildung,  obgleich  das  Objekt  der  Beobachtung  günstig  scheint.  Abweichend  verhält 
sich  dagegen  die  mit  Vampyrella  nahe  verwandte  Gattung  Nucicaria,  indem  ihre  gewöhnlich 
sehr  zahlreichen  Vacuolen,  die  schon  oben  Gegenstand  unserer  Besprecliung  waren,  nach 
Cienkowsky  langsam  schwinden  und  wieder  auftauchen  (XIV.  1  a),  wogegen  F.  E.  Schulze  die 
Pulsation  dieser  Vacuolen  etwas  mehr  in  der  gewöhnlichen  Weise  beschreibt,  indem  er  ihre 
Contraktion  plötzlich  (also  jedenfalls  nicht  langsam)  vor  sich  gehen  lässt  und  bei  Gegenwart 
nur  weniger  grosser  Vacuolen  sie  auch,  im  Zustand  der  Füllung,  über  die  Körperoberfläche 
vorspringen  sah ,  wie  dies  von  den  echten ,  contractilen  Vacuolen  zahlreicher  Heliozoen  be- 
kannt ist*).     GreelF  schliesslich  leugnet  die  Contractilität  der  Nucleariavacuolen  völlig. 

Sehr  wohl  entwickelt  sind  die  contractilen  Vacuolen  bei  den  Gattungen  Actinojihrys  und 
Actinosphaerium  und  sind  weiterhin  bei  den  skeletführenden  Formen  sehr  verbreitet.  Immer- 
hin konnte  ihre  Anwesenheit  bei  diesen  letzteren  bis  jetzt  noch  nicht  allseitig  constatirt  wer- 
den, ja  es  sind  eine  Eeihe  von  Gattungen  zu  verzeichnen ,  bei  welchen  bis  jetzt  für  gewisse 
Formen  das  Vorhandensein  der  contractilen  Vacuolen  mit  Bestimmtheit  angegeben  wird,  wäh- 
rend sie  anderen  abgesprochen  werden  (so  z.  B.  Heterophrys ,  Kaphidiophrys ,  Pompholyxo- 
phrys);  inwiefern  hier  nur  Schwierigkeit  der  Beobachtung  die  Wahrnehmung  verhinderte, 
oder  thatsächlich  verschiedenes  Verhalten  vorliegt,  wird  erst  durch  weitere  Untersuchungen 
festzustellen  sein. 

Was  die  Zahl  der  vorhandenen  contractilen  Vacuolen  betrifift,  so 
herrscht  hierin  grosse  Variabilität.  Während  Actiuophrys  für  gewöhnlich 
eine  einzige,  jedoch  meist  recht  ansehnliche  Vacuole  aufweist  (XIV. 
7a,  cv),  finden  wir  bei  Actinosphaerium  gewöhnlich  zwei  (XV.  la,  cv), 
jedoch  zuweilen  auch  mehr,  bis  zu  fünf.  Eine  grössere  Zahl  contractiler 
Vacuolen  zeigen  gewöhnlich  auch  die  skeletführenden  Formen,  so  sind 
z.  B.  bei  Heterophrys  bis  4,  bei  Kaphidiophrys  pallida  bis  20,  bei  Acantho- 
cystis  z.  Th.  sehr  zahlreiche  contractile  Vacuolen  gefunden  worden.  Es 
braucht  hiernach  kaum  besonders  hervorgehoben  zu  werden,  dass  ihre 
Zahl  bei  bestimmten  Formen  keineswegs  constant  ist,  wenn  auch  ge- 
wisse Grenzen  durchaus  eingehalten  zu  werden  scheinen. 

Ihre  Lage  haben  die  Vacuolen  auch  hier  durchaus,  wenigstens  im 
gefüllten  und  der  Contraction  nahen  Zustand,  dicht  unterhalb  der  Körper- 


*)  F.  E.  Schulze  blieb  jedoch  zweifelhaft,  ob  sämmtlichen  Vacuolen,  wie  dies  nach  der 
Gienkowsky'schen  Schilderung  erscheint,  dieses  Contraktionsvermögen  zukommt. 


Bau  des  Weichkörpers  (Contractile  Vacuolcn).  275 

Oberfläche,  demnach  bei  denjenigen  Formen,  welche  eine  Diiferenzirung 
in  die  beiden  bekannten  Körperregionen  aufweisen,  im  Ectosark.  Je 
nach  ihrer  Annäherung  an  die  Körperoberfläche  und  dem  Grad  ihrer  An- 
schwellung vor  der  Contraktion,  zeigen  sie  uns  ein  etwas  verschiedenes 
Verhalten,  Liegen  sie  etwas  tiefer  unter  der  Oberfläche  und  ist  ihre 
Füllung  eine  massige,  so  machen  sie  sich  während  der  Diastole  nicht 
durch  eine  Hervortreibung  der  Körperoberfläche  merklich,  wogegen  letz- 
teres Verhalten,  z.  Th.  in  sehr  entwickelter  Weise,  eintreten  kann,  wenn 
ihre  Lagerung  eine  sehr  oberflächliche  und  ihre  Anschwellung  eine  recht 
beträchtliche  ist.  Für  das  erstere  Verhalten  bietet  uns  die  Gattung  Acantho- 
cystis  (XVL)  ein  gutes  Beispiel,  auch  Raphidiophrys  (XVL  2)  zeigt  nur 
geringes  Vorspringen  der  Vacuolen,  und  zwar  erst  zu  Beginn  der  Con- 
traktion. Recht  verbreitet  erscheint  dagegen  das  zweite  Verhalten ;  es 
lässt  sich  unter  den  skeletführenden  Formen  z.  B.  gut  beobachten  bei 
Heterophrys  und  Sphaerastrum  (=  Heterophrys  Fockii  Arch.),  sowie 
Clathrulina;  als  trefi'lichste  Beispiele  dieses  Verhaltens  bieten  sich  jedoch 
die  beiden  skeletlosen  Gattungen  Actinophrys  und  Actinosphaerium  dar. 
Hier  springen  die  contractilen  Vacuolen  im  Zustand  der  Diastole  weit, 
halbkuglig  über  die  Oberfläche  des  Thierkörpers,  zwischen  den  Basen  der 
Pseudopodien  vor;  bei  Actinosphaerium,  wo  die  in  Mehrzahl  vorhandenen 
Vacuolen  relativ  kleiner  bleiben,  sind  sie  weniger  augenfällig  (XV.  1  a,  cv) ; 
bei  Actinophrys  hingegen  (XIV.  7a,  cv)  erreicht  die  einfache  Vacuole 
meist  eine  sehr  beträchtliche  Grösse,  zuweilen  im  Moment  der  höchsten 
Füllung  ^/g  des  Körperdurchmessers,  ja  sogar  nahezu  die  Grösse  des 
übrigen  Körpers. 

Jedenfalls  zeigen  die  seither  hinsichtlich  der  contractilen  Vacuolen  bei  den  beiden 
erwähnten  Gattungen  angestellten  Beobaclitungen,  dass  dieselben  Gebilde  besonderer  Art 
sind  und  den  übrigen  Vacuolen  nicht  direct  an  die  Seite  gestellt  werden  dürfen;  dass 
z.  B.  die  Ansicht  Grenacher's,  der  bei  Actinophrys  die  Umbildung  einer  beliebigen 
Vacuole  der  Körperoberfläche  zu  einer  contractilen  für  möglich  und  wahrscheinlich  hält,  jeden- 
falls wenig  Berechtigung  hat.  Grenacher  führt  als  Beweis  seiner  Ansicht  eine  Beobachtung 
an,  die  aber  keine  grosse  Sicherheit  zu  besitzen  scheint;  er  sah  nämlich  einmal  bei  einer 
Actinophrys  die  Vacuole  ihre  Thätigkeit  einstellen,  dafür  jedoch  an  dem  gegenüberstehenden 
Körperpol'  eine  neue  Vacuole  sich  entwickeln. 

Wie  jetzt  für  die  contractilen  Vacuolen  der  einzelligen  Organismen 
allgemein  anerkannt  ist:  dass  sie  einfache  mit  Flüssigkeit  erfüllte,  jedoch 
nicht  mit  discreter  Membran  umkleidete  Räume  im  Plasma  darstellen,  so  hat 
sich  durch  die  neueren  Beobachtungen  diese  Anschauung  auch  für  die 
Heliozoen  im  Speciellen  allseitig  bewahrheitet.  Gerade  für  diese  Formen 
wurde  jedoch  früherhin  häufig  die  Existenz  einer  besondern  Vacuolen- 
merabran  vertheidigt;  ja  Claparede  glaubte  einst,  die  contractile  Va- 
cuole von  Actinophrys  mit  einer  Zelle  vergleichen  zu  dürfen. 

Etwas  besser  wie  bei  den  Rhizopoden  wurde  bei  unserer  Abtheilung 
die  functionelle  Bedeutung  der  contractilen  Vacuolen  aufgeklärt,  wenn 
auch  bis  jetzt  hierüber  noch  keine  völlige  Sicherheit  erreicht  ist.  Ein 
Urtheil  über   die   Bedeutung  der  Vacuolen  lässt  sich  natürlich  vor  allem 

18* 


276  Heliozoa. 

ans  einer  genauen  Beobachtimg  ihres  Bildungs-  und  Contraelionsvorgangs 
mit  Berücksichtigung  der  begleitenden  Erscheinungen  erlangen.  Hierzu 
jedoch  erscheinen  wieder  die  ansehnlichen  Vacuolen  der  Actinophryen 
besonders  geeignet.  Wir  sehen  hier  ab  von  einer  genaueren  Besprechung 
irrthümlicher,  älterer  Vermuthungen,  wie  z.  B.  derjenigen  Stein's,  der  ein 
die  Nahrung  aufnehmendes  Organ  in  ihnen  erkennen  wollte. 

Ueber  die  Entstehung  der  Vacuolen  nach  ihrer  Contraktion  liegen 
bis  jetzt  wenige  Beobachtungen  vor,  jedoch  scheint  die  Neubildung  hier 
gewöhnlich  nicht,  wie  dies  bei  Rhizopoden  und  Infusorien  vielfach  beob- 
achtet wurde,  durch  Zusammenfluss  mehrerer  kleiner  Vacuolen  stattzu- 
finden, sondern  sich,  an  Stelle  der  geschwundenen,  alten  Vacuole  eine 
von  Anfang  an  einheitliche,  neue  zu  entwickeln,  wobei  zuweilen  ein  Rest 
der  alten  Vacuole  als  Centrum  für  die  neue  Anfüllung  fungirt*). 

Die  Contraktion  selbst  erfolgt  sehr  plötzlich,  ruckartig  und  hierbei 
fällt  die  hoch  emporgewölbte,  äussere,  dünne  Vacuolen  wand  in  sich  zu- 
sammen, sich  zuweilen  deutlich  faltend,  ja  auch  bruchsackartige  Aus- 
sackungen erzeugend;  nach  völligem  Schwund  der  Vacuole  ist  zu- 
weilen au  Stelle  des  früheren  Vorsprungs  eine  deutliche  Abflachung 
(Actinophrys)  oder  auch  eine  concave  (Actinosphaerium)  bis  trichterförmige 
(Raphidiophrys  pallida)  Einsenkung  zu  beobachten.  Mit  den  Faltungen 
der  eingesunkenen  Vacuolenwand  dürfte  vielleicht  auch  der  haarähnliche 
Besatz  in  Zusammenhang  zu  bringen  sein,  den  Wallich  (19a)  auf  der 
eingesunkenen  Stelle  bei  Actinosphaerium  beobachtet  hat**),  wogegen 
Archer  ***)  einen  solchen  Besatz  zuweilen  bei  einer  Varietät  von 
Actinophrys  (wahrscheinlich  war  dieselbe  jedoch  gleichfalls  Actino- 
sphaerium) auf  der  Peripherie  der  angeschwollenen  Vacuolen  wahrgenom- 
men haben  will.  Vielleicht  lassen  sich  jedoch  diese  haarähnlichen  Fort- 
satzbildungen auch  mit  denjenigen  vergleichen,  die,  wie  wir  früher 
sahen,  häufig  das  Hinterende  der  Amöben  auszeichnen. 

Eine  Anschwellung  der  benachbarten  Vacuolen  während  der  Con- 
traktion der  pulsirenden  wurde  bis  jetzt  mit  Sicherheit  noch  nie  beob- 
achtet. Hinsichtlich  der  Function  der  Vacuole  glaubt  sich  nun  Zenker 
(25)  bei  Actinosphaerium  mit  Sicherheit  überzeugt  zu  haben,  dass  dieselbe 
in  einer  Entleerung  der  Vacuolenflüssigkeit  nach  Aussen  bestehe,  im 
Gegensatz  zu  der  früherhin  ziemlich  verbreiteten  und  hauptsächlich  von 
Claparede  für  Actinophrys  (13)  vertheidigten  Auffassung  derselben  als 
Cirkulationsorgan ,  wonach  also  die  sich  in  ihr  ansammelnde  Flüssigkeit 
wieder  in  den  Körper  zurückgetrieben  würde.  Zenker  stützt  seine  Ansicht 
auf  die  directe  Beobachtung  eines,  bei  Beginn  der  Systole,  an  einer  schon 
vorher  verdünnten  Stelle  der  äusseren  Vacuolenwand  sich  bildenden 
Risses,  durch  welchen  die  Entleerung  stattfinde  und  dessen  Ränder  wäh- 


*)  Nach  Hertwig  und  Lesser  bei  Actinophrys  stets. 
**)  Spitzige  Fortsätze  auf  der  zusammengefallenen  Blase    beschreibt  auch  Lieberkiihn ; 
dieselbe  soll  jedoch  nach  ihm  auch  im  collabirten  Zustand  noch  als  Heryortreibung  erscheinen. 
***)  Quarterl.  journ.  micr.  sc.  Vol.  16.  p.  299. 


Bau  des  Weichkörpers  (Contractile  Vaciiolen).  277 

reud  dieses  Vorgangs  deutlich  in  flatternder  Bewegung  gesehen  wurden. 
Einige  Zeit  nach  dem  Zusammenfallen  der  Blase  sollen  die  Eissräuder 
wieder  mit  einander  verschmelzen  und  hierauf  die  Wiederanschwellung 
der  Vacuole  beginnen.  Spätere  Beobachter  des  Actinosphaerium ,  wie 
Lieberkühn  und  F.  E.  Schulze  konnten  sich  jedoch  von  der  Bildung 
eines  solchen  Kisses  nicht  überzeugen  und  auch  Hertwig  und  Lesser 
stellen  das  Einreissen  der  Blasenwand  für  Actinophrys  entschieden  in 
Abrede.  Dennoch  hält  F.  E.  Schulze  nach  seinen  Beobachtungen  an 
Raphidiophrys  die  Entleerung  der  Vacuolenflüssigkeit  für  sehr  wahrschein- 
lich, während  Hertwig  und  Lesser  über  diesen  Punkt  unentschieden  ge- 
blieben sind.  Wenn  wir  jedoch  sehen,  dass  durch  die  neueren  Unter- 
suchungen die  Entleerung  der  contractilen  Vacuole  der  Infusorien  wohl 
unzweifelhaft  bewiesen  erscheint,  so  dürfen  wir,  glaube  ich,  die  Zenker'- 
sche  Beobachtung,  trotz  der  bis  jetzt  noch  mangelnden  Bestätigung,  nicht 
mit  zu  grossem  Misstrauen  betrachten,  da  einmal,  wenn  eine  Entleerung, 
wie  dies  ja  höchst  wahrscheinlich,  thatsächlich  erfolgt,  diese  doch 
wohl  nur  vermittels  einer  solchen  Rissbildung  stattfinden  kann,  und 
andererseits  solche  höchst  subtilen  Wahrnehmungen  zu  ihrem  Gelingen 
häufig  besonders  glücklicher  Bedingungen  bedürfen,  hinsichtlich  derer  ja 
Zenker  ausnahmsweise  begünstigt  gewesen  sein  mag. 

Halten  wir  aber  mit  Zenker  die  Entleerung  der  Vacuole  für  das 
wahrscheinlichste,  so  dürfen  wir  uns  auch  wohl  hinsichtlich  ihrer  weiteren 
Bedeutung  seinen  Standpunkt  aneignen  und  in  ihr  ein  Organ  erkennen, 
das  zunächst  dem  energischen  Wasserwechsel  des  Heliozoenkörpers  vor- 
steht und  im  Weiteren  den  Respirationserscheinungen,  welche  mit  diesem 
Wasserwechsel  Hand  in  Hand  gehen*).  Unannehmbar  jedoch  scheint 
die  Vorstellung,  welche  sich  F.  E.  Schulze  (38,  L)  von  der  Entstehung  der 
Vacuole  bei  Actinosphaerium:  durch  Endosmose  aus  dem  umgebenden 
Wasser,  gebildet  hat.  Zwar  mag  die  Beobachtung  ganz  gegründet  sein, 
dass  die  umgebenden  Vacuolen  während  der  Diastole  der  contractilen 
keine  Volumverminderung  erfahren ;  jedoch  geht  auch  die  Füllung  ziem- 
lich allmählich  vor  sich  (10 — 80  Sekunden  bei  Actinophrys  nach  Weston) 
und  andererseits  spricht  auch,  wenn  wir  die  Erscheinungen  bei  den  In- 
fusorien berücksichtigen,  vieles  dafür,  dass  die  Füllung  der  contractilen 
Vacuolen  gar  nicht  direct  auf  Kosten  der  nichtcontractilen  zu  erwarten 
ist,  sondern  dass  sie  aus  dem  Plasma  unmittelbar  gespeist  werden.  Die 
durch  die  Vacuole  nach  Aussen  entleerte  Flüssigkeit  wird  daher  wohl  als 
allseitig  in  den  Körper  endosmotisch  aufgenommene,  nicht  jedoch  als 
von  Aussen  speciell  in  die  Vacuole  diffundirte  betrachtet  werden 
müssen. 

Eine  kurze  Betrachtung  müssen  wir  hier  ferner  den  zahlreichen  und 
verschiedenartigen,  körnigen  Einschlüssen,  die  im  Plasmakörper  der  Helio- 


*)  Für  Actinophrys  hat  schon  Weston  1 856  die  contractile  Vacuole  als  ßespirationsorgan 
beansprucht,  ohne  natürlich  diese  Ansicht  näher  zu  begründen  (16). 


278  Heliozoa. 

zoen  vorkommen,  widmen.  Wir  sehen  hier  ab  von  jenen  feinsten  Körnchen, 
die  auch  dem  scheinbar  homogenen  Plasma  gewöhnlich  ein  sehr  fein- 
granulirtes  Aussehen  verleihen.  Die  gröberen,  körnigen  Einschlüsse  sind 
theils  angefärbt,  theils  gefärbt  und  wirken  dann  gleichzeitig  als  Pigmente, 
welche  bei  reichlicherem  Vorkommen  dem  ganzen  Heliozoenkörper  eine  be- 
stimmte Färbung  ertheilen  können.  Unser  besonderes  Interesse  verdienen 
diese  Einschlüsse  auch  noch  deshalb,  weil  ihre  Vertheilung  gewöhnlich  die 
Differenzirung  von  Ecto-  und  Entosark  sehr  wesentlich  mit  bewerkstelligen 
hilft.  Ueber  die  chemische  Natur  dieser  körnigen  Einschlüsse  ist  im 
Ganzen  wenig  Sicheres  bekannt.  Die  ungefärbten,  von  mehr  oder  weniger 
fettglänzendem  Aussehen  und  scharfen  Contouren  scheinen  z.  Th.  mit 
Recht  als  fettartige  Gebilde  betrachtet  zu  werden,  doch  werden  sich 
dieselben  bei  genauerer  Untersuchung  wohl  z.  Th.  auch  als  den  schon 
bei  den  Rhizopoden  erwähnten  sogen.  Excretkörnchen  entsprechend  er- 
weisen, namentlich  dürfen  dahin  wohl  die  scharf  co"ntourirten,  rhombischen 
Krystalle  gerechnet  werden,  welche  Hertwig  und  Lesser  in  dem  Ectosark 
von  Heterophrys  myriopoda  Arch.  (marina  H.  u.  L.)  fanden ;  auch  die  fei- 
nen Körnchen,  welche  häufig  in  Molekularbewegung  in  den  Rindenalveolen 
des  Actinosphaerium  angetroffen  werden,  dürften  wahrscheinlich  derselben 
Kategorie  von  Einschlüssen  zuzutheilen  sein.  Mögen  diese  körnigen  Ein- 
schlüsse nun  von  der  einen  oder  anderen  Art  sein,  so  wird  ihre,  speciell 
für  Actinosphaerium  von  KöUiker,  jedoch  auch  für  andere  Formen  von 
anderer  Seite  betonte  Zunahme  mit  reichlicher  Ernährung  verständlich  er- 
scheinen. Wie  schon  bemerkt,  ist  die  Vertheilung  solcher  Einschlüsse 
häufig  sehr  charakteristisch;  so  finden  wir  bei  Actinosphaerium  kleine, 
dunkle  Körnchen  vorzugsweise  reichlich  in  der  Marksubstanz  (Entosark) 
angehäuft,  welche  vorzüglich  hierdurch  ihre  dunklere  Färbung  erhält  (XV. 
1  b,  M)  *).  Hiermit  stimmt  denn  überein,  dass  hier  die  Marksubstanz  auch 
der  Sitz  der  Assimilation  ist.  Das  Umgekehrte  scheint  bei  den  übrigen 
Heliozoen  mit  differenzirtem  Ecto-  und  Entosark  durchaus  der  Fall  zu 
sein.  So  treffen  wir  letzteres  Verhalten  sehr  wohl  ausgeprägt  bei  Actino- 
phrys,  wie  schon  Stein  1854  (14)  sehr  wohl  beobachtet  hat;  hier  ist  die 
nur  gering  entwickelte,  centrale  Entosark-  (oder  Mark-)masse  sehr  fein- 
körnig, wogegen  sich  in  dem  vacuolirten  Ectosark  zahlreiche  grössere, 
jedoch  immerhin  keine  beträchtliche  Grösse  erreichende,  fettglänzende 
Körnchen  finden  (XIV.  7  a).  Aehnliches  ist  ferner  bei  den  Chlamydophora 
und  Chalarothoraca  sehr  verbreitet,  so  z.  B.  sehr  deutlich  zu  beobachten 
bei  Heterophrys  (XV.  2),  Raphidiophrys  (XVI.  2),  Acanthocystis  (XVI.  7), 
ähnlich  auch  bei  dem  skeletlosen  Actinolophus ;  jedoch  erreichen  bei  diesen 
Formen  die  dunkeln  Körnchen  häufig  eine  relativ  weit  bedeutendere 
Grösse  und  das   Ectosark  derart  eine  weit  grobkörnigere  Beschaffenheit. 


*)  Kölliker  (9)  hält  diese  Körnchen  für  fettartiger  Natur;  F.  E.  Schulze  hat  neben  ihnen 
noch  zahlreiche  kleinere,  blasse  Körnchen  beobachtet,  die  jedoch  gleichmässig  durch  das  ge- 
sammte  Plasma  verbreitet  sich  finden. 


Bau  des  Weiclikörpers  (Körnige  Einschlüsse  vcrscIi.  Natur).  279 

Gleichzeitig-  gesellen  sich  hier  zu  diesen  dunkeln  Körnchen  nicht  selten 
noch  gefärbte  Einschlüsse  verschiedener  Art.  Unter  den  Letztge- 
nannten sind  vor  allem  zu  erwähnen  die  grünen,  meist  relativ  recht 
ansehnlichen,  kugligen  bis  ovalen  Körper,  vs^elche  in  grösserer  oder 
geringerer  Häufigkeit  im  Plasma  zahlreicher  Heliozoen  angetroffen  und 
wohl  mit  Recht  als  Chlorophyllkörner  beansprucht  werden.  Es  gibt 
eine  ganze  Anzahl  von  Formen,  bei  welchen  solche  Clilorophyllkörner 
nahezu  constant  vorhanden  sind,  obgleich  sie,  wie  dies  uns  auch  von 
anderen  Protozoen  bekannt  ist,  keineswegs  als  Artcbarakter  geltend 
gemacht  werden  dürfen,  sondern  gelegentlich  vollständig  vermisst  werden. 
So  ist  hier  zunächst  das  Actinosphaerium  Eichhornii  anzuführen, 
das  häufig  in  einer  ganz  grün  gefärbten  Varietät  vorkommt,  welche 
ihre  grüne  Färbung  eben  der  Anhäufung  zahlreicher  Chlorophyllkörner 
im  Entosark  verdankt*).  Umgekehrt  scheint  nun  bei  den  übrigen  chloro- 
phyllführenden Heliozoen  mit  differenzirtem  Ectosark,  letzteres  der  Sitz 
der  Chlorophyllkörner  zu  sein;  es  ist  dies  wenigstens  mit  Sicherheit  er- 
wiesen für  die  gewöhnlich  chlorophyllhaltigen  Acanthocystisarten  und 
wohl  auch  die  Heterophrys  myriopoda  Arch.,  während  bei  anderen,  ähn- 
lich chlorophyllreichen  Formen,  wie  der  Raphidiophrys  viridis,  dem  Chon- 
dropus  viridis  Greeff  und  dem  Sphaerastrum  Fockii  Arch.  das  Lage- 
rungsverhältniss  der  Chlorophyllkörner  nicht  sicher  bekannt  ist.  —  Zu- 
weilen werden  neben  solchen  Chlorophyllkörnern  auch  ähnlich  ge- 
staltete und  in  der  Grösse  mit  ihnen  übereinstimmende,  blasse,  farblose 
Körner  angetroffen,  so  hauptsächlich  bei  Acanthocystis  turfacea;  und  bei 
der  farblosen  Varietät  dieser  Form  scheinen  derartige  Körner  allein  vor- 
handen zu  sein.  Auch  die  mattglänzenden  Körner  der  farblosen  Raphi. 
diophrys  pallida  glaubt  F.  E.  Schulze  als  Vertreter  der  Chlorophyllkörner 
der  chlorophyllführenden  Arten  beanspruchen  zu  dürfen.  Ein  solcher 
Zusammenhang  der  farblosen  und  grüngefärbten  Körner  scheint  überhaupt 
nicht  unwahrscheinlich,  wenn  man  sich  erinnert,  dass  ja  die  Chlorophyll- 
körner der  Pflanzen  eine  farblose,  eiweissartige  Grundsubstanz  be- 
sitzen und  wir  von  andern  chlorophyllführenden  Protozoen  (so  Ciliaten) 
gleichfalls  mit  Sicherheit  wissen,  dass  die  grünen  Körner  zuweilen  durch 
blasse,  ungefärbte  vertreten  sein  können.  Innerhalb  der  Chlorophyllkörner 
sind  zuweilen  einige  körnige  Einschlüsse  zu  beobachten  und  nach  der 
Angabe  einiger  Forscher,  so  Greeff's  und  A.  Schneider's,  soll  ihnen  auch 
eine  Membran  zukommen;  letzterer  will  sogar  einen  Kern  sammt  Kern- 
körper in  ihnen  beobachtet  haben.  Greeff  bezeichnet  sie  daher  zuweilen 
auch  als  grüne,  feste  Kapseln  (so  bei  Chondropus  viridis)  und  Schneider 
als  Bläschen.  Vereinzelt  steht  bis  jetzt  die  nicht  unwahrscheinliche 
Angabe   Greeff s,    welcher  bei   Acanthocystis   turfacea   eine    Vermehrung 


*)  Archer  will  auch  eine  chlorophyllführende  Varietät  von  Actinophrys  beobachtet  haben ; 
jedoch  scheint  es  mir  nach  den  weiterhin  noch  angegebenen  Eigenthümlichkeiten  dieser  Varie- 
tät, dass  hier  eine  Verwechslung  mit  Actinosphaerium  vorliegt. 


280  Heliozoa. 

der     Chlorophyllkörner     durch     Zwei  -     und     Dreitheilung     beobachtet 
haben  will. 

Nach  diesen  Bemerkungen  wird  es  nicht  unverständlich  erscheinen,  dass  die  Chlorophyll- 
körner der  Heliozoa  verschiedenen  Missdeutungen  ausgesetzt  waren  und  dass  sie  im  Speciellen 
mehrfach  den  gelben  Zellen  der  Eadiolarien  an  die  Seite  gestellt  wurden ;  namentlich  Schneider, 
der  ja  die  Chlorophyllkörner  für  echte  Zellen  hält,  hat  ihre  Gleichwerthigkeit  mit  den  gelben 
Zellen  der  Eadiolarien  zu  vertheidigen  gesucht. 

Was  die  Bedeutung  der  Chlorophyllkörner  betrifft,  so  erhebt  sich  die  Frage,  die  wir 
uns  schon  bei  ähnlichem  Verhalten  gewisser  Rhizopoden  vorlegen  mussten:  sind  dieselben 
Erzeugnisse  des  Heliozoenkörpers  selbst,  oder  stammen  sie  nur  von  der  aufgenommenen,  chloro- 
phyllhaltigen  Nahrung  her?  Letztere  Auffassung  scheint  im  allgemeinen  die  von  Hertwig  und 
Lesser  zu  sein,  wogegen  sich  jedoch  Archer,  wenigstens  für  diejenigen  Formen,  welchen  die- 
selben gewöhnlich  als  charakteristische  und  häufige  Bestandtheile  zukommen,  mit  Eecht  erklärt. 
Auch  Greeff,  der,  wie  oben  bemerkt,  die  selbstständige  Vermehrung  solcher  Chlorophyllkörner 
heobachtet  haben  will,  wird  ohne  Zweifel  letzterer  Ansicht  sein.  Weiterhin  dürfte  dieselbe 
auch  wegen  des  muthmaasslichen  Zusammenhangs  der  grünen  Körner  mit  den  oben  erwähnten 
blassen,  und  fernerhin  wegen  der  gewöhnlich,  wie  es  scheint,  nicht  zu  beobachtenden  weiteren 
ümwandlungsprodukte  derselben  durch  die  Verdauung,  viel  mehr  Wahrscheinlichkeit  für  sich 
haben.  Wenn  auch  natürlich  nicht  in  Abrede  gestellt  werden  kann ,  dass  sich  bei  zahl- 
reichen Heliozoen  als  Nahning  aufgenommene  Chlorophyllkörner  finden,  so  wird  doch  an  der 
endogenen  Natur  des  Chlorophylls  bei  einer  Anzahl  der  oben  erwähnten  Formen  festgehalten 
werden  müssen  (so  hauptsächlich  bei  der  grünen  Varietät  des  Actinosphaerium ,  bei  Acantho- 
cystis  turfacea  und  Eaphidiophrys  viridis). 

Aber  auch  anderweitige  gefärbte  Körner  oder  grössere  derartige 
Kugeln  sind  im  Heliozoenorganismus  nicht  selten  anzutreffen  und  ihre 
Natur  ist  im  allgemeinen  noch  sehr  wenig  genau  erforscht.  Zum  Theil 
werden  sie  als  fettartige  Körper,  hauptsächlich  die  gelbgefärbten,  bean- 
sprucht, z.  Th.  fehlt  jedoch  bis  jetzt  jede  genauere  Untersuchung  ihrer 
chemischen  Natur.  Auch  ist  ihre  Herkunft  in  gleicher  Weise  unsicher; 
jedoch  dürfte  ihre  mehr  oder  minder  directe  Ableitung  von  der  auf- 
genommenen Nahrung  grosse  Wahrscheinlichkeit  haben.  Hinsichtlich 
ihrer  Färbung  zeigen  diese  Körper  so  ziemlich  alle  Uebergänge  von  Gelb 
bis  zu  intensivstem  Roth  und  andererseits  auch  Braun. 

Gelbe  kuglige  Körper,  von  wahrscheinlich  fettartiger  Natur,  finden  sich  häufig  bei  Acantho- 
cystis,  mit  oder  ohne  Chlorophyllkörner,  vor.  Bei  der  Elaeorhanis  Greeff's  und  dem  sogen. 
Astrddisculus  flavo-capsulatus  findet  sich  ein  solch  gelber  bis  bräunlicher,  ansehnlicher,  kugliger 
Körper  im  Centrum  des  ganzen  Organismus;  bei  der  ersteren  Form  bezeichnet  ihn  Greeff  als 
öltropfenartiges  Gebilde,  bei  der  letztern  hingegen  hat  er  ihn  früher  sogar  als  Homologon  der 
Centralkapsel  der  Eadiolarien  beansprucht,  und  in  ähnlicher  Weise  auch  die  intensiv  rothe 
Centralkugel  seines  Astrodisculus  ruber*)  gedeutet.  Neben  dieser  ansehnlichen,  rothen  Central- 
kugel  weist  diese  Form  jedoch  auch  noch  zahlreiche  kleine,  rothe  Pigmentkörnchen  auf.  Eöth- 
liche  bis  bräunliche  Körperchen  erfüllen  auch  das  Protoplasma  der  Pompholyxophrys  punicea, 
das  Ectosark  der  Pinacocystis,  den  Astrococcns  rufus  Greeff's  und  das  Entosark  (?)  der  Piua- 
cioi>hora.  In  spärlicherem  Vorkommen  sind  derartige  Farbstoffkörnchen  jedoch  auch  bei  andern 
Formen  bald  hier,  bald  da  zu  treffen. 

Endlich  sind  es  noch  die  Zellkerne,  welche  als  hochwichtige 
Bestandtheile  des  Heliozoenkörpers  unsere  Aufmerksamkeit  ganz  be- 
sonders in  Anspruch  nehmen  müssen.     In  vieler  Hinsicht  treffen  wir  hier 


*^  = 


)  =  Pompholyxophrys  exigua?  Hertw.  u.  Less. 


Bau  des  Weiclikörpers  (Körnige  Einschlüsse,  Zellkerne).  281 

ganz  ähnliche  Verhältnisse,  wie  sie  uns  schon  bei  den  Rhizopoden  be- 
gegneten, sowohl  in  Bezug  auf  Vorkommen  der  Kerne  überhaupt,  ihre 
Zahl,  wie  ihren  Bau.  Wie  bei  den  Rhizopoden  haben  wir  auch  hier  eine 
Anzahl  von  Formen  zu  verzeichnen,  welchen  die  Anwesenheit  der  Kerne 
überhaupt  abgesprochen  wird  und  welche  daher  häufig  in  die  Abtheilung 
der  Häckel'schen  Moneren  verwiesen  werden. 

Namentlich  sind  solclie  Formen  unter  den  Skeletlosen  aufgeführt  worden.  So  wurden 
bisher  die  Kerne  vermisst  bei  der  Arachnula  Cienk. ,  bei  den  meisten  Formen  der  Gattung 
Vampyrella,  die  daher  auch  gewöhnlich  als  ein  Hauptvertreter  der  Moneren  angesehen  wird; 
während  bei  eiuer  wohl  unzweifelhaft  hierhergehörigen  Form  (der  sogen.  Leptophrys  elegans 
H.  u.  L.)  Hertwig  und  Lesser  die  Anwesenheit  von  Kernen  erwiesen  haben,  diese  Forscher 
sich  jedoch  auch  hinsichtlich  der  Kernlosigkeit  der  übrigen  Vampyrellen  mit  grosser  Vor- 
sicht ausdrücken.  Weiterhin  werden  dann  als  Monerenformen  noch  aufgeführt  das  Myxastrum 
Häckcls  und  die  neuerdings  von  Aim.  Schneider  beschriebene  Monobia,  während  von  Litho- 
colla  F.  E.  Seh.  und  Elaeorhanis  Greeff  dieser  Punkt  nicht  mit  Sicherheit  entschieden  ist. 

Bei  allen  genauer  untersuchten,  skeletführenden  Heliozoen  hat  sich 
das  Vorhandensein  eines  Kernes  constatiren  lassen,  so  dass  ich  nach  vor- 
stehender Uebersicht  wohl  zu  dem  Ausspruch  berechtigt  zu  sein  glaube, 
dass  das  Vorkommen  kernloser  Formen  bis  jetzt  mit  Sicherheit  unter  den 
Heliozoen  nicht  erwiesen  ist,  da  die  Fälle,  in  denen  der  Kern  bis  jetzt 
vermisst  wurde,  entweder  solche  sind,  die  seiner  Beobachtung  überhaupt 
sehr  grosse  Schwierigkeit  in  den  Weg  stellen,  oder  bei  denen  die  modernen 
Hülfsmittel  der  Kernnach Weisung,  hauptsächlich  die  Färbemittel,  noch 
keine  ausreichende  Verwendung  gefunden  haben. 

Ueberschauen  wir  nun  zunächst  die  Zahlenverhältnisse,  in  welchen 
die  Kerne  sich  bei  den  verschiedenen  Heliozoen  finden,  so  treffen  wir 
hier  wieder  ganz  ähnliche  Verhältnisse,  wie  bei  den  Rhizopoden.  Einer 
grossen  Reihe  von  Formen  kommt,  soweit  die  Beobachtungen  bis  jetzt 
reichen,  fast  stets  ein  einziger  Kern  zu;  so  gehören  hierher  von  den 
nackten  Formen  die  Nuclearia  simplex  Cienk,,  Actinophrys  und  Actino- 
lophus,  ferner  die  skeletführenden  durchaus,  soweit  bekannt.  Dagegen 
treffen  wir  aber  unter  den  nackten  eine  Anzahl  Formen,  welche  wenigstens 
im  erwachsenen  Zustand  durchaus  eine  Mehrzahl  von  Kernen  aufweisen; 
hierher  ist  zu  rechnen  die  Vampyrellaart,  bei  der  es  Hertwig  und  Lesser 
gelang,  die  Kerne  zu  constatiren  und  die  deren  3  zeigte;  ferner  die 
Nuclearia  delicatula  Cienk.,  welche  nach  den  übereinstimmenden  Angaben 
der  Beobachter  stets  eine  grössere  Anzahl  von  Nuclei  (bis  5  und  6)  be- 
sitzt und  weiter  als  besonders  hervorstechendes  Beispiel  das  Actinosphae- 
rium,  das  in  grossen  Exemplaren  ganz  ungemein  ansehnliche  Kernmengen 
in  seinem  Entosark  einschliesst;  so  sind  100 — 200  Kerne  hier  gar  nicht 
ungewöhnlich  und  Carter  will  bei  einem  0,85  Mm.  Durchmesser  zeigenden 
Exemplar  sogar  300 — 400  gezählt  haben. 

Wie  die  Zellkerne  der  Heliozoa  überhaupt,  man  kann  sagen,  eigentlich  bis  zu  den 
Untersuchungen  F.  E.  Schulze's  und  Hertwig  und  Lesser's,  vielfach  verkannt  wurden,  so  im 
Speciellen  die  schon  frühzeitig,  zuerst  durch  KöUiker  1849,  aufgefundenen  des  Actinosphaerium. 
Die  erste  Beobachtung  einee  Heliozoenkernes  darf  wohl  Mcolet  (1848)  zugeschrieben  werden, 
denn  das  von  ihm   beschriebene,    centrale   Ovarium    der  Actinophrys  war  sicherlich  nichts 


282  Heliozoa. 

weiter  wie  der  Nucleus.  Stein  beobachtete  ihn  1854  wieder,  kam  jedoch  über  die  morpho- 
logische Auffassung  dieses  Gebildes  auch  zu  keinem  sicheren  Anhalt,  da  es  ihm  „als  eine 
kernhaltige  Zelle  erschien". 

Aehnlich  erging  es  auch  den  Nuclei  von  Actinosphaerium ,  deren  Zellennatur  schon 
Kölliker  für  möglich  hielt  und  die  er  auch  mit  der  Fortpflanzung  im  Zusammenhang  stehend 
glaubte,  eine  Ansicht,  welche  späterhin  noch  bestimmter  von  Carter  ausgesprochen  wurde,  der 
die  Kerne  geradezu  für  Fortpflanzungszellen  hielt.  Auch  M.  Schnitze  und  Häckel  konnten 
sich  noch  nicht  von  der  Zellennatur  dieser  Kerne  losmachen,  dagegen  haben  denn  GreefF  und 
späterhin  F.  E.  Schulze,  wie  Hertwig  und  Lesser,  ihre  Kernnatur  über  jeden  Zweifel  sicher 
gestellt. 

Für  Actinosphaerium  ist  durch  neuere  Beobachtungen  nachgewiesen 
worden,  dass  die  hohe  Zahl  {der  Kerne  erwachsener  Thiere  allmählich, 
von  einem  jugendlichen  ein-  oder  wenigkernigen  Zustand  ausgehend, 
durch  Vermehrung  der  Kerne  erreicht  wird. 

Bei  den  skeletftihrenden  Formen  ist  bis  jetzt  nur  sehr  wenig  von 
mehrkernigen  Zuständen  bekannt  geworden,  jedoch  hat  R.  Hertwig  bei 
Acanthocystis  häufig  zweikernige  Exemplare  getroifen,  F.  E.  Schulze  selten 
ähnliche  Verhältnisse  bei  Raphidiophrys  pallida,  während  Archer  bei  Rh. 
viridis  gelegentlich  auch  mehrere  Kerne  gefunden  hat.  Fügen  wir  hierzu 
noch  die  zeitweilige  Beobachtung  zweier  Kerne  bei  Actinolophus  durch 
F.  E.  Schulze  und  Hertwig,  so  finden  wir,  dass  mehrkernige  Zustände 
auch  bei  den  gewöhnlich  einkernigen  Formen  der  Heliozoen  nicht  durch- 
aus fehlen.  Ob  jedoch  aus  der  Anwesenheit  mehrerer  Kerne  ein  directer 
Schluss  auf  bevorstehende  Vermehrung  durch  Theilung  gezogen  werden 
darf,  wie  dies  natürlich  auch  hier  geschehen  ist,  müssen  wir,  ebenso 
wie  bei  den  Rhizopoden,  als  sehr  fraglich  und  die  Bedeutung  der  Mehr- 
kernigkeit auch  hier  noch  als  unsicher  bezeichnen. 

Die  Lagerung  der  Kerne  im  Heliozoenorganismus  ist  z.  Th.  eine 
recht  charakteristische.  Bei  den  Formen  ohne  deutlich  differenzirtes  Ecto- 
und  Entosark  tritt  zwar  eine  bestimmte  Lagerung  nicht  hervor,  dagegen 
sind  bei  den  höher  Entwickelten  die  Nuclei  durchaus  dem  Entosark  ein- 
gefügt. In  letzterem  Fall  besitzt  der  einfache  Kern  z.  Th.  eine  genau 
centrale  Lage,  so  dass  also  durch  seine  Lagerung  die  homaxone  Bil- 
dung des  ganzen  Organismus  noch  deutlicher  hervorgehoben  wird  (XIV. 
7a — b,  n).  Mit  Sicherheit  darf  dieses  Verhalten  für  Actinophrys  angegeben 
werden,  doch  scheint  auch  noch  einigen  weiteren  Formen,  wie  z.  B. 
Pompholyxophrys,  Hedriocystis  und  wohl  auch  Clathrulina  dieselbe  Kern- 
lage eigenthümlich  zu  sein.  Häufiger  hingegen  treffen  wir  excentrische 
Lage  des  oder  der  Kerne  und  scheint  dies  zunächst  mit  der,  wie  ge- 
schildert, häufig  etwas  excentrischen  Einlagerung  des  Entosarks  im  Zu- 
sammenhang zu  stehen.  Ausgezeichnete  Beispiele  für  letzteres  Verhalten 
bieten  uns  die  Gattungen  Acanthocystis  (XVI.  7a — b,  n),  Raphidiophrys 
(XVI.  2,  n)  und  Actinolophus  (XIV.  6a,  n)  dar;  der  Kern  ist  hier,  wie 
es  scheint,  stets  sehr  weit  vom  Centrum  abgerückt,  so  dass  er  sich 
dicht  unterhalb  der  äusseren  Oberfläche  vorfindet.  Wie  späterhin,  bei 
Besprechung  der  Pseudopodien  noch  genauer  zu  erörtern  sein  wird,  steht 


Bau  des  Weiclikörpers  (Zellkerne).  283 

jedoch  diese  exceutrische  Verlagerung  des  Kernes  bei  den  erwähnten 
Formen  noch  mit  einer  besonderen  Organisationseinrichtung  im  Zusammen- 
hang, welche  im  Centrum  dieser  Heliozocn  ihren  Sitz  hat  und  wodurch  es 
verständlich  wird,  dass  hier  eine  centrale  Lage  des  Kernes  gar  nicht 
möglich  ist.  Auch  bei  dem  durch  seine  grosse  Kernzahl  ausgezeich- 
neten Actinosphaerium  findet  sich  eine  excentrische  Lagerung  der  Nu- 
clei,  indem  sie  in  der  peripherischen  Region  des  Entosarks  angehäuft 
sind,  wogegen  dessen  centrale  Partie  kernfrei  bleibt. 

Was  die  specielle  Bauweise  der  Heliozoennuclei  betrifft,  so  finden 
wir  auch  hierin  wieder  die  nächsten  Beziehungen  zu  den  Rhizopoden.  Am 
genauesten  in  dieser  Hinsicht  sind  wohl  die  Kerne  des  Actinosphaerium 
und  der  Actinophrys  bekannt.  Diese  kugelrunden  oder  ellipsoidischen  Kerne 
zeigen  stets,  wie  dies  für  die  Heliozoen  überhaupt  gültig  erscheint,  den 
sogen,  bläschenförmigen  Bau,  d.  h.  eine  äussere  Rindenschicht  (auch 
häufig  als  Kernmembran  bezeichnet)  umschliesst  einen  mit  heller  Masse 
(wahrscheinlich  Flüssigkeit)  erfüllten  Raum,  der  ein  oder  zuweilen  auch 
mehrere,  stets  jedoch  ziemlich  ansehnliche  Kernkörperchen  enthält.  Im 
lebenden  Zustand  erscheinen  sowohl  die  Rindenschicht  wie  das  Kern- 
körperchen  ziemlich  homogen,  wogegen  sie  nach  Behandlung  mit  ver- 
dünnter Essigsäure  oder  anderen  coagulirenden  Reagentien  eine  mehr  oder 
minder  grobgranulirte  bis  bröcklige  Beschaffenheit  annehmen.  Während 
nun  die  meisten  Heliozoenkerne  gewöhnlich  nur  einen  solchen  Nucleolus 
erkennen  lassen,  bieten  die  Kerne  von  Actinosphaerium  recht  häufig,  wie 
dies  schon  von  M.  Schnitze  beobachtet  und  späterhin  von  GreeflP, 
F.  E.  Schulze,  sowie  Hertwig-Lesser  bestätigt  worden  ist,  mehrere, 
nach  M.  Schultze  bis  zu  20,  Kernkörperchen  dar  (XIV.  8a — b).  Bis  jetzt 
wurde  jedoch  über  die  Bedeutung  dieses  verschiedenen  Verhaltens  mit 
Sicherheit  noch  nichts  ermittelt.  Einige  weitere  Eigenthümlichkeiten 
dieser  Actinosphaeriumkerne  habe  ich*)  noch  angedeutet;  zunächst  sieht 
man  häufig  recht  deutlich  zahlreiche  zarte,  plasmatische  Fäden  in  radialer 
Richtung  von  dem  oder  den  Kernkörperchen  nach  der  Kernrinde  aus- 
strahlen (XIV.  8  a)  und  weiterhin  wurde  es  mir  sehr  wahrscheinlich,  dass 
diese  Kernrinde  nochmals  von  einer  sehr  zarten  Membran  umschlossen 
wird,  die  eigentlich  den  Namen  Kernmembran  zu  erhalten  hätte.  Auch 
Grenacher  glaubt  sich  am  Kern  der  Actinophrys,  der  in  allen  wesent- 
lichen Eigenthümlichkeiten  mit  den  eben  etwas  genauer  betrachteten  des 
Actinosphaerium  übereinstimmt  (XIV.  7a  —  b,  n),  von  der  Gegenwart 
einer  solchen  Membran  tiberzeugt  zu  haben,  wogegen  Hertwig  und  Lesser 
dieselbe  nicht  aufzufinden  vermochten. 

Die  feinere  Bauweise  der  Wäsclienförmigen  Kerne  der  übrigen  Heliozoen  ist  im  Ganzen 
bis  jetzt  noch  wenig  genau  bekannt;  gewöhnlich  ist  nur  der  häufig  recht  ansehnliche  Nucleolus 
mit  der  ihn  umschliessenden  Flüssigkeitshöhle  erkannt  worden ,  wogegen  genauere  Beobach- 
tungen über  die  Eindenschicht  und  Kernmembran  bis  jetzt  fehlen. 


*)  Studien  über  die  ersten  Entwickelungsvorg.  etc.   p.  67.     Abb.    d.   Senckenb.  naturf. 
GeseUsch.  Bd.  X.  1876. 


284  Heliozoa. 

Zum  Beschluss  unserer  Betrachtung  der  Kernverhältnisse  der  Heliozoa 
werfen  wir  noch  einen  Blick  auf  die  wenigen  Erfahrungen,  welche  bis  jetzt 
über  die  Vorgänge  der  Kernvermehrung  vorliegen.  Obgleich  in  dem 
an  Kernen  so  reichen  Actinosphaerium ,  von  dem  es  erwiesen  ist,  dass 
die  Zahl  seiner  Kerne  sich,  vom  einkernigen  Zustand  ausgehend,  mit  zu- 
nehmender Grösse  successive  vermehrt,  ein  sehr  geeignetes  Objekt  für 
das  Studium  der  Kernvermehrung  vorzuliegen  scheint,  ist  es  bis  jetzt  bei 
dieser  Form  doch  nicht  geglückt,  den  Process  der  Kernvermehrung  zu 
erforschen. 

Die  einzigen  Beobachtungen  über  diesen  Vorgang  wurden  von 
F.  E,  Schulze  bei  Actinolophus  und  von  R.  Hertwig  bei  Acanthocystis 
angestellt.  Beide  Forscher  schildern  denselben  ganz  nach  dem  für 
die  Kerntheilung  früher  allgemein  acceptirten  Schema.  Der  Kern  sammt 
Kernkörperchen  streckt  sich  etwas  bandförmig  in  die  Länge,  schliesslich 
wird  das  langgestreckte  Kernkörperchen  nach  F.  E.  Schulze  bisquitförmig 
und  zerfällt,  noch  vor  der  eigentlichen  Kerntheilung,  in  zwei  gesonderte 
Nucleoli,  um  die  sich  je  ein  heller  Hof  bildet  (Kernsaft  plus  Kernmem- 
bran) ;  schliesslich  rücken  Jdie  beiden  neugebildeten  Kerne  auseinander. 
Nach  R.  Hertwig's  Angaben  scheint  jedoch  bei  Acanthocystis  die 
Durchschnürung  des  eigentlichen  Kernes  und  des  Kernkörperchens  mehr 
gleichzeitig  zu  erfolgen,  ohne  dass  vorher  zwei  gesonderte  Kernkörper 
gebildet  worden  wären. 


4.  Die  Pseudopodien,  die  Nahningsaufnahme ,  sowie  die  Bewegungs- 

erscheinun^en  der  Heliozoa. 

Die  allgemeinen  Bildungs-  und  Anordnungsverhältnisse  der  Pseudo- 
podien der  Heliozoen  waren  schon,  bei  der  Vorbesprechung  der  allge- 
meinen morphologischen  Bildung  dieser  Gruppe,  Gegenstand  unserer 
Betrachtung;  es  zeigen  sich  aber  bei  etwas  näherem  Eingehen  auf  die 
vorliegenden  Verhältnisse  doch  so  manche  Verschiedenheiten  und  inter- 
essanten Differenzirungen ,  dass  wir  noch  etwas  genauer  auf  die  spe- 
ciellen  Einrichtungen  Rücksicht  nehmen  müssen. 

Charakteristisch  sind,  wie  schon  mehrfach  bemerkt,  für  unsere  Gruppe 
die  strahlenförmigen,  feinen  und  meist  einen  relativ  starren  Eindruck 
machenden  Pseudopodien;  jedoch  finden  sich,  wenn  auch  selten,  und 
z.  Th.  nur  unter  gewissen  Bedingungen,  einige  wenige  Ausnahmen  von 
dieser  Regel.  So  entwickelt  die  Vampyrella  Spyrogyrae,  wie  schon 
Cienkowsky  beobachtet  hat,  und  Hertwig  und  Lesser  bestätigten, 
neben  den  gewöhnlichen,  fadenförmigen,  spitzen  Pseudopodien  zuweilen 
einzelne,  breitere,  stumpf  -  lappige  und  hyaline  Fortsätze,  die  rasch 
hervortreten  und  wieder  verschwinden.  Bei  anderen  Heliozoen  scheint 
sich  eine  regelmässige  Entwickelung  solcher  stumpfer  Pseudopodien- 
fortsätze  kaum  zu  finden,  oder  doch  nur  unter  gewissen   Verhältnissen 


Bau  des  Weichkörpcrs  (Zellkerne,  Pseudopodien).  285 

einzutreten.  Doch  konnte  Greeff  (33)  ziemlich  häufig  bei  Acanthocystis 
turfacea  (vorzugsweise  bei  jugendlichen  Exemplaren)  an  wechselnden 
Stellen  der  Körperoberfläche  das  Hervorbrechen  breiter,  stumpfer,  amöboid 
beweglicher  Plasmafortsätze  beobachten.  Dieselben  waren  gewöhnlich 
fingerförmig  zertheilt  und  drängten  bei  ihrem  Hervortreten  die  Skelet- 
hüUe  auseinander,  so  dass  eine  mehr  oder  minder  weite  Lücke  in  der- 
selben entstand. 

Wie  bei  Besprechung  der  Nahrungsaufnahme  weiter  unten  noch 
genauer  zu  erörtern  sein  wird,  scheint  hierbei  (wenigstens  bei  Actinophrys) 
ein  stumpfer,  lappiger,  wie  ein  Pseudopodium  sich  erhebender  Fortsatz 
eine  wichtige  Rolle  zu  spielen  und  nach  Claparede's  wie  Weston's  Beob- 
achtungen scheint  es,  dass  sich  solche  stumpfe  Fortsätze  gelegentlich 
auch  vorübergehend,  ohne  dass  es  zur  Nahrungsaufnahme  käme,  entwickeln 
können. 

AVeiterhin  kommen  eigenthümliche,  von  der  Bildung  der  gewöhnlichen 
sehr  abweichende  Pseudopodien  auch  während  eines  gewissen  Lebens- 
stadiums des  Actinosphaerium  vor,  wovon  wir  erst  durch  A.  Brandt  in 
neuester  Zeit  Nachricht  erhalten  haben  (44,  45).  Vor  dem  Uebergang  in 
den  encystirten  Zustand  nämlich,  bevor  noch  die  strahligen  Pseudopodien 
völlig  eingezogen  worden  sind,  nimmt  das  Actinosphaerium  vorübergehend 
einen  eigenthümlichen,  amöboiden  Zustand  an,  indem  es  kurze  bis  längere 
zipfelartige,  sehr  fein  zugespitzte  und  z.  Th.  mehrfach  gegabelte  Pseudo- 
podien ausstreckt,  mit  deren  Hülfe  es  sich  langsam  kriechend  fortbewegt. 
Dieser  amöboide  Zustand  ist  jedoch  von  relativ  kurzer  Dauer,  schon 
nach  höchstens  24  Stunden  vergeht  er  und  es  tritt  die  eigentliche  En- 
cystirung  ein. 

Ein  solch  amöboider  Zustand  ist  nun,  wie  wir  schon  früher  hervor- 
zuheben Gelegenheit  hatten,  bei  einem  Theil  der  von  uns  zu  den  Helio- 
zoen  gezogenen,  nackten  Sarkodinen  noch  während  des  grösseren  Theils 
des  Lebens  dauernd  erhalten:  so  bei  Arachnula,  Nuclearia  und  Vamp}^- 
rella.  Zwar  werden  hier,  mit  Ausnahme  der  schon  erwähnten  Vampyrella, 
nur  feine  fadenartige  Pseudopodien  entwickelt,  dagegen  ist  der  ganze 
Weichkörper  ziemlich  lebhaft  amöboid  gestaltsveränderlich  und  die  Orts- 
bewegung erfolgt  durch  Hinströmen  in  der  uns  von  früher  her  bekannten 
Art  der  Amöben.  Dabei  wird  denn  entweder  eine  einfach  längsgestreckte 
Gestalt  angenommen  (XHL  IIa),  oder  es  zieht  sich  der  Körper  auch  in 
mehrere  nach  verschiedenen  Richtungen  sich  erstreckende  Lappen  aus, 
während  er  zu  andern  Zeiten  eine  abgerundete,  der  typischen  Heliozoen- 
form  sich  näher  anschliessende  Gestaltung  annimmt. 

Auch  hinsichtlich  der  Vertheilung  der  Pseudopodien  über  die  Körper- 
oberfläche zeigen  die  eben  erwähnten ,  von  den  typischen  Heliozoen  am 
meisten  abweichenden  Formen,  noch  nicht  die  charakteristischen  Verhält- 
nisse der  letzteren,  indem  die  Pseudopodien  hier  zuweilen  nicht  allseitig 
von   der  Körperoberfläche    hervortreten,    sondern    nur    auf    einem    Theil 


286  Heliozoa. 

derselben  entwickelt  sind ,  namentlich  randlich  oder  von  den  Enden  der 
Lappen,  in  welche  der  Weichkörper,  wie  erwähnt,  gelegentlich  ausgezogen 
ist.  Auch  hinsichtlich  ihrer  Gestaltung  zeigen  die  Pseudopodien  dieser 
Gattungen  noch  eine  mehr  an  die  Rhizopoden  erinnernde  Beschaffenheit, 
indem  sie  recht  häufig  noch  zwei-  bis  dreifach  spitzwinklig  gegabelt 
auslaufen,  ohne  dass  jedoch  gewöhnlich  die  benachbarten  Pseudopodien 
durch  Verschmelzung  zur  Bildung  von  Netzen  Veranlassung  geben  würden. 

Doch  herrscht  auch  bei  den  typischen  Heliozoen  noch  eine  gewisse 
Freiheit  in  der  Pseudopodiengestaltung,  so  dass  sich  mancherlei  Ab- 
weichungen von  der  einfachen,  regulären  Strahlen-  oder  Fadengestalt  auch 
hier  aufführen  lassen. 

Was  die  Bildung  der  Pseudopodien  letztrer  Formen  anlangt,  so  ist 
zunächst  der  Unterschied  in  der  Gestaltung  hervorzuheben,  die  etwa  von 
einer  sehr  langgestreckt  kegel-  oder  stachelartigen  Form,  wie  sie  sich  bei 
Actinosphaerium  findet  (XV.  Ib),  bis  zur  Ausbildung  äusserst  feiner,  zar- 
ter, fadenförmiger  Bildung  hinfuhrt.  Hinsichtlich  ihrer  Längenverhältnisse 
zeigen  sie  ziemliche  Verschiedenheiten;  relativ  kurz  bleiben  sie  bei  Actino- 
sphaerium (etwa  den  halben  bis  den  gesammten  Durchmesser  erreichend) ; 
ähnlich  kurz  sind  sie  auch  bei  Pompholyxophrys  (XV.  4,  und  den  wenigstens 
z.  Th.  wohl  hiermit  identischen  Astrodisculusformen  Greeff's),  sind  jedoch 
hier  gleichzeitig  sehr  fein  und  zart  und  in  sehr  spärlicher  Zahl  über  die 
Körperoberfläche  vertheilt*).  Eine  ansehnlichere  Länge  erreichen  die 
Pseudopodien  schon  bei  Actinophrys  (XIV.  7  a),  wo  sie  gewöhnlich  den 
Durchmesser  des  Körpers  an  Länge  übertreffen,  noch  länger  jedoch,  bis 
zu  dem  zwei-  und  dreifachen  (ja  auch  noch  mehr)  des  Körperdurch- 
messers, werden  sie  bei  Acanthocystis  (XVL  6  a),  Raphidiophrys  (XVL  2), 
Pinacocystis  (XVL  4),  Pinaciophora,  Actinolophus  (XIV.  6  a),  Clathrulina 
(XVII.  1  a)  und  anderen ;  jedoch  kann  in  einer  und  derselben  Gattung 
bei  verschiedenen  Arten  die  Pseudopodienlänge  ziemliche  Schwankungen 
aufweisen.  Wie  oben  schon  angedeutet,  ist  jedoch  auch  die  Zahl  der  der 
Körperoberfläche  entspringenden  Pseudopodien  recht  beträchtlichen  Ver- 
schiedenheiten unterworfen  und  scheint  im  Allgemeinen  als  Regel  auf- 
gestellt werden  zu  können,  dass  die  Pseudopodienzahl  mit  der  Grössen- 
zunahme  der  Formen  wächst. 

Wichtiger  als  die  eben  hervorgehobenen  Unterschiede  erscheint  je- 
doch die  eigenthümliche  innere  Differenzirung,  welche  bei  den  höheren 
Heliozoen  zur  Bildung  eines  unter  dem  Namen  des  Axenfadens  bekannten 
Stützapparates  des  Pseudopodiums  geführt  hat.  Wie  weit  eine  solche 
Einrichtung  durch  die  Reihe  der  Heliozoen  verbreitet  ist,  lässt  sich  heute 
noch  nicht  mit  Sicherheit  ermessen,  da  die  Schwierigkeiten  der  Beobach- 
tung solch  feiner  Verhältnisse  sehr  gross  sind.  Unzweifelhaft  erwiesen 
ist  ihr  Vorhandensein   bei   den  Gattungen  Actinophrys,   Actinosphaerium, 


*)  Aehnlich  verhalten  sich  auch  Chondropus  und  Astrococcus  Greeff,  von  welchen  der 
letztere  wenigstens  kaum  hinreichend  von  Astrodisculus  unterschieden  zu  sein  scheint. 


Bau  des  Weichkörpers  (Pseudopodien,  Axenfäden  derselben).  287 

Actinoloplius,  Acanthocystis  und  Eapliidiophrys;  zweifelhaft  hingegen,  ja 
wenig  wahrscheinlich,  ist  sie  bei  Clathrulina,  wo  Greeft'  die  Differenzirung 
der  Pseudopodien  in  Axenfäden  und  Rindenschicht  behauptet,  während 
Hertwig  und  Lesser  dieselbe  in  Abrede  stellen. 

Am  besten  zu  beobachten  sind  diese  Verhältnisse  bei  dem  grossen 
Actinosphaerium,  wo  sie  auch  zuerst  durch  M.  Schnitze  1863  (20)  und 
kurze  Zeit  darauf  von  Carter  (21)  aufgefunden  worden  sind.  Man  sieht 
hier  sehr  deutlich  durch  die  Axe  des  ziemlich  dicken  Pseudopodiums 
einen  homogenen ,  etwas  dunkleren  Faden  hinziehen ,  der  sich  deutlich 
von  der  körnigen  Pseudopodien-Rindenschicht  unterscheidet  (XV.  1  b,  ax) 
und  welcher  sich  nicht  nur  durch  das  ganze  Pseudopodium,  sondern  auch 
noch  durch  die  protoplasmatische  Masse  des  Ectosarks,  in  die  Scheide- 
wände zwischen  den  Vacuolen  eingesenkt,  bis  zur  Grenze  des  Entosarks, 
ja  z.  Th.  auch  noch  ein  Stück  weit  in  dieses  hinein,  verfolgen  lässt. 
Es  kann  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  diese  Axenfäden  thatsächlich 
eine  Art  elastischer  Stützorgane  der  relativ  starren  Pseudopodien  dar- 
stellen, jedoch  gewiss  nicht  Skeletgebilden  direet  verglichen  werden 
dürfen.  Sie  bestehen  aus  organischer  Substanz,  welche  sich  bei  dem  Hervor- 
strecken eines  Pseudopodiums  aus  dem  sich  erhebenden  Protoplasma 
des  Ectosarks  direet  differenzirt  oder  ausscheidet,  wie  dies  von  Brandt 
(45)  bei  der  Neubildung  der  Pseudopodien  beobachtet  wurde.  Hier- 
bei sieht  man  zunächst  einen  ziemlich  breiten ,  kegelförmigen  Proto- 
plasmafortsatz als  Anlage  des  künftigen  Pseudopodiums  sich  erheben,  in 
dessen  Axe  sich  allmählich  die  erste  Spur  des  Axenfadens  als  feines, 
nadelartiges  Gebilde  zeigt. 

Andererseits  kann  jedoch  auch  bei  der  Zurückziehung  des  Pseudo- 
podiums der  Axenfäden  wieder  völlig  rückgebildet,  d.  h.  in  dem  Körper- 
protoplasma aufgelöst  werden,  was  jedenfalls  bei  der  gänzlichen  Ein- 
ziehung der  Pseudopodien  Tor  Beginn  der  Encystirung  geschieht,  jedoch 
auch  bei  sonstiger  Rückziehung  der  Pseudopodien  einzutreten  scheint, 
wenngleich  es  nicht  völlig  sichergestellt  ist,  ob  hierbei  nicht  z.  Th.  auch 
nur  eine  Zurückziehung  des  Axenfadens,  ohne  Auflösung,  stattfindet. 

Brandt,  der  diese  Verhältnisse  einer  genaueren  Untersuchung  unterzog,  will  beobachtet 
haben,  dass  namentlich  das  Ectosark  eine  l)esondere  Lösungsfähigkeit  für  die  Axenfäden  be- 
sitze und  dass  die  Wiederlöslichkeit  der  Axenfäden  eine  sehr  verschiedene  sein  könne,  indem 
die  erst  kürzlich  gebildeten  noch  eine  grosso,  die  schon  vor  längerer  Zeit  entstandenen  hin- 
gegen nur  eine  geringe  Wiederlöslichkeit  besässen.  Den  Grund  hierfür  sucht  er  in  der  eigen- 
thtimlichen  chemischen  Beschaffenheit  dieser  Gebilde;  während  nämlich  nach  ihm  die  neu- 
gebildeten Axenfäden  aus  reinem  Vitellin  bestehen,  soll  sich  diesem  späterhin  noch  eine 
andere  'organische  Substanz  beimischen,  welche  wohl  die  geringere  Löslichkeit  der  älteren  Axen- 
fäden veranlasse.  Weiterhin  haben  jedoch  Brandt  seine  Untersuchungen  der  Axenfäden  noch 
gelehrt,  dass  dieselben,  namentlich  im  jugendlichen  Zustand,  mit  einander  verschmelzen  können, 
wodurch  also  eine  noch  flussige  oder  doch  plastische  Beschaffenheit  derselben  angezeigt  wird. 
Andererseits  liess  sich  jedoch  auch  selbstthätige  Contraktion  derselben  manchmal  nachweisen, 
wobei  sie  entweder  in  toto  sich  verkürzten  und  entsprechend  verdickten  oder  auch  lokale, 
Spindel-  bis  knotenförmige  Anschwellungen  zeigten. 


288  Heliozoa. 

Viel  grössere  Schwierigkeiten  bietet  die  Beobachtung  der  Axenfäden 
bei  den  übrigen  genannten  Heliozoengattungen;  was  einmal  daher  rührt, 
dass  bei  der  grösseren  Feinheit  der  Pseudopodien  die  Verhältnisse  über- 
haupt viel  schwieriger  zu  eruiren  sind,  andererseits  jedoch  auch  wohl 
damit  zusammenhängt,  dass  hier  die  aus  dünnflüssigerem  Ectoplasma  ge- 
bildete Rindenschicht  der  Pseudopodien  eine  viel  geringere  Dicke  besitzt 
und  daher  schwieriger  von  dem  Axenfäden  unterschieden  werden  kann. 
Es  sind  daher  vorzüglich  die  in  den  Weichkörper  selbst  eintretenden  Enden 
der  Axenfäden,  welche  hier  zur  Wahrnehmung  gekommen  sind  und  deren 
Verhalten  z.  Th.  ein  sehr  eigenthümliches  und  von  dem  bei  Actinosphae- 
rium  gefundenen,  abweichendes  ist.  Bei  letzterer  Form  sind,  wie  bemerkt, 
die  Axenfäden  bis  an  die  Grenze  oder  bis  in  die  äusserste  Region  des 
Entosarks  zu  verfolgen ,  indem  sie  allmählich  an  Dicke  zunehmen ;  hier 
jedoch  enden  sie  und  zwar  mit  keilförmig  abgestutzten  Enden,  wie  zuerst 
von  Greeff  nachgewiesen  wurde. 

Von  diesem  eben  geschilderten  Verhalten  weichen,  wie  bemerkt,  die 
übrigen  Heliozoen,  bei  welchen  Axenfäden  mit  Sicherheit  erkannt  worden 
sind,  in  sehr  beraerkenswerther  und  interessanter  Weise  ab.  Hier  näm- 
lich, bei  Actinophrys,  Acanthocystis ,  Raphidiophrys  und  Actinolophus 
lassen  sich  die  Axenfäden  viel  weiter  in  die  centralen  Partien  des  Kör- 
pers und,  wo  ein  Entosark  entwickelt,  in  dieses  verfolgen,  ja  sie  treten, 
mit  Ausnahme  von  Actinophrys,  bis  zu  dem  Centrum  selbst  heran  und 
vereinigen  sich  hier  zusammenfliessend  in  eigenthümlicher  Art.  Bei  Actino- 
phrys haben  sich  bis  jetzt  die  verschiedenen  Forscher  noch  nicht  völlig 
über  das  centrale  Verhalten  der  Axenfäden  geeinigt.  Grenacher  (29),  der 
dieselben  zuerst  entdeckte,  gibt  an,  sie  bis  zu  der  Oberfläche  des  central 
gelegenen  Kerns  verfolgt  zu  haben  und  ich  kann,  nach  eigenen  Unter- 
suchungen dieses  Verhalten  bestätigen.  Greeff  (35)  will  sie  sogar  in  die 
vermeintliche  Centralkapsel  (ohne  Zweifel  den  Kern)  eintreten  und  in 
deren  Centrum  sich  vereinigen  gesehen  haben.  Von  solch  tiefem  Ein- 
dringen der  Axenfäden  konnten  sich  jedoch  Hertwig  und  Lesser  nicht 
überzeugen,  dagegen  glaubt  Hertwig  (43)  durch  neue  Untersuchungen 
gefunden  zu  haben,  dass  die  Axenfäden  in  einiger  Entfernung  vom  Kern 
rait  rundlichen  Anschwellungen  endigen,  sich  jedoch  jedenfalls  nicht  bis 
zum  Centrum  erstrecken.  Wie  schon  oben  gesagt,  muss  ich  die  Grenacher'- 
sche  Darstellung,  nach  eigner  Erfahrung,  für  die  richtige  halten.  Bei  den 
drei  anderen,  oben  genannten  Gattungen  hat  sich  dagegen  das  Verhalten 
der  Axenfäden  im  Innern  des  Heliozoenkörpers  durch  die  Bemühungen 
von  Grenacher,  Greeff,  F.  E.  Schulze  und  Hertwig  allmählich  recht  sicher 
ermitteln  lassen.  Hier  steht  einer  centralen  Vereinigung  derselben  kein 
Hinderniss  im  Wege,  indem  der  Kern,  wie  früherhin  geschildert  wurde, 
eine  excentrische  Lage  besitzt.  Es  lassen  sich  denn  auch  die  Axenfäden 
bis  zu  dem  im  Entosark  gelegenen  Centrum  des  Körpers  verfolgen,  wo 
sie  sich  mit  einem  hier  befindlichen,  dunklen,  kleinen  und  in  Car- 
min    sich    lebhaft    färbenden    Körperchen    vereinigen    (XVI.    2,    7  a). 


Pseudopodien  (Körnchenströmung  etc.).  289 

Dieses  Verhalten  ist  für  Acantliocystis,  Eaphidiophrys  und  Actinolopluis  durch  F.  E. 
Schulze  und  Hertwig  erwiesen  worden,  wovon  die  Beobachtungen  Grenacher's,  der  zuerst  die 
centrale  Vereinigung  der  Axenfäden  bei  Acanthocystis  sah  (31)  und  die  Greeff's  (40)  bei  der- 
selben Gattung  etwas  abweichen.  Letzterer  gibt  auch  für  diese  Form  an,  die  Axenfäden  bis 
in  das  Innere  der  von  ihm  beschriebenen,  sogen.  Centralkapsel,  welche  nach  Beschreibung  und 
Abbildung  ohne  Zweifel  der  Nucleus  der  übrigen  Autoreu  ist,  verfolgt  zu  haben,  ja  er  sah 
sie  auch  noch  in  den  Nucleolus  eintreten  und  in  diesem  an  einer  central  gelegenen,  hellen, 
bläschenartigen  Höhlung  endigen  (XVI.  6  a).  Ein  Zweifel  an  der  Identität  der  von  Greeff  be- 
schriebenen sogen.  Centralkapsel  mit  dem  Nucleus  dürfte  kaum  gerechtfertigt  sein,  so  dass 
sich  vorerst  die  abweichende  Darstellung  dieses  Forschers  wohl  nur  in  der  Weise  mit  der  der 
obengenannten  Autoren  ins  Einvernehmen  setzen  lässt,  dass  Greeff  sich  durch  eine  üeberein- 
anderlagerung  des  Nucleus  und  des  centralen  Ausstrahlungspunktes  der  Axenfäden  täuschen 
Hess.  Jedoch  sind  Greeff's  Angaben,  bezüglich  dieser  Verhältnisse,  so  bestimmt  gehalten  und 
auf  den  Abbildungen  seiner  vermeintlichen  Centralkapsel  tritt  die  Axenfädenstrahlung  so  deut- 
lich hervor,  dass  eine  nochmalige  genaue  Aufklärung  dieses  Punktes  durch  erneute,  exakte 
Beobachtungen  sehr  zu  wünschen  wäre. 

Wie  an  den  feinen  Pseudopodien  der  Rhizopoden  tritt  auch  an  denen 
der  Heliozoen  die  sogen.  Körnchenströmung  mehr  oder  weniger  deutlich 
hervor.  Da  wir  über  das  Wesen  und  die  Erscheinung  dieses  Strömungs- 
processes  schon  früherhin,  bei  Gelegenheit  der  Rhizopoda,  genaueres  mit- 
getheilt  haben,  so  können  wir  uns  hier  auf  einige  wenige  Bemerkungen 
rücksichtlich  dieses  Phänomens  im  Heliozoenorganismus  beschränken. 
Was  zunächst  den  Körnchenreichthura  der  Pseudopodien  oder  der  sogen. 
Rindenschicht  der  höher  differenzirten  Pseudopodien  angeht,  so  herrscht 
in  dieser  Hinsicht  ziemliche  Mannigfaltigkeit;  ob  wirklich  dauernd  ganz 
körnchenfreie  Pseudopodien  anzutreffen  sind,  wie  sie  Archer  z.  B.  bei 
Raphidiophrys  viridis  und  dieser  wie  Hertwig  und  Lesser  bei  Pompho- 
lyxophrys  beschreiben,  scheint  mir  fraglich.  Im  Allgemeinen  ist  die,  von 
Claparede  bei  Actinophrys  zuerst  aufgefundene,  Körnchenströmung  bei 
den  Heliozoen  langsam,  so  namentlich  bei  Actinophrys  und  Actinosphae- 
rium,  jedoch  finden  sich  auch  Formen  mit  relativ  ziemlich  lebhafter  Strö- 
mung. So  soll  sie  bei  Acanthocystis  beträchtlich  lebhafter  sein  wie  bei 
Actinophrys,  und  weiterhin  finden  sich  auch  einige,  wiewohl  bis  jetzt 
nicht  ausreichend  bekannte  Formen,  welche  sich  durch  sehr  lebhafte  Be- 
wegungen der  Pseudopodienkörnchen  auszeichnen,  wie  Greeff  solche  bei 
seinem  Chondropus  und  Astrococcus  beobachtet  hat.  Recht  energisch  scheint 
»ich  ferner  die  Körnchenbewegung  bei  gewissen  Vampyrellen  (V.  lateritia 
Frs.  =  Spyrogyrae  Cienk.)  zu  vollziehen,  da  hier  nach  Cienkowsky's  Schil- 
derung, welche  Hertwig  und  Lesser  bestätigten,  die  Körnchen  stossweise  in 
die  Pseudopodien  hineingeworfen  werden  und  sich  ebenso  rasch  wieder 
zurückziehen.  Dagegen  treffen  wir  auch  eine  andere  Form  derselben 
Gattung  (V.  pendula  Cienk,),  welcher  die  Körnchenbewegung  ganz  abgeht. 

Schon  bei  früherer  Gelegenheit  wurde  hervorgehoben,  dass  sich 
auch  bei  den  Heliozoen,  wenngleich  nicht  häufig,  Anastomosen  und  Ver- 
schmelzungen benachbarter  Pseudopodien  zeigen,  die  aber  kaum  jemals 
zur  Bildung  eines  wahren   Pseudopodiennetzes  Veranlassung  geben.     Die 

B  1- o  n  n  ,  Klassen  des  Thier-Eeichs.     Protozoa.  19 


290  Heliozoa. 

Neigung  zur  Bildung  solcher  Verschmelzungen  hängt  bei  den  Heliozoen 
wohl  hauptsächlich  von  zwei  Faktoren  ab,  nämlich  einmal,  bei  der 
strahligen  Anordnung  der  Pseudopodien,  von  einer  ziemlich  dichten 
Stellung  derselben,  wodurch  die  Möglichkeit  gegeben  wird,  dass  benach- 
barte bei  geringer  Lageveränderung  in  Berührung  gerathen,  weiterhin 
jedoch  auch  von  einer  gewissen,  natürlichen  Disposition  des  Plasmas  zur 
Verschmelzung.  Gelegentliche  Zusammenneigung  und  Verschmelzung 
einiger  benachharter  Pseudopodien  sind  daher  bei  Formen  mit  ziemlich  dicht 
gestellten  Scheinfüsschen  gerade  keine  Seltenheit;  so  wird  derartiges  be- 
richtet von  Actinophrys  und  Actinosphaerium,  in  reicherer  Ausbildung 
noch  von  Clathrulina  und  zuweilen  auch  Actinolophus. 

Im  Anschluss  an  die  Besprechung  der  Pseudopodienverhältnisse 
dürften  weiterhin  die  Bewegungserscheinungen  des  Gesammtkörpers 
unserer  Organismen,  soweit  dieselben  bis  jetzt  der  Erforschung  zu- 
gänglich gewesen  sind,  und  ebenso  die  Vorgänge  bei  der  Nahrungsauf- 
nahme, welche  ja,  wie  zu  erwarten,  aufs  innigste  mit  dem  Verhalten  der 
Pseudopodien  in  Zusammenhang  stehen,  hier  zur  Sprache  gebracht  werden. 

Ein  Theil  der  Heliozoa  schliesst  sich,  bezüglich  der  Bewegungs- 
erscheinungen, noch  ziemlich  innig  an  die  amöbenartigen  Formen  der 
Rhizopoda  an;  es  sind  dies,  wie  schon  aus  früheren  Schilderungen  zur 
Genüge  hervorging,  eben  diejenigen  einfachsten  Formen,  welche  nach  ihrem 
ganzen  Verhalten  gewissermaassen  Uebergangsstufen  von  den  einfacheren 
Rhizopoden  zu  den  Heliozoen  darstellen.  In  solcher  Weise  verhalten  sich 
Arachnula,  Vampyrella,  Nuclearia  und  Monobia,  die  eine  mehr  oder 
weniger  energische,  amöboide  Kriechbewegung  ihres  Gesammtkörpers 
zeigen,  ohne  dass  jedoch  hierdurch  die  Bildungsverhältnisse  der  feinen 
Pseudopodien  merklich  beeinträchtigt  würden. 

Im  Gegensatz  zu  den  genannten  Formen  sind  nun  die  Bewegungs- 
erscheinungen der  typischen  Heliozoen  fast  durchaus  sehr  wenig  aus- 
giebig und  für  gewöhnlich  mit  keinem  oder  doch  nur  einem  sehr  gering- 
fügigen Gestaltswechsel  verbunden.  Uebereinstimmend  wird  von  den  ver- 
schiedenen Beobachtern  die  Ortsbewegung  dieser  Foroien  als  sehr 
langsam  beschrieben  und  nur  als  seltener  Fall  hiervon  gelegentlich  eine 
Ausnahme  notirt,  wie  sie  sich  z.  B.  bei  der  Gattung  Pompholyxophrys 
Arch.  findet,  deren  Angehörige  sich  durch  relativ  sehr  energische  Orts- 
bewegung auszeichnen,  in  Folge  deren  der  Körper  „wie  eine  Kugel  über 
die  Unterlage  rollt"  (nach  der  Schilderung  von  Hertwig  und  Lesser). 
Diese  langsame  Fortbewegung  der  meisten  Heliozoen,  welche  sowohl  beim 
Ruhen  auf  einer  Unterlage  als  im  schwimmenden  Zustand  erfolgt,  blieb 
einer  ganzen  Reihe  von  Beobachtern,  hinsichtlich  ihrer  Verursachung, 
unverständlich,  so  dass  zu  ihrer  Erklärung  z.  Th.  Vorgänge  zu  Hülfe 
gezogen  wurden,  welche  wohl  kaum  in  einem  näheren  Zusammenhang 
mit  diesen  Bewegungsvorgängen  stehen.  So  glaubte  Stein  sich  die  Be- 
wegungen des  Actinosphaeriums  durch  die  heftigen  Contractionen  der  con- 


Bcwegungsersclieinungen.  291 

tractilen  Vacuole  erklären  zu  können*).  Dagegen  haben  andere  Forseber, 
so  hauptsäcblicb  Cobn  (11),  wie  Claparede  und  Lacbmann,  die  in  Rede 
stebende  Fortbewegung  auf  einer  Unterlage  durcb  die  Pseudopodien  be- 
werkstelligen lassen ,  die  sich  anheftend  und  verkürzend  den  Körper 
weiter  ziehen,  ein  Erklärungsversuch,  der  mir  natürlicher  erscheint. 
Aehulich  sprechen  sich  auch  Hertwig  und  Lesser  aus,  wenn  auch 
ihre  Darstellung  keineswegs  ganz  verständlich  erscheint;  nach  ihnen 
„balancirt  die  Heliozoe  auf  der  Spitze  der  Pseudopodien  und  bewegt 
sich  mit  Hülfe  der  Contractionen  (?)  derselben  wie  eine  Kugel  rotirend 
vorwärts." 

Schwieriger  noch  wie  die  Erklärung  der  Fortbewegung  auf  einer 
Unterlage  gestaltet  sich  die  der  freien  Schwimmbewegungen,  welche  haupt- 
sächlich bei  Actinophrys  und  Actinosphaerium  genauer  untersucht  worden 
sind.  Diese  Schwimmbewegungen  vollziehen  sich  zunächst  wieder  in  ver- 
schiedener Weise,  einmal  durch  Aufsteigen  und  Niedersinken,  weiterhin 
jedoch  auch  durch  seitliche  Ortsveränderungen  im  schwimmenden  Zustand. 
Der  erstgenannte  Bewegungsvorgang  wurde  schon  im  vorigen  Jahrhundert  von 
Pastor  Eichhorn  bei  Actinosphaerium  beobachtet  und  wahrscheinlich  z.  Th. 
auch  richtig  erklärt  (4).  Es  scheint  wenigstens  nach  den  neueren  Unter- 
suchungen von  Brandt  (45),  dass  Eichhorn  und  ähnlich  späterhin  Kölliker 
und  Perty  insofern  das  Richtige  getroffen  haben,  als  sie  die  Herabsen- 
kung schwimmender  Thiere  durch  Zusammenziehung,  also  Volumsver- 
minderung, ihres  Leibes  erklärten.  Dass  zwar  das  Actinosphaerium  eine 
Hohlkugel  darstelle,  wie  sich  Eichhorn  dachte,  haben  die  späteren  For- 
schungen nicht  bestätigt  und  ebensowenig  wird  sich  das  Aufsteigen  der 
Thiere  im  Wasser  durch  eine  Ausdehnung  des  Körpers  erklären  lassen, 
da  ja  hierbei  das  specifische  Gewicht  nicht  unter  das  des  Wassers  herab- 
sinken kann.  Dass  jedoch,  wie  bemerkt,  die  Senkung  thatsächlich  auf 
eine  Körpercontraction  zurückzuführen  ist,  hat  Brandt  zunächst  durch  die 
mittels  Messung  direct  constatirte  Volumsverminderung  erwiesen,  anderer- 
seits hierfür  jedoch  auch  das  veränderte,  milchweisse  Aussehen  der  sin- 
kenden Thiere  namhaft  gemacht,  welches  gleichfalls  eine  grössere  Dichte 
derselben  anzeigt. 

Ueber  die  Ursachen  des  Aufsteigens  sind  dagegen  bis  jetzt  kaum 
sichere  Erfahrungen  gemacht  worden;  zwar  wurde  von  Ehrenberg  (6) 
behauptet,  dass  dasselbe  von  einer  Luftaufnahme  (Actinophrys)  her- 
rühre; es  Hesse  sich  daher  vermuthen,  dass  hier  in  gleicher  Weise, 
wie  bei  gewissen  Rhizopoden,  eine  innere  Gasentwickelung  als  Ursache 
des  Aufsteigens  vorhanden  sei.  Dem  gegenüber  muss  aber  hervor- 
gehoben werden,  dass  bis  jetzt  von  keinem  Beobachter  eine  solche  Gas- 
entwickelung bei  einem  Heliozoon  gefunden  wurde  und  Brandt  dieselbe 
für  Actinosphaerium  ganz  entschieden  in  Abrede  stellt.   Unter  diesen  Ver- 

*)  Ausgeschlossen  ist  hierdurch  natürlich  nicht,  dass  die  heftigen  Contractionen  der 
pulsirenden  Vacuolen  bei  Actinophrys  und  Actinosphaerium  ruckartige  Erschütterungen  des 
Thicrkörpers  hervorrufen,  was  Leidy  (50)  neuerdings  wieder  mehrfach  liervorhob. 

19* 


292  Heliozoä. 

hältnissen  kam  Br.  zur  Vermuthung,  dass  die  Verringerung  des  specifischen 
Gewichtes,  welche  zur  Erklärung  des  Aufsteigens  ja  unbedingt  erforder- 
lich erscheint,  wohl  auf  die  reichliche  Auflösung  von  Gas  in  der  Vacuolen- 
flüssigkeit  zurückfiihrbar  sei,  wodurch  gleichfalls  das  specif.  Gewicht  des 
Gesammtkörpers  sich  vermindere.  Letzteres  ist  jedoch  äusserst  unwahrschein- 
lich*). Mir  scheint  bis  jetzt  die  Möglichkeit,  dass  auch  bei  den  Heliozoen 
eine  directe  Gasentwickelung,  ähnlich  der  gewisser  Rhizopoden ,  die  Ur- 
sache des  Aufsteigens  sei,  noch  nicht  hinreichend  widerlegt,  da  ja  die 
Wahrscheinlichkeit  solcher  Gasausscheidung  nicht  gering  ist,  wenn  wir 
uns  erinnern,  dass  z.  B.  auch  gewisse  Infusorien  nach  Engelmann's  Be- 
obachtungen zuweilen  solche  Gasentwickelung  erkennen  lassen. 

Grosse  Schwierigkeit  bereitet  weiterhin  die  Erklärung  der  seitlichen 
Schwimmbewegung  gewisser  Heliozoen,  hauptsächlich  des  Actinosphaerium. 
Wenn  wir  hier  absehen  von  Zuhülfenahme  der  contractilen  Vacuolen  zur 
Erklärung  dieser  Bewegungsvorgänge,  so  finden  wir  bis  jetzt  nur  bei 
Brandt  einen  Versuch  zur  Deutung  dieser  Erscheinung.  Er  beobachtete 
bei  den  in  Drehung  und  seitlicher  Fortbewegung  gefundenen  Actino- 
sphaerien  eine  eigenthümliche,  abweichende  Stellung  der  Pseudopodien; 
der  grössere  Theil  derselben  war  häufig  schief  nach  einer  Seite  geneigt  und 
zwar  stets  nach  der  der  Drehungs-  und  Fortbewegungsrichtung  entgegen- 
gesetzten. Hauptsächlich  stark  trat  diese  Schiefstellung  an  zwei  entgegen- 
gesetzten Polen  der  Kugel  hervor,  wogegen  die  Aequatorialstrahlen  ihre 
regelmässig  radiäre  Anordnung  noch  zeigten.  In  dieser  Verfassung  Hess 
sich  die  Umdrehung  eines  Thieres  etwa  in  12  Minuten  verfolgen.  Ueber 
die  Ursache  der  Schiefstellung  der  Pseudopodien  blieb  Brandt  unsicher, 
ebenso  ob  dieselbe  die  Bewegung  veranlasse  oder  nur  von  der  Bewegungs- 
ursache mitbedingt  werde.  Es  scheint  nun  wohl  erklärlich,  dass  ein  der- 
artiges Zusammenneigen  der  Strahlen  nach  einer  Seite  eine  Umdrehung 
des  kugligen  Körpers  durch  Verlagerung  des  Schwerpunktes  zu  veranlassen 
im  Stande  ist,  jedoch  wird  hierbei  die  Drehungsrichtung  —  wenn  ich 
anders  Brandt  recht  verstehe  —  gerade  die  umgekehrte  der  beobachteten 
sein  und  sich  dadurch  weiterhin  für  die  Seitenbewegung  schwerlich  eine 
plausible  Vorstellung  gewinnen  lassen.  Im  Gesammten  scheint  daher  bis 
jetzt  das  Verständniss  dieses  Bewegungsvorgangs  noch  wenig  aus- 
reichend. 

Die  Nahrungsaufnahme  der  Heliozoä  geschieht,  wie  zu  erwarten, 
hauptsächlich  unter  Beihülfe  der  Pseudopodien,  jedoch  liegen  bis  jetzt 
nur  spärliche  Angaben  über  die  Natur  dieses  Vorganges  vor.  Dass  die 
Heliozoä  sich  durch  Aufnahme  geformter  und  z.  Th.  thierischer,  ja  unter 
Umständen  recht  ansehnlicher  Nahrungskörper   ernähren,    war  schon  für 


*)  Einer  derartigen  Annalime  scheinen  nämlich  die  Erfahrungen  über  das  Verhalten  der 
Flüssigkeiten  bei  der  Absorption  von  Gasen  zu  widersprechen ;  wenigstens  ist  bekannt ,  dass 
Wasser  durch  Sättigung  mit  Kolilensäure  niclit  leicliter,  sondern  dicliter  und  schwerer  wird- 
Nach  S.  von  Wroblewski  besitzt  das  mit  Kohlensäure  gesättigte  Wasser  (Temp.  9 — 12",  mitt- 
lerer Barometerstand)  eine  Dichte  von  1,0002  (s.  Annalen  der  Physik  und  Chemie  1877,  p.  500). 


Nahrungsaufnahme.  293 

Actinosphaerium  dem  alten  Eichborn  sehr  wohl  bekannt  und  es  niuss  als 
ein    entschiedener   Rückschritt   bezeichnet   werden,    wenn   Diijardin    noch 
in   den   dreissiger   Jahren    die   Ernährung    der    Actinophryen    durch    Ab- 
sorption  erklären   zu   müssen   glaubte.     Wie  natürlich,   beziehen  sich  die 
meisten  Angaben  über  die  näheren  Vorgänge   bei   der  Nahrungsaufnahme 
unserer  Thiere  auf  die  beiden  ansehnlichen  und  häufigen  Formen  Actino- 
phrys  und  Actinosphaerium.     Wenn  nun  auch  die  Erfahrung,   dass  diese, 
sowie  die  übrigen    Heliozoenformen,    pflanzliche   und   thierische   Nahrung 
in  reichlicher  Menge  zu  sich  nehmen,  heutzutage  nicht  mehr  dem  geringsten 
Zweifel  unterliegt,  so  ist  doch  über  die  Art  und  Weise,   wie  sich  unsere 
Organismen    beim   Fang   und  der  Aufnahme  ihrer  Beute   verhalten,   noch 
keineswegs  allseitige  Uebereinstimmung  erzielt  worden.  —  Zunächst  dürfen 
wir  hier  absehen  von  gelegentlich  geäusserten  Anschauungen,  welche  ihre 
Irrthümlichkeit   bald   verriethen,    so  die  Steins,   der  bei  Actinosphaerium 
die   contractilen   Vacuolen    als    nahrungsaufnehmende    und    abscheidende 
Organe  beanspruchen   zu    dürfen  glaubte.     Die   einfacheren,    amöboid  be- 
weglichen  Formen   zeigen    in    ihrer   Ernährungsweise  ebenfalls  Anklänge 
an  die  ihnen  noch  näher  verwandten  Ehizopoden,  wie  solches  namentlich 
von  Cienkowsky  und  Häckel  für  die  Vampyrella  nachgewiesen  wurde. 

Die  V.  spyrogyrae  ernährt  sich  von  dem  Zellinhalt  der  Spyrosyren  und  zwar  legt  sie 
sich,  au  den  Spyrogyrcufädeu  hiukriechend ,  au  eine  Zelle  derselben  an,  ihre  Pseudopodien 
unverändert  ausstreckend  oder  sie  einziehend  und  bohrt  nun  die  Zellwand  an ,  öder  löst  viel- 
mehr dieselbe  an  einer  gewissen  Stelle  auf,  so  dass  sie  sich,  durch  dass  so  entstandene  Loch 
des  gesammten  Zellinhalts  der  Spyrogyre  zu  bemächtigen  im  Stande  ist.  Man  sieht  nun  auch 
sehr  bald,  wie  der  gesammte  Inhalt  der  Zelle,  Primordialschlauch  sammt  Chlorophyllband,  in 
die  Vampyrella  hereingezogen  wird  (XIII,  1 1  b).  In  dieser  Weise  geht  die  Vampyrella  plün- 
dernd an  dem  Spyrogyrafaden  weiter,  bis  sie  schliesslich  einen,  später  genauer  zu  erörternden 
Ruhezustand  annimmt.  —  In  ganz  ähnlicher  Weise  erwirbt  sich  auch  die  V.  pendula  Cienk. 
ihre  Nahrung  aus  verschiedenen  Algen. 

Etwas  anders  dagegen  verhalten  sich  die  V.  vorax  C.  und  die  V.  gomphonematis  Häcli. ; 
die  erstere  ernährt  sich  ganz  nach  Rhizopodenart  durch  ümflicssen  und  Aufnahme  von  Dia- 
tomeen, Desmidiaceen  und  Euglenen,  wogegen  die  letztere  auf  festsitzenden  Gomphoncmastöck- 
chen  lebt,  hier  einzelne  Zellen  umfliesst  und  sie  derart  ihrer  assimilirbaren  Substanzen  beraubt 
(XIII.  13  a). 

«  Nicht  unähnlich  geschieht  auch  die  Ernährung  der  Nuclearien,  über  die  uns  hauptsäch- 
lich auch  wieder  Cienkowsky  Mittheilungen  gemacht  hat.  Die  Nuclearia  delicatula  Cienk. 
scheint  sich  besonders  interessant  zu  verhalten,  indem  sie  die  von  den  Vampyrellen  schon 
heimgesuchten  Cojiferven  noch  nachträglich  ausplündert.  Sie  streckt  hierbei  einen  oder  einige 
hyaline  Protoplasmafortsätzc  tief  in  die  Algenzellen  hinein;  diese  Fortsätze  lösen  sich  an  ihrem 
Ende  in  ein  vielfach  verzweigtes,  ausgedehntes  Protoplasmageflecht  auf  und  dieses  umfliesst 
allmählich  die  noch  vorhandenen  Reste  des  Inhalts  der  Algenzelle,  welche  durch  Zurück- 
ziehung der  Protoplasmafortsätze  dem  Nucleariakörpcr  zugeführt  werden.  Jedoch  vermag  diese 
Art  auch,  wie  es  für  die  N.  simplex  sogar  gewöhnlich  der  Fall  zu  sein  scheint,  durch  ein- 
faches ümfliessen  kleinerer  oder  grösserer  Nahrungskörper  sich  nach  Rhizopodenart  zu  ernähren. 

Wie  schon  hervorgehoben,  besitzen  auch  bei  den  typischen  Heliozoen 
die  Pseudopodien  eine  sehr  wichtige  Bedeutung  für  die  Nahrungsaufnahme 
und  zwar  scheinen  dieselben  vorzugsweise  zum  eigentlichen  Einfangen 
der  Beute,  die  häufig  aus  raschbeweglicben  Infusorien  und  sonstigen 
kleinen  Wasserthieren   besteht,   Verwendung   zu  finden.     Es  ist  mehrfach 


294  Heliozoa. 

beobachtet  worden,  dass  kleine  derartige  Thierehen,  welche  in  den  Pseudo- 
podienwald  einer  Actinophrys,  Actinosphärie  oder  Acanthocystide  hinein- 
geriethen,  oder  denselben  sogar  nur  berührten,  sehr  rasch  ihre  Bewegungen 
einstellten  und  nun  in  gleich  noch  näher  zu  erörternder  Weise  den  Helio- 
zoen  zur  Beute  wurden. 

Hieraus  haben  eine  Anzahl  Forscher,  und  wohl  nicht  ohne  Recht, 
auf  eine  schnelltödtende  oder  doch  lähmende,  giftige  Wirkung  der  Pseudo- 
podien geschlossen,  so  hauptsächlich  Ehrenberg,  Weston,  Hertwig-Lesser 
und  Leidy.  KöUiker  dagegen  glaubte  für  Actinosphaerium  eine  solche 
Wirkung  der  Pseudopodien  in  Abrede  stellen  zu  müssen,  wogegen 
Häckel  für  Myxastrum  das  Anhaften  der  Beute  an  den  Pseudopodien 
auf  eine  klebrige  Oberflächenbeschaffenheit  derselben  zurückzuführen 
sucht. 

In  welcher  Weise  sich  nun  aber  auch  der  lähmende  Einfluss  der 
Pseudopodien  gewisser  Heliozoen  auf  die  mit  ihnen  in  Berührung  gerathene 
Beute  geltend  machen  mag,  im  Ganzen  scheint  es  sicher,  dass  die 
Scheinfüsschen  durch  einen  solchen  Einfluss  den  Fang  der  Nahrung 
unterstützen,  wenn  sie  auch  nicht  gerade  wie  Fangspiesse  wirken,  wie 
Perty  (12)  seiner  Zeit  vermuthete,  der  kleine  Infusorien  sogar  auf  den  Ten- 
takeln der  Actinophryen  aufgespiesst  beobachtet  haben  wollte. 

Hat  sich  nun  derart  ein  Heliozoon  mittels  seiner  Pseudopodien  eines 
Nahrungskörpers  bemächtigt,  so  handelt  es  sich  darum,  denselben  dem 
eigentlichen  Körper  zuzuführen  und  in  diesen  aufzunehmen,  ein  Vorgang, 
der  von  den  verschiedenen  Beobachtern  nicht  immer  in  übereinstimmender 
Weise  beschrieben  worden  ist.  In  manchen  Fällen  scheint  ein  einfaches 
Herabgleiten  des  Nahrungskörpers  an  den  Pseudopodien,  wohl  verbunden 
mit  theilweisem  Umfliessen  desselben  durch  die  Rindenschicht  der  Schein- 
füsschen,  stattzufinden,  in  welcher  Art  sich  z.  ß.  nach  H.  und  L.  die 
Nahrungszufuhr  bei  Acanthocystis  gestalten  soll.  Ein  solches  Umfliessen 
der  Nahrung,  schon  durch  die  Pseudopodien,  wird  dadurch  noch  wahr- 
scheinlicher, dass  bei  Clathrnlina  nicht  selten  grössere  Nahrungskörper 
nicht  bis  in  die  Centralmasse  des  Körpers  hineingezogen,  sondern  an 
einem  Pseudopodium,  welches  durch  Protoplasmazufluss  verstärkt  wird, 
ausserhalb  der  Schale  verweilen  und  hier  assimilirt  werden. 

Anders  hingegen  soll  sich  nach  den  Beobachtungen  von  Kölliker  bei 
Actinosphaerium  und  denen  Häckels  an  dem  in  vieler  Hinsicht  verwandten 
Myxastrum  die  Aufnahme  der  Nahrung  in  das  eigentliche  Körperproto- 
plasma gestalten.  Hier  wird  der  betreffende  Nahrungskörper  allmählich 
der  Körperoberfläche  genähert,  indem  die  ihn  umgebenden  Pseudopodien 
sich  allseitig  über  ihm  zusammenneigen  und  ihn  dergestalt  zur  Körper- 
oberfläche hinabdrücken.  Im  Verlaufe  dieses  Vorgangs  soll  sich  dann 
auf  der  Körperoberfläche,  gegenüber  dem  sich  annähernden  Bissen, 
eine  grubenartige  Einsenkung  bilden,  in  die  der  aufzunehmende  Kör- 
per einsinkt  und  indem  die  Grube  sich  hierauf  über  ihm  schliesst 
wird   derselbe  in  den   Heliozoenkörper  selbst  aufgenommen.     Mit  dieser 


Nahrungsaufnahme.  295 

Schilderung-  stimmt  auch  die  Beschreibung,  welche  Wallich  von  der 
Nahrungsaufnahme  bei  Actinosphaerium  gibt,  ziemlich  wohl  überein; 
nach  ihm  soll  sich  theils  durch  Verschmelzung  der  Pseudopodien,  welche 
die  Nahruug  gefangen  haben,  theils  in  dem  Ectosark,  dem  die  Nahrung 
genähert  wird,  eine  Cavität  bilden,  in  welche  die  Beute  eingeschlossen 
wird.  Zweifelhaft  erscheint  mir  nach  seiner  Beschreibung  nur,  ob  er 
diese  Cayität  sich  als  eine  geschlossene  Vacuole  vorstellt,  in  welche  die 
Nahrung,  ähnlich  wie  bei  manchen  Flagellaten,  eingepresst  würde,  oder 
ob  sie,  wie  KöUiker  es  beschreibt,  eine  ursprünglich  offene  Grube  dar- 
stellt, die  sich  erst  später  über  dem  Nahrungskörper  schliesst. 

Nicht  unwesentlich  verschieden  scheint  sich  dagegen  der  Process  der 
Nahrungsaufnahme  bei  Actinophrys  zu  gestalten.  In  ziemlich  überein- 
stimmender Weise  wird  nämlich  von  Claparede  und  Weston  beschrieben, 
dass  sich  hier  von  der  Körperoberfläche  ein  ziemlich  breiter  Fort- 
satz (der  nach  Claparede  aus  einer  schleimigen  Masse  besteht,  wäh- 
rend Weston  ihn  als  eine  zarte  Membran  beschreibt)  dem  aufzunehmenden 
Nahrungskörper  entgegen  erhebe,  welcher  Fortsatz  den  Nahrungskörper 
überziehe  und  einschliesse.  Beide  Forscher  stimmen  schliesslich  auch 
darin  tiberein,  dass  sich  derartige  Fortsätze  zuweilen  auch  ohne  Nah- 
rungsaufnahme plötzlich  hervorbilden  und  wieder  eingezogen  werden 
und  Weston  glaubt  noch  beobachtet  zu  haben ,  dass  dieselben  bei  dieser 
Gelegenheit  vor  ihrer  Zurückziehung  eine  schleimige  Masse  entleerten. 
Auch  Lieberkühn  konnte  diese  Art  der  Nahrungsaufnahme  für  Actino- 
phrys bestätigen,  wogegen  Leidy  (50)  neuerdings  die  gleiche  Art  der 
Nahrungsaufnahme  nicht  nur  Actinophrys,  sondern  auch  Actinosphaerium, 
Acanthocystis  und  Raphidiophrys  zuschreibt.  Gelegentlich  sah  er  bei 
Actinophrys  eine  solche  Protoplasmamasse  von  so  beträchtlicher  Grösse 
sich  entwickeln,  dass  sie  nahezu  die  Hälfte  der  Oberfläche  des  Thier- 
körpers  umgriff. 

Diese  Schilderungen  erinnern  sehr  an  die  frühere  Angabe  Ehren- 
bergs, welcher  den  Actinophryen  einen  zur  Nahrungsaufnahme  dienenden, 
vorstülpbaren  Rüssel  und  eine,  am  gegenüberliegenden  Körperpol  befind- 
liche Afteröflfnung  zuschrieb.  Es  dürfte  also  sehr  wahrscheinlich  sein, 
dass  jener  von  Ehrenberg  angegebene  Rüssel  der  bei  Actinophrys  zur 
Nahrungsaufnahme  sich  vorschiebende,  breite,  pseudopodienartige  Fortsatz 
war,  wenn  auch  die  meisten  späteren  Beobachter  diesem  vermeintlichen 
Rüssel  eine  abweichende  Deutung  geben  zu  müssen  glaubten ;  so  erklärten 
ihn  Claparede  und  Stein  für  die  contractile  Vacuole,  Kölliker  hingegen 
glaubte  ihn  als  ein  in  Entwicklung  begriffenes  Pseudopodium  deuten  zu 
müssen.  Auch  den  After,  Vielehen  Ehrenberg  beobachtet  zu  haben  an- 
gibt, suchte  Stein  auf  die  gewöhnlich  vorhandene,  zweite  contractile 
Vacuole  des  Actinosphaerium  zu  beziehen. 

■  Wie  bei  zahlreichen  Rhizopoden  und  Protozoen  überhaupt,  wird  auch 
bei  den  Heliozoen  die  dem  Körper  einverleibte  Nahrung  meist  in  sogen. 
Nahrungsvacuolen   eingeschlossen,    deren   Entstehung   ziemlich   allgemein 


296  Heliozoa. 

durch  Sekretion  von  Flüssigkeit  im  Umkreis  des  aufgenommenen  Nah- 
rungskörpers  erklärt  wird.  Damit  dürfte  jedoch  auch  für  unsere  Orga- 
nismen keineswegs  ausgeschlossen  sein,  dass  sie  gelegentlich  durch 
gleichzeitig  mit  dem  Bissen  eingeschlossenes  Wasser  erzeugt  werden,  wie 
denn  auch  z.  B.  Häckel  bei  Myxastrum  ihnen  eine  derartige  Entstehung 
zuschreibt. 

Die  aufgenommene  Nahrung  verweilt  bei  den  Heliozoen  mit  deut- 
licher Differenzirung  von  Ecto-  und  Entosark  fast  durchaus  in  ersterem, 
und  dringt  nicht  in  das  feingranulirte  Entosark  ein.  Eine  Ausnahme 
bietet  in  dieser  Hinsicht  nur  das  Actinosphaerium  dar,  wo  die  Nahrungs- 
körper stets  durch  das  Ectosark  rasch  in  das  Entosark  überwandern, 
sich  in  letzterem  ansammeln  und  hier  der  Assimilation  unterworfen  werden. 

Für  die  Ausstossung  der  unverdauten  Nahrungsreste  scheint  nirgends 
(wie  dies  ja  bekanntlich  Ehrenberg  für  die  Actinophryen  behauptet  hatte) 
eine  bestimmte,  vorgebildete  Stelle  oder  gar  Oeffnung  vorhanden  zu  sein, 
sondern  die  Entleerung  an  einem  beliebigen  Orte  der  Körperoberfläche 
vor  sich  zu  gehen. 


4.  Skeletbilrtuiigeu  der  Heliozoa*). 

A.    Gallertige  Hüllbild  uugcu. 

Wie  wir  schon  bei  den  Rhizopoden,  wenngleich  verhältnissmässig  sel- 
ten, gallertartige  Umhüllungen  zu  erwähnen  hatten,  finden  wir  Aehnliches 
auch  unter  den  Heliozoa  und  werden  dieser  Einrichtung  später  in  viel 
ausgebreiteter  und  entwickelterer  Weise  bei  den  Radiolaria  wieder  be- 
gegnen. Solche  Umhüllungen  treten  bei  den  Heliozoa  entweder  nur  vor- 
übergehend, zu  gewissen  Zeiten,  auf  oder  sind  constant  vorhanden,  müssen 
sich  dann  wenigstens  schon  auf  sehr  frühen  Entwickelungsstadien  her- 
vorgebildet haben. 

Als  Bildungen  ersterer  Art  begegnen  wir  ihnen  bei  Nuclearia  und 
Actinolophus,  wenigstens  lassen  sich  die  bei  jenen  Formen  zuweilen  beob- 
achteten, eigenthümlichen  Verhältnisse  am  besten  in  dieser  Weise  deuten. 
Schon  Cienkowsky  hat  bei  seiner  Nuclearia  delicatula  zu  Zeiten  eine 
ziemlich  weit  abstehende,  aus  feinen  Körnchen  gebildete,  blasige  Um- 
hüllung beobachtet,  welche  von  den  Pseudopodien  durchsetzt  wurde; 
späterhin  haben  dann  F.  E.  Schulze  (Heterophrys  varians)  und  GreetF 
(Heliophrys  variabilis  ■•^=*) )  diese  Erscheinung  gleichfalls  wieder  constatirt 
und  namentlich   ersterer  dieselbe   auf  eine  gallertartige,    ziemlich   dicke 


*)  Cattaneo  (51)  sucht  neuerdings  die  Ansicht  zu  entwickeln,  dass  die  Skeletbildungeu 
der  Heliozoa  als  umgebildetes  Ectoplasma  zu  betrachten  seien,  unser  Ectoplasma  dagegen  als 
sogen.  Mesoiolasma,  so  dass  demnach  auch  die  skeletophoren  Heliozoen  die  3  Plasmazonen 
besässen,  welche  Maggi  und  Cattaneo  bei  gewissen  Ehizopoden  nachgewiesen  haben  wollen 
(vergl.  hierüber  oben  p.  99  Anmerk.). 

**)  Beide  Formen  sind  identisch  mit  der  Nuclearia  delicatula  Cienk. 


Gallertige  Hulleu  (Chlauiydopliora).  297 

(bis  zu  7:5  ^GS  Körperdurchmessers  betragende)  Umhüllung  zurückzufiibren 
versucht,  deren  äussere  Fläche  mit  sehr  kleinen  Körnchen  dicht  besetzt 
sei,  wodurch,  bei  völliger  Durchsichtigkeit  der  Gallerthülle,  der  Anschein 
einer  Körnchenblase  erzeugt  werde  (XIV.  Ib).  Ich  hatte  mehrfach  Ge- 
legenheit, solche  umhüllte  Nuclearien  zu  beobachten  und  kann  mich  der 
Schulze'schen  Deutung  nur  anschliessen. 

Auch  bei  Actinolophus  fand  F.  E.  Schulze  zuweilen  die  Bildung 
einer  ähnlichen,  ganz  durchsichtigen  Gallerthülle,  jedoch  bildet  dieser 
Vorgang  hier  die  Einleitung  zu  einer  wahren  Encystirung,  die  späterhin 
noch  Gegenstand  unserer  Besprechung  sein  wird,  und  ähnlich  werden 
wir  auch  bei  Actinosphaerium  und  Actinophrys  den  Encystirungsprocess 
mit  der  Ausscheidung  einer  solchen  gallertigen  Hülle  beginnen  sehen. 
Nach  letztren  Erfahrungen  erscheint  es  nicht  unwahrscheinlich,  dass 
auch  bei  Nuclearia  die  Entwickelung  der  Gallerthülle  in  gleicher 
Weise  mit  dem  Encystirungsprocess  in  Zusammenhang  stehen  dürfte, 
wenngleich  solche  umhüllte  Nuclearien  sich  gewöhnlich  noch  einer  recht 
erheblichen  Beweglichkeit  erfreuen. 

Es  gibt  nun  aber  noch  eine  Anzahl  Heliozoen,  die  sich  zeit- 
lebens, soweit  bekannt,  einer  ähnlichen  Umhüllung  ihres  Weichkörpers 
erfreuen  und  die  daher  von  Archer  zu  einer  Abtheilung  der  Chlamydo- 
phora  zusammengefasst  wurden.  Als  Hauptvertreter  dieser  Formen  ist 
die  Gattung  Heterophrys  zu  erwähnen,  an  die  sich  das  sogen.  Sphaer- 
astrum  Greeff's  nahe  anzuschliessen  scheint.  Zum  Voraus  muss  jedoch  be- 
merkt werden,  dass  sich  die  Ansichten  der  verschiedenen  Forscher  über  die 
Natur  der  gleich  näher  zu  beschreibenden  Umhüllung  (speciell  der  Hetero- 
phrys) keineswegs  in  Uebereinstimmuug  befinden,  sondern  recht  sehr  von 
einander  abweichen.  Bei  den  Angehörigen  des  erwähnten  Genus  (XV.  2) 
treifen  wir  eine  ziemlich  dicke,  von  den  Pseudopodien  durchsetzte  Hüll- 
schicht an,  deren  centrale,  der  Körperoberfläche  genäherte  Zone  meist 
ganz  hyalin  und  durchsichtig  ist,  weiter  nach  aussen  jedoch  sehr  bald 
ein  eigenthümlich  feinpunktirtes  und  gestricheltes  Aussehen  annimmt  und 
von  deren  Oberfläche  sich  zwischen  den  Basen  der  Pseudopodien  zahl- 
reiche haar-  oder  cilienartige  Fortsätze,  von  mehr  oder  weniger  ansehn- 
licher Länge  erheben. 

Archer  und  GreefF  glaubten  diese  Hülle  ursprünglich  als  eine  Sarkode- 
schicht betrachten  zu  dürfen ,  gegen  welche  Ansicht  Hertwig  und  Lesser 
sich  jedenfalls  mit  Kecht  ausgesprochen  haben.  Letztere  Beobachter 
wurden  durch  ihre  Untersuchungen  zu  der  sehr  abweichenden  Auffassung 
geführt,  dass  es  sich  hier  nicht  um  eine  weiche  Hüllschicht,  sondern  um 
ein  Skelet  von  sehr  eigenthümlicher  Bildung  handle.  Dasselbe  stellt  nach 
ihnen  ein  feinverfilztes,  spongiöses  Netzwerk  zartester  Nadeln  dar,  welche 
sich  auf  der  Oberfläche  der  Skelethülle  frei  erheben  und  so  den  haar- 
artigen Besatz  erzeugen.  Nach  ihrer  Bildung  lasse  sich  diese  Skelethülle 
wohl  am  ehesten  den  spongiösen  Kieselgerüsten  vergleichen,  die  sich 
bei    gewissen    Radiolarien    (den   Sponguriden   Häckel's)    vorfinden.     Die 


298  Heliozoa. 

Gründe,  aufweiche  sie  diese  Auffassung  stützten,  sind  hauptsächlich:  dass 
die  Hüllschicht  eine  beträchtliche  Cohärenz  zeige,  speciell  nach  dem  Ab- 
sterben der  Thiere  nicht  zerfalle  und  ferner,  wenigstens  bei  Heterophrys 
spinifera,  der  Einwirkung  concentrirter  Mineralsäuren  (selbst  Schwefel- 
säure) widerstehe  (wogegen  bei  H.  marina  Salzsäure  den  haarartigen 
Stachelbesatz  zum  Verschwinden  bringt  und  Eisessig  das  Skelet  sehr 
durchsichtig  macht). 

Archer  hat  sich  jedoch  nicht  mit  der  Hertwig  und  Lesser'schen  An- 
sicht befreunden  können;  er  hält  auch  in  neueren  Publikationen  seine 
frühere  Auffassung  mehr  oder  minder  fest,  indem  er  die  Umhüllung 
für  weich,  mehr  oder  minder  plastisch  erklärt,  und  die  haarähnlichen 
Fortsätze  nur  für  direkte  fransenartige  Ausläufer  der  oberflächlichsten 
Lage  dieser  Hüllschicht,  nicht  jedoch  für  isolirbare  Stacheln.  In  dieser 
Auffassung  der  Stacheln  wird  er  namentlich  noch  durch  die  Beobachtung, 
welche  er  an  einer  wahrscheinlich  mit  der  H.  marina  identischen  Form 
gemacht  hat,  besonders  bestärkt,  da  er  die  Fortsätze  derselben  bei 
Zusatz  von  Beale'schem  Carmin  zusammenschmelzen  und  schwinden  sah. 

Etwas  abweichend  stellt  sich  die  jedenfalls  homologe  Hüllschicht  des 
Sphaerastrum  Greefifs  (Heterophrys  Fockii  Arch.)  dar  (XV.  3a — b).  Hier 
zeigt  sich  die  hyaline,  durchsichtige  Hülle,  welche  bei  der  häutigen 
Koloniebildung  dieser  Form  eine  grössere  Zahl  von  Individuen  gemeinsam 
vereinigt,  eigenthümlich  wellig  gestrichelt.  Die  äussere  Oberfläche  der 
Hüllschicht  ist  gewöhnlich  zackig  zerschlitzt  und  zieht  sich  namentlich  an 
den  Basen  der  Pseudopodien  meist  etwas  in  die  Höhe.  Ursprünglich 
fasste  Archer  auch  hier  diese  Hüllschicht  als  Sarkode  auf,  welcher  An- 
sicht sich  auch  Greeff  anschloss,  späterhin  schien  sie  ihm  dagegen  mehr 
gallertartig,  jedenfalls  jedoch  weich  und  plastisch.  Eine  hyaline,  structur- 
lose  Umhtillungsschicht  des  Weichkörpers  beschrieb  Greeff  weiterhin 
noch  bei  seinem  Astrodisculus  und  Astrococcus,  und  deutete  sie  bei  der 
letzteren  Form  gleichfalls  als  Sarkodehülle;  da  jedoch  gegen  diese  Deu- 
tung durch  spätere  Untersuchungen  sehr  begründete  Zweifel  erhoben 
wurden,  so  werden  wir  dieser  Hüllschicht  erst  weiter  unten,  bei  den 
kieseligen  Skeletbildungen  etwas  näher  gedenken. 

B.    Kieseligo  Skeletbildungen. 

Wie  wir  wissen,  zeichnen  sich  die  Heliozoa,  im  Gegensatz  zu  den 
Khizopoda,  hauptsächlich  dadurch  aus,  dass  die  zum  Schutz  des  Weich- 
körpers gebildeten,  äusserlichen  Skelettheile  aus  Kieselsäure  bestehen  oder 
wohl  vielmehr  durch  Verkieselung  einer  organischen  Grundlage  hervor- 
gegangen sind*).    Im  Gegensatz   zu   den  Skeletbildungen  der  Khizopoda 


*)  Von  dieser  Eegel  würde  nur  die  eigenthümlichc  Wagnerella  borcalis  Mereschkowsky's 
eine  Ausnahme  bilden,  wenn  dieselbe,  wie  nach  P.  Mayer 's  Angaben  sehr  wahrscheinlich, 
ihre  wahre  Stellung  bei  den  Hcliozoen  hat.  Dieselbe  besitzt  nämlich  nach  Mereschkowsky 
Skelctnadeln    aus    kohlensaurem    Kalk.     Immerhin    wird    es    gcrathen    sein,    genauere    Unter- 


Kiescligc  Skelete  (Chalarothoraca).  299 

bieteu  sich  die  der  Heliozoa  fernerliiu  nur  in  wenigen  Fällen  als  eioheit- 
liche,  zusamnienbäugende  Schutzhülle  oder  Schale  dar,  sondern  bestehen 
meist  aus  lose  zusanimengelagerten,  oder  doch  nur  von  einem  in  geringer 
Menge  vorhandenen,  protoplasmatischen,  zuweilen  vielleicht  auch  gallertigen 
Bindemittel  vereinigten  Skeletstücken  recht  verschiedenartiger  Gestalt.  In- 
dem sich  derartige  Skelettheile  zu  einer  kugeligen,  der  Oberfläche  des 
Weichkörpers  mehr  oder  minder  dicht  aufgelagerten  Hülle  zusammen- 
gruppiren,  wird  ein  Gehäuse  gebildet,  das  dem  eingelagerten  Weichkörper 
mehr  oder  minder  Schutz  gewährt  und  zugleich  den  Pseudopodien  zwischen 
den  zahlreichen  Lücken  allseitig  den  Durchtritt  gestattet.  Nach  der  ver- 
schiedenen Natur  dieser  Skelethülle,  ob  lose  oder  ob  aus  einem  zusammen- 
hängenden Stück  gebildet,  hat  man  die  hierhergehörigen  Heliozoa  in 
zwei  systematische  Gruppen  zerlegt,  die  Chalarothoraca  und  die  Desmo- 
thoraca. 

Wir  beschäftigen  uns  hier  zunächst  mit  der  ersteren  dieser  Abthei- 
lungen etwas  näher,  da  sie  ohne  Zweifel  die  einfacheren  and  wohl  auch 
ursprünglicheren  Verhältoisse  darbietet.  —  Wie  schon  erwähnt  wurde, 
sind  die  Formen  der  lose  zusammengehäuften  Skeletelemente  dieser 
Gruppe  recht  verschieden.  Wir  treffen  hier  zunächst  bei  der  Gattung 
Pompholyxophrys  Arch.  (Hyalolampe  Greeff)  minutiöse  Kieselkügel- 
chen,  die  in  wenigen  oder  zahlreicheren  Schichten  übereinandergelagert, 
eine  kugelige  Schalenhülle,  von  grösserer  oder  geringerer  Dicke  formiren 
(XV.  4).  Die  Grösse  dieser  Kügelchen  ist,  wie  gesagt,  sehr  gering;  so 
beträgt  ihr  Durchmesser  bei  der  F.  exigua  H.  u.  L.  nur  0,0006  Mm., 
wogegen  sie  bei  der  P.  punicea  Arch.  0,001—0,004  erreichen.  Dieser 
Umstand  macht  es  nicht  unwahrscheinlich,  dass,  wie  Hertvvig  und  Lesser 
vermuthen,  die  von  Greeff  unter  dem  Namen  Astrodisculus  beschrie- 
benen Formen,  welche  mit  einer  nahezu  hyalinen,  wahrscheinlich  fein- 
porösen und  kieseligen  Hülle  versehen  sein  sollen,  gleichfalls  einen  ähn- 
lichen Aufbau  des  Skeletes  zeigen,  der  nur,  wegen  der  Schwierigkeit  der 
Untersuchung,  von  Greeff  nicht  entziffert  wurde.  Diese  Deutung  wird  noch 
wahrscheinlicher,  wegen  der  grossen  Aehnlichkeit,  welche  die  Astrodisculus- 
formen  mit  gewissen  Pompholyxophryen  in  ihren  übrigen  Organisations- 
verhältnissen verrathen. 

An  die  soeben  besprochenen  Formen  schliessen  sich  dann  zunächst 
solche  an,  bei  welchen  die  kugelschalige  Skelethülle  aus  einer  einfachen 
Schicht  dicht  zusammengelagerter,  jedoch  lose  mit  einander  vereinigter 
Kieselplättchen  besteht.  Bei  der  hierhergehörigen  Pinacocystis  H.  u.  L. 
(XVI.  4)   sind   diese  Plättchen   rund   und  zu  einer  geschlossenen  Kapsel 


suchungen  1)ezüglich  dieser  Form  abzuwarten,  die  namentlich  auch  darüber  Aufschlags  zu 
geben  haben,  ob  die  Skeletgebilde  derselben  wirklicli,  wie  zwar  nach  Mereschkowsky's  Schil- 
derung kaum  zu  bezweifeln ,  von  dem  Thier  selbst  erzeugt  werden ,  oder  möglicherweise  nur 
von  Aussen  aufgenommene  Spicula  von  Kalkschwämmcn  sind.  Auch  durfte  die  Unterordnung 
dieser  Form  unter  die  Heliozoa  vorerst  noch  recht  fraglich  erscheinen,  wie  im  systematischen 
Abschnitt  zu  erörtern  sein  wird. 


300  Heliozoa. 

zusamniengelagert;  bei  der  Pinaciophora  Grff  dagegen  (XVI.  5a — c) 
besitzen  sie  eine  blattaitige,  beiderseits  zugespitzte  Gestalt  iiijd  sollen  von 
zahlreicben  feinen  Porenkanälen,  zum  Austritt  der  Pseudopodien,  durch- 
bohrt sein. 

Die  beiden  noch  restirenden  Gattungen  der  Chalarothoraca  zei-  hnen 
sich  durch  den  Besitz  verlängerter,  nadel-  bis  stachelartiger  Skeletelemente 
aus.  Einfachere  Verhältnisse  treffen  wir  bei  Raphidiophrys  (XVI.  2,  3), 
hier  wird  die  den  ganzen  Körper  lose  umkleidende  Skelethülle  von  zarten 
Kieselnadeln  gebildet,  welche  entweder  mehr  gerade  oder  bis  spangeu- 
förmig  gebogen  und  beiderseits  zugespitzt  erscheinen.  Die  Verbindung 
dieser  losen  Nadeln  geschieht  wohl,  wie  namentlich  F.  E.  Schulze  gezeigt 
bat,  durch  eine  zarte  protoplasmatische  Masse,  welche  von  den  zwischen 
den  Skeletelementen  hindurch  tretenden  Pseudopodien  entspringt.  Dagegen 
glaubt  Archer,  dass  auch  hier  eine  mehr  gallertige  Masse,  wie  wir  sie  im 
vorhergehenden  Abschnitt  besprachen,  den  Zusammenhalt  der  Skeletnadeln 
bewirke.  Gewöhnlich  lagern  sich  die  Nadeln  der  Raphidiophrys  tangen- 
tial zur  Oberfläche  des  Weicbkörpers,  zuweilen  jedoch  erheben  sie  sich 
büschelig  um  die  Basen  der  Pseudopodien,  so  dass  hierdurch  die  Skelet- 
hülle ein  strahliges  Aussehen  erhält.  Bei  den  häußg  sich  findenden  Kolo- 
nien umhüllt  eine  gemeinsame  Skeletmasse  sämmtliche  Individuen  (XVI.  3). 

Etwas  complicirter  gestalten  sich  die  Bauverhältn'sse  des  Skeletes 
bei  der  Gattung  Acanthocystis,  wenigstens  einem  Theil  der  hierher- 
zurechnenden Formen,  bei  welchen  gleichzeitig  verschiedenartige  Skelet- 
elemente vorhanden  sind.  Die  typischen,  stets  vorhandenen  Skeletelemente 
dieser  Gattung  sind  gerade  Kieselstacheln  (XVI,  6,  7,  8),  welche  in  ra- 
dialer Richtung  der  Körperoberfläche  aufgesetzt  sind  und  zwar  mit  einer 
plättchenartigen  Ausbreitung  (oder  doch  einer  etwas  angeschwollenen 
Basis,  A.  Pertyana  Arch.)  ihres  centralen  Endes,  einem  sogen.  Basal- 
plättchen.  Diese  Basalplättchen  bilden  demnach  durch  ihre  Zusammen- 
lagerung eine  losere  oder  festere  Kapsel,  ähnlich  wie  bei  Pinacocystis, 
und  von  jedem  Basalplättchen  erhebt  sich  ein  senkrecht  aufstehender, 
mehr  oder  weniger  ansehnlicher  Stachel.  Die  Enden  der  Stacheln  sind 
entweder  einfach  zugespitzt  oder  gabelig  gespalten  und  die  grösseren 
Stacheln  der  A.  turfacea  sollen  nach  Carter,  Grenacher  und  Greeflf  hohl 
sein.  Diese  Form  zeigt  uns  denn  auch  weiterhin  eine  complicirtere  Bil- 
dung des  Skeletes  durch  die  gleichzeitige  Anwesenheit  zweier  verschie- 
dener Nadelformen :  die  einen  kurz  und  dünn  und  am  Ende  länger  ge- 
gabelt (XVI.  8,  st^),  die  andern  länger  und  dicker  und  am  Ende  kurz 
gegabelt  (XVI.  8,  st).  Nach  Archer  und  Greeflf  soll  sich  jedoch  bei 
unserer  Form  sogar  noch  eine  dritte  Art  von  Skeletelementen  finden, 
nämlich  tangential  zur  Oberfläche,  zwischen  die  Basalplättchen  eingelagerte 
spindelförmige,  leicht  gekrümmte  Stäbchen*).     Eine  ähnliche  Einrichtung 


*)  Lcidy   (50)   schreibt   der   Acanthocystis   turfacea   noch  eine  dicke  äussere  Umhüllung 
von    durchsichtigem   Plasma    zu ,    die   sich  hauptsächlich    durch    ihre   dichte   Bedeckung   mit 


Kieselig-c  Skelete   (Clialarothoraca  u.  Desmotlioraca).  301 

Würde  sich  dann  auch  noch  bei  der  A.  aculeata  H.  u.  L.  finden  (XVI. 
7a— b),  wo  zwischen  die  Basalplättchen  der  gewöhnlichen  Htachehi  sich 
noch  tangential  zur  Oberfläche  gelagerte,  gekrümmte  Stäbchen  einschieben, 
die  durch  ihre  Zwischenlagerung  die  regelmässige  Anordnung  der  Basal- 
plättchen sehr  stören*). 

Wenden  wir  uns  nun  zu  einer  kurzen  Uebersicht  der  Skeletverhält- 
nisse  der  Desmothoraca.  Hier  tritt  uns,  soweit  bis  jetzt  die  Forschungen 
reichen,  nur  ein  einziger  Typus  der  Skeletbildung  entgegen,  der  haupt- 
sächlich bei  der  bestgekannten  Gattung  Clathrulina  genauer  studirt 
worden  ist.  Wir  finden  hier  eine  einheitliche,  kugelige  Kieselschale,  die 
von  zahlreichen,  ziemlich  ansehnlichen  Löchern  zum  Durchtritt  der  Pseudo- 
podien durchbohrt  wird  (XVIL  la,  Ic).  Die  Löcher  sind  bald  mehr 
rundlich,  bald,  bei  dichterer  Zusammenstellung,  mehr  polygonal,  so  dass 
das  sie  trennende  Kieselgerüst  wie  ein  Maschenwerk  erscheint.  Diese 
die  Löcher  scheidenden  Kieselbälkchen  scheinen  auf  ihrer  äussern 
Fläche  etwas  rinneuförmig  ausgehöhlt  zu  sein  (XVIL  1  b)  und  sich  bei 
der  Gl.  Cienkowskyi  nach  Mereschkowsky  (47)  in  den  Knotenpunkten 
zwischen  den  Löchern  zu  kurzen  Dörnchen  zu  erheben.  Im  Gegensatz 
zu  sämmtlichen  bis  jetzt  betrachteten  Skelettheilen  der  Heliozoa  nimmt 
das  Kieselskelet  der  Clathrulina  elegans  im  Alter  eine  mehr  oder  weniger 
intensiv  braune  Färbung  an.  Ein  weiterer  bis  jetzt  noch  nicht  hervor- 
gehobener Charakter  des  Clathrulinaskeletes  liegt  in  seiner  Befestigung 
auf  einem  gleichfalls  kieseligen,  hohlen  Stiel,  der  sich  mit  seinem  basalen 
Ende  durch  kurze,  wurzelartige  Ausläufer  an  fremde  Gegenstände 
anheftet. 

Nachträglich  müssen  wir  an  dieser  Stelle  noch  eines  zweiten  Bei- 
spiels der  Stielbildung  und  Befestigung  bei  den  Heliozoen  gedenken.  Es 
bietet  dies  der  Actinolophus  F.  E.  Schulze's  dar,  der  ohne  eigentliches 
Skelet  des  Weichkörpers  auf  einem  ziemlich  langen,  wahrscheinlich  gleich- 
falls röhrenförmig  hohlen  Stiel  aufgewachsen  ist  (XIV.  6a — b).  Kieselig 
scheint  die  Wand  des  Stieles  hier  nicht  zu  sein,  sondern  chitinös.   Durch 


feinsten,  linearen  Partikelchen  bemerkbar  machen  soll  und  gewöhnlich  die  kleineren  Radiär- 
stacheln  völlig  einschliesse.  Wenn  es  sich  hier  nicht  etwa  um  ein  plasmatisches  Verbindungs- 
gerüste der  Stacheln  handelt,  wie  es  oben  nach  Schulze  für  liaphidiophrys  erwähnt  wurde, 
so  erinnerte  mich  dieser  äussere  Mantel  namentlich  an  eine  Gallertlage.  Auch  Clathrulina  soll 
nach  Leidy  im  jugendlichen  Zustand  einen  dicken  derartigen  Mantel  aufweisen ,  der  von  den 
Pseudopodien  durchsetzt  wird. 

*)  Nach  der  morphologischen  Entwickelung  ihres  Skeletes  würde  sich  liier  auch  die 
noch  zweifelhafte  Wagnerella  borealis  anschliessen.  Der  kugelige,  auf  einem  Stiel  befestigte 
Körper  derselben  besitzt  nämlich  nach  Mereschkowsky  ein  Skelet,  das  von  zweierlei  verschie- 
denen Arten  von  Kalknadeln  gebildet  wird.  Zunächst  kleineren,  kurzen,  bogenartig  gekrümmten 
Nadeln,  die  der  Körperoberfläche  tangential  dicht  aufliegen  und  in  eine  organische  Hüllhaut 
eingelagert  sein  sollen  und  weiterhin  lange,  sehr  feine  und  beiderseits  zugespitzte,  gerade  bis 
unregelmässig  wellig  gekrümmte  Nadeln,  die  radial  von  der  Körperoberfläche  sich  erheben  und 
nur  mit  ihrem  proximalen  Ende  in  die  organische  Hüllhaut  eingepflanzt  sind.  Hinsichtlich 
dieser  Skeletgebilde  der  Wagnerella  müssen  wir  jedoch  nochmals  an  die  schon  früher  (p.  298 
Anmerkung)  betonten,  noch  nicht  gelösten  Zweifel  erinnern. 


302  Hcliozoa. 

die  helle  Binnenraasse  des  Stiels  sieht  man  einige  zarte,  parallele  Längs- 
linien ziehen,  die  sich  zuweilen  sogar  bis  in  den  Sarkodekorper  des 
Actinolophas  verfolgen  lassen.  Es  scheint  daher  nicht  unmöglich,  dass 
diese  Längslinien  den  optischen  Ausdruck  einiger  zarter,  pseudopodien- 
artiger,  den  Stiel  durchziehender  Fortsätze  des  Thierkörpers  darstellen*). 

Aehnliche  Skeletbildungen ,  wie  sie  Clathrulina  aufweist;  finden  wir 
noch  bei  einigen  weiteren  Formen;  hierher  gehört  zunächst  die  sogen. 
Hedriocystis  H.  u.  L.  (XVIL  2);  diese  kleine  Form  hat  eine  ovale 
bis  rundliche  Schale,  welche  wie  die  von  Clathrulina  auf  einem  hohlen 
Stiel  befestigt  ist;  sie  wird  von  zahlreichen  Löchern  zum  Durchtritt  der 
Pseudopodien  durchbrochen  und  diese  Löcher  stehen  auf  hervorragenden 
Buckeln,  scheinen  auch  kleiner  und  weiter  von  einander  getrennt  zu  sein, 
wie  bei  Clathrulina**). 

Zwei  weitere  wohl  hierhergehörige  Formen,  Orbulinella  Entz  und 
die  sehr  zweifelhafte  Elaster  Griram's,  besitzen  eine  Clathrulina  sehr 
ähnliche  kugelige  bis  ellipsoidische  Kieselgitterschale ,  die  jedoch 
frei,  nicht  durch  einen  Stiel  befestigt  ist.  Bei  Orbulinella  füllt  der 
Weichkörper  die  Schale  nur  zum  Theil  aus  und  ist  ähnlich  wie  bei 
Clathrulina  im  Centrum  derselben  mit  Hülfe  der  Pseudopodien  aufgehängt, 
wogegen  bei  Elaster  die  Schale  völlig  vom  Thierleib  erfüllt  zu  sein 
scheint. 

Wie  gelegentlich  schon  angedeutet  wurde,  treffen  wir  bei  einer  Eeihe 
von  Heliozoen  die  Entwickelung  temporärer  Skelethüllen  während  des 
ruhenden  oder  encystirten  Zustandes,  und  auch  diese  Hüllen  sind  hier 
vielfach  verkieselt.  Das  Genauere  bezüglich  derselben  wird  dann  später- 
hin bei  der  Besprechung  des  Encystirungsvorganges  mitzutheilen  sein. 

C.    Aus  Fremdkörpern  aufgebaute  Skelethüllen. 

Skeletbildungen,  wie  sie  die  Ueberschrift  dieses  Abschnittes  bezeich- 
net, sind  bis  jetzt  nur  bei  zwei  wahrscheinlich  zu  unserer  Gruppe  ge- 
hörigen Formen  beobachtet  worden.  Die  eine  derselben  ist  die  marine 
Lithocolla  F.  E.  Schulze's  (XIV.  4),  die  sich  mit  einer  losen,  der 
Oberfläche  des  Weichkörpers  dicht  aufliegenden  Hülle  aus  Sandkörnchen 


*)  Eine  dritte  gestielte  Hcliozoünform  wäre  nach  den  Untersuchungen  von  P.  Mayer 
wahrscheinlich  die  von  Mereschkowsky  beschriebene  und  zu  den  Kalkschwämmen  verwiesene 
Wagnerella  borealis.  Dieselbe  besitzt  einen  langen,  hohlen,  von  einer  membranösen  Wandung 
(aus  organischer  Masse)  gebildeten  Stiel,  dessen  Basis  sich  zu  einem  ziemlich  scharf  abge- 
setzten Kegel  verbreitert,  mittels  welchen  der  Organismus  festgeheftet  ist.  Es  ist  jedoch  dieser 
Stiel  hier  kein  Ausscheidungsprodukt  des  Thierkörpers,  sondern  bildet,  wie  aus  der  Angabc 
Mayers,  dass  der  Kern  in  der  kegelförmigen  Stielbasis  eingelagert  ist,  hervorgeht,  eine  direkte 
Verlängerung  des  Thierkörpers.  Besonders  eigenthümlich  erscheint  dieser  Stiel  jedoch  noch 
deshalb ,  weil  in  seine  Wand  zahlreiche  kurze  und  schwach  bogenförmig  gekrümmte  Kalk- 
spicula,  wie  sie  sich  auch  am  eigentlichen  Thierkörper  finden,  in  dichter  Stellung  eingelagert 
sind.     Alle  diese  Spicula  sind  regelmässig  quer  zur  Stielaxe  geordnet. 

**)  Die  Berechtigung   zur  Trennung  dieser  Hedriocystis   von  der  eigentlichen  Clathrulina 
scheint  nur  selir  gering  zu  sein. 


Skeletbildungcn  u.  ForfpÜanzung  (Einfache  Theilung).  303 

umkleidet;  gewöhnlich  sind  dieselben  so  dicht  zusammengefügt,  dass  das 
umhüllte  Wesen  einem  Sandklümpchen  gleicht;  zuweilen  wurden  jedoch 
auch  Formen  getroffen,  deren  Oberfläche  nur  vereinzelte  Sandkörnchen, 
in  einem  Fall  auch  Diatomeenschalen  anhafteten  oder  eigentlich  in  die 
Sarkodefläche  halb  eingesenkt  waren.  Aehnlich  verhält  sich  auch  die 
Greeff'sche  Elaeorhanis,  deren  kugeliger  Körper  von  einer  mehr  oder 
minder  zusammenhängenden  Hülle  aus  Sandkörnchen  und  Diatomeen- 
schalen umkleidet  wird  (XIV.  5). 

5.    Fortpflaiizuiigseischeinuiigeii  der  Ileliozoa. 

Die  Fortpflanzungsverhältnisse  der  Heliozoa  scldiessen  sich  auf  das 
innigste  an  die  der  Rhizopoda  an,  wir  treffen  hier  alle  die  Modifikationen 
wieder  an,  welche  dort  schon  Gegenstand  unserer  Betrachtung  waren: 
also  zunächst  die  Vermehrung  durch  einfache  Theilung  und  hieran  sich 
anschliessend  häufig  auch  Koloniebildung,  weiterhin  die  Entwickelung 
einer  grösseren  Zahl,  durch  Theilung  oder  Sprossung  hervorgehender 
Keime,  welche  sich  zuweilen  in  Gestalt  flagellatenartiger  Schwärmer  ausbrei- 
ten und  hierauf  erst  wieder  zur  Heliozoengestalt  zurückkehren,  schliesslich 
Encystirungsvorgänge  verbunden  mit  Theilungserscheinungen.  Auch  hier 
ist  endlich  Copulation  und  Conjugation  anzutreffen  und  steht  möglicher- 
weise mit  den  Vermehrungserscheinungen  in  einem  gewissen,  bis  jetzt 
jedoch  noch  nicht  hinreichend  sicher  ermittelten  Zusammenhang. 

A.    Einfaclie  Theilung  im  nackten  Zustand  und  Kolonicbil  düng. 

Der  einfache  Zweitheilungsprocess  wurde  bis  jetzt  nur  bei  einer 
kleinen  Zahl  von  Heliozoen  constatirt,  vorzugsweise  für  die,  ja  auch  mit 
besonderem  Fleisse  untersuchten  Actinophryen.  Schon  der  erste  genaue 
Beobachter  des  Actinosphaerium,  Eichhorn,  hat  die  Vermehrung  desselben 
durch  Quertheilung  mit  aller  wünschenswerthen  Sicherheit  festgestellt. 
Auch  Ehrenberg  gibt  an ,  die  Selbsttheilung  der  Actinophryen  vielfach 
beobachtet  zu  haben  und  die  neueren  Beobachter  konnten  denselben  Vor- 
gang meist  gleichfalls  nachweisen*). 

Der  äussere  Vorgang  der  Theilung  verläuft  bei  den  beiden  erwähnten 
Gattungen  ohne  irgend  welche  besonders  bemerkenswerthen  Erscheinungen; 
es  tritt  an  dem  kugeligen  Körper  eine  äquatoriale  Einschnürung  auf,  die 
allmählich  tiefer  und  tiefer  greift,  gleichzeitig  rücken  die  beiden  Spröss- 
linge  mehr  und  mehr  auseinander,  so  dass  die  sie  noch  vereinigende  Ver- 
bindungsbrücke sich  mehr  und  mehr  verlängert  und  verdünnt,  bis  sie 
schliesslich  einreisst  und  ihre  Reste  in  die  Leiber  der  beiden  Sprösslinge 
zurückgezogen   werden**).     Bei  Actinosphaerium    scheint    die   Trennung 

*)  Vergl.  haupts.  Claparcde  (13,  p.  410),  Weston  (16),  GreefF  (27,  35),  Brandt  (44). 
**)  Ganz  entsprechend  verläuft  aucli  der  von  Aim.  Schneider  hei  der  Monohia  confluens 
beobachtete   Zweitheilungsprocess,    wovon    unten    bei   der   Koloniebildung   noch   uielir   zu    be- 
richten ist. 


304  Heliozoa. 

stets  vollständig  zu  erfolgen,  wogegen  bei  Actinopbrys  der  Theilungsvor- 
gang  vielleicht  zuweilen  nicht  völlig  bis  zu  Ende  geführt  wird,  wodurch 
dann  Kolonien  entstehen  können,  denen  wir  im  Verlaufe  dieser  Darstellung 
noch  unsere  Aufmerksamkeit  zuzuwenden  haben. 

Bezüglich  der  Theilungserscheinung  des  ActinosiAaerium  durfte  hier  noch  auf  einige 
Besonderheiten  aufmerksam  gemacht  werden.  In  der  Beschreibung,  welche  Eichhorn  von  dem 
Theilungsvorgang  entwirft,  hebt  er  besonders  hervor  (und  gibt  auch  eine  entsi^rechende  Ab- 
bildung), dass  bei  den  zur  Theilung  sich  anschickenden  Thieren,  schon  im  noch  kugelförmigen 
Zustand,  die  künftige  Theilungsgrenze  sich  deutlich  als  eine  dunkle  Linie  markire.  Bei  den 
späteren  Beobachtern  finde  ich  ein  solches  Verhalten  nicht  erwähnt;  jedenfalls  verdiente  je- 
doch diese  bcbtimmte  Angabe  Eichhorns  bei  einer  nochmaligen  Prüfung  einige  Berücksichti- 
gung. Eine  weitere  Eigenthümlichkeit  im  Theilungsvorgang  dieser  Gattung  hat  Greeff  (35) 
angeführt.  Bei  Störung  des  Theüungsprocesses  sollen  sich  nämlich  die  noch  zusammen- 
hängenden Sprösslinge  wieder  durch  Verschmelzung  vereinigen,  eine  Beobachtung,  welche 
auch  Wallich  (19  a)  von  der  gleichen  Form  berichtet.  Bei  Actinophrys  soll  sich  nach  Greeff 
dieses  Verhalten  nicht  zeigen.  So  interessant  dieser  Wiederverschmelzungsprocess  des  in  Thei- 
lung begriffenen  Actinosphaerium  auch  erscheint,  so  kann  derselbe  doch  das  später  zu  erwäh- 
nende Vorkommen  wirklicher  Copulation  nicht  zweifelhaft  machen,  wie  dies  Greeff  seiner  Zeit 
darzustellen  suchte. 

Leider  ist  jedoch  bis  jetzt  über  die  inneren  Vorgänge  bei  der  Thei- 
lung so  gut  wie  nichts  bekannt  und  namentlich  durchaus  zweifelhaft,  wie 
sich  hierbei  der  eine  Kern  der  Actinophrys  oder  die  zahlreichen  des 
Actinosphaerium  verhalten. 

Von  der  Theilung  der  übrigen  Heliozoa  ist  bis  zur  Stunde  nur  wenig 
bekannt,  hauptsächlich  bei  den  Desmothoraca  ist  hierüber  noch  einiges 
ermittelt  worden.  So  hat  schon  Cienkowsky  die  einfache  Theilung  der 
Clathrulina  innerhalb  der  kieseligen  Gitterschale  constatirt;  das  betreffende 
Thier  theilt  sich  hierbei,  wie  die  Actinophryen ,  ohne  die  Pseudopodien 
einzuziehen.  Nach  einiger  Zeit  jedoch  werden  die  Pseudopodien  retrahirt, 
die  beiden  Sprösslinge  ziehen  sich  kugelig  zusammen  und  verlassen 
schliesslich  die  Schale.  Nachdem  sie  sich  hierauf,  nach  Wiederentwick- 
lung der  Pseudopodien ,  eine  Zeit  lang  in  einem  actinophrysartigen  Zu- 
stand umherbewegt  haben,  siedeln  sie  sich  wieder  an  einem  passenden 
Platz  an,  scheiden  zunächst  einen  neuen  Stiel  aus  und  bilden  hierauf 
auch  wieder  eine  neue  Schale.  Nach  den  Beobachtungen  Greeflf's  scheint 
es,  dass  zuweilen  auch  nur  der  eine  der  Theilsprösslinge  die  Mutterschale 
verlässt,  während  der  andere  dieselbe  weiter  bewohnt.  Auch  bei  der 
naheverwandten  Hedriocystis  konnten  Hertwig  und  Lesser  häufig 
Zweitheilung  in  der  Schale  beobachten,  ja  sie  sahen  sogar  ein  noch 
scbalenloses,  junges  Thier  sich  quer  zur  Stielaxe  theilen.  So  wahrschein- 
lich nun  auch  die  weitere  Verbreitung  der  Fortpflanzung  durch  einfache 
Theilung  bei  den  beschälten  Heliozoen  erscheint,  so  sind  doch  bis  jetzt 
hierüber  nur  sehr  wenige  gesicherte  Beobachtungen  vorhanden.  Greeff 
(33)  und  Hertwig  (43)  haben  die  Theilung  der  Acanthocystis  turfacea 
mehrfach  verfolgt,  die  in  der  gewöhnlichen  Weise  verlief.  Das  in  ovale 
Gestalt  übergegangene  Thier  nahm  eine  Bisquitform  an  und  schnürte  sich 
allmählich   völlig   durch.     Die   lose   Skelethülle   vermag   hierbei  natürlich 


Koloniebilduhg  (Actinoplirys).  305 

den  Gestaltsverilndeningen  zu  folgen*).  Bei  Pompholyxophrys  punicea 
Arch.  beobachteten  schliesslich  Hertwig  und  Lesser  mehrere  Male  bisciuit- 
förmige  Einschnürung  des  Körpers,  die  bei  einem  zweikernigen  Exemplar 
nahezu  bis  zu  völliger  Trennung  führte.  Hierauf  erfolgte  jedoch  Wieder- 
vereinigung der  Theilhälften,  wie  es  ja  in  ähnlicher  Weise  auch  bei  Actino- 
sphaerium  gelegentlich  beobachtet  wurde. 

Dass  es  verhältnissmässig  leicht  gelingt,  das  relativ  grosse  Actino- 
sphaerium  durch  künstliche  Theilung  (Zerschneidung)  zu  vermehren, 
war  schon  Eichhorn  im  vorigen  Jahrhundert  bekannt  und  wurde  von 
Häckel  wie  Greeff  (27)  neu  bestätigt.  Auch  für  Myxastrum  gelang  es 
Häckel,  in  dieser  Weise  künstliche  Vermehrung  zu  erzielen. 

Wir  reihen  hier  an  die  Besprechung  des  Theilungsprocesses  gleich 
die  Betrachtung  der  Koloniebildung  in  ähnlicher  Weise  an,  wie  wir  das 
bei  den  Rhizopoden  thaten,  ohne  jedoch  damit  auch  aussprechen  zu 
wollen,  dass  die  kolonialen  Verbände  der  Heliozoa  stets  das  Erzeugniss 
fortgesetzter,  einfacher  Theilung  seien,  da  gerade  bei  einem  unserer 
Thiere  die  Entstehung  solcher  Kolonien  durch  Zusammentritt  ursprüng- 
lich getrennter  Individuen  sicher  erwiesen  ist.  Eben  bei  der  Form, 
welche  dieses  Verhalten  zeigt  (Actinophrys  sol),  sind  auch  am  frühesten 
solche  koloniale  Verbände  beobachtet  worden.  Schon  Ehrenberg  hatte 
derartige  Individuenverbände  beobachtet,  jedoch  irrthümlicherweise  für 
eine  besondere  Art  (A.  difformis)  gehalten.  Später  haben  nament- 
lich Perty,  Cohn,  Stein,  Lieberkühn,  Weston,  Carter,  Claparede  und 
zahlreiche  andere  Forscher  sich  mit  der  Untersuchung  dieser  Erschei- 
nung beschäftigt.  Die  Zahl  der  zu  einem  Verbände  vereinigten  Indi- 
viduen ist  hier  eine  sehr  verschiedene;  es  sind  gelegentlich  bis  zu 
9  Einzelthiere  in  der  gleich  zu  schildernden  Weise  vereinigt  gesehen 
worden.  Wenn  einerseits  der  vielfach  constatirte  Hervorgang  dieser  Ver- 
bände, durch  Vereinigung  ursprünglich  getrennter  Individuen,  der  ganzen 
Erscheinung  schon  grosse  Aehnlichkeit  mit  der  Conjugation  verleiht,  so 
wird  dieselbe  dadurch  noch  erhöht,  dass  die  Verbindung  der  Einzelindivi- 
duen eine  sehr  innige  ist  (XIV.  7  b).  Breite,  hyaline  Protoplasmabrücken 
verbinden  dieselben  so  innig  untereinander,  dass  die  den  einzelnen  Indi- 
viduen angehörigen  Protoplasmapartien  sich  häufig  ziemlich  schwierig 
abgrenzen  lassen  und  der  ganze  Verband  einem  Haufen  zusammen- 
geballter Kletten  gleicht.  Durch  den  Nachweis  eines  Kernes  in  jedem 
der  Individuen  lässt  sich  dennoch  die  Natur  des  Verbandes  sicher  eruiren. 
Besondere  Eigenthümlichkeiten  zeigten  z.  Th.  noch  die  breiten  Protoplasma- 
brücken ,  welche  in  der  erwähnten  Weise  die  Individuen  vereinigen.  In 
denselben  bemerkt  man  nämlich  einmal  häufig  ansehnliche  Flttssigkeits- 
vacuolen  (XIV.  7  b,  v)  und  andererseits  grosse  Nahrungskörper  (7  b,  N), 


*)  Aus   der   Zweikeriiigkeit  der  Individuen  allein  darf  jedoch  nicht  ohne   weiteres  auf 

bevorstehende  Theilung  geschlossen  werden,   da  ja   die  Bedeutung  der  Mehrkernigkeit  noch 
keineswegs  sicher  ist. 

Bronn,  Klassen  des  Tliier-Eoichs.    Piotozoa.  20 


306  Heliozoä. 

die,  wie  es  scheint,  von  den  vereinigten  Thieren  aufgenommen  werden*). 
Solche  Nahruugskörper  wurden  sogar  einst  von  Cohn  für  besondere 
Keime  gehalten,  welche  sich  in  Folge  der  Conjugation  bildeten,  — 
Bis  jetzt  hat  sich  jedoch  eine  Beziehung  dieser  Vereinigungsvorgänge 
der  Actinophrys  sol  zu  Fortpflauzungserscheiuungen  nicht  constatiren 
lassen  und  die  von  Cienkowsky  ausgesprochene  Ansicht:  dass  die 
Conjugations-  und  Copulationserscheinungeu  zahlreicher  Protozoa  in 
keiner  directen  Beziehung  zur  Fortpflanzung  stünden,  sondern  eine  Er- 
leichterung der  Ernährung,  speciell  wohl  der  Nahrungsaufnahme,  be- 
zweckten, dürfte  gerade  für  die  Vereinigungszustäude  unserer  Form, 
mit  Rücksicht  auf  das  erwähnte,  gewöhnliche  Vorkommen  grosser  Nah- 
rungskörper, eine  gewisse  Berechtigung  besitzen.  Auch  Hertwig  und  Lesser 
schliessen  sich,  speciell  für  Actinophrys,  der  Cienkowsky'schen  Ansicht  an. 

Nach  den  zahlreichen  Beobachtungen,  die  über  das  thatsächliche 
Hervorgehen  der  Actinophrysgruppen  durch  Verschmelzung  von  Einzel- 
individuen angestellt  worden  sind,  darf  dieser  Vorgang  ohne  Zweifel  als 
die  gewöhnliche  Entstehungsweise  derselben  bezeichnet  werden.  Ob  sich 
daneben  derartige  Verbände  auch  noch  durch  unvollständige  Theilung  zu 
bilden  vermögen,  erscheint  fraglich,  wenngleich  Greefl"  diese  Ansicht 
vertrat  und  die  Verschmelzungserscheinungen  leugnete.  Sehr  häufig  hat 
man  Gelegenheit,  die  Wiedertrennung  der  Gruppenverbände  der  Actino- 
phrys zu  beobachten  und  zwar  kann  sich  hierbei  die  Gruppe  in  Einzel- 
individuen auflösen,  oder,  wenn  sehr  individuenreiche  Verbände  vor- 
liegen,  können   diese   zunächst   wieder  in   Untergruppen  zerlegt  werden. 

Bei  den  übrigen  Heliozoen  begegnen  wir  der  Koloniebildung  bei 
der  nackten  Monobia  und  den  skeletführenden  Gattungen  Raphi- 
diophrys  und  Sphaerastrum.  Die  kolonialen  Verbände  erscheinen 
bei  diesen  3  Gattungen  von  sehr  übereinstimmender  Bildung  (XIV.  3, 
XV.  3  a,  XVI.  3).  Die  in  sehr  verschiedener  Zahl  zur  Bildung  solcher 
Kolonien  zusammengetretenen  Individuen  —  die  höchstbeobachtete  Zahl 
betraf  die  Raphidiophrys  elegans  H.  u.  L.,  von  der  Leidy**)  einst 
nicht  weniger  wie  38  Individuen  in  einer  Kolonie  vereinigt  fand  —  be- 
halten ihre  regelmässig  kugelige  Gestalt  bei.  Ihre  Vereinigung  unter  ein- 
ander ist  weit  lockerer  als  dies  bei  den  Kolonien  der  Actinophrys  zu 
verzeichnen  war,  indem  die  Einzelindividuen  in  mehr  oder  weniger  be- 
trächtlichen Abständen  von  einander  verbleiben  und  nur  durch  ziemlich 
schmale  Protoplasmabrücken  unter  einander  in  organischer  Verbindung 
stehen.  In  dieser  Art  steht  dann  gewöhnlich  ein  Individuum  gleichzeitig 
mit  mehreren  benachbarten  in  Verbindung,  jedoch  kann  natürlich,  nament- 


*)  Lieberkülin  (34)  beobachtete  die  Nahrungsaufnahme  bei  einer  solchen,  aus  Ver- 
einigung zweier  Individuen  hervorgegangenen  Gruppe  und  sali  liierbei  von  jedem  der  Indivi- 
duen einen  diaphanen,  ziemlich  starken  Fortsatz  sich  entwickeln,  welche  Fortsätze  zusammen 
den  aufzunehmenden  Nahrungskörper  (ein  kleines  Glaucoma)  umhüllten  und  in  die  gemeinsame 
Körpersubstanz  zurückzogen. 

**)  Proceed.  Acad.  Philad.   1874.  p.  219  u.  Nr.  50. 


Koloiiiebilching-  (ßaijliidioplirys,  Si)liacrastrum),  KiiospUng  (Acantliocystis).  307 

lieh  bei  individuenarmen,  kleinen  Kolonien,  auch  nur  je  eine  solche 
Plasmabrücke  sich  zwischen  einem  Individuum  und  seinem  nächsten 
Nachbar  ausspannen.  Speciell  bei  der  Monobia  confluens  wurde  beob- 
achtet (49),  dass  die  gegenseitige  Anordnung  der  Individuen  der  Kolonie 
eine  sehr  wechselnde  ist,  und  dass  mit  diesem  Wechsel  der  Gruppirung 
sich  auch  die  Verbindungsbrücken  zwischen  den  Mitgliedern  der  Kolonie 
vielfach  verändern.  Neue  bilden  sich  durch  eintretende  Verschmelzung 
zwischen  zwei  Pseudopodien  benachbarter  Individuen  und  durch  Plasma- 
zufluss  zur  Verstärkung  dieser  ursprünglich  sehr  zarten  Brücken;  da- 
gegen verschwinden  alte  Brücken  durch  Zerreissen  und  Zurückziehung. 
In  dieser  Art  bieten  denn  auch  die  Kolonien  der  Monobia  ein  stets  wech- 
selndes Aussehen  dar.  Eine  ähnliche  Veränderlichkeit  im  Aufbau  der 
Kolonien  hat  Leidy  (50)  auch  bei  Raphidiophrys  gefunden.  Das  Ver- 
halten der  Skelethülle  ist  bei  den  beiden  koloniebildenden  Skeletophora 
eigenthümlich.  Die  SkelethüUen  der  Einzelthiere  sind  zu  einer  gemein- 
samen Hülle  für  die  ganze  Kolonie  verschmolzen.  Es  zeigt  diese  ge- 
meinsame Skelethülle  daher,  je  nach  der  Zusammengruppirung  der  In- 
dividuen, eine  etwas  wechselnde  und  meist  ziemlich  unregelmässige 
Gestaltung,  jedoch  bei  beiden  Gattungen  das  Bestreben,  sich  um  die 
Basen  der  Pseudopodien  zackig  zu  erheben,  noch  ausgeprägter,  als 
dies  schon  bei  den  Einzelthieren  hervortritt.  Es  scheint  natürlich,  dass 
auch  die  letztgeschilderten  Kolonien,  wie  die  der  Actinophrys  meist  keinen 
dauernden  Bestand  aufweisen,  sondern  sich  durch  Loslösung  einzelner 
Individuen  oder  auch  Individuengruppen  verändern ,  vielleicht  zuweilen 
auch  gänzlich  zerfallen.  So  sah  z.  B.  Leidy,  dass  eine  aus  38  Indivi- 
duen zusammengesetzte  Kolonie  der  Raphidiophrys  elegans  in  3  Gruppen 
von  je  10,  13  und  15  Individuen  zerfiel.  Dieselbe  Ablösung  einzelner  In- 
dividuen oder  Gruppen  ist  weiterhin  namentlich  bei  Monobia  beobachtet 
worden. 

Die  Entstehung  der  soeben  geschilderten  Kolonien  wurde  bis  jetzt  nur 
bei  Monobia  verfolgt,  wo  Schneider  ihre  Bildung  durch  fortgesetzte  Zwei- 
theilung beobachten  konnte.  Andererseits  erscheint  es  ihm  jedoch 
möglich,  dass  auch  Vereinigung  vorher  getrennter  Individuen,  also  ähn- 
lich wie  bei  Actinophrys,  zum  Aufbau  der  Kolonie  beitragen  könne.  Bei 
Raphidiophrys  und  Sphaerastrum  fehlen,  wie  bemerkt,  Beobachtungen 
über  die  Bildungsvorgänge  der  Kolonien. 

B.  Fortpflanzung-  durch  Knospung  und  durch  S  chw  ärmer  bild  u  ng. 

Bis  jetzt  deutet  hauptsächlich  eine  bei  Acanthocystis  (spinifera  H.  u.  L.) 
angestellte  Beobachtung  Hertwigs  (43)  auf  die  Existenz  einer  sich  nach  Art  der 
Knospung  repräsentirenden  Fortpflanzungs  weise  hin.  Hier  fand  sich  ein  Exem- 
plar, welches  in  einer  kugeligen  Ausbuchtung  seiner  Skelethülle  einen  proto- 
plasmatischen, anscheinend  kernlosen  Körper  einschloss,  der  in  seinem  Durch- 
messer nur  wenig  hinter  dem  kernhaltigen  und  pseudopodienaussendenden 
Thierkörper   zurückblieb.     Die  Ausbuchtung   der  Skelethülle,   welche  den 

20* 


3Ö8  Helio^oä. 

erwähnten  Körper  uiuschloss,  bestand  vorzugsweise  aus  den  früher  er- 
wähnten, tangential  gelagerten  Stäbchen,  und  der  von  ihr  eingeschlossene 
Protoplasmakörper  entsandte  keine  Pseudopodien,  Fortgesetzte  Beobach- 
tung lehrte,  dass  der  erwähnte  Körper  sieh  allmählich  nahezu  völlig  von 
der  Acanthocystis  isolirte,  indem  der  ihn  umgebende  Theil  der  Skelethülle 
sich  kugelig  um  ihn  abschloss  und  nur  noch  durch  einige  zwischenge- 
schobene Skeletstäbchen  mit  dem  Mutterthier  in  Verbindung  blieb.  Nun 
aber  trat  nach  einiger  Zeit  ein  Zerfall  des  in  der  so  gebildeten 
Brutkapsel  eingeschlossenen  Protoplasmakörpers  ein,  wodurch  dieser  in 
6  Theilstücke  zerlegt  wurde.  Diese  Theilstücke  verliessen  nach  einander 
allmählich  die  Skelethülle  der  Brutkapsel  an  einer  bestimmten  Stelle  und 
entwickelten  sich  im  Freien,  durch  Bildung  zahlreicher  spitzer,  langer 
Pseudopodien  zu  actinophrysartigen,  lebhaft  beweglichen  Körpern.  Wahr- 
scheinlich besassen  dieselben  auch  schon  einige  contractile  Vacuolen  und 
einen  Kern.  Leider  glückte  jedoch  bis  jetzt  die  weitere  Verfolgung  der- 
selben nicht.  Nach  Abstossung  der  entleerten  Brutkapsel  bildete  das 
Mutterthier  eine  neue,  deren  Entstehung  nicht  genauer  verfolgt  wurde,  die 
jedoch,  wie  mir  scheint,  nicht  wohl  anders  als  durch  Abschnürung  eines 
Theils  des  Protoplasmaleibes,  sammt  entsprechender  Skelethülle  gebildet 
werden  konnte. 

Dass  wir  hier  einen  echten,  zwar  etwas  eigenthümlich  verlaufenden 
Fortpflanzungsakt  der  Acanthocystis  vor  uns  haben,  erscheint  mir  nicht 
fraglich  und  ich  habe  ihn  an  dieser  Stelle  erörtert,  da  er  durch  die  Bil- 
dung zahlreicher  kleiner  Sprösslinge  sich  den  Knospungserscheinungen 
bis  zu  gewissem  Grade  anzuschliessen  scheint.  Auch  bei  der  Acanthocystis 
viridis  Ehbg.  gelang  es  neuerdings  Korotneff*)  denselben  FortpHanzungs- 
process  zu  beobachten.  Unter  der  Skelethülle  fand  sich  hier  eine  kleine, 
vom  Mutterleib  schon  völlig  losgelöste  Knospe  mit  Nucleus  und  contractiler 
Vacuole,  die  bald  aus  der  Skelethülle  hervortrat  und  sich  zu  einem  klei- 
nen, actinophrysartigen  Wesen  umgestaltete. 

Noch  mehr  nähert  sich  jedoch  der  bei  der  erstgenannten  Form  gleich- 
falls von  Hertwig  beschriebene  weitere  Fortpflanzungsmodus  den  eigentlichen 
Knospungserscheinungen  und  speciell  der  von  uns  bei  den  Rhizopoden 
besprochenen  Knospungserscheinung  der  Arcella.  Aus  letzterem  Grunde 
glaube  ich  denn,  dass  wohl  auch  dieser  Vorgang  mit  grosser  Wahr- 
scheinlichkeit als  wirklicher  Fortpflanzungsakt  beansprucht  werden  darf 
und  dass  eine  Täuschung  durch  Entwickelung  einer  parasitischen  Pro- 
tozoe  —  welche  Hertwig  nach  den  zahlreichen  Irrthümern ,  die  auf  dem 
Gebiet  der  Protozoenfortpflanzung  durch  solche  parasitische  Eindringlinge 
hervorgerufen  wurden,  nicht  für  ausgeschlossen  hält  —  in  unserem  Fall 
wohl  nicht  zu  befürchten  ist. 

Die    hier   erwähnte  Fortpflanzungsart  ist   kurz  folgende.     Unterhalb 
der  Skelethülle  der  Acanthocystis  beobachtete  man  zuweilen  bis  zu  (3  proto- 


'')  Korotneff,  Etiulcs  sur  les  Ehizopodos.     Arcli.  zoolog.  expcrim.  VIII. 


Schwärmerbildung-  (Acanthocystis,  Clathrulina  etc.).  309 

plasmatische,  kernhaltige,  rundliche  Körper,  welche  der  Oberfläche 
des  Weicbkörpers  dicht  aiiflagen  oder  sogar  wie  in  einem  Ausschnitt 
desselben  eingebettet  waren  und  ca.  Vi—Vs  des  Durchmessers  der  Acantho- 
cystis besassen  (XVI.  7  b).  Nach  dem  häufig  zu  beobachtenden  Austritt 
derselben  aus  der  Schale  gingen  sie  meist  keine  weiteren  Veränderungen 
ein,  nur  einige  Male  konnte  die  Entwickelung  zweier  Geissein  an  einem 
Körperende  constatirt  werden  (XVI.  7  c),  welche  jedoch  so  schwach  arbei- 
teten, dass  sie  den  Körper  nur  hin-  und  herrollten,  ohne  ihn  wirklich 
fortzubewegen.  Eine  Weiterbildung  zu  actinophrysartigen  Gebilden  Hess 
sich  nicht  nachweisen.  Das  häufige  Auftreten  solcher  Körper,  sowie  die 
anscheinend  volle  Lebensthätigkeit,  welche  die  sie  entwickelnden  Acantho- 
cystiden  zeigten,  macht  es,  wie  oben  schon  bemerkt,  wahrscheinlich, 
dass  wir  es  wirklich  mit  einem  Fortpflanzungsvorgang  zu  thun  haben*). 
Das  Auftreten  von  Schwärmsprösslingen  im  Entwickelungsgang  eines 
Heliozoen  ist  weiterhin  von  Cienkowsky,  Greeflf,  sowie  Hertwig  und 
Lesser  bei  Clathrulina  mit  Sicherheit  constatirt  worden.  Hier  verläuft  dieser 
Process  sogar  in  zweierlei  verschiedener  Weise.  Die  eine  Art  der 
Schwärmerbildung  vollzieht  sich  durch  Vermittelung  eines  Encystitungs- 
processes  und  wird  daher  besser  erst  späterhin,  bei  der  Besprechung  der 
Encystirungsvorgänge,  betrachtet  werden.  Die  zweite  Art  der  Schwärmer- 
entwickelung wurde  bei  Clathrulinen  beobachtet,  deren  Weichkörper 
innerhalb  der  Schale,  wahrscheinlich  durch  fortgesetzte  Zweitheilung,  in 
3  Theilstücke,  zwei  kleinere  und  ein  grösseres,  zerfallen  war.  Von  diesen 
3  Theilstticken  verliessen  die  beiden  kleineren  die  Schale  und  bildeten 
sich  zu  einem  zweigeisseligen,  ovalen  Schwärmer,  mit  Kern  und  einigen 
contractilen  Vacuolen  am  Hinterende  um  (XVII.  1  d).  Nach  verhältniss- 
mässig  nur  kurzer  Umherbewegung  (ca.  V2  Stunde)  hefteten  sich  die 
Schwärmer  fest  und  entwickelten  Pseudopodien.  Gleichzeitig  bildete  sich 
auch  der  Stiel  aus,  als  ein  protoplasmatischer  Fortsatz,  der  sich  erst 
nachträglich  mit  einer  die  Stielröhre  formirenden  Skelethülle  umkleidete 
und  rasch  weiterwuchs  (XVII.  If).  Relativ  erst  spät  scheint  sich  das 
eigentliche  Gitterskelet  zu  bilden.  Ob  das  in  der  Schale  zurückgebliebene 
grössere  Theilstück  noch  weiter  zerfällt  und  vielleicht  gleichfalls  Schwär- 
mer erzeugt,  Hess  sich  bis  jetzt  mit  Sicherheit  noch  nicht  entscheiden. 

Hiermit  durfte  denn  auch  alles  aufgezählt  sein,  was  mit  einiger  Sicherheit  das  Auftreten 
von  Schwärmern  im  Entwickelungsgang  der  Heliozoün  zu  erweisen  scheint.  Es  liegen  zwar 
noch  eine  Anzahl  von  Beobachtungen  vor,  die  Schwärmerbildung  bei  gewissen  Formen  nach- 
gewiesen haben  wollen,  jedoch  scheinen  dieselben  durchaus  nicht  für  die  Einreihung  der  be- 
treffenden Schwärmer  in  den  Entwickelungsgang-  der  Heliozoen  beweisend  zu  sein.  Wenn  wir 
hier  absehen  von  gewissen  Beobachtungen,  welche  ganz  unsicher  erscheinen,  wie  der  Angabe 
von  Waller**):   dass  Actinophrys  sol  in  Folge  der  Conjugation  Schwärme  von  Embryonal- 


*)  Fortpflanzung   durch   Knospung  soll  sich   nach   P.   Mayer   auch  hei    der  Wagnerella 
borealis  finden,   und  zwar  sollen  sich  hier  acht  Knospen  entwickeln,   nachdem  der  Kern  sich 
zuvor  gleichfalls  achtgetheilt  hat.  Der  Kern  wandert  vor  dieser  Theilung  aus  der  angeschwol- 
lenen Stielbasis  in  das  kugelige  Köpfchen,  wo  seine  Theilung  erfolgt, 
**)  Journ.  of  the  Queckett  Club  H. 


310  Heliozoa. 

keimen  entwickele  und  ausstosse  (auch  Lang*)  berichtet  von  einer  Ausstossung-  feiner  Körper- 
chen bei  dieser  Form,  die  er  mit  der  Fortpflanzung  in  Zusammenhang  bringt),  so  bleiben  uns 
nur  einige  Beobachtungen  von  Greeff,  Archer  und  Hertwig  zu  erwähnen  übrig.  Greefl'  (85) 
sah  aus  einem  abgestorbenen  Actinosphaerium  zahlreiche  kleine  Amöben  hervorkricclien,  die 
sich  nach  einiger  Zeit  zu  Schwärmern  umbildeten  und  vermuthete  (wohl  unter  dem  directen 
Einfluss  der  von  Carter  über  die  Fortpflanzung  der  Ehizopoda  geäusserten  Ansichten),  dass 
diese  Schwärmer,  welche  er  für  Embryonen  des  Actinosphaerium  hält,  aus  den  Kernen  des- 
selben hervorgegangen  seien.  Auch  Archer**)  gibt  an,  bei  Actinosphaerium***)  die  Bildung 
zahlreicher,  birnförmiger  Schwärmer  direct  aus  der  Körpersubstanz  beobachtet  zu  haben;  die- 
selben besassen  zwei  Geissein  von  verschiedener  Länge;  ihr  weiteres  Schicksal  konnte  jedoch 
nicht  verfolgt  werden.  Schliesslich  reiht  sich  dann  hier  noch  eine  Beobachtung  R.  Hertwigs 
an,  der  in  einer  sehr  grossen  Actinophrys  sol  zahlreiche  sehr  kleine,  zweigeisselige  Schwärmer 
beobachtete,  die  schliesslich  hervorbrachen  und  sich  zerstreuten.  Hertwig  selbst  sucht  diese 
Beobachtung,  wie  die  Greeffs,  auf  die  Entwickelung  eines  parasitischen  Organismus  zurück- 
zuführen, worin  ich  seiner  Meinung  nur  beizupflichten  vermag,  wie  ich  denn  dasselbe  auch 
bezüglich  der  Beobachtung  von  Archer  für  sehr  wahrscheinlich  erachten  muss. 

Im  Aüscliluss  an  die  Schilderung  dieser  Vorgänge  wäre  hier  am 
geeignetsten  noch  zu  erwähnen,  dass  Cattaneo  (51)  in  neuester  Zeit  bei 
der  sogen.  Acanthocystis  flava  Greeff  eine  Bildung  von  Keimkörnern  durch 
Zerfall  des  Niicleus  beobachtet  haben  will.  Da  jedoch  ein  solcher,  an 
und  für  sich  schon  sehr  unwahrscheinlicher  Fortpflanzungsact  durch  die 
Beobachtungen  C.'s  keineswegs  hinreichend  sicher  erwiesen  ist,  so  unter- 
lassen wir  hier  eine  eingehendere  Darstellung  dieser  Beobachtungen. 

C.    Fortpflan  Zungserscheinungen    im  Gefolge  der  Encystirung  und  die 

Encystirungsvorgänge  überhaupt. 

Die  Encystirung  ist  bei  den  Heliozoen,  wie  bei  den  Süsswasser 
protozoen  überhaupt,  eine  sehr  verbreitete  Erscheinung,  für  deren  all- 
gemeine Beurtheilung  hier  so  ziemhch  dasselbe  gilt,  was  bei  den  Rhizo- 
poden  schon  angeführt  werden  durfte.  Es  vollzieht  sich  daher  auch  hier  der 
Encystirungsprocess  theils  ohne  gleichzeitige  Vermehrung  des  umhüllten 
Weichkörpers,  zum  Schutz  während  einer  Ruhepause  im  Leben  des  Or- 
ganismus oder  zur  Abwehr  äusserer  Fährlichkeiten,  theils  aber  mit  Zerfall 
des  encystirten  Körpers  in  eine  Anzahl  Theilsprösslinge.  Auch  hier  be- 
gegnen wir  fernerhin  einer  ziemlichen  Verschiedenheit  in  der  Bil- 
dung der  Cystenhüllen ,  indem  dieselben  einmal  einfach  oder  mehrfach 
vorhanden  sein  können,  weiterhin  jedoch  auch  aus  recht  verschiedenem 
Material,  sowie  morphologisch  recht  different  gebildet  sein  können.  Da 
sich  nun  die  mit  und  ohne  Vermehrung  verlaufenden  Encystirungsvorgänge 
bis  jetzt  nicht  scharf  auseinander  halten  lassen,  wahrscheinlich  auch  in 
der  Natur  keine  scharfe  Grenze  zwischen  denselben  existirt,  so  be- 
sprechen wir  dieselben  hier  gleichzeitig. 

Was  zunächst  das  Material,  aus  welchen  die  Cystenhüllen  aufgebaut 
sind,  betrifft,  so  besteht  dasselbe  hier,  in  Uebereinstimmung  mit  der  aus- 


*)  Monthly  microscop.  journ.  IV.  p.  334. 
**)  Quart,  j.  micr.  sc.  N.  s.  X.  p.  306. 
***)  Angeblich  chlorophyllführeiide  Varietät  von  Actinophrys  sol. 


Eiicybtiruiijj   (VampyroUa,  Nucloaria).  311 

gesprochenen  Neigung  der  Heliozocn  zur  Kieselsäiireabscheidung,  sehr 
häiilig  aus  einer  verkieselteu  organischen  Grundinasse,  ähnlich  wie  die 
Skeletthcilc.  Dies  tritt  uns  sowohl  bei  skeletliihrenden  wie  skeletlosen 
Formen  entgegen,  andererseits  finden  wir  jedoch  auch  Celhüose-  und 
Chitinbüllen  bei  einigen  Formen  vor  und  zuweilen  treten  zu  Beginn  des 
Encystirungsprocesses  auch  gallertige  Umhüllungen  auf,  wie  wir  sie  schon 
früher  besprochen  haben,  unter  denen  jedoch  im  weiteren  Verlauf  noch 
festere  Hüllen  zur  Ausbildung  gelangen.  Beim  Uebergaug  in  den  en- 
cystirten  Zustand  werden  natürlich  zunächst  die  Pseudopodien  eingezogen ; 
zuweilen  gehen  jedoch  auch  noch  weitere  Veränderungen  im  Weichkörper 
vor;  so  Rückbildung  und  Verschwinden  der  Vacuolisation  des  Proto- 
plasmas, Veränderung  der  Kernverhältnisse  etc. 

AVir  glauben  hier  einen  Ueberblick  über  die  Encystirungsprocesse 
der  Heliozocn  am  besten  in  der  Weise  geben  zu  können,  dass  wir  die 
Verhältnisse  bei  einer  Anzahl  in  dieser  Richtung  besser  bekannter  Formen 
etwas  genauer  erläutern,  und  daran  einige  Bemerkungen  hinsichtlich  der 
übrigen  knüpfen.  Verhältnissmässig  genau  ist  der  Encystirungsprocess 
unter  den  nackten  Formen  bei  der  Gattung  Vampyrella  durch  die 
Untersuchungen  Cienkowsky's  (24)  bekannt.  Hier  ist  der  Verlauf  desselben 
ein  etwas  variabler,  weshalb  Cienkowsky  zwischen  einem  sogen. 
Zell-  und  einem  Ruhezustand  unterschied.  Der  erstere  tritt  nach  reich- 
licher Nahrungsaufnahme  ein  und  steht  mit  einem  Vermehrungsprocess 
durcb  Theilung  in  Zusammenhang.  Die  Vampyrella  nimmt,  nach  Ein- 
ziehung ihrer  Pseudopodien,  gewöhnlich  an  einen  Confervenfaden  an- 
geheftet, eine  kugelige  bis  birnförmige  oder  auch  langgestreckte  Gestalt  an 
(je  nach  den  verschiedenen  Arten)  und  scheidet  zunächst  meist  eine 
zarte,  stickstoffhaltige  (gallertige?)  Hüllhaut  aus  (sogen.  Schleier  Cienk.), 
unter  deren  Schutz  sich  der  eingeschlossene  Weichkörper  noch  weiter 
zusammenzieht  und  nun  eine  ihn  dicht  umschliesscnde  Cellulosehaut  (Zell- 
haut, Cienk.)  (XHI.  11c — d,  z)  ausbildet.  Innerhalb  dieser  erfolgt  dann 
der  Zerfall  des  Körpers  in  2  bis  4  Theilstücke  (XUI.  11c— d),  unter 
gleichzeitiger  Ausscheidung  der  unverdauten  Nahrungsreste  (N).  Die 
Theilstücke  verlassen  hierauf  die  Cyste  durch  eine  oder  mehrere  von 
ihnen  gebildete  Oeflfnungen  (XHI.  11c — d). 

Der  sogen.  Ruhezustand  unterscheidet  sich  nach  Cienkowsky  haupt- 
sächlich dadurch  von  dem  eben  besprochenen  Zeilzustand,  dass  es  hier- 
bei noch  zur  Bildung  einer  dritten  Cystenhülle  (sogen.  Cystenhaut  Cienk.,  c) 
innerhalb  der  sogen.  Zellhaut  kommt  und  dass  weiterhin  keine  Theilung 
des  dreifach  umhüllten  Weichkörpers  beobachtet  wurde  (XIII.  11  e,  12  a). 
Die  Cystenhaut  (c)  besitzt  bei  diesen  Ruhezuständen  zuweilen  eine  war- 
zige Oberfläche,  zuweilen  ist  auch  die  Zellhaut  mit  Stachelchen  besetzt. 
Auch  bei  diesem  Encystirungsvorgang  erfolgt  innerhalb  der  Zellhaut  eine 
Ausscheidung  der  unverdauten  Nahrungsreste  (N). 

Ob  die  Cienkowsky'scbe  Unterscheidung  zwischen  Zell-  und  Ruhe- 
zustand völlig  durchführbar  sei,  wird  von  Hertwig  und  Besser  bezweifelt. 


312  Heliozoa. 

die  bei  der  V.  Spyrogyrae  nur  einfach  umhüllte  Cysten  mit  oder  ohne 
Vermehrung  durch  Theilung  auffinden  konnten.  Auch  Häckel  hat  bei 
seiner  V.  Gomphonematis  (XIII.  13  b)  die  Bildung  einer  einfachen,  structur- 
losen  Hülle  von  grosser  Dicke  beobachtet,  die  eine  mehr  chitinartige 
Natur  besass.  Der  Weichkörper  zerfällt  in  diesen  Cysten  in  4  Tbeil- 
stücke  (sogen.  Telrasporen),  die  durch  simultane  Viertheilang  zu  ent- 
stehen scheinen.  Dieselben  schlüpfen  nach  einiger  Zeit  alle  aus  einer 
und  derselben  Oeffnung  aus,  welche  der  erst-hervorbrechende  Sprössling, 
gegenüber  der  Befestigungsstelle  der  kugeligen  Cyste  an  dem  Ende  eines 
Gomphonemastielchens,  erzeugt. 

Aehnlich  wie  Vampyrella  verhält  sich  hinsichtlich  der  Encystirung 
auch  Nuclearia.  Der  von  Cienkowsky  bei  N.  simplex  aufgefundene 
Ruhezustand  wurde  auch  von  mir  vielfach  beobachtet  (XIV.  2  a).  Er 
weist  zwei  Hüllen  auf,  eine  äussere  etwas  dünnere  (z)  und  eine  innere 
etwas  dickere  und  auf  ihrer  Innenfläche  schwach  warzige  (c).  Nach 
Bildung  der  äusseren  Hülle  muss  sich  der  Weichkörper  unter  Ausstossung 
der  Nahrungsreste  und  Excretkörnchen  (N)  stark  contrahiren,  da  der 
Durchmesser  der  Binnencyste  etwa  nur  die  Hälfte  des  der  äusseren 
Hülle  beträgt.  Cienkowsky  sah  nach  Austrocknung  der  Cysten  bei  der 
Befeuchtung  die  Nuclearia  wieder  ausschlüpfen.  Ich  beobachtete  ge- 
legentlich auch  4  kleine  Specialcysten  gleichzeitig  in  der  Aussenhülle 
(XIV.  2  b),  woraus  ohne  Zweifel  hervorgeht,  dass  zuweilen  auch  Theilung 
des  Weichkörpers  in  der  Aussenhülle  mit  darauf  folgender  Bildung  von 
Specialcysten  um  die  Theilprodukte  erfolgt. 

Eine  gewisse  Aehnlichkeit  mit  diesem  Verhalten  bietet  unter  den 
skeletführenden  Formen  die  Clathrulina  dar.  Hier  kann  sich  der  in  der 
Gitterhtille  kugelig  zusammengeballte  Körper  mit  einer  CystenhüUe  um- 
kleiden, die  nach  Greeflf,  wegen  ihrer  Resistenz,  wahrscheinlich  auch  aus 
Kieselsäure  gebildet  ist  und  deren  Oberfläche  von  feinen  Stachelchen  be- 
deckt ist.  Gewöhnlich  theilt  sich  jedoch  der  Weichkörper  zuvor  in  meh- 
rere Stücke,  2 — 10,  die  sich  sämmtlich  mit  einer  solchen  kugeligen  Cysten- 
hüUe umkleiden  (XVII.  Ic).  Erst  nach  längerer  Zeit,  nach  Verlauf 
einiger  Monate,  und  wie  Cienkowsky  vermuthet  in  der  freien  Natur  wahr- 
scheinlich erst  nachdem  die  Cysten  den  Winter  über  geruht  haben,  tritt 
aus  ihnen  ein  ovaler  Schwärmsprössling  hervor.  Derselbe  verlässt  die  Gitter- 
schale der  Mutter  und  schwärmt  einige  Stunden  umher,  um  sich  hierauf 
festzusetzen  und  sich  wie  die  früher  beschriebenen  Schwärmsprösslinge 
zur  ausgebildeten  Clathrulina  zu  entwickeln.  Bis  jetzt  ist  es  nicht  mög- 
lich gewesen,  die  Bewegungsorgane  dieser  Schwärmer  mit  Sicherheit 
zu  beobachten;  Cienkowsky  konnte  nicht  entscheiden,  ob  derselbe  eine  oder 
mehrere  Cilien  besitze ;  Greeff  gibt  einfach  an,  „dass  er  vermittelst  Wimper- 
bewegung umherschwärme."  Es  dürfte  jedoch  wohl  zu  vermuthen  sein, 
dass  der  Schwärmer  dieselben  beiden  Geissein  besitze,  wie  der  von 
Hertwig  und  Lesser  beschriebene,  da  er  im  übrigen  Bau  diesem  ganz  zu 
entsprechen  scheint. 


Encystii'uiig  u.  Forlpflauzunjj  (Myxastruiu  u.  Actinosi^haeriuin),  313 

Mit  VermebrungserscbeinuDgen  verbundene  Encystirungsvorgänge  sind 
feiner  nocb  bei  Myxastrum  und  Actinospbaerium  nachgewiesen  worden. 
Besonders  eigentbiimlicb  und  coniplicirt  gestalten  sich  diese  Vorgänge  bei 
der  letzteren  Gattung,  wiewohl  auch  das  VerbaUen  von  Myxastrum  recht 
interessant  und  nicht  ohne  Aehnlicbkeit  mit  dem  des  Actinospbaerium  ist. 
Nach  den  Beobachtungen  Häckels  (30)  umhüllt  sich  das  zusammengekugelte 
Myxastrum  mit  einer  ziemlich  resistenten  Cystenbiille.  Dieselbe  ist  an- 
fänglich dünn,  verdickt  sich  jedoch  bald  beträchtlich,  durch  Zuwachs 
neuer  Schichten  (bis  zu  Vs  des  Cystendurchmessers)  und  liegt  dem  Weich- 
körper dicht  auf.  Nach  einiger  Zeit  sieht  man  den  Weichkörper  in  ca. 
50  radial  geordnete,  kegelförmige  Protoplasmatheile  zerfallen,  die  sich 
sämmtlich  im  Centrum  der  Kugel  berühren  und  welche  wahrscheinlich 
durch  simultanen  Zerfall  des  Plasmakörpers  entstanden  sind.  Diese  Theil- 
produkte  nehmen  nach  einiger  Zeit  eine  spindelförmige  Gestalt  an  und 
entwickeln  sämmtlich  eine  dünne,  kieselige  Specialcystenhaut  (XIII,  14  a). 
In  solcher  Verfassung  scheint  die  von  Specialcysten  (Sporen)  erfüllte 
Cyste  längere  Zeit  zn  verweilen,  da  es  Häckel,  trotz  mehrwöchentlicher 
Beobachtung,  nicht  gelang,  eine  Veränderung  derselben  wahrzunehmen. 
Wurde  jedoch  die  Cyste  künstlich  gesprengt,  so  dass  die  Sporen  ins 
Freie  traten,  so  konnte  nach  einigen  Tagen  der  Austritt  des  protoplasma- 
tischen Inhalts  beobachtet  werden.  Derselbe  vollzog  sich  durch  eine  an 
dem  einen  Pol  der  Kieselspindel  befindliche  Oeffnung,  über  deren  Ent- 
stehung oder  schon  früheres  Vorhandensein  nichts  Sicheres  ermittelt  werden 
konnte.  Der  ausgetretene  Sprössling  verharrte  zunächst  einige  Zeit 
im  zasämmengekugelten  Zustand  ruhend,  um  hierauf  allmählich  allseitig 
zahlreiche  Pseudopodien   zu  entwickeln  (XIII.  14b). 

Es  dürfte  wohl  kaum  fraglich  erscheinen,  dass  auch  der  natürliche 
Entwickelungsgang  dieser  Myxastrumcysten  in  ähnlicher  Weise  verlaufen 
wird,  ohne  Zweifel  jedoch  erst,  nachdem  eine  längere  Ruheperiode  vor- 
hergegangen ist. 

Ueber  den  Encystirungsprocess  des  Actinospbaerium  haben  eine 
Reihe  Forscher  Beobachtungen  angestellt,  die  jedoch  in  manchen 
Punkten  von  einander  abweichen.  Die  ersten,  jedoch  nicht  sehr  ein- 
gehenden Mittheilungen  rühren  von  Cienkowsky  (24)  her,  der  den  En- 
cystirungsprocess an  Actinosphärien  verfolgte,  welche  durch  Verschmelzung 
aus  künstlich  erzeugten  Theilstücken  hervorgegangen  waren.  Schon  diese 
Beobachtung  musste  es  wahrscheinlich  machen,  dass  die  Encystirung 
unserer  Form  sich  hauptsächlich  nach  vorausgegangener  Copulation  zeige. 
In  der  Folge  hat  sich  jedoch  diese  Vermuthung  nicht  allgemein  bestätigen 
lassen,  wenn  es  auch  wahrscheinlich  ist,  dass  der  Encystirung  zuweilen 
ein  solcher  Copulationsakt  vorausgeht.  Wir  werden  weiter  unten  die 
Beobachtungen  über  die  Copulation  genauer  betrachten  und  hierbei  Ge- 
legenheit haben,  diese  Frage  eingebender  zu  behandeln.  Nach  den  tiber- 
einstimmenden Beobachtungen  Cienkowsky's,  Ant.  Schneider's  (36),  Greeff' s 
(37),  F.  E.  Schulze's  (38,  I.)  und  Brandt's  (44)  zieht  das  zur  Encystirung 


314  Hcliozoa. 

sich  anschickende  Actinosphaeriiim  seine  Pseudopodien  ein,  scheidet  eine 
ziemlich  dicke,  geschichtete  Gallerthülle  um  sich  ab  und  bildet  die  Va- 
cuolisation  seines  Plasmas  allmählich  mehr  und  mehr  zurück.  Dabei 
zeigt  sich,  nach  den  Erfahrungen  Brandts,  nach  der  Einziehung  der 
Pseudopodien,  nicht  selten  für  einige  Zeit  ein  eigenthümlicher,  amöboider 
Zustand.  Als  nächste  Veränderung  im  encystirten  Plasmakörper  bemerkt 
man  nach  Schulze  und  Brandt  eine  Abnahme  der  Zahl  der  Kerne  (nach 
Schulze  von  etwa  100  und  mehr  bis  auf  20 — 30).  Ueber  die  Art  und 
Weise,  in  welcher  sich  dieser  Process  vollzieht,  ist  jedoch  bis  jetzt  nichts 
Sicheres  bekannt.  Entweder  können  hier  Kernverschmelzungen  statt- 
finden, was  hauptsächlich  Schneider  vermuthet  und  wofür  mancherlei 
Wahrscheinlichkeitsgründe  aufgeführt  werden  könnten  (namentlich  aber 
die  Beobachtung  Brandts,  dass  die  Grösse  der  Kerne  beträchtlicher  wird 
wie  früher  [ca.  0,014  :  0,027]),  oder  aber  einfacher  Untergang  (Auflösung, 
resp.  Ausstossung)  einer  Anzahl  von  Kernen.  Uebrigens  lässt  Schneider 
die  Kern  Verminderung  durch  Verschmelzung  nicht  schon  auf  diesem 
Stadium  des  Encystirungsprocesses  sich  vollziehen,  sondern  erst  in  den 
Theilstücken,  die,  wie  gleich  zu  beschreiben  sein  wird,  durch  Zerfall  des 
Plasmakörpers  innerhalb  der  Gallertcyste  ihre  Entstehung  nehmen.  Es 
theilt  sich  nämlich  der  Plasmakörper  in  eine,  je  nach  dem  Fall,  sehr  ver- 
schiedene Zahl  von  kugeligen  Partien  (2 — 35  nach  Brandt)  (sogen.  Keim- 
kugeln), von  welchen  jede  einen  der  Kerne  einschliesst  (XV.  Ic).  Nach 
Schulze  und  Greeff  erfolgt  dieser  Theilungsprocess  successive,  ganz  ähn- 
lich wie  eine  Furchung;  dagegen  soll  nach  Brandt  der  Zerfall  in  die 
definitive  Zahl  von  Kugeln  gewöhnlich  simultan  vor  sich  gehen*).  Während 
nun  Schulze  jede  dieser  Kugeln  sich  einfach  mit  einer  kieseligen  Haut 
umhüllen  lässt,  haben  dagegen  Greeff  und  Brandt  noch  weitere  eigen- 
thümliche,  dieser  Umhüllung  vorhergehende  Processe  beobachtet.  Greeff 
berichtet,  dass  je  zwei  benachbarte  Kugeln  mit  einander  verschmölzen,  so 
dass  bei  ungerader  Zahl  derselben  eine  derselben  unverschmolzen  zurück- 
bleibe und  sich  die  Zahl  der  Kugeln  derart  auf  die  Hälfte  reducire.  Etwas 
anders  lauten  die  Angaben  Brandt's.  Derselbe  sah  jede  der  Kugeln  sich 
mit  einer  dünnen,  membranartigen  Hülle  umkleiden,  sich  hierauf  inner- 
halb dieser  zweitheilen  und  nach  einiger  Zeit  die  beiden  Theilhälften 
wieder  mit  einander  verschmelzen.  Hierauf  scheint  die  membranartige 
Hülle  zu  verseh winden.  Erst  die  so  entstandenen  Plasmakugeln  um- 
kleiden sich  mit  einer  kugeligen  bis  sechseckigen,  ziemlich  dicken  Kiesel- 
hülle (XV.  1  c,  z),  welche  nach  Schneider  und  Brandt  aus  kleinen  Kiesel- 
stückchen zusammengesetzt  sein  soll,  wogegen  sie  auf  Schulze  mehr  den 
Eindruck  einer  „Membran  mit  Lücken  oder  dellenartigen  Depressionen'"' 
machte*'"). 

Der  ganze   Vorgang   bis   zur  Bildung   der   Kieselcysten   nimmt  nach 


*)  Aelinlich  spricht  sich  auch  Greeff  aus. 
**)  Nach  Greeft'  sollen  sich  um  jede  Kugel  successive  2  Kieselhüllen  bilden. 


Eiicystii'ung  u.  Fortpllaiizuujj,-  (Actiaospliaorium  u.  Actiiioijhryti}.  315 

Brandt  etwa  2—3  Tage  in  Anspruch.  Die  so  gebildeten  Cysten  ver- 
harren nun  den  Winter  über  auf  dem  Boden  der  Gewässer  im  ruhenden 
Zustand.  Erst  im  folgenden  Frühjahr  schlüpfen  aus  ihnen  juDgc  Actiuo- 
sphärien  hervor,  die  nach  Schulze  einkernig  sind,  wogegen  Schneider 
und  Brandt  übereinstimmend  ihre  Mehrkernigkeit  hervorheben*). 

Hiermit  hätten  wir  das  Thatsächliche  des  interessanten  Encystirungs- 
proccsses  des  Actinosphaeriums  erschöpft  und  zur  Ergänzung  möge  nur 
noch  beigefügt  werden,  dass  sich  bei  sehr  kleinen  Actinosphärien  nach 
Brandt  auch  nur  eine  einfache  Kieselcyste  bildet,  jedoch  auch  der  Bil- 
dung dieser  eine  Zweitheilung  und  Wiederverschmelzung  vorangeht. 
Gelegentlich  tritt  auch  im  Beginn  des  Encystirungsprocesses  eine  Zwei- 
theilung der  Actinosphärie  auf,  worauf  beide  Hälften  innerhalb  der  ur- 
sprünglichen Gallertcyste  sich  mit  einer  Specialgallerthülle  umkleiden, 
und  jede  Theilhälfte  für  sich  die  weiteren  Vorgänge  durchschreitet. 

Anknüpfend  an  die  ebengeschilderten  Vorgänge  bei  Actinosphaeriura 
erwähnen  wir  noch  kurz  die  bis  jetzt  weniger  vollständig  erkannten  Er- 
scheinungen bei  Actinophrys,  die  von  Cienkowsky  (24)  und  Lieberkühu**) 
verfolgt  worden  sind.  Hier  verläuft  der  Process  wahrscheinlich  sehr 
ähnlich  wie  bei  Actinosphaerium.  Die  Ausscheidung  einer  sehr  ansehn- 
lich dicken  Gallerthülle  und  die  völlige  Rückbildung  der  Vacuolisation 
finden  sich  auch  hier.  Hierauf  bildet  sich  jedoch  nach  Cienkowsky 
eine  zarte,  sogen.  Zellhaut  um  das  von  Gallerte  umhüllte  Thier,  und 
dessen  centrale  Partie  verdichtet  sich  zu  einer  dunklen,  kugeligen  Masse. 
Diese  dunklere  Binnenmasse  soll  sich  nun  allein  zweitheilen,  was  mir 
jedoch  wenig  wahrscheinlich  dünkt.  Hierauf  verschwinde  die  Zellhaut 
sowie  die  helle  peripherische  Plasmamasse  und  jede  der  beiden  Theilkugeln 
umhüllt  sich  successive  mit  zwei  ziemlich  dicken  Cystenhäuten  (XIV,  7  c), 
von  welchen  die  innere  glatt  (c),  die  äussere,  braune  dagegen  auf  der 
Innenfläche  eigenthümlich  warzig  ist  (z).  Ueber  die  chemische  Beschaffen- 
heit dieser  Cystenhäute  ist  nichts  bekannt.  Etwas  hiervon  abweichend 
ist  die  kurze  Darstellung,  welche  Lieberkühu  von  der  Encystirung  der 
Actinophrys  gibt.  Nach  ihm  umkleidet  sich  der  ganze  Körper  mit  einer 
kugeligen  Hülle,  die  nach  Beschreibung  und  Abbilducg  ohne  Zweifel 
identisch  ist  mit  der  warzigen,  äusseren  CystenhüUe  Cienkowsky's;  auch 
die  glatte,  innere  CystenhüUe  hat  L,  beobachtet,  jedoch  als  eine  festere 
Rindenschicht  des  encystirten  Weichkörpers  gedeutet.  Innerhalb  dieser 
Cyste  soll  der  Körper  ungetheilt  bleiben  oder  sich  durch  Weitere  Thei- 
lung  vermehren.     Interessant  ist  die  Angabe  Lieberkühns,   dass  die  con- 


*)  GreefF  hat  sehr  eigenthUmliche  Vorstellungen  tiher  die  Entstehung  des  jungen  Actino- 
sphaeriums aus  dem  Plasma  der  Kieselcysten  ausgesprochen.  Es  scheint  ihm  nämlich  wahr- 
scheinlich, dass  dasselbe  sich  im  Innern  des  Plasmas  entwiclde  und  dass  der  als  Kern  der 
Keiuikugel  betrachtete  centrale  helle  Körper  als  das  in  Entwickelung  begriilene  Actinosphae- 
rium aufzufassen  sei. 

**)  Siehe  Lieberkühn,   Zusätze  zur  Entwickelungsgesch.  der  Spongillen.     Arch.  f.  Anat. 
u.  Physiol.  1856,  p.  .505—7  und  Nr.  84. 


316  Ileliozoa. 

tractile  Vacuole  sich  während  der  ganzen  Dauer  des  encysthten  Zu- 
standes  erhalte  und  weiter  pulsire,  wogegen  Cienkowsky  die  contractile 
Vacuole  nach  Bildung  der  sogen.  Zellhaut  und  vor  der  Entwickeluog  der 
beiden  eigentlichen  Cystenhiillen  schwinden  lässt.  Das  Hervortreten  des 
protoplasraatischen  Körpers  aus  der  Cyste  haben  beide  Forscher  verfolgt. 
Nach  Cienkowsky  reisst  zunächst  die  äussere  Cystenhülle  ein,  indem  sich 
der  Plasmakörper  sammt  der  inneren  Hülle  sehr  ausdehnt  (XIV.  7d). 
Hierauf  tritt  eine  Scheidung  zwischen  einer  helleren,  centralen  und  einer 
dunkleren,  peripherischen  Partie  im  Plasmakörper  auf  und  es  zeigt  sich 
die  randständige  contractile  Vacuole  (cv).  Indem  sich  der  Plasmakörper  nun 
von  der  inneren  Cystenhülle,  in  die  eingeschlossen  er  hervorgetreten  ist, 
zurückzieht,  entwickelt  er  Pseudopodien,  welche  die  „jetzt  schon  sehr 
zarte,  umfangreiche  Cystenwand  (innere)  vor  sich  her  drängen,  bis  sich 
dieselbe  schliesslich  auflöst."  Nach  Lieberkühn  tritt  die  junge  Actino- 
phrys  als  kugeliger,  nicht  weiter  umhtillter  Körper  hervor  und  entwickelt 
erst  nach  dem  Austritt  allmählich  Pseudopodien  und  Vacuolen. 

Besonderes  Interesse  bietet  noch  die  von  F.  E.  Schulze  bei  seinem 
Actinolophus  beobachtete  Bildung  eines  Ruhezustandes  dar.  Die  Aus- 
bildung desselben  wird  durch  ein  Deutlicherwerden  der,  wie  früher  schon 
erwähnt,  wahrscheinlich  stets  vorhandenen  Gallertumhüllung  eingeleitet. 
Hierauf  tritt  auf  der  Aussenfläche  dieser  Gallerthülle  eine  Lage  sechs- 
eckiger Kieselplättchen  auf  (XIV.  6b),  die  eine  allseitige  Hülle  formiren, 
welche  sich  auch  noch  als  ein  röhrenförmiger  Ueberzug  über  den  Stiel 
fortsetzt.  Die  Kieselplättchen  stossen  mit  ihren  Seiten  nicht  unmittelbar 
zusammen,  sondern  sind  entweder  durch  Lücken  getrennt  oder  vielleicht 
durch  eine  gemeinsame  Membran  zusammengehalten.  Weiterhin  werden 
dann  die  Pseudopodien  eingezogen  und  der  Kern  zeigt  eine  Vermehrung 
zu  zweien.  Das  Centralkorn  wie  auch  wohl  die  Axenfäden  schwinden 
gleichfalls,  worauf  die  Kerne  ihre  sonst  excentrische  Lage  nicht  mehr 
beibehalten  und  sich  beliebig  im  Plasma  zerstreuen.  Weiter  konnte  jedoch 
bis  jetzt   das  Verhalten  dieser  Ruhezustände  nicht  verfolgt  werden. 

Mit  wenigen  Worten  müssen  wir  noch  der  bei  anderen  Heliozoen 
gelegentlich  beobachteten  Encystirungsvorgänge  gedenken,  die  jedoch 
bis  jetzt  nur  sehr  unvollständig  erforscht  sind.  Einkugelung  mit  Ent- 
wickelung  einer  äusserst  dünnen  Cystenmembran  wurde  von  Hertwig 
und  Lesser  bei  Hedriocystis  beobachtet.  Bei  Pompholyxophry s 
punicea  sah  Greeff  den  Weichkörper  in  der  Schale  sich  stark  zu- 
sammenziehen und  mit  einer  dicht  aufliegenden,  anscheinend  fein- 
porösen Kieselhaut  umhüllen.  Auch  Archer  beobachtete  die  Entwicke- 
lung  einer  dicken  Hüllschicht  unterhalb  der  normalen  Hülle  bei  Sphaer- 
astrum  Fockii.  Die  äussere  Hülle  machte  alsdann  den  Eindruck  einer 
vielfach  gefalteten  und  verschrumpften,  hyalinen  Haut.  —  Schliesslich 
hat  noch  Greeff  (33,  40)  einen  nicht  uninteressanten  Encystirungsprocess 
der  Acanthocystis  turfacea  beschrieben.  Nachdem  der  Weichkörper 
sich   innerhalb   der  Skelethülle  beträchtlich   contrahirt  hat,   entwickelt  er 


Copulation  (Acünosphaeriuin).  317 

auf  seiner  AussenflUcbe  eine  kieselige  Cystenbaut,  die  eine  Gitterkugel, 
ähnlieh  der  der  Clathrulina  darstellt.  Die  Chlorophyllköruer  sind  im 
Centrum  des  eneystirten  Weicbkörpers  zusammengedrängt.  In  seiner 
ersten  Arbeit  (33)  erwähnt  jedoch  Greeff  an  den  eneystirten  Exemplaren 
noch  einer  äusseren  kugeligen  Kieselschicht,  welche  die  Fussplättchen  der 
Stacheln  unter  einander  verbinde,  oder  etwas  ausserhalb  dieser  sich  ent- 
wickele. Da  das  Skelet  der  eneystirten  Acantbocystis  ganz  gut  erbalten 
zu  bleiben  scheint,  so  dürfte  wahrscheinlich  auch  eine  solche  Hülle  die 
isolirten  Skelettbeile  verbinden,  da  diese  sonst  wohl  auseinanderfallen 
müssten.  Auch  Leidy  (50)  und  Korotuefl"  (I.  s.  c,  s.  p.  308)  machten 
neuerdings  einige,  jedoch  nur  wenig  eingehende  Mittheilungen  über  die 
Encystirung  von  Acantbocystiden. 

D.   Conjugations-  und  Copulation sv orgängc  der  Holiozoa. 

Die  Besprechung  der  Koloniebildung  der  Actinophrys  hat  uns  schon 
Gelegenheit  gegeben,  das  Vorkommen  von  Verscbmelzungserscheinungen 
bei  dieser  Form  zu  schildern.  Dass  dieser  Vorgang  auch  als  Conjugations- 
akt  (da  totale  Verschmelzung,  wie  es  scheint,  bis  jetzt  noch  nicht  beob- 
achtet wurde)  aufgefasst  werden  darf,  unterliegt  wohl  keinem  Zweifel, 
man  müsste  denn  diesen  Begriff  auf  die  Fälle  beschränken,  wo  bis  jetzt 
eine  Vermehrung  in  Folge  dieser  Erscheinung  thatsächlich  beobachtet 
worden  ist. 

Weitere  Beobachtungen  von  Verschmelzungserscheinungen  sind  bis 
jetzt  nur  noch  bei  Actinosphaerium  gemacht  worden.  Hier  berichtete 
schon  Kölliker  (9),  dass  er  zwei  völlig  getrennte  Individuen  mit  einander 
verschmelzen  sah  und  es  ist  jedenfalls  ungerechtfertigt  gewesen ,  diese 
Beobachtung,  wie  mehrfach  geschehen,  in  Zweifel  zu  ziehen.  Brandt 
hat  die  Copulation  dieser  Form  in  neuerer  Zeit  vielfach  constatirt.  Z.  Tb. 
war  die  Verschmelzung  hierbei  eine  ganz  vollständige,  z.  Tb.  erstreckte 
sie  sich  jedoch  nur  auf  die  Rindensubstanz,  so  dass  bisquitförmige  Ver- 
schmelzungsformen entstanden.  An  der  Verschmelzungsstelle  war  der 
scharfe  Unterschied  zwischen  Ecto-  und  Entoplasma  verwischt.  Von 
Interesse  ist  ferner,  dass  die  versuchsweise  zusammengebrachten  Thiere 
sich  häufig  zunächst  theilten  und  dass  dann  die  Verschmelzungen  sich 
ebensowohl  unter  den  Theilhälften  eines  wie  verschiedener  Individuen 
vollziehen  konnten. 

Die  Trennung  vereinigter  Thiere  (im  Falle  völliger  Copulation  also 
wohl  Theilung),  erfolgt  gewöhnlich  im  Verlauf  einiger  Stunden.  Cien- 
kowsky  gelang  es  auch,  künstlich  entsprechende  Verschmelzungserschei- 
nungen hervorzurufen.  Indem  er  durch  Abtrennung  eines  Körperstückchens 
gewissermaassen  eine  Wundfläche  erzeugte  und  die  in  solcher  Weise 
vorbereiteten  Individuen  mittelst  dieser  Wundflächen  in  Berührung  brachte, 
gelang  es,  die  Copulation  zu  bewirken,  ja  successive  nicht  weniger  wie 
fünf  Individuen  in  dieser  Weise  zu  vereinigen.  Gewöhnlich  erfolgte 
nach  einiger  Zeit  wieder   ein   Zerfall   des  so  erzeugten  Verschmelzungs- 


318  Hcliozoa. 

Produktes  in  mehrere  Individuen.  Zuweilen  jedoch  trat  Eucystirung  und 
der  ohen  geschilderte  Fortpflanzungsprocess  ein.  Dieser  letztere  Umstand 
bringt  uns  auf  die  Frage  nach  dem  möglichen  Zusammenhang  des  Copu- 
lationsprocesses  und  der  Fortpflanzung,  speciell  der  Vermehrung  im  en- 
cystirten  Zustand.  Cienkowsky  selbst  ist  nicht  geneigt,  eine  solche  Be- 
ziehung anzuerkennen.  Dagegen  hat  Ant.  Schneider  einen  solchen  Con- 
jugatious-  oder  Copulationsakt  als  steten  Vorläufer  (sogen.  Begattung) 
der  Vermehrung  des  Actinosphaerium  angenommen;  die  wahre  Befruch- 
tung jedoch  vollzieht  sich  nach  ihm  erst  im  encystirten  Zustand  selbst 
und  zwar  mittels  der  obenerwähnten,  von  ihm  wahrscheinlich  gemachten 
Verschmelzung  der  Kerne.  In  dieser  Hinsicht  hebt  er  noch  besonders 
hervor,  dass  ja  die  Kerne  der  copulirten  und  conjugirten  Thiere  wohl 
ausgetauscht  würden.  Greeff,  der  früherhin  die  Copulationserscheinungen 
der  Actinophryineu  überhaupt  in  Abrede  stellte,  gibt  dagegen  neuer- 
dings zu,  dass  eine  Copulation  wohl  fakultativ  dem  Encystirungsprocess 
vorausgehen  könne,  aber  jedenfalls  nicht  ausschliessliche  Bedingung  des- 
selben sei.  Brandt  endlich  konnte  keinerlei  Zusammenhang  zwischen  den 
von  ihm  beobachteten  Copulationserscheinungen  und  der  Fortpflanzung 
auffinden. 

Wie  diese  Angelegenheit  jetzt  liegt,  kann  wohl  von  einem  thatsäch- 
lichen  Nachweis  eines  Zusammenhanges  zwischen  Copulation  und  Fort- 
pflanzung nicht  die  Rede  sein.  Dagegen  scheint  mir  jedoch  auch  der 
Beweis  des  Gegentheils  keineswegs  erbracht,  da  die  Encystirung  und 
Fortpflanzung  der  Copulation  nicht  direkt  zu  folgen  braucht.  Eine  völlige 
Bedeutungslosigkeit  des  Copulationsaktes  für  die  Fortpflanzung,  die  ja, 
nach  Erfahrungen  bei  andern  Protozoen,  nicht  gerade  wahrscheinlich  ist, 
würde  sich  doch  wohl  nur  dadurch  sicher  erweisen  lassen,  dass  man 
Individuen  während  ihrer  gesammten  Lebenszeit  an  der  Copulation  hinderte 
und  dennoch  keine  Beeinträchtigung  der  Vermehrungsfähigkeit  bei  ihnen 
beobachtete. 


6.  System  der  Heliozoa  und  Ueberskht  der  Gattiiii«eii. 

A.    Allgemeine  syst cuiatisclie  Auffassung  der  Hcliozoa. 

Schon  bei  Gelegenheit  des  historischen  Ueberblicks  mussten  wir 
mehrfach  der  irrthümlichen  Anschauungen  älterer  Forscher  über  die 
systematische  Verwandtschaft  der  Heliozoa  (speciell  der  damals  fast  allein 
näher  bekannten  Actinophryen)  berichten.  Ehreuberg  entwickelte  1838  noch 
sehr  falsche  Vorstellungen  über  diesen  Gegenstand,  indem  er  die  Actino- 
phryen mit  den  Podophryen  (Acinetinen)  in  seine  Familie  der  Euchelyna 
unter  die  Polygastrica  aufnahm.  Hierin  folgte  ihm  noch  v.  Siebold 
1848*)  (der  jedoch  in  seinem  System  die  Acinetinen  gar  nicht  erwähnt) 


*)  Lehrbuch  der  vergleich.  Anatomie. 


System.  319 

und  später  Perty  1852,  der  seine  Familie  der  Actinopbryinen  (mit  Ein- 
sebluss  der  Gattungen  Podoplnya  und  Acineta)  als  11.  Sektion  der  Ciliata 
(Wimperinfusorien)  aufführt. 

Dagegen  hatte  schon  1841  Dujardin  seine  Familie  der  Actinophryens 
(jedoch  mit  Eiuschluss  der  Gattungen  Acineta  und  Dendrosoma)  neben  die 
Kbizopoden  in  seine  II.  Ordnung  der  „Infusoires  non  symmctriques  ou 
asymmetriques,  pourvues  d'expausions  variables"  gestellt.  M.  Schnitze 
glaubte,  nach  einer  irrthümlichen  Beobachtuug  von  Stein,  die  Gattung 
Actinophrys  nicht  als  eine  selbständige  betrachten  zu  dürfen  und  berück- 
sichtigte sie  daher  in  seinem  System  nicht  weiter.*) 

In  der  Folgezeit  wurde  die  widernatürliche  Vereinigung  der  Heliozoen 
und  Acinetinen  auf  Grund  besseren  Verständnisses  der  betreffenden  Orga- 
nismen aufgegeben.  Job.  Müller**)  vereinigte  Actinophrys  1858  mit 
Araoeba  und  den  monothalamen  Süsswasserrhizopoden  in  seiner  Gruppe 
der  „Infusoria  rhizopoda''  und  hierin  folgten  ihm  Claparcde  und  Lach- 
mann, die  in  ihrer  Familie  der  Actinophryina  neben  den  eigentlichen 
Heliozoen  noch  die  mit  reticulären  Pseudopodien  versehenen  Süsswasser- 
monothalamien  einschlössen,  wogegen  Stein  1861***)  seine  Familie  der 
Actinophryina  (die  nur  die  eigentlichen,  damals  bekannten  Heliozoen  um- 
lasst)  als  2.  neben  den  Amoebiua  in  seiner  Unterordnung  der  Gymnica 
aufführt. 

Carpentery)  vereinigte  dann  1862  die  Familie  der  Actinophryina 
(mit  Einschluss  der  Rhizopodengattungen  Plagiophrys  und  Euglypha)  mit 
den  Radiolaria,  wogegen  Häckel  1866 ff)  mit  glücklichem  Griff  die  Ab- 
theilung der  Heliozoa  errichtete  und  sie,  als  2.  der  ßhizopoda,  zwischen 
die  Acyttaria  und  Radiolaria  stellte.  Seither  ist  denn  diese  Abtheilung 
zu  ziemlich  allgemeiner  Anerkennung  gelangt  und  es  bleiben  nur  noch 
Zweifel  über  ihre  nähere  Beziehung  zu  den  Radiolarien.  Während  Hertwig 
und  Lesser  sich  1874  gegen  eine  Zusammenfassung  mit  diesen  letzteren 
sehr  entschieden  aussprachen ,  zeigt  sich  Hertwig  in  seinen  neueren 
Arbeiten  dem  Anschluss  der  Heliozoa  an  die  Radiolaria  nicht  abgeneigt, 
wenigstens  hält  er  die  Vereinigung  der  beiden  Abtheilungen  zu  einer 
grösseren,  im  Gegensatz  zu  den  Rhizopoda,  für  ebenso  berechtigt,  wie  die 
selbständige  Mittelstellung  der  Heliozoa  zwischen  Rhizopoda  und  Radio- 
laria. Wir  glauben,  dass  sich  mancherlei  Gründe  anführen  lassen,  welche 
die  letztere  Auffassung  unterstützen  und  ihr  vor  der  ersteren  einen  Vor- 
zug verleihen,  werden  jedoch  hierauf  geeigneter  bei  der  Betrachtung  der 
verwandtschaftlichen  Beziehungen  der  Radiolaria  zurückkommen. 

Was    die    systematische   Untertheilung    unserer   Gruppe    betrifft,    so 


*)  Organismus  der  Polytlialamien.     Leipzig  1854. 
**)  AWiandl.  der  Berliner  Akad.   1858. 
***)  Sitzb.  der  Wiener  Al<ad.  Bd.  44.  1861. 

f)  Introduction  to  tlie  study  of  Foramiiiifera.     London  18G 
tt)"  Generelle  Morjjhologie.  1SG6. 


320  Helio^oä. 

schliessen  wir  uns  in  dieser  Hinsicht  an  R.  Hertvvig  und  Archer  an  und 
unterscheiden  die  4  schon  früher  charakterisirteu  Unterabtheilungen  des 
Aphrothoraca,  Chlamydophora,  Clialarothoraca  und  Desmothoraca. 

Die  Zahl  der  Gattungen  und  Arten  ist  nicht  erheblich,  wir  kennen 
bis  jetzt  ca.  24  Gattungen  mit  36  Arten,  von  ersteren  sind  jedoch  7  etwas 
unsicher. 

Von  einer  so  ausgedehnten  Variationsfähigkeit,  wie  sie  den  Rhizo- 
poden  von  einer  Anzahl  Beobachtern  zugeschrieben  wird,  lassen  die 
Heliozoeu,  wenigstens  nach  den  bis  jetzt  vorliegenden  Untersuchungen, 
nichts  erkennen. 

B.   Uebersiclit  der  Gattungen. 

1.  Ordnung  Aphrothoraca  Hertw.  1879. 

Skeletlose  (nur  temporär  zuweilen  mit  einer  Gallerthülle  ausgerüstete) 
Heliozoa  von  mehr  amöbenartig  veränderlicher  oder  constant  kugliger 
Gestaltung,  jedoch  feinen,  meist  allseitig  ausstrahlenden  Pseudopodien. 
Mit  oder  ohne  Kerne  und  contractilen  Vacuolen. 

Vampyrella  Cienkowsky  1865  (24,  41),  Häckel  (30),  Hertw.  u.  Lesser  (39). 
Synon.  Amoeba  pr.  p.  Fresenius  (Abh.  d.  Senckenb.  Ges.  II.),  Leptophrys  Hertw. 
u.  L.  (39). 

(XIII.  11—13). 

Unregelmässig  rundlich  bis  mannigfaltig  wechselnd,  da  amöboid  ver- 
änderlich. Zuweilen  langgestreckt,  bis  in  Fortsätze  ausgezogen.  Schei- 
dung in  verschieden  gefärbtes  Entoplasma  und  zartes,  hyalines  Ectoplasma 
mehr  oder  weniger  deutlich.  Ersteres  spärlich  bis  ganz  vacuolär.  Pseudo- 
podien sehr  fein  strahlenartig,  mehr  oder  weniger  von  der  gesammten 
Körperoberfläche  entspringend,  selten  verästelt.  Körnchenströmung  z.  Th. 
sehr  deutlich.  Contractile  Vacuolen  soweit  bekannt  fehlend.  Kerne  bis 
jetzt  nur  bei  einer  Form  erwiesen.  Zweierlei  Cystenzustände  (ob  stets  ?), 
sogen.  Zellzustand  (mit  Vermehrung)  und  Ruhezustand. 

Artzahl  4 — 5.     Süsswasser  und  Meer. 

Nuclearia  Cienkowsky  1865  (24).  Maggi,  Eendic.  d.  E.  istit.  Lombardo 
s.  n,  xni. 

Synon.  ?  Trichodiscus  Ehrbg.  (6)';  Clap.  u.  Lacbm.  (17);  ?  Actinoplirys  p.  p.  Duj. 
[digitata]  (7),  Lachm.  p.  p.  [fissipes]  (19);  Heteroplirys  F.  E.  Scliulze  (38,  IL), 
Heliophrys  Greeff  (40),  '?  Trichamoeba  From.  p.  p.  (radiata),  Etudes  s.  1.  micro- 
zoaires;  Hcterophrys  p.  p.  Leidy  (50). 

(XIV.  1~2). 

Körpergestalt  amöboid  veränderlich,  kuglig  oder  scheibenförmig,  bis 
langgestreckt  und  lappig.  Keine  Scheidung  in  Ecto-  und  Entosark. 
Protoplasma  häufig  vacuolisirt.  Pseudopodien  allseitig  oder  nur  von 
einem  Theil  der  Körperoberfläche  entspringend,  zuweilen  mit  spitzwinklig 
verästelten  Enden.  —  Kerne  in  Ein-  oder  Mehrzahl  vorhanden.  Contractile 
Vacuolen  in  massiger  Zahl,  träge.  Zuweilen  mit  dicker,  von  den  Pseudo- 


System.  321 

podien   dufcbbobrter   Gallerthlille.     Encystirung  in   doppelter  Hülle;    zu- 
weilen mit  gleichzeitiger  Vermehrung.    Artzahl  2.    Stisswasser.  *) 

?  Arachnula  Cienk.  1876  (41). 

Körpergcstalt  amöboid  verändorlicli,  meist  strangartig  ausgezogen  und  z.  Th.  verzweigt. 
Strangenden  plattenartig  verbreitert  und  mit  zalilrciclien,  feinen  Pseudopodien  besetzt.  Letz- 
tere wenig  verästelt  und  massig  anastomosirend,  jedocli  häufig  energisch  hin-  und  herbewegt. 
Farblos.  Einige  contractile  Vacuolen.  Kerne  ?.  Fortpflanzung  V.  Bildung  unregelmässiger 
Verdaungscyste  beobachtet.     Artzahl  1.    Süss-  und  Brackwasser. 

(Die  Hierherziehung  dieser  noch  etwas  unsicheren  Form  lässt  sich  wohl  nur  auf  ürund 
ihrer  Beziehungen  zu  den  zwei  vorhergehenden  rechtfertigen.) 

Monobia  Aim.  Schneider  (49)  1879. 

(XIV.  3). 

Aebnlicb  Nuclearia  und  Varapyrella,  farblos,  Kern  und  contractile 
Vacuolen  nicht  beobachtet.  Im  ruhenden  Zustand  kuglig  (Grösse  ?)  mit 
allseitig  entspringenden,  sehr  langen  und  zarten  Pseudopodien  (die  hier 
und  da  zarte,  spindelförmige  Anschwellungen  zeigen).  In  der  Bewegung 
meist  etwas  längsgestreckt  bisquitförmig,  bis  dreieckig  und  unregelmässig. 
Fortpflanzung  durch  einfache  Zweitheilung.  Häufig  jedoch  die  Theil- 
sprösslinge  sieb  nicht  trennend,  sondern  durch  ziemlich  lange  Plasma- 
brücke in  kolonialem  Verband  verbleibend.  Bildung  sekundärer  Ver- 
bindungsbrücken durch  Verschmelzung  zwischen  den  Pseudopodien.  Die 
Zahl  der  zu  Kolonien  vereinigten  Individuen  kann  durch  weitere  Theilung 
(vielleicht  auch  durch  Zutritt  anderer  Individuen)  bis  zu  8  wachsen. 
Gegenseitige  Stellung  der  Individuen  durch  fortdauernden  Wechsel  in  der 
Bildung  der  Verbindungsbrücken  sehr  veränderlich.  Süsswasser  und  viel- 
leicht auch  feuchte  Erde.    Artzahl  1. 

Myxastrum  Hack.  1870  (30). 

(XIII.  14). 

Körpergestalt  (bis  0,5  Mm.  Durchm.)  kuglig  mit  zahlreichen,  allseitig 
ausstrahlenden  Pseudopodien,  die  sich  selten  spitzwinklig  verästeln  und 
anastomosiren.  Keine  Scheidung  in  Ecto-  und  Entosark.  Ohne  Kerne 
und  Vacuolenbildung.  Fortpflanzung  durch  Bildung  zahlreicher  kiesel- 
schaliger  Sporen  innerhalb  der  Primärcyste.  Artzahl  1.  Marin.  (Cana- 
rische  Inseln.) 

Actinophrys  Ehrbg.  1830  (Abhandl.  Berl.  Akad.)  und  6,  Duj.  (7), 
Nicolet  (8),  Perty  (12),  Colin  (10,  11),  Clap.  (13),  Stein  (14),  Lieberkühn  (15  u.  34),  Weston 
(16),  Clap.  u.  Lachm.  (17),  Lachm.  (19),  Carter  (21  u.  2^^),  Cienkowsky  (24),  Grenacher  (29), 
Greeff  (35),  Hertw.  u.  L.  (39),  Leidy  (50). 

Synon.**)  Trichoda  0.  F.  Müller  u.  Schrank  p.  p.,  Peritricha  Bor.  d.  St.  Vinc.  p.  p. 

(XIV.  7.) 


*)  In  sehr  inniger  Beziehung  zu  Nuclearia  scheint  auch  die  höchst  merkwürdige  Cilio- 
phrys  Cienk.  zu  stehen,  die  bald  in  einem  ganz  nuclearia-artigen ,  bald  dagegen  in  einem 
völlig  flagellatenartigen  Zustand  sich  zeigt  und  in  dieser  Weise  eine  ganz  unentschiedene  Mittel- 
form  zwischen  Sarkodinen  und  Flagellaten  bildet.  Wir  ziehen  es  vor ,  das  Nähere  über  diese 
Form  erst  bei  Gelegenheit  der  Flagellaten  mitzutheilen. 

**)  unter    diesen    Synon.    ist    auch    Actinosphaerium    mit    begriffen,    da    die   Scheidung 
zwischen  diesem  und  Actinophrys  erst  spät  durchgeführt  wurde. 

Bronn,  Klassen  des  Thieneichs     Protozoa,  21 


322  Heliozoa. 

Körpergestalt  kuglig,  mit  allseitig  ausstrahlenden  Pseudopodien  (mit 
Axenfäden).  Scheidung  zwischen  Ecto-  und  Entosark  nicht  sehr  scharf; 
ersteres  alveolär,  letzteres  feinkörnig.  Centraler  Nucleus,  bis  zu  welchem 
die  Axenfäden  zu  verfolgen  sind.  Meist  ganz  farblos.  Gewöhnlich  eine 
stark  über  die  Oberfläche  vorspringende  contractile  Vacuole.  Häufig  kolo- 
niale Verbände.  Fortpflanzung  durch  einfache  Zweitheilung  oder  auch 
Theilung  im  encystirten  Zustand  mit  Bildung  doppeltumhiillter  Sporen. 

Artzahl  mit  Sicherheit  nur  1  (A.  sol  Ehrbg.),  weitere,  namentlich 
auch  von  Lachmann  (19)  beschriebene  Arten  sind  unsicher.  Süsswasser 
und  Meer. 

Actinosphaerium  Stein  1857  (18). 

Synon.  s.  b.  ActinoiJlirys ,  „Der  Stern"  Eichhorn  (1),  Actinophrys  aut.  p.  p., 
Kölliker  (9),  Perty  (12),  Stein  (14),  Wallich  (19a),  M.  Schultzc  (20),  Carter  (21,  23), 
Cienliowsky  (24),  Zenker  (25),  Greefl^  (27,  35  xind  37),  Ant.  Schneider  (36\ 
F.  E.  Schulze  (38,  I.),  Hertwig  u.  Lesser  (39),  Brandt  (44  u.  45)  *j,  Leidy  (50). 

(XV.  la-c.) 


*)  Vergl.  auch  Brandt,  K.,  üeber  Actinosphaerium  Eichhornii.  Inaugur.-Dissert.  Halle 
1S77.  Leider  habe  ich  diese  wichtige  Arbeit  früherhin,  bei  der  Abfassung  des  Manuscriptes, 
übersehen;  sie  ist  mir  erst  neuerdings  durch  die  Güte  des  Verfassers  zu  Gesicht  gekommen. 
Der  Vollständigkeit  wegen  trage  ich  aus  ihr  hier  noch  einige  wichtige  Punkte  nach.  Die 
jugendlichsten  Actinosphaerien  besitzen  nach  Brandt  nur  eine  einzige  contractile  Vacuole, 
bei  den  grossen  erwachsenen  E.xemplaren  wurden  dagegen  bis  14  beobachtet;  es  scheint  je- 
doch aus  des  Verfs.  Darstellung  hervorzugehen,  dass  jene  grosse  Vacuolenzahl  bei  aus  der 
Copulation  liervorgegangnen  Verschmelzungsproducten  beobachtet  wurde.  Sauerstoffmangel 
scheint  auch  hier,  wie  nach  Rossbach's  Erfahrungen  bei  den  Infusorien,  das  Volum  der  con- 
tractilen  Vacuole  zu  Tergrösseru  und  die  Zeit  zwischen  Diastole  und  Systole  zu  verlängern. 
Schliesslich  tritt  bei  zunehmendem  Sauerstoffmangel  eine  völlige  Lähmung  der  Vacuole  in  der 
Diastole  ein  und  bald  hierauf  der  Tod  und  Zerfall  des  Thieres.  Bei  solchen  durch  Sauer- 
stoffmangel erweiterten  und  in  der  Energie  ihrer  Contraction  geschwächten  Vacuolen  lässt  sich 
die  Zeukcr'sche  Beobachtung  über  die  Bildung  einer  Eissstelle  in  der  peripherischen  Vacuolen- 
wand  leicht  bestätigen.  Die  Rissstelle  erweitert  sich  excentrisch ,  „wobei  die  eingerissne 
Blasenwand  sich  knittrig  faltet,  dem  Rand  immer  näher  rückt  und  schliesslich  mit  demselben 
verschmilzt".  Die  Contractionen  der  mehrfachen  Vacuolen  eines  und  desselben  Individuums 
sind  im  allgemeinen  ganz  unabhängig  von  einander;  auch  steht  die  Häufigkeit  der  Contraction 
in  keinem  directen  Abhängigkeitsverhältniss  von  dem  Volum  der  Vacuolen. 

Bei  Reizung  der  Pseudopodien  durch  ein  vorbeischwimmendes  Thier  werden  ihre  Enden 
umgeknickt  und  hängen  „welk"  neben  dem  basalen,  starr  gebliebenen  Theil  herab,  bald  jedoch 
richtet  sich  ihr  Endstuck  wieder  auf  und  nimmt  seine  frühere  Steifheit  wieder  an. 

Die  Nahrungsaufnahme  wird  in  der  von  Kölliker  zuerst  geschilderten  Weise  beschrieben. 

Interessante  jSIittheilungen  bringt  die  Arbeit  Aveiterhin  über  gewisse  Beziehungen  der 
äusseren  Lebensbedingungen  zum  Eintritt  der  Theilung.  Dieselbe  soheint  nämlich  in  reinem, 
klarem  Wasser  bei  einer  geringeren  Körpergrösse  (ca.  0,3  -0,5  Min.),  dagegen  in  fauligem 
Wasser  erst  bei  beträchtlicherer  Grösse  (bis  1,1  Mm.)  einzutreten.  Versetzt  man  grosse  Indi- 
viduen aus  fauligem  Wasser  in  klares,  so  tritt  sofort  die  Theilung  ein,  wogegen  die  umge- 
kehrte üebertragung  keine  Theilung  hervorruft.  Aehnlich  wirken  wahrscheinlich  auch  Tem- 
peraturunterschiede; höhere  Temperaturen  veranlassen  Theilung, bei  geringerer  Körpergrösse, 
niedere  erst  bei  beträchtlicherem  Körpervolum. 

Ausführlich  bespricht  Brandt  in  dieser  Arbeit  auch  den  Encystirungsprocess ,  über 
welchen  wir  jedoch  oben  im  Text,  nach  einer  anderen  Abhandlung  Verfs..  schon  das  Wich- 
tigste hervorgehoben  haben. 


System.  323 

Körpergestalt  kuglig  (bis  1  Mm.  Diirchm.)  mit  allseitig  ausstrahlen- 
deu ,  sehr  lauggestreckt  kegelförmigen  Pseudopodien,  mit  Axentäden,  die 
bis  etwa  zur  Grenze  des  Ectosarks  oder  noch  etwas  in  dieses  eindringen 
und  hier  frei  endigen.  Scheidung  in  Ecto-  und  Entosark  sehr  deutlich, 
beide  durchaus  vacuolär;  ersteres  jedoch  grossblasiger,  letzteres  klein- 
blasiger und  körniger.  Contractile  Vacuolen  (2—14)  über  die  Oberfläche 
vorspringend.  Kerne  sehr  zahlreich  im  Entosark.  Fortpflanzung  durch 
einfache  Zweitheiliing  oder  Bildung  meist  zahlreicher  kieselschaliger 
Sporen  innerhalb  einer  gallertigen  Primärcyste. 

Artzahl  mit  Sicheiheit  nur  1  (A.  Eichhornii  Ehrbg.).     Süsswasser. 

Actinolophus  F.  E.  Schulze  1874  (38,  IL),  r.  Hertwig  (43). 

(XIV.  6a-b.) 

Körper  meist  birnförmig  (Länge  bis  0,03),  auf  gewöhnlich  langem 
(bis  0,1),  wahrscheinlich  röhrenförmigem  Stiel  aufgewachsen.  Pseudo- 
podien sehr  lang  und  fein,  wahrscheinlich  mit  Axenfäden,  die  sich 
mit  einem  sehr  deutlichen  Centralkorn  vereinigen  werden.  Entosark  ex- 
centrisch,  bis  zur  Körperoberfläche  reichend,  mit  meist  einem  sehr  excen- 
trisch  gelagerten  Kern.  Vacuolen  fehlen.  Der  Körper  wahrscheinlich 
stets  von  sehr  schwer  sichtbarer,  dicker  Gallerthülle  umgeben.  Ruhe- 
zustand mit  Bildung  einer  Lage  Kieselplättchen  auf  der  Oberfläche  der 
Gallerthülle  und  Theilung  des  Kernes.     Artzahl  1.     Marin. 

Anhang  zur  Gattung  Actinolophus:  Von  Str.  Wright*)  wurde  1862  eine  marine, 
hierhergehörige  Form,  Zooteira  religata,  beschrieben,  welche  in  vieler  Hinsicht  mit 
Actinolophus  übereinzustimmen  scheint,  jedoch  durch  eine  Anzahl  Charaktere  abweicht.  Es 
ist  daher  vorerst  nicht  möglich ,  über  ihr  Verhältniss  zu  Actinolophus  ganz  Sicheres  anzu- 
geben. Der  ovale,  allseitig  sehr  lange  Pseudopodien  aussendende  Körper  ist  auf  langem, 
röhrenförmigem  Stiel  befestigt  und  lässt  deutlich  dunkles,  starkkörniges  Entosark  und  helleres 
Ectosark  unterscheiden.  Sehr  abweichend  von  Actinolophus  erscheint  die  Contractilität  des 
Stiels,  die  dem  Thier  erlaubt,  sich  in  eine  die  Basis  des  Stieles  umgebende,  kurze,  schleimige 
Röhre  zurückzuziehen.  Diese  Contractionsfähigkeit  des  Stieles  soll  von  einem  denselben 
durchziehenden  Muskelfaden  herrühren ,  welcher  noch  von  einem  Netzwerk  weicher  Fasern 
umsponnen  werde. 

Wie  gesagt,  wird  erst  oine  genauere  Untersuchung  das  richtige  Verständniss  dieser 
Form  bewirken  können. 

Haeckelina  Mereschkowsky  1879  (47).  Sehr  ähnlich  Actinolophus. 
Kugliger  bis  etwas  birnförmiger  Körper  (0,021)  auf  solidem,  farblosem 
Stiel  (bis  0,15).  Pseudopodien  allseitig,  unverzweigt,  nicht  anastomosirend. 
Vacuolen  und  angeblich  auch  Kern  fehlend.  Keine  Dififerenzirung  in  Ecto- 
und  Entosark.  Marin  (weisses  Meer).  1  Art.  (Bis  jetzt  scheint  mir  die 
Kenntniss  dieser  Form  noch  zu  gering,  um  ihre  näheren  oder  entfernteren 
Beziehungen  zu  Actinolophus  beurtheilen  zu  können.) 


''i  Quart,  iourn.  micr,  sc.  n.  s.  Vol.  II.  p.  217, 

21* 


324  Heliozoa. 

Anhang  zur  Abtheiluug  der  Aphrothoraca. 

(Wir  reihen  hier  eine  Anzahl  rücksichtlich  ihrer  Stellung  noch  unsicherer  Formen  an, 
die  wir  anderweitig  nicht  schicklich  unterzubringen  wissen.) 

Lithocolla  F.  E.  Schulze  1874  (38,  II.). 

(XIV.  4.) 

Körpergestalt  kuglig  i^Durchm.  0,04) ,  mit  allseitig  entspringenden,  feinen  Pseudopodien. 
Farblos  bis  kirschroth.  Oberfläche  mit  losem  üeberzug  von  Sandkörnchen  bekleidet.  Kern 
und  Vacuole  ?. 

1  Art.     Ostsee. 

Elaeorhanis  Greeff  1873  (40),  Archer  (Quart,  j.  micr.  sc.  n.  s.  p.  323 — 324). 

(XIV.  5.) 

Körpergestalt  kuglig,  klein  (0,02 — 0,03),  mit  allseitig  ausstrahlenden,  massig  zahlreichen 
Pseudopodien,  Körperoberfläche  mit  loser,  aus  Diatomeen  und  Sandkörnchen  aufgebauter 
Hülle.  Farblose  Sarkode  enthält  einen  ansehnlichen  gelben  bis  braunen  Fettkörper  (o),  ähn- 
lich Diploplirys.     Kern  und  Vacuole  ?. 

1   Art.     Süsswasser. 

Chondropus  Greeff'  1873  (40),  Archer  (42). 

Kuglig  (0,05),  Pseudopodien  allseitig  entwickelt,  massig  zahlreich,  mit  sehr  rascher 
Körnchenbewegung.  Sarkode  gelb,  in  der  Aussenregion  mit  eigen thümlichen  Körnchen  und 
Stäbchen,  die  centrale  Partie  mit  grünen  Körpern  (Kapseln  ?  Greefl)  erfüllt,  Contractile  Va- 
cuole und  Kern  ?. 

1  Art.     Süsswasser. 

(Archer  hält  es  für  möglich,  dass  der  äussere  gelbe  sogen.  Sarkodesaum  dieser  Form 
eine  Hülle,  ähnlich  der  von  Astrodisculus  oder  Heterophrys  darstelle  und  dass  die  vorliegende 
Gattung  daher  vielleicht  besser  zu  den  Chlamydophora  zu  rechnen  sei.) 

2.  Ordnung  Chlamydophora  Archer  1876  (42). 

Typische  Heliozoeuformen  mit  weicher  gallertartiger  oder  eigenthtim- 
lich  verworren  faseriger  bis  punktirter,  kugliger  Hülle. 

Diese  nach  dem  Vorgang  Archer 's  hier  aufgestellte  Gruppe  besitzt  vorerst  noch  einen 
provisorischen  Charakter,  da  hinsichtlich  der  wahren  Beschaff'enheit  der  Skelethülle  noch 
keineswegs  eine  übereinstimmende  Auffassung  erzielt  wurde  (vergl.  hierüber  die  frühere  Dar- 
stellung p.  297),  Immerhin  glaube  ich,  dass  die  Zusammenfassung  der  wenigen  hierherge- 
rechneten Formen  wegen  ihrer  Besonderheiten  vorerst  gerechtfertigt  erscheint. 

Heterophrys  Archer  1869  (32  n.  42),   Hertwig  u.  l.   (38),  Greefl'  (40), 

non  F.  E.  Schulze  (37,  II,). 

(XV.   2.) 

Körpergestalt  kuglig,  Pseudopodien  allseitig  ausstrahlend,  zart  und 
körnchenführend.  Scheidung  in  Ecto-  und  Entosark  z.  Th.  deutlich.  Kern 
im  Entosark.  Contractile  Vacuole  z.  Th.  vorhanden,  über  die  Körper- 
oberfläche vorspringend.  Allseitige,  kuglige,  ziemlich  dicke  Hülle,  deren 
Innenregion  hyalin  ist  und  die  nach  aussen  ein  eigenthümlich  körneliges 
bis  gestricheltes  Wesen  annimmt.  Ihre  Oberfläche  ist  dicht  mit  haar-  bis 
fransenartigen  Fortsätzen  bedeckt,  die  sich  radiär  zwischen  den  Basen 
der  Pseudopodien  erheben.  Fortpflanzung  ?.  Artzahl  2.  Süsswasser 
und  marin. 


System.  325 

Sphaerastrum  Greeff  1873  (40),  Archer  (42). 

Sy  11011.  Heteroiilirys  p.  i).  (Fockii)  Arch.  (32),  Süsswasserradiolarie  Nr.  I.  Focke  (28). 

(XV.  3a— b). 

Kuglig,  einzellebend  oder  koloniebildend,  wobei  die  Individuen  durch 
lange  Sarkodebrücken  vereinigt  werden.  Kern  vorhanden,  sowie  vor- 
springende contractile  Vacuole  (nach  Archer).  Farblos  oder  chlorophyll- 
führend. Hülle  von  eigenthümlicheni,  undeutlich  wellig  gestricheltem  Aus- 
sehen und  meist  zackig  gelappter  und  eingeschnittener  Oberfläche;  um 
die  Basen  der  Pseudopodien  häufig  festonartig  erhoben.  Bei  den  Kolonien 
umschliesst  eine  zusammenhängende  Hüllschicht  sämmtliche  Individuen. 

Artzahl  1.    Süsswasser. 

Zflreifelhaftti  Formen: 

Astrodisculus  (Greeff  1869,  33)  emeiid.  Arclier  (42). 

Kuglig-,  klein  mit  allseitig  ausstrahlenden  zarten  Pseudopodien  in  massiger  Zahl.  Meist 
roth  bis  braun  pigmentirt.     Kuglige  gallertige,  structurlose  Hüllschicht.     Süsswasser. 

(Die  von  Greeff  beschriebeneu  Formen  seines  Genus  Astrodisculus  sind  von  Hertwig  und 
Lesser  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  auf  die  Gattung  Pompholyxophrys  zurückgeführt  worden ; 
dagegen  hat  jedocli  Archer  Formen  beobachtet,  die  sich  wegen  ihrer  structurlosen  und  wohl 
gallertigen  Hülle  nicht  der  Gattung  Pompholyxophrys  unterordnen  lassen  und  auch  H.  und  L. 
schildern  eine  solche  Form.  Da  letztere  nun  in  ihren  Charakteren  der  ursprünglich  von  Greeff 
aufgestellten  Diagnose  des  Genus  Astrodisculus  nahezu  entsprechen,  so  dürfte  dasselbe,  wie 
Archer  meint,  auf  solche  Formen  beschränkt  werden.) 

?  Astrococcus  Greeff  18T3  (40),  Archer  (42). 

Die  bis  jetzt  nur  sehr  unvollkommen  beschriebne  Form  Astr.  rufus  scheint  sich  so 
sehr  dem  eben  erwähnten  Astrodisculus  zu  nähern ,  dass  mir  (wie  auch  Archer)  ihre  Selbst- 
ständigkeit sehr  fraglich  erscheint. 

3.  Ordnung  Chalarothoraca  Hertw.  u.  L.  1874. 

Typische  Heliozoen  mit  loser,  aus  isolirten,  kieseligen  Skelettheilen 
bestehender  Hülle. 

Pompholyxophrys  Archer  1869  (32  u.  42). 

Synon.  Hyalolampe   Greeff  (33    u.    40),  Hertw.   u.  L.  (39),  Leidy  (5),   Astrodis- 
culus  Greeff  (33)  p.  p.? 

(XV.  4.) 

Kuglig,  klein  (bis  0,05),  mit  wenigen  von  der  Oberfläche  all- 
seitig entspringenden  feinen  Pseudopodien.  Kuglige  SkelethüUe  aus  meh- 
reren Schichten  aufeinandergelagerter  Kieselkügelchen  gebildet.  Difife- 
renzirung  in  Ecto-  und  Entosark  meist  deutlich.  —  Centraler  Kern  vor- 
handen. Contractile  Vacuole  vorhanden  oder  nicht.  Meist  erfüllt  von 
reichlichem  gelbem  bis  rothem  und  braunem  Pigment.    Bewegung  lebhaft. 

Sichere  Arten  2.     Süsswasser. 

(Hertwig  und  Lesser  halten  es  für  sehr  wahrscheinlich,  dass  die  4  von  Greeff  beschrie- 
benen Astrodisculus-Arten  Angehörige  des  liier  bcsprochnen  Genus  seien  und  wahrscheinlich 
sämmtlicli  als  Varietäten  ihrer  Art  P.  exigua  betrachtet  werden  dürften.  Archer  glaubt  da- 
gegen, wie  oben  schon  bemerkt,  die  Bezeichnung  Astrodisculus  für  gewisse  Formen  aufrecht 
erhalten  zu  müssen  und  erachtet  den  Astrod.  radians  Greeff's  als  wahrscheinlich  zu  Acantho- 
cystis  gehörig.) 


32j6  .  Heliozoä. 

Kaphidiophry s  Archer  1867  (Quart,  j.  ra.  sc.  u.  s.  VII.  u.  32), 
F.  E.  Schulze  (38,  IL),  Uevtw.  u.  L.  (39),  Leidy  (50). 

(XVI.   2.) 

Kuglig;  isolirte  Individuen  oder  Kolonien.  Pseudopodien  allseitig 
ausstrahlend,  sehr  zart  und  b.  Th.  sicher  mit  Axenfaden.  Scheidung 
in  Ecto-  und  Entosark  nicht  deutlich,  dagegen  centrale  Vereinigung  der 
Axenfaden  beobachtet.  Kern  in  Ein-  oder  Mehrzahl.  Contractile  Vacuolen 
vorhanden  oder  fehlend  (?).  Skelethülle  aus  losen,  meist  tangential  zur 
Körperoberfläche  gelagerten  Kieselnadeln  von  gerader  oder  etwas  gebogner 
Gestalt  gebildet.  Zuweilen  erheben  sich  die  Skeletnadeln  büschelförmig 
um  die  Basen  der  Pseudopodien ,  so  dass  die  Skelethülle  ein  strahlen- 
förmiges Aussehen  erhält,  Kolonien  von  gemeinsamer  Skelethülle  um- 
geben. Häutig  zahlreiche  Chlorophyllkörner  in  der  peripherischen  Region 
des  Weichkörpers.     Fortpflanzung  '?. 

Artzahl  3.     Süsswasser. 

Pinacocystis  Hertw.  u.  L.  1874  (39),  Archer  (42). 

(XVI.  4.) 

Scheidung  in  Ecto-  und  Entosark  deutlich.  Kern  vorhanden.  Con- 
tractile Vacuole  '?.  Ectosark  enthält  gewöhnlich  zahlreiche  Pigmentkörner. 
Skelethülle  kuglig,  aus  zahlreichen,  in  einer  Schicht  zusammengeordneten 
runden  Plättchen  gebildet.     Artzahl  1.     Marin  (Aquarium). 

Pinaciophora  Greetf  1873  (40),  Archer  (42). 

(XVI.  5a— c.) 

Sehr  ähnlich  der  vorhergehenden  Gattung,  Schalenplättchen  jedoch 
von  nahezu  blattförmiger,  beiderseits  zugespitzter  Gestalt,  wahrscheinlich 
feinporös.  Centraler  Kern  vorhanden.  Differenzirung  in  Ecto-  und  Ento- 
sark ?.     Zahlreiche  braune  Pigmentkörner.     Artzahl  1.     Süsswasser. 

Acanthocystis  Carter  1863  (A.  m.  n.  h.  3.  XII.  u.  21),  ArcLer(,32u.42), 

Greeff  (33  u.  40),  Grenacher  (31),  Hertwig  u.  Lesser  (39),  Schneider  (36),  Hertwig  (43),  Leidy  (50). 
Syüon,  ?  Actinojjhrj's  Ehrbg.  (viridis),  Perty  (brevicirrhis) ,  Clap.  u.  Lachm., 
?  Focke,  Süsswasserradiolarie  Nr.  11.  (28). 

■  (XVI.  6—7). 

Körpergestalt  kuglig  (Durchm.  ca.  0,02 — 0,1),  Pseudopodien  sehr  fein 
und  dünn ,  meist  körnchenreich.  Differenzirung  in  Ecto-  und  Entosark 
deutlich.  Letzteres  sammt  Kern  excentrisch,  körnig  und  mit  mehr  oder 
weniger  zahlreichen,  nicht  vorspringenden  Vacuolen.  Centralkorn  und 
Axenfaden  vorhanden.  Hauptskeletgebilde :  radiale  Stacheln  mit  Fuss- 
plättchen,  Länge  verschieden,  Ende  fein  zugespitzt  oder  gabiig  gespalten. 
Zuweilen  zweierlei  derartige  Stacheln  gleichzeitig,  längere  und  kürzere; 
zuweilen  noch  tangential  gelagerte  Spicula.  Fortpflanzung  durch  ein- 
fache Theilung,  Knospung  und  wahrscheinlich  auch  Schwärmerbildung. 
Encystirung  nachgewiesen. 

Artzahl  ca.  4.     Süsswasser.    Marin  ?. 


System.  327 

Wagiierella  Mereschkowsky  (46  b  und  Ann.  mag.  nat.  hist.  (V.)  8.  I88l). 

Mayer  (4S)  und  Zoolog.  Anzeiger  JSSl. 

Körper  knglig  (Diirchm.  bis  0,18  Milliiu.),  in  einen  cylindrischen  Stiel 
verlängert  (bis  1,1  Millini.  lang),  der  mit  kegelförmig  augescliwollner  Basis 
befestigt  ist,  Körper  und  Stiel  mit  membrauöser  Hülle  bekleidet,  in  die 
zahlreiche  kurze,  bogenförmig  gekrümmte  Kieselspicula  eingelagert  sind. 
Vom  Köpfchen  strahlen  weiterhin  radiär  zahlreiche  feine,  längere  Kiesel- 
spicula allseitig  aus.  Der  Kern  nach  Mayer  in  der  kegelförmigen  Stiel- 
basis.    Fortpflanzung  durch  Kuospung.     Marin   (weisses   und  Mittelmeer). 

Seit  dem  Erscheinen  der  letzten  Lieferungen  dieses  Werkes  berichtigte  Mereschkowsky 
seine  frühere  irrthümliche  Angabe,  dass  die  Spicula  der  Wagnerella  aus  kohlensaurem  Kalk 
beständen  und  überzeugte  sich  wie  Mayer  von  deren  Kieselnatur.  Damit  wird  es  auch  wohl 
unzweifelhaft,  ilass  die  Sjiicula  von  dem  Organismus  selbst  erzeugt  werden.  Diese  neueu  Auf- 
klärungen macheu  es  denn  jetzt  auch ,  gegenüber  den  früher  von  mir  angedeuteten  Zweifeln, 
sehr  wahrscheinlich,  wenn  nicht  sicher,  dass  die  Wagnerella  ihre  richtige  Stellung  bei  den 
Heliozoa  findet. 

Anhang  zu  den  Chalarothoraca. 

Stich  0  Ion  che  K.  Hertwig  1877  (43).  Unter  diesem  Namen  wurde 
von  K.  Hertwig  ein  sehr  interessanter,  heliozoenartiger,  mariner  Organis- 
mus beschrieben,  welcher  jedoch  in  seiner  Stellung  bis  jetzt  noch  etwas 
unsicher  geblieben  ist.  Im  Allgemeinen  scheint  mir  jedoch  seine  Zurech- 
nung zu  den  Heliozoen  das  natürlichste  und  so  mag  er  denn  hier  eine 
kurze  Darstellung  finden.  Der  Plasmakörper  der  pelagischen  Sticholonche 
besitzt  eine  etwas  längliche,  nahezu  bohnenförmige  Gestalt  (Länge  bis 
0,15  Mm.),  und  schliesst  ein  relativ  sehr  ansehnliches,  kernartiges  Gebilde 
ein  von  ähnlicher  bohnenartiger  Gestaltung.  Letzteres  Gebilde,  für  dessen 
Kernnatur  sich  Hertwig  neuerdings  (Der  Organismus  der  ßadiolarien  p.  48) 
ausspricht,  zeichnet  sich  durch  eine  sehr  resistente  Membran  aus,  welche 
äusserlich  allseitig  und  dicht  mit  kleineu  ringförmigen  Erhebungen  besetzt 
ist.  Auf  der  convexen  Fläche  der  Kernmembran  entspringen  von  den 
ringförmigen  Erhebungen  mehrere  Reihen  cylindrischer  und  wahrscheinlich 
röhrenförmig  hohler  Fortsätze,  welche  auf  der  Mittelregion  des  Kernes 
am  höchsten  sind  und  nach  seinen  beiden  Enden  rasch  abnehmen.  Mit 
diesen  röhrigen  Fortsätzen  stehen  die  starren ,  äusserst  wenig  zur  Ver- 
schmelzung geneigten  und  unverzweigten  Pseudopodien  der  Sticholonche 
in  Verbindung,  indem  sie  sich,  ohne  Zweifel  in  Gestalt  von  Axenfäden, 
durch  das  sehr  körnige  Plasma  hindurch  bis  zu  jenen  Fortsätzen  ver- 
folgen lassen.  Wie  diese  Fortsätze  stehen  auch  die  Pseudododien  in  meh- 
reren Längsreihen  über  den  Körper  hin.  Ein  sehr  eigenthümliches  Skelet 
zeichnet  weiterhin  unsre  Form  aus.  Einmal  wird  der  gesammte  Körper 
von  einer  ziemlich  weit  abstehenden,  membranartigen  Hülle  umkleidet, 
welche  sich  in  bis  jetzt  wenig  erforschter  Weise  aus  einzelnen,  ziemlich 
unregelmässig  gelagerten,  spangenartigen  Stücken  zusammensetzt,  zweitens 
gesellen  sich  hierzu  noch  eine  Anzahl  Stachelbüsche,  welche,  von  einander 
getrennt,    auf   buckelartig   hervorgevvölbten  Stellen   der   membranartigen 


328  Heliozoa. 

Hülle  aufgesetzt  sind.  Jeder  Stachelbusch  besteht  etwa  aus  20  hohlen 
geraden  Stacheln,  die  büschelig  von  einem  Centrum  ausstrahlen.  Die 
Stacheln  besitzen  ein  stärker  angeschwoUnes  Basalende  und  ein  ziemlich 
stumpfes  peripherisches  Ende;  ihre  Oberfläche  ist  fein  quergestreift,  d.  h. 
wahrscheinlich  geringelt.  In  der  Mitte  der  Stachelbüsche  findet  sich  häufig 
ein  längerer  und  gegen  sein  peripherisches  Ende  nochmals  angeschwollner 
Hauptstachel.  Aus  welchem  Material  die  Stacheln  sowie  die  erstbeschriebne 
Hülle  bestehen,  ist  bis  jetzt  noch  unbekannt. 

Höchst  merkwürdig  sind  die  Bewegungen  der  Sticholonche ,  welche 
ruckweise  geschehen,  indem  sich  gleichzeitig  sämmtliche  Pseudopodien 
ruderartig  nach  einer  Richtung  senken,  Nahrungsaufnahme  und  Fort- 
pflanzung konnten  bis  jetzt  nicht  ermittelt  werden. 

3.  Ordnung  Desmothoraca  Hertw.  u.  L.  1874. 
Skelethülle    eine    kuglige    oder    nahezu    kuglige,    von     zahlreichen 
Löchern  durchbrochne ,  einheitliche  Gitterschale.     Ungestielt  oder  gestielt. 

Orbulinella  Entz  1877  (Naturhistor.  Hefte  des  Nat.  Mus.  in  Buda- 
pest 1.  H.), 

Schale  etwas  oval  bis  nierenförmig,  wahrscheinlich  kieselig,  von 
zahlreichen  nach  Aussen  trichterförmig  sich  erweiternden,  kreisrunden 
Oeffnuugen  durchbrochen,  grünlich  gefärbt.  Stiellos.  Weichkörper  die 
Schale  nur  z.  Th.  erfüllend.  Mit  1  Kern  und  1 — 2  Vacuolen  (ob  con- 
tractu ?).    Pseudopodien  fadenförmig,  unverzweigt. 

1  Art.     Salzteich  bei  Klausenburg. 

?  Elast  er  Grimm  1872  (Arcli.  f.  mikr.  Anat.  VÜI.) 

Zweifelhafte  Form.  Kieselgitterschale  ähnlich  Clathruliiia,  jedoch  stiellos  (Durchm.  0,02). 
Weichkörper  scheint  die  Schale  gänzlich  auszufüllen.  Pseudoijodieu  sehr  zahlreich  und  fein, 
mit  Köruchenströmung.     Centraler  kernartiger  Körper  vorhanden. 

Artzahl  1.     Süsswasser. 

Clathrulina  Cienk.  1867  (26),  (Archer  Qu.  j.  micr.  sc.  n.  s.  VII.),  Greeff 
(33),  Hertwig  u.  L.  (39),  Mereschkowsky  (47),  Leidy  (50), 

Synon.  Podosphaera  Archer  (Qu.  j.  micr,  sc.  n.  s.  VIII.  p.  66). 

(XVII.  la— f). 
Kieselige,  von  zahlreichen  rundlichen  bis  polygonalen  Löchern  durch- 
brochne Gitterschale,  im  Alter  farblos  oder  tief  braun.  Auf  röhrenförmigem 
Stiel,  der  am  basalen  Ende  durch  wurzeiförmige  Ausläufer  befestigt  ist, 
aufgewachsen.  Weichkörper  ohne  DiflTerenzirung  in  Ecto-  und  Entosark, 
meist  mit  zahlreichen,  z.  Th.  contractilen  Vacuolen,  derselbe  füllt 
die  Schale  nur  z.  Th.  aus.  Pseudopodien  nach  Greefif  mit  Axenfäden, 
ziemlich  häufig  verästelt  und  anastomosirend.  Centraler  Nucleus.  — 
Fortpflanzung  durch  einfache  oder  wiederholte  Th  eilung  in  der  Schale 
und  Hervortreten  der  Theilstticke  mit  oder  ohne  Schwärmerbildung;  oder 
Encystirung  nach  vorhergehender  Theilung  in  der  Schale  und  schliess- 
liches  Hervorbrechen  der  Theilstücke  als  Schwärmer.  Artzahl  2.  Süss- 
wasser. 


System.  329 

?  Hedriocystis  Hertw.  u.  L.  1874  (39),  Archer  (42\ 

(XVII.  2.) 

Gestielte  Schale  kuglig  bis  oval,  von  zahlreichen,  zu  zugespitzten  Buckeln  ausgezogenen 
Löchern  durchbrochen.  Klein  (Durchni.  0,02—0,0.3).  ^^'eichl^örl^cr  füllt  die  Schale  nur 
z.  Th.  aus.  Pseudopodien  nicht  verästelt  und  verschmelzend.  Fortpflanzung  durch  einfache 
ThciluDg.    Encystirung  beobachtet.     Artzahl  1.     Süsswasser. 

(Archer  hält  die  generische  Trennung  dieser  Form  von  Glatlirulina  nicht  für  angezeigt 
und  ich  glaube,  dass  er  hierin  nicht  Unrecht  hat,  doch  wollte  ich  ohne  eigne  Kenntniss  der 
betreffenden  Formen  die  Vereinigung  nicht  vornehmen.) 


7.    Yorkoinmeii,  geograpliische  Verbreitung'  und  biologische  Verliältnisse 

der  Heliozoa. 

Die  Heliozoa  scheinen  ganz  vorzugsweise  auf  die  süssen  Gewässer 
angewiesen  zu  sein,  wie  dies  selion  aus  dem  Früliereu  iiervorgeht.  Wenn 
wir  die  diesbezüglichen  Verhältnisse  noch  einmal  zusammenfassend  über- 
schauen, so  finden  wir,  dass  nur  8  von  den  27  Gattungen  bis  jetzt  aus- 
schliesslich marin  getroffen  wurden  (einbezogen  ist  die  in  einem  Salzteich 
gefundne  Gattung  Orbulinella);  dass  weiterhin  noch  4  Gattungen  gleich- 
zeitig im  süssen  Wasser  und  Meer  (oder  doch  Brackwasser)  vertreten 
sind:  nämlich  Arachuula,  Vampyrella,  Actinophrys  und  Heterophrys. 
Letztere  Gattungen  scheinen  sogar,  mit  Ausnahme  von  Vampyrella,  sämmt- 
lich  mit  identischen  Arten  an  beiden  Fundorten  vorhanden  zu  sein.  Was 
schliesslich  die  Zahlenverhältnisse  der  Arten  betrifft,  so  kommen  auf 
30  Süsswasserspecies ,  von  welchen  3  gleichzeitig  marin  sind,  nur  9  bis 
jetzt  ausschliesslich  marin  angetroffne. 

Unter  den  verschiedenartigen  süssen  Gewässern  scheinen  die  Helio- 
zoen  vorzugsweise  frische,  nicht  verdorbne,  zu  lieben  und  sich  nament- 
lich gern,  wie  zahlreiche  andere  Protozoen,  in  Torfgruben  und  ähnlichen, 
reichliche  Nahrung  bietenden  stehenden  Gewässern  vorzufinden.  In  eigent- 
lichen Infusionen  sind  sie  dagegen,  mit  Ausnahme  vielleicht  der  Gattung 
Nuclearia,  kaum  anzutreffen.  Aus  feuchter  Erde  sind  bis  jetzt  keine 
Heliozoen  bekannt  geworden. 

Bis  jetzt  ist  keine  Heliozoenform  aufgefunden  worden,  die  sich  dem 
parasitischen  Leben  angepasst  hätte.  Dagegen  fällt  auch  der  Orga- 
nismus unsrer  Formen  zuweilen  Parasiten  zum  Opfer.  Schon  bei 
der  Besprechung  der  Fortpfianzungserscheinungen  haben  wir  hervor- 
gehoben, dass  die  angeblichen  Schwärmer  von  Actinosphaerium  und 
Actinophrys  höchst  wahrscheinlich  in  das  Bereich  solcher  parasitischer 
Vorkommnisse  gehören.  Dies  wird  nahezu  gewiss  durch  neuere  Beob- 
achtungen Brandt's*).  Derselbe  konnte  zunächst,  wie  Greeff,  das  Hervor- 
brechen von  Amöben  und  Flagellaten  aus  der  Leibessubstanz  abgestorb- 
ner Actinosphaerien  mehrfach  bestätigen.  Weiterhin  fand  er  jedoch,  dass 


*)  Brandt,   K. ,   üeber  Actinosphaerium  Eichhornii.     Inaug.-Dissert.   Halle  1S77,   und: 
Untersuchungen  an  Radiolarien.     Monatsber.  der  Berl.  Akad.  f.  1881,  p.  388.  1  Taf, 


330  Heliozoa. 

sich  in  den  NahruDgsvacuolen  dieses  Heliozoon  sehr  häufig  und  in  sehr 
reichlicher  Menge  kleine  einzellige  pflanzliche  Schmarotzer  vorfinden,  welche 
sehr  wahrscheinlich  den  erwähnten  Flageliaten  den  Ursprung  geben.  Brandt 
glaubt  diese  Schmarotzer  am  nächsten  der  Saprolegnaceengattung  Py  thium 
verwandt.  Dieselben  stellen  kleine,  0,005—0,013  Mm,  Durchmesser  er- 
reichende kuglige  Zellen  dar,  mit  deutlicher  derber  Membran  und  hellem 
Plasma,  welches  einen  centralen  Nucleus  und  eine  verschiedne  Anzahl 
stark  glänzender  Körner  einschliesst.  Diese  Pilzzellen  sitzen  den  Nah- 
rungseinschlüssen der  Vacuolen  auf  und  scheinen  sich  auch  hauptsächlich 
von  diesen  zu  ernähren.  Werden  sie  mit  den  unverdauten  Resten  der 
Nahrung  aus  dem  Leib  des  Actinosphaerium  ausgestossen,  so  gehen  sie 
allmählich  zur  Fortpflanzung  über.  Die  Einleitung  hierzu  besteht  darin, 
dass  die  erwähnten  glänzenden  Körner  sich  zu  zahlreichen  feinen  Gra- 
nulationen umbilden,  wodurch  das  Plasma  sehr  feinkörnig  wird. 
Schliesslich  tritt  das  Plasma  in  Gestalt  eines  schlauchartigen  Fortsatzes 
allmählich  aus  der  Zellmembran  aus ,  ballt  sich  hierauf  kuglig  zusam- 
men und  zerfällt  schliesslich  in  eine  grosse  Zahl  kleiner,  zweigeissliger 
Schwärmer. 

In  seiner  ersten  Mittheiluug  über  diese  Parasiten  hebt  Brandt  noch 
hervor,  dass  er  einen  Ballen  solcher  einzelliger  Schmarotzer  häufig  im 
Centrum  gewisser  Sonneuthierchen  beobachtet  habe,  welcher  Ballen  die 
Vacuole,  die  ihn  einschloss,  nahezu  ausfüllte  (wenigstens  scheint  dies  der 
Sinn  der  etwas  schwer  verständlichen  Beschreibung  zu  sein).  Auch  diese 
Schmarotzer  zeigten  nach  ihrer  Entleerung  denselben  Forlpflanzungs- 
process,  jedoch  wurde  derselbe,  wenigstens  das  Auftreten  von  Schwär- 
mern, auch  gelegentlich  im  Innern  des  Actinosphaerium,  nachdem  das- 
selbe abgestorben  war,  beobachtet.  Nicht  unähnliche  einzellige  Schma- 
rotzer beobachtete  Brandt  jedoch  auch  inmitten  des  Plasmas  freilebender 
wie  encystirter  Actinosphaerien,  jedoch  auch  in  grosser  Menge  in  der 
Nähe  absterbender  Exemplare.  Eigenthümlich  war  diese  Schmarotzerform 
durch  die  Gegenwart  zweier  pulsirender  Vacuolen.  Letzterwähnte  Schma- 
rotzer zeigten  entweder  ,, ruckartige"  Bewegungen  oder  zuweilen  auch 
deutlich  amöboide.  Ein  Theil  der  amöboiden  Körperchen  liess  weiter- 
hin eine  lange  Geissei  erkennen. 

Nach  diesen  Erfahrungen  Brandt'«  erscheint  es  sehr  wahrscheinlich, 
dass  die  Amöben  und  Flageliaten,  welche  Greeft'  für  die  Embryonen  des 
Actinosphärium  anzusehen  geneigt  war,  in  den  Entwicklungskreis  der 
eben  erwähnten  oder  ähnlicher  pflanzlicher  Schmarotzer  gehören. 

Wir  müssen  weiterhin  eines  interessanten,  von  Archer*)  nach- 
gewiesenen Falles  von  Parasitismus  gedenken.  Derselbe  bemerkte 
häufig  Exemplare  der  Acanthocystis  turfacea,  deren  grüne  Weich- 
körpermasse zum  Theil  zerstört  war  und  an  deren  Stelle  sich  i  bis 
3  kleine  Rotatorieneier  vorfanden.     Bei  der  Anwesenheit  dreier  Eier  war. 


>=)  Nr.  32  (Vol.  IX.l 


System.  331 

der  Acanthocystiskörper  gewöhnlich  gänzlich  der  Vernichtung  anheim- 
gefallen. Die  Eier  des  kleinen  Räderthieres  entwickelten  sich  unter 
dem  Schutz  der  SkelethüUe  der  Acanthocystis  und  die  aus  ihnen  hervor- 
gegangnen  Jungen  (einigermassen  ähnlich  der  Gattung  Monolabis)  durch- 
brachen schliesslich  diese  Hülle  und  entfernten  sich.  Wie  gesagt,  scheint 
die  Acanthocystis  nur  bei  Anwesenheit  mehrerer  solcher  parasitischer 
Eier  völlig  zu  Grunde  gerichtet  zu  werden.  Leider  ist  bis  jetzt  Näheres, 
namentlich  die  Art  des  Importes  dieser  parasitischen  Eier,  nicht  ermittelt 
worden. 

Was  die  geographische  Verbreitung  betrifft,  die  bei  unsrer,  erst  in 
neuerer  Zeit  einem  eingehenderen  Studium  unterworfnen  Abtheilung  natür- 
lich nur  wenig  bekannt  ist,  so  dürfte  dieselbe  für  die  Stisswasserformen 
wenigstens  eine  ähnlich  weite  sein,  wie  bei  den  Ehizopoden.  Die  zum 
Beleg  hierfür  beizubringenden  Daten  sind,  wie  gesagt,  wenige;  Actino- 
phrys  ist  bekannt  aus  Europa,  Nordamerika  und  Ostindien,  Actinosphae- 
rium,  Raphidiophrys,  Acanthocystis  und  Clathrulina  sind  ferner  von  Leidy 
auch  in  Nordamerika  nachgewiesen  worden,  und  zwar  sämmtlich  in  mit 
europäischen  identischen  Arten. 

lieber  die  Eruährungsverhältnisse  der  Heliozoa  braucht  hier  kaum 
noch  etwas  Genaueres  mitgetheilt  zu  werden,  da  die  Art  der  Nahrungs- 
aufnahme schon  bei  früherer  Gelegenheit  besprochen  und  die  Natur 
der  Nahrungsstoffe  z.  Th.  gleichfalls  schon  früher  angedeutet  wurde,  im 
Ganzen  jedoch  auch  kein  besonderes  Interesse  darbietet.  Die  Nahrung 
wird  sowohl  dem  thierischen  wie  pflanzlichen  Reich  entnommen  und  zwar 
scheint  die  eine  Form  sich  mit  Vorliebe  oder  ausschliesslich  von  thieri- 
schen, die  andere  von  pflanzlichen  Organismen  zu  ernähren,  dritte  hin- 
gegen ihren  Bedarf  aus  beiden  Gebieten  zu  decken.  Es  sind  nicht  immer 
die  allerniedersten  und  kleinsten  thierischen  Organismen,  welche  den 
Heliozoen  zum  Opfer  fallen;  schon  Eichhorn  sah  das  Actinosphaerium 
mehrere  Wasserflöhe  fDaphniden)  und  einen  Chaetonotus  verschlingen 
und  ich  kann  mir  nicht  versagen,  die  Worte,  mit  welchen  er  die  Raub- 
gier dieser  Heliozoe  schildert,  anzuführen;  er  sah  in  einem  Actinosphae- 
rium „wie  in  einer  Mördergrube,  die  Todten-Gebeine  von  2  bis  3  Wasser- 
flöhen liegen".  Leidy  (50)  fand  gleichfalls  Actinosphaerium  sehr  gefrässig 
und  zwar  ernährt  sich  nach  ihm  diese  Form  wie  Actinophrys  hauptsäch- 
lich von  einzelligen  Algen  (Diatomeen,  kleineren  Desmidiaceen  etc.),  Zoo- 
sporen, Ciliaten,  Flagellaten  und  Rotatorien. 

Für  zahlreiche  Formen  fehlen  jedoch  bis  jetzt  noch  Beobachtungen 
über  die  Natur  ihrer  Nahrung. 

Dass  von  fossilen  Heliozoen  bis  jetzt  durchaus  nichts  bekannt  ist, 
bedarf  keiner  weiteren  Erörterung. 


332  Eadiolana. 


III.  Unterabtheilung  (Unterklasse). 
Radiolaria. 

1.  tebei'sicht  der  historischen  Entwicklung  unsrer  Kenntnisse  von  den 

Radiolarien. 

Während  die  Abtheilung  der  Rhizopoda  schon  in  verhältnissmässig 
sehr  früher  Zeit  die  Aufmerksamkeit  zahlreicher  Forscher,  wenn  auch  nur 
durch  ihre  todten  Schalenreste,  beschäftigte,  blieben  dagegen  die  nun  zu 
betrachtenden  Radiolarien  bis  in  unser  Jahrhundert  völlig  unbekannt. 
Dennoch  stehen  sie  an  Reichthum  und  Mannigfaltigkeit  der  Entwicklung 
durchaus  nicht  hinter  den  Rhizopoden  zurück;  die  Untersuchungen  der 
neuesten  Zeit  scheinen  im  Gegentheil  zu  beweisen,  dass  die  Radiolarien 
die  umfangreichste  und  mannigfaltigste,  daher  auch  in  vieler  Hinsicht  die 
interessanteste  Abtheilung  der  Sarkodinen  bilden.  Die  geringe  Beachtung, 
welche  die  Angehörigen  unsrer  Abtheilung  bis  in  verhältnissmässig  neue 
Zeit  gefunden  haben,  erklärt  sich  z.  Th.  wenigstens  aus  ihrer  entweder 
pelagischen  oder  profunden  Lebensweise  und  ihrer  Kleinheit.  Die  küsten- 
bewohnenden Rhizopoden  erfreuten  sich  viel  früher  der  Theilnahme  der 
Beobachter.  Aus  den  ersten  Decennien  unsres  Jahrhunderts  liegen  einige 
Beobachtungen  über  kleine  leuchtende  Thierchen  vor,  welche  unter  den 
Tropen  an  der  Oberfläche  der  hohen  See  in  grosser  Menge  von  Tilesius 
(1803—1806)   und   Baird*)  (ca.    1830)   neben   andern  Leuchtthieren    an- 


*j  Vergl.  hierüber  Tilesius,  Atlas  zu  Krusenstern's  Eeise  um  die  Welt,  ausgef.  in 
dcu  Jahren  1S03— 6,  Taf.  XXI.  Fig.  H3a — b  und  Fig.  20a— c,  weiter  auch:  Tilesius. 
üeber  das  nächtliche  Leuchten  des  Meerwassers,  in  Annalcn  der  wetterauischen  Gesellschaft 
III.  Bd.  1814  und  in  Gilbert's  Annalen  der  Physik,  61.  Bd.  1819  Leuchtende  Mcer-Infusions- 
thierrhen.  Die  hier  in  Frage  kommenden  Wesen  wurden  von  Tilesius  als  Infusionsthierchcn 
bezeichnet  und  wohl  für  die  damalige  Zeit  nicht  schlecht  abgebildet  (speciell  in  dem  Atlas 
zu  Krusenstern's  Keise).  Den  als  Leucophrys  echinoides  bezeichneten  Organismus  halte  ich 
mit  Häckel  wohl  für  eine  zweifellose  Acanthometride ,  wogegen  mir  die  Mammaria  adspersa 
ganz  den  Eindruck  einer  Thalassicolla  nucleata  macht;  nicht  nur  die  Grössenverhältnisse  und 
die  innere  Pigmentanhäufung  stimmen  damit  gut  überein,  sondern  er  zeichnet  auch  auf  den  ver- 
grösserten  Darstellungen  derselben  eine  Structur  der  äusseren  Region,  welche  sich  recht  wohl 
auf  die  concentrisch  geschichtete  Anordnung  der  extrakapsulären  Vacuolen  zurückführen  lässt. 
Ehrenberg  wollte,    in    wohl  jedenfalls   irriger   Weise,    die  Mammaria    des  Tilesius  mit  dem 


1 


Geschichte.  333 

getroffen  wurden  und  welche  spätere  Forseber  wohl  mit  Recht  auf  Radio- 
larien  (Colliden,  Sphaerozoeeu  und  auch  Acanthometreen)  bezogen. 

Grössere  Sicherheit  bieten  die  Beobachtungen  über  Radiolarien, 
welche  Meyen  auf  einer  Reise  um  die  Erde  1832—34  (Nr.  1)  anstellte. 

Er  beschrieb  drei  Formen,  von  welchen  die  als  Sphaerozoum  bezeich- 
nete eine  sichere  Sphaerozoide  ist,  deren  Skeletgebilde  er  nach  Form  und 
chemischer  Natur  (Kiesel)  schon  richtig  erkannte.  Zweifelhafter  dagegen 
sind  die  zwei  unter  dem  Gattungsnamen  Physematium  geschilderten  For- 
men. Ob  sich  unter  ihnen  wirklich  Angehörige  der  Familie  der  Colliden 
und  speciell  solche  der  Gattung  Physematium  im  heutigen  Sinne  finden, 
scheint  um  so  zweifelhafter,  als  einzelne  der  abgebildeten  Exemplare  wohl 
ohne  Bedenken  auf  Collozoum,  eine  Form  der  Sphaerozoeen,  zu  beziehen 
sind.  Merkwürdig  ist,  dass  Meyen  diesen  Wesen  eine  energische  Beweg- 
lichkeit zuschreibt.  Hinsichtlich  der  allgemeinen  Auffassung  der  beobach- 
teten Organismen  kam  unser  Forscher  zu  dem  Schluss:  dass  sie  den 
Thieren  zuzurechnen  seien  und  eine  besondere  Familie  bildeten,  welche 
er  wegen  ihrer  Aehnlichkeit  mit  den  Nostochinen  unter  den  Pflanzen 
(Algen)  als  Palme  Ilaria  bezeichnete  und  mit  einer  weiteren  Familie  in 
eine  besondere  Thierklasse  der  Agastrica  einreihte. 

Der  weitere  Fortschritt  der  Radiolarienforschung  knüpft  sich,  wie  wir 
Aehnliches  auch  schon  bei  den  Rhizopoda  gefunden  haben,  an  das  Studium 
der  Skeletreste  an,  welche  an  einigen  Orten  der  Erdoberfläche  in  grosser 
Menge  in  Tertiärschichten  angehäuft  getroffen  werden.  Die  Erforschung 
dieser  fossilen  Radiolarienreste  verdanken  wir  fast  ausschliesslich  den 
unermüdlichen  Bemühungen  Ehrenberg's,  der  seit  1838  auch  diesen  Proto- 
zoen seine  Aufmerksamkeit  zuwandte.  Ausser  den  fossilen  Radiolarien 
verschiedener  Fundorte,  welche  er  allmählich  beschrieb  und  abbildete, 
zog  er  bald  auch  die  am  Grunde  der  Tiefsee  abgelagerten  kieseligen 
Skelete  in  den  Kreis  seiner  Forschungen.  Wenn  sich  Ehrenberg  nun 
auch  derart  um  die  Kenntniss  der  Skeletbildungen  der  Radiolarien  sehr 
grosse  Verdienste  erworben  hat  —  grössere  vielleicht  noch  hinsichtlich 
unsrer  Kenntnisse  von  der  Verbreitung  der  Radiolarienreste  in  den  Erd- 
schichten und  dem  Tiefseeschlamm  —  so  vermochte  er  doch  auch  auf 
diesem  Felde  nicht  durch  seine  Forschungen  zu  einem  annähernd  richtigen 
Verständniss  der  Organisation  und  der  allgemeinen  Auffassung  der  Gruppe 
zu  gelangen.  Lebende  Radiolarien  hat  er  nur  einmal  in  der  Nordsee 
(1839  Nr.  3)  und  ganz  unvollständig  beobachtet.  Was  er  daher  gelegentlich 


Physematium  von  Meyen  identificiren  und  hielt  beide  ebenso  irrtliümlich  für  Medusen.  Der 
ohige  Exkurs  rechtfertigt  sich  wohl  dadurch,  dass  es  sich  hier  um  die  erstmaligen  Beobach- 
tungen von  Kadiolarien  handelt.  —  Baird,  W.,  London  Magaz.  of  nat.  hist.  Vol.  III.  1830 
und  Vol.  IV.  1831,  auch  Ehrenberg,  Das  Leuchten  des  Meeres.  Abh.  d.  Berl.  Ak.  a.  d.  J. 
1834.  Eigenthümlich  ist,  dass  kein  späterer  Forscher,  mit  Ausnahme  von  Macdonald,  etwas 
von  dem  Leuchtvermögen  der  Eadiolarien  berichtet,  während  die  eben  erwähnten  ersten  Beob- 
achter, Tilesius  und  Baird,  wie  auch  Meyen,  dasselbe  bestimmt  behaupten,  wenn  anders  die 
Beziehung  der  von  ihnen  beschriebnen  Organismen  auf  Kadiolarien  richtig  ist. 


334  Radiolaria. 

über  die  Natur  uud  systematische  Stellung  unsrer  Wesen  äussert,  ist  sehr 
mangelhaft  und  besserer  Einsicht,  welche  von  anderer  Seite  beigebracht 
wurde,  verschluss  er  sich  auch  auf  diesem  Gebiet  gleich  hartnäckig  wie 
auf  anderen. 

Ueberschauen  wir  nun  ganz  fltichtig  die  Thätigkeit,  welche  Ehreu- 
berg  auf  dem  bezeichneten  Gebiete  im  Laufe  der  Jahre  1838 — 1875  ent- 
faltete. Die  ersten  Funde  hierhergehöriger  Organismen  machte  er  bei 
Gelegenheit  seiner  Untersuchungen  über  die  Kreide  uud  verwandte  Ge- 
steinsbildungen. In  den  fälschlich  zur  Kreideformation  gerechneten  Mergeln 
von  Caltanisetta  (Sicilien),  Zante  (Griechenland)  und  Oran  (Nordafrika) 
traf  er  4  hierhergehörige  Gattungen ,  welche  er  1838  (Nr.  2)  beschrieb. 
Eine  Reihe  weiterer  Fundstätten  fossiler  Radiolarien  in  Nordamerika 
(Richmond,  Petersburg  in  Virginien  und  Piscataway  in  Maryland)  wurden 
1844  von  ihm  kurz  beschrieben  (Nr.  4,  1844),  wodurch,  wie  durch  das 
genauere  Studium  der  schon  früher  erwähnten  Fundorte,  sowie  eines  wei- 
teren Vorkommens  auf  den  Bermuda-Inseln,  die  Zahl  der  bekannten  Arten 
und  auch  Gattungen  (6)  ziemlich  vermehrt  wurde. 

Eine  ungeahnte  Bereicherung  fand  jedoch  die  Zahl  der  Formen  plötz- 
lich im  Jahre  1846  durch  die  Untersuchung  eines  von  R,  Schomburgk  auf 
Barbados  entdeckten,  veritablen  Radiolariengesteins,  dessen  Studium  Ehren- 
berg mit  grossem  Eifer  unternahm,  so  dass  er  schon  nach  wenigen  Mo- 
naten 282  Arten  und  44  Genera  der  Radiolarien  unterschied,  welche  er 
auf  7  Familien  vertheilte  (Nr.  4;  1846  u.  47).  Die  genauere  Charakte- 
ristik der  Barbadosformen  und  die  bildliche  Darstellung  derselben  (ab- 
gesehen von  einer  Anzahl  Formen,  welche  in  der  gleich  zu  erwähnenden 
Mikrogeologie  bildlich  dargestellt  wurden)  verzögerte  sich  jedoch  bis  zu 
dem  Jahre  1873,  resp.  1875  (Nr.  4,  1873  u.  Nr.  26). 

Ein  an  das  Barbadosgesteiu  an  Reichthum  erinnerndes  Vorkommen 
auf  den  Nikobareninseln  erörterte  Ehrenberg  kurz  1850  (Nr.  4),  jedoch 
wurde  eine  genauere  Beschreibung  der  hier  neugefundenen  Arten  nicht 
gegeben  und  nur  ein  Theil  derselben  fand  in  der  Mikrogeologie  eine  bild- 
liche Erläuterung.  Nur  sehr  unwesentlich  vermehrt  wurden  unsre  Kennt- 
nisse der  fossilen  Radiolarien  durch  zwei  von  Ehrenberg  1855  und  56 
ermittelte  neue  Fundstätten  zu  Simbirsk  (bei  Kasan)  und  Morro  de  Mi- 
jellones  auf  der  Grenze  zwischen  Chile  und  Bolivia. 

In  der  1854  erschienenen  Mikrogeologie  wurden  eine  Reihe  der  fos- 
silen Radiolarienreste  (72  Arten)  bildlich  dargestellt,  ohne  jedoch  durch 
Beschreibungen  genauer  erläutert  zu  werden.  Ueberhaupt  ist  dies  nur  für 
die  Radiolarienfauna  des  Barbadosgesteins,  wie  erwähnt,  späterhin  1873 
(Nr.  4)  ausgeführt  worden,  die  denn  auch  1875  (Nr.  2Q)  in  Abbildungen 
ausreichend  dargestellt  wurde.  In  der  letzterwähnten  Abhandlung  zog 
Ehren berg  schliesslich  das  Facit  seiner  Studien  über  fossile  Radiolarien, 
als  deren  Ergebniss  er  nicht  weniger  wie  326  Formen  aufzählen  konnte 
(oder  vielmehr  362,  wenn  wir  die  von  Ehrenberg  unrichtiger  "Weise  unter 


Geschichte.  335 

die   Diatomaceeu   verwieseuen   Gattungen    Mesocaena    und   Dyctiocha   an 
ihre  richtige  Stelle,  d.  h.  zu  den  Radiolarien,  bringen). 

Schon  seit  1844  beschäftigte  sich  Ehrenberg  auch  mit  den  Radio- 
larienresten  der  heutigen  Meere,  weniger  den  an  der  Oberfläche  des 
Meeres,  so  im  sog.  Pancake-Eis  des  Siidpolarmeeres  eingeschlossenen, 
sowie  anderen  aus  Chaetocerosflocken  und  dem  Magen  von  Salpen,  vor- 
wiegend vielmehr  mit  den  Resten  der  tiefen  Meeresgründe. 

Im  Laufe  der  Jahre  wurden  so  untersucht:  Grundproben  des  atlan- 
tischen Oceans  (4;  1854  u.  1857),  solche  des  ägäischen  Meeres  (1854) 
und  weiterer  Punkte  des  Mittelmeeres  (1857  u.  1858),  des  stillen  Oceans 
(Kamtschatka  1856)*),  ferner  des  indischen  Oceans  östlich  von  Zanzibar 
(1859),  des  stillen  Oceans  zwischen  Californien  und  den  Sandwichinseln, 
sowie  eine  Probe  aus  grosser  Tiefe  zwischen  den  Philippinen  und  Ma- 
rianen  (1860),  des  mexikanischen  Golfes  (1861)  und  des  arktischen 
Meeres  (1869).  Eine  Zusammenfassung  und  Vervollständigung  erfuhren 
diese  Tiefseeuntersuchungen  Ehrenberg's  1873  (Nr.  25),  nachdem  schon 
1872  (4,  1872)  113  neue  Arten  aus  der  Tiefsee  diagnosticirt  worden 
waren.  In  der  tabellarischen  Uebersicht,  welche  Ehrenberg  dieser 
Zusammenfassung  beigibt,  führt  er  278  Formen  auf,  welche  sich  unter 
Einreihung  der  gleichzeitig  zusammengestellten  Dictyocha-  und  Mesocaena- 
formen  auf  315  vermehren.  Von  diesen  Formen,  wie  von  den  früher  er- 
wähnten fossilen  sind  jedoch  Ehrenberg  selbst  eine  ziemliche  Zahl  zweifel- 
haft geblieben  und  eine  nicht  unbeträchtliche  Zahl  wurde  weder  durch 
Abbildungen  noch  durch  Beschreibungen  erläutert. 

Um  zu  einer  richtigen  Beurtheilung  der  Leistungen  Ehrenberg's  auf 
dem  Gebiet  der  Radiolarien  zu  gelangen,  müssen  wir  hier  schliesslich 
noch  seiner  Ansichten  über  die  Organisation  und  die  systematische  Stellung 
unsrer  Gruppe  gedenken. 

Seine  ursprüngliche  Auffassung  unsrer  Formen,  welcher  er  1838  (Nr.  2), 
wenngleich  nur  auf  die  Kenntniss  der  Skelete  weniger  Formen  gestützt, 
Ausdruck  verlieh,  ging  dahin,  sie  seiner  Abtheilung  der  Polygastrica 
(etwa  Infusorien  +  Diatomaceen  im  heutigen  Sinne)  als  eine  neue  Familie 
der  Polycystina  (oder  Arcellina  composita)  einzureihen  und  sie  nament- 
lich von  seinen  Polythalamia,  welche  er  bekanntlich  den  Bryozoa  zurech- 
nen wollte  (vergl.  hier.  p.  6 — ^7),  scharf  zu  scheiden.  Nach  ausgedehnterem 
Studium  ihrer  Skelettheile  (hauptsächlich  der  Barbadosformen)  gelangte 
er  jedoch  1847  (4)  zu  einer  ziemlich  abweichenden  Auffassung,  indem  er 
sie  jetzt  gerade  den  Polythalamien  wieder  zu  nähern  sucht,  ihnen  einen 
einfachen,  schlauchartigen  Darm  zuschreibt,  sie  daher  aus  der  Gruppe  der 
Polygastrica  entfernt  und  seinen  Schlauchthieren  (Tubulata)  als  besondere 
Klasse  neben  Bryozoen,  Rotatorien,  Nematoiden,  Echinoiden  und  Holo- 
thurien  einreihte. 


*)  Bezieht    sich    auf   die  Untersuchungen    des    amerikanischen  Forschers  Bailey  (Nr.  7), 
welcher  eine  Anzahl  Radiolarien  aus  Grnndproben   des  kamtschatkäische^ii  Meeres  beschrieb. 


336  Eadiolaria. 

Im  wesentlichen  beharrte  Ehrenberg  auch  in  seinen  späteien  Mit- 
theilungen über  die  Polycystinen  (1873,  25  u.  1875,  26)  auf  seiner  letzt- 
besprochenen Anschauung  über  die  Verwandtschaftsbeziehungen  und  die 
systematische  Stellung  der  Abtheilung;  jedoch  herrscht  in  seinen  Aus- 
sprüchen eine  so  grosse  Unklarheit,  dass  sich  ein  zufriedenstellendes  Bild 
derselben  kaum  skizziren  lässt.  1872  bezweifelt  er,  ob  sich  die  ganze 
seitdem  als  Radiolarien  charakterisirte  Gruppe  zu  den  thierischen  Orga- 
nismen rechnen  lasse.  1875  muss  er  „Anstand  nehmen'',  auf  die  neuer- 
dings an  der  Oberfläche  der  Meere  von  Anderen  „angeblich  lebend" 
beobachteten  Radiolarien  weiter  einzugehen  und  hebt  hervor,  dass  es  nach 
seinen  früheren  Kenntnissen  nöthig  geworden  war,  die  Klasse  der  Poly- 
cystinen in  die  Nähe  der  Holothurien  systematisch  einzuordnen.  Die  bis- 
her beobachteten  gallertartigen  Erfüllungen  der  Polycystinen  hält  er  für 
zu  wenig  organisirt  gegen  den  vielfach  zusammengesetzten,  künstlichen 
Bau  des  zierlichen  Kieselgerttstes.  Auch  die  grosse  Mannigfaltigkeit  der 
Formen  spräche  gegen  einen  so  einfachen  Bau.  Die  Pseudopodien  (nach 
ihm  Fäden)  scheinen  ihm  nicht  contractu,  daher  nicht  vergleichbar  denen 
der  Polythalamien,  noch  denen  der  Amöben  und  Arcellinen;  sie  besässen 
aber  manche  Aehnlichkeit  mit  den  Oscillarien.  Dagegen  spricht  er 
auf  der  folgenden  Seite  doch  wieder  von  dem  „beraerkenswerthen  Anklang" 
zwischen  den  Skeletbildungen  der  Polycystinen  und  Arcellinen.  So  sehen 
wir  denn,  dass  Ehrenberg,  trotz  seiner  sehr  erheblichen  Verdienste  um 
die  Erkenntniss  der  grossen  Mannigfaltigkeit  der  Skeletverhältnisse  und 
das  Vorkommen  unsrer  Abtheilung  im  fossilen  und  lebenden  Zustand, 
durchaus  nichts  beigetragen  hat  zu  einer  wirklichen  Aufklärung  der 
Organisation  und  systematischen  Position  unsrer  Gruppe.  Seine  Ansichten 
über  die  systematische  Gruppirung  der  ihm  bekannt  gewordenen  Radio- 
larien (worunter  jedoch  sehr  wichtige  Gruppen  ganz  fehlen)  werden  wir 
erst  später  im  systematischen  Abschnitt  kurz  erörtern  können;  auch  wer- 
den erst  später  seine  Anschauungen  über  Vorkommen  und  Lebensweise 
der  Radiolarien  in  unseren  heutigen  Meeren  ihre  Besprechung  finden. 

Erst  vom  Jahre  1851  können  wir  die  eigentliche  Erforschung  der 
Organisation  der  Radiolarien  datiren  und  zwar  wurde  dieselbe  durch  die 
trefflichen  Untersuchungen  eines  auf  zahlreichen  Gebieten  der  zoologi- 
schen Forschung  hervorragenden  englischen  Naturforschers,  Huxley,  in- 
augurirt,  welcher  auf  einer  Reise  um  die  Erde  Gelegenheit  hatte,  Vertreter 
dreier  Geschlechter  der  Sphaerozoea  (CoUozoum,  Sphaerozoum  und  CoUo- 
sphaera),  sowie  einen  Repräsentanten  der  Collida  (Thalassicolla  nucleata) 
zu  untersuchen  (Nr.  5).  In  Anbetracht  des  damaligen  Standes  der  Proto- 
zoenkunde und  der  Zellenlehre  dürfen  wir  die  Leistungen  Huxley's  recht 
hoch  anschlagen.  Er  zog  auf  Grund  seiner  Untersuchungen  die  beob- 
achteten Formen  zu  den  Protozoen  Siebold's  und  verglich  schon  sehr 
richtig  die  Thalassicolla  nucleata  mit  dem  durch  Kölliker's  Untersuchungen 
genauer  bekannt  gewordenen  Actinosphaeriam.  Sein  Vergleich  der  mono- 
zoen  ThallasicoUa  nucleata   mit   den  polyzoen  Spharozoen  traf  schon  im 


(icschiclite.  337 

Wesentlichen  das  Richtige,  wenn  er  auch  darin  fehlte,  dass  er  beide  in 
(iirecten,  durch  die  Fortpflanzung  bedingten  Zusammenhang  bringen  wolUe. 
Im  Speciellen  klärte  er  die  wichtigsten  organisatorischen  Hestandtheile  in 
meist  zutreftender  Weise  auf,  so  die  Centralkapsel,  deren  Membran  er 
nachwies  und  die  er  bei  den  Sphaerozoen  als  Zelle  bezeichnete,  als 
(leren  Niicleus  er  die  centrale  Oelkugel  ansprach.  In  der  Centralkapsel 
(vesicle)  der  Thalassicolla  beobachtete  er  das  Binnenbläschen,  dessen 
Kernnatur  er  vermuthete,  sowie  die  Oelkugelu  und  Eiweisskugeln, 
welch  beide  als  Zellen  aufgefasst  wurden.  Die  Gallerte  und  ihre  Vacuolen, 
welch  letztere  richtig  im  Sinne  Diijardin's  gedeutet  wurden,  die  gelben 
Zellen  und  schliesslich  auch  das  die  Gallerte  durchsetzende  Protoplasma- 
netz beobachtete  er  und  nahm  sogar  schon  bei  Thalassicolla  dessen 
Körnchenströmung  wahr.  Dagegen  blieben  ihm  die  eigentlichen  Pseudo- 
podien unbekannt. 

Eine  wissenschaftliche  Begründung  auf  breiterer  Grundlage  wurde 
jedoch  nnsrer  Abtheilung  erst  durch  die  höchst  wichtigen  Untersuchungen 
Job.  Müllers  zu  Theil,  welche  er  in  einer  Reihe  von  Mittheilungen,  die  1855 
begannen  (Nr.  8 — 11)  und  ihren  Abschluss  in  der,  erst  1858  nach  Müller's 
Tode  erschienenen  Abhandlung  „Ueber  die  Thalassicolleen ,  Polycystinen 
und  Acanthometreen  des  Mittelmeers"  (Nr.  12)  fanden,  worin  auch  zuerst  die 
erläuternden  Abbildungen  zur  Veröffentlichung  kamen,  niederlegte.  Müller's 
Verdienste  um  die  Erforschung  und  namentlich  auch  die  richtige  Umgren- 
zung unsrer  Abtheilung  sind  sehr  gross,  so  dass  der  beschränkte  Raum  uns 
hier  nur  die  Andeutung  des  Wichtigsten  gestattet.  Ihm  zuerst  gelang  es, 
lebende  Vertreter  der  Ehreftberg'schen  Polycystinen  zu  studiren  und  ihren 
im  Wesentlichen  mit  den  Huxley'schen  Thalassicollen  und  dem  Meyen'schen 
Sphaerozoum  übereinstimmenden  Bau  zu  erweisen.  Weiterhin  entdeckte 
er  zuerst  eine  bis  dahin  unbekannte  grosse  Abtheilung  hierhergehöriger 
Wesen,  die  Acanthometreen,  deren  ßauverhältnisse  er  schon  sehr  trefflich 
aufklärte.  Wenngleich  er  sich  anfänglich  noch  zweifelnd  über  die  Zu- 
sammengehörigkeit der  Thalassicolleen,  Polycystinen  und  Acanthometreen 
aussprach,  führten  ihn  seine  weiteren  Studien  doch  bald  zu  der  richtigen 
Erkenntniss  der  nahen  Verwandtschaft  dieser  3  Gruppen  und  damit  zur 
Begründung  der  umfassenderen  Abtheilung  der  Radiolarien,  deren  ver- 
wandtschaftliche Beziehungen  er  gleichfalls  zuerst  näher  und  richtig  be- 
gründete. Zu  diesem  Fortschritt  führte  ihn  namentlich  die  Entdeckung, 
dass  die  Oberfläche  unsrer  Wesen  im  Leben  mit  ähnlichen  fadenförmigen 
Ausläufern  ausgerüstet  sei,  wie  solche  bei  den  Rhizopoden  (speciell  den 
damals  bekannten  Heliozoen  und  den  sogen.  Polythalamien)  sich  finden. 
Die  völlige  Gleichwerthigkeit  dieser  fadenförmigen  Ausläufer  mit  den 
Pseudopodien  der  Rhizopoden  erwiesen  jedoch  erst  1856  zwei  Schüler 
Müller's,  Claparede  und  Lachmann  (Nr.  10  u.  Nr.  14),  welche  den  Nach- 
weis führten ,  dass  die  Fäden  der  Acanthometreen  dieselbe  Körnchen- 
strömung wie  die  der  Polythalamien  und  der  Actinophrys  zeigen  und  dass 
sie  weiterhin  befähigt  sind   durch  Verästelungen   Anastomosen  und  Netze 

Bronn,  Klassen  rtos  Tliier-Keiclis.    Pvotozon,  22 


b 


338  Kiuliolaria. 

ZU  bilden,  wie  solches  ja  durch  M.  Schultze  tür  die  Polythalamien  so 
überzeugend  nachgewiesen  worden  war.  Müller  konnte  in  der  Folge  diese 
Beobachtung  für  alle  Gruppen  seiner  Radiolarien  bestätigen.  Er  stand 
dann  auch  nicht  mehr  an,  die  ganze  Abtheilung  zu  den  Rhizopoda  zu  ziehen 
und  sie  neben  den  durch  M.  Schultze's  Untersuchungen  so  wohl  bekannten 
Polythalamia  oder  Rhizopoda  polythalamia  als  Radiolaria  oder  Rhizopoda 
radiaria  einzureihen,  indem  er  auch  schon  die  radiäre  Anlage  des  Baues 
als  bedeutungsvoll  für  die  gesammte  Gruppe  erkannte.  Unsicher  blieb  er 
dagegen  über  die  Beziehungen  seiner  Rhizopoda  radiaria  zu  Actinophrj's 
und  den  Süsswasserrhizopodeu,  wobei  ihn  namentlich  die  contractilen 
Vacuolen  letzterwähnter  Formen  genirten,  welche  ihm  eine  nähere  Ver- 
wandtschaft zu  den  Infusorien  zu  verrathen  schienen;  er  trennte  die- 
selben denn  auch  als  „rhizopode  Infusorien^'  von  den  eigentlichen  Rhi- 
zopodeu. 

Auch  weitere  specielle  Organisationseigenthümlichkeiten  wurden  durch 
die  Forschungen  MüUer's  wesentlich  aufgeklärt;  so  einmal  die  Verbreitung 
und  Wichtigkeit  einer  häutigen  Umhüllung  des  centralen  Körpers  (Central- 
kapsel),  jedoch  scheint  ihm  die  grosse  Bedeutung  dieser  Einrichtung  im 
Gegensatz  zu  den  übrigen  Sarkodinen  nicht  hinreichend  klar  geworden 
zu  sein,  wie  er  auch  im  Speciellen  bei  den  Acanthometreen  die  Central- 
kapsel  nicht  richtig  erkannt  hat.  AVesentlich  erscheint  weiterhin  noch  der 
Nachweis  der  wirklichen  Zellennatur  der  sogen,  gelben  Zellen  und  ihrer 
selbstthätigen  Vermehrung  und  die  erste,  wenn  auch  noch  unsichere  Beob- 
achtung über  die  Fortpflanzung  einer  Acanthometree.  Rechnen  wir  hierzu 
noch  die  beträchtliche  Vermehrung,  welche  die  Zahl  lebend  bekannter 
Radiolarien  durch  die  Müller'schen  Untersuchungen  erfahren  hat  und  die 
nicht  unwichtigen  Aufklärungen  über  den  Skeletbau,  so  verschwinden 
gegen  diese  wichtigen  Förderungen  uusres  Wissens  die  Missgrifife  MüUer's 
in  der  Deutung  der  Radiolarienorganisation.  Dass  Müller  noch  nicht  zu 
einer  richtigen  Abwägung  der  morphologischen  Werthigkeit  einzelner 
Theile  des  Radiolarienorganismus  gelangte,  scheint  uns  bei  dem  damaligen 
Stand  histologischer  Forschungen  leicht  begreiflich,  ist  ihm  darin  doch 
auch  sein  Nachfolger  E.  Häckel  noch  wesentlich  treu  geblieben,  speciell 
in  der  Unsicherheit  der  Auffassung  der  sogen.  Alveolen  (Vacuolen  Hux- 
ley's)  und  der  Auffassung  einer  Reihe  von  Bestandtheilen  als  Zellen, 
welche  später  als  nicht  zellig  erkannt  wurden.  Auch  die  Verkennung  der 
umhüllenden  Gallerte  des  Radiolarienkörpers  durch  Müller  erscheint  von 
geringem  Gewicht,  wenn  wir  sehen,  dass  Häckel  sich  ihm  auch  hierin 
vollständig  anschloss. 

Waren  in  dieser  Weise  die  Radiolarien  durch  J.  Müller  zu  einer  ziem- 
lich wohlerforschten  Protozoengruppe  geworden,  so  erhoben  sie  die  aus- 
gedehnten Untersuchungen  eines  seiner  hervorragendsten  Schüler,  E.  Häckel, 
schon  nach  wenigen  Jahren  (1862)  zu  einer  der  besterforschten  damaliger  Zeit. 

Häckel  vereinigte  in  seiner  umfangreichen  Monographie  dieser  Gruppe 
(Nr.  16)  nicht  nur  seine  eigenen ,   tiefgehenden  Untersuchungen    über  die 


Geschichte.  339 

reiche  Radiolarienfauna  des  Mittelraeers ,  sondern  suchte  auch  weiterhin 
das  gesammte  damalige  Wissen  über  diese  Grup])e  zusammenzustellen; 
so  namentlich  die  zahlreichen  und  sehr  zerstreuten  Arbeiten  Ehrenberg's. 
Auf  Grundlage  dieser  Studien  gab  er  dann  eine  vollständige  systematische 
üebersicht  der  bekannten  Radiolarien,  die  nur  deshalb  z.  Th.  etwas  un- 
sicher erscheint,  weil  zahlreiche  der  von  Ehreuberg  namhaft  gemachten 
und  kurz  beschriebenen  Gattungen  und  Arten  sehr  mangelhaft  bekannt 
waren,  und  sich  daher  einer  gesicherten  Beurtheilung  entzogen. 

Die  directe  Vermehrung  unsrer  Kenntniss  der  Radiolarienformen, 
welche  wir  der  Häckel'schen  Monographie  verdanken,  ist  sehr  beträcht- 
lich, nicht  weniger  wie  144  neue  Formen  wurden  darin,  meist  nach  Beob- 
achtungen im  lebenden  Zustande,  beschrieben ,  so  dass  die  Zahl  der 
lebend  beobachteten  Radiolarien  sich  hierdurch  auf  etwa  das  vierfache 
der  1858  bekannt  gewesenen  erhob.  Ein  tiefgehendes  Studium  der  Bau- 
verhältnisse des  Weichkörpers  befähigte  Häckel  denn  auch,  die  charakte- 
ristischen Eigenthümlichkeiten  der  Radiolarien  gegenüber  den  übrigen 
Sarkodinen  schärfer  zu  betonen.  Namentlich  erkannte  er  die  volle  Wich- 
tigkeit der  Centralkapsel,  welche  er  denn  auch  überall  nachwies.  Weiter- 
hin erhalten  wir  durch  seine  Forschungen  zum  ersten  Mal  ein  gesichertes 
Bild  des  eigentlichen  Aufbaues  des  Radiolarienkörpers,  indem  er  die  den  Kör- 
per zusammensetzende  Sarkode  zuerst  genauer  studirte  und  sie  in  extra-  und 
und  intrakapsuläre  unterschied.  Dagegen  gelang  es  auch  ihm  nicht, 
so  wenig  wie  seinem  Vorgänger  Müller,  über  die  morphologische 
Werthigkeit  der  in  der  Sarkode  sich  vorfindenden  verschiedenen  Bestand- 
theile  zu  hinreichender  Klarheit  zu  gelangen.  Die  unzweifelhafte  Zellen- 
natur der  bei  den  Radiolarien  so  verbreiteten  gelben  Zellen  gab  wohl 
Veranlassung,  auch  manches  für  Zellen  zu  erklären,  was  durch  bessere 
Erkenntniss  als  nichtzellig  erkannt  wurde,  so  die  iutrakapsulären  Alveolen, 
die  wasserhellen  Bläschen  und  wohl  auch  mancherlei  sogen.  Pigmentzellen 
der  intra-  und  extrakapsulären  Sarkode.  Andrerseits  blieb  ihm  jedoch 
auch  die  morphologische  Bedeutung  wichtiger  Theile  unklar,  so  die  des 
Binnenbläschens,  dessen  Kernnatur  er  nicht  erkannte,  wie  er  denn  über- 
haupt die  Kernverhältnisse  unsrer  Wesen  sehr  unsicher  Hess.  Alle  diese 
Umstände  vereint,  mussten  die  morphologische  Bedeutung,  welche  Häckel 
dem  Radiolarienorganismus  zuschrieb,  wesentlich  anders  gestalten,  wie  die 
jetzt  geläufige,  indem  er  in  ihm  nicht  einen  ein-,  sondern  einen  mehr- 
zelligen Organismus  sah,  dessen  gemeinsamer  Sarkodekörper  einestheils 
als  das  Produkt  der  Verschmelzung  zahlreicher  Zellenleiber  zu  betrachten 
sei,  andrerseits  jedoch  noch  eine  ganze  Anzahl  verschiedenartiger,  selbst- 
ständiger Zellen  umschliesseu  könne. 

Nicht  sehr  erhebUch  waren  die  Fortschritte,  welche  Häckel  auf  dem 
schwierig  zu  erforschenden  Gebiet  der  Fortpflanzungserscheinungen  der 
Radiolarien  machte,  doch  erweiterte  er  auch  in  dieser  Richtung  unsre 
Kenntnisse  etwas  und  suchte  in  seiner  Monographie  namentlich  auch  die  übri- 
gen Lebenserscheinungen,  soweit  möglich,  nach  allen  Richtungen  aufzuklären. 

22* 


340  Eadiolaria. 

Eine  Keihe  kleinerer  Arbeiten  verschiedner  Forscher,  die  in  den 
Jahren  1862 — 70  erschienen  (Nr.  15 — 22),  trugen  nur  wenig  zu  dem  tie- 
feren Verständniss  unsrer  Organismen  bei  und  sollen  daher  hier  nicht 
specieller  erwähnt  werden;  z.  Tb.  blieben  sie  sogar  hinter  dem  schon 
Erreichten  zurück.  Kurz  erwähnen  wollen  wir  nur  2  Arbeiten  Schneider's 
(13  u.  19,  von  welchen  die  eine  schon  vor  das  Erscheinen  der  Häckel'- 
schen  Monographie  fällt),  durch  welche  einige  Punkte  von  Wichtigkeit 
ermittelt  wurden;  auch  Häckel  erweiterte  durch  zwei  kleinere  Arbeiten 
der  Jahre  1865  uud  1870  unsere  Kenntnisse  der  Radiolarien  noch  etwas, 
ohne  jedoch  in  der  Gesammtauffassung  derselben  seinen  früheren  Stand- 
punkt wesentlich  zu  ändern. 

Im  Jahre  1871  machte  Cienkowsky  einen  wichtigen  Schritt  vor- 
wärts, da  er  zuerst  die  schon  von  Job.  Müller,  Schneider  und  Häckel  un- 
vollständig und  daher  unsicher  beobachtete  P'ortpflanzungsweise  der  Radio- 
larien durch  SchwärmerbilduDg  des  Centralkapselinhalts  bei  zwei  Sphaero- 
zoeen  überzeugend  nachwies  (23). 

Diese  Untersuchungen  Cienkowsky's  wurden  dann  im  Jahre  1876 
vertieft  und  vervollständigt  durch  die  wichtigen  Forschungen  ß.  Hert- 
wig's  (28),  der  einmal  die  Entstehungsweise  dieser  Schwärmer,  und  im 
Zusammenhang  damit  die  Beschaffenheit  des  Centralkapselinhalts  sehr 
genau  untersuchte,  andrerseits  dieselbe  Fortpflanzungsweise  auch  noch  bei 
andern  Radiolarien  ermittelte.  Weitere  Vervollständigungen  auf  diesem 
Gebiet  brachte  in  der  neuesten  Zeit  noch  eine  Arbeit  von  K.  Brandt  (36), 
was  an  dieser  Stelle  gleich  bemerkt  werden  mag.  Namentlich  wurde 
Hertwig  durch  seine  Beobachtungen,  im  Zusammenhange  mit  den  fort- 
geschrittenen Erfahrungen  der  histologischen  Forschung  überhaupt,  zu 
einer  genaueren  Ermittelung  der  Kernverhältnisse  und  des  morphologi- 
schen Werthes  der  verschiedenen  Inhaltskörper  der  Radiolariensarkode 
geführt.  Als  Resultat  dieser  Beobachtungen  ergab  sich  denn  für  ihn  eine 
gegenüber  Häckel  wesentlich  modificirte  Auffassung  des  Radiolarienorga- 
nismus,  welche  jedoch  erst  in  der  zweiten,  grösseren  Arbeit  Hertwig's 
(1878,  Nr.  33)  zu  völliger  Geltung  kam.  —  Schon  Cienkowsky  hatte  es 
sehr  wahrscheinlich  gemacht,  dass  die  bei  den  Radiolarien  in  der  extra- 
kapsulären Sarkode  so  verbreiteten  gelben  Zellen  nicht  dem  Organismus 
dieser  Geschöpfe  selbst  angehörten,  sondern  fremde,  pflanzliche  Eindring, 
linge  seien.  R.  Hertwig  führte  dann  in  seiner  ersten  und  in  viel  weiter 
ausgedehntem  Maassstabe  in  seiner  zweiten  Arbeit  den  Nachweis,  dass 
fast  sämmtliche  der  von  Joh.  Müller  und  Häckel  als  Zellen  aufgefassten 
Inhaltsgebilde  der  Radiolariensarkode  kein  Anrecht  auf  diese  Bezeichnung 
hätten,  sondern  Inhaltskörper  seien,  wie  sie  bei  echten  Zellen  getroffen 
werden.  Wenn  nun  auch  von  Hertwig  das  Vorkommen  echter,  selbst- 
ständiger Zellen  im  Protoplasma  der  Radiolarien  nicht  durchaus  in  Abrede 
gestellt  werden  konnte,  wie  später  noch  ausführlich  zu  begründen  sein 
wird,  so  musste  er  als  Gesammtresultat  seiner  Studien  doch  den  Schluss 
ziehen,    dass  der   Organismus   der  Radiolarien   sich    wie   der  der  übrigen 


Geschichte.  341 ' 

Protozoen  seinem  innersten  Wesen  nach  als  ein  einzelliger  erweise.  Hier- 
mit war  denn  auch  für  die  letzte  Protozoenabtheilung,  bei  welcher  noch 
Zweifel  über  eine  solche  Auffassung  zulässig  waren,  dieser  Nachweis 
erbracht. 

Aber  auch  für  zahlreiche  morphologische  und  biologische  Special- 
fragen waren  die  Arbeiten  Hertwig's  von  tiefgehender  Bedeutung.  So 
wurde  von  ihm  zuerst  die  allgemeine  Verbreitung  und  hohe  Bedeutung 
der  gallertigen  Umhüllung  des  Radiolarienkörpers  ermittelt,  welche  Joh. 
Müller  und  Häckel  für  eine  Leichenerscheinung  erklärt  hatten.  Besonders 
fruchtbringend  waren  die  Hertwig'schen  Arbeiten  weiterhin  für  die  ge- 
nauere Erkenntniss  des  Baues  der  Centralkapsel  und,  theils  im  Zusammen- 
hang damit,  die  Vertiefung  und  natürlichere  Gestaltung  unserer  Anschau- 
ungen über  das  genealogische  System  der  zahlreichen  Formen,  wobei 
auch  die  Skeletverhältnisse  eine  eingehende  und  meist  zutreffende  Wür- 
digung erfuhren. 

Wir  dürfen  daher  in  den  Hertwig'schen  Arbeiten  ohne  Zweifel  die 
bedeutsamste  Förderung  unsrer  Radiolarienkenntnisse  seit  dem  Erscheinen 
der  Häckel'schen  Monographie  erblicken. 

Die  neueste  Zeit  hat  uns  jedoch  gelehrt,  dass  das,  was  wir  bis  jetzt 
von  der  Mannigfaltigkeit  der  Radiolarienforraen  kannten,  nur  einen 
kleinen  Bruchtheil  des  unsre  Meere  bevölkernden  Formenreichthums 
dieser  Abtheilung  darstellt.  Hierüber  haben  uns  zuerst  die  über  die  ge- 
sammten  Meere  hin  ausgedehnten  Forschungen  der  Challengerexpedition 
unerwartete  Aufschlüsse  gebracht.  Obgleich  die  Untersuchungen  Häckel's 
über  die  Radiolarienmaterialien  dieser  Expedition  bis  jetzt  noch  nicht 
in  ausführlicher  Publikation  vorliegen,  erhellt  aus  seinen  vorläufigen 
Mittheilungen  (Nr.  34  und  37),  dass  mehr  wie  2000  neue  Formen 
in  jenen  Materialien  enthalten  sind.  Natürlich,  dass  diese  Vermehrung 
der  Radiolarienformen  auf  etwa  das  Vierfache  der  seither  bekannten 
einen  wesentlich  umgestaltenden  Einfluss  auf  unsre  Ansichten  von 
der  systematisch  -  genealogischen  Entwicklung  der  gesammten  Reihe 
äussern  niuss,  sind  darunter  doch  ganze  Mengen  von  Formen  aus 
Gruppen,  welche  bis  jetzt  nur  durch  einige  wenige  Vertreter  reprä- 
sentirt  waren.  Häckel  hat  denn  auch  auf  Grund  seiner  Ergebnisse 
ein  neues  System  entworfen ,  welches  nicht  weniger  wie  630  Gat- 
tungen umschliesst.  Leider  entzieht  sich  jedoch  dieser  Systement- 
wurf bis  jetzt  in  vielen  Punkten  einer  eingehenden  Würdigung,  da 
es  nicht  möglich  ist,  nach  deii  vorliegenden  kurzen  Charakteristiken 
zu  einem  vollen  Verständniss  zahlreicher  neuer  Formen  zu  gelangen. 
Ueber  biologische  und  einige  andere  die  Radiolarien  betreffende  Re- 
sultate der  Challengerexpedition  liegen  auch  einige  kurze  Mittheilungen 
zweier  Mitglieder  derselben,  Murray  und  W.  Thomson  vor,  namentlich 
ergibt  sich  daraus,  dass  unsre  Gruppe  keineswegs  als  eine  vorwiegend 
pelagische  zu  betrachten  ist,  sondern  bis  in  die  tiefsten  Abgründe  der 
Oceane  hinabtaucht  (27,  31). 


342  Radiolaria. 

Auch  der  Verfasser  dieses  Buches  hat  sich  im  Anschhiss  an  Häckel 
und  Hertwig  mit  Untersuchungen  über  den  Skeletbau  einer  Reihe  von 
Kadiolarien  beschäftigt  und  dadurch  zur  Aufklärung  systematisch-genea- 
logischer Fragen  beigetragen. 

Geringe  Fortschritte  hat  bis  jetzt  im  Allgemeinen  die  Erforschung  der 
fossilen  Radiolarien  gemacht,  welche  Ehrenberg  einst  so  eifrig  inaugurirte. 
ünsre  Kenntnisse  beschränken  sich  auch  heutzutage  noch  fast  ausschliess- 
lich auf  die  tertiären  Radiolarienreste,  obgleich  es  keinem  Zweifel  unter- 
liegen kann,  dass  unsre  Abtheilung  auch  schon  in  früherer  Zeit  eine 
reiche  Entwicklung  besessen  hat,  worauf  denn  auch  einige  Befunde  von 
Gümbel,  Waagen,  Zittel  und  Anderen  hinweisen. 

Einen  w^esentlicheu  Beitrag  zur  Kenntniss  der  tertiären  Radiolarien- 
reste verdanken  wir  neuerdings  noch  E.  Stöhr,  welcher  eine  sicilianische 
Fundstätte  genauer  durchforschte.  Eine  Reihe  kleinerer  Mittheilungen  der 
nach-chrenberg'schen  Zeit  trugen  zur  Kenntniss  der  weiteren  Verbreitang 
der  Radiolarienreste  in  der  Tertiärformation  Einiges  bei. 

Im  Allgemeinen  dürfen  wir  am  Schlüsse  unsrer  historischen  Ueber- 
sicht  wohl  aussprechen,  dass  unser  Wissen  von  der  umfangreichen  Gruppe 
der  Radiolarien  sich  im  Laufe  der  Zeit  zu  einem  ziemlich  vollständigen 
gestaltet  hat,  dessen  Lücken  durch  fortgesetzte,  eifrige  Untersuchungen 
und  namentlich  auch  durch  das  von  Häckel  unternommene  Studium  des 
reichen  Challengermaterials  wohl  bald  noch  mehr  ausgefüllt  werden 
dürften. 

L  i  t  e  r  a  t  u  r  ü  b  e  r  s  i  c  h  t. 

J.  Meyen,  F.  Z.  F.,  Beiträge  zur  Zoologie,  ges.  auf  einer  Reise  um  die  Erde.  Nov.  Act. 
acad.  C.  L.  C.  u.  cur.  Yol.  XVI.,  Suppl.  1834,  p.  160—164. 

2.  Ehrenberg,  Ch.  G.,  üeber  die  Bildung  der  Kreidefelsen  und  des  Kreideinergels  durch 
unsichtbare  Organismen.  Abh.  d.  Berl.  Akad.  a.  d.  J.  1838.  p.  59  (s.  auch  Monatsber. 
1838.  p.   19S). 

3.  ■ Uel)er  noch  jetzt  lebende  Thicrarten   der  Kreidebildung  luid  den  Organismus  der 

Polythalamien.     Abb.  d.  Berl.  Akad.  a.  d.  J.  1839. 

4.  Monatsber.  der  Berliner  Akademie  1844—73;  1844  p.  .57  (Nordamerika- 
nische fossile^ Vorkommnisse  [Eichmond,  Petersburg,  Piscataway],  Charakteristik  der  Arten 
von  Aegina,  Zante,  Caltanisetta  und  Nordamerika);  p.  182  (Südpolareis,  Meeresgrund 
und  Meerwasser.  Charakterist.  neuer  Arten);  p.  257  (Tripel  von  Bermuda,  Charakterist. 
neuer  Arten  dess.);  1846  u.  1847  p.  40—60  1.  Taf.  (Radiolarien  von  Barbados,  üeber- 
sicbt  des  Polycystinensystems  von  Ehrenberg  bis  zur  Charakterist.  der  Gattungen) ;  1848, 
1850  pag.  476  (fossile  Vorkommnisse  der  Nikobaren);  1854  pag.  54  (Meeresgrund 
atlant.  Ocean),  p.  236  (2  neue  Genera  und  51  neue  Arten),  p.  205  (Aegäisches  Meer); 
1855  p.  292  (Simbirsk,  fossile  Vorkommnisse);  1856  p.  197  (Tiefsee,  kamtschatkaisches 
Meer,  p.  425  (Polirschiefer  von  Chile);  1857  p.  538  (Tiefsee,  Mittelmeer),  p.  142  (Tief- 
see, atlant.  Ocean);  1858  p.  10  (Pylosphaera)  u.  p.  30  (neue  Arten  aus  Mittelmeer); 
1860  p.  765  (Tiefsee,  stiller  Ocean),  p.  819  (Tiefsee,  stiller  Ocean,  mit  Charakterist. 
neuer  Genera);  1861  p.  222  (Tiefsee,  mexik.  Golf);  1869  p.  253  (Tiefproben  der  Nordpol- 
expedit, d.  Germania  75 — 80*^  n.  Br.);  1872  p.  300 — 321  (Diagnosen  von  113  neuen  Arten 
der  Tiefsee);  1S73  p.  214 — 63  (Diagnosen  der  Arten  von  Barbados). 

5.  Hxixley,  Th.,  Zoological  notes  and  observations  made  on  board  H.  M.  S.  Rattlcsnake. 
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7.  Bailey,  J.  W. ,  Notice  of  Microscopic  forms  found  in  the  soundings  of  the  Sea  of 
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Literatur.  343 

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9.    üeber  die  im  Hafen   von   ]Mcssina    beobachteten  Polycystincn.     Monats)),  d.  Beil. 

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Acanthometren.     Mon.  d.  Berl.  Akad.  1858.  p.  154 — 55. 

12.    üeber  die  Thalassicollcn,  Polycystincn  und  Acanthometren  des  Mittelmeers.    x\.bh. 

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(Siehe  früheren  Bericht  in  Monatsb.  Berl.  Akad.  1855.  p.  674.) 

15.  Btiryas,  P.  S.  Mrs. ,  Polycystins,  remark.  forms  from  the  Barbados  Chalk  deposit. 
1.  odit.  (12  Taf.  1  p.  Text)  1860/61.  2.  edit.  by  M.  C.  Cooke.  London  1868.  4«.  25  PI. 
(Nicht  vollständig  erschienen,  scheint  sehr  unbedeutend  und  war  mir  unzugänglich.) 

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in  den  gelben  Zellen  der  Radiolarien.  Jenaische  Zeitschr.  f.  Nat.  u.  Med.  Bd.  V.  1870. 
p.  519. 

21.  Stuart,  A.,  Neapolitanische  Studien.  Göttiuger  Nachrichten  1870.  p.  99 — 101.  (S  .dieselbe 
\otiz  auch  Zeitschr.  f.  wiss.  Zool.  Bd.  XXII.  p.  290.) 

22.  Doenitz ,  W. ,  Beobachtungen  über  Radiolarien.  Arch.  f.  Anat.  u.  Physiol.  1871. 
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24.  Wagner,  N.,  Myxobrachia  Cienkowski.  Bullet.  Acad.  impör.  de  St.  Petersbourg.  T.  XVII. 
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25. .  Ehrenberg,  Chr.  G-.,  Mikrogeolog.  Studien  über  das  kleinste  Leben  der  Meeres-Tief- 
gründe  aller  Zonen  und  dessen  geolog.  Einfluss.  Abhandl.  der  k.  Akad.  Berlin  a.  d.  J. 
1872.  p.  131—397.  T.  I— XIL 

25a.  Das   unsichtbar  wirkende   Leben   der  Nordpolarzone;    in:    ,,Die    zweite    deutsche 

Nordpolarfahrt"  Bd.  II.  Wissenschaftl.  Ergebnisse.  Leipzig  1874. 

26.    Fortsetzung    der   mikrogeologischen  Studien    als    Gesammt-Üe))ers.    der    mikroskop, 

Paläontol.  gleichartig  analys.  Gebirgsarten  d.  Erde,  mit  spec.  Rucks,  auf  d.  Polycystinen- 
Mergel  von  Barbados.     Abh.  d.  Berl.  Akad.  a.  d.  J.  1875.  p.  1—226.  30  Taf. 

27.  Murray,  J. ,  Preliminary  report  to  Prof.  W.  Thomson  on  work  done  on  board  the 
r'hallenger.     Proc.  roy.  soc.  Bd.  24.  1876.  p.  471.  p.  532. 

28.  Hertwig,  R.,  Zur  Histologie  der  Radiolarien.     Leipzig  1876.  4".  5  Taf.  91  pp. 

29.  Zittel,  K.  A. ,  Üeber  fossile  Radiolarien  der  oberen  Kreide.  Zeitschr.  der  deutsch, 
geolog.  Gesellsch.  Bd.  XXVIIL  1876.  p.  75—96.  T.  IL 

30.  Mivart,  St.  George,  Notes  touching  recent  researches  on  the  Radiolaria.  Journ.  Linn. 
soc.  Zoolog.  Vol.  XIV.  1877.  p.  136—86. 

31.  Thomson,  Wyw.,  Voyage  of  the  Challenger.     The  Atlantic.  London  1877.  2  Vol. 

32.  Häekel,  E.,  Das  Protistenreich.    Leipzig  1878. 

33.  Hertwig,  R.,  Der  Organismus  der  Radiolarien.  Jenaische  Denkschriften  Bd.  II,  1879. 
Taf.  VI— XVL  p.  129—277. 

34.  Häekel,  E.,  üeber  die  Phaeodarien,  eine  neue  Gruppe  kieselschaligcr,  mariner  Rhizo- 
poden.    Sitzungsber.  der  Jen.  Ges.  f.  Med.  u.  Naturw.  1879. 

35.  Stöhr,    E. ,    Die  Radiolarienfauna  der   Tripoli   von  Grotte,    Prov.  Girgenti   in  Sicilien. 
i^,     Palaeontographica.  Bd.  26.  1880.  p.  71—124.  T,  XVII— XXIII.    (Früheren  Ber.  hierüber 

s.  Amtl.  Bericht  über  die  Naturf.-Vers.  zu  München   1877   u.  Bellet,  d.  R.  comit.  geolog. 
■d'Italia  1878,  fasc.  11  u.  42.) 


344  Eadiolaria. 

.S(i.    Brandt,  K,,  Untersucliungeu  au  Kadiolarieii.    Moiiatsber.  d.  Beil.  AKad.    ls'>l.  \>.  38S — 

4U4.  1  Taf. 
Hl.    Häckel,  E.,  Entwurf  ciues  Eadiolarien-Systeiiis  auf  Grund  von  Studien  der  Ohalleng'er- 

Eadiolarien.     Jen.  Zeitsclir.  für  Naturwiss.  Bd.  XV.  jx  418—472.   ISSl. 
88.    Bütsclili,  O.,  Beiträge  zur  Kenntniss  der  Kadiolarienskelete.  insbesondre  der  der  Gyrtida. 

Zeitsclir.  f.  wiss.  Zoologie  Bd.  XXXVI-  p.  485—540.  T.  XXXI— XXXIII.  1881. 
HQ.    Geddes,   P. ,    Furtlier  researclies  on  Animals   containing  cliloropliyll.     Naturc.  Vol.  '2b. 

Nr.  639.  1882.  p.  303—305. 


2.  Kurzer  teberblick  der  iiiori)liolo»isclieii  Auflassiui«'  und  tlestaltunu 
des  Riidioliu ienkörpers ,  sowie  der  Hauptgrupueu  dieser  Abtlieilung. 

Wie  schon  früherhiii  (p.  1  und  2)  und  am  Schlüsse  unsres  histori- 
schen Ueberblicks  hervorgehoben  wurde,  haben  wir  den  Körper  eines 
mouozoen  Radiolars  morphologisch  als  eine  einfache  Zelle  aufzufassen, 
eine  Zelle,  welche  theils  einkernig,  wie  im  jugendlichsten  Zustand  wohl 
durchaus,  theils  mehr-  bis  vielkernig  erscheint.  Als  die  ursprüngliche  und 
auch  bei  zahlreichen  ßadiolarien  noch  dauernd  erhaltene  Gestaltung  des 
Körpers  erscheint  uns  wie  bei  den  Heliozoen  die  kuglige  oder  homaxone, 
welche  auch,  wie  bei  den  meisten  Heliozoen,  dadurch  noch  schärfer  aus- 
geprägt wird,  dass  die  stets  feineu,  strahlenartigen  Pseudopodien  allseitig 
von  der  Körperoberfläche  entspringen  und  nach  allen  Richtungen  gleich- 
massig  entwickelt  erscheinen.  Im  Gegensatz  zu  denen  der  meisten  Helio- 
zoa  verrathen  die  Pseudopodien  der  Radiolarien  nicht  selten  eine  grössere 
Neigung  zu  Verästelungen  und  Anastomosen ,  nähern  sich  also  in  dieser 
Hinsicht  etwas  mehr  denen  vieler  Rhizopoda,  ohne  dass  jedoch  so  reich 
verzweigte  Pseudopodiennetze  gebildet  würden,  wie  sie  einem  grossen 
Theil  der  Rhizopoda  eigenthümlich  sind.  Gewisse  später  zu  besprechende 
Eigenthümlichkeiten  der  Pseudopodien  einer  Anzahl  Radiolarien  erweisen 
noch  innigere  Beziehungen  zu  denen  der  Heliozoa. 

Wenn  nun  auch  durch  die  allgemeine  Körpergestaltung  und  weitere, 
im  Verlaufe  uusrer  Darstellung  zu  berührende  Eigenthümlichkeiten  sich 
recht  innige  Beziehungen  zu  den  Heliozoen  aussprechen,  so  scheiden  die  Ra- 
diolarien sich  doch  von  diesen  durch  die  stete  Anwesenheit  einer  sehr  wichtigen 
und  interessanten  Skelet-  oder  Hüllbildung  im  Allgemeinen  recht  scharf*). 
Dieses  Hüllgebilde  umschliesst  in  Form  einer  ursprünglich  kugligen  (ent- 
sprechend der  homaxonen  Grundgestalt),  meist  sehr  dünnwandigen  Kapsel 
(sogen.  Centralkapsel)  den  grössten  Theil  des  protoplasmatischen  Weich- 
körpers, gestattet  dem  Protoplasma  jedoch  den  Austritt,  indem  die  Kapsel- 

*)  Eine  Anzahl  Erfahrungen  der  neueren  Zeit,  welche  erst  später  eingehender  besprochen 
werden  liönnen.  erwecken  Zweifel  über  die  ganz  allgemeine  Verbreitung  der  sogen.  Central- 
Icapselhülle  bei  den  Eadiolarien  oder  scheinen  doch  dafür  zu  sprechen  ,  dass  es  häiilig  erst 
sehr  spät  im  Leben  der  Eadiolarien  zur  deutlichen  Ausbildung  einer  solchen  Hülle  kommt. 
Diese  Angelegenheit  besitzt  eine  sehr  grosse  Bedeutung  für  die  morphologische  Vergleichung 
unsrer  Abtheilung  mit  den  beiden  früher  besprochnen  der  Sarkodinen ;  im  Allgemeinen  scheint 
mir  die  liier  vorgetragne  Ansicht  bis  jetzt  noch  die  grössere  ^^'ahrscheinlichkeit  für  sich  zu 
haben.    Genaueres  folgt  siiliter  bei  der  speciellen  Betrachtung  der  Centralkapsel. 


Allg.  Auffassung-  des  Radiolarieuorganismus.  345 

waucl,  in  dem  uline  Zweifel  iirs5i)iüiiglichstcii  Ziisttuid,  von  uiigeiiieiu  zaljl- 
reichen  dichtgestellteu,  feinsten  Porcnkanälchen  durchsetzt  wird.  Hierdurch 
wird  es  denn  ermöglicht,  dass  sich  auch  auf  der  Aussenfiäche  der  Kapsel- 
wand stets  eine  Protoplasmaschicht  auflagert,  von  welcher  die  Pseudo- 
podien ihren  Ursprung  nehmen.  Bei  den  Heliozocn  treffen  wir  nichts 
dieser  Centralkapsel  vergleichbares  au,  dagegen  lässt  sich  dieselbe  wohl 
mit  den  einfachsten  chitinüsen  llüllgebilden  der  Phizopoden  parallelisiren, 
wenn  diese  auch  gewöhnlich  nicht  porös,  sondern  solide  erscheinen  und 
nur  äusserst  selten  (so  Microcometes)  eine  homaxone  Gestaltung  auf- 
weisen. Dagegen  dürfen  wir  jedoch  anfuhren,  dass  auch  die  höher 
entwickelten  HüUgebildc  der  Ehizopoden  grossentheils  eine  poröse  und 
häufig  sehr  fein  poröse  Beschaffenheit  besitzen,  und  dass,  wenn  dies  auch 
nur  bei  kalkschaligen  Formen  der  Fall  ist,  diese  Kalkschale  doch 
durchaus,  wie  es  scheint,  von  einem  primären  chitinigen  Hüllhäutchen 
ausgekleidet  wird.  In  Uebereinstinmiung  mit  dem  Verhalten  der  Radio 
larien  finden  wir  denn  auch  zuweilen  bei  Rhizopoden,  dass  das  Protoplasma, 
aus  dem  Innenraum  der  Schale  hervortretend,  auch  eine  äussere  Ueber- 
lageruug  derselben  bildet. 

Wenn  wir  oben  die  homaxone  Gestaltung  des  Radiolarienkörpers 
sammt  seiner  Centralkapsel  als  den  ursprünglichen  Zustand  bezeichneten, 
so  gründet  sich  dies,  wie  im  Verlaufe  unsrer  Darstellung  noch  ausführ- 
licher zu  zeigen  sein  wird,  auf  die  Thatsache,  dass  diese  Bauweise  den 
einfachsten  Formen  im  Allgemeinen  eigenthümlich  ist,  und  dass  sich  die 
abweichenden  Gestalten  am  besten  von  einer  solchen  Grundform  ableiten 
lassen.  Alle  die  Formen  aber,  welche  diese  ursprüngliche  Beschaffenheit 
im  Bau  ihres  Körpers  und  speciell  ihrer  Centralkapsel  noch  verrathen, 
wollen  wir  nach  dem  Vorgange  R.  Hertwig's*)  als  Peripylea  (oder  Peri- 
pylaria  Hck.  1881,  wegen  der  zahlreichen  und  allseitigen  Durchbohrungen 
ihrer  Centralkapselwand)  bezeichnen  und  als  eine  Unterabtheilung  zu- 
sammenfassen. I^Jchon  unter  diesen  Formen  machen  sich  jedoch  zum  Theil 
Modificationeu  der  Körpergestalt  geltend,  welche  sich  hauptsächlich  in  der 
Form  der  Centralkapsel  und  dem  Bau  des  erst  später  zu  erörternden 
Skelets  aussprechen.  Durch  Auswachsen  der  Centralkapsel  in  einer  be- 
stimmten Richtung  oder  durch  Abplattung  derselben  bilden  sich  monaxone, 
gleichpolige  Gestalten  aus,  ja  es  kann  die  Centralkapsel  in  dieser  Ab- 
theilung im  Zusammenhang  mit  Eigenthümlichkeiten  der  Skeletentwick- 
lung  noch  tiefergehende  Modificationen  aufweisen. 

Tiefergehende  Umgestaltung  der  Centralkapsel  führt  uns  jedoch  zu 
einer    zweiten    Unterabtheilung   (Ordnung)   der   Radiolarien ,    den   sogen. 


*)  Hertwig  (33)  und  nach  ihm  Häckel  (37)  beschränken  diesen  Namen  nur  auf  einen 
Theil  unsrer  Peripylaria.  nämlich  die  von  uns  als  reguläre  und  irreguläre  Sphaeridea  zusam- 
mengefassten  Formen.  Häckel  verwendet  für  unsre  Peripylaria  auch  den  Gesammtnamen 
Holotrypasta,  schliesst  jedoch  die  koloniebildcnden  Sphaerozoen  Hertw.  (■=  Polycyttaria  Hck.) 
von  diesen  aus,  eine  Ansicht,  welche  ich  nicht  fiir  gerechtfertigt  halte. 


S4P>  Radiolaria. 


31uüopylea  Hertwig  s  ■•^).  Hier  hat  die  Kapsel  nicht  nur  häufig  durch 
Auswachsen  in  einer  bestimmten  Richtung  eine  ellipsoidische  Gestalt  ange- 
nommen, sondern  es  ist  auch  die  gleichmässige  Perforirung  verloren  ge- 
gangen. Die  Poren  haben  sich  auf  ein  Feld  des  einen  Pols  lokalisirt, 
während  die  übrige  Kapselwand  solid,  undurchbohrt  erscheint.  Bei  diesen 
Formen  ist  demnach  die  Kapsel  monaxon  und  ungleichpolig  umgestaltet 
worden  und  dieser  Gestaltungscharakter  prägt  sich  bei  dieser  Abtheilung 
auch  in  der  Skeletentwicklung  durchgängig  aus,  ja  es  zeigen  die  Skelete 
meist   sogar   einen   deutlich  bilateral-symmetrischen  Entwicklungstypus. 

Nach  einer  andern,  leider  bis  jetzt  noch  nicht  ausreichend  bekannten 
Richtung  hat  sich  die  Kapsel  bei  einer  dritten  Unterabtheilung  der  Radio- 
larien  modificirt,  bei  den  sogen.  Phaeodaria  Häckel's  (den  Tripylea 
Hertwig's).  Festzustehen  scheint,  dass  sich  die  Kapselwand  dieser  Formen 
stets  aus  zwei  Membranen  zusammensetzt  und  dass  statt  der  dichten,  feineu 
Poren  der  Peripyleen  sich  eine  verschiedene  Anzahl  grösserer,  eigenthüm- 
lich  gebauter  Oeffnungen  in  der  Kapselwand  vorfindet,  welche  bis  zur 
Drei-,  Zwei-  und  Einzahl  herabsinken  können.  In  Zusammenhang  damit 
nimmt  dann  die  ursprünglich  kuglige  Kapsel  auch  hier  z.  Th.  eine  mon- 
axone,  z.  Th.  eine  dipleurische  (bilateral-symmetrische)  Gestalt  an. 

Wie  manche  Rhizopoden  und  Heliozoen  zeigen  auch  die  Radiolarien, 
im  Gegensatz  zu  den  früher  besprochnen  Abtheilungen  jedoch  ganz  allgemein, 
eine  gallertige  Umhüllung  ihres  Körpers,  welche  manchmal  noch  besondere 
Modificationen  aufweist  und  häutig  eine  sehr  mächtige  Entwicklung  erreicht. 
Eine  besondere  Wichtigkeit  und  hohes  Interesse  beanspruchen  weiterhin 
die  Skeletbildungen,  welche  bei  den  meisten  Radiolarien  entwickelt  sind 
und  welche  sich  wenigstens  z.  Th.  denen  der  Heliozoen  am  nächsten  an- 
schliessen  lassen. 

Was  für  die  Skeletbildungen  unsrer  Gruppe  zunächst  eigenthümlich 
erscheint,  ist,  dass  sie  sich  durchaus  nicht  stets  an  der  Oberfläche  des 
Weichkörpers  hervorbilden ,  sondern  sehr  häufig  zum  grösseren  Theil  in 
den  protoplasmatischen  Weichkörper  selbst  eingelagert  sind.  Ihrer  chemi- 
schen Natur  nach  weisen  sie  zweierlei  Modificationen  auf,  indem  sie  bei 
einem  Theil  der  Peripylaria  (den  Acanthometreen)  ganz  allgemein  aus 
einer  organischen  Substanz  bestehen,  bei  den  übrigen,  an  Zahl  überwie- 
genden Radiolarien  dagegen  wesentlich  aus  Kieselsäure  aufgebaut  sind. 
Auch  die  morphologische  Entwicklung  der  Skelete  ist  eine  so  verschieden- 
artige, dass  eine  Ableitung  aller  von  gemeinsamer  Grundlage  sicher  aus- 
geschlossen erscheint.  Diese  Ansicht  wird  denn  auch  noch  weiterhin 
dadurch  bestätigt,  dass  sich  sowohl  unter  den  Peripylaria  wie  Monopylaria 
und  Phaeodaria   skeletlose  Formen  finden ,   was   eine  selbstständige  Ent- 


*)  Monopylaria  Hck.  1881.  DieseDjeu  werden  mit  den  gleich  zu  erwäbneiiden  Phaeo- 
daria im  Gegensatz  zu  den  sogen.  Holotrypasta  als  Merotrypasta  zusammengefasst,  so  dass  also 
Häckel  drei  grosse  ünterabtheilungcn  unterscheidet:  1.  Holotrypasta.  2.  Merotrypasta  und 
fi.  Polycyttaria  (==  Sphaerozoöa  Hertw.). 


ÄUtr.  AiiffassuDii-  ilei*  Radiolaricn.  Skeletbau.  347 

stehiiiig  der  SkeletbilduDgen  dieser  Untergruppen  sehr  walirsclieiiilieli 
macht.  Innerhalb  der  Peripylaria  in  nnserm  Sinne  lassen  sich  dann 
weiterhin  noch  zum  mindesten  zwei  Skelettypen  unterscheiden ,  welche 
selbstständig'  neben  einander  hergehen. 

lieber  den  allgemeinen  morphologischen  Aufbau  der  Skelete  sei 
hier  nur  soviel  bemerkt,  dass  dieselben  seltner  aus  losen,  nadel-  oder 
stachelartigen  Elementen,  ähnlich  denen  der  Heliozoen  bestehen,  meist 
dagegen  als  zusammenhängende,  gitterförmig  durchlöcherte  Skelethüllen 
erscheinen ,  deren  specielle  Gestaltung  die  allergrösste  Mannigfaltigkeit 
aufweist. 

Die  Morphologie  der  Radiolarienskelete  verräth  eine  reiche,  nach 
verschiedenen  Richtungen  hin  zur  Geltung  kommende  Umgestaltungs- 
tahigkeit  der  auch  für  die  Skeletbildungen  meist  ursprünglichen,  hom- 
axonen  Grundform.  Dieselbe  kann  in  eine  monaxone,  gleich-  oder  un- 
gleichpolige, in  eine  zwei-  oder  mehrstrahlige  und  endlich  auch  eine 
mehr  oder  minder  deutlich  bilateral-symmetrische  übergehen,  wobei  dann 
noch   zahlreiche    specielle   Ausbildungsverhältnisse    zu    verzeichnen    sind. 

Hinsichtlich  ihrer  Fortpflanzungserscheinungen  zeigen  die  Radiolarien 
einen  ziemlich  innigen  Anschluss  an  die  seither  schon  betrachteten  Ab- 
theilungen der  Sarkodinen,  trotz  einer  recht  eigenartigen  Gestaltung  des 
Hauptfortpflanzungsactes.  Abgesehen  von  dem  Vorkommen  eines  ein- 
fachen Theilungsprocesses,  der  sich  vielleicht  dem  der  einfacheren  Rhizo- 
poden-  anreihen  lässt,  indem  auch  hier  die  Wandung  der  Centralkapsel 
mit  in  den  Theilungsprocess  hereingezogen  wird,  finden  wir  bei  den  Ra- 
diolarien, wie  es  scheint  allgemein  verbreitet,  eine  Schwärmerbildung,  der 
wir  auch  schon  bei  den  beiden  vorhergehenden  Abtheilungeu  gelegentlich 
begegneten.  Diese  Schwärmerbildung  ist  jedoch  hier  dadurch  besonders 
interessant,  dass  der  Gesammtkörper  in  eine  grosse  Zahl  solcher  Schwär- 
mer zerfällt,  was  jedoch  nicht  ohne  Analogie  mit  gewissen  Fortpflanzungs- 
vorgängen der  beiden  schon  besprochnen  Klassen  der  Sarkodinen  ist. 
Gewisse  Besonderheiten  in  der  Schwärmerbildung  weisen  vielleicht  auch 
auf  geschlechtliche  Copulationsvorgänge  hin,  welche  aber  bis  jetzt  nicht 
näher  erforscht  sind.  Leider  gilt  dies  auch  von  der  Entwicklung  der 
Schwärmsprösslinge  zur  definitiven  Radiolariengestalt,  was  sehr  zu  be- 
dauern ist,  da  wohl  allein  die  thatsächliche  Feststellung  dieses  Vorganges 
eine  Anzahl  wichtiger  morphologischer  Fragen  über  die  Auffassung  des 
Radiolarienkörpers  und  seiner  Theile  endgültig  entscheiden  wird. 

3.  Der  Skeletbau  der  RRdioIarieii, 

Wie  schon  bei  den  Rhizopoden  halten  wir  es  auch  bei  dieser  Ab- 
theilung für  angerathen,  der  Betrachtung  des  Weichkörpers  diejenige  des 
Skeletbaues  voranzuschicken,  da  dieselbe  bei  den  allermeisten  Formen 
die  Gestaltung  und  äussere  Erscheinung  wesentlichst  bedingt.  Schon  bei 
früherer  Gelegenheit  wurde  jedoch  hervorgehoben,  dass  es  eine  Anzahl 


348  Radiolaria. 

Formeu  gibt,  welche  sich  durch  völligen  Skeletmaugel  auszeichuen  iiud 
wohl  ohne  Zweifel  verrathen,  dass  die  Gmndziige  der  Radiolarienorgani- 
sation  schon  vor  der  Entwicklung  von  Skeletelementen  zur  Ausprägung 
gekommen  sind,  d.  h.  dass  die  Urformen  der  Radiolarien  skeletlos  ge- 
wesen sind.  Die  Richtigkeit  dieser  Vermuthung  wird  auch  noch  weiter- 
hin dadurch  belegt,  dass  wir  in  verschiedenen  Radiolarienabtheilungen 
solche  skeletlose  Formen  antreffen,  so  in  der  Abtheilung  der  Peripylaria 
gewisse  CoUiden  (Thalassicolla  und  Thalassolampe)  und  Sphaerozoeeu 
(Collozoum),  in  der  Abtheilung  der  Phaeodariae  die  skeletlosen  Phaeodi- 
nidae  Häckel's  und  unter  den  Monopylaria  die  zwar  nicht  ganz  sichere 
Gattung  Cystidium  Hertwig's.  Diese  Thatsacheu  scheinen  es  denn  auch 
weiterhin  sicherzustellen,  dass  die  phylogenetische  Hervorbildung  dieser 
drei  Unterabtheilungen  schon  zu  einer  Zeit  stattgefunden  hat,  wo  das 
Ökelet  noch  fehlte ,  worauf  andrerseits  auch  der  grundverschiedne  Typus 
der  Skeletbildung  in  diesen  3  Abtheilungen  hinweist. 

A.   Natur  der  Skeletsubstau z. 

Auch  im  Hinblick  auf  die  chemische  Natur  der  Skeletsubstanz  ver- 
halten sich  die  Radiolarien,  wie  erwähnt,  nicht  gleich,  so  dass  sich  zwei 
durch  Verschiedenheit  •  der  Skeletsubstanz  ausgezeichnete  Gruppen  unter- 
scheiden lassen.  Die  erste  derselben  umfasst  nach  den  neueren  Erfah- 
rungen die  Ordnung  der  Acanthometrea  Hertw.  *),  unter  den  Peripylaria,  die 
zweite  dagegen  sämmtliche  übrigen  skeletführenden  Radiolarien  der  ver- 
schiedenen Unterabtheilungen.  Bei  den  Acanthometreen  bestehen  die 
Skeletelemente,  welche  J.  Müller  für  durchaus  kieselig  hielt,  aus  einer 
organischen  Substanz,  wie  zuerst  Häckel  (16)  für  einen  Theil  derselben 
nachwies  und  Hertwig  (33)  hierauf  für  die  gesammte  Gruppe  ziemlich 
ausreichend  erwies.  Es  geht  dies  aus  dem  Verhalten  der  Skeletelemente 
beim  Glühen  und  bei  der  Behandlung  mit  Säuren  oder  Alkalien  hervor. 
Durch  Glühen  werden  sie  zerstört,  wie  dies  wenigstens  für  eine  Anzahl 
Acanthometreen  durch  Häckel  erwiesen  ist,  durch  Behandlung  mit  Säuren, 
Schwefel-,  Salz-  und  Salpetersäure,  jedoch  auch  schon  Osmium-  und  Essig- 
säure, ebenso  wie  durch  kaustisches  Kali  werden  sie  rascher  oder  lang- 
samer gelöst.  Die  Lösung  ist  eine  sehr  vollständige,  so  dass  nach  den 
Erfahrungen  Hertwig's  schliesslich  nur  ein  äusserst  feines  Häutchen  als 
Rest  eines  ganzen  Skeletstachels  zurückbleibt,  das  jedoch  mögli<}herweise 
nicht  einmal  wirklich  als  Theil  des  Stachels  zu  betrachten  ist,  sondern  nur 
von  einem  äusseren  Plasma-  oder  Gallerteüberzug  herrühren  mag.  Brandt 
(36)  hat  neuerdings  weiterhin  festgestellt,  dass  auch  schon  1 7o  Soda- 
und  10—20%  Kochsalzlösung  die  Skeletelemente  der  Acanthometreen 
nach  längerer  Einwirkung  lösen  und  detinirt  daher  die  organische  Substanz, 
das  sogen.  Acanthin  Häckel's,  als  einen  Eiweisskörper  (Vitellin),  aus 
welchem  nach  ihm   auch  die  Axenfäden   der  Pseudopodien  bei  Heliozoen 


*)  =  Acantharia  Hck.  1881. 


Clieiii.  Natur  der  Skclcte,  349 

und  Radiolarien  (speciell  Acantbome(reeu)  bestehen.  Ei'  schliesst  denn 
auch  hieraus,  dass  die  Skeletelemente  der  Acanthometreen  Weiterbil- 
dungen der  Pseudopodienaxenfäden  darstellen*).  In  Uebereinstimnuing 
mit  der  geschilderten  Natur  der  Skeletsubstanz  der  Acanthometreen  steht 
dann  auch  die  Erscheinung,  class  bis  jetzt  weder  in  Kadiolarienablage- 
rungen  unsrer  Meere,  noch  denen  aus  früheren  Epochen,  Acanthometreen- 
reste  angetroffen  worden  sind.  Es  ist  dies  ja  auch  nach  den  neueren 
Ermittlungen  nicht  anders  zu  erwarten. 

Fraglich  erscheint,  ob  auch  noch  anderwärts  in  der  Reihe  der 
Radiolarien  eine  organische  Substanz  in  ähnlicher  Weise  das  Skelet- 
material  bilden  kann.  Bis  jetzt  spricht  hierfür  nur  eine  einzige  Beobach- 
tung Häckel's  (16),  der  bei  einem  Exemplar  der  Collide  Thalassosphaera 
Morum  J.  M.  eine  Lösung  der  eigenthtimlichen  Skeletgebilde  durch 
Schwefelsäure  beobachtete,  während  die  eines  zweiten  Exemplars  sich 
sowohl  bei  der  Behandlung  mit  Schwefelsäure  wie  beim  Glühen  erhielten. 

Immerhin  dürfte  es  sich  empfehlen,  die  chemische  Natur  der  Acantho- 
metreenskelete  in  der  Zukunft  noch  etwas  schärfer  ins  Auge  zu  fassen. 
Häckel  (16)  wollte  die  organische  Natur  der  Skeletgebilde  nur  für  einen 
Theil  der  Acanthometreen  gelten  lassen  und  neigte  sich  auch  der  An- 
nahme zu,  dass  zum  Theil  eine  spätere  Verkieselung  stattfinde.  Auch 
in  seiner  neuesten  Publikation  über  Radiolarien  (37)  betont  Häckel,  dass 
die  Acanthometreenskelete  in  seltenen  Fällen  verkieselt  seien.  Hertwig 
dagegen  glaubt,  aus  seinen  ziemlich  ausgedehnten  Erfahrungen  den 
Schluss  ziehen  zu  müssen,  dass  die  Acanthometreen  durchweg  unver- 
~  kieselte  Acanthinskelete  besässen.  Eigenthümlich  erscheint  es,  wie  Joh. 
Müller  sieb  unter  solchen  Umständen  seiner  Zeit  überzeugen  konnte 
(8,  p.  249),  dass  die  Stacheln  der  Acanthometreen  nach  der  Verbrennung 
erhalten  bleiben. 

Im  Anschluss  an  vorstehende  Besprechung  der  sogen.  Acanthinskelete 
bemerken  wir  gleich  einige  Worte  über  die  einzige  bis  jetzt  vorliegende 
Beobachtung  kalkiger  Skeletgebilde  bei  Radiolarien.  Eine  von  der 
Challengerexpedition  im  pacifischen  Ocean  sehr  häufig  gefundene  Form, 
welche  von  Wyw.  Thomson  (31,  II.  p.  233)  Calcaromma  calcarea  genannt 
wird,  soll  Sporenrädchen  gleichende,  kalkige  Skeletgebilde  besitzen.  Es 
mag  schon  hier  bemerkt  werden ,  dass  diese  Calcaromma  sich  meiner 
Meinung  nach  zunächst  an  die  Thalassosphaera  Morum  anschliesst,  viel- 
leicht sogar  damit  identisch  ist,  was  um  so  interessanter  erscheint,  als, 
wie  bemerkt,  schon  Häckel  seiner  Zeit  bei  einer  Thalassosphaera  die 
Löslichkeit  der  drusenartigen  Skeletgebilde  in  Schwefelsäure  beobachtet 
bat**). 


*)  Yergl.  hierüber  die  Besprecliung  der  Axenfädeii  der  Heliozocn  pag.  287  und  weiter 
unten  die  der  Radiolarien.  Aucli  in  ihrem  Liehtbrechungsvermögen  unterscheiden  sich  die 
sogen.  Acanthinskelete  von  den  Kieselskeleten,  da  die  ersteren  nach  Hertwig  in  Glycerin  deut- 
lich sichtbar  bleiben,  die  letzteren  dagegen  darin  nahezu  verschwinden. 

**)  Häckel  scheint  von  der  Eichtigkeit   der  Thomsonschen  Beobachtung  kalldger  Skelet- 


350  -  Uadiolaria. 

Alle  übrigen  Radiolarien  besitzen  kieselige  Skelete,  welche  daher  so- 
wohl starken  Mineralsäuren  wie  der  Glühhitze  Widerstand  leisten.  Ge- 
naueres über  die  chemische  Zusammensetzung  der  Kieselskelete  wurde 
jedoch  bis  jetzt  nicht  ermittelt.  Häckel  bezeichnet  sie  als  reine  Kiesel- 
säure, jedoch  wäre  es  ja  immerhin  möglich,  dass  noch  eine  sehr 
spärliche  Beimischung  organischer  Substanz  vorhanden  wäre,  wie 
solches  ja  für  Kieselgebilde  anderer  Organismen  zum  Theil  erwiesen  ist. 
Brandt  spricht  sich  denn  auch  neuerdings  (36)  für  die  Gegenwart  einer 
solchen  organischen  Grundlage  der  Kieselskelete  aus,  da  er  ein  Wachsthum 
derselben  durch  Intussusception  aus  seinen  Beobachtungen  folgern  musste*). 

Sowohl  die  Acanthin-  wie  die  Kieselskeletgebilde  sind  fast  stets  völlig 
homogen,  durchsichtig  und  farblos ;  nur  in  den  seltensten  Fällen  zeigt  sich 
eine  innere  Structur  oder  eine  Färbung.  Eine  Art  krystalliuischer  Structur 
ist  bis  jetzt  nur  bei  der  sehr  dickschaligen  SkelethttUe  einer  Acantho- 
metree,  also  einem  Acanthinskelet,  beobachtet  worden,  gefärbte  stahlblaue 
Skeletgebilde  dagegen  bei  der  schon  obenerwähnten  Thalassosphaera 
morum,  bei  der  eigenthümlichen  Acanthometride  Lithophyllium  (Xipha- 
cantha  Hck.)  foliosum  Müll,  weisen  die  Stacheln  an  den  Enden  eine 
violette  Färbung  auf. 

Hinsichtlich  ihrer  Festigkeit  zeigen  sowohl  die  Acanthin-  wie  die 
Kieselskelete  ziemliche  Verschiedenheiten.  Wir  treffen  darunter  sowohl 
sehr  spröde,  leichtzerbrechliche,  wie  recht  biegsame  und  in  hohem  Grade 
elastische  an. 

B.   Morpholpgisclier  Aufbau  der  Eadiolarienskelete. 

Schon  mehrfach  mussten  wir  hervorheben,  dass  die  Untersuchung  der 
Morphologie  der  Radiolarienskelete  uns  eine  Reihe  verschiedenartiger, 
wahrscheinlich  überhaupt  nicht  aufeinander  zurückführbarer  Skelettypen 
kennen  lehrt,  nämlich  1)  die  Acanthin-  oder  Acanthometreenskelete,  2)  die 
Sphaeroidskelete  der  übrigen  Peripylaria,  3)  die  Skelete  der  Phaeodaria 
oder  die  Hohlskelete,  wie  man  sie  vielleicht  auch  bezeichnen  dürfte,  und 
4)  die  Skelete  der  Monopylaria  oder  die  Cricioidskelete.  Wir  halten  es 
am  passendsten,  die  Skeletgebilde  in  der  erwähnten  Reihenfolge  zu  be- 
trachten. Indem  wir  hierbei  nach  Möglichkeit  einen  genetischen  Weg 
einzuschlagen  versuchen,  wird  uns  diese  Uebersicht  der  Morphologie  des 
Skeletes  gleichzeitig  einen  ziemlich  vollständigen  Ueberblick  der  gesamm- 
ten  Radiolariengruppe  und  der  Grundzüge  ihrer  natürlichen  Systematik 
darbieten. 


gebilde  überzeugt  zu  sein,  da  er  (37")  auch  von  sehr  seltenen,  kalkigen  Skeletgebilden  spricht, 
ohne  jedoch  die  Calcaromma  Thomson's  in  seinem  Systementwurf  aufzuführen.  Wahrscheinlich 
hält  er  sie  demnach  ebenfalls  für  identisch  mit  Thalassosphaera  J.  M. 

*)  Die  zweite  Möglichkeit,  welche  er  gleiclifalls  ins  Auge  fasst,  dass  nämlich  die  sogen. 
Kieselskelete  möglicherweise  aus  einer  organischen  Silicium Verbindung  beständen,  halte  ich  für 
sehr  unwahrscheinlirli. 


Skelete  der  Acaiithoüictrccii.  351 

f^   Die  Acanthometreen-  oder  Acanthiuskelete. 

Nicht  nur  die  bemerlienswerthe  chemische  Zusammensetzung,  sondern 
auch  der  morphologische  Aufbau  charakterisirt  die  Skeletbildungen  der 
Acanthometreen  (oder  Acantharia  Hck.  1881)  als  eigenthümliche  oder 
selbststäudige,  welche  denen  der  übrigen  Radiolarien  gegenübergestellt  zu 
werden  verdienen.  Zunächst  zeichnen  sich  die  Skeletbildungen  dieser 
Gruppe  dadurch  aus,  dass  sie  wenigstens  ursprünglich  aus  isolirten,  nadel- 
oder  stachelartigen  Elementen  bestehen ,  welche  zwar  bei  nicht  wenigen 
Formen  fest  untereinander  verschmolzen  sind;  doch  dürfte  wohl  sicher 
anzunehmen  sein:  dass  diese  Verschmelzung  ein  secundärer  Bildungs- 
zustand des  Acanthometreenskeletes  ist,  welcher  sich  in  selbstständiger 
Weise  aus  dem  ursprünglichen  Verhalten  in  verschiedenen  Unterabthei- 
lungen entwickelt  hat.  Weiterhin  ist  jedoch  für  diese  Skeletformen  noch 
besonders  charakteristisch,  dass  sie  stets  zum  grossen  Theil  im  proto- 
plasmatischen Weichkörper  eingelagert  sind  und,  stets  in  das  intra- 
kapsuläre  Protoplasma  eindringend,  sich  strahlenartig  um  das  Centrum 
der  Kapsel  gruppiren,  das  selbst  von  den  centralen  Stacheltheilen  gebildet 
oder  eingenommen  wird. 

Schwieriger  erscheint  es,  auf  Grund  unsrer  heutigen  Kenntnisse  zu 
ermitteln,  welche  der  zahlreichen  Acanthometreenformen  uns  wohl  den 
primitivsten  Skeletbau  vorführt.  Es  ist  daher  auch  mehr  der  Gang  der 
Darstellung,  als  sichere  Ueberzeugung  der  Ursprünglichkeit,  welcher  uns 
veranlasst,  den  Skeletbau  der  Gattung  Actinelias  Hck.*)  hier  zunächst  zu 
besprechen. 

Bei  einer  solchen  Form  besteht  das  Skelet  aus  einer  schwankenden 
(vielleicht  mit  dem  Alter  zunehmenden)  Zahl  von  cylindrischen  oder  vier- 
kantigen und  an  ihrem  peripherischen  Ende  zugespitzten  Stacheln,  welche 
sämmtlich  im  Centrum  der  Centralkapsel  zusammengestemmt,  jedoch  nicht 
mit  einander  verwachsen  sind.  Diese  Zusammenstemmung  im  Centrum 
wird  dadurch  ermöglicht,  dass  das  centrale  Ende  der  Stacheln  vierseitig 
zugespitzt  ist.  Irgend  eine  Regelmässigkeit  in  der  Anordnung  der  bis 
zur  Zahl  40  vorhandenen  Stacheln  existirt  nicht,  was  dieser  und  einer 
verwandten  Form**)  vielleicht  ein  Anrecht  gibt,  zu  den  primitivsten 
Acanthometreen  gerechnet  zu  werden. 

Die  Stacheln  der  eben  besprochnen  Form  sind,  wie  die  der  Acantho 


*)  Im  neuen  Systementwurf  HäckeFs  von  J881  fehlt  der  Name  Actinelius,  er  ist  in 
Astrolophxis  umgewandelt,  welch  letztere  Gattung-  daher  unrichtig  als  „neu"  bezeichnet  wird. 
Ich  werde  mich  im  Folgenden  möglichst  an  die  alten  Namen,  wie  sie  sich  in  Häckel's  Mono- 
graphie finden,  halten,  und  nur  für  wirklich  neue  Formen  auch  die  neue;i  Bezeichnungen  an- 
wenden. 

**)  Diese  sehr  eigenthümlich  modificirte'^Form  ist  die  Gattung  Litholophus  Hck.  (XX'V  III.  1), 
welche  in  der  Weise  aus  Actinelius  herzuleiten  ist,  dass  die  allseitig  vom  Centriim  ausstrahlenden 
Stacheln  dieses  letzteren  nur  in  einem  Quadranten  zur  Ausbildung  gelangt  sind ,  demnach  zu- 
sammen ein  kegelförmiges  Stachelbiischel  formircn. 


352  Radiolaiia. 

metreen  überhaupt,  durchaus  solide,  was  vielleicht  einer  besonderen  Be- 
tonung bedarf,  da  die  Ötachelgebilde  der  Acanthometreen  längere  Zeit 
auf  Grund  der  Angaben  Clapaiede's  und  Joh.  MüUer's  für  hohl  gehalten 
worden  sind.  Durch  Hackers  Untersuchungen,  welche  in  der  Folge 
Wallich  (17)  und  Hertwig  bestätigten,  hat  sich  ergeben,  dass  der  ver- 
meintliche Stachelkanal,  durch  welchen  ein  an  der  Stachel basis  eintreten- 
des Pseudopodium  hindurchlaufen  und  au  der  Stachelspitze  wieder  aus- 
treten sollte,  auf  einer  Täuschung  beruhte,  hervorgerufen  durch  die  häufig 
blattartig  vorspringenden  Kanten  der  Stacheln. 

Bei  allen  übrigen  Acanthometreen  herrscht  in  Bezug  auf  Zahl  und 
Stellung  der  Skeletstacheln ,  welche  im  Uebrigen  nach  dem  allgemeinen 
Typus  des  Actinelius  zusammengestellt  sind,  eine  sehr  interessante  Gesetz- 
mässigkeit, welche  zwar  einige  Modificationen  erfahren  kann,  jedoch  im 
Grunde  durchaus  herrschend  erscheint.  Diese  Gesetzmässigkeit  wurde, 
wie  bemerkt,  schon  von  Joh.  Müller  in  einigen  Fällen  sicher  beobachtet 
und  scharf  formulirt;  den  Nachweis  ihrer  Gültigkeit  durch  die  ganze 
Reihe  der  Acanthometreen  (mit  Ausnahme  der  schon  besprochuen  Litho- 
lophida)  verdanken  wir  jedoch  Häckel.  Das  Gesetz  selbst,  welches  wohl 
nach  seinem  Entdecker  mit  Recht  das  Müller'sche  genannt  wird ,  lässt 
sich  etwa  folgendermaassen  formulireu.  Es  sind  stets  20  Stacheln  vor- 
handen, welche  vom  Centrum  der  Centralkapsel  ausstrahlen  und  diese  20 
Stacheln  ordnen  sich  so  zusammen,  dass  fünf  Kränze  von  je  vier  Stacheln 
um  eine,  durch  keine  Einlagerung  von  Stacheln  bezeichnete  Hauptaxe,  in 
verschiedner  Neigung  zu  letzterer,  herumgestellt  sind.  Diese  fünf  Kränze 
aber  von  je  vier  Stacheln  ordnen  sich  in  folgender  Weise  um  die  ideale 
Hauptaxe  (s.  T.  XXVH.  Fig.  8  b).  Ein  mittlerer  Kranz  von  vier  in  einer 
Ebene  gelegenen  Stacheln  geht  durch  den  Mittelpunkt  der  Hauptaxe,  so 
dass  die  vier  ihm  angehörigen  Stacheln  senkrecht  zu  letzterer  und  auch 
aufeinander  senkrecht  stehen.  Da  diese  Kranzebeue  also  die  Aequatorial- 
ebene  des  ganzen  Skelets  und  Thierleibes  bezeichnet,  so  sind  die  vier  ihr 
angehörigen  Stacheln  wohl  als  Aequatorialstacheln  zu  bezeichnen.  Polar- 
wärts  von  diesem  Aequatorialstachelkranz  lagern  sich  jederseits  zwei 
Stachelkränze;  zunächst  je  einer,  dessen  Stacheln  etwa  einen  Winkel  von 
30*^  mit  der  Aequatorialebne  bilden  und  so  geordnet  sind,  dass  sie  zwischen 
den  vier  Aequatorialstacheln  liegen,  ihre  Projection  auf  die  Aequatorialebene 
also  je  einen  Winkel  von  45^  mit  den  zwei  benachbarten  Aequatorial- 
stacheln bildet.  Diese  Stacheln  kann  man  mit  Müller  und  Häckel  die 
Tropenstacheln  nennen,  da  sie  ihrer  Lage  nach  etwa  Radien  entsprechen, 
welche  vom  Centrum  der  Erdkugel  zu  den  Wendekreisen  gehen. 

Die  beiden  letzten  Stachelkränze,  welche  am  meisten  von  der  Aequa- 
torialebene abgewandt  sind,  bilden  mit  dieser  Winkel  von  circa  60^ 
und  liegen  gleichsinnig  mit  den  Aequatorialstacheln,  so  dass  also  ihre 
Projectionen  auf  die  Aequatorialebene  mit  den  Aequatorialstacheln  zu- 
sammenfallen. Der  Vergleich  mit  der  Erdkugel  lässt  diese  Stacheln  als 
Polarstacheln  bezeichnen,  d.  h.  solche,  welche  zu  den  Polarkreisen  gehen. 


Skeleto  der  Acantliometreen.  353 

Durch  eine  Anordnung  der  Stacheln ,  wie  sie  im  vorstehenden  be- 
schrieben wurde,  wird  nun  das  Skelet  derartig  gebauter  Acanthometreen 
entschieden  monaxon,  ein  bernerkenswerther  Fortschritt  gegenüber  der 
Monaxonie  oder  wohl  eher  Unregelnoässigkeit  des  Actinelius.  Die  20 
Stacheln  sind  meist  im  Centrum  der  Centralkapsel  nur  zusanimengestemmt, 
jedoch  nicht  untereinander  vereinigt  und  dies  bezeichnet  wohl  die  ur- 
sprüngliche Bildung;  eine  Vereinigung  der  Stacheln  durch  Verschmelzung 
hat  sich  aber  bei  einer  Anzahl  Untergruppen  hergestellt,  jedoch  in  verschie- 
dener Durchführung.  Die  Acanthochiasmidae  zunächst  besitzen  zehn 
unter  einander  nicht  Verbundne,  an  beiden  Enden  zugespitzte  Stacheln, 
welche  durch  die  gesammte  Centralkapsel  hindurchgehen,  sich  demnach  im 
Centrum  derselben  kreuzen  (XXVIIT.  4).  Morphologisch  dürfen  wir  uns  die- 
selben mit  Häckel  wohl  dadurch  entstanden  denken,  dass  je  zwei  gegen- 
überstehende der  20  gewöhnlichen  Acanthometridenstacheln  mit  einander 
zur  Erzeugung  eines  Acanthochiasmastachels  verschmolzen.  Bei  den 
Astrolithidae  and  einer  Reihesich  ähnlich  verhaltender,  neuerdings  durch 
Häckel  kurz  erwähnter  Untergruppen  sind  dagegen  die  20  Stacheln  im  Cen- 
trum der  Centralkapsel  wirklich  zu  einem  kugligenCentralstück  verschmolzen 
(XXVIII.  2).  Eine  von  Hertwig  beobachtete  Acanthometraform  (33,  p.  7) 
scheint  eine  Uebergangsstufe  zu  den  eigentlichen  Astrolithida  zu  bilden, 
so  dass  an  der  Ableitung  dieser  wie  der  Acanthochiasmida  von  Formen 
mit  getrennten  Stacheln  nicht  wohl  zu  zweifeln  ist;  es  hat  sich 
diese  Verschmelzung  gewiss  selbstständig  bei  einer  ganzen  Anzahl 
der  gleich  zu  erwähnenden  morphologischen  Gruppen  hervorgebildet. 
Auch  bei  den  merkwürdigen  Diploconida  verschmelzen  die  Skeletelemente 
im  Centrum,  jedoch  ist  das  Genauere  über  die  Art  der  Vereinigung 
noch  nicht  hinreichend  ermittelt. 
K  Ursprünglich   waren  die   20   Stacheln   der  Acanthometreen  jedenfalls 

■   durchaus  gleich,  ein  Zustand,  welcher  sich  unter  den  heutigen  Vertretern 
K  dieser  Gruppe   noch  bei   einer   ziemlichen   Reihe   von  Gattungen  mit  ein- 
■;  fachen  Stachelskeleten  (die  Häckel   neuerdings  zu  einer  Unterfamilie  der 
m  Acanthometrida   zusammenfasst),   sowie  den  später   zu  besprechenden 
t  Dorataspida  vorfindet.    Auch  Acanthochiasma  leitet  sich  jedenfalls  von 
Beinern   solchen   Zustand   ab.     Die   monaxone  Beschaffenheit  des  Acantho- 
metreenskelets  tritt  daher  hier   noch  wenig   deutlich  hervor,   wird  jedoch 
sofort  sehr  kenntlich,  wenn  eine  Ungleichheit  in  der  Ausbildung  der  fünf 
Stachelkränze  eintritt. 

Bevor  wir  jedoch  in  die  Besprechung  dieser  Verhältnisse  eintreten, 
dürfte  es  sich  empfehlen,  einen  Blick  auf  die  Gestaltungsverhältnisse  der 
das  Skelet  aufbauenden  Einzelstacheln  zu  werfen. 

Die  Mannigfaltigkeit  der  Stachelgestaltung  ist  eine  sehr  reiche.  Die 
einfachsten  Stacheln  sind  lange,  an  dem  peripherischen  Ende  allmäh- 
lich zugespitzte  Nadeln  von  kreisrundem  Querschnitt.  Das  centrale  Ende 
dagegen  erweist  sich  kurz  vierseitig  pyramidal  zugespitzt  (XXVIT.  6). 
Diese   vierseitige   Bildung  des  Centralendcs,   welche  ohne  Zweifel  darauf 

B  V  0  11 II  ,  Klassio.n  iIp.s    'I'hii'r-Reichs,     l'rolüzua,  23 


354  Kadiolaria. 

beruht,  dass  jeder  Stachel  im  Centrum  mit  vier  benachbarten  in  directe 
Zusammenlagerung  tritt,  setzt  sich  jedoch  sehr  gewöhnlich  noch  aul 
den  freien  Theil  des  Stachels  und  zwar  entweder  nur  dessen  centrale 
Partie  oder  über  seine  gesammte  Länge  fort  (XXVII,  6).  Derart 
wird  dann  der  Stachel  vierkantig,  oder  indem  sich  diese  Kanten  zu  Blät- 
tern oder  Rippen  erheben,  welche  der  Länge  nach  am  Stachel  herab- 
laufen, auch  sehr  häufig  vier-rippig  oder  -flügelig.  Dieselbe  Erscheinung 
kann  sich  auch  an  dem  centralen,  vierseitig  zugespitzten  Stachelende  aus- 
prägen, welches  sich  dann  zu  einer  vierrippigen  Pyramide  umgestaltet.  Die 
vier  Blattkanten  des  Stachels  sind  theils  einfach  und  glatt,  theils  gezähnt 
oder  gesägt  und  entwickeln  bei  einer  Reihe  von  Gattungen  dornige  oder 
stachelartige  bis  verästelte,  senkrecht  zur  Stachelaxe  gestellte  Fortsätze. 
Theils  treten  an  jedem  Stachel  zwei  opponirte  derartige  Fortsätze  hervor, 
theils  dagegen  vier  kreuzförmig  zusammengestellte,  indem  sämmtliche  vier 
Rippen  zur  Bildung  eines  solchen  Forlsatzes  schreiten,  selten  dagegen  mehr 
(XXVII.  y).  Aus  verästelten  derartigen  Fortsätzen  können  sich  schliess- 
lich sogar  gitterförmig  durchbrochne  hervorbilden.  Diese  Stachelfortsätze 
sind  deshalb  noch  von  besondrem  Interesse,  weil,  wie  wir  später  sehen 
werden,  in  der  Familie  der  Dorataspidae  Hck.  (Acanthophractidae  Hertw.) 
solche  Fortsatzbildungen  zu  einer  wichtigen  Weiterbildung  des  Acantho- 
metreenskelets  führen. 

Das  peripherische  Stachelende  erweist  sich  nicht  selten  in  verschied- 
nem  Grade  zweigabelig  gespalten,  ja  bei  dem  Acanthostaurus  Forceps  Hck. 
setzt  sich  diese  Spaltung  bis  zu  der  Centralpyramide  der  Stacheln  fort; 
jedoch  sind  die  beiden  langen  Gabelzinken  jedes  Stachels  etwa  in 
ihrer  Mitte  durch  eine  Querbrücke  vereinigt*).  Weiterhin  erwähnt 
jedoch  Häckel  neuerdings  auch  Formen  mit  drei-  und  viergespaltenen 
Stacheln  (auch  als  drei-  oder  vierlappige  bezeichnet). 

Einige  Worte  verdient  noch  die  Art  der  Zusammenfügung  der  Central- 
enden  der  Stacheln  bei  denjenigen  Geschlechtern,  wo  keine  Verschmel- 
zung derselben  eingetreten  ist. 

Die  Art  dieser  Zusammenfügung  ist  bis  jetzt  nicht  ganz  ausreichend 
erforscht.  Häckel  gibt  an,  dass  sich  die  Stacheln  mit  einfach  pyramidal 
zugespitzten  Centralenden  so  zusammenfügen,  dass  sich  jede  Stachelpyra- 
mide mit  vier  benachbarten  mit  je  einer  ibrer  dreieckigen  Seitenflächen 
berühre.  Eine  derartige  Zusammenlagerung  ist  nun  auch,  wie  ein  Con- 
structionsversuch  ergibt  (siehe  den  Holzschnitt  Fig.  1)  wohl  mög- 
lich, setzt  jedoch  voraus,  dass  die  Stachelpyramiden  der  verschiednen 
Kränze  nicht  ganz  gleichgebildet  sind  und  auch  selbst  keine  regulär  qua- 
dratischen Pyramiden ,  sondern  theils  solche  mit  rhomboidischer  (Aequa- 
torialstacheln),    theils   solche   mit   deltoidischer  Basis   (unter  der  Voraus- 


*)  Hertwig  (33)  vermuthct,  dass  die  gabclige  Spaltung  der  Staclicleiulcu  z.  Tb.  auf  theil- 
weisc  Auflösung  nach  dem  Tode  zuriiclzufüliren  sei,  was  jedoch  in  den  meisten  Fällen  uazu- 
treüend  sein  durfte. 


Skelete  der  Acantliooietreen. 


355 


Setzung,  dass  die  Tropenstacheln  unter  GO",  die  Polstacheln  unter  30^  zur 
Hauptaxe  geneigt  sind).  Die  Figur  1  zeigt  die  ungefähre  Anordnung 
der   zehn  Stachelhasen    einer   Hemisphäre  in   der  Ansicht  von   dem  Pol ; 


Erklärung-  von  Holzsclin.  Fig.  1. 
Scliematische  Construction  des  ro»  den  un- 
gerippten  Staclielpyramiden  einer  regulären 
Acantliometrr'c  gebildeten  Skeletcentruins. 
Ansiclit  in  der  Hauptaxe ,  die  vier  Polar- 
stachelii  p  und  die  vier  Tropenstacheln  t 
bind  an  der  Basis  ihrer  Pyramiden  abge- 
sclinittcn  gedacht,  dagegen  von  den  Aequa- 
torialstaclicln  a  ein  Stück  gezeichnet,  da 
dieselben  sonst  nicht  sichtbar  hervorträten. 


Fig.  1. 


die  Basen  der  Stachelpyramiden  sind  so  gezeichnet,  als  wenn  sie  sämmt- 
lich   auf  einer   Kugeloberfläche   lägen. 

Auch  die  mit  vier  flügelartigen  Kantenrippen  versehenen  Stachel- 
basen könnten  in  der  gleichen  Weise  zusamraengeordnet  sein,  nur 
bliebe  dann  zynischen  je  zv^^ei  sich  aneinanderlegenden  Pyramidenseiten  ein 
radialer  Lückenraum  frei.  Thatsächlich  jedoch  scheinen  diese  Stacheln 
eine  andre  Anordnungsweise  zu  zeigen,  indem  Häckel  bemerkt,  dass  bei 
solchem  Bau  des  Centralendes  der  Stacheln  je  vier  benachbarte  Stacheln 
sich  so  mit  den  Flügelkanten  ihrer  Basalpyramiden  zusammenlegen,  dass 
sie  zwischen  sich  einen  vierseitig  pyramidalen  Hohlraum  freilassen.  Dies 
ist  aber  nur  dann  möglich,  wenn  je  zwei  benachbarte  Flügelkanten  einer 
Pyramide  sich  an  zwei  Flügelkanten  zweier  benachbarten  Pyramiden  an- 
lehnen und  diese  zwei  Pyramiden  sich  in  entsprechender  Weise  mit 
einer  vierten  verbinden.  Häckel  gab  an,  dass  in  diesem  Fall  die 
Flügelkanten  der  Stachelpyramiden  in  Hinsicht  auf  das  Gesammtskelet 
immer  so  geordnet  seien,  dass  zwei  gegenüberstehende  in  einen  Meridian 
fielen.  Mit  Recht  hat  jedoch  Hertwig  (33)  darauf  aufmerksam  gemacht, 
dass  eine  solche  Anordnung  unmöglich  vorhanden  sein  könne,  wenn  die 
erstgenannte  Bedingung  erfüllt  werden  solle,  sondern  dass  die  Flügel- 
kanten dann  immer  so  geordnet  sein  müssten,  dass  sie  die  Meridiane 
unter  halben  rechten  Winkeln  schnitten.  Sucht  man  sich  durch  Construc- 
tion von  einer  derartigen  Anordnung  Rechenschaft  zu  geben  (siehe  den 
Holzschnitt  Fig.  2),  so  erscheint  diese  Angabe  Hertwig's  wohl  begrün- 
det, jedoch  ergibt  sich  gleichzeitig,  dass  nicht  stets  vier  Stacheln 
mit  ihren  Flügelkanten  zusammeustossen  können ,   wie  dies  zwar  für  die 

23* 


356 


Radiolaria. 


Polstacheln  (p)  unter  sich  und  in  ihrer  gleicbzeitigen  Verbindung-  mit 
Tropen-  (t)  und  Aequatorialstacheln  (a)  gültig  ist,  sondern  dass  auf  jeder 
Hemisphäre   vier  Lückenräume   (E)  .vorhanden  sein  müssen,    welche  nur 


Erklärung  von  Holzsclin.  Fig.  2.  Schema 
tische  ('onstruction  der  Anordnung  der  Basen  der  vier- 
rippigen  Stachelpyramiden  einer  regulären  Acautho- 
metröe,  unter  Voraussetzung  der  von  Häckel  angegebnen 
Zusammenfilgung  der  benachbarten  Pyramiden.  Ansicht 
in  der  Hauptaxe.  p  die  Basen  der  Pyramiden  der 
Polstaclieln,  t  die  der  Tropen-  und  a  die  der  Ae(|ua- 
torialstachcln. 


durch  Zusammenstossen  dreier  Stacheln,  nämlich  eines  Tropen-  und  zweier 
Polstacheln  gebildet  werden,  welche  Lückenräume  denn  auch  nur  von 
sechs  Flügelkanten  umgrenzt  werden.  Zu  bemerken  wäre  jedoch  noch, 
dass  die  von  Häckel  angegebne  meridionale  Lage  je  zweier  Flilgelkanten 
einer  Pyramide  bei  dem  erstbesprochnen  Anordnungstypus  zur  Ausbildung 
kommen  würde. 

Wir  gehen  jetzt  über  zur  Betrachtung  derjenigen  Modificationen  des 
Acanthometridenskelets,  welche  durch  besondre  AusbildungsverhäUnisse 
gewisser  Stacheln  hervorgerufen  werden.  Hierbei  zeigt  sich,  dass 
die  Aequatorialstacheln  im  Allgemeinen  eine  Neigung  haben,  sich  zu  be- 
sondrer Grösse  und  Ausbildung  zu  entwickeln,  Avodurch  der  monaxone 
Typus  zunächst  noch  deutlicher  hervortritt.  Bei  einer  Reihe  Gattungen 
(Acanthostaurida  Hck.  1881),  als  deren  typische  Repräsentanten  wir  hier 
Acanthostaurus  und  Stauiolithium  hervorheben  dürfen,  entwickeln  sich  in 
dieser  Weise  die  vier  Aequatorialstacheln  zu  besondrer  Grösse  und  zum 
Theil  auch  eigenthümlicher  Bildung  (XXVH.  8  b).  Noch  mehr  ausgezeich- 
net sind  die  vier  Aequatorialstacheln  der  Gattung  Lithoptera  (XXVH.  10), 
indem  hier  das  Ende  eines  jeden  beiderseits  zu  einem  in  der  Aequatorial- 
ebene  gelegeneu,  ansehnlichen  gegitterten  Flügel  auswächst,  entsprechend 
den  Gitteranhängen ,  welche  wir  schon  oben  im  Allgemeinen  von  den 
Stacheln  der  Acanthometreen  erwähnten.  Eine  weitere  Modification  ent- 
steht dadurch,  dass  sich  nur  zwei  gegenständige  Aequatorialstacheln  zu 
hervorragender  Grösse  und  theil  weise  auch  eigenthümlicher  Gestalt  ent- 
wickeln (Unterfamilie  Acantholonchida  Hck.);  hierdurch  wird  bei  der 
Gattung  Amphilonche  Hck.  (XXVH.  7)  das  Skelet  von  dem  monaxouen 
zum  zweistrahligen  Typus  übergeführt,  mit  einer  Symmetrieebene,  weide 
durch  die  äijuatorialen  Hauptstacheln  geht.  Eine  weitere  Modification 
dieser  Form  tritt  noch  bei  den  Gattungen  Acantholonche  und  Amphibelone 
dadurch  auf,  dass  die  beiden  besonders  ausgezeichneten  Aequatorialf<tacheln 


Skeletc  rlor  Acauthoin.   (Doratsasjäila.  riiractopclinida).  357 

unglcicli  sind.  Der  allgemeinen  morpliologischen  Gestaltung  nach  scliliesst 
sich  hier  auch  die  merkwürdige  Gattung  Diploconus  Hck.  an  (XX VII.  11), 
welche  gleichfalls  eine  mächtige  Entwicklung  zweier  gegenüberstehender 
Aequatorialstacheln  zeigt,  gleichzeitig  jedoch  auch  noch  eine  sehr  merk- 
würdige Entwicklung  der  Tropenstacheln,  indem  die  vier,  je  um  die  beiden 
llauptstacheln  gruppirten  Tropenstacheln  zu  je  einer  längsgestreiften,  die 
Hauptstacheln  in  Gestalt  einer  Röhre  umscheidenden  dünnen  Lamelle 
verschmolzen  sind.  Die  beiden  so  gebildeten  Röhren  gehen  central  in 
einander  über.  Die  Polarstacheln  und  die  zwei  kleinen  Aequatorialstacheln 
sind  kurze,  cylindrischc  Stümpfe. 

Ihre  höchste  Entwicklungsstufe  erreichen  die  Acanthomctreenskcletc 
in  der  Familie  der  Dorataspida  Hck.  (einschliesslich  Sphaeracapsida 
llck.  1881).  Es  lassen  sich  diese  Gruppen  im  Allgemeinen  von  schon  er- 
wähnten, durch  die  seitlichen  Fortsatzbildungen  ihrer  20  Stacheln  aus- 
gezeichneten Formen  ableiten.  Bei  den  zahlreichen  bierhergehörigen  Gat- 
tungen entwickeln  sich  nämlich  an  den  Stacheln,  in  gewisser  Entfernung 
von  den  Centralenden,  zwei  oder  vier  seitliche  Fortsätze,  welche  sich  wie- 
der dichotomisch  oder  ästig  zertheilen  können  und  bei  einer  Untergruppe 
auch  zu  einer  weitlöcherigen  (Dorataspis,  XXVIII.  5)  oder  engmaschigen 
(Haliommatidium,  XXVIII.  6)  Gitterplatte  zusammenfliessen ,  welche  also 
vom  Stachel  durchsetzt  wird.  Diese  Fortsatzbildungen  treten  im  ausgewach- 
senen Zustand  zur  Bildung  einer  die  Centralkapsel  einschliessenden  Gitter- 
kugel zusammen,  indem  entweder  die  benachbarten  unter  Nahtverbindung 
zusammenstossen,  jedoch  nicht  verschmelzen,  oder  eine  wirkliche  Ver- 
wachsung der  benachbarten  Platten  zu  einer  einheitlichen  Gitterkugel  im 
Alter  eintritt. 

Zu  den  20  Hauptstacheln,  von  welchen  die  Gitterkugel  der  seither 
besprochnen  Dorataspiden  ihre  Entstehung  nahm,  können  sich  noch  ac- 
cessorische,  von  der  Oberfläche  der  Stachelfortsätze  centrifugal  ent- 
springende Stachelgebilde  hinzugesellen,  welche  sich  demnach  nicht  in  das 
Innre  der  Gitterschale  fortsetzen.  Bei  gewissen  Formen  gehen  diese  ac- 
cessorischen  Stachelgebilde  eine  eigenthümliche  Weiterentwicklung  ein, 
indem  sie  sich  blattförmig  entwickeln  und  um  die  Basis  jedes  der  20 
Stacheln  zu  einem  diese  umscheidenden  Röhrchen  zusammenschmelzen. 

Bei  der  Gattung  Aspidorama  Hck.  (1881,  wie  es  scheint,  in  „Tessa- 
ropelma'^  umgetauft)  schliesslich  ist  die  Fortsatzbildung  an  zwei  ver- 
schiedneu Stellen  der  20  Stacheln  eingetreten,  einmal  innerhalb  und  ein 
zweites  Mal  ausserhalb  der  Centralkapsel,  so  dass  sich  zwei  ineinander 
geschachtelte  Gitterkugeln  entwickelt  haben  (XXVIII.  7),  eine  intrakapsuläre 
oder  Markschale,  und  eine  extrakapsuläre  oder  Rindenschale,  welche  Schalen 
wahrscheinlich  ähnlich  wie  bei  gewissen  Einschaligen  im  Alter  durch 
Verwachsung  zu  ganz  einheitlichen  geworden  sind.  In  neuester  Zeit  hat 
Häckel  im  Material  des  Challenger  noch  drei  weitere  Gattungen  doppel- 
scbaliger  Dorataspiden  aufgefunden  und  für  diese  Formen  eine  besondre 
Unterfamilie  der  Phractopelmiden  gegründet. 


358  EaJiolaria. 

ß.    Die  sogen.   Spliaeroidskelete,   oder   die  Skelete   der  übrigen  Peripylaria. 

Es  ist  sehr  wahrsclieiDlich,  dass  die  hier,  nach  dem  Vorgang  Hert- 
wig's,  als  Sphaeroidskelete  bezeichneten  Skeletbildungen  der  übrigen 
Peripylaria*)  eine  einheitliche  Gruppe  darstellen.  AVenn  in  dieser 
Hinsicht  noch  ein  Zweifel  herrschen  kann,  so  betrifft  derselbe  nur 
den  Zusammenhang  der  einfachsten ,  aus  losen  Elementen  aufgebauten 
Skelete,  welche  wir  einstweilen  hierherziehen,  mit  den  höher  entwickel- 
ten, deren  Grundtypus  die  zusammenhängende  Gitterkugel  ist. 

Die  soeben  erwähnte,  einfachste  Ausbildungsform  der  hierhergerech- 
ueten  Skelete  treffen  wir  theils  bei  den  sogen.  Colliden  (Collidaria  Hck. 
1881),  theils  bei  den  koloniebildenden  Sphaerozoiden  (^=  Syncollaria  Hck. 
1881)  an.  In  beiden  Abtheilungen  finden  sich  jedoch  auch  ganz  skelet- 
lose  Formen,  was  auch  die  Ansicht  unterstutzt,  dass  die  Skelete  dieser 
Abtheilungen  sehr  ursprünglicher  Natur  sind.  Ein  solch  einfachstes 
Skelet  wird  gebildet  von  einer  grösseren  Anzahl  isolirter  und  solider, 
meist  nadeiförmiger  Kieselgebilde,  welche  gewöhnlich  in  tangentialer 
Lagerung  die  Centralkapsel  umhüllen  und  sich  bei  den  koloniebil- 
denden Formen  zuweilen  auch  durch  die  gemeinsame  Gallerte  zerstreuen 
(XVm.  3—5,  7,  XIX.  1—3).  Wie  gesagt,  ist  die  Gestalt  dieser  Kiesel- 
gebilde fast  stets  eine  nadeiförmige,  mit  beiderseits  zugespitzten  Enden, 
so  dass  sie  auch  gewöhnlich  als  Spicula  bezeichnet  werden.  Sie  sind 
geradegestreckt  oder  gebogen  bis  geschlängelt  und  entweder  glatt  oder 
mit  zahlreichen  Dörnchen  oder  seitlichen  Aestchen  besetzt..  Statt  einfacher 
Nadeln  finden  sich  zum  Theil  auch  vierstrahlige  oder  vierschenkligc 
(sowohl  unter  den  Colliden  wie  den  Sphaerozoiden),  sehr  ähnlich  den- 
jenigen gewisser  Spongien  und  solche,  welche  an  beiden  Enden  in  je 
zwei  oder  drei  (nach  Brandt  auch  zuweilen  vier)  divergirende  Gabel- 
zinken auslaufen**);  diese  Spicula  stellen  sich  also  etwa  dar,  wie  zwei  Drei- 
oder Vierstrahler,  welche  je  einen  Strahl  gemeinsam  haben.  Meist  sind  die 
Skeletelemente  bei  einer  und  derselben  Form  durchaus  gleich,  seltner  da- 
gegen kommen  gleichzeitig  verschiedenartig  gebaute  Elemente  vor. 

Von  der  Nadelgestalt  abweichende  Elemente  finden  sich  nur  bei  der 
Collide  Thalassosphaera  Morum  J.  M.  sp.  und  der  wegen  ihrer  angeb- 
lich kalkigen  Skeletelemente  schon  erwähnten  Calcaromma  calcarea  W. 
Thoms.  Bei  der  ersterwähnten  Form  sind  die  Elemente  kuglige  Körper 
mit  zackiger  Oberfläche  (XVIII.  3) ;  bei  der  letzterwähnten  dagegen  kreis- 
runde Scheibchen  mit  gezacktem  Rand,  einem  Sporenrädchen  sehr  ähnlich. 


*)  =  Peripylaria  Hck.  mit  den  Familien  der  Spliaerida  +  Discida  -j-  Zygartida  + 
Lithelida  Hck.  und  hierzu  noch  die  Ordn.  Collodaria,  Symbelaria  und  Syncollaria  Hck.  1881 
(Nr.  37). 

**)  Im  ersteren  Fall,  bei  der  sogen.  Thalassosphaera  bifurca  Hck.  (zweifelhafte    Collide) 
iindet  sich  eine  nochmalige  Gabelung  dieser  Zinken. 


Sphacroidskeletc  (Collida,  Spliaerozoea).  359 

Es  ist  leicht  denkbar,  dtiss  sich  durch  Verwachsung  isolirter  iSkelet- 
elemeutc,  wie  sie  im  Vorstehenden  besprochen  wurden,  eine  mehr  oder 
minder  regehnässige  Gitterschale  bilden  konnte  und  da  wir  unter  den 
öphaerozoeeu  einige  Formen  antretifen,  deren  Ekelet  von  einer  oder 
auch  zwei  ineinander  geschachtelten,  zusammenhängenden  Gitterkugcln 
gebildet  wird  (Collosphaerida  Hck.  1862,  neuerdings  von  ihm  zu  be- 
sondrer Ordnung  der  Symbelaria  neben  den  seither  besprochuen  Sphaero- 
zoeen,  seiner  Ordnung  Syncollaria  erhoben),  so  scheint  auch  eine  solche 
Ableitung  der  Gitterkugelskelete  nicht  ganz  unwahrscheinlich.  Die  Gitter- 
schale dieser  Collosphaerida  oder  Symbelaria  ist  wenigstens  bei  der  bis 
jetzt  allein  genauer  bekannten  Gattung  Collosphaera  (XIX.  5a  u.  b)  ziem- 
lich unregelmässig,  namentlich  was  die  Grösse  und  die  Gestalt  der  Gitter- 
löcher betrifft.  Die  beiden  ineinandergeschachtelten  Gitterkugeln  gewisser 
hierhergehöriger  Geschlechter  (s.  Häckel  37)  sind  durch  radiale  Kiesel- 
stäbe unter  einander  verbunden,  zeigen  daher  ganz  dieselbe  Bildung, 
welche  wir  im  Folgenden  eingehender  bei  den  mehrschaligen  Sphaeroidcen 
besprechen  werden.  Die  Oberfläche  der  einfachen  Gitterkugel  oder  der 
äusseren  Kugel  der  zweischaligen  Formen  ist  entweder  glatt  oder  mit 
stachligen  Auswücbsen  bedeckt,  ja  es  können  solche  auch  auf  der  Innen- 
fläche der  einfachen  Schale  centripetal  zur  Ausbildung  gelangen. 

Eine  interessante  Modification  zeigt  die  Gattung  Öiphonosphaera 
IIxl.,  indem  hier  ein  Theil  der  Poren  der  einfachen  Gitterschale  zu  ge- 
gitterten Köhrchen  centrifugal  auswächst  (XIX.  7), 

Eine  einfache  Gitterkugel  von  extra-  oder  intrakapsulärer  Lagerung '^•) 
zeichnet  nun  weiterhin  eine  ziemliche  Zahl  der  Sphaeroideae  aus,  welche 
wir  wohl  als  Monosphaerida  (oder  Monosphaeria  Hck.  1881)  zusammen- 
zufassen berechtigt  sind.  Im  Allgemeinen  ist  bei  diesen  Formen  der  Bau 
der  Gitterkugel  ein  sehr  regelmässiger,  nur  die  Gattung  Cyrtidosphaera 
(XIX.  15,  welche  jedoch  hinsichtlich  ihrer  Selbstständigkeit  gegenüber 
Collosphaera  nicht  ganz  sicher  ist),  sowie  einige  neuerdings  von  Häckel 
gefundne  Formen  zeigen  noch  eine  ähnliche  Unregelmässigkeit  der  Gitter- 
maschen wie  die  Collosphaera  und  Verwandte.  Bei  den  übrigen  Mono- 
sphaeriden  ist  die  Gitterkugel  durchweg  sehr  regelmässig  gebaut,  sowohl 
in  Bezug  auf  die  Regularität  der  Kugelgestalt,  wie  die  übereinstimmende 
Grösse  der  kreisrunden  oder  hexagonalen  Gitterlöcher.  Die  Wandstärke 
der  Gitterschale  ist  gewöhnlich  nicht  sehr  beträchtlich,  so  dass,  bei  gleich- 
zeitiger sehr  dichter  Zusammendrängung  der  Gitterlöcher,  die  Schalenwand 
aus  einem  ziemlich  zarten  und  regelmässigen  Netzwerk  von  Kieselfädcn 
gebildet   wird   (XX.    1,    hauptsächlich    Heliosphaera,    Diplosphaera    und 


*)  Während  früher  namentlich  Häckel  der  Lageljeziehung  der  Skelettheile  und  speciell 
der  Gitterkugeln  der  Sphaeroidea  zu  der  Centralkapsel  eine  hervorragende  Bedeutung  in  syste- 
matischer Hinsicht  zuschrich ,  ergaben  dagegen  die  Untersuchungen  Hertwig's ,  dass  diesen 
Verhältnissen  durchaus  keine  solche  Bedeutung  beizulegen  ist,  da  das  eine  Verhalten  leicht 
aus  dem  andern  liervorgeht.  Später  wird  es  am  Platze  sein ,  (ieiiaueres  hiorulier  zu  be- 
richten. 


360  Eadiolaiia. 

AiacliDüspbaeni).  Zuweilen  erheben  sich  die  Puren  in  Gestalt  abgestutzter 
Kegel  etwas  über  die  äussere  (Etmosphaera)  oder  die  innere  Obertiäche 
der  Schale  (Ccriosphaera  Hck.  1881);  im  ersteren  Fall  sind  sie  nach 
aussen,  im  letzteren  nach  innen  konisch  zulaufend.  Mannigfaltiger  ge- 
staltet sich  das  Skelet  durch  die  häufige  Entwicklung  radialer  Stacheln, 
welche  sich  von  der  Schalenoberfläche  iu  centrifugaler  Richtung  zu  sehr 
verschiedner  und  häufig  sehr  beträchtlicher  Länge  erheben.  Die  Zahl 
dieser  Stacheln  ist  sehr  verschieden,  schwankt  zwischen  zwei  und  sehr 
hohen  Zahlen.  Im  letzteren  Fall  sind  die  Stacheln  entweder  alle  gleich 
und  gleichmässig,  ohne  besondre  Ordnung,  über  die  Schalenoberfläcbe 
zerstreut,  oder  es  zeichnen  sich  unter  ihnen  20  durch  besondre  Länge 
und  Stärke  vor  den  übrigen  aus,  und  diese  20  entsprechen  in  ihren 
Stellungsverhältnissen  dem  bei  den  Acanthometreen  besprochnen  Müller'- 
schen  Gesetz.  Ein  solches  Verhalten  findet  sich  nach  Häckel  sowohl  bei 
Heliosphaera  wie  Diplosphaera. 

In  neuester  Zeit  haben  uns  die  Untersuchungen  Häckel's  noch  eine 
ganze  Reihe  eigenthündicher  Zahl-  und  Stellungsverhältnisse  der  Stacheln 
seither  unbekannter  Formen  der  Mouosphaerida  kennen  gelehrt,  welche  unser 
besondres  Interesse  dadurch  erregen,  weil  sie  sich  in  ganz  ähnlicher 
Weise  bei  den  später  zu  besprechenden  mehrschaligen  Formen  wieder- 
holen. So  finden  wir  namentlich  eine  Anzahl  sechsstachliger  Formen, 
deren  sechs  Stacheln  nach  den  drei  Richtungen  des  Raumes,  also  wie  die 
Axen  eines  Octaeders  orientirt  sind.  Bei  einer  folgenden  Gruppe  sinkt 
die  Zahl  der  Stacheln  auf  vier  herab,  indem  zwei  gegenüberstehende  der 
vorhergehenden  Gruppe  ausgefallen  sind  und  schliesslich  reducirt  sich  die 
Stachclzahl  bei  einer  dritten  Gruppe  auf  zwei,  durch  weiteren  Ausfall 
zweier  zusammengehöriger  Stacheln,  in  welchem  Fall  demnach  die  beiden 
einzigen  Stacheln  eine  Hauptaxe  bezeichnen.  Eine  solche  tritt  jedoch 
auch  zum  Theil  schon  bei  vierstachligen  Formen  hervor,  indem  sich 
zwei  zusammengehörige  Stacheln  durch  besondre  Grösse  vor  den  zwei 
andern  auszeichnen,  ja  diese  Hauptaxe  kann  sich  sogar  ungleich- 
polig ,  sowohl  bei  vier-  wie  zweistachligen  gestalten ,  indem  ihre  beiden 
Stacheln  in  Länge  oder  Bildung  Verschiedenheiten  aufweisen. 

Die  Stacheln  sind  entweder  drehrund  oder  dreikantig;  letzteres  be- 
ruht, wie  wir  bei  den  Stachelgebildeu  der  Sphaeroideen  noch  häufig  finden 
werden,  darauf,  dass  sie  sich  in  solchen  Fällen  über  den  Knotenpunkten 
der  bexagonalen  Maschen  erheben,  also  Punkten,  wo  drei  Maschenbälk- 
chen  zusammenstossen ,  um  sich  dann  als  Kanten  auf  die  Stacheln  fort- 
zusetzen. 

Bei  einer  Anzahl  Formen  entwickeln  sich  an  den  Kanten  der 
Stacheln  einfache,  zahn-  bis  stachelartige  oder  verästelte  Seiten- 
sprossen. Zu  solchen  Seitensprossen  oder  Aestchen  gesellen  sich  bei 
Diplosphaera  noch  zarte,  verästelte  oder  un verästelte  Kieselfäden  hinzu, 
welche  in  übereinstimmender  Höhe  von  den  20  Hauptstacheln  entspringen 
und  sich  mit  denen  der  benachbarten  Stacheln  verschmelzend  vereinigen. 


Siiliaoroidsliclctc  (^Moiiosphacrida).  361 

SU  (lass  die  Gcsauimtbcit  dieser  Fildcu  eine  spinnvvcbiuügc,  zarte,  äussere 
KiigelbüUe  bildet  (XX.  5  c).  Bei  der  Gattiiug  Aracbiiospbaera  wicderbolt 
sich  eine  eutsprecbende  Bildung  verzweigter  Fortsätze,  welcbe  zu  sulchen 
zarten  und  unregelniässigen  äussern  Hüllen  zusammentreten,  an  den 
llauptstacbeln  in  regelmässigen  Abständen  4—6  Mal,  so  dass  also 
die  Hauptgitterscbale  von  4—6  äussern,  unregelmässigen,  zarten  Kicsel- 
kugeln  eingebüUt  wird  (XX.  6). 

Selten  begegnen  wir  einer  fortgesetzten  dicho-  oder  tricbotomiselicn 
Zertbeilung  der  Stacbeln. 

Bei  den  Skeletbildungen  aller  jetzt  uocb  zu  besprecbenden  Si)baeroi- 
deeu  wiederholen  sich  die  gitterigen  Kugelschalen  in  mehrfacher,  zwei- 
bis  vielfacher  Zahl.  Es  sind  mehrere  solcher  Kugelschalen  concentrisch 
ineinander  geschachtelt  und  stehen  durch  Kadialstäbe,  welche  im  allge- 
meinen den  Stacheln  der  Monosphaeriden  zu  parallelisiren  sind,  in  Ver- 
bindung. Diese  Radialstäbe  setzen  sich  jedoch  nie  in  den  Innenrauni  der 
innersten  Kugel  (der  sogen.  Markschale)  fort,  sondern  die  innersten  neh- 
men stets  von  der  Oberfläche  dieser  Markschale  ihren  Ursprung.  So  un- 
zweifelhaft es  nun  auch  erscheint,  dass  diese  mehrschaligen  Formen  sich 
von  den  Monosphaeriden  herleiten,  so  ist  doch  bis  jetzt  nur  wenig  Ge- 
naueres über  den  Gang  dieser  Entwicklung  bekannt  geworden.  Ueber- 
haupt  ist  ja  die  Entwicklungsgeschichte  der  ßadiolarienskelete  bis  jetzt 
sehr  wenig  erforscht  und  nur  sie  wird  im  Staude  sein,  uns  über  die  Ablei- 
tung der  mehrschaligen  Formen  von  den  eiuschaligen  sicher  aufzuklären. 

Die  grössere  Wahrscheinlichkeit  scheint  mir,  in  Uebereinstimmuug 
mit  der  Ansicht  Häckel's  (16)  und  im  Gegensatz  zu  der  Hertwig's  (33), 
dafür  zu  sprechen,  dass  die  innerste  Gitterkugel  der  Polysphaeriden  der 
einfachen  Kugel  der  Monosphaeriden  entspricht  und  dass  sich  daher  die 
Skelete  der  ersteren  centrifugal  entwickelten,  indem  es  durch  Vermittlung 
der  Stachelfortsätze  zur  Bildung  weiterer,  äusserer  Gitterkugelu  kam, 
denen  also  wenigstens  uraufänglich  eine  ähnliche  Entstehungs^v^Bise  zu- 
kam, wie  den  zarten  äusseren  Kugeln  der  Diplo-  und  Arachnosphaera. 
Mit  dieser  Anschauungsweise  stimmt  auch  das  Wenige  übereiu,  was  wir 
von  der  Entwicklung  der  Polysphaeriden  wirklich  kennen,  denn  ein- 
mal hat  schon  J.  Müller  (12)  den  Nachweis  geführt,  dass  sich  die  äussere 
Schale  der  Gattung  Heliodiscus  thatsächlich  durch  Zusammenfluss  seit- 
licher Fortsätze  der  Stachelbildungen  der  inneren  Schale  successive  ent- 
wickelt und  weiterhin  hat  Hertwig  selbst  gezeigt,  dass  die  Entwicklung 
des  eigenthümlichen  Skelets  der  Tetrapyle  und  seiner  übrigen  sogen. 
Dysphaerida  im  Princip   denselben  Gang  einschlägt*).     Das  centrifugale 


*)  Ausserdeia  hat  jedoch  Hertwig'  Qi'ö)  auch  eine  jugendliche  Sijhaeridee  beobachtet, 
welche  er  zu  der  zweischaligen  Haliomma  ziehen  zu  dürfen  glaubt.  Dieselbe  besass  nur  eine 
Gitterkugel,  welche  sich  durch  ihre  Grösse,,  sowie  ihre  Einlagerung  in  den  Kern  entscliieden 
als  die  innerste  oder  Markschale  der  Haliomuia  darstellt.  Eine  äussere  zweite  Schale  fehlte 
hier  noch  völlig ;  es  spricht  diese  BeoV»achtung  also  gleichfalls  gegen  die  Ansicht  Hertwig's 
und  für  die  Entwicklung  der  mehrschaligen  Sphacrideen  in  centrifiigaler  Kichtung. 


362  Kadiolaria. 

Wachsthum  tritt  dann  weiterhin  bei  den  sehr  vielschaligcn  Formen  der 
Polysphaeriden  so  unzweifelhaft  und  deutlich  und  zwar  durch  Vermittlung 
der  Stachelfortsätze  hervor,  dass  hieraus  wohl  ein  Rückschluss  auf  die 
Entwicklung  der  primitiven  Formen  gestattet  sein  dürfte. 

Wir  halten  es  daher  für  das  Wahrscheinlichste,  dass  sich  die  Poly- 
sphaeriden aus  Monosphaeriden  in  der  angegebnen  Weise  entsvickelt 
haben  und'  diese  Anschauung  findet,  wie  es  scheint,  namentlich  darin  noch 
eine  wesentliche  Stütze,  dass  die  vielschaligen  Formen  hinsichtlich  der 
Bestachelung  und  andrer  Charaktere  ganz  ähnliche  Bildungsverhältnisse 
darbieten  wie  die  Monosphaeriden.  Ich  neige  daher  auch  zu  der  Ansicht, 
dass  die  vielschaligen  Formen  keineswegs  als  einheitliche  Gruppe  den 
einschaligen  gegenübergestellt  werden  können,  sondern  dass  die  Bildung 
polysphäroider   Formen   von   verschiednen   Monosphaeriden  aus  stattfand. 

Zahlreiche  Formen  haben  zwei,  drei,  vier,  nicht  wenige  jedoch  auch 
fünf  und  mehr  ineinandergeschachtelter  Gitterkugeln  aufzuweisen.  Wäh- 
rend bei  den  Formen  mit  geringerer  Schalenzahl  eine  ziemliche  Constanz 
dieser  Zahl  zu  herrschen  scheint,  dürften  dagegen  die  sehr  vielschaligen 
Formen,  wie  mir  scheint,  eine  geringere  Constanz  darbieten.  Ich 
schliesse  dies  namentlich  aus  dem  Verhalten  einer  Reihe  sehr  viel- 
schaliger  Formen,  die  in  manchen  Stücken  von  den  hier  zunächst  zu 
betrachtenden  Polysphaeriden  abweichen  und  die  wir  erst  später  als 
Lithelida,  Discida  und  Zygartida  kennen  lernen  werden. 

Wir  betrachten  hier  zunächst  die  ursprünglicheren  Formen  mit  regu- 
lär sphärischen  Gitterschalen,  welche  sich  zu  zweien  bis  fünfen  und  auch 
mehr*)  concentrisch  umscheiden  und  alle  stets  ganz  vollständig  ausge- 
bildet sind,  d.  h.  keine  Neigung  zu  unvollständiger  Ausbildung  der 
äusseren  Kugelschalen  besitzen.  Eine  gesonderte  Betrachtung  dieser  For- 
men nach  der  Zahl  ihrer  Kugelschalen  halte  ich  für  überflüssig,  da  sich 
ganz  dieselben  Typen  bei  den  zwei-,  drei-  bis  fünf-  und  mehrschaligen 
wiederholen. 

Die  innerste  oder  mehrere  der  innersten  Schalen  sind  bei  diesen 
Polysphaeriden  in  die  Centralkapsel  eingeschlossen.  —  Bei  dieser  Gelegen- 
heit erscheint  es  von  Werth,  gleich  darauf  hinzuweisen,  dass  nach  den 
Untersuchungen  Hertwig's  die  ursprüngliche  Lage  der  Gitterkugeln  der 
Sphaeroideen  entschieden  eine  extrakapsuläre  ist,  dass  die  EinSchliessung 
der  einfachen  Gitterkugel  oder  mehrerer  der  innersten  in  die  Central- 
kapsel ohne  Zweifel  eine  Erscheinung  ist,  welche  sich  durch  nachträg- 
liche Urawachsung  der  innersten  Kugeln  durch  die  Centralkapsel  erklärt. 
Namentlich  bei  dem  einschaligen  Cladococcus,  sowie  bei  den  Gat- 
tungen   Diplosphaera    und    Rhizosphaera    gelang    es    Hertwig,     hierfür 


*)  Icli  möclite  glauben ,   dass  die  Zahl  der  Kugelsclialcu  solclier  Formen  sich  nicht  viel  ] 

über  fünf  erhebt;  genauere  Angaben  Häckel's  der  solche  Formen  bis  jetzt  allein  in  grösserer 
Zahl  beobachtete,  liegen  noch  niclit  vor;  ich  studirte  eine  hierhergehörige  Form  von  Barbados, 
bei  der  ich  bis  zu  sechs  Kugelschalen  beobachtete. 


Sphaeroidskelete  (Eegul.  Polysphaerida).  363 

entscheidende  Beobachtungen  anzustellen.  Der  Einschluss  einer  ursprüng- 
lich extrakapsulären  Gitterkugel  vollzieht  sich  in  der  AVcise,  dass  die 
Centralkapsel  zunächst  bruchsackartige  Fortsätze  durch  die  Maschenlöcher 
der  Gitterschale  hervortreibt '='),  welche  schliesslich  ausserhalb  der  Schale 
unter  einander  verschmelzen  (XX.  5  a).  Auch  bei  den  sehr  vielschaligen 
Disciden  und  Litheliden,  welche  erst  später  genauer  zu  erörtern  sind  und 
bei  welchen  die  Centralkapsel  nahezu  die  gesammte  Schale  einschliesst, 
ist  dies  Verhalten  jedenfalls  in  gleicher  Weise  entstanden,  worauf  die 
Hertwig'schen  Untersuchungen  gleichfalls  hinweisen. 

Sehr  selten  tritt  eine  geringe  Abweichung  der  Concentricität  der  sich 
umfassenden  Schalen  auf;  so  fand  ich  bei  Actinomma  und  einer  Caryo- 
sphaera  Hck.  (?)  von  Barbados  (XXIII.  12)  eine  etwas  excentrische  Lage- 
rung der  innersten  oder  Mark-Schale.  Die  Gitterstructur  der  Schalen 
unterliegt  auch  bei  den  Polysphaeriden  zahlreichen  Modificationen ,  je 
nach  Zahl,  Grösse  und  Gestalt  der  Gitterlöcher,  der  Wandstärke  der 
einzelnen  Schalen  u.  s.  w.  und  namentlich  verrathen  auch  die  aufeinander- 
folgenden Schalen  einer  und  derselben  Form  sehr  häufig  mehr  oder  min- 
der beträchtliche  Verschiedenheiten  in  der  Gitterstructur.  Im  Allgemeinen 
nehmen  die  Gitterkugeln  nach  aussen  nicht  nur  an  Grösse,  sondern  auch 
au  Zahl  und  Grösse  ihrer  Löcher,  sowie  an  Wandstärke  zu.  Doch  zeigt 
sich  nicht  selten,  so  bei  der  dreischaligen  Gattung  Actinomma,  eine  relativ 
viel  weitere  Gitterung  der  Markschale  (XXI.  3  a  u.  b),  welche  z.  Th.  eine 
ganz  weitmaschige  Zusammensetzung  aus  dünnen  Kieselbälkchen  zeigt, 
wie  wir  sie  bei  gewissen  Mouosphaeriden  antrafen. 

Unter  einander  sind  die  Schalen  durch  radiale  Kieselstäbe  verbunden, 
deren  ursprüngliche  Bedeutung  als  Stacheln  sich  gewöhnlich  noch  daraus 
deutlich  ergibt,  dass  sie  sich  wenigstens  z.  Th.  noch  als  freie  Stachel- 
gebilde über  die  Oberfläche  der  äussersten  Rindenschale  erheben.  Auch 
zeigen  sie  die  gleiche  Beschaffenheit,  wie  die  freien  Stacheln  der  Mono- 
sphaeriden,  sie  sind  theils  drehrund,  theils  jedoch  sehr  deutlich  dreikantig 
bis  dreiblätterig. 

Wenn  wir  zuvörderst  einen  Blick  auf  die  specielle  Ausbildung  der 
äusseren  Eindenschale  unsrer  Formen  werfen,  so  begegnen  wir  zu- 
nächst solchen  mit  stachelloser  oder  doch  nur  dorniger  bis  zackiger 
Oberfläche  der  Aussenschalo;  bei  solchen  Formen  setzen  sich  dem- 
nach die  zu  der  äusseren  Rindenschale  tretenden  Radialstäbe  nicht  als 
freie  Stachelgebilde  fort. 

Bei  einer  Reihe  weiterer  Formen  dagegen  erheben  sich  zahlreiche 
(acht  und  mehr)  freie  Stacheln  von  der  Rindenschale  (XXI.  5),  und  wie  bei 
den  entsprechenden  Mouosphaeriden,  gewöhnlich  ohne  eine  besondre  Regel- 
mässigkeit ihrer  Stellung.  Ob  diese  Stacheln  auch  hier  zuweilen  noch  in 
der  Zahl  20  vorhanden  und  dann  nach  dem  Müller 'sehen  Stellungsgesetz 


*)  Nur  dieses  Stadium   des  Durchwaclisungsproccsses   wurde  jedoch   bis  jetzt  bei  Diplo- 
sphaera  und  den  Disciden  direct  beobaclitet. 


364  Eadiolaria, 

orlentiit  sind,  scheint  bis  jetzt  nicht  ausreichend  ermittelt,  dagegen  sollen 
sich,  wie  schon  hier  bemerkt  werden  mag,  die  zu  der  äusseren  Rinden- 
schale  tretenden  Radialstäbe  nach  Häckel  z.  Th,  noch  in  dieser  Zahl  und 
nach  diesem  Gesetz  geordnet  finden  (Haliomma  und  Actinomma  Hck.  z.  Th. 
s,  16),  Bei  einer  grossen  Anzahl  Polysphaeriden  reduciren  sich  jedoch 
die  freien  Stacheln  der  äusseren  Rindenschale  auf  sechs  (XXI.  oa),  vier 
oder  zwei  (XXI.  4)  und  zwar  ganz  in  derselben  Weise,  wie  wir  solche  Reduction 
schon  unter  den  Monosphaeriden  antrafen.  Die  soeben  betonten  verschied- 
uen  Bestachelungsverhältnisse  wiederholen  sich  in  ganz  entsprechender 
Weise  bei  zwei-,  drei-,  vier-  und  mehrschaligen  Polysphaeriden,  so  dass 
wir  unter  den  Polysphaeriden  nach  diesen  Bestachelungsverhältnissen 
Reihen  zu  unterscheiden  vermögen,  welche  an  die  entsprechenden  ]\Iono- 
sphaeriden  anknüpfen  und  welchen  ich  mehr  Natürlichkeit  zuschreiben 
möchte,  als  den  Gruppen,  in  welche  Häckel  die  Polysphaeriden  auf  Grund 
der  Schalenzahl  sondert.  Bei  den  vier-,  wie  bei  den  zweistacheligen  For- 
men kann  sich  weiterhin  auch  hier  die  Stacheldiflferenzirung  geltend 
machen,  welche  wir  schon  bei  den  entsprechenden  Monosphaerida  an- 
trafen ,  d.  h.  die  beiden  Stacheln  der  zweistacheligen  können  ungleich 
entwickelt  sein*),  oder  bei  den  vierstacheligen  eine  ungleiche  Entwick- 
lung der  Stacheln  der  zwei  Kreuzaxeu  sich  geltend  machen. 

Neben  den  erwähnten  Hauptstacheln  der  äusseren  Riudenschale  treten 
jedoch  z.  Th.  noch  schwächer  entwickelte  accessorische  Stacheln  ver- 
schiedner  Beschaffenheit  auf,  welche  sich  weiterhin  auch  dadurch  im  All- 
gemeinen auszeichnen  werden,  dass  sie  sich  nicht  als  Radialstäbe  in  das 
Innere  der  Aussenschale  fortsetzen.  Viel  unsicherer  wie  die  Zahl-  und 
und  Stellungsverhältnisse  der  äusseren  Stacheln  der  Riudenschale  sind  bis 
jetzt  die  der  Radialstäbe  aufgeklärt.  Es  ist  dies  erklärlich,  weil  dieselben 
viel  schwieriger  zu  beobachten  sind.  Zur  richtigen  Beurtlieilung  der  Ver- 
wandtschaftsbeziehungen sind  jedoch  auch  diese  Verhältnisse  sehr  wichtig. 
Dies  erscheint  ziemlich  einleuchtend,  wenn  wir  einen  Blick  auf  die  erst- 
erwähnten Formen  mit  uubestachelter  Rindenschale  werfen.  Die  in  dieser 
Hinsicht  bis  jetzt  genauer  bekannt  gewordnen  dreischaligen  Formen, 
welche  mau  seither  unter  der  Gattung  Actinomma  aufführte,  und  die 
Häckel  neuerdings  (37)  in  nicht  weniger  wie  drei  besondre  Gattungen 
zerlegt,  zeigen  recht  verschiedne  Zahlenverhältnisse  der  Radialstäbe, 
welche  die  innere  und  äussere  Rindenschale  verbinden.  Die  meisten  be- 
sitzen zahlreiche  derartige  Stäbe,  8 — 20  und  mehr,  gewisse  jedoch  auch 
nur  4  und  6,  welche  ohne  Zweifel  demselben  Stellungsgesetz  folgen,  wie 
die  4  oder  6  Stacheln  auf  der  freien  Oberfläche  der  einzigen  Rindenschale 
zweischaliger  Formen.     Es   fragt  sich   daher    wohl,    ob    diese  letzteren 


*)  Lei  ein-  und  zweischaligen  zweistacLcligeu  Formen  gesellt  sicli  zum  Thcil  ein  iiicrk- 
würdiger  accessorisclier  Skclettlicil  zu  den  beideu  StacLclii,  indem  deren  Endsi^itzen  duroli 
einen  die  Schale  umla'eisendeu  Kieselriiig  verbunden  erscheinen.  '\''on  einschaligen  Formen 
gehören  hierher  die  Gattungen  Satunialis  Hck.  und  Satunialium  Hck. .  von  zweisclialigen 
Saturnulus  Hck. 


Spliacroidskelete   (Regiil.  Polysphaerida).  365 

Formen  nicht  richtiger  mit  solclien  vier-  und  sechsstacheligen  zvveischali- 
gen  zusammengestellt,  als  wie  z.  B.  Häckel  will,  mit  den  erstgenannten 
vielstäbigen  vereinigt  werden. 

Bei  den  bestachelten  Formen  scheinen  im  Allgemeinen  die  schon  be- 
schriebnen  freien  Hauptstacheln  als  Radialstäbe  nach  innen  fortzusetzen, 
jedoch  ist  bis  jetzt  nicht  wohl  möglich  zu  sagen,  ob  sie  im  Allgemeinen 
auch  alle  bis  zur  Markschale  zu  verfolgen  sind.  Für  eine  dreischalige 
Form,  die  Häckel'sche  Actiuomma  trinacria  mit  20  Hauptstacheln  und 
20  äusseren  Radialstäben  ist  dies  entschieden  nicht  der  Fall,  indem  hier 
nur  sechs  innere  Radialstäbe  zwischen  Mark-  und  erster  Rindenschale 
vorhanden  sind.  Bei  den  stachelarmen  Formen,  so  z.  B.  den  zweige- 
gestachelten,  dreischaligen  Stylosphaeren  Ehrenberg's  (die  Häckel  jetzt  als 
Amphisphaera  und  Amphistylus  bezeichnet),  finde  ich  ausser  den  zwei 
Radialstäben,  welche  aus  der  Fortsetzung  der  beiden  freien  Stacheln 
hervorgehen,  noch  etwa  acht  weitere,  ebenso  beträgt  die  Zahl  der  Innern 
Radialstäbe  jedenfalls  mehr  wie  zwei  (siehe  XXI.  4);  es  lassen  sich  hier 
diese  secundären  Radialstäbe  etwa  als  accessorische  Htachelbildungen  der 
inneren  Schalen  betrachten. 

Die  freien  Stachelbildungen  der  meisten  hierhergehörigen  Formen 
sind  einfache,  doch  fehlen  auch  dornige  und  ästige,  ja  gegen  das  Ende 
schwammartig  ausgebildete  Stachelformen  nicht.  Seitenästchen  der  Stacheln 
sind  zuweilen  auch  in  \yirteln  zusammengeordnet ;  alles  dies  sind  Bil- 
dungen, welche  wir  auch  schon  bei  Mouosphaeriden  getrotfen  haben. 

Recht  merkwürdig  ist  die  Umbildung,  welche  der  Skeletbau  bei  einer 
Anzahl  Formen  zeigt,  die  sich  an  die  zweischalige  Haliomma ,  z.  Th. 
jedoch  auch  vielleicht  an  die  dreischalige  Actinomma  anschliessen*).  Bei 
diesen  entwickelt  sich  die  Rindenschale  zu  einer  ungemeinen  Wandstärke, 
so  dass  ihre  Gitterlöcher  zu  engen,  ganz  dicht  zusammengedrängten  Röh- 
ren werden.  Der  Hohlraum  zwischen  Rinden-  und  Markschale  (oder 
äusserer  und  innerer  Rindenschale)  wird  sehr  minimal.  Stachelbildungen 
fehlen  meist  (Haliomma  ovatum  E.  (XXI.  7)  und  radians  E.),  oder  es  fin- 
den sich  zwei  grosse  Hauptstacheln  (Rhabdolithis  Pipa  Eh.  XXI.  8), 
welche  eigenthtimlicher  Weise  rechtwinklig  zu  einander  gestellt  sind  und 
gegen  welche  die  eigentliche  Kugelschale  so  zurücktritt,  dass  sie  wie  der 
verdickte  Vereinigungspunkt  dieser  Stacheln  erscheint. 

Von  regulären  sehr  vielschaligen  Polysphaeriden,  bei  welchen  die 
zahlreichen  Schalen  sich  sehr  dicht  umhüllen  und  durch  viele,  jedoch 
dünne  Radialstäbe  verbunden  sind  (und  solche  Formen  scheinen  zu  exi- 
stiren,  lassen  sich  jedoch  nur  schwierig  von  den  erst  später  zu  besprechen- 
den Litheliden  mit  einiger  Schärfe  trennen),  leiten  sich  wohl  eine  Reihe 
kugliger  Skeletbildungen  von  schwammiger  Strnctur  her.  Stellen  wir  uns 
nämlich  vor,  dass  die  sich  dicht  umhüllenden  concentrischen  Schalen,  so- 


*■)  Einen   ücLcrgaiig  vcrratlicn  jedoch  schon   ge\visse  Actinomma   (s.  T.   XXI.  (>),    l"'i 
welclien  die  Aussenschalc  eine  sehr  beträchtliche  Dicke  erreicht. 


366  Kadiolaria. 

wie  die  sie  verbindenden  Radialstäbe,  uuregelmässiger  wurden,  so  muss 
sich  die  bei  einer  Reilie  hierhergehöriger  Formen  noch  sehr  deutliche 
concentrische  Schichtung  der  sich  umhüllenden  gegitterten  Skeletlagen 
schliesslich  in  ein  aus  unregelmässig  durcheinander  gewöhnen  Kiesel- 
bälkchen  gebildetes  spongiöses  Gewebe  verwandeln.  Wir  vermögen  in 
dieser  Weise  etwa  von  den  seither  besprochnen  regulären  Polysphaeridae 
eine  Gruppe  von  Formen  herzuleiten,  welche  wir  nach  dem  Vorgaog  Häckel's 
als  Spongosphaerien  bezeichnen  können  und  die  sich  eben  durch 
eine  solche  spongiose  Umbildung  oder  Entwicklung  der  peripherischen 
Skeletregion  oder  des  gesammten  Skelets  auszeichneu.  Die  Beziehung 
dieser  Skelete  zu  den  regulären  Polysphaerida  ergibt  sich  auch  dadurch, 
dass,  wie  bemerkt,  der  Centraltheil  der  Schale  vielfach  noch  aus  deut- 
lichen, coucentrisch  sich  umgreifenden  Gitterkugeln  der  gewöhnlichen  Bil- 
dung besteht,  welche  in  ein-  bis  dreifacher  Zahl  als  sogen.  Markschalen 
vorhanden  sein  können  und  dann  erst  peripherisch  von  der  spongiös  ent- 
wickelten Rinde  eingehüllt  werden.  Diese  Schwammrinde  umhüllt  ent- 
weder direct  die  Markschalen  oder  wird  durch  einen  von  Radialstäben 
durchsetzten  Zwischenraum  von  denselben  getrennt. 

Bei  einer  Reihe  weiterer  hierhergehöriger  Formen  sind  keine  Mark- 
schalen mehr  erhalten,  sondern  das  kuglige  bis  elliptische  Skelet  erscheint 
durchaus  spongiös.  In  vielen  Fällen  dürfte  es  jedoch  ziemlich  schwierig 
sein,  sich  von  dem  Mangel  einer  oder  mehrerer  kleiner  Markschalen  mit 
Sicherheit  zu  überzeugen,  da  die  Schwammkugeln  gewöhnhch  sehr  an- 
sehnlich anwachsen  und  die  Beschaffenheit  des  Centrums  dann  natürlich 
recht  schwierig  zu  erforschen  ist. 

Bei  einer  Anzahl  dieser  Spongosphaerien  ist  das  Schwammgewebe 
durchaus  gleichmässig,  d.  h.  es  entwickeln  sich  keine  stärkeren,  die 
Schwammmasse  in  radialer  Richtung  durchsetzenden  Kieselbalken,  welche 
als  freie  Stacheln  über  die  Oberfläche  der  Schwammmasse  hervorragen. 
Bei  andern  Formen  dagegen  treten  solche  stärkere  Radialbalken  hervor, 
die  sich  bei  mehrschaligen  Formen  bis  zu  den  Markschalen  verfolgen 
lassen ,  und  ursprünglich  nichts  weiter  sind  als  stärker  entwickelte 
Stacheln  dieser  Markschalen.  Die  Zahl  solcher  starken  Radialstäbe,  re- 
spective  ihrer  freien  stachelförmigen  Verlängerungen,  ist  auch  hier  sehr 
schwankend  und  es  wiederholen  sich  dieselben  Verhältnisse  der  Be- 
stachelung,  welche  wir  schon  bei  den  Mono-  und  Polysphaeriden 
zu  verzeichnen  hatten.  —  Wir  finden  daher  sowohl  Formen  mit  zahlreichen, 
acht  und  mehr  Stacheln,  die  meist  ohne  besondre  Regelmässigkeit  ihrer 
Stellung  aus  der  Oberfläche  des  Schwammskelets  hervorschiessen  (XXII.  1), 
als  andrerseits  solche  mit  vier  rechtwinklig  gekreuzten  und  schliesslich 
nur  zwei  gegenüberstehenden  Stacheln  (XXIV.  1).  Auch  für  diese  For- 
men scheint  es  mir  möglich,  dass  sie  sich  direct  von  ähnlich  gebauten 
Polysphaeriden  ableiten,  oder  mit  andern  Worten,  dass  die  Abtheilung  der 
Spongosphaeria   keine  natürliche  ist,   was  auch  noch  dadurch  unterstützt 


Sphaeroidskclete   (Spongosphaeria,  Discida).  367 

wird,  dass  spongiöse  Umhüllungen  und  Umbildungen  sich  auch  noch 
anderweitig  wiederholen  und  ohne  Zweifel  mehrfach  selbstständig  und 
unabhängig  von  einander  entstanden  sind. 

Von  regulären  Polysphaeriden  leitet  sich  eine  sehr  reichentwickelte 
Formenreihe  ab,  welche  von  Hackel  zuerst  unter  der  Bezeichnung  Discida 
(Farn,  der  Ordn.  Peripylaria  1881)  zusammengefasst  wurde.  Dieselben 
bilden  jedoch  nach  meiner  Auffassung  sehr  wahrscheinlich  keine  phylo- 
genetisch zusammenhängende  Gruppe,  sondern  umschliessen  zwei  selbst- 
ständig entstandne  Abtheilungen,  von  welchen  die  eine  die  Phacodiscida  und 
Coccodiscida  Häckel's  (1881),  die  andere  dagegen  die  Porodiscida  und 
Spongodiscida  (ob  alle  ?)  dieses  Forschers  umfasst.  Charakteristisch  für  alle 
Discida  erscheint,  dass  die  sich  concentrisch  umfassenden  Gitterschalen 
früher  oder  später  ihre  reguläre  Kugelgestalt  aufgeben  und  eine  abge- 
plattet linsenförmige  mit  kreisrunder  Peripherie  annehmen,  demnach  eine 
Hauptaxe  ausbilden,  welche  die  beiden  Pole  der  äusseren,  linsen-  oder 
scheibenförmig  abgeplatteten  Schalen  verbindet.  Gewöhnlich  gelangen 
jedoch  diese  äusseren,  monaxonen  Gitterkugeln  nicht  mehr  zu  völliger  Aus- 
bildung. 

Die  erste  der  oben  erwähnten  beiden  Reihen  beginnt  mit  Formen, 
welche  sich  direct  von  zwei-  oder  dreischaligen  regulären  Polysphaeriden 
ableiten  lassen,  bei  welchen  die  einzige  oder  die  äussere  der  beiden 
Rindenschalen  linsenförmig  umgestaltet  ist,  während  die  Markschale, 
oder  die  Markschale  und  die  innere  Rindenschale  ihre  reguläre  Kugel- 
gestalt bewahrt  haben. 

Solche  Formen  bilden  die  Gruppe  (Unterfamilie)  der  Phacodiscida 
Häckel's.  —  Die  linsenförmige,  äussere  Schale  derselben  ist  theils  ganz 
glatt  und  stachellos,  theils  aber  ist  ihr  äquatorialer  Rand  mit  einer  sehr 
verschiednen  Anzahl  mehr  oder  minder  ansehnlicher  radialer  Stacheln  be- 
setzt (XXII.  5  a).  Zwei  bis  fünf  und  mehr  Stacheln  sind  in  dieser  Weise 
entwickelt  und  zwar  meist  einfache,  wiewohl  zuweilen  auch  verästelte. 
Bei  gewissen  Formen  fliessen  diese  Stacheln  mit  ihren  Basen  zu  einem 
zarten  vorspringenden  Aequatorialsaum  der  Schale  zusammen ;  bei  anderen 
schliesslich  ist  dieser  Aequatorialsaum  allein  ausgebildet  (XXII.  6  a  u.  b) 
und  erhebt  sich  zwischen  zwei  ansehnlichen  Porenreihen  des  Aequatorial- 
randes.  Ausser  den  äquatorialen  Hauptstacheln  kann  jedoch  die  Schalen- 
oberfläche noch  secundäre,  schwächer  entwickelte  Stacheln  aufweisen 
(XXII.  3). 

Die  äquatorialen  Hauptstacheln  setzen  sich  entweder  als  Radialstäbc 
(jedoch  nicht  immer  sämratliche)  bis  zur  eingeschlossnen  Schale  fort 
(XXII.  3  b)  oder,  und  dies  scheint  der  häufigere  Fall  zu  sein,  sie  gehen 
nicht  in  Radialstäbe  über. 

Die  Verbindung  der  linsenförmigen  äussersten  Schale  mit  der  nächst- 
folgenden inneren  wird  in  diesem  Fall  allein  durch  ziemlich  zahlreiche 
Radialstäbe  vermittelt,  welche  von  der  inneren  Schale  nach  den  Polfeideru 


368  .  Kadiülaria. 

der  Linsenschale  hinstreben  und  die  sich  auch  dann  finden,  wenn  gleich- 
zeitig äquatoriale  Stäbe  vorhanden  sind  (XXII.  8  b,  5  b).  Die  peripheri- 
schen Enden  letzterwähnter  Radialstäbe  sind  gewöhnlich  etwas  verästelt. 
Auch  die  beiden  inneren  Schalen  der  dreischaligen  Formen  stehen  natürlich 
durch  eine  Anzahl  Radialstäbe  in  Verbindung. 

Von  diesen  Phacodiscida  leitet  sich  nun  die  sehr  reichhaltige  Gruppe 
der  Coccodiscida  Hack.  (Unterfarailie  1881)  dadurch  ab,  dass  sich  zu  der 
äusseren  linsenförmigen  Gitterschale  noch  zahlreiche  weitere  hinzugeselleu, 
welche  jedoch  nur  mit  ihren  äquatorialen  Theilen  zur  Ausbildung  ge- 
langen. Man  kann  sich  diese  eigenthümliche  Entwicklungsweise  der 
Coccodiscida,  welche  sich  in  ganz  entsprechender  Art  auch  bei  den  Poro- 
discida  Häckel's  wiederholt,  etwa  folgendermaassen  verständlich  machen. 
Die  linsenförmige  Abplattung  der  äusseren,  vollständigen  Schale  eines 
Phacodisciden  erhöht  sich  bei  der  folgenden  Gitterschale  bis  zu  solchem 
Grade,  dass  dieselbe  nicht  mehr  im  Stande  ist,  die  nächstältere  und  voll- 
ständige Linsenschale  allseitig  einzuschliessen,  sondern,  da  sie  stärker 
abgeplattet  ist,  wie  diese  ältere  Schale,  mit  ihren  Seitenflächen  an  die 
äquatoriale  Zone  derselben  anstösst  und  verwächst;  es  bildet  dem- 
nach diese  unvollständige  Schale  nur  einen  äquatorialen  Ring  um  die 
Peripherie  der  Linsenschale  und  in  dieser  Weise  folgen  nun  bei  den 
Coccodiscida  noch  eine  verschiedne  Zahl  weiterer,  jüngerer  und  immer 
umfassenderer  Ringe  aufeinander,  lauter  unvollständige,  successive  zur 
Ausbildung  gelangende  Gitterkugeln  (XXIII.  5,  6).  Alle  diese  sich  um- 
fassenden Ringe  bilden  um  den  aus  zwei  oder  drei  vollständigen  Gitter- 
schalen bestehenden,  ganz  phacodiscidenartigen  Kern  eine  Scheibe,  welche 
sich  gegen  die  Peripherie  gewöhnlich  etwas  verdickt  und  in  deren  Cen- 
trum der  phacodiscidenartige  Kern  beiderseits  nabelartig  etwas  vorspringt 
(XXIII.  6).  Die  Scheibe  lässt  sich,  wenn  wir  von  ihrer  Ableitung  aus 
successiven,  unvollständigen  Gitterkugeln  absehen,  auch  so  beschreiben, 
wie  dies  von  Häckel  geschehen  ist  (16),  nämlich  als  gebildet  von  zwei 
ihre  Oberflächen  bildenden,  durchlöcherten  Gitterplatten,  deren  Lumen  von 
sich  concentrisch  umfassenden,  durchlöcherten  Ringbalken  in  die  einzelnen 
Ringe  zerfällt  wird.  Zwischen  den  aufeinanderfolgenden  Ringbalken  spannen 
sich  zahlreiche  radiale  Kieselbälkchen  aus,  welche  jedoch  nicht  etwa  eine 
wirkliche  Kammerung  der  Ringe  hervorrufen,  wie  Häckel  früher  annahm, 
es  sind  dieselben  vielmehr  nichts  weiter  als  die  uns  bekannten  Radial- 
stäbe zwischen  den  unvollständigen  Schalen  der  Scheibe.  Diese  Radial- 
stäbe vermitteln  auch  das  Wachsthum  der  Scheibe  in  einer  uns  schon  von 
den  regulären  Polysphaeriden  bekannten  Weise,  welche  sich  hier  durch 
Beobachtung  leicht  sicher  stellen  lässt.  Durch  stärkere  Entwicklung 
einiger  solcher  Radialstäbe,  welche  dann  durch  die  gesammte  Scheibe 
hindurchgehen,  und  wohl  gewöhnlich  auch  als  Radialstäbe  in  den  phaco- 
discidenähnlichen  Kern  zu  verfolgen  sind,  bilden  sich  bestachelte  Cocco- 
disciden  aus,   indem   solche  Radialstäbe  sich   als  freie  Stacheln  über  den 


Skeletc  (Coccodiscida,  Porodiscida\  369 

peripherischen  Rand  der  Scheibe  fortsetzen.   Dies  geschieht  in  recht  ver- 
schiedner  Zahl,  zwei,  drei,  vier,  fünf  und  mehr*). 

Viel  interessaoter  wie  diese  Bestachelung  ist  eine  nicht  selten 
vorhandne  unvollständige  Entwicklung  der  Scheibe,  durch  welche  die 
Häckel'sche  Unterabtheilung  der  Astracturida  (1881,  37)  unter  den  Cocco- 
discida gekennzeichnet  wird.  Bei  diesen  Formen  entwickeln  sich 
die  Scheibenringe,  mit  Ausnahme  vielleicht  des  innersten  oder  weniger 
innerer,  nur  längs  gewisser  Radien ,  so  dass  also  nicht  eine  zusammen- 
hängende Scheibe,  sondern  eine  verschiedne  Zahl  sich  nach  der  Peripherie 
etwas  verbreitender  Arme  zur  Ausbildung  gelangen,  welche  aus  den  ent- 
sprechenden Ringtheilen  zusammengesetzt  sind  (XXIII.  10).  Die  Zahl 
dieser  Arme  ist,  wie  gesagt,  ziemlich  verschieden,  so  finden  sich  zwei 
entgegenstehende,  drei  unter  Winkeln  von  120*^  zusammenstehende,  vier 
rechtwinklig  gekreuzte,  fünf  oder  sechs  entwickelt.  Nicht  selten  ent- 
wickelt sich  ein  Radialstab  der  Arme  ansehnlicher  und  springt  als 
ein  Stachel  frei  über  das  Armende  vor.  Bei  einem  Theil  der  For- 
men entwickeln  sich  zwischen  den  benachbarten  Armen,  dieselben 
verbindend,  accessorische  Scheibentheile,  welche  bei  der  bis  jetzt  allein 
durch  eine  Abbildung  genauer  bekannten  Gattung  Hymenastrum  Ebb. 
(=  Hymenactura  Hck.  1881)  ganz  ähnlich  gebaut  zu  sein  scheinen,  wie 
die  Arme  (XXIII.  11).  Die  sie  zusammensetzenden  Ringstücke  sind  nur 
viel  weniger  gekrümmt  wie  die  der  Arme,  so  dass  sie  sich  deutlich  von 
denen  der  letzteren  absetzen.  Häckel  bezeichnet  diese  accessorischen  Ver- 
bindungstheile  der  Arme  als  „gekammertes  Flechtwerk"  („vimentum 
cameratum"). 

Im  Princip  übereinstimmend  mit  den  Coccodiscidae  ist  der  Bau  der 
sehr  reichhaltigen  Gruppe  (Unterfamilie)  der  Porodiscidae  Häckel's  (früher, 
1862,  Trematodiscidae),  doch  scheinen  sie  sich,  in  Hinblick  auf  den  Bau 
des  Scheibencentrums  als  eine  selbstständig  entwickelte  Gruppe  zu  er- 
weisen. Während  nämlich  das  Centrum  der  Coccodiscidenscheibe  stets 
von  einem  sehr  deutlich  phacodiscidenähnlichen  Kern  gebildet  wird,  wird 
das  der  Porodisciden  von  einer,  zwei  oder  drei  sehr  kleinen,  im  letz- 
teren Falle  sich  concentrisch  umscheidenden,  vollständigen  Gitterkugeln 
dargestellt.  Der  Abstand  dieser  Gitterkugeln  von  einander  ist  ziemlich 
gleich,  es  fehlt  namentlich  der  für  alle  Coccodisciden,  wie  es  scheint,  sehr 
charakteristische,  weite  Abstand  zwischen  der  linsenförmig  abgeplatteten 
äussersten,  vollständigen  Schale  und  der  oder  den  inneren  kugligen 
Schalen.  Ich  neige  daher  zu  der  Ansicht,  dass  die  Porodisciden  sich  in 
selbstständiger  Weise  von  regulären  Polysphaeriden  ableiten,  während  die 
Coccodisciden  ohne  jeden  Zweifel  aus  Phacodisciden  hervorgegangen  sind. 

*)  Eine  hierliergeliörige  Form   von   Barbados  zeigt  die  nicht  uninteressante  Eigenthiim- 

lichlieit,  dass  das  oberfläcliliche  Gewebe  der  peripherischen  Scheibenregiou  sich  dicht  scliwam- 

mig  umbildet;  nur  in  der  Medianeben e  der  Scheibe  verbleiben  noch  zwei  Lagen  regelmässiger 

Kämmerchen,  welche  beiderseits  von  einer  dicken  Schwammlage  bedeckt  werden  (s.  XXIII,  7). 

Broun,  Klassen  des  Tliieneiclis.    Protozoii.  24 


370  Radiolaria. 

Um  die  erwähüten  1 — 3  kugligen  Markschalen  legen  sich  nun  wie 
bei  den  Coccodisciden  mehr  oder  minder  zahlreiche  unvollständige  Schalen 
als  äquatoriale  Ringe  herum  und  bilden  wie  bei  ersteren  eine  kreisrunde 
Scheibe  (s.  z.  B.  XXIV.  3).  Die  relative  Dicke  dieser  Scheibe  hängt 
natürlich  im  Allgemeinen  von  der  Zahl  der  Markkugeln  ab,  ist  diese  be- 
trächtlich (drei),  so  ist  die  Dicke,  welche  meist  den  Durchmesser  der  äusser- 
sten  Kugel,  selten  weniger  beträgt,  ansehnlicher.  Nach  der  Peripherie 
zu  verdickt  sich  die  Scheibe  jedoch  gewöhnlich  etwas,  so  dass  die  Schei- 
benflächen schwach  konisch  ausgehöhlt  sind  (XXIV.  4,  5  b).  Seltner  da- 
gegen nimmt  die  Dicke  peripherisch  ab.  Die  Markschalen  springen  nur 
sehr  selten  im  Centrum  der  Scheibenflächen  nabelartig  vor,  wie  dies  bei 
den  Coccodisciden  so  ansehnlich  hervortrat.  Die  Zahl  der  Radialstäbe, 
welche  die  successiven  Ringbalken  der  Scheibe  verbinden,  steht  in  Zu- 
sammenhang mit  der  Scheibendicke.  Ist  dieselbe,  wie  gewöhnlich,  sehr 
unbeträchtlich,  so  findet  man  in  der  Dickenrichtung  der  Scheibe  nur  eine 
Lage  solcher  Radialstäbe,  welche  im  optischen  Radialschnitt  der  Scheibe  sehr 
deutlich  hervortreten  und  in  der  Aequatorialebene  gelagert  sind  (XXIV.  4). 
Ist  die  Scheibendicke  beträchtlicher,  so  sind  neben  diesen  in  der  Dicken- 
richtung noch  weitere,  über  und  unter  der  Aequatorialebne  gelagerte,  vor- 
handen (XXIV.  5  b).  Die  Zahl  dieser  Radialstäbe  wächst  weiterhin  suc- 
cessive  mit  der  Umfangszunahme  der  aufeinanderfolgenden  Ringe  wie  bei 
den  Coccodisciden ;  ein  einmal  aufgetretner  Radialstab  setzt  sich  gewöhn- 
lich nach  der  Peripherie  durch  sämmtliche  folgende  Ringe  fort.  Wie  bei 
den  Coccodiscida  können  sich  diese  Radialstäbe  z.  Th.  oder  auch  sämmt- 
lich  stärker  entwickeln  und  als  freie  Stacheln  in  sehr  verschiedner  Zahl 
(zwei  bis  zahlreiche)  über  die  Scheibenperipherie  hervorragen  (XXIV.  8,  9). 

Viel  interessanter  als  diese  Bestachelungsverhältnisse  erscheint 
eine  sehr  merkwürdige  Modilication  der  Scheibenringe,  welche  bei 
einer  nicht  geringen  Zahl  der  Porodisciden  zur  Ausbildung  gelangt.  Bei 
den  ohne  Zweifel  ursprünglichsten  Formen  bilden  die  Ringbalken,  welche 
die  successiven  Ringe  von  einander  trennen,  völlig  geschlossne,  reguläre 
Kreise.  Daneben  finden  sich  jedoch  zunächst  einige  Formen,  bei 
welchen  die  Ringe  nicht  mehr  einheitlich ,  sondern  dadurch  in  zwei 
Hälften  zerfallen  sind,  dass  die  Ringbalken  in  zwei  gegenüberstehenden 
Radien  gebrochen  erscheinen.  Thatsächlich  ist  jedoch  das  Verhalten  ein 
etwas  anderes,  und  lässt  sich  etwa  folgendermaassen  beschreiben.  Jeder 
Ring  ist  in  zwei  Hälften  zerfallen,  die  sich  nicht  genau  gegenüberstehen, 
sondern  sämmtliche  Ringhälften  der  einen  Scheibenhälfte  sind  um  et- 
was gegen  die  der  anderen  verschoben  (s.  den  Holzschnitt  Fig.  3,  A. 
und  XXIV.  7).  Dabei  können  natürlich  die  gegeneinander  verschobenen 
Hälften  der  Ringbalken  nicht  mehr  zusammenstossen ;  statt  dessen  finden 
wir,  dass  sich  die  Enden  der  Ringbalkenhälften  centralwärts  bis  zur 
Verwachsung  mit  dem  nächstinneren  etwas  verschobnen  Ringbalken 
der  entgegengesetzten  Scheibenhälfte  einkrümmen.  Die  nebenstehende 
Figur   wird  dieses  Verhalten ,  welches   sich   schwer  mit   Worten   gut  be- 


Skeletc  (Porodiscida).  371. 

schreiben  lässt,  noch  besser  versinnlichen.  Der  eben  geschilderte  Bau 
tritt  jedoch  nur  bei  vollkommen  senkrechter  Aufsicht  auf  die  Skeletscheibe 
deutlich  hervor ;  wird  diese  dagegen  ein  wenig  schief  gestellt,  so  verlaufen 

B.  ^  A. 


Erklärung  des  Holzschii.  Fig.  3.  Scliematische  Constructiou  des  Baues  eines 
scheinbar  doppelspiraligen  Porodisciden.  A.  Ansicht  genau  senkrecht  auf  die  Scheibe.  Im  Cen- 
trum die  vollständige  Kugel,  darum  die  gegen  einander  verschobenen  Hälften  der  Ringbalken. 
1  —  la,  2— 2a,  3 — 3a,  4 — 4a  die  zusammengehörigen  Hälften  dieser  Ringbalken.  B.  Ansicht  in 
etwas  schiefer  Richtung  auf  die  Scheibe.  Hierbei  erscheinen  die  in  Fig.  A.  mit  x  und  x' 
bezeichneten  Stellen  stark  verkürzt  und  fliessen  daher  die  benachbarten  Enden  der  Ringbalken- 
hälften zusammen,  wodurch  zwei  scheinbare  Doppelspiralen  in  der  gezeichneten  Weise  hervorgehen. 

die  Ringbalken,  von  der  centralen  kugligen  Markschale  beginnend,  in 
Gestalt  zweier  ineinandergeschachtelter  Spiralen  umeinander  (s.  die  neben- 
stehende Figur  B).  Dies  erklärt  sich  nun,  wie  ich  glaube,  nicht  schwer; 
bei  etwas  schiefer  Betrachtung  der  Scheibe  verkürzen  sich  die  eingekrltrani- 
ten  Stellen  x  und  x'  der  Ringbalkenhälften  stark  und  als  Folge  hiervon 
fliessen  die  gegeneinander  verschobnen  Riogbalkenhälften  scheinbar  zu  einer 
Linie  zusammen,  und  zwar  geschieht  dies  abwechselnd  an  beiden  Seiten  so, 
dass  zwei  ineinandergeschachtelte  Spiralen  entstehen,  von  welchen  sich  die 
eine  aus  den  punktirt  angedeuteten  Ringbalkenhälften,  die  andere  dagegen 
aus  den  nichtpunktirten  zusammensetzt.  Ehrenberg  (26  u.  35)  und  Stöhr 
haben  solch  anscheinend  doppelspiralige  Formen  beschrieben,  welche  ich 
zum  Theil  nachuntersuchte   und   in  der  beschriebnen  Weise  gebaut  fand. 

Noch  weiter  geht  jedoch  die  Modification  der  Scheibenringe  bei  einer 
Reihe  verwandter  Formen,  deren  Ringe  in  ähnlicher  Weise  nicht  in  zwei, 
sondern  in  vier  kreuzförmig  gegenübergestellte  Theile  zerlegt  erscheinen 
(XXIV.  10).  Schon  Ehrenberg  hat  derartige  Formen  beschrieben  und  ich 
habe  mich  von  der  allgemeinen  Richtigkeit  seiner  Darstellung  überzeugt. 
Die  vier  Einknickungsradien  dieser  Formen  sind,  wie  es  scheint,  gewöhn- 
lich durch  vier  stärkere,  als  freie  Stacheln  über  den  Scheibenrand  fort- 
gesetzte Radialstäbe  ausgezeichnet. 

Ehreuberg  und  Häckel  haben  nun  auch  hierhergehörige  Formen 
beschrieben,  bei  welchen,  von  der  kugligen  Centralschale  ausgehend, 
ein  einfacher  Spiralbalken  die  Scheibe  durchzieht  (XXIV.  6);  Hert- 
wig  (33)  hat  schon  für  eine  derartige  Form  (seine  Stylospyra  arach- 
nia)    hervorgehoben ,    dass    ein    solch    spiraliger    Verlauf    des    Balkens 

24* 


372 


Eadiolaria. 


nur  bei  einer  etwas  schiefen  Ansieht  hervortritt.  Dies  bestärkt  mich  in 
der  Vermuthimg,  dass  sich  thatsächlich  auch  bei  diesen  Formen  kein 
durchgehender  Spiralbalken  findet,  sondern  der  Anschein  eines  solchen, 
bei  etwas  schiefer  Ansicht  der  Scheibe,  aus  derselben  Ursache  herzuleiten 
ist,  wie  die  scheinbar  doppelspiralige  Bildung  der  schon  geschilderten 
Formen.  Es  findet  sich  nämlich  hier,  wie  dies  auch  die  Flächenansicht 
der  Heitwig'schen  Stylospyra  araehnia  erweist,  eine  Verschiebung  und 
Unterbrechung  der  concentrischen  Ringbalken  nur  in  einem  Radius 
(siehe  die   Figur  4)   und  daher  geht  bei  schiefer  Ansicht  aus   denselben 


Fig. 


4. 


A  ß  Erklärung-  des  Holz- 

schnitts Fig.  4.  Schema- 
tiscbc  Construction  eines 
scheinbar  einfach  spiraligen 
Porodisciden.  A.  Ansicht 
senkrecht  auf  die  Scheibe. 
Im  Centrum  die  vollständige 
Kugel ,  darum  eine  Anzalil 
Kingbalken,  welche  in  einem 
Kadius  in  den  Stellen  x  unter- 
brochen sind.  B.  Ansicht  in 
etwas  schieferEichtung ;  hier- 
bei erscheinen  die  Stellen  x, 
wo  die  gebrochnen  Enden  der 
Ringbalken  genähert  sind,  stark  verkürzt  und  fliessen  die  sich  deckenden  Enden  der  successiven 
Kingbalken  sclieinbar  zusammen,  so  dass  nun  statt  getrennter  Kingbalken  eine  zusammenhän- 
gende Spirale  erscheint. 

Gründen  eine  einfache  Spirale  hervor,  wie  bei  der  Unterbrechung 
in  zwei  entgegenstehenden  Radien  die  Doppelspirale.  Die  Erklärung, 
welche  Hertwig  (33)  von  dem  Bau  seiner  Stylospyra  araehnia  gibt,  halte 
ich  für  unzutreffend.  Hertwig  hatte  sich  überhaupt  irrthümliche  Vorstel- 
lungen von  den  Porodisciden  gebildet,  da  er  allen  einen  spiraligen  Bau 
zuschrieb.  Wie  Häckel  (37)  bin  auch  ich  zu  der  sicheren  Ueberzeu- 
gung  gelangt,  dass  diese  Ansicht  ganz  unhaltbar  ist;  ja  ich  kann  sogar 
keinem  Disciden  mit  Sicherheit  einen  echt  spiraligen  Bau  zuschreiben. 

Eine  interessante  morphologische  Eigenthümlichkeit  zeigt  unter  den 
Porodisciden  noch  die  Gattung  Perichlamydium  Ehrbg. ,  indem  ihr 
Scheibenrand  in  einen  breiten,  hyalinen  und  porösen  Saum  auswächst 
(XXV.  1).  Derselbe  bildet  sich  meiner  Ansicht  nach  in  der  Weise,  dass 
die  Scheibenperipherie  sehr  dünn  wird,  indem  sich  die  beiden  porösen 
Deckplatten  schliesslich  dicht  nähern  und  zu  dem  hyalinen  Saum  aus- 
breiten. 

Von  hohem  Interesse  erscheint  es,  dass  sich  von  den  seither  geschil- 
derten Porodiscida  eine  Formgruppe  herleitet  (die  Farn,  der  Euchitonida 
Hck.  1881),  bei  welcher  sich  durch  Unvollständigwerden  der  Scheibe  ganz 
die  Verhältnisse  der  Astracturidae  unter  den  Coccodiscida  wiederholen. 
Eine  genauere  Schilderung  des  Bildungsmodus  der  in  eine  sehr  ver. 
schiedne  Anzahl  Arme  zertheilten  Scheibe  dieser  Formen  scheint  nicht 
nöthig,  da  derselbe,  wie  gesagt,  ganz  dem  schon  bei  den  Astracturida 
besprochnen  entspricht.   Die  Zahl  der  Arme  schwankt  auch  hier  zwischen 


Skeicte  (PorocUscida,  Spoiigodiscida).  37 


o 


zwei  und  sechs  (XXV.  2  —  5).  Jedoch  bildet  die  zuweilen  auftre- 
tende Dichotomie  oder  Verästelung  der  Arme  ein  neues  morphologi- 
sches Moment*).  Ganz  wie  bei  gewissen  Astracturidae  wiederholt 
sich  aber  die  Erscheinung,  dass  sich  bei  einem  Theil  der  Formen  die 
Scheibe  wieder  vervollständigt  durch  Bildung  secundären  ykeletwerks 
(eines  sogen.  Pataginm,  Häckel)  zwischen  den  benachbarten  Armen. 
Seinem  feineren  Bau  nach  nähert  sich  dieses  Patagium  dem  der  Arme 
(XXV.  5,  h).  Seine  Ringbalken  besitzen  jedoch  einen  abweichenden,  zum 
Theil  sogar  sehr  unregelmässigen  Verlauf.  Ein  solches  Patagium  spannt 
sich  theils  nur  zwischen  den  Basen  der  Arme  aus  und  kann  dann  zu- 
weilen auch  seinerseits  armartig  auswachsen  (Euchitonia  cruciata  Stöhr) 
oder  erstreckt  sich  bis  zu  den  Enden  der  Arme. 

Einen  etwas  eigenthümlichen  Bau  zeigt  die  am  besten  hier  anzu- 
schliessende  Gratt.  Stephanastrum  Ehrb.  (XXV.  4).  Von  einem  centralen 
discidenartigen  Skelettheil,  der  aus  drei  vollständigen,  ineinandergeschach- 
telten Kugeln  und  einer  vierten  unvollständigen,  einen  äquatorialen  Ring 
bildenden  besteht  (4  a,  4  b),  erheben  sich  vier  unter  rechten  Winkeln  ge- 
kreuzte Arme  (4  a),  welche  jedoch  in  ihrem  Bau  sehr  von  dem  der  Euchi- 
tonida  abweichen.  Die  Grundlage  jedes  Armes  bildet  ein  axialer  Stachel, 
der  sich  auch  noch  eine  Strecke  weit  frei  über  das  Armende  erhebt 
(4  c  und  d,  st).  Das  diesen  Stachel  umschliessende  Armgewebe  be- 
steht aus  zahlreichen,  allseitig  von  dem  Armstachel  ausstrahlenden  Stäben, 
deren  Enden  eine,  ohne  Zweifel  von  ihnen  aus  gebildete,  durchlöcherte 
Kieselmembran  stützen,  welche  wie  ein  Mantel  den  Axenstachel  umhüllt 
und  die  Armoberfiäche  bildet.  Als  sehr  eigenthümliche  Bildung  gesellen 
sich  hierzu  noch  vier,  hinsichtlich  ihrer  Bauweise  bis  jetzt  noch  nicht 
näher  erforschte,  bandartige  Skeletstreifen ,  welche  sich  zwischen  den 
Enden  der  benachbarten  Arme  ausspannen  und  demnach  zusammen  eine 
rhombische  Figur  bilden  (4  a). 

Wie  Häckel  neuerdings  ohne  Zweifel  richtig  erkannte,  leitet  sich  von 
den  Porodiscida  höchst  wahj-scheinlich  eine  reiche  Gruppe  scheiben- 
förmig abgeflachter  Formen  mit  schwammartigem  Gewebe  (Spongodis- 
cida  Hck.),  ganz  ähnlich  dem  der  Spongosphaerida,  her,  eine  Abtheilung, 
welche  Häckel  früherhin  auch  in  näheren  Zusammenhang  mit  diesen  letz- 
teren gebracht  hatte.  Der  Uebergang  des  Scheibengewebes  der  Porodis- 
cida in  solches  Schwammgewebe  vollzieht  sich  ohne  Zweifel  in  derselben 
Weise,  wie  wir  dies  auch  schon  bei  einer  Form  der  Coccodiseida  beob- 
achtet haben.  Höchst  wahrscheinlich  trat  die  schwammige  Umbildung  der 
Porodiscidenscheibe  zunächst  peripherisch   auf,   es  bildeten  sich  Formen 

*)  Nicht  uninteressant  ist  es,  dass  sich  dreiarmige  Euchitonida  liäulig  so  entwickeln 
(Euiliitonia^,  dass  sich  zwei  Arme  durch  Grösse  und  Bauweise  von  dem  dritten  Arm  merklich- 
unterscheiden,  wodurch  also  eine  zweistrahlige  Gestalt  des  Skelets  bedingt  wird.  Diese  Zwei- 
strahligkcit  wird  am  lebenden  Thier  dadurch  noch  deutlicher,  dass  die  unpaare  sogen.  Sar-- 
kodegeissel,  im  Grunde  zwischen  den  beiden,  gleichen  Armen .  also  gegenüber  dem  unpaaren; 
ihren  Ursprung  nimmt. 


374  Eadiolaria. 

mit  peripherischer  spougiöser  IScheibenzoue  (XXVI.  3 — 6),  wovon  Häckel 
neuerdings  auch  einige  unter  seinen  Porodiscida  aufführt*).  Auch  Stöhr 
beschreibt  eine  hierhergehörige  Form  mit  spiraliger  Bildung  des  cen- 
tralen Scheibentheils,  welche  sich  daher  entsprechend  den  sogen,  spiraligen 
Porodisciden  verhält.  Bei  den  übrigen  Formen  greift  die  spongiöse  Um- 
formung der  Scheibe  bis  zum  Centrum  und  es  bleibt  central  nur  noch 
eine  einfache  oder  doppelte  Markschale  erhalten  oder  es  hat  die  Schwamm- 
bildung auch  noch  diese  innersten  Skelettheile  ergriffen  (XXV.  7,  8). 

Häckel  hebt  zwar  ausdrücklich  hervor,  dass  eine  Ausbildung  concen- 
trischer  Ringbalken  diesen  ganz  schwammigen  Spongodisciden  stets  fehle; 
ich  möchte  dies  jedoch  für  einen  Theil  bezweifeln,  da  ich  Spongodiscus- 
formen  mit  recht  deutlich  concentrischer  Anordnung  von  Ringbalken  in 
der  Medianebene  der  Scheibe  sah,  während  die  Scheibenflächen  aus 
schwammigem  Gewebe  gebildet  wurden.  Die  Schwammscheiben  der 
Spongodisciden  sind  theils  unbestachelt ,  theils  mit  randlichen  Stacheln 
ausgerüstet,  ja  es  können  sich  solche  Stacheln  auch  von  den  Scheiben- 
flächen  erheben. 

Auch  unter  den  Spongodisciden  wiederholt  sich  nun  die  Armbildung 
der  Seheibe,  welche  wir  schon  bei  den  Phaco-  und  Porodiscida  zu  be- 
sprechen Gelegenheit  hatten.  Die  Zahl  dieser  Arme  schwankt  auch  hier 
zwischen  zwei  und  vier.  Im  ersteren  Fall  bilden  die  beiden  entgegen- 
stehenden Arme  einen  stabartigen,  cylindrischen  Schwammkörper  (XXVI.  8, 
XXVII.  3).  Auch  hier  sind  weiterhin  die  Arme  zuweilen  durch  heterogen 
gebildetes,  weitmaschiges  Schwammwerk  wieder  vereinigt  (XXVII.  2),  so 
dass  auch  in  dieser  Beziehung  die  Parallele  mit  den  Phaco-  und  Poro- 
discida eine  vollständige  wird. 

Unsre  Betrachtung  führt  uns  jetzt  zu  einer  neuen  Reihe  von  Formen, 
welche  sich,  ähnlich  wie  die  Coccodiscida  von  den  Phacodiscida,  von  ge- 
wissen, monaxon  umgestalteten  Sphaerideen  ableiten.  Häckel,  welcher 
diese  Reihe  neuerdings  (37)  durch  eine  beträchtliche  Anzahl  neuer  Formen 
vermehrt  hat,  fasst  dieselben  jetzt  zu  jeiner  besondern  Familie  der 
Zygartida  zusammen  und  ich  schliesse  mich  dieser  Auffassung  um  so 
lieber  an,  als  ich  selbstständig  zu  einer  gleichen  Anschauung  gelangt  bin. 

Die  monaxone  Umgestaltung,  welche  zu  der  Reihe  der  Zygartida 
führt,  ist  gewissermaasseu  der  entgegengesetzt,  welche  zu  den  Coccodis- 
cida durch  die  Phacodiscida  führt.  Der  Beginn  der  Reihe  hebt  nämlich 
an  mit  einschaligen  Formen,  welche  nicht  in  einer  Axe  abgeplattet,  son- 
dern verlängert  sind  und  in  der  Aequatorialebne  eine  ringförmige  Ein- 
schnürung aufweisen  (Subfam.  der  Artiscida  Hck.  1881).  Zu  dieser 
ellipsoidischen  Schale  können  sich  jedoch  noch  eine  oder  zwei  kuglige 
Innenschalen  hinzugesellen,  von  welchen  die  äussere  oder  die  eine,  über- 


*)  Häckel  hat  derartige  Formen  früher  als  besondre  Gruppe  der  Spongocyclida  zusammen- 
gefasst,  jetzt  scheint  er  dieselben  z.  Th.  unter  den  Porodiscida  mit  veränderten  Gattungsnamen 
aufzuführen,  dagegen  hat  er  die  ganz  entsprechend  gebaute  Gattung  Spongasteriscus  noch  unter 
den  Spongodiscida  behalten. 


Skelcte  (Spoiigodiscida,  Zygartida,  Pylonida).  375 

haiipt  ausgebildete,   diircb   eine   Anzahl   äquatorialer  Radialstäbc  mit  der 
cllipsoidischen  Rindenscbale  verbunden  ist  (XXII.  7  u.  XXIII.  1)*). 

Diese  Formen  entwickeln  sich  nun  durch  successive  Bildung  neuer, 
jedoch  unvollständiger  ellipsoidischer  Schalen  weiter,  entsprechend  dem 
Vorgang,  welcher  zur  Bildung  der  Coccodiscida  aus  den  Phacodiscida 
führte.  Die  nächstfolgende  ellipsoidische  Schale,  die  dritte  oder  vierte, 
ist  noch  ansehnlicher  längsgestreckt  und  noch  stärker  äquatorial  einge- 
schnürt, so  dass  sie  die  ältere  ellipsoidische  Schale  nicht  mehr  vollständig 
zu  umfassen  vermag.  Nur  ihre  beiden  Polregionen  gelangen  zur  Ausbil- 
dung, die  äquatoriale  Region  jedoch  fehlt,  indem  die  Wandungen  der 
beiden  gesonderten  Polregionen  dieser  unvollständigen  Schale  sich 
direct  an  die  Wand  der  älteren,  vollständigen  Schale  anlegen  und  mit 
dieser  verwachsen.  Die  beiden  getrennten  Theile  der  unvollständigen 
Schale  bedecken  also  wie  zwei  Kappen  oder  Kammern  die  Polregionen 
der  nächstälteren,  vollständigen.  Durch  fortgesetzte  Entwicklung  neuer, 
unvollständiger  Schalen  wächst  das  Skelet  natürlich  in  zwei  entgegen- 
stehende Arme  aus,  welche  sich  aus  den  zusammengehörigen,  jedoch  ge- 
trennten Abschnitten  successiver  Schalen  zusammensetzen,  also  gekam- 
mert  erscheinen  (XXV.  10).  Die  Zahl  dieser  Kammern  ist,  wie  zu 
erwarten,  bei  den  verschiedenen  Formen  ziemlich  verschieden.  —  Bei 
einer  der  einfacheren,  sowie  einer  der  complicirten  der  hierhergehörigen 
Formen  gesellt  sich  als  accessorischer  Skeletbestandtheil  noch  eine  spon- 
giöse  mantelartige  Umhüllung  hinzu,  welche  auch  als  doppelte  Hülle  auf- 
treten kann  und  ohne  Zweifel  aus  der  Weiterentwicklung  der  die  Schalen- 
oberfläche der  nichtumhüllteu  Formen  häufig  verzierenden  Bedoruung 
hervorgeht  (XXV.  10). 

Eine  sehr  eigenthümliche  Entwicklung  schlägt  das  Sphaerideenskelet 
in  der  von  Häckel  neuerdings,  auf  Grund  reicher  Befunde  aus  den  Samm- 
lungen des  Challenger,  errichteten  Familie  der  Pylonidae  ein.  Von  der 
ganzen  Gruppe  war  bis  in  die  neueste  Zeit  mit  Sicherheit  nur  eine  Gat- 
tung, Tetrapyle  J.  M.,  bekannt. 

Der  Hauptcharakter  dieser  Formen,  welche  mit  einer  einschaligen 
Gruppe  beginnen,  besteht  darin,  dass  sich  an  der  länglich  gewordnen 
Sphaeridecnschale  grössere  spaltartige  Oeffnungen  in  verschiedner  Zahl 
bilden.  Es  lassen  sich  gewöhnlich  drei  Axen  an  dem  Skelet  unter- 
scheiden, die  schon  erwähnte  Längsaxe,  eine  hierauf  senkrechte  Breiten- 
uud.  eine  kleinste  Tiefenaxe.  Gewöhnlich  gesellen  sich  zu  der  einen 
oder  den  mehrfachen  mit  Spaltöffnungen  versehenen  Schalen  noch  eine 
oder  zwei  elliptische  Innenschalen  gewöhnlichen  Baues  hinzu,  welche 
sich  durch  Radialstäbe  mit  der  Gitterwand  der  äusseren  Schale,  die  sich 

'^)  Es  kann  Ms  jetzt  wohl  nocli  niclit  für  ausgeuiaclit  gelten ,  ob  die  mit  ein  und  zwei 
Innenschalen  versehenen  Formen,  welche  Häckel  in  der  Suhfam.  der  Cyphijiida  zusammen- 
fasst,  sich  wirklich  von  cinschaligen  Formen  herleiten  oder  selbs^ständiger  Entstehung-  sind; 
wäre  das  erstere  der  Fall,  so  läge  hier  wohl  ein  Beispiel  nachträglicher  Bildung  innerer 
Schalen  vor. 


376 


Kadiolaria. 


zwischen  den  Spaltlöcliern  ausspannt,  verbinden.  Zahl  und  Anordnung 
der  Spaltöffnungen  der  einfachen  oder  doppelten  (und  auch  bei  Telrapyle 
nach  Hertwig  mehrfachen)  äusseren  Schale  ist  verschieden*).  Bei  einigen 
Formen  finden  sich  nur  zwei  solcher  Spaltöffnungen  (s.  den  Holzschnitt 
Fig.  5,  1,  2,  4,  X,  x)  und  zwar  an  den  beiden  Polen   der  Längsaxe;   bei 

Fig.  5. 


h' 


Erklärung  des  Holzschn.  Fig.  5.  Schematische  Construction  einer  Anzahl  A^er- 
treter  der  Pylonida  nach  den  Charakteristiken  von  Häckel  (37 ,  mit  Ausnahme  der  Tetrapyle 
Nr.  6,  welche  nach  der  Darstellung  Hertwig's  gezeichnet  ist).  Nr.  1  Pylosiihaera  (Ehbg.)  Hck., 
Nr.  2  Amphipyle  Hck.  1881,  Nr.  3  Pylocapsa  Hck.  IS'Sl,  Nr.  4  Amphipylonium  Hck.  1881, 
Nr.  .5  Triopyie  Hck.  1S81,  Nr.  6  Tetrapyle  J.  M.  —  x,  x  bezeichnet  in  allen  Figuren  die 
spaltartigeu  Oellhungen  der  Schale,  welche  stets  dadurch  entstanden  gedacht  sind,  dass  die 
benachbarten  Theile  der  Schale,  wegen  verchieden  starker  Krümmung,  nicht  zusammentreffen 
und  so  eine  Unterbrechung  in  der  Schalenwand  zu  Stande  kommt. 

anderen  treten  hierzu  noch  zwei  weitere  an  den  Enden  der  Breitenaxe 
(Holzschnitt,  3).  Auch  drei  in  gleichen  Abständen  gestellte  Spaltlöcher 
treten  zuweilen  auf  (Holzschnitt,  5).  Vier  Löcher  finden  sich  andrerseits 
auch  so  gestellt,  dass  je  zwei  symmetrisch  auf  den  abgeplatteten  Seiten- 
flächen liegen,  je  eines  zwischen  dem  Mittelpunkt  der  Seitenfläche  und 
den    Polen    der    Längsaxe    (so    Tetrapyle   [Holzschnitt  6j   etc.).     Durch 


*)  Die  Entstehung  dieser  Spaltlöcher  lässt  sich,  nach  meiner  Vermuthung,  wahrscheinlich 
ähnlich  auffassen,  wie  die  Entstehung  der  üuterbrechungsstelle  in  den  Riiigbalken  gcAvisser 
Porodisciden  uud,  wie  Hertwig  (33)  schon  hervorgehoben  hat,  darauf  zurückführen, 
dass  die  ursprünglich  reguläre  Sphaeroidschale  an  gewissen  benachbarten  Stellen  verschieden- 
artige Stärke  der  Krümmung  annimmt,  so  dass  diese  Stellen  nicht  mehr  aufeinanderstossen, 
sondern  eine  SpaltöflTnung  erzeugen.  Auf  (irund  dieser  Voraussetzung  sind  die  Schemata  des 
obigen  Holzschnittes  entworfen,  da  nur  für  Tetrapyle  bis  jetzt  genauere  Abbildungen  und  Be- 
schreibungen vorliegen. 


Skelete,  (Pylouida,  LithelidaV  377 

weitere  Venuehrmig-  erhebt  sich  die  Zahl  der  Spaltöllimiigeii  auf  sechs 
und  acht  symmetrisch  angeordnete,  um  schliesslich  bei  einer  Gattung  auf 
zehn  und  mehr  zu  steigen. 

Von  allen  diesen  Formen  ist,  wie  gesagt,  bis  jetzt  allein  Tetrapyle 
durch  Hertwig's  genaue  Untersuchungen  näher  bekannt,  während  die 
übrigen  nur  in  kurzen  lateinischen  Gattungsdiagnosen  geschildert  wurden. 
Es  wird  sich  daher  verlohnen,  die  Gattung  Tetrapyle  als  Beispiel  etwas 
genauer  zu  besprechen. 

Um  die  etwas  ellipsoide,  kleine  Markschale  der  Tetrapyle  (s.  Holz- 
schnitt 6,  u.  XXIII.  4)  legt  sich  eine  langgestreckte  und  in  einer  Queraxc 
etw^as  abgeplattete  Rindenschale  so  herum,  dass  die  Längsaxe  der  ellip- 
soiden  Markschale  mit  dem  Dicken-  oder  kleinsten  Durchmesser  der 
Kindenschale  zusammenfällt.  Vier  weite,  etwa  ovale  Löcher  (x)  durch- 
brechen die  Rindenschale  in  schon  geschilderter  Lagerung,  so  dass  auf 
jeder  Seitenfläche  der  Rindenschale  zwei  dieser  Löcher  durch  eine  Gitter- 
brücke (b)  getrennt  erscheinen,  welche  Gitterbrttcke  parallel  der  Breitenaxe 
läuft.  Von  den  zusammen  eine  Art  Ring  bildenden  Gitterbrücken  der 
beiden  Seitenflächen  erhebt  sich  dann  nach  jedem  Pol  zu  eine  bogige 
Gitterspange  (c),  welche  beiden  Spangen  die  zwei  nach  jedem  der  Pole 
zu  gelegnen  Spaltöffnungen  der  beiden  Seitenflächen  trennen.  Im  Dicken- 
durchmesser (b  b)  tritt  die  Rindenschale  sehr  dicht  an  die  Markschale  heran. 

Sehr  bemerkenswerth  ist  nun,  dass  das  Wachsthum  des  Tetrapylen- 
skelets  hiermit  nicht  abgeschlossen  ist,  sondern  sich  nach  Hertwig  in 
eigenthümlicher  Weise  weiter  fortsetzt.  Die  äusseren  (nach  den  Polen 
der  Längsaxe  gelegnen)  Ränder  der  Spaltöflnungen  nämlich  wachsen, 
sich  über  die  Löcher  dachartig  erhebend,  zu  Gitterplatten  aus;  indem 
diese  Gitterplatten  jeder  Seitenfläche  einander  entgegenwachsen  und 
schliesslich  mit  einander  verwachsen,  bilden  sie  über  jeder  Seitenfläche 
eine  bogige  Gitterspange  (b'j,  so  dass  das  Skelet  nun  bei  Betrachtung  in 
der  Richtung  des  Breitendurchmessers  (siehe  den  Holzschnitt)  ganz  die 
Ansicht  der  früheren  Seitenfläche  bietet,  indem  zwischen  diesen  neuge- 
bildeten Spangen  und  dem  am  Ende  des  Breitendurchmessers  gelegnen 
Antheil  des  ursprünglichen  Skelets  jederseits  zwei  neue  Löcher  frei  blei- 
ben (bb^).  Von  den  äusseren  Räudern  dieser  Löcher  aus  vermag  sich 
diese  Spangenbilduug  nochmals  zu  wiederholen  und  es  bilden  sich  sodann 
zwei  neue  oder  dritte  Löcherpaare,  die  sich  in  der  durch  Breite-  und 
Längsdurchmesser  zu  legenden  Ebne  symmetrisch  gruppiren. 

Ob  sich  auch  bei  anderen  Pyloniden  dergleichen  merkwürdige,  von  den 
Spaltöffnungen  ausgehende  Wachsthumserscheinungen  finden ,  lässt  sich 
bis  jetzt  aus  der  kurzen  Charakteristik,  welche  Häckel  von  denselben 
gegeben  hat,  nicht  ersehen. 

Mit  wenig  Worten  sei  zum  Schluss  noch  eine  letzte  Gruppe  der 
Sphaerideenskelete  besprochen,  welche  Häckel  zu  der  Familie  der  Lithelida 
erhob  (1881,  37).  Es  scheint  mir  jedoch  etwas  unsicher,  ob  sämmtliche 
hierhergestellten  Formen  wirklich  eine  einheitliche,  genetische  Gruppe  bil- 


378  Eadiolaria. 

den ;  es  sind  aber  bis  jetzt  nur  wenige  davon  genauer  bekannt.  Alle 
hierbergehörigen  Skelete  besitzen  eine  kuglige  bis  elliptische  Markschale 
gewöhnlicher  Art  und  darum  im  einfachsten  Fall  eine  ziemlich  unregel- 
mässig gebildete  Riudenschale.  Genauer  bekannt  ist  von  solch  einfachen 
Formen  bis  jetzt  nur  Echinosphaera  Hertw.  durch  die  Untersuchungen 
Hertwig's  (33).  Die  ziemlich  unregelmässig  kuglige  Rindenschale  zeichnet 
sich  auch  meist  durch  sehr  unregelmässige  Form  und  Grösse  der  Gitter- 
löcher aus  (XXIII.  3  a-— b).  Indem  weiterhin  einige  grössere  Löcher  in 
dieser  Kiudenschale  auftreten,  nähert  sie  sich  in  ihrer  Bildung  sehr  den 
Pvlonidae,  namentlich  der  vorhin  genauer  besprochnen  Gattung  Tetrapyle. 
Mir  scheint  daher  auch  Hertwig  mehr  im  Recht  zu  sein,  wenn  er  diese 
Form  in  nähere  Verbindung  mit  Tetrapyle  bringt. 

Sehr  eigenthümlich  ist  der  Bau  der  Gattung  Lithelius  Hck.,  welche 
sich  wohl  von  Echinosphaera  oder  Pyloniden  ähnlichen  Formen  herleiten 
kann.  Nach  Hertwig,  dem  sich  neuerdings  auch  Häckel  angeschlossen 
hat,  entwickelt  sich  das  Skelet  des  Lithelius  in  folgender  Weise.  Um 
die  nahezu  kuglige  Markschale  bildet  sich  eine  Rindenschale,  welche  sich 
aber  nicht  schliesst,  sondern  eine  grössere  Spaltöffnung  besitzt,  die  da- 
durch zu  Stande  kommt,  dass  die  sie  begrenzenden  Wandtheile  der 
Rindenschale  ungleich  weit  von  der  Markschale  abstehen  und  daher  auch 
in  verschiednem  Grade  gekrümmt  sind.  Auch  bei  den  Pylonida  ist  wahr- 
scheinlich der  Grund  der  Bildung  der  Spaltöffnungen  im  wesentlichen 
stets  der  gleiche,  wie  schon  angedeutet.  Hiermit  ist  jedoch  das  AVachs- 
thum  der  Schale  nicht  abgeschlossen ,  sondern  setzt  sich  dadurch  fort, 
dass  der  weiter  abstehende  oder  schwächer  gekrümmte  Rand  der  Spalt- 
öffnung zu  einem  sich  spiralig  um  die  Rindenschale  aufrollenden  Gitter- 
blatt fortwächst,  dessen  successive  Windungen  sich  vollständig  umschliessen 
(involut)  (XXV.  7  u.  6).  Es  entsteht  so  ein  kugliger  bis  ellipsoidischer 
Skeletkörper,  der  einen  ganz  ähnlichen  Bau  besitzt,  wie  die  Gattung 
Alveolina  unter  den  Rhizopoda.  Unter  sich  stehen  die  successiven  Win- 
dungen der  spiraligen  Gitterschale  durch  Radialstäbe  in  Verbindung,  welche 
ursprünglich  als  feine  Stachelgebildc  von  ihrer  Oberfläche  entsprangen  und 
das  AVeiterwachsthum  der  Gitterschale  vermitteln  halfen. 

Obgleich  ich  nun  durchaus  nicht  in  der  Lage  bin,  die  Möglichkeit 
einer  solchen  Bauweise  des  Lithelius  zu  bezweifeln,  so  erheben  sich  mir 
durch  das  Studium  einer  fossilen  Form,  welche  ohne  Zweifel  hierhergehört, 
doch  einige  Bedenklichkeiten. 

Wie  es  nämlich  scheinbar  doppelspiralige  Porodisciden  gibt,  so  finden 
wir  auch  doppelspiralige  Litheliusformen  und  eine  solche  ist  es,  welche 
ich  hier  noch  näher  zur  Sprache  bringen  will  (XXV.  8).  Betrachten  wir 
diese  nahezu  kuglige  Form  in  einer  gewissen  Richtung,  so  bietet  ihr 
optischer  Durchschnitt  genau  das  Bild  einer  doppelspiraligen  Porodiscide 
dar,  wie  wir  es  oben  eingehender  besprachen.  Drehen  wir  jedoch  nur 
wenig,  so  verliert  sich  auch  hier  die  Spiralität  und  es  tritt  dasselbe  Bild 
auf  wie  bei  den  Porodisciden,  nämlich  das  sich  umfassender  Ringe,  deren 


Skelete  (Lithulida,  Phaeodaria).  379 

Hälften  gcgeuemiiudcr  etwas  verscliobcu  sind  (8  a).  Dass  diese«  Bild 
schon  bei  schwacher  Drehung  in  die  Doi)peIspiraIe  übergeht,  erklärt 
sich  aus  denselben  Gründen,  wie  bei  den  Porodisciden.  Betrachten  wir 
die  optischen  Durchschnitte  in  den  beiden  Ebnen  senkrecht  zur  Ebne  der 
scheinbaren  Spiralität,  von  welcher  die  eine  durch  den  Durchmesser  der 
Bruchstellen  der  Hinge,  die  zweite  hierzu  senkrecht  gelagert  ist,  so  beob- 
achten wir  Bilder,  welche  denen  regulärer,  vielschaliger  Sphaerideen  ent- 
sprechen, indem  sich  zahlreiche  Schalenlagen  concentrisch  umfassen.  Ich 
erkläre  mir  diesen  Bau  wie  den  der  doppelspiraligen  Porodiscidae.  In 
der  ersten  Kindenschale  traten  aus  denselben  Gründen,  welche  oben  schon 
bei  dem  einfachspiraligen  Lithelius  hervorgehoben  wurden,  zwei  Löcher 
auf,  die  jedoch  nachträglich  wieder  durch  eingekrümmtes  Weiterwachs- 
thum  der  Ränder  geschlossen  wurden.  Successive  bildeten  sich  nun  neue 
derartige  Schalen  aus,  alle  von  dem  gleichen  Verhalten.  Es  lässt  sich 
daher  unsre  Form  wohl  von  Pyloniden  mit  zwei  Spaltöffnungen  an  den 
Enden  der  Hauptaxe  ableiten. 

Die  Frage  erhebt  sich  nun,  ob  nicht  auch  die  einfachspiraligen  Lithe- 
liden  in  ähnlicher  Weise,  wie  mir  dies  ja  fiw  die  einfachspiraligen  Poro- 
disciden sicher  zu  sein  scheint,  nur  scheinbar  spiralig  sind  und  sich  wie 
die  erstem  durch  nur  einseitiges  Auftreten  einer  Unterbrechung  der  Schalen 
erklären. 

y.  Die  Skelete  der  Phaeodaria. 

Eine  in  sich  geschlossene,  selbstständig  entwickelte  Gruppe  von 
Skeletbildungen  repräsentiren  ohne  Zweifel  die  der  sogen.  Phaeodaria. 
Es  geht  dies  einerseits  daraus  hervor,  dass  sich  auch  skeletlose,  wohl 
sicher  zu  den  ursprünglichsten  gehörige  Phaeodarien  linden.  Weiterhin 
zeigen  die  Skeletbildungen  fast  durchgehend  einen  Charakter,  welcher 
denen  der  übrigen  Kadiolarien  gänzlich  fremd  ist;  sie  sind  nämlich  hohl 
oder  doch  häufig  mit  hohlen,  röhrenförmigen,  stachelartigen  Fortsatzgebil- 
den ausgerüstet. 

Hinsichtlich  ihrer  morphologischen  Gestaltung  verrathen  die  Phaeo- 
darienskelete  eine  gewisse  Uebereinstimmuug  mit  denen  der  Sphaerideen, 
weshalb  denn  früherhin  auch  manche  Phaeodarienformen  unter  die  Sphae- 
rideen eingereiht  wurden. 

So  treffen  wir  gleich  zunächst  eine  wohl  recht  ursprüngliche  Form- 
reihe (Unterfam.  Cannoraphida  und  Aulacanthida  Hck.  1879,  Nr.  34),  bei 
welcher  das  Skelet  aus  zahlreichen  isolirten,  hohlen  Kieselelementen  be- 
steht, welche  in  die  Gallerte  eingelagert,  die  Centralkapsel  mantelartig  um- 
hüllen; Skeletbildungen  also,  welche  den  früher  besprochnen  gewisser 
Colliden  und  Sphaerozoiden  vergleichbar  sind.  Wie  gesagt,  sind  die 
Skeletelemente  dieser  Formen  hohl,  wie  schon  Häckel  bei  einem  Theil 
derselben  richtig  erkannte.  Wallich  (17)  und  Hertwig  (33)  weiterhin  für 
Dictyocha  fanden.  Nie  jedoch  ist  ihr  Lumen  nach  aussen  geöffnet,  was 
besondre  Erwähnung  verdient,  da  es  Häckel  für  einzelne  Formen  früherhin 


380  Kadiolaria, 

behauptete.  Zunächst  sind  es  auch  hier  nadelförniige  Kieselgebilde, 
welchen  wir  begegnen.  Dieselben  umlagern  entweder  tangential  die 
Centralkapsel  (Thalassoplancta  Hck. ,  XXXI.  18)  oder  es  gesellen  sich 
zu  einem  dichten  Lager  solch  feiner  tangentialer  Nadeln  noch  grössere, 
welche  radial  von  der  Oberfläche  der  Centralkapsel  ausstrahlen  (Aula- 
cantha,  XXXI.  19).  Das  peripherische  Ende  dieser  grösseren  Radialstacheln 
kann  mit  kurzen  Dörnchen  besetzt  sein. 

Sehr  eigenthümlich  gestalten  sich  die  hohlen,   isolirten  Skeletgebilde 
der  Gattungen  Mesocena  und  Dictyocha  Ehrenberg's,   von   welchen   die 
erstere  bis  jetzt  nur  fossil   aufgefunden  wurde.     Sie  besitzt  Skeletgebilde 
von  Gestalt  hohler,  in  sich  geschlossner  Ringe  von  regulärer,   bis  ellipti- 
scher  und  stumpf  dreieckiger  Gestaltung  (XXXII.   1 — 2).     Die   äussere 
Peripherie   dieser  Ringe  wird   durch   eine   sehr  verschiedne  Zahl  kurzer 
Dörnchen  geziert,  so  finden  sich  zwei  entgegenstehende,  vier  kreuzförmig 
orientirte,  drei  stärkere  in   den  stumpfen   Ecken   der  dreiseitigen  Ringe, 
wozu  sich  noch  zahlreiche  schwächere  gesellen,  oder  zahlreichere  im  Um- 
fang des  Ringes  vertheilt.    Bei  einigen  bis  jetzt  nicht  ganz  sicheren  For- 
men gesellen  sich  zu  den  centrifugalen  Dörnchen  auch  centripetale  hinzu, 
welche  von  der  inneren  Peripherie  des  Ringes  nach  dem  Centrum  zu  streben 
und  in  den  Zwischenräumen  zwischen  den  äusseren  Dörnchen  entspringen. 
Durch   Weiterentwicklung  solcher  centripetaler  Dörnchen  entstehen  wohl 
sicher  die  Skeletgebilde   der  Gattung  Dictyocha  (XXXII.  3 — 6),   indem 
sich  die  Dörnchen  stärker  entwickeln,    sich   nach   der  einen   Seite   über 
die  Ebne  des  Ringes   erheben   und  sich  brückenartig  unter  einander  ver- 
binden.   In  etwas  abweichender  "Weise  entwickelt  sich  so  bei  zwei  For- 
men nur  eine  Brücke,  welche  den  ovalen  Ring  halbirt.     Bei  einer  Reihe 
weiterer  Formen  ist  der  Ring  vierseitig  geworden,  mit  vier  centrifugalen 
Dörnchen  der  Ecken ;   zwischen   diesen   entspringen  aus   den   vier  Seiten 
des  Ringes   vier  centripetale   Stacheln,   welche   sich   dachartig    über   die 
Ebne  des  Ringes  erheben  und  sich  je  zu  zweien  zu  Brücken   vereinigen, 
deren  Gipfelpunkte  wieder   durch  eine  Querbrücke  verbunden  sind.     Von 
dem  Gipfel  dieser  letzteren  erhebt  sich  häufig  ein  Stachel,  oder  es  können 
sich  auch  zwei  solcher  Gipfelbrücken  ausbilden,  welche  dann  ein  Scheitel- 
loch _un)schliessen.     Bei   einer   weiteren   Reihe  von  Dictyochen    wird  der 
Ring  sechsseitig,  mit  sechs  centrifugalen  und  sechs  centripetalen  Dornen, 
deren  Gipfel  sich  unter  einander   durch  Seitenfortsätze  vereinigen  und  so 
ein  hexagonales   oder  rundes  Scheitelloch    umschliesseu.     Weiterhin  sind 
jedoch  auch  sieben-   und  mehrstachelige   Formen  zur  Ausbildung  gelaugt 
und   nicht  selten  scheinen   gewisse  Unregelmässigkeiten  in  der  Entwick- 
lung Platz  zu  greifen.  , 

Eine  interessante  Weiterbildung  zeigen  schliesslich  die  Skeletbildungen 
der  Dictyochen  bei  den  Stöhr'schen  Distephanusformen  (XXXII.  7),  in- 
dem hier  die  Ausbildung  der  dachartigen  Brücken  auf  beiden  Seiten  des  ur- 
sprünglichen Ringes  stattgefunden  hat  und  so  eine  kleine  polyedrische 
Gitterkugel  mit  hexagonalen  Maschen  entstanden  ist. 


Skelete  (Pliaeodaria).  381 

Hinsicbtlich  ihrer  Skeletbildimg  reiht  sich  an  die  seither  besprochnen 
Formen  wahrscheinlich  die  Gruppe  (Familie)  der  Phaeosphaeria  Häckel's. 
zunächst  an ,  bei  welchen  es  zur  Bildung-  zusammenhängender,  kugliger 
Gitterschalen  gekommen  ist,  die  sich  ähnlich  zu  den  mit  losen,  nadelfür- 
migen  Skeletgebilden  Versehenen  verhalten  dürften,  wie  die  entsprechen- 
den Formen  unter  den  Peripyleen  zu  einander.  Bei  den  einfacheren  dieser 
Phaeosphaerien,  von  welchen  die  Gattung  Aulosphaera  bis  jetzt  allein 
näher  bekannt  ist  (XXXII.  8  a— e),  findet  sich  eine  aus  meist  deutlich 
hohlen  Röhren  aufgebaute,  weitmaschige  Gitterkugel  oder  ein  polyedrischer 
Gitterkörper.  Bei  Aulosphaera  sind  die  Maschen  gewöhnlich  sehr  regulär 
dreieckig  und  in  den  Knotenpunkten  stossen  fast  stets  sechs  Röhren  zu- 
sammen (XXXII.  8  b,  c).  In  diesen  Knotenpunkten  findet  jedoch  keine 
Communication  der  Rölirenlumina  statt,  sondern  sechs  zarte  Scheidewände 
trennen  die  Lumina  der  zusammenstossenden  Röhren  von  einander.  Auch 
communicirt  das  Hohlraumsystem  des  Skelets  durchaus  nicht  durch  Oefif- 
nungen  mit  der  Aussenwelt.  Von  den  Knotenpunkten  des  Maschenwerks 
erheben  sich  gewöhnlich  centrifugale,  hohle  Stacheln,  deren  Lumen  jedoch 
gleichfalls  gegen  das  der  Röhren,  welche  durch  ihr  Zusammenstossen  den 
Knotenpunkt  erzeugen,  abgeschlossen  ist  (8c).  Interessant  ist,  dass  bei 
Aulosphaera  elegantissima  die  Axe  dieser  Stachelröhren  von  einem  feinen 
Kieselfaden  durchzogen  wird,  der  sich  auch  noch  ein  Stück  weit  centd- 
petalwärts  frei  über  den  Knotenpunkt  hinaus  verlängert.  Auch  in  den 
Kieselröhren  der  Kugel  ist  dieser  Faden  zu  verfolgen,  liegt  jedoch  hier 
der  Röhrenwand  an. 

Bei  den  complicirteren  Phaeosphaerien  gesellt  sich  zu  der  aulosphaera- 
artigen  äusseren  Gitterkugel  noch  eine  innere,  die  Centralkapsel  dicht 
umschliessende,  zweite  oder  Mark-Schale  (nach  Häckel  [34]  „einaxig,  kug- 
lig  oder  eiförmig")  hinzu,  die  vielleicht  gleichfalls  aus  hohlem  GitterAverk 
besteht  und  wenigstens  bei  Coelacantha,  der  einzigen  bis  jetzt  genauer 
bekannten  hierhergehörigen  Form,  recht  unregelmässig  gegittert  ist. 
Aeussere  und  innere  Kugel  stehen  durch  hohle  Radialstäbe  in  Verbindung, 
deren  Lumen  sich  bei  Coelacantha  möglicherweise  in  den  Hohlraum  der 
Markschale  öffnet  (vergl.  hier.  Hertwig  33).  Von  den  Knotenpunkten  der 
weitmaschigen,  äusseren  Kugel  entspringen  hohle,  einfache  oder  verästelte 
Radialstacheln,  die  jedoch  (Coelacantha)  nicht  Fortsetzungen  der  Radial- 
stäbe sind,  da  die  letzteren  sich  mit  den  Kieselröhren  der  äusseren  Kugel 
mitten  zwischen  den  Knotenpunkten  vereinigen.  Coelacantha  zeichnet 
sich  weiterhin  noch  dadurch  aus,  dass  in  der  Axe  aller  Hohlröhren  des 
Skelets  ein  feiner  Kieselfaden  hinzieht,  ähnlich  wie  er  auch  schon  bei 
Aulosphaera  erwähnt  wurde  und  ferner  dadurch,  dass  die  Lumina  der 
Hohlröhren  in  gewissen  Abständen  durch  Quersepten  untergetheilt  sind. 
Eigenthümlich  ist  weiterhin,  dass  die  Skeletröhren  an  allen  den  Stellen, 
wo  sie  von  Septen  durchzogen  sind,  mit  Wirtein  zarter  Kieselfäden  be- 
setzt sind,   die  an  ihren  Enden  ankerartig  in  drei  Widerhaken  auslaufen. 

Am  nächsten   verwandt   mit   den  Skeleten   der  Phaeosphaerideu  sind 


382  Eadiolaria. 

wohl  die  der  Phaeoconchia  Häckel's,  welche  aber  bis  jetzt  gleichfalls  mir 
zum  kleineren  Theil  durch  genauere  Schilderung  bekannt  sind.  Statt  der 
Gitterkugel  der  Phaeosphaeriden  treffen  wir  bei  diesen  Formen  zwei  halb- 
kuglige  bis  linsenförmige,  getrennte  Schalen -Hälften  oder  -Klappen,  die 
wenigstens  bei  der  Unterfamilie  der  Coelodendridae  durch  sehr  feine  und 
ziemlich  unregelmässige  Gitterung  sich  auszeichnen  und  sich  zur  Bildung 
einer  kugligen  oder  linsenförmigen  Gitterschale  zusammenlegen,  jedoch 
nur  selten,  wie  es  scheint,  mit  den  Rändern  secundär  zu  einer  einheit- 
lichen Schale  verwachsen  (XXXII.  13,  14  c). 

Von  der  einfacheren  Unterfamilie  der  Concharida  liegt  bis  jetzt  nur 
eine  ganz  kurze  Beschreibung  Häckel's  vor,  aus  welcher  hervorgeht,  dass 
die  beiden  Gitterklappen  derselben  ohne  stachelartige  Anhänge  sind,  da- 
gegen häufig  an  den  Rändern  eine  Reihe  Zähnchen  tragen,  mittels  welcher 
die  beiden  Klappen  ineinandergreifen. 

In  der  Gruppe  der  Coelodendrida  dagegen  erlangt  das  Skelet  eine 
viel  beträchtlichere  Entwicklung,  indem  von  den  Polgegenden  der  beiden 
Klappen  aus  sich  stachelartige,  hohle,  meist  vielfach  verzweigte  Anhänge 
entwickeln,  welche  zum  Theil  eine  sehr  beträchtliche  Länge  erreichen 
(XXXII.  12,  13,  14  c). 

Diese  Stachelröhren  entspringen  jedoch  nicht  direct  von  den  halb- 
kugligen  bis  linsenförmigen  Schalenklappen,  sondern  wenigstens  in  den 
allein  genauer  bekannten  Geschlechtern  Coelodendrum  Hack,  und  Coelo- 
thamnus  Hck.  von  einem  mehr  oder  weniger  ansehnlichen,  dreiseitigen 
und  ziemlich  niederen,  kästchenartigen  Aufsatz,  welcher  die  Polregion  der 
beiden  Klappen  krönt  (XXXII.  13,  14  c).  Dieser  Aufsatz  besitzt  solide 
nichtgegitterte  Wände*),  mit  Ausnahme  der  Bodenwand,  die  von  der  Pol- 
region der  Gitterklappe  selbst  gebildet  wird  und  welche  bei  Coelodendrum 
von  einigen  Gitterlöchern,  bei  Coelothamnus  dagegen  von  einer  grösseren 
Oeffnung  durchbrochen  wird. 

Von  jeder  Ecke  des  geschilderten,  dreiseitigen  Aufsatzes  entspringt 
nun  gewöhnlich  eine  stachelartige  Kieselröhre,  bei  Coelodendrum  zu- 
weilen jedoch  auch  von  einer  der  Ecken  gleichzeitig  zwei**).  Gegen  den 
Hohlraum  des  Aufsatzes  ist  das  Lumen  dieser  Röhren  durch  eine  Quer- 
scheidewand abgesetzt.  Bei  Coelodendrum  verästeln  sich  diese  hohlen 
Radialstacheln  fortgesetzt  dichotomisch,  indem  sie  gleichzeitig  immer  feiner 
werden,  zu  einem  mehr  oder  minder  reich  verzweigten  Baum.  Die  Ver- 
zweigung kann  so  weit  getrieben  sein,  dass  die  peripherischen  Zweige 
einen  dichten    Wald   um  den   centralen  Theil  des  Skeletes  bilden.     Auch 


*)  Oder  dieselben   sind   docli  mir  von  wenigen  grösseren  OefFnnngen  bei  Coelodendrum 
durclibohrt. 

■**)  Häckel  gibt  für  Coelodendrum  jedoch  auch  noch  eine  Eeihe  weiterer  Verschieden- 
heiten in  Zahl  und  Stellung  dieser  Stacheln  an.  So  sollen  z.  Th,  auch  ein  oder  zwei  Staclieln 
aus  dem  Gipfel  des  Aufsatzes  hervortreten  oder  es  sollen  auch  zuweilen  von  jeder  der  Ecken 
gleichzeitig  zwei  Stacheln  entspringen.  Gelegentlich  ist  auch  bei  Anwesenheit  von  Gipfel- 
stacheln die  eine  Ecke  des  Aufsatzes  stachellos. 


Skelete  (Phaeodaria).  3§3 

sollen  sich  nach  Häckel  zuweilen  Anastomosen  benachbarter  Zweige  aus- 
bilden. Die  letzten  Zweigenden  sind  stets  geschlossen  und  zuweilen  mit 
einigen  Ankerhäkchen  besetzt. 

Bei  Coelothamnus  (Davidoflfii  Btschli,  14  a — d)  geht  die  Verzweigung 
der  drei  Stachelröbren  jedes  Aufsatzes  nicht  gleicbnülssig  vor  sich;  die 
eine  derselben  entwickelt  sich  durch  regelmässig  fortgesetzte  Gablung 
zu  einem  Bäumchen,  dessen  feine  Endzweige  durch  Entwicklung  von  zwei 
l)is  vier  Ankerhäkchen  zu  Ankerfäden  werden  (14  d).  Die  beiden  anderen 
Röhren  dagegen  theilen  sich  zunächst  regulär  zu  vier,  alsdann  wird  aber 
die  weitere  dichotomische  Spaltung  irregulär,  indem  bei  der  nächsten 
Gablung  einer  der  Gabeläste  stärker  bleibt,  während  der  andere,  dünnere 
zu  einem  kleinen  Bäumchen  sich  weiter  theilt;  der  stärkere  Ast  gabelt 
sich  in  gleicher  Weise  weiter  und  so  fort.  Alle  die  stärkeren  Gabeläste 
bilden  zusammen  einen  langen  Röhrenstamm  oder  Strahl  (14  a,  14  b),  der 
seitlich  dicht  mit  den  kleineren  verzweigten  Bäumchen  besetzt  ist,  welche 
aus  den  kleineren  Gabelästen  hervorgingen.  In  solcher  Weise  strahlen 
demnach  von  den  beiden  Gitterklappen  dieses  Coelothamnus  16  lange 
Strahlen  nach  allen  Seiten  aus.  Erwähnenswerth  ist  noch,  dass  bei  der 
beschriebnen  Form  die  beiden  Klappen  sich  nicht  gleichsinnig,  sondern 
um  180'-  gegeneinander  verdreht  zusammenlegen. 

Von  der  letzten  Familie  der  Phaeodaria,  den  sogen.  Phaeogromia 
Häckel's  haben  wir  bis  jetzt  nur  ungenügende  Kenntniss,  welche  sich  auf 
einige  Abbildungen  Murray 's  (27)  und  kurze  Charakteristiken  Häckel's  (34) 
gründet.  Hiernach  besitzen  diese  Formen  eine  durch  Entwicklung  einer 
grossen  Hauptöflfnung  stets  einaxig  gewordne,  kuglige  bis  eiförmige 
Schale,  welche  aber  auch  zweistrahlig  und  bilateral  symmetrisch  werden 
kann.  Dieselbe  besitzt  wie  die  Klappen  der  Phaeoconchia  eine  solide, 
nicht  hohle  Kieselwand.  Neben  der  grossen  Hauptöffnung  scheinen 
Durchbrechungen  (Poren)  z.  Th.,  so  bei  den  kugligen  Castanellidae  Hck. 
(Unterfam.)  ganz  zu  fehlen,  dagegen  ist  die  Schale  derselben  meist  mit 
hohlen  oder  soliden  Stacheln  bedeckt  und  auch  die  Mündung  oft  von  be- 
sonderen Fortsätzen  umgeben.  Bei  den  mit  eiförmiger  oder  länglich- 
runder, häufig  auch  coraprimirter  und  gekielter  bis  bilateral-symmetrischer 
Schale  versehenen  Challengeridae  (emend.  Hack.,  XXXH.  16—18)  sind 
sehr  feine  Poren  über  die  Schale  zerstreut,  von  welchen  jeder  gewöhnlich 
in  einem  sechseckigen  Feldchen  liegt.  Die  den  einen  Pol  einnehmende 
Mündung  ist  selten  eine  einfache  Oeffnung,  sondern  ihr  Rand  wächst  ge- 
wöhnlich in  einen  zahnartigen,  hohlen  oder  in  ein  bis  mehrere,  häufig  ver- 
ästelte Fortsätze  von  röhrenartiger  Gestalt  aus. 

„Subsphärisch"  oder  polyedrisch  gestaltet  sich  die  Schale  der  letzten 
Abtheilung  der  Phaeogromia  (C er ioporidae  Hck.,  XXXH.  19 — 20).  Von 
der  Oberfläche  derselben  erheben  sich  nach  verschiednen  Richtungen  bohle 
Radialstacheln,  welche  einfach  oder  verästelt  auftreten.  Die  Schalenwand 
wird  von  Poren  durchbrochen ,  welche  gewöhnlich  in  Kränzen  um  die 
Basen  der  Stacheln  angeordnet  sind. 


384  Eadiolaiia. 

S,    Skelete  der  Monopylaria. 

Die  reichhaltigste  Gruppe  der  Radiolarien  bilden  die  sogen.  Mono- 
pylaria; doch  lässt  sich  ein  genetischer  Zusammenhang  und  eine  succes- 
sive  Entwicklung  der  Skeletbildungen  durch  die  gesammte  grosse  Menge 
der  Formen  auch  hier  verfolgen,  wenngleich  die  Ableitung  gewisser  Unter- 
gruppen bis  jetzt  noch  Schwierigkeiten  bereitet  und  namentlich  zwei  sehr 
ditferente  Ansichten  über  den  Ausgangspunkt  der  gesammten  Gruppe  aul- 
gestellt worden  sind.  Mit  Sicherheit  scheint  festzustehen,  dass  die  Skelet- 
bildungen unsrer  Abtheiluug,  wie  zuerst  Hertwig  betonte,  selbstständig  and 
ohfle  Zusammenhang  mit  denen  der  anderen  grossen  Unterabtheilungen  ent- 
standejh  sind.  Bis  jetzt  hat  nur  letsiterwähnter  Forscher  eine  hierhergehörige, 
wahrscheinlich  skeletlose  Form  beobachtet  (XXVIII.  8),  doch  darf  diesem 
Befund  kein  zu  grosser  AVerth  beigelegt  Averden,  da  die  Möglichkeit  nicht 
ganz  ausgeschlossen  erscheint,  dass  sein  Cystidium  nur  ein  skeletloses 
Jugendstadium  einer  einfacheren,  skeletführenden  Monopylarienform  dar- 
stellt. 

Bezüglich  der  ursprünglichsten  Ausgangsformen  der  Monopylarien- 
skelete  sind,  wie  bemerkt,  zwei  sehr  verschiedne  Ansichten  entwickelt 
worden.  Zuerst  hat  Hertwig  (33)  nachzuweisen  gesucht,  dass  sich  die 
grosse  Mehrzahl  derselben  von  einer  sehr  einfachen  Urform,  welche  sich 
als  ein  solider  Kieselring  repräsentirt,  herleiten  lässt  und  dieser  An- 
schauutig  habe  ich  mich  durchaus  angeschlossen,  indem  ich  es  versuchte, 
den  Gang  dieser  Entwicklung  noch  genauer  zu  ermitteln  und  womöglich 
sämmtliche  Monopylarienskelete  von  einer  solchen  Grundform  herzuleiten 
(38).  Dem  gegenüber  hat  neuerdings  Häckel  (37)  eine  gewissermaassen 
diametral  entgegengesetzte  Ansicht  ausgesprochen,  welche  die  von  Hertwig 
und  mir  an  den  Anfangspunkt  der  Reihe  gestellten  Formen  als  die  End- 
glieder des  gesammten  Entwicklungsganges  der  Monopylarien,  d.  h.  die 
am  meisten  um-,  resp.  rückgebildeten  Formen  schildert.  Als  Ausgangs- 
punkt der  ganzen  Reihe  betrachtet  Häckel  die  sogen.  Plagiacanthida 
Hertw.  1879  (=  Plectida  Hck.  1881),  welche  ich  mit  Hertwig  nicht  in 
solcher  Weise  auffassen  kann,  sondern  für  eine  Gruppe  halten  muss,  die 
sich  zwar  von  einfacheren  Monopylarien  ableitet,  jedoch  wahrscheinlich 
durch  eine  sehr  wesentliche  Umbildung  des  ursprünglichen  Skeletes  her- 
vorgegangen ist.  Leider  ist  bis  jetzt  nur  eine  Gattung  (Plagiacantha) 
der,  nach  den  neueren  Untersuchungen  Häckel's,  sehr  reich  entfalteten 
Gruppe  der  Plagiacanthiden  genauer  bekannt,  so  dass  nur  schwierig  ein 
sicheres  Urtheil  über  die  genaueren  Beziehungen  dieser  Gruppe  zu  den 
übrigen  Monopylarien  zu  fällen  ist.  In  meiner  Ansicht  jedoch:  dass  sich 
die  Plagiacanthidae  nicht  als  die  ursprünglichsten  Monopyleen  auffassen 
lassen,  werde  ich  nicht  unwesentlich  durch  den  Umstand  bestärkt,  dass 
bis  jetzt  nicht  ein  Vertreter  dieser  in  der  Jetztwelt  ziemlich  reich  ent- 
wickelten Gruppe  fossil  gefunden  wurde,  obgleich  ihrer  Erhaltung  im  fos- 
silen  Zustande    nichts   im   Wege  zu   stehen   scheint.     Es   scheint   daher. 


Skeletc  der  Moiiopylaria  (Stcphida).  385 

wenn  man  tiberliaupt  den  Ergebnissen  der  paUiontologisehen  Forschung' 
nicht  jeden  Werth  abspricht,  wenig  wahrscheinlich,  dass  die  Gruppe 
der  Plagiacauthidae  die  jugendlichste  der  Monopylaria  ist.  Wir  halten 
deshalb  daran  lest,  dass  die  ursprünglichsten  Monopyleenskelete  in 
Gestalt  einfacher  Kieselringe  auftraten,  wie  sie  auch  fossil  schon  vielfach 
gefunden  wurden,  und  in  der  Jetztwelt  noch  ziemlich  reichlich  ver- 
treten sind. 

Ein  solch  einfacher  Kieselring  von  ovaler  bis  polygonaler  Gestaltung 
umschliesst  bei  diesen  einfachsten  Formen  (Monostephida  Hck.  1881)  die 
Centralkapsel  und  besitzt,  entsprechend  den  verschieden  gebildeten  beiden 
Kapselpolen,  gleichfalls  zwei  differente  Pole,  welche  entweder  durch  eine 
verschiedne  Anordnung  der  Stachelfortsätze,  die  meist  vom  Ring  ent- 
springen, zur  Ausbildung  gelangen  (XXVIII.  9  a),  oder  gewöhnlicher 
durch  eine  etwa  eiförmige  Gestaltung  des  Ringes.  Es  erscheint  dann  der 
eine  Pol,  welchem  das  Porenfeld  der  Centralkapsel  zugewendet  ist,  mehr 
zugespitzt  (XXVIII.  9),  Wir  bezeichnen  ihn  als  den  basalen.  —  Bei 
einem  Theil  dieser  Ringskelete  tritt  eine  stärkere  Ausbauchung  der  einen 
Ringhälfte  auf,  wodurch  dann  die  Bildung  des  Ringes  eine  entschieden 
bilateral-symmetrische  wird  (XXVIII.  9),  indem  wir  eine  vordre,  weniger 
ausgebauchte  von  einer  hinteren,  stärker  ausgebauchten  Hälfte  unter- 
scheiden können.  Wie  erwähnt,  ist  ein  solcher  Skeletring  selten  ganz 
glatt,  ungestachelt;  meist  trägt  er  paarweis  entspringende,  seitlich  gerich- 
tete Stachelfortsätze,  die  am  Basalpol  zuweilen  etwas  stärker  entwickelt 
sind  und  sich  auch  bei  gewissen  Formen  ästig  verzweigen.  Nach  Häckel 
(37)  sollen  bei  gewissen  Formen  die  Zweige  solcher  Aestchen  auch  unter 
einander  zu  einem  Geflecht  verschmelzen,  ja  selbst  zur  Bildung  einer 
Gitterkugel  zusammentreten,  welche  also  äquatorial  von  dem  Ring  halbirt 
würde.  Da  aber  bis  jetzt  die  genauere  Beschreibung  letzterer  Form  fehlt, 
so  bleiben  Zweifel,  ob  dieselbe  nicht  doch  nähere  Beziehungen  zu  später 
zu  besprechenden  Formen  mit  Gitterkugelentwicklung  besitzt. 

Aus  solch  einfachen  Ringskeleten  entwickelte  sich  nun  eine  reiche 
Fülle  von  Formen  durch  stärkere  Hervorbildung  gewisser  Stachelfortsätze. 
Es  ist  aber  bis  jetzt  kaum  zu  bewerkstelligen,  die  von  Häckel  kurz  charak- 
terisirten  Formen  hinsichtlich  ihrer  Ableitung  zu  verfolgea,  da  es  sehr  leicht 
möglich  ist,  dass  Häckel,  der  ja  über  die  genetische  Herleitung  derselben 
eine  ganz  abweichende  Ansicht  besitzt,  gerade  solche  Momente  ihres 
Baues  nicht  betont,  welche  für  unsre  Auffassung  von  Wichtigkeit  er- 
scheinen. AVir  werden  daher  die  uns  genauer  bekannten  Formen  ein- 
gehender besprechen  und  kurz  über  die  durch  Häckel  bekannt  gewordnen 
abweichenden  berichten. 

Bei  allen  bis  jetzt  genauer  bekannten  Formen,  welche  sich  von  dem 
einfachen  Ring  herleiten,  erhält  sich  dessen  bilateral-symmetrische  Gestal- 
tung, ob  auch  bei  allen  Häckel'schen  scheint  fraglich.  —  Ein  sehr  wich- 
tiger Formkreis  leitet  sich  von  dem  einfachen  bilateral -symmetrischen 
Ring  zunächst  dadurch  her,  dass  sich  an  seinem  Basalabschnitt  jederseits 

liroun,  Klassen  des  'i'Uier-liTjiulis).     Protozoii.  25 


386  Eadiolavia. 

zwei  Stachelfortsätze,  welche  etwa  in  einer  senkrecht  zur  Ringaxe  gelegnen 
Ebne  verlaufen,  stärker  entwickeln  (XXVIII.  10,  e  u.  e^).  Da  sich  die  beiden 
Fortsätze  jeder  Seite  etwa  unter  einem  Winkel  von  60^  zusammenneigeu, 
verschmelzen  sie  mit  ihren  peripherischen  Enden.  Auf  diese  Weise  wird 
an  der  Basis  des  Ringes  eine  Art  Basalscheibe  gebildet,  welche  jeder- 
seits  von  einem  Loch  durchbrochen  ist;  beide  Löcher  sind  durch  den 
Basalschnitt  des  Ringes  von  einander  geschieden.  Häckel  drückt  sich 
hinsichtlich  dieser  Formen  (seiner  sogen.  Dyostephanida  und  Eucoronida, 
fraglich  ist  jedoch,  ob  alle  diese  Formen  hierhergehören)  folgenderraaassen 
aus:  es  hat  sich  zu  dem  primären  Ring  noch  ein  zweiter  horizontaler 
Basalring  (gebildet  aus  den  vier  erwähnten  Fortsätzen)  hinzugesellt,  dessen 
Lumen  also,  durch  den  Basaltheil  des  Primärrings  in  zwei  Theile,  die 
zwei  erwähnten  Basallöcher,  geschieden  wird  (s.  Holzschn.  Fig.  (5,  1). 
Nach  den  Mittheilungen  Häckel's  scheinen  zahlreiche  Formen  diese  Bau- 
weise zu  zeigen.  Von  der  Peripherie  der  zweilöcherigen  Basalscheibe  ent- 
wickeln sich  häufig  ansehnlichere  Stachelfortsätze  in  verschiedner  Zahl, 
zwei,  drei,  vier,  fünf  und  mehr. 

Aus  den  geschilderten  Formen  leiten  sich  weiterhin  solche  ab,  bei 
welchen  sich  zu  den  zwei  Paar  Basalfortsätzen  ein  weiteres,  weiter  nach 
vorn,  am  Ursprung  des  aufsteigenden  vorderen  Ringabschnitts  gelegnes 
drittes  Paar  hinzugesellt,  welches  sich  nach  vorn  und  aussen  entwickelt 
(XXVIII.  11,  e'^)  und  zwischen  dessen  Enden  und  den  verschmolznen  Enden 
der  beiden  schon  geschilderten  Fortsatzpaare  je  eine  brückenartige  Verbin- 
dung hergestellt  wird.  Auf  diese  Weise  hat  sich  also  die  Basalscheibe 
beträchtlich  vergrössert  und  ist  vierlöcherig  geworden,  weist  nämlich  zwei 
Paare  von  Löchern  auf,  die  erstgebildeten  (I),  welche  stets  kleiner  sind 
und  die  neu  hinzugetretenen  (II),  die  grösseren.  Formen  solcher  Art 
finde  ich  bei  Häckel  nicht  erwähnt,  wenn  sie  nicht  z.  Th.  unter  seinen 
Eucoronida  eiugeschlossen  sind.  Höchst  bedeutungsvoll  ist  die  bei  solchen 
Formen  zuerst  auftretende  vierlöcherige  Bildung  der  Basalscheibe,  denn 
diese  kehrt  bei  allen  jetzt  noch  zu  besprechenden,  so  überaus  zahlreichen 
WeiterentwickluDgsformen  unsrer  Ringskelete  wieder. 

Durch  starke  Entwicklung  eines  von  der  Basalscheibe  jederseits  aus- 
gehenden Fortsatzes,  welcher  sich  (in  der  Frontalebne  gelegen)  nach  dem 
Apicalpol  des  Primärringes  aufwärts  krümmt  und  mit  diesem  schliesslich 
verschmilzt,  wahrscheinlich  unter  Mithülfe  eines  ihm  vom  Apicalpol  ent- 
gegenwachsenden Fortsatzes,  bildet  sich  jederseits  des  Primärringes  eine 
halbringförmige  Spange  aus.  Beide  Spangen  formiren  zusammen  einen  zwei- 
ten Ring,  der  senkrecht  auf  dem  Primärring  aufgesetzt  ist  und  mit  diesem 
die  Hauptaxe  gemeinsam  hat  (XXVIII.  12).  Diese  Axe  ist  jedoch  die 
kleinere  des  secundären  Rings,  da  derselbe,  senkrecht  zu  ihr,  sehr  lang- 
gestreckt ist,  also  eine  langelliptische  Gestalt  besitzt.  (Solche  Formen 
bezeichnet  Häckel  jetzt  als  Trissocylidae.) 

An  die  eben  geschilderten  Skeletbildungen  schliessen  sich  nun  zwei 
weitere,  durch  Häckel  bekannt  gewnrdne  an,  indem  sich  auch  bei  ihnen  zu 


Skelete  der  Monopylaria  (Stephida). 


387 


dem  Primürring  ein  secimdärer  hinzugesellte.  Bei  den  Zygostephanidae 
soll  sich  ein  Primär-  und  ein  Secundärring  finden,  jedoch  ohne  Ausbil- 
dung einer  vierlöcherigen  Basalscheibe  (s.  Holzschn.  Fig.  6,  4).  Dieser  Fall 
Hesse  sich  entweder  durch  directe  Ableitung  von  dem  Ursprungsstadium 
des  einfachen  Primärrings  durch  Entwicklung  eines  Secundärrings  erklären, 
oder  wie  mir  wahrscheinlicher  ist,  durch  sehr  starke  Reduction  der  Basal- 
scheibe, vielleicht  sogar  völlige  Rückbildung  derselben. 

Schwieriger  gestaltet  sich  die  Ableitung  der  zweiten  Gruppe  hierher- 
gehöriger Formen,  der  sog.  Acantho  desmida  Hck.  (1881,37,  non  1862). 

Wenn  die  Schilderung,  welche  Häckel  von  diesen  Formen  entwirft, 
richtig  ist,  so  müssten  wir  sie  uns  wahrscheinlich  so  entstanden  denken, 
dass  sich  zu  einer  Form  mit  einfacher,  zweilöcheriger  Basalscheibe  ein 
Secundärring  hinzugesellt  hätte,  und  nachträglich  eine  Reduction  des  die 
beiden  Löcher  der  Basalscheibe  scheidenden  Basalabschnittes  des  Primär- 
ringes eingetreten  sei.  Es  ist  jedoch  wohl  bei  der  Beurtheilung  dieser 
Formen  nicht  ganz  ausser  Acht  zu  lassen,  dass  die  Schilderung,  welche 
Hertwig  (33)  von  der  ohne  Zweifel  von  Häckel  hierhergezognen  Acanthodes- 
mia  vinculata  J.  M.  entwirft,  nicht  mit  der  Beschreibung,  welche  Häckel 


Fig-.  6. 


Erklärung-  von  Holz- 
schnitt Fig.  1.  Schematische 
Constructionen  einiger  Vertreter 
der  Stephida  nach  den  Charak- 
teristiken Häckel's  (ßl).  p  der 
Primär- ,  sr  der  Secundär-  und 
tr  der  Tertiär-Ring.  Nr.  1  Ver- 
treter des  Tribus  Dycstephanida 
(Subf.  Dyostephida) ;  Nr.  2  Ver- 
treter des  Tribus  Eucoronida 
(Subf.  Triostylida);  Nr.  3  Ver- 
treter des  Tribus  Trissocyclida 
(Subf.  Triostephida) ;  Nr.  4  Ver- 
treter des  Tribus  Zygostephanida 
(Subf.  Dyostephida). 


von  den  Acanthodesmiden  gibt,  übereinstimmt,  indem  Hertwig  das  Vor- 
handensein des  Basalabschnittes  des  Priraärrings  und  demnach  die  Schei- 
dung der  beiden  Basallöcher  angibt  (vergl.  Holzschn.  Fig.  6,  3). 

Häckel  reiht  unter  die  seither  besprochnen,  einfachsten  Monopylarien- 
skelete  auch  die  Gruppe  der  Parastephida  (1881,  37)  ein,  von  welchen 
bis  jetzt  nur  die  Gattung  Prismatium  etwas  genauer  bekannt  ist.  Wäh- 
rend ich  früher  (38)  selbst  eine  derartige  Ableitung  der  Paraste- 
phida für  wahrscheinlich  hielt,  bin  ich  jetzt  durch  die  zahlreichen  neuen 
Modificationen,  welche  Häckel  auffand  und  kurz  charakterisirte,  sehr 
zweifelhaft  geworden,  ob  wirklich  eine  nähere  Beziehung  der  Parastephida 
zu  den  seither  besprochnen  Formen  existirt  und  ziehe  es  daher  einstweilen 

25- 


388  Eadiolaria. 

vor,  dieselben  am  Schlüsse  unsrer  Betrachtung  der  Monopyleenskelete  ge- 
sondert zu  besprechen. 

In  sehr  einfacher  Weise  leitet  sich  aus  den  bis  jetzt  besprochnen 
einfachen  Monopylaria  (Stephida  Hck.  1881)  eine  zweite  recht  umfang- 
reiche Gruppe  ab,  nämlich  die  der  sogen.  Zygocyrtida  Hck.  1862  oder 
Spyrida  Hck.  1881. 

Die  Herleitung  geschieht  leicht  von  dem  einfachen  Primärring  mit 
der  vierlöcherigen  Basalscheibe,  wie  wir  ihn  schon  früher  kennen  gelernt 
haben,  vielleicht  jedoch  auch  z.  Th.  oder  gänzlich  von  solchen  Formen, 
bei  welchen  sich  noch  ein  Secundärring  hinzugesellt  hat.  Seitliche  Stachel- 
fortsätze, wie  sie  diese  Ringe  sehr  gewöhnlich  zieren,  zu  welchen  sich 
weiterhin  noch  von  dem  Rande  der  Basalscheibe  entspringende  Stachel- 
fortsätze gesellten,  verästelten  sich  und  verwuchsen  unter  einander  zu 
einer  gegitterten  Schale.  Eigenthiimlich  erscheint  das  Verhalten  des  Primär- 
rings bei  der  Bildung  dieser  Schale;  die  von  ihm  entspringenden  Stachel- 
fortsätze sind  entweder  in  der  Ringebne  selbst  gelegne,  centrifugale  Fort- 
sätze (demnach  in  diesem  Fall  unpaar)  oder  paarige,  welche  sich  zu  bei- 
den Seiten  der  Ringebne  erheben  und  mit  dieser  einen  ziemlich  spitzen  Winkel 
bilden.  Diese  stark  nach  aussen  strebenden  Stacheln  des  Primärrings 
werden  nicht  einfach  in  das  Gitterwerk  der  sich  bildenden  Schale  einbe- 
zogen, sondern  seitliche  Fortsätze  derselben  gehen  in  die  Wandbildung 
der  Schale  ein,  so  dass  die  gegitterte  Schalenwand  demnach  etwas  nach 
aussen  über  den  Ring  hinzieht  und  dieser,  an  den  ersterwähnten  Stachel- 
fortsätzeu  gleichsam  aufgehängt,  sich  im  Inneren  der  Schale  vorfindet 
(XXIX.  ],  4  b).  Entsprechend  diesem  Primärring  zeigen  jedoch  die  Schalen 
der  Zygocyrtida  fast  durchweg,  jedoch  nicht  immer,  eine  ringförmige  Ein- 
schnürung, welche  also  der  Sagittalebne  angehört  und  die  Schale  in  zwei 
symmetrische  Hälften  zerlegt.  Es  finden  sich  aber,  wie  bemerkt,  auch 
Formen,  welchen  eine  solche  Einschnürung  ganz  fehlt;  in  diesem  Fall 
hebt  sich  die  Schalenwand  viel  weiter  von  dem  Primärring  ab;  derselbe 
erscheint  viel  tiefer  ins  Innere  der  Schale  verlegt. 

Anders  dagegen  verhält  sich  der  secundäre  Ring  zur  Bildung  der 
Schalenwand,  wenn  sich  überhaupt  ein  solcher  an  dem  Aufbau  derselben 
betheiligt.  Die  von  ihm  entspringenden^  gewöhnlich  paarweis  geordneten 
Stachelfortsätze  gehen  direct  in  die  gegitterte  Schalenwand  ein,  so  dass 
also  der  secundäre  Ring  nicht  als  solcher  bestehen  bleibt,  sondern 
in  die  Schalenwand  aufgenommen  wird  und  daher  eingeht.  Wie  jedoch 
der  secundäre  Ring  sich  durch  die  starke  Entwicklung  in  der  Frontalaxe 
auszeichnete,  so  gilt  dies  auch  gewöhnlich  für  die  gegitterte  Schalenwand 
der  Zygocyrtida,  deren  längste  Axe  ebenfalls  fast  durchaus  die  Frontal- 
axe ist.  Nur  wenige  Formen  finden  sich,  bei  welchen  Sagittal-  und 
Frontalaxe  der  Schale  nahezu  oder  völlig  gleich  sind  und  bei  denen  der 
Horizontalschnitt  der  Schale  ziemlich  kreisförmig  erscheint. 

Der  Primärring   der  Zygocyrtida  besitzt  durchaus  die  uns  schon  be- 
kannte bilaterale  Gestaltung.  Die  weniger  eingebauchte,  bis  nahezu  gerade 


Skcictc  ilcr  Moiuipylaiia  (Zygocyriida).  3^9 

^'ül•(lcl•hälfte='•)  steigt  daher  ancli  im  Schaleninneren  directer  anf  und  setzt 
sich  häutig-  in  ein  vom  Ring  zur  Hchalenwand  aufsteigendes  Aestchen 
fort,  das  sich  in  sehr  zahh-eichen  Fällen  über  die  Apicalwand  der  Schale 
als  ein  Apicalstachel  von  sehr  wechselnder  Länge  erhebt  (XXIX.  4  b). 
Da  diese  vordere  Ringhälfte  fast  stets  mit  der  Schalenhauptaxe  nicht  zu- 
sammenfällt, sondern,  wie  natürlich,  vor  derselben  gelegen  ist,  so  ziert 
auch  dieser  Stachel  wohl  stets  nicht  den  eigentlichen  Apicalpol,  sondern 
entspringt  etwas  vor  demselben.  Sehr  deutlich  treten  stets  die  vier  Basal- 
löcher  der  ursprünglichen  Basalscheibe  hervor  (XXVIII.  14,  XXIX.  4  a,  6  b). 
Dreilöcherige  Formen,  wie  sie  von  Ehrenberg  (26)  beschrieben  wurden, 
beruhen  wohl  fast  durchaus  auf  mangelhafter  Beobachtung.  Häckel  gibt 
zwar  auch  neuerdings  die  Existenz  solcher  Formen  an,  jedoch  gründet 
er  sich  hierbei  vielleicht  nur  auf  die  fehlerhaften  Beobachtungen  Ehren- 
berg's.  Grosse  Verschiedenheit  herrscht  in  der  Ausbildung  des  Gitter- 
werkes der  Schalenwand.  Ein  Theil  der  Formen,  und  dies  sind  wohl  die 
ursprünglicheren,  besitzen  sehr  weite  Gittermaschen  (XXVIII.  13),  bei 
anderen  dagegen  werden  dieselben  kleiner  und  zahlreicher,  häufig  auch 
etwas  unregelmässig;  schliesslich  können  die  Poren  auch  sehr  klein  und 
spärlich  werden ,  so  dass  die  Wand  der  Schale  eine  sehr  solide  Be- 
schaffenheit annimmt. 

Eine  ziemliche  Anzahl  der  Zygocyrtida  besitzt  eine  ganz  glatte,  un- 
bcstachelte  Schalenoberfläche;  andre  dagegen  entwickeln  ein  uuregel- 
mässiges,  schwaches  Stachelkleid  der  Oberfläche  und  bei  einigen  Formen 
tritt  jederseits  des  Apicalstachels  ein  ziemlich  ansehnlicher  nach  aussen 
und  oben  gerichteter  Stachel  hervor.  Gelegentlich  (Ferispyris  Hck.  1881) 
scheint  auch  dnrch  Weiterentwicklung  der  Oberflächenstacheln  eine  spon- 
giöse  oder  spinnwebartige  Mantelumhüllung  der  Schale  gebildet  zu 
werden. 

Viel  grössere  Wichtigkeit  beanspruchen  jedoch  die  Stachelbildungen, 
welche  sehr  gewöhnlich  im  Umkreis  der  vier  Basallöcher  zur  Entwicklung  ge- 
langen und  schon  in  ähnlicher  Weise  bei  einem  Theil  der  Stephida  (den  Euco- 
ronida  Hck.  1881)  hervortraten.  Die  Ursprünglichkeit  dieser  Stachelbildungen 
spricht  sich  auch  darin  aus,  dass  sie  sich,  in  z.  Th.  sehr  gesetzmässiger  Weise, 
von  sehr  ursprünglichen  Theilen  der  Cricoidskelete  herleiten.  Einen  der  ge- 
wöhnlichsten Fälle  bildet  zunächst  die  Entwicklung  dreier  solcher  Basal- 
stacheln,  von  welchen  einer  vorn  und  median  gelagert  ist,  seineu  Ursprung 
von  der  Uebergangsstelle  der  aufsteigenden  vordem  Ringhälfte  in  die  Basal- 
scheibe nimmt,  während  die  zwei  seitlichen  als  Fortsatzbildungen  der  beiden 
wichtigen  und  primitiven  Stäbe  (e)  erscheinen ,  welche  die  zwei  Paare 
von  Basallöchern  jederseits  scheiden  (XXIX  5).  Unter  sich  bilden  diese 
drei  Stacheln  gewöhnlich  ziemlich  regelmässig  Winkel  von  120''.     Zuweilen 


*)  Häckel  liat  in  seiner  neuesten  ]Mittlieilung  gerade  die  umgekelirte  Bezeicliniuig  für 
vorn  nnd  hinten  der  Zygocyrtida  und  Cyrtida  gewählt;  ich  verbleibe  hier  bei  der  Bezeich- 
nung, welche  ich  in  meinen  Beiträgen  (,SS)  zuerst  eingehender  durchznfiiliren  suchte. 


390  Kadiolaria. 

unterbleibt  jedoch  auch  die  Bildung  des  vorderen  Stachels,  wodurch  zwei- 
stachelige Formen  entstehen.  Zu  den  erwähnten  drei  Stacheln  gesellt  sich 
häutig  noch  ein  vierter,  hinterer  hinzu,  der  seinen  Ursprung  von  der  Basis 
der  hinteren  Kinghälfte  nimmt. 

Durch  Hinzutreten  zweier  neuer,  seitlicher  Stacheln,  welche  die  Winkel 
zwischen  den  ersterwähnten  seitlichen  Stacheln  und  dem  Vorderstachel 
halbiren ,  erhöht  sich  die  Zahl  der  Basalstacheln  auf  sechs ,  von  ganz 
regelmässiger  Anordnung.  Bleibt,  wie  dies  häufig  der  Fall  zu  sein  scheint, 
bei  der  Entwicklung  dieses  Paares  neuer  seitlicher  Stacheln  der  hintere 
Medianstachel  aus,  so  haben  wir  Itinfstachelige  Formen. 

Eine  grosse  Reihe  weiterer  Formen  schliesslich  bildet  noch  zahl- 
reichere Basalstacheln  aus,  welche  die  vier  Mündungslöcher  umstehen  und 
mehr  oder  minder  dicht  zusammengedrängt  sind  (XXIX.  6). 

Die  Längenentwicklung  der  Basalstacheln  ist  sehr  verschieden, 
auch  sind  sie  durchaus  nicht  stets  sämmtlich  von  gleicher  Länge,  sondern 
z.  Th.  recht  verschieden ;  jedoch  scheinen  die  paarweis  zusammengehöri- 
gen Seitenstacheln  stets  eine  übereinstimmende  Entwicklung  zu  besitzen. 
Bei  manchen  Formen  erreicht  die  Längenentwicklung  der  Basalstacheln 
den  mehrfachen  Betrag  der  Schalenhöhe. 

Hinsichtlich  ihrer  Gestalt  bieten  sie  noch  beträchtlichere  Verschieden- 
heiten dar. 

Theils  sind  sie  ganz  gerade  gestreckt,  theils  bogenförmig  nach  unten 
gekrümmt;  theils  drehrund  im  Querschnitt,  theils  jedoch  mehr  oder  weni- 
ger blattförmig  von  aussen  nach  innen  abgeplattet.  Letzteres  ist  nament- 
lich bei  Formen  mit  sehr  zahlreichen  Mündungsstacheln  der  Fall.  Nicht 
selten  gehen  die  Stacheln  auch  Verästelungen  ein  und  dies  gibt  bei  den 
letzterwähnten  Formen  mit  zahlreichen  Mündungsstacheln  zuweilen  Veran- 
lassung zur  Verschmelzung  der  Mündungsstacheln  zu  einer  gegitterten 
Membran,  welche  gewöhnlich  nur  die  Basis  der  Stacheln  unter  einander  ver- 
einigt, sich  jedoch  auch  auf  die  gesammte  Länge  der  Mündungsstacheln  aus- 
dehnen kann  (XXIX.  7).  Hiermit  ist  aber  schon  die  erste  Anlage  eines  neuen 
Schalentheiles  gegeben,  der  bei  der  Gruppe  der  Cyrtida  zu  einer  hohen 
morphologischen  Ausbildung  gelangt  ist;  es  hat  sich  nämlich  durch  diesen 
Zusammentritt  der  Mündungsstacheln  ein  sogen,  erstes  Glied  neben  der 
nun  als  Köpfchen  zu  bezeichnenden,  ursprünglichen  Zygocyrtidenschale 
angelegt. 

Auch  die  Apicalstacheln  verzweigen  sich  zum  Theil  in  ähnlicher 
Weise  wie  die  Basalstacheln  und  können  durch  Verwachsung  ihrer  Aeste 
sogar  einem  gitterwandigen  Kuppelaufsatz  Entstehung  geben,  welcher  auf 
die  Apicalregion  aufgesetzt  erscheint.  Ein  ähnlicher  Aufsatz  bildet  sich 
auch  bei  der  Spiridobotrys  trinacria  (Hack.  1862,  non  Spiridobotrys  1881) 
aus  (XXIX.  2),  jedoch  in  andrer  Weise,  wie  es  scheint,  indem  sich  näm- 
lich die  Apicalregion  der  Schale  selbst  kuppeiförmig  aufwölbt. 

Die  von  Häckel  neuerdings  (37)  kurz  charakterisirte  Gruppe  der 
Perispyridae  soll  wenigstens  z.  Th.  einen  Kuppelaufsatz  der  ersterwähnten 


Skelete  der  Moiiopylaria  (Zygocyrtida  u.  Cyrtida).  391 

BilduDg  besitzen,  in  der  Unterabtheilung-  der  Circospyrida  weiterbin  noch 
ein  aus  der  Verscbmelzung  der  Basalstaeheläste  bervorgegaugnes  blumen- 
korbäbnlicbes  erstes  Schaleuglied.  Die  bis  jetzt  allein  vorliegende  knappe 
Bescbreibiing  dieser  Perispyrida  gestattet  jedocb  nicbt,  sieb  ein  einiger- 
niaassen  ausreicbendes  Bild  derselben ,  namentlicb  aucb  im  Hinblick  auf 
die  gleicb  zu  besprecbenden  Cyrtida  zu  macbeu. 

Wie  schon  angedeutet,  leiten  wir  die  unifangreicbc  dritte  Abtbeiluug 
(Familie  llck,  1881)  der  Cyrtida  in  der  Weise  von  den  Zygocyrtida  her, 
dass  sich  durch  Vermittlung  der  Mündungsstacheln  dieser  letzteren,  vom 
Rande  der  vierlöcberigen  Basalscheibe  aus,  ein  im  Allgemeinen  tricbter- 
bis  röhrenförmiger,  gegitterter  Anhang  gebildet  hat.  Die  Axe  dieses  An- 
baugs  fällt  zusammen  mit  der  Hauptaxe  der  ursprünglichen  Zygocyrtiden- 
schale.  Letztere  setzt  sich  meist  köpfchenartig  von  dem  neugebildeten 
Anbang  deutlich  ab.  Die  Schale  erscheint  daher  durch  eine  senkrecht 
zur  Hauptaxe  verlaufende  Strictur  in  zwei  Glieder  geschieden  (s.  T.  XXX.), 
von  welchen  wir  das  apicale  oder  die  ursprüngliche  Zygocyrtidenschale  als 
das  Köpfeben,  das  neu  entstandne  Basalglied  hingegen  als  das  erste 
iScbalenglied  bezeichnen.  Dieses  letztere  ist  natürlich  an  seiner  Basis  ur- 
sprünglich stets  mit  einer  mehr  oder  minder  weiten  Mündung  versehen, 
welche  sich  jedoch  häufig  sehr  verengt  bis  vollständig  schliesst,  wie  später 
noch  genauer  zu  erörtern  sein  wird.  Die  Lumina  des  Köpfchens  und 
ersten  Glieds  werden  natürlich  durch  die  vierlöcherige  Basalscheibe 
von  einander  geschieden,  welche  eine  Art  querer  Scheidewand  bildet  und 
sieb  aus  vier  im  Scheidewandcentrum  zusammenstossenden  Stäben  bildet, 
von  welchen  die  zwei  medianen  nichts  weiter  wie  den  Basaltheil  des  Primär- 
rings darstellen,  die  beiden  seitlichen  dagegen  die  uns  bekannten  Stäbe, 
welche  die  beiden  Löcherpaare  jederseits  scheiden  (XXX.  1  b). 

Sehr  gewöhnlich  umfasst  jedoch  der  apicale  Theil  des  ersten  Gliedes 
noch  einen  Theil  der  im  Umkreis  der  vier  Basallöcher  sich  ausbreitenden 
Köpfchenbasis,  so  dass  die  sogen.  Scheidewand  zwischen  Köpfchen  und 
erstem  Glied  noch  von  einer  Anzahl  kleinerer  Porenlöcher  im  Umkreis 
der  vier  Basallöcher  durchbrochen  wird.  In  der  Medianebne  des  Köpfchens 
linden  wir  den  Primärring  häufig  noch  vollständig  erhalten  wie  bei  den  Zygo- 
cyrtiden  (XXXI.  10  a),  zuweilen  ist  jedoch  auch  sein  apicaler  Theil  in  die 
Schalenwand  selbst  aufgenommen  und  diese  Aufnahme  dehnt  sich  auch 
noch  auf  die  hintere  Ringhälfte  mehr  oder  minder  aus,  so  dass  dann  nur 
deren  basaler  Theil  erhalten  bleibt,  welcher  zur  Sonderung  des  hinteren 
Löcherpaares  beiträgt.  Fast  stets  erhält  sich  dagegen  die  vordere  Hälfte 
des  Primärrings  und  erscbeint  wie  ein  ziemlich  gerader  Stab,  welcher 
zum  Apicalpol  aufsteigt  und  sehr  gewöhnlich  die  Bildung  eines  Apical- 
stachels  veranlasst,  in  gleicher  Weise  wie  bei  den  Zygocyrtida.  Nur 
wenn  das  Köpfchen  sehr  stark  verkümmert,  werden  freie  Theile  des  Pri- 
märrings und  schliesslich  auch  die  Scheidewand  gänzlich  vernicbtet;  es 
kann  jedoch  keinem  Zweifel  unterliegen ,  dass  es  sich  in  diesen 
Fällen   um   eine   Reduction  handelt,   da   das   Köpfchen  hierbei   zu  einem 


392  Kadiolaria. 

verschwindenden,  und  früher  auch  ganz  übersehenen,  Anhang  riickgebildet 
worden  ist  (XXXI.  16,  17). 

Aus  dieser  Darstellung  der  Ableitung  der  Cyrtida  dürfte  sich  ergeben, 
dass  es  sogen,  einkammerige  Cyrtida  oder  Monocyrtida  Häckel's  über- 
haupt nicht  gibt,  denn  der  Schalenhoblraum  ist  stets  durch  die  Basal- 
scheibe  des  Köpfchens  in  zwei  Abschnitte  getheilt,  auch  wenn  äusserlich 
die  Scheidung  in  Köpfchen  und  erstes  Glied  verwischt  ist.  Wenigstens 
lässt  sich  dies  Verhalten  für  eine  Anzahl  der  sogen.  Monocyrtiden  Häckel's 
sicher  erweisen  und  es  erscheint  daher  die  Annahme  Häckel's,  dass  das 
Küi)fchen  der  deutlich  mehrgliedrigen  Cyrtida  der  einfachen  Schale  seiner 
Monocyrtida  homolog  sei,  wenigstens  für  zahlreiche  Fälle  unrichtig.  Bei 
solch  scheinbaren  Monocyrtiden  ist  nämlich,  wie  schon  hervorgehoben, 
die  Grenze  zwischen  Köpfchen  und  erstem  Glied  äusserlich  verwischt  und 
das  Köpfchen  sehr  flach  gedrückt,  wie  überhaupt  wenig  entwickelt  (s.  z.  B. 
XXXI.  13  c).  Ganz  deutlich  ist  jedoch  die  Scheidewand  zwischen  Köpf- 
chen und  erstem  Glied  noch  in  charakteristischer  Weise  erhalten,  ebenso 
auch  der  Primärring  noch  in  verschiedenem  Erhaltungsgrade.  Andrerseits 
können  jedoch,  wie  schon  erwähnt,  solch  scheinbare  Monocyrtidenformen 
auch  durch  sehr  weitgehende  Grössenreductiou  des  Köpfchens  entstehen, 
welches  schliesslich  zu  einem  kleinen  knopfförmigen  Anhang  der  Schale 
wird  (XXXI.  15 — 17).  Damit  geht  denn  auch  endlich,  wie  erwähnt,  die 
Scheidewand  verloren  (17)  und  wenn  schliesslich  auch  die  noch  schwach 
erhaltne  Absetzung  eines  solchen  Köpfchenrestes  schwindet,  so  entsteht 
zuletzt  eine  scheinbar  echt  monocyrtide  Schale.  Die  Verfolgung  ihrer 
allmählichen  Entstehung  lehrt  jedoch  sehr  sicher,  dass  sie  durch  weit- 
gehende Umbildung  aus  einer  zweigliedrigen  Form  hervorging. 

Ich  möchte  es  daher  für  sehr  wahrscheinlich  halten,  dass  die  grosse 
Mehrzahl  der  zahlreichen  sogen.  Monocyrtidenformen,  welche  Häckel 
neuerdings  kurz  geschildert  hat  (37),  in  dieser  Weise  sich  erklären  und 
herleiten.  Ob  dies  jedoch  für  sämmtliche  gilt,  lässt  sich,  aus  Mangel  ge- 
nauerer Beschreibung  und  Abbildung  der  meisten,  bis  jetzt  nicht  entschei- 
den ,  da  es  nämlich  nicht  unmöglich  erscheint  und  auch ,  wie  wir  noch 
sehen  werden,  thatsächlich  sich  ereignet  hat,  dass  monocyrtidenartige 
Skelete  eine  ganz  andre  Art  der  Entstehung  genommen  haben.  Solche 
Formen  können  aber  dann  auch  nicht  mit  den  hier  besprochnen  vereinigt 
werden. 

Aus  den  bis  jetzt  zur  Sprache  gekommnen  einfachen,  d.  h.  aus  Köpf- 
chen und  einem  ersten  Gliede  aufgebauten  Cyrtiden  haben  sich  nun  eine 
grosse  Anzahl  complicirterer  Formen  hervorgebildet,  indem  sich,  nach  Aus- 
bildung des  ersten  Gliedes,  dessen  Mündung  dann  stets  etAvas  zusammen- 
gezogen oder  verengt  erscheint,  um  diese  Mündung  ein  neues,  zweites 
Glied  angelegt  hat.  Dasselbe  scheint  in  vielen  Fällen  aus  deutlichen  Stachel- 
fortsätzen des  Mündungsrandes  des  ersten  hervorgegangen  zu  sein,  ähnlich 
also  wie  die  ursprüngliche  Bildung  des  ersten  Gliedes  sieh  vollzog.  Auch 
dieses  zweite  Glied  bildete  dann  eine  Mündung  aus,  wenn  nicht  Verenge- 


Skelctc  der  !\IiMiii|iylaii;i  (Oyrtirla).  393 

lung  oder  Vciischliiss  derselben  eintrat.  Bei  zablrcielien  Formen  ist  die 
Gliederbilduug-  bierniit  nicbt  abgescblossen ,  sondern  setzt  sieb  weiter 
fort  zu  sebr  verscbiedner  Gliederzabi,  bis  zu  neun  und  mebr.  Im  All- 
gemeinen erinnert  diese  wiederbolte  Gliederbildung  in  vieler  Hin- 
siebt an  die  Kamnierbildung  zablreicber  kalkscbaliger,  mariner  Rbi- 
zopoden,  namentlicb  an  die  der  Nodosarien  unter  den  Perforata.  In 
der  Regel  ist  nämlicb  aucb  bei  den  mehrgliedrigen  Cyrtiden  jedes  fol- 
gende Glied  die  morpbologiscbc  Wiederholung  des  ersten,  wenn  dieser  Satz 
bier  aucb  durebaus  nicht  strikte  Gültigkeit  besitzt.  Die  allgemeine  morpholo- 
giscbe  Beurtbeilung  der  Mehrgliedrigkeit  muss  demnacb  aucb  ungetabr  äbn- 
licb  ausfallen,  wie  die  der  KamraerbilduDg  der  Rbizopoden  (vergl.  p.  146). 
Zwischen  je  zwei  aufeinanderfolgenden  Gliedern  findet  sich  eine  sehr 
schwach  ausgeprägte  Sclieidewandbildung,  welche  sich  folgendermaassen 
erklärt.  Jedes  ältere  Glied  bildet  durch  Zusammenziehung  seines  basalen 
Endes  eine  gewöhnlich  ziemlich  weite  Mündung  aus,  in  deren  Umkreis 
sich  der  Apicaltheil  des  nächstjüugeren  Gliedes  anheftet.  Der  von  jener 
Anheftungs-  oder  Ursprungsstelle  des  jüngeren  Gliedes  einspringende 
Theil  der  Mtindungsfläche  des  älteren  bildet  nun  die  schwach  vorsprin- 
gende Scheidewand,  welche  central  von  einer  weiten  Oeffnung  durchsetzt 
wird,  der  Mündungsöffnung  des  älteren  Gliedes.  Im  Umkreis  dieser  Oefl- 
nung  wird  die  Scheidewand  jedoch  häufig  noch  von  einem  Kranz  gewöhn- 
licher Poren  durchsetzt.  Das  letzte  oder  jüngste  Glied  der  vielgliedrigen 
Cyrtida  zeichnet  sich  häufig  durch  einige  besondre,  den  Abschluss  des 
Schalenwachsthums  andeutende  Charaktere  aus,  namentlicb  zieht  sich  seine 
Mündung  häufig  mehr  oder  minder  eng  zusammen,  ja  schwindet  nicht  selten 
gänzlich,  die  Formen  haben  sich  geschlossen,  wie  man  sich  ausdrückt 
(XXX.  8,  22). 

Wie  schon  angedeutet,  ist  die  Gliederzahl  der  mehrgliedrigen  Cyrtida 
eine  sehr  verschiedne  und  Häckel  hat  hiernach  eine  Reihe  von  Gruppen 
unterschieden.  Dyocyrtida  mit  einem  Glied  (im  Gegensatz  zu  seinen  ver- 
meintlichen Monocyrtida),  Triocyrtida,  Tetracyrtida  und  Stichocyrtida  mit 
mehr  wie  drei  Gliedern.  Ich  halte  diese  Gruppen  nicht  für  natürliche, 
schon  deshalb  nicbt,  weil  ich  nicht  einsehie,  warum  die  Zahl  der  Glieder 
in  der  Gruppe  der  Stichocyrtida  auf  einmal  unwesentlich  werden  soll, 
während  sie  bei  den  übrigen  Gruppen  das  wesentliche  Moment  der  Zu- 
sammengehörigkeit bildet.  Im  Allgemeinen  zeigt  sich  sowohl  bei  den  ein- 
gliedrigen wie  mehrgliedrigen  Cyrtiden  eine  gewisse  Wechselbeziehung 
zwischen  der  Grösse  des  Köpfchens  und  der  der  Glieder ;  je  ansehnlicher 
die  Glieder  sich  entwickeln,  desto  mehr  tritt  das  Köpfchen  nicht  nur  re- 
lativ, sondern  auch  absolut  an  Grösse  zurück  und  bei  solchen  I'ormen, 
wo  das  Köpfchen  ein  ganz  verkümmerter  Anbang  des  einzigen  Gliedes 
ist,  ist  dies  sehr  ansehnlich  entwickelt.  Im  Allgemeinen  lässt  sich  eine 
fortschreitende  Grössenabnahme  des  Primärringes  und  entsprechend  natür- 
lich auch  des  Köpfchens,  welches  sich  in  seiner  Grösse  ja  genau  nach 
dem   Primärring   modelt,   von   den   Stephida   ausgehend   durch  die  Zygo- 


394  Eadiolaria. 

cyrticla  zu  den  Cyrticla  verfolgen  und  iii  der  grossen  Reihe  dieser  letz- 
teren, wie  schon  hervorgehoben,  eine  weitere  Reduction  desselben  mit  der 
CTrössenzunahnie  der  Glieder  nachweisen.  Natürlich  gilt  eine  derartige 
Kegel  immer  nur  im  Grossen  und  Ganzen  und  schliesst  besondre  Ab- 
weichungen im  Einzelnen  nicht  aus. 

Nachdem  wir  so  die  wichtigsten  allgemeinen  Charaktere  der  Cyrtida 
einer  Besprechung  unterzogen  haben,  bleiben  noch  eine  Anzahl  unter- 
geordneter, jedoch  nicht  unwichtiger  Eigenthümlichkeiten  zur  weitereu 
Betrachtung  übrig. 

Ein  Theil  der  Cyrtida  leitet  sich  sonder  Zweifel  von  zygocyrtideu- 
artigen  Formen  mit  drei  ansehnlichen  Mündungsstacheln  her.  Zwischen 
diesen  ist  es  zur  Ausbildung  eines  Gitterwerks  gekommen,  welches  die 
Wand  des  ersten  Gliedes  bildet.  Diese  AVand  kann  bei  dergleichen  For- 
men sogar  noch  unvollständig  entwickelt  sein,  indem  sie  sich  nur  wie  ein 
Gitterband  zwischen  den  peripherischen  Enden  der  drei  Stacheln  aus- 
spannt (XXIX.  8);  oder  sie  wird  vollständig  und  die  drei  Stacheln  er- 
scheinen dann  wie  drei  stärkere  Rippen  der  Gitterwand  (XXIX.  loa). 
Bei  einer  Reihe  hierhergehöriger  eingliedriger  Formen  verlängern  sich 
diese  drei  ursprünglichen  Stacheln  mehr  oder  weniger  über  den  ba- 
salen Rand  des  ersten  Gliedes,  ragen  also  als  freie  Münduugs- 
stacheln  dieses  Gliedes  hervor  (XXIX.  9).  Die  Mündung  selbst  bleibt 
dann  entweder  weit  geöffnet  oder  verengert  sich  etwas,  so  dass  die  Mün- 
dangsstacheln  dann  etwas  ausserhalb  des  eigentlichen  Mündungsrandes 
ihren  Ursprung  nehmen.  Bei  einer  Reihe  weiterer  Formen  entwickelt  sich 
die  Wand  des  ersten  Gliedes  in  der  Weise,  dass  die  drei  von  der  Basal- 
scheibe  des  Köpfchens  entspringenden  Stacheln  nicht  in  sie  einbezogen 
werden,  sondern  diese  Wand  meist  ziemlich  dicht  unterhalb  der  Grenze 
zwischen  Köpfchen  und  erstem  Glied  durchbrechen  und  über  sie  mehr 
oder  weniger  weit  frei  nach  aussen  hervorragen  (XXX.  1 — 2). 

Wie  sich  die  eben  erwähnten  Formen  von  dreistacheligen  zygo- 
cyrtidenartigen  Formen  herleiten,  so  ergibt  sich  für  weitere  eingliedrige 
Cyrtiden  eine  Ableitung  von  mehrstacheligen  bis  vielstacheligen  zygocyr- 
tidenartigen  Formen,  indem  sich  zwischen  den  Mündungsstacheln  eine 
Gitterwand  ausgebildet  hat.  Diese  Deutung  dürfen  wir  wenigstens 
einer  Anzahl  eingliedriger  Formen  geben,  bei  welchen  in  der  Gitter- 
wand des  ersten  Gliedes  noch  deutlich  eine  Anzahl  stärkerer  Rip- 
pen hervortreten;  vier,  fünf,  sechs  und  mehr  solcher  Rippen  werden 
zuweilen  noch  deutlich  beobachtet  und  setzen  sich  nicht  selten  stachel- 
artig über  den  Rand  des  ersten  Gliedes  fort. 

Schliesslich  treffen  wir  auf  eine  Reihe  eingliedriger  Typen,  welche 
sich  leicht  von  solchen  zygocyrtidenartigen  Formen  herleiten,  die  einen 
dichten  Kranz  zahlreicher  Stacheln  um  die  vier  Basallöcher  aufweisen. 
Schon  früher  mussten  wir  betonen,  dass  die  Basaltheile  der  Stacheln  dieses 
Kranzes  zuweilen  zu  einer  gegitterten  Lamelle  zusammenfliessen.  Durch 
ein  etwas  weiter  fortgesetztes  Verwachsen  der  Stacheln  entsteht  dann  auch 


Skelete  der  Moiiopylaria  (CyrtidaV  395 

•  in  diesem  Falle  ein  erstes  Glied,  dessen  Eulsleliuüg-  sich  gewülinlicli  noch 
darin  ausspricht,  dass  seine  Mündung  von  einem  reichen  Kranz  abgeplat- 
teter Stacheln  umgeben  ist,  den  Fortsetzungen  der  Stacheln,  welche  die 
Wand  des  ersten  Gliedes  erzeugten  (XXXI.  5,  6).  Weiterhin  zeichnen 
sich  diese  Formen  uaturgemäss  noch  durch  das  Fehlen  stärkerer  Kippen 
in  der  AVand  des  ersten  Gliedes  aus.  Solchen  Formen  schliessen  wir  nun 
weiterhin  am  besten  diejenigen  an,  bei  welchen  sowohl  Rippenbildung 
wie  Stachelbildung  der  Mündung  fehlt,  da  sich  eine  zienüiche  Anzahl 
Uebergangsstufen  zwischen  den  ersterwähnten  und  diesen  letzteren  findet; 
letztere  lassen  sich  ja  auch  so  auffassen,  dass  die  ursprünglichen  Bildungs- 
stacheln hier  bis  zu  ihren  Enden  in  die  Wandbildung  aufgegangen  seien. 

Wie  schon  aus  dem  vorstehend  Bemerkten  hervorgeht,  ist  die  Mannig- 
faltigkeit der  Gestaltung  des  einzigen  Gliedes  der  sogen.  Dyocyrtida  eine 
ungemein  reiche,  wozu  sich  als  Modilication  der  Gesammtgestalt  der  Schale 
noch  die  sehr  wechselnde  Grösse  des  Köpfchens  gesellt.  Dasselbe  be- 
sitzt bei  einfachen  und  ursprünglichen  Formen  dieser  Abtheilung  noch 
etwa  oder  nahezu  die  Grösse  des  sich  anschliessenden  Gliedes  und  sinkt 
mit  stärkerer  Entwicklung  dieses  letzteren  successive  bis  zu  einem  ganz 
rudimentären,  ja  schliesslich  nicht  mehr  unterscheid  baren  Anhang  herab. 

Sehr  mannigfaltig  ist  auch  die  Gestaltung  des  Gliedes  der  ein- 
gliedrigen Formen.  Die  ursprünglichste  Gestaltung  ist  wohl  eine 
etwa  trichter-  bis  eiförmige.  Nach  zwei  Richtungen  hin  verändert 
sich  diese  Gestalt,  entweder  geht  sie  durch  starke  Abflachung  und  Aus- 
breitung in  eine  sehr  flach  kegel-  bis  scheibenförmige  über  oder  durch 
starkes  Auswachsen  in  der  Längsaxe  in  eine  sehr  lauggestreckt  kegel- 
förmige bis  cylindrische.  Bei  extremer  Entwicklung  nach  der  einen  oder 
der  anderen  Richtung  tritt  eine  sehr  erhebliche  Reduction  des  Köpf- 
chens ein. 

Einige  Worte  nun  noch  über  die  Entwicklung  mehrgliedriger  Formen 
aus  solch  eingliedrigen.  Meiner  Ueberzeugung  nach  leiten  sich  die  mehr- 
gliedrigen  Formen  von  verschiednen  Ausgangspunkten  aus  eingliedrigen 
ab,  bilden  daher  in  ihrer  Gesammtheit  keine  natürliche  Gruppe.  So  ent- 
wickelten sie  sich  einmal,  wie  recht  deuthch  zu  erkennen  ist,  aus  ein- 
gliedrigen Formen  mit  dreistacheliger  Mündung  des  ersten  Gliedes,  indem 
sich  zwischen  den  Stachelbasen  eine  Gitterwand,  die  Anlage  eines  zweiten 
Gliedes  bildete.  Dieses  zweite  Glied  kann  die  drei  Stacheln  in  seine 
Wand  aufnehmen,  so  dass  dieselben  erst  an  seiner  Mündung  frei  werden 
und  als  Mündungsstacheln  mehr  oder  weniger  ansehnlich  hervorragen,  wie 
dies  bei  zahlreichen  hierhergehörigen  Formen  der  Fall  ist  (XXX.  6,  7,  8, 
11—13),  oder  es  wird  nur  der  basale  Theil  der  Stacheln  in  die  Wand 
des  zweiten  Gliedes  einbezogen,  so  dass  dieselben  also  am  apicalen  Theil 
des  zweiten  frei  hervorragen  (XXX.  9).  In  letzteren  Fällen  ist  das  zweite 
Glied  basal wärts  mehr  oder  weniger  verengt  bis  geschlossen.  Auch  kann 
sich  dann  an  dieses  zweite  Glied  noch  ein  drittes  anschliessen  (XXX.  10). 
Es  mag  sich  weiterhin  auch  der  Fall  flnden,   worauf  einige  Formen  hin- 


396  Radiolaria. 

deuten,  dass  sich  ein  zweites  Glied  ohne  jede  Betheiliguug  der  drei 
Stacheln  bildet,  wenn  diese  nämlich  schon  etwas  oberhalb  der  Mündung 
des  ersten  Gliedes  frei  werden  (XXXI.  2). 

In  gleicher  AVeise  scheinen  sich  nun  auch,  wie  aus  den  neueren  For- 
schungen Häckel's  hervorgehen  dürfte  (37),  noch  mehrgliedrige  Formen  ent- 
wickelt zu  haben  (drei-  und  mehrgliedrig),  welche  theils  noch  an  der 
Mündung  des  letzten  Glieds  die  drei  Stacheln  aufweisen,  theils  dieselben 
schon  von  einem  der  früheren  Glieder  frei  entsenden.  Bei  einer  recht  be- 
trächtlichen Anzahl  vielgliedriger  Formen  ist  jedoch  eine  Stachelbildung  der 
Mündung  nicht  vorhanden,  auch  fehlt  eine  solche  überhaupt,  mit  Ausnahme 
der  Apicalbestachelung  des  Köpfchens  oder  einer  unregelmässigen,  mehr 
oder  minder  gleichmässigen  Bedornung  der  gesammten  Oberfläche  der  Schale 
oder  gewisser  Glieder  (XXX.  17—24).  Hierher  gehören  gerade  die  viel- 
gliedrigsten  Formen  mit  Vorliebe.  Eine  Ableitung  dieser  Formen  lässt 
sich  in  recht  verschiedner  Weise  versuchen  und  wollen  wir  es  hier  nicht 
unternehmen,  die  sich  ergebenden  Möglichkeiten  und  Wahrscheinlichkeiten 
zu  discutiren  (vergl.  hierüber  38). 

Mehrgliedrige  Formen  leiten  sich  dann  auch  in  bekannter  Weise  von 
den  früher  geschilderten  eingliedrigen  mit  vielbestachelter  Mündung  her 
und  es  verräth  sich  diese  Ableitung  wenigstens  in  einer  Reihe  von  Fällen 
noch  deutlich  dadurch,  dass  auch  die  Mündung  des  Endgliedes  solch  viel- 
gliedriger Cyrtiden  noch  die  ursprüngliche  Bestachelung  aufweist  (XXX.  15, 
XXXI.  8). 

Eine  besondre  kurze  Besprechung  erfordern  die  sogen.  Polycyrtida 
Hack.  1862  (=  Botrida  Hack.  1881),  welche  Häckel  als  eine  besondre 
Familie  neben  der  Familie  der  eigentlichen  Cyrtiden  betrachtet  und  von 
seinen  Monocyrtida,  z.  Tb.  jedoch  vielleicht  auch  den  Zygocyrtida 
(=  Spyrida  Hck.  1881)  abzuleiten  sucht  (37).  Eine  solche  Bedeutung 
kann  ich  den  Polycyrtida  nicht  beilegen;  sie  bilden,  wie  ich  nachzuweisen 
versuchte  (38),  eine  Gruppe,  welche  sich  nicht  aus  Monocyrtida,  die  ja 
überhaupt  nach  unsrer  Auffassung  nicht  existiren,  auch  nicht  direct  aus 
Zygocyrtida,  sondern  aus  gewissen  eingliedrigen,  dreistacheligen  Cyrtiden 
in  ziemlich  einfacher  Weise  entwickelt  haben.  Das  Eigenthümliche  dieser 
Polycyrtida,  soweit  dieselben  bis  jetzt  durch  genauere  Untersuchungen 
verständlich  sind,  beruht  zunächst  in  einer  interessanten  Umgestaltung 
des  Köpfchens.  Dasselbe  ist  in  zwei,  an  Grösse  meist  etwas  verschiedne 
Abschnitte,  einen  vorderen  und  einen  hinteren  getheilt,  welche  auch 
äusserlich  gewöhnlich  durch  eine  von  der  Basis  des  Köpfchens  etwas 
schief  nach  hinten  aufsteigende,  schwache  Strictur  geschieden  erscheinen 
(XXX.  3).  Die  Entstehung  dieser  beiden  Köpfchenabschnitte  ist  nicht 
schwierig  zu  verfolgen,  sie  beruht  wesentlich  auf  dem  eigenthümlichen 
Verhalten  der  vorderen,  zum  Apex  aufsteigenden  Hälfte  des  Primärringes, 
welche  sich  hier  eigenthümlicher  Weise  etwas  schief  nach  hinten  neigt 
und  weiterhin  etwas  basalwärts  von  ihrer  Mitte  zwei  ansehnliche,  seit- 
liche Fortsätze  aussendet,  die  sich  zu  den  Seitenwandungen  des  Köpfchens 


Skelete  der  Monopylaria  (Cyrtida).  397 

begeben  uud  sich  hier  verbreitert  ansetzen  *).  Weiterhin  falten  sich  jedoch 
die  liinterwand  des  Köpfchens  und  wohl  auch  die  Seitenwandungen  längs 
der  das  Köpfchen  umgreifenden  Ötrictur  etwas  ein  und  die  dadurch  ent- 
standene, einspringende  Lamelle  verbindet  sich  mit  der  geschilderten  vor- 
deren Ringhälfte  und  ihren  zwei  seitlichen  Fortsätzen,  Durch  diese  Ver- 
einigung der  Lamelle  mit  der  vorderen  Ringhälfte  und  ihren  seitlichen 
Fortsätzen  wird  nun  eine  von  vier  ansehnlichen  Löchern  durchbrochne 
Scheidewand  gebildet,  welche  schief  nach  hinten  geneigt  in  dem  Köpfchen 
aufsteigt  und  dessen  vorderen  und  hinteren  Abschnitt  scheidet.  Der  vor- 
dere Abschnitt  ist  grösser  wie  der  hintere  und  wölbt  sich  namentlich 
apicalwärts  über  den  hinteren  empor  und  trägt  hier  den  häufig  vorhand- 
nen  Apicalstachel.  In  solcher  Weise  entstanden  die  Polycyrtiden  mit 
zweitheiligem  Köpfchen.  Bei  einigen  Formen  treten  jedoch  noch  einige 
kleine,  bruchsackartige  Ausbuchtungen  der  Köpfchenwand  an  der  Grenze 
gegen  das  erste  Glied  auf  (XXX.  5).  Die  meisten  Polycyrtidenformeu 
entwickeln  nur  ein  erstes  Glied,  das  offen  oder  geschlossen  erscheint  und 
zuweilen  an  seiner  oberen  Region  noch  die  drei  kurzen  Stacheln,  Basal- 
stachelu  des  Köpfchens,  frei  hervortretend  zeigt.  Einige  andere  dagegen 
gesellen  hierzu  noch  ein  kleines  zweites  Glied  (XXX.  5). 

Den  ßeschluss  unsrer  Betrachtung  der  Cyrtida  möge  die  Besprechung 
einiger  morphologischer  Eigenthümlichkeiten  von  untergeordneter  Bedeu- 
tung bilden.  Es  wurde  schon  hervorgehoben,  dass  sehr  häufig  ein  Apical- 
stachel des  Köpfchens  über  der  aufsteigenden  vorderen  Ringhälfte  zur 
Ausbildung  gelangt.  Zu  diesem  gesellt  sich  jedoch  nicht  selten  noch  ein 
schief  aufsteigender  hinterer  hinzu,  der  sich  von  der  Stelle  erhebt,  wo  bei 
unvollständiger  Ausbildung  des  Primärrings  die  basale  hintere  Hälfte  des- 
selben in  die  Hinterwand  des  Köpfchens  übergeht.  Zu  diesen  beiden 
Stacheln  treten  jedoch  weiterhin  bei  einzelnen  Formen  noch  eine  grössere 
oder  geringere  Zahl  secundärer  hinzu  oder  entwickeln  sich  wohl  auch 
zuweilen  allein,  solche  nämlich,  die  nichts  mit  dem  ursprünglichen  Primär- 
ring zu  thun  haben.  Auch  eine  ziemlich  gleichmässige  Bestachelung  oder 
Bedoruung  des  Köpfchens  ist  zuweilen  ausgebildet  und  ähnlich  auch  auf 
den  übrigen  Schalengliedern  gelegentlick  entwickelt.  Eine  solche  Oberflächen- 
bestachelung  kann  durch  den  Mittelzustand  verzweigter  Stachelbildungen 
oder  dadurch,  dass  sich  Kieselfäden  zwischen  den  Stacheln  ausspannen, 
schliesslich  auch  zur  Bildung  eines  spongiösen  oder  spinnwebartigen 
Mantels  um  die  eigentliche  Schale  Veranlassung  geben.  Eine  eigenthüm- 
liche  Auszeichnung  kann  das  Köpfchen  gelegentlich  nach  Häckel  auch 
dadurch  erhalten,  dass  sich  ein  seitlicher  Porus  rohrenartig  verlängert. 
Bei  einer  Anzahl  Polycyrtiden  soll  die  Schale  dagegen  mit  ein  bis  drei 
porösen  Röhrchen  ausgerüstet  sein  („instructa"). 


*)  Diese  beiden  seitlichen  Fortsätze  der  vorderen  Kinghälfte  sind  keineswegs  besondre, 
nur  den  Polycyrtiden  zukommende  Bildungen,  sondern  finden  sich  sehr  ausgciirägt  auch  bei 
den  verwandten  eingliedrigen,  gewöhnlichen  Cyrtidformen  i^so  Litliomelissa  z.  B.),  es  tritt  je- 
doch hier  zu  ihnen   noch  ein  ahuliclicr  dritter,  vorderer  Fortsat/,  hinzu. 


39g  Radiolaria. 

Eine  besondre  Entwicklung  schlagen  z.  Th.  auch  die  wichtigen 
Stachelbildungen  ein,  welche  in  Drei-  oder  Mehrzahl  die  Mündung  um- 
stehen, oder  sich  schon  von  der  AVand  eines  der  Glieder  frei  erheben. 
Gewöhnlich  sind  dieselben  ganz  solide  und  einfach  zugespitzt,  auch  häufig 
dreikantig  bis  dreiblätterig.  Doch  verzweigen  sie  sich  auch  zuweilen 
mehr  oder  weniger  reichlich  und  sind  gelegentlich,  wie  auch  der  Apical- 
stachel,  mit  zahlreichen  Dörnchen  besetzt.  Merkwürdiger  ist,  dass  ihre 
Basis  nicht  selten  eine  gegitterte  Beschaffenheit  annimmt,  ja  es  treten 
statt  ihrer  um  die  Mündung  zuweilen  gänzlich  gegitterte  Anhänge  auf, 
von  welchen  es  mir  jedoch  sebr  zweifelhaft  erscheint,  ob  sie  sämmtlich 
auf  Umbildungen  eigentlicher  Stachelanhänge  zurückzuführen  sind. 

Auch  die  frei  von  den  Gliedern  sich  erhebenden  Stachelanhänge  zeigen 
bei  gewissen  Formen  eine  solch  gittrige  Umbildung,  sie  werden  dann  zu 
flügelähnlichen ,  gegitterten  Anhängen  der  Schale,  deren  Entstehung  aus 
den  ursprünglich  soliden  Stacheln  in  etwas  verschiedner,  jedoch  im  allge- 
meinen leicht  vorstellbarer  Weise  denkbar  ist. 

Bemerkenswerth  erscheint  noch  die  eigenthümliche  Entwicklung, 
welche  das  Endglied  gewisser  mehrgliedriger  Formen  nimmt,  namentlich 
streckt  es  sich  zuweilen  stark  in  die  Länge,  wird  umgekehrt  kegelförmig 
(XXX.  9),  ja  wächst  zuweilen  zu  einer  langen  und  engen  gegitterten  Röhre 
aus,  welche  einer  besonderen  grösseren  Mündung  wohl  entbehrt  (XXXI.  3). 

Am  Schlüsse  unsrer  Betrachtung  der  Monopyleenskelete  werfen  wir  noch 
einen  Blick  auf  eine  Gruppe,  welche  erst  in  neuester  Zeit  in  ihrer  Mannig- 
faltigkeit erkannt  wurde;  sie  war  seither  nur  durch  die  einzige  Gattung 
Plagiacantha  Clp.  repräsentirt,  hat  jetzt  aber  aus  der  Challengersammlung 
reichlichen  Zuwachs  erhalten  (37).  Ueber  die  genetische  Beziehung  der 
Skelete  dieser  Plagiacanthiden  Hertw.  (Plectida  Hck.  1881)  zu  denen 
der  übrigen  Monopylaria  kann  wohl  kein  Zweifel  sein,  dagegen  ist,  wie 
schon  erwähnt,  die  Beurtheilung  dieser  Beziehungen  eine  sehr  verschiedne 
gewesen. 

Das  Plagiacanthidenskelet  ist  sehr  einfach  gebaut,  besteht  aus  einer 
verschiednen  Zahl,  ein  bis  fünf  und  mehr  (bis  20  nach  Häckel),  meist 
ansehnlicher,  gerader  Kieselstacheln,  welche  sämmtlich  mit  ihren  centralen 
Enden  verschmolzen  sind  und  von  diesem  Centrum  so  ausstrahlen ,  dass 
sie  zusammen  den  Mantel  einer  flachen  Pyramide  bilden  (wenigstens  ist 
dies  nach  Analogie  mit  den  bis  jetzt  allein  näher  bekannten  dreistache- 
ligen Formen  anzunehmen),  deren  Apex  eben  der  Verschmelzungs-  und  Aus- 
strahlungspunkt der  Stacheln  ist  (XXXI.  17a).  Im  Apicaltheil  dieser  Stachel- 
pyramide ist  die  Centralkapsel  eingelagert  und  zwar  so,  dass  ihr  Porenfeld 
nach  dem  Apex  der  Pyramide  schaut,  resp.  demselben  dicht  angelagert 
ist.  Die  Stacheln  sind  theils  einfach,  unverzweigt,  theils  mit  Seitenstacheln 
besetzt  (ramos.  Hack.),  welche  entweder  regelmässig  in  Längsreihen 
(series.  Hack.)  und  häufig  auch  zu  Wirteln  auf  den  Hauptstacheln  zu- 
sammengestellt sind  oder  unregelmässiger  über  dieselben  zerstreut  stehen. 
Die  Seitenstacheln    nehmen   nach    der  Peripherie    der  Hauptstaehein   an 


Skeletc  der  Monopylaria  (Plagiacanthida).  399 

Grösse  ab.  Durcli  Verwachsung  der  Seitenstacheln  benachbarter  Haupt- 
stachehi  oder  durch  Entwickhing  sie  vereinigender  Kieselbrücken  kommt  es 
l)ci  einem  Theil  der  Plectiden  zur  Bildung  unregelmässig  gegitterter  La- 
mellen zwischen  den  Hauptstacheln,  so  dass  eine  gegitterte,  flach  pyra- 
midenförmige Schale  entsteht,  welche  einige  Aehnlichkeit  mit  manchen 
C} rtidsehaleu  besitzt,  jedoch  im  Princip  sehr  wesentlich  von  denselben 
abweicht  und  daher  auch  nicht  als  Urtypus  einer  sogen.  Monocyrtidschale 
betrachtet  werden  darf.  Bei  den  Cyrtidschalen  ist,  wie  hinreichend  her- 
vorgehoben wurde,  die  Köpfchenbildung  stets  nachweisbar  und  die  charak- 
teristische Scheidewandbildung  zwischen  Köpfchen  und  erstem  Glied  stets 
ausgeprägt.  Weiterhin  liegt  jedoch  auch  eine  pyramidenförmige  eigent- 
liche Cyrtidschale  stets  umgekehrt  zur  Centralkapsel ,  d.  h.  diese  wendet 
ihr  Porenfeld  der  Mündung  oder  Basis  der  Pyramide  zu,  während  dies 
bei  den  Plagiacanthiden  umgekehrt  nach  dem  Apex  der  Schale  gerich- 
tet ist. 

Ich  halte  aus  diesen  Gründen ,  im  Verein  mit  den  schon  früher  gel- 
tend gemachten  paläontologischen,  die  Ansicht  Häckel's,  dass  die 
Plagiacanthiden  die  ursprünglichsten  Monopyleen  seien,  für  nicht  zu- 
treffend. Will  man  von  ihnen  die  Cyrtida,  wie  Häckel  versucht,  direct 
ableiten,  so  bereitet  die  Erklärung  der"  Hervorbildung  des  für  Cyrtida, 
wie  die  übrigen  Monopylaria  so  charakteristischen  Primärrings  grosse 
Schwierigkeit,   ganz  abgesehen  von  einer  Reihe  weiterer  Schwierigkeiten. 

Viel  natürlicher  erscheint  es  mir  daher,  die  Plagiacanthiden  umgekehrt 
als  eine  sehr  aberrante  Gruppe  zu  betrachten,  welche  sich  aus  einfachen 
Stephida  durch  Rückbildung  des  eigentlichen  Ringes  herleiten  lässt.  Der 
Annahme  einer  solchen  Rückbildung  dürften  um  so  weniger  Bedenken 
entgegenstehen,  da  ja  auch  die  Cyrtiden  weitgehende  Rückbildungs- 
erscheinungen des  Köpfchens  aufweisen,  dessen  Grundlage  ja  ebenfalls 
der  Ring  bildet.  Eine  einfache  dreistachelige  Plagiacanthaform  würde  sich 
nach  dieser  Anschauung  etwa  von  einer  einfachen  Stephidenform  her- 
leiten, welche  schon  die  beiden  charakteristischen  Stabfortsätze  e,  die 
Stäbe  nämlich,  welche  die  beiden  Basallöcherpaare  scheiden,  sowie  einen 
vorderen  Stachel  als  Verlängerung  der  vorderen  basalen  Ringhälfte  aus- 
gebildet hätte.  Es  sind  dies  ja  die  uns  bekannten  drei  charakteristischen 
Urstacheln  der  einfachsten  Zygocyrtida  und  Cyrtida.  Durch  Rückbildung 
des  Ringes  bis  auf  seine  vordere,  basale  Hälfte  würde  sich  aus  diesem 
Skelet  das  dreistachelige  Skelet  einer  einfachsten  Plagiacanthide  herleiten, 
indem  Hand  in  Hand  mit  der  Verkümmerung  des  Ringes  die  drei  Stachel- 
fortsätze sich  ansehnlicher  entwickelten. 

Geringere  Wahrscheinlichkeit  scheint  mir  dagegen  die  gleichfalls 
mögliche  Auffassung  zu  besitzen:  eine  solche  dreistachelige  Plagiacau- 
thidenform  zum  Ausgangspunkt  der  einfachen  Ringskelete  (Stephida)  zu 
machen,  und  den  Primärring  nachträglich  entstehen  zu  lassen.  Die  ein- 
fachsten Stephidenformen  wären  dann  durch  Verkümmerung  der  drei 
Stachelfortsätze  des  Primärrings  entstanden  zu  denken. 


400  KaiUolaria. 

Schwierigkeiten  bereitet  unsrer  Auffassung  jedoch  die  Herleitung  der 
mehr-  bis  vielstacheligen  Plagiacanthidae.  Leicht  zu  erklären  sind  nur 
die  vierstacheligen  Formen,  denn  diese  lassen  sich  ohne  Schwierigkeiten 
durch  die  Annahme  ableiten,  dass  sich  auch  noch  die  hintere  basale 
Hälfte  des  Priraärricgs  als  vierter  Stachel  erhält  und  auswächst,  ja  diese 
Formen  würden  sich  daher  noch  als  primitiver  wie  die  dreistacheligen 
ergebeu.  Die  Schwierigkeit  erhebt  sich  aber  bei  den  mehrstacheligen.  Wir 
wissen  ja  zwar,  dass  auch  die  Zygocyrtida  und  die  Cyrtida  sehr  häufig 
zahlreichere  Stacheln  um  die  vier  Basallöcher  entwickeln,  jedoch  setzen 
sich  bekanntlich  stets  nur  die  vier  primären  Stacheln  bis  zur  Vereiniguug 
im  Centrum  der  vier  Basallöcher,  d.  h,  am  Basalpol  des  Frimärringes 
fort,  nie  dagegen  die  secundäreu,  welche  ihren  Ursprung  von  dem  Rand 
der  vierlöcherigen  Basalscheibe  nehmen. 

Um  nun  die  vielstacheligen,  bis  jetzt  noch  nicht  genauer  beschrie- 
benen Plagiacanthiden  unsrer  Auffassung  gemäss  zu  erklären,  bieten  sich 
zwei  Wege.  Entweder  leiten  sich  die  Plagiacanthiden  überhaupt  doch 
vielleicht  von  etwas  höher  entwickelten  Stephida  mit  vierlöcheriger  Basal- 
scheibe, welche  jedoch  sehr  verkümmerte  und  zusammenschrumpfte,  ab, 
oder  die  vielstacheligen  Formen  entstanden  in  der  Weise,  dass  sich  ein- 
zelne oder  sämmtliche  der  drei  oder  vier  ursprünglichen  Stacheln  dicht 
an  ihrem  Ursprung  verzweigten. 

Welche  dieser  Möglichkeiten  grössere  Wahrscheinlichkeit  für  sich  hat 
und  ob  überhaupt  eine  derselben  zulässig  erscheint,  wird  sich  wohl  ent- 
scheiden lassen,  wenn  die  genauere  Beschreibung  dieser  Plagiacanthiden 
vorliegt;  vielleicht  bieten  einige  derselben  noch  Merkmale  dar,  auf  welche 
bis  jetzt  weniger  geachtet  wurde  und  die  gerade  für  ihre  AbleituDg  von 
Wichtigkeit  sind. 

Wir  reihen  hier  endlich  noch  die  Besprechung  einer  kleinen  Gruppe 
der  Monopyleen  an,  welche  gleichfalls  erst  neuerdings  in  ihrer  Mannig- 
faltigkeit erkannt  wurde  (37),  während  seither  nur  die  einzige  Gattung 
Prismatium  Hck.  dieselbe  repräsentirte.  Jetzt  hat  sich  Häckel  auch  wohl 
von  der  Zugehörigkeit  derselben  zu  den  Monopyleen  durch  Untersuchung 
der  Cenlralkapsel  überzeugt,  da  dieser  Punkt  seither  noch  unerledigt  ge- 
blieben war.  Häckel  reiht  diese  Gruppe  als  Parastephida  unter  seine 
Stephida  ein,  sucht  sie  daher  genetisch  von  den  einfacheren  Ringskeleten 
abzuleiten.  Auch  ich  habe  es  versucht  (38),  die  Gattung  Prismatium  in 
solcher  Weise  zu  deuten,  muss  jedoch  jetzt  gestehen,  dass  mir  nach  un- 
gefährer Bekanntschaft  mit  den  Charakteren  der  zahlreichen,  von  Häckel 
neugefundnen  Formen  dieser  Parastephida  jener  Versuch  nicht  mehr  ge- 
rechtfertigt erscheint,  ja  dass  mir  die  Möglichkeit  der  Ableitung  der 
Parastephidenskelete  von  jenen  der  Stephida  sehr  zweifelhaft  geworden 
ist.  Eine  kurze  Schilderung  der  typischen  Eigenthümlichkeiten  dieser 
Skelete  wird  dies  wohl  erläutern.  Ich  muss  mich  hierbei  der  Darstellungs- 
weise Häckel's  anschliessen ,  da,  wie  bemerkt,  nur  Prismatium  bis  jetzt 
durch  Abbildungen  erläutert  ist;  ich  hebe  dies  ausdrücklich  hervor,    weil 


fiau  der  Skelcto  (Pal-astephicla'). 


401 


mir  die  Möglichkeit  einer  etwas  abweichenden  Auffassung  und  damit 
auch  Darstellung  nicht  ausgeschlossen  erscheint.  Zuvor  sei  bemerkt,  dass 
das  Skelet  der  Parastephida  wie  ein  aus  meist  wenigen  Kieselbälkchen 
aufgebautes  Gerüst,  die  in  ihm  aufgehängte  Centralkapsel  dicht  umgibt. 
Nach  Häckel's  Darstellung  setzt  sich  dieses  Skelet  nun  stets  aus 
zwei  (wohl  an  Grösse  gleichen)  Kieselringen  zusammen ,  welche  sieh  in 
paralleler    Lagerung    gegenüberstehen   und   durch   eine   sehr   verschiedne 

Fig.  7. 


Erlvläning  des  Holzschn.  Fig.  7. 
Schematisclie  Constructionen  einiger  Ver- 
treter der  Subfamilie  der  Parastephida 
Kok.  (,37)  nach  den  Charakteristiken 
Häckel's.  Nr.  1-4  Vertreter  der  wich- 
tigsten Typen  der  Tribus  der  Paraste- 
phanida  (1  entspricht  etwa  Parastepha- 
nus  Hck.,  2  Prismatidium  Hck.,  3  Litho- 
ciibus  Hck.  und  4  Protympanium  Hck.); 
Nr.  5  Vertreter  der  Tribus  der  Para- 
tyinpanida  (entspriclit  etwa  Paratyinpa- 
niuni  Hck.). 


Zahl  zwischen  ihnen  ausgespannter,  auf  den  Ringebenen  senkrecht  stehen- 
der Kieselbalken  unter  einander  vereinigt  sind  (Holzschn.  Fig.  7).  Zwei, 
drei,  vier  bis  fünf  und  mehr  solcher  Kieselbalken  spannen  sich  der  Art 
in  regelmässiger  Anordnung  zwischen  den  beiden  Ringen  aus,  so  dass  die 
Abstände  ihrer  Ursprungsstellen  von  den  Ringen  unter  sich  gleich  sind  und 
sämmtliche  Balken  natürlich  unter  einander  parallel.  Das  gesammte  Skelet 
der  Parastephida  erweist  sich  hiernach  ziemlich  deutlich  prismatisch,  da 
namentlich  auch  die  beiden  Ringe,  wie  es  scheint,  eine  etwas  stumpf- 
eckige Bildung  annehmen,  indem  die  Ursprungsstellen  der  Kieselbalken 
etwas  eckig  hervorgezogen  erscheinen.  Die  beiden  Ringe  sind  theils 
glatt,  unbestachelt,  theils  mit  einfachen  oder  verzweigten  Dornen  be- 
deckt. Schliesslich  tritt  bei  einigen  Formen  noch  die  Weiterbildung 
hinzu,  dass  das  Lumen  der  beiden  Ringe  durch  eine  Gitterbildung  ge- 
schlossen wird  (Holzchn.  Fig.  7,  5). 

Wie  gesagt,  scheint  es  mir  bis  jetzt  nicht  wohl  möglich,  die  sehr 
eigenthümlich  gebauten  Skelete  der  Parastephiden  mit  denen  der  Ste- 
phida  und  den  sich  nach  unsrer  Auffassung  von  ihnen  ableitenden  For- 
men in  genetischen  Zusammenhang  zu  bringen.  Vielleicht  wird  jedoch 
die  zu  erwartende  genaue  Schilderung  Häckel's  auch  für  diese  Gruppe 
den  erwünschten  Aufschluss  geben. 


|i  i' I)  II II  ,  Klassen  des  'riiier-Reiclis.    Protozoa, 


26 


402  liadiolaiia. 

4.  Der  Bau  des  Weichköipers  der  Radiolaiieii. 

Wir  eröffnen  die  Betrachtung  des  Weichkörpers  der  Radiolarien  mit 
der  Besprechung  eines  Organisationsbestandtheils ,  welcher  nach  seiner 
schon  früher  erläuterten  morphologischen  Bedeutung  eigentlich  unter  die 
Hüll-  oder  Skeletgebilde  gerechnet  werden  müsste.  Seine  innige  Verbin- 
dung mit  dem  eigentlichen  Weichkörper,  ja  seine  Einlagerung  in  den- 
selben im  ausgebildeten  Zustand  rechtfertigt  seine  Besprechung  an  dieser 
Stelle. 

A.    Die  (Jen  t  ralliapsel. 

Die  allgemeine  Verbreitung  und  Bedeutung  der  Centralkapsel  wurde 
schon  im  Vorhergehenden  mehrfach  betont.  Doch  sind  in  neuerer  Zeit 
einige  Wahrnehmungen  gemacht  worden,  welche,  wenn  sie  sich  bestätigen, 
die  allgemeine  Bedeutung  der  Centralkapsel  für  den  Radiolarienorganis- 
mus,  wie  sie  Häckel  seiner  Zeit  betonte,  nicht  unbeträchtlich  ein- 
schränken dürften. 

Zunächst  bemühte  sich  Hertwig  (33)  bei  einer  erwachsenen  Acantho- 
metree,  dem  Acanthochiasma  rubescens  Hck.,  vergeblich,  etwas  von  einer 
Centralkapselmembran  zu  entdecken  und  im  Anschlüsse  hieran  bemerkt  neuer- 
dings Brandt  (36),  dass  bei  vielen  Acanthometreen  eine  Centralkapsel  nicht 
nachweisbar  sei.  Auch  bei  einer  Anzahl  Sphaerozoeen  hat  Brandt  vergeblich 
nach  einer  Centralkapselmembran  gesucht  und  ist  der  Ansicht,  dass  sich 
dieselbe  bei  diesen  Formen  erst  mit  Beginn  der  Schwärmerfortpflanzung 
hervorbilde.  Bis  jetzt  scheint  mir  diese  Angelegenheit  noch  nicht  hin- 
reichend erforscht  zu  sein.  Wie  weiter  unten  noch  eingehender  erörtert 
werden  wird,  neige  ich  mich  der  Ansicht  zu,  dass  eine  deutliche  Schei- 
dung des  Plasmas  der  Radiolarien  in  zwei  ineinander  geschachtelte  Re- 
gionen, welche  gewöhnlich  durch  die  Ceutralkapselwand  geschieden  sind, 
höchst  wahrscheinlich  nur  bei  Vorhandensein  einer  solchen  Membran  zu 
Stande  kommt.  Ich  bin  daher  auch  sehr  geneigt  anzunehmen,  dass 
wenigstens  bei  den  erwachsenen  Sphaerozoeen,  wo  die  beiden  Plasma- 
regionen stets  deutlich  zu  erkennen  sind,  auch  eine,  wenn  auch  sehr 
zarte  Centralkapselhaut  vorhanden   sein   dürfte*).    Natürlich   besprechen 


*)  Mit  dem  Mangel  oder  der  Dünne  der  Kapselwand  der  Siihaerozoen  während  ihrer 
Jugendzeit  steht  ohne  Zweifel  die  häufig-  recht  unregclmässige  und  mannigfaltig  wechselnde 
Gestalt  der  Centralkapseln  ihrer  Kolonien  in  Zusammenhang.  Schon  Häckel  (Ki)  hat  hierauf 
hingewiesen  und  blieb  zweifelliaft.  ob  er  die  Ursache  dieser  Erscheimiug  einer  Con- 
tractilität  der  Kapseln  oder  der  Wirkung  des  umgebenden  Plasmas  zuschreiben  sollte. 
Später  haben  Cienkowsky  und  namentlich  Brandt  dieses  Verhalten  wieder  betont  und  letzterer 
erblickt  iu  der  sehr  unregelmässigeu ,  z.  Th.  sogar  in  spitzige  oder  zackige  Fortsätze  ausge- 
zogenen Gestalt  der  Centralkapseln  einen  Beweis  ihrer  Membranlosigkeit.  Ich  glaul)e,  dass 
eine  solche  Gestaltsveränderlichkeit  auch  bei  Gegenwart  einer  zarten  Membran  bis  zu  gewis- 
sem Grade  nicht  ausgeschlossen  sein  dürfte.  Wie  Brandt  möchte  auch  ich  die  wechselnden 
Gestaltsverhäitnisse  der  Kapseln  einer  Actirität  ihres  Plasmas  zuschreiben,  nicht  dagegen  einer 
directen  Wirkung  ihrer  Umgebung. 


Centralkapsel    (Allgoinoiner  Bau).  403 

wir  in  diesem  Abschuitt  nur  die  Kapsel  in  engerem  Sinne,  nicht  dagegen 
ihren  Inhalt.  Morphologisch  betrachten  wir  mit  Hertwig  die  Centralkapsel 
als  ein  der  Rhizopodenschale  entsprechendes  Schalenliäutchen,  das  jedoch 
in  seinem  feineren  Aufbau  wesentliche  Eigenthümliclikeiten  verräth,  wenn 
auch  nicht  so  abweichende,  um  die  betoute  Homologisirung  unmöglich  zu 
machen.  Auch  Hiickel  nähert  sich  neuerdings  dieser  Auffassung  der 
Centralkapselhaut  (34,  37),  indem  er  sie  als  Zellmembran  bezeichnet, 
eine  Anschauung,  mit  der  die  unsrige  im  Wesentlichen  übereinstimmt. 

Die  Centralkapsel  der  Eadiolarien  wird  von  einer  einfachen  oder  doj)- 
pelten  Haut  gebildet,  deren  chemische  Natur  sich  ohne  Zweifel  der  Reihe 
stickstoffhaltiger,  resistenter,  thierischer  Abscheidungsprodukte  anschliesst, 
welche  sich  um  das  sogen.  Chitin  gruppiren.  Es  zeichnet  sich  daher  auch 
die  Centralkapselwand  durch  ihre  verhältnissmässige  Resistenz  gegen 
chemische  Reagentien,  stärkere  Säuren  und  Alkalien,  aus  und  lässt  sich 
mit  deren  Hülfe  z.  Th.  auch  deutlicher  zur  Ansicht  bringen. 

Diese  Centralkapselwand  umschliesst  allseitig  einen  centralen  Theil 
des  protoplasmatischen  Weichkörpers,  jedoch  erleidet  die  im  jugendlichen 
Zustand  ohne  Zweifel  ganz  allgemeine  centrale  Lagerung  der  Kapsel  im 
Alter  zuweilen  eine  gewisse  Verschiebung  durch  einseitiges  Weiterwachs- 
thum  des  Körpers.  Hinsichtlich  ihrer  Beziehung  zu  den  eigentlichen 
Skelettheilen  ist  hervorzuheben,  dass  letztere  theils  ganz  ausserhalb  der 
Kapsel,  sie  umschliessend,  ihre  Lage  finden,  theils  jedoch  auch  mit  ihren 
centralen  Partien  in  dieselbe  eingelagert  sind,  ja  dass  bei  einer  Anzahl 
Radiolarien  die  Centralkapsel  sogar  die  Hauptmasse  des  Skelets  in  sich 
aufnimmt. 

Die  Grösse  der  Kapsel  richtet  sich  natürlich  im  Allgemeinen  'nach 
der  Grösse  der  Thiere,  doch  zeigen  sich  auch  bedeutende  Schwankungen 
ihres  Volums  im  Vergleich  zu  dem  des  Thierkörpers.  Bei  solchen  Formen 
wie  den  Disciden  und  Spongodisciden,  wo  die  Kapsel  nahezu  das  ge- 
sanimte  Skelet  einschliesst,  ist  sie  auch  relativ  sehr  gross.  Bei  anderen 
hingegen,  wo  sie  nur  einen  kleinen  Theil  des  centralen  Skelets  umhüllt 
oder  letzteres  sich  ganz  nach  aussen  von  ihr  entwickelt,  tritt  sie  im  All- 
o-emeinen  mehr  zurück.  Am  meisten  ist  dies  vielleicht  der  Fall  bei 
grossen  Phaeodarien  (Coelothamnus  z.  B.).  Die  bedeutendste  absolute 
Grösse  erreicht  die  Kapsel  bei  den  CoUiden,  2  Mm.  Durchmesser  bei 
Thalassolampe,  5  Mm.  sogar  bei  Physematium. 

Wie  schon  früher  erörtert  wurde,  betrachten  wir  mit  Hertwig  die 
homaxone  oder  kugelförmige  Gestaltung  der  Centralkapsel  als  die  ur- 
sprünglichste. Dieselbe  ist  denn  auch  noch  bei  zahlreichen  Peripylarien 
erhalten,  so  bei  Colliden  und  Sphaerozoeen,  wie  regulären  Acanthometreen 
und  regulären  Sphaerideen.  Hand  in  Hand  mit  den  Modificationen  der 
Skeletbildung  modificirt  sich  jedoch  auch  die  Gestalt  der  Kapsel,  in- 
dem dieselbe  im  Allgemeinen  die  Grundgestalt  des  Skelets  nachahmt. 
Welches  Moment  hierbei  das  maassgebende  ist,  ob  die  Kapsel  sich  nach 
dem  Skelet  richtet,  oder  letzteres  nach  dieser,  oder  ob  ein  gemeinsames 

26* 


404  ßadiolaiia. 

Drittes  auf  beide  bestimmend  einwirkt,   lässt  sich  zur  Stunde  wolil  noch 
nicht  sicher  entscheiden. 

Unter  den  Acanthometreen  wird  die  reguläre  Kugelgestalt  der  Kapsel 
durch  die  stärkere  Entwickhing  gewisser  Stacheln  modificirt;  durch  Aus- 
wachsen der  vier  Aequatorialstacheln  entwickelt  auch  sie  sich  in  der 
Aequatorialebne  stärker  und  plattet  sich  daher  etwas  ab,  wächst  auch 
entsprechend  den  vier  Aequatorialstacheln  stärker  aus  und  nimmt  einen 
(quadratischen  bis  rhombischen  Umriss  an  (Acanthostaurus  z.  Th.)  oder 
bildet  vier  den  Stacheln  entsprechende  Lappen  (Acanthostaurus  z.  Th., 
Lithoptera,  XXVII.  10).  Besondre  Verlängerung  zweier  gegenständiger 
Aequatorialstacheln  ruft  auch  eine  entsprechende  Längsstreckung  der 
Kapsel  hervor ,  die  zunächst  elliptisch ,  schliesslich  sogar  walzenförmig 
wird  (Amphilonche,  XXVIL  7)  und  entweder  eine  mittlere  Anschwellung 
oder  eine  entsprechende  Einschnürung  aufweist  (Amphilonche  z.  Th.  und 
Diploconus,  XXVII.  11).  Bei  Amphilonche  wird  die  langgestreckte  Kapsel 
gelegentlich  auch  längskantig,  in  Zusammenhang  mit  der  kantigen  Bil- 
dung der  beiden  Hauptstachcln.  Wie  zu  erwarten,  ist  bei  dem  merkAvür- 
digen  Litholophus  Rhipidium  Hck.  (XXVIII.  1)  auch  die  Centralkapsel 
dem  Skelet  entsprechend  modificirt. 

Bei  den  gitterkugligen  Dorataspiden  unter  den  Acanthometreen  und 
bei  den  Sphaerideen  stimmt  die  Gestalt  der  Kapsel  überein  mit  der  all- 
gemeinen Skeletgestalt,  wird  demnach  auch  bei  gewissen  Dorataspiden 
mit  ellipsoidischer  Gitterschale  ellipsoidisch  (XXVIII.  6)  und  macht  alle 
die  Wandlungen  der  Skeletgestalt  mit,  welche  die  irregulären  Sphaerideen 
darbieten.  Bei  den  Phacodisciden  nimmt  die  Centralkapsel  daher  eine 
linsenförmig  abgeplattete  Gestalt  an.  Bei  den  Disciden  und  Spongodis- 
ciden  dagegen,  wo  das  Skelet,  wie  erwähnt,  nahezu  völlig  in  der  Central- 
kapsel eingeschlossen  ist,  wird  sie  scheibenförmig  und  geht  natürlich  auch 
in  die  Bildung  der  armartigen  Fortsätze  der  Cocco-,  Poro-  und  Spongo- 
discidae  ein.  Auch  bei  den  Zygartida  richtet  sich  die  Centralkapselbildung 
nach  der  Skeletgestalt,  jedoch  ist  über  diese  Gruppe  bis  jetzt  nur  wenig 
bekannt  und  dies  gilt  noch  mehr  von  den  Pylonidae  und  Lithelida. 

Bei  allen  besprochnen  Abtheilungen  der  Peripylaria ,  deren  Central- 
kapselbildung sich  auf  einen  ursprünglich  homaxonen  Grundtypus  zu- 
rückführen lässt,  prägt  sich  dieser  auch  in  der  feineren  Beschaffenheit 
der  Centralkapselwand  aus.  Dieselbe  entbehrt  nämlich  durchaus  grösserer 
Durchbrechungen  oder  Oeffnungen ,  sondern  ist  wohl  allgemein  von  sehr 
zahlreichen,  dicht  stehenden  und  sehr  feinen  Porenkanälchen  durchsetzt. 
Doch  sind  bis  jetzt  solche  Porenkanälchen  nur  bei  wenigen  Peripylaria 
direct  beobachtet  worden,  solchen  nämlich,  bei  welchen  die  Centralkapsel- 
wand eine  beträchtlichere  Dicke  erreicht,  wie  bei  einem  Theil  der 
Colliden  und  der  Sphaerozoeen.  Nur  bei  den  ebengenannten  er- 
reicht nämlich  die  Kapselwand  eine  solche  Dicke,  dass  sie  deutlich 
doppelt   contourirt   erscheint  (bei  Thalassicolla   bis  0,003   Mm,),   während 


Centralkapsel  (Peripylaria,  Monopylaria).  405 

sie  bei  den  librigen  Peripylaiien  fast  durchaus  einfach  eontouiirt  ist. 
Bei  Flächeubetrachtuiig  erscheint  die  Centralkapselmembran  der  ersterwähn- 
ten Formen  häutig  deutlicli  fein  pnnktirt;  im  optischen  oder  wirklichen 
Schnitt  dagegen  lein  radiär  gestrichelt  (XVII.  4c — d).  Dieses  Aussehen  der 
Centralkapselwand,  im  Verein  mit  der  Erfahrung,  dass  das  Hervortreten 
von  Protoplasma  durch  die  Kapselwand  bei  ThalassicoUa  thatsächlich  zu 
constatiren  ist,  lässt  wohl  keine  andre  Deutung  wie  die  gegebne  zu. 

Nach  diesen  Erfahrungen  erscheint  es  nicht  ungerechtfertigt,  eine 
entsprechende,  allseitig  gleichmässige,  jedoch  sehr  feine  Porosität  den 
Peripylarien  überhaupt  zuzuschreiben,  was  noch  dadurch  unterstützt  wird, 
dass  Hertwig  (33)  bei  den  Acanthometriden  thatsächlich  feine,  in  Strö- 
mung begriffne  Protoplasmakörnchen  durch  die  Centralkapselmembran 
hindurchtreten  sah. 

Wir  erwähnen  an  dieser  Stelle  gleich,  dass  die  dicke  Kapselmembran 
der  ThalassicoUa  nucleata  eine  polygonal -gefelderte  Zeichnung  darbietet, 
welche  nach  Hertwig  (28)  von  leistenförmigen  Erhebungen  auf  der  Innen- 
fläche der  Membran  herrührt  (XVII.  4  c). 

Durchaus  monaxon  umgestaltet  erscheint  die  Centralkapsel  der  Mono- 
pylaria,  in  Zusammenhang  mit  der  Skeletentwicklung  dieser  Formen. 
Dies  spricht  sich  einerseits  darin  aus,  dass  die  Gestaltung  der  Kapsel  bei 
den  einfacheren  Formen  häufig  eine  deutlich  ellipsoidische  wird  (auch 
schon  bei  Cystidium,  der  einzigen  bis  jetzt  bekannten  skeletlosen  Form) 
und  eine  derartige  Gestaltung  ist  bei  den  Monopylaria  wohl  sicherlich  die 
ursprüngliche,  an  welcher  sich  jedoch  eine  Reihe  wesentlicher  Modifica- 
tionen  mit  der  Weiterentwicklung  des  Skelets  einstellen. 

Der  monaxone  Typus  der  Monopylarien- Centralkapsel  gelangt  je- 
doch speciell  noch  dadurch  zur  Ausprägung,  dass  die  Communieations- 
öifnungen  oder  Poren  hier  auf  den  basalen  Pol  beschränkt  sind,  welchen 
sie  in  Gestalt  eines  sogen.  Porenfeldes  bedecken,  wie  dies  zuerst  von 
Hertwig  (33)  nachgewiesen  wurde. 

So  sicher  es  nun  einerseits  auch  erscheint,  dass  die  Communications- 
öffnungen  in  der  Centralkapselwand  der  Monopylaria  auf  dieses  basale, 
sogen.  Porenfeld  beschränkt  sind,  so  ist  dessen  Bau  doch  noch  keines- 
wegs hinreichend  aufgeklärt.  Bei  den  einfacher  gestalteten,  kugligen 
bis  ellipsoidischen  Kapseln  der  Stephida  und  Zygocyrtida  ist  der  basale, 
vom  Porenfeld  eingenommene  Pol  der  Kapsel  gewöhnlich  etwas  flach  ab- 
gestutzt und  das  so  gebildete  Poreufeld  zeichnet  sich  nun  namentlich  da- 
durch aus,  dass  sich  in  seiner  Ausdehnung  eine  bei  den  verschiednen 
Formen  wechselnde  Anzahl  kleiner,  stäbchenartiger,  dunkler  Gebilde  an- 
scheinend iu  die  Wand  der  Kapsel  eingelagert  finden  (XXVIII.  8,  9,  9  a, 
XXIX.  9).  Diese  Stäbchen  stehen  stets  senkrecht  zur  Porenfeldfläche 
und  lärben  sich  ganz  allgemein  mit  Carmin  sehr  intensiv.  Ihre  An- 
ordnung im  Porenfeld  ist  verschieden,  theils  sind  sie  über  die  gesammte 
Fläche  desselben  zerstreut,  theils  dagegen  bilden  sie  nur  einen  ein- 
fachen  Kranz   in   dessen  Peripherie;   bei   einer  Form   Hess  sich  auch  die 


406  Eadiolaria. 

eigeuthümliche  Anordnung  zu  drei  sich  central  berührenden  Kränzen  nach- 
weisen. Besonders  ansehnlich  sind  diese  Stäbchen  bei  der  eigenthiimlichen 
Gatt.  Trictyopus  ausgebildet,  ragen  hier  zäpfchenartig  über  die  Fläche 
des  Porenfeldes  äusserlich  ein  wenig  hervor  und  ihr  peripherisches  Ende 
nimmt  bei  erwachsenen  Thieren  eine  etwas  dreizackige  Beschaöenheit  an. 

"^  Hertwig  fasst  diese  Stäbchen  als  verdickte  Partien  der  Kapselniem- 
bran  auf,  welche  von  einem  feinen  Kanal,  dem  eigentlichen  Porus  durch- 
bohrt würden.  Für  letztere  Annahme  spricht  namentlich  die  Beobachtung, 
dass  bei  gewissen  Formen  feine  extrakapsuläre  Protoplasmaströmchen 
von  den  einzelnen  Stäbchen  entspringen.  Dagegen  finden  sich  jedoch 
auch  einige  Thatsachen,  welche  nach  meiner  Ansicht  einer  solchen 
Auffassung  Schwierigkeiten  bereiten,  so  namentlich  die  im  Verhalten 
gegen  Färbemittel  sich  aussprechende,  eigenthtimliche  chemische  Be- 
schatfenheit  der  Stäbchen  und  weiterhin  das  von  Hertwig  bei  Eucyrtidium 
beobachtete  Verhalten  derselben  zur  extrakapsulären  Sarkode.  Wurde 
nämlich  letztere  von  der  Centralkapsel  abgelöst,  so  blieben  die  Stäbchen 
an  ihr  haften. 

Zu  diesem  sogen.  Porenfeld  gesellt  sich  jedoch  noch  ein  weiteres 
sehr  eigenthümliches  Structurelement  hinzu,  welches  wir  nach  Hertwig 
ebenfalls  als  Bestandtheil  der  Kapselwand  zu  betrachten  hätten.  Dies  ist 
der  sogen.  Pseudopodienkegel;  ein  heller,  kegelförmig  zugespitzter  Auf- 
satz, welcher  sich  über  dem  Poreufeld  als  Basis  mehr  oder  weniger  tief 
in  das  Innre  der  Centralkapsel  hinein  erhebt.  Dieser  Pseudopodienkegel 
reicht  theils  bis  etwa  zum  Centrum  der  Kapsel,  theils  jedoch  noch  be- 
trächtlich über  dasselbe  hinaus  bis  zum  Apicalpol  der  Kapsel  heran.  Ge- 
wöhnlich besitzt  er  die  Gestalt  eines  geraden,  regulären  Kegels,  zuweilen 
wird  er  jedoch  auch  zu  einem  schiefen.  In  seiner  Substanz  bemerkt 
man  zarte  Linien,  welche  von  der  Spitze  zu  den  Stäbchen  des 
Porenfelds  ziehen  und  die  Kegelspitze  tritt  z.  Th.  sehr  deutlich  als  ein 
aus  homogener  Masse  gebildetes,  besonderes  Stück  hervor,  theils  je- 
doch gibt  sie  sich  durch  ihre  intensive  Färbung  in  Carmin,  ähnlich  wie 
die  Stäbchen  des  Porenfeldes,  als  etwas  Besonderes  zu  erkennen.  Hertwig, 
der  erste  Beobachter  aller  dieser  Verhältnisse,  sucht  für  dieselben  folgende 
Deutung  geltend  zu  macheu,  welche  er  hauptsächlich  darauf  stützt,  dass 
sich  der  Pseudopodienkegel,  ebenso  wie  die  Stäbchen  des  Porenfeldes, 
gegen  die  Einwirkung  von  Alkalien  widerstandsfähig  erweisen  und  daher 
wohl  ähnlicher  Natur  seien  wie  die  Kapselmembran.  Der  Pseudopodien- 
kegel wäre  nach  ihm  aufzufassen  als  eine  von  zarten  Kanälen,  den 
Fortsetzungen  der  Porenkanäle  der  Stäbchen,  durcbzogne  Erhebung  der 
Kapselwand;  durch  die  erwähnten  Kanäle,  welche  auf  der  Kegelspitze 
sich  öffnen  sollen,  würde  das  intrakapsuläre  Protoplasma  seinen  Aus- 
gang finden  und  schliesslich  aus  den  Poren  der  Stäbchen  hervortreten. 

Ich  möchte  schon  bei  dieser  Gelegenheit  andeuten,  dass  mir  diese 
Auffassung  des  Pseudopodienkegels  bis  jetzt  noch   ziemUch  unsicher  er- 


Ceutralkapscl  iMonopylaria).  407 

scheint;  ich  halte  es  nämlich  nicht  für  unmöglich,  dass  der  gesammte 
Pseudopodienkegel  doch  vielleicht  eine  rein  plasmatische  Bildung  ist  und 
mit  einer  eigenthümlichen  Axent'ädenbilduug  der  Pseudopodien  in  Zu- 
sammenhang steht,  wie  sie  ja  auch  die  Kadiolarien  z.  Th.  besitzen.  Doch 
darüber  wird  erst  bei  der  Besprechung  der  Pseudoi)odien  Näheres  zu  be- 
merken sein,  nur  dürfte  hier  noch  hervorgehoben  werden,  dass  der  Pseudo- 
podienkegel nach  Hertwig's  Beobachtungen  thatsächlich  einen  innigeren. 
Zusammenhang  mit  dem  intrakapsulären  Plasma  als  mit  der  Kapselwand 
zeigt,  da  er  nämlich  mit  dem  ersteren  in  Zusammenhang  bleibt,  wenn  es 
sich  durch  Einwirkung  von  Keagentien  von  der  Kapselwand  zurückzieht. 
Eine  Reihe  sehr  interessanter  Umgestaltungen  erleidet  die  Central- 
kapsel  bei  den  Zygocyrtida  und  namentlich  bei  den  Cyrtida.  Bei  ersteren 
füllt  sie,  wie  zu  erwarten  war,  den  Hohlraum  der  Schale  nahezu  völlig 
aus  und  nimmt  daher  auch  gewöhnlich,  entsprechend  deren  Form,  eine 
querovale  Gestaltung  an,  z,  Th.  mit  mittlerer,  durch  den  Primärring  be- 
dingter Einschnürung.  In  entsprechender  Weise  erfüllt  die  Centralkapsel 
der  Cyrtida  ursprünglich  allein  das  der  Zygocyrtidenschale  entsprechende 
sogen.  Köpfchen.  Ein  solches  Verhalten  bleibt  denn  auch  bei  einer  Reihe 
eingliedriger  Cyrtidenformen  mit  ansehnlichem  Köpfchen  und  gering  ent- 
wickeltem erstem  Gliede  noch  erhalten  und  findet  sich  in  gleicher  Weise 
auch  bei  den  Jugendformen  der  übrigen,  ja  ohne  Zweifel  denen  sämmtlicher 
Cyrtida  realisirt  (XXIX.  19).  Bei  den  höher  entwickelten  Formen  dagegen 
mit  geringer  ausgebildetem  Köpfchen  und  stärker  entwickelten  Gliedern  ver- 
grössert  sich  die  im  Köpfchen  anfänglich  hinreichenden  Platz  findende 
Centralkapsel  beim  Weiterwachsthum  sehr  ansehnlich  und  wächst,  da  ja 
das  Lumen  des  Köpfchens  selbst  nicht  an  Grösse  zunimmt,  durch 
dessen  Basallöcher  in  das  folgende  erste  Glied  oder  bei  den  mehr- 
gliedrigen  Formen  auch  noch  in  weitere  Glieder  hinein.  Dieses  Durch- 
wachsen geschieht  gewöhnlich  nur  durch  die  vier  ansehnlichen  Basal- 
löcher der  sogen.  Scheidewand  zwischen  Köpfchen  und  erstem  Glied,  indem 
sich  durch  jedes  Loch  ein  mehr  oder  minder  ansehnlicher,  zipfel-  bis  bruch- 
sackartiger  Auswuchs  der  Kapsel  verschieden  tief  in  das  erste  oder  bis  in  fol- 
gende Glieder  hinein  erstreckt  (XXIX.  11,  13b,  14a;  XXX.  19).  Bei  einigen 
Formen  gelangen  jedoch  nur  drei  solcher  Bruchsäcke  zur  Ausbildung,  was 
einigermaassen  überraschend  ist,  da  alle  diese  dreigelappten  Formen  ohne 
Zweifel  vier  Basallöcher  besitzen ;  für  einige  ist  dies  ganz  direct  constatirt. 
Die  Ursache  dieser  Dreilappigkeit  der  Centralkapsel  könnte  unter  solchen 
Umständen  eine  verschiedene  sein;  entweder  unterbleibt  der  Durchtritt 
durch  eines  der  Löcher  und  kommt  so  ein  Lappen  weniger  zur  Ausbildung, 
oder  es  findet  eine  nachträgliche  Verschmelzung  zweier  Lappen  statt, 
was  nach  den  Erfahrungen  bei  den  Sphaerideen  nicht  unmöglich  erscheinen 
dürfte.  Mir  scheint  letztere  Annahme  mehr  für  sich  zu  haben,  und  ich 
bin  geneigt,  bei  den  dreilappigen  Formen  eine  nachträgliche  Verschmel- 
zung der  beiden  durch  das  hintere  Löcherpaar  (1)  hervorgetretnen  Lappen 
anzunehmen,  da  der  Stab  c,  welcher  diese  beiden  Löcher  scheidet,  häufig 


4Qg  Eadiolaria. 

sehr  zart  ist  und  daher  eine  solche  Verschmelzung-  wohl  begünstigt. 
Immerhin   bedürfen    diese  Verhältnisse  noch  eingehenderer  Untersuchung. 

Unter  Umständen  wird  jedoch  die  Lapjjenzahl  auch  grösser  wie  vier ; 
es  treten  dann  nämlich  (Carpocanium,  XXX.  13  a,  b)  im  Umkreis  der  vier 
Hauptlappen  noch  einige  secundäre,  kleinere  auf.  Dies  erklärt  sich  leicht 
dadurch,  dass  die  Köpfchenbasis  (die  Scheidewand  zwischen  Köpfchen  und 
erstem  Glied)  im  Umkreis  der  vier  Basallöcher  häufig  noch  eine  Anzahl 
kleinerer  Poren  aufweist,  welche  demnach  zuweilen  ebenfalls  zu  Fortsatz- 
bilduugen  der  Centralkapsel  Veranlassung  geben. 

Auch  die  bis  jetzt  genauer  untersuchten  sogen.  Monocyrtiden  Häckel's 
besitzen  fast  durchaus  eine  deutlich  gelappte  Centralkapsel,  was  beweist, 
dass  auch  sie  eine  Scheidewand  haben,  und  die  von  Hertwig  und  mir 
versuchte  Ableitung  dieser  Formen  bestätigt.  Bei  sehr  starker  Verküm- 
merung des  Köpfchens,  wie  sie  eine  Reihe  solcher  Formen,  so  Litharach- 
nium  Hck.  und  Cornutella,  aufweisen,  kann  natürlich  nur  ein  äusserst 
kleiner  Theil  der  Centralkapsel  in  dem  Köpfchen  eingelagert  sein.  Auch 
ist  es  zweifelhaft,  ob  sich  hier  die  Lappenbildung  der  Centralkapsel  noch 
erhält.  Bei  Litharachnium  blieb  Häckel  zweifelhaft,  ob  die  tiet  ins  erste 
Glied  herabreichende  birnförmige  Centralkapsel  gelappt  ist  oder  nicht. 
Das  letztere  wäre  nicht  sehr  erstaunlich,  da  bei  dieser  und  verwandten 
Formen  mit  sehr  minutiöser  Scheidewand  eine  nachträgliche  Verschmel- 
zung der  Lappen  leicht  eintreten  könnte.  Bei  Cornutella*)  ist  die  Scheide- 
wand dagegen  z.  Th.  ganz  rückgebildet  worden  und  der  Grund  zur 
Lappenbildung  der  Centralkapsel  also  weggefallen.  Bis  jetzt  sind  keine 
solche  Cornutellaformen  oder  Verwandte  mit  Centralkapsel  beschrieben 
worden,  doch  lässt  sich  wohl  auch  so  schon  behaupten,  dass  dieselben 
wieder  eine  einfache,  ungelappte  Centralkapsel  aufweisen  werden.  Es 
liegt  bis  jetzt  überhaupt  nur  die  Beschreibung  einer  einzigen,  wohl  siche- 
ren Cyrtidenform  mit  ovaler,  ansehnlicher,  ungelappter  Centralkapsel  vor, 
nämlich  die  des  Trictyopus  elegans  von  Hertwig  (33),  doch  fehlt  für  die  Beur- 
theilung  dieser  Form  gerade  der  wichtigste  Anhaltepunkt,  indem  der  apicale 
Theil  des  Skelets  bei  den  beobachteten  Exemplaren  abgebrochen  war. 

Das  lappige  Auswachsen  des  Basaltheils  der  Cyrtidenkapsel  muss 
naturgemäss  auf  die  Entwicklung  des  am  Basalpol  gelegenen  Poren- 
felds einen  sehr  wesentlich  umgestaltenden  Einfluss  ausüben.  Dies  tritt 
denn  auch  deutlich  hervor,  nur  ist  die  Beobachtung  dieser  Verhältnisse 
damit  auch  schwieriger  geworden.  Es  sind  wesentlich  die  geschilderten 
Stäbchen  des  Porenfeldes,  welche  zur  Beobachtung  gelangten  und  z.  Th. 
recht  interessante  Stellungsverhältnisse  aufwiesen  (Hertwig  33). 

Bei  schwächerer  Entwicklung  der  drei  oder  vier  Lappen  behaupten 
diese  Stäbchen  noch  ihren  ursprünglichen  Platz  an  der  Basis  der  Central- 
kapsel zwischen  den  Ursprüngen  der  Lappen.  Bei  stärkerer  Lappen- 
entwicklung rücken  die  Stäbchen  jedoch  auf  die  Lappen  selbst  und  zwar 


^)  Diese  Gattung  in  der  ihr  von  mir  gegebnen  Umgrenzung  (s.  Nr.  38). 


Centralkapsel  (Moiiopylaria,  Phaeodaria).  409 

uatürlich  die  iixialen  einander  zugekelirten  Lappeniiäclieu,  indem  sie  sich 
bald  mehr  in  Form  einer  Gruppe  am  apicalen  oder  basalen  Theil  der 
Lappen  zusammengestellt  linden,  oder  bei  sehr  ansehnlich  langen  Lappen 
in  Gestalt  eines  Stäbchenbandes  längs  der  Innenfläche  jedes  Lappens  herab- 
ziehen (XXX.  19).  Von  einem  deutlichen  Pseudopodienkegel  war  bei  diesen 
Ausbilduugszuständen  der  Kapsel  nichts  mehr  zu  sehen  ;  jedoch  traten  zu- 
weilen noch  ziemlich  deutlich  zarte  I.,inien  hervor,  welche  von  den  Stäb- 
chen entsprangen  und  nach  dem  Apex  der  Centralkapsel  hinzogen. 

Die  Centralkapselwand  der  Monopylaria  ist  bisweilen  ziemlich  derb 
und  deutlich  doppelt  contourirt. 

Ein  dritter  sehr  bemerkenswerther  Typus  der  Centralkapselbildung  ist 
den  sogen.  Phaeodaria  (Tripylea  Hertwig's)  eigenthümlich  und  wurde 
gleichfalls  zuerst  durch  die  Untersuchungen  Hertwig's  (33)  bekannt. 

Zunächst  zeichnen  sich  die  Centralkapseln  dieser  Abtheilung  vor  den- 
jenigen sämmtlicher  übriger  Kadiolarien  dadurch  aus,  dass  ihre  Wand  aus 
zwei  trennbaren  Häuten  besteht,  einer  ziemlich  dicken  und  deutlich  doppelt 
contourirteu  äusseren  und  einer  zarten  inneren  (XXXII.  9).  Beide  Häute  sind 
im  lebenden  Zustand  dicht  aufeinandergelagert  und  daher  nicht  leicht  zu 
unterscheiden ;  durch  Anwendung  von  Reagentien  jedoch,  welche  das  intra- 
kapsuläre  Plasma  zur  Gerinnung  und  Schrumpfung  bringen ,  löst  sich 
auch  die  innere  Haut  von  der  äusseren  ab  und  zieht  sich,  dem  Plasma 
anhaftend,  von  der  äusseren  zurück.  Erstere  erscheint  dann  als  ein  zar- 
tes zerknittertes  Häutchen,  welches  die  Oberfläche  des  Plasmas  tiberkleidet 
und  gewöhnlich  mit  der  äusseren  Haut  nur  noch  an  den  gleich  zu  schil- 
dernden Oeffnungen  in  Zusammenhang  steht. 

Ein  weiterer  eigenthümlicher  Charakter  der  Centralkapseln  der  Phaeo- 
darien  liegt  darin,  dass  nicht  zahlreiche  feine  Poren  ihr  Lumen  mit  der  Aussen- 
welt  in  Verbindung  setzen,  sondern  dass  sich  zu  diesem  Behufe  grössere 
Oeffnungen  in  verschiedner  Zahl  vorfinden.  Bei  den  meisten  Phaeodarien 
scheinen  drei  solcher  Oeffnungen  vorhanden  zu  sein,  was  auch  ihren  Ent- 
decker Hertwig  veranlasste,  der  zuerst  von  ihm  richtig  unterschiednen 
Gruppe  den  Namen  Tripyleae  zu  geben.  Da  ferner  nur  der  Central- 
kapselbau  solch  tripyler  Formen  bis  jetzt  genauer  erforscht  ist,  so 
machen  wir  deren  Schilderung  zur  Grundlage  nnsrer  Darstellung  und 
schliessen  derselben  nur  wenige  Worte  über  die  abweichenden  Formen  an. 

Die  tripyle  Centralkapsel  erscheint  wie  die  der  Phaeodarien  über- 
haupt nahezu  kuglig,  jedoch  gewöhnlich  schwach  längsgestreckt  bis  linsen- 
förmig. Ihre  drei  Oeffnungen  sind  nicht  gleich  gebaut,  sondern  wir  unter- 
scheiden eine  Haupt-  und  zwei  Nebenöönungen.  Die  Hauptöfifnung  (o^)  nimmt 
den  Mittelpunkt  einer  der  etwas  abgeplatteten  Flächen  ein,  während  die 
beiden  Nebenöffnungen  (o)  sich  auf  der  entgegenstehenden  Abplattungsfläche 
in  gleichen  Entfernungen  von  deren  Centrum  befinden.  Die  tripyle  Cen- 
tralkapsel zeigt  demnach  eine  deutlich  monaxone  Ausbildung,  mit  einer 
Hauptaxe,  welche  durch  die  Hauptöfifnung  geht.  Diese  Hauptöffnung  er- 
hebt sich   als   eine   kürzere   oder  längere  Röhre  auf  einem  uhrglasförmig 


410  Kadiolaria. 

(»der  briistwarzenartig  hervorgevvölbtem  Feld  der  Centralkapselwand.  Die 
Röhre  selbst  wird  nur  von  der  äusseren  Haut  gebildet,  während  die  innere 
Membran  unterhalb  der  beschriebenen  Hervorwölbung,  welche  die  Röhre 
trägt,  eine  radiärstreifige  Beschaffenheit  zeigt. 

Die  beiden  Nebenöffnungen  (XXXH.  8  d)  werden  zunächst  gebildet  von 
einer  niedrigen,  röhrigen  Erhebung  der  äusseren  Haut,  etwa  von  Gestalt  eines 
kurzen  Flaschenhalses.  Vom  Mündungsrand  dieses  Aufsatzes  schlägt  sich 
die  ihn  bildende  äussere  Haut  wieder  nach  innen  zurück  und  verwächst 
am  Boden  des  Aufsatzes  mit  der  inneren  Haut.  Dieser  Verwachsungs- 
ring erhebt  sich  nun  als  hohler  Kegel  in  den  Aufsatz  empor  und  seine 
geöftnete  Spitze  bildet  die  eigentliche  OefiPnuug.  Nach  innen  von  der  Basis 
dieses  Kegels  lagert  sich  eine  halbkuglig  ins  Lumen  der  Kapsel  vorsprin- 
gende, homogene  und  in  Carmin  sich  meist  stark  färbende  Masse  an, 
welche  gegen  das  intrakapsuläre  Protoplasma  scharf  abgegrenzt  erscheint, 
lieber  die  Bedeutung  der  letzterwähnten  Masse  liegen  bis  jetzt  noch  keine 
Daten  vor. 

Die  neueren  Untersuchungen  Häckel's  über  die  Phaeodarien  des 
Challenger  (34)  haben  jedoch  ergeben,  dass,  wie  schon  erwähnt,  die  tri- 
pyle  Beschaffenheit  der  Centralkapsel  bei  dieser  Gruppe  nicht  durchaus 
herrschend  ist.  Häckel  fand  Formen  mit  nur  einer  Oeftuung  (wahrschein- 
lich der  Hauptöffnung  der  Tripylea  entsprechend),  weiterhin  solche  mit 
zwei  gegenständigen  Oeffnungen  und  schliesslich  auch  zahlreicheren  Oefl- 
nungen  in  regelmässigerer  oder  unregelmässiger  Vertheilung.  Wie  sich 
bei  letzteren  das  Verhältniss  zwischen  Haupt-  und  Nebenöffhungen  ge- 
staltet, und  ob  sich  solche  überhaupt  unterscheiden  lassen,  geht  aus  der 
kurzen  Mittheilung  nicht  hervor. 

Die  monaxone  Gestaltung  der  Centralkapsel,  welche  natürlich  auch 
bei  den  Formen  mit  einer  oder  zwei  Oeffnungen  sehr  deutlich  ist,  soll 
nach  Häckel  zuweilen  auch  in  eine  bilateral  symmetrische  übergehen, 
doch  fehlt  bis  jetzt  Genaueres  über  das  Zustandekommen  dieser  Bi- 
lateralität. 

B.    Das  intrakapsuläre  Plasma  mit  seinen  Einschlüssen. 

Die  allgemeine  Beschaffenheit  des  Radiolarienplasmas  bietet  keine 
besondern  betraehtens-werthen  Eigenthümlichkeiten  dar.  Auch  hier  ist 
dasselbe  eine  zähschleimige  Masse,  welche  gewöhnlich  durchaus  feinkörnig 
erscheint.  Die  Natur  dieser  feinen  Körneluug,  welche  sich  z.  Th.  wenig- 
stens sicher  auf  feinste  Fett-  oder  Eiweisskörnchen  zurückführen  lässt, 
bedarf,  wie  dies  für  das  Plasma  überhaupt  der  Fall  ist,  noch  weiterer 
Aufklärung. 

Obgleich  das  Plasma  der  Radiolarien  in  seiner  Gesammtheit  eine 
einheitliche  Masse  darstellt,  da  nach  unsrer  Auffassung  der  extrakapsuläre 
Antheil  desselben  mit  dem  intrakapsulären  in  innigem,  directem  Zusammen- 
hange steht,  nur  als  ein  aus  der  Centralkapsel  hervorgedrungner  Theil 
des  letzteren   zu  betrachten  ist,   so   dürfte  es  sich  doch  im  Interesse  der 


I 


liitra!>a)isiil.   Plasma   (l\ai1iitn'  Stroifiiiij;').  411 

Darstelluüg-  euipfehleu,  die  beiden  durch  die  Ceiitralkapselwand  gescliied- 
nen  Tlieile  des  Weiebkörpers  gesondert  zu  besprecbcn.  Ein  Vcrgleicb 
der  Radiolarieu  mit  den  Abtheiliingen  der  Rbizopoden  und  Heliozoen  kann 
leicht  die  Anschauung-  erwecken,  dass  extrakapsuläres  und  intrakapsu- 
läres  Plasma  dem  Ecto-  und  Entosark,  welches  bei  einem  Theil  der  letz- 
tere nunterscheidbar  sind,  bomologisirt  werden  dürften.  (Wallich  |17|  suchte 
eine  solche  Unterscheidung  von  Ecto-  und  Entosark  auch  für  seine  un- 
haltbare, einen  Theil  der  ßadiolarien  eiuschliessende  Gruppe  der  Protoder- 
mata  durchzuführen.  Sein  Entosark  scheint  mir  der  Centralkai)selinhalt 
zu  sein,  sein  Ectosark  dagegen  hauptsächlich  die  Centralkapselwand-) 
Eine  derartige  Honiologisirung  scheint  jedoch  wenig  gerechtfertigt,  da 
ja  auch  das  aus  der  Schale  hervorgedrungne  Plasma  gewisser  mariner 
Rhizopoda  keinen  Anspruch  auf  die  Bezeichnung  Ectosark  besitzt.  Wie 
bei  den  marinen  Rhizopoda  ist  auch  bei  den  Radiolaria  im  Allgemeinen 
keine  Ditferenzirung  solcher  Plasmazonen  entwickelt,  wenn  wir  nicht  in 
gewissen  Ausbildungsverhältnissen  des  plasmatischen  Kapselinhalts  bei 
einigen  Formen  eine  Andeutung  zweier  derartiger  Plasmaregionen  erkennen 
wollen  ■■•'). 

a.  Das  iiitrakapsulärc  Plasma. 

Dasselbe  zeigt  seiner  allgemeinen  Beschaffenheit  nach  keine  Ver- 
schiedenheiten von  dem  extrakapsulären  und  füllt  fast  durchweg  die  Kap- 
sel vollständig  aus.  Nur  von  den  Acanthometriden  hebt  Hertwig  hervor, 
dass  das  intrakapsuläre  Plasma  häufig  durch  einen  schmalen,  wahrschein- 
lich mit  Flüssigkeit  erfüllten  Spaltraum  von  der  Kapselwand  getrennt  sei, 
wonach  also  in  diesem  Fall  die  Erfüllung  keine  vollständige  wäre. 

Die  Quantität  des  intrakapsulären  Plasmas  steht  natürlich  in  um- 
gekehrten Verhältniss  zu  der  Menge  seiner  Einschlüsse,  sind  diese  sehr 
zahlreich  und  ansehnlich,  so  erscheint  es  nur  wie  eine  sie  verbindende 
Matrix. 

Bei  den  Peripylarieu  zeigt  dieser  Theil  des  Plasmakörpers  sehr  ge- 
wöhnlich eine  vom  Centrum  der  Kapsel  ausstrahlende  Radiärstreifung, 
welche  schon  Häckel  vielfach  beobachtete  und  die  später  von  Hertwig  (33) 
genauer  studirt  worden  ist.  Zum  Theil  mag  diese  Radiärstreifuug  nur 
auf  einer  radiären  Anordnung  der  feinen  Plasmakörnchen  beruhen,  ver- 
gleichbar also  mit  dem  sogen.  Strahlungsphänomen  sich  theilender  Zellen. 
Gewöhnlich  zeigt  sich  jedoch  noch  eine  weitergehende  Ditferenzirung  des 
Plasmas,  welche  sich  etwa  in  folgender  Weise  beschreiben  lässt.  Das- 
selbe hat  sich  in  eine  grössere  oder  kleinere  Zahl  radiärer,  parallelopipe- 
discher,  peripherisch  sich  verbreiternder  Stücke  von  feinkörniger  Beschaffen- 
heit gesondert,  welche  durch  zarte,  nichtkörnige  Zwischensubstanz  geschieden 
werden  (XVII.  4d,  XX.  5  b).  Die  Körnchen  der  keilförmigen  Plasmastücke 
zeigen  auch  häufig  eine  deutlich  radiärstrahlige  Anordnung.   Da  die  keil- 


*)  Vergl.   hierüber  jedoch  auch  weiter  nuten  in  dem  Abschuitt  liber  das  extrakapsuläre 
Plasma. 


412  Kadiolaha. 

förniigen,  feinkörnigeu  Plasmastücke  im  Querschnitt  einen  polygonalen 
Umiiss  besitzen,  so  bietet  der  Centralkapselinhalt  in  der  Flächenansicht 
oder  ein  tangentialer  Schnitt  desselben  ein  zellgewebartiges  Bild  dar. 
Durch  Zerzupfen  gelingt  es  sogar  nicht  selten,  die  geschilderten  Plasma- 
stücke zu  isoliren. 

Die  soeben  hervorgehobne  Beschaffenheit  des  Centralkapselplasmas 
der  Peripylarien  lässt  sich  am  besten  bei  gewissen  Colliden  und  den  ein- 
facheren Sphaeroideen  wahrnehmen  und  wurde  auch  hauptsächlich  bei 
diesen  Formen  studirt*).  Hinsichtlich  der  Deutung  der  Erscheinung  hat  wohl 
ohne  Zweifel  schon  Hertwig  das  Richtige  getroifen.  Aus  dem  Vergleich 
mit  ähnlichen  Strahlungserscheinimgen  gewisser  Gewebezellen  höherer 
Thiere,  wie  auch  dem  Strahlenphänomen  bei  der  Zelltheilung**)  dür- 
fen wir  die  Annahme  für  sehr  gerechtfertigt  halten,  dass  das  Phänomen 
der  optische  Ausdruck  \o\i  Flüssigkeitsbewegung  im  Plasma  im  Austausch 
mit  der  Umgebung  ist,  welche  sich  bei  der  allseitig  gleichmässig  perfo- 
rirten  Wand  der  Centralkapsel  der  Peripylarien,  auch  gleichmässig  ra- 
diär vom  Centrum  der  Kapsel  nach  deren  gesammter  Peripherie  ent- 
wickeln muss. 

Mit  dieser  Auffassung  der  strahligen  Differenzirung  harmouirt  denn 
auch  die  Erfahrung,  dass  sowohl  bei  den  Monopylarien  wie  Phaeodarien 
(Tripylarien)  eine  solche  centroradiale  Strahlung  des  Centralkapselplasmas 
vermisst  wird.  Bei  den  Monopylarien  zeigt  sich  überhaupt  nichts  von 
einem  derartigen  Strahlungsphänomen,  wenn  man  nicht  etwa  die  strahlige 
Zeichnung  des  schon  früher  geschilderten  Pseudopodienkegels  hierher- 
ziehen möchte,  was  ich  jedoch  nicht  für  zulässig  halte.  Bei  den  tripylen 
Phaeodarien  dagegen  beobachtet  man  in  dem  Plasma  unter  jeder  der  drei 
Oeflfnungen  eine  zarte,  der  Oeffnung  zustrahlende  fibrilläre  Differenzirung, 
welche  sich  gegen  die  centrale  Partie  der  Kapsel,  die  meist  von  zahl- 
reichen später  zu  besprechenden  Einschlüssen  erfüllt  wird,  verliert.  In 
der  Oeffnung  selbst  verschwindet  die  fibrilläre  Beschaffenheit,  so  dass  das 
Plasma  als  ein  homogen  erscheinender  Faden  aus  ihr  hervortritt  und  sich 
in  die  extrakapsuläre  Sarkode  zertheilt. 


*)  Auch  in  den  Centralkapseln  jug-endliclicr.  noch  einkerniger  Sphaerozocen  tritt  die 
radiäre  Streifung  sehr  deutlich  hervor:  mit  der  Ausbildung  der  Mehrkernigkeit  geht  sie,  wie 
nicht  unverständlich,  verloren. 

**")  Zum  Vergleich  bieten  sich  namentlicli  die  von  Haideiihain  zuerst  beobachteten,  ähn- 
lichen Differenzirungen  der  Epithelzellen  gewisser  Abschnitte  der  Nierenkanälchen  dar,  weiter 
ähnlich  gebaute  Zellen  der  Abscheidungsorgane  und  der  Kiemen  gewisser  Crustaceen,  wie  sie 
von  Claus,  Weismann,  E.  Hertwig,  Grobben  etc.  aufgefunden  wurden.  Gewisse  Infusorien,  so 
Bursaria  truncatella  (Bütschli),  Schwärmsporen  von  Algen  (so  Yaucheria)  zeigen  eine  ganz  ähn- 
liche Differenzirung  ihres  Ectosarks  oder  ihrer  sogen.  Hautschicht  und  auch  bei  genuinen 
rHanzenzellen  wurde  die  gleiche  Structur  der  Hautschicht  gelegentlich  beobachtet  (,s.  Stras- 
burger, Studien  über  das  Protoplasma.  Jenaische  Zeitschr.  1876").  Siehe  auch  Engelmann: 
lieber  Flimmerzellon,  Pllüger's  Archiv  f.  Physiologie  Bd.  XXHI.  und  dortselbst  weitere  Lite- 
ratur. Hinsichtlich  der  Strahlungserscheinungen  im  Plasma  sich  theilender  Zellen  vergl.  bei 
I)'itschli,  Studien  lAbh.  d.  Senckenberg.  Gesellsch.  Bd.  X)  p.  "201   des  Separatabdrucks. 


Iiitrakaps.  riasina  (iJad.  Stfoifiiiig-,  Vacuoloii).  413 

Im  Piincip  scbeiut  auch  dieses  Verhalten  mit  dem  der  Peripylarieu 
Übereinzustimmen,  nur  durch  die  abweichende  Beschaffenheit  der  Kapsel- 
öffnungen modificirt  zu  sein.  Wie  bei  den  tripylen  Phaeodarien, 
so  wird  jedoch  auch  bei  den  Peripylarien  die  Ausbildung  der  Strah- 
lungserscheinung durch  reichliche  Einlagerung  von  Einschlüssen  in  das 
Centralkapselplasma  modificirt  oder  undeutlich  gemacht;  so  tritt  das 
Phänomen  recht  deutlich  nur  bei  einkernigen  Exemplaren  hervor,  und 
beschränkt  sich  bei  solchen  Formen,  wie  den  CoUiden,  welche  reich- 
lich Vacuolen  oder  Eiweisskugeln  in  ihrem  Centralkapselplasma  entwickeln, 
auf  eine  peripherische,  von  Einschlüssen  freie  Zone.  Solche  Fälle  wie  der 
zuletzt  geschilderte  könnten  vielleicht  mit  einigem  Recht  eine  Unterschei- 
dung von  zwei  Plasmaregionen  der  Centralkapsel,  einem  strahlig  differen- 
zirten  Ectosark  und  einem  vacuolisirten  Entosark  befürworten,  da  jedoch 
nur  selten  eine  so  deutliche  Abgrenzung  zweier  derartiger  Eegionen  anzu- 
treffen ist,  so  scheint  kein  ausreichender  Grund  zur  Einführung  derartiger 
Zonenunterscheidung  vorzuliegen. 

ß.   Einsclilusse  des  in t rakapsulärcu  Plasmas  mit  Ausnahme  der  Niiclei. 

1.  Nichtcontractile  Vacuolen  (sogen,  intrakapsuläre  Alveolen 
oder  Alveolarzellen).  Contractile  Vacuolen,  welche  uns  bei  Rhizopoden 
und  Heliozoen  nicht  selten  begegneten,  scheinen  den  Radiolarien  durch- 
aus zu  fehlen.  Dieselben  schliessen  sich  auch  in  dieser  Hinsicht  den  ma- 
rinen Rhizopoden  an.  Auch  nichtcontractile  Flüssigkeitstropfen  sind  im 
Allgemeinen  keine  sehr  häufigen  Vorkommnisse  im  intrakapsulären  Plasma, 
wenigstens  treten  sie  nur  in  wenigen  Abtheilungen  in  reichlicher  Menge 
auf.  Es  ist  dies  der  Fall  bei  gewissen  Colliden  sowie  einer  Anzahl 
ansehnlicher  Phaeodarien  und  es  scheint  fast,  als  entwickelten  sie  sich 
namentlich  bei  grösseren  Formen  reichlich. 

Häckel  (16)  betrachtete  die  z.  Th.  recht  ansehnlichen  intrakapsulären 
Vacuolen  gewisser  Collideen  (Thalassolampe  und  Physeraatium,  XVIII.  5,  v) 
als  wirkliche  Zellen  und  schrieb  ihnen  eine  besondre  Membran ,  sowie  ein 
dieser  au-  oder  einliegendes,  kernartiges  Gebilde  zu.  Für  Thalassolampe 
wenigstens  hat  Hertwig  (28)  gezeigt,  dass  eine  solche  Membran  nicht 
vorhanden  ist  und  dass  die  kernartigen  Gebilde  zwar  wirkliche  Zellkerne 
sind,  jedoch  solche,  welche  sich  im  intrakapsulären  Plasma  zerstreut  fin- 
den und  den  Vacuolen  nur  äusserlich  ankleben.  Aehnlich  wird  es  sich 
wohl  ohne  Zweifel  auch  bei  dem  Physematium  verhalten*).  Es  scheint 
jedoch  auch  weiterhin  sehr  wahrscheinlich,  dass  ein  Theil  der  von  Häckel 


*)  Doch  ist  es  sehr  zweifelhaft ,  ob  die  spindel-  bis  stäbchenförmigen ,  den  Vacuolen 
anliegenden,  z.  Th.  jedosh  auch  frei  im  Plasma  vorhandnen  (iebilde  auch  hier  als  Kerne  zu 
beanspruchen  sind.  Abbildung  und  Beschreibung  spricht  hierfür  sehr  wenig.  Man  könnte 
höchstens  an  eigenthümlich  modificirte  TheUungsstadien  denken.  Im  Allgemeinen  glaube 
ich  jedoch ,  dass  nach  der  allgemeinen  Sachlage  kaum  ein  Zweifel  an  der  Deutung  der 
sogen,  Alveolenzellen  des  Physematium  als  einfache  Vacuolen  erhoben  werden  kann. 


4X4  iJadiolaria. 

als  constaute  Einschlüsse  des  Centralkapselplasmas  erwähnten,  sogen. 
wasserhellen  Bläsehen,  welche  ihrer  Hauptmenge  nach  als  Kerne  oder  in 
der  Entwicklung  hegriflfene  Schwärmsporen  zu  betrachten  sind,  auf  Va- 
fuolenbildungen  zurückgeführt  werden  darf.  Im  Speciellen  gilt  das 
Letztere  für  die  'Phaeodarien. 

Bei  den  CoUiden  (Thalassolampe,  ThalassicoUa  z.  Th.,  Physematium) 
sind  die  Vacuolen  zahlreicher  entwickelt  und  gewöhnlich  auch  ansehn- 
licher wie  bei  den  Phaeodarien  (Aulacantha,  Aulosphaera,  Coelacantbn, 
Dictyocha  und  Coelodendron).  Die  Grösse  und  Menge  derselben  wird  bei 
ersteren  z.  Th.  so  beträchtlich,  dass  zwischen  ihnen  nur  ein  Maschenwerk 
der  intrakapsulären  Sarkode  verbleibt  und  der  centrale,  ansehnliche  Kern 
(das  sogen.  Binnenbläschen)  von  einer  ganzen  Anzahl  Vacuolenlagen  um- 
hüllt wird.  Daneben  zeigen  aber  die  Vacuolen  häufig  auch  noch  eine 
ziemlich  ausgesprochen  radiäre  Anordnung,  wobei  sie  peripherisch  an 
Grösse  zunehmen. 

Unter  der  Centralkapselwand  verbleibt  jedoch  gewöhnlich  die  schon 
oben  erwähnte,  vacuolenfreie,  radiärstreifige  Schicht*). 

Bei  den  erwähnten  Phaeodarien  tritt,  wie  gesagt,  die  Vacuolisation 
des  Centralkapselplasmas  etwas  zurück,  sowohl  an  Grösse  wie  Zahl  der 
Vacuolen,  welche  sich  meist  nur  in  wenigen  Lagen  um  den  centralen  Kern 
linden  (XXXIL  9,  9  a,  11).  Unterhalb  der  drei  Oeffnungen  der  Centralkapsel- 
wand findet  sich  gewöhnlich  die  schon  bei  früherer  Gelegenheit  beschriebene, 
ziemlich  vacuolenfreie,  radiärstreifige  (oder  fibrilläre)  Plasmaanhäufung. 

Eigenthümlich  erscheint  die  reiche  Flüssigkeitsansammlung  in  der  Cen- 
tralkapsel  einer  Acanthometride  (Acanthometra  elastica,  XXVIL4),  während 
die  Vertreter  dieser  Abtheilung  sonst  nur  selten  Vacuolen  aufweisen ;  bei  der 
erwähnten  Form  aber  ist  dieCentralkapsel  eigentlich  eine  ansehnliche  mit 
heller  Flüssigkeit  erfüllte  Blase,  welche  das  sehr  spärliche  Plasma  in 
Gestalt  von  Netzen  durchzieht,  es  concentrirt  sich  hauptsächlich  um  die 
Stacheln  nnd  in  einer  netzförmigen  Lage  dicht  unter  der  Kapselwand. 

Während  bei  den  Monopylarien  im  Allgemeinen  intrakapsuläre  Va- 
cuolen kaum  zur  Ausbildung  kommen,  findet  sich  eigenthümlicher  Weise 
bei  der  interessanten  Plagiacantha  eine  sehr  ansehnliche  Vacuole  im 
apicalen  Theil  der  Kapsel,  welche  das  intrakapsuläre  Plasma  nach 
dem  basalen  Pol  zusammendrängt,  so  dass  nur  eine  dünne  Plasma- 
schicht die  Apicalwand  der  Kapsel  überzieht  (XXXI.  17  a).  Schon  Clapa- 
rede  erkannte  dieses  Verhalten  der  Plagiacanthakapsel  und  Hertwig 
verfolgte  es  genauer. 


*)  Nicht  ohne  Interesse  ist  es,  ilass  das  intrakai^suläre  Plasma  jugendlicher  Thalasso- 
lainpen  von  Hertwig  ganz  vacuolenfrci  gefunden  wurde,  woraus  wohl  mit  Sicherheit  auf  die 
allmähliche,  successive  Hervorhildung  der  Vacuolisation  im  Laufe  des  VVachsthums  geschlossen 
werden  darf.  Dieselbe  allmähliche  Hervorbild luig  ergibt  sich  auch ,  wie  au  dieser  Stelle  be- 
merkt werden  mag,  für  die  s^jäter  zu  erwähnenden  intrakapsulären  Oelkugeln  der  Sphaerozoeen, 
auch  sie  werden  bei  jugendlichen  Exemplaren  noch  vermisst. 


Iiitrakapsul.  Plasma  (Vacuolcn,  Kiwcisskug-clnl.  415 

Nur  selten  scheinen  die  intrakapsuläien  Vacuolen  ihrerseits  wieder 
Einschlüsse  zu  enthalten.  Häckel  (16)  beobachtete  einen  solchen  Fall 
bei  einem  Physematiuni,  wo  die  grösseren  Alveolen  eine  verschiedene  Zahl 
kleiner,  vacuolenartiger  Gebilde,  häufig  aber  noch  eine  orangerothe 
Oelkugel  einschlössen;  auch  die  einfachen  Vacuolen  enthielten  häufig 
eine  solche  Oelkugel.  Dunkle,  fettähnliche  Körnchen  finden  sich  sehr 
gewöhnlich  in  den  Vacuolen  der  ThalassicoUa  pelagica  und  denen  der 
Phaeodarien.  Bei  den  letzteren  sind  sie  auch  bisweilen  zu  einem  Häuf- 
chen zusammengeballt  und  verrathen  durch  ihre  Molekularbewegung, 
dass  sie  frei  in  der  Vacuolenflüssigkeit  suspendirt  sind.  Hertwig  (38) 
hält  diese  Vacuolenkörnchen  durchaus  für  Fett,  ich  möchte  fast  glauben, 
dass  sie  auch  z,  Th.  Excretstofife  darstellen.  Bei  den  untersuchten  Phaeo- 
darien findet  mau  die  gleichen  Körnchen  aber  auch  in  dem  Ceutral- 
kapselplasma  selbst. 

2.  Ei  weiss  kugeln.  In  mancher  Beziehung  schliessen  sich  den 
beschriebnen  Vacuolen  auch  die  sogen.  Eiwe isskugeln  an,  welche  bis 
jetzt  vorzüglich  bei  der  ThalassicoUa  nucleata  und  den  Cyrtiden  ge- 
funden wurden,  vielleicht  jedoch  ein  verbreiteteres  Vorkommen  besitzen. 
Der  Name  Eiweisskugeln  wurde  diesen  Einschlüssen  zuerst  bei  Thalassi- 
coUa von  A.  Schneider  (13)  gegeben.  Es  sind  mehr  oder  minder  ansehn- 
liche, durchsichtige,  hyaline  Kugeln,  z.  Th.  von  mattglänzendem  Aussehen 
(XVIII.  lb,ld,vc).  Nach  dem  Ausfliessen  des  Plasmas  vergehen  sie  leicht, 
besitzen  keine  besondre  Hülle  und  bestehen  ohne  Zweifel  aus  einer  ziemlich 
flüssigen  Substanz,  welche  nur  einen  geringen  Procentsatz  gelöster  oder 
gequollener  fester  Stoffe  enthält.  Bei  der  Einwirkung  Gerinnung  hervor- 
rufender Agentien  findet  man  nämlich  häufig  ein  deutliches  peripherisches 
Gerinnungsprodukt  in  Gestalt  eines  Bläschens  an  Stelle  der  früheren  Ei- 
weisskugel  vor  (ThalassicoUa,  Hertwig  28). 

Meist  finden  sich  die  Eiweisskugeln,  wenn  sie  überhaupt  vorhanden, 
recht  reichlich  vor,  so  dass  sowohl  bei  ThalassicoUa  nucleata  wie  ge- 
wissen Cyrtiden  das  Protoplasma  zwischen  ihnen  spärlich  vorhanden  ist. 
Bei  den  letztgenannten  Formen  wurden  in  den  Eiweisskugeln  bis  jetzt 
keine  Einschlüsse  getroffen;  bei  der  ThalassicoUa  dagegen  enthalten  sie 
gewöhnUch  verschiedenartige  Einschlüsse,  doch  finden  sich  die  gleichen 
Einschlüsse  meist  auch  frei  im  Protoplasma.  Zunächst  begegnen  wir 
auch  hier  wieder  ungefärbten  Oelkugeln  (XXVIII,  Id,  oe),  welche  in  Ein- 
bis  Dreizahl  in  den  Eiweisskugeln  anzutreffen  sind.  Weiterhin  jedoch 
auch  sehr  eigenthümlichen  und  ziemlich  verschiedenartig  gestalteten  Con- 
cretionen.  Die  chemische  Natur  derselben  ist  bis  jetzt  nicht  sicher  ermittelt, 
doch  dürfte  es  sich  wahrscheinlich  um  Concretionen  eines  Kalksalzes, 
welche  unter  dem  Einfluss  eiweissartiger  Substanz  gebUdet  wurden,  han- 
deln. Es  scheint  dies  namentlich  deshalb  wahrscheinlich,  weil  dieselben 
durchaus  mit  den  verschiedenen  Kalkconcretionen  übereinstimmen,  welche 


416  t?adioiaria. 

HartiDg*)  unter  dem  Einfluss  eiweissartiger,  thieriscber  Substanzen  künst- 
lich dargestellt  hat  (s.  Taf.  I.  Fig.  5  a— d).  Kohlensaure  Verbindungen 
gehen  jedoch  nicht  in  ihre  Bildung  ein,  da  sie  mit  Säuren  nicht  brausen^ 
sich  jedoch  lösen  (z.  Tb.  sogar  schon  in  Essigsäure),  auch  in  Alkalien 
sind  sie  löslieh. 

Ihrer  Bildung  nach  erscheinen  diese  Concretionen  als  platte  oder  bi- 
convexe  kreisrunde  oder  ovale  Scheiben  mit  deutlicher  concentrischer 
Schichtung.  Häufig  tritft  man  jedoch  auch  bisquitförmige  mit  entsprechend 
gestalteter  Schichtung  um  zwei  dicht  zusammenliegende  Centralpunkte. 
Auch  vierfache,  kreuzförmige  finden  sich,  sowie  sechsstrahlige  und  mannig- 
fache weitere  Modificationen,  deren  eingehendere  Besprechung  ohne  Inter- 
esse erscheint.  Ihr  Aussehen  ist  bald  mehr  weisslicb,  bald  dagegen  bläu- 
lich-schwarz. 

Zuweilen,  jedoch  selten  wie  es  scheint,  treten  auch  langgestreckte 
spiessige  Krystalle  in  den  Eiweisskugeln  auf,  welche  drusenartig  um  ein 
Centrum  gruppirt  sind,  meist  mit  deutlich  doppelbüscheliger  Anordnung. 
Häufiger  als  solche  Krystalle  sind  dagegen  als  letzte  Form  von  Ein- 
schlüssen noch  feine,  dunkle  Körnchen  vorhanden,  welche  sich  entweder 
J)eripherisch  wie  ein  feiner  Niederschlag  finden  oder  aber  im  Innern  der 
Eiweisskugel  ein  Häufchen  bilden. 

Hervorzuheben  dürfte  noch  sein,  dass  bei  ThalassicoIIa  die  innersten, 
um  das  sogen.  Binnenbläschen  gelegnen  Eiweisskugeln  gewöhnlich  frei 
von  Einschlüssen  sind.  Erst  in  einiger  Entfernung  vom  Centrum  begin- 
nen die  Kugeln  mit  Einschlüssen  (XVIII.  1  b).  Gewisse  Wahrnehmungen 
legen  die  Vermuthung  nahe,  dass  die  Eiweisskugeln  in  ziemlich  naher 
Beziehung  zu  den  nächstfolgend  zu  besprechenden  Einschlüssen  des  Cen- 
tralkapselplasmas  stehen,  nämlich  den 

3.  Oel  kugeln.  Feinere  Fett -Körnchen  oder  -Tröpfchen  sind  im 
Centralkapselplasma  sehr  verbreitet,  wie  schon  bei  verschiedenen  Gelegen- 
heiten betont  wurde.  Daneben  treffen  wir  jedoch  bei  zahlreichen  Formen 
auch  ansehnlichere  Fetttropfeu  oder  Oelkugeln  an,  welche  noch  einige 
Aufmerksamkeit  beanspruchen. 

Meist  sind  diese  Oelkugeln  ungefärbt,  doch  finden  sie  sich  aiich7 
wie  bei  Heliozoen  und  Rhizopoden,  gelegentlich  in  verschiedner  Fär- 
bung vor.  Rosarothe  bis  dunkelrothe  sowie  gelbe  Kugeln  kommen 
manchmal  vor.  Hinsichtlich  ihrer  Verbreitung  herrschen  natürlich  vieler- 
lei Verschiedenheiten,  doch  werden  sie  wohl  bei  keiner  Abtheilung  gänz- 
lich vermisst.  Besonders  häufig  begegnet  man  aber  grösseren  Oelkugeln 
bei  gewissen  Abtheilungen.  So  gewöhnlich  den  Colliden,  bei  welchen  sie 
z.  Th.  schon  früher  erwähnt  wurden,  weiterhin  jedoch  ganz  constant, 
wenigstens  bei  erwachsenen  Exemplaren,  unter  den  Sphaerozoeen  (XVIII. 
6,  oe);   den   Acanthometreen  kommen   sie   gleichfalls  nicht  selten  zu  und 


*)'Harting,  Rech,  de  morphöl.  synthet.     Natuii.  Verh.  d.  Kon.  Akad.  Deel  XIV. 


Intrakapsuläi'c  Oelkugeln.  417 

fehlen  auch  den  Sphaeroideen  nicht,  besonders  reichlich  sind  sie  häufig 
bei  den  Disciden  und  namentlich  auch  den  spougiösen  Sphaeroideen,  den 
Spongosphaeriden  und  -disciden.  Auch  die  Monopylaria,  namentlich  die 
Cyrtida,  enthalten  fast  stets  grössere  Oelkugeln,  wogegen  sie  bei  den 
bis  jetzt  genauer  erforschten  Phaeodarien  nicht  häufig   zu   sein    scheinen. 

Meist  sind  gleichzeitig  eine  grössere  Anzahl  Oelkugeln  durch  die 
intrakapsuläre  Sarkode  zerstreut.  Bei  gewissen  Colliden  (Thalassi- 
colla  zum  Theil)  beschränken  sie  sich  jedoch  auf  eine  Zone  dicht 
unter  der  Centralkapselwand.  Bei  manchen  Disciden  (Euchitonia, 
Stylodyctia  zum  Theil)  findet  sich  in  jedem  Ringabschuitt  der  Scheibe 
eine  Einlagerung  zahlreicher  Oelkugeln ,  so  dass  dieselben ,  nament- 
lich wenn  sie  lebhaft  gefärbt  sind,  als  ringförmige  Bänder  her- 
vorleuchten. Bei  gewissen  Radiolarien  ist  jedoch  die  Zahl  der  Kugeln 
beschränkt.  So  zeichnet  sich  die  erwachsene  Thalassolampe  prim- 
ordialis  Hertw.  durch  den  Besitz  einer  einzigen  ansehnlichen  stroh- 
gelben Oelkugel  aus  und  ebenso  finden  wir  bei  den  Sphaerozoeen 
meist  nur  eine  einzige  centrale  und  gewöhnlich  sehr  ansehnliche  (bis 
die  Hälfte  des  Kapseldurchmessers  erreichende)  Kugel,  seltner  dagegen 
mehrere. 

Auch  bei  den  Monopylaria  ist  ihre  Zahl  gewöhnlich  nicht  sehr  er- 
heblich; bei  einfacheren  Formen  (Lithocircus)  findet  sich  z.  Th.  nur  eine; 
zwei,  auf  beide  Hälften  der  Kapsel  vertheilt,  bei  den  Zygocyrtida  z.  Th., 
zahlreicher  sind  sie  gewöhnlich  bei  den  Cyrtida.  Bei  letzteren  sind  sie 
meist  in  die  früher  geschilderten  Lappen  der  Centralkapsel  einge- 
lagert. Nicht  selten  enthält  jeder  der  drei  oder  vier  Lappen  eine  ansehn- 
liche Oelkugel,  zuweilen  jedoch  auch  mehrere,  zwei,  drei,  bis  ziemlich 
zahlreiche. 

Nicht  immer  scheint  die  Substanz  der  Oelkugeln  ausschliesslich  Fett  zu 
sein,  wenigstens  deuten  die  Beobachtungen  Hertwig's  (28),  an  denen  der 
Sphaerozoeen  darauf  hin,  dass  sich  noch  ein  eiweissartiges  Substrat  der 
Kugel  findet.  Wenn  nämlich,  wie  dies  späterhin  genauer  zu  schildern 
sein  wird,  ein  allmählicher  Verbrauch  der  Oelkugeln  bei  der  Fortpflan- 
zung eintritt,  bleiben  an  ihrer  Stelle  durchsichtige,  eiweissartige  Kugeln  zu- 
rück, welche  den  schon  beschriebnen  Eiweisskugeln  ähnlich  sind.  Hertwig 
vermuthet  daher  auch,  dass  wenigstens  die  Oelkugeln  der  Sphaerozoeen. 
durch  reichlichere  Fettbildung  aus  Eiweisskugeln  hervorgegangen  sind. 
Inwiefern  sich  eine  solche  Auffassung  auf  sämmtliche  Oelkugeln  ausdehnen 
lässt,  bedarf  zuvörderst  noch  weiterer  Aufklärung. 

Job.  Müller  und  Häckel  glaubten,  dass  die  functionelle  Bedeutung 
der  Oelkugeln  vorwiegend  eine  hydrostatische  sei,  welche  auf  Ver- 
ringerung des  specifischen  Gewichtes  und  deshalb  auf  erhöhte  Schwimm- 
fähigkeit hinziele.  Im  Gegensatz  hierzu  betrachtet  sie  Hertwig  vor- 
zugsweise als  aufgespeichertes  Nährmaterial,  welches  hauptsächlich 
bei  der  Fortpflanzung  zur  Verwerthung  gelange.  Die  Gründe  hier- 
für    werden     sich     späterhin,     bei     Betrachtung     der     Fortpflauzungs- 

Bruuu,  Klasseu  des  Tliierreiolis.     l'i'otozoa.  27 


418  Badiolaria. 

erscheinuDgen  ergeben.  Natürlich  schliesst  jedoch  diese  Hauptfnnctiou 
der  Oelkugehi  die  ersterwähnte  nicht  aus,  indem  diese  ja  eine  noth- 
wendige  Folge  ist,  wenn  überhaupt  die  Oelkugeln,  wie  sehr  wahr- 
scheinlich, ein  niederes  specitisches  Gewicht  besitzen. 

4.  Pigmente  gehören  zu  den  häufigsten  Einschlüssen  des  Central- 
kapselplasraas,  so  dass  im  Allgemeinen  relativ  selten  ganz  farblose  Ka])- 
seln  angetroffen  werden.  Kurz  sei  nochmals  betont,  dass  auch  bei  den 
Radiolarien  die  Färbung  der  Kapseln  niemals  dem  Protoplasma  selbst 
anzugehören  scheint,  sondern  stets  von  eingelagerten  Pigmenten  herrührt. 
Diese  reichliche  Pigmentirung  erinnert  an  die  gleichen  Verhältnisse  bei  den 
marinen  Rhizopoden  und  auch  in  Bezug  auf  den  Farbenton  der  Pigmente, 
sowie  darin,  dass  dieselben  vorzüglich  in  dem  Centraltheil  des  Weich- 
körpers ihren  Sitz  haben,  verräth  sich  eine  gewisse  Uebereinstimmung 
mit  den  marinen  Rhizopoden.  Abgesehen  von  dem  seltnen  Vorkommniss 
gefärbter  Oelkugeln,  sind  es  feinkörnige  Pigmente  oder  auch  kleine  Pig- 
mentbläschen, welche  nach  Häckel  (16)  die  Färbung  der  Centralkapsel 
bedingen.  Hinsichtlich  des  Baues  dieser  sogen.  Pigmentbläschen  kann 
ich  jedoch  keine  rechte  Aufklärung  aus  den  seitherigen  Untersuchungen 
entnehmen.  Es  scheint  mir  nicht  unwahrscheinlich,  dass  ein  beträcht- 
licher Theil  der  Pigmente  fein  vertheiltes,  gefärbtes  Fett  sein  dürfte, 
da  eigene  Untersuchungen  mariner  Rhizopoden  mich  seither  belehrt  haben, 
dass  die  rothen  und  braunen  Pigmente  derselben  diese  Natur  besitzen. 
Auch  dürfte  sich  vielleicht  für  die  röthlichen  und  braunen  Pigmente  der 
Radiolarien  dieselbe  Uebereinstimmung  mit  Diatomin  ergeben,  welche  wir 
schon  bei  den  Rhizopoden  zu  constatiren  hatten. 

Der  Farbenton  der  Pigmente  bewegt  sich  auch  hier  vorzugsweise  in 
Nuancen  von  gelb ,  roth  und  braun ,  welche  in  grösster  Mannigfaltigkeit 
vertreten  sind,  namentlich  das  Roth.  Dies  geht  jedoch  zuweilen  auch  ins 
Orangerothe  und  Violettrothe  über.  Von  hier  aus  finden  sich  denn  auch 
Uebergänge  zu  blau,  selten  sind  dagegen  tiefblaue  bis  schwarzblau  pig- 
mentirte  Kapseln.  Weiter  schliessen  sich  hieran  grünlichblaue  bis  rein 
grasgrüne  und  olivengrüne  Pigmentirungen.  Auch  die  braunen  Töne  wer- 
den zuweilen  sehr  dunkel,  ja  im  durchfallenden  Licht  schwärzlich,  im 
auffallenden  dagegen  weisslich. 

Nicht  immer  ist  die  Kapsel  durchaus  gleichmässig  pigmentirt;  so 
häuft  sich  bei  den  Acanthometriden  das  Pigment  hauptsächlich  im  Cen- 
trum der  Kapsel  an,  so  dass  dieselbe  peripherisch  lichter  bis  ganz  un- 
gefärbt erscheint. 

Auch  Combinationen  zweier  Farbentöne  sind  anzutreffen,  jedoch  nur 
selten,  namentlich  zuweilen  gleichzeitig  rothe  und  gelbe  Pigmentirung  in 
verschiedenartiger  Vertheilung  durch  den  Kapselinhalt. 

Gewöhnlich  findet  sich  das  feinkörnige  Pigment  gleichmässig  im 
Plasma  vertlieilt.  Bei  den  Acanthometriden  jedoch  gruppiren  sich  die 
Körnchen  zum  Theil  zu  kleinen  Häufchen  zusammen  und  an  solche  Vor- 
kommnisse sollen  sich  weiterhin  genuine,  von  gelblichem  bis  bräunlichem 


Iiitrakai)s.  Pigmente  und  Zellen.  419 

Pigment  erfüllte  Zellen  anscliliessen,  welche  sehr  gewöhnlich  in  der  Cen- 
tralkapsel  der  Acanthometriden  angetroffen  werden. 

Es  sind  dies  kleine,  von  einer  plasmatischen  Grundmasse  gebildete, 
kreisrunde  bis  ovale  und  häutig  abgeplattete  Gebilde,  deren  Contour 
nicht  selten  so  scharf  ist,  dass  Hertwig  (33)  bei  einem  Theil  derselben 
die  Existenz  einer  Membran  vermuthet  (XXVIl.  5  a,  gz).  Der  Leib  dieser 
sogen.  Zellen  ist  entweder  gleichmässig  von  dem  feinkörnigen  Pigment 
durchsetzt  oder  dasselbe  ist  hauptsächlich  in  der  Rindenzone  angehäuft. 
Besonders  wichtig  erscheint,  dass  Hertwig  in  ihnen  gewöhnlich  einen 
tingirbaren  kernartigen  Körper  beobachtete,  und  sich  deshalb,  wie  schon 
früher  Häckel,  für  die  Zellennatur  dieser  Gebilde  erklärte.  Häckel  (16) 
gibt  an ,  dass  er  zuweilen  auch  Theilungsformen  mit  zwei  Kernen  beob- 
achtet habe.  Hertwig  ist  der  Ansicht,  dass  sich  diese  Pigmentzellen  in 
der  Centralkapsel  selbst  entwickelten ,  also  nicht  etwa  wie  die  gewöhn- 
lichen extrakapsulären,  gelben  Zellen  als  parasitische  Eindringlinge  be- 
trachtet werden  könnten ;  auch  will  er  zuweilen  Entwicklungsstufen  beob- 
achtet haben,  welche  aus  einem  Kern  mit  umgebendem,  schmalem  Plasma- 
hof, dem  wenige  Pigmentkörnchen  eingelagert  waren,  bestanden. 

Echte  Zellen,  welche  in  der  Centralkapsel  der  Radiolarien,  auf  endo- 
genem Weg  gebildet  werden ,  sind  jedenfalls  eine  sehr  auffallende  Er- 
scheinung, namentlich  wenn  wir  berücksichtigen,  dass  Aehnliches  von 
anderweitigen  Protozoen  durchaus  nicht  bekannt  ist.  Ohne  daher  an  der 
Richtigkeit  der  Beobachtungen  über  diese  Pigmentzellen  der  Acanthome- 
triden zu  zweifeln,  müssen  wir  es  doch  für  nicht  unwahrscheinlich  halten, 
dass  weitere  Forschung  über  diese  merkwürdige  Anomalie  befriedigendere 
Aufklärung  ertheilen  wird,  sei  es  in  dem  Sinne,  dass  es  sich  vielleicht 
doch  nicht  um  wirkliche  Zellen  handelt,  sei  es  dagegen,  dass  die  frag- 
lichen Gebilde  ebenso  wie  die  extrakapsulären  gelben  Zellen^  dem  Radio- 
larienorganismus  ursprünglich  fremd  sind,  oder  in  irgend  einer  anderen 
Weise. 

Das  Gleiche  gilt  wohl  auch  unzweifelhaft  von  gewissen  anderen  an- 
geblichen Zellengebilden,  welche  sich  in  der  intrakapsulären  Sarkode  einer 
Collide,  dem  Physematium,  finden,  den  sogen,  centripetalen  Zell- 
gruppen. 

Wir  werden  aus  diesem  Grunde  gleich  hier  über  diese  zuerst  von 
A.  Schneider  (13),  später  von  Häckel  studirten  Gebilde  kurz  berichten. 
Schneider  hielt  diese  eigenthümlichen  Gruppen  zellähnlicher  Gebilde, 
welche  sich  in  der  peripherischen  Zone  der  Centralkapsel,  dicht  unter 
deren  Wand  finden,  für  Theile,  welche  den  sogen.  Nestern,  d.  h.  den  Central- 
kapseln  der  koloniebildenden  Sphaerozoeen  vergleichbar  seien  (XVHI.  5,  z). 
Häckel  (16)  suchte  dagegen  festzustellen,  dass  jedes  der  drei  bis  neun 
keilförmig  sich  nach  aussen  erweiternden  Stücke  eines  solchen  Nestes 
oder  einer  solchen  Gruppe  eine  echte  Zelle  sei,  deren  Zellnatur  sich  schon 
„auf  den  ersten  Blick"  deutlichst  ergebe.  Die  zahlreichen  Gruppen  dieser 
Zellen    sind    in    regelmässigen    Abständen    in    der  äusseren   Region   der 

27* 


420  Endiolaria. 

Centralkapsel  vertbeilt  und  genau  radial  geordnet.  Die  sie  zusammen- 
setzenden hellen  Zellen,  welche  dicht  zusammengelagert  sind,  spitzen  sich 
centralwärts  zu,  wie  natürlich  auch  die  ganze  Gruppe,  besitzen  je  einen 
deutlichen  Zellkern  und  eine  deutliche  Membran.  Peripherisch  fassen  die 
Zellen  einer  Gruppe  gewöhnlich  eine  gefärbte  oder  ungefärbte  Oelkugel 
zwischen  sich.  Die  centralen  Enden  der  Zellen  sollen  wahrscheinlich 
nicht  geschlossen  sein,  sondern  ihr  hier  zu  einem  Strang  zusammenflies- 
sendes  Protoplasma  soll  direct  in  das  zwischen  den  zahlreichen  Vacuolen 
des  Physematium  sich  ausbreitende,  intrakapsuläre  Protoplasma  übergehen. 
Auch  vermuthet  Häckel  eine  peripherische  Communication  des  Plasmas 
der  centripetalen  Zellen  durch  die  Centralkapselwand  mit  der  extra- 
kapsulären Sarkode,  weil  letztere  über  jeder  Zellgruppe  hügelartig  an- 
gehäuft ist. 

Ohne  "erneute  Untersuchungen  dürfte  es  sehr  schwer  sein,  über  die 
Bedeutung  dieser  sogen,  centripetalen  Zellen  des  Physematium  eine  Mei- 
nung zu  äussern.  Allgemeine  Ueberlegungen  machen  es  mir  wenig  wahr- 
scheinlich, dass  es  sich  um  wirkliche  Zellen  handelt.  Vielleicht  Hesse 
sich  vermuthen ,  dass  es  ähnliche  radiäre  Differenzirungen  der  äusseren 
Plasmaregion  der  Centralkapsel  sind,  wie  wir  sie  ja  bei  den  Peripylarien 
so  häufig  trafen,  hiermit  würde  auch  in  Einklang  stehen,  dass  ihr  Plasma 
centralwärts  in  das  der  Centralkapsel  übergeht.  Vielleicht  beschränkt 
sich  bei  Physematium  die  Bildung  keilförmiger  Radialstücke  auf  gewisse, 
regelmässig  vertheilte  Stellen  der  peripherischen  Zone,  über  welchen  ja 
auch  schon  Häckel  Communication  mit  der  extrakapsulären  Sarkode  ver- 
muthet*). 

5.  Concretionen  und  Kry stalle.  Beiderlei  Arten  von  Ein- 
schlüssen begegneten  wir  schon  früher  in  den  Eiweisskugeln  der  Tha- 
lassicolla  nucleata,  sie  fanden  sich  bei  dieser  Form  jedoch  z.  Th.  auch 
frei  in  dem  Plasma  vor  und  hier  findet  man  sie  zuweilen  auch  bei 
anderen  Radiolarien.  Concretionen  sind  im  Ganzen  recht  selten,  doch 
bei  einzelnen  Formen  aus  verschiedenen  Abtheilungen  getroifen  worden. 
Meist  sind  sie  länglich  bis  bisquitförmig  und  gewöhnlich  in  geringer 
Zahl  vorhanden  (XIX.  1,  c).  Ihre  chemische  Natur  ist  nicht  weiter  er- 
forscht; worauf  sich  die  Angabe  Mivart's  (30,  p.  142),  dass  die  Con- 
cretionen der  Radiolarien  (auch  die  von  Thalassicolla  nucleata)  aus 
Leucin  und  Tyrosin  beständen,  gründet,  ist  mir  unklar;  er  hält  es  auch 
für  möglich,  dass  sie  unverdaute  Reste  der  Nahrung  seien. 

Freie  Krystalle  in  dem  Centralkapselplasma  sind  recht  häufig 
bei  den  Sphaerozoeen,  jedoch  keine  constanten  Vorkommnisse  be- 
stimmter Gattungen  oder  Arten ,  sondern  scheinen  ziemlich  bei  allen 
Formen  mehr  oder  minder  häufig  aufzutreten.  Meist  erfüllen  sie  das 
Centralkapselplasma  dann  in  sehr  reichlicher  Menge.  Am  deutlichsten 
ausgebildet    und    grössten   sind   die    der  Collosphaera  Huxleyi,    wo    sie 


*)  Nacli  Häckel  (16,  p.  257)  lässt  die  Ceiitralkapselmembran  keine  Porenkanäle  erkennen. 


Intrakaps.  Concretioiien  u.  Krystallc.     Nuclci.  421 

namentlich  J.  Müller  schon  sehr  genau  studirte.  An  Zahl  und  Grösse  wechseln 
sie  hier  sehr,  sind  deutliche  rhombische  Prismen  mit  zwei  Paar  Domen- 
flächen als  Zuspitzung-  der  Enden  und  sollen  sich  in  der  Krystallform 
schwefelsaurem  Strontium  oder  Baryum  sehr  nähern  (XIX.  5b,  5d).  Hiermit 
stimmt  auch  ihre  SchwerliJslichkeit  in  starken  Mineralsäuren  und  Alkalien 
überein.  Dennoch  fehlt  bis  jetzt  ein  sicherer  Anhalt  zur  Beurtheilung  ihrer 
chemischen  Natur.  Bei  den  übrigen  Sphaerozoeen  sind,  wie  gesagt,  Kryställ- 
chen  ebenfalls  nicht  selten  anzutreffen,  jedoch  stets  kleiner  und  weniger 
deutlich  ausgebildet,  Stäbchen-  bis  wetzsteinförmig,  d.  h.  etwa  spindel- 
förmig mit  zwei  parallelen  planen  Flächen  parallel  der  Längsaxe  (XVIII, 
6k,  61).  Die  letzterwähnte  Krystallbildung  erlangt  aber  ein  besonderes  Inter- 
esse dadurch,  weil  sie  mit  der  Fortpflanzung  in  Zusammenhang  steht;  wie 
wir  später  sehen  werden,  entwickeln  sich  die  Kryställchen  bei  der  Vorbe- 
reitung zur  Fortpflanzung  ungefähr  in  Zahl  der  späteren  Schwärmer  (d.  h. 
auch  der  Kerne  der  Centralkapsel)  und  je  ein  solches  Kryställchen  wird 
in  den  Leib  eines  Schwärmers  aufgenommen*).  Dies  gilt  jedoch  nicht 
für  die  erst  geschilderten,  ansehnlicheren  Krystalle  der  Collosphaera,  viel- 
mehr sind  es  auch  hier  kleine  Kryställchen,  ähnlich  denen  der  übrigen 
Sphaerozoeen,  welche  in  die  Schwärmerbildung  eingehen.  Die  ersteren 
dagegen  bleiben  in  der  entleerten  Centralkapsel  zurück. 

y.  Die  Nuclei. 

1.  Lagerung  im  Radiolarienkörper  und  Zahl  der  Nuclei. 
Alle  sicheren  Beobachtungen  weisen  darauf  hin,  dass  die  Kerne  des 
Radiolarienkörpers  ihre  Lage  ausschliesslich  im  Centralkapselplasma  fin- 
den. Nur  bei  einem  später  zu  besprechenden,  jedoch  noch  zweifelhaften 
Fortpflanzungsact  scheint  es,  dass  in  irgend  einer  Weise  Kerne  auch  in 
die  extrakapsuläre  Sarkode  gelangen.  Diese  Erscheinung  bestätigt  dann 
von  Neuem  die  schon  mehrfach  hervorgehobne  Ansicht,  dass  die  Central- 
kapsel mit  ihrem  Inhalt  den  Haupttheil  oder  den  eigentlichen  Grundstock 
des  Radiolarienkörpers  bilde. 

Häckel  (16)  wollte  zwar  bei  gewissen  (namentlich  jugendlichen)  Col- 
liden  auch  im  extrakapsulären  Protoplasma  zahlreiche  Kerne  gefunden 
haben,  doch  wurde  dies  durch  die  späteren,  genaueren  Untersuchungen 
nicht  bestätigt,  so  dass  wir,  da  die  Untersuchungen  Häckel's  bezüglich 
der  Kernverhältnisse  der  Radiolarien  überhaupt  grosse  Unsicherheit  dar- 
bieten, an  dem  oben  ausgesprochnen  Satze  festzuhalten  berechtigt  sind. 
Erst  die  Beobachtungen  Hertwigs  klärten  die  Kernverhältnisse  unsrer 
Protozoen  in  erwünschter  Weise  auf.  Danach  waren  schon  den  frühesten 
Beobachtern   die   z.   Th.  recht   grossen   Kerne    gewisser   Radiolarien   auf- 


*)  Nach  Hertwig  sind  diese  wetzsteinförmigen  Kryställchen  unlöslich  in  Säuren  und 
Alkalien,  erhalten  jedoch  durch  deren  Einwirkung  runzlige  Contouren.  Kanten  und  Ecken 
seien  überhaupt  nie  scharf,  sondern  abgerundet.  Hertwig  neigt  sich  der  Ansicht  zu,  dass  diese 
Krystalle  aus  einer  organischen  Substanz  bestehen. 


422  Eadiolaria. 

gefallen,  so  Huxley,  wie  später  J.  Müller  uud  Häckel.  Das  sogen.  Binnen- 
bläschen der  beiden  letzterwähnten  Forscher,  welches  Huxley  seiner  Zeit 
schon  als  „Kern"  bezeichnete,  ergab  sich  nach  den  neueren  Erfahrungen 
als  ein  echter  Zellkern.  Auch  die  zahlreichen  kleinen  Kerne  gewisser 
Formen  blieben  nicht  unbekannt,  schon  J.  Müller  beobachtete  sie  ge- 
legentlich, bezeichnete  sie  jedoch  als  kleine  Zellen,  wogegen  sie  Häckel 
weit  verbreitet  auffand  und  gewöhnlich  wasserhelle  Bläschen  nannte, 
doch  z.  Th.  wohl  auch  richtig  als  sogen.  Sarkodekerne  in  Anspruch 
nahm.  Schon  früher  wurde  jedoch  hervorgehoben,  dass  unter  der  Be- 
zeichnung „wasserhelle  Bläschen"  von  Häckel  auch  noch  anderweitige  Ein- 
schlüsse des  Centralkapselplasmas  begriffen  wurden. 

Deutlicher  als  wir  dies  bei  den  schon  besprochnen  beiden  Abthei- 
luugen  der  Sarkodinen  nachzuweisen  vermochten,  zeigen  uns  die  Radio- 
larien  eine  mit  dem  Alter  fortschreitende  Kernvermehrung.  Wir  hatten 
bei  den  Khizopoden  und  Heliozoen  gleichfalls  Gelegenheit,  auf  das  häu- 
fige Vorkommen  mehr-  bis  vielkerniger  Zustände  hinzuweisen  und  ver- 
mochten namentlich  bei  den  Heliozoen  das  Hervorgehen  dieser  Zustände 
aus  ursprünglich  einkernigen  zu  verfolgen.  Aehnlich  einzelnen  Formen 
der  letzterwähnten  Abtheilung-  (z.  B.  Actinosphaerium)  verhalten  sich  nun 
auch  zahlreiche  Radiolarien  und  auch  viele  ßhizopoden  dürften  ähn- 
liches bieten,  doch  ist  auf  letzterem  Gebiet  die  Untersuchung  noch  sehr 
zurück. 

Aus  der  gewöhnlichen  Fortpflanzungsweise  der  Radiolarien  durch 
Zerfall  des  Gesammtkörpers  in  eine  grosse  Anzahl  einkerniger  Schwärm- 
sprösslinge  dürfen  wir  schliessen,  dass  ein  einkerniger  Jugendzustand  der 
Ausgangspunkt  für  sämmtliche  Angehörige  uusrer  Gruppe  ist.  Dieser  ein- 
kernige Zustand  erhält  sich  bei  der  Mehrzahl  der  Radiolarien  die  grösste 
Zeit  des  Lebens  hindurch  und  macht  erst  mit  Beginn  der  Fortpflanzungs- 
periode einem  mehrkernigen  Platz;  so  ist  es  bei  den  Colliden,  den  Sphae- 
rideen,  den  Monopylarien  und  Phaeodarien.  Bei  den  Sphaerozoeen  und 
Acanthometreen  hingegen  entwickelt  sich  die  Mehrkernigkeit  sehr  früh- 
zeitig, wovon  nur  gewisse  Gattungen  der  letzteren  eine  Ausnahme  bilden, 
so  dass  also  der  mehr-  oder  vielkernige  Zustand  bei  den  beiden  letztge- 
nannten Abtheilungen  als  gewöhnlicher  Befund  erscheint,  dagegen  ein- 
kernige Jugendzustände  relativ  selten  angetroffen  werden. 

Natürlich  zeichnet  sich  der  einfache  Kern  der  ersterwähnten  Abthei- 
lungen oder  der  Jugendformen  der  letzterwähnten  durch  seine  relativ  und 
meist  auch  absolut  sehr  ansehnliche  Grösse  aus.  Dieser  einfache  Kern, 
das  sogen.  Binnenbläschen  der  Autoren  vor  Hertwig,  erreicht  sehr  häufig 
die  Hälfte  des  Kapseldurchmessers,  ja  nicht  selten  mehr;  namentlich  die 
Phaeodarien  besitzen  gewöhnlich  einen  besonders  ansehnlichen  Nucleus, 
der  bis  ^/g,  ja  ^/^  des  Kapseldurchmessers  erreicht.  Auch  der  noch  ein- 
fache Kern  jugendlicher  Acanthometriden  erreicht  z.  Th.  eine  ähnliche 
Grösse.  Bei  der  früher  oder  später  eintretenden  Kernvermehrung  scheint 
im  Allgemeinen   die  Regel   Gültigkeit  zu  besitzen,    dass   die  zahlreichen 


Nuclei  (Zahl,  Lagerung).  423 

Kerne  kleiner  sind  wie  der  ursprüngliclie  einfache  und  dass  Zahl  und 
Grösse  der  Kerne  in  umgekehrtem  Verhältniss  stehen.  Dies  schliesst  je- 
doch nicht  aus,  dass  die  Gesammtmasse  der  zahlreichen  Kerne  die  des 
ursprünglichen  beträchtlich  tibertrifft,  indem  nicht  nur  eine  einfache 
Zerlegung  des  letzteren  in  zahlreiche  Sprösslinge  eintritt,  sondern 
diese  letzteren  auch  bis  zu  gewissem  Grade  weiter  wachsen.  Doch  können 
wir  diese  Vermehrungserscheinungen   erst  später  genauer  verfolgen. 

Zahlreiche  kleine  Kerne  sind  in  der  Regel  ziemlich  gleichmässig 
durch  den  Inhalt  der  Centralkapsel  zerstreut ;  bei  Acauthometriden  finden 
sie  sich  jedoch,  wenn  noch  in  geringerer  Anzahl  vorhanden,  gewöhnlich 
in  einer  peripherischen  Zone  gelagert. 

Der  in  Einzahl  vorhandne,  grosse  Kern  oder  das  sogen,  Binnenbläs- 
chen liegt  im  Centrum  der  Kapsel.  Bei  den  Acanthometriden,  wo  dieses 
Centrum  von  dem  Stachelkreuz  des  Skeletes  eingenommen  wird,  beein- 
trächtigt dies  natürlich  Lage  und  Form  des  einfachen  Kernes  der  Jugend- 
formen. Derselbe  schiebt  sich  hier  zwischen  die  centralen  Ursprünge  der 
Stacheln  hinein  und  nimmt  dabei  gewöhnlich  eine  mehr  oder  minder  un- 
regelmässig gelappte  Form  an. 

Bei  allen  übrigen  einkernigen  Radiolarien  wird  natürlich  der  Kern 
in  seiner  centralen  Lage  durch  die  Skeletbildung  nicht  gehindert.  Da- 
gegen tritt  der  fast  stets  einfache,  centrale  Kern  der  Sphaerideen  häufig 
in  eine  nähere  Beziehung  zu  den  innersten  Gitterkugeln  des  Skelets,  in- 
dem er  eine  oder  mehrere  derselben  in  sich  aufnimmt.  Ohne  Zweifel  ist 
dies  eine  erst  secundär  zur  Ausbildung  gelangte  Erscheinung,  welche  ähnlich 
wie  die  Umschliessung  innerer  Skeletschalen  durch  die  Kapsel  dadurch 
entstand,  dass  der  ursprünglich  innerliche  Kern  durch  die  Maschen 
der  Markschale  hervorwuchs  und  sich  schliesslich  durch  Zusammen- 
fliessen  dieser  Auswüchse  wieder  zu  einem  einheitlichen  Kern  gestal- 
tete, der  nun  die  Markschale  einschloss.  In  gleicher  Weise  kann  dieser 
Durchwachsungsprocess  sich  dann  noch  auf  weitere  äussere  Schalen 
erstrecken. 

Ein  Stadium  dieses  Durchwachsungsprocesses  wurde  bei  gewissen 
Formen  beobachtet;  so  tritt  bei  Tetrapyle  und  Lithelius  der  Kern  mit 
lappigen  Fortsätzen  durch  die  Markschale  hindurch.  Ob  dies  Verhalten 
jedoch  wirklich  einen  dauernden  Zustand  repräsentirt,  scheint  mir 
speciell  für  die  letztgenannte  Form  zweifelhaft*). 

Bei  dreikugligen  Ommatiden,  wie  Haliomma  und  Actinomma  umschliesst 
der  Kern  so  die  innerste  oder  Markschale  (XXI.  1,  2) ;  bei  Spongosphaera 
umwächst  er  bei  älteren  Thieren  auch  noch  die  folgende  Gitterkugel. 

Auch  bei  den  Disciden  geht  die  Umwachsung  der  inneren  Schalen 
durch   den   Kern   noch  weiter,   er   kann   hier  noch  die  zweite  und  dritte 


*)  Dies  geht  auch  sicher  aus  der  Schilderung,  welche  Hertwig  von  den  Kernveihältnissen 
seiner  Stylodyctia  arachnia  entwirft,  liervor,  da  diese  sicher  keine  Stylodyctia  und  überhaupt 
keine  Discide,  sondern  ein  Lithelius  ist. 


424  Eadiolaria. 

Schale  voUstäudig  erfüllen  (XXIV.  U)  und  man  findet  häufig  Mittelstadien 
dieses  Durchwachsungsprocesses.  Im  Ganzen  sind  jedoch  bis  jetzt  die 
Kernverhältnisse  dieser  Abtheilung  nur  sehr  ungenügend  studirt. 

Bei  den  einfacheren  Monopyleen  liegt  der  einzige  Kern  meist  etwas 
excentrisch  in  der  Ceotralkapsel,  was  hauptsächlich  auf  die  Entwicklung 
des  ansehnlichen  Pseudopodienkegels  zurückzuführen  ist,  der  ihn  aus  dem 
Centrum  verdrängt  (XXVIII.  8,  9  a).  Noch  mehr  tritt  jedoch  die  excentrische 
Lage  zum  Theil  bei  den  Cyrtiden  hervor,  indem  der  Kern  hier  im  Apicaltheil 
der  Centralkapsel,  welcher  bekanntlich  im  Köpfchen  eingeschlossen  bleibt, 
eingelagert  ist  und  entweder  gar  nicht  in  die  basalen  Lappen  der  Kapsel 
eintritt  oder  kurze  lappenförmige  Auswüchse  in  die  Kapsellappen  treibt 
(XXIX.  12b,  13  b).  Bei  Carpocanium  Hck.  sendet  er  derartige  Auswüchse 
nicht  in  die  drei  Hauptlappen,  sondern  in  die  schon  früher  erwähnten  peri- 
pherischen, kleineren  Seitenlappen  (XXXI.  13  b). 

2.  Bauweise  der  Kerne  und  ihre  Vermehrungsvorgänge. 
Hinsichtlich  seiner  Bauweise  bietet  der  zuweilen  sehr  ansehnliche  ein- 
fache Kern  der  aufgezählten  Abtheilungen  z.  Th.  sehr  interessante  Ver- 
hältnisse dar;  wir  werden  daher  zunächst  einen  Blick  auf  die  Ausbildung 
dieses  einfachen  Kernes  oder  Binnenbläschens  werfen  und  betonen  zuvor, 
dass  er  bei  einer  und  derselben  Form  durchaus  nicht  stets  die  gleiche 
Bildung  aufweist,  sondern  nicht  selten  merkwürdige  Umwandlungen  durch- 
macht, welche  wohl  theilweise  mit  der  schliesslicheu  Kernvermehrung  in 
Zusammenhang  stehen. 

Eine  deutliche  Membran  scheint  dieser  Kern  stets  aufzuweisen.  Wenn 
dieselbe  auch  bis  jetzt  in  einigen  Fällen  nicht  sicher  erwiesen  werden 
konnte,  so  tritt  sie  doch  meist  sehr  deutlich  hervor,  ja  weist  bei  gewissen 
Formen  Moditicationen  auf,  welche  für  Kerne  recht  ungewöhnlich  erscheinen. 

Bei  grösseren  einfachen  Kernen  (so  denen  einer  Anzahl  Collideu)  ist  die 
Kernmembran  zuweilen  ziemlich  dick  und  derb,  so  dass  sie  deutlich  dop- 
pelt contourirt  erscheint  und  erweist  sich  sogar  ähnlich  wie  die  Kapsel- 
membran von  dichtstehenden  feinen  Poreokanälen  durchbohrt,  wenn  es 
erlaubt  ist,  die  feine  Punktirung  der  Membran  in  der  Flächenansicht  und 
ihre  zarte  radiäre  Strichelung  auf  dem  optischen  Schnitt  in  dieser  Weise 
zu  deuten.  Letzterwähnte  Structurverhältnisse  sind  namentlich  bei  Physe- 
matiura  (Schneider,  Häckel),  sowie  bei  Thalassolampe  (Häckel,  Hertwig) 
deutlich  zu  beobachten,  weniger  sicher  dagegen  bei  Thalassicolla  nu- 
cleata  (Hertwig). 

Durch  derbe  Beschaffenheit  zeichnet  sich  auch  die  Kernmembran 
der  Etmosphaerida  unter  den  einfacheren  Sphaerideen  aus,  und  erweist 
sich  namentlich  noch  dadurch  eigenthümlich,  dass  ihre  Oberfläche  dicht 
mit  höckerartigen  Erhebungen  bedeckt  ist,  welche  eine  ziemlich  regel- 
mässig alternirende  Anordnung  besitzen  (XIX.  16,  n). 

Die  merkwürdigsten  Verhältnisse  bietet  die  Kernmembran  bei  ge- 
wissen Entwicklungsstadien  einfacher  Kerne  jugendlicher  Acanthometriden 
dar,  jedoch  sind  die  von  Hertwig  hier  beobachteten  Erscheinungen  bis  jetzt 


Bauweise  der  Niiclei  (Membran,  Inhalt).  425 

uoeh  nicht  ganz  überzeugend  aufgeklärt  (XXVIl.  4. a—b).  Als  wahrschein- 
lichste Deutung  der  eigenthüralichen  Befunde  ergibt  sich  folgende.  Die  Kern- 
menibrau  hat  sich  an  einem  gewissen  Punkt  der  Kernoberfläche,  welcher 
stets  an  dem  von  dem  Stachelkreuz  des  Skeletes  abgewendeten,  periphe 
rischen  Umfang  des  Kernes  liegt,  zu  einem  sackförmigen  Gebilde  in  das 
Kerninnerc  eingestülpt  und  legt  sich  dem  auf  diesem  Stadium  vorhandnen 
einfachen,  ansehnlichen  Nucleolus  dicht  an.  An  der  Einstülpungsstellc 
zeigt  dieser  Sack  radial  um  die  Einstiilpungsstelle  gestellte  Faltungen, 
weiter  nach  Innen  dagegen  bildet  er  zahlreiche  circuläre  Falten  bis  zum 
Nucleolus  hin,  welche  ihm  ein  sehr  merkwürdiges  Aussehen  verleihen. 

Die  Beobachtung  gewisser  Entwicklungsstadien  macht  es  wahrschein- 
lich, dass  die  obige  Erklärung  der  eigenthümlichen  Erscheinung  wirklich 
begründet  ist.  Wie  jedoch  schon  bemerkt,  ist  diese  eigenthümliche  Modi- 
lication  der  Membran  eine  vorübergehende,  welche  sich  aus  der  einfachen 
Membran  jugendlicher  Kerne  hervorbildet  und  später  wieder  verloren  geht. 

Nachdem  wir  im  Vorstehenden  die  Eigenthümlichkeiten  der  Kern- 
nierabran  kurz  betrachtet  haben,  wollen  wir  jetzt  ebenso  den  Inhalt  der 
einfachen  Kerne  näher  verfolgen.  Da  dieser  jedoch  bei  einer  und  der- 
selben Form  auf  verschiednen  Entwicklungsstufen  recht  verschieden  er- 
scheint, so  dürfte  es  sich  im  Allgemeinen  empfehlen,  die  Verhältnisse  bei 
den  einzelnen  Typen  speciell  zu  schildern.  Zuvor  überblicken  wir  jedoch 
kurz  die  wichtigsten  bis  jetzt  beobachteten  Kernformen.  Wie  schon  er- 
wähnt, ist  der  homogene  Kern  die  ursprünglichste  Entwicklungsstufe, 
welche  sich  auch  bei  einer  Reihe  Formen  dauernd  oder  doch  die  längste 
Zeit  des  Lebens  hindurch  erhält.  Der  Inhalt  des  Kernes  wird  in  solchen 
Fällen  von  einer  ganz  homogen  erscheinenden  oder  auch  feinkörnigen, 
stärker  wie  das  umgebende  Plasma  tingirbaren  Substanz  gebildet  (XX.  5  b, 
XXI.  1  u.  2).  In  dieser  treten  nun  aber  häufig  stärker  verdichtete  und  intensiver 
tingirbare  Inhaltskörper  oder  Nucleoli  auf,  und  zwar  in  sehr  verschiedner 
Zahl,  Grösse  und  Gestaltung.  Weiterhin  bildet  sich  jedoch  auch  nicht  selten 
der  bei  Rhizopoden  und  Heliozoen  schon  mehrfach  besprochne  bläschen- 
förmige Zustand  des  Kernes  aus  und  zwar  wohl  in  der  Weise,  dass  sich 
die  ursprünglich  gleichmässig  durch  das  Innere  des  Kernes  vertheilte  Sub- 
stanz der  homogenen  Kerne  in  einen  centralen,  häufig  beträchtlich  ver- 
dichteten Theil  oder  Nucleolus  und  eine  peripherische  Zone  oder  die 
Kernrinde  sondert,  zwischen  welchen  sich  eine  helle  Zone  von  sogen. 
Kernsaft  ausbildet.  Solche  bläschenförmigen  Kerne  sind  bis  jetzt  nament- 
lich bei  den  einfacheren  Monopylarien ,  sowie  bei  Jugendzuständen  der 
Acanthometriden  beobachtet  worden  (XXVIL  8  a,  XXVIIl.  8,  9,  9  a).  Bei 
den  ersteren  sind  sie  den  schon  früher  besprochnen  bläschenförmigen 
Kernen  der  Rhizopoden  und  Heliozoen  am  ähnlichsten,  da  von  einer 
Kernrindenschicht  nichts  deutliches  zu  beobachten  ist. 

Schliesslich  tritt  bei  einem  Theil  der  Phaeodarien  auch  die  netzförmige 
Ausbildung  des  Kerninhalts  mit  eingelagerten  Kernkörpern  hervor,  welche 
ja  bei  Gewebezellen  so  weit  verbreitet  ist  (XXXII).  Nicht  ohne  Berechtigung 


426  Eadiolaria. 

dürfte  angesichts  dieser  Erfahrung  die  Frage  erscheinen,  ob  nicht  auch 
die  sogen,  homogenen  Kerne,  speciell  die  mit  feinkörniger  Kernsiibstanz, 
zum  Theil  eine  solch  netzförmige  Structur  besitzen,  welche  wegen  ihrer 
Feinheit  oder  wegen  ungeeigneter  Untersuchungsmethode  nicht  deutlich 
wurde. 

Bei  den  Sphaeroideen  wurden  bis  jetzt,  wenn  überhaupt,  nur  relativ 
wenige,  dagegen  ziemlich  ansehnliche  Nucleoli  in  der  feinkörnigen  Kern- 
substanz gefunden,  von  gewöhnlich  rundlicher  Gestalt.  Meist  waren  die- 
selben ganz  homogen,  zuweilen  jedoch  enthielten  sie  einige  kleine  Va- 
cuolen  in  ihrem  Inneren.  Nicht  ohne  Interesse  erscheint,  dass  bei  einigen 
hierhergehörigen  Formen  eine  radiärstreifige  Beschaffenheit  des  peripheri- 
schen Theiles  des  Keininhalts  ziemlich  deutlich  hervortrat.  Bei  den  Phaeo- 
darien  fanden  sich  gewöhnlich  recht  zahlreiche,  jedoch  ziemlich  kleine 
und  z.  Tb.  recht  unregelmässig  gestaltete  Nucleoli,  welche  bei  netzför- 
miger Ausbildung  des  Kerninhalts  in  den  Knoten  der  Netzmaschen  ein- 
gelagert sind.  Die  unregelmässige  Gestaltung  mancher  Nucleoli  brachte 
Hertwig  auf  die  Vermuthung,  dass  dieselben  vielleicht  amöboid  beweg- 
lich seien. 

Merkwürdig  wechselnde  Verhältnisse  bieten  die  Nucleoli  gewisser 
Colliden,  speciell  der  in  dieser  Hinsicht  ziemlich  eingehend  studirteu 
Thalassicolla  nucleata  dar.  Die  verschiednen  beobachteten  Zustände 
stehen  ohne  Zweifel  in  einem  gewissen  Zusammenhang,  den  Hertwig  fest- 
zustellen suchte  (28).  Der  ganze  Entwicklungsprocess  zielt  nach  ihm  auf 
die  Erzeugung  zahlreicher  kleiner  Kerne  hin ,  welche  bestimmt  sind,  zu 
den  Kernen  der  Schwärmsprösslinge  zu  werden.  Der  einfache  Kern  der 
Thalassicolla  nucleata,  neben  welchem  sich  noch  keine  kleinen  Spröss- 
lingskerne  im  Kapselplasma  gebildet  haben,  ist  entweder  ganz  frei  von 
Nucleoli  oder  enthält  einen  ansehnlichen  strangförmigen  und  unregel- 
mässig verästelten  Nucleolus,  dessen  Masse  nicht  ganz  homogen,  sondern 
äusserlich  feinkörnig  ist.  Einen  ähnlichen  strangförmigen  Nucleolus  beob- 
achtete Hertwig  auch  bei  der  Thalassicolla  pelagica  Hck. ,  nur  ist  der- 
selbe hier  viel  länger  und  durchzieht  in  zahlreichen  Schlangenwindungeu 
namentlich  die  peripherische  Zone  des  Kernes,  wie  es  scheint  (XVII.  3b). 
Dabei  erhebt  sich  die  Membran  des  Kernes  zu  zahlreichen  bruchsack- 
artigen Ausstülpungen,  von  welchen  jede  eine  Kernwindung  enthält. 
Fraglich  musste  jedoch  bleiben,  ob  der  Nucleolusstrang  ein  ganz  einheit 
lieber  ist,  da  er  sich  nicht  durchaus  in  Zusammenhang  verfolgen  Hess. 

Eine  ähnliche  Bruchsackbildung  der  Kernoberfläche  zeigt  sich  auch 
bei  der  Thalassicolla  sanguinolenta;  nur  erheben  sich  bei  dieser  die  Aus- 
sackungen als  zugespitzte  Fortsätze  von  der  Kernoberfläche.  Ein  ansehn- 
licher Nucleolus  wurde  hier  ganz  vermisst,  dagegen  fanden  sich  zahlreiche 
sehr  kleine,  peripherisch  gelagerte  Nucleoli  vor. 

Indem  wir  wieder  zu  den  Zuständen  der  Kerne  von  Thalassicolla 
nucleata  zurückkehren,  begegnen  wir  zunächst  Kernformen,  bei  welchen 
sich    statt   eines    einheitlichen   strangförmigen  Nucleolus   mehrere   sträng- 


Bauweise  u.  Vermehrung  der  "Nuclei  (Colliden.  AcautliometridenV      "  427 

förmige  Stücke  vorfiutlen,  deren  Entstehung  durch  Zerfall  des  einheit- 
lichen Nucleolus  sehr  wahrscheinlich  ist  (XVIII.  Ib).  Dies  erscheint  um  so 
mehr  dem  Thatsächlichen  zu  entsprechen ,  als  auch  diese  Bruchstücke 
noch  deutlich  weitere  Zerfallserscheinungen  verrathen.  Meist  sind  sie 
an  vielen  Stellen  deutlich  eingeschnürt,  ja  bis  zur  Bildung  feiner  Ver- 
bindungsfädchen ,  und  wegen  der  grossen  Zahl  solcher  Einschnürungen 
gewöhnlich  ganz  perlschnurartig  gestaltet.  Das  Auftreten  zahlreicherer 
kleinerer  Bruchstücke  und  schliesslich  kleiner  ovaler  bis  rundlicher 
Stückchen,  welche  in  ihrer  Grösse  etwa  den  einzelnen  Gliedern 
der  perlschnurartigen  Bruchstücke  entsprechen,  scheint  sehr  dafür  zu 
sprechen,  dass  schliesslich  der  gesammte  Nucleolus  in  zahlreiche  kleine 
Bruchstücke  zerfällt  (XVIII.  la,  ic).  So  trifft  man  denn  auch  thatsächlich 
Kerne,    deren  Inhalt   nur   zahlreiche   derartige  kleine  Körperchen  enthält. 

Hertwig  ist  nun  der  Ansicht,  dass  diese  Körperchen  schliesslich  suc- 
cessive  aus  dem  Kern  in  das  Centralkapselplasma  austreten  und  hier  die 
kleinen  homogenen  Kerne  darstellen,  welche  sowohl  in  ihrer  Grösse  wie 
ihrem  Aussehen  mit  jenen  kleinen  Binnenkörperchen  des  Kernes  sehr 
übereinstimmen.  Zur  Unterstützung  dieser  Ansicht  führt  Hertwig  noch 
einige  weitere  Gründe  auf,  worunter  namentlich  der  von  Wichtigkeit  er- 
scheint, welcher  sich  auf  die  schwankenden  Grössenverhältuisse  des  ein- 
fachen Kernes  oder  Binnenbläschens  stützt.  Dasselbe  besitzt  nämlich 
nicht  nur  relativ,  sondern  auch  absolut  eine  geringere  Grösse  bei  den- 
jenigen Thalassicollen,  welche  schon  kleine  Kerne  in  ihrem  Kapselplasma 
aufweisen  und  scheint  sich  auch  mit  der  Vermehrung  dieser  kleinen 
Kerne  noch  mehr  zu  verkleinern.  Diese  Grössenabnahme  des  ursprüng- 
lichen Kernes,  sowohl,  wie  ein  auf  den  späteren  Entwicklungsstufen 
(d.  h.,  wenn  kleine  Kerne  daneben  schon  vorhanden  sind)  hervortretende 
Neigung  der  Kernmembran  zur  Schrumpfung  scheint  darauf  hinzuweisen, 
dass  gewisse  Theile  aus  dem  Kern  austreten  und  derselbe  deshalb  sein 
Volum  vermindert. 

Höchst  merkwürdige  Wandlungen  erfährt  auch  im  Laufe  der  Ent- 
wicklung der  Nucleolus  sowie  der  gesammte  Kern  der  Acanthomctreen. 
Wie  früher  erwähnt,  wird  bei  dieser  Abtheilung  der  vielkernige  Zustand 
sehr  frühzeitig  erreicht,  so  dass  nur  jugendliche  Formen  noch  Einkernig- 
keit  zeigen.  Der  ursprünglich  höchst  wahrscheinlich  homogene  Kern 
dififerenzirt  sich  bald  in  einen  ansehnlichen  Binnenkörper  (Nucleolus)  und 
eine  ebenfalls  ziemlich  ansehnliche  Rindenschicht,  er  wird  bläschenförmig 
(XXVII.  8a).  —  Neben  dem  ansehnlichen  Nucleolus  finden  sich  zuweilen  noch 
einige  kleine  Binnenkörperchen  vor.  Der  Kern  wächst  nun  weiter  heran,  der 
helle  Kernsaftraum  vergrössert  sich  namenthch  auch  mehr  und  es  kommt 
nun  zur  Entwicklung  der  seltsamen  Einstülpung  der  Kernniembran,  welche 
schon  früher  Gegenstand  unsrer  Betrachtung  war  (siehe  p.  424).  Gleich- 
zeitig damit  tritt  jedoch  auch  eine  merkwürdige  Dififerenzirung  (oder  Neubil- 
dung) am  Nucleolus  auf  (XXVII.  4  a).  An  dem  Nucleolus-Pol,  welcher  der 
Einstülpungsstelle  der  Kernraembran  zugewendet  ist,  bildet  sich  eine  belle 


428  '  Eadiolaria. 

homogene  Masse  aus,  welche  den  dunkleren  Haupttheil  des  Nucleolus 
wie  eine  Kappe  bedeckt  oder  auch  wie  in  eine  Vertiefung  desselben  ein- 
gesenkt erscheint.  Der  Nucleolus  erscheint  demnach  jetzt  von  zwei  ver- 
schiednen  Substanzen  zusammengesetzt.  Auf  die  von  der  helleren  Masse 
gebildete  Kappe  setzt  sich,  wie  schon  früher  beschrieben,  der  eingestülpte 
JSack  der  Kernmembran  auf. 

An  diese  letztgeschilderten  Kernformen  schliessen  sich  nun  weiterhin 
solche  an,  die  sich  noch  mehr  vergrössert  und  dabei  die  schon  erwähnte 
gelappte  Beschaifenheit  angenommen  haben  (XXVII.  4c). 

Bei  derartigen  Kernformen  verschwindet  die  Einstülpung  der  Kern- 
membran wieder  und  auch  der  Nucleolus  geht  vollständig  ein.  Gleich- 
zeitig hiermit  verdickt  sich  jedoch  die  Kernrindenschicht  hauptsächlich  in 
den  lappenförmigen  Auswüchsen  der  Kerne  und  in  ihr  treten  zahlreiche 
kleine,  dichtere  Binnenkörperchen  auf.  Es  scheint  daher  nicht  unzulässig, 
die  Rückbildung  des  Nucleolus  und  das  Auftreten  der  letzterwähnten  klei- 
nen Binnenkörperchen  in  causalen  Zusammenhang  zu  bringen. 

An  die  zuletzt  geschilderten  Zustände  lassen  sich  schliesslich  Kern- 
verhältnisse  anreihen ,  welche  zuweilen  beobachtet  wurden ,  wo  sich  eine 
Anzahl  wurstförmig  gestalteter  Kerne  mit  zahlreichen  kleinen  Binnen- 
körperchen fanden.  Es  lassen  sich  diese  wohl  aus  einem  Zerfall  der 
letzterwähnten  Form  herleiten  bei  gleichzeitiger  Rückbildung  des  Kern- 
saftes. Weniger  wahrscheinlich  dünkt  mich  die  Hertwig'sche  Ansicht, 
wonach  diese  wurstförmigen  Kerne  sich  dadurch  bildeten,  dass  sich  die 
verdickten  Rindenpartien  der  einzelnen  Kernlappen  ablösten  und  die 
eigentliche  Kernblase  aufgelöst  werde. 

Neben  diesen  wurstförmigen  Kernen  treten  gewöhnlich  noch  kleine 
ovale  Kernchen  mit  einem  einzigen  Binnenkörperchen  auf,  welche  sich 
anscheinend  leicht  aus  dem  weiteren  Zerfall  der  wurstförmigen  Kerne  her- 
leiten lassen  (XXVII.  5  b).  Diese  letzteren  Kerne  stimmen  nun  in  ihrer 
Beschaffenheit  sehr  überein  mit  den  bei  erwachsenen  Acanthometriden  fast 
durchaus  vorhandnen  zahlreichen  kleinen  Kernen.  Es  erscheint  hiernach 
sehr  wahrscheinlich,  dass  letztere  sich  durch  vollständigen  Zerfall  des  ur- 
sprünglich einfachen  Kernes  der  jugendlichen  Formen  in  der  geschilderten 
Weise  ableiten. 

Im  Vorstehenden  wurde  die  Kernmetamorphose  und  schliesslichc 
Kernvermehrung  derjenigen  zwei  Gruppen  geschildert,  von  welchen  bis 
jetzt  Näheres  durch  die  schönen  Untersuchungen  Hertwig's  bekannt  ist 
und  zwar  im  Wesentlichen  auf  Grund  der  Deutung,  welche  Hertwig  seinen 
Beobachtungen  gegeben  hat.  Es  darf  nun  aber  nicht  ausser  Acht  gelassen 
werden,  dass  die  supponirten  Vorgänge  dieser  Kernvermehrung  bei  Tha- 
lassicolla  wie  den  Acanthometriden  sehr  wenig  mit  dem  Modus  der  Kern- 
vermehrung übereinstimmen ,  welcher  in  neuerer  Zeit  mehr  und  mehr  in 
allgemeiner  Verbreitung  erwiesen  wurde.  Namentlich  die  Auswanderung 
der  kleinen  Binnenkörperchen  aus  dem  Nucleus  der  Thalassicolla  in  Ge- 
stalt  zahlreicher  kleiner  Kerne  der  späteren  Schwärmsprösslinge  ist  ein 


Bauw.  u.  ycrmelir.  d.  Nuclei  (Acantlioiii.,  Sphaerozoea).     Kleine  lioinog.  Kerne.      429 

Modus  der  Kernverraebrung,  welchem  sieb  bis  jetzt  nicbts  Aebnlicbes  an 
die  Seite  setzen  lässt.  Der  Zerfall  des  Kernes  bei  den  Acantbometriden 
dagegen  lässt  sieb  mit  Zerfallserscbeiaungen  niancber  Infusorienkerne, 
sowie  gewisser  Gewebezellen  eber  vergleicben,  nur  führen  letzterwähnte 
Zerfallserscbeinungen  gewöbnlicb  nicbt  zur  Vermehrung  des  Organismus, 
sondern  scheinen  eber  mit  dem  Untergang  des  Kernes  verknüpfte  Vor- 
gänge zu  sein. 

Unter  solchen  Umständen  darf  daher  nicbt  ausser  Acht  gelassen 
werden,  dass  die  Deutung  der  geschilderten  Befunde  bis  jetzt  durchaus 
hypothetisch  ist  und  dass  weitere  Forschungen  uns  vielleicht  doch  noch 
zeigen  werden,  dass  sich  die  Entwicklung  des  mebrkernigen  aus  dem 
einkernigen  Zustand  unter  Verhältnissen  vollzieht,  welche  sich  den  ge- 
wöhnlichen Vermehrungsweisen  der  Kerne  näher  anscbliessen.  Immerbin 
darf  jedoch  auch  nicht  unbeachtet  bleiben,  dass  die  sogen.  Reifungs- 
erscheinungen  des  Kernes  der  Eizelle  vielleicht  eine  gewisse  Analogie  mit 
den  Umbildungsverbältnissen  des  einfachen  Radiolarienkernes,  speciell  des 
der  Tbalassicolla  nucleata,  darbieten. 

Früber  wurde  schon  erwähnt,  dass  auch  die  Sphaerozoeen  ähnlich 
wie  die  Acantbometriden  das  einkernige,  mehrfach  beobacbtete  Jugend- 
stadium sehr  frühzeitig  mit  einem  vielkernigen  vertauschen ;  ein  solcb  viel- 
kerniger Zustand  ist  wenigstens  einmal  auch  bei  einer  Monopyleenform, 
dem  Trictyopus  Hertwig's  beobachtet  worden;  schliesslich  liegen  auch 
sichere  Anzeichen  vor ,  dass  sich  auch  bei  den  Spbaerideen  der  viel- 
kernige Zustand  zur  Zeit  der  Fortpflanzung  einstellt,  wenigstens  wurde 
eine  Rbizosphaera  mit  sehr  verkleinertem  centralen  Kern  und  dicbter 
Erfüllung  des  Centralkapselplasmas  mit  kleinen  hellen  Kerneben  beob- 
achtet; auch  eine  noch  jugendliche  (!)  Haliomma  entbleit  neben  dem 
grossen  centralen,  die  Markscbale  einscbliessenden  Kern  noch  kleinere 
in  grösserer  Zahl,  und  Aebnlicbes  fand  sich  auch  bei  einer  Litbeliusform 
(=  Stylospira  arachnia  Hertwig). 

In  den  letzterwähnten  Fällen  gelang  es  jedoch  nicht,  etwas  über  den 
Entstebungs Vorgang  der  kleinen  Kerne  zu  ermitteln. 

Die  Bauweise  der  kleinen  Kerne  vielkerniger  Zustände  bedarf  nocb 
einiger  erläuternder  Worte.  Eine  Membran  wurde  bei  denselben  bis  jetzt 
vermisst.  Ihre  Gestalt  ist  gewöhnlich  eine  kuglige  bis  ellipsoidiscbe 
(XXVII.  5a,  n);  bei  den  Sphaerozoiden  zeigen  die  ganz  homogenen 
Kernchen  nach  Brandt  (36)  z.  Tb.  jedoch  auch  sehr  unregelmässige  Ge- 
stalten, man  trifft  zuweilen  solche,  die  ganz  das  Ausseben  einer  viel- 
zackigen Amöbe  besitzen  (XIX.  4  a — b). 

Meist  erscheinen  sie  ganz  bomogen ;  im  lebenden  Zustand  häufig  sehr 
hell  und  durchsichtig,  so  dass  sie  von  Job.  Müller  als  farblose  Zellen  und 
von  Häckel  als  wasserhelle  Bläschen  bezeichnet  werden  konnten.  Bei  den 
Acantbometriden  entbalten  sie  gewöhnlich  ein  bis  zwei  kleine  Nucleoli 
und  auch  bei  den  Sphaerozoiden  sind  sie  nach  Brandt  nicht  stets  homo- 
gen, wie  Hertwig  angab,  sondern  entwickeln  mit  Beginn  der  Schwärmer- 


430  -  Radiolaria. 

bildung  dunkle  Körnchen  oder  Fädcbeu  in  ihrem  Innern,  eine  Art  Kern- 
netz oder  Gerüstwerk  (XIX.  4e — g). 

Diese  kleineren  Kerne  vermehren  sich,  wie  dies  aus  dem  Vergleich 
ihrer  Zahl  und  Grösse  bei  jüngeren  und  älteren  Thieren  geschlossen  wer- 
den darf  und  sich  auch  bei  den  Sphaerozoiden  direct  hat  beobachten 
lassen.  Hertwig  (33)  glaubt  auch  Theilungsstadien  der  kleinen  Kerne 
der  Acanthometriden  gesehen  zu  haben  und  beschreibt  sie  als  bisquit- 
förmig  mit  zwei  auseinandergerückten  Nucleoli,  also  ganz  entsprechend 
dem  früher  allgemein  adoptirten  Schema  der  Kerntheilung.  Die  Beobach- 
tungen Brandt's  (36)  haben  dagegen  ergeben,  dass  die  oben  erwähnten 
kleinen  Kerne  der  Sphaerozoiden  (mit  Fädchen-  und  Körnchengerüst)  sieh 
unter  spindelförmiger  Umbildung  theilen  (XIX.  4  h — k). 

Ausserdem  will  jedoch  Brandt  auch  Theilungen  der  ganz  homogenen 
Sphaerozoidenkerne  noch  vor  Beginn  der  Schwärmerbildung  beobachtet 
haben,  welche  ohne  weitere  Differenzirung  der  homogenen  Kernsubstanz 
durch  einfachen  Zerfall  vor  sich  gingen  (XIX.  4  c — d). 

Mit  diesen  wenigen  Beobachtungen  ist  zugleich  Alles  erschöpft,  was 
bis  jetzt  über  Theilungsvorgänge  der  Kerne  bei  den  Radiolarien  beob- 
achtet wurde;  im  Allgemeinen  sind  demnach  diese  Vorgänge  noch  wenig 
erforscht. 


C.  Das  extrakapsuläre  Plasma,  seine  Einschlüsse  und  Erzeugnisse. 

1.  Das  extrakapsuläre  Plasma  und  die  Gallerte  im  All- 
gemeinen. Wir  haben  schon  bei  früherer  Gelegenheit  unsre  Auffassung 
des  extrakapsulären  Plasmas  mehrfach  betont  und  namentlich  dargestellt, 
dass  wir  es  nicht  für  angezeigt  halten,  es  als  ein  Ectoplasma  im  Gegensatz 
zu  dem  intrakapsulären,  als  Entoplasma,  zu  bringen.  Die  Eigenthümlich- 
keiten  des  extrakapsulären  Plasmas  finden  ihre  Erklärung,  wie  mir  scheint, 
besser  auf  Grundlage  unserer  Auffassung.  Nicht  selten  weicht  ja  auch  das 
aus  der  Schale  eines  Rhizopoden  in  Gestalt  von  Pseudopodien  oder  eines 
üeberzuges  hervorgedrungne  Plasma  wesentlich  von  dem  in  der  Schale 
verbliebenen  durch  hyaline  Beschaffenheit  oder  durch  Mangel  der  Ein- 
schlüsse ab. 

Eine  sichere  Entscheidung  zwischen  den  beiden  entgegenstehenden 
Ansichten  wird  sich  jedoch  erst  durch  die  Feststellung  der  Entwicklungs- 
geschichte ergeben.  Entwickelt  sich,  wie  Brandt  (36)  anzunehmen  ge- 
neigt ist,  die  Centralkapselwand  als  eine  innerliche  Membran  auf  der 
Grenze  zwischen  den  zwei  zuvor  schon  differenzirten  Plasmazonen,  so 
scheint  die  Frage  gegen  uns  entschieden  zu  sein;  ist  dagegen,  wie  ich 
anzunehmen  geneigt  bin,  die  Centralkapselmembran  ursprünglich  eine 
oberflächliche  Ausscheidung,  homolog  dem  Schalenhäutchen  der  Rhizo- 
poden, so  besteht  die  zweite  Auffassung  zu  Recht.  Schon  früher  wurde 
betont,  dass  wir  den  Beobachtungen  über  centralkapsellose  Radiolarien 
vorerst  in  dieser  Frage  keine  entscheidende  Bedeutung  zuschreiben  dür- 
fen,   da    einerseits    eine   sehr   zarte   Centralkapselwand   bei   diesen   doch 


Extraluips.  Plasma  ii.  Gallerte.  431 

z.  Th.  vorhanden  sein  kann,  andrerseits  dagegen  nicht  hinreichend  fest- 
gestellt scheint,  ob  bei  diesen  Formen  überhaupt  immer  ein  scharfer 
Unterschied  zwischen  zwei  Protoplasniaregionen  existirt*). 

Unsre  Ansicht  erhält,  wie  mir  scheint,  eine  sehr  wesentliche  Stütze, 
wenn  wir  uns  die  Beschaffenheit  des  extrakapsulären  Weichkörpers  etwas 
näher  ansehen. 

Wie  zu  erwarten,  ist  die  Centralkapsel  der  peripyleen  Radiolarien 
äusserlich  von  einer  gleichmässigen  Plasmalage  überzogen,  die  von  Häckel 
seiner  Zeit  (16)  den  Namen  des  Pseudo  podienmutter  bodens  er- 
halten hat,  wie  der  entsprechende  Plasmaüberzug  der  Radiolarienkapsel 
überhaupt.  Bei  sämmtlichen  Radiolarien  gesellt  sich  jedoch  noch  eine 
diesen  Matterboden  äusserlich  umhüllende-  Gallertzone  von  sehr  ver- 
schieduer,  häufig  sehr  ansehnlicher  Mächtigkeit  hinzu,  welche  wie 
ähnliche  Gallerthüllen,  die  wir  dauernd  oder  temporär  bei  den  Rhizo- 
poden  und  Heliozoen  trafen,  als  ein  directes  Erzeugniss  der  extrakapsu- 
lären Sarkode  aufzufassen  ist.  Der  innige  Zusammenhang  der  extrakap 
sulären  Sarkode  mit  dieser  Gallerte  macht  es  erforderlich,  dass  wir  beide 
gleichzeitig  befrachten. 

Wenn  wir,  wie  geschildert,  bei  den  Peripylarien  einen  gleichmässigen 
Ueberzug  von  extrakapsulärem  Plasma  schon  aus  dem  Grunde  zu  finden 
berechtigt  waren,  dass  ja  dem  intrakapsulären  Plasma  hier  allseitig  gleich- 
massiger  Durchtritt  durch  die  zahlreichen  Poren  der  Centralkapselwand 
gewährt  ist,  so  dürfen  wir  auch  schon  die  Vermuthung  hegen ,  dass  bei 
den  Phaeodarien  und  Monopylarien  eine  solch  gleichmässige  Vertheilung 
der  extrakapsulären  Sarkode  fehle.  Dies  ist  denn  auch  thatsäch- 
lich  der  Fall.  Bei  den  ersteren  häuft  sie  sich  namentlich  reichlich 
um  die  Hauptöffnung  der  tripylen  Formen  an ,  wogegen  der  Theil  der 
Kapselwand,  welcher  die  beiden  Nebenöffnungen  enthält,  nur  einen  dünnen 
Plasmatiberzug  besitzt.  Noch  auffallender  wird  dagegen  diese  ungleich- 
massige  Vertheilung  des  extrakapsulären  Plasmas  bei  den  Monopylarien. 
Hier  begegnen  wir  Formen  wie  Cystidium  (XXVHI.  8)  und  Plagiacantha, 
bei  welchen  sich  extrakapsuläres  Plasma  überhaupt  nur  um  das  Poren- 
feld des  einen  Pols  der  Kapsel  angehäuft  findet,  also  von  einem  gleich- 
mässigen Ueberzug  der  Centralkapselwand  nicht  mehr  die  Rede  sein  kann 
und  daher  auch  gewiss  nicht  von  einem  Ectoplasma  in  der  gewöhnlichen 


*)  Nicht  ohne  Berechtigung  erscheint  jedoch  vielleicht  auch  eine  Axt  Ausgleich  zwischen 
den  beiden  besprochnen  Ansichten,  d.  li.  die  Annahme  der  Bildung  der  Centralkapselwand  als 
ein  oberflächliclies  Schalenhäutchen  mit  nachträglichem  Hervortreten  der  extrakapsulären 
Sarkode  und  eine  Homologisirung  dieser  extrakapsulären  Sarkode  mit  dem  Ectosark  der  Rhizo- 
poden  und  Heliozoen.  Es  ergibt  sich  dann  nur  als  Consequenz,  dass  auch  das  aus  der  Schale 
hervorgedrungne  Plasma  mancher  retikulärer  Khizopodcn  als  Ectosark  zu  beanspruchen  ist, 
was  auch  nicht  sehr  schwierig  vorstellbar  sein  dürfte,  da  ectosarkartige  Pseudopodien  ja 
die  lobosen  Rhizopoden  mit  nicht  dauernd  differenzirtem  Ectosark  auszeichnen  und  z.  B. 
bei  Pelomyxa  eine  ectosarkartige  hyaline  äussere  Region  häufig  streckenweis  auf  der  Oberfläche 
hervortritt. 


432  Etuliolaria. 

Bedeutung  dieses  Begriffes.  Bei  den  übrigen  Monopylarien  dagegen  fin- 
det sich,  soweit  bekannt,  ausser  der  ansehnlichen  Anhäufung  von  Plasma 
am  Porenfeld  auch  noch  ein  dünner  Ueberzug  der  übrigen  Central- 
kapselwand. 

Unter  allen  Umständen  geht  jedoch  aus  diesen  Vertheilungsverhält- 
nissen  des  ertrakapsulären  Plasmas  hervor,  dass  es  da  besonders  reich- 
lich angehäuft  ist,  wo  die  Communication  mit  dem  intrakapsulären  sich 
findet  und  die  Annahme  erscheint  wohl  berechtigt,  dass  es  einem  Her- 
vordringen des  letzteren  auf  die  Aussenfläche  der  Kapsel  seinen  Ur- 
sprung verdankt. 

Von  dem  sogen.  Pseudopodienrautterboden  entspringen  netzartig  ver- 
zweigte und  unter  einander  anastomosirende  Plasmafortsätze,  welche  die 
Gallerte  durchsetzen  und  schliesslich,  auf  deren  Oberfläche  augelangt,  den 
frei  hervorragenden  Pseudopodien  den  Ursprung  geben  (XVIII.  6e — f,  XIX. 
3,  XXVII.  4).  Ausserdem  geht  von  dem  Pseudopodienmutterboden  jedoch 
auch  eine  dünne  plasmatische  Umhüllung  frei  hervorragender  Stachelgebilde 
des  Skeletes  wahrscheinlich  überall  aus,  wo  solche  Stachelgebilde  entwickelt 
sind.  Bei  den  Acanthometriden  wenigstens  lässt  sich  ein  solcher  Plasmaüber- 
zug der  Skeletstacheln  sicher  nachweisen;  andrerseits  erscheint  derselbe  als 
eine  wohl  unerlässliche  Bedingung  des  Weiterwachsthums  der  Skeletanhänge. 

Zunächst  muss  es  jedoch  unsre  Aufgabe  sein,  die  Ausbildungsver- 
hältnisse des  Pseudopodienmutterbodens  und  der  Gallerte  noch  etwas 
eingehender  zu  verfolgen.  Der  erstere  ist  in  recht  wechselnder  Mächtig- 
keit entwickelt.  Z.  Th.  sehr  spärlich,  als  eine  nur  sehr  dünne  Lage  aus- 
gebildet, wie  bei  den  Acanthometriden,  erlangt  er  bei  den  übrigen  Peri- 
pylarien  gewöhnlich  eine  ansehnlichere  Entwicklung,  so  namentlich  bei 
den  Colliden,  zahlreichen  regulären  Sphaerideen  und  auch  den  Disciden. 
Relativ  die  beträchtlichste  Entwicklung  bietet  er  jedoch  bei  den  Phaeo- 
darien  nach  den  übereinstimmenden  Angaben  Hertwig's  und  Häckel's  dar. 
Auch  bei  den  Monopylarien  begegnen  wir  ihm  in  recht  verschiednem 
Ausbildungsgrade. 

Noch  viel  grössere  Differenzen  in  Hinsicht  auf  die  Reichlichkeit  ihrer 
Entwicklung  bietet  die  Gallerthülle  dar.  Diese  schon  von  Meyen  und 
Huxley  bei  den  Sphaerozoiden  recht  wohl  erkannte  und  auch  als 
Gallerte  bezeichnete  Körperschicht  w^urde  später  von  J.  Müller  und  Häckel 
irrthUmlicher  Weise  für  eine  Bildung  gehalten ,  welche  dem  lebenden 
Radiolarienkörper  fremd  sei  und  sich  erst  nach  dem  Tode  (Müller)  oder 
auch  unter  ungünstigen  Lebensbedingungen  (Häckel)  entwickele;  nach 
Müller  als  eine  Ausschwitzung  der  extrakapsulären  Sarkode  und  ihrer 
Pseudopodien,  nach  Häckel  dagegen  durch  eine  reichliche  Wasseraufnahme 
der  Sarkode  eine  Art  Verquellung  derselben.  Veranlasst  wurde  diese 
irrthümliche  Auffassung  wohl  im  Allgemeinen  dadurch,  dass  die  Gallert- 
hülle im  lebenden  Zustand  so  wasserklar  durchsichtig  erscheint  und  sich 
in  ihren  Brechungsverhältnissen  von  dem  umgebenden  Wasser  so  wenig 
unterscheidet,  dass  sie  äusserst  schwer  oder  nur  bei  Anwendung  gewisser 


Gallerte  (Gallertscheideii  der  Acanthometreoii).  433 

Hiilfsmittel  wabrzunehmen  ist.  Dagegen  tritt  ihre  äussere  Grenze  bei 
abgestorbnen  Tbiereu  oder  solchen,  welche  die  Pseudopodien  eingezogen 
haben,  nicht  selten  deutlich  hervor,  indem  entweder  die  /Airückgezognen 
Pseudopodien  nun  einen  zarten  Plasniaüberzug  der  Oberfläche  bilden 
oder  zahlreiche  kleine  Fremdkörper  der  klebrigen  Gallertoberlläche  an- 
haften und  dieselbe  kenntlich  machen. 

Erst  die  Untersuchungen  R.  Hertwig's  haben  daher  die  Thatsacbe  ganz 
sichergestellt,  dass  ein  solcher  Gallertmantel  ein  Organisationsbestandtheil 
ist,    welcher   aucb   den   lebenden   Radiolarien   ganz   allgemein   zukommt. 

Wie  erwähnt,  ist  derselbe  jedoch  in  sehr  verscbiednem  Grad  entwickelt. 
Bei  einem  Theil  der  Peripylarien  bleibt  er  gering,  so  bei  der  Mehrzahl 
der  regulären  Sphaerideen,  wo  häufig  die  einzige  Gitterschale  der  Mono- 
spbaeriden  oder  die  äussere  Rindenscbale  der  Polysphaeriden  nicht  in 
den  Gallertmantel  eingeschlossen  ist. 

Zuweilen  wird  jedoch  auch  hier  die  Entwicklung  der  Gallerte  an- 
sehnlicher, so  nacb  Häckel  bei  den  Cladococciden,  und  bei  den  irregulären 
Sphaerideen  scheint  sie  im  Allgemeinen  sehr  mächtig  zu  sein,  so  dass  bei 
Heliodiscus,  den  Porodisciden  und  Spongodisciden  das  gesammte  Skelet 
von  der  Gallerte  umschlossen  wird.  Sehr  reichlich  ist  die  Gallerte 
zum  Theil  auch  bei  den  Acanthometriden ,  Colliden  und  den  kolonie- 
bildenden Sphaerozoeen  entwickelt,  so  dass  sie  bei  den  Colliden  eine 
Dicke  zu  erreichen  vermag,  welche  den  Durchmesser  der  ansehn- 
lichen Centralkapsel  übertrifft.  Ebenso  ansehnlich  erscheint  sie  im  All- 
gemeinen auch  bei  den  Phaeodarien,  wo  sie  auch  nicht  selten  das  gesammte 
Skelet  umhüllt,  und  ein  solch  völliger  Einschluss  des  Skeletes  durch  die 
Gallerte  gilt  endlich  ebenso  allgemein  für  die  Monopylarien. 

Im  Allgemeinen  schliesst  sich  die  Gestaltung  des  Gallertraantels 
natürlich  der  des  Skeletes  an,  ist  demnach  bei  den  kugligen  Formen  eine 
kuglige,  bei  den  monaxonen  eine  ebensolche.  Bei  gewissen  Phaeodarien 
(Coelothamnus)  mit  ansehnlich  langen,  strahligen  Skeletfortsätzen,  erhebt 
sich  die  Gallerte  um,  jeden  Strahl,  ihn  vollständig  eiuschliessend,  zu  einem 
Fortsatz ;  ähnliches  findet  sich  auch  bei  den  Acanthometrida,  wo  sich  die 
Gallerte  gewöhnlich  um  jeden  der  Skeletstacheln,  der  aus  ihr  mit  seinem 
peripheren  Ende  hervorragt,  als  eine  sogen.  Stachelscheide,  wie  sie  schon 
J.  Müller  beschrieb,  erhebt.  Der  Grad  der  Erhebung  und  Ausbildung 
solcher  Stachelscheiden  ist  jedoch  ein  recht  variabler,  was  von  ver- 
schiednen  Umständen  abhängt.  Sehr  geringe  wie  sehr  ansehnliche  Entwick- 
lung der  Gallerte  scheinen  eine  schwache  Ausprägung  der  Stachelscheiden  zu 
bedingen ;  gleichzeitig  sind  dieselben  jedoch  bei  einer  und  derselben  Form 
veränderlich,  was  ohne  Zweifel  wesentlich  von  dem  Vorhandensein  sehr 
eigenthümlicher,  contractiler,  fadenartiger  Elemente  bedingt  wird,  welche 
sich  zwischen  den  Enden  der  Gallertscheide  und  dem  Stachel  ausspannen 
und  durch  ihre  Contraction  die  Scheiden  nach  dem  Stachelende  ziehen 
(XXVII.  4,  ge).  Es  sind  dies  die  sogen.  Gallertcilien ,  welche  besser  erst 
später  ihre  genauere  Besprechung  finden  werden. 

r.  i'oiiii,  Klassen  iIps  'l'liier-lfoiclis.     Pmtozoa.  ZO 


434  Eadiolaria, 

Die  Consistenz  der  Gallerte  scheint  häufig  eine  nicht  unerhebliche  zu 
sein,  so  wird  sie  von  Häckel  und  Hertwig  z,  Th.  mit  der  der  Medusen- 
gallerte verglichen,  für  gewisse  Formen  sogar  als  eine  knorplige  bezeich- 
net. Trotzdem  scheint  die  Gallerte  eine  nicht  unerhebliche  Klebrigkeit  zu 
besitzen,  worauf  eben  die  schon  früher  betonte  Erscheinung  zurückzuführen 
ist,  dass  der  Oberfläche  der  Gallerte  abgestorbner  oder  doch  nicht  sehr 
lebensfrischer  Exemplare  gewöhnlich  zahlreiche  kleine  Schmutztheilchen 
und  sonstige  Fremdkörper  ankleben. 

Fast  überall  ist  die  Gallerte  ganz  homogen  und  structurlos,  nur 
Häckel  gibt  an,  bei  einigen  wenigen  Formen  eine  radiärstreifige  oder 
concentrisch  geschichtete  Gallerte  beobachtet  zu  haben. 

Eine  eigenthümliche  Ditferenzirung  zeigt  sie  nur  an  der  Ober- 
fläche gewisser  Acanthometriden.  Bei  Xiphacantha  serrata  Hck.  beobach- 
tete Hertwig  fein  fadenförmige  Dififerenzirungen ,  welche  von  -der  Spitze 
der  Stachelscheiden  nach  deren  Basis  in  regelmässiger  Anordnung  ziehen 
und  zwischen  den  Basen  der  benachbarten  Stachelscheiden  so  mit  den 
Fäden  der  umgebenden  Stachelscheiden  zusammenstossend  sich  vereinigen, 
dass  alle  diese  Vereinigungspunkte  um  jede  Scheidenbasis  eine  polygonale 
Figur  bilden.  Diese  polygonalen  Zeichnungen  um  die  Basen  der  Stachel- 
scheiden sind  deshalb  noch  von  besondrer  Wichtigkeit,  weil  in  ihnen  die 
Ursprünge  der  Pseudopodien  liegen.  Etwas  anders  gestaltet  sich  eine 
ähnliche  fadenförmige  Differenzirung  auf  der  Gallertoberfläche  des  Acantho- 
chiasma  rubescens  Hck.  (XXVUI.  3).  Hier  bilden  eine  Anzahl  feiner,  dicht 
zusammenstehender  Fäden  ein  polygonales  Band  um  jeden  nur  wenig  über 
die  Oberfläche  der  Gallerte  vorspringenden  Stachel,  so  dass  die  gesammte 
Gallertoberfläche  von  einer  polygonalen  Felderuug  bedeckt  wird.  Auch 
bei  dieser  Form  zeigen  die  später  zu  besprechenden  Hauptpseudo- 
podien eine  bestimmte  Beziehung  zu  der  Fadendiflferenzirung,  sie  ent- 
springen nämlich  von  dem  streifigen  Band,  Mit  Hertwig  dürfen  wir  es 
für  wahrscheinlich  halten,  dass  diese  fibrillären  Bildungen  der  Gallertober- 
fläche eine  Bedeutung  als  Stützapparate  besitzen.  Mit  der  extrakapsulären 
Sarkode  und  ihren  Ausläufern  stehen  sie  namentlich  in  keinem  directen 
Zusammenhange. 

2.  Einschlüsse  der  extrakapsulären  Sarkode.  Verschiedne 
Einschlüsse,  welche  wir  schon  in  der  intrakapsulären  Sarkode  kennen 
lernten,  begegnen  wir  auch  hier  wieder,  jedoch  sind  darunter  nur  zweier- 
lei, welche  gelegentlich  eine  wesentlichere  Rolle  spielen,  nämlich  die  Va- 
cuolen  oder  Alveolen,  wie  sie  in  der  extrakapsulären  Sarkode  gewöhnlich 
genannt  werden  und  weiterhin  das  Pigment.  Gelegentlich  wird  auch  das 
Vorkommen  von  farblosen  Oelkugeln  (so  bei  Thalassicolla  sanguinolenta, 
uucleata  und  Sphaerozoeen),  sowie  von  Eiweisskugeln  berichtet  (Tha- 
lassolampe  primordialis  und  Collozoum  nach  Hertwig),  doch  sind  dies 
anscheinend  seltne  Vorkommnisse;  Concremente  und  Krystalle  fehlen 
völlig,  wenn  man  nicht  etwa  zu  der  sehr  unwahrscheinlichen  Annahme 
hinneigt,  dass  die  zahlreichen  Coccolithengebilde,  welche  sich  in  der  extra- 


I 


Gallertc ;   Extrakapsul.  Vacuolcn  (Alveolen).  435 

kapsulären  Sarkode  der  als  Myxobrachia  beschriebnen,  deformirten  Exem- 
plare von  Thalassicolla  sanguinolenta  finden,  concrementäre  Erzeugnisse 
des  Radiolarienkörpers  selbst  seien*). 

Dagegen  treffen  wir  bei  einer  Reihe  ansehnlicher  Radiolarien  ans  den 
Gruppen  der  Colliden  und  Phaeodarien,  sowie  durchgängig  bei  den  Kolo- 
nien der  Sphaerozoeen  zahlreiche  und  z,  Th.  sehr  ansehnliche  Vacuolen 
an,  welche  nicht  in  dem  Pseudopodienrautterboden  selbst  ihren  Sitz  haben, 
sondern  sich  in  den  Maschenladen  des  Plasraanetzes  der  Gallerte  bilden. 
Sie  erscheinen  daher  gewissermaassen  in  die  Gallerte  eingelagert**). 
Schon  Huxley  (5)  fasste  sie  als  Flüssigkeitsräume  im  Sinne  der  Vacuolen, 
welche  Dujardin  in  seiner  Sarkode  beschrieb,  auf.  J.  Müller  dagegen 
und  ähnlich  Häckel,  wenn  auch  für  die  extrakapsulären  Alveolen  weniger 
entschieden ,  vermutheten  in  ihnen  Zellen ,  da  sie  von  einer  besonderen 
Membran  umschlossen  seien.  Dagegen  neigten  sich  Schneider  (19)  und 
Dönitz  (22)  mehr  der  Huxley'schen  Auffassung  zu  und  R.  Hertwig  (28,  33) 
erbrachte  auch  für  diese  extrakapsulären  Vacuolen  den  sicheren  Nach- 
weis, dass  sie  gewöhnlich  nichts  weiter  wie  wandungslose  Flüssigkeitstropfen 
im  Plasma  sind,  Sie  bilden  sich  durch  Auftreten  von  Flüssigkeitstropfen  in 
den  Maschenfäden  des  Plasmanetzes  der  Gallerte;  indem  eine  solche  Va- 
caole  ansehnlich  heranwächst,  verdünnt  sich  die  sie  umhüllende  zarte 
Plasmalage  sehr  und  sie  ist  es  ohne  Zweifel,  welche  Müller  und  Häckel 
für  die  Alveolenraembran  gehalten  haben.  Natürlich  erscheint  es,  dass 
sich  gleichzeitig  Vacuolen  sehr  verschiedner  Grösse  finden.  Treten  sie 
sehr  zahlreich  auf,  so  pressen  sie  sich  häufig  gegenseitig  polyedrisch. 

Bei  den  grossen  Colliden  und  Phaeodarien  (XXXI.  19,  alv),  wo  die  Al- 
veolen in  sehr  reichlicher  Zahl  auftreten,  bilden  sie  einen  dicken  Mantel  um 
die  Centralkapsel ,  der  aus  mehreren  concentriscb  umeinander  gelagerten 
Vacuolenschichten  besteht.  Gewöhnlich,  sehr  ausgesprochen  z.  B.  bei  Tha- 
lassicolla,  nehmen  diese  Vacuolen  peripherisch  an  Grösse  zu  (XVII.  3  a). 

Bei  Thalassicolla  nucleata  (XVII.  4  a)  findet  sich  zunächst  um  die  Cen- 
tralkapsel eine  Zone  mit  kleinen  Vacuolen  und  auf  diese  folgt  dann  die 
äussere,  in  welcher  die  Vacuolen  sich  rasch  vergrössern.  Auch  zeigen  nach 
Hertwig  diese  beiden  Zonen  hier  ein  sehr  verschiednes  Verhalten,  indem  die 
Vacuolen  der  äusseren  Zone  bei  mechanischer  Reizung  des  Thieres  von  aussen 
nach  innen  successive  collabiren,  wodurch  schliesslich  eine  vacuolenfreie 
äussere  Gallertzone  resultirt.  Bei  Aufhören  der  Reizung  tritt  allmählich 
eine  Neubildung  der  Alveolen  der  äusseren  Zone  auf,  bis  schliess- 
lich der  ursprüngliche  Zustand  wieder  hergestellt  ist.  Dieses  Verhalten 
beweist  denn  auch  ganz  unzweifelhaft,  dass  die  sogen.  Alveolen  einfache 
Flüssigkeitsansammlungen  sind,  von  derselben  Natur  wie  die  der  Heliozoen, 


*)  Vergl.  hierüljer  weiter  unten. 

**)  Eigcntliümlich  ist,  dass  iinter  den  Monopylarien  nur  eine  einzige  Gattung-,  näuilicli 
das  selialenlose  Cystidium  Hertw.  extrakapsuläre  Vacuolen  besitzt,  welche  sich  hier  mit  dem 
extialiaiisnlärcn  Plasma  um  das  Porcnfeld  des  basalen  Kapselpols  lagern. 


436  liadiolaria. 

sahen  wir  doch  (p.  273),   dass  sich   die  Vacuolen  grösserer  Heliozoen  in 
ganz  entsprechender  Weise  gegen  mechanische  Reizung  verhalten. 

Erst  später,  bei  der  Schilderung  der  Koloniebildung  können  wir  die 
Anordnung  und  die  genaueren  Verhältnisse  der  Vacuolen  der  Sphaero- 
zoeen  (s.  T.  XVIII  u.  XIX)  eingehender  darstellen,  doch  verdient  schon  an 
dieser  Stelle  hervorgehoben  zu  werden,  dass  nach  Hertwig's  Erfahrungen, 
welchen  ich  mich  auch  anschliessen  kann,  die  grosse  centrale  Vacuole,  welche 
die  Kolonien  dieser  Radiolarien  z.  Th.  besitzen,  thatsächlich  von  einer  zarten 
Membran  umhüllt  zu  sein  scheint,  ja  es  gelang  Hertwig,  diese  grosse  Vacuole 
zu  isoliren.  Jedenfalls  ist  ihre  Membran  ein  secundäres  Erzeugniss,  welches 
sich  z.  Th.  dadurch  erklärt,  dass  die  grosse  centrale  Vacuole  gewisser- 
maassen  einen  Stützapparat  der  gesammten  Kolonie  bildet,  um  welchen 
sich  die  Einzelthiere  in  später  zu  besprechender  Weise  herumlagern. 

In  zweiter  Linie  tritt  uns  Pigment  als  ziemlich  wesentlicher  Bestand- 
theil  des  Ectosarks  einer  Reihe  von  Radiolarien  entgegen.  Nur  in  der 
interessanten  Abtheilung  der  Phaeodarien  ist  dieses  Pigment  jedoch  ein 
ganz  charakteristischer,  soweit  bekannt,  nie  fehlender  Bestandtheil,  welcher 
demnach  zu  den  bezeichnendsten  Eigenthümlichkeiten  der  Abtheilung  ge- 
hört. Dieses  stets  sehr  dunkle  Pigment  ist  im  Mutterboden  der  Pseudo- 
podien angehäuft,  besonders  reichlich  meist  in  dessen  stärker  ent- 
wickelter Partie,  welche  bei  den  tripylen  Formen  bekanntlich  die  Haupt- 
öffnung umgibt,  weshalb  denn  häufig  die  dunkle  Pigmentmasse  nur  die 
eine  Seite  der  Centralkapsel  umhüllt,  nicht  selten  jedoch  auch  den  gröss- 
ten  Theil  der  Kapsel  einschliesst,  ja  diese  sogar  gelegentlich  völlig  um- 
hüllt (XXXI.  18).  Dies  Pigment,  welches  Häckel  in  seiner  Gesammtheit  als 
das  Phaeodium  bezeichnet,  ist  theils  ein  sehr  feinkörniges,  staubartiges,  theils 
dagegen  aus  gröberen  Körnern,  sogen.  Phaeodellen  Häckel's  gebildet. 
Frtiherhin  (16)  sprach  Häckel  auch  von  Pigmentbläschen,  welche  bei 
Coelodendrum  sogar  echte  Zellen  sein  sollten. 

Der  Farbenton  zeigt  gleichfalls  einige  Wandelbarkeit,  doch  ist  er 
stets  ziemlich  dunkel.  Meist  herrscht  ein  dunkel-  bis  schwarzbrauner 
Ton  vor,  nicht  selten  jedoch  geht  derselbe  ins  Grünliche  bis  Dunkelgrüne 
über,  ja  es  treten  auch  zuweilen  röthliche  bis  violette  Farbentöne  auf. 

Auf  Hertwig  machte  dieses  Pigment  der  Phaeodarien  z.  Th.  den  Ein- 
druck halbverdauter  Nahrung. 

Ein  ähnliches  schwarzes  Pigment  findet  sich  unter  den  Colliden  stets 
bei  der  interessanten  Thalassicolla  nucleata  und  erfüllt  hier  den  Mutter- 
boden der  Pseudopodien  gewöhnlich  so  dicht,  dass  die  Centralkapsel  ganz 
verdeckt  wird.  Unter  Umständen,  so  bei  heftiger  mechanischer  Reizung 
der  Thiere,  verbreitet  sich  das  Pigment  auch  nach  aussen  durch  die 
Gallerte,  so  dass  die  sonst  sehr  scharf  gezeichnete  schwarze  Umrahmung 
der  Centralkapsel  nun  ziemlich  verwaschen  erscheint.  Braunes  Pigment 
findet  sich  gewöhnlich  ziemlich  reichlich  bei  Disciden  und  vertheilt  sich 
hier  zuweilen  auf  bestimmte  Stellen  der  Peripherie,  so  zum  Theil  bei 
Stylodyctia    nach    Hertwig.     Auch   sonst   sind  Pigmentkörnchen   bei   den 


Extrakapsiil.  Piguicut ;  Aiiuidiiung  der  rscudoi)odieii.  437 

Sphaerideen  keine  seltne  Erscheinung.  Gelbe  Pignientkörnchen  und 
Häufchen  solcher  trifft  man  gewöhnlich  bei  Thalassolampe  und  gewisse 
Acanthometriden  zeichnen  sich  durch  sehr  reichliches  feinkörniges,  lebhaft 
rothes  Pigment  aus  (so  Acanthostaurus  purpurascens  Hck.,  Actinelius  pur- 
pureus  Hck.),  welches  sich  hier  jedoch  durch  die  gesammte  Sarkode, 
intra-  wie  extrakapsulär  verbreitet  und  auch  bis  auf  die  Pseudopodien 
hinauswaudert.  Braunes  extrakapsuläres  Pigment  wurde  bei  einigen 
Monopylarien  (Cystidium  und  Trictyopus)  von  Hertwig  beobachtet. 

Im  Allgemeinen  dürfen  wir  also  hervorheben,  dass  die  Pigmentent- 
wicklung der  extrakapsulären  Sarkode  weniger  reichlich  ist,  wie  die  der 
intrakapsulären. 

ü.    Die    Pseudopodien   der  Kadiolarien  und   einige   anderweitige   besondere 
Difforenzirungen  des  extrakapsulären  Plasmas,  sowie  die  Nahrungsauf- 
nahme und  die  Bewegungserscheinungen. 

1.  Die  Pseudopodien  der  Kadiolarien  entspringen  anscheinend 
stets  von  der  Obertläche  der  Gallerthülle  als  sehr  feine,  strahlenartige 
Fäden,  welche  sich  meist  allseitig  erheben.  Ihre  Länge  sowohl  wie  ihre 
Zahl  ist  grossen  Schwankungen  unterworfen  und  in  ihrer  Ausbildung 
nähern  sie  sich  theils  mehr  denen  der  reticulären  Khizopoden,  theils  mehr 
denjenigen  der  HeUozoa.  Sehr  zahlreich  strahlen  sie  gewöhnlich  allseitig 
bei  den  Sphaerideen  und  CoUiden  aus,  so  dass  sich  ein  dichter  Wald  oder 
Samuit  von  Pseudopodienfäden  von  der  Oberfläche  der  Gallerte  erhebt. 
Häckel  schätzt  ihre  Zahl  bei  ThalassicoUa  auf  weit  über  Tausend.  Auch 
die  Monopylarien  und  Phaeodarien  scheinen  im  Allgemeinen  keine  geringe 
Zahl  von  Pseudopodien  zu  bilden,  nur  bei  den  einfacheren  Formen  der 
Monopylaria  sind  sie  meist  spärlich,  doch  hängt  natürlich  die  Pseudo- 
podienzahl  in  gewissem  Grade  von  der  Grösse  des  Organismus  überhaupt 
ab.  Spärlich  sind  die  Pseudopodien  nach  den  übereinstimmenden  An- 
gaben der  Beobachter  eigentlich  nur  bei  den  Acanthometriden  entwickelt. 
Dagegen  zeigen  sie  hier  z.  Th,  sehr  eigenthümliche  Stellungsverhältnisse 
und  treten  weiterhin  in  zweierlei  verschiednen  Ausbildungsformen  auf. 
Bevor  wir  jedoch  die  bei  letzterer  Abtheilung  sich  findenden  Verhältnisse 
genauer  ins  Auge  fassen,  erscheint  es  gerathener,  zunächst  die  Stellungs- 
verhältnisse der  Pseudopodien  bei  den  übrigen  Abtheilungen  kurz  zu  ver- 
folgen. Es  erscheint  natürlich,  dass  bei  den  Peripylarien  eine  gleich- 
massige,  allseitige  Vertheilung  der  Pseudopodien  herrscht.  Ebenso 
weiterhin,  dass  bei  den  Monopylarien  im  Allgemeinen  eine  reichlichere 
Entwicklung  derselben  von  der  um  das  Porenfeld  ansehnlicher  angehäuften 
extrakapsulären  Sarkode  ausgeht,  so  dass  also  bei  den  Cyrtida  ein 
ansehnlicherer  Pseudopodienbüschel  aus  der  Schalenmündung  hervortritt, 
doch  strahlen  auch  nach  allen  übrigen  Richtungen  des  Raumes  hier  zahl- 
reiche Pseudopodien  aus. 

Die  Länge,  welche  die  Pseudopodien  erreichen,  ist  gleichfalls  recht 
verschieden;    so    erlangen    sie    bei    einer   Reihe    von   Abtheilungen    den 


438  Eadiolaria. 

mehrfachen   Durchmesser   des   Körpers,   sinken   dagegen  hei  anderen  his 
zur  Hälfte  desselben  herab. 

Die  Gestaltung  der  Pseudopodien  ist,  wie  bemerkt,  theils  mehr  eine 
heliozoenartige,  d.  h.  die  starrer,  strahlenartiger  Fäden,  welche  sich  ver- 
hältnissmässig  selten  verästeln  und  daher  auch  keine  oder  nur  sehr  spär- 
liche Anastomosenbildungen  zeigen  oder  eine  mehr  verästelte,  mit  Neigung 
zur  Netzbildung.  Im  Allgemeinen  scheinen  hauptsächlich  die  Peripylarien 
starre  Pseudopodien  der  erstgeschilderten  Ausbildungsweise  zu  entwickeln, 
wogegen  bei  den  Monopylarien  und  auch  den  Phaeodarien  häufig  eine 
reichlichere  Anastomosen-  und  Netzbildung  zu  Stande  kommt.  Häckel 
(16)  hebt  hervor,  dass  die  starren  Pseudopodien  sich  gewöhnlich  auch 
durch  Armuth  an  Körnchen  auszeichnen ,  während  diese  den  verästelten 
reichlicher  zukommen.  Für  einen  Theil  der  starren  Pseudopodien,  näm- 
lich diejenigen  der  Acanthometriden,  konnte  Hertwig  nachweisen,  dass 
sie  dieselbe  Zusammensetzung  aus  Axenfaden  und  körnchenführender 
Rindenschicht  aufweisen,  wie  die  der  Heliozoa  z.  Th.  Es  gilt  dies  jedoch 
nicht  für  sämmtliche  Pseudopodien,  welche  eine  solche  Acanthometride 
entwickelt.  Unregelmässig  über  die  Oberfläche  der  Gallerte  vertheilt  oder 
an  den  Stacheln  entspringend  finden  sich  auch  feine  Pseudopodien, 
welchen  eine  solche  Difierenzirung  fehlt.  Die  differenzirten  Pseudopodien 
zeichnen  sich  einmal  durch  ihren  streng  radialen  Verlauf  aus  und  weiter- 
hin gewöhnlich  durch  sehr  regelmässige  Vertheilung  über  die  Oberfläche  des 
Organismus,  was  schon  J.  Müller  hervorhob.  Bei  Acanthometra  (XXVII.4) 
steht  nach  Hertwig  ein  solches  Pseudopodium  meist  regelmässig  in  der  Mitte 
zwischen  zwei  benachbarten  Stacheln ;  bei  anderen  dagegen,  so  bei  Xiph- 
acantha  umstehen  zahlreiche  (50 — 60)  derartige  Pseudopodien  den  peri- 
pherischen Theil  jedes  Stachels  und  zwar  so  geordnet,  dass  sich  je  ein 
Pseudopodium  aus  dem  Zusammenstossungspunkt  zweier  der  früher^ge- 
schilderten  Stützfäden  benachbarter  Stachelscheiden  erhebt.  Es  bilden 
daher  auch  die  Basen  der  um  jeden  Stachel  eingepflanzten  Pseudo- 
podien keinen  Kreis,  sondern,  wie  schon  früher  für  die  Vereinigungspunkte 
der  Stützfäden  geschildert  wurde,  eine  polygonale  Figur. 

Die  Axenfaden  der  ebengeschilderten  Pseudopodien  lassen  sich  nun, 
ähnlich  wie  bei  den  Heliozoen,  ins  Innere  des  Körpers  verfolgen,  und 
zwar  verlaufen  sie  streng  radial  durch  die  Gallerte  und  die  Centralkapsel 
hindurch  bis  zum  Stachelkreuz,  wo  sie  sich  den  BHcken  entziehen,  da 
das  intrakapsuläre  Plasma  um  das  Stachelkreuz  gewöhnlich  stärker  körnig 
oder  pigmentirt  erscheint.  In  ihrem  Verlauf  durch  die  Gallerte  sind  die 
Axenfaden  von  Protoplasma  überkleidet  und  bei  der  Acanthometra  elastica 
(welche  sich  wegen  ihrer  Durchsichtigkeit  besonders  zur  Beobachtung 
eignet),  wo  nur  ein  Plasmanetz  die  Centralkapsel  durchzieht,  überkleidet 
das  feinkörnige  Plasma  die  Axenfaden  auch  in  ihrem  Verlaufe  durch  die 
Centralkapsel  durchaus.  Schon  Claparede  (14)  hatte  sich  bei  Acanthometriden 
von  dem  Eindringen  der  Pseudopodien  in  den  Weichkörper  überzeugt  und 
Greeif,  hierauf  gestützt,  das  Vorhandensein  von  Axenfaden  vermuthet. 


BcscluiUbulicit  der  rsuudopodicii  (^Axcnfüdcu  ,  Könicliciiströuiung).  439 

Leider  gelang  es  bis  jetzt  nur  bei  den  Acanthometriden  mit  Siclier- 
beit  die  Gegenwart  der  Axenfäden  zu  beobacbten;  mit  Hertwig  dürfen 
wir  es  jedocb  für  wabrscbeinlicb  balten,  dass  auch  noch  die  starren 
Pseudopodien  andrer  Abtbeilungen,  so  namentlich  die  der  Sphaeridecn 
Axenfäden  besitzen,  Hertwig  gelang  es  bei  zwei  hierhergehörigen  For- 
men, einer  Diplosphaera  und  einer  x^rachnosphaera,  am  isolirten 
Nucleus  zahlreiche  der  Kernmerabran  äusserlich  anhängende  Fäden 
wahrzunehmen,  welche  er  vermuthungsweise  und  nicht  ohne  Recht  als  ver- 
kürzte Axenfäden  betrachtet*).  Wir  sahen  ja  auch  bei  Actinophrys  unter 
den  Heliozoen  die  Axenfäden  bis  zur  Oberfläche  des  centralen  Kernes 
verlaufen.  Für  die  übrigen  Abtheilungen  der  Radiolarien  dagegen 
glaubt  Hertwig  das  Vorkommen  der  Axenfäden  bestimmt  in  Abrede  stellen 
zu  müssen.  Jedoch  scheint  mir  ein  Punkt  in  der  Organisation  der  Mono- 
pylaria  möglicherweise  für  die  Anwesenheit  von  Axenfäden  bei  einem 
Theil  der  Pseudopodien  zu  sprechen.  Es  ist  dies  nämlich  der  eigenthüm- 
liche,  früher  geschilderte  Pseudopodienkegel,  dessen  radiäre,  zum  Poren- 
feld ziehende  Streifen  und  ihre  Vereinigung  im  Centrum  der  Centralkapsel 
eventuell  einen  Vergleich  mit  Axenfäden  erlaubt.  Doch  ist  eine  solche 
Vermuthung  einstweilen  nicht  weiter  zu  begründen.  Brandt  (36)  hat  sich 
überzeugt,  dass  die  Axenfäden  der  Acanthometriden  in  10 — 20  7o  Kochsalz- 
lösung löslich  sind  und  hält  sie  deshalb  wie  die  der  Heliozoa  für  Vitellin. 

Es  wurde  schon  oben  hervorgehoben,  dass  die  Pseudopodien  in  sehr 
verschiednem  Grade  körnchenführend  sind  und  Häckel  betont,  dass  auch 
Formen  mit  gewöhnlich  sehr  körnchenreichen  Pseudopodien  zuweilen  ganz 
körnchenfreie  zeigen. 

Natürlich  fehlt  die  Körnchenbewegung  nicht  und  ist  gewöhnlich  eine 
ziemlich  langsame,  doch  habe  ich  mich  wenigstens  bei  iSphaerozoeen 
überzeugt,  dass  sie  die  vieler  Rhizopoden  an  Energie  übertrifft.  Wie 
schon  erwähnt,  wandern  z.  Th.  auch  die  rothen  Pigmentkörnchen  der 
extrakapsulären  Sarkode  gewisser  Formen  auf  die  Pseudopodien  hinaus 
und  geben  dann  einen  unzweifelhaften  Beweis  für  die  richtige  Deutung 
der  Körnchenbewegung.  Auch  die  bei  den  Rhizopoden  schon  geschilder- 
ten Gegenströme  an  einem  Pseudopodium  treffen  wir  wieder  an.  Dieselbe 
Körnchenströmung  lässt  sich  jedoch  auch  leicht  an  den  die  Gallerte 
durchsetzenden  Plasmanetzen  constatiren  und  Strömungserscheinungen 
treten  auch  zuweilen  in  der  Centralkapsel  deutlich  hervor.  Hertwig  ge- 
lang es  sogar,  wie  schon  angedeutet,  bei  durchsichtigen  Acanthometren 
den  sicheren  Nachweis  zu  führen,  dass  Körnchen  die  Centralkapsel- 
wand  passiren ,  womit  also  auch  Strömungen  zwischen  dem  intra-  und 
extrakapsulären  Plasma  sichergestellt  erscheinen. 

Zuweilen  zeigen  sich  auch  an  den  Pseudopodien  der  Radiolarien 
spindelförmige  Anschwellungen ,  sogen.  Varicositäten,  welche  ähnlich  den 
Körnchen    eine    Verschiebung    längs    des    Pseudopodienfadens    erfahren. 


*")  Brandt  spricht  auch  von  den  Axenfäden  der  SiJongosphacra. 


440  Kadiolaiia. 

Theils  scheint  diese  eine  wirkliche  Wanderung  der  Verdickung,  theils 
jedoch  nur  eine  scheinbare  zu  sein,  hervorgerufen  durch  Verlängerung 
oder  Verkürzung  des  Scheinfüsschens. 

Die  Angabe  Claparede's,  dass  die  Acanthometriden  die  Enden  der 
Pseudopodien  peitschen-  oder  geisselartig  zu  bewegen  vermögen,  wurde 
von  den  späteren  Beobachtern  nicht  bestätigt;  dagegen  beobachtete  Häckel 
träge  und  langsame  pendelartige  Bewegungen  einzelner  gestreckter  Pseudo- 
podienfäden  nicht  selten,  auch  sah  er  zuweilen  einzelne  Fäden  bei  fest- 
stehender Basis  fortdauernd  in  der  Mantelfläche  eines  Kegels  langsam 
rotiren,  wobei  also  das  Pseudopodienende  einen  Kreis  beschrieb*). 

2.  Sogen.  Sarkodegeissel  und  contra  etile  Fäden.  Bei 
wenigen  Radiolarien  treffen  wir  eigenthümliche  Organisationseinrichtungen 
an,  welche  am  ehesten  von  umgebildeten  Pseudopodien  herleitbar  erschei- 
nen. Hierher  ist  zunächst  die  sogen.  Sarkodegeissel  zu  rechnen,  welche 
Häckel  und  Krohn  zuerst  bei  gewissen  Disciden  (Euchitouia)  und  Spongo- 
disciden  (Spongocyclia  z.  Th.  und  Spongasteriscus)  beobachteten  (XXV.  3; 
XXVI.  6).  Nach  den  neueren  Untersuchungen  Hertwig's  (33)  ist  dieselbe  kein 
geisselartiges  Gebilde,  wie  Häckel  wohl  vermuthete,  sondern  hervorgegangen 
aus  einem  Büschel  sehr  dicht  stehender  Pseudopodien,  welche  peripherisch 
mit  einander  verschmolzen  sind. 

Die  mit  solcher  Sarkodegeissel  ausgerüsteten  Disciden  und  Spongo- 
disciden  zeigen  übereinstimmend  eine  schon  früher  geschilderte  zweiseitige 
Gestaltung  und  durch  das  Auftreten  der  Sarkodegeissel  wird  diese  Zwei- 
seitigkeit noch  erhöht,  da  dieselbe  sich  in  der  Medianebne  an  einem 
Körperende  entwickelt;  bei  Euchitonia  in  dem  Ausschnitt  zwischen  zwei 
häufig  eigenthümlich  ausgebildeten  Armen  und  in  ähnlicher  Stellung  auch 
bei  den  beiden  Spongodiscidengattungen. 

Die  langgestreckt  kegelförmige  Geissei  ist  nicht  ganz  homogen,  wie 
Häckel  angab,  sondern  ihr  basaler  Abschnitt  fein  längsstreifig,  da  die  zu- 
sammengetretnen  Pseudopodien  hier  nicht  völlig  verschmolzen  sind;  auch 
feine  Körnchen  bemerkt  man  in  ihr  und  kann  deren  Circulation  beobachten. 
Dass  wirklich  eine  solche  Verschmelzung  von  Pseudopodien  der  Sar- 
kodegeissel den  Ursprung  gab,  geht  wohl  sicher  daraus  hervor,  dass 
Hertwig  einmal  ein  nachträgliches  Hinzutreten  und  Verschmelzen  eines 
weiteren  Pseudopodiums  beobachtete.  Spontane  Bewegungen  führt  dieser 
Anhang  nicht  aus,  dagegen  schlängelt  und  krümmt  er  sich  bei  Keizung, 
so  dass  er  häufig  in  solcher  Gestalt  zur  Beobachtung  kommt.  Dieses 
Verhalten  spricht  jedenfalls  dafür,  dass  die  Pseudopodien,  welche  die 
Sarkodegeissel  aufbauen,  doch  eine  etwas  aussergewöhnliche  Natur  be- 
sitzen. Von  besonderem  Interesse  ist  schliesslich  die  Beobachtung  Hert- 
wig's ,  dass  die  Geissei  sich  bis  zum  Nucleus  in.  den  Weichkörper  des 
Thieres   hinein   verfolgen   lässt;    die   Geisselpseudopodien   müssen    daher 


*)  Ich  l<ann  diesem  zufügen,  dass  ich  schwache,  schwingende,  pendclartige  Be- 
wegungen einzelner  Pseudopodien  auch  hei  marinen  Khizopoden  (so  z.  B.  Lagena)  beob- 
achtet habe. 


So""-   Sarkode2'ci.sscl  ii.  (lallcrtcilicii.  441 


■ö       IJ"»"""^& 


wohl  in  die  Kategorie  der  Axenfäden  flilirenden  eingereiht  werden ,  doch 
erfordert  die  genaue  Feststelhmg  dieses  Verhaltens  erneute  Untersuchungen. 

Als  Gebilde,  welche  einer  besondren  Diflferenzirung  pseudopodien- 
artiger  Fortsätze  der  extrakapsulären  Sarkode  ihren  Ursprung  verdanken, 
müssen  auch  die  sogen.  Gallertcilien  der  Aeanthometriden  betrachtet  wer- 
den. Diese,  von  J.  Müller  schon  beobachteten  und  auch  von  Häckel  ein- 
gehend studirten  Gebilde  erheben  sich  in  sehr  verschiedner  Zahl  (5—80) 
in  einein  Kranz  von  der  Höhe  der  sogen.  Gallertscheiden  um  die  aus  der 
Gallerte  hervorschauenden  Enden  der  Skeletstacheln  (XXVII.  4,  gc).  In 
einer  gewissen  Entfernung  von  ihrem  Ursprung  legen  sie  sich  an 
einem  Punkt  des  Stachels  an.  Müller  und  Häckel  glaubten  in  ihnen  irr- 
thümlich  die  gallertig  veränderten  Pseudopodien  zu  erblicken,  ähnlich  wie 
sie  ja  auch  die  Gallerte  auf  eine  gallertige  Umbildung  oder  Ausschwitzung 
des  extrakapsulären  Plasmas  und  der  Pseudopodien  zurückführten. 
Hertwig  (33)  hat  dagegen  diese  Gallertcilien  als  Gebilde  sehr  eigen- 
thümlicher  Natur  erkannt,  welche  durchaus  nichts  mit  der  Gallerte  gemein 
haben,  sondern  sehr  contractile  Fäden  sind,  die  ohne  Zweifel  eigenthüm- 
lich  differenzirte  Theile  des  Plasmas  vorstellen.  Ihre  Substanz  ist  ganz 
homogen,  nicht  fibrillär  ditferenzirt.  In  normalem,  ungestörtem  Zu- 
stand sind  die  Cilien  scharf  umschriebne  Fäden,  welche  nach  ihrem 
peripherischen  Ende  sehr  fein  auslaufen.  Bei  schwacher  mechani- 
scher Reizung  contrahiren  sie  sich  etwas  und  ziehen  die  Gallertscheide, 
da  die  Anheftungsstelle  der  Fäden  am  Stachel  intact  bleibt,  etwas  nach 
der  Stachelspitze  empor;  gleichzeitig  führen  sie  auch  schlängelnde  und 
wurmartige  Bewegungen  aus.  Bei  länger  dauernder  oder  stärkerer  Rei- 
zung verkürzen  sie  sich  sehr,  bis  zu  V4  ihrer  ursprünglichen  Länge  und 
lösen  sich  von  dem  Stachel  ab,  behalten  jedoch  ihre  Verbindung  mit  der 
Gallertscheide;  nur  in  diesem  Zustand  wurden  sie  von  Müller  und  Häckel 
beobachtet,  welche  deshalb  auch  ibre  wahre  Natur  verkannten.  Beim 
Nachlass  des  Reizes  stellt  sich  allmählich  der  ursprüngliche  Zustand  wieder 
her.  Einwirkung  tödtender  Reagentien  (Osmiumsäure)  ruft  die  Maximal- 
contraction  momentan  hervor.  Aus  diesem  Verhalten  der  contractilen 
Fäden  geht  hervor,  dass  sich  ihre  Masse  der  contractilen  Substanz  des 
Muskels  näher  anschliesst,  wie  dem  gewöhnlichen  Plasma, 

Interessant  ist,  dass  sich  bei  Acanthochiasma,  wie  gleichfalls  Hertwig 
feststellte,  statt  gesonderter  contractiler  Fäden,  eine  zusammenhängende 
trichterförmige,  contractile  Membran  um  das  peripherische  Ende  der 
Stacheln  findet  (XXVII.  12),  Diese  längsstreifige  Membran  ist  im  Ruhe- 
zustand sehr  in  die  Länge  gezogen,  so  dass  sie  sich  dem  Stachel,  an 
welchem  ihr  verschmälertes  Ende  befestigt  ist,  recht  dicht  anschmiegt 
(12  b).  Rings  ist  sie  von  der  Gallerte  eingeschlossen.  Im  contrahirten 
Zustand  verkürzt  sie  sich,  bleibt  jedoch  am  Stachel  festgeheftet,  nur 
hebt  sich  ihr  centrales  Ende  vom  Stachel  mehr  ab  (12  a). 

Die  wahrscheinliche  physiologische  Bedeutung  der  contractilen  Fäden 
wurde   schon   vorhin   kurz   betont;    sie   haben   wohl  die  Gallerte  an  den 


442  liadiolaria. 

Stacheln  empor  zu  ziehen  und  rufen  daher  nach  Ilertwig's  Vcrmuthung 
eigenthch  die  Gallertscheiden  hervor.  Welche  Bedeutung  dagegen  wiederum 
die  Gestaltsveränderungen  der  Gallerte  besitzen  mögen,  ist  bis  jetzt  nicht 
recht  ermittelt,  wiewohl  mir  die  Ansicht  Hertwig's  nicht  unplausibel  er- 
scheint, welcher  diesen  Gestaltsveränderungen  der  Gallerte  einen  Einfluss 
auf  das  Ab-  und  Aufsteigen  unsrer  Organismen  im  Wasser  zuschreiben 
möchte.  Es  scheint  mir  dies  um  so  annehmbarer,  als  die  Gallertentwick- 
lung der  Kadiolarien,  welche  wir  ähnlich  auch  bei  den  pelagischen  Rhi- 
zopoden  antrafen,  wohl  überhaupt  zur  Schwimmfähigkeit  in  inniger  Be- 
ziehung steht. 

3.  Bewegungserscheinungen.  Ueber  die  Bewegungsvorgänge 
der  Radiolarien  ist  im  Allgemeinen  ebensov^enig  Sicheres  bekannt,  wie 
über  die  der  Heliozoen,  welchen  sie  sich  in  diesen  Beziehungen  ohne 
Zweifel  am  meisten  nähern.  Die  directe  Beobachtung  hat  ergeben,  dass 
Radiolarien  auf  einer  festen  Unterlage  mit  Hülfe  ihrer  Pseudopodien 
schwache,  wälzende  oder  drehende  Körperbewegungen  ähnlich  wie  die 
Rhizopoden  und  Heliozoen  auszuführen  im  Stande  sind,  jedoch  sind  diese 
Bewegungen  im  Allgemeinen  weniger  energisch  wie  die  der  Rhizopoden 
und  kommen  auch  wohl  in  der  Natur  seltner  zu  Stande,  da  die  meisten 
Radiolarien  Avohl  sicher  eine  schwimmende  Lebensweise  führen.  Hier- 
auf weist  wenigstens  ebenso  die  directe  Beobachtung  wie  ihre  ge- 
sammte  Organisation  hin.  Bei  diesen  schwankenden  und  wälzenden, 
zuweilen  ruckweise  erfolgenden  Bewegungen  dienen  den  bestachelten  For- 
men die  Stacheln  gewissermaassen  als  Stützen,  auf  welchen  sie  sich  hin- 
und  herbewegen. 

Unerklärt  ist  bis  jetzt  auch  für  die  Radiolarien  der  Vorgang  des 
Schwimmens  geblieben.  Zum  Theil  mag  dieses  Schwimmen,  wie  Häckel 
vermuthet,  wenn  es  an  der  Oberfläche  des  Wassers  statthat,  gar  kein 
eigentliches  Schwimmen  sein ,  sondern  ein  Anheften  an  dem  Oberflächen- 
häutchen  des  Wasserspiegels  vermittels  der  Pseudopodien.  Doch  bemerken 
wir  auch  wirkliches,  unzweifelhaftes  Schwimmen  unter  der  Oberfläche  und 
wissen  ja  namentlich  durch  die  neueren  Forschungen,  dass  die  Radiolarien- 
welt  durchaus  nicht  auf  die  Oberfläche  beschränkt  ist.  Eine  einfache 
Ueberlegung  verbietet  jedoch  die  Annahme,  dass  diese  unter  der  Ober- 
fläche weilenden  Formen  etwa  in  fortdauerndem  langsamen  Sinken  be- 
grilfen  seien. 

An  und  für  sich  ist  es  ja  sehr  begreiflich,  dass  solch  kleine  Wesen, 
deren  specifisches  Körpergewicht  sich  im  Ganzen  nur  sehr  wenig  über 
das  des  umgebenden  Wassers  erheben  wird,  lange  Zeit  im  Wasser 
suspendirt  bleiben  und  nur  sehr  langsam  sinken  werden.  Die  Langsam- 
keit des  Sinkens  wird  noch  dadurch  verstärkt  werden,  dass  der  meist 
ansehnliche  Gallertmantel,  dessen  specifisches  Gewicht  das  des  Seewassers 
kaum  übertreffen  dürfte,  das  Volum  des  Organismus  beträchtlich  ver- 
mehrt und  daher  durch  Vergrösserung  der  Oberfläche,  bei  gleichzeitiger 
Herabsetzung  des  specifischen  Gewichtes  des  Gesammtkörpers,  den  Wider- 


Uewoguugscrscliciiiuiigeii.  443 

stand  des  Wassers  sehr  erhöht.  Eine  derartige  Erhöhung  des  Wasser- 
widerstandes wird  jedoch  noch  vveiterbin  durch  die  reicliliche  Alveolen- 
biklung,  welche  namentlich  bei  grösseren  Formen  und  den  Kolonien  die 
Gallerte  noch  mehr  aufbläht,  sowie  durch  die  allseitig  ausstrahlenden 
feinen  Pseudopodien  eintreten.  Auch  die  Oelkugeln  werden  bei  reich- 
lichem Vorkommen  oder  bei  umfangreicher  Ausbildung  gleichfalls  zur 
Verringerung  des  specifischen  Gewichtes  und  dadurch  zur  Erhöhung  des 
Schwimmvermögens  beitragen.  Im  Hinblick  auf  die  Verhältnisse  gewisser 
Rhizopoden  verdient  es  jedoch  wohl  besonderer  Erwähnung,  dass  Gas- 
entwicklung bis  jetzt  bei  Radiolarien  noch  niemals  beobachtet  wurde. 

Alle  im  Obigen  aufgeführten  Verhältnisse  zusammengefasst,  sind 
dennoch  nicht  im  Stande,  uns  das  dauernde  Schwimmen  der  Radiolarien  in 
einer  bestimmten  Wasserzone  zu  erklären,  so  dass  die  Wahrscheinlichkeit 
dafür  spricht,  dass,  wie  J.  Müller  und  Häckel  vermuthen,  schwache  activc 
Bewegungen,  wahrscheinlich  solche  der  Pseudopodien,  das  Schwimmen 
unterstützen. 

Gar  nicht  erklärbar  durch  die  oben  zusammengestellten  thatsäch- 
lichen  Verhältnisse  sind  jedoch  die  auch  bei  den  Radiolarien  mit  ziem- 
licher Sicherheit  constatirten  aufsteigenden  Bewegungen  im  Wasser. 
Für  die  Erscheinung  des  Sinkens  können  wir  wie  bei  den  Heliozoen 
vielleicht  eine  Vergrösserung  des  specifischen  Gewichtes  direct  heran- 
ziehen, indem  mancherlei  Anzeichen  dafür  sprechen,  dass  der  Wasser- 
gehalt der  Gallerte  ein  veränderlicher  ist  und  eine  Verringerung  desselben 
wird  demnach  durch  eine  Erhöhung  des  specifischen  Gewichtes  des 
Gesammtorganismus  zum  Sinken  beitragen.  Ausserdem  kann  dies  jedoch 
auch  vielleicht  noch  unterstützt  werden  durch  Verringerung  des  Wasser- 
widerstandes, hervorgerufen  durch  Einziehung  der  Pseudopodien  oder 
durch  GestaltsveränderuDg  der  Gallerthülle,  wie  wir  sie  bei  den  Acantho- 
metriden  durch  die  sogen.  Gallertcilien  ermöglicht  fanden.  Ein  Zurück- 
ziehen der  Gallertscheiden  von  den  Stacheln  durch  Nachlassen  der  Con- 
traction  der  Gallertcilien  wird  eine  Abrundung  der  gesammten  Gallerthülle 
und   damit   eine  Verringerung  des  Wasserwiderstandes   zur  Folge  haben. 

Die  mehrfach  hervorgehobne  Erscheinung,  dass  frisch  eingefangene 
Radiolarien  nicht  mehr  an  der  Oberfläche  des  Wassers  schwimmen,  son- 
"  dern  zu  Boden  sinken,  spricht  im  Allgemeinen  für  die  Wahrscheinlichkeit 
der  angegebnen  Ursachen  des  Sinkens,  da  bekanntermaassen  wenigstens 
ein  Theil  derselben  bei  mechanischer  Reizung,  wie  sie  beim  Einfangen 
unvermeidlich  ist,  hervorgerufen  wird. 

Für  die  aufsteigenden  Bewegungen,  wie  sie  von  Häckel  bei  einge- 
fangenen Radiolarien  anscheinend  ziemlich  sicher  constatirt  wurden,  und 
Avie  sie  sich  auch  aus  dem  wechselnden  Erscheinen  und  Verschwinden 
der  pelagischen  Radiolarienfauna  an  der  Meeresoberfläche  im  Zusammen- 
hang mit  der  Witterung  ergeben,  besitzen  wir,  wie  bemerkt,  bis  jetzt 
keine  befriedigende  Erklärung,  ebenso  wenig  wie  bei  den  Heliozoen. 


444  Kadiolaria. 

Die  Annahme  activer  Thätigkeit  der  Pseudopodien  zur  Vermittelung 
dieses  Aufsteigens  scheint  mir  im  Allgemeinen  nicht  sehr  viel  Wahrschein- 
lichkeit für  sich  zu  hahen ,  bedarf  jedoch  im  Hinblick  auf  die  innigen 
Beziehungen  zwischen  gewöhnlichen  Pseudopodienbildungen  und  den 
geisselnden  Bewegungsorganen  der  höheren  Protozoen  immerhin  weiterer 
Verfolgung  durch  erneute  Beobachtungen.  Im  Allgemeinen  ist  jedoch  bis 
dato  diese  Erscheinung  noch  so  wenig  aufgeklärt,  dass  es  selbst  nicht 
ausgeschlossen  erscheint,  dass  es  sich  hierbei  nur  um  passive  Strömungs- 
erscheinungen oder  durch  Zunahme  des  specifischen  Gewichts  des  um- 
gebenden Wassers  bedingte  Bewegungen  handelt. 

4.  Nahrungsaufnahme  und  Ernährung  der  Radiolarien 
überhaupt.  Auch  über  diesen  Vorgang  sind  unsere  Erfahrungen  sehr 
unvollständig;  nur  bei  Häckel  finden  wir  eingehendere,  doch  im  Ganzen 
wenig  ausführliche  Mittheilungen  hierüber.  Hiernach  soll  die  Nahrungs- 
aufnahme sich  genau  in  der  früher  für  die  reticulären  Rhizopoden 
geschilderten  Weise  mit  Hülfe  der  Pseudopodien  vollziehen.  Auch  sollen 
die  Pseudopodien ,  wie  wir  das  Gleiche  schon  bei  Rhizopoden  und  Helio- 
zoen  anzuführen  hatten,  einen  rasch  lähmenden  Einfluss  auf  kleinere  In- 
fusorien ausüben.  Ist  die  aufzunehmende  Nahrung  von  einem  oder  einigen 
Pseudopodien  ergriffen,  so  strömt  gewöhnlich  das  Plasma  durch  die 
Pseudopodien  reichlich  zu  ihr  hin,  sie  wird  völlig  von  Plasma  umhüllt 
und  schliesslich  durch  Rückfluss  der  Pseudopodien  bis  in  den  sogen. 
Mutterboden  herabgeführt.  In  diesem  hat  Häckel  vielfach  die  mannig- 
faltigsten Nahrungskörper,  theils  ganze  einzellige  Thiere  oder  Pflänzchen, 
theils  dagegen  Bruchstücke  derselben  und  anderer  Organismen  beobachtet. 

Als  solche  Nahrungskörper  fanden  sich  namentlich  häufig  Diatomeen 
und  Infusorien,  speciell  die  au  der  Oberfläche  des  Meeres  so  häufigen 
Tintinnoiden.  Auffallend  erscheint  es,  dass  K.  Brandt*)  dagegen  neuer- 
dings entschieden  leugnet,  dass  die  Sphaerozoeen  feste  Nahrung  zu 
sich  nehmen,  sondern  ihre  Ernährung  auf  die  Gegenwart  der  später  zu 
besprechenden,  ohne  Zweifel  parasitischen,  gelben  Zellen  zurückzuführen 
sucht.  Es  mag  deshalb  hier  noch  besonders  betont  werden,  dass  sich 
auch  Cienkowsky  (23)  von  der  Aufnahme  von  Tintinnoiden  in  das  extra- 
kapsuläre Plasma  überzeugte  und  sich  direct  über  deren  Assimilation 
versicherte,  da  er  das  gelbe  Pigment  der  Tintinnoiden  das  umgebende 
Radiolarienplasma  gelb  färben  sah.  Angesichts  dieser  Angabe  kann  ich 
daher  vorerst  nicht  zweifeln,  dass  auch  die  Radiolarien  mit  gelben  Zellen 
feste  organische  Nahrung  in  sich  aufnehmen.  Eine  Bildung  von  Nahrungs- 
vacuolen  scheint  nie  stattzufinden. 

In  die  Centralkapsel  dringt,  wie  begreiflich,  die  Nahrung  nie  ein, 
wie  es  andrerseits  auch  natürlich  erscheint,  dass  bei  Radiolarien  mit  fein- 
maschiger, allseitig  geschlossener  Skeletschale  grössere  Nahrungspartikel 


*)  K.  Brandt,  üeber  das  Zusauimeiilebca  von  Thieren  und  Algen.     Verli.  der  physiol. 
Gesellsch.  zu  Berlin  Jahrg.  1881  -82  p.  22—26. 


Nalirungsaufnaliuic.     Tlieilung'.  445 

nicht  ins  Schaleuinnere  aufgenommen  werden  können,  sondern  ausser- 
halb derselben  ihrer  assimilirbaren  Bestandtheile  beraubt  werden,  ähn- 
lich wie  dies  bei  zahlreichen  marinen  Rhizopoden  ebenfalls  statthat. 

Wie  aus  dem  vorstehend  Bemerkten  hervorgeht,  ist  unsre  Kenntniss 
der  Ernährnngsverhältnisse  der  Radiolarien  bis  jetzt  eine  recht  beschränkte, 
ja  es  sind  hier  noch  tiefgehende  Widersprüche  zu  lösen. 


).    Die  Fortpflanzuiig*  der  Radiolarien. 

A.   Vermelining  durcli  einfache  Theilung  und  Koloniebildung. 

Beweisende  Beobachtungen  über  einfache  Theilungserscheinungen 
der  Radiolarien  liegen  bis  jetzt  nur  in  sehr  spärlicher  Zahl  vor,  so  dass 
der  ganze  Vorgang  noch  eine  gewisse  Unsicherheit  darbietet.  Ob  wir 
hieraus  zu  schliessen  berechtigt  sind,  dass  der  Vermehrungsvorgang 
durch  einfache  Theilung,  welchen  wir  bei  den  beiden  schon  besprochnen 
Abtheilungen  der  Sarkodinen  eine  wesentliche  Rolle  spielen  sahen,  in 
dieser  Abtheilung  überhaupt  nur  eine  sehr  untergeordnete  Bedeutung  be- 
sitzt, ist  wohl  schwer  mit  Sicherheit  zu  entscheiden. 

Im  Wesentlichen  stützt  sich  die  Annahme  von  Theilungsvorgängen 
der  Radiolarien  auf  Beobachtungen  gewisser  Zustände  der  Centralkapsel, 
welche  es  in  hohem  Grad  wahrscheinlich  machen,  dass  sich  eine  derartige 
Vermehrung  findet;  dagegen  liegt  bis  jetzt  keine  directe  Beobachtung 
eines    wirklichen  Theilungsactes   des   ganzen  Radiolarienorganismus   vor. 

Schon  Häckel  beobachtete  in  den  Kolonien  der  Sphaerozoeen  sehr 
häufig  ellipsoidisch  verlängerte  und  bisquitförmig  eingeschnürte  Central- 
kapseln,  welche  in  sehr  verschiednen  Stadien  zu  verfolgen  waren.  Die 
weitere  häufige  Beobachtung  zweier  dicht  neben  einander  gelagerter  klei- 
ner Kapseln,  welche  ungezwungen  aus  der  Theilung  einer  bisquitförmig 
eingeschnürten  hergeleitet  werden  konnten,  Hess  Häckel  die  geschil- 
derte Erscheinung  mit  Recht  auf  Vermehrung  durch  Theilung  zurück- 
führen. Bei  der  mit  gitterförmiger  kugliger  Kieselschale  versehenen 
Collosphaera  beobachtete  Häckel  solche  Theilungsvorgänge  nur  an  den  noch 
unbeschalten,  jüngeren  Kapseln  im  centralen  Theil  der  Kolonie  (XIX.  5  a). 
Auch  Cienkowsky  (23)  konnte  diese  Beobachtung  bei  Collosphaera  be- 
stätigen und  sprach  sich  entschieden  für  die  Vermehrung  der  Kapseln 
durch  Theilung  aus.  Bei  Collozoum  hat  er  sogar  wurmförmig  verlängerte 
jugendliche  Kapseln  beobachtet,  welche  durch  mehrere  Einschnürungen  in 
eine  grössere  Anzahl  Theilstücke  zerfielen.  Auch  Hertwig  (28)  schliesst 
sich  der  Häckel'schen  Ansicht  von  der  Theilung  der  Centralkapseln  der 
Sphaerozoeen  an  und  findet  einen  weiteren  Beleg  für  deren  Richtigkeit 
in  seiner  Beobachtung,  dass  bei  bisquitförmigen  Kapseln  die  zahlreichen 
Kerne  des  Kapselinhalts  in  zwei  Haufen  zusammengelagert  sind,  welche 
sich  auf  die  beiden  Lappen  der  Kapsel  vertheilen  (XVIII.  ße). 


446  Eadiolaria. 

Die  Richtigkeit  der  HäckeFsclien  Ansicht  von  der  Theilung  der 
Centralkapsel  der  Sphaerozoeen  erhielt  eine  weitere  Bestätigung  durch 
die  Beobachtungen  Hertwig's  an  Phaeodarien.  Bei  tripylen  Formen  dieser 
Abtheilung  (Aulacantha,  Aulosphaera  und  Coelacantha)  traf  der  genannte 
Forscher,  ähnlich  wie  Häckel  schon  früher  einmal  bei  der  ebenfalls  hier- 
hergehörigen Thalassoplancta,  Exemplare  mit  zwei  Centralkapseln;  weiter- 
hin jedoch  auch  solche,  bei  welchen  die  Centralkapsel  bisquitförmig  ein- 
geschnürt bis  nahezu  durcbgeschnüit  war  (XXXII.  11,  9a).  Die  Einschntt- 
rungsebne  wai  die  Medianebne  der  zweiseitigen  Kapsel,  ging  demnach  durch 
die  Hauptöifnung  und  mitten  zwischen  den  beiden  Nebenöfifnungen  hindurch. 
Statt  der  einfachen  Hauptöffnung  fanden  sich  bei  diesen  Kapseln  jedoch  zwei 
dicht  bei  einander  stehende  vor,  noch  umgeben  von  einem  gemeinsamen,  je- 
doch mehr  oder  minder  durchgeschnürten  Strahlenhof,  der,  wie  früher  ge- 
schildert wurde,  von  der  inneren  Kapselhaut  gebildet  wird.  Besonders  wichtig 
erscheint  jedoch,  dass  derartige  Kapseln  auch  zwei  Kerne  enthielten,  in 
jeder  Hälfte  einen ,  ähnlich  wie  bei  den  bisquitförmig  eingeschnürten 
Kapseln  der  Sphaerozoeen  sich  gewöhnlich  statt  der  einen  ansehnlichen 
centralen  Oelkugel  deren  zwei  in  regulärer  Vertheilung  auf  die  beiden 
Hälften  vorfinden.  Die  gesammte  Erscheinung  dieser  Kapseln  ist  entschieden 
die  von  Theilungszuständen.  Auch  Hertwig  hält  die  Vermuthung,  dass  die- 
selben etwa  durch  Copalation  hervorgegangne,  unvollständige  Verschmel- 
zungszustände  zweier  ursprünglich  getrennter  Kapseln  seien ,  für  wenig 
wahrscheinlich.  Dies  ist  namentlich  auch  deshalb  sehr  unwahrscheinlich, 
weil  die  Skeletverhältnisse  derartiger  Thiere,  soweit  bekannt,  durchaus 
nichts  Anomales  darboten,  was  doch  wohl  sicherlich  der  Fall  sein  müsste, 
wenn  sich  zwei  skeletführende  Thiere  durch  einen  Copulationsact  vereinigt 
hätten.  Die  Annahme  aber,  dass  sich  der  erwähnte  Zustand  der  Kapsel  von 
einem  Copulationsact  im  jugendlichen,  skeletlosen  Zustand  herschreibe, 
lässt  sich  gleichfalls  durch  nichts  begründen.  Immerhin  ist  es  bis  jetzt  noch 
nicht  geglückt,  das  weitere  Verhalten  dieser  Kapseln  zu  verfolgen. 

B.   Ivoloiiiebildung  der  Eadiolarien. 

Die  bis  jetzt  noch  bei  keiner  der  besprochnen  Abtheilungen  vermisste 
koloniale  Vereinigung  zahlreicher  Einzelthiere  ist  auch  unter  den  Radio- 
larien  bei  einer  Abtheilung,  den  sogen.  Sphaerozoeen  (oder  Symbelaria 
+  S^mcollaria,  wie  sie  Häckel  neuerdings  zu  nennen  vorschlägt) 
sehr  ausgeprägt.  Auch  diese  kolonialen  Verbände  nehmen  ihre  Ent- 
stehung wohl  sicher  durch  wiederholte  Theilung  eines  ursprünglich  ein- 
fachen Individuums,  wofür  die  Belege  schon  in  dem  vorhergehenden 
Abschnitt  gegeben  worden  sind.  Solitäre,  einzeln  lebende  Individuen  dieser 
Formen,  welche  man  gelegentlich  findet,  lassen  sich  entweder  als  direct 
aus  einem  der  später  zu  besprechenden  Schwärmsprösslinge  hervor- 
gegangen betrachten  oder  auch  als  losgelöste  Individuen  einer  Kolonie. 
Jedenfalls  können  sich  solche  Einzelthiere,  durch  Vermehrung  der  Central- 
kapsel zu  kolonialen  Verbänden  entwickeln. 


Thciliing-.     Koloniebildiing.  447 

Die  Kolonien  der  Sphaerozoeen  zeichnen  sich,  wie  zu  erwarten,  durch 
nicht  unbeträchtliche  Grösse  ans;  dieser  Umstand,  sowie  die  Häufigkeit 
gewisser  Sphaerozoeen  macht,  dass  sie  zu  den  am  frühesten  entdeckten 
und  genauer  studirten  Radiolarien  gehören.  Schon  Meyen  beurtheilte 
sie  richtig  als  koloniale  Verbände  und  verglich  sie  den  Aggregaten  der 
als  Palniellen  bekannten ,  einzelHgen  Algen.  Auch  erkannte  er  schon 
richtig  die  Bedeutung,  welche  die  Gallertentwicklung  für  den  Zusammen- 
halt der  ganzen  Kolonie  besitzt.  Ebenso  sprach  sich  auch  J.  Müller  mit 
Bestimmtheit  für  die  koloniale  Natur  der  Sphaerozoeen  aus,  wogegen 
Häckel  (16)  zwar  die  Berechtigung  einer  solchen  Auffassung,  namentlich 
bei  speciell  morphologischer  Betrachtung,  anerkannte,  aber  doch  die  physio- 
logische Einheit  der  Kolonien  sehr  betonte,  welche  gestatte,  dieselben 
auch  als  Einzelindividuen  zu  betrachten,  die  eine  Vermehrung  gewisser 
Orgaue,  d.  h.  der  Centralkapseln,  erfahren  haben.  Häckel  wurde  dabei 
wesentlich  durch  seine  Auffassung  der  Centralkapsel  als  Fortpflanzungs- 
organ geleitet.  Ohne  nun  die  physiologische  Einheit  der  Sphaerozocen- 
kolonien  zu  leugnen,  welche  Einheit  ja  überhaupt  den  Charakter  der 
Kolonie  gegenüber  blossen  Aggregationen  von  Individuen  bedingt,  müssen 
wir  uns  doch  mit  den  übrigen  Forschern  dafür  aussprechen,  dass  allein 
die  Auffassung  dieser  Zustände  als  kolonialer  Verbände,  ähnlich  den- 
jenigen anderer  Sarkodinen,  zulässig  erscheint,  da  wir  eben,  wie  schon 
mehrfach  betont,  den  wesentlichsten  Theil  des  Körpers  eines  Radiolarien- 
individuums  in  seiner  Centralkapsel  erkennen;  viele  mit  einander  durch 
die  extrakapsuläre  Sarkode  vereinigte  Centralkapseln  erscheinen  uns  daher 
auch  entschieden  als  koloniale  Vereinigungen  zahlreicher  Individuen. 

Der  allgemeine  Bau  solcher  Kolonien  lässt  sich  mit  wenig  Worten 
schildern.  Mehr  oder  minder  zahlreiche,  häufig  sehr  viele,  hunderte  von 
Centralkapseln  sind  dadurch  in  eine  innige  Vereinigung  getreten,  dass 
die  Gallerte  aller  zu  einer  geraeinsamen  Masse,  in  welche  die  einzelnen 
Centralkapseln  eiugebettet  sind,  verschmolzen  ist  (XVIII.  6d;  XIX. 3).  Von 
der  dünnen  Schicht  extrakapsulären  Plasmas,  welche  jede  Centralkapsel  um- 
hüllt, entspringen  auch  hier  zarte  Plasmanetze,  welche  die  gemeinsame 
Gallerte  durchsetzen,  und  sich  unter  einander  vielfach  anastomosirend 
vereinigen.  In  solcher  Weise  stehen  demnach  sämmtliche  Einzelindivi- 
duen durch  ihre  extrakapsuläre  Sarkode  unter  einander  in  lebendiger 
Verbindung.  Von  der  Oberfläche  der  Kolonie  erhebt  sich  an  lebeusfrischen 
Exemplaren  ein  dichter,  allseitiger  Wald  feiner  Pseudopodien.  Weiterhin 
gesellt  sich  als  sehr  wichtige  Organisationseigenthümlichkeit  aller  dieser 
Kolonien  noch  die  reichliche  Entwicklung  extrakapsulärer,  die  gesammtc 
Gallerte  dicht  durchsetzender  Vacuolen  oder  Alveolen  hinzu. 

Die  Gestalt  und  Grösse  solcher  Kolonien  zeigt  vielfachen  Wechsel; 
kleinere  besitzen  gewöhnlich  eine  ziemlich  sphärische  Gestaltung  und  er- 
reichen etwa  eine  Grösse  von  5  Mm.  im  Durchmesser.  Grössere  dagegen 
nehmen  meist  eine  etwas  längsgestreckte,  ellipsoidische  bis  vui'stförmige 
Gestalt  an,  ja  werden  schliesslich  lang  cylindrisch  und  können  eine  Länge 


448  Radiolaria. 

von  50  Mm.  erreichen  (XVIII.  6  a).  Hiermit  ist  jedoch  die  Mannigfaltigkeit  dei 
Gestaltung  nicht  erschöpft;  die  langgestreckten  Kolonien  zeigen  nicht  selten 
zahlreiche  quere  Einschnürungen,  so  dass  das  Gesammtbild  etwa  das 
einer  Perlschnur  wird  (6  b).  Sehr  merkwürdig  ist  die  von  Häckel  zwar  nur 
einmal  bei  Collozoum  inerme  beobachtete  Form,  wo  eine  solche  Kolonie 
einen  ziemlich  ansehnlichen  schmalen,  geschlossnen  Ring  bildete,  welcher 
aus  zahlreichen  kleinen  keilförmigen  Stücken  zusammengesetzt  war  (6  c). 

Einige  Verschiedenheit  weist  auch  die  Vertheilung  und  Anordnung 
der  einzelnen  Individuen  in  der  gemeinsamen  Gallerte  auf.  Der  gewöhn- 
liche Zustand  möglichst  intacter  Kolonien  ist  der,  dass  die  einzelnen 
Centralkapseln  oder  Nester,  wie  sie  von  J.  Müller  bezeichnet  wurden, 
sich  in  einer  peripherischen  Zone  dicht  unter  der  Oberfläche  vorfinden. 
Das  Innere  der  Kolonie  wird  dann  entweder  von  Gallerte,  welche  von 
zahlreichen  Vacuolen  durchsetzt  ist,  gebildet,  oder  es  findet  sich  eine 
sehr  grosse,  centrale  Vacuole  vor,  welche  das  Innere  der  Kolonie  ein- 
nimmt und  um  welche  die  Zone  von  Centralkapseln  lagert. 

Diese  grosse  centrale  Vacuole,  welche  hauptsächlich  bei  Collosphaera 
beobachtet  wurde  (XIX.  5  a,  alv),  die  jedoch  auch  bei  anderen  Sphaero- 
zoeen  anzutreffen  ist,  besitzt  nach  den  Beobachtungen  Hertwig's  eine 
wirkliche  Membran  und  dürfte  daher  gewissermaassen  als  ein  Stützapparat 
der  Kolonien  beansprucht  werden*).  Eine  Hinneigung  zur  Ausbildung 
einer  solchen  Vacuole  dürfte  vielleicht  auch  darin  gefunden  werden, 
dass  bei  Gegenwart  zahlreicher  zuweilen  eine  Vergrösserung  derselben 
nach  dem  Centrum  der  Kolonie  zu  stattfindet. 

In  Kolonien,  welche  beim  Fang  gestört  worden  und  daher  ihre  volle 
Lebensfrische  nicht  mehr  besitzen,  ziehen  sich  die  Centralkapseln  gewöhn- 
lich mehr  von  der  Oberfläche  zurück,  ja  rücken  bis  gegen  das  Centrum 
der  ganzen  Kolonie  zusammen. 

Hieraus  scheint  hervorzugehen,  dass  die  Centralkapseln  eine  gewisse 
Beweglichkeit  in  der  Gallerte  der  Kolonie  besitzen,  eine  Beweglichkeit, 
welche  ohne  Zweifel  auf  die  Thätigkeit  der  extrakapsulären  Sarkode  zu- 
rückzuführen ist. 

Dieselben  Anordnungsverhältnisse  der  Centralkapseln,  über  welche 
wir  soeben  berichteten,  namentlich  die  gelegentliche  Ausbildung  einer  an- 
sehnlichen, centralen  Vacuole,  kehren  auch  bei  den  einzelnen  Gliedern  der 
perlschnurförmigen  Kolonien  von  Collozoum  wieder.  Die  perlschnur- 
förmige  Gestaltung  beruht  überhaupt  darauf,  dass  jedes  Glied  eine  an- 
sehnliche centrale  Vacuole  einschliesst,  welche  seine  Hervorwölbung  be- 
dingt. Alle  diese  Vacuolen  bilden  in  ihrer  Aneinanderreihung  gleichsam 
eine  Axe  der  Kolonie. 

Bei  Besprechung  dieser  Verhältnisse  müssen  wir  gleichzeitig  einen 
Blick    auf    die    mögliche    Bedeutung    der    perlschnurförmigen    Kolonien 


*)  Die  centrale,  sehr  weiche  und  fiiissigkeitsreiche  Gallertkugel,  von  welcher  Brandt  (36) 
bei  Collosphaeta  spinosa  und  Collozoum  coeruleum  spricht,  ist  wohl  ohnn  Zweifel  identisch 
mit  der  geschilderten  grossen  Vacuole  fridierer  Forscher. 


Fortijflanzung  durch  Schwärmer.  449 

werfen.  Häckel  und  Hertwig  sind  geneigt,  in  ihnen  die  Vorbereitungsstadien 
zu  einem  Vermebrungsvorgang  der  Kolonie  zu  erkennen.  Sie  glauben,  dass 
sich  die  einzelnen  Glieder  später  von  einander  ablösen ;  jedoch  ist  bis 
jetzt  durch  directe  Beobachtung  eine  solche  Vermehrung  der  Kolonien  noch 
nicht  constatirt  worden  und  Brandt  (36)  glaubt  dieselbe  zurückweisen  zu 
müssen,  da  er  bei  lang  fortgesetzter  Beobachtung  derartiger  Kolonien 
keinerlei  Veränderung  derselben  wahrnehmen  konnte. 

Wir  haben  bei  den  Heliozoen  erfahren,  dass  individuenreiche  Ko- 
lonien in  mehrere  individuenärmere  zu  zerfallen  im  Stande  sind  und 
dürfen  einen  solchen  Vorgang  daher  an  und  für  sich  nicht  für  unwahr- 
scheinlich halten.  Eine  solche  Vermehrung  der  Kolonien  durch  Zerfall 
besitzt  ein  ziemlich  hohes  allgemeines  Interesse,  weil  dadurch  eine  mit 
dem  Organismus  der  höheren,  vielzelligen  Thiere  vergleichbare,  indivi- 
duelle Einheitlichkeit  der  Kolonie  gegeben  wird. 

C.  Fortpflanzung  der  Eadiolarien  durch  Schwärmerbildung-, 

Schon  den  ersten  genaueren  Beobachtern  unsrer  Abtheilung  fiel  es 
auf,  dass  die  Centralkapsel  gewisser  Individuen  zuweilen  von  sehr  klei- 
nen, sich  lebhaft  bewegenden,  infusorienartigen  Körperchen  dicht  erfüllt 
war.  So  hatte  schon  J.  Müller  eine  solche  Beobachtung  bei  einer  Acantho- 
metra  gemacht,  Schneider  (13)  fand  Aehnliches  bei  ThalassicoUa  nucleata 
und  Häckel  (16)  bei  dem  Sphaerozoum  punctatum.  Da  jedoch  genauere 
Untersuchungen  über  die  Entstehung  dieser  Körperchen  der  Centralkapsel 
fehlten,  so  konnten  dieselben  nur  vermuthungsweise  mit  der  Fortpflanzung 
in  Zusammenhang  gebracht  werden,  indem  es  ja  leicht  nur  parasitäre  Orga- 
nismen sein  konnten,  wie  sie  bei  der  Untersuchung  der  Fortpflanzungs- 
vorgänge anderer  Protozoen  vielfach  irregeleitet  haben.  Erst  die  inter- 
essanten Untersuchungen  Cienkowsky's  (23)  brachten  den  Nachweis,  dass 
diese  flagellatenartigen  Körperchen  bei  gewissen  Sphaerozoeen  thatsäch- 
lich  aus  einem  Zerfall  des  Centralkapselplasmas  hervorgehen  und  jeden- 
falls mit  Recht  als  Schwärmer  zu  betrachten  sind,  welche  in  den 
Entwicklungskreis  der  betreffenden  Radiolarien  gehörten.  In  der  Folge 
wurden  diese  Untersuchungen  von  Hertwig  (28)  bestätigt  und  erweitert; 
auch  K.  Brandt  (36)  trug  neuerdings  zu  ihrer  weiteren  Vervollkommnung  bei. 

Leider  sind  aber  bis  jetzt  alle  Versuche  missglückt,  welche  darauf 
gerichtet  waren,  die  Weiterentwicklung  der  flagellatenartigen  Schwärmer 
zur  typischen  Radiolariengestalt  zu  verfolgen,  so  dass  also  noch  eine 
störende  Lücke  in  der  Fortpflanzungs  -  und  Entwicklungsgeschichte  der 
Radiolarien  auszufüllen  bleibt.  Stets  starben  die  freigewordnen  Schwärmer 
nach  kurzer  Frist  (höchstens  1 — 2  Stunden)  ab,  ohne  einen  Fortschritt  in 
der  Entwicklung  zu  verrathen. 

Die  koloniebildenden  Sphaerozoeen  haben  nicht  nur  anfänglich,  son- 
dern auch  in  der  Folge  das  wesentlichste  Material  zu  genaueren  Ermitt- 
lungen über  diesen  Fortpflanzungsact  geliefert,  wozu  die  Häufigkeit  ihres 
Vorkommens   wohl  hauptsächlich   beitrug;   was   wir  über  diese  Vorgänge 

B  V  o  n  u  ,  Klassen  des  Thier-Eeielis.    Protozoa.  29 


450  Eadiolaria. 

bei  anderen  Radiolarienabtheilungen  wissen ,  ist  im  Ganzen  wenig  mehr 
wie  ihre  Existenz  bei  einigen  und  einiges  Genauere  bei  einer  Collide, 
der  häufigen  Thalassicolla  nucleata. 

Unsere  Darstellung  wird  daher  auch  zunächst  die  Verhältnisse  bei 
den  Sphaerozoeen  ins  Auge  fassen  müssen. 

Wie  schon  früher  bemerkt,  unterliegt  es  keinem  Zweifel,  dass  bei 
den  Radiolarien  die  frühere  oder  spätere  Ausbildung  des  mehr-  bis  viel- 
kernigen Zustandes  auf  den  zu  beschreibenden  Fortpflanzungsact  durch 
Schwärmerbildung  hinzielt,  so  dass  sich  hieraus  schon  entnehmen  lässt, 
dass  das  gelegentliche  Auftreten  zahlreicher  kleiner  Kerne  in  der  Central- 
kapsel  gewisser,  für  gewöhnlich  einkerniger  Formen  ein  vorbereitendes 
Stadium  der  Schwärraerbildung  darstellt. 

Bei  den  Sphaerozoeen  tritt  jedoch,  wie  uns  schon  bekannt,  der  viel- 
kernige Zustand  sehr  frühzeitig  im  Leben  des  Individuums  auf,  so  dass 
wir  nur  selten  einkernigen  Zuständen  begegnen. 

Sehr  eigenthümlich  erscheint  es  jedoch  und  verdient  im  Voraus  einige 
Beachtung,  dass  der  Vorgang  der  Schwärmerentwicklung  bei  den  Sphae- 
rozoeen nicht  immer  den  gleichen  Verlauf  nimmt,  sondern  dass  bei  ge- 
wissen Formen  sicher,  vielleicht  jedoch  bei  allen,  zwei  verschiedne  Modi 
der  Schwärmerentwicklung  auftreten,  welche  auch  zu  einem  verschiednen 
Endresultat,  d.  h.  zu  zwei  verschieden  gebauten  Schwärmerformen  hin- 
führen. 

Die  Hervorbildung  der  Schwärmer  scheint  bei  den  Sphaerozoeen  sehr 
allmählich  zu  geschehen,  wenigstens  gehen  die  vorbereitenden  Stadien 
der  reichlichen  Kernvermehrung  sehr  allmählich  vor  sich.  Für  beide 
Modi  der  Schwärmerbildung  bilden  Kolonien  den  Ausgangspunkt, 
deren  Centralkapseln  einen  massigen,  centralen  Kernhaufen  einschliessen. 
Bei  dem  ersten  und  einfacheren  Modus  der  Schwärmerbildung,  der  Bil- 
dung der  sogen.  Krystallschwärmer,  tritt  unter  gleichzeitigem  Wachsthum 
der  Centralkapsel  eine  lebhafte  successive  Vermehrung  der  Kerne  ein, 
welche  schliesslich  zu  einer  dichten  Erfüllung  des  Centralkapselplasmas 
mit  kleinen,  wie  schon  früher  bemerkt,  völlig  oder  nahezu  homogenen 
Kernen  führt.  Das  Genauere  über  die  Art  dieser  Kernvermehrung  ist  schon 
früher  von  uns  besprochen  worden.  Im  spärlichen  Plasma,  welches  die 
dicht  gedrängten  Kerne  unter  einander  verkittet,  bilden  sich  im  weiteren 
Verlauf  kleine,  etwa  wetzsteinförmige  Kryställchen  aus,  welche  allmählich 
aus  minutiösen  Anfängen  hervorwachsen  und  sich  in  gleicher  Zahl  wie 
die  Kerne  einstellen.  Zu  jedem  der  Kerne  gesellt  sich  in  dieser  Weise  ein 
Kryställchen  hinzu  (XVIII.  6k).  Ausserdem  fanden  sich  schon  früher  im  Plasma 
zahlreiche  feine  Fettkörnchen  vertheilt,  welche  sich  gleichfalls  so  grup- 
piren,  dass  jedem  Kern  einige  wenige  Fettkörnchen  anliegen.  Hand  in 
Hand  mit  dem  Anwachsen  der  sogen,  wetzsteinförmigen  Kryställchen  ver- 
mehren sich  auch  die  Fettkörnchen  in  der  Umgebung  jedes  Kernes. 
Das  Auftreten  aller  dieser  zahlreichen,  sehr  verschieden  lichtbrechenden 
Elemente  bewirkt,  dass  die  Durchsichtigkeit  der  Kapseln  sich  successive 


Fortpflanzung  durch  Scliwärmo.r  (Krystallscliwilrmer).  451 

vermindert,  bis  sie  schliesslich  ganz  undurchsichtig,  schwarz  oder  im  auf- 
fallenden Lichte  weisslich  erscheinen. 

Auf  dieses  Entwicklungsstadium  vollzieht  sich  nun  eine  tiefgehende 
Umbildung  der  gesammten  Kolonie,  welche  sich  vielleicht  am  ehesten  den 
Vorgängen  vergleichen  lässt,  die  den  Encystirungs-  und  Fortpflanzungs- 
process  gewisser  Heliozoen  (vergl.  Actinosphaeriuni  p,  313)  einleiten. 

Die  Pseudopodien  werden  eingezogen,  die  extrakapsulären  Vacuolen 
versehwinden  und  indem  die  Kapseln  sich  allmählich  zu  einem  Haufen 
im  Centrum  der  Kolonie  zusammenziehen,  hört  deren  Schwimmbefähigung 
auf  und  sie  sinkt  zu  Boden  (wenigstens  trat  diese  Erscheinung  bei  der 
Züchtung  in  Versuchsgläsern  stets  ein). 

Eigenthümlich  ist  weiterhin ,  dass  die  gewöhnlich  in  Ein-  oder  Mehr- 
zahl vorhandnen  intrakapsulären  Oelkugelu  nach  den  Erfahrungen  Hertwig's 
um  diese  Zeit  allmählich  einer  Eückbildung  unterliegen.  Schon  früher 
wurde  darauf  hingewiesen,  dass  Hertwig  aus  den  Erscheinungen  dieser 
Rückbildung  schliesst,  dass  ein  eiweissartiges  Substrat  diese  Oelkugeln 
imprägnire.  Es  stellen  sich  diese  Rückbildungszustände  nämlich  als  helle 
blasenartige,  einige  Fettkörnchen  einschliessende  Körper  dar,  welche  bei 
Zusatz  von  Reagentien  gerinnen.  Aus  diesen  Vorgängen  lässt  sich  mit 
grosser  Wahrscheinlichkeit  schliessen,  dass  die  Resorption  der  Oelkugeln 
mit  der  Entstehung  der  Fettkörnchen  um  die  Kerne  in  ursächlichem  Zu- 
sammenhange steht,  wie  zuerst  Hertwig  aussprach,  d.  h.  dass  die  Oel- 
kugeln Reservenahrung  repräsentiren,  welche  bei  der  Schwärmerfortpflan- 
zung auf  die  einzelnen  Sprösslinge  vertheilt  wird*).  Auch  die  später  erst 
zu  besprechenden  sogen,  extrakapsulären  gelben  Zellen  zerfallen  nach 
Hertwig  allmählich ;  doch  hat  Brandt  neuerdings  hervorgehoben,  dass  eine 
solche  Zerstörung  der  gelben  Zellen  durchaus  nicht  bei  sämmtlichen 
Sphaerozoeen  eintrete,  speciell  dem  Sphaerozoum  punctatum  J.  M.  sp. 
und  einer  weiteren  Art  fehle,  dagegen  wohl  bei  dem  von  Hertwig  haupt- 
sächlich untersuchten  CoUozoum  inerme  Hck.  und  dem  Sphaerozoum  nea- 
politanum  Brdt.  zu  beobachten  sei.  Diese  Erfahrungen  stehen  denn  auch 
im  Allgemeinen  besser  im  Einklang  mit  der  jetzt  ziemlich  zur  Geltung 
gelangten  Auffassung  der  gelben  Zellen  als  parasitäre  Algen.  Später 
werden  wir  diese  Angelegenheit  im  Zusammenhang  zu  erörtern  haben. 

Die  definitive  Bildung  der  Schwärmsprösslinge  im  Innern  der  Kapsel 
vollzieht  sich  nun,  soweit  erforscht,  einfach  in  folgender  Weise.  Nachdem 
sich  das  extrakapsuläre  Plasma  völlig  in  die  Centralkapsel  zurückgezogen 
hat,  zerfällt  deren  Inhalt  durch  simultane  Zelltheilung  in  eine  der  Zahl 
der  Kerne  entsprechende  grosse  Menge  von  Sprösslingen,  von  welchen 
jeder  das  dem  Kern  anliegende  wetzsteinförmige  Kryställchen  und  eine  An- 
zahl Fettkörnchen  einschliesst  (XVIII.  6  b).  Schon  innerhalb  der  Central- 
kapsel entwickeln  diese  Schwärmer  je  eine  Geissei  und  man  erblickt  sie 


*)  Cienkowsky  (23)  dagegen  gibt  sowohl  für  CoUosphaera  wie  Collozouni  an,  dass  die 
Oelkugeln  keine  Veränderung  erleiden  und  sich  an  der  Bildung  der  Schwärmer  nicht  be- 
theiligen. 

29* 


452  Kadiülaria. 

aueb  häufig  schon  in  der  Kapsel  in  tumultuarischer  Bewegung.  Schliesslich 
platzt  die  Kapselmembran  und  entlässt  den  Schwärm  der  Sprösslinge.  Die 
Gestalt  der  ausgebildeten  Schwärmer  ist  eine  ungefähr  ovale  (XVIII.  6n) ;  das 
eine  etwas  zugespitzte  Ende  trägt  die  nach  Hertwig  und  Brandt  einfache 
Geissei,  wogegen  Cienkowsky  die  Schwärmer,  wahrscheinlich  irrthümlich, 
als  zweigeisselig  beschrieb.  Dicht  hinter  der  Geisseibasis  findet  sich  im 
vorderen  Körperabschnitt  der  runde  Kern,  während  hinten  das  Kryställ- 
chen  und  die  Fettkörnchen  ihre  Lage  finden.  Solche  Krystallschwärmer 
sind  nun  ausser  bei  Collozoum  inerme  auch  bei  CoUosphaera  von  Cien- 
kowsky und  Hertwig  und  bei  einigen  Sphaerozoeenarten  von  Brandt  beob- 
achtet worden. 

Der  zweite  Modus  der  Schwärmerbildung,  welcher  bis  jetzt  nur  von 
Collozoum  inerme  durch  Hertwig  genauer  geschildert  wurde,  der  jedoch 
nach  Brandt  auch  beiSphaerozoum  punctatum  neben  derKrystallschwärmer- 
bildung  vorkommt  und  weiterhin  von  letztgenanntem  Forscher  auch  bei 
Sphaerozoum  acuferum  beobachtet  wurde,  verläuft  etwas  complicirter.  Wie 
früher  bemerkt,  geht  auch  dieser  Process  von  einem  ähnlichen  Zustand 
aus,  wie  der  erstbeschriebene.  Bei  der  Vermehrung  der  Centralkapsel- 
kerne  zeigt  sich  jedoch  die  Eigeuthümlichkeit,  dass  die  durch  successive 
Vermehrung  eines  Kernes  entstehenden  zahlreichen  neuen  und  kleineren 
zu  einem  dicht  zusammengedrängten  Kernhäufchen  vereinigt  bleiben ,  so 
dass,  wie  schon  Cienkowsky  fand  und  Hertwig  später  genauer  darstellte, 
der  Inhalt  der  Centralkapsel  aus  einer  beträchtlichen  Zahl  dicht  zusammen- 
gepackter und  daher  gegeneinander  polygonal  abgeplatteter  Kernhaufen 
besteht,  welche  sich  um  die  centrale  Oelkugel  vertheilt  finden.  Zuweilen 
finden  sich  im  Umkreis  der  centralen  Oelkugel  einige  kleinere,  um  welche 
sich  die  Kernhaufen  rosettenförmig  gruppiren  (XVIII..  Gi)  Letztere  Zustände 
sind  es  wahrscheinlich,  welche  Häckel  einst  (16)  veranlassten,  eine  endogene 
Vermehrung  der  Centralkapsel  bei  den  Sphaerozoeen  anzunehmen,  indem 
er  je  eine  der  kleineren  Oelkugelu  mit  den  sie  umgebenden  Kernhaufen 
für  die  Anlage  einer  jungen  Centralkapsel  hielt. 

Jedem  dieser  Kernhaufen  angelagert,  bildet  sich  früher  oder  später 
ein  Häufchen  Fettkörner  aus  und  diese  Fettkörnchenbildung  schreitet 
weiter  fort,  während  gleichzeitig  eine  allmähliche  Eesorption  der  grossen 
und  kleineren  Oelkugeln  stattfindet,  bis  diese  schliesslich  völlig  schwin- 
den. Damit  geht  denn  auch  hier  ein  ündurchsichtigwerden  der  gesammten 
Centralkapsel  Hand  in  Hand,  während  gleichzeitig  dieselben  Rückbildungs- 
erscheinungen der  gesammten  Kolonie  eintreten,  welche  wir  schon  bei 
dem  erstbesprochnen  Modus  antrafen. 

Die  schliessliche  definitive  Ausbildung  der  Schwärmer  vollzieht  sich 
in  der  Weise,  dass  jeder  der  Kernhaufen  mit  dem  ihm  zugehörigen  Plasma 
von  seiner  Oberfläche  aus  allmählich  in  zahlreiche  Zellen  oder  Schwärmer- 
anlagen zerfällt,  von  welchen  jede  einen  der  Kerne  und  ein  Häufchen 
Fettkörner  einschliesst  (Gh,  6i).  Hierbei  zeigt  sich  nun  aber  die  auch  schon 
in  einer  differenten  Bildung  der  Kernhaufen  angedeutete  Verschiedenheit, 


Fortpflanzung  durch  Schwärmer  (Makro-  u.  Mikrosporen).  453 

dass  zweierlei  in  ihrer  Grösse  sich  unterscheidende  Spnisslinge,  sogen. 
Makro-  und  Mikrosporen  zur  Ausbildung  gelangen.  Die  ersteren  gehen 
aus  Kernhaufen  mit  ansehnlicheren  und  an  Zahl  geringeren  Kernen  hervor, 
welche  durch  eine  beträchtlichere  Plasmaraenge  mit  einander  vereinigt 
sind ;  die  letzteren  dagegen  aus  solchen,  in  welchen  die  kleineren  Kerne  so 
dicht  gehäuft  sind,  dass  das  sie  verbindende  Plasma  nahezu  verschwindet. 

Ausser  durch  den  Mangel  des  krystallinischen  Stäbchens  unterscheiden 
sich  diese  Makro-  und  Mikrosporen  (6  m)  auch  in  ihrer  Gesammtgestalt  nicht 
unbeträchtlich  von  den  sogen.  Krystallschwärmern ;  sie  sind  nämlich  im 
Allgemeinen  plumper,  mehr  oval  bis  nieren-  oder  bohnenförmig,  indem 
sich  über  ihre  eine  Seite,  welche  auch  die  etwas  von  dem  Pol  abge- 
rückte Geissei  trägt,  eine  schiefe  Furche  hinzieht.  Mit  dieser  Verlagerung 
des  Geisseiursprungs  steht  weiterhin  auch  im  Zusammenhang,  dass  das 
geisseltragende  Vorderende  nicht  so  zugespitzt  ist,  wie  bei  den  Krystall- 
schwärmern. Wie  bei  diesen  letzteren  ist  auch  der  Kern  im  Vorderende 
gelagert  und  weiter  nach  hinten  liegt  das  hier  ansehnlichere  Häufchen 
von  Fettkörnchen,  welches  schon  früher  erwähnt  wurde. 

Der  Grössenunterschied  zwischen  den  sonst  sehr  ähnlich  gebauten 
Makro-  und  Mikrosporen  ist  recht  beträchtlich,  die  ersteren  erreichen  etwa 
die  doppelte  bis  dreifache  Länge  der  letzteren. 

Es  empfiehlt  sich,  gleich  an  dieser  Stelle  die  wahrscheinliche  Bedeu- 
tung der  drei  Arten  von  Schwärmsprösslingen  zu  erörtern.  Schon  früher 
wurde  betont,  dass  bis  jetzt  über  das  weitere  Schicksal  derselben  durch 
directe  Beobachtung  keinerlei  Aufschluss  gewonnen  werden  konnte. 

Hertwig  hielt  es  für  nicht  unwahrscheinlich,  dass  die  Krystall- 
schwärmer  und  die  Krystallosen  überhaupt  nicht  in  den  Entwicklnngs- 
kreis  einer  und  derselben  Art  gehörten,  sondern  dass  wahrscheinlich  zwei 
verschiedne,  im  Uebrigen  sehr  ähnliche  Arten  unter  der  Bezeichnung 
Collozoum  inerme  seither  vermischt  worden  seien,  welche  sich  wesentlich 
nur  durch  die  Verschiedenheit  der  Schwärmerbildung  unterschieden.  Die 
neueren  Untersuchungen  Brandt's  machen  es  dagegen  sehr  wahrschein- 
lich, dass  diese  beiden  Schwärmerformen  thatsächlich  in  den  Entwicklungs- 
cyclus  derselben  Art  gehören  und  dass,  wie  schon  früher  erwähnt  wurde, 
die  zweierlei  Sprösslingsformen  nicht  nur  bei  dem  Collozoum  inerme, 
sondern  auch  noch  bei  einer  Reihe  weiterer  Sphaerozoeen,  vielleicht  sogar 
bei  allen,  auftreten.  Brandt  suchte  es  daher  wahrscheinlich  zu  machen, 
dass  sich  nach  Analogie  mit  den  Fortpflanzungsverhältnissen  gewisser 
Algen,  bei  den  Sphaerozoeen  ein  Generationswechsel  finde,  d.  h.  dass  die 
Krystallschwärmer  eine  ohne  Copulation  sich  weiter  entwickelnde  Gene- 
ration darstellten,  während  die  krystallfreien  Makro-  und  Mikrosporen 
zu  ihrer  weiteren  Entwicklung  wahrscheinlich  zunächst  einen  Copulations- 
act  zu  vollziehen  hätten,  d.  h.  die  geschlechtlich  differenzirte  Generation 
repräsentirten.  Die  letztere  Vermuthung  hatte  hinsichtlich  der  Makro-  und 
Mikrosporen  auch  schon  Hertwig  geäussert.  So  interessant  sich  nun  auch 
auf  Grund  dieser  Vermuthungen  die  Fortpflanzung  gewisser  und  vielleicht 


454  Kadiolaria. 

aller  Radiolarien  gestalten  würde,  so  darf  doch  nicht  vergessen  werden, 
dass  es  sich  zunächst  um  blosse  Vermuthungen  handelt,  welche  ihre 
Stützen  nur  in  Analogien  finden.  Mit  diesem  nicht  unwahrscheinlichen 
Copulationsact  zwischen  Makro-  und  Mikrosporen  ist  denn  auch  Alles  ge- 
geben, was  wir  bis  jetzt  von  dem  Auftreten  einer  solchen  Erscheinung 
im  Leben  der  Radiolarien  wissen.  Schon  früher  wurde  die  grosse  Un- 
wahrscheinlichkeit  betont,  welche  ein  etwaiger  Versuch,  die  erwähnten 
Theilungserscheinungen  der  Phaeodarien  und  eventuell  auch  der  Sphaero- 
zoeen  auf  Copulationsvorgänge  zu  beziehen,  haben  würde. 

Wie  schon  bemerkt,  ist  bezüglich  der  Schwärmerbildung  der  übrigen 
Radiolarien  bis  jetzt  nur  sehr  wenig  bekannt.  Hauptsächlich  bei  einer 
Collide,  der  Thalassicolla  nucleata,  sind  hierüber  noch  einige  Beobach- 
tungen von  Hertwig  angestellt  worden,  welche  jedoch  keine  besonderen 
Aufschlüsse  über  den  allgemeinen  Vorgang  eröffneten.  Im  Ganzen  scheint 
sich  der  Verlauf  der  Schwärmerbildung  der  Thalassicolla  ziemlich  nahe 
an  den  zweitbesproclmen  Modus  der  Sphaerozoeen  anzuschliessen. 

Wie  schon  früher  ausführlich  geschildert  wurde,  treten  unter  wahr- 
scheinlicher gleichzeitiger  Rückbildung  des  ursprünglichen  centralen  an- 
sehnlichen Kernes  (Binnenbläschen)  im  Centralkapselplasma  der  Thalassi- 
colla zahlreiche  kleine  Kerne  auf,  welche  sich  zu  zahlreichen  grösseren 
und  kleineren  Haufen  dicht  zusamniengruppiren.  Die  Haufen  werden  nur 
durch  sehr  spärliches  Plasma  von  einander  geschieden.  Der  eigentliche 
Entwicklungsact  der  Schwärmer  scheint  auch  im  Weiteren  ganz  ähnlich 
dem  zweiten  Modus  der  Sphaerozoeen  zu  verlaufen.  Der  gesammte 
CentralkapseHnhalt  scheint  zunächst  in  eine  der  Zahl  der  Kernhaufen  ent- 
sprechende Anzahl  Stücke  zu  zerfallen  und  jedes  dieser  sich  wieder  der 
Kernzahl  entsprechend  weiter  in  zahlreiche  einzelne  Schwärmsprösslinge 
zu  zerlegen.  Man  stösst  dabei  auf  Gruppen  von  Schwärmern  in  dem  In- 
halt schon  ziemlich  reifer  Centralkapseln,  welche  ohne  Zweifel  aus  dem 
Zerfall  der  geschilderten  Kernhaufen  hervorgegangen  sind.  In  solchen 
Gruppen  erscheinen  die  einzelnen  Schwärmer  noch  mit  ihren  centralen 
Enden  verschmolzen,  d.  h.  ihre  Sonderung  ist  noch  eine  unvollständige. 
Ob  sich  bei  dieser  Schwärmerbildung  das  sogen.  Binnenbläschen,  d.  h. 
der  ursprüngliche,  centrale  Nucleus,  schliesslich  völlig  zurückbildet,  ist 
bis  jetzt  noch  nicht  sicher  festgestellt;  zur  Beobachtung  gelangte  er 
wenigstens  bei  so  weit  fortgeschrittnen  Stadien  bis  jetzt  noch  nicht.  Sicher 
erscheint  dagegen  wohl,  dass  auch  bei  Thalassicolla  die  früher  beschrieb- 
nen  Oelkugeln  und  Concremente  der  intrakapsulären  Eiweisskugeln  im 
Verlaufe  der  Schwärmerentwicklung  zurückgebildet  werden.  Der  nahezu 
reifen  Centralkapsel  fehlten  die  Oelkugeln  ganz,  die  Concremente  dagegen 
boten  ein  halbzerstörtes  Aussehen  dar,  welches  sich  nur  als  eine  allmäh- 
liche Auflösung  derselben  erklären  Hess.  Die  reifen  Schwärmsprösslinge 
der  Thalassicolla  (XVII.  4  b)  gleichen  den  krystalllosen  Schwärmern  der 
Sphaerozoeen  sehr,  namentlich  ist  die  auch  hier  einfache  Geissei  ganz  ebenso 
angebracht  wie  bei  diesen.  Die  noch  unreifen  Schwärmer  besitzen  dagegen 


B'ortpflaiiz.  d.  Schwärmer  (Tlialass.  iiucl.).     Extrakaps.  Körper.  455 

ein  zugespitztes  geisselloses  Ende  (4b  rechts),  was  sich  ohne  Zweifel  aus  ihrer 
ursprünglichen  Zusammendrängung  zu  Ballen  erklärt,  in  welchen  sich  die 
zahlreichen  Sprösslinge  radial  um  ein  Centrum  gruppiren,  Alle  »Schwär- 
mer einer  Kapsel  besassen  die  gleiche  Grösse,  so  dass  sich  demnach  bei 
Thalassicolla  eine  Erzeugung  von  Makro-  und  Mikrosporen  entweder  nicht 
findet,  oder  auf  verschiedne  Individuen  vertheilt  erscheint. 

Am  Schlüsse  unserer  Darstellung  der  Fortpflanzungsverhältnisse  der 
Radiolarien  werfen  wir  noch  einen  Blick  auf  eine  bei  den  koloniebildenden 
Sphaerozoeen,  speciell  dem  Collozoum  inerme  Hck.*)  zuweilen  beobachtete 
Erscheinung,  welche  sonder  Zweifel  mit  Fortpflanzungsvorgängen  in  Zu- 
sammenhang steht,  hinsichtlich  deren  Deutung  jedoch  noch  keine  Eini- 
gung unter  den  verschiednen  Forschern  erzielt  wurde.  Ich  zweifle  nicht, 
dass  A.  Stuart  (21)  dieselbe  zuerst  bei  Collozoum  beobachtete;  er  be- 
schreibt nämlich,  dass  eine  Neubildung  von  Centralkapseln  auch  in 
der  AYeise  geschehe,  dass  sich  im  extrakapsulären  Plasma,  oder 
auch  zwischen  den  Pseudopodien,  Klümpchen  verdichteten  Protoplasmas 
bildeten,  in  welchen  kleine  Fetttröpfchen  auftreten.  Letztere  sollen  sich 
später  zu  einem  centralen  Tropfen  vereinigen.  Hierauf  vollziehe  sich  eine 
Diflferenzirung  der  Protoplasmaklümpchen  in  eine  helle  Aussenschicht  und 
eine  dunkle  Centralmasse,  welch  letztere  die  Centralkapsel  des  neuent- 
standnen  Individuums  darstelle. 

Identisch  mit  diesen  Protoplasmaklümpchen  Stuart's  sind  nun  ohne 
Zweifel  die  eigenthümlichen  Plasmakörper,  welche  Cienkowsky  (23jf  und 
nach  ihm  Hertwig  (28),  zuweilen  in  grosser  Zahl  um  die  Centralkapseln 
gewisser  CoUozoen  beobachteten  und  die  Hertwig  als  extrakapsuläre  Körper 
bezeichnete  (XVII.  6  o).  Es  sind  stark  lichtbrechende,  membranlose  plasma- 
tische Körper,  im  Allgemeinen  von  rundlicher  Gestalt,  welche  einige  wenige 
Fetttröpfchen  (Cienkowsky)  oder  ein  maulbeerartig  zusammengruppirtes, 
centrales  Häufchen  von  Fetttröpfchen  (Hertwig)  einschliessen. 

Besonders  wichtig  ist  jedoch  der  zuerst  von  Hertwig  erbrachte  Nach- 
weis, dass  diese  Körper  auch  eine  verschiedne  Zahl  echter  Nuclei  ent- 
halten, bald  wenige  grössere,  bald  zahlreichere  kleinere  (6  p).  Diese  Kerne 
bilden  sogar  die  Hauptmasse  der  Körper.  Eigenthümlich  ist  weiterhin  die 
Unregelmässigkeit  der  Gestalt  der  extrakapsulären  Körper;  zuweilen  er- 
scheinen sie  eingeschnürt  bisquitförmig,  meist  sind  sie  ziemlich  unregelmässig 
und  verschiedenartig  ausgebuchtet  bis  gelappt.  Cienkowsky  beobachtete 
auch  nicht  selten  die  Bildung  spitziger  Fortsätze  bei  ihnen.  Derselbe 
Forscher  glaubt  sich  auch  überzeugt  zu  haben,  dass  sie  sich  durch  Thei- 
luug  rege  vermehren  und  seine  Ansicht  über  ihre  Bedeutung  ist  ungefähr 
identisch  mit  der  Stuart's;  auch  er  glaubt,  dass  sie  sich  zu  jungen  Kap- 
seln entwickeln  und  leitet  ihre  Entstehung  aus  dem  extrakapsulären 
Plasma  ab.  An  Kapseln,  welche  von  solchen  extrakapsulären  Körpern 
umhüllt  waren,  Hess  sich  überhaupt  nur  noch  ein  Rest  des  extrakapsulären 


*)  Nach  Brandt  (36)  auch  Collozoum  pclagicuin  Hck. 


456  Radiolaria. 

Plasmas  als  eine  dünne  Schleimschicht  erkennen.  Gegen  diese  x\nsicht 
verhält  sich  Hertwig  abiebnend ;  er  führt  verscbiedne  Gründe  auf,  welche 
es  wenig  wahrscheinlich  machen,  dass  sich  die  fraglichen  Körper  zu 
jugendlichen  Centralkapseln  entwickeln  und  sucht  die  Vermuthung  zu 
begründen,  dass  sie  aus  dem  intrakapsulären  Plasma  hervorgegangen 
seien.  Ihm  dünkt  es  wahrscheinlich,  dass  sie  den  Kernhäufchen,  sammt 
umgebendem  Plasma,  entsprechen,  welche  sich,  wie  früher  geschildert,  bei 
dem  zweiten  Modus  der  Schwärmerbildung,  d.  h.  dem  der  kry stallfreien 
Schwärmer,  in  der  Centralkapsel  entwickeln. 

In  mancher  Beziehung  besitzen  denn  auch  die  extrakapsulären  Kör- 
per eine  ziemliche  Aehnlichkeit  mit  den  früher  geschilderten  Kernhäufchen 
der  Centralkapsel  und  diese  Aehnlichkeit  wird  noch  dadurch  vermehrt, 
dass  Hertwig  gelegentlich  Zustände  der  extrakapsulären  Körper  beobach- 
tete, deren  dicht  traubenförmig  gelappte  Oberfläche  den  bevorstehenden 
Zerfall  in  zahlreiche  kleine  Stücke  anzudeuten  schien.  Statt  der  grösseren 
Fetttröpfchen  fand  sich  bei  solchen  Körpern  ein  centrales  Häufchen  sehr 
kleiner  Fettkörnchen.  Als  weitere  Consequenz  dieser  Hertwig'schen  Auf- 
fassung der  extrakapsulären  Körper  würde  sich  ergeben,  dass  dieselben 
schliesslich  in  krystallfreie  Schwärmer  zerfielen. 

Brandt  spricht  sich  in  seiner  schon  öfters  citirten  Arbeit  (36)  in  einer 
zwischen  den  beiden  entgegenstehenden  Ansichten  vermittelnden  Weise 
aus,  indem  er  sowohl  die  Weiterentwicklung  der  extrakapsulären  Körper  zu 
jungen  Centralkapseln  wie  auch  zu  Schwärmern  für  wahrscheinlich  hält. 
Die  fraglichen  Körper  selbst  gehen  nach  ihm  durch  Abschnürung  aus  der 
jugendlichen,  noch  membranlosen  Centralkapselmasse  hervor. 

Wie  sich  aus  der  obigen,  wegen  Unsicherheit  der  thatsächlichen  Er- 
mittlungen naturgemäss  etwas  breiten  Darstellung  ergibt,  sind  unsere  Er- 
fahrungen bis  jetzt  zu  aphoristisch ,  um  die  jedenfalls  sehr  interessante 
und  morphologisch  wichtige  Natur  der  extrakapsulären  Körper  einiger- 
maassen  sicher  zu  begründen. 


6.  Biologisehe  Verliältnisse  der  Radiolarien,  insofern  dieselben  in  Vor- 
stehendem noch  keine  ausreichende  Besclireibung  fanden. 

A.    Parasiten  der  Radiolarien. 

Bis  jetzt  hat  die  Forschung  nur  eine  Form  wahrscheinlich  parasiti- 
scher Organismen  im  Körper  der  Radiolarien  aufgefunden,  dafür  besitzt 
dieselbe  jedoch  auch  eine  Verbreitung  und  Bedeutung,  welche  Parasiten 
sonst  gewöhnlich  nicht  zukommt.  Es  sind  dies  die  sogen,  extrakapsulären 
gelben  Zellen,  welche  schon  vielfach  Gegenstand  der  Erörterung  waren, 
bis  es  erst  vor  verhältnissmässig  kurzer  Zeit  gelang,   ihre  parasitische*) 


*)  unter  der  Bezeichnung  Parasitismus  soll  jedoch  hier  nur  der  Aufenthalt  dieser  pflanz- 
lichen Eindringlinge   in   der  Leibessubstanz   der   Eadiolarien   gekennzeichnet   werden,   nicht 


Gelbe  Zellen  (Vorkommen,  Baxi)_  457 

uod  pflanzliche  Natur  wohl  ganz  sicherzustellen.  Das  Eigenthüraliche 
dieser  parasitischen  Gebilde  liegt  wesentlich  in  ihrer  grossen  Häutigkeit, 
:Verbreitung  und  Zahl,  so  dass  den  früheren  Beobachtern  ein  Zweifel  über 
.ihre  Zugehörigkeit  zum  Organismus  der  Radiolarien  und  zwar  als  iute- 
grirende  Bestandtheile  desselben  nicht  leicht  auftauchen  konnte.  Schon 
Huxlev  beobachtete  sie  und  durch  J.  Müller  und  Häckel  wurde  ihre 
weite  Verbreitung  bei  den  verschiedensten  Radiolarienabtheilungen  nach- 
gewiesen. Häckel  vermissle  sie  überhaupt  nur  bei  einer  einzigen  Ab- 
theilung, nämlich  den  Acanthometriden,  was  auch  im  Allgemeinen  von 
den  späteren  Beobachtern  bestätigt  wurde.  Dennoch  sind  sie  auch  bei 
den  übrigen  Radiolarien  nicht  so  constant  anzutretfen,  wie  Häckel  ver- 
rauthete;  so  vermisste  sie  Hertwig  (33)  bei  Heliosphaera,  einigen  Cyrtiden 
und  den  Disciden  überhaupt.  Auch  Brandt  (36)  fand,  dass  sie  recht  an- 
sehnlichen Kolonien  von  Collosphaera  noch  vollständig  fehlen  können. 
Diese  Inconstanz  ihres  Auftretens  bei  Formen,  denen  sie  gewöhnlich 
zukommen  oder  deren  nächsten  Verwandten  sie  nicht  fehlen,  steht  wohl 
in  Zusammenhang  mit  der  Erscheinung,  dass  nicht  nur  ihre  Zahl  bei  ver- 
schiednen  Formen  eine  äusserst  wechselnde  ist,  sondern  dass  auch  bei 
einer  und  derselben  Form  der  Reichthum  an  gelben  Zellen  grossen 
Schwankungen  unterliegt. 

Zunächst  dürfte  jedoch  eine  kurze  Schilderung  ihrer  morphologischen 
Eigenthümlichkeiten  am  Platze  sein. 

Die  gelben  Zellen  sind  meist  sphärische,  seltner  ellipsoidische  bis  abge- 
plattete, entschieden  einzellige  Wesen  (XIX. 6a).  Siebesitzen  eine  deutliche, 
scharf  contourirte  Membran,  welche  eine  ziemlich  resistente  Beschatfenheit 
besitzt  und  nach  Brandt  und  Geddes  (39)  aus  Cellulose  bestehen  soll. 
Ihr  protoplasmatischer  Körper  ist  mehr  oder  minder  körnig  und  enthält 
einen  rundlichen,  hellen,  unzweifelhaften  Nucleus.  Die  Färbung  des 
Plasmaleibes  ist  gelb  in  ziemlich  wechselnden  Nuancen,  bald  heller,  bald 
dunkler.  Früher  (16)  schrieb  Häckel  diese  Färbung  einem  körnigen  Pig- 
ment zu,  welches  das  Plasma  erfülle,  später  (18)  dagegen  gelangte  er  zu 
der  Ansicht,  dass  die  gelbe  Färbung  dem  Plasma  selbst  eigenthümlich 
sei,  resp.  sich  von  einem  in  demselben  gelösten  Farbstoff  herschreibe. 
Hertwig  scheint  dagegen  die  ersterwähnte  Auffassung  für  richtig  zu  halten. 

lieber  die  Natur  des  gelben  Farbstoffs  erfahren  wir  in  neuester 
Zeit  von  Geddes,  dass  seine  Uebereinstimmung  mit  dem  der  Diatoma- 
ceen  nicht  zu  bezweifeln ,  dass  er  auch  wie  dieser  nach  Behandlung  mit 
Alkohol  ein  grünes  Residuum  hinterlasse.  Im  Plasma  finden  sich  nun 
weiterhin  mehr  odei*  weniger  reichlich  körnige  Einschlüsse,  welche  Häckel 
(18)  als  Stärke  ansprechen  zu  dürfen  glaubte,  da  sie  sich  mit  Jod  deutlich 


jedoch,   dass   dieselben  im   Sinne   echter  Schmarotzer  ihre  Ernährung  auf  Kosten  der  Radio- 
larien vollziehen;    die  neueren  Untersuchungen  weisen  umgekehrt  darauf  hin,  dass  die  Ernäh- 
rung und  der  Stoffwechsel  der  Radiolarien  von  ihren  pflanzlichen  Gästen  wesentlichen  Nutzen 
-zieht,  wie  unten  genauer  darzustellen  sein  wird. 


458  Radiolaria. 

blau  färbten.  Auch  der  erfahreue  Cienkowsky  (23)  schloss  sich  dieser 
Ansicht  an,  wogegen  sich  Hertwig  (33)  weniger  sicher  bezüglich  der 
Stärkenatur  dieser  Körnchen  aussprach;  er  erzielte  mit  Jod  eine  violette 
Färbung  derselben.  Brandt  (36)  kommt  zu  der  Ansicht,  dass  es  sich  um 
eine  Modification  des  Amylums  handle,  da  er  an  lebenden  gelben  Zellen 
weder  eine  deutliche  Blaufärbung  der  Körnchen  mit  Jod  beobachten  konnte, 
noch  sie  doppeltbrechend  fand;  dagegen  gelang  Geddes  die  Jodreaction 
bei  Beobachtung  gewisser  Vorsichtsmaassregeln  sehr  wohl,  so  dass  er 
mit  Entschiedenheit  für  den  Stärkemehlgehalt  der  gelben  Zellen  eintritt. 
Aus  allen  diesen  Erfahrungen  scheint  doch  hervorzugehen,  dass  sich 
wirklich  ein  amylumartiger  Körper,  vielleicht  auch  zuweilen  echtes  Amy- 
lum,  im  Plasma  der  gelben  Zellen  findet.  Hertwig  bemerkte  zuweilen 
ausserdem  auch  einige  Oelkügelchen  in  ihnen. 

Schon  J.  Müller  konnte  nachzuweisen,  dass  diese  Zellen  selbst- 
ständiger Vermehrung  durch  Theilnng  fähig  sind.  Häckel  constatirte  dies 
und  untersuchte  den  Theilungsvorgang  näher.  Nach  seiner  Darstellung 
(16,  18)  zerfällt  der  plasmatische  Leib  der  Zellen,  nach  vorhergegangner 
Theilung  des  Kernes,  durch  eine  mittlere  Einschnürung  in  zwei  junge 
Zellen,  welche  sich  hierauf  noch  innerhalb  der  Membran  der  ehemaligen 
Mutterzelle  mit  einer  neuen  Membran  umkleiden  (6b,  c).  Durch  nochmalige 
Wiederholung  desselben  Theilungsvorgangs  sollen  sich  auch  Zustände 
hervorbilden,  bei  welchen  sich  in  der  Membran  der  Mutterzelle  vier  junge 
Zellen  eingeschlossen  finden  (6d).  Späterhin  treten  diese  Tochterzellen  hervor 
und  werden  frei.  Hertwig  vervollständigte  diese  Darstellung  des  Theilungs- 
processes  der  gelben  Zellen  noch  durch  den  Nachweis,  dass  der  Kern 
sich  durch  einfache  (?)  bisquitförmige  Einschnürung  vermehre. 

Die  Grösse  der  gelben  Zellen  ist  ziemlich  variabel.  Häckel  fand 
ihren  Durchmesser  gewöhnlich  zwischen  0,008  und  0,012  Mm.,  jedoch 
schliessen  sich  hieran  nach  beiden  Seiten  Extreme  bis  zu  0,005  und 
0,015  Mm.  Ebenso  schwankend  ist,  wie  schon  hervorgehoben,  ihre  Zahl. 
Am  reichlichsten  trifft  man  sie  im  Allgemeinen  bei  gewissen  grossen  Col- 
liden,  wie  Thalassicolla  und  den  Sphaerozoeen ,  was  jedoch  nicht  aus- 
schliesst,  dass  sie  bei  einzelnen  Gattungen  dieser  Abtheilungen  sehr  spär- 
lich sind  oder  geradezu  fehlen.  So  unter  den  Colliden  bei  Thalassolampe 
nach  Hertwig;  unter  den  Sphaerozoeen  zuweilen  bei  Collosphaera,  bei  welcher 
sie  überhaupt  stets  spärlich  sind.  Bei  Thalassicolla  erhebt  sich  die  Zahl 
der  gelben  Zellen  häufig  auf  Hunderte,  ja  bis  über  1000.  Bei  den 
Sphaerozoeen  sind  sie,  wenn  reichlich,  häufig  zu  mehr  wie  100  um  jede 
Kapsel  vorhanden,  jedoch  ist,  wie  bemerkt,  ihre  Zahl  bei  einer  und  der- 
selben Art  sehr  variabel,  sinkt  unter  Umständen  auf  einige  wenige  Exem- 
plare herab.  Auch  bei  gewissen  Sphaerideeu  sind  sie  in  grosser  Zahl 
vorhanden.  Bei  den  Mouopylaria  trifft  man  sie  im  Allgemeinen  nicht 
sehr  reichlich,  5 — ^15  gelbe  Zellen  sind  hier  das  gewöhnliche  Vorkomm- 
niss,  und  ähnlich  verhalten  sich  auch  zahlreiche  Sphaerideen,  welchen 
sie,  wie  schon  früher  bemerkt,  auch  z.  TJi.  gänzlich  fehlen  können.  Ihre 


Gelbe  Zellen  JJaii,  Bedeutung).  459 

Lage  finden  sie  gewöhnlich  in  dem  sogen.  Mutterboden  der  Pseudopodien, 
wandern  jedoch  von  hier  aus  nicht  selten  auch  mit  dem  Plasma  in  die 
Gallerte  hinein,  ja  zuweilen  sogar  bis  auf  die  Pseudopodien  hinaus.  Ihre 
Lagerung  in  Beziehung  zu  dem  Gesammtorganismus  lässt  sich  hiernach 
schon  im  Allgemeinen  beurtheilen.  Bei  den  koloniebildeuden  Sphaero- 
zoeen  umlagern  sie  die  einzelnen  Centralkapseln ;  bei  den  mehrschaligen 
Sphaerideen  hängt  ihre  Lage  zum  Skelet  natürlich  von  dessen  Beziehungen 
zur  Centralkapsel  ab  und  liegen  sie  daher  gewohnlich  unter  der  äusseren 
Kindenschale.  Ist  die  den  Mutterboden  sammt  den  gelben  Zellen  um- 
schliessende  Gitterschale  sehr  engmaschig,  so  treten  sie  meist  nicht  durch 
die  Maschen  derselben  nach  aussen  hervor  und  bleiben  demnach  stets  in 
die  umschliessende  Gitterschale  eingesperrt;  ist  dagegen  diese  weitmaschig, 
so  steht  ihrer  Auswanderung  kein  Hinderniss  entgegen.  Bei  den  Mouo- 
pylarien  häufen  sie  sich  natürlich  mit  dem  extrakapsulären  Plasma  haupt- 
sächlich um  das  sogen.  Porenfeld  an  und  finden  sich  demnach  bei  den 
Cjrtida  namentlich  in  dem  Hohlraum  der  Schalenglieder  zusammengehäuft. 

Erst  durch  die  Beobachtungen  und  Reflexionen  Cienkowsky's  wurde 
die  wahrscheinliche  Bedeutung  der  gelben  Zellen  als  parasitischer  Ein- 
dringlinge zur  Sprache  gebracht  und  ziemlich  sicher  erwiesen.  Die  frühe- 
ren Beobachter  und  auch  anfänglich  noch  Hertwig  zweifelten  nicht,  dass 
die  gelben  Zellen  auf  endogenem  Weg  im  Organismus  der  Kadiolarien 
erzeugt  werden  und  Hertwig  wollte  sogar  einige  Stadien  ihrer  allmäh- 
lichen Entwicklung  im  extrakapsulären  Plasma  verfolgt  haben,  eine 
Beobachtung,  welche  hier  nicht  näher  zu  erörtern  ist,  da  Hertwig  jetzt 
selbst  die  parasitische  Natur  der  gelben  Zellen  befürwortet.  Häckel 
erblickte  in  ihnen  wichtige  Bestandtheile  des  Kadiolarienorganismus 
und  war  geneigt,  ihnen  eine  wichtige  Rolle  bei  der  Ernährung  zuzu- 
schreiben, als  Elementen,  welche  wahrscheinlich  ein  zur  Verdauung  der 
aufgenommenen  Nahrung  dienendes  Secret  lieferten.  Mit  dem  Nachweis 
reichlicher  stärkemehlartiger  Einschlüsse  der  gelben  Zellen  musste  er  diese 
Auffassung  natürlich  bis  zu  gewissem  Grade  modificiren,  es  wurden  die 
gelben  Zellen  hierdurch  naturgemäss  auch  zu  einer  Art  Erzeuger  von 
Reservenahruug,  als  welche  eben  das  Amylum  zu  betrachten  wäre. 

Cienkowsky  fand  nun,  dass  das  Leben  der  gelben  Zellen  durchaus 
nicht  an  das  der  sie  einschliessenden  Radiolarien  gebunden  ist,  sondern 
dass  sie  auch  nach  der  Isolation  oder  nach  dem  Absterben  der  Radio- 
larien weiterleben  und  weiterwachsen,  ja  sich  durch  Theilung  vermehren. 
Diese  Befunde,  zusammengenommen  mit  der  immerhin  in  manchen  Fällen 
sehr  eigenthümlichen  Inconstanz  ihres  Auftretens,  Hessen  es  sehr  wahr- 
scheinlich erscheinen,  dass  sie  nichts  weiter  als  parasitische,  einzellige, 
pflanzliche  Organismen  seien.  Brandt  (36)  bestätigte  neuerdings  die 
Angaben  Cienkowsky's  über  das  Weiterleben  der  gelben  Zellen  nach 
dem  Tode  ihrer  ursprünglichen  Träger  in  ganzem  Umfang  und  ge- 
langte noch  zu  einigen  weitergehenden  Schlüssen  bezüglich  ihrer 
Bedeutung.      Nach    der    Isolation    verändern    sich    die    gelben    Zellen 


460  Kadiolaria. 

insofern,  als  ihre  früher  feste,  resistente  Membran  sich  in  eine  schleimige 
ziemlich  dicke  Hülle  verwandelt  (6f ).  Nach  Brandt  soll  diese  Schleim-  oder 
Gallerthtille  durch  eine  einfache  Quellung  der  ursprünglichen  Cellulose- 
membran  entstehen.  Die  gelben  Zellen  wachsen  nun  weiter  fort  und 
treten  schliesslich  aus  der  SchleimhUUe  allmählich  hervor,  nehmen  un- 
regelmässige ,  gelappte  Gestalten  an ,  indem  sie  amöboid  veränderlich 
geworden  sind,  umhüllen  sich  wieder  von  Neuem  mit  einem  Schleim- 
mantel und  können  die  eben  beschriebne  Häutung  noch  mehrfach  wieder- 
holen (6  h,  i).  Während  des  amöboiden  Zustandes  können  sich  unsre 
Zellen,  wie  schon  Cienkowski  beobachtete  und  Brandt  bestätigte,  durch 
Theilung  vermittels  einfacher  Durchschntirung  vermehren  (Qg). 

Nach  diesen  Erfahrungen  über  die  grosse  Selbstständigkeit  der 
gelben  Zellen  kann  es  kaum  mehr  einem  Zweifel  unterliegen,  dass 
sie  thatsächlich  parasitische  Eindringlinge  pflanzlicher  Natur  sind, 
deren  Lebensgeschichte  jedoch  bis  jetzt  nur  unvollkommen  bekannt  ist 
und  welche  wegen  ihrer  häufigen  und  in  den  meisten  Fällen  so  regel- 
mässigen Vergesellschaftung  mit  der  grossen  Mehrzahl  der  Radiolarien 
ein  ganz  besondres  Interesse  erregen.  Brandt  hat  neuerdings  vorge- 
schlagen, diesen  einzelligen  Parasiten  den  Namen  Zooxanthella  zu  geben 
'^nd  hält  es  für  wahrscheinlich,  dass  nur  eine  Species  dieser  Zooxan- 
thella in  den  Radiolarien  vorkomme,  welche  er  Z.  nutricola  nennt*). 
Schon  früher  hatten  die  Gebrüder  Hertwig  gefunden,  dass  die  Entoderra- 
zellen  zahlreicher  Actinien  gelbe  Zellen  einschliessen,  welche  sich  denen 
der  Radiolarien  ganz  entsprechend  verhalten  und  welche  sie  gleichfalls 
als  parasitische  einzellige  Algen  in  Anspruch  nahmen**). 

Durch  Geddes'  neue  Untersuchungen  wird  die  Uebereinstimmung 
der  gelben  Zellen  der  Radiolarien  mit  denen  der  Anthozoen  gleich- 
falls bestätigt  und  erscheint  daher  jetzt  wohl  fest  begründet.  Unsre 
Kenntniss  von  der  Verbreitung  dieser  eigenthümlichen  Algengäste  in  der 
Thierwelt  erfährt  eine  Bereicherung  durch  den  Nachweis,  dass  dieselben 
auch  im  Entoderm  gewisser  Medusen  und  Siphonophoren  (Velella)  an- 
getroffen werden. 

Die  sogen,  gelben  Leberzellen  der  Velella  und  Porpita  hatte  schon 
Häckel  seiner  Zeit  mit  den  gelben  Zellen  der  Radiolarien  verglichen  und 
auf  diesen  Vergleich  namentlich  seine  Ansicht  über  die  physiologische 
Bedeutung  der  gelben  Zellen  gegründet. 

Die  Untersuchungen  von  Geddes  erweitern  jedoch  unsere  Kenntnisse 
dieser  parasitären  Organismen  auch  noch  nach  anderer  Richtung.  Durch 
Versuche  gelang  ihm  der  Nachweis,  dass  die  mit  jenen  einzelligen  Algen 
reichlich  ausgerüsteten  Coelenteraten  im  Sonnenlichte  ein  Gas  entwickeln, 
welches  einen  sehr  ansehnlichen  Sauerstoflfgehalt  (24 — 38%)  besitzt.    Bei 

*)  Brandt,    K.,    Ueber    das   Zusammenleben   von    Thieren   und  Algen.     Verhandl.  der 
physiolog.  Gescllsch.  zu  Berlin.  Jahrg.  1881—82.   Sitz,  vom  25.  Nov.  1881  p.  22—26.    Wenig 
später  hat  Geddes   in   ünkenntniss   der   Brandt'schen  Arbeit  für  die  einzelligen  gelben  Algen- 
parasiten  der  Eadiolarien   und    Coelenteraten   den  Namen  Philozoon  in   Vorschlag  gebracht. 
**)  Hertwig,  0.  u.  R.,  Die  Actinien,  Jenaische  Ztschr.  f.  Naturwiss.  Bd.  XII  u.  XIII  187&. 


Gelbe  ZeUen  (Bedeutung).  4()1 

den  Radiolarien  liess  sich  gleichfalls  eine  Gasentwicklung  im  directen 
Sonnenlichte  constatiren,  jedoch  gelang  es  nicht,  die  chemische  Zusammen- 
setzung des  Gases  zu  ermitteln.  Jedenfalls  scheint  jedoch  durch  Geddes 
der  Nachweis  erbracht  zu  sein,  dass  unsere  gelben  einzelligen  Ein- 
dringlinge in  echt  pflanzlicher  Weise  im  Lichte  Kohlensäure  reduciren 
und  Sauerstoif  aushauchen,  wodurch  ihre  schon  auf  Grund  anderweitiger 
Erfahrungen  sehr  wahrscheinliche  Pflanzennatur  in  erwünschtester  Weise 
eine  weitere  und  sehr  wichtige  Bestätigung  erhält. 

Wenn  nun  auch  die  neueren  Untersuchungen,  wie  mir  scheint,  keinen 
Zweifel  mehr  über  die  Natur  der  gelben  Zellen  lassen,  so  scheint  mir 
andrerseits  Brandt  doch  zu  weit  zu  gehen,  wenn  er  dieselben  gewisser- 
maassen  zum  Range  der  eigentlichen  Ernährer  und  Erhalter  der  mit  gelben 
Zellen  reichlich  versehenen  Radiolarien  erhebt.  Er  spricht  nämlich  den 
koloniebildenden,  von  ihm  untersuchten  Radiolarien  die  Aufnahme  fester, 
geformter  Nahrung  ab  und  betrachtet  die  gelben  Zellen  als  die  eigent- 
lichen Ernährer  derselben,  welche  nach  Pflanzenart  assimilirten  und  mit 
ihren  Ueberschüssen  den  Radiolarienorganismus  ernährten.  Es  ständen 
hiernach  die  sogen.  Zooxanthellen  in  einem  ähnlichen  symbiotischen  Ver- 
hältniss  zu  dem  Radiolarienorganismus ,  wie  die  sogen.  Gonidien  oder 
Algenbestandtheile  der  Flechten  zu  deren  Hyphen  oder  dem  Pilzbestand- 
theil  dieser  merkwürdig  zusammengesetzten  Pflanzen.  Mir  scheint  zu- 
nächst, soweit  wenigstens  die  seitherigen  Darstellungen  auf  Glaubwürdig- 
keit Anspruch  machen  dürfen,  die  mehrfach  behauptete  Thatsache,  dass 
auch  Radiolarien  mit  gelben  Zellen  geformte  Nahrung  aufnehmen*),  gegen 
die  Braudt'sche  Ansicht  oder  doch  gegen  deren  Verallgemeinerung  zu 
sprechen.  Auch  die  Inconstanz  des  Vorhandenseins  der  gelben  Zellen, 
sowie  die  so  beträchtlichen  Schwankungen  ihrer  Zahl  sprechen  gegen 
eine  allgemeinere  Bedeutung  derselben  im  Sinne  der  Brandt'schen  Hypo- 
these, womit  jedoch  nicht  ausgeschlossen  ist,  dass  sich  die  sogen.  Zoo- 
xanthellen oder  Philozoen  bis  zu  einem  gewissen  Grad  an  der  Ernährung 
der  sie  beherbergenden  Organismen  betheiligen**). 

*)  Geddes  macht  auch  darauf  aufmerksam ,  dass  die  reichlich  mit  gelbea  Zellen  ausge- 
rüsteten Anthozoen,  Medusen-  und  Siphonophorenformen  ebenso  energisch  fressen  wie  die- 
jenigen, welche  der  gelben  Zellen  entbehren. 

**)  Brandt  gründet  sich  bei  seiner  Auffassung  der  Zooxanthellen  namentlich  auch  auf 
seine  Untersuchungen  über  die  Chlorophyllkörner  der  verschiednen  Thiere,  darunter  auch 
zahlreicher  Protozoen.  Durch  den  Nachweis  einer  übrigens  auch  früherhin  nicht  unbekannten 
Plasmagrundlage  dieser  Körner  und  eines  Zellkerns  in  denselben,  gelangte  er  zu  dem  Schluss, 
dass  auch  die  sogen.  Chlorophyllkörner  der  Thiere  stets  einzelligen  Organismen  angehörten, 
welche  in  morphologischer  Hinsicht  als  Parasiten  dieser  Thiere  zu  betrachten ,  physiologiscli 
dagegen  als  ihre  Ernährer  in  Anspruch  zu  nehmen  seien.  Für  uns  hat  diese  Mit- 
theilung auch  noch  dadurch  besonderes  Interesse,  weil  wir  sowohl  bei  Rhizopoden  wie 
Heliozoen  solche  Chlorophyllkörner  vielfach  antrafen,  welche  daher  in  gleicher  Weise  als 
einzellige  parasitische  Algen,  sogen.  Zoochlorella  nach  Brandt,  anzuspreche.i  wären.  Auch 
G.  Ent2  hat  schon  früher  (Bericht  über  die  2.  Sitzung  des  naturhist.  medic.  Vereins  zu 
Klausenburg  1876,  übersetzt  im  Biolog.  Centralblatt  1.  Jahrg.  1881.  p.  646-50)  die  selbst- 
ständige pflanzliche  Natur  der  Chlorophyllkörnchen  der  Infusorien  auf  Grund  seiner  Unter- 
suchungen betont.  Er  betrachtet  jedoch  diese  Chlorophyllkörnchen  nicht  wie  Brandt  als  eine 
besondere  einzellige  Algenart,  sondern  lässt  sie  aus  sehr  verschiednen,  von  den  betreffenden 
Infusorien  aufgenommenen  einzelligen  Algen  (Palmella,  Tetraspora,  Gloeocystis,  Pleurococcus, 
Raphidium,  Scenedesmus),  sowie  Euglenen  und  Chlamydomouaden  hervorgehen.  Einzelne  dieser 
chlorophyllhaltigen  einzelligen  Organismen  sollen  sich  nach  der  Aufnahme  durch  das  Infusor 


4G2  Eadiolaria. 

Denn  mit  Brandt  und  Geddes  wird  man  wolil  sicherlich  annehmen 
müssen,  dass  der  von  jenen  pflanzlichen  Mitbewohnern  der  Radiolarien 
entwickelte  Sauerstoff  direct  dem  thierischen  Stoffwechsel  der  Radiolarien 
zu  Gute  kommt,  wie  andrerseits  die  dem  thierischen  Stoffwechsel  ent- 
stammende Kohlensäure  sammt  stickstoffhaltigen  Endjiroducten  die  pflanz- 
lichen Miethbewohner  begünstigt.  Auch  erscheint  es  unter  diesen  Um- 
ständen denkbar,  dass  die  reichliche  Ernährung  der  pflanzlichen  Glieder 
des  Verbandes  zu  einem  Ueberschuss  an  erzeugten  Nährmaterialien,  spe- 
ciell  Stärke,  führt,  welcher  dem  thierischen  Gliede  zu  Gute  kommt.  Letz- 
tere Annahme  ist  jedoch  durchaus  nicht  eine  directe  Folge  dieser  Ver- 
gesellschaftung und  bedürfte  jedenfalls  zunächst  eines  genaueren  Nach- 
weises, wenn  auch  der  Ernährungsvorgang  pflanzlicher  Parasiten  durch 
andere  Pflanzen,  sowie  der  wirkliche  Parasitismus  einzelliger  Organismen 
in  Gewebezellen  oder  Protozoen  eine  ähnliche  Uebertragung  der  Zell- 
erzeugnisse einer  Form  auf  eine  andere  zu  unterstützen  scheint.  Mit 
Brandt  und  Geddes  können  wir  daher  das  Zusammenleben  der  gelben 
Zellen  und  der  Radiolarien  mit  einem  ziemlichen  Grad  von  Berechtigung 
der  Symbiose  der  Flechten  vergleichen,  wenn  wir  auch  die  Annahme 
einer  völligen  Ernährung  der  Radiolarien  durch  die  sogen.  Zooxanthellen 
weder  für  zutreffend  noch  an  und  für  sich  wahrscheinlich  halten. 

Anderweitige  parasitische  Organismen  sind  bis  jetzt  bei  den  Radio- 
larien noch  nicht  aufgefunden  worden. 


der  Verdauung  entziehen,  indem  sie  in  das  Ectosark  desselben  gelangen.  Hier  vermehren  sie 
sich  lebhaft  durch  Theilung  zu  den  sogen.  Chlorophyllkörnchen ,  welche  nach  ihrer  Be- 
freiung aus  dem  Infusorienträger  wieder  zu  der  ursprünglichen  Algenform ,  resp.  den  er- 
wähnten Blagellaten  auswachscn.  Auch  Eutz  will  sich  überzeugt  haben,  dass  Infusorien,  welche 
reichlich  mit  diesen  Chlorophyllkörnchen  ausgerüstet  sind,  keine  feste  Nahrung  aufnehmen  und 
hat  auch  die  gegenseitigen  physiologischen  Beziehungen  dieser  thierischen  und  pflanzlichen  Orga- 
nismen schon  in  gleicher  Weise  wie  Brandt  im  Sinne  einer  Symbiose  aufgefasst,  wobei  beiderlei 
Theilnchmer  wechselseitig  aus  den  Stoffwechselerzeugnissen  ihrer  Genossen  erheblichen  Vortheil 
für  ihre  Ernährung  zögen.  Obgleich  kein  Grund  vorliegt,  die  Richtigkeit  der  Beobachtungen  oben- 
genannter Forscher  über  die  Natur  der  sogen.  Chlorophyllkörner  der  thierischen  Organismen  zu 
bezweifeln,  so  scheint  mir  doch  der  Schluss,  welchen  Brandt  hieraus  zieht,  dass  die  Zoo- 
chlorellen die  eigentlichen  Ernährer  der  sie  beherbergenden  Thiere  seien,  viel  zu  weitgehend. 
Dass  solche  Thiere  keine  feste,  geformte  Nahrung  aufnehmen,  entspricht  unseren  Erfahrungen 
durchaus  nicht,  worin  auch  Geddes  (siehe  oben)  mir  beistimmt.  Jedermann  weiss ,  wie  raub- 
gierig die  grünen  Hydren  sind  und  ebenso  ist  es  bekannt,  dass  chlorophyllhaltige  Infusorien 
geformte  Nahrung  zu  sich  nehmen. 

Nachträglicher  Zusatz.  Erst  nach  dem  Druck  dieses  Bogens  erschien  die  ausführ- 
liche Arbeit  Brandt's  „üeber  die  morphologische  und  physiologische  Bedeutung  des  Chloro- 
phylls bei  Thieren  (Arch.  f.  Anat.  u.  Phys.  1SS2.  Physiol.  Abtheilung  p.  125—151  Taf.  1). 
Wir  heben  aus  derselben  nachträglich  hervor,  dass  Brandt  jetzt  seine  frühere  Behauptung:  es 
nähmen  die  Chlorophyll  führenden  Thiere  keine  feste  Nahrung  zu  sich,  corrigirt  bat  und  an- 
erkennt, dass  sowohl  Hydra  viridis  wie  chlorophyllführende  Infusorien  noch  feste  Nahrung  ge- 
messen. Auch  für  die  Sphaerozoeen  mit  gelben  Zellen  beschränkt  er  die  Nichtaufnahme  von 
Nahrung  jetzt  auf  den  erwachsenen  Zustand  ansehnlicher  Kolonien.  Wir  fügen  weiter  noch 
zu,  dass  Verf.  sich  überzeugt  hat,  dass  die  Kolonien  der  Sphaerozoeen  am  längsten  in  filtrirtem 
Seewasser  am  Leben  erhalten  werden  und  hieraus  schliesst,  dass  sie  dann  von  ihren  gelben 
Zellen  ernährt  werden.  Da  er  jedoch  selbst  angibt,  dass  die  in  nichtfiltrirtem  Wasser  gehal- 
tenen Kolonien  an  der  Verderbniss  des  Wassers  (wegen  Absterben  zahlreicher  kleiner  pelagi- 
scher  Organismen)  zu  (irunde  gehen,  so  scheint  mir  obiger  Schluss  noch  etwas  unsicher,  indem 
ja  das  längere  Ausdauern  im  filtrirten  Wasser  auch  nur  darauf  beruhen  kann,  dass  sich  letztres 
eben  rein  und  unverdorben  erhält.  Wie  lange  die  Radiolarien  zu  hungern  im  Stande  sind, 
wissen  wir  bis  jetzt  nicht.  R.  Lankester  spricht  sich  nenestens  (Qu.  j.  micr.  sc.  1882.  Apr.) 
gegen  die  Algennatur  der  Chlorophyllkörner  von  Hydra  und  Spongilla  aus;  dieselben  seien 
•identisch  mit  denen  der  Pflanzen. 


Gelbe  Zellen.  —  Regeneration,  Deformation  (Myxobrachia).  4G3 


B.   E  egenerationsfähigkeit. 


Eine  einzige  in  dieses  Kapitel  gehörige,  jedoch  in  mancher  Hinsicht 
sehr  wichtige  Thatsache  hat  zuerst  Ant.  Schneider  (19)  festgestellt.  Er 
bewies  nämlich,  dass  die  isolirte,  aus  der  Hülle  von  extrakapsulärem 
Plasma  und  Gallerte  herausgeschälte  Centralkapsel  von  Thalassicolla  nucleata 
die  Fähigkeit  besitzt,  den  gesammten  verlornen  Theil  des  Weichkörpers  wieder 
zu  erzeugen.  Diese  Beobachtung  haben  Cienkowsky  (23)  und  Hertwig  (28) 
bestätigt.  Letztgenannten  Forschern  gelang  es  zwar  nur,  die  Neuentwicklung 
von  Pseudopodien  und  einer  Lage  extrakapsulären  Plasmas  zu  beobachten, 
jedoch  dürfte  es  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  die  Schneider'sche  An- 
gabe völliger  Regeneration  ihre  Richtigkeit  besitzt.  Sogar  die  gelben 
Zellen  sollen  sich  nach  Schneider  wieder  einstellen,  was  Cienkowsky  nicht 
zu  bestätigen  vermochte.  Es  gelang  Schneider  die  Ausschälung  der 
Centralkapsel  mit  nachfolgender  Regeneration  an  einem  und  demselben 
Thiere  dreimal  hintereinander  vorzunehmen. 

Ziemlich  natürlich  erscheint  es,  dass  die  Kolonien  der  Sphaerozoeen 
ohne  Schaden  in  Stücke  zerschnitten  werden  können,  wovon  sich  Schneider 
gleichfalls  überzeugte.  Interessanter  ist  dagegen,  dass  es  auch  ge- 
lang, zwei  aneinander  gelegte  Kolonien  nach  ca.  12  Stunden  zu  völliger 
Vereinigung  zu  bringen. 

C.    Missbildung  und  Deformation. 

Bis  jetzt  ist  nur  ein  hierhergehöriges,  jedoch  recht  interessantes  Bei- 
spiel bekannt,  welches  eine  zu  den  CoUiden  gehörige  Form,  die  sogen. 
Thalassicolla  sanguinolenta  Hck.  betrifft.  Häckel  fand  zuerst  1867  (18) 
bei  den  canarischen  Inseln  ein  eigenthümliches  Radiolar,  welches  er  für 
eine  besondere  Form  hielt  und  unter  dem  Namen  Myxobrachia  in  zwei 
verschiednen  Arten  beschrieb.  Später  machte  Nicol.  Wagner  (24)  noch 
eine  dritte  vermeintliche  Myxobrachia -Art  von  Neapel  bekannt  und  Hert- 
wig erkannte  schliesslich  1879  (33),  dass  die  sogen.  Myxobrachiaformen 
keine  selbstständigen  Radiolarien  sind,  sondern  einer  eigenthümlichen 
Deformation  der  Thalassicolla  sanguinolenta  ihren  Ursprung  verdanken, 
eine  Ansicht,   welcher  sich  auch  Häckel  angeschlossen  zu  haben  scheint. 

Diese  Deformation  der  Thalassicolla  sanguinolenta  scheint  durch  die 
Aufnahme  zahlreicher  Fremdkörper  in  die  extrakapsuläre  Sarkode  hervor- 
gerufen zu  werden.  Ihrer  Hauptmenge  nach  bestehen  diese  Fremdkörper 
aus  den  uns  schon  von  früher  bekannten  Coccolithen  und  Coccosphaeren, 
zu  deren  Aufnahme  ja  die  pelagische  Thalassicolla  reichliche  Gelegenheit 
haben  muss.  N.  Wagner  beobachtete  bei  seiner  Form  neben  diesen  Ein- 
schlüssen jedoch  auch  noch  „Reste  junger  Muscheln,  sehr  kleine  Spirulina^' 
(Rhizopodenschalen)  „und  Dentalium '?".  Die  Anhäufung  solcher  Fremd- 
körper an  einer  gewissen  Stelle  der  extrakapsulären  Sarkode  der  ursprüng- 
lich kugligen  Thalassicolla  scheint  nun  Veranlassung  zu  geben,  dass  dieser 
Tbeil  des   extrakapsulären   Weichkörpers  sich  durch  den  Zug,   welchen 


464  Eadiolaria. 

das  Gewicht  der  Einschlüsse  ausübt,  zu  einem  mehr  oder  minder 
langen,  armartigen  Fortsatz  auszieht,  welcher  seiner  Hauptmasse  nach 
aus  Gallerte  gebildet  ist.  Die  Axe  dieses  Armes  wird  durchsetzt  von 
einem  Strang  der  extrakapsulären  Sarkode  und  diese  umschliesst  in 
dem  knopfförmig  angeschwollnen  Armende  das  Häufchen  der  Fremd- 
körper. In  solcher  Weise  gestaltet  sich  die  von  Häckel  Mjxobrachia  rhopa- 
lum  genannte  Form.  Bei  der  sogen.  M.  pluteus  (XVHI.  2)  dagegen  und  der 
M.  Cienkowskii  Wagner's  kommt  es  zur  Bildung  mehrerer  solcher  arm- 
artiger Fortsätze,  welche  wohl  dadurch  entstehen,  dass  sich  Häufchen 
von  Fremdkörpern  an  mehreren  Stellen  bilden,  welche  sich  dann  zu 
armartigen  Fortsätzen  ausziehen.  Häckel  beobachtete  bei  seiner  Form 
16  Arme,  welche  in  eigenthUmlicher  Weise  angeordnet  waren.  Zwei 
ansehnliche  Arme  hingen  ziemlich  gerade  in  der  Axe  des  etwa  pyra- 
midenförmigen oder  medusenähnlichen  Wesens  herab  und  über  diesen 
entsprangen  die  14  weiteren  Arme  in  zwei  Kränzen,  von  welchen  der 
untere  sechs,  der  obere  acht  Arme  zählte.  Aehnlich  war  auch  die  Bil- 
dung der  von  Wagner  beobachteten  Form,  nur  fand  sich  hier  ein  einziger 
centraler  oder  axialer  Hauptarm ,  über  welchen  in  zwei  Kränzen  noch 
resp.  vier  und  drei  Arme  angebracht  waren.  AYagner  fand  weiterhin, 
dass  diese  acht  Arme  sich  successive  entwickeln,  indem  bei  den  jugend- 
lichsten Exemplaren  nur  der  centrale  Hauptarm  vorhanden  war,  zu 
welchem  sich  allmählich  noch  die  zwei  Armkränze  hinzugesellten. 

Recht  interessant  ist  der  von  Häckel  bei  seiner  Myxobrachia  rhopalum 
beobachtete  Gestaltswechsel;  im  Laufe  eines  Tages  veränderte  sich  die 
Form  mehrfach,  wurde  bald  länger  und  schmäler,  bald  kürzer  und  breiter. 
Es  ist  diese  Erscheinung  um  so  interessanter,  als  bis  jetzt  von  einem 
Gestaltswechsel  der  übrigen  Radiolarien  durchaus  nichts  bekannt  ist. 

Wagner  glaubt  die  Endknöpfe  der  Arme  mit  ihren  Einschlüssen  als 
eine  Art  Verdauungsapparate  beanspruchen  zu  dürfen ;  doch  hat  diese 
Ansicht  wohl  nur  wenig  für  sich,  wie  denn  überhaupt  die  Bedeutung 
der  zahlreichen  Fremdkörper,  welche  die  Deformation  der  Thalassicolla 
zur  Myxobrachia  hervorrufen,  ganz  unaufgeklärt  ist.  Dass  sie  als  Nah- 
rung aufgenommen  werden,  scheint  im  Ganzen  sehr  unwahrscheinlich. 

D.   Verhalten  der  Radiolarien  gegen  mechanische  und  anderweitige 

K  e  i  z  u  n  g. 

Es  sind  nur  wenige  Punkte,  auf  welche  hier  speciell  noch  die  Auf- 
merksamkeit gelenkt  werden  soll,  da  das  allgemeine  Verhalten  der  Radio- 
larien bei  mechanischer  und  chemischer  Reizung:  die  Rückziehnng  der 
Pseudopodien,  das  Collablren  der  extrakapsulären  Vacuolen,  wahrschein- 
liche Verdichtung  der  Gallerte,  das  Verhalten  der  Gallertcilien  und 
der  Sarkodegeissel  theils  schon  früher  ausreichend  erörtert  wurde, 
theils  dagegen  keiner  weiteren  Erörterung  bedarf,  wenigstens  im  Hinblick 
auf  den  Stand  unserer  augenblicklichen  Kenntnisse.  Dagegen  verdient 
noch   eine   Frage,    welche   von   den   versehiednen   Beobachtern    mehrfach 


Lcbeiisz;ilüglvoit,  Eiiillubs  vuii   Liclit  und   Wärme  etc.  465 

erörtert  wurde,  nämlich  die  nach  der  Widerstandsfähigkeit  unserer  Wesen 
gegen  äussere  Reize  und  Störungen  eine  kurze  Besprechung.  J.  Müller 
und  Häckel  hoben  übereinstimmend  die  geringe  Widerstandsfähigkeit  der 
Radiolarien  gegen  mechanische  Reize,  wie  Druck  und  Reibung  am  Netz 
beim  Einfangen,  hervor.  Häckel  fügte  hinzu,  dass  unsere  Wesen  auch 
gegen  chemische  Veränderungen  des  umgebenden  Wassers  sehr  em- 
pfindlich seien  und  schnell  abstürben,  während  sich  die  marinen  Rhizo- 
poden  nach  den  Erfahrungen  M.  Schultze's  (s.  Rhizopoda  53)  gerade 
durch  sehr  weitgehende  Resistenz  gegen  solche  Einflüsse  auszeichnen.  Im 
Specielleu  sei  jedoch  die  Lebenszähigkeit  der  einzelnen  Abtheilungen  recht 
verschieden,  so  dass  Häckel  (16)  eine  Art  Skala  aufstellen  konnte,  an 
deren  einem  Endpunkt,  als  besonders  empfindliche  Formen,  die  Acantho- 
metreen  und  Sphaerozoeen  stehen,  während  am  anderen  die  Sphaerideen 
Platz  finden,  unter  welchen  sich  wieder  die  Disciden  durch  besondere 
Lebenszähigkeit  auszeichnen.  Gegenüber  diesen  Erfahrungen  hob  je- 
doch schon  Ant.  Schneider  (19)  hervor,  dass  die  Lebenszähigkeit  ge- 
wisser Radiolarien  (Thalassicolla  und  Sphaerozoum)  viel  grösser  sei; 
Kolonien  letztrer  Gattung  konnte  er  bei  gehöriger  Vorsicht  5 — 7  Tage 
lang  gesund  erhalten  und  ebenso  überzeugte  sich  Hertwig  (33),  dass 
die  Radiolarien  im  Allgemeinen  keineswegs  so  zarter  und  empfindlicher 
Natur  sind,  wie  Müller  und  Häckel  annahmen.  Die  letzteren  Forscher 
hielten  eben  im  Allgemeinen  alle  Individuen  für  abgestorben  oder  doch 
sehr  alterirt,  welche  mit  eingezogneu  Pseudopodien  und  deutlicher 
Gallertschicht  zur  Beobachtung  kamen,  wie  dies  schon  früher  bei  der 
Schilderung  der  Gallerte  angedeutet  wurde.  Hertwig  überzeugte  sich 
aber  durch  directe  Beobachtung  vielfach,  dass  solche  zu  Boden  gesun- 
kenen Thiere  sich  allmählich  wieder  erholen  und  noch  ganz  lebens- 
kräftig sind.  Er  zögerte  sogar  nicht,  die  Radiolarien  auf  Grund  seiner 
Erfahrungen  zu  den  widerstandsfähigsten  unter  den  pelagischen  Thieren 
zu  rechnen. 

Der  Einfluss  von  Licht  und  Wärme  auf  unsre  Organismen  ist  bis 
jetzt  kaum  erforscht.  Häckel  glaubt  zwar  beobachtet  zu  haben,  dass 
einige  Formen,  welche  er  in  seinen  Zuchtgläsern  hielt,  mit  VorUebe  die 
Lichtseite  aufsuchten,  ist  jedoch  selbst  unsicher,  ob  diese  Erscheinung 
eine  directe  Wirkung  des  Lichtes  gewesen  sei.  Weiterhin  fand  er 
auch,  dass  sich  die  pelagischen  Radiolarien  bei  heisser  Jahreszeit  oder 
an  besonders  heissen  Tagen  in  tiefere  Regionen  herabsenken,  wie  dies 
für   die   pelagische  Thierwelt  überhaupt  gültig  zu  sein  scheint. 

Bei  einer  früheren  Gelegenheit  mnssten  wir  darauf  hinweisen, 
dass  Meyen  das  Leuchten  gewisser  pelagischer  Radiolarien  mit  grosser 
Bestimmtheit  beobachtet  haben  wollte ;  spätere  Forscher  berichten 
hiervon  im  Allgemeinen  nichts,  mit  Ausnahme  Macdonald's'^),  welcher 
das     Phosphoresciren     der    Thalassicolla     nucleata     wiederholt,     sogar 

*)  Quart,  journ.  microsc.  science  N.  S.  Vol  IX.  p.  147. 

Dl- nun,  Kliisseii  ilu-;  Tliipvieiflis.     Pidtozoii.  30 


466  TJadiolaria. 

auf  dem  Objectträger,  beobachtet  haben  will.  Es  scheint  mir  fast,  als 
wenn  die  Frage  nach  dem  Leuchtvermögen  der  Radiolarien  von  den 
übrigen  Forschern  etwas  vernachlässigt  worden  sei,  denn  dieselbe 
wurde  meist  gar  nicht  besprochen.  An  und  für  sich  liegt  ja  durchaus 
nichts  vor,  was  gegen  das  Leuchtvermögen  gewisser  Radiolarien  spräche. 

E.   Wohnortsverliältnisse  der  Kadiolarien. 

Eine  kurze  Betrachtung  verdienen  noch  unsre  Erfahrungen  über 
das  Vorkommen  und  die  speciellen  Lebensverhältnisse  der  Radiolarien, 
welche  durch  die  Untersuchungen  der  neuesten  Zeit  beträchtlich  ver- 
tieft worden  sind.  Es  bedarf  keiner  besonderen  Betonung  mehr,  dass 
sich  bis  jetzt  die  Meere  als  ausschliessliche  Heimath  der  Radiolarien  er- 
wiesen haben.  Was  gelegentlich  über  Süsswasserradiolarien  bemerkt 
wurde,  bezog  sich  stets  auf  Heliozoen,  die  ja,  wie  wir  wissen,  von  einigen 
Forschern  den  eigentlichen  Radiolarien  untergeordnet  werden. 

Bis  in  die  neueste  Zeit,  d.  h.  bis  zu  den  ausgedehnten  Untersuchungen 
der  englischen  Naturforscher  der  Challengerexpedition,  kannte  man  lebende 
Radiolarien  nur  von  der  Meeresoberfläche,  denn  die  zahlreichen  Ra- 
diolarienreste,  welche  Ehrenberg  aus  den  Tiefgründen  der  verschieden- 
sten Meere  aufgezählt  und  beschrieben  hatte,  boten  durchaus  keine  Ge- 
währ für  die  Annahme,  dass  sie  Thieren  zugehörten,  welche  in  jenen 
Tiefen  lebten.  Es  konnte  sich  so  wohl  die  Ansicht  als  die  natürlichste 
ergeben ,  dass  die  Radiolarien  überhaupt  als  pelagische  Organismen  zu 
betrachten  seien,  welche  nur  bis  zu  einer  beschränkten  Meerestiefe  hinab- 
reichten,  denn  die  vom  Meeresboden  heraufgeholten  Skeletreste  Hessen 
sich  leicht  als  niedergesunkne  erklären.  Es  ist  aber  recht  bemerkens- 
werth,  dass  sowohl  J.  Müller  wie  Häckel  schon  die  Ansicht  hegten,  dass 
die  Radiolarien  nicht  nur  oberflächlich,  pelagisch  lebten,  sondern  sich  auch 
in  tiefere  Regionen  hinaberstreckten,  jedoch  fehlte  es  bis  in  die  neueste 
Zeit  durchaus  au  directen  Beobachtungen  über  diese  Verhältnisse.  Erst 
während  der  Reise  des  Challenger  versuchten  es  W.  Thomson  und  Murray, 
durch  directe  Beobachtung  Aufschluss  über  die  Fauna  schwimmender 
Thiere  in  verschiedenen  Tiefenregionen  der  Oceane  zu  gewinnen,  indem 
sie  mit  feinen  Netzen  in  verschiednen  Tiefen  fischten,  auch  solche  Netze 
an  verschiednen  Stellen  des  Taues  der  Dredge  befestigten  und  sich  so 
gleichzeitig  Kenntniss  des  Lebens  der  verschiednen  Wasserschichten  zu 
verschaffen  suchten. 

Doch  war  es  leider  bei  diesen  Versuchen  noch  nicht  möglich,  ein 
reines  Bild  des  Lebens  in  verschiednen  Tiefen  zu  erhalten,  da  es  sich 
nicht  bewerkstelligen  Hess,  dass  die  feinen  Netze  in  bestimmter,  zu  unter- 
suchender Tiefe  sich  öffneten  und  vor  dem  Heraufholen  wieder  geschlossen 
wurden.  Das  Bild,  welches  daher  ein  solcher  Fischzug  mit  dem  feinen 
Netz  in  bestimmter  Tiefe  darbot,  wurde  getrübt  durch  die  Beimischungen 
aus  geringeren  Tiefen,  welche  das  Netz  bei  seinem  Niedergang,  nament- 
lich   jedoch    hei    seinem    Wiederaufsteigen   aufnahm.     Schon  früher  hatte 


Vorkomincii  in  den  liciit.  Meeren.  467 

J.  Müller  versucht,  sieb  in  ähnlicher  Weise  über  das  Leben  unter  der 
Meeresoberfläche  zu  unterrichten,  jedoch  konnte  er  seine  Untersuchungen 
nur  auf  sehr  geringe  Tiefen  ausdehnen. 

Trotz  der  erheblichen  Fehlerquellen,  welche,  wie  bemerkt,  der  aui 
der  Challengerexpedition  augewendeten  Methode  anhaften,  ergab  dieselbe 
doch  das  ziemlich  überzeugende  Resultat,  dass  die  Radiolarien  nicht  wie 
die  pelagischen  Rhizopodeu  nur  eine  beschränkte,  oberflächliche  Region 
des  Meeres  bewohnen,  sondern  wahrscheinlich  in  sämratlichen  Tiefen, 
bis  zu  den  grössten  hinab,  vertreten  sind.  Diese  Ueberzeugung 
konnte  hauptsächlich  darauf  basirt  werden,  dass  aus  grösseren  Tie- 
L  fen  Formen  heraufgeholt  wurden,  welche  den  oberflächlicheren  Regionen 
'  durchaus  fehlten.  Ja,  es  stellte  sich  heraus,  dass  eine  Abtheilung  der 
Radiolarien  mit  Vorliebe  in  grösseren  und  grössten  Tiefen  einheimisch  zu 
sein  scheint,  nämlich  die  Phaeodarien  und  unter  diesen  speciell  die  Fa- 
milie der  Challengeridae*).  Es  erscheint  nach  unsern  heutigen  Kennt- 
nissen also  ziemlich  sicher,  dass  die  Radiolarien  alle  Tiefen  der  Oceane 
bevölkern  und  die  verschiednen  Abtheilungen  und  Formen  sich  z.  Th.  in 
gewissen  Tiefenregionen  mit  Vorliebe  finden. 

Häckel  unterscheidet  daher  in  seiner  neuesten  Publikation  pelagi- 
sche,  zonare,  d.  h.  in  bestimmten  Zonen  der  Meerestiefe  (bis  über 
20,000'   hinab)   schwebende   und   profunde,    auf  dem   Boden  des  tiefen 

(Meeres  lebende  Radiolarien**).  Die  Formen  mit  zierlichsten  und  zartesten 
Skeleten  sollen  sich  hauptsächlich  pelagisch,  die  schwerfälligsten  und 
massivsten  dagegen  in  den  grössten  Tiefen  finden. 

Nichts  scheint  mir  jedoch  bis  jetzt  mit  Sicherheit  dafür  zu  sprechen, 
dass  sich  die  Radiolarieufauna   mit  der  Tiefe  überhaupt  reicher  gestalte, 
oder  anders  ausgedrückt,  dass  die  Radiolarien  vorzugsweise  Tiefseethiere 
seien,  wofür  sich  Hertwig  (33)  und  Stöhr  (35)  aussprachen.     Bekanntlich 
hatte   Ehrenberg    diesen    Standpunkt   vertreten,  jedoch  von  der  ganz  irr- 
I.  thümlichen   Voraussetzung   ausgehend,    dass    die   Radiolarien  ausschliess- 
1    lieh     auf    dem    Meeresboden    lebten    und    daher    die    mit    Bodenproben 
P  aus     verschiedner    Tiefe    heraufgeholten    Radiolarienreste    auch    in    den 
betreffenden    Tiefen    am    Boden    gelebt    hätten,      Ehrenberg    suchte    die 
Vermehrung    der    Radiolarien    in   der   Tiefe   aus    den   Ergebnissen   seiner 
Untersuchungen   zahlreicher   Grundproben  zu  erweisen ,    welche  eine  ent- 
schiedne  Zunahme   der  Artzahl   mit   zunehmender  Tiefe  darboten.     Schon 
Häckel   (16)    hat   jedoch   in   sehr  trefl'ender  Kritik   der  Ehrenberg'schen 
Untersuchungen  gezeigt,  dass  ein  solcher  Schluss  keineswegs  so  unzweifel- 
haft  und   sicher  aus  den  empirischen   Daten   Ehrenberg's   zu   ziehen  ist, 

*)  Dieselben  sollen  der  Oberfläche  gänzlich  fehlen,  in  300—400  Faden  Tiefe  selten,  am 
reichlichsten  in  viel  grösseren  Tiefen  getrofien  werden. 

**)  Ob  thatsächlich  Radiolarien  auf  dem  Meeresboden  kriechend  leben,  scheint  mir  durch 
die  bis  jetzt  vorliegenden  üntersnchungcn  noch  nicht  bewiesen  zu  sein.  Die  Organisation  der 
meisten  Formen  scheint  einer  solclien  Annahme  selir  wenig  zu  entsprechen  ;  docli  mag  die- 
selbe wohl  fiir  die  Challengeridae  und    vielieielit  einen  Theil  der  Cyrtida  znllissig  erscheinen. 

30  ''■ 


468 


Eadiolaiia. 


indem   eine   Reibe  von  Zufälligkeiten  hierbei  störend  gewirkt  haben  kön 
nen,   und  wir  werden  im  Verlaufe   unserer  Darstellung  sehen,   dass   sich 
die  Resultate   der  Ehrenberg'schen  Beobachtungen   wohl  auch  in  anderer 
Weise  auf  Grund  unsrer  neueren  Erfahrungen  erklären  lassen. 

Zunächst  möchte  ich  jedoch  kurz  zeigen,  dass  meiner  Ansicht  nach 
aus  den  Ehrenberg'schen  Befunden  nicht  geschlossen  werden  kann,  dass 
das  Radiolarienleben  in  der  Tiefe  reicher  sei,  wie  das  in  oberflächlichen 
Regionen.  In  der  zusammenfassenden  Darstellung  seiner  Tiefseeunter- 
suchungen gibt  Ehrenberg  1872  (25)  nachfolgende  Aufstellung  über  die 
Vertheilung  der  von  ihm  gefundnen  Radiolarienarten  nach  verschiedneu 
Tiefen. 


Tiefe:      0  bis  100' 

100 
bis 
500' 

500 

bis 

1000' 

1000              5000 

bis                 bis 

5000'            10,000' 

10,000 

bis 
15,000' 

15,000 

bis 
20,000' 

Zahl  d.  Arten  :    31 

7 

12 

m         \         Dil 

1 

lUi 

i;!2 

Aus  dieser  Zusammenstellung  scheint  eine  solche  Zunahme  ziem- 
lich sicher  hervorzugehen.  Betrachten  wir  aber  die  Zahl  der  bis  jetzt 
oberflächlich,  in  einem  so  beschränkten  Gebiet  wie  das  Mittelmeer 
von  J.  Müller,  Häckel  und  Hertwig  aufgefundnen  Arten  und  zwar  natür- 
lich nur  derjenigen,  deren  kieselige  Skelete  einer  Erhaltung  im  Boden- 
schlamm nach  dem  Niedersinken  fähig  sind,  so  finden  wir  nicht  weniger 
wie  130  Arten,  also  fast  genau  ebensoviel  wie  Ehrenberg  in  den  grössten 
Tiefen  zwischen  15,000  und  20,000'  fand,  nach  ihm  überhaupt  die  reichste 
Region. 

Hieraus  scheint  mir  nun  zu  folgen,  dass  wenigstens  bis  jetzt  ein 
grösserer  Reichthum  der  Radiolarien  in  tieferen  Regionen  der  Oceane 
durchaus  nicht  erwiesen  ist.  Es  darf  erwartet  werden,  dass  die  genauere 
Untersuchung  des  Challengermaterials  auch  diese  Frage  aufklären  wird. 
Es  wäre  verfrüht,  eine  entscheidende  Aeusserung  zu  wagen,  da  der  Zu- 
wachs an  neuen  Arten,  welche  dies  Material  enthält  (über  2000  nach 
Häckel),  ein  so  enormer  ist,  dass  sich  daneben  Schlüsse,  welche  man 
auf  Grund  der  seither  bekannten ,  sehr  beschränkten  Zahl  von  Arten  zu 
ziehen  versucht,  ganz  hinfällig  erweisen  können. 

Ein  Leben  der  Radiolarien  am  Boden  der  Meere,  wie  es  Ehren- 
berg aus  seinen  Erfahrungen  herleiten  wollte  und  wie  es  Häckel 
neuerdings  für  grosse  Tiefen  gleichfalls  behauptet,  scheint  mir  jedoch 
auch  durch  die  neueren  Erfahrungen  noch  unerwiesen  geblieben  zu  sein. 
Häckel  (16)  hat  seiner  Zeit  in  Messina  durch  directe  Untersuchung  des 
Meeresbodens  mit  der  sogen.  Saugsonde  durchaus  negative  Resultate  in 
dieser  Beziehung  erzielt  und  auch  in  den  Beobachtungen,  welche  bis  jetzt 
von  der  Challengerexpedition  zur  Veröffentlichung  kamen,  findet  sich 
nichts,  was  für  eine  solche  Lebensweise  der  Radiolarien  spricht.    Ebenso 


\'(ii'kmiimL'n   in  «Icu   licii(.    .Miurrn;    liadiulariciisrlilamiii  469 

scheint  mir  die  Organisation  nnsrer  Wesen,  soweit  es  erlaubt  ist,  aus  ihr 
einen  Sehlass  zu  ziehen,  für  eine  freischwimmende  Lebensweise  der 
allermeisten  zu  sprechen. 

Wie  die  Schalen  der  pelagischen  Rhizopoden  müssen  auch  die 
kieseligen  Skelete  der  schwimmenden  Radiolarien  nach  dem  Tode 
ihrer  Träger  allmählich  sinken  und  schliesslich  auf  dem  Meeresboden 
zur  Ablagerung  gelangen.  Es  finden  sich  denn  auch  Radiolarien- 
reste  auf  dem  Meeresboden  aller  Tiefen  vor,  wie  dies  schon  aus  den 
obigen  Tabellen  Ehrenberg's  hervorgeht.  Durchaus  vermisst  werden  nur 
die  Skelete  der  Acanthometreen,  was  sich  aus  ihrer  leichten  Zerstörbarkeit 
hinreichend  erklärt. 

Welche  Verhältnisse  es  bedingen,  dass  Radiolarienreste  unter  Um- 
ständen im  Schlamm  des  Meeresbodens  völlig  vermisst  werden,  während  sie 
anderwärts  ziemlich  reichlich  auftreten,  ist  bis  jetzt  nicht  sicher  eruirt*). 
Nur  in  den  beträchtlichsten  Tiefen  jedoch  und  auch  hier  nur  an  ge- 
wissen beschränkten  Stelleu,  ist  die  Ablagerung  von  Radiolarien- 
resten  eine  so  massenhafte,  dass  von  einem  Radiolarienschlamm,  ent- 
sprechend dem  bei  Betrachtung  der  Rhizopoden  erwähnten  Globigerinen- 
schlamm  die  Rede  sein  kann.  Schon  Ehrenberg  hatte  Gelegenheit  zwei 
Bodenproben  zu  untersuchen,  welche  fast  ausschliesslich  aus  Radiolarien- 
resten  bestanden  und  ganz  kalkfrei  zu  sein  schienen.  Die  eine  dieser 
Proben  stammt  aus  3300  Faden  Tiefe  im  stillen  Ocean,  etwa  8  bis 
10  Längengrade  östlich  von  den  Philippinen;  die  zweite  dagegen  aus 
2200  Faden  Tiefe  im  indischen  Ocean,  etwa  20  Längengrade  östlich 
von  Zanzibar.  In  beiden  Ablagerungen  war  gleichzeitig  der  Reichthum 
an  Formen  ein  sehr  erheblicher,  in  ersterer  Hessen  sich  nicht  weniger 
Avie  83,  in  letzterer  dagegen  47  Arten  nachweisen.  Ganz  ähnliche  Ver- 
hältnisse fand  die  Challengerexpedition  dann  weiterhin  noch  an  einigen 
Stellen  des  stillen  Oceans.  So  einmal  nicht  weit  von  der  schon  durch 
Ehrenberg  untersuchten  Bodenprobe,  14  Längengrade  weiter  östlich  und 
ca.  7  Grad  südlicher  in  der  grössten  überhaupt  untersuchten  Tiefe  von 
4500  Faden;  weiterhin  fanden  sich  jedoch  noch  zwei  Gebiete  solchen 
Radiolarienschlamms  in  etwa  150  Grad  östlicher  Länge  (von  Greenwich) 
und  einige  Breitengrade  nördlich  und  südlich  des  Aequators.  Jede  dieser 
Ablagerungen  erstreckte  sich  über  ca.  4 — 5  Breitengrade  in  wechselnden 
Tiefen  von  2350  bis  2900  Faden. 

Aus  diesen  Untersuchungen  scheint  hervorzugehen,  dass  sich  wahr- 
scheinlich  ein    solches    Radiolarienschlammgebiet   von   den  Philippinen  in 


*)  Hinsichtlich  der  Verbreitung  der  Eadiolarienreste  in  den  Bodenablagerungen  der 
]\[cere  finden  sich  unverstandliche  Widersprüche  in  den  Mittheilungen  von  Murray  (27)  über 
die  Ergebnisse  der  Challengerexpedition;  während  es  p.  525  heisst:  „The  skeletons  of  these 
organisms  are  found  in  all,  or  almost  all,  the  sea  bottoms" ,  heisst  es  dagegen  p.  535  von 
den  Eadiolarien  im  Allgemeinen  :  ,.ln  vcry  many  places  they  appear  to  be  ncarly  or  quite 
absent  in  the  bottoms''. 


470  Kadiohuia. 

südöstlicher  Richtung  bis  gegen  die  Maiijuesasinseln  ausdehnt,  dass  sich 
jedoch  auch  noch  anderwärts  solche  AblageruDgen  finden.  So  hob  der 
Challenger  auch  östlich  von  Japan  noch  einige  Grundproben,  welche 
bis  zu  Vy  ^i^s  Radiolarienresten  bestanden. 

Eine  Erklärung  für  die  Bildung  fast  reinen  Radiolarienschlamms  in 
so  beträchtlichen  Tiefen  lässt  sich  zwar  ungefähr,  jedoch  bis  jetzt  noch 
nicht  ganz  ausreichend  geben.  Zunächst  scheinen  in  den  Meeresregionen, 
wo  solche  Ablagerungen  bis  jetzt  beobachtet  wurden,  Radiolarien  be- 
sonders reichlich  zu  sein;  dies  wird  wenigstens  von  Thomson  und  Murray 
für  die  wärmeren  Theile  des  stillen  Oceans  gegenüber  dem  atlantischen 
angegeben.  Hauptsächlich  im  südwestlichen  Theil  des  stillen  Oceans  und 
um  die  Inseln  des  malayischen  Archipels  herrscht  ein  grosser  Radiolarien- 
reichthum.  Weiterhin  muss  die  Masse  der  am  Boden  zur  Ablagerung 
gelangenden  Radiolarienreste  proportional  mit  der  Tiefe  des  darüber 
stehenden  Meeres  wachsen,  da  ja  die  Radiolarien,  wie  wir  gesehen,  bis 
zu  sehr  grossen  Tiefen  hinab  leben.  Demnach  muss  die  Masse  der  zur 
Ablagerung  gelaugenden  Radiolarienreste  in  solch  tiefen  Regionen  absolut 
gegenüber  den  sich  gleichfalls  niederseukeuden  Resten  der  pelagischen 
Organismen  anderer  Gruppen  wachsen,  speciell  gegenüber  den  Schalen- 
resten pelagischer  Rhizopoden,  da  diese  nur  eine  beschränkte  Ober- 
flächenzone bewohnen.  Weiterhin  haben  aber  die  Challengerunter- 
suchungen  wohl  unzweifelhaft  ergeben,  dass  die  Kalkschalen  pelagischer 
Thiere,  speciell  die  der  Rhizopoden  und  der  gleichfalls  sehr  häufigen 
Pteropoden,  gewöhnlich  nicht  über  eine  gewisse  Tiefe  unversehrt  hinab- 
gelangen, vielmehr  in  Tiefen  über  2000  Faden  allmählich  durch 
chemische  Einflüsse,  wohl  ohne  Zweifel  durch  auflösende  Wirkung  der 
Kohlensäure,  zerstört  werden,  bis  sie  schliesslich  am  Boden  nahezu 
oder  gänzlich  verschwinden.  Statt  des  Globigerinenschlammes  stellt 
sich  dann  ein  Thonschlamm  von  rother  oder  grauer  Farbe  ein,  in 
welchem  sich  gewöhnlich  noch  einige  Reste  kalkiger  Schalen,  weiterhin 
jedoch  fast  stets  Mangansuperoxydhydrat  als  verschiedengestaltige  Con- 
cretionen,  sowie  Partikel  verschiedner  Mineralien,  Quarz,  Glimmer,  und 
namentlich  sehr  weit  verbreitet  Bimssteinstückchen  finden.  Auch  Radio 
larienreste  gesellen  sich  diesen  Thonen  häufig  zu. 

Thomson  ist  der  Ansicht,  dass  diese  Thone  im  Wesentlichen  die  un- 
löslichen Rückstände  der  zerstörten  Kalkschalen  pelagischer  Organismen  dar- 
stellen. Murray  hebt  hervor,  dass  auch  vulkanische,  über  weite  Strecken 
des  Meeresbodens  zur  Ablagerung  kommende  Producte  (Beweis  hierfür  ist 
der  so  verbreitete  Bimsstein),  ebenso  wie  Meteoriten  und  kosmischer  Staub 
zur  Bildung  der  Thone  beigetragen  haben  mögen. 

In  derselben  Weise  erklärt  sich  nun  auch  das  Fehlen  oder  die  grosse 
Armutb  der  kalkigen  Schalen,  speciell  der  der  Rhizopoden  in  den 
Radiolarienschlammlagern,    welche    ihrer    Tiefe    nach    säramtlich    in    die 


K';iiliul;(nciisclilaiiiiii ;   V'i'rlii'i'itiing'  in  dm   Ihuil.    Meeren.  471 

Region  der  Thoiie  gehiU'en  *).  Eigeiithünilieli  ist  jedoch ,  dass  thonige 
lieimischungen  dem  eigentlichen  Radiolarienschlamm  nicht  in  erheb- 
lichem Grade  zuzukommen  scheinen,  dagegen  finden  sich  darin  Braun- 
steinconcremente,  Bimssteinstückchen  und  andere  Mineralpartikel  (Ehren- 
berg und  Challengerexpedition),  ähnlich  wie  in  den  Thonen. 

Oben  wurde  schon  auf  gewisse  Erscheinungen  in  der  Verbreitung  der 
Radiolarien  hingewiesen,  auf  den  grösseren  Reichthum  des  stillen  Oceans 
nämlich  gegenüber  dem  atlantischen.  Thomson  (31)  hebt  speciell  hervor, 
dass  sie  am  reichlichsten  zu  sein  scheinen,  wo  das  Seewasser  ein  niederes 
specifisches  Gewicht  besitzt.  Jedenfalls  scheinen  sieb  die  Radiolarien 
in  gemässigt  warmen  und  den  wärmeren  Meeren  besonders  reichlich  zu 
entwickeln,  spärlicher  dagegen  in  den  kalten  Meeren.  So  erklärt  z.  B. 
auch  Thomson  die  Radiolarienarmuth  der  Nordsee  und  der  britischen 
Küsten  aus  dem  Vorhandensein  eines  kalten  Stroms,  welcher  sich, 
von  der  arktischen  See  kommend,  gegen  Nordschottland  wendet  und, 
sich  hier  theilend,  einerseits  die  Nordsee  wesentlich  abkühlt,  andererseits 
in  einem  60  —  80  Seemeilen  breiten  Arm  die  Westküste  der  britischen 
Inseln  umzieht.  Jenseits  dieses  kalten  Stromes  sind  Radiolarien  im  at- 
lantiseben Ocean  reichlich  anzutreffen.  Immerhin  fehlen  aber  auch  in 
diesem  kalten  Gebiete  die  Radiolarien  nicht  völlig-,  denn  schon  Claparede 
fand  3  Formen  bei  Bergen,  Stockes**)  zwischen  den  Orkney-  und  Shet- 
landsinseln  in  den  ßodenablagerungen  1>  Arten.  Dass  jedoch  Radiolarien 
selbst  arktischen  Meeren  nicht  fehlen,  dürfte  wohl  mit  Sicherheit  aus  den 
Ergebnissen  der  englischen  Nordpolexpedition  des  Jahres  1875/76  ge- 
schlossen werden,  welche  auf  ihrer  nördlichsten  Station  (83**  19'  n.  Br.) 
die  radiolarien -reichste  Grundprobe  traf.  Ueberhaupt  fanden  sich  in 
den  Grundproben,  welche  diese  Expedition  aus  dem  arktischen  pacifischen 
Ocean  mitbrachte,  nicht  weniger  wie  10  Genera  kieselschaliger  Formen 
nach  Häckel's  Untersuchung***).  Auch  fand  die  Challengerexpedition 
in  den  Grundproben  aus  dem  südlichen  indischen  Ocean  (50 — 65*^  s.  Br.) 
z.  Th.  recht  viele  Radiolarienrestef). 

Die  Radiolarien  erscheinen  unter  günstigen  Bedingungen  in  grosser 
Menge  an  der  Meeresoberfläche,   so  dass  sie,   wie  Thomson  angibt,   das 

*)  Auch  Ehreiiberg  nalim  schon  zu  einer  solchen  Auflösung  der  Kalkschalen  seine  Zu- 
flucht, nui  sicli  deren  Fehlen  in  den  Radiolarienablagerungen  zu  erklären. 

**)  Quart,  journ.  of  microscop.  science  N.  S.  Vol.  II.  p.  307.  Auch  abgeschlossnen 
Meeren  fehlen  nach  Ehrenberg's  Untersuchungen  (25)  Radiolarien  nicht  völlig,  so  fand  er 
1  Stylosphaera  im  Asow'scheu  und  4  Mesocaena- Arten  im  schwarzen  Meer,  im  Casjnsee 
dagegen  2  Haliommen.  Ich  beobachtete  in  Ascidia  canina  aus  der  Ostsee  hautig  eine 
Dictyocha. 

***)  siehe  bei  Brady.  Ann.  mag.  nat.  hist.  4.  S.  T.  XVII.  1878. 

t)  Zu  einer  eingehenderen  Besprechung  der  geograpliischen  Verbreitung  der  Radiolarien 
ist  bis  jetzt  noch  keine  Möglichkeit  vorhanden,  wir  werden  daher  auch  die  vereinzelten  That- 
sachen,  welche  sich  in  dieser  Hinsicht  verwerthen  Hessen,  nicht  weiter  ausfuhren.  Es  ist  zu 
hoffen,  dass  auch  ein  einigermaassen  befriedigender  üeberblick  über  diese  Verhältnisse  sicIi 
gewinnen  lassen  wird,,  wenn  die  Resultate  der  Challengerexpedition  vorliegen. 


472  Kadiolaria. 

Wasser  zuweilen  cleutlicb  färben.  Jedoch  herrscht,  wie  es  scheint,  eine 
deutliche  Abstufung-  der  verschiednen  Abtheilungen  hinsichtlich  der  Massen- 
haftigkeit  ihres  Vorkommens.  Nach  Häckel  und  Thomson  sind  meist  die 
Acanthometriden  besonders  reich  vertreten  und  mit  ihnen  wetteifern  die 
Sphaerozoöen.  Sehr  häufig  sind  auch  gewisse  Sphaerideen ,  Colliden 
und  Phaeodarien ,  wogegen  die  Monopylarieu  im  Ganzen  nicht  zu  den 
häufigsten  Formen  gehören  (jedoch  beschränken  sich  letztere  Angaben 
nur  auf  die  Verhältnisse  des  Mittelmeers  und  speciell  Messina's)*). 


7.  Paläontologisches  Vorkomiueu  der  Radiolarien*'). 

Ich  habe  absichtlich  in  dem  Titel  dieses  letzten  Abschnittes  nicht 
von  der  paläoutologischen  Entwicklung  der  Radiolarien  gesprochen,  denn 
unsere  Kenntnisse  der  Eeste  dieser  Gruppe  aus  untergegangnen  Erd- 
epochen sind  so  wenig  umfangreich,  dass  aus  ihnen  bis  jetzt  durchaus 
nichts  Sicheres  über  die  phylogenetische  Entwicklung  zu  schöpfen  ist. 
Hierzu   gesellt   sich    nun   weiterhin    noch   dieselbe   Schwierigkeit,    welche 


*)  Im  Verlaiife  des  von  uns  seither  eiiigebaltenen  Ganges  der  Schilderung  liätte  nun 
die  Besprechung  des  Systemes  und  die  Charakteristik  der  Gattungen  zu  folgen.  Ich  sehe  mich 
jedoch  leider  genöthigt,  diesen  Abschnitt,  zu  dessen  Bewältigung  ich  ziemlich  ausgedehnte 
Vorstudien  gemacht  habe,  im  Hinblick  auf  die  augenblickliche  Lage  der  Kadiolaricnsystematik 
einstweilen  nicht  auszuarbeiten.  Während  der  Abfassung  des  Textes  erschien  das  vor- 
läuiige  neue  Eadiolariensystem  von  Häckel,  welches  durch  eine  grosse  Zahl  neuer  (iattungen 
so  umgestaltet  und  verändert  ist,  dass  ohne  genauere  Beschreibung  derselben  eine  Orientirung 
nicht  möglich  erscheint,  zumal  Angaben  über  Synonymie  ganz  fehlen,  frühere  Namen  z.  Th. 
unterdrückt  scheinen  u.  s.  f.  Es  unterliegt  keinem  Zweifel ,  dass  die  mehr  wie  2000  neuen 
Arten  des  Challengermaterials  —  gegenüber  den  etwa  300  seither  lebend  genauer  bekannten 
—  eine  ganz  neue  Gestaltung  des  Systems  erfordern.  Es  wäre  daher  ein  ephemeres,  ziem- 
lich werthloses  Bemühen,  wollte  ich  es  versuchen,  unter  diesen  Verhältnisseh  das  System 
der  Kadiolarien  darzustellen.  Die  Besprechung  der  Eadiolarien  jedoch  überhaupt  zu  vertagen, 
war  nicht  möglich,  wenn  nicht  die  Fortsetzung  der  Protozoen  auf  unbestimmte  Zeit  verschoben 
werden  sollte;  ich  weiss  mir  daher  nicht  anders  zu  helfen,  als  dass  ich  einstweilen  den  syste- 
matischen Abschnitt  bis  nach  Erscheinen  der  Challengerradiolarien  aufschiebe .  was  ja  auch 
kein  zu  grosser  Nachtheil  ist,  da  die  allgemeine  Schilderung  auch  so  verwerthba''  sein 
dürfte.  —  Es  wird  dann  späterhin  möglich  sein ,  dem  Werk  durch  eingehende  Berück- 
sichtigung der  neueren  Ergebnisse  einen  um  so  vollständigeren  und  dauernder  nutzbaren 
Charakter  zu  verleihen. 

**)  Ausser  den  schon  im  allgemeinen  Literaturverzeichniss  namhaft  gemachten  Schriften 
von  Ehrenberg,  Häckel,  Zittel,  Stöhr  und  Bütschli  sind  bezüglich  fossiler  Eadiolarien  noch  zu 
vergleichen : 

1.  Carruthers,  W.,  British  Assoc.  Keports  1872,  p.  12G  und  Quart,  journ.  microsc.  sc. 
N.  S.  Vol.  XII.  p.  .'i97. 

2.  Gümbel,  C.  W. ,  üeber  Foraminiferen ,  Ostracoden  und  mikroskopische  Thierreste  in 
den  St.  cassianer  Schichten.  Jahrb.  d.  k.  k.  geolog.  Kcichsanst.  1S<')9.  Bd.  XIX.  p.  175 
—186.  T.  V— VI. 

'j.    Sauvage,  Annales  des  sciences  g6ologi(iues  1873. 

4.  D'Achiardi,  Sul  gabbro  rosso  e  rocce  diasprine  che  vi  si  conettono.  Atti  soc.  tose.  sc. 
nat.  Proc.  verb.  1880.  p.  57—58. 


Allg'(Mii.  Vorkoiiiiiicii    Inssilrr  lÄadiulMricii.  473 

uns  schon  nöthigte,  von  einer  Darstellung  des  Systems  Abstand  zu 
nehmen,  die  Ueberzeiigung  nämlich,  dass  die  bis  jetzt  genauer  be- 
kannten lebenden  Radiolarien  gleichfalls  nur  einen  kleinen  Theil  der 
überhaupt  in  unsrer  Epoche  existirenden  Vertreter  dieser  umfangreichen 
Gruppe  darstellen,  so  dass  etwaige  Schlüsse,  welche  wir  aus  den  so  un- 
vollständigen Erfahrungen  über  fossile  und  lebende  Ixadiolarien  hinsicht- 
lich der  paläontologischen  Entwicklung  ziehen  wollten,  sich  wahrscheinlich 
als  sehr  trügerisch  erweisen  dürften. 

Auch  die  von  Ehrenberg  betonte  geringe  Uebereinstimmung  fos. 
siler  und  lebender  Formen  stellte  sich  nach  den  neueren  Untersuchungen 
►Stöhr's  (35)  und  Häckel's  (37)  als  nicht  stichhaltig  heraus;  beide  fanden, 
dass  eine  ziemliche  Zahl  tertiärer  Radiolarien  mit  noch  jetzt  lebenden 
identisch  ist,  wie  dies  auch  zu  vermuthen  war. 

Die  soeben  hervorgehobnen  Umstände  zwingen  uns  zur  Beschränkung 
auf  einige  allgemeine  Bemerkungen  und  die  Schilderung  des  geologischen 
Vorkommens  fossiler  Radiolarien. 

Bis  jetzt  sind  fast  sämmtliche  umfangreicheren  und  erhaltungsfähigen 
Untergruppen  der  Radiolarien  auch  fossil  angetroffen  worden.  Dass  wir 
unter  den  fossilen  Vorkommnissen  die  Colliden,  Sphaerozoeen  und  Acantho- 
metreen  vermissen,  wird  uns  nicht  erstaunen,  da  die  Angehörigen  dieser 
Abtheilungen  entweder  überhaupt  keine  erhaltungsfähigen  Skelettheile  be- 
sitzen ,  oder  wie  ein  Theil  der  Colliden  und  Sphaerozoeen  solche, 
die  im  isolirten  Zustand  kaum  oder  nicht  sicher  zu  erkennen  sind. 
Einzelne  Skeletspicula  gewisser  Colliden  und  Sphaerozoeen  werden 
sicher  zunächst  auf  Spongien  bezogen  werden,  wogegen  die  Collosphaera 
ähnlichen  Gitterkugeln  gewisser  Sphaerozoeen  sich  im  isolirten  Zustand 
nicht  mehr  mit  Sicherheit  von  den  ähnlichen  Gitterkugeln  einschaliger 
Sphaerideen  unterscheiden  lassen.  Gewisse  von  Ehrenberg  und  andern 
Forschern  beschriebne  einfache  Gitterkugeln,  so  Cenosphaera  Ehrbg.  und 
Acanthosphaera  Ehrbg.  lassen  sich  denn  auch  ebensowohl  auf  Sphaero- 
zoeen wie  Monosphaerideen  beziehen. 

Als  weitere  Stütze  der  eben  gegebnen  Erklärung  des  scheinbaren 
oder  thatsächlichen  Fehlens  jener  Gruppen  im  fossilen  Zustande  darf 
weiterhin  hervorgehoben  werden,  dass  auch  in  recenten  Ablagerungen 
bis  jetzt  noch  keine  Vertreter  derselben  nachgewiesen  worden  sind. 

Wichtiger  dagegen  erscheint  der  Mangel  einiger  kieselschaliger,  wohl 
erhaltungsfähiger  Gruppen.  So  ist  bis  jetzt  von  der  nach  Häckel's  neuen 
Forschungen  in  der  Jetztzeit  recht  reich  entfalteten  Gruppe  der  sogen. 
Plectida  (Plagiacanthida  Hertw.)  fossil  noch  nichts  beobachtet  worden. 
Auch  die  umfangreiche  Abtheilung  der  Phaeodaria  fehlt  in  den  Verzeich- 


5.  Pantanelli,  D.,  Eadiolari  dci  üiaspri.  Atti  soc.  tose.  sc.  iiat.  Proc.  vi;rb.  1880.  p.  5S, 
auch  Bollet.  E.  com.  geol.  d'Ital.  1880. 

6.  Pantanelli   e  De   Stefani,   Kadiolari   di  Santa  Barbera  in   Calabha.     Atti  soc.  tose. 
Proc.  verb.   1880.  p.  59— üO. 

7.  Zittel,  K.,  Handbuch  der  Paläontologie  Bd.  1. 


474  Ivailiiilana. 

iiisseu  fossiler  Radiolarien  so  zu  sagen  völlig,  ausser  reichlich  ^■el•tl•etnen 
Dictyocha-  und  Mesoeaenaformen  führen  nur  Pantanelli  und  Htefani  aus 
rniocänem  italienischen  Tripel  eine  Aulacantha  auf,  bezüglich  welcher 
jedoch,  wegen  Fehlen  der  Beschreibung  und  Abbildung,  nicht  wohl  zu  ent- 
scheiden ist,  ob  sie  sicher  begründet  wurde.  Dass  auch  die  Abtheilung 
der  Lithelidae  schon  zur  Tertiärzeit  vertreten  war  und  nicht  auf  die 
Jetztwelt  beschränkt  ist,  wie  Häckel  noch  anzunehmen  berechtigt  war, 
ergibt  sich  aus  meinen  Untersuchungen  der  Barbadosradiolarien ;  Ehren- 
berg hatte  zu  dieser  Abtheilung  gehörige  Formen  irrthümlich  zu  der 
Gattung  Stylodictya  gezogen*). 

Alle  übrigen  grösseren  Untergruppen  kieselschaliger  Radiolarien  sind 
auch  schon  zur  Tertiärzeit  vertreten  gewesen. 

Nur  über  diese  geologische  Epoche  liegen  bis  jetzt  eingehendere 
Forschungen  vor,  begünstigt  durch  die  Erscheinung,  dass  diese  Formation 
an  gewissen  Orten  sehr  reichhaltige  Radiolarienlager  einschliesst,  wie  sie 
in  älteren  Formationen  bis  jetzt  nicht  zur  Beobachtung  kamen.  Es  wäre 
jedoch  gewiss  durchaus  verfehlt,  die  Radiolarien  überhaupt  für  eine 
jugendliche  Abtlieilung  zu  halten ,  wenn  auch  die  Anzeichen  ihres  Vor- 
kommens  in  älteren  Formationen  zur  IStunde  nur  sehr  spärlich  vorliegen. 

Die  ältesten  Spuren  von  Radiolarien  sind  bis  jetzt  in  der  Kohlen- 
formation aufgefunden  worden,  zwar  haben  sich  die  von  Carruthers  einst 
aus  der  englischen  Kohlenformation  unter  dem  Namen  Traquairia  be- 
schriebenen vermeintlichen  Radiolarienreste  nicht  als  solche  erwiesen, 
sondern  als  pflanzliche,  sporenartige  Gebilde,  ähnlich  den  Macrosporen 
der  Rhizocarpeeu  ergeben ;  dagegen  gibt  ein  genauer  englischer  Forscher 
Sollas**)  neuerdings  an,  in  den  „carboniferous  beds''  von  North -Wales 
Radiolarienreste  beobachtet  zu  haben ,  welche  jedoch  in  kohlensauren 
Kalk  umgewandelt  waren.  Aus  der  Triasformation  (von  St.  Cassian  in 
Tyrol)  beschrieb  Gümbel  die  Reste  zweier  Arten  dictyocha -ähnlicher  Ge- 
bilde, welche  mir  jedoch  nur  wenig  sicher  erscheinen.  Aus  der  oberen 
Juraformation  von  Muggendorf  ist  eine  grosse  sogen.  Cenosphaera  durch 
Waagen  bekannt  geworden  und  Steinmann  wies  neuerdings  auf  reich- 
liches Vorkommen  von  Radiolarien  in  der  tithonischen  Facies  des  Jura 
sowie  in  der  Kreide  hin  ***).  Schon  früher  hatte  Zittel  das  Vorkommen 
der  Radiolarien  in  der  Kreideformation  erwiesen,  indem  er  in  der  oberen 
Kreide  von  Haldem  in  Westfalen  und  Vordorf  in  Braunschweig  zwei 
sogen.  Cenosphaera-Arten,  eine  Dictyocha,  eine  Stylodictya  und  vier  Ver- 


*)  Die   Stylodictya   hispida   Ehrbg.   ist   nämlich    meinen    Beobachtungen  zu  Folge  eine 
Lithelinsform. 

**)  Ann.  m.  n.  h.  (V)  VI.  p.  439. 

''■■**)  Jalirbuch  f.  Mineral,  u.  Geologie  1SS1  (nach  Untersuchungen  von  ihm  und  von 
V.  Hantlien\  Die  Beobachtungen  von  Waagen  hat  Zittel  (29)  mitgetheilt.  Durch  eine  gef. 
hrieflicho  Benachrichtigung  Zittel's  kann  ich  hier  nachträglich  noch  mittheilen,  dass  v.  Duni- 
knwsky  Kadiolfirien  im  unteren  Lias  von  Schafberg  in  Obe^-Oe^terreich  gefunden  hat. 


m 


AllgL'iu    \'iirlvuiiimcii   lossilrr   Uadiolaiicii  475 

treter  der  Cyrtida  (säuimtlich  z«  der  Häckerscheii  Gattung  IJthocanipe 
von  1862  =  Dictyomitra  Zitt.  1876  gehörig)*)  fand. 

Eine  genauere  Durchforschung  der  älteren  Formationen  wird,  wovon 
ich  fest  überzeugt  bin,  zahlreiche  Hadiolarienreste  zu  Tage  fördern,  ebenso 
wie  dies  auch  für  die  Rhizopoda  schon  der  Fall  gewesen  ist. 

Die  Tertiärformation  hat  dagegen,  wie  bemerkt,  schon  eine  recht 
ansehnliche  Menge  Radiohirienreste  geliefert.  Stöhr  (35)  rechnet  454  Arten 
zusammen,  eine  Zahl,  die  gewiss  nicht  zu  niedrig  gegriffen  ist,  wenn 
man  berücksichtigt,  wie  viele  neue  Formen  allein  das  Barbadosgestein 
bei  gründlicherer  Durchsuchung  noch  liefern  wird**). 

Spärlichere  Reste  von  Radiolarien  scheinen  weithin  durch  die  Tertiär- 
formation verbreitet  zu  sein,  nur  drei  Fundstätten  sind  aber  bis  jetzt  be- 
kannt geworden ,  wo  es  sich  um  wirkliche  Radiolarienablagerungen  aus 
der  Tertiärzeit  handelt,  ähnlich  den  recenten  der  ISüdsee.  Ehrenberg  hat 
spärlichere  Reste  von  Radiolarien  beobachtet  in  den  Mergeln  oder  Polir- 
schiefern  von  Aegina  und  Zante  in  Griechenland,  sowie  Oran  in  Afrika, 
in  einer  Reihe  sogen.  Polirschiefer  Nordamerikas  (Richmond  und  Peters- 
burg in  Virginien,  Piscataway  in  Maryland),  ferner  im  Tripel  von  den 
Bermudasirsein,  und  in  einem  sogen.  Polirschiefer  von  Morro  de  Mijellones 
(Westküste  von  Südamerika  an  der  Grenze  zwischen  Bolivia  und  Chile), 
schliesslich  im  Tripel  von  Sirabirsk  bei  Kasan.  Zu  den  drei  Fundorten 
wirklicher  tertiärer  Radiolarienlager  gehört  zunächst  Sicilien  (speciell  der 
durch  Stöhr's  Untersuchungen  genauer  bekannt  gewordene  Punkt  Grotte), 
weiterhin  scheinen  jedoch  noch  einige  andere  Ablagerungen  der  italieni- 
schen Halbinsel  sehr  reich  an  Radiolarienresten  zu  sein,  so  gewisse  Tripel 
Calabriens  und  die  sogen.  Diasprogesteine  Toscanas  nach  den  neueren 
Untersuchungen  von  Pantanelli ,  Stefani  und  D'Achiardi.  Das  reichste 
Radiolarienlager  ist  das  der  westindischen  Insel  Barbados,  hinter  welcher 
der  dritte  Fundort,  die  Nikobareninseln,  beträchtlich  zurücksteht. 

Die  Tripel  Siciliens,  welche  nach  Stöhr  dem  obersten  Tortonien  an- 
gehören, sind  weisse  blätterige,  meist  leicht  zerreibliche  Ablagerungen, 
nur  selten  von  grösserer  Festigkeit.  Ihr  Kieselsäuregehalt  geht  ziemlich 
parallel  dem  schwankenden  Gehalt  an  Radiolarienresten  und  erhebt  sich 
von  30  bis  auf  68%.  Sie  enthalten  wie  alle  Radiolarienablagerungen 
noch  mehr  oder  weniger  Reste  mariner  Diatomeen  und  Spongien,  sowie 
Kalkschalen  von  Rhizopoden  beigemischt.  Merkwürdiger  Weise  schliessen 
jedoch     diese     sicilischen    Tripel    auch     ziemlich    zahlreiche    Fischreste, 


*)  Drei  dieser  sogen.  Dietyomitren  gehören  nach  Häckel's  neuester  Classification  zur 
Unterfamilie  der  Stichocyrtida  und  zur  Gattung  Lithocampe;  die  vierte  nur  dreigliedrige  ge- 
hört zur  üutcrfam.  der  Triocyrtida  und  zwar  zur  Gattung  Tricolocanipc  Hack.  ISSl. 

**)  Ich  hahe  zunächst  eine  genaue  Zusamnienrechnung  und  Yergleichung  der  Tertiär- 
t'ormen  nicht  vorgenommen,  weil  eine  kritische  Revision  derselben  auf  Grundlage  der  Challenger- 
radiolarien  späterhin  doch  zur  Nothwendigkeit  wird.  Das  später  zu  publicirende  System  soll 
auch    die   fossilen    Formen    genau    berücksichtigen    und   wird  ebenso  Nachweise  über  die  Zahl 


b 


der  fossilen  Arten  und  ihr  Vorkommen  geben. 


476  Racliolaria 

darimter  nicht  selten  Süsswasserfische  und  weiterhin  Laudpflauzen  ein. 
Sie  geben  uns  demnach  ein  hübsches  Beispiel  der  Vermischung  einer 
Tiefseeablagerung  mit  durch  Süsswasser  vom  Festland  zugeführten 
Resten.  Stöhr  konnte  in  dem  reichsten  Tripel,  dem  von  Grotte,  nicht 
weniger  wie  118  Radiolarienarten  auffinden*). 

Auf  Barbados  bilden  die  Radiolariengesteine  einen  ansehnlichen  Theil 
des  bis  zu  1147  Fuss  aufsteigenden  Gebirgsstocks  der  Insel.  Bedeckt 
werden  sie  z.  Th.  von  einem  Korallenkalk.  Ehrenberg  beschreibt  diese 
Gesteine  als  eisenschüssigen  Sandstein ,  sandigen  Kalkstein  und  erdige 
Mergel.  Ihr  Radiolarienreichthum  ist  übrigens  ziemlich  wechselnd, 
wie  sich  aus  den  Untersuchungen  verschiedner  Proben  durch  Ehreu- 
berg  ergibt.  Die  besonders  reichen  scheinen  eine  tripel-  oder  mergel- 
artige Beschaffenheit  zu  besitzen**).  Auch  bituminöse  Radiolarienmergel 
finden  sich  vor.  Die  von  Ehrenberg  mitgetheilte  Analyse  eines  solchen 
Polycystinenmergels  (ausgeführt,  von  Rammeisberg)  weist  gar  keine  freie 
Kieselsäure  auf,  sondern  34^0  Thonerdesilikat  und  nicht  weniger  wie 
59  °/y  kohlensauren  Kalk ,  ein  Ergebniss ,  welches  sich  schwer  mit  der 
mikroskopischen  Untersuchung  vereinigen  lässt  und  der  Vermuthung 
Raum  gibt,  dass  irgend  etwas  in  der  Analyse  nicht  stimmt. 

Den  auffallenden  Kalkreichthum  der  Barbadosgesteine  erklärt  sich 
Ehrenberg  durch  Beimischung  von  Rhizopodenschalen  (nur  fünf  Formen 
Hessen  sich  jedoch  auffinden)  und  coccolithen- ähnlichen  Gebilden,  sowie 
eines  z.  Th.  kalkigen  Mulms,  Diese  Mulmbeimischung  beträgt  überhaupt 
zuweilen  bis  zur  Hälfte  des  Gesteinsvölumens.  Vielleicht  dürfte  sich  je- 
doch der  ansehnliche  und  im  Hinblick  auf  die  recenten  Radiolarien- 
schlamme  auffallende  Kalkgehalt  durch  nachträgliche  Infiltration  erklären, 
in  welcher  Hinsicht  die  Ueberlagerung  durch  Korallenkalk  beachtenswerth 
erscheint.  Interessant  erscheint  die  häufige  Beimischung  von  Bimsstein- 
stückchen eben  im  Hinblick  auf  die  recenten  Tiefseeablagerungen. 

Das  Barbadosgestein  lieferte  Ehrenberg  nicht  weniger  wie  278  Arten 
Radiolarien,  womit  jedoch  die  Zahl  der  vorhandnen  nicht  erschöpft  ist, 
da  ich  bei  kurzer  Untersuchung  noch  eine  ziemliche  Zahl  weiterer 
fand;  daneben  enthält  es  noch  einige  Diatomeen  (18  Arten)  und  Spon- 
giennadeln. 

Recht  abweichend  von  den  soeben  geschilderten  sind  die  Radiolarien- 
ablagerungen  der  Nikobareninseln  beschaffen,  welche  hauptsächlich  auf 
den  Inseln  Gar  Nikobar  und  Camorta  angetroffen  wurden.  Ihrer  petro- 
graphischen  Beschaffenheit  nach  erinnern  dieselben  viel  mehr  an  die  Tief- 
seeablagerungen der  Jetztwelt.   Es  sind  nämlich  Thone  etwas  verschiedner 


*)  Die  Speciessouderung-  ist  jedoch  von  ihm.  wie  auch  schon  Steinmann  (Neues  Jahrb.  f. 
Mineralogie  1881)  lieiTorhebt,  etwas  weit  getrieben  worden. 

**)  Inwiefern  die  von  Ehrenberg  für  einen  Theil  dieser  Gesteine  gebrauchte  Bezeichnung 
Sandsteine  gerechtfertigt  werden  Icann,  will  mir  nicht  recht  einleuchten.  Ehrenberg,  der  auch 
alle  unorganischen  Beimischungen  aufzählt,  erwähnt  wenigstens  durchaus  nichts  von  Sand. 
Das  Stückchen  Gestein,  welches  ich  in  Händen  hatte,  enthielt  sicherlich  keinen  Sand. 


'l'ertiiirroiiiiMtidii   ( IJaihados.  Niliul)aii'ii.  Sicilicii).  477 

Beschaffenheit,  graue  auf  Car  Nikobar,  weisse,  meerschauniartige,  sowie 
eisenhaltige  rothe  und  bunte  auf  Camorta.  Diese  radiolarienhaltigcn 
Thone  bilden  mit  Mergeln  und  kalkhaltigen  Sandsteinen  den  bis  zu  2000' 
sich  erhebenden  Gebirgsstock  dieser  Inseln. 

Während  Ehrenberg  ursprünglich  (4,  ISnO)  die  Zahl  der  Radiolarien- 
arten  dieser  Ablagerungen  auf  mehr  wie  100  schätzte,  gab  er  in  seinem 
späteren  Verzeichniss  (26)  nur  31)  an,  welche  sich  bei  Zurechnung  der 
gleichfalls  zn  den  Radiolaiien  gehörigen  vier  Dictyochen  und  einer  Stc- 
phanolithis  auf  44  erheben  *). 

Die  Radiolarienfauna  von  Barbados  besitzt  einen  sehr  eigenthiimlichen 
Charakter,  wegen  der  ungemein  reichen  Vertretung,  welche  in  ihr  die 
Monopylarien  finden.  Von  den  292  bekannten  Formen  sind  nicht  weniger 
wie  234  Monopylarien,  darunter  188  Cyrtiden,  41  Zygocyrtiden  (=  Spy- 
rida  Hck.  1881)  und  5  Acanthodesmiden  (=  Stephida  Hck.  1881).  Sphae- 
rideen  (=  Peripylaria  Hack.  1881)  finderi  sich  dagegen  nur  58  (darunter 
reguläre  Sphaerideen  und  Disciden  zusammen  56,  eine  Zygartide  Hack.  1881 
und  eine  Lithelide).  Auch  in  den  Ablagerungen  der  Nikobaren  überstiegen 
die  Monopylarien;  unter  43  Formen  sind  26  Monopylarien  (20  Cyrtida, 
5  Zj^gocyrtida  und  1  Acanthodesmide),  13  reguläre  Sphaerideen  und 
Disciden  und  4  Phaeodarien  (Dictyochen). 

Abweichend  gestaltet  sich  dagegen  die  Fauna  der  sicilischen  Tripoli 
von  Grotte  nach  Stöhr;  hier  überwiegen  entschieden  die  regulären  Sphae- 
rideen und  Disciden,  welche  zusammen  69  der  118  bekannten  Arten  aus- 
machen. Hierzu  gesellen  sich  als  weitere  Feripylarien  noch  1  Pylonide 
und  3  Zygartiden ,  während  die  Monopylaria  bis  jetzt  nur  in  39  Ver- 
tretern beobachtet  wurden  (33  Cyrtida  und  6  Zj^gocyrtida) ;  hierzu  schliess- 
lich noch  6  Phaeodarien. 

Es  wäre  nun  jedenfalls  wenig  zutreffend,  wenn  man,  wie  dies  zu- 
weilen geschehen,  aus  dem  Vorherrschen  der  Cyrtida  und  Zygocyrtida  in 
den  tertiären  Faunen  von  Barbados  und  den  Nikobaren  den  Schluss 
ziehen  wollte,  dass  diese  Abtheilungen  w^ährend  der  Tertiärzeit  eine  be- 
sonders hervorragende  Entwicklung  erreicht  hätten.  Hiergegen  spricht 
einmal  schon  die  Beschaffenheit  der  sicilianischeu  Tertiärfauna,  weiterhin 
jedoch  auch  die  Zusammensetzung  recenter  Radiolarienablagerungen  der 
Tiefsee.  Betrachten  wir  die  zwei  reichhaltigsten  der  von  Ehrenberg  ana- 
lysirten  Radiolarienablagerungen  aus  grossen  Tiefen,  die  aus  dem  indi- 
schen und  die  aus  dem  stillen  Ocean,  so  finden  wir,  dass  die  erstere 
unter  43  beobachteten  Formen  29  Monopylarien  (26  Cyrtiden  und  3  Zygo- 
cyrtiden) gegenüber  13  Sphaerideen  (11  reguläre  Sphaerideen  und  Dis- 
ciden,  1   Zygartide  und  1  Pylonide)  und  1  Phaeodarie  aufweist.     In  der 


*)  Wie  mir  Prof.  Zittel  während  des  Drucks  dieses  Bogens  mittheilt,  hat  Dr.  P.  Keinsch 
kürzlich  auf  Cypern  eine  salzhaltige  Ablagerung  entdeckt,  welche  zu  .50 "/o  aus  Radiolarien 
besteht.  Die  kurze  Abhandlung  des  Entdeckers  über  seinen  Fund  konnte  ich  nicht  mehr 
dnrchselien. 


478  Radiolaiia. 

AblageruDg-  aus  dem  stillen  Ocean  tritt  das  Ueberwiegen  der  Mooopylarien 
weniger  deutlich  hervor,  doch  ist  es  immerhin  wohl  ausgesprochen.  Auf 
40  Monopylarien  (35  Cyrtida  und  5  Zygocyrtida)  finden  wir  hier  31  Peri- 
pylaria  (27  reguläre  Sphaerideen  -f-  Disciden,  3  Zygartiden,  1  Pylonide) 
und  schliesslich  4  Phaeodarien. 

Aus  diesen  Vergleichungen  ergibt  sich,  dass  auch  unsere  jetzigen 
Tiefseeablagerungen  ein  starkes  Ueberwiegen  der  Monopylaria  zeigen, 
wenn  auch  nicht  so  auffallend,  wie  das  Rarbadosgestein.  Es  scheint 
hieraus  wohl  sicher  hervorzugehen,  dass  die  Monopylaria  vorzugsweise 
Tiefseebewohner  sind,  was  auch  ihre  relative  Spärlichkeit  an  der  Meeres- 
oberfläche schon  einigermaassen  erkennen  lässt  und  dass  ihr  starkes 
Ueberwiegen  in  den  tertiären  Ablagerungen  von  Barbados  und  den 
Nikobaren  wohl  hauptsächlich  auf  die  beträchtliche  Tiefe  zurückzuführen 
ist,  in  welcher  jene  Ablagerungen  ursprünglich  entstanden. 

Auch  Häckel  fand  durch  seine  Untersuchungen  des  Challengermate- 
rials,  dass  die  Kadiolarienfauna  der  tiefsten  Regionen  der  heutigen  Meere 
am  meisten  der  fossilen  Fauna  von  Barbados  gleicht  (37). 

Andrerseits  müssen  wir  dagegen  schliessen,  dass  die  Tripoli  Siciliens 
ihre  Entstehung  in  geringerer  Tiefe  fanden,  welcher  Schluss  auch  wohl 
in  dem  Vorkommen  ziemlich  wohlerhaltner,  eingeschwemmter  Keste 
pflanzlicher  und  thierischer  Organismen  des  Festlandes  eine  Bestätigung 
findet  *J. 


*)  Dem  Literatur\rerzeicliniss  iiljer  Kadiolarien  bitte  ich  nacliträglicli  noch  zuziifug-en : 
Wallieh,  G.  C,  Ou  some  undeseribed  Testaceous  Rhizopods  from  the  North- Atlantic  Deposits. 
Monthly  microscop.  journ.  I.  p.  104—110.  PI.  III.  1869  (beschreibt  die  Schalen  einiger 
Ghallengeridae'i. 


B.    Abtheilnng  (Klasse,  Subph-ylum) 

Sporozoa. 

(Lcuckart  1879.) 

Den  Grundstock  dieser  Klasse,  deren  hier  adoptirte  Bezeichnung  1879 
von  R.  Leuckart  in  Vorschlag  gebracht  wurde,  bildet  eine  Gruppe  para- 
sitischer einzelliger  AVesen,  die  sogen.  Gregariniden,  welche  vorzüglich 
durch  ihre  eigenthümlichen  Fortpflanzungsverhältnisse  charakterisirt  werden. 
Das  Wesen  letztrer  besteht  darin,  dass  der  einzellige  Organismus,  mit 
oder  ohne  vorhergehende  copulative  Verschmelzung  mit  einem  Ge- 
nossen und  nach  Einschluss  in  eine  Cystenhülle,  eine  verschiedne  z.  Th. 
sehr  ansehnliche  Zahl  beschälter  Fortpflanzungskörper  (sogen.  Sporen) 
durch  Theilung  oder  Knospung  erzeugt.  Der  plasmatische  Kör- 
per dieser  kann  selbst  wieder  in  eine  verschiedene  Anzahl  Keime  zer- 
fallen. Zu  den  Fortpflanzungserscheinungen  gesellen  sich  weiterhin 
eine  Reihe  morphologischer  und  physiologischer  Eigenthümlichkeiten  der 
reifen  Formen ,  welche  diese  Gruppe  ziemlich  scharf  charakterisiren.  So 
eine  membranöse  Umhüllung  des  Körpers,  welche  echte  Plasmabewegung 
wenigstens  im  erwachsenen  Zustand  verbietet.  Weiterhin  als  physiologische 
Eigenthümlichkeit  die  parasitische  Lebensweise,  welche  die  Nichtaufnahme 
fester  Nahrung  erklärlich  macht.  Zahlreiche  Formen  sind  sogar  als 
Schmarotzer  in  Zellen  höherer  Thiere  erkannt  worden  und  es  spricht 
nicht  wenig  dafür,  dass  dieser  Zellenparasitismus  ursprünglich  der  ganzen 
Abtheilung  eigenthümlich  war. 

Ein  Vergleich  der  Fortpflanziingserscheinungen  unsrer  Formen  mit 
denen  andrer  Protozoen  weist  vielleicht  zunächst  auf  die  Vorgänge  bei 
gewissen  einfachen  Rhizopoden  hin,  namentlich  lässt  sich  das  auf  Grund 
einiger  neuer  Untersuchungen  über  die  Fortpflanzung  gewisser  amöben- 
artiger Organismen  noch  bestimmter  behaupten.  Da  andrerseits  kein  zu 
grosses  Hinderniss  zu  bestehen  scheint,  sich  die  Gestaltung  eines  grega- 
rinidenartigen  Organismus  sowohl  nach  morphologischer  wie  physiologi- 
scher Seite  hin  aus  einem  einfachen  rhizopodenartigen  Wesen  entstanden 
zu   denken,    so   glauben   wir,    dass  die  Gregarinida  hier  die  geeignetste 


480  Sporüzoa. 

Stelle  finden.  Man  bat  in  früherer  und  neuerer  Zeit  mehrfacli  die  Ver- 
muthung-  ausgesprochen,  dass  die  Gregarinideu  überhaupt  nicht  den  tbie- 
riscben  einzelligen  Wesen  zuzurechnen  seien,  sondern  ins  Pflanzenreich 
überwiesen  werden  müssteu.  Doch  batt  uur  Gabriel  diese  Ansicht  ein- 
gebender zu  begründen  versucht;  er  findet  die  nächsten  Beziehungen  der 
Gregarinideu  bei  den  Myxomyceten.  Unsre  genauere  Darstellung  wird 
jedoch  zeigen,  dass  jedenfalls  bis  jetzt  eine  solche  Zusammenstellung 
beider  Gruppen  nicbt  berechtigt  erscheint.  Dies  schliesst  aber  nicht 
aus,  dass  aucb  gewisse  Aehnlichkeiten  zwischen  Gregarinideu  (und 
namentlich  Sporozoen  im  weiteren  Sinne)  und  den  Myxomyceten  auf- 
zufinden sind,  denn  schliesslich  werden  doch  wohl  auch  die  Myxomy- 
ceten mit  den  einfacheren  Rhizopoden  in  stammverwandtschaftliche  Be- 
ziehung gesetzt  werden  müssen. 

Neben  den  Gregarinida  besprechen  wir  in  der  Klasse  der  Sporozoa 
noch  zwei  weitere  Gruppen,  die  Myxosporidia  und  Sarcosporidia,  deren 
Einreibung  in  diese  Klasse  einen  mehr  provisorischen  Charakter  besitzt. 
Weniger  gilt  dies  hinsichtlich  der  Myxosporidia,  für  deren  Zugehörigkeit 
zu  den  Sporozoa  eine  Anzahl  wesentlicher  Gründe  spricht.  Unsicherer 
dagegen  ist  die  Stellung  der  Sarcosporidia.  Beide  Gruppen  sind  eben- 
falls parasitische,  die  letztere  sogar  gleichfalls  cellularparasitisch.  Beide 
haben  ferner  mit  zahlreichen  eigentlichen  Gregarinida  die  Erzeugung 
grosser  Mengen  von  Sporen  gemeinsam. 

Indem  wir  bei  der  noch  unsicheren  Verfassung  unsrer  jetzigen  Kennt- 
nisse der  beiden  letzterwähnten  Abtheikingen  darauf  verzichten,  hier  eine 
kurze  diagnostische  Charakteristik  der  unter  der  Bezeichnung  Sporozoa 
zusammengefassten  drei  Abtheilungen  vorauszuschicken ,  werden  wir  zu- 
nächst die  eingehender  erforschte  Gruppe  der  Gregarinida  specieller  be- 
trachten und  hierauf  mehr  anhangsweise  die  Abtheiluugen  der  Myxospo- 
ridia und  Sarcosporidia  schildern. 

1.  Uebeisicht  der  historischen  Entwicklung  unsrer  Kenntnisse  der 

Sporozoa, 

Die  erste  Entdeckung  der  uns  hier  beschäftigenden  Protozoenabthei- 
lung wird  von  Diesing  (25)  schon  ins  17.  Jahrhundert  verlegt  und  Redi 
(1,  p.  183)  zugeschrieben.  Es  scheinen  mir  jedoch  die  Gebilde,  welche 
Redi  in  grösserer  Zahl  (16)  in  einem  nussgrossen  Bläschen,  das  am 
Ovarium  eines  Cancer  pagurus  befestigt  war*),  auffand,  in  ihrer  Bedeu- 
tung zu  zweifelhaft,  als  dass  wir  dem  berühmten  italienischen  Forscher 
auch  die  Entdeckung  der  Gregarinen  zuweisen  dürften. 

Sehr  kenntlich  dagegen  ist  die  von  einer  kurzen  Beschreibung  be- 
gleitete Abbildung,  welche  Cavolini  1787  (2,  p.  169.  T.  2,  Fig.  22)  von 

*)  Dieselben  Bläschen  sammt  Iiilialt  hat  er  jedocli  aiicli  bei  einer  „Locusta"  am  Ovarium 
unil  dem  Magen  befestigt  angetrotfen. 


Geschichte  (eigeiitl.  (ireg'aiiiien).  481 

einer  Gregarine  gab.  Er  fand  dieselbe  in  grosser  Menge  in  den  beiden 
eigenthünilichen  AnhangsdrUsen  des  Magens  von  Cancer  depressus.  Cavo- 
lini  hielt  die  paarweise  zusammenhangenden  Thiere  für  zweigliedrige 
Bandwürmer  und  entwarf  auch  ein  ganz  anschauliches  Bild  ihrer  Be- 
wegungen. Sehr  deutlich  beobachtete  er  weiterhin  schon  den  Zellkern 
als  helle  Stelle  in  dem  hinteren  Abschnitt  seiner  Cregarinen,  hielt  ihn 
Jedoch  für  eine  Oeftnung,  welche  er  der  z.  Th.  ähnlich  gelagerten  Ge- 
schlechtsötfnung  der  Bandwürmer  vergleicht. 

Sehr  zweifelhaft  erscheinen  mir  wieder  die  Angaben  Hamdohr's(3) 
über  Schmarotzergebilde  der  Insecten,  welche  vielfach  auf  Gregarinen 
bezogen  worden  sind.  Dies  gilt  ebensowohl  von  den  unter  dem  Namen 
,,Netzkörperchen''  (nicht  Schwielen,  wie  Diesing  angibt)  aus  dem  sogen. 
Netz  (Fettkörper)  der  Larve  von  Dermestes  lardarius  beschriebnen  Ge- 
bilden (T.  XL  Fig.  8),  wie  auch  von  dem  Eingeweidewurm  aus  dem 
Magen  des  Reduvius  personatus  (T.  XXIL  Fig.  9  u.  11),  welchen  er 
,, Vibrio  Reduvii"  nannte. 

Dagegen  dürften  die  Würmchen,  welche  Gaede  (4,  p.  17)  1815  im 
Mitteldarm  von  Blaps  mortisaga  fand,  mit  Recht  auf  Gregarinen  bezogen 
werden*). 

Ein  tieferes  Interesse  erhielten  die  Gregarinen  zum  ersten  Mal 
durch  die  Untersuchungen  von  Leon  Dufour  (;> — 8),  welcher  mit  Recht 
als  der  erste  wissenschaftliche  Entdecker  derselben  zu  bezeichnen  ist  und 
auch  den  Namen  Gregarina  schuf  (6).  Bei  seinen  eingehenden  Unter- 
suchungen der  Insectenanatomie  konnten  ihm  die  zahlreichen  Gre- 
garinenformen  dieser  Arthropoden  nicht  verborgen  bleiben.  Schon  um 
1811  hatte  er  dieselben  bei  Blaps  gigas  zum  ersten  Mal  gesehen,  doch 
veröffentlichte  er  erst  im  Jahre  1826  seine  Beobachtungen  über  die  Gre- 
garinen mehrerer  Käfer.  Es  erschien  zu  damaliger  Zeit  gewiss  gerecht- 
fertigt, diese  Parasiten  zu  den  Eingeweidewürmern  zu  ziehen;  speciell 
in  die  Gruppe  der  Vers  parenchymateux  Cuvier's  und  in  die  Fami- 
lie der  Trematoden  glaubte  sie  Dufour  einreihen  zu  sollen.  Die  nächste 
Beziehung  zu  ihnen  schien  ihm  die  Gattung  Caryophyllaeus  darzu- 
bieten. Zum  Theil  erklärt  sich  diese  Auffassung  Dufour's  auch  aus 
der  irrthümlichen  Annahme,  dass  das  Vorderende  der  Gregarinen  mit 
einem  saugnapfartigen  Mund  ausgerüstet  sei.  Darmkanal  und  After  wur- 
den dagegen  vermisst. 

Fast  zwei  Jahre  später  (1828,  6)  glaubte  er  sicher  zu  sein,  dass  es 
sich  thatsächlich  um  eine  ganz  neue  Gattung  von  Eingeweidewürmern 
handle,  für  welche  er  dann  auch  den  neuen  Namen  Gregarina  einführte 
und  zwei  Arten  unterschied.  Nicht  allein  bei  Coleopteren,  sondern  auch 
bei  Orthopteren  (Forficula)  hatte  sich  die  Gegenwart  der  Gregarinen  jetzt 
nachweisen   lassen;   hierzu  gesellten   sich  1833  (7)  auch  ein  Beispiel  aus 


*)  Es  ist  ohne  Zweifel  eine  Verwechslung    der  Namen,   wenn  A    Schneider  (40)  angibt, 
dass  Diijardin  die  Entdeckung  der  (iregarincMi  Goctzc  zusclireibe.     Es  ist  Gaede  genKsint. 
I!  roll  II,  KlassPii  ili?s  Tliipr-Ro'n'.lis.     Piotozoa.  31 


482  Sporozoa. 

der  Ordnung  der  Hemipteren  und  1837  (8)  noch  weitere  Formen  aus  ver- 
schiednen  Orthopteren.  In  letzterwähntem  Jahr  fasste  Dufour  seine  Beob- 
aehtungen  über  die  Gregarinen,  und  die  Eingeweidewürmer  der  Insecten 
überhaupt,  nochmals  zusammen. 

Seine  Ansichten  über  Bau  und  Verwandtschaftsverhältnisse  unsrer 
Organismen  hatten  sich  gegen  früher  nicht  Avesentlich  geändert,  nur 
glaubte  er  die  Entdeckung  einer  zweifachen  Hautbekleidung  gemacht  zu 
haben.  Von  dem  Kern  hat  er  bei  seinen  Untersuchungen  nichts  wahr- 
genommen. 

Wie  bemerkt,  waren  Dufour's  Kenntnisse  auf  die  Gregarinen  der  In- 
secten beschränkt.  Auch  seine  nächsten  Nachfolger  Hammerschmidt  (11) 
und  V.  vSiebold  (12)  untersuchten  nur  solche  Formen.  Ersterer  erweiterte 
die  Kenntnis^  derselben  durch  die  Beschreibung  einer  Anzahl  neuer  Arten, 
machte  auch  den  sehr  missglückten  Versuch,  einige  Geschlechter  zu 
unterscheiden  und  suchte  den  Nachweis  zu  führen ,  dass  die  Gregarinen 
einen  Darmkanal  besässen.  Von  grössrer  Wichtigkeit  ist  dagegen ,  dass 
er  den  Kern  im  auffallenden  Lichte  wieder  deutlich  beobachtete  und  ab- 
bildete. Hinter  Dufour  blieb  er  hauptsächlich  darin  zurück,  dass  er  das 
von  dem  ersteren  schon  häutig  gesehene  und  richtig  gedeutete  Zusammen- 
hängen zweier  Gregarinen  ganz  missverstand  und  die  Paare  als  ein. 
heitliche  Organismen  deutete.  Siebold's  (8)  Forschungen  (1839)  über 
die  Insectengregarinen  waren  in  mancher  Beziehung  von  grosser  Be- 
deutung. Abgesehen  von  zahlreichen  Einzelheiten  und  der  Erweiterung 
der  Artkenntniss,  welche  sie  darboten,  verdanken  wir  ihm  hauptsächlich 
die  erste  genauere  Kenntniss  desNucleus*)  und  einer  mit  sehr  entwickel- 
tem Haftapparat  versehenen  Form ,  sowie  vor  allem  den  ersten  Hinweis 
auf  die  Fortpflanzungsverhältnisse. 

Siebold  entdeckte  nämlich  in  der  Larve  einer  Mücke  (Sciara  nitidi- 
collis),  welche  von  einer  Gregarine  heimgesucht  wird,  encystirte  Grega- 
rinen auf  verschiednen  Entwicklungsstufen,  darunter  namentlich  auch  zahl- 
reiche mit  Pseudonavicellen  (Sporen)  gefüllte,  reife  Cysten.  Obgleich  ihm  der 
Zusammenhang  zwischen  Gregarinen  und  Pseudonavicellenbehältern  noch 
verborgen  blieb,  so  lenkten  seine  Beobachtungen  doch  zuerst  wieder 
die  Aufmerksamkeit  auf  frühere  Erfahrungen  über  ähnliche  Pseudonavi- 
cellenbebälter  der  Regenwürmer  und  gaben  damit  der  Anstoss  zur  Er- 
kenntniss  der  Regenwurmgregarinen  in  ihren  Beziehungen  zu  denen 
der  Insecten. 

Schon  1835  hatte  nämlich  Henle**)  solche  Pseudonavicellenbehälter 
in  den  Hoden  des  Regenwurms  beobachtet,  ohne  aber  zu  irgend  einer 
gesicherten    Vorstellung    über    ihre    Bedeutung  zu    gelangen.     Nur    ihre 


*)  Die  eigentliche  Bedeutung  des  Nucleusbläschens  alinte  v.  Siebold  jedoch  nicht,  wie  er 
denn  die  Gregarinen  gleicli  seinen  Vorgängern  zu  den  Eingeweidewürmern  und  zwar  zu  den 
Oystica  stellen  wollte. 

••*■•*)  Arch.  f.  Anaf.  u.  Pliysiol.   1S35.  p.  .J91  Anm. 


(icschiclitc  (cig-eatl.  (ii'cgariiuMi).  483 

Beziehung  zu  den  Eiern  des  Regenwurms,  die  wohl  früher  wie  später 
mehrfach  vermuthet  wurde,  glaubte  er  sicher  zurückweisen  zu  dürfen. 
Nichtsdestoweniger  war  schon  in  demselben  Jahr  1835  eine  Gregarine 
aus  der  Leibeshöhle  des  Regenwurms  von  Dujardin  (9)  unter  dem  Namen 
Proteus  tenax  recht  gut  beschrieben  worden  und  im  folgenden  Jahr  schil- 
derte Suriray  (10)  auch  eine  der  gewöhnlichsten  Gregarinen  aus  dem 
Hoden  des  Regenwurms  und  lieferte  sehr  kenntliche  Abbildungen 
derselben.  Auch  Pseudonavicellen  scheint  er  frei  im  Inhalt  des  Hodens 
gefunden  zu  haben,  ohne  jedoch  ihren  Zusammenhang  mit  der  von  ihm 
unter  dem  Namen  ,,sablier  protciforme"  beschriebnen  Gregarinenform 
zu  ahnen.  Ebenso  hatte  Henle  Regenwurmgregarinen  in  den  Jahren 
1836  und  37  mehrfach  beobachtet,  worüber  er  jedoch  erst  1845  eine  Mit- 
theilung machte  (13).  Bemerkenswerth  erscheint,  dass  er  bei  ihnen  zuerst 
einen  haarartigen  Besatz  gelegentlich  beobachtete.  Die  Beziehung  der 
Pseudonavicellenbehälter  zu  den  Gregarinen  hielt  er  jetzt  für  ziemlich 
sicher,  doch  ohne  hierfür  neue  Belege  beizubringen.  Irrthümliche  Beob- 
achtungen H.  Meckel's*)  aus  dem  Jahr  1844  über  die  Pseudonavicellen- 
behälter des  Regenwurms  übergehen  wir  an  dieser  Stelle. 

Von  hervorragendster  Bedeutung  für  die  Erkenntniss  der  uns  hier 
beschäftigenden  Wesen  wurden  jedoch  die  Untersuchungen  Kölliker's. 
Obgleich  er  dieselben  erst  im  Jahre  1848  ausführlich  veröffentlichte  (17), 
hatte  er  doch  schon  1845  (14)  seine  in  jeder  Hinsicht  bahnbrechenden 
Ansichten  über  die  Natur  unsrer  Organismen  mitgetheilt.  Hier  zuerst 
wird  die  Ansicht  ausgesprochen  und  zu  begründen  versucht,  dass  die 
Gregarinen  einzellige  Wesen  seien  —  dass  das  von  Hammerschmidt  und  von 
Siebold  beschriebne  Bläschen  der  Zellkern  sei.  Hierdurch  und  durch  den 
gleichfalls  versuchten  Nachweis,  dass  es  sich  um  ausgebildete  Tbierformen 
handle,  nicht  etwa  um  Larven  oder  Keime  höherstehender  Thiere,  wurde 
denn  auch  die  den  Gregarinen  seither  allgemein  zugewiesene  Stellung- 
unter  den  Eingeweidewürmern  berichtigt.  Weiterhin  erscheinen  jedoch  die 
Kölliker'schen  Untersuchungen  dadurch  noch  besonders  werthvoll,  weil 
sie  zuerst  die  weite  Verbreitung  unsrer  Organismen  bei  Würmern,  Tuni- 
caten  und  Arthropoden  darlegten.  Nicht  nur  bei  verschiedenen  Anneliden, 
sondern  auch  bei  Gephyreen  und  Nemertinen  wies  er  Gregarinen  nach ; 
durch  Beiträge  von  v.  Siebold  und  Ecker  konnte  er  ferner  das  Vorhanden- 
sein solcher  Parasiten  auch  bei  gewissen  Tunicaten,  Crustaceen  und 
Myriopoden  feststellen.  Bei  letzteren  beiden  Arthropodenabtheilungen 
waren  ziemlich  gleichzeitig  auch  von  v.  Frantziiis  und  Stein  Gregarinen 
nachgewiesen  worden. 

Etwas  beeinträchtigt  wurden  die  Kölliker'schen  Ansichten  über  die 
Natur  und  das  Wesen  der  Gregarinen  durch  den  Mangel  klarer  Beob- 
achtungen und  Vorstellungen  über  ihre  Fortpflanzungs  -  und  Entwick- 
lungsvorgänge.    —     Die     auf    Grund     missverstandner    Beobachtungen 


*)  Meckel,  IL.  Arcli.  f.  Anat.  u.  Pliys.  J844, 

31* 


484  Sporozoa. 

anfänglich  angenommene  Vermehrung  durch  Zweitheilung  (endogene  Zell- 
bildung), betrachtete  er  späterhin  selbst  wieder  als  zweifelhaft.  Auch 
das  Verhältniss  der  Pseudonavicellencysten  zu  den  Gregarinen  blieb  ihm, 
obgleich  er  hierüber  eigne  werthvolle  Beobachtungen  angestellt  hatte, 
noch  unklar.  Wenn  er  auch  keine  ernstlichen  Zweifel  mehr  hegen 
konnte,  dass  diese  Gebilde  in  den  Entwicklungskreis  der  Gregarinen  ge 
hörten,  so  war  doch  der  Entwicklungsgang,  welchen  er  den  Pseudo- 
navicellencysten zuschrieb,  nicht  der  natürliche,  wenn  er  auch  den  letz- 
teren vermuthuDgsweise  als  gleichfalls  möglich  besprach. 

Die  von  Kölliker  so  entschieden  betonte  Einzelligkeitslehre  der  Gre- 
garinen hatte  bis  zu  ihrer  definitiven  Anerkennung  noch  viele  Kämpfe  zu 
bestehen,  wie  wir  ja  Aehnlichem  bei  sämmtlichen  Protozoenabtheilur.gen 
begegnen.  Auf  dem  Gebiet  der  Gregarinen  wurden  jedoch  der  allgemeinen 
Anerkennung  dieser  Lehre  noch  grössere  Schwierigkeiten  bereitet,  weil 
sich  der  Auffassung  der  Gregarinen  als  entwickelte,  selbstständige  Organis- 
men noch  zahlreiche  Hindernisse  in  den  Weg  stellten. 

Schon  1845  hatte  Henle  einige  Bedenklichkeiten  gegen  die  Köliiker'- 
sche  Auffassung  der  Gregarinen  als  einzellige,  thierische  Wesen  ge- 
äussert und  gleichzeitig  der  Vermuthung  Ausdruck  verliehen,  dass  die- 
selben möglicherweise  unentwickelte  Formen,  thierische  oder  sogar  pflanz- 
liche Keime  seien.  In  beiden  Punkten  sciiloss  sich  ihm  v.  Frantzius 
1846  (15)  in  seiner  Inauguraldissertation  an.  Dieselbe  brachte  jedoch 
gleichzeitig  eine  Reihe  werthvoller  Beobachtungen  über  die  Gregarinen 
zahlreicher  Insecten  —  namentlich  auch  über  die  Häutigkeit  des  gleich- 
zeitigen Vorhandenseins  von  Gregarinen  und  Pseudonavicellenbehältern. 
Dass  die  Bedenklichkeiten,  welche  Frantzius  gegen  die  Kölliker'sche  Auf- 
fassung der  Gregarinen  hatte,  nicht  sehr  erhebliche  waren,  geht  schon 
daraus  hervor,  dass  er  dieselben,  nach  dem  Erscheinen  der  gleich  zu  er- 
v^ähnenden  wichtigen  Arbeit  Stein's,  fallen  Hess  (1848)  und  sich  Kölliker 
völlig  anschloss. 

Die  Stein'sche,  1848  erschienene  Arbeit  besitzt  ihre  hohe  Bedeutung 
hauptsächlich  deshalb,  weil  in  ihr  zuerst  mit  Sicherheit  nachgewiesen 
vi'urde,  dass  die  Pseudonavicellenbehälter,  sowohl  die  der  Monocysti- 
den  des  Regenwurms  wie  die  der  Polycystideen  der  Insecten,  that- 
sächlich  in  den  Entwicklungskreis  der  Gregarinen  gehören.  Gleichzeitig 
suchte  jedoch  Stein  den  Beweis  zu  liefern,  dass  nicht  die  einzelnen 
Gregarinen  durch  Encystirung  und  weitere  Umbildung  die  Pseudonavi- 
cellenbehälter, welche  er  jetzt  Cysten  nennt,  hervorbringen,  sondern,  dass 
sich  zwei  Thiere  gleichzeitig  in  eine  Cyste  einhüllen ,  um  schliesslich  zu 
verschmelzen.  Hiermit  war  denn  zuerst  die  Wichtigkeit  der  Copulation 
im  Leben  der  Gregarinen  erkannt.  Gleichzeitig  wurde  jedoch  dadurch 
auch  Licht  auf  eine  schon  Dufour  wohlbekannte  Eigenthümlichkeit  zahl- 
reicher Gregarinen  geworfen ,  die  Erscheinung  nämlich ,  dass  viele 
Formen  während  ihres  erwachsenen  Zustandes  paarweise  zusammen- 
hängen. Die  Stein'schen  Untersuchungen  deuteten  diese  Eigenthümlichkeit 


I 


Geschiclitc  (eigontl.  (ircgarinen).  485 

nun  als  ein  Vorspiel  zu  der  nach  Vollzug  der  Encystirung  eintretenden 
Copulation,  weil  sich  eben  die  beiden  zusammenhängenden  Thiere  gleich- 
zeitig in  die  Cyste  einschliessen.  Das  weitere  Verhalten  der  Cysten  und 
die  Bildung  der  Pseudonavicellen  wurde,  soweit  möglich,  eingehend  ver- 
folgt und  die  Pseudonavicellen  schliesslich  als  Keimkörner  angesprochen, 
aus  welchen  nach  der  Wiederaufnahme  in  den  Darmkanal  (resp.  andere 
Theile)  eines  passenden  Wirthes  die  junge  Gregarine  hervorschlüpfe.  In 
dieser  Weise  schien  also  der  Entwicklungscyclus  der  Gregarinen  völlig 
aufgeklärt. 

Eine  weitere  Analyse  der  Stein'schen  Arbeit  kann  hier  nicht  unsre 
Aufgabe  sein,  nur  soviel  sei  bemerkt,  dass  Stein  die  gregarinenartigen 
Thiere  zu  einer  besonderen  Abiheilung  des  Thierreichs  unter  dem  Namen 
„Symphyten''  zu  erheben  vorschlug,  welche  er  vorläufig  in  die  Siebold'- 
sche  Klasse  der  Protozoa  einordnen  wollte.  Dagegen  konnte  sich  auch 
►Stein  mit  der  Kölliker'schen  Auffassung  der  Gregarinen  als  einzelliger 
Wesen  nicht  befreunden.  Ihm  erregten  namentlich  die  Scheidewand 
zwischen  sogenanntem  Kopf  und  Rumpf  der  Polycystideen  und  gar 
die  zwei  Scheidewände  seiner  vermeintlichen  Didymophyiden  Bedenken, 
da  er  solche  Bildungen  nicht  mit  dem  Bau  einer  Zelle  zu  verein- 
baren vermochte.  Ausserdem  schienen  ihm  auch  die  Haftapparate 
gewisser  Gregarinen,  welche  er  selbst  genauer  studirte,  mit  dieser  Ansicht 
nicht  zu  harmoniren. 

Die  durch  Kölliker's  und  Stein's  Untersuchungen  anscheinend  so 
sicher  begründete  Auffassung  unsrer  Wesen,  als  vollentwickelte,  selbst- 
ständige Organismen,  sollte  doch  in  den  folgenden  Jahren  eine  Reihe 
ziemlich  unerwarteter  Angriffe  erfahren,  welche  ihren  Grund  wohl  haupt- 
sächlich in  der  in  vieler  Hinsicht  merkwürdigen  und  vereinzelten  Stellung 
unsrer  Organismen  hatten.  Anschliessend  an  eine  schon  im  Jahre  1845 
von  Henle*)  geäusserte  Ansicht,  dass  die  Regenwurmgregarinen  wohl 
zu  den  in  den  Geweben  dieser  Oligochaeten  meist  massenhaft  schma- 
rotzenden Nematodenlarven  in  Beziehung  ständen-^*),  glaubte  Bruch 
1841)  (19)  nachweisen  zu  können,  dass  sich  die  sogen.  Gregarina 
Lumbiici  aus  diesen  Nematodenlarven  hervorbilde  —  dass  sie  nichts  sei, 
wie  eine  „stillgewordene  Filaria'' **'").  Er  bezeichnete  diese  Angabe  als  eine 
„nackte  Thatsache".  Die  Henle-Bruch'sche  Auffassung  der  Gregarinen 
fand  dann  einen  warmen  Vertheidiger  in  Leydig,  der  1851  (20)  durch 
directe  Beobachtung  den  Uebergang  einer  im  Darm  von  Terebella  sich 
findenden  Gregarine  in  einen  filariaartigen  Rund  wurm  nachgewiesen  zu 
haben  glaubte.  Auch  R.  Leuckart  (21)  hielt  1852  die  Lehre  von  der 
Degeneration   der   Rundwürmer    zu   Gregarinen    für   erwiesen    und   suchte 


*)  Henle,  Jahresbericht  für  Histoloj^ic  1S45. 
**'»  Von  Khabditis  pellio  Schnei. 
*''^*J  Diese   Ansicht   erscheint  jedem    um    so    wunderbarer,    der   einmal  die  lebhaften  Be- 
wegungen der  Kegcnwiirmgregarinen,  wenigstens  der  Monocystis  agilis  und  der  Monoc.  magna, 
beobachtet  hat.  , 


486  Sporozoa. 

dieses  Verbältniss  durch  den  Vergleich  mit  den  Acei)balocysten  der 
Echiuococcen,  welche  ja  auch  als  degenerirte  Bandwürmer  zu  betrachten 
seien,  plausibler  zu  machen.  Die  Fortpflanzungserscheinungen  der 
Gregarinen  glaubte  er  nicht  als  Hinderniss  für  diese  Ansicht  betrachten 
zu  dürfen,  da  ja  auch  die  degenerirten  Blasenwürmer  noch  Fortpflanzungs- 
erscheinungen zeigten*). 

Gegen  diesen  merkwürdigen  Versuch  der  Verknüpfung  von  Grega- 
rinen und  Nematoden  erhoben  jedoch  die  besten  Gregarinenkenner  der 
damaligen  Zeit,  Kölliker  (19)  und  Stein,  ihre  Stimme  und  es  scheint,  dass 
die  von  ihnen  vorgebrachten  Argumente  ibren  Eindruck  nicht  verfehlten, 
indem  in  der  Folgezeit  die  erwähnte  Anschauung  keine  Vertreter  mehr 
aufzuweisen  hatte**),  nur  Leidy  (22),  der  sich  in  Nordamerika  mit  der 
Erforschung  der  Arthropodengregarinen  beschäftigte,  glaubte  denselben 
ebenfalls  eine  höhere  Stelle  in  der  Reihe  der  thierischen  Wesen  zu- 
schreiben zu  sollen.  Da  er  bei  gewissen  Gregarinen  eine  Längsmuskel- 
faserschicht  entdeckt  zu  haben  glaubte,  vermiithete  auch  er  nähere  Be- 
ziehungen der  Gregarinen  zu  den  Würmern. 

Bei  dieser  Gelegenheit  sei  denn  auch  kurz  der  sehr  irrthüm- 
lichen  Anschauungen  Diesing's  (25,  26)  gedacht,  welcher  durch  ganz 
missverstandne  äussere  Formähnlichkeit  verleitet,  die  Gregarinen  für  die 
nächsten  Verwandten  der  Acanthocephalen  unter  den  Würmern  erklärte 
und  diese  beiden  Abtheilungen,  sammt  den  Gephyreen,  zu  einer  Ordnung 
der  Rhyngoden  vereinigte.  Eine  gewisse  Bestätigung  dieser  irrthümlichen 
Yergleichung  fand  er  weiterhin  in  den  von  Zenker***)  entdeckten 
jugendlichen  Echinorhynchen  der  Leibeshöhle  gewisser  Süsswasser- 
crustaceen ,  welche  Diesing  einfach  in  die  Gattung  Gregarina  auf- 
nahm. Späterhin  suchte  er  die  Gregarinen  sogar  direct  als  Larvenformen 
der  Acanthocephalen  darzustellen.  So  wenig  auch  diese  Ansichten  ein 
Hecht  auf  ernstliche  Berücksichtigung  beanspruchen  durften,  so  hat  doch. 


*)  Icli  glaube  hier  noch  einige  Bemerkungen  zufügen  zu  sollen ,  welche  auf  die 
heutzutage  schwerverständliche  Möglichkeit  der  Entstehung  derartiger  Ansichten  einiges 
Licht  werfen.  In  Leydig's  Darstellung  fehlt  jeder  Beweis,  dass  der  angeblich  durch  Um- 
bildung einer  Gregarine  entstandne  Rundwurm  thatsächlich  ein  solcher  gewesen  sei;  mit 
Ausnahme  der  Thatsache,  dass  er  eine  rundwurmartige  Gestalt  besass  und  sich  nematoden- 
artig  bewegte.  Nun  haben  jedoch  schon  die  Kölliker'schen  Untersuchungen,  sowie  spätere  von 
Lieberkühn  (l'Institut  1S58),  Claparede  etc.  gezeigt,  dass  es  Gregarinen  gibt,  welche  mit  sehr 
ncmatodenartiger  Gestalt  auch  uematodenähnlii-he  Bewegungserscheinungen  verbinden.  Speciell 
für  Terebella  hat  Lieberkvihn  das  Vorkommen  einer  solchen  Gregarine  erwiesen.  Da  nun  nach 
Analogie  mit  den  gleichfalls  nematodenäbnlich  gestalteten  und  sich  bewegenden  sichelförmigen 
Keimen,  wie  sie  im  Entwicklungsgang  eines  Theils  der  eigentlichen  Gregarinen  und  der  sogen, 
eiförmigen  Psorospermien  (Coccidien)  auftreten,  zu  schliesscn  ist.  dass  wohl  auch  diese  nema- 
todenähnlichen  Gregarinen  zuweilen  andere  Gestaltungen  annehmen,  so  Hesse  sich  auf  Grund 
dieser  Erfahrungen  wohl  die  vermeintliche  Beobachtung  des  Uebergangs  einer  (jregarine  iu 
einen  Eundwurm  und  umgekehrt  begreifen. 

**)  Durch  die  Arbeiten  von  Lieberkühn  und  A.  Schmidt  wurde  dieser  Irrtlium  dann  de- 
finitiv beseitigt. 

*■■'■'*)  De  Gamari  pulicis  hist.  nat.  3enae  lb32.       , 


Geschichte  (eigciitl.  (iregarinen).  487 

wohl  im  Anschluss  au  sie,  die  Einreihiuij;-  der  Gregarinen  unter  die 
Würmer  noch  bis  in  die  neueste  Zeit  in  gewissen  Lehrbüchern  Eingang- 
gefunden. 

Das  Interesse,  welches  die  eigenthümliclien,  hauptsächlich  durch 
Stein  nachgewiesenen  Furtpflanzungsprocessc  der  Gregarinen  erregten, 
gab  bald  Veranlassung  zu  weiteren  Forschungen.  Ziemlich  gleich- 
zeitig wurde  dieser  Gegenstand  von  N.  Lieberkühn  und  A.  Schmidt 
in  Angriff  genommen,  ohne  jedoch  durch  die  Untersuchungen  dieser 
Forscher  zu  einem  befriedigenden  Abschluss  geführt  zu  werden.  Beide 
beschränkten  ihre  Beobachtungen  auf  die  Gregarinen  der  Kegen- 
würmer  und  Hessen  die  so  zahlreichen  und  sehr  wichtigen  Insecten- 
bewohner  ausser  Betracht.  Diese  Vernachlässigung  hat  wohl  auch  einen 
nachtheiligen  Einfluss  auf  ihre  Arbeiten  geäussert;  denn  es  unterliegt 
keinem  Zweifel,  dass  die  Lebensverhältnisse  der  Regenwurmschmarotzer 
der  Untersuchung  weit  grössere  Schwierigkeiten  bereiten,  als  dies  bei 
denen  der  Insecten  der  Fall  ist. 

Schon  die  gleichzeitige  Anwesenheit  mehrerer,  in  ihren  Bezieh- 
ungen bis  jetzt  noch  nicht  hinreichend  aufgeklärter  Gregarinenfor- 
men  bei  den  Regenwürmern  hätte  dieses  Untersuchungsobject  gegen- 
über zahlreichen  Insectengregarinen  als  sehr  unzuverlässig  und  schwierig 
charakterisiren  müssen,  das  jedenfalls  nicht  ohne  gleichzeitige  Controle 
durch  ein  Object,  bei  welchem  die  Verhältnisse  weniger  verwickelt 
lagen,  hätte  verwerthet  werden  dürfen. 

Unsere  historische  Uebersicht  gewährt  nicht  Raum  zu  einer  genaueren 
Analyse  der  Lieberkühn'schen  Arbeit,  deren  Charakteristik  auch  noch 
weiterhin  der  Gegenstand  unsrer  Betrachtung  sein  wird.  Es  genüge  hier 
die  Bemerkung,  dass  Lieberkühn  die  Stein'sche  Lehre  von  der  Conjuga- 
tion  der  Gregarinen  für  unrichtig  erklärte  und  der  Schwerpunkt  seiner 
Arbeit  weiterhin  darin  gipfelt,  dass  sich  der  Entwicklungscyclus  der  Gre- 
garinen vollende,  indem  der  Inhalt  der  Pseudonavicellen  in  Gestalt  kleiner 
Amöben  hervortrete,  welche  sich  allmählich  zu  Gregarinen  ausbilden.  — 
Der  gesammte  Entwicklungsprocess  sollte  nach  ihm  im  Innern  der  Regen- 
würmer  stattfinden,  ja   die   Umbildung   der  Pseudonavicellen  in  Amöben 

schon  innerhalb  der  Cysten  geschehen. 

« 

Seit  Lieberkühn  in  dieser  Weise  zuerst  ein  amöbenartiges  Stadium 
in  den  Entwicklungsgang  der  Gregarinen  einführte,  hat  sich  diese  Vor- 
stellung mehr  oder  weniger  in  Ansehen  erhalten,  obgleich  sie  in  der 
Folge  nur  noch  durch  bald  zu  erwähnende  Untersuchungen  E.  van  Beneden's 
und  die  Erfahrung  über  den  Entwicklungsgang  der  den  eigentlichen  Gre- 
garinen zunächst  verwandten  eiförmigen  Psorospermien  eine  Stütze 
erhielt.  Durch  Lieberkühn's  Arbeit  selbst  wurde  jedoch  der  postulirte 
Entwicklungsprocess  der  Regenwiirmgregarinen  keineswegs  sicher  erwiesen; 
schon  eine  einfache,  vorurtheilsfreie  Kritik  seiner  Mittheilungen  führt  un- 


488  SiJorozoa. 

widerle^lich  zu  diesem  tsehluss,  wäbreud  die  Forschuugen  späterer  Zeit 
zui-  Genüge  zeigten,  dass  die  Entwicklungsvorgänge  der  Regenwurm- 
pseudonnvicellen  in  ganz  anderer  Weise  verlaufen,  als  Lieberkülin  an- 
nehmen zu  dürfen  glaubte. 

Auch  A.  Schmidt  (23)  glaubte  auf  Grund  seiner  mit  Lieberkühu 
ziemlich  gleichzeitig  angestellten  Beobachtungen  über  die  Regenwurm- 
gregarinen  die  Conjugationslehre  Stein's  (wenigstens  für  die  Monocystis 
agilis)  zurückweisen  zu  dürfen.  Einen  wichtigen  Fortschritt  in  der 
Erkenntniss  der  eigenthümlichen  Lebensverhältnisse  der  Monocystideen 
verdanken  wir  jedoch  diesem  Beobachter.  Er  erkannte,  dass  die  erwähnte 
Monocystide  sich  innerhalb  der  kugligen  Gruppen  von  Sperniatozoenkeim- 
zellen  des  Regenwurms  aus  sehr  kleinen  Anfängen  entwickele  und  wurde 
dadurch  zu  der  interessanten  Anschauung  geführt,  dass  das  häufig 
beobachtete  eigenthümliche  Haarkleid  derselben  nichts  weiter  sei  wie 
ein  Ueberzug  verkümmerter  Regenwurmspermatozoen.  Auch  Lieber- 
kühn (30)  gelangte  später  und,  wie  es  scheint,  unabhängig  zu  derselben 
Vorstellung.  Die  Frage  nach  dem  Schicksal  der  Pseudonavicellen  und 
deren  Zusammenhang  mit  den  jungen  Gregarinen  vermochte  auch  Schmidt 
nicht  zu  lösen ,  doch  gelangte  er  durch  eigne  Untersuchungen  zu  dem 
Schluss,  dass  die  von  Lieberkühn  als  Entwicklungsformen  der  Gregarinen 
angesprochnen  amöbenartigen  Körperchen  aus  der  Leibeshöhle  der  Regen- 
würmer sich  nicht  zu  Gregarinen  umbildeten  und  überhaupt  nicht  in  den 
Entwicklungskreis  dieser  Wesen  gehörten.  Schmidt  schliesst  seine  Arbeit 
sehr  richtig  mit  den  Worten,  dass  er  sich  dem  Ausspruch,  welchen  P.  van 
Beneden  in  seinem  Referat  über  die  preisgekrönte  LieberkUhn'sche  Arbeit 
that:  dass  nämlich  die  Entwicklungsgeschichte  der  Gregarinen  durch  die- 
selbe abgeschlossen  worden  sei,  nicht  anzuschliessen  vermöchte. 

Obgleich  nun,  wie  bemerkt,  durch  die  letztbesprochnen  Arbeiten  die 
Fortpfianzungsgeschichte  der  Gregarinen  noch  fragmentarisch  genug 
gelassen  wurde,  so  trat  doch,  wohl  vorzüglich  durch  die  Lieber- 
kUhn'sche Arbeit  veranlasst,  für  eine  ziemliche  Reihe  von  Jahren  ein 
Stillstand  auf  diesem  Forschungsgebiet  ein.  Man  glaubte  sich  wohl 
zunächst  mit  der  Lieberkühn'schen  Annahme  über  den  Entwicklungs- 
vorgang der  Gregarinen  beruhigen  zu  dürfen.  Erst  im  Jahre  1871 
rief  eine  Untersuchung  E.  van  Beneden's  (34),  welche  sich  an  die 
zufällige  Entdeckung  einer  interessanten  Gregarinenform  anschloss,  die 
Frage   nach   der   Entwicklungsgeschichte   wieder  in    den   Vordergrund. 

In  der  Zwischenzeit  wurde  durch  Untersuchungen  verschiedner  Forscher, 
wie  Claparede,  R.  Lankester,  Ant.  Schneider,  Lieberkühn, 
A.  Stuart  die  Kenntniss  der  Gregarinenformen  und  ihrer  Verbreitung, 
wenn  auch  nicht  gerade  sehr  erheblich ,  so  doch  immerhin  in  mancher 
Hinsicht  vermehrt  (27 — 33).  Durch  die  erwähnte  Untersuchung  E.  van 
Beneden's    erhielt   nun   aber   die   Lieberkühn'sche   Annahme    von    dem 


Gcscliiclitc  (eig'ciitl.  Gregarinen,  Psorospermion).  489 

ainübeuarligen  Stadium  im  Entwicklungsgang  der  Gregarinen  eine  Be- 
stätigung und  gleichzeitig  suchte  van  Beneden  eine  höchst  eigenthiim- 
liche  Weiterentwicklung  dieser  amöbenartigen  Jugendformen  zu  erweisen. 
Im  Anschluss  an  diese  Forschungen  über  die  Entwicklungsgeschichte 
seiner  Gregarina  gigantea  gelangte  van  Beneden  weiterbin  noch  zur  Er- 
kenntnis« eines  wichtigen,  seither  übersehenen  Structurelementes,  der  cir- 
culären  Fibrillenschicht  nämlich,  w-elche  sich  bei  zahlreichen  Polycystideen 
im  Ectosark  vorfindet.  Auch  R.  Lankester  (37)  theilte  dann  1872  noch 
Beobachtungen  über  die  Entwicklungsgeschichte  einer  Grcgarine  mit, 
welche  sich  in  mancher  Hinsicht  an  die  van  Beneden's  anschlössen. 

Eine  recht  bedeutungsvolle  Beobachtung  verdanken  wir  noch  aus 
demselben  Jahr  A.  Giard  (36),  dem  es  nämlich  zum  ersten  Mal  glückte, 
den  Conjugations-  und  Encystirungsprocess  einer  Monocystidee  durch  fort- 
laufende Beobachtung  unter  dem  Mikroskop  zu  verfolgen. 

Mit  dem  Jahre  1873  beginnt  eine  neue  Phase  der  Gregarinenforschung, 
welche  durch  eine  Reihe  wichtiger  und  ausgedehnter  Untersuchungen 
Aimc  Schneider's  (vorzugsweise  über  die  Gregarinen  der  Insecten)  er- 
öffnet wurde.  Da  diese,  bezüglich  des  Baues  wie  der  Fortpüanzungsge- 
schichte  in  gleicher  Weise  hochwichtigen  Forschungen  in  vieler  Hinsicht  den 
augenblicklichen  Stand  unsres  Wissens  von  den  Gregarinen  bezeichnen, 
so  ist  hier  nicht  mehr  der  Ort,  ihren  Inhalt  näher  zu  beleuchten, 
da  dies  ja  wesentlich  die  Aufgabe  der  folgenden  Abschnitte  bilden  wird. 
In  Deutschland  bemühte  sich  B.  Gabriel  seit  1875  in  einer  Reihe  von 
Mittheilungen  die  Entwicklungsverhältnisse  der  Regenwurmgregarinen 
näher  aufzuklären ;  seine  Untersuchungen  führten  ihn  zu  Vorstellungen 
über  die  Entwicklungsgeschichte  und  die  verwandtschaftlichen  Beziehungen 
der  Gregarinen,  die,  wenn  sie  sieh  als  gegründet  erwiesen,  eine  völlige 
Revolution  unsrer  seitherigen  Auffassung  dieser  Organismen  hervorzurufen 
im  Stande  wären.  Leider  war  es  Gabriel  nicht  mehr  gegönnt,  die  Resul- 
tate seiner  Forschungen  ausführlich  darzustellen,  es  liegen  hierüber  nur 
kurze  und  schwer  verständliche,  vorläufige  Berichte  vor,  welche  wir  später- 
hin, soweit  dies  möglich,  an  geeignetem  Ort  noch  berücksichtigen  werden. 
Auch  Verfasser  dieses  Handbuches  beschäftigte  sich  im  Anschluss  an 
A.  Schneider  mit  der  Fortpflanzuugsgeschichte  der  Gregarinen,  worüber 
gleichfalls  später  genauer  zu  berichten  sein  wird. 


Nachdem  wir  im  Vorstehenden  versucht  haben,  die  geschichtliche  Ent- 
wicklang unsrer  Kenntnisse  derjenigen  Sporozoen,  welche  man  bis  vor  nicht 
langer  Zeit  allein  als  Gregariniden  bezeichnete,  wenn  auch  nur  mit  Be- 
rücksichtigung der  Hauptpunkte  ihrer  Lebensgeschichte,  kurz  zu  schildern, 
bleibt  uns  jetzt  noch  die  Aufgabe,  in  ähnlicher  Weise  auch  die  Geschichte 
der  unter  dem  allgemeinen  Namen  Psorospermien  seither  zusammen- 
gefassten  Gebilde  kurz  zu  betrachten.    Wenn  wir  dies  hier  gesondert  von 


490  Sporozoa. 

der  Schilderung  des  EntvvickluDg-sganges  der  Gregariuenfürschung  thun, 
obgleich  die  neuere  Forschung  wenigstens  für  einen  Theil  der  sogen.  Psoro- 
spermien  unwiderleglich  gezeigt  hat,  dass  sie  in  die  Abtheilung  der  eigent- 
lichen Gregarineu  gehören,  so  bestimmt  uns  hierzu  der  Umstand,  dass 
die  geschichtliche  Entwicklung  der  Psorospermienlbrschungen  bis  in 
die  neueste  Zeit  einen  ziemlich  eignen  Weg  verfolgt  hat  und  es 
weiterhin  bis  jetzt  doch  nur  für  einen  Theil  der  seither  als  Psorosper- 
mien  bezeichneten  Gebilde  geglückt  ist,  nahe  Beziehungen  zu  den  Grega- 
rinen  zu  erweisen. 

Die  sogen,  psorospermienartigen  Gebilde  wurden  zuerst  bei  einem 
Säugethier,  dem  Kaninchen,  gefunden,  welches  auch  einer  der  gewöhn- 
lichsten Träger  dieser  parasitischen  Organismen  ist.  Schon  Carswell 
waren  in  der  Leber  dieses  Nagers  tuberkelartige  Gebilde  aufgefallen, 
welche  als  weisse,  eine  käsige  Masse  enthaltende  Knoten  jenes  Organ 
häufig  in  grosser  Menge  durchsetzen.  Es  lag  nahe,  diese  Knoten  den 
anderweitig  bekannten,  tuberkelartigen  pathologischen  Erzeugnissen  direct 
an  die  Seite  zu  stellen.  Hake  (48)  untersuchte  sie  1839  näher  und  fand 
darin  massenhaft  eiterkörperchenartige  Gebilde,  welche  er  denn  auch  für 
eine  Art  Eiterkörperchen  erklärte  und  aus  den  varikösen  Venencapillaren 
hervorgehen  liess.  Die  Tuberkel  selbst  hielt  er  für  Krebsgeschwülste, 
welche  durch  Entartung  der  Gallengänge  entstanden  seien*). 

Zwei  Jahre  später  theilte  Joh.  Müller  (99)  mit,  dass  er  bei  verschied- 
nen  Flussfischen,  sowohl  in  inneren  Organen  (wie  in  der  Augenwand  und 
den  Augenmuskeln  des  Hechtes),  verbreiteter  jedoch  in  ausschlagartigen 
Pusteln  der  äusseren  Haut  und  der  Kiemen  grosse  Mengen  eigentbüm- 
licher,  in  Cysten  eingeschlossner  Körperchen  getroffen  habe.  Er  nannte 
dieselben  Psorosperraien,  im  Hinblick  auf  ihre  zuweilen  zu  einem  Schwanz- 
anhang ausgezogene  Hülle,  wodurch  ihre  Gestalt  etwas  spermatozoeu artig 
wurde.  Auch  seine  keineswegs  recht  klaren  Anschauungen  über  die  Natur 
und  Bedeutung  dieser  Gebilde  hatten  ohne  Zweifel  Einfluss  auf  die  Namen- 
gebung,  da  er  in  ihnen  ein  „belebtes  Seminium  morbi,  eine  Art  Samen- 
körperchen''  erkannt  haben  wollte,  eine  Anschauung,  welche  ja  auch,  bei 
der  damaligen  Unsicherheit  über  Bedeutung  und  Natur  der  eigentlichen 
Samenkörperchen,  nichts  so  auffallendes  darbot.  Immerhin  scheint  mir 
aus  den  damaligen  und  namentlich  auch  aus  den  ein  Jahr  später  von 
J.  Müller  (100)  gethanen  Aeusserungen  hervorzugehen,  dass  er  sich  der 
Ansicht  entschieden  zuneigt:  es  lägen  hier  specifische,  selbstständige 
Wesen,  nicht  aber  pathologische  Bildungen  vor.  1842  hatte  nämlich 
Müller  in  Gemeinschaft  mit  Retzius  ganz  entsprechende  Gebilde  auch 
in  der  Schwimmblase  des  Dorsches  nachgewiesen  und  hierbei  weiter- 
bin   einige    Beobachtungen     über     ihre     wahrscheinliche    Entwicklungs- 


*)  Da    ich   die   Arbeit    Haket-   iiiclit  erhalten    koii|itc .    berichte    ich  über  diesellie  nach 
Nasse  (49)  und  Leuckart  (92). 


Gescliichtc  (Myxosporidicii).  491 

geschichte  gemacht,  auf  welche  hier  einzugeben  nicht  der  Ort  ist. 
Zum  besseren  Verständniss  des  Folgenden  sei  jedoch  hier  gleich 
bemerkt,  dass  sich  die  Müller'scheu  Psorospermien  der  Fische  nicht 
nur  durch  die  Gestalts-  und  sonstigen  Bauverhältnisse  ihrer  Hülle 
von  den  schon  erwähnten  Körperchen  der  Kaninchenleber  beträchtlich 
unterschieden,  sondern  sich  auch  durch  den  Besitz  von  meist  zwei  eigen- 
thümlichen ,  dem  einen  Pol  der  Hülle  innerlich  anliegenden  Körperchen, 
die  sogen.  Polkörper,  auszeichneten. 

In  der  Folge  hat  man  sich  denn  auch  gewöhnt,  auf  Grund  dieser 
Unterschiede  die  Körperehen  des  Kaninchens  und  die  sich  an  dieselben 
näher  anschliessenden  Gebilde  als  ei-  oder  kugelförmige  Psorospermien 
von  jenen  Müller'schen  zu  unterscheiden.  Während  nun  die  erstgenannte 
Form  der  Psorospermien  durch  fortgesetzte  Untersuchungen  zahlreicher 
Forscher  im  Laufe  der  Zeit  eine  recht  befriedigende  Aufklärung  hinsicht- 
lich ihrer  Lebensgeschichte  und  ihrer  nahen  Beziehungen  zu  den  eigentlichen 
Gregarinen  erfahren  hat,  war  dies  keineswegs  in  gleichem  Maasse  für  die 
Müller'schen  Psorospermien  der  Fall.  Hier  ist  sehr  vieles  noch  zu  thun. 
Wir  ziehen  es  daher  hier  vor,  zunächst  die  Weiterentwicklung  unsrer 
Kenntnisse  von  jenen  Müller'schen  Psorospermien  (oder  Myxosporidien) 
kurz  zu  verfolgen.  Zur  Vervollständigung  sei  noch  bemerkt,  dass 
Mayer*)  nachträglich  angab,  die  Psorospermien  der  Fische  schon  vor 
J.  Müller  1838  in  der  Retina  eines  Cyprinus  und  1840  an  den  Kiemen 
von  Perca  beobachtet  zu  haben. 

Creplin  beschrieb  1842**)  die  Psorospermien  von  Aceriua  und  Leu- 
ciscus  rutilus  und  will  dieselben  gleichfalls  schon  vor  Müller,  seit  1835, 
beobachtet  haben.  Er  wies  zum  ersten  Male  auf  die  Möglichkeit  hin, 
dass  hier  etwas  den  sogen.  Navicellenbebältern  Analoges  vorliegen  könne, 
wie  sie  Siebold  bei  Sciara  aufgefunden  habe.  Dies  scheint  überhaupt  der 
erste  Hinweis  auf  die  Beziehung  der  Psorospermien  (im  weiteren  Sinne) 
zu  den  eigentlichen  Gregarinen  zu  sein.  Auch  Dujardin  sprach  1845***) 
den  Gedanken  aus,  dass  sich  die  Psorospermien  der  Fische  vielleicht  zu- 
sammenstellen Hessen  mit  den  sogen.  Pseudonavicellencysten  der  Regen- 
würmer, über  deren  Bedeutung  er  jedoch  nichts  weiter  wusste.  Jedoch 
gelang  es  Dujardin,  noch  eine  nicht  unwichtige  Beobachtung  über  das 
Vorkommen  der  Fischpsorosperniien  zu  machen ;  er  traf  dieselben  nämlich 
auf  den  Kiemen  von  Leuciscus  erytrophthalmus  nicht  in  Cysten,  sondern 
in  eine  verästelte,  sarkodeartige  Masse  eingeschlossen ,  .welche  er  der 
Leibessubstanz  der  Amöben  vergleichen  zu  dürfen  glaubte. 

Der  bis  jetzt  nur  andeutungsweise  ausgesprochene  Zusammenhang 
der    Myxosporidien     mit    gregarinenartigen    Wesen    wurde    zuerst    von 


*)  Arcliiv  f.  Aiiat.  ii.  Pliysiol.   |S(U.  ji.  2(1]. 
■•*■•*)  Ai-dm  f.  Naturguschiclitc   Is-I2.  I.  p.  (i!      i;i;, 
***)  Histoire  iiat.  des  helmintlies. 


492  Sporozoa. 

Leydig  (1851)  näher  zu  begTünden  versucht  (20).  Leydig's  Untersuchungen 
zeigten  zunächst,  dass  die  Verbreitung  dieser  parasitischen  Organismen 
im  Fischkörper  eine  viel  weitere  sei,  als  dies  nach  den  vorhergehenden 
Beobachtungen  zu  vermuthen  war;  er  fand  sie  nicht  nur  im  Herz  und 
dem  Herzblut,  der  Zunge  und  der  Leibeshöhle  gewisser  Süsswasserfische, 
sondern  auch  namentlich  sehr  reichlich  in  der  Gallenblase  zahlreicher 
Seefische  aus  der  Abtheilung  der  Chondropterygier.  Für  die  Psorosper- 
mien  der  letzteren  glaubte  er  nun  nachweisen  zu  können,  dass  sie 
in  gregarinenartigen ,  unbeweglichen  und  kernlosen  Schläuchen  ent- 
stehen und  zögerte  daher  nicht,  sie  der  Reihe  der  gregarinenartigen 
Wesen  direct  beizuordnen,  um  so  mehr,  als  er  eine  völlige  Analogie 
zwischen  den  Pseudonavicellen  der  Regenwürmer,  deren  Zusammenhang 
mit  den  Gregarinen  dieser  Thiere  zur  damaligen  Zeit  ja  wohl  als  fest- 
gestellt erachtet  werden  durfte,  und  den  Psorospermien  annehmen  zu  dürfen 
glaubte.  Diese  wichtigen  Untersuchungen  und  Deutungen  Leydig's  er- 
hielten sehr  bald  eine  wesentliche  Stütze  durch  Beobachtungen  Lieber- 
kühn's  (101,  1854).  Derselbe  konnte  die  Entstehung  der  Psorospermien 
in  ähnlichen  protoplasmatischen,  körnerreichen,  hüllen-  und  kernlosen 
Schläuchen,  welche  er  zahlreich  auf  der  Schleimhaut  der  Hechtharnblase 
antraf,  gleichfalls  beobachten.  Auch  gelang  es  ihm,  an  diesen  gregarinen- 
artigen Plasmaschläuchen  Bewegungserscheinungen  wahrzunehmen.  Da  er 
nun  weiterhin  die  Beobachtung  gemacht  hatte,  dass  sich  die  Hülle  der 
Psorospermien  zuweilen  durch  Platzen  ötfnet  —  eine  Wahrnehmung,  die 
auch  früheren  Beobachtern  schon  gelungen  war  ■ —  und  der  Inhalt 
hierauf  in  Gestalt  eines  kleinen ,  amöbenartig  beweglichen  Körperchens 
hervortrat,  so  schien  ihm  auch  dadurch  die  Beziehung  der  Myxosporidien 
zu  den  Gregarinen,  für  welche  er  ja  einen  ähnlichen  Entwicklungsgang 
festzustellen  versucht  hatte,  nur  noch  mehr  gegründet. 

Einige  Bedenklichkeiten  musste  aber  natürlich  die  Beschaffenheit  der 
protoplasmatischen,  schlauchartigen  Gebilde  im  Vergleich  mit  den  Grega- 
rinen hervorrufen,  da  ihre  Kern-  und  Hüllenlosigkeit  mit  letzteren  nicht 
recht  in  Einklang  zu  bringen  war.  Doch  glaubten  weder  Leydig  noch 
Lieberkühn  wegen  dieser  Unterschiede  die  versuchte  Zusammenreibung 
aufgeben  zu  sollen. 

Allseitig  überzeugend  vermochten  unter  diesen  Umständen  die  oben 
erwähnten  Beobachtungen  der  beiden  deutschen  Forscher  nicht  zu  wirken. 
Schon  1853  (5S)  hatte  sich  Robin  für  die  pflanzliche  Natur  der  fraglichen 
Gebilde  ausgesprochen,  ohne  jedoch  seine  Ansicht  durch  genügende  Belege 
zu  erhärten.  Ihm  schloss  sich  ein  zweiter  französischer  Forscher  an, 
welchem  wir  wichtige  Beobachtungen  über  die  Verbreitung  und  Bau- 
weise der  Fischpsorospermien  verdanken,  Balbiani  nämlich.  Ohne  hier 
specieller  auf  die  Resultate  der  Balbiani'schen  Untersuchungen  einzugehen, 
deuten  wir  nur  an,  dass  dieselben  zum  ersten  Mal  ein  ganz  neues  Structur- 
element   im   Bau   unsrer  Psorospermien   nachwiesen.     Balbiani   entdeckte 


(jlescliiclito   (Myxosporidirii,  Coccidicn).  493 

nämlich,  dass  die  scliüii  erwähnten  sogen.  Polkörperchen  einen  spiralig 
aufgerollten  Faden  enthalten,  der  unter  gewissen  Bedingungen  hervor- 
geschnellt werden  kann.  Aueh  das  von  Lieherkithn  nachgewiesene  Aus- 
treten des  Protoplasniainhalts  der  Psorospermien ,  die  er  als  Sporen  be- 
zeichnet, in  Aniöbengestalt  wurde  von  Balbiani  bestätigt.  Einen  über- 
zeugenden Beleg  für  die  pflanzliche  Natur  der  Psorospermien  blieb  jedoch 
Balbiani  schuldig.  Spätere  Forscher  wie  E.  Bessels  (103)  und  Aime 
Schneider  (40)  konnten  die  Balbiani'sche  Beobachtung  über  das  Aus- 
schnellen von  Fäden  aus  den  Polkörperchen  bestätigen,  jedoch  wurde 
dadurch  diese  merkwürdige  Erscheinung  nicht  klarer.  In  neuester  Zeit 
versuchte  dann  auch  B.  Gabriel  (104,  1878)  die  pflanzliche  Natur  der 
Myxosporidien  der  Hechtharnblase,  auf  welche  gerade  Lieberkühn  seinen 
Hauptbeweis  gründete,  zu  erweisen.  Gabriel  will  dieselben  als  Myxo- 
mycetenplasmodien  deuten.  Da  dieser  Forscher  jedoch  auch  den  eigent- 
lichen Gregarinen  nähere  Beziehungen  zu  den  Myxomyceten  zuschrHbt, 
so  wurde  hierdurch  zunächst  die  Verwandtschaft  der  Psorospermien  mit 
den  Gregarinen  nicht  in  Abrede  gestellt.  Schon  im  Jahre  1876  hatte  je- 
doch auch  A.  Giard,  gelegentlich  der  Beschreibung  eines  psorospermien- 
artigen  Parasiten  aus  der  Leibeshöhle  eines  Seeigels*),  seiner  Ueberzeu- 
gung  Ausdruck  verliehen,  dass  die  Myxosporidien  pflanzliche  Gebilde,  und 
zwar  den  Myxomyceten  oder  Chytridieen  nächstverwandt  seien.  Schliess- 
lich befasste  sich  auch  Verf.  (105)  dieses  Buches  mit  dem  Studium  einiger 
Myxosporidien,  erkannte  namentlich,  dass  die  Polkörperchen  den  Nessel- 
kapseln vergleichbare  Gebilde  seien  und  klärte  auch  die  Entstehuog  der 
Sporen  näher  auf.  Seine  Ansicht  über  die  Natur  und  die  Verwandt- 
schaftsbeziehungen der  Myxosporidien  wird  im  Laufe  der  weiteren  Dar- 
stellung noch  eingehender  zu  schildern  sein. 

Wie  aus  dem  Gesagten  erhellen  wird,  konnte  die  eigentliche  Natur 
der  Fischpsorospermien  bis  jetzt  nur  sehr  unzureichend  aufgeklärt  werden, 
bei  weitem  besser  dagegen  ist  dies  für  die  sogen,  ei-  oder  kugelförmigen 
Psorospermien  gelungen,  deren  Geschichte  wir  jetzt  einer  kurzen  Be- 
trachtung unterziehen   wollen. 

Die  Deutungen ,  welche  diesen  Gebilden  im  Laufe  der  Zeiten  von 
mehr  oder  weniger  competenten  Forschern  gegeben  wurden ,  sind  sehr 
mannigfaltig.  Wir  ziehen  es  hier  vor,  diese  verschiednen  Ansichten  im 
Zusammenhang  zu  besprechen,  statt  einer  chronologischen  Uebersicht  der 
einzelnen  Fortschritte.  Zuvor  wollen  wir  aber  einen  Blick  auf  die  all- 
mählich wachsende  Kenntniss  von  der  Verbreitung  dieser  Schmarotzer 
durch  die  Thierreihe  werfen.  Wie  schon  erwähnt,  waren  es  die  Leber- 
psorospermien  des  Kaninchens,  welche  die  Aufmerksamkeit  der  Forscher 
zunächst  auf  sich  lenkten. 


'"')  Es  ist  jcdocli  unsicher,  olj  diese  von  (Jinrd  Kiiiv.  besrliriohne  Psorospermienform  sich 
den  Fischpsorospermien  zunäclist  anreiht. 


494  Sijorozoa. 

Remak  (50)  gelang-  es  zuerst  1845,  diese  Gebilde  nicht  nui-  in  der 
Leber,  sondern  auch  in  der  Wand  des  Dünndarms  und  den  Peyer'schen 
Kapseln  des  wurraförmigen  Fortsatzes  beim  Kaninchen  aufzufinden  und 
er  hegte  schon  die  Vermiithung,  dass  sie  im  Epithel  der  Lieberkühn'schen 
Drüsen  und  der  Gallengänge  ihre  Entstehung  nehmen.  Die  Infection  der 
Darmwände  des  Kaninchens  mit  Psorospermien  wurde  auch  von  Li  eber- 
kühn (24)  bestätigt,  in  seinem  Fall  war  es  der  Dickdarm,  welcher 
dieselben  in  grosser  Zahl  beherbergte  und  wo  sie  in  Cysten  ein- 
geschlossen sein  sollten.  Beträchtlich  weiter  geführt  wurden  diese 
Beobachtungen  jedoch  durch  Klebs  (61,  1859),  der  die  Psorosper- 
mien in  den  Darmepithelzellen  selbst  zahlreich  auffand ,  ebenso  jedoch 
auch  im  unterliegenden  Bindegewebe  und  im  Parenchym  der  Zotten. 
1854  hatte  aber  auch  schon  Finck  (57)  die  fraglichen  Organismen  sehr 
zahlreich  in  dem  Epithel  der  Darmzotten  der  Katze  angetroffen.  In  dem- 
selben Jahr  machte  ferner  Lieberkühn  (58)  die  interessante  Entdeckung, 
dass  auch  die  Niere  der  Frösche  zuweilen  von  unseren  Schmarotzern 
heimgesucht  wird,  die  hier  in  Cysten  eingeschlossen  in  grösserer  Menge 
zusammengebettet  sich  finden.  Um  ein  Jahr  später  erhalten  wir  die  wich- 
tige Nachricht,  dass  unsre  Psorospermiengebilde  sich  auch  bei  wirbellosen 
Thieren  finden;  Kloss  (59)  fand  solche  nämlich  sehr  häufig  in  der  Niere 
von  Helix.  Wenn  er  auch  die  von  ihm  gefundene  Form  nicht  direct 
mit  den  schon  bekannten  Psorospermien  auf  eine  Stufe  stellte,  so  sprach 
er  dieselben  doch  als  gregarinenartige  und  auch  den  Psorospermien  ver- 
gleichbare Orgauismen  an.  A.  Schmidt  (23)  sprach  sich  gleichzeitig  noch 
dahin  aus ,  dass  diese  Schmarotzer  in  den  Nierenzellen  selbst  zur  Ent- 
wicklung gelangten. 

Das  Jahr  1858  brachte  die  interessante  und  schmerzliche  Botschaft, 
dass  unsre  Parasiten  auch  den  Menschen  anfallen,  hier  konnte  sie  Gubler 
(60)  zuerst  ähnlich  wie  beim  Kaninchen  in  der  Leber  nachweisen,  welche 
Erfahrung  dann  in  der  Folgezeit  durch  Dressler,  Virchow  (62)  und 
Leuckart  (92)  mehrfach  bestätigt  wurde.  Dass  jedoch  auch  der  Darm 
des  Menschen  Sitz  dieser  Gebilde  ist,  wurde  schon  1860  durch  Kjell- 
berg  (62)  nachgewiesen  und  durch  Eimer  mehrfach  bestätigt.  Auch  der 
Darm  des  Hundes  wurde  schon  1860  durch  Virchow  als  Träger  unsrer 
Parasiten  erkannt,  was  auch  Leuckart  bestätigt  fand.  Auch  gelang  es 
Virchow  (1860),  dieselben  in  der  Niere*)  der  Fledermaus  nachzuweisen. 
1862  fand  Eberth  (66)  entsprechende  Organismen  in  zahlreichen  inneren 

*)  Bei  dieser  Gelegenheit  sei  auch  kurz  erwähnt,  dass  Lindemann  (siehe  Leuckart,  Para- 
siten 1.  Aufl.  Bd.  L  p.  743  und  Bullet,  soc.  imp.  Moscou  1863.  Nr.  4.  p.  425)  auch  in  der 
Niere  und  dem  Herzen  des  Menschen  unsre  Psorospermien  beobachtet  haben  will.  Jedoch 
gestatten  die  Mittheilungen  sehr  bedenkliche  Zweifel  über  die  richtige  Deutung  des  Gesehenen. 
Mit  Sicherheit  darf  jedoch  die  gleichfalls  von  Lindemann  ausgehende  Behauptung,  dass  sich 
häufig  PsoTOspermienmassen,  ja  sogar  freie,  bewegliche  Gregarincn  an  den  Haaren  des  Men- 
schen finden  (siehe  auch  Bull.  soc.  Moscou  1865.  p.  282)  zurückgewiesen  werden.  Auch 
Knoch  will  diese  Haarpsorospermien  des  Menschen  beobachtet  haben  (Journ.  des  russ.  Kriegs- 
departem.  Bd.  95.  1866). 


(»cschiililu  (Ooccidien).  495 

Organen  gewisser  Cephalopoden,  eine  Erfahrung,  welche  später  von 
Aime  Schneider  (80)  olinc  Kenntniss  der  Arbeit  seines  Vorgängers 
bestätigt  wurde. 

Dass  auch  die  Viigel  von  unsren  Psorospermien  heimgesucht  werden, 
erliannte  zuerst  Rivolta  (72,  1869)  beim  »Sperling  und  Huhn.  Die  eiför- 
migen Psorospermien  des  Mäusedarms  wurden  1870  von  Eimer*)  einem 
eingehenden  Studium  unterworfen  und  die  Verbreitung  unter  den  Vögeln 
durch  Plana  und  Rivolta  noch  eingehender  studirt. 

Dass  auch  den  Reptilien  unsre  Parasiten  nicht  fehlen,  geht  aus 
einer  kurzen  Nachricht  von  Solger  und  Gabriel**)  hervor,  welche  die- 
selben zahlreich  in  der  Darmwand  eines  Krokodils  gefunden  haben.  Auch 
Grassi  beschrieb  nenerdings  Ooccidien  von  Reptilien.  Bei  Fischen  con- 
statirte  sie  Eimer.  Durch  Bütschli  und  Schneider  wurden  sie  in  neuester 
Zeit  auch  bei  Myriopoden  aufgefunden. 

Ueberschauen  wir  nun  die  sehr  verschiednen  Auffassungen ,  welche 
die  Ooccidien  im  Laufe  der  Zeit  erfahren  haben.  Zunächst  bot  sich 
die  Möglichkeit  dar,  sie  als  pathologische  Erzeugnisse  der  inficirten 
Organe  selbst  zu  betrachten.  Wir  haben  diese  Auffassung  schon  oben 
als  die  ihres  ersten  Beschieibers,  Hake,  kennen  gelernt.  Ihm  folgte  1843 
Nasse  (49),  der  sie  am  meisten  den  Knorpelzellen  nähern  wollte  und 
glaubte,  dass  sie  von  der  Wand  der  Gallengänge  als  ein  abnormes  Epi- 
thelium  ihren  Ursprung  nähmen.  Handfield  (51)  dagegen  wollte  sie  1846 
durch  Umbildung  der  Leberparenchymzellen  selbst  hervorgehen  lassen. 
Auch  Kauffmann  (54)  war  1847  geneigt,  sie  für  Bildungen  des  Wirths- 
organismus  selbst  zu  halten,  während  Vulpiau  sie  durch  abnorme 
Entwicklung  der  Kerne  der  Leberzellen  entstanden  dachte.  Noch  1863 
schien  es  auch  Leuckart  (112)  das  wahrscheinlichste,  in  ihnen  pathologi- 
sche Gewebselemente  zu  erblicken.  Trotz  zahlreicher  Versuche,  diese 
irrthümlichen  Anschauungen  zurückzuweisen,  fanden  dieselben  doch  noch 
1868  in  Roloff  (70)  und  G.  Lang  (71)  Vertreter,  von  welchen  der  erstere 
sie  wie  Handfield  auf  Leberzellen  zurückzuführen  suchte,  der  letztere  da- 
gegen sie  für  die  Endglieder  eines  eigenthümlichen  pathologischen  Pro- 
cesses,  ,, regelmässig  gestaltete  Schollen"  einer  organischen  Masse,  erklärte. 

Ganz  besonders  eigenthümlich  klingt  die  von  Finck  (1854)  entwickelte 
Ansicht,  der  vermuthete,  dass  sie  bei  der  Fettresorption  der  Darmzotten 
betheiligt  seien,  da  sie  angeblich  nur  in  solchen  Zotten  vorhanden  wären, 
welche  in  Fettaufnahme  begriffen  sind. 

Sehr  lange  Zeit  hielt  sich  weiterhin  die  Vermuthung  aufrecht,  es 
seien  die  Psorospermien  Eier  von  Helminthen. 

Zuerst  scheint  dieselbe  von  Vogel  (52)  1845  ausgesprochen  worden 
zu  sein,  welcher  sie  für  Eier  eines  Bandwurms  erklärte.    Rayer  (53)  und 


*)  Auch  im  Maulwurf  hat  sie  derselbe  Beobachter  häufig-  gesehen  und  nach  Leuckart 
soll  auch  das  Schaf  und  Meerschweinclien  zuweilen  als  Träger  der  Darmpsorospermien  auf- 
geführt werden. 

'*"*)  Berichte  der  schles.  Ges.  f.  vaterländ.  Cultur  1876. 


496  Sporozoa. 

Diijardiii  vennntheten  (1846)  in  ihnen  die  Eier  von  Distomnm  laneeo- 
latnm.  Für  ihre  Natur  als  Helmintheneier  sprach  sieh  weiterhin  Brown- 
Sequard*)  1849  aus.  Küchenmeister  zeigte  1852  (55),  dass  die  Psoro- 
spermien  des  Kaninchens  nicht  Distomeneier  sein  kihinten  und  dass  auch 
ihre  Auffassung  als  Bandvvurmeier  wenig  für  sich  habe,  dagegen  schien 
ihm  das  richtigste,  sie  für  Eier  eines  noch  unbekannten  Nematoden  zu 
erklären.  Virchow  war  zu  dieser  Zeit  zweifelhaft,  ob  er  sich  dieser  An- 
schauung anschliessen  sollte,  dagegen  trat  Davaine  1860  (65)  derselben 
bei,  während  Gubler  1859  die  menschlichen  Leberpsorospermien  wieder 
als  Distomeneier  deuten  wollte.  Auch  Keferstein  **)  vertritt  1862  noch 
die  Küchenmeister'sche  Ansicht. 

Sehr  frühzeitig  jedoch  hatten  sich  auch  Stimmet  hören  lassen,  welche 
ihnen  nähere  Beziehungen  zu  den  Tsorospermien  der  Fische  und  den 
Pseudonavicellen  der  Gregarinen  zuschrieben.  So  hatte  schon  Remak 
1845  in  ihnen  parasitische  Organismen  ähnlich  den  Miiller'schen  Psoro- 
spermien  zu  erblicken  geglaubt  und  ihre  Beziehungen  zu  diesen  hebt  auch 
Kauffmann  (1847)  hervor.  Erst  die  Lieberkühn'schen  Arbeiten  (24,  58) 
über  die  eiförmigen  Psorospermien  des  Kaninchendickdarms  suchten  je- 
doch ihre  Beziehungen  zu  den  Gregarinen  stricte  zu  erweisen  und  dadurch 
die  völlige  Gleichstellung  der  sogen.  Psorospermien  mit  den  Pseudonavi- 
cellen der  Kegenwurnigregarinen  darzuthun.  Lieberkühn  glaubte  das 
allmähliche  Entstehen  seiner  Psorospermiencysten  aus  gregarinenartigen 
Wesen,  ganz  in  der  Weise  wie  sieh  die  Pseudonavicellencysten  aus  Regen- 
Avurmgiegarinen  entwickeln ,  nachweisen  zu  können.  Wir  dürfen  aber 
wohl  aus  unsrer  jetzigen  besseren  Kenntniss  der  Entwicklungsvorgänge 
dieser  Organismen  schliessen,  dass  diese  Lieberkühn'schen  Darstellungen 
zum  grösseren  Theil  irrige  waren. 

Die  erste  Spur,  welche  zu  dem  richtigen  Verständniss  der  Entwick- 
lungsvorgänge der  eiförmigen  Psorospermien  und  damit  auch  zu  der  de- 
fi|)itiven  Feststellung  ihrer  Gregarinennatur  hinleitete,  war  schon  1847  von 
Kauffmann  (54)  gefunden  worden.  Es  war  die  Thatsache,  dass  sich  der 
Inhalt  der  Lebercoccidien  des  Kaninchens  nach  längerem  Aufenthalt  in 
Wasser  zu  3—4  Körperchen  zeitheile,  die  er  für  eine  zweite  Generation 
von  Psorospermien  hielt.  Dasselbe  beobachtete  auch  Lieberkühn  an  den 
Kaninchenpsorospermien,  bei  weitem  vollständiger  jedoch  an  denen  der 
Froschniere  (1854).  Bei  letzteren  sah  er  den  Inhalt  zu  3 — 4  stäbchen- 
artigen Körperchen  zerfallen ,  welche  sich  bewegten  und  schliesslich  aus 
der  Psorospermienhülle  hervortraten.  Die  Annahme,  dass  diese  hervor- 
getretnen  Körperchen  wieder  zu  den  Mutterorganismen  auswüchseu,  aus 
welchen  die  Psorospermien  hervorgehen ,  war  natürlich  und  hat  sich  als 
begründet  erwiesen.  Dagegen  blieb  Lieberkühn  die  Beziehung  dieser  Vor- 
gänge im  Innern  der  Psorospermien  zu  den  ganz  in  gleicher  Weise  im  Innern 
gewisser  Pseudonavicellen    (Sporen  echter  Gregarinen)  verlaufenden  noch 


*)  Compt.  rend.  soc.  biolog.  Paris  184!).  I.  p.  4(3. 
**)  Göttinger  gelehrte.  Anzeigen  III.  Bd.  auf  d.  ,1.  ]s(i2.  p.  IGOS. 


Gesell ichtc  (Gocciilia).  497 

unklar,   obgleich   er   ähülichos   auch   in   letzteren   andeutungsweise  beob- 
achtet hatte. 

Schon  im  nilchstfolgenden  Jahr  1855  lieferte  jedoch  Kloss  eine  sehr 
vollständige  und  mit  den  neueren  Erfahrungen  gut  übereinstimmende 
Lebensgeschichte  der  in  der  Helixniere  schmarotzenden  Coccidienform, 
welche  hier  näher  zu  verfolgen  nicht  der  Ort  ist  und  die  nur  darin 
unvollständig  blieb,  dass  das  Wiedereindringen  der  aus  den  Psorosper- 
raien  freigewordenen  stäbchenförmigen,  beweglichen  Köiperehen  nicht 
beobachtet  wurde. 

Aebnliche,  wenn  auch  nicht  gleich  vollständig  erkannte  Entwicklungs- 
vorgänge der  Cephalopodenpsorospermien  lehrten  ferner  die  Unter- 
suchungen Eberth's  1862  kennen,  welche  durch  spätere  Erfahrungen 
A.  Schneider's  Bestätigung  und  z.  Tb.  auch  Erweiterung  fanden. 

Die  durch  Kauffmann's  Untersuchungen  zuerst  angebahnte  Kenntniss 
der  Entwicklungsprocesse  der  Leberpsorospermien  des  Kaninchens  wurde, 
z.  Th.  gleichzeitig  mit  der  Untersuchung  der  Darmpsorospermien  desselben 
Thieies,  durch  zahlreiche  Beobachtungen  weiter  gefördert  und  dadurch 
die  Uebereinstimmung  der  Entwicklungsvorgänge  dieser  Formen  mit  denen 
der  eben  erwähnten  immer  sicherer  erwiesen. 

Um  diese  Erforschung  der  Leber-  und  Darmpsorospermien  des  Ka- 
ninchens, welche  im  Wesentlichen  den  nämlichen  Entwicklungsprocess 
erkennen  Hessen,  erwarben  sich  hauptsächlich  noch  Waidenburg,  Stieda, 
Reincke  und  schliesslich  R.  Leuckart  Verdienste.  Hierdurch  wurde 
denn  auch  in  diesen  Psorospermien  die  p]ntstehung  stäbchenförmiger 
Gebilde  sichergestellt  und  diese  Stäbchen  als  die  eigentlichen  Keime  er- 
kannt, aus  welchen  die  Mutterorganismen  wieder  hervorgehen. 

Sehr  wesentlich  vervollständigt  wurde  das  Bild  von  den  Entwicklungs- 
vorgängen und  der  gesammten  Lebensgeschichte  der  Psorospermien  durch 
die  schönen  Untersuchungen  Eimer's  (73)  über  die  Darmpsorospermien 
der  Maus;  seine  Forschungen  trugen  sehr  wesentlich  zu  einer  richtigen 
Erkenntniss  des  Zusammenhangs  zwischen  Gregariniden  und  Psorospermien 
bei.  Auch  die  meisten  der  letzthin  genannten,  um  die  Erforschung  der 
Entwickhingsvorgänge  verdienten  Forscher  huldigten  der  Ansicht  von 
der  Gregarinenuatur  der  Psorospermien ;  speciell  betont  haben  dies,  wie 
z.  Th.  schon  erwähnt,  Lieberktihn,  Kloss,  Waidenburg,  Eimer  und  nament- 
lich A.  Schneider  (81,  94),  welcher  durch  seine  gleichzeitigen  Unter- 
suchungen der  Entwicklungsprocesse  der  Psorospermien  und  der  Vorgänge 
in  den  Pseudonavicellen  der  Monocystideen  die  Uebereinstimmung  der- 
selben klar  zu  zeigen  vermochte.  Dieser  Auffassung  schloss  sich  denn 
auch  R.  Leuckart  neuerdings  völlig  an. 

Doch  sind  auch  gelegentlich  Ansichten  geäussert  worden,  welche  eine 
Beziehung  der  Psorospermien  zu  den  Infusorien  behaupteten.  So  glaubte 
sie  Reincke  (68,  1866)  mit  den  Infusorien  vergleichen  zu  dürfen,  wegen 
ihrer  Fortpflanzung    in   Kapseln;    noch    weiter    ging   1869   Rivolta   (72), 

?.  111)1  II,  Klassen  rifls  Tliier-ReicTis.    Vrotozoa.  o'2 


498  S[)oro/,oa. 

welcher  sie  aus  bewimperten  Infusorien  hervorgehen  liess,  die  nach  Ab- 
streifung ihres  Wimperi^leids  in  die  Epithelzellen  eindrängen  und  sieh 
hier  zu  den  Psorospermien  entwickelten. 


Wie  bemerkt,  werden  den  Psorospermien  gewöhnlich  noch  gewisse 
sehr  eigenthUmliche  parasitische  Bildungen  angeschlossen,  welche  Miescher 
1843  zuerst  in  den  Muskeln  einer  Maus  auffand  und  die  später  in  weiter 
Verbreitung  bei  den  Säugethieren  und  auch  den  Vögeln  nachgewiesen  wer- 
den konnten.  Wir  unterlassen  es  an  dieser  Stelle  die  geschichtliche  Ent- 
wicklung unsrer  Kenntnisse  dieser  immer  noch  sehr  unsichern  Organismen 
zu  verfolgen  und  werden  dieselbe  späterhin  bei  der  genaueren  Betrachtung 
der  Sarcosporidien  eingehender  berücksichtigen. 


2.   Literatur. 

A.   Gregariii  i  da    (s.  str.). 

1.  Redi,  De  Animalibxis  vivis,  quae  in  corporibus  animaliiirn  vivorum  pariuntur.  1708. 

2.  Cavolini,   F..   Memoria   sulla  gencrazioiie   dei  Pisci  c  dei  Granclii.   Napoli  1787 — S!) 
(Deutsche  üeLersetZTing  von  C.  A.  W.  Zimmermann.  Berlin   1792.) 

3.  Ramdolir,  K.  A.,    Abhandl.  über  die  Verdauungswerkzeuge  der  Insecten.  Halle  1811, 

4.  Gaede,  H.  M.,  Beiträge  zur  Anatomie  der  Insecten.  Altena  1815. 

5.  Dufour,  L.,  in  Ann.  sc.  nat.  1.  slt.  T.  VIII.  1826.  p.  43.   T.  XXL  bis. 

6.  Note  s.  la  gr6garine,  nouveau  genre  de  ver  qui  vit  en  ti'oupeau  d.  les  intestins  de 

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7.  Kecherches  anat.  et  physiol.  s.  1.  hemipt.  Paris  1833.  Taf.  XVH. 

8.  -      -  Kecherches  s.  qucl(|ues  Entozoaires  et  larves  parasites  des  insectes  Orthopteres  et 
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9.  Dujardin,  F.,  Sur  les  organismes  införieurs.  fll.  S.  les  Infus,  appel,  Protees  etc.)   Ann. 
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10.  Suriray,  Note  s.  quelques  parasites  et  prod.  d.  Lombric.  terr.  p.  servir  ä  sa  physiologie. 
Ann.  sc.  nat.  2.  srr.  T.  VI.  p.  353—60.  1  T.  1836. 

11.  Hammerschmidt,  C.  E.,  Helminthologische  Beiträge.    Isis  (herausgeg.  v,  Oken)  1838, 
p,  351—58.  1  Taf. 

12.  Siebold,   Th,  v. ,  Beiträge  zur  Naturgeschichte   der  wirbellosen  Thiere.  Dauzig  1839. 
(Siehe  auch  früher:  Müller's  Archiv  1837.  p.  408.) 

13.  Henle,  J.,  üeber  die  Gatt.  Gregarina.  Arch.  f.  Anat.  u.  Physiologie  1845.  p.  369 — 374. 
T.  XIII. 

14.  Kölliker,  A.,  Die  Lehre  von  der  thier.  Zelle.   Schieiden  und  Nägeli's  Zeitschrift 
f.  wiss.  Botanik.  Heft  IL  p.  97.  1845. 

15.  Frantzius ,    AI,  v. ,    Observationes   quaed,   de   Gregariniis.    Diss.  inaug,    Berol.  1846. 
(S.  auch  Arch.  f.  Naturgesch.  1848.  I.  p.   188—96.  T.  VIL) 

16.  Kölliker,  A.,   Ueber  die  Entozoengatt.  Gregarina  L.  Duf.  Mittheil.  d.  naturf.  (Jesellsch. 
Zürich  1847.  Bd.  I.  p.    11—45. 

17.  Beiträge  z.  Kenntniss   niederer  Thiere.    I.  Ueber  die  Gatt.  Gregarina.    Z.  f.  wiss. 

Zool.  Bd.  I.   1848.  p.  1-37.  Taf.  I— HL 

18.  Stein,    Fr.,    üeber  die  Natur  der  Gregarinen.     Arcli.   f.   Anat.   u,  Physiologie  1848. 
p.  182-223.  1  Taf. 

19.  Bruch,    C,    Einige  Bemerkungen   über  die  Gregarinen.  (Nebst  Nachwort  von  Kölliker.) 
Zeitschr.  f.  wiss.  ZooL  Bd.  IL   1850.  p.  110—114, 

20.  Leydig,  F.,  üeber  Psorospermien  und  Gregarinen.    Müller's  Arch.  f.  Anat.  u.  Physiol. 
1851.  p.  221—233.  Taf.  VIIL 


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f.  vaterl.  Cultur  f.  d.  J.  1877.  Breslau  1878.  p.  68—72. 
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32* 


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S(i.    - —  Psoro.spermosi   cnterica  e  cor])Uscoli  cellulari  nel  fegato  di  piceoli  uccelli.     (iioru. 

di  Anat.,  Fisiologia  c  l^atologia  degli  animali,  Anni  1877—78. 

87.  Della  tiregarinosi   dei  polli  e  dell'  ordinamento   delle  gregarine  e  dei  psorospcrmi 
degli  animali  domestici.     Ibid. 

88,  Sopra  il  vajuolo  dei  Colombi  e  dei  Polli.  Studii  fatti  n.  (Jabin.  di  Anatomia  pato- 

log.  di  Pisa.  Pisa  1877.  p.  29—41. 

!»0,  —        Ancora   delle   cellule  oviformi   c  speciahn.   di   ([Uelle   con    nucleo   in  segmcnt.  dei 

villi  del  cane.     Ibid.  p.  85 — 88. 
1)1.  Zürn,  Die  kugel-  und  eiförmigen  Psorospermien  als  Ursache  von  KrankheitLii  bei  Haus- 

thieren.     Leipzig  1878. 
;)2.  Leuckart,  R.,  Die  menschlichen  Parasiten  etc.  IL  Aufl.   I.  Bd.  1879. 
!l,3.  Gaule,    J.,    Ueber  Würmchen,   welche  aus  Froschblutkörperchen  auswandern.     Arch.  f. 

Anat.  u    Physiol.  (Physiol.  Abtheil.)  1880.  p.  5(). 
'.14.  Sclineider,   Aime,   Sur  les  psorospermes  oviformes  ou  CJoccidees,  especes  nouvelles  ou 

peu  connnes.     Arch.  zool.  cxperim.  T.  IX.  1881.  p.  387—404.  PL  XXII. 
«5.  Gaule,    J. ,    Die  Beziehungen   der  Cytozoün   (Würmchen)  zu  den  Zellkernen.     Arch.  f- 

Anat.  u.  Physiol.  (Physiol.  Abtheil.)  1881.  p.  297-31(3.  TaL  V. 
!)i;. Kerne,    Nebenkerne    u.    Cytozoen.     Centralbl.    f.    die    medic.    Wissensch.    1881. 

Nr.  31.  3  pp. 
!I7.  Lankester,  E.   Ray,    On    Drei>aiiidium    ranarum  the  cell-parasite  of  thc  frog's  blood 

and  Spleen  (Gaule's  W'ürmchen).     (^»uarf.  jouni.  micr.  sc.  N.  S.  Vol.  XXII.  p.  53—65. 
1)8    Grassi,    B. ,    Intorno  ad  alcuni  protisti  endoparassitici.     Atti  di  societä  italiana  di  sc. 

naturali.  Vol.  XXIV.  Milano  1882.  94  pp.  IV  Taf. 

C.   Myxosporidia  (Fischpsorospermien). 

99.  Müller,   Joh. ,    üeber  einen   krankhaften  Hautausschlag  mit  specif.  organis.  Samenkör- 
perchen.    Monatsber.  d.  Berl.  Akad.  1841.  p.  212—222  u.  24()— 250  u.  Arch.  f.  Anat.  u. 
Physiol.  1841.  p.  477—496.  Taf.  XVL 
100    Müller,  J.  u    Ret?ius,  A.,  üeber  parasitische  Bildungen.     Arch.  f.  Anat.  u.  Physiol. 
"  1842,  p.   193,  Taf.  VIII  u.  IX. 
Leydig,  F.,  s.  Gregarinen  Nr.  20. 

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siehe  Gregarinen  Nr.  24. 

siehe  Coccidia  Nr.  58.  * 

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120.  Virchow,  R. ,  Die  Lehre  von  den  Trichinen.  3.  Aufl.  Berlin  1860.  p.  20—24.  Siehe 
auch  Arch.  f.  pathol.  Anat.  Bd.  XXXII.  1865.  p.  356—360. 

121.  Dammann,  C. ,  Ein  Fall  von  Psorospermienkrankheit  b.  Schafe.  In  Arch.  f.  pathol. 
Anat.  Bd.  LXl.  p.  283—86. 

122.  Manz,  W. ,  Beitrag  zur  Kenntniss  der  Miescher'schen  Schläuche.  Arch.  f.  uiikroskop. 
Anat.  Bd.  III.  1867.  p.  345—366.  Taf.  XX. 

123.  Ratzel,  F.,  in  Archiv  f.  Naturgesch.  1868.  I.  p.  154—155. 

124.  Siedamgrotzky,  O.,  Psorospermienschläuche  in  der  Muskulatur  der  Pferde.  W  ocheJi- 
schrift  f.  Thierheilkunde  u.  Viehzucht  von  Adam.  XVL  1872.  p.  97—101. 

125.  Paulicki,  in  Gurlt  und  Hertwig's  Magazin.  Bd.  38.  1872. 

126.  V.  Niederhäusern,  in  Zeitschr.  f.  prakt.  Veterinärwiss.  1873.  p.  79. 

127.  Cobbold,  T.  Sp.,  On  worm-like  organisms  in  the  mitral  valve  of  a  horse.  „Veterina- 
rian"  Sept.  1877. 

128.  Beale,  L.,  Entozoon-like  bodics  in  Muscles,  in  „Microscope  in  Medicine"  4.  ed.  1878. 
p.  485. 

129.  Cobbold,  T.  Sp. ,  Parasitcs,  a  treatise  on  the  Entozoa  of  man  and  animals.  London 
1879.  p.  270  u.  f.  (Siehe  auch  Früheres  in  Transact.  of  pathol.  soc.  XVII.  1866,  und 
„Lancet"  Jan.  1866.) 


Grcgariuicia.  503 


III.   Eiste  UnterabtheiliiDg-  (Unterklasse). 

Gregarinida. 

1,    Kurzer  Uebcrblick  der  sillo-emeiiieii  niorphologischeii  Ci!estrtltuii«'  und 
der  übrio'eu  bezeiclnieiiden  Charaktere  der  Grei>arinida. 

Die  Gregarinida  sind  durchaus  parasitische  Protozoen  von  einzelligem 
Bau,  welche  im  erwachsenen  Zustand  nur  selten  eine  annähernd  kuglige 
Gestalt  besitzen,  sondern  gewöhnlich  ansehnlich  in  die  Länge  gestreckt 
erscheinen.  Häutig  gesellt  sich  jedoch  zu  dieser  Längsstreckung  noch 
eine  mehr  oder  weniger  deutliche  Abplattung  in  einer  zu  der  Längsaxe 
senkrechten  Richtung ,  so  dass  sich  die  Körpergestalt  der  bandförmigen 
nähert  und  ferner  ein  mehr  oder  weniger  scharf  hervortretender  Unter- 
schied in  dem  Bau  der  beiden  Körperenden.  Wir  können  daher,  wenn 
wir  von  den  einfachsten  kugel-  bis  eiförmigen  Gregariniden  ausgehen, 
eine  allmähliche  Dififerenziriing  der  Körpergestalt  von  dem  Horaaxonen 
ins  Monaxone  und  schliesslich  Zweistrahlige  verfolgen,  ja  indem  die 
Hauptaxe  sich  krümmt  oder  das  eine  Körperende  sich  etwas  asymmetrisch 
gestaltet,  kann  auch  vorübergehend  oder  bleibend  eine  bilaterale  (dipleu- 
rische)  Gestaltung  zur  Entwicklung  gelangen. 

Der  Gregarinenkörper  besitzt  jedoch  zeitweise  oder  dauernder  die 
Fähigkeit  der  Gestaltsveränderung,  welche  Veränderlichkeit  jedoch  nur 
selten  und  dann  nur  im  jugendlichsten  Zustand  den  Charakter  der 
amöboiden  Bewegung  zu  besitzen  scheint,  sonst  jedoch  den  Eindruck  eines 
auf  Contractionen  der  äusseren  Körperschicht  beruhenden  Phänomens 
macht.  Hand  in  Hand  mit  diesen  Gestaltsveränderungen,  aber  auch  noch 
in  andrer  eigenthümlicher  Weise,  kann  auch  Ortsveränderung  zu  Stande 
kommen.  Eigentliche  Pseudopodienentwicklung  kommt  den  Gregarini- 
den nie  zu.  Dies  ist  schon  dadurch  unmöglich,  dass  bei  allen  einiger- 
maassen  ansehnlichen  Formen  eine  scharf  umschriebne  äussere  Membran 
(Zellhaut,  Cuticula,  Epicyt)  vorhanden  ist.  Bei  diesen  Formen  ist  auch 
gewöhnlich  die  deutliche  Differenzirung  eines  Ectosarks  zu  beobachten. 
Die  Gegenwart  eines  Zellkerns  und  zwar  mit  wenigen,  kaum  hinreichend 
sicheren  Ausnahmen  nur  eines  einzigen,  darf  als  constant  und  durchaus 
charakteristisch  bezeichnet  werden. 


504  Gregarinida,  j 

Der  Körper  einer  Ahtheiliing  der  Gregariniden  ist  jedoch  Doch  da- 
durch ausgezeichnet,  dass  er  durch  eigenthüniliche  Dittereozirungsvor- 
gänge,  die  bei  allen  übrigen  Protozoen  kein  rechtes  Analogon  haben ,  in 
eine  Anzahl  verschiedenartiger,  segmentartig  in  der  Längsaxe  aufeinander- 
folgender Abschnitte  gegliedert  erscheint.  Solcher  Abschnitte  sind  bei 
jenen  Formen  entweder  zwei,  ein  vorderer,  kleinerer  (Protomerit)  und  ein 
hinterer,  grösserer  (Deutomerit)  zu  unterscheiden,  oder  es  tritt  hierzu 
häutig  noch  ein  vorderster  (Epimerit),  der  die  Bedeutung  eines  temporären 
Haftapparates  besitzt,  welcher  im  Alter  verloren  geht. 

Ungemein  bezeichnend  sind  die  Fortpflanzungserscheinungen  unsrer 
Wesen.  Dieselben  vollziehen  sich,  soweit  mit  Sicherheit  bekannt,  nie 
durch  einfache  Tbeilungsprocesse  im  erwachsenen  Zustand.  Der  Fort- 
pflanzungsact  wird  stets  durch  eine  Encystirung  eingeleitet,  welche  hier 
niemals  nur  zum  Schut/<  eintritt.  Sehr  häufig  geht  diese  Encystirung 
Hand  in  Hand  mit  einer  Copulation  zweier  Einzelindividuen.  Der 
Leib  der  encystirten  Thiere  zerfällt  vollständig  oder  nur  zum  Theil 
in  eine  mehr  oder  minder  grosse  Anzahl  umhtillter,  sporenartiger 
Fortpflanzungskörper  (Pseudonavicellen,  Psorospermien  z.  Th.),  zu  deren 
Ausstreuung  aus  den  Cysten  zuweilen  noch  sehr  eigenthümliclie  accesso- 
rische  Einrichtungen  entwickelt  werden.  Der  Plasmainhalt  der  Sporen  zeigt 
bei  einem  Theil  der  Formen  noch  einen  weiteren  Vermehrungsprocess 
innerhalb  der  Sporenhülle,  in  Folge  dessen  eine  Anzahl  Stäbchen-  bis 
sichelförmiger  Plasmakörperchen  auftreten,  welche  mit  grosser  Wahrschein- 
lichkeit als  die  jugendlichen  Gregarinidenformen  zu  betrachten  sind  und 
sich  unter  geeigneten  Umständen  zu  erwachsenen  Formen ,  häuflg  viel- 
leicht mit  Einschiebung  eines  durch  amöbenartige  Beweglichkeit  aus- 
gezeichneten Stadiums  entwickeln. 

Die  oben  geschilderte,  bei  einem  Theil  der  Gregarinida  eingetretue 
Diflferenzirung  in  eine  Anzahl  Körperabschnitte  dürfte  bei  dem  heu- 
tigen Stande  unsres  Wissens  die  geeignetste  Handhabe  zu  einer  Sonde- 
rung unsrer  Abtheilung  in  zwei  grössere  Gruppen  bieten,  nämlich  in  die 
Abtheilung  der  Monocy  stideen,  welcher  eine  derartige  Differenzirung 
fehlt  und  die  zweite  Gruppe,  die  der  Polycystideen,  bei  welchen  eine 
solche  Difterenzirung  mehr  oder  minder  deutlich  ausgesprochen  ist.  Diese 
Gruppirung  dürfte  sich  noch  deshalb  empfehlen,  weil  auch  das  Vor- 
kommen der  beiden  Abtheilungen  damit  in  gewissem  Grade  harmonirt. 
Die  sogen,  ei-  und  kugelförmigen  Psorospermien  (Coccidien)  werden  dabei 
naturgemäss  der  Abtheilung  der  Monocystideen  eingereiht. 

3.   Oeiiauere  Schildeiuii«'  der  Gestaltuiigsverhältnisse  der  Gregarinida. 

Die  einfachsten  Gestalten  zeigen,  wie  schon  erwähnt,  die  kleinen 
Formen  der  Monocystideen,  welche  die  Gruppe  der  ei-  oder  kugelförmigen 
Psorospermien  (Coccidien)  bilden.  Im  erwachsnen  Zustand  sind  dies 
kugel-  bis  eiförmige,  einfache  Zellen,  welche  in  dieser  Lebensperiode  auch 


(icötaltsvei'hältiiisse  i^Moiiocystidccni.  505 

durchaus     bewegungslos     sind     und     keine    Gcstaltsveiänderungen     dar- 
bieten (T.  XXXVII.  10;  XXXVIII.  la,  2  a). 

Sehr  klein  scheiticu  durchaus  die  Leber-  und  Darmcoccidiea  /.n  lilcibcn,  welche  im 
gröristen  Durchmesser  nur  ca.  0,025  Mm.  erreichen.  Andre  Foniieu  lüngcgen.  wie  die  der 
Tulmonatenniere,  erreichen  bis  0,12  Mm.  Länge  und  die  der  Gepiialopodeu  sollen  nach  Ebertli 
und  Aim6  Schneider  sogar  bis  zu  1   Mm.  heranwachsen. 

Aehnliche  rundliche  bis  ovale  Gestalten  tretten  wir  jedoch  nicht  allzu- 
selten auch  bei  den  frei  im  Darme  verschiedner  wirbelloser  Thiere  leben- 
den Monocystideen,  so  bei  der  kleinen  Adelea  Schueidcr's  (T.  XXXV.  12a), 
der  Urospora  Hipunculi  Kölliker's,  jedoch  ist  bei  der  letzteren  und  bei  den 
meisten  noch  zu  erwähnenden  Formen  die  Gestalt  wegen  der  Leibescontrac- 
tionen  einem  mehr  oder  minder  energischen  AVechsel  unterworfen.  Hieran 
reihen  sich  dann  mehr  oder  minder  längsgestreckte  bis  spindelförmige 
Monocystideen,  nicht  selten  mit  deutlich  ausgesprochner  Unterscheidung 
der  beiden  Körperenden ,  indem  das  hintere  häutig  mehr  verschmälert 
bis  zugespitzt  ist,  während  das  vordere  abgerundet  und  mehr  ver- 
breitert erscheint.  Die  Längsstreckung  des  Körpers  führt  dann  schliess- 
lich zu  ausgesprochen  schlauchförmigen  Gestalten,  bei  denen  jedoch 
ebenfalls  das  Hinterende  gewöhnlich  etwas  zugeschärft  ausläuft.  Gelegent- 
lich weist  auch  das  Vorderende  noch  eine  polare  Zuspitzung  oder  einen 
knopfartigen  Fortsatz  auf,  der  sich  selten,  so  bei  der  von  R.  Lankester  (29) 
beschriebuen  Monocystis  Aphroditae,  zu  einem  rüsselartigen  Anhang  zu  ent- 
wickeln vermag  (T.  XXXV.  1).  Eine  höchst  merkwürdige  Gestalt  zeigt  das 
Vorderende  einer  von  Claparcde  (28)  bei  Capitella  gefundnen  Monocystidee,  in- 
dem dasselbe  in  zwei  grosse  seitliche,  zugespitzte  Fortsätze  ausgezogen 
ist,  wodurch  die  Gesammtgestalt  der  Gregarine  eine  ankerähnliche  wird 
(T.  XXXIV.  11). 

Eine  besondere  Erwähnung  verdienen  vielleicht  noch  die  Ideinen,  beiderseits  scharf  zu- 
gespitzten und  in  ihrer  Gestalt  ungemein  neniatodenahnlicheu  ]\lonocystideen,  die  aus  ver- 
schiednen  Anneliden  beschrieben  worden  sind,  so  die  Monoc.  Enchytraei  und  Terebellae 
Kölliker's  (17,  auch  20,  ;J0),  eine  von  Claparcde  (28)  aus  Phyllodoce  beschriebne  Monocystis 
und  andre  (T.  XXXIV.  9,  10).  Diese  Formen  scheinen  mir  einer  besondern  Beachtung  haupt- 
sächlich deshalb  werth  zu  sein,  weil  sie  sich  in  ihrer  Gestalt  den  sogen,  sichelförmigen  Keimen, 
die,  wie  wir  wissen,  in  der  Fortpflanzungsgeschichte  zahlreicher  Gregariniden  eine  wichtige 
Rolle  spielen,  sehr  innig  anschliessen. 

Sehr  eigenthümlich  gestaltet  ist  eine  neuerdings  von  Greeff  (45)  be- 
schriebne Monocystidee  (Conorhynchus),  indem  ihre  gesammte  Ober- 
fläche im  erwachsenen  Zustand  mit  kurzen ,  zottenartigen  Fortsätzen  be- 
deckt ist  (T.  XXXIV.  3)*). 

Wenden  wir  uns  nun  zu  einer  kurzen  Betrachtung  der  hauptsäch- 
lichsten Gestaltseigenthümlichkeiten  der  Poly cy stideen.  Wir  wissen, 
dass  an  dem  fast  stets  ziemlich  langgestreckten  und  häutig  bandförmig 
abge}»latteten  Körper  dieser  Formen  zum  mindesten  die  DifFerenzirung 
zweier,    hintereinanderliegender  Abschnitte    eingetreten    ist.     Es    scheint 


*)  Ueber    das    Haar-    oder  Borstenklcid    gewisser  Monocystideen  wird  später  noch  ein- 


gehender berichtet  werden. 


506  Gregariiiida. 

nämlich  sicher  zu  sein,  dass  eine  Anzahl  von  Formen  ihr  ganzes  Leben 
hindurch  nur  zwei  Abschnitte  aufweisen,  während  die  Mehrzahl,  wie 
schon  erwähnt ,  in  ihrer  Jugendzeit  noch  einen  dritten ,  vordersten  Ab- 
schnitt erkennen  lässt.  Da  dieser  vorderste  Abschnitt,  wie  später  noch 
genauer  zu  erörtern  sein  wird,  vergänglicher  Natur  ist,  so  erscheint 
es  nicht  unverständlich,  dass  man  über  sein  Auftreten  bei  gewissen 
Formen  bis  jetzt  noch  unsicher  blieb.  Die  Bedeutung  des  dritten 
vordersten  Abschnitts  (Epiraerit)  ist,  wie  gesagt,  die  eines  vergänglichen 
Haftapparats.  In  dem  Entwicklungskreis  der  dreigliedrigen  Polycysti- 
deen  lassen  sich  also  zweierlei  Formen  unterscheiden,  die  jugendlichen 
mit  Epimerit  versehenen  und  die  ganz  erwachsenen ,  zur  Fortpflanzung 
sich  anschickenden,  welche  diesen  Körperabschnitt  verloren  haben. 

Schneider  bezeichnet  die  ersteren  Formen  als  die  „Cephalins",  die 
letzteren  hingegen  als  die  „Sporadins";  wir  können  diese  Namen  etwa  in 
der  Weise  umschreiben,  dass  wir  die  ersteren  als  Kopfform  (Cephalonta), 
die  letzteren  dagegen  als  Fortpflanzungsform  (Sporonta)  bezeichnen.  In 
ihrer  allgemeinen  Bildung  stimmen  also  die  Sporouten  mit  denjenigen 
Formen  übereiu,  welche  nur  aus  zwei  Abschnitten  zusammengesetzt  sind. 
Der  vordere  dieser  Abschnitte  oder  das  Protomerit  ist  stets  der  kleinere 
und  unterscheidet  sich  entweder  von  dem  Deutomerit  wesentlich  nur  durch 
seine  Kürze,  wo  dann  der  Körper  in  zwei  mehr  oder  minder  ungleich- 
lange  Glieder  getheilt  scheint,  von  welchen  das  vordre  kopfartig  dem 
eigentlichen  Leib  aufsitzt,  oder  es  bleibt  das  Protomerit  auch  in  der  Breite 
beträchtlich  hinter  dem  Deutomerit  zurück  und  erscheint  dann  mehr  oder 
weniger  in  Gestalt  eines  dem  letzteren  angefügten  knopfartigen  Fortsatzes; 
Aeusserlich  ist  die  Grenze  der  beiden  Abschnitte  fast  stets  durch  eine 
Einschnürung  ziemlich  scharf  bezeichnet,  und  die  auch  innerlich  stets 
völlig  durchgeführte  Sonderung  werden  wir  noch  späterhin  genauer  zu 
betrachten  haben  (vergl.  T.  XXXV— XXXVII). 

Die  eigenthümlichste  Gestaltung  des  Protomerits  findet  sich  viclleiclit  bei  der  Gattung 
Bothriopsis  Sehn.,  einer  derjenigen,  welche  wahrscheinlich  überhaupt  niemals  ein  Epimerit  be- 
sitzen (T.  XXXVI.  11).  Hier  hat  das  sehr  gestaltsveränderliche  und  ansehnliche  Protomerit  im 
gewöhnlichen  Znstand  eine  nach  vorn  verhreiterte,  etwa  keulenförmige  Gestaltung,  sein  Vorder- 
ende vermag  sich  jedoch  derart  zurückzuziehen,  dass  es  sich  saugnajifartig  gestaltet  und  auch 
zur  Festheftung  in  Art  eines  Saugnapfes  thatsächlich  Verwendung  finden  kann.  Auch  bei  der 
Gattung  Dufouria  findet  sich  eine  Annäherung  an  die  eben  geschilderte  eigenthümliche  Gestal- 
tung des  Protomerits. 

Bei  den  Cephalonten  finden  wir  nun,  dass  sich  das  Vorderende  des 
Protomerits  noch  in  einen  besondern,  kleinen  Abschnitt  fortsetzt,  der  stets 
zur  Anheftung  der  Gregarinen  an  die  Darmwände  dient  und  hinsichtlich 
seiner  Ausbildung  eine  ziemlich  grosse  Mannigfaltigkeit  darbietet.  Wie 
später  noch  genauer  besprochen  werden  wird ,  scheint  das  sogen.  Epi- 
merit nur  selten  so  scharf  von  dem  Protomerit  geschieden,  wie  letz- 
teres von  dem  Deutomerit;  auch  äusserlich  ist  die  Scheidung  häufig  nur 
wenig  scharf  ausgeprägt,  so  dass  sich  das  Epimerit  dann  als  eine  di- 
recte  Fortsetzung  oder  wie  ein  Anhang  des  Protomerits  darstellt. 


\ 


Gcstaltsverhaltnissc  (^Polycyätideeii).  507 

In  den  ciiifaehstcii  ballen  tritt  ilas  Eiiimciit  in  (icbtalt  eines  disni  vorderen  l'ol  des  Prute- 
mcrits  angefügten,  Knöipfelienartigen  kleinen  Anhangs  auf,  der  sich  ziemlich  scharf  gegen  das 
Protouierit  absetzt  (Olepsidrina*),  Pileoccphalus,  T.  XXXV. '.I ;  XXXVI.  10  a,  ep).  Sehr  cigen- 
thiindich  gestaltet  sich  dieses  wenig  entwickelte  Epimerit  bei  der  Gattung  EchinocephaUis  dadurch, 
dass  CS  eine  asymmetrische,  schief  konische  Form  besitzt  und  mit  kleinen  lingcr-  bis  stiletförmigen 
Anhängen  ziemlich  dicht,  jedoch  unrcgclmässig  besetzt  ist  [T.  XXXVI.  14a,  cp).  Ziemlich  kurz 
und  knopfartig  bleibt  das  Epimerit  weiterhin  auch  bei  der  Gatt.  Actinoccphalus,  ist  jcdocli  hier  noch 
vorzüglicher  als  Haftapparat  eingerichtet,  indem  sein  vordres  Ende  sich  zu  einer  Scheibe  verbrei- 
tert, deren  Händer  in  eine  Anzahl  zahn-  oder  hakenförmiger  Fortsätze  ausgezogen  sind  (XXXVI. 
1  .'la).  (iegcn  das  Protomcrit  ist  das  Epimerit  des  Actinocephalns  durch  eine  Einschnürung,  die 
zuweilen  auch  etwas  halsförmig  ausgezogen  ist,  ziemlich  scharf  abgesetzt.  Eine  ähnliche  Haken- 
kroue  findet  sich  auch  am  Ende  des  kurzen  Epimerits  von  Pyxinia,  hier  entspringt  jedoch 
vom  Centrum  dieser  Krone  noch  ein  fadenartiger  Anliang  (XXXVI.   12b\ 

Im  Princip  ziemlich  übereinstimmend  mit  der  beschriebneu  Bildung  bei  Actinoccphalus 
verhält  sich  das  Epimerit  bei  den  Gattungen  Hoploihynchus  und  Geneiorhynchus,  hier  hat 
sich  aber  der  bei  ActinoceiJhalus  sehr  kurze  Hals  ansehnlich  rüsselförmig  verlängert,  so  dass 
das  Epimerit  einen  langen ,  an  seiner  Basis  häufig  noch  etwas  angeschwollnen  Anhang  dar- 
stellt. Bei  Hoplorhynchus  trägt  das  Ende  des  Epimerits  eine  ähnliche  Hakenkrone  wie  bei 
Actinoccphalus,  bei  Geneiorhynchus  dagegen  ist  das  angeschwollne  Ende  mit  einer  grossen 
Zahl  feiner,  borstenähnlicher  Zähnchen  besetzt.  Bei  Stylorhynchus  schliesslich  finden  wir 
ganz  dieselbe  Bauweise  des  Epimerits  wie  bei  der  letzterwähnten  Gattung,  jedoch  mangelt 
der  Zähnchenbesatz  (vergl.  T.  XXXVII.  2  a,  8  a,  9  a) 

Eine  besondre  Gruppe  errichtete  Stein  (IS)  seiner  Zeit  für  eine  Anzahl  Gregariniden- 
formen,  welche  von  den  seither  erw^ähnten  dadurch  abweichen  sollten,  dass  der  Kör()er 
aus  drei  aufeinanderfolgenden  Abschnitten  zusammengesetzt  sei.  Die  beiden  hinteren  Abschnitte 
sind  an  Grösse  gleich  und  nach  ihrem  Bau,  namentlich  wegen  des  Vorhandenseins  eines  Zell- 
kerns in  jedem  derselben,  zwei  Deutomeriten  der  gewöhnlichen  Polycystideen  zu  vergleichen. 
Es  schienen  ihm  diese  Formen,  wie  gesagt,  so  abweichend  von  den  gewöhnlichen,  dass  er  zu 
ihrer  Aufnahme  eine  besondre  Abtheilung  der  Didymophyidae  errichtete.  Schon  KöUiker**) 
wies  jedoch  darauf  hin,  dass  diese  Didymophyiden  wohl  sicherlich  nicht  als  besondre  Formen, 
sondern  als  zusammenhängende  Paare  gewöhnlicher  Polycystideen  (jedenfalls  im  Sporonten- 
zustand)  zu  betrachten  seien,  bei  welchen  das  Protomerit  des  hinteren  Thieres  in  das 
Hinterende  des  vorderen  Individuums  so  eingepresst  ist,  dass  es  übersehen  und  seine 
Grenze  gegen  das  Deutomerit  des  vorhergehenden  Individuums  für  eine  Scheidewand 
zwischen  den  beiden  kernführenden  ansehnlichen  hinteren  Leibesabschnitten  der  vermeint- 
lichen Didymophyiden  gehalten  wurde.  Diese  Auffassung,  der  auch  A.  Schneider  völlig 
zustimmt,  ist  ohne  Zweifel  berechtigt  und  damit  sind  die  Stein'schen  Didymophyiden  als  Ver- 
treter einer  besonderen  morphologischen  Ausbildungsform  der  Gregariniden  zu  streichen. 

Die  Grössenverhältnisse  der  freien  Mono-  wie  Polycystideen  sind  sehr 
verschiedene.  Die  untere  Grenze  für  die  Grössenentwicklung  ist  schwierig 
mit  Sicherheit  festzustellen,  da  bei  den  häufig  nur  auf  Grund  weniger 
Exemplare  gegebnen  Beschreibungen  leicht  nur  unerwachsne  Formen  zu 
Gesicht  gekommen  sein  mögen.  Eine  der  kleinsten  Formen  der  freien 
Monocystideen  scheint  die  Adelea  Schneider's  zu  sein,  jedoch  fehlen  nähere 
Maassangaben.  Immerhin  sclieinen  Mono-  und  Polycystideen,  welche 
0,01  —  0,02  Mm.  nicht  viel  überschreiten,  nicht  sehr  selten  zu  sein. 
Andrerseits   treten  jedoch  in   beiden  Abtheilungeu  auch  wahrhafte  Riesen 


*)  Es  wird  später  noch  zu  erwähnen  sein,  dass  Schneider  bei  der  Gatt.  Clepsidrina  einen 
Theil  des  äusserlich  als  Protomerit   erscheinenden   Abschnitts   zu  dem  Epimerit  rechnet.     Der 
Einfachheit  wegen  haben  wir  hier  nur  den  Knopf  als  Epimerit  beansprucht. 
**)  Kölliker,  Icones  zootomicae.  I.  Abtiieil.   18(34. 


508  Gre.gariinda. 

auf,  welche  sich  gleichzeitig  durch  eine  sehr  langgestreckte  Gestaltung 
kennzeichnen.  So  erreicht  die  Monocystis  magna  des  Regenwurms  bis 
5  Mm.  Länge  und  die  von  van  Beneden  entdeckte  Porospora  gigantea 
aus  dem  Hummer  übertritft  diese  noch,  da  sie  bis  16  Mm,  Körperlänge 
aufweist. 


3.   (lienauere  Darstelliiii»-  des  Verhaltens  der  eiiizeliieu  Or«auisatioiis- 

elemente  der  CJregariiiifla. 

A.    Die  sogen.  Cuticula  (^Zellhaut,  äussere  HiiUe,  Epicyt  Schiieider's). 

Die  sehr  kleinen  Coccidien  des  Darmepithels  und  der  Leber  zeigen 
vor  ihrer  Encystirung  nichts  von  einer  Zellhaut  oder  Cuticula,  da- 
gegen scheint  es  nach  den  Mittheilungen  von  Kloss  und  Eberth,  dass  die 
zu  ansehnlicherer  Grösse  heranwachsenden  Formen  der  Pulmonaten  und 
Cephalopoden ,  wenigstens  in  ihrem  erwachsenen  Zustand ,  eine  zarte, 
structurlose  Hülle  besitzen. 

Hämmtliche  freien  Mono-  und  Polycystidecu  dagegen  besitzen  im  er- 
wachsenen Zustand  eine  meist  recht  deutliche  äussere  Cuticula,  welche 
entweder  nur  schwach  entwickelt  ist  und  dann  als  eine  einfach  contou- 
rirte  feine  Hülle  erscheint,  oder  stärker  entwickelt  ist  und  dann  deutlich 
doppelte  Contouren  zeigt.  Schwach  ausgebildet  und  daher  nur  einfach 
contourirt  ist  die  Cuticula  häufig,  jedoch  keineswegs  immer,  bei  den 
Monocystideen ;  deutlich  doppelt  contourirt  dagegen  gewöhnlich  bei  den 
Polycystideen ,  namentlich  den  ansehnlicheren.  Die  Cuticula  überzieht 
den  Zellkörper  ununterbrochen  und  erscheint  durchsichtig,  glashell  (die 
schwach  bläuliche  oder  grünliche  Färbung  im  durchfallenden  Licht  ist 
wohl  nur  eine  mikroskopische  Erscheinung). 

Die  Hülle  besteht  ohne  Zweifel  aus  einer  stickstoffhahigen  organi- 
schen Substanz,  jedenfalls  hat  ihre  Natur  namentlich  nichts  cellulose- 
artiges.  Nach  Schneider  (40)  soll  sie  in  Essigsäure  und  Ammoniak 
leicht  löslich  sein*);  Kölliker  (17)  bemerkte  gleichfalls  ihre  Löslichkeit  in 
Essigsäure  bei  einer  Anzahl  der  von  ihm  untersuchten  Gregariniden. 

Bei  der  Mehrzahl  der  Gregariniden,  hauptsächlich  aber  den  kleineren 
Formen,  konnten  keine  besonderen  Structurverhältnisse  dieser  Cuticula 
wahrgenommen  werden;  dieselbe  erscheint  dann  durchaus  homogen,  ohne 
Sculpturen,  Anhänge  oder  dergleichen.  Dagegen  zeigt  sie  bei  gewissen 
Monocystideen  und  Polycystideen  eine,  wenn  auch  sehr  feine  und  dichte, 
so  doch  bei  aufmerksamer  Betrachtung  sehr  deutliche  Längsstreifung. 
Recht  deutlich  ist  dieselbe  z.  B.  bei  den  Angehörigen  des  Geschlech- 
tes Clepsidrina,  so  bei  der  Cl.  Blattarum  der  Schabe  und  der  Cl. 
polymorpha    der    Mehlkäferlarve.      Bei    letztrer    Form    konnte    ich    bei 


*')  üeber  den  Concentrationsgrad  der  angewandten  Reagentien  fehlen  genauere  Angaben. 


Cuticula  (^Strciiung).  509 

der  Betrachtung  des  optischen  Querschnitts  deutlich  erkennen,  dass  die 
Streifung-  thatsächlich  der  Cuticula  angehört:  die  Streifen  traten  hier 
schwach  über  die  äussere  Fläche  der  Cuticula  hervor  und  es  scheint  so- 
gar, dass  dieselben  sich  durch  die  Dicke  der  Cuticula  fortsetzen,  da  die- 
selbe im  Querschnitt  zart  radiär  gestrichelt  erscheint.  Sehr  deutlich  er- 
scheint die  Streifung  weiterhin  bei  Stenocephalus  Juli  Sehn.,  bei  welcher 
(oder  doch  einer  sehr  nahe  verwandten  Form)  sie  auch  zuerst  von  Leidy 
,  1853  (22)  beobachtet  wurde.  Eine  ganz  entsprechende,  zarte  Streifung 
findet  sich  jedoch  auch  bei  gewissen  Mouocystidcen,  so  bemerkte  ich  sie 
(wie  schon  früher  Lieberkühn  und  A.  Schmidt)  sehr  deutlich  bei  der  Mono- 
cystis  magna  des  Regenwurms ;  hier  tritt  sie  namentlich  an  dem  etwas 
zugespitzten  Vorderende  sehr  kräfrig  hervor,  ja  die  Streifen  scheinen  sich 
am  äussersten  Ende,  wo  sie  zusammenlaufen,  zuweilen  etwas  rippen-  oder 
zähnchenartig  zu  erheben  (T.  XXXIII.  Ib).  Diese  Einrichtung  des  vorderen 
Pols  mag  in  ähnlicher  Weise  die  Anheftung  dieser,  mit  ihrem  Vorderende  ge- 
wöhnlieh in  eine  Zelle  der  Hodentrichterwand  eingesenkten  Form  begünsti- 
gen, wie  die  Anhänge  des  Epimerits  bei  den  Polycystideen.  Auch  die  Mono- 
C}stis  agilis  der  Regenwürmer  zeigt  dieselbe  zarte  Cuticularstreifung  häufig 
recht  deutlich,  was  auch  schon  Schmidt  beobachtete.  Eine  ähnliche 
Längsstreifung  wurde  weiterhin  noch  von  einer  ziemlichen  Anzahl  Mono- 
cystideen  beschrieben,  so  zuerst  von  Kölliker  (16)  bei  seiner  Grega- 
rina  Terebellae,  welche  äusserlich  constant  von  sechs  Längsrippen  über- 
zogen sein  soll,  ferner  von  Claparede  (28)  bei  einigen  Monocystisformen 
der  Phyllodoce,  von  welchen  eine  nematodenähnlich  gestaltete,  neben 
dieser  Längsstreil'ung  auch  noch  eine  ringförmige  aufweisen  soll  (T.  XXXIV. 
10).  Auch  R.  Lankester  (29)  hat  die  Längsstreifung  namentlich  bei  seinen 
Monocystis  Serpulae  und  Sabellae  beschrieben. 

Ob  alle  diese  Streifunge»  wirklich  in  die  Kategorie  der  Cuticularstreifen  eingercilit  werden 
dürfen,  scheint  etwas  zweifelhaft.  Man  Icann  nämlich  leicht  beobachten ,  dass  nicht  selten  bei 
den  Clepsidrinen  noch  eine  Längsstreifung  andrer  Natur  auftritt,  nämlich  eine  diircli  Faltung 
der  Körperwand  hervorgerufne,  welche  als  eine  Folge  besondrer  Contractionszustände  hetrachtet 
werden  darf.  Diese  Längsfaltung  der  Körperwand  ist  bedeutend  leichter  bemerlibar.  wie  die 
viel  zartere  Cuticularstreifung;  die  Falten  stehen  sehr  viel  weiter  auseinander  wie  die  feinen 
Cuticularstreifen  und  lassen  sicli  auch  gewöhnlich  nur  über  einen  Theil  der  Körperobertläche 
verfolgen.  Es  gelingt  leicht,  sich  an  einem  und  demselben  Thier  von  der  gleichzeitigen 
Gegenwart  der  Falten  und  Streifen  zu  überzeugen.  Dass  diese  Längsfaltnng  sich  am  lebenden 
Thier  nie  zeige,  wie  Schneider  angibt,  sondern  nur  an  durch  Keagentien  (Glycerin  z.  B.)  ge- 
tödteten,  ist  meinei'Erfalirung  nach,  wenigstens  für  die  Clcphidrina  polymorpha  und  Blattarum, 
unrichtig. 

Wie  gesagt,  erscheint  es  schwer,  die  von  früheren  Beobachtern  beschriebnen  Fälle  von 
Längsstreifung  immer  sicher  nach  ihrer  Natur  zu  klassificiren.  Eigenthümlich  abweichend  soll 
sich  nach  Schneider  die  Gattung  Echinocephalus  riicksichtlich  der  Cuticularstreifung  verhalten, 
indem  statt  der  Längsstreifen  hier  zwei  Systeme  schief  verlaufender,  nahezu  querer,  sich 
kreuzender  Cuticularstreifen  vorhanden  sind. 

Anderweitige  Sculpturirungen  der  Cuticula  scheinen  kaum  vorzukom- 
men, jedoch  ist  nach  Lankester  (35)  die  Cuticula  der  Urosj)ora  Sipuü- 
culi    dicht    mit   zarten  Tuberkeln    bedeckt.     Als   Gebilde   von   cntirularer 


510  Grogariiiitln. 

Beschaffenheit  müssen  auch  die  Fortsatzbildungen  betrachtet  werden, 
welche  bei  einer  Anzahl  Polycystideengeschlechter  an  dem  Epimerit  an- 
gebracht sind.  Die  Zähnchen  oder  Haken  der  Epinieritkrone  des  Actino- 
cephalus  und  Hoplorhynchus,  die  feinen  ßürstchen  des  Geneiorhynchus, 
die  fingerförmigen  Fortsätze  des  Echinocephalus  u.  s.  w.  In  dieselbe 
Kategorie  muss  weiterhin  der  Haarbüschel  gerechnet  werden,  in  welchen 
das  Hinterende  der  eigeuthümlichen  Zygocystisform  des  Regenwurmhodens 
gewöhnlich  ausläuft,  da  sich  derselbe  deutlich  als  eine  Fortsatzbildung  der 
Cuticula  erkennen  lässt  (T.  XXXIV.  1).  Fraglich  erscheint  es  jedoch,  ob 
diese  Fortsätze  jener  Form  constant  zukommen.  Ein  feinerer  Haarbesatz 
an  einem  Körperende  findet  sich  noch  bei  einer  weiteren  Monocystisform 
des  Regenwurmhodens  (Monoc.  cristata  A.  Schra.),  jedoch  scheint  dessen 
Natur  und  Bedeutung,  namentlich  im  Hinblick  auf  den  gleich  zu  erwäh- 
nenden Haarbesatz  der  Monoc.  agilis,  etwas  zweifelhaft. 

Es  scheint  nämlich  kaum  einem  Zweifel  zu  unterliegen ,  dass  das  bei  der  Monocystis 
agilis  des  Eegenwurmhodens  sehr  häufig  vorhandne  Haarkleid  —  ein  entweder  nur  lokaler 
oder  vollständiger  üeberzug  von  strahlenförmig  abstehenden,  bewegungslosen  borsten-  bis 
haarförmigen  Anhängen,  die  an  ihrer  Basis  meist  etwas  angeschwollen  sind  —  nicht  der  Gre- 
garine  selbst  angehört,  sondern  eine  ganz  andre  Entstehung  besitzt  {T.  XXXIII.  3c — g).  Wie 
schon  angedeutet  wurde,  haben  die  Untersuchungen  von  A.  Schmidt  (23),  welche  Lieberkuhn  (30) 
späterhin  bestätigte,  mit  ziemlicher  Sicherheit  nacligewiesen,  dass  das  Haarkleid  der  Mon.  agilis 
seine  Entstehung  den  verkümmerten  ßegcnwurmspermatozoen  verdankt,  welche,  nach  der  Entwick- 
lung der  Monocystis  im  Innern  der  Spermatoblastosphaeren ,  schliesslich  noch  wie  ein  haar- 
artiger Üeberzug  die  Oberfläche  der  Gregarine  überziehen.  Endlich  wird  diese  Hülle  ver- 
kümmerter Spermatozoon  abgestreift  und  diese  Erscheinung  gab  Veranlassung  zu  der  Annahme 
einer  Häutung  der  haarigen  Monocysten,  in  welchem  Sinn  zuerst  Lieberkühn  (24)  seine  ein- 
schlägigen Beobaclitungen  deutete.  A.  Schneider  hält  es  für  möglich,  dass  bei  seiner  Clepsi- 
drina  macrocephala  etwas  einer  Häutung ,  einer  Erneuerung  der  Cuticula  Aehnliches  vor- 
komme, wobei  die  alte  Cuticula  vollständig  in  Körnchen  zerfalle,  welche  durch  eine  klebrige 
Masse  noch  zu  einer  Art  Haut  zusammengehalten  würden.  Da  jedoch  eine  genauere  Schilde- 
rung dieses  Vorgangs  bis  jetzt  fehlt,  so  müssen  wir  uns  mit  dieser  kurzen  Andeutung  begnügen. 

E.   Das  Ectoplasma  (Corticalschicht  Lieberk.)  und  seine  Differenzirungcn. 

An  dem  von  der  Cuticula  umhüllten  Plasmakörper  der  erwachsenen 
Gregariniden  lassen  sich  häufig,  jedoch  keineswegs  immer,  zwei  Zonen 
unterscheiden,  welche  wir  wegen  ihrer  Aehnlichkeit  mit  den  als  Ecto-  und 
Entoplasma  unterschiednen  Zonen  des  Rhizopodenkörpers ,  in  gleicher 
Weise  bezeichnen  dürfen.  Im  Allgemeinen  zeichnet  sich  das  Entoplasma, 
welches  die  centrale  Hauptmasse  des  Körpers  formirt,  durch  die  Massen- 
haftigkeit  seiner  körnigen  Einschlüsse  aus,  während  das  die  äussere  Zone 
bildende  Ectoplasma  ziemlich  körnerfrei  oder  doch  nur  feinkörnig  erscheint. 
Wie  jedoch  diese  Differenzirung  zweier  Plasmazonen  am  Leibe  der  Gre- 
gariniden sich  erst  im  Laufe  des  Wachsthums  allmählich  ausbildet,  so 
scheint  sie  auch  den  kleineren  und  einfacheren  Formen,  den  als  Coccidien 
bezeichneten  Monocystideen  durchaus  zu  fehlen. 

Bei  den  grösseren  freien  Monocystideen  aber,  ebenso  wie  bei  den 
Polycystideen  scheint  dagegen  die  Differenzirung  der  beiden  Plasmazonen 


Cuticula  (Kort,satzbiIiliiiig'«ii),  Ectoplasma.  511 

ziemlich  allgemein  verbreitet  zu  sein ,  doch  lässt  sieh  dies  nicht  mit  Be- 
stimmtheit behaupten,  da  die  Beschreibungen  und  Abbildungen  der  ver- 
schiednen  Beobachter  häufig  nicht  genau  genug  sind,  um  eine  sichere 
Orientirung  über  diesen  Punkt  zu  gestatten. 

Das  Ectoplasma  bildet  eine  meist  nur  wenig  dicke  Lage  unterhalb 
der  Cuticula,  bestehend  aus  einem  nahezu  homogenen  oder  doch  nur  fein- 
granulirten  und  daher  recht  hellen  Plasma.  Eine  scharte  Grenze  gegen 
das  von  ihm  umschlossne  starkkörnige  Entoplasma  ist  auch  hier  nicht 
vorhanden ;  dies  ergibt  einmal  die  directe  Beobachtung  des  allmählichen 
Uebergangs  in  das  Entoplasma,  weiterhin  bemerkt  man  auch  nicht 
selten,  dass  einzelne  der  gröberen  Entoplasmakörnchen  in  das  hellere 
Ectoplasma  eindringen,  ja  dass  zuweilen  bei  einzelnen  Individuen  ein 
deutliches  Entoplasma  ganz  verschwindet,  indem  auch  in  die  Ectoplasma- 
zone  zahlreiche  Entoplasmakörner  treten  und  damit  der  Gegensatz 
zwischen  beiden  Regionen  erlischt. 

Meist  besitzt  die  Ectoplasmazone  keine  ganz  iibereinstim.mende  Dicke 
über  den  ganzen  Körper  hin ;  namentlich  am  Vorder-  und  Hinterende  fin- 
det sich,  sowohl  bei  Mono-  wie  Polycystideen  gewöhnlich  eine  etwas  be- 
trächtlichere Anhäufung  von  Ectoplasma. 

Auch  die  Enden  der  Fortsätze,  welche  sich  bei  Conorhynchus  aus 
der  Mittelregion  des  Leibes  entwickeln,  zeigen  gewöhnlich  eine  etwas 
stärkere  Anhäufung  von  Ectoplasma.  Bei  den  Polycystideen  findet  sich 
die  vordere  Verdickung  des  Ectoplasmas  natürlich  im  Protomerit  und 
auch  das  vergängliche  sogen.  Epimerit  ist  gewöhnlich  zum  grössten  Theil 
aus  einem  sehr  hellen,  nur  wenig  körnigen  Plasma  gebildet,  wenn- 
gleich sich  durch  dasselbe  meist  auch  eine  körnige  axiale  Plasmapaitie 
hindurchzieht. 

Verschiedne  Forscher,  namentlich  Lankester  (35)  und  E.  van  Beneden, 
(37)  haben  wohl  mit  Recht  betont,  dass  das  Ectoplasma  dichter  sei  wie 
das  Entoplasma,  oder  wenigstens  eine  bedeutendere  Consistenz  und  Zähig- 
keit besitze.  Namentlich  Beneden  hat  gezeigt,  dass  das  Entoplasma  beim 
Durchschneiden  der  sehr  langgestreckten  Porospora  gigautea  sofort  aus- 
strömt, während  sich  das  Ectoplasma  sammt  der  Cuticula  in  Gestalt  eines 
hohlen  Schlauches  erhält.  Auch  ich  möchte  mich  dieser  Ansicht  an- 
schliessen,  da  ich  unter  gewissen  Bedingungen  das  Entoplasma  in  sehr 
lebhafter  Strömung  sah,  während  das  umgebende  Ectoplasma  keine  Spur 
einer  Verschiebung  zeigte.  Angesichts  des  ganz  allmählichen  Uebergangs 
der  beiden  Plasmaregionen,  müssen  wir  dann  weiterhin  mit  Beneden 
annehmen,  dass  sich  die  Consistenz  des  Ectoplasmas  nach  Innen  mehr 
und  mehr  verringert,  bis  sie  allmählich  in  die  relativ  flüssige  des  Ento- 
plasmas  übergeht.  Aime  Schneider  schliesst  sich  der  eben  entwickelten 
Ansicht  von  der  Beschaffenheit  des  Ectoplasmas  nicht  an.  Ihm  zufolge 
ist  dasselbe  nichts  weiter  wie  eine  äussere  Ansammlung  der  „Flüssigkeit" 
(seines  sogen.  Metaplasmas),  welche  die  Körner  des  Entoplasmas  suspendirt 


512  (iregariüida. 

eothält,  also  den  wesentlichsten  Bestandtheil  dieses  Entoplasraas  bildet. 
Demnach  miisste  denn  auch  das  Ectoplasma  ebenso  flüssig  erscheinen  wie 
das  Entoplasnia,  womit  die  oben  angedeuteten  Erfahrungen  nur  wenig 
übereinstimmen. 

Bei  einem  Theil  der  Polycystideen  und  einer  Monocystidee  (wahr- 
scheinlich jedoch  auch  noch  anderen)  findet  sich  eine  höchst  interessante 
Differenzirung  der  äussersten  Ectoplasmaregion,  welche  zuerst  von  E.  van 
Beneden  bei  der  Porospora  gigantea  aufgefunden  wurde.  Zwischen  Cuti- 
cula  und  dem  eigentlichen  Ectoplasma  hat  sich  eine  auch  nach  dem  letz- 
teren durch  eine  scharfe  Contour  abgegrenzte  helle  und  homogene,  dünne 
Lage  gebildet,  welcher  Schneider  den  Namen  Sarcocyt  gegeben  hat.  Wie 
gesagt,  ist  dieses  Sarcocyt  nach  Schneider's  Angaben  nur  bei  einem  Theil 
der  Polycystideen  ausgebildet.  So  soll  es  den  Gattungen  Actinocephalus, 
Bothriopsis  und  Pileocephalus  fehlen,  während  es  bei  anderen  im  erwach- 
senen Zustand  nur  im  Protomerit  deutlich  zu  beobachten  ist  (Stylorhyn- 
chus,  Euspora,  Echinocephalus).  Bei  einer  dritten  Reihe  von  Formen 
schliesslich  ist  im  erwachsenen  Zustand  ein  Sarcocyt  sowohl  im  Proto- 
wie  Deutomerit  gut  zu  beobachten  (einzelne  Clepsidrinen ,  Porospora, 
Geneiorhynchus,  Hyalospora).  Bei  Porospora  soll  sich  aber  nach 
van  Beneden  das  Sarcocyt  nur  auf  den  hinteren  Theil  des  Protomerits 
ausdehnen. 

Seltsam  erscheint,  dass  diese  gegen  das  Ectoplasma  so  deutlich  ab- 
gegrenzte Sarcocytschicht  nach  Schneider's  Beobachtungen  nicht  selten 
eine  recht  vergängliche  Bildung  zu  sein  scheint.  Bei  zahlreichen  Formen 
soll  das  im  jugendlichen  Zustand  auch  im  Deutomerit  gut  ausgeprägte  Sarco- 
cyt später  dortselbst  verschwinden,  ja  bei  der  Gatt.  Hoplorhynchus  (von  uns 
zu  Actinocephalus  gezogen)  soll  das  Sarcocyt,  welches  bei  den  Cepha- 
lonten  sehr  ausgeprägt  war,  bei  den  Sporonten  vollständig  „resorbirt" 
werden.  Wenn  diese  Beobachtungen  gegründet  sind,  so  dürfte  sich  viel- 
leicht auch  der  gänzliche  Mangel  des  Sarcocyts  bei  anderen  Gattungen 
aus  einer  nachträglichen  Rückbildung  erklären.  Jedenfalls  möchten  wir 
jedoch  aus  diesem  Verhalten  des  Sarcocyts  schliessen,  dass  dasselbe  ein 
einfaches  Diflferenzirungsproduct  des  Ectoplasmas  ist. 

Im  Sarcocyt  tritt  nun  nicht  selten  noch  eine  weitere  Differenzirung 
auf,  welche  gleichfalls  zuerst  von  E.  van  Beneden  bei  seiner  Porospora 
gigantea  ermittelt  wurde,  nämlich  eine  Schicht  sehr  feiner  quer  zu 
dem  Körper  verlaufender  Fibrillen.  Diese  feinen  Fibrillen  sind  sehr 
dicht  zusammengestellt  und  erscheinen  bei  der  Fiächenbetrachtung  wie 
eine  sehr  zarte  Querstreifung.  Auf  dem  optischen  Querschnitt  des  Sarco- 
cyts bemerkt  man  dagegen  sehr  deutlich  die  Querschnitte  der  Fasern 
als  eine  Reihe  dunkler  Pünctchen  und  kann  sich  leicht  davon  überzeugen, 
dass  es  sich  thatsächlich  um  Fasern  im  Sarcocyt,  nicht  etwa  um  eine 
Streifung  ähnlich  der  Längsstreifung  der  Cuticula  handelt.  Die  Fibrillen 
scheinen    zuweilen    einen   ringförmigen  Verlauf  zu    besitzen,  jedoch  lässt 


I 


Fibrillen  des  Sarcocyts.  '  513 

sich  wegen  ihrer  sehr  dichten  Zusammenstellung  nicht  wohl  entscheiden, 
ob  nicht  auch  ein  spiraliger  Verlauf  vorhanden  sein  kann.  Bei  Clepsi- 
drina  Munieri  fand  Schneider  eine  netzförmige  Anordnung,  indem  die 
([ueren  Fibrillen  durch  etwas  schief  zur  Körperaxe  ziehende  Anastomosen 
vielfach  verbunden  waren  (T.  35.  10).  Wie  gesagt,  findet  man  fast  durchaus 
nur  eine  einfache  Lage  solcher  Öarcocytfasern,  nur  bei  Porospora  gigantea 
beobachtete  Beneden,  dass  da,  wo  die  Scheidewand  zwischen  den  beiden 
Körperabschnitten  aus  dem  äusseren  Sarcocyt  ihren  Ursprung  nimmt,  zu- 
weilen mehrere  Fasern  übereinander  gelagert  waren  (T.  36.  7).  Stets  scheint 
sich  diese  Fibrillenschicht  über  die  beiden  Körperabschnitte  der  Polycystideen 
zu  verbreiten,  doch  konnte  sie  Beneden,  ebenso  wie  das  Sarcocyt,  bei  Poro- 
spora gigantea  nur  in  der  Hinterregion  des  Protomerits  auffinden.  Wie 
bemerkt,  ist  bis  jetzt  nur  eine  Monocystidee  (Gamocystis)  bekannt,  bei 
welcher  Schneider  eine  solche  Fibrillenschicht  im  wohlausgeprägten  Sarco- 
cyt constatirte. 

Zahlreichen  Gattungen  und  Arten  der  Poly-  und  Monocystideen  soll 
nach  Schneider's  Untersuchungen  die  Fibrillenschicht  fehlen,  doch 
möchte  ich  eine  weitere  Verbreitung  derselben  vermuthen ,  als  dieser 
Forscher  anzunehmen  geneigt  ist,  wenigstens  beobachtete  ich  sie  deutlichst 
bei  einigen  Clepsidrinen  (polymorpha,  ovata  und  Blattarum),  bei  welchen 
sie  Schneider  theils  vermisste,  theils  (polymorpha)  zweifelhaft  Hess.  Ein 
weiterer  Punkt  scheint  mir  bis  jetzt  gleichfalls  etwas  unsicher,  ob 
nämlich  die  Ausbildung  einer  solchen  Fibrillenschicht  auch  stets  ein 
scharf  abgegrenztes  Sarcocyt  voraussetzt,  wenigstens  gelang  es  mir  bei 
der  Clepsidrina  Blattarum  nicht,  im  Deutomerit  ein  scharf  begrenztes 
Sarcocyt  nachzuweisen,  obgleich  die  Deutlichkeit  der  Fibrillenschicht 
nichts  zu  wünschen  übrig  lässt. 

Die  Fibrillen  selbst  fand  Schneider  stets  ganz  homogen,  und  auch 
die  von  mir  untersuchten  Clepsidrinen  zeigten  dasselbe;  die  Fasern  er- 
scheinen dunkler  und  stärker  lichtbrechend  wie  das  umschliessende  Sarco- 
cyt, resp.  die  äusserste  Zone  des  Ectoplasmas.  Beneden  dagegen  sah  die 
Fibrillen  der  Porospora  gigantea  aus  aneinandergereihten  feinen  Körperchen 
zusammengesetzt  (T.  36.  8). 

Bezüglich  der  Frage  nach  der  Bedeutung  der  Fibrillenschicht  ist  bis 
jetzt  keine  Uebereinstimmung  erzielt  worden.  Ihr  Entdecker  Beneden 
fasste  die  Fibrillen  als  contractile,  muskelfaserähnliche  Elemente  auf,  ver- 
gleichbar den  contractilen  Fibrillen  gewisser  Infusorien,  ohne  dabei  jedoch 
genauer  auseinanderzusetzen,  welchen  Antheil  er  dieser  Schicht  contrac- 
tiler  Fasern  an  den  Bewegungserscheinungen  der  Gregarinen  zuschrieb. 
Schneider  kann  sich  mit  dieser  Auffassung  der  Faserschicht  nicht  be- 
freunden (doch  bringt  er  für  sie  mit  ?  den  Namen  Myocyt  in  Vorschlag). 
Seine  Gründe  können  wir  jedoch  erst  weiter  unten  bei  der  Betrachtung 
der  Bewegungsvorgänge  der  Gregariniden  eingehender  würdigen.  Im  All- 
Bronn,  Klassen  des  Tliipvveichs.    Protozoa.  33 


514  Greg-arinida. 

gemeinen  seheint  er  mehr  geneigt,   der  Faserschicht  eine  BedeutUDg  als 
Stützapparat  zuzuschreiben. 

Bei  dieser  Gelegenheit  müssen  wir  kurz  noch  einiger  früherer  An- 
sichten über  die  Existenz  einer  contractilen  Faserschicht  bei  den  Grega- 
riniden  gedenken.  Schon  bei  Besprechung  der  Cuticula  wurde  dargelegt, 
dass  deren  Längsstreifung  gelegentlich  fälschlich  in  einem  solchen  Sinne 
gedeutet  wurde.  Aber  auch  eine  Längsstreifung  andrer  Art  wurde  zu- 
weilen als  eine  besondre  Muskelfaserschicht  betrachtet.  Nicht  selten 
scheint  sich  nämlich  bei  gewissen  Gregariniden  die  Grenzregion  zwischen 
Ecto-  und  Entoplasma  in  Längsfalten  zu  legen,  indem  das  Ectoplasma 
längsfaltig  in  das  Entoplasma  vorspringt.  Es  hat  dann  den  Anschein, 
als  wenn  über  den  Gregarinenkörper  ein  System  abwechselnder  hellerer 
und  dunklerer  Längsstreifen  hinziehe.  Die  meisten  Beobachter,  Leuckart*), 
Lankester  (31),  van  Beneden  (37),  bringen  diese  Erscheinung  in  Zusammen- 
hang mit  der  Contractilität  des  Ectoplasmas,  was  auch  wohl  richtig 
erscheint. 

Diese  Streifung,  welche  immer  viel  gröber  erscheint  wie  die  Cuticula- 
streifung  (ähnlich  wie  die  schon  früher  geschilderten  Längsfaltungen  der 
gesammten  Körperwand)  ist  es  ohne  Zweifel,  welche  Stuart  (33)  als  eine 
besondere  Muskelhaut  deutete,  die  ihren  Sitz  zwischen  Ecto-  und  Ento- 
plasma habe.  Aus  seinen  Abbildungen  geht  deutlich  hervor,  dass  der 
Sitz  der  Faltung  hier  nicht  die  äussere  Körperoberfläche,  sondern  die 
Grenze  zwischen  Ecto-  und  Entoplasma  ist;  Lieberkühn  (30)  beschreibt 
diese  Art  der  Längs faltung  von  einer  Monocystide  der  Regenwürmer  und 
Beneden  (37)  bei  seiner  Porospora,  scheint  sie  jedoch  früher  (34)  vorüber- 
gebend für  eine  Längsmuskelfibrillenlage  gehalten  zu  haben. 

Die  Scheidewände  der  Polycystideen  sind  Organisations- 
bestandtheile,  welche  sich  erst  im  Laufe  des  allmählichen  Wachsthums 
hervorbilden,  wie  dies  durch  Beneden's  (34)  und  Bütschli's  (47)  Unter- 
suchungen erwiesen  wurde.  Die  erste  genauere  Schilderung  der  Scheide- 
wand gab  KöUiker  bei  seiner  Gregarina  (Clepsidrina?)  Heerii  (17),  jedoch 
hielt  er  sie  irrthümlich  für  ein  aus  flüssiger  Substanz  bestehendes  Dia- 
phragma. Frantzius  (15)  und  Stein  (18)  zeigten  dagegen,  dass  die 
Scheidewand  zwischen  Deuto  -  und  Protomerit  eine  relativ  beträchtliche 
Festigkeit  besitzt,  so  dass  einmal  durchaus  keine  directe  Communication 
zwischen  dem  Entoplasma  der  beiden  Körperabschnitte  durch  das  Dia- 
phragma hindurch  statthat  und  weiterhin  beim  Platzen  des  Deutomerits 
nur  dessen  Inhalt  ausfliesst,  ja  die  Scheidewand  einem  sehr  beträchtlichen 
Druck  widersteht,  ohne  zu  zerreissen.  Beide  erklärten  dieselbe  daher 
für  eine  ziemlich  feste  Membran. 

In  neuerer  Zeit  konnten  Beneden  und  Schneider  feststellen,  dass  die 
Scheidewand   bei  den   mit  Sarcocyt  versehenen  Polycystideen  durch  eine 


'')  Arch.  f.  Naturgeschichte  1S55.  II.  p.  108. 


Diaphragma  der  Polycystideen.  515 

Einfaltiing  desselben  gebildet  wird.  Ist  das  Sarcocyt  nur  in  dem  Proto- 
raerit  entwickelt,  so  schlägt  es  sich  auf  dessen  hinterer  Grenze  einfach 
nach  Innen  um  zur  Bildung  der  Scheidewand;  sind  dagegen  beide  Körper- 
abschnitte mit  Sarcocyt  versehen,  so  geht  dasselbe  auf  der  Grenze  zwischen 
Proto-  und  Deutomerit  gleichmässig  in  die  Bildung  der  Scheidewand  ein. 
Dieselbe  ist  in  diesen  Fällen  eine  dünne,  sowohl  nach  dem  Ento- 
plasma  des  Deuto-  wie  Protomerits  scharf  begrenzte  homogene,  helle 
Schicht  von,  wie  bemerkt,  grosser  Festigkeit.  (Bei  Clepsidrina  Blattarnm 
glaubte  ich  einmal  deutliche  Anzeigen  einer  Zweischichtigkeit  der  Scheide- 
wand zu  beobachten.) 

Bei  den  sarcocytlosen  Formen  erscheint  die  Scheidewand  nach 
Schneider  als  einfache,  sehr  dünne  Membran,  welche  sich  äusserlich  der 
Cuticula  anheftet.  In  solcher  Gestalt  sah  ich  auch  ein  Diaphragma  bei 
der  Entwicklung  der  Clepsidrina  zuerst  auftreten*),  wogegen  Beneden 
bei  Porospora  die  Scheidewand  als  eine  ziemlich  breite,  helle  Plasma- 
schicht auftreten  sah,  welche  mit  dem  hyalinen  Ectosark  in  Verbin- 
dung stand. 

Die  relativ  beträchtliche  Festigkeit  der  Scheidewand  gestattet  uns 
wohl  auch  einen  Rückschluss  auf  die  Consistenz  des  Sarcocyts,  mit 
welchem  ja  die  Scheidewand  eins  und  dasselbe  ist,  auch  diesem  haben 
wir  daher  eine  ähnliche  Festigkeit  zuzuschreiben. 

Meist  spannt  sich  die  Scheidewand  zwischen  Deuto-  und  Protomerit 
senkrecht  zur  Körperaxe  eben  aus,  doch  weicht  sie  bei  heftigeren  Be- 
wegungserscheinungen der  Thiere  nach  vorn  oder  hinten  aus  und  springt 
dann  gewölbt  in  das  Proto-  oder  Deutomerit  vor.  Andrerseits  findet  sich 
iedoch  bei  einigen  Formen  im  Ruhezustand  constant  eine  starke  Vor- 
wölbung der  Scheidewand  in  das  Protomerit.  Am  auffallendsten  ist  dies 
hei  Bothriopsis,  wo  die  membranöse  Scheidewand  handschuhfingerartig  bis 
in  die  Mittelregion  des  Protomerits  vorspringt;  auch  bei  Dufouria  findet 
sich   ein   ähnliches,   wenn  auch  nicht  so  starkes  Vorspringen  (T.  3G.  11). 

Ob  auch  zwischen  dem  Epi-  und  Protomerit  stets  eine  ähnliche 
Scheidewandbildung  statthat,  scheint  mir  aus  Schneider's  Beschreibungen 
und  Abbildungen  nicht  genügend  hervorzugehen.  Bei  einigen  Formen  mit 
ansehnlichem  Epimerit  (Stylorhynchus,  Geneiorhynchus,  Echinocephalus) 
bildet  Schneider  eine  solche  Scheidewand  sehr  deutlich  ab  (vergl.  T.  36. 
14  a;  37.  8  a  etc.). 

Gabriel  (46)  erwähnte  in  neuester  Zeit  eine  Gregarinide  aus  Typton 
spongicola  (einer  Garneele),  welche  in  der  Jugend  der  Septen  ganz  ent- 
behre, später  dagegen  zahlreiche  Quersepten  entwickele.  Aehnliches  ist 
bis  jetzt  nicht  weiter  bekannt  geworden,  auch  scheint  die  Bedeutung  dieser 
Septenbildung  bis  jetzt  noch  nicht  genügend  aufgeklärt,  da  Gabriel  darin 


*)  Wenn  auch  sehr  wahrscheinlich,  so  ist  es  doch  nicht  ganz  sicher,  oh  dieses  Dia- 
phragma die  Sclieidewand  zwischen  Proto-  xmd  Deutomerit  ist.  Hierüber  folgt  das  Näliere  in 
dem  Kapitel  über  die  Fortpflanzung. 

33* 


51(5  Gregarinida. 

einen  Vermehrungsact  erkennen  wollte,  die  septirte  Form  als  eine  Kolonie 
oder  Strobila  auffasst  und  angibt,  dass  jedes  der  Glieder  selbstständiger 
Fortpflanzung  fähig  sei. 

C.   Das  Entoplasina. 

Die  Fortpflanzungs-  und  Entwicklungsgeschichte  der  Gregarinida 
lehrt,  dass  die  Keime  und  Jugendforraen  aus  einem  noch  unditferenzirteu, 
meist  fast  körnchenfreien ,  hellen  Plasma  bestehen.  Erst  im  Laufe  des 
AVachsthums  tritt  allmählich  eine  Diflferenzirung  in  Ecto-  und  Entoplasma 
auf,  namentlich  dadurch  kenntlich,  dass  das  Entoplasma  immer  körniger 
wird,  bis  es  im  erwachsenen  Zustand  meist  dicht  von  dunklen,  stark  licht- 
brechenden Körnern  erfüllt  ist,  welche  die  gesammte  Gregarinide  sehr 
dunkel  und  undurchsichtig  machen. 

Das  eigentliche  Entoplasma,  in  welchem  diese  Körnchen  suspeudirt 
sind,  besitzt  nach  den  übereinstimmenden  Angaben  der  Beobachter  eine 
ziemlich  flüssige  Consistenz,  wenigstens  zeigt  es  bei  den  Bewegungen  der 
Gregariniden  eine  so  leichte  Verschiebbarkeit  seiner  Theilchen,  dass  es 
von  den  meisten  Forschern  geradezu  als  flüssig  bezeichnet  wird.  Das 
Gleiche  ergibt  sich  auch  aus  der  häufig  zu  machenden  Wahrnehmung, 
dass  die  Entoplasmakörnchen  ganz  lebeusfrischer,  sehr  beweglicher  Gre- 
gariniden eine  wimmelnde  Durcheinanderbeweguug  zeigen,  welche  nicht 
selten  ganz  den  Charakter  der  Molekularbewegung  besitzt.  Schon  KöUiker 
hat  eine  solche  Molekularbewegung  bei  seiner  Greg.  Saenuridis  ((Jrospora 
Sehn.)  beobaclrtet,  auch  Schmidt  berichtet  dasselbe  von  der  Monocystis 
agilis.  Bei  einigen  Clepsidrinen  konnte  ich  die  Molekularbewegung  sehr 
sicher  beobachten. 

Die  Körnchen  des  Entoplasraas  treten  nach  Stein  (18)  ursprünglich 
als  ein  feiner  nebelartiger  Niederschlag  auf  und  wachsen  allmählich 
heran,  indem  sich  gleichzeitig  fortdauernd  neue  Granulationen  hinzu- 
gesellen. Auch  findet  man  bei  den  noch  schwachkörnigen  Jugendformen 
häufig  keine  ganz  gleichmässige  Vertheilung  der  Körnchen  durch  das 
Entoplasma,  seltner  Aehnliches  auch  bei  erwachsenen  Formen.  Es  sind 
dann  die  Körnchen  in  unregelmässigen  Gruppen  oder  Flecken  zusammen- 
gehäuft. Auch  bei  gleichmässiger  Erfüllung  des  Entoplasmas  findet  zu 
weilen  eine  dichtere  Körnchenanhäufung  an  gewissen  Stellen  statt.  So 
tritt  bei  der  Porospora  gigantea  schon  sehr  frühzeitig  in  der  Entwicklung, 
schon  bevor  eine  Scheidewand  zwischen  Proto-  und  Deutomerit  gebildet 
wurde,  die  Anlage  des  ersteren  sehr  deutlich  hervor,  indem  in  ihm  die 
Körnchen  in  grosser  Menge  dicht  zusammengehäuft  sind.  Bei  Actino- 
cephalus  u.  A.  findet  sich  eine  sehr  dunkle,  wohl  ohne  Zweifel  auch  durch 
dichtere  Zusammenhäufung  der  Körnchen  gebildete  Zone  am  Vorderende 
des  Protomerits. 

Bei  den  erwachsenen  Gregariniden  trifft  man  gewöhnlich  Körnchen 
der  verschiedensten  Grössen  an,  von  eben  sichtbarer  Grösse  bis  zu  0,01  Mm. 


Entoi)lasma.  517 

Durchmesser  und  wohl  auch  noch  mehr.  Bei  den  vcrschiednen  Formen 
herrschen  jedoch  Unterschiede  in  der  Maximalgrösse  der  Körnchen ;  wäh- 
rend die  einen  ziemlich  grobkörnig  erscheinen,  besitzen  andre  zwar  ein 
recht  dunkles,  jedoch  sehr  feinkörniges  Entoplasma. 

Auch  die  Gestaltung  der  Körnchen  ist  recht  verschieden ;  es  finden 
sich  gewöhnlich  durcheinander  kuglige,  ovale,  längliche  bis  unregel- 
mässige. Wie  gesagt,  sind  sie  stark  lichtbrechend  und  von  dunkelgriin- 
liehem  Aussehen,  bei  scharfer  Einstellung  tritt  eine  lichtere  Contour 
hervor.  Ihre  chemische  Natur  scheint  sich  aus  ihren  Reactionen  mit  ziem- 
licher Sicherheit  zu  ergeben  *).  In  concentrirter  Essigsäure  and  schwachen 
Mineralsäuren  sind  sie  unlöslich,  ebenso  selbst  in  kochendem  Alkohol 
und  Aether,  dagegen  werden  sie  von  verdünntem  Kali  und  concentrirten 
Mineralsäuren  rasch  gelöst.  Jodtinctur  färbt  sie  braunroth  bis  braun- 
violett, wie  schon  Leidy  beobachtete,  und  durch  Zusatz  von  starker 
Schwefelsäure  geht  diese  Färbung  in  eine  weinrothe  bis  veilchenblaue 
über,  was  zuerst  Kloss  (59)  feststellte.  Aus  diesen  Reactionen  schloss 
Bütschli ,  dass  die  Körnchen  aus  einer  dem  Amyloid  zunächst  ver- 
wandten Substanz  bestehen.  Früher  wurden  sie  irrthümlicher  Weise 
häufig  für  Fett  (Stein  etc.)  oder  sogar  für  ein  Kalksalz  (Henle,  13) 
gehalten. 

Ihre  allgemeine  physiologische  Bedeutung  ist  etwas  schwierig  zu  be- 
urtheilen,  am  natürlichsten  möchte  es  erscheinen,  sie  mit  Leuckart**)  als 
aufgestapelte  Reservenahrung  zu  betrachten,  jedoch  ist  bis  jetzt  nicht  recht 
abzusehen ,  wenn  dieser  Nahrungsvorrath  zur  Verwendung  kommen  soll. 
Wir  wissen  wenigstens ,  dass  zahlreiche  Gregariniden  die  Hauptmenge 
der  Körner  bei  der  Fortpflanzung  ganz  unverbraucht  zurücklassen. 
Jedenfalls  erscheint  daher  diese  Auffassung  der  Amyloidkörner  nur  in  be- 
schränktem Sinne  zulässig. 

Ausser  den  soeben  genauer  geschilderten  Amyloidkörnern  des  Ento- 
plasmas  fand  ich  bei  der  Clepsidrina  Blattarum  noch  anders  beschaffne, 
sehr  feine  Körnchen,  welche  deutlich  hervortraten,  wenn  die  Amyloidkörner 
durch  Kali  zerstört  wurden.     Ihre  chemische  Natur  blieb  unsicher. 

Hat  man  durch  Kali  die  Amyloidkörner  zerstört  (Clepsidrina  Blatta- 
rum), so  erscheint  das  restirende  Plasma  sehr  deutlich  netzförmig  angeordnet. 
Leider  gelang  es  am  lebenden  Thier  nicht,  diese  netzförmige  Structur  zu 
beobachten  und  festzustellen,  ob  dieselbe  ein  reelles  Structurverhältniss 
ist,  was  mir  nach  später  zu  schildernden  Beobachtungen  an  den 
Cysten  nicht  unwahrscheinlich  dünkt.  Liessen  sich  wirklich  netz- 
förmige festere  Structurelemente  und  flüssigere  Erfüllungen  dieses  Netz- 
werks, in  welche  die  Körner  eingebettet  sind,  unterscheiden,  so  wäre  die 
Molekularbewegung  der  Körnchen  etwas  weniger  auffallend. 


*)  Vergl.  hierüber:  Bütschli,  Archiv  f.  Aiiat.  u.  Physiol.  1871.  p.  362. 
**^  Arch.  f.  Naturgesch.  1855.  IL  p.  108.    ' 


51Ö  Grcgarinida. 

Sehr  seltne  Erzeugnisse  des  Entoplasmas  scheinen  Fliissigkeitsvacuolen 
zu  sein,  bis  jetzt  wenigstens  sind  nur  einige  wenige  Beispiele  hierfür  be- 
kannt. Bei  jugendlichen  Exemplaren  der  Clepsidrina  Blattarum  fand  ich 
nicht  selten  das  Protomerit  ziemlich  vacuolär.  Bei  der  eigenthümlichen 
Monocystis  aus  Cyclops  beobachtete  Stein*)  am  Vorderende  häufig  einen 
runden  lichten  Hohlraum,  ähnlich  einem  contractilen  Behälter  und  Rehberg 
spricht  sogar  von  einer  contractilen  Blase  am  Vorderende  dieser  Form**). 
Höchst  interessant  ist  durch  die  Reichlichkeit  ihrer  Vacuolisation  die 
Monocystide  Conorhynchus  Greeff.  Bei  dieser  Form  tritt  im  Laufe  des 
Wachsthums  eine  nahezu  vollständige  Vacuolisation  des  Entoplasmas  ein, 
so  dass  zwischen  den  sich  polyedrisch  zusammenpressenden  Vacuolen  nur 
zarte  Plasmascheidewände  restiren.  Bei  den  Syzygien  beobachtet  man 
in  jedem  Individuum  eine  sehr  grosse  Vacuole  der  Paarungsfläche  dicht 
anliegend  (T.  34.  Sc). 

Nur  sehr  selten  weist  das  Entoplasma  eine  entschiedene  Färbung 
auf.  Schneider  wurden  drei  solche  Fälle  bei  Polycystideen  be- 
kannt. Da  keine  weiteren  Angaben  über  die  Natur  dieser  Färbung 
vorliegen,  so  dürfen  wir  wohl  annehmen,  dass  das  Plasma  selbst  gefärbt 
ist.  Die  Färbung  ist  eine  gelblich -orangeartige  oder  rothe.  Schneider 
kommt  zu  dem  Schlüsse,  dass  es  sich  hierbei  nicht  um  einen  von  den 
Gregariniden  selbst  erzeugten,  specifischen  Farbstoff  des  Entoplasmas 
handle,  sondern  dass  die  Pigmeutirung  durch  den  Parasitenträger  bedingt  sei. 
Bei  den  Wirtben  der  drei  gefärbten  Formen  findet  man  nämlich  auch  den 
Darmkanal,  welcher  die  Gregariniden  beherbergt,  in  entsprechender  Weise 
gefärbt,  z.  Th.  auch  die  Färbung  noch  durch  weitere  Gewebe  des 
Wirthes  verbreitet.  Mit  dieser  Auffassung  stimmt  sehr  wohl  überein,  dass 
sich  bei  der  Clepsidrina  Munieri  (der  Timarcha  tenebricosa)  die  Färbung 
der  freien  und  encystirten  Gregarinen  z.  Th.  verliert,  wenn  man  ihre 
Wirthe  lange  hungern  lässt,  ebenso  dass  die  Färbung  des  Stenocephalus 
Juli  in  Julus  sabulosus  viel  intensiver  erscheint  wie  im  Julus  terrestris, 
in  Harmonie  mit  der  intensiveren  Färbung  des  Darmes  bei  der  ersteren 
Julusart. 

D.    Bewegungsvorg-äiige  und  Eriiiihrungsverliältiiisse  der  Gregarinida. 

Die  freien  Monocystideen  und  Polycystideen  zeigen  häufig  ziemlich 
energische  Bewegungserscheinungen,   doch   verrathen  viele  Formen   eine 


*)  Organismus  dei'  Infusioiistliiere  II.  y.  6 — 7. 

•'■*)  Abhandl.  des  naturwissenscli.  Vereins  zu  Bremen  VII.  Bd.  p.  68.  (Nach  der  Abbil- 
dung macht  mir  der  helle  Eaum,  in  dem  sich  bei  der  Bewegung  riisselartig  vorschiebenden 
Vorderende  dieser  Monocystide ,  mehr  den  Eindruck  einer  Ansammlung  hellen ,  körnerfreieii 
Ectoplasmas.  Die  angebliche  Contractilität  -dieses  hellen  Raumes  halte  ich  für  sehr  zweifel- 
haft. Merkwürdig  ist,  dass  sich  an  der  Spitze  des  Vorderendes  häufig  zwei  Ms  mehr 
schwarze    Pünktchen   (Protoplasmakörnchen    Eehherg)    finden. 


Bewegungsvorgänge.  519 

gewisse  Launenhaftigkeit  in  ihren  Bewegungen.  Häufig  kann  man 
zahlreiche  Individuen  anhaltend  beobachten,  ohne  eine  Spur  activer  Be- 
wegungen wahrzunehmen,  während  andre  oder  die  Individuen  eines  ande- 
ren Wirthes  anhaltende  und  ausgiebige  Bewegungen  ausführen.  Die 
näheren  Bedingungen  des  Eintritts  der  Bewegung  oder  Ruhe  sind  bis 
jetzt  noch  ganz  unaufgeklärt.  Die  zellenschmarotzendeu  Coccidien  haben 
bis  jetzt  im  erwachsenen  Zustand  noch  keinerlei  Bewegungen  erkennen 
lassen,  dagegen  sind  ihre  Keime  häufig  recht  beweglich,  wie  später  zu 
schildern  sein  wird. 

Die  Bewegungserscheinungen  der  erwachsenen  freien  Monocystideen 
und  Polycystideen  sind  etwas  verschiedner  Natur.  Namentlich  bei  den 
Polycystideen ,  jedoch  auch  nicht  selten  bei  den  Monocystideen  beobach- 
tete man  zunächst  einen  Bewegungsvorgang,  welchen  Kölliker  zuerst  ge- 
nauer beschrieb,  wobei  die  Gregarinide  ohne  irgendwelche  Gestaltsver- 
änderung sich  langsam  in  Richtung  ihrer  Körperaxe  gerade  fortschiebt, 
Bei  den  Polycystideen  gebt  hierbei  das  Vorderende  voran.  Nicht  selten 
sistirt  die  Bewegung  plötzlich  ohne  ersichtlichen  äusseren  Grund,  um  nach 
einiger  Zeit  wieder  zu  beginnen.  Stösst  die  Gregarinide  bei  ihrer  Vor- 
wärtsbewegung auf  ein  unnachgiebiges  Hinderniss,  so  knickt  sich  das 
Vorderende  nach  rechts  oder  links  um  und  sie  setzt  nun  ihre  Bewegung 
in  einer  zu  der  ursprünglichen  senkrechten  Richtung  fort. 

Ina  Allgemeinen  erinnert  mich  diese  Vorwärtsbewegung  am  meisten 
an  die  der  Bacillariaceen ,  nur  zeigen  die  Gregariniden  nicht  das  eigen- 
thümliche  Hin-  und  Herwackeln  wie  jene.  Eine  zureichende  Erklärung 
dieser  Bewegungserscheinung  hat  bis  jetzt  noch  Niemand  gegeben ;  die 
meisten  Beobachter  haben  überhaupt  keine  Erklärung  versucht,  nur 
Lankester  glaubt  sich  bei  der  Monocystis  (Urospora)  Sipunculi  tiber- 
zeugt zu  haben,  dass  diese  Bewegung  durch  leichte,  jedoch  beständige 
Ondulationen  der  Körperränder  bewirkt  werde.  Mir  scheint  es  jedoch 
bis  jetzt  nicht  recht  verständlich,  wie  durch  einen  solchen  Vorgang  eine 
Ortsbewegung  hervorgehen  soll,  abgesehen  davon,  dass  von  den  zahl- 
reichen Polycystideen,  welche  bis  jetzt  in  dieser  Fortbewegung  untersucht 
wurden,  eine  ähnliche  Beobachtung  fehlt. 

Eine  zweite  Reihe  von  Bewegungsvorgängen  vollzieht  sich  unter  den 
Erscheinungen  von  partiellen  Contractionen  und  Gestaltsveränderungen  des 
Gregarinidenkörpers,  und  zwar  mit  oder  ohne  Ortsveränderung.  Am 
schönsten  sieht  man  diese  Gestaltsveränderungen  und  Bewegungen  zu- 
nächst bei  langgestreckten  Monocystideen,  wo  sie  schon  von  Du- 
jardin  (9)  und  Suriray  (10)  beobachtet  worden  sind.  Auch  die  spä- 
teren Beobachter,  namentlich  Kölliker,  Stein  und  Schmidt  geben 
recht  eingehende  Beschreibungen  dieser  Bewegungsvorgänge.  Im  All- 
gemeinen scheint  das  Wesen  derselben  (wenn  wir  einstweilen  von 
ihren  Ursachen  absehen)  in  einem  mehr  oder  weniger  energischen 
Hin-    und    Herströmen    des    flüssigeren   Entoplasmas    zu  bestehen.     Sehr 


520  Gregariuida. 

schön  zeigt  sich  dies  z.  B.  bei  der  Monocystis  agilis  und  andern  Mono- 
cystideen  des  Regenwurms,  namentlich  aber  auch  bei  der  Monocystis 
tenax  von  Cyclops. 

Bei  der  ersteren,  und  ähnlich  verhält  sich  auch  die  letztere,  sieht 
man  das  körnige  Eutoplasma  einem  Körperende  zuströmen,  welches  dem 
entsprechend  keulig  anschwillt,  während  das  andre  Ende  sich  verschmä- 
lert, worauf  dann  eine  Strömung  in  umgekehrter  Richtung  einsetzt  und  die 
Gestalt  sich  entsprechend  ändert  (T.  33.  2  b).  Gleichzeitig  treten  häufig  auch 
Beugungen  und  Krümmungen  des  Körpers  in  sehr  verschiedner  Weise  ein. 
Dieses  Hin-  und  Herströmen  dauert  nicht  selten  lange  Zeit  in  gleicher 
Weise  an.  Auch  beginnt  der  Rückstrom  zuweilen  schon  zu  einer  Zeit, 
wo  der  vom  anderen  Körperende  herkommende  Strom  noch  nicht  zur 
Ruhe  gekommen  ist;  es  treffen  dann  die  beiden  Ströme  in  der  Mittel- 
region der  Monocystis  zusammen ,  so  dass  dieselbe  bauchig  anschwillt. 
Wie  bemerkt,  sind  die  Gestaltsändernngen  und  Bewegungsvorgänge  der 
Monocystis  tenax  und  zahlreicher  weiterer  Monocystideen  sehr  ähnliche, 
nur  zeigen  die  erstgenannte  Form  und  zahlreiche  weitere  gleichzeitig 
auch  mehr  oder  minder  energische  Ortsbewegungen  im  Gefolge  dieses 
Gestaltswechsels.  Der  Eindruck,  welchen  eine  in  dieser  Weise  sich  fort- 
bewegende Mouocystide  macht,  erinnert,  wie  auch  schon  Stein  hervorhebt, 
sehr  an  die  Bewegungserscheinungen  der  einfacheren  Rhizopoden,  nur 
modificirt  durch  die  Anwesenheit  einer  den  Körper  äusserlich  umschliessen- 
den  Cuticula.  Die  grösste  Aehnlichkeit  zeigen  diese  Bewegungen  mit 
denen  geisselloser  Euglenen,  Astasien  und  verwandter  ;Flagellaten ,  bei 
welchen  ja  wohl  gleichfalls  eine  durch  die  Gegenwart  einer  Hüllhaut 
modificirte  amöboide  Beweglichkeit  vorliegt. 

Bei  sehr  langgestreckten  Monocystideen  (z.  B.  der  Monocystis  magna) 
bemerkt  man  auch  häufig  etwas  andere  Bewegungserscheinungen.  Es 
treten  hier  ringförmige  Einschnürungen  des  schlauchförmigen  Körpers  auf, 
welche  wellenförmig  nach  vorn  oder  nach  hinten  an  dem  Körper  hin- 
ziehen ,  natürlich  unter  gleichzeitiger  lebhafter  Strömung  des  Ento- 
plasmas. 

Nicht  unähnliche  Bewegungsvorgänge  zeigen  zu  Zeiten  auch  die 
Polycystideen.  Schon  v.  Siebold  (12)  beschreibt  die  Bewegungen  der- 
selben (specieller  der  Clepsidrina  Blattarum)  als  träge,  wurmförmige  Zu- 
sammenziehungen. Meist  beobachtet  man  einseitig  auftretende  Ein- 
schnürungen des  Deutomerits,  in  Folge  deren  die  Gregarine  auf  der 
eingeschnürten  Seite  zusammenknickt.  Solche  Einbiegungen  oder  -knickun- 
gen  treten  häufig  ziemlich  plötzlich  und  mit  ansehnlicher  Energie  auf. 
Auch  sieht  man  derartige  Einschnürungen  wellenförmig  über  den  Rand  des 
Deutomerits  hinziehen,  häufig  eine  Anzahl  hinter  einander.  Sehner  sind 
hier  ringförmige,  den  Körper  völlig  umziehende  Einschnürungen,  jedoch 
konnte  ich  gelegentlich  auch  solche  beobachten,  wobei  das  Entoplasma 
langsam  aus  dem  einen  Abschnitt  durch  die  Einschnürungsstelle  hindurch 


Beweguiin-svorgäng-e.  521 

in  den  anderen  strömte.  Bei  zahlreichen  Formen  «ollen  sich  diese 
Bewegiingsvorgänge  nach  Schneider  aiil'  das  Deiitomerit  beschränken, 
seltner  dagegen  soll  auch  das  Protoroerit  entsprechende  Bewegungen 
zeigen. 

Gelegentlich  beobachtet  man  aber  auch  viel  energischere  Gestalts- 
vcränderungen  mancher  Polycystideen  (so  z.  B.  Clepsidrina  polymorpha 
und  Blattarum),  wobei  sich  gleichzeitig  eine  lebhafte  Ortsveränderung 
vollzieht.  Hierbei  krümmt  und  windet  sich  das  Thier  nach  den  verschie- 
densten Richtungen,  die  Gestalt  wird  sehr  unregelmässig  und  veränderlich 
und  das  Entoplasma  strömt  energisch  bald  nach  dieser,  bald  nach  jener 
Ausbuchtung  des  Körpers  hin.  Im  Ganzen  macht  auch  dieser  Bewegungs- 
vorgang ganz  den  Eindruck  einer  im  Hinfiiesseu  begriffnen  Amöbe,  deren 
Strömungsvorgänge  durch  die  Gegenwart  einer  festeren  Hüllhaut  ein- 
geengt sind. 

Eigeuthümliche  Bewegungserscheinungen  zeigen  ferner  gewisse  kleine 
Monocystideen  von  ganz  oder  theilweise  spindelförmiger  Gestalt  (Mono- 
cystis  Enchytraei  Köll.).  Hier  krümmt  sich  der  Körper  ruckweise  bogen- 
förmig zusammen,  um  sich  hierauf  wieder  zu  strecken  (T.34.9b).  Anch  Clapa- 
rede  beschreibt  die  Bewegungen  kleiner  Monocystideen  aus  Phyllodoce  in 
ähnlicher  Weise.  —  Diese  Art  der  Bewegung  ist  derjenigen  sehr  ähnlich, 
welche  die  sogen,  sichelförmigen  Keime  der  Gregariniden  zeigen  und  die 
wir  später  noch  eingehender  zu  betrachten  haben  werden.  Es  scheint 
mir  jedoch  auch  nicht  ganz  sicher,  ob  diese  kleinen  Monocystideen  wirk- 
lich reife  Formen  sind,  wenngleich  ihre  Länge  die  der  sichelförmigen 
Keime  beträchtlich  übertriift. 

Einige  Worte  nun  noch  über  die  versuchten  Erklärungen  dieser  Be- 
wegungsvorgänge der  Gregariniden. 

Die  verschiednen  Beobachter  sind  darüber  einig,  sie  den  Contractions- 
erscheinungen  zuzurechnen.  Es  lassen  sich  nun  auch  eine  Reihe  der  im 
Vorstehenden  geschilderten  Bewegungsphänomene  nicht  wohl  anders  als 
in  solcher  Weise  beurtheilen.  Die  plötzlichen  Knickungen ,  ruckweisen 
Zusammenbiegungen  und  ringförmigen  Einschnürungen  erklären  sich  jeden- 
falls in  dieser  Weise  am  einfachsten.  Doch  darf  nicht  unberücksichtigt 
bleiben,  dass  die  Bewegungserscheinungen  häufig  auch  eine  grosse  Aehn- 
lichkeit  mit  der  amöboiden  Bewegung  einfacherer  Rhizopoden  besitzen. 
Wir  wissen  ja  auch,  dass  die  Jugendformen  gewisser  Gregarinen  (Poro- 
spora  nach  Beneden)  wohl  sicher  echte  amöboide  Beweglichkeit  zeigen. 
Es  will  mir  daher  scheinen ,  dass  die  Gregariniden  mit  der  Fähigkeit 
amöboider  Plasmaströmung,  an  welcher  speciell  das  Entoplasma  activen 
Antheil  nimmt,  gleichzeitig  wirkliche  Contractionsfähigkeit  verbinden. 
Ueber  den  Sitz  dieser  Contractionsfähigkeit  sind  die  Beobachter  gleich- 
falls ziemlich  einig.  Dass  wir  nicht  die  Cuticula,  wie  Kölliker  (17), 
Stein  (18)  u.  A.  ursprünglich  annahmen,  als  contractu  betrachten  dürfen, 
kann  wohl  keinem  Zweifel  unterliegen.     Dagegen  scheint  Vieles  dafür  zu 


522  Gregarinida. 

sprechen,  dass  das  Ectoplasma,  wo  es  ausgebildet,  der  Sitz  der  Contracti- 
lität  ist.  Hierfür  spricht  namentlich  die  Beobachtung,  dass  dasselbe  sich 
an  contrahirten,  eingefalteten  Stellen  nicht  unbeträchtlich  verdickt,  worauf 
schon  Lieberkühn  (30)  hinwies  und  was  auch  Schneider  hervorhebt. 
Lankester  und  Beneden  sprechen  sich  entschieden  für  die  Contractilität 
des  Ectoplasmas  aus. 

Mit  Schneider  müssen  wir  es  dagegen  als  fraglich  betrachten ,  in- 
wiefern die  von  Beneden  als  Muskelfibrillenschicht  bezeichnete  Differen- 
zirung  des  Ectoplasmas  wirklich  bei  den  Contractionsvorgängen  der  Gre- 
gariniden  betheiligt  ist.  Das  Bedenken,  welches  sich  gegen  eine  solche, 
anfänglich  sehr  natürlich  scheinende  Auffassung  der  Querfaserschicht  er- 
hebt, ist,  dass  es  nicht  wohl  gelingen  will,  die  Contractionsvorgänge  der 
Gregariniden  aus  der  nothwendigen  Wirkungsweise  einer  solchen  Ring- 
oder Querfaserschicht  herzuleiten. 

Nur  die  ringförmigen,  bei  den  Polycystideen  im  Allgemeinen  nicht 
sehr  häufigen  Einschnürungen  würden  sich  ungezwungen  durch  die  Con- 
traction  einer  derartigen  Faserlage  erklären  lassen,  wogegen  die  übrigen 
Bewegungserscheinungen,  wie  Schneider  mit  Recht  betont,  nicht  wohl 
auf  die  Wirksamkeit  einer  solchen  Schicht  zurückführbar  erscheinen. 
Immerhin  wird  nicht  ausser  Acht  zu  lassen  sein,  dass  sowohl  die  Be- 
wegungserscheinungen der  Gregariniden,  wie  die  Verhältnisse  der  Fibrillen- 
schicht  des  Ectoplasmas  noch  weiterer  genauerer  Untersuchung  bedürfen, 
um  mit  ausreichender  Sicherheit  über  die  eventuelle  active  Theilnahme 
der  Fibrillenschicht  an  den  Bewegungsvorgäugen  urtheilen  zu  können. 

Am  Schlüsse  dieses  Abschnittes  genügen  zwei  Worte,  um  den  Stand- 
punkt unsrer  heutigen  Kenntnisse  von  der  Ernährungsweise  der  Grega- 
rinida  darzulegen. 

Nach  Allem,  was  wir  über  Bau  und  Verhalten  dieser  Wesen  wissen, 
müssen  wir  die  alte  Auffassung,  dass  die  Ernährung  durch  Aufsaugung 
mittels  der  Körperoberfläche  stattfinde,  für  richtig  erachten.  Irgend  etwas 
Genaueres  über  die  Ernährungs-  und  Stoffwechselvorgänge  ist  nicht  be- 
kannt. Betonenswerth  erscheint  vielleicht  nur  noch,  dass  keinerlei  Wahr- 
nehmungen für  einen  mehr  pflanzlichen  Verlauf  des  Stoffwechsels  sprechen, 
so  dass  auch  die  eigenthümliche  Art  der  Ernährung,  welche  übrigens 
zahlreiche  Analoga  unter  protozoen  wie  metazoen  Schmarotzern  besitzt, 
nicht  wohl  gegen  die  Herleitung  unsrer  Formen  von  einzelligen  Wesen 
mit  echt-thierischer  Ernährung  ins  Feld  geführt  werden  kann. 

E.   Der  Nucleuä. 

Der  Zellkern  der  erwachsenen  Gregariniden  ist  meist  ein  relativ  so 
ansehnliches  Gebilde,  dass  er  schon  bei  oberflächlicher  Betrachtung  sofort 
als  ein  heller  Fleck  in  der  dunklen  Entoplasmamasse  auffällt.  Wir  fanden 
denn  auch  schon  früher,  dass  er  selbst  Cavolini  im  vorigen  Jahrhundert 
nicht   entgangen  war.     Das   Vorhandensein   eines   Zellkerns   bei   den   er- 


Bcwcg'uugsvorgängc.     Nuclcus.  523 

wacbsenen  Gregariuiden   darf  weiterhin  mit  Recht  als  ein  constantes  be- 
zeichnet werden. 

Die  wenigen  Angaben  neuerer  Forscher,  welche  von  einem  gelegentlichen  Fehlen  des- 
selben bei  gewisseil  Gregarinen  berichten  —  so  vermisste  Stein  (IS)  den  Nuclcus  bei  seiner 
(iregarina  (Didymopbyes)  paradoxa,  Lankester  (29)  konnte  gelegentlich  keinen  Nucleus  bei  der 
Monocystis  agilis  des  Eegenwurms  auffinden  —  beruhen  wohl  ohne  Zweifel  auf  mangelhafter 
Beobachtung. 

Nicht  mit  derselben  Sicherlieit  liess  sich  bis  jetzt  der  Nachweis  des  Zellkerns  bei  den 
sogen.  Coccidien  führen.  Immerliin  ist  die  Gegenwart  eines  deutlichen  und  ziemlich  ansehn- 
liclien  Zellkerns  im  nichtencystirten,  jedoch  erwaclisenen  Zustand  dieser  Gregariniden  von  einer 
grossen  Zahl  von  Forschern  so  häufig  constatirt  worden ,  so  Klebs ,  Kloss ,  Eberth ,  Stieda, 
Waidenburg,  Eimer,  Neumann,  Leuckart,  Biitsclili  uud  Aim.  Schneider,  dass  wir  auch  für  die 
Coccidien  den  Kern  als  einen  durchaus  constanten  Organisationsbestandtheil  im  erwachsenen 
und  nicht  encystirten  Zustand  aufführen  dürfen.  Dass  eine  ziemliche  Anzahl  der  erwähnten 
Beobachter  neben  den  kernhaltigen  Individuen  gelegentlich  auch  kernlose  auffanden ,  dürfte 
bei  Objecten,  deren  Kleinheit  der  Beobachtung  häufig  grosse  Schwierigkeiten  bereitet, 
nicht  gegen  die  Annahme  einer  allgemeinen  Verbreitung  des  Nucleus  sprechen. 

^^■ährend  nun,  wie  aus  dem  eben  Erwähnten  hervorgeht,  nur  noch  wenige  Zweifel  darüber 
bestehen  können,  dass  die  erwachsenen  Gregariniden  eines  Kernes  nie  entbehren,  hat  sich  da- 
gegen in  neuerer  Zeit  die  Ansicht  ziemlich  allgemeine  Geltung  erworben,  dass  die  jugendlich- 
sten Entwicklungsstufen  meist  kernlose  Cytoden  darstellen.  Obgleich  wir  erst  im  Kapitel  über 
Fortpflanzung  und  Entwicklung  unsrcr  Organismen  genauer  auf  diese  Frage  eingehen  werden, 
wollen  wir  doch  nicht  unterlassen,  an  dieser  Stelle  gleich  unsrer  üeberzeugung  Ausdruck  zu 
verleihen,  dass  auch  im  jugendlichsten  Zustand  den  Gregariniden  der  Kern  nicht  fehlt  und  dass 
sehr  wahrscheinlich  auch  bei  unsrer  Abtheilung  die  tiefer  eindringende  Forschung  den  Nach- 
weis wird  führen  können,  dass  überhaupt  keinem  Lebensstadium  der  Kern  gänzlich  fehlt. 

Gegenüber  anderen  Protozoen  zeichnen  sich  die  Gregarinen  haupt- 
sächlich dadurch  aus,  dass  sich  fast  durchaus  nur  ein  einziger  Kern  findet. 
Die  Beobachtung  mehrerer  und  dann  höchstens  zweier  Kerne  ist  so  selten 
gemacht  worden,  dass  die  Einkernigkeit  sicher  als  der  normale  Zustand 
bezeichnet  werden  muss.  Zwei  Kerne  wurden  gelegentlich  von  KöUiker 
(17)  bei  seiner  Gregarina  Terebellae,  von  Leidy  (22)  bei  Greg.  Polydesmi 
und  Juli,  von  d'üdekem*)  bei  der  Monocystis  magna  des  Regenwurms 
und  von  A.  Schneider  (40)  bei  Porospora  gigantea  v,  Bened.  wahrgenom- 
men. Jedoch  beziehen  sich  diese  Beobachtungen  durchaus  auf  Arten,  bei 
welchen  die  Einkernigkeit  das  normale  Verhalten  ist. 

Der  Kern  ist  dem  Entosark  eingelagert  und  zwar  schwebt  er  frei  in 
demselben,  so  dass  er  bei  den  Contractionen  des  Gregarinenkörpers  mit 
dem  Entosarkstrom  bald  hier-  bald  dorthin  verschoben  wird,  was  jedoch 
nicht  ausschliesst,  dass  er  bei  der  Mehrzahl  der  Individuen  im  ruhigeren 
Zustand  auch  eine  annähernd  constante  Lage  besitzt.  Seine  Lage 
kann  jedoch  bei  den  verschiednen  Formen  sehr  verschieden  sein.  Bei 
den  Polycystideen  liegt  der  Kern  stets  im  Entosark  des  Deutomerits. 

Der  Bau  des  Gregarinidenkernes  ist  ein  exquisit  bläschenförmiger. 


*)  M6m.    cour.    et    mcm.    d.  sav.   6trang.   de  l'Acad.  roy,  de  Belgique.  T.  XXII.  1S56. 
p.  Ki— IT.  Taf.  I.  Fig.  17. 


524  Gregarinida. 

Diese  Thatsache  haben  schon  v.  Siebold  und  KöUiker  hervorgehoben,  sie  wurde  je- 
doch von  V.  Frantzius  und  Stein  in  Abrede  gestellt.  Nach  beiden  letztgenannten  Forschern 
sollte  der  Kern  sich  nicht  wie  ein  mit  Flüssigkeit  gefülltes  Bläschen,  sondern  wie  ein  solider, 
zäher  und  gallertartiger  Körper  verhalten.  Beide  schliessen  dies  aus  seinem  Verhalten  gegen 
Druck,  wobei  er  nicht  zerplatze,  sondern  entweder  in  Stücke  zerbreche  oder  sich  beliebig  breit 
quetschen  lasse.  Die  neueren  Beobachter,  wie  Beneden  und  Schneider,  bestätigten  dagegen 
wieder  seine  Bläschennatur,  und  zwar  gerade  dadurch,  dass  heftiger  Druck  das  Platzen  der 
Hülle  und  Ausfliessen  des  Inhalts  hervorrufe.  Jedenfalls  besitzt  die  zarte,  jedoch  scharf  und 
deutlich  erscheinende  Kernmembran  eine  relativ  beträchtliche  Festigkeit  und  Elasticität,  so  dass 
sie  einem  recht  starken  Druck  widersteht  und  bei  Nachlassen  desselben  der  Kern  wieder  zu 
seiner  ursprünglichen  Form  zurückkehrt. 

Die  Gestalt  des  Kernes  ist  meist  eine  kuglige,  seltner  ellipsoidische 
oder  eiförmige,  gelegentlich  ist  er  noch  etwas  mehr  in  die  Länge  ge- 
streckt. Der  Kerninhalt  besteht  aus  einer  hellen,  sonder  Zweifel  mehr 
oder  minder  flüssigen  Masse,  die  bei  der  Betrachtung  im  lebenden  Zustand 
keine  weiteren  Structurverhältnisse  wahrnehmen  lässt.  —  Diese  Kern- 
flüssigkeit bildet  nun  nach  der  Darstellung  Schneider's  entweder  allein 
den  Inhalt  oder  sie  enthält  noch  sogen.  Nucleoli  in  verschiedner  Zahl 
und  Beschaffenheit.  Die  Angabe  Schneider's,  dass  sich  bei  einer  ziem- 
lichen Zahl  von  Geschlechtern  der  Kern  bald  ohne,  bald  mit  Nucleoli 
zeigen  soll,  bedarf  noch  einer  genaueren  Prüfung. 

Die  Binnenkörper  oder  Nucleoli  bieten,  wie  bemerkt,  ziemliche 
Verschiedenheiten  dar.  Sie  bestehen  aus  einer  ziemlich  stark  licht- 
brechenden, meist  homogen  und  ziemlich  dicht  erscheinenden  Masse. 
Entweder  findet  sich  nur  ein  einziger  und  dann  meist  ziemlich  an- 
sehnlicher Nucleolus,  so  nach  Schneider  (40)  durchaus  bei  den  Geschlech- 
tern Clepsidrina,  Euspora  und  Gamocystis.  Bei  zahlreichen  anderen  Ge- 
schlechtern dagegen  tritt  neben  einem  grössern  eine  sehr  verschiedne  Zahl 
kleinrer  Nucleoli  auf,  welche  meist  unregelmässig  durch  den  Binnenraum 
des  Kernes  zerstreut  sind,  oder  sich  zuweilen  auch  zu  einem  Häufchen 
zusammengruppiren.  Ein  solches  Häufchen  dicht  zusammengepackter 
kleiner  Nucleoli ,  wie  es  z.  B.  Kölliker  schon  von  seiner  Gregarina  Sie- 
boldii  beschrieben  hat,  kann  leicht  mit  einem  einfachen  grösseren  Nucleo- 
lus verwechselt  werden.  So  besitzt  z.  B.  die  Clepsidrina  Blattarum  nach 
meinen  Beobachtungen  im  erwachsenen  Zustand  statt  eines  einfachen 
Nucleolus  stets  einen  solchen  Haufen  von  Nucleoli,  so  dass  hiernach  die 
oben  erwähnte  Schneider'sche  Angabe  zu  berichtigen  ist. 

Bei  dieser  Form  lässt  sich  ferner  leicht  constatiren,  dass  die  Zahl  der  Nucleoli,  welche 
das  Häufchen  bilden,  mit  dem  Alter  der  Thiere  zunimmt.  In  sehr  jugendlichem  Zustand 
tindet  sich  nur  ein  einziger  Nucleolus  vor,  successive  vermehrt  sich  ihre  Zahl  mit  der  Grössen- 
zunahme  des  Thieres*).  Ein  derartiges  Verhalten  vermuthete  schon  Kölliker  auf  Grund  der 
verschiednen  Zahl  der  Nucleoli  bei  einer  und  derselben  Form;  ob  sich  jedoch,  wie  er  gleich- 
falls anzunehmen  geneigt  ist,  die  Nucleoli  durch  allmählichen  Zerfall  des  ursprünglich  ein- 
zigen vermehren,   scheint  mir  bis  jetzt   noch   nicht  hinreichend  erwiesen.     Man  bemerkt  zwar 


*)  Auch  die  Jugendformen  der  Porospora  gigautea  v.  B,ened.  weisen  stets  nur  einen  ein- 
zigen Nucleolus  auf;  die  erwachsenen  dagegen  gewöhnlich  zahlreiche. 


Nucleus  (Bau).      .  52') 

nicht  selten  eingeschnürte  oder  gelappte  Nucleolusformen,  welche  sich  auf  solchen  Zerfall  be- 
zichen Hessen ,  jedoch  könnten  dieselben  auch  durch  nachträgliche  Verschmelzung  hervorge- 
gangen sein;  hierüber  uiuss  die  Entscheidung  durch  directe  Beobachtung  abgewartet 
werden. 

In  den  grösseren  Nueleoli  beobachtet  man  zuweilen  eine  oder  mehrere 
ziemlich  ansehnliche  Vacuolen ,  welche  vielleicht  schon  Siebold  wahrge- 
nommen hat,  da  er  die  Nueleoli  als  Bläschen  bezeichnet;  KöUiker  be- 
schrieb einen  solchen  Fall  schon  sehr  kenntlich  bei  Hoplorhynchus  oliga- 
canthus.  Diese  Erscheinung  ist  jedoch  nach  den  Abbildungen  Lieberkühn's, 
ßeneden's,  Schneiders  etc.  auch  sonst  noch  recht  verbreitet.  Gewöhnlich 
scheinen  die  Nueleoli  frei  in  der  Kernfliissigkeit  zu  schweben;  bei  Mono- 
cystis  magna  schien  mir  jedoch  der  Nucleolus  an  der  Kernhülle  angeheftet 
zu  sein,  eine  Erscheinung,  welche  vielleicht  noch  weiter  verbreitet  ist.  In 
anderen  Fällen  mag  er  an  einem  zarten  Kernnetz  befestigt  sein ,  denn 
obgleich  ein  solches  am  lebenden  Kern  nicht  deutlich  zu  sehen  ist,  lässt 
es  sich  doch  bei  der  Clepsidrina  ovata  nach  Essigsäurebehandlung  recht 
wohl  wahrnehmen;  bei  anderen  Formen  dagegen  gerann  die  Kernflüssig- 
keit nach  Zusatz  von  Essigsäure  feingranulär,  ohne  dass  ein  Kernfaden- 
netz hervortrat. 

Ein  ganz  eigenthümliches  Verhalten  sollen  nach  van  Beneden  (32) 
die  Nueleoli  der  Porospora  gigantca  zeigen.  Dieselben  besitzen  im  All- 
gemeinen ganz  dasselbe  Aussehen,  wie  die  der  übrigen  Gregarinen,  sollen 
aber  in  raschem  Wechsel  verschwinden  und  wieder  auftauchen.  Während 
z.  B.  der  ursprünglich  einfache  Nucleolus  schnell  an  Grösse  abnimmt  und 
schliesslich  ganz  schwindet,  tauchen  zahlreiche  neue,  zuerst  ganz  kleine 
hervor,  welche  rasch  anwachsen,  wieder  verschwinden  und  so  fort. 
Zuweilen  soll  auch  jede  Spur  der  Nueleoli  gänzlich  verschwunden 
sein.  Dieser  Wechsel  vollziehe  sich  ungemein  rasch,  manchmal  nahezu 
momentan  (vergl.  T.  36.  9  a — f). 

Bei  anderen  Gregarinen  ist  bis  jetzt  von  einer  solchen  Wandelbarkeit  der  Nueleoli  kaum 
etwas  bekannt;  zwar  theilt  Schneider  (;58)  mit,  dass  er  dieselbe  Erscheinung  bei  gewissen 
Gregarinen  gefunden  habe,  in  seiner  grösseren  Arbeit  (40)  geht  er  jedoch  auf  dies  merkwür- 
dige Phänomen  nicht  näher  ein,  wenn  nicht  vielleicht  seine  Angabe:  dass  man  im  Kern  von 
Actinocephalus  (ähnlich  auch  Hoplorhynchus,  Stylorhynchus  und  Bothriopsis)  häufig  zahlreiche 
feine  Granulationen,  wie  eine  Wolke  erscheinen  sehe,  die  sich  zu  einem  centralen  Haufen 
verdichten  könne,  auf  diese  Vorgänge  zu  beziehen  ist.  Ist  dies  wirklich  der  Fall,  wie  zu  ver- 
muthen ,  da  Schneider  dieser  Erscheinung  direct  im  Zusammenhang  mit  den  Beneden'schen 
Beobachtungen  gedenkt,  so  dürfte  hieraus  wohl  geschlossen  werden,  dass  er  geneigt  ist,  die 
Wandelbarkeit  der  Nueleoli  durch  bald  hier ,  bald  dort  stattfindende  Anhäufung  der  feinen 
Granulationen  und  Wiedervertheilung  derselben  zu  erklären. 

Ueber  Theilungsvorgänge  des  Kerns  der  Gregarinen  ist  bis  jetzt 
durchaus  nichts  bekannt  und  sein  Verbalten  bei  der  Encystirung,  Copu- 
lation  und  der  Fortpflanzung  überhaupt  wird  späterhin  noch  genauer  zu 
betrachten  sein. 


526  Gregarinida. 

i.  Fortpflanzuiigserscheinungeii  der  fwiegariiiida. 

Wie  schon  früher  betont  wurde,  ist  eine  Vermehrung  der  Gregariniden 
durch  einfache  Theilung  nie  sicher  beobachtet  worden*).  Selbst  die  zusam- 
menhängenden Gregarinen  (Syz^'gien),  welche  leicht  für  Tbeihingszustände 
hätten  gehalten  werden  können,  sind  bis  jetzt  nie  ernstlich  in  dieser  Weise 
gedeutet  worden.  Die  einzig  bekannte  und  auch  wohl  sicher  allein  existi- 
rende  Fortpflanzungsweise  geschieht  durch  Encystirung  und  Sporenbildung. 
Da  wir  schon  in  der  allgemeinen  historischen  Einleitung  die  allmähliche 
Entwicklung  unsres  Wissens  von  der  Fortpflanzung  der  Gregarinen  etwas 
näher  betrachteten,  verzichten  wir  hier  auf  eine  Wiederholung  dieses 
Gegenstandes  und  werden  nur  im  Verlaufe  der  Darstelhing  auf  einzelne 
historische  Daten  von  Wichtigkeit  Rücksicht  nehmen. 

I.   Fortpflanzungserscheinungen  der  freien,   d.  b.  nicht 
intracellulär  schmarotzenden  Gregariniden. 

A.   V  orbereitende  Erscheinungen  ,  Conjugation. 

Bei  einer  ansehnlichen  Zahl  von  Gregarinen,  hauptsächlich  jedoch 
den  Polycystideen,  scheinen  die  Vorbereitungen  zur  Fortpflanzung  schon 
sehr  frühzeitig  im  Leben  einzutreten,  schon  lange  bevor  die  volle  Wachs- 
thumsgrösse  erreicht  ist.  Als  derartige  vorbereitende  Erscheinungen  dür- 
fen einmal  die  schon  so  lange  bekannten  Vereinigungen  zweier  und  meh- 
rerer Thiere  (sowohl  bei  den  Monocystideen  wie  den  Polycystideen)  in 
Anspruch  genommen  werden ,  als  auch  wohl  die  bei  zahlreichen  Poly- 
cystideen zu  beobachtende  Verstümmlung :  das  heisst  das  Abwerfen  des 
Haftapparates,  des  Epimerits,  womit  die  Gregarine  ihre  Befestigung  an 
der  Wand  des  Darmkanales  aufgibt  und  frei  wird.  Da  diese  Loslösung 
nothwendig  erscheint,  einmal  zur  Einleitung  des  Conjugationsprocesses, 
andrerseits  zur  Entleerung  der  Cysten  in  die  Aussenwelt,  so  kann  der 
Vorgang,  obgleich  er  meist  schon  sehr  frühzeitig  im  Leben  der  Poly- 
cystideen auftritt,  doch  auch  unter  die  Vorbereitungen  zur  Fortpflanzung 
gerechnet  werden.  Grossen  Werth  lege  ich  natürhch  nicht  auf  diese  Auf- 
fassung, doch  ist  hier  wohl  die  geeignetste  Stelle  zur  Besprechung  dieser 
Vorgänge.  Betrachten  wir  also  zunächst  diesen  Process  der  Lösung  und 
des  Verlustes  des  Haftapparates  bei  den  Polycystideen. 

Schon  V.  Siebold  (12)  machte  die  Erfahrung,  dass  der  rüsselartige  Haftapparat  seiner 
Gregarina  oligacantha  sehr  leicht  abreisse;  dieselbe  Erscheinung  wurde  von  Kölliker  (13)  bei 
der  nämlichen  und  ähnlich  ausgerüsteten  Formen  mehrfach  beobachtet,  beide  Forscher  hielten 
diesen  Vorgang  jedoch  für  einen   anormalen.     Dagegen  vermuthete  schon   v.  Frantzius   (15), 


*)  Kölliker  (14,  16,  17)  hielt  eine  Zeit  lang  die  Zweitheilung  (endogene  Zellbildung) 
der  Gregarinen  für  wahrscheinlich.  Er  stützte  sich  dabei  auf  gewisse  Beobachtungen  an  seiner 
Monocystis  (ürospora)  Sipunculi,  welche  jedoch  sicherlich  auf  Copulations- ,  nicht  aber  auf 
Theilungserscheinungen  bezogen  werden  müssen.  Einige  weitere  Angaben  über  gelegentliche 
Vermehrung  gewisser  Mono-  und  Polycystideen  durch  einfache  Theilung,  werden  wir  weiter 
unten  noch  berühren;  dieselben  erscheinen  aber  theils  sehr  unsicher,  theils  können  wir  sie 
ohne  anderweitige  Bestätigung  nicht  ohne  Bedenken  acceptiren. 


Forlpflanz,  d.  IVci^'n  Gregarinidcn  (Vorher.  Erscheinungen).  527 

dass  dieser  Verlust  des  Haftapparates  auch  als  ein  normaler  Vorgang  im  Lehen  der  Poly- 
cystideen  auftrete,  ohne  diese  Annahme  ahcr  durch  genügende  Beweise  zu  erhärten.  Stein  (18) 
liob  zuerst  hervor,  dass  „alle  mit  einem  Haftapparat  versehenen  Gregarinen  im  reifsten  Lebens- 
alter stets  ohne  denselben  getroffen  werden"  und  dass  sie  alsdann  zur  Conjugation  schritten. 
Durch  die  neueren  Untersuchungen  von  Schneider  wurde  diese  Erscheinung  ganz  sicher  ge- 
stellt und  namentlich  auch  noch  constatirt,  dass  sich  dieselbe  keineswegs,  wie  früher  vermuthet 
wurde,  nur  im  erwachsenen  Lebensalter  vollziehe,  sondern  sie  bei  nicht  wenigen  Formen 
schon  sehr  frühzeitig  eintritt.  Letzteres  scheint  sich  hauptsächlich  bei  denjenigen  zu  finden, 
deren  Haftapparat  nur  eine  geringe  Entwicklung  besitzt,  z.  B.  der  so  häufigen  Gattung  Clepsi- 
drina.  Hier  geht  der  Haftapparat  schon  zu  einer  Zeit  verloren ,  wo  die  Thiere  noch  nicht 
den  fünften  Theil  ihrer  definitiven  Länge  erreicht  haben.  Es  ist  daher  auch  natürlich,  dass 
hier  die  Beohachtung  des  Haftapparates,  sowie  des  Ueberganges  der  Cephalonten  in  die 
Sporonten  erst  in  neuester  Zeit  gelang.  Sehr  frühzeitig  tritt  nach  Schneider  der  Verlust  des 
Haftapparats  auch  hei  Stylorhynchus  ein. 

In  den  meisten  Fällen  geht  das  ganze  sogen.  Epimerit  verloren ;  eine 
Ausnahme  von  diesem  Verhalten  machen  nm-  die  Gattungen  Clepsidrina 
und  Echinocephalus,  bei  der  ersteren  w^ird  nur  das  in  die  Darmzelle  ein- 
gesenkte Knöpfchen  abgevs^orfen,  wogegen  der  grössere  Theil  des  Schneider'- 
schen  Epimerits  als  vordrer  Theil  des  Protomerits  erhalten  bleibt.  Bei 
Echinocephalus  dagegen  bleibt  das  asymmetrische  Epimerit  dauernd  er- 
halten und  es  gehen  nur  seine  finger-  bis  stiletförmigen  Anhänge,  welche 
die  eigentlichen  Befestigungsorgane  darstellen,  sehr  frühzeitig  verloren. 

Das  Abwerfen  der  Haftapparate  scheint  stets  in  der  Weise  vor  sich 
zu  gehen,  dass  dieselben  thatsächlich  von  dem  Protomerit  oder  dem  noch 
persistirenden  Theil  des  Epimerits  abgeschnürt  und  losgelöst  werden  und 
hierauf  sehr  rasch  in  definitiven  Zerfall  tibergehen  (T.  36.  13a — b).  Bei  der 
Clepsidrina  Blattarum  bemerkt  man  an  dem  vorderen  Pol  des  Protomerits  der 
Cephalonten,  an  der  Stelle,  wo  sich  das  Kopfzäpfchen  gelöst  hat  (namentlich 
bei  jugendlichen  Cephalonten)  sehr  deutlich  eine  Art  strahliger  Einziehung 
der  Cuticula.  Diese  Erscheinung  lässt  sich  vielleicht  auf  die  bei  Lösung 
des  Kopfzäpfchens  stattfindende  Einschnürung  der  Cuticula  und  den  Ver- 
schluss der  hierbei  erzeugten  Wunde  zurückführen. 

Bei  den  befestigten  Monocystideen ,  von  welchen  bis  jetzt  nur  eine 
Form,  die  Monocystis  magna,  bekannt  ist,  geht  die  Lösung  ohne  Zweifel 
ohne  Verlust  eines  Körpertheils  vor  sich,  tritt  jedoch  auch  hier  sicherlich 
vor  der  Fortpflanzung  ein. 

Als  weitere,  vorbereitende  Erscheinung  der  Fortpflanzung  haben  wir 
noch  die  Conjugation  ins  Auge  zu  fassen,  die  Erscheinung  nämlich,  dass 
zahlreiche  Gregarinenformen  (und  zwar  sowohl  Mono-  wie  Polycystideen) 
sich  mehr  oder  weniger  frühzeitig  während  ihres  Lebenslaufs  zu  zweien 
oder  zuweilen  auch  zu  mehreren  zusammenhängen  und  in  diesem  Zustand 
lange  Zeit  verharren,  ohne  dass  sich  wesentliche  Veränderungen  an  ihnen 
beobachten  Hessen  oder  dass  eine  innigere  Vereinigung  durch  theilweise 
Verschmelzung  zu  Stande  käme.  Obgleich  diese  Erscheinung  schon  so 
lange  bekannt  ist,  hat  sie  doch  bis  in  die  neueste  Zeit  noch  keine  allge- 
mein angenommne  Erklärung  gefunden,  ja  ihre  Bedeutung  bei  den  Poly- 
cystideen wurde  gerade  neuerdings  wieder  als  ganz  zweifelhaft  bezeichnet. 


528  Gregarinida. 

Schon  Dufour,  welcher  gepaarte  Formen  bei  den  Polycystideen  der  Insecten  viel- 
fach beobachtete,  deutete  sie  in  richtiger  Weise  als  zwei  zusammenhängende  Thiere.  Kölliker 
sprach  dagegen  1S4S  die  Vermuthung  aus,  dass  dieselben  sich  vielleicht  durch  sehr  frühzeitig 
auftretende  Theilung  erklären  Hessen.  Er  musste,  um  sich  die  vorliegenden  Thatsachen  durch 
die  Annahme  von  Theilung  verständlich  zu  machen,  nicht  nur  für  gewöhnlich  Quer-,  sondern 
auch  für  die  Erklärung  des  zeitweiligen  Anhängens  zweier  kleinerer  Thiere  an  einem  grösse- 
ren, gelegentliche  Längs-Theilung  annehmen.  Die  ünzulässigkeit  dieses  Erklärungsversuches 
ergab  sich  jedoch  daraus,  dass  eben  bis  heute  noch  durchaus  nichts  von  einem  solchen 
Theilungsprocess  auf  irgend  einer  Wachsthumsstufe  der  Gregarinen  beobachtet  werden  konnte 
und  weiterhin  sicher  dadurch,  dass  die  mit  Ilaftapparat  versehenen  Polycystideen  stets  un- 
gepaart  sind,  so  lange  sie  diesen  Apparat  noch  besitzen,  dass  sich  dagegen  an  den  ihres 
Haftapparats  beraubten,  gepaarten  Thieren  z.  Th.  noch  der  Nacliweis  führen  lässt,  dass  beide 
aus  den  jugendlichen,  isolirten  Thieren  hervorgegangen  sind.  Eine  directe  Beobachtung  des 
Conjugationsactes  liegt  jedoch  bis  jetzt  noch  nicht  vor,  dürfte  auch  wohl  grosse  Schwierig- 
keiten haben. 

Wie  bekannt,  fasste  Stein  zuerst  diese  Vereinigung  der  Gregarinen 
als  einen  Conjugationsact  auf  und  glaubte  durch  seine  Beobachtungen  so- 
wohl für  die  Monocystideen  wie  die  Polycystideen  festgestellt  zu  haben, 
dass  die  Syzygien  sich  schliesslich  gemeinschaftlich  encystirten  und  nun 
durch  Verschmelzung  ihrer  Leibesmassen  zur  Copulation  und  Fortpflan- 
zung schritten.  Spätere  Beobachter,  wie  Lieberktihn,  Schmidt,  van  Beneden 
und  Andre,  welche  sich  auf  Grund  ihrer  Untersuchungen  gegen  die  all- 
gemeine Zulässigkeit  der  Conjugationslehre  Stein's  aussprachen,  haben  es 
nicht  versucht,  eine  Erklärung  der  Syzygien  zu  geben.  Zum  Theil  mögen 
sie  für  gewisse  Formen  die  Annahme  Stein's  stillschweigend  als  gültig 
erachtet  haben,  z.  Th.  sahen  sie  wohl  in  der  Syzygienbildung  eine  räthsel- 
hafte  Erscheinung,  für  deren  Verständniss  der  Schlüssel  noch  fehle.  Auch 
der  neueste  und  treffliche  Beobachter  der  Gregarinen,  A.  Schneider,  sieht 
in  der  Vereinigung  keine  Beziehungen  zur  Fortpflanzung.  Ihm  waren 
zwar  zwei  sichere  Fälle  von  Copulation  bekannt,  welche  weiter  unten 
noch  näher  erörtert  werden,  dagegen  scheint  er  für  die  zusammenhängen- 
den Paare  die  Stein'sche  Lehre  durchaus  zurückzuweisen.  Nach  ihm 
sollen  sich  die  Syzygien  entweder  kurz  vor  der  Encystirung  und  Fort- 
pflanzung wieder  trennen,  um  sich  solitär  zu  encystiren,  oder  aber  bei 
gemeinsamer  Encystirung  nicht  verschmelzen,  sondern  Doppelcysten  bilden, 
ein  Vorgang,  welchen  er  als  Pseudoconjugation  bezeichnet.  Ich  muss  je- 
doch gestehen,  dass  mir  die  Schneider'schen  Untersuchungen  und  Deu- 
tungen bezüglich  dieses  Punktes  nicht  das  grosse  Zutrauen  zu  ver- 
dienen scheinen,  welches  seiner  Arbeit  sonst  zu  zollen  ist.  Ich  bin  im 
Gegentheil  geneigt,  der  Stein'schen  Deutung  im  Allgemeinen  zuzustimmen, 
da  ich  mich  bei  zwei  Polycystideen  persönlich  von  ihrer  Richtigkeit  tiber- 
zeugt habe,  ohne  damit  jedoch  die  Möglichkeit  gänzlich  zurückweisen 
zu  wollen,  dass  in  gewissen  Ausnahmefällen  nicht  auch  nachträg- 
liche Trennung  und  gesonderte  Encystirung  der  Einzelindividuen  der 
Paare  eintrete.  Die  Belege  für  die  eben  ausgesprochne  Ansicht 
werden  wir  weiter  unten  bei  der  Betrachtung  der  Encystirung  noch 
kennen  lernen. 


Fortpfl.  d.  fr.  Gregarinidcii  (Syzygicnbiklung).  529 

Zunächst  noch  einige  Worte  über  die  Art  der  Syzygienbildung  und 
das  Verhalten  der  Einzelthiere  hierbei. 

Die  Syzygien  bilden  sich  in  etwas  verschiedner  Weise  bei  den  Mono- 
und  Polycystideen.  Schon  Henle  (13),  welcher  zuerst  eine  gepaarte 
Eegeuwurnimouocystis  beobachtete,  fand,  dass  sich  die  Individuen  mit 
den  gleichnamigen  Körperenden  aneinander  geheftet  hatten.  Diese  Er- 
fahrung wurde  später  von  Kölliker  für  seine  Monocystis  Saenuridis  be- 
stätigt (T.  34.  8  a),  das  Gleiche  fanden  Stein  und  spätere  Forscher  bei  der 
sogen.  Zygocystis  des  Regenwurmhodens  (T.34.  la),  Schneider  bei  der  ver- 
wandten Gamocystis  (T.34. 2a)  und  Greeff  bei  seinem  Conorhynchus  (34.3c); 
auch  Giard  sah  die  Monocystiden  des  Darmes  von  Amauroecien  sich  gewöhn- 
lich mit  den  breiten  Enden  copuliren.  Nur  Lachmann*)  berichtet  von  seiner 
Zygocystis  puteana,  dass  die  Individuen  der  Paare  mit  den  ungleichnamigen 
Enden  zusammengefügt  seien,  indem  das  Vorderende  des  hinteren  etwas 
in  das  Hinterende  des  vorderen  eingesenkt  sei. 

Nach  dem  Bemerkten  scheint  es,  dass  die  erstgeschilderte  Ver- 
einigungsweise der  Monocystiden  wohl  allgemeine  Gültigkeit  besitzt;  ja 
ich  möchte  wohl  vermuthen,  dass  die  Lachmann'sche  Angabe  auf  irr- 
thtimlicher  Beobachtung  beruhe. 

Schneider  bezeichnet  die  beschriebne  Verbindungsweise  der  Mono- 
cystideen,  im  Gegensatz  zu  der  gleich  zu  schildernden  der  Polycystideen, 
als  Apposition  und  hebt  hervor,  dass  die  in  solcher  Weise  vereinigten 
Monocystideen  ganz  bewegungslos  seien.  Soweit  die  Ortsbewegung  in 
Frage  kommt,  dürfte  dieser  Ausspruch  wohl  gerechtfertigt  sein,  dagegen 
scheint  derselbe  nicht  gültig,  wenn  wir  auch  die  Gestaltsveränderungen 
der  Thiere  dem  Begriff  der  Bewegung  unterordnen.  Zwar  sind  gewisse 
in  dieser  Weise  gepaarte  Monocystideen,  wie  die  Zygocystis  cometa 
Stein's  und  die  Gamocystis  tenax  Schneider's  stets  ganz  regungslos  an- 
getroffen worden,  dagegen  hat  Kölliker  an  den  Syzygien  seiner  Monocystis 
Saenuridis  sehr  schwache  und  träge  Gestaltsveränderungen  beobachtet. 

Dass  auch  drei  Individuen  sich  zuweilen  in  gleicher  Weise  verbinden 
können,  wissen  wir  durch  die  Beobachtungen  Stein's  an  der  Zygocystis 
cometa  (T.  34.  Ib). 

Im  Gegensatz  zu  den  Vereinigungen  der  Monocystideen  bilden  sich 
die  der  Polycystideen,  soweit  bekannt,  fast  durchaus  so,  dass  sich  die 
Einzelindividuen  mit  den  ungleichnamigen  Enden  zusammenhängen.  Es 
ist  also  das  Protomerit  des  hinteren  Thieres  dem  Deutomerit  des  vorderen 
angefügt  (35. 7).  Gewöhnlich  sind  zwei  Sporonten  von  nahezu  gleicher  Grösse 
in  dieser  Weise  vereinigt.  Nicht  selten  ist  jedoch  das  hintere  Individuum 
kleiner,  ja  zuweilen  bleibt  es  hinter  dem  vorderen  sehr  beträchtlich  an 
Grösse  zurück.  Stein  erklärt  sich  den  letzteren  Fall  durch  die  Annahme, 
dass  ein  Paar  erwachsener  Individuen  durch  Zufall  getrennt  worden  sei, 
und    nun    nachträglich    eine   Verbindung    mit   einem  jüngeren,   kleineren 


*)  Sitzungsberichte  der  niederrhein.  Gescllsch.  zu  Bonn  1859.  p.  tm. 

Itiiiiiii,  KlassPii  (Ifs  'l'liior-Roii'.lis.     riotozoii,  31 


530  Gregaiinida. 

Exemplar  stattgefunden  habe.  Inwiefern  diese  Erklärung  gerechtfertigt 
erscheint,  soll  hier  nicht  näher  untersucht  werden. 

Das  Protomerit  des  hinteren  Individuums  einer  solchen  Syzygie  unter- 
scheidet sich  gewöhnlich  in  seiner  Gestalt  etwas  von  dem  des  vorderen. 
Es  umfasst  nämlich  das  Hinterende  des  vorderen  Paarlings  mehr  oder 
weniger  innig,  wenigstens  bei  solchen  Paaren,  wo  die  beiden  Exemplare 
von  ähnlicher  Grösse  sind.  Wenn  eine  Lösung  der  Syzygie  eingetreten 
ist,  erkennt  man  die  hinteren  Exemplare  gewöhnlich  leicht,  da  ihr  Proto- 
merit noch  eine  deutliche  Einsenkung  besitzt,  in  welche  das  Hinterende 
des  vorderen  Thiers  eingepflanzt  war.  Wie  schon  früher  angedeutet 
wurde,  scheint  namentlich  bei  den  von  Stein  als  Didymophyiden  be- 
zeichneten Polycystideen  die  Verbindung  eine  sehr  innige  zu  sein,  da  hier 
wahrscheinlich  das  ganze  Protomerit  des  hinteren  Individuums  in  das 
Hinterende  des  vorderen  eingesenkt  ist. 

Zuweilen  wird  auch  bei  den  Polycystideen  beobachtet,  dass  sich  mehr  wie 
zwei  Individuen  mit  einander  vereinigen ;  dies  kann  entweder  so  geschehen, 
dass  dem  Hinterende  eines  grossen  Individuums  zwei,  ja  auch  drei  bis  vier 
kleine  angefügt  sind,  oder  aber  sehr  selten,  wie  es  scheint,  derart,  dass 
drei  gleichgrosse  Individuen  in  einer  Keihe  zusammenhängen,  ein  Fall, 
welcher  bis  jetzt  nur  von  v.  Siebold  bei  der  Gregarina  longissima  (PorosporaVj 
einmal  beobachtet  wurde*).  Die  Pewegungsfähigkeit  der  Polycystideen- 
syzygien  hat  keine  Eiubusse  erfahren,  sie  bewegen  sich  gewöhnlich  ebenso 
energisch  durch  einfache  Translation  oder  durch  Contractionen,  wie  die 
einfachen  Thiere.  Mehrfach  fand  ich  nur  das  vordere  Thier  in  Bewegung, 
das  hintere  wurde  dann  einfach  nachgezogen. 

Die  gegenseitige  Verbindung  der  Individuen  scheint  bei  den  seither 
beschriebnen  Syzygien  der  Polycystideen  und  Mouocystideen  im  Allge- 
meinen keine  allzufeste  zu  sein,  da,  wie  bemerkt,  durch  mecha- 
nische Eingriffe  eine  Lösung  der  verbunduen  Individuen  ziemlich  leicht 
eintritt.  Doch  beobachtete  KöUiker  bei  der  Monocystis  Saenuridis 
häufig  sehr  fest  vereinigte  Paare,  welche  sich  durch  kein  Mittel  mehr 
trennen  Hessen.  Er  vermuthet,  dass  eine  Verschmelzung  der  Cuticula  der 
beiden  Thiere  an  der  Vereinigungsstelle  eingetreten  ist.  Ich  halte  es  für 
sehr  wahrscheinlich,  dass  eine  solch  innigere  Vereinigung  gewöhnlich 
beim  Uebergang  in  den  encystirten  Zustand  eintritt. 

Bei  den  Syzygien,  welche  wir  im  Vorhergehenden  betrachtet  haben, 
findet  die  Vereinigung  fast  stets  sehr  frühzeitig  statt,  so  dass  in  der  Regel 
nur  sehr  kleine  Individuen  unvereinigt  gefunden  werden.  Bei  den  Mono. 
cystideen  scheint  eine  solche  frühzeitige  Vereinigung  im  Ganzen  nicht 
gerade  sehr  häufig  zu  sein;  bei  der  Mehrzahl  der  bis  jetzt  beobachteten 
Formen  wurden  Syzygien  überhaupt  noch  nicht  gesehen.  Bei  den  Poly- 
cystideen ist  die  frühzeitige  Vereinigung  sehr  charakteristisch  für  die 
Gattung  Clepsidrina,   der  sich   in  dieser   Hinsicht   die  nahe   verwandten 


*)  Siehe  bei  Köiliker  (13)  p.  25  und  34 


Fortpfl.  d.  fr.  Gregarinidcn  (Syzygicabilduiig.  Encystirung).  531 

Geschlechter  Euspora  und  Hyalospora  anschliessen,  weiterhin  findet  man 
dieselbe  Erscheinung  noch  bei  einer  Anzahl  in  ihrer  systematischen  Stel- 
lung unsicheren  Arten,  welche  sich  jedoch  wohl  den  oben  erwähnten 
Gattungen  zunächst  anschliessen  werden. 

Die  mit  ansehnlich  entwickelten  Haftapparaten  versehenen  Polycysti- 
deen,  wie  die  Gatt.  Stylorhynchus,  Geneiorhynchus,  Hoplorhynchus  und 
Actinocephalus  scheinen  keine  Syzygien  zu  bilden,  ebenso  wurden  auch 
die  Gattungen  Stenocephalus,  Botbriopsis,  Dufouria,  Pileocephalus  und 
Echinocephalus  bis  jetzt  nicht  in  dauernden  Vereinigungen  beobachtet. 
Das  Gleiche  gilt  dann  weiterhin  noch  von  zahlreichen  unsicheren  Arten. 
Dass  diesen  Formen  die  Copulation  völlig  fehle  und  die  Encystirung  stets 
in  solitärem  Zustand  erfolge,  hat  die  Beobachtung  als  nicht  zutreffend  er- 
wiesen, da  für  einige  derselben  bekannt  ist,  dass  sie  sich  copulirend 
encystiren;  doch  tritt  in  diesem  Falle,  wie  es  scheint,  die  Vereinigung 
erst  kurz  vor  der  Encystirung  ein.  Wie  werden  diese  Fälle  daher  im 
folgenden  Abschnitt,  welcher  vom  Encystirangsprocess  handelt,  näher 
betrachten. 

B.   Die  Encystirung. 

Während  Stein  lehrte,  dass  die  Encystirung  der  Gregarinen  durchaus 
mit  Copulation  Hand  in  Hand  gehe,  d.  h.  dass  sich  stets  zwei  zur 
Verschmelzung  bestimmte  Individuen  gleichzeitig  in  eine  gemeinsame 
Cyste  einhüllten,  suchten  seine  Nachfolger  zu  erweisen,  dass  sich  häufig 
auch  ein  Einzehhier  encystire. 

Sclion  1849  suchte  Bruch  (19)  dies  für  die  sogen.  Monocystis  lumbrici  (wahrscheinlich 
M.  agilis)  zu  ervpeiscn  und  etwas  später  erklärte  auch  Lieberkahn  (24),  dass  sich  die  Eegen- 
wurmgregarincn  auch  solitär  zu  encystiren  vermögen.  Den  sicheren  Nachweis  dieser  Angabe 
wird  man  jedoch  in  seiner  Arbeit  vergeblich  suchen.  A.  Schmidt  (23)  hat  bei  der  von  ihm  spe- 
ciell  untersuchten  Monocystis  agilis  gleichfalls  nichts  von  einer  Encystirung  mit  Copulation 
beobachtet.  Seine  Mittheilungen  über  die  Bildung  der  Cysten  sind  sehr  eigenthümlich  und 
scheinen  in  hohem  Grade  verdächtig.  Es  soll  sich  nämlich  nicht  eine  ganze  Gregarine  en- 
cystiren, sondern  nur  ein  Theil  des  Gregarinenleibes,  welcher  sich  als  eine  körnige  Kugel  ab- 
schnüre. Eine  solche  Abschnürung  wurde  einmal  beobachtet  und,  wie  Schmidt  hervorhebt, 
bei  Wasserzusatz ;  es  scheint  mir  daher  gar  nicht  unwahrscheinlich,  dass  das  ganze  Phänomen 
ein  anormales  war,  hervorgerufen  durch  die  zerstörende  Einwirkung  des  Wassers.  Auch  Eay 
Lankcster  theilte  1863  mit,  dass  sich  gelegentlich  auch  ein  Einzelthier  der  Monocystis  agilis 
encystire.  In  neuerer  Zeit  will  sich  dann  weiterhin  E.  van  Beneden  überzeugt  haben,  dass 
sich  die  Porospora  gigantea  stets  isolirt  encystire.  Alle  diese  Angaben  stützten  sich  je- 
doch keineswegs  auf  thatsächliche  Beobachtungen  des  Encystirungsprocesses  und  man  kann 
gegen  sie  mit  Eecht  einwenden,  dass  sie  nur  die  einzelnen  beobachteten  Stadien  in  geeigneter 
Weise  zu  deuten  versuchen.  Dieser  Einwand  erscheint  um  so  mehr  berechtigt ,  als  keiner 
dieser  Beobachter  anscheinend  eine  so  vollständige  Reihe  von  Stadien  des  Encystirungsprocesses 
dargestellt  hat,  wie  dies  Stein  zum  Beleg  seiner  Ansicht  thun  konnte. 

Erst  A.  Schneider  zeigte  durch  directe  Beobachtung  der  Encystirung 
von  Actinocephalus  Dujardini,  dass  hier  unzweifelhaft  eine  solitäre  En- 
cystirung statthat,  auch  für  seine  Gattung  Adelea  scheint  er  denselben 
Vora-ans    sieherg'cstellt    zu   haben.      Letztere    Gattung  schliesst   sieh  aber 

34=^ 


532  Gregarinida. 

allem  Anschein  nach  schon  recht  innig  an  die  sogen.  Coccidieu  an  und 
bei  diesen  dürfte  nach  allen  Erfahrungen  die  solitäre  Encystirung 
die  Regel  bilden,  da  bis  jetzt  in  ihrer  LebeusgeschicLte  kein  An- 
zeichen eines  Conjugations-  oder  Copulationsprocesses  aufgefunden  wer- 
den konnte.  Damit  soll  jedoch  nicht  gesagt  sein,  dass  ein  Copuiations- 
vorgang  im  Leben  der  Coccidien  überhaupt  niemals  auftrete.  Was  wir 
bis  jetzt  von  der  Lebeusgeschichte  dieser  Formen  wissen,  ist  keineswegs 
vollständig  genug,  um  das  event.  Auftreten  eines  derartigen  Vorgangs 
gänzlich  auszuschliesseu. 

Werfen  wir  nun  zunächst  einen  Blick  auf  den  Vorgang  der  solitären 
Encystirung,  wie  er  von  Schneider  bei  Actinocephalus  Dujardini  mit 
Sicherheit  verfolgt  wurde.  Die  Encystirung  beginnt  hier  mit  einer  Ver- 
kürzung und  Abrundung  des  Thierkörpers,  namentlich  wird  das  Hinter- 
ende eingezogen  und  das  Protomerit  abgeflacht,  bis  schliesslich  die  reine 
Kugelgestalt  angenommen  wird  und  die  Abscheidung  der  Cystenhülle  er- 
folgt (T.  36.  b  —  d).  Die  Trennungsgrenze  zwischen  Protomerit  und 
Deutomerit  schwindet  am  zusammengekugelten  Thier  bald  und  ebenso 
ist  von  dem  Kern   bald  nichts  mehr  zu  erkennen. 

Zahlreicher  sind  nun  aber  die  sicher  beobachteten  Fälle,  wo  sich  zwei 
copulirende  Thiere  gleichzeitig  encystirten.  Stein  hat  diesen  Vorgang 
hauptsächlich  bei  zwei  Syzygien  bildenden  Arten  genauer  dargestellt, 
einer  Monocystide,  der  Zygocystis  coraeta,  und  einer  Polycystide,  der 
Clepsidrina  polymorpha  (Greg,  cuneata  St.).  Beide  Fälle  halte  ich  für 
durchaus  sicher;  für  den  letzteren  kann  ich  die  Angaben  Stein's  bestätigen. 

Die  zusammenhängenden  Thiere  der  Zygocystispaare  rücken  immer 
inniger  aneinander  und  ziehen  sich  halbkuglig  zusammen,  indem  gleich- 
zeitig der  eigenthümliche  Haarschopf  eingezogen  wird.  Das  mit  breiter 
Fläche  zusammengelagerte  Paar  nimmt  schliesslich  Kugelgestalt  an 
und  nun  bildet  sich  eine  beide  Individuen  gemeinsam  umhüllende 
Cystenhaut. 

Dass  dieser  Encystirungsprocess  von  Zygocystis  cometa  eine  sogen.  Pseudoconjugatioa 
darstelle,  wie  Schneider  angibt,  dass  nämlich  in  seinem  weitereu  Verlaufe  keine  Verschmel- 
zung der  beiden  Gregarinenkörper  eintrete,  sondern  beide,  durch  eine  Scheidewand  getrennt, 
gesondert  zur  Sporulation  schritten,  halte  ich  für  ganz  unbewiesen.  Wenigstens  bieten  die 
Stein'schen  Angaben  hierfür  durchaus  keinen  Anhaltepunkt  dar.  Ich  bin  zwar  keineswegs 
überzeugt,  dass  die  von  Stein  als  weitre  Entwicklungszustände  seiner  Zygocystiscysten  be- 
schriebnen  Cystenbildungen  thatsächlich  in  den  Entwicklungskreis  dieser  Art  gehören,  indem 
ich  nämlich  bis  jetzt  kein  Mittel  kenne,  die  Cysten  des  Eegeuwurmhodens  specifisch  zu  unter- 
scheiden und  man  bei  ihrer  Untersuchung  geradezu  in  ein  Labyrinth  zu  gerathen  glaubt.  Da- 
gegen sind  aber  aus  den  ßegenwurmhoden  solche  Pseudoconjugationsformen  bis  jetzt  gar 
nicht  bekannt. 

Wie  schon  früher  angedeutet  wurde,  liegen  jedoch  aus  neuerer  Zeit 
einige  directe  Beobachtungen  über  die  mit  Copulation  sich  vollziehende 
Encystirung  gewisser  Monocystideen  vor.  Giard  (36)  hat  diesen  Vorgang 
direct  unter  dem  Mikroskop  (bei  allmählicher  Eintrocknung  des  Präparats) 
an    einer   Monocystis   aus   dem    Darm   von  Amauroecium  beobachtet.     Im 


I 


I 


l'ortpfl.  (1.  fr.  (ircg'ariiiideii  (Kiicystiiiin.^'.svorg'äagii).  5o3 

Allgemeinen  verlief  derselbe  ganz  so,  wie  ihn  Stein  schon  für  die  Zygo- 
cystis  erschlossen  hatte,  nur  erfolgte  liier  die  Vereinigung  der  beiden  sich 
encystirenden  Thiere  erst  kurz  vor  Eintritt  der  Encystirung.  Hierbei 
zeigte  sieh  jedoch  noch  eine  eigenthiimliche  Erscheinung,  welche  wir 
auch  bei  der  Encystirung  gewisser  Polycystideen  wiederfinden  werden. 
Die  copulirenden  und  sich  zusammenkugelnden  Thiere  begannen  nämlich 
bald  anhaltend  von  links  nach  rechts  zu  rotiren.  Dies  dauerte  etwa  eine 
Stunde,  worauf  die  Abkuglung  sich  völlig  vollzogen  hatte  und  die  Aus- 
scheidung der  CystenhUlle  erfolgte.  In  letzterer  trat  nach  Schwinden  der 
Kerne  bald  völlige  Verschmelzung  der  beiden  Individuen  ein.  Auch 
Hallez*)  hat  eine  ähnliche  Beobachtung  bei  der  Monocystis  der  Planaria 
fusca  gemacht;  hier  schienen  jedoch  die  beiden  conjugirten  Thiere  der 
Länge  nach  zusammengelagert  und  rotirten  gleichfalls  in  einer  bestimmten 
Richtung.     Die  Encystirung  selbst  wurde  nicht  beobachtet. 

Bei  den  frühzeitiger  Syzygien  bildenden  Polycystideen  wurde  die  ge- 
meinsame Encystirung  der  Paare  gleichfalls  in  zwei  Fällen  ganz  sicher 
beobachtet.  Zunächst  bei  der  schon  von  Stein  verfolgten  Clepsidrina  poly- 
morpha.  Hier  Hess  sich  zwar  dieEncystirung  nicht  direct  unter  dem  Mikro- 
skop Schritt  für  Schritt  verfolgen,  da  man  jedoch  in  geeigneten  Fällen 
sämmtliche  Uebergangsstufen  von  den  zusammenhängenden  Paaren  bis 
zur  ausgebildeten  Cyste  antrifft,  so  kann  dennoch  der  Nachweis  als 
sicher  erbracht  bezeichnet  werden.  Die  beiden  Thiere  eines  Paares  ver- 
kürzen sich  allmählich  mehr  und  mehr,  werden  oval  und  schliesslich 
kuglig;  die  Protomerite  flachen  sich  dabei  natürlich  ganz  ab  und  die 
Grenze  zwischen  ihnen  und  den  Deutomeriten  scheint  bald  zu  schwinden. 
Hierauf  pressen  sich  beide  Individuen  dicht  zusammen,  so  dass  sie  zusammen 
einen  kugligen  bis  ellipsoidischen  Körper  bilden,  um  welchen  nun  die  Aus- 
scheidung der  Cystenmembran  erfolgt.  Da  sämmtliche  jugendlichen,  im  Mittel- 
darm befindlichen  Cysten  die  beiden  Individuen  noch  deutlich  gesondert 
wahrnehmen  lassen,  so  darf  hierin  eine  weitere  Bestätigung  der  richtigen 
Deutung  dieses  Vorgangs  erblickt  werden. 

Schritt  für  Schritt  unter  dem  Mikroskop  wurde  jedoch  derselbe  Vor- 
gang bei  der  Clepsidrina  Blattarum  verfolgt  (T.  35.  2a~d).  Hier  verkürzen 
sich  zunächst  die  beiden  Individuen  des  sich  zur  Encystirung  anschickenden 
Paares  gleichfalls  und  werden  etwas  oval.  Gleichzeitig  ist  die  Syzygie 
sehr  beweglich  und  kriecht  lebhaft  umher.  Allmählich  nehmen  die  Indi- 
viduen eine  etwas  schiefe  Stellung  zu  einander  an  und  beginnen  nun  be- 
ständig in  einem  Kreis  herumzukriechen,  dessen  Krümmung  durch  den 
Grad  der  Schiefstellung  der  beiden  Individuen  bestimmt  wird  (2a).  Die  Schief- 
stellung der  beiden  Individuen  gegeneinander  nimmt  mehr  und  mehr  zu 
und  in  dem  Maasse,  wie  dies  geschieht,  legen  sie  sich  mit  den  dadurch 
zur  Berührung  gebrachten  gleichnamigen  Längsseiten  mehr  und  mehr  an- 
einander (2  b),  bis  sich  schliesslich  beide  der  Länge  nach  völlig  zusanimen- 


*")  Contrib.  ä  l'liist.  nat.  des  Turbellaries.  1879. 


534  Gregariuida. 

gelegt  ba))en  iiud  uiui  einen  nahezu  kugligen  Körper  hildcn,  der  noch 
beständig  die  frühere  Drehbewegung  ausführt  und  daher  naeh  einer  con- 
stauten  Richtung  rotirt. 

Die  zusammengekugelten  Thiere  sind  nun  so  gelagert,  dass  ibre  Proto- 
merite,  welche  noch  deutlich,  wiewohl  ganz  abgeflacht  sind,  die  entgegen- 
stehenden Pole  der  Kugel  einnehmen  (2c).  Jetzt  beginnt  die  Ausscheidung 
der  Cystenhülle  innerhalb  welcher  die  Rotation  der  conjugirten  Individuen 
noch  ziemlich  lange  fortdauert.  Auch  bei  dieser  Art  spricht  die  Wahr- 
nehmung, dass  in  sämmtlichen  Cysten  des  Mitteldarms  die  beiden  Thiere 
mit  ihren  Protomeriten  noch  deutlich  beobachtet  werden,  dafür,  dass  hier 
die  copulative  Encystirung  Regel  ist. 

Wie  schon  früher  erwähnt  wurde,  hat  man  jedoch  auch  bei  den- 
jenigen Polycystideen ,  welche  nicht  frühzeitige  Syzygien  bilden,  die  En- 
cystirung mit  Copulation  z.  Th.  beobachtet.  Schon  Stein  führt  ein  solches 
Beispiel  auf,  nämlich  seinen  Stylorhynchus  ovalis*).  Hier  sollen  aber  die 
beiden  copulirenden  Individuen  ziemlich  gleich  gerichtet  nebeneinander 
gelagert  sein,  sich  allmählich  abrunden  und.  schliesslich  gemeinsam  en- 
cystiren.  An  einer  andern  Stelle  hebt  er  jedoch  hervor,  dass  sich  die  mit 
Haftapparat  versehenen  Gregarinen,  nachdem  sie  diesen  abgeworfen,  ge- 
wöhnlich in  der  Weise  conjugirten,  dass  sich  zwei  Individuen  mittels  der 
Köpfe  innig  aneinander  schmiegten.  Eine  entsprechende  Beobachtung 
will  auch  Schneider  bei  dem  Stylorhynchus  oblongatus  gemacht  haben, 
wo  er  nämlich  häufig  zwei  mit  den  Protomeriten  vereinigte  Thiere  traf 
und  nicht  zweifelt,  dass  die  Cysten  durch  Copulation  zweier  Individuen 
ihren  Ursprung  nähmen.  Diese  Beobachtung,  sowie  die  schon  erwähnten 
Wahrnehmungen  bei  der  Conjugation  der  Monocystideen  mögen  auch 
Schneider  zu  dem  Ausspruch  veranlasst  haben:  es  sei  ein  Gesetz,  dass 
die  Copulation  der  Gregarinen  stets  mit  den  Vorderenden  geschehe.  Eine 
solche  Regel  lässt  sich  keineswegs  als  allgemein  verbreitet  erweisen  und 
es  scheint,  dass  Schneider  wesentlich  dieser  vermeintlichen  Regel  zu  Liebe, 
die  gewöhnliche  Syzygienbildung  der  Polycystideen  nicht  als  solche  gelten 
lassen  wollte.  Ein  Gegenstück  zu  der  Copulation  des  Stylorhynchus 
ovalis,  die  wir  soeben  auf  Grund  der  Stein'schen  Beobachtungen  erwähn- 
ten, hat  Schneider  noch  bei  seiner  Dufouria  agilis  auf  dem  Objectträger 
verfolgt.  Hierbei  legen  sich  die  Thiere  in  gleichnamiger  Richtung  neben 
einander  und  kugeln  sich  ab  (T.  35.  Ha);  es  liegen  also  die  beiden  Proto- 
merite,  abweichend  von  dem,  was  wir  bei  der  Clepsidrina  Blattarum  sahen, 
an  einem  Pol  der  Kugel  nebeneinander.  Ich  bemerke  noch  nachträglich, 
dass  ich  einmal  auch  eine  Cyste  der  letzteren  Form  beobachtet  habe, 
welche  dasselbe  Verhalten  zeigte,  ich  konnte  jedoch  die  Entstehungsart 
derselben,  im  Gegensatz  zu  den  gewöhnlichen,  nicht  sicher  stellen. 


*)  Schneider  hält  den  Stylorhynchus  ovalis  für  eine  Varietät  der  Clepsidrina  polymorpha ; 
ich  glaube,  dass  diese  Auffassung  nicht  begründet  ist,  sondern  dass  er  sich  von  dieser,  gleich- 
falls den  Darm  der  Mehlkäferlarve  bewohnenden  Form  specifisch  wohi  unterscheidet. 


Fort2ifl.  d.  freien  (jregarinideii  (Enrysliningsvorgiinge.    JJau  der  Cysten).  535 

Indem  wir  nun  nochmals  einen  Blick  auf  das  seither  ilhcr  die  Copu- 
lation  und  Encystiiung  der  Gregarinen  Mitgctheilte  werfen,  dürfen  wir  als 
Resultat  unsrer  Betrachtung  zusammenfassend  hervorhehen :  dass  einmal 
die  solitäre  Eucystirung  sowohl  für  gewisse  Mono-  wie  Polycystideen  er- 
wiesen ist,  dass  jedoch  weiterhin  eine  ziemliche  Zahl  von  Gregarinidcn 
aus  heiden  Abtheilungen  copulative  Encystirung  aufweist.  Für  gewisse 
Polycystideen  scheint  letztere  nach  nnsern  heutigen  Erfahrungen  geradezu 
Kegel  zu  sein.  Inwiefern  sich  solitäre  und  copulative  Encystirung  bei 
einer  und  derselben  Form  gleichzeitig  findet,  ist  eine  heutzutage  noch 
kaum  näher  berührte  Frage.  Die  copulative  Encystirung  selbst  verläuft 
aber  entweder  in  der  Weise,  dass  1)  die  beiden  Individuen  sich  mit  ihren 
gleichnamigen  Enden  vereinigen  und  kuglig  abrunden,  oder  2)  sich  mit 
ihren  Längsseiten  zusammenlegen  und  ähnlich  abrunden ,  wobei  dann 
wieder  entweder  die  beiden  Exemplare  sich  in  gleichgerichteter  oder  aber 
in  umgekehrter  Stellung  befinden  können. 

Wie  schon  früher  erwähnt  wurde,  schreibt  van  Beneden  (32,  34)  auch 
seiner  Porospora  gigantea  solitäre  Encystirung  zu  und  erklärt  sich  die 
Entstehung  der  häufig  zu  beobachtenden  Cysten,  deren  Inhalt  aus  zwei 
kugligen,  anscheinend  kernlosen  Körpern  besteht,  wie  frühere  Forscher 
und  Schneider  durch  eine  nachträgliche  Theilung  der  encystirten  Grega- 
rina.  Seine  Angaben  über  diesen  Theilnngsvorgang  lauten  so  bestimmt, 
dass  sich  kaum  ein  Zweifel  dagegen  erheben  lässt.  Höchst  merkwürdig 
erscheint  jedoch  nach  Beneden's  Schilderung  das  weitere  Verhalten  dieser 
Cysten  mit  getheiltem  Inhalt  und  findet  bis  jetzt  kein  Analogen  bei  einer 
anderen  Form.  Nach  ihm  zerfällt  allmählich  die  dicke  ursprüngliche 
Cystenhülle  und  jedes  Theilstück  bildet  eine  neue  Cystenhaut.  Hiermit 
ist  jedoch  die  Vermehrung  der  Cysten  nicht  abgeschlossen,  es  kann  in 
gleicher  Weise  eine  nochmalige  Theilung  der  beiden  Cysten  zweiter  Gene- 
ration zu  vier  Cysten  dritter  Generation  stattfinden  (T.  36.  4b — d).  Aus 
dem  Zerfall  der  früheren  Cystenhüllen  soll  eine  durchsichtige  Masse  her- 
vorgehen, welche  sämmtliche,  durch  Theilung  einer  primären  Cyste  her- 
vorgegangnen  secundären  einschliesse. 

C.    Gestalt  der  Cysten  und  Beschaffenheit  der  Cystenhtillen. 

Die  Gestalt  der  Cysten  ist  meist  eine  völlig  kuglige,  seltner,  jedoch 
bei  gewissen  Formen  regelmässig,  eine  ellipsoidische  bis  eiförmige.  Die 
Grösse  der  Cysten  ist  selbst  bei  derselben  Art  ansehnlichen  Schwankungen 
unterworfen,  was  hauptsächlich  daher  zu  rühren  scheint,  dass  die  En- 
cystirung auf  ziemlich  verschiedner  Wachsthumsstufe  einzutreten  vermag. 

Wie  auch  schon  Schneider  hervorhebt,  scheint  die  Cystenhülle  fast 
immer  eine  Neubildung  durch  Ausscheidung  zu  sein  und  sich  nicht  etwa, 
wie  dies  früherhin  von  Stein  und  auch  noch  von  Giard  für  die  Mono- 
cystideen  dargestellt  wurde,  aus  der  ursprünglichen  Cuticula  herzuleiten. 
Mir  machte  es  sogar  den  Eindruck,  als  wenn  die  Cuticula  der  sich 
encystirenden  Paare  von  Clepsidrina  Blattarum  schon  bei  der  Zusammen- 


536  Gregariiiula. 

kugliing  nicht  mehr  deutlich  bemerkbar  wäre,  wogegen  sich  jedoch  »Stein 
bei  der  Gl.  polymorpha  noch  nach  vollzogner  Encystirung  von  der  Gegen- 
wart der  Cuticula  an  den  beiden  eingeschlossnen  Individuen  überzeugen 
konnte.  Weiterhin  lässt  sich  jedoch  die  allmähliche  Ausscheidung  der 
CystenhüUe  unter  dem  Mikroskop  direct  verfolgen  und  für  die  besondre 
Natur  der  CystenhüUe  spricht  auch  der  Umstand,  dass  sie  zuweilen  durch 
eigenthümliche  Sculpturverhältnisse  ausgezeichnet  ist.  Bei  der  kleinen 
Adelea  soll  nach  Schneider  die  Cystenhaut  unterhalb  der  Cuticula  ab- 
geschieden werden. 

Soweit  bis  jetzt  bekannt,  scheint  die  Cystenhaut  der  Monocystideen 
gewöhnlich  eine  einfache,  nicht  sehr  dicke  Membran  zu  sein.  Doch  lässt 
sich  aus  einigen  Beobachtungen  Lieberkühn's  schliessen,  dass  sich  bei 
den  Monocystideen  des  Regenwurms  unterhalb  dieser  ersten  Hülle  zu- 
weilen noch  eine  zweite  ausbilden  kann*).  Eine  gallertige,  äusserste  Hüll- 
schicht, wie  sie  sich  bei  zahlreichen  Polycystideen  findet,  scheint  bis  jetzt 
unter  den  Monocystideen  nur  bei  der  Gattung  Gamocystis  beobachtet 
worden  zu  sein  (34. 2b,  g).  Dagegen  ist,  wie  gesagt,  eine  solche  äussere 
gallertartige  Hülle  bei  den  Cysten  der  Polycystideen  recht  verbreitet  und 
sie  tritt,  wie  zu  erwarten,  und  auch  die  Beobachtungen  an  Clepsi- 
drina  Blattarum  direct  erweisen,  bei  der  Ausscheidung  der  Cystenhüllen 
zuerst  auf.  Diese  Gallerthülle  ist  so  durchsichtig,  dass  ihre  äussere 
Grenze  nur  durch  die  anklebenden  Fremdkörperchen  bezeichnet  wird. 
Besonders  ansehnlich  ist  sie  bei  den  Angehörigen  der  Gattungen  Clepsi- 
drina  (35. 4),  Bothriopsis,  Dufouria  und,  wie  schon  erwähnt,  auch  bei  der 
monocystiden  Gamocystis.  Jedoch  bietet  die  Dicke  dieser  Schicht  bei  einer 
und  derselben  Art  vielfache  Variationen ;  so  erreicht  sie  z.  B.  bei  der  Clepsi- 
drina  Blattarum  häufig  eine  dem  Durchmesser  der  Cyste  entsprechende  Dicke, 
ja  z.  Th.  noch  mehr,  bleibt  dagegen  andrerseits  zuweilen  wieder  sehr  schmäch- 
tig, ja  kann  sogar  gelegentlich  gar  nicht  zur  Ausbildung  kommen.  Bei  einer 
Reihe  von  Polycystideen  ist  die  Gallerthülle  nach  Schneider's  Angaben 
stets  sehr  wenig  entwickelt,  so  z.  B.  Actinocephalus  und  Pileocephalus, 
bei  Stylorhynchus  fehlt  sie  völlig.  —  Nach  den  Beobachtungen  dieses 
Forschers  zeigt  sie  zuweilen  eine  zarte,  concentrische  Streifung,  also  einen 
geschichteten  Bau. 

Ohne  das  eigentlich  zu  bezweifeln,  glaube  ich  doch  aus  weiter  unten  noch  genauer  aus- 
zuführenden Gründen,  dass  hier  zum  Theil  ein  Irrthum  vorwaltet,  indem  die  Gallert- 
schicht mit  der  gleich  zu  besprechenden  eigentlichen  CystenhüUe  verwechselt  wurde.  Dies 
scheint  mir  z.  B.  sehr  wahrscheinlich  für  die  Cysten  der  Gatt.  Echinocephalus ,  wo  sich  auf 
der  Abbildung  um  die  sogen,  gestreifte  Gallertschicht  noch  eine  schwache  durchsichtige 
Schicht  dargestellt  findet,  welche  ganz  den  Eindruck  der  eigentlichen  Gallertschicht  macht. 
Auch  die  bei  Euspora  erwähnte,  gestreifte  Gallertschicht  scheint  mir  in  ihrer  Bedeutung  etwas 
zweifelhaft. 


*)  Auch  Waidenburg  spricht  von  doppelten  Hüllen  der  Eegenwurmcysten ,  jedoch  sind 
die  Beobachtungen  sehr  wenig  vertrauenerweckend.  Die  innre  Hülle  soll  zuweilen  kernhaltig 
sein,  die  äussre  aus  Zellen  zusammengesetzt.     (Siehe  Nr.  63.) 


l''uit|ill.  d.  rreiuii  (ircgiiriiiidcii  (Bau  d.  l'ystuu;  aoguii.  Pbciidocoiijugatioii).  537 

Unterila Ib  dieser  Gallertscbicht,  oder  wo  eine  solche  fehlt  ohne  weitere 
Bedeckung,  kommt  bei  den  Polycystideen  die  eigentliche  Cystenhaut  zur  Aus- 
bildung, eine  mehr  oder  weniger  dicke,  scharf  contourirte  Membran,  welche 
sich  geAvöhnlich  durch  starke  Elasticität  auszeichnet,  indem  sie  sich  bei  Ver- 
letzungen häufig  sehr  stark  contrahirt  und  durch  diese  Fähigkeit  späterhin 
auch  zur  Entleerung  des  Cysteninhalts  beiträgt  (ch  der  Figg.,  vergl,  T.  35. 
2d,  3,4  etc.).  Gegen  das  Eindringen  von  Wasser  bietet  diese  Hülle  den  Cysten 
Schutz,  da  die  Entwicklung  im  Wasser  ungestört  weiter  schreitet.  Ist  diese 
eigentliche  Cystenhülle  dicker,  so  scheint  sie  gewöhnlich  einen  deutlich  ge- 
schichteten Bau  aufzuweisen,  wie  z.  B.  bei  der  Porospora  gigantea  (36.4)  und 
wahrscheinlich  auch  den  oben  erwähnten  Gattungen  Euspora  und  Echinoce- 
pbalus.  Bleibt  sie  dagegen  dünner,  wie  meist  bei  den  Cysten  der  Clepsi- 
drina,  so  zeigt  sie  an  den  intacten  Cysten  von  einem  geschichteten  Bau  ge- 
wöhnlich nichts  deutliches.  Wird  aber  die  Cystenhaut  angerissen,  so  zieht  sie 
sich  unter  Verdickung  stark  zusammen  und  der  geschichtete  Bau  tritt  nun 
auch  hier  sehr  deutlich  hervor  (35. 4). 

Aus  den  Angaben  Schneider's  scheint,  wie  ljemer](t,  hervorzugehen,  dass  er  diese  Verhält- 
nisse nicht  richtig  aufgefasst  hat;  er  betrachtet  nämlich  die  zusammcngczogne  und  nun  stark  ver- 
dickte, concentrisch  gestreifte  eigentliche  Cystenhülle  als  die  contrahirte  Gallertschicht  auf;  dass 
letztere  Auffassung  jedoch  nicht  zutrifft,  ergibt  sich  sofort  daraus,  dass  diese  Umbildung  der 
eigentlichen  Cystenhülle  durch  Zusanimenziehung  auch  dann  eintritt,  wenn  eine  Gallerthülle, 
wie  dies  zuweilen  der  Fall  ist,  völlig  fehlt. 

Besondre  Sculpturverhältnisse  der  eigentlichen  Cystenhülle  sind  bis 
jetzt  nur  von  der  Gattung  Stylorhynchus  bekannt;  hier  ist  die  Aussen- 
fiäche  derselben  entweder  mit  kleinen  Tuberkeln  besetzt  oder  zeigt  eine 
retikuläre  Zeichnung,  welche  von  dicht  gedrängten  kleinen  und  vertieften 
Areolen  hervorgerufen  wird  (37.  4  u.  5). 

Ausser  der  eben  näher  beschriebnen  Cystenhülle  soll  nach  Schneider 
bei  Clepsidrina  und  zahlreichen  weiteren  Geschlechtern  noch  eine  zweite, 
innere  existiren.  Bei  Clepsidrina  findet  sich  thatsächlich  noch  eine  solche 
innerste  zarte  Hülle,  welche  die  später  zu  betrachtenden  Sporoducte  trägt 
und  daher  erst  bei  deren  Besprechung  genauer  geschildert  werden  soll. 
Eine  genauere  Darstellung  dieser  zweiten  Hülle  fehlt  bei  Schneider,  so 
dass  sich  auch  'nicht  näher  angeben  lässt,  wie  sie  sich  bei  denjenigen 
Geschlechtern  verhalten  mag,  die  keine  Sporoducte  erzeugen. 

Nur  bei  der  Clepsidrina  ovata  hat  Schneider  (38)  die  Bildung  einer  zweiten  Hülle 
genauer  geschildert,  welche  hier  jedoch  nichts  mit  den  Si^oroducten  zu  thun  haben  soll.  Nach 
Bildung  dieser  zweiten  Hülle  soll  sich  die  erstentwickelte  auflösen  oder  doch  sehr  undeutlich 
werden.  Im  Verlaufe  der  weiteren  Entwickhing  der  Cyste  nimmt  diese  neue  Hülle  ein  eigenthüm- 
lich  retikulcäres  Aussehen  an  und  soll  schliesslich  gewöhnlich  auch  zu  Grunde  gehen.  Die 
Sporoducte  sollen  hier  von  einer  dritten  innersten  nachträglich  gebildeten  Hülle  ausgehen.  Ich 
möchte  veruiuthen,  dass  diese  Darstellung  nicht  dem  wahren  Sachverhalt  entspricht,  da  Schneider 
über  diese  Verhältnisse  zu  damaliger  Zeit  (so  z.  B.  über  die  Bildung  der  Sporoducte)  noch 
sehr  im  Unklaren  war. 

Die  soeben  besprochnen  Encystirungsprocesse  verliefen  sicher  oder 
doch  sehr  wahrscheinlich  mit  Copulation.  Interessanter  Weise  liegen  je- 
doch einige   Beobachtungen   vor,   welche  es  sehr  wahrscheinlich  machen, 


538  Gregariuida. 

dass  die  beiden  Individuen  einer  Syzygie  trotz  genieinsanier  Encystiiiiiig 
der  letzteren,  zuweilen  nicht  mit  einander  verschmelzen,  sondern  getrennt 
sporuliren.  Man  begegnet  nämlich  zuweilen  Cysten  von  Monocystideen 
mit  zwei  eingescblossnen  Gregarinenindividuen,  die  sonder  Zweifel  aus 
der  Encystirung  einer  Syzygie  hervorgegangen  sind,  in  welchen  die  bei- 
den Individnen  durch  eine  die  Cyste  mitten  durchziehende  Scheidewand 
getrennt  sind  (T.  34.  8a— e). 

Jedes  der  beiden  Individuen  l)ildet  hierauf  seine  Sporen  gesondert 
von  denen  des  andern,  nur  gegen  Ende  des  Sporenbildungsprocesses  soll 
nach  Schneider  die  Scheidewand  zuweilen  einreissen,  worauf  sich  die 
Sporen  beider  Individuen  vermischen.  Einen  hierhergehörigen  Fall  hat 
schon  Kölliker  bei  seiner  Monocystis  Saenuridis  geschildert  und  abgebildet 
(s.  T.  34.  8). 

Schneider,  welcher  gleichfalls  solche  Cysten  beobachtet  zu  haben 
scheint,  bezeichnet  den  Vorgang  als  Pseudoconjugation,  Auch  von 
Vedjovsky  (Beiträge  zur  vergl.  Morphologie  der  Anneliden,  Prag  1871)) 
wurde  ein  Fall  von  Pseudoconjugation  bei  seiner  Gonospora  Pachydrili 
beschrieben. 

Jedenfalls  besitzt  diese  Erscheinung  ein  hohes  Interesse,  wenn  mir 
auch  zur  Zeit  nicht  ausgemacht  erscheint,  ob  zwischen  den  beiden  Indi- 
viduen der  sich  encystirenden  Syzygie  nicht  doch  ein  vorübergehender 
conjugativer  Zusammenhang  und  Austausch  stattfindet,  welcher  für  die 
Sporulation  von  Bedeutung  ist. 

D.   Die  Sporulation  (Bildung  der  Sporen). 

Sporenbildung  wurde  bis  jetzt  mit  Sicherheit  nur  bei  encystirten  Gre- 
gariniden  beobachtet.  Es  liegen  zwar  einige  Angaben  vor  über  gelegent- 
liche Sporulation  im  Innern  nicht  encystirter  Formen;  bis  jetzt  genügen 
dieselben  jedoch  meiner  Ansicht  nach  nicht,  um  diesen  Vorgang  ausser 
Zweifel  zu  stellen.  So  will  Claparede  (28)  in  einer  nicht  encystirten  Mono- 
cystis aus  Phyllodoce  zahlreiche  Sporen  beobachtet  haben,  doch  halte  ich 
es  bis  jetzt  für  nicht  hinreichend  erwiesen,  dass  die  im  Entoplasma  dieser 
Gregarine  beobachteten  länglichen  Körperchen  mit  einseitiger  mittlerer  An- 
schwellung wirklich  Sporen  waren  (T,34.12au.b).  Lieberkühn  (30)  fand  1865 
in  Eegenwürmern  Ballen  von  nicht  in  Cysten  eingescblossnen  Sporen  und 
kam  deshalb  gleichfalls  zur  Ansicht,  dass  die  Sporulation  auch  im  nicht 
encystirten  Zustand  geschehen  könne;  endlich  glaubte  sich  Gabriel  (46) 
überzeugt  zu  haben,  dass  die  Sporenbildung  einer  Gregarine  aus  Julus 
sabulosus  (■?  Stenocephalus  Juli  Schnd.)   ohne  Encystirung  vor  sich  gehe. 

Bei  den  Monocystideen  vollzieht  sich  die  Weiterentwicklung  der  Cysten 
häufig  im  Innern  des  Parasitenkörpers,  am  Orte  ihrer  Bildung.  So  im 
Hoden  oder  in  der  Leibeshöhle  bei  den  Monocystideen  der  Regenwürmer, 
dasselbe  gilt  für  die  Cysten  des  Tubifexhodens,  die  Gattung  Adelea  und 
zahlreiche   Coccidien.     Andrerseits   dürfte    jedoch    auch    bei    zahlreichen 


Fiii1|itl;iii/.iiii!j,  drv  IVcirii  (irr;-iri:iiili'ii    (SiMuulatiMii).  539 

Monucysüdccu  der  Vcrdamingsorganc,  ähnlich  wie  dies  für  die  meisten 
l'ülycystidcen  der  Fall  zu  sein  scheint,  die  Wcitcrcntwicklurig  der  Cyste 
erst   nach   ihrer  Entleerung  mit  dem  Kothe  des  Tarasitenträgers  erfolgen. 

Es  kommt  jedoch,  wenn  auch  mir  selten,  bei  den  Polycystideen  der  Insecten  vor,  dass 
die  Cysten  ihre  Weitereutwicklunjy  bis  zur  Keife  im  Darm  des  Parasiteuträgers  durchlaufen ; 
V.  Siebold  beschrieb  diesen  Fall  von  der  Gregarine  einer  Sciaralarvc,  Stein  von  der  Gregarina 
Iveduvii  des  Keduvius  personatus.  Im  erstercu  Fall  wurden  sogar  freie  Pseudonavicelleu 
(Sporen)  massenhaft  in  dem  Darm  angetroffen.  Da  sich  die  entleerten  Cysten  in  feuchtem 
Koth  oder  im  Wasser  weiterentwickeln,  so  wird  auch  wohl  ihrer  Keifung  und  schliesslichen 
Entleerung  im  Insectendarm  nichts  im  Wege  stehen,  wenn  ihre  Abfuhr  durch  irgendwelche 
Umstände  verzögert  wurde.  Eine  normale  Weiterentwicklung  der  Polycystideencysten  im  Darm 
ihres  Parasitenträgers  wird  möglicherweise  bei  der  Porospora  gigantea  des  Hummers  gefunden, 
da  sich  die  Cysten  hier  unterhalb  der  Darmcuticula  linden ;  ihre  Weiterentwicklung  an  diesem 
Ort  ist  jedoch  bis  jetzt  noch  nicht  verfolgt  worden. 

Die  Vorgänge  der  Sporenbildung  in  den  Gregarinencysten  bieten 
trotz  zahlreicher  einschlägiger  Untersuchungen  noch  so  viel  des  Unklaren 
dar,  dass  es  schwer  fällt,  davon  ein  kurzes  und  präcises  Bild  zu  ent- 
werfen. Solitäre  oder  copulative  Encystirung  scheint  hierbei  keine  wesent- 
lichen Unterschiede  hervorzurufen,  jedoch  dürften  hierüber  erst  genauere 
Aufschlüsse  von  zukünftigen  Untersuchungen  zu  erwarten  sein. 

Allgemein  sicher  gestellt  erscheint  zunächst,  dass  kurze  Zeit  nach 
voUzogner  Encystirung  (und  dies  bei  beiden  Arten  dieses  Vorgangs),  der 
Kern  (resp.  die  beiden  Kerne  der  Copulanten)  sehr  undeutlich  wird,  sich 
schliesslich  dem  beobachtenden  Auge  ganz  entzieht,  und  nach  Zerquet- 
schen der  Cysten  in  dem  ausgebreiteten  Cysteninhalt  nicht  mehr  auf- 
gefunden wurde.  Wesentliche  Umbildungen  lassen  sich  nach  der  En- 
cystirung schon  an  den  noch  vorhanduen  Kernen  z.  Th.  constatiren, 
da  dieselben  bei  Clepsidrina  Blattarum  die  Nucleoli  ganz  verloren  haben 
und  auch  an  Grösse  reducirt  erscheinen. 

Aus  diesen  Wahrnelimungen  ist  seither  allgemein  der  Schluss  gezogen  worden,  dass  die 
Kerne  nach  der  Encystirung  durch  Auflösung  völlig  zu  Grunde  gehen.  Inwiefern  jedoch  diese 
Ansicht  nach  den  heutigen  Ansichten  über  die  Nuclei  und  ihre  Bedeutung  noch  gerechtfertigt 
erscheint,  werden  erst  erneute  Untersuchungen  der  undurchsichtigen  Gregarinencysten  lehren 
können.  Die  Möglichkeit  einer  Fortexistenz  der  Kerne  liegt  um  so  näher,  da  es  wenigstens 
bei  einer  Form  bis  jetzt  geglückt  ist,  auf  späteren  Entwicklungsstufen  der  Cysten  zahlreiche 
Kerne  im  Cysteninhalt  aufzufinden. 

Hinsichtlich  der  Entwicklungsprocesse  der  Sporen  oder  Pseudonavi- 
celleu sind  nicht  weniger  wie  drei  verschiedne  Modi  allmählich  nach- 
zuweisen versucht  worden,  ja  diese  drei  Bildungsweisen  sollten  sich  so- 
gar bei  einer  und  derselben  Form  gleichzeitig  vorfinden. 

Zunächst  muss  hervorgehoben  werden,  dass  alle  Beobachter  der  sogen, 
copulativen  Encystirung  die  Ansicht  aussprachen,  dass  die  beiden  zu- 
sammen encystirten  Gregarinenleiber  sehr  frühzeitig,  schon  kurze  Zeit 
nach  vollzogner  Encystirung  und  bevor  die  Bildung  der  Sporen  einge- 
treten sei,  mit  einander  völlig  verschmölzen.  Dieses  ist  nun  keineswegs 
immer  der  Fall,  sondern  die  Sporenbildung  tritt  z.  Th.  schon  zu  einer 
Zeit   ein ,    wo   die  beiden  Individuen  noch  nicht  verschmolzen  sind.     Die 


540  (ili'cgarinicla. 

früheste  Ansicht  über  die  Hervorbildiing  der  Sporen  ans  dem  encystirten 
Gregarinenleib  wurde  wohl  von  Kölliker  ausgesprochen,  welcher  auf  Grund 
seiner  Beobachtungen  an  den  Cysten  von  Monocystis  Saenuridis  ver- 
niuthete ,  dass  sie  wohl  durch  einen  der  Eifurchung  ähnlichen  Vorgang 
entstünden.  Dieselbe  Ansicht  hat  dann  Bruch  für  die  Cysten  des  Regen- 
wurmhodens geltend  zu  machen  versucht. 

Kölliker's  Beobachtung  ist  für  unsre  Frage  wenig  beweisend,  er  sah  nur  bei  gewissen 
Cysten  den  früher  ungetheilten  Inhalt  zu  einer  grösseren  Anzahl  körniger  Kugeln  zerfallen 
(34.  Sc),  während  bei  andern  eine  noch  grössere  Zahl  runder  jugendlicher  Pseudonavicellen  vor- 
handen war  (Sd).  Wie  jedoch  dieser  Zerfall  sich  vollziehe,  ob  durch  successive  oder  durch  simul- 
tane Theilung  und  ob  namentlich  zwischen  den  jugendlichen  Pseudonavicellen  sich  nicht  viel- 
leicht noch  ein  Rest  unzcrfallenen  Cysteninhalts  befand,  lässt  sich  aus  seinen  Beobachtun- 
gen durchaus  nicht  entnehmen.  Nach  Bruch  soll  sich  ein  etwas  unregelmässiger  Furchungs- 
process  am  Inhalt  der  Monocystiscyste,  der  nach  ihm,  da  er  aus  einem  einfachen  Thier  her- 
vorging, zunächst  einheitlich  ist,  vollziehen.  Man  treffe  zunächst  Cysten  mit  zweigetheiltem 
Inhalt,  dann  solche  mit  mehrgetheiltem  und  schliesslich  solche  mit  30  und  mehr  kugligcn 
und  isolirten  Körnerhaufen.  Wenn  diese  Zerfallsproducte  eine  gewisse  Kleinheit  erreicht 
haben,  soll  das  Ganze  wieder  ziemlich  „homogen"  aussehen,  sich  an  den  Eändeni  aufhellen 
und  nun  eine  Menge  runder,  feinkörniger  Bläschen  in  sich  entwickeln,  welche  sich  schliesslich 
auf  Kosten  der  Körnermasse  zu  den  Sporen  entwickeln. 

Auch  Lieberktihn  glaubt  diesen  Modus  der  Sporulation  bei  derselben 
Form  bestätigt  zu  haben,  seine  Ausdrucksweise  ist  jedoch  zu  charakte- 
ristisch, als  dass  wir  dieselbe  hier  nicht  wörtlich  anführen  sollten ;  er  be- 
merkt nämlich,  nachdem  er  diesen  Process  mit  wenig  Worten  erwähnt 
hat:  „ainsi  il  n'y  a  rien  ä  dire  contre  l'opinion  que  par  la  division  con- 
tinue  des  Grcgarines  se  forment  finalement  les  psorospermies/'  Vergeb- 
lich sucht  man  jedoch  sowohl  bei  Bruch  wie  bei  Lieberkühn  nach  einem 
sichern  Nachweis  dieses  Furchungsprocesses.  Ganz  abgesehen  davon, 
dass  nicht  einmal  ein  Theilungsact  direct  beobachtet  wurde,  ist  nament- 
lich beim  Studium  der  Lieberkühn'schen  Abbildungen  sehr  auffallend, 
dass  nicht  eine  derselben  einen  Zustand  darstellt,  wo  mehr  wie  zwei 
Zerfallskugeln  vorhanden  wären,  ohne  dass  gleichzeitig  schon  jugendliche 
oder  auch  ausgebildete  Pseudonavicellen  anwesend  sind.  Solche  Zustände 
müssten  doch  recht  häufig  sein,  wenn  sich  die  Entwicklung  in  der  be- 
schriebnen  Weise  vollziehen  würde. 

Die  so  bestimmten  Angaben  Bruch's  lassen  sich  jedoch  vielleicht  in 
der  Weise  erklären,  dass  er,  bei  schwachen  Vergrösserungen  unter- 
suchend ,  die  in  den  Cysten  schon  anwesenden  Pseudonavicellen  über- 
sehen hat. 

Einen  zweiten  Modus  der  Pseudonavicellenbildung  scheint  sich  Lieber- 
kühn in  der  Weise  vorzustellen,  dass  sich  einzelne  der  körnigen  Zerfalls- 
haufen durch  Verlust  ihrer  Körner  aufhellen  und  nun  in  ihrem  Innern 
Pseudonavicellen  zur  Entwicklung  bringen.  Ich  muss  gestehen,  dass  mir 
dieser  Modus  höchst  unwahrscheinlich  und  unbewiesen  erscheint. 

Wir  gelangen  nun  zu  dem  dritten  Modus,  welcher  zuerst  von  Lieber- 
kühn  sicher   erwiesen   wurde,    der  sich  jedoch  auch  mit  den  Stein'schen 


Fortpfl.  d.  freien  Gregariniden  (Sporulation  b.  Monocystis).  541 

Angaben  über  die  Entwicklung  der  Rcgenwuimcysten  in  Einklang  bringen 
lässt.  Dieser  Modus  besteht  uänjlich  darin,  dass  an  der  Oberfläche  der 
beiden  Körnerkugeln,  welche  gewöhnlich  in  den  jugendlichen  Cysten  ge- 
troffen werden,  allseitig  helle  protoplasmatische  Tropfen  hervorsprosseu 
(sogen.  Sporoblasten  Sehn.),  die  sich  schliesslich  ablösen  und  nun  kleine 
kuglige  Plasmakörper  darstellen,  welche  sich  weiterhin  zu  den  Pseudo- 
navicellen  entwickeln  (33. 4b— c).  Eine  solche  Knospung  jugendlicher  Pseudo- 
navicellen  kann  entweder  gleichzeitig  an  beiden  Kugeln  vor  sich  gehen 
oder  zuerst  an  der  einen,  später  erst  an  der  anderen.  Nach  Lieberkühn 
sollen  sich  nun  die  so  gebildeten  Sporoblasten  auf  Kosten  der  körnigen 
Binnenkugeln  noch  vermehren  können  und  schliesslich  soll  man  auch 
Cysten  finden,  in  welchen  die  Reste  des  körnigen  Gregarinenkörpers  gänz- 
lich geschwunden  sind.  Der  letzterwähnte  Bildungsvorgang  der  Sporo- 
blasten, welcher  auch  durch  die  Beobachtungen  von  A.  Schmidt  und 
R.  Lankester  bestätigt  wurde,  scheint  mir  nun  bis  jetzt  allein  für  die 
Monocystiden  des  Regenwurms  wirkUch  sichergestellt  zu  sein. 

Hierbei  erhebt  sicli  jedoch  noch  die  Frage  nach  der  Herkunft  jener  zwei  körnigen 
Kugeln ,  welche  sich  so  gewöhnlich  in  den  jugendlichen  Cysten  finden.  Nach  Bruch  und 
Lieberkühn  sollen  dieselben  wahrscheinlich  durch  eine  erstmalige  Theilung  des  encystirten 
(iregarinenleibs  entstanden  sein.  Mit  Stcin's  Angaben  harmoniren  sie  auch  niclit  recht,  da  er 
die  sich  copulirenden  Thiere  noch  vor  der  Erzeugung  der  Pseudonavicellen  verschmelzen  lässt. 
Ohne  hier  entscheiden  zu  wollen ,  ob  diese  Kugeln  durch  Theilung  einer  solitär  encystirten 
Gregarine  oder  eines  copulirten  Paares  hervorgegangen  sind,  oder  ob  sie  endlich  zwei  noch 
nicht  verschmolzne,  copulirte  Thiere  darstellen,  glaube  ich  doch  hervorheben  zu  müssen,  dass 
ich  die  letztere  Ansicht  für  die  wahrscheinlichste  halte  und  dies  hauptsächlich  deshalb ,  weil 
ein  wirklicher  Theilungsact  noch  gar  nie  beobachtet  wurde.  Weiterhin  jedoch  auch  deshalb, 
weil  wir  auch  bei  den  Polycystideen  z.  Th.  die  Pseudonavicellen  vor  vollendeter  Copulation 
hervorknospen  sehen  werden. 

Nach  dem  soeben  Erörterten  dürfen  wir  uns  von  dem  wahrschein- 
lichen Verlauf  der  Sporulation  bei  den  Monocystideen  des  Regenwurms 
etwa  folgende  Vorstellung  machen.  Die  Sporulation  geschieht  dadurch, 
dass  auf  der  Oberfläche  des  solitär  encystirten  oder  der  beiden  noch  nicht 
verschmolznen  copulativ  encystirten  Thiere  helle  plasmatische  Zellen  her- 
vorknospen ,  welche  sich  schliesslich  ablösen  und  frei  werden  und  nun 
gewöhnlich  in  einer  Schicht  peripherisch  unterhalb  der  CystenhüUe  an- 
geordnet sind.  Der  bei  der  Sporulation  unverbrauchte  körnige  Rest  des 
oder  der  Gregarinenkörper  zerfällt  nun  in  eine  wechselnde  Zahl  ver- 
schieden grosser  kugliger  oder  unregelmässig  gestalteter  Körper,  vielleicht 
nachdem  vorher  eine  Verschmelzung  der  beiden  Körper  (bei  copulativer  En- 
cystirung)  stattgefunden  hat  (33.  4d — e).  Diese  Reste  der  ursprünglichen 
Gregarinenkörper  haben  keine  weitere  Bedeutung,  wie  es  scheint.  In  ihrem 
Innern  treten  gewöhnlich  mehr  oder  minder  ansehnliche  Vacuolen  auf  und 
häufig  sieht  man  von  ihrer  Oberfläche  protoplasmatische  Fadennetze  ent- 
springen, welche  das  Innere  der  Cyste  bis  zu  deren  Wänden  durchsetzen  (33.4f). 
Da  diese  Körper  im  Allgemeinen  den  Eindruck  machen,  als  seien  sie  zum 
allmählichen  Untergang  bestimmt,  so  scheint  es  auch  nicht  unwahrschein- 
lich, dass  sie  zuweilen  vollständig  zerstört  werden. 


542  Gregarinida. 

Wie  im  Obigen    schon  mehrfach  angedeutet  wurde,   soll  durch  diese 
Schilderung    keineswegs   der    letztbeschriebne  Modus,    als    der   bei   den 
Monocysten     der     Regenwiirmer     alleinherrschende,     hingestellt    werden. 
Möglich,  dass  auch  ein  Sporulationsprocess  durch  fortgesetzte  oder  simul- 
tane Theiluug  des   ganzen  Cysteninbalts   sich   findet,   was  nicht  unglaub- 
lich erscheint,  da  man  auf  Cysten  trifft,  die  dicht  und  gänzlich  mit  Pseudo- 
navicellen   angefüllt   scheinen;    bis  jetzt   kann   ich  jedoch  nur  den  letzt- 
geschilderten Modus    als    einigermaassen    sichergestellt   anerkennen.     Es 
darf  jedoch  andrerseits  auch  als  sicher  betrathtet  werden,   dass  bei  einer 
ziemlichen  Zahl  Gregarinengeschlechter,    und  zwar  sowohl  Monocystideen 
wie  Polycystideen ,   der   ganze  Cysteninhalt   zur  Bildung   der   Sporen  ver- 
braucht wird ,    sich   also   ein  vollständiger  Zerfall   zu  Sporoblasten  findet. 
Schneider  wenigstens  schreibt  eine  solche  „complete  Sporulation'^,  wie  er 
sich   ausdrückt,   nicht  weniger  als   neun   der  von  ihm  beschriebnen  Ge- 
schlechter zu   (zwei  Monocystideen  und  sieben  Polycystideen),   weiterbin 
scheint    aber    dieser    Process    der   Sporulation    auch    bei   den  Coccidien 
durchaus   zu   herrschen.     Es   ist   daher  sehr  zu   bedauern,    dass  wir  bis 
jetzt  nicht  von   einer  einzigen  Form   mit  completer  Sporulation  über  das 
Nähere  des  Sporenbildungsprocesses  unterrichtet  sind.   Schneider  erwähnt 
diesen    Vorgang    der    completen   Sporulation   in   seiner   allgemeinen   Dar- 
stellung mit  keinem  Wort  und  gibt  ebensowenig  bei  der  Specialbeschrei- 
bung ein  Bild  davon.  Auch  diejenigen  Sporulationsprocesse,  welche  seine 
Untersuchungen  genauer  kennen  gelehrt  haben,  sind  durchaus  Knospungs- 
processe,   bei   welchen   der  grössre  Theil  des  encystirten  Leibes  nicht  in 
den  Sporenbildungsprocess  eingeht.  Es  sind  die  Gattungen  Stylorhynchus, 
Clepsidrina,  Gamocystis  und  Euspora,  von  denen  wir  etwas  Näheres  über 
diesen  Vorgang  erfahren  haben.     Bei   diesen  Formen    (speciell  Stylorhyn- 
chus und  Clepsidrina)  soll  sich  nach  Schneider  der  Cysteninhalt  zunächst 
in  zwei  gleich  grosse  Halbkugeln  theilen,  welche  nach  einiger  Zeit  wieder 
mit  einander  verschmelzen,  worauf  die  Sporulation  beginne.    Diesen  Vor- 
gang  halte   ich   für   unwahrscheinlich.     Einmal   hat   Schneider,    wie   mir 
scheint,    den   Theilungsact   selbst   nie   gesehen,   sondern   nur  erschlossen, 
andrerseits   muss  ich   mit   Bestimmtheit   behaupten,    dass   wenigstens   für 
Clepsidrina  polymorpha   und   Blattarum    beide    HaUbkugeln    nicht    einem 
Theilungsact   ihre   Entstehung   verdanken ,    sondern   die  beiden  copulativ 
encystirten   Individuen    eines   Paares    sind.     Die   genaue   Verfolgung   des 
Entwicklungsgangs  der  Cysten  von  Clepsidrina  Blattarum  lässt  durchaus 
nichts  von  einem  solchen  Theilungsact  wahrnehmen.  Da  Schneider  weiter- 
hin auch   für  Stylorhynchus   die   copulative  Encystiruug  sehr  wahrschein- 
lich gemacht  hat,  möchte  ich  auch  bei  dieser  Form  die  beiden  Halbkugeln 
in  gleicher  AVeise  deuten. 

Wie  gesagt,  erfolgt  nach  Schneider  die  Knospuug  der  Sporen  bei  den 
obenerwähnten  Gattungen  nach  der  Verschmelzung  beider  Halbkugcln, 
also  wie  wir  es  auffassen,  nach  vollzogner  Copulation.  Auch  dieser  Vor- 
gang ist   wenigstens   für   die  Clepsidrina  Blattarum    nicht  richtig,    da  bei 


Fortpfl.  il.  freien  (Jregariiiideu  (Siionilatiuii  I).  rolycystidcea).  543 

dieser  die  Knospung  schon  an  der  Oberfliiclie  der  noch  nicht  vcrschmolz- 
nen  beiden  Individuen  eintritt,  wobei  wir  es  'zunächst  unentschieden  hissen 
müssen,  inwiefern  vielleicht  schon  eine  theilweise  Vereinigung  auf  der 
Berührungsfläche  derselben  stattgefunden  hat.  Jedenfalls  ist  bei  dieser 
Form  die  Trennungslinie  der  beiden  Individuen  während  des  Sporu- 
lationsactes  noch  deutlich  sichtbar. 

Die  Knospung  geschieht  bei  Stylorhynchus  ähnlich  wie  bei  der  Mono- 
cystis  des  Regenwurms,  indem  die  jugendlichen  Sporen  als  helle  durchsich- 
tige Plasmaperlen  von  der  Oberfläche  hervorsprossen  (37.3b).  Bei  Clepsidrina, 
Euspora  und  Gamocystis  dagegen  scheinen  die  Sporoblasten  von  Anfang 
an  dicht  gedrängt  hervorzusprossen,  so  dass  sie  eine  cylinderepithelartige 
Schicht  auf  der  Oberfläche  des  Cysteninhalts  bilden  (35.  3).  Von  der  Fläche 
betrachtet  erscheint  diese  Sporoblastenschicht  mosaikartig  (nach  Schneider), 
oder  etwa  wie  ein  aus  sehr  kleinen  Zellen  bestehendes  Blastoderm.  Jeden- 
falls dürfte  sich  auch  der  ganze  Process  der  Sporenbildung  dem  der 
Blastodermbildung  bei  den  Insecten  am  nächsten  vergleichen  lassen.  Ob 
sich  hierbei,  wie  Schneider  will,  ursprünglich  eine  Protoplasmaschicht  auf 
der  Oberfläche  findet,  welche  gleichzeitig  in  ihrer  ganzen  Ausdehnung  in 
die  Sporoblasten  zerfällt,  oder  ob  diese  mehr  allmählich  entstehen  und 
sich  erat  später  mehr  zusammendrängen,  halte  ich  noch  für  unentschieden. 
—  Von  grössrer  Wichtigkeit  ist  aber,  dass  sich  bei  Clepsidrina  Blattarum 
im  oberflächlichen  Plasma  des  Cysteninhalts,  kurz  vor  Eintritt  der  Sporu- 
lation,  eine  grosse  Anzabl  kleiner  Kerne  nachweisen  lässt  und  dass  auch 
die  Sporoblasten  dieser  Form  einen   deutlichen  kleinen  Zellkern  besitzen. 

Ein  sehr  eigenthümliches  Verhalten  zeigt  sich  bei  der  Gattung  Stylo- 
rhynchus nach  dem  Hervorsprossen  der  Sporoblasten.  Diese  letzteren 
sind  ursprünglich  kleine,  sphärische  Plasmakörper;  sehr  bald  strecken  sie 
sich  jedoch  in  die  Länge,  werden  spindelförmig  und  beginnen  nun  leb- 
hafte Contractionsbewegungen  auszuführen,  indem  sie  sich  abwechselnd 
verkürzen  und  wieder  strecken,  gleichzeitig  bewegen  sie  sich  aber  auch 
oscillirend,  indem  ihr  inneres  Ende  sich  auf  die  Oberfläche  des  Cysten- 
inhalts stützt,  das  nach  aussen  gerichtete  dagegen  frei  hin  und  her- 
schwingt (37. 3c).  Dies  Verhalten  der  Sporen  ruft  das  Bild  einer  wimmelnden 
Durcheinanderbewegung  derselben  hervor.  Nur  bei  der  erwähnten  Gattung 
ist  diese  Erscheinung  bis  jetzt  beobachtet  worden. 

Kurz  nach  Entwicklung  der  Sporoblasten  erfolgt  bei  Clepsidrina 
(wenigstens  Cl.  Blattarum)  die  völlige  Verschmelzung  der  beiden  bei  der 
Sporulation  nicht  verbrauchten  Reste  der  copulirenden  Individuen  und 
nun  tritt  eine  Wanderung  der  Sporen  ein,  welche  in  dieser  Gat- 
tung allgemein  vorzukommen  scheint,  da  sie  auch  Schneider  bei  den 
von  ihm  untersuchten  Clepsidrineu  beobachtete.  Die  Sporen  ziehen  sich 
nämlich  von  der  Oberfläche  in  das  Innre  des  bei  der  Verschmelzung  ent- 
standnen  körnigen  Cysteninhalts  zurück,  in  dessen  Centrum  sie  sich  zu 
einem  Haufen  ansammeln  (35.  2e).  Damit  klärt  sich  denn  auch  das  Centrum 
beträchtlich    auf,  da  die  Sporen  ja  aus  ganz  durchsichtigem  Protoplasma 


544  Gregarinida. 

bestehen.  In  welcher  Weise  diese  Wanderung  sich  vollzieht,  ob 
namentlich  die  Sporen  hierbei  durch  active  Beweglichkeit  mitwirken, 
konnte  bis  jetzt  noch  nicht  festgestellt  werden. 

Bevor  wir  jaw  Betrachtung  der  weiteren  Ausbildung  und  des  Baues 
der  reifen  Sporen  oder  Pseudonavicellen  übergehen ,  empfiehlt  es  sich, 
zunächst  die  eigentliiimlichen  Einrichtungen  kennen  zu  lernen,  welche 
sich  bei  gewissen  Formen  entwickeln,  um  die  Oeffnuug  der  reifen  Cysten 
und  die  Ausstreuung  der  Sporen  zu  bewirken  oder  doch  zu  unterstützen. 
Derartige  Einrichtungen  zur  Ausstreuung  der  Sporen  sind  bis  jetzt  nur 
bei  einer  Monocystidee  und  zwei  Polycystideengattungen  aufgefunden 
worden.  Bei  den  übrigen  Formen  geschieht  die  Eröffnung  der  Cysten 
durch  einfache  Sprengung  der  Hüllen  und  Hervortritt  des  Inhalts.  Bei 
einigen  Gattungen  wenigstens  wird  hierbei  ohne  Zweifel  die  sehr  elastische 
und  stark  gedehnte,  eigentliche  Cystenhülle  durch  ihre  nach  dem  Ein- 
reissen  erfolgende  starke  Contraction  zur  Austreibung  des  Inhahs  bei- 
tragen. 

Schneider  glaubt  das  Aufspringen  der  Cysten  in  diesen  Fällen  auf  eine  allmäliliclie 
Volumzunahine  des  Gysteninhalts  zurückführen  zu  müssen  und  bezieht  sich  dabei  auch  auf 
Stein,  welcher  schon  vor  langer  Zeit  angab,  dass  das  Aufspringen  durch  die  Auflösung  des 
bei  der  Sporulation  nicht  verwendeten  Gysteninhalts  unterstützt  werde;  dabei  ist  jedoch  nur 
nicht  recht  abzusehen,  wie  ein  solcher  Vorgang  bei  den  Formen  mit  sogen,  completer  Sporu- 
lation zu  Stande  kommen  soll,  da  sich  ja  hier,  wenn  wir  anders  Schneider  recht  verstehen, 
kein  auflösbarer  Kückstand  des  Gysteninhalts  mehr  findet.  Schneider  glaubt  ferner,  dass  die 
durchsiclitige  Gallertschicht  zahlreicher  Cysten  bei  der  Eröffnung  und  der  Austreibung  des 
Inhalts  vielleicht  betheiligt  sei.  Bringe  man  diese  Gallertschicht  in  Berührung  mit  etwas 
Essigsäure,  so  spränge  die  Cyste  stets  auf.  Die  Gallertschicht  ziehe  sich  hierauf  stark  zu- 
sammen, verdichte  sich  zu  einer  concentrisch  gestreiften  Hülle  und  helfe  derart  den 
Cystcninhalt  austreiben.  Wir  mussten  schon  bei  früherer  Gelegenheit  hervorheben,  dass  nach 
unsrer  Ansicht  diese  concentrisch  gestreifte  Hülle  nicht  durch  Zusammenziehung  der  Gallert- 
schicht, sondern  der  eigentlichen  Cystenhülle  hervorgehe. 

In  zahlreichen  Fällen  mag  jedoch  auch  keinerlei  besondre  Einrich- 
tung zur  Eröffnung  der  Cysten  vorhanden  sein ,  sondern  die  Oeffnung 
mehr  zufällig,  manchmal  vielleicht  erst  nach  Wiederaufnahme  der  Cyste 
durch  einen  andern  Parasitenträger  erfolgen.  Bei  den  Monocystideencysten 
des  Regenwurms  wenigstens  scheinen  die  Cysten  keine  Neigung  zum 
Aufspringen  zu  besitzen. 

Die  eigenthümlichen  Einrichtungen  nun  aber,  welche  bei  gewissen 
Geschlechtern  zur  Eröffnung  der  Cysten  und  zur  Ausstreuung  der  Sporen 
dienen,  sind  von  zweierlei  Art.  Bei  der  Gattung  Stylorhynchus  umhüllt 
sich  der  nicht  zur  Sporulation  verwendete  Cysteninhalt  mit  einer  zarten, 
allseitig  geschlossnen  Membran  und  wird  so  zu  einer  inneren  sogen. 
Pseudocyste,  zwischen  welcher  und  der  eigentlichen  Cystenwand  sich  die 
Sporen  angehäuft  finden  (37.  3d,  pc).  Indem  diese  Pseudocyste  allmählich 
an  Volum  wächst,  sprengt  sie  schliesslich  die  eigentliche  Cystenhülle  und 
dient  so  zur  Eröffnung  und  Ausstreuung  der  Sporen. 

Bei  weitem  interessanter  ist  die  Bildung  der  sogen.  Sporoduete,  welche 
bei  den  Gattungen  Clepsidrina  und  Gamocystis  vorkommen.  Schon  im  Jahre 


[''üitpll.  d.  ficicu  Grcganiiidcii  (Sjiorulatioii ;  Eiiuicht.  zur  Ausstreuung  der  Sporen).   545 

1818  scheiut  Stein  diese  Sporoducte  an  geöffneten  Cysten  der  Clepsi- 
drina  polymorpba  beobachtet  zu  haben;  sehr  kenntlich  bildete  er  sie  je- 
doch 1857*)  ab  und  beschrieb  sie  als  strangförmige  Fortsätze  des  Cysten- 
inhalts,  welche  die  Cystenhaut  durchbohrt  hätten  und  durch  welche  die 
Sporen  nach  Aussen  träten.  Erst  im  Jahre  1873  wurde  jedoch  dieser 
eigenthüraliche  Apparat  von  A.  Schneider  bei  der  Clepsidrina  ovata  wieder- 
entdeckt und  genauer  studlrt,  später  dann  noch  bei  weiteren  Arten  ver- 
folgt und  auch  bei  einer  Monocystide,  dem  Gamocystis,  in  ganz  ent- 
sprechender Ausbildung  angetroffen.  Indem  wir  zur  genaueren  Schilde- 
rung dieser  Sporoducte  und  ihrer  Bildung  tibergehen,  wollen  wir  die  Ver- 
hältnisse bei  Clepsidrina  Blattarum  zu  Grunde  legen,  welche  ich  selbst 
zu  Studiren  Gelegenheit  hatte. 

Sehr  frühzeitig,  schon  vor  dem  Hervorknospen  der  Sporen  und  vor  dem 
Verschmelzen  der  beiden  copulirenden  Individuen  erkennt  mau  unter  der 
eigentlichen  Cystenhülle  das  Vorhandensein  einer  innersten,  dem  Cysten- 
inhalt,  wie  es  scheint,  dicht  aufliegenden,  zarten  Hülle,  welche  deshalb 
von  besondrer  Wichtigkeit  ist,  weil  die  sich  später  bildenden  Sporoducte 
mit  ihr  in  Verbindung  treten  und  dann  als  Anhänge,  resp.  Fortsätze  der- 
selben erscheinen. 

Die  ersten  Spuren  der  Sporoducte  selbst  finden  sich  einige  Zeit  nach 
der  Verschmelzung  des  Cysteninhalts  zu  einer  einheitlichen  Masse  und 
nachdem  sich  die  Sporoblasten  in  das  Centrum  dieser  Masse  zurückgezogen 
haben.  Man  erblickt  dann  in  der  peripherischen  körnigen  Masse  des 
Cysteninhalts  eine,  je  nach  der  Grösse  der  Cysten  verschiedne  Zahl  heller 
rundlicher  Flecke,  welche  von  reinem,  nichtkörnigem  Plasma  gebildet  wer- 
den (35. 2e).  Diese  Flecke  sind  aber  nicht  nur  oberflächliche  Gebilde,  sondern 
jeder  entspricht  einer  radial  gerichteten  Portion  hellen  Plasmas,  die  sich 
von  dem  centralen  Sporenhaufen  bis  zur  Oberfläche  des  Cysteninhalts 
erstreckt.  In  der  Axe  jedes  dieser  hellen  Plasmastreifen  tritt  nun  schon 
deutlich  ein  zartes  Röhrchen  hervor,  über  dessen  erste  Entstehung  sich 
nichts  Näheres  ermitteln  Hess.  Das  peripherische  Ende  dieses  Röhrchens, 
des  Sporoducts,  ist  von  einer  feinkörnigen  plasmatischen  Masse  umlagert, 
von  der  aus  sich  ein  plasmatisches  Fadennetz  in  die  umgebende  körnige 
Masse  verfolgen  lässt,  und  derartige  Plasmanetze  treten  auch  im  weiteren 
Verlauf  des  jugendlichen  Sporoducts  an  ihn  heran  und  umspinnen  ihn  mit 
einem  zarten  Plasmaschlauch,  der  ohne  Zweifel  die  Abscheidung  oder 
Bildung  des  Sporoducts  bewerkstelligt.  Schon  sehr  frühzeitig  tritt  der 
Sporoduct  mit  der  Sporoductenhaut  in  Verbindung  und  erscheint  dann 
wie  eine  röhrenförmige  Einstülpung  desselben  ins  Innre  des  Cysteninhalts. 
Ursprünglich  noch  weniger  resistent,  erlangen  die  Sporoducte  bald  eine 
grössre  Resistenz,  so  dass  sie  wie  die  Sporoductenhaut  der  Einwirkung 
von  Kalilauge  widerstehen  und  mit  Hülfe  dieses  Reagens  sehr  deutlich  ge- 
macht werden  können,  da  dasselbe  die  Körner  des  Cysteninhalts  auflöst. 


■"*)  .T.  V.  Carus.  Icones  zootomicae  1857.  Taf.  I.  Fisr.  .5 


&• 


l'-riiiiii,  Klüs^iMi   (Itis  'riiii^v-Ri'ii-lis.     ri-iiluzna.  35 


546  Gregarinida.  - 

Die  Zahl  der  sich  bikleuden  Sporoducte  ist  sehr  verschieden  und 
scheint  mit  der  Grösse  der  Cysten  ziemlich  regelmässig  zuzunehmen.  Bei 
der  Clepsidrina  Blattarum  schwankt  ihre  Zahl  etwa  zwischen  4—12. 

Die  Art  und  Weise,  wie  diese  Sporoductc  nun  bei  der  Emission  der 
Sporen  in  Wirksamkeit  treten,  ist  die,  dass  sich,  an  Stelle  eines  Aufreissens 
der  Cystenhülle,  die  Sporodncte  plötzlich  nach  Aussen  umstülpen,  indem  sie 
die  eigentliche  Cystenhülle  und  die  Gallertschicht  durchbohren  (34.2b;  35.4). 
Je  nach  der  sehr  verschiednen  Dicke,  welche  diese  letztere  erreicht,  sind  sie 
nach  ihrer  Ausstülpung  in  die  Gallertschicht  eingeschlossen  oder  ragen 
über  dieselbe  noch  frei  hinaus.  Länge  und  Zahl  der  Sporodncte  scheint 
bei  den  verschiednen  Arten  gewissen  Verschiedenheiten  unterworfen  zu 
sein.  Au  den  hervorgestülpten  Sporoducten  der  Clepsidrina  Blattarum 
erkennt  man  noch  eine  eigenthümliche  Bildung  recht  deutlich,  welche  in 
unausgestülptem  Zustand  nicht  wohl  zu  bemerken  war  (35.6).  Ihr  basaler  Ab 
schnitt  ist  nämlich  anscheinend  verdickt  und  zu  einem  besonderen  Basal- 
glied angeschwollen,  auf  welches  ein  langes,  röhrenförmiges  Endglied 
folgt.  Genauere  Beobachtung  lehrt  jedoch,  dass  diese  scheinbare  An- 
schwellung aus  einer  mehr  oder  weniger  unregelmässigen  Anhäufung  einer 
grobkörnig -fasrigen  Masse  um  den  basalen  Abschnitt  des  Sporoducts 
besteht.  Bei  andern  Clepsidrina- Arten  soll  dieses  scheinbare  Basalglied 
noch  viel  deutlicher  sein  und  namentlich  auch  schon  an  dem  unausgestülp- 
ten  Sporoduct  sehr  bemerkbar  hervortreten.  Speciell  bei  Clepsidrina 
Munieri  ist  es  sehr  kenntlich,  da  es  noch  durch  eine  rothe  bis  braune 
Färbung  hervorsticht.  Ueber  die  Entstehungsweise  dieses  scheinbaren 
Basalgliedes  bei  Clepsidrina  Blattarum  dürfte  schwer  etwas  Sicheres  an- 
zugeben sein.  Wahrscheinlich  wird  es  von  einer  Masse  gebildet,  die  bei 
der  Hervorstülpung  der  Sporoducte  zunächst  ausgepresst  wird,  einer 
Masse,  welche  sich  vielleicht  schon  innerhalb  der  unausgestülpten  Sporo- 
ducte vorfand. 

Nachdem  durch  die  Hervorstülpung  einiger  oder  sämmtlicher  Sporo- 
ducte (häufig  geschieht  dieselbe  nämlich  nur  theilweise)  ein  Weg  zum 
Austritt  der  Sporenmasse  geschaffen  wurde,  scheint  deren  Austreten  nun 
einfach  durch  den  Druck  der  sich  contrahirenden  eigentlichen  Cystenhülle 
stattzufinden.  Dabei  kommt  jedoch  (wenigstens  bei  der  Clepsidrina  Blat- 
tarum) noch  eine  eigenthümliche  Einrichtung  zur  Geltung,  welche  ver- 
mittelt, dass  die  central  angehäuften  Sporen  zu  den  Sporoducten  hinge- 
leitet werden.  Als  solche  Leitbahnen  functioniren  nämlich  die  schon  oben 
erwähnten  plasmatischen  Schläuche,  in  deren  Innerem  die  Sporoducte  sich 
bildeten  (35.  4,  s). 

Zuweilen  verläuft  aber  auch  die  Eröffnung  der  Clepsidrinencysteu 
(Cl.  Blattarum)  etwas  anders.  Es  reisst  nämlich  nicht  selten  die  eigent- 
liche Cystenhülle  ein  und  treibt  durch  ihre  Zusammenziehung  den  ge- 
sammten  Cysteninhalt,  in  der  Sporoductenhaut  eingeschlossen,  heraus, 
wobei  dann  gleichzeitig  die  Sporoducte  theilweis  oder  vollständig  zur 
Ausstülpung   gelangen.     Ausser   bei  Clepsidrina  fand  sich,   wie  bemerkt, 


Fortpfl.  d.  freien  Gregarinidcu  (Eiiuicht.  zur  Ausstreuung  d.  S2)orcii ;  Bau  d.  reifen  Sporen).   547 

diese  Sporoductenbildung  bis  jetzt  nur  bei  der  zu  den  Monoeystideen  ge- 
hörigen Gattung  Gamoeystis;  eine  jedenfalls  vorerst  sehr  merkwürdige 
Vertheilung  dieser  Einrichtung. 

E.    Weitere  Ausbildung  und  Bau  der  reifen  Sporen. 

Als  reif  bezeichnen  wir  diejenige  Ausbildungsstufe  der  Sporen,  auf 
welcher  sie  eine  wohlentwickelte  Hülle  von  charakteristischer  Gestalt  be- 
sitzen ,  der  plasmatische  Sporenkörper  jedoch  noch  keinerlei  tiefere  Um- 
bildung, mit  Ausnahme  etwa  einer  Condensation,  erfahren  hat.  Wir  ver- 
liesscn  die  jugendlichen  Sporen  im  vorigen  Abschnitt  als  hüllenlose 
kuglige,  sehr  durchsichtige  Plasmakörperchen,  welche  zuweilen  auch  einen 
Kern  erkennen  Hessen.  In  welcher  Weise  die  weitere  Entwicklung,  spe- 
ciell  zunächst  die  Bildung  der  Sporenhülle  sich  vollzieht,  ist  durch  neuere 
Untersuchungen  nur  wenig  aufgeklärt  worden.  Ohne  Zweifel  wird  man 
wenig  fehlgehen ,  wenn  man  sich  die  Hülle  als  einfaches  Ausscheidungs. 
resp.  Umbildungsproduct  auf  der  Oberfläche  des  nackten  Sporoblasten 
entstehen  denkt.  Da  die  Sporenhüllen  z,  Th.  sehr  eigenthümliche  und 
charakteristische  Formen  besitzen,  so  ist  natürlich  erforderlich,  dass 
auch  die  Sporoblasten  zunächst  derartige  Formen  annehmen,  über 
welche  sich  die  Hülle  alsdann  wie  ein  Abguss  bildet.  Bei  den  Mono- 
cystideensporen  der  Regenwürmer  lässt  sich  dies  auch  wohl  beobachten; 
die  Sporoblasten  nehmen  hier  zunächst  eine  spindelförmige  Gestalt  an,  worauf 
die  Ausbildung  einer  zarten  Membran  auf  ihrer  Oberfläche  beginnt  (33,  5a); 
diese  Membran  verdickt  sich  allmählich,  während  die  Plasmamasse  sich  con- 
densirt  und  sich  dabei  aus  den  Polen  der  spindelförmigen  Hülle  zurück- 
zieht. Diese  etwas  zugespitzten  Pole  werden  durch  eine  besonders  reich- 
liche Ausscheidung  von  Hüllsubstanz  knopfartig  verdickt  (5b).  Die  Sporen- 
hülle der  eigentlichen  Gregarinen  ist,  soweit  bekannt,  stets  eine  einfache 
und  allseitig  geschlossene.  Sie  ist  weiterhin  fast  durchaus  homogen  und 
solide,  nur  bei  der  Gattung  Porospora  wird  die  sehr  dicke  Hülle  von 
zarten,  radialen  Porenkanälchen  dicht  durchsetzt  und  zerfällt  leicht  in  feine 
Stäbchen  (36.  5),  Die  Dicke  der  Hüllmembran  bietet  grosse  Verschieden- 
heiten dar;  im  Gegensatz  zu  den  Verhältnissen  bei  der  eben  erwähnten 
Porospora,  sinkt  sie  bei  andern  Geschlechtern  bis  zur  einfach  con- 
tourirten,  zartesten  Hüllhaut  herab.  Gewöhnlich  ist  sie  durchaus  farb- 
los, nur  bei  Stylorhynchus  zeigt  sie  eine  intensiv  braune  Färbung. 
Ueber  ihre  chemische  Natur  ist  nicht  viel  bekannt;  sie  ist  sehr 
widerstandsfähig  gegen  die  Einwirkung  verschiedner  Reagentien;  dass 
sie  jedoch  nicht  aus  Kieselsäure  besteht,  wie  sich  aus  der  früheren  Ver- 
gleichung  mit  den  Navicellen  vielleicht  hätte  vermuthen  lassen,  hat  schon 
Frantzius  aus  ihrer  Zerstörung  beim  Glühen  bewiesen. 

Von  grosser  Mannigfaltigkeit  sind  die  Gestalts-  und  Grössenverhält- 
nisse  der  Sporen.  Zuweilen  bewahren  auch  die  reifen  Sporen  noch  eine 
nahezu  sphärische  Gestalt,  so  bei  Stylorhynchus  (37,  7)  und  Porospora,  bei 
letztrer  Form  jedoch  auch  häufig  ins  Ovale  übergehend  (36,  5),   Es  finden  sich 

35* 


548  Gregariiiida. 

daon  weiterhin  elliptische  Formen  (wie  bei  Hoplorbynchus),  welche  durch 
Zuspitzung  ihrer  Enden  in  die  spindelförmige,  navicellenartige  Form  über- 
gehen, die  für  die  Regenwurmmonocysten  so  charakteristisch  ist,  jedoch 
auch  bei  Polycystideen  z.  Tb.  auftritt.  Bei  Stenocephalus  sind  die  spindel- 
förmigen Sporen  noch  durch  eine  dunkle  Aequatoriallinie  ausgezeichnet, 
während  bei  Dufouria  eine  Linie  zwischen  den  Polen  der  navicellenartigen 
Sporen  hinzieht,  welche  vielleicht  auf  eine  Zusammensetzung  der  Sporen- 
schale aus  zwei  Hälften  hindeutet  (35.11b).  Auch  die  scheibenförmigen 
Sporen  von  Adelea  sind  zweiklappig  (35. 12c). 

Bei  Actinocephalus  nehmen  die  Sporen  eine  doppeikegelförmige  Ge- 
stalt an  (36. 13c),  während  sie  bei  Echinocephalus  und  Gamocystis  zu  cylin- 
drischen,  mit  abgerundeten  Enden  versehenen  Gebilden  werden  (36.  14c). 
Aehulich  erscheinen  im  Allgemeinen  auch  die  von  Clepsidrina,  sind  jedoch 
an  den  Enden  quer  abgestutzt  und  in  der  Aequatorialgegeud  mehr  oder  weniger 
bauchig  aufgetrieben,  so  dass  die  Gesammtgestalt  tonuenformig  wird  (35.5). 
Die  im  Allgemeinen  ähnlich  gestalteten  Pseudonavicellen  von  Euspora  sind 
nicht  mehr  cylindrisch,  sondern  fünfseitig  prismatisch  (36.  2). 

Von  besonderem  Interesse  ist  das  Vorhandensein  eines  schwauzartigen 
Anhangs  an  dem  einen  Pol  der  ziemlich  spindelförmigen  Sporen  von  Uro- 
spora  (34  6),  eine  Eigenthümlichkeit,  die  namentlich  deshalb  unsre  Be- 
achtung verdient,  weil  ein  solcher  Anhang  ja  auch  einem  Theil  der  Myxo- 
sporidiensporen  eigenthümlich  ist. 

Beraerkenswerth  erscheinen  weiterhin  eine  Reihe  von  Missbildungen 
und  eigenthümlicher  Doppelbildungen,  welche  hauptsächlich  bei  den  Sporen 
der  Regenwurmmonocystideen,  zuerst  durch  Lieberkühu,  beobachtet  worden 
sind.  Einmal  sind  dies  Abweichungen  von  der  spindelförmigen  Normal- 
gestalt, welche  dieselbe  in  eine  mehr  birnförmige  oder  häufig  auch  dreiseitige, 
mit  Ausprägung  dreier  kuopfförmiger  Pole,  überführen  (33.6—8);  anderseits 
jedoch  sehr  eigenthümliche  Doppelbildungen,  welche  man  sich  etwa  durch 
theilweise  Verwachsung  zweier  oder  auch  dreier,  mit  ihren  Längsaxen 
gekreuzter  Sporen  der  Normalform  hervorgegangen  denken  kann  (33. 10). 
Wahrscheinlicher  ist  jedoch,  dass  diese  Missbiidungen  umgekehrt  durch 
unvollständige  Theilung  jugendlicher  Sporen  entstanden  sind.  Auch  die 
schon  erwähnten  dreipoligen,  missgebildeten  Sporenformen  können  in  ähn- 
licher Weise  miteinander  verwachsen  sein  (33.9),  und  weiterhin  lässt  sich 
denken,  dass  sehr  complicirte,  mit  zahlreichen  stachelartigen  Fortsätzen 
versehene  Sporeugestalten  der  Art  entstanden,  dass  die  einfacher  gebauten 
Doppel-  oder  Tripeisporen  nochmals  unter  einander  in  Verbindung  traten 
(33.  11).  Auch  bei  Pileocephalus  hat  Schneider  Doppelsporen  beobachtet, 
welche  sich  wie  eine  Einzelspore  repräsentiren,  die  in  halber  Länge  getheilt 
ist  (36.  lOf ).  Wie  gesagt,  soll  jedoch  durch  diese  Schilderungsweise  der  Viel- 
fachsporen (oder  concretionären  Sporen  nach  Schneider)  keineswegs  ausge- 
sprochen werden,  dass  dieselben  thatsächlich  das  Resultat  von  Ver- 
wachsungsprocessen  der  Einzelsporen  seien.  Der  plasmatische  Inhalt  der 
niissgebikleten    Sporen    zeigt,    soweit   bekannt,    niemnls   Anzeigen    einer 


Foi'fiiHau/..  (I.  rrcicii  (ircgarinidi'n  [V,d[\  ilcr  ivifcn  Spuren).  549 

conii>liciitcren  Znsammensetzung-,  sondern  ist  einfach  gebildet,  wie  der  der 
gewöhnlichen. 

Den  protoplasmatischen  Inhalt  dieser  letzteren  müssen  wir  noch  etwas 
näher  betrachten.  Derselbe  ist  entweder  fast  ganz  körnerfrei  und  da- 
her sehr  durchsichtig  oder  enthält  mehr  oder  weniger  Körnchen,  welche 
sich  bei  der  reifen  Spore  zuweilen  mehr  im  Centrum  des  Plasmakörpers 
zusammenhäufen.  Wahrscheinlich  vermehren  sich  diese  Körnchen  des 
Sporenplasmas  zuweilen  allmählich,  wie  es  mir  wenigstens  bei  Clepsidrina 
Blattarum  schien  und  vielleicht  auch  nach  Lieberkühn's  Untersuchungen 
für  die  Sporen  der  Regenwurmmonocystideen  angenommen  werden  darf. 
Wie  schon  oben  hervorgehoben  wurde,  zieht  sich  das  Protoplasma  in  den 
reifen  Sporen  häufig  durch  Condensation  etwas  zusammen. 

Bei  den  Sporen  einiger  Geschlechter  erwies  zuerst  A.  Schneider  die 
Gegenwart  eines  Zellkerns,  so  bei  Pileocephalus,  Echinocephalus,  Hoplo- 
rhynchus  und  Adelea;  hierzu  gesellen  sich  nach  meinen  Erfahrungen  noch 
die  Gattung  Clepsidrina,  wo  ich  wenigstens  in  den  Sporoblasten  den  Kern 
deutlich  sah  und  weiterhin  die  Monocysliden  der  Regenwürmer,  bei 
welchen  der  Kern  in  grossen  Sporen  sehr  deutlich  hervortritt.  Der 
Nucleus  dieser  letzteren  zeichnet  sich  durch  relativ  beträchtliche  Grösse 
aus  und  ist  auf  den  verschiednen  Ausbildungsstufen  der  Sporen  ziemlich 
leicht  zu  beobachten  (33.5  b).  Schneider  ist  der  Ansicht,  dass  die 
Sporen  theils  Cytoden,  also  kernlos,  theils  kernhaltige  Zellen  seien; 
ich  muss  gestehen,  dass  ich  diese  Ansicht  nicht  für  wahrscheinlich  halte, 
sondern  sämmtliche  Sporen  für  kernhaltig,  also  für  Zellen  im  Häckel'schen 
Sinn  erachten  möchte.  Dass  sich  bis  jetzt  nur  in  wenigen  der  Kern  nach- 
weisen Hess,  ist  bei  der  Kleinheit  der  Objecte  unschwer  verständlich  und 
der  thatsächliche  Nachweis  des  Kernes  bei  einer  Anzahl  Geschlechter  in 
dieser  Hinsicht  gewiss  höher  anzuschlagen,  als  die  negativen  Befunde. 

In  den  Sporen  von  Adelea  fand  Schneider  noch  zwei  längliche  Kör- 
perchen von  unbekannter  Bedeutung,  welche  an  einem  Pol  in  der  Weise 
divergirend  zusammengelagert  sind,  dass  sie  den  Nucleus  zwischen  sich 
nehmen  (35.  12c,  k).  Wenn  auch  die  Bedeutung  dieser  Körperchen  bis 
jetzt  noch  keineswegs  aufgeklärt  ist,  so  beanspruchen  sie  doch  ein  ziem- 
liches Interesse,  da  die  Vermuthung  erlaubt  ist,  dass  sie  den  eigenthüm- 
Hchen  Polkörperchen  der  Myxosporidien  entsprechen. 

Mit  einigen  Worten  wäre  noch  der  Grössenverhältnisse  der  Sporen 
zu  gedenken.  Hierüber  lässt  sich  jedoch  bei  dem  heutigen  Stand  unsrer 
Kenntnisse  schwer  etwas  Umfassendes  mittheilen,  da  derjenige  Forscher, 
welcher  bis  jetzt  die  Sporen  einer  grösseren  Zahl  von  Gregarinen  genauer 
studirt  hat,  A.  Schneider,  über  ihre  Dimensionen  gar  nichts  raittheilt.  Bei 
den  Regenwurmmonocystiden  schwankt  die  Länge  der  Sporen  etwa  zwischen 
0,014  und  0,026  Mm.,  bei  Clepsidrina  Blattarum  besitzen  die  tonnenför- 
migen  Sporen  nur  eine  Länge  von  ca.  0,011  Mm. 

Die  Erwähnung  der  Grössenverhältnisse  der  Sporen  gibt  uns  Anlass, 
noch  auf  eine  eigenthümliche  Erscheinung  aufmerksam  zu  machen,  welche 


550  Gregaiiuida. 

Schneider  bei  einigen  Gregarinen  aufgefunden  hat,  nämlich  das  Vor- 
kommen von  zweierlei,  in  der  Grösse  diöerirenden  Sporen,  sogen.  Mikro- 
und  Makrosporen  bei  einer  und  derselben  Art. 

Dies,  von  ihm  zunächst  bei  der  Clepsidrina  ovata  aufgefundne  Verhalten  sucht  er  Aveiter- 
hin  auch  für  die  sehr  verschieden  grossen  Sporen  der  Monocystiden  des  Kegcnwurms  gel- 
tend zu  inachen.  Auch  hier  glaubt  er  Mikro-  und  Makrosporen,  welche  sich  nur  durch  ihre 
Grösse  unterscheiden,  auseinanderhalten  zu  sollen.  Die  sehr  verschiedne  Grösse  dieser  Sporen 
haben  wir  schon  oben  betont ,  jedoch  will  mir  scheinen ,  als  ob  sich  dieselben  nicht  einfach 
in  Mikro-  und  Makrosporen  scheiden  Hessen,  sondern  dass  sich  auch  Uebergangsstufen  zwischen 
ihnen  finden.  Wie  es  scheint,  geht  Schneider  von  der  Licberkuhn'schen  Ansicht  aus:  dass 
die  Monocystiden  des  Regenwurmhodens  sämmtlich  eine  einzige  Art  bildeten,  eine  Idee,  welche 
ich  mit  Stein  und  Schmidt  für  irrig  oder  doch  wenigstens  für  ganz  unbewiesen  halten  muss. 
Die  sogen.  Mikro-  und  Makrosporen  der  Eegenwurmmonocystiden  könnten  daher  sehr  wohl 
auch  specifisch  verschieden  sein. 

Wie  gesagt,  hat  Schneider  solche  Mikro-  und  Makrosporen  zunächst  bei  der  Clepsidrina 
ovata  aus  der  Larve  des  Tenebrio  molitor  getroffen,  auch  hier,  wie  bei  den  Monocystiden  des 
Eegenwurms,  enthielten  die  einzelnen  Cysten  stets  entweder  nur  die  eine  oder  die  andre 
Sporensortc.  Die  Makrosporen  übertreffen  die  Mikrosporen  etwa  um  das  zwei-  bis  dreifache 
an  Länge.  Aeusserlich  zeigten  die  nach  ihrem  Inhalt  verschiednen  Cysten  keine  Differenz; 
jedoch  unterschieden  sie  sich  in  dem  Kaliber  ihrer  Sporoducte,  indem  diejenigen  mit  Makro- 
sporen auch  entsprechend  weitere  Sporoducte  zum  Durchtritt   der  grösseren  Sporen  aufwiesen. 

Nicht  selten  beobachtet  man,  dass  die  reifen  Sporen  gewisser  Monocystideen  (so  die  der 
Kegenwürmer  zuweilen)  wie  Polycystideen  (namentlich  charakteristisch  bei  Clepsidrina  und 
Stylorhynchus)  in  eigenthümlicher  Weise  aneinanderhängen.  Gewöhnlich  hängen  sich  dann 
eine  grosse  Menge  Sporen,  in  einfacher  Eeihe  hinter  einander  gereiht,  zu  einer  Kette  zusam- 
men (T.  37.  3d).  Die  länglichen  und  spindelförmigen  Sporen  heften  sich,  wie  zu  erwarten, 
mit  den  Polen  aneinander.  Selten  beobachtet  man,  dass  sich  eine  Sporenkette  in  ihrem  Ver- 
laufe zu  zweien  spaltet.  Bei  den  angeführten  Polycystideengeschlechtern  treten  die  Sporen 
aus  den  Cysten  in  solcher  Kettenvercinigung  in  die  Aussenwelt,  und  diese  Ketten  können  sich 
nach  Schneider  mehrere  Tage  unzerfallen  erhalten.  Nach  Gabriel  (43)  soll  das  Zusammen- 
hängen der  Sporen  bei  den  Monocystiden  der  Eegenwürnier  durch  eine  Kittsubstanz  bewirkt 
werden,  welche  entweder  in  Gestalt  eines  Tröpfchens  an  den  Polen  der  spindelförmigen  Sporen 
hervortrete  oder  die  Sporen  gänzlich  umhülle. 

F.   Weiterentwicklung  des  Sporeninhalts,  Ausbildung  sogen,  sichelförmiger 

Keime. 

Bei  der  grösseren  Mehrzahl  der  Gregarinidenformen  wurde  bis  jetzt 
eine  Veränderung  und  Weiterbildung  des  Sporeninhalts  nicht  beobachtet; 
dagegen  Hess  sich  namentlich  bei  gewissen  Monocystideen  eine  sehr  inter- 
essante Weiterentwicklung  desselben  bemerken,  und  da  derselbe  Vor- 
gang auch  bei  einer  Polycystidee  gefunden  wurde  und  weiterhin  bei  den 
Coccidien  allgemein  verbreitet  ist,  so  dürfte  die  Vermuthung  nicht  so  un- 
gerechtfertigt erscheinen,  dass  eine  solche  Weiterentwicklung  des  Sporeu- 
inhalts  möglicherweise  den  Gregarinen  allgemein  zukommt. 

üeber  die  Weiterentwicklung  der  Sporen  der  Eegenwurmmonocystiden  hatte  bekanntlich 
Lieberkühn  eine  eigenthümliche  Ansicht  entwickelt,  dass  nämlich  der  Sporeninhalt  (der  sogen. 
Nucleus  Lieberkühn's)  nach  Ablauf  gewisser,  hier  nicht  näher  zu  erörternder  Umbildungen, 
noch  innerhalb  der  Cysten  durch  Zerstörung  und  Auflösung  der  Sporenhülle  frei  werde  und 
sich  hierauf,  nach  Verlassen  der  Cyste ,  in  der  Leibesflüssigkeit  des  Eegenwurms  zu  einer 
Amöbe  nmbilde,  welche  sich  schliesslich    allmählich  zur  Gregarinenform  entwickle.     Die  ün- 


I''üi'(2'fl.  d.  fr.  (ircg-ariiüdcii  (Bau  u.  W'citcrciitwickl.  d.  reifen  Sporen).  551 

riclitiglicit  dieser  Lieberkülm'schen,   auf  sehr  schwacher  Thatsacheiibasis  beruhenden  Ansicht 
wurde  dann  namentlicli  von  A.  Schneider  erwiesen. 

Nach  iinsein  heutigen  Erfahrungen  erleidet  de?  Inhalt  der  Monocystis- 
sporen  der  Regenwürmer,  und  ähnlich  verhalten  sich  auch  die  Sporen 
von  Urospora,  Gonospora  und  Dufonria,  eine  Art  von  Furchung-,  welche 
entweder  schon  eintritt,  so  lange  die  Cysten  noch  in  den  Parasitenträgern 
verweilen,  oder  auch  erst  nach  ihrer  Entleerung  ins  umgebende  Wasser  etc. 

Bei  den  Monocystissporen  verläuft  dieser  Vorgang  etwa  in  folgender 
Weise.  Der  ziemlich  körnige  Plasmakörper  der  Sporen  nimmt  allmählich 
wieder  an  Volum  zu,  so  dass  er  die  Sporenhülle  wieder  nahezu  völlig 
erfüllt.  Die  Körner  sammeln  sich  mehr  im  Centrum  oder  auch  am  einen 
Ende  des  Plasmakörpers  an.  Wahrscheinlich  findet  jetzt  auch  schon  eine 
Vermehrung  des  Kernes  statt,  indem  man  nun  mehrere,  3 — 4  helle,  kern- 
artige Flecke  im  Plasma  bemerkt.  Hierauf  theilt  sich  der  Plasmakörper 
der  Länge  nach  in  4 — 8  stäbchenförmige,  beiderseits  zugespitzte  und  aus 
körnertreiem  hellen  Plasma  bestehende  Körperchen,  die  sog.  sichelförmigen 
Körperchen  (33.  5c).  Höchst  wahrscheinlich  erfolgt  diese  Längstheilung 
simultan,  nicht  successive,  da  man  successive  Theilungsstadien  nicht  beob- 
achtet. Jedoch  ist  die  Theilung  selbst  sehr  regelmässig  und  erfolgt  nach 
radial  gerichteten  Längsebnen ,  welche  sich  sämmtlich  in  der  Längsaxe 
der  Spore  schneiden,  so  dass  die  sichelförmigen  Keime  ganz  regelmässig, 
etwa  wie  die  Schnitze  einer  Orange  zusammengeordnet  sind  (33.  5d)  *). 

Unregelmässige  Lagerung  der  Körperchen,  wie  sie  sehr  gewöhnlich 
au  den  Sporen  mit  völlig  ausgebildeten  Keimen  zu  beobachten  ist,  dürfte 
wohl  auf  nachträgliche  Verschiebungen  zurückzuführen  sein.  Die  im  Cen- 
trum oder  am  einen  Ende  des  sich  theilenden  Plasmakörpers  angesam- 
melte Körnermasse  wird  bei  der  Theilung  als  eine  axial  gelagerte  Masse 
ausgeschieden,  welche  sich  nach  völliger  Ausbildung  der  Keime  meist 
mehr  abrundet  und  nun  den  sogen.  ,,nucleus  de  reliquaf'  (A.  Schneider's) 
bildet,  ein  Ausscheidungsproduct,  welches  ohne  Zweifel  keine  Bedeutung 
mehr  für  die  Entwicklung  der  Gregarine  besitzt  (5c,  r).  Vergleichen  lässt 
sich  diese  Ausscheidung  des  Nucleus  de  reliquat  oder  Restkörpers  vielleicht 
am  besten  mit  dem  Reinigungsprocess,  der  sich  auch  bei  der  Encystirung 
gewisser  Rhizopoden,  Heliozoen  und  Flagellaten  vollzieht,  indem  inner- 
halb der  Cyste  die  Nahrungsreste  und  Excretkörnchen  ausgestossen  werden. 
Es  erscheint  auch  nicht  unwahrscheinlich,  dass  sich  bei  näherer  Unter- 
suchung die  Körnermassen  des  Restkörpers  als  chemisch  ditferent  von 
den  gewöhnlichen  Gregarinenkörnern  und  zwar  als  Excretionsproduct 
ergeben  möchten. 

Die  Entstehungsgeschichte  der  sichelförmigen  Keime  ist  bei  den  übrigen 
Geschlechtern   bis  jetzt  noch   wenig  ausreichend  erforscht,  jedoch  dürfte 


*)  Gabriel  (43)  leugnete  die  Entstehung  sichelförmiger  Keime  in  den  Sporen  der 
Eegenwurmmonocystideen  und  gab  eine  Darstellung  der  Weiterentwicklung  dieser  Sporen,  auf 
welche  jedoch  hier  nicht  näher  eingegangen  werden  soll,  da  ich  sie  für  unrichtig  halte  und 
Gabriel  selbst  späterhin  (44)  die  sichelförmigen  Keime  häufig  beobachtet  zu  haben  scheint. 


552  öregariiiiJa. 

bei  der  allgemeiocn  Ucbereinstimmnng*  der  Verhältnisse  auch  eine  analoge 
Entstehung  sehr  wahrscheinlich  sein.  Der  sogen.  Restkörper  besitzt  eine 
allgemeine  Verbreitung. 

Die  sichelförmigen  Keime  der  Regenwurrasporen  lassen  einen  deut- 
lichen Nucleus  wahrnehmen;  bei  denen  der  übrigen  Geschlechter  (Uro- 
spora,  Gonospora  und  Dufouria,  34.  5  u.  6,  35.  IIb)  glückte  der  Nachweis 
eines  Kernes  bis  jetzt  noch  nicht,  jedoch  dürfte  derselbe  wohl  auch  hier 
nicht  fehlen.  Beweguugserscheinungen  Hessen  sich  bis  jetzt  an  den  Kei- 
men der  erwähnten  Gregarinengeschlechter  noch  nicht  sicher  beobachten, 
da  aber  die  ganz  entsprechenden  der  Coccidien  deutliche  Bewegungs- 
erscheinuugen  zeigen,  so  ist  ihr  Auftreten  unter  geeigneten  Bedingungen 
auch  hier  zu  erwarten*). 

Schon  oben  wurde  hervorgehoben,  dass  ziemlich  viel  für  ein  verbrei- 
teteres  Auftreten  der  sichelförmigen  Keime  im  Entwicklungskreis  der 
Gregarinen  spricht,  jedoch  fehlen  hierfür  bis  jetzt  positive  Nachweise. 
Was  die  Bedeutung  der  Keime  betrifft,  so  ist  bei  dem  Mangel  that- 
sächlicher  Erfahrungen  über  ihr  weiteres  Schicksal  bis  jetzt  nur  die  An- 
nahme vermuthungsweise  zulässig,  dass  sie  sich  unter  geeigneten  Bedin- 
gungen direct  zu  den  Gregarinenformen  entwickeln.  Näheres  über  diese 
Frage  wird  der  folgende  Abschnitt  bringen. 

G.  Die  Wiederentwicklung  der  Gregariniden  aus  den  Sporen. 

Wir  betreten  hier  den  bis  jetzt  noch  dunkelsten  Abschnitt  in  der 
Fortpflanzungsgeschichte  der  Gregariniden.  Bis  heute  ist  noch  nicht  in 
einem  einzigen  Fall  die  Entwicklung  der  Gregarine  aus  den  Sporen  zu- 
sammenhängend verfolgt  worden. 

Ganz  flüchtig  wollen  wir  liier  nur  einige  AnsicLten  berüliren,  welclie  im  Laufe  der  Zeit 
über  diese  schwierige  Frage  mit  mehr  oder  weniger  Berechtigung  ausgesprochen  worden  sind. 
KöUiker  vermuthete  einst,  dass  die  Entwicklung  der  Gregarinen  einfach  durch  Auswachsen 
der  Sporen  unter  geeigneten  Bedingungen  geschehe;  dass  also  die  Hülle  der  Spore  sich  direct 
in  die  der  Gregarine  umwandle  und  so  fort.  Stein  dagegen,  welcher  sich  zuerst  auch  die 
Ermittlung  der  Neuinfection  der  Parasitenträger  mit  Gregarinen  zur  Aufgabe  machte,  wollte 
sich,  speciell  bei  Clepsidrina  Blattarum,  überzeugt  haben,  dass  der  Sporeninhalt  nach  Aufnahme 
der  Sporen  in  den  Darmkanal  der  Schaben  —  ein  Fall,  der  sich  ja  beim  Fressen  des  mit 
Sporen  geschwängerten  Kothes  sehr  leicht  ereigne  —  in  der  Form  einer  jungen  Gregarine 
hervorschlüpfe.  Der  Ansicht  Lieberkühn's  wurde  oben  schon  mehrfach  gedacht;  nach  ihm 
sollten  sich  die  Eegcnwürmer  fortdauernd  selbst  mit  Gregarinen  inficiren,  indem  die  als  kleine, 
kernlose  Amöben  frei  gewordnen  Sporenkörper  sich  allmählich  wieder  zu  Gregarinen  ent- 
wickelten. Es  ist  aber  auch  schon  genügend  gezeigt  worden,  dass  die  Herleitung  eines  Theils 
der  amöboiden  Körperchen  der  perivisceralen  Flüssigkeit  der  Eegenwürmer  von  den  Mono- 
cystissporen  durchaus  nicht  erwiesen  und  andererseits  auch  der  üebergang  dieser  Amöben  in 
die  Gregarinen  nicht  mit  Sicherheit  dargelegt  wurde. 


*)  Nach  einer  Mittheilung  Gabriel 's  (44)  möchte  es  jedocli  scheinen,  dass  er  freie 
bewegliche  sichelförmige  Keime  in  den  Hoden  und  der  Leibeshöhlenflüssigkeit  der  Regen- 
würmer vielfach  beobachtet  hat. 


E-'orllill.  d.  l'r.  (ircganuicluii  (Sicliclföim.  Keime  u.  Wicilerontwickl.  ^].  (irogar.  aus  d.  Sporen).  553 

Leider  besitzen  wir  für  diejenigen  Gregarinen,  welche  bis  jetzt  die 
Entwicklung  sichelförmiger  Keime  erkennen  Hessen,  gar  keine  Erfahrungen 
über  die  eventuelle  Entstehungsweise  der  ausgebildeten  Gregarinen  aus 
jenen  Keimen.  Ja  es  ist  sogar  in  diesen  Fällen,  und  speciell  für  die  so 
vielfach  untersuchten  Monocj'stiden  der  Regenwürmer,  bis  jetzt  ganz 
zweifelhaft,  auf  welchem  Wege  die  Infection  mit  jugendlichen  Gregarinen, 
resp.,  wie  ja  sehr  wahrscheinHch ,  mit  den  sichelförmigen  Keime  enthal- 
tenden Sporen  geschieht.  Denn  dass  sich  die  Sporen  dieser  Monocysti- 
den,  wie  Lieberkühn  annahm  und  neuerdings  wieder  Gabriel  behauptete, 
direct  in  ihrem  Parasitenträger  wieder  zu  Gregarinen  entwickelten,  dürfte 
kaum  zulässig  erscheinen.  Man  braucht  nur  die  kolossale  Masse  der 
Cysten,  welche  die  Hoden  gewöhnlich  erfüllt,  mit  der  meist  nicht  sehr 
erheblichen  Zahl  ausgebildeter  Gregarinen  zu  vergleichen,  um  diese  An- 
nahme sehr  unwahrscheinlich  zu  finden.  Würde  sich  der  Entwicklungs- 
gang in  der  erwähnten  Weise  vollziehen,  so  wäre  nicht  recht  einzusehen, 
warum  die  Hoden  der  Regenwürmer  nicht  stets  strotzend  von  Gregarinen 
erfüllt  gefunden  werden. 

Weiterhin  wissen  wir  jedoch  bestimmt,  dass  sich  die  Sporen  der 
Arthropodenpolycystiden  nicht  in  ihrem  ursprünglichen  Wirth  weiter- 
entwickeln, sondern  durch  Uebertragung  in  den  Darm  eines  zweiten 
AVirths  verpflanzt  werden  müssen,  um  zur  Entwicklung  zu  gelangen. 

Bis  jetzt  sind  es  gerade  die  Entwicklungsprocesse  gewisser  Polycysti- 
den,  welche,  obgleich  in  nur  lückenhafter  Weise,  etwas  genauer  erkannt 
wurden.  Zunächst  gelang  es  E.  van  Beneden  (34),  den  wahrscheinlichen 
Entwicklungsgang  seiner  Porospora  gigantea  näher  zu  ermitteln  und  dieser 
bietet,  vorausgesetzt,  dass  der  Verlauf  thatsächlich  in  jeder  Hinsicht  rich- 
tig geschildert  wurde,  sehr  interessante  Verhältnisse  dar.  Einmal  dadurch, 
dass  hier  zum  ersten  Mal  ein  amöboides  Ausgangsstadium  wirklich  mit 
genügender  Sicherheit  constatirt  zu  sein  scheint.  Als  Ausgangspunkt  der  Ent- 
wicklung fand  E.  van  Beneden  nämlich  im  Darme  des  Hummers  kleine  amöben- 
ähnliehe  kernlose  Plasmagebilde,  welche  ziemlich  lebhafte  Gestaltsverände- 
rungen zeigten,  jedoch  niemals  eigentliche  Pseudopodien  entwickelten  (36. 6a), 
wie  wir  denn  auch  bei  den  amöbenähnlichen  Umbildungszuständen  der 
sichelförmigen  Keime  der  Coccidien  mehr  contractiven  Formänderungen 
wie  eigentlichen  Pseudopodien  begegnen  werden.  Leider  blieb  jedoch  die 
Plerkunft  dieser  Plasmagebilde  unbekannt  und  die  Annahme,  dass  sie 
direct  aus  den  Sporen  hervorgegangen  seien,  ist  bis  jetzt  durchaus  nicht 
zu  erweisen.  Nach  Beneden's  Darstellung,  welche  auf  Combination 
verschiedner  beobachteter  Zustände,  nicht  jedoch  auf  directe  Verfolgung 
der  Fortentwicklung  gegründet  ist,  soll  sich  die  Weiterbildung  dieser  kern- 
losen Plasmakörper  folgendermaassen  gestalten. 

Zunächst  erlischt  die  Bewegung,  worauf  der  Plasmakörper  zwei  finger- 
artige Fortsätze  entwickelt,  welche  sich  einmal  durch  ihre  Plasmabeschaflfen- 
heit,  indem  nämlich  der  eine  körnig,  der  andre  fast  körnerfrei  ist,  andrer- 


554  (ircgai'inida. 

seits  jedoch  auch  dadurch  unterscheideD,dass  der  kölnerfreie keiue Beweglich- 
keit zeigt,  der  audre  dagegen  sich  lebhaft  bewegt  (6b — d).  Seine  Bewegungen 
bestehen  hauptsächlich  in  knieformigen  Einknickungen  und  in  Strömungs- 
erseheinungen  des  Plasmas  nach  dem  freien  Ende  des  Fortsatzes  hin. 
Allmählich  verlängert  sich  der  Fortsatz  mehr  und  mehr  und  wächst 
schliesslich  zu  einem  scblauchartigen  Gebilde  aus.  Seine  Zusammenhaugs- 
stelle  mit  dem  Plasmakörper,  welcher  ihm  den  Ursprung  gab,  schnürt 
sich  allmählich  ein  und  soll  schliesslich  einreissen,  so  dass  der  Fortsatz 
frei  wird.  Derselbe  besitzt  nun  etwa  die  Gestalt  eines  kleinen  Nematoden, 
zeigt  auffallender  Weise  auch  eine  ganz  nematodenähnliche  lebhafte  Beweg- 
lichkeit und  wird  daher  von  van  Beneden  als  Pseudofilarie  bezeichnet  (6h). 
Der  Rest  des  Plasmakörpers  mit  dem  unbeweglichen  Fortsatz  wandelt 
sich  nun  schliesslich  in  seiner  Totalität  in  eine  ähnliche  Pseudofilarie  um, 
indem  der  unbewegliche  Fortsatz  allmählich  beweglich  wird  und  der  Kest 
des  Plasmakörpers  in  ihm  aufgeht  (6f — h).  In  solcher  Weise  sind 
demnach  aus  einem  Plasmakörper  zwei  kernlose  Pseudofilarien  hervor- 
gegangen, welche  sich  allmählich  direct  zu  jugendlichen  Gregarinen  ent- 
wickeln werden.  Letzteres  geschieht  in  der  AVeise,  dass  die  Pseudofilarie 
allmäblich  ihre  Beweglichkeit  verliert  und  sich  mebr  und  mehr  ver- 
kürzt. Gleichzeitig  tritt  in  ihr  ein  dunkler  Nucleolus  auf,  um  welchen 
sich  bald  eine  helle  Zone  entwickelt,  der  eigentliche  Körper  des 
Kernes  (6i— 1). 

Unter  weiterer  Verkürzung  nimmt  die  jugendliche  Gregariue  schliess- 
lich eine  ovale  bis  birnförmige  Gestalt  an.  Bald  tritt  an  ihrem  einen 
Ende  ein  knopfartiger  Fortsatz  auf,  der  sich  durch  eine  Anhäufung  zahl- 
reicher dunkler  Körnchen  noch  weiterhin  auszeichnet  und  sich  in  der  Folge 
zu  dem  Protomerit  hervorbildet  (6m— n).  Beim  weiteren  Wachsthum  ist  das 
Deutomerit  bevorzugt,  welches  sich  rasch  verlängert.  Erst  relativ  spät 
lässt  sich  die  Cuticula  deutlich  unterscheiden,  wogegen  sehr  frühzeitig, 
schon  an  dem  bewegungslos  gewordnen,  ursprünglichen  Plasmakörper  ein 
Ectosark  angedeutet  war. 

Soweit  die  Darstellung  Beneden's,  über  die  einige  Worte  zu  bemerken 
hier  gestattet  sein  möge. 

Sehr  zweifelhaft  dürfte  die  auf  Grund  dieser  Beobachtungen  ent- 
wickelte Ansicht  erscheinen,  dass  sich  der  Nucleus  erst  im  Laufe  der 
Entwicklung  hervorbilde  und  der  ursprüngliche  Ausgangspunkt  eine 
kernlose  Cytode  sei,  da  wir  positiv  wissen,  dass  die  Sporen  einer  Reihe 
von  Gregarinen  kernhaltig  sind.  Ein  schwacher  Punkt  ist  weiterhin  die 
Unsicherheit  über  die  Herkunft  der  ursprünglichen  amöboiden  Plasma- 
körper —  die  Lücke,  welche  zwischen  deren  Auftreten  und  den  reifen 
Sporen  noch  blieb.  Diese  Lücke  dürfte  vielleicht  auch  noch  einige  Zweifel 
über  die  richtige  Gruppirung  der  einzeln  beobachteten  Entwicklungs- 
zustände  gestatten.  Ich  erlaube  mir  diese  leisen  Zweifel  anzudeuten  in 
der  Hoffnung,   dass   hierdurch    vielleicht  zur  weheren  Aufklärung  dieses 


l'oiliiH.  (1,  freien  (ircg-.  i^Kutwirkl.  d.  l'uius|K)ra  g'igaiitca  u.  d.  l'ru.siioi'a  Sipiiiiciili).  555 

interessanten  Falls  einige  Veranlassung-  gegeben  werde.  Hchon  Schneider 
hat  hervorgehoben,  dass  der  sogen.  Pseudofilariazustaud  eine  grosse  Aehn- 
lichkeit  mit  den  sichelförmigen  Keimen  andrer  Gregarinen  besitze  und  ist 
daher  geneigt,  den  Entwicklungsgang  der  Porospora  gigantea  so  aufzu- 
fassen, dass  bei  ihr  die  Erzeugung  der  sichelförmigen  Keime  nicht  in  den 
Sporen,  sondern  erst  nach  dem  Ausschlüpfen  des  Sporeninhalts  erfolge. 
Immerhin  wäre  es  jedoch  möglich,  dass  die  Uebereinstimmung  zwischen 
der  Entwicklung  der  Porospora  und  der  übrigen  Gregarinen  noch  weiter- 
gehe, wenn  wir  nämlich  die  Möglichkeit  berücksichtigen,  dass  der  von 
van  Beneden  postulirte  Zusammenhang  der  gesehenen  Entwicklungszustände 
nicht  völlig  dem  Thatsächlichen  entspreche.  Mir  scheint  die  Annahme 
nicht  ganz  unzulässig,  dass  es  auch  hier  die  Pseudofilarien  (oder  sichel- 
förmigen Körperchen)  sind ,  welche  aus  den  Sporen  hervorschlüpfen  und 
in  diesen  schon  gebildet  worden  sind.  Bei  einer  solchen  Auffassung  wäre 
dann  der  Zusammenhang  zwischen  den  sogen.  Pseudofilarien  und  den 
amöboiden  Plasmakörperchen  in  umgekehrter  Reihenfolge  zu  deuten  und 
durch  Umgestaltung  dieser  letzteren  Hessen  sich  vielleicht  die  jugendlichen 
Gregarinen  entstanden  denken.  Es  lässt  sich  zwar  nicht  verkennen,  dass 
dem  Versuch  einer  solchen  Deutung  des  Beobachteten  sehr  erhebliche 
Schwierigkeiten  entgegenstehen,  jedoch  könnte  immerhin  ein  etwas  andrer 
als  der  von  E.  van  Beneden  aus  seinen  Beobachtungen  gefolgerte 
Entwicklungsgang  möglich  erscheinen,  worauf  hinzuweisen  vorzüglich  der 
Zweck  der  obigen  Bemerkungen  sein  sollte. 

Gewisse  Aehnlichkeiten  mit  dem  eben  geschilderten  Entwicklungsgang 
der  Porospora  gigantea  glaubt  R.  Lankester  (35)  auch  bei  einer  Monocystide, 
der  Urospora  Sipunculi  gefunden  zu  haben.  Das  jüngste  Ausgangsstadium 
bilde  hier  eine  pseudotilarienartige,  kleine  kernlose  Form,  welche  häufig 
in  theilweis  aufgebrochnen  Cysten  der  Leibeshöhle  des  Sipunculus  und 
dem  Divertikel  des  hintern  Darmabschnittes  angetroifen  wurde.  Diese 
pseudofilarienartige  Form  war  sehr  beweglich  und  zwar  waren  auch  hier 
ihre  Bewegungen  ganz  nematodenähulich.  An  sie  schien  sich  als  weiter- 
entwickeltes Stadium  zunächst  eine  kernhaltige  Form  anzuschliessen,  bei 
welcher  sich  ein  hintrer  Leibesabschnitt  durch  eine  Einschnürung  wie  eine 
Art  Schwanzanhang  von  dem  vorderen,  kernhaltigen  abgesetzt  hatte,  so 
dass  die  Gestalt  sehr  an  eine  Cercarie  erinnerte  und  dies  um  so  mehr, 
als  die  Beweglichkeit  nur  auf  den  Scliwanzabschnitt  beschränkt  war. 
Nach  Lankester's  Vermuthung  soll  sich  dieser  Schwanzabschnitt  nun  von 
dem  kernhaltigen  vorderen  Leibesabschnitt  loslösen ,  der  erstere  sich  zu 
einer  jugendlichen  Monocystide  hervorbilden,  während  das  Schicksal  des 
Schwanzes  nicht  zu  ermitteln  war.  Weiterhin  glaubt  jedoch  L.,  dass  die 
in  solcher  Weise  entstaudnen  jugendlichen  Monocystideen  sich  durch  Längs- 
theilung vermehrten,  da  er  sie  häufig  zu  zweien  der  Länge  nach  zusammen- 
gelagert traf  und  auch  gelegentlich  statt  eines  Kernes  in  einem  Einzel- 
thier    deren   zwei   traf,    was  er    als    erste    Vorbereitung    zur  Längsthei- 


556  Gregariiiida. 

luug  cleuleu  möclite.  So  interessante  Momente  auch  durch  diese  Miüliei- 
hingen  aus  dem  wahrscheinhcben  Entwicklungsgang  der  M.  Sipunculi  zu 
unsrer  Kenntniss  gekommen  sind,  so  seheinen  mir  die  Lankester'schen 
Untersuchungen  doch  noch  zu  unvollständig,  um  einen  eingehenderen  Ver- 
gleich mit  der  Entwicklung  der  Gregarina  gigantea  zu  gestatten. 

Genauere  Ermittelungen  über  die  Entwicklung  einer  zweiten  Poly- 
cystidee  aus  den  Sporen  liegen  noch  aus  neuester  Zeit  vor.  Es  gelang 
nämlich  Bütschli  (47),  die  Schaben  durch  Fütterung  mit  reifen  Sporen  der 
Clepsidrina  Blattarum  zu  inticiren  und  in  dieser  Weise  die  jugendlichsten 
bis  jetzt  gesehenen  Entwicklungsstufen  dieser  Polycystidee  zu  beobachten. 
Leider  glückte  es  bis  jetzt  auch  hier  nicht,  den  Sporeninhalt,  welcher  bei 
dieser  Form  bekanntlich  bisher  noch  nichts  von  einem  Zerfall  in  sichel- 
förmige Keime  gezeigt  hat,  beim  Herausschlüpfen  aus  der  Sporenhülle  im 
Darmkanal  der  Schabe  zu  beobachten.  Damit  ist  denn  auch  hier  die 
Frage  noch  offen  geblieben,  ob  und  welche  Umbildungen  dieser  Inhalt 
vor  seinem  Hervortreten  eventuell  noch  erfahren  kann.  Die  jugendlich- 
sten Gregarinenformen,  welche  drei  Tage  nach  der  Infection  einer  Schabe 
mit  Sporen  massenhaft  im  Mitteldarm  gefunden  wurden,  zeigten  jedoch 
eine  Reihe  sehr  interessanter  Verhältnisse.  Sie  fanden  sich  keineswegs 
frei  im  Darminhalt,  sondern  w^aren  sämmtlich  mit  einem  Theil  ihres  Körpers 
in  die  freien  inneren  Enden  der  Darmepithelzellen  eingesenkt  (35.8).  Die 
jugendlichsten  Gregarinen  war^  kleine,  ovale  bis  etwas  birnförmige  Zellen, 
welche  an  Grösse  die  Sporen  nicht  übertrafen  und  einen  sehr  deutlichen 
Kern  mit  grossem  Nucleolus,  sowie  sehr  feinkörniges  Protoplasma  (nach 
Behandlung  mit  Essigsäure)  aufwiesen.  Sie  fanden  sich,  wie  gesagt,  bis 
zur  Hälfte,  oder  auch  über  die  Hälfte  in  die  Epithelzellen  eingesenkt  und 
zwar  so,  dass  der  Kern  stets  in  der  freigebliebenen  Aussenhälfte  einge- 
bettet war.  Bei  den  weiteren  Entwicklungsstufen  zeigte  namentlich  diese 
Aussenhälfte  ein  rascheres  Wachsthum,  wurde  mehr  kugelförmig  und 
setzte  sich  bald  durch  eine  scharfe  Grenzlinie  von  dem  eingesenkten 
Theil  ab,  womit  dann  der  Zustand  einer  kleinen  Polycystidee  deutlich 
erreicht  war. 

Weitere  Entwicklungsstadien  sind  bis  jetzt  noch  nicht  bekannt  ge- 
worden, so  dass  namentlich  die  Frage  noch  unerledigt  bleiben  muss,  ob 
die  zunächst  zur  Differenzirung  gelangenden  beiden  Körperabschnitte  der 
jugendlichen  Clepsidrina  dem  Protomerit  und  Deutomerit  entsprechen  und  ob 
das  bei  etwas  ausgebildeteren  Zuständen  (35.  9)  auftretende  und  dann  allein 
noch  in  die  Zelle  eingesenkte  Epimerit  als  eine  Differenzirung  des  Proto- 
merits  auftritt,  oder  aber  ob  der  zur  Differenzirung  gelangte  vordere  Ab- 
schnitt allein  dem  Epimerit  entspricht.  Erstere  Ansicht  wird  wohl  der 
Wahrheit  näher  kommen. 

An  diesem  lückenhaften  Entwicklungsgang  einer  Polycystidee  inter- 
essirt  uns  namentlich  die  Erfahrung,  dass  die  jugendlichsten  Zustände 
thatsächlich   als   eine  Art  Zellenschmarotzer  aufzufassen   sind ;   und   dass 


Foitiill.  d.  fr.  (jlrcgarinideii   (Entwickl.  d.  Clci>si(lniia,  der  Monocystis  agilis  etc.).     557 

zalilreiclie  rolycystidecn  sieh  in  ähnlicher  Weise  verhalten  werden,  wissen 
wir  daraus,  dass  die  grosse  Mehrzahl  derselben  in  ihrer  Jugend  mit  Hafl- 
apparaten  ausgerüstet  ist,  welche  sie  an  die  Darmepithelien  befestigen. 
Wir  wissen  jedoch,  dass  auch  Monocystideen  in  ihrer  Jugend  eine  solche 
zellenschmarotzende  Lebensweise  führen;  wir  schliessen  dies  einmal  aus 
der  Thatsache,  dass  sich  die  Monocystis  magna  bis  zu  ihrer  Reife  mit  ihrem 
Vorderende  in  Zellen  eingesenkt  findet  (33.  la),  andrerseits  aus  dem  von 
A.  Schmidt  und  Lieberkühn  ermittelten  Entwicklungsgang  der  Monocystis 
agilis.  Schmidt  hat  hiervon  eine  Darstellung  gegeben,  welche,  wie  mir 
scheint,  grosses  Vertrauen  verdient.  Bei  dieser  Form  dürfen  die  jugend- 
lichen Zustände  geradezu  als  intracelluläre  Schmarotzer  beansprucht  wer- 
den, denn  wenn  auch  die  centrale  Piasmakugel  der  Spermatoblastosphären, 
innerhalb  welcher  sie  sich  entwickeln,  sich  durch  den  Mangel  eines  Zell- 
kerns aus  der  Reihe  der  lebendigen  Zellgebilde  wahrscheinlich  entfernt, 
so  ist  dies  doch  ziemlich  irrelevant  für  die  Auffassung  des  Schmarotzer- 
thums  dieser  jugendlichen  Gregarinen.  Schmidt  traf  sie  zunächst  als  äusserst 
kleine,  kuglige  Gebilde  mit  wohlausgebildetem  Zellkern  an  (33.  3a).  Unter 
Waehsthura  der  ganzen  Spermatoblastosphäre  wächst  auch  die  eingeschlossne 
Gregarine  rasch  heran  und  zeigt  bald  deutliche  Bewegungserscheinungeu 
(3b).  Die  Gestalt  der  Spermatoblastosphäre  wird  oval  und  die  Sper- 
matoblasten beginnen  sich  zu  entwickeln  und  kurze  Schwanzfortsätze  zu 
treiben,  wodurch  die  ovale,  gregarinenhaltige  Blase  ein  eigenthümliches 
Aussehen  erhält  (3  c  —  d);  schliesslich  wächst  die  Gregarine  so  heran, 
dass  sie  das  Innre  der  Spermatoblastenblase  völlig  ausfüllt.  Die  verküm- 
merten, zu  kurzen,  haarartigen  Fädchen  ausgewachsenen  Spermatozoon 
bilden  den  schon  früher  erwähnten  haarartigen  Ueberzug  der  ziemlich 
ausgewachsenen  Monocystis  (3ej.  Die  schliessliche  Abstreifung  dieser  Hülle 
wurde  dann  früherhin  gleichfalls  schon  erwähnt  (3f — g)*). 

Einen  weiteren  Fall  intracellulären  Parasitismus  der  Jugendformen 
einer  Monocystis  theilt  R.  Lankester  (97)  in  neuester  Zeit  mit;  derselbe 
traf  nämlich  die  Jugendzustände  der  Monocystis  Thalassemae  als  Schma- 
rotzer in  den  Darmepithelzellen  der  Thalassema,  einmal  auch  in  grosser 
Anzahl  in  den  Eiern  dieser  Gephyree. 

Mit  einigen  Worten  müssen  wir  am  Abschluss  uusrer  Betrachtung 
über  die  Entwicklungsvorgänge  der  Gregarinen  noch  der  neuerdings  von 
Gabriel  (41 — 44)  entwickelten,  sehr  eigenthümlichen  und  von  dem  seither 


*)  Nach  einer  soeljen  erschienenen  Mittheilung-  von  Dietr.  Nasse  (Beiträge  zur  Anatomie 
der  Tubificiden.  Inaug.-Diss.  Bonn  1882)  über  einige  Entwicklungszustände  der  Urospora 
Saenuridis  K.  Lank.  aus  dem  Hoden  von  Tubifex,  scheint  es  mir  nicht  unwahrscheinlich,  dass 
diese  Form  einen  ähnlichen  Entwicklungsgang  besitzt  wie  Monocystis  agilis.  Da  N.  nämlicli 
mit  einem  sogen.  Wimperkranz  versehene  Cysten  beschreibt  und  abbildet,  liegt  die  Vermuthung 
nahe ,  dass  auch  hier  die  Cilienbeklcidung  verkümmerten  Spermatozoon  ihre  Entstehung  ver- 
dankt. Wenn  diese  Vermuthung  richtig  ist,  so  wäre  weiterhin  von  Interesse,  dass  die  Urospora 
Saenuridis  noch  unter  der  schützenden  Decke  verkümmerter  Samenfäden  zur  Encystirung 
schritte. 


558  Gregarinida. 

Bekannten  durchaus  abweichenden  Vorstelhingeu  über  die  Entwicklungs- 
vorgünge  der  Regenwurmmonocystiden  gedenken.  Es  dürften  seine  An- 
gaben an  dieser  Stelle  um  so  eher  eine  kurze  Erwähnung  finden,  als  sie 
sich  z.  Th.  höchst  wahrscheinlich  auf  ähnliche  Entwicklungszustände 
gründen,  wie  die,  welche  wir  soeben  nach  Schmidt  und  Lieberkühn's 
Forschungen  aus  der  Lebensgeschichte  der  Monocystis  agilis  kennen  lern- 
ten. Gabriel  ist  zunächst  mit  Lieberkühn  überzeugt,  dass  die  kernlosen 
Amöben  der  perivisceralen  Flüssigkeit  der  Regenwürmer  thatsächlich  in 
den  Entwicklungskreis  der  Monocystiden  gehören ;  neue  Nachweise  hier- 
für werden  aber  kaum  beigebracht.  Die  Entwicklung  der  Gregarinen  aus 
diesen  Amöben  soll  sich  aber  nicht  durch  einfaches  Hervorwachsen  voll- 
ziehen, wie  sich  Lieberkühn  diesen  Vorgang  etwa  vorstellte,  sondern  auf 
sehr  eigenthümlichen  Umwegen.  Die  Amöben  sollen  z.  Th,  durch  Con- 
crescenz  zu  sogen.  Synamöben  sich  umbilden  und  nur  aus  diesen,  nicht 
jedoch  den  einzeln  gebliebnen  Amöben  gingen  die  Gregarinen  hervor. 
Aber  auch  nur  ein  Theil  dieser  Synamöben  erzeugt  Gregarinen,  ein  andrer 
Theil  dagegen  entwickelt  sich  zu  myxomyeetenähnlichen  Plasmodien, 
welche  auch  schon  Hering  beobachtet,  jedoch  unrichtig  gedeutet  habe. 
Auf  diese  Erfahrung  gründet  Gabriel  seine  Ueberzeugung  von  der  Ver- 
wandtschaft der  Gregarinen  mit  den  Myxomyceten. 

Die  ersterwähnte  Form  der  Synamöben  erzeugt  nun  die  Gregarinen  in  drei 
bis  vier  sehr  verschiednen  V/eisen,  jedoch  entwickeln  sich  die  Gregarinen 
stets  nur  aus  einzelnen  Amöbenindividuen  dieser  Svnamöben.  Die  Entwick- 
lungsprocesse  sollen  sich  im  Grossen  und  Ganzen  den  Knospungs-  und  Sporen- 
bild uugsprocessen  anreihen  lassen.  Genauer  geschildert  wird  nur  der 
Entwicklungsprocess  der  Monocystis  agilis,  aus  dessen  Darstellung  mit 
ziemlicher  Sicherheit  hervorgeht,  dass  Gabriel's  Beobachtungen  sich  auf 
ähnliche  Entwicklungszustände  gründen,  wie  wir  sie  nach  Schmidt  und 
Lieberkühn  oben  geschildert  haben.  Dass  wir  nicht  geneigt  sein  können, 
die  Spermatozoenkeimblasen  mit  Gabriel  für  Synamöben  zu  halten, 
dürfte  natürlich  erscheinen  und  sind  wir  daher  naturgemäss  auch  bezüg- 
lich der  übrigen  geschilderten  Vorgäiage  sehr  im  Zweifel.  Uebrigens  liegen 
die  Gabrierschen  Mittheilungen  nur  in  so  kurzer  und  schwerverständlicher 
Form  vor,  dass  eine  eingehendere  Beurtheilung  derselben  unmöglich 
erscheint. 

H.   Fortpflanzungs-  und  Entwicklungsgeschichte  der  sog. 
ei-  oder  kugelförmigen  Psorospermien  (Coccidien  Lck.). 

Da  die  Lebensgeschichte  und  die  Fortpflauzungsverhältnisse  der  seit- 
her besprochnen  freien  Gregariniden  in  mancher  Hinsicht,  obgleich 
keineswegs  principiell,  von  den  entsprechenden  Vorgängen  bei  den  als 
Coccidien  bezeichneten  Monocystideen  abw^eichen  und  weiterhin  unsre 
Kenntnisse  bei  beiderlei  Formen  noch  in  vieler  Hinsicht  weiterer  Auf- 
klärung bedürfen,  erscheint  es  zur  Zeit,  im  Interesse  einer  möglichst  klaren 


FortpH.  il.  fr.  (ircgariiiidcii  ((jtabricl  üb.  Eiitwickl.  von  INtoiioeytitis).   L''ui1iiil.  d.   lyoccidion.  559 

Darstellung,  von  Vortbeil,  die  Entwicklungs-  und  Fortpflan/ungsvorgänge 
der  Coccidien  gesondert  von  jenen  der  übrigen  Gregariniden  zu  be- 
handeln. 

Wir  haben  die  Coccidien  als  meist  kleine  kuglige  oder  eiförmige 
Zellen  kennen  gelernt,  welche  in  ihrer  Jugend  gewöhnlich  hüllenlos  er- 
scheinen und  stets  in  die  Gewebe  ihrer  Wohnthiere  selbst  eingelagert 
sind.  Unsre  seitherigen  Erfahrungen  lehren,  dass  sie  meist  das  Innere 
einzelner  Zellen  bewohnen,  jedoch  liegen  auch  eine  Reihe  von  Angaben 
vor,  welche  die  Wohnstätte  gewisser  Coccidien  in  das  Bindegewebe  ver- 
legen, wobei  es  denn  zweifelhaft  bleibt,  ob  sie  sich  auch  an  diesem 
Ort  als  Zellenschmarotzer  vorfinden.  Wir  werden  die  Frage  nach  dem 
Wohnort  uusrer  Schmarotzer  späterhin  noch  eingehender  zu  betrachten 
haben.  Sehr  zweifelhaft  muss  es  heutzutage  erscheinen,  ob,  wie  einzelne 
Forscher,  so  z.  B.  Waldeuburg  und  Eimer  vermuthen,  die  Entwicklung  der 
Darmcoccidien  auch  ganz  frei  im  Darmschleim  verlaufen  könne;  die  That- 
sache,  dass  man  den  verschiedenartigsten  Entwicklungszuständen  auch 
frei  im  Darmschleim  begegnet,  dürfte  doch  wohl  eher  durch  leichtes 
Herausfallen  aus  den  Epithelzellen  zu  erklären  sein. 

Eine  Erscheinung,  welche  sich  der  Conjugation  und  Copulation  der 
seither  besprochnen  Gregariniden  vergleichen  liesse,  wurde  bis  jetzt  bei 
den  Coccidien  noch  nie  beobachtet.  Dagegen  gaben  einige  Forscher,  so 
Waidenburg,  Rivolta  und  Eimer  an,  dass  sich  die  jugendlichen,  hüllenlosen 
Coccidien  (speciell  die  des  Darms)  durch  Theilung  vermehrten;  die  beiden 
erstgenannten  Beobachter  erklären  sich  hierdurch  das  gleichzeitige  Vor- 
kommen mehrerer  Coccidien  in  einer  Zelle;  Eimer  will  die  Theilung  im 
nichtencystirten  Zustand  bei  den  Darmcoccidien  sehr  verschiedner  Wirbel- 
thiere  gesehen  haben,  scheint  diesem  Vorgang  jedoch  eine  ähnliche  Be- 
deutung beizulegen,  wie  der  gleich  zu  betrachtenden  Theilung  nach  der 
Encystirung.  Nach  erlangter  Reife  encystiren  sich  nämlich  unsre  Cocci- 
dien allgemein.  Derartige  Encystirungszustände  waren  es,  welche  früh- 
zeitig bekannt  und  daher  auch  ursprünglich  als  Psorospermien  bezeichnet 
wurden. 

lieber  die  Bildung  der  Cystenhaut  bei  den  durch  ihre  beträchtliche 
Grösse  sich  auszeichnenden  Coccidien  der  Pulmonatenniere  und  der 
Cephalopoden  ist  wenig  bekannt.  Nach  den  Beobachtungen  Eberth's  an 
der  letzteren  Form  möchte  es  scheinen,  dass  die  Cystenhaut  hier  unter- 
halb einer  zarten  Cuticula,  welche  die  erwachsne  Coccidie  aufweist,  zur 
Ausbildung  gelangt;  nach  den  in  dieser  Hinsicht  jedoch  auch  sehr  un- 
sichern  Mittheilungen  von  Kloss  über  die  erstere  Form  liesse  sich  dagegen 
vielleicht  umgekehrt  auf  die  Bildung  der  Cystenhülle  ausserhalb  einer 
ebenfalls  vorhandnen  feinen  Cuticula  schliessen.  Nach  den  neueren  Er- 
fahrungen von  Aime  Schneider  scheint  überhaupt  die  Bildung  einer  dop- 
pelten Cystenhülle  bei  den  Coccidien  nahezu  regelmässig  zu  sein.  Schneider 
gibt  zwar  an,  dass  einige  Geschlechter  nur  eine  einfache  Cystenhaut  be- 
sässen,  ich  kann  jedoch  nach  seinen  eignen  Mittheilungen  nur  die  Gattung 


560  Gregai'iiiida. 

Orthospora  als  solche  namhaft  macheo.  Gewöhnlich  ist  die  äussere  Cysten- 
haut  dicker  und  resistenter,  häufig  jedoch  nicht  immer  deutlich  doppelt 
contourirt,  während  die  innere  sehr  zart  und  daher  meist  schwer  nach- 
weisbar ist. 

Es  ist  jedenfalls  nicht  ohne  Interesse,  dass  wir  die  bei  den  Coccidien 
so  gew^öhnlichen  doppelten  Cystenhüllen  auch  bei  den  früher  besprochnen 
freien  Gregariniden   mehrfach  in  gleicher   Ausbildung    trafen. 

Bei  einer  Form,  der  Schneider'schen  Cyclospora,  ist  es  sicher,  dass 
die  innere  Cystenhaut  erst  nach  der  äusseren  entsteht,  indem  sie  hier 
erst  gebildet  wird ,  wenn  sich  der  Cysteninhalt  durch  Coudensation  be- 
trächtlich aus  den  Polen  der  äusseren,  länglichen  Hülle  zurückgezogen  hat. 
In  diesem  Fall  ist  also  die  innere  Cystenhülle  viel  kürzer  wie  die  äussere 
und  wenn  sich  die  Condensation  des  Cysteninhalts  noch  weiter  fortgesetzt 
hat,  scheinen  die  polaren  Theile  der  inneren  Hülle  wie  zwei  Scheide- 
wände den  Hohlraum  der  äusseren  Cystenhülle  jederseits  zu  durchsetzen,  in- 
dem nämlich  in  der  äquatorialen  Region  die  beiden  Hüllen  dicht  aufeinander 
lagern  und  daher  hier  nicht  zu  unterscheiden  sind  (39,2).  Eigenthümlich  schei- 
nen sich  die  Hüllen  bei  dem  Coccidium  oviforme  zu  verhalten,  daesLeuckart 
für  sehr  wahrscheinlich  hält,  dass  sich  hier  zunächst  eine  sehr  zarte  Um- 
hüllungshaut bilde,  unter  welcher  dann  erst  die  eigentliche,  dickere  und  in  ihrer 
Gestalt  etwas  verschiedene  Cystenhaut  entsteht  (37.  IIa).  Die  erstgebildete 
zarte  Hülle  geht  bald  verloren  (Hb).  An  der  einfachen  Cystenhaut  oder  der 
äusseren  dickeren  der  beiden  Häute  finden  sich  zuweilen  noch  besondere 
Auszeichnungen.  Bei  den  Leber-  und  Darmcoccidien  der  Säugethiere 
wurde  vielfach  (zuerst  von  Waidenburg)  eine  feine  Oeffnung  (sogen.  Mikro- 
pyle)  an  einem  Pol  der  eiförmigen  Cystenhaut  beobachtet.  Eimer  will 
an  den  Darmcoccidien  der  Maus  (Eimeria  falciformis)  häufig  sogar  an 
beiden  Polen  solche  Mikropylöfifnungen  gesehen  haben  (38.2b).  Auch  Aime 
Schneider  beobachtete  an  dem  einen  Pol  der  einfachschaligen  Orthospora 
eine  eigenthümliche  Marke  („stigma")  der  Cystenhaut,  vielleicht  ein  der 
sog.  Mikropyle  der  andern  Beobachter  entsprechendes  Gebilde  (39.1);  jeden- 
falls hält  es  Schneider  aber  nicht  für  eine  Oeffnung.  Bei  der  Conden- 
sation bleibt  der  Cysteninhalt  dieser  Form  anfänglich  und  regelmässig  durch 
einen  feinen  Plasmafaden  an  dieser  Marke  der  Schalenhaut  befestigt, 
später  löst  sich  jedoch  der  Faden  und  zieht  sich  in  das  übrige  Plasma 
zurück.  Die  einfache  Cystenhaut  der  Orthospora  scheint  weiterhin  noch 
in  ihrer  äquatorialen  Region  von  feinen  Porenkanälchen  durchsetzt 
zu  sein,  bis  jetzt  das  einzig  bekannte  Vorkommen  solcher  Gebilde  bei 
den  Cystenhüllen  der  Sporozoen. 

Ueber  die  chemische  Natur  der  Cystenhäute  liegen  keine  genaueren 
Angaben  vor,  jedoch  betonen  eine  Reihe  Forscher  ihre  grosse  Widerstands- 
fähigkeit gegen  Reagentien  (CIH,  NO3H,  KHO).  Kauflfmann  behauptete 
sogar,  dass  die  Cystenhaut  des  Coccidium  oviforme  von  Schwefelsäure 
nicht  zerstört  werde. 


Fortpfl.  d.  Cocciclicii  (Eucystirung,  Sporulatioii).  561 

Wie  bemerkt,  richtet  sich  die  Gestalt  der  Cysten  nach  der  der  reiten 
Coccidien,  wir  begegnen  daher  kugligen,  eiförmigen  bis  etwas  cyliudri- 
schen,  aber  auch  zuweilen  birnförmigen.     (Vergl.  T.  37 — 39.) 

Die  Weiterentwicklung  der  Cysten  beginnt  häufig  mit  einer  schon 
mehrfach  erwähnten  Condensation  ihres  Inhalts,  welcher  sich  in  den 
länglichen  Cysten  aus  den  Polen  zurückzieht  und  im  Centrum  kuglig 
zusammenballt.  Bei  birnförmig  gestalteten  Cysten  ballt  sich  der  Inhalt 
im  breiteren  Cystentheil  zusammen.  Dagegen  scheinen  Formen  mit  kug- 
ligen  Cysten  häufig  keine  oder  doch  nur  eine  sehr  schwache  Condensation 
aufzuweisen. 

In  ziemlicher  Uebereinstimmung  berichten  die  Untersucher,  dass  einige 
Zeit  nach  vollzogner  Encystirung  der  Kern  verschwinde,  was  ja  auch 
für  die  entsprechende  Entwicklungsstufe  der  eigentlichen  Gregarinen  all- 
gemein betont  wird.  Leuckart  fand  zwar  im  Cysteninhalt  des  Coccidium 
oviforme  stets,  sogar  nach  der  Vermehrung  noch  in  jedem  der  Theil 
producte  (Sporoblasten),  einen  centralen  hellen  Fleck,  er  bestreitet  jedoch 
dessen  Kernnatur,  da  er  sich  nicht  färben  Hess.  Wie  bei  den  eigentlichen 
Gregarinen  möchten  wir  auch  bei  den  Coccidien  das  gänzliche  Schwinden 
des  Kernes  bezweifeln,  denn  wir  werden  finden,  dass  in  den  Entwicklungs- 
producten  des  Cysteninhalts,  den  sichelförmigen  Keimen,  Zellkerne  nicht 
selten  deutlich  nachweisbar  sind. 

Neuerdings  konnte  Aime  Schneider  (94)  bei  einer  Coccidie  (Cyclospora 
glomericola)  die  sehr  interessante  Beobachtung  machen,  dass  man  kurz 
vor  oder  nach  dem  Verschwinden  des  Zellkerns  in  den  von  Flüssigkeit 
erfüllten  beiden  Polen  der  Cyste  je  ein  kleines  glänzendes  Körperchen  auf- 
treten sieht  (39  .2b).  Der  ursprünglich  im  Centrum  des  Cysteninhalts  gelegne 
Kern  war  vor  seinem  Verschwinden  ganz  dicht  unter  die  Oberfläche  in 
der  Aequatorialregion  gertickt.  Mit  grosser  Berechtigung  hebt  Schneider 
ohne  Zweifel  die  Aehnlichkeit  der  beiden  glänzenden  Körperchen  mit  den 
sogen.  „Richtungskörperchen"  der  sich  entwickelnden  Eizelle  hervor. 
Diese  Beobachtung  eröffnet  eine  verlockende  Aussicht  auf  weitere  Fort- 
schritte in  der  Erkenntniss  der  Beziehungen  der  Fortpflanzungsvorgänge 
bei  Proto-  und  Metazoen. 

Die  weitere  Entwicklung  der  encystirten  Coccidien  vollzieht  sich  ähn- 
lich wie  bei  den  freien  Gregariniden  entweder  an  dem  Bildungsort  der  Cysten 
oder  aber  nachdem  diese  auf  irgend  welchem  Weg  in  die  Aussenwelt 
gelangt  sind.  Die  Cysten  zahlreicher  Coccidien  scheinen  jedoch  vor  ihrer 
weiteren  Entwicklung  wenigstens  aus  den  Zellen,  in  welchen  sie  ursprüng- 
lich schmarotzten,  in  die  Körperhöhlen  ihrer  Wirthe  entleert  zu  werden, 
wenngleich  auch  häufig  bei  gewissen  Formen  Cysten  mit  ausgereiften 
Sporen  in  den  Zellen  angetroffen  werden. 

Die  Weiterentwicklung  im  Wirthsthier  scheint  sich  bei  vielen  Coccidien 
der  Wirbellosen  und  der  kaltblütigen  Wirbelthiere  zu  finden,  jedoch  nicht 
stets,  zum  mindesten  hat  Schneider  bei  seiner  Cyclospora  aus  dem  Darm 

ITioiiii,  Klassen  des  Tliier-Reiclis.     l*i-oto'/,o;i.  30 


562  Gregarinitla. 

von  Glomeris  (Myriopode)  constatirt,  dass  die  WeiterentwickluDg  der  Cysten 
erst  in  den  Fäces  des  Wirthes  eintritt.  Dasselbe  findet  sich  wenigstens 
bei  einem  Theil  der  Coccidien  der  Warmblüter,  sicher  bei  dem  sogen. 
Coccidium  oviforme  und  den  Darmcoccidien  der  Vögel  (nach  Eivolta's 
Untersuchungen).  Die  Darmcoccidien  der  Säugethiere  scheinen  dagegen, 
wenn  auch  nicht  stets,  so  doch  häufig  am  Encystirungsort  ihre  weitere 
Entwicklung  zu  durchlaufen.  Rivolta  hält  den  Unterschied  in  Bezug  auf 
den  Ort  der  Weiterentwicklung  sogar  für  so  wichtig,  dass  er  hauptsäch- 
lich hiernach  die  Coccidien  in  zwei  Gattungen  sondert,  die  mit  externer 
Entwicklung  als  Cytospermium,  die  anderen  dagegen  als  Psorospermium 
bezeichnet.  Fraglich  dürfte  wohl  erscheinen,  ob  diejenigen  Coccidien, 
welche  für  gewöhnlich  ihre  weitere  Entwicklung  erst  ausserhalb  des  Wohn- 
thieres  beginnen,  nicht  auch  in  der  Entwicklung  weiter  fortschreiten  wür- 
den, wenn  sie  nur  hinreichend  lange  im  Organismus  des  Wohntliieres 
zurückgehalten  würden. 

Der  weitere  Entwicklungsprocess  der  encystirten  Coccidien  besteht 
nun  wie  bei  den  eigentlichen  Gregarinen  darin,  dass  sich  aus  ihrem  proto- 
plasmatischen Leib  eine  verschiedne  Anzahl  von  Sporen  oder  Pseudonavi- 
cellen  hervorbildet.  Die  Sporulatiou  scheint  fast  durchaus  eine  complete 
zu  sein,  d.  h.  der  Inhalt  des  Protoplasmaleibes  sich  gänzlich  ohne  Rück- 
stand in  Sporen  umzubilden.  Die  Nierencoccidien  des  Frosches  scheinen 
nach  Lieberkühn's  Angaben  hiervon  z.  Tb.  eine  Ausnahme  zu  machen, 
indem  deren  Cysten  häufig  neben  den  Sporen  noch  körnige  Masse  auf- 
weisen; ebenso  bleibt  auch  nach  Schueider's  Untersuchungen  bei  der 
Sporulation  der  Klossia  soror  zuweilen  ein  centraler  Rest  des  Cysteninhalts 
unverbraucht. 

Die  Sporulation  der  Coccidien  führt  zur  Bildung  einer  sehr  verschied- 
nen  Zahl  von  Sporen,  und  zwar  wächst  die  Sporenzahl  im  Allgemeinen 
mit  der  Grösse  der  Coccidienformeu.  Das  einfachste  Verhalten  treflfen  wir 
in  dieser  Hinsicht  bei  den  Gattungen  Eimeria  Sehn,  und  Orthospora  Sehn. 
(Unterabtheil.  Monosporea  Sehn.).  Hier  bildet  sich  nämlich  der  Inhalt  der 
encystirten  Coccidie  in  seiner  Gesammtheit  zu  einer  einzigen  Spore  um, 
indem  er  sich  im  Centrum  der  Cystenhaut  zu  einer  kugligen  Spore  zu- 
sammenzieht, welche  entweder  nackt  bleibt  (Orthospora,  T.  oU.  1)  oder 
sich  in  eine  sehr  zarte  Sporenhaut  hüllt  (T.  38.  2). 

Bei  den  übrigen  Coccidien  bildet  der  Cysteninhalt  eine  grössere  An- 
zahl von  Sporen  aus ;  eine  Reihe  von  Formen  (Unterabtheilung  der  Oligo- 
spora  Sehn.)  erzeugt  eine  geringe  und,  wie  es  scheint,  für  eine  und  die- 
selbe Form  in  der  Regel  constante  Sporenzahl.  Die  Sporen  entstehen  in 
diesem  Fall  durch  einen  Theilungsprocess  des  Cysteninhalts. 

Bei  den  hierhergehörigen  Gattungen  Cyclospora  Sehn,  und  Isospora 
Sehn,  zerfällt  der  Inhalt  durch  einfache  Theilung  in  zwei  kuglige  oder 
ovale  Sporoblasten ,  welche  allmählich  eine  spindelförmige  (Cyclospora, 
T.  39.  2)   oder   birnförmige   (Isospora)   Gestalt   annehmen  und  sich  durch 


Fortptl.  der  (Joccidieii   (Sporulatioii).  5G3 

Ausbildung  einer  einfachen  Sporenbülle  zu  zwei  spinclel-  oder  birnförmigen 
Sporen  entwickeln. 

Auch  bei  gewissen  Darmcoccidien  der  Vögel  (Psorosperniiura  Avium 
Rivolta)  soll  die  Sporenbildung  nach  Rivolta  eine  äbnlicbe  sein ,  indem 
der  Inhalt  gleicbfalls  nur  in  zwei  Sporoblasten  zerfalle.  Dasselbe  gibt 
Rivolta  auch  für  gewisse  Coccidieu   der  Darmzotten   des  Hundes  an. 

Bei  der  Gattung  Coccidium  (oviforme  Lck.  der  Kaninchenleber)  zer- 
fällt der  im  Centrum  der  Cyste  kuglig  condensirte  Protoplasmaleib  durch 
eine  wahrscheinlich  ziemlich  simultan  geschehende  Theilung  in  vier 
Sporoblasten  (37.  11c),  welche  sich  zu  ovalen  Körperchen  umformen  und 
eine  ihrer  Oberfläche  dicht  aufliegende,  sehr  zarte  Sporenhülle  ausscheiden 
(lld).  An  dem  einen,  etwas  mehr  zugespitzten  Pol  der  Sporenhülle  dieser 
Form  findet  sich  ein  zuerst  von  Stieda  beobachtetes  kleines,  dunkles 
Knöpfchen. 

Gegenüber  diesen  meist  kleineren  Formen  mit  sehr  wenigen  Sporen, 
finden  wir  bei  den  grösseren  (ünterabtheilung  Polysporea  Sehn.)  einen 
Zerfall  des  Cysteninhalts  in  zahlreiche  Sporen,  ähnlich  wie  bei  den  ge- 
wöhnlichen Gregariniden.  Eine  grosse  Menge  von  Sporen  wird  in  den 
häufig  stecknadelkopfgrossen  Cysten  der  Froschniere  erzeugt,  ganz  ähn- 
lich ist  dies  auch  bei  den  ansehnlichen  Coccidiencysten  der  Cephalo- 
poden  (38.  le),  etwas  geringer  dagegen  bei  den  auch  kleineren  der  Gastro- 
podenniere  (37.10d;  beide  Molluskenformen  zur  Gatt.  Klossia  Sehn,  gehörig). 
Der  Vorgang  der  Sporulation  ist  bei  diesen  Polysporeen  bis  jetzt  nur  noch 
wenig  ausreichend  aufgeklärt.  Nach  den  Beobachtungen  von  Kloss  an 
der  Klossia  helicina  möchte  es  scheinen,  dass  hier  der  Sporulationsact  in 
etwas  verschiedner  Weise  geschehen  könnte,  entweder  durch  einen  ziem- 
lich unregelmässig  verlaufenden  Zerfallsprocess  des  condensirten  Cysten- 
inhalts in  eine  Anzahl  uuregelmässiger  bis  rundlicher  und  an  Grösse  ziem- 
lich verschiedner  Kugeln  (37.  lOe)  oder  aber  durch  simultanen  Zerfall  in  zahl- 
reichere (bis  über  60)  gleichgrosse  kuglige  Sporoblasten.  Ob  der  erst- 
erwähnte Entwickluugsprocess  durch  weiteren  Zerfall  der  unregelmässigen 
grösseren  Theilproducte  ebenfalls  zur  Bildung  kleiner  Sporoblasten  führt, 
scheint  bis  jetzt  unsicher. 

Auch  Eberth  hat  in  den  Cysten  der  Cephalopodencoccidie  z.  Th.  uu- 
regelmässigen  Zerfall  in  eine  Anzahl  Theilstücke  beobachtet,  die  eigent- 
liche Bildung  der  zahlreichen  Sporen  der  reifen  Cysten  jedoch  nicht 
ausreichend  zu  ermitteln  vermocht.  Vi^ahrscheinlich  wird  jedoch  die 
Sporulation  bei  diesen  Angehörigen  der  Gattung  Klossia  allgemein  in  der 
neuerdings  von  Schneider  von  der  Klossia  soror  berichteten  AVeise  vor 
sich  gehen.  Hier  knospen  die  Sporoblasten  von  der  Oberfläche  des  Cysten- 
inhalts genau  in  derselben  Weise  wie  bei  zahlreichen  echten  Gregarinen 
hervor  (39.4);  gleichzeitig  soll  aber  der  eucystirte  Plasmakörper  zuweilen 
eine  Art  Fragmentation  erfahren.  Meist  zerfällt  der  Cysteninhalt  dieser  Form 

36* 


564  Gregariuida. 

durch   fortgesetzte   Knospimg   vollstäudig  in   Sporoblasteu   oder  es   bleibt 
doch  nur  ein  geringer  unverbrauchter  Rückstand  übrig. 

Die  Sporen  der  Polysporea  sind  meist  einfach  kuglige  Gebilde ,  so 
bei  den  bekannten  Klossien  durchaus.  An  den  Sporen  der  Cephalo- 
poden-Klossia  will  Eberth  z.  Th.  eine  zweifache  Umhüllung  gefunden 
haben,  von  welchen  die  äussere  gewöhnlich  stärker  und  fester  war  und 
zuweilen  auch  einen  mikropyleartigen ,  kleinen  Aufsatz  besass.  Durch 
Druck  soll  die  Sporenhaut  in  zwei  Hälften  auseinanderbersten.  Schneider, 
welcher  diese  Form  späterhin  gleichfalls  beobachtete,  schreibt  ihren  Sporen 
nur  eine  einfache,  ziemlich  dicke  Schale  zu  (38.  Id — f).  Im  plasmatischen 
Sporeninhalt  fand  Eberth  gewöhnlich  einen,  zuweilen  jedoch  bis  zu  vier  sog. 
Nuclei;  nach  den  Abbildungen  sind  es  helle  Flecke,  welche  hinsichtlich 
ihrer  Nucleusnatur  weiterer  Aufklärung  bedürfen.  In  den  Sporen  der 
übrigen  Coccidien  ist  ein  Nucleus  bis  jetzt  noch  nicht  beobachtet  worden. 
Die  Sporen  der  Gastropodenklossien  sind  kuglig  mit  einfacher,  zarter 
Membran  (37.10e — f);  dagegen  besitzen  die  der  Froschniere-Coccidien  nach 
Lieberkühn  eine  spindelförmige  Gestalt,  ähnlich  den  Sporen  der  Regen- 
wurm-Monocystiden. 

Die  vorstehende  Uebersicbt  der  Sporulationsverhältnisse  der  Cocci- 
dien lässt  uns  erkennen ,  dass  dieselben  principiell  mit  denen  der  freien 
Gregariniden  tibereinstimmen.  Die  Sporulatiou  der  Polysporeen  ist  that- 
sächlich  dieselbe  wie  die  zahlreicher  echter  Monocystiden  und  die  Vor- 
gänge der  Oligo-  und  Monosporeen  lassen  sich  ohne  Schwierigkeit  von  diesem 
Verhalten  ableiten.  Auf  Grund  der  Sporenbildung  lässt  sich  daher  eine 
Sonderung  der  Coccidien  von  den  Monocystiden  nicht  rechtfertigen. 
Ebensowenig  jedoch  auch  auf  Grund  der  weiteren  Entwicklung  der  Sporen, 
wie  wir  gleich  sehen  werden. 

Wie  die  Sporen  einer  Anzahl  freier  Gregariniden  zeigen  auch 
die  der  Coccidien  eine  weitere  Entwicklung,  mit  Bildung  einer  sehr  ver- 
schiednen  Zahl  sogen,  sichelförmiger  Keime.  Diese  Erscheinung  beschrieb 
zum  ersten  Mal  Lieberkühn  von  der  Coccidie  der  Froschniere  und  kurze 
Zeit  darauf  schilderte  sie  Kloss  sehr  vollständig  für  die  von  ihm  entdeckte 
Klossia  helicina.  Bei  dem  Coccidium  oviforme  der  Kaninchenleber  hat 
zunächst  Stieda  diesen  Process  richtig  erkannt.  Gerade  letztere  Form  bietet 
auch  den  einfachsten  Entwicklungsgang  der  Sporen  dar,  indem  sich  hier 
in  jeder  Spore  nur  ein  einziges  sichelförmiges  Keimcheu  ausbildet. 
Spätere  Forscher,  namentlich  Leuckart,  haben  die  Richtigkeit  der  Stieda'- 
schen  Schilderung  bestätigt.  Der  Sporeninhalt  des  Coccidium  sondert  sich 
bei  der  Weiterentwicklung  in  einen  hellen,  durchsichtigen  und  einen 
körnigen  Theil.  Der  erstere  liegt  als  ein  C  förmig  gekrümmtes  Stäbchen 
der  Sporenhülle  dicht  an  und  seine  beiden  etwas  zurückgekrümmten 
Enden,  welche  ihre  Lagerung  in  den  Polen  der  Spore  finden,  sind  knopf- 
förmig  angeschwollen  (37.  lle — h).   Der  körnige  Rest,  den  wir  auch  hier  wie 


FortpH.  il.  Goccidieu  (S|Joi'ulatioii ;  EiitwicU.  äichclföiuiigcr  Keime).  565 

bei  den  Sporen  der  Gregarlnen  als  Restkörper  (Nuclens  de  rcliqnat)  bezeichnen 
dürfen ,  liegt  der  Concavseite  des  Stäbchens  au  und  füllt  den  Zwischen- 
raum zwischen  den  knopfförmigen  Enden  ziendich  aus,  so  dass  er  bei 
gewisser  Lage  der  Spore  das  Mittelstück  des  Stäbchens  völlig  verdeckt 
und  nur  die  beiden  Endknöpfe  sichtbar  hervortreten. 

Kivolta  hat  aus  den  Uarmzottcn  des  Hundes  Psorospermicn  beschrieben,  die  nach  ihrer 
Bikliing-,  sowie  weg-eu  ihrer  Kleinheit  (Länge  =  0,008 — 0,012  Mm.)  es  sehr  wahrscheinlich 
maclien .  dass  sie  aus  der  Cystenhülle  befreite  isolirtc  Sporen  mit  einem  sichelförmigen  Kör- 
jicrchen  und  dem  Nucleus  de  reli(iuat  darstellen;  sollte  diese  Auffassung  unrichtig  sein, 
und  diese  Gebilde  thatsächlich  Coccidiencysten  mit  einem  einzigen  sichelförmigen  Kör- 
porchen  darstellen,  so  müssten  wir  annehmen,  dass  sich  auch  monospore  Coccidien,  bei 
welchen  die  Spore  nur  ein  einziges  sichelförmiges  Körperchen  ausbildet,  linden.  Er  will  jedoch 
auch  einzelne  dieser  Gebilde  beobachtet  haben,  welche  statt  des  einzigen  sichelförmigen  Keimes 
drei  längliche  oder  vier  etwas  unregelmässige  helle  Körperchen  neben  einer  körnigen  Masse 
(dem  Kestkörper)  aufwiesen.  Die  Erklärung  hierfür  findet  sich  vielleicht  weiter  unten  bei  der 
Besprechung  der   von    Rivolta  und  Anderen  den  Sporen  zugeschriebncn  Entwicklungsprocesse. 

Bei  den  Gattungen  Cyclo-  und  Orthospora  entstehen  in  jeder  Spore 
einige  sichelförmige  Keime  und  zwar  bei  Cyclospora  nur  zwei,  bei  Ortho- 
spora dagegen  vier.  In  beiden  Fällen,  sicher  jedenfalls  bei  Orthospora, 
entstehen  die  sichelförmigen  Keime  durch  einen  Knospungsprocess  des 
Sporenplasmas  in  ganz  ähnlicher  Weise  wie  die  Sporoblasten  zahlreicher 
eigentlicher  Gregarinen  und  gewisser  Coccidien  aus  der  Oberfläche  des 
Cysteninhalts  hervorknospten.  Man  sieht  hier  die  sichelförmigen  Keime 
als  perlartige  Auswüchse  allmählich  aus  der  Oberfläche  des  körnigen 
Sporenplasmas  hervorwachsen  (39.  Ib).  Der  unverbrauchte  Rest  des  körnigen 
Plasmas  bleibt  schliesslich  als  ein  sogen.  Restkörper  zwischen  den  ent- 
wickelten Keimen  liegen.  Es  erscheint  nicht  zweifelhaft,  dass  auch  der 
einzige  Keim  der  Coccidiumspore  seine  Entstehung  einem  entsprechen- 
den Knospungsprocess  des  Sporenplasmas  verdankt.  Wie  Schneider  be- 
tont, ist  es  interessant,  dass  bei  den  drei  Geschlechtern  Orthospora,  Cyclo- 
spora und  Coccidium  die  definitive  Zahl  der  Keime  vier  beträgt,  obgleich 
ihre  Sporenzahl  resp.  eins,  zwei  und  vier  ist.  Die  grössere  Zahl  der  ge- 
bildeten Keime  compensirt  also  die  geringere  Sporenzahl. 

Bei  den  übrigen  genauer  untersuchten  Coccidien  kommt  ähnlich  den 
freien  Gregariniden  in  einer  Spore  eine  grössere  und,  wie  es  scheint,  meist 
unconstante  Zahl  von  Keimen  zur  Ausbildung  und  neben  ihnen  findet  sich 
wohl  stets  ein  sogen.  Restkörper.  Der  Entwicklungsgang  der  Keime  aus 
dem  Sporenplasma  ist  bis  jetzt  nur  sehr  unzulänglich  ermittelt.  Am  ein- 
gehendsten hat  sich  hiermit  Eimer  bei  der  Darmcoccidie  der  Maus 
(Eimeria  Schnd.)  beschäftigt,  jedoch  halte  ich  den  von  ihm  geschilderten 
Entwicklungsgang  nicht  gerade  für  sehr  wahrscheinlich,  da  er  mit  dem, 
was  wir  von  der  Bildung  der  entsprechenden  Keime  in  den  Monocystis- 
sporen  der  Regenwürmer  und  den  übrigen  Coccidiensporen  wissen,  nicht 
recht  harmonirt.  Nach  Eimer  sollen  nämlich  im  Inhalt  der  Spore  ge- 
wöhnlich eine  Anzahl  glänzender  Körperchen  (nach  der  Abbildung  helle 
Flecke)  auftreten  (38. 2d),  welche  sich  auf  Kosten  des  körnigen  Sporenplasmas 


566  Gregariiiida. 

vergrösserten ;  das  letztere  schwinde  schliesslich  gänzlich  und  die  frei- 
gewordnen  Körperchen  bilden  sich  zu  den  sichelförmigen  Keimen  aus  (2e). 
Diese  Bildungsweise  scheint  mir,  wie  gesagt,  um  so  weniger  wahrschein- 
lich, da  sie  keinen  Aufschluss  über  die  Herkunft  des  auch  von  Eimer 
fast  stets  zwischen  den  sichelförmigen  Keimen  gefundnen  Restkörpers  (r) 
gibt.  Eimer  glaubt  aber,  dass  sich  auch  noch  ein  weiterer  Bildungsmodus 
finde,  bei  welchem  der  Sporeninhalt  durch  fortgesetzte  Theiluug  in  eine 
Anzahl  rundlicher  Körperchen  zerfalle,  die  sich  nachträglich  zu  den 
sichelförmigen  Keimen  umgestalteten. 

Der  wahrscheinlichste  Bildungsgang  scheint  mir  auch  hier  der  schon 
früher  für  die  Monocystiden  betonte  zu  sein.  Der  Sporeninhalt  zerfällt  durch 
Längstheilung*)  zu  einem  Bündel  sichelförmiger  Körperchen,  zwischen  wel- 
chen, gewöhnlich  dem  einen  Ende  des  Bündels  genähert,  der  ziemlich  kuglige, 
körnige  Restkörper  sich  findet,  mit  welchem  der  grössere  Theil  der  Körner- 
masse des  ursprünglichen  Sporenplasmas  als  unverwerthbarer  Bestandtheil 
abgeschieden  zu  werden  scheint.  Hiermit  stimmt  denn  auch  überein,  dass  die 
sichelförmigen  Keime  gewöhnlich  in  der  erwähnten  Weise  zu  einem  Bündel  der 
Länge  nach  zusammengeordnet  sind,  indem  sie  sich  sämmtlich  mit  ihren 
beiden  Enden  berühren,  oder  doch  sehr  nähern  (.38. 2g).  Dass  sich  häufig 
Abweichungen  von  dieser  Anordnung  finden,  ist  leicht  verständlich,  da  sich 
die  Keime  unserer  Coccidien  gewöhnlich  schon  in  der  Hülle  bewegen 
und  damit  die  ursprüngliche  Anordnung  schwindet.  —  Eigenthümlichen 
Lagerungsverhältnissen  der  Keime  begegnet  man  bei  der  Benedenia 
der  Cephalopoden,  sie  liegen  hier  nämlich  häufig  nach  zwei  zu  ein- 
ander senkrechten  Richtungen  gekreuzt  oder  spiralig -concentrisch  um- 
einander (38.  le — f). 

Eine  etwas  genauere  Betrachtung  verdient  noch  der  Bau  der  ausge- 
bildeten sichelförmigen  Keime,  da  derselbe  zuweilen  einige  Besonderheiten 
verräth.  Ihre  Gestalt  ist  meist  eine  länglich  stäbchenartige  mit  schwach 
bogeuartiger  Krümmung  im  Ruhezustand,  so  dass  sich  eine  convexe  und 
concave  Seite  unterscheiden  lassen  (38.4a).  Die  Bezeichnung  ,, sichelförmige 
Körperchen  oder  Keime"  st  demnach  im  Ganzen  wenig  zutreffend,  nur  bei 
starker  Einkrümmung  tritt  eine  sichelförmige  Gestalt  vorübergehend  her- 
vor. Die  Enden  der  Stäbchen  sind  meist  etwas  zugespitzt,  jedoch  herrscht 
auch  in  dem  Grad  dieser  Zuspitzung  eine  recht  erhebliche  Verschiedenheit, 
namentlich  ist  das  eine  Ende  zuweilen  breiter  und  abgerundet,  so  dass 
die  Gesammtgestalt  dann  lang  birnförmig  wird.  Wie  erwähnt,  besitzen 
die  Keime  des  Coccidium  oviforme  eine  etwas  abweichende  Form,  da  ihre 
Enden  kuglig  verdickt  sind,  ihre  Gestalt  ist  daher  etwa  hanteiförmig. 


*)  Streng  genommen,  wäre  es  jedoch  auch  hier  richtiger,  von  einer  Knosi3ung  zu 
sprechen,  da  auch  hier  ein  Antheil  des  Sporenplasmas  bei  der  Bildung  der  Keime  unver- 
braucht als  Eestkörper  zurückbleibt,  also  kein  völliger  Zerfall  des  Sporenplasmas  in  Theilstücke 
statthat.  Der  nicht  getheilte  Eest  ist  jedoch  so  geringfügig,  dass  die  Bezeichnung  des  Vor- 
gangs als  Tlieilung  nicht  ganz  ungerechtfertigt  erscheint. 


Fortijfl.  d.  Coccidicii  (^Bildung-  u.  Bau  der  sicLclförmigcii  Kuimu).  567 

Häufig  ist  das  Plasma  der  Keime,  wie  es  scheint,  ganz  hyalin, 
oder  doch  nur  sehr  feingranulirt ,  bei  einigen  Formen  dagegen  lassen 
sich  verschieden  beschaffene  Theile  am  Keime  unterscheiden.  Zuvor 
sei  jedoch  bemerkt,  dass  es  bei  einigen  Formen  gelungen  ist,  einen 
central  gelegnen  Zellkern  mit  Sicherheit  nachzuweisen,  ßütschli  beob- 
achtete ihn  sehr  deutlich,  mit  ansehnlichem  Nucleolus,  bei  Eimeria 
Scbneideri  (38.  4),  Schneider  bei  Eimeria  nova  und  Klossia  soror.  Ich 
halte  es  demnach  auch  für  sicher,  dass  den  Keimen  ein  Nuclcus  über- 
haupt zukommt. 

Die  erwähnte  Zusammensetzung  des  sichelförmigen  Keimes  aus  ver- 
schieden gebildeten  Plasmaregionen  beobachtete  Schneider  sehr  deutlich  bei 
einem  Theil  der  Keime  der  Orthospora  propria  des  Triton  (39.  Id — e).  Hier 
setzen  sich  die  Stäbchen  nicht  selten  recht  deutlich  aus  drei  segmentartigen 
Abschnitten  zusammen;  einem  mittleren  feingianulirten  und  zwei  endstän- 
digen ziemlich  hyalinen.  Die  Grenzen  dieser  scheinbaren  Segmente  ziehen 
schief  von  der  Convexseite  der  Keime  bis  zum  Mittelpunkt  der  Concav- 
seite  herab,  so  dass  sich  hier  die  beiden  hyalinen  Endsegmente  berühren, 
während  sie  auf  der  Convexseite  weit  von  einander  abstehen.  Doch 
scheinen  auch  Abweichungen  und  Unregelmässigkeiten  in  der  Vertheilung 
des  hyalinen  und  körnigen  Plasmas  vorzukommen.  Ein  Theil  der  Keime 
zeigt  das  körnige  Plasma  an  einem,  dem  mehr  zugespitzten  Ende  ange- 
häuft. Eine  ähnliche  Unterscheidung  dreier  Abschnitte  beobachtete  Schneider 
auch  bei  der  Isospora  rara,  hier  bemerkt  man  ein  mittleres  schwächer 
lichtbrechendes  und  zwei  endständige  starklichtbrechende  und  daher  bläu- 
lich erscheinende  Segmente  (T.  39.  3). 

Aehnlich  scheinen  sich  gewöhnlich  die  sichelförmigen  Körperchen  zu 
verhalten,  welche  in  neuester  Zeit  in  den  Blutkörperchen,  Milzzellen  und 
verschiednen  anderen  Gewebezellen  des  Frosches  und  anderer  Amphibien 
von  Gaule  (93,  95)  beobachtet  wurden  und  denen  Lankester  (97)  den  Namen 
Drepanidium  Ranarum  gab.  Auch  diese,  ibrer  Natur  und  Herkunft  nach  bis 
jetzt  noch  nicht  hinreichend  aufgeklärten  Keime,  lassen  gewöhnlich  drei  Ab- 
schnitte unterscheiden,  einen  mittleren  hellen  und  zwei  endständige  dunk- 
lere (39.  5).  Nach  den  Angaben  Lankester's  soll  diese  Dififerenzirung  hier 
davon  herrühren ,  dass  in  jedem  der  Endabschnitte  ein  rundlicher  stark- 
lichtbrechender  Körper  eingelagert  ist,  welcher  nach  Behandlung  mit 
Jodlösung  deutlich  hervortritt.  Auch  Gaule  zeichnete  zwei  entsprechende 
dunkle  Körper  in  seinen  Abbildungen  mehrfach  ein,  häufiger  jedoch 
zwei  bis  drei  helle  durchsichtige  Körperchen,  welche  er  für  Tröpf- 
chen oder  Bläschen  halten  möchte  und  die  nach  ihm  den  Anschein  heller 
Querstreifen  hervorrufen,  die  über  das  Drepanidium  hinziehen.  (Auch 
auf  Lankester's  Abbildung  erscheinen  übrigens  die  zwei  angeblich  stärker 
lichtbrechenden  Körperchen   als   zwei  ganz   helle  durchsichtige  Flecken.) 

Wie  schon  bemerkt  wurde,  zeigen  die  sichelförmigen  Keime  der  Coc- 
cidien   z.  Th.   sehr   deutliche   Bewegungserscheinungen ,    zuweilen    schon 


568  Grcgaiiuiaa. 

innerbalb  der  Spore;  viel  energischer  gewöliülieli  nach  ihrem  Austritt  aus 
der  Sporenhiille,  Ein  spontanes  Austreten  der  Keime  wurde  mehrfach 
beobachtet ,  so  von  Kloss  bei  Klossia  (helicina) ;  meist  lässt  sich  das 
Hervortreten  der  Keime  durch  künstliche  Zersprengung  der  Sporenhülle 
leicht  erzielen.  Die  Bewegungserscheinungen  der  Stäbchen  sind  entweder 
nematodenartige,  wie  wir  sie  auch  an  kleinen,  ähnlich  gestalteten  Grega- 
rinen  gefunden  haben,  d.  h.  recht  energische  Zusammenkrümmungen  nach 
der  concaven  Seite  (38.4b)  und  Wiederausstreckung,  z.  Tb.  jedoch  auch  Zu- 
sammenziehungen, wobei  eine  tiefere  Gestaltsveränderung  eintritt,  so  Zu- 
sammenziehung zu  nahezu  birnförmiger  Gestalt  (4c),  welcher  jedoch  eine 
Wiederausstreckung  zur  gewöhnlichen  Form  folgt. 

Auch  wirkliche  Ortsbewegung  tritt  zuweilen  auf,  welche  nach  den 
Beobachtungen  von  Kloss  bei  der  Klossia  in  der  Art  geschieht,  dass  die 
kleinen  Wesen  in  euglenen-  oder  blutegelähnlicher  Weise  umherkriechen, 
wogegen  Eimer  von  Eimeria  eine  mehr  amöboide  BewegHchkeit  beschreibt ; 
doch  tritt  letztere  erst  ein,  wenn  das  Keimchen  seine  sichelförmige  Gestalt 
durch  Zusammenziehung  dauernd  in  eine  kuglige  verändert  ist  (37. 13a — e). 
Jedoch  scheinen  diese  amöboiden  Bewegungen  nie  sehr  energisch  zu  sein  und 
die  dadurch  hervorgeriifnen  Gestaltsveränderungen  nur  gering.  Zu  eigent- 
licher Pseudopodienentwicklung  scheint  es  kaum  zu  kommen*).  Eigen- 
thümlich  ist  schliesslich  noch  eine  schwimmende  oder  rotirende  Bewegung, 
welche  Kloss  zuweilen  bei  der  Klossia  und  ich  bei  der  Eimeria  Schneideri 
beobachtet  habe.  Hierbei  schwimmt  das  Keimchen  längere  Zeit  in  einem 
Kreise  herum,  dessen  Mittelpunkt  in  einiger  Entfernung  von  der  ihm  stets 
zugekehrten  Concavseite  des  Keimes  liegt.  Es  ist  dies  also  eine  Kreis- 
bewegung ähnlich  der,  welche  wir  auch  schon  an  den  sich  zur  Encysti- 
rung  anschickenden,  conjugirten  Clepsidrinen  etc.  beobachtet  haben.  Es 
gibt  aber  auch  unter  den  Coccidien  gewisse  Formen,  bei  welchen  bis  jetzt 
noch  keine  Beweglichkeit  der  sichelförmigen  Keime  beobachtet  werden 
konnte,  dies  gilt  namentlich  für  das  recht  eingehend  studirte  Coccidium 
oviforme. 

Wie  bei  den  freien  Gregariniden  spricht  auch  hier  alles  dafür, 
dass  sich  die  sichelförmigen  Körperchen  nach  ihrer  Befreiung  aus  der 
Sporenhülle  unter  geeigneten  Bedingungen  direct  zu  den  reifen  Gregarinen, 
resp.  Coccidien  entwickeln.  Gerade  für  die  letzteren  ist  dieser  Entwick- 
lungsgang als  nahezu  sichergestellt  zu  betrachten.  Bevor  wir  jedoch  zu 
einer  genaueren  Verfolgung  der  in  dieser  Hinsicht  maassgebenden 
Beobachtungen  übergehen,  wollen  wir  noch  einen  Blick  auf  gewisse  For- 
schungen werfen,   welche  eine  von  der  seither  gegebnen  Darstellung  ab- 


*)  Aime  Schneider  (94)  glaubt  von  Weinen  Amöben  (von  0,04  Mm.  Durchmesser),  welche 
er  in  der  Niere  von  Neritina  fluviatilis  gefunden  hat,  die  Klossia  soror  der  Nierenzellen  dieser 
Prosobranchiate  ableiten  zu  dürfen.  Er  beobachtete  den  Beginn  einer  Encystirung  dieser 
Amöben.  Doch  scheint  ein  sicherer  Zusammenhang  zwischen  diesen  Amöben  und  der  Coccidie 
bis  jetzt  noch  nicht  festgestellt. 


Fortpfi.  (1.  Goccidicii  (Bewegung-  il.  sidiell'.  K(;iuic,  Kciinhilfl.  iiacli  Waldeiiburg  u.  UivoKaX  569 

weicLendc  und  eigenartige  Weiterentwicklung  der  Coccidiensporen  zu  er- 
weisen suchten.  Diese  Beobaclitungcn  beziehen  sich  fast  ausschliesslich 
auf  das  Coccidium  oviforme  oder  die  demselben  in  ihrer  Entwicklung- 
ganz  ähnlichen  Darmcoccidien  gewisser  Säugethiere.  Schon  Reincke 
glaubte  1866  innerhalb  der  in  den  Sporen  befindlichen  Stäbchen  dieser 
Coccidien  noch  weitere  Bildungen  zu  beobachten.  Er  fand  in  ihnen  näm- 
lich stets  3 — 4  scharf  umschriebne  bläuliche  Körper,  von  wachsartigem 
Glanz,  von  welchen  zwei  die  äussersten  Enden  der  Stäbchen  einnahmen, 
der  andre  oder  die  beiden  andern  dagegen  in  gleichen  Abständen  zwischen 
diesen  endständigen  vertheilt  waren. 

Eine  gewisse  Beziehung  zu  diesen  Beobachtungen  haben  jedenfalls  die 
späteren  Mittheilungen  von  Waidenburg  und  Rivolta.  Ersterer  erkannte  die 
Bildung  von  sichelförmigen  Keimen  in  den  Sporen  gar  nicht  an,  sondern 
findet  in  letzteren  zwei  helle  Kerne*),  welche  in  den  Polen  der  ovalen  Sporen 
liegen  (ohne  Zweifel  sind  dies  die  kuglig  angeschw^ollnen  Enden  des  Keimes). 
Im  Verlauf  der  weiteren  Entwicklung  soll  die  Zahl  der  Kerne  sich  verdoppeln 
(37.  12a)  und  der  Sporeninhalt  schliesslich,  entsprechend  den  vier  Kernen, 
zu  vier  kleinen  kernhaltigen  Zellen  zerfallen,  welche  nach  Waidenburg  die 
wahren  Keime  des  Coccidium  oviforme  darstellten  (12b).  In  ähnlicher  Weise 
lässt  Rivolta  innerhalb  der  Sporen  die  eigentlichen  Keime,  welche  er 
„Micrococci  psorospermici"  nennt,  in  Vierzahl  entstehen,  jedoch  nicht  durch 
einen  Theilungsprocess,  sondern  in  dem  Innern  des  Sporenplasmas  durch 
eine  Art  endogener  Bildung.  Die  Keime  sind  nach  ihm  sehr  kleine  glän- 
zende Körperchen.  Nach  der  Uebertragung  solch  reifer  Coccidiencysten 
in  den  Leib  eines  andern  Parasitenträgers  sollen  diese  Micrococci  psoro- 
spermici  hervorschlüpfen,  sich  amöboid  bewegen,  wachsen  und  sich 
durch  Theilung  vermehre\i ,  um  hierauf  nach  Eindringen  in  eine  Epithel- 
zelle ihrer  weiteren  Entwicklung  entgegenzugehen.  Friiherhin  (1869)  da- 
gegen glaubte  Rivolta,  dass  sich  die  Micrococci  nach  ihrem  Hervor- 
schlüpfen in  bewimperte  Infusorien  umwandelten,  welche  er  im  Darm  und 
auch  der  Leber  der  mit  Coccidien  inficirten  Kaninchen  gefunden  haben 
will  und  welche  in  die  Epithelialzellen  eindringend  ihr  Wimperkleid  ab- 
streifen und  sich  zu  den  Coccidien  entwickeln  sollten.  Auch  Waidenburg 
will  in  der  Flüssigkeit  der  Leberknoten  der  Kaninchen  kleine,  meist  kern- 
haltige Körperchen  gefunden  haben ,  welche  er  für  die  ausgeschlüpften 
und  übertragnen  Keime  hält,  und  deren  amöboide  Beweglichkeit  ihm  auch 
sehr  wahrscheinlich  wurde**). 


*)  Diesem  Stadium  geht  jedoch  nach  Waldenburg  nocli  ein  einkerniges  zuvor,  während 
die  jugendlichen  Sporoblasten  kernlos  seien.  Waidenburg  Hess  die  Entwicklung  der  von  ihm 
untersuchten  Coccidiencysten  entweder  in  Lösungen  von  ChromScäure  oder  doppeltchromsaurem 
Kali  vor  sich  gehen.  Es  ist  nicht  recht  einzusehen,  weshalb  er  solche,  jedenfalls  sehr  unnatür- 
liche Entwicklungsbedingungen  auswählte,  wenn  dieselben  auch  im  Allgemeinen  den  Ent- 
wicklungsgang nicht  wesentlich  zu  beeinflussen  scheinen,  was  übrigens  nach  einer  Beobachtung 
Eimers  bei  den  Darmcoccidien  der  j\Iaus  nicht  immer  so  zu  sein  scheint. 

**)  Waidenburg  hatte  jedoch  sehr  eigenthümliche  Vorstellungen  von  der  amöboiden  Beweg- 
lichkeit, was  z.  B.  daraus  hervorgeht,  dass  er  dieselbe  auch  an  den  mit  Chromsäurelösung 
behandelten  Lebern  noch  beobachtet  haben  will. 


570  Gregariilicki. 

Die  Ausbildung  der  Micrococci  psorospermici  will  Rivolta  auch  bei 
gewissen  Darmcoccidien  der  Vögel  (Psorospermium  avium  Rivolta)  beob- 
achtet haben;  hier  sollen  sich  jedoch  in  den  nur  in  Zweizahl,  wie  oben 
bemerkt  wurde,  gebildeten  Furchungskugeln  (Sporoblasten?)  nicht  weniger 
wie  10 — 15  solcher  Micrococcen  entwickeln;  ja  nach  Plana  soll  diese 
Micrococcenentwicklung  hier  auch  ohne  vorhergehende  Zweitheilung  im 
Cysteninhalt  auftreten  können. 

Gegen  die  Berechtigung  der  Waidenburg- Rivolta'schen  Auffassung 
des  Entwicklungsgangs  des  Coccidium  oviforme  spricht  sich  Leuckart  (92) 
neuerdings  aus.  Nach  ihm  lassen  sich  ähnliche  Zerfallserscheinungen, 
wie  sie  Waidenburg  für  die  Sporen  dieser  Coccidie  schildert,  wirklich 
beobachten,  jedoch  sind  es  keine  normalen  Entwicklungserscheinungen, 
sondern  Vorgänge,  welche  das  Zugrundegehen  und  die  Zerstörung  der 
Coccidiencysten  bei  langer  Aufbewahrung  in  Wasser  etc.  begleiten.  So 
wahrscheinlich  mir  selbst  diese  Deutung  der  Waidenburg -Rivolta'schen 
Angaben,  namentlich  in  Anbetracht  des  von  den  übrigen  Coccidien  be- 
kannten Entwicklungsganges  erscheint,  so  frappirt  doch  die  grosse  Regel- 
mässigkeit, welche  nach  Waldenburg's  Schilderung  und  Abbildungen  bei 
dem  Zerfall  des  Sporenplasmas  herrschen  soll  und  lässt  eine  weitere  Auf- 
klärung dieser  Angelegenheit  wünschensw^erth  erscheinen. 

lieber  das  definitive  Schicksal  der  sichelförmigen  Keime,  ihre  Wieder- 
entwicklung zu  der  reifen  Coccidie  liegen  bis  jetzt  ganz  directe  Beob- 
achtungen nicht  vor.  Wir  wissen  aus  den  Beobachtungen  von  Kloss  und 
Eimer,  dass  die  Keime  sich  schliesslich  durch  Zusammenziehung 
kuglig  gestalten  und  dass  die  jugendlichsten  in  den  Zellen  schmarotzend 
angetroffnen  Coccidien  in  Bezug  auf  Grösse  und  Bau  kaum  oder  nicht 
von  diesen  kuglig  umgestalteten  Keimen  abweichen.  Dies  macht  es  natür- 
lich höchst  wahrscheinlich,  dass  die  sichelförmigen  Keime  vor  oder  nach 
ihrer  Gestaltsmetamorphose  mit  Hülfe  ihrer  Bewegungen  in  die  Epithel- 
zellen eindringen  und  sich  hier  direct  weiterentwickeln,  dagegen  ist  dieser 
Einwanderungsvorgang  bis  jetzt  noch  kaum  Gegenstand  directer  Wahr- 
nehmung gewesen. 

Ein  eigenthümliches  Licht  werfen  aber  die  interessanten  Beobachtungen 
Gaule's  auf  die  Frage  nach  den  Wanderungen  und  dem  weiteren  Ver- 
halten der  sichelförmigen  Keime.  Wie  schon  erwähnt,  hat  dieser  Forscher 
zuerst  in  den  rothen  Blutkörperchen  des  Frosches,  später  in  den  Milz- 
zellen und  anderen  Gewebezellen  dieses  und  anderer  Vertreter  der  Amphi- 
bien Organismen  angetroffen ,  welche  wohl  unzweifelhaft  sichelförmige 
Keime  einer  Coccidie  sind,  wenn  es  auch  bis  jetzt  noch  sehr  unsicher 
erscheint,  welcher  Coccidienform  sie  zugehören  (39.  6).  Gaule  beur- 
theilt  seine  Befunde  ohne  Zweifel  sehr  irrthümlich ,  da  er  die  Ansicht  zu 
vertheidigen  sucht,  dass  diese  sichelförmigen  Keime  in  den  betreöenden 
Zellen  entständen,  sei  es  aus  deren  Plasma  oder,  wie  es  ihm  später  wahr- 
scheinlicher schien,  aus  ihrem  Kern. 


I 


Foitpil.  (1.  Coccidicii  (Eiitwickl.  d.  Cüccidicn  aus  d.  Keimen).  571 

Wie  gesagt,  weist  die  gesammte  Natur  und  speciell  der  schon  früher 
kurz  geschilderte  Bau  dieser  Gebilde  mit  einem  hohen  Grad  von  Sicher- 
heit darauf  hin ,  dass  sie  Keime  von  Coccidien  darstellen.  R.  Lankester 
berichtigte  zuerst  die  irrthiimliche  Ansicht  Gaule's  und  ich  muss  ihm 
hierin  ganz  zustimmen.  Bei  dieser  Auffassung  der  sogen.  Würmchen  oder 
Cytozoen  Gaule's  erhalten  aber  die  Beobachtungen  dieses  Forschers  ein 
besonderes  Interesse,  da  er  mancherlei  Merkwürdiges  von  dem  Verhalten 
dieser  Keime  berichtet. 

Unter  geeigneten  Bedingungen  sieht  man  nämlich  die  in  den  Zellen 
(speciell  den  rothen  Blutkörperchen)  ruhenden  Keime  wieder  beweglich 
werden  und  kann  schliesslich  ihr  Auswandern  beobachten.  Sie  bewegen 
sich  dann  lebhaft  in  der  schon  geschilderten  Weise  in  der  umgebenden 
Flüssigkeit  umher  und  wandern  namentlich  auch  gelegentlich  wieder  in 
andre  Zellen  ein.  Die  Gaule'sche  Beobachtung  ist  demnach  gleichzeitig 
bis  jetzt  die  einzige,  welche  ein  Einwandern  der  sichelförmigen  Keime 
direct  constatirt  und  sie  weist  gleichzeitig  nach,  dass  die  Einwanderung 
im  gewöhnlichen  Zustand  des  Keims  statthaben  kann,  dass  eine  Umfor- 
mung desselben  zu  einer  kleinen  Amöbe  keineswegs  eine  Bedingung  der 
Einwanderung  und  Weiterentwicklung  zu  sein  scheint.  Gleichzeitig  erregen 
die  Gaule'schen  Befunde  unser  Interesse  namentlich  noch  deshalb,  weil 
aus  der  weiten  Verbreitung  der  sichelförmigen  Keime  in  den  Gewebezellen 
der  Frösche  hervorzugehen  scheint,  dass  auch  im  normalen  Entwicklungs- 
gang der  Keime  Wanderungen  aus  einer  Zelle  in  die  andere  statthaben 
können.  Bis  jetzt  wenigstens  sind  entwickelte  Coccidien  bei  den  Fröschen 
nur  in  der  Niere  und  dem  Darmepithel  constatirt  worden  und  jedenfalls 
scheint  es  kaum  möglich,  dass  die  in  den  rothen  Blutkörperchen  dieser 
Thiere  so  häufigen  Keime  hier  ihrer  Weiterentwicklung  entgegengehen, 
da  reife  Coccidien  in  den  Blutkörperchen  der  Frösche  kaum  zu  tibersehen 
gewesen  wären. 

Unter  diesen  Umständen  erscheint  es  daher  wahrscheinlich ,  voraus- 
gesetzt, dass  die  beschriebnen  Organismen  wirklich  Keime  von  Coccidien 
und  nicht  etwa  entwickelte  Formen  sind,  dass  sie  im  Verlaufe  des  nor- 
malen Entwicklungsgangs  die  Blutkörperchen  verlassen  und  in  andern 
Zellen  (Lankester  vermuthet  in  der  Niere)  ihrer  definitiven  Ausbildung 
entgegengehen.  Die  Eventualität,  dass  die  Coccidienkeime  der  Blutkör- 
perchen, Milzzellen  etc.  nur  verirrte  Einwanderer  seien,  welche  eine 
weitere  Entwicklung  nicht  erfahren ,  scheint  mir  recht  wenig  an- 
nehmbar. 

Nach  den  früher  schon  gemachten  Angaben  dürfte  es  kaum  nöthig 
sein,  hervorzuheben,  dass  in  einer  Reihe  von  Fällen,  so  z.  B.  bei 
fast  sämmtlichen  bis  jetzt  bekannten  Coccidien  der  Wirbellosen,  jedoch 
auch  den  Formen  zahlreicher  Wirbelthiere  der  gesammte  Entvvicklungs- 
vorgang  sich  in  einem  und  demselben  Wirth  abspielt,  und  auch  die  sichel- 


572  Gregiiriiiida. 

förmigen  Keime  sehr  wahrscheinlich  direct  wieder  iu  die  Gewebe  des- 
selben Wirthes  eindringen;  während  in  andern  Fällen  (wie  bei  dem  Coc- 
cidiiim  oviforme,  den  Darmcoccidien  des  Kaninchens  und  der  Vögel,  so- 
wie der  Cyclospora  aus  Glomeris)  die  Keilung  der  Keime  im  Freien  ge- 
schiebt und  letztere  dann  wahrscheinlich  in  anderen  Individuen  ihre  Weiter- 
entwicklung vollziehen.  Wie  jedoch  einerseits  im  letzteren  Fall  eine 
Wiederaufnahme  durch  denselben  Wirth  nicht  ausgeschlossen  ist,  so  wird 
sich  andrerseits  auch  im  erstereu  Fall  die  gelegentliche  Uebertragung  der 
encystirten  Coccidieu  (die  der  isolirten  sichelförmigen  Körperchen  scheint 
unwahrscheinlich)  in  die  Aussenwelt  und  damit  Gelegenheit  zu  einer  Aus- 
breitung dieser  Coccidien  auch  auf  andre  Individuen  finden. 


5,   .System  der  Gregaiiiiiclu. 

Im  Verlaufe  uusrer  seitherigen  Darstellung  mussten  wir  schon  mehr- 
fach hervorheben,  dass  die  systematische  Durchforschung  der  zahlreichen 
Gregarinidenformen  noch  eine  sehr  mangelhafte  ist,  was  hauptsächlich 
darauf  beruht,  dass  die  für  die  systematische  Verarbeitung  jedenfalls  sehr 
wichtigen  Fortpflanzungserscheinungen,  die  Bauverhältnisse  der  Sporen  etc. 
nur  von  einer  beschränkten  Zahl  bekannt  geworden  sind.  Was  daher  bis 
jetzt  auf  systematischem  Gebiet  geleistet  wurde,  kann  zunächst  nur  als 
Vorarbeit  für  spätere,  auf  ausreichenderer  Basis  zu  unternehmende  Ver- 
suche beurtheilt  werden. 

Den  ersten  Versuch  einer  systematischen  Gruppirung  der  Gregariniden 
unternahm  Stein  (18);  er  unterschied  1848  drei  Unterabtheilungen:  die 
Monocystidea,  Gregarinaria  und  Didymophyida  und  vertheilte  die 
ihm  bekannten  Formen  in  sieben  Geschlechter :  Monocystis,  Zygocystis,  Gre- 
garina,  Sporadina,  Stylorhynchus,  Actinocephalus  und  Didymophyes.  Dass 
die  Abtheilung  der  Didymophyida  eine  wenig  naturgemässe  war,  wurde 
schon  früher  hervorgehoben,  sie  ist  von  Stein's  Gregarinaria  nicht  zu 
trennen  und  es  empfiehlt  sich,  wie  wir  seither  schon  mit  Schneider  gethan, 
die  dementsprechend  erweiterte  Abtheilung  der  Gregarinaria,  im  Gegen- 
satz zu  den  Monocystidea.  als  Polycystidea  zu  bezeichnen.  Diese  beiden 
Untergruppen  (Ordnungen)  dürfen  bis  auf  Weiteres  auf  eine  gewisse 
Natürlichkeit  Anspruch  machen,  was  im  Grossen  und  Ganzen  auch  durch 
ihre  Verbreitungseigenthümlichkeiten  bestätigt  zu  werden  scheint. 

Gewisse  Forscher  haben  auf  eine  Unterscheidung  von  Genera  ganz 
Verzieht  geleistet,  so  Diesing  (25,  26),  welcher  alle  Formen  unter  die 
einzige  Gattung  Gregarina  einreihte,  oder  doch  nur  die  beiden  Gattungen 
Monocystis  und  Gregarina  unterschieden,  welche  dann  natürlich  zusammen- 
fielen mit  den  beiden  Untergruppen,  wie  z.  B.  R.  Lankester  (29).  Es 
scheint  aber  ohne  Zweifel  gerechtfertigt,  in  der  grossen  Reihe  der  Grega- 
rinidenformen nach  dem  Vorgang  Stein's  generische  Typen  zu  unterscheiden, 


System.  573 

wenn  auch  die  Stein'schen  Genera  nicht  sämnitlieh  festgehalten  werden 
können.  Einen  Versuch  zur  Feststellung  einer  Anzahl  solcher  generischer 
Gruppen  machte  1875  A.  Schneider  (40),  welcher  zuerst  die  Fortpflan- 
zungsverhältnisse, namentlich  auch  den  Bau  der  Sporen  zu  einer  genaueren 
Charakteristik  der  Genera  heranzog.  Gleichzeitig  wurde  aher  auch  die 
Bauweise  der  reifen  Formen  berücksichtigt,  wogegen  Unterscheidungs- 
merkmale, wie  sie  Stein  z.  Th.  verwerthete:  z.  B.  ob  die  betreffenden 
Formen  frühzeitig  Syzygien  bilden  (Gregarina  St.)  oder  nicht  (Spora- 
dina  St.),  zurückgewiesen  wurden. 

Ob  sich  jedoch  die  Schneider'schen  Klassifikationsprincipien,  nament- 
lich die  vorwiegende  Berücksichtigung  der  Sporengestalt,  dauernd  bewähren 
werden,  kann  erst  die  Zukunft  lehren. 

Wir  werden  seine  generischen  Gruppen,  welche  jedoch  bis  jetzt  nur  eine 
beschränkte  Zahl  der  bekannten  Formen  umfassen,  hier  acceptiren,  die 
zahlreichen  übrigen  Firmen  können  nur  auf  Grund  neuer  Untersuchungen 
in  das  System  eingereiht  werden. 

In  neuester  Zeit  hat  Gabriel  (46),  auf  Grund  seiner  früher  schon 
z.  Th.  kurz  angedeuteten  Beobachtungen  über  die  Fortpflanzung  und  die 
Natur  der  Gregarinen  überhaupt,  eine  Neugestaltung  des  Systems  ver- 
sucht, welche  jedoch,  wie  seine  übrigen  Gregarinenforschungen ,  nur 
in  ganz  kurzem  Abriss  vorliegt  und  daher  hier  eine  eingehendere 
Analyse  und  Verwerthung  nicht  finden  kann.  Gabriel's  System  gründet 
sich  "ausschliesslich  auf  die  in  seinem  Sinne  aufgefassten  und  gedeu- 
teten Fortpflanzungserscheinungen.  Da  diese  nun  zum  Theil  für  die 
Mono-  und  Polycystiden  ganz  identische  seien,  andrerseits  nach  Gabriel's 
Forschungen  die  Monocystideen  in  der  Jugend  zuweilen  die  Anlage  eines 
Septums,  ähnlich  dem  der  Polycystideen,  zeigen  sollen,  sowie  wegen  einer 
Reihe  weiterer,  weniger  wichtiger  Gründe,  glaubt  er  die  Unterschei- 
dung der  Untergruppen  der  Mono-  und  Polycystideen  verwerfen  zu  müssen. 
An  Stelle  dieser  setzt  er  die  Eintheilung  in  Acystoplasta,  d.  h.  „Gregarinen, 
welche  ohne  vorhergehende  Encystirung  die  Keime  bilden"  und  Cysto- 
plasta:  „Gregarinen  mit,  die  Zeugung  und  Entwicklungsvorgänge  ein- 
leitender Encystirung".  „Ein  weiterer  Unterschied  zwischen  beiden  Haupt- 
untergruppeu  sei  durch  das  Auftreten  eines  nur  einfachen  Myxomyceten- 
plasmodiums  (bei  den  Acystoplasta)  und  andrerseits  mannigfacher  Myxo- 
mycetenumbildungeu  (Cystoplasta),  als  quellenden  Protoplasmas,  Bildung 
von  Kalkkörperchen,  verschieden  nüancirten  gelben  Pigments,  Mycetozole 
(?)  u.  a.  m.  gesetzt." 

Eine  weitere  Untertheilung  der  Acystoplasta  soll  nicht  angezeigt 
sein,    dagegen    werden    die    Cystoplasta   in    drei   Untergruppen    zerfällt. 

a.  Isoplast a:   „Myxomycetenreihe  und   Gregarinenkeime    entstehen    zu 
gleicher  Zeit  und  innerhalb  eines  und  desselben  mütterlichen  Organismus". 

b.  Proteroplasta:  „Myxoraycetenformen  treten  vor  Bildung  der  Grega- 
rinenkeime auf",     c.  Hysteroplasta:   ,,Myxomycetenformen   erscheinen 


574  Grcgariiiida. 

stets    nach    volleudeter   Entwicklung    der  Giegarinenkeime    (Pseudonavi- 
cellen,  Psorospeimien)". 

Der  Leser  wird  aus  dieser,  mit  den  eignen  Worten  Gabriel's  wieder- 
gegebnen Uebersicht  seines  Systems  entnehmen,  dass  eine  Beurtheilung 
desselben  auf  Grund  der  vorliegenden  Mittheilungen  nicht  möglich  er- 
scheint und  es  daher  erklärlich  finden,  dass  wir  im  Nachfolgenden  auf 
diesen  Versuch  keine  Eücksicht  nehmen  konnten. 

Hinsichtlich  der  sogen.  Coccidien  betouten  wir  schon  bei  früherer 
Gelegenheit  und  suchten  durch  Mittheilung  der  einschlägigen  Verhältnisse 
nachzuweisen,  dass  dieselben  mit  den  eigentlichen  Gregariniden  zu  ver- 
einigen und  demgemäss  in  der  Abtheilung  der  Monocystidea  unterzu- 
bringen sind. 

Die  Zahl  der  bis  jetzt  bekannten  Gregarinidenformen  ist  bei  der  auf 
diesem  Gebiet  herrschenden  Unsicherheit  natürlich  nicht  einmal  annähernd 
mit  einiger  Bestimmtheit  anzugeben.  Von  den  bpi  kritischer  Sichtung 
etwa  in  Betracht  zu  ziehenden  80 — 90  beschriebnen  Formen  (darunter 
etwas  mehr  Polycystideen  wie  Monocystideen)  dürften  bis  jetzt  zwischen 
30  und  40  als  einer  systematischen  Sichtung  zugänglich  bezeichnet 
werden.  Die  übrigen  dagegen  erwarten  ihre  genauere  Aufklärung  von 
der  Zukunft. 

üeb ersieht  der  Gattungen. 

I.  Ordn.  Monocystidea. 

Synon.    Monocystidea  Stein   und   der  übrigen  Autoren  -\-  Icugel-  und  eiförmige 
Psorosi)eruiien. 

Char.  Ohne  Differenzirung  des  Körpers  in  zwei  oder  mehr  durch 
Scheidewände  getrennte  Abschnitte. 

a.  Coccidiidae, 

Provisorische  Abtheilung,  welche  sich  von  den  übrigen  Monoc3'Stidea 
mit  Sicherheit  zunächst  nur  auf  Grund  ihrer  Lebenseigenthümlichkeitcn 
sondern  lässt,  da  die  hierhergehörigen  Monocystidea  stets  interne  Schma- 
rotzer der  Gewebe  ihrer  Wohnthiere,  vielleicht  sogar  stets  bis  nach  voll- 
zogner  Encystirung  Zellenschmarotzer  sind.  Zu  einer  völligen  Einreihung 
dieser  Formen  zwischen  die  Geschlechter  der  freischmarotzenden  Mono- 
cystideen ,  scheinen  mir  unsre  Erfahrungen  bis  jetzt  noch  nicht  aus- 
reichend zu  sein.  Die  systematische  Gruppirung  der  Coccidien  in  Ge- 
schlechter, wozu  Versuche  von  Schneider,  Rivolta  und  Leuckart  vorliegen, 
ist  bis  jetzt  nur  eine  provisorische.  Schneider  hat  neuerdings  (94)  eine 
Vertheilung  der  Coccidien  in  eine  Anzahl  Untergruppen  versucht,  die  wir 
hier  acceptiren. 

1.  Tribus  Monosporea.    Der  gesammte  Inhalt  der  Cyste  bildet 
sich  zu  einer  Spore  um. 


System.  575 

Orthospora  A.  Sehn.  1881  (94).  (T.  39.  1.) 

Der  Inhalt  der  kleinen  länglicbovalen  Cyste  (Länge   bis  0,03G)  con-  • 
densirt  sich    zu    einer    kugllgen,    nackten    oder    iimhiillten    Spore,    ans 
welcher   vier   sicheltorinige   Keime   hervorknospen.     Ein  Restkörper   oder 
ein  Häufchen  Fett-(?)körnchen  bleibt  neben  den  Keimen  erhalten, 

Artzahl  1.     Darmepitbel  vcrschiedner  Tritonarten. 

Eimeria  Schneider  1875  (81),  Bütschli  (47),  Schneider  (94).  (T.  38. 
2,  4,  13.) 

Synon.    Gregarina  (falciformis)  Eimer  (73). 

Cysten  kugel-  bis  eiförmig,  mit  oder  ohne  1—2  Mikropylen,  klein 
(bis  gegen  0,04  Mm.  Durchmesser).  Der  Cysteninhalt  entwickelt  sich  nur 
zu  einer  Spore  und   in  dieser  bilden  sich  zahlreiche  sichelförmige  Keime. 

Sichere  Arten  bis  jetzt  drei.  Eimeria  falciformis  Eim.  aus  Darmepithel 
der  Maus.  (Eimer  will  jedoch  entsprechende  Formen  auch  im  Darm- 
epithel des  Sperlings,  des  Frosches  und  bei  Fischen  beobachtet  haben.) 
Eimeria  Schneideri  Btschli.  im  Darmepithel  einer  Myriopode  (Lithobius) 
und  Ei.  nova  Sehn,  in  den  Zellen  der  Malpighi'schen  Gefässe  von  Glomeris. 

2.  Tribus  Oligosporea.  Der  Cysteninhalt  entwickelt  sich  zu 
einer  bestimmten  und  constanten  geringen  Anzahl  von  Sporen. 

Cyclospora  Schnd.  1881  (94)  emeud.  Btschli.  (T.  39.  2.) 

Synon.    Cocciclium  Eivolta,  Grassi  (9S). 

Durch  Theilung  des  Cysteninhalts  entstehen  zwei  kuglige  ovale, 
ellipsoide  oder  birnförmige  Sporen,  in  welchen  sich  nur  wenige,  2 — 4, 
sichelförmige  Keime  bilden.     Daneben  ein  Restkörper. 

Arten  zwei.  Darmepithel  von  Glomeris  (C.  glomericola  Sehn.)  und 
der  Katze  (Coccid.  Rivolta  Grassi).  Vielleicht  gehört  auch  noch  hierher 
das  sogen.  Psorospermium  Avium  Rivolta  (76)  aus  dem  Darmepithel  vcr- 
schiedner kleiner  Vögel,  da  dasselbe  gleichfalls  durch  Theilung  nur  zwei 
Sporen  bildet;  in  jeder  derselben  sollen  sich  jedoch  hierauf  10 — 15  „mi- 
crococchi  psorospermici"  hervorbilden.  Auch  bei  einer  gewissen  Coccidien- 
form  aus  den  Darmzotten  des  Hundes  hat  Rivolta  nur  die  Bildung  zweier 
Sporen  beobachtet. 

Isospora  A.  Sehn.  1881  (94).   (T.  39.  3.) 

Cysten  kuglig  (Grösse?  scheinen  jedoch  ziemlich  gross);  durch  Thei- 
lung des  Inhalts  bilden  sich  zwei  birnförmige  Sporen,  in  jeder  von 
welchen  eine  grössere  Anzahl  sichelförmiger  Keime  entstehen.  Restkörper? 

1  Art.     Limax  (Organ?). 

Coccidium  Leuck.  1879  (92).  Vgl.  haupts.  noch  Kauffmann  (54), 
Waldeuburg  (63  u.  69),  Stieda(67),  Reincke  (68)  und  Rivolta  (72  etc.) 
(T.  37.  11,  12.) 

Synon.    Psorospermium  p.  p.  Eivolta  1877,  Cytospermium  Eivolta  1877  p.  p. 

Klein.  Cysten  bis  zu  0,04  Mm.  Länge,  eiförmig,  meist  mit  Mikro- 
pyle.  Zerfall  des  Inhalts  der  Cyste  in  vier  Sporen,  in  jeder  von  welchen 
sich  nur  ein  sichelförmiges  Körperchen  entwickelt. 

Die  Zahl  der  event.  zu  unterscheidenden  Arten  ist  unsicher. 


576  Gregarinida. 

Vorkommen:  Gallengangepithel  und  Darmepithel  von  Kaninchen,  je- 
doch nach  Rivolta  auch  verschiedner  Vögel.  Identisch  wahrscheinlich 
auch  die  Lebercoccidien  des  Menschen. 

3.  Tribus  Polysporea.  Der  Cysteninhalt  entwickelt  sich  zu 
einer  grossen  Anzahl  Sporen. 

Klossia  Schneider  1875  (81,  94),  Kloss  (59).  (T.  37. 10  u.  39.3.) 

Grösser,  bis  zu  0,12  Mm.  Längsdurchmesser  der  gewöhnlich  eiförmigen 
Cysten.  Completer  Zerfall  des  Cysteninhalts  in  bis  .  60  kugelförmige 
Sporen  (ohne  Mikropyle).  In  jeder  Spore  entwickeln  sich  4 — 6  sichel- 
förmige Keime.     Artzahl  3  (Unterschiede  jedoch  unsicher). 

Niere  der  Helix  hortensis,  der  Succinea  amphibia  (selten)  und  Neritina 
fluviatilis. 

?Benedenia   Schneider  1875  (81,  94),  Eberth  (QQ).    (T.  38.  1.) 

Ansehnlich  gross,  bis  1  Mm.  Durchmesser.  Cysten  meist  kuglig.  Zer- 
fall des  Inhalts  in  sehr  zahlreiche  kuglige  Sporen ,  in  denen  sich  ca.  15 
sichelförmige  Keime  entwickeln. 

Octopus  und  Sepia  in  verschiednen  Organen  verbreitet  (Darmwände, 
unter  äussrer  Haut,  Muskulatur,  Geschlechtsorgane,  Venenanhänge)- 
(Schneider  spricht  sich  neuerdings  (94)  wieder  für  Zusammenziehung  dieser 
Gattung  mit  der  vorhergehenden  aus.) 

Dieser  Form  schliessen  sich  vielleicht  auch  die  von  Lieberkühn  in 
der  Froschniere  beobachteten  Coccidien  (Cysten  bis  0,67  Mm.  Durch- 
messer) zunächst  an,  jedoch  sind  hier  die  zahlreichen  Sporen  spindel- 
förmig und  entwickeln  nur  wenige  (3 — 4)  sichelförmige  Keime*). 

b.  Mouocystidae  s.  str. 
Im  erwachsenen,  nichtencystirten  Zustand  freie,  die  Körperhohlräume 
ihrer  Wirthe  bewohnende  Monocystideen. 

Adelea  Schneider  1875  (40).  (T.  35.  12.) 

Klein,  sphärisch  bis  oval,  meist  unbeweglich;  Cystenhülle  bildet  sich 
unterhalb  der  Cuticula  der  Gregarine.  Sporulation  complet.  Sporen  an- 
sehnlich gross,  scheibenförmig,  mit  zweiklappiger  Hülle  und  relativ  grossem 
Zellkern  sowie  zwei  eigenthtimlichen,  an  die  der  Fischpsorospermien  erinnern- 
den Polkörperchen.     Bildung  sichelförmiger  Körperchen   nicht  beobachtet. 

(Diese  Gattung  nähert  sich  jedenfalls  in  vieler  Hinsicht  den  Coccidien, 
so  dass  wir  sie  hier  die  Reihe  der  Monocystideen  im  engeren  Sinne  er- 
öffnen lassen.)     1  Art  bis  jetzt,  aus  Darm  von  Lithobius  (Myriopode). 

Monocystis  Stein  1848  (18).  Vergl.  hauptsächlich  noch  Kölliker 
(16),  Schmidt  (23),  Lieberktihn  (24),  Claparede  (28),  Lankester  (29,  31,  35), 
Schneider  (40)  etc.  (T.  33.) 

Körpergestalt  schlauchförmig,  massig  bis  sehr  lang  gestreckt,  im  be- 
weglichem Zustand  durch  Einschnürungen ,   welche  über  den  Körper  hin- 

*)  Diu  Beobaclitiingeii  Lieberkülin's  über  die  Coccidie  der  Froschniere  konnte  Solger 
neiiei'dinsis  bustiifigen,  was  er  mir  giltig'st  iiiitfliuilfe. 


System.  577 

laufen,  etwas  veränderlich.  Das  eine  Körperende  zuweilen  mit  haar- 
artigem  Cuticularbesatz.  Syzygien  nicht  beobachtet.  Copulation  wahr- 
scheinlich. Sporulation  gewöhnlich  incomplet.  Ohne  besondre  Einrichtung 
zur  Eröffnung  der  Cysten  und  Ausstreuung  der  Sporen.  Sporen  spindel- 
förmig mit  verdickten,  knöpfchenartigen  Polen.  Entwickeln  4—8  sichel- 
förmige Körperchen. 

(Die  Gattung  Monocystis  wird  vorerst,  wie  im  Vorstehenden  geschehen, 
auf  die  lange  bekannten  Monocystideen  der  Regenwürmer  als  typische 
Vertreter  beschränkt  werden  müssen.  Die  Zahl  der  hier  zu  unterscheiden- 
den Arten  ist  Sache  künftiger  Untersuchungen.)  Vorkommen  in  Leibes- 
höhle, Darm  und  namentlich  Hoden  der  Regenwürmer. 

Fraglich  ob  von  Monocystis  zu  unterscheiden,  ist  die  Zygocystis  St., 
die  bcw^egungslos,  conjugirt  getroffen  wird,  deren  Cysten  und  Sporen  sich 
jedoch  ohne  Zweifel  nicht  von  denen  der  eigentlichen  Monocystis  unter- 
scheiden.    Hoden  des  Regenwurms  (L.  terrestris  L.).  (T.  34.  1.) 

Gamocystis  Sehn.  1875  (40)  und  1882.   (T.  34.  2.) 

Synon.  wahrsch.  Zygocystis  Epliemerae  v.  Fraiitz.  (15)  u.  wohl  =  Gamocystis 
Francisi  Sehn.  1SS2. 

Solitär  oder  mit  gleichnamigen  Enden  conjugirt  und  dann  unbeweg- 
lich. Cyste  mit  ansehnlicher  Gallerthülle  und  partieller  Sporulation.  Sporo- 
ducte  zur  Ausstreuung  der  Sporen  ganz  wie  bei  Clepsidrina.  Sporen 
länglich  cylindrisch  mit  abgerundeten  Enden.  Bildung  sichelförmiger 
Körperchen  nicht  beobachtet.  Sicher  zwei  Arten;  aus  Darm  von  Blatta 
lapponica  und  Ephemerenlarve. 

[Aus  Arthropoden  ist  noch  eine  in  Bezug  auf  Gestalt  und  Conju- 
gation  wohl  vergleichbare  Monocystide  unter  der  Bezeichnung  Zygo- 
cystis puteanus  Lachmann  (Sitzungsber,  der  niederrhein.  Gesellsch.  zu 
Bonn  1859)  aus  Darm  des  Gammarus  puteanus  beschrieben  w^orden. 
Es  wäre  nicht  unmöglich,  dass  dieselbe  gleichfalls  dem  eigenthüm- 
lichen  Geschlecht  Gamocystis  näher  anzuschliessen  wäre.] 

Conorhynchus  Greeff  1879  (45). 

Synon.    Gregarina  Greeff  1877. 

Fast  stets  in  Syzygien,  ähnlich  Zygocystis  und  Gamocystis.  Einzel- 
thiere  der  Paare  meist  halbkuglig.  Oberfläche  allseitig  mit  zahlreichen 
zottenähnlichen  Fortsätzen  bedeckt.  Im  erwachsenen  Zustand  das  Ento- 
plasma  grossblasig  vacuolär.  Jugendlichste  Thiere  ohne  Fortsätze  wie  ein- 
fache Monocystis.     Cyste  und  Sporen  unbekannt, 

1  Art.     Darm  von  Echiurus. 

Gonospora  Sehn.  1875  (40).  (T.  34.  5.) 

Synon.    Gregarina  (Terebellae)  Köll.  (17). 

Sehr  ähnlich  Monocystis.  Sporen  jedoch  oval  bis  birnförmig,  ent- 
wickeln zahlreiche  sichelförmige  Körperchen.  Anneliden  (Audouinia, 
Terebella).     1  Art. 

Zahlreiche  unsichre,  seither  beschriebne  Monocystisarten  mögen  dieser 
Gattung  zuzurechnen  sein. 

Bronn,  Klassen  des  Thier-ReicUs.     Protozüa.  37 


578  Greg-arinida. 

Urospora  Schneider  1875  (40).  (T.  34.  6,  ?  7.) 

Syiion,  Greganna  (Nemertis)  Köll.  (Sipunculi)  Köll.  (17),  R.  Lankester  (31); 
(Saenuridis  Köll.)  Lankester  (35),  ü.  Nasse  s.  oben  p.  557  Anm. ;  ?  Gregarina  vir- 
gula  P.  V.  Bencd.  (M6m.  Ac.  roy.  Belg.  T.  XXXII.). 

Bau  ganz  wie  Monocystis,  isolirt  oder  in  Syzygien.  Sporen  wie 
Gonospora  oder  mehr  länglich,  der  eine  Pol  der  Hülle  mit  unbeweg- 
lichem schwanzartigen  Anhang.  Bildung  zahlreicher  sichelförmiger  Körper- 
chen in  der  Spore  beobachtet. 

Bekannte  Arten  vielleicht  drei.  Darm  von  Nemertinen  (Nemertes, 
Valenciennia,  Ommatoplea,  ?  Borlasia,  Tetrastemma),  Leibeshöhle  von 
Sipunculus;  Tuhilex  (Hoden).  Wahrscheinlich  hierher  noch  ziemliche  An- 
zahl der  unsichern  Monoeystiden. 

Die  zahlreichen  sonst  noch  kurz  in  den  Arbeiten  verschiedner 
Forscher  erwähnten  Monocystideen  sind,  wie  hinreichend  hervorgehoben 
wurde,  einer  systematischen  Gruppirung  zunächst  unzugänglich.  Unter 
denselben  heben  sich  durch  ihre  besonderen  Gestaltsverhältnisse  nur  zwei 
Formen  etwas  hervor,  welche  vielleicht  auf  Grund  dieses  Verhaltens  ein- 
mal als  besondere  Gattungstypen  aufgestellt  werden  dürften.  Es  sind 
dies  die  Monoc.  Aphroditae  Lank.  (29)  mit  ansehnlichem  rüsselförmigen 
Anhang  (35. 1)  und  die  Monoc.  (Gregarina)  sagittata  Leuck.  (s.  bei  Clapa- 
rede  Nr.  28)  von  pfeil-  bis  ankerartiger  Gestaltung,  aus  Capitella  (34. 11). 

II.  Ordn.  Polycystidea  Schneid.  1872. 

Gregarinen  mit  ausgesprochner  Diiferenzirung  von  Deuto-  und  Proto- 
merit,  z.  Th.  auch  Epimerit. 

Eine  weitere  Untertheilung  der  Polycystidea  ist  bis  jetzt  noch  nicht 
möglich  (der  Vorschlag  Schneider's  [1873,  Nr.  38],  sie  in  zwei  Grup- 
pen, die  Cytodo  und  die  Cytosporeen  zu  zerlegen,  auf  welchen  er  je- 
doch später  nicht  mehr  zurückkommt,  dürfte  nach  dem,  was  früher  über 
die  Sporen  und  ihre  Kernverhältnisse  bemerkt  wurde,  gewiss  keine  Nach 
ahmung  verdienen).  Das  Genus  Gregarina  hat  Schneider  mit  Recht  ganz 
eliminirt,  es  mag  einstweilen  weiter  zur  Aufnahme  der  zahlreichen,  in  ihrer 
systematischen  Stelking  unsicheren  Formen  dienen. 

Dufouria  Schneid.  1875  (40).  (T.  35.  11.) 
Nur  freie  Sporonten  bekannt,  Cephalonten  überhaupt  zweifelhaft. 
Protonierit  ansehnlich,  zarte  Scheidewand  springt  convex  in  das  Proto- 
meiit  vor.  Sarcocyt  fehlt.  Copulative  Encystirung  beobachtet.  Cysten 
kuglig  mit  dicker  Gallerthülle.  Sporulation  complet  und  Cysten  einfach 
aufplatzend.  Sporen  dickschalig,  mit  spindelförmig  zugespitzten  Polen. 
Einzige  Polycystidee,  bei  der  bis  jetzt  die  Bildung  sichelförmiger  Keime 
in  der  Spore  beobachtet  wurde.  1  Art.  Darm  von  Colymbeteslarve 
(Coleopt.  F.  Dyticidae). 

Bothriopsis  Schneid.  1875  (40).    (T.  36.  11.) 
Aehnlich   Dufouria,    jedoch   das  Protomerit   viel   ansehnlicher,    nach 
vorn    kolbig    angeschwollen    und    Vorderende    sich    häufig   saugnapfartig 


System.  579 

vertiefend  und  in  solcher  Weise  zur  Anheftung  dienend.  Conjugation  oder 
Copulation  nicht  beobachtet.  Cyste  einfach  aufplatzend.  Sporen  ?  1  Art. 
Im  Darm  verschiedner  Dyticiden. 

Porospora  Schneid.  1875  (40),  Beneden  (32,  34,  37).  (T.36.3— 8.) 
Nur  Sporonten  beobachtet.  (Ob  überhaupt  je  Epimerit?)  Sehr  lang 
(bis  16  Mm.)  schlauchförmig;  Protomerit  sehr  klein.  Sarcocyt  mit  ring- 
förmigen Fibrillen.  Conjugation  oder  Copulation  nicht  beobachtet.  Cysten 
kuglig;  angeblich  sich  durch  Theilung  vermehrend.  Sporulation  complet. 
Sporen  kuglig  bis  eUipsoidisch,  mit  sehr  dicker  und  von  Porenkanälchen 
durchsetzter  Schale.     1  Art.     Homarus  vulgaris  (Darm). 

Stenocephalus  Schneid.  1875  (40). 

Epimerit  fehlt  wohl  stets.  Protomerit  klein.  Gesammtgestalt  massig 
langgestreckt.  Sporulation  complet.  Cysten  einfach  aufplatzend.  Sporen 
spindelförmig,  angeschwollen,  mit  einer  dunklen  Aequatoriallinie  ausge- 
zeichnet.    1  Art.     Julusarten  (Darm). 

Hyalospora  Schneid.  1875  (40)  und  1882.  (T.  36.  1.) 
Sehr  ähnlich  Stenocephalus.  Epimerit  klein,  knopfförmig.  Häufig  con- 
jngirt.  Sarcocyt  mit  Fibrillenschicht.  Cyste  durch  einfaches  Aufplatzen  sich 
öffnend.  Sporen  eUipsoidisch  mit  mehr  oder  weniger  zugespitzten  Polen. 
2  Arten.  Petrobius  und  Machilus  (Thysanura).  Hierher  vielleicht  noch 
weitere  Formen,  so  die  Sporadiua  Reduvii  Stein's  (18)  etc. 

Euspora  Schneid.  1875  (40).   (T.  36.  2.) 

Bau  der  Thiere  wie  bei  der  folgenden  Gattung  Clepsidrina,  jedoch 
Epimerit  noch  nicht  beobachtet.  Häufig  in  Syzygien.  Keine  Sporoducte. 
Sporen  prismatisch.     1  Art  (Larve  einer  Melolonthide). 

(Diese  Gattung  ist  jedenfalls  sehr  wenig  unterschieden  von  der  fol- 
genden.) 

Clepsidrina  (Hammerschm.)  Schneid.  1875.   (T.  35.  2—10.) 

Synon.    Gregarina  p.  p.  Autor. 

Massig  lang,  Protomerit  massig  gross.  Epimerit  meist  mit  knopfförmigem, 
selten  sehr  grossem  cylindrischem  Haftfoitsatz  in  der  Jugend.  Sarcocyt 
wohl  entwickelt,  mit  Ringfibrillen.  Häufig  conjugirt  und  copulirend.  Cysten 
mit  ansehnlichen  Gallerthüllen  und  fast  stets  zahlreichen  Sporoducten. 
Sporulation  incomplet.  Sporen  tönnchenförmig,  bei  der  Ausstreuung  ge- 
wöhnlich kettenförmig  zusammenhängend. 

6  Arten  aus  Darm  verschiedner  Insecten. 

Pileocephalus  Schneid.  1875  (40).  (T.  36.  10.) 
Bauverhältnisse   wie   bei   Clepsidrina;    Epimerit  der  Cephalonten  ein 
kegelförmiger    Knopf.      Cysten    ohne    Sporoducte,     einfach    aufplatzend. 
Sporen  halbmondförmig. 

1  Art  (Mystacideslarve). 

37* 


580  *  Grcgaririida. 

Echinocephalus  Schneid.  1875  (40).  (T.  36.  14.)  * 

Gestalt  oval;  Protomerit  klein;  Epimerit  klein,  konisch  und  asym- 
metrisch, in  der  Jugend  mit  zahlreichen  finger-  bis  stiletförmigen  Haftfort- 
sätzen besetzt.  Sarcocyt  wohl  entwickelt  mit  schiefen  gekreuzten  Fibrillen. 
Syzygien  oder  Copulation  nicht  beobachtet.  Cysten  sphärisch  mit  Gallert- 
hiille.  Sporulation  complet.  Keine  Sporoducte.  Sporen  cylindrisch  mit  abge- 
rundeten Enden,  häufig  zu  Ketten  vereinigt. 

1  Art  (Darm  von  Lithobius). 

Stylorhynchus    (Stein    1848,    18)    emend.    Schneid.    1875  (40). 
(T.  37.  2—7.) 

Massig  langgestreckt;  Protomerit  massig  mit  langem,  rUsselförmigem 
Epimerit,  dessen  knopfförmiges  Ende  mit  basalem  Wulst.  Sporonten  mit 
einfach  abgerundetem  Protomerit.  Copulation  beobachtet.  Cysten  sphärisch 
mit  sculpturirter  Hülle,  aufspringend  durch  Anschwellung  einer  Pseudo- 
cyste.  Sporulation  incomplet.  Sporen  sphärisch  bis  tetraedrisch  (geld- 
täschchenförmig),  zu  Ketten  vereinigt. 

2  Arten  (Darm  von  Opatrum,  Asida  und  Blaps). 

Geneiorhynchus  Schneid.  1875  (40).  (T.  37.  8.) 
Gestalt  und  Bau  ganz  ähnhch  Stylorhynchus,  jedoch  der  basale  Wulst 
am  Endknopfe  des  rüsselförmigen  Epimerits  mit  feinen,  borstenartigen 
Zähnchen  dicht  besetzt.  Syzygien  oder  Copulation  nicht  beobachtet.  Spo- 
rulation complet;  Cysten  einfach  aufplatzend.  Sporen  „subnaviculär  (avec 
corpuscules  figures)''. 

1  Art  (Darm  von  Libellennymphen). 

Actinocephalus   (Stein  1848,  18),   Schneider  (40).   (T.  36.  13; 
T.  37.  1  u.  9.) 

Synon.  Gregarina  Autor,  p.  p.,  Siebold  (12),  Leidy  (22,  ?  Greg.  Locustae).  —  Hoplo- 
rhyiichus  J.  V.  Carus  (Gar.  u.  Gerst.,  Handb.  der  Zool.  2.  Bd.),  Schueider  (40). 

Massig  langge§trecht;  Protomerit  der  Cephalonten  mit  kurzem  knopf- 
förmigen  bis  langem  rüsselförmigen  Epimerit,  dessen  Ende  scheibenförmig 
abgeplattet  ist  und  die  Ränder  dieser  Scheibe  sind  zu  einem  Kranze  von 
Zahnfortsätzen  ausgezogen.  Syzygien  oder  Copulation  nicht  beobachtet. 
Sporulation  complet.  Cysten  einfach  aufplatzend.  Sporen  doppelkegel- 
förmig bis  ellipsoidisch. 

Circa  7  Arten  (Coleoptera,  Orthoptera  [Locusta,  Callopteryxlarve], 
Dipteren  [Larve  von  Sciara]). 

Pyxinia  Hammerschm.  1838  (11),  Schneider  (40).  (T.  36.  12.) 

Synon.   Gregarina  rubecula  Frantz.  (15). 

Allgemeiner  Bau  der  Cephalonten  sehr  ähnlich  Actinocephalus,  von 
dem  sie  sich  jedoch  durch  den  Besitz  eines  aus  dem  Centrum  der  ge- 
zähnten Scheibe  des  Protomerits  entspringenden  fadenförmigen  Anhang 
unterschieden.     1  Art.     Larve  von  Dermestesarten. 

Bemerkungen  über  einige  neue,  von  Schneider  1882  beschriebene  Polycystideen- 
gcsclilechter  siehe  am  Schlusse  des  Abschnitts  über  die  Gregarinida. 


I 


Verbreitung'  (freie  MonocystidcaV  581 

it.    Allüemeiiie  VerbreUiiii«'  iiiid  Wolinoitsverliiiltiiisse  der  (plicpirinideii. 

Die  VeibreituDg  der  freien  Poly-  und  Monocystideen  bei  den 
wirbellosen  Tbieren  ist  eine  sebr  weite.  Gänzlicb  verniisst  wurden 
sie  bis  jetzt  bei  den  Protozoen  selbst  und  den  Coelenteraten,  wäbrend 
sie  in  den  übrigen  Pliylen  mehr  oder  minder  häufig  angetrotfen  worden 
sind.  Unter  den  Echinodermen  sind  bis  jetzt  nur  bei  zwei  Holo- 
thurien  (Holotbnria  [27J  und  Synapta  [40])  Monocystideen  gefunden  worden. 
Auch  den  Mollusken  scheinen  die  freien  Gregariniden  fast  zu  fehlen; 
nur  bei  einer  Heteropode  (Pterotrachea)  wurde  bis  jetzt  (Stuart,  33)  eine  Form 
von  zweifelhafter  Stellung  beobachtet.  In  reicher  Menge  treffen  wir  Mono- 
cystideen bei  den  Würmern,  doch  ist  ihr  Aufreten  bei  den  verschiednen 
Abtheilungen  derselben  ein  ziemlich  variables.  Vermisst  wurden  sie  bis  jetzt 
bei  den  schmarotzenden  Plathelminthen,  den  Trematoden  und  Cestoden, 
wogegen  sie  sowohl  im  Darm  von  Turbellarien,  und  zwar  Rhabdocoelen*), 
wie  Dendrocoelen**),  als  Nemertinen***),  nicht  selten  nachgewiesen  wur- 
den. Ihr  Vorkommen  bei  den  Räderthieren  wurde  bis  jetzt  nur  durch 
eine  zweifelhafte  Beobachtung  wahrscheinlich  gemacht f)  und  dasselbe  gilt 
für  die  Nematoden  ft).     Bei  den  Acanthocephalen  werden  sie  vermisst. 

In  grosser  Mannigfaltigkeit  dagegen  bewohnen  sie  die.  Anneliden 
und  diese  Abtheilung  darf  neben  den  Arthropoden  als  die  Hauptentwicklungs- 
stätte unsrer  Schmarotzer  bezeichnet  werden.  Von  besondrem  Interesse  er- 
scheint es  weiterhin,  dass  die  freien  Gregariniden  der  Anneliden,  wie  diejenigen 
der  überhaupt  bis  jetzt  erwähnten  Abtheilungen  der  Wirbellosen,  durchaus 
Monocystideen  sind  und  dass,  um  es  gleich  hervorzuheben,  die  Polycystideen 
fast  durchaus  auf  die  Arthropoden  beschränkt  erscheinen.  Das  einzige  Bei- 
spiel einer  typischen  Polycystidee  einer  anderen  Abtheilung  bildet  die 
Form,  welche  Ecker  im  Darm  einer  Tunicate,  der  Phallusia  mammillaris, 
gefunden  hat  (s.  bei  KöUiker,  16).  Da  die  sonst  noch  bei  den  Tunicaten 
nachgewiesnen  Gregariniden  durchaus  Monocystideen  sind,  so  kann  ich 
einige  Zweifel  nicht  unterdrücken,  ob  hier  nicht  der  Zufall  eine  Täu- 
schung verursachte. 

Die  Verbreitung  unter  den  Anneliden  erstreckt  sich  in  gleicher  Weise 
auf  die  Oligo-   wie  Polychaeten   und   es   herrscht  auch   kein  Unterschied 


*)  M.  Scbultze  b.  Mesostomeil  d.  Ostsee  (Beitr.  zur  Naturgesch.  der  Turbellarien  1851). 

**)  Monoc.    Planariae    M.   Schultze,    Beiträge    zur   Naturgescb.    der    Turbellarien. 

(ireifsvrald  1881;  Kel'erstein,  Beiträge  zur  Anatomie  u.  Entw.  der  Seeplanarien  (Abb.  der  kön. 

Ges.  der  Wiss.  Göttingen  Bd.  XIV.  1866);  Hallez,   Contrib.   ä   l'bist.   nat.  des  Turbellari6s. 

Lille  1879;  Lankester  (31)  Convoluta. 

**"")  Kölliker  (16),  Frey  u.  Leuckart,  Beiträge  zur  Kenntniss  wirbelloser  Tbiere, 
1847,  p.  76;  van  Beneden,  P.,  Rccb.  sur  la  faune  littor.  de  Belgique  (^M6m.  Acad.  roy.  de 
Belgique  T.  XXXII.;  Lankester,  E.  (31);  Mac  Intosb,  Transact.  roy.  sog.  Edinburgh 
T.  XXV.  P.  2;  On  the  gregariniform  parasits  of  Borlasia  (Transact.  roy.  mlcrosc.  soc.  1S67). 
t)  ?  Monocystis  Leydigii,  Stein  Org.  der  Infusionstbiere  IL  p.  9  Anm. ;  Leydig,  Arcb. 
f.  Anat.  u.  Pbysiol.  1857  p.  415. 

tt)  Walter,  Zeitscbr.  f.  wiss.  Zoologie  Bd.  IX.  p.  490,   Leibesböble  von  Oxyuris  or- 
nata.     Nach  Scbneider  (40):  in  freilebenden  Nematoden. 


582  Gregariuida. 

zwischen  den  Land  und  Wasser  bewohnenden  Formen  der  Oligochaeten, 
Bei  nicht  weniger  wie  fünf  Gattungen  der  Oligochaeten  und  zwölf 
der  Polyebaeten  sind  Monocystideen  nachgewiesen  worden  und  diese 
letzteren  vertheilen  sich  in  ziemlich  gleicher  Weise  auf  die  Errantiae  und 
Tubicolae*).  Auch  den  Gephyreen  fehlen  die  Monocystideen  nicht, 
wenn    sie    auch    bis  jetzt   nur  bei   drei  Gattungen  gefunden   wurden**). 

Wie  jedoch  schon  bemerkt,  bieten  die  Arthropoden  neben  den  Anne- 
liden das  reichste  Verbreitungsgebiet  dar,  und  zwar  dürfte  keine  der 
grösseren  Abtheilungen  dieses  Phylums  unsrer  Schmarotzer  völlig  entbeh- 
ren. Es  sind,  wie  gesagt,  die  Polycystideen,  welche  hier  ihre  wahre  Hei- 
math finden  und  gegenüber  den  spärlichen  Monocystideen,  welche  bis 
jetzt    bei   den  Arthropoden   angetroffen  wurden,   besonders  hervorstechen. 

Am  spärlichsten  scheinen  unsre  Schmarotzer  bei  den  Arachnoideen 
vertreten  zu  sein,  da  in  dieser  Abtheilung  bis  jetzt  nur  bei  wenigen  Milben 
Polycystideen  beobachtet  wurden***).  Reichlicher  dagegen  finden  wir  sie 
bei  den  verschiedensten  Ordnungen  der  Crustaceen  und  hier  sowohl  Mono- 
wie  Polycystideen.  Die  Copepodenf)  haben  bis  jetzt  nur  einige  Mono- 
cystideen geliefert,  die  Cirripediaff)  dagegen  eine  Polycystidee.  Aus  der 
Abtheiluug  der  Phyllopoden  sind  Gregarinen  bis  jetzt  nicht  bekannt  ge- 
worden. Dagegen  finden  wir  eine  Monocystidee  und  mehrere  Polycysti- 
deen bei  den  Amphipodenfff)  und  die  Decapoden  haben  gleichfalls 
eine  Anzahl  Polycystideen*!)  geliefert.  Auch  im  Darm  von  Peripatus 
fand  Moseley  encystirte  Gregariniden  *tt). 


*)  S.  haupts.  Kölliker  (16),  Stein  (18),  Schmidt  (23),  Lieberlmhn  (24,  30),  Claparede  (28). 
Stuart  (33),  Lankestcr  (29,  31),  Schneider  (40),  Vedjowsky,  Monographie  d.  Enchytraeiden.  1879, 
Oligochaeta     Lumbricus.  Enchytraeiis,  Pachydrilus,  Tubifex,  Euaxcs. 
Polychaeta:   Nereis,   Aphrodite,  Eunice,  Capitella,  Phyllodoce,  Clymene,  Cirra- 
tulus,  Spio,  Serpula,  Terebella,  Sabella,  Telepsavus. 
**)  Sipunculus,  Kölliker (16),  Lankester(35);  Echiiirus,  GreefF(45),ThalassemaLankester(97). 
***)  Leydig,   Arch.  f.  Anat.  ii.  Physiol.   1855.   p.  447  Anm. ;   nach   Schneider    (40) 
bei  Gamasiden  und  Acariden. 

t)  In  Cyclops  fand  Stein  eine  Monocystidee,  welche  dadurch  besonders  bemerkensvrerth 
erscheint,  dass  sie  nach  der  Herausnahme  aus  ihrem  Wirth  im  Wasser  lange  Zeit  fortlebt. 
(Organismus  der  Infusionsthiere  IT.  p.  6 — 8.)  In  neuester  Zeit  beschrieb  Rehberg  diese  Mono- 
cystis  (?)  tenax  St.  aus  dem  Darm  und  der  Leibeshöhle  von  Cyclops  ohne  Kenntniss  der 
Arbeiten  seines  Vorgängers  als  eine  neue  Form  unter  dem  Namen  Lagenella  nobilis  (Abhandl. 
herausgeg.  vom  naturwiss.  Verein  zu  Bremen  VII.  Bd.  1880).  Aus  Copepoden  kennen  wir 
ferner  drei  Monocystisformen  aus  dem  Darmkanal  von  Sapphirinen  (Häckel,  in  Jenaische 
Zeitschr.  Bd.  I.   1864). 

ff)  Gregarina  Balani  Kölliker  (16)  aus  Baianus. 
ttt)  In  Gammarus   pulex  Gregar.   longissima  Sieb,  und  Gammari  Dies.  (s.  b.  Kölliker  16); 
Zygocystis  puteana  Lachmann  im  Darm  von  Gammarus  puteana   (Sitzungsbcr.  der  nicderrhein. 
Ges.  zu  Bonn  1859);    Gregarine    aus  Phronima   und  Phronimella  nach  Claus  (Organismus  der 
Phronimiden,  Arbeiten  des  zool.  Inst.  Wien.   2.  Bd.). 

*'t)  Porospora  gigantea  v.  Bened.  sp.  (32);  Gregarina  conformis  Dies,  nach  Cavolini  (2) 
aus  Cancer  depressus.  Zweifelhaft,  wie  früher  bemerkt,  die  Eedi'sche  Form  (von  Diesing 
Greg,  praemorsa  genannt)  aus  Cancer  pagurus. 

*tt)  Philososoph.  Transact.  roy.  Soc.  Vol.  164.  p.  762. 


Verbreitung-  (Polycystiilea\  583 

Die  reichste  Verbreitung  besitzen  die  Gregariiiiden  bei  den  Myriapoda 
und  Insecta.  Bei  nicht  weniger  wie  sieben  Myriapodengeschlechtern 
sind  bis  jetzt  eine  ganze  Anzahl  Polycystideen  und  eine  Monocystidee 
(Adelea)  nachgewiesen  worden*). 

Unter  die  verschiednen  Insectenordnnngen  vertheilen  sich  die  bei 
dieser  Klasse  so  zahlreich  gefundnen  Gregarinen  in  sehr  verschiedner 
Weise.  Obenan  stehen  vor  Allem  die  Coleoptera,  von  welchen  bis  jetzt 
gegen  25  Geschlechter  als  Gregarinen wirthe  bekannt  sind,  theils  im 
Larven-,  theils  im  Imagoziistand,  theils  in  beiden  gleichzeitig.  Häufig 
sind  die  Polycystideen  ferner  bei  den  Orthoptera,  wo  die  Zahl  der  als 
Gregarinenwirthe  bekannten  Geschlechter  ca.  15  beträgt,  welche  sich 
ziemlich  gleichmässig  über  die  verschiednen  Familien  vertheilen.  Nur  die 
Plasmodea  und  Mantodea  haben  bis  jetzt  keine  Gregarinen  geliefert,  was 
jedoch  vielleicht  auf  ungenügende  Untersuchung  dieser  vorzugsweise  ausser- 
europäischen  Familien  zurückzuführen  ist. 

Das  Gleiche  lässt  sich  aber  nicht  bezüglich  der  Vertheilung  der 
Gregarinen  in  der  grossen  Ordnung  der  Käfer  behaupten.  Hier  beherbergen 
namentlich  die  Angehörigen  der  im  Wasser,  der  Erde  oder  an  dunkeln 
feuchten  Orten  lebenden  Familien,  oder  derjenigen,  welche  sich  durch 
räuberische  Lebensweise  auszeichnen,  zahlreiche  Gregarinen.  Die  erwähnten 
Familien  sind  eben  solche,  welche  durch  ihre  Lebensweise  Gelegenheit 
zur  Infection  mit  Sporen  bieten,  worauf  seiner  Zeit  schon  Stein  (18) 
aufmerksam  machte.  In  gleicher  Weise  wird  aber  auch  das  von 
Schneider  (40)  bei  der  Beurtheilung  der  Verbreitung  der  Gregariniden 
unter  den  Insecten  (und  speciell  den  Coleopteren)  hervoigehobne  Moment 
berücksichtigt  werden  müssen,  dass  nämlich  die  Lebensverhältnisse  solche 
sein  müssen,  dass  die  mit  dem  Koth  in  die  Aussenwelt  beförderten  Grega- 
rinencysten  günstige  Bedingungen  zu  ihrer  Entwicklung  finden,  also  haupt- 
sächlich genügende  Feuchtigkeit,  Schutz  vor  der  Vernichtung  durch  Aus- 
trocknung. Deragemäss  sehen  wir  eine  sehr  reiche  Gregarinenentwicklung 
bei  den  Familien  der  Derraestini,  Dyticidae,  Lamellicornia  und  Melasoma. 

Immerhin  werden  wir,  bei  Berücksichtigung  der  betonten  Mo- 
mente, noch  eine  ganze  Anzahl  Coleopterenfamilien  finden,  welche  bis 
jetzt  keine  Gregarinen  geliefert  haben,  obgleich  sie  keine  ungünstigen 
Bedingungen  zur  Entwicklung  dieser  Schmarotzer  darzubieten  scheinen. 
Inwieweit  nun  hierbei  noch  besondere,  bis  jetzt  unerkannte  Verhältnisse  eine 
Rolle  spielen  oder  unsre,  ja  im  Ganzen  noch  nicht  sehr  ausgebreitete  Er- 
fahrung Lücken  aufweist,  soll  hier  nicht  näher  untersucht  werden.  Dass 
auch  die  T h y  s a  n  u r  a **)  und  N e u  r  o  p  t e  r  a ,  die  letzteren  im  Larvenzustand, 
als  Gregarinenwirthe  sich  erweisen,  kann  nach  dem  angeführten  nicht  ver- 
wundern und  dasselbe  gilt  für  eine  Anzahl  Rhynchota,  unter  denen  unsre 
Schmarotzer  jedoch  bis  jetzt  nur  bei  drei  Gattungen  beobachtet  wurden  ***). 

*)  Lithobius,  Scolopendra,  Cryptops,  Scutigera,  Julus,  Polydcsmus,  Polyxenus,  Glomeris. 
**)  Gefunden  h.  Petrobius  maritimus  u.  Macliilus  Schnd.  (40) u.  1882,  b.  Lepisma  nach  Stein  [1 8). 
***)  Phyinata  (s.  Dufour  7  und  Ann.  sc.  n.  2.  VII.),  Reduvius,  Nepa  (Stein  18). 


5g4  (iregaiiiiida. 

Aeusserst  arm  au  Gregariuiden  sind  ferner  die  Diptera;  die  Lebens- 
weise der  ausgebildeten  Formen  erklärt  dies  wohl ,  es  sind  daher  auch 
nur  drei  Larvenformen,  bei  welchen  Gregarinen  getroffen  wurden*), 
doch  möchte  die  Lebensweise  zahlreicher  Dipterenlarven  die  Verrauthung 
nahe  legen,  dass  die  Verbreitung  der  Gregarinen  unter  ihnen  noch  eine 
ausgedehntere  sein  dürfte.  Dagegen  wurden  die  Gregarinen  bis  jetzt 
durchaus  vermisst  bei  den  Hymenoptera  und  Lepidoptera,  was  mit 
der  Lebensweise  der  hierhergehörigen  Insecten  recht  wohl  in  Einklang  steht. 

Wie  bemerkt,  sind  es  fast  ausschliesslich  Polycystideen,  welche  die 
Insecten  bewohnen,  das  Vorkommen  von  Monocystideen  ist  bis  jetzt 
nur  in  zwei  Fällen  constatirt  worden,  in  beiden  waren  es  wahrscheinlich 
Angehörige  des  Monocystideengeschlechts  Gamocystis. 

Zum  Schlüsse  unsrer  Betrachtung  der  Verbreitung  der  freien  Grega- 
riuiden haben  wir  noch  zweier  Abtheilungen  wirbelloser  Thiere  zu  ge- 
denken, bei  welchen  das  Vorkommen  unsrer  Schmarotzer  constatirt  wurde. 
Leuckart  erwähnt  Gregarinen  aus  dem  Darm  der  Sagitten  und  verschiedne 
Beobachter  wiesen  ihr  nicht  seltnes  Vorkommen  im  Darm  der  Tunicaten 
nach**). 

Werfen  wir  nun  in  ähnlicher  Weise  einen  Blick  auf  die  Verbreitung 
der  Coccidien,  so  finden  wir  dieselben  bis  jetzt  häufiger  bei  den  Verte- 
brata  nachgewiesen ,  was  aber  wohl  hauptsächlich  auf  die  geringe  Be- 
achtung, die  dieselben  bis  jetzt  bei  den  Wirbellosen  gefunden  haben, 
zurückzuführen  ist.  Unter  diesen  letzteren  vertreten  sie  wie  bei  den 
Vertebrata  die  freien  Gregariuiden  bei  den  Mollusken***);  ihr  Vor- 
kommen ist  weiter  bekannt  von  den  Myriapoda  (Lithobius  und  Glomeris). 
Eine  coccidienartige,  zahlreiche  sporenähnliche  Körperchen  elnschliessende 
Cyste  wurde  von  Hallez  bei  einer  Planarie  beobachtet f). 

Spärlich  ist  im  Ganzen  ihre  Verbreitung  bis  jetzt  bei  den  kaltblütigen 
Wirbelthieren  constatirt  worden;  wir  sind  jedoch  unterrichtet  von  ihrem  Vor- 
kommen bei  Fischen,  den  Anuren  (Frosch  und  Kröte  [9ö]),  Triton  (94),  der 
Coronella  (98),  dem  Krokodil  und  wahrscheinlich  auch  der  Schildkröte  (96). 

Reichlicher  treffen  wir  dagegen  Coccidien  bei  den  Warmblütern,  so 
bei  einer  ganzen  Reihe  von  Vögeln,  den  Hausvögeln:  Hühnern,  Gänsen, 
Enten,  Tauben,  jedoch  auch  freilebenden,  wie  dem  Sperling,  Zeisig  (luche- 
rino,  Fringilla  spinus),  Schwärzblättchen  (Sylvia  atricapilla),  Pfau  (Pavo), 
(s.  Rivolta  88). 

Sehr  verbreitet  ist  ihr  Vorkommen  bei  den  Säugethieren ;  sie  sind 
jetzt  nachgewiesen  bei  zahlreichen  Hausthieren  wie  Hund,   Katze,   Schaf, 


*)  Sciara  {Siebold  12),  Tipula  (Hammerschmidt  11);  Flohlarven  nach  R.  Leuckart 
(Jahresber.  f.  1859,  Arch.  f.  Naturgcsch.  26.  Jahrg.  IL  p.  161). 

**)    Clarellina,    Phallusia    (s.    Kölliker    16),    Ascidia?    (Laiikester   35),    Amauroecium 
(Giard  36),  Salpea  (.Leuckart  (Jahresber.  f.  1S59,  Arch.  f.  Naturgesch.  26.  Jahrg.  IL  p.  161). 
***)  Cephalopoden,  Limax,  Helix,  Succinea,  Neritina. 

t)  Contrib.  ä  l'hist.  nat.  des  Turbellaries.  1879.  Moniez  hat  Psorospermiancysteu  bei 
Echinorhynchus  proteus  beobachtet  (Bullet,  scientif.  dep.  du  Nord  T.  II.  p.  6),  ebenso  nach 
Balbiani  auch  Henneguy.     Ich  konnte  die  Arbeit  des  Letzteren  leider  nicht  durchsehen. 


Verbreitung-  (Coccidia).     Wohnortsverhältnisse.  585 

Kalb,  IScbweii),  Kaumchen,  Meerschweinchen,  weiter  jedocli  auch  in  der 
Maus,  Fledermaus,  Maulwurf  und  beim  Menseben.  Die  bis  jetzt  von  Aflen 
beschriebnen  Coccidien  sind  sehr   zweifelhafter  Natur*). 

Eine  kurze  Besprechung-  erfordern  noch  die  speciellen  Wohnortsver- 
hältnisse der  Gregariniden  innerhalb  der  von  ihnen  heimgesuchten  Thiere. 
In  dieser  Hinsicht  zeigen  die  freien  Monocjstideen  —  wir  verschieben 
auch  hier  die  Betrachtung  der  Coccidien  bis  ans  Ende  —  eine  grössere 
Mannigfaltigkeit.  Sie  bewohnen  sowohl  den  Darmkanal,  wie  die  Leibes- 
höhle, bei  den  Oligochaeten  häufig  auch  die  Hoden.  Noch  wenig  aufge- 
klärt erscheint  es  jedoch,  ob  eine  und  dieselbe  Art  gleichzeitig  in  Leibes- 
höhle und  Darm  anzutreifen  ist,  wenn  auch  für  die  Monocystideen  der 
Regenwüimer  häufig  das  gleichzeitige  Vorhandensein  einer  und  derselben 
Form  in  Hode  und  Leibeshöhle  hervorgehoben  wurde.  In  sehr  verschied- 
nen  Organen  wird  nach  Anton  Schneider  die  in  ihrer  Stellung  etwas  un- 
sichere Gregarina  Holothuriae  (der  Holothuria  tubulosa)  angetroffen,  da 
dieselbe  gleichzeitig  den  Darm,  die  Blutgefässe  und  die  Leibeshöhle  be- 
wohnen soll.  In  die  letztere  gelangt  sie  wahrscheinlich  in  der  Weise, 
dass  sich  an  den  Blutgefässen  bruchsackartige  Ausbuchtungen  bilden, 
welche  wahrscheinlich  zwei  copulirte  Thiere  einschliessen ,  wie  sich  aus 
dem  Vorhandensein  zweier  Kerne  vermuthen  lässt  und  diese  Aussackungen 
sich  schliesslich  sammt  den  umschlossnen  Gregarinen,  loslösen  und 
in  die  Leibeshöhle  hineinfallen.  Vielleicht  dürfte  sich  auf  eine  ähn- 
liche Weise  das  von  mehreren  Forschern  erwähnte  Vorkommen  von 
Gregarinen  in  Kapseln  in  der  Leibeshöhle  erklären.  So  fand  Kölliker 
(16)  seine  Urospora  Sipunculi,  welche  R.  Lankester  (35)  auch  frei 
in  der  Leibeshöhle  des  Sipunculus  angetroffen  hat,  in  zahlreichen  Indi- 
viduen in  einer  „dicht  vor  den  Zurückzlehern  des  Schlundes  gelegnen 
Kapsel".  R.  Lankester  klärt  dieses  eigenthümliche  Vorkommen  dahin 
auf,  dass  die  Kapseiwan d  von  der  flimmernden  Peritonealhaut  gebildet 
wird ;  doch  scheint  letztrer  Forscher  stets  nur  ein  Individuum  in  einer 
solchen  Kapsel  getroffen  zu  haben. 

Auch  von  seiner  Gregarina  clavata  berichtet  Kölliker,  dass  er  sie  zu 
zehn  in  einer  Kapsel  im  Hinterleib  einer  Ephemerenlarve  gefunden  habe, 
und  dieser  Fall  erlangt  noch  dadurch  ein  besondres  Interesse,  weil  die 
Polycystideen  bekanntlich  fast  ausschliesslich  auf  das  Leben  im  Darme 
angewiesen  sind.  Einige  Ausnahmen  von  letztrer  Regel  finden  sich  zwar  in 
der  Literatur  verzeichnet,  doch  dürfte  es  sich  in  diesen  Fällen  wohl  stets  um 
verirrte  Individuen  von  Arten  handeln,  welche  eigentlich  den  Darmkanal  be- 
wohnen. Ich  schliesse  dies  daraus,  dass  ich  mehrfach  vereinzelte  Clepsidrinen 
in  der  Leibeshöhle  der  Blatta  orientalis  traf,   wie  dies  auch  früher  schon 


*)  Nach  Paulicki  (Gurlt  u.  Hartwig,  Magaz.  f.  Thierheilk.  Bd.  35)  sollen  sich  chloro- 
phyllhaltige  Coccidien  bei  Cebus  und  Macacus  in  den  Lungen,  nach  Piana  (82)  solche  in  den 
Ganglien  (?)  von  Cynocephalus  gefunden  haben.  In  den  erstgenannten  chlorophyllhaltigen 
grünen  Körperchen  vermag  ich  ebensowenig  wie  Leuckart  Psorospermien  zu  erkennen.  Auch 
die  von  Piana  erwähnten  erscheinen  noch  unsicher. 


586  Gregarinida. 

Frantzius  (15)  aufgefalleu  war,  und  dass  diese  stets  regungslos  sowie  un- 
gemein blasig  aufgeschwollen  erschienen.  Hammerscbmidt  (11)  hat  solche 
blasenförmig  aufgetriebne  und  bewegungslose  Polyc^^stiden  schon  in  der 
Leibeshöhle  einer  Tipulalarve  beobachtet  und  darauf  sogar  sein  Geschlecht 
BuUulina  gegründet.  Auch  Leidy  (22)  berichtet,  seine  Greg.  Achetae  ge- 
legentlich in  der  Leibeshöhle  gefunden  zu  haben*). 

Ueber  die  Wohnortsverhältnisse  der  monocystiden  Coccidien  wurde 
schon  friiherhin  Manches  berichtet,  so  dass  wir  uns  hier  kurz  zu  fassen 
vermögen.  Es  dürfte  vieles  dafür  sprechen,  dass  diese  stets  in  Geweben 
schmarotzenden  Formen  auch  stets  in  den  Zellen  selbst  ihre  Wobnstätte 
aufschlagen  und  dass  sie  da,  wo  sie  frei  im  Binde-  oder  Muskelgewebe  etc. 
beobachtet  wurden,  vielleicht  erst  späterhin,  nach  ihrer  Encystirung,  abge- 
lagertworden sind.  Doch  bedarf  diese  Angelegenheit  noch  weiterer  Aufklärung. 

Ungemein  häufig  treffen  wir  sie  in  den  Epithelzellen  des  Verdauungs- 
kanals und  zwar  des  Mitteldarms  und  seiner  Lieberkühn'schen  Drüsen. 
Bei  reichlicher  Anwesenheit  können  sie  hier  arge  Verwüstungen  am  Epi- 
thel hervorrufen.  Wie  bekannt,  finden  sie  jedoch  auch  den  Weg  in  das 
Epithel  der  Gallengänge  der  Leber  (Kaninchen,  Mensch)  und  erzeugen 
hier  die  sogen.  Coccidienknoten.  Die  Bindegewebswandungen  der  inficir- 
ten  Gallengänge  verdicken  sich  und  diese  Wucherung  bringt  allmählich 
das  benachbarte  Leberparenchym  zum  Schwund.  Hand  in  Hand  mit  der 
Ansammlung  einer  käsigen  oder  rahmartigen  Masse,  welche  aus  Flüssig- 
keit mit  zahh-eichen  degenerirten  Epithelzellen  und  encystirten  Coccidien 
besteht,  erw^eitern  sich  die  inficirten  Stellen  der  Gallengänge;  die  Binde- 
gewebswandungen, welche  die  benachbarten  Gänge  scheiden,  werden  mehr 
und  mehr  verdünnt  und  schliesslich  fliessen  die  benachbarten  Knötchen  zur 
Bildung  eines  grösseren  Knotens  zusammen.  Knötchenartige  grössere  An- 
häufungen von  Coccidien  in  der  Darmschleimhaut  mögen  z.  Tb.  durch 
eine  massenhaftere  Ansammlung  derselben  in  den  inficirten  Lieberkühn'- 
schen Drüsen,  z.  Th.  jedoch  durch  eine  ähnliche  Inficirung  der  Peyer'- 
schen ,  wie  der  solitären  Follikel  hervorgerufen  werden,  da  auch  in  diesen 
Coccidien  nachgewiesen  worden  sind. 

Die  neueren  Untersuchungen  haben  jedoch  erwiesen ,  dass  nicht  nur 
die  eigentlichen  Darmepithelien  in  dieser  Weise  dem  Anfall  der  Coccidien 
ausgesetzt  sind,  sondern  dass  dieselben  sowohl  beim  Kaninchen,  nach  den 
Untersuchungen  Zürn's  (91),  wie  den  Hühnern,  nach  denen  Silvestrini's 
und  Rivolta's  (75  u.  76),  ein  viel  ausgedehnteres  Verbreitungsgebiet  be- 
sitzen. So  bewohnen  sie  sehr  häufig  die  Nasenschleimhaut  dieser  Thiere 
und  verursachen  eine  Entzündung  derselben,  verbreiten  sich  aber  von  hier 
auch  auf  die  Schleimhaut  des  Mauls  und  inficiren  sogar  den  Kehlkopf; 
dagegen  ist  es  bis  jetzt  noch  nicht  hinreichend  sicher,  ob  sie  sich  bei 
dem  Kaninchen  auch  noch  tiefer  in  die  Luftwege  hinab    ausdehnen   und 


*)  Claus  schreibt,  dass  er  die  Gregarinen  von  Phronima  und  Phronimella  „am  Magen- 
darm" beobachtet  habe;  liegt  hier  nicht  etwa  nur  ein  Schreibfehler  vor,  so  wäre  dies  viel- 
eicbt  ein  Beispiel  einer  Polycystidee,  die  wirklich  die  Leibeshöhle  bewohnt. 


Wohnortsverhältnisse  (Coccidia)  587 

schliesslich  sogar  die  Lunge  zu  afficiren  vermögen,  wie  Zürn  anzunehmen 
geneigt  ist  (wahrend  sie  bei  den  Hühnern  auch  in  den  Anfang  der 
Trachea  und  des  Oesophagus  herabsteigen).  Andrerseits  soll  sich  jedoch 
nach  Zürn  das  Coccidienleiden  der  Kaninchen  zuweilen  aus  der  Rachen- 
schleimhaut auch  auf  die  Eustachischen  Tuben  ausdehnen,  die  Pauken- 
höhle in  Mitleidenschaft  ziehen  und  schliesslich  von  hier  aus  sogar  auf 
das  Labyrinth  und  den  äusseren  Gehörgang  übergreifen.  Sowohl  bei  den 
Huhnern  wie  bei  dem  Kaninchen  stellt  sich  das  Psorospermienleiden  auch 
zuweilen  an  der  Conjunctiva  ein  und  ruft  hier  eine  Conjunctivitis  hervor, 
soll  sich  jedoch  bei  den  Hühnern  auch  auf  das  äussere  Epithel  ausdehnen 
und  den  Kamm  und  Bart  heimsuchen.  Rivolta  (88)  sucht  ferner  nach- 
zuweisen, dass  eine  in  Italien  unter  dem  Namen  „vajuolo"  schon  lange 
bekannte  Hautkrankheit  der  Hühner  und  Tauben,  welche  sich  haupt- 
sächlich in  Knötchenbildungen  an  der  Haut  des  Kopfes  und  Halses, 
jedoch  auch  andrer  Körperstellen  äussert,  gleichfalls  durch  Coccidien  her- 
vorgerufen werde ,  welche  sich  in  dem  hyperplastischen  Rete  Malpighii 
dieser  Knötchen  ansammeln.  Es  scheint,  dass  er  diese  Hautcoccidien  für 
identisch  hält  mit  den  Darmcoccidien  der  erwähnten  Vögel  und  demnach 
auch  wohl  dem  Coccidium  oviforme. 

Wie  schon  angedeutet,  liegen  auch  einige  Beobachtungen  über  das 
Vorkommen  der  Coccidien  in  noch  anderen  Geweben  vor.  So  fand  sie 
schon  Klebs  im  Parenchym  der  Darmzotten  und  im  Bindegewebe 
zwischen  den  Lieberkühn'schen  Drüsen  beim  Kaninchen;  ähnlich  beob- 
achtete auch  Rivolta  die  Coccidien  der  Zotten  des  Hunde-  und  Katzen- 
darms im  Parenchym.  Bei  den  Cephalopoden  muss  sich  nach  den  An- 
gaben von  Eberth  Aehnliches  finden.  Bei  Octopus  beobachtete  er  eine 
sehr  weite  Verbreitung  der  Benedenia.  Er  fand  sie  ,, unter  der  äusseren 
Haut,  in  der  Muskulatur  des  Körpers  wie  der  Arme,  unter  der  Serosa 
des  Darms,  der  Geschlechtsorgane,  in  den  Venenkörpern  (anhängen!)  und 
in  der  Darmschleimhaut''.  Im  Mesenterium  des  Kaninchens  und  dessen 
Mesenterialdrüsen  hat  Reincke  die  Coccidien  gleichfalls  constatirt,  sie 
waren  hier  in  Knötchen  zusammengehäuft,  welche  dem  Verlauf  der  Ge- 
lasse folgten.  Wir  kennen  ferner  die  gelegentliche  Infection  der  Niere 
durch  Coccidien,  welche  Lieberkühn  für  den  Frosch  sichergestellt  hat*) 
und  die  unter  den  Gastropoden  mehrfach  angetroffen  wurde. 

Aus  dem  Vorstehenden  dürfte  zur  Genüge  erhellen,  wie  der  gesammte 
Körper,  möchte  man  nahezu  sagen,  den  Angriffen  der  Coccidien  ausge- 
setzt sein  kann,  dagegen  auch,  dass  in  zahlreichen  Fällen  noch  nähere 
Aufklärungen  über  den  eigentlichen  Sitz  dieser  Schmarotzer  in  den  von 
ihnen  befallenen  Geweben  nothwendig  sind. 

Noch  zwei  Fragen  mögen  hier  zum  Schluss  unsrer  Betrachtung  über 
die  Verbreitungs-  und  Wohnortsverhältnisse  der  Gregariniden  kurz  berührt 


*)  Wo  hier  der  eigentliche  und  primäre  Sitz  der  Coccidien  ist,  wurde  bis  jetzt  noch  nicht 
aufgelilärt. 


58Ö  Gregarinida. 

werden,  iiäinlicb  die  nach  der  VerbreitUDg  einer  und  derselben  Art  auf 
einen  oder  mehrere  Wirthe,  sowie  im  Auschluss  hieran  die  Frage  nach 
dem  gleichzeitigen  Vorkommen  mehrerer  Gregarinidenarten  bei  einem  und 
demselben  Wirth.  Die  Beantwortung  dieser  Fragen  bietet  heutzutage  noch 
mancherlei  Schwierigkeiten,  da  sich  die  systematischen  Forschungen  auf 
unserem  Gebiet  noch  in  den  Anfängen  befinden  und  nicht  wenige  Grega- 
rinenformen  nur  in  Hinblick  auf  ihr  Vorkommen  zu  besonderen  Arten 
erhoben  worden  sein  mögen ,  obgleich  es  auch  andrerseits  an  dem  Ver- 
such nicht  gefehlt  hat,  Formen  von  höchst  wahrscheinlich  specifischer 
Verschiedenheit  auf  Grund  ihres  Vorkommens  bei  demselben  Wohnthier 
zu  einer  Art  zu  verschmelzen.  Diese  Schwierigkeiten  illastriren  wohl  am 
geeignetsten  die  Gregariniden  des  gemeinen  Regenwurms  (Lumbricus  ter- 
restris  L.).  Während  Lieberkühn  und  wie  es  scheint  auch  A.  Schneider 
die  verschiednen  Gregarinenformen  dieses  Wurmes  sämmtlich  als  ver- 
schiedne  Zustände  einer  und  derselben  Art  auffassen,  unterschied  Stein 
nicht  weniger  wie  vier  Arten,  welche  in  zwei  Gattungen  eingereiht  wur- 
den, und  ähnlich  sprach  sich  auch  A.  Schmidt  aus.  Ebenso  neige  ich  mich 
auf  Grund  eigner  Erfahrungen  der  Stein'schen  Auffassung  zu.  Auch  die 
von  Stein  unterschiednen  drei  Gregarinenarten  der  Mehlkäferlarve  (Tene- 
brio)  sollen  nach  Schneider  nur  eine  einzige  Art  bilden,  eine  An- 
sicht, welche  ich  wenigstens  in  Bezug  auf  eine  Form  (den  Stylo- 
rhynchus  ovalis  St.)  nicht  zu  theilen  vermag.  Wir  heben  hier  jedoch 
noch  einige  gesicherte  Beispiele  gleichzeitigen  Vorkommens  verschiedner 
Arten ,  ja  Gattungen ,  bei  einem  und  demselben  Wirth  hervor.  So  be- 
herbergt nach  Schneider  die  Audouinia  Lamarcki  zwei  verschiedne  Mono- 
cystideen,  die  eine  im  Darm,  die  andre  in  der  Leibeshöhle.  Das  auf- 
fallendste Beispiel  bietet  bis  jetzt  aber  der  Lithobius  forficatus  L., 
welcher  in  seinem  Mitteldarm  nicht  weniger  wie  vier  Gregarinenarten, 
nicht  selten  mehreren  gleichzeitig,  Wohnung  gewährt,  vier  Arten,  welche 
mit  Recht  zu  vier  verschiednen  Gattungen:  Actinocephalus,  Echinocephalus, 
Adelea  und  Eimeria  (eine  Coccidie)  gestellt  werden.  Im  Darm  derMyctacides- 
larven  trifft  man  gewöhnlich  zwei  Gregarinen  der  Gattungen  Pileocephalus 
und  Clepsidrina  an.  Durch  Schneider  haben  wir  neuerdings  auch  von 
dem  gleichzeitigen  Vorkommen  zweier  Coccidien  bei  einer  Thierart  Nach- 
richt erhalten.  Die  Myriapodenform  Glomeris  nämlich  beherbergt  zwei 
Coccidienarten  (eine  Cyclospora  und  eine  Eimeria),  die  eine  im  Mittel- 
darm, die  andre  in  den  Malpighischen  Gefässen. 

Im  Ganzen  scheint  die  Verbreitung  der  einzelnen  Arten  eine  ziemlich 
fest  umgrenzte  und  beschränkte  zu  sein,  was  namentlich  von  Schneider  (40) 
durch  Hinweis  auf  einige  interessante  Beispiele  näher  erörtert  wurde,  bei 
welchen  gewisse  Gregarinenformen  constant  ihre  bestimmten  Wohnthiere 
aufsuchen,  obgleich  letztere  unter  ganz  entsprechenden  Lebensbedingungen 
gleichzeitig  dieselben  Orte  bewohnen ,  eine  Uebertraguug  von  einem  auf 
den  anderen  Wirth  daher  wohl  zu  erwarten  wäre.  Andrerseits  kennt 
man  jedoch  auch  einige  Beispiele  ausgedehnterer  Verbreitung  bestimmter 


Verbreitimgseigenthümlichkeiteii.  589 

Arten.  So  findet  sich  die  Bothriopsis  Histiio  Aim.  Sehn,  bei  drei 
Gattungen  von  Wasserkäfern,  der  Actinocepbalus  stelliformis  bei  drei 
Käferarten  versebiedner  Familien  (Carabus^  Stapbylinus  und  Rbizotrogus) 
und  dürfte  daher  wohl  auch  noch  Nveiter  verbreitet  sein.  Auch  unter  den 
Monocystideen  der  Anneliden  werden  sich  wohl  Beispiele  einer  derartigen 
breitung  finden,  wenn  nur  die  systematische  Durchforschung  der  zahl- 
reichen hierhergehörigen  Formen  erst  weiter  gediehen  sein  wird. 

Nachträgliclier  Zusatz:  Im  Bcg-riüe  die  zweite  Correctur  dieses  Bogeiis  zu  lesen, 
erhalte  ich  eine  soeben  erschienene ,  sehr  interessante  Fortsetzung  der  Untersuchungen 
A.  Schneider's  über  die  Gregariniden  (Archives  de  Zoologie  experim.  T.  X.  1S82.  p.  423—50. 
Taf.  13).  Da  es  leider  zu  spat  ist,  die  wichtigsten  Kesultate  derselben  noch  dem  Text  ein- 
zuverleiben, will  ich  hier  nachträglich  auf  das  Bemerkenswertheste  hinweisen.  Schneider  hat 
jetzt  bei  einer  ganzen  Anzahl  Polycystideengeschlechter  (Clepsidrina ,  Loporhynchus ,  Stylo- 
rhynchus,  Trichorhynchus  und  Cnemidospora)  die  Erzeugung  sichelförmiger  Keime  festgestellt 
und  konnte  sich  ferner  in  fast  allen  Fällen  versichern,  dass  die  Keime  einen  deutlichen,  zu- 
weilen sogar  recht  ansehnlichen  Zellkern  enthalten.  Ebenso  gelang  es  ihm,  in  den  noch 
hüllenlosen  jugendlichen  Sporoblasten,  sowie  in  den  noch  nicht  weiter  entwickelten  Sporen  des 
Stylorhynchus  den  ansehnlichen  Nucleus  zu  beobachten. 

Bringt  man  die  mit  sichelförmigen  Keimen  erfüllten,  reifen  Sporenketten  des  Stylorhynchus 
longicoUis  in  etwas  Darmsaft  des  Blaps  mortisaga  (des  Wohnthiers  dieser  Polycystidee) ,  so 
springen  die  Sporenschalen  auf  und  die  sichelförmigen  Keime  treten  hervor.  Dieselben  be- 
wegen sich  mehr  oder  weniger  lebhaft  in  der  bekannten  Weise  und  diese  Beweglichkeit  der 
Keime  dauert  in  gleicher  Weise  mehrere  Stunden  fort.  Amöboide  Beweglichkeit  oder  Schwimm- 
bewegung der  Keime  wurde  nie  wahrgenommen.  Die  nach  dem  Hervortreten  aus  der  Spore 
etwa  langgestreckt  rübenförmigen  Keime  tragen  an  ihrem  dickeren  Ende  einen  massig  langen, 
schmalen,  stiftförmigen  Fortsatz,  welcher  besonders  beweglich  erscheint,  indem  er  sich  lebhaft 
hin-  und  herbiegt. 

Zu  diesen  interessanten  Mittheilungen  gesellt  Schneider  die  weitere,  dass  man  in  den 
Darmepithelzeilen  des  Blaps  mortisaga  sehr  häufig  einen  oder  mehrere  kernhaltige  Körper 
treffe,  welche  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  als  die  erste  Weiterentwicklungsstufe  der  in  die 
Epithelzellen  eingedrungnen  Keime  von  Stylorhynchus  longicollis  zu  betrachten  seien.  Es 
scheint  demnach,  dass  auch  die  Polycystideen  ihre  erste  Entwicklung  als  intracelluläre  Schma- 
rotzer beginnen. 

Schneider's  Arbeit  beschreibt  ferner  eine  Eeihe  neuer  Polycystideengeschlechter,  wobei  gleich- 
zeitig eine  Anzahl  wichtiger  Bemerkungen  über  Bau  und  Fortpflanzung  derselben  mitgetheilt  werden. 
Wir  versuchen  es  hier  noch  eine  kurze  Charakteristik  dieser  neuen  Geschlechter  beizufügen. 

Loporhynchus  Sehn,  1882.  Epimerit  hat  Aehnlichkeit  mit  dem  von  Actinocephalus 
und  Echinocephalus ;  kurz  und  dick,  längs  gestreift,  Vorderende  breit  abgestutzt  und  etwas 
saugnapfartig  ausgeliöhlt,  mit  membranösem  vorspringendem  Eand,  unterhalb  dessen  ein  ein- 
reihiger Kranz  von  birnförmigen  blasigen  Anhängen  entspringt.  Cystenhaut  ähnlich  wie  bei 
Stylorhynchus  mit  Wärzchen  bedeckt.  Sporen  wie  die  von  Stylorhynchus  gestaltet  und  Ketten 
bildend.     1  Art,    Darm  von  Helops. 

Trichorhynchus  Sehn.  1882.  Unterscheidet  sich  von  Stylorhynchus  wesentlich  nur 
durch  die  elliptisch  bis  cylindrisch  gestalteten  Sporen.  1  Art.  Darm  von  Scutigcra  (Myrio- 
pode).  Cyste  sehr  interessant.  Etwas  abgeplattet;  die  Cystenhaut  mit  einem  scharf  hervor- 
tretenden, dunklen  und  ziemlich  breiten  Aequatorialband,  längs  dessen  Mittellinie  die  ausge- 
reifte Cyste  in  zwei  Hälften  aufspringt.  Oberfläche  der  Cystenhaut  mit  regelmässig  gestellten 
Wärzchen  bedeckt  und  dazwischen  fein  punktirt. 

Cnemidospora  Sehn.  1882.  Bis  jetzt  nur  Sporonten  bekannt,  welche  wie  die  beiden 
vorhergehenden  Gattungen  keine  Syzygien  bilden.  Hauptauszeichnung  bildet  die  Anhäufung 
einer  homogen  und  fettartig  erscheinenden  Masse  im  Yorderende  des  Protomerits.  Sporen 
elliptisch.     1  Art,     Darm  von  Glomeris  (Myriop.). 


590  Myxosporidia. 


II.   Myxosporidia. 

Butsclili  1881  (sogen.  Fischpsorospermien). 
T.  38.  Figg.  5—24. 

Schon  bei  Gelegenheit  der  historischen  Uebersicht  unsrer  Kenntnisse 
der  Sporozoa  wurde  erläutert,  dass  gerade  die  von  Joh.  Müller  (1841) 
zuerst  unter  der  Bezeichnung  Psorospermien  beschriebnen  parasitiscben 
Gebilde  der  Fische,  hinsichtlich  ihrer  wahren  Natur  und  Bedeutung,  bis 
jetzt  viel  zweifelhafter  geblieben  sind,  als  die  erst  später  genauer  bekannt 
gewordnen  ei-  und  kugelförmigen  Psorospermien.  Da  die  Fischpsoro- 
spermien, wegen  ihrer  in  vieler  Hinsicht  eigenthümlichen  Bau-  und 
Lebensverhältnisse,  ohne  Zweifel  eine  besondere  Abtheilung  bilden  und 
der  Name  Psorospermien  wegen  seiner  heterogenen  Verwendung  heutzu- 
tage hinfällig  geworden  ist,  so  habe  ich  für  die  hierhergehörigen  Orga- 
nismen die  Bezeichnung  Myxosporidia  vorgeschlagen  (105).  Bis  jetzt 
sind  diese  Gebilde,  welche  sich  sehr  wesentlich  von  den  Coccidien  unter- 
scheiden ,  fast  ausschliesslich  bei  den  Fischen  angetroffen  worden.  Die 
einzige  sichere  Ausnahme  dieser  Regel  beobachtete  Lieberkühn,  welcher 
Mjxosporidiensporeu  in  Nais  (Oligochaete)  auffand*).  Auch  Balbiani**) 
hat  in  der  Leibeshöhle  eines  Schmetterlings  (Pyralis  viridiana)  Cysten 
beobachtet,  welche  mit  Körperchen,  von  einem  den  Myxosporidien-Sporen 
ähnlichen  Bau,  erfüllt  waren;  die  Beobachtung  ist  jedoch  nicht  aus- 
reichend, um  ihre  Zugehörigkeit  zu  unserer  Abtheilung  zu  erweisen.  Zweifel- 
haft erscheint  der  von  Giard  unter  dem  Namen  Lithocystis  Schueideri 
beschriebne  Organismus,  welcher  bei  einem  Seeigel  (Echinocardium 
cordatum)  gefunden  wurde.  Aehnlich  wie  die  Coccidien  zeigen  aber 
auch  die  Myxospoiidien  eine  ungemein  weite  Verbreitung  im  Fiseh- 
körper.  Wenn  sie  auch  J.  Müller  ursprünglich  (99)  ■ —  ausser  in  Theilen 
des  Auges,  wie  den  Augenmuskeln,  der  Sklerotika,  zwischen  dieser  und 
der  Chorioidea  —  fast  ausschliesslich  und  sehr  häufig  an  der  Haut  der 
Fische  und  zwar  in  Form  kleiner  Pusteln,  welche  einen  Hautausschlag 
zu   bilden   schienen,    auffand,   so  glaubte    er  doch,  in  Gemeinschaft   mit 


*)  Diese  wie  eine  Anzahl  weiterer,  seither  unpublicirter  Beobachtungen  verdanke  ich  der 
Liebenswürdigkeit  des  um  die  Myxusporidien  so  verdienten  Prof.  N.  Lieberkiihn,  welcher  mir 
eine  grosse  Anzahl  vorzüglicher,  bis  jetzt  unpublicirter  Zeichnungen,  von  der  Künstlerhaud 
G.  Wagner's  ausgeführt,  zur  Benutzung  überliess.  Meinen  aufrichtigsten  Dank,  bitte  ich  ihn, 
auch  an  dieser  Stelle  entgegennehmen  zu  wollen. 

**)  Balbiani  in  Journ.  anatomic  et  physiologie  T.  III.  p.  599  u.  T.  IV.  p.  263. 


Verbreitung  unter  d.  Fischen  u.  im  Fischkörper.  591 

Eetzius  (100)  auch  schon  das  gelegentliche  Auftreten  ähnlicher  Körperchen 
in  inneren  Organen  und  zwar  in  der  Schwimmblase  des  Dorsches  con- 
statiren  zu  können*).  Leydig  (20),  Lieberkühn  (24,58,101)  und  nament- 
lich Balbiani  (102)  erwiesen  dann,  dass  sie  noch  in  vielen  inneren  Or- 
ganen vorkommen. 

Der  Hauptsitz  der  Hautmyxosporidien  scheint  die  Kopfgegend  zu  sein 
imd  zwar  entweder  die  äussere  Fläche  des  Kopfes,  häutig  die  des  Kiemen- 
deckels, namentlich  aber  auch  die  Kiemenhöhle,  wo  die  Innenseite  des 
Kiemendeckels,  die  Kiemenhaut,  die  Kiemenbogen  und  schliesslich  häufig 
auch  die  Kiemenblättchen  selbst  ihren  Sitz  bilden.  Auch  auf  den  Flossen 
sind  die  Psorospermiencysten  gelegentlich  beobachtet  worden. 

Die  Verbreitung  der  Myxosporidien  in  den  inneren  Theilen  des  Fisch- 
körpers ist,  wie  schon  bemerkt,  eine  so  weite,  dass  nur  wenige  Organe 
und  Organsysteme  von  ihnen  verschont  zu  bleiben  scheinen.  So  vermisste 
sie  Balbiani  nur  in  der  Stammesmuskulatnr  und  dem  centralen  Nerven- 
system durchaus,  wogegen  neuerdings  Ryder**)  bei  einem  Aphrododerus 
zahlreiche  Myxosporidiencysten  in  der  Seitenmuskulatur  auffand.  Ihre 
besonderen  Lieblingssitze  sind  nach  Balbiani  die  Niereu  und  die  Milz, 
doch  trifft  man  sie  nach  den  Untersuchungen  Leydig's  und  Lieberkühn's 
namentlich  auch  in  der  Gallen-  und  Harnblase  von  Süsswasser-  und 
Meeresfischen  recht  häufig.  Da  sie  sich  gelegentlich  auch  in  dem  Gefäss- 
apparat,  so  den  Herzklappen  ansiedeln,  so  ist  ihr  von  Leydig  beob- 
achtetes Vorkommen  im  Herzl)lut  erklärlich  (Leuciscus).  Fernerhin  ver- 
mochten sie  Leydig  und  Lieberkühn  bei  Gobius  auch  in  der  Leibeshöhle 
zu  coustatiren.  Aus  obigen  Bemerkungen  geht  die  weite  Verbreitung 
dieser  Schmarotzer  im  Fischkörper  zur  Genüge  hervor.  Ebenso  besitzen 
sie  aber  auch  eine  weite  Verbreitung  durch  die  Klasse  der  Fische.  Schon 
J.  Müller  hatte  bei  einer  ziemlichen  Zahl  einheimischer  wie  ausländischer 
SUsswasserfische  Myxosporidien  aufgefunden.  Leydig  dagegen  erwies  ihr 
häufiges  Vorkommen  bei  nicht  wenigen  Plagiostomenarten.  Die  übrigen 
Meeresfische  sind  dagegen  bis  jetzt  noch  wenig  ausreichend  nach  unsern 
Schmarotzern  durchforscht,  obgleich  es  kaum  zweifelhaft  sein  kann, 
dass  die  Myxosporidien  auch  unter  den  marinen  Fischen  eine  weite  Ver- 
breitung besitzen. 

Die  kleinen  sporenartigen  Körperchen,  welche  J.  Müller  ursprünglich 
als  Psorospermien  bezeichnete,  sind  nun  natürlich  keine  erwachsenen 
selbstständigen  Organismen,  sondern  die  Fortpflanzuugskörper  oder  Sporen 
einfacher,  plasmatischer,  bis  zu  einem  gewissen  Grade  amöben ähnlicher 
Organismen.     Wir   finden   nämlich   nach   den  gewöhnlichen  Angaben  der 


''■■)  Es  scheint  mir  jedoch  recht  fraglich,  ob  diese  psorospermienartigen  Körperchen  der 
Dorschschwimmblase  zu  den  eigentlichen  Myxosporidien  und  nicht  vielmehr  zu  den  Coccidien 
zu  rechnen  sind.  Ihr  Bau  scheint  sich  nämlich  eher  den  letzteren  anzuschliessen ;  namentlich 
spricht  dafür  auch  das  Fehlen  der  für  die  Sporen  der  Myxosporidien  so  charakteristischen 
Polliörperchen. 

**)  Amcric.  naturalist  Vol.  XIV. 


592  Myxosporidia. 

Beobachter  die  Psorospermien  der  Haut,  seltner  dagegen  die  innerer  Or 
gane,  in  grosser.  Menge  in  einer  sehr  zarthäntigen  Blase  oder  Cyste  ein- 
geschlossen und  es  sind  eben  diese  Myxosporidiencysten  oder  Psoro- 
spermienblasen,  welche  —  auf  der  Haut  befestigt  oder  in  dieselbe  ein- 
gelagert —  die  ausschlagartigen  Pusteln  darstellen,  deren  schon  oben 
gedacht  wurde.  Obgleich  es  nach  den  Mittheilungen  einiger  Beobachter 
wahrscheinlich  ist,  dass  diese  Myxosporidiencysten  zuweilen  auch  ganz 
frei  auf  der  Haut  oder  den  Kiemenblättchen  gefunden  werden,  halte  ich 
dies  Vorkommen  einstweilen  doch  für  ein  seltenes  und  vermuthe,  dass 
sie  gewöhnlich  in  die  Haut  selbst  eingebettet  sind.  Die  genauere  Unter- 
suchung der  Myxosporidiencysten  der  Kiemenblättchen  unsrer  Süsswasser- 
fische  hat  mich  wenigstens  belehrt,  dass  dieselben  in  das  Gewebe  der 
Kiemenblättchen  eingebettet  sind  (115).  Ihr  Sitz  ist  die  Bindegewebs- 
schicht  des  Kiemenblättchen,  ja  sie  liegen  sogar  innerlich  von  dessen  Capil- 
laren,  von  welchen  sie  gewissermaassen  umgürtet  werden  (T.  38.  6a). 

Ist  die  Myxosporidiencyste  ansehnlich  herangewachsen,  so  drängt 
sich  ihre  Masse  bruchsackartig  zwischen  den  umgürtenden  Capillaren 
hervor  und  dadurch  wird  die  Gestalt  der  Cyste  eine  ziemlich  unregel- 
mässige. Kleinere  Cysten  dieser  Art  erscheinen  dagegen  einfach  kuglig 
bis  ellipsoidisch.  Bei  starkem  Anwachsen  scheint  die  Cyste  schliesslich 
die  Capillaren  zu  zerreissen  und  da  auch  das  Epithel  des  Kiemenblättchens 
leicht  verloren  geht,  so  kann  wohl  bei  flüchtiger  Untersuchung  leicht  die 
falsche  Vorstellung  entstehen,  dass  die  Cyste  dem  Kiemenblättchen  äusser- 
lich  aufsitze. 

Bei  genauer  Untersuchung,  namentlich  bei  Isolirung  der  sogen.  Cysten 
der  Kiemen,  gelingt  es,  sich  von  der  Gegenwart  einer  umkleidenden  Cysten- 
haut  zu  überzeugen.  Doch  besitzt  diese  Umhüllungsmembran  nicht  die 
Charaktere  gewöhnlicher  Cystenhüllen ,  wie  sie  uns  die  übrigen  Proto- 
zoen und  speciell  die  Sporozoen  so  häufig  zeigen.  Sie  ist  keine  structur- 
lose,  resistente  Abscheidungshaut,  sondern,  ein  deutlich  plasmatisches 
Gebilde,  bestehend  aus  einem  hellen,  schwach  körnigen  Plasma,  in 
welches  zahlreiche,  etwas  unregelmässig  gestaltete  Zellkerne  eingelagert 
sind.  Leider  lässt  sich  bis  jetzt  eine  sichere  Auskunft  über  die  Abstam- 
mung dieser  Haut  nicht  geben.  Es  muss  zunächst  unsicher  bleiben, 
ob  dieselbe  von  der  Myxosporidie  selbst  oder  von  dem  Gewebe  des 
Kiemenblättchens  ihre  Entstehung  nimmt. 

Nach  diesen  Erfahrungen  an  den  Kiemenmyxosporidien  erscheint  es 
also  etwas  zweifelhaft,  ob  sich  bei  unseren  Organismen  überhaupt  cysten- 
artige  Sporeublasen  mit  einfacher  Cystenhaut  vorfinden,  wie  dies  nach  den  An- 
gaben mancher  Beobachter  scheint.  Es  ist  dies  um  so  zweifelhafter,  da  wir 
sehen  werden,  dass  die  Sporulation  der  Myxosporidien ,  welche  innere 
Körperhöhlen  bewohnen,  wenigstens  häufig  sicher  im  nackten,  unencystirten 
Zustand  stattfindet.  Mir  ist  es  daher  wahrscheinlicher,  dass  die  Sporen- 
bildung bei  unseren  Formen  überhaupt  nicht  an  eine  vorherige  Encysti- 
rung  geknüpft  ist  und  dass  daher  auch  die  eben  beschriebne  eigenthümliche 


Allgem.  Bau  d.  Kiemeumyxosporidieu  u.  der  d.  Hochtharnblase.  593 

Umhiilliingshaut  der  Kiemenmyxosporidien  wahrscheiDÜch  nicht  als  eine 
Cysteuhaut  aufzuiassen,  sondern  als  ein  Erzeiiguiss  des  inficirten  Gewebes 
zu  betrachten  ist.  Die  geschilderten  Myxosporidien  der  Kiemen  und  der 
Haut  bestehen  jedoch  nicht  ausschliesslich  aus  einer  Anhäufung  der  sogen. 
Psorosperniien  oder  Sporen,  sondern  zwischen  diesen,  sie  einbettend  und 
umhüllend,  d.  h.  den  eigentlichen  Organismus  der  Myxosporidie  consti- 
tuirend,  findet  sich  eine  körnerreiche  plasmatische  Masse. 

Die  Grösse  solcher  Myxosporidien  der  Haut  und  Kiemen  ist  z.  Th. 
gar  nicht  unbeträchtlich,  so  beobachtete  schon  J.  Müller  an  den  Kiemen 
von  Catostomus  tuberculatus  Myxosporidien  von  1 — 2  Linien  Länge.  Auch 
Lieberkühn  fand  bei  Gasterosteus  Psorospermienblasen  von  1  Linie  Länge. 
Gewöhnlich  bleiben  sie  aber  kleiner,  doch  fehlen  bis  jetzt  genauere 
Angaben  über  die  durchschnittliche  Grössenentwicklung  der  Myxosporidien 
der  Fischhaut. 

Auch  im  Körperinnereu  sind  zuweilen  Myxosporidien  gefunden  worden, 
welche  auf  die  Beobachter  mehr  den  Eindruck  einer  mit  Sporen  gefüllten 
Cystenblase  machten,  so  sind  hierher  wohl  die  frei  in  der  Leibeshöhle 
gefundnen  Psorospermienblasen  zu  rechnen;  gewöhnlicher  finden  sich  da- 
gegen die  Psorospermienanhäufungen  der  inneren  Organe  in  eine  plasma- 
tische, amöbenartige  Masse  eingeschlossen,  welche  eine  mehr  oder  minder 
uuregelmässige  Gestalt  besitzt. 

Von  solchen  frei  in  gewissen  Körperhöhlen  lebenden  Myxosporidien 
wurden  am  eingehendsten  studirt  die  der  Gallenblase  der  Plagiostomen 
von  Leydig  und  die  der  Harnblase  des  Hechtes  und  der  Quappe  (Lota 
vulgaris)  von  Lieberkühn.  Die  Form  der  Hechtharnblase  untersuchten 
späterhin  noch  Gabriel  und  Bütschli.  Diese  Myxosporidien  sind,  wie  be- 
merkt, amöben-  oder  plasmodienartige  Körper  von  sehr  verschiedner 
Grösse  und  ebenso  verschiedner  Gestaltung.  Im  Allgemeinen  erscheinen 
sie  kuglig  bis  langgestreckt  band-  und  schlauchförmig,  zuweilen  auch 
etwas  keulig  angeschwollen.  Wie  Lieberkühn  schon  bemerkte,  sind  es 
nackte,  hüllenlose  und  amöboid  veränderliche  Plasmakörper.  Leydig  da- 
gegen will  bei  denen  der  Plagiostomen-Gallenblase  eine  membranartige 
Verhärtung  der  Oberfläche  beobachtet  haben,  was  schon  daraus  hervorgeht, 
dass  er  sie  als  Blasen  bezeichnet;  doch  hebt  er  selbst  hervor,  dass  es  häufig 
den  Eindruck  mache,  als  sei  eine  Membran  noch  nicht  vorhanden. 

Während  die  kleineren  Myxosporidien  der  Hechtharublase  aus 
einem  einheitlichen  körnigen  Plasma  bestehen,  bemerkt  man  an  den 
grösseren  gewöhnlich  sehr  deutlich  eine  Zusammensetzung  aus  zwei 
Plasmazonen,  einem  sehr  körnigen  Entosark  und  einem  sehr  durchsich- 
tigen, feingranulirten  Ectosark.  In  letzteres  treten  die  gleich  zu  beschrei- 
benden charakteristischen  Einschlüsse  des  Entosarks  nie  ein.  Wie  früher 
bemerkt  wurde,  gelang  es  schon  Lieberkühn,  schwache  amöboide  Beweg- 
lichkeit der  Myxosporidien  des  Hechtes  wahrzunehmen,  wogegen  Gabriel 
(104)  das  Vorkommen  wirklicher  amöboider  Beweglichkeit  leugnete  — 
zwar    die    Bildung    pseudopodienartiger    Fortsätze    zugab,    jedoch    die 

nrunii,  Klassen  des  Tliier-Koiclis.     riulo'zoa.  38 


594  Myxospoiiclia. 

Möglichkeit  ihrer  Wiedereiuziehung  in  Abrede  stellte.  Bütschli  fand 
jedoch ,  dass  sich  unsre  Myxosporidien  unter  güustigen  Bedingungen 
langsam  amöbenaftig  hinfliessend  bewegen  und  beobachtete  gelegentlich 
auch  das  Auftreten  bruchsackartiger  plumper  Pseudopodien,  an  deren 
Erzeugung  zunächst  das  Ectosark  betheiligt  ist,  in  welche  jedoch  bei  an- 
sehnlicherer Entwicklung  auch  das  Entosark  eintritt.  Hieraus  darf  man 
denn  auch  entnehmen,  dass  die  wechselnden  Gestaltsverhältnisse  dieser 
Myxosporidien,  ihre  z,  Tb.  lappigen  bis  zuweilen  in  mehrere  Fortsätze 
ausgezogneu  Formen ,  auf  amöboide  Beweglichkeit  zurückzuführen  sind 
(T.  38.  12). 

Von  besonderem  Interesse  erscheint  es  aber,  dass  das  Ectoplasma  der 
Hecht-Myxosporidien  sehr  gewöhnlich  noch  eine  zweite  Kategorie  pseudo- 
podienartiger  Fortsätze  entwickelt,  nämlich  zarte  haar-  bis  borstenförmige, 
welche  in  mancher  Hinsicht  den  haarartigen  feinen  und  rigiden  Fort- 
sätzen gewisser  Amöben  und  amöbenartiger  Organismen  gleichen.  Solche 
Fortsätze  bedecken  recht  häufig  die  gesammte  Oberfläche  der  Myxospo- 
ridien (T.  38.  13),  beschränken  sich  jedoch  auch  nicht  selten  auf  einen 
Theil  derselben  und  kommen  gelegentlich,  wie  bei  gewissen  Amöben,  nur 
an  dem  einen  Körpereude  vor. 

Die  fraglichen  Fortsätze  sind  auch  zum  Theil  verzweigt;  zuweilen 
sind  es  auch  nicht  mehr  einfache  Fortsätze,  sondern  quer  über  den  Körper 
hinziehende  Falten,  deren  optischer  Durchschnitt  am  Körperrand  den  An- 
schein haarartiger  Fortsätze  erweckt.  AVie  bemerkt,  machen  diese  Aus- 
wüchse des  Ectosarks  einen  sehr  rigiden  Eindruck  und  zeigen  gewöhn- 
lich keine  Veränderungen  und  Bewegungen.  Dennoch  gelang  es  mir  zu- 
weilen, eine  Veränderung  derselben  zu  constatireu  und  ein  langsames 
Zurückfliessen,  sowie  eine  Neuentstehung  einiger  Fortsätze  wahrzunehmen. 

Es  scheint  nicht  unwahrscheinlich,  dass  sich  die  Myxosporidien  der 
Hechtharnblase  zuweilen  mit  einigen  stumpfen  gelappten  Pseudopodien 
eines  Körperendes  auf  der  Schleimhaut  der  Harnblase  befestigen,  ja  die 
Jugendformen  scheinen  sich  sogar  an  einzelnen  Zellen  des  Harnblasen- 
epithels  festzusetzen ;  wenigstens  deutet  darauf  die  Beobachtung  hin,  dass 
man  zuweilen  kleinen  Myxosporidien  begegnet,  welche  eine  losgelöste 
Epithelzelle  zum  Theil  umfassen. 

Das  Entoplasma  ist,  wie  schon  bemerkt,  dicht  mit  in  Alkohol  lös- 
lichen gelblichen  Körnern,  von  wahrscheinlich  fettartiger  Natur,  erfüllt 
und  diese  Fettkörner  enthalten  häufig  einen  oder  mehrere  braunrothe 
Krystalle,  welche  schon  Meissner  und  Lieberkühn  beobachteten  und  wohl 
richtig  als  Hämatoidinkrystalle  deuteten.  Auch  die  Myxosporidien  der  Gallen- 
blase besitzen  nach  Leydig  eine  gelbe  Färbung,  welche  sich  wohl  von 
der  Färbung  der  Galle  herleiten  dürfte,  wie  Leydig  schon  vermuthete. 

Ausserdem  enthält  jedoch  das  Entosark  der  Myxosporidien  des  Hechtes 
eine  ungemein  grosse  Anzahl  sehr  kleiner  Zellkerne,  welche  zuerst  Bütschli 
auffand;  da  nun  auch  das  Plasma  der  Kiemenmyxosporidien  einen  ent- 
sprechenden  Reichthum   an   kleinen  Zellkernen  aufweist,   so  dürfte  diese 


Bau,  Bewegung  etc.     Sporulation.  595 

Eigenthümliclikeit  wobl  für  die  MyxosporicUeii  überhaupt  charakte- 
ristisch sein. 

Hinsichtlich  der  Grössenverhältnisse  der  geschilderten  freien  Myxo- 
sporidien  der  inneren  Körperhöhlen  wurde  schon  erwähnt,  dass  bei  dem 
Hecht  gewöhnlicb  Individuen  der  allerverschiedensten  Grössen  gleichzeitig 
angetroffen  werden,  bis  zu  einer  Länge  von  0,3  Mm.  Kleiner  seheinen 
dagegen  die  Myxosporidien  aus  der  Harnblase  von  Lota  (bis  0,075  Mm. 
Lieberk.)  und  der  Gallenblase  der  Plagiostomen  (bis  0,067  Mm.  Leydig) 
zu  bleiben. 

Bevor  wir  zur  Betrachtung  der  .Sporenbildung  übergehen,  empfiehlt 
es  sich  noch,  einen  Blick  auf  gewisse  Beobachtungen  zu  werfen,  welche 
auch  für  die  Kiemen-  und  Hautmyxosporidien  das  Vorhandensein  eines 
freien,  beweglichen  Stadiums  wahrscheinlich  zu  machen  suchten.  Schon 
Dujardin*)  fand  1845  baumförmig  verzweigte,  plasmodienartige  Gebilde 
und  Lieberkühn  fand  derartige  Plasmakörper  auf  der  Haut  und  den  Kiemen 
verschiedner  Fische,  namentlich  des  Barsches  (Perca  fluviatiiis).  Dieselben 
erreichten  einen  Durchmesser  von  0,46  Mm.  (T.  38.  5).  Lnmerhin  erscheint 
es  mir  noch  nicht  erwiesen,  ja  eher  unwahrscheinlich,  dass  die  im  Inneren 
der  Kiemenblättchen  sich  findenden  Myxosporidien  aus  solchen  freien 
amöbenartigen  Körpern  hervorgehen. 

Wir  haben  uns  jetzt  mit  dem  Vorgang  der  Sporulation  bei  unseren 
Myxosporidien  zu  beschäftigen.  Eigenthümlich  erscheint  zunächst,  dass 
die  Sporenbildung  nicht  als  Abschluss  des  Lebenscyclus  aufzutreten 
scheint,  sondern  dass  man  schon  bei  sehr  kleinen  und  allem  An- 
schein nach  jugendlichen  Formen  entwickelte  Sporen  findet.  Dies  ist 
sowohl  bei  den  Formen  der  Hechtharnblase  wie  bei  denjenigen  der 
Kiemen  der  Fall.  Bei  ersteren  traf  ich  in  relativ  recht  kleinen  Indivi- 
duen sehr  gewöhnlich  einige  Sporen  an,  während  die  gleichzeitig  in  Menge 
vorhandnen  grossen  zuweilen  gar  keine  gebildet  hatten,  oder  aber  unge- 
heure Mengen  derselben  enthielten. 

Auch  die  Kiemenmyxosporidien  sind  gewöhnlich  auf  den  verschieden- 
sten Grössenziiständen  dicht  mit  Sporen  erfüllt,  wie  dies  ja  aus  unserer 
früheren  Beschreibung  schon  hervorging.  Im  Allgemeinen  wird  unter 
solchen  Umständen  die  Zahl  der  in  einer  Myxosporidie  erzeugten  Sporen 
von  der  Grösse  des  Mutterorganismus  abhängig  sein,  jedoch  scheint  es 
auch,  dass  die  in  Sporulation  begriffnen  Myxosporidien  ihr  Wachsthum 
weiter  fortzusetzen  und  fortdauernd  neue  Sporen  zu  erzeugen  im  Stande 
sind.  Die  Zahl  der  in  den  kleinen  Myxosporidien  des  Hechts  vorhan- 
denen Sporen  beträgt  nicht  selten  nur  ein  Paar,  die  geringste  Zahl  näm- 
lich, welche  überhaupt  zur  Entwicklung  kommen  kann,  wie  wir  gleich 
sehen  werden.  Auch  bei  den  von  Leydig  beobachteten  Formen  der 
Gallenblase  fanden  sich  die  Sporen  stets  in  sehr  massiger  Zahl  vor,  wo- 
gegen sie  wie  gesagt   in   den  grösseren  Myxosporidien   des  Hechtes,   der 


*)  Histoire  nat.  des  helmiathes  p.  644. 

38^-= 


596  Myxosporidia. 

Kiemeu  imd  der  Haut  gewöhnlich  iu  ganz  erstaunlichen  Mengen  an- 
getroffen werden. 

Die  Bildung  der  Sporen  ist  eine  endogene.  Bis  jetzt  wurde  sie  nur 
bei  der  Hechtform  von  Bütschli  genauer  verfolgt,  jedoch  liegen  einige 
Beobachtungen  vor,  welche  auch  für  die  Kiemenformen  einen  entsprechen- 
den Sporulationsprocess  wahrscheinlich  machen.  Die  früheren  Beobachter, 
einschliesslich  Gabriel,  gelangten  nicht  zu  einer  richtigen  Vorstellung  von  der 
Bildung  der  Sporen.  Nach  ihrer  Schilderung  sollten  im  Plasma  der  Myxo- 
sporidie  zunächst  eine  geringere  oder  ansehnlichere  Menge  heller  vacuolen- 
artiger  Bläschen  entstehen,  sogen.  Tochterblasen,  wie  sie  Leydig  bezeich- 
nete. In  jeder  dieser  Tochterblasen  bildeten  sich  dann  allmählich  ein 
oder  mehrere  Sporen  (je  nach  den  verschiednen  Formen),  in  einer  von 
den  früheren  Beobachtern  durchaus  nicht  hinreichend  aufgeklärten  Weise. 
Bütschli's  Beobachtungen  an  der  Hechtmyxosporidie  zeigen  zunächst,  dass 
es  nicht  Vacuolen  oder  Bläschen  sind,  welche  anfänglich  entstehen,  son- 
dern dass  sich  zuerst  kleine  kuglige,  helle  Plasmakörper  differenziren, 
welche  eine  grössere  Anzahl  der  kleinen  Kerne  des  Entoplasmas  ein- 
schliessen. 

Da  aus  diesen  Plasmakugeln  die  Sporen  entstehen,  so  dürfen  wir  sie 
wohl  als  Sporoblasten  bezeichnen.  Welches  der  specielle  Bildungsact 
dieser  Sporoblasten  ist,  konnte  bis  jetzt  noch  nicht  näher  verfolgt  werden ; 
die  nächstliegende  Vermuthung  ist,  dass  sie  sich  völlig  endogen  im  Innern  des 
Entoplasmas  ditferenziren.  Man  könnte  jedoch  auch  die  Vermuthung  auf- 
stellen, dass  sie  ursprünglich  auf  der  Oberfläche  knospenartig  erzeugt  und 
erst  nachträglich  in  das  Plasma  der  Myxosporidie  aufgenommen  würden, 
da  wir  ja  etwas  ähnliches  bei  der  Sporulation  gewisser  Gregariniden  ge- 
funden haben  (vergl.  oben  p.  543).  Unter-  diesen  Plasmakugeln  begegnet 
man  zahlreichen,  welche  sechs  Zellkerne  einschliessen  und  diese  sind  es, 
welche  sich  direct  zu  Sporen  weiterbilden  (T.38.14a).  Wie  es  sich  mit  den  mehr- 
kernigen Kugeln  verhält,  ist  bis  jetzt  nicht  ermittelt.  Auf  der  Oberfläche 
der  sechskernigen  Sporoblasten  kommt  es  zunächst  zur  Ausbildung  einer 
zarten  Membran  und  da  sich  das  Plasma  der  Sporoblasten  innerhalb  dieser 
Membran  etwas  condensirt,  so  erscheint  er  jetzt  in  Gestalt  eines  hellen 
Tochterbläschens  mit  einem  centralen,  blassen  Inhalt  (14b).  Hierauf  wird  eine 
Theilung  dieses  condensirten  Inhalts  in  zwei  dreikernige  Kugeln  vor  sich 
gehen,  da  man  häufig  solchen  Zuständen  begegnet  und  eine  ziemliche  Reihe 
Umbildungsstufen  dieser  letzteren  zu  reifen  Sporoblasten  wahrnimmt  (14c). 
Aus  jeder  der  dreikernigen  Kugeln  geht  eine  Spore  hervor  und  zwar  in 
unserem  Fall  in  der  Weise,  dass  sich  die  Kugeln  in  die  Länge  strecken 
und  allmählich  eine  spindelförmige  Gestalt  annehmen  (14d).  Dabei  ordnen 
sich  die  drei  Zellkerne  so,  dass  sie  der  Länge  nach  in  einer  Reihe  hinter- 
einander liegen.  Während  nun  allmählich  auf  der  Oberfläche  der  so  vor- 
gebildeten Spore  die  Sporenhülle  zur  Abscheidung  gelangt,  bilden  sich  die 
beiden  endständigen  Kerne  successive  zurück.  Neben  jedem  derselben 
tritt  jedoch  ein  dunkler  kleiner  Körper  auf,  welcher  allmählich  heranwächst, 


SiJorulation.     Bau  clor  reifen  Sporen.  597 

eine  läiiglieli  ovale  Gestalt  aniiinmit  und  sich  zu  einem  sogen.  Polkörper- 
chen entwickelt,  von  welchen  sich,  wie  wir  sehen  werden,  in  jedem  Pol 
der  spindelförmigen  Spore  eines  vorfindet  (14e).  Schliesslich  verschwinden  die 
beiden  endständigen  Kerne  ganz,  der  mittlere  dagegen  erhält  sich  als 
der  bleibende  Kern  der  Spore  (15). 

Dieser  Entstehungsgang  der  Sporen  der  Hechtmyxosporidien  erklärt 
gleichzeitig  die  Erscheinung,  dass  die  Sporen  dieser  wie  andrer  Myxo- 
sporidien  stets  paarweise  in  einem  Sporoblastbläschen  vereinigt  sind. 
Dagegen  beobachtete  Leydig  bei  den  Myxosporidien  der  Gallenblase  stets 
nur  eine  Spore  in  einem  Bläschen  und  auch  die  von  mir  untersuchten 
Kiemen-Myxosporidien  zeigten  nie  eine  paarweise  Vereinigung  ihrer  Sporen, 
welche  ich  hier  auch  nie  in  Bläschen  eingeschlossen,  sondern  direct  in 
das  Plasma  eingebettet  traf.  Dennoch  verriethen  auch  diese  Sporen  An- 
zeichen eines  ähnlichen  Entstehungsprocesses  wie  die  erstgeschilderten ;  es 
wurde  wenigstens  sehr  wahrscheinlich,  dass  sie  gleichfalls  aus  dreikernigen 
Plasmakugeln  hervorgehen  (10a),  von  deren  Kernen  sich  nur  der  eine  als 
Sporenkern  erhält;  nur  hatte  es  den  Anschein,  als  wenn  hier  die  beiden 
Polkörperchen  direct  aus  den  beiden  anderen  Kernen  hervorgingen  (10b). 

Gelegentlich  scheinen  sich  jedoch  in  einem  Sporenbläschen  auch  drei 
Sporen  entwickeln  zu  können,  wenigstens  fand  J.  Müller  bei  der  Myxo- 
sporidie  des  Lucioperca  Sandra  zuweilen  auch  drei  Sporen  in  einem 
solchen  Bläschen. 

Die  Bauweise  der  ausgebildeten  Myxosporidiensporen  erinnert  in 
einigen  Beziehungen  an  die  der  Gregariniden  und  Coccidien,  weist  da- 
gegen auch  einige  sehr  wesentliche  Verschiedenheiten  auf  Ihre  Grösse 
ist  stets  sehr  gering;  der  Längsdurchmesser  beträgt  durchschnittlich 
0,008—0,02  Mm.;  die  letzterwähnte  Grösse  erreichen  die  sehr  lang  spindel- 
förmigen Sporen  der  Hechtmyxosporidie.  Auch  ihre  Gestaltung  ist  ziem- 
lich verschieden;  häufig  sind  sie  abgeplattet  linsenförmig  mit  nahezu 
kreisrundem  Umriss,  stets  jedoch  einem  mehr  oder  weniger  zugespitzten 
Pol  (6b,  18a,  23  etc.).  Der  Band  der  linsenförmigen  Spore  ist  wulstig  verdickt. 
Die  Sporenschale  ist  keine  einheitliche,  sondern  setzt  sich  aus  zwei  klappen- 
artigen Hälften  zusammen,  welche  mit  ihren  etwas  verdickten  Rändern  aufein- 
andergepasst  sind  und  wodurch  eben  der  erwähnte  Randwulst  gebildet  wird  (7). 
Diese  zweiklappige  Beschaffenheit  scheint  den  Myxosporidiensporen  fast 
durchaus  eigenthümlich  zu  sein;  jedoch  konnte  ich  sie  bei  denen  der 
Hechtharnblase  nicht  nachweisen. 

An  die  ebengeschilderten  Formen  schliessen  sich  dann  länger 
gestreckte,  ellipsoidische  bis  eiförmige  an,  stets  mit  ausgeprägter 
Zuspitzung  des  einen  Pols.  Selten  findet  sich  eine  doppelpolige  Zu- 
spitzung solch  länglicher  Formen,  wodurch  die  Gestalt  eine  spindelförmige 
wird  (5  a).  Balbiani  beobachtete  sogar  cylindrische  Sporen.  —  Fast  stets 
seheint  eine  Myxosporidienform  nur  ein  und  dieselbe  Form  von  Sporen 
zu  erzeugen,  abgesehen  von  geringfügigen  Gestaltsverschiedenheiten.  Zu- 
Aveilen  begegnet   man  jedoch  in  einer  und  derselben  Cyste  die  gleich  zu 


598 


Myxospoiidia. 


erwähnenden  geschwänzten  und  iingeschwäuzten  Sporent'ormen  durch- 
einander an,  während  die  letzteren  sonst  für  gewisse  Myxosporidienformen 
charakteristisch  sind.  Diese  geschwänzten  Sporen  (Figg.  16a — c,  21)  besitzen 
ähnlich,  wie  die  Sporen  gewisser  Monocystideen  (ürospora)  einen  von  der 
Sporenschale  entspringenden,  mehr  oder  weniger  ansehnlichen  schwanz- 
artigen, soliden  Fortsatz,  dessen  Ende  jedoch  häufig  gabiig  gespalten  ist. 
Zuweilen  erstreckt  sich  die  Gablung  sogar  bis  zum  Grunde  des  Schwanz- 
fortsatzes, so  dass  sich  zwei  Anhänge  finden.  Der  Ursprung  der 
Schwanzanhänge  liegt  stets  dem  zugespitzten  Pol  der  etwa  ovalen  linsen- 
förmigen Sporenschale  gegenüber,  also  ebenfalls  polstäudig.  —  Ueber  die 
Natur  und  die  Bedeutung  dieser  Schwänze  entwickelte  Balbiani  eine  sehr 
eigenthümliche  und  schwer  verständliche  Ansicht.  Nach  ihm  „ist  der  Rand 
jeder  Schalenklappe  in  seinem  Umkreis  von  einem  elastischen  Ring  (wahr- 
scheinlich der  schon  oben  erwähnte  Wulst)  gebildet,  welcher  Ring  sich 
aus  zwei  Stücken  zusammensetze,  die  in  der  Mittellinie  mit  einander  arti- 
culiren  und  sich  in  fadenförmigen ,  mehr  oder  weniger  zahlreichen  Fort- 
sätzen endigen'^  Unter  gewöhnlichen  Umständen  sollen  diese  Filamente 
wenig  sichtbar  sein ,  da  sie  sich  dem  Rand  der  Klappen  dicht  anlegen. 
Zu  gewissen  Zeiten  dagegen  sollen  sie  sich  davon  abheben ,  sich  ver- 
längern und  in  verschiednen  Richtungen  abstehen.  —  Bei  manchen  Sporen 
nun  legten  sich  diese  Filamente  nicht  um  den  Rand  der  Schale  herum, 
sondern  streckten  sich  in  der  Axe  der  Spore  aus,  vereinigten  sich  in 
variabler  Länge  und  bildeten  so  den  einfachen  oder  getheilten  Schwanz- 
faden. Ich  habe  diese  Darstellung  Balbiani's  möglichst  mit  seinen  eig- 
nen Worten  wiedergegeben,  da  sie  mir  in  vielen  Punkten  unklar  ge- 
blieben ist,  ganz  abgesehen  von  der  höchst  merkwürdigen  Bedeutung, 
welche  Balbiani  den  Filamenten  bei  der  von  ihm  angeblich  festgestellten 
Fortpflanzung  der  Psorospermien  zuschreibt. 

Die  Sporenschale  ist  stets  ziemlich  dick  und  daher  deutlich  doppelt 
contourirt.  Sie  wird  von  einem  sehr  widerstandsfähigen  Stoff  gebildet, 
da  nach  Balbiani  selbst  heisse  Alkalien  und  Mineralsäuren  sie  nicht  an- 
greifen. Dagegen  wird  sie  nach  meinen  Erfahrungen  von  erhitzter,  cou- 
centrirter  Schwefelsäure  zerstört.  Die  Einwirkung  der  erwähnten  Reagen- 
tien  löst  den  Zusammenhang  der  beiden  Schalenklappen,  die  alsdann  aus- 
einanderfallen (Fig.  8).  Auch  längere  Aufbewahrung  in  Wasser  scheint  den- 
selben Effect  auszuüben,  wie  Creplin  schon  1846  hervorhob;  doch  erfolgt 
das  Aufspringen  der  Schale,  wie  wir  noch  sehen  werden,  auch  wohl  auf 
natürlichem  Weg  bei  der  Weiterentwicklung. 

Am  zugespitzten  Pol  der  linsenförmigen  Sporen  findet  sich  eine  Oeff- 
nung,  auf  welche  schon  J.  Müller  hinwies.  Dieselbe  wird  wohl  einfach 
dadurch  zu  Stande  kommen,  dass  hier  die  beiden  Schalenklappen  etwas 
auseinanderweichen.  Es  ist  zu  vermuthen,  dass  bei  den  beiderseits  zugespitz- 
ten Sporen  der  Hechtmyxosporidie  beide  Pole  eine  feine  Oeffnung  besitzen. 

Ganz  constant  findet  man  nun  innerhalb  der  Sporenschale  noch  eigen- 
thümliche,  ziemlich   dunkle  und  scharf  umschriebne  bläschenförmige  Ge- 


iiau  dur  ioifoii  Spuruii  iSog'cii.  rulliapsflii).  •  599 

bilde  in  verschieduer  Zahl,  die  stets  dem  einen  oder  bei  doppelter 
Zuspitzung-  den  beiden  Polen  genähert  liegen  und  welche  daher  als  Pol- 
körperchen bezeichnet  wurden.  Schon  J.  Müller  beschrieb  dieselben 
recht  gut.  Gewöhnlich  finden  sie  sich  nur  in  dem  einen  zugespitzten 
Pol.  der  Psorospermie,  wo  sie  in  Zwei-,  Drei-,  seltner  Vier-  und  nach 
Balbiani  sogar  zuweilen  in  Achtzahl  liegen  (vergl.  die  Figg.). 

Ihre  Gestalt  ist  gewöhnlich  eine  ovale  mit  einem  etwas  zugespitzten 
Pol;  ihre  Lagerung  eine  solche,  dass  die  zugespitzten  Pole  dem  ver- 
schmälerten Pol  der  Sporenschale,  resp.  der  hier  vorhandnen  Oeffnung 
dicht  genähert  sind.  Als  ein  seltner  Fall  ist  zu  verzeichnen ,  dass  bei 
beiderseits  zugespitzten  Sporen  auch  jeder  Pol  mit  ein  oder  zwei  solchen 
Polkörperchen  ausgerüstet  sein  kann ,  wie  dies  von  Leydig  bei  gewissen 
Sporen  aus  dem  Gallengang  des  Raja  batis,  von  Lieberkühn  u.  A.  bei 
denen  der  Hechtharnblase  aufgefunden  wurde  (15).  Sehr  interessant  ist  nun 
der  feinere  Bau  dieser  Polkörperchen,  welchen  zuerst  Balbiani  kennen 
lehrte.  Er  entdeckte  in  jedem  der  bläschenförmigen  Polkörperchen  einen 
spiralförmig  aufgerollten  Faden,  welcher  das  Innere  des  Bläschens  voll- 
ständig durchzog.  Bei  Einwirkung  verschiedner  Reagentien,  wie  kaustische 
Alkalien  und  Glycerin,  wird  der  Spiralfaden  plötzlich  hervorgeschnellt; 
er  tritt  dann,  sich  aufrollend,  als  ein  ansehnlicher  Faden  (bis  zur  8-,  ja 
lOfachen  Länge  des  Psorosperms)  aus  der  erwähnten  Oeffnung  der 
Schalenhaut  hervor  (9). 

Diese  Beobachtung  Balbiani's  haben  später  Bessels,  Aime  Schneider 
und  schliesslich  Btitschli  bestätigt;  letzterer  fügte  noch  zu,  dass  die 
Ausschnellung  der  Fäden  auch  durch  Druck  hervorgerufen  wird,  dann  je- 
doch häufig  etwas  unregelmässig  erfolgt.  Auf  Grund  dieser  Bauweise 
und  des  VerhaUens  der  sogen.  Polkapseln  ergibt  sich  denn,  dass  dieselben 
sich  in  jeder  Hinsicht  den  Nesselkapseln  der  Coelenteraten  anreihen  und 
daher  füglich  auch  nur  als  solche  betrachtet  werden  können.  Die  Richtig- 
keit dieser  Auffassung  wird  auch  noch  durch  die  Entwicklung,  welche 
die  Polkapselu  der  Sporen  zeigen,  bestätigt.  Bütschli  hat  hiervon  einiges 
beobachtet,  woraus  hervorzugehen  scheint,  dass  der  Faden  zunächst 
im  ausgestülpten  Zustand  angelegt  wird  und  sich  erst  nachträglich 
ins  Innere  der  Kapsel  zurückzieht.  Obgleich  ich  früher  aus  meinen 
Beobachtungen  diesen  Schluss  nicht  zog,  scheint  derselbe  jetzt  gerecht- 
fertigt, da  mittlerweile  Jickeli*)  einen  solchen  Entwicklungsgang  für  die 
Nesselkapseln  der  Hydra  sehr  wahrscheinlich  gemacht  hat.  .  Auf  die  eigen- 
thümliche  Bedeutung,  welche  Balbiani  diesen  Fäden  zuschreibt,  werden  wir 
weiter  unten  noch  zurückkommen,  heben  jedoch  hier  noch  hervor,  dass  ihr 
Hervortreten  unter  natürlichen  Bedingungen  bis  jetzt  noch  nicht  beobachtet 
wurde. 

Das  übrige  Sporeniunere  wird  von  einem  meist  sehr  hellen,  durch- 
sichtigen,  wenig  körnigen  Protoplasma  erfüllt,  von  welchem  die  früheren 


*)  Siehe  dessen  Arbeit  im  „Morpliolog.  Jahrbucli"  Bd.  8.  p.  373. 


(500  Myxosporidia.  * 

Beobachter   meist  gar  uicbts  wahrgenommen  haben,   das  jedoch  Balbiani 
durch  die  Einwirkung  gerinnenmacbender  Reagentien  nachwies. 

Bei  genauer  Untersuchung  der  Sporen  bemerkt  man  häufig  sehr  deut- 
liche Anzeigen,  dass  auch  die  Polkapseln  noch  von  einem  zarten  Ueber- 
zug  des  plasmatischen  Sporeninhalts  theilweis  überkleidet  werden,  wo- 
durch sehr  wahrscheinlich  wird,  dass  sie  nicht  neben,  sondern  in  dem 
plasmatischen  Sporeninhalt  liegen,  was  übrigens  auch  schon  nach  ihrer 
Entstehungsgeschichte  zu  erwarten  war. 

Wie  schon  bei  der  Betrachtung  der  Bilduugsgeschichte  der  Sporen 
angedeutet  wurde,  umschliesst  der  Sporeninhalt  einen  Zellkern,  welchen 
Bütschli  zuerst  beobachtete. 

lieber  die  weitereu  Schicksale  der  Sporen  haben  sich  bis  jetzt  nur 
zwei  Beobachter,  Lieberkühn  und  Balbiani,  jedoch  in  tibereinstimmender 
Weise  ausgesprochen.  Beide  geben  an,  dass  die  Sporenschale  schliess- 
lich in  die  beiden  Klappen  aufspränge  und  der  Protoplasmainhalt  in  Gestalt 
eines  kleinen,  araöbenartig  beweglichen  Körperchens  hervortrete  (18b— c), 
über  dessen  weitere  Schicksale  und  seine  eventuelle  Entwicklung  zur 
ausgebildeten  Myxosporidie  bis  jetzt  noch  nichts  Sicheres  ermittelt  wurde, 
wenn  auch  natürlich  die  Annahme  sehr  nahe  liegt,  dass  dies  einfach 
durch  Auswachsen  der  kleinen  hervorgeschlüpften  Amöbe  geschehe.  Nach 
Lieberkühn  soll  das  Ausschlüpfen  des  Sporeninhalts  sogar  schon  inner- 
halb der  sogen.  M3^xosporidiencysten  vor  sich  gehen,  eine  Erscheinung, 
welcher  ich  nicht  allgemeine  Gültigkeit  zuschreiben  möchte. 

Ueberhaupt  kann  ich  einige  Zweifel  bezüglich  eines  so  einfachen 
Entwicklungsganges  der  Sporen  nicht  unterdrücken.  Sporen,  welche  ich 
lange  Zeit  in  Wasser  aufbewahrte,  zeigten  keine  wesentliche  Verände- 
rung, namentlich  auch  kein  Austreten  des  Inhalts  in  Amöbengestalt. 
Weiterhin  erscheint  mir  jedoch  eine  so  einfache  Weiterentwicklung  der 
Sporen  namentlich  deshalb  etwas  zweifelhaft,  weil  ich  annehmen  muss, 
dass  den  eigenthümlichen  Nesselkapseln  doch  irgend  eine  bis  jetzt 
noch  unbekannte  wichtige  Bedeutung  zukommen  muss,  wogegen  sie 
bei  der  Annahme  eines  so  einfachen  Entwicklungsganges  wie  eine  Art 
Luxus  erscheinen.  Man  könnte  eventuell  daran  denken,  dass  die  hervor- 
schnellenden  Fäden  der  Kapseln  den  Sporen  zur  Befestigung  an  anderen 
Fischen  oder  auch  an  der  Nahrung  derselben  dienten. 

Hiermit  wäre  das  Wichtigste  unsres  thatsächlichen  Wissens  von  den 
Myxosporidien  erschöpft;  es  mögen  sich  hieran  nun  noch  einige  Bemer- 
kungen über  die  Bedeutung,  welche  diesen  Organismen  von  Seiten  der 
verschiednen  Beobachter  zugeschrieben  wird,  anreiben. 

Bekanntlich  hat  zuerst  Leydig  eingehender  auf  ihre  Beziehungen  zu 
den  Gregariniden  aufmerksam  gemacht,  gestützt  auf  die  zuerst  von  ibm 
etwas  aufgeklärte  Entstehungsgeschichte  der  Sporen  in  den  plasmodien- 
artigen  Zuständen.  Dieser  Ansicht  schloss  sich  dann  später  Lieberkühn 
vollständig  an   und   dieselbe   blieb  bis  zur  heutigen  Zeit  so   ziemlich  die 


System.  Stellung-  u.  Yerwundtschartibczieluing-en.  601 

verhreitetstc.  Es  kann  nun  ancli  nicht  geleugnet  werden,  dass  mancherlei 
für  sie  spricht,  namentlich  die  Uebereinstimmungen ,  welche  in  der  Bau- 
weise der  Sporen  der  Myxosporidien  und  derjenigen  der  Gregariniden  zu 
beobachten  sind.  Gestalt  und  Grössenverhältnisse,  die  Zweiklappigkeit, 
welche  auch  bei  gewissen  Gregarinensporen  (Adelea)  gefunden  wird, 
weiterhin  die  eigenthüralichen  Schwanzfäden,  die  sich  ähnlich  bei  der 
Mouocystideen  Gattung  Urospora  wiederfinden,  sind  in  dieser  Hinsicht  zu 
erw^ähnen.  Dagegen  lässt  sich  auch  ein  tiefgehender  Unterschied  zwischen 
den  beiderlei  Sporen  nicht  verkennen,  welcher  durch  die  allgemeine  An- 
wesenheit der  Nesselkapseln  bei  den  Myxosporidien  bedingt  wird.  Be- 
kanntlich hat  sich  in  den  Sporen  der  Gregarinidae  bis  jetzt  nichts  auf- 
finden lassen,  was  mit  Sicherheit  diesen  Polkapseln  verglichen  werden 
könnte.  Nur  in  den  Sporen  der  Gattung  Adelea  beobachtete  Schneider 
zwei  Körpercheu,  welche  eine  gewisse  Aehnlichkeit  mit  den  Polkapseln 
zeigen,  doch  konnte  bis  jetzt  eine  wirkliche  Uebereinstimmung  mit  den 
letzteren  keineswegs  festgestellt  werden.  Auch  die  Entwicklung  sichel- 
förmiger Körperchen,  die  ja  sonder  Zweifel,  speciell  für  die  Mouocystideen, 
sehr  charakteristisch  erscheint,  Hess  sich  bis  jetzt  bei  den  Myxosporidien- 
sporen  nirgends  beobachten;  doch  glaube  ich,  dass  hierauf  vorerst  nicht 
zu  viel  Werth  gelegt  werden  darf,  da  ja  die  bisherigen  Untersuchungen 
über  das  weitere  Schicksal  der  Sporen  gerade  nicht  sehr  ausgedehnte 
gewiesen  sind.  Schwierigkeiten  für  die  Begründung  einer  näheren  Ver- 
wandtschaft zwischen  Gregariniden  und  Myxosporidien  erwachsen  weiter 
noch  daraus,  dass  sich  auch  der  reife  Zustand  der  letzteren,  wegen  mancherlei 
Verschiedenheiten  den  ausgebildeten  Gregariniden  nicht  ohne  Weiteres 
vergleichen  lässt.  Ein  hüllenloser,  deutlich  amöboider,  ja  zuweilen  baum- 
förniig  verästelter  Protoplasmakörper  bietet  in  der  That  keine  rechten 
Vergleichspunkte  mit  den  echten  Gregarinen  dar,  wozu  sich  dann  weiter- 
hin noch  das  Vorkommen  zahlloser  kleiner  Zellkerne  bei  den  Myxospori- 
dien gesellt.  Dennoch  glaube  ich,  darf  selbst  diesen  nicht  unbeträcht- 
lichen Abweichungen  im  Bau  der  erwachsenen  Zustände  der  Myxosporidien 
kein  zu  grosses  Gewicht  bei  der  Beurtheilung  ihrer  Beziehungen  zu  den 
Gregariniden  beigelegt  werden.  Die  Charaktere  derartiger  einzelliger 
Organismen  sind  im  Ganzen  so  geringfügig,  dass  durch  gewisse  Ab- 
weichungen in  denselben  die  Uebereinstimmung,  welche  in  den  Fort- 
pflanzungsverhältnissen sich  finden,  nicht  in  den  Hintergrund  gedrängt 
werden  kann.  —  Das  Fehlen  eines  dem  Encystirungsprocess  der  Grega- 
riniden vergleichbaren  Vorgangs  im  Entwicklungskreis  der  Myxosporidien 
besitzt  vielleicht  nicht  die  Bedeutung,  welche  man  anfänglich  darin  wohl 
erblicken  möchte,  da  es  nach  neueren  Erfahrungen  wahrscheinlich  geworden 
ist,  dass  auch  gewisse  Gregariniden  ohne  Encystirung  sporuliren.  Auch 
die  Verschiedenheit  in  den  Kernverhältnissen  ist  vielleicht  mehr  eine 
scheinbare,  da  ja  auch  die  Gregariniden,  welche  zahlreiche  Sporen  er- 
zeugen, ohne  Zweifel  kurz  vor  dem  Hervorknospen  dieser  Sporen  eine 
ungeheure  Menge   kleiner   Kerne   enthalten   und   es   darf  nicht  vergessen 


(302  Myxosporitlia. 

werden,  dass  wir  die  Myxospoiidien  bis  jetzt  eigentlich  nur  während  des 
Sporulationsprocesses  beobachtet  haben. 

Fernerhin  ist  jedoch  heutzutage  das  Auftreten  jugendlicher  aniöbeu- 
ähnlicher  Zustände  bei  den  Gregariniden  nicht  wohl  zu  bezweifeln ,  so 
dass  sich  hieraus  die  Möglichkeit  der  Existenz  verwandtschaftlicher  Be- 
ziehungen auch  der  erwachsenen  plasmodienartigen  Myxosporidien  zu  den 
eigentlichen  Gregariniden  ergibt.  Beide  könnten  sich  wohl  von  gemeinsamen 
Ursprungsforraen  aus,  die  schon  durch  gewisse  charakteristische  Fort- 
pflanzungserscheinungeu  gekennzeichnet  waren,  entwickelt  haben.  Wäh- 
rend die  eigentlichen  Gregariniden  dann  im  Laufe  ihrer  phylogenetischen 
Hervorbildung  allmählich  die  sie  jetzt  bezeichnenden,  bestimmteren  Cha- 
raktere entwickelten ,  verharrten  dagegen  die  Myxosporidien  auf  einer 
niederen,  dem  ursprünglichen  Ausgangspunkt  ähnlichen  Entwicklungsstufe. 

Es  wäre  sogar  möglich,  dass  ein  bis  jetzt  leider  nur  flüchtig  von 
Giard  (83)  beschriebner  Organismus ,  seine  sogen.  Lithocystis  Schneideri, 
eine  Art  Mittelstufe  zwischen  Gregariniden  und  Myxosporidien  einnimmt,  da 
er  das  plasmodienartige  Wesen  mit  Erzeugung  ähnlicher  Sporen  wie  die 
Myxosporidien,  sowie  der  Hervorbildung  sichelförmiger  Keime  in  diesen 
Sporen  vereinigt.  Leider  ist  jedoch,  wie  gesagt,  die  Lithocystis  noch  nicht  ein- 
gehend beschrieben,  so  dass  ihre  Beurtheilung  bis  jetzt  etwas  schwer  fällt*). 

Aus  dieser  Erörterung  dürfte  schon  hervorgehen,  dass  ich,  bei  dem 
heutigen  Stand  unsrer  Kenntnisse,  nähere  Beziehungen  der  Myxosporidien 
zu  den  Gregarinen  für  nicht  unwahrscheinlich  halten  muss,  und  in  ihrer 
Anreihung  an  die  Gregarinida  einstweilen  die  geeignetste  Stellung  er- 
kenne, welche  wir  dieser  Gruppe  geben  können.    Im  Gegensatz  zu  einer 


*)  Es  durfte  wohl  hier  die  Gelegenheit  sein,  über  diese  Lithocystis,  welche  sich  bis 
jetzt  weder  den  Coccidien  noch  den  Myxosporidien  mit  Sicherheit  anschlicssen  lässt,  sondern 
eine  Art  Mittelglied  zwischen  beiden  zu  sein  scheint,  kurz  etwas  näher  zu  berichten.  Wie  bei 
den  letzteren  sind  die  Erzeuger  der  sogen.  Psorospermiencysten  der  Lithocystis  relativ  an- 
sehnliche, plasmodienartige  Sarkodemassen,  welche  sich  hauptsächlich  auf  der  Oberfläche  der 
Schale  in  der  Leibeshöhle  des  Echinocardium  cordatum  finden.  Ihre  Sarkode  schliesst  so  grosse 
Menge  dunklen,  körnigen  Pigments  ein ,  dass  sie  ganz  schwarz  erscheinen.  Auf  ihrer  Ober- 
fläche finden  sich  mehr  oder  weniger  zahlreiche  kuglige  Cysten  sehr  verschiedner  Grösse  (bis 
zu  2  Mm.  Durchm.),  welche  in  ihrem  Innern  einen  hellen  Fleck,  der  aus  Krystallen  besteht, 
sowie  zahlreiche  Psorospermien  (Sporen)  wahrnehmen  lassen.  Die  Sporen  sind  regelmässig 
radial  um  das  Centrum  gestellt  und  besitzen  eine  spindelförmige  Gestalt  mit  zwei  ansehnlich 
langen  nach  dem  Centrum  gerichteten  Schwanzfäden.  Sämmtliche  Fäden  vereinigen  sich  im 
Centrum  der  Cyste.  In  gewissen  Cysten  finden  sich  Mikro-,  in  anderen  Makrosporen,  Avelche 
beide  sich  nur  durch  ihre  Grössenverhältnisse  von  den  normalen  Sporen  unterscheiden.  Später 
ordnen  sich  die  Sporen  zu  zahlreichen  kleinen  Gruppen  an,  und  die  beiden  Schwanzfäden  jeder 
Spore  legen  sich  zur  Bildung  eines  einfachen  Fadens  zusammen.  Das  Vorhandensein  von 
Polkörperchen  wird  nicht  angegeben.  Der  Inhalt  der  Spore  entwickelt  3 — 6  sichelförmige 
Körperchen  und  einen  Nucleus  de  reliquat.  Der  Krystallhaufen  der  Cysten  zerfällt  bei 
ihrer  Keife  und  soll  zur  Ausstreuung  der  Sporen  beitragen,  ähnlich  wie  das  sogen.  Capillitium 
der  Myxomycetensporangien.  Die  zahlreichen  amöbenartigen  Körperchen,  welche  man  in  der 
Leibeshöhlenfliissigkeit  des  Echinocardium  triff"t,  sollen  wahrscheinlich  in  den  Entwicklungs- 
kreis der  Lithocystis  gehören.  Durch  ihre  Verschmelzung  bildeten  sich  die  Plasmodien  hervor), 
sie  selbst  jedoch  lassen  sich  ableiten  von  den  ausgeschlüpften  sichelförmigen  Körperchen. 


Systoinat.  Stolhing-  ii.  vcnvandtsdi.  l^czicliiiiii;-cn.  603 

derartigen  Aiisehaunng  haben  sich  zwei  französische  Forscher,  Kobin  und 
Balbiani,  dafür  ausgesprochen :  dass  die  Myxosporidien  keine  Beziehungen 
/u  den  Gregariniden  besässen  und  überhaupt  nicht  zu  den  thierischen 
Wesen  zu  stellen  seien,  dass  ihre  Natur  sie  vielmehr  entschieden  in  das 
Pflanzenreich  verweise.  Wir  haben  an  dieser  Stelle  nicht  nochmals  auf 
die  Beurtheilung  der  pflanzlichen  oder  thierischen  Natur  der  Gregariniden 
überhaupt  zurückzukommen,  da  wir  dieser  Frage  schon  früher  einige 
Worte  gewidmet  haben,  dagegen  müssen  wir  einige  der  Punkte,  welche 
jedenfalls  bei  Balbianis  Deutung  der  Myxosporidien  sehr  ins  Gewicht 
flelen,  hier  kurz  hervorheben.  Balbiani  entwickelte  nämlich  auf  Grund 
seiner  Beobachtungen  eine  sehr  eigenthümliche  Ansiebt  über  den  Fort- 
pflanzungsvorgang der  sogen.  Psorospermien,  welchen  er,  sowie  ihre  Ent- 
wicklungsgeschichte genauer  darzustellen  versprach;  doch  hat  er  meines 
Wissens  hierüber  keine  ausführlichere  Mittheilung  veröffentlicht,  so  dass 
wir  seine  Ideen  nur  aus  den  kurzen,  schwer  verständlichen  Andeutungen, 
welche  er  in  seiner  Arbeit  macht,  kennen  lernten.  Aus  diesen  scheint  nun 
hervorzugehen,  dass  er  die  Sporen  unsrer  Myxosporidien  nicht  etwa  für 
Fortpflanzungskörper  eines  sarkodinenartigen  Organismus,  sondern  für 
voll-entwickelte,  selbstständige  Wesen  pflanzlicher  Natur  hält.  Nach  ihm 
sollen  sich  die  Psorospermien  durch  einen  Conjugationsact  fortpflanzen, 
und  zwar  seien  zu  dessen  Einleitung  die  früher  beschriebnen  Filamente 
der  Schalenklappen -Ränder  bestimmt.  Mittels  derselben  sollen  sich 
nämlich  zwei  Psorospermien  aneinanderheften  und  während  des  ge- 
sammten  Fortpflanzungsactes  in  Berührung  verweilen.  Andrerseits  scheint 
er  jedoch  den  Fortpflanzungsprocess  der  Psorospermien  sogar  als  einen 
geschlechtlichen  anzusprechen,  da  er  die  oben  näher  beschriebnen,  aus- 
schuellbaren  Fäden  der  Polkapseln  den  Antherozoidien  der  Cryptogamen 
zu  vergleichen  sucht. 

So  interessant  nun  auch  die  Balbiani'schen  Beobachtungen  über  die 
Bauverhältnisse  der  Myxosporidiensporen  sind,  so  wenig  können  wir  uns  da- 
gegen entschliessen,  seinen  Angaben  über  solch  eigenthümliche  Fortpflanzungs- 
verhältnisse derselben  ohne  genauere  Darstellungen  Vertrauen  zu  schenken. 
Andre  Gründe  finden  wir  aber  bei  Balbiani  nicht,  mitweichen  sich  die  Be- 
hauptung der  pflanzlichen  Natur  der  Psorospermien  unterstützen  Hesse. 

In  neuester  Zeit  hat  sich  R.  Gabriel,  dessen  Ansicht  über  die  Fort- 
pflanzung und  die  verwandtschaftlichen  Beziehungen  der  Gregariniden 
schon  früher  besprochen  wurden,  dahin  geäussert,  dass  die  erwachsenen 
Myxosporidien  „höhere  Phasen  der  Entwicklung  von  Myxomycetenplas- 
raodien  repräsentirten'^  Es  steht  diese  Anschauung  natürlich  ganz  im 
Einklang  mit  seiner  allgemeinen  Auffassung  der  Gregariniden.  Auch  Giard 
kam  schon  früher  (1876)  auf  Grund  seiner  Beobachtungen  über  die  Litho- 
cystis  Schneideri  zu  einer  ähnlichen  Vermuthung  und  erkennt  gleichfalls 
die  nächsten  Verwandten  der  Psorospermien  in  den  Myxomyceten  und 
den  Chytrideen. 


6Ü4  Sarcosiioridia. 


III.    Sarcosporidia. 

(Balbiani  1SS2.)*) 

(Micscher'sclie  oder  Eaincy'sclie  Schläuclie  [Sarcocystis] **)  und   die   parasitischen  Schläuche 

der  Süsswassercrustaceeii  [Amöbidium  Cieukowsky]). 

T.  38.  Yigg.  25—29. 

Noch  unsicherer  in  ihrer  Stellung  und  ihren  möglichen  Beziehungen 
zu  den  Gregarinida  erscheinen  die  sogen,  parasitischen  Schläuche,  welche 
Miescher  (106)  im  Jahre  1843  zuerst  in  den  quergestreiften  Muskeln  der 
Hausmaus  (Mus  musculus)  entdeckte.  In  der  Folge  wurden  sie  bald  als 
sehr  häufige  Schmarotzer  der  Säugethiere  und  gelegentlich  auch  der  Vögel 
erkannt.  Da  eine  sichere  Bestimmung  der  Natur  dieser  Organismen, 
sowie  gewisser,  in  mancher  Hinsicht  ähnlicher  schlauchartiger  Schma- 
rotzer auf  der  äusseren  Körperoberfläche  kleiner  Süsswasserarthro- 
poden  bis  jetzt  noch  fehlt  und  da  ihre  Eigenthümlichkeiten  noch  am 
meisten  für  ihre  Einreibung  in  die  Abtheilung  der  Sporozoa  zu  sprechen 
scheinen,  müssen  wir  hier  noch  eine  kurze  Darstellung  dieser  Sarcospo- 
ridia anreihen. 

Die  parasitischen  Schläuche  der  quergestreiften  Säugethiermuskeln 
(Sarcocystis^  schmarotzen  in  den  Muskelzellen  (den  sogen.  Primitivbündeln) 
selbst,  sind  also  umschlossen  von  dem  Sarcolemma,  häufig  sogar  noch 
von  einer  dünnen  Hülle  quergestreifter  coutractiler  Substanz,  welch  letztere 
je  nach  Grösse  und  Ausdehnung  des  Schlauches  mehr  oder  minder  zer- 
stört ist  (Fig.  28).  Die  Schläuche  besitzen  eine  ziemlich  dicke  Cuticula  und 
schliessen  grosse  Massen  sporenartiger,  kleiner  Körperchen  ein.  Bevor 
wir  den  Bau  der  Schläuche  etwas  näher  ins  Auge  fassen,  wollen  wir  uns 
über  ihr  Vorkommen  und  ihre  Verbreitung  eingehender  unterrichten.  Am 
häufigsten  und  wohl  auch  massenhaftesten  findet  man  sie  beim  Haus- 
schwein (jedoch  auch  dem  wilden  Schwein  [Cohnheim]  und  dem  Masken- 
schwein [Pagenstecher,  115]),  ja  sie  werden  hier  geradezu,  so  z.  B.  von 
Ripping  (114),  als  constaut  vorhandne  Schmarotzer  bezeichnet.  Sie  finden 
sich  beim  Schwein  zuweilen  so  massenhaft,  dass  die  von  ihnen  dicht 
durchsetzten  Muskeln  weiss   gestrichelt  erscheinen,  ja  Virchow  (120)  be- 


*)  Der  Name  „Sarcosporidia"  wurde  von  Balbiani  in    einer  allgemeinen  Darstellung  der 
Sporozoa,  deren  erste  Abschnitte,   während  des  Drucks  unsrcr  Bearbeitung  dieser  Gruppe,  im 
Journal  de  Micrographie,  herausgeg.  von  Pelletan  T.  VI.  1882,  erschienen,  aufgestellt. 
'■'*)  Der  Name  „Sarcocystis"  wird  zuerst  von  K.  Lankestcr  (97)  gebraucht. 


Sarcocystis  (Vorkomuicu  und  Verbreitung).  605 

richtet:   einmal   isolclies  Schweinefleisch  gesehen  zu  haben,  dessen  Masse 
fast  zur  Hälfte  aus  parasitischen  Schläuchen  bestand. 

Wie  gesagt,  sind  die  Sarcosporidien  unter  den  Säugethieren  noch 
sehr  weit  verbreitet,  und  zwar  sowohl  bei  domesticirten  wie  freilebenden. 
Wie  schon  erwähnt,  kennt  man  sie  von  der  Maus  und  ebenso  von  der  Ratte, 
wo  sie  zahlreiche  Beobachter  häufig  gefunden  haben  ■••);  bei  den  dome- 
sticirten Wiederkäuern,  wie  dem  Rindvieh,  Schafen,  Ziegen  sind  sie  häutig, 
fehlen  jedoch  auch  dem  Pferd  nicht  (Perroncito  110,  Siedamgrotzky  123)**). 

Mehrfach  beobachtet  wurden  sie  weiterhin  auch  beim  Reh  (Hessliog 
[107],  Manz  [122])  und  bei  einem  Affen  (Inuus)  von  Ratzel  (123).  Beim 
Menschen  wurden  dagegen  unsre  Schmarotzer  bis  jetzt  durchaus  vermisst. 
Klihn  (116)  fand  sie  auch  bei  Hühnern  und  Rivolta  (76,  88)  hat  auf  das 
Vorkommen  ähnlicher  Parasiten  in  der  Submucosa  des  Darmes  mehrerer 
Vögel  (der  Haushühner,  Schwarzamsel  [Turdus  merula],  des  Raben  etc.) 
aufmerksam  gemacht  und  es  scheint  auch,  dass  dieselben  mit  Recht  den 
parasitischen  Schläuchen  der  Säugethiere  an  die  Seite  gesetzt  werden. 

Sämmtliche  quergestreifte  Muskeln  des  Körpers  scheinen  unter  Um- 
ständen von  den  Schläuchen  inücirt  werden  zu  können,  jedoch  lässt  sich 
nicht  verkennen,  dass  gewisse  Muskelpartien  mit  Vorliebe  heimgesucht 
werden.  Manz  fand  sie  hauptsächlich  im  Zwerchfell  und  den  muskulösen 
Bauchwandungen,  dem  Psoas  und  den  Adductores  femoris,  recht  häufig 
sind  sie  weiterhin  in  den  Augenmuskeln ,  der  Zunge  und  den  Thorax- 
wänden. Auch  das  Herz  wird  vielfach  von  ihnen  heimgesucht.  Zürn  (74) 
hebt  noch  hervor,  dass  auch  die  quergestreifte  Muskulatur  des  Schlundes, 
des  Larynx  und  Pharynx  mit  Vorliebe  von  ihnen  befallen  wird  und 
dass  sie  namentlich  an  diesen  Orten  für  den  Parasitenträger  gefährlich 
werden  können,  indem  nach  den  Beobachtungen  von  Leisering,  Dammann 
und  Niederhäusern  (119,  121,  126)  durch  reichliche  Inficirung  dieser  Par- 
tien Respirationsbeschwerden,  ja  Erstickungsanfälle  hervorgerufen  werden 
können.  Sonst  scheinen  sie  ziemlich  harmloser  Natur  zu  sein  und  ihre 
Wohnthiere  nicht  besonders  zu  belästigen***). 

Die  Grösse,  welche  unsre  Gebilde  erreichen,  ist  häufig  eine  recht 
beträchtliche,  so  dass  sie  gewöhnlich  schon  mit  blossem  Auge  wahr- 
genommen werden  können.  Es  finden  sich  jedoch  meist  Schläuche 
sehr  verschiedner  Grösse  gleichzeitig  vor,  da  sie  in  den  Muskelzellen  all- 
mählich heranwachsen.  Durchschnittlich  beträgt  ihre  Länge  etwa  1 — 2  Mm., 
was  jedoch   nicht   ausschliesst,    dass   sie   an   gewissen   Orten  auch  unter 


*)  Beim  Hasen  soll  sie  v.  Hardenberg  gefunden  haben  (nach  Rii^ping). 
**)  Auch  Cobbokl  (127,  129)  will  ähnliche  Parasiten  in  den  MitralJdappen  eines  Pferde- 
herzens beobachtet  haben,  jedoch  scheint  aus  seiner  Mittheilung  die  Sarcosporidiennatur  dieser 
Gebilde  nicht  mit  hinreichender  Sicherheit  hervorzugehen. 

***)  Cobbokl  (129)  hat  beträchtliche  Quantitäten  inficirten  Kindfleisches  ohne  Nachtheil 
genossen  und  spricht  sich  daher  auch  für  die  Harmlosigkeit  dieser  Parasiten  aus,  jedoch  gibt 
er  nicht  an,  in  welcher  Zubereitung  oder  Form  das  l'^loiscli  gegessen  wurde. 


606  Sarcosporidia.     ^ 

1  Mm  zurückbleibeD.  Andrerseits  wird  jedoch  auch  vielfach  von  einer 
noch  beträchtlicheren  Länge  berichtet,  so  messen  die  des  Affenmuskels 
nach  Ratzel  bis  3  Mm. ,  Vlrchow  berichtet  sogar  von  V2  Zoll  langen  bei 
der  Ratte  und  Manz  von  zwei  Zoll  langen  bei  dem  Reh. 

Die  Gestalt  der  Schläuche  ist  entweder  eine  sehr  lang  gestreckte  mit 
beiderseits    zugespitzten   Enden,   wobei   ihre  Breite  gewöhnlich   so  gering 
bleibt,    dass    die    sie    einschliessenden    Muskelzellen    nicht    aufgetrieben 
erscheinen    (Fig.    28);     oder    sie    sind    kürzer    und    dicker,    von    mehr 
ovaler    Gestalt    (Fig.    2-5),     und    dann     tibertrifft    ihre    Breite    gewöhn- 
lich  die   der    normalen    Muskelfasern ,     so    dass    letztere    von    den    ein- 
gescblossnen  Schläuchen  bauchig  aufgetrieben  erscheinen.    Letztre  Bildung 
sollen    nach    Beobachtungen    Hessliug's    und    Rainey's    namentlich    die 
Schläuche   der   Herzmuskulatur  und   der   Zunge   zeigen.     Nach   Leuckart 
sollen  auch  die  nicht  aufgetriebnen  Muskelzellen  mit  schlanken  Schläuchen 
bei   der  Lösung    ihrer  Insertionen   bauchig  zusammenschnurren.    —   Die 
Hüllmembran   (Cuticula?   CystenhüUe?)    der   Schläuche    zeigt   eine   Reihe 
eigenthümlicher  Verhältnisse.      Bei    den    kleinsten   Schläuchen  vermissten 
Hessliug   und  Rainey   eine  solche  Hüllmembran,   Rainey  will  sogar  beob- 
achtet haben,   dass   sich  die  Hülle   zuerst   in  der  Mittelregion  des  jungen 
Schlauches  bilde  und  erst  nachträglich   über  die  zugespitzten  Enden  aus- 
dehne.    Die   Beschaffenheit    der   Membran    wird    von    den    verschiednen 
Beobachtern  etwas  verschieden  dargestellt.     Zum  Theil   wird  sie  als  eine 
ganz  einfache,  structurlose  Haut  beschrieben  (speciell  auch  bei  den  eben- 
erwähnten jugendlichsten  Schläuchen),  andre  Beobachter,  so  Pagenstecher 
(beim   Maskenschwein),    schildern   eine   gerippte   Beschaffenheit  der  Hüll- 
haut durch   schräg   verlaufende   Linien   hervorgerufen   und  eine  deutliche 
Zähnelung    des    Randes;    gewöhnlich   wird  jedoch   angegeben,   dass   die 
Aussenfläche  der  Haut  dicht  mit  feinen  borsten-  oder  haarartigen  Gebilden 
besetzt  sei,  welche  einen,  wenigstens  äusserst  häufig  vorhandnen,  allseitigen 
Ueberzug  bilden.     Nach   den  Beobachtungen   von  Manz  scheint  es,  dass 
namentlich  jugendliche,  kleinere  Schläuche  diesen  Borstenbesatz  aufweisen, 
während  er  bei  den  völlig  erwachsenen   seltner  zur  Beobachtung  kommt, 
—   sei  es,  dass  er  bei  diesen  thatsächlich  verloren  geht  —  oder  dass  er 
nur  leichter  abgestreift  wird.     Nach  Manz   soll  nämlich  der  Besatz  leicht 
abgestreift   werden.     Aus   dieser  Angabe   geht  gleichzeitig    hervor,    dass 
Manz   unterhalb   des  Borstenbesatzes   noch   eine  besondre,    continuirliche, 
zarte  Haut  annimmt,  was  in  seiner  Schilderung  auch  direct  erwähnt  wird. 
Zuweilen  tritt  eine  besondre  Anordnungsweise  dieses  Borstenbesatzes  her- 
vor, wenigstens  wird  eine  solche  von  Rainey,  dem  ersten  Beobachter  der 
Borsten,    mit   grosser   Bestimmtheit   beschrieben.     Während    nämlich  die 
Börstchen  der  Mittelregion   senkrecht   auf  der   Oberfläche  des  Schlauches 
stehen,   nehmen  sie   nach    den   Schlauchenden    zu   mehr   und  mehr   eine 
schiefe,  der  Mittelregion  zugewendete  Stellung  an  und  die  der  äussersten 
Enden   laufen   schliesslich   der  Schlauchaxe   nahezu  parallel.     Jedenfalls 
findet    sich    aber    eine    solche   Anordnung    nicht   allgemein,    wenigstens 


Sarcocystis  (Bau).  607 

zeichnet  Mauz  die  Borsten  allseitig  deutlich  senkrecht  zur  Oberfläche  des 
Schlauchkörpers. 

lieber  die  Natur  und  die  Bedeutung  des  Borstenbesatzes  sind  sehr 
verschiedne  Ansichten  geäussert  worden.  Rainey,  welcher  sich  über  seine 
Natur  keine  rechten  Vorstellungen  machen  konnte ,  erblickt  in  ihm  ein 
Bewegungsorgan,  das  den  Schläuchen  einmal  bei  ihrem  Längeuwachs- 
thum  innerhalb  der  Muskelzelle  von  Yortbeil  sei,  andrerseits  jedoch  auch 
bei  ihrem  von  ihm  angenommenen  Auswandern  aus  den  Muskel- 
zellen eine  Hauptrolle  spiele.  Rivolta  (72)  erkannte  darin  sogar 
die  starrgewordnen  Cilien  eines  bewimperten  Infusors,  aus  welchen  die 
Schläuche  ursprünglich  hervorgegangen  seien.  Als  verfehlt  muss  auch  die 
von  Virchow  vertretne  Ansieht  betrachtet  werden,  welche  den  Borsten- 
oder Stäbchenbesatz  auf  Reste  der  zu  Grunde  gegauguen  coutractilen 
Substanz  der  Muskelzelle  zurückzuführen  suchte.  Auch  Kühn  hat  sich 
dieser  Auffassung  angeschlossen.  Gegen  letztere  Deutung  sprachen  sich 
namentlich  Kraus,  Leuckart  und  Manz  aus,  und  die  von  Leuckart  ver- 
suchte Erklärung  dürfte  augenblicklich  wohl  als  die  natürlichste  erscheinen. 
Nach  ihm  soll  die  ziemlich  dicke  Scblauchhaut  von  zahlreichen,  dicbt- 
stehenden  Porenkanäleu  durchbohrt  sein;  er  will  solche  intacte,  poröse 
Häute  zuweilen  beobachtet  haben.  Sehr  gewöhnlich  zerfalle  jedoch  die 
Haut  durch  Rissbildungen  zwischen  den  benachbarten  Porenkanälchen  — 
ähnlich  wie  bei  den  bekannten  Cuticularsäumen  der  Darmepithelzellen 
der  Säugethiere  —  in  einen  solchen  Stäbchen-  oder  Borstenbesatz.  Wie 
gesagt,  scheint  mir  diese  Deutung,  welcher  sich  auch  Manz  im  AYesent- 
lichen  angeschlossen  hat,  sehr  wahrscheinlich,  nur  möchte  ich  vermuthen, 
dass  sich  unterhalb  der  porösen  und  gewöhnlich  in  den  Borstenbesatz 
zerfallenden  Haut  noch  eine  contiuuirliche  zusammenhängende  Membran 
oder  doch  eine  nicht  zerfallende  Hautschicht  finde,  da  das  von  Manz  be- 
schriebne  Abstreifen  des  Borstenbesatzes  doch  wohl  nur  bei  einer  solchen 
Annahme  erklärt  werden  kann. 

Der  Inhalt  der  Schläuche  ist  auf  jeder  Grössenstufe  ihrer  Entwick- 
lung im  Wesentlichen  stets  derselbe.  Er  besteht  aus  einer  schleimigen, 
z.  Th.  auch  als  gallertig  beschriebnen,  wahrscheinlich  also  protoplasma- 
tischen Grundmasse,  in  welche  eine  ungemein  grosse  Zahl  sehr  kleiner 
protoplasmatischer  Körperchen  eingebettet  sind,  die  wir  hier  als  Keime 
bezeichnen  wollen.  In  die  protoplasmatische  Grundmasse  sind  meist  noch 
zahlreiche  stark  lichtbrechende,  fettähnliche  Körnchen  eingebettet.  Bei  den 
kleinsten,  jugendlichsten  Schläuchen  fand  Hessliug  die  Keime  ohne  be- 
sondere Gruppirung  der  Grundsubstanz  eingelagert.  Bei  den  grösseren 
Schläuchen  dagegen  beobachtet  man  stets,  dass  die  Keime  zu  Ballen  oder 
Gruppen,  welche  von  einer  sehr  zarten  Haut  umschlossen  werden,  zu- 
sammengelagert sind  (Fig.  25).  Da  diese  Keimballen  (vielleicht  als  Sporen 
zu  bezeichnen)  dicht  zusammengepresst,  das  Schlauchinnre  meist  völlig  er- 
füllen (nur  die  beiden  äussersten  Schlauchspitzen  bleiben  zuweilen  frei),  so 


(508  Sarcosi^oridia. 

platten  sie   sich   gegenseitig   polygonal   ab.     Beim   Hervortreteu  aus  dem 
zerrissnen  Schlauch  nehmen  sie  dagegen  kuglige  Gestalt  an. 

Ueber  die  Entstehuug  der  Keime  hat  man  bis  jetzt  nur  Weniges  er- 
mittelt. Dass  die  Bildung  der  Ballen  oder  Sporen  der  Entwicklung  der 
eigentlichen  Keime  vorhergehe,  wie  Leuckart  anzunehmen  geneigt  scheint, 
ist  wenigstens  vorerst,  nach  der  angeführten  Beobachtung  von  Hessling, 
nicht  sehr  wahrscheinlich;  das  Einzige,  was  hinsichtlich  der  Sporen, 
bildungsgeschichte  bis  jetzt  mit  Sicherheit  ermittelt  zu  sein  scheint,  ist, 
dass  die  jugendlichen  Schläuche  neben  den  ausgebildeten  Keimen  meist 
zahlreiche  rundliche,  plasmatische,  schwach  granulirte  Körperchen  (welche 
nach  Manz  auch  einen  Kern  enthalten  sollen)  einschliessen.  Diese  rund- 
lichen Körpercheu  sind  ohne  Zweifel  die  jugendlichen  Keime,  wenn  sich 
auch  ihre  Umbildung  zu  den  entwickelten  wahrscheinlich  nicht  in  der  Weise 
vollzieht,  welche  Manz  geschildert  hat.  Nach  ihm  besitzen  diese  Körper- 
chen nämlich  auch  eine  sehr  zarte  Membran,  innerhalb  welcher  sich  nun 
der  protoplasmatische  Inhalt  zu  einem  niereuförmig  gekrümmten  Körper- 
chen zusammenzieht,  das  schliesslich  aus  der  Hülle  hervorbreche  und  den 
eigentlichen  Keim  darstelle.  Ich  vermuthe,  wie  angedeutet,  dass  diese 
Darstellung  nicht  dem  thatsächlichen  Vorgang  entspricht,  sondern  dass 
Manz  wahrscheinlich  durch  Einwirkung  quellender  Zusatzflüssigkeiten, 
speciell  Wasser,  irregeleitet  wurde. 

Es  unterliegt  nun  keiner  Frage,  dass  der  Keimbildungsprocess  ge- 
wissermaassen  ein  contiuuirlicher  sein  muss,  da  ja  schon  die  kleinsten 
Schläuche  Keime  einschliessen  und  sich  deren  Zahl  mit  dem  Wachsthum 
des  Schlauches  stetig  vermehrt.  Ueber  diese  Neubildung  von  Keimen 
sind  die  Beobachter  gleichfalls  wenig  sicher;  Rainey  vermuthete,  dass 
die  zugespitzten  Schlauchenden  der  Sitz  der  Keimbildung  seien;  in  der 
diese  erfüllenden  plasmatischen  Grundsubstanz  sollen  zuerst  fettähnliche 
runde  Körperchen  hervortreten,  welche  sich  hierauf  in  die  nierenförmigen 
Sporen  umbildeten.  Hessling  und  Manz  dagegen  versuchten  eine  Ver- 
mehrung der  Sporen  durch  Theilung  wahrscheinlich  zu  machen,  auf 
welchen  Vorgang  wir  weiter  unten  noch  zurückkommen  werden.  Dass 
auch  die  Zahl  der  Keimballen  in  den  heranwachsenden  Schläuchen  sich 
vermehrt,  bedarf  hier  kaum  noch  eines  besonderen  Hinweises.  Die  aus- 
gebildeten Keime  sind  hüllenlose,  plasmatische,  etwas  dunkle  Körperchen, 
deren  Gestalt  ziemlich  verschieden,  am  häufigsten  jedoch  eine  nieren-  bis 
halbmondförmige  ist  (Fig.  27).  Daneben  finden  sich  jedoch  auch  ovale  bis 
längliche,  sogar  mehr  oder  weniger  unregelmässige  Keime,  zuweilen  sollen 
auch  einzelne  wie  tortirt  erscheinen  (Pagenstecher).  Ihr  Leibesprotoplasma 
ist  ziemlich  homogen,  enthält  nur  einige  dunkle  Körnchen,  welche  meist 
in  die  Enden  eingebettet  sind.  Gewöhnlich  beobachtet  man  jedoch  ein 
bis  zwei  vacuolenartige  helle  Stellen  in  ihnen,  die  theils  mehr  in  der 
Mitte,  theils  den  Enden  genähert  liegen  und  die  von  den  meisten  Beob- 
achtern  als   Flüssigkeitstropfen   beansprucht  werden,   wogegen  sie  Manz, 


Sarcocysüs  (Entstehung-  u.  Bau  der  Keime).  609 

jedoch  wahrscheinlich  irrthümlich ,  für  Kerne  erklärt.  Leuckart  hebt  so- 
gar hervor,  dass  diese  Vacuolen  sich  erst  nachträglich  bilden,  in  ganz 
frischen  Keimen  dagegen  fehlen.  Die  Vermuthung  liegt  nahe,  dass  diese 
vacuolenartigen  Gebilde  der  Sarcocystiskeime  den  lichtbrechenden  Körpern 
entsprechen,  welche  in  den  sichelförmigen  Keimen  gewisser  Coccidien  beob- 
achtet wurden.  In  diesem  Sinne  sprach  sich  denn  auch  U.  Lankester 
neuerdings  aus  (97). 

Die  meisten  Beobachter  konnten  keine  Bewegung  der  Keime  wahr- 
nehmen, nur  Virchow  will  sich  überzeugt  haben,  „dass  sie  sich  anfänglich 
in  der  Flüssigkeit  bewegen  und  ihre  Gestalt  durch  Bildung  von  Hervor- 
ragungen und  Ausstülpungen  ändern",  später  jedoch  sollen  sie  ruhig  und 
etwas  runzelig  werden.  Auch  Pagenstecher  will  träge  Formverändeiungen 
derselben  beobachtet  haben.  Es  scheint  aber  active  Beweglichkeit  der 
Keime  bis  jetzt  kaum  sichergestellt  zu  sein,  womit  jedoch  nicht  aus- 
geschlossen sein  soll,  dass  dieselben  sich  auf  gewissen  Lebensstadien 
doch  activ  bewegen. 

Nur  ein  einziger  Beobachter,  Pagenstecher,  will  beim  Maskenschwein 
neben  den  geschilderten  Inhaltsgebilden  der  Schläuche  noch  anderweitige, 
sehr  eigenthümliche  Körperchen  beobachtet  haben.  Dieselben  zeigten 
einen  spermatozoenartigen  Bau  mit  Köpfchen  und  Schwanzfaden ,  von 
welchen  das  erstere  höchstens  Vio  des  Durchmessers  der  Keime  maass. 
Sie  bewegten  sich  lebhaft  spermatozoenartig  und  klebten  häufig  haufen- 
weise mit  den  Köpfen  zusammen.  Es  schien  Pagenstecher  möglich,  dass 
sie  aus  Zellen,  welche  sich  zwischen  den  Keimen  zerstreut  fanden,  ihren 
Ursprung  nähmen.  Da  von  keinem  der  übrigen  Beobachter  etwas  Aehn- 
liches  berichtet  wird,  scheint  mir  die  Natur  dieser  Gebilde  und  ihre  Zu- 
gehörigkeit zu  den  Schläuchen  sehr  zweifelhaft*). 

Ueber  das  weitere  Schicksal  der  Keime  ist  bis  jetzt  durchaus  nichts 
bekannt.  Nur  wird,  wie  angedeutet,  von  Hessling  und  Manz  behauptet, 
dass  sie  sich  innerhalb  der  Schläuche  durch  Theilung  vermehrten.  Diese 
Angabe  gründet  sich  auf  die  Beobachtung  von  Körperchen,  welche  eine 
mittlere  Einschnürung  aufwiesen  (Hessling)  oder  auf  das  Vorkommen  von 
Keimen,  die  paarweise  noch  mit  ihren  Enden  zusammenhingen  und  sich  ihre 
concaven  Seiten  zukehrten  (Manz,  Fig.  26).  Auch  Andeutung  von  Theilung 
der  vermeintlichen  Kerne  will  Manz  gesehen  haben.  Mir  scheinen  diese 
Beobachtungen  jedoch  keineswegs  hinreichend,  um  eine  Theilung  wirk- 
lich ausser  Zweifel  zu  stellen. 

Versuche,  welche  hinsichtlich  der  Infection  und  Uebertragbarkeit  der 
parasitischen  Schläuche  durch  Verfütterung  inficirten  Fleisches  von  Leuckart 


*)  Es  sei  jedoch  hier  noch  bemerkt,  dass  Dammann  (121)  bei  dem  Schaf  einzelne  Keime 
mit  fadenartigen  Anhängen  beobachtet  haben  will.  Auch  möchte  ich  noch  nachtragen,  dass 
nach  den  Erfahrungen  von  Leisering  und  Danimann  die  reifen  Schläuche  in  der  Schlundmus- 
kulatur des  Schafes  gewöhnlich  zu  ansehnlichen,  bis  Haselnussgrösse  erreichenden  Knoten  zu- 
sammenzufliessen  scheinen ,  in  welchen  sich  neben  Unmassen  von  Keimen  nur  zuweilen  noch 
eine  grössere  oder  kleinere  Zahl  erhaltener  Schläuche  finden. 

Broun,  Klassen  des  Tliier-Keiclis.     Protozoa.  o9 


610  Sarcosporidia. 

und  Manz  angestellt  wurden,  haben  ein  fast  durchaus  negatives  Resultat 
ergeben  *).  Manz  sah  sogar  die  Schläuche  unter  dem  Einfluss  des  Magen- 
saftes der  Zerstörung  anheimfallen.  Auch  Virchow  spricht  sich  gegen  ihre 
directe  Uebertragbarkeit  aus  und  hiermit  harmonirt  denn  auch  die  That- 
sache,  dass  sich  das  inficirte  Fleisch  für  den  Menschen  ganz  unschäd- 
lich erweist. 

Manz  versuchte  die  Keime  auch  unter  anderen  Bedingungen  (so  in 
feuchter  Erde,  Zuckerwasser  etc.)  einer  weiteren  Entwicklung  entgegen- 
zuführen, aber  ohne  jeden  Erfolg.  Wir  sind  demnach  bis  jetzt  über  die 
eigentUche  Entwicklungsgeschichte  unsrer  parasitischen  Gebilde  und  die 
Art  der  Infection  gänzlich  im  Unklaren  und  es  erscheint  deshalb  auch 
erklärlich,  dass  nicht  nur  frühere  Beobachter  zu  sehr  irrthümlichen  Vor- 
stellungen über  die  Natur  und  die  Bedeutung  der  Schläuche  gelangen 
konnten ,  sondern  dass  auch  ihre  verwandtschaftlichen  Beziehungen  bis 
jetzt  noch  durchaus  dunkel  blieben.  Miescher  schwankte  hinsichtlich 
ihrer  Auffassung  als  parasitische  oder  durch  pathologische  Umbildung 
des  Muskelgewebes  entstandne  Gebilde,  während  sich  Hessling  auf  Grund 
seiner  Beobachtung  über  die  allmähliche  Entwicklung  der  Schläuche  der 
letzteren  Ansicht  zuneigte**).  Siebold  (bei  Hessling,  107)  sprach  sich 
gleicbzeitig  für  ihre  parasitische  Natur  aus  und  glaubt  sie  speciell  den 
schimmelartigen  Endophyten  zurechnen  zu  sollen.  Ganz  eigenthümlich 
waren  die  irrthümlichen  Vorstellungen,  welche  sich  Rainey  von  der  Be- 
deutung unsrer  Organismen  bildete.  Da  er  ihnen  bei  seinen  Unter- 
suchungen über  die  Entwicklung  der  Cjsticerken  im  Schweinefleisch 
häufig  begegnete,  glaubte  er,  wie  dies  in  ähnlichen  Fällen  ja  schon  häufig 
geschah,  sie  in  den  Entwicklungskreis  der  Finnen  ziehen  zu  müssen. 
Nach  ihm  sollten  die  Schläuche  die  ersten  Entwicklungsstufen  der  Cysti- 
cerken  darstellen,  welche  später  aus  den  Muskelzellen  hervorbrächen  und 
sich  zwischen  denselben  zu  den  Blasenwürmern  weiterbildeten.  Es  ist 
hauptsächlich  das  Verdienst  Leuckart's  (113),  diese  falsche  Auffassung 
widerlegt  zu  haben.  Mit  mehr  oder  weniger  Bestimmtheit  haben  sich  für 
die  pflanzliche  Natur  der  Sarcocystis  noch  ausgesprochen:  Virchow  (117), 
Pagenstecher  (115),  gelegentlich  auch  Leuckart***)  und  namentlich  Kühn 
(116).  Letztrer  Beobachter  findet  eine  grosse  Uebereinstimmung  zwischen 
ihnen  und  den  Chytrideen,  hauptsächlich  der  Gattung  Synchytrium 
(de  Bary),  und  will  sie  daher  als  Synchytrium  Miescherianum  direct  den 
Chytrideen  zurechnen.  Auch  Zürn  (74)  hat  sich  für  ihre  Chytrideenähn- 
lichkeit  ausgesprochen. 


*)  Ein  angeblich  gelungner  V'ersuch  der  üebertragung  auf  das  Schwein,  welchen  Leuckart 
(113)  früher  aufführte,  kann,  wie  er  auch  jetzt  (92)  hervorhebt,  wohl  auf  andrem  Wege,  schon 
durch  die  ungemeine  Häufigkeit  der  Schläuche  beim  Schwein,  erklärt  werden. 

**)  Der  eigenthümlichen  Ansicht  Eoloff's,  welcher  die  Schläuche  als  Ansammlungen  aus- 
gewanderter weisser  Blutkörperchen  betrachtet,  die  sich  mit  einer  Hülle  umkleidet  hätten,  soll 
hier  nur  kurz  gedacht  werden. 

***)  Jahresber.  über  niedere  Thiere  f.  d.  J.  li>63,  Arch.  f.  Naturgesch.  1S65.  lid.  IL 


Sarcocytitis  (V'crwandscliaftl.  JJc/ieliungciu.    Amöbiduiin.  ßl[ 

Voo  den  Vertheidigern  ihrer  thierischen  Natur  erwähnen  wir  hier  zu- 
nächst Rivolta  (72),  der  sie  früher,  wie  die  Coeeidien,  von  eingewanderten 
ciliaten  Infusorien  ableitete,  deren  Keirakörner  die  geschilderten  Keime 
seien.  Endlich  haben  wir  die  für  uns  wichtigste  Auffassung  derselben 
als  den  Gregariniden  verwandte  Organismen  kurz  zu  betrachten.  Diese 
Ansicht  wurde  wohl  zuerst  von  Leuckart  1852  (21)  ausgesprochen  und 
seither  vielfach  adoptirt;  von  den  speciellen  Beobachtern  der  Schläuche 
hat  sich  ihr  namentlich  Rippiog  (114)  angeschlossen. 

Es  ist  nicht  zu  leugnen,  dass  die  Keime  der  Sarcocystis  eine  gewisse 
Aehnlichkeit  mit  den  sichel-  oder  stäbchenförmigen  Keimen  der  Gregari- 
nida  besitzen,  jedoch  dürfte  dies  allein  nicht  ausreichen,  eine  nähere  Be- 
ziehung fest  zu  begründen  und  müssen  wir  daher  einstweilen  die  Frage 
nach  dem  systematischen  Anschluss  der  besprochnen  Organismen  als  eine 
noch  oflPne  bezeichnen,  welche  nur  auf  Grund  einer  genaueren  Bekanntschaft 
mit  ihren  Entwicklungserscheinungen  gelöst  werden  dürfte. 

Durch  die  Besprechung  der  Sarcocystis  an  diesem  Orte  haben  wir 
übrigens  schon  genügend  angedeutet,  dass  wir  eine  nähere  Verwandtschaft 
derselben  mit  den  Sporozoen  nicht  für  unwahrscheinlich  erachten. 

Zum  Schluss  nun  noch  einige  Worte  über  die  sogen,  parasitischen 
Schläuche  der  Crustaceen.  Es  sind  dies  mikroskopische  Gebilde,  welche 
sich  auf  kleinen  Süsswassercrustaceen  (Gammarus,  Asellus)  und  Insecten- 
larven  (Phryganeen,  Mücken),  jedoch  auch  wohl  anderen  Objecten  (so 
z.  B.  Epistylisstöckchen  nach  Lieberkühn)  befestigt  finden*).  Zuerst  hat 
sie  Lieberkühu  1856  (108)  genauer  studirt**)  und  seine  Angaben  wurden 
dann  von  Schenk  (HO)  und  Cienkowsky  (112)  z.  Th.  bestätigt,  z.  Th. 
erweitert,  so  dass  die  Naturgeschichte  dieser  Organismen,  welchen  Cien- 
kowsky den  Namen  Amoebidium  parasiticum  gab,  jetzt  ziemlich  er- 
mittelt scheint. 

Die  Amöbidien  sind  bis  zu  0,05  Mm.  lange,  schlanke  schlauchförmige 
Gebilde,  welche  meist  mit  einer  etwas  stielförmig  abgesetzten,  verschmä- 
lerten Basis,  die  sich  jedoch  an  der  Anheftungsstelle  wieder  etwas  scheiben- 
förmig verbreitert,  befestigt  sind  (29a — c).  Ihre  Gestalt  bietet  ziemliche  Varia- 
tionen dar,  von  rein  schlauchförmiger,  cylindrischer,  mit  abgerundetem  freien 
Ende  bis  zu  mehr  spindelförmiger,  mit  beiderseits  zugespitzten  Enden; 
auch  treten  keulenförmige  Gestalten  auf,  indem  das  basale  Ende  sich 
verschmälert;  das  freie  Ende  dagegen  ist  zuweilen  hakenförmig  einge- 
krümmt. Die  Schlauchmembran  ist  sehr  dünn  und  zart  und  zeigt  nach 
Schenk  nicht  die  Reactionen  der  Cellulose.    Der  Inhalt  besteht  aus  einem 


*)  Namentlich  die  Kiemen  von  Gammarus,  Asellus  und  der  Pliryganidenlarven,  andrer- 
seits aber  aucli  die  Schwimmborsteu  der  Beine  von  Gammarus  sind  von  ihnen  besetzt.  Es 
scheint  daher,  dass  sie  Orte  regen  Wasserwechsels  vorzugsweise  aufsuchen. 

**)  Ob  die  von  Lachmann  1859  auf  den  Beinen  von  Gammarus  gefundnen  schlauchför- 
migen Gebilde,  welche  er  nnr  sehr  flüclitig  beschrieb,  hierherzurechnen  sind,  scheint  mir  sehr 
unsicher. 

39 


ßl2  Sarcosporidia. 

ziemlich  lichten  Protoplasma,  das  feine,  dunkle  Körnchen  in  massiger 
Zahl  einschliesst  und  wenigstens  in  den  erwachsenen  Schläuchen  zahl- 
reiche, in  ziemlich  regelmässigen  Abständen  aufeinanderfolgende,  kleine 
Zellkerne  enthält  (29a).  Die  Zahl  dieser  Kerne  vermehrt  sich  mit  dem  all- 
mählichen Wachsthura  des  Schlauches,  wie  schon  daraus  hervorgeht,  dass 
die  jugendlichsten  Amöbidien,  deren  Entwicklung  gleich  zu  schildern  sein 
wird,  gewöhnlich  nur  einen  einzigen  Kern  enthalten.  Grosse,  erwachsene 
Schläuche  zeigen  nach  Cienkowsky  meist  auch  eine  reichliche  Vacuoli- 
sirung,  so  dass  ihr  Plasma  eine  schaumige  Beschaffenheit  annimmt.  Auf 
sehr  verschiednen  Stufen  des  Wachsthums,  wie  es  scheint,  tritt  ein  Fort- 
pflanzungsprocess  in  der  Weise  ein,  dass  der  plasmatische  Inhalt  in 
eine  je  nach  der  Grösse  des  Schlauches  sehr  verschiedne  Zahl  spindel- 
bis  schlauchförmiger  Körper  zerfällt  (29b),  welche  aus  den  Mutterschläuchen 
hervortreten  und  nun  entweder  direct  wieder  zu  neuen  Amöbidien  aus- 
wachsen  oder  eine  Zertheilung  ihres  Plasmainhalts  zu  kleinen  Amöben 
erfahren,  wie  sie  auch  die  Mutterschläuche  zu  andern  Zeiten  zeigen.  Da 
häufig  nur  ein  Theil  dieser  jugendlichen  Schläuche  aus  dem  Amöbidium 
völlig  heraustritt,  ein  Theil  derselben  dagegen  mit  ihrem  einen  Ende 
in  dem  zusammengeschrumpften  Mutterschlauch  sitzend  zu  reifen  Amöbi- 
dien aus  wächst,  so  trifft  man  auch  zuweilen  auf  federbuschartige  Gebilde, 
welche  eben  dadurch  entstanden  sind,  dass  aus  einem  entleerten  Mutter- 
schlauch eine  ganze  Anzahl  Schläuche  hervorwachsen. 

Der  angedeutete  Zerfall  des  Plasmainhalts  der  spindelförmigen  Jugend- 
formen zu  kleinen  Amöben  findet  entweder  erst  nach  dem  Austritt  aus 
dem  Mutterschlauch  statt  oder  aber  auch  zuweilen  schon  vor  der  Ent- 
leerung. Der  Inhalt  der  Spindeln  theilt  sich,  nachdem  die  Zahl  der  Kerne 
sich  entsprechend  vermehrt  hat,  in  zwei  oder  vier  Portionen,  welche 
schliesslich  in  Form  kleiner  Amöben  die  Spindelhülle  verlassen  und  im 
Falle  diese  noch  von  dem  Mutterschlauch  umschlossen  sein  sollte,  auch 
diesen.  Jedoch  kann  zuweilen  auch  der  Inhalt  einer  Spindel  ungetheilt 
in  Amöbengestalt  hervortreten. 

Zu  gewissen  Zeiten  zeigen  nun,  wie  erwähnt,  auch  die  Mutterschläuche 
direct  einen  Zerfall  ihres  Plasmas  in  zahlreiche  ähnliche  kleine  Amöben 
(Zoosporen,  Cienkowsky)  (29c).  Ihrer  Bildung  geht  nach  Cienkowsky  eine 
Kernvermehrung  voraus,  worauf  der  Inhalt  des  Amöbidiums  entweder 
durch  simultane  Quertheilungen  oder  Theiluugen  nach  allen  Richtungen 
des  Raumes ,  in  zahlreiche  kleine  Stücke  zerfällt,  von  welchen  jedes 
einen  Kern  und  einen  Antheil  der  dunklen  Körnchenpartien  des  Mutter- 
plasmas umschliesst.  Schon  innerhalb  des  Mutterschlauches  beginnen  diese 
kleinen  Theilstücke  ihre  amöboiden  BeAvegungen  und  treten  schliesslich 
an  beliebigen  Stellen  aus  dessen  Hülle  hervor.  Ihre  Bewegungen  ver- 
laufen ziemlich  einfach,  mit  Bildung  eines  oder  weniger  stumpfabgerundeter 
Fortsätze  (29d).  Eine  contractile  Vacuole  fehlt  ihnen,  auch  Hessen  sie  sich 
nicht  zur  Nahrungsaufnahme  bewegen.  Schon  nach  wenigen  Stunden 
gehen  sie  in  Ruhezustände  über,  die  nach  Cienkowsky's  Erfahrung  zweier- 


Aiaöbidiiun    iFortiillaiizun}>-  u.  verwandtschaftl.  Bezieliuugen).  613 

lei  Art  sein  können.  Entweder  bilden  sich  rundliche  bis  ovale,  von  einer 
sehr  zarten  Hüllhaut  nmschlossne  Cysten  (29e),  welche  in  wenigen  Tagen  einen 
Zerfall  ihres  Protoplasma-Inhalts  in  eine  ziemliche  Zahl  spindelförmiger  Kör- 
perchen aufweisen,  welche  ganz  den  früher  beschriebnen,  im  Mutterschlauch 
direct  entwickelten,  jugendlichen  Amöbidien  gleichen  (29f — g),  oder  die  beweg- 
liche Zoospore  kugelt  sich  unter  Ausscheidung  einer  dickeren  Hülle  ein  und 
geht  in  einen  längere  Zeit  ruhenden  Znstand  über  (29h),  Auch  diese  Ruhe- 
zustände jedoch  machen  nach  einiger  Zeit  gewöhnlich  denselben  Ent- 
wicklungsprocess  durch,  wie  die  zuerst  erwähnten,  indem  unter  allmählicher 
Verdünnung  und  Ausdehnung  der  Hülle  der  Inhalt  in  zahlreiche  jugendliche 
Amöbidien  zerfällt  (29i).  Andrerseits  kann  aber  auch  der  Inhalt  zunächst 
umschlossen  von  einer  zarten  Hülle,  aus  der  dicken  Cystenmembran  aus- 
treten und  der  Zerfall  in  jugendliche  Amöbidien  erst  nachträglich  statt- 
tinden.  In  der  kurz  geschilderten  Entwicklungsgeschichte  unsrer  Schläuche 
bleibt  bis  jetzt  namentlich  noch  ein  Punkt  ziemlich  unklar,  nämlich  die  Art 
und  Weise,  wie  sich  die  jugendlichen,  aus  den  sogen.  Zoosporen  (Amöben) 
heivorgehenden  Amöbidien  (29k— 1)  wieder  auf  den  Wohnthieren  an- 
siedeln. Es  ist  zwar  wahrscheinlich,  dass  dies  einfach  durch  Festheftung 
und  weiteres  Wachsthum  geschieht,  was  deshalb  noch  natürlicher  er- 
scheinen dürfte,  weil  die  amöboid  beweglichen  sogen.  Zoosporen  sich 
unter  natürlichen  Bedingungen  wohl  kaum  von  ihren  Wohnthieren  ent- 
fernen —  oder  doch  vor  dem  Uebergang  in  den  Ruhezustand  ein  neues 
Wohnthier  aufsuchen  werden. 

Was  schliesslich  die  allgemeine  Bedeutung  und  Auffassung  der  Amö- 
bidien betrifft,  so  betonte  Lieberkühn,  ihr  Entdecker,  ihre  Beziehungen 
zu  den  sogen.  Psorospermien ,  indem  er  die  im  Mutterschlauch  gebil- 
deten Spindeln  direct  den  Psorospermien  (d.  h.  den  Sporen  der  Coc- 
cidien)  verglich,  womit  denn  nach  seiner  Auffassung  auch  das  Hervor- 
gehen von  kleinen  Amöben  aus  diesen  Psorospermien  aufs  Beste  harmo- 
nirte.  Gegen  diese  Auffassung  der  Schläuche  sprach  sich  namentlich  Cien- 
kowsky  aus,  während  Schenk  über  ihre  Natur,  speciell  ob  thierisch  oder 
pflanzlich,  kein  bestimmtes  Urtheil  zu  fällen  wagte.  Cienkowsky  dagegen 
betont  ihre  pflanzliche  Natur  mit  grosser  Entschiedenheit  und  spricht  sich 
für  ihre  Zurechnung  „zur  Klasse  der  niederen  Algen  oder  Pilze"  aus. 
Wenn  wir  jedoch  auch  mit  dem  russischen  Forscher  darin  völlig  harmo- 
niren,  dass  bewegliche  Zustände  im  Entwicklungskreis  eines  Organismus 
durchaus  nicht  seine  thierische  Natur  zu  erweisen  vermögen,  sondern  auch 
recht  häufig  bei  pflanzlichen  Organismen  anzutreffen  sind,  so  ist  doch 
durch  dieses  Zugeständniss  noch  nichts  Bestimmtes  über  die  specielle 
Stellung  der  Amöbidien  bei  dem  einen  oder  dem  andern  der  beiden  grossen 
Reiche  ermittelt  und  weitere  Gründe  vermissen  wir  bei  Cienkowsky  völlig. 
Durch  seinen  unbestimmten  Ausspruch,  dass  die  Amöbidien  der  Klasse  (!| 
der  niederen  Algen  oder  Pilze  zugerechnet  werden  müssen,  scheint  er 
uns  zu  verrathen,  dass  er  nicht  in  der  Lage  ist,  die  Amöbidien  nach  Bau 
und  Entwicklung    direct   einer   der  bekannten  pflanzlichen  Formen  näher 


614  Sarcosporidia. 

anzuscblicsseu  und  daher  erscbeiut  uus  deu"n  auch  der  sehr  bestimnit  ge- 
haltene Ausspruch  über  die  verwandtschaftlichen  Beziehungen  unsrer  For- 
men durchaus  nicht  so  sehr  überzeugend. 

Unsrer  Auffassung  nach  lässt  sich ,  soweit  die  jetzigen  Erfahrungen 
reichen,  eine  gewisse  Aehnlichkeit  der  Entwicklungserscheinungen  der 
Amöbidien  mit  den  Gregariniden  nicht  wohl  leugnen.  In  dieser  Hinsicht 
sind  namentlich  die  sich  entwickelnden  encystirten  Zoosporen  von  Inter- 
esse. Dieselben  gleichen  mit  den  in  ihnen  sich  entwickelnden  jugendlichen 
Spindeln  recht  auffallend  den  Sporen  der  Gregariniden,  in  welchen  sichel- 
oder  stäbchenförmige  Keime  zur  Ausbildung  gelangten.  Auch  ist  die 
Aehnlichkeit  der  jungen  Amöbidienspindeln  mit  den  sichelförmigen  Keimen 
der  Gregariniden  nicht  gering,  abgesehen  von  dem  Mangel  der  Bewegungs- 
erscheinungen bei  ersteren,  welche  jedoch  bis  jetzt  auch  nur  bei  einem 
Theil  der  sichelförmigen  Keime  constatirt  werden  konnten.  Wenn  daher 
diese  Vergleichuug  einigen  Anspruch  auf  Richtigkeit  besitzt,  so  hätten 
wir  die  encystirten  Ruhezustände  der  Amöbidienzoosporen  den  Sporen  der 
Gregariniden  zu  vergleichen  und  die  wesentlichste  Abweichung  der  beiderlei 
Organismen  läge  darin,  dass  die  Sporoblasten  der  Gregariniden  sich  schon 
innerhalb  der  Muttercyste  encystiren  und  weiterentwickeln,  während  die 
Amöbidiensporen  zunächst  im  nackten ,  amöbenförmigen  Zustand  aus- 
wandern und  sich  hierauf  einzeln  encystiren  und  weiter  entwickeln.  Es 
darf  jedoch  andrerseits  nicht  verkannt  werden,  dass  die  Amöbidien  in  Bau 
und  Entwicklung  auch  nicht  unwichtige  Differenzen  von  den  Gregariniden 
aufweisen,  ganz  abgesehen  von  ihrer  ectoparasitischen  Lebensweise,  die 
eine  Ernährung  auf  Kosten  des  VVohnthieres  (welche  übrigens  Cienkowsky 
anzunehmen  scheint)  sehr  unwahrscheinlich  macht.  Namentlich  ist  die 
Vermehrung  der  Amöbidien  durch  einfache  Theiliing  des  Schlauchinhalts 
eine  Erscheinung,  welche  bis  jetzt  bei  den  Gregariniden  kein  Analogon 
besitzt.  Wir  sehen  uns  daher  für  jetzt  noch  ausser  Stand,  eine  sichere 
Entscheidung  über  die  wahre  Stellung  der  Amöbidien  in  der  Organismen- 
welt zu  fällen. 


Anbau g-  zu  den  Sarcosporidia. 

Von  einigen  Forschern,  namentlich  Leydig  und  Balbiani,  werden  zu  den  Sporozoön  noch 
gewisse  parasitische  Organismen  gezogen,  welche  hauptsächlich  bei  den  Arthropoden  eine  zu- 
weilen sehr  verheerende  Entwicklung  erlangen*). 


*)  Die  Zahl  der  Schriften,  welche  sich  indirect  mit  unseren  Organismen,  d.  h.  der  ohne 
Zweifel  von  ihnen  erzeugten  Krankheit  der  Seidenraupe,  beschäftigt,  ist  eine  sehr  grosse.  Ver- 
hältnissmässig  nur  wenige  behandeln  jedoch  die  uns  hier  interessirenden  Organismen  selber. 
Die  wichtigsten  derselben  dürften  folgende  sein,  in  welchen  man  den  Hinweis  auf  weitere 
finden  wird: 

'  Lebert,  H.,  lieber  die  gegenwärtig  herrschende  Krankheit  des  Insects  der  Seide,  in:  Jahres- 
bericht über  die  Wirksamk.  des  Vereins  zur  Beförderung  des  Seidenbaues  f.  die  Pro- 
vinz Brandenburg  i.  J.  1856 — 57  p.  16  fiV;  zum  grössten  Theil  abgedruckt  in:  Berliner 
entomologische  Zeitschrift  2.   Jahrg.   1858.  p.    J48 — 186.  6  Taf.    (darin  auch  die  An- 


Aiiliaiig'.  615 

Am  bekanntesten  sind  dieselben  von  dem  Seidenspinner  (Bouibyx  Mori)  und  erzeugen 
liier  die  unter  dem  Namen  Gattine  (Italien)  oder  Pcprine  (Frankreicli)  bekannte  Krankheit, 
welche  die  Seidenkultur  in  erschreckendem  Maasse  heimgesucht  hat.  Balbiani  stellt  diese 
Organismen  unter  dem  Namen  „Psorospermien  der  Articulaten"  oder  „Peprinekörperclien"  zu 
den  Sporozoen.  Die  bis  jetzt  vorliegenden  Ermittlungen  über  ihre  Natur,  scheinen  mir  abe^ 
keineswegs  ausreichend  zur  BegTlindung  ihrer  Verwandtschaft  mit  den  Sporozoen,  vielmehr 
lialte  ich  es  mit  einer  Reihe  anderer  Beobachter  ftir  wahrscheinlicher,  dass  sie  pflanzlicher 
Natur  sind.  Sclion  Nägeli  erklärte  sie  seiner  Zeit  ftir  Schizomyceten  und  nannte  sie  Nosema 
Bombycis;  später  stellte  Lebert,  welchem  dieser  Name  nicht  bezeichnend  genug  schien,  den 
neuen  „Panhystophyton  ovatum"  auf.  Nach  den  allgemeinen  Kegeln  der  Namengebung  wäre 
natürlich  der  Nägeli'sche  Name  festzuhalten.  Es  hat  übrigens  nicht  an  Beobachtern  gefehlt, 
welche  den  Peprinekörperchen  die  Organismennatur  absprachen  und  sie  für  pathologische  Er- 
zeugnisse des  kranken  Thierkörpers  erklärten. 

Wir  wollen  uns  daher  hier  nur  ganz  kurz  über  ihre  Natur  orientiren.  Die  Pebrine- 
körperchen  sind  sehr  kleine*),  gewöhnlich  etwas  ovale  bis  spindelförmige  Gebilde,  von  meist 
ganz  homogenem  Aussehen  und  ziemlich  starker  Lichtbrechung  Der  Nachweis  einer  beson- 
deren Hülle  ist  den  Beobachtern  bis  jetzt  nicht  hinreichend  sicher  gelungen ,  wiewohl  einige, 
so  Leydig,  bei  den  Körperchen  der  Seidenraupe  eine  Hülle  gesehen  haben  wollen.  Bei 
diesen  sieht  man  gewöhnlich  eine  zarte  Längslinie  zwischen  den  beiden  Polen  hinziehen,  eine 
Eigenthümlichkeit,  welche  Balbiani  ohne  Zweifel  von  der  Anwesenheit  einer  zweiklappigen 
Hülle,  ähnlich  der  der  Sporen  der  Myxosporidien ,  herzuleiten  sucht.  Gegen  schwache 
Säuren  oder  kaustische  Alkalien  erweisen  sich  die  Körperchen  recht  widerstandsfähig;  von 
concentrirten  Säuren  werden  sie  dagegen  zerstört,  üeber  ihr  Vorkommen  können  wir  kurz 
Folgendes  berichten.  Sie  scheinen  unter  umständen  im  gesammten  Körper  der  befallnen 
Thiere  aufzutreten  und  ebenso  auf  jeder  Altersstufe,  so  bei  der  Seidenraupe  schon  im  Ei.  — 
Man  findet  sie  entweder  frei  in  der  Leibeshöhlenflüssigkeit,  im  Darminhalt  wie  auch  den 
Lumina  andrer  Organe  (Geschlechtsorgane,  Drüsen  etc.)  oder  aber  in  den  Geweben  und  zwar 
scheinen  sie  hier  stets  (oder  doch  vorwiegend)  im  Innern  der  Zellen  ihren  Sitz  zu  haben. 
So  begegnet  man  ihnen  in  den  Epithelzellen  des  Darms,  wie  der  Drüsen  (Malpighi'sche 
Gefässe,  Spinndrüsen  etc.),  in  den  Muslielzellen ,  Fettkörperzellen,  im  Bauchmark,  den 
Nerven  etc.  Ebenso  ist  ihre  Verbreitung  unter  den  Arthropoden  eine  sehr  weite.  Am 
häufigsten  studirt  wurden  sie,  wie  bemerkt,  bei  Bombyx ,  finden  sich  jedoch  auch  bei  anderen 
Schmetterlingen,  resp.  deren  Kaupen  (so  Gastropacha  nach  Balbiani,  Zygaena  nach  Leydig 
und  es  scheint,  dass  die  Peprinekrankheit  auch  sonst  unter  den  Raupen  verbreitet  ist).  Bei 
einem  Käfer  (Emus)  beobachtete  sie  Lebert.  Bei  Tipula,  Apis  und  Coccus  fand  sie  Leydig. 
Derselbe  Forscher  konnte  sie  weiterhin  bei  Araneinen  und  Daphnidcn  häufig  nachweisen, 
welche  Erfahrung  Balbiani  bestätigte.  Leydig  rechnet  weiter  die  von  Munk  in  den  Ge- 
schlechtsorganen von  Ascaris  mystax  beobachteten  Körperchen  hierher. 

sichten  Nägeli's);  siehe  auch  Früheres  von  Frey  und  Lebert  in:  Vierteljalirsschrift  der 

naturforsch.  Gesellsch.  in  Zürich.  IV.  Heft.  1856. 
Leydig,  Fr.,  Der  Parasit  in  der  neuen  Krankheit  der  Seidenraupe  noch  einmal.     Müllers 

Arch.  f.  Anatomie  u.  Pliys.  1863.  p.  186—192. 
Balbiani,  Recherches  sur  les  corpuscules  de  la  pebrine.  Journ.  anat.  et  physiol.  T.  IIL  Paris 

1866.  p.  599 — GOT;  Etudes  sur  la  maladie  psorospermique  des  vers  ä  soie.  Ibid.  T.  IV. 

1867,  p.  263 — 276.  T.  XII.  und  Note  aditionelle  au  M6m.  s.  la  maladie  psorospermique, 
ibid.  p.  329—336. 

Pasteur,  in:  Compt.  rend.  Acad.  sc.  Paris.  T.  64.  p.  835,  1109  u,  1113.  1867. 

Die  grossen  Arbeiten  von  A  deQuatrefages,  Etudes  sur  les  maladies  actuelles  du 
ver  ä  soie,  Mem.  Acad.  sciences  instit.  imp6r.  d.  France.  T.  XXX.  1860.  p.  1 — 382.  6  Taf. 
und  Nouvelles  recherches  s.  les  maladies  act.  etc.  ibid.  p.  521 — 640  enthalten  sehr  wenig  über 
unsre  Organismen. 

*)  Die  Länge  der  Körperchen  der  Seidenraupe  beträgt  gewöhnlich  0,004  Mm. ,  andere, 
so  z.  B.  die  von  Coccus,  werden  etwas  grösser  (bis  O.OOS,  LeydigX 


016  Sarcosporidia. 

Von  besonderer  Wichtigkeit  für  die  Beurtheilung-  der  Natur  der  Peprinekörperchen  muss 
)iatilrlich  ihre  Fortpflanzungs-  und  Entwicklungsgeschichte  erscheinen,  üeher  diese  haben  sich 
nun  die  verschiednen  Beobachter  nicht  zu  einigen  vermocht.  Während  die  einen,  wie  Lebert 
und  Frey,  Nägeli  und  Pasteur,  ihre  Vermehrung  durch  Quertheilung  ähnlich  den  Schizomyceten 
beobachtet  haben  wollen,  erklären  dagegen  die  anderen  theils,  dass  sie  eine  Theilung  nicht 
beobachten  konnten,  so  Chavannes,  Genzke,  Balbiani,  theils  dass  sich  eine  ganz  besondere 
Vermehrungsart  finde.  Letztere  Ansicht  hat  Balbiani  aus  seinen  Beobachtungen  abgeleitet ; 
nach  ihm  sollen  die  Körperchen  einen  Vermehrungsprocess  darbieten,  welcher  sich  dem  der 
Myxosporidien  am  nächsten  anschliesse.    Der  Verlauf  dieses  Fortpflanzungsactes  sei  folgender. 

Das  Körperchen  verliert  sein  starkes  Lichtbrechungsvermögen,  wächst  und  in  seinem 
Innern  tritt  ein  vacuolenartiges  Gebilde  auf.  Das  Wachsthum  dauert  fort,  so  dass  das  Kör- 
perchen schliesslich  zu  einem  aus  homogener  durchsichtiger  Substanz  bestehenden  Kügelchen 
oder  länglichen  Klumpchen  wird,  in  dessen  Inneren  zunächst  feine  Granulationen,  hierauf 
blasse  runde ,  kernähnliche  Körperchen  in  grosser  Zahl  auftreten ,  welche  sich  schliesslich  zu 
zu  gewöhnlichen  Pebrinekörperchen  umgestalten.  In  dieser  Weise  sollen  also  bei  diesem  Fort- 
pflanzungsprocess  aus  einem  Körperchen  eine  sehr  grosse  Zahl  neuer  hervorgehen. 

In  den  noch  nicht  ausgereiften  Körperchen  findet  man  gewöhnlich  einen  oder  zwei 
vacuolenartige,  helle  Flecken,  über  deren  Kernnatur  Balbiani  zweifelhaft  ist.  Andre  Forscher, 
wie  z.  B.  Pasteur,  hielten  sie  für  sichere  Zellkerne.  Auf  diesem  Stadium  ihrer  Entwicklung 
bieten  die  Körperchen,  wie  ich  glaube,  eine  gewisse  Aehnlichkeit  mit  den  Keimen  der  Sarco- 
cystis  dar,  überhaupt  scheinen  mir  viel  eher  Beziehungen  zu  den  Sarcosporidien  wie  zu  den 
Myxosporidien  möglich,  wenn  man  an  der  Verwandtschaft  der  Pebrinekörperchen  mit  den 
Sporozoa  festhalten  möchte. 

Wie  gesagt,  scheinen  mir  jedoch  die  vorliegenden  Beobachtungen  keineswegs  ausreichend 
zur  Begründung  einer  solchen  Verwandtschaft;  ich  halte  es  für  wohl  möglich,  dass  die 
Nägeli'sche  Ansicht,  welche  die  Pebrinekörperchen  zu  den  Schizomyceten  verwies,  das  rich- 
tige getroffen  hat. 


D"  H.  G.  BRONN'S 

Klassen  und  Ordnungen 


des 


THIER-REICHS 


wissenschaftlich  dargestellt 


ö'- 


i  n  Wo  r  t  u  n  d  B  i  1  d. 
ERSTER  BAND.    PROTOZOA. 

Von 

Dr.  0.  Bütschli, 

Professor  der  Zoologie  in  Heidelberg. 

Mit  einem  Beitrag: 

Palaeontologjsche  Entwicklung  der  Rhizopoda  von  C.  Schwager 

II.  Abtheilimg: 
Mastigophora. 

Mit  Tafel  XXXIX  —  LV  und  mehreren  Holzschnitten. 


Leipzig  und  Heidelberg. 

C.  F.  Winter'sche  Verlagshandlung. 
1883  —  87. 

(1883  p.  617  — 784;    1884  p.  785 -864;    1885  p.  865  — 1088;    1887  p.  1089  — 1097 

[schon  1885  fertiggestellt]). 


Inhalt. 


Pag:. 

C.  Klasse  Mastig'ophora 6J7 

I.  Ordnung-  Flagellata 620 

1.  Historisclie  Entwicklung-  unserer  Kenntnisse 620 

2.  Literatur 650 

3.  Allgemeine  Morpholog-ic  und  Untergrupi)en 658 

4.  Gestaltungsverliältnisse  und  M  orpliologie  der  Geissein      .     .     .  659 

5.  Feinerer  Bau  des  Weiclikörpers 671 

A    Protoplasma 671 

B.  Geissein .     .  672 

C.  Undulirende  Membranen 674 

D.  Cuticula  und  Schalen 676 

1.  Cuticula 677 

2.  Stiele  und  Gehäuse 681 

E.  Einrichtungen  zur  Nalirungsaufnahme  und  Defäcaiion  .     .  (»94 

a.  Ohne  wirklichen  Mund  und  Schlund 694 

b.  Mund-  und  Schlundbildungen 699 

c.  Defäcation.     A'ermeintlicher  Darm 705 

F.  Inhaltslvörper  mit  Ausnahme  der  Nuclei    ........  "07 

a.  Nahrungsvacuole  und  nichtcontractile  Vacuolen 707 

b.  Contractile  Vacuolen 708 

c.  Chrom  atopboren 716 

d    Pyrenoide  und  Amylum 722 

Paramylum 727 

e.  Eothes  Pigment "30 

f    Stigmata 734 

g.  Trichocysten 7'37 

li.  Verschiedenartig-e  Einschlüsse 739 

1.  Fett 739 

2.  Excretkörnchen 739 

G.  Nuclei 740 

6.  Fortpflanzung T44 

a.  Theilung  im  beweglichen  Zustand 745 

1.  Einfache  Zweitheilung  und  feinere  Vorgänge  überhaupt     .     .     .  745 

2.  Fortgesetzte  Zweitheilung  mit  Zerstreuung  der  Sprösslinge      .     .  754 

b.  Vermehrung  im  Ruhezustand 757 

c.  Familien-  und  Kolonicbildung 766 

d.  Copulationserseheinungen       "78 

e.  Dauerzustände  ohne  Mitwirkung  der  Copulation       ....  794 

7.  System  der  Flagellata 799 

A.  Historisches 799 

B.  Verwandtschaftliche  Beziehungen  der  Fl&gellata       .     .     .  803 

C.  Darstellung  des  Systems  bis  zu  den  Gattungen 810 


Inhalt. 

Pag. 

S.  Pliysiolog- iscli -Biologisch es 846 

A.  Bcweguiigserscheinungen 846 

1.  Contractionen  (Metabolie) 846 

2.  Durch  Geissein 849 

8.  Protoplasmaströmung-eii 858 

B.  Verhalten  gegen  Wärme,  Licht  ctc 859 

1.  Gegen  Wärme 859 

2.  Gegen  Licht  (Phototaxie) 861 

'■i.  Einfliiss  der  Schwere 864 

4.  Ein fluss  chemischer  Reize  auf  die  Bewegungsrichtung  (Chemotaxie)  865 

C.  Wohnorts-  und  Ernährungsverhältnissc 865 

D.  Absonderung  riechender  Stoffe 870 

E.  Geographische  Verbreitung 871 

F.  Parasiten  der  Flagellaten 872 

IL  Ordnung  Choanoflagellata 877 

1.  Historische  Entwicklung  unserer  Kenntnisse 877 

2.  Allgemeine  Schilderung 880 

Gestaltsverhältnissc 880 

K/agen  und  Geissei 881 

Function  derselben     .     . 885 

Plasma 887 

Con tra etile  Vacu ölen .' 888 

Stiele  und  Gehäuse 889 

Fortpflanzung  und  Encystirung 895 

Theilung 895 

Copulation  und  Encystirung 899 

3.  System 901 

III.  Ordnung  Diiioflag-ellata 906 

1.  Historische  Entwicklung  unserer  Kenntnisse 906 

2.  Literatur 915 

3.  Allgemeine  Morpliologie  und  Untergruppen 917 

4.  Gestaltsverhältnisse,   Anordnung    der  Geissein    und  Morpho- 
logie der  Schale '■ 919 

5.  Chemische  Natur  und  feinere  St ructur  der  Schale 946 

6.  Specielle  Morphologie  und  Physiologie  der  Geissein  und  die 
Bewegung 956 

7.  Bau  des  übrigen  Weiclikürpers 963 

A.  Plasma 963 

B.  Inhaltskörper 965 

a.  Chromatophoreii 965 

b.  Amylum 968 

c.  Fett,  rothes  Pigment  und  Stigmata 968 

d.  Nesselkapseln 970 

e.  Vacuolen 971 

f.  Nuclei 974 

8    Fortpflanzung 978 

A.  Theilung  im  beweglichen  Zustand 981 

B.  Theilung  im  Ruhezustand  und  Encystirung  überhaupt  .  984 

G.  Unvollständige  Theilung 992 

9.  Copulation  und  Conjugation 993 

10.  Kettenbildung 995 

11.  System 997 


Inhalt. 

A.  Historisches 997 

B.  Yerwandtschaftlichc  Beziehungen 999 

C.  Darstellung:  des  Systems  bis  zu  den  Gattungen     ....  1001 

D.  Bemerkungen  über  Phylogenese  in  der  Abtheilung     .     .  1012 

12.  Physiologisch-Biologisches lOlG 

A.  Ernährungsverhältnisse 1010 

B.  Häutungserscheinungen 1018 

C.  Verhalten  zu  Licht  und  Lichtpro duction 1021 

D.  Wohnortsverhältnissc 1022 

E.  Parasiten  der  Dinoflagellaten 1025 

13.  Vorkommen  im  fossilen  Zustand 1028 

IV.  Ordnung  Cystoflagellata 1030 

1.  Historische  Entwicklung  unserer  Kenntnisse lO.SO 

2.  Literatur 1038 

3.  Allgemeine  Schilderung  des  Baues 1040 

A.  Grösse  und  Gestalt 1040 

B.  Einzelne  Ees  tan  dthoile 1043 

1.  Membran 1043 

2.  Anordnung  und  Structur  des  Plasmas 104.5 

3.  Plasmafärbung 1051 

4.  Einschlüsse 1052 

5.  Nucleus 1053 

6.  Peristom  und  seine  Organe 1055 

4.  Fortpflanzung 1063 

A.  Theilung 1063 

B.  Knospung  und  Copulation 1067 

5.  Systematisches  und  Verwandtschaftsbeziehungen 1079 

6.  Biologisch-Physiologisches 1084 

A.  Vorkomme n  und  Lebensver hält nisse 1084 

B.  Ernährungsverhältnisse 1085 

,    C.   Contraction  und  Schwimmen 1085 

D.  Lebenszähigkeit,  Einfluss  verschiedener  Agentien       .     .  1087 

E.  Leuchten 1088 

F.  Regeneration  und  künstliche  Theilung 1095 

G.  Parasiten  der  Oystoflagellaten 1097 


Hi»ih- 


C.    A  b  t  b  e  i  1  n  n  g  (Klasse,  S  u  b  p  b  y  1  u  m) 

Mastigophora. 

Die  hochinteressante  Klasse,  welche  wir  hier  unter  dem  Diesing'schen 
Namen  Mastigophoren  aufführen,  begreift  diejenigen  Protozoenformen, 
welche  während  der  beweglichen  Periode  ihres  Lebens  mit  einer 
oder  mehreren  sogen.  Geis  sein  (Flagella)  ausgerüstet  sind,  die  ebenso- 
wohl zur  Bewegung  (wenn  auch  nicht  selten  noch  durch  anderweitige 
Bewegungsvorgänge  unterstüzt),  wie  zur  Nahrungsaufnahme  beitragen, 
wenn  nämlich  eine  Aufnahme  fester  Nahrungskörper  in  thierischer  Weise 
überhaupt  stattfindet.  Um  jedoch  unsere  Abtheilung  einigermaassen 
von  ähnlichen  einzelligen  Formen,  wie  sie  uns  schon  bei  der  Fortpflanzung 
der  Sarkodinen  als  Schwärmsprösslinge  begegneten,  wie  andrerseits  von 
den  in  der  Fortpflanzungsgeschichte  zahlreicher  niederer  pflanzlicher  Orga- 
nismen auftretenden  sogen.  Schwärm-  oder  Zoosporen  zu  unterscheiden, 
müssen   wir  der  oben  gegebenen  Charakteristik  noch  Folgendes  zufügen. 

Der  durch  Geissein  ausgezeichnete  bewegliche  Zustand  bildet  die 
Hauptepoche  im  Leben  der  hierherzurechnenden  Organismen.  Die  Haupt- 
epoche, welche  sich  nicht  allein  durch  eine  relativ  ansehnliche  Dauer  als 
solche  kennzeichnet,  sondern  auch  namentlich  noch  dadurch,  dass  wäh- 
rend ihres  Verlaufes  (wenn  auch  nicht  immer  ausschliesslich)  die  Haupt- 
ernährungs-  und  Wachsthumsthätigkeit  des  Organismus  stattfindet. 

Trotz  der  eben  gegebenen  Verschärfung  der  Charakteristik,  wird 
es  nicht  immer  möglich  sein,  eine  scharfe  Grenze  zwischen  unsrer  Ab- 
theilung und  gewissen  einfacheren  Sarkodinen  einerseits,  sowie  gewissen 
einfacheren  pflanzlichen  Organismen ,  speciell  der  Ordnung  der  Proto- 
coccoidea  der  Algen,  sowie  den  Myxomyceten  und  den  Chytridieen  zu 
ziehen. 

Diese  Erscheinung  kann  uns  jedoch  wohl  vor  der  Errichtung  unsrer 
Klasse  nicht  zurückschrecken,  denn  ihr  Grund  liegt  sicherlich  darin, 
dass  alle  erwähnten  Abtheilungen  einem  gemeinsamen  Ursprung  ent- 
sprossen sind,  einem  Ursprung,  den  wir  uns  wohl  am  ehesten  von  Formen 
gebildet  denken  müssen,  welche  eine  gewisse  Mittelstufe  zwischen  den  ein- 

P.  r  0  11  n  ,  Klassen  des  Thier-Keichs.     l'rotozoa.  39* 


618  Mastigophora. 

fachsten  Sarkodinen  und  den  einfachsten  Mastigoplioren  einnahmen.  Wir 
werden  später  noch  genauer  zu  erörtern  haben,  dass  auch  jetzt  noch  eine 
Anzahl  Formen  existiren,  deren  Bau  den  Anforderungen  solcher  Aus- 
gangstypen im  Wesentlichen  genügt. 

Die  Ernährungsweise  unserer  Mastigophoren  ist  wesentlich  mannig- 
faltiger, als  wir  dies  in  früheren  Gruppen  trafen.  Während  ein  Theil  sich 
in  entschiedenst  thierischer  Weise  durch  Aufnahme  geformter  organischer 
Körper  ernährt,  bezieht  ein  weiterer  Theil  seine  Nahrung  sicher  in  pflanz- 
licher Weise,  indem  gleichzeitig  mit  dem  Mangel  der  Aufnahme  fester 
Nahrung  alle  Bedingungen  erfüllt  scheinen,  um  eine  Assimilation  in  pflanz- 
licher Weise  zu  garantiren. 

Auf  diese  Ersclicinung,  sowie  auf  die  schon  betonten,  auch  in  morphologischer  und  ent- 
wickhingsgeschichtliclier  Hinsicht  nahen  Beziehungen  letzterwähnter  Mastigopliorenformen  zu 
einzelligen  Algen  gestützt,  hat  die  Botanik  schon  seit  längerer  Zeit  eine  nicht  unbeträchtliche 
Anzahl  derselben  zu  den  Algen  gezogen  und  von  ihrem  Standpunkt  aus  gewiss  mit  völliger 
Berechtigung.  Indem  wir  diese  Beziehungen  zahlreicher  Mastigophoren  zu  den  Pflanzen  voll- 
ständig anerkennen,  halten  wir  es  dennoch  für  angezeigt,  dieselben  nicht  von  unserer  Betrach- 
tung der  Protozoen,  der  thierischen  einzelligen  Organismen,  auszuschliessen,  denn  es  sind 
Formen,  welche  sowohl  für  den  Botaniker  wie  den  Zoologen  ein  hervorragendes  Interesse  be- 
sitzen und  die  Abtheilung  der  Mastigophoren  ist  jedenfalls  diejenige,  in  welcher  sich  die  thie- 
rischen und  pflanzlichen  Organismen  am  innigsten  berühren ,  und  von  welcher  höchst  wahr- 
scheinlich die  höher  entwickelten  Formen  beider  Keiche  uranfänglich  ihren  Ausgang  ge- 
nommen haben. 

Die  Fortpflanzungserscheinungen  der  Mastigophoren  sind  von  der 
allergrössten  Bedeutung.  —  Neben  Vermehrung  durch  einfache  Theilung 
während  der  beweglichen  Epoche  des  Lebens,  begegnen  wir,  äusserst 
verbreitet,  der  Theilung  im  ruhenden  Zustand  unter  dem  Schutze  einer 
Cystenhülle  und  zwar  einer  Theilung,  die  bald  nur  zur  Erzeugung  weniger, 
bald  sehr  zahlreicher  Sprössliuge  führt,  ja  nach  gewissen  Angaben  zur 
Bildung  einer  Unzahl  kleinster  Keime  Veranlassung  geben  soll.  Von  her- 
vorragender Wichtigkeit  ist,  dass  dem  letzterwähnten  Fortpflanzungsact 
durch  Encystirung  häufig,  jedoch  keineswegs  immer,  ein  Copulations- 
process  vorangeht,  eine  Erscheinung,  welche  in  unserer  Gruppe  wahr- 
scheinlich eine  ebenso  bedeutungsvolle  Rolle  spielt,  wie  in  der  der  Spo- 
rozoa.  Diese  Copulationserscheinungen  der  Mastigophoren  erlangen  jedoch 
eine  erhöhte  Wichtigkeit,  da  sie  bei  nicht  wenigen  Formen  nachweislich 
zwischen  gewissen,  sich  durch  besondre  Merkmale  auszeichnenden  Gene- 
rationen stattfinden.  Weiterhin  aber  noch  dadurch,  dass  bei  einigen  eine 
morphologische  Differenzirung  der  copulirenden  Individuen  eingetreten  ist, 
wodurch  dieselben  sicher  als  männliche  und  weibliche,  nach  Analogie 
mit  den  Fortpflanzungskörpern  der  mehrzelligen  Thiere  und  Pflanzen  zu 
unterscheiden  sind.  Ein  kleiner  Schritt  weiter  führt  uns  schliesslich  bei 
koloniebildeuden  Formen  zu  einer  Fortpflanzung,  welche  in  jeder  Hinsicht 
der  geschlechtlichen  Fortpflanzung  der  höheren  Thiere  und  Pflanzen  ent- 
spricht, indem  diese  Kolonien  nicht  nur  eine  Differenzirung  der  Copulations- 
individuen,  in  männliche  und  weibliche  aufweisen,  sondern  auch  die  gewöhn- 
liehen Zcllcnindividuen  der  Kolonien  eine  Differenzirung  dahin  erfahren  haben, 


Charakteristik,  Ordnungen.  619 

dass  nur  gewisse  derselben  die  Copulationsindividucn  zu  erzeugen  fähig 
sind.  Eine  strenge  Kritik  kann  derartigen  Organismen  (Volvox)  eigentlich 
nicht  mehr  die  Natur  kolonialer  Verbände  zugestehen,  sondern  muss  sie 
als  einheitliche,  einfachste  mehrzellige  Organismen  betrachten. 

Die  Mastigophoren  lassen  sich  ziemlich  natürlich  in  4  Unterabthei- 
luugen  oder  Ordnungen  sondern,  nämlich: 

T.  Ordu.  Flagellata. 

Umfasst  diejenigen  Formen,  welche  während  ihres  thätigen  Lebens 
ausschliesslich  mit  Geissein  ausgerüstet  sind  und  neben  diesen  weder 
Cilien  noch  einen  sogen.  Kragen  besitzen*).  Diese  Gruppe  ist  die  grösste 
und  mannigfaltigste. 

II,  Ordn.  Choanoflagellata. 

Besitzen  neben  einer  einfachen  Geissei  noch  einen  deren  Basis 
trichterförmig  umscheidenden  protoplasmatischen  Kragen,  ähnlich  den 
sogen.  Entodermzellen  der  Spongien. 

III.  Ordn.  Cystoflagellata. 

Sind  charakterisirt  einerseits  durch  die  eigenthümliche  Beschaffenheit 
ihres  Plasmaleibes,  der  abweichend  von  dem  der  3  übrigen  Abtheilungen 
die  netzförmige  Structur  des  Pflanzenzellenplasmas  etwa  darbietet.  Andrer- 
seits durch  besondre  Gestaltsverhältnisse  und  wahrscheinlich  auch  Fort- 
pflanzungserscheinungen. 

IV.  Ordn.  Cilioflagellata. 

Umfassen  diejenigen  Geisseiträger,  welche  neben  einer  Geissei  noch 
Cilien  aufweisen. 

Die  Cilioflagellaten  bilden,  wie  wir  später  sehen  werden,  eine  sehr  einlieitlichc  und 
wohlumschriebene  Gruppe;  auch  wenn  sich  die  neuestens  von  Klebs  (214)  gemachte  Angabe 
bestätigen  sollte,  dass  die  von  sämmtliclien  früheren  Forschern  gesehenen  Cilien  eigentlich  auf 
eine  besonders  gelagerte  Geissei  zurückzuführen  seien.  Doch  sind  gelegentlich  noch  einige  mit 
Cilien  versehene  Geisseiträger  beschrieben  worden,  die  sich  den  eigentlichen  Cilioflagellaten 
nur  unter  Beraubung  ihres  einheitlichen  Charakters  zuordnen  liessen,  wir  werden  es  daher 
vorziehen,  diese  unsicheren  Formen  einstweilen  bei  den  Flagellaten  aufzuführen. 


*)  Wir  werden  später  sehen,  dass  sich  in  seltnen  Fällen,  welche  wir  von  den  eigentlichen 
Flagellaten  zu  sondern  nicht  berechtigt  sind,  wahrscheinlich  noch  Cilien  finden  können. 


* 


I.  IJnterabtlieilung  (Ordnung)  Flagellata. 

1.    Lebei'sicht  der  historischen  Eiitwickluii«  imserer  Kenntnisse  der 

Fla«ellata. 

Die  erste  mit  grosser  Wahrscbeinlichkeit  auf  ein  hierhergehöriges 
Wesen  zu  beziehende  Mittheilung  stammt  aus  dem  Jahre  1696,  und  rührt 
von  dem  englischen  Beobachter  Harris  her  (1).  Derselbe  fand  an  der 
Oberfläche  einer  Wasserpfiitze  zahlreiche  grüne  Thierchen,  deren  Be- 
wegungen er  beschrieb.  Hieraus  und  aus  den  übrigen  Angaben  lässt 
sich  mit  ziemlicher  Sicherheit  entnehmen ,  dass  er  eine  Euglena 
beobachtete.  Im  Hinblick  auf  das  Alter  dieser  Beobachtung  erscheint 
es  nicht  ohne  Interesse,  dass  schon  Harris  die  grünen  Körner  seiner 
Animalcula  als  Eier  betrachtete,  eine  Anschauung,  welche  bekanntlich 
später  Ehreuberg  zu  der  seinigen  machte  und  lauge  Zeit  vertheidigte. 
Wahrscheinlich  beobachtete  jedoch  Harris  gleichzeitig  auch  einen  Chla- 
mydomonas  oder  Haematococcus,  obgleich  dies  aus  seiner  Mittheilung 
weniger  sieher  hervorgeht. 

Wenn  wir  hier  de»  berühmten  Altmeisters  der  Mikroskopie,  des  Holländers 
Leeuwenhoek,  nicht  an  erster  Stelle  gedachten,  so  mag  dies  weniger 
als  Beweis  dafür  erachtet  werden,  dass  er  erst  nach  Harris  Repräsentanten 
unsrer  Gruppe  sah,  sondern  dem  Umstand  zuzuschreiben  sein,  dass  er 
erst  später  gewisse  Formen  so  eingehend  charakterisirte,  dass  sie  jetzt 
noch  deutbar  sind. 

Leeuwenhoek  erwähnte,  soviel  mir  bekannt  wurde,  in  seinen  zahl- 
reichen Schriften  drei  sicher  deutbare  Flagellaten.  Im  Jahre  1698  (2) 
beobachtete  er  zuerst  Volvox,  welchen  er  schon  treffiich  studirte,  i-eine 
Fortpflanzung  ermittelte,  ja  schon  die  Keime  der  Volvoxkugeln  dritter 
Generation  in  der  noch  in  ihren  Mutterthieren  eingeschlossnen  zweiten 
Generation  erkannte.  Auch  die  Zellen  der  Volvoxkugel  unterschied  er 
als  grüne  Wärzchen  schon  deutlich  und  berechnete  ihre  Zahl  auf  etwa 
2000.  In  Berücksichtigung  der  Fortpflanzungsweise  entschied  er  sich  für 
die  pflanzliche  Natur  des  Organismus.  Im  Jahre  1701  machte  er  weiter 
höchst  bemerkeuswerthe  Untersuchungen  über  grüne  bis  rothe  Thierchen, 
welche  sich   in   der  Dachrinne    seines  Hauses    eingestellt  hatten.     Bei  Be- 


(iescliichtc.  (321 

rücksiclitigung  der  gesammteu  Beschreibung  und  gewisser  gleich  zu  be- 
rührender Punlite  aus  der  Lebensgeschichte  dieser  Wesen  ergiebt  sich 
mit  sehr  grosser  Wahrscheinlichkeit  der  Schluss,  dass  dieselben  auf 
Haematococcus  lacustris  zu  beziehen  sind.  Ja,  es  lassen  sich  gewisse 
Angaben  der  Mittheilung  kaum  anders  als  durch  die  Annahme  deuten, 
dass  Leeuweuhoek  nicht  nur  die  pseudopodienartigen  Fortsätze,  welche 
den  Plasmakörper  dieser  Flagellate  häufig  strahlenförmig  mit  der  weit- 
abstehenden Schalenhiille  verbinden,  schon  gesehen,  sondern  zuweilen 
auch  eine  Andeutung  der  beiden  Geissein  beobachtet  habe. 

An  diesen  Organismen  machte  Leeuwenhoek  nun  die  sehr  bedeutsame 
Beobachtung ,  dass  sie  nach  der  Eintrocknung  lange  Zeit  (bis  5  Monate) 
lebenskräftig  bleiben  und  bei  Uebergiessen  mit  gekochtem  (!)  Regen- 
wasser von  neuem  auflebten. 

Letztere  wichtige  Beobachtung,  welche  der  Deutung  der  beobachteten 
Thierchen  als  Haematococcus  einen  hoben  Grad  von  Sicherheit  verleiht, 
gab  ihm  Anlass,  sich  energisch  gegen  die  Lehre  der  generatio  aequivoca 
der  mikroskopischen  Thierchen  auszusprechen  und  ihre  Verbreitung  in 
einer  Weise  zu  erklären,  deren  Richtigkeit  die  neuere  Forschung  nur  zu 
bestätigen  vermochte. 

Die  dritte  Flagellate,  welche  wir  schon  durch  Leeuwenhoek  kennen 
lernten,  ist  eine  sehr  verbreitete  Form  der  Infusionen,  welche  jetzt  als 
Polytoma  uvella  Ehrb.  bezeichnet  wird.  Auch  dieser  begegnete  L.  in  dem 
Wasser  seines  Bleidaches.  Die  von  ihm  angegebne  Grösse  stimmt  sehr 
gut  mit  der  später  genauer  gemessenen  tiberein.  Wir  dürfen  aber  diese 
Form  namentlich  deswegen  mit  grosser  Sicherheit  auf  Polytoma  beziehen, 
da  Leeuwenhoek  schon  eine  Darstellung  ihrer  Fortpflanzung  gab.  Er  sah 
nämlich,  dass  die  Wesen  sich  nach  30—36  Stunden  an  den  Glaswänden 
festsetzten  und  bewegungslos  wurden,  worauf  aus  jedem  Mutterthierchen 
8  Junge. hervorgingen.  Diese  Deutung  wird  noch  unterstützt  durch  seine 
Angabe,  dass  die  umherschwimmenden  Thierchen  4  KUgelchen  enthielten, 
was  sich  sonder  Zweifel  auf  die  Viertheilungszustände  bezieht.  Ehrenberg 
(32)  bezog  die  letzterwähnte  Beobachtung  sicher  irrthümlich  auf  Chlamydo- 
monas  und  die  über  Haematococcus  ebenso  irrthümlich  auf  Euglena. 

Auch  unter  den  von  Leeuwenhoek  in  den  Därmen  verschiedener 
Thiere  beobachteten  mikroskopischen  Wesen ,  mögen  sich  schon  parasi- 
tische Flagellaten  befunden  haben,  da  solche  in  den  untersuchten  Thieren 
später  z.  Th.  häufig  beobachtet  wurden.  Doch  ist  darunter  keine  Form, 
welche  sich  mit  Sicherheit  auf  eine  der  jetzt  schärfer  erkannten  zurück- 
führen Hesse. 

Im  Allgemeinen  waren  die  Fortschritte  der  Flagellatenkunde  von 
Leeuwenhoek  bis  zu  den  epochemachenden  Untersuchungen  0.  F.  Müller's 
über  die  Infusorienwelt  sehr  gering.  Doch  ragen  aus  der  Zahl  der  wenig 
bedeutenden  Arbeiten  einige  hervor,  welche  gewisse  wichtige,  wenn 
auch  zur  damaligen  Zeit  nicht  in  ihrer  wahren  Bedeutung  gewürdigte, 
Ergebnisse  darboten. 


622  Flagellata. 

Namentlich  der  von  Leeuwenhoek  entdeckte  und  1758  von  Linne 
als  Volvox  globator  bezeichnete  Organismus  erregte  die  Theilnahme  zahl- 
reicher Beobachter.  Unter  diesen  dürfte  jedoch  allein  H.  Baker  (3),  der 
erste  Wiederentdecker  des  Volvox,  eine  wichtige  neue  Erfahrung  dem 
schon  seit  Leeuwenhoek  Bekannten  hinzugefügt  haben,  indem  er  1752 
die  Geissein  sicher  beobachtete  und  ihre  Bedeutung  als  Bewegungs- 
organe ermittelte.  Ihm  schien  daher  auch  die  thierische  Natur  des  Volvox 
nicht  zweifelhaft.  Erst  durch  Ehrenberg  fand  diese  Baker'sche  Entdeckung 
ihre  Bestätigung. 

Zahlreiche  andere  Beobachter  unsres  Organismus,  so  Rösel  (1755), 
de  Geer  (1761),  Göze  (1773),  0.  F.  Müller  (1773  und  später  1786), 
Schrank  (1776  und  später  1803),  Spallauzani  (1777),  Eichhorn  (1781) 
fanden  kaum  etwas  Neues;  es  waren  hauptsächlich  die  eigenthümlichen 
Fortptlauzungsverhältnisse,  welche  diese  Beobachter  anzogen  und  die  ge- 
legentlich für  die  seltsame  Einschachtelungslehre  Bonnet's  und  Haller's 
verwerthet  wurden. 

Noch  mancherlei  Flagellaten,  hauptsächlich  solche  der  Infusionen,  waren 
jedoch  theils  von  den  obengenannten  Beobachtern,  theils  von  andern,  so 
Joblot  (1754),  Ledermüller  (1763),  Wrisberg  (1765)  und  Gleichen  (1778) 
beobachtet  worden;  doch  lässt  sich  im  Allgemeinen  aus  deren  Unter- 
suchungen nicbt  mehr  wie  die  Ueberzeugung  gewinnen,  dass  sie  hierher- 
gehörige Wesen  gesehen  haben.  Nur  Wrisberg  (5)  hat  vielleicht  bei 
einem  derselben  etwas  von  den  Geissein  gesehen  und  der  hervorragende 
Forscher  Spallanzani  (9)  studirte  die  schon  von  Leeuwenhoek  ermit- 
telte Fortpflanzung  der  Polytoma  uvella  genauer.  Er  verfolgte  diese  Form 
in  der  Zwei ,  Vier-  und  Mehrtheilung  und  sah  schliesslich  die  Theilproducte 
sich  trennen.  Auch  gelang  es  ihm,  einzelne  Individuen  zu  isoliren  und 
ihre  Weiterentwicklung  zu  verfolgen,  ein  Unternehmen,  das  erst  in  neuester 
Zeit  wieder  bei  so  kleinen  Wesen  gewagt  wurde.  Es  scheint  möglich, 
dass  er  auch  noch  eine  andre  Flagellate  in  ihrer  Fortpflanzung  verfolgte, 
und  dabei  einen  Sporulationsprocess  mit  Erzeugung  sehr  zahlreicher  junger 
Brut  ermittelte,  doch  lässt  sich  letztere  Beobachtung  nicht  so  sicher  deuten 
wie  die  über  Polytoma. 

Wie  bekannt,  verdanken  wir  dem  berühmten  Dänen  Otto  Friedrich 
Müller  den  ersten  umfassenden  Versuch  einer  Gesaramtdarstellung  der 
mikroskopischen  Thierwelt  —  die  kühne  Unternehmung,  diese  Welt,  welche 
bei  Linne  sehr  wenig  Berücksichtigung  gefunden  hatte,  im  Geiste  des 
Letzteren  systematisch  zu  piäcisiren. 

In  dem  1773  erschienenen  1.  Band  der  Historia  vermium  werden  nur 
wenige  heutzutage  noch  sicher  zu  ermittelnde  Flagellaten  beschrieben, 
etwas  grösser  dagegen  ist  deren  Zahl  in  dem  1786  erschienenen  Haupt- 
werk „Animalcula  infusnria".  Schon  1773  beschrieb  Müller  eine  zweite 
Form  der  Volvocineen,  das  Gonium  pectorale,  dem  er  1782  (?)  eine  be- 
sondere Abhandlung  widmete,  worin  schon  die  Fortpflanzung  sehr  gut 
dargestellt  wurde.    Auch  Göze  (7)  und  Schrank  (8)  trugen  zur  Keuntniss 


I 


GescMclite.  623 

dieser  Form  durch  eigene  Untersuchungen  hei,  der  erstgenannte  suchte 
namentlich  schon  die  iioioniale  Natur  im  Gegensatz  zu  Müller,  der  es  als 
einheitliches  Thier  betrachtete,  zu  vertheidigen. 

In  Müller's  Hauptwerk  von  1786  tinde  ich,  abgesehen  von  den  fast 
durchaus  zweifelhaften  zahh-eichen  Monaden,  etwa  15  einigermaassen 
sicher  deutbare  Flagellaten,  darunter  die  heutigen  Genera  Polytoma,  Vol- 
vox,  Pandorina  und  Eudorina  (nicht  unterschieden),  Goniura,  ?Synura, 
Euglena,  Phacus,  Chilo-  oder  Cryptomonas,  Anthophysa,  Petalomonas, 
Astasia  (Stein)  und  ?  Tiepomonas.  Ausserdem  beschreibt  er  jedoch  noch 
zahlreiche  Formen,  die  wohl  zu  den  Flagellaten  gehören  können,  je- 
doch nicht  wiedererkennbar  sind.  Seine  Ermittlungen  über  die  Organi- 
sation dieser  Wesen  sind  im  Ganzen  gering.  In  keinem  einzigen  Falle 
lässt  sich  mit  Sicherheit  nachweisen,  dass  er  die  Geissein  gesehen  habe 
und  ebensowenig  den  Kern  und  die  contractilen  Vacuolen.  Dagegen  sah 
er  das  rothe  Stigma  gewisser  Formen  und  bei  Phacus  schon  den  Para- 
mylonkörper.  Vermehrung  durch  Theilung  will  er  hier  und  da  beobachtet 
haben,  doch  lässt  sich  kein  sicherer  Fall  derselben  aus  den  Abbildungen 
coustatiren. 

Das  System,  in  welchem  diese  Formen  im  Werk  von  1786  unter- 
gebracht sind,  dürfte  selbst  für  die  damalige  Zeit  zu  schwach  sein ;  doch 
lässt  sich  nicht  wohl  entscheiden ,  was  hierbei  Müller's  Antheil  und  was 
der  seines  Herausgebers  Fabricius  ist,  da  das  Hauptwerk  bekanntlich  erst 
nach  Müller's  Tode  an  die  Oeffentlichkeit  gelangte. 

Zwischen  Müller's  Werk  und  den  mit  dem  Jahre  1830  beginnenden 
ausgedehnten  Forschungen  Ehreuberg's  erschienen  kaum  Unter- 
suchungen von  einigem  Belang.  Nur  die  gute  Darstellung,  welche 
Turpin  im  Jahre  1828  (15)  von  dem  Bau  des  Gonium  pectorale  gab, 
möge  hier  noch  Erwähnung  finden*).  Obgleich  er  zuerst  eine  Verbindung 
zwischen  den  16  Kügelchen  des  Gonium  auffand,  bezeichnete  er  dasselbe 
doch  schon  treffend  als  eine  zusammengesetzte  Individualität,  ganz  im 
Sinne  der  heutigen  Vorstellungen  über  Kolonien  oder  Synobien. 

Indem  wir  jetzt  zu  einer  kurzen  Darstellung  der  Untersuchungen 
Ehrenberg 's  übergehen,  müssen  wir  zunächst  hervorheben,  dass  die  all- 
gemeinen Vorstellungen ,  welche  dieser  für  die  Protozoenwelt  epoche- 
machende Forscher  über  die  Organisation  der  Flagellaten  entwickelte, 
so  innig  mit  seinen  Ansichten  über  den  Bau  der  ciliaten  Infusorien 
zusammenhängen,  dass  es  für  ein  tieferes  Verständniss  seines  Stand- 
punktes nöthig  wäre,  auch  diese  Abtheiluug  gleichzeitig  in  Betracht  zu 
ziehen.  Dennoch  wollen  wir  es  hier  versuchen,  seine  Flagellatenkennt- 
niss  möglichst  für  sich  zu  schildern. 


*)  Der  Vollständigkeit  wegen  erwälinen  wir  hier,  dass  Girod  de  Chantrans  1797  und 
1 802  (1 3)  den  Haematococcus  lacustris  unter  dem  Namen  Volvox  lacustris  beschrieb  und  auch 
die  schon  Leeuwenhoek  bekannte  Wiederbelebung  nach  vierjährigem  Ausgetrocknetsein  con- 
statiite.  Girod  sclicint  die  pflanzlichen  Beziehungen  dieses  Organismus  liauptsächlich  betont 
zu  haben. 


624  Flagellata. 

Wenn  man  seine  verschiedenen,  seit  dem  Jahre  1830  erschienenen 
Abhandlungen  durchgeht,  so  erhellt,  wie  er  sich  allmählich  in  dem  Ver- 
ständniss  unsrer  Wesen  vervollkommnete.  Wir  wissen,  dass  die  früheren 
Beobachter  so  zu  sagen  nichts  von  den  Bewegungsorganen  derselben 
kannten.  Ehrenberg  erw^arb  sich  zuerst  allmählich  recht  ausgebreitete 
Kenntnisse  derselben,  wenn  sich  auch  nicht  leugnen  lässt,  dass  er  nament- 
lich die  Verhältnisse  bei  den  kleineren  Formen  vielfach  unsicher  lassen 
niusste  und  auch  in  seiner  allgemeinen  Vorstellung  von  der  Natur  der 
Geissein  eine  gewisse  Unsicherheit  verrieth.  Schon  im  Jahre  1828  wollte 
er   etwas    von    Wimpern   bei  einer   Monade  gesehen  haben  und  im  Jahre 

1830  (18)  schrieb  er  den  Monaden  einen  Kranz  von  10—20  Wimpern  um 
den  Mund  zu ,  so  dass  er  es  damals  auch  nicht  für  unwahrscheinlich 
hielt,  dass  die  Gattung  Monas  nur  Jugendfurmen  der  Ciliaten  umschliesse. 
Auch  1838  (32)  wurde  er  noch  nicht  ganz  klar  über  die  Bewegungs- 
organe zahlreicher  sogen.  Monaden,  wenn  er  auch  die  stete  Exi- 
stenz einer  einfachen   Geissei   für   das  wahrscheinlichste  hielt.     Im  Jahre 

1831  (19)  schilderte  er  die  Bewimperung  von  Volvox  und  Eudorina, 
jedoch  finden  wir  hier  diese  beiden  Gattungen  noch  unter  den  behaarten 
Polygastrica,  d.  h.  wegen  ihrer  Oberflächenbcwimperung  mit  den  Ciliaten 
vereinigt.  Die  heutige  Auffassung  des  Volvox  und  seiner  Verwandten  als 
kolonialer  Verbände  erkannte  Ehrenberg  erst  1833  (20)  richtig,  worauf 
er  denn  auch  die  Wimpern  dieser  Formen  als  „Rüssel"  bezeich- 
nete, da  er  die  Geissein  der  Flagellaten  überhaupt  mit  diesem  Namen 
belegte,  ohne  damit  auch  die  Vorstellung  eines  nahrungsaufnehmen- 
den  Organs  zu  verbinden;  ja  1835  (21)  erklärt  er  sogar  direct:  „Wimpern 
seien  viele  Rüssel";  es  ist  daher  jedenfalls  unrichtig,  wenn,  wie  dies  seit 
Dujardin  vielfach  geschehen,  Ehrenberg  ein  schwerer  Vorwurf  wegen 
dieser  Bezeichnung  der  Geissein  gemacht  wurde. 

Im  Jahre  1833  finden  wir  denn  auch  zum  ersten  Mal  eine  gute  Dar- 
stellung der  einfachen  Geissei  einiger  Arten  von  Trachelomonas.  Zwei 
Jahre  später  (21)  hatte  Ehrenberg  in  der  Erkenntnis«  der  Geissein  wesent- 
liche Fortschritte  gemacht,  wir  finden  sie  jetzt  gut  dargestellt  bei  Eugle- 
ninen,  Chlorogonium,  Coelomonas,  Monas  und  Cryptoraonas,  während  im 
Jahre  1831  den  Euglenen  noch  einige  kurze  Wimpern  am  Munde  zu- 
getheilt  worden  waren. 

Die  Schilderung,  welche  Ehrenberg  in  seinem  grossen  Werk  (1838, 
Nr.  32)  von  den  Geissein  der  Flagellaten  entwirft,  ist  zwar,  wie  nur  zu 
natürlich ,  in  zahlreichen  Fällen  unzureichend ,  jedoch  Hess  sich  aus  ihr 
schon  ein  allgemeiner  Ueberblick  über  die  Mannigfaltigkeit  dieser  Ein- 
richtungen in  dieser  Abtheilung  gewinnen.  Dabei  darf  jedoch  nicht 
ganz  übersehen  werden,  dass  Dujardin  schon  seit  1835  durch  seine 
Untersuchungen  zum  richtigen  Verständniss  der  Bewegungsorgane  der 
Flagellaten  sehr  wesentlich  beigetragen  hatte. 

Einen  weitern  sehr  wichtigen  Punkt  in  der  Lebensgeschichte  der 
Flagellaten  konnte  Ehrenberg  gleichfalls  zuerst  feststellen,   die  Thatsache 


Geschichte.  625 

nämlich,  dass  eine  ganze  Anzahl  hierhergehörig-cr  Organismen  feste 
Nahrung  aufnimmt.  Schon  im  Jahre  1830  (18)  gelang  es  ihm,  Monaden 
künstlich  zu  füttern  und  in  seinem  Hauptwerk  konnte  er  diese  Erfahrung 
auch  noch  für  eine  Reihe  weiterer  Formen  bestätigen.  Auch  beobachtete 
er  bei  einigen  Formen  schon  anderweitige  verschluckte  Nahrung  im 
Körperinnern.  Auf  Grund  dieser  Befunde  konnte  E.  dann  nicht  zweifeln, 
dass  den  Flagellaten  im  Allgemeinen  ein  Mund  eigenthümlich  sei  und  bei 
einer  ganzen  Anzahl  Formen  stellte  er  auch  die  Lage  dieser  Mundstelle 
an  der  Basis  der  Geissein  richtig  dar.  Im  Zusammenhange  mit  seiner 
bekannten  Auffassung  von  dem  Bau  des  Ernährungsapparates  der  Proto- 
zoen konnte  sich  Ehrenberg  jedoch  mit  diesen  Nachweisen  über  Mund- 
stelle und  Nahrungsaufnahme  nicht  begnügen,  sondern  er  baute  darauf 
seine  Ansicht  über  die  Existenz  eines  Darmapparats,  der  bei  unsern  Fla- 
gellaten und  zahlreichen  mit  ihnen  nicht  zusammengehörigen,  einzelligen 
thierischen  und  pflanzlichen  Organismen  eine  übereinstimmende  Beschaffen- 
heit besitzen  sollte,  welche  deren  Zusammenfassung  zu  einer  grossen  Ab- 
theilung der  An  enter  a  (im  Gegensatz  zu  seinen  Enterodela)  rechtfertigte. 
Bei  jenen  Anentera  sollten  nämlich  die  als  Magen  gedeuteten  Vacuolen 
verschiedener  Art*)  direct  mit  dem  Mund,  ohne  Vermittlung  eines  Darmes 
zusammenhängen,  auch  sollte  diesen  Formen  ein  After  durchaus  fehlen. 
Es  bedarf  hier  keiner  besondern  Erwähnung,  dass  es  Ehrenberg  unter 
den  Flagellaten  nur  in  wenigen  Fällen  gelang,  seine  Vorstellung  von  dem 
anenterischen  Bau  des  Darmapparats  einigermaassen  durch  thatsächliche 
Wahrnehmungen  zu  belegen ;  die  Thatsache  der  Nahrungsaufnahme  selbst 
war  ja  nur  für  eine  beschränkte  Anzahl  sichergestellt. 

Im  Jahre  1835  eröffnete  sich  unserm  Forscher  zuerst  das  Verständniss 
für  die  Verschiedenheit  der  sogen,  contractilen  Blasen  oder  Vacuolen  von 
den  Magenblasen  oder  -zellen  und  er  constatirte  denn  auch  gleichzeitig 
ihr  Vorkommen  bei  einer  Anzahl  Flagellaten  (so  will  er  sie  beobachtet 
haben  bei  seinen  Astasiaeen,  Cryptomonadinen ,  Cyclidinen  und  Vol- 
vocinen);  auf  den  Abbildungen  sind  sie  jedoch  nur  bei  Monas  vivipara, 
Phacus  und  Coelomonas  dargestellt.  Im  Jahre  1838  wurden  diese  Beobach- 
tungen im  Ganzen  wenig  vermehrt  und  sicher  ist,  dass  E.  mehrfach  Irr- 
tbümer  hinsichtlich  der  Lage  der  contractilen  Vacuole,  resp.  der  als  solcher 
gedeuteten  helleren  Stelle  beging.  Wie  bekannt,  war  jedoch  die  Vor- 
stellung, welche  E.  von  der  Bedeutung  der  contractilen  Vacuolen  sich  ge- 
bildet hatte,  eine  durchweg  irrige,  indem  er  sie  als  erweiterte,  contractile 
Abschnitte  des  einfachen  oder  mehrfachen  Samenleiters  anffasste  und  dies 
führt  uns  zu  der  Besprechung  seiner  Ansichten  über  die  Ausrüstung 
unsrer  Organismen  mit  einem  sehr  entwickelten  hermaphroditischen  Ge- 
schlechtsapparat. Bekanntlich  war  Ehrenberg  nicht  sehr  wählerisch  in 
der  Deutung  der  verschiedenartigsten  Inhaltskörper  als  Theile  des 
Geschlechtsapparates  seiner  Polygastrica  und  in  diesem  Theil  seiner  Vor- 


*)  Bei  Chilomonas  hielt  er  sogar  die  Stürkekörner  für  Magenzellen. 

Bi-iHiii,  Klassen  dos  Tliien-eiclis.    Proto'/.oa.  40 


626  Flag-ellata. 

stellimgen  offenbart  sich  am  klarsten  die  Herrschaft,  welche  gewisse  all- 
gemeine Vorstellungen  über  den  Bau  der  Thiere  auf  seinen  Geist  ausübten; 
denn  man  wird  sich  vergeblich  nach  bedeutsamen  Gründen  umsehen, 
welche  seine  Auffassung  der  verschiedenen  Inhaltstheile  in  dem  beliebten 
Sinne  zu  rechtfertigen  im  Stande  gewesen  wären. 

Als  männliche  Drüse  (Hoden)  betrachtete  er  zunächst  den  Nucleus, 
in  den  verhältnissmässig  wenigen  Fällen,  w^o  er  ihn  auffand.  Häufiger 
jedoch  sind  es  die  bei  zahlreichen  Formen  vorhandenen  Amylon-  oder 
Paramylonkörner,  welche  er  als  Hoden  deuten  wollte.  Gelegentlich  nahm 
er  auch  seine  Zuflucht  zu  beliebigen  Inhaltskörnchen,  um  seine  Ansicht 
von  der  allgemeinen  Gegenwart  eines  männlichen  Geschlechtsapparates  zu 
realisiren.  Als  weibliche  Geschlechtsproducte,  Eier  (resp.  Eierstock)  galten 
ihm  im  Allgemeinen  die  gefärbten  Inhaltskörper,  Chlorophyllkörner,  auch 
bisweilen  die  bräunlichen  Endochromplatten,  wogegen  er  die  letzteren 
z.  Th.  auch  für  einen  papierartigen  Panzer  hielt  (Cryptomonas,  Syncrypta). 
Natürlich  war  es  ihm  nicht  möglich,  die  Weiterentwicklung  der  vermeint- 
lichen Eier  zu  verfolgen ;  bei  der  Monas  vivipara  dagegen  glaubte  er  sogar 
schon  die  beweglichen  Embryonen  im  Leibe  des  Mutteithieres  beobachtet 
zu  haben  (schon  1835),  eine  Beobachtung,  die  jedoch  gleichfalls  auf  will- 
kürlicher Deutung  gewisser  in  zitternder  Bewegung  begriffener  Inhalts- 
körperchen  beruhte. 

Wenn  es  nun  Ehrenberg  auch  nicht  gelang,  seine  irrigen  Ansichten 
über  die  geschlechtliche  Fortpflanzung  unsrer  Wesen  zu  erweisen ,  so 
konnte  er  doch  in  nicht  wenigen  Fällen  die  wirkliche  Fortpflanzung  durch 
Theilung  sicher  beobachten.  Nicht  nur  die  Beobachtungen  früherer  Forscher 
über  die  Fortpflanzung  von  Volvox,  Gonium  und  Polytoma  vermochte  er 
zu  bestätigen  und  z.  Th.  weiter  auszuführen,  sondern  auch  für  eine  ziem- 
liche Zahl  andrer  Formen  die  Theilung  nachzuweisen.  So  studirte  er 
namentlich  die  Vermehrung  der  Pandorina  zuerst  ziemlich  eingehend, 
ebenso  die  von  Chlorogonium  und  fand  die  Längs-  oder  auch  angebliche 
Quertheilung  bei  einer  nicht  kleinen  Zahl  seiner  Monadinen.  Auch  über 
den  feineren  Vorgang  des  Theilungsprocesses  machte  er  einige  sehr  wich- 
tige Beobachtungen,  indem  er  zuerst  (1835)  bei  gewissen  Monadinen  fand, 
dass  sich  die  einfache  Geissei  vor  der  Theilung  zu  zweien  vermehre,  ja 
er  will  selbst  eine  entsprechende  Vermehrung  des  Kerns  (seiner  Samen- 
drüse) vor  der  Theilung  schon  beobachtet  haben. 

Nachdem  wir  im  Vorstehenden  einen  Blick  auf  die  allgemeine  Vor- 
stellung, welche  sich  Ehrenberg,  auf  Grund  seiner  Studien  von  der  Orga- 
nisation der  Flagellaten  gebildet  hatte,  warfen,  geziemt  es  sich  noch, 
die  Vermehrung  der  Formkenntniss  zu  betrachten,  welche  wir  den 
unermüdlichen  Bestrebungen  unsres  Altmeisters  verdanken.  Es  wurde 
schon  früher  betont,  wie  gering  die  Zahl  der  Formen  ist,  welche  sich  bei 
0.  F.  Müller  wiedererkennen  lassen.  Bei  Ehrenberg  gestaltet  sich  dies 
Verhältniss  doch  schon  sehr  wesentlich  anders.  Zwar  sind  die  Arten, 
die   Ehrenberg  früherhin  auf  seinen  Keisen   beobachtet  hatte,  fast   durch- 


Geschichte.  627 

weg  so  unsicher,  dass  eine  Identificirung  derselben  meist  unmöglich  er- 
scheint. Umgelvehit  dagegen  ist  dies  mit  den  später  in  Berlin  genauer 
studirten  Formen ;  nur  die  Angehörigen  der  Gattung  Monas  entziehen  sich 
meist  einer  schärferen  Beurtheilung.  Von  den  IIG  Flagellatenarten,  welche 
ich  in  dem  Ehrenberg'schen  Werk  von  1838  gezählt  habe,  lassen  sich 
nicht  weniger  wie  49  mit  heute  genauer  studirten  Formen  sicher  identi- 
ficiren;  einige  weitere  mögen  wohl  noch  in  Zukunft  zu  ermitteln  sein. 

Von  besondrer  Bedeutung  erscheint  es  für  uns  noch,  bevor  wir 
von  Ehrenberg  einstweilen  Abschied  nehaien,  zu  ermitteln,  wie  er  sich 
der  Gruppe  der  Flagellaten  in  ihrer  Gesammtheit  gegenüberstellte.  In 
dieser  Hinsicht  war  er  keineswegs  glücklich,  es  blieb  ihm  durchaus  ver- 
schlossen, dass  die  Flagellaten  als  eine  einheitliche  Gruppe  aufzufassen 
seien ;  er  vertheilte  sie  vielmehr  auf  eine  Anzahl  Familien ,  die  er  durch 
kein  näheres  Band  vereinigte,  zwischen  welche  er  sogar  ganz  heterogene 
Familien  wie  die  Closterien  und  die  Amoeben  einschob. 

In  dem  eben  erwähnten  Punkt  wurde  er  weit  übertrofifen  durch  seinen 
genialen  Rivalen  Duj ardin,  der  wie  erwähnt,  schon  im  Jahre  1835  (23 
und  24)  seine  erste  Mittheilung  über  unsre  Wesen  veröffentlichte,  auf  die 
eine  Reihe  weiterer  folgten,  bis  er  schliesslich  im  Jahre  1841  (39)  sein 
zusammenfassendes  Werk  über  die  Infusorien  publicirte.  Dem  offenen 
Blicke  Dujardin's  blieb  es  nicht  verborgen,  dass  alle  diese  Formen  eben 
durch  die  eigenthümliche  Natur  ihrer  Bewegungsorgane  in  näherem  Zu- 
sammenhange ständen ;  er  vereinigte  sie  dann  auch  zuerst  in  einer  beson- 
deren Ordnung,  für  deren  Charakteristik  der  Besitz  von  Geissein  maass- 
gebend  war  und  die  etwa  unsern  heutigen  Mastigophoren  entspricht. 

Aber  auch  die  allgemeine  Auffassung  der  Bauweise  unsrer  Organis- 
men, wie  die  der  Protozoen  überhaupt,  verdankt  Dujardin  die  wichtigste 
Förderung,  wenn  auch  gerade  auf  dem  Gebiet  der  Flagellaten  seine  Be- 
strebungen nach  Vereinfachung  des  von  Ehrenberg  so  übertriebenen 
„Organisationsgehaltes'^  in  mancher  Hinsicht  zu  weit  gingen.  Die  Sarkode- 
lehre, wie  sie  Dujardin  hauptsächlich  durch  das  genauere  Studium  der 
Rhizopoden  entwickelt  hatte,  musste  in  ihrer  Anwendung  auf  unsre  Orga- 
nismen natürlich  zu  einer  Reihe  wichtiger  Ergebnisse  führen.  Zunächst 
machte  sich  Dujardin  sehr  verdient  durch  eine  klarere  Auffassung  der 
Geissein,  die  wie  wir  wissen  bei  Ehrenberg  unter  der  etwas  verwirrenden 
Bezeichnung  ,, Rüssel''  fungirten.  Mit  staunenswerthem  Scharfblick  er- 
kannte er  schon  seit  1835  die  innigen  Beziehungen  zwischen  den  sogen. 
Pseudopodien  der  Rhizopoden  und  den  Geissein  der  Flagellaten,  wie  den 
Cilien  der  Infusorien  und  verglich  namentlich  auch  schon  damals  die 
Geissein  mit  den  Schwänzen  der  Spermatozoen.  Diese  Auffassung  der 
Geissein  suchte  er  durch  seine  späteren  Arbeiten  noch  mehr  zu  befestigen, 
namentlich  ihre  Natur  als  ausschliessliche  Bewegungsorgane  klar  zu  legen 
und  nachzuweisen,  dass  ihre  Bewegung  eine  ihnen  selbst  einwohnende, 
nicht  durch  einen  besondern  Muskelapparat  hervorgerufene  sei.  Die  Con- 
traction  einer  Muskelfaser  erklärt  er  für  ein  Phänomen  gleicher  Ordnung 


628  Flagellata. 

wie  die  CoDtraction  der  Geissclfäden.  Auch  will  er  später  (1841)  wirk- 
liche Uebergänge  zwisclien  Pöeudopodien  und  Geissein  beobachtet  haben. 
Seine  Beobachtungen  über  den  Gcisselapparat  der  von  ihm  untersuchten 
Flagellaten  sind  überhaupt  nicht  zu  unterschätzen,  wie  dies  namentlich 
aus  seinen  Untersuchungen  über  einige  mehrgeisselige  Formen  (Tetra- 
und  Hexamitus)  hervorgeht,  was  jedoch  nicht  ausschliesst,  dass  er  sich 
auch  bei  einigen  Formen  in  der  Geisseizahl  irrte. 

Etwas  zu  skeptisch  beurtheilte  Dujardin  die  Angaben  Ehrenberg's 
über  das  Vorhandensein  eines  Mundes  bei  gewissen  Flagellaten.  Es  war 
ihm  wohl  bewusst,  dass  zahlreiche  dieser  Organismen  keine  feste  Nah- 
rung aufnehmen,  ein  Punkt,  über  den  sich  Ehrenberg  ziemlich  leicht  hin- 
weggesetzt hatte ,  als  er  allen  unsern  Wesen  einen  übereinstimmenden 
Bau  des  Darmapparates  zuschrieb.  Andrerseits  hatte  Dujardin  recht  wohl 
erkannt,  dass  die  Annahme  eines  derartigen  Darmapparates  nicht  nur  für 
die  ciliaten  Infusorien,  sondern  auch  für  die  Flagellaten  unzulässig  sei, 
indem  er  die  angeblichen  Magenblasen  Ehrenberg's  zuerst  in  ihrer  wahren 
Bedeutung,  als  mit  wässriger  Flüssigkeit  erfüllte  vergängliche  Vacuolen, 
richtig  erkannte. 

Wie  gesagt,  verfuhr  jedoch  der  französische  Forscher  zu  rasch,  wenn 
er  nun  auch  die  Existenz  einer  besondern  Mundstelle  der  Flagellaten 
durchaus  leugnen  wolhe.  Die  Nahrungsaufnahme  erkannte  er  für  die 
Monaden  wenigstens  an,  jedoch  glaubte  er  ihnen  durchaus  die  Art  der 
Nahrungsaufnahme  zuschreiben  zu  sollen,  welche  er  anfänglich  (1835—36) 
auch  bei  den  Ciliaten  allein  vertreten  dachte :  indem  die  Nahrurgskörper 
nämlich  durch  an  der  Körperoberfläche  sich  bildende  Vacuolen  aufge- 
nommen würden.  Es  ist  nicht  ohne  Interesse,  dass  eine  solche  Nahrungs- 
aufnahme in  neuerer  Zeit  wirklich  bei  gewissen  Flagellaten  erwiesen 
wurde,  wenngleich  hieraus  keineswegs  ?a\  folgern  ist,  dass  sich  Du- 
jardin schon  eine  richtige  Vorstellung  des  Processes  bei  diesen  Formen 
erworben  hatte.  Die  überaus  grosse  Bedeutung,  welche  Dujardin  den 
Vacuolen  bei  seiner  Sarkodelehre  zuschrieb,  war  auch  die  Veranlassung, 
dass  er  zu  keiner  hinreichend  scharfen  Unterscheidung  der  gewöhnlichen 
Vacuolen  und  der  contractileii  gelangte.  Wenn  er  diese  letzteren  auch 
selbst  bei  den  Flagellaten  nicht  völlig  übersah,  so  schenkte  er  ihnen  doch 
ohne  Zweifel  nicht  die  genügende  Aufmerksamkeit,  da  sie  ihm  eben  von 
den  so  verbreiteten  gewöhnlichen  Vacuolen  nicht  wesentlich  verschieden 
erschienen. 

Ganz  ablehnend  verhielt  er  sich  gegen  die  Ehrenberg'sche  Lehre  von 
dem  complicirten  Generationsapparat  unsrer  Organismen,  doch  gelang  es 
ihm  meist  nicht,  die  verschiednen  Inhaltskörper,  welche  Ehrenberg  als  männ- 
liche Drüsen  beansprucht  hatte ,  in  ihrem  Wesen  richtig  zu  erkennen, 
namentlich  erwarb  er  sich  noch  keine  Vorstellung  über  die  Wichtigkeit 
und  die  allgemeine  Verbreitung  des  Kernes.  Auch  den  Farbstoflfkörpern, 
welche  Ehrenberg  gewöhnlich  als  Eierstöcke  beansprucht  hatte,  sprach 
er  diese  Bedeutung  ab  und  Hess  sie  nur  als  färbende  Substanzen  gelten, 


Geschichfe.  629 

ohne  jedoch  schon  auf  ihre  Aualogic  mit  denen  zahlreicher  Pflanzen 
aufmerksam  geworden  zu  sein.  Immerhin  war  Dujardin  nicht  geneigt, 
eine  Vermehrung  unsrer  Organismen  durch  innere  Keime  ganz  zu  leugnen ; 
er  hielt  es  für  möglich,  dass  ein  Theil  der  Inhaltskörperchen  der  Sarkode 
solche  Keime  seien,  die  jedoch  durchaus  nicht  den  Namen  Eier  im  8inne 
der  höheren  thierischen  Organismen  verdienten.  Während  er  einerseits 
die  Geueratio  spontauea  unsrer  Organismen ,  im  Sinne  einer  wirklichen 
Neubildung  organisirter  Substanz  bekämpfte,  hielt  er  dagegen  eine  Ent- 
stehung derselben  aus  sehr  widerstandsfähigen  Keimen  im  Anschluss  an 
die  alten  Untersuchungen  Spallanzani's  nicht  für  unwahrscheinlich.  Sehr 
unerheblich  sind  im  allgemeinen  seine  Erfahrungen  über  die  Vermehrung 
unsrer  Wesen  durch  Theilung. 

Zwei  wichtige  Momente  in  der  allgemeinen  Auffassung,  auf  welche 
Dujardin  bei  dem  Studium  geisseltragender  Infusorien  aufmerksam  ge- 
worden war,  möchten  wir  hier  noch  andeuten.  Einmal  erkannte  er  schon 
sehr  richtig  die  nahen  Beziehungen,  welche  zwischen  den  einfachsten 
Flagellaten,  den  sogen.  Monaden  und  den  einfachen  Rhizopoden,  den 
amöbenartigen  Organismen,  existiren  und  andrerseits  wies  er  zuerst  darauf 
hin,  dass  die  Spongien  gleichfalls  Beziehungen  zu  den  sogen.  Infusorien 
besässeu  und  zwar  zu  Formen,  welche  etwa  zwischen  den  Amöben  und 
Flagellaten  die  Mitte  hielten  (1841). 

Die  Formkenntniss  der  Flagellaten  hat  auch  Dujardin  nicht  un- 
wesentlich gefördert,  wenngleich  die  Ausbreitung  seiner  Studien  nicht 
diejenige  der  Ehrenberg'schen  erreichte. 

Nach  der  durch  die  bedeutsamen  Werke  Ehrenberg's  und  Dujardin's 
bezeichneten  Epoche  trat  eine  gewisse  liuheperiode  in  der  Entwicklung 
der  Flagellatenforschung  ein,  denn  erst  im  Jahre  1852  erschien  wieder 
ein  grösseres  zusammenfassendes,  unsern  Organismen  gewidmetes  Werk 
von  Ferty.  Zwar  herrschte  auch  in  jener  Zwiscbenperiode  ein  reges 
Interesse  für  die  Flagellaten,  deren  Kenntnisse  von  nicht  wenigen 
Beobachtern  bald  mehr  im  Sinne  Ehrenberg's ,  bald  mehr  in  dem  Du- 
jardin's gefördert  wurden,  ja  es  entspann  sich  sogar  gerade  in  dieser 
Periode  zuerst  der  lang  dauernde  und  heutzutage  noch  fortgeführte  Streit 
über  die  thierische  und  pflanzliche  Natur  unsrer  Wesen.  Abgesehen  von 
dieser  fundamentalen  Frage  tritt  jedoch  während  dieser  Epoche  kein 
Interesse  hervor,  die  Kenntnisse  unsrer  Gruppe  in  allgemeiner  Hinsicht 
zu  vertiefen, 

Ehrenberg  selbst  beschäftigte  sich  gelegentlich  mit  der  weiteren  Er- 
forschung der  Flagellaten,  so  beschrieb  er  1840  (36)  einige  neue  Formen 
und  berichtete  1841  (38)  über  die  Untersuchungen  eines  Salzburger  Arztes 
Wer  neck,  welcher  ihm  seine  Studienresultate  zur  Verfügung  gestellt 
hatte.  Mit  Recht  rügt  Stein  (176),  dass  jene  nicht  unwichtigen  und 
von  zahlreichen  Abbildungen  begleiteten  Untersuchungen  Werneck's  nur 
durch  den  sehr  unzureichenden  Bericht  Ehrenberg's  bekannt,  im  Uebrigen 
in  den  Acten  der  Berliner  Akademie  vergraben  wurden.    Wir  heben  hier 


630  Flagcllata. 

nur  bervor,  dass  Werneck  bei  zwei  Flagellaten  (Antopbysa  und  Anisonema) 
eine  AfterspaUe  beobacbtet  baben  will,  dass  er  sieb  gegen  die  Bedeutung 
der  sogen.  Augenflecke  als  Augen  erklärte  und  eine  Anzabl  neuer  Formen 
auffand,  die  sieb  jedocb  wegen  der  unzureicbenden  Besebreibung  kaum 
sieber  ermitteln  lassen,  wenn  icb  es  aucb  mit  Stein  für  wabrscbeinlicb 
balte,  dass  sieb  bierunter  scbon  so  wiebtige  Gattungen  wie  Pbalansterium 
und  Stepbanospbaera  finden.  Im  Jabre  1848  (59)  beschrieb  dann  Ehren- 
berg noch  zwei  neue  interessante  Gattungen  (Cbloraster  und  Spon- 
dylomorum)  und  aus  dieser  Mittheilung  erbellt  zur  Geniige,  dass  er  aucb 
auf  dem  Gebiet  der  Flagellaten  seinen  allgemeinen  Standpunkt  von  1838 
Hiebt  wesentlicb  geändert  batte. 

Im  Anfange  der  40er  Jabre  wurde  zuerst  durcb  Valentin  die  Auf- 
merksamkeit auf  das  Vorkommen  eigentbiimlicber  parasitischer  Organis- 
men im  Blute  gewisser  Fische  gelenkt,  des  flagellatenartigen  Wesens,  das 
im  folgenden  Jahr  von  Gluge  im  Blute  der  Frösche  aufgefunden 
und  1843  von  Grub 3^  Trypanosoma  genannt  wurde.  Aucb  Mayer 
batte  dasselbe  scbon  1843  im  Blute  der  Rochen  beobachtet  und  Amoeba 
rotatoria  benannt.  Später  1850  beschäftigte  sich  Wedl  ziemlicb  eingebend 
mit  diesen  und  ähnlichen  Organismen  aus  dem  Blute  verscbiedner  AVirbel- 
tbiere  und  Leydig  machte  1851  und  später  1857,  wie  hier  gleich  be- 
merkt w^erden  mag,  auf  das  Vorkommen  äbnlicber  Schmarotzer  in  ver- 
schiedenen Wirbellosen  aufmerksam. 

Aucb  andere  parasitische  Monaden  hatten  das  Interesse  der  Forscher 
erregt.  Schon  1837  fand  Donne  die  beim  Menschen  schmarotzende  Tricho- 
monas vaginalis;  Gruby  und  Delafond  beobachteten  1843  parasitische 
Monaden  im  Darm  einiger  Säugetbiere  und  Hammers cbmidt  1844  eine 
Form  in  den  Exerementen  der  Ringelnatter.  Auch  in  Nord- Amerika  hatten 
die  parasitischen  Flagellaten  das  Interesse  zweier  Beobachter  erweckt. 
Leidy  bescbrieb  seit  1846  einige  Formen  aus  Wirbellosen  und  Wirbel- 
thieren,  jedocb  im  Ganzen  wenig  genau  und  ohne  tiefer  in  ibre  Organi- 
sation einzudringen.  Burnett  (1851)  beschäftigte  sieb  namentlich  mit  der 
im  Darm  der  gemeinen  Fliege  häufigen  Monadine  und  sprach  sieb  bei 
dieser  Gelegenheit  sehr  entschieden  für  die  Einzelligkeit  der  von  ihm 
beobacbteten  Formen  aus. 

Um  die  Vermebrung  unsrer  Kenntnisse  von  der  Verbreitung  der 
Flagellatenformen  erwarben  sieb  in  den  40  er  Jahren  namentlich  zwei 
russische  Beobachter  Eiebwald  und  Weisse  nicht  unwesentliche  Ver- 
dienste. Wenn  aucb  im  Allgemeinen  das  Studium,  das  sie  denselben 
widmeten,  nicbt  ein  sehr  tiefgehendes  war,  so  wurden  durcb  sie  doch 
einige  neue  Formen  ans  Licht  gezogen  und  Weisse  förderte  aucb  durch 
seine  Studien  über  die  Fortpflanzung  des  Cblorogonium  und  seine  Dar- 
stellung der  Tbeilung  der  Perauema  unser  Wissen  von  der  Vermebrung 
dieser  Wesen  nicht  unwesentlich.  In  ähnlicher  Richtung  trat  1846 
aucb  Scbmarda  auf,  der  später  1850  und  1854  noch  zwei  weitere  Bei- 
träge  lieferte.     Abgesehen   von   dem .  Interesse,    welches   namentlicb   die 


Geschichte.  631 

letzte  Arbeit,  die  die  in  Egypteu  angestellten  Beobachtungen  bespricht, 
in  geographischer  Hinsicht  besitzt,  sind  es  nur  einige  neue  Formen,  welche 
diesen  Mittheilungen  eine  gewisse  Wichtigkeit  geben  und  unter  diesen 
namentlich  die  1850  beschriebne  neue  Gattung  Pyramimonas.  In  ähn- 
licher AVeise  beschüftigte  sich  etwa  um  dieselbe  Zeit  Bailey  in 
Nord- Amerika  mit  der  Erforschung  der  Flagellatenverbreitung,  und  wenn 
seine  Untersuchungen  auch  (mit  Ausnahme  der  Entdeckung  des  Gehäuses 
einer  sehr  interessanten  Spougomonadine,  das  jedoch  in  seiner  Bedeutung 
nicht  erkannt  wurde),  zu  keinen  neuen  Ergebnissen  führten,  so  besitzt 
seine  Arbeit  selbst  heute  noch  ihre  Bedeutung,  da  sie  die  einzige  um- 
fassende Untersuchung  über  die  Verbreitung  unsrer  Gruppe  in  Nord- 
Amerika  ist. 

Indem  wir  jetzt  zur  Besprechung  der  schon  früher  augedeuteten,  in 
der  Periode  zwischen  1841  bis  1852  zuerst  mit  grosser  Entschiedenheit 
hervortretenden  Strömung:  einen  grossen  Theil  der  von  Ehrenberg  und 
Dujardin  den  thierischen  Organismen  zugewiesenen  Flagellaten  als  niedere 
Pflanzen  oder  gewisse  Zustände  solcher  zu  erweisen,  übergehen,  können 
wir  diese  Betrachtung  wohl  am  besten  mit  einem  Blick  auf  die  Forschungen 
über  gewisse  Formen  eröffnen ,  die  schon  in  sehr  früher  Zeit  ein 
strittiges  Object  für  Botaniker  und  Zoologen  bildeten.  Zunächst  sei  jedoch 
bemerkt,  dass  weder  Ehrenberg  noch  Dujardin  die  Frage  nach  der  thie- 
rischen oder  pflanzlichen  Natur  der  Flagellaten  ernstlich  discutirten,  beide 
hatten  eben,  wenn  sie  die  Flagellaten  ohne  weiteres  zu  den  sogen.  In- 
fusionsthieren  zogen,  keine  ernstlichen  Einwände  zu  bekämpfen ,  es  war 
gewissermaassen  historisch  berechtigtes  Herkommen,  die  sich  bewegenden 
kleinen  Organismen  ohne  weiteres  als  Thiere  zu  betrachten.  Speciell 
Ebrenberg,  der  sich  nicht  scheute,  einzelne  bewegungslose  einzellige  Algen 
den  thierischen  Infusorien  zuzugesellen,  hatte  keine  Veranlassung,  die 
Thiernatur  der  Flagelhiten  zu  bezweifeln  und  Dujardin  folgte  ihm  in  dieser 
Auffassung  ohne  Zögern. 

Wir  haben  früher  erfahren ,  dass  schon  im  vorigen  Jahrhundert  die 
Gattung  Haematococcus  als  Pflanze  betrachtet  worden  war  und  gerade 
diese  und  ihr  nahe  verwandte  Formen  beschäftigten  in  der  jetzt  zu 
besprechenden  Epoche  eine  ganze  Anzahl  Beobachter  und  erfuhren  sehr 
verschiedene  Beurtheilungen. 

Die  zuerst  Ende  des  vorigen  Jahrhunderts  in  den  Alpen  und  im  An- 
fange unsres  Jahrhunderts  auch  im  Polargebiet  beobachtete  Rothfärbung 
des  Schnees  interessirte  schon  in  den  ersten  Decennien  unsres  Jahrhunderts 
nicht  wenige  Beobachter*)  und  wurde  ziemlich  allgemein  auf  einen 
mikroskopischen  pflanzlichen  Organismus  zurückgeführt,  der  gewöhn- 
lich den  Algen  beigesellt  wurde.  Agardh  stellte  ihn  1824**)  in  eine 
besondre   Gattung  Protococcus   neben   eine   grüne  Form   aus  dem  süssen 

*)  Siehe  hierüber  bei  Stein  (176). 
**)  Systema  Algaruin.     Lundae  1824. 


632  Flagellata. 

Wasser;  auch  hatte  er  zuerst  bewegliehe  Formen  vereinzelt  ge- 
sehen. 1835  entschied  er  sich  dafür,  eine  neue  Gattung  Haematococcus 
für  diese  Form,  sowie  einige  weitere  ihm  hierhergehörig  erscheinende  zu 
errichten.  Martins  machte  dann  schon  1839  die  ersten  Erfahrungen 
über  die  Vermehrung  unsrer  Form  im  ruhenden  Zustand  und  erklärte  die 
rothen  und  grünen  Organismen  des  Schnees  für  identisch*). 

Ein  Jabr  früher  hatte  Dunal  (33)  in  den  zur  Salzgewinnung  dienenden 
Salzbecken  der  französischen  Mittelmeerküste  einen  rotben  Organismus 
entdeckt  und  richtig  zu  der  Gattung  Haematococcus  gezogen.  Dieselbe 
Form  untersuchte  1840  Joly  (34)  und  nannte  sie  Monas  Dunalii,  da  er 
ihre  beiden  Geisselu  schon  sehr  gut  beobachtete.  Dujardin  hob  dann  in 
seinem  Infusorienbuch  die  nahe  Verwandtschaft  dieser  Monas  Dunalii  mit 
seiner  Gattung  Diselmis  (=  Cblamydomonas  Ehrbg.)  hervor. 

Die  Untersucbungen,  welche  Shuttleworth  1839  (37)  über  die  Orga- 
nismen des  rothen  Alpenschnees  anstellte,  führten  namentlich  zu  genaueren 
Erfahrungen  über  das  Vorkommen  eines  infusorienartig  beweglichen  rothen 
Organismus  neben  den  früher  fast  ausschliesslich  beobachteten  unbeweg- 
lichen rothen  Kügelchen.  Im  übrigen  sind  die  Resultate  wenig  erheblich, 
da  Shuttleworth  die  beweglichen  und  unbeweglichen  Formen  für  specifisch 
verschiedene  Organismen  hielt  und  überhaupt  nicht  weniger  wie  5  ver- 
schiedene Gattungen  von  Organismen  im  rothen  Schnee  beobachtet  haben 
wollte,  von  welchen  nur  die  Haematococcusform  sich  als  ein  bestimmt 
charakterisirter  hat  wiedererkennen  lassen.  Meyen  (35)  glaubte  1840 
die  Haematococcen  des  Schnees  irrthümlich  mit  ruhenden  encystirten 
Euglenen  identificiren  zu  können,  deren  ruhenden  Zustand  er  zuerst  ge- 
nauer studirt  und  auch  die  damit  verknüpfte  Vermehrung  ermittelt  hatte. 
C.  Vogt  berichtigte  1844  (48)  die  Irrthümer  von  Shuttleworth,  indem  er  nach- 
wies, dass  die  ruhenden  und  beweglichen  rothen  Kugeln  nur  verschiedene 
Zustände  einer  und  derselben  Form  sind.  Auch  lehrte  er  zuerst  die  Vermeh- 
rungsweise durch  Theilung  des  Inhalts  der  ruhenden  Form  kennen.  Ein  wei- 
terer Fortpflanzungsprocess  durch  Knospung,  welchen  er  gleichzeitig  noch 
beobachtet  haben  wollte,  dürfte  sehr  wahrscheinlich  das  Resultat  einer  Täu- 
schung gewesen  sein.  Den  Organismus  des  rothen  Schnees  aber  glaubte 
er  zu  der  einige  Jahre  früher  von  Morren  beschriebnen  Gattung  Disceraea 
ziehen  zu  sollen,  die  jedoch,  wie  gleich  zu  berichten  sein  wird,  identisch 
mit  Haematococcus  ist.  Diese  Disceraea  purpurea  (den  Haematococcus 
lacustris)  hatte  Aug.  Morren  1841  im  Wasser  aufgefunden  und  recht  gut 
beschrieben.  Geissein,  Hülle,  Farbenwandlung  und  Vermehrung  im 
ruhenden  Zustand,  sowie  die  Lebenszähigkeit  beim  Austrocknen  werden 
hier  schon  richtig  dargestellt.  Auch  war  der  belgische  Beobachter  ur- 
sprünglich sogar  auf  dem  richtigen  Weg  zur  Aufklärung  der  Verwandt- 
schaftsverhältnisse, indem  er  sie  anfänglich  dem  Haematococcus  nivalis 
nähern  wollte.     Ch.  Morren  fügte  den  Untersuchungen  seines  Bruders 


Da  microscoiDc  et  d.  soa  applic.  etc.  Paris  1839. 


(icschiclitc.  i)'do 

nichts  AVesentlicbes  zu,  sondern  richtete  einige  Verwirrung-  an,  indem  er, 
auf  irrthüniliehe  Beobachtungen  gestützt,  die  Disceraea  der  Gattung 
Trachelomonas  anznschliessen  suchte.  Doch  enthält  seine  Arbeit  noch 
einige  nicht  unwichtige  Beobachtungen  über  die  FAiglenen. 

Drei  Jahre  später  wurde  unser  Organismus  wiederum  zum  Gegenstand 
einer  ausgedehnten  Untersuchung,  indem  v.  Flotow  ihn  unter  dem  Namen 
Haematococcus  pkivialis  in  einer  sehr  umfangreichen  Monographie  be- 
schrieb (50).  Dieselbe  blieb  jedoch  in  vieler  Hinsicht  hinter  den  Leistungen 
Morren's  zurück.  Die  Bauverhältnisse  blieben  ihm  vielfach  unklar;  da- 
gegen erweiterte  er  in  gewisser  Hinsicht  das  Wissen  über  die  Fort- 
pflanzungserscheinungen  des  Haematococcus.  Einmal  beobachtete  er  zuerst 
seine  Vermehriuig  im  beweglichen  Zustand  und  lehrte  weiterhin  eine 
eigenthümliche  kleine  und  hüllenlose  Moditication  kennen,  die  sich  auch 
durch  besondre  Befähigung  zu  Gestaltsveränderungen  auszeichnete.  Doch 
verfiel  Flotow  auch  auf  dem  Gebiet  der  Fortpflanzung  des  Haematococcus 
in  eine  Anzahl  Irrthümer,  indem  er  ihm  eine  Vermehrung  durch  Sporen 
und  Gonidien  zuschrieb,  welche  durchaus  nicht  vorhanden  ist.  Flotow's 
allgemeines  Urtheil  über  den  studirten  Organismus  interessirt  uns  bier 
namentlich  deshalb,  weil  er  sich  sehr  entschieden  für  seine  vegetabilische 
Natur  aussprach,  indem  er  die  ruhende  und  sich  vermehrende  Generation 
für  den  eigentlich  maassgebenden  Repräsentanten  beanspruchte  und  auch 
in  der  Austrocknungsfähigkeit   eine   Bestätigung   seiner  Ansicht  erblickte. 

Einen  gewissen  Abschluss  erhielten  die  mannigfachen  Untersuchungen 
über  den  Haematococcus  durch  die  im  Jahre  1850  publicirten  Beobach- 
tungen Cohn's  (66).  Seine  umfassende  Bearbeitung  dieses  Organismus 
schloss  sich  im  allgemeinen  an  die  Flotow'sche  Darstellung  an,  ja  ging 
meines  Erachtens  von  einer  übertriebenen  Schätzung  derselben  aus.  Im 
Gesamratresultat,  d.  h.  der  allgemeinen  Beurtheilung  der  Stellung  des 
Organismus  in  der  Stufenleiter  der  organischen  Welt,  gelangt  Cohn  zu 
dem  gleichen  Resultat  wie  Flotow,  indem  er  ihn  für  eine  einzellige 
Alge  erklärte.  Wenn  wir  hier  diese  Deutung  als  einzellige  Alge  beson- 
ders betonen,  so  geschieht  dies  deshalb,  weil  Cohn  zuerst  mit  Gründlich- 
keit den  Versuch  machte,  die  einzellige  Natur  unsrer  Form  durch  Ver- 
gleich ihrer  Bauweise  mit  der  der  pflanzlichen  Zelle  zu  erweisen  und  da- 
durch auch  für  das  morphologische  Verständniss  ähnlich  gebauter  Orga- 
nismen,  d.  h.  der  gesammteu  Flagellatengruppe,  einen  wesentlichen  Bei- 
trag lieferte.  Auch  darf  wohl  behauptet  werden,  dass  es  ihm  gelang,  die 
einzellige  Natur  des  Haematococcus  sicher  zu  stellen,  wenngleich  seine  ganze 
Darstellung  und  Beweisführung  wegen  der  damals  noch  unvollkommnen  Ver- 
fassung der  Zellenlehre  heutzutage  nicht  mehr  ganz  einleuchtend  erscheint. 
Nicht  nur  der  Bau  des  Haematococcus  in  seinen  verschiedneu  Zuständen, 
auch  seine  Vermehrungsweise  war  ein  Gegenstand  anhaltender  Forschung 
für  Cohn  und  so  gelang  es  ihm  denn  auch,  die  wichtigsten  Punkte  der- 
selben aufzuklären,  namentlich  das  Auftreten  grosser  und  kleiner  beweg- 
licher Formen  zu  ermitteln.    Wenn  Cohn  nun  auch  auf  Grund  seiner  Ergeh- 


634  ElagcUata. 

nisse  die  vegetabilische  Natur  des  Ilaematococcus  bejahte,  so  verschloss 
er  sich  doch  nicht  der  Einsicht,  dass  dieser  Organismus  auch  sehr  nahe 
Beziehungen  zu  andern  zeigte,  an  deren  thierischer,  infasorieller  Natur  er 
nicht  zweifelte,  speciell  zu  der  Gattung  Euglena.  Letztere  schien  ihm  wegen 
ihrer  lebhaften  Körpercontraetionen  allen  Anspruch  auf  Zugehörigkeit 
zu  den  Thieren  zu  besitzen.  So  sehen  wir  denn,  dass  Cohn  schon  da- 
mals durch  seine  Stellungnahme  in  dieser  Frage  andeutete,  dass  eine 
innige  Verknüpfung  zwischen  thierischen  und  pflanzlichen  Organismen 
auf  ihrer  tieferen  Ausbildungsstufe  anzutreffen  sei  und  dass  es  gerade 
das  Gebiet  der  flagellatenartigen  Organismen  sei,  wo  diese  Beziehungen 
deutlich  und  unabweisbar  hervorträten. 

Auch  AI.  Braun  (70)  hatte  um  dieselbe  Zeit  seine  Aufmerksamkeit 
dem  vielbesprochnen  Organismus  und  einigen  seiner  Verwandten  zuge- 
wendet und  ihre  Kenntniss  nicht  nur  durch  sehr  bemerkenswerthe  Beob- 
achtungen über  ihre  Fortpflanzung,  sondern  auch  durch  die  Entdeckung 
einer  Anzahl  neuer  Chlamydomonasformen  gefördert.  Auch  dieser  hervor- 
ragende Botaniker  zweifelte  nicht  an  der  Algennatur  unsrer  Organismen, 
worin  ihn  namentlich  seine  Beobachtung,  dass  der  Haematococcus  im 
ruhenden  Zustand  unter  gewissen  Bedingungen  eine  lang  fortdauernde 
Vermehrung,  „ein  durchaus  vegetabilisches  Verhalten"  zeige,  bestärkte. 

Diese  Besprechung  der  Schwierigkeiten  der  Auffassung  eines  flagel- 
latenartigen Organismus  führt  uns  zu  der  schon  angedeuteten  Streit- 
frage, welche  sich  während  der  dreissiger  und  vierziger  Jahre  unsres 
Jahrhunderts  über  die  Natur  zahlreicher  verwandter  Formen  erhob. 
Dieselbe  fand  ihre  Nahrung  wesentlich  in  wichtigen  Beobachtungen 
der  Botaniker,  welche  allmählich  g-ezeigt  hatten,  dass  im  Leben  zahl- 
reicher niederer  pflanzlicher  Organismen  (aus  den  Abtheilungen  der 
Algen  und  Pilze)  Vermehrungskörper,  sogen.  Schwärmsporen  (Zoosporen) 
auftreten,  die  den  früher  als  Flagellaten  beschriebnen  Infusorien  ungemein 
ähnlich  sind.  Es  kann  hier  nicht  unsre  Aufgabe  sein,  die  Beobachtungen 
über  die  pflanzlichen  Schwärmsporen  eingehender  zu  verfolgen.  Erst  im 
Jahre  1842  gelang  es  Unger,  die  schon  seit  Beginn  unsres  Jahrhunderts 
über  diesen  Gegenstand  gelegentlich  gemachten  Untersuchungen  durch  die 
wichtige  Beobachtung  zu  vervollständigen,  dass  die  Schwärmsporen  der 
Algengattung  Vaucheria  mit  einem  Wimperkleid  versehen  seien,  das  dem 
der  ciliaten  Infusorien  in  jeder  Beziehung  gliche. 

Es  ist  viel  darüber  gelächelt  worden,  dass  Unger  unter  dem  ersten 
Eindruck  dieser  wichtigen  Beobachtung  in  der  Schwärmspore  der  Vaucheria 
einen  wirklich  thierisch  organisirten  Lebenskörper  sehen  wollte,  und  den 
ganzen  Vorgang  als  einen  Uebergang  der  Pflanze  ins  Thierreich  auffasste. 
Im  Ganzen  glaube  ich,  hat  man  jedoch  wenig  Grund  diese  Darstellung 
Unger's ,  wenn  man  sie  im  Lichte  seiner  Zeit  beurtheilt,  zu  verspotten, 
denn  die  Uebereinstimmung  zahlreicher  Schwärmsporen  mit  Flagellaten  ist 
jedenfalls  so  gross,  dass  man,  wenn  man  nicht  jeden  Zusammenhang 
zwischen    Flagellaten    und   höheren    thierischen   Organismen   leugnet,    im 


(leschichtc.  635 

Auftreten  dieser  Scliwärnisporcn  eine  sehr  bedeutungsvolle  Annäherung 
an  das  Thierreich  erblicken  muss.  Erst  nach  Unger  wurde  jedoch  diese 
grosse  Uebereiustimmnng  der  Algenschwärmsporen  mit  den  Flagellaten 
erwiesen,  namentlich  die  umfassenden  Untersuchungen  T  huret 's  (67) 
wurden  in  dieser  Beziehung  aussclilaggebend.  Dieser  Beobachter  hatte 
denn  auch  schon  ein  im  allgemeinen  sehr  richtiges  Urtheil  über  die  Be- 
ziehungen der  Algenschwärmsporen  zu  den  ihnen  so  ähnlichen  Flagellaten. 
Eine  directe  genetische  Beziehung  beider  wies  er  entschieden  zurück  und. 
seine  Berechtigung  zu  einem  solchen  Ausspruch  erscheint  um  so  grösser, 
da  er  es  nicht  unterliess,  eines  der  flagelliferen  Infusorien,  dessen  Aehn- 
lichkeit  mit  zahlreichen  Schwärmsporen  besonders  gross  ist,  selbst  zu 
untersuchen,  den  Chlamydomonas  pulvisculus  nämlich.  Mit  Scharfblick 
hob  er  namentlich  als  unterscheidendes  Merkmal  dieser  Form  von  den 
Schwärmsporen  der  Algen  den  Umstand  hervor,  dass  der  Chlamydomonas 
wegen  seiner  Vermehrung  durch  Theilung  eine  Selbstständigkeit  verrathe, 
welche  den  Algenschwärmsporen,  die  nur  vorübergehende  Entwicklungs- 
zustände  darstellten,  durchaus  fehle.  Diese  scharfe  Unterscheidung,  welche 
Thuret  zwischen  den  Schwärmsporen  der  Algen  und  den  ähnlichen  Fla- 
gellaten festzustellen  sich  bemühte,  hatte  in  damaliger  Zeit  ihre  grosse 
Bedeutung,  indem  sie  sich  direct  gegen  die  von  andrer  Seite  ausgegangnen 
Bemühungen  wendete,  einen  Theil  der  Flagellaten  direct  mit  den  Schwärm- 
sporen gewisser  Algen  zu  identificiren,  resp.  zu  erweisen,  dass  gewisse 
Flagellaten  im  Stande  seien,  sich  zu  Algen  zu  entwickeln.  Mit  dem  Nach- 
weis derartiger  Beziehungen  hatte  sich  nämlich  schon  1844  Kütz in  g  (49) 
beschäftigt,  der  auf  Grund  irriger  Beobachtungen  und  einer  Kette  von 
Verwechslungen  behauptete,  dass  der  Chlamydomonas  pulvisculus  zu  einer 
ganzen  Anzahl  verschiedner  niederer  Algen  auszuwachsen  im  Stande  sei. 
Auch  wollte  er  sich  überzeugt  haben,  dass  die  Schwärmsporen  der  Algen- 
gattung Ulothrix  identisch  seien  mit  der  von  Ehrenberg  beschriebnen 
Flagellate  Microglena  monadina. 

Gegenüber  derartigen  irrigen  Behauptungen  erschien  natürlich  die 
scharfe  Betonung  der  Unterschiede  zwischen  Flagellaten  und  Schwärm- 
sporen, wie  sie  der  gediegene  Kenner  der  letzteren,  Thuret,  entwickelte, 
als  ein  wesenthcher  Fortschritt.  Dabei  dürfen  wir  jedoch  ny3ht  übersehen, 
dass  Thuret  andrerseits  die  innigen  Beziehungen,  welche  sich  speciell  in 
der  Erscheinung  der  Schwärmsporenbildung  zwischen  den  niederen  pflanz- 
lichen Organismen  und  den  von  ihm  in  der  Ehrenberg -Dujardin'schen 
Umgrenzung  als  thierische  Organismen  beanspruchten  Infusorien  finden, 
nicht  verkannte.  Im  Gegentheil  war  seine  Ansicht  sehr  richtig  die,  dass 
die  Trennung  beider  Reiche  keine  absolute  sei,  sondern,  dass  in  den  untern 
Regionen  derselben  die  scharfe  Grenzbestimmung  aufhöre,  indem  sich  ge- 
wisse Gruppen  von  Organismen  vorfänden,  deren  Beziehungen  nach  beiden 
Seiten  hinwiesen ,  und  deren  Stellung  daher  naturgemäss  eine  schwan- 
kende sei. 


636  Flagcllata. 

Die  Untersuchungen  der  Botaniker  über  die  Schwärmsporen  mussten 
natürlich  auch  auf  die  Auffassung  der  Flagellatenwelt  seitens  der  Zoologen 
einen  wesentlichen  Einfluss  ausüben,  und  von  dieser  Zeit  datirt  denn  auch 
die  geringe  Berücksichtigung  unsrer  Abtheilung  in  den  allgemeinen  Dar- 
stellungen des  zoologischen  Lehrgebäudes;  sie  wurden  bis  in  die  neueste 
Zeit  gerade  in  den  besten  Lehrbüchern  so  stiefmütterlich  abgefertigt,  dass 
die  Gruppe  der  Flagellaten  allmählich  als  solche  aus  dem  Bereich  der 
Protozoen  zu  schwinden  drohte.  Zunächst  war  es  vornehmlich  v.  Sie- 
bold (63),  der  es  unternahm,  die  neueren  Ergebnisse  der  botanischen 
Forschung  zu  einer  Keformation  der  Ehrenberg'schen  Infusorien  zu  ver- 
werthen.  Während  er  mit  richtigem  Takt  die  auch  jetzt  allgemein  aus- 
geschiednen  einzelligen  pflanzlichen  Organismen  an  ihre  richtigere  Stelle 
wies,  sprach  er  gleichzeitig  die  Vermuthung  aus,  dass  wohl  eine  ziemliche 
Zahl  der  mit  AVimpern  oder  Geissein  versehenen  sogen.  Infusionsthiere 
Ehrenberg's  richtiger  zu  den  pflanzlichen  Organismen,  speciell  den  nie- 
deren Algen  zu  ziehen  seien,  und  auf  die  Flagellaten  bezieht  sich  sonder 
Zweifel  dieser  Ausspruch  Siebold's  im  Besondern.  Eine  Anzahl  dieser 
Formen  glaubt  Siebold  direct  den  Algen  zuweisen  zu  dürfen,  nämlich  die 
Ehrenberg'sche  Familie  der  Volvocina.  Wesentlich  ausschlaggebend  in 
der  Entscheidung,  ob  thierischer  und  pflanzlicher  Organismus,  erschien  ihm 
der  Besitz  oder  Mangel  der  Contractionsfähigkeit,  ein  Umstand,  der  heut- 
zutage durchaus  nicht  mehr  in  der  ihm  von  Siebold  vindicirten  Bedeutung- 
erscheint.  In  dieser  Auffassung  der  Volvocina  begegnete  sich  Siebold 
also  mit  der  Anschauung  zahlreicher  Botaniker,  die  ja,  wie  wir  gesehen, 
auch  schon  den  Haematococcus  als  Alge  beansprucht  haben.  Siebold 
hatte  zuerst  (1844)*)  auch  die  koloniebildenden  Formen  der  Yolvocineen, 
die  Gattung  Volvox  und  ihre  nächsten  Verwandten,  als  Algen  bezeichnet 
und  damit  den  Grund  gelegt  zu  der  immer  mehr  in  Aufnahme  gekommnen 
Einreihung  dieser  Formen  in  das  Pflanzenreich.  Im  Allgemeinen  zog 
auch  Nägeli  1849**)  die  Volvocina  zu  seinen  einzelligen  Algen  und  suchte 
auch  nach  einer  schärferen  Unterscheidung  zwischen  die.«en  einzelligen 
vegetabilischen  Formen  und  den  entsprechenden  Thierchen ;  doch  konnten 
auch  die  von  ihm  aufgestellten  Unterschiede  durchaus  keinen  Anspruch 
auf  eine  tiefere  Bedeutung  erheben ;  sie  beziehen  sich  hauptsächlich  auf 
die  Anwesenheit  gewisser  Stoffe  in  der  pflanzlichen  Zelle,  welche  der 
thierischen  fehlen  sollen,  so  der  Cellulose,  des  Chlorophylls  in  seinen  ver- 
schiednen  Modificationen  und  des  Stärkemehls.  Als  bedeutungslos  wurde 
weiterhin  sehr  bald  der  Unterschied  erkannt,  welchen  Nägeli  zwischen 
den  Wimpern  und  Geissein  der  Infusorien  und  denen  der  schwärmenden 
Algenzellen  gefunden  haben  wollte.  Während  sich  die  ersteren  activer 
Beweglichkeit   erfreuen   sollten,    betrachtete   er  die  Geissein  der  letzteren 


*)  Disseit.  de  iinibus  inter  regii.  aniui.  et  vegetab.  consitueiidis.     Erlangae  1844. 
**)  Gattuuäcii   eiiizcllig-er  Algen. 


Gescliichte.  637 

als  passiv  bewegte  Anhänge  und  glaubte  die  Bewegungen  der  Algenzcllen 
durchaus  auf  endosniotische  Vorgänge  zurückführen  zu  dürfen.  Obgleich 
sich  in  der  erwähnten  Weise  eine  wichtige  Umwälzung  der  allgemeinen 
Auffassung  der  Volvocina  vollzog,  machte  die  genauere  Kenntniss  der 
interessanten  koloniebildendeu  Formen  dieser  Familie  in  dieser  Epoche 
keine  erheblichen  Fortschritte.  Nur  Laurent  (62)  verbesserte  unsre  Kennt- 
nisse des  Volvox  in  den  Jahren  1848  —  49  durch  den  Nachweis,  dass 
Ehrenberg  fälschlich  aus  den  Formen  mit  Parthenogonidien  und  Oosporen 
zwei  verschiedne  Arten  gemacht  habe  und  verglich  die  Oosporen  schon 
richtig  mit  Eiern. 

Wir  müssen  unsre  Aufmerksamkeit  jetzt  einem  Forscher  zuwenden, 
der  zuerst  wieder  den  Versuch  machte,  das  Gesammtgebiet  der  Flagellaten 
darzustellen.  Im  Jahre  1852  veröffentlichte  Perty  (76)  seine  Beobachtungen 
über  die  Infusorien  und  berücksichtigte  dabei  besonders  die  Flagellaten, 
welche  er  mit  den  Schwärmsporen  der  Algen  (seinen  Sporozoidia)  und  den 
Schizomyceten  (seinen  Lampozoidia)  zu  einer  besonderen  2.  Abtheilung 
der  Infusorien  unter  der  Bezeichnung  Phytozoidia  zusammenstellte.  Die 
erste  Abtheilung  bildeten  die  Ciliata  und  Suctoria.  Schon  im  Jahre  1848 
(60)  hatte  er  über  die  Geisseiverhältnisse  einer  ziemlichen  Anzahl  der  von 
ihm  untersuchten  Formen  berichtet. 

Wenn  wir  zuerst  einen  Blick  auf  die  allgemeine  Stellung  werfen,  die 
Perty  den  Flagellaten,  namentlich  im  Hinblick  auf  die  Streitfrage  über 
ihre  pflanzliche  oder  thierische  Natur  anwies,  so  erhellt  schon  aus  der 
soeben  angedeuteten  systematischen  Vereinigung  derselben  mit  den 
Schwärmsporen  der  Algen  und  den  Spaltpilzen,  dass  Perty  hierüber  sehr 
besondre  Ansichten  besass.  Nicht  ohne  Berechtigung  wies  er,  nach  unsrer 
Ansicht,  jede  scharfe  Grenze  zwischen  dem  thierischen  und  dem  pflanzlichen 
Keich  zurück  und  beurtheilte  die  Versuche  einer  derartigen  Trennung  als 
einen  der  Natur  imputirten  Zwang. 

Auch  in  den  Lebenscyclus  echt  thierischer  Wesen  schöben  sich  Perioden 
pflanzlicher  Beschaffenheit  ein,  wie  er  denn  zuerst  die  späterhin  häufig 
wiederholte  Ansicht  sehr  bestimmt  aussprach,  dass  die  Encystirungen  ge- 
wisser Flagellaten  (so  Euglena)  echt  vegetabilische  Zustände  dieser  sonst 
thierischen  Wesen  darstellten.  Trotz  dieser  nach  den  heutigen  Anschauungen 
nicht  unberechtigten  Vorstellungen,  muss  es  doch  Verwunderang  erregen, 
dass  Perty  sich  entschliessen  konnte,  auch  die  Schwärmsporen  der  Algen 
direct  den  Infusorien  einzuverleiben,  was  ja,  wie  Stein  richtig  bemerkt, 
nothwendig  auch  die  zugehörigen  Algen  selbst  in  die  Reihe  der  Infusorien 
gezogen  hätte.  Die  schon  mehrfach  erwähnten  eigenthümlichen  Flagellaten, 
der  Chlamydomonas  und  Haematococcus,  galten  Perty  als  die  nächsten 
Verwandten  der  eigentlichen  Algensporen  und  er  trennte  sie  deshalb  auch 
von  den  eigentlichen  Flagellaten  (seiner  Gruppe  der  Filigera)  ab,  um  sie 
den  Sporozoidia  zu  überweisen.  Die  sogen.  Zoosporen  der  Algen  aber 
galten  ihm  als  wirklich  thierische  Entwicklungszustände   der  betreffenden 


638  Flagcllata. 

Algen,   die   nach   Art   eines  Generationswechsels  mit  dem  vegetabilischen 
Zustand  verknüpft  seien. 

Während  Perty  damals  nicht  nur  die  thierische  Natur  der  Flagellaten, 
sondern  auch  die  der  Zoosporen  verfocht,  trat  er  nach  Verlauf  eines  De- 
cenniums  gerade  in  entgegengesetzter  Richtung  auf,  wie  bei  dieser  Ge- 
legenheit gleich  bemerkt  werden  mag.  1864  (114)  nämlich  wölbe  er 
überhaupt  seine  sämmtlichcn  Phytozoidia  für  pflanzliche  Wesen  erklären. 
Dieser  völlige  Wechsel  der  Anschauung  ist  jedenfalls  ein  Beweis  dafür, 
dass  auch  die  Gründe,  welche  Perty  zu  seiner  früheren  Ansicht  bestimmt 
hatten,  keine  sehr  tieferwogenen  waren. 

In  der  Beurtheilung  der  Organisation  und  der  Lebensverhältnisse 
seiner  Filigera  schwankte  Perty  (1852)  zwischen  den  Anschauungen  seiner 
beiden  hervorragenden  Vorgänger,  Ehrenberg  und  Dujardin,  hin  und  her. 
Im  gesammten  zeichnen  sich  jedoch  seine  Untersuchungen  überhaupt 
nicht  durch  besondre  Originalität  und  Genauigkeit  aus.  Dujardin  schloss 
er  sich  sehr  innig  in  der  Beurtheilung  der  Organisation  an  und  gelangte 
über  die  Vorstellungen  dieses  Vorgängers  in  keinem  Punkt  wesentlich 
hinaus.  Wie  letzterer  leugnete  er  das  Vorkommen  einer  besonderen 
Mundöfifnung  auf  das  entschiedenste,  ja  im  Grossen  und  Ganzen  auch  die 
Aufnahme  fester  Nahrung.  Die  wenigen  von  ihm  beobachteten  wider- 
sprechenden Fälle  suchte  er  durch  zufälliges  Eindringen  von  Fremdkörpern 
zu  erklären.  Von  der  Bedeutung  und  der  allgemeinen  Verbreitung  des 
Nucleus  hatte  er  keinen  ßegriflf,  wie  er  denn  auch  die  Frage  nach  der 
Bedeutung  unsrer  Organismen  im  Hinblick  auf  die  Zellenlehre  nirgends 
erörtert.  Ebensowenig  ist  ihm  die  contractile  Vacuole  in  ihrer  allgemeinern 
Morphologie  bekannt;  wenn  er  sie  auch  bei  einigen  wenigen  Formen  beob- 
achtete, so  spricht  er  doch  im  allgemeinen  Abschnitt  seines  Werkes  gar 
nicht  von  ihr. 

An  Ehrenberg  schloss  Perty  sich  dagegen  auffallend  nahe  in  der 
Beurtheilung  der  Fortpflanzuugserscheinungen  unsrer  Wesen  au.  Die  Kennt- 
niss  der  Theilungs Vorgänge  einer  ziemlichen  Anzahl  Formen  wurden  durch 
seine  Bemühungen  nicht  unwesentlich  gefördert.  Daneben  wollte  er  jedoch 
wie  Ehrenberg  noch  einen  andern  Vermehrungsprocess  statuiren,  welcher  sich 
durch  die  Weiterentwicklung  innerer  Keime  vollziehe.  Diese  Keime  nannte 
Perty  ,,Blastien'',  und  sie  sind  nichts  weiter  als  die  verschiedenartigen 
körnigen  Einschlüsse,  welche  schon  Ehrenberg,  auf  ungenügendste 
Gründe  hin,  als  Eier  beansprucht  hatte.  Perty's  Begründung  der  Keim- 
natur dieser  Blastien  ist  nicht  um  ein  Haar  gesicherter  wie  die  frühere 
Ehrenberg's.  Seine  ganze  Darstellung  dieses  Fortpflanzungsprocesses  ist, 
wie  gesagt,  überhaupt  nur  eine  Umschreibung  der  von  Ehrenberg  be- 
haupteten geschlechtlichen  Fortpflanzung ,  aus  welcher  das  männliche 
Element  elimiuirt  worden  war.  Gegenüber  Ehrenberg  suchte  aber  Perty 
die  generatio  spontanea  wieder  in  einem  gewissen  Umfange  zu  retten, 
indem  er  sie  wenigstens   für   zahlreiche  Monaden   annahm.     Andrerseits 


Gescliiclitc.  639 

hielt  er  es  aucli  nicht  für  iiiimöglicli ,   dass  Monaden  diircli   Umwandhing 
der  Zellen  höherer  Organismen  entstünden. 

Die  systematischen  Bestrebungen  Perty's  können  nicht  sehr  hoch  ver- 
anschlagt werden.  Viel  unsichere  Formen  und  zahlreiche  unnöthige  neue 
Namen  wurden  von  ihm  einzuführen  versucht.  Wirklich  neue  interessante 
Formen  fand  er  dagegen  nur  wenige. 

Wir  müssen  nun  mit  einigen  Worten  die  Leistungen  eines  Beob 
achters,  W.  Focke,  besprechen,  welcher  schon  vor  Perty  im  Jahre  1847 
(58,  1)  einige  seiner  Erfahrungen  über  die  Flagellaten  mitgetheilt  hat, 
während  die  Avichtigere  Fortsetzung  seiner  Studien  erst  im  Jahre  1854 
erschien.  Focke's  Forschungen  über  unsre  Gruppe  waren  gerade  keine 
sehr  ausgedehnten,  doch  widmete  er  einigen  Formen  ein  ziemlich  ein- 
gehendes Studium.  Obgleich  er  sich  in  seiner  allgemeinen  Auffassung 
unsrer  Wesen  innigst  an  Ehrenberg  anschlosfs,  richtete  er  doch  eine  nicht 
ungerechtfertigte  Kritik  gegen  die  systematische  Unsicherheit  der  Mona^ 
dinenfamilie  Ehrenberg's  und  speciell  gegen  die  zahlreichen  Ehrenberg'- 
schen  Arten  der  Gattung  Monas.  Auch  wies  er  die  Unhaltbarkeit  einiger 
weiterer  Gattungen  Ehrenberg's  nach.  Durch  eigene  Untersuchungen  för- 
derte er  hauptsächlich  das  bessere  Verständniss  einiger  Volvocineen  (spe- 
ciell der  Gattungen  Gonium  und  Pandorinaj  und  verschärfte  in  mancher 
Hinsicht  die  Vorstellungen  über  die  Organisation  der  Gattung  Euglena 
und  der  nächstverwandten  Phacus.  Bei  Chlamydomonas  beobachtete  er 
zuerst  die  contractilen  Vacuolen.  Schwer  verständlich  sind  seine  seltsamen 
und  irrthümlichen  Ansichten  über  die  grosse  Veränderungsfähigkeit,  welche 
er  den  Euglenen  zuschrieb,  indem  er  eine  ganze  Anzahl  verschiedener 
Arten  dieses  Geschlechts  als  Modificationen  einer  und  derselben  Grund- 
form nachzuweisen  suchte. 

In  den  drei  Decennien,  welche  auf  das  Erscheinen  des  Perty 'sehen  Buches  folgten, 
blieb  die  Flagellatenforschuiig  im  Allgemeinen  sehr  zurück.  Nur  die  Kenntniss  der  Volvocineen 
und  Verwandten,  deren  sich  ja  die  Botaniker  mit  Eifer  bemächtigt  hatten,  erfahr  unter  deren 
Händen  sehr  wesentliche  Förderung.  Ausserdem  waren  es  im  Allgemeinen  nur  gewisse,  durch 
besondre  Eigenthümlichkeiten ,  wie  Parasitismus  etc.  interessante  Formen,  welchen  die  Auf- 
merksamkeit sich  zulenkte.  Es  hing  dies  jedenfalls  innigst  zusammen  mit  der  Unsicherheit 
der  Stellung,  welche  unsre  Formen  zwischen  den  beiden  organischen  Kelchen  allmählich  er- 
langt hatten  und  weiterhin  mit  der  falschen  Annahme,  dass  die  grössre  Mehrzahl  derselben 
wohl  gar  keine  sclbstständigen  Formen,  sondern  nur  vorübergehende  Entwicklungsstadien  niederer 
Pflanzen  seien.  Erst  gegen  die  zweite  Hälfte  der  70  er  Jahre  machte  sich  allmählich  das 
Bedürfniss  geltend,  die  grosse  Zahl  der  meist  sehr  unsicher  erkannten  Formen  erneuter  ünter- 
sucimng  zu  unterwerfen  und  dieses  Bedürfniss  fand  dann  seinen  würdigen  Ausdruck  in  dem 
grossen  und  umfassenden  Werk  Friedrichs  von  Stein ,  das  auf  immer  einen  Markstein  in  der 
Geschichte  unsrer  Abtheilung  bilden  wird. 

Ueberschauen  Avir  in  gedrängter  Kürze  die  hauptsächlichsten  Leistungen 
zwischen  Perty  und  Stein,  so  dürften  wir  zunächst  unsre  Aufmerksamkeit 
den  Fortschritten  auf  dem  Gebiet  der  Volvocinen  zuzulenken  haben.  Mit 
der  Gattung  Volvox  selbst  beschäftigten  sich  zunächst  in  ziemlich  eingehen- 
der Weise  zwei  englische  Beobachter,  Williamson  (1851  u.  54,  Nr.  71,  u.  78) 
und  Busk  (1853,  77),  welche  beide   die   schon  früher  ausgesprochne  An- 


640  Flagcllata. 

siebt  über  ibre  vegetabiliscbe  Natur  zu  der  ibrigen  macbten.  "Weiterbiii 
schritten  sie  auf  dem  von  Laurent  eröffneten  Weg  fort,  indem  sie  sämmt- 
licbe  von  Ebrenberg  unterscbiednen  Volvoxarten  für  Modificatiouen  einer 
und  derselben  Species  erkläreu  wollten,  worin  sie  eutscbieden  zu  weit 
gingen.  Sehr  wicbtig  war  dagegen  der  von  B  u  s  k  gelieferte  Nachweis, 
dass  Ebrenberg's  Gattung  Sphaerosira  gleichfalls  zu  Volvox  gehöre.  Zwar 
blieb  ihm  noch  die  wahre  Beziehung  dieser  Sphaerosira  zu  Volvox  ver- 
borgen: dass  dieselben  nämlich  die  männlichen  Individuen  einer  gewissen 
Volvoxart  darstellte;  dagegen  beobachtete  er  zuerst  die  Entwicklung 
der  Spermatozoidienhaufen  näher,  hielt  sie  aber  für  Tochterstöcke  und 
den  ganzen  Vorgang  also  der  gewöhnlichen  Fortpflanzung  des  Volvox 
vergleichbar.  Bemerkenswerth  erscheint,  dass  ßusk  zuerst  die  contractile 
Vacuole  der  Volvoxzellen  sicher  nachwies,  welche  Beobachtung  dann 
zuerst  Claparede  und  Lachmann  bestätigten  (104). 

VVilliamson's  Hauptverdienst  besteht  in  einer  genaueren  Unter- 
suchung der  Zusammensetzung  der  Volvoxkugeln.  Er  wies  zuerst  nach, 
dass  jede  Zelle  in  eine  besondere  weitabstehende  und  dicke  Hülle  ein- 
gelagert sei,  und  dass  alle  diese  Hüllen  in  ihrer  Zusammenlagerung  eine 
sehr  charakteristische  hexagonale  Zeichnung  auf  der  Volvoxkugel  her- 
vorrufen. 

Knüpfen  wir  an  diese  Untersuchungen  der  beiden  englischen  Forscher 
gleich  die  Bemerkung  an,  dass  sich  auch  Fr.  Stein  etwa  um  dieselbe 
Zeit  mit  Untersuchungen  über  Volvox  beschäftigte  und  als  Frucht  seiner 
Bemühungen  1854  (83)  die  wichtige  Mittheilung  machen  konnte,  dass  sieb, 
im  Gegensatz  zu  den  Resultaten  der  englischen  Forscher,  zwei  sichere 
Arten  unterscheiden  Hessen,  In  der  gleichen  Arbeit  konnte  Stein  auch 
noch  über  die  Fortpflanzung  einiger  verwandter  Flagellaten  (Chloro- 
gonium  und  Spondylomorum)  berichten. 

Wie  wir  von  früher  wissen,  hatte  Cohn  durch  seine  Arbeit  über 
Haematococcus  schon  mit  Erfolg  das  Gebiet  der  Flagellaten  betreten; 
jetzt  wandte  auch  er  sich  der  Erforschung  der  eigentlichen  Volvocineen 
zu  und  eröffnete  die  Reihe  seiner  wichtigen  Arbeiten  mit  der  Schilderung 
einer  neuen  und  sehr  interessanten  Form,  der  Stephanosphaera  pluvialis 
(1853,  81).  Vier  Jahre  später  (101)  konnte  er  in  Gemeinschaft  mit 
Wichura  die  Kenutniss  dieser  Gattung  weiter  vervollständigen. 

Von  viel  grösserer  Bedeutung  jedoch  erscheint  es,  dass  Cohn  im 
Jahre  1856  (91)  zuerst  das  richtige  Verstäudniss  für  die  Fortpflanzungs- 
erscheiuungen  der  Gattung  Volvox  eröffnete.  Zwar  lagen  die  thatsäch- 
lichen  Materialien  zur  Feststellung  der  geschlechtlichen  Fortpflanzung  des 
Volvox  ziemlich  ausreichend  vor,  wie  wir  schon  gesehen,  es  bedurfte  je- 
doch zu  ihrer  richtigen  Würdigung  eines  genialen  verbindenden  Blicks 
und  diesen  besass  Cohn.  Doch  waren  auch  eigene  Untersuchungen  nöthig, 
um  die  Bedeutung  der  Spermatozoon  etc.  festzustellen.  Als  Resultat  der 
Cohn 'sehen  Bestrebungen  ging  hervor,  dass  sich  Volvox  gewöhnlich 
parthogenetisch  fortpflanze,  dass  jedoch  hierauf  geschlechtliche  Vermehrung 


/  Geschichte.  641 

eintrete  und  zwar  Hessen  sich  zwei  Spccies  unterscheiden,  eine  getrennt 
geschlechtliche  und  eine  hermaphroditische,  welche  beide  mit  den  schon 
von  Stein  unterschiednen  zusammenfielen.  Dagegen  gelang  es  damals 
noch  nicht,  die  Weiterentwicklung  der  befruchteten  Eier  festzustellen. 

Carter  (106)  bestätigte  im  Jahre  1859  die  Erfahrungen  über  die 
geschlechtliche  Fortpflanzung  des  Volvox  im  Allgemeinen  und  konnte  auch 
in  Bombay  eine  monöcische  und  eine  diöcische  Art  nachweisen.  Nur  in 
einem  Punkt  gelangte  er  erheblich  weiter  wie  Cohn,  indem  er  zuerst 
die  Entstehung  der  geschlechtlichen  Generation  in  der  ungeschlechtlichen 
genauer  ermittelte. 

Verhältuissmässig  spät  nach  seiner  Begründung  der  Fortpflanzungs- 
lehre des  Volvox  schritt  Cohn  1875  (147)  nochmals  zu  einer  Zusammen- 
fassung eigner  und  fremder  Erfahrungen  über  diesen  Gegenstand,  ohne 
dieselben  jedoch  in  irgend  welchen  principiell  wichtigen  Theilen  zu 
verändern. 

Auch  die  Kenntniss  nächstverwandter  Volvocineen  hatte  in  der 
Zwischenzeit  von  verschiedner  Seite  nicht  unerhebliche  Förderung  erfahren. 

Zunächst  beschäftigte  sich  Cohn  1854  (86)  mit  einer  sehr  gründlichen 
Erforschung  der  Gattung  Gonium,  ohne  dass  jedoch  das  Studium  dieser 
Form  zu  ähnlichen,  allgemein  wichtigen  Resultaten  geführt  hätte,  wie  das 
von  Volvox.  Natürlich  zweifelte  Cohn  nicht  an  der  vegetabilischen  Natur 
dieser  Gattung,  worin  ihn  auch  ihre  contractilen  Vacuolen,  die  er  ent- 
deckte, nicht  irre  machten.  Auch  Fresenius  beschäftigte  sich  im  Jahre 
1856  (98)  mit  dieser  Gattung  und  der  verwandten  Pandorina,  deren  Orga- 
nisation er  genauer  ermittelte  als  dies  vor  ihm  geschehen  war.  Wir  ver- 
vollständigen unsre  historischen  Bemerkungen  über  die  Gattung  Gonium 
gleich  durch  die  Notiz ,  dass  Warming  und  Cohn  gleichzeitig  im  Jahre 
1876  (156  und  162)  die  schon  von  Dujardin  beobachtete  vierzellige  Gonium- 
art   (G.  sociale)   wiederfanden  und  eingehend  studirten. 

Besonders  wichtige  Aufschlüsse  über  die  mit  Volvox  zunächst  ver- 
wandte Gattung  Eudorina  konnte  Carter  im  Jahre  1858  (105)  veröffent- 
lichen und  darin  nachweisen,  dass  sich  bei  dieser  Gattung  eine  geschlecht- 
liche Fortpflanzung  findet,  welche  der  von  Volvox  direct  vergleichbar  ist. 
Im  Jahre  1859  (106)  vervollständigte  er  seine  Beobachtungen  noch  weiter, 
ohne  jedoch  eine  ziemliche  Zahl  zweifelhafter  Punkte  vollständig  zu  lösen, 
welche  theils  durch  Vermischung  der  beiden  Gattungen  Pandorina  und 
Eudorina,  theils  durch  eine  Anzahl  nicht  sicher  aufgeklärter  Beobachtungen 
hervorgerufen  wurden.  Erst  1875  gelang  es  dann  Goroshankin  (154), 
die  geschlechtliche  Fortpflanzung  der  Eudorina  wieder  eingehend  zu  stu- 
diren  und  unsre  Kenntniss  wesentlich  zu  vervollständigen. 

Einen  besonders  wichtigen  Beitrag  zur  Fortpflanzungsgeschichte  der 
Volvocineen  verdanken  wir  Pringsheim,  welcher  im  Jahre  1869  nach- 
wies, dass  auch  im  Leben  der  Pandorina  geschlechtliche  Fortpflanzung 
auftrete,  jedoch  in  viel  primitiverer  Weise  als  bei  den  Gattungen  Volvox 
und   Eudorina,   indem  die   sich   copulirenden  Zellen   der  Pandorina  noch 

Bronn,    Klassen  des  TLier-Reiclis.    Protozoa.  41 


ß42  Flagellata. 

nicht  die  scharfe  Diiferenzirung  in  Spermatozoen  und  Eizellen  zeigen, 
sondern  im  wesentlichen  freigewordne,  übereinstimmend  gestaltete  Schwärm- 
zellen darstellen.  Auch  die  allgemeine  Organisation,  sowie  die  unge- 
schlechtliche Vermehrung  von  Pandorina  studirte  Pringsheim  genauer. 
Der  Vorgang  der  geschlechtlichen  Fortpflanzung  der  Pandorina  vermittelte 
dann  die  Verknüpfung  mit  den  entsprechenden  Erscheinungen  verwandter, 
nicht  koloniebildender  Formen,  welche  theils  schon  früher,  theils  später 
aufgefunden  wurden,  derjenigen  Formen  nämlich,  welche  sich  um  die 
Gattungen  Chlamydomonas  und  Haematococcus  gruppiren.  Die  Vermeh- 
rung, welche  unsre  Kenntniss  dieser  Formen  in  der  Zwischenzeit  erfahren 
hatte,  muss  uns  jetzt  noch  kurze  Zeit  beschäftigen. 

Die  mit  Chlamydomonas  sehr  nahe  verwandte  Gattung  Polytoma 
untersuchte  Ant.  Schneider  im  Jahre  1854  (84)  genauer;  auch  Cohn  (86) 
beschäftigte  sich  gleichzeitig  mit  diesem  Wesen  und  wollte  es  sogar  direct 
zu  Chlamydomonas  ziehen.  In  ähnlicher  Weise  förderte  Schneider 
auch  die  Kenntniss  der  Gattung  Chilomonas  und  lieferte  Beiträge  zur 
Fortpflanzungsgeschichte  des  Chlorogonium,  dessen  Kuhezustände  er  zuerst 
auffand. 

Mit  der  Vermehrung  des  Chlamydomonas  im  ruhenden  Zustand 
beschäftigte  sich  Fresenius  in  den  Jahren  1856  und  1858  (98,  102).  Die 
ersten  Erfahrungen  über  einen  geschlechtlichen  Fortpflanzungspro- 
cess  bei  einem  nahe  verwandten  Organismus  machte  im  Jahre  1858  (105)  der 
unermüdliche  Carter,  welcher  gleichzeitig  auch  die  Vermehrung  von  Chla- 
mydomonas einer  erneuten  Untersuchung  unterwarf.  Die  Form,  bei  welcher 
Carter  eine  geschlechtliche  Fortpflanzung  sehr  wahrscheinlich  machte, 
war  der  schon  Ehrenberg  bekannte  Phacotus  lenticularis.  Es  gelang 
Carter  hier  die  Bildung  zahlreicher  sehr  kleiner  Sprösslinge,  sogen.  Mikro- 
gonidien,  zu  beobachten,  deren  copulative  Vereinigung  mit  weiblichen 
Sprösslingen,  welche  durch  Zerfall  andrer  Individuen  in  eine  geringe  Zahl 
von  Theilproducten  entstanden,  sehr  wahrscheinlich  gemacht  wurde. 

Auf  Grund  dieser  Erfahrung,  sowie  bei  Berücksichtigung  der  Ergeb- 
nisse über  die  geschlechtliche  Fortpflanzung  von  Volvox,  musste  sich 
natürlich  die  Vermuthung  aufdrängen,  dass  auch  die  bei  Haematococcus 
beobachtete  Mikrogonidienbildung  eine  Bildung  männlicher  Schwärmzellen 
darstelle.  Diese  einst  von  Pringsheim  geäusserte  Ansicht  Hess  sich  nicht 
feststellen,  dagegen  zeigte  es  sich  in  den  70er  Jahren,  dass  wenigstens 
bei  Chlamydomonas  und  der  nahe  verwandten  Gattung  Carteria  (Tetraselmis) 
Mikrogonidienbildung  die  geschlechtliche  Fortpflanzung  einleite,  indem 
dieselbe  durch  Copulation  solcher  Mikrogonidien  geschehe.  Für  die 
Gattung  Carteria  vermochte  dies  Eostafinski  im  Jahre  1871  (137)  zu 
zeigen,  später  1873,  1876  (157)  erwies  Reinhardt  dieselbe  Fortpflanzungs- 
erscheinung bei  dem  Chlamydomonas  pulvisculus  und  Goroshankin 
(154)  untersuchte  bei  dieser  wie  verwandten  Form  denselben  Vorgang  sehr 
eingehend. 


Geschichte.  643 

Auch  noch  von  anderer  Seite  hatte  man  sicli  bemüht,  das  Vorkommen  von  Cojnilations- 
erscheinungcn  bei  den  Gattungen  Chlamydomonas  und  Ilaematococcus  nachzuweisen.  Für  die 
letztere  Gattung  versuchte  dies  schon  Veiten  im  Jahre  1S71  (136),  für  die  erstcre  Ant.  Schneider 
187S  (164\  doch  sind  die  Beobachtungen  beider  Forscher  nicht  gut  mit  denen  der  früher  er- 
wähnten in  Einklang  zu  setzen,  und  die  Velten's  bezogen  sich  wohl  sicher  nicht  auf  wirkliche 
Copulationszustände. 

Zur  Vervollständigung  unserer  historischen  üebersicht  über  diese  Vor- 
gänge fügen  wir  hier  gleich  zu,  dass  in  neuester  Zeit  (1882,  195 — 96)  die 
geschlechtliche  Fortpflanzung  gleichfalls  durch  einen  russischen  Forscher, 
Krassilstsch  ik,  für  die  nahe  verwandten  Gattungen  Polytoma  und 
Chlorogonium  erwiesen  wurde.  Nach  einer  andern  Richtung  verfolgte 
Cienkowsky  im  Jahre  1865  (118)  die  Gattungen  Chlamydomonas  und 
Haematococcus,  indem  er  sich  darzulegen  bemühte,  dass  dieselben  durch 
eigenthümliche  Modificationen  ihrer  Theilung  im  ruhenden  Zustand  Ent- 
wicklungsformen darzubieten  vermöchten,  welche  sich  gewissen  Palmella- 
ceen  aufs  innigste  anschlössen,  so  dass  es  nicht  nur  gerechtfertigt  er- 
scheine, sie  zu  dieser  Gruppe  der  Algen  zu  ziehen,  sondern  sie  seien  auch 
geradezu  mit  gewissen  Gattungen  derselben  zu  vereinigen.  Auch  durch 
eingehenderes  Studium  einiger  hierhergehöriger  Formen  brachte  diese 
Arbeit  Vermehrung  unsres  Wissens.  Im  Jahre  1870  (134)  suchte  Cien- 
kowsky dieselben  Beziehungen  auch  noch  bei  zwei  weiteren  Flagellaten- 
formen  nachzuweisen,  einer  Cryptomonas  und  der  Chlamydomonade  Va- 
cuolaria,  indem  er  auch  bei  ihnen  den  Palmellaceen  ähnliche  Entwicklungs- 
stadien auffand.  Auch  die  Entwicklungsgeschichte  des  von  Ehrenberg 
zuerst  gefundnen  sogen.  Colacium  stentorinum  (=  Chlorangium  St.)  stu- 
dirte  er  näher  und  suchte  auch  diesem  eine  Stellung  bei  der  erwähnten 
Algengruppe  zuzuertheilen. 

Wenden  wir  uns  nun  zu  einer  kurzen  Aufzählung  der  Fortschritte 
auf  andern  Flagellatengebieten ,  so  müssen  wir  wieder  zurückgreifen  in 
den  Anfang  der  fünfziger  Jahre.  Cohn  beschäftigte  sich  nämlich  in  seiner 
im  Jahre  1854  erschienenen  Arbeit  (86)  auch  eingehend  mit  der  Flagellaten- 
gattung  Antophysa. 

Auch  die  parasitischen  Flagellaten  erregten  das  Interesse  einer  Reihe 
von  Beobachtern.  Scanzoni  und  Kölliker  studirten  1855  (89)  die  Tricho- 
monas vaginalis  des  Menschen  näher,  welcher  später  auch  Hausmann 
(1870,  130)  und  Hennig  (1870,  133)  ihre  Aufmerksamkeit  zuwandten. 
Davaine  (1854,  88)  hatte  zuerst  auf  das  Vorkommen  von  Monaden  im 
Darmkanal  des  Menschen  aufmerksam  gemacht,  denen  sich  1855  und  59 
auch  Mittheilungen  von  Hassal*)  über  das  Vorkommen  von  Flagellaten 
im  Urin  zugesellten.  Namentlich  die  Flagellaten  des  menschlichen  Darm- 
kanals nahmen  weiterhin  die  Aufmerksamkeit  zahlreicher  Forscher  in  An- 
spruch; so  beschäftigte  sich  mit  diesem  Gegenstand  im  Jahre  1859  und 
60  Lambl  (108-9),  der  auch  noch  späterhin  im  Jahre  1875  (155)  neue 


*)  General  Board  of  healths.  London  185.5,  p.  293.     The  Lancet  Novb.  1859. 

41* 


644  Fiagellata. 

BeobachtuDgcD  liinzulügte.  lieber  ähuliclie  Fälle  berichteten  Eckekrantz 
(1869),  Tham  (1870),  Marchand  (1875)  und  Zeucker  (1878). 

Auch  das  schon  früher  erwähnte  parasitische  flagellatenartige  Try- 
panosonia  fand  neue  Beobachter,  Zunächst  konnte  Eberth  1861(110) 
nachweisen,  dass  auch  im  Darm  gewisser  Vögel  ein  ähnlicher  Organismus 
häufig  vorkomme.  Später  1871  (135)  widmete  Ray  Lankester  dem 
Trypanosoma  des  Froschblutes  seine  Aufmerksamkeit;  auch  Rättig  stu- 
dirte  1875  (150)  diese  Form,  ohne  ihre  Kenntniss  wesentlich  zu  fördern. 
In  neuester  Zeit  (1883,  201)  erhielten  wir,  wie  hier  gleich  bemerkt  werden 
mag,  durch  Mitrophanow  genauere Mittlieilungen  über  die  Trypanosomen 
gewisser  Fische  und  Certes  (1882,  189)  vermochte  eine  hierhergehörige 
Form  im  Darm  der  Auster  nachzuweisen.  Parasitische  Flagellaten  aus 
Insecten  erwähnte  Leydig  1859.  Einen  Versuch  das  über  die  parasitischen 
Flagellaten  bekannte  zusammenzufassen,  machte  Davaine  1875  (152).  Um 
den  historischen  Ueberblick  über  dieses  Gebiet  der  Flagellateuforschung 
zu  beschliessen,  sei  hier  gleich  bemerkt,  dass  auch  Stein  in  seinem  grossen 
Flagellatenwerk  deren  Kenntniss  erheblich  förderte  und  später  1879  (172) 
Lewis,  1880  Cuningham  (183)  und  1882  namentlich  Grassi  (193) 
zu  deren  Kenntniss  beitrugen ;  der  letztere  studirte  eine  ziemliche 
Anzahl  der  bei  Thieren  wie  Menschen  sich  findenden  Formen  ein- 
gehender. 

Indem  wir  wieder  zu  den  freilebenden  Flagellatenformen  zurück- 
kehren, wollen  wir  zunächst  einen  Blick  auf  bis  jetzt  noch  nicht  be- 
sprochene Leistungen  des  schon  mehrfach  erwähnten  englischen  Forschers 
Carter  werfen.  Gelegentlich  seiner  Studien  der  Infusorienwelt  Bombay's 
untersuchte  derselbe  1856  und  57  (100)  namentlich  die  Eugleneu  und 
ihre  nächsten  Verwandten  genauer.  Aus  diesen  Studien  zog  er  zunächst 
das  Resultat,  dass  diese  Formen  in  das  Pflanzenreich  zu  verweisen  seien. 
Ihre  Organisation  erkannte  er  in  mancher  Hinsicht  besser,  namentlich  er- 
mittelte er  zuerst  sicher  die  Existenz  einer  contractilen  Vacuole  und  suchte 
das  Vorkommen  eines  Copulationsprocesses  wahrscheinlich  zu  machen. 
Viel  Mühe  verwendete  er  auf  den  Nachweis  einer  Fortpflanzung  durch 
innere  Keime  oder  Eier,  ohne  jedoch  zu  einem  tiberzeugenden  Resultat 
zu  gelangen  und  indem  er  entschiedene  Missgrifife  beging,  da  er  wenig- 
stens bei  einem  Theil  der  Euglenen  die  Paramylonkörnchen  für  Eier  er- 
klärte. Andrerseits  liess  er  sich  auch  sicher  durch  parasitische  Eindring- 
linge irre  führen.  Weitere  Beiträge  zur  Kenntniss  der  Euglenen  lieferte 
unser  Beobachter  noch  im  Jahre  1869  (130) ,  wo  er  eine  Form  mit  sehr 
interessanter  Cystenbildung  beschrieb  und  sich  auch  mit  Spondylomorum 
näher  beschäftigte,  dem  er  in  sehr  irriger  Weise  nähere  Beziehungen  zu 
Euglena  und  Pandorina  zuschrieb.  Sehr  gut  studirte  Carter  1856  die 
Peranema  trichophorum  (seine  Astasia  limpida),  deren  Schlund,  Kern  und 
contractile  Vacuole  er  wohl  erkannte.  Nach  diesen  Befunden  beurtheilte 
er  denn  diese  Form  als  ein  entschieden  thierisches  Infusor.  Auf  ver- 
schiedene neuo  Formen,  mit  welchen  Carter  im  Laufe  seiner  Untersuchungen 


I 


Geschichte.  (345 

die   Zahl  der   Flagellaten   bcreicbeite,    ist  hier   nicht   der  Ort  näher  ein- 
zugehen. 

Auch  Fresenius  war  noch  weiterhin  auf  unsrem  Gebiet  thätig,  in- 
dem er  1858  (102)  einige  Formen,  worunter  sehr  wahrscheinlich  die 
also  von  ihm  zuerst  gesehene  Gattung  Spongomonas,  studirte  und  später 
1865  (110)  noch  die  interessante  marine  Gattung  Oxyrrhis  wiederfand, 
welche  auch  Cohn  (122)  ein  Jahr  später  beschrieb. 

Die  bekannten  Infusorienforscher  Claparede  und  Lacbmann 
wendeten  in  ihrem  grossen  Werk  (1858—61,  104)  nur  vorübergehend 
ihre  Aufmerksamkeit  den  Flagellaten  zu,  doch  überzeugten  sie  sich  von 
der  Nahrungsaufnahme  gewisser  Formen  und  sahen  den  Schlund  bei 
Peranema. 

Ganz   besondere   Verdienste   erwarb   sich   der  schon  früher  erwähnte 
Cienkowsky    um    die   Erforschung   der    Lebens-   und   Fortpflanzungs- 
geschichte  einer  Reihe   einfacherer  Flagellatenformen.     Er  eröffnete  seine 
Untersuchungen   im   Jahre   1856   (95)   mit  Studien  über  eine  sehr   inter- 
essante Form,   welche  er  später  Monas  Amyli  nannte   (die  ich  jedoch  für 
wahrscheinlich  identisch  mit  dem  Bodo  angustatus  Duj.  sp.  |=  Bodo  gra- 
cilis  St.J    halte).     Cienkowsky   sah    diese   Form    unter  so  eigenthümlichen 
Verhältnissen   sich   entwickeln,    dass  er  zu  der  Ansicht  gelangte,   sie  ent- 
stehe durch  generatio  primaria  aus  den  Stärkekörnern  der  Kartoffelzellen. 
Noch  in  demselben   Jahr   beschäftigte   sich   auch  Regel  (106)  mit  diesem 
Gegenstand,   ohne  jedoch  wesentlich  weiter   zu  kommen,   indem  auch  er 
noch  daran  festhielt,  dass  unsre  Flagellate  direct  durch  Umwandlung  der 
Stärkekörner  ihren   Ursprung   nähme.     Erst  1859   (107)   gelang  es  Cien- 
kowsky, die  Irrigkeit  seiner  ursprünglichen  Ansicht  zu  erweisen,  und  die 
Lebens-   und  Fortpflanzungsgeschichte  des  Bodo  angustatus  damit  sicher 
festzustellen;    endlich   führte  er  im  Jahre  1865  (115)  diese  Untersuchung 
noch   weiter  aus  und   berichtete   gleichzeitig  über   die  Lebens-  und  Fort- 
pflanzungsgeschichte einiger  weiterer   Formen.     Darunter  erregte  nament- 
lich eine  grösseres  Interesse,  die  C.  jetzt   zu   einer  besondern   Gattung 
Pseudospora  erhob  und  welche  er  schon  früher  1858  (103)  und  59  (107) 
eingehender  studirt   hatte.     Dieselbe   dringt   in    die   Zellen    verschiedener 
Fadenalgen    ein   und   lebt  hier   parasitisch.     Schon  früher  hatten  sie  ver- 
schiedene  Beobachter   parasitirend   in   Algen   beobachtet,    so   Pringsheim 
1852,    Carter   1856   (99),   Cohn    1856   (92)    und    gewöhnlich   irrthümlich 
als  eine  Art  Schwärmsporenbildung  (sogen.  Pseudogonidien  Pringsheim's) 
beschrieben.    Cienkowsky  schilderte  gleichzeitig  noch  zwei  ähnliche  para- 
sitirende     Formen     seines     Geschlechtes     Pseudospora.      Eine    derselben 
hatte  schon  früher  Hicks  (1862,  111)  in  ihrem  amöbenartigen  Zustand  im 
Volvox   aufgefunden ,  jedoch   ihre   parasitische  Natur  nicht  erkannt.     Be- 
sonders eingehend  stellte  C.  1865   noch   die  Lebens-  und  Fortpflanzungs- 
geschichte des   Bodo   caudatus   Duj.   sp.   (seiner  Colpodella  pugnax)  dar 
und  theilte  gleichzeitig   noch   Erfahrungen   über   mehrere  andere  Formen 
mit.     Als  Resultat  dieser  Untersuchungen  ergab  sich,  dass  die  erwähnten 


046  Flagellata. 

Flagellateu  häufig  iu  einen  geissellosen  amöboiden  Zustand  übergeben, 
dass  sie  z.  Tb.  in  diesem  Zustand  copulirend  verscbmelzeu  können  und 
zweierlei  rubende  Zustände  zu  bilden  im  Stande  sind;  einen  sogen.  Zell- 
zustand,  der  zur  Vermebrung  der  Art  durcb  Inbaltstheihmg  fübrt  und 
einen  sogen.  Cystenzustand  (Dauerzustand),  der  zu  einer  längeren  Ruhe 
bestimmt  scheint.  Cienkowsky  zog  weiterhin  aus  seinen  Untersuchungen 
den  Schluss,  dass  seine  Monadinen,  zu  welchen  er  jedoch  auch  gewisse 
Heliozoen  (wie  Vampyrella  und  Nuclearia)  rechnete,  tbierischer  Natur 
seien  und  da  sie  einerseits  zu  den  Myxomyceten,  andrerseits  zu  den  Rhizo- 
poden  hinneigten,  den  Uebergang  zwischen  den  beiden  Reichen  ver- 
mittelten. 

Im  Jahre  1870  konnte  er  unser  Wissen  von  den  Flagellaten  durch 
die  genaue  Schilderung  einer  zuerst  von  Fresenius  entdeckten  Form  der 
Spongomonadinen,  der  Gattung  Spongomonas  (Phalansterium  Cienk.pr.p.) 
ansehnlich  erweitern.  Sehr  wichtig  war  weiterhin  die  gleichzeitig  gegebene 
genaue  Schilderung  der  Monas  guttula  Ehrbg.  (seine  Spumella  vulgaris), 
deren  Nahrungsaufnahme  und  Encystirung  er  vorzüglich  darstellte;  einen 
ähnlichen  Encystirungsprocess  entdeckte  er  auch  bei  der  neubeschriebnen 
Gattung  Chromulina. 

Im  Jahre  1876  (159)  berichtete  Cienkowsky  noch  über  eine  jener 
interessanten  Mittelformen  zwischen  Sarkodinen  und  Flagellaten,  wodurch 
seine  soeben  mitgetheilte  Ansicht  über  die  nahen  verwandtschaftlichen  Be- 
ziehungen dieser  Abtbeilungen  eine  erneute  Bestätigung  erhielt.  Die 
Kenntniss  dieser  für  die  Beziehung  der  beiden  Protozoengruppen  so  wich- 
tigen Mittelformen  war  jedoch  schon  durch  frühere  Untersuchungen  an- 
gebahnt worden.  Schon  Dujardin  hatte  auf  die  amöboiden  Gestalts- 
änderungen gewisser  Monadinen  hingewiesen.  Eine  mit  einer  Geissei 
ausgerüstete  Amöbe  hatte  Carter  1864  (117a)  beschrieben;  eine  sehr  ähn- 
liche schilderte  dann  F.  E.  Schulze  im  Jahre  1875  (149)  näher,  und  schon 
18&9  (129)  hatte  auch  Tätern  auf  die  Existenz  derartiger  Formen  auf- 
merksam gemacht,  suchte  sie  jedoch  in  den  Entwicklungskreis  der  ge- 
wöhnlichen Amöben  zu  ziehen.  Eine  der  Cienkowsky'schen  sehr  ähn- 
liche, wenn  nicht  damit  identische  Form  hatte  derselbe  englische  Forscher 
schon  1872  (140)  beobachtet,  doch  für  einen  Schwärmzustand  der  Actino- 
phrys  gebalten.  Beiträge  zur  weiteren  Kenntniss  dieser  Rhizomastigoda 
finden  wir  weiterhin  in  den  Arbeiten  von  Frommentel  (1874),  Bütschli 
(1878),  Stein  (1878),  S.  Kent  (1880)  und  Gruber  (1881). 

Einige  vorzügliche  Beiträge  zur  genaueren  Kenntniss  gewisser  Fla- 
gellatenformen  verdanken  wir  dem  amerikanischen  Forscher  James-Clark, 
dessen  im  Jahre  1867  (125)  erschienene  wichtige  Arbeit  zwar  ihren 
Schwerpunkt  in  der  Schilderung  der  Choanoflagellata  findet.  Doch  unter- 
suchte er  auch  einige  Flagellaten  sehr  genau,  so  die  Gattungen  Oiko- 
monas,  Anthophysa,  Peranema  und  Anisonema,  zu  welchen  er  noch  die 
zwei  neuen,  sehr  interessanten  Gattungen  Bicosocea  und  Codonoeca,  so- 
wie die  in   ihrer   Stellung   etwas   unsichere,    jedoch   höchst    interessante 


Gebchichtc.  (347 

Heteromastix  hinziifilgeu  konnte.  Die  Untersuchiing-en  von  James  Clark 
gehören  zu  den  besten,  welche  auf  diesem  Gebiet  ausgeführt  worden  sind, 
und  die  in  späterer  Zeit  zu  erneuter  Thätigkeit  erwachte  Flagellaten- 
forschung  verdankt  jedenfalls  im  erheblichen  Maasse  seinen  Arbeiten  ihre 
Anregung. 

Auch  der  bekannte  Protozoenforscher  Archer  beschäftigte  sich  ge- 
legentlich mit  einigen  Flagellaten,  so  verdanken  wir  ihm  Beiträge  zur 
Kenntniss  der  Gattungen  Anthophysa  (120),  Anisonema  (1872,  141),  einer 
chlamydomonasähnlichen  Form  (1872,  142),  Vacuolaria  (1880)  und  Trachelo- 
monas  (1880). 

Vor  dem  grossen  Stein'schen  Flagellatenwerk  wurden,  wie  schon  er- 
wähnt, kaum  Versuche  einer  umfassenderen  Behandlung  unsrer  Gruppe 
gemacht;  dennoch  dürfen  wir  hier  zwei  derartige  Unternehmen  nicht  über- 
gehen, welche  aber  beide  wenig  erfolgreich  waren.  Im  Jahre  1866 
suchte  Diesing  in  seiner  Revision  der  Prothelminthen  auch  das  Sj^stem 
der  Flagellaten  zusammenzufassen  und  zu  revidiren.  Da  jedoch  eigene 
Anschauung  der  Formen  dem  Verfasser  sonder  Zweifel  ganz  abging,  so 
erhob  sich  seine  Arbeit  nicht  über  den  Werth  einer  Compilation  von  zum 
Theil  sehr  geringem  Verständniss.  Im  Jahre  1874  schilderte  Frommentel 
in  seiner  ausgedehnten  Arbeit  über  die  „Microzoaires"  auch  die  zahl- 
reichen von  ihm  beobachteten  Flagellaten ;  doch  sind  seine  Untersuchungen 
und  Darstellungen  so  wenig  auf  der  Höhe  seiner  Zeit,  dass  wir  hier  auf 
eine  genauere  Erörterung  derselben  verzichten  dürfen.  Wenn  er  auch 
einiges  Neue  sah,  so  kann  doch  seine  Arbeit  nicht  als  eine  Förderung 
unsres  Gegenstands  bezeichnet  werden. 

Noch  in  die  Zeit  vor  Stein  fallen  im  wesentlichen  auch  die  bemerkens- 
werthen  Arbeiten  zweier  englischer  Mikroskopiker  Dallinger  und 
Drysdale  (1873—1875,  1878  u.  1880).  Dieselben  hatten  sich  die  Auf- 
gabe gestellt,  die  Lebensgeschichte  einiger  Flagellaten  fauliger  Infusionen 
möglichst  genau  zu  erforschen.  Obwohl  die  erzielten  Resultate  nicht  mehr 
in  unsern  historischen  Bericht  gehören,  scheint  es  doch  ratbsam,  an  dieser 
Stelle  gleich  einige  Bemerkungen  über  den  Charakter  ihrer  Arbeiten  bei- 
zufügen. Die  von  ihnen  gegebnen  Lebens-  und  Fortpflanzungsgeschichten 
zeichnen  sich  durch  grosse  Vollständigkeit  und  Bestimmtheit  der  Dar- 
stellung aus.  Die  gefundenen  Fortpflanzungserscheinungen  lassen  sich  im 
Allgemeinen  denen  anreihen,  welche  schon  Cienkowsky  früher  kennen 
lehrte.  Bei  gewissen  Formen  gehen  jedoch  unsre  Forscher  bis  zur  An- 
nahme so  kleiner  Keime  oder  Sporen,  dass  die  heutigen  optischen  Hülfs- 
mittel  zu  deren  Wahrnehmung  nicht  mehr  ausreichen. 

Da  nun  aber  mancherlei  in  ihren  Darstellungen  sich  auf  Grund  ander- 
weitiger Erfahrungen  als  positiv  unrichtig  nachweisen  lässt,  wie  wir  später 
sehen  werden ,  und  andrerseits  auch  die  beiden  englischen  Forscher  in 
der  Deutung  mancher  Organisationsverhältnisse  der  untersuchten  Formen 
eine  merkwürdige  Unkenntniss  verrathen,  sowie  es  verschmäht  haben,  die 
Arbeiten  andrer  Beobachter  auf  diesem  Gebiet  auch  nur  im  Geringsten  zu 


648  Flagellata. 

berücksicbtigeu,  so  scheint  es  geboten,  manche  der  so  positiven  Angaben 
unsrer  beiden  Forscher  zunächst  mit  einer  gewissen  Reserve  zu  betrach- 
ten, bis  eine  genauere  Nachuntersuchung  ihre  Berechtigung  aufge- 
klärt hat. 

Unter  den  biologischen  Erfahrungen  unsrer  Forscher  sind  namentlich 
diejenigen  über  die  Widerstandsfähigkeit  der  Keime  gegen  die  Wirkung 
erhöhter  Temperatur  von  besondrem  Interesse,  worüber  Dallinger  im  Jahre 
1880  noch  eine  besondre,  eingehende  Arbeit  verötfentlichte,  deren  Resultate 
mir  jedoch  aus  den  schon  oben  namhaft  gemachten  Gründen  einer  Con- 
trole  bedürftig  erscheinen. 

Um  unsre  Uebersicbt  der  vorstein'schen  Epoche  der  Flagellatenfor- 
schung  zu  vervollständigen,  wäre  hier  noch  nachzutragen,  dass  Häckel  im 
Jahre  1870  einen  eigenthümlichen  marinen  Organismus,  die  sogen.  Mago- 
sphaera  entdeckte*),  der  er  nahe  Beziebungen  zu  den  Volvocineen  zuschrieb, 
obgleich  er  es  vorzog,  eine  besondre  Gruppe  der  Catallacten  seiner  Pro- 
tisten zur  Aufnahme  dieser  Form  zu  errichten.  Dieser  in  seiner  Stellung 
bis  jetzt  noch  zweifelhafte  Organismus  gab  dann  später  mehrfach  Veran- 
lassung, echte  und  sichere  Flagellaten,  wie  die  Gattungen  Synura  und 
Uroglena  zu  dieser  Gruppe  hinzuziehen  zu  wollen,  namentlich  suchte 
dies  Grimm  1872  und  73  durchzuführen,  indem  er  einen  der  Mago- 
sphaera  ähnlichen  Entwicklungsgang  auch  hei  diesen  beiden  Gattungen 
nachweisen  wollte. 

Kurz  vor  das  Erscheinen  der  Stein'schen  Flagellaten  fällt  eine  Arbeit 
Bütschli's  über  eine  Reihe  hierhergehöriger  Formen  (1878,  171).  Das 
Bedürfniss  nach  einem  genaueren  Verständniss  der  Organisation  unsrer 
Gruppe  hatte  diese  Arbeit,  welche  noch  weiter  ausgedehnt  werden  sollte, 
hervorgerufen.  Sie  sucht  daher  auch  wesentlich  die  Bauverhältnisse  der 
studirten  Formen  genauer  zu  ermitteln. 

Ende  des  Jahres  1878  publicirte  Stein  den  1.  Band  seines  umfassen- 
den Flagellaten  Werkes,  an  dem  er  mehrere  Jahre  andauernd  gearbeitet 
hatte.  Leider  liegt  auch  bis  heute  nur  dieser  1.  Band  vor,  der  die  äusserst 
eingehende  geschichtliche  Einleitung  (jedoch  ebenfalls  nur  deren  erste  Hälfte 
etwa)  und  die  Tafeln  brachte.  Aus  diesen  und  den  zahlreichen  in  die 
historische  Besprechung  eingestreuten  Bemerkungen  ergibt  sich  jedoch 
auch  schon  Vieles  über  des  Verfassers  Ansichten.  Das  Werk  wird  wegen 
des  Reichthums  der  geschilderten  und  vorzüglich  illustrirten  Formen,  wie 
wegen  der  anerkannten  Genauigkeit  der  Stein'schen  Untersuchungen  stets 
als  ein  grundlegendes  bezeichnet  werden  müssen.  Wir  dürfen  daher  wohl 
mit  Recht  eine  neue  Epoche  der  Flagellatenforschung  mit  seinem  Erscheinen 
beginnen  lassen,  eine  Epoche,  deren  weitere  Entwicklung  erst  die  Zukunft 
bringen  soll.  Der  reiche  Inhalt  des  Stein'schen  Werkes  wird  später- 
hin seine  Darstellung  finden;  hier  wollen  wir  nur  weniges  über  den  Um- 


*)  Jenaische  Zeitschr.  f.  Med.  ii.  Nat.  VI.  1871. 


(icbcliiclitc.  649 

fang,  welchen  Stein  seinen  Flngellaten  gibt,  bemerken.  Für  Stein  gelten 
alle  diejenigen  Formen  als  thieriscbe  Flagellaten,  die  mit  dem  Besitz  von 
Geissein  das  Vorbandensein  eines  Kernes  und  contractiler  Vacuolen  ver- 
binden. Daher  sind  ihm  auch  alle  Volvocineen,  welche,  wie  früher  ge- 
zeigt wurde,  die  Botaniker  seit  längerer  Zeit  für  sich  beanspruchten,  echt 
thieriscbe  Formen.  Die  Gegenwart  dieser  beiden  Organisationsbestand- 
theile  glaubt  er  als  entscheidende  Kriterien  der  thieriscben  Natur,  gegen- 
über den  nächststehenden  einzelligen  Pflanzen  und  den  Schwärmsporen 
der  Algen,  auffassen  zu  dürfen.  Dabei  hatte  er  übersehen,  dass  gerade 
bei  den  Schwärmsporen  gewisser  Algen  contractile  Vacuole  wie  Kern 
schon  früher  beobachtet  worden  waren,  womit  diese  künstliche  Grenze  der 
beiden  organischen  Reihen  eigentlich  hinfällig  war,  bevor  sie  aufgestellt 
wurde.  Auf  diesen  schwachen  Punkt  der  Stein'schen  Flagellatenbegren- 
zuug  wiesen  dann  auch  schon  1879  Maupas  (175)  und  G.  Entz  hin. 

In  der  kurzen  Zeit,  welche  seit  dem  Erscheinen  des  1.  Bandes  der 
Stein'schen  Flagellaten  verflossen  ist,  sind  nichtsdestoweniger  einige 
wichtige  Arbeiten  über  unsre  Gruppe  publicirt  worden.  Meresch- 
kowsky  studirte  1879  (174)  eine  Reihe  Formen  des  nördlichen  Russ- 
lands und  im  Jahre  1880  begann  S.  Kent  die  Publication  seines  umfang- 
reichen Werkes  „A  manual  of  infusoria".  Dasselbe  stellte  sich  die  Auf- 
gabe, eine  umfassende  Darstellung  sämmtlicher  beschriebner  Mastigophoren 
und  Infusorien  zu  geben.  Obgleich  daher  vielfach  nur  Compilation,  hat 
der  Verfasser  doch  seit  einer  Reihe  von  Jahren  die  Flagellaten  auch 
selbst  studirt  und  daher  umschliesst  seine  Arbeit  auch  eine  reiche  Fülle 
eigner  Studien  und  Beobachtungen. 

Da  dieselben  im  speciellen  Theil  zur  Betrachtung  gelangen  müssen, 
so  sei  hier  nur  unser  Urtheil  über  die  Gesammtbedeutung  des  Werkes 
hervorgehoben.  Kent's  werthvolle  Bestrebungen  werden  leider  z.  Th. 
etwas  beeinträchtigt  durch  einen  Mangel  an  Kritik  der  zu  verwerthenden 
Arbeiten.  Dieser  Mangel  an  kritischer  Beurtheilung  seiner  Vorgänger 
lässt  der  Vermuthung  Raum,  dass  er  auch  z.  Th.  gegen  seine  eignen 
Untersuchungen  nicht  so  kritisch  vorgegangen  ist,  wie  wünschenswerth 
gewesen  wäre. 

Der  neuesten  Zeit  gehören  einige  Arbeiten  von  J.  Künstler  an  (190 
— 92),  dessen  Untersuchungen  über  einige  Flagellaten  ihn  zu  Vorstellungen 
über  die  Bauweise  derselben  führten,  die  von  denen  der  übrigen  Forscher 
sehr  abweichen.  Nach  Künstler's  Untersuchungen,  deren  Hauptergebnisse 
späterer  Darstellung  vorbehalten  bleiben  müssen,  wäre  die  Organisation 
unsrer  Wesen  bei  weitem  nicht  so  einfach,  wie  sie  seither  gefunden 
wurde;  auch  Aväre  es  hiernach  nicht  wohl  möglich,  den  Bau  derselben 
auf  das  Schema  einer  einfachen  Zelle  zurückzuführen,  wie  dies  seit  langer 
Zeit  gerade  für  die  Flagellaten  erwiesen  und  festgehalten  worden  ist. 

Eine  zusammenfassende  Uebersicht  über  die  Fortpflanzungs-  und 
Entwicklungserscheinungen   der    Mastigophoren    überhaupt    veröffentlichte 


650  Flagellata. 


e^ 


neuerdings  Balbiani  (199).  G.  Klebs  (206)  erforschte  die  umfangreiche 
Gruppe  der  Eugleninen  sehr  eingehend  und  seine  Untersuchungen  werden 
uns  daher  im  Folgenden  vielfach  beschäftigen*). 

Unsre  heutigen  Kenntnisse  der  Gruppe  der  Flagellaten  sind,  wie  aus 
der  leider  sehr  angeschwollnen  historischen  Uebersicht  hervorgeht,  ziem- 
lich umfangreiche  geworden ;  dennoch  lassen  noch  sehr  zahlreiche  Orga- 
nisations-  und  namentlich  Fortpflanzungsverhältnisse  eine  genauere  Auf- 
klärung dringend  wünschen.  Dies  ist  um  so  mehr  der  Fall,  da  die  Ab- 
theilung der  Flagellaten  und  die  gesammte  Klasse  der  Mastigophora 
überhaupt,  hinsichtlich  der  nahen  Beziehungen  zwischen  den  beiden  orga- 
nischen Reihen,  wie  rücksichtlich  der  Verwandtschaftsverhältnisse  der 
Protozoenklassen  unter  einander,  ohne  Zweifel  eine  ganz  besondere  Be- 
deutung besitzen. 

2.  Literatur**). 

1.  Harris,  S. ,  Some  microscopical  observations  of  vast  niimbers  of  Aniiualcula  secn  in 
Water.    Pliilosopliical    Transactions   Vol.  19.  f.  tlie  y.  1B95 — 97,   p.  254 — 259    (Euglena). 

2.  Leeuwenhoek ,  A.  v. ,  Epistolae  ad  societat.  regiaiu  anglicam  seu  contiuuatio  mir. 
Arcanorum  Naturae  detectoruui.  Lugd.  Batavorum  1719.  (Opera  oiiinia  T.  III.)  Epistola 
122.  pag.  149—154.  Figg.  (Volvox). 

— ibid.  Epist.144.  pag.  381 — 94  (Haematococcus). 

Opera  omnia  T.  IV.  EpistoJae  physiologicae  p.  284 — 85  (Polytoma). 

3.  Baker,  H. ,  Beiträge  zum  nützl.  n.  vergn.  Gebraucli  ii.  Verbesser,  des  Microscopii  etc. 
(,ins  DeiitscLe  übers.).  Augsburg   1754.  (Volvox  p.  420). 

4.  Geer,  C,  de,  Beskrifning  of  Klot-Maslien.  Vetensk.  Acad.  Handling.  XXII.  1761.  p.  111 
bis  116.  Taf.  III.  (Volvox). 

5.  Wrisberg,  H.  A.,  Obserir.  de  animalcul.  infusor.  satura.  Göttingen  1765. 

6.  *  Müller,  O.  F.,  Vermium  terrestr.  et  fluviatil.  seu  animal.  infusorior.  etc.  historia. 
Havniae  et  Lipsiae  1773. 

7.  Goeze,  J.  A.  E. ,  Bonnet's  kleine  Abhandlungen  zur  Insectologie.  1773,  nebst  einer 
Nachlese  1774  (Goniiim). 

8.  Schrank,  Fr.  Paula  von,   Beiträge  zur  Naturgeschichte    1776  (Gonium  und  Voh'ox). 

9.  Spallanzani,  L.,  Opuscules  physiologiques  anim.  et  vegct.,  tr.  de  l'ital.  p.  J.  Senebier 
et  augm.  etc.  2  Vols.  6  pl. 

10.  Eichhorn,  J.  C,  Beiträge  zur  Naturgesch.  der  kleinst.  Wasserthiere.  Berlin  und  Stettin 
17S]    (.Voh'ox  p.  26,  grüne  Monaden  p.  73). 

11.  Müller,  O.  F.,  (Kongl.  svensk  vetenskabs  Akademien  nya  Handlingar  II.  p.  12.  Taf.  1). 
Kleine  Schriften  aus  der  Naturbistorie.  Dessau  1782,  herausgeg.  von  Goeze.  p.  15 — 21. 
Taf.  4  (Gonium). 

12.  Müller,  O.  Fr.,  Animalcula  infusoria  fluviatilia  et  marina.   Hauniae  1786. 

13.  Girod  de  Chantrans,  C,  Observations  microscopiques  s.  les  plantes  cryptogames.  Bullet. 

des  Sciences,   p.  Ja  societe  philomathique  de  Paris.  1.  p.  42  —  44  (1797). 

Eecherches   chimiques   et  microscopiques   s.   les  Conferves ,   Bisses,   Tremelles  etc. 

Paris  1802.  p.  54  u.   186.  pl.  VIII.  (Haematococcus.) 


*)  Da  die  wichtige  Arbeit  von  Klelis  erst  erschien ,  als  die  grössere  Hälfte  des  Manu- 
scriptes  schon  niedergeschrieben  war,  so  habe  ich  Manches  nicht  so  eingreifend  zu  ändern 
versucht,  als  dies  wohl  geschehen,  wenn  mir  diese  Arbeit  zuvor  bekannt  gewesen  wäre.  Hierzu 
bestimmte  mich  weiterhin  noch  der  Umstand,  dass  ich  durch  eigene,  aus  dem  Jahre  1877 
datirende  Beobaclitungen ,  sowie  durch  üeberlegungen  in  manchen  Punkten  selbstständig  zu 
mit  den  seinigen  übereinstimmenden  Ansichten  gelangt  war. 

**)  Einschliesslich  der  über  die  Craspedomonadina.  (Die  Werke,  welche  auch  diese 
behandeln ,  sind  mit  *  bezeichnet.)  Ueber  weitere  ältere  Literatur  bis  auf  Ehrenberg  siehe 
bei  diesem  Nr.  32. 


Literatur.  651 

14.  Schrank,  Fr.  Paula  von,   Fauna  boica  Bd.  lll.  Isoy.  p.  7(). 

15.  Tiirpin,  P.  J.  F.,  Aperru  organograpliique  sur  le  iiombrc  ücux.  Mein,  du  Mus.  XVI. 
p.  322.  1S2S.   ]   Tf.   (Üonium). 

16.  Ehrenberg,  Chr.  G.,  Die  geographische  Verbreitung  der  Infusioiisthierchcn  in  N.  Afrika 
u.  W.  Asien,  in:  Abh.  der  Berliner  Aliademie  a.  d.  J.   1829.  p.  1—20. 

17. Neue   Beobachtungen   über   blutartige   Erscheinungen   in    Aegypten,    Arabien    und 

Sibirien  etc.  Poggendorfl's  Annalen  Bd.  94.  18,H0.  p.  477—514. 
IS.    Beitrag  zur  Kenntn.  der  Infusorien  u.  ihrer  geogr.  Verbreit.,  besonders  in  Sibirien. 

Abh.  d.  Berl.  Akad.  a.  d.  J.  ISSO.p.  1— 8'>.  8  Tfln. 
19. Ueber  die  Entwiclil.  u.  die  Lebensdauer  d.  Infusionsthierc  etc.  Abli.  d.  Berl.  Akad. 

a.  d.  J.  1831.  p.   1—154.  4  Tfln. 

20.  . Dritter  Beitrag  zur  Erkcnntniss  grosser  Organisation  in  der  Eichtung  des  kleinsten 

Kaumes.  Abh.  d.  Berl.  Akad.  a.  d.  J.  1833.  p.  145-336.  11  Tf. 

21.  Zusätze  zur  Erkenntn.  grosser  organ.  Ausbildung  in  den  kleinsten  thier.  Organis- 
men. Abh.  d.  Berl.  Akad.  a.  d.  J.  1835.  p.  151—180.  1  Tf. 

22.  Donne,  A.,  Rech,  microsc.  sur  la  nature  du  mucus,  Paris  1837  (Trichomonas). 
(Auch:  Cours  de  microscopie.  Paris  1844.  p.  157 — 61.  fig.  33.) 

23.  Dujardin,  F.,  Obserrations  s.  les  rhizopodes  et  les  infusoires.  Compt.  rend.  Ac.  sc. 
Paris  1835.  p.  338—40. 

24.    ßech.   s.   1.  organism.  inf.    Ann.  sc.  nat.   2.  s6r.  Zoologie  (l — III).  Tome  4.  1835. 

p.  343—377.  Tf.  9—11  und  IV.  Tome  V.  1S3G.  p.  193—205.  Tf.  9. 

25.    Note  s.  les  infusoires.  Compt.  rendus  Ac.  sc.  T.  2.  1836,  p.  104 — 107. 

26. Sur  les  infus,  munis  d'un  double  filament  locomoteur.  Ann.  sc.  nat.  2.  ser.  Zool.  T.  8. 

1837.  p.  305—9. 

27.    Sur    le  Volvox    vegetant  de  Müller.  (Antophysa  Bory).     Ann.  sc.  nat.  (2)  T.  10. 

p.  13—16.  Tf.  1,  fig.  6. 

28.  - Sur  les  Monades  ä  filament  multiple  ibid.  T.  10.   1838.  p.  17—20. 

29.    Memoire  sur  l'organisation  des  infusoires.     Ann.  sc.  nat    (2).  Zool.  T.  8.  p.  230 — 

315.  pl.  14—15. 

30.    Sur  les  infusoires  proprem,  dits.  Ann.  franc;..  et  etraug.  d'Anat.  T.  3.   1839. 

31." M6m.  sur  une  Classification  des  infusoires  etc.  Compt.  rend.  Acad.  sc.  Paris    T.  11. 

1840.  p.  281—286. 

32.  *  Ehrenberg,  Chr.  G,,  Die  Infusionsthiere  als  voUkommne  Organismen.  Berlin  und 
Leipzig  1838. 

33.  Dnnal,  F.,  Sur  les  Alges  qui  colorent  en  rouge  certaines  eaux  des  marais  salans  medi- 
terraneens.  Ann.  des  sc.  nat.  II.  s6r.  Botanique.  T.  IX.  p.  172 — 175.  1838  (Haemato- 
coccus). 

34.  Joly,  N. ,  Histoire  d'un  iictit  crustace  (Artemia  salina  Leach.),  amiuel  on  a  faussem. 
attrib.  la  colorat.  en  rouge  des  marais  etc.  Ann.  des  sc.  nat.  Zoologie  (2).  T.  XIII  1840. 
p.  225 — 90.  pl.  7 — 8  (Haematococcus). 

35.  Meyen,  J.,  Noch  einige  Mittheilungen  über  rothen  und  grünen  Schnee.  Arch.  f.  Natur- 
geschichte 1840.  1.  p.  166—71   (Euglena). 

36.  Ehrenberg,  Ch.  G.,  Beobachtungen  von  274  Infusorienarten.  Monatsber.  d.  Berl. 
Akad.   1840.  p.   1*)7— 219. 

37.  Shuttleworth,  R.  J.,  Nouvelles  obseryations  s.  la  matiere  coloraiite  de  la  neige  rouge. 
Bibliothcfiue  universelle  de  Geneve.  T.  XIV.  1840.   1  Tf. 

38.  Werneek,  Untersuchungen  über  mikroskop.  Organismen  in  der  Umgebung  von  Salzburg 
(mitgeth.  von  Ehrenberg).    Monatsber.  d.  Berl.  Akad.  1841.  p.   102—110  u.  p.  373-377. 

39.  Dujardin,  F.,  Histoire  naturelle  des  Zoophytes  Infusoires,  Paris  1841. 

40.  Morren,  Aug.  et  Charl.,  Kecherch.  phys.  sur  les  Hydrophytes  de  Belgi(iue.  3.  Mem. 
Nouv.  Memoires  Acad.  roy.  de  Bruxelles  1841.  T.  XIV.  p.  1-46.  pl.  I— III. 

41.    4.  Mem.  Eech.  sur  la  rubefaction  des  eaux.  p.  1 — 50.  pl.  IV — V. 

42.  Valentin,  G.,  Ueber  ein  Entozoon  im  Blute  von  Salmo  Fario.  Muller's  Arch.  f.  Anat. 
u.  Physiol.   1841.  p.  435.  Tf.  XV.  (Trypanosoma) 

43.  Gluge,  G.,  Ueber  ein  eigenthümliches  Entozoon  im  Blute  des  Frosclie-.  Muller's  Arch. 
f.  Anat.  u.  Physiol.  1842.  p.  148.  (Trypanosoma). 

44.  Mayer,  A.  F.  J.  C. ,  Spicilegium  observationum  anatom.  de  Organo  electrico  in  Kaiis 
aneiectricis  et  de  Haematozois.  Bonnac  1843.  p.  11   u.  p.  10.  Tab.  IlI.  (Trypanosoma). 

45.  Gruby,  M. ,  Sur  une  nouvelle  espüce  d'hematozoaires,  Trypanosoma  sanguinis.  Compt. 
rend.  Ac  sc  Paris.  T.  17.  1843.  p.  1134-1136  u.  Ann,  d.  sc.  nat.  Zool.  (3)  L  184L 
p.  104—107.  Tf.  1.  B. 


652  FlagcUata. 

46.  Gruby  et  Delafond,  Kccherches  s.  Ics  animalcules  se  developp.  daiis  l'estomac  et 
d.  les  intest,  des  anim.  herbiv.  et  carniv.     Compt.   rcnd.  Acad.  1841^.   T.   17.  p.  1304 — 8. 

47.  Hammerschmidt,  C.  E.,  Neues  Entozoon  im  Harn  der  Schlangen.  Heller's  Arch.  f.  phys. 
n.  patholog.  Chemie  u.  Mikrosk.  Jahrg.  1844.  1.  Heft,  p    83.  T.  1.  Figg.  7—8. 

48.  Agassiz,  Geologische  Alpenreisen.  Verfasst  von  E.  Desor.  Frankfurt  a.  M.  1844. 
p.  234—240.  Tf.  1. 

49.  Kützing,  Ueber  die  Verwandlung  der  Infusorien  in  niedere  Algenformen.  Nordhausen  1844. 

50.  riotow,  J.  V.,  üeher  Haematococcus  pluvialis.  Nova  Act.  Ac.  C.  L.  C.  N.  C.  Vol.  XX. 
P.  n.    1844.  p.  413—606.  Tf.  24-26. 

51.  Eichwald,  v..  Zur  Infusorienkunde  Russlands.  Bullet,  soc.  imp.  des  natur.  de  Moscou. 
T.  XVII.  1844    p.  480—635  u.  p.  702-706. 

52.    Erster   Nachtrag  zur  Infusorienkunde   Russlands.     Bullet,   soc.   natur.   de   Moscou. 

T.  XX.  1847.  p.  285—366.  Tf.  VHI— IX. 

53.    Zweiter  Nachtrag.     Ibid.  T.  XXII.  1849.  p.  400—548.  Tf. 

54.    Dritter  Nachtrag.     Ibid.  T.  XXV.   1852.  p.  388—536.  Tf. 

55.  Weisse,  J.  Er.,  Beschreibung  einiger  neuer  Infusorien,  welche  in  steh.  Gewässern  bei 
St.  Petersburg  vorkommen.  Bullet,  physic.  math.  Acad.  de  St.  Pctersbourg.  T.  IV.  1845. 
p.  138—144.  Tf.  1—2. 

56.  Sehmarda,  L.  K.,  Kleine  Beiträge  zur  Naturgesch.  der  Infusorien.     Wien  1846.    2  Tf. 

56  a.  Leidy,  J.,  Proc.  Acad.  n.  sc.  Philadelphia  III.  1846—47.  p.  100—01;  ibid.  V.  1850— 
51.  p.  100;  Amer.  philos.  soc.  Transact.  X.  1853.  p.  241— 44;  Proc.  Ac.  Philadelph.  VIII. 
1856.  p.  42—58. 

57.  "Weisse,  J.  F.,  Ueber  Doxococcus  globulus  nebst  Besclir.  dreier  neuer  Infusorien.  Bullet, 
physic.-mathem.  Acad.  imp.  Petersb.  T.  V.  1847.  p.  225 — 230.  fig    1 — 3. 

58.  Focke,  G.  W.,  Physiologische  Studien.  1.  Heft.  Bremen  1847.  3  Tf  ;  2.- Heft.  1854.  3  Tf. 

59.  Ehxenberg,  Ch.  G.,  Beobachtung  zweier  genetisch  neuer  Formen  des  Frühlingsgewässers 
bei  Berlin  als  lebhaft  grüne  Wasserfärbung.  Monatsber.  d.  Berl.  Akad.  1848.  p.  233 — 37. 

60.  Perty,  M. ,  Die  Bewegung  durch  schwingende  mikroskopische  Organe  im  Thier-  und 
Pflanzenreiche.  Bern   1848. 

61.  "Weisse,  J.  F.,  üeber  die  Vermehrungsweise  des  Chlorogonium  euchlorum  Ehrbg. 
Bullet,  soc.  imp.  de  Moscou,  VI.  848.  p.  312—317.  (Auch  Arch.  f.  Naturgesch.  1848. 
Bd.  I.  p.  68—71.) 

62.  Laurent,  P.,   Sur  la  reproduction   du  Volvox  globator.     Soc.  philom    extr.  proc.  verb. 

1848.  p.  41—42.    1849.   p.   62—64.     (Auch   l'Institut   T.   XVI.    i848.   p.  183—184   und 
XVII.  1849.   p    219—  20.) 

63.  Siebold,  Th.  v.,  üeber  einzellige  Pflanzen  u,  Thiere.    Zeitschr.  f.  wiss.  Zoologie  Bd.  I. 

1849.  p.  270—294. 

64.  Bailey,  J,  "W.,  Microscopical  observations  made  in  South  Carolina,  Georgia  a.  Florida. 
Smithsonian  Contributions  to  knowledge.  Vol.  II.  1850. 

65.  Sehmarda,  L.  K.,  Neue  Formen  von  Infusorien.  Denkschr.  d.  Wien.  Ak.  Bd.  I.  1850. 
II.  Abth    p    9—11.  Taf.  III. 

66.  Cohn,  Perd.,  Nachträge  zur  Naturgesch.  des  Protococcus  pluvialis  Kütz.  etc.  Nov.  Act. 
Acad.  Caes.  Leop.  Vol.  XXII.  P.  II.  1850,  p.  607—764.  Tf   67  A  u.  B. 

67.  Thuret,  G. ,  Recherches  sur  les  zoospores  des  Algues  et  les  anth6ridies  des  crypto- 
games.  Ann    d    sc   nat.  Botanique  (3)  T.  XIV.   1850.  p.  214—260,  pl.  16—31. 

68.  "Wedl,  C,  Beiträge  zur  Lehre  von  den  Hämatozoen.  Denkschr.  d.  Wiener  Akad.  I.  1850. 
2.  Abth.  p.  15-25.  Tf.  V.  (Trypanosoma). 

69.  Gottlieb,  J. ,  üeber  eine  neue  mit  Stärkemehl  isomere  Substanz.  Annalen  der  Chemie 
und  Pharmacie  Bd  75.  1851.  p  51 — 61  (Paramylon  der  Euglena).  Weiteres  siehe 
bei  Habermann,  ibid.  (N.  R)  Bd    96.  1874.  p.  13. 

70.  Braun,  AI.,  Betrachtungen  über  die  Erscheinung  der  Verjüngung  in  der  Natur.  3  Tf. 
Leipzig  1851. 

71.  Williamson,  W.  C, 

Transact.  of  the  litcr.  and  philos.  soc.  of  Manchester,   Vol.  IX.  1851  (Volvox). 

72.  Ecker,  A.,  Zur  Entwicklungsgeschichte  der  Infusorien.  Zeitschr.  f.  wiss.  Zool.  Bd.  HL 
1851—52.  p.  412—15.  Tf.  XIIL  (Cercomonas). 

73.  Leydig,  Zur  Anat.  und  Entwickl.  der  Lacinularia  socialis.  Zeitschr.  f.  wiss.  Zoologie 
Bd.  III.  1851.  p.  474.  Tf.  XVII.  (Trypanosoma). 

Lehrbuch  der  Histologie.   1857.  p.  346. 

74.  "Weisse,  J.  F.,  üeber  die  Lichtscheu  der  Cryptomonas  curvata.  Bullet,  de  la  cl. 
phys -mathem.  Acad.  impcr.  de  St.  P6tersbourg.  T.  VII.  1849.  p.  312 — 13. 


Literatur.  653 

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und  p.  77—83). 

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97.  Merklin,  C.  E.  von,  Nachtr.  Bemerk,  zur  Kartoffelkrankheit.  Bullet,  soc.  imp.  des 
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99.  Carter,  H.  J. ,  Further  observat  on  the  development  of  Gonidia  (?)  from  the  cell- 
contents  of  the  Characeae  and  on  the  circul.  of  the  Mucus-substance  of  the  cell.  Ann. 
mag.  nat.  bist.  (II)  XVIL  1856.  p.  101—127.  pl.  IX. 

100  a.  Notes  on  the  freshwater  infusoria  of  the  Island  of  Bombay.  Ann.  mag.  nat.  his^t. 

(II)  XVIIL  1856.  p.  115-132  u.  221—249.  pl.  V— VIIL 
100b.  Additional   iiotes   on    the   freshwater   infusoria.     Ann.   mag.   nat.    bist.   (11)  XX. 

p.  34.  1857    T.  I. 
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106.    On   Fecundation  in  the  two  Volvoces  and   their   specific,   differences.     Ann.  mag. 

nat.  bist.  IIL  ser.  IIL  1859.  p.  1—20.  PI.   1. 

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de  Moscou.  T.  XXXVI.  1863.  p.  236 — 246.  (Siehe  unter  den  früheren  Verzeichnissen 
in  Bullef  phys.-mathem.  Acad.  imp.  St.  Petersb.  namentl  T.  III.  p.  19  und  333,  V. 
p    39,  VL  p.  106.  VIL  p.  310.  VIIL  p.  297.  IX.  p.  76. 

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leitung in  „Festschrift  der  philosopli.  Facultät  zu  Breslau  zum  50jähr.  Doctorjubiläum 
von  Prof.  Göppert.) 

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Brunn,  Klassen  des  Tliier-lfeii"lis.     Protnzoa.  42 


658  Flagellata. 

:1.  Kurzer  l'eberbliek  der  all«*emeiiieii  Morphologie  des  Flagellateiikörpers 
sowie  der  luteroruppeii  der  Abtheil uiig'. 

Der  Besitz  besondrer  Locomotionsorgane,  der  Geisselii,  weichein 
einfacher  oder  mehrfacher  Zahl  vorhanden,  sich  schon  zur  Erzieliing  eines 
Bewegungseffectes  in  oder  um  einen  gewissen  Körperpunkt  gruppiren 
müssen,  bewirkt  im  Allgemeinen  eine  einaxige  Körpergestalt.  Es  tritt 
denn  auch  fast  stets  eine  deutliche  Hauptaxe  hervor.  Bei  nicht  wenigen 
Formen  ist  die  reguläre  Monaxonie,  abgesehen  von  untergeordneten  Ab- 
weichungen in  der  Lagerung  innerer  Theile,  streng  durchgeführt. 

Ebenso  häutig  oder  vielleicht  noch  häufiger  geht  die  Körpergestalt 
jedoch  in  eine  zweistrahlige  über,  wesentlich  bedingt  durch  die  Anord- 
nungsverhältnisse der  dann  in  mehrfacher  Zahl  vorhandenen  Geissein.  — 
Nicht  selten  leitet  aber  die  monaxone  Gestalt  auch  direet  in  eine  mehi 
oder  weniger  deutlich  bilateral  symmetrische  über,  sei  es  nun,  dass  die- 
selbe sich  nur  in  der  Anordnung  gewisser  Organisationsbestandtheile,  wie 
namentlich  des  Mundes  und  Schlundes  ausspricht,  oder  durch  verschieden- 
artige Ausbildung  der  in  mehrfacher  Zahl  vorhandnen  Geissein  bedingt 
wird,  oder  sei  es,  dass  die  Gesammtgestalt  des  Körpers  eine  deutliche 
Bilateralität  verräth. 

Wie  bei  den  Ciliaten  so  allgemein  finden  wir  jedoch  auch  bei 
den  Flagellaten  nicht  selten  eine  asymmetrische  Modification  der  im 
Allgemeinen  bilateralen  Gestaltung,  indem  sich  wichtige  Organisations- 
bestandtheile aus  der  Mittelebene  verschieben  oder  überhaupt  eine  asym- 
metrische Lagerung  einnehmen,  welcher  auch  die  Gesammtgestalt  des 
Körpers  zuweilen  bis  zu  gewissem  Grade  folgen  kann.  Die  Beurthei- 
hing  aller  dieser  Gestaltungserscheinungen  ist  jedoch  auch  hier  eine 
etwas  schwankende,  da  sie  von  dem  Werthe  abhängig  erscheint,  welchen 
man  einem  oder  dem  andern  Körpcrtheil  bei  der  Bestimmung  der  Grund- 
gestalt beilegt. 

Bei  zahlreichen  Formen  ist  aber  die  Körpergestalt  überhaupt  nicht 
beständig,  wenn  auch  eine  Grundform  gewahrt  bleibt,  indem  viele  einer 
activen  Veränderlichkeit  derselben  fähig  sind,  sei  es  durch  amöboide 
Beweglichkeit,  sei  es  durch  Contractionsvorgänge  des  Plasmaleibes,  die 
sich  im  Allgemeinen  denen  der  Gregariniden  am  meisten  nähern. 

Bestimmend  auf  die  äussere  Gestalt  zahlreicher  Flagellaten  wirkt 
die  Ausbildung  einer  schalenartigen  Hülle,  die  wir  auch  hier  als  einer 
Zellhaut  entsprechend  betrachten  und  den  Schalenbildungen  einfacher 
Rhizopoden  vergleichen.  Wie  meist  bei  diesen  besteht  die  Schale  auch 
hier  stets  aus  organischer  Substanz  und  verräth  den  monaxonen 
Typus  fast  immer  aufs  deutlichste  (selbst  bei  solchen  Formen,  welche 
eine  Hinneigung  zur  Bilateralität  oder  Asymmetrie  zeigen).  Im  Allgemeinen 
müssen  wir  hier  noch  hervorheben,  dass  die  Schalenbildungen  ohne 
Zweifel  in  verschiednen  Gruppen  der  Flagellaten  selbstständig  ent- 
standen sind. 


Allgem.  Morpliologie  (Rhizomastigina).  659 

Bei  dem  aiTgeablicklichen  Stande  iinsrer  Kenntnisse  liat  die  Sonde- 
rung- der  zahlieichen  Flagellaten  in  eine  Anzahl  von  Gruppen  noch  mit 
grossen  Schwierigkeiten  zu  kämpfen.  Indem  die  speciellerc  Begründung 
unsrer  Ansicht  über  diesen  Punkt  auf  den  systematischen  Theil  ver- 
schoben werden  muss,  möge  hier  nur  bemerkt  werden,  dass  im  Allge- 
meinen die  Ausbildungsverhältnisse  des  Geisseiapparates  von  besondrer 
Wichtigkeit  erscheinen,  wenn  auch  nicht  allein  maassgebeud,  und  dass 
wir  hiernach  die  Flagellaten  einstweilen  in  vier  Untergruppen  zerlegen, 
unbeschadet  natürlich  einer  Anzahl  zweifelhafter  Formen,  deren  Einreihung 
ohne  eine  gewisse  Willkür  nicht  auszuführen  ist.  Wir  unterscheiden  daher: 

1)  Monadina.  Formen  von  sehr  einfachem  Bau  und  geringer 
Grösse,  entweder  nur  im  Besitz  einer  einzigen  Geissei  oder  daneben  noch 
1 — 2  kleine  unansehnliche.  Besondre  Mundstelle  entweder  fehlend  oder 
doch  in  sehr  einfacher  Weise  gebildet  und  nicht  in  einen  wohlentwickelten 
Schlund  fortgesetzt. 

2)  Euglenoidina.  Höher  entwickelte  Formen  von  meist  ansehn- 
licherer Grösse  und  fast  stets  nur  mit  einer  ansehnlichen  Geissei,  neben 
der  selten  noch  eine  zweite  kleinere  oder  eine  der  ursprünglichen  gleiche 
zur  Ausbildung  gelangt.  Eine  sogen.  Mundöflfnung  an  der  Geisseibasis 
stets  vorhanden,  welche  sich  gewöhnlich  in  ein  deutliches  Schlundrohr  fort- 
setzt, das  jedoch  keineswegs  immer  zur  Aufnahme  fester  Nahrung  dient. 

3)  Is  0  mas  tigoda.  Mit  zwei,  seltener  vier  bis  fünf  an  dem  einen 
Körperende  entspringenden  Geissein  von  fast  stets  gleicher  Beschaffenheit. 
Besondere  Mundstelle  im  Ganzen  selten  ausgebildet,  zuweilen  jedoch  mit 
Schlund  versehen.  Ernährung  überhaupt  sehr  gewöhnlich  in  vegetabili- 
scher Weise. 

4)  Heteromastigoda.  Kleine  Gruppe  mit  zwei  am  Vorderende 
entspringenden  meist  ansehnlichen  Geissein  von  ähnlicher  oder  ungleicher 
Grösse  und  sehr  verschiedenem  Verhalten,  indem  die  eine  stets  nach  vorn 
gerichtet  ist,  wogegen  die  andere,  nach  hinten  gerichtete,  nachgeschleppt 
wird.  Mundstelle  stets  vorhanden  und  zuweilen  in  einen  ansehnlichen 
Schlund  fortgesetzt. 

i,    Speeielle  Schildeniii»'  der  fiestiiltuiio'sverhältnisse  und   der  Morpho- 

lo«'ie  der  fileisselbewalfiiuiig'. 

In  der  Abtheihing  der  Monadina,  welche  nur  verhältnissmässig  kleine 

Formen  umschliesst,  schwankt  die  Gestalt  vom  Monaxonen  bis  Bilateralen. 

Zunächst  begegnen  wir  hier  einer  Familie,  welche  wegen  der  rhizopoden- 

ähnlichen   Gestaltsveränderlichkeit    ihrer  Angehörigen    wohl    den   Namen 

Rhizomastigina   führen   kann.     Die   hierhergehörigen  Formen  senden 

theils   (Mastigamoeba   T.   39,  Figg.  9,    10)  in   amöbenartiger   Weise  aus 

der   gesammten    Oberfläche  ihres   Körpers   fingerförmige   unverästelte   bis 

mehr  oder  weniger  verästelte  Pseudopodien  aus,  theils  nähern  sie  sich  in 

\hrer  Pseudopodienentwicklung  den  einfacheren  Heliozoen   (wie  Nuclearia 

42* 


660  Flagellata. 

imd  Actiuophrys).  Im  letzteren  Fall  entwickeln  sie  deuinacb  allseitig  feine 
strahlenartige  Pseudopodien  (Cilioplnys,  Diniorpha,  Actinomonas,  T.  39, 
Figg.  7b,  8).  Die  einfache,  selten  doppelte  (Diniorpha)  Geissei,  welche 
die  fraglichen  Formen  zum  grösseren  Theil  dauernd  neben  den  Pseudo- 
podien aufweisen,  entspringt,  wenn  der  Körper  für  gewöhnlich  eine 
Längsstreckung  zeigt,  am  einen  Körperpol  (39,  7).  Der  amöboide  Gestalts- 
wechsel letzterer  Formen  führt  es  jedoch  mit  sich,  dass  die  ürsprnngs- 
stelle  der  Geissei  während  dieses  Wechsels  zuweilen  gewisse  Ver- 
schiebungen erleidet.  Bei  denjenigen  Formen  (wie  Diniorpha,  Actino- 
monas), deren  Körpergestalt,  bei  voller  Entwicklung  der  Pseudopodien, 
eine  heliozoenartig  kuglige  ist,  ist  die  Ursprungsstelle  der  Geissei  nicht 
besonders  gekennzeichnet,  doch  besitzt  Diniorpha  die  Eigenthümlichkeit, 
dass  ihre  beiden  Geissein  im  heliozoenartigen  Zustand  des  Organismus 
auf  der  Unterseite,  d.  h.  der,  mit  welcher  derselbe  aufruht,  befestigt,  und 
daher  schwer  zu  bemerken  sind. 

Unsere  Wesen  zeigen  jedoch  z.  Th,  noch  eine  Gestaltsveränderung 
in  anderer  Eichtang.  So  gehen  Mastigamoeba  und  Dimoipha  aus  dem 
sarkodinenartigen  Zustand  häutig  sehr  rasch  völlig  oder  nahezu  völlig  in 
einen  Flagellatenzustand  über,  indem  die  Pseudopodien  nahezu  (Mastig- 
amoeba T.  39,  10  b)  oder  gänzlich  (Dimorpha)  eingezogen  werden  und 
die  Gesammtgestalt  entschieden  länglich  einaxig  wird.  Die  Geissein 
treten  dann  stets  ans  Vorderende,  und  der  Organismus  bewegt  sich 
schwimmend  mit  ihnen  vorwärts,  wie  eine  typische  Flagellate.  Ein  solcher 
Geslaltswechsel  ist  auch  bei  dem  mit  Dimorpha  nächstverwandten  Cilio- 
phrys  häufig  zu  beobachten ,  jedoch  geben  hier  die  übereinstimmenden 
Beobachtungen  Cienkowsky's  und  ßütschli's  an,  dass  die  Geissei  des 
flagellatenartigen  Zustandes  bei  dem  Uebergang  in  den  heliozoenartigen 
schwindet  und  neu  entsteht,  wenn  der  Organismus  sich  wieder  zu  einem 
flagellatenartigen  umgestaltet  (T.  39,  7). 

Auch  bei  den  sich  hier  zunächst  anreihenden  Monadin  n,  speciell  der 
Gattung  Cercomonas  (T.  39,  Fig.  11)  beobachten  wir  noch  deutlich 
die  Befähigung  zu  amöboider  Gestaltsänderung,  wenn  auch  nicht  mehr  so 
entwickelt  und  mehr  localisirt.  Die  charakteristische  morphologische  Aus- 
zeichnung dieser  monaxonen  Gattung  besteht  in  dem  Besitz  eines  hinteren, 
ansehnlichen  sehwanzartigen  Körperfortsatzes,  der  etwa  eine  Mittelstufe 
zwischen  einem  Pseudopodium  und  einer  Geissei  einnimmt,  während  das 
Vorderende  eine  einfache  Geissei  aufweist.  Sowohl  die  Gesammtgestalt 
der  bierhergehörigen  Formen  kann  bis  zu  gewissem  Grade  in  amöboider 
Weise  veränderlich  sein,  wie  auch  namentlich  das  Hinterende  zuweilen 
der  Sitz  wirklicher  Pseudopodienentwicklung  ist,  in  welche  dann  der 
Schwanzfortsatz  hereingezogen  wird. 

Bei  einer  Reihe  verwandter,  ovaler  bis  stabförmig- gestreckter  ein- 
geisscliger  Formen  tritt  eine  amöboide  Beweglichkeit  wenigstens  im  ge- 
wöhnlichen Zustand  nicht  auffallend  hervor. 


Allgeiii.  Mor2Jlioloj;,ie  (Moiiadiiia).  0(31 

Um  iiiclit  später  uocliinals  auf  die  amöboide  Gestaltsveränderliclikcit  zahlreicher  cuticula- 
loscr  FlagcHatcii  zurückkommen  zu  müssen,  reihen  wir  hier  gleich  einige  Bemerkungen 
iibcr  die  weitere  Verbreitung  dieser  Erscheinung  an.  Eecht  häufig  wird  dieselbe  bei  ver- 
schicdnen  Angehörigen  der  MonadinengruiDpe  wahrgenommen;  so  nicht  selten  bei  Vertretern 
der  Gattung  Oikomonas  (Stein  und  Kent),  bei  Monas,  wo  sich  gelegentlich  stumpfe  Pseudo- 
podien an  selir  verschiednen  Körperstellen  erheben  (Stein  und  Bütschli).  Isolirte  Individuen 
der  zu  der  Familie  der  Dendromonadinen  gehörigen  Anthophysa  sah  Stein  zuweilen  zahlreiche 
sehr  fein  zugespitzte  und  ziemlich  lange  Pseudopodien  aussenden,  wogegen  Kent  bei  dem 
nächst  verwandten  Cephalothamnium  gelegentlich  stumpf  fingerförmige  Pseudopodien  die  ge- 
sauimte  Körperoberfläche  geisselloser  Individuen  bedecken  sah.  (Doch  scheint  mir  letztere 
Beobachtung  etwas  unsicher.) 

Dass  auch  unter  den  Isomastigoda  die  amöboide  Beweglichkeit  nicht  völlig  fehlt,  erweist 
die  Entwicklung  verästelter  spitziger  Pseudopodien  bei  der  sogen.  Pseudospora  volvocis.  Bei 
den  meisten  hierhergehörigen  Formen  tritt  eine  Schalenhülle  der  Aeusserung  der  amöboiden 
Beweglichkeit  hindernd  entgegen,  doch  verräth  sich  die  erhaltene  Fähigkeit  zu  solcher  zu- 
weilen noch ,  wie  bei  Haematococcus  und  Stephanosphaera  durch  Hervorbildung  von  Pseudo- 
podien unter  der  Hülle. 

Ebensowenig  fehlt  diese  Befähigung  den  kleinen  Formen  der  Heteromastigoda  und  findet 
sich  bei  manchen  Angehörigen  der  Gattung  Bodo  sogar  sehr  entwickelt.  Wir  werden  später, 
bei  der  Besprechung  der  Nahrungsaufnahme  und  der  Fortpflanzung  hierauf  noch  specieller 
einzugehen  haben,  wobei  auch  über  die  amöboiden  Erscheinungen  mancher  Formen  der  übrigen 
Gruppen  noch  genaueres  zu  berichten  sein  wird. 

Eine  gewisse  Weiterentwicklung  der  primitiven ,  etwa  ovalen  Gestal- 
tung tritt  uns  bei  einigen  Arten  der  Gattung  Oikomonas  S.  K.  klar 
entgegen,  indem  sich  hier  auf  der  einen  Seite  der  Geisseibasis  ein  lippen- 
artiger Fortsatz  mehr  oder  minder  deutlich  erhebt,  der  zur  Nahrungsauf- 
nahme dient  (T.  40,  Fig.  2).  Noch  schärfer  hat  sich  diese  Bilateralität 
in  der  Familie  der  ßikoecidae  entwickelt,  deren  Angehörige  an  Stelle 
des  bei  Oikomonas  wenig  hervortretenden  Fortsatzes  einen  ziemlich  an- 
sehnlichen und  etwas  schief  von  dem  Vorderende  aufsteigenden  seitlich 
gerückten  Fortsatz  aufweisen,  der  von  Stein  als  Peristom  bezeichnet  wird. 
Dieser  auch  hier  bei  der  Nahrungsaufnahme  ohne  Zweifel  betheiligte  Fort- 
satz ist  bald  mehr  zungenförmig  bis  lippenartig  (Bicosocea  T.  40,  Fig.  11), 
bald  (so  bei  Poteriodendron,  T.  40,  Fig.  10)  scheint  er  sogar  eine  etwas 
trichterförmige  Beschaffenheit  zu  zeigen,  welche  Stein  veranlasst,  ihn  einem 
Kragen  zu  vergleichen.  Im  Zusammenhang  mit  der  ansehnlichen  Geissei*), 
welche  etwa  an  der  Basis  dieses  Fortsatzes  entspringt,  wird  demnach  die 
Gestalt  unsrer  Wesen  ausgeprägt  bilateral  symmetrisch  und  auch  die 
Mundstelle,  welche,  nach  Clark's,  meinen  und  Stein's  Erfahrungen,  im 
Grunde  zwischen  der  Geisseibasis  und  dem  sogen.  Peristomfortsatz  liegt, 
fällt  in  die  Mittelebene  herein.  Mit  Stein  können  wir  daher  hier  von 
einer  Bauchseite,  welche  durch  den  Peristomfortsatz  und  einer  Rückseite, 
welche  durch  die  Geissei  bezeichnet  wird,  reden. 

Eine  ziemlich  ähnliche  Gestaltung  bieten  auch  die  Angehörigen  der 
Familie  der  Den dromo nadinen   (in  unsrem  Sinne)  dar.     Alle  hierher- 


*)  S.  Kent  (1S2)  schreibt  den  hierhergehörigen  Gattungen  noch  eine  zweite  kleinere 
Geissei  zu,  entsprechend  den  Dendromonadinen ,  jedoch  haben  weder  Clark,  Stein,  noch  ich 
von  dieser  zweiten  Geissei  etwas  bemerkt. 


662  Flagcllata. 

gehörigen  Formen  zeichnen  sich  dadurch  aus,  dass  zunächst  an  ihrem 
im  Allgemeinen  ovalen  bis  länglichen  Körper  eine  Mittelebene  dadurch 
deutlich  bezeichnet  ist,  dass  sich  am  Vorderende  dicht  neben  der  Basis 
der  ansehnlichen  Hauptgeissel  noch  eine  oder  zwei  kleine  Geissein  (letz- 
teres ausschliesslich  bei  Monas,  emend.  St.)*)  inseriren,  so  dass  schon 
allein  durch  diese  Geisseiverhältnisse  hier  theils  eine  Zweistrahligkeit 
(Monas),  theils  ein  deutlich  bilateraler  Bau  erzeugt  wird.  Doch  auch  bei 
Monas  (T.  40,  12 ,  13)  deutet  die  einseitig  zur  Basis  der  Hauptgeissel 
(ähnlich  Oikomonas)  verlagerte  Mundstelle  eine  Bilateralität  an.  Noch 
viel  deutlicher  tritt  dies  bei  den  übrigen  Formen  (mit  Ausnahme  von 
Dinobryon  und  Uroglena)  hervor,  indem  sich  bei  diesen  (Anthophysa, 
Dendromonas  und  Cephalothamnium ,  T.  41,  5—8)  einseitig  neben  der 
Hauptgeisselbasis  und  zwar  in  der  Mittelebene  ein  ähnlicher  Fort- 
satz erhebt,  wie  bei  den  Bikoecidae.  Es  scheint  jedoch  fast,  als  ent- 
spräche derselbe  nicht  dem  sogen.  Peristomt'ortsatz  der  letzteren,  da  nach 
den  genauen  Angaben  Stein's  die  Mundstelle  bei  Anthophysa  nicht  in  dem 
Grund  zwischen  der  Basis  der  Hauptgeissel  und  dem  Fortsatz  liegt,  son- 
dern auf  der  entgegengesetzten  Seite  der  Hauptgeissel.  Wenn  wir  daher 
die  Lage  der  Hauptgeissel  zum  Mund  als  entscheidend  für  die  Bestim- 
mung der  Bauch-  und  Rückseite  maassgebend  erachten,  so  fände  der  be- 
sprochene Körperfortsatz  bei  den  Dendromonadinen  seine  Lage  an  der 
Rückseite,  nicht  an  der  Bauchseite,  wie  der  der  Bikoecidae. 

Von  den  Dinobryinen  weist  nur  Epipyxis  den  Fortsatz  nach 
Stein  noch  deutlich,  wiewohl  sehr  zart  auf  (T.  42,  Fig.  2),  während 
Dinobryon  und  Uroglena  ein  einfach  abgerundetes  Vorderende  be- 
sitzen (T.  41,  1  und  3). 

Ungemein  einförmig  ist  im  Allgemeinen  die  Gestaltung  bei  den  so 
zahlreichen  zweigeisseligen  Isomastigoda,  Der  Bau  dieser  mit  zwei 
gleichgestalteten  und  fast  stets  gleich  functionirenden  Geissein  des 
Vorderendes  ausgerüsteten  Formen  ist  bei  der  grossen  Mehrzahl  ein 
regulär  zweistrahliger,  indem  die  beiden  gleichen  Geissein  an  dem  fast 
stets  ziemlich  genau  ovalen,  selten  mehr  kugligen  bis  langgestreckt 
spindelförmigen  Körper  so  eingepflanzt  sind,  dass  sie  zwei  Seiten  mar- 
kiren,  also  eine  Mittelebene,  zwischen  sie  hindurch  gelegt,  den  Körper 
in  zwei  congruente  Hälften  theilt.  Es  scheint  daher  gerechtfertigt,  solch 
reguläre  Formen  zu  einer  Gruppe  der  Regularia  zu  vereinigen,  welcher 
eine  zweite  der  L-regularia  gegenüberstehen  würde,  von  der  es  jedoch 
bis  jetzt  etwas  unsicher  erscheint,  ob  sie  sich  aus  der  ersteren  direct 
ableiten  lässt. 

Die  beiden  Geissein  der  Regularia  entspringen  fast  stets  sehr  dicht 
bei  einander  am  vorderen  Pol,  selten  rücken  sie  etwas  mehr  auseinander, 
oder  es  ist  der  vordere  Körperpol  sogar  in  zwei  Lappen  ausgezogen,  von 


*)  Cienkowsky  und  Stein  fanden  bei  dieser  Gattung  gewöhnlich  zwei,  ich  dagegen  meist 
nur  eine  einzige  Nebengeissel. 


Allg-eui.  Morpliologic  (Isoinastigoda).  (3(33 

welchen  jeder  eine  Geissei  trügt  (so  bei  der  Gattung  Deltomouas  Kent, 
T.  42,  5). 

Wie  schon  früher  erwähnt,  erhöht  sich  jedoch  die  Zahl  der  Geissein 
zuweilen  auf  4 ,  welche  dann  gleichfalls  gewöhnlich  sehr  dicht  bei  ein- 
ander vom  vordem  Pol  entspringen  (so  bei  der  mit  der  zweigeisscligen 
Chlamydomonas  nächstverwandten  Gattung  Carteria  Dies.  =  Tetraselmis 
St. ;  Spondylomorum  und  ähnlich  auch  bei  Collodyction  Carter  [Tetramitus 
St.  p.  p.]  und  Pyramimonas  Schmarda,  vergl.  T,  45).  Doch  scheinen 
auch  bei  einer  naheverwandten  Form,  welche  Archer  (142)  beschrieb,  die 
vier  Geissein  von  vier  weit  von  einander  getrennten  Punkten  zu  entspringen. 

Seltsam  abweichende  Geisseiverhältnisse  zeigt  die  merkwürdige,  noch 
etwas  unsichere  Gattung  Chloraster,  indem  dieselbe  nach  den  über- 
einstimmenden Angaben  Stein's  und  Keut's  5  Geissein  des  Vorderendes 
besitzt,  welche  so  geordnet  sind,  dass  eine  die  Mitte  einnimmt  und  die 
4  anderen  sich  kranzförmig  um  dieselbe  stellen  (T.  45,  Fig.  4 — 6). 

Die  meist  so  deutlich  ausgeprägte  Zweistrahligkeit  der  regulären 
Isomastigoden  erstreckt  sich  häufig  auch  auf  die  Anordnung  innerer 
Organisationsbestandtheile,  indem  in  Einzahl  vorhandene  Theile,  wie  der 
Kern,  das  sogen.  Pyrenoid  etc.  sich  gewöhnlich  in  die  Axe  lagern,  wäh- 
rend zweifach  vorhandne  Theile,  so  häufig  die  contractilen  Vacuolen  und 
die  nicht  selten  in  Zweizahl  vorhandenen  Chromatophoreu  sich  regel- 
mässig zu  beiden  Seiten  der  Hauptaxe  lagern.  Nur  der  sogen.  Augen- 
fleck scheint  sich  wie  anderwärts,  so  auch  hier,  fast  stets  sehr  asym- 
metrisch zu  lagern. 

Nur  selten  treten  besondre  Gestaltungsverhältuisse  des  Körpers  bei 
den  Regularia  auf  und  die  zu  verzeichnenden  Fälle  betreffen  bis  jetzt 
eigentlich  ausschliesslich  solche  Gattungen,  deren  verwandtschaftliche  Be- 
ziehungen zu  den  typischen  Formen  noch  etwas  unsicher  sind.  Bei  den 
Gattungen  Chlor  aste  r  und  Pyramimonas  (T.  45,  5—7)  bildet  sich, 
wohl  im  Zusammenhang  mit  den  schon  geschilderten  besonderen  Geissei- 
verhältnissen eine  vierstrahlige  Gestaltung  aus,  indem  der  Körper  eine 
vierkantige  bis  vierlappige  Form  annimmt.  Bei  der  Gattung  Collo- 
dictyon  Cart.  dagegen  wird  die  Gestalt  deutlich  bilateral,  indem  eine 
ziemlich  breite  Längsfurche  über  die  eine  Seite  des  gesammten  Körpers 
hinzieht,  so  dass  sich  Rücken-  und  Bauchseite  wohl  unterscheiden  lassen 
(T.  45,  3). 

Wir  reihen  der  Betrachtung  der  regulären  Isomastigoda  hier  die 
Schilderung  eines  Formtypus  an,  dessen  directe  Beziehungen  zu  der  be- 
sprochnen  Gruppe  zur  Zeit  sehr  zweifelhaft  erscheinen.  Da  wir  jedoch 
die  verwandtschaftlichen  Beziehungen  der  Gattung  Hexamitus  und  der 
damit  wahrscheinlich  nahe  verwandten  Megastoma  (Grassi)  augen- 
blicklich nicht  sicher  zu  beurtheilen  im  Stande  sind,  so  glauben  wir 
sie  hier  am  geeignetsten  besprechen  zu  dürfen.  Genauer  bekannt 
ist  allein  Hexamitus,  Megastoma  dagegen  noch  ziemlich  unsicher. 
Der  deutlich  zweistrahlige  Körper  der  ersteren  (T.  46,  2),  von  ovaler  bis 


664  Flagellata. 

spindelförmiger  Gestalt  trägt  am  Vorderende  4  gleicblange  Geisselo,  die 
entweder  paarweis  etwas  auf  die  Seite  gerückt  erscheinen  oder  aber 
nahezu  aus  einem  gemeinsamen  Ursprungspunkt  am  vordem  Körperpol 
sich  erheben  können.  Im  Hinblick  auf  diese  vordem  Geissein  Hesse  sich 
wohl  eine  Ableitung  von  den  Isomastigoda  versuchen.  Zu  ihnen  ge- 
sellen sich  jedoch  stets  noch  zwei  Geissein  des  Hinterendes,  welche  ent- 
weder jederseits  aus  dem  breit  abgestutzten  Hinterende  entspringen  oder 
so,  dass  sich  das  schwanzartig  zugespitzte  Hinterende  gleichsam  in 
diese  beiden  Geissein  zu  spaltet.  Nicht  uninteressant  ist,  dass  auch 
bei  dieser  Gattung  zuweilen  (so  namentlich  bei  H.  intestinalis)  einige 
Längskanten  über  den  Körper  hinziehen. 

Die  Gattung  Megastoma  (46,3)  schliesst  sich  zunächst  durch  die 
zwei  Geissein,  in  welche  sich  das  zugespitzte  Schwanzende  fortsetzt,  innig 
au  Hexamitus  an,  weist  jedoch  eine  deutlich  bilateral  symmetrische  Um- 
gestaltung des  Körpers  auf,  indem  sich  eine  Bauchfläche  dadurch  aus- 
gebildet hat,  dass  die  vordere  Körperhälfte  eine  peristomartige  Aus- 
höhlung besitzt.  Leider  sind  bis  jetzt  ihre  weiteren  Geisseiverhältnisse 
nicht  ganz  aufgeklärt,  doch  spricht  das  Bekannte  gleichfalls  für 
den  Anschluss  an  Hexamitus.  Sicher  scheint  nämlicb,  dass  jederseits 
von  dem  hinteren  Rande  des  Peristomausschnitts  ein  Paar  gleichlanger 
Geissein  entspringen,  doch  glaubte  Grassi  häufig  noch  hinter  diesen  jeder 
seits  eine  etwas  kleinere  Geissei  an  den  Seitenwänden  des  Körpers  zu 
beobachten.  Unsere  Form  würde  also,  die  Richtigkeit  dieser  Beobachtung 
vorausgesetzt,  nicht  weniger  als  acht  Geissein  besitzen.  Im  Hinblick  auf 
dieses  Verhalten  der  Megastoma  erscheint  es  nicht  ohne  Interesse,  dass 
ich  bei  meiner  Untersuchung  des  Hexamitus  inflatus  gleichfalls  acht 
Geissein  gesehen  zu  liaben  glaube,  nämlich  ausser  den  paarweis  stehenden 
am  Vorderende  noch  zwei  weitere,  die  in  eine  zu  der  Ebene  der  paar- 
weisen Geisselu  senkrechten  Ebene  gestellt  waren. 

Hinsichtlich  der  Megastoma  sei  hier  noch  bemerkt,  dass  sich  bei  ihr 
auch  eine  Längsrippe  findet,  welche  sich  von  der  Schwanzspitze  über  die 
Mittellinie  der  Bauchseite  bis  zu  dem  Hinterrand  des  Peristomausschnittes 
erstreckt  und  hier  in  einem  Knöpfchen  zu  endigen  scheint. 

Am  deutlichsten  bilateral,  mit  mehr  oder  weniger  Hinneigung  zur 
Asymmetrie  entwickelt  sich  der  Körper  der  Irregularia.  Die  typischen 
Vertreter  dieser  Abtheihing,  die  Gattungen  Chilo-  und  Cryptomonas  ver- 
rathen  diese  Bilateralität  beim  ersten  Anblick  (45,  9 — 10).  Der  im  All- 
gemeinen länglich  ovale  Körper  ist  seitlich  etwas  comprimirt  und  besitzt 
eine  etwas  stärker  convexe  Rückseite.  Hierzu  gesellt  sich  eine  schief 
zur  Rückseite  aufsteigende  Abstutzung  des  Vorderendes  und  häufig  eine 
schwanzartige  Krümmung  des  Hinterendes  nach  der  Rückseite.  Eine 
Reihe  Eigenthümlichkeiten  beweisen  jedoch,  dass,  wie  bemerkt,  eine  asym- 
metrische Bildung  vorhanden  ist.  Das  schief  abgestutzte  Vorderende 
ist  in  eigenthümlicher  Weise  zu  einem  Peristom  ausgehöhlt,  das  sich 
nach  hinten,  als  sogen.  Schlund,  in    den  Körper   hinein   fortsetzt.     Dieses 


Alldem.   Mui|iliuluj;ic  ( l.suiuabliguihi  und  vurw.  l'unuoii).  6()5 

erst  später  genauer  zu  Ijcspreclieiide  Pcristom  ist  min  ganz  entschieden 
asymmetrisch  gebildet,  indem  die  es  seitlich  begrenzenden  beiden  Ränder 
oder  Lippen  sich  verschieden  hoch  erheben,  und  hierzu  gesellt  sich 
weiterhin  noch ,  dass  die  beiden  Geissein  sich  etwas  einseitig  an  der 
höheren  Lippe  des  Peristoms  inseriren. 

Noch  deutlicher  tritt  diese  asymmetrische  Bildung  des  Peristoms  bei 
der  interessanten  Gattung  Oxyrrhis  hervor,  wenn  diese,  wie  höchst  wahr- 
scheinlich, hier  ihre  richtige  Stellung  findet.  Wir  finden  hier  nämlich 
eine  im  Allgemeinen  entsprechende  Peristombildung,  wenngleich  sich  von 
dem  für  die  ersterwähnten  Gattungen  so  charakteristischen  Schlund  nichts 
beobachten  lässt  (T.  45,  12).  Das  Peristom  nimmt  einen  viel  grössern 
Theil  des  Körpers  in  Anspruch  indem  es  sich  etwa  über  dessen  vordere 
Hälfte  ausdehnt.  Auch  die  einseitige  Einpflanzung  der  beiden  Geissein 
treffen  wir  hier  wieder,  jedoch  finden  wir  sie  hier  entschieden  an  der 
linken  Lippe  inserirt  im  Gegensatz  zu  den  erstgenannten  Gattungen. 

Im  Anschluss  au  die  letztbesprochene  Familie  der  Cryptomonadina 
schildern  wir  hier  noch  kurz  den  morphologischen  Aufbau  der  Gattung 
Tetramitus,  welche  vielleicht  in  einer  ähnlichen  Beziehung  zu  der  erwähn- 
ten Familie  steht,  wie  die  viergeisseligen  Formen  der  regulären  Iso- 
mastigoda  zu  den  zweigeisseligen.  Aus  der  ebengemachten  Bemerkung 
geht  schon  hervor,  dass  unsre  Form  sich  durch  den  Besitz  von  vier  aus 
einem  gemeinsamen  Punkt  des  Vorderendes  entspringenden  ziemlich  gleich- 
langen Geissein  auszeichnet  (T.  45,  13).  Was  aber  die  Beziehungen  zu 
den  Cryptomonadinae  namentlich  möglich  zu  machen  scheint',  ist,  dass 
das  Vorderende  bei  Tetramitus  rostratus  mit  einer  eigenthümlich  gebauten 
Peristomaushöhlung  versehen  ist,  deren  Asymmetrie  und  allgemeine  Bil- 
dung lebhaft  an  das  beschriebne  Peristom  von  Cryptomonas  erinnern.  Bei 
Tetramitus  descissus  hingegen  tritt  an  Stelle  dieses  Peristoms  eine  ein- 
fache bis  nahe  zur  Körpermitte  hinabreichende  schiefe  und  etwas  aus- 
gehöhlte Abstutzung  des  Vorderendes  auf. 

Ohne  mit  Bestimmtheit  einen  genetischen  Zusammenhang  mit  der 
Gattung  Tetramitus  behaupten  zu  wollen,  schliessen  wir  derselben  doch 
einige  Formen  an,  über  deren  richtige  Stellung  sich  zur  Zeit  schwierig 
urtheilen  lässt.  Diese  Formen,  die  Gattungen  Trichomastix  (T.  46,  11c), 
Trichomonas  (T.  46,  IIa— b)  und  Polymastix  nähern  sich  in  ihrer 
allgemeinen  Gestaltung  dem  Tetramitus  descissus,  indem  ihr  Hinterende 
gleichfalls  durchgängig  in  einen  feinzugespitzten  längereu  oder  kürzeren 
und  ziemlich  starren  Fortsatz  ausgezogen  ist,  der  zuweilen  wie  ein 
Schwauzstachel  erscheint,  während  der  Körper  selbst  gewöhnlich  eine 
nahezu  spindelförmige  Gestalt  besitzt  und  zuweilen  (Polymastix)  etwas 
abgeplattet  ist.  Eine  Peristombildung  wie  sie  Tetramitus  eigenthümlich 
ist,  scheint  aber  durchaus  zu  fehlen.  Das  etwas  zugespitzte  bis  abgerun- 
dete Vorderende  weist  stets  eine  beträchtliche  Anzahl  von  Geissein  auf. 
In   der   Ausbildung   der   Geisseiverhältnisse   unterscheiden   sich    die    Gat-. 


666  Flagcllata. 

tungen  jedoch  recht  wesentlich.  Die  höchste  Geisseizahl  scheint  Polymastix 
aufzuweisen,  der  Grassi  (193)  zwar  nur  3 — 4,  Künstler  (192)  dagegen 
6  vordere  Geissein  zuschreibt,  welche  gleich  lang  und  sänimtlich  nach 
vorn  gerichtet  sind.  Dagegen  besitzt  die  Gattung  Trichomastix  sicher 
nur  4  Geissehi,  die  aber  interessanter  Weise  ähnlich  den  Heteromastigoda 
dilferent  gebildet  sind.  Drei  kürzere  gleich  lange  sind  nach  vorn  gerichtet, 
eine  vierte  viel  längere  dagegen  ist  stets  nach  hinten  gewendet  und  ragt 
daher  hinten  etwa  um  die  Hälfte  der  Körperlänge  über  die  Schwanzspitze 
hervor. 

Die  Gattung  Trichomonas  schliesslich  besitzt  nur  die  drei  kleineren 
vorderen  Geissein  der  Trichomastix,  an  Stelle  der  hinteren  längeren  findet 
sich  dagegen  ein  über  den  Körper  hinziehender  nndulirender  Saum,  der 
sich  von  der  Basis  der  Geissein  etwa  bis  in  oder  ein  wenig  über  die  Mitte 
des  Körpers  verfolgen  lässt.  Dass  dieser  Saum  morphologisch  mit  der 
hinteren  Geissei  der  Trichomastix  verglichen  werden  darf,  scheint 
sehr  wahrscheinlich,  da  sich  einerseits  bei  der  Trichomonas  Batrachorum 
sein  hinteres  Ende  in  eine  massig  lange  feine,  nach  hinten  gerichtete 
Geissei  fortsetzt  und  anderseits  die  allgemeinen  Bauverhältnisse  der  beiden 
Gattungen  so  übereinstimmende  sind,  dass  ihre  nahe  Verwandtschaft  nicht 
bezweifelt  werden  kann.  Dies  erhellt  namentlich  aus  einer  weitern  Eigen- 
thümlichkeit  der  Gestaltung,  welche  bei  Trichomastix  und  Trichomonas 
Batrachorum  gleichmässig  vorhanden  ist.  Bei  beiden  nämlich  zieht  über 
den  Körper  von  der  Basis  des  Schwanzfortsatzes  ein  feiner  Längskiel  (rl) 
bis  gegen  das  Vorderende,  wogegen  die  Trichomonas  vaginalis  hier- 
von nichts  deutliches  erkennen  lässt.  Wie  gesagt,  ist  ein  abschliessen- 
des Urtheil  über  die  morphologische  Anreihung  der  geschilderten  drei 
Gattungen  zur  Zeit  kaum  möglich,  genauere  Aufschlüsse  über  diese 
und  verwandte  Formen,  welche  sich  parasitisch  noch  weit  verbreitet  zu 
finden  scheinen,  werden  unser  Urtheil  vielleicht  modificiren. 

Im  Anschluss  an  die  seither  besprochnen  Isomastigoda  sei  hier 
noch  einer  Form  gedacht,  über  deren  verwandtschaftliche  Beziehungen 
sich  zur  Zeit  schwierig  eine  zuverlässige  Ansicht  aufstellen  lässt,  Trepo- 
monas  nämlich.  Um  so  interessanter  sind  aber  deren  Gestaltsverhält- 
nisse  (T.  45,  14).  Dieselbe  besitzt  wenigstens  gewöhnlich  zwei  gleiche 
und  ansehnliche  Geissein,  welche  bis  zu  gewissem  Grade  eine  Ableitung 
von  den  Isomastigoda  wahrscheinlich  machen.  Die  Einpflanzung  der- 
selben ist  jedoch  ganz  abweichend  von  den  seither  besprochnen  Formen, 
indem  sie,  weit  von  einander  getrennt,  von  den  Seiten  des  Körpers  ent- 
springen. Höchst  seltsam  gestaltet  sich  der  Körper,  welcher  eine  ganz 
asymmetrische  Bildung  aufweist.  Dieselbe  kommt  dadurch  zu  Stande,  dass 
sich  die  hinteren  Hälften  der  Seitenränder  des  etwas  abgeplatteten  Kör- 
pers, der  vorn  eine  grössere  Breite  besitzt,  jederseits  in  eine  flügelartige 
Fortsetzung  verlängern,  welche  beiden  Flügel  sich  in  entgegengesetzter 
Weise  einkrümmen.  Die  Körpergestaltung  nähert  sich  dadurch  gewisser- 
maassen    dem    Bau    einer    zweiflügeligen    Schiffsschraube.      Die    beiden 


Allgeui.  JMüriilioloyio  (^TriL-liuiiioiuis  etc.,  Eujjleiioidiua).  ßg7 

Geissein  ciitspringeu  zu  den  Seiten  des  Körpers  an  der  vorderen  Ur- 
sprungsstelle der  Flügel*). 

Vielleicht  darf  auch  die  Gattung  D allinger ia  S  Knt.  hier  angereiht 
werden.  Das  etwas  zugespitzte  Vorderende  derselben  (T.  46,  Fig.  12) 
ist  n)it  einer  kleineren  nach  vorn  gerichteten  Geissei  ausgerüstet,  während 
sich  zwei  weitere  und  ansehnlichere  nach  hinten  gerichtete  Geissein  etwas 
vor  der  Mitte  an  den  Seiten  des  Körpers  inseriren.  Wie  die  kurze  Schil- 
derung besagt,  ist  der  Körperbau  ein  regulär  zweistrahliger. 

In  der  umfangreichen  Abtheilung  der  Euglenoidina  herrscht  im 
Grunde  ein  einaxiger  Bau,  der  jedoch  sehr  gewöhnlich  zu  einem  ziemlich 
deutlich  bilateral  symmetrischen  wird  durch  die  ein  wenig  einseitige  Lagerung 
der  Mundöffnung  am  vorderen  Pol,  wozu  sich  jedoch  zuweilen  eine  deut- 
lich bilaterale  Gestaltung  des  gesammten  Körpers  gesellt.  Doch  finden 
sich  auch  in  dieser  Gruppe  Uebergänge  zur  Asymmetrie  vor.  Während 
ein  Theil  der  Formen  keiner  Gestaltsveränderung  fähig  ist,  besitzen  nicht 
wenige  das  Vermögen  ausgiebiger  Gestaltsveräuderiing  durch  Körper- 
contractionen,  wobei  lauggestreckte  Formen  sich  bis  zur  Kugelgestalt  zu- 
sammenzuziehen vermögen.  Immerhin  tritt  auch  bei  diesen  metabolen 
Formen  eine  gewisse  Grundgestalt  im  gestreckten ,  schwimmenden  Zu- 
stand deutlich  hervor.  Im  Speciellen  verrathen  jedoch  die  Euglenoidinen 
eine  ziemHche  Mannigfaltigkeit  der  Gestaltung.  Wir  finden  auch  hier 
alle  möglichen  Uebergänge  von  der  ellipsoidischen  und  eiförmigen,  zu- 
weilen sogar  nahezu  hügligen  Gestalt,  bis  zu  längergestreckten,  mehr 
spindelförmigen,  ja  nahezu  nadel-  und  wurmförmigen  Organismen.  Bei 
den  längergestreckten  tritt  sehr  gewöhnlich  eine  schwanzartige  Zuspitzung 
des  hinteren  Körperendes  deutlich  hervor,  die  jedoch  auch  bei  den  gestalt- 
veränderlichen während  der  Contraction  völlig  eingehen  kann. 

Die  häufig  sehr  ansehnliche  Geissei  entspringt  stets  vom  vorderen 
Körperpol  und  an  ihrem  Grunde  befindet  sich  die  Mundöffnung,  welche 
zwar  nicht  durchweg  mehr  als  eine  wirkliche  Mundöflfnung  zu  func- 
tioniren  scheint.  Wie  gesagt  ist  dieselbe  immer  etwas  einseitig 
gelagert,  bei  der  grossen  Mehrzahl  der  Formen  jedoch  so  wenig, 
dass  die  Geissei  vom  Rande  der  Oeffnung  oder  sogar  etwas  inner- 
halb derselben  ihre  Insertion  findet.  Letztrer  Fall  tritt  bei  der  Fa- 
milie der  eigentlichen  Eugleninen  auf.  Zwar  gibt  Stein  auch  hier 
den  Rand  der  trichterförmigen  Mundöffnung  als  Ursprungsstelle  der 
Geissei  au  und  ich  glaube  gleichfalls  eine  solche  Insertion  der  Geissei 
gewöhnlich  beobachtet  zu  haben;  dem  gegenüber  fand  jedoch  zuerst  Kent 
(182),  dass  die  Geissei  der  Euglenen  aus  dem  Grunde  des  Mundtrichters 
entspringe  und  dasselbe  gaben  unabhängig  von  ihm  etwas  später  auch 
Schmitz   (194)  und   Klebs   (206)   an.      Es  scheint  mir   daher   sehr   wahr- 


*)  Stein  hat  bei   dieser  Form   zuweilen   noch   zwei   hintere  Geissehi  beobachtet,   die  ich 
nie  sah,  und  ich  möchte  vermuthen,  dass  diese  hinteren  Geisseln  eine  Vorbereitung  zur  Längs- 


theilung anzeigen. 


66i<^  I-Jagolluta. 

scbeinlich,  dass  das  letztere  der  Wirklichkeit  entspricbt.  Bei  den 
Petalomonadinae  und  Peraiieminae  dagegen  ist  die  Mundüffnung  etwas 
mehr  von  der  Geisseibasis  nach  hinten  gerückt  und  es  prägt  sich  dann 
noch  deutlicher  eine  Bauchseite  als  diejenige  aus,  welche  die  Mundöffnung 
trägt.  Immerhin  tritt  auch  bei  den  ersterwähnten  Formen  eine  bilaterale 
Bildung  häufig  dadurch  noch  kenntlicher  hervor,  dass  das  Vorderende  etwas 
schief  abgestutzt  ist  und  die  Mundöffnung  sich  der  abgestutzten  Seite  zu- 
wendet. 

Einer  besondern  Einrichtung  des  Vorderendes  begegnen  wir  in  der 
Gattung  Urceolus  Mereschk.  (Phialonema  St.),  da  dasselbe  hier  zu  einem 
trichterförmigen  Peristom  erweitert  ist,  in  dessen  Grund  die  eigentliche 
Mundöffnung  liegt,  an  deren  Rand  sich  die  Geissei  inserirt  (T.  47,  5). 

Eine  deutlich  bilaterale  äussere  Gestaltung  tritt  bei  denjenigen  Formen 
hervor,  welche  einen  entschieden  abgeplatteten  Körper  besitzen  (Petalo- 
monas,  Phacus),  so  dass  wir  eine  Bauch-  und  Rückseite  gut  zu  unter- 
scheiden vermögen.  Doch  geht  bei  letztrer  Gattung  sowohl  dadurch,  dass 
sich  die  Mundöffuung  schief  dem  einen  Seitenrand  zuwendet,  sowie  durch 
eine  Reihe  Gestaltungseigenthümlichkeiten,  wie  die  häufige  Schiefstellung 
der  Schwanzspitze,  oder  durch  schraubenförmige  Windung  des  Körpers 
um  die  Längsaxe  (Phacus  longicauda,  T.  47,  10),  die  Gestalt  auch 
häufig  in  eine  ziemlich  asymmetrische  über. 

Eine  bilaterale  Gestaltung  wird  andrerseits  auch  gewöhnlich  bei  den 
Gattungen  Menoidiura  und  Rhabdomonas  durch  eine  halbmondförmige 
Krümmung  des  Körpers  erzeugt  (T.  47,  17). 

Interessant  ist  weiterhin,  dass  bei  einer  Anzahl  Gattungen  die  Gestalts- 
verhältnisse eigenthümliche  werden,  indem  sich  am  Körper  eine  Anzahl 
Längskanten  entwickeln.  So  finden  sich  auf  der  Rückseite  der  Petalo- 
monas  häufig  ein  mittlerer  oder  zwei  seitliche  Längskiele,  während  über 
die  Bauchseite  häufig  eine  Längsfurche  hinzieht  (T.  47,  2).  Aehnliches 
zeigt  sich  auch  bei  Phacus,  wo  einige  Arten  einen  mittleren  Längskiel 
des'[gewölbten  Rückens  besitzen,  so  dass  bei  Phacus  triqueter  der  Quer- 
schnitt des  Körpers  eine  deutlich  dreieckige  Bildung  zeigt. 

Die  Ausbildung  von  4  stark  hervortretenden  Längskanten  gibt  dem 
Körper  des  Sphenoraonas  St.  (T.  48,  9)  ein  vierstrahliges  Aussehen 
mit  nahezu  quadratischem  Querschnitt.  Die  Zahl  solcher  Längskanten 
ist  bei  dem  sonder  Zweifel  nahe  verwandten  Tropidoscyphus  auf 
acht  erhöht,  welche  entweder  regulär  in  der  Längsrichtung  den  Körper 
überziehen,  um  sich  im  hinteren  zugespitzten  Pol  zu  vereinigen,  oder 
etwas  schraubig  gedreht  den  Körper  umziehen  (T.  48,  10).  Solche  Zu- 
stände mit  beträchtlicher  Vermehrung  der  Längskanten  scheinen  zu  er- 
weisen, dass  letztere  allmählich  in  die  längs-  oder  schraubig  verlaufende 
Cuticularstreifung  übergehen ,  die  sich  bei  nicht  wenigen  Gattungen 
der  Englenoidina  findet,  und  die  wir  späterhin  bei  Betrachtung  der  Cuti- 
cula  noch  eingehender  besprechen  werden. 


Allgem.  Morphologie  (Euglenoidina  und  Hetcroniastigoda).  669 

Wie  früher  erwähnt,  müssen  wir  zn  den  Euglenoidina  eine  An/.ahl 
Formen  (Asta^iii.a  8t.)  ziehen ,  welche  neben  der  llauptgcissel  noch  eine 
zweite  kleinere  Nehengeissel  ciitwiekelt  haben,  die  sich  auch  hier  meist 
dicht  neben  der  Hauptgeissel  ebenfalls  direct  bei  der  Miindölfunng  findet. 
Nur  bei  lleteronema  (T.  48,  7)  ist  diese  Nehengeissel  etwas  mehr  von 
der  Basis  der  Hauptgeissel  nach  hinten  abgerückt  und  nähert  sich  auch 
in  ihrem  sonstigen  Verhalten  der  hinteren  Geissei  der  Ordnung  der  Hetero- 
mastigoda  sehr,  da  sie  für  gewöhnlich  nach  hinten  gerichtet  ist.  Doch 
bleibt  die  hintere  Geissei  hier  noch  beträchthch  kleiner  wie  die  vordere. 
Immerhin  bezeichnet  die  Einpflanzung  der  hintern  Geissei  auch  bei 
Heteronema,  wie  bei  den  Heteromastigoden  sehr  deutlich  eine  Bauchseite. 

Eine  seltsame  Anomalie  bildet  unter  den  übrigen  Euglenoidina  die 
Gattung  Eutreptia  (Perty),  welche  nach  den  neuerdings  von  Kent  und 
Klebs  bestätigten  Angaben  Perty's  mit  einem  durchaus  eugleninenartigen 
Bau  den  Besitz  zweier  gleichlanger,  ansehnlicher  Geissein  des  Vorder- 
endes vereinigt,  sich  also  hinsichtlich  ihrer  Geisseiverhältnisse  durchaus 
wie  eine  isomastigode  Form  verhält. 

Wie  schon  oben  bemerkt,  schliesst  sich  unsere  Gruppe  der  Hetero- 
mastigoda  an  gewisse  zweigeisselige  Formen  der  Euglenoidina  so  nahe 
an,  dass  an  dem  Zusammenhang  zwischen  beiden  Gruppen  schwer  zu 
zweifeln  ist;  es  sind  die  höher  entwickelten  und  grösseren  Formen  der 
Heteromastigoda,  welche  diesen  Zusammenhang  vermitteln,  so  dass  man 
vermuthen  darf,  dass  sich  die  einfacheren  Formen  dieser  Gruppe  durch 
Verkümmerung  aus  den  höheren  ableiten,  wenn  sie  nicht  überhaupt  ohne 
direete  Verwandtschaft  mit  den  letzteren  sind.  Den  gemeinsamen  Cha- 
rakter der  Gruppe  bildet,  wie  früher  bemerkt,  die  Geisselbeschaffenheit. 
Die  stets  vorhandenen  zwei  Geissein  sind  sowohl  in  Länge  wie  Einpflan- 
zung und  Verhalten  sehr  ungleich.  Eine  kleinere,  nach  vorn  gerichtete 
ist  auf  dem  vorderen,  bei  den  Bodoninen  gewöhnlich  deutlich  zugespitzten 
Körperpol  eingepflanzt,  und  ist  das  Hanptbewegungsorgan;  eine  zweite 
längere  Geissei  entspringt  etwas  hinter  dieser  und  wird  nach  hinten 
gerichtet  getragen;  sie  dient  häufig  zu  vorübergehender  Anheftung,  nimmt 
jedoch  auch  in  später  zu  besprechender  Weise  an  den  Bewegungserschei- 
nungen gelegentlich  activen  Antheil.  Schon  durch  die  Einpflanzung,  wie 
die  verschiedene  Ausbildung  dieser  beiden  Geissein  wird  bei  den  hierher- 
gehörigen Formen  eine  deutlich  bilateral-symmetrische  Körperbildung  her- 
vorgerufen, welche  dann  auch  bei  den  einfacheren  Formen,  speciell  der 
Gattung  Bodo  (em.  Stein^  recht  deutlich  hervortritt  (T.  46,  4—6);  deren 
Gestalt  zwischen  dem  ovalen  bis  spindelförmig  gestreckten  schwankt. 
Ein  Theil  der  hierbergehörigen  Formen  wenigstens  ist  jedoch  durch 
amöboide  Beweglichkeit  zeitweise  sehr  gestaltveränderlich.  Wahrschein- 
lich schliesst  sich  die  seltsame  Gattung  Phyllomitus  St.  (T.  46,  7) 
zunächst  an  Bodo  an,  und  zeichnet  sich  hauptsächlich  dadurch  aus,  dass 
die  beiden  Geissein  an  ihrer  Basis  auf  eine  gewisse  Länge  miteinander 
verwachsen  sind.     Weiterhin   scheint   sich  bei  dieser  Form  jedoch  gleich- 


ß70  Flagellata. 

zeitig  eiue  asymmetrische  Gestaltung  deutlich  anzubahuen,  indem  sich 
am  Vorderende  eine  etwas  einseitig  gelagerte  Aushöhlung  (sogen.  Peristom 
Stein's)  gebildet  hat. 

Wir  schalten  hier  einige  Worte  über  eine  von  S.  Kent  beschriebene  Form ,  die  Gattung 
Trimastix  ein,  deren  Stelhmg  sehr  unsicher  erscheint,  die  sicli  jedoch  allenfalls  von  den  Bodo- 
ninen  ableiten  Hesse  durch  Verdoppelung  der  nach  hinten  gerichteten  Geissei  derselben.  Am 
etwas  zugespitzten  Vorderende  dieser  Form  (T.  46,  13)  befestigen  sich  demnach  drei  Geissein, 
von  welchen  sich  zwei  nach  hinten  zurücklegen,  und  zwar  die  eine  in  eine  Furche  der  Bauch- 
seite hinein,  welche  dadurch  gebildet  wird,  dass  sich  der  rechte  Seitenrand  zu  einer  membran- 
artigen Falte  längs  des  Körpers  erhebt.  Diese  Geissei  wird  weiterhin  gewöhnlich  in  schwin- 
gender Bewegung  getroffen,  soweit  sie  sich  an  dem  Körper  herabzieht,  und  erinnert  daher 
auffallend  an  den  undulirenden  Saum  und  seine  Fortsetzung  in  eine  hintere  Geissei  bei  Tricho- 
monas. 

Die  asymmetrische  Gestaltung  finden  wir  sehr  ausgeprägt  bei  den 
höher  entwickelten  Heteromastigodcu  der  Familie  der  Scytomona- 
dina  Stein's. 

Die  Gestalt  ist  hier  deutlich  abgeplattet  und  bei  den  Gattungen  Ani- 
sonema  und  Entosiphon  etwa  oval,  doch  zeigt  bei  beiden  der  allgemeine 
Körperumriss  eine  etwas  asymmetrische  Bildung.  Eine  abgeplattete  Bauch- 
seite unterscheidet  sich  deutlich  von  einer  massig  gewölbten  Rückseite 
und  die  Muudöifnung  ist  auf  dieser  Bauchseite  dicht  hinter  dem  vordem 
Körperrand  gelagert.  Bei  Anisonema  (T.  46,  8)  nimmt  auch  die  hintere 
Geissei  einen  etwas  asymmetrischen  Verlauf,  da  sie  wie  bei  Entosiphon 
etwas  links  von  dem  Vorderende  der  Schlundröhre  (nach  Klebs  aus  dem 
Grunde  der  Mundeinsenkung)  entspringend  sich  bogenförmig  vor  derselben 
auf  die  rechte  Körperseite  begibt  und  hier  längs  einer  Art  seichter 
Rinne,  welche  durch  eine  Hervorwölbung  des  rechten  Randes  der  Bauch- 
fläche erzeugt  wird,  nach  hinten  verläuft.  Auch  in  dieser  Familie  treffen 
wir  die  schon  mehrfach  erwähnte  Längskantenbildung  bei  der  Gattung 
Entosiphon  wieder  an,  deren  Bauch-  und  Rückseite  von  einer  Anzahl 
solcher  Längskanten  wie  gerippt  erscheinen  (T.  46,  9)*). 

Seltsam  abweichend  und  in  ihren  Verwandtschaftsverhältnissen  zu 
den  übrigen  Formen  etwas  zweifelhaft  erscheint  die  Gattung  Colponema 
Stein  (T.  46,  10),  deren  sehr  asymmetrische  Gestalt  sich  am  besten  aus 
der  Abbildung  ergibt.  Eine  tiefe,  vorn  etwas  erweiterte  Längsfurche  zieht 
hier  über  die  Bauchseite,  und  die  hintere  Geissei  entspringt,  abweichend 
von  den  seither  beschriebnen  Formen,  weit  entfernt  von  der  vorderen, 
etwa  in  der  Mitte  des  Körpers  aus  dieser  Bauchfurche. 


*)  In  einer  Anmerkung  glauben  wir  hier  am  besten  einige  Worte  über  ein  sehr  selt- 
sames ,  mit  Anisonema  viel  Aehnlichkeit  bietendes  Wesen  berichten  zu  sollen ,  das  James- 
Clark  (125)  unter  dem  Namen  Heteromastix  beschrieb.  Dasselbe  hesitzt  die  beiden 
Geissein  der  typischen  Anisonemen  und  eine  nicht  unähnliche,  jedoch  durch  lebhafte  Con- 
tractionen  veränderliche  Gestalt.  Mit  dieser  Bauweise  vereinigt  es  jedoch  den  Besitz  einer 
Ciliengruppe,  die  aus  einer  auf  der  vordem  Hälfte  der  Bauchfläche  etwas  schief  nach  hinten 
ziehenden,  breiten  Grube  entspringt.  Sicheres  über  die  Cilienanordnung  ist  leider  nicht  be- 
kannt. Zunächst  scheinen  mir  die  morphologischen  Eigenthümlichkeitcn  dieser  seltsamen  Form 
einen  Zusammenhang  mit  den  Heteroniastigoda  anzudeuten  und  ihren  Anscliluss  an  die  typi- 
schen Cilioflagellaten  nicht  zu  rechtfertigen. 


AUgem.  Morphologie  (Heteromastigoda).     Protoplasmaregioncn.  671 


5.  Die  feineren  Bauverliiiltnisse  des  Weielikörpers  der  Flii!>ellata. 

A.    Das  Protoplasma  und  seine  Differenzinnig  in  liegioncn. 

Im  Allgemeiuen  zeigt  das  Plasma  der  Flagellaten  keinerlei  besondere 
Eigenthümliehkeiten,  die  hier  einer  gesonderten  Besprechung  bedürften. 

Eine  diffuse  Färbung  des  Plasmas,  wie  sie  bis  in  die  neueste  Zeit  von  zablreiclien  Beob- 
achtern für  viele  grüne  Isomastigoda  (hauptsächlich  der  Familien  der  Chlamydomonadina  und 
Volvocina),  jedoch  theilwcise  auch  für  die  Euglenoidina  angegeben  wurde,  existirt  sicherlich 
nicht.  Die  Farbstoffe  sind  vielmehr  stets  an  besondere  geformte  Inhaltsicörper,  die  sogen. 
Chromatophoren,  gebunden,  worauf  hauptsächlich  Schmitz  neuerdings  aufmerksam  gemacht  hat 
und  womit  meine  Erfahrungen  ganz  übereinstimmen. 

Eine    relativ   seltene    Erscheinung   ist   bei   den  Flagellaten  auch  die 
Differenzirung   des   Plasmas   zu   verschiedenen   Regionen,    was    vielleicht 
im  Allgemeinen  mit  der  Kleinheit  der  Formen   in  gewissem   Zusammen 
hang  steht. 

Der  Ausbildung  eines  deutlichen  und  ziemlich  dicken  Ectoplasmas 
begegnen  wir  in  ganz  amöbenartiger  Weise  bei  der  interessanten  Rhizo- 
mastigode  Mastigamoeba  aspera  und  aus  diesem  Ectoplasma  bilden 
sich  hier  auch  fast  ausschliesslich  die  Pseudopodien   (T.  39,  9). 

Das  Ectoplasma  dieser  Form  besitzt  noch  eine  besondere  Eigenthümlichlieit,  indem  seine 
gesammte  Oberfläche,  und  natürlich  auch  die  der  Pseudopodien,  dicht  mit  sehr  Ideinen, 
bactcricnartigen  Stäbchen  bedeckt  ist.  Gewöhnlicli  liegen  diese  Stäbchen  der  Plasmaobcrfläclia 
parallel  auf,  seltner  stehen  sie  schief  oder  senkrecht  davon  ab.  Es  ist  fraglich,  ob  wir  diesen 
Stübclienbesatz  der  Mastigamoeba  aspera  mit  dem  Börstchenbesatz,  welchen  wie  früher  (p.  122) 
erwähnt,  gewisse  nackte  Khizopoden  zeigen  (Chaetoproteus  und  Dactylosphaeria),  vergleichen 
dürfen.  Es  scheint  nämlich  nicht  unmöglich,  dass  der  Stäbchenbesatz  der  Mastigamoeba 
wirklich  von  anhängenden  Bacterien  herrührt,  da  wir  später  sehen  werden,  dass  sich  bei  ge- 
wissen Choanollagellaten  zuweilen  ein  dichter  oberflächlicher  Besatz  von  Bacterien  ausbildet. 
Dagegen  ist  es  sicher,  dass  unsere  Mastigamoeba  an  ihrem  Hinterende  häufig  die  haar- 
artigen  Fortsätze  entwickelt,  welche  bei  den  amöbenartigen  Ehizopodcn  so  verbreitet  sind 
(vergl.  p.  101). 

Auf  die  Gegenwart  einer  Ectoplasmalage  (Rindenschicht)  liesse  sich 
für  die  grünen  Formen  der  Euglenoidina  daraus  schliessen,  dass  sich 
die  Chlorophyllkörner  gewöhnlich  in  einer  Lage  dicht  unterhalb  der  Cuti- 
cula  vorfinden.  Doch  ist  auch  hier  eine  einigermaassen  scharfe  Abgren- 
zung dieser  Rindenschicht  gegen  das  innere  Körperplasma  nicht  ausge- 
sprochen und  Klebs  spricht  sich  gegen  die  Existenz  einer  ruhenden 
äusseren  Rindenschicht  dieser  Formen  aus,  da  er  unter  gewissen  Bedin- 
gungen das  Plasma  sammt  seinen  sämmtlichen  Einschlüssen  bis  unter  die 
Cuticula  in  strömender  Bewegung  sah.  Dennoch  dürfte  eine  relativ  ruhende 
Rindenschicht  der  grünen  Euglenoidinen  anzunehmen  sein,  wegen  der 
Constanz  der  Lagerung  der  Chromatophoren  und  weil  sie  gewöhnlich 
durch  die  Bewegungsvorgänge  keinerlei  Verschiebung  erleiden.  Eine  selt- 
same Entwicklung  erlangt  eine  ectoplasmaartige  Lage  am  Vorderende  der 
hierhergehörigen  Gattung  Colacium  (wenigstens  deutlich  bei  dem 
grossen  C.  calvum).  Dieselbe  krönt  als  eine  dicke  chlorophyllfreie  Lage, 
gewissermaassen    wie    eine    Haube    das    Vorderende    und    zeigt    gleich- 


672  Flagellata. 

zeitig-  eine  längsslreifige  Beschaffenheit  (T.  47,  14).  Aus  den  bis  jetzt 
vorliegenden  Mittheiiungen  Ötein's  lässt  sieb  leider  nicht  entnehmen ,  ob 
diese  Längsstreifung  eine  rein  äusserliche  oder  ob  sie  eine  innere  ist. 
Ich  erwähne  dies  hauptsächlich  deshalb,  weil  ich  eine  zarte,  senk- 
recht zur  Oberfläche  des  Körjiers  gestrichelte  ectoplasmatische  Lage  bei 
der  Pseudospora  Cienk.  (T.  42,  7a)  deutlich  beobachtete,  eine  Lage, 
welche  jedenfalls  der  ähnlich  beschatfenen  Hautschiebt  der  Scbwärmsporen 
von  Vaucheria  entspricht,  die  Strasburger*)  beschrieb. 

Bei  den  Clilamydoinoiiadiiiea  und  Yolvociiieii  koinijit  es  nicht  selten  vor,  dass  der  die 
beiden  Gcisseln  tragende ,  häufig  etwas  zugespitzte  Pol  aus  ungefärbtem,  hellem  Plasma  be- 
steht. Es  hat  jedoch  dieser  farblose  Scheitel ,  der  ja  eine  gewisse  Aehnlichlveit  mit  der  ge- 
schilderten Einrichtung  bei  Colacium  besitzt,  nichts  mit  einer  besondern  Ectoplasmaregion  zu 
thun,  sondern  beruht  einfach  darauf,  dass  das  grUue  Chromatophor  nicht  bis  in  das  Vorder- 
ende hereinragt. 

B.    Der  feinere  Bau  der  Geis  sein. 

Mit  einem  gewissen  Recht  könnte  man  die  charakteristischen  Be- 
wegungsorgane der  Flagellaten  als  ectoplasmatische  Bildungen  bezeichnen, 
da  sie  einerseits  stets  aus  einem  ganz  homogenen  und  durchsichtigen 
Plasma  gebildet  sind  und  andrerseits  jedenfalls  direct  von  der  äussersten 
Plasmascliicht  des  Körpers  entspringen.  Es  ist  wenigstens  bis  jetzt  in 
keinem  Fall  wahrgenommen  worden,  dass  ein  Flagellum  sich  tiefer  in 
den  Körper  fortgesetzt  hätte.  Da  jedoch  nur  bei  wenigen  Flagellaten  und 
selbst  da  meist  nur  mit  einer  gewissen  Reserve  von  einem  deutlichen 
Ectoplasma  die  Rede  sein  kann,  so  hat  diese  Betrachtung,  wie  mir  scheint, 
keinen  besondern  Werth. 

Wie  schon  von  verschiednen  Seiten  hervorgehoben  wurde,  lassen  sich 
gewisse  Beziehungen  zwischen  den  Pseudopodien  und  den  Geisseifäden 
constatiren,  obgleich  es  auch  keineswegs  geleugnet  werden  kann,  dass 
zwischen  einer  wohl  entwickelten  Geissei  und  einem  fadenförmigen 
Pseudopodium  ein  tiefer  innerer  Unterschied  bestehen  muss,  w^enn  der- 
selbe auch  für  uns  zunächst  nur  in  den  Bewegungserscheinungen  fühlbar 
erscheint.  Dies  schliesst  jedoch  nicht  aus,  dass  auch  Uebergänge  existi- 
ren  und  wir  haben  ja  früher  schon  erfahren,  dass  die  Pseudopodien  der 
sogen.  Amoeba  radiosa  und  namentlich  die  der  Podostoma  ähnliche  Be- 
wegungserscheinungen zeigen  können,  wie  echte  Geissein  (s.  p.  123).  Bei 
den  typischen  Flagellaten  und  den  Mastigophoreu  überhaupt  scheint  jedoch 
bis  jetzt  nicht  ein  Fall  beobachtet  zu  sein,  wo  eine  wohlentwickelte  Geissei 
umgekehrt  eine  pseudopodienartige  Beschaffenheit  angenommen  hätte,  ob- 
gleich ja  bei  zahlreichen  Formen  die  amöboide  Beweglichkeit  des  Plasmas 
noch  sehr  lebhaft  ist.  Nur  in  einem  Fall,  bei  der  Gattung  Cercomonas 
nämlich,  scheint  sich  ein  geisselartiges  Gebilde  zu  finden,  Avelches  eine 
Art  Mittelstufe  zwischen  einer  wahren  Geissei  und  einem  Pseudopodium 
einhält.     Dies  ist  der  hintere  geisselartige  Schwanzanhang,    der  für  diese 

*)  Jcnaisclie  Zeitschr.  f.  Med.  u.  Nat.  1870). 


Feinerer  Bau  der  Gcisselu.  673 

Gattung  cbarakteristisch  ist  und  der  sich  nach  den  Angaben  8tein's 
wenigstens  bei  Cercomonas  crassicauda  zuweilen  ganz  pseudopodienartig 
verändern  soll,  während  er  anderseits  auch  schlängelnde  geisselnde  Be- 
wegungen auszuführen  im  Stande  ist  (s.  T.  39,  IIa— b).  Wie  wir  später 
genauer  sehen  werden,  kommt  im  Leben  unsrer  Organismen  nicht  selten 
ein  Verlust  der  Geissein  vor;  wo  dieser  Vorgang  jedoch  bis  jetzt  genauer 
beobachtet  wurde,  scheinen  die  Geissein  hierbei  meist  einfach  abgeworfen 
zu  werden.  Nur  selten  wird  dagegen  eine  Einziehung  derselben  nach 
Art  der  Pseudopodien  beobachtet. 

Einen  derartigen  Fall  beschreibt  Dallinger  bei  der  sogen.  Daliingeria ,  wo  in  Vorberei- 
tung zur  Copulation  die  beiden  seitlichen  Geissein  gewisser  Thicre  allmählich  zusammen- 
schrumpfen und  schliesslich  ganz  eingezogen  werden  sollen  (T.  46,  Fig.  12d).  Wir  erwähnen 
hier  gleich,  dass  ein  ähnlicher  Vorgang  der  Geisseieinziehung  zuerst  von  Clark  bei  einer  Choano- 
flagellate  beobachtet  wurde  (T.  48,  Fig.  12). 

Inwiefern  sich  die  Neuentstehung  der  Geissein  mit  der  Entstehung 
eines  Pseudopodiums  parallehsiren  lässt,  ist  bis  jetzt  gleichfalls  durch 
Beobachtungen  nur  wenig  sicher  ermittelt.  Das  Wenige,  was  über  diesen 
Vorgang  bekannt  ist,  wird  später  am  geeigneten  Ort  mitgetheilt  werden. 

Die  Längen-  und  Dickenverhältnisse  der  Geissein  bieten  die  weit- 
gehendsten Unterschiede  dar.  Die  längsten  Geissein  treffen  wir  bei  ge- 
wissen Euglenoidinen  (so  z.  B.  Peranema  und  Zygoselmis),  andrerseits  bei 
gewissen  Heteromastigoden  aus  der  Familie  der  Scytomonadinae  an;  bei 
ersteren  erreicht  die  grosse  Geissei  des  Vorderendes  zuweilen  eine  Länge 
von  etwa  0,09—0,12  Mm.  und  mehr;  die  grosse  hintere  Schleppgeissel 
der  letzteren  bleibt  häufig  nicht  viel  unter  dieser  Länge.  Auch  die 
Geissei  gewisser  Mastigamöben  wird  sehr  lang,  ja  tibertrifft  (0,16  Mm. 
und  mehr)  zuweilen  noch  die  der  ersterwähnten  Formen.  Solch  lange 
Geissein  sind  gleichzeitig  meist  auch  die  dicksten,  doch  erreicht  ihre 
Dicke  im  Allgemeinen  nicht  viel  über  0,0005  Mm.  und  die  kleinen 
Geissein  erscheinen  selbst  bei  den  stärksten  Vergrösserungen  gewöhnlich 
als  eben  bemerkbare  zarteste  Fädchen. 

Die  winzigsten  Flagellen  sind  jene  kleinen  Nebengeisseln,  welche  in 
der  Familie  der  Dendromonadinae  verbreitet  sind  und  im  Allgemeinen 
die  Länge  von  etwa  0,006  Mm.  nicht  übertreffen. 

Gewöhnlich  werden  die  Geissein  als  sehr  zarte,  nach  ihrem  freien 
Ende  ganz  fein  auslaufende  Fäden  dargestellt.  Dieser  Darstellung  be- 
gegnen wir  z.  B.  noch  ganz  allgemein  in  dem  Werk  Stein's  und  bei 
den  meisten  andern  Autoren.  Obgleich  sich  nun  das  Vorkommen  der- 
artiger Geissein  nicht  in  Abrede  stellen  lässt,  scheinen  sie  doch  häufiger 
in  ihrer  gesammten  Länge  gleichmässig  dick  zu  sein  oder  sich  gegen  das 
Ende  doch  nur  sehr  wenig  zu  verfeinern. 

Schon  Clark  (125)  wies  auf  diese  Beschaffenheit  der  Geissein  bei  einer  ziemlichen  Zahl 
von  Formen  hin  und  Batschli  hat  dasselbe  später  mehrfach  bestätigt  gefunden.  Natürlich  ist 
es  bei  kleinen  Geissein  sehr  schwierig,  dieses  Verhalten  ausreichend  zu  ermitteln. 

Wie  bemerkt ,  bestehen   die  Geissein  stets  aus  einem  sehr  durchsichtigen  und  körnchen- 
freien   Plasma,    an    welchem    besondre  Structur Verhältnisse    einzig    von    Kiln  stier  (190)  be- 
Bronn, Klassen  des  Thierreichs.    Protozoa.  43 


674  Flagellata. 

schrieben  wurden.  Alle  früheren  Forscher  stimmten  darin  überein,  dass  das  Geisselplasma 
ein  ganz  homogenes  Aussehen  besitze.  Künstler  will  sich  nun  hei  einer  ziemlichen  Anzahl 
Flagellaten  überzeugt  haben,  dass  die  Gcisseln,  welche  er  stets  recht  fein  auslaufend  darstellt, 
eine  sehr  zarte  Querstreifung,  ähnlich  den  quergestreiften  Muskelfibrillen,  besitzen.  Er  beob- 
achtete bei  sehr  starken  Vergrösserungen  und  bei  Behandlung  mit  Färbungsmitteln  eine  ziem- 
lich rigide  Membran  der  Geissein*)  und  eine  regelmässige  Abwechslung  heller  schmälerer 
■und  dunkler  breiterer  Querstreifen  im  Geisselplasma.  Die  dunkeln  Querstreifen  sollen,  wie 
genauere  Beobachtung  ergab,  daher  rühren ,  dass  in  regelmässiger  Aufeinanderfolge  dunklere, 
etwa  elliptische  Plasmapartien,  welche  die  Dicke  des  Flagellums  nicht  ganz  erreichen,  in  ein 
helleres  Plasma  eingelagert  sind. 

Wie  schon  Künstler  hervorhebt,  besitzen  die  Flagellen  im  Gegensatz 
zu  dem  gewöhnlichen  Plasma  eine  sehr  geringe  Tingirbarkeit.  Diese 
Eigenthümlichkeit  finde  ich  ebenfalls,  glaube  sie  jedoch  nicht  wie  Künstler 
einer  wenig  durchdringlichen  Geisselmenibran  zuschreiben  zu  müssen, 
sondern  betrachte  sie  als  eine  besondre  Eigenthümlichkeit  des  Geissei- 
protoplasmas. 

Die  Erscheinung,  dass  gewisse  Flagellaten  befähigt  sind,  sich  mit 
ihren  Geissein  (resp.  einer  derselben)  vorübergehend  festzuheften,  deutet 
darauf  hin,  dass  das  Plasma  der  Geisselu  nicht  selten  eine  etwas  klebrige 
Beschaffenheit  besitzen  oder  doch  anzunehmen  im  Stande  sein  muss. 

C.    ündulirende  Membranen. 

Einige  wenige  Flagellaten  (und  seltsamer  Weise  nur  parasitische 
Formen)  besitzen  neben  Geissein  noch  eine  oder  zwei  sogen,  ündulirende 
Membranen  oder  Säume.  Für  die  seltsame  Gattung  Trypanosoma 
wenigstens  ist  dies  seit  lange  anerkannt.  Es  verdienen  daher  ihre  Ver- 
hältnisse zunächst  eine  etwas  genauere  Berücksichtigung.  Die  Resultate 
der  zahlreichen  Beobachter  erscheinen  zu  ergeben,  dass  die  Gestalt  der 
Trypanosoma  in  ziemlich  hohem  Grade  veränderlich  ist  (wenigstens  gilt 
dies  für  die  häufigst  untersuchte  Form  des  Frosches).  Letztere  erscheint 
bald  mehr  birnförmig  bis  sackartig,  bald  dagegen  nahezu  kuglig,  wäh- 
rend sie  sich  andrerseits  sehr  in  die  Länge  zu  strecken  vermag,  so  dass 
ihre  Form  eine  wurmförmige  werden  kann  (s.  T.  39).  Es  unterliegt 
keinem  Zweifel,  dass  die  verschiednen  Gestaltungen  von  einem  und  dem- 
selben Individuum  durchlaufen  werden;  die  Organismen  scheinen  sich 
namentlich  beim  Uebergaug  von  der  Bewegung  zur  Ruhe,  oder  bei  ein- 
tretender Ermattung  aus  der  länglichen  Bewegungsform  zu  den  kürzeren 
Gestalten  zusammenzuziehen.  Andere  Formen  der  Trypanosoma  scheinen 
dagegen  eine  langgestreckte  Gestalt  dauernder  zu  bewahren,  wenngleich 
eine  eindricglichere  Uttersuchung  vielleicht  auch  hier  eiüe  grössere  Ver- 
änderlichkeit nachweisen  wird. 

Das   eine   Körperende  trägt   bei   den    genauest  untersuchten  Formen 
des  Frosches  und  der  Fische  eine  ziemlich  ansehnliche  Geissei,  und  diese 


*)  Auch  Carter  (100  a)  glaubte  s.Z.  den  Geissein  einen  cuticularen  üeberzug  zuschreiben 
zu  dürfen. 


Undulirende  Membranen.  675 

geht,  wie  bei  den  meisten  übrigen  Flagellaten  bei  der  Bewegung 
voran,  so  dass  auch  hier  das  Geisselende  als  das  vordere  bezeichnet 
werden  darf.  Nicht  unwahrscheinlich  ist  es,  dass  auch  diejenigen 
Formen,  bei  welchen  eine  Geissei  bis  jetzt  noch  nicht  beobachtet  wurde, 
wenigstens  zeitweise  mit  einer  solchen  ausgerüstet  sein  dürften.  Als  wei- 
teres Bewegungsorgan  functionirt  nun  neben  dieser  Geissei  die  undulirende 
Membran  —  eine  hautartige,  homogene,  zarte  Ausbreitung  des  Körper- 
plasmas, die  bei  Tryp  sanguinis  längs  der  convexen  Seite  des  Körpers 
hinabzieht  und  zwar  gewöhnlich  in  seiner  ganzen  Ausdehnung.  Während 
der  Bewegung  sieht  man  an  dieser  Membran  eine  grössere  oder  geringere 
Anzahl  wellenförmiger  Ausbuchtungen  hinziehen  und  zwar  sollen  dieselben 
nach  Ray  Lankester  zeitweise  nach  der  einen,  zeitweise  nach  der  ent- 
gegengesetzten .Richtung  laufen.  Diese  Ausbuchtungen  geben  der  Mem- 
bran bei  flüchtiger  Betrachtung  ein  ausgezacktes  Ansehen,  wie  sie  denn 
auch  von  den  früheren  Beobachtern  (speciell  Gruby,  T.  39,  5f)  dargestellt 
wurde,  ja  diese  Auszackungen  konnten  sogar  für  Cilien  gehalten  werden 
(Wedl  und  neuerdings  wohl  auch  Rättig).  Der  Verlauf  der  Membran  längs 
des  Trypanosomakörpers  scheint  zuweilen  ein  etwas  schraubiger  zu  sein 
(Certes,  Mitrophanow,  T.  39,  6  a),  jedoch  scheint  es  mir  schwierig  zu 
entscheiden,  ob  dies  nicht  nur  darauf  beruht,  dass  der  Körper  unsrer 
Form  (namentlich  im  längsgestreckten,  wurmförmigen  Zustand)  gewöhu- 
lich  selbst  eine  Anzahl  schraubenförmiger  Windungen  macht.  Wo  diese 
Windungen  nicht  ausgebildet  sind,  scheint  auch  die  Membran  nahezu  un- 
gewunden an  dem  Körper  hinabzuziehen. 

Eine  Reihe  von  Beobachtungen  (Gaule,  Mitrophanow)  weisen  darauf 
hin,  dass  die  geschilderte  Membran  nicht  eine  bleibende,  unvergängliche 
Einrichtung  ist.  Zunächst  zeigt  sich  ihr  Ausbildungsgrad  (speciell  bei 
der  Trypanosoma  sanguinis  und  der  Form  aus  Cobitis  fossilis)  ziem- 
lich variabel.  Während  sie  bei  schwächerer  Entwicklung  von  der  Geissei 
scharf  getrennt  erscheint,  fliesst  sie  bei  ansehnUcher  Ausbildung  mit 
derselben  gewissermaassen  zusammen,  so  dass  die  Geissei  dann  gleich- 
sam eine  Art  Anhang  der  Membran  vorstellt.  Andrerseits  scheint  die 
Membran  aber  auch  gänzlich  eingezogen  werden  zu  können ,  ja  es 
ist  nicht  unwahrscheinlich,  dass  unsre  Organismen  unter  Rückbildung 
der  Geissei  wie  andre  primitive  Flagellaten  in  einen  amöboiden  Zu- 
stand überzugehen  vermögen.  —  Im  Hinblick  auf  das  ähnliche  Verhalten 
der  Geissein  scheint  es  interessant,  dass  sich  nach  Certes  (189)  auch  die 
undulirende  Membran  sehr  schwierig  färbt. 

Wie  früher  bemerkt,  finden  wir  noch  bei  zwei  weitern  Geschlechtern  pa- 
rasitischer Flagellaten  (Trichomonas  und  Hexamitus)  ähnliche  Einrichtungen, 
wenngleich  Stein  denselben  nicht  den  Charakter  wirklicher  schwingender 
Säume  zuschreiben  zu  dürfen  glaubt.  Schon  früher  wurde  auf  die  Contro- 
verse  hinsichtlich  der  undulirenden  Membran  der  Trichomonas  hingewiesen. 
Wie  gesagt,  ist  es  nach  Stein  keine  eigentliche  undulirende  Membran, 
welche  das  früher  auf  eine  Cilienreihe  bezogene  Bewegungsphänomen  auf 

43* 


676  Flagellata. 

der  Bauchseite  der  Trichomonas  hervorruft,  sondern  dies  würde  da- 
durch bewirkt,  „dass  der  überaus  weiche  Körper  auf  der  einen  Seite 
schnell  hinter  einander  spitzzähnige  oder  abgerundete  Fortsätze  hervor- 
treibt, welche  zusammen  den  Eindruck  hervorbringen,  als  verlaufe  unauf- 
hörlich eine  Welle  nach  der  andern  von  vorn  nach  hinten  über  den  be- 
treffenden Körperrand/'  Eigene  in  Gemeinschaft  mit  Blochmann  vorge- 
nommene Untersuchungen  ergaben  jedoch  bei  Trichom.  vaginalis  und 
Batrachorum ,  dass  das  Phänomen  auch  hier  durch  eine  deutliche  undu- 
lireude  Membran  verursacht  wird.  Der  etwas  verdickte  freie  Rand  dieser 
Membran  kann  sich  beim  Abtödten  der  Trich.  Batrachorum  zuweilen  ab- 
lösen und  hierauf  beruht  es  wohl,  dass  Grassi  (193)  statt  der  Membran  eine 
wellige  Geissei  annahm.  Bei  Trich,  Batrachorum  dehnt  sich  die  Membran 
bis  gegen  das  hintere  Körperende  aus  und  setzt  sich  in  eine  zarte  freie 
Geissei  fort.  Dieser  directe  Uebergang  der  Membran  in  eine  Geissei 
dürfte  beweisen,  dass  zwischen  beiderlei  Gebilden  eine  innige  Verwandt- 
schaft existirt  und  diese  Erfahrung  wird,  wie  wir  früher  gesehen  haben, 
auch  noch  dadurch  besonders  unterstützt,  dass  die  ohne  Zweifel  mit 
Trichomonas  sehr  nahe  verwandte  Trichomastix  an  Stelle  der  Membran 
eine  durchaus  freie  hintere  Geissei  besitzt. 

Letztere  Gattung  zeigt  noch  eine  hochinteressante  Erscheinung,  welche 
für  das  Verständniss  der  undulirenden  Membran  überhaupt  sehr  bedeutungs- 
voll erscheint.  Wird  sie  durch  Druck  stark  abgeplattet,  so  gehen  die 
vier  Geissein  ganz  verloren,  dagegen  beginnen  nun  die  Körperränder  an- 
dauernd wellige  Bewegungen  auszuführen,  die  sich  in  jeder  Hinsicht  der 
Wellenbewegung  der  geschilderten  undulirenden  Membranen  an  die  Seite 
stellen  lassen.  Diese  Erscheinung  findet  vielleicht  auch  darin  ein  Ana- 
logon,  dass  Stein  in  der  vorderen  Körperhälfte  des  Hexamitus  intestinalis 
zuweilen  jederseits  einen  ähnlichen  Saum  undulirender  Fortsätze  wahr- 
genommen hat. 

D.    Die  Cuticular-  und  Schalenbildungen  der  Flagellata. 

Einer  grossen  Anzahl  unsrer  Organismen  fehlt  eine  häutige  Um- 
hüllung des  plasmatischen  Körpers  gänzlich.  Besonders  deutlich  tritt  dies 
ja  bei  denjenigen  einfacheren  Formen  der  drei  Abtheilungen  der  Mo- 
nadina, Iso-  und  Heteromastigoda  hervor,  welche  entweder  dauernd  oder 
doch  während  gewisser  Lebensepochen  amöboide  Bevvegungserscheinungen 
zeigen.  Bei  zahlreichen  kleineren  Formen  mit  gestalts beständigem  Körper 
ist  sicherlich  keine  wahre  Zellmembran  einigermaassen  scharf  difierenzirt. 
Dennoch  müssen  wir  der  oberflächlichsten  Körperschicht  derselben  eine 
grössere  Starrheit,  also  in  gewisser  Hinsicht  die  Eigenschaften  einer  Mem- 
bran zuschreiben,  ohne  dass  sich  dieselbe  jedoch  von  dem  unterliegendem 
Plasma,  in  das  sie  ganz  allmählich  übergeht,  sondern  Hesse.  Diese  Be- 
schaffenheit dürfen  wir,  meiner  Ansicht  nach,  durchweg  den  formbestän- 
digen Gliedern  der  Monadinen,  einer  nicht  geringen  Anzahl  der  Isomasti- 
goden,  sowie  den  kleineren  Heteromastigoden  zuschreiben. 


Cuticularbilduugeii  der  Euglcuoidiiia.  677 

Von  dem  eben  geschilderten  Zustand  führen  ohne  Zweifel  gewisse 
Uebergangszustände  zu  den  Formen  mit  wohl  differenzirter  sogen.  Cuti- 
cula,  d.  h.  einer  dem  Plasmakörper  dicht  und  innigst  aufliegenden  Zell- 
haut. Wahrscheinlich  werden  wir  in  der  Gruppe  der  Euglenoidina,  von 
welcher  zahlreiche  Angehörige  eine  gut  entwickelte  Cuticula  besitzen, 
solchen  üebergangsformen  begegnen. 

Von  den  Cuticularbildungen  unterscheiden  wir  auch  hier  die  Schalen- 
oder Gehäusebildungen  wesentlich  nur  dadurch,  dass  diese  Umhüllungs- 
gebilde dem  Körper  nicht  mehr  dicht  aufliegen,  sondern  ihm  nur  lose 
verbunden  sind,  also  der  Körper  sich  mehr  oder  minder  frei  in  der  ihn 
uraschliessenden  Schale  befindet.  Natürlich  konnte  dieser  Zustand  nur 
aus  einem  solchen  hervorgehen,  wo  die  sogen.  Schale  ähnlich  einer  Cuti- 
cula oder  eigentlichen  Zellhaut  dem  Plasmakörper,  von  dem  sie  gebildet 
wurde,  dicht  auflag.  Wir  haUen  es  daher  für  wohlberechtigt,  die  Gehäuse- 
oder Schalenbildungen  im  Allgemeinen  gleichfalls  in  die  Kategorie  der 
Zellmembranen  einzureihen,  wenngleich  sich  Stein  (167)  sehr  entschieden 
gegen  eine  solche  Auffassung  ausgesprochen  hat. 

Dass  ein  in  einer  solchen  Schale  eingeschlossner  Flagellatenkörper  zuweilen  ausserdem  noch 
eine  besondre  Cuticula  besitzt,  kann  jedenfalls  nicht  gegen  unsere  Auffassung  sprechen  und 
selbst  der  Fall,  dass  bei  gewissen  Euglenoidinen  die  Schalenhülle  erst  nachträglich  als  eine 
äussere  Abscheidung  ausserhalb  einer  bereits  existirenden  Cuticula  gebildet  wird,  kann  meiner 
Ansicht  nach  die  Einreihung  der  Schalenhildungen  in  die  Reihe  der  Zellmembranen  nicht 
beeinträchtigen.  Gerechtfertigter  würde  eine  schärfere  Scheidung  der  Cviticular-  und  Schalen- 
bildungen dann  erscheinen,  wenn  sich  nachweisen  Hesse,  dass  ilire  Entstehung  eine  wesent- 
lich verschiedene  ist.  Für  die  ersteren  ist  sicherlich  eine  Entstehung  durch  Differenzirung  der 
äussersten  Plasmaschicht  des  Körpers  anzunehmen,  für  die  letzteren  dagegen  scheint  es  in  einer 
Reihe  Fälle  sehr  wahrscheinlich,  dass  ihre  Bildung  durch  Secretion  geschieht.  Dennoch 
scheint  es  zur  Zeit  nicht  möglich ,  auf  diese  Unterschiede  gestützt  beiderlei  Gebilde  schärfer 
zu  sondern. 

1)  Cuticularbildungen.  Wie  bemerkt,  treten  dieselben  in  der 
Abtheilung  der  Euglenoidina  sehr  allgemein  verbreitet  und  am  besten 
ausgebildet  hervor.  Wir  wollen  daher  zunächst  auf  die  Verhältnisse  bei 
dieser  Gruppe  einen  Blick  werfen*).  Der  stärksten  Entwicklung  der 
Cuticula  begegnen  wir  hier,  wie  zu  erwarten,  bei  jenen  ganz  starren  und 
gestahsbeständigen  Formen,  welche  Stein  zur  Familie  der  Chloropelti- 
deae  zusammenfasste  (Lepocinclis  und  Phacus).  Die  sehr  resistente  und 
ziemlich  dicke  Cuticula  dieser  Formen  ist  dann  am  besten  zu  studiren, 
wenn  nach  dem  Absterben  der  Organismen  das  gesammte  Plasma  im 
Lauf  der  Zeit  zerstört  wurde  und  die  Cuticula  nun  als  eine  glasartig 
durchsichtige  und  homogene  Haut  rein  und  isolirt  vorliegt.  Dieselbe  um- 
kleidet hier  wie  bei  den  übrigen  Euglenoidina  den  Körper  allseitig  und 
erleidet  nur  am  Grunde  des  kurzen  sogen.  Schlundes,  den  sie  sich  ein- 
senkend bildet,  eine  Unterbrechung.  Eine  stete  Auszeichnung  dieser  Cuti- 


*)  Die  Auffassung  der  Cuticularbildungen  als  Ectoplasma,  welche  Kent  einzuführen 
sucht,  scheint  mir  mit  dem  allgemeinen  Begriff  des  Ectoplasmas,  wie  er  sich  namentlich  auf 
Grund  der  Verhältnisse  bei  den  Sarkodinen  allmählich  entwickelte,  nicht  vereinbar. 


678  Flagellata. 

cula  ist  ihre  Streifung,  die  wie  die  Formen  mit  gröberen  Streifen  erweisen, 
auf  äusseren,  schwach  leistenartigen  Erhebungen  oder  Verdickungen  der 
Haut  beruht.  Diese  Streifung  ist  entweder  eine  längs  gerichtete  (beide 
Gattungen  z.  Th.)  oder  umzieht  den  Körper  mehr  oder  weniger  deutlich 
schraubenförmig.  —  Die  Streifen  sind  theils  in  geringer  Anzahl  vorhanden 
und  dann  durch  ziemlich  weite  Abstände  getrennt  (so  namentlich  bei 
Phacus  Pyrum  und  Lepocinclis  hispidula)  oder  sie  stehen  dichter  bis  sehr 
dicht  zusammen  (letzteres  namentlich  bei  Lepocinclis  Ovum).  Selten  tritt 
noch  eine  besondere  Verzierung  der  Streifen  hervor,  so  sind  sie  bei  Lepo- 
cinclis hispidula  sehr  deutlich  gezackt,  so  dass  die  Cuticula  hier  äusserlich 
mit  Längsreihen  von  Dornen  verziert  erscheint,  bei  Phacus  longicauda 
dagegen  erscheinen  die  Streifen  bei  sehr  starker  Vergrösserung  aus  einer 
Längsreihe  sehr  dicht  zusammengestellter  feiner  Knötchen  gebildet,  wäh- 
rend die  die  Streifen  trennenden  Cuticularbänder  eine  sehr  zarte  Quer- 
strichelung  aufweisen*). 

Dünner,  jedoch  im  Allgemeinen  von  entsprechender  Bildung  erscheint  die 
Cuticula  bei  der  Gattung  Euglena,  wo  sie  zuweilen  gleichfalls  noch 
hinreichend  dick  und  resistent  ist,  um  sich  nach  dem  Absterben  isolirt 
erhalten  zu  können,  was  zuerst  Focke  beobachtete.  Immerhin  ist  die  Cuti- 
cula der  Euglenen  biegsam  und  elastisch  genug,  um  die  energischen 
Gestaltsveränderungen  des  Körpers  zu  gestatten.  Wie  schon  erwähnt,  ist 
auch  die  Cuticula  dieser  Formen  stets  deutlich  schraubig  gestreift,  doch 
ist  die  Streifung  hier  fast  stets  sehr  zart  und  dicht,  so  dass  sie  erst 
bei  ziemlicher  Vergrösserung  deutlich  wird.  Bei  Euglena  Ehrenbergii  Kl. 
sah  Klebs  noch  ein  zweites  zarteres  Streifensystem  das  ersterwähnte 
kreuzen.  Nur  bei  Euglena  spyrogyra  ist  die  Streifung  weniger  dicht 
und  tritt  auch  dadurch  noch  deutlicher  hervor,  dass  auf  den  Streifen 
Reihen  knöpfchenartig  über  die  Oberfläche  etwas  vorspringender  Knötchen 
(trapezoidische  Höckerchen  nach  Klebs)  aufsitzen,  ähnlich  also  wie  es 
oben  von  dem  Phacus  longicauda  geschildert  wurde.  Nach  Klebs  sollen 
sich  bei  Anwendung  von  Druck  oder  bei  Behandlung  mit  Pepsin  von  den 
eigentlichen  Cuticularstreifen  zarte  farblose  Fäden  abheben,  auf  welchen 
erst  die  Höckerchen  sitzen.  Auch  zeichnet  sich  die  Cuticula  dieser  Art 
nach  ihm  dadurch  aus,  dass  sie  durch  Eisenoxydhydrat  gelb  bis  braun, 
ja  bei  einer  Varietät  bis  schwarz  gefärbt  ist.  Besonders  die  Höcker 
treten  durch  intensive  Färbung  hervor.  Schliesslich  will  Klebs  beobachtet 
haben,  dass  die  Höcker  manchmal  zum  Theil  abgestossen  werden  und  sich 
hierauf  wieder  neu  bilden.  Doch  gelang  es  nicht,  die  Bildungsgeschichte 
sicher  zu  ermitteln;  gewisse  Beobachtungen  wiesen  darauf  hin,  dass  sich 
zuerst  die  erwähnten  Fäden  erzeugen,  welche  die  Höcker  tragen. 

Dass  die  schraubige  Streifung  des  Euglenenkörpers  der  Cuticula  an- 
gehört,  also   sicherlich   nicht   eine  plasmatische   Ditferenzirung  des  Ecto- 


*)  Diese  Querstreifuiig  ist  es  jedenfalls,  welche  Klebs  (206)  neuestens  als  ein  zweites 
bisher  übersehenes  spiraliges  Streifen system  bei  dieser  Form  und  Ph.  i)leuronectes  be- 
schrieb. 


Cuticularbilduiigeu  der  Euglenoidina  etc.  679 

sarks  darstellt,  welche,  wie  Stein  annimmt,  nach  Analogie  mit  der  Körper- 
streifung  der  Ciliaten  mit  den  Contractionsvorgängen  der  Euglenen  im 
Zusammenhang  stehe,  scheint  sicher  daraus  hervorzugehen,  dass  die 
isolirte  Cuticula  die  Streifung  noch  deutlich  zeigt.  Auch  Klchs  spricht 
sich  neuestens  entschieden  gegen  die  Stein'sche  Ansicht  aus.  Ebenso 
spricht  die  Uebereinstimmung  der  Streifen  mit  denjenigen  der  ganz 
starren  Chloropehidea,  wo  sie  sicher  cuticular  sind,  auf  das  ent- 
schiedenste gegen  die  Ansicht  Stein's.  —  Mir  scheint  im  Gegentheil  die 
von  Stein  bekämpfte  Ansicht  Carter's  (100),  welche  schon  früher  Perty 
äusserte:  dass  die  Spiralstreifung  der  Euglenencuticula  eine  gewisse  Ver- 
gleichbarkeit mit  den  Spiralverdickungen  gewisser  Pflanzenzellhäute  zeige, 
nicht  unplausibel. 

Focke  (58,  2)  und  später  Carter  (100)*)  konnten  zeigen,  dass  die 
isolirte  Cuticula  der  Euglenen  dem  Verlaufe  der  Streifen  entsprechend 
leicht  einreisst,  ja  Carter  sah  dieselbe  sogar  in  schraubenförmige  Fasern 
zerfallen. 

Hinsichtlich  ihrer  chemischen  Beschaffenheit  zeigt  die  Cuticula  der 
seither  geschilderten  Eugleninen  eine  Reihe  gradueller  Verschiedenheiten, 
indem  sie  ziemlich  Hand  in  Hand  mit  ihrer  Dickenentwicklung  auch  mehr 
und  mehr  Resistenz  erlangt,  bis  sie  bei  den  Chloropeltidien  sogar 
der  Einwirkung  concentrirter  Schwefelsäure  viele  Stunden  hindurch  wider- 
steht. Namentlich  Klebs  hat  sich  neuestens  um  die  genauere  Unter- 
suchung derselben  verdient  gemacht  und  festgestellt,  dass  die  Cuticula 
zahlreicher  Euglenen  schon  durch  concentrirte  Essigsäure  bis  zur  Un- 
kenntlichkeit aufquillt,  ebenso  auch  durch  Kali.  Eine  eigentliche  Auf- 
lösung erfolgt  jedoch  nicht,  wie  gewisse  Versuche  zeigen.  Von  diesem 
Verhalten  führen  ziemlich  allmähliche  Uebergänge  zu  der  grossen  Re- 
sistenz der  entwickelteren  Cuticularbildungen. 

In  keinem  Fall  gelang  die  Reaction  auf  Cellulose  imd  ich  kann  dies 
nach  zahlreichen  Versuchen  an  den  Chloropeltidien  bestätigen.  Mit  Jod 
und  Schwefelsäure  tritt  Braunfärbung  ein.  Im  Allgemeinen  nimmt  die  Tingir- 
barkeit  der  Cuticula  in  gleichem  Grade,  wie  ihre  Resistenzfähigkeit  zu- 
nimmt, ab;  als  bestes  Färbemittel  erwies  sich  noch  Hämatoxylin,  doch 
färbt  auch  dieses  bei  Fhacus  nur  schwach. 

Durch  Verdauungsversuche  mit  Pepsin,  sowie  durch  Untersuchung 
der  Wirkung  der  Fäulnissbaeterien  gelangte  Klebs  zu  dem  Resultat, 
dass  diese  Membran  allgemein  aus  zwei  verschiednen  Stoffen  besteht, 
einem  der  sich  bei  dieser  Behandlung  entfeinen  lässt  und  welcher  daher 
wohl  eiweissartiger  Natur  ist  und  einem  zweiten,  welcher  hierbei  als  zu- 
sammenhängende oder  in  bandartige  Streifen  zerfallne,  die  Streifung  noch 
zeigende  Membran  zurückbleibt,  sich  mit  Jod  nicht  mehr  tärbt  und  sehr 
wenig   in  Kali  quillt.     Letzteren  Stotf  bezeichnet  er  als  Zellhautstoff  und 


*)  Docli  verlegt  auch  Carter  die  Streifung  irriger  Weise  in  eine  besondere  Schicht  unter 
die  Cuticula. 


680  ,  Flagellata. 

seine   chemische  Natur  ist   zur  Zeit  noch  unbestimmt.    Auch  die  Höcker- 
fäden der  Euglena  spyrogyra  widerstehen  der  Behandlung  mit  Pepsin. 

Im  Allgemeinen  scheint  sich  hieraus  zu  ergeben,  dass  die  Resistenz 
zunimmt  je  mehr  in  der  Cuticula  der  Zellhautstoff  sich  ausbildet  und 
dass  dieser  in  den  so  widerstandsfähigen  Membranen  der  Chloropeltidien 
sehr  überwiegt. 

Mit  Euglena  stimmen  nach  Klebs  bezüglich  der  Cuticula  überein  die 
nahe  verwandten  Geschlechter  Ascoglena,  Trachelomonas,  Menoidium  und 
Eutreptia  und  auch  die  Cyclidiumformen,  welche  Klebs  unter  dem  Namen 
Astasia  beschreibt. 

Auch  bei  einigen  weiteren  mit  Euglena  verwandten  Geschlechtern 
findet  sich  eine  ähnliche  zarte  schraubige  Streifung,  wenngleich  eine 
deutliche  Cuticula  hier  nicht  immer  mit  Sicherheit  nachgewiesen  ist 
(Astasia,  Peranema,  Urceolus,  Zygoselmis  und  Heteronema.  Auch  die  zu 
den  Heteromastigoden  gehörige  Anisonema  zeigt  nach  Klebs  die  Spiral- 
streifung).  Bei  Peranema  hat  sich  jedoch  Klebs  von  der  in  coucentiirter 
Essigsäure  verquellenden  Cuticula  überzeugt  und  die  Gegenwart  der 
Spiralstreifung  scheint  im  Allgemeinen  das  Vorhandensein  einer  ent 
sprechenden  Cuticula  sehr  wahrscheinlich  zu  machen. 

Für  diese  Auffassung  spricht  weiterhin  ein  Zustand  des  interessanten  Urceolus,  den  ich 
einmal  zu  beobachten  Gelegenheit  hatte;  hier  hatte  sich  der  Weichkörper  in  seinem  vorderen 
Theil  von  einer  nun  deutlich  gestreiften  zarten  Cuticula  ganz  zurückgezogen  und  sich  kuglig 
zusammengeballt,  während  die  vorne  freie  Cuticula  noch  die  eigenthümliche  kelchartige  Be- 
schaffenheit des  Peristoms  darbot.  Die  Geissei  fehlte.  Mit  Kali  verquillt  die  Cuticula  jedoch 
bis  zur  Unkenntlichkeit. 

Aus  dem  Vorbemerkten  geht  wohl  sicher  hervor,  dass  die  Cuticular- 
bildung  unter  den  echten  Euglenoidinen  ganz  allgemein  verbreitete  zu 
sein  scheint,  so  dass  wir  sie  auch  den  übrigen,  bis  jetzt  noch  nicht 
genauer  studirten  Formen  wohl  zuschreiben  müssen. 

In  der  umfangreichen  Abtbeilung  der  Isomas tigoda  scheint  es  nur 
sehr  selten  zur  Entwicklung  einer  wahren  Cuticula  zu  kommen.  Mit 
einiger  Sicherheit  dürfen  Avir  eine  solche  wohl  nur  der  interessanten  Gattung 
Synura  zuschreiben  (T.  43,  1).  Die  Synura- Individuen  zeigen  ent- 
weder eine  etwas  unregelmässig  körnelige,  zarte  Hüllschicht,  oder  häufiger 
ist  dieselbe  über  die  gesammte  Körperoberfläche  zu  einem  etwas  unregel- 
mässigen Stachelkleid  ausgewachsen,  dessen  Stacheln  entweder  nur  kurz 
sind  oder  zu  recht  beträchtlichen  Anhängen  heranwachsen,  lieber  die  che- 
mische Beschaffenheit  dieser  Cuticula  und  ihrer  Stacheln  ist  zur  Zeit 
nichts  Sicheres  bekannt,  jedoch  scheint  dieselbe  aus  keinem  sehr  resi- 
stenten Stoffe  zu  bestehen.  Dieselbe  Hülle  sammt  Stachelkleid  zeichnet 
auch  die  zweifelhafte  Gattung  Mallomonas  Perty's  aus,  welche  Stein 
überhaupt  nicht  für  eine  selbstständige  Form  gelten  lässt,  sondern  auf 
abgelöste,  isolirte  Individuen  der  koloniebildenden  Synura  zurückführt. 

Da  aber  sicher  auch  eingeisselige  Formen  existiren ,  welche  der  Beschreibung  Perty's 
entsprechen,  während  die  Individuen  der  Gattung  Synura  stets  zweigeisselig  sind,  so  scheint 
es     noch    unsicher,     ob    nicht    doch    eine    besondere   Gattung    Mallomonas    festzuhalten    ist, 


Cuticularbildungen.     Stielgerüste  der  Deridromoiiadinae.  681 

welche  Ansicht  Keiit  vertritt.  Die  Bestaclielung  des  Mallonionas  zeigt  nun  eine  gewisse, 
jedenfalls  aber  passive  Beweglichkeit,  welche  schon  Fres enius  (93)  beobachtete;  die  Stacheln 
legen  sich  nämlich  bei  der  Bewegung  unsrcr  Wesen  dem  Körper  mehr  an,  d.  h.  sie  werden 
ohne  Zweifel  durch  den  Widerstand  des  Wassers  zurückgebogen.  Auch  beobachtete  Fresenius 
öfter,  dass  die  Richtung,  in  welcher  die  Stacheln  vom  Körper  abstehen,  langsam  verändert 
wird.  Wie  gesagt,  ist  aber  diese  Bewegliclikeit  der  Stacheln  jedenfalls  eine  durchaus  pas- 
sive, und  es  scheint  in  hohem  Maasse  irrthümlich,  wenn  Kent  die  Stacheln  des  Mallomonas 
für  Cüien  erklärt  und  unsere  Form  demgemäss  unter  die  Cilioflagellaten  stellt. 

Ganz  kurz  möchten  wir  an  dieser  Stelle  noch  der  von  der  gewöhnlichen  Auffassung 
sehr  abweichenden  Vorstellungen  Künstler's  (190)  über  den  Bau  der  Körperhülle  der  Gatt. 
Cryptomonas  hauptsächlich  gedenken.  Gegenüber  der  auch  von  mir  gethcilten  Ansicht,  dass 
diese  Form  nur  eine  äussere  verdichtete  Hautschicht  besitzt,  was  auch  bei  der  nächstverwandten 
Gatt.  Chilomonas  durch  das  leicht  eintretende  Zerfliessen  des  Körpers  bewiesen  wird,  gelangte 
K.  zu  dem  Resultat,  dass  das  sogen.  Integument  der  Cryptomonas  aus  nicht  weniger  wie  vier 
Schichten  zusammengesetzt  sei.  Die  äusserste  dieser  Schichten,  welche  er  speciell  als  Cuticula 
bezeichnet,  sei  farblos,  die  drei  inneren  dagegen  grün  pigmentirt.  Aus  diesen  Angaben  geht 
zunächst  hervor,  dass  K.  in  jedenfalls  irriger  Weise  die  später  zu  besprechenden  Entochrom- 
platten  (Chromatophoren)  zu  dem  Integument  hinzuzog.  (Vergl.  daher  auch  weiter  unten  im 
Kapitel  über  die  Chromatophoren.)  Der  äussersten  Integumentalschicht,  seiner  sogen.  Cuticula, 
schreibt  K.  eine  zarte,  oberüächliche  Spiralstreifung ,  ferner  eine  verdichtete  und  ge- 
schichtete äussere  Kegion  und  eine  tiefe  Lage  zu,  welch'  letztere  durch  Einlagerung  zahl- 
reicher von  flüssigkeitsreichem  Plasma  gebildeter  Vacuolen  in  der  Flächenansicht  eine  netz- 
artige Zeichnung  darbieten  soll.  Eine  ähnliche  Zeichnung  findet  er  auch  im  Integument  der 
sogen.  Euglena  oxyuris  (der  Abbildung  nach  jedenfalls  E.  spyrogyra),  jedoch  gründet  sich 
diese  Angabe  sicher  nur  auf  irrthümliche  Auffassung  der  oben  beschriebnen  Cuticularzeich- 
nung  dieser  Euglejia.  Auch  für  letztere  Gattung,  wie  für  Phacus  macht  K.  den  seltsamen 
Missgriff,  die  unter  der  eigentlichen  Cuticula  liegenden  Chromatophoren  als  eine  tiefe  Integu- 
mentschicht  zu  beschreiben ,  wobei  er  denn  natürlich  auch  in  den  Irrthum  verfallen  musste, 
dass  die  Euglenen  eine  zusammenhängende ,  gefärbte  subcuticulare  Lage  besässen ,  an  Stelle 
der  thatsächlich  vorhandenen  discreten  Chromatophoren.  Wir  begnügen  uns  hier  mit  diesem 
Hinweis  auf  die  Künstler'schen  Darstellungen  und  brauchen  kaum  eingehender  zu  betonen, 
dass  uns  dieselben  grösstentheils  irrig  erscheinen.  Die  angeblich  durch  vacuoläre  Einlage- 
rungen hervorgerufene  netzförmige  Zeichnung,  welche  Künstler  nicht  nur  dem  Integument, 
sondern  auch,  wie  wir  noch  sehen  werden,  zahlreichen  weiteren  Körpertheilen  zuschreibt, 
lässt  sich  möglicherweise  z.  Th.  auf  die  falsch  gedeutete  Beobachtung  einer  netzförmigen 
Plasmastructur  zurückführen,  welche  ja  auch  bei  den  Flagellaten  nicht  fehlen  wird. 

2.   Stiel-  und  Gehäusebildungen. 

a)  ötielbilduDgen.  Bei  einigen  Flagellaten  kommt  es  in  ähnlicher 
Weise,  wie  wir  dies  schon  bei  gewissen  Sarkodinen  fanden,  zur  Bildung  von 
stielartigen  Trägern  des  Körpers,  welche  sich  als  Abscheidungen  aus  der 
hinteren,  seltner  dagegen  der  vordem  Körperregion  entwickeln.  Besonders 
schön  entwickelt  begegnen  wir  solchen  Gebilden  zunächst  bei  der  Familie  der 
Dendromonadinae,  wo  die  Koloniebildung  gleichzeitig  zur  Entwick- 
lung verästelter,  baumförmiger  Stiele  führt.  Hier  ist  es  stets  das  hintere 
Körperende,  welches  durch  seine  Abscheidung  den  Stiel  erzeugt  und  sein 
Weiterwachsthum  bewirkt.  Die  Stiele  von  Dendromonas  und  Cephalo- 
thamnium  (T.  41;  6,  8)  werden  von  einer  ziemlich  steifen,  durchsichtigen, 
homogenen  und  farblosen  Masse  gebildet,  deren  Verhalten  gegen  Reagen- 
tien  zur  Zeit  nicht  genauer  bekannt  ist.  Sie  scheinen  weiter  durchaus 
solid,    nicht  röhrig   zu  sein.     Einer  ganz  entsprechenden  Stielbildung  be- 


682  Flagellata. 

gegnen  wir  unter  den  Isoniastigoda  auch  bei  der  Gattung  Cbrysalis 
(T.  44,  6),  jedoch  führt  dieselbe  hier  nicht  zur  Entwickhing  von  Kolonien. 
Aehnlich  erscheint  weiterhin  der  meist  kurze  Stiel,  welchen  die  sich  fest- 
setzenden Formen  der  Gattung  Ohio  rang i  um  (T.  44,  2)  ausscheiden. 
Stein  bezeichnet  ihn  als  starr,  Cienkowsky  (134)  dagegen  als  einen 
Schleimstiel.  Dieser  Chlorangiumstiel  kommt  jedoch  nicht  am  Hinter- 
ende des  Organismus  zur  Entwicklung,  sondern  da  sich  die  freischwim- 
mende Form  mit  ihrem  geisseltragenden  Vorderende  festheftet,  ist  es 
dieses,  welches  die  Ausscheidung  des  Stieles  bewirkt.  Sehr  interessant 
erscheint  es,  dass  wir  eine  zweite,  jedoch  den  Euglenoidinen  angehörige 
Form  kennen,  welche  in  einer  ganz  mit  Chlorangium  übereinstimmenden 
Weise  Stiele  bildet.  Dies  ist  die  Gattung  Colacium  (T.  47,  14).  Auch 
sie  geht  unter  Verlust  der  Geissei  durch  Festheftung  mit  dem  Vorder- 
ende in  einen  gestielten  Zustand  über,  doch  unterscheidet  sich  derselbe 
von  Chlorangium  dadurch,  dass  bei  der  nun  beginnenden  Vermehrung 
durch  fortgesetzte  Zweitheilung  allmählich  verzweigte,  bauraförmige  Stiele 
ähnlich  wie  bei  den  Dendromonadinen  gebildet  werden. 

Durch  eine  Reihe  besondrer  Eigenthümlichkeiten  zeichnet  sich  das 
Stielgerüst  der  zu  den  Dendromonadinen  gehörigen ,  so  vielfach  unter- 
suchten Anthophysa  aus,  weshalb  wir  erst  an  dieser  Stelle  etwas 
näher  auf  dieselbe  eingehen.  Die  Stiele  der  Anthophysa  werden 
wie  die  der  übrigen  Dendromonadinen  von  dem  Hinterende  der  Indivi- 
duen ausgeschieden;  da  jedoch  hier,  wie  bei  dem  nahe  verwandten  Cephalo- 
thamnium  die  Individuen  zu  etwa  halbkugligen  Kolonien  vereinigt  sind, 
welche  je  einem  Stiel  (oder  Zweig  des  Stielgerüstes)  aufsitzen,  so  wird 
jeder  Stiel  gleichzeitig  durch  die  Ausscheidung  aller  zu  einer  solchen 
halbkugligen  Gruppe  vereinigten  Individuen  erzeugt  (T.  41,  5).  Wie 
schon  angedeutet,  entwickeln  sich  auch  die  Stiele  der  Anthophysa  zu 
dichotomisch  verzweigten  und  häufig  sehr  ansehnlichen  Gerüsten,  indem 
die  Individuengruppen  der  Stielenden  sich  zweitheilen  und  jede  der  so 
erzeugten  Gruppen  einen  neuen  Stielzweig  bildet. 

Die  jugendlichen  Stiele  unsrer  Anthophysa  erscheinen  wie  die  der 
seither  besprochnen  Formen  farblos ,  ältere  dagegen  (oder  die  altern 
Theile  der  Gerüste)  nehmen  allmählich  eine  gelbliche  bis  gelbbraune 
Färbung*)  und  nach  Stein  gleichzeitig  auch  eine  starre,  unbiegsame  Be- 
schaffenheit an,  wogegen  die  noch  farblosen  Gerüste  (oder  die  peripherischen 
Zweigenden  älterer  Gerüste)  weich  und  biegsam  sind.  Ueber  den  feineren 
Bau  der  Stiele  herrschen  noch  gewisse  Zweifel ;  James-Clark  (124)  beschreibt 
dieselben  als  hohle  Röhren  und  auch  Stein  bezeichnet  sie  als  ,,solide 
Röhren'';  gegenüber  dieser  Auffassung  betonte  ich  seiner  Zeit  ihre  solide 
Beschaffenheit  und  auch  Kent,  welcher  dem  Bau  der  Stiele  viel  Aufmerk- 


*)  Ob  diese  Färbung  iiiclit  auch  durch  eine  Beimischung  von  Eisenoxydhydrat  verur- 
sacht ist,  wie  dies  Klebs  für  ähnliche  Färbungen  der  Schalen  gewisser  Euglenoidinen  erwies, 
bleibt  zu  untersuchen. 


Stielgerüste  der  Autophysa.  683 

saiukeit  gewidmet  hat,  schliesst  sich  letztrer  Ansicht  an.  Dagegen  glaubt 
sich  Balbiani  (199)  neuerdings  wieder  von  der  rührigen  Beschaffenheit 
jugendlicher  Stiele  sicher  überzeugt  zu  haben  und  beobachtete  gleichzeitig 
in  deren  Axe  einen  dunkleren  Axenfaden.  Das  Material ,  welches  den 
Anthophysenstiel  zusammensetzt,  ist  nicht  homogen,  wie  das  der  seither 
erwähnten  Formen ,  sondern  schon  die  jugendlichen  und  weichen  Stiele 
oder  Stieltheile  besitzen  stets  eine  etwas  unregelmässig  granuläre  Be- 
schaffenheit, welche  in  den  älteren,  bräunlichen  Theilen  einer  feinen  Längs- 
bis  Spiralstreifung  Platz  macht.  Nach  Stein's  Darstellung  wird  diese 
Streifung  durch  die  Einlagerung  zahlreicher  feiner  stäbchenförmiger 
Skeletgebilde  hervorgerufen,  welche  denn  auch  die  Starrheit  dieser 
älteren  Stieltheile  bedingen  sollen.  Dagegen  sprechen  meine  Beob- 
achtungen wie  die  Kent's  für  eine  zusammenhängende,  etwas  un- 
regelmässige Streifung,  resp.  Faserung.  Die  granulöse  Beschaffenheit  der 
jugendlichen  Stieltheile  schreibt  sich  wahrscheinlich  von  der  etwas  seltsamen 
Entstehungsgeschichte  des  Stieles,  welche  zuerst  durch  Kent's  Unter- 
suchungen aufgeklärt  wurde,  her.  Schon  Ehrenberg  machte  die  interessante 
Beobachtung,  dass  bei  Fütterung  der  Anthophysakolonien  mit  Indigo  die 
Farbstoffpartikel  sich  allmählich  in  grosser  Menge  an  den  obersten,  jüng- 
sten Stieltheilen  ansammeln,  so  dass  diese  nach  einiger  Zeit  ganz  blau 
erscheinen.  Kent  verfolgte  den  Vorgang  näher  und  fand,  dass  die  von 
den  Thieren  aufgenommenen  Farbstoffpartikelchen  sehr  bald  wieder  von 
deren  Hinterenden  ausgeschieden  und  so  in  die  gleichzeitig  secernirte 
weiche  Stielmasse  eingelagert  werden.  Diese  interessante  Beobachtung 
scheint  nun  den  Schluss  sehr  wahrscheinlich  zu  machen,  dass  die  Granu- 
lationen, welche  die  noch  jugendlichen  Stieltheile  zeigen,  auf  Excretions- 
producte  zurückzuführen  sind,  welche,  ähnlich  wie  die  unverdaulichen 
Farbstoffpartikelchen ,  an  den  Hinterenden  der  Anthophysathiere  ausge- 
schieden werden.  Wie  sich  jedoch  aus  dieser  granulären  Beschaffenheit 
der  jüngeren  Stieltheile  die  streifige  der  älteren  hervorbildet,  scheint  etwas 
zweifelhaft.  Kent  sucht  dies  so  zu  erklären,  dass  die  Streifen  den  An- 
theil  bezeichnen,  welchen  jedes  Individuum  einer  Thiergruppe  am  Aufbau 
des  Gesammtstiels  genommen  habe,  eine  Ansicht,  welche  schon  früher 
James-Clark  in  ähnlicher  Weise  aufgestellt  hatte.  Hierfür  spreche  nament- 
lich die  Erscheinung,  dass  sich  die  Zahl  der  Streifen  gegen  das  Ende 
des  Stiels,  resp.  Stielzweiges,  vermehre,  entsprechend  der  Vermehrung  der 
Individuenzahl  der  Gruppen  durch  fortdauernde  Theilung. 

Das  Wachsthum  des  Antophysastiels  scheint  im  Allgemeinen  ein  ziem- 
lich rasches  zu  sein ;  bei  Karminfütterung  sah  Kent  den  Stiel  einer  Gruppe 
in  einer  halben  Stunde  um  etwa  0,034  Mm.  wachsen,  jedoch  geschieht  die 
Zunahme  unter  gewöhnlichen  Verhältnissen  gewiss  beträchtlich  langsamer. 

Jedenfalls  scheint  die  seiner  Zeit  von  James-Clark  geäusserte  Ansicht, 
dass  das  Stielgerüste  unsrer  Autbophysa  ein  eignes  actives  Wachsthum 
besitze,  nicht  zutreffend,  wenngleich  gewisse  eigenthümliche  Verhältnisse 
in  seiner  Dickenzunahme  eine  solche  Ansicht  scheinbar  unterstützen. 


684  ■       Flagellata. 

unter  normalen  Wachsthumsverhältnissen,  d.  li.  bei  regelmässig  fortdauernder  Vermehrung 
der  Einzelthiere  der  Gruppen  ist  a  priori  anzunehmen ,  dass  die  Dicke  des  Stiels  (resp.  der 
Stielzweige)  nach  den  Enden  zu  etwas  wächst.  Dies  tritt  denn  auch,  wie  es  scheint,  an  den 
Stöcken  mit  indinduenreichen  Gruppen  ziemlich  deutlich  hervor.  Namentlich  ist  an  solchen 
Stöcken,  wie  Stein  ausfuhrlich  darstellt,  das  Ende  der  Stielgerüstzweige  nahezu  kuglig  an- 
geschwollen (T.  41,  5i).  Dagegen  finden  wir  auch  Stöcke,  deren  Gruppen  sich  durch  Indi- 
viduenarmuth  gewöhnlich  als  schwächlich  entwickelte  verrathen,  bei  welchen  sich  das  Stiel- 
gerüst von  der  Basis  aus  mehr  und  mehr  verdünnt,  bis  schliesslich  die  freien  Zweigenden 
ganz  fein  zugespitzt  auslaufen  (T.  41,  5  b),  also  genau  das  umgekehrte  Verhalten  wie  im  erst- 
geschilderten Fall  darbieten.  Derartige  Stielgerüste  könnten  nun  wirklich  die  Vermuthung 
hervorrufen,  es  fände  ein  nachträgliches  actives  Dickenwachsthum  der  Stiele  statt.  Dieser  sehr 
unwahrscheinlichen  Annahme  dürfte  jedoch  die  vorzuziehen  sein,  welche  die  abnorme  Ver- 
dünnung der  Stielzweige  theils  auf  ungenügende  Ernährungsverhältnisse  der  sie  erzeugenden 
Gruppen,  theils  namentlich  darauf  zurückzuführen  sucht,  dass  die  Gruppen  solcher  Stöcke  nicht 
eine  fortdauernde  Vermehrung  ihrer  Individuen,  sondern  wahrscheinlich  eine  allmähliche  Ver- 
minderung derselben  dadurch  erfahren,  dass  sich  fortdauernd  Einzelthiere  aus  den  Gruppen  los- 
lösen und  diese  so  allmählich  verarmen. 

Ueber  die  chemische  Natur  der  braunen,  verhärteten  Stielgerüste  ist 
bekannt,  dass  sie  selbst  in  kochender  Kalilauge  unlöslich  sind,  dagegen 
von  concentrirter  Schwefelsäure  zerstört  werden.  Ob  man  ihre  Substanz 
daher  dem  Chitin  vergleichen  will  oder  es  mit  Kent  vorzieht,  sie  lieber 
dem  Keratin  zu  nähern ,  scheint  auf  Grund  unserer  geringfügigen  Kennt- 
nisse zunächst  ziemlich  bedeutungslos. 

b)  Hüllen bild  un  gen.  a.  Gallerthüllen.  Zu  den  Hüllenbildungen 
im  weitern  Sinne  rechnen  wir  auch  die  gallertigen  Umhüllungen ,  welche 
gewisse  Flagellaten,  ähnlich  wie  früher  besprochene  Sarkodinen,  besitzen. 
Wir  sind  hierzu  um  so  mehr  berechtigt,  als  eine  Vergallertung  häutiger 
Umhüllungen  zu  gewissen  Zeiten  auch  bei  Flagellaten  beobachtet  wird  und 
sich  bei  pflanzlichen  Organismen,  wie  bekannt,  sehr  häufig  findet,  andrer- 
seits solche  gallertige  Umhüllungen  den  Charakter  von  Schalengebilden 
zuweilen  ziemlich  deutlich  darbieten  und  durch  Erhärtung  allmählich  in 
häutige  Schalengebilde  überführen  können. 

Schon  unter  den  Rhizomastigoda  treffen  wir  gelegentlich  eine  solche 
Gallerthülle  an.  Die  Mastigamoeba  (Rhizomonas)  verrucosa  Kent  hüllt 
sich  zuweilen,  auf  einer  Unterlage  aufliegend,  in  einen  halbkugligen 
Gallertmantel,  aus  welchem  allein  die  Geissei  hervorragt.  Besonders  cha- 
racteristisch  werden  jedoch  derartige  Gallerthüllen  in  der  zu  den  Isomasti- 
goden  gehörigen  Familie  der  Spongomonadinen,  wo  sich  durch  gleich- 
zeitige Aggregation  zahlreicher  Individuen  zu  Gesellschaften  oder  Kolonien, 
wobei  die  Gallerthüllen  der  Einzelthiere  zu  einem  gemeinsamen  Mantel  zu- 
sammenfliessen,  grössere  Gallertmassen  bilden,  welche  dicht  mit  Individuen 
durchsetzt  sind.  In  der  Gattung  Spongomonas  bilden  sich  so  auf  einer 
Unterlage  ruhende  Scheiben-  oder  bandförmige  Gallertmassen,  in  welchen 
die  kleinen  Einzelthiere  dicht  unter  der  Oberfläche,  ziemlich  gleichmässig 
vertheilt,  eingelagert  sind  (T.  42,  12  und  13).  Jedes  Thier  liegt  in  einer 
engen ,  von  Flüssigkeit  erfüllten  Höhle.  Bei  Spongomonas  Uvella  Kent 
dagegen  sind  die  Gallerthüllen  der  Einzelindividuen  etwas  mehr  gesondert. 


Gallerthüllen  der  Spongomonadinac.  (385 

indem  sie  sieh  beeren fürmig  zusammeu  gruppiren  und  nur  an  der  Basis 
des  Stockes  zu  einem  gemeinsamen  kurzen  Stiel  zusammenschmelzen. 
Eine  im  allgemeinen  ähnliche  Gestaltung  zeigen  auch  die  grossen  Stöcke 
der  Spongomonas  Sacculus  Keut,  welche  gewöhnlich  frei  von  der  Wasser- 
oberfläche herabhängen  (T.  42,  10).  Die  gesammte  Gallertmasse  besitzt 
hier  eine  etwa  bentelförmige  Gestalt,  sackt  sich  jedoch  im  Laufe  des 
Wachsthums  in  zahlreiche  secundäre  Beutel  aus.  Die  Stöcke  dieser  Art 
erreichen  eine  Länge  von  nahezu  15  Mm. 

Gewöhnlich  scheint  die  Gallertniasse  der  Spongomonasstöcke  eine  ganz 
gleichmässige  zu  sein,  nur  in  dem  bandförmigen  Gallertstock  der  Spon- 
gomonas Intestinum  sah  Stein  (jedoch  nur  bei  abgestorbnen  Exemplaren) 
häufig  einen  medianen  Längskanal  (T.  42,  12). 

Einen  etwas  anderen  Habitus  besitzen  die  gleichfalls  gallertigen 
Gesellschaftsgehäuse  der  Gattungen  Rhipidodendron  (T.  42,  9)  und 
Cladomonas  (11),  indem  hier  einmal  jedes  Individuum  keine  geschlossene 
Hülle,  sondern  eine  an  ihrem  oberen  Ende  weit  geöffnete  Gallertröhre  er- 
zeugt und  diese  Röhren  der  Einzelindividuen  grössere  Selbständigkeit  be- 
wahren. Bei  Rhipidodendron  geht  das  prächtige,  in  einer  Ebene  fächer- 
förmig sich  ausbreitende  Gesellschaftsgehäuse  in  der  Weise  hervor,  dass 
die  an  ihrem  hinteren  Ende  aufgewachsene  Anfangsröhre  sich,  bei  der 
fortdauernden  Vermehrung  der  Einzelthiere  durch  Theilung,  fortgesetzt 
dichotomisch  gabelt.  Alle  Eiuzelröhren  liegen,  wie  gesagt,  in  einer  Ebene 
neben  einander  und  verwachsen  seitlich  zu  einem  zusammenhängenden 
Fächer.  Indem  diese  Verwachsung  jedoch  bei  fortdauerndem  Wachsthum 
zeitweilig  unterbleibt,  spaltet  sich  der  Fächer  fortgesetzt  in  eine  Anzahl, 
je  aus  einer  gewissen  Zahl  von  Röhren  bestehender,  secundärer  Strahlen. 
Wie  bemerkt,  liegen  die  Röhren  gewöhnlich  einschichtig  in  einer  Ebene 
neben  einander,  doch  kommt  es  auch  nicht  selten  durch  leicht  verständ- 
liche Abänderung  des  Wachsthums  zur  Bildung  von  Fächerstrahlen,  welche 
aus  zwei  Röhrenlägen  bestehen. 

Das  Gesellschaftsgehäuse  von  Cladomonas  (T.  42,  11)  unterscheidet 
sich  wesentlich  dadurch  von  dem  eben  beschriebenen,  dass  die  sich  fort- 
gesetzt dichotomisch  verästelnden  Gallertröhre  mit  ihren  Zweigen  nicht 
zur  Bildung  eines  Fächers  zusammentritt,  also  einen  frei  verästelten  Baum 
bildet.  Eine  besondere  Eigentbümlichkeit  zeigen  die  Gerüste  dieser 
Form  nach  Stein  zuweilen,  indem  sich  an  jeder  Verzweigungsstelle  der 
Röhre  ein  braunes  Band  bildet,  die  Gesammtröhre  also  wie  gegliedert 
erscheint. 

Ohne  Zweifel  besitzen  die  im  allgemeinen  gallertigen  Gehäuse  der 
letztbeschriebenen  beiden  Gattungen  eine  etwas  grössere  Festigkeit,  wie 
die  der  Spongomonas,  da  sie  sich  frei  im  Wasser  erheben.  Kent  sucht 
dies  darauf  zurückzuführen,  dass  bei  ihnen  die  innerste  Röhrenschicht 
eine  grössere  Dichte  und  Festigkeit  erlange. 

Wie  schon  aus  der  Entwicklungsgeschichte  der  Röhrengehäuse  her- 
vorgeht, müssen  die  sie  erzeugenden  Thiere  stets  die  äussersten  Röhren- 


686  Flagellata. 

enden  bewohnen,  ja  sie  ragen  häufig  mit   ihren  geisseltragenclen  Vorder- 
enden noch  etwas  frei  über  die  Röhrenränder  hervor. 

Noch  eine  andere  Isomastigode  aus  der  Familie  der  Chrysomona- 
dinae,  Syncrypta  nämlich  (T.  43,  3a),  bildet  eine  Gallerthülle  um  ihren 
Kolonialstock,  die  sich  im  allgemeinen  der  von  Spongomouas  nahe  an- 
schliesst.  Um  die  freischwimmende  kuglige  Kolonie  bildet  sich  eine  zu- 
sammenhäugende,  kuglige  Gallerthülle  aus,  welche  eine  „scharf  abgegrenzte, 
lichtere  Höhle  umschliesst"  (Stein).  Wahrscheinlich  dürfte  darnach  hier, 
wie  bei  der  gleich  zu  erwähnenden  Uroglena  der  centrale  Theil  der 
Gallerte  aus  weicher,  wenn  nicht  flüssiger  Masse  bestehen.  Bei  letzterer, 
von  uns  zu  den  Dinobryina  gezogenen  Gattung  findet  sich  eine  ent- 
sprechende, gemeinschaftliche,  kuglige  Gallertmasse,  in  welche  die  sehr 
zahlreichen  Individuen  peripherisch,  dicht  unter  der  Kugeloberfläche  ein- 
gelagert sind.  Auch  hier  scheint  die  Gallertkugel  in  ihrem  centralen 
Theil  eine  flüssigere  Beschaffenheit  zu  besitzen,  da  ich  mehrfach  lebhaft 
bewegliche  Bacillariaceen  in  ihr  beobachtete. 

Eine  gemeinsame  Eigenthümlichkeit  zeigen  die  Gallerthüllen  sämmt- 
licher  beschriebener  Flagellaten  darin,  dass  sie  niemals  homogen,  sondern 
stets  von  zahlreichen  feineren  oder  gröberen  Körnchen  dicht  durchsetzt 
sind.  Diese  Körnchen  sind  gewöhnlich  farblos,  seiteuer  braun  wie  bei 
Rhipididendron  und  Spongomonas  Sacculus,  wo  sie  dann  dem  ge- 
sammten  Gehäuse  eine  braune  bis  rothbraune  Färbung  ertbeilen*). 

Die  Natur  der  Grauulatioiieu  glaubt  Kent  ähnlich  beurtheilea  zu  dürfen,  wie  die  der 
körnigen  Einlagerungen  des  Anthophysastiels,  er  erblickt  in  ihnen  nämlich  Excretionsprodukte. 
Dass  die  Körnchen  der  Gallerte  von  den  Flagellaten  ausgeschieden  werden,  unterliegt 
wohl  keiner  Frage  und  demgemäss  dürfen  wir  sie  auch  wohl  als  Excretionsprodukte  gelten 
lassen.  Weniger  sicher  scheint  mir  dagegen,  ob  dieselben,  wie  Kent  für  Anthophysa  anzu- 
nehmen scheint,  als  unverdaute  Nahrungsreste  zu  betrachten  sind.  Die,  wie  es  scheint,  im 
allgemeinen  ziemlich  gleichmässige  Beschaü'enheit  der  Granulationen,  wie  andrerseits  die 
charakteristische  Färbung  der  Körnchen  gewisser  Formen  macht  letztere  Auffassung  im 
Ganzen  wenig  wahrscheinlich.  Auch  die  Entwicklung  ähnlicher  körniger  Gallerte  während  des 
ruhenden  Zustandes  gewisser  Formen  (so  Chrysomonas  flavicans)  scheint  unsere  Ansicht  zu 
unterstützen,  da  es  wenig  wahrscheinlich  ist,  dass  auch  im  geissellosen,  ruhenden  Zustand  eine 
fortgesetzte  Nahrungsaufnahme  statthat. 

Zum  Beschlüsse  unsrer  Betrachtung  der  Gallerthüllen  müssen  wir  hier 
noch  kurz  der  Erscheinung  gedenken,  dass  gewisse  Flagellaten  vorüber- 
gehend unter  besonderen  Verhältnissen  eine  meist  dünne,  dem  Körper  dicht 
aufliegende  Gallerthülle  bilden.  Eine  solche  tritt  zuweilen  bei  der 
Monas  vivipara  auf  (Bütschli,  T.  40,  13a);  nach  James-Clark  bekleidet 
sich  auch  die  in  Theilung  eingehende  Anthophysa  mit  einer  Gallert- 
hülle. Die  genauesten  Mittheilungen  über  eine  derartige  gelegentliche 
Einhüllung  des  Körpers  machte  neuerdings  Klebs,  welcher  nachwies, 
dass  gewisse  Euglenaarten  (hauptsächlich  E.  velata  und  sanguinea) 
unter  ungünstigen  äusseren  Verhältnissen  sehr  rasch  eine  Schleimschicht 
abscheiden.   Dabei  gelang  es  nun  weiter  nachzuweisen,  dass  diese  Schleim- 


*")  üb  durch  Eisenoxydliydrat? 


(iallertliülleu ;  Gchiiusebilcliingeii.  687 

Schicht  ursprüuglich  keine  homogeue  ist,  sondern  durch  Ausscheidung 
zahh-eicher,  aufäuglich  gesonderter  Schleimtaden  entsteht.  Dieselben 
wachsen  allseilig  und  dichtgestellt  über  die  Cuticula  hervor  und  scheinen 
einen  rührigen  Bau  zu  besitzen.  Allmählich  vereinigen  sie  sich  jedoch 
mit  einander  zu  einem  netzigen  Fadeuwerk,  das  schliesslich  durch  weitere 
Aufquellung  zu  einer  anscheinend  homogenen  Schleimhülle  wird.  Der 
Ursprung  der  Schleimfaden  lässt  sich  bis  unter  die  Cuticula  verfolgen  und 
mit  Sicherheit  feststellen,  dass  es  die  äusserste  Plasniaschicht  des  Körpers 
ist,  wo  die  Bildung  derselben  geschieht.  Es  sind  kleine,  stärker  tingirbare 
Körperchen,  lesp.  Partien  dieser  äussersten  Plasmaschicht,  von  welcher  die 
Schleimfäden  ausgehen. 

Bei  den  festsitzenden,  koloniebildenden  Eugleninen  der  Gattung  Cola- 
cium  scheint  es  stets  und  dauernd  zur  Bildung  einer  solchen  Gallert- 
hUlle  zu  kommen,  während  die  freibeweglicheu  Individuen  derselben  ent- 
behren (T.  47,  16). 

c)  Häutige  Schalen-  und  Gehäusebildungen.  Wie  bemerkt, 
scheint  eine  scharfe  Grenze  zwischen  den  jetzt  zu  beschreibenden  Hüllen 
und  den  gallertigen  kaum  zu  existiren.  So  scheinen  einerseits  gewisse 
Dendromonadinen,  andrerseits  die  noch  zu  besprechende  Gehäusebildung 
der  Gattung  Codonoeca  einen  Uebergang  zu  bilden. 

Als  Gehäusebildungen  dürfen  wir  zunächst  diejenigen  hierher- 
gehörigen Schutzhüllen  bezeichnen,  welche  dem  eingeschlossenen  Weich- 
körper einen  freien  Spielraum  gewähren  und  eine  weite  Oeffnung  besitzen, 
sowie  meist  auch  befestigt  sind.  Als  Schalenbildungen  dagegen  die- 
jenigen ,  welche  den  Körper  allseitig  und  enger  umschliessen  und  meist 
unbefestigt  sind.  Natürlich  giebt  es  jedoch  keine  scharfe  Grenze  zwischen 
diesen  beiden  Kategorien. 

Für  die  hier  zu  besprechenden  Schutzhüllen  gilt  ganz  allgemein,  dass 
sie  einen  entschieden  einaxigen  Bau  aufweisen,  der  theils  ein  ganz  dreh- 
runder theils  ein  zweistrahliger  ist. 

Beginnen  wir  unsere  Betrachtung  mit  den  Gehäusebildungen,  weil 
diese  sich  in  ihrem  Bau  den  letztbetrachteten  Gallertröhren  zum  Theil 
näher  anschliessen.  Derartige  Gehäuse  sind  am  verbreitetsten  bei  den 
Monadinen,  sie  bezeichnen  hier  die  Familien  der  Codonoeciden,  Bikoe- 
ciden,  sowie  die  Gattungen  Epipyxis  und  Dinobryon  der  Dinobryoninen. 
Ganz  ähnliche  Gehäuse  kehren  dann  wieder  unter  den  Isomastigoda  bei 
den  Gattungen  Diplomita  Kent  und  Chrysopyxis  St.  und  interessanter 
Weise  auch  bei  einer  Euglenoidine  der  Gattung  Ascoglena  St. 

Mit  Ausnahme  der  Gattung  Dinobryon,  welche  stets  frei  schwimmend 
gefunden  wird,  gehören  alle  erwähnten,  gehäusebildenden  Formen  izu 
den  aufgewachsenen  und  zwar  geschieht  die  Befestigung  gewöhnlich 
durch  einen  soliden,  längeren  oder  kürzeren  Stiel,  welcher  das  eigent- 
liche Gehäuse  trägt,  selten  dagegen  (Epipyxis  T.  42,  2)  durch  das 
stielförmig  ausgezogene  Hinterende  des  eigentlichen  Gehäuses.  Direct 
auf    der    Unterlage    aufgewachsen    sind    nur    die    Gehäuse    der    etwas 


688  Flagellata. 

zweifelhaften  Gattung  Platytheca  (T.  40,  8)  und  der  Gattung  Chryso- 
pyxis  (T.  43,  2).  Die  Gestalt  der  Gehäuse  bietet  im  allgemeinen  keine 
sehr  erbeblichen  Variationen  dar.  Sie  schwankt  etwa  zwischen  ballonföimig 
mit  etwas  verengter  Mündung  (Platythea  und  Chrysopyxis),  beuteiförmig 
(Bikosoeca,  T.  40,  11),  fingerhutförmig  mit  weiter  Mündung  (Poterioden- 
dron,  Codonoeca,  Diplomita,  T.  40;  10,  9),  bis  mehr  oder  minder  gestreckt 
vasenförmig  (Dinobryon,  Epipyxis,  T.  42,  1 — 2)  und  dann  gewöhnlich 
mit  schön  auswärts  geschwungenem  Mündungsrand.  Als  besondere  Aus- 
zeichnung findet  sich  selten  eine  Längsrippung  des  Mündungstheils  (so 
Codonoeca  costata),  oder  die  Bildung  zweier  stachelartiger  Fortsätze  am 
aboralen  Ende  des  ungestielten  Gehäuses  zur  Befestigung  an  der  Unter- 
lage (Chrysopyxis). 

Die  Substanz  der  Gehäuse  ist  fast  immer  eine  ganz  homogene,  glas- 
artig durchsichtige  und  auch  meist  ganz  farblos.  Bei  der  Euglenine  Asco- 
glena  (T.  47,  19)  jedoch  ist  das  Gehäuse  feinkörnig  und  bis  auf  den  weichen 
farblosen  Mündungsrand  durch  Eisenoxydhydrat  braun  gefärbt  (Klebs). 
Braun  bis  umbrafarbig  ist  auch  meist  das  Gehäuse  der  Diplomita.  Nur 
selten  treffen  wir  besondere  Einrichtungen  zur  Befestigung  der  Fla- 
gellaten  in  ihren  Gehäusen.  Dies  ist  der  Fall  bei  der  Familie  der  Bikoe- 
ciden  (T.  40;  10a  und  IIa)  sowie  den  Gattungen  Dinobryon  und  Epipyxis 
(T.  41,  10,  st  und  42;  1 — 2).  Bei  diesen  Formen  ist  es  ein  hinterer 
fadenartiger,  gegen  sein  Ende  zugespitzter  Körperfortsatz,  welcher 
die  Befestigung  im  Grunde  oder  an  der  Seite  des  Gehäuses  bewerk- 
stelligt. Dieser  Faden  zeichnet  sich  weiter  durch  eine  meist  recht 
energische  Contractilität  aus  und  vermag  daher  den  Körper  zum  Schutze 
mehr  oder  weniger  tief  in  die  Schale  hinabzuziehen  (T.  40,  11c). 

Schalenbildungen.  Unter  diesen  schliessen  sich  zunächst  die 
Schalen  gewisser  Euglenoidina,  nämlich  die  der  gestaltenreichen  Gattung 
Trachelomonas,  vermittelnd  an  die  besprochnen  Gehäusebildungen 
an.  Diese  stets  deutlich  einaxigen  Schalen  sind  stets  mit  einer  den 
vorderen  Pol  auszeichnenden,  relativ  engen  und  kreisrunden  Mündung 
versehen,  aus  welcher  die  Geissei  hervorragt.  Der  Thierkörper  füllt  die 
Schale  häufig  ganz  vollständig  aus,  häufig  jedoch  auch  nur  theilweis,  und 
da  er  wie  der  der  naheverwandten  Euglenen  contractu  ist,  so  kann  er  im 
letztern  Fall  seine  Lage  in  der  Schale  verändern.  Die  Schalenwand  ist 
stets  relativ  dick  und  ihre  Substanz  gewöhnlich  recht  starr  und  spröde, 
so  dass  die  Schale  durch  Druck  in  scharfkantige  Bruchstücke  zer- 
sprengt wird. 

Nicht  ganz  sicher  scheint  mir  entschieden,  ob  die  Trachelomonasschale  nur  aus  einer  ein- 
lieitlichen  Substanzlage  besteht,  oder  ob  sich  z.  Th.  zwei  Schichten  unterscheiden  lassen.  Bei 
gewisser  Einstellung  erscheint  nämlich  bei  der  gemeinen  Trachelomonas  volvocina  ein  ziem- 
lich dicker  innerer,  roth  bis  rothbraun  gefärbter  Saum  der  Schale,  was  schon  Ehrenberg  beob- 
achtete und  sich  nicht  recht  zu  deuten  getraute;  da  jedoch  bei  etwas  tieferer  Einstellung 
dieser  Saum  ganz  schwindet  und  die  Schale  dann  ein  bläulich  glänzendes  Aussehen  -bietet, 
glaube  ich,  dass  es  sich  nur  um  ein  optisches  Phänomen  handelt. 


Schalen  von  Trachelouionas.  689 

Die  Gestalt  der  Traehelomonasschalen  Ut  etwas  variabel  und  schwankt 
bei  den  veiscbiednen  Arten  zwischen  reiner  Kiigelform  bis  zum  EUipsoi- 
dischen  und  Eiförmigen,  ja  Cylindrischen  (T.  47;  20,  21,  T.  48;  1,  2). 
Letztere  Schalengebilde  erlangen  sogar  z.  Tb.  einen  etwas  viereckigen 
Umriss,  indem  sich  vorn  und  hinten  eine  Abplattung  einstellt.  Bei  einigen 
Formen  ist  der  aborale  Schalenpol  in  ein  Schwanzspitzchen  ausgezogen, 
welches  eine  hohle  Verlängerung  der  Schale  zu  sein  scheint  und  bei 
zahlreichen  tritt  eine  Bestachelung  der  Schalenoberfläche  auf.  Be- 
trachten wir  jedoch  zunächst  die  Beschaffenheit  der  Scbalenmündung  et- 
was genauer,  da  auch  diese  eine  Reihe  von  Variationen  darbietet.  Die- 
selbe ist  entweder  eine  einfache  kreisrunde  Oeifnung,  deren  Rand 
etwas  verdickt  ist,  so  dass  er  sie  wie  ein  Ringwulst  umschliesst 
(T.  47,  21).  Häufig  wächst  jedoch  der  Mündungsrand  zu  einem  der 
Schale  aufgesetzten  Hälschen  aus,  das  sich  mehr  oder  weniger  erhebt 
und  dessen  Ende  bei  gewissen  Formen  etwas  gezackt  oder  in  eine 
Anzahl  deutlicher  Zähne  ausgezogen  sein  kann  (T.  47,  20).  Gewöhn- 
lich ist  jedoch  sein  Mündungsrand  einfach  glatt  abgeschnitten.  Die  Ent- 
wicklung eines  solchen  Mündungshälschens  scheint  ziemlich  zu  variiren, 
da  es  bei  gewissen  Arten  bald  vorhanden  ist,  bald  fehlt  (Stein).  Merk- 
würdig erscheint,  dass  als  Abnormität  auch  gelegentlich  (Tr,  volvocina) 
ein  Einwärtswachsen  des  Mündungsrandes  beobachtet  wurde,  wodurch  ein 
in  das  Schaleninnere  hinabreichendes  Mündungsrohr  entsteht,  eine  ähn- 
liche Abweichung,  wie  wir  sie  früher  bei  der  Rhizopodengattung  Lagena 
antrafen. 

Die  Schalenbestachelung  findet  sich  in  sehr  verschiedenen  Ausbil- 
dungsgraden. Schon  bei  Trachelomonas  volvocina,  welche  gewöhnlich 
ganz  glatte  Schalen  besitzt,  tritt  zuweilen  auf  der  Schalenoberfläche  eine 
Zeichnung  dichtgestellter  Punkte  hervor,  die  eine  Anordnung  besitzen, 
welche  an  die  Zeichnung  der  Arcellaschale  erinnert.  Schon  Perty  hat 
jedenfalls  derartige  Formen  beobachtet  und  zeichnet  bei  ihnen  eine  den 
Punkten  entsprechende  deutliche  Radiärstreifung  des  optischen  Durch- 
schnitts der  Schalenwand.  Eine  solche  Bildung  beobachtete  ich  sehr  deut- 
lich bei  Formen,  die  nach  ihrer  allgemeinen  Gestalt  entschieden  als  Varie- 
tät oder  noch  etwas  unentwickelte  Exemplare  von  Trachelomonas  hispida 
zu  betrachten  sind  (T.  48,  3).  Hier  trat  auf  der  Schalenoberfläche  die 
Zeichnung  dichtstehender  Punkte  ebenfalls  sehr  deutlich  hervor  und  zwar 
ist  jeder  der  Punkte  ein  feines  Knöpfchen,  das  sich  nur  wenig  über  die 
Schalenoberfläche  erhebt.  Im  optischen  Durchschnitt  der  Schalenwand 
erkennt  man  sehr  deutlich,  dass  jedes  Knöpfchen  als  ein  etwas  dunkleres 
Säulchen  die  gesammte  Wanddicke  durchsetzt,  worauf  eben  die  radiär- 
streifige  Beschaffenheit  der  Schalenwand  beruht*). 


*)  Diese  Schalenstructur  erinnert  vielleicht  an  die  Entstehung  der  Gallerthüllen  der  ver- 
wandten Euglenen  aus  Schleimfäden,  wie  sie  frülier  (s.  pag.  085)  nach  Kleljs  geschildert 
wurde. 

Brüim,  Klassen  des  Thier-Eeichs.     Protozoa.  4:4 


690  Flagellata. 

Es  scheint  nun  unzweifelhaft,  dass  die  gleichmässige  iiurze  Bestache- 
lung,  welche  die  Oberfläche  der  Schale  bei  den  typischen  Formen  der 
Trachelomonas  hispida  gewöhnlich  darbietet,  aus  einem  stärkern  Aus- 
wachsen dieser  Knöpfchen  hervorgegangen  ist.  Stein  lässt  zwar  auf 
seinen  Abbildungen  die  Stacheln  direct  aus  der  Schalenoberfläche  entspringen. 

Noch  bei  anderen  Formen  findet  sich  ein  derartig  gleichmässiges 
kurzes  Stachelkleid,  wogegen  bei  Tr.  armata  theils  nur  ein  Kranz  an- 
sehnlicher hinterer  Stacheln  (T.  48,  1),  theils  auch  um  die  Mündung  eine 
kürzere  Bestachelung  auftritt. 

Eigenthümlicher  Weise  will  Stein  bei  Tr.  hispida  um  die  eigentliche 
Schale  gelegentlich  noch  einen  zarten  Gallertbelag  gefunden  haben,  doch 
scheint  es  etwas  zweifelhaft,  ob  die  Deutung  dieser  Beobachtung  richtig 
ist.  Andrerseits  beobachtete  er  bei  dieser  Form  gelegentlich  auch  eine 
zarte  Spiralstreifung  der  Innern  Schalenfläche.  Wie  schon  Perty  bekannt 
war,  ist  die  neuentstandne  Schale  der  Trachelomonasformen  ganz  farblos 
und  wie  Klebs  später  fand,  auch  weich.  Erst  allmählich  tritt  ihre  Er- 
härtung und  Färbung  auf,  was  beides  nach  Klebs'  Erfahrungen  auch  hier 
auf  der  Imprägnirung  mit  Eisenoxydhydrat  beruht*).  Durch  Behandlung 
der  Schalen  mit  Salzsäure  kann  man  ihnen  daher  sowohl  ihre  Farbe  wie 
ihre  Sprödigkeit  entzieben ;  die  rückbleibende  Haut  erweist  sich  quellbar 
und  den  gewöhnlichen  Schleimhüllen  der  Euglenen  ähnlich. 

Die  Schalenbildungen  der  Phytomastigoda  unter  den  Isomasti- 
goda,  zu  deren  Besprechung  wir  jetzt  übergehen,  schliessen  sich  innigst 
an  die  gewöhnlichen  Cuticular-  oder  Zellhautbildungen  an  und  zeigen 
daher  am  besten ,  dass  eine  scharfe  Scheidung  zwischen  Schale  und 
Cuticula  (resp.  Zellhaut),  die  Stein  durchzuführen  sucht,  nicht  existirt.  So 
bezeichnet  Stein  z.  B.  die  Schalenhaut  bei  Polytoma  und  Chlamydomonas 
als  Hülse,  die  derselben  in  jeder  Beziehung  entsprechende  Hülle  bei 
Chlorogonium  und  Spondylomorum  dagegen  als  Cuticula.  Wenn  wir  über- 
haupt eine  Berechtigung  suchen,  die  Hülle  der  Phytomastigoda  an  dieser 
Stelle  unter  den  Schalengebilden  aufzuführen,  so  finden  wir  dieselbe  ein- 
mal darin,  dass  sich  der  Plasmakörper  häufig  mehr  oder  minder  von 
der  Hülle  zurückzieht,  oder  die  letztere  sich  von  ersterem  abhebt  und 
dass  die  Hülle  an  der  Vermehrung  durch  Tbeilung  gewöhnlich  keinen 
Antheil  nimmt,    sondern  der  Weichkörper  sich  innerhalb  der  Hülle  theilt. 

Wie  schon  aus  dem  eben  Bemerkten  hervorgeht,  ist  die  Schalenhaut 
dieser  Formen  fast  stets  eine  sehr  dünne  und  daher  meist  auch  nach- 
giebige, welche  im  Allgemeinen  die  Gestalt  des  weichen  Plasmakörpers 
besitzt,  diesen  nicht  selten  dicht  umschliesst  (wie  stets  bei  Chlorogonium 
[T.  44,  1]  und  sehr  gewöhnlich  bei  der  Polytoma  Uvella),  oder  sich  doch 
nur  stellenweise  vom  Weichkörper  abhebt.  Eine  solche  Zurückziehung  des 
Weichkörpers  tritt  bei  schlecht  genährten  Individuen  der  Polytoma  Uvella  ge- 


*)  Bezüglich   der  Sprödigkeit   scheint   mir  dies   nicht  ganz   allgemein   gültig,    da   auch 


Schalen  ohne  gelblichen  Ton  dieselbe  aufweisen. 


Schalen  der  Phytomastigoda.  691 

wohnlich  ein  und  erfolgt  bald  am  Hinter-  bald  am  Voiderende  (T.43,4a — b); 
im  letzteren  Fall  bleibt  der  Weichkörper  vorn  nur  an  der  Durchtritts- 
stelle der  Geissein  an  der  Hülle  halten  und  zieht  sich  daher  strangförmig 
aus.  Bei  Polytoma  spicatum  Krass.  zieht  sich  der  Weichkörper  stets  aus 
der  hintern  schvvanzartigen  Zuspitzung  der  Hülle  zurück  und  dasselbe 
ist  auch  bei  dem  ähnlich  gestalteten  Spondylomorum  der  Fall  (T.  45,  4). 

Bei  den  verschiedenen  Arten  des  Chlamydomonas  und  ebenso  auch 
bei  Carteria  hebt  sich  die  Schalenhaut  allseitig  etwas,  jedoch  nur  wenig 
von  dem  Weichkörper  ab  (T.  43,  6,  8;  45,  2),  sei  es,  dass  eine  Gallert- 
bildung sich  zwischenschiebt,  oder  Flüssigkeit  die  Abhebung  bewirkt. 
Ganz  entsprechend  verhalten  sich  die  Schalenhüllen  der  Einzelindividuen 
der   Volvocineen :  Gonium,   Pandorina  und  Eudorina. 

Viel  ansehnlicher  ist  dagegen  die  Abhebung  der  Schalenhülle  bei 
Haematococcus,  so  dass  letztere  den  Plasmakörper  hier  wie  ein  weiter, 
von  Flüssigkeit  erfüllter  Mantel  umgibt  und  der  Körper  häufig  nur  durch  das 
etwas  schnabelartig  ausgezogne  Vorderende  noch  an  der  Hülle  befestigt  ist 
(T.  43,  9).  Die  Schalenhülle  besitzt  hier  entweder  noch  dieselbe  Gestal- 
tung wie  der  Weichkörper  oder  nimmt  bei  der  Abhebung  eine  ab- 
weichende viereckige  bis  herzförmige  Gestalt  an  (Haem.  alatus  St.). 
Aehnlich  wie  bei  Haematococcus  scheint  mir  auch  das  Verhalten  der 
Schalenhüllen  der  Einzelindividuen  der  Volvoxkolonien  zu  sein  (T.  44, 
10b — c).  Auch  diese  haben  sich  von  den  sie  erzeugenden  Plasmakörpern 
weit  abgehoben,  sich  jedoch  bei  der  dichten,  flächenhaften  Zusammen- 
lagerung der  Individuen  gegenseitig  zu  hexagonaler  Form  gepresst  (10  b). 
Ferner  ist  jedenfalls  eine  Verschmelzung  der  sich  berührenden  Hüllen  der 
Individuen  zu  einer  einfachen  Haut  eingetreten. 

Etwas  abweichend  von  dieser  Darstellung  der  Schalenhiillen  der  Volvoxzellen  lautet  die, 
welche  gewöhnlich  die  Botaniker,  so  speciell  Cohn ,  von  denselben  geben.  Hiernach  ist  jede 
Volvoxzelle  von  einer  dicken  Gallerthülle  umschlossen,  die  sich  peripherisch  hautartig  ver- 
dichtet und  nach  innen  „weich,  fast  flüssig"  wird.  Mir  scheint  die  erstbesprochne  Auffassung 
im  Allgemeinen  wahrscheinlicher  zu  sein;  sie  ist  die  Stein's.  Immerhin  scheint  die 
sichere  Feststellung  dieser  Verhältnisse  noch  genauerer,  namentlich  durch  Färbungsmittel  unter- 
stützter Versuche  zu  bedürfen.  Hierzu  gesellt  sich  noch  ein  weiterer  zweifelhafter  Punkt 
Stein  scheint  nämlich  den  einzelnen  Volvoxzellen  ausser  der  beschriehenen  weitabstehenden 
Schalenhülle  noch  eine  zweite ,  dem  eigentlichen  Zellkörper  dichtaufliegende  Hülle  oder  Cuti- 
cula  zuzuschreiben,  die  sich  mit  einer  flaschenhalsförmig  ausgezognen,  die  Basen  der  beiden 
Geissein  umschliessenden  Verlängerung  an  die  peripherische  Wand  der  äusseren  Schalenhülle 
befestige  und  hier  sollen  dann  die  beiden  Geissein  austreten.  Schon  Busk  behauptete  seiner 
Zeit  die  Existenz  einer  solchen  besondern  Hüllhaut  der  Zellen,  ohne  jedoch  ganz  sicher  über 
diesen  „quasi  cell  wall"  zu  sein,  wie  er  sie  auch  nannte.  Mir  scheint  das  Vorhandensein 
einer  derartigen  zweiten  Hülle  sehr  unwahrscheinlich,  da  hiermit  das  Verhalten  der  später  zu 
besprechenden  plasmatischen  Verbindungsfäden  der  Volvoxzellen  nicht  harmonirt.  Es  wird 
jedoch  später  im  Kapitel  über  die  Flagellatenkolonien  auf  diese  Verhältnisse  bei  Volvox  noch- 
mals zurückzukommen  sein. 

Wie  früher  erwähnt,  sind  die  bis  jetzt  beschriebenen  Schalenhüllen  der 
Phytomastigoda  allseitig  geschlossen,  ohne  besondere  Mündung.  Nur  zum 
Durchtritt  der  beiden  (resp.  vier)  Geissein  existiren  zwei  (oder  vier?) 
ganz  feine  Poren,  welche  gewöhnlich  sehr  dicht  zusammen,  seltner  etwas 

44* 


692  Flagellata. 

weiter  von  eioander  abstehen.  Eine  besondere  Ausbildung  dieser  Geissei- 
poren weist  nur  die  Gattung  Haematocoecus  auf,  indem  hier,  wie  zuerst 
Cohn  zeigte,  die  Poren  ins  Schaleninnere  hinein  zu  zwei  sehr  zarten 
Röhrchen  auswachsen  können  (T.  43,  9  b). 

Einige  mit  den  bisher  besprochenen  nahe  verwandte  Formen  besitzen 
etwas  abweichende  Schalenhüllen,  die  noch  zu  betrachten  sind.  So 
finden  wir  zunächst  bei  der  Gattung  Hymen omonas  (T.  44,  5)  eine 
dem  Körper  dicht  aufliegende,  weiche  und  feingekerbte,  ziemlich  dicke 
Hülle,  welche  sich  vielleicht  der  früher  bei  der  nahe  verwandten  Gattung 
Synura  beschriebenen  Cuticula  zunächst  anschliesst. 

Einen  ganz  besonderen  Bau  besitzt  die  feste  und  relativ  dicke  Schale 
der  Gattung  Phacotus.  Dieselbe  ist  bei  Ph.  lenticularis  (T.  44,  3)  re- 
gulär linsenförmig  und  wird  von  dem  Plasmakörper  fast  stets  nur  theil- 
weise  erfüllt.  Das  Bemerkenswertheste  ist  ihre  Zusammensetzung  aus 
zwei  Klappen,  die  im  Aequator  der  Linse  zusammengefügt  sind.  Der 
Rand  jeder  Klappe  ist  etwas  wulstförmig  verdickt,  wodurch  ein  äquato- 
rialer Wulst  um  die  Linsenschale  erzeugt  wird.  Bei  der  Fortpflanzung 
oder  auch  nach  dem  Absterben  des  Phacotus  löst  sich  der  Zusammenhang 
beider  Klappen  und  dieselben  fallen  auseinander.  Stein  gibt  bei  den  von 
ihm  beobachteten  Exemplaren  eine  im  Aequator  gelegene  feine  Oeffnung 
zum  Durchtritt  der  beiden  Geissein  an,  während  ich  die  beiden  Geissein 
nicht  gemeinsam  durch  eine  besondre  Oeffnung,  sondern  ziemlich  weit  von 
einander  austreten  sah,  indem  sie  ohne  Zweifel  zwischen  den  beiden 
Klappen  hervortraten.  Die  Oberfläche  der  Schalenklappe  weist  eine  be- 
sondre Zeichnung  auf,  welche  Stein  als  körnig- schuppige  Sculptur  be- 
schreibt, während  ich  eine  Zeichnung  sich  kreuzender  Kreise  ähnlich  wie 
auf  der  Arcellaschale  beobachtete. 

Nahe  verwandt  mit  der  Gattung  Phacotus  (wenn  nicht  zu  ihr  gehörig) 
ist  eine  von  Carter  (106)  unter  dem  Namen  Cryptoglena  angulosa  be- 
schriebene Form  (T.  44,  4),  deren  sehr  abgeplattete  Schale  gleichfalls  bei 
der  Fortpflanzung  in  zwei  Klappen  zerfällt.  Die  Gestalt  der  Schale  und 
ihrer  Klappen  ist  jedoch  nahezu  herzförmig  und  in  dem  herzförmigen 
Ausschnitt  erhebt  sich,  wohl  durch  beide  Klappen  gebildet,  ein  kurzer 
Fortsatz,  welcher  zum  Durchtritt  der  beiden  Geissein  dient.  In  der 
Profilansicht  erscheint  die  Schale  eigenthümlich  S  förmig  gebogen  und 
zeigt  sich ,  dass  jede  der  Klappen  noch  mit  zwei  vorspringenden  Quer- 
reifen ausgerüstet  ist.  —  Hier  scheint  sich  schliesslich  auch  die  Gat- 
tung Coccomonas  Stein's  anzureihen,  deren  kuglige  bis  ovale,  ziem- 
lich dicke  und  spröde  Schale  im  Allgemeinen  den  Schalenbildungen 
von  Tracheloraonas  sehr  gleicht,  und  auch  wie  diese  vorn  eine  deut- 
liche runde  Oeffnung  zum  Geisseldurchtritt  besitzt.  Von  der  des  Pha- 
cotus unterscheidet  sich  diese  Schale  durch  ihre  gelbe  bis  braune 
Färbung.  Bei  der  Fortpflanzung  zerspringt  sie  jedoch  gleichfalls  in  zwei 
Hälften,  welche  aber,  wie  ihre  zerrissnen  Ränder  beweisen,  hier  nicht 
als  zwei  Klappen  präformirt  waren. 


Schalen  ilcr  Phytomastigocia.  (j9o 

Die  interessante  zvveiklappige  Zusammensetzung  der  »Schale  von 
Phacotus  erinnert  einerseits  an  die  zweiklappigen  Sporen  der  Myxo- 
sporidien,  andrerseits  an  die  Schalen  Verhältnisse  der  Bacillariaceen. 

Was  wir  durch  Stein  über  die  Entstehungsgeschichte  der  Schale 
des  Phacotus  lenticularis  erfahren  haben,  ist  sehr  interessant.  Dieselbe 
tritt  nämlich  nicht  in  Gestalt  eines  zusammenhängenden  Häutchens 
auf,  sondern  erscheint  aus  kleinen  blassen  Kügelchen  zusammengesetzt, 
welche  sich  erst  später  zur  zusammenhängenden  Schale  vereinigen 
müssen.  Diese  Entstehung  der  Phacotusschale  ist  um  so  interessanter, 
als  sie  eine  gewisse  Uebereinstimmung  mit  der  früher  (p.  685)  geschil- 
derten Entstehung  der  Schleimhülle  gewisser  Euglenen  aus  ursprünglich 
gesonderten  Schleimläden  aufweist. 

Die  chemische  Natur  des  Stoffes,  aus  welchem  die  Gehäuse  und 
Schalenbildungen  der  Flagellaten  bestehen,  ist  bis  jetzt  meist  unbekannt. 
Dies  gilt  ganz  allgemein  für  die  Gehäuse  und  Stielbildungen,  wir  wissen 
nur,  dass  sie  jedenfalls  wesentlich  aus  einer  organischen  Substanz  be- 
stehen. Bei  wenigen  Schalengebilden  ist  Genaueres  über  diesen  Punkt 
ermittelt  worden.  So  ist  es  schon  verhältnissmässig  lange  bekannt,  dass 
die  Schalenhüllen  von  Chlamydomonas  und  Haematococcus  die  Reactionen 
der  Cellulose  zeigen ;  bei  ersterer  Form  bewies  dies  zuerst  Caspary  für 
die  letztere  dagegen  Cohn  1854. 

Bei  den  nahe  verwandten  Volvocinen  scheinen  dagegen  die  Hüllen 
keine  sichere  Cellulosereaction  zu  zeigen;  nur  bei  Eudorina  glaubte  Carter 
(1858)  die  Cellulosenatur  der  Hüllen  mit  einiger  Sicherheit  nachgewiesen  zu 
haben.  Bei  Gonium  dagegen  gelang  dies  Cohn  nicht  und  auch  Goroshankiu 
konnte  die  Cellulosereaction  bei  den  Volvocineen  nicht  erhalten.  Ebenso- 
wenig gelang  sie  Cohn  bei  der  mit  Chlamydomonas  so  nahe  verwandten 
Polytoma,  was  auch  Schneider  bestätigte. 

Aus  welchem  Material  die  gewöhnlich  so  spröde  und  dicke  Schalen- 
hülle der  Gattungen  Trachelomonas  und  Phacotus  besteht,  ist  noch  nicht 
festgeste  lt.  Sicher  scheint  nach  dem  schon  früher  Bemerkten  nur,  dass 
Ehrenberg  und  eine  Anzahl  weiterer  Forscher  sich  irrten ,  wenn  sie  dem 
Trachelomonas  eine  kieselige  Schale  zuschrieben.  Bei  Trach.  volvocina 
löst  sich  die  Schale  in  concentrirter  Schwefelsäure  sofort  auf,  ja  bei  Tr. 
hispida  schwindet  oder  verquillt  sie  schon  in  concentrirter  Essigsäure 
vollständig. 

Bei  vielen  Phytomastigoden  zeigt  die  zarte  Schalenhülle  überhaupt 
eine  sehr  leichte  Vergänglichkeit,  d.  h.  sie  löst  sich  unter  gewissen  um- 
ständen von  selbst  im  umgebenden  Wasser  auf  oder  verschleimt,  wie  die 
Botaniker  sich  ausdrücken.  So  vollzieht  sich  eine  derartige  Auflösung 
der  Schale  sehr  rasch  bei  den  Gattungen  Polytoma  und  Chloro- 
gonium  nach  geschehener  Vermehrung  des  Weichkörpers,  um  die  ent- 
standne  Brut  zu  befreien,  und  der  gleiche  Vorgang  tritt  überhaupt  bei  der 
Vermehrung  der  Phytomastigoden  häufig  auf,   wie  wir  später  noch  sehen 


694  Flagellata. 

werden.  Bei  Chlorogonium  will  Stein  auch  zuweilen  eine  Auflösung  der 
Schalenhülle  beobachtet  haben,  nachdem  zunächst  eine  neue  Hülle  zur 
Ausbildung  gelangte.  Dieser  Vorgang  wäre  daher  als  eine  Art  Häu- 
tung zu  bezeichnen. 

E.    Einrichtungen   zur  Aufnahme  fester  Nahrung  und  zur  Ausscheidung  der 

Nahrungsreste. 

Wenn  wir  die  grosse  Reihe  der  Flagellaten  tiberschauen,  so  finden 
wir  eine  allmähliche  Vervollkommnung  der  Einrichtungen  zur  Nahrungs- 
aufnahme, welche  sich  bis  zu  einer  Stufe  der  Ausbildung  erheben,  die  hinter 
der  der  Ciliaten  nicht  wesentlich  zurückbleibt. 

a)  Nahrungsaufnahme  ohne  wirklichen  Mund  und  Schlund. 
Die  Reihe  beginnt  mit  solchen  Formen  wie  die  Rhizomastigoda,  welche 
sich  der  Nahrung  in  amöben-  oder  heliozoenartiger  Weise  bemächtigen. 
Doch  sind  unsere  Erfahrungen  über  diese  Formen  noch  zu  gering,  um 
zu  entscheiden,  ob  nicht  z.  Th.  bei  ihnen  schon  eine  gewisse  Localisation 
der  Nahrungsaufnahme  stattgefunden  hat,  so  z.  B.  eine  Stelle  an  der 
Geisseibasis  hierzu  besonders  geschickt  sei.  Wir  wissen  ja,  dass  bei 
den  höheren  Ausbildungszuständen  die  Mundstelle  fast  stets  an  der 
Geisseibasis  ihre  Lage  hat.  Durch  die  Beobachtungen  Kent's  ist  bekannt, 
dass  sich  gewisse  Rhizomastigoden  (so  die  sogen.  Mastigamoeba  simplex 
und  die  Gattung  Actinomonas)  ihrer  Geissei  bei  der  Nahrungsaufnahme 
bedienen,  indem  sie  kleine  Nahrungskörper  mit  derselben  rückwärts  gegen 
die  Körperoberfläche  schleudern,  wo  sie  dann  an  beliebiger  Stelle  durch 
die  Pseudopodien  aufgenommen  werden.  Wir  haben  ferner  schon  früher 
erfahren,  dass  gewisse  Flagellaten  vorübergehend  oder  für  längere  Zeit 
die  Gestalt  nackter  Sarkodinen  annehmen  können,  wobei  sie  die  Geissein 
beibehalten  oder  verlieren  können.  Auch  solche  Formen  sind  in  diesem 
Zustand  natürlich  meist  befähigt,  ihre  Nahrung  in  sarkodinenartiger  Weise 
aufzunehmen.  Namentlich  die  Untersuchungen  Cienkowsky's  haben  uns 
einige  sehr  interessante  hierhergehörige  Fälle  kennen  gelehrt.  Der  eigen- 
thümlichste  findet  sich  ohne  Zweifel  bei  dem  Bodo  angustatus  Dj.  sp. 
(Cienkowsky's  Monas  amyli).  —  Diese  zweigeisselige  Form,  welche  Cien- 
kowsky  hauptsächlich  in  den  Zellen  faulender  Kartoffeln  antraf  (die  sich 
jedoch  auch  häufig  frei  im  Wasser  beobachten  lässt),  geht  leicht  in  einen 
sarkodinenartigen  Zustand  über,  der  mit  einer  Anzahl  .langer  fadenför- 
miger, sehr  feiner  Pseudopodien  ausgerüstet  ist  (T.  46,  6d — e).  Ob  die 
Geissein  bei  dieser  Verwandlung  stets  schwinden,  scheint  aus  gleich  zu 
erwähnenden  Gründen  fraglich.  In  diesem  Zustand  frisst  nun  der  Orga- 
nismus und  zwar  in  dem  beobachteten  Fall  die  ansehnlichen  Stärkekörner 
der  Kartoffelzelle.  Er  schmiegt  sich  an  ein  Stärkekorn  (selten  gleich- 
zeitig mehrere)  an  und  umfliesst  dasselbe  allmählich  mit  seinem  Plasma- 
leib völlig  (T.  46,  f — h).  Natürlich  muss  sich  hierbei  der  Plasmakörper 
über  das  ihn  an  Grösse  meist  weit  übertreflfende  Stärkekorn  zu  einer  so 
zarten   Schicht   ausbreiten ,   dass   dieselbe  kaum   sichtbar  zu  machen  ist. 


Einricht.  zur  Nahrungsaufnahme.  695 

Andrerseits  kaun  sich  Jedoch  auch  ein  unveränderter  Bodo  einem  Stärke- 
koru  anlegen  und  dasselbe  in  entsprechender  Weise  unifliessen.  Man 
sieht  daher  häufig  an  den  umflossnen  Htärkekörnern  noch  eine  oder  zwei, 
zuweilen  sogar  mehr  thätige  Geissein  entspringen  und  die  Stärkeköruer 
umherbewegen.  Aus  diesem  Grund  halte  ich  für  wahrscheinlich,  dass 
häufig  auch  im  sarkodinenartigen  Zustand  die  Geissein  noch  existiren.  Das 
gleichzeitige  Vorkommen  mehrerer  Geissein  an  einem  umflossnen  Stärkekorn 
erklärt  sich  ungezwungen  theils  dadurch,  dass  gleichzeitig  mehrere  Bodonen 
ein  Korn  umfliessen,  theils  durch  das  von  Cienkowsky  constatirte,  häufige 
Zusammenfliessen  mehrerer  Individuen  im  sarkodinenartigen  Zustand.  Die 
Betrachtung  des  weitern  Verhaltens  unserer  Form  nach  der  Nahrungsauf- 
nahme gehört  ins  Gebiet  der  Fortpflanzung  und  wird  daher  erst  später 
geschehen. 

Als  weiteres  hierhergehöriges  Beispiel  kennen  wir  durch  die  Unter- 
suchungen Cienkowsky's  noch  die  zu  den  Isomastigoden  gehörige  sogen. 
Pseudospora  Volvocis,  welche  in  sarkodinenartigem  Zustand  in  Volvox- 
kolonien  eindringt  und  deren  Zellen  oder  ganze  junge  Kolonien  frisst. 
Die  sogenannten  Pseudospora  parasitica  (eine  eingeissehge,  in  die  Nähe 
von  Oikomonas  gehörige  Form),  dringt  in  faulende  Spyrogyrazellen  ein 
und  frisst  in  Amöbengestalt  das  Chlorophyll  der  Spyrogyrazellen  auf. 

Bei  zahlreichen  Monadinen  finden  wir  eine  Localisirung  der  Nahrungs- 
aufnahme auf  eine  bestimmte  Mundstelle,  welche  fast  stets  an  der  Geissei- 
basis gelegen  ist. 

Wenn  vir  auch  an  dieser  Thatsache,  welche  durch  zahlreiche  Beobachter,  seit  Claparede 
und  Lachmann,  festgestellt  wurde ,  nicht  zu  zweifeln  berechtigt  sind ,  so  lässt  sich  andrer- 
seits nicht  iu  Abrede  stellen,  dass  gewisse  hierhergehörige  Formen,  bei  welchen  der  gelegent- 
liche üebergang  in  einen  sarkodinenartigen  Zustand  beobachtet  wurde ,  während  dieses  ihre 
Nahrung  auch  an  andern  Körperstellen  aufzunehmen  vermögen. 

Eine  besondre  Mundöfifnung  jedoch,  welche  ins  Innre  des  Plasma- 
körpers führt,  scheint  bei  diesen  Formen  durchaus  noch  nicht  zu  existiren, 
sondern  die  Nahrungsaufnahme  geschieht  bei  den  am  genauest  bekannten 
hierhergehörigen  Beispielen  in  einer  sehr  seltsamen,  zuerst  von  Cien- 
kowsky festgestellten  Weise.  Am  besten  wurde  dieser  Vorgang  bei  der 
Gattung  Monas  durch  den  eben  erwähnten  Forscher  (134)beobachtet,  später 
studirte  Bütschli  (171)  diesen  Vorgang  bei  derselben  Gattung  und  bei 
Oikomonas.  Bei  Monas  sieht  man  von  Zeit  zu  Zeit  dicht  neben  der  Basis 
der  Geissein  und  zwar  da,  wo  die  schiefe  sogen.  Mundleiste  hinweist, 
einen  sehr  hellen,  abgerundeten  Fortsatz  über  die  Körperoberfläcbe  vor- 
springen, der  zuweilen  eine  nicht  unansehnliche  Länge  erreichen  kann 
(T.  40,  12  b).  Gleichzeitig  schleudert  die  ansehnliche  Hauptgeissel  fort- 
während kleine  Körper  der  verschiedensten  Art,  welche  in  ihren  Bereich 
gelangen ,  rückwärts  diesem  Fortsatz  zu.  Zahlreiche  dieser  Körper- 
chen, welche  dem  Thier  nicht  zu  conveniren  scheinen,  werden  an  dem 
Fortsatz  vorbei  geschleudert,  plötzlich  dagegen  sieht  man,  wie  ein 
passender  Nahrungskörper  auf  denselben  aufstösst  und  momentan  in  ihn 


6y6  Flagellata. 

aufgenommen  wird.  Ei-  liegt  dann  deutlichst  in  einer  meist  ansehnlichen 
Nahrungsvacuole  in  demselben  eingebettet.  Nach  kurzer  Zeit  sieht  man 
die  Vacuole  sammt  dem  eingeschlossnen  Nahrungskörper  sich  in  Bewegung 
setzen  und  an  dem  Seitenraud  langsam  hinabgleiten,  bis  sie  schliesslich, 
gegen  das  Hinterende  gelangt,  allmählich  in  das  centrale  Plasma  der 
Monas  tritt  und  sich  zu  den  schon  vorhandnen  Nahrungsvacuolen  ge- 
sellt. Aus  dem  geschilderten  Verhalten  des  Fortsatzes  bei  der  Nahrungs- 
aufnahme scheint  mir  sicher  hervorzugehen,  dass  Cienkowsky  recht  hat, 
wenn  er  ihn  als  eine  von  einer  sehr  dünnen  Piasmaschicht  um- 
schlossne  Vacuole  betrachtet,  in  welche  sich  der  Nahrungskörper  hinein- 
senkt und  die  über  ihm  sofort  wieder  geschlossen  wird.  Die  Richtigkeit 
dieser  Auffassung  ergibt  sich  ferner  wohl  sicher  daraus,  dass  ich  häufig 
eine  solche  Mund  vacuole,  wie  wir  sie  nennen  wollen,  sich  erheben 
sah,  die,  ohne  Nahrung  aufgenommen  zu  haben,  nach  hinten  abgeführt 
und  zu  einer  gewöhnlichen  Plasmavacuole  wurde.  Häufig  scheint  es  je- 
doch auch  vorzukommen,  dass  die  Mundvacuole  sich  erst  in  dem  Moment 
bildet,  wo  der  aufzunehmende  Nahrungskörper  die  Mundstelle  berührt. 
Auch  richtet  sich  die  Grösse  der  Vacuole  nach  der  Grösse  des  aufzu- 
nehmenden Nahrungskörpers;  ist  dieser  sehr  ansehnlich,  z.  B.  ein  langes 
Spirillum  oder  gar  eine  kleine  Bacillariacee,  so  sieht  man  die  Vacuole 
sich  über  die  gesammte  Seitenfläche  der  Monas  ausdehnen,  um  die  üm- 
fliessung  bewerkstelligen  zu  können  (T.  40,  12  a). 

Ganz  in  derselben  Weise  geschieht  nun  die  Nahrungsaufnahme  auch 
bei  der  Oikomonas  termo  nach  Bütschli's  Untersuchungen  und  zwar  ent- 
steht hier  die  Mundvacuole  stets  in  dem  etwas  lippenförmig  vorspringen- 
den Fortsatz  neben  der  Geisseibasis  (T.  40,  2b— d). 

Wie  die  Schilderung  zeigt,  ist  keine  Berechtigung  vorhanden,  unsern 
Formen  eine  bestimmte  Mundötfnung  zuzuschreiben,  wie  dies  z.  B.  James- 
Clark  noch  that,  aber  eine  bestimmte  Mundstelle  ist  jedenfalls  vorhanden. 

Nach  den  Beobachtungen  Stein's  und  Anderer  scheint  es  ziemlich 
sicher,  dass  die  gleiche  Art  der  Nahrungsaufnahme  bei  den  Monadinen 
und  kleinen  Formen  anderer  Abtheilungen  noch  weiter  verbreitet  ist.  Bei 
Cercomonas  crassicauda,  und  Bodo  ovatus  bildet  Stein  eine  bläschenförmige 
Mundstelle  an  der  Geisseibasis  ab  und  Kent  gibt  an,  dass  bei  der  ersteren 
Form  die  Nahrung  durch  eine  an  der  Geisseibasis  hervorquellende  Plasma- 
masse aufgenommen  werde. 

Für  sehr  wahrscheinlich  halte  ich  es,  dass  auch  bei  den  mit  Monas 
nahe  verwandten  Dendromonadinen  die  Nahrungsaufnahme  wesentlich 
in  derselben  Weise  geschieht.  Dass  dieselbe  hier  gleichfalls  an  der  Basis 
der  Geissein  stattfindet,  beobachtete  schon  James-Clark  und  Stein  bestätigte 


*)  Wir  hefeen  unsere  üetereinstimmung  mit  Cienkowsky's  Auffassung  der  nahrungs- 
aufnehmenden  Vacuole  dieser  und  verwandter  Formen  besonders  hervor,  da  Kent  die  Vacuole 
nicht  als  solche  gelten  lässt,  sondern  einfach  als  hervorgedrungnes  Plasma  auffasst;  daher 
Avird  es  denn  auch  wohl  möglich,  dass  bei  einigen  weiteren  Formen,  denen  Kent  eine  ent- 
sprechende Nahrungsaufnahme  zuschreibt,  sich  gleichfalls  eine  Mundvacuole  findet. 


Eiiu'icht.  zur  Naliriiiigsaufiiahme  (Muiidvacuole  etc.).  697 

dies.  Die  iMundstelie  liegt  hier  auf  der  dem  zungenförmigeu  Fortsatz 
des  vorderen  Körperendes  entgegengesetzten  Seite.  Eine  vorgebildete 
Mundvacuole  scheint  sich  nicht  zu  finden;  da  jedoch  die  Nahrang  gleich- 
falls von  Vacuolen  umschlossen  vpird,  so  glaube  ich,  dass  dieselben  sich 
auch  hier  im  Moment  der  Nahrungsaufnahme  bilden.  Nach  Stein's  Ab- 
bildungen (s.  T.  41,  5g)  scheint  es,  dass  sich  der  vordere  Körperrand 
bei  der  Aufnahme  grösserer  Nahrungskörper  stark  ausbreitet,  womit  auch 
die  Angabe  Clark's  übereinstimmt,  dass  Anthophysa  einen  sehr  erweiterungs- 
fähigen Mund  besitze.  Hierauf  würde  denn  nach  Stein  (bei  Antho- 
physa) der  Nahrungskörper  ins  Körperplasma " gedrängt  werden,  indem 
sich  der  vordere  Körperrand  über  ihm  zusammenlegt.  Nach  Clark  da- 
gegen soll  die  grosse  Hauptgeissel  die  Nahrung  in  die  Mundöffnung  hinab- 
drücken, die  kleine  Nebengeissel  dagegen  sie   herbeistrudeln. 

Bei  der  Familie  der  Bicoecida  liegt  die  Mundstelle  in  ähnlicher  Weise 
zwischen  der  Geisseibasis  und  dem  zungenförmigen  sogen.  Peristomfort- 
satz.  Eine  eigentliche  Mundöfifnung  findet  sich  hier  sicher  nicht  und  ich 
beobachtete  bei  Bicosoeca  die  Nahrungsaufnahme  mit  Hülfe  einer  sich  an 
dieser  Stelle  bildenden  Mundvacuole,  ähnlich  wie  seither  beschrieben. 

Da  wir  im  Allgemeinen  von  der  Nahrungsaufnahme  der  Isomastigoda 
sehr  wenig  wissen,  so  verdient  jedenfalls  an  dieser  Stelle  noch  besonders 
hervorgehoben  zu  werden,  dass  nach  Carter's  Angaben  (117)  die  wahr- 
scheinlich viergeisselige  Collodictyon  in  amöboider  Weise  ihre  z.  Th.  sehr 
ansehnlichen  Nahrungskörper  aufnehmen  soll*).  Wenn  wir  es  auch  nicht 
für  wahrscheinlich  halten,  dass  diese  Form  sich  ihrer  Nahrung  wie  eine 
wahre  Amöbe  bemächtige,  so  scheint  aus  diesen  Mittheilungen  doch  her- 
vorzugehen, dass  sie  sich  in  ihrer  Nahrungsaufnahme  den  seither  be- 
sprochnen  Flagellaten  nahe  anschliesst.  Hiermit  stimmt  denn  weiter  über- 
ein, dass  auch  Stein  bei  seinem  Tetramitus  sulcatus,  welcher  wahrschein- 
lich zu  der  Gattung  Collodictyon  gehört,  keine  besondere  Mundeinrichtung 
beschreibt,  obgleich  er  reichlich  Nahrung  aufnimmt. 

Bei  einer  Reihe  weiterer  einfacher  Flagellatenformen  scheint  die  Ver- 
vollkommnung der  Einrichtungen  zur  Nahrungsaufnahme  schon  etwas  weiter 
gediehen  zu  sein,  wenn  wir  die  Stein'schen  Angaben,  welche  ja  bis  jetzt 
nur  sehr  unvollständig  vorliegen,  richtig  verstehen.  Nach  Stein  ist  näm- 
lich bei  gewissen  Formen  die  Mundstelle  zu  einem  in  den  Körper  etwas 
eindringenden  Ausschnitt  geworden,  wodurch  eine  Andeutung  der  Schlund- 
bildung gegeben  scheint,  wie  sie  sich  bei  grösseren  Formen  entwickelter 
vorfindet.  Bei  Bodo  saltans  zeichnet  Stein  die  Mundöffnung  als  einen 
Ausschnitt  zwischen  den  Basen  der  beiden  Geissein,  der  bald  geöffnet, 
bald  geschlossen  erscheint;  bei  dem  Bodo  caudatus  (T.  46,  4a)  eine  an 
gleicher  Stelle  gelegne  kleine  Mundöfinung,  die  sich  als  ein  feines  Röhrchen 


*)  Das  Collodictyon  frisst  nach  Carter  gelegentlich  so  lange  Bruchstücke  von  Oscillarien- 
fädeii,  dass  dieselben  vorn  und  hinten  über  den  Körper  hinausragen,  wie  ähnliches  allerdings 
gewöhnlich  nur  bei  wirklichen  Amöben  beobachtet  wurde. 


698  Flagellata. 

(Schlund)  ein  Stück  weit  ins  Innere  des  Körpers  verfolgen  lässt.  Mittels 
dieser  Mundöffnung  vermag  der  Bodo  caudatus  ansehnliche  Nahrungs- 
körper  aufzunehmen,  die  wie  es  scheint  nicht  in  Nahrungsvacuolen  ein- 
geschlossen werden,  weshalb  ihre  Aufnahme  wahrscheinlich  auch  ohne 
Vacuolenbildung  stattfindet.  Sehr  seltsam  ist,  dass  diese  Form  sich  je- 
doch auch  ihrer  Mundöfinung  in  sehr  abweichender  Weise  zur  Aussaugung 
andrer  Protozoen  (Chlamydomonas  und  sogar  Ciliaten)  bedienen  kann, 
wie  zuerst  Cienkowsky  (seine  sogen.  Colpodella  pugnax)  und  später 
wieder  Stein  beobachtete.  Man  sieht  dann,  wie  ein  oder  mehrere  dieser 
ßodonen  sich  mit  ihren  'etwas  spitz  ausgezogenen  Mundstellen  an  das 
auszusaugende  Wesen  festsetzen,  wobei  zugleich  in  die  Schalenhülle  des 
Chlamydomonas,  wenn  es  sich  um  einen  solchen  handelt,  ein  feines  Loch 
gebohrt  oder  durch  Auflösung  erzeugt  wird.  Hierauf  wird  die  Körper- 
substanz des  Opfers  allmählich  in  den  Leib  des  Bodo  herübergesogen. 

Einen  feinen  Ausschnitt  an  der  Basis  der  vordem  Geissei  deutet 
Stein  auch  bei  Trichomonas  als  Mundöffnung,  eigne  Untersuchungen 
konnten  dies  jedoch  nicht  bestätigen. 

Bevor  wir  zur  Besprechung  der  höherentwickelten  Einrichtungen  zur  Nahrungsaufnahme 
bei  den  Euglenoidina  und  Heteromastigoda  übergehen ,  müssen  wir  noch  einige  Worte  über 
die  Vorstellungen  Kent's  hinsichtlich  der  Nahrungsaufnahme  der  seither  besprochnen  ein- 
facheren Formen  zufügen.  Kent  sucht  darzulegen,  dass  bei  denselben  überhaupt  keine  be- 
stimmte Mundstelle  vorhanden  sei,  sondern  die  Nahrung  an  ganz  beliebigen  Stellen  der  Körper- 
oberfläche aufgenommen  werden  könne.  Diese  Eigenthümliehkeit  scheint  ihm  so  wichtig,  dass 
er  hierauf  eine  besondre  grosse  systematische  Gruppe,  seine  Flagellata-Pantostomata  gründet. 
Schon  1871  (138)  hat  er  gegen  James-Clark  diese  Ansicht  für  Oikomonas  und  AnthoiAysa 
zu  vertheidigen  gesucht.  Was  nun  diese  Gruppe  der  Flagellata-Pantostomata  betrifft,  so  be- 
steht sie  zu  einem  grossen  Theil  aus  Formen,  über  deren  Nahrungsaufnahme  nichts  oder  doch 
nichts  Sicheres  bekannt  ist;  ja  es  finden  sich  darunter  sogar  solche,  wie  die  sogen.  Ophido- 
monas,  Polytoma  und  Carteria  (Tetraselmis),  die  sicherlich  niemals  feste  Nahrung  aufnehmen. 

Genauere,  von  Abbildungen  begleitete  Angaben  über  den  Vorgang  der  Nahrungsaufnahme 
erhalten  wir  jedoch  von  Kent  nur  für  wenige  Formen  seiner  pantostomen  Flagellaten ,  fast 
sämmtliche  den  Gattungen  angehörig,  deren  Nahrungsaufnahme  wir  schon  oben  genauer  be- 
sprochen haben :  so  Oikomonas,  Monas  (einschliesslich  der  sogen.  Physomonas  Kent's),  Dendro- 
monas  (sogen.  Cladonema  Kent's)  und  Amphimonas.  Seine  Abbildungen  zeigen  nicht  die 
Nahrungsaufnahme  an  beliebigen  Stellen  der  Körperoberfläche,  sondern  nur,  dass  die  Nahrungs- 
vacuole  mit  eingeschlossener  Nahrung  an  sehr  verschiedenen  Stellen  der  Körperseiten  beob- 
achtet wurde.  Dagegen  fehlt,  wie  bemerkt,  der  Nachweis,  dass  auch  die  Aufnahme  der  Nah- 
rung selbst  an  der  betreffenden  Stelle  geschehen  sei.  Alle  die  zum  Beweis  vorgebrachten 
Abbildungen  lassen  sich  auch  leicht  auf  Grund  der  von  uns  geschilderten  Nahrungsaufnahme 
an  der  Geisseibasis  erklären,  wenn  wir  uns  erinnern,  dass  die  Mundvacuole,  nachdem  sie  die 
Nahrung  umschlossen  hat,  allmählich  au  der  Seite  des  Körpers  nach  hinten  rückt  und  so  leicht 
den  irrigen  Anschein  erwecken  kann,  als  sei  die  Nahrung  auch  da  aufgenommen  worden,  wo 
gerade  die  Vacuole  zur  Zeit  der  Beobachtung  bemerkt  wurde.  Etwas  grösseres  Bedenken  kann 
die  Angabe  Kent's  erregen,  dass  er  bei  Monas  vivipara  die  Nahrungsaufnahme  an  sich  gerade 
gegenüberstehenden  Körperstellen  beobachtet  habe,  da  selbst,  wenn  wir  annehmen,  dass  es  sich 
hier  nur  um  vorspringende,  nach  hinten  gerückte  Nahrungsvacuolen  gehandelt  hat,  deren  Auf- 
treten an  gegenüberliegenden  Körperstellen  mit  unsrer  Auffassung  nicht  recht  harmonirt.  Jeden- 
falls scheint  mir  jedoch  aus  dieser  Besprechung  der  Kent'schen  Angaben  hervorzugehen,  dass 
sie  nicht  im  Stande  sind,  die  behauptete  allseitige  Aufnahme  der  Nahrung  bei  den  sogen, 
pantostomen  Flagellaten  zu  erweisen  und  dass  daher  auch  die  gesammte  Gruppe  nicht  als  eine 


Einricht.  zur  Nahrungsaufiiahine  (^Euglenoidina).  699 

natürliche  zu  betrachten  ist.  In  ähnlichein  Sinne  hat  sich  auch  schon  Balbiani  (201)  neuer- 
dings ausgesprochen.  Immerhin  ist  der  Process  der  Nahrungsaufnahme  mit  Hilfe  der  Mund- 
vacuole  ein  so  einfacher,  dass  sich  von  vorn  herein  nicht  leugnen  lässt,  dass  bei  gewissen 
Formen  gelegentlich  eine  solche  Nahrungsaufnahme  auch  an  anderen  Körperstellen  auftreten 
könne,  jedoch  scheinen,  wie  bemerkt,  die  übereinstimmenden  Angaben  der  übrigen  Forscher, 
Clark,  Cienkowsky,  Stein  und  Bütschli,  siclier  darauf  hinzuweisen,  dass  sich  die  gewöhnliche 
Stelle  für  die  Nahrungsaufnahme  an  der  Geisseibasis  findet.  Nur  Cienkowsky  theilte  in  früherer 
Zeit  (124)  mit,  dass  er  bei  zwei  kleinen  Flagellaten  die  Nahrungsaufnahme  mittels  Mundvacuole 
am  Hinterende  beobachtet  hat.  Die  eine  derselben  scheint  sich  Oikomonas  nahe  anzuschliessen, 
die  andere,  als  Bodo  bezeichnete,  ist  eine  zweifelhafte  Form  (vielleicht  eher  eine  Cercomonas). 
Doch  auch  diese  sehr  knappe  Mittheilung  des  genauen  russischen  Beobachters  scheint  mir 
etwas  unsicher,  da  auch  sie  nicht  stricte  den  Beweis  führt,  dass  die  am  Hinterende,  in  einer 
vorspringenden   Vacuole  beobachtete   Nahrung  wirklich   an  dieser  Stelle  aufgenommen  wurde. 

b)  Echte  Mund-  und  Schlundbildungen  der  Euglenoidina  und 
Heteromastigoda.  Wie  schon  bemerkt,  erblicken  wir  in  den  jetzt  zu  be- 
sprechenden Einriebtungen  der  grossem  Flagellaten  Weiterbildungen  der 
Mundstelle  der  seither  besprochnen.  Dies  ergiebt  sich  auch  schon  aus 
der  Lage  des  Mundes,  welche  sich  stets  dicht  bei  der  Geisseibasis  findet. 
Im  Allgemeinen  müssen  wir  uns  die  Entstehung  eines  solchen  Mundes 
und  Schlundes  in  der  Weise  vorstellen,  dass  sich  die  ursprünglich  an  der 
Körperoberfläche  gelegene  Mundstelle  tiefer  ins  Innere  des  Plasmakörpers 
einsenkte,  wodurch  ein  trichter-  bis  röhrenförmiger  sogen.  Schlund  ent- 
stand, dessen  äussere  Eingangsöffnung  nun  gewöhnlich  als  Mundöffnung 
bezeichnet  wird.  Da  dieser  Schlund  durch  Einsenkung  des  oberflächlichen 
Körperplasmas  entstand,  so  ist  er  auch  wie  dieses  von  einer  dichteren 
Hautschicht  ausgekleidet,  respective  setzt  sich  die  Cuticula  in  den  Schlund 
fort.  Zuweilen  ist  auch  die  Hautschicht  des  Plasmas,  welche  den  Schlund 
auskleidet,  in  besonderer  Weise  diflferenzirt. 

Betrachten  wir  uns  zuerst  die  Verhältnisse  bei  den  Euglenoidina.  Die 
Mundöffnung  liegt  bei  den  hieher  gehörigen  Familien  der  Petalomonadina, 
Astasiina  und  Peranemina  stets  direct  an,  respective  mehr  um  die  Geissei- 
basis, so  dass  schon  durch  ihre  Lage  gewöhnlich  eine  Bauchseite  ange- 
deutet wird.  Bei  den  abgeplatteten  Formen  ist  denn  auch  die  Oeflfnung 
auf  die  beim  Hingleiten  untere  und  flache  Bauchseite  gerückt.  Diejenige 
Form,  welche  eine  solche  Gestaltung  am  deutlichsten  darbietet,  die  Gattung 
Petalomonas  (T.  47,  2),  zeigt  gleichzeitig  auch  ziemlich  die  einfachsten 
Verhältnisse  des  Mundapparates,  so  dass  nach  meiner  Auffassung  hier 
von  einem  Schlund  eigentlich  nicht  die  Rede  sein  kann.  Ich  finde  bei  der 
häufigen  P.  abscyssa  Dj.  am  Vorderende  der  abgeflachten  Bauchseite  eine  etwas 
schiefdreieckige,  hellere,  sehr  flache  Einsenkung,  an  deren  hinterer  Spitze  die 
Geissei  ihren  Ursprung  nimmt.  Diese  helle  Einsenkung  muss  als  die 
hier  sehr  wenig  deutliche  Mundstelle  betrachtet  werden,  die  sich  noch 
nicht  zu  einem  Schlund  vertieft  hat.  Die  Nahrungsaufnahme  geht  so 
vor  sich,  dass  kleine  Nahrungskörper  (Bacterien  und  kleine  Körnchen 
unbestimmter  Natur)  —  und  nur  solche  scheinen  unsere  Formen  aufzu- 
nehmen —  durch  die  Geissei  zu  der  Mundstelle  geschleudert  werden,  wo 
sie  sich  anhäufen  und  schliesslich  eindringen,  ja  zuweilen  sieht  man  sogar 


700  Flagellata. 

kleine  Körnchen  so  heftig  gegen  den  Mund  geschleudert  werden,  dass  sie, 
sofort  eindringend,  in  gerader  Richtung  durch  den  gesammten  Plasmaleib 
bis  ins  Hinterende  der  Petalomonas  fahren.  Eigenthümlich  zuckende  Be- 
wegungen, welche  das  Plasma  hinter  der  Mundstelle  häufig  macht,  scheinen 
die  Aufnahme  der  Nahrung  zu  unterstützen.  —  Stein  schildert  den  Mund 
der  Petalomonas  etwas  anders,  er  zeichnet  zwar  auch  die  Mundstelle,  wie 
ich,  lässt  jedoch  die  Geissei  am  vorderen  Körperrand  entspringen  und  bildet 
eine  kurze,  schief  nach  rechts  in  das  Körperplasma  sich  einsenkende 
Schlundröhre  in  Verbindung  mit  der  Mundöffnung  ab.  Ganz  die  gleiche 
Mund-  und  Schlundbildung  besitzt  nach  ihm  auch  Zygoselmis  nebulosa 
Dj.  (T.  48,  8);  hier  setzt  sich  die  deutlich  spaltartige,  etwa  ovale  Mund- 
öffnung in  einen  schief  nach  rechts  herabsteigenden,  kurzen  dünnwandigen 
Schlund  fort,  der  sammt  dem  Mund  eine  beträchtliche  Erweiterungsfähig- 
keit besitzen  muss,  da  diese  Flagellate  sehr  grosse  Nahrungskörper 
(Bacillariaceen  etc.)  verschlingt. 

In  dieselbe  Kategorie  der  Mundbildungen  gehört  wohl  auch  die  relativ 
sehr  frühzeitig,  schon  von  Carter,  Claparede,  James-Clark  etc.  erkannte  Ein- 
richtung der  Gattung  Peranema.  Hier  ist  die  Mundöftnung  ein  von  zwei 
etwas  gebogenen  zarten  Linien  begrenzter  Spalt,  der  auf  der  Bauchseite  von 
der  Geisseibasis  eine  kurze  Strecke  weit  nach  hinten  zieht.  An  diese  bei 
der  Nahrungsaufnahme  sich  stark  erweiternde  Mundspalte  schliesst  sich 
jedoch  eine  scharf  abgeschnitten  beginnende,  enge  gerade  Schlundröhre  an,die 
in  ziemlich  medianem  oder  etwas  schiefem  Verlauf  bis  etwa  zum  Beginn 
des  zweiten  Körperdrittheils  herablaufeu  kann.  Die  Schlundwandung  er- 
scheint hier  ziemlich  verdichtet  und  dunkel  und  beginnt  au  der  Mund- 
spalte wie  scharf  abgeschnitten  mit  einer  deutlichen  kleinen  kreisrunden 
Oeffnung,  um  sich  gegen  das  Hinterende  allmählich  zu  verdünnen  und 
ohne  scharfe  Grenze  aufzuhören. 

Peranema  nimmt  recht  ansehnliche  Nahrungskörper  auf,  wobei  man 
das  Vorderende  zwischen  Geisseibasis  und  bis  über  die  kreisrunde  Schlund- 
öffnung hinaus  sich  trichterförmig  erweitern  sieht,  und  diese  Erweiterung 
scheint  sich  dann  direct  in  den  röhrenförmigen  Schlund  fortzusetzen. 

Etwas  anders  beurtheilt  Klebs  neuerdings  die  eben  geschilderte  Ein- 
richtung, er  hält  den  Schlund  nicht  für  eine  Röhre,  sondern  für  zwei  der 
Cuticula  der  Bauchseite  anliegende  Stäbe,  die  vorn  in  einander  übergirigen. 
Bei  der  Nahrungsaufnahme  soll  dieser  Stabapparat  behend  hin  und  her- 
gestossen  werden*)  und  dabei  die  gewöhnlich  zur  Nahrung  dienenden 
Euglenen,  in  welche  sich  die  Peranema  hineinbohrt,  gewissermassen  zer- 
reissen,  worauf  ihre  Theile  in  die  erweiterte  Mundspalte  hineingleiten. 

Wir  besprechen  hier  weiter  die  Gattung  U  r  c  e  o  1  u  s ,  die  uns  Einrich- 
tungen bietet,  welche  wohl  die  für  Peranema  entwickelte  Deutung  zu 
unterstützen  vermögen;  denken  wir  uns  nämlich  die  trichterförmig  er- 
weiterte Mundspalte,   welche  letztere  Gattung  bei  der  Nahrungsaufnahme 


*)  Auch  Stein  schreibt  dem  Schlmid  der  Peranema  eine  gewisse  Be\reglichkeit  zu. 


Einricht.  zur  Nalirungsaufnahme  (Eiiglenoidina).  701 

zeigt,  zu  einer  constanten  Einrichtung  geworden,  so  haben  wir  im  Wesent- 
lichen die  Verhältnisse  des  Urceolus  (T.  47,  5  a).  Im  Grunde  seines  so- 
genannten Peristomtrichters  und  zwar  etwas  einseitig,  dicht  neben  der 
Basis  der  ziemlich  tief,  an  einer  Stelle  des  Trichterrandes  entspringenden 
Geissei  liegt  die  eigentliche  Mundöffnung,  welche  in  einen  sehr  langen 
röhrenförmigen  Schlund  führt;  derselbe  zeigt  nach  meinen  Beobachtungen 
in  seinem  Verlaufe  eine  Knickung  und  zwar  ist  der  vor  der  Knickungs- 
stelle  gelegene  Theil  beträchtlich  weiter  wie  der  hintere,  der  sich  als 
feiner  Spalt  bis  ins  hintere  Körperdritttheil  verfolgen  lässt.  Bei  der 
Nahrungsaufnahme  scheint  sich  nach  Stein's  Darstellung  ähnlich  wie  bei 
vielen  Ciliaten  am  Ende  des  Schlundes  eine  Nahrungsvacuole  zu  bilden, 
in  welche  die  Nahrung  eingeschlossen  und  dann  in  den  Körper  über- 
geführt wird. 

Etwas  abweichend  von  den  bis  jetzt  besprochenen  Einrichtungen 
scheinen  die  der  um  Astasia  (Stein)  sich  gruppirenden  Formen  zu  sein. 
Die  primitivsten  Verhältnisse  finden  sich  hier  bei  der  Gattung  Cyclidium 
(Dj.)  Bütschli  (T.  47,  4  b).  Das  zugespitzte  Vorderende  ist  abgestutzt  und 
die  Ränder  (Cuticula?)  dieses  Endes  deutlich  dunkel  und  verdichtet;  auf 
einer  Stelle  des  Randes  sitzt  die  Geissei  auf  und  die  Mundöffnung  nimmt 
sonder  Zweifel  eben  das  Vorderende  ein,  ohne  dass  sie  sich  jedoch  in 
einen  deutlichen  Schlund  fortsetzt.  Besonders  deutlich  tritt  die  starre  Be- 
schaffenheit dieser  Mundspitze  dadurch  hervor,  dass  sie  sich  als  solche 
vorragend  erhält,  wenn  sich  der  sehr  contractile  Körper  kuglig  zusammen- 
gezogen hat  (T.  47,  4  a). 

Sehr  ähnlich  gestaltet  erscheint  nun  das  Vorderende  bei  Astasia, 
Heteronema  und  namentlich  auch  den  starren  Formen  Atractonema,  Men- 
oidium  und  Sphenomonas  (T.  47,  18;  T.  48,  7  und  9),  nur  fehlt  hier 
die  Verdichtung  der  Cuticula  des  Vorderendes.  Dagegen  setzt  sich  bei 
diesen  Formen  die  am  abgestutzten  Vorderende  gelegene  Mundöffnung 
nach  Stein  in  einen  zarten  röhrenförmigen  Schlund  fort,  der  sich  gerade 
nach  hinten  verlaufend  auf  eine  verhältnissmässig  kurze  Strecke  in  den 
Körper  verfolgen  lässt. 

Aufs  innigste  an  die  soeben  geschilderten  Gattungen  schliessen  sich 
weiter  die  Euglenen  an  und  zwar  vermittelt  die  Euglena  acus  den  Ueber- 
gang,  deren  Mund-  und  Schlundverhältnisse  ganz  den  oben  besprochenen 
analog  sind  (T.  47,  8).  Bei  den  übrigen  Euglenen  dagegen,  mit  weniger 
zugespitztem  Vorderende  ist  das  Verhalten  etwas  anders;  hier  erscheint 
das  Vorderende  meist  etwas  schief  abgeschnitten  und  die  kreisrunde 
Mundöffnung  etwa  in  der  Mitte  dieser  schiefen  Abstutzung.  Der  röhren- 
förmige, von  der  Cuticula  ausgekleidete  Schlund  (Membrantrichter  von 
Klebs)  ist  äusserst  deutlich  und  lässt  sich  mehr  oder  weniger  tief,  zu- 
weilen bis  in  die  Gegend  des  Stigma  verfolgen. 

Wie  bei  den  Euglenen  schildert  Stein  auch  die  Mund-  und  Schlund- 
verhältnisse des  Colacium  und  auch  bei  Trachelomonas  beobachtete  er 


702  Flagellata. 

dieselben  Einrichtungen,  wenn  auch  nur  in  Andeutung.   Eine  dem  Mund  der 
seither   besprochenen   Formen   entsprechende  Oeifnung  findet   sich   ferner 
auch  bei  den  von  den  typischen  Euglenen  etwas  abweichenden  Gattungen 
Coelomonas,  Merotricha  (RaphidomonasSt.)  undMicroglena.   Jedoch 
scheint  denselben  ein  Schlund  sicher  zu  fehlen.   Wir  werden  jedoch  hierüber 
erst  später  bei  der  Besprechung  der  contractilen  Vacuolen  genauer  verhandeln 
können.   In  jeder  Beziehung  stimmen  die  Mundeinrichtungen  in  der  Familie 
der  Chlor opeltina  mit  denen  der  Euglenina  überein.     Wir  finden  hier 
durchaus  die  an  der  Basis  der  Geissei  gelegene  kleine  Muudöffnung ,  die 
sich  bei  der  regulär  gestalteten  Gattung  Lepocinclis  (Perty)  am  vorderen 
Körperpole    befindet    und   nach    Stein's  Darstellung    etwas    röhrenförmig 
vorspringt.      Gewöhnlich  ist  jedoch   ein    solches   Vorspringen   der  Mund- 
öffnung nicht   vorhanden,   wie  schon   die  früheren  Beobachter  Perty  und 
Carter    und    neuerdings    auch    Klebs    fanden    und    auch    unsere    Abbil- 
dungen  zeigen.     Die  Wand   der   Öchlundröhre   dieser  Form   zeigt   häufig 
einige  ringförmige   Verdickungen  (Bütschli,    T.  47,  15  a).     Bei   der   sehr 
nahe    verwandten    Gattung  Pbacus    weist  Mund    und    Schlund    wegen 
der  etwas   asymmetrischen   Körpergestalt  gleichfalls  eine   gewisse  Asym- 
metrie  auf.     Am    besten    ist    mir   die  Mundeinrichtung  bei  Phacus  Pleu- 
ronectes   bekannt  und   daher  will  ich  deren  Verhältnisse  hier  zu  Grunde 
legen.   Das  Charakteristische  in  der  Bildung  des  Vorderendes  dieser  Form 
(wie  auch   der  sehr  nahe   verwandten  Phacus  triqueter  und  longicauda) 
ist,    dass   die    beiden    Seitenränder   des    Körpers  am    Vorderende   nicht 
in     einander    übergehen,     sondern     sich     der     linke    dorsalwärts     über 
den  rechten    schiebt   und    dann    bei    den    beiden    ersterwähnten    Formen 
in    den    über    die    Mittellinie     des    Rückens    ziehenden    Kiel    übergeht 
(T.  47,  11).   Bei  Ph.  longicauda  fehlt  dieser  Kiel  und  daher  kreuzen  sich 
die  Ränder   nur   auf  eine  kurze  Strecke  (T.  47,  10).     Durch  diesen  Ver- 
lauf der  Ränder  wird  am  Vorderende   zwischen   ihnen  ein  ziemlich  nach 
vorn  schauendes  schmales  Feld  erzeugt,   das  bei  Phac.  Pleuronectes  und 
triqueter  etwas  von  dem  weiter  vorspringenden  rechten  Körperrand,  welcher 
die  vordere  Körperspitze  bildet,   überragt  wird   und  daher  etwas  auf  die 
Dorsalseite  verschoben  erscheint.     In  diesem  Feld  liegt  die  Mundöffnung 
und  zwar  in  einer  etwas  nach  rechts  gewendeten,  ziemlich  weiten  trichter- 
förmigen Einsenkung,  in  der,  am  Rand  der  eigentlichen  Mundöffnung  die 
Geissei  entspringt.     Der  Schlund,   welcher  sich  an  den  Mund  anschliesst, 
läuft  schief  nach   links   gewendet  hinab.   Bei   Ph.  longicauda,  wo  sich  die 
Körperränder  nur  auf  eine  sehr  kurze  Strecke  kreuzen,   wird   daher  das 
zwischen  der  Kreuzung  gelegene  Mundfeld  ganz  von  der  Mundöffnung  aus- 
gefüllt und  der  Schlund  läuft  hier  meist  ziemlich  gerade  nach  hinten. 

Auf  diesen  Verhältnissen  beruht  es  denn,  dass  bei  den  beiden  zuerst 
genannten  Arten  die  Geissei  in  der  seitlichen  Ansicht  auf  der  Rückseite 
zu  entspringen  scheint  und  zwar  aus  einer  grubenförmigen  Einsenkung, 
d.  h.  dem  eben  erwähnten  Trichter,  in  dem  sich  die  Mundöffnung  be- 
findet (T.  47,  12). 


Einriebt,  zur  Nahrungsaufn.  (Euglenoidina  u.  Heteromastigoda).  703 

Nicht  ganz  klar  sind  bis  jetzt  die  Verhältnisse  bei  dem  sogenannten 
Phacus  Pyrum  (T.  47,  16).  Stein  schreibt  diesem  ein  am  vordem  Körper- 
ende beginnendes  und  schraubig,  entsprechend  den  Schraubenkanten  am 
Körper  herablaufendes  sogen.  Peristomfeld  zu.  Ich  finde  davon  nichts, 
sondern  den  vorderen  Körperrand  ziemlich  quer  abgestutzt  und  zu  einer 
queren  Grube  eingesenkt,  die  in  der  Profilansicht  deutlich  hervortrat.*) 
An  der  einen  etwas  stärker  vorspringenden  Wand  dieser  Grube,  die  vrohl 
dem  Peristomfeld  Stein's  entspricht,  erhob  sich  die  Geissei.  Ein  eigent- 
licher Mund  und  Schlund  wurde  nicht  bemerkt;  auch  Stein  deutet  davon 
nichts  an.  — 

Im  Vorstehenden  wurden  die  Muodeinrichtungen  der  Euglenoidinen 
ohne  jede  genauere  liücksicht  auf  ihre  physiologische  Bedeutung  geschil- 
dert, weil  es  in  hohem  Grade  wahrscheinlich  ist,  dass  dieselben  mor- 
phologisch alle  zusammengehören.  Dagegen  ist  nur  für  eine  verbält- 
nissmässig  kleine  Zahl  dieser  Formeu  der  Nachweis  erbracht,  dass  die 
geschilderten  Einrichtungen  auch  physiologisch  als  Apparate  zur  Nahrungs- 
aufnahme thätig  sind.  Im  Gegentheil  scheint  es  für  viele  Euglenoidinen 
durchaus  sicher,  dass  sie  niemals  ihre  Mundeinrichtungen  zur  Auf- 
nahme geformter  Nahrung  benutzen,  sondern  sich  in  pflanzlicher  Weise 
ernähren.  Wir  ziehen  es  vor,  erst  an  späterer  Stelle  die  Frage  genauer 
zu  discutiren,  welcher  functionelle  Werth  dem  sogenannten  Mund  und 
Schlund  letzterwähnter  Formen  zuzuschreiben  sein  dürfte. 

Es  erübrigt  nur  noch  einen  Blick  auf  den  Mundapparat  der  beiden  hoch- 
entwickelten Heteromastigoden  Anisonema  und  Entosiphon  zu  werfen. 
Die  Verhältnisse  derselben  scheinen  sich  denen  von  Peranema  am  nächsten 
anzureihen.  Bei  beiden  findet  sich  ein  röhrenförmiger  Schlund,  der  eine 
starkverdichtete,  dunkle  und  ziemlich  dicke  Wand  besitzt,  die  sich  nach 
hinten  allmählich  verdünnt  und  ohne  scharfe  Grenze  aufhört.  Bei  Aniso- 
nema ist  derselbe  meist  verhältnissmässig  kurz,  erreicht  kaum  die  Körper- 
mitte, ja  Stein  zeichnet  ihn  stets  noch  viel  kürzer**),  wogegen  der  Schlund 
des  Entosiphou  ungemein  lang  wird,  so  dass  er  bis  ins  hintere  Körper- 
drittheil hinabreicht.  Die  Mundöffnung,  mit  welcher  der  Schlund  beginnt, 
liegt  stets  nahe  der  Geisseibasis;  bei  Entosiphon  dicht  hinter  dem 
vordem  Körperrand  und  Stein  zeichnet  eine  schwach  trichterförmige  Ein- 
senkung  dieses  Randes  auf  der  Bauchseite,  in  deren  Grunde  der  scharf 
abgeschnittene  Schlund  beginnt.  Bei  Anisonema  beginnt  der  Schlund 
scharf  abgeschnitten  weiter  rückwärts  auf  der  Bauchseite  und  zwar  in  dem 
früher  beschriebenen  von  der  hinteren  Geissei  umschriebenen  Bogen.  Die 
eigentliche  Mundöffnung  ist  Dach  Stein  und  Klebs  eine  ziemlich  weite 
trichterförmige  Einsenkung  zwischen  der  Basis  der  vordem  Geissei  und 
dem   vordem  Schlundende,   aus  welcher  nach  Klebs  die  hintere  Schlepp- 


*)  Auch  Klebs   erwähnt  dieses   Peristomfeld   nicht  und  gibt  an ,    der  vordere  Eand  sei 
auf  der  einen  Seite  etwas  ausgehöhlt. 

**)  Klebs  dagegen  sah  ihn  Körperlänge  erreichen. 


704  Flagellata. 

geissei  entspringt.  In  gleicher  Weise  wie  für  Peranema  hält  dieser  For- 
scher auch  bei  unsern  beiden  Formen  die  Schlundröhre  für  einen  Stabappa- 
rat, der  bei  Anisonema  ebenfalls  der  Cuticula  der  Bauchseite  anhaften  soll. 
Eine  besondere  Eigentbümlichkeit  besitzt  der  Schlund  des  Entosiphon. 
Derselbe  ist  nämlich,  wie  Archer  (150)  zuerst  beobachtete  und  später 
Stein  genauer  ausführte,  ein  bewegliches  Gebilde;  die  Entosiphen  ver- 
mögen denselben  ziemlich  weit  über  den  vordem  Körperrand  vorzustossen 
und  wieder  zurückzuziehen.  Bei  dem  Vorschieben  soll  sich  der  Apparat 
nach  Klebs  auch  verbreitern  und  umgekehrt  dann  wieder  verengern. 

Obgleich  sich  nun  aus  den  Erfahrungen  zahlreicher  Beobachter,  seit 
Dujardin,  ergiebt,  dass  uusre  beiden  Wesen  selbst  ansehnlich  grosse 
Nahrungskörper  aufnehmen,  liegt  doch  bis  jetzt  eine  Beobachtung  über 
den  Act  der  Nahrungsaufnahme  nicht  vor. 

Zum  Beschlüsse  unsrer  Betrachtung  der  Mundeinrichtungen  haben  wir 
noch  der  sehr  interessanten  Verhältnisse  bei  der  Familie  der  Cryptomo- 
nadinen  (zu  den  Isomastigoda  gehörig)  zu  gedenken.  Bei  den  kaum  ge- 
sonderten Gattungen  Chilo-  und  Cryptomonas  finden  wir  ganz  tiberein- 
stimmende Einrichtungen,  doch  konnte  bei  ihnen  eine  Aufnahme  geformter 
Nahrung  bis  jetzt  nicht  erwiesen  werden  und  ich  halte  eine  solche  auch 
für  sehr  unwahrscheinlich.  Nur  Künstler  (199)  will  sich  neuerdings  über- 
zeugt haben,  dass  Cryptomonas  „Schizomyceten  und  andre  kleine  Orga- 
nismen'' fresse.  Dagegen  vermissen  wir  bei  der  Gattung  Oxyrrhis  (T.  45, 12) 
einen  deutlichen  Mund  und  gar  Schlund,  aber  hier  steht  die  Nahrungs- 
aufnahme nach  den  Erfahrungen  Kent's  und  Blochmann's  ausser  Zweifel 
und  zwar  liegt  die  Mundstelle,  welche  Kent  als  sehr  erweiterungsfähig  be- 
zeichnet, an  der  Basis  der  beiden  Geissein.  Die  ansehnlich  weite  sogen. 
Mundöffnung  der  beiden  ersterwähnten  Gattungen  (T.  45,  9  und  10)  hat 
etwa  die  gleiche  Lage  wie  bei  Oxyrrhis  und  zwar  liegt  sie  nach  den  Er- 
fahrungen Künstler's,  welche  ich  durch  erneute  Untersuchungen  an  Chilo- 
monas  bestätigen  kann,  am  vorderen  Körperrande  der  Bauchseite  zuge- 
wendet, in  dem  früher  schon  beschriebenen  Ausschnitt  zwischen  der  ver- 
schieden hohen  rechten  und  linken  Lippe. 

Stein  zeichnet  ein  auf  der  linken  Körperseite  (Bauchseite  Stein's)  herabsteigendes,  als 
eine  flache,  sehr  breite  Einne  erscheinendes  sogen.  Peristom,  an  dessen  Hinterende  sich  die 
eigentliche  Mundöffnung  finden  soll  (T.  45,  10  a).  Dasselbe  existirt  aber  nach  ineinen  Er- 
fahrungen wenigstens  bei  Chilomouas  sicher  nicht.  Auch  für  Cryptomonas  muss  ich  nach 
meinen  eigenen  früheren  Untersuchungen  und  denen  Künstler's  die  gleichen  Einrichtungen  wie 
bei  Chilomonas  behaupten  und  bezweifle  daher  gleichfalls  die  Gegenwart  des  vermeintlichen 
Peristoms. 

Die  Mundöffnung  führt  bei  beiden  Galtungen  in  einen  relativ  sehr 
weiten  Schlund,  den  Ant.  Schneider  (84)  zuerst  sah,  jedoch  nicht  richtig 
erkannte.  Derselbe  hat  etwa  röhren-  bis  beuteiförmige  Gestalt  und  läuft 
gerade  oder  etwas  schief  zur  Rückseite  gerichtet  bis  zur  Körpermitte,  oder 
noch  etwas  über  dieselbe  herab. 

Eine  ganz  besondere  Beschaffenheit  besitzt  die  Schlundwandung 
unsrer  Formen.    Dieselbe  erscheint  zunächst  relativ  dick  und  dunkel  und 


Eiuriclitunscii  zur  Ausscheid,  der  Naliruagsäroste.  705 

bei  starker  Vergrösserung  wie  aus  einer  grossen  Zahl  dunkler  Körner 
zusammengesetzt,  die  entweder  dicht  und  ohne  Ordnung  zusammengestellt 
sind,  oder  deutliche  Quer-  und  Längsreihen  bilden.  Strasburger  (170) 
beschreibt  daher  die  Schlund wandung  der  Cryptomonas  curvata  aus  dicht- 
stehenden und  senkrecht  zur  Wandnngsfläche  gestellten  Stäbchen  zusammen- 
gesetzt. Doch  scheint  die  Dicke  der  Schlundwandung  gewöhnlich  zu  ge. 
ring,  um  ihre  dunklen  Elemente  als  Stäbchen  zu  bezeichnen.  Auffallend 
ist  die  intensive  Färbung,  welche  die  Schlundwandung  bei  Behandlung 
unsrer  Flagellaten    mit  verschiednen  Färbungsmitteln  annimmt. 

Künstler  hat  den  Schlund  unsrer  Wesen  eingehend  studirt,  und  ist  zu  recht  ab- 
■weichenden  Anschauungen  gekommen.  Ihm  gilt  derselbe  zunächst  nicht  als  Schlund,  son- 
dern als  Magen,  da  er  sich  überzeugt  haben  will,  dass  die  aufgenommue  Nahrung  in  ihm  ver- 
daut werde.  Die  Schlundwandung  bestehe  aus  einer  Plasmaschicht,  in  der  sich  zahlreiche 
kleine,  dicht  aneinander  gereihte  Vacuolen  vorfänden,  welche  sich  jedoch  durch  intensive 
Färbungsfähigkeit  auszeichneten.  In  jeder  dieser  Vacuolen  bilde  sich  fernerhin  gewöhnlich 
ein  Stärkekörnchen  aus  und  diese,  sowie  die  Vacuolenbildung  selbst,  erzeugten  die  körnige 
Zeichnung  des  Schlundes.  Indem  wir  eine  Kritik  dieser  Auffassung  des  Schlundbaues  künf- 
tiger Forschung  überlassen,  heben  wir  nur  hervor,  dass  wir  bei  häufiger  Behandlung  der  Chilo- 
monas  mit  Jod  nie  eine  Blaufärbung  der  Schlundwandung  beobachtet  haben. 

c)  Einrichtungen  zur  Ausstossung  unverdauter  Nahrungs- 
reste. Sogen.  Afterbildung  und  Besprechung  der  Ansichten 
über  die  Existenz  eines  Darmkanals  der  Flagellaten. 

Dass  die  zahlreichen  Flagellaten,  welche  geformte  Nahrung  aufnehmen, 
auch  befähigt  sind,  deren  unverdaute  Reste  wieder  auszustossen,  ist  natür- 
lich, dagegen  ist  bis  jetzt  nur  Weniges  über  den  Vorgang  der  Defäcation 
beobachtet.  Schon  Ehrenberg  glaubte  sich  bei  der  zweifelhaften  Monas 
socialis  von  der  Ausstossung  des  aufgenommnen  Indigo  am  Hinterende 
überzeugt  zu  haben.  Dass  es  nun  das  Hinterende  ist,  wo  die  Ausstossung 
meist  stattfindet,  scheint  durch  die  Erfahrungen  verschiedener  Forscher 
belegt  zu  werden.    So  beobachtete  F.  E.  Schulze  mehrfach  die  Entleerung 


o 


von  Nahrungsresten  am  Hinterende  der  Mastigamoeba.  Stein  zeichnet 
bei  einer  ziemlichen  Zahl  von  einfachen  und  höher  entwickelten  Formen 
eine  sogen.  Afterstelle  am  Hinterende,  so  bei  Bodo  globosus,  Phyllomitus, 
Tetramitus  descissus,  bei  Heteronema  globuliferum  und  Anisonema.  Bei 
letzterer  Form  wollte  sich  auch  schon  Clark  von  der  Existenz  einer  solchen 
Stelle  am  Hinterende  überzeugt  haben,  doch  lauteten  seine  Mittheilungen 
wenig  sicher.  Bei  Peranema  sah  Stein  schon  früher  (Org.  der  Inf.th.  I. 
p.  77)  die  Ausscheidung  von  Excrementen  am  Hinterende.  Hierzu  ge- 
sellen sich  weiterhin  noch  einige  Beobachtungen  Kent's,  der  bei  seiner 
Oikomonas  obliquus  und  Anthophysa  die  Ausstossung  des  aufgenommnen 
Carmins  am  Hinterende  beobachtete.  Wir  haben  schon  früher  geschildert, 
wie  rasch  bei  der  letzteren  Gattung  beträchtliche  Carminmengen  ausge- 
schieden werden.  Aehnlich  verhält  sich  auch  die  ersterwähnte  Form,  bei 
welcher  Kent  im  Verlauf  einer  halben  Stunde  eine  dem  Volum  des 
Wesens  gleiche  Carminmenge  ausscheiden  sah. 

Tiionu,   Klassen  des  Thier-Reichs.    Protozoa.  45 


706  Flagellata. 

Die  von  Stein  bei  den  obengenannten  Flagellaten  abgebildete  sogen. 
Afterstelle  erscheint  auf  seinen  Zeichnungen  als  ein  recht  kleines  Bläschen 
mit  sehr  dunkler  Contur  und  liegt  stets  dicht  am  hinteren  Körperrand. 
In  gleicher  Weise  zeichnet  Stein  auch  die  sogen,  bläschenförmige  Mund- 
stelle bei  den  früher  erwähnten  Monadinen.  Man  dürfte  deshalb  daran 
denken,  dass  diese  Afterstelle  vielleicht  eine  kleine  Vacuole  darstellt, 
welche  die  auszuscheidenden  Nahrungsreste  aufnimmt,  um  sich  dann  nach 
Aussen  zu  öffnen  und  sie  in  dieser  Weise  zu  entleeren.  Einen  solchen 
Vorgang  der  Ausscheidung  beobachtete  wenigstens  ßütschli  bei  einer  mit 
Oikomonas  Termo  nächstverwandten,  wenn  nicht  identischen  Form.  Hier 
bildeten  sich  in  der  Mitte  der  Lippenseite  des  Körpers  von  Zeit  zu  Zeit 
einige  unregelmässige  Vacuolen,  welche  die  Nahrungsreste  umschlossen  und 
hierauf  ihren  Inhalt  nach  Aussen  entleerten ,  oder  sammt  diesem  vom 
Körper  abgeschnürt  wurden.  Auch  bei  Tetramitus  descissus  beobachtete 
Bütschli  einmal  die  Ausstossung  eines  Kornes  etwas  hinter  dem  Peristom- 
ausschnitt  auf  der  Bauchseite*).  Noch  abweichender  ist  die  Lage  der  After- 
stelle nach  Clark  bei  ßicosoeca,  der  die  Ausscheidung  an  dem  lippen- 
förmigen  Fortsatz  dieser  Form  wahrgenommen  haben  will,  etwas  oberhalb 
der  früher  beschriebenen  Mundstelle.  Hieran  würde  sich  Oxyrrhis  schliessen, 
bei  welcher  die  Ausstossung  der  Nahrungsreste  sicher  an  dem  dorsalen 
lippenförmigen  Peristomfortsatz  geschieht  (ßlochmann;  T.  45,  12).  Wie 
früher  bemerkt,  bezeichnet  derselbe  nach  unsrer  Auffassung  das  morplro- 
logische  Vorderende,  thatsächlich  ist  er  jedoch  bei  der  Bewegung  nach 
hinten  gerichtet.  Es  scheint  daher,  dass  nicht  ausschliesslich  nur  das 
hinterste  Körperende  bei  der  Ausstossung  thätig  ist,  doch  lässt  sich  bis 
jetzt  nicht  wohl  sagen,  ob  bei  gewissen  Formen  die  Ausstossung  noch 
unlokalisirt  ist  (wie  dies  ja  wohl  für  die  Rhizomastigoda  im  allgemeinen 
gelten  wird),  während  bei  andern  eine  Lokalisirung  dieser  Function  blei- 
bend durchgeführt  ist.  Bei  den  höher  entwickelten  Formen  (so  Peranema, 
Anisonema  etc.)  dürfte  letzterer  Fall  wohl  sicher  eingetreten  sein. 

Schliesslicli  hätten  wir  noch  der  Beobachtungen  Kiinstler's  (190)  zu  gedenken,  der  auch 
Cryptomonas  und  Chilomonas  einen  After  zuschreibt.  Derselbe  soll  sich  hier  etwas  dorsalwärts 
am  hinteren  Körperende  finden  und  nicht  etwa  eine  einfache  Afterstelle  sein ,  wie  sie  die 
früheren  Beobachter  bei  Flagellaten  ausschliesslich  beschrieben,  sondern  die  Ausmündungsstelle 
eines  wahren  Darmes,  welcher  sich  als  sehr  schwer  sichtbare,  zarte  Eöhre  zwischen  dem  Ende  des 
früher  beschriebenen  Schlundes  (des  Magens  nach  Künstler)  und  dem  After  ausspanne.  Das 
Lumen  dieses  Darmes  soll  namentlich  dann  deutlich  hervortreten,  wenn  es  durch  Nahrungs- 
körper, welche  Künstler  häufig  darin  beobachtet  haben  will,  ausgedehnt  werde.  Den  Nachweis 
eines  vollständigen  mit  Mund  und  After  verselienen  Darmapparats  glaubt  unser  Forscher  auch 
noch  für  eine  Anzahl  weiterer  Flagellaten  führen  zu  können,  so  namentlich  für  eine  als  Astasia 
costata  bezeichnete  Form  (wahrscheinlicli  =  Ehabdomonas  incurva  Fres.),  wo  gleichfalls  ein 
den  Körper  gestreckt  durclilaufender  Darm  beschrieben  wird,  der  sich  in  Schlund,  erweiterten 
Magen  und  engen  Darm  gliedere.  Selbst  dem  zu  den  Euglenoidinen  gehörigen  Phacus  Pleuro- 
nectes,  welchem  bis  jetzt  noch  Niemand  die  Aufnahme  geformter  Nahrung  zugetraut  hat,  schreibt 


*)  Ob  die  von  Dallinger  und  Drysdale  (145,  VI,  p.  191)  bei  Tetramitus  rostratus  beob- 
achtete Ausstossung  körniger  Masse  ein  Defäcationsprocess  war,  erscheint  zweifelhaft. 


Vcrmoiiitl.  Darmkanal;  iiichtcoutraetile  Vacuol(Mi.  707 

unser  Forscher  entsprechende  Darmeinrichtungen  zu  und  verniisst  auch  bei  Chlamydomouas 
(in  Wahrheit  ist  die  untersuchte  Form  jedoch  wohl  sicher  Carteria  gewesen)  einen  Magen 
nicht,  wenn  derselbe  hier  auch  nur  flüssige  Nahrung  aufnehme.  Wir  können  erst  später  ge- 
nauer darlegen,  welche  Deutung  wir  den  angeblichen  Mägen  bei  Phacus  und  Carteria  geben 
dürfen.  Dagegen  ist  sclion  hier  zu  betonen,  dass  wir  die  Beobachtungen  über  den  sogen. 
Darm  der  Cryptomonadinen  für  ganz  unzuverlässig  lialten.  Kein  anderer  Beobachter  hat  frülier 
eine  Spur  dieser  Einrichtung  gesehen.  Schwierig  ist  es  jedoch  anzugeben,  durch  welche  Ver- 
hältnisse Künstler  zu  der  vermeintlichen  Beobachtung  eines  solchen  Darmes  geführt  werden 
konnte.  Ich  habe  die  Vermuthung ,  dass  unser  Forscher,  da  er  keine  richtigen  Vorstellungen 
über  die  Natur  und  Vertheilung  der  Chromatophoren  der  Cryptomonas  liat,  sicli  verleiten 
liess,  den  hellen  ungefärbten  schmalen  Zwischenraum,  welcher  zwischen  den  beiden  Endo- 
chromplatten  hervortritt,  für  einen  Darm  zu  halten.  Diese  Vermuthung  scheint  mir  um  so 
gerechtfertigter,  als  er  auch  über  den  Schlund  eine  Längsfurche  hinziehen  lässt,  über  welclier 
die  Integumente  ungefärbt  sein  sollen,  und  diese  Längsfurche  in  ilirem  Verlauf  eine  Fort- 
setzung des  weiter  hinten  gelegenen  Darmes  darstellt.  Man  vergleiche  hinsichtlich  dieser 
Verliältnisse  den  Abschnitt  über  die  Chromatophoren. 


E.    Inhaltskörper  des  Plasmas  mit  Ausnahme  der  Nuclei. 

a)  Nah rungsvacu ölen  und  nichtcontractile  Vacuolen. 
Schon  bei  Gelegenheit  der  Nahrungsaufnahme  wurde  betont,  dass  solche 
Formen,  welche  sieh  ihrer  Nahrung  vermittels  einer  sogen.  Mund- 
vacuole  bemächtigen,  auch  Nahrungsvacuolen  besitzen,  indem  die  ersteren 
einfach  als  Nahrungsvacuolen  in  den  Körper  geschoben  werden.  Doch 
findet  man  bei  diesen  Formen  auch  häufig  frei  ins  Plasma  eingebettete 
Nahrungskörper,  woraus  wohl  mit  Sicherheit  hervorgeht,  dass  die  Flüssig- 
keit der  Nahrungsvacuolen  häufig  rasch  resorbirt  wird.  Bei  zahlreichen 
kleineren  Formen,  deren  Nahrungsaufnahme  noch  nicht  direct  beobachtet 
wurde,  finden  wir  ebenfalls  Nahrungsvacuolen  nicht  selten,  so  bei  Cyatho- 
monas  (=  Goniomonas  St.),  Tetramitus,  Collodyction  uod  anderen. 

Dagegen  scheinen  die  mit  höher  entwickelten  Mund-  und  Schlund- 
einrichtungen versehenen  Formen  der  Euglenoidinen  und  Heteromastigodeu, 
welche  feste  Nahrung  aufnehmen,  sehr  selten  Nahrungsvacuolen  zu  bilden, 
wenigstens  sind  kaum  sichere  Fälle  dieser  Art  zu  meiner  Kenntniss  ge- 
langt. Wie  schon  früher  erwähnt,  scheint  Urceolus  nach  Stein's  Dar- 
stellung solche  Vacuolen  zu  erzeugen;  auch  bildet  Stein  bei  Zygoselmis 
und  vielleicht  auch  Anisonema  Nahrungsvacuolen  ab.  Gewöhnlich  scheinen 
jedoch  auch  bei  letzterwähnten  Formen  grössere  Nahrungskörper  direct 
in  das  Plasma  eingebettet  zu  sein. 

Nichtcontractile  Vacuolen  treten  sehr  häufig  im  Plasma  auf,  gewöhn- 
lich jedoch  vereinzelt.  Nur  selten,  und  wie  es  scheint,. unter  besonderen, 
wahrscheinlich  ungünstigen  Lebensverhältnissen  finden  wir  eine  reichliche 
Ansammlung  solcher  Vacuolen  und  damit  eine  blasig  vacuoläre  Beschaffen- 
heit des  Plasmas.  Dies  beobachtete  z.  B.  Carter  bei  den  von  ihm  stu- 
dirten  Exemplaren  des  Collodyction,  Bütschli  zuweilen  bei  Chilomonas 
unter  jedenfalls  abnormen  Lebensverhältnissen  und  Cohn  gelegentlich  bei 
Haematococcus    lacustris   und    Gonium.     Bei   den   Volvoxzellen    dagegen 

45* 


708  Flagcllata. 

findet  Cohn  zuweilen  einen  mittleren  Saftraum.  Grössere  Vacuolen  sind 
nach  Klebs  auch  häufig  bei  den  Trachelomonasarten ,  selten  dagegen  im 
Allgemeinen  bei  den  Euglenen.  Im  Ganzen  scheint,  wie  gesagt,  die  reich- 
lichere Vacuolisation   eine  mehr  abnorme   Erscheinung  unter  den  Flagel- 

laten  zu  sein. 

b)  Contractile  Vacuolen  sind  ganz  allgemein  verbreitet,  sodass 

zur  Zeit  kaum  eine  Form  namhaft  zu  machen  wäre,  welcher  mit  Sicher- 
heit dieses  Organisationselement  fehlte.  Natürlich  haben  die  Vacuolen 
auch  hier  ihren  Sitz  stets  direct  unter  der  Körperoberfläche,  wie  es  die 
jetzt  wohl  fast  allgemein  adoptirte  Ansicht  über  ihre  physiologische 
Thätigkeit  verlangt.  Wo  sich  die  Vacuolen  tiefer  im  Körper  lagern, 
werden  wir  auch  Einrichtungen  zu  ihrer  Communication  mit  der  Aussen- 
welt  finden  oder  doch  derartige  Einrichtungen  sehr  wahrscheinlich  zu 
machen  vermögen. 

Obgleich  für  viele  Flagellaten  die  Zahl  der  contractilen  Vacuolen 
sicher  ermittelt  ist,  bleibt  doch  noch  eine  nicht  kleine  Zahl  solcher,  bei 
welchen  in  dieser  Hinsicht  noch  Zweifel  herrschen.  Es  hat  daher  augen- 
blicklich gewisse  Schwierigkeiten,  die  Frage  nach  der  Vacuolenzahl  mit 
Schärfe  zu  beantworten.  Einige  Forscher,  darunter  namentlich  Kent, 
geben  sogar  für  gewisse  Arten  eine  wechselnde  Zahl  von  Vacuolen  an ; 
was  ja  auch  für  einzelne  wohl  zutreffend  sein  mag.  Dagegen  herrscht 
doch  bei  der  grossen  Mehrzahl  unsrer  Formen  sicher  eine  bemerkens- 
werthe  Constanz  der  Vacuolenzahl.  Nicht  wenige  besitzen  nur  eine  ein- 
zige Vacuole;  so  gilt  dies  durchaus  in  den  Familien  der  Dendromonadineo, 
der  Spougomonadineu,  der  Cryptomonadinen  und  der  Scytomouadinen. 
Auch  weitere  Angehörige  der  Monadinen  zeigen  dieses  Verhältniss,  ob- 
wohl gerade  hier  häufig  die  Angaben  ziemlich  schwankend  lauten.  So 
finden  wir  z.  B.  bei  Cercomonas  ein  bis  mehrere  verzeichnet,  ebenso  lauten 
auch  die  Angaben  Kent's  für  die  zahlreichen  Formen  seiner  Gattung 
Oikomonas  und  das  Gleiche  wird  von  den  Bodonina  berichtet.  Bei 
den  Bikoecida  fand  ich  wie  Stein  nur  eine  Vacuole,  Kent  dagegen 
2—3,  und  so  lauten  denn  die  Angaben  noch  für  manche  andere  Monadine 
bis  jetzt  etwas  unsicher.  Eine  grosse  Reihe  von  Formen  besitzt  sicher 
zwei  gleiche  Vacuolen,  welche  nahezu  als  specifischer  Charakter  für  die 
Familien  der  Chlamydomonadiua  und  Volvocina  gelten  dürfen.  Die 
meisten  ihrer  Angehörigen  zeigen  dieses  Verhalten  und  es  fällt  auf, 
dass  dennoch  bei  gewissen  eine  Abweichung  von  der  Regel  zu  be- 
merken ist.  So  scheinen  namentlich  Haematococcus  und  Chlorangium 
nach  Stein's  Untersuchungen  nur  eine  einzige  zu  besitzen  und  in  der 
Familie  der  Volvocina  macht  die  Gattung  Volvox  wohl  eine  sichere  Aus- 
nahme, da  sie  nach  den  übereinstimmenden  Untersuchungen  ^^on  Stein 
und  mir  nur  eine  contractile  Vacuole  besitzt.  Auch  ihr  Entdecker  Busk 
sah  gewöhnlich  nur  eine  eiüzige,  wogegen  Cohn  (147)  deren  zwei  angibt, 
jedoch  auch  stets  nur  eine  zeichnet.  Die  seltsamste  Ausnahme  unter  den 
Chlamydomonadinen    bietet    jedoch    die    Gattung   Chlorogonium   dar. 


Coiitr.  Vacuolou  (Zahl,  La.ür).  70D 

Krassilötschik  fand  nämlich,  im  Gegensatz  zu  Stein,  welcher  auch  dieser 
Form  die  zwei  gewöhnlichen  Vacuolen  zuschreibt,  12 — IG  sehr  kleine 
Vacuolen  über  den  ganzen  Körper  unregelmässig  vertheilt  und  Klebs 
bestätigte  diese  Angabe  selbstständig.  Schon  früher  hatte  Reinhardt  eine 
grössere  Vacuolenzahl  dieser  Form  behauptet,  indem  er  ihr  4  Paar  in 
leiterförmiger  Anordnung  über  den  Körper  vertheilt  zuschrieb  und  auch 
Ant.  Schneider  (84)  scheint  die  zahlreichen  Vacuolen  schon  gesehen  zu 
haben*).  Auch  in  der  nahe  verwandten  Familie  der  Chrysomonadi na 
finden  wir  im  Allgemeinen  mehrere  Vacuolen ,  jedoch  scheint  keine  so 
grosse  Constanz  bezüglich  der  Zahl  zu  herrschen;  2—4  werden  nament- 
lich bei  der  genauest  erforschten  Synura  angegeben. 

Bei  manchen  der  schwankenden  Angaben  dürfte  vielleicht  nicht 
ganz  unbeachtet  bleiben,  dass  bei  der  Theilung  häufig  schon  früh- 
zeitig eine  Vermehrung  der  Vacuolen  geschieht,  was  unberücksichtigt 
leicht  zu  irrthümlichen  Zählungen  Veranlassung  gibt. 

Besondre  Verhältnisse  zeigen  die  contractilen  Vacuolen  der  meisten 
Euglenoidina,  weshalb  wir  es  vorziehen,  hier  keine  eingehenderen  An- 
gaben über  die  Zahl  derselben  zu  machen,  sondern  auf  die  genauere  Be- 
sprechung der  Vacuolen  dieser  Formen  verweisen. 

Ebenso  verschieden  wie  die  Zahlen  Verhältnisse  sind  auch  die  Lage- 
rungsverhältnisse der  contractilen  Vacuolen  im  Körper  der  Flagellaten. 
Mit  Ausnahme  der  Euglenoidinen  scheinen  sie  jedoch,  wie  bemerkt,  stets 
dicht  unter  der  Körperoberfläche  ihren  Sitz  zu  haben,  wenn  auch 
natürlich  unterhalb  der  dichteren  Hautschicht  oder  Cuticula,  insofern  solche 
überhaupt  ausgebildet  sind.  Dieses  Verhalten  erleidet  wohl  nur  bei  den 
wenigen  Formen  eine  Ausnahme,  bei  welchen  überhaupt  eine  feststehende 
Lagerung  der  Vacuole  fehlt.  So  scheint  wenigstens  bei  einem  Theil 
der  Rhizomastigoda  im  sarkodinenartigen  Zustand  eine  ähnliche  Ver- 
schiebbarkeit der  Vacuole  im  Körper  zu  existiren,  wie  sie  die  Amöben  etc. 
besitzen.  Bei  anderen  dagegen  (so  Mastigamoeba  aspera)  sollen  die  Va- 
cuolen dauernd  ihre  Lage  im  Hinterende  behaupten.  —  Bei  den  heliozoen- 
artigen  Rhizomastigoden  springen  die  Vacuolen  z.  Th.  auch  über  die 
Körperoberfläche  blasenartig  vor,  wie  bei  vielen  typischen  Heliozoen. 
Interessant  erscheint,  dass  im  flagellatenartigen  Zustand  dieser  Formen 
(Ciliophrys,  Dimorpha)  die  Lage  der  Vacuolen  eine  constante  ist,  wie  bei 
den  übrigen  Flagellaten  gewöhnlich. 

Nur  bei  wenigen  typischen  Flagellaten  wurde  bis  jetzt  eine  Ver- 
schiebbarkeit der  contractilen  Vacuolen  beobachtet,  ein  Zustand,  der  ge- 
wiss als  ein  relativ  ursprünglicher  bezeichnet  werden  muss.  Bütschli  beob- 
achtete bei  Trepomonas,  dass  die  Vacuole  hier  inmitten  des  in  Circulation 
begriffenen  Plasmas  entsteht,  durch  welches  sie  wie  gewöhnliche  Vacuolen 


*)  Audi   bei  Carteria   will    Carter  (130)   zuweilen   sehr  zahlreiche   coiitractile  Vacuolen 
beobachtet  haben. 


710  Flagcllata. 

umhergeführt  wird.  Dann  sieht  man,  wie  die  Vaciiole  an  das  Hinterende 
geschoben  wird  und  sich  nur  hier  contrahirt.  Auch  bei  Hexamitus  in- 
fiatus  beobachtete  derselbe  Forscher  ein  ähnliches  Verhalten;  die  Con- 
traction  der  Vacuole  erfolgt  auch  hier  im  Hiuterende,  wo  dann  auch  die 
neue  entsteht,  welche  jedoch,  bevor  sie  sich  contrahirt,  langsam  durch 
den  Körper  nach  vorn  geschoben  wird,  bald  aber  umkehrt  und  sich,  wenn 
sie  das  Hintereude  wieder  erreicht  hat,  contrahirt.  Dagegen  zeichnet 
Stein  die  Vacuole  dieser  Form  stets  in  das  Vorderende,  dagegen  bei  den 
zwei  anderen  Arten  der  Gattung  mehr  in  das  Hinterende. 

Bei  constanter  Lagerung  der  Vacuole  finden  sich  die  mannigfachsten 
Lagerungsverhältnisse  realisirt,  so  dass  im  Allgemeinen  wohl  behauptet 
werden  kann,  dass  jede  beliebige  Stelle  unter  der  Körperoberfläche  zum 
Sitz  der  Vacuole  werden  kann.  Dennoch  sind  besonders  häufig  die  beiden 
Körperenden  ihr  Sitz,  am  häufigsten  jedoch  das  vordere,  und  zwar  finden 
sich  die  Vacuolen  dann  meist  sehr  dicht  an  der  Geisseibasis.  Weiterhin 
tritt  jedoch  als  sehr  allgemein  verbreitete  Regel  hervor,  dass  bei  Gegen- 
wart von  2  oder  mehr  Vacuolen  diese  sich  fast  immer  dicht  bei  einander 
finden. 

Dicht  au  der  Geisseibasis  im  Vorderende  treffen  wir  die  einzige 
oder  die  mehrfachen  Vacuolen  nicht  selten  bei  den  Monadinen  (so  z.  B. 
Cercomonas  z.  Th.,  Herpetomouas)  und  ähnlich  auch  bei  den  Bodonina, 
doch  finden  sich  in  denselben  Gattungen  gewöhnlich  auch  Formen,  welche 
einen  abweichenden  Sitz  der  Vacuolen  in  der  Mittelregion  des  Körpers 
aufweisen.  Auch  die  Scytomonadina  zeigen  ihre  ansehnliche  einfache 
Vacuole  stets  ziemlich  nahe  der  Geisseibasis,  doch  ist  im  Zusammenhang 
mit  der  allgemeinen  Asymmetrie  ihres  Körpers  die  Vacuole  asymmetrisch 
an  den  einen  Seitenrand  verschoben  (T,  46,  8 — 9). 

Ganz  exquisit  vorderständig  sind  namentlich  die  beiden  Vacuolen 
der  Chlamydomonadina  und  Volvocina  und  zwar  ordnen  sich  dieselben 
hier  stets  in  ganz  symmetrischer  Weise  dicht  neben  die  Basen  der  beiden 
Geissein.  Nur  die  Gattung  Volvox  bildet  auch  in  der  Lagerung  ihrer 
einfachen  Vacuole  eine  Ausnahme,  indem  sich  diese  nahezu  in  der  Mitte 
des  einen  Seitenrandes  findet  (T.  44,  16b — c),  ja  nach  Busk,  wie  Clapa- 
rede  und  Lachmann  zuweilen  sogar  in  die  Verbindungsfäden,  welche  die 
Volvoxzellen  bekanntlich  vereinigen,  gerückt  ist. 

Eine  ausgesprochen  vorderständige  Vacuole  ist  ferner  bezeichnend  für 
die  typischen  Vertreter  der  Cryptomonadina  (Crypto-  und  Chilomonas, 
T.  45,  9 — 10),  wo  sie  sich  in  dem  Rückentheil  des  Vorderendes  findet. 
Dagegen  findet  sich  die  Vacuole  bei  Oxyrrhis  (T.  45,  12)  nach  Kent 
scheinbar  mehr  in  der  Mitte  des  Körpers,  was  sich  jedoch  darauf  zurück- 
fuhren lässt,  dass  hier  der  Rückentheil  des  vorderen  Körperrandes  viel 
stärker  verlängert  ist,  wie  bei  den  erstgenannten  Formen*). 


*)  Es   ist  jedoch   fraglich,    ob  bei   dieser   Gattung    wirklich    eine    Vacuole    vorhanden, 
Blochuianii  konnte  wenigstens  keine  auffinden. 


Conti'.  Vacuok'ii  (Laue;   Specicllcs  tibiu'  Euglcuoidiua).  711 

Wir  bemerken  hier  gleichzeitig,  dass  auch  die  Euglenoidina  ihre  con- 
tractilen  Vacuolen  gewöhnlich  im  Vordereude  besitzen,  doch  folgt  das 
Nähere  hierüber  erst  später.  Häufig  ist  weiterhin  die  Lage  der  Vacuolen 
an  einem  Seitenrand  des  Körpers,  der  Mitte  mehr  oder  weniger  genähert. 
Auf  einige  diesbezügliche  Beispiele  wurde  schon  hingewiesen.  Bezeich- 
nend ist  diese  Lagerung  der  einzigen  Vacuole  für  die  gesammten  Fami- 
lien der  Dendromonadina  und  Dinobryina,  und  findet  sich  ähnlich  auch 
bei  den  Spongomonadina  unter  den  Isomastigoda  allgemein  verbreitet. 

Betrachten  wir  schliesslich  noch  einige  Beispiele  der  entschieden 
hinterständigeu  Vacuolen.  Auch  diese  können  wir  wieder  verschiedenen 
grösseren  Gruppen  entnehmen.  Charakteristisch  ist  diese  Lagerung  unter 
den  Monadina  für  die  Familie  der  Bikoecida,  unter  den  Isomastigoda 
für  die  der  Chrysomonadina,  welche  sich  sonst  so  nahe  an  die  verwandten 
Formen  mit  vorderständigen  Vacuolen  anschliesst ;  weiterhin  noch  für  eine 
Anzahl  in  ihrer  Stellung  weniger  sicherer  Formen,  die  theils  schon  nam- 
haft gemacht  wurden,  namentlich  auch  noch  für  Trichomonas*)  und 
Hexamitus  (z.  Th.  ?)  nach  Stein. 

Wir  haben  absichtlich  bis  jetzt  die  Vacuolenverhältnisse  der  umfang- 
reichen Gruppe  der  Euglenoidina  noch  nicht  berücksichtigt,  da  sich  bei 
ihr  schwierig  zu  beurtheilende  Verhältnisse  finden,  die  erst  neuerdings 
etwas  mehr  aufgeklärt  wurden  Wie  schon  bemerkt  finden  sich  die 
Vacuolen  dieser  Formen  dem  Vorderende  des  Körpers  eingelagert  und  in 
verschiedener  Zahl.  Bei  einem  Theil  derselben,  so  bei  Petalomonas  und 
Peranema,  vielleicht  auch  einem  Theil  der  Astasiina  (Stein's)  scheint  sich 
die  einfache  Vacuole  in  ihrem  Verhalten  denen  der  seither  besprochenen 
Flagellaten  innig  anzuschliessen ,  indem  sie  hier  keine  Beziehungen  zu 
dem  Schlund  zu  besitzen  scheint  und  sich  dicht  unter  der  Körperoberfläche, 
theils  näher  der  Geisseibasis,  theils  etwas  weiter  nach  hinten  findet. 

Bei  den  eigentlichen  Euglenina,  den  Coelomonadina  und  gewissen 
Astasiina  dagegen  besitzt  die  sogen,  contractile  Vacuole  Stein's  und  der 
früheren  Forscher  entschieden  sehr  innige  Beziehungen  zu  dem  mehr  oder 
weniger  entwickelten  Schlundrohr. 

Betrachten  wir  zunächst  die  typischen  Euglenina,  für  welche  die  eingehendsten  Beob- 
aciitungen  über  diesen  Gegenstand  vorliegen.  Die  sogen,  contractile  Vacuole  dieser  Kormeu 
liegt  nicht  unter  der  äusseren  Körperoberfiäche,  sondern  dicht  hinter  dem  innern  Ende  des 
sogen.  Schlundrohrs  (T.  47,  8 — 14).  Stein  zeichnet  sie  sogar  recht  häufig  in  directer  Verbin- 
dung mit  dem  Schlundrohr,  indem  sie  dann  wie  ein  beuteiförmiger  Anhang  desselben  er- 
scheint. (Jbgleich  ich  ein  solches  Bild  nie  gesehen  habe,  möchte  ich  nicht  an  seiner  Eichtig- 
keit  zweifeln.  Die  sogen.  Vacuole  zeigt  nun  die  auffallende  Erscheinung,  dass  sie  häufig 
recht  uiiregelmässige  Umrisse  besitzt,  wie  sie  für  eine  contractile  Vacuole  ungewöhnlich  sind; 
namentlich  bei  den  Phacusformeu  (T.  47,  11)  tritt  diese  unregelmässige  Gestalt  meist  sehr  gut 
hervor  und  wurde  hier  auch  von  Stein  mehrfach  angedeutet.  Gerade  bei  Phacus  konnte 
ich  mich  nun  mit  Sicherheit  überzeugen,  dass  diese  ansehnliche  unregelmässige  Vacuole  nicht 
eine  contractile  ist,  sondern  dass  neben  ihr  zwei,  zuweilen  auch  drei  kleine  sich  finden,  welche 
sich  in  gewöhnlicher  Weise  contrahiren  (T.  47,  11).    Auch  bei  Euglena  acus  beobachtete  ich 


*)  Biochmann  konnte  diese  Vacuole  jedoch  nicht  finden. 


712  '         Flagellata. 

mehrfach  eine  ganze  Anzahl  kleiner,  dicht  zusammeiigelagerfer  Vacuolen,  die  sich  successivc 
contrahirten ,  jedoch  fand  sich  in  diesem  Falle  nichts  deutliches  von  einer  grösseren  mit  dem 
Schlund  in  Beziehung  stehenden  Vacuole  vor,  so  dass  ich  nicht  sicher  entscheiden  kann,  oh 
sich  diese  deutlich  contractilen  kleinen  Vacuolen  hier  ähnlich  zu  der  grösseren,  gewöhnlich 
sichtbaren  verhalten  wie  bei  Phacus.  Dass  dies  jedoch  auch  hier  der  Fall  ist,  wird  schon  durch 
alte  Beobachtungen  Carter's  sehr  wahrscheinlich  gemacht  (100  b).  Derselbe  beobachtete  neben 
der  sogen,  contractilen  Vacuole  von  Euglena  noch  eine  zweite  (seinen  sogen.  Sinus),  die  sich 
nach  der  Füllung  contrahirte  und  ihren  Inhalt  in  die  erste  ergoss ,  hierauf  bei  erneuter 
Füllung  einen  Druck  auf  die  eigentliche  Vacuole  ausüben  sollte,  wodurch  letztere  sehr  all- 
mählich entleert  werde;  hieraus  erkläre  sich  denn,  dass  die  contractile  Vacuole  der  Euglenen 
sich  nie  rasch  und  plötzlich  zusammenziehe  *).  Auch  Stein  trat  denn  neuerdings  von  seiner  frü- 
heren Ansicht  bezüglich  der  Bedeutung  der  sogen,  contractilen  Vacuole  der  Euglena  zurück  und 
stellte  eine  neue  auf,  welche  sich  im  Thatsächlichen  der  Carter 'sehen  nahe  anschliesst,  jedoch 
in  der  Deutung  fundamental  abweicht.  Stein  betrachtet  die  sogen,  contractile  Vacuole  jetzt 
als  einen  Behälter,  in  welchem  sich  die  durch  den  Schlund  aufgenommene  flüssige  Nahrung 
ansammle.  Man  sehe  dann  zu  Zeiten  einen  Sinus  sich  von  diesem  Behälter  abschnüren, 
sich  plötzlich  zusammenziehen  und  verschwinden.  Diese  Auffassung  Stein's  halte  ich  nun  für 
entschieden  unrichtig,  indem  ich  einmal  überzeugt  bin,  dass  die  Ernährung  der  Euglenen 
eine  entschieden  pflanzliche  ist  und  weiterhin  meine  Beobachtungen  bei  Phacus  dieser  Ansicht 
direct  widersprechen. 

Unsere  Auffassung  von  den  Verhältnissen  der  contractilen  Vacuolen 
der  Eugleninen  lässt  sich  auf  Grund  des  Vorhergehenden  etwa  folgender- 
maassen  wiedergeben.  Die  in  Ein-  bis  Mehrzahl  vorhandenen  contractilen 
Vacuolen  finden  sich  in  der  Nähe  des  inneren  Schlundendes  und  contra- 
hiren  sich,  wenn  mehrfach  vorhanden,  successive,  ergiessen  jedoch  ihren 
Inhalt  nicht  direct  nach  aussen,  sondern  in  eine  Art  Behälter  (die  frühere 
sogen,  contractile  Vacuole),  der  zeitweilig  oder  stets  mit  dem  Hinterende 
des  Schlundes  in  Verbindung  steht  und  seinen  Inhalt  allmählich  durch 
diesen  entleert.  Ob  dieser  Behälter  in  deutlicher  Verbindung  mit  dem 
Schlund  gesehen  wird  oder  nicht,  hängt  vielleicht  nur  von  dem  Grad 
seiner  Füllung  ab. 

Mit  dieser  Darstellung  des  Vacuoleusystems  stimmt  denn  auch  die 
auf  eingehenden  Untersuchungen  basirende  Schilderung  überein ,  welche 
Klebs  neuerdings  von  demselben  entwarf**).  Eine  directe  Communication 
unsres  sogen.  Behälters  (seiner  Hauptvacuole)  mit  dem  Schlund  nimmt 
Klebs  nicht  an ,  obgleich  er  die  allmähliche  Entleerung  desselben  durch 
den  Schlund  für  wahrscheinlich  hält,  jedoch  im  Allgemeinen  nur  eine 
grössere  Durchlässigkeit  des  Plasmas  am  Grunde  des  Schlundes  anzu- 
nehmen  geneigt  ist.     Dass   sich  die  Entleerung   thatsächlich   durch   den 


*)  Auch  Claparede  und  Lachmann  (p.  60)  unterscheiden  schon  die  eigentliche  con- 
tractilen Vacuole  bei  Euglena  und  Phacus  deutlich  von  dem  Behälter,  Ehrenberg's  Maik- 
knoten. 

**)  Man  verzeihe,  dass  ich  die  im  Vorstehenden  gegebene  Schilderung  des  Vacuolen- 
systems  nicht  auf  Grund  der  Klebs'schen  Mittheilung  änderte  und  kürzte.  Da  jedoch  meine 
selbsiständige  Darstellung,  die  ich  ziemlich  mühsam  auf  das  Bekannte  aufbaute,  schon  meh- 
rere Monate  vor  dem  Erscheinen  der  Klebs'schen  Arbeit  in  obiger  Gestalt  niedergeschrieben 
wurde  und  meine  wenigen  eignen,  jedoch  entscheidenden  Beobachtungen  schon  aus  dem 
Jahre  1877  herrühren,  glaubte  ich  mir  diese  kleine  Genugthuung  gestatten  zu  dürfen. 


Conti'.  Yaciiolcii  (Six'cidli'S  libcr  Eu^lcnoidiiia).  713 

sog.  Schlund  vollzieht,  scheint  mir  durch  eine  Reihe  Klebs'scher  Versuche 
sehr  wahrscheinlich  gemacht  zu  werden.  Unter  gewissen  Bedingungen, 
so  bei  Behandlung  der  Euglenen  mit  verdünnten  Salzlösungen  (speciell 
NaCl,  nicht  über  wenige  Procent),  jedoch  auch  durch  Druck  und  höhere 
Temperatur  kann  man  den  Behälter  zu  ansehnlicher  Erweiterung  über 
sein  normales  Maass  bringen.  Diese  Dilatation  beruht  sicher  darauf,  dass 
unter  diesen  Bedingungen  die  Entleerung  des  Behälters  gestört,  resp.  auf- 
gehoben ist,  während  die  Vacuolen  weiter  functioniren  und  ihre  Flüssig- 
keit in  den  Behälter  ergiessen. 

Aus  dem  ganzen  Verhalten  des  Behälters  scheint  mir  jedoch  hervor- 
zugehen, dass  wir  ihn  nicht  einer  contractilen  Vacuole  im  gewöhnlichen 
Sinne  zu  vergleichen  haben,  sondern  eher  dem  Reservoir,  das  ich  bei  den 
Vorticellen  in  Verbindung  mit  den  contractilen  Vacuolen  schilderte*),  eine 
Vermuthung,  auf  die  auch  Kent  schon  hinwies. 

Aus  dem  Geschilderten,  in  Zusammenhang  mit  dem  über  die  Ernäh- 
rungsweise der  Eugleninen  Bekannten  müssen  wir  nun  schliessen ,  dass 
der  sogen.  Schlund  dieser  Formen  seine  wesentliche  Function  in  der  Aus- 
leitung der  Vacuolenflüssigkeit  findet,  und  die  vielleicht  bei  den  Ur- 
formen bestandene  Beziehung  zur  Nahrungsaufnahme  gänzlich  einge- 
büsst  hat. 

Aus  den  Abbildungen  Stein's  geht  nun  hervor,  dass  auch  bei  zwei 
weiteren  Familien  der  Euglenoidina  die  Verhältnisse  der  contractilen  Va- 
cuolen ähnliche  sein  werden.  Unter  den  Astasiina  zeichnet  wenigstens 
Stein  die  sogen,  contractile  Vacuole  von  Astasia,  Heteronema  und  Spheno- 
monas  ebenfalls  in  Verbindung  mit  dem  hinteren  Schlundende,  ganz  wie 
bei  den  Eugleninen.  Wahrscheinlich  entspricht  dieselbe  demnach  auch 
dem  Behälter  der  Eugleninen. 

Etwas  unsicher  bleiben  auch  die  Verhältnisse  bei  Peranema.  Hier  liegt  die  con- 
tractile Vacuole,  deren  Contractionen  ich  häufig  beobachtete,  neben  dem  Schlund,  etwas  von 
dem  vordem  Körperende  entfernt  (T.  47,  1). 

Stein  bemerkt  über  dieselbe:  „Der  contractile  Behälter  tritt  direct  mit  dem  Mund  in 
Verhindung."  Da  nun  Stein  denselben  auch  stets  weit  hinter  den  Mund  zeichnet,  so  scheint 
sich  diese  Bemerkung  wohl  nur  auf  das  Verhalten  der  Vacuole  hei  der  Contraction  zu  be- 
ziehen und  dabei  sah  ich  zuweilen  eine  Erscheinung,  die  sich  sowohl  mit  dieser  Angabe  als 
auch  mit  den  Einrichtungen  der  Eugleninen  in  Zusammenhang  bringen  Hesse.  Direct  nach 
der  Contraction  der  A'acuole  trat  ein  länglich-gestreckter,  schmaler  und  etwas  unregelmässiger 
Flüssigkeitsraum  auf,  der  sich  vom  Ort  der  früheren  Vacuole  bis  gegen  die  Mundöffnung  er- 
streckte und  hierauf  allmählich  schwand,  während  sich  neben  seinem  Hinterende  1 — 2  neue 
kleine  Vacuolen  bildeten.  Früher  (1S78)  deutete  ich  diesen  länglichen  Raum  als  eine  Flüssig- 
keitsansammlung,  welche  die  neuentstehenden  Vacuolen  speise;  jetzt  neige  ich  mich  dagegen 
der  Ansicht  zu ,  dass  derselbe  wohl  dem  sogen.  Behälter  der  Eugleninen  entsprechen  möge 
und  dass  sein  Verschwinden  als  eine  Entleerung  nach  Aussen,  wahrscheinlich  durch  die  Mund- 
öfi'nung,  aufzufassen  sei.  Klebs  spricht  auch  bei  Peranema  von  einer  Haupt-  und  einer  Neben- 
vacuole ,  ich  glaube  jedoch,  dass  diese  nichts  anderes  sind  wie  die  zar  Bildung  der  Vacuole 
zusammenfliessenden  zwei   neuentstehenden,  die  sogen.  Hauptvacuole  sich  daher  dem  Behälter 


*)  Zeitschr.  f.  w.  Zoologie  Bd.  28,  p.  62. 


714  Flagellata. 

der  Eugleuijieii   niclit   vergleichen  lässt;   dies   geht   auch   wohl   sicher   aus    seiner  Bemerkung 
licrvor,  dass  hier  die  Zusammenziehung  der  Haujitvacuole  sehr  deutlich  zu  beobachten  sei. 

Schliesslich  halte  ich  es  für  sicher,  dass  dieselben  Einrichtungen  wie 
bei  den  Eugleninen  auch  bei  der  Familie  der  Coelomonadinen  existiren, 
ja  hier  noch  viel  deutlicher  hervortreten  und  daher  auch  von  Stein  richtig 
beobachtet,  jedoch  falsch  aufgefasst  worden  sind.  Mit  der  sogen.  Mund- 
öffnung, welche  auch  hier  an  der  Basis  der  Geissei  liegt,  steht  ein  weiter, 
von  heller  Flüssigkeit  erfüllter  Raum  in  Verbindung,  der  bald  mehr  kuglig, 
bald  mehr  beutel-  bis  kegelförmig  erscheint.  Stein  bezeichnet  ihn  als  die 
Leibeshöhle.  Wir  halten  ihn  jedoch  für  nichts  Anderes  wie  den  Be- 
hälter, welchen  wir  schon  bei  den  Eugleninen  besprachen.  Der  kurze 
Kanal,  durch  welchen  sich  nach  Stein  dieser  Behälter  häufig,  jedoch  nicht 
immer,  in  der  sogen.  Mundöffnung  nach  aussen  öffnet,  scheint  kein 
Schlund  zu  sein ,  sondern  ein  zeitweise  sich  bildender  Ausfuhrkanal. 
Diesem  Behälter  liegen  auch  hier,  was  Stein  richtiger  wie  bei  den  Eugle- 
ninen erkannte,  die  contractilen  Vacuolen  an,  und  zwar  entweder  nur 
eine  (Merotricha  und  Coelomonas)  oder  4 — 6  im  Kranze  darum  (Micro- 
glena)  und  ergiessen  ihren  Inhalt  jedenfalls  in  den  Behälter  (oder  die 
sogen.  Leibeshöhle  Stein's).  Letzterer  wird  sich  dann  wie  bei  den 
Eugleninen  langsam  entleeren. 

Nach  der  Schilderung,  welche  Cienkowsky  (134)  von  dem  Vacuolensystem  seiner  Vacuo- 
laria  entwirft,  ist  es  nicht  iin wahrscheinlich,  dass  sich  hier  ähnliche  Verhältnisse  wie  bei 
den  Coelomonadina  finden,  so  dass  diese  zweigeisselige  Form  doch  vielleicht  nähere  Be- 
ziehungen zu  diesen  wie  zu  den  Chlamydomonadinen  besitzt. 

Mit  Ausnahme  der  im  Vorstehenden  bei  den  Euglenoidinen  geschil- 
derten Einrichtungen  zur  Entleerung  der  Vacuolen  nach  aussen,  sind  bis 
jetzt  bei  den  Flagellaten  kaum  Einrichtungen,  Oeffnungen  oder  der- 
gleichen nachgewiesen  worden,  durch  welche  die  Entleerung  der  Vacuolen 
vor  sich  gehen  könnte. 

Nur  Künstler  beschrieb  neuerdings  an  der  contractilen  Vacuole  von  Cryptomonas  einen 
kurzen  Kanal ,  welcher  sich  in  die  MundöfFnung  ergiesse.  Auch  an  den  beiden  contractilen 
Vacuolen  von  Carteria  will  er  je  einen  kurzen  Kanal  beobachtet  haben,  der  sich  in  die 
helle  farblose  Stelle  hinter  der  Geisseibasis  öffne  (welche  Stelle  Künstler  mit  Stein  als  Leibes- 
höhle auffasst).  Wir  werden  erst  sjjäter  sehen ,  dass  diese  sogen.  Leibeshöhle  ohne  Zweifel 
kein  Flüssigkeitsraum  ist,  wie  der  Behälter  der  Euglenen  und  es  daher  sehr  unwahrscheinlich 
klingt,  dass  die  contractilen  Vacuolen  der  Chlamydomonadinen  sich  in  dieselbe  ergiessen. 

Der  Vorgang  der  Contraction  verläuft  ziemlich  verschieden,  indem 
er  theils  sehr  rasch  und  plötzlich,  theils  dagegen  langsamer  bis  recht  all- 
mählich geschehen  kann,  ohne  dass  man  bis  jetzt  einen  Grund  für  diese 
Verschiedenheit  anzuführen  wüsste. 

Wenige  Beobachtungen  liegen  bis  jetzt  über  die  Häufigkeit  der  Con- 
tractionen  vor.  Einige  Mittheilungen  von  James -Clark  (124)  ergeben 
ziemliche  Verschiedenheit  in  der  Aufeinanderfolge  der  Contractionen  für 
verschiedene  Formen;  so  in  der  Minute  bei  Peranema  4 — 5  Mal,  bei  Bi- 
cosoeca  5—6  Mal,  bei  Oikomonas  Termo  6  Mal  und  einer  sehr  nahe  ver- 
wandten Form  12    Mal.     Aus    den   umfangreichen    Beobachtungen   Cohn's 


Coutr.  \'acuoloii  (Coiitraction,  Nciientstehiiii!»-).   ,  715 

(86)  über  das  Spiel  der  coutractilen  Vaciiolen  von  Goniiirn  i)cctoralc  geht 
hervor,  dass  sich  bei  verschiedenen  Kolonien  eine  ziemliche  Variabilität 
in  der  Zeitdauer  zwischen  zwei  Contractionen  der  beiden  Vacuolen  findet. 
Die  beobachteten  Extreme  bewegen  sich  zwischen  26  und  60  Sekunden  *). 
Dagegen  scheinen  die  Individuen  einer  und  derselben  Familie  gewöhnlich 
dieselben  Werthe  zu  ergeben.  Meist  contrahiren  sich  hier  die  beiden 
Vacuolen  genau  abwechselnd,  d.  h.  die  Contraction  einer  jeden  erfolgt 
genau  in  der  Mitte  des  Zeitraums  zwischen  zwei  Contractionen  der  andern. 
Entsprechend  scheinen  sich  auch  die  anderen  Formen  mit  zwei  und  mehr 
Vacuolen  zu  verhalten.  Zuweilen  beobachtete  aber  Cohn  auch  Ausnahmen 
von  dieser  Regel,  indem  der  Zeitraum  zwischen  den  Contractionen  der  beiden 
Vacuolen  a  und  b  sich  so  verhielt,  dass  die  Dauer  zwischen  den  Contrac- 
tionen von  a  und  b  halb  so  gross  war,  wie  die  zwischen  den  Contractionen 
von  b  und  a.  Cohn  sucht  diese  Abweichung  durch  die  Annahme  zu  erklären, 
dass  hier  drei  statt  zwei  Vacuolen  vorhanden  gewesen  seien,  welche  sich 
in  gleichen  Zeiträumen  abwechselnd  contrahirten.  Jedoch  gelang  es  ihm 
nie,  die  dritte  Vacuole  zu  sehen.  Da  nun  auch  andre  Beobachter  des 
Gonium  nie  eine  solche  dritte  Vacuole  auffanden,  so  scheint  es  ziemlich 
zweifelhaft,  ob  die  Cohn'sche  Erklärung  das  Richtige  getroffen  hat.  Auf- 
fallend ist  zwar  die  Regelmässigkeit  in  den  Zeiträumen  zwischen  den  ab- 
wechselnden Contractionen,  welche  schwer  in  anderer  Weise  zu  verstehen  ist. 
Auch  bei  den  Eugleninen  findet  Klebs  ziemlich  constante  Zeiträume  zwischen 
den  aufeinanderfolgenden  Contractionen  der  Vacuolen.  Bei  einer  mittleren 
Temperatur  von  18  —  20*^  C.  beträgt  dieser  Zeitraum  durchschnittlich 
30  Sekunden.  Bei  Erhöhung  der  Temperatur  (Euglena  deses)  folgen  die 
Contractionen  zunächst  rascher  aufeinander,  bis  zu  einem  Maximum,  das 
etwa  bei  32**  C.  liegt  und  wo  die  Zeit  zwischen  zwei  aufeinanderfolgenden 
Contractionen  22  Sekunden  betrug.  Hierauf  sank  die  Contractionsfre- 
quenz  und  erreichte  bei  42^  C.  wieder  30  Sekunden  Zwischenzeit.  Bei 
48"  verlangsamten  sich  die  Pulsationen  sehr  und  hörten  bei  50''  auf.  Bei 
Abkühlung  soll  die  Euglene  nicht  mehr  zum  Leben  zurückgekehrt,  da- 
gegen noch  geringe  Pulsationen  der  Vacuolen  aufgetreten  sein. 

Die  Forschungen  über  den  Vorgang  der  Neubildung  der  Vacuolen 
nach  der  Systole  sind  noch  wenig  ausgedehnte.  Während  bei  einigen 
Formen  einfach  eine  kleine  neue,  allmählich  hervorwachsende  Vacuole  an 
Stelle  der  verschwundenen  entsteht,  bildet  sich  bei  einer  Reihe  anderer 
die  Vacuole  durch  Zusammenfluss  einiger  kleiner  neu  entstandener.  Der- 
artiges beobachtete  Bütschli  bei  Peranema  und  Tetramitus,  Cienkowsky 
bei  seiner  Vacuolaria,  Stein  bei  Mastigamoeba,  Anisonema,  Entosiphon 
und  Petalomonas.  Ferner  erkannte  Klebs,  dass  auch  die  Vacuolen  der 
Eugleninen  sich  durch  Verschmelzung  zahlreicher  kleiner  bilden,  die  wie 
bei  den  von  Stein   beobachteten   Fällen   schon   vor  der   Systole  in  einem 


*)  Bei  Yolvox  beobachtete  Eusk  etwa  alle  40  Sekunden  eine  Contraction,  fand  jedoch  ge- 
legentlich auch  das  doppelte  Intervall. 


71(3  Flagellata. 

Kranz  um  die  alte  Vacuole  entstehen  *)  und  es  scheint  nicht  zweiielbaft,  dass 
dieser  Vorgang  auch  sonst  sehr  verbreitet  ist.  Bei  Hexamitus  infiatus 
sah  Bütschli  die  neue  Vacuole  nicht  in  abgerundeter  Gestalt,  sondern  als 
einen  länglichen  Flüssigkeitsraum  entstehen,  der  erst  nachträglich  kuglige 
Gestalt  annahm. 

Die  Entstehung  der  Vacuole  durch  Zusammenfiuss  beweist  für  die 
Flagellaten  wohl  ebenso  sicher,  wie  dies  schon  häufig  für  die  Ciliateu 
geltend  gemacht  wurde ,  dass  von  einer  besonderen  Wandung  der  con- 
tractileu  Vacuolen  nicht  die  Rede  sein  kann. 

Ich  kann  daher  auch  die  neueren  üntersucliungen  Künstlers,  welcher  der  Vacuole  von 
Cryptomonas  eine  ziemlich  dicke  und  scharf  contourirte  Membran  zuschreibt,  nicht  für  zu- 
(rell'end  erachten.  Die  Structur  dieser  Membran  beschreibt  er  ähnlich  vacuolös  wie  die 
Schlundwand  und  die  Integumentschichten  und  hält  sie  für  muskulös.  Weiterhin  glaubt  aber 
Künstler  auch  noch  Kanäle  beobachtet  zu  haben,  welche  von  der  Vacuole  ausgehend,  sich  im 
KöriJer  nach  vorn  und  hinten  verbreiteten,  ja  der  hintere  verzweige  sich  und  sei  wahrschein- 
lich selbst  contractu.  Gelegentlich  sah  er  auch  zahlreiche  Kanäle  von  der  Vacuole  stern- 
förmig ausstrahlen.  Obgleich  an  und  für  sich  kein  Grund  vorliegt,  die  Existenz  solcher  Kanäle 
zu  leugnen,  indem  ja  ähnliches  von  gewissen  Infusorien  bekannt  ist,  so  ist  doch  sehr  zu  be- 
achten, dass  andere  und  genaue  Forscher  bei  Cryptomonas  nie  etwas  derartiges  sahen. 

c)  Die  Chromatophoren.  Bei  sehr  zahlreichen  Flagellaten  finden 
sich  dem  Plasma  gefärbte  Körper  sehr  verschiedener  Grösse  und 
Gestalt  eingelagert,  welche  nach  ihrem  morphologischen  und  physio- 
logischen Verhalten-  den  sogen.  Chromatophoren  der  Pflanzenzellen  ent- 
sprechen. Nichts  spricht  für  die  Annahme,  dass  sich  unter  diesen  ge- 
färbten Körpern  der  Flagellaten  vielleicht  auch  parasitische  Eindringlinge 
pflanzlicher  Natur  befinden ,  wie  dies  bekanntlich  in  neuerer  Zeit  für  die 
früher  als  Chromatophoren  beanspruchten  grünen,  gelben  und  braunen 
Körper  der  Radiolarien,  Infusorien  und  Zellen  zahlreicher  Metazoen  nach- 
gewiesen wurde.  Alles  spricht  dafür,  dass  die  Chromatophoren  unserer 
Flagellaten  dieselbe  physiologische  Bedeutung  haben,  wie  die  der  echten 
Pflanzen.  Sie  sind  Assimilationsorgane  und  bilden  nachweislich  ebenso 
Amylum  wie  die  der  Pflanzen.  Es  ist  deshalb  auch  natürlich,  dass  wir  bei 
den  mit  ihnen  ausgerüsteten  Flagellaten  die  Aufnahme  geformter  Nalirung 
vermissen. 

Nur  eine  einzige  sichere  Ausnahme  von  dieser  Eegel  ist  mir  bekannt,  nämlich  die  von 
Stein  erwiesene  Aufnahme  geformter  Nahrung  bei  der  mit  ansehnlichen  Chromatophoren  ver- 
sehenen Chrysomonas  (Chromulina)  flavicans.  Die  sonstigen  gelegentlichen  Angaben  über  die 
Nahrungsaufnahme  grüner  oder  brauner  Flagellaten  halte  ich  für  unsicher,  dieselben  sollen 
jedoch  erst  später  einer  Discussion  unterworfen  werden. 

Der  Bau  der  Chromatophoren  ist  übereinstimmend  mit  dem  der 
pflanzlichen,  doch  erscheint  es  natürlich,  dass  gerade  unsere  kleinen  Fla- 
gellaten bis  jetzt  nicht  als  besonders  geeignete  Objecte  zum  speciellen 
Studium  der  feineren  Bauverhältnisse  dienen  konnten.  Die  Chromatophoren 
sind  aus  einem  festweichen  Plasma  bestehende  Körper,  die,  soweit  bekannt, 


*)  Wie    bei   Peranema   scheint    es   mir  auch    für  Anisonema    und  Entosii^hon  unrichtig 
wenn  Klcbs  bei  diesen  Formen  von  einer   Haupt-  und  Nebenvacuole  spricht. 


Chroinatoi)liorcii  (Bau,  Färb.,  Verbrcit.,  Lasi'c),  717 

sich  stets  scharf  gegen  das  sie  einschliessende  Körperplasma  abgrenzen.  Eine 
feinpnnktirte  bis  reticuläre  Ötruetur,  wie  sie  an  dem  Plasmakörper  der 
Chromatophoren  der  Pflanzen  mehrfach  beobachtet  wurde ,  Hess  sich  bis 
jetzt  bei  denen  der  Flagellaten  noch  nicht  nachweisen.  Dagegen  konnte 
Klebs  zeigen,  dass  die  Chromatophoren  der  Eugleninen  bei  der  Quellung 
häufig  eine  radiärstreifige  Beschaffenheit  annehmen  und  ist  geneigt,  hieraus 
auf  eine  feinere  Zusammensetzung  aus  stärker  und  schwächer  quellbaren 
radiären  Streifen  zu  schliessen. 

Die  Färbung  der  Chromatophoren  beruht  auf  einem  ihren  Plasma- 
körper gleichmässig  durchtränkenden  Farbstoff  oder  einem  Gemisch  meh- 
rerer Farbstoffe.  Dies  ergibt  sich  leicht  daraus,  dass  diese  Farbstoffe  mit 
Alkohol  ausgezogen  werden  können,  worauf  die  ungefärbte  Grundsubstanz 
zurückbleibt. 

Wie  die  pflanzlichen  Chromatophoren  zeigen  auch  die  der  Flagellaten 
eine  ziemlich  reiche  Mannigfaltigkeit  der  Färbung,  die  vom  reinen  lichten 
Chlorophyllgrün,  Dunkelgrün,  Span-  und  Braungrün  in  reines  Braun, 
Braungelb  und  schliesslich  reines  Gelb  übergeht.  Wahrscheinlich  beruhen 
auch  bei  unsern  Flagellaten  die  so  mannigfach  abgestuften  Farbentöne 
auf  der  Vermischung  verschiedener  Farbstoffe,  eines  grünen,  der  sich  dem 
eigentlichen  Chlorophyll  zunächst  anschliesst  und  eines  gelben  bis  braunen, 
der  sich  dem  sogen.  Diatomin  der  Bacillariaceen  am  meisten  nähern  dürfte. 
Wie  bekannt,  besitzen  jedoch  diese  beiden  Farbstoffe  selbst  wieder  eine 
nahe  Verwandtschaft  unter  einander.  Dass  eine  solche  Mischung  zweier 
Farbstoffe  in  den  braungrünen  bis  gelben  Chromatophoren,  ähnlich  wie 
in  denen  der  Bacillariaceen,  die  ihnen  auch  morphologisch  häufig  sehr 
ähnlich  sind,  vorliegt,  ergibt  sich  wie  bei  den  letzteren  daraus,  dass  bei 
Behandlung  mit  Alkohol  die  rein  grüne  Chlorophyllfärbung  hervortritt. 
Wahrscheinlich  wird  also  wie  bei  den  Bacillariaceen  durch  den  Alkohol 
zunächst  ein  brauner  bis  gelber  Farbstoff  entfernt,  worauf  die  Chlorophyll- 
färbung, die  durch  ihn  verdeckt  wurde,  sichtbar  wird. 

Rein  grüne  Chlorophyllfärbung  ist  stets  charakteristisch  für  die  in 
grosser  Zahl  vorhandenen,  meist  kleinen  Chromatophoren  oder  Chlorophyll- 
körner, wie  sie  sich  ausschliesslich  in  der  Gruppe  der  Euglenoidina 
(Fam.  Coelomonadina,  Euglenina  und  Chloropeltina)  finden.  Als  Selten- 
heit begegnen  wir  in  der  Familie  der  Coelomonadina  auch  wenigen 
Formen  mit  grösseren  braunen  Chromatophoren  (Chrysomonas).  Ebenso 
ausschliesslich  herrscht  die  reine  Chlorophyllfarbe  in  den  Familien 
der  Chlamydomonadina  und  Volvocina,  dagegen  wird  dieselbe  hier  nicht 
durch  kleine,  sondern  relativ  sehr  ansehnliche  und  meist  nur  in  Einzahl 
vorhandene  Chromatophoren  bewirkt.  Die  gelbe,  braune  bis  braungrüne 
Färbung  fand  sich  bis  jetzt  nur  bei  relativ  grösseren  plattenförmigen 
Chromatophoren.  Wir  begegnen  ihr  unter  den  Monadinen  in  der  Familie 
der  Dinobryina,  unter  den  Isomastigoda  in  den  Familien  der  Chrysomona- 
dina  und  Cryptomonadina. 


718  Flagellata. 

Wie  schon  ans  dieser  Aufzälilung  hervorgeht,  scheint  die  Verbreitung 
der  Chromatophoren  durchaus  keine  durchgreifende  systematische  Bedeu- 
tung zu  besitzen  und  diese  Erfahrung  wird  durch  die  nicht  seltene  Er- 
scheinung bestätigt,  dass  bei  uächstverwandten  Formen  die  Chromatophoren 
theils  vorhanden  sind,  theils  fehlen,  ja  dass  sogar  zuweilen  eine  gefärbte 
Art  gelegentlich  farblos  getroffen  wird,  «wenngleich  es  in  diesem  Falle 
bis  jetzt  unsicher  ist,  ob  die  Chromatophoren  hier  immer  wirklich 
fehlen  oder  nur  des  Farbstoffs  entbehren.  Bei  den  ungefärbten  Varietäten 
der  Eugleniuen  (Euglena,  Phacus,  Trachelomouas)  scheint  nach  Klebs 
eine  völlige  Degeneration  der  Chromatophoren  eingetreten  zu  sein. 

Die  Lage  der  Chromatophoren  im  Plasma  scheint  stets  den  Anforde- 
rungen ihrer  Function,  welche  ja  unter  Mitwirkung  des  Lichtes  ein- 
tritt, zu  entsprechen.  Das  heisst,  sie  liegen  stets  peripherisch,  dicht 
unter  der  Körperoberfläche.  Dies  tritt  nur  in  solchen  Fällen  nicht 
deutlich  hervor,  wo  ein  grosses  Chromatophor  gewissermaassen  den 
ansehnlichsten  Theil  des  Körpers  bildet.  Im  Allgemeinen  scheint  weiter- 
hin ihre  Lage  im  Körper  eine  ziemlich  feste  zu  sein,  was  sich,  wie  dies 
seiner  Zeit  schon  für  die  Eugleninen  und  Verwandte  angedeutet  wurde, 
wohl  dadurch  erklären  lässt,  dass  die  peripherischen  Chromatophoren  in 
eine  etwas  festere,  ectoplasmatische  Rindenschicht  eingeschlossen  sind. 
Für  die  übrigen  Formen  tritt  dies  nicht  deutlich  hervor  und  es  ist  auch  bis 
jetzt  wohl  kaum  genauer  darauf  geachtet  worden,  ob  nicht  gelegentlich 
Verschiebungen  der  Chromatophoren  stattfinden. 

Wenden  wir  uns  jetzt  zu  einer  etwas  genaueren  Darstellung  der  Ge- 
staltungsverhältnisse der  Chromatophoren.  Wie  schon  bemerkt,  finden 
wir  fast  stets  zahlreiche  kleine  bei  den  Familien  der  Eugleninen,  Chloro- 
peltinen  und  den  Coelomonadiuen.  Die  Chromatophoren  sind  hier  ge- 
wöhnlich kleine  meist  kreisrunde,  seltner  etwas  ovale  Scheibchen,  welche 
sich  in  einfacher  Schicht,  meist  dicht  nebeneinandergelagert  unter  der 
Cuticula  finden.  Gegen  das  Innere  des  Körpers  springen  sie  häufig  etwas 
lialbkuglig  vor,  während  ihre  äussere  Fläche  mehr  eben  ist.  In  ihren 
Grössenveihältnissen  schwanken  die  Scheibchen  ziemlich,  die  grössten  von 
ca.  0,004  Mm.  Durchmesser  besitzt  die  Gattung  Colacium  (ähnlich  auch 
Englena  deses  nach  Stein). 

Dennoch  finden  sich  bei  einigen  Euglenen  auch  Gestaltungsverhält- 
nisse der  Chromatophoren,  die  zu  denjenigen  der  übrigen  Flagellaten  über- 
leiten. Bei  gewissen  Formen  werden  sie  nach  Klebs'  Untersuchungen  mehr 
Stäbchen-  bis  bandförmig,  so  speciell  bei  der  Euglena  sanguinea,  deren 
zahlreiche  kurz  stäbchenförmige  Chromatophoren  radiär  in  dichter  Lage 
unter  der  Oberfläche  zusammengeordnet  sind.  Länger  bandförmig  ge- 
streckt erscheinen  sie  bei  der  von  Klebs  als  typische  Euglena  viridis 
aufgefassten  Form  und  zeigen  gleichzeitig  eine  sehr  seltsame  Gruppirung, 
indem  sie  von  einem  im  Centrum  des  Körpers  gelegnen  Häufchen  der 
später  zu  schildernden  Paramylonkörner  in  der  peripherischen  Schicht 
des  Körperplasmas  nach  vorn  und  hinten  ausstrahlen,  sich  jedoch  schliess- 


Chroinatoplioren  (Gestalt  u.  Lagerung).  719 

lieh  bogenförmig  unikrümmen  und  bis  zu  dem  Körnerhau  teil  wieder  zu- 
rückbiegen. Wenigstens  verstehe  ich  so  die  etwas  unkhire  Beschreibung 
und  Abbildung  von  Klebs.  Nicht  selten  sind  jedoch  die  Chromatophoren 
dieser  Form  auch  etwas  unregelmässig  gestaltet,  erscheinen  geschlitzt  und 
gelappt,  ja  es  vermögen  sich  einzelne  Lappen  abzuschnüren  und  rundliche 
Scheibchen  zu  bilden,  woraus  vielleicht  zu  schliessen  ist,  dass  solche  Ge- 
staltungen überhaupt  mit  der  Vermehrung  der  Chromatophoren  zusammen- 
hängen. 

Eine  irrige  Auffassung  vom  Bau  der  Chromatophoren  dieser  Eugl.  viridis  entwickelte 
dagegen  Schmitz  (194),  der  die  ganze  Chromatophorengruppe  derselben  als  ein  einheit- 
liches sternförmiges  Chromatophor  auffasst.  Seltsamer  Weise  schreibt  Schmitz  auch  der  grossen 
E.  oxyuris  zwei  solche  sternförmige  Chromatophoren  zu,  die  sich  um  die  später  zu  erwähnen- 
den zwei  grossen  Paramylonliörper  derselben  gruppiren  sollen;  mit  Stein  und  Klebs  muss  icli 
jedoch  diese  Auffassung  als  ganz  irrig  zurückweisen ,  da  diese  Art  wie  die  Mehrzahl  ihrer 
Verwandten  einfach  scheibenförmige  kleine  Chromatophoren  besitzt. 

Die  grösste  Annäherung  an  die  Verhältnisse  der  übrigen  Flagellaten 
zeigt  jedoch  die  E.  pisciformis  KL,  welche  nur  zwei  bis  vier  relativ  sehr 
grosse,  langgestreckt  band-  bis  plattenförmige  Chromatophoren  be- 
sitzt, die  im  peripherischen  Plasma,  ganz  wenig  schief  zur  Längsaxe  den 
Körper  von  vorn  nach  hinten  durchziehen. 

Hieran  reihen  sich  nun,  wie  bemerkt,  die  übrigen  chromatophoren- 
haltigen  Flagellaten,  bei  welchen  stets  nur  1 — 2  relativ  sehr  ansehnliche 
Chromatophoren  vorhanden  sind. 

Häufig  ist  zunächst  die  Zweizahl.  Ihr  begegnen  wir  einmal  bei  den 
Dinobryinen  (T.  42,  1—2),  bei  welchen  die  beiden  grünen  bis  braunen 
Farbstotfkörper  meist  eine  etwas  unregelmässige  bis  bandförmig  ver- 
längerte und  abgeplattete  Gestalt  besitzen  und  an  entgegengesetzte  Seiten 
des  Körpers  sich  lagern.  Doch  ist  ihre  Stellung  keine  so  regelmässige 
wie  dies  gewöhnlich  bei  den  folgenden  Abtheilungen  zu  beobachten  ist, 
ja  sie  sind  zuweilen  sogar  so  verschoben,  dass  sie  sich  in  das  Vorder- 
und  Hinterende  einlagern. 

Zwei  solch  plattenförmige  Chromatophoren  zeichnen  auch  die  Chryso- 
monadinen  aus  (T.  43,  1 — 3),  bei  denen  sie  sich  jedoch  regelmässig  über 
die  gesammte  Länge  der  Körperseiten  erstrecken  und  sich  mit  ihren 
Längsrändern  so  nähern  (indem  sie  je  eine  Seitenhälfte  des  Körpers 
mantelartig  umgreifen),  dass  nur  ein  schmaler  ungefärbter  Zwischenraum 
zwischen  ihnen  bleibt.  Es  ist  natürlich  schwierig,  diese  Längsränder  der 
Platten  scharf  zu  beobachten ,  da  ihre  Färbung  sehr  schwach  ist.  Am 
deutlichsten  treten  stets  die  optischen  Durchschnitte  der  Platten  längs  der 
Seitenränder  hervor,  und  Stein's  Abbildungen  zeigen  auch  gewöhnlich 
nur  diese. 

Ganz  gleiche  Verhältnisse  treffen  wir  ferner  bei  der  Gattung  Crypto- 
monas  (T,  45,  10a),  wo  die  beiden  Platten  gewöhnlich  die  Seitenflächen 
so  völlig  überdecken,  dass  nur  auf  der  Bauch-  und  Rückseite  eine  zarte 
ungefärbte  Zwischenlinie  bleibt. 


720  ■  Flagellata. 

Stein's  Abbildungen  zeigen  jedoch  auch  z.  Th.  eine  etwas  unregelmässigere  Gestaltung 
der  beiden  Platten;  auch  scheint  es  etwas  zweifelhaft,  ob  unsere  Form  nicht  zuweilen  auch 
nur  eine  einzige  Platte  besitzt. 

Alis  den  oben  schon  hervorgehobnen"  Gründen  ist  es  nämlich  häufig  etwas  schwierig  zu 
entscheiden,  ob  eine  oder  zwei  Platten  vorhanden  sind ;  wenn  nämlich,  wie  sich  dies  auch  findet, 
eine  einfache  Platte  den  grösseren  Theil  des  Körpers  umzieht,  so  gibt  sie  gleichfalls  zwei 
optische  Durchschnitte,  welche  leicht  für  zwei  getrennte  Platten  gehalten  werden  können.  So 
scheint  es  denn  nach  Stein's  Abbildungen  zweifelhaft,  ob  sich  z.  B.  bei  Microglena  puncti- 
fera  (T.  48,  5)  -wirklich  zwei  Platten  finden  und  bei  der  Chromulina  (Chrysomonas)  flavicans 
(T.  40,  Oa),  wo  er  von  zwei  braunen  Längsbändern  spricht,  glaube  ich  nach  den  Abbildungen 
fast  sicher,  dass  sich  nur  eine  Platte  findet,  deren  optische  Durchschnitte  die  beiden  hraunen 
Längsbänder  darstellen. 

Wie  schon  bemerkt,  wird  das  einfache  Chromatophor  nicht  selten  so 
gross,  dass  es  in  Plattengestalt  nahezu  die  gesammte  Oberfläche  des 
Körpers  unterlagert  und  nur  einseitig  ein  Zwischenraum  zwischen  den 
sich  entgegenstehenden  freien  Rändern  der  Platte  bleibt.  Solche  Chro- 
matophoren  bieten  der  Entzifferung  ihrer  Gestalt  erhebliche  Schwierig- 
keiten dar  und  da  derartige  Flagellaten  allseitig  gefärbt  erscheinen,  so 
veranlassen  sie  leicht  die  irrige  Vermuthung,  dass  die  Färbung  ihrem  ge- 
sammten  Plasma  inhärire.  Diese  Ansicht  war  denn  auch  bis  in  die  neueste 
Zeit  für  die  Chlamydomonadina  und  Volvocina  allgemein  adoptirt,  bis  zuerst 
Schmitz  (194)  darauf  hinwies,  dass  auch  diese  Formen  ihre  Färbung 
sicherlich  einem  Chromatophor  verdanken,  welches  jedoch  relativ  so  an- 
sehnlich ist,  dass  es  die  Hauptmasse  des  Körpers  bildet.  Auch  ich  hatte 
mir  selbstständig  die  gleiche  Ansicht  gebildet,  zu  der  ich  zuerst  durch 
die  Untersuchung  des  Chlamydomonas  viridis  St.  geführt  wurde.  Bei 
dieser  Form  (T.  43,  8)  existirt  nämlich  etwa  die  oben  schon  geschilderte 
Gestalt  des  einfachen  Chromatophors,  welche  bewirkt,  dass  der  Körper 
auf  den  Seiten  zwei  dunkelgrüne  Läogsbänder  aufweist,  während  die 
mittlere  Region  lichtgrün  gefärbt  ist,  da  hier  das  Licht  nur  eine  geringere 
Dicke  des  Chromatophors  passirt.  Der  optische  Querschnitt  zeigt  hier 
jedoch  deutlich  das  einfache  zusammengekrümmte  Chromatophor. 

Etwas  anders  ist  dagegen  der  Bau  und  die  Lagerung  des  einfachen 
Chromatophors  des  Chlamydomonas  pulvisculus  und  der  ganz  entsprechen- 
den Carteria  und  Gonium  sociale  (Dj.  sp.).  Hier  (T.  43,  6a;  45,  2) 
besitzt  dasselbe  nahezu  die  Gestalt  und  Grösse  des  Körpers,  den  es  fast 
vollständig  erfüllt.  Nur  in  der  Vorderregion,  hinter  der  Geisseibasis  ist 
das  Chromatophor  etwa  kuglig  ausgehöhlt  und  in  dieser  Aushöhlung  finden 
wir  überhaujit  die  einzige  grössere  Ansammlung  des  Körperplasmas  und 
darin  denn  auch  natürlich  den  Kern,  sowie  die  contractilen  Vacuolen.  Es 
dürfte  zwar  keiner  Frage  unterliegen,  dass  auch  äusserlich  das  Chroma- 
tophor von  einer  sehr  zarten  Plasmalage  umschlossen  wird,  doch  wurde 
bis  jetzt  der  Nachweis  derselben  kaum  mit  Sicherheit  geführt;  jedenfalls 
ist  sie  nur  äusserst  dünn. 

Die  helle  Aushöhlung  im  Chromatophor  der  geschilderten  Formen  war  den  früheren 
Beobachtern,    nameuflich   Colin    und   Stein   nicht   entgangen;    Cohn   bezeichnet   sie    als    einen 


Chvomatophorcn  (Form  u.  Bau ;  gelegentl.  Fehlen).  72 1 

wasscrhellen  Hohlraum,    Stein   dagegen    als   Leibeshöhle,    eine  Auffassung,    welche  in  keiner 
Beziehung  gerechtfertigt  erscheint. 

Bei  den  übrigen  Chlamydomonadinen  und  Volvocinen  fehlt  es  bis 
jetzt  an  einer  eingehenden  Untersuchung  der  Vertheilung  des  Farbstoffes, 
weshalb  sich  nicht  mit  gleicher  Sicherheit  erweisen  lässt,  dass  auch  sie 
in  analoger  Weise  ein  sehr  ansehnliches  Chromatophor  besitzen,  und  die 
scheinbar  gleichmässige  Färbung  nicht  existire.  Mit  Schmitz  halte  ich  dies 
jedoch  für  unzweifelhaft. 

Hierfür  spricht  denn  auch,  dass  sich  bei  vielen  hierhergehörigen  Formen  die  Grün 
färhung  nicht  ganz  gleichmässig  über  das  gesammte  Plasma  ausdehnt,  sondern  das  vordere 
Körperende  häufig,  wenn  nicht  vielleicht  regelmässig  aus  ungefärbtem  Plasma  besteht.  So 
findet  sich  ein  ungefärbtes,  sogen.  Schnabclspitzchen ,  welches  die  Geissein  trägt,  regelmässig 
bei  Haematococcus.  Gelegentliche  Betrachtung  des  H.  lacustris  zeigte  mir  aufs  deutlichste  die 
Gegenwart  eines  einfachen  peripherischen  Chromatophors ,  das  wahrscheinlich  einen  vorn  und 
hinten  geöffneten  breiten  Ring  darstellt.  Die  hintere  Oeffnung  blieb  etwas  zweifelhaft,  so  dass 
das  Chromatophor  vielleicht  auch  zuweilen  oder  immer  eine  tief  ausgehöhlte  Becherform  besitzt. 
Bei  Volvox  dehnt  sich  die  griine  Färbung  gewöhnlich  nicht  auf  die  Vorderregion  der  Zellen 
aus.  Bei  den  aus  dem  Ruhezustand  hervorgegangenen  nackten  Schwärmzellcn  der  Stephano- 
sphaera  zeichnen  Cohn  und  Wichura  im  Vorderende  einen  hellen  Raum,  welcher  verräth,  dass 
der  Bau  des  Chromatophors  hier  ganz  den  Verhältnissen  bei  Chlamydomonas  pulvisculus  ent- 
spricht, wogegen  die  umhüllten  Schwärmzellen  das  hyaline  Schnabclspitzchen  des  Haemato- 
coccus aufweisen.  Aus  diesen  Daten  und  mancherlei  ähnlichen,  nur  unbestimmteren  scheint 
mir  die  Richtigkeit  unserer  Annahme  mit  hinreichender  Gewissheit  hervorzugehen. 

Eine  recht  interessante  Erscheinung  ist,  dass  bei  sehr  nahe  ver- 
wandten Formen  Chromatophoren  theils  vorhanden  sind,  theils  fehlen,  ja 
dass  sogar  eine  gewöhnlich  gefärbte  Art  zuweilen  ganz  farblos  ange- 
troffen wird.  Letzterer  Fall  wurde  speciell  bei  der  Gattung  Euglena  durch 
zahlreiche  Forscher  constatirt;  schon  Ehrenberg  beschrieb  eine  farblose 
Euglena  viridis  als  besondere  Art  (E.  hyalina)  und  namentlich  bei  Engl, 
acus  gibt  es  häufig  farblose  Individuen ;  Stein  erblickt  in  diesen  letzteren 
irriger  Weise  sogar  eine  geschlechtliche  Generation.  In  entsprechender 
Weise  treten  auch  gewisse  Phacus-  und  Trachelomonasarten  chlorophyll- 
frei auf,  was  z.  Th.  schon  Perty  beobachtete  und  Klebs  genauer  er- 
mittelte. 

Weiterhin  begegnen  wir  in  der  Familie  der  Chlamydomonadina  der 
stets  farblosen  Gattung  Polytoma,  die  nur  Schneider  (84)  zuweilen 
grün  getroffen  haben  will,  was  jedoch  möglicherweise  nur  auf  Verwechs- 
lung mit  Chlamydomonas  beruhte,  welcher  Gattung  Cohn  die  Polytoma 
sogar  einreihen  wollte.  Aehnliches  bietet  auch  die  Familie  der  Crypto- 
monadjnen  dar,  deren  Gattung  Chilomonas  nur  durch  ihre  Farblosigkeit 
von  der  gefärbten  Cryptomonas  unterschieden  ist. 

In  den  beiden  letzterwähnten  Fällen  hängt  die  Farblosigkeit  aufs 
Entschiedenste  mit  der  Lebensweise  zusammen,  denn  sowohl  Polytoma 
wie  Chilomonas  leben  in  faulenden  Flüssigkeiten  und  ihre  Ungefärbt- 
heit erklärt  sich  daher  wie  die  zahlreicher  Pflanzen  durch  saprophy- 
tische  Ernährung.  Neuerdings  konnte  denn  Klebs  zeigen,  dass  auch 
andere    Chlamydomonadinen    unter    entsprechenden    Bedingungen    ganz 

Bronn,  Klassen  dos  Thiei-Reiphs.     Protozoa.  ^Q 


722  Flagellata. 

chloropbyllfrei  und  farblos  auftreten  können,  so  Chlorogonium  und  Carteria, 
ja  es  hat  den  Anschein,  dass  diese  farblosen  Vertreter  der  beiden  Gat- 
tungen nur  Varietäten  der  gefärbten  Arten  sind.  AVeiterhin  behauptete 
auch  scbon  Perty,  dass  der  gewöhnliche  Haematococcus  gelegentlich 
chlorophyllfrei  vorkomme.  Ebenso  hat  Klebs  für  die  farblosen  Eugleninen 
ziemlich  sicher  nachgewiesen,  dass  sie  vorwiegend  in  faulenden  Flüssig- 
keiten auftreten  und  sich  daher  jedenfalls  in  entsprechender  Weise 
ernähren. 

Wie  schon  früher  bemerkt  wurde,  scheint  bei  diesen  ungefärbten 
Repräsentanten  gefärbter  Flagellaten  eine  völlige  Rückbildung  der  Chro- 
matophoren  eingetreten  zu  sein.  Immerhin  dürften  jedoch  vielleicht  auch 
Fälle  getroffen  werden,  wo  die  Chromatophoren  noch  erhalten,  aber  ihres 
Farbstoffes  beraubt  sind,  da  derartiges  bei  gewissen  Pflanzen  nicht  selten 
beobachtet  wurde. 

Wie  bei  den  echten  Pflanzen ,  finden  wir  auch  bei  den  gefärbten 
Flagellaten  eine  Vermehrung  der  Chromatophoren  durch  Theilung.  Des- 
halb dürfen  wir  auch  für  diese  die  neuere  Erfahrung  der  Botaniker  accep- 
tiren :  dass  niemals  Neubildung  der  Chromatophoren ,  sondern  nur  eine 
Vermehrung  durch  Theilung  sich  finde.  Das  Nähere  über  den  Theilungs- 
vorgang  der  Chromatophoren,  soweit  derselbe  bei  unseren  Flagellaten 
bis  jetzt  verfolgt  wurde,  lässt  sich  besser  erst  bei  der  Fortpflanzung 
besprechen. 

d)  Pyrenoide  und  Amylumeinschlüsse  der  Chromatophoren. 
In  den  grünen  Chromatophoren  der  Chlamydomonadinen  und  Volvocinen 
beobachtet  man  gewöhnlich  ein  oder  auch  mehrere  stärker  lichtbrechende 
Körperchen.  Diese  schon  sehr  frühe  beobachteten  Einschlüsse  wurden 
ursprünglich  als  Chlorophyllbläschen  (Nägeli)  bezeichnet,  da  sie  schein- 
bar intensiver  grün  gefärbt  sind,  eine  Erscheinung,  welche  jedoch  sicher 
nur  daher  rührt,  dass  sie  dunkler  wie  die  umgebende  Chromatophormasse 
aussehen ,  nicht  jedoch  auf  eigener  Färbung.  Später,  als  man  erkannte, 
dass  sich  diese  Körperchen  mit  Jod  bläuen  und  also  Stärkeeinschlüsse 
sind,  bezeichnete  man  sie  als  Amylumkerne  (de  Bary).  Manchmal  wurden 
sie  auch  als  Zellkerne  beansprucht,  so  ursprünglich  von  Carter,  Fresenius 
und  anderen.  In  neuerer  Zeit  erhielt  diese  Ansicht  noch  die  Unter- 
stützung weiterer  Forscher,  auf  Grund  besonderer  Bauverhältnisse  dieser 
Einschlüsse.  Erst  in  neuester  Zeit  aber  wurde  ihr  Bau  genauer  erforscht; 
zwar  hatte  man  schon  lange  beobachtet,  dass  sie  aus  einer  dunklereu 
und  meist  nicht  sehr  dicken  Aussenzone  bestehen,  die  einen  helleren 
Inhalt  umschliesst,  also  einen  bläschenförmigen  Bau  zeigen,  doch  erst 
durch  Cohn  (162)  und  später  Schmitz  (192)  wurde  sicher  festgestellt,  dass 
nur  die  äussere  Zone  aus  Amylum  bestehe,  der  Inhalt  dagegen  aus  einer 
Substanz  von  plasmatischem  Charakter,  die  sich  gewöhnlich  durch  ihre 
intensive  Tingirbarkeit  auszeichnet. 

Derartige  Einschlüsse  sind,  wie  bekannt,  in  den  Chromatophoren 
der  Algen  sehr  verbreitet  und  finden  sich  hier  auch,  wie  Schmitz  gezeigt 


Chromatophoren ;  Pyrenoido  u.  ihre  Amylumeinscliliisse.  723 

hat,  häiilig  ohne  eine  Amylumhülle.  Letztere  ist  nämlich  sicher  ein  Pro- 
ducta weh^hes  erst  nachträglich  und  wahrscheinlich  unter  dem  directen 
Einfluss  des  tingirbaren  Centralkörpers  zur  Entwicklung  kommt,  Schmitz 
bezeichnet  diesen  Centralkörper  daher  als  das  Pyrenoid,  welches  dem- 
nach sehr  gewöhnlich  durch  Ablagerung  von  Amylum  auf  seiner  Ober- 
fläche zu  einem  sogen.  Amyluraherd  wird. 

Soweit  die  Erfahrungen  bei  den  Chlamydomonadinen  und  Volvocinen 
reichen ,  scheinen  bei  ihnen  nackte  Pyrenoide  ohne  Amylumhülle  noch 
nicht  beobachtet  zu  sein.  Fast  stets  besitzt  das  homogen  und  matt 
erscheinende  Pyrenoid  eine  zusammenhängende,  gewöhnlich  nur  massig 
dicke  Amylumhülle.  Nur  bei  Haematococcus  lacustris  beobachtete  ich  eine 
deutliche  Zusammensetzung  der  Hülle  aus  kleinen  Körnchen ,  wie  bei 
den  Algen  gewöhnlich.  Obgleich  nun  nicht  zu  verkennen  ist,  dass  die 
Kleinheit  unserer  Wesen  die  Erkennung  eines  solchen  Aufbaus  der 
Amylumhülle  sehr  erschwert,  halte  ich  es  doch  für  wahrscheinlicher,  dass 
die  Stärkeschicht  hier  gewöhnlich  eine  zusammenhängende  ist.  Wahr- 
scheinlich dürfte  sie  jedoch  ursprünglich  auch  durch  Verschmelzung  ge- 
sonderter, sehr  kleiner  Amylumkörnchen  entstanden  sein,  wofür  die  Er- 
fahrungen bei  den  Algen  sprechen. 

Bei  den  grünen  Eugleninen  finden  sich  Pyrenoide  verhältnissmässig 
selten.  Doch  scheint  zuerst  Stein  ihr  Vorkommen  bei  der  Gattung  Cola- 
cium  festgestellt  zu  haben,  wo  sie  nach  seinen  Abbildungen  in  jeder 
Hinsicht  den  seither  besprochnen  gleichen  und  sogar  eine  Hülle  aus  ge- 
wöhnlichem Amylum  besitzen  sollen,  was,  wie  wir  sehen  werden,  für  eine 
Euglenine  sehr  wenig  wahrscheinlich  ist. 

Bei  gewissen  Euglenenarten  sowie  den  Angehörigen  der  Gattung 
Trachelomonas  hat  Klebs  die  Existenz  der  Pyrenoide  neuerdings  erwiesen. 
Stets  findet  sich  hier  nur  ein  Pyrenoid  in  einem  Chromatophor,  jedoch  in 
etwas  eigenthümlicher  Lagerung.  Während  es  bei  den  seither  besprochenen 
Formen  wie  bei  den  Algen  ganz  in  die  Masse  des  Chromatophors  ein- 
gebettet ist,  bleibt  es  hier  auf  den  beiden  Flächen  des  Scheiben-  resp. 
bandförmigen  Chromatophors  unbedeckt  und  springt  halbkuglig  über  diese 
Flächen  empor.  Klebs  schien  es  sogar,  dass  diese  Pyrenoide  eigentlich 
aus  zwei  Hälften  zusammengesetzt  seien,  indem  die  Chromatophorenmasse 
in  einer  dünnen  Lage  die  Mitte  des  kugligen  Pyrenoids  durchsetze. 

Selten  ist  das  Pyrenoid  der  Eugleninen  nackt  (Eugl.  deses),  ge- 
wöhnlich besitzt  es  auch  hier  eine  Hülle,  welche  jedoch  aus  dem  später  ge- 
nauer zu  erörternden  Paramylum  besteht.  Entsprechend  der  Bau-  und  Lage- 
rungsweise der  Pyrenoide  ist  diese  Paramylumhülle  jedoch  keine  kugel- 
schalig  zusammenhängende,  sondern  besteht  aus  zwei  halbkugligen  Schalen, 
welche  den  beiden  halbkugligen  Vorsprüngen  des  Pyrenoids  so  dicht  auf- 
sitzen, dass  nur  ein  schmaler  heller  Zwischenraum  zwischen  der  Pyrenoid- 
oberfläche  und  der  Schale  bemerkbar  ist. 

Die  meist  intensive  Tingirbarkeit  der  Pyrenoide  Hess  auch  Cohn 
1878    vermuthen,    dass   sie   die   Zellkerne   seien,    eine   Ansicht,    welche 

46  * 


724  Flag-ellata. 

Reinhardt  (157)  schon  zwei  Jahre  früher  für  Chlamydomonas  entwickelt 
hatte.  Schmitz  dagegen,  dem  nicht  unbekannt  ist,  dass  unsre  Formen 
stets  einen  echten  Zellkern  besitzen,  hat  die  Ansicht,  dass  die  Pyrenoide 
den  Nucleoli  vergleichbar  seien  und  scheint  daher  auch  geneigt,  die 
Chromatophoren  sammt  ihren  Pyrenoiden  den  Zellkernen  an  die  Seite  zu 
stellen. 

Inwiefern  eine  solche  Auffassung,  die  ganz  neue  Gesichtspunkte  für 
die  Zellenlehre  einschliesst,  gerechtfertigt  erscheint,  ist  hier  zu  untersuchen 
nicht  der  Ort,  jedenfalls  ist  die  selbstständige  Vermehrungsfähigkeit  der 
Chromatophoren  für  diese  P'rage  recht  bemerkenswerth. 

Wie  bei  den  Algen  schwankt  auch  die  Zahl  der  Pyrenoide  in  den 
Chromatophoren  unserer  Flagellaten.  Häufig  begegnen  wir  nur  einem  ein- 
zigen, so  bei  den  meisten  Formen  von  Chlamydomonas,  Carteria,  Pha- 
cotus,  bei  Gonium,  Pandorina,  Eudorina  (häutig),  Volvox  und  den  Eugle- 
ninen  durchaus.  Dennoch  ist  diese  Regel  keine  durchgreifende,  wenigstens 
fanden  Carter  (1858),  Stein  und  ich  bei  Eudorina  vier  und  mehr  gleichzeitig 
vor  und  ähnlich  verhält  sich  auch  Carteria.  Andre  Formen  besitzen  da- 
gegen gewöhnlich  zwei  bis  mehrere  Amylumherde.  So  finden  sich  in  den 
Zellen  der  Stephanosphaera  regelmässig  zwei,  welche  sich  symmetrisch 
vor  und  hinter  den  Kern  lagern.  Auch  die  interessante  Chlamydomonas 
obtusa  A.  Braun  sp.  (=  grandis  St.)  besitzt  zuweilen  zwei  entsprechend 
gelagerte  Amylumherde,  häufig  dagegen  eine  grössere  Zahl  (bis  zu  sieben 
etwa),  welche  sich  dann  unregelmässig  vertheilen  (T.  43,  10)  und  ganz  ähn- 
lich verhält  sich  auch  Chlorogonium.  Interessant  ist  jedoch,  dass  Chlamyd. 
obtusa  gelegentlich  auch  nur  einen  einzigen  Amylumherd  besitzt,  welcher 
dann  wie  bei  den  oben  angeführten  Formen  hinter  dem  Kern  liegt.  Auch 
Haematococcus  lacustris  enthält  gewöhnlich  eine  grössere  Anzahl  Pyre- 
noide (T.  43,  9  b)  (weshalb  auch  die  oben  geschilderte  Chlamydomonas 
häufig  mit  der  Gattung  Haematococcus  vereinigt  wurde). 

Die  aufgezählten  Vorkommnisse  zahlreicher  Pyrenoide  machen  es 
von  vornherein  wahrscheinlich ,  dass  dieselben  vermehrungsfähig  sind, 
was  durch  directe  Beobachtung  vielfach  bestätigt  wurde.  Schon  Cohn 
hatte  1854  gezeigt,  dass  sich  das  einfache  Pyrenoid  von  Gonium  vor 
jeder  Zweitheihmg  dieser  Flagellate  selbst  durch  Theilung  verdopple. 
Carter  bestätigte  dies  1858  und  59  für  Chlamydomonas  und  dies  ver- 
anlasste ihn  ursprünglich,  die  Pyrenoide  für  Zellkerne  zu  halten,  bis 
er  sich  von  ihrer  Amylumhülle  überzeugte.  Eine  rasche  Vermehrung  der 
Stärkekügelchen  hatte  übrigens  schon  Busk  1852  in  den  sich  entwickeln- 
den Parthenogonidien  des  Volvox  beobachtet,  ohne  jedoch  festzustellen, 
ob  dieselbe  durch  Theilung  der  schon  vorhandenen  geschehe.  Cohn  er- 
wies 1875  das  Gleiche  für  Volvox,  1878  für  Gonium  sociale  und  Tetra- 
selmis,  und  fand  jetzt,  dass  die  Theilung  der  Zelle  und  des  Pyrenoids 
ganz  gleichzeitig  geschehe,  d.  h.  das  letztere  gewissermaassen  durch  Ein- 
schnürung des  Zellplasmas  in  zwei  Hälften  durchschnitten  werde.  Dagegen 
zeichnet  Stein    die   Vermehrung   der  Amylumherde    bei   Chlamydomonas 


Pyreiiüidc  (Zalil  ii.  Lagu;  Vcnneliruiig).  725 

pulvisciilus    und    Eudoriua    wie    Carter    vor    der    eigeutliclicu    Thcilunj;- 
der  Zelle. 

Die  neueren  Beobachtungen  über  die  Pyrenoide  der  Algen  ergeben 
nun,  dass  deren  Vermehrung  auch  hier  sehr  gewöhnlich  durch  Theilung 
geschieht  und  dass  dieser  Theilungsprocess  bald  mehr  der  Schilderung 
Carter's,  bald  mehr  der  Cohn's  entsprechend  verläuft.  Gewöhnlich  streckt 
sich  das  kuglige  Pyrenoid  hierbei  etwas  in  die  Länge  und  zerfällt  als- 
dann durch  eine  mittlere  Einschnürung  in  zwei  Theile.  Dabei  folgt  auch 
die  Stärkehülle  der  Längsstreckung  und  wird  gleichfalls  in  zwei  Hälften 
auseinander  gezogen,  welche  nun,  nach  den  Beobachtungen  von  Schmitz 
als  halbkuglige,  also  ungeschlossene  Kappen  die  beiden  neuen  Pyrenoide 
bedecken.  Rasch  vollzieht  sich  dann  aber  ihre  Vervollständigung  zu  ge- 
schlossenen Hüllen,  indem  neue  Amylumköruchen  an  den  unbedeckten 
Stellen  der  Pyrenoide  entstehen  und  die  Lücke  in  der  Hülle  ausfüllen. 
Bei  unseren  Flagellaten  ist  bis  jetzt  über  das  genauere  Verhalten  der 
AmylumhüUe  bei  der  Theilung  der  Pyrenoide  nichts  Sicheres  ermittelt 
worden.  Dagegen  wurden  namentlich  von  Stein  mehrfach  Pyrenoide  beob- 
achtet, welche  statt  der  gewöhnlichen  kugligen  eine  längsgestreckte,  ovale 
bis  sogar  bandförmige  Gestalt  besassen.  Wir  finden  Derartiges  abgebildet 
bei  Tetraselmis  und  Eudorina,  deren  Pyrenoide  gewöhnlich  eine  kuglige 
Gestalt  besitzen,  und  es  dürfte  kaum  einem  Zweifel  unterliegen,  dass  diese 
länglichen  Pyrenoide  Theilungszustände  waren. 

Zweifelhafter  ist  dies  für  die  sogen.  Chlamydomonas  monadina  Ehrb. 
sp. ,  welcher  sieh  nach  Stein  wesentlich  dadurch  von  der  gewöhnlichen 
Chlam.  pulvisculus  unterscheidet,  dass  sie  ein  bandförmig  ausgezogenes 
Pyrenoid  besitzt,  welches  etwa  im  Aequator  gelegen,  sich  parallel  der 
Körperoberfläche  zusammenkrümmt,  so  dass  seine  Enden  nahezu  zu- 
sammenstossen. 

Aehnliclie  Formen,  welche  ich  beobachtete,  zeigten  keine  Krümmung  des  Bandes,  da- 
gegen in  den  beiden  etwas  angeschwollnen  Enden  deutlich  ein  helleres  Pyrenoid,  so  dass  ich 
dieses  Band  auch  als  einen  in  Theilung  begriffenen  Amylumherd  beurtheilen  möchte,  in 
welchem  das  eigentliche  Pyrenoid  schon  in  zwei  neue  zerfallen  ist,  die  noch  durch  einen  band- 
artig ausgezogenen  Amylumstreif  in  Verbindung  stehen.  Ich  neige  mich  dieser  Ansicht  um 
so  mehr  zu,  da  sich  gleichzeitig  mit  diesen  Formen  andere  fanden,  welche  theils  einen  ein- 
fachen runden  Amylumherd,  theils  deren  zwei  enthielten.  Nicht  ganz  sicher  erscheint  es  da- 
her auch,  ob  die  Chlamydomonas  monadina  wirklich  specifisch  von  der  gewöhnlichen  Chlam. 
pulvisculus  geschieden  ist. 

Eine  selbstständige  Neubildung  von  Pyrenoiden,  wie  sie  neben  der 
Vermehrung  durch  Theilung  bei  den  Algen  von  Schmitz  behauptet  wird, 
entbehrt  für  die  Flagellaten  bis  jetzt  noch  des  Nachweises ,  jedoch  liegt 
auch  kein  Grund  vor,  ähnliche  Verhältnisse  bei  denselben  zu  leugnen. 

An  die  im  Vorhergehenden  besprochene  Amylumerzeugung  in  den 
Chromatophoren,  schliesst  sich  die  Frage  an,  ob  die  Stärkebildung 
nicht  auch  unabhängig  von  Pyrenoiden  in  oder  ausserhalb  der  Chro- 
matophoren vorkommt,  wofür  ja  bei  pflanzlichen  Organismen  zahl- 
reiche Beweise  sprechen.     Leider  ist  für  die  genaue  Feststellung  dieser 


726  Flagellata, 

Frage  bis  jetzt  wenig  geschehen.  Mancherlei  Angaben  Hessen  sich  zwar 
anführen,  welche  das  Vorkommen  kleiner  Stärkekörnchen  in  den  Chro- 
matophoren,  resp.  dem  UDgefärbten  Plasma  zu  erweisen  scheinen,  doch 
lassen  es  diese  aus  früherer  Zeit  stammenden  Angaben  unentschieden, 
ob  Amylumherde  oder  einfache  Stärkekörnchen  vorlagen. 

So  will  Cohü  in  den  Volvoxzellen  gewöhnlich  ein  einziges  Stärkekörnchen  beobachtet 
haben;  auch  mancherlei  Beobachtungen  am  Haematococcus  könnten  dafür  angeführt  werden, 
dass  hier  kleine  Stärkekörnchen  zuweilen  neben  den  Amylumherden  vorhanden  sind. 

Stärkekörner  gewöhnlicher  Beschaffenheit  finden  wir  meist  reichlich  bei 
der  Gattung  Cryptomonas,  doch  ist  deren  Sitz  bis  jetzt  noch  etwas  fraglich. 

Sowohl  aus  eigener  Anschauung,  wie  aus  den  Angaben  Strasburger's  (170)  und  den 
Zeichnungen  Stein's  schien  hervorzugehen,  dass  die  Stärkekörner  hier  nicht  den  beiden  Chro- 
matophorenplatten ,  sondern  dem  inneren  farblosen  Plasma  eingelagert  sind.  Dem  steht  jedoch 
die  Angabe  Künstler's  gegenüber,  dass  die  Amylumkörner  der  tiefsten  der  drei  von  ihm 
unterschiednen  Schichten  der  FarbstofFplatten  eingelagert  seien.  Ich  glaube  jedoch  kaum,  dass 
diese  Angabe  richtig  ist,  da  sowohl  Stein  wie  Strasburger  die  Körner  häufig  dicht  neben  dem 
Schlund  sahen,  was  nicht  mit  ihrer  Lage  in  den  Chromatophoren  zu  vereinigen  ist.  Auch 
findet  sich  kaum  eine  einzige  Zeichnung,  auf  der  ein  Korn  im  optischen  Schnitt  einer  Chro- 
matophorc  erschiene. 

Sowohl  die  Zahl  wie  die  Grösse  der  Amylumkörner  ist  bei  unserer 
Gattung  sehr  verschieden;  häufig  finden  sich  nur  einige  wenige  ziemlich 
ansehnliche,  nicht  selten  dagegen  auch  sehr  zahlreiche  kleine,  so  dass 
das  Innere  ganz  grobkörnig  erscheint.  Derartige  Zustände  scheint  Künstler 
allein  gesehen  zu  haben  und  er  lässt  diese  Körner,  wie  gesagt,  in  einer 
einfachen  Schicht  dicht  neben  einander  gelagert  die  gesammte  innere 
Lage  der  Chromatophoren  durchsetzen. 

Von  besonderem  Interesse  ist  die  Erfahrung,  dass  sich  echtes  Amylum 
auch  bei  gewissen,  farblosen  Flagellaten  in  reichlicher  Menge  vorfindet 
und  zwar  sicher  als  ein  Stoflfwechselproduct,  nicht  etwa  als  aufge- 
nommene Nahrung.  Interessanter  Weise  sind  die  Formen,  welche  dies 
zeigen,  saprophytische  nächste  Verwandte  gefärbter  Flagellaten.  Zu- 
nächst wäre  Chilomonas  zu  erwähnen,  die,  wie  schon  früher  be- 
merkt, mit  Ausnahme  ihrer  Farblosigkeit  mit  Cryptomonas  nahezu  iden- 
tisch ist.  Bei  einigermaassen  günstiger  Ernährung,  d.  h.  in  gehaltreichen 
Infusionen,  finden  wir  eine  dichte  Lage  ziemlich  ansehnlicher  Amylum- 
körner direct  unter  der  Hautschicht  unsrer  Wesen.  Nicht  selten  sind  je- 
doch die  Körner  spärlicher  vorhanden,  ja  bei  schlechter  Ernährung, 
in  alten  Infusionen,  kann  schliesslich  die  Stärke  auch  völlig  schwinden, 
weil  ohne  Zweifel  die  Bedingungen  für  ihre  Neuerzeugung  fehlen  und  die 
als  eine  Art  Reservenahrung  aufgehäufte,  verbraucht  wurde. 

Ganz  entsprechende  Verhältnisse  zeigt  die  Gattung  Polytoma,  eine 
saprophytisch  lebende  Chlamydomonadine.  Auch  sie  speichert  unter 
günstigen  Ernährungsbedingungen ,  wie  Ant.  Schneider  zuerst  nach- 
wies, grosse  Mengen  Stärkekörner  in  ihrem  Körper  auf.  Zunächst 
häufen  sich  dieselben  im  Hinterende  an  (T.  43,  4a),  erfüllen  jedoch 
schliesslich     bei    recht    reichlicher    Ernährung   den    gesammten    Körper- 


Amyluui  im  Protoplasma;  raramylum  (Vorkommen).  727 

Ferner  lUsst  sich  auch  hier  wie  bei  Chilomonas  beobachten,  dass  unter 
ungünstigen  Ernährungsbedingungen  die  Aniyhimkörnchen  allmählich 
schwinden  und  die  Polytomen  endlich  zu  Grunde  gehen. 

Neuerdings  gehang  es  denn  auch  Klebs  in  den  von  ihm  beobachteten 
saprophytischen  farblosen  Vertretern  der  Gattungen  Cblorogonium  und 
Carteria  zahlreiche  echte  Amylumkörnchen  nachzuweisen.  Bei  der  Carteria 
ünden  diese  sich  ganz  wie  bei  Chilomonas  in  einer  peripherischen  Schicht 
unter  der  gesammten  Körperoberfläche. 

Paramylum.  |In  der  umfangreichen  Abtheilung  der  Euglenoidinen 
konnte  bis  jetzt  trotz  der  häutigen  Gegenwart  des  Chlorophylls  meist 
keine  echte  Stärke  aufgefunden  werden.  Eine  Ausnahme  könnte  nur  die 
Gattung  Colacium  (wahrscheinlich  nur  das  C.  calvuni)  bilden,  wo  sich  nach 
Stein,  wie  früher  erwähnt,  ein  Amylumherd  in  jedem  Chromatophor  findet*). 
Künstler  will  auch  bei  Phacus  in  den  Chromatophoren  je  ein  kleines 
Amylumkorn  beohachtet  haben,  was  ich  jedoch  nach  eignen  Erfahrungen 
für  unrichtig  halte. 

Dagegen  findet  sich  nun  in  unserer  Abtheilung  weit  verbreitet  ein 
anderes  Kohlehydrat,  welches  zwar  die  gleiche  empirische  Zusammen- 
setzung CgH^o^ö  wie  Amylum  besitzt,  jedoch  im  Uebrigen  sehr  wesentlich 
von  dem  gewöhnlichen  Amylum  abweicht  und  sich  in  manchen  Be- 
ziehungen der  Cellulose  nähert.  Gottlieb,  welcher  schon  1851  diesen 
Körper  bei  der  Euglena  viridis  eingehender  chemisch  studirte,  nannte  ihn 
Paramylon  und  diese  Bezeichnung  hat  sich  allmählich  eingebürgert,  wenn- 
gleich den  meisten  späteren  Beobachtern  die  Herkunft  dieses  Namens 
unbekannt  blieb.  Wie  das  Amylum  findet  sich  auch  das  Paramylum 
sowohl  bei  grünen  wie  ungefärbten  Euglenoidinen  vor  und  zwar  ist 
es  bei  den  ersteren  (mit  eventueller  Ausnahme  der  oben  namhaft  ge- 
machten Fälle)  durchaus  verbreitet**),  wogegen  die  farblosen  es  nicht  immer 
aufweisen.  Doch  ist  es  sicher  constatirt  bei  farblosen  Varietäten  von 
Euglena,  bei  der  gewöhnlich  farblosen  oder  doch  sehr  chlorophyllarmen 
Gattung  Menoidium  (wahrscheinlich  auch  der  verwandten  Atractonema), 
Rhabdomonas  und  gewissen  farblosen  sogen.  Astasiaformen  von  Klebs. 
Auch  bei  der  farblosen  Peranema  haben  Stein  und  Klebs  häufig  Par- 
amylonkörnchen  constatirt.  Es  ist  jedoch  fraglich,  ob  dasselbe  von  ihr 
erzeugt  oder  nur  als  Nahrung  aufgenommen  wurde.  —  Ausserhalb  der 
Gruppe  der  Euglenoidina  wurde,  wie  bemerkt,  das  Paramylum  noch  nie 
sicher  aufgefunden,  nur  Cohn  (1850)  beobachtete  in  den  schwärmenden 
Haematococcuszellen  zuweilen  glänzende  Körperchen,  die  er  wahrschein- 
lich richtig  mit  den  Paramylumkörnern  der  Euglenen  verglich. 

Chemisch  unterscheiden  sich,  wie  gesagt,  die  Paramylum körner  sehr 
wesentlich  von  dem  Amylum,   zunächst  durch  ihre  gänzliche  Untingirbar- 


*)  Klebs  leugnet  dagegen  ausdrücklich  die  Anwesenheit  von  Pyrenoiden  bei  dieser  Gat- 
tung und  will  Paramylonscheiben  im  Körperislasma  beobachtet  haben-. 

**)  Unter  den  grünen  Coelomonadiueii  hat   bis  jetzt  nur  Meresclikowsky  bei  der   Gattung 
Merotricha  das  Paramylon  constatirt. 


728  Flagellata. 

keit  mit  Jod,  was  schon  Gottlieb  beobachtete  und  sämmtliche  spätere 
Forscher  bestätigten.  Weiterhin  fällt  ihre  grosse  Widerstandsfähigkeit 
gegen  Reagentien  auf,  eine  Erscheinung,  die  schon  Dujardin,  Focke, 
Carter  und  Andere  hervorgehoben  haben.  Speciell  den  Säuren  wider- 
stehen sie  sehr,  nur  in  concentrirter  Schwefelsäure  (ßtitschli,  Klebs)  und 
beim  Kochen  in  rauchender  Salzsäure  (Gottlieb)  lösen  sie  sich  und  bilden 
im  letzteren  Fall  gährungsfähigen  Zucker  (Gottlieb).  Auch  Diastase  übt 
nach  Gottlieb  keine  sichtliche  Wirkung  aus.  In  Ammoniak  unlöslich ^ 
wird  das  Paramylum  dagegen  in  verdünnter  Kalilauge  (nicht  unter  6^/0? 
Klebs)  rasch  gelöst  und  lässt  sich  durch  Salzsäure  aus  der  Lösung  un- 
verändert wieder  niederschlagen.  Natürlich  sind  alle  alkoholischen  und 
verwandten  Lösungsmittel  wirkungslos.  Die  grosse  Widerstandsfähigkeit 
der  Paramylumkörner  macht,  dass  dieselben  sich  auch  in  abgestorbnen 
und  ganz  verfaulten  Euglenen  etc.  wohl  erhalten  und  dann  häufig  sehr 
gut  zu  Studiren  sind. 

Ihre  Bildung  geschieht  nie  in  den  Chromatophoren ,  stets  liegen  sie 
ausserhalb  derselben  im  Plasma,  wenngleich  häufig  dicht  unter  der  peri- 
pherischen Chromatophorenschicht,  so  dass  hierdurch  eine  Beziehung 
zu  dieser  angedeutet  wird.  Sehr  kenntlich  wird  diese  Beziehung,  wie  schon 
bemerkt,  bei  den  mit  Pyrenoid  versehenen  Chromatophoren  gewisser 
Eugleninen,  da  sich  hier  fast  stets  um  jedes  Pyrenoid  eine  zweiklappige 
Paramylumhülle  bildet  (Klebs).  Nur  anzudeuten  wäre  noch,  dass,  wie 
schon  früher  hervorgehoben,  unsre  Körner  häufig  für  Fortpflanzungsorgane, 
resp.  Keime  der  Euglenen  etc.  gehalten  wurden,  so  schon  von  Ehrenberg, 
später  namentlich  von  Carter,  selbst  Claparede  und  Lachmann  hielten 
diese  Ansicht  noch  für  wahrscheinHch. 

Morphologisch  bieten  die  Paramylumkörper  ein  nicht  geringes 
Interesse  und  recht  grosse  Verschiedeoheiten  dar.  Bei  den  Euglenen 
zeigen  sie  fast  stets  eine  Neigung  zu  länglicher,  ovaler  bis  stäbchenförmiger 
Gestaltung,  sind  jedoch  nach  Klebs  zuweilen  auch  kreisrunde  Scheiben. 
Ihre  Grösse  schwankt  ungemein.  Bei  gewissen  Arten  bleiben  sie  sehr  klein 
und  erfüllen  in  grosser  Menge  als  stark  lichtbrechende  Gebilde  das  Plasma. 
Bei  der  E.  viridis  (Kl.  emend.)  häufen  sich  die  Körnchen  im  Centrum 
des  Körpers  um  eine  etwas  dichtere  Plasmapartie  zusammen,  welche 
Schmitz  als  ein  Pyrenoid  betrachtet  (Schmitz,  Klebs).  Entsprechend 
kleine  Körnchen  fand  ich  auch  stets  bei  der  Gattung  Trachelomonas  und 
ähnlich  schildert  auch  Mereschkowsky  die  der  Merotricha. 

Bei  gewissen  langgestreckten  Euglenen  wachsen  die  Paramylumgebilde 
zu  längeren  stabartigen,  schmäleren  bis  dickeren  Körpern  heran,  welche 
dann  meist  in  geringerer,  immerhin  jedoch  häufig  noch  recht  beträcht- 
licher Zahl  vorhanden  sind.  Solche  Verhältnisse  beobachten  wir  nament- 
lich bei  der  Euglena  acus  (T.  47,  8)  und  Ehrenbergii  (Kl.),  zuweilen  je- 
doch auch  bei  Euglena  oxyuris.  Gewöhnlich  trifft  man  neben  diesen 
grossen  Paramylumstäben  auch  noch  eine  Anzahl  kleinerer  bis  kleinster, 
welche  es  illustriren,  dass  auch  die  grossen  Stäbe  allmählich  aus  kleineren 


Paramylum  i^Chemiachc  Eigeiiscli.,  uiorpholog.  Bau  der  Köriier).  729 

hervorgewachsen  sind.  Eigenthtimlich  erscheinen  gewisse  grosse  und  meist 
etwas  mehr  ovale  Paramylumgebilde,  welche  sich  in  Zweizahl  bei 
Euglena  Spirogyra  (T.  47,  0)  und  zuweilen  auch  bei  Euglena  oxyuris 
finden.  Eines  derselben  liegt  stets  vor,  das  andere  hinter  dem  in  der 
Körpermitte  befindlichen  Kerne,  eine  Lagerung,  welche  etwas  an  die  der 
beiden  Amylumherde  gewisser  Chlamydomonadinen  erinnert.  Diese  Ge- 
bilde erscheinen  nun  nicht  solide,  sondern  bestehen  anscheinend  aus  einer 
stärker  lichtbrecheuden  dicken  Hülle,  welche  jedenfalls  allein  Paramylum 
ist  und  einem  helleren  Kern. 

Stein  erklärt  diesen  lielleren  Kern  für  eine  weichere  Substanz,  die  das  Innere  erfülle. 
Aehnlich  deutete  auch  schon  Carter  im  Jahre  1856  ihren  Bau;  er  schrieb  der  Innenmassc 
eine  fettartige,  flüssige  Bcschalfenheit  zu.  Neuestens  hat  nun  Schmitz  eine  ganz  besondere 
Ansicht  über  diese  Körper  der  Euglena  oxyuris  ausgesprochen.  Ihm  gilt  die  Innenmasse  als 
ein  Pyrenoid,  das  jedoch  nicht  etwa  iu  eine  Paramylonhülle  eingeschlossen  sei ,  sondern  im 
Centrum  eines  sternförmigen  Chromatophors  liege.  Die  scheinbare  Kapsel  soll  dadurch  ent- 
stehen, dass  sich  zahlreiche  isolirtc  kleine  Paramylonkörnchcn  um  dieses  Pyrenoid ,  jedoch 
natürlich  ausserhalb  des  Chromatophors  herumlagern.  Ebensowenig  wie  die  sternförmigen 
Chromatophoren  halte  ich  jedoch  diese  Deutung  der  Paramylonkörper  für  zulässig  und  auch 
Klebs  gelangte  zu  diesem  Schluss. 

Unsre  Auffassung  der  besprochnen  Körper  soll  sofort  im  Zusammen- 
hang mit  der  Besprechung  der  Paramylonkörper  der  Chloropeltinen  er- 
läutert werden.  Bei  den  hierhergehörigen  Gattungen  Phacus  und  Lepo- 
cinclis  finden  sich  gewöhnlich  neben  zahlreichen  kleineren,  rundlichen 
bis  stäbchenförmigen  Paramylumkörperchen  ein  oder  wenige  grössere, 
runde  und  abgeplattet  scheibenförmige  Körper  vor.  Diese  grossen, 
häufig  jedoch  auch  die  kleineren  rundlichen  zeigen  einen  ähnlichen  Bau, 
wie  die  vorher  besprochnen  länglichen  gewisser  Euglenen.  Eine  mehr 
oder  weniger  dicke  Paramylumkapsel  scheint  einen  helleren  Inhalt  zu 
umschliessen  und  in  letzterem  liegt  zuweilen  noch  ein  zweiter  ähnlicher 
Körper  eingeschlossen  (T.  47,  13)  Genaue  Betrachtung  der  kleineren 
Körper  von  Phacus  scheint  mir  nun  zu  ergeben,  dass  die  Deutung  in 
Kapsel  und  Inhalt  eine  irrige  ist,  und  sich  die  Sache  einfacher  und  wahr- 
scheinlicher so  erklärt,  dass  es  sich  um  Paramylumscheiben  handelt,  welche 
im  Centrum  eine  Durchbrechung  besitzen,  d.  h.  also  um  ringförmige  Par- 
amylumkörper.  Auch  der  Ring  selbst  zeigt  zuweilen  noch  eine  dunklere 
concentrische  Linie,  bald  dem  inneren,  bald  dem  äusseren  Rand  genähert. 

Die  Einlagerung  eines  zweiten  kleineren  Körpers  in  einen  grösseren 
erklärt  sich  auf  diese  Weise  auch  leicht,  da  ja  einer  solchen  an  einem 
geöffneten  Ring  kein  Hinderniss  im  Wege  steht.  Weiterhin  scheint  mir 
diese  Auffassung  noch  deshalb  den  Vorzug  zu  verdienen,  weil  sie  in  ein- 
facher Weise  zu  dem  sonst  sehr  merkwürdigen  Bau  der  beiden  ansehn- 
lichen Paramylumkörper  des  Lepocinclis  Ovum  überleitet.  Diese  Form 
(T.  47,  15b)  besitzt  häufig,  wie  zuerst  Carter  (1859)  beobachtete,  zwei 
sehr  grosse  Paramylumkörper,  welche  sich  gegenüberstehend  dicht  unter 
der  Cuticula  lagern.  Diese  Körper,  welche  Carter  gleichfalls  als  „nucleated 
cells''  beschrieb,   sind  bei   ihrer  Grösse   aufs  sicherste  als   weit  geöffnete 


73.0  Flagellata. 

Ringe,  oder  in  sich  zurückkehrende  Bänder  von  Paramylum  zu  erkennen. 
Sie  dehnen  sich  gewöhnlich  um  den  Körper  so  weit  ans,  dass  sie  sich 
nahezu  berühren.  Dennoch  finden  sich  auch  hier  neben  ihnen  stets  noch 
eine  Anzahl  kleiner  rundlicher  Paramylumkörnchen  vor,  welche  sämmtlich 
die  Ringform  meist  deutlich  zeigen.  Doch  ist  es  bei  so  kleinen  Gebilden 
schwierig  zu  entscheiden,  ob  wirklich  eine  Durchbrechung  und  nicht  etwa 
nur  eine  grubenförmige  Aushöhlung  die  Ringform  hervorruft;  ich  möchte 
sogar  vermuthen,  dass  sich  die  durchbrochene  Ringform  erst  allmählich 
aus  anfänglich  soliden  Scheibchen  entwickelt.  Auf  Grund  der  soeben 
mitgetheilten  Erfahrungen  dürfen  wir  jedoch  auch  den  Bau  der  länglichen 
Körper  der  Euglena  oxyuris  und  Spirogyra  mit  grosser  Wahrschein- 
lichkeit als  einen  ringförmigen  betrachten  und  auch  Klebs  haben 
seine  Untersuchungen  zn  derselben  Ansicht  geführt.  Dieser  Forscher 
spricht  sich  um  so  entschiedener  für  eine  solche  Auffassung  aus,  da  er 
unter  gewissen  Bedingungen  beobachtete,  dass  die  Euglena  Spyrogyra  im 
Dauerzustand  die  Durchbrechungen  ihrer  grossen  Paramylumkörper  durch 
nachträgliche  Bildung  von  Paramylum  ausfüllte  und  dieselben  so  zu  ,, an- 
scheinend homogenen  Cylindern''  wurden. 

Während  die  früheren  Beobachter  meist  nichts  von  einer  feineren 
Structur  der  Paramylumkörner  sahen,  machte  zuerst  Schmitz  darauf 
aufmerksam,  dass  dieselben  stets  einen  weniger  dichten  centralen  Theil 
besitzen  und  Klebs  erkannte  weiter,  dass  ihnen  auch  eine  concentrische 
Schichtung  ähnlich  den  Amylumkörnern  nicht  fehlt*).  Diese  Schichtung 
tritt  bei  Quellung  der  Körner  durch  ihre  Lösungsmittel  (Kali  oder  Schwefel- 
säure) oder  auch  durch  mechanischen  Druck  deutlicher  hervor.  Hierbei 
zeigten  aber  die  scheibenförmigen  Körner  nicht  nur  eine  concentrische 
Schichtung  der  Flächenansicht,  sondern  auch  eine  streifige  Differenz irung 
in  der  Seitenansicht,  woraus  geschlossen  werden  muss,  dass  sie  sich  aus 
einer  grösseren  Zahl  dünnerer,  concentrisch  geschichteter  Scheibchen  zu- 
sammensetzen. Der  Wassergehalt  der  Schichten  nimmt  von  der  Peripherie 
nach  dem  Centrum  der  Scheibe  successive  zu.  Die  gequollnen  Schichten 
zeigen  kurz  vor  ihrer  deßnitiven  Auflösung  noch  eine  feinere  Zusammen- 
setzung aus  dunkleren  dichteren  und  zwischengeschobnen  helleren  und 
weniger  dichten  Theilchen.  Vielleicht  deutet  diese  Erfahrung  darauf  hin, 
dass  auch  die  Paramylumonkörner  ursprünglich  aus  der  Vereinigung  sehr 
kleiner  Körnchen  hervorgehen,  ähnlich  wie  Schmitz  die  Amylumherde 
aus  sehr  kleinen  Körnchen  zusammengesetzt  fand,  die  in  gewissen  Fällen 
gleichfalls  zu  zusammenhängenden  Amylumschalen  verwachsen. 

e)  Roth  es  Pigment.  Schon  Ehrenberg  beobachtete  einige  Flagel- 
laten  von  entschieden  rother  Färbung,  die  er  zu  besonderen  Arten  erhob, 
so  seine  Euglena  sanguinea  und  die  sog.  Astasia  haematodes.  Erst  spätere 


*)  Carter  (109b)  ist  der  einzige  frühere  Beobachter,  welcher  diese  Schichtung  sah,  er 
hielt  sie  jedioch  für  eine  spiralige  Zeichnung  und  deutete  sie  als  eine  Entwicklungserscheinung 
der  vermeintlichen  Eier  der  Euglena  viridis. 


rarainyluin  (Morijlioloy,ic);  llaouiatoclirom  (Vorkouiincu).  731 

Beobachter  erkannten  allmählicb,  dass  die  grüne  Färbung  mancher  Flagel- 
laten  unter  Umständen  in  eine  rothe  tibergeht  und  daher  die  Rothfärbung 
allein  keinen  specitischen  Charakter  bildet.  Zu  dieser  Erkenntniss  führten 
namentlich  die  früher  schon  geschilderten  Untersuchungen  über  Haemato- 
coccus.  Namentlich  die  Arbeiten  von  Morren,  von  Flotow  und  die  späteren 
Cohn's  stellten  es  sicher,  dass  sich  bei  Haematococcus  ein  häufiger  Wech- 
sel zwischen  grüner  und  rother  Färbung  finde.  In  ähnlicher  Weise  zeigte 
namentlich  Focke,  dass  die  rothe  Euglena  sanguinea  nur  als  Varietät 
einer  grünen  Form  zu  betrachten  sei,  w^ozu  sich  denn  noch  die  von 
Schmarda  1848  beschriebene  Euglena  chlorophoenicea  gesellt,  welche 
nur  eine  theils  mehr  grüne,  theils  rothe  Uebergangsstufe  darstellt*). 
Auch  Cohn  schloss  sich  1850  dieser  Deutung  der  Euglena  sanguinea  an; 
Perty  dagegen  blieb  unsicher. 

Während  bei  den  erwähnten  zwei  Formen  die  rothe  Färbung  an 
beweglichen  Zuständen  auftritt,  zeigte  der  weitere  Verlauf  der  Forschungen 
über  die  Fortpflanzung  der  grünen  Isomastigoda  immer  deutlicher,  dass 
eine  solche  Rothfärbung  in  sehr  weiter  Verbreitung  bei  den  ruhenden 
Zuständen  eintritt,  seien  dieselben  nun  auf  ungeschlechtlichem  oder  ge- 
schlechtlichem Wege  entstanden.  Da  nun  auch  die  ruhenden  Zustände 
des  Haematococcus  sich  gewöhnlich  röthen,  so  könnte  man  vermuthen, 
dass  die  ganze  Erscheinung  überhaupt  als  eine  Folge  vorhergegangener 
Ruhezustände  aufzufassen  sei,  da,  wie  bekannt,  die  aus  letzterem  hervor- 
gehenden beweglichen  Formen  erst  sehr  allmählich  ergrünen.  Immerhin 
lässt  sich  auf  Grund  unserer  heutigen  Erfahrungen  nicht  ausschliessen, 
dass  sich  auch  bewegliche  grüne  Formen  unter  gewissen  Bedingungen 
roth  färben. 

Wie  schon  der  allmähliche  Uebergang  zwischen  grünen  und  rothen 
Formen  es  bedingt,  tritt  die  rothe  Farbe  bei  Haematococcus  wie  bei 
Euglena  in  sehr  verschiednem  Grad  der  Entwicklung  auf.  Da  das  rothe 
Pigment  seinen  Sitz  im  ungefärbten  Plasma  hat,  so  erhellt  hieraus  schon, 
dass  es  sich  sowohl  bei  Euglena  wie  bei  Haematococcus  zunächst  central 
um  den  Kern  ablagern  muss  und,  da  ja  peripherisch  die  Chromatophoren 
sich  finden.  Bei  beiden  Formen  sehen  wir  denn  auch  häufig  Zustände, 
welche  nur  eine  centrale  Rothfärbung  aufweisen,  von  sehr  geringer  bis 
ansehnlicherer  Ausdehnung. 

Dabei  ist  jedoch  zu  beachten,  dass  die  gleichen  Zustände  auch  um- 
gekehrt dadurch  entstehen,  dass  ganz  rothgefärbte  Individuen  allmählich 
ergrünen ,  was  naturgemäss  zuerst  peripherisch  anhebt  und  allmählich 
gegen  das  Centrum  fortschreitet. 


*)  Während  Focke  und  die  meisten  neueren  Forscher  (so  auch  Stein)  in  der  Ehrenberg'- 
schen  E.  sanguinea  nur  eine  Varietät  der  sogen.  E.  viridis  erkennen  wollten ,  zeigte  Klebs 
neuestens,  dass  diese  Form  als  besondere  Art  aufzufassen  ist.  Die  erstgenannten  Beobachter 
hatten  zwar  in  der  Sache  jedenfalls  Recht,  da  wie  Klebs  zeigte,  eine  Reihe  verschiedener  Arten 
unter  der  vulgären  Bezeichnung  E.  viridis  sich  verbergen. 


732  Flagellata. 

Wie  gesagt,  sehwinclet  bei  stärkerer  Ausbreitung  des  rotbeu  Pigments 
die  grüne  Chlorophyllfarbe  vollständig.  Hierbei  erhebt  sich  nun  die  Frage, 
ob  diese  ganz  rotheu  Formen  ihr  Chlorophyll  verloren  haben,  oder  ob 
dies  noch  existirt  und  nur  so  verdeckt  wird,  dass  es  sich  seither  der  Beob- 
achtung entzog.  Für  Euglena  sanguinea  geht  letzteres  aus  den  Angaben 
von  Klebs  sicher  hervor  und  auch  schon  Stein's  Abbildungen  dieser 
Form  lassen  das  Gleiche  erschliessen.  Da  wir  jedoch  wissen,  dass  die 
Euglenen  zuweilen  auch  ganz  farblos  auftreten  können,  so  scheint  nicht 
ausgeschlossen,  dass  das  Chlorophyll  der  rothen  Eugl.  sanguinea  zuweilen 
auch  ganz  schwinde. 

Schwieriger  liegt  diese  Frage  bei  Haematococcus  und  den  rothen 
Dauerzuständen  der  Phytomastigoden.  Auf  den  zahlreichen  Abbildungen 
solcher  ganz  rothen  Zustände  ist  gewöhnlich  nicht  mehr  die  geringste 
Andeutung  von  Grün  zu  sehen,  und  doch  müsste  sich  gerade  hier  das 
peripherische  grüne  Chromatophor,  wenn  es  nicht  völlig  schwindet,  als 
grüner  Saum  häufig  bemerklich  machen.  Welche  Umstände  es  sind,  die 
hier  die  grüne  Farbe  ganz  verschwinden  lassen,  scheint  bis  jetzt  noch 
unsicher.  Wahrscheinlich  dürfte  sich  eine  theilweise  bis  gänzliche  Ent- 
färbung des  Chromatophors ,  vielleicht  gleichzeitig  mit  einer  Zusamraen- 
ziehung  desselben  finden,  wie  Schmitz  Aehnliches  von  den  Chromatophoren 
der  Dauerzellen  der  Algen  berichtet.  Wir  dürfen  um  so  mehr  annehmen, 
dass  die  Chromatophoren  auch  bei  den  rothen  Zuständen  dieser  Formen 
nicht  fehlen,  da  letzterwähnter  Beobachter  sie  in  den  Ruhezuständen  der 
Eudorina  und  verschiedener  Algen  noch  beobachtet  haben  will  und  weiter- 
hin Engelmann*)  in  neuester  Zeit  den  Nachweis  führte,  dass  die  rothen 
ruhenden  Haematococcuszellen  noch  Sauerstoff  zu  entwickeln  vermögen, 
also  wohl  sicher  noch  Chlorophyll  enthalten,  was  gleichzeitig  durch  ihr 
spectroskopisches  Verhalten  sehr  wahrscheinlich  gemacht  wird. 

Das  Pigment,  welches  die  geschilderte  Rothfärbung  hervorruft,  Cohn's 
Haematochrom,  bildet  sich,  wie  bemerkt,  im  Plasma  und  erscheint 
gewöhnlich  sehr  feinkörnig,  seltner  dagegen  in  Gestalt  grösserer  Tröpf- 
chen. Eine  directe  Beziehung  der  Chromatophoren  zur  Bildung  desselben 
lässt  sich  nicht  erweisen,  so  dass  die  früher  sehr  verbreitete  Annahme, 
es  bilde  sich  der  grüne  Farbstoff  der  Chromatophoren  direct  in  Haemato- 
chrom um,  vorerst  nicht  gesichert  erscheint. 

Der  Farbenton  ist  etwas  verschieden  und  schwankt  zwischen  ziegel- 
und  Orangeroth  bis  zinnober-  und  blutroth.  Ueber  die  chemische  Natur 
des  Farbstoffes  ist  wenig  bekannt.  Gewöhnlich  wird  derselbe  nicht  als 
ein  reines  Pigment,  sondern  als  ein  mit  aufgelöstem  Farbstoffe  impräg- 
nirtes  Fett  betrachtet  (Cohn,  A.  Braun,  Wittich  etc.).  Hierfür  spricht 
einerseits  sein  optisches  Verhalten,  seine  Löslichkeit  in  Aether  und  die 
Erscheinung,  dass  der  fein  vertheilte  Farbstoff  unter  verschiedenen  Be- 
dingungen häufig  zu  grösseren  Tröpfchen  zusammenfliesst. 


>^)  Botanische  Zeitung-  1882,  Nr.  b'd. 


Haematoclirom  (Vorkommen,  chemische  Eig-cnschaften,  Bedeutung).  733 

Einwirkung  von  Reagentien  ist  wenig  studirt.  Nach  Colin  soll  der 
rothe  Farbstoff  des  Haematocoecus  Säuren  und  Alkalien  widerstehen,  da- 
gegen sah  Braun  ihn  bei  Zusatz  von  Schwefelsäure  schmutzig  violett  werden 
und  Cohn  selbst  gibt  wiederum  an,  dass  Salzsäure  ihn  wenigstens  vor- 
übergehend entfärbe.  Mit  Jod  hat  Cohn  eine  schwarzblaue  Färbung  der 
vothen  Körnehen  erzielt  und  auch  Perty  bestätigte  dies.  Rostafinski  *) 
unterscheidet  auf  Grund  der  Löslichkeitsverhältnisse  in  Alkohol  zwei 
Farbstoffe  in  dem  Haematochrom,  einen  gelben,  der  sich  in  kaltem  Alkohol 
leicht  und  einen  rothen,  der  sich  darin  schwer  oder  nicht  löst. 

lieber  den  jedenfalls  identischen  Farbstoff  der  Euglena  sanguinea 
haben  wir  dagegen  durch  Wittich**)  einiges  Genauere  erfahren.  Der- 
selbe lässt  sich  sowohl  aus  der  ätherischen,  wie  alkoholischen  Lösung  in 
krystallinischer  Gestalt  (Octaedern)  erhalten.  Diese  Krystalle  werden 
durch  Schwefelsäure  blau  gefärbt,  durch  Chlor  gebleicht,  durch  Kali  da- 
gegen nicht  zerstört.  Ihr  verhältnissmässig  hoher  Schmelzpunkt  Hess  sich 
nicht  constant  erhalten,  sondern  schwankte  zwischen  79  und  120"  C. 
Auch  Wittich  schliesst  aus  seinen  Versuchen,  dass  der  rothe  Farbstoff  an 
ein  verseifbares  Fett  gebunden  sei.  Aus  allem  diesem  geht  nun  sicher 
hervor,  dass  das  Haematochrom  in  die  Reihe  der  sogen.  Fettfarbstoffe  (Chro- 
mophane  Kühne's)***)  gehört,  die  sowohl  im  Thier-  wie  Pflanzenreich 
weit  verbreitet  sind,  ^o  gehören  hierher  z.  B.  die  Farbstoffe  der  sogen. 
Zapfenkugeln  der  Netzhäute  zahlreicher  Wirbelthiere,  das  Lutein  der  Cor- 
pora lutea  etc. ;  von  Pflanzenfarbstoffen  z.  B.  das  sogen.  Carotin  der  Wur- 
zel von  Daucus  Carota  und  das  Elaeochrin  des  Palmöls. 

Sehr  unsicher  erscheint  bis  jetzt  noch  die  physiologische  Bedeutung 
der  Rothfärbung,  ebenso  wie  ihre  nächste  Verursachung.  Ueber  die  letz- 
tere sind  schon  mannigfache  Ansichten  geäussert  worden,  doch  trifft  keine 
wohl  die  eigentliche  Ursache,  welche  zweifellos  eine  innerliche  sein  dürfte, 
sondern  nur  Bedingungen  des  leichteren  und  schnelleren  Eintritts  der 
Verfärbung  —  Bedingungen,  welche  ihrer  Natur  nach  nicht  immer  gleich- 
massig  wirksam  erscheinen. 

So  äusserte  schon  Focke  hinsichtlich  der  Euglena  sanguinea,  dass 
die  Röthung  hauptsächlich  im  Frühling  und  Herbst  auftrete  und  es 
erhellt  aus  seinem  Gedankengang,  dass  er  die  Verfärbung  wesentlich  dem 
Einfluss  niederer  Temperatur  zuschreibt.  Andererseits  wurde  im  Hinblick 
auf  das  Verhalten  der  Ruhezustände  häufig  die  Ansicht  entwickelt, 
dass    Austrocknung    die  Rothfärbung   begünstige    (so    speciell    für  Hae- 


*)  Botanische  Zeitung  1881  p.  463. 

**)  Archiv  f.  patholog-.  Anat.  Bd.  27.  1863.  p.  573 — 75.  Nach  soeben  angestellten  Ver- 
suchen an  dem  Haematochrom  der  Eugl  sanguinea  kann  ich  die  Angaben  Witticli's  bestätigen. 
Nur  von  der  Octacderform  der  Krystalle  überzeugte  ich  mich  bis  jetzt  nicht  und  finde,  dass 
concentr.  Salpetersäure  dieselben  grün  färbt. 

***)  Kühne,  W.,   Untersuch,  des  physiolog.  Instit.  d.  Univ.  Heidelberg  I.  p.  341  und  IV. 
p.  1611.   Für  diese  FettfarbstofFe  wird  neuerdings  auch  der  Name  „Lipochrome"  häufig  gel)raucht. 


734  Flagellata, 

matococcus  durch  Colin),  Doch  verfärben  sich  auch  zahheiche  Ruhe- 
zustände ohne  Austrocknung.  Cobn  glaubte  femer  beobachtet  zu  haben, 
dass  intensives  Sonnenlicht  die  Röthung  begünstige,  wofür  er  auch  eine 
Beobachtung  Morren's  anführt. 

Welche  Vortheile  die  Erzeugung  des  Haematochroms  darbietet,  ist 
ebenso  zweifelhaft;  vielleicht  möchte  doch  die  gelegentlich  geäusserte 
Ansicht,  dass  dasselbe  eine  Art  Schutzmittel  gegen  gewisse  äussere  Ein- 
flüsse darstelle.  Vieles  für  sich  haben. 

f)  Stigmata  (Augenflecke).  Nahe  verwandt,  wenn  nicht  identisch, 
mit  dem  besprochnen  rothen  Pigment  scheinen  die  sogen.  Stigmabildungen 
zu  sein.  Dieselben  finden  sich  besonders  häufig  bei  gefärbten  Flagel- 
laten,  ohne  jedoch  den  ungefärbten  durchaus  zu  fehlen.  Die  Stigmen 
sind  im  Allgemeinen  ähnliche  rothe  Kürperchen  wie  die  rothen  Pigment- 
körnchen, doch  scheint  es  mir  unzweifelhaft  zu  sein,  dass  ihre  Substanz 
eine  festweiche  ist,  da  sie  gewöhnlich  bestimmte  Gestaltungen  darbieten, 
welche  eine  flüssige  ölige  Substanz  nicht  wohl  anzunehmen  im  Stande 
wäre.  Die  Uebereinstimmung  des  Pigments  der  Stigmata  mit  dem  Hae- 
matochrom  zeigt  das  Verhalten  gegen  Reagentien.  Alkohol  wie  Aether 
bringen  sie  durch  Lösung  des  Pigments  zum  Verschwinden.  Durch  Jod 
oder  Eisenchlorid  wird  das  Stigma  nach  Cohn,  Perty  und  Klebs  bei 
Eugleuen  schwarzblau,  auch  Schwefelsäure  färbt  dasselbe  schwarz  bis 
schwarzblau  (Klebs,  Bütschli),  Salpetersäure  himmelblau  (Klebs),  wogegen 
es  durch  Kali  (Dujardin,  Klebs),  Ammoniak  und  Essigsäure  (Klebs)  nicht 
verändert  wird. 

Werfen  wir  zunächst  einen  Blick  auf  das  Vorkommen  der  Stigmen. 
Nahezu  allgemein  verbreitet  finden  wir  sie  bei  den  gefärbten  Isomasti- 
goden.  Zunächst  sämmtlichen  Chlamydomonadinen  (mit  einziger  Aus- 
nahme des  Haematococcus  lacustris),  sämmtlichen  Volvocinen  und  häufig 
bei  den  Chrysomouadinen,  doch  ist  ihr  Vorkommen  hier  ein  etwas  un- 
regelmässiges. Dagegen  fehlen  die  Stigmen  stets  auch  bei  den  gefärbten 
Cryptomonadinen.  Immer  vorhanden  sind  sie  dagegen  bei  den  gefärbten 
Dinobryinen  und  fast  stets  bei  den  chromatophorenhaltigen  Euglenoidinen. 
Eine  Ausnahme  machen  hier  nur  die  Gattungen  Merotricha  und  Coelomonas. 

Einige  Befunde  weisen  aber  darauf  hin,  dass  ihre  Anwesenheit  nicht 
ganz  constant  ist.  Speciell  belehrend  ist  in  dieser  Hinsicht  die  Synura 
Uvella,  da  sie  der  Stigmen  zuweilen  ganz  entbehrt,  theils  zwei,  zu- 
weilen sogar  eine  sehr  ansehnhche  Zahl  besitzt.  Dasselbe  lehren  auch 
gewisse  farblose  Formen,  welche  nur  zuweilen  Augenflecke  besitzen. 
Ueberhaupt  bietet  das  Vorkommen  dieser  Gebilde  bei  letzteren  ein  ziem- 
liches Interesse,  da  nicht  zu  verkennen  ist,  dass  im  Allgemeinen  eine  Be- 
ziehung zwischen  Ohromatophoren  und  Augenflecken  existirt,  was  nament- 
lich auch  dadurch  erwiesen  wird,  dass  den  farblosen  Varietäten  gewisser 
Eugleninen  (E.  acus,  Phacus)  auch  der  Augenfleck  häufig  abgeht  (Klebs). 
Stein  beobachtete  gewöhnlich  einen  Augenfleck  bei  der  farblosen  Monas 
vivipara;  ebenso  auch  ich  bei  einer  damit  wohl  identischen  Form,  häufig 


Stig-mata  (chcin.  Natur,  Vorlioimiiftii,  Zalil,  Stellung).  735 

aber  auch  sicher  hierhergehörige  Flagellaten  ohne  denselben.  Gelegent- 
lich tritt  ein  Stigma  nach  Stein  auch  bei  Antophysa  vegetans  auf.  Con- 
stant  fand  ich  eines  bei  der  farblosen  Folytoma  spicatum  Krass.,  wo- 
gegen die  gewöhnliche  Folytoma  Uvella  nach  Stein  sowohl  im  vorderen 
wie  hinteren  Körperende  häufig  ein  einzelnes  bis  ganze  Häufchen  kleiner 
blassr(>thlicher  Körperchen  führt.  Doch  scheint  mir  die  Zugehörigkeit 
dieser  Körperchen  zu  den  gewöhnlichen  Stigmen  etwas  fraglich.  Auch 
bei  der  farblosen  Diplomita  socialis  gibt  Kent  einen  Augenfleck  an.  Bei 
der  zu  den  Euglenoidinen  gehörigen  farblosen  Peranema  trichophorum  will 
Perty  zuweilen,  Clark  dagegen  gewöhnlich  ein  sehr  blass-röthliches  Stigma 
gesehen  haben,   die  übrigen  Beobachter  fanden  dieselbe  stets   stigmafrei. 

Sehr  wechselnd  ist  ferner  die  Zahl  der  Stigmen  und  zeigt  zuweilen 
bei  einer  und  derselben  Art  Inconstanz.  Am  häutigsten  finden  wir  nur 
eines  entwickelt,  selten  dagegen  zwei  (Microglena,  Synura  zuweilen,  Syn- 
crypta).  Die  gewöhnlich  mit  einem  Augenfleck  ausgerüstete  Uroglena 
soll  nach  Ehreuberg  zuweilen  auch  2 — 3  besitzen*)  und  wie  schon  er- 
wähnt, zeigt  die  Synura  Uvella  nach  Fresenius  und  Stein  zuweilen  eine 
sehr  erhebliche  Zahl  (bis  etwa  10). 

Als  eine  Regel  scheint  jedoch  hervorgehoben  werden  zu  dürfen,  dass 
die  in  Mehrzahl  vorhandenen  Stigmata  stets  in  nächster  Nähe  zusammen- 
gestellt sind. 

Die  Stellung  der  Stigmen  hm  Körper  ist  überhaupt  eine  constaute. 
Am  häufigsten  finden  wir  sie  am  Vorderende,  dicht  bei  der  Geisseibasis; 
nur  die  Chlamydomonadinen  und  Volvocinen  machen  hiervon  eine  Aus- 
nahme, indem  ihr  einfaches  Stigma  fast  stets  weiter  nach  hinten  gerückt 
ist,  zuweilen  bis  in  die  Mitte  des  Körpers.  Bei  den  mit  wenigen  grösseren 
Chromatophoren  ausgerüsteten  Formen  lässt  sich  eine  Beziehung  des 
Stigmas  zu  denselben  meist  nicht  verkennen,  indem  es  gewöhnlich  so 
gelagert  ist,  dass  es  einer  resp.  bei  mehrzähligen  Stigmen  den  beiden 
Chromatophoren  aufliegt  oder  ihnen  doch  sehr  genähert  ist.  Gleichzeitig 
lagert  sich  jedoch  das  Stigma  dieser  Formen  stets  peripherisch,  direct 
unter  die  Körperoberfläche,  niemals  tiefer  ins  Köiperinnere.  Diese  Er- 
scheinung tritt  am  auffallendsten  bei  den  mit  grossem  einheitlichem  Chro- 
matophor  ausgerüsteten  Chlamydomonadinen  und  Volvocinen  hervor,  wo 
eine  nur  äusserst  zarte  Plasmalage  das  Chromatophor  äusserlich  überzieht. 
In  dieser  findet  sich  nun  das  Stigma  dem  Chromatophor  aufliegend  und 
springt  sogar  nicht  selten  etwas  über  die  Körperoberfläche  vor. 

Nur  die  Euglenoidinen  machen  eine  scheinbare  Ausnahme  von  dieser 
oberflächlichen  Stigmenlage,  da  bei  ihnen  der  Augenfleck  stets  deutlich 
tiefer  im  Plasma  des  Vorderendes  liegt.  Wie  angedeutet,  scheint  mir 
dieses   Verhalten  doch   nur   eine   scheinbare  Ausnahme   zu   bilden,   denn 


*)  Auch  bei  den  gewölinlicli  nur  ein  Stigma  besitzenden  Voh'oxzellen  will  Ehrenberg 
zuweilen  deren  zwei  gesehen  haben,  betrachtet  dies  jedoch  als  Vorbereitung  zur  Theilung. 
Auch  Perty  bestätigte  dies  und  sah  auch  bei  Chlamydomonas  gelegentlich  eine  Verdopplung, 
was  jedoch  gleichfalls  auf  Theilung  beruhen  konnte. 


736  Flagcllata. 

das  Stigma  lagert  sich  hier  stets  diiect  dem  früher  geschilderten  Reservoir 
oder  Behälter  der  contractileu  Vacuolen  auf.  Da  es  nun  vielleicht  erlaubt 
ist,  dieses  Reservoir  als  eine  mit  Flüssigkeit  erfüllte  Einsenkung  zu  be- 
trachten, die  durch  den  Schlund  mit  dem  äusseren  Medium  communicirt 
oder  doch  zeitweilig  zu  communiciren  vermag,  so  zeigt  sich,  dass  das 
Stigma  auch  hier  wahrscheinlich  an  einer  Stelle  liegt,  welche  ähnliche 
Bedingungen  darbietet  wie  die  äussere  Körperoberfläche,  also  die  schein- 
bare Ausnahme  eher  die  Regel  bestätigt. 

Schon  früher  wurde  angedeutet,  dass  die  Stigmen  häufig  eine  be- 
stimmte Gestaltung  besitzen.  Zwar  erscheinen  sie  bei  den  kleineren 
Formen  meist  einfach  rundlich  bis  etwas  unregelmässig,  bei  den  grösseren 
dagegen,  namentlich  den  Chlamydomonadinen  und  Volvocinen,  tritt  ge- 
wöhnlich eine  stäbcheuartige  Gestalt  recht  deutlich  hervor. 

Etwas  anders  dagegen  erscheinen  die  der  grösseren  Euglenoidinen. 
Bei  diesen  ist  der  Stigmakörper  häufig  eine  mehr  abgeplattete  Scheibe 
von  ziemlich  unregelmässigem,  nicht  selten  etwas  viereckigem  Umrisse 
und  etwas  eingekrümmt.  Letzteres  Verhalten  scheint  davon  herzurühren, 
dass  sich  der  Stigmakörper  in  seiner  Gestalt  der  Oberfläche  des  Reservoirs, 
dem  er  aufliegt,  anpasst. 

Gewöhnlich  erscheint  das  Stigma  als  ein  homogenes  einheitliches 
Gebilde.  Die  grösseren  der  Euglenen  zeigen  dagegen  eine  Zusammen- 
setzung aus  kleineren  Körnchen,  was  schon  Dujardin  und  Perty  (1864) 
zuweilen  beobachteten.  Klebs  fasst  daher  den  Bau  dieser  Stigmen 
neuerdings  als  einen  zusammengesetzten  auf,  bestehend  aus  einer  plas- 
matischen, netzigen  Grundmasse,  in  deren  Maschen  das  Pigment  in  Form 
kleiner  Tröpfchen  eingelagert  sei.  Auch  Künstler  will  sich  überzeugt 
haben ,  dass  der  Augenfleck  bei  Phacus  und  Trachelomonas  aus  zahl- 
reichen in  einer  Schicht  zu  dem  gekrümmten  Stigmenkörper  zusammen- 
gefügten Körnern  bestehe,  die  jedoch  nur  in  ihren  äusseren  Theilen  ge- 
färbt seien. 

Keine  sichere  Antwort  lässt  sich  bis  jetzt  auf  die  Frage  nach  der 
physiologischen  Bedeutung  der  Stigmen  geben.  Gegen  die  alte  Ehren- 
berg'sche  Deutung  derselben  als  lichtempfindlicher  Augenapparate,  haben 
sich  die  meisten  späteren  Beobachter  seit  Dujardin  mit  Entschiedenheit 
ausgesprochen.  Nur  Carter,  James-Clark  und  neuerdings  wieder  Künstler 
suchten  diese  Ansicht  zu  stützen  und  letzterer  glaubt  dieselbe  auf  Grund 
der  geschilderten  Zusammensetzung  des  Stigmas  aus  Körnchen,  sowie  wegen 
eines  linsenartigen  lichtbrechenden  Körpers,  den  er  bei  Phacus  dem  Stigma 
angelagert  fand,  erwiesen  zu  haben.  Auch  führt  er  zu  Gunsten  dieser 
Ansicht  an,  dass  die  Stigmen  bei  den  in  Dunkelheit  gehaltenen  Flagellaten 
schwinden,  eine  Angabe,  für  welche  weitere  Belege  in  der  Literatur  nicht 
vorhanden  zu  sein  scheinen. 

Was  man  jedoch  über  das  Verhalten  der  stigmenführenden  Flagellaten 
und  Zoosporen  gegen  das  Licht  weiss,  spricht  keineswegs  für  eine  der- 
artige Auffassung,  da  die  Untersuchungen  ergeben  haben,  dass  die  Stigmen- 


Stigmata  (feinerer  Bau,  physiol.  Bedeutung) ;  Tricbocysten.  737 

freien  und  die  mit  Augeufieck  versehcueu  Formen  in  dieser  Hinsicht  ganz 
übereinstimmen. 

Dazu  gesellt  sich  ferner  der  neuesten«  von  Engelmann  (200)  direct  er- 
brachte experimentelle  Nachweis,  dass  nicht  das  Stigma  der  Euglenen  die 
lichtempfindliche  Stelle  ist,  sondern  dass  dieselbe  etwas  vor  demselben  in  der 
farblosen  Körperspitze  ihren  Sitz  hat.  Auch  die  interessante  Thatsache, 
auf  welche  Klebs  hinwies,  dass  das  sogen.  Haematochrom  der  Augenflecke 
in  seinen  Reactiouen  mit  den  ähnlich  gefärbten  Pigmenten  der  Augen 
mancher  Metazoen  (so  Rotatorien  und  Copepoden,  wie  auch  den  gelben 
bis  rothen  Oelkugeln  in  den  Retinaelementen  zahlreicher  Wirbelthiere)  nahe 
übereinstimme,  deutet  in  der  gleichen  Richtung.  Da  nun  aber  diese 
Pigmente  wohl  sicherlich  eine  wesentliche  Bedeutung  im  lichtempfind- 
lichen Apparat  der  Metazoen  besitzen,  so  liegt  es  nicht  fern,  mit  Engel- 
mann und  Klebs  auch  dem  Augenfleck  der  Flagellaten  eine  Bedeutung 
bei  dem  Zustandekommen  der  Lichtempfindlichkeit  zu  vindiciren.  Jeden- 
falls jedoch  nicht  die  eines  selbst  empfindlichen  Theils,  so  wenig  wie  dies 
für  die  entsprechenden  Pigmente  im  Auge  der  höheren  Thiere  gewöhnlich 
angenommen  wird ;  sondern  am  ehesten  die  eines  mit  der  Erhaltung  der 
Lichtempfindlichkeit  zusammenhängenden  Bestandtheils. 

Immerhin  ist  die  weit  nach  hinten  gerückte  Lage  des  Stigmas  ge- 
wisser Chlamydomonaden  eine  so  eigenthümliche,  dass  es  schwer  ist,  sie 
selbst  mit  einer  solchen  Auffassung  in  Einklang  zu  setzen. 

Im  Anschluss  an  die  besprochenen  echten  Stigmabildungen  erwähnen 
wir  noch  gewisser  Einrichtungen  ungefärbter  Flagellaten,  die  sich  viel- 
leicht den  Stigmen  anschliessen  lassen.  Es  sind  dies  ähnlich  gestaltete 
und  gelagerte  kleine  Gebilde,  die  ziemlich  stark  lichtbrechend,  jedoch 
ungefärbt  erscheinen.  Bei  der  Gattung  Monas  findet  sich  ein  solcher 
strich-  bis  leistenartig  erscheinender  Körper  (sogen.  Mundleiste  Stein's), 
der  schief  auf  die  Basis  der  Geissein  gerichtet  ist  (T.  40,  13).  Auch 
Cyathomonas  (T.  45,  8  a)  besitzt  einen  ähnlichen,  parallel  dem  Vorderrand 
hinziehenden  Körper,  der  jedoch  nach  Bütschli  aus  einer  Reihe  Körnchen 
zusammengesetzt  ist.  Nicht  mit  Unrecht  scheint  Kent  auch  die  beiden 
dunklen  Körperchen,  welche  sich  häufig  bei  der  Astasia  Proteus  (T.  48, 
9b,  o)  dicht  hinter  der  Geisseibasis  finden,  hierher  zu  beziehen.  Wie 
gesagt  ist  es  wahrscheinlich,  dass  die  geschilderten  Gebilde  pigmentlosen 
Augenflecken  entsprechen  und  für  diese  Auffassung  lässt  sich  weiter  an- 
führen, dass  Pelletan  (204)  bei  Dinobryon  nicht  selten  ungefärbte  Augen- 
fleckbildungen  beobachtete. 

g)  Tricbocysten.  Es  ist  von  hohem  Interesse,  dass  sich  die 
eigenthümlichen,  bei  den  Infusorien  ziemlich  verbreiteten  Tricbocysten  bis 
jetzt  wenigstens  in  einem  Fall  auch  unter  den  Flagellaten  sicher  nach- 
weisen Hessen,  bei  der  Merotricha  semen  Ehrbg.  sp.  Hier  entdeckte  sie 
Ehrenberg  schon  im  Jahre  1853.  Erst  1879  wurden  sie  dann  von  Meresch- 
kowsky  wieder  aufgefunden,  der  auch  zuerst  ihre  von  Ehrenberg  zweifel- 
haft gelassene  Natur  erkannte  und  Stein  bestätigte  diese  Beobachtung  in 

Bi'onn,  Klassen  des  Thierreiehs.    Protozoa.  47 


738  Flagellata. 

seinem  bekannten  Werk.  Auch  hier  finden  sich  diese  Trichocysten  ent- 
sprechend ihrer  physiologischen  Leistung  in  der  peripherischen  Plasma- 
lage des  Körpers,  die  ja,  wie  schon  früher  erwähnt,  wohl  die  Bedeutung 
eines  Ectoplasmas  besitzt  (T.  48,  4).  —  Specielleres  über  ihren  Bau  und 
Verhalten  ist  nicht  bekannt;  dass  sie  jedoch  auch  hier  die  Fähigkeit 
besitzen,  zu  massig  langen  feinen  Fäden  auszuschuellen,  geht  aus  einer 
Abbildung  Stein's  deutlich  hervor,  welche  zahlreiche  Trichocysten  in 
feine,  über  die  Oberfläche  des  Thieres  frei  hervorragende  Fädchen 
verlängert  zeigt.  Ihre  Zahl  und  Vertheilung  über  den  Körper  der  Mero- 
tricha  schwankt  nach  Stein  sehr;  zuweilen  scheinen  sie  sich  auf  das 
Vorderendc  zu  beschräukcu,  gewöhnlich  jedoch  sind  sie  auch  über 
den  übrigen  Körper  unregelmässig  und  vereinzelt  vertheilt.  Treten  sie 
hier  reichlicher  auf,  so  zeigen  sie  zuweilen  eine  Tendenz,  sieh  in  Zügen 
zu  ordnen,  um  schliesslich  bei  besonders  reichlicher  Anwesenheit 
ziemlich  gleichmässig  über  die  gesammte  Oberfläche  verbreitet  zu  sein. 
Aus  den  Zeichnungen  Stein's  scheint  mir  jedoch  hervorzugehen,  dass  sich 
nur  die  des  Vordereudes  regelmässig  zu  einer  dichten  Lage  senkrecht 
zur  Oberfläche  gruppircn,  während  sie  am  übrigen  Körper  stets  der  Ober- 
fläche parallel  gelagert  sind.  Hieraus  darf  vielleicht  geschlossen  werden, 
dass  nur  die  ersteren  zur  Fuuctiouirung  bereit  sind,  während  die  der 
übrigen  Körperoberfläche  als  Ersatz   für  die  des  Vorderendes  dienen. 

Ob  die  von  Bütsclili  beobachtete  Erscheinung,  dass  sich  von  der  Köri^eroberiiäche 
der  mit  Essigsäure  getödtcten  Chilomonas  Paramaccium  zahlreiche  feine  trichocystenartige 
Fäden  allseitig  erheben,  gleichfalls  auf  Trichocysten  hinweist,  scheint  bis  jetzt  etwas  zweifel- 
haft, da  im  lebenden  Thier  nie  etwas  von  dergleichen  Gebilden  beobachtet  wurde.  Dasselbe 
Phänomen  tritt  nach  Künstler  unter  den  gleichen  Bedingungen  auch  bei  Cryptomonas  auf  und 
die  hervorgeschossenen  Fäden  erreichen  hier  zum  Theil  die  zehnfache  Körperlänge.  Auch 
Künstler  ist  geneigt,  den  Fäden  die  Bedeutung  von  Trichocysten  zuzuschreiben.  Obgleich  er 
sich  sehr  dagegen  verwahrt,  dass  die  von  ihm  beschriebenen  zarten  Geissein,  welche  sich 
neben  den  beiden  früher  geschilderten  au  dem  Peristom  unserer  beiden  Gattungen  finden 
sollen,  etwa  derartige  Fäden  gewesen  seien,  so  möchte  ich  dies  dennoch  für  sehr  wahrschein- 
lich halten.  Diese  accessorischen  Geissein,  welche  Künstler  als  nahrungsergreifende  betrachtet, 
lionnte  er  bis  jetzt  nur  nach  Einwirkung  von  Eeagentien ,  dagegen  nie  im  lebenden  Zustand 
wahrnehmen  und,  wie  es  scheint,  stammt  die  Künstler 'sehe  Beschreibung  derselben  aus  einer 
Zeit,  wo  er  das  eben  beschriebene  Phänomen  der  Filameutentwicklung  noch  nicht  kannte. 

Zweifelhaft  erscheinen  auch  bis  jetzt  noch  die  feinen  stäbchen- 
artigen Gebilde,  welche  Grassi  (192)  in  sehr  verschiedener  Zahl  in  der 
l)eripberischen  Körperschicht  der  von  ihm  entdeckten  Polymastix  melo- 
lonthae  auffand.  Dieselben  liegen  stets  parallel  der  Längsaxe  der  Flagel- 
late.  Künstler  (191)  erklärt  dieselben  neuerdings  für  Rippen  der  Körper- 
oberfläche, welche  unter  einander  mehr  oder  weniger  anastomosiren  sollen, 
doch  war  ihm  die  Auffassung  Grassi's  unbekannt.  Dass  es  sich  hier 
gleichfalls  um  trichocystenartige  Gebilde  handeln  dürfte,  wie  Grassi  ver- 
muthete,  scheint  nicht  so  unwahrscheinlich,  da  man  häufig  von  den  ver- 
schiedensten Stellen  der  Oberfläche  der  Polymastix  feine  faden-  bis 
stäbchenartige  Gebilde  frei  und  in  sehr  verschiedener  Zahl  entspringen 
siebt,    welche   möglicherweise   als   ausgeschnellte  Trichocysten  betrachtet 


Ti'ichocysten ;  Fetteinschlusse ;  Excretkörnchen.  739 

werden  könuteu.  KüusÜcr  gibt  zwar  au,  dass  diese  Fädeu  eiue  bestän- 
dige zitternde  lieweguug  besitzen ,  scheint  dieselbe  jedoch  selbst  nicht 
für  eine  wirklich  active  zu  halten. 

h)  Verschiedenartige   weitere  Einschlüsse    des  Plasmas. 

1)  Fett.  Abgesehen  von  den  pigmentirten  Fetteinschlüssen  des 
Plasmas  wurde  bis  jetzt  auf  das  Vorkommen  ungefärbten  Fettes  nur 
wenig  geachtet j  obgleich  ja  auch  der  Flagellatenkörper  solches  gewiss 
häufig  enthalten  wird.  Einen  grösseren  scheibenförmigen,  ungefärbten 
Körper  von  fettartigem  Aussehen  beobachtete  Stein  häufig  im  Hinterende 
von  Dinobryon  und  Uroglena*).  Zahlreiche  bläulichweisse  Fettkügelchen 
fand  er  zuweilen  bei  Zygoselmis  und  die  marine  Gattung  Oxyrrhis  ent- 
hält bei  günstigen  Ernährungsverhältnissen  gewöhnlich  eine  beträchtliche 
Anzahl  Fetttropfen.  Die  beweglichen  Euglenen  scheinen  nach  den 
Erfahrungen  von  Klebs  im  Allgemeinen  sehr  wenig  Fett  zu  führen. 
Reichlicher  tritt  dasselbe  in  den  encystirten  Dauerzuständen  auf.  Wie 
gesagt,  dürften  sich  noch  bei  zahlreichen  Formen  unter  den  mannigfachen 
Granulationen  des  Plasmas  Fettpartikel  finden,  doch  fehlen  bis  jetzt 
sichere  Angaben  hierüber. 

2)  Excretkörnchen  und  Einschlüsse  zweifelhafter  Natur.  Excret- 
körnchen finden  sich  ebenfalls  zuweilen  sicher  vor,  doch  ist  auch  auf 
sie  bis  jetzt  zu  wenig  geachtet  worden,  um  ihre  wahrscheinlich  sehr 
allgemeine  Verbreitung  erweisen  zu  können.  Bei  grösseren  Formen,  wie 
Peranema,  Anisonema  und  Entosiphon  hat  Bütschli  ihre  Gegenwart  con- 
statirt;  namentlich  im  Hinterende  häufen  sie  sich  gewöhnlich  an**).  Auch 
bei  Chilomonas  beobachtete  derselbe  häufig  einige  grössere  längliche  Körn- 
chen von  ähnlichem  Aussehen  in  der  Schhmdgegend  und  vielleicht  gehören 
auch  die  bräunlichen  kleinen  Körnchen  hierher,  welche  man  bei  dieser 
Gattung  nach  Zerstörung  der  Amylumkörner  durch  Schwefelsäure  beob- 
achtet. Vermuthungsweise  möchte  ich  weiterhin  auch  die  zahlreichen  kleinen 
Körnchen  hierherziehen,  welche  sich  so  reichlich  in  der  äussersten  Plasma- 
schicht der  Monas  vivipara  finden  und  zuweilen  deutlich  etwas  über  die 
Oberfläche  vorspringen.  Es  sind  dies  jene  Körnchen,  welche  Ehrenberg 
seiner  Zeit  wegen  ihrer  „zitternden  und  langsam  hin-  und  hergleitenden 
Bewegung"  (Stein)  für  Embryonen  hielt  Kent  beschreibt  sie  als  hellröth- 
lich  und  möchte  sie  daher  den  Augenfleckbildungen  zurechnen.  Auch  der 
von  Klebs  bei  der  Euglena  sanguinea  zuweilen  beobachteten  kleinen  Kry- 
stalle  von  oblonger  bis  quadratischer  Tafelforra,  die  sich  in  Kali,  Essig-, 
Salz-  und  Schwefelsäure  nicht  lösen,  sei  hier  einstweilen  gedacht. 


■■''■)  Anderer  Natur  dagegen  scheint  der  blasse  scheibenförmige  Körper  im  Hinterende  von 
Atractonema  zu  sein  und  ebenso  der  zuweilen  bei  Sphenomonas  beobachtete  ansehnliche, 
blasse,  gallertartige  Körper. 

**)  Klebs  hält  die  von  mir  ))ei  Peranema  beschriebnen  Excretkörnchen  grossentheils 
für  Zersetzungsproducte  der  chlorophyllhaltigen  Nahrung,  wogegen  ich  betonen  uiiiss,  dass 
dies  für  die  von  mir  beschriebnen  Körnclieu  sicher  nicht  zulässig  ist. 

47* 


740  Flagellata. 


F.   Die  Nuclei. 


Nach  meiner  Ansicht  kann  es  keiner  Frage  mehr  unterliegen,  dass 
ein  Zellkern  den  Flagellaten  ganz  allgemein  zukommt.  Sogen.  Moneren 
finden  sich  hier  nicht,  und  wenn  auch  für  einige  wenige  Formen  der 
Nachweis  des  Zellkerns  noch  fehlt,  so  sind  dies  entweder  solche,  deren 
Untersuchung  überhaupt  bis  jetzt  mangelhaft  blieb,  oder  deren  Kleinheit 
die  Beobachtung  erschwerte.  Wir  wollen  daher  auch  nicht  auf  eine  spe- 
ciellere  Aufzählung  derselben  eingehen. 

Bezüglich  der  Zahl  der  Nuclei  fällt  zunächst  auf,  dass  dieselbe 
fast  nie  die  Einzahl  übersteigt.  Der  einzige  sichere  Ausnahmefall  wurde 
von  Bütschli  bei  Trepomonas  beobachtet,  wo  sich  gelegentlich  zwei  Kerne 
fanden. 

Kecht  verschieden  ist  die  Lagerung  des  Kernes  im  Körper.  Zunächst 
ist  zu  betonen ,  dass  dieselbe  fast  immer  eine  ganz  constante  zu  sein 
scheint.  Nur  bei  einem  Theil  der  Rhizomastigodeu  wird  wohl  der  Kern 
ähnlich  wie  bei  vielen  Amöben  mit  den  Plasmaströmen  umhergeführt.  Die 
Ursache  dieser  coustanten  Lage  des  Kernes,  welche  selbst  da  manchmal 
beobachtet  werden  kann,  wo  der  Körper  amöboid  ist  (Mastigamoeba  aspera) 
oder  wo  wie  bei  Trepomonas  eine  deutliche  Plasraacirculation  stattfindet, 
lässt  sich  für  unsere  kleinen  Flagellaten  durch  directe  Beobachtung  nur 
schwierig  erklären.  Jedenfalls  müssen  wir  annehmen ,  dass  der  Kern 
häufig  durch  eine  etwas  festere  Plasmapartie  in  seiner  Lage  erhalten  wird, 
resp.  dass  er  mit  dem  festeren  Ectoplasma,  wo  ein  solches  vorhanden,  in 
Verbindung  steht  Anderseits  dürfte  sich  jedoch  auch  die  constante  Lage 
des  Kernes  bei  nicht  wenigen  Flagellaten  einfach  dadurch  erklären,  dass 
überhaupt  keine  Verschiebungen  im  Plasmaleib  stattfinden.  Im  Speciellen 
finden  wir  Beispiele  für  alle  möglichen  Lagerungsverhältuisse  des  Kerns. 
Bei  zahlreichen  Formen  treffen  wir  ihn  ziemlich  im  Mittelpunkt  des  Kör- 
pers oder  diesem  doch  sehr  genähert ;  häutig  rückt  er  jedoch  auch  in  die 
vordere  Körperhälfte,  ja  zuweilen  ziemlich  dicht  an  die  Basis  der  Geissein 
heran.  Etwas  weniger  häufig  dagegen  lagert  er  sich  in  die  hintere 
Körperhälfte  ein.  Bei  Formen  mit  einer  Neigung  zu  asymmetrischer  Bil- 
dung nimmt  häufig  auch  der  Kern  eine  asymmetrische  Stellung  an ,  in- 
dem er  aus  der  Mittellinie  heraus  und  einer  Körperseite  näher  rückt. 

Sehr  einförmig  sind  im  Ganzen  die  Bauverhältnisse  der  Kerne.  Die 
meisten  Formen  und  speciell  die  kleineren  besitzen  fast  stets  einen  exquisit 
bläschenförmigen,  kugligen  Nucleus,  welcher  nach  Behandlung  mit  Reagen- 
tien  eine  deutliche  und  meist  ziemlich  dicke,  dunkle  Kernhülle  zeigt,  in 
deren  hellem  Inhalt  sich  ein  mehr  oder  minder  ansehnlicher,  dunkler 
kugliger  Nucleolus  findet.  Eine  besondre  Structur  verräth  dieser  Nucleolus 
fast  nie.  Nur  bei  der  grossen  Mastigamoeba  aspera  (T.  39 ,  9)  beob- 
achtete F.  E.  Schulze  in  dem  ansehnlichen  Kernkörper  zahlreiche  helle 
Flecke  und  konnte  auch  deutliche ,  wenngleich  wenig  energische 
Gestaltsveränderungen   desselben   wahrnehmen.     Die   helle  Zone,    welche 


Niiclci  (Zahl,  Lage  ii.  Hau).  741 

diesen  Kcrnkörper  umgibt  und  die  wohl  der  mit  Kernsai't  gefüllten 
Höhle  der  übrigen  bläschenförmigen  Kerne  entsprechen  dih-ftc,  zeigt  hier 
seltsamer  Weise  eine  zAigespitzte  Verlängerung,  welche  sich  bis  zur  Geissei- 
basis erstreckt,  hinter  welcher  der  Kern  stets  in  geringer  Entfernimg  lagert. 

Bei  einigen  kleinen  Formen  (Trichomonas,  Hexamitus  und  Trepo- 
monas)  zeichnet  Stein  den  Kern  als  ein  kleines  rundes  dunkles  Körper- 
chen, also  etwa  wie  den  Nucleolus  des  gewöhnlichen  bläschenförmigen 
Kernes  und  Blochmann  bestätigte  dies  für  Trichomonas.  Auch  ich  sah 
bei  Trepomonas  gewöhnlich  einen  solchen  Kern ,  da  aber  zuweilen  den- 
noch ein  schmaler  heller  Hof  ihn  umzieht,  so  vermuthe  ich,  dass  der 
Kernbau  im  Wesentlichen  auch  hier  ein  bläschenförmiger  ist,  nur  mit 
relativ  sehr  ansehnlichem  Nucleolus,  resp.  sehr  spärlicher  Kernsaftzone. 
Aehnlich  fand  ich  auch  den  Bau  des  Kernes  bei  Hexamitus  inflatus. 

Gewöhnlich  zeigt  die  helle  Kernsaftzone  der  erwähnten  bläschen- 
förmigen Nuclei  auch  bei  Behandlung  mit  Reagentien  nichts  von  feineren 
Structurverhältuissen.  Die  einzige  Ausnahme  bildet  bis  jetzt  die  Monas 
vivipara  (T.  40,  13  c).  Hier  sah  ich  den  Nucleolus  von  einer  etwas  kno- 
tigen und  wahrscheinlich  netzigen  Hülle  umschlossen,  von  welcher  feine 
Fädchen  zur  Kernhülle  ausstrahlten. 

Eine  Weiterbildung  dieses  Zustandes  mit  rudimentärem  Kernnetz 
stellen  wohl  gewisse  Kernbildungen  dar,  welche  unter  den  Euglenoidinen 
sehr  verbreitet  sind  und  die  sich  dem  Hauptkerne  mancher  Ciliaten  anreihen. 

Der  Charakter  dieser  Kerne,  welche  gewöhnlich  eine  mehr  ovale  Ge- 
stalt besitzen,  besteht  zunächst  dario ,  dass  der  Nucleolus  im  Verhältniss 
zu  dem  gesammten  Kernvolum  relativ  viel  kleiner  ist,  ferner  namentlich 
darin,  dass  zwischen  ihm  und  der  Kernhülle,  nach  Anwendung  von  Ge- 
rinnungsmitteln eine  meist  sehr  fein  granulirte,  seltner  etwas  grobkörnigere 
und  gut  tingirbare  Substanz  auftritt.  Auch  im  frischen  Zustand  zeigen 
diese  Kerne  häufig  schon  ziemlich  deutliche  Spuren  dieser  Substanz. 
Klebs  gelang  es  dann  neuerdings,  eine  verschlungen -fadige  oder 
netzige  Structur  dieser  Gerüstsubstanz  der  Euglenen  nachzuweisen.  Nach 
Behandlung  mit  Reagentien  sieht  man  auch  bei  diesen  Kernen  um 
den  Nucleolus  gewöhnlich  noch  eine  lichte  Zone,  worauf  erst  die  granu- 
lirte Gerüstsubstanz  beginnt,  deren  Grenze  gegen  diese  Zone  häufig- 
etwas  dichter  und  dunkler  erscheint.  Der  Nucleolus  erscheint  zwar 
auch  hier  gewöhnlich  ganz  homogen,  zuweilen  tritt  jedoch  in  ihm 
auch  ein  heller  vacuolenartiger  Fleck  auf  (Urceolus,  Astasiopsis  jBütschli]*) 
T.  47,  5  a  und  4  b).  Als  seltner  Fall  ist  schliesslich  noch  zu  erwäh- 
nen, dass  Klebs  bei  der  Euglena  sanguinea  im  Kern  4  —  5.  dich- 
tere, nucleolusartige  Massen  beobachtete.  Wie  gesagt,  ist  es  sehr  wahr- 
scheinlich, dass  die  soeben  geschilderten  Kernformen  nur  weitere  Ent- 
wicklungszustände  der  gewöhnlichen  bläschenförmigen  Kerne  sind.     Dies 


*)  Ich  habe  oben  p.  701  für  diese  Formen  den  ursprünglich  für  eine  derselben  von 
Dujardin  gebrauchten  Namen  „Cyclidium"  verwerthet,  derselbe  ist  jedoch  von  Elirenberg  schon 
einer  Ciliate  gegeben  worden. 


742  Flagellata. 

scheint  namentlich  auch  daraus  hervorzugehen,  dass  bei  gewissen  Formen 
(Petalomonas  abscyssa)  zuweilen  Kerne  der  ersten,    zuweilen   solche   der 
zweiten  Art  angetroffen  werden.    Auch  Anisonema  grande  zeigt  vielleicht 
einen   solchen    Wechsel,    da  ihr   Stein   deutlich    einen    bläschenförmigen 
Kern  zeichnet,  wogegen  ich  einen  granulirten,  nucleolusfreien  beobachtete. 
Es  scheint  nämlich  sicher,  dass  schliesslich  noch  bei  manchen  Formen 
Kerne  vorkommen,  welchen  ein  Nucleolus  ganz  fehlt  und  deren  Substanz 
durchaus  von  der  geschilderten  granulirten,  resp.  netzigen  Masse  gebildet 
wird.   So  fand  ich  wenigstens  die  Kerne  gewöhnlich  bei  Phacus  und  Aniso- 
nema, Klebs  neuestens  bei  Euglena  Ehrenbergii.  Auch  die  interessante  Oxyr-  . 
rhis  besitzt  nach  den  Untersuchungen  Blochmann's  einen  derartigen  Nucleus. 
Hiermit  hätten  wir  das  Wenige,  was  bis  jetzt  über  den  feineren  Bau 
der  Flagellatenkerne  bekannt  ist,  erschöpft  und  reihen  hieran  gleich  einige 
Bemerkungen  über  ihren   Theilungsvorgang.     Wie  zu  erwarten ,   ist  hier- 
über bis  jetzt  noch  weniger  bekannt,  immerhin  jedoch  soviel,  dass  dieser 
Vorgang    sich   im   AVesentlichen   den   genauer   erforschten   Kerntheilungs- 
processen  anreihen  lässt.   Wenn  wir  die  heute  ziemlich  allgemein  adoptirte 
Unterscheidung   der  Kerntheilungsvorgänge   in   directe   und   indirecte  auf 
unsere   Flagellaten    anzuwenden    versuchen,    so    gerathen   wir   in    einige 
Schwierigkeit,     welcher     der     beiden     Kategorien     wir    die    Vorgänge 
unterordnen   dürfen.     Gesicherte   Beobachtungen    der  Kerntheilung  mach- 
ten    bis  jetzt    hauptsächlich     Bütschli    und    Stein.      Der    letztere    stellt 
die   Theilung    für     eine   ganze    Reihe    bläschenförmiger    Kerne    in    einer 
Weise   dar,    die   sich   ganz   dem   früher   adoptirten   Schema  der  directen 
Kerntheilung   anschliessf.      Kern   sammt  Nucleolus    strecken    sich   in    die 
Länge,   werden    zuerst   oval,   hierauf  bandförmig,   schliesslich  durch  eine 
mittlere  Einschnürung  bisquitförmig,  worauf  sich  der  Zerfall  in  zwei  Kerne 
vollzieht,    dessen   nähere   Details  jedoch   aus   den   Abbildungen    nicht  zu 
entnehmen    sind.     Das   was  Bütschli   über   die  Theilung   der  bläschenför- 
migen Kerne   bei  Entosiphou    beobachtete,  schliesst   sich  im  Allgemeinen 
innig    an    die   Darstellung   Stein's    an,    lässt  jedoch  erkennen,    dass  der 
Theilungsact      deutliche    Anklänge    an    die    indirecte  Kerntheilung   dar- 
bietet.   Hiernach  zeigt  sich  nämlich  der  Nucleolus  auf  dem  bandförmigen 
Stadium   deutlich   aufgelöst  in   eine  Anzahl  der  Kernaxe  paralleler  feiner 
Fasern,     deren    Enden    dunkler    und    verdickt    erscheinen,     also    wahr- 
scheinlich  den   Chroraatinelementen   einer    schon    getheilten    und    in   die 
beiden     Kernpole     gerückten     Kernplatte     entsprechen     dürften.       Aehn- 
liches  wurde  später  auch   auf  dem  entsprechenden  Theilungsstadium  von 
Chilomonas  beobachtet.     Auf    dem    nächsten   Stadium,    das    schon    eine 
bisquitförmige    Einschnürung    zeigte,    war    dagegen    die    streifige    Diffe- 
renzirung    nicht   mehr   deutlich    (T.   46,    9),     Neuere   Beobachtungen   an 
Chilomonas  lehrten,  dass  auf  dieses  Stadium,  ähnlich  wie  bei  der  Theilung 
der  Nebenkerne  der  Ciliaten  ein  weiteres  folgt,  wo  die  beiden  neuen  Kerne 
sich   schon  deutlich  abgerundet  und  bläschenförmig,   sowie  weit  getrennt 
vorfinden,  jedoch  noch  durch  einen  feinen  dunklen  Verbindungsfaden,  der 


Nuclci  (Bau  u.  Tliciluiig)_  74o 

zwischen  den  Kernhülien  ausgespannt  ist,  vereinigt  sind*).  Schliesslich 
wird  auch  dieser  einreissen  und  schwinden.  Erwähn enswerth  ist  noch, 
dass  die  Kernhülle  während  dieser  Theilungsvorgänge  stets  deut- 
lich sichtbar  ist.  Gelegentliche  neue  Beobachtungen  an  Euglena  viri- 
dis zeigten  mir,  dass  bei  der  Kerntheilung  eine  deutliche  Spindel  mit 
zarter  Kernplatte  auftritt  und  Blochmann's  Beobachtungen  über  die 
Theilungsvorgänge  der  Oxja-rhis  erweisen  gleichfalls  eine  Kerntheilung 
mit  längsstreifiger  Differenzirung.  Aus  diesen  Erfahrungen  dürfen  wir 
daher  schliessen,  dass  die  Kerntheilung  unserer  Flagellaten  sich  der 
sogen,  indirecten  Kerntheilung  im  Allgemeinen  anschliesst. 

Weiterliin  scheint  mir  jedoch  aus  diesen  Beobachtungen  sicher  licrvorzugchen,  dass  die 
Darstellungen,  welche  Dallinger  und  Drysdale  von  der  Kerntheilung  gewisser  Flagellaten 
gaben,  irrthümliche  sind.  Bei  Tetramitus  und  der  eigcnthiinilichcn  Dallingeria  wollen  sie 
eine  einfache  Durchschnürung  des  Kernes,  ohne  vorhergehende  Längsstreckung  desselben 
beobachtet  liaben  ,  wobei  die  Durchschnürung  des  Zclli^Iasmas  nahezu  gleichzeitig  mit  der 
des  Kernes  geschehe.  Bei  der  sogen,  „springing  nionad"  dagegen  (wahrscheinlich  ==  Bodo 
saltans  [Ehrbg.]  Stein)  soll  der  neue  Kern  überhaupt  nicht  durch  Theilung  des  alten  ent- 
stehen, sondern  dicht  neben  diesem  als  ein  sehr  kleines,  allmählich  zu  der  Grösse  des 
alten  Kernes  heranwachsendes  Körperchen  auftreten ,  das  jedoch  seltsamer  Weise  mit 
dem  alten  Kerne  durch  ein  feines  Fädchcn  verbunden  sei.  Wie  gesagt,  halten  wir  diese 
Beobachtungen  nicht  für  gesichert  und  werden  darin  noch  durch  den  Umstand  bestärkt, 
dass  die  Darstellungen .  welche  die  englischen  Forscher  von  dem  Bau  des  Kernes  geben, 
mehrfach  sehr  ungenau  sind  und  dass  sie  ihn  andrerseits  auch  bei  einigen  Formen  gar 
nicht  beobachteten.  Auch  bei  S.  Kent  finden  wir  keine  genaueren  Beobachtungen  über  die 
Kerntheilung,  nur  bei  einer  Oikomonas  wird  dieselbe  (T.  1;!,  Fig.  Ol)  dargestellt,  doch  in 
einer  Weise,  die  ich  nicht  für  richtig  halten  kann,  wenngleich  sie  sich  unseren  obigen  Schil- 
derungen näher  anschliesst  als  die  Angaben  Dallinger 's  und  Drysdale 's. 

Zum  Beschlüsse  unserer  Besprechung  der  Kernverhältnisse  müssen  wir  noch  kurz  der 
eigenthümlichen  und  sehr  abweichenden  Ansichten  gedenken,  welche  Künstler  (190)  neuestens 
über  den  Bau  und  die  Bedeutung  des  Nuclcus  der  Cryptomonas  entwickelte.  Derselbe  besitzt 
nach  ihm  nicht  einen  einfachen  ansehnlichen  Nucleolus,  wie  dies  frühere  Forscher  allgemein 
fanden,  sondern  zahlreiche  kleine,  welche  in  eine  feinvacuoläre  plasmatische  Masse,  die  eigent- 
liche Kernsubstanz  eingebettet  sind.  Diese  Nucleoli  seien  weiter  dadurch  ausgezeichnet, 
dass  sie  sich  durch  Theilung  vermehren.  Als  ganz  besondere  Einenthümlichkeit,  von 
welcher  bis  jetzt  kein  anderer  Forscher  bei  irgend  einem  Flagellaten  etwas  sah,  beschreibt  K. 
einen  Kanal ,  der  von  dem  Kern  entspringend  bis  zum  sogen.  Peristom  der  Cryptomonas  zu 
verfolgen  sei  und  hier  etwas  dorsalwärts  von  der  Mundötfnung  ausmünde.  Etwa  in  der 
Mitte  seines  Verlaufes  besitze  dieser  Ausführungsiiang  eine  Anschwellung,  welche  bei 
der  gleich  zu  erwähnenden,  vom  Kern  ausgehenden  Fortpflanzung  als  eine  Art  Uterus  func- 
tionire.  Ausserdem  glaubt  sich  unser  Forscher  noch  von  der  Gegenwart  eines  zweiten 
kernartigen  plasmatischen  Körpers  überzeugt  zu  haben ,  der  dicht  neben  und  etwas  nach  hin- 
ten von  dem  ersteren  liege  und  gleichfalls  einen  ähnlichen  Ausführgang  besitze,  der  direct 
neben  dem  des  eigentlichen  Kernes  münde. 

Künstler  ist  nun  überzeugt,  dass  der  Kern  das  Fortpflanzungsorgan  der  Cryptomonas  sei, 
und  zwar  functionire  er  hierbei  in  der  Weise,  dass  sich  von  seiner  Masse  kleine  Knospen,  die 
je  einen  Nucleolus  enthielten,  abschnürten  und  in  den  Ausführgang  gelangten.  In  dessen  er- 
weitertem sogen.  Uterus  finde  man  häufig  bis  vier  solcher  Jungen.  Dieselben  entwickelten  sich 
hier  weiter,  indem  sie  wüchsen  und  allmählich  die  Organisationsbestandtheile  der  Cryptomonas 


*)  Einen  solchen  Zustand  scheinen  auch  schon  Dallinger  und  Drysdale  bei  ihrer  sogen, 
„springing  monad"  (wahrscheinl.  =  Bodo  saltans)  gesehen  zu  haben  (145,  T.  41,  Fig.  8). 


744  Flagellata. 

erlangten.  Der  Nucleolus  werde  zu  dem  ihres  Kernes,  indem  er  sich  mit  einer  Plasmalage 
umhülle,  der  eigentlichen  Kernsubstanz.  Wenn  diese  Sprösslinge  eine  gewisse  Entwicklungs- 
stufe erreicht  haben,  werden  sie  durch  die  Mündung  dieses  Kernkanals  ins  P'reie  geboren,  als 
noch  farblose,  jedoch  schon  mit  den  beiden  Geissein  versehene  Junge. 

In  dem  zweiten  kernartigen  Köri^er  glaubt  K.  entweder  ein  Excretionsorgau  oder,  was 
ihm  wahrscheinlicher  dünkt,  ein  männliches  Organ  im  Gegensatz  zu  dem  weiblichen  Kern  er- 
blicken zu  dürfen,  worin  ihn  namentlich  bestärkt,  dass  er  zuweilen  zwei  Individuen  mit  ihren 
Mundenden  vereinigt  herumschwimmen  sah ,  worin  er  denn  Begattungszustände  vermuthet. 
Dieselben  Fortpflanzungserscheinungen  will  Künstler  auch,  wenngleich  nicht  so  ausführlich,  ))ei 
dem  Chilomonas  Paramaecium  beobachtet  haben. 

Eine  eingehende  Kritik  dieser  von  allem  Bekannten  so  total  abweichenden  Darstellungen 
wird  sich  nur  an  der  Hand  controlirender  neuer  Beobachtungen  ausführen  lassen,  dennoch 
dürfen  wir  hier  unsere  üeberzeugung  aussprechen,  dass  erneute  Untersuchungen  sicherlich  die 
ünhaltbarkeit  der  meisten  Angaben  Künstler's  darlegen  werden  und  dass  weiterhin  auch  in 
der  Abtheilung  der  Flagellaten  der  Kern  nicht  das  Fortpflanzungsorgan  ist,  wozu  ihn  Stein 
auf  Grund  irrthümlicher  Beobachtungen  gleichfalls  stempeln  wollte.  Auch  Balbiani  (199)  hat 
sich  schon  sehr  zweifelnd  über  die  Künstler'schen  Untersuchungen  geäussert  und  wir  schliessen 
uns  ihm  darin  vollständig  an. 

G.  Fortpflanzung. 

Der  bis  jetzt  allein  mit  Sicherheit  erwiesene  Vermehrungsvorgang  der 
Flagellaten  ist  stets  ein  Theilnngsprocess,  wie  dies  ja  für  die  Protozoen 
fast  durchaus  gültig  ist.  Die  später  zu  besprechenden  Mittheilungen  über 
innere  Keimbildung  gewisser  Formen  erscheinen  bis  jetzt  theils  noch  un- 
sicher, theils  entschieden  unrichtig.  Auch  die  Erzeugung  sehr  zahlreicher 
kleiner  sporenartiger  Körperchen,  wie  sie  von  einigen  Beobachtern  bei 
wenigen  Flagellaten  beschrieben  wird,  dürfte  sich,  wenn  wirklich  begrün- 
det, auf  Theilungsprocesse  zurückführen  lassen,  da  üebergangsstufen 
zwischen  Theilung  in  eine  geringere  Zahl  von  Sprösslingen  und  in  sehr 
zahlreiche  kleine,  welche  zu  derartigen  Sporen  überzuleiten  scheinen, 
beobachtet  worden  sind. 

Der  Theilungsact  kann  jedoch  bei  den  Flagellaten  in  recht  verschie- 
denen Weisen  verlaufen  und  zwar  können  wir  zunächst  unterscheiden 
zwischen  1)  der  Theilung  im  freibeweglichen  Zustand  und  2)  der  Thei- 
lung im  ruhenden  Zustand,  wobei  gewöhnlich  eine  Encystirung  die 
Ruhe  bedingt.  —  Diese  beiden  Theilungsarten  sind  jedoch  keineswegs 
etwa  auf  verschiedene  Formen  beschränkt,  sondern  finden  sich  häufig  bei 
denselben  Formen  vor,  d.  h.  nachdem  dieselben  sich  eine  gewisse  Zeit 
lang  durch  Theilung  im  beweglichen  Zustand  vermehrten,  tritt  unter  ge- 
wissen Bedingungen  ein  Ruhezustand  auf,  welcher  nicht  selten  ebenfalls  mit 
Vermehrung  verbunden  ist.  Häufig,  jedoch  nicht  immer,  wird  dieser  Ruhe- 
zustand durch  einen  Copulationsact  zweier  (selten  mehrerer)  Individuen 
eingeleitet,  doch  scheint  vielfach,  wenigstens  bei  den  niederen  Formen 
die  Copulation  nur  eine  facultative  zu  sein,  während  sie  allmählich 
bei  höheren  Gruppen  zu  einem  mit  Regelmässigkeit  in  den  Ver- 
mehrungsvorgang eingeschalteten  Act  wird  und  schliesslich  durch  Diffe- 
renzirung  der  sich  copulirenden,  besonders  ausgezeichneten  Individuen  in 


FortiJtianzung-  (Zweitheilun;;-  im   bewcgl.  Zustand).  745 

spermoide  uud  ovoide*)  sich  zu  einer  directen  Vorstufe  der  geschlecht- 
lichen Fortpflanzung-  der  höheren  Cryptogamen  und  der  Metazoen  erhebt. 
Diese  besondere  Bedeutung  der  Copulationserscheinungen  unter  den  Fla- 
gellaten  macht  erforderlich,  dass  wir  ihnen  später  einen  besonderen  Ab- 
schnitt widmen  und  hier  zunächst  die  einfachen  Veruiehrungsprocessc 
durch  Theilung  betrachten,  indem  wir  einstweilen  von  der  Frage  absehen, 
inwiefern  dieselben  etwa  durch  vorhergegangene  Copulation  bedingt,  resj). 
unterstützt  worden  sind. 

Naturgemäss  beginnen  wir  unsere  Betrachtung  mit  den 
a)  Theilnngsvorgängen  im  beweglichen  Zustand, 
1)  Einfache  Zweitheilung  und  feinere  Vorgänge  bei  der  Thei- 
lung überhaupt.  Da  der  bewegliche  Zustand  unserer  Flagellaten  selbst  ein 
etwas  verschiedener  sein  kann,  so  muss  auch  der  Theilungsprocess  hierdurch 
beeiuflusst  werden  und  wir  könnten  hiernach  unterscheiden  1)  Theilung  im 
normalen  durch  Geissein  bewegten  Zustand,  2)  im  geissellosen  Zustand, 
welcher  durch  Verlust  der  Geissein  entstand,  ohne  Rücksicht  darauf,  ob 
die  betreffende  Form  dann  noch  beweglich  oder  bei  mangelnder  Con- 
tractilität  unbeweglich  ist  und  3)  Theilung  im  amöboiden  geissellosen  Zu- 
stand, welchen  ja  gewisse  Formen  häufig  annehmen. 

Unter  diesen  Theilungsmodi  ist  der  ersterwähnte  der  gewöhnliche, 
der  zweite  dagegen  selten  beobachtet  worden ;  die  Euglenen,  welche  ja 
ihre  Geissei  leicht  abwerfen,  Hessen  ihn  gelegentlich  wahrnehmen, 
weiterhin  die  nahe  verwandte  Gattung  Colacium,  welche  sich  regelmässig 
im  geissellosen  Zustand  vermehrt,  und  ähnlich  verhält  sich  die  zu  den 
Chlamydomonadinen  gehörige  Gattung  Chlorangium.  Dagegen  wurde  die 
Theilung  im  amöboiden  geissellosen  Zustand  bis  jetzt  nur  von  Cieukowsky 
bei  Ciliophrys  constatirt,  wobei  die  beiden  Theilsprösslinge  in  den  Fla- 
gellatenzustand  übergehen.  Bei  dieser  Gelegenheit  bemerken  wir  gleich, 
dass  diese  Erfahrung  das  Einzige  ist,  was  wir  bis  jetzt  von  dem  Fort- 
pflanzungsprocess  der  Rhizomastigoda  kennen. 

Da  die  Theilungserscheinungen  im  normalen  und  die  im  geissellosen 
Zustande  keine  tiefergreifenden  Unterschiede  zeigen,  so  können  wir  die- 
selben gemeinsam  erörtern. 

Die  Theilung  ist  entweder  eine  einfache  Längs-  oder  Quertheilung, 
zwischen  welcher  sich  jedoch  auch  Uebergänge .  finden ,  bei  welchen  die 
Theilungsebene  mehr  oder  minder  schief  zur  Körperaxe  verläuft.  Da- 
gegen scheint  es  in  hohem  Maasse  zweifelhaft,  ob  sich  im  nichtencystirten 
Zustande  gelegentlich  auch  eine  simultane  Theilung  in  eine  grössere  Zahl 
von  Sprösslingen  finde. 


*)  Wir  wollen  uns  dieser  Ausdrücke  für  die  ditlierenzirten  Copulationsindividuen  bedienen, 
dagegen  die  Bezeichnungen  weiblicbe  und  männliche  Individuen  vermeiden,  da  die  Copulations- 
individuen der  Protozoen  weder  morphologisch  noch  physiologisch  den  weiblichen  und  männ- 
lichen Individuen  der  Metazoen  vergleichbar  sind,  sondern  den  Geschlechtsproducten  derselben. 
Wir  verwerthen  für  zur  Copulation  bestimmte  Individuen  gelegentlich  auch  die  Bezeichnung 
..Gameten",  deren  sich  die  Botaniker  gewöhnlich  bedienen. 


746  Flagellata. 

Im  Allgemeinen  herrscht  ganz  entschieden  die  Längstheilung  vor, 
doch  wurden  anch  ganz  sichere  Fälle  von  Quertheilung  beobachtet,  wenn- 
gleich eine  Anzahl  der  angeblichen  Quertheilungszustände  sicherlich  auf 
irriger  Beobachtung  basiren. 

Gleichzeitiges  Vorkommen  der  Längs-  und  Quertheilung  bei  einer 
und  derselben  Form  scheint  dagegen  bis  jetzt  nur  bei  gewissen  Chlamydo- 
monadinen  constatirt  zu  sein  und  die  spätere  genauere  Betrachtung  dieser 
Fälle  wird  zeigen,  dass  die  scheinbare  Quertheilung  vielleicht  doch  auf 
eine  Modificatiou  der  Längstheilung  zuriickführbar  ist. 

Schon  Ehrenberg  behauptete  bei  einigen  Monadinen  Längs-  und  Quertheilung  gleich- 
zeitig l)eobachtet  zu  haben  und  diese  Angaben  wiederholen  Dailingcr  und  Drysdale  für  ihre 
,,springing  monad"  (=  Bodo  saltans  Ehrbg. ,  St.).  Doch  werde  ich  gleich  zu  zeigen  ver- 
suchen, dass  die  vermeintliche  Quertheilung  wohl  nur  ein  Endstadium  der  Längstheilung  war. 

Orientiren  wir  uns  zunächst  über  das  Vorkommen  der  beiden  Theilungs- 
modi.  Unter  den  Monadinen  herrscht  die  Längstheilung  durchaus,  mit 
Ausnahme  der  Familie  der  Bicoecidae  und  der  Gattung  Epipyxis  (der  Dino- 
bryoninae),  bei  welchen  sich  nach  Stein  und  Kent  sicher  Quertheilung  findet*). 

Abweichend  würde  sich  weiterhin  eine  Cercomonas  nach  den  Untersuchungen  Dallinger's 
und  Drysdale's  verhalten  (145,  I).  Dieselbe  (wahrscheinlich  identisch  mit  C.  longicauda  Duj.,  St.) 
soll  sich  quertheilen,  doch  scheint  mir  dieser  Vorgang  hier  um  so  zweifelhafter,  als  Stein 
gerade  bei  dieser  Form  die  Längstheilung  sicher  erwiesen  hat  (T.  39,  11  c).  Auch  hierlassen 
sich  die  angeblichen  Quertheilungszustände  wahrscheinlich  auf  spätere  Stadien  des  Längs- 
theiiungsprocesses  zurückführen,  unsicher  scheint  mir  ferner  der  etwas  schiefe  Quertheilungs- 
process,  welchen  Kent  seiner  Ancyromonas  zuschreibt,  obgleich  die  Abbildungen  (s.  T.  40,  7  h) 
denselben  anscheinend  sicher  erweisen.  Der  Umstand  jedoch,  dass  bei  der  Quertheilung  dieser 
Form  das  Hinterende  des  ursprünglichen  Individuums  durch  Entwicklung  einer  neuen  Geissei 
zu  dem  Vorderende  des  hinteren  Sprösslings  werden  soll,  ruft  Zweifel  an  der  Kichtigkeit  dieses 
Vorgangs  wach,  da  ein  solcher  unter  allen  übrigen  Theilungsprocessen  der  Flagellaten  ganz 
isolirt  stände.  Für  ganz  unsicher  halte  ich  auch  die  von  Kent  (p.  273)  bei  Cephalothamnium 
beschriebene  Quertheilung. 

Ebenso  allgemein  verbreitet  ist  die  Längstheilung  unter  den  Isoma- 
stigoda,  doch  finden  sich  auch  hier  einzelne  Ausnahmen,  so  nach  Stein 
sicher  bei  Stylochrysalis  (T.  44,  6)  und  bei  gewissen  Chlamydomonadinen 
ist,  wie  erwähnt,  ein  Wechsel  in  den  Theilungsrichtungen  scheinbar  vor- 
vorhanden. Ebenso  erscheint  ein  vorzügliches  Beispiel  der  Quertheilung 
unter  den  Cryptomonadinen,  wo  sich  nämlich  die  Gattung  Oxyrrhis 
(T.  45,  12c),  im  Gegensatz  zu  den  übrigen,  nach  übereinstimmenden 
Angaben  von  Fresenius,  Cohn  und  Kent,  sowie  den  Untersuchungen 
Blochmann's,  quertheilt. 


*)  Für  sehr  unwahrscheinlich  halte  ich  die  Angabe  Cienkowsky's  (134),  dass  die  Monas 
(juttula  sich  gleichzeitig  in  eine  grössere  Anzahl  von  Individuen  theilcn  könne;  die  ohne 
nähere  Beschreibung  gegebene  Abbildung  (T.  40,  12  c)  zeigt  eine  jedenfalls  in  vorgeschrittener 
Längstheilung  begriffene  Form,  mit  einer  Anzahl  sehr  unregelmässiger  mittlerer  Einschnü- 
rungen. Ebenso  zweifelhaft  erscheint  die  weitere  Angabe,  dass  sich  auch  durch  Hervor- 
wachsen eines  Zweiges,  der  sich  später  individualisire ,  also  durch  eine  Art  Knospung.  neue 
Individuen  bilden  sollen.  Wahrscheinlich  handelte  es  sich  hierbei  nur  um  energische  amöboide 
Vorgänge,  wie  sie  sich  ja  bei  Monas  häufig  finden. 


Zwcitlieil.  im  bewegl.  Zust.  (VorKoiiiinoii,  Vcruielir.  d.  Gcisselii).  747 

Entgeg-en  Stein   nniss   ich  aber  die  Theilung  seiner  Nepliroselmis  (T.  44,  7  b)  niclit  für 

Quer-  sondern  Längstlieihing  halten;  die  Ansicht  Stein's  hasirt  darauf,  dass  er  die  Längsaxe 

der  Nephroselmis  irriger  Weise  der  Längsaxe  der  übrigen  Isomastigoda  verglich,  während  sie 
jedenfalls  einer  Queraxe  dieser  letzteren  entspricht. 

Unter  den  Eiiglenoidinen  ist  kein  Beispiel  der  Quertlieilung  bekannt 
und  dies  gilt  auch  wohl  sicher  für  die  Heteromastigoda. 

Nur  hei  zwei  Bodoarten  (Bodo  saltans  und  Bodo  uncinatus  Kent  =?  Bodo  caudatus 
[Duj.]  Stein)  wollen  Dallinger  und  Drysdalc  Quertheihing  gefunden  haben.  Für  die  erstgenannte 
Form  soll  dieselbe  gemeinsam  mit  Längstheilung  auftreten.  Mir  scheinen  jedoch  auch  diese 
Angaben  sehr  zweifelhaft,  da  eine  Verwechselung  später  Längstheilungszustände  mit  Quer- 
theilung  leicht  möglich  ist. 

Bei  genauerer  Betrachtung  des  Theilungsprocesses  halten  wir  uns 
naturgemäss  zunächst  an  die  auch  eingehender  studirte  Längstheihing. 
Der  eigentlichen  Durchschnürung  des  Körpers  geht  stets  eine  Vermehrung 
seiner  Hauptorgane  zuvor.  Der  Kern  beginnt  seine  Vorbereitungen  zur 
Theihing  schon  bevor  sich  eine  Andeutung  der  Einschnürung  zeigt,  ebenso 
tritt  schon  zuvor  die  Vermehrung  der  Geissein  und  contractilen  Vacuolen 
ein,  wie  sich  denn  auch  frühzeitig  ein  neuer  Mund-  und  Schiandapparat 
bildet,  insofern  das  sich  theilende  Wesen  einen  solchen  besitzt. 

Da  wir  das  Speziellere  über  den  Theihingsprocess  des  Kernes  schon 
früher  berichteten,  so  fügen  wir  hier  nur  bei,  dass  derselbe  sich  stets 
senkrecht  zur  späteren  Theilungsebene  verlängert. 

Zunächst  bedarf  der  Vermehrungsact  der  Geissein  einige  Worte  der 
Erläuterung. 

Dass  bei  der  Längstheihing  geisseltragender  Flagellaten  zuvörderst 
eine  Verdoppelung  der  Geissein  eintritt,  war  schon  Ehrenberg  bekannt 
und  wurde  später  namentlich  von  Perty  für  eine  ziemliche  Anzahl 
von  Formen  genauer  dargestellt.  Die  in  verdoppelter  Anzahl  vorhan- 
denen Geissein  sind,  wie  bemerkt,  schon  vorhanden,  bevor  sich  die 
Einschnürung  des  Körpers  selbst  bemerklich  macht  und  stehen  immer 
ganz  dicht  zusammen  an  denselben  Orten,  wo  sich  zuvor  die  unver- 
doppelten  Geissein  fanden.  Die  Frage  nach  dem  näheren  Vorgang  der 
Geisseiverdoppelung  ist  bis  jetzt  controvers.  Jedenfalls  vollzieht  sich 
dieser  Vorgang  gewöhnlich  sehr  rasch,  da  die  meisten  Beobachter,  so 
namentlich  Stein,  der  viele  Theilungszustände  beobachtete,  fast  gar  nichts 
davon  gesehen  haben.  Nur  JamesClark,  sowie  Dallinger  und  Drysdale 
wollen  in  einigen  Fällen  beobachtet  haben,  dass  die  Geissein  sich  durch 
eine  Spaltung  in  ihrer  ganzen  Länge  vermehren. 

James-Clark  schildert  diesen  Process  für  Anthojjhysa,  Dallinger  und  Drysdale  dagegen 
wollen  Entsprechendes  bei  dem  Bodo  saltans,  der  sogen.  Daliingeria  und  dem  Tetramitus 
rostratus  beobachtet  haben.  Doch  hat  James -Glark  den  Spaltungsprocess  der  grossen  Haupt- 
geissel  der  Anthophysa  nicht  direct  beobachtet,  sie  wurde  mir  etwas  undeutlich  und  dann 
waren  plötzlich  zwei  neue  da,  welche  zu  beiden  Seiten  der  nun  etwas  verdickten  und  noch 
nicht  verdoppelten  kleinen  Nebengeissel  standen.  Auch  die  Angaben  Dallinger's  und  Drys- 
dale's  scheinen  mir  nicht  hinreichend  beweisend  zu  sein.  Die  Behauptung  Dallinger's,  dass 
sich  die  vordere  Geissei  der  eigenthümlichen  Daliingeria  (T.  46,  12)  durch  Spaltung  ver- 
doppele,   wird   durch  die  beigegebenen  Figuren  durchaus  nicht  erwiesen,    welche  sämmtlich 


748  Flagcllata. 

schon  ganz  getrennte  Geisscln  zeigen.  Bei  Tetramitus  rostratus  schildern  die  englischen  For- 
scher einen  Längstheilungsvorgang,  der  mit  dem  sonst  allgemein  beobachteten  durchaus  nicht 
harmonirt.  Hier  soll  zunächst  keine  Verdoi)pelung  der  vier  Geissein  zu  acht  statthaben,  son- 
dern die  vier  Geissein  paarweise  auseinanderrücken  nnd  der  Körper  hierauf  durch  Längsdurch- 
schnürung  in  zwei  zweigeisselige  Individuen  zerfallen.  Erst  an  diesen  soll  nun  die  Verdop- 
pelung der  Geissein  zu  vier  geschehen,  indem  jede  durch  eine  an  ihrem  freien  Ende  begin- 
nende Spaltung,  welche  sich  schliesslich  bis  zur  Basis  fortsetzte,  in  zwei  zerfalle.  Diesem 
durch  Abbildungen  eingehend  erläuterten  Process  stehen  nun  aber  die  Beobachtungen  Perty's 
und  Stein's  direct  entgegen ,  welche  Beide  schon  vor  der  Durchschnürung  eine  Verdoppe- 
lung der  Geisseizahl  deutlich  beobachtet  haben  (T.  45,  13  c).  Entweder  müssten  wir  also 
annehmen,  dass  bei  unserer  Form  der  Längstheilungsprocess  in  zwei  ganz  verschiedenen 
Weisen  verlaufe  oder  die  Beobachtungen  Dallinger's  und  Drysdale's  für  irrthümliche  halten. 
Ich  glaube,  dass  die  letztere  Alternative  die  wahrscheinlichere  ist,  da  der  beschriebene  Thei- 
lungsvorgang  ganz  isolirt  stände. 

Wie  bemerkt,  geben  die  beiden  englischen  Forscher  dieselbe  Vermehrungsart  auch  für 
die  hintere  Geissei  einer  wahrscheinlich  mit  Bodo  saltans  identischen  Form  an  und  zwar  wollen 
sie  diesen  Vorgang  sowohl  bei  der  Längs-  wie  Quertheilung  dieser  Flagellate  wahrgenommen 
haben.  Hier  soll  sich  jedoch  die  Geissei  successive  mit  dem  Fortschreiten  der  Körpertheilung 
spalten  und  zwar  beginne  die  Spaltung  nicht  am  freien  Ende  wie  bei  Tetramitus,  sondern  an 
der  Geisseibasis  und  schreite  von  hier  allmählich  peripherisch  fort.  Möglich  erscheint  es  zwar, 
dass  sich  hier  wirklich  eine  solche  Vermehrungsart  der  Geissein  findet,  dennoch  glaube  ich, 
dass  wir  uns  vorerst  nicht  völlig  auf  diese  Beobachtung  stützen  dürfen,  da  wir  aus  Früherem 
wissen,  dass  die  Mittheilungen  unsrer  beiden  Forscher  nicht  immer  ganz  zutrefi'end  sind  und 
z.  B.  gerade  für  die  letztbesprochene  Form  das  behauptete  gleichzeitige  Vorkommen  der 
Längs-  und  Quertheilung  sehr  zweifelhaft  erscheint. 

Wenn  wir  es  im  Gegensatz  zu  der  vorstehend  besprochenen  Ansicht 
mit  Balbiani  (199)  nnd  Klebs  für  wahrscheinlich  halten,  dass  die  Verdoppe- 
lung der  Geissein  in  den  meisten,  ja  vielleicht  sämmtlicheu  Fällen  durch  Neu- 
bildung eines  zweiten  Geisseisystems  geschieht,  so  stützen  wir  uns  hierbei 
zunächst  auf  die  erwiesene  Mangelhaftigkeit  der  Beweise  für  die  Spal- 
tungslehre. Weiterhin  auf  die  auch  von  den  Anhängern  der  letzteren  zu- 
gegebene Thatsache,  dass  sehr  häufig  Geissein  durch  Neubildung  aus  dem 
Körperplasma  entstehen.  Dies  gilt  zunächst  für  sämmtliche  sichere  Fälle 
der  Quertheilung,  bei  welcher  der  hintere  Theilsprössling  ein  neues 
Geisseisystem  bildet,  das  wegen  seiner  beträchtlichen  Entfernung  von  dem 
alten  ganz  ohne  Beziehung  zu  demselben  sein  muss.  Weiterhin  besitzen 
wir  jedoch  eine  grosse  Anzahl  der  deutlichsten  Beweise  für  die  Geissei- 
neubildung bei  der  Vermehrung  der  Chlamydomonadinen  und  Volvocinen 
und  bei  allen  denjenigen  Vermehrungsvorgängen,  die  sich  während  eines 
geissellosen  Ruhezustandes  vollziehen  u.  s.  f.  Directe  Beobachtung  eines 
solchen  Frocesses  der  Geisseineubildung  gelang  bis  jetzt  nur  in  ganz 
wenigen  Fällen.  Bei  der  Längstheilung  des  Dinobryon  stipitatum  St. 
sah  Felletan  zunächst  dicht  neben  der  Basis  der  beiden  alten  Geissein 
eine  kleine  zarte  Erhebung  sich  bilden,  welche  sich  bald  in  zwei 
spitzige  Fransen  sonderte,  die  Anlagen  der  beiden  Geissein.  Die- 
selben zeigten  von  Anfang  an  einen  Grössenunterschied  und  wuchsen  all- 
mählich zu  der  Länge  der  alten  Geissein  aus,  indem  gleichzeitig  das  neue 
Geisseisystem  etwas  von  dem  alten  wegrückte.  Bei  der  Theiluug  der 
Euglenen   sah   Klebs   die    neuen   Geissein    sehr  langsam    hervorwachseu, 


Zweitlieihiiig  (Veruielir.  d.  (icisselii).  749 

„zuerst  als  ein  steifes  bald  gekrümmtes  und  dann  lebhaft  hin  und  her 
zitterndes  Stäbchea".  Stein  bemerkt,  dass  die  sich  neubildcnden  Geissein 
der  Eugleuoidinen  zuerst  sehr  fein  und  kurz  seien.  Als  Unterstützung- 
unserer  Ansicht  lässt  sich  vielleicht  auch  der  von  Stein  beobachtete  Längs- 
theiluiigszustand  von  Anisonema  grande  anführen ,  bei  welchem  eine  der 
beiden  hinteren  Schleppgeisseln  eine  sehr  geringe  Grösse  besitzt  und 
daher  als  die  neuentstandenc,  im  Hervorwachsen  begriffene  aufzufassen 
sein  dürfte  (T.  46,  8  b). 

Nicht  unerwähnt  darf  jedoch  an  dieser  Stelle  die  bis  jetzt  nicht 
abzustreitende  Möglichkeit  bleiben,  dass  die  Verdoppelung  des  Geissel- 
systeras  vor  der  Längstheilung  zuweilen  mit  dem  völligen  Unter- 
gang der  alten  Geissein  verknüpft  sein  könnte  und  dann  also  die 
beiden  Geisseisysteme  der  Sprösslingc  gleicher  Weise  als  Neubildungen 
entständen.  So  unwahrscheinlich  dieser  Vorgang  auch  erscheint,  so  lässt 
sich  seine  Möglichkeit  doch  erst  dann  sicher  bestreiten,  wenn  reichere 
Beobachtungen  über  die  Geisseivermehrung  vorliegen,  und  ausserdem  zeigen 
uns  die  Eugleninen  thatsächlich  einen  solchen  Vorgang,  wenn  auch  unter 
gewissen  Modificationen  des  gewöhnlichen  Längstheilungsprocesses. 

Aehnlich  wie  das  Geisseisystem  sich  vor  jeder  Längstheilung  verdop- 
pelt, thun  dies  jedoch  auch  andere  Organisationsbestandtheile.  So  ver- 
doppelt sich  bei  Cercomonas  nach  den  Erfahrungen  Stein's  der  hintere 
Schwanzfaden ,  der  ja  auch  im  allgemeinen  einer  Geissei  sehr  nahe 
kommt,  schon  vor  der  Theilung  wie  eine  solche*).  Auch  der  hintere 
contractile  Schwanzanhang  des  Dinobryon  stipitatum  entsteht  schon  vor  der 
eigentlichen  Theilung  nach  Pelletan,  indem  dicht  neben  der  Basis  des  alten 
ein  zweiter  allmählich  hervorsprosst.  Dass  die  Verdoppelung  des  sogenannten 
Augen flecks  eine  regelmässige  Erscheinung  bei  der  einfachen  Läugsthei- 
lung  der  Chlamydomonadinen,  Eugleninen  und  anderer  Formen  ist,  wurde 
namentlich  durch  die  Beobachtungen  Stein's  und  neuestens  für  die 
Eugleninen  durch  Klebs  überzeugend  nachgewiesen.  Ueber  den  Vorgang 
der  Verdoppelung  selbst  spricht  sich  nur  der  Letztere  aus,  indem  er 
denselben  als  eine  einfache  Theilung  darstellt.  Obgleich  nun  die  Beob- 
achtungen von  Klebs  in  dieser  Hinsicht  nicht  ganz  einwurfsfrei  zu  sein 
scheinen,  so  liegt  doch  zunächst  kein  zwingender  Grund  vor,  eine  der- 
artige Vermehrung  des  Augenfiecks  (speciell  bei  den  Eugleninen)  zu  be- 
zweifeln. Doch  darf  hieraus  sicher  nicht  geschlossen  werdeu,  dass  die 
Vermehrung  jenes  Organs  stets  in  dieser  Weise  geschehe.  Dies  folgt 
ganz  bestimmt  aus  der  Erfahrung  Bütschli's  und  Pelletan's ,  dass  bei 
Dinobryon  überhaupt  keine  Verdoppelung  des  Augenflecks  der  Theilung 
vorangeht,  sondern  derselbe  bald  dem  einen,  bald  dem  andern  Sprössling 


*)  Bei  der  schon  früher  als  sehr  zweifelhaft  bezeichneten  Querthcilung  einer  Cerco- 
monas, welche  Dallinger  und  Drysdale  beschreiben,  soll  der  Schwanzfaden  nicht  vorgebildet 
werden,  sondern  aus  dem  zwischen  den  beiden  Sprösslingen  sich  ausspannenden  Plasmafaden 
hervorgehen,  indem  derselbe  in  zwei  Hälften  für  die  beiden  Sprösslinge  zerrcisse.  Ich  halte 
dies  natürlich  fiir  sehr  unsicher. 


750  Flagellata. 

verbleibt.  Da  nun  auch  der  Sprössliug-,  welcher  ohne  Augenfleck  aus  der 
TheiluDg-  hervorging,  später  sicher  einen  solchen  erhält,  so  scheint  dies 
gewiss  nur  durch  Neubildung  geschehen  zu  können. 

Gegen  die  Ansicht  von  Klebs  sjjricht  auch  mit  Bestimmtheit  die  wohlbegründete  Er- 
fahrung, dass  in  vielen  Fällen  die  Augenflecke  als  Neubildungen  in  Zellen  entstehen,  die  ihrer 
früher  entbehrten.  Wir  werden  später  bei  den  Cldamydouionadinen  und  Volvocinen  dieser  Er- 
scheinung sehr  häutig  begegnen  und  andererseits  kann  es  ja  auch  keiner  Frage  unterliegen,  dass 
die  Augenflecke  zahlreicher  Algenzoosporen  erst  bei  der  Entwicklung  der  Sporen  in  ihren  Mutter- 
zellen entstehen.  Auch  dürfte  sich  zur  Zeit  sicher  kein  Grund  dafür  beibringen  lassen,  dass 
diese  neu  gebildeten  Augenflecke  etwa  schon  früher  im  unpigmentirten  Zustand  vorhanden  ge- 
wesen wären.  Bei  der  Quertheilung  von  Epipyxis  zeigt  der  hintere  Theilsprössling  schon 
frühzeitig  seinen  Augenfleck,  hier  dürfte  es  denn  gleichfalls  sehr  unwahrscheinlich  sein ,  dass 
dieser  neue  Augenfleck  ein  Theilproduct  des  alten,  weit  von  ihm,  an  der  Geisseibasis  des  vor- 
deren Sprösslings  gelegenen,  sei  (T.  42,  2  b). 

Wir  besprechen  nun  die  Verdoppelung  der  contractilen  Va- 
cuolen  vor  Beginn  der  eigentlichen  Längstheilung.  Dieselbe  geschieht 
hier  in  gleicher  Weise  wie  bei  den  Infusorien,  und  dürfte  es  daher  auch 
wie  bei  diesen  keiner  Frage  unterliegen,  dass  die  neue  Vacuole 
nicht  ein  Theilungsproduct  der  alten  ist,  sondern  einer  wirklichen 
Neubildung  ihre  Entstehung  verdankt.  Dass  hierüber  Zweifel  entstehen 
konnten ,  lässt  sich  dadurch  erklären,  dass  bei  der  gewöhnlichen  Längs- 
theilung der  Flagellaten  die  alten  und  neuen  Vacuolen  einander  ursprüng- 
lich sehr  nahe  liegen,  so  dass  die  Idee  ihrer  Entstehung  durch  Theilung 
auftauchen  konnte.  Diese  Ansicht  wurde  neuestens  von  Klebs  für  die 
Eugeleninen  ausgesprochen,  der  mittheilt,  dass  das  Vacuolensystem  sich 
hier  kurz  vor  Beginn  der  Einschnürung  durch  Theilung  verdoppele.  Im 
Grunde  genommen  bezieht  sich  jedoch  seine  Beobachtung  eigentlich  nur 
auf  das  früher  beschriebene  Reservoir  (seine  sog.  Hauptvacuole) ,  nur 
deren  Theilung  glaubt  er  gesehen  zu  haben,  ohne  jedoch  den  Vor- 
gang näher  ergründen  zu  können.  Die  eigentlichen  Vacuolen  hin- 
gegen, welche  dieses  Reservoir  umlagern,  werden  in  seiner  Beschreibung 
nicht  berücksichtigt.  Es  scheint  mir  nun  auch,  wie  bemerkt,  für  diese, 
wie  für  alle  wahren  contractilen  Vacuolen  eine  Vermehrung  durch 
Theilung  durchaus  unglaublich  und  ihrer  Natur  entgegenstehend.  Anders 
liegt  dagegen  die  Frage  für  das  sogen.  Reservoir;  dasselbe  ist  aber,  wie 
wir  früher  gesehen  haben,  nicht  als  eine  gewöhnliche  contractile  Vacuole 
zu  betrachten,  sondern  als  ein  besonderes  Organ,  dessen  Vermehrung 
durch  Theilung  nicht  unmöglich  erscheint. 

Jedenfalls  knüpft  sich  die  Frage  nach  der  Verdoppelung  dieses  Re- 
servoirs der  Eugleninen  innigst  an  die  nach  der  Vermehrung  der 
Mund-  und  Schlundeinrichtungen  an,  mit  welch  letzteren  das  Reser- 
voir der  Eugleninen  bekanntlich  in  sehr  naher  Beziehung  steht.  Leider 
ist  nun  bis  jetzt  weder  bei  dieser  Abtheilung,  noch  bei  einer  an- 
deren etwas  über  diese  Frage  ermittelt  worden,  nur  so  viel  dürfen  wir, 
gestützt  auf  die  Analogie  mit  den  Infusorien  behaupten,  dass  es  in  hohem 
Grade  unwahrscheinlich  ist,    dass  die  Verdoppelung  dieser  Organisations- 


Zweitheil.  (Vermehr,  d.  (icisscliK    cuiitr.  Va-uoloii,  Muiideiiiricht.  u.  Chromatoplioren),  751 

bestandtheilc  auf  einer  Theilung  der  alten  beruhe,  auch  hier  dürfte  der 
neue  Mund  und  Schlund  eine  Neubildung  sein.  Zweifelhaft  erscheint 
auch  dieser  Umstand  wesentlich  nur  wegen  der  durch  die  Längsthei- 
lung bedingten  nahen  Zusamnienlagerung  der  verdoppelten  Einrichtungen 
und  wegen  der  Kleinheit  der  Wesen.  Dagegen  lässt  sich  bei  der  Querthei- 
lung  der  Oxyrrhis  auf  das  sicherste  constatiren,  dass  das  Peristom  des 
hinteren  Sprösslings  ganz  neu  gebildet  wird,  genau  wie  bei  der  Quer- 
theilung  der  Infusorien  und  damit  also  sicher  auch  die  in  jenem  Peristom 
gelegene  Mundstelle. 

Eine  stetige  Vermehrung  durch  wahre  Theilung  erfahren  dagegen 
die  Chromat ophoren  bei  dem  Theilungsprocess  unserer  Flagellaten.  Bei 
Gegenwart  zahlreicher  kleiner,  wie  bei  den  meisten  Eugleninen,  ist  beim 
Theilungsact  selbst  keine  Vermehrung  der  Chromatophoren  zu  constatiren ; 
dieselben  werden  etwa  hälftig  auf  die  Theilsprösslinge  vertheilt.  Die 
Vermehrung  der  Chromatophoren  vollzieht  sich  hier,  wie  es  scheint,  fort- 
dauernd und  zwar  nach  Klebs  entweder  durch  allmähliche  Durchschnürung 
in  zwei  Theile  oder  aber  und  häufiger  durch  Auftreten  einer  Tren- 
nungsebene in  der  gesammten  Ausdehnung  des  Chromatophors,  also  ohne 
Einschnürung. 

Bei  Gegenwart  weniger  grösserer  Chromatophoren  vollzieht  sich  deren 
Vermehrung  dagegen  entweder  erst  kurz  vor  dem  eigentlichen  Theilungs- 
act der  Flagellaten  oder  wie  es  für  einige  Formen  scheint,  ziemlich 
Schritt  für  Schritt  mit  der  Durchschnürung  des  Körpers.  Das  Letzt- 
erwähnte scheint  wenigstens  bei  den  Chlamydomonadinen  mit  grossem 
einfachem  Chromatophor  stattzufinden,  da  bis  jetzt  keine  Beobachtung 
dafür  spricht,  dass  schon  vor  Beginn  der  eigentlichen  Theilung  das 
Chromatophor  eine  Vermehrung  erfahren  habe.  Aehnlich  scheint  auch 
bei  der  Quertheilung  der  Epipyxis  und  Stylochrysalis  die  Theilung  der 
beiden  Chromatophoren  ziemlich  gleichzeitig  mit  der  Durchschnürung 
des  Körpers  zu  geschehen,  so  dass  jeder  Sprössling  schon  von  An- 
fang an  seine  zwei  Chromatophoren  in  gehöriger  Lage  aufweist  (Stein). 
Immerhin  geben  diese  Beispiele  keine  genügende  Sicherheit,  dass  die 
Durchschnürung  der  Chromatophoren  sich  nicht  schon  kurz  vor  der 
eigentlichen  Körpertheilung  vollzogen  habe.  Hierfür  haben  wir  nämlich 
gleichfalls  einige  deutliche  Beispiele.  Zunächst  die  zu  den  Chlamydo- 
monadinen gehörige  Gattung  Nephroselmis ,  wo  Stein  diesen  Vorgang 
deutlich  abbildet  (T.  44,  7  b);  weiterhin  hat  Bütschli  nachgewiesen,  dass 
bei  Synura  (T.  43,  1  a)  die  Vermehrung  der  beiden  Chromatophorenplatten 
vor  der  eigentlichen  Theilung  geschieht  und  wohl  sicher  durch  eine  Längs- 
theilung derselben. 

Nur  bei  Dinobryon  ist  erwiesen ,  dass  der  Theilung  keine  Ver- 
mehrung der  Chromatophoren  vorangeht  (Bütschli,  Pelletan).  Hier  ver- 
theilen  sich  die  zwei  Chromatophoren  einfach  auf  die  beiden  Spröss- 
linge,  so  dass  jeder  derselben  nur  mit  einer  einzigen  aus  der  Theilung 
hervorgeht.     In   diesem  Falle   folgt   also   die  Vermehrung   der  Chromato- 


752  Flagellata. 

phoren  der  Theilung-  nach.  Möglich,  jedoch  nicht  sicher  erkennbar 
scheint  derselbe  Vorgang  auch  nach  Stein's  Abbildungen  bei  Chrysopyxis 
zu  sein. 

Ist  im  Chromatophor  ein  Pyrenoid  mit  oder  ohne  Amylumschale 
vorhanden,  so  geht  dessen  Theilung  der  des  Chromatophors  voraus,  wie 
schon  seit  verhäitnissmässig  langer  Zeit  für  die  sogen.  Amylumkerne  der 
Chlamydomonadinen  und  gewisser  Volvocinen  bekannt  ist.  Auch  Stein 
hat  diesen  Process  für  Chlamydomonas  und  Nephroselmis  genauer  dar- 
gestellt und  Klebs  neuestens  nachgewiesen ,  dass  er  auch  bei  dem  mit 
Pyrenoid  versehenen  Chromatophoren  gewisser  Euglenen  nicht  fehlt. 

Nachdem  nun  in  der  geschilderten  Weise  die  Verdoppelung  der 
Geissein,  der  contractilen  Vacuolen,  des  Augenflecks  etc.  sich  vollzogen 
hat  und  der  Kern  in  die  längsgestreckte  Form  übergegangen  ist,  beginnt 
gewöhnlich  die  eigentliche  Längsdurchschnürting  des  Flagellatenköipers. 
Zuvor  dehnt  sich  der  Körper  meist  etwas  in  die  Breite,  wobei  dann  auch 
die  beiden  Geisselsysteme  etwas  mehr  auseinander  rücken. 

Der  Vorgang  der  Durchschnürung  selbst  weist  jedoch  eine  ziemliche 
Reihe  Modalitäten  auf  Zunächst  kann  die  Einschnürung  gleichzeitig  in 
der  gesammten  Medianebene  beginnen  und  so  zu  einer  ziemlich  gleich- 
massigen  Durchschneidung  des  Körpers  führen.  Im  Ganzen  scheint  dieser 
Modus  jedoch  nicht  gerade  häufig  zu  sein;  nach  meiner  Erfahrung  begegnen 
wir  ihm  bei  der  kleinen  Oikomonas  Termo  (doch  schildert  Kent  von  der- 
selben Gattung  auch  einseitige  Durchschnürung);  auch  bei  der  Gattung 
Monas  ist  die  Durchschnürung  wahrscheinlich  eine  ziemlich  gleichmässige 
und  ähnlich  bei  der  eigenthUmlichen  Dallingeria. 

Bei  weitem  häufiger  beginnt  dagegen  die  Einschnürung  zunächst  ein- 
seitig an  einem  Körperende  und  schreitet  erst  allmählich  auf  das  ent- 
gegenstehende fort  oder  geschieht  überhaupt  durchaus  einseitig,  so  dass 
das  entgegenstehende  Körperende  erst  ganz  zuletzt  von  der  Einschnü- 
rung erreicht  und  durchschnitten  wird.  Den  ersteren  Fall  sehen  wir 
ziemlich  wohl  ausgeprägt  bei  den  Gattungen  Chilo-  und  Cryptomonas 
(T.  45,  9  d).  Hier  scheint  zwar  die  Einschnürung  noch  ziemlich  gleich- 
zeitig in  der  gesammten  Medianebene  zu  beginnen,  do-ih  schreitet  sie  nach 
meinen  Erfahrungen  am  Hinterende  rascher  fort,  so  dass  die  hintere  Ein- 
schnürung die  vordere  überholt  und  die  schliessliche  Durchschnürung  sich 
in  der  vorderen  Körperhälfte  vollzieht.  Stein  dagegen  zeichnet  um- 
gekehrt die  Verbindung  am  längsten  in  der  hinteren  Körperhälfte ;  es 
wäre  daher  möglich,  dass  der  Theilungsprocess  in  etwas  verschiedener 
Weise  verlaufen  könnte. 

Bei  anderen  Formen,  so  namentlich  bei  Cyathomonas,  beginnt  der 
Theilungsact  entschieden  zuerst  am  Vorderende  und  erst  relativ  spät  greift 
die  Einschnürung  auf  das  Hinterende  über  (T.  45 ,  8  b).  Dieser  Process 
leitet  nun  direct  über  zu  dem  sehr  häufigen,  wo  die  Einschnürung  am  Vorder- 
ende beginnend,  successiv  bis  zum  Hinterende  durchschneidet,  so  dass  die 
beiden  Sprösslinge   schliesslich   nur   noch    am  äussersten    Hinterende   zu- 


Zweitlieil.  (Vermehr,  d.  Chromatophoren ;  Vorgang-  d.  Durchschnürung  d.  Körpers).    753 

samnieubäDgeu.  Ein  solcher  Tbeiluugsact  scheint  nach  den  Erfahrungen  von 
Stein  und  Klebs  ganz  allgemein  in  der  grossen  Gruppe  der  Euglenoidinen 
verbreitet  zu  sein,  und  sich  weiterbin  auch  bei  den  Heteromastigoda  ge- 
wübnlicb  zu  finden  (Bodo  nach  Dallinger  und  Drysdale,  Entosiphon  nach 
Bütscbli  und  Stein).  Auch  bei  den  mit  ihrem  Hinterende  festgehefteten 
üendromonadinen  und  bei  den  koloniebildeuden  mit  ihren  Hinterenden 
vereinigten  Syuuren  dürfen  wir  sicherlich  den  gleichen  Tbeilungsvorgang 
annehmen.  Clark's  Darstellung  bei  Anthopbysa  spricht  zwar  nicht  deut- 
lich dafür,  schildert  jedoch  auch  einen  nicht  ganz  normalen  Theilungsact. 

Selten  scheint  dagegen  der  Modus  zu  sein,  dass  die  Einschnürung 
zuerst  am  Hinterende  beginnt  und  hierauf  allmählich  gegen  das  Vorder- 
ende durchschneidet.  Dergestalt  schildern  Dallinger  und  Drysdale  den 
Tbeilungsvorgang  bei  Tetramitus  und  Stein  denjenigen  von  Cblamydo- 
coccus  rostratus  Cienk.  sp.  (=  fluviatilis  St.). 

Seltsam  erscheint  es,  dass  die  sogen.  Herpetoraonas  Muscae  Burn.  sp. 
anscheinend  eine  sehr  grosse  Mannigfaltigkeit  des  Tbeilungsvorgang» 
darbietet.  Nach  Stein  soll  die  Einschnürung  ihres  langgestreckten  Körpers 
in  der  Mitte  beginnen  (T.  40,  le)  und  nun  bald  nach  vorn  (lg),  bald 
nach  hinten  fortscbreiten  (If),  wobei  dann  die  beiden  Theilsprösslinge 
bald  nur  noch  am  hintern,  bald  dagegen  am  vorderen  Körperende  zu- 
sammenhängend getroflfen  werden,  und  zwar  im  letzteren  Fall  schliesslich 
nur  noch  durch  die  ihnen  gemeinsame  Geissei.  Gerade  letzterer  Umstand 
jedoch,  dass  keine  Vermehrung  der  Geissei  diesem  Theilungsprocess  vor- 
hergehen soll,  macht  ihn  etwas  verdächtig  und  legt  die  Vermuthung  nahe, 
dass  gewisse  vermeintliche  Stadien  desselben  vielleicht  Copulationszu- 
stände  waren. 

Nicht  wohl  lösbar  scheint  mir  augenblicklich  die  Frage,  ob  zwischen 
den  Besonderheiten  des  Durchschnürungsvorgangs  und  der  Lagerung  des 
Kernes  eine  Beziehung  existirt.  Eine  solche  Frage  erscheint  ja  nicht 
müssig,  da  bei  dem  einseitigen  Theilungsprocess  vieler  Furchungskugeln 
der  Kern  stets  der  Stelle,  wo  die  Einschnürung  beginnt,  genähert  liegt. 
Wenngleich  diese  Frage  bei  unseren  Flagellaten  sich  nicht  bestimmt 
beantworten  lässti,.  scheint  doch  von  Interesse,  dass  nach  den  Beobach- 
tungen von  Klebs  der  Kern  der  Euglenen  vor  Beginn  der  einseitigen 
Thellung  stets  aus  der  centralen  Lage  ins  Vorderende  vorgeschoben  wird. 

Mag  nun  die  Längstheilung  verlaufen  wie  sie  will,  stets  schreitet  sie 
'schliesslich  so  weit  fort,  dass  die  beiden  Sprösslinge  nur  noch  durch  einen 
immer  feiner  werdenden  Verbindungsfaden  zusammengehalten  werden, 
dessen  Lage  zu  den  beiden  Sprösslingen  natürlich  von  dem  Verlauf  der 
Einschnürung  abhängt.  Selbst  die  mit  einer  wohl  ausgebildeten  Cuticula 
versehenen  Euglenen  entwickeln  einen  massig  lang  ausgesponnenen 
Verbindungsfaden  recht  deutlich.  Fraglich  scheint  mir  aber  doch,  wie 
sich  in  dieser  Hinsicht  die  mit  einer  relativ  so  dicken  und  festen  Cuticula 
ausgerüsteten  Phacus-  und  Lepocinclisarten  verhalten  werden.  Klebs,  der 
ihre  Längstheilung  bis  jetzt   allein   beobachtet   haben   will,   gibt  keinerlei 

Bronn,  Klassen  des  Thier-Eeichs.     Protozoa,.  48 


754  Flagellata. 

uähere  Beschreibung  des  Vorgangs,  der,  meiner  Ansicht  nach,  wegen  der 
besondern  Verhältnisse  der  Cuticula  gewiss  besonderes  Interesse  verdiente. 

Bei  den  cuticulalosen  oder  doch  nur  mit  einer  Hautschicht  versehenen 
Formen  zieht  sich  der  Verbindungsfaden  zwischen  den  Sprösslingen 
häufig  sehr  lang  aus,  indem  dieselben  sich  mehr  und  mehr  von  einander 
entfernen,  bis  er  schliesslich  einreisst  und  allmählich  in  die  Körper  der 
Sprösslinge  zurückgezogen  wird.  Dabei  zeigt  sich  nun  häufig  schon  vor 
gänzlicher  Durchschnürung  ein  Bestreben  der  Sprösslinge,  ihre  ursprüng- 
lich parallel  gelagerten  Längsaxen  in  gleiche  Linie  zn  stellen,  so  dass 
gegen  das  Ende  des  Theilungsprocesses  zwei  scheinbar  durch  eine  Quer- 
theilung  entstandene  Sprösslinge  mit  ihrem  Hinterende  zusammenhängen. 
Sehr  deutlich  tritt  dies  bei  kleineren  Formen,  so  Monas,  Oikomonas, 
Bodo  etc.  hervor,  jedoch  auch  zuweilen  bei  der  Theilung  der  Euglenen 
(Bütschli).  Früher  wurde  schon  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass  der- 
artige Zustände  gewiss  häufig  für  Quertheilungen  gehalten  wurden  und 
speciell  die  von  Dallinger  und  Drysdale  beschriebenen  Quertheilungen 
des  Bodo  in  dieser  Weise  gedeutet. 

Das  Wenige,  was  wir  bis  jetzt  über  Quertheilungsprocesse  einiger 
Flagellaten  wissen,  lässt  nur  erkennen,  dass  die  Einschnürung  wahrschein- 
lich stets  ringförmig  in  der  Körpermitte  beginnt  und  gleichmässig  bis 
zur  Durchschneidung  weitergeht. 

2)  Vermehrung  durch  fortgesetzte  Zweitheilung  mit 
Zerstreuung  der  Sprösslinge  nach  Abschluss  des  Theilungs- 
processes. 

Bei  einigen  Chlamydomonadinen  findet  sich  eine  sehr  interessante 
Modifikation  der  gewöhnlichen  Vermehrung  durch  Zweitheilung.  Typisch 
tritt  dieselbe  bei  den  Gattungen  Polytoma  und  Chlorogonium  auf*),  scheint 
sich  jedoch  unter  Umständen ,  wenngleich  selten ,  auch  bei  Haematococcus 
einzustellen.  Wie  schon  der  historische  Theil  zeigte,  wurde  dieser  Ver- 
mehrungsact  bei  Polytoma  seit  Leeuwenhoek  vielfach  beobachtet.  Die  ge- 
nauesten Untersuchungen  lieferten  Ant.  Schneider  (1854),  Stein  (1878) 
und  Krassilstschik  (1882);  auch  Dallinger  und  Drysdale  zogen  diesen 
Organismus  in  den  Kreis  ihrer  Beobachtungen.  Ueber  Chlorogonium 
gab  Ehrenberg  (1838)  die  ersten  Nachrichten,  welche  1848  durch  Weisse's 
Entdeckung  der  Mikrogonidien  (Gameten)  vermehrt  wurden.  Später  ver- 
vollständigten Schneider  (1854),  Stein  (1854  und  1878),  Krassilstschik 
(1882)  und  schliesslich  Klebs  (1883)  unsere  Kenntnisse. 

Das  charakteristische  des  zu  erörternden  Vorgangs  besteht  darin, 
dass  die  Theilung  des  Körpers  unter  dem  Schutz  der  früher  beschrie- 
benen Schalenhülle  im  freibeweglichen  Zustande  geschieht,  jedoch  nicht 
bei  der  Zweitheilung  anhält,  sondern  successive  weiter  schreitet 
bis   zu   verschiedener   Sprösslingszahl.     Bei    diesem  gewissermassen   ver- 


■*)  Ebenso  aucli  bei  Clilorangium ,  hier  jedoch  durch  die  Festheftung  und  Koloniebil- 
dung dieser  Gattung  modificirt  (vergl.  daher  das  Kähere  hierüber  in  dem  Kapitel  über  die 
i\oIoniebiIdungen). 


Vermelir.  durch  fortges.  Zweitlieiliing-  (Polytoina  ii.  Chlorogonium).  755 

kürzten,  resp.  beschleunigten  Zweitheiluugsprocess  tritt  dann  als  weitere 
Modification  hinzu,  dass  die  in  rascher  Folge  erzeugten  Sprüsslinge  zu- 
nächst keine  Geissein  erhalten,  eine  Geisselverdoppelung  vor  der  Thei- 
lung  also  unterbleibt.  Die  Sprüsslinge  entwickeln  ihre  Geissein  erst  kurz 
vor  ihrer  Trennung,  wenn  sie  sich  unter  Zerieissung,  resp.  Auflösung  der 
Mutterhülle  isoliren.  Dennoch  bleiben  die  Theilungszustände  bis  kurz  vor 
den  Trennungsact  der  Sprösslinge  dauernd  beweglich,  indem  die  beiden 
Geissein  der  Mutteizelle  sich  bis  dahin  tbätig  erhalten.  Diese  auf  den 
ersten  Blick  sehr  sonderbare  Erscheinung  erklärt  sich,  wie  ich  mit  Stein 
glaube,  einfach  dadurch,  dass  die  beiden  Geissein  stets  mit  einem  der 
Sprösslinge  im  Zusammenhange  bleiben ,  wie  dies  ja  auch  a  priori  nicht 
wohl  anders  denkbar  ist. 

Die  Zahl  der  successiven  Theilungsschritte  und  demnach  auch  die 
Zahl  der  gebildeten  Sprösslinge  ist  in  beiden  Gattungen  eine  variable.  — 
Bei  Polytoma  schwankt  letztere  zwischen  4  und  8,  nur  Dallinger  und 
Drysdale  wollen  gelegentlich  auch  16  Sprösslinge  beobachtet  haben.  Im 
Allgemeinen  scheint  die  Theilung  gewöhnlich  nur  bis  zur  Vierzahl  der 
Sprösslinge  fortzuschreiten  und  Krassilstschik  sucht  nachzuweisen,  dass  sich 
bei  P.  spicatum  gewöhnlich  nur  die  erste,  d.  h.  die  aus  dem  Dauerzustand 
(Zygote)  hervorgehende  freie  Generation  achttheile,  alle  folgenden  dagegen 
nur  4  Sprösslinge  lieferten.  Meine  Beobachtungen  an  der  gleichen  Form 
zeigten  mir  jedoch  eine  ganze  Anzahl  Achttheilungen  hinter  einander, 
so  dass  ich  diese  Kegel  nicht  für  allgemein  gültig  erachte. 

Auch  bei  Chlorogonium  beschreibt  Krassilstschik  eine  ähnliche  Regel- 
mässigkeit. Die  erste  freie  Generation  soll  sich  gleichfalls  achttheilen, 
die  folgenden  dagegen  gewöhnlich  nur  vier-  seltner  achttheilen.  Chloro- 
gonium besitzt  aber  die  interessante  Eigenthümlichkeit,  dass  nach  einiger 
Zeit  (nach  Krassilstschik,  etwa  am  10.  Tag  der  Infusion)  eine  erhöhte 
Theilbarkeit  eintritt,  welche  gewöhnlich  zur  Bildung  von  32  (seltner 
nur  1())  kleineren,  jedoch  gleichfalls  umhüllten  Sprösslingen ,  den  sogen. 
Mikrogonidien  oder  Gameten  führt.  Wie  wir  später  sehen  werden, 
sind  diese  kleinen  Gameten  zur  Copulation  bestimmt,  sie  schliessen  daher 
den  Generationscyclus  des  Chlorogonium  ab.  Auch  bei  dem  nahe  ver- 
wandten Chlorangium  wurde  diese  Mikrogonidienbildung  von  Cienkowsky 
uud  Stein  beobachtet. 

Bezüglich  der  feineren  Vorgänge  bei  dem  Theilungsprocesse  der  beiden 
Gattungen  sei  bemerkt,  dass  bei  beiden  die  erste  Theilung  fast  immer  eine 
deutliche  Quertheilung  ist  (T.  43,  4  c).  Doch  will  Stein  bei  Polytoma  die 
erste  Theilungsebene  gelegentlich  auch  schief  zur  Längsaxe  gefunden 
haben  und  beschreibt  diesen  Vorgang  als  den  gewöhnlichen  bei  der 
Vier-  und  Achttheilung  der  Chlorogonien.  Da  jedoch  nach  Stein 
und  Klebs  bei  der  Gametenbildung  dieser  Gattung  die  Theilungen  ent- 
schieden quer  geschehen,  so  dürfen  wir  mit  Letzterem  wohl  überhaupt  an 
der  angeblich  schiefen  Theilung  der  Chlorogonien  zweifeln.  Dieselbe  wird 
wahrscheinlich  dadurch  vorgetäuscht,  dass  sich  die  Sprösslinge  nach  jeder 

48* 


756  Flagellata. 

Theilung  in  die  Länge*)  strecken  und  schief  neben  einander  legen, 
wie  solches^  auch  bei  Polytoma  häufig  eintritt.  Auf  die  erste  Querthei- 
lung  folgt  bei  letzterer  Gattung  Längstheilung  der  beiden  Sprösslinge 
(T.  43,  4  c),  d.  h.  die  Einschnürung  verläuft  ziemlich  parallel  zu  der  Axe 
des  Mutterthieres  und  zwar  nach  Schneider  gewöhnlich  so,  dass  die  Thei- 
hmgsebenen  der  beiden  Sprösslinge  senkrecht  zu  einander  stehen.  In 
Bezug  auf  die  Sprösslinge  selbst  scheinen  mir  jedoch  nach  Steins  Abbil- 
dungen die  J'urchungsebenen  quer  orientirt  zu  sein.  Dies  hängt  damit 
zusammen ,  dass  schon  vor  der  ersten  Quertheilung  sich  eine  Art  völliger 
Verlagerung  der  Regionen  des  Polytomakörpers  zu  vollziehen  scheint.  Dabei 
wird  nämlich  die  Seite  des  Körpers,  wo  die  Einschnürung  zuerst  beginnt, 
zur'  Vorderregion  der  beiden  Sprösslinge ,  so  dass  also  im  Hinblick  auf 
die  Regionen  der  letzteren  die  Theilungsebene  eigentlich  eine  Längsebene 
darstellt,  wodurch  also  ein  gewisser  Anschluss  an  die  gewöhnliche  Läogs- 
theilung  der  übrigen  Chlamydomonadinen  vermittelt  wird**).  Zuweilen 
schieben  sich  nun  auch  die  beiden  ersten  Sprösslinge  nach  der  Theilung 
schief  neben  einander,  indem  sie  sich  etwas  in  die  Länge  strecken,  und 
theilen  sich  nun  quer  (Schneider)  (seltener  längs  ?,  Dallinger  und  Drysdale). 
Diese  Quertheilung  wird  jedoch  ebenso  zu  beurtheilen  seio,  wie  die  vorher- 
gegangene. Das  Genauere  über  die  gelegentliche  Achttheilung  ist  unbekannt. 

Wie  gesagt,  entwickeln  die  Sprösslinge  bei  Polytoma  und  Chloro- 
gonium  erst  kurz  vor  ihrer  Trennung  neue  Geissein.  Nur  Mereschkowsky 
sowie  Dallinger  und  Drysdale  wollen  zuweilen  schon  an  nocb  zusammen- 
hängenden Theilzuständen  der  Polytoma  Geissein  der  Sprösslinge  wahrge- 
nommen haben,  welche  frei  aus  der  Mutterhülle  hervorragten.  Jedenfalls 
ist  dies  kein  gewöhnliches  Vorkommniss.  —  Der  Austritt  der  Spröss- 
linge geschieht  bei  beiden  Gattungen  gewöhnlich  so,  dass  das  Theilungs- 
product  zunächst  zur  Ruhe  gelangt,  indem  die  ursprünglichen  Geissein 
des  Mutterwescüs  entweder  rückgebildet  werden  oder  ihre  Bewegungen 
einstellen.  Hierauf  durchbrechen  die  Sprösslinge  die  Mutterhülle  oder  diese 
verschleimt  und  löst  sich  auf,  was  wenigstens  bei  Chlorogonium  auch  die 
entleerte  Mutterhülle  rasch  thut.  Zuweilen  lassen  sich  an  der  entleerten 
Hülle  sowohl  bei  Polytoma  (Dallinger  und  Drysdale)  wie  Chlorogonium 
(Weisse,  Stein)  die  ursprünglichen  Geissein  noch  deutlich  erhalten  beobachten. 

Die  eben  genauer  erörterten  Vermehrungsvorgänge  erhalten  dadurch 
eine  weittragende  Bedeutung,  weil  die  Koloniebildungen  der  Volvocinen 
ohne  Zweifel  von  denselben  herzuleiten  sind,  wie  wir  später  sehen  werden. 

Sowohl  bei  Chlorogonium  (Krassilstschik)  wie  bei  Polytoma  (Bütschli)  findet  man  nicht  selten 
sogen.  Zwillingssprösslinge,  d.  li.  unvollständig  getheilte  Sprösslinge,  die  aus  unbekannten 
Gründen  nicht  zu  völliger  üurchschnürung  gelangten.    Ihre  Hintcrenden  sind  mehr  oder  min- 


*)  Auch   bei   dem   entsprechenden  Vermehrungsprocess  des  Chlorangium   geschieht   die 
Theilung  nach  Cienkowsky  quer. 

**)  Bei  der  wahren  Quertheilung  der  Flagellaten ,  so  bei  Oxyrrhis,  ist  dies  Verhalten 
der  Sprösslinge,  wie  geschildert,  ein  ganz  anderes,  da  dieselben  hier  hintereinandergestellt 
sind,  wie  bei  der  Quertheilung  der  Ciliaten. 


Veriiielir.  von  Polytoiiia  u.  Chloroi>-oiiiuiii :   \"criaclir.  im  JvuliozustaiKl  (Euf^leiiiiien).    757 

(l(;r  iiiigctreiiüt,  wäliicml  die  Vordcrcndcii  gesoiulcrt  un<]  jedes  deräclbeii  mit  dem  zuge- 
liörigcn  (ieisselsystem  ausgerüstet  ist.  Derartige  Zwilliiigsformeii  zeigen  gar  keine  Neigung 
zu  weiterer  Durchschnürung ,  aber  auch  keine  zu  Verschmelzung.  Stein  hielt  sie  bei  Chloro- 
gonium  irrtliiimlich  für  Copulationszustcände  und  es  scheint  mir  nicht  unwahrscheinlich,  dass 
aucli  die  von  ihm  beschriebenen  Copulationszustände  eines  Chlamydomonas  j^ulvisculus 
(T.  43,  Gh)  solche  Zwillingssprösslinge  waren.  Auch  die  ]\Iikrogonidicn  des  Ilaematococcus 
bieten  zuweilen  entsprechende  Abnormitäten  dar,  wie  aus  Cohn's  Mittheilungen  (,101)  her- 
vorgeht. 

b)  Vernielirung"  durch  einfache  oder  fortgesetzte  Thei- 
lung  im  Ruhezustand. 

Schon  im  Vorhergehenden  hatten  wir  mehrfach  Gelegenheit,  auf  die 
im  ruhenden  Zustand,  d.  h.  zum  mindesten  nach  Verhist  der  Geissei  ge- 
schehende Theilung  der  Euglenineo  hinzuweisen. 

Die  feineren  Vorgänge  dieses  LäcgstheiluDgsprocesses  haben  wir 
schon  früher  geschildert,  da  sie  sich  in  nichts  von  den  gewöhnlichen  unter- 
scheiden, daher  ist  nur  noch  einiges  über  die  von  dem  Ruhezustaüd  bedingten 
Besonderheiten  zu  bemerken.  Der  Ausdruck  Ruhezustand  ist  hier  zu- 
nächst nicht  so  zu  verstehen,  dass  die  Eugleninen  nach  Verlust  der 
Geissei  und  während  des  Theiluiigsvorgaugs  in  absoluter  Ruhe  verharren, 
im  Gegentheil  zeigen  gewisse  metabolische  Formen  während  des  eigent- 
lichen Durchschnürungsvorgangs  recht  lebhafte  Contractionen  der  schon 
gesonderten  Vordertheile  der  Sprösslinge  und  wie  Klebs  mehrfach  beob- 
achtete (namentiich  Euglena  deses  und  E.  Spirogyra),  wogt  häufig  das 
Plasma  der  beiden  noch  zusammenhängenden  Sprösslinge  hin  und  her, 
d.  h.  es  findet  eine  wechselnde  Strömung  desselben  aus  dem  einen  in 
den  anderen  Sprössling  statt. 

Während  nun  bei  gewissen  Euglenaarten  (so  E.  Spirogyra,  varia- 
bilis  Kl,  tripteris  Duj.,  acus  0.  F.  M.),  ferner  bei  Ascoglena,  Phacus,  Chloro- 
peltis  und  wahrscheinlich  auch  Trachelomonas  der  Ruhezustand  sich  nur 
im  Verlust  der  Geissei  ausspricht,  bildet  sich  bei  den  übrigen  Euglena- 
arten (wenigstens  gewöhnlich),  vielleicht  aber  uoter  gewissen  Um- 
ständen auch  bei  den  übrigen  Gattungen,  vor  der  Theilung  eine  den  Körper 
einschliesseude  Hülle  aus,  d.  h.  nach  dem  gewöhnlichen  Sprachgebrauch, 
es  encystirt  sich  die  Euglene. 

Diese  Hülle  ist  entweder  eine  schleimige,  häufig  etwas  köruelige, 
welche  je  nach  den  Arten  von  äusserster  Dünne  bis  zu  massiger  Dicke 
schwankt,  oder  sie  ist  zu  einer  festeren  und  meist  ziemlich  dünnen  Haut 
erhärtet.  Bei  dem  Uebergang  in  diesen  umhüllten  Ruhezustand  verändert 
die  Euglene  entweder  ihre  gewöhnliche  Form  nicht,  d.  h.  langgestreckte 
Formen  (wie  z.  B.  Euglena  deses),  bleiben  auch  in  diesem  Zustande  lang- 
ausgestreckt oder  es  geschieht  zuvor,  wie  dies  ja  bei  Encystirungs- 
processen  gewöhnlich  der  Fall  ist,  eine  Zusammenziehung  zu  eiförmiger 
bis  kugeliger  Gestalt.  Innerhalb  dieser  Hülle  nun  vollzieht  sich  die  Längs- 
theilung in  gewöhnlicher  Weise. 

Sehr  eigenthümlich  soll  die  Gallerthülle  nach  Carter's  Beobachtungen  bei  der  sogen, 
Euglena  Tuba  gestaltet  sein,  indem  sie  sich  hier  in  eine  ansehnliche  röhrenförmige  und  an 


758  Flagellata. 

ihrem  Ende  geöffnete  Verläng-emng  fortsetzt.  Es  scheint  mir  möglich,  dass  diese  Röhre, 
welche  sich  am  vorderen  Ende  der  Cyste  finden  soll,  dem  Gallertstiel  der  mit  Eugleua  so 
nahe  verwandten  Gattung  Colacium  entspricht*). 

Der  Vermehiungsprocess  der  Euglenen  im  umhüllten  Zustande  wurde 
schon  von  Dujardin  richtig  beobachtet  und  später  von  zahlreichen  For- 
schern (Meyen,  Thuret,  Cohn,  Perty,  Focke,  Stein,  Carter,  Cienkowsky 
und  Klebs)  geschildert.  Auch  Ehrenberg  hatte  diese  Ruhezustände  jeden- 
falls schon  beobachtet,  hielt  sie  jedoch  für  abgestorben.  Gewöhnlich 
tritt  unter  dem  Schutze  der  Hülle  nur  eine  einfache  Zweitheilung  ein, 
worauf  die  beiden  Sprösslinge  entweder  nach  Ausbildung  ihrer  Geissein 
die  Hülle  verlassen  oder  in  Ruhe  weiter  verweilen,  indem  sich  um  jeden 
eine  Specialhülle  ausbildet. 

Nicht  ganz  selten  scheint  es  jedoch  auch  vorzuliommen,  dass  die  nocli  zusammenhängen- 
den Sprösslinge  iliro  Cysten  verlassen,  wenigstens  erklären  sich  so  am  einfachsten  die  bei 
Euglena  viridis  und  anderen  hüllenbildenden  Formen  gelegentlich  beobachteten  freien,  mit 
oder  ohne  Geissein  angetroffenen  Längstheihingszustände.  Schon  Carter  (109  b)  hat  solche  hei 
der  Euglena  deses,  viridis  und  der  fraglichen  E.  agilis  beobachtet,  jedoch  nur  bei  letzterer 
als  Theilungen  gedeutet,  die  der  beiden  erstgenannten  Formen  dagegen  als  Conjugationen. 
Hierin  folgte  ihm  später  bezüglich  der  E.  viridis  Stein  und  erst  Klebs  wies  sehr  richtig  dar- 
auf hin,  dass  diese  angeblichen  Conjugationen  sicherlich  nichts  weiter  wie  unvollendete  Längs- 
theilungen waren. 

Wie  bemerkt,  scheidet  beim  weiteren  Verharren  im  Ruhezustande  jeder 
Sprössling  meist  bald  seine  eigene  Specialhülle  aus.  Nun  kann  jedoch 
das  Wachsthum  und  die  Vermehrung  dieser  ruhenden  Sprösslinge  durch 
weitere  Zweitheilungen  sich  ungehindert  fortsetzen,  ohne  dass  sich 
zunächst  ein  beweglicher  Zustand  einschiebt.  Hierbei  erweitert  sich 
natürlich  die  alte  Hülle,  je  mehr  neue  Sprösslinge  durch  Theilung  ent- 
stehen, mehr  und  mehr  und  umschliesst  ein  System  ineinander  geschach- 
telter SpecialhUllen  der  Sprösslinge.  Auf  diese  Weise  bilden  sich  Zu- 
stände, welche  zuerst  Cienkowsky  (118)  genauer  gekennzeichnet  hat 
und  richtig  mit  ähnlichen  gewisser  Protococcaceen  (so  Pleurococ- 
cus  etc.)  verglich.  Da  nun,  speciell  bei  Euglena  viridis  häufig  sehr 
grosse  Mengen  solcher  in  fortdauernder  Vermehrung  begriffener  Ruhe- 
zustände dicht  zusammengedrängt  an  der  Oberfläche  des  Wassers  oder 
auf  dem  Boden  etc.  sich  finden,  so  schmelzen  die  Schleimhtillen  be- 
nachbarter allmählich  zusammen  und  so  entstehen  ansehnliche  zusammen- 
hängende Häute,  welche  in  dichter  Zusammendrängung  Massen  ruhender 
Euglenen  umschliessen.  Seit  Ehrenberg  sind  solche  Zustände  häufig 
beobachtet  worden  und  namentlich  Cohn  (1850)  hat  auf  ihre  Bilduugs- 
geschichte  eingehender  hingewiesen. 

Fraglich  erscheint  es,  ob  die  gewöhnliche  Eegel,  dass  vor  jeder  neuen  Theilung  eine 
Specialhülle   um   die    Sprösslinge    entsteht,    ganz   durchgreifend   ist.     Die   älteren  Beobachter 


*)  Fjaglich  könnte  es  ersclieinen,  ob  die  sogen.  Cysten  der  Euglena  Tuba  nicht  eigent- 
lich Dauerzustände  sind;  da  jedoch  Carter  ausdrücklich  ihre  Vermehrung  durch  Theilung  be- 
tont, so  scheint  dies  ausgeschlossen.  Nach  der  Carter'schen  Darstellung  und  seinen  Abbil- 
dungen scheint  es  jedoch  wahrsclieinlich,  dass  bei  der  Vermehrung  der  ruhenden  Engl.  Tuba 
die  Gallerthülle  älinlich  wie  bei  Colacium  mitgetheilt  wird;  was  die  üebereinstimmung  mit 
letzterwähnter  Gattung  noch  vermehren  würde. 


Vermehr,  im  Kuhczust.  (Eiig-leiiiueu,  Clirouiuliua.  Cluotiiopliyton).  759 

wenigstens,  wie  Colin  (1S50  und  1S54),  Perty  (1852)  und  Carter  (ISöO"!  I)eliaui)tcn  üljcrcin- 
stiininend,  dass  die  Theilung  auch  bis  zu  4,  S,  IG,  ja  32  Sprösslingo  fortschreiten  könne, 
ohne  dass  hierbei  der  Bildung  von  SiJccialhüllen  gedacht  würde.  Obgleich  man  nun  im  All- 
gemeinen mit  Kecht  geneigt  sein  wird,  diese  Angaben  auf  mangelhafte  Beobachtung  zurück- 
zuführen, so  scheint  doch  auch  die  Möglichkeit  derartiger  Tlieilprocessc  zunächst  noch 
beachtenswerth.  Nur  Perty  behauptet  übrigens  gesehen  zu  haben,  dass  durch  fortgesetzte 
Theilung  aus  einer  grossen  Euglena  viridis  20  bis  mehr  kleine  hervorgingen,  also  eine  Art 
Mikrogonidienbildung*);  bei  der  gewöhnlichen  Vermehrungsart  dagegen  geht  das  Wachsthum 
ununterbrochen  weiter,  so  dass  eine  erhe))liche  Verkleinerung  der  Sprösslinge  meist  nicht  ein- 
zutreten scheint. 

Auch  Trachelomonas  zeigt  unter  Umständen  eine  ähnliche  Ver- 
mehrung im  umhüllten  ßuhezustande.  Schon  Perty  beobachtete  bei  Tr. 
volvocina  Theilung  bis  zu  vier  Sprössliugen  in  der  Schale;  ich  fand  bei 
Trach.  hispida  drei  Sprösslinge,  welche  innerhalb  der  Schale  noch  in  eine 
kugelige  zartere  Hülle  eingeschlossen  waren.  Carter  (1858)  will  bei 
einem  grossen  Trachelomonas  sogar  Sechzehntheilung  in  der  Schale  beob- 
achtet haben,  also  möglicherweise  eine  Art  Mikrogonidienbildung,  doch 
bleibt  unser  Urtheil  über  diese  Beobachtung  unsicher,  da  Abbildungen 
fehlen. 

An  die  geschilderten  Vermehrungszustände  der  Euglenen  schliessen 
sich  die  von  Stein  bei  der  Chromulina  ochracea  aufgefundenen  nahe  an. 
Auch  hier  geschieht  die  Vermehrung  durch  fortgesetzte  Längstheilung 
unter  dem  Schutz  einer  kugeligen,  sich  dauernd  erweiternden  Schleim- 
hülle bis  zur  Achttheilung  (das  letzte  Stadium,  welches  beobachtet  wurde). 
Dasselbe  gilt  ferner  für  die  Chr.  flavicans,  wenn  die  von  Stein  beobachteten 
ruhenden  Zustände  sicher  hierher  gehören.  Doch  ist  hier  die  Schleim- 
hülle sehr  dick  und  stark  von  Körnchen  durchsetzt  (T.  40,  6  b).  Bei 
der  Vermehrung  in  dieser  sich  successive  vergrössernden  Schleimhülle, 
welche  wahrscheinlich  die  Gestalt  einer  etwas  abgeplatteten  Kugel  be- 
sitzt, ordnen  sich  die  Theilsprösslinge  von  der  dritten  Generation  an 
zu  einem  peripherischen  Ringe  zusammen.  Die  Vermehrung  wurde  hier  bis 
zur  vierten  Generation  verfolgt. 

Etwas  modificirt,  im  Ganzen  jedoch  in  entsprechender  Weise  verläuft 
auch  die  Fortpflanzung  des  von  Woronin  beschriebenen  Chromophyton 
Rosanoffii,  das  überhaupt  mit  Chromulina  nächstverwandt,  wenn  nicht 
identisch  ist.  Beim  Uebergang  in  den  Ruhezustand  treten  die  in 
Torfmooren  lebenden  beweglichen  Formen  au  die  Wasseroberfläche, 
indem  sie  nach  Woronin's  Beschreibung  deren  Oberflächenhäutchen  ge- 


*)  Auch  ich  sah  bei  der  fortgesetzten  Theilung  der  Euglena  viridis  eine  successive  Ver- 
kleinerung der  Sprösslinge  eintreten,  eine  Erscheinung,  die  einer  genaueren  Untersuchung  be- 
dürftig erscheint.  Auch  die  angeblichen  Cysten  mit  Zerfall  des  Inhalts  in  zahlreiche  Sporen, 
welche  Kent  von  Euglena  viridis  beschreibt,  halte  ich  nur  für  mangelhaft  beobachtete  der- 
artige Theilungszustände.  Die  Sporen  sollen  schliesslich  in  Gestalt  kleiner  grüner  Amöben 
ohne  Geissei  und  Augenfleck  austreten.  Ganz  unsicher  scheint  mir  dagegen  vorerst  die  von 
dem  gleichen  Forscher  erwähnte  Fortpflanzung  der  Eutreptia  durch  Encystirung  und  Zerfall 
des  Cysteuinhalts  in  „unzählige"  Sporen,  welche  schliesslich  auch  als  geissellose  Amöben 
hervortreten  und   hierauf  erst  eine,   später    die  zweite  Geissei  entwickeln  sollfen. 


760  Flagellata. 

wissermaasseu  durchbohren,  ähnlich  wie  manche  parasitische  Monadinen 
die  Haut  der  Algenzellen,  in  welche  sie  eindringen,  durchbohren.  Hier- 
auf wird  auch  hier  eine  kugelige ,  jedoch  nicht  sehr  dicke  Schleimhülle 
gebildet,  die  als  besondere  Auszeichnung  an  ihrem,  der  Wasseroberfläche 
aufliegenden  unteren  Pole  ein  geöffnetes,  festes,  kurzes  Röhrchen  trägt. 
Unter  allmählicher  Erweiterung  der  Schleimhülle  wurde  die  Vermehrung 
des  ruhenden  Chromophyton  durch  successive  Zweitheilung  (wahrschein- 
lich längsverlaufend)  bis  zur  Achtzahl  beobachtet.  Häufig  ereignet  es  sich 
auch  hier,  dass  die  benachbarten  Ruhezustände  mit  ihren  Schleimhiillen  zu 
rundlichen  oder  unregelmässigen  Massen  zusammenschmelzen,  deren  Ab- 
stammung sich  nicht  selten  noch  deutlich  constatiren  lässt,  indem 
sich  die  erwähnten  Röhrchen  der  einzelnen  Ruhezustände  auch  noch 
nach  der  Verschmelzung  erhalten ,  so  dass  ihre  Zahl  die  Menge  der  ver- 
einigten einzelnen  Cysten  anzeigt.  Der  Wiederaustritt  der  erzeugten 
Sprösslinge  geschieht,  wenn  dieselben  wieder  in  Wasser  untergetaucht 
werden,  eine  Erscheinung,  die,  wie  wir  später  sehen  werden,  bei  den 
Ruhezuständen  zahlreicher  Flagellaten  hervortritt. 

Fortpflanzung  im  Ruhezustand  ist  ferner  für  einer  Anzahl  Chlamy  do- 
monadinen  die  Regel  und  hier  schon  seit  verhältnissmässig  langer  Zeit 
von  vielen  Forschein  genauer  untersucht  worden.  Die  Gattungen  Chla- 
mydomonas,  Haematococcus  und  Carteria  werden,  im  Gegensatz  zu  den 
früher  geschilderten  Polytoma  und  Chlorogonium  durch  einen  derartigen 
Fortpflanzungsprocess  cbarakterisirt. 

üeber  Chlamydoinonas  haben  uns  hauptsächlieh  die  Untersuclmngen  von  A.  Braun  (1851), 
Perty  (1852),  Fresenius  (ISöü  und  5S),  Carter  (1858),  Cienkowsky  (1865),  Reinhardt  (187G), 
Goroshaukin  (,1870)  und  Stein  (187S)  Aufschlüsse  gegeben.  Sehr  zalilreich  sind  bekanntlich 
die  Untersuchungen  über  die  Fortpflanzung  des  Haematococcus,  von  welchen  wir  namentlich 
die  von  v.  Flotow,  Vogt,  Cohn  (1850  und  1854),  A.  Braun  (1851),  Perty  (1852),  Cienkowsky 
(1856),  Rostafinski  (1S75),  Goroshankiu  (1876)  und  Stein  hervorheben,  üeber  die  entsjjreclende 
^Fortpflanzung  der  Carteria  haben  Fresenius  (1856),  Carter  (1858  und  1809)  und  schliesslich 
Rostafinski  (1871)  gearbeitet. 

Beschäftigen  wir  uns  zunächst  etwas  eingehender  mit  den  Erschei- 
nungen bei  Chlamydomonas  und  speziell  dem  gewöhnlichen  Chlamydo- 
monas  pulvisculus.  Derselbe  geht  in  den  ruhenden  Zustand  über,  indem 
die  Geissein  sich  rückbilden  und  die  Schalenhülle  sich  mehr  oder  weniger 
weit  von  dem  Körper  abhebt.  Letzterer  umkleidet  sich  nun  sofort  mit 
einer  neuen  dichtaufliegenden  Hülle  und  vermehrt  sich  unter  dem  Schutze 
der  Mutterhülle  durch  successive  Längstheilung,  die  bis  zur  Acbtzahl, 
vielleicht  jedoch  zuweilen  auch  noch  etwas  weiter  (Carter),  fortschreiten  kann 
(T.  43,  6  k).  Bei  anderen  Formen,  so  Chi.  albovlridis  und  obtusa  scheint 
diese  Vermehrung  gewöhnlich  nicht  über  die  Viertheilung  hinauszugehen, 
hierauf  befreien  sich  die  Sprösslinge,  was  oft  auch  schon  nach  der 
Zweitheilung  zu  geschehen  scheint  (A.  Braun).  Auch  bei  Chi.  pulvisculus 
scheint  letzteres  häufig  zu  sein,  wenigstens  gibt  Reinhardt  an,  dass  die 
gewöhnliche  Vermehrung  durch  wiederholte  Zweitheilung  geschehe. 


Verniuhr.  im   Uuliezustumi  (Clilauiydomouiis).  761 

Das  Wahrscheinlichste  wird  also  sein,  dass  diese  Vermehrung  unter 
dem  Schutz  der  Mutterhülle  früher  oder  später  durch  das  Freiwerden  der 
Sprösslinge  unterbrochen  wird,  so  dass  deren  Zahl  in  einer  Mutterhüllc 
sehr  verschieden  sein  kann.  Hierauf  deutet  auch  hin,  dass  die  Spröss- 
linge häufig  schon  sehr  frühzeitig  ihre  Geissein  wieder  erlangen  (Carter, 
Fresenius,  Stein),  schon  nach  der  ersten  Zweitheilung,  und  sich  nun  wie  ge- 
wöhnliche Flagellaten  unter  vorheriger  Vermehrung  ihrer  Geissein  weiter 
längstheilen.  In  anderen  Fällen  unterbleibt  dagegen  die  Neubildung  der 
Geissein  und  tritt  jedenfalls  erst  kurz  vor  dem  Wiederaustritt  der  ruhenden 
Sprösslinge  auf.  Schreitet  der  Vermehrungsprocess  unter  dem  Schutz  der 
Mutterhülle  bis  zu  höheren  Sprösslingszahlen  fort,  so  erweitert  sich  die- 
selbe auch  hier  entsprechend,  was  z.  Th.  dadurch  bedingt  wird,  dass  die 
Sprösslinge  auch  im  ruhenden  Zustande  fortgesetzt  wachsen,  wenn  sie 
auch  die  Grösse  des  Mutterwesens  gewöhnlich  nicht  vollständig  erreichen. 

Eine  weitere  Moditication  dieses  Fortpfianzungsprocesses  kann  da 
durch  entstehen,  dass  sich  die  neugebildeten  Specialhüllen  der  Spröss- 
linge bei  der  fortschreitenden  Vermehrung  ähnlich  verhalten  wie  die 
ursprüngliche  Mutterhülle,  das  heisst  sich  abheben  und  an  der  Thei- 
lung  nicht  participiren.  Durch  in  dieser  Weise  fortgesetzte  Vermehrung 
können  sich  nun  pleurococcusartige  Zustände  bilden,  wie  wir  sie  ähnlich 
schon  bei  den  Euglenen  antrafen.  Hierauf  hat  zuerst  Cienkowsky 
1865  die  Aufmerksamkeit  gelenkt,  nachdem  zwar  schon  früher  A.  Braun 
(1851)  die  Bildung  ähnlicher  vegetirender  Zustände  bei  Haematococcus 
beschrieben  hatte.  Dieselbe  Erscheinung  beobachtete  Cienkowsky  (134)  auch 
bei  der  mit  Chlamydomonas  wohl  nahe  verwandten  sogen.  Vacuolaria, 
dieselbe  geht  in  einer  kugeligen  Gallerthtille  in  den  Ruhestand  über,  um 
dann  durch  successive  Zweitheilung  pleurococcusartige  Zustände  zu  bilden. 

Zu  gewissen  Zeiten  nun  geschieht  die  successive  Theilung  im  ruhen- 
den Zustande  rascher  und  ohne  dass  den  Sprösslingen  Zeit  bleibt,  während 
des  Theilungsprocesses  heranzuwachsen ;  das  Resultat  dieses  Vermehrungs- 
vorgangs, der  bis  zur  Acht-  und  Sechzehntheilung  fortschreiten  kann 
(Reinhardt),  sich  nicht  selten  jedoch  auch  bis  zur  Bildung  von  32  kleinen 
Sprösslingen  ausdehnt  (Carter  für  Chi.  pulvisculus,  A.  Braun  für  Chi. 
obtusa  und  tingens),  ist  demnach  die  Erzeugung  einer  Brut  kleiner  Spröss- 
linge, ähnlich  wie  wir  das  schon  früher  bei  dem  Chlorogonium  sahen. 
Auch  haben  diese  Mikrogonidien  nach  Reinhardt  gleichfalls  die  Bedeutung 
zur  Copulation  bestimmter  Gameten.  Ob  diese  Gameten,  deren  Grösse 
nach  Reinhardt  stets  unter  der  der  kleinsten  gewöhnlichen  Individuen 
zurückbleibt,  immer  eine  Schalenhülle  (Zellhaut)  besitzen,  scheint  etwas 
fraglich.  Nach  der  Ar  gäbe  des  erwähnten  Forschers  und  Goroshankin's 
haben  sie  eine  solche,  die  jedoch  dem  Plasmakörper  dicht  aufliegt,  da- 
gegen bildet  Stein  im  Freien  gefundene  mikrogonidienartige  Sprösslinge 
ab,  die  jedenfalls  dm-chaus  nackt  waren,  da  sie  von  ihrer  gesammten 
Oberfläche  fingerförmige  Pseudopodien  entwickelten.  Wie  die  Beobach- 
tungen Carter's  (1858)  sicher  zu  lehren  scheinen,  geht  die  Mikrogonidien 


762  Flag-ellata. 

bilduug,  auch  zuweilen  vou  ruheuden  Theilsprösslingen  der  gewöhnlichen 
Art,  welche  noch  von  ihrer  Mutterhtille  umschlossen  sind,  aus. 

Die  Beobachtungen  von  Fresenius  (1856),  Carter  (1869),  Rosta- 
finski  (1871)  und  Cohn  (1877)  lehren,  dass  die  Vermehrungserschei- 
nungen der  viergeisseligen  Carteria  im  allgemeinen  ganz  mit  denen  der 
gewöhnlichen  Chlamj^domonasformen  übereinstimmen.  Die  gewöhnliche 
Vermehrung  vollzieht  sich  hier  durch  2 — 4  Theihmg  im  ruhenden  Zu- 
stande, dazu  gesellt  sich  Jedoch  nach  Rostafinski  auch  eine  Mikrogouidien- 
(Gameten-)bildung,  welche  durch  Achttheilung  geschieht.  Die  freigewor- 
denen Mikrogonidien  schildert  letzterer  Beobachter  als  hüllenlos.  Eine 
nicht  ganz  sichere  Beobachtung  Carter's  deutet  übrigens  daraufhin,  dass 
auch  Sechzehntheilung  bei  der  Mikrogonidienbildung  zuweilen  vorkommen 
dürfte.  Bei  der  gewöhnlichen  Viertheilung  werden  die  vier  tetraedrisch 
geordneten  Sprösslinge  nach  Cohn  durch  Auflösung  der  Mutterhülle  frei, 
bei  der  Mikrogonidienbildung  vollzieht  sich  die  Befreiung  der  Sprösslinge 
nach  Rostafinski  durch  seitliche  Auflösung  der  Mutterhülle. 

Einige  Schwierigkeit  bereitet  die  Beurtheilung  der  zahlreichen  Beob- 
achtungen über  die  Vermehrung  des  Haematocoecus,  speciell  des  so  ver- 
breiteten H.  lacustris.  Diese  Schwierigkeiten  werden  hauptsächlich  dadurch 
bedingt,  dass  die  Beobachter,  wie  es  scheint,  häufig  nicht  hinreichend 
scharf  zwischen  der  gewöhnlichen  Vermehrung  im  ruhenden  Zustande  und 
derjenigen  unterschieden,  welche  sich  hier  und  anderwärts  im  Gefolge  des 
sogen,  Dauerzustandes  einstellt.  Die  Betrachtung  der  Dauerzustände 
sparen  wir  auf  ein  späteres  Kapitel  auf  und  beschränken  uns  hier  auf 
die  Besprechung  der  der  gewöhnlichen  Vermehrung  von  Chlamydomonas 
analogen  Fortpflanzungserscheinungen.  Die  Beobachtungen  von  Cohn, 
Braun  und  Stein  über  den  gewöhnlichen  H.  lacustris  und  diejenigen  Cien- 
kowsky's,  Stein's  und  Goroshankin's  über  den  sogen.  H.  rostratus  (welcher 
eine  entschiedene  Mittelform  zwischen  Chlamydomonas  und  Haematocoecus 
darstellt),  lassen  mit  Sicherheit  erkennen,  dass  auch  hier  die  gewöhnliche 
Vermehrung  im  ruhenden  Zustande  in  der  wenig  erweiterten  Mutterhülle 
sich  findet  und  dass  dieselbe  meist  mit  der  Viertheilung  sistirt.  Doch 
findet  sich  nach  Braun  gelegentlich  auch  Zwei-  und  andrerseits  auch  selten 
Achttheilung.  Auch  hier  bilden  die  Sprösslinge  häufig  ihre  Geissein 
schon  recht  frühzeitig  aus.  Schon  früher  wurde  darauf  aufmerksam  ge- 
macht, dass  H.  lacustris  nach  den  Beobachtungen  von  Perty  und  Cohn 
zuweilen  auch  schon  im  beweglichen  Zustande  seine  Theilungen  beginnt, 
ähnlich  Polytoma  und  Chlorogoliium  und  dieselben  mehr  oder  weniger 
durchführt,  bevor  Ruhe  eintritt,  welche  durch  den  Verlust  der  Mutter- 
geissein bedingt  wird. 

Zu  gewissen  Zeiten  tritt  nun  auch  bei  H.  lacustris  eine  Mikrogoni- 
dienbildung ein,  wie  schon  Cohn  und  Braun  sicher  erkannten  und  später 
Rostafinski  bestätigte,  während  Goroshankin  diesen  Vorgang  beiH.  rostratus 
nachwies.  Nach  den  übereinstimmenden  Angaben  der  drei  erstgenannten 
Beobachter  ist  die  Zahl   der  Mikrogonidien,   welche  bei  H.  lacustris  aus 


Vermehr,  im  Riiliezust.  i^Ciirtoria,  Haematococcus,  Phacutus  u.  Coccoinonas).         763 

einer  Mutterzelle  entsteheD,  ziemlich  hoch,  gewöhnlich  scheinen  es  32  zu 
sein,  seltener  dagegen  16,  und  Cohn  gibt  an,  sogar  64  gelegentlich  beob- 
achtet zu  haben.  Nach  allem,  was  wir  von  der  Mikrogonidienbildung  der 
verwandten  Chlamydoraonadina  und  Volvocina  wissen,  scheint  es  in 
hohem  Grade  wahrscheinlich,  dass  dieselbe  auch  bei  dem  Haem.  lacustris 
durch  successive  Zweitheilung  vor  sich  geht  und  dass  die  Angaben  Cohn's, 
es  geschehe  dieser  Vorgang  durch  simultane  Theiluug,  auf  ungenauer 
Beobachtung  beruhen. 

Bezüglich  der  Bauweise  dieser  Mikrogonidien  weichen  die  Angaben 
der  Beobachter  etwas  von  einander  ab ,  namentlich  herrschen  Zweifel 
darüber,  ob  dieselben  mit  einer  Hüllhaut,  ähnlich  wie  die  Makrogonidien, 
versehen  sind.  Cohn  will  sich  überzeugt  haben,  dass  die  Mikrogonidien 
häutig  ganz  nackt  sind  und  ich  sah  sie  ebenfalls  leicht  zerfliessen,  ohne 
dass  eine  Hülle  sich  zeigte;  Stein  dagegen  zieht  ihre  Hülleolosigkeit  in 
Zweifel.  Jedenfalls  ist  sicher,  dass  sie  nie  eine  abstehende  Membran  be- 
sitzen, was  auch  Braun  besonders  betont.  Auch  Strasburger  gibt  an,  dass 
die  freiwerdenden  Sprösslinge  des  H.  lacustris  zunächst  stets  nackt  seien, 
doch  scheint  sich  seine  Angabe  nur  auf  die  aus  den  Dauerzuständen  hervor- 
tretenden Sprösslinge  zu  beziehe d,  für  die  sie  jedenfalls  keine  allgemeine 
Gültigkeit  beanspruchen  kann. 

Später  erst  können  wir  genauer  auf  die  Bedeutung  der  Mikrogoni- 
dienbildung des  Haematococcus  lacustris  eingehen,  die  im  Gegensatz  zu 
Chlamydomonas  und  Carteria  noch  keine  Copulation  erkennen  Hessen. 

Die  mit  den  seither  beschriebenen  Gattungen  so  innig  verwandten 
Genera  Phacotus  und  Coccomonas  zeigen  auch  eine  im  allgemeinen 
übereinstimmende  Vermehrung  im  ruhenden  Zustande,  wie  die  Beobachtungen 
Carter's  (1858  und  1859)  und  Stein's  (1878)  gelehrt  haben.  Bei  sämmt- 
lichcn  bekannten  Formen  geschieht  dieselbe  innerhalb  der  Schale  des 
Mutterorganismus  durch  successive  Zweitheilung,  welche  gewöhnlich  mit 
der  Bildung  von  vier  Sprösslingen  sistirt,  bei  Phacotus  unter  Umständen 
auch  schon  mit  der  Zweitheilung.  Die  vier  Sprösslinge  bilden  nun  entweder 
schon  in  der  Mutterschale  eine  eigene  Schale,  entwickeln  ihre  Geissein  und 
werden  dadurch  frei,  dass  die  Mutterschale  in  zwei  Hälften  auseinander- 
bricht (Coccomonas  orbicularis  nach  Stein,  T.  43,  IIb),  oder  die  Schalen- 
bildung geschieht  erst  etwas  später.  Bei  Phacotus  lenticularis  treten 
nämlich  die  Sprösslinge,  zunächst  in  eine  Gallertblase  eingehüllt,  durch  Aus- 
einanderklappeu  der  beiden  Mutterschalenhälften  hervor  und  erst  in  diesem 
Zustande  bilden  sie  ihre  Schale  (auch  bei  Phacotus  angulosus  Cart.  sp. 
dürfte  der  Vorgang  ähnlich  sein).  Dagegen  scheinen  sich  die  Geissein  der 
Sprösslinge  schon  sehr  frühzeitig  zu  bilden,  wenigstens  sind  sie  stets 
schon  deutlich  vorhanden,  wenn  die  Schalenhälften  aufklappen.  Au  der 
Gallertblase  bleiben  die  beiden  Scbalenklappen  gewöhnlich  kleben.  Etwas 
fraglich  ist  die  Herkunft  dieser  Gallertblase,  wahrscheinlich  dürfen  wir 
sie  als  eine  vor  der  Theilung  ausgeschiedene  Specialhülle  des  Organismus 
betrachten,   ähnlich  wie  die  Schleimhüllen  der  sich  tbeilenden  Euglenen; 


764  Flagellata. 

dies  halte  ich  vveuigsteus  für  wahrscheinlicher,  als  die  Annahme,  dass  sie 
eine  innerste,  verschleimte  Schicht  der  Mutterschale  sei. 

Aus  Carter's  Beobachtungen  geht  nun  weiter  hervor,  dass  Phacotus 
lenticularis  auch  Mikrogonidien  bildet,  deren  Entstehung  im  w^esentlichen 
wie  die  gewöhnliche  Vermehrung  verläuft,  jedoch  zur  Erzeugung  von  G4 
kleinen  Theilsprösslingen  führt,  die  wie  die  zuerst  geschilderten  in  der 
Gallertblase  eingeschlossen,  aus  der  Mutterschale  hervortreten  (T.  44,  3  e). 
Wir  werden  später  sehen,  dass  diese  Mikrogonidien  als  spermoide  In- 
dividuen functioniren.  Uebrigens  sah  Carter  auch  Theilungen  zu  8, 
IG  und  32  in  der  Gallertblase  frei  werden,  woraus  hervorzugehen 
scheint,  dass  die  Mikrogonidienbildung  nicht  immer  bis  zur  64-Theilung 
fortschreitet.  Die  kleinen  kugligen  Mikrogonidien,  welche  mit  zwei  Geissein 
und  einem  Augenfleck  versehen  sind,  werden  sehr  wahrscheinlich  im 
nackten  Zustande  frei. 

Auch  in  der  Familie  der  Cryptomonadinen  findet  sich  nach  Cien- 
kowsky  (134)  eine  ähnliche  Vermehrung  im  Ruhezustande,  wie  bei  den 
Chlamydomonadinen.  Beim  Uebergang  in  den  Ruhezustand  scheidet 
die  Cryptomonas  eine  mehrschichtige,  dicke  Gallerthülle  aus,  unter  deren 
Schutz  sie  sich  durch  fortgesetzte  Zweitheilung  (in  der  Längsrichtung)  ver- 
mehrt, und  da  die  Sprösslinge  fortdauernd  Specialhüllen  bilden  und  weiter- 
wachsen, führt  dieser  Vermehrungsprocess,  ähnlich  wie  bei  Chlamydomonas 
zur  Entwicklung  pleurococcusartiger  Familien  (T.  45,  11).  Cienkowsky 
neigt  der  Annahme  zu,  dass  diese  ruhenden  Zustände  ihre  Geissein  noch 
besitzen,  da  sie  sich  nach  dem  Hervorquetschen  aus  der  Gallertmasse  sofort 
bewegen.  Wahrscheinlich  wird  jedoch  auch  hier  bei  dem  Uebergang  in 
den  Ruhezustand  zunächst  eine  Rückbildung  der  Geissein  eintreten,  die 
sich  jedoch  bei  den  Sprösslingen  früher  oder  später  neu  erzeugen. 

Eine  Reihe  von  Beobachtungen  erweist,  dass  auch  bei  den  farblosen 
kleinen  Flagellaten  aus  den  Abtheilungen  der  Monadina  und  Hetero- 
mastigoda  eine  Vermehrung  im  Ruhezustande  nicht  selten  ist.  Nur  lassen 
es  die  Beobachtungen  bis  jetzt  häufig  unentschieden,  ob  diese  Vermeh- 
rungsprocesse  mit  einer  vorherigen  Copulation  in  Beziehung  stehen.  Wo 
letzteres  mit  Sicherheit  erwiesen  ist,  werden  wir  erst  später  die  bezüg- 
lichen Vorgänge  darstellen  und  hier  nur  derjenigen  gedenken,  wo  dies 
nicht  der  Fall  oder  doch  nicht  erwiesen  ist. 

Ziemlich  genau  sind  diese  Processe  bei  einigen  Arten  der  Gattung 
Bodo  bekannt.  Bei  Bodo  caudatus  (Dj.)  St.  (=  Colpodella  pugnax  Cienk.) 
erwies  zuerst  Cienkowsky  (1865)  das  Vorkommen  eines  Ruhezustandes 
mit  Vermehrung.  Später  bestätigten  Stein  und  Keut  diese  Beobachtung. 
Diese  Form  bildet  einen  kugligen  Ruhezustand  mit  zarter  einfacher  Hüll- 
haut und  theilt  sich  hierauf  in  eine  massige  An/ahl  (St.  zeichnet  6) 
Sprösslinge,  welche  die  Hülle  schliesslich  durchbrechen  (T.  46,  4c).  Vor 
der  Theilung,  deren  Modus  hier  nicht  genauer  erforscht  ist,  beobachtete 
Cienkowsky  die  Ausstossung  der  unverdauten  Nahrungsreste,  ähnlich  wie 
wir  dies  früher  bei  der  entsprechenden  Fortpflanzung  gewisser  Sarkodiuen 


Vermehr,  im  Ruhezustand  (C'iyptomonadiaeu,  Mouadinen).  765 

schilderteu  (s.  p.  311).  Stein  lässt  die  Spiösslinge  einzeln  und  schon 
mit  Geisselu  versehen  aus  der  Cystenhülle  austreten,  wogegen  sie  Cien- 
kowsky  zunächst  von  einer  sehr  zarten  Haut  umschlossen  aus  der 
Cyste  hervortreten  sah,  die  sie  dann  erst  durchbrachen.  Einen  ent- 
sprechenden FortptlanzuDgsprocess  schildert  Kent  bei  einer  anderen 
Bodoart  (seiner  Heteromita  lens,  vv^elche  dem  Bodo  globosus  [Duj.]  St.  sehr 
nahe  verwandt  scheint).  Die  Zahl  der  Theilsprösslinge  betrug  hier  bis 
16  und  dieselben  befreiten  sich  durch  einfaches  Zerreissen  der  Cysten- 
haut.  Entsprechendes  berichtet  derselbe  Beobachter  auch  von  seiner 
Ancyromonas.  Die  ähnlichen  Fortpflanzungserscheinungen  des  Bodo 
angustatus  Duj.  werden  wir  erst  später  besprechen,  weil  dieselben  häufig 
mit  Copulation  verknüpft  sind. 

Bei  einigen  Monadinen  konnte  Cienkowsky  zuerst  einen  analogen 
Vermehrungsvorgang  nachweisen.  Bei  seiner  sogen.  Pseudospora  parasitica, 
die  sich  in  faulende  Spyrogyren  einbohrt  und  wohl  eine  mit  Oikomonas 
verwandte  Form  ist,  bildet  sich  eine  kuglige  Cyste,  in  welcher  sich  der 
Körper,  nach  Ausscheidung  der  Nahrungsreste,  in  ca.  6  —  9  Sprösslinge 
zertheilt  (T.  40,  4  c).  Ob  diese  Theiluug,  wie  Cienkowsky  es  wenigstens 
1858  darzustellen  scheint,  simultan  geschieht,  dürfte  doch  noch  eines  be- 
stimmteren Nachweises  bedürfen.  Auch  bei  seiner  Oikomonas  mutabilis 
will  Kent  Encystirung  und  Zerfall  des  Inhalts  der  Cyste  in  zahlreiche 
Theilsprösslinge  beobachtet  haben.  Doch  zeigt  der  abgebildete  Haufen 
von  Theilsprösslingen  durchaus  nichts  von  einer  umschliessenden  Haut 
(s.  T.  40,  3  c),  v/as  die  Schilderung  etwas  zweifelhaft  macht. 

Zu  den  eben  geschilderten  Vermehrungsvorgängen  glauben  wir  auch 
den  von  Dallinger  und  Drysdale  bei  einer  eingeisseligen  kleinen  Form 
(die  Kent  Monas  Dallingeri  taufte)  geschilderten  Fortpflanzuogsprocess 
ziehen  zu  dürfen.  Unter  Verlust  der  Geissei  rundet  sich  dieselbe  zu  einer 
Kugel  ab,  an  der  plötzlich  zwei  sich  senkrecht  kreuzende  helle  Furchen 
auftreten  (T.  40,  5  e) ;  diese  Furchen  vermehren  sich  im  weiteren  Verlauf 
des  Processes  auf  4  (5  f.)  und  zeigen  dann  eine  eigenthümliche  radiäre 
Anordnung,  indem  sie  gleichzeitig  einen  etwas  geschwungenen  Verlauf 
annehmen.  Schliesslich  zerfällt  der  Organismus,  wohl  unter  weiterer  Ver- 
mehrung der  Furchen  in  einen  Haufen  kleiner  Sprösslinge  (5  g),  die  sich 
bald  von  einander  trennen  und  dann  dieselbe  Beschaffenheit  wie  der 
Mutterorganismus  besitzen.  Es  scheint  demnach  hier  wirklich  ein  zu 
simultaner  Theilung  hinneigender  Process  stattzufinden,  indem  die  suc- 
cessiven  Theilungsfurchen  zwar  nach  der  Regel  fortschreitender  Zwei- 
theilung auftreten ,  jedoch  anfänglich  nicht  zu  wirklicher  Durchschnürung 
führen.  Etwas  zweifelhaft  scheint  es  bis  jetzt  noch,  ob  dieser  Theilungs- 
vorgang  wirklich  im  unumhüllten  Zustande  geschieht  und  nicht  eine  zarte 
Hülle  übersehen  wurde. 

Etwas  unsicher  ist  auch  die  Bedeutung  der  ansehnlichen  Cysten,  welche 
Ecker  (1852)  in  Menge  in  todten  Limnaeuseiern  fand  und  die  theils 
einen  noch  unzerfallenen  Inhalt,  theils  einen  in  eine  grosse  Menge  rund- 


7ßg  Flagellata. 

lieber  kleiner  Körperchen  zerfallenen  enthielten.  Beim  Zerdrücken  derCj^sten 
nahmen  die  befreiten  Sprösslinge  die  Form  von  Cercomouaden  an  (der 
CercDmonas  longicauda  am  ähnlichsten).  Wenn  es  auch  nicht  unwahr- 
scheinlich ist,  dass  diese  Cysten  thatsächlich  in  den  Entwickhmgskreis 
einer  Cercomonas  gehörten,  so  lässt  sich  dies  zur  Zeit  doch  nicht  scharf 
heweisen ,  weshalb  wir  uns  mit  diesem  Hinweis  begnügen. 

Nur  kurz  berichten  wir  weiter  über  einige  bierhergehörige  Angaben 
Kent's,  da  dieselben  vorerst  auch  nicht  ganz  gesichert  erscheinen. 

Encystirung  mit  folgender  Bildung  von  Theilsprösslingen  fand  er  noch 
bei  seiner  Physomonas  (fraglich  ob  von  Monas  Stein  verschieden).  Hier 
bildet  sich  die  Cyste  auf  dem  plasmatischen  Stiele,  mittels  welchen  das 
Wesen  befestigt  ist  aus  und  erscheint  daher  gleichfalls  gestielt  (T.  41,  2  b). 
Der  Stiel  soll  sich  nämlich  gleichzeitig  verdicken  und  erhärten.  Selt- 
.sam  erscheint,  dass  die  austretenden  Sprösslinge  zunächst  eingeisselig 
sind  (41,  2  b),  während  die  ausgebildete  Physomonas  stets  zwei  Geissein 
besitzt. 

Encystirung  und  sog.  Sporenbildung  gibt  Kent  weiter  für  die  Bikoecida 
(Bicosoeca  und  Poteriodendron)  an;  die  Encystirung  geschehe  hier  in  der 
Schale,  in  welcher  dann  auch  die  Sporen  beobachtet  wurden,  doch 
scheint  es  mir  wenig  sicher,  ob  die  losen,  in  sonst  leeren  Schalen  ge- 
sehenen kleinen  Körperchen  (T.  40,  10b)  wirklich  Abkömmlinge  der 
früheren  Bewohner  derselben  (Theilspriisslinge  oder  Sporen)  gewesen  sind. 

Der  von  Kent  für  Anthophysa  geschilderte  Encystirungs-  und  Ver- 
mehrungsprocess  scheint  gleichfalls  unsicher,  da  einmal  die  Abstammung 
der  beoachteten,  mit  einem  flaschenartigeu  Hals  sich  öffnenden  Cyste  (T.  41, 
5  d — e)  von  Anthophysaindividuen  nicht  erwiesen  wurde  und  andrerseits 
auch  der  Uebergang  der  in  diesen  Cysten  entstandenen  zahlreichen  ein- 
geisseligen  Sprösslinge  in  Anthophysen  nicht  mit  ausreichender  Sicherheit 
festzustellen  war.  Hierzu  gesellt  sich  noch,  dass  Balbiani  neuerdings  kleine 
kuglige  Cysten  der  isolirten  Anthophysaindividuen  beschrieb,  die  sich  in 
ihrer  Bildung  nicht  unwesentlich  von  denen  Kent's  unterscheiden. 

Schliesslich  erscheint  mir  auch  die  gestielte  und  befestigte  Cyste  mit 
zahlreichen  Sprösslingen  oder  Sporen,  welche  Kent  von  seiner  Deltomonas 
beschreibt  (T.  42,  5  c),  nach  der  Abbildung  etwas  zweifelhaft. 

c)  Familien-  und  Koloniebildungen  als  Folgeerschei- 
nung der  Vermehrung  durch  Theilung.  Eine  Unterscheidung 
zwischen  Kolonial-  und  Familienverbänden  Hesse  sich,  ähnlich  wie  dies 
mehrfach  bei  den  Sarkodinen  versucht  wurde,  auf  den  Umstand  basiren, 
dass  bei  den  letzteren  nur  eine  Zusammengruppirung  zahlreicher  Einzel- 
individuen zu  einem  Verbände  stattfinde,  bei  den  ersteren  dagegen  eine 
wirkliche  organische  Vereinigung  der  Einzelindividuen  durch  Zusammen- 
hang ihrer  Plasmakörper  geschehe.  Gerade  die  Verbände  der  Flagel- 
laten  zeigen  jedoch,  dass  eine  derartige  Unterscheidung  etwas  ge- 
zwungenes  hat   und  dadurch  nahe  verwandte   Kolonialverbände   unnatür- 


Vermehr,  im  Kuliczust.  (Monadinen  etc.);  Koloniebildung-  (Synma  u.  Syncrypta).     767 

lieh  gesondert  würden.  Wir  ziehen  es  daher  vor,  die  sUmnithchen  Ge- 
sellschaftsverbindungen der  Flagellateu  gemeinsam  abzuhandeln. 

Alle  diese  Verbände  entstehen  durch  fortgesetzte  Zweitheilung,  und 
zwar,  so  weit  sich  feststellen  lässt,  fast  stets  durch  succcssive  Längsthei- 
lung, indem  die  Sprösslinge  in  verschiedener  Weise  mit  einander  zu 
einer  Kolonie  verbunden  bleiben  *).  Da  wir  schon  früher  bei  Besprechung 
der  Gehäuse  und  Stielbildungen  die  Bauweise  einer  Anzahl  Kolonien  berück- 
sichtigen mussten    so  gehen  wir  auf  diese  hier  nur  kurz  ein. 

Die  Bildung  der  Kolonien  geht  einmal  von  freischwimmenden  Flagel- 
laten  aus  und  führt  dann  auch  zu  freischwimmenden  Verbänden.  Derartigen 
Kolonien  begegnen  wir  bei  einigen  Isomastigoden,  den  Gattungen  Synura 
und  Syncrypta.  Bei  beiden  gruppiren  sich  die  Einzelthiere  radial  um  ein 
Centrum  dicht  zusammen,  so  dass  die  ganze  Kolonie  eine  Kugel  darstellt.  Bei 
Synura  (T.  43,  la)  stehen  meinen  Beobachtungen  zufolge  die  Einzelthiere 
thatsächlich  im  Centrum  in  organischem  Zusammenhang,  indem  die  stiel- 
förmig  ausgezogenen  Hintertheile  hier  verschmelzen.  Dagegen  bemerkt  Stein, 
dass  die  Individuen  nur  lose  zusammenhängen.  Bei  Syncrypta  (43,  3  a) 
ist  bekanntlich  noch  ein  dicker,  die  kuglige  Kolonie  umhüllender  Gallert- 
mantel vorhanden.  Die  Zahl  der  vereinigten  Individuen  ist  sehr  schwan- 
kend, da  dieselbe  sich  ja  fortgesetzt  durch  Zweitheilung  vermehrt.  Bei 
Synura  wird  dieselbe  griisser  wie  bei  Syncrypta  und  steigt  nach  Ehren- 
berg  bis   auf  90,   scheint  jedoch   gewöhnlich  nur  gegen  40  zu  betragen. 

üeber  die  Entstehung-  der  Kolonien  von  Synura  und  Syncrypta  machte  Ose.  Grimm 
(143)  interessante,  jedoch  wegen  einiger  irriger  Bestimmungen  nicht  ganz  zuverlässig  er- 
scheinende Beobachtungen.  Seine  Haüptuntersuchungen  bezichen  sich  auf  eine  Form,  welche  er 
mit  üroglena  Yolvox  identificirt,  die  jedoch  mit  dieser  sicher  gar  nichts  zu  thun  hat,  sondern 
wahrscheinlich  eine  Syncrypta  war.  (irimm  sah  nun  zunächst  die  Kolonien  beider  Formen 
gelegentlich  in  ihre  Einzelindividuen  zerfallen  und  diese  unter  Verlust  der  Geissein  in  einen 
amöboiden  Zustand  übergehen,  in  welchem  sie  auch  weiter  wachsen  sollen.  Schliesslich  gehen 
diese  Amöben  in  einen  Euhezustand  über,  welcher  als  Cyste  bezeichnet  wird,  jedoch  scheint 
die  Abbildung  einer  solchen  Cyste  der  Syncrypta  sicher  zu  lehren,  dass  nur  eine  Icörnige 
(iallerthülle  abgeschieden  wird.  Bei  Syncrypta  gelang  es  nun,  die  successive  Theilung  des 
ruhenden  Einzelindivicluums  in  dieser  Gallerthülle  unter  fortdauerndem  Wachsthum  zu  verfolgen 
und  in  dieser  Weise  sollen  Kolonien  von  2 — 300  Individuen  entstehen,  welche  schliesslicli  ihre 
Geisseln  durch  die  gemeinsame  Gallertiiülle  hindurch  entwickeln,  so  dass  die  Kolonie  jetzt 
ganz  denen  der  Syncrypta  Volvox  gleicht,  von  welcher  sie  sich  jedoch  durch  die  hohe  Indi- 
viduenzahl wesentlich  unterscheidet.  Endlich  sollen  diese  Kolonien  sich  von  ilirer  Gallerthiille 
befreien.  Wie  schon  bemerkt,  erscheint  es  schwierig  die  Grimm'schen  Beobachtungen  mit 
den  über  die  erwähnten  Formen  anderweitig  bekannten  in  einen  befriedigenden  Zusammonhang 
zu  bringen ,  da  namentlich  auch  die  Angaben  Grimm's  über  die  Organisation  der  Syncrypta 
und  Synura  eine  gewisse  Unsicherheit  der  Beobachtung  verrathen;  so  sah  er  stets  nur  eine 
Geisscl  und  die  Endochromplatten  gar  nicht  deutlich.  Immerhin  scheint  der  geschilderte  Ent- 
wicklungsgang im  Allgemeinen  nicht  unplausibel ,  und  sollte  sich  das  Abstreifen  der  Gallert- 
hülle der  vermuthlichen  Syncrypta  bestätigen,  so  läge  die  Möglichkeit  vor,  dass  auch  der 
Gallertmantel  der  Syncrypta  Volvox  eine  vergängliche  Hrdle  ist,  wodurch  dann  andererseits  die 

*)  Ehrenberg  glaubte  noch,  dass  eine  Anzahl  der  Flagellatenkolonien  (Anthophysa,  Synura) 
durch  Vereinigung  ursprünglich  getrennter  Individuen  entstunden,  durch  einen  geselligen  Trieb, 
der  sie  beseele,  ja  ur  findet  darin  sogar  eine  Poesie  ihres  Lebens,   die  andern  Formen  fehle. 


768  Flagellata. 

DifFerenzeu    zwischen    den    Gattuugeu   Syiiura    und    Syncrypta    ziemlicli    elimiuirt    erscheinen 
würden. 

Sehr  eigenthümliche  Koloüien  einer,  wie  es  scheint,  mit  Synura  nahe 
verwandten  Form  (Chlorodesmos  hispidaPhill.)  beschrieb  neuerdings  Phillips 
(198).  Die  mit  einer  stacheligen,  dreieckigen  Hülle  versehenen  Einzel- 
thiere  sind  hier  nicht  um  ein  Centrum  zusammengruppirt,  sondern  reihen 
sich  zu  ungetähr  dreissig  in  einer  Kette  aneinander.  Die  Art  der  Verbindung 
der  Individuen  untereinander  wurde  nicht  sicher  ermittelt,  doch  vermuthet 
Phillips  wegen  der  eigenthümlichen  Bewegungserscheinungen  der  Kolonien, 
dass  ein  sehr  zartes,  hyalines  und  contractiles  Band  die  Verbindung 
herstelle.  Die  Kolonien  zeigen  nämlich  rhythmische  Bewegungen  in  der 
Weise,  dass  während  das  eine  Ende  der  Kette  irgendwo  festgeheftet  ist, 
die  Kette  sich  abwechselnd  verlängert  und  wieder  bis  auf  ein  Fünftel 
der  grössten  Länge  zusammenzieht.  Ausserdem  sollen  jedoch  die  Indi- 
viduen der  Kette  noch  eine  zw^eite,  mir  nicht  ganz  verständlich  ge- 
wordene Bewegung  zeigen,  indem  die  benachbarten,  rasch  dicht  zusammen- 
rücken —  zusammenklappen.  Letzterer  Vorgang  erfolgt  unregelmässig, 
nicht  rhythmisch  wie  der  zuerst  beschriebene. 

Hier  reihen  sich  weiter  die  Kolonien  der  Gattung  üroglena  (T.42,3a) 
an,  deren  sehr  zahlreiche  Individuen  in  der  oberflächlichen  Schicht  einer 
gemeinsamen  Gallertkugel  radial  eingebettet  sind,  sich  jedoch  nach  meinen 
und  Stein's  Untersuchungen  nicht  bis  zum  Centrum  der  Kolonie  erstrecken, 
wogegen  ihnen  Kent  einen  langen  contractilen  Schwanz  zuschreibt,  mittels 
dessen  alle  Thiere  im  Centrum  zusammenhängen  sollen,  ähnlich  wie  bei 
Synura.  Die  Zahl  der  Einzelthiere  wird  hier  häufig  sehr  gross,  beträgt 
gewiss  bis  zu  mehreren  Hunderten,  ebenso  ist  auch  die  Grösse  der 
Kolonien  recht  beträchtlich  (etwa  0,2  bis  0,3  mm).  Ihre  Gestalt  ist  häufig 
nicht  rein  kuglig,  sondern  mehr  oder  weniger  unregelmässig  eingeschnürt 
bis  gelappt,  üeber  die  Vermehrung  der  Individuen  der  Uroglenakolonien 
hat  bis  jetzt  nur  Kent  etwas  ermittelt.  Nach  ihm  geschieht  dieselbe  derart, 
dass  einzelne  Individuen  nach  Einziehung  ihrer  Geissei  sich  successive  in 
zwei,  vier  bis  acht  Sprösslinge  theilen,  welche  sich  hierauf  zwischen  die  Kolo- 
nialindividuen einordnen.  Etwas  Genaueres  über  die  Theilungsvorgänge 
wurde  nicht  ermittelt.  Derselbe  Beobachter  glaubt  jedoch  auch,  die  Neu- 
entstehung junger  Kolonien  in  den  alten  beobachtet  zu  haben,  die  sich 
ähnlich  repräsentirten ,  wie  die  Tochterstöcke  des  Volvox.  Seine  nicht 
ausführlicher  mitgetheilten  Wahrnehmungen  machen  jedoch  einen  um  so 
zweifelhafteren  Eindruck,  weil  er  gleichzeitig  sehr  merkwürdige  und  ganz 
irrige  Ansichten  über  die  Entstehung  der  jungen  Volvoxkolonien  äussert. 

Häufiger  wie  die  freischwimmenden  Kolonien  sind  die  befestigten,  die 
sich,  wie  früher  bemerkt,  bei  gestielten  oder  ungestielten  Formen  unter  Mit- 
wirkung der  Hüllen  oder  Stiele  entwickeln.  Schon  früher  (p.  680)  haben  wir 
diese  Kolonien  der  Spongomonaden  und  Dendromonaden  besprochen  und 
da  ihre  Bauart  meist  auch  den  Gang  ihrer  Bildung  hinreichend  andeutet, 
so  kommen  wir  hierauf  nicht  nochmals  zurück.     Nur  die  gleichfalls  hier- 


Koloniebilduiiü,  (Diiiobryou,  Poteriodeudrou,  Colacium,  Clilorangium).  •     769 

her  zu  stellenden  Kolonien  der  Gattungen  Poteriodendron  und  Dino- 
bryon  seien  noch  kurz  erwähnt.  Dieselben  (T,  40,  10a  und  T.  42,  1) 
bilden  sich  dadurch,  dass  nach  jeder  im  Gehäuse  des  Einzelthiers  ge- 
schehenen Zweitheilung  der  eine  Sj)rössling  auf  den  Mündungsrand  der 
Schale  wandert  und  sich  auf  deren  Innenseite  befestigend ,  ein  neues 
Gehäuse  ausscheidet.  Demnach  bauen  sich  die  Kolonien  in  der  Weise  auf, 
dass  sich  die  Gehäuse  der  Einzelthiere  successive  in  den  Mündungsrändern 
ihrer  Vorgänger  befestigen  und  die  ganze  Kolonie  so  zu  einem  fächer- 
artig verzweigten  Stock  auswächst.  Da  sich  nun  die  Theilung  des  im 
alten  Gehäuse  zurückgebliebenen  Sprösslings  noch  weiter  wiederholen  kann, 
so  befestigen  sich  häutig  nicht  nur  ein,  sondern  mehrere  jüngere  Gehäuse  im 
Mündungsrand  eines  älteren,  was  die  Mannigfaltigkeit  des  Aufbaues  er- 
höht. Die  Kolonien  von  Dinobryon  sind  gewöhnlich  unbefestigt,  die  von 
Poteriodendron  dagegen  aufgewachsen. 

Ein  Theil  der  seither  besprochenen  Kolonien  ist  einer  Fortpflanzung 
im  Kolonialzustand  fähig  —  eine  Erscheinung,  welche  für  eine  An- 
näherung derselben  an  individuelle  Selbstständigkeit  spricht.  Mit  Sicher- 
heit constatirte  zuerst  Stein  diese  Selbsttheilung  der  Kolonien  bei  Synura 
und  den  ähnlichen  Kolonialtrauben  der  Anthophysa,  doch  wollte  schon 
Ehrenberg  diesen  Vermehrungsact  bei  losgelösten ,  freischwimmenden 
Kolonien  der  letzteren  (seiner  Uvella  Chamaemorum)  beobachtet  haben  und 
auch  Dnjardin  vermuthete  ihn  schon  für  die  gewöhnlichen  Anthophysenkolo- 
nien.  Die  Theilung  geschieht  durch  Längsstreckung  der  kugligen  Kolonie, 
worauf  dieselbe  durch  eine  mittlere  Einschnürung  in  zwei  gleiche  Tochter- 
kolonien zerfällt  (T.  41,  5  e,  k). 

Interessanter  Weise  findet  sich  auch  unter  den  Eugleninen  eine  ge- 
stielte, festgewachsene,  koloniebildende  Form,  die  Gattung  Colacium, 
deren  Kolonien  auch  wegen  ihrer  allgemeinen  Bildungsgeschichte  ein 
besonderes  Interesse  verdienen.  Sie  gehen  aus  freischwimmenden 
Einzelthieren  hervor,  welche  sich  unter  Verlust  der  Geissei  mit 
ihrem  Vor  der  ende  festheften  und  indem  sie  sich  mit  einer  dünnen 
Gallerthülle  umkleiden  gleichzeitig  an  dem  festgehefteten  Vorderende 
einen  längeren  oder  kürzeren  GalJertstiel  ausscheiden,  auf  dem  sie 
sich  erheben.  Indem  nun  das  die  Kolonie  gründende  Einzelthier  sich 
durch  fortgesetzte  Längstheilung  (sammt  der  Gallerthtille)  unter  Aus- 
scheidung neuer  Gallertstiele  für  die  gebildeten  Sprösslinge  vermehrt,  ent- 
stehen allmählich  Kolonien  zahlreicher  Individuen,  welche  auf  den 
Enden  der  Zweige  eines  fortgesetzt  dichotomisch  verästelten  Gallertstiels 
angebracht  sind  (T.  47,  16  b). 

Wiederholt  wird  diese  Bildungsgeschichte  der  Colacienkolonie  von  einer 
zu  den  Chlamydomonadinen  gehörigen  Form,  der  Gattung  Chlorangium 
St.,  Welche  deshalb  auch  irrthtimlicher  Weise  lange  zu  Colacium  gezogen 
wurde.  Auch  die  Kolonien  des  Chlorangium  werden  durch  freischwim- 
mende Einzelthiere  gegründet  (T.  44,  2  a),  die  sich  mit  ihrem  Vorderende 
unter  Ausscheidung  eines  Gallertstiels  und  Verlust  der  Geissein  festsetzen. 

Bronn,  Klassen  des  Thiei-Reichs.     Piotozoa.  49 


770  Flagcliata. 

Der  weitere  Verlauf  der  Koloniebildung  wird  jedoch  durch  die  eigenthüm- 
lichen  Vermehrungserscheinungen  der  Chlorangien  modificirt,  welche 
mit  denen  übereinstimmen,  die  wir  bei  dem  nächstverwandten  Chloro- 
gonium  gefunden  haben.  In  seiner  Schalenhülle  theilt  sich  der 
Chlorangienkörper  successive  in  2  oder  4  Sprösslinge  (T.  44,  2  b),  welche 
schliesslich  durch  Auflösung  des  distalen  Endes  der  Schalenhülle  des  Mutter- 
individuums frei  werden  und  sich  nun  ihrerseits  neue  Schleimstiele  aus- 
scheiden, die  im  Grunde  des  noch  erhaltenen  Restes  der  Mutterschale 
befestigt  sind  (T.  44,  2  c).  Schliesslich  sollen  Jedoch  die  Reste  dieser 
Schalenbülle  gänzlich  schwinden.  Indem  sich  der  gleiche  Vermehrungs- 
process  an  den  Sprösslingen  wiederholt,  können  sich  etwas  unregelmässige 
Kolonien  bilden,  da  namentlich  auch  die  Gallertstiele  gleichzeitig  entstan- 
dener Sprösslinge  häufig  von  sehr  verschieder  er  Länge  sind. 

Wie  bei  Colacium  werden  auch  bei  der  letzterwähnten  Gattung  nicht 
selten  einzelne  Kolonialindividuen  unter  Neubildung  von  Geissein  wieder 
beweglich  und  treten  aus  dem  Verbände  aus,  um  zu  Gründern  neuer  Kolo- 
nien zu  werden. 

Eine  besondere  Darstellung  verdienen  die  Koloniebildungen  der  Vol- 
vo einen,  da  dieselben  sich  sowohl  durch  Bauweise  wie  Entstehungs- 
und Vermehrungsgeschichte  als  eigen  geartete  und  streng  zusammen- 
gehörige ergeben. 

Wie  schon  früher  bemerkt  wurde,  entstanden  diese  Kolonien  jeden- 
falls dadurch,  dass  Theilungsverbände,  wie  wir  sie  bei  gewissen 
Chlamydomonadinen  (Polytoma  und  Chlorogonium)  gefunden  haben, 
zusammenhängend  blieben  und  nach  der  Entwicklung  der  Geissein  als 
Kolonie  weiter  lebten.  Dass  dem  so  sein  muss,  ergiebt  sich  mit 
grosser  Sicherheit  aus  der  Entstehung  dieser  Kolonien,  welche  stets  durch 
rasche  successive  Zweitheilung  eines  Einzeliodividuums  unter  dem  Schutze 
seiner  Schalenhülle  (Zellhaut)  geschieht,  ganz  wie  die  früher  geschilderte 
Vermehrung  der  Polytoma.  Die  Kolonie  tritt  denn  auch  hier  gleich  in 
ihrer  Totalität  in  die  Aussenwelt  und  bildet  sich  nie  durch  langsame, 
successive  Zweitheilung  eines  ursprünglichen  Individuums,  wie  wir  das 
bei  den  seither  besprochenen  fanden.  Auch  eine  Vermehrung  der  Kolonien 
durch  Zweitheilung  findet  sich  hier  nicht. 

Sehr  primitive  Verhältnisse  begegnen  wir  bei  der  Gattung  Spondy- 
lomorum  (T.  45,  4),  Die  aus  16  Individuen  bestehende  Kolonie  bildet 
einen  ungefähr  ovalen  Körper,  indem  sich  sämmtliche  gleich  gerichteten 
Individuen  in  vier  hintereinander  gestellten,  alteruirenden  Kränzen  von 
je  vier  Individuen  um  die  koloniale  Längsaxe  gruppiren.  Der  Zusammen- 
halt der  Kolonien  ist  ein  sehr  loser  und  eine  gemeinsame  Umhtillungs- 
haut  fehlt  vollständig.  Die  Entstehung  dieser  Kolonien  hat  schon  Ehren 
berg  (1848)  richtig  erkannt  und  später  verfolgten  Stein  (1854  und  1878),  so- 
wie Carter  (1879)  dieselbe  genauer.  Sie  geschieht  durch  successive  Theilung 
der  Einzelindividuen   in   ihrer  Hülle   zu   Tochterkolonien    und   zwar   voll- 


Koloniebilduuji-  tl.  Volvocineu  (Spoiidylomoruiii,  (ioiiiuin).  771 

zieht  sich  dieser  Vermehrungsprocess  ziemlich  gleichzeitig  an  sämmtlichen 
Kolonialindividuell*).  Der  genauere  Verlauf  des  Theilungsprocesses  ist 
nicht  bekannt,  nur  geht  aus  Stein's  Abbildungen  hervor,  dass  der  erste 
Theilungsschritt   hier  sicher  der  Länge  nach  geschieht. 

Genauer  erkannt  sind  die  Kolonialverhältnisse  der  Gattung  Goniuni. 
Hier  besteht  jede  Kolonie  aus  vier  (G.  sociale  DJ.  sp.),  oder  16  (G.  pecto- 
rale  0.  F.  IVI.)  Einzelindividuen,  die  in  einfacher  Schicht  zu  einer  tafelförmigen 
viereckigen  Gruppe  zusammengefügt  sind  (T.  44,  9  a— b).  Sämmtliche  In- 
dividuen sind  auch  hier  gleichgerichtet  und  ziemlich  parallel  der  kürzesten 
Axe  der  Tafel,  so  dass  sich  alle  Geissein  auf  der  einen  Tafelseite 
finden.  Bei  der  sechzehnzelligen  Form  divergiren  die  äusseren  Zellen 
etwas,  wodurch  die  Parallelität  der  Individuen  ein  wenig  gestört 
ist.  Bei  dem  vierzelligen  G.  sociale  stehen  die  vier  Individuen  einfach 
so,  dass  sie  die  vier  Ecken  eines  Quadrates  bilden  und  die  Schalenhülle 
jedes  Individuums  hängt  mit  der  der  Individuen  der  Nachbarecken  in 
einer  kurzen  Strecke  seitlich  zusammen.  Bei  G.  pectorale  wird  das  Centrum 
der  Tafel  aus  vier  entsprechend  geordneten  Individuen  gebildet,  um  die  sich 
ein  peripherischer  Ring  von  zwölf  äusseren  legt  und  zwar  so,  dass  je  eines 
sich  an  die  Mitte  der  Seiten  des  inneren  Quadrats  anreiht,  je  zwei  dagegen 
sich  an  seine  Ecken  anlegen.  —  Zwischen  den  einzelnen  Individuen 
finden  auch  hier  ähnliche  Membranverbindungen  statt,  doch  erhellt  deren 
Anordnung  besser  aus  der  Figur  v^ie  durch  Beschreibung. 

Etwas  verschieden  lauten  die  Angaben  der  Beobachter  über  eine 
äussere  Gallerthülle  der  Kolonien;  während  die  älteren  und  ebenso  Cohn 
dieselbe  als  einen  ziemlich  weit  abstehenden  Mantel  beschreiben,  leugnen 
Stein  und  andere  ihre  Existenz;  doch  möchte  ich  eher  glauben,  dass  sich  in 
dieser  Beziehung  Verschiedenheiten  finden. 

Besonderes  Interesse  verdient  die  Entstehungsgeschichte  der  Kolo- 
nien, resp.  die  Fortpflanzungsgeschichte  unserer  Gonien.  Schon  0.  F. 
Müller  (11)  ermittelte  dieselbe  bei  Gon.  pectorale  recht  genau  und  zahl- 
reiche spätere  Beobachter  (namentlich  Turpin,  Ehrenberg,  Cohn,  Goros- 
hankin,  A.  Braun  und  Stein)  vervollständigten  unsere  Kenntnisse  derselben. 
Die  Bildung  neuer  Kolonien  geschieht  auch  hier  durch  ziemlich  gleich- 
zeitigen Zerfall  der  sämmtlichen  Zellen  der  Mutterkolonie  mittels  successiver 
Zweitheilung.  Das  letztere  stellte  Cohn  zuerst  fest.  Sicher  ist  weiterhin 
nachgewiesen,  dass  sämmtliche  Theilungsschritte  in  der  Längsrichtung 
geschehen  und  da  dies  auch  für  andere  Volvocinen  festgestellt  ist,  so 
gilt  es  wahrscheinlich  in  der  ganzen  Gruppe.  Dies  deutet  aber  wieder 
auf  den  nahen  Zusammenhang  dieser  Formen  mit  den  übrigen  Flagellaten 
hin.  Sehr  einfach  vollzieht  sich  natürlich  die  Bildung  der  vierzelligen 
Kolonie  des  G.  sociale  durch  zwei  successive  sich  senkrecht  kreuzende 
Längstheilungen. 


'*)  Doch  beobachtete   Carter  (1869)   auch   Zerfall   der  Zellen    in    32  Weine   Sprösslinge, 
also  wahrscheiidirh  eine  Mikroffonidieu-  resp.  Gametenbildung-. 

49* 


772 


Flaftellata. 


Erklärung'  von  Fis,-.  1.  Dar- 
stellung der  aufeinanderfolgenden 
Theilungsschritte  (I — V)  der  Gonium- 
zelle  nach  der  Schilderung-  Goroshan- 
kin's. 


Complicirter  verläuft  der  in  vier  Theilungsschritten  stattfindende  Ent- 
vi^icklungsprocess  der  sechzehnzelligen  Kolonie  des  G.  pectoraie.  Die 
genauesten  Beobachtungen  hierüber  machte  Goroshankin  und  der  neben- 
stehende Holzschnitt  versinnlicht  besser  wie 
eine  Beschreibung  die  Aufeinanderfolge 
der  Theilungeuj  welche  zu  dem  sechzehn- 
zelligen Zustand  führen.  Auch  Cohn  hatte 
schon  früher  eine  entsprechende  Aufein- 
anderfolge der  Theilungen  mehr  erschlossen 
wie  beobachtet.  Das  Resultat  des  Thei- 
lungsactes  ist  nun  ein  sechzehnzelliges 
Täfelchen,  in  dem  die  Anordnung  der  Zellen 
jedoch  etwas  von  der  der  erwachsenen 
Kolonien  abweicht,  da  sie  in  vier  vierzel- 
ligen  parallelen  Reihen  dicht  nebeneinander 
liegen.  Indem  die  Zellen  sich  mehr  ab- 
runden und  etwas  auseinander  weichen, 
tritt  erst  die  für  die  erwachsenen  Kolonien 
charakteristische  Anordnung  durch  eine 
geringe  gegenseitige  Verschiebung  derselben 
hervor.  Hierauf  verschleimt  nach  Goroshankin  die  Schalenhülle  der  Mutter- 
zelle und  bildet  den  gemeinsamen  Gallertmantel  der  jungen  Kolonie,  die, 
wenn  sie  sich  befreit,  schon  die  Hüllmembranen  ihrer  Individuen  deutlich 
erkennen  lässt. 

Gegen  diese  Thcilungsfolge  der  Goniumzelle  erklärte  sich  A.  Braun  (153),  indem  er  auch 
hier  dieselbe  Theilfolge  annimmt,  welche  wir  gleich  bei  Eudorina  und  Volvox  kennen  lernen 
werden.  Obgleich  sich  der  sichere  Nachweis  nicht  erbringen  lässt,  dass  Braun  hierin  Recht 
hat,  so  ist  doch  beachtenswerth,  dass  Stein  einen  Thcilungszustand  abbildet,  welchen  er  zwar 
nur  mit  Zweifel  zu  Goiiium  pectoraie  stellt,  der  jedoch  nicht  wohl  etwas  anderes  sein  kann, 
und  der  auf  dem  achtzelligen  Stadium  genau  die  charakteristische  Anordnung  der  Zellen 
zeigt,  die  wir  bei  Eudorina  und  Volvox  finden  werden.  Es  scheint  daher  zur  Zeit  noch  etwas 
unsicher,  ob  die  von  Goroshankin  und  Cohn  angegebene  Theilfolge  ganz  richtig  und  die  üeber- 
einstimmung  mit  den  übrigen  Volvocinen  nicht  doch  eine  innigere  ist. 

Die  nächste  Verwandtschaft  mit  Gonium  besitzt  die  interessante 
Stephanosphaera.  Ihre  Kolonien  bestehen  nur  aus  acht  Indi- 
viduen, welche  ähnlich  wie  bei  Gonium  in  einer  Ebene  zusammengestellt 
sind,  jedoch  nicht  zu  einer  Platte,  sondern  zu  einem  kreisförmigen  Ring. 
Dieser  Individuenring  hat  sich  jedoch  mit  einer  sehr  deutlichen  gemein- 
samen Kolonialhülle  umkleidet,  welche  aus  Cellulose  besteht.  Dieselbe  ist 
weit  und  kuglig  und  der  Ring  der  acht  Individuen  liegt  dicht  unter  ihr, 
im  Aequator  der  Kugel.  Die  Gestalt  der  Individuen  ist  entweder  eine  mehr 
kuglige  bis  ovale  und  ihr  Vorderende  dann  der  Kolonialhülle,  durch  welche 
die  beiden  Geissein  austreten,  dicht  angelegt,  oder  es  dehnen  sich  die  Indi- 
viduen parallel  der  Kugelaxe  spindelförmig  in  die  Länge  aus  und  ihre  bei- 
den Enden  entsenden  eine  Anzahl  verzweigter  Pseudopodien,  die  sich  an 
die  Polarregionen  der  Kolonialhülle  befestigen.   Letztere  Eigenthümlichkeit 


Kolonien  d.  Volvociiien  (Goniuui,  Stcphanosphacra,  Pandoriaa,  Eudorina).  773 

verräth  jedeofalls  sicher,  dass  bei  Stephanosphaera  keine  Scbalenhüllen  der 
Eiiizelindividuen  existiren.  Die  Vermehrung-  und  Entstehung  der  Kolonien  ge- 
scliieht  wie  bei  den  seither  besprochnen  Formen  durch  successive  Zweithei- 
lung der  Individuen.  Die  Theilungsfolge  schildert  Cohn  so,  dass  der  vierzellige 
Zustand  durch  Auftreten  zweier  neuer  Theilebenen,  welche  die  beiden  früheren 
unter  45*^  halbiren,  regulär  in  acht  strahlig  geordnete  Zellen  zerfalle,  doch 
vermuthet  A.  Braun  wohl  nicht  mit  Unrecht,  dass  der  Vorgang  der  Acht- 
theilung  sich  dem  der  Eudorina  näher  anschliesse.  Die  acht  Sprösslingc 
rücken  hierauf  zu  einem  jungen  Ring  auseinander,  welcher  bald  eine 
ihm  zuerst  dicht  aufliegende  und  also  zunächst  tafelförmige  Kolonialhüllc 
ausscheidet,  die   sich   später   durch   Wasseraufnahme  kuglig  aufbläht. 

Hinsichtlich  ihrer  Bauweise  stehen  sich  die  Kolonien  der  beiden  im 
Folgenden  zu  beschreibenden  Gattungen  Pandorina  (T.44,8a)  und  Eudo- 
rina sehr  nahe.  Beide  bilden  kuglige  bis  ellipsoidische  Stöcke,  weichein 
einer  gemeinsamen  und  meist  ziemlich  derben  Kolonialhülle  16 — 32  über 
die  ganze  Kugeloberfläche  vertheilte  Individuen  einschliessen. 

Pandorina  besitzt  meist  nur  16  Individuen ,  welche  wie  die  von 
Synura  gewöhnlich  im  Centrum  der  Kolonie  zusammenstossen  und 
sich  seitlich  dicht  berühren.  Die  Zellen  scheinen  von  Specialhüllen  um- 
kleidet zu  sein,  wenn  auch  der  nach  Aussen  gerichtete  Theil  der 
letzteren  häufig  mit  der  gemeinsamen  Kolonialhülle  zusammenzu- 
schmelzen scheint.  Bei  älteren  Kolonien  hebt  sich  nach  Stein  die 
Kolonialhülle  häufig  weiter  ab  und  unter  ihr  treten  secundäre  Ver- 
dickungsschichten  auf.  Neue  Kolonien  bilden  sich  auch  hier  durch  fort- 
gesetzte Zweitheilung  sämmtlicher  Kolonialindividuen  und  werden  durch 
gallertige  Aufquellung  der  Kolonialhülle  und  der  Specialhüllen  der  Mutter- 
individuen frei.  Noch  etwas  unsicher  erscheint  bis  jetzt,  ob  sich  die 
kuglige  Pandorinakolonie  wie  die  der  Eudorina  aus  einem  goniumför- 
migen  Stadium  hervorbildet,  doch  halte  ich  dies  mit  A.  Braun  für  sehr 
wahrscheinlich. 

Eudorina  unterscheidet  sich  von  Pandorina  wesentlich  dadurch,  dass 
ihre  Kolonien  gewöhnlich  32  zellig  sind  (doch  finden  sich  auch  16  zellige, 
welche  sich  durch  spätere  Zweitheilung  ihrer  Individuen  zur  32  zelligen 
Form  entwickeln  können).  Weiterhin  ist  besonders  charakteristisch,  dass 
die  Zellen  sich  weder  im  Centrum  noch  seitlich  berühren,  sondern  in 
massigen  und  gleichen  Abständen  über  die  Oberfläche  der  Kolonie  ver- 
theilt  sind,  lieber  ihre  Anordnung  machte  Henfrey  (1856)  die  nicht  un- 
wahrscheinliche Angabe,  dass  sie  stets  in  Parallelkreisen  um  die  häufig 
auch  durch  Längsstreckung  bezeichnete  Axe  der  Kolonie  gestellt  sind  und 
zwar  bei  16  zelligen  Kolonien  in  zwei  vierzelligen  Polar-  und  einem  acht- 
zolligen Aequatorialkranz,  bei  32  zelligen  Kolonien  dagegen  in  zwei  vier- 
zelligen Polar-  und  drei  achtzelligen  Aequatorialkränzen. 

Von  besonderem  Interesse  ist  nun  die  Neuentstehung  der  Kolonien 
durch  ziemlich  gleichzeitige  Theilung  der  sämmtlichen  Kolonialindividuen. 
Dieser  Vorgang  wurde  ziemlich  gleichzeitig  von  A.  Braun  und  Goroshankin 


774 


Flagellata. 


Ficj.  2. 


Erklärung  dur  Fig.  2.  Dar- 
stellung der  aufciuanderfolgeuden 
drei  ersten  Theilungsscliritte  (l — Illi 
der  Eudorinazelle,  die  zum  8 zelligen 
Stadium  fuhren.  (Nach  Braun  und 
(jürObhauKin.) 


studiit   und    übereinstirameud   geschildert.     Auch   hier  siud  e«  successive 
LäügstheihiDgen,  welche  nach  dem  vierzelligen  Stadium  einen  interessanten 

Verlauf  nehmen.  Die  vier  ersten  Theil- 
zellen  furchen  sich  nämlich  nicht  durch 
gleich  gerichtete  Theilebenen,  sondern  in 
den  beiden  sich  gegenüberstehenden  Paaren 
laufen  die  beiden  Theilebenen  senkrecht 
zu  einander.  Als  Resultat  dieser  Theilung 
entsteht  ein  achtzelliger  Körper  von  neben- 
gezeichneter Beschaffenheit  (s.  Fig.  2  u.  3)*), 
der  aus  vier  im  Centrum  sich  berührenden 
Zellen  und  vier  äusseren  besteht,  welche 
nicht  bis  zum  Centrum  reichen.  Die  Thei- 
lung zu  IG  Zellen  geschieht  nach  Goro- 
shankin  derart,  dass  zuerst  die  vier  inne- 
ren Kreuzzellen  in  je  eine  centrale  und 
eine  peripherische  Zelle  zerfallen  und  hier- 
auf die  vier  peripherischen  Zellen,  wobei 
deren  Theilebenen  gleichgerichtet  sind  mit 
den  Theilebenen  der  benachbarten  Kreuzzellen.  Die  nebenstehende  Figur  3 
gibt  genaueren  Aufschluss  über  diese  Vorgänge.  Das  Resultat  dieses  Thei- 
lungsprocesses  ist  eine  IGzellige  Platte,    welche   in   ihrem   Bau  ganz    der 

Goniumplatte  entspricht.  Wie  bei  den  Theilungser- 
scheinungen  der  Polytoma  etc.  haben  sich  die  bei- 
den Geissein  der  Mutterzelle  während  dieses  Ver. 
mehrungsprocesses  thätig  erhalten  und  schwinden 
erst  während  der  jetzt  folgenden  Processe.  Der 
Uebergang  einer  solchen  Platte  in  eine  kuglige 
IGzellige  Eudorinakolonie  vollzieht  sich  nun  nach 
Braun  und  Goroshankin  dadurch,  dass  sich  ihre 
Ränder  über  die  Fläche  zu  krümmen  beginnen 
und  endlich  sehr  rasch,  nach  Goroshankin  „fast 
momentan"  zur  Kugel  zusammenschliessen. 

Eine  32  zellige  Kolonie  geht  nach  Goroshankin 
aus  der  eben  beschriebenen  IG  zelligen  Platte  da- 
durch hervor,  dass  die  vier  centralen  Zellen  sich 
unverändert  erhalten,  dagegen  die  vier  Eckzellen 
der  viereckigen  Platte  in  drei  Zellen  und  ihre  beiden 
Nachbarn  in  je  zwei  Zellen  zerfallen,  wie  dies  in 
nebenstehender  Figur  4  durch  punktirte  Linien 
angedeutet  ist.  Durch  Einkrümmung  dieser 
32  zelligen  viereckigen  Platte  bildet  sich  dann  in 


Fuf  .0. 


n 
Erklärung  von  Fig.  '6. 
SchcuiatisclieDarstellung  der 
Entstehung  des  1(3  zelligen 
Zubtandes  aus  dem  8  zelligen 
der  Eudorina  durch  das  Auf- 
treten der  IV.  und  V.  Thei- 
lungsscliritte. Die  Figur 
zeigt  gleichzeitig  die  eigen- 
thümliclie  Anordnung  der 
Zellen  des  8  zelligen  Sta- 
diums; die  Theilfurche  IV' 
spaltet  zunächst  die  cen- 
tralen Kreuzzellen  in  2  neue, 
die  Furche  V  die  äusseren 
Zellen.   (Nach  Goroshankin.) 


*)  Letztere   Figur   zeigt   die  definitive  Anordnung  der  acht  Zellen,    wie   sie    sich    durch 
gewisse  Verschiebungen   wälirend  des  Tiicilunu^processes  erzeugt. 


Kolonien  d,  Volvocineu  (Eudorina,  Volvox). 


775 


Fv^A. 


derselben  Weise  die  kuglige  32  zellige  Kolonie.  Die  Zellen  der  kuglig 
gewordeneu  Kolonie  wachsen  rasch  und  platten  sich  gegenseitig  polygonal 
ab,  scheiden  die  gemeinsame  Kolonialhülle  aus  und  bilden  ihre  Spccial- 
hiillen.  Nach  Ausbildung  der  Geissein  durchbricht  die  junge  Kolonie 
schliesslich  die  bis  jetzt  noch  erhaltene,  jedoch  sehr  verdünnte  Mem- 
bran der  Mutterzelle,   sowie  die  Kolonialhülle   der  Mutter  und  wird  frei. 

Viel  Uebereinstimmung  mit  Eudorina  bietet 
schliesslich  die  Gattung  Volvox  dar,  deren  sogen. 
Kolonien  jedoch  diesen  Namen  eigentlich  nicht  mehr 
verdienen,  sondern  vielzellige  Individuen  einfachster 
Art  geworden  sind,  wie  ich  mit  Goroshaukin  behaup- 
ten muss.  Dies  spricht  sich  darin  aus,  dass  die 
Fähigkeit,  neue  Kolonien  zu  erzeugen,   auf  einzelne 


Individuen  oder  Zellen  beschränkt  ist,  die  sich  schon 
sehr  frühzeitig  durch  energisches  Wachsthum  von  den 
übrigen  unterscheiden.  Die  Gattung  Volvox  gehört 
daher  streng  genommen  nicht  mehr  in  den  Bereich 
unserer  Betrachtung;  da  dieselbe  jedoch  auf  das 
allerinnigste  mit  den  seither  besprochenen  Volvocinen 
verbunden  ist  und  ihr  auch  eine  isolirte  Stellung  vor- 
erst nicht  angewiesen  werden  kann,  müssen  wir  sie 
doch  etwas  genauer  besprechen.  Wie  gesagt,  ist  der 
allgemeine  Bau  eudorinenartig.  Das  ansehnliche  kugel- 
förmige Wesen  wird  aus  sehr  zahlreichen  Zellen  ge- 
bildet, die  peripherisch,  dicht  unter  einer  gemeinsamen 
äusseren  Mantelhülle  in  gleichen  regelmässigen  Ab- 
ständen liegen  (44,  lOa-b).  Jede  Zelle  besitzt  eine 
weitabstehende  Speziallmlle ,  deren  peripherischer  Theil  jedoch  mit  der 
allgemeinen  Kugelhülle  und  deren  seitliche  Theile  mit  denen  der  sechs 
in  regelmässiger  Weise  jede  Zelle  umstehenden  Nachbarzellen  un- 
trennbar verwachsen  erscheinen.  Bei  der  Ansicht  auf  die  Kugelfläche 
(10  b)  erscheinen  daher  die  Zellhüllen  als  regelmässig  sechsseitige  waben- 
artige Figuren  um  sämmtliche  Zellenleiber.  Besonders  charakteristisch 
für  Volvox  ist  weiterhin,  dass  das  Plasma  sämmtlicher  Zellen  in 
organischer  Verbindung  steht,  indem  von  jedem  Zellleib  sechs  Plasma- 
fäden gegen  die  Mitte  der  sechs  Seiten  der  Zellhülle  ausstrahlen  und 
diese  durchbrechend  in  die  entsprechenden  Fäden  der  sechs  Nachbar- 
zellen übergehen. 

Wie  bemerkt,  ist  die  Zahl  der  Zellen  eine  ungemein  grosse,  bleibt 
jedoch  bei  dem  überhaupt  kleineren  Volvox  minor  St.  geringer,  bei  Volvox 
Globator  dagegen  steigt  sie  nach  Cohn  bis  gegen  12,000.  Unter 
den  gewöhnlichen  Zellen  finden  sich  jedoch  noch  andere  in  geringerer 
Zahl  vertheilt,  welche  sich  durch  besondere  Grösse  und  Geissellosig- 
keit  auszeichnen  und  bei  den  ungeschlechtlich  sich  fortpflanzenden 
Generationen    als   sogen.    Parthenogonidien    die    neuen    Kolonien    hervor- 


Erlvlär.  von  Fig.  \. 
Schemat.  Darstellung-  der 
Entstehung-  d.  32zelligen 
Zustandes  der  Eudorina 
aus  der  16zelligen  Platte 
der  Fig.  3.  Die  aus  den 
4  centralen  Kreuzzellen 
der  Fig.  2  u.  3  entstan- 
denen S  Zellen  sind  durch 
Schraffiruiig  bezeichnet. 
Die  äussere  derselben 
wird  durch  die  punktirte 
Furche  in  2  zerlegt,  die 
4  Eckzellen  in  je  3  und  die 
4  übrigen  Seitenzellen  in 
je  2,  wie  die  punktirten 
Linien  zeigen.  (Nach 
Goroshankiu.) 


'jjg  Flagellata. 

briogen,  bei  den  geschlechtliehen  Generationen  dagegen  entweder  als 
Eier  oder  als  Samenmutterzellen  functioniren.  Zunächst  interessiren  uns 
hier  nur  die  Parthenogonidien  der  ungeschlechtlichen  Generation. 

Dieselben  sind  rundliche  Zellen,  welche  zwischen  den  gewöhn- 
lichen Zellen  vertheilt  sind  und  sie  schon  frühzeitig  an  Grösse  sehr 
übertreffen.  Doch  schwankt  einerseits  die  Zahl  derselben  wie  ihre  Grösse 
bei  den  verschiedenen  Volvoxarten.  Während  bei  Volvox  Globator  und 
Carteri  sehr  regelmässig  acht  Parthenogonidien  vorhanden  sind,  ist  ihre 
Zahl  bei  V.  minor  nach  Stein  ziemlich  schwankend,  meist  finden  sich 
vier,  doch  gelegentlich  auch  zwischen  einer  bis  acht.  Die  Parthenogonidien 
der  letzteren  Form,  wie  des  V.  Carteri  übertreffen  die  des  V.  Globator 
an  Grösse  sehr,  bei  V.  minor  erreichen  sie  etwa  den  fünffachen  Durchmesser 
der  gewöhnlichen  Zellen,  bei  V.  Globator  dagegen  nicht  viel  mehr  wie  den 
doppelten.  Die  ansehnliche  Grösse  der  Parthenogonidien  bedingt,  dass 
sie  tiefer  wie  die  übrigen  Zellen  ins  Innere  des  Centralraums  der  Kolonie 
hineinhängen. 

Hinsichtlich  der  Vertheilung  dieser  Parthenogonidien  über  die  Ober- 
fläche des  Volvox  finden  sich  einige  interessante  Angaben  von  Cohn  und 
Carter.  Der  erstere  berichtete  1856,  dass  die  Parthenogonidien  stets 
auf  eine  Hemisphäre  der  Volvoxkugel  beschränkt  seien.  Carter  dagegen 
fand  bei  Volvox  Globator  und  Carteri  stets  ein  Viertel  der  Kugeloberfläche 
frei  von  denselben.  Die  meisten  Beobachter  schweigen  über  diesen  Punkt 
und  scheinen  daher  eine  gleicbmässige  Vertheilung  über  die  gesammte 
Oberfläche  anzunehmen. 

Die  Entwicklung  junger  Volvoxindividuen  aus  den  Parthenogonidien 
hebt  gewöhnlich  schon  sehr  frühzeitig,  bei  Volvox  Globator  schon  kurz 
nach  der  Geburt  des  Individuums  an  und  geschieht  auch  hier,  was  schon 
Ehrenberg  constatirte,  durch  fortgesetzte  Zweitheilung.  Dabei  wächst 
jedoch  der  junge  sich  entwickelnde  Volvox  rüstig  weiter,  so  dass  gegen 
das  Ende  der  Entwicklung  sein  Durchmesser  '/i  (V.  Globator)  bis 
2/5  (V.  minor)  desjenigen  des  Mutterorganismus  beträgt. 

Je  mehr  die  sich  entwickelnden  jungen  Individuen  heranwachsen, 
desto  tiefer  hängen  sie  in  den  Centralraum  der  Mutter  hinein,  noch  um- 
schlossen von  der  Hülle  der  Parthenogonidien.  Gegen  das  Ende  der 
Entwicklung  hebt  sich  dieselbe  von  dem  jungen  Volvox  mehr  ab  und 
derselbe  durchbricht  sie  schliesslich,  nachdem  seine  Zellen  Geissein  ent- 
wickelt haben  und  gelangt  in  die  Centralhöhle  der  Mutter.  Endlich  wird 
die  Wand  der  Mutterkugel  gesprengt  und  die  Töchter  treten  aus*). 


*)  Wills  (Midland  Naturalist  Septbr.— Octbr.  1880)  gibt  an,  dass  die  Oeffnung  zum 
Austritt  der  Tocliterindividuen  sich  stets  an  einer  bestimmten  Stelle  der  Mutterkugel  bilde  und 
zwar  au  demjenigen  Pol  derselben,  welcher  bei  der  Bewegung  das  hintere  Ende  darstellt.  Der 
Durchmesser  der  Oeffnung  sei  bei  Volvox  Globator  kleiner  wie  der  der  Tochterkugcln  und 
die  e  würden  mit  einer  ziemlichen  Gewalt  aus  der  Geburtsöffnung  herausgeschleudert.  Erst 
nach  einigen  Minuten  der  Kühe  begännen  sie  dann  ihre  Bewegung. 


Kolonien  von  Volvox  (Entwicklung).  777 

Der  TheiliiDgs-  oder  Fiirchiingsprocess  der  Parthenogonidien  nimmt 
auch  hier  unsere  Aufmerksamkeit  noch  in  Anspruch.  Es  lässt  sich  nämlich 
sehr  wahrscheinlich  machen ,  dass  derselbe  ganz  dem  der  Eudorina  ent- 
spricht. Demnach  sind  die  Theilungen  zunächst  säramtlich  Längsthei- 
lungen, was  gegenüber  der  Darstellung  Cohn's  (1876)  bemerkenswerlh 
ist.  Die  beste  Schilderung  der  Furcbung  verdanken  wir  auch  hier  Goro- 
shankin,  dessen  Beobachtungen  ich  durch  einige  eigene  zu  ergänzen  in 
der  Lage  bin.  Weiterhin  wird  jedoch  der  Process  noch  aufgeklärt  durch 
die  Beobachtungen  Kirchner's  über  die  Theilungsfolge  bei  der  Entwicklung 
des  befruchteten  Volvoxeis,  da  letzterer  Vorgang  wesentlich  derselbe  ist, 
wie  der  erstere.  Auf  die  Viertheilung  folgt  auch  hier  der  charakteristische 
bei  Eudorina  beschriebene  achtzellige  Zustand  mit  den  kreuzförmig  geord- 
neten vier  inneren  Zellen  (T.  45,  1  h).  Schon  auf  diesem  Zustand  tritt  aber 
bei  Volvox  die  Zusammenkrümmung  zur  Kugelgestalt  auf,  indem  sich  die 
vier  peripherischen  Zellen  etwas  unter  die  Kreuzzellen  schieben,  doch 
bleibt  zwischen  ihnen  stets  eine  centrale  ziemlich  weite  Lücke.  Im  sech- 
zehnzelligen  Zustande  (45 ,  1  i)  ist  die  kuglige  Bildung  schon  weit  deut- 
licher ausgesprochen,  wir  finden  vier  obere  centrale  Zellen,  welche  den 
vier  Centralzellen  der  secbzehnzelligen  Eudorinaplatte  entsprechen,  hierauf 
einen  aequatorialen  Ring  von  acht  Zellen,  die  den  vier  Paar  Eckzellen 
(s.  Fig.  4  p.775)  des  Eudorinaplättchens  entsprechen  dürften  und  vier  untere 
Zellen,  die  mit  den  oberen  alterniren  und  daher  die  vier  Seitenzellen  der  Eudo- 
rinatafel  repräsentiren.  Das  Loch  zwischen  den  letztgenannten  vier  Zellen 
ist  deutlich  vorhanden  und  eine  Centralhöhle  der  Kugel  schon  ausgebildet. 
Die  weitere  Theilungsfolge  wurde  bis  jetzt  nicht  genauer  verfolgt;  durch 
weitere  Längstheilungen  der  sechzehn  Zellen  (ob  sämmtlicher  erscheint  etwas 
fraglich)  erhöht  sich  die  Zellenzahl.  Die  Zellen  schliessen  sich  mehr  und 
mehr  zur  Kugelwand  zusammen  und  deren  Centralhöhle  erweitert  sich 
stetig.  Die  untere  Oeflfnung  der  Kugel  erhält  sich  jedoch  bis  zum  Ende 
der  Entwicklung  (T.  45,  Ik)  und  schliesst  sich  erst  kurz  vor  der  Bil- 
dung der  Cilien;  ja  bei  der  Entwicklung  des  Volvox  aus  dem  Ei,  sah 
Kirchner  zuweilen  die  Oetfnung  noch  an  jungen  freigewordenen  Individuen 
nicht  gänzlich  geschlossen. 

Die  Oeffnung  scheint  stets  gegen  die  Oberfläche  der  Mutter  gekehrt 
zu  sein  und  schon  Ehrenberg  bemerkte  sie.  Nach  Schluss  der  Kugel 
scheidet  dieselbe  auf  ihrer  Oberfläche  die  Mantelhülle  aus  und  gleichzeitig 
scheinen  sich  auch  die  Hüllen  der  Zellen  zu  bilden.  Erst  nach  der  Be- 
freiung der  jungen  Volvoxindividuen  rücken  jedoch  die  bis  jetzt  noch 
dicht  zusammengelagerten  Zellen  auseinander.  Schon  zuvor  haben  sich 
aber  die  Parthenogonidien  differenzirt,  indem  gewisse  Zellen  stark  hervor- 
wuchsen. Es  lassen  sich  dieselben  daher  schon  vor  der  Geburt  deut- 
lich erkennen. 

Stein  zeichnet  in  der  Entwicklung  der  Parthenogonidien  des  Volvox 
minor  deutlich  ein  achtzelliges,  ringförmiges  Stadium,  dessen  reelle  Existenz 
jedoch  nach  dem  früher  Gesagten  sehr  zweifelhaft  scheint.     Nicht  immer 


778  Flagdlata. 

scheint  die  freigewordene  Volvoxkiigel  ihre  definitive  Zeilenzahl  schon 
erreicht  zu  haben,  wenigstens  beobachtete  Stein  selbst  beim  erwachsenen 
Volvox  miDor  zuweilen  noch  Vermehrung  einzelner  Zellen  durch  Längs- 
theilung. 

Die  im  Vorstehenden  versuchte  Schilderung  der  Kolonien  der  Volvo- 
cinen  zeigt,  dass  dieselben  eine  deutlich  ausgesprochene  phyletische  Ent- 
wicklungsreihe darstellen,  welche  von  relativ  einfachen  Anfängen  zu 
hoher  Ausbildung  führt. 

Zum  Beschluss  unserer  Besprechung  der  Volvocinenkolonien  betonen 
wir  noch,  dass  wenigstens  bei  Gonium  pectorale  häufig  einzelne  Individuen 
die  Kolonie  verlassen  und  als  Chlamydomonas  ähnliche  Wesen  frei 
umherschwärmen.  Auf  solche  Weise  können  sich  ganze  Goniumkolonien 
auflösen.  Obgleich  a  priori  nicht  unwahrscheinlich,  ist  doch  bis  jetzt  nicht 
erwiesen,  dass  solche  isolirten  Individuen  durch  Theilung  wieder  neue 
Kolonien  zu  erzeugen  vermögen,  vielmehr  scheint  es  nach  den  Unter- 
suchungen Cohn's,  dass  sie  zunächst  in  einen  encystirten  Dauerzustand 
übergehen.  Auch  bei  Pandorina  schildert  Stein  isolirte  Individuen,  welche 
im  beweglichen  Zustande  durch  successive  Theilungen  wieder  zu  Kolonien 
werden  sollen,  doch  liegt  die  Möglichkeit  vor,  dass  dieselben  aus  Zygoten 
hervorgingen ;  auch  scheint  mir  ihre  Zagehörigkeit  zu  Pandorina  überhaupt 
nicht  ganz  sicher  erwiesen. 

d)  Copulationserscheinungen  (geschlechtliche  Fortpflan- 
zung) und  ihre  Folgen.  In  keiner  Abtheilung  der  Protozoa  tritt  die 
grosse  Bedeutung  der  copulativen  Processe  bis  jetzt  klarer  hervor  und 
zeigen  dieselben  eine  so  auffallende  Annäherung  au  die  Befruchtungs- 
erscheinungen der  Metazoen  und  zahlreicher  niederer  Pflanzen,  wie  in 
der  Klasse  der  Flagellaten;  dennoch  ist  es  bis  jetzt  nur  bei  einer  be- 
schränkten Zahl  derselben  möglich  gewesen,  die  Copulation  zu  er- 
weisen. Bei  der  grossen  Abtheilung  der  Euglenoidinen  fehlt  bis  jetzt 
jede  Nachricht  über  Copulation*),  dagegen  ist  dieselbe  äusserst  ver- 
breitet unter  den  Chlamydomonadiuen  und  Volvocinen  und  wurde  in  meh- 
reren Fällen  auch  unter  den  Monadinen  und  Bodoninen  coustatirt.  Es  hängt 
von  allgemeinen  Vorstellungen  über  die  Bedeutung  der  Copulationserschei- 
nung  ab,  welchen  Werth  man  heutzutage  dem  mangelnden  Nachweis  der- 
selben bei  zahlreichen  Formen  und  speciell  bei  den  so  häufig  und  eingehend 
untersuchten  Euglenoidinen  zuschreiben  will.  Ich  persönlich  neige  mich 
der  Ansicht  zu,  dass  die  Bedeutung  dieser  Vorgänge  im  Leben  der  Or- 
ganismen eine  so  allgemeine  und  tiefgreifende  ist,  dass  zur  Zeit  aus  ihrer 
Nichtbeobachtung  bei  gewissen  Abtheilungen  noch  kein  Schluss  auf  ihren 
völligen  Mangel  gezogen  werden  darf. 

Die  genauesten  Aufschlüsse  über  diese  Vorgänge  besitzen  wir  bei  den 


*)  Auch  die  neuerdings  wieder  von  Kent  angegebene  Copulation  der  Euglena  viridis  er- 
sclieiut  gegenüber  den  negativen  Erfalirungen  von  Klebs  ganz  zweifelhatt. 


Copulationsvorgänge  (Bodoiieii  u.  Monaden).  779 

erwähnten  Pbytomastigodeu,  wogegen  die  Untersuchungen  über  die  Mona- 
dinen  und  Bodoninen  häutig  noch  viel  Unsicheres  enthalten. 

Da  jedoch  die  hierher  gehörigen  Erscheinungen  der  letzteren  im 
Ganzen  eine  gewisse  Einfachheit  darbieten,  so  beginnen  wir  unsere  Be- 
trachtung mit  denselben. 

Bei  gewissen  kleineu  Bodonen  und  Monaden  finden  sich  Copulations- 
erscheinungen  im  geissellosen  amöboiden  Zustande.  Dieses  Verhalten 
constatirte  zuerst  Cienkowsky  (95,  107,  115)  bei  dem  hinsichtlich  seiner 
Ernährungsweise  schon  früher  geschilderten  Bodo  angustatus  Duj.  Im 
Amöbenzustand  fliessen  häufig  mehrere  Individuen  desselben  zu  einer  Art 
Plasmodium  zusammen,  welches  hierauf  in  einen  mit  einfacher  Cystenhaut 
versehenen  Ruhezustand  übergeht.  Nach  Ausscheidung  der  unverdauten 
Nahrungsreste  zerfällt  hierauf  der  encystirte  Körper,  wie  es  scheint 
simultan,  in  sehr  zahlreiche  kleine  Sprösslinge  (T.  46,  6k),  die  sich  in 
Gestalt  des  Mutterorganismus  wieder  befreien  (T.  46,  6i). 

Die  Coimlatiou  ist  jedoch  liier,  wie  bei  zaLIreiclien  Sporozoen  eine  facultative,  d.  h.  es 
können  auch  die  Einzelwesen  in  diesen  Kulie-  und  Verniehrungszustand  übergehen.  Dennoch 
dürfen  wir  auch  hier  die  Bedeutung  der  Copulation  nicht  unterschätzen,  angesichts  der  nahen 
Beziehungen  zu  den  besser  ausgesprochenen  Formen  derselben.  Auch  Kent  bestätigte  die 
Copulation  und  Sprösslingbildung  des  Bodo  angustatus.  Bei  der  solitärcn  Kuhezustandsbildung 
sollen  sich  nach  ihm  jedoch  nur  vier  Sprösslinge  entwickeln. 

Copulation  will  Kent  auch  bei  zwei  weiteren  Bodonen  beobachtet 
haben,  zunächst  seiner  Heteromita  Lens  (=  V  Bodo  globosus  St.).  Auch 
hier  soll  die  Zygote  zu  einer  kugligen,  dünnschaligen  Cyste  werden,  in 
der  sich  sehr  zahlreiche  kleine  Sprösslinge  entwickeln.  Die  letzteren 
gehen  nach  ihm  ursprünglich  e in geis selig  aus  der  Zygote  hervor  und 
entwickeln  sich  erst,  allmählich  heranwachsend,  zu  der  zweigeisseligen 
Form.  Auch  bei  Bodo  caudatus  will  unser  Forscher  Copulation  gesehen 
haben,  und  deutet  auch  das  von  Stein  geschilderte  Fressen  eines  Indivi- 
duums durch  ein  anderes  als  Copulation,  was  mir  jedoch  entschieden 
unrichtig  erscheint. 

Eine  gewisse  Uebereinstimmung  mit  den  ebengeschilderten  Vorgängen 
besitzen  die  Copulationserscheinuugen,  welche  Dallinger  und  Drysdale  von 
einer  Cercomonas  (wahrscheinlich  C.  longicauda  Duj.)  schildern  (145). 
Nachdem  diese  Form  sich  zwei  bis  vier  Tage  durch  Zweitheilung  ver- 
mehrt hat,  treten  zuerst  Copulationserscheinungen  auf.  Die  Flagellaten 
gingen,  ohne  den  Schwanztaden  und  die  Geissein  zu  verlieren,  in  einen 
amöboiden  Zustand  über  und  copuHrteu  schliesslich  paarweise  (T.  39,  12  b). 
Dabei  bilden  sich  die  Körperanhänge  zurück  und  eigenthümlicher  Weise 
sollen  zuerst  die  lappenförmigen  Pseudopodien  zu  einer)  einheitlichen 
Masse  verschmelzen,  in  welcher  die  beiden  Körper  noch  deutlich  zu  er- 
kennen sind  (12  c).  Schliesslich  verschmelzen  auch  die  Körper  völlig  und 
das  Copulationsproduct  bildet  sich  zu  einer  dünnhäutigen  kugligen  Cyste 
um  (12  d).  Dieselbe  bricht  nach  einiger  Zeit  auf  und  entlässt  eine  un- 
geheuere Menge  feinster  Körnchen  (12  e),  d.  h.  die  Sporen  nach  der  An- 
sicht  der  Verfasser.     Die  Entwickehmg  dieser   Sporen    zur   ausgebildeten 


780  Flagellata. 

Form,  wollen  D.  und  Dr.  Schritt  für  Schritt  verfolgt  haben.  Die  Körnchen 
beginnen  zu  wachsen  und  zeigen  nach  neun  Stunden  die  erste  Spur  der 
Geissei  und  des  Schwanzfadens,  um  nach  weiteren  drei  Stunden  auf  dem 
reifen,  iheilungsfähigen  Stadium  angelangt  zu  sein. 

Dallinger  und  Drjsdale  (145  u.  168)  haben  nun  den  Copulationsprocess 
noch  bei  folgenden  Formen  studirt :  dem  Tetramitus  rostratus,  zwei  Bodonen 
(der  sogen.  Häkchenmonade,  sehr  ähnlich  dem  Bodo  caudatus,  und  der  sogen, 
springenden  Monade,  sehr  ähnlich  dem  Bodo  saltans)',  ferner  der  sogen. 
Monas  Dallingeri  und  der  eigenthümlichen  dreigeisseligen  Daliingeria  Drys- 
dali.  Bei  den  Copulationsprocessen  dieser  Formen  zeigt  sich  nun  meist 
die  Eigenthümlichkeit,  dass  die  beiden  verschmelzenden  Individuen  in 
gewisser  Hinsicht  ungleich  sind,  d.  h.  dass  sie  entweder  in  der  Grösse 
differiren  oder  eine  verschiedene  Herkunft  besitzen.  Nur  bei  Tetramitus 
rostratus  Hess  sich  keinerlei  Differenz  der  copulirenden  Individuen  nach- 
weisen. Im  anderen  Falle  dagegen  liegt  es  natürlich  nahe,  die  Unter 
schiede  der  copulirenden  Gameten  auf  eine  geschlechtliche  Differenzirung  in 
ovoide  und  spermoide  Individuen  zu  beziehen,  wozu  wir  um  so  mehr 
Berechtigung  besitzen,  da  bei  den  später  zu  betrachtenden  Phytomasti- 
goden  eine  solche  Diflferenziruog  zuweilen  ganz  zweifellos  hervortritt. 
Vor  der  Copulation  tritt  bei  dem  Tetramitus  rostratus  deutlich  eine  halb- 
amöboide  Beschaflfenheit  der  Individuen  auf,  so  dass  deren  hintere  Körper- 
hälften eine  Art  papillöse  Beschaffenheit  annehmen.  Auch  sollen  sich  die 
Nuclei  beträchtlich  vergrössern  sowie  die  Pulsationen  der  contractilen  Va- 
cuolen  viel  energischer  werden;  gleichzeitig  trete  eine  autfalleude  Gefrässig- 
keit  dieser  Individuen  ein.  Dann  copuliren  die  beiden  Individuen  zunächst 
mit  den  Hinterenden  (T.  45,  13  e)  und  verschmelzen  hierauf  successive  von 
hinten  nach  vorn  völlig.  Auch  die  beiden  Nuclei  vereinigen  sich  und 
die  contractilen  Vacuolen  sollen  zu  einer  zusammentreten,  was  auf  Grund 
der  Erfahrungen  bei  anderen  Flagellaten  sehr  zweifelhaft  erscheint.  Die 
Copulation  der  Nuclei  dagegen  ist  jedenfalls  ein  allgemein  verbreiteter 
Vorgang,  da  D.  und  Dr.  sie  auch  bei  Bodo  (?)  saltans  und  bei  Dallingeria 
Drysdali  beobachten  konnten  und  dieselbe  ebenso  bei  der  Copulation  der 
Phytomastigoden  mehrfach  beobachtet  wurde.  Das  Resultat  des  Copulations- 
actes  des  Tetramitus  rostratus  ist  die  Bildung  einer  ruhenden  kugligen 
encystirten  Zygote. 

Die  Vereinigung  der  Gameten  mit  dem  Hinterende  constatirten  unsere 
Forscher  auch  bei  Bodo  (?)  saltans.  Doch  herrscht  nach  ihnen  hier 
eine  Differenz  der  beiden  Individuen,  indem  das  eine  eines  der  gewöhn- 
lichen, mit  der  Schleppgeissel  festgehefteten  und  durch  Längstheilung  ent- 
standenen sei,  wogegen  das  andere  durch  eigenthümliche  Quertheilung  aus 
einem  freischwimmenden  Thier  hervorgegangen  sein  soll.  Nach  völliger 
Verschmelzung  der  beiden  Körper  bildet  die  noch  mit  den  vier  Geissein 
versehene  Zygote  einen  stumpfdreieckigen  Körper;  hierauf  schwinden 
die  Geissein  und  die  Zygote  geht  durch  Ausscheidung  einer  zarten  Cysten- 
haut  in  einen  ruhenden  Zustand  über,  dessen  weitere  Entwicklung  später 


Copulationsvorg.  (Beobaclit.  von  Dallinger  u.  Drysdale).  781 

besprochen  wird.  Bei  Bodo  (?)  caudatus,  Monas  Dallirgeri  (40,  5  b)  und 
Daliingeria  Drysdali  (46,  12  e)  legen  sich  die  copulircnden  Individuen 
seitlich  an  einander  und  schwimmen  in  dieser  Weise  noch  längere  Zeit 
umber;  bis  sieb  dann  die  Verschmelzung  allmählich  vollzieht.  Bei  den 
beiden  ersterwähnten  Formen  sind  die  copulircnden  Individuen  jedoch 
von  ungleicher  Grösse  und  daher  tritt,  wie  dies  unter  solchen  Umständen 
gewöhnlich,  ein  allmähliches  Zusammenfliessen  des  Körpers  des  kleinereu 
(spermoiden ?)  Individuums  mit  dem  grösseren  (ovoiden?)  ein*).  Wenn- 
gleich nun  auch  bei  der  Dallingeria  Drysdali  die  beiden  Gameten  dieselbe 
Grösse  besitzen,  sollen  sie  doch  sonst  sehr  ungleich  sein  (T.  46,  12c). 
Die  eine  derselben  ist  nur  eingeisselig,  während  die  andere  die  gewöhn- 
lichen drei  Geissein  besitzt.  Die  ersterwähnte  Gamete  entstand  aus  einem 
gewöhnHcheu  Individuum  in  der  Weise,  dass  dessen  beide  hinteren 
Geissein  allmählich  zusammenschrumpften  und  schliesslich  ganz  eingezogen 
wurden  (T.  46,  12  d).  Gleichzeitig  bildete  sich  ein  feingranuläres  Band 
in  der  Aequatorialregion  des  Körpers  aus.  Auch  soll  sich  der  Nucleus 
des  so  umgestalteten  Thieres  ungemein  vergrössern.  Nachdem  nun 
die  copulirten  Gameten  etwa  V2  bis  ^U  stunden  zusammen  umher- 
geschwommen sind,  zieht  auch  die  dreigeisselige  ihre  beiden  seit- 
lichen Geissein  ein  und  die  Verschmelzung  geschieht.  Dabei  sollen  sogar 
die  beiden  vorderen  Geissein  miteinander,  verschmelzen.  Schliesslich 
schwindet  die  Geissei  der  Zygote  und  letztere  geht  in  einen  etwa  spindel- 
förmigen encystirten  Ruhezustand  über  (46,  12  f). 

Das  Resultat  des  Copulationsprocesses  des  Bodo  (?)  caudatus  und 
der  Monas  Dallingeri  ist  eine  ruhende  zarthäutige  kuglige  Zygote  (T.  46, 
56;  40,  5i)  und  bei  der  ersteren  Form  werden  die  Geissein  bei  dem 
Uebergang  in  diesen  Zustand  jedenfalls  abgeworfen,  nicht  eingezogen. 

Die  Weiterentwicklung  der  ruhenden  Zygoten  schildern  die  Verf. 
sehr  tibereinstimmend  und  nur  bei  Bodo  caudatus  in  einer  Weise,  welche 
sich  dem  anschliesst,  was  wir  von  anderen  Protozoen  und  von  den 
Phytomastigoden  kennen.  Bei  dieser  Form  (T.  46,  56— e)  zerfällt  nämlich 
der  Inhalt  der  Zygote  durch  regelmässig  fortschreitende  Zweitheilung  in 
eine  sehr  grosse  Zahl  kleiner  ovaler  Sprösslinge,  die  sich  sehr  bald  in 
der  Zygotenhülle  lebhaft  bewegen  und  dieselbe  schHesslich  durchbrechen 
und  frei  werden.  Zunächst  sollen  sie  nur  die  hintere  grössere  Geissei  be- 
sitzen, nach  weiterem  Wachsthum  gesellt  sich  hiezu  auch  die  vordere 
hakenförmige  Geissei   und  bald  ist  die  Bildung  der  reifen  Form  erreicht. 

Bei   sämmtlichen   übrigen    beobachteten   Formen    fanden    die    Beob- 


*)  Auch  bei  Monas  Guttula  sucht  Stein  eine  Copulation  zwischen  Ideinen  und  grossen 
Individuen  wahrscheinlich  zu  machen,  jedoch  ist  die  Deutung  der  gesehenen  Zustände  bis  jetzt 
sehr  unsicher.  Bei  seiner  mit  Monas  jedenfalls  identischen  Gattung  Physomonas  schliesst  da- 
gegen Kent  auf  Copulation  gleich  grosser  festsitzender  Thiere  daraus,  dass  er  zuweilen  en- 
cystirte  Dauerzustände  fand  (T.  41,  2  c),  die  auf  zwei  Stielen  befestigt  waren,  d.  li.  den  beiden 
Stielen  der  wahrscheinlicli  copulirten  Individuen  (vergl.  hierüber  auch  bei  der  Besprechung 
der  Dauerzustände). 


782  Flag-ollata. 

achter  durcbans  nichts  von  einem  Theilung.spiocess  des  Zygotenin- 
halts,  dagegen  öffnete  sich  auch  hier  nach  Verlauf  einiger  Stunden  die 
Zygotenhülle  an  einer  oder  mehreren  Stellen  und  eine  eiweissartige 
schleimige  Masse  trat  aus,  die  gewöhnlich  eine  ungeheure  Menge  äusserst 
feiner  Körnchen  enthielt.  Bei  der  dreieckigen  Zygote  des  Bodo  sal- 
taus  öffnen  sich  gewöhnlich  die  drei  Ecken,  bei  der  spindelförmigen 
der  Dallingeria  Drysdali  die  beiden  Enden.  Die  kugligen  Zygoten  der 
übrigen  reissen  an  einer  Stelle  unregelmässig  auf  (T.  40,  5  k).  Bei 
der  Zygote  des  Tetram itus  dagegen  wurde  keine  deutliche  Oeffnung  in 
der  Cyste  beobachtet,  wenngleich  auch  hier  aus  derselben  unzählige  kleine 
Körnchen  hervortraten.  Diese  minutiösen  Körnchen  betrachten  unsere  Beob- 
achter nun  als  Sporen,  wie  dies  schon  oben  bei  der  Cercomonas  ange- 
geben wurde.  Dieselben  sollen  unter  Umständen  so  klein  sein ,  dass  sie 
für  unsere  besten  optischen  Hilfsmittel  unerreichbar  sind,  denn  bei  der 
Monas  Dallingeri  trat  aus  der  Zygote  eine  nichtgranuläre  eiweissartige 
Masse  aus,  die  unsichtbare  Sporen  enthalten  soll,  da  Verf.  die  Ent- 
wicklung junger  Wesen    aus   derselben  beobachtet   haben  wollen. 

Bei  allen  beobachteten  Formen  wollen  nämlich  Dallinger  und  Drysdale 
die  Weiterentwicklung  dieser  Sporen  genau  verfolgt  haben  und  dieselbe 
umfasste  gewöhnlich  einen  Zeitraum  von  mehreren  Stunden.  Zunächst  be- 
ginnen die  Sporen  zu  wachsen  und  nehmen  allmähHch  eine  Gestalt  an, 
welche  sich  der  des  Mutterorganismus  nähert.  Dann  machen  sich  die 
Geissein  bemerklich ,  die  manchmal  zunächst  unbeweglich  sind  und  auch 
bei  raehrgeisseligen  Formen  successive  auftreten  kimnen.  So  bildet  sich 
bei  dem  Bodo  (?)  saltans  zuerst  die  hintere  Geissei,  bei  Tetramitus  ros- 
tratus  sieht  man  zunächst  zwei  bis  drei  Geissein,  später  erst  die  volle 
Vierzahl.  Ebenso  treten  auch  Kern  und  contractile  Vacuole  erst  im 
weiteren  Verlauf  der  Sporenentwicklung  hervor.  Bei  der  Entwicklung  der 
schleimigen  Masse,  welche  aus  der  Zygote  der  Monas  Dallingeri  entleert 
wird,  sollen  zuerst  feinste  Pünktchen  auftreten,  die  früher  unsichtbaren, 
jetzt  durch  Wachsthum  sichtbar  gewordenen  Sporen  und  diese  sich  dann 
weiter  entwickeln. 

Obgleich  min  diese  Angaben  unserer  Forscher  über  die  Sporenentwicldung  ungemein 
bestimmt  lauten  und  die  successiven  Entwickliingsschritte  durch  zahlreiche  Abbildungen  illu- 
strirt  sind,  halte  ich  dieselben  doch  noch  für  sehr  bestätigungsbedürftig.  Directe  Einwände 
lassen  sich  zur  Zeit  kaum  gegen  dieselben  erheben,  da  es  an  anderweitigen  gesicherten  Beob- 
achtungen mangelt.  Dagegen  können  wir  indirect  wohl  einige  Zweifel  erheben,  wenn 
wir  zu  zeigen  vermögen,  dass  bei  einer  anderen  Form,  welcher  die  englischen  Forscher  eine 
ähnliche  Sporenentwicklung  zuschreiben,  sicher  ein  Irrthum  vorliegt.  Diese  Form  ist  die  viel- 
verbreitete Chlamydomonadine  Polytoma.  Auch  bei  dieser  beobachteten  Dallinger  und  Drys- 
dale die  Bildung  umhüllter  ruhender  Zygoten ,  in  welchen  nach  einiger  Zeit  eine  vibrirende 
oder  wogende  Bewegung  auftreten  soll.  Hierauf  breche  die  Hülle  auf  und  aus  der  Zygote 
trete  eine  wolkige  Masse  aus,  die  zahlreiche  iranktförmige  Sporen  enthalte.  Auch  diese  Sporen 
sollen  sich  nun  wieder  zu  Polytomen  entwickeln. 

Wir  werden  nun  aber  gleich  sehen,  dass  dieser  angebliclie  Entwicklungsgang  der 
Polytomazygote   sicherlich    irrig  ist,   da   wir  über   denselben  neue  gründliche  Untersuchungen 


Copulationsvorg-.  (Beohaclit.  von  Dalliiigvr  u.  Diysdalc  11.  Erschein.  l)ci  Glilamydomonail.).  783 

besitzen,  deren  Richtigkeit  auch  daraus  erliellt,  dass  sie  mit  den  zahlreichen  Erfahrungen  bei 
den  iihrigen  Chlamydomonadinen  aufs  Beste  harmoniren.  Sind  wir  einerseits  durch  diese 
jedenfalls  unrichtigen  Beobachtungen  iibcr  die  angebliche  Sporenentwicklung  der  Polytonia 
berechtigt,  auch  die  ähnlichen  Angaben  nnserer  Forscher  für  andere  Formen  etwas  zu  be- 
zweifeln, so  wird  diese  Empfindung  noch  bestärkt  durch  die  kritische  Betrachtung  eines  wei- 
teren I'Virtpflanzungsprocesses,  den  sie  Polytonia  ausserdem  zuschreiben.  Wie  wir  früher  er- 
fahren haben,  enthält  diese  FJagellate  gewöiinlich  ansehnliche  Mengen  Stärkekörner,  die  im 
11  infercnde  meist  besonders  reichlich  angehäuft  sind.  D.  und  Dr.  wollen  nun  beobachtet  haben, 
dass  die  Polytomen  zuweilen  diese  Körner  (deren  Amylumnatur  sie  nicht  kennen)  am  Hinter- 
endc  entleeren.  In  den  ausgestossenen  Körnern  sollen  nach  einiger  Zeit  sehr  kleine  Punkte 
oder  Flecken  (bis  70)  auftreten,  die  sich  allmählich  vergrösser ten.  Hiei'auf  beginnen  diese 
Punkte  eine  schwingende  Bewegung  und  schlüpfen  schliesslich  aus,  um  sich  als  bacterien- 
artige  Körperchen  weiter  zu  bewegen.  Letztere  vorgrössern  sich  rasch  und  seien  in  4 — 5  Stun- 
den zu  normalen  Polytomen  herangewachsen. 

Es  dürfte  nun  kaum  einem  Zweifel  unterworfen  sein,  dass  dieser  angebliclie  Fort- 
pflanzungsprocess  durchaus  irrig  ist,  was  neuerdings  auch  Balbiani  hervorhob  (199),  und  dies 
erhöht  naturgemäss  unsere  Zweifel  an  der  Zuverlässigkeit  der  übrigen  mit  ähnlicher  Bestimmt- 
heit vorgetragenen  und  abgebildeten  Beobachtungen  Dallinger's  und  Drysdale's. 

Zu  den  noch  zweifelhaften  Copulationsvorgängen  müssen  wir  auch 
den  von  Kent  bei  den  Uroglenakolonien  beschriebenen  Sporenfoitpflan- 
zungsproeess  rechnen.  Zwischen  den  gewöhnlichen  Individuen  der  Kolonien 
beobachtete  Kent  zuweilen  runde,  sehr  hartschalige  Cysten,  welche  er 
deshalb  mit  einigem  Recht  als  Zygoten  beansprucht,  weil  ihre  Grösse  die 
der  gewöhnlichen  Individuen  mehrfach  übertraf.  Der  Inhalt  dieser  Cysten 
'bestand  bald  aus  grösseren  (T.  42,  5  c)  bald  aus  kleineren  sporenartigen 
Körperchen  (Makro-  oder  Mikrosporen  Kent's).  Kent  vermuthet,  dass  diese 
Cysten  beim  Absterben  der  Kolonien  frei  würden.  Da  jedoch  bis  jetzt 
die  Weiterentwicklung  der  sporenartigen  Elemente  dieser  Cysten  nicht  ver- 
folgt wurde,  so  bleibt  es  vorerst  noch  zweifelhaft,  ob  sie  in  den  Entwick- 
lungskieis  der  Uroglena  gehören. 

Copulationserscheinungen  der  Chlamydomonadinen. 
Bei  sämmtlichen  hierher  gehörigen  Formen  (mit  Ausnahme  der  Gattung 
Haematococcus  und  der  bis  jetzt  sehr  wenig  untersuchten  Coccomonas) 
kennt  man  Copulation.  Es  scheint  mir  daher  recht  wahrscheinlich,  dass 
auch  Haematococcus  entsprechende  Vorgänge  zeigt.  Vielleicht  deuten  sogar 
die  von  Cohn  und  Wichura  (1857)  beobachteten  viergeisseligen  Mikrogo- 
nidien  dieser  Form  auf  Copulation  hin,  obwohl  dies  nicht  ganz  sicher  ist, 
da  gleichzeitig  auch  entschiedene  Zwillingszustände  beobachtet  wurden 
und  die  viergeisseligen  Formen  daher  auch  auf  unvollständiger  Theilung 
beruhen  könnten*). 

Bei  fast  sämmtlichen  Vertretern  unserer  Familie  vollziehen  sogen. 
Mikrogonidien  die   Copulation,  sei  es,  dass  dieselben  sich  unter  einander 


*)  Die  von  Veiten  (136)  ))cschriebene  Copulation  der  Haematococcussch wärmer 
mittels  der  Hinterenden  halte  ich  mit  Rostafinski  (137)  für  irrthümlich,  hervorgerufen  durch 
Beobachtung  von  Haematococcuszcllen,  welche  von  dem  Bodo  angustatus  ausgesaugt  wurden 
(s.  p.  697).  Yelten  hielt  den  Bodo  für  die  weibliche  Gamete,  in  welclie  das  Plasma  dm- 
männlichen  (d.  li.  der  Kaematococcuszelle)  allmählich  herübertrete. 


784  Flagcllata. 

copuliren  oder  sei  es,  dass  sie  sich  mit  grösseren,  den  gewöbnlicben  äiin- 
licheren  Individuen  vereinigen.  Im  letzteren  Falle  ist  denn  schon  eine 
Annäherung  an  die  Diflferenzirung  ovoider  und  spermoider  Individuen  ge- 
geben, wie  sie  die  höheren  Volvocinen  so  deutlich  zeigen,  doch  scheint 
bei  keiner  Chlamydomonadine  eine  sehr  ausgesprochene  Differenz  der 
Gameten  vorhanden  zu  sein. 

Nur  bei  der  Gattung  Polytoma  scheint  es  nach  den  Untersuchungen 
von  Krassilstschik  nie  zur  Bildung  von  Mikrogonidien  zu  kommen,  sondern 
die  Gameten  sind  Sprösslinge,  welche  durch  gewöhnliche  Viertheilung  ent- 
stehen, nachdem  die  Vermehrung  durch  Theilung  in  der  früher  beschrie- 
benen Weise  etwa  4 — 6  Tage  seit  dem  Hervorgehen  der  Polytomen  aus 
dem  ruhenden  Zygotenzustand  fortgesetzt  stattgefunden  hat.  Da  jedoch 
die  Paarung  dieser  Gameten ,  welche  sich  durch  keinerlei  wesentliche 
Merkmale  von  den  gewöhnlichen  Polytomen  unterscheiden,  meist  schon 
wenige  Stunden  nach  ihrem  Austritt  aus  der  Mutterhtille  geschieht,  so 
sind  sie,  wenngleich  etwas  herangewachsen,  doch  meist  kleiner  wie 
die  erwachsenen  Formen.  Trotzdem  ereignet  es  sich  auch,  dass  die 
Gameten  vor  der  Copnlation  zu  völliger  Grösse  auswachsen  und  sich  nun 
erst  unter  einander  oder  auch  mit  nicht  ausgewachsenen  kleineren  Gameten 
copuliren.  Im  Anschluss  an  Krassilstschik  dürfen  wir  in  letzterem  Fall 
gewiss  nicht  eine  Vereinigung  ovoider  und  spermoider  Individuen  sehen, 
sondern  müssen  auf  Grund  der  dargelegten  Verhältnisse  zugeben,  dass 
bei  Polytoma  eine  solche  Differenzirung  noch  nicht  eingetreten  ist. 

Für  die  geringe  Diflferenzirung  der  Gameten  der  Polytoma  spricht 
weiterhin  die  durch  den  russischen  Forscher  gleichfalls  festgestellte  Er- 
scheinung, dass  dieselben  unter  Umständen  auch  wieder  zur  gewöhnlichen 
Vermehrung  durch  Theilung  übergehen  können  und  dass  dann  erst  ihre 
Nachkommen  zur  Copulation  schreiten. 

Bei  den  übrigen  Chlamydomonadinen  sind  es  (soweit  die  Unter- 
suchungen jetzt  reichen)  stets  Mikrogonidien,  welche  sich  copuliren  oder 
es  ist  doch  die  eine  der  Gameten  eine  Mikrogouidie,  welche  dann  ge- 
wöhnlich gegenüber  der  andern  grösseren  als  die  männliche  oder  sper- 
moide  betrachtet  wird.  Trotz  dieses  Grössenunterschiedes  der  copulirenden 
Gameten  ist  es  aber  manchmal  sehr  wenig  sicher,  ob  man  berechtigt  ist, 
eine  wirkliche  geschlechtliche  Differenz  derselben  anzunehmen,  ja  die 
Grössenunterschiede  mögen  nicht  selten  auf  ähnlicher  Ursache  beruhen 
wie  bei  der  Polytoma.  So  gibt  z.  B.  Rostafinski  an,  dass  die  copulirenden 
Mikrogonidien  der  Carteria  häufig  sehr  verschiedener  Grösse  seien,  doch 
lasse  sich  durchaus  kein  weiterer  Unterschied  und  damit  auch  keine  ge- 
schlechtliche Differenz  feststellen. 

Bei  Chlorogonium  copuliren  ebenfalls  nur  gleiche  Mikrogonidien  und 
dies  gilt  sicher  auch  für  gewisse  C  hlam yd  omonas formen,  so  den  Chi. 
rostratus  nach  Goroshankin.  Etwas  widersprechend  lauten  in  dieser  Be- 
ziehung die  Angaben  der  Beobachter  über  den  gewöhnlichen  Chi.  pulvis- 
culus.    Nach  Goroshankin  sollen  sich  hier  spermoide  Mikrogonidien  (welche 


Copulatioii  der  Chlaiiiydomonadincu.  785 

durch  Acbttheiluiig  entstehen)  und  grössere  ovoide  Gonidien  (die  durch 
Zwei-  bis  Viertheilung  entstanden)  copuliren.  Dagegen  behauptet  Rein- 
hardt, dass  sich  nur  Mikrogonidieu  copuliren,  bemerkt  jedoch  nichtsdesto- 
weniger ebenfalls  gewöhnlich  einen  recht  ansehnlichen  Grössenunterschied 
zwischen  den  sich  vereinigenden  Gameten.  Auch  fasst  er  wieGoroshankindie 
grösseren  als  weibliche,  die  kleineren  als  männliche  auf,  zwischen  welchen 
jedoch  alle  möglichen  Grössenübergänge  zu  beobachten  seien.  Es  ist  mir 
daher  nicht  wohl  möglich  eine  so  grosse  Differenz  zwischen  den  Beob- 
achtungen Goroshankin's  und  Reinhardt's  zu  erkennen,  wie  Letzterer 
meint,  und  wir  dürfen  es  für  sicher  halten,  dass  sich  bei  Chi.  pulvis- 
culus  im  Allgemeinen  ein  ziemlicher  Grössenunterschied  der  Gameten  findet. 
(Nur  einmal  beobachtete  Goroshankin  jedoch  auch  die  Copulation  zweier 
kleiner  Mikrogonidien.) 

Eine  ähnliche,  aber  noch  ausgesprochenere  Grössendifferenz  der  Ga- 
meten beobachtete  Carter  (1858)  bei  Phacotus  lenticularis,  gleich- 
zeitig die  erste  Nachricht  über  die  Copulationserscheinungen  unserer 
Familie.  Die  grössern  ovoiden  Individuen  (T.  44,  3f)  entstehen  hier  durch 
Zwei-  bis  Viertheilung  in  der  früher  beschriebenen  Weise,  die  kleinen 
spermoiden  dagegen  durch  64theilung. 

Der  Copulationsact  selbst  gestaltet  sich  bei  allen  Formen,  wo  er  ein- 
gehender verfolgt  wurde,  in  übereinstimmender  Weise.  Die  Gameten  ver- 
einigen sich  nämlich  mit  ihren  Vorderenden. 

Die  einzige  Ausnahme  von  dieser  Regel  will  Schneider  (1878)  bei 
Chlamydomonas  pulvisculus  beobachtet  haben  und  ähnliche  Zustände  bildet 
auch  Stein  ab.  Schneider  sah  gleich  grosse  Individuen  zuerst  mit  den 
Hinterenden  sich  vereinigen  und  allmählich  vollständig  verschmelzen.  Auch 
Stein  bildet  eine  ganze  Reihe  ähnlicher  Stadien  successiver  Verschmelzung 
ab.  Doch  ist  es  zunächst  schwierig,  dieselben  ohne  Beschreibung  richtig 
zu  beurtheilen,  und  Stein  hat  anderseits  mehrfach  Theilungs-  resp.  Zwil- 
lingszustände  irrig  als  Conjugationszustände  beansprucht.  Gegenüber  den 
bestimmten  Angaben  Schneider's  ist  es  kaum  möglich,  das.  Vorkommen 
solcher  Copulation  zu  leugnen,  doch  bedarf  die  Angelegenheit  immerhin 
erneuter  Untersuchung. 

Die  Vereinigung  der  Gameten  mit  den  ungefärbten  Stellen  der  Vorder- 
enden muss  jedenfalls  unter  stellenweiser  Auflösung  der  Hüllen  stattfinden, 
da  nach  der  übereinstimmenden  Angabe  fast  sämmtlicher  Beobachter  auch 
die  Gameten  mit  Hüllen  versehen  sind.  Dabei  legen  sich  die  Gameten 
entweder  ziemlich  gleich  gerichtet  dicht  neben  einander,  so  bei  Chloro- 
gonium  (T.  44,  1  d)  und  vielleicht  auch  noch  anderen  Formen,  oder  sie  stellen 
sich  gegeneinander,  so  dass  ihre  Axen  in  eine  Linie  fallen  und  das  be- 
ginnende Copulationsprodukt  eine  etwa  bisquitförmige  Gestalt  besitzt 
(T.  43,  7  a).  Allmählich  schreitet  nun  die  Verschmelzung  weiter  fort, 
wobei  wieder  eine  wenigstens  theilweise  Auflösung  der  Hüllen  stattfinden 
muss,   bis   schliesslich  eine  einheitliche  Zygote  (oder  Zygospore)  gebildet 

Bi-üun,    Klas.seii  des  Tliier-Reiclis.    Frotozou,.  50 


786  Flagellata. 

ist.  Die  letztere  ist  fast  stets  an  den  noch  erhaltenen  vier  Geissein,  den 
beiden  Augenflecken  und  den  noch  erhaltenen  contractilen  Vacuolen  der 
beiden  Gameten   leicht   kenntlich. 

Nur  bei  Chlnmydomonas  pulvisculus  verläuft  die  Copulation  nach 
Goroshankin's  Beobachtungen,  welche  durch  Stein'sche  Abbildungen  be- 
stätigt werden,  häufig  etwas  anders.  Wir  sagen  häufig,  da  später 
Reinhardt  den  Copulationsprocess  dieser  Form  wieder  mehr  in  der  ge- 
wöhnlichen Weise  schilderte,  woraus  dann  hervorzugehen  scheint,  dass 
hier  wahrscheinlich  ein  etwas  wechselndes  Verhalten  herrscht.  Wie  früher 
bemerkt,  sind  die  copulirenden  Gameten  von  Chi.  pulvisc.  in  ihrer  Grösse 
stets  wesentlich  verscbieden  und  die  kleine  oder  spermoide,  wie  wir  sie 
ja  mit  gewissem  Recht  schon  bezeichnen  dürfen,  verhält  sich  nun  auch  nach 
Goroshankin's  Darstellung  einem  Spermatozoid  ähnlich.  Nach  ihrer  Ver- 
einigung mit  der  grössern  ovoiden  Gamete  in  der  früher  geschilderten 
Weise  (T.  43,  7a — b)  kriecht  ihr  Plasmakörper  allmählich  aus  seiner  Hülle 
in  die  der  ovoiden  Gamete  herüber,  deren  Plasma  sich  in  den 
Grund  der  Hülle  zurückgezogen  hat.  Hierauf  fliesst  das  Plasma  der 
kleinen  Gamete  unter  deutlichen  amöboiden  Bewegungen  zu  dem  der 
grösseren  hin  und  verschmilzt  damit  allmählich,  wobei  an  der  Vereinigungs- 
stelle lebhafte  „Ghtschbewegungen^'  stattfinden.  Nach  Vereinigung  der 
Plasmamassen  beginnt  die  Zygote  lebhafte  drehende  Bewegungen  auszu- 
führen. Schon  einige  Zeit  vor  der  eigentlichen  Verschmelzung  fallen  die 
Geissein  der  Gameten  ab,  was  auch  Stein  angibt,  doch  beobachtete  der 
Letztere  nicht  die  Zurückziehung  des  Plasmas  der  ovoiden  Gamete 
in  den  Schalengrund.  Wie  bemerkt,  weicht  Reinhardt's  Darstellung 
etwas  von  der  eben  gegebenen  ab ;  er  sah  die  Geissein  häufig  noch  bis 
nach  völliger  Verschmelzung  der  Gameten  zu  einer  abgerundeten  Zygote 
erhalten,  so  dass  letztere  noch  beweglich  blieb.  Doch  beobachtete  er  auch 
nicht  selten  früheren  Verlust  der  Geissein.  Weiterhin  scheint  seine 
Darstellung  namentlich  darin  von  der  Goroshankin's  abzuweichen,  dass 
er  ein  gleichmässiges  Zusammenschmelzen  der  beiden  Gameten  behauptet, 
nicht  das  geschilderte  Uebertreten  der  kleineren. 

Nur  bei  Polytoma  Hess  sich  bis  jetzt  nachweisen,  dass  die  Nuclei 
der  Gameten  verschmelzen;  dagegen  bleiben,  wie  schon  angedeutet,  die  Augen- 
flecke und  ebenso  auch  die  Pyrenoide  allgemein  unvereinigt.  Wie  nun  die 
Geissein  der  Zygote  früher  oder  später  schwinden,  häufig  erst,  nachdem 
dieselbe  sich  im  viergeisseligen  Zustand  noch  einige  Zeit  umher  bewegt 
hat,  so  schwinden  auch  die  Augenflecke.  Schliesslich  rundet  sich  die 
Zygote  ab  und  geht  unter  Ausscheidung  einer  Cystenhaut  in  den  Dauer- 
zustand über.  Bei  den  chlorophyllführenden  Formen  tritt  stets  eine  all- 
mähliche Röthung  bis  Bräunung  des  Inhalts  dieser  ruhenden  Zygote  ein, 
indem  sich  das  früher  geschilderte  Hämatochrom  entwickelt. 

Soweit  bekannt,  ist  die  Weiterentwicklung  der  Zygote  gewöhnlich 
an  ein  vorheriges  Austrocknen  geknüpft  und  beginnt  erst,  wenn  dieselbe 


Copulatioii  d.  Chlamydoinonad.  u.  Volvocinen.  787 

wieder  unter  Wasser  gesetzt  wird.  Jedenfalls  können  alle  diese  Zygoten 
die  Austrocknung  ertragen  und  dieselbe  ist  für  ihre  Weiterentwicklung 
günstig.  Bei  Polytoma  genügt  jedoch  auch  die  Uebertragung  der  Zygoten 
in  eine  an  organischen  Substanzen  reiche  Infusion  zu  ihrer  Weiterent- 
wicklung. Wo  die  letztere  genauer  bekannt  ist  (Chlorogonium  und  Poly- 
toma nach  Krassilstschik,  Chlamydomonas  pulvisculus  nach  Reinhardt, 
Carteria  nach  Rostafinski)  fand  sich  stets  eine  Zwei-  bis  Viertheilung 
des  wieder  ergrünenden  Inhalts,  und  dann  treten  die  Sprösslinge  meist  in 
Gestalt  gewöhnlicher  Individuen  hervor,  um  einem  neuen  Cyclus  von 
Generationen  das  Leben  zu  geben.  Nur  selten  scheint  eine  Modification 
dieses  Entwicklungsganges  einzutreten;  wenigstens  beobachtete  Rostafinski 
bei  Carteria,  dass  der  zweigetheilte  Zygoteninhalt  nicht  in  Gestalt  ge- 
wöhnlicher Individuen  austrat,  sondern  durch  fortgesetzte  Vermehrung  im 
ruhenden  Zustand  in  einen  pleurococcus- ähnlichen  Zustand  überging,  wie 
er  früher  nach  Cienkowsky's  Untersuchungen  für  einige  Chlamydomona- 
dinen  geschildert  wurde. 

Die  Copulationserscheinungen  der  Volvocinen  schliessen  sich, 
wie  zu  erwarten,  auf  innigste  denen  der  Chlamydomonadinen  an,  erreichen 
jedoch,  wohl  im  Zusammenhang  mit  der  höheren  morphologischen  Aus- 
bildung dieser  Gruppe,  auch  eine  höhere  Entwicklungsstufe.  Für  einige 
Genera  fehlen  bis  jetzt  Nachrichten  über  hierhergehörige  Processe  oder 
dieselben  sind  unsicher.  Letzteres  gilt  speciell  für  Gonium.  Bei 
dieser  Gattung  wollen  Hieronymus  und  Rostafinski  (148)  beobachtet 
haben,  dass  einzelne,  aus  dem  Kolonialverbande  gelöste  Individuen  im 
ruhenden  Zustande  acht  zweigeisselige  Mikrogonidien  erzeugten ,  die  so- 
fort nach  ihrem  Austritt  paarweise  copulirten.  Wenn  diese  Beobachtung 
richtig  ist,  was  nicht  ganz  zweifellos  erscheint,  da  die  Abstammung  der 
Mikrogonidien  bildenden  Flagellaten  von  Gonium  nicht  hinreichend  sicher 
bewiesen  wurde,  so  fehlte  bei  Gonium  noch  jede  Differenzirung  der  Gameten. 
Bei  Stephanosphaera  wurde  bis  jetzt  ein  Copulatiousact  vermisst,  da- 
gegen findet  sich  bei  dieser  Gattung,  wie  wir  früher  sahen,  eine  sehr  ausge- 
sprochene Mikrogonidienbildung.  Die  ausschwärmenden  Mikrogonidien  sollen 
nun  nach  der  Darstellung  von  Cohn  und  Wichura  nicht  zwei  Geissein 
wie  die  gewöhnlichen  Individuen,  sondern  deren  vier  besitzen.  Diese 
Abweichung  ist  sehr  auffallend,  da  etwas  ähnliches  bei  keiner  verwandten 
Form  beobachtet  wurde,  und  gibt  der  Vermuthung  Raum,  dass  diese  vier- 
geisseligen  Mikrogonidien  möglicherweise  Zygoten  sind,  welche  durch 
sehr  frühzeitige  Copulation  zweigeisseliger  Mikrogonidien,  noch  vor  deren 
Ausschwärmen,  entstehen.  Hiermit  stimmt  denn  auch  ihr  weiteres  Ver- 
halten gut  überein,  da  sie  weder  wachsen,  noch  sich  durch  Theilung  fort- 
pflanzen, sondern  sofort  durch  Ausscheidung  einer  dicken  CystenhüUe  in 
einen  ruhenden  Dauerzustand  übergehen,  der  sich  röthet.  Auch  ohne 
Ausschwärmen  können  diese  Mikrogonidien  in  der  Hülle  der  Mutterkolonie 
diesen  Dauerzustand  bilden. 

50* 


788  Flagellata. 

Öebr  einfache  Verhältnisse  bietet  Pandorina  Morum  dar,  und 
schliesst  sich  deshalb  in  ihrem  Copiüationsprocesse  aufs  innigste  an  die 
einfacheren  Chlamydomonadinen  an. 

Es  ist  auch  hier  eine  bestimmte  Generation,  welche  nach  länger  fort- 
gesetzter Vermehrung  auftritt,  deren  Individuen  zur  Copulation  schreiten  und 
man  kann  diese  Generation  daher  auch  als  eine  geschlechtliche  bezeichnen. 
Dieselbe  entsteht  in  gewöhnlicher  Weise  dadurch,  dass  sich  die  sämmt- 
lichen  sechzehn  Individuen  einer  Pandorinakolonie  zu  kleinen  Kolonien 
von  Gameten  entwickeln.  Diese  Gametenkolonien  sind  jedoch  häufiger 
nur  8 zellig;  eine  Mikrogonidienbildung,  im  engeren  Sinne,  liegt  also 
dabei  nicht  vor.  Eine  Ditferenzirung  dieser  Gametenkolonien  in  männliche 
und  weibliche  ist  schwierig  festzustellen,  wenngleich  Pringsheim  sich  der 
Ansicht  zuneigt,  dass  die  grössten  Kolonien  weibliche,  die  mittleren 
und  kleinsten  dagegen  theils  weibliche,  theils  männliche  seien.  Die 
Pandorineo,  welche  solche  Gametenkolonien  entwickeln,  fallen  allmählich 
zu  Boden,  da  ihre  Geissein  verloren  gehen  und  ihre  Kolonialhülle,  sowie 
die  Spezialhüllen  der  ursprünglichen  Individuen  verschleimen.  Doch  geht 
diese  Verschleimung  langsamer  vor  sich,  wie  bei  der  gewöhnlichen  Fort- 
pflanzung, weshalb  die  geschlechtlichen  Kolonien  längere  Zeit  in  Gruppen  ver- 
einigt bleiben.  Hierauf  bilden  die  Gametenkolonien  ihre  Geissein  und  Kolonial- 
hüllen aus,  letztere  lösen  sieb  jedoch  bald  wieder  auf,  die  einzelnen  Ga- 
meten werden  frei.  Nun  erfolgt  die  Copulation  der  Gameten  ganz  in  der 
Weise  mit  den  Vorderenden,  wie  dies  schon  für  gewisse  Chlamydomona- 
dinen geschildert  wurde  (T.  44,  8b — c).  Eine  Diöerenzirung  der  Gameten 
ist,  abgesehen  von  ihren  ziemlich  verschiedenen  Grössenverhältnissen,  nicht 
wahrnehmbar.  Dennoch  vermuthet  Pringsheim,  dass  eine  innere  Differenz 
angedeutet  sei  und  stützt  diese  Ansicht  darauf,  dass  sich  die  grösseren 
nie  unter  einander  paaren,  dagegen  die  mittleren  und  kleineren  sowohl  be- 
liebig unter  sich,  wie  mit  den  grösseren.  Daher  hält  er,  wie  auch  schon 
oben  für  die  grösseren  Gametenkolonien  angedeutet,  die  grösseren  Gameten 
für  weiblich,  die  mittleren  und  kleineren  dagegen  theils  für  weiblich,  theils 
für  männlich. 

Die  durch  Copulation  entstandene  viergeisselige  Zygote  (T.  44,  8d) 
geht  in  bekannter  Weise  in  einen  umhüllten  Dauerzustand  über,  der  sich 
roth  verfärbt  (8  e).  Erst  nach  der  Austrocknung  entwickelt  derselbe  sich 
weiter,  indem  die  eingeschlossene  Zygote  die  Cystenhülle  an  einer  Stelle 
unter  starker  Verdünnung  bruchsackartig  hervortreibt  (8f)  und  dann  als 
nacktes  Individuum  austritt.  Selten  theilt  sich  die  Zygote  in  ihrer  Hülle 
in  zwei  bis  drei  Sprösslinge  ,  welche  sich  dann  in  ähnlicher  Weise  be- 
freien. Die  freigewordene  Zygote  resp.  ihre  Sprösslinge,  theilen  sich 
hierauf  im  freischwimmenden  Zustande  zu  einer  sechzehnzelligen  Kolonie, 
die  sich  dann  mit  einer  Kolonialhülle  umkleidet. 

Auf  viel  höherer  Ausbildungsstufe  sind  die  Copulationsvorgänge  bei 
Endo r in a  und  Volvox  angelangt.  Hier  sind  nicht  nur  die  Gameten  auch 
morphologisch   so   sehr   diflferent,    dass  ihre  Unterscheidung  in  spermoide 


Copulation  der  Volvociiien  (Paiidorina,  Eudorina).  789 

und  ovoide  klar  vor  Augen  liegt,  sondern  zuweilen  auch  die  Kolonien, 
welche  diese  Gameten  erzeugen,  schon  in  männliche  und  weibliche  diffe- 
renzirt,  indem  die  ersteren  nur  spermoide,  die  letzteren  dagegen 
nur  ovoide  hervorbringen.  Letzterer  Fall,  d.  h.  ein  Diöcie  der  Ge- 
schlechtskolouien  findet  sich  jedoch  sicher  nur  bei  Eudorina,  und  auch 
hier  ist  es  fraglich,  ob  immer.  Die  sogen.  Diöcie  des  Volvox  minor 
dagegen  hat  durch  Kirchner  neuerdings  eine  andere  Erklärung  gefunden, 
und  damit  ist  es  auch  zweifelhaft  geworden,  ob  diejenige  des  sogen. 
Volvox  Carteri  St.  nicht  gleichfalls  nur  scheinbar  ist.  Wie  zu  erwarten, 
steht  jedoch  die  allgemeine  Ausbildung  der  geschlechtlichen  Fortpflanzung 
bei  der  einfachen  Eudorina  auch  auf  primitiverer  Stufe,  indem  die  Ent- 
wicklung spermoider  und  ovoider  Gameten  hier  nicht  auf  besondere  In- 
dividuen der  Kolonie  beschränkt,  sondern  sämmtliche  Individuen  hierzu 
gleichmässig  befähigt  sind.  Die  genauesten  Mittheilungen  über  Eudorina  ver- 
danken wir  Goroshankin  (1876),  nachdem  schon  im  Jahre  1856  Cohn  auf  das 
Vorkommen  von  Spermatozoen  bei  dieser  Gattung  aufmerksam  gemacht  hatte 
und  Carter  (1858)  ihre  geschlechtlichen  Vorgänge  zuerst  genauer  geschildert 
hatte.  Doch  weichen  die  Angaben  Carter's  und  Goroshankin's  in  einigen 
Hauptpunkten  so  wesentlich  von  einander  ab,  dass  man  fast  zu  der  Ansicht 
gedrängt  wird,  es  haben  diesen  beiden  Forschern  zwei  verschiedene  Arten 
vorgelegen,  AVir  wollen  uns  zunächst  die  Resultate  Goroshankin's  et- 
was genauer  betrachten,  da  dieselben  viel  ausführlicher  sind,  wie  die 
Carter's.  Hiernach  sind  die  geschlechtlichen  Kolonien  der  Eudorina  streng 
in  weibliche  und  männliche  gesondert.  Die  ersteren  gleichen  den  ge- 
wöhnlichen Kolonien  durchaus,  nur  sind  ihre  Individuen  (die  ovoiden) 
etwas  grösser.  Die  männlichen  Kolonien  (d.  h.  diejenigen,  welche  die  sper- 
moiden  Gameten  erzeugen)  sind  ganz  wie  die  gewöhnlichen  beschaffen. 
Sie  unterscheiden  sich  jedoch  durch  ihre  weitere  Entwicklung.  Jedes  ihrer 
Individuen  theilt  sich  wie  bei  der  gewöhnlichen  Vermehrung  zu  einer  16-  bis 
32-  (nach  Carter  auch  64-)  zelligen  Platte.  Diese  wächst  jedoch  nur  lang- 
sam und  ihre  Zellen  veriärben  sich  allmählich  gelb.  Dann  runden  sie 
sich  ab  und  scheiden  eine  äussere  schleimige  gemeinsame  Hülle  um 
die  Platte  ab.  Nie  jedoch  zeigt  sich  eine  Neigung  der  Platte  zu  kugliger 
Einkrümmung.  Allmählich  strecken  sich  ihre  Zellen  senkrecht  zur  Platten- 
axe  mehr  spindelförmig,  und  entwickeln  je  zwei  Geissein  an  ihrem  zu- 
gespitzten einen  Ende,  welche  Enden  wie  bei  Gonium  sämmtlich  gleich- 
gerichtet sind ,  und  ursprünglich  nach  dem  Geisselende  der  Mutterzelle 
schauen.  Jetzt  geräth  dieser  Complex  spermoider  Individuen  in  Bewegung 
und  zerreisst  schliesslich  die  Mutterzellhaut,  sowie  die  Kolonialhülle  und 
wird  frei. 

Mittlerweile  ist  mit  den  weiblichen  Kolonien  auch  eine  Veränderung 
vorgegangen;  ihre  Kolonialhülle  verschleimte  und  damit  gelangte  die 
Kolonie  zur  Ruhe,  wenngleich  die  Geissein  der  Individuen  noch  erhalten 
sind  und  sich  bewegen.  Trifft  nun  ein  freischwimmender  Complex  sper- 
moider  kleiner   Gameten    auf   eine    derartig    vorbereitete   weibliche   Ko- 


790  Flagellata. 

lonie,  so  bleibt  er  an  derselben  haften  und  löst  sich  bald  in  einzelne 
Individuen  auf.  Dieselben  sind  längliche,  anfangs  sichelförmig  gekrümmte 
Gebilde,  welche  einen  Augenfleck,  zwei  sehr  kleine  contractile  Vacuolen 
und  am  Vorderende  zwei  Geissein  besitzen.  Bald  strecken  sie  sich  ziem- 
lich gerade.  Man  beobachtet  nun,  wie  diese  Spermatozoen  in  den  Schleim 
der  weiblichen  Kolonie  eindringen  und  zu  den  ovoiden  Individuen  treten. 
Einmal  konnte  Goroshankin  auch  den  Copulationsact  selbst  wahr- 
nehmen, wobei  sich  zeigte,  dass  sich  auch  hier  zunächst  das  Vorder- 
ende des  Spermatozoon  mit  dem  Vorderende  der  Eizelle  vereinigt.  Doch 
schied  letztere  schon  eine  Cystenhaut  aus,  ehe  noch  die  völlige  Ver- 
schmelzung eingetreten  war.  Es  scheint  sehr  unwahrscheinlich,  dass 
Goroshankin  Recht  hat,  wenn  er  hieraus  schliesst,  dass  die  Verschmel- 
zung von  Eizelle  und  Spermatozoid  bei  Eudorina  eine  unvollständige  sei- 
Die  Zygotenhaut  wird  bald  doppelschichtig  und  ihr  Inhalt  allmählich 
ziegelroth.  Die  Weiterentwicklung  der  Zygote  wurde  bis  jetzt  leider  noch 
nicht  verfolgt. 

Von  dieser  Schilderung  weicht  die  ältere  Carter 's  dadurch  fundamen- 
tal ab,  dass  er  gewöhnlich  eine  Monöcie  der  Geschlechtskolonien  beob- 
achtete. Nur  vier  an  einem  Pol  der  ovalen  Kolonie  gelegene  Individuen 
entwickelten  sich  zu  den  Spermatozoencomplexen ,  die  übrigen  28  Zellen 
dagegen  waren  ovoide  und  wurden  durch  die  Spermatozoen  befruchtet, 
indem  dieselben  austretend  in  der  wohl  etwas  verschleimten  Kolonialhülle 
zu  den  Eizellen  hinwandern.  Obgleich  nun  Carter  durch  verschiedene 
Gründe,  die  nicht  direct  beobachtete  Copulation  dieser  Eizellen  mit  den 
Spermatozoen  wahrscheinlich  macht,  halte  ich  es  doch  noch  für  etwas 
unsicher,  ob  sich  erstere  wirklich  als  solche  verhielten.  Namentlich  folgt 
aus  seinen  Angaben  nicht,  dass  die  befruchteten  Eizellen  in  umhüllte 
Zygoten  übergingen.  Gelegentlich  sah  Carter  jedoch  auch  Kolonien,  deren 
Individuen  sämmtlich  in  Spermatozoenbildung  eingingen  und  zwar  je  nur 
16  bis  32  derselben  bildeten. 

Einstweilen  scheint  es,  wie  bemerkt,  etwas  fraglich,  ob  die  Differenz 
zwischen  Goroshankin  und  Carter  auf  die  Beobachtung  verschiedener 
Arten  oder  auf  Variationen  derselben  Species  beruht. 

Die  höhere  Entwicklungsstufe  der  geschlechtlichen  Fortpflanzung  von 
.  Volvox  steht  wiederum  im  Connex  mit  der  höheren  Entwicklung  der 
Kolonien  dieser  Gattung  zu  mehrzelligen  Individuen.  Auch  die  Entwickelung 
der  Gameten  (Geschlechtsproducte)  ist  hier  beschränkt  auf  gewisse,  sich 
schon  sehr  frühzeitig  durch  besondere  Grösse  auszeichnende  Zellen,  welche 
morphologisch  in  jeder  Hinsicht  den  Parthenogonidien  entsprechen.  Auch 
bei  Volvox  gibt  es  besondere  Geschlechtskolonien  (oder  besser  Individuen 
nach  unserer  Auffassung),  welche  zu  gewissen  Zeiten  wie  gewöhnliche  aus 
Parthenogonidien  entstehen.  Bis  vor  kurzem  war  die  Ansicht  allgemein 
adoptirt,  dass  die  Geschlechtsindividuen  des  Volvox  je  nach  den  Arten 
monöcisch  oder  diöcisch  seien.  NachCohn  und  Stein  galt  Volvox  Globator  für 
monöcisch,  Volvox  minor  und  ebenso  nach  Carter  Volvox  Carteri  für  diöcisch. 


Copulatioa  der  Volvociiicii   (Volvox).  791 

Wenn  sich  nun  die  neuerdings  von  Kirchner  bei  V.  minor  gefundenen  Er- 
scheinungen bestätigen,  so  ergibt  sich,  dass  letztere  Form  nicht  diöcisch, 
sondern  eigentlich  monöcisch  ist,  jedoch  mit  der  Modification ,  welche  bei 
hermaphroditischen  Metazoen  sehr  gewöhnlich  ist,  dass  sich  die  Ge- 
schlechtsproducte  nicht  gleichzeitig  entwickeln.  V.  minor  bildet  nach 
Kirchner's  Beobachtungen  zuerst  die  Eier  aus  und  später,  nachdem  diese 
befruchtet  wurden,  entwickelt  er  Spermatozoon.  Demnach  zeigt  sich 
bei  dieser  Art  Kreuzung  der  Geschlechtsindividuen ,  wie  wenn  sie 
diöcisch  wäre.  Auch  die  Diöcie  des  V.  Carteri  wird  dadurch  etwas 
zweifelhaft.  Doch  kann  hier  nicht  unbemerkt  bleiben,  dass  Kirchner  auch 
gelegentlich  rein  männliche  Individuen  des  V.  minor  sah.  Dass  solche 
nun  thatsächlich  vorkommen,  scheint  auch,  nach  den  Mittheilungen  Car- 
ter's  für  den  Volvox  Carteri  und  denen  Stein's  für  V.  minor,  unzweifel- 
haft, denn  beide  geben  an,  dass  sie  die  männlichen  Individuen  schon 
deutlich  in  den  sie  erzeugenden  Müttern  beobachtet  haben,  in  welchem 
Fall  also  wohl  von  einer  vorherigen  Eiproduction  derselben  keine  Rede 
sein  konnte.  Daraus  müssen  wir  demnach  schliessen,  dass  die  Geschlechts- 
verhältnisse des  V.  minor  wohl  noch  etwas  complicirter  sind,  wie  Kirchner 
sich  dachte. 

Characteristisch  für  Volvox  ist  nun,  dass  die  Geschlechtsindividuen 
sich  schon  von  vornherein  durch  ihren  Bau  wesentlich  von  den  unge- 
schlechtlichen unterscheiden.  Sie  besitzen  nämlich  eine  sehr  viel  grössere 
jZahl  von  Geschlechtszellen,  als  sich  Parthenogonidien  bei  den  ungeschlecht- 
ichen  Individuen  finden.  Bei  Volvox  Globator  steigt  die  Zahl  der  Ge- 
schlechtszellen auf  etwa  50,  bei  dem  Volvox  Carteri  dagegen  finden  sich  in 
den  weiblichen  Kolonien  etwa  30  bis  50,  in  den  männlichen  dagegen 
über  100.  Nur  die  weiblichen  Zellen  des  Volvox  minor  sind  au  Zahl 
gering,  nie  mehr  wie  acht,  gewöhnlich  nur  drei  bis  sechs,  wogegen  die 
männlichen  Individuen,  resp.  die  männlich  gewordenen  dieser  Art  eben- 
falls bis  über  100  Geschlechtszellen  aufweisen.  (Kirchner  macht  leider 
keine  Mittheilung  über  die  Zahl  der  sich  bei  seinen  Formen  nachträglich 
entwickelnden  männlichen  Geschlechtszellen). 

Die  weiblichen  Geschlechtszellen  oder  Eier,  wie  wir  sie  direct  be- 
zeichnen dürfen,  schliessen  sich  in  ihrer  Bauweise  den  sogen.  Partheno- 
gonidien innig  an.  Auch  sie  übertreffen  schon  früh  die  gewöhnlichen 
Zellen  an  Grösse  und  hängen  daher  auch,  sobald  sie  etwas  heran- 
gewachsen sind,  beuteiförmig  in  die  Centralhöhle  hinein  (T.  44;  10  a,  ov). 
Gewöhnlich  erreichen  sie  einen  beträchtlicheren  Durchmesser,  wie  die 
noch  ungetheilten  Parthenogonidien.  Wie  letztere,  besitzen  auch  sie  keine 
Geissein.  Bei  Volvox  Globator  ist  ihr  Plasma  anfänglich  etwas  vacuolär, 
doch  verliert  sich  dies  später  und  allgemein  scheinen  sie  sich  durch  ihre 
sehr  intensiv  dunkelgrüne  Färbung  besonders  auszuzeichnen. 

Die  Entwicklung  der  männlichen  Geschlechtszellen  (Androgonidien 
Cohn's,  Antheridien  der  Botaniker)  zu  Spermatozoen  beginnt  häufig 
schon  sehr  frühzeitig,   so  nach  Stein  bei  den  rein  männlichen  Individuen 


792  Flagellata. 

des    Volvox  minor    sogar   schon  vor   der  Geburt   dieser  Männchen.     Der 
Theihingsprocess   der  männlichen   Zelle   ist    bis   zum   16zelligen   Zustand 
ganz   derselbe  wie  bei  der  gewöhnlichen  Vermehrung  der  Eudorina,   was 
zuerst  Goroshankin    für  Volvox  Globator   betonte   und   auch  Kirchner   für 
den  Volvox  minor  abbildete.     Letztere  Form  soll   nach  Kirchner  gewöhn- 
lich überhaupt  nicht  mehr  wie  16   Spermatozoon   aus   einer   Geschlechts- 
zelle  entwickeln.     Viel   grösser  wird   dagegen  deren  Zahl  bei  V.  Carteri 
und  Globator.    Bei  dem  ersteren  schätzt  Carter  die  aus  einer  Mutterzelle  ent- 
stehenden Spermatozoidien    auf  128,   Cohn   für  V.  Globator  auf  64—128, 
wogegen  Goroshankin  nur  32  —  64  angibt.  Auch  Stein  zeichnet  bei  Volvox 
Globator    sicher    mehr    wie    64.     Jedenfalls    geht    aus    diesen   Angaben 
hervor,    dass    die    Zahl    der    Spermatozoon    einer    Mutterzelle    bei   einer 
und  derselben  Art  schwanken  kann.   Wie  bei  Eudorina  sind  die  Sperma- 
tozoen   zu  einem   plattenförmigen  Bündel  vereinigt  (T.  44;  10  a,  sp.)  und 
ihre  Geissein  entstehen  auch  sämmtlich  auf  der  einen  Seite  dieser  Platte. 
Bei  Volvox  Globator  zerfallen   nun   die  Bündel   schon  in   der  Mutterzell- 
haut  in   die   einzelnen  Spermatozoen ,   wogegen    sie    bei    V.    minor  nach 
den  Erfahrungen  Stein's  als  Ganzes  durch  Platzen  der  männlichen  Kolonien 
sich   befreien   und  umherschwimmen.     Kirchner   dagegen  sah   die  Mutter- 
•  zellblase   mit    dem    eingeschlossenen   Spermatozoenbündel    sich   von    der 
männlichen  Kolonie  isoliren,  und  hierauf  zerfiel  erst  das  letztere  im  Innern 
der  Blase  in  seine  ßestandtheile.    Schliesslich  befreien  sich  die  Spermato- 
zoidien aus  der  Blase  und  treten  bei  Volvox  Globator  in  die  Centralhöhle 
der  monöcischen  Kolonie  ein,  bei  V.  minor  dagegen  ins  umgebende  Wasser, 
um  die  Individuen  mit  befruchtungsfähigen  Eiern  aufzusuchen.   Bei  beiden 
Formen  sieht  man  sie  zu  den  Eiern  hinzutreten  und  heftige  Anstrengungen 
machen,   um  sich  durch  deren  Zellhaut  durchzubohren.     Bei  V.  Globator 
sah   sie   Cohn   auch    unter   die   Eihaut  dringen  und  sich  der  Eioberfiäche 
dicht  auflegen,  doch  gelang  es  bis  jetzt  bei  Volvox  noch  nicht  die  wirkliche 
Verschmelzung   der  Eizelle  mit   einem  Samenfaden   sicher  zu  beobachten. 
Der  Bau  der  Spermatozoen  ist  wesentlich  der  schon  bei  Eudorina  be- 
schriebene (T.  45 ,  1  a),     Sie   besitzen   einen   etwa  spindelförmigen   gelb- 
lichen Körper,    da  auch  bei  Volvox  während  der  Entwicklung  der  männ- 
lichen Zelle  die  grüne  Farbe  einer  gelben  Platz  macht.  —  Ihr  Vordertheil 
ist  zu   einem  ungefärbten   schwanenhalsartigen  Schnabel  ausgezogen,   an 
dessen  Ende  bei  Volvox  minor  die  beiden  Geissein  stehen  (Fig.  la  rechts), 
wogegen  letztere  bei  V.  Globator  fast  stets   am  Grunde  dieses  Schnabels 
entspringen   (Fig.    1  a,   links).     Ausserdem  findet   sich   an   der   Basis   des 
Schnabels   ein    kleiner  Augenfleck;    dagegen    Hessen   sich   contractile  Va- 
cuolen  noch  nicht  beobachten.   Diese  ohne  Zweifel  nackten  Spermatozoen 
sind  äusserst  contractu   und   namentlich  zeichnet  sich  der  Schnabel  oder 
Hals  durch  besondere  Beweglichkeit  aus. 

Beyor  wir  das  Schicksal  der  befruchteten  Eizellen  besprechen ,  sind  hier  noch  einige 
Worte  über  die  morphologische  Auffassung  der  Seprmatozoenbündel  des  Volvox  zu  bemerken. 
Es  unterliegt  jedenfalls  keiner  Frage,  dass  die  männlichen  und  weiblichen  Eizellen  des  Volvox 


Copulatioii  von  Vulvox.  793 

durchaus  homologe  (iebildo  sind  und  daraus  folgt,  dass  wir  morphologisch  die  einzelnen  Sper- 
matozoon nicht  mit  der  Eizelle  liomologisiren  können.  Andrerseits  ersclieint  jedoch  auch  sehr 
plausibel,  dass  das  Spermatozocnbündel,  welches  aus  einer  männliclien  Geschlechtszelle  ent- 
steht, morphologisch  einer  Volvoxkolonie  entspricht  und  daher,  wenn  wir  namentlich  auch  die 
Erscheinungen  bei  Pandorina  vergleichen,  die  Spermatozoi'dien  als  spcrmoide  Individuen  einer 
folgenden  Generation  aufgefasst  werden  dürfen.  Aus  diesen  Vergleichungen  ergibt  sich  denn 
auch  naturgemäss  weiter,  dass  wir  bei  Eudorina  nicht  mit  Goroshankin  die  Spermatozoenkolonie 
als  männliche  der  weiblichen  Kolonie  homologisiren  dürfen,  denn  auch  hier  ist  jedenfalls  das 
Homologen  der  weiblichen  Kolonie  die  männliche  mit  noch  nicht  zu  Spermatozoidien  ent- 
wickelten Geschlechtszellen.  Beim  Vergleich  mit  Pandorina  wird  sich  demnach  ergeben. 
dass  deren  Geschlechtskolonien  wohl  nur  den  weiblichen  und  unentwickelten  männlichen  der 
Eudorinen,  resp.  des  Volvox  direct,  zu  homologisiren  sind,  dagegen  bei  den  letzteren  Gattungen 
erst  eine  zweite  aus  der  männlichen  hervorgehende  Generation  die  copulationsfähigen  spermoiden 
(lameten  liefert. 

Das  weitere  Verbalten  der  befruchteten  Eizellen  des  Volvox  entspricht 
dem  der  früher  besprochenen  Formen.  Dieselben  gehen  in  den  umhüllten 
Dauerzustand  über,  indem  sie  zwei  in  einander  geschachtelte  Cystenhäute 
erzeugen,  ein  äusseres  sogen.  Exosporium  und  ein  inneres  Endosporium 
(T.  45,  Ic).  Beide  zeigen  nach  Kirchner  wenigstens  bei  V.  minor  keine 
Cellulosereaction.  Die  Bildungsgeschichte  dieser  doppelten  Hülle  ist  nur 
wenig  verfolgt.  Nach  Kirchner  sollen  die  beiden  Häute  durch  Spaltung 
einer  ursprünglich  einfachen  Membran  entstehen,  doch  ist  dies  wegen  der 
besonderen  Gestaltnngsverhältnisse  des  Exosporium  bei  V.  Globator  wenig 
wahrscheinlich.  Bei  letzterem  erhebt  sich  nämlich  das  Exospor  zu  zahl- 
reichen hohlen  stachelartigen  Auswüchsen  auf  der  gesammten  Oberfläche 
der  umhüllten  Eizelle  und  zwar  entstehen  dieselben  nach  Cohn  derart, 
dass  sich  ursprünglich  das  Plasma  der  Eizelle  in  entsprechende  Aus- 
wüchse erhob,  sich  dann  nach  Abscheiduug  des  Exospors  condensirte  und 
abrundete  und  hierauf  erst  das  ihm  dicht  aufliegende  kuglige  und  nach 
Cohn  gallertige  Endospor  bildete.  Bei  V,  minor  dagegen  ist  das  dickere 
Exospor  glatt  und  rein  kuglig  und  steht  ziemlich  weit  von  dem  Endospor 
ab,  das  auch  hier  der  Oberfläche  der  stark  condensirten  Eizelle  dicht  auf- 
liegt. Volvox  Carteri  zeigt  in  der  Bildung  des  Exospors  etwa  eine  Mittel- 
stufe zwischen  den  beiden  anderen  Formen,  da  dasselbe  nur  in  sehr 
niedrige,  wellige  Fortsätze  sich  erhebt. 

Weiterhin  tritt  in  dem  condensirten  Plasma  der  befruchteten  Eizelle 
eine  ansehnliche  Vermehrung  der  Stärke  auf  und  bald,  noch  bevor  die 
Eier  durch  Zerfall  der  Geschlechtsindividuen  auf  dem  Boden  der  Gewässer 
abgesetzt  werden,  bildet  sich  die  uns  bekannte  Verfärbung  ins  Rothe  bis 
Braune  aus. 

Die  Weiterentwicklung  der  ruhenden  Eizellen  erfolgt  erst  nach  einer 
längeren  Ruheperiode.  Es  scheint,  dass  dieselben  gewöhnlich  nach  Zerfall*) 
der  sie  erzeugenden  Volvoxindividuen  den  Winter  über  ruhen  und  erst  im 
nächsten  Frühjahr  ihre  Entwicklung  (Keimung  der  Botaniker)  beginnen; 
wenigstens   wurde   dies    für  den  V.  minor  durch  Kirchner  und  Henneguy 


*)  Bei  diesem  Zerfall  sah  Cohn  zuweilen  einzelne  Volvoxzellen  sich  loslösen  und  isolirt 
■weiterleben,  doch  blieb  deren  weiteres  Schicksal  unaufgeklärt. 


794  Flagellata. 

festgestellt.  Nur  bei  dieser  Art  ist  denn  auch  der  Entwicklungsprocess 
durch  die  genannten  Forscher  (namentlich  Kirchner)  ermittelt  worden. 
Hierbei  ergab  sich,  dass  derselbe  im  Wesentlichen  genau  so  verläuft  wie 
die  Entwicklung  der  Parthenogonidien  zu  jungen  Volvoxindividuen,  so 
dass  wir  also  wohl  berechtigt  sind,  diese  Parthenogonidien  auch  als  par- 
thenogenetisch  sich  entwickelnde  Eizellen  zu  betrachten  und  die  gesammte 
Fortpflanzungsgeschichte  des  Volvox  etwa  mit  der  der  Daphniden  oder 
der  Blattläuse  zu  vergleichen.  Wir  können  daher  auch  bezüglich  dieses 
Entwicklungsprocesses  auf  die  früher  gegebene  Schilderung  der  Partheno- 
gonidienentwicklung  und  die  Abbildungen  auf  T.  45,  Fig.  le — g  verweisen. 
Bevor  der  Furchungsprocess  beginnt,  zeigt  sich  das  erste  Zeichen 
der  Weiterentwicklung  des  Volvoxeies  darin ,  dass  das  Endospor 
stark  aufquillt  und  das  Exospor  zum  Platzen  bringt.  Hierauf  tritt  die 
Eizelle  in  das  Endospor  gehüllt  aus  dem  Exospor  hervor  (45,  1  d)  und 
beginnt  die  eigentliche  Entwicklung.  Schon  nach  der  Zweitheilung 
soll  sich  nach  Kirchner  die  innerste  Schicht  des  Endosporiuras  zu 
der  künftigen  Kolonialhülle  des  jungen  Volvox  verdichten.  Nach  Ent- 
wicklung der  Geissein  und  nach  eingetretener  Vergrünung  befreit  sich 
schliesslich  das  junge  Individuum  (das  etwa  aus  500  Zellen  besteht) 
durch  Auflösung  des  Endospors.  Schon  zuvor  haben  sich  jedoch  die 
geissellosen  zukünftigen  Parthenogonidien  ditferenzirt.  Wahrscheinlich 
umhüllt  eine  sehr  schwer  sichtbare  Gallertmasse  den  frei  gewordenen 
jungen  Volvox  noch  einige  Zeit.  Sein  Auswachsen  zum  reifen  un- 
geschlechtlichen Individuum  geschieht  jedenfalls  genau  so,  wie  bei  der 
parthenogenetischen  Fortpflanzung. 

H,    Bildung  sogen,  ruhender  Dauerzustände  ohne  Mitwirkung  der 

Copulation. 

Unter  gewissen  Umständen  gehen  auch  die  Flagellaten  in  encystirte 
Dauerzustände  über,  welche  sich  von  den  früher  bei  der  Vermehrung  be- 
sprochenen Ruhezuständen  dadurch  unterscheiden,  dass  ihre  Hüllen  dicker 
und  derber,  nicht  selten  auch  mehrfache  sind  und  dass  gewöhnlich  zu- 
nächst keine  Vermehrung  des  ruhenden  Organismus  eintritt.  Wie  aus 
dem  eben  Bemerkten  hervorgeht,  zeigen  diese  Dauerzustände  vielfache 
Uebereinstimmung  mit  den  ruhenden  Zygoten  und  diese  Aehnlichkeit  ist 
bei  manchen  Formen  ganz  auffallend. 

Wir  dürfen  daher  wohl  schliessen,  dass  sich  in  Folge  der  Copulation 
ähnliche  Verhältnisse  wie  bei  dem  Uebergang  in  den  Dauerzustand  geltend 
machen;  die  grosse  Aehnlichkeit  der  beiden  Zustände  macht  es  vorerst 
auch  häufig  schwierig,  zu  entscheiden,  ob  manche  sogen.  Dauerzustände 
nicht  doch  durch  vorherige  Copulationsprocesse  bedingt  wurden.  Jeden- 
falls ist  aber  sicher,  dass  der  Dauerzustand  nicht  selten  auch  ohne  Copu- 
lation eintritt.  Ursachen  seines  Entstehens  sind  im  Allgemeinen  nach- 
theilige äussere  Einflüsse,  welchen  der  Organismus  durch  den  Dauerzustand 
widersteht,  so  Austrocknung,  faulige  Verderbniss  des  Wassers,  oder  um- 


Dauerzustände  (Allgeineiucs,  Bau  der  Cysten).  795 

gekehrt  bei  Bewohnern  von  Infusionen  auch  Aufhören  der  Fäulniss  und 
dadurch  entstandener  Nahrungsmangel  und  schliesslich  spielt  auch  viel- 
leicht die  Jahreszeit  bei  gewissen  Formen  eine  Rolle.  So  wird  z.  B.  für 
Stephanosphaera  angegeben,  dass  der  Uebergang  in  den  Dauerzustand 
namentlich  im  Herbst  eintritt.  Bei  den  Eugleninen  scheint  endlich  auch 
eine  andauernde  Behinderung  der  freien  Bewegung,  wie  sie  z.  B.  bei  fort- 
gesetzter Cultur  auf  feuchtem  Torf  stattfindet,  den  Uebergang  in  den 
Dauerzustand  zu  veranlassen,  wie  neuerdings  Klebs  gezeigt  hat. 

Da  die  Entstehung  und  die  Bauweise  der  Dauerzustände  uns  nicht 
viel  Neues  bietet,  was  sich  schon  aus  dem  oben  Bemerkten  ergibt,  so 
berichten  wir  nur  kurz  über  dieselben.  Gewöhnlich  bilden  sie  sich  durch 
Abrundung  des  Organismus  unter  Verlust  der  Geissein  und  Entwicklung 
einer  Hüllmembran  auf  der  Körperoberfläche.  Dieselbe  besitzt  gewöhnlich 
eine  ziemlich  derbe  Beschaffenheit  und  massige  Dicke  und  zeigt  dann  keine 
weiteren  Structureigenthümlichkeiten.  Wenn  der  Flagellatenkörper  selbst 
schon  eine  Schalenhülle  besitzt,  dann  bildet  sich  die  Cyste  gewöhnlich  in  dieser. 
Dies  ist  namentlich  bei  den  Chlamydomonadinen  sehr  deutlich  zu  beob- 
achten und  schon  frühzeitig  von  Cohn  bei  den  häufigen  Dauerzuständen 
des  Haematococcus  festgestellt  worden  (T.  43,  9  c).  Das  Gleiche  gilt 
ohne  Zweifel  auch  für  die  übrigen  Gattungen  dieser  Familie,  welche 
Dauerzustände  aufweisen ;  für  Carteria  zeichnet  Carter  (1858)  den  Dauer- 
zustand in  der  Schalenhaut.  Bei  Chlamydomonas  scheint  mir  der  von 
Cienkowsky  (1865)  beschriebene  Dauerzustand  etwas  unsicher,  da  er 
möglicherweise  eine  Zygote  war  und  dasselbe  gilt  auch  von  dem  gleichfalls 
von  Cienkowsky  beschriebenen  Dauerzustand  des  nahe  verwandten  Chloran- 
gium.  Dagegen  wird  sonder  Zweifel  der,  seit  Anton  Schneider  (1854)  häufig 
beobachtete  Dauerzustand  der  Polytoma  in  entsprechender  Weise  entstehen. 
Bald  nach  der  Bildung  des  Dauerzustandes  löst  sich  jedoch  die  Schalen- 
haut der  Chlamydomonadinen  auf,  so  dass  man  ihre  Dauerzustände  ge- 
wöhnlich nur  in  einfacher  Cystenhaut  antrifft.  In  entsprechender  Weise 
bilden  sich  ohne  Zweifel  auch  die  Dauerzustände  der  Volvocinen,  doch 
wurde  das  Nähere  hier  noch  nicht  verfolgt.  Immerhin  scheint  hier  der 
Ort  zu  der  Bemerkung  zu  sein,  dass,  wie  natürlich,  sämmtliche  Individuen 
der  Volvocinenkolonien  sich  gleichzeitig  encystiren.  Dies  zeigte  Cohn 
(1876)  für  Gonium  sociale,  für  Stephanosphaera  Cohn  und  Wichura  (1857) 
und  für  Eudorina  Cohn  (1855)  und  Henfrey  (1856).  Dagegen  wurde  bis 
jetzt  bei  Volvox  nichts  sicheres  von  einem  Dauerzustande  wahrgenommen 
und  ich  halte  sein  Vorkommen  überhaupt  für  unwahrscheinlich. 

Auch  bei  Synura  soll  nach  Stein  die  Encystirung  im  Innern  der 
früher  beschriebenen  Cuticularhülle  geschehen ,  indem  sich  der  Körper 
innerhalb  derselben  kuglig  contrahirt  und  eine  eigentliche  Cystenhaut 
bildet  (T.  43,  1  d). 

Auch  nach  Bütschli's  Beobachtungen  zeigt  der  Dauerzustand  der  Synura  eine  dop- 
pelte Cystenhülle,  eine  sehr  zarte  äussere  und  eine  derbe  innere,  doch  scheint  mir  noch 
et\vas  unsicher,  ob  die  ersterc  wirklicli  der  Cuticularhülle  der  Synura  entspricht.  Jedenfalls 
erhält  sich  jedoch  die  äussere  Hülle  hier  dauernd. 


796  Flagcllata. 

Wenn  die  Cystenhiille  eine  ansehnliche  Dicke  erreicht,  wie  dies  nament- 
lich bei  Euglena  viridis  und  anderen  Arten  dieser  Gattung  beobachtet 
wird,  so  zeigt  sich  eine  meist  deutliche,  concentrische  Schichtung  derselben. 
Das  Gleiche  beobachtete  Cienkowsky  (1870)  auch  bei  einer  Cryptomonas 
(T.  45,  10b),  wogegen  Stein  und  Strasburger  bei  dieser  Gattung  eine 
einfache  ungeschichtete  Cystenhaut  sahen  und  ich  das  Gleiche  bei 
Chilomonas  fand  (45,  9  c).  Bei  Strasburger's  Form  war  dieselbe  bräun- 
lich gefärbt  und  zeigte  Cellulosereaction,  Dass  solche  Verschiedenheiten 
beinahe  verwandten  Formen  vorkommen,  zeigen  jedoch  auch  die  Euglenen, 
so  bildet  nach  Klebs  die  E.  Ehrenbergii  (=  Amblyophis  viridis  Ehrbg.) 
eine  dünne,  aber  feste  Cystenhaut,  in  welcher  sie  zusammengefaltet  liegt. 
Einige  Formen  sollen  sogar  in  einen  austrocknuugsfähigen  Dauerzustand 
ohne  jegliche  Hüllenbildung  tibergehen  (so  Eugl.  Spirogyra,  sowie  die 
mit  dicker  Cuticula  versehenen  Phacusarten),  während  Eugl.  viridis  auch 
derart  einen  Dauerzustand  zu  bilden  vermag,  dass  sie  sich  mit  einer 
lockeren  Schleinihülle  umkleidet,  in  welche  Sand  und  Lehmtheilcheu  ver- 
klebt werden. 

Die  Bildung  mehrerer  ineinander  geschachtelter  Cystenhüllen  konnte 
Cienkowsky  bei  einigen  kleinen  Flagellaten  (Bodo  angustatus,  Pseudospora 
Volvocis,  sogen.  Pseudospora  parasitica  (Oikomonas?)  und  Nitellarum 
(Cercomonas?)  constatiren.  Hierbei  scheidet  die  Flagellate,  wie  bei  dem 
gewöhnlichen  Ruhezustand  eine  meist  dünne  Hülle  (Zeilbaut  Cienkowsky's) 
aus,  um  sich  hierauf  unter  Ausstossung  der  Nahrungsreste  stark  zu  con- 
densiren  und  eine  Specialcystenhaut  (Cystenhaut  Cienk.)  zu  entwickeln 
Bei  Bodo  angustatus  (46,  6n)  zeigt  die  äussere  Haut  knopfartige  Ver- 
dickungen auf  ihrer  Innenfläche.  Doppelte  Cystenhüllen  bildet  nach 
Büschli's  Erfahrungen  auch  Dinobryon  (T.  41,  9  b — c)  und  bei  der  Ency- 
stirung  scheinen  die  Individuen  dieser  Gattung  gewöhnlich  ihre  Gehäuse 
zu  verlassen ,  da  man  die  Dauerzustände  theils  äusserlich  an  der  Mün- 
dung der  leeren  Gehäuse  befestigt,  theils  frei  im  Wasser  trifft.  (Bütschli 
und  Stein).  Zuweilen  scheint  auch  vor  der  Bildung  der  äusseren  Haut 
eine  Schleimhülle  abgeschieden  zu  werden,  welche  den  bei  der  sogen. 
Pseudospora  Volvocis  beobachteten  Schleier  bilden  dürfte  (42 ;  7  c,  s). 

Bei  den  grünen  Chlamydomonadinen  und  Volvocinen  tritt  im  Gefolge; 
des  Dauerzustandes  eine  Röthung  auf,  wie  in  der  Zygote  und  auch  bei 
Euglena  scheint  diese  Veriärbung  zuweilen  einzutreten.  Wenigstens  gibt 
Carter  es  von  seiner  E.  Tuba  an.  Klebs  dagegen  hat  bei  den  von  ihm 
studirten  Euglenen  nichts  derartiges  beobachtet. 

Ausser  einer  Verdichtung,  welche  mit  der  Verringerung  des  Körper- 
volums im  Zusammenhang  steht,  scheint  bei  den  grünen  Formen  häufig 
eine  reichere  Entwicklung  körniger  Einschlüsse  beim  Uebergang  in  den 
Dauerzustand  einzutreten.  Schon  Cohn  hob  dies  (1850)  für  Haematococcus 
hervor  und  auch  den  Dauerzustand  von  Carteria  schildert  er  (1876)  als 
besonders  stärkereich.  Neuerdings  zeigte  Klebs,  dass  auch  die  Euglenen 
beim  Uebergang  in   den   Dauerzustand   sehr  reichlich   Paramylon   bilden, 


Dauerzustände  (Verhalt  d.  enc.  Körpers,  cudoi;'. Cysten,  Wiederaustritt,  Vermeli  r.  im  Dauerzust.).  797 

indem  sie  tlieils  neue  Körner  erzeugen,  theils  die  alten  verdicken.  So 
werden  z,  ß.  im  Dauerzustand  der  Euglena  Spirogyra  die  ringförmig 
durclibrocbenen  grossen  Paramylonkörper  ausgefüllt  und  sehr  vergrössert 
und  Aebnliclies  geschieht  bei  anderen  Formen. 

Seltsam  abweichend  von  dem  gewöhnlichen  Bildungsgang  der  Dauer- 
zustände gestaltete  sich  derselbe  bei  zwei  von  Cienkowsky  untersuchten 
Flagellaten,  der  Monas  Guttula  und  der  sogen.  Chromulina  nebulosa  Cienk. 
Bei  beiden  bildet  sich  der  Dauerzustand  endogen,  d.  h.  durch  Umhüllung 
eines  Theils  des  Körperplasmas.  Sehr  deutlich  tritt  dies  bei  der  Monas 
Guttula  hervor,  wo  sich  eine  runde  Cyste  im  Hinterende  des  mit  Geissein 
versehenen  Körpers  ausbildet  (T.  40,  12  d)  und  ein  beträchtlicher  Theil 
des  Plasma  samt  der  contractilen  Vacuole  ausgeschlossen  bleibt.  Durch 
Zerfall  dieses  nicht  encystirten  Körpertheils  wird  die  Cyste  schliesslich  frei. 
Weniger  deutlich  endogen  ist  der  Vorgang  bei  Chromulina,  hier  scheint 
sich  vielmehr  die  Hauptmasse  des  Körpers  mit  Ausnahme  seines  vorder- 
sten Theils  mit  der  Cystenhaut  zu  umhüllen.  Auch  hier  enthält  jedoch 
dieser  schliesslich  zerfallende  vordere  Körpertbeil  die  contractilen  Vacuolen. 
Die  Dauerzustände  beider  Formen  besitzen  eine  kuglige  Bildung,  mit 
ziemlich  dicker,  einfacher  CystenhüUe,  welche  einen  kurzen  halsartigen 
Fortsatz  zeigt  (40,  12  e).  Bei  Chromulina  ist  die  Oberfläche  der  Cysten- 
hüUe noch  durch  einige  meridionale,  schwach  erhabene  Eeifen,  die  ge- 
wöhnlich den  Hals  schneiden,  verziert. 

Für  die  Dauerzustände  der  Chlamydomonadinen  und  Volvocinen  wurde 
häuflg  constatirt,  dass  sie  wachsthumsfähig  sind,  namentlich  betont  dies 
Cienkowsky  für  die  zwar  etwas  zweifelhaften  Dauerzustände  von  Chla- 
mydomonas,  Cohn,  Braun  und  Perty  (1851)  für  Haematococcus,  Cohu  und 
Wichura  für  Stephauosphaera. 

Unter  geeigneten  Bedingungen  geht  der  Dauerzustand  wieder  in  den 
freibeweglichen  über  und  zwar  entweder,  indem  der  eingeschlossene  Fla- 
gellatenkörper  einfach  austritt  oder  zunächst  einen  Theilungsprocess  ein- 
geht und  sich  erst  die  gebildeten  Sprösslinge  früher  oder  später  befreien. 
Der  Uebergang  in  den  beweglichen  Zustand  tritt  namentlich  dann  ein, 
wenn  die  Dauerzustände  nach  einiger  Austrocknung  von  neuem  in  Wasser 
gebracht,  resp.  aus  verdorbenem  Wasser  in  frisches  versetzt  werden.  Für 
die  Infusionsbewohner  wirkt  auch  wohl  die  Erneuerung  der  verbrauchten 
Infusion  in  gleicher  Richtung.  Der  bewegliche  Zustand  stellt  sich  dann 
z.  Tb.  sehr  schnell  und  sicher  wieder  her,  wovon  sich  Klebs  bei  den 
Eugleuen  neuerdings  überzeugt  hat. 

Unter  entsprechenden  Bedingungen  tritt  bei  denjenigen  Formen,  wo 
zunächst  eine  Sprösslingsbilduug  in  der  Dauercyste  geschieht,  diese  Ver- 
mehrung ein.  Speciell  bei  Haematococcus  bildet  dieser  Vorgang  eine  sehr 
häufige  und  seit  langer  Zeit  bekannte  Erscheinung.  Auch  Stephauosphaera 
zeigt  eine  ähnliche  Sprösslingsbildung.  Bei  Haematococcus  theilt  sich 
der    Cysteninhalt    (durch    fortgesetzte    Zweitheilung)    in    eine    sehr    ver- 


798  Flagellata. 

schiedene  Anzahl  Sprösslinge;  Cohn  sah  gewöhnlich  sechs,  A.  Braun 
zwei  bis  vier,  Stein  ,vier  bis  acht.  Strasburger  (1878)  zwei,  vier,  neun, 
16  und  32  Sprösslinge.  Dass  durch  langfortgesetzte  Theilung  in  der 
Dauercyste  thatsächlich  eine  derartige  Mikrogonidienbildung  zuweilen 
stattfindet,  zeigten  auch  schon  die  älteren  Beobachtungen  Cohn's 
(1850),  der  sogar  circa  64  kleine  Sprösslinge  in  einer  Cyste  beob- 
achtete. Zum  Theil  beruhen  diese  sehr  verschiedenen  Sprösslings- 
zahlen  auch  wohl  nur  darauf,  dass  der  Austritt  aus  der  Cyste  recht  ver- 
schieden früh  eintreten  kann.  Derselbe  vollzieht  sich  nun  gewöhnlich  in 
der  Weise,  dass  sich  die  Cyste  an  einer  Stelle  öffnet  und  die  Sprösslinge 
in  eine  sich  hervorstülpeude  zarte  Haut  eingeschlossen,  hervordringen. 
(Stein  und  Strasburger  [43,  9e — f]).  Mit  Strasburger  dürfen  wir  diese 
Haut  wohl  für  eine  innerste  aufquellende  und  ausgedehnte  Schicht  der 
Cystenhülle  erklären,  wogegen  sie  Stein  für  eine  besondere  Membran 
hält,  welche  der  encystirte  Haematococcus  ausschied.  Endlich  durch- 
brechen die  Sprösslinge  noch  diese  Hülle,  entwickeln  Geissein  und 
werden  beweglich.  Die  meisten  Beobachter  (Cohn,  Perty  und  Strasburger) 
erklären  die  ausgetretenen  Sprösslinge  für  nackt  und  lassen  dieselben  erst 
während  ihres  beweglichen  Zustandes  die  bekannte  Schalenhülle  ent- 
wickeln. Dagegen  sah  Stein  die  Sprösslinge  gewöhnlich  schon  innerhalb 
der  Dauercyste  eine  dicht  aufliegende  SchalenhüUe  ausbilden.  Wahrschein- 
lich finden  sich  also  in  dieser  Beziehung  Verschiedenheiten.  Auch  die  Geissein 
der  Sprösslinge  sah  Stein  zuweilen  schon  in  der  Dauercyste  auftreten. 

Manchmal  scheinen  jedoch  nach  den  Beobachtungen  Cohn's  und 
Braun's  die  ausgetretenen  Sprösslinge  keine  Geissein  auszubilden,  sondern 
direct  wieder  in  Dauerzustände  überzugehen,  welche  weiterwachsen  und 
sich  in  entsprechender  Weise  vermehren.  Nach  Braun  tritt  dieser  Zustand 
ein,  wenn  die  Dauerzustände  nicht  untergetaucht,  sondern  nur  in  feuchter 
Luft  vegetiren  (so  z.  B.  am  Rande  des  Wassers).  In  dieser  Weise  ent- 
stehen dann  ganze  Krusten  oder  Häute  von  Dauerzelleu ,  welche  den 
früher  schon  von  anderen  Chlamydomonadinen,  Euglenen  etc.  geschilderten 
Pleurococcuszuständen  an  die  Seite  zu  stellen  sind.  Durch  dichte  Zu- 
sammenlagrung  platten  sich  die  Dauerzellen  solcher  Häute  gegenseitig 
polyedrisch  ab. 

Einfacher  gestalten  sich  die  Verhältnisse,  soweit  bekannt,  bei  Stepha- 
nosphaera.  Ihre  Dauerzustände  theileu  sich  unter  allmählicher  Ergrünung 
zu  vier  (zuweilen  wahrscheinlich  auch  acht)  Sprösslingen ,  welche  durch 
Auflösung  der  Cystenhülle  frei  werden  und  nach  Entwicklung  der  Geissein 
zunächst  noch  vereinigt  umherschwimmen.  Schliesslich  trennen  sie  sich 
von  einander  und  sind  anfänglich  nackt.  Während  ihres  Umherschwimmens 
entwickeln  sie  eine  sich  allmählich  weit  abhebende  Schalenhülle  und  er- 
scheinen dann  ganz  wie  eine  Haematococcuszelle,  da  sie  namentlich  auch 
häufig  wie  diese  Pseudopodien  zur  SchalenhüUe  aussenden.  Schliesslich 
gehen  diese  Sprösslinge  durch  successive  Zweitheilung,  unter  Erhaltung 
ihrer  Geissein   in  polytomaähnlicher  Weise   in  junge  achtzellige  Kolonien 


System  (Historisches).  799 

Über,  welche  sich  nach  Entwickhing  einer  Kolonialhülle  und  der  Geissein 
unter  Auflösung  der  Schalenhülle  des  Mutterorganismus  befreien  und  aus- 
wachsen. 

7.  System  der  Flagellateii.  *) 

A.  Historisches. 

Da  schon  in  der  geschichtlichen  Einleitung  hinreichend  betont  wurde, 
dass  Ehrenberg  und  seine  Vorläufer  noch  nicht  erkannt  hatten,  dass  die 
Flagellaten  eine  zusammengehörige,  natürliche  Gruppe  bildeten,  so  ver- 
weilen wir  hierbei  nicht  länger  und  heben  nur  hervor,  dass  auch  die  fünf 
Familien,  in  welche  Ehrenberg  die  Flagellaten  einreihte,  z.  Th.  noch 
wenig  natürlich  waren.  Unter  denselben  sind  etwa  die  Volvocina, 
Dinobryina  und  Astasiaea  als  natürliche  Gruppen  auch  später  fest- 
gehalten worden,  wobei  jedoch  die  letztere  mehr  der  Gesammtheit  unserer 
Unterordnung  der  Euglenoidina  entspricht.  Sehr  unnatürlich  waren  da- 
gegen die  Ehrenberg'schen  Familien  der  Monadina  und  Cryptomonadina 
und  schon  früher  zeigten  wir,  dass  Ehrenberg  sogar  gewisse  Flagellaten 
den  Ciliaten  beigesellt  hatte. 

Wie  bekannt,  datirt  die  Zusammenfassung  unserer  Gruppe  von 
Duj ardin  (1841)  her,  der  in  seiner  III.  Ordnung  der  Infusorien,  d.  h. 
den  „infusoires  pourvus  d'un  ou  de  plusieurs  filaments  flagelliformes  servant 
d' Organs  locomoteurs  —  sans  bouche'',  eine  Abtheilung  schuf,  welche  sich  mit 
unseren  Mastigophoren  deckt,  da  er  auch  die  Cilioflagellaten  zu  derselben 
zog.  In  der  Unterscheidung  natürlicher  Untergruppen  dagegen  kam 
Dujardin  nicht  über  Ehrenberg  hinaus;  seine  5  Familien  sind  im  Wesent- 
lichen die  Ehrenberg's,  wenn  er  auch  die  Astasiaea  in  Euglenina  und 
die  Cryptomonadina  in  Thecomonadina  umtaufte.  Ausserdem  führte  er 
einige  Verschiebungen  der  Gattungen  in  den  Familien  aus  und  er- 
kannte die  Flagellatennatur  der  von  Ehrenberg  noch  bei  den  Ciliaten 
gelassenen  Gattungen. 

C.  von  Siebold  suchte  dann  1848**)  die  Bezeichnung  Astoma 
für  die  von  Dujardin  errichtete  Abtheilung  der  Geisseiinfusorien  einzu- 
führen, zu  der  er  irriger  Weise  auch  die  Opalinen  gesellte;  doch  hat 
sich  dieser  Name  keine  Anerkennung  erworben,  wohl  wegen  der  Un- 
sicherheit über  die  Ernährungsverhältnisse  der  hierhergehörigeu  Formen, 
die  es  verfrüht  erscheinen  liess,  eine  solche  Bezeichnung  zu  wählen. 

Auch  Perty's  System  (1852)  brachte  keinen  wesentlichen  Fortschritt. 
Bei  ihm  fand  die  Hauptmenge  der  Flagellaten  in  der  1.  Section:  Filigera 
seiner  Phytozoidia  Aufnahme;  gewisse  Flagellatenformen,  wie  Chlamy- 
domonas  und  Haematococcus  stellte  er  dagegen    zu    der  zweiten   Phyto- 


*)  Irrthümlicher  Weise  wurde  der  Abschnitt  über  die  Fortpflanzung   unter  G.  rubricirt, 
wogegen  derselbe  als  der  6.  Abschnitt  einzureihen  ist. 

**)  Siebold  und  Stannius,  Lehrbucb>.d.  vergl.  Anatomie,  Bd.  I. 


gOO  Flagellata. 

zoidiensection,  seinen  Sporozoidia,  die  wesentlich  auf  die  pflanzlichen 
Zoosporeu  gegründet  war.  Eine  dritte  Section  der  Phytozoidia  bil- 
deten schliesslich  unter  der  Bezeichnung  Lampozoidia  die  heutigen 
Schizomyceteu.  In  der  speciellen  systematischen  Eintheilung  der  Filigera 
kehren  in  der  Hauptsache  die  Ehrenberg'schen  Familien  wieder,  nur 
trennte  Perty  einen  Tbeil  der  Cryptoraonadinen  unter  der  Dujardin'schen 
Bezeichnung  Thecomonadina  zu  einer  besonderen  Familie  ab,  ohne  je- 
doch deren  natürliche  Beziehungen  richtig  zu  erkennen. 

Im  Jahre  1853  (79)  schlug  Cohn  zuerst  die  Bezeichnung  Flagellata 
für  die  Dujardin'schen  Geisseiinfusorien  vor,  die  sich  dann  allmählich 
einbürgerte. 

Einen  recht  mangelhaften  Versuch  systematischer  Eintheilung  der 
Flagellaten  veröffentlichte  1866  Diesing.  Er  führte  zuerst  den  Namen  Masti- 
gophora  für  die  geisseltragenden  Protozoen  ein  und  zerlegte  dieselben  in 
zwei  Untergruppen,  die  M.  atrichosomata,  unsere  Flagellaten  und  die 
M.  trichosomata,  die  Cilioflagellaten,  zu  welchen  jedoch  auch  in  ganz 
irriger  Weise  das  Genus  Mallomonas  gezogen  wurde.  Diesing  selbst 
hatte  keine  eignen  Erfahrungen  auf  dem  Felde  der  Flagellatenkunde 
und  ebensowenig  einen  scharfen  Blick  für  die  Aehnlichkeiten  und  Diffe- 
renzen der  zahlreichen  Formen,  so  dass  sein  Versuch  kein  besonders 
glücklicher  werden  konnte.  Nur  die  ziemlich  intact  beibehaltene  Fa- 
milie der  Volvocina  Ehrbg  erscheint  in  seinem  System  als  eine  natür- 
liche Gruppe,  alle  übrigen  Flagellaten  zog  er  in  eine  ganz  unförmliche 
Familie  der  Monadinea  zusammen,  eine  Lösung  der  Schwierigkeit,  welche 
gerade  die  Umgrenzung  dieser  Familie  stets  bereitet  hatte,  die  lebhaft 
an  die  Entwirrung  des  gordischen  Knotens  erinnert. 

Auch  die  weitere  Unterabtheilung  dieser  grossen  Mouadinenfamilie 
war  ganz  künstlich;  dieselbe  wurde  nämlich  in  zwei  Gruppen  ge- 
theilt,  eine  der  Unbeschalten  und  eine  zweite  der  Beschälten,  welche 
Gruppen,  abgesehen  von  der  Künstlichkeit  des  Eintheilungsgrundes,  auch 
noch  desshalb  sehr  mangelhaft  waren,  weil  unter  den  Beschälten  eine 
ganze  Menge  Uubeschalter,  unter  den  Unbeschalten  sich  dagegen  auch 
in  Wirklichkeit  Beschalte  fanden.  Um  diese  Bemerkung  mit  einigen 
Beispielen  zu  erläutern :  so  finden  wir  Cryptomonas  unter  den  Beschälten, 
die  nächstverwandte  Chilomonas  dagegen  unter  den  Unbeschalten; 
andererseits  die  mit  Hülle  versehene  Polytoma  unter  den  Unbeschalten, 
dagegen  Carteria  bei  den  Beschälten  und  schliesslich  Chlamydomonas  gar 
wieder  in  der  zweiten  Familie  unter  den  Volvocinen.  Ebenso  sind  z.  B. 
Euglena  und  Phacus  auf  verschiedene  Abtheilungen  vertheilt. 

Indem  wir  die  weiteren  Eintheilungsprincipieu  jener  beiden  Haupt- 
gruppen: der  Aloricata  und  Loricata  als  unwichtig  übergehen,  da  die- 
selben ebenso  künstlich  sind  wie  die  Bildung  dieser  beiden  Gruppen 
selbst,  heben  wir  nur  noch  hervor,  dass  Diesing  schliesslich  in 
jeder  Gruppe  eine  Anzahl  Abtheilungen  auf  Grund  der  Geisseizahl  er- 
richtet  und   damit   dieses   Eintheilungsprincip    zuerst   in    das   Flagellaten- 


System  (Historisches,  Perty.  Diosing-,  Promciitel,  Stein,  Kent).  801 

System  eiulübrte,  ein  Princip,  welches  später  namentlich  H.  Kent  in 
seinem  System  verwerthet  hat.  Nach  dem  vorstehend  Bemerkten  braucht 
kaum  besonders  betont  zu  werden,  dass  auch  die  auf  die  Zahl  der 
Geissein  gegründeten  Abtheiluugen  Diesing's  im  Allgemeinen  wenig 
natürliche  sind ,  da  auch  dieses  Eintheilungspriucip  bei  rücksichtsloser 
Anwendung  zu  unnatürlichen  Gruppirungen  führt,  wie  wir  später  noch 
specieller  zu  besprechen  haben  werden. 

Fromentel's  System  von  1874  (146)  kann  in  keiner  Weise  als 
eine  Förderung  betrachtet  werden,  im  Gegentheil  bietet  es  sowohl 
hinsichtlich  der  Familien-  wie  der  Gattungsbildung  sehr  Unvollkomm- 
nes  dar.  Nur  drei  grosse  Familien ,  Euglenina,  Monadina  und  Vol- 
vocina  werden  aufgestellt  und  die  Gattungen  häufig  in  sehr  unrichtiger 
Weise  auf  dieselben  vertheilt;  so  finden  wir  z.  B.  Phacus  nicht  bei  den 
Euglenina,  sondern  bei  den  Monadina,  dagegen  Anthophysa,  Dinobryon  etc. 
bei  den  Volvocina.  Auch  in  den  einzelnen  Gattungen  sind  nicht  selten 
sehr  heterogene  Formen  vereinigt,  so  unter  Zygoselmis  augenscheinlich 
ein  Chilomonas  und  eine  Eutreptia,  während  sich  die  eigentliche  Zygo- 
selmis unter  Astasia  findet  und  Aehnliches  mehr.  Ebenso  ist  auch  nur 
ein  Theil  der  neu  aufgestellten  Gattungen  gut  begründet,  so  ist  z.  B.  die 
Gattung  Diplomita  nichts  weiter  wie  ein  Theilungszustand  von  Anisonema. 

In  vieler  Hinsicht  bezeichnete  das  Stein'sche  Flagellatensystem  vom 
Jahre  1878  einen  wesentlichen  Fortschritt.  Die  Zahl  der  Familien  ist 
hier  auf  14  erhöht,  und  von  diesen  sind  nach  unserer  Auffassung  10 
wohl  begründet.  Die  vier  übrigen,  darunter  die  drei  gattungsreichsten, 
sind  dagegen  wenig  natürlich  und  daher  von  uns  z.  Theil  ganz  auf- 
gelöst, z.  Th.  dagegen  in  andrer  Weise  umgrenzt  worden.  Die  Geissei- 
verhältnisse zog  Stein  bei  der  Eintheilung  nur  wenig  zu  Hülfe,  wie  dies 
namentlich  seine  Familie  der  Monadina  zeigt,  in  welcher  Formen  von  der 
verschiedenartigsten  Geisseibewaffnung  zusammengestellt  sind.  Grössere 
Untergruppen  als  Familien  hat  Stein  in  seinem  System  nicht  unterschieden. 

Schliesslich  hätten  wir  noch  einen  Blick  auf  das  jüngste  Flagel- 
latensystem von  Kent  zu  werfen.  Derselbe  unterscheidet  innerhalb  seiner 
Flagellaten  7  Ordnungen,  von  denen  wir  die  Cilio-  und  Choanoflagcl- 
lata,  sowie  die  sogen,  Radioflagellata  ausscheiden;  die  letzteren  wurden 
in  ganz  irriger  Weise  auf  die  mit  einer  sogen,  Sarkodegeissel  ausge- 
rüsteten Radiolarien  gegründet,  welche,  wie  wir  früher  sahen,  keine  nähere 
Verwandtschaft  mit  den  Mastigophoren  besitzen,  ja  die  nicht  einmal  inner- 
halb der  Radiolarien  eine  gemeinsame  Gruppe  bilden.  Seine  erste  Ord- 
nung der  eigentlichen  Flagellaten  (in  unserem  Sinne),  die  der  Trypano- 
somata  gründet  sich  auf  die  einzige  Gattung  Trypanosoma,  welche  wir 
auf  Grund  unserer  immer  noch  mangelhaften  Kenntnisse  wohl  kaum  zum 
Repräsentanten  einer  eigenen  Ordnung  erheben  können.  Die  zweite 
Ordnung,  die  der  Rhizoflagellata,  ist  von  uns  zu  einer  Familie  der  Ordn. 
Monadina  degradirt  worden.  Die  beiden  letzten  Ordnungen  schliesslich 
umfassen   die  grosse   Mehrzahl    der   Flagellaten  und  ihre  Unterscheidung 

Brunn,  Klassen  des  Thiev-Keichs.     rrntuzoa.  51 


802  Flag-ellata. 

basirt  auf  Verschiedenheiten  in  der  Nahrungsaufnahme.  In  der  Ordnung  der 
Flagellata-Pantostomata  sollen  nämlich  alle  diejenigen  Gattungen 
Platz  finden,  welche  keine  besondere  Mundötfnung  besitzen,  sondern  ihre 
Nahrung  mit  der  gesammten  Körperoberfläche  aufnehmen,  wogegen  die 
mit  Mund  versehenen  Formen  die  Ordnung  der  Flagellata-Eusto- 
mata  bilden.  Wir  haben  schon  bei  der  Besprechung  der  Nahrungs- 
aufnahme (p.  698)  hervorgehoben,  dass  wir  diese  beiden  Ordnungen  für 
unnatürliche  halten  und  diese  Ansicht  wohl  auch  schon  hinreichend 
begründet. 

Zur  Unterscheidung  der  Familien  zieht  Kent,  ähnlich  wie  zuerst 
Diesing,  die  Modalitäten  der  Geisseiausrüstung  schärfer  heran,  wird  aber  da- 
durch zuweilen  auch  zu  Unnatürlichkeiten  verleitet,  wie  wir  denn  im  Spe- 
ciellen  vielfach  von  seiner  Gruppirung  der  Gattungen  abweichen  müssen. 

Einige  allgemeine  Bemerkungen  über  die  Umgrenzung,  welche  Kent 
den  Flagellaten  gibt,  sind  hier  noch  anzuschliessen.  Wie  Diesing 
zieht  er  die  Gattung  Mallomonas  zu  den  Cilioflagellata,  dieselbe  ge- 
hört jedoch  zu  den  Flagellata.  Die  Volvocinen  und  Chlamydomona- 
dinen  schliesst  er  als  nichtthierische  Formen  von  den  Flagellaten 
aus,  nimmt  aber  dennoch  zwei  typische  Chlamydomonadinen,  näm- 
lich die  Gattungen  Polytoma  und  Carteria,  sowie  zahlreiche  nächst- 
verwandte Formen  unter  seine  Chrysomonadinae  auf,  die  in  jeder  Be- 
ziehung gleich  pflanzlich  sind  wie  die  Volvocina.  Auch  ihm  gilt  nämlich 
wie  Stein  die  An-  oder  Abwesenheit  der  contractilen  Vacuolen  für  sehr 
wesentlich  zur  Unterscheidung  thierischer  und  pflanzlicher  Formen,  und 
nach  seinen  Untersuchungen  glaubt  er  den  Volvocinen  die  contractilen 
Vacuolen  absprechen  zu  dürfen. 

Unsere  systematische  Eintheilung  der  Flagellata  gibt  der  folgende 
Abschnitt  im  Detail;  hier  möge  zunächst  noch  der  Umfang  der  ge- 
sammten Gruppe  eine  kurze  Erörterung  finden. 

Wenn  nur  die  einigermassen  gesicherten  Arten  in  Betracht  gezogen 
werden,  so  erscheint  die  Zahl  der  jetzt  bekannten  Flagellatenformen  im 
Allgemeinen  nicht  sehr  ansehnlich.  Ich  berechne  dieselbe  auf  ca.  185 
bis  200  Arten,  welche  sich  auf  ca.  110  Gattungen  vertheilen.  Hieraus 
dürfte  hervorgehen ,  dass  die  Sonderung  in  Gattungen  etwas  zu  weit 
getrieben  wurde,  da  im  Durchschnitt  noch  nicht  zwei  Arten  auf  eine 
Gattung  kommen.  Eine  Veringerung  der  Gattungszahl  dürfte  sich  dem- 
nach in  der  Zukunft  wohl  empfehlen.  Unter  der  angegebenen  Zahl  von 
Arten  finden  sich  ca.  18  marine  und  etwa  20  parasitische.  Es  kann 
wohl  als  sicher  angenommen  werden,  dass  unsere  derzeitige  Bekannt- 
schaft mit  den  Flagellaten  eine  sehr  unzureichende  ist  und  daher  die 
Zukunft  noch  eine  beträchtliche  Vermehrung  derselben  erwarten  lässt. 


System.     Allgem.  Vcrwandtschaftsbezieluing-en.  803 


B.     Verwandtschaftliche    Beziehungen     der    Flagellaten     zu    den    früher    be- 
sprochenen Protozoüaklassen  und  zu  den  einzelligen  pflanzlichen  Organismen. 

Die  zum  Theil  schon  früher  angedeuteten  verwandtschaftlichen  Be- 
ziehungen der  Flagellaten,  welche  nach  sehr  verschiedenen  Richtungen 
gehen,  erfordern,  dass  wir  diesem  Gegenstand  noch  einige  Worte 
widmen,  einmal,  um  die  Ausdehnung,  die  der  Flagellatengruppe  hier  ge- 
geben wurde,  zu  rechtfertigen,  und  ferner  um  die  systematische  Stellung 
der  Gruppe  als  solche  genauer  zu  präcisiren.  Das  Historische  bezüglich 
des  Streites  über  die  Stellung  zahlreicher  Flagellaten  bei  den  thierischen 
oder  pflanzlichen  Organismen  wurde  früher  schon  hinreichend  erörtert 
und  es  ist  schon  genügend  bekannt,  dass  namentlich  die  Familien  der 
Chlamydomonadinen  und  Volvocinen  von  den  Botanikern  sehr  allgemein 
unter  die  Algen  aufgenommen  und  in  die  Ordnung  der  Protococcoideae 
eingereiht  werden,  in  welcher  beide  Familien  gewöhnlich  zu  einer  ein- 
zigen verschmolzen  erscheinen.  Dass  meist  nur  die  beiden  erwähnten 
Familien  aufgeführt  wurden,  zahlreiche  nächstverwandte  Formen  dagegen 
keine  Aufnahme  fanden,  beruhte  wohl  nur  auf  der  geringen  Kenntniss 
derselben  und  bei  einer  Revision  des  Systemes  würde  wohl  kein  Bota- 
niker Anstand  nehmen,  unsere  gesammte  Abtheilung  der  Phytomastigoda, 
und  auch  wohl  die  Familie  der  Cryptomonadina  den  Protococcoideae 
zuzurechnen. 

In  gleicher  Weise  wurde  häufig  versucht,  die  grünen  Eugleninen 
den  einzelligen  Algen  beizugesellen;  in  diesem  Sinne  sprachen  sich  z.  B. 
schon  Bergmann  und  Leuckart  1852*)  aus  und  später  betonte  hauptsäch- 
lich Cienkowsky  (118),  auf  seine  Beobachtungen  über  die  Fortpflan- 
zung der  Euglenen  im  ruhenden  Zustand  gestützt,  ihre  Algennatur- 
Diese  Ansicht  hat  sich  aber  nie  allgemeinere  Verbreitung  errungen, 
hauptsächlich  wegen  der  besonderen  Bewegungserscheinungen  zahl- 
reicher Eugleninen,  wiewohl  ich  hierin  gerade  am  wenigsten  einen 
Grund  für  ihre  Thierheit  erblicken  möchte.  Speciell  Cohn  ,  der 
durch  seine  zahlreichen  Arbeiten  auf  dem  Grenzgebiet  der  beiden 
Reiche  zu  einem  Urtheil  in  dieser  Frage  besonders  berufen  war, 
vertheidigte  die  animalische  Natur  der  Euglenen  und  Verwandten,  ob- 
gleich er  mit  Entschiedenheit  für  die  Pflanzeunatur  der  Chlamydomona- 
dinen und  Volvocinen  eintrat.  Auch  der  neueste  gründliche  Erforscher 
der  Eugleninen,  Klebs,  gelangte  im  Wesentlichen  zu  demselben  Resultat, 
indem  er  einmal  die  nicht  geringen  Differenzen  der  Organisation  zwischen 
den  beiden  in  Frage  stehenden  Gruppen  besonders  betonte  und  sich 
weiter   namentlich   darauf  stüzte,   dass   die   Euglenen   die   nächsten   Ver- 


*)  Anatom,  physiol.  Üehers.  d.  Thierreichs.     Stuttgart  1852,  p.  132. 

51 


804  Flagellata. 

wandten  echt  thierischer  Flagellaten  seien,  d.  h.  solcher  Formen,  welche, 
mit  Mund  versehen,  sich  in  thierischer  Weise  ernähren.  Gerade  diese 
grosse  Verschiedenheit  der  Ernährung  in  der  zweifellos  natürlichen 
Gruppe  der  Euglenoidinen  zeigt  jedoch,  dass  wir  berechtigt  sind,  auch 
Flagellaten  von  thierischer  Ernährungsweise  nicht  aus  der  Reihe  der 
Isomastigoden  zu  entfernen,  wenn  dieselben  in  ihrer  Organisation  die 
nöthige  Uebereiustimmung  mit  denselben  besitzen.  So  sehen  wir  denn 
auch  in  dieser  Gruppe  Formen,  deren  Verwandtschaft  mit  den  Phyto- 
mastigoda  jedenfalls  keine  geringe  ist,  sich  thierisch  ernähren,  wenn- 
gleich so  entwickelte  Mundeinrichtungen,  wie  sie  bei  den  Euglenoidinen 
gefunden  werden,  hier  nicht  vorkommen,  oder  doch  nicht  mehr  als 
solche  zu  functioniren  scheinen  (Cryptomonadina).  Hieraus  dürfen  wir 
aber  folgern,  dass  die  Phytomastigoda  ebensowohl  wie  die  Eugleninen 
zu  der  Flagellatengruppe  in  weiterem  Sinne  gerechnet  werden  müssen. 
Auch  für  die  Botaniker  kann  kein  Zweifel  darüber  bestehen ,  dass  die 
Phytomastigoda  die  nächsten  Verwandten  der  übrigen  Flagellaten  sind 
und  sich  mit  diesen  aus  gemeinsamer  Grundlage  entwickelt  haben, 
andererseits  führen  sie  aber  unzweifelhaft  und  direct  zu  denjenigen 
einzelligen  Wesen  über,  welche  auf  die  Bezeichnung  pflanzliche  ein 
bestimmtes  Anrecht  haben,  nämlich  zu  den  Palmellaceen  und  Proto- 
coccaceen,  die  nicht  nur  morphologisch,  sondern  auch  vielfach  in  ihren 
Fortptlanzungserscheinungen ,  die  innigsten  Beziehungen  zu  den  Phyto- 
mastigoda besitzen.  Ein  Character  jedoch  ist  es,  welcher  diese  beiden 
Abtheilungen  im  Grossen  und  Ganzen  scheidet  und  mich  bestimmt,  die 
Phytomastigoden  den  übrigen  Flagellaten  inniger  anzuschliessen.  Bei 
den  Phytomastigoden  nämlich  ist  der  Schwerpunct  des  Lebens  in  dem 
beweglichen  Zustand  concentrirt,  in  diesem  wachsen  sie  und  pflanzen 
sich  gewöhnlich  auch  fort,  wie  die  übrigen  Flagellaten,  wogegen  in  der 
Reihe  der  Palmellaceen  etc.  das  eigentliche  Leben  sich  umgekehrt  mehr 
auf  die  ruhenden,  vegetativen  Epochen  concentrirt.  Im  Verlaufe  dieser 
geschieht  hauptsächlich  oder  ausschliesslich  die  Assimilation  sowie  das 
Wachsthum  und  die  beweglichen  Zustände  gehen  verhältnissmässig  rasch 
vorüber,  d.  h.  sie  sind  zu  einem  blossen  Mittel  der  Fortpflanzung  und 
Ausbreitung  herabgesunken  (Zoosporen).  Kaum  brauchen  wir  zu  betonen, 
dass  auch  diese  Gegensätze  keine  scharfen  sind,  da  sie  ja  nur  auf 
einem  mehr  oder  weniger  beruhen,  und  beide  Abtheilungen,  wie  be- 
merkt, in  einander  übergehen,  was  natürlich  ein  allmähliches  Ineinander- 
fliessen  der  Gegensätze  voraussetzt. 

Wir  müssen  demnach  voll  anerkennen,  dass  die  Zusammenziehung  der 
Phytomastigoden  mit  den  einzelligen  Algen  vom  Standpunct  der  Botanik 
aus  gerechtfertigt  erscheint,  denn  sie  sind  sicher  durch  genetische 
Bande  mit  denselben  verknüpft;  dagegen  gehören  sie  in  einem  höhe- 
ren Sinne  auch  der  Flagellatengruppe  an  und  auf  diese  hat  die 
Protozoenkunde  volles  Anrecht,  da  zahlreiche  ihrer  Vertreter  physiologisch 
echte    Thiere    sind    und    sich    andererseits    die    höhere  Thierwelt  sonder 


All.u'^111.  ViTwaiidtscliafthuzii'li.  zu   cinzell.  A1l;cii.   Oliytridioeii  ii.   ISIyxoiJiycctcii.      805 

Zweifel  aus  der  Flagellatengriippc  hervorgebildet  bat.  Gleicherweise 
kann  jedoch  auch  die  Botanik  die  Betrachtung  der  Gesammtgruppe  nicht 
entbehren,  da  die  Phytomastigoda,  isolirt  von  den  tibngen  Flagellaten, 
nur  ein  sehr  unvollständiges  Bild  der  Gesammtentwicklung  der  Gruppe 
geben  würden.  Wenn  daher  eine  Organismengruppe  wegen  ihrer  Be- 
ziehung zu  den  zwei  grossen  Reihen  die  Bezeichnung  Protisten  verdiente, 
so  wäre  es  wohl  entschieden  die  der  Flagellaten ,  und  dies  wird  denn 
auch  noch  weiter  dadurch  belegt,  dass  die  verwandtschaftlichen  Be- 
ziehungen der  Flagellaten  wohl  nicht  nur  auf  die  Protococcoidea  und 
durch  diese  auch  auf  die  mehrzelligen  Algen  und  schliesslich  höheren 
Pflanzen  hinweisen,  sondern  auch  wohl  noch  auf  andere  Gruppen  ein- 
zelliger, den  Pflanzen  gewöhnlich  zugerechneter  Organismen.  Zunächst 
meine  ich  hier  die  Bacillariaceen,  w^elche  namentlich  in  der  Beschaffen- 
heit ihrer  Chromatophoren  sehr  lebhaft  an  zahlreiche  Flagellaten 
erinnern,  so  dass  ich  bei  der  im  Uebrigen  sehr  isolirten  Stellung  dieser 
Gruppe  ihr  directes  Hervorgehen  aus  flagellatenartigen  Wesen  nicht  für 
unwahrscheinlich  halte. 

Weitere  Gruppen  einzelliger,  pflanzlicher  Wesen,  welche  gleichfalls 
ihren  Ursprung  direct  aus  flagellatenartigen  herleiten  dürften,  sind 
die  schmarotzenden  Chytridieen  und  die  Myxomyceten.  Für  die 
ersteren  ist  diese  Ansicht  wohl  ziemlich  plausibel,  denn  sie  bieten  in  ihrer 
Ableitung  von  farblosen  einfacheren  Flagellaten  ebenso  wenig  Schwierigkeit 
wie  die  Protococcoidea  von  gefärbten.  Etwas  schwieriger  gestaltet  sich  dies 
vielleicht  für  die  Myxomyceten  und  zu  diesem  Zwecke  wollen  wir  zunächst 
einen  Blick  auf  die  Beziehungen  zwischen  den  Flagellaten  und  Sarkodinen 
werfen.  Schon  früher  wurde  hinreichend  betont,  dass  die  innigsten  Be- 
ziehungen zwischen  diesen  beiden  Abtheilungen  existiren,  d.  h.  die  ein- 
fachsten Formen  der  Flagellaten,  die  Familie  der  Rhizomastigina,  bildet 
wegen  ihrer  zwischen  den  beiden  Abtheilungen  schwankenden  Organi- 
sation geradezu  ein  Verbindungsglied.  Es  spricht  denn  auch  Vieles 
dafür,  dass  derartige  Formen  den  Ausgangspunct  beider  Klassen  bildeten. 
Als  eine  solche  Ausgangsform  dürfen  wir  uns  etwa  eine  solche  vorstellen, 
welche  ähnlich  wie  Ciliophrys  abwechselnd  eine  sarkodinenartige  und 
eine  flagellatenartige  Beschaffenheit  anzunehmen  im  Stande  war.  In  der 
Reihe  der  Flagellaten,  welche  sich  aus  einer  solchen  Grundform  entwickelte, 
trat  nun  der  sarkodinenartige  Zustand  mehr  und  mehr  zurück  und  der 
flagellatenartige  wurde  allmählich  der  bleibende,  wiewohl  sich  noch  viel- 
fach das  Vermögen  erhalten  hat,  den  sarkodinenartigen  Zustand  vorüber- 
gehend anzunehmen.  Das  Umgekehrte  machte  sich  dagegen  in  der  Ent- 
wicklung der  Sarkodinenreihe  geltend.  Hier  trat  der  Flagellatenzustand 
mehr  und  mehr  zurück  und  der  sarkodinenartige  bildete  allmählich  die 
Dauerform,  dagegen  blieb  auch  hier  die  Fähigkeit  den  Flagellatenzustand 
anzunehmen ,  noch  vielfach  erhalten,  beschränkte  sich  jedoch  ähnlich  wie 
bei  den  Protococcacea  auf  eine  kurze  Zeit  in  Zusammenhang  mit  der 
Forlpflanzung.      So     erklärt    sich    denn    wohl    am    einfachsten    die    bei 


806  Flagellata. 

den  SarkodineD  so  verbreitete  Erscheinung  der  Schwärmerbildung*).  Zu- 
gleich fällt  durch  diese  Ableitungsweise  der  beiden  Gruppen  die  Schwie- 
rigkeit weg,  welche  sich  erhebt,  wenn  man  in  den  Schwärmern  der 
Sarkodinen  etwa  ähnlich  den  Vorgängen  bei  der  Entwicklung  der 
Metazoen  phylogenetische  Vorstufen  erblicken  will,  denn  wie  ich  zuerst 
gezeigt  habe,  kann  das  sogen,  biogenetische  Grundgesetz  auf  die  Proto- 
zoen keine  Anwendung  finden**). 

Es  kann  nun  meiner  Ansicht  nach  keiner  Frage  uuterliegen,  dass 
die  sogen.  Schleimpilze  in  inniger  genetischer  Verwandtschaft  zu  den 
einfacheren  Sarkodinen  (speciell  Rhizopoden)  stehen.  Diese  Anschauung 
hat  sowohl  in  früherer  wie  in  neuerer  Zeit  eine  ganze  Anzahl  Anhänger 
gefunden,  unter  denen  ich  hier  nur  de  Bary***),  Claus  f),  S.  Kent  (182), 
Klein  tt)  erwähnen  will.  Ist  es  doch  für  gewisse  Formen  bis  jetzt 
zweifelhaft  geblieben,  ob  sie  besser  den  Sarkodinen  oder  den  Schleim- 
pilzen anzuschliessen  sind.  Ein  besserer  Beleg  für  die  Beziehungen 
beider  Abtheilungen  dürfte  wohl  schwerlich  beizubringen  sein  und 
die  Ableitung  der  Myxomyceten  von  rhizomastiginen- artigen  Wesen 
scheint    mir    sehr   einleuchtend  aus  ihrem  gesammten  Lebens-    und  Ent- 


*)  Wie  aus  Obigem  heri^orgeht,  acceptire  ich,  beziiglicli  der  Frage  nach  der  Stellung 
der  Flagellaten  unter  den  Protozoen,  in  vieler  Hinsicht  die  zuerst  von  K.  S.  Bcrgh  ausge- 
sprochene Ansicht  (Morphol.  Jahrbuch,  Bd.  7,  „üeber  den  Organismus  der  Cilioflagellaten'-). 
Das  Besondere  meiner  Meinung  ist  nur,  dass  ich  die  vermittelnden  Rhizomastigina  als  Aus- 
gangspunct  der  Flagellaten-  und  Sarkodinenreihe  nehme. 
**)  Jenaische  Zeitschr.  f.  Naturwissensch.  1876,  p.  287. 
***)  de  Bary,  die  Mycetozoen,  Zeitschr.  f.  wissensch.  Zoologie,  Bd.  X.  1864, 

t)  Claus,  Lehrbuch  der  Zoologie, 
tt)  Klein,  Vampyrella,  ihre  Entwicklung  und  systematische  Stellung,   Botan.  Centralblatt, 
Bd.  Xr,  1882. 

Durch  das  Studium  verschiedener  Yampyrellaformen  gelangte  Klein  zu  der  Ansicht,  dass 
diese  von  uns  zu  den  Heliozoen  gezogenen  Formen  eine  nahe  Verwandtschaft  mit  pflanzlichen 
Organismen ,  speciell  den  Myxomyceten  und  den  Chytrydieen  besässen  und  daher  diesen 
zuzurechnen  seien ,  wenngleich  er  auch  ihre  Beziehungen  zu  den  Protozoen  und  vor  Allem 
den  Heliozoen  nicht  in  Abrede  stellt.  Wir  vermögen  uns  dieser  Ansicht  nicht  unbedingt 
anzuschliessen,  obgleich  es  ja  keiner  Frage  unterliegt,  dass  alle  diese  Formen  unter  einander 
nahe  verwandt  sind.  Der  Anschluss  der  Vampyrella  an  die  Heliozoen  erscheint  uns  auch 
jetzt  noch  am  natürlichsten,  wogegen  sich  die  Myxomyceten  und  die  Chytrydieen  natürlicher 
von  einfachsten  Flagellaten,  speciell  den  Ehizomastiginen  ableiten  lassen.  In  dieser  Hinsicht 
stimmt  meine  Auffassung  mit  der  von  Kent  überein ,  welche  wenigstens  die  Myxomyceten  in 
dieser  Weise  abzuleiten  sucht.  Dass  die  Myxomyceten  eine  besondere  eigenthümlich  ent- 
wickelte Gruppe  bilden,  unterliegt  keiner  Frage,  und  mir  ist  es  nicht  unwahrscheinlich,  dass 
sich  eine  Reihe  ihrer  Eigenthümlichkeiten  durch  Anpassung  an  das  Leben  in  der  Luft  ent- 
wickelt haben.  Ihre  unbedingte  Einreihung  unter  die  pflanzlichen  Organismen  erscheint  unter 
diesen  Umständen  überhaupt  etwas  zweifelhaft,  da  aus  ihnen  entschieden  keine  weitere  Ent- 
wicklung zu  höheren  pflanzlichen  Organismen  stattgefunden  Etwas  anders  verhalten  sich 
in  dieser  Hinsicht  die  Chytrydieen,  welche  nach  der  Ansicht  mancher  Botaniker  zu  höher 
entwickelten  Pilzen  überleiten.  Die  grosse  Schwierigkeit,  welche  die  systematische  Abgrenzung 
der  Protozoen  und  Protophytcn  darbietet,  Hesse  sich  ja  durch  Adoption  der  Häckel'schen 
Protistengruppe  leicht  heben,  wenn  sich  nur  dann  nicht  die  doijpelte  Schwierigkeit  einstellte, 
diese  Protisten  von  den  Pflanzen  und  Thieren  abzugrenzen. 


Allgeui.  Ver\vaudtbcliartsbu<i.  /.u  My.voiiiycL'tcii  u.  (irogariiiideii.  807 

wickluugsgaug  zu  folgen,  wenn  man  sich  nur  von  den  Vorurtbeilen 
emancipirt,  welche  durch  die  lange  Zurechnung  dieser  Formen  zu 
den  Pilzen  hervorgerufen  wurden. 

So  sehen  wir  denn,  dass  auch  diese  Abtheilung  in  einem  genetischen  Zu- 
sammenhang mit  den  Ausgangsformen  der  Sarkodinen-u.Flagellatenreihe  steht. 

Noch  eine  weitere  Gruppe  protozootischer  Wesen,  welche  wir  in 
diesem  Buche  schon  besprochen  haben,  dürfte  mit  ziemlicher  Wahr- 
scheinlichkeit gleichfalls  von  flagellaten artigen  Vorläufern  abstammen,  die 
Sporozoen  nämlich,  d.  h.  speziell  die  Gregarinida.  Seither  zog  man 
es  vor,  diese  Gruppe  mehr  den  Sarkodinen  zu  nähern  und  ihren  Aus- 
gangspunct  etwa  unter  den  einfacheren  Rhizopoden  zu  suchen.  Doch 
hatte  diese  Ansicht  ihre  grossen  Schwierigkeiten,  welche  auch  schon 
früher  angedeutet  wurden.  Wie  gesagt,  scheint  es  mir  naturgemässer, 
die  Gregarinida  von  Flagellaten  abzuleiten  und  zwar  nicht  von  den  ein- 
fachsten, sondern  von  höher  entwickelten  mit  Cuticula.  versehenen  Flagel- 
laten, die  in  ihrer  Anpassung  an  das  parasitische  und  zunächst  wohl 
allgemein  intracellulär- parasitische  Leben  die  Geissein  gänzlich  und 
dauernd  verloren  haben,  ähnlich  wie  wir  solches  auch  wohl  für  zahl- 
reiche Angehörige  der  Rhizopoden  und  für  viele  einzellige  Algen  an- 
nehmen müssen,  die  keine  Schwärmerbildung  mehr  aufweisen.  Eine 
solche  Beziehung  der  Gregariniden  zu  den  Flagellaten  ergiebt  sich  nach 
meiner  Ansicht  aus  der  grossen  morphologischen  Uebereinstimmung 
zwischen  gewissen  Monocystideen  und  manchen  Flagellaten.  Manche 
langgestreckte  Monocystideen  verhalten  sich  geissellosen  Astasien  und 
Verwandten  so  ähnlich,  namentlich  auch  hinsichtlich  der  ganz  überein- 
stimmenden peristaltischen  Bewegungen,  dass  bei  oberflächlicher  Betrach- 
tung eine  Verwechslung  leicht  möglich  erscheint  und  Stein  sich  seiner 
Zeit  für  berechtigt  hielt,  den  Proteus  tenax  0.  F.  Müller's  (=  Astasia 
tenax)  für  eine  zufällig  aus  ihrem  Wirthsthier  ins  umgebende  Wasser 
gerathene  Monocystis  zu  erklären.  Dass  die  eventuell  bei  den  Vorfahren 
der  Gregariniden  vorhanden  gewesenen  Einrichtungen  zur  Nahrungsauf- 
nahme verloren  gingen,  scheint  in  Anbetracht  ihres  parasitischen  Lebens 
sehr  erklärlich.  Etwas  mehr  Schwierigkeit  dürfte  der  stetige  Mangel 
einer  contractilen  Vacuole  bei  den  Gregariniden  bereiten,  doch  können 
wir  hierauf  wohl  keinen  zu  hohen  Werth  legen ,  da  diese  Einrichtung 
auch  vielen  Sarkodinen  fehlt,  andern  dagegen  sehr  entwickelt  zukommt 
und  gerade  parasitische  Flagellaten  der  contractilen  Vacuole  zuweilen  zu 
entbehren  scheinen.  Sehr  grosse  Uebereinstimmung  verrathen  dagegen 
die  Kernverhältnisse  bei  den  Gregariniden  und  Flagellaten  sowohl  hin- 
sichtlich der  Bauweise  des  Kernes,  wie  der  bei  beiden  Abtheiluugen  fast 
durchgängigen  Einzahl  dieses  Organs.  Schwierigkeiten  dagegen  bereiten 
zunächst  noch  die  eigenthümlichen  Fortpflanzungserscheinungen  der 
Gregarinida,  doch  erheben  sich  diese  in  gleichem  Maasse  bei  einer 
Vergleichung  dieser  Formen  mit  den  Sarkodinen  und  lassen  sich  zu- 
nächst   ebenso    leicht    oder    schwer   von  denen   der   Flagellaten  ableiten 


808  FlagcUata. 

In  Erwägung  dieser  Gründe  halte  ich  daher  eine  Ableitung  der 
Gregarinida  von  flagellatenartigen  Wesen  dem  Stande  unserer  heutigen 
Kenntnisse  am  entsprechendsten. 

Noch  blieb  eine  Richtung  der  verwandtschaftlichen  Beziehungen  der 
Flagellaten  unerörtert,  welche  hier  gleichfalls  einiger  Worte  bedarf,  nämlich 
die  zu  den  sogen.  Schizomyceten,  welche  von  den  älteren  Forschern 
unbedenklich  in  näheren  Zusammenhang  mit  den  Flagellaten  gebracht, 
ja  in  einzelnen  Formen  denselben  sogar  eingereiht  wurden,  in  neuerer 
Zeit  dagegen  gewöhnlich  den  Pflanzen  zugerechnet  und  in  einen  näheren  Zu- 
sammenhang mit  den  Pilzen  gebracht  wurden.  Nun  dürfte  es  wohl  keiner 
Frage  unterliegen,  dass  dieselben  mit  denjenigen  pflanzlichen  Organismen, 
welche  als  die  typischen  Abtheilungen  der  im  Ganzen  ja  überhaupt  noch 
wenig  natürlichen  Gruppe  der  Pilze  zu  betrachten  sind,  keine  näheren 
Verwandtschaftsverhältnisse  besitzen ,  im  Gegentheil  sind  die  Botaniker 
geneigt,  sie  einer  Algengruppe,  den  sogen.  Schiz  osporeae  näher 
anzuschliessen,  d.  h,  etwa  als  die  sapropbytisch  lebende  Parallelgruppe 
dieser  Spaltalgen  zu  betrachten  und,  wie  ich  glaube,  mit  Recht.  Dennoch 
lässt  eine  Betrachtung  der  Organisation  und  Entwicklnngsverhältnisse  der 
einfacheren  Schizomyceten  kaum  verkennen,  dass  auch  zu  den  ein- 
facheren Flagellaten  Beziehungen  existiren,  die  sich  hauptsächlich  daraus 
ergeben,  dass  zahlreiche  dieser  Spaltpilze  in  ihrem  Entwicklungsgang 
Schwärmzustände  besitzen,  welche  sich  durch  den  Besitz  einer  bis  zahl- 
reicher Geissein  den  Flagellaten  nähern.  Wir  haben  volles  Eecht,  das 
Auftreten  solcher  Schwärmzustände  bei  den  grünen  Algen  im  Allgemeinen 
auf  ihre  Abstammung  von  flagellatenartigen  Organismen  zurückzuführen, 
und  wir  dürfen  daher  auch  eine  Ausdehnung  derselben  Anschauungsweise 
auf  die  Schizomyceten  nicht  als  unnatürlich  betrachten.  Dazu  gesellt 
sich  noch,  dass  sich  diese  Schwärmzustände  der  Schizomyceten  kaum 
als  so  rasch  vorübergehende,  mit  der  Fortpflanzung  und  Ausbreitung  der 
Art  in  Beziehung  stehende  Lebensstadien  darstellen ,  als  welche  sie  sich 
z.  B.  bei  den  eigentlichen  Algen  präsentiren.  Bei  den  Schizomyceten 
sind  die  Schwärmzustände  vielmehr  gewöhnlich  als  den  nichtschwär- 
menden  ziemlich  gleichberechtigte  Phasen  in  der  Lebensgeschichte  des 
Organismus  aufzufassen,  deren  Eintritt  im  Allgemeinen  von  besonderen 
äusseren  Bedingungen  abhängig  ist,  also  vergleichbar  etwa  mit  der  Ab- 
wechslung ruhender  und  beweglicher  Phasen  in  dem  Lebensgang  der 
Chlamydomonadinen.  Dieser  Satz  gilt  zum  mindesten  wohl  für  die  ein- 
facheren Spaltpilze,  weniger  dagegen  für  manche  entwickeltere,  mit 
complicirteren  und  grösseren  Vegetationsformen  (Chladothrix,  Beggi- 
atoa  etc.),  wo  die  Schwärmerbildung  wohl  mehr  denselben  Character  wie 
bei  den  Algen  annimmt.  Dass  sich  die  Schwärmzustände  während  der 
Bewegung  häufig  theilen  und  auch  zur  Bildung  von  Dauersporen  zu 
schreiten  vermögen,  sind  Erscheinungen,  die  gleichfalls  für  ihre  Be- 
ziehungen zu  den  Flagellaten  sprechen.  Weiterhin  sind  die  Orga- 
nisationsverhältnisse    zahlreicher     Schizomycetenschwärmer     im     Ganzen 


Allgein.  Venvaiicltscliaftbezicli.  zu  Scliizoinyccti'n.  800 

SO  wenig  abweichend  von  denjenigen  einfacher  Flagellaten,  dass,  eine 
der  Kleinheit  und  sapropbytischen  Lebensweise  entsprechende  Verein- 
fachung derselben  bei  den  Schizomyceten  zugegeben,  eine  scharfe  Schei- 
dung zwischen  beiden  häufig  schwer  genug  durchführbar  sein  wird.  Der 
stetige  Mangel  eines  Zellkerns  bei  den  Schizomyceten  wäre  wohl  im  All- 
gemeinen als  ein  wichtiger  Unterschied  zu  betrachten,  doch  empfiehlt 
es  sich  gewiss,  das  Urtheil  gerade  hierüber  noch  etwas  zurückzu- 
halten und  die  Aufschlüsse  der  Zukunft  über  die  Kernfrage  in  den  Ab- 
theilungen der  Schizomyceten  und  Schizosporeen  abzuwarten.  Auf  den 
stetigen  Mangel  contractiler  Vacuolen  bei  den  Schizomyceten  dürfte  aus 
denselben  Gründen,  welche  oben  schon  bezüglich  der  Gregariniden  an- 
geführt wurden,  kein  besonderer  Werth  gelegt  werden. 

Dagegen  möchte  ich  noch  auf  einige  specielle  Vergleichspuncte 
zwischen  den  beiden  Gruppen  hinweisen.  Einmal  ist  es  auffallend,  dass 
sich  auch  unter  den  Flagellaten  häufig  eine  Tendenz  zu  schraubiger 
Aufrollung  bemerklich  macht,  die  ja  bei  den  Schizomyceten  vielfach  so 
characteristisch  hervortritt.  Nicht  nur  einfachere  Flagellaten,  wie  z.  B. 
Bodo  angustatus,  verrathen  diese  Neigung  häufig  recht  deutlich,  son- 
dern auch  höher  ausgebildete  Formen,  so  gewisse  Euglenoidinen  (Phacus, 
Astasiopsis).  Bezüglich  der  Fortpflanzung  ist  kaum  ein  wesentlicher 
Unterschied  zwischen  beiden  Abtheilungen  zu  constatiren ;  auch  die 
Flagellaten  zeigen  ja  nicht  selten  Quertheihing,  die  bei  den  Schizo- 
myceten die  Haupttheihnigsform  bildet  und  mit  dieser  wechselt  doch  auch 
hier  nicht  selten  Längstheilung  ab.  Die  sogen.  Dauersporenbildung 
der  Spaltpilze  ist  eine  sehr  eigenthümliche  und  steht  einstweilen  auch 
auf  pflanzlichem  Gebiet  ziemlich  unvermittelt  da.  Wenn  jedoch  diese 
endogene  Sporenbildung  überhaupt  mit  ähnlichen  Erscheinungen  ver- 
glichen werden  soll,  so  dürften  sich  gerade  die  endogen  entstehenden 
Dauerzustände  gewisser  Flagellaten  (Monas,  Chromulina)  zunächst  dar- 
bieten, ja  mir  scheint,  dass  sie  recht  wohl  mit  der  Sporenbildung  der 
Schizomyceten  homologisirt  werden  können. 

Auf  Grund  vorstehender  Erwägungen  möchte  ich  daher  schliessen, 
dass  die  Schizomyceten  in  einem  ähnlichen  genetischen  Verhältniss  zu 
ungefärbten  sapropbytischen  Flagellaten  stehen,  wie  die  Palmellaceen  zu 
den  Phytomastigoden.  Wie  bei  den  Palmellaceen  und  Protococcaceen 
die  vegetative  Phase  des  Daseins  mehr  und  mehr  die  Oberhand  gewinnt 
und  damit  verknüpft  auch  morphologisch  der  vegetative  Ausbau  sich 
allmählich  complicirter  gestaltet,  so  tritt  Aehnliches  wohl  auch  unter  den 
Schizomyceten  hervor,  deren  höhere  Formen  dies  in  der  Entwicklung  an- 
sehnlicherer fädiger  bis  verzweigter  Vegetationsformen  zum  Ausdruck 
bringen. 

Ein  Festhalten  der  Beziehungen  der  Schizomyceten  zu  den  Flagel- 
laten schliesst  nun  aber  keineswegs  aus,  dass  deren  Zusammenhang  mit 
den  Schizosporeae  unter  den  Algen  ein  recht  inniger  ist.  Vielmehr  scheint 
mir  dies  nur  darauf  hinzuweisen,  dass  auch  diese  Schizosporeae,  obgleich 


ÖIO  Flagollata. 

in  ihrer  Lebensgeschichte,  soweit  dies  bis  jetzt  bekannt  ist,  der  flagel- 
latenartige  Schwärmzustand  fehlt,  dennoch  in  ähnlichen  Beziehungen  zu 
den  Flagellaten  stehen  wie  die  übrigen  einzelligen  Algen.  Speciellere 
Vermuthungen  über  die  Ableitung  der  beiden  Gruppen  der  Schizosporeae 
und  -mycetes  von  flagellatenartigen  Vorläufern  dürften  zur  Zeit  noch  wenig 
Aussicht  auf  Erfolg  haben ,  da  es  zunächst  kaum  feststellbar  sein  wird, 
welche  derselben  als  die  genetisch  ältere  aufzufassen  ist.  In  dieser 
Hinsicht  ist  die  Lösung  der  Frage,  welche  Lebensweise  wohl  die  ältesten 
Organismen  besassen,  nämlich  eine  saprophytische  oder  eine  holophytische, 
von  besonderer  Wichtigkeit.  Ich  glaube  zwar,  dass  die  Wahrscheinlich- 
keit für  das  erstere  spricht,  da  die  holophytische  Lebensweise  einen  höheren 
Organisationsgrad  voraussetzt  und  demnach  als  die  später  entwickelte 
betrachtet  werden  muss,  doch  bleibt  dies  zunächst  nur  aprioristische 
Vermuthung. 

C.   Specielle  Darstellung  des  Systems  bis  auf  die  Gattungen  herab. 

1.  Unterordnung  Monadina  Bütschli. 

Kleine,  bis  kleinste  Formen  von  einfachem  Bau;  nackt  und  sehr 
häufig  mehr  oder  weniger  amöboid;  jedoch  z.  Th.  mit  Gehäusen.  Meist 
farblos,  selten  mit  Chromatophoren.  Mit  1  vorderen  ansehnlichen  Geissei 
oder  daneben  noch  1 — 2  kleinen  Nebengeisseln.  Besondere  Mundstelle 
theils  fehlend,  theils  an  Geisseibasis  vorhanden  und  nie  in  einen  wohl 
entwickelten  Schlund  fortgesetzt. 

1.  Familie  ßhizomastigina  (=  Ordn.  Rhizoflagellata  p.  p. 

S.  Kent  1880). 

Einfache,  mundlose  Formen  mit  1 — 2  Geissein;  entweder  ständig  eine 
theils  mehr  rhizopoden-,  theils  mehr  heliozoenartige  Pseudopodienentwick- 
lung  darbietend,  oder  leicht  aus  einem  flagellatenartigen,  pseudopodien- 
losen  Zustand  in  einen  sarkodinenartigen  übergehend.  Dabei  bleiben  die 
Geissein  entweder  erhalten  oder  gehen  ein.  Nahrungsaufnahme  mit  Hülfe 
der  Pseudopodien. 

Mastigamoeba  F.  E.  Schulze  1875  (149);  Kent  (182). 

Synon.  Amoeba  Carter  (117^,  Tatem  (129);  Astasia  p.  p.  Fromentel  (146)  und 
Mereschkowsky  (174);  geisseltragender  Rhizopode  Bütschli  (171);  Cercomonas 
Stein  p.  p.  (167);  Rhizomonas  Kent  (182),  Monas  p.  p.  Kent  (183). 

T.  39,  Fig.  9—10. 

Gestalt  im  Allgemeinen  oval  (L.  0,02  —  0,1  Mm.) ,  jedoch  durch 
Entwicklung  mehr  oder  weniger  zahlreicher  fingerförmiger  bis  verästel- 
ter  Pseudopodien  amöboid  veränderlich.  1  meist  ansehnliche  Geissei. 
Differenzirung  von  Feto-  und  Entoplasma  z.  Th.  recht  deutlich,  z.  Th.  feh- 
lend. Eine  bis  mehrere  contractile  Vacuolen.  Aus  dem  kriechenden  amö- 
boiden Zustand  zuweilen  unter  Einziehung  des  grösseren  Theils  der  Pseudo- 


Uehcrsicilt  des  System  (L'.-O.  Monailina).  811 

podieii   in  einen  flagellateuartig  schwimmenden  übergeliend.     Selten  (sog. 
Rhizomonas  verrucosa  S,  K.)  Abscheidung  einer  Gallerthülle. 

Fortpflanzung? 

Süsswasser.    Europa  und  Ostindien.     Artzahl  ca.  5 — 6. 

Ciliophrys  Cienk.  1876  (159);  Tätern  (140);  Bütschli  (171). 

Sy  n  on.    Sterrouionas  p.  p.  Kent  (182')  u.  EntwicMungszustaiid  d.  Actiiioplirys  sol,  ihid. 

T.  39,  Fig.  7. 

Im  sarkodinenartigeii  Zustand  der  Geissein  entbehrend  und  etwa 
von  Gestalt  einer  Nuclearia  oder  Actinophrys.  Mit  1 — 3  kleinen  con- 
tractilen  Vacuolen.  Im  Flagellatenzustand  (Länge  0,025  —  0,03  Mm.) 
mit  1  —  2  Geissein,  welche  am  vorderen  Pol  des  etwa  ovalen  Körpers 
stehen.  Uebergang  aus  dem  einen  in  den  anderen  Zustand  häufig  be- 
obachtet. Vermehrung  durch  Theilung  im  heliozoenartigen  Zustand  con- 
statirt,  wobei  die  Sprösslinge  Flagellatengestalt  annehmen.  Auch  Ver- 
einigung mehrerer  Individuen  im  heliozoenartigen  Zustand  ähnlich  wie 
bei  Actinophrys. 

Süsswasser.     Europa.     Artzahl  1. 

Dimorpha  Gruber  (188)  1881. 

Unterscheidet  sich  von  Ciliophrys  wesentlich  nur  durch  steten  Besitz 
zweier  gleicher  Geissein,  die  auch  im  heliozoenartigen  Zustand  erhalten 
bleiben.     (Durchmesser  im  Heliozoenzustand  0,015  Mm.) 

Süsswasser.     Europa.     1  Art. 

Die  Mögliclilveit  der  Zusammengehörigkeit  mit  Cilioplirys  ist  bis  jetzt  noch  nicht  als 
ausgeschlossen  zu  betrachten. 

Actinomonas  Kent  (182)  1880. 

T.  39,  Fig.  8. 
Bis  jetzt  nur  im  heliozenartigen  Zustand  (Durchm.  0,008—0,013  Mm.) 
beobachtet,  der  ähnlich  dem  von  Ciliophrys  und  Dimorpha  erscheint  und 
1  Geissei  besitzt.  Unterschieden  von  den  zwei  vorhergehenden  Gattungen 
wesentlich  durch  Befestigung  mittels  eines  verschieden  langen  Stiels,  der 
pseudopodienartiger  Natur  zu  sein  scheint. 
Marin.     Europa.     2  Arten. 

Anhang  zu  der  Familie  der  Khizomastigina. 

TrypanOSOma  Gruby  1843  (45) ;  Valentin  (42),  Gluge  (43),  Remak  (Canu- 
statt's  Jahresh.  1842,  p.  10);  Berg  (Arch.  skandin.  Beitr.  z.  Naturgesch.,  Th.  I.  1845);  Creplin 
(ibid.);  Siebold  (Z.  f.  wiss.  Zool.  IL);  Wedl  (68);  Leydig  (73);  Eberth  (110);  Rättig  (150); 
Gaule  (179);  Kent  (182);  Certes  (189). 

Synon.     Amoeba  Mayer  (44),    Monas    Lieberkühn    (Bewegungsersch.  der  Zellen). 

?  Globularia  Wedl  (68),  ündulina  R.  Lankcstcr  (185),   Paramecioides   Grassi  (193), 

Haematomouas  Mitrophanow  (202). 

T.  39,  Fig.  5—6. 
Kleine     bis     mittelgrosse     Formen    (im    gestreckten    Zustand     bis 
0,08  Mm.   Länge).     Körpergestalt  meist   veränderlich,    indem    Streckung 
und  Verkürzung  abwechseln   können.     Gestalt  daher  theils   lang   faden- 


812  Fla"cllata 


b^ 


l'öimig  mit  beiderseits  zugespitzten  Enden,  theiis  kürzer,  bis  birn  ,  sack- 
oder  blattförmig,  ja  zuweilen  bei  starker  Contraction  sogar  kuglig.  Lang- 
gestreckte Formen  oder  Zustände  zeigen ,  wie  es  scheint ,  häufig  auch 
mehrere  schraubige,  spirillenartige  Zusammendrehungen  des  Körpers. 
Längs  des  Körpers,  gewöhnlich  in  seiner  gesammten  Ausdehnung,  zieht 
eine  zarte  undulirende  Membran  hinab,  welche  die  meist  raschen, 
gewissermassen  flatternden  Bewegungen  bedingt.  Bei  ansehnlicher  Ent- 
wicklung setzt  sich  das  eine  Ende  dieser  Membran  bei  einem  Theil  der 
Formen  in  eine  feine  Geissei  fort,  doch  ist  es  zweifelhaft,  ja  unwahr- 
scheinlich, dass  sich  eine  solche  Geissei  bei  allen  Formen  entwickelt. 
Sowohl  Geissei  wie  Membran  können  völlig  eingezogen  werden  und 
dann  scheint  ein  amöboider  Zustand  einzutreten.  Nucleus  z.  Th.  nach- 
gewiesen (Lankester),  nach  Certes  soll  er  bei  Tr.  Balbianii  sicher  fehlen. 
Contractile  Vacuole  fehlt  wohl  sicher.  Aufnahme  fester  Nahrung  sehr 
unwahrscheinlich.     Vermehrung  durch  Theilung  (Certes). 

Parasitisch.  Blut  von  Fröschen  (Rana,  Hyla)  und  Fischen  (Salmo, 
Cobitis,  Carassius,  Rochen);  Schildkröten  (Leydig  und  Künstler,  Compt. 
rend.  Oct.  83).  Daher  auch  zuweilen  im  Darm  wirbelloser  Thiere,  die 
sich  von  dem  Blut  der  oben  erwähnten  ernähren  (so  Piscicola,  Pontob- 
della,  Ixodes  testudinis).  Als  Darmschmarotzer  im  Magen  von 
Ostrea  edulis;  in  den  Coeca  und  dem  Ileum  der  Hühner,  Feldhühner, 
Gänse  und  Enten,  hauptsächlich  in  den  Lieberktthn'schen  Drüsen.  Eine 
wahrscheinlich  gleichfalls  hiehergehörige  Form  fand  Leydig  gelegentlich 
in  der  Leibeshöhle  eines  Räderthieres  (Lacinularia). 


2.  Familie  Cercomonadina  Kent  eraend. 

Kleine  bis  sehr  kleine  Formen  von  ovaler  bis  langgestreckter  Gestalt, 
die  häufig  durch  amöboide  Bewegungen  etwas  veränderlich  ist;  speciell 
das  Hinterende  ist  durch  amöboide  Beweglichkeit  nicht  selten  ausge- 
zeichnet. Im  Allgemeinen  ist  jedoch  der  Flagellatenzustand  der 
herrschende.  1  ansehnliches,  nach  vorn  gerichtetes  Flagellum  am 
vorderen  Pol.  Nahrungsaufnahme,  soweit  bekannt,  wohl  gewöhnlich 
mit  Hülfe  einer  nahrungsaufnehmenden  Vacuole  an  der  Geisseibasis, 
vielleicht  auch  zuweilen  in  amöboider  Weise.  Fortpflanzung  durch  Zwei- 
theilung im  beweglichen  Zustand  und  durch  Sprösslingsbildung  im  en- 
cystirten  Ruhezustand. 

Cercomonas    Dujardin    1841    (39)   emend.;    Stein   (167)   p.   p.; 
Dallinger  und  Drysdale  (143,  I.);  Kent  (182). 

Synon.    Beptomonas  S.  Kent  (182). 

T.  39,  Fig.  10—12. 

Klein  (Länge  einschliesslich  des  Schwanzes  bis  0,06  Mm.),  farblos. 
Gestalt  kuglig  bis  oval.  Vorderende  mit  mächtiger  Geissei;  Hinterende 
in   einen   langen,    geissei-  bis   pseudopodienartigen  Schwanzfaden  ausge- 


Uebersicht  des  Systems  (U.-O.  Monadina).  813 

zogen.     Zuweilen  auch  Entwicklung  spitziger   Pseudopodien  am   Hiuter- 

ende.   Nucleus  in  vorderer  Körperhälfte;  1  bis  mehrere  contractile  Vacuolen 

vorn  oder   seitlich.     Mundstelle  an  der  Geisseibasis  (Stein).     Vermehrung 

durch   Längstbeilung;    V  Quertheilung   (Dali.  u.  Drysd.).     Copulation  und 

Sporulation  (Dali.  u.  Drysd.).     Öüsswasser  und  Infusionen,  wahrscheinhch 

auch  parasitisch. 

Europa.     Artzabl  ca.  3. 

Parasitische,  zu  Oercomouas  gerechnete  Formen  wurden  schon  seit  langer  Zeit  eine 
ganze  Anzahl  beschrieben  (s.  hierüber  hauptsächlich  bei  Davaine  152).  Doch  haben  es  die 
neueren  Untersuchungen  für  viele  dieser  Fälle  zweifelhaft  gemacht,  ob  die  gesehenen  Flagel- 
laten  wirklich  Cercomonadinen  waren.  Unter  der  speciell  beim  Menschen  beschriebenen  Gerco- 
monas  hominis  oder  intestinalis  haben  sich  sicher  häuiig  nicht  zu  dieser  Gattung  gehörige 
Formen  (s.  später  bei  Megastoma  und  Monocercomonas)  befunden;  dennoch  halte  ich  es  für 
wahrscheinlich,  dass  auch  zuweilen  echte  Cercomonaden  im  Darm  etc.  der  Menschen  beob- 
achtet wurden,  wenigstens  weisen  die  wohl  genauen  Beobachtungen  von  Eckekrantz  (128), 
sowie  die  von  Leuckart  (Parasiten  des  Menschen,  2.  Aufl.;  Original  155)  mifgetheilten 
Befunde  Lambl's  über  Flagellaten  aus  der  Umgebung  einer  Echinococcusblase  der  mensch- 
lichen Leber,  einstweilen  hierauf  hin. 

Wie  eine  Cercomonas  erscheint  amh  der  jüngst  von  Künstler*)  wieder  aufgefundene 
sogen.  Bodo  urinarius  Hassal's  aus  dem  menschlichen  Urin  gewisser  Kranken.  Derselbe  be- 
sitzt jedoch  zwei  vordere  Geissein  und  daher  ist  es  zur  Zeit  fraglich,  ob  er  sich  mehr 
an  Cercomonas  oder  die  Amphimonadinen  anschliesst. 

Herpetomonas  Kent  (182)  1880,  Bütschli  (171),  Lewis  (172). 

Synon.  Bodo  Burnett  (75);  Leidy  (1857);  Leptomonas  Kent  (182);  Cercomonas 
p.  p.  Stein  (167);  Monomita  Grassi  (193). 

T.  40,  Fig.  1. 

Erwachsen  langgestreckt,  nahezu  stabförmig  (L.  =  0,03— 0,05  Mm.); 
mit  mehr  verschmälertem  Hinter  und  zugespitztem  Vorderende.  Letzteres 
mit  einer  Geissei;  dicht  hinter  deren  Basis  eine  contractile  Vacuole. 
Nucleus  unsicher  (1  —  3  nucleusartige  Köiperchen  nach  Grassi).  Im  er- 
wachsenen Zustand  der  Körper  ziemlich  starr,  im  jugendlichen  dagegen 
weniger  langgestreckt  und  sowohl  schlängelnder,  wie  krümmender  bis  ein- 
rollender Bewegung  fähig.  Vermehrung  durch  Längstheilung  (und  gleich- 
zeitig ?  Quertheilung  nach  Grassi). 

Parasitisch ,  Darm  von  Musca  (Europa  und  Nordamerika) ,  Trilobus 
(freilebender  Nematode),  Blut  von  Mus.  decumanus  und  rufescens  (Ostindien), 
Cricetus  frumentarius.     Artzahl  ca.  2. 

Oikomonas  Kent  (182)  1880. 

Synon.  Monas  James-Clark  p.  p.  (124),  ?  Cienkowsky  p.  p.  (M.  irregularis) ; 
Kent  (182)  p.  p.;  Spumella  p.  p.  Bütschli  (171);  Cercomonas  Stein  p.  p.  (167); 
?  Pseudospora  Cienkowsky  p.  p.  (parasitica  und  Nitellarum). 

T.  40,  Fig.  1—5. 

Klein  bis  sehr  klein  (L.  bis  etwa  0,015  Mm.);  Gestalt  im  frei- 
schwimmenden Zustand    etwa   oval   bis   länglich,  häufig  mit  etwas  zuge- 


*)  Communicat.  ä  la  socirtr  d'aiiatomie  et  de  physiologie  de  Bordeaux.  27.  Novbr.  1883. 


814  Flagellata. 

spitzten]  Hiiiteiende.  Mehr  oder  minder  durch  amöboide  Bewegungen 
zeitweise  gestaltveränderlich,  hauptsächlich  das  Hintereude,  mit  dem 
sich  ein  Theil  der  hiehergehörigen  Formen  häufig  vorübergehend  fest- 
heftet, wobei  es  sich  stielförmig  auszieht.  Neben  der  Geisseibasis 
häufig  eine  etwas  vorspringende  Lippe,  in  welcher  die  Nahrungsaufnahme 
mittels  einer  Vacuole  geschieht.  Eine  bis  mehrere  contractile  Vacuolen, 
gewöhnlich  in  der  Mittelregion,  daselbst  auch  ein  bläschenförmiger 
Nucleus.  Vermehrung  durch  Längstheilung,  sowie  durch  Sprösslings- 
bilduug  im  encystirten  Ruhezustand. 

Mehrere  Arten.  Süsswasser.  Infusionen  und  wohl  auch  marin. 
Europa  und  Nordamerika. 

Kent  (1S2)  stellt  neben  Oikomonas  noch  eine  Gattung  Monas,  welche  sich  wesent- 
lich nur  dadurch  von  der  ersteren  unterscheidet ,  dass  sich  die  zu  ihr  gezogenen  Formen 
nicht  vorübergehend  anheften,  sondern  stets  schwimmend  gefunden  werden.  Da  ich  diese 
Eigenthümlichkeit  vorerst  nicht  für  hinreichend  wichtig  erachte,  um  darauf  eine  Trennung 
der  beiden  Gattungen  zu  basireu ,  bemerke  ich  noch ,  dass  die  meisten  der  zahlreichen  von 
Kent  unter  Monas  aufgeführten  Arten  auf  ganz  unzureichenden  Aufstellungen  älterer  Beob- 
achter basireu.  Die  einzige  Form,  welche  etwas  genauer  bekannt  ist  und  deren  Eigenthüm- 
lichkeiten  vielleicht  auch  die  Errichtung  einer  besonderen  Gattung  rechtfertigen  würde,  ist 
die  sog.  „eiförmige  Monade"  Dallinger  und  Drysdale's  (145,  III.),  welche  Kent  als  Monas 
Dallingeri  an  die  Spitze  seiner  Gattung  stellt. 

Ancyromonas  Kent  1880  (182). 

T,  40,  Fig.  7. 

Klein  (L.  =  0,006  Mm.),  farblos;  Gestalt  etwa  fragezeichenartig. 
Geissei  nach  rückwärts  gewendet  und  geschlängelt.  Zeitweise  Festheftung 
mittels  des  Geisselendes.  Nahrungsaufnahme  ?.  Nucleus  in  Körper- 
mitte. Vermehrung  durch  schiefe  Quertheilung  (?),  Encystirung  und 
Sporulation.     Marin;  1  Art.     Europa. 

3.  Familie  Codonoeeina  Kent. 

Kleine  farblose  Monaden  von  oikomonasähnlichem  Bau,  welche  ein 
festgeheftetes  gallertiges  oder  häutiges  Gehäuse  abscheiden. 

Codonoeca  James-Clark  (124)  1866,  Kent  (182). 

T.  40,  Fig.  9. 

Gehäuse  (L.  bis  0,014  Mm.)  oval  bis  pokalförmig,  farblos  und  wahr- 
scheinlich gallertig,  mit  ziemlich  weiter  Mündung,  auf  verschieden  langem 
Stiel  befestigt.  Die  Monade  füllt  das  Gehäuse  nur  z.  Th.  aus.  1  hintere 
contractile  Vacuole.  Nucleus  ?.  Nahrungsaufnahme  ?.  Fortpflanzung  ?. 
Süss-  und  Salzwasser.     2  Arten;  Europa  und  N.- Amerika. 

?  Platytheca  Stein  1878  (167). 

T.  40,  Fig.  8. 

Gehäuse  oval  (L.  ca.  0,018  Mm,),  gelbbraun  und  häutig,  ziemlich  ab- 
geplattet und  mit  einer  Seite  flach  aufgewachsen.  Die  polare  Mündung 
sehr  klein.  Thier  mit'  geisselartigem  aus  der  Mündung  hervorschauendem, 
jedoch    bis   jetzt    nur  unbeweglich   beobachtetem  Anhang.     Nucleus  im 


üebersicht  des  Systemes  (Ü.-O.  Monadina).  815 

Hinterende;  1  bis  mehrere  contractile  Vacuolen  im  Vorderende.    Vermeh- 
rung durch  Theilung  im  Gehäuse. 
Süsswasser.     1  Art.    Europa. 

4.  Familie  Bikoecina  Stein. 
Geliäusebildende  Monaden  von  eigenthümlichem  Bau.  Gestalt  etwa 
oval,  mit  meist  breiterem  Hinter-  und  etwas  verschmälertem  Vorderende. 
Letzteres  trägt  eine  ansehnliche  Geissei*)  und  daneben  einen  etwas  ver- 
schieden beschaffenen  Peristomfortsatz ,  auf  welchem,  oder  zwischen 
welchem  und  der  Geisseibasis  die  Mundstelle  liegt.  Nahrungsaufnahme 
sicher.  Hinterende  mit  einem  zarten  sehr  contractilen  fadenartigen  Fort- 
satz im  Grunde  des  Gehäuses  befestigt.  Letzteres  vasen-  bis  fingerhut- 
förmig  und  gewöhnlich  auf  einem  zarten  Stiel  befestigt.  Z.  Th.  Kolonie- 
bildung. Nucleus  etwa  in  Körpermitte;  1  contract.  Vacuole**)  im  Hinter- 
ende.    Vermehrung  durch  Quertheilung  in  dem  Gehäuse. 

Bicosoeca  James-Clark  (124)  1867:  Kent  (138  u.  182);  Bütschli 
(171);  Stein  (167). 

T.  40,  Fig.  10. 
Unterscheidet   sich   von   der  folgenden   Gattung  hauptsächlich   durch 
den   gewöhnlichen   Maugel  der   Koloniebildung  und    durch   weniger   ent- 
wickelten   zungenförmigen   Peristomfortsatz.     Gehäusestiel   von   massiger 
Länge. 

Süss-   und   Salzwasser.     Europa  und  N.-Amerika.     Artzahl  unsicher. 

Kent  beschreibt  nicht  weniger  wie  5  Species,  die  mir  jedoch  grosscntheils  unsicher 
erscheinen. 

V  HedraeojJhysa  Kent  (182.)  soll  sich  nur  dadurch  von  Bicosoeca  unterscheiden,  dass 
das  Gehäuse  ohne  Stiel  direct  aufgewachsen  ist ;  mir  scheint  daher  die  Berechtigung  zu  gene- 
rischer  Sonderung  unsicher. 

1  marine  Art.     Europa. 

Poteriodendron  Stein  (167)  1878. 

Synon.      ?  Stylobryon   J.    Frommentel    (146),    Kent    (182);    Bicosoeca    Bütschli 
(171)  p.  p. 

Monaden  mit  einem  breiteren,  mehr  rüsselartigen  Peristomfortsatz; 
koloniebildend,  indem  sich  die  jungen  Individuen  auf  dem  Mündungsrand 
der  Gehäuse  der  älteren  ansiedeln.     Stiele  gewöhnlich  lang. 

Süsswasser.     Artzahl  1.     Europa. 

Unsicher  in  ihrer  Hierhergehörigkeit  scheint  mir  die  sogen.  Stylobryon  epistyloides  von 
Kent  (T.  41.  Fig.  3),  da  hier  mehrere  Individuen  auf  dem  Ende  eines  Stieles  stehen  sollen; 
ebenso  auch  die  Stylobryon  iusignis  From.,  deren  Einzelindividuen  auf  den  Enden  eines  ver- 
zweigten Stieles  befestigt  sind. 

5.  Familie  Heteromonadina  Bütschli. 

Kleine,  farblose  Monaden,  ausgezeichnet  durch  Besitz  einer  vorderen 
Hauptgeissel,  welche  von  ein  bis  zwei  dicht  neben  ihr  stehenden  kleinen, 


*)  Kent  behauptet  dagegen  noch  das  Vorliaudensein  einer  kleineren  Nebeugeissel. 


**)  Nach  Kent  2—3. 


816  Flagcllata. 

wellig  bewegten  Nebeogeisseln  begleitet  wird.    Häufig  kolouiebildend  imd 
dann   mit   vom  Hintereude  ausgescbiedei 
der  Einzelmonaden  durch  Längstlieilung. 


dann   mit   vom  Hintereude  ausgescbiedenem  Stiel  versehen.     Vermehrung 


a.   Unterfamilie  Monomonades  Bütschli. 

Charakterisirt  durch  Mangel  der  Koloniebilduog  und  eines  Peristom- 
fortsatzes,  sowie  durch   häufige  Vermehrung   der  Nebengeisseln  auf  zwei. 

Monas  (Ehrbg.)  emend.  Stein  1878  (167). 

Synon.     Spumella  Cienk.  (134),   Bütschli  (171),   Keiit  (182);   ?  Pliysoinonas  Kent 
(182);  ?  Paramonas  Kent  (182). 

T.  40,  Fig.  12—13;  41,  Fig.  1-2. 

Gestalt  kuglig  bis  länglich  oval  (L.  =  0,03  Mm.).  Freischwimmend 
oder  vorübergehend  durch  massig  langen  zarten,  pseudopodienartigen 
Faden  des  Hinterendes  befestigt.  Körper  zuweilen  etwas  amöboid,  kurze 
pseudopodienartige  Fortsätze  aussendend.  Vorderende  neben  der  Haupt- 
geissel  mit  1 — 2  kleinen  Nebengeisseln  und  häufig  einer  sogen.  Mund- 
leiste, sowie  zuweilen  einem  Augenfleck.  Kern  in  vorderer  Körperhälfte; 
1  —  2  contractiie  Vacuolen  am  einen  Seitenrand.  Nahrungsaufnabme 
durch  Mundvacuole  neben  der  Geisseibasis  gewöhnlich, 

Süsswasser  (Salzwasser  Kent  ?).     Sichere  Arten  2.     Europa. 

?Sterroinonas  Kent  (182)  1880. 
Diese  von  Kent  aufgestellte  Gattung  (L  ==  0,014 — 0,021  Mm.)  scheint  mir,  obgleich  er 
sie  zu  den  mit  Mund  versehenen  Formen  zieht,  kaum  hinreichend  von  Monas  unterschieden 
(in  der  Gattungsdiagnose  heisst  es  ,,oral  aj^erture  indistincf).  Die  hauptsächlichsten  Diffe- 
renzen wären  einmal  die  ziemlich  starre  Körperbeschäffenheit  und  zweitens  der  Umstand, 
dass  die  grössere  Geissei  meist  bewegungslos  und  gestreckt  umhergetragen  wird.  Die  kleine 
Geissei  dagegen  vibrirt  gewöhnlich  lebhaft.     Nicht  festgeheftet.     1   Art.     Infusionen. 

b.  Unterfamilie  Dendromonades  Stein  (Farn.)/, 

Charakterisirt  durch  Koloniebildung,  einen  Peristomfortsatz  und  stets 
nur  eine  Nebengeisse]. 

Dendromonas  Stein  1878  (167),  Kent  (182). 

Synon.     Epistylis    Weisse   (55),    Schmarda   p.  p.  (G5);    Anthophysa    Kent  (138); 
Cladonema  Kent  (182). 

T.  41,  Fig.  6—7. 

Monaden  von  ähnlichem  Bau  wie  Anthophysa,  doch  kürzer  und  ge- 
drungener. Ansehnliche  Kolonien  bildend,  indem  die  Einzelwesen  auf  den 
Enden  eines  dichotomisch  verästelten,  ziemlich  dünnen  und  farblosen,  aber 
festen  StielgerUstes  befestigt  sind,  so  dass  sie  sämmtlich  auf  ziemlich 
gleicher   Höhe    stehen   und   das   gesamrate   Stielgerüst   eine   Dolde  bildet. 

1  contractiie  Vacuole  nach  Stein  dicht  hinter  der  Geisseibasis  (nach  Kent 

2  im  Hinterende). 

Süsswasser.     Artenzahl  ca.  2.     Europa. 


üebersicht  des  Systems  (Ü.-O.  Monadina).  817 

Cepbalothamnium  Stein  1878  (167),  Kent  (182). 

Synon.     Antliophysa  Kent  187T  (Proc.  of  Linuean  soc). 

T.  41,  Fig.  8. 

Monaden  ähnlich  Anthophysa.  Stielgerüst  solid,  steif,  farblos,  kurz 
und  höchstens  ein  bis  zweimal  dichotomisch  verästelt.  Auf  den  Stielenden 
Gruppen  von  Monaden  in  sehr  verschiedener  Zahl.  (Auch  hier  gibt  Kent 
im  Gegensatz  zu  Stein  die  Lage  der  contractilen  Vacuole  im  Hinter- 
ende an.) 

Süsswasser,   auf  Cyclops  aufgewachsen.     Arten  1 — 2,     Europa. 

Anthophysa     Bory    d.    Vinc.    1824    (Dict.    class.    d'hist.    nat.), 

Diijardin  (27,  39),  Perty  (76),  Cohn  (86);   Archer  (120);   James-Clark  (124);   Bütschli  (171), 

Stein  (IC) 7).  Kent  (182). 

Synon.  Voli^ox  p.  p.  0.  F.  Müll.  (12),  Vorticella  p.  p.  öclirank  (14),  Epistylis 
Elirbg.  p.  p.  (32).  üvella  (uva,  chamaemorus ,  glaucoma,  ?  atomus)  Eiirbg.  (32), 
Bodo  (socialis)  Elirbg.  (32),  Sterreonema  Kiitzing,  Cercomonas  (vorticellaris)  Perty 
(76),  Dimastix  Dies.  (121) 

T.  41,  Fig.  5. 

Monaden  klein  (L.  bis  0,03  Mm.),  Gestalt  gewöhnlich  etwas  länglich 
kegelförmig  mit  verbreitertem  und  massig  schief  abgestutztem  Vorderende, 
das  sich  einerseits  in  einen  schnabelartig  zugespitzten  Peristonifortsatz 
auszieht.  Am  Grunde  desselben  entspringt  die  ansehnliche  Hauptgeissel 
und  dicht  daneben,  auf  der  dem  Schnabel  abgewendeten  Seite,  die  kleine 
Nebengeissel.  Neben  dieser  die  Mundstelle.  1  contractile  Vacuole  in  der 
vorderen  Körperhälfte  und  in  gleicher  Höhe  der  Nucleus. 

Einzehnonaden  bis  zu  50  und  60  in  kugligen  Gruppen  auf  den  Enden 
eines  dichotomisch  verzweigten  dicken  Stielgerüstes  zusammengestellt. 
Jugendliche  Stieltheile  farblos  und  weich,  ältere  gelbbraun  und  steif.  Ver- 
mehrung der  Monadengruppen  durch  Zweitheilung;  häufig  lösen  sich  die 
Gruppen  von  ihren  Stielen  und  zerfallen  in  die  einzelnen  Individuen. 

Süsswasser.     Europa  und  N.- Amerika.     1  Art. 

c.  Unterfamilie  Dinobryinae  Ehrbg.  (Fam.). 

Monaden  hauptsächlich  durch  Besitz  zweier  grünlicher  bis  bräunlicher 
Chromatophorenplatten  ausgezeichnet,  1  Haupt-  und  1  Nebengeissel. 
Häutige  Gehäuse  ähnlich  den  Bikoecinen,  mit  welchen  sie  auch  die  Be- 
festigung im  Gehäusegrund  und  die  Contractions-  und  Rückziehungsfähig- 
keit  theilen.     Ernährung  wahrscheinlich  holophytisch. 

Dinobryon  Ehrbg.  1838  (32),   Dujardin  (39),  Perty  (76),  Clapa- 
rede  u.  Lachm.  (154),  Bütschli  (171),  Stein  (167),  Kent  (182),  Pelletan  (204). 

T.  41,  Fig.  9  und  T.  42,  Fig.  1. 
Gestalt  der  Gehäuse  becher-  bis  vasenförmig  (L.  bis  0,1  Mm.);  mit 
zugespitztem  bis  stielförmig  ausgezogenem  Hinterende.  Freischwimmend. 
Koloniebildung  ähnlich  Poteriodendron,  indem  sich  die  jugendlichen  Indi- 
viduen in  dem  Mündungsrand  der  älteren  Gehäuse,  seltener  dagegen  auf 
deren  Aussenrand  ansiedeln.  In  solcher  Weise  entstehen  freischwimmende, 
buschförmige  Kolonien.     Vorderende   der  Monaden   ohne  Peristonifortsatz, 

H  roiiii,  Kla<fseii  des  Tliieneiolis.    Prutozoa.  52 


81g  Flagellata. 

mit  Augenfleck ;  Nucleus  central ,  1^ — 2  contractile  Vacuoleu  in  der  vor- 
deren Körperhälfte.  Vermehrung-  durch  Längstheilung  im  Gehäuse.  En- 
cystirung  ausserhalb  der  Gehäuse. 

Sttsswasser.  Europa  und  N.- Amerika  Sichere  Arten  2,  daneben 
noch  einige  unsichere. 

Epipyxis  Ehrbg.  (32)  1838,  Stein  (167),  Kent  (182). 

T.  42,  Fig.  2. 

Unterscheidet  sich  von  Dinohryon  wesentlich  nur  durch  den  Mangel 
der  Koloniebildung  und  die  gewöhnhche  Festheftung  der  Gehäuse  (Länge 
ca.  0,045  Mm.).  Auf  der  der  Nebengeissel  entgegengesetzten  Seite  gewöhn- 
lich ein  zugespitzter  Peristomfortsatz.  Vermehrung  durch  schiefe  Quer- 
theilung  im  Gehäuse. 

Süsswasser.    Europa.     1  Art. 

d.  Unterfamilie  Urogleninae  Bütschli. 

Monaden  sehr  ähnlich  Dinohryon  (L.  ==  0,01 — 0,015  Mm.);  kolonie- 
bildend durch  Vereinigung  sehr  zahlreicher  Individuen  in  einer  Gallert- 
kugel, der  sie  dicht  unter  der  gesammien  Oberfläche  radial  eingelagert 
sind.  Hinterende  der  Einzelmonaden  zugespitzt  bis  abgerundet.  (Ver- 
einigung der  Schwanzfäden  im  Centrum  der  Kolonie,  wie  Kent  mit  Ehren- 
berg annimmt,  unwahrscheinlich.)  Vermehrung  der  Einzelmonaden  durch 
Theilung.  Vermehrung  der  Kolonien  durch  Theilung  nicht  unwahrschein- 
lich.    Nahrungsaufnahme  nicht  beobachtet,  wahrscheinlich  holophyt. 

Uroglena  Ehrbg.  1833  (Abb.  d.  Berl.  Ak.)  (32),   Bütschh  (171), 
Stein  (167),  Kent  (182). 

T.  42,  Fig.  3. 

Charaktere  der  Unterfamilie.  Durchm.  der  Kolonien  bis  über  0,1  Mm. 
Süsswasser.     Europa.     1  Art. 

2.  Unterordnung  Euglenoidina. 

Im  Allgemeinen  grössere  und  höher  entwickelte  eingeisselige  Formen, 
von  monaxonem  oder  ein  wenig  asymmetrischem  Bau.  Cuticula  gewöhn- 
lich vorhanden,  daher  amöboide  Bewegung  ausgeschlossen ,  dafür  jedoch 
sehr  häufig  energisches  Contractionsvermögen ;  doch  gibt  es  auch  zahl- 
reiche starre  Formen.  Farblos  oder  gefärbt  und  dementsprechende  Unter- 
schiede in  der  Ernährungsweise.  Um  die  Geisseibasis  oder  dicht  hinter 
derselben  fast  stets  eine  feine  oder  weitere  Mundöffnung,  welche  in  einen 
wenig  bis  sehr  ansehnlich  entwickelten  Schlund  führt ;  contractile  Vacuolen 
stets  in  der  Nähe  dieses  Schlundes  und  häufig  mit  Keservoir.  Selten  tritt 
eine  Vermehrung  der  Geisselu  zu  zwei  ein,  die  entweder  gleich  gross 
oder  in  Länge  verschieden  sind ;  Formen  von  letzterer  Ausbildung  zeigen 
eine  Annäherung  an  die  Heteromastigoda,  indem  die  eine  der  beiden 
Geissein  gewöhnlich  nach  hinten  gerichtet  getragen  wird,  doch  erreicht 
diese  hintere  Geissei  hier  niemals  eine  so  ansehnliche  Länge  wie  die  der 


Uebei-siclit  des  Systems  (ü.- 0.  Euglenoidina).  819 

Heteromastigodeu.  Wenngleich  die  Abtheilung  der  Euglenoidina  im  Ganzen 
eine  sehr  natürliche  ist,  lässt  sich  doch,  wie  zu  erwarten,  keine  scharfe 
Grenze  zwischen  ihr  und  den  Monadina  ziehen,  da  die  einfacheren  Formen 
der  ersteren  (speciell  gewisse  Coelomonadinen)  allmählich  in  die  letzteren 
übergehen.  Ebenso  ist,  wie  bemerkt,  auch  die  Abgrenzung  der  Eugle- 
noidina gegen  die  Heteromastigoda  keine  scharfe. 

6.  Familie  Coelomonadina  Btitschli. 

Gefärbte  Euglenoidina  mit  zahlreichen  kleinen  chlorophyllführenden 
oder  1 — 2  grösseren  plattenartigen,  grünen  bis  braunen  Chromatophoren. 
Nackt  oder  mit  wenig  entwickelter  Cuticularschicht,  die  wahrscheinlich 
stets  ungestreift.  Mehr  oder  weniger  contractu,  selten  starr.  Etwas  hinter 
der  Geisseibasis  Reservoir  der  contractilen  Vacuolen,  das  zuweilen  deut- 
lich durch  schlundartigen  Kanal  mit  Oeffnung  (sog.  Mund)  an  Geissei- 
basis in  Verbindung  getroffen  wird.  Eigentlicher  Schlund  jedoch  meist 
nicht.  Stigmen  vorhanden  oder  fehlend.  Nahrungsaufnahme  selten  er- 
wiesen, meist  wohl  sicher  holophytisch. 

Coelomonas  Stein  1878  (167). 

Synon.     Monas  (grandis)  Ehbg.  p.  p.  (32),  (excavata)  Perty  (76). 

T.  48,  Fig.  3. 

Mittelgross  (L.  =  0,06  Mm.),  sehr  contractu ;  in  gestrecktem  Zustand 
oval  bis  länglich  oval;  Geissei  massig  lang;  auf  sog.  Bauchseite  zieht 
hinter  Geissei basis  eine  peristomartige  Längsfalte  nach  hinten.  Reservoir 
ansehnlich,  kuglig;  contractile  Vacuole  dicht  hinter  Geisseibasis.  Nucleus 
ziemlich  central.  Ectoplasma  dicht  von  Chlorophyllkörnern  erfüllt. 
Wahrscheinlich  holophytisch. 

Süsswasser.     1  Art. 

Gonyostomum  Diesing  1866  (121). 

Synon.     Monas  (^Semen)  Elirbg.  (80),  Merotricha  MerescLkowsky  (174),  ßaphido- 
monas  Stein  (167). 

T.  48,  Fig.  4. 
Bau  und  Grösse  sehr  ähnlich  Coelomonas,   unterscheidet  sich  haupt- 
sächlich  durch  die   Anwesenheit  zahlreicher  Trichocysten  im  Ectoplasma. 
Wenig  contractu.     Reservoir  deutlich,  quer  halbmondförmig. 
Süsswasser.     Europa.     1  Art. 

?  Vacuolaria  Cieukowsky  1870  (134). 

Scheint  sich  in  der  allgemeinen  Bauweise  des  Körpers  (L.  =  0,14  Mm.),  speciell  der 
Gegenwart  zahlreicher  kleiner  Chlorophyllkörperchen  und  den  Verhältnissen  der  contractilen 
Vacuolen,  die  zu  1 — 3  vorhanden  sind,  jedoch  zuweilen  verschwinden,  worauf  ein  heller,  drei- 
eckiger Eaum,  augenscheinlich  dem  Behälter  der  Eugleninen  entsprechend,  erscheint,  nahe  an 
die  Gattung  Coelomonas  anzuschliessen. 

Der  Besitz  zweier  gleich  langer  Geissein  des  Vorderendes  unterscheidet  sie  jedoch  sehr 
wesentlich.  Dennoch  lässt  sich  die  Möglichkeit  ihrer  Hichergehörigkeit  niclit  abweisen ,  da 
auch  die  sicher  zu  den  Eugleninen  gehörige  Eutreptia  eine  entsprechende  Vermehrung  der 
(ieisseln  aufweist. 

l'leurococcusartige  Ruliezuständo.     1   Art.     Süsswasser.     Europa. 

52* 


820  Flagellata. 

Microglena  Ehbg.  1831  (19)  und  32,  Stein  (167). 

T.  48,  Fig.  5. 
Mittelgross  (L.  =  0,05  Mm.);  langgestreckt  und  etwas  gestaltsver- 
änderlich.  Geissei  massig  lang;  Mundöfifnung  und  Reservoir  vorhanden, 
in  welches  die  zahlreichen  darum  gelagerten  contractilen  Vacuolen  ein- 
münden. Zwei  seitliche,  langgestreckte  Chrom atophoren  und  zwei  Augen- 
flecke an  Geisseibasis.  Nahrungsaufnahme? 
Süsswasser.     Europa.     1  Art. 

Chromulina  Cienkowsky  1870  (134). 

Syuoii.     Monas  (ochracea)  Ehbg.  p.  p.  (32),   Chrysomonas   Stein  (167),   Chromo- 
phytoji    Woroiiiu  (ISl),    Wille  (Sitz. her.  des  Botan.  Vereins  der  Prov.  Brandenburg- 

1882,  April). 

T.  40,  Fig.  6. 

Klein  bis  sehr  klein  (0,037  —  0,012  Mm.)-,  nackt,  oval  bis  länglich 
gestreckt  und  bis  ziemlich  unregelmässig,  ja  wahrscheinlich  zuweilen 
amöboid.  Geissei  ansehnlich.  1 — 2  seitliche,  gelbbraune  Chromatophoren- 
platten.  An  Geisseibasis  gewöbnlich  Augenfieck,  nicht  weit  dahinter  eine 
bis  mehrere  contractile  Vacuolen.  Nucleus  etwa  central.  Aufnahme  fester 
Nahrung  bei  einer  Art  sicher,  bei  anderen  unwahrscheinlich.  Vermeh- 
rung durch  successive  Zweitheilung  in  gallertumhüllten  Ruhezuständen 
Dauerzustand. 

Süsswasser.     Europa.     2 — 3  Arten. 

Wille  (siehe  oben  unter  Syuon.  und  wahrscheinlich  auch  No.  197)  sucht  nachzuweisen, 
dass  gewisse  Chroinulinaforuien,  so  die  von  Woronin  als  Chromophyton  Eosanoflii  beschriebene, 
ferner  die  Chromul.  ochracea  Ehbg.  sp.  nur  Entwiclilungszustände  der  Gattungen  Epipyxis  und 
Clirysopyxis  seien.     Ich  halte  dies  für  sehr  unwahrscheinlich. 

Cryptoglena  Ehbg.  1831  (19  und  32),  Stein  (167). 

Klein  (L.  bis  0,03  Mm.),  starr,  oval,  mit  hinterer  Zuspitzung,  abge- 
plattet. Zwei  grüne  Chromatophorenplatten  in  den  Seiten  des  Körpers, 
von  welchen  die  eine  vorn  einen  Augenfleck  trägt.  Nucleus  im  Hinter- 
ende. Reservoir,  Mundöff'nung  und  Schlund  ähnlich  wie  bei  den  übrigen 
Formen.     Wahrscheinlich  holophyt.     Fortpflanzung? 

1  sichere  Art.     Süsswasser.    Europa. 

7.  Familie  Euglenina  Stein  1878. 

Körper  einaxig,  gewöhnlich  mit  einer  Neigung  zur  Bilateralität,  da 
die  am  vorderen  Pol  gelegene  Mundöffnung  meist  ganz  wenig  ver- 
schoben und  dadurch  eine  Bauchseite  angedeutet  ist.  Langgestreckt 
und  Hiuterende  meist  scharf  zugespitzt;  Vorderende  dagegen  weniger. 
Spiralgestreifte  Cuticula  stets  deutlich ,  von  sehr  verschiedener  Stärke 
und  Resistenz.  Metabolie  gut  ausgebildet.  Feine  Mundöffnung  füht  in  einen 
zarten,  röhrenförmigen  Schlund,  aus  dem  die  gewöhnlich  einfache,  selten 
doppelte  Geissei  entspringt.  (Die  Geissein  werden  häufig  abgeworfen.) 
Dicht  hinter  dem  Ende  des  Schlundes  findet  sich  das  sogen.  Reservoir, 
dem   gewöhnlich   mehrere  contractile  Vacuolen  anliegen.     Dem  Reservoir 


ücbersiclit  ilcs  Systems  (I'.-ü.  EuglcnoicUiKi).  821 

liegt  das  einfache,  nur  selten  riickgebildete  Stigma  gewöhnlich  dicht  auf. 
Chromatophoren  fast  immer  anwesend,  gewöhnlich  rein  grün  sowie  meist 
in  grosser  Zahl  und  entsprechend  klein.  Ziemlich  ansehnlicher  Nucleus  in 
Körpermitte.  Vermehrung  durch  Längstheilnng  im  ruhenden  Zustand. 
Dauerzustände  z.  Th.  beobachtet.     Copulation  fraglich. 

a.  ün beschalte  Formen. 

Euglena  Ehbg.  1830  (17—18),  (32);  Dujardin  (39),  Focke  (58,  2),  Perty 
(76),  Schmarda  (56,  85),  Carter  (100,  129).  Fromeutel  (146),  Stein  (167),  Kent  (182), 
Klebs  (206). 

Synon.     Cercaria    p.    p.    ().    F.    Müller    (12),    Vibrio    p,   p.    U.   F.   Müller  (12), 

V  Enchelys  p.  p.  0.  F.  Müller   (12,   dto.    Schrank    (14),    Furcocerca  Lam.  (Änim. 

s.  vert.) ,    Enchelys  und  Closterium  (aciis)  Nitzsch ,    Lacrimatoria  Bory  Enc.  ineth. ; 

Aiiiblyophis  Ehbg.  etc.  (32),  Phacus  p.  p.  Dnjardin  (■■!*)),  Crnnieniila  Dujardin  (39), 

?  Microcystis  Kützing,  Micrög-leiia  Schmarda  (85). 

T.  47,  Fig.  6—11. 

Gestalt  spindelförmig  bis  langgestreckt  nadeiförmig  und  dann  mit  zu- 
gespitztem Hinterende,  oder  auch  langgestreckt  cylindrisch  bis  bandförmig. 
Meist  sehr  metabolisch.  Mittelgross  bis  gross  (0,03—0,2  Mm.).  Zuweilen 
tordirt.  Spiralstreifung  der  Ciiticula  meist  fein.  Chromatophoren  nur 
selten  fehlend,  meist  zahlreich  und  klein,  scheibenförmig,  seltner  in  ge- 
ringerer Zahl  und  dann  gewöhnlich  bandförmig;  selten  mit  Pyrenoid; 
zuweilen  verdeckt  durch  Haematochroni.  Mund  und  Schlund  fast  stets 
sehr  gut  entwickelt  und  der  Ursprung  der  Geissei  gewöhnlich  im  vSchlund. 
Fortpflanzung  durch  Längstheilung  im  geissellosen  Ruhezustand,  der  um- 
hüllt oder  nicht  umhüllt  ist.     Dauerzustände  beobachtet. 

Artenzahl  gross  (ca.  12  nach  Klebs).  Süsswasser  und  Brackwasser. 
Europa,  Ostindien,  Nordamerika,  Nordafrika. 

Colacium    Ehbg.    1833    (20,    32)   emend.   Stein  (i67).    Kent  (182), 

Klebs  (206). 

T.  47,  Fig.  16. 

Mittelgross  bis  ziemlich  gross  (L.  =  0,02  —  0,07  Mm.).  Bau  ganz 
entsprechend  dem  von  Euglena,  von  welcher  sich  diese  Gattung  haupt- 
sächlich dadurch  unterscheidet,  dass  sich  die  freischwimmenden  Indivi- 
duen auf  kleinen  Wasserthieren  (hauptsächlich  Copepoden  und  Räder- 
thieren)  mit  dem  Vorderende  festheften  und,  indem  sie  meist  die  Geissei 
abwerfen,  einen  Gallertstiel,  sowie  eine  massig  dicke  Gallerthülle  aus- 
scheiden. Indem  sie  sich  hierauf  durch  fortgesetzte  Längstheilung  ver- 
mehren, bilden  sie  veraweigte  Kolonien.     Dauerzustände  beobachtet. 

Süsswasser.     Ca.  3  Arten.     Europa. 

Eutreptia  Perty  1852  (76),  Kent  (182),  Klebs  (206). 

Synon.     Zygoselmis  p.  p.  Fromentel  (145). 

Allgemeiner  Körperbau  wie  bei  Euglena  (L.  bis  0,05  Mm.) ;  sehr 
metabolisch.  Hauptcharacter :  der  Besitz  zweier  gleichlanger  Geissein,  die 
sich  in  derselben  Weise  wie  bei  Euglena  zu  inseriren  scheinen. 

1  Art.     Süsswasser.     Europa. 


822  Flagellata. 


b.  Beschalte  Formen. 

Ascog-lena  St.  1878  (167),  Klebs  (206). 

T.  47,  Fig.  19. 

Klein;  Bau  im  Wesentlichen  wie  der  von  Euglena.  Haupteharacter 
die  Abscheidung  eines  aufgewachsenen  braunen,  becher-  bis  röhren- 
förmigen Gehäuses.     Fortpflanzung  durch  Theilung  in  dem  Gehäuse. 

1  Art.     Stisswasser.     Europa. 

Trachelomonas  Ehbg.   1833  (20),  (32),   Fromentel  (146),  stein  (igt), 

Keilt  (182),  Klebs  (206). 

Synon.  Lageiiclla  p.  p. ,  Chaetoglena  p.  p.,  Chaetophlya  Ehbg.  (32),  Lagenclla 
Schmarda  (65)  und  Chaetoglena  derselbe  (85) ,  Cryptomonas  Dujardin  p.  p.  (39), 
Chonemonas   und   Trypemonas    Perty   (76),    Cryptoglena  Clap.  und  Lachm.  (104). 

T.  47,  Fig;.  11  und  T.  48,  Fig.  1—2. 

Klein  bis  mittelgross  (Gehäuselänge  bis  0,06  Mm.).  Bau  im  Wesent- 
lichen ganz  wie  bei  Euglena.  Haupteharacter:  die  Abscheiduug  einer 
unbefestigten,  spröden,  farblosen  bis  braunen  Schale,  deren  Gestalt  etwa 
zwischen  der  Kugel-  und  länglichen  Eiform  schwankt.  Dieselbe  besitzt 
eine  kleine  runde  vordere  Oeffnung  zum  Austritt  der  Geissei  und  ist  häufig 
auf  ihrer  Oberfläche  durch  besondere  Sculpturen  oder  Bestachelung  verziert. 

Fortpflanzung  durch  Theilung  im  Gehäuse,  worauf  der  eine  Spröss- 
ling  dasselbe  verlässt;  auch  durch  Theilung  im  umhüllten  Ruhezustand 
innerhalb  des  Gehäuses.  Artenzahl  gross  (ca.  11);  Stisswasser  und  marin 
(Parona  in  Bollet.  scientifico  1882)     Europa  und  Nordafrika. 

17.  Familie  Chloropeltina  Stein  1878*. 

Allgemeine  Bauweise  wie  bei  den  Eugleninen,  von  denen  sich  diese 
Gruppe  hauptsächlich  durch  die  besondere  Stärke  und  Resistenz  der 
Cnticula  und  daher  auch  durch  gäuzlichen  oder  fast  gänzlichen  Mangel 
der  Metabolie  unterscheidet.  Schwanzspitze  stets  deutlich.  Häufig  1  bis 
mehrere  sehr  ansehnliche  Scheiben-,  bis  ringförmige  Paramylonkörper 
vorhanden.  Fortpflanzung  durch  Längstheilung,  gewöhnlich  im  nicht  um- 
hüllten Ruhezustand. 

Lepocinclis    Perty    1849    (Mittheil,    der    Berner   Naturf.   Vers, 
und  76). 

Synon.  Euglena  p.  p.  Ehbg.  (32),  Eichvald  (52),  Carter  (106),  Chloropeltis  Stein 
(167),  Phacus  p,  p.  Klebs  (206). 

T.  47,  Fig.  17. 

Monaxon  bis  zweiseitig,  da  die  Mundöifnung  regulär  am  vorderen 
Körperpol  ihre  Lage  hat  und  sich  theils  etwas  röhrig  vorspringend  erhebt, 
theils  sich  in  einen  kurzen  röhrenförmigen  Schlund  fortsetzt,  der  in  der 
Körperaxe  nach  hinten  zieht.  Gestalt  entweder  regulär  ellipsoidisch 
oder  etwas  parallel  der  Längsaxe  abgeplattet.  Durchaus  starr  und  starke 
Cuticula    theils    längs-    theils    spiralgestreift,    die    Streifen   zuweilen   be- 


üebersicht  des  Systems  (Ü.-O.  Euglenoiclina).  823 

stachelt.      Paramyloiikörper    7Aiweilen    sehr    gross    und    schliDgenförmig 
gestaltet. 

2  Arten.     Siisswasser.     Europa  imd  Ostindien. 

Phacus   Nitzsch   1816   (Beitr.   zur  Infusorienkunde),   Dujardm  (.^9), 

Stein  (169),  Klebs  p.  p.  (206). 

Synon.  Cercaria  p.  p.  Ü.  K.  Milllei'  (12),  Virgulina  Bory  de  Viuc.  Euc.  m6th., 
Euglona  p.  p.  Elibg-.  (32)  und  andere  Autoren,  ?  Orcula  Weisse  (112,  T.  V),  Lepo- 
cinclis  p.  p.  Perty  (76). 

T.  47,  Fig.  12—15. 

Gestalt  mehr  oder  minder  deutlich  asymmetrisch,  abgeplattet,  ellipso- 
idisch  bis  birnförmig  mit  mehr  oder  minder  ansehnlicher  hinterer  Schwanz- 
spitze,  welche  durch  ihre  manchmal  schiefe  Stellung  die  Asymmetrie  zuweilen 
noch  vermehrt  (L.  bis  0,09  Mm.).  Mundöffnung  bei  den  meisten  Formen 
rückenständig  und  asymmetrisch,  Schlund  schief  gerichtet.  Cuticula 
längs  oder  spiralig  gestreift,  zuweilen  auch  der  Gesammtkörper  nochmals 
schraubig  tordirt.  Meist  ein  sehr  ansehnlicher  Paramylonkörper  in  der 
Körpermitte,  dahinter  der  Kern. 

Artenzahl  ca.  6.     Süsswasser.     Europa  und  Nordamerika. 

9.  Familie  Menoidina  Bütschli. 

Unterscheiden  sich  von  den  Euglenina,  denen  sie  in  Gestalt  und  all- 
gemeiner Bauweise  sehr  nahe  stehen  durch  Chlorophyllmangel,  der  hier 
in  Verbindung  mit  der  saprophytischen  Lebensweise,  normal  ist; 
ebenso  fehlt  ein  Stigma  stets.  In  den  übrigen  Characteren  herrscht,  wie 
gesagt,  wohl  eine  weitgehende  Uebereinstimmung  mit  den  Eugleninen. 
Körper  metabolisch  oder  starr. 

a.  Metabolische  Formen. 

Astasiopsis  n.  g. 

Synon.  Cyclidium  p.  p.  (distortum)  Dujardin  (39),  Euglena  p.  p.  (curvata) 
Klebs  (206). 

T.  47,  Fig.  4. 

Gestalt  im  schwimmenden  Zustand  sehr  langgestreckt,  spindel-  bis 
nadeiförmig,  ähnlich  gewissen  Euglenen,  jedoch  häufig  auch  sehr  abge- 
plattet und  mehr  oder  weniger  schraubig  tordirt.  Sehr  metabolisch. 
Mundöffnung  nimmt  die  vordere  Körperspitze  ein  und  ragt  als  ein  etwas 
knopfartiges  Spitzchen  auch  im  stark  contrahirten  Zustand  deutlich  her- 
vor.    Fortpflanzung? 

1  Art.     Süsswasser  und  Infusionen.     Europa. 

?  Astasiodes  n.  g. 

Synon.     Astasia  Klebs  (206)  und  frühere  Autoren  p.  p. 

Unterscheidet  sich,  soweit  zu  beurtheilen,  von  der  vorigen  Gattung 
hauptsächlich  dadurch,  dass  die  Mundöffnung  mehr  nach  Art  der  Euglenen 
gelagert  und  gebaut  ist  und  sich  auch  in  einen  ähnlich  wie  bei  diesen 
beschaffenen  Schlund  fortsetzt. 

Ca.  2  Arten.     Süsswasser. 


^21:  Flagellata. 

b.  Nichtmetabolisclic  Formen. 

Menoidium  Perty  1852  (76),  stein  (167),  Kent  (182),  Klehs  (206). 

T.  48,  Fig.  7. 
Gestalt  (L.  bis  0,06  Mm.)  länglich  halbmondförmig;  das  Hinterende 
abgerundet,  das  Vorderende  trägt  auf  einer  etwas  halsartigen  Verlänge- 
rung (ähnlich  Astasiopsis)  die  Mundötfnuug.  Schlund  ziemlich  deutlich. 
Coucave  Bauchseite  zu  einer  Kante  verschmälert,  die  gegenüberstehende 
Rückseite  breit  abgerundet.  Enthält  zuweilen  einige  Chromatophoren. 
1  Art.     Süsswasser.     Europa. 

Atractonema  Stein  1878  (167). 

T.  48,  Fig.  8. 
Unterscheidet   sich   von   der  vorhergehenden  Gatlung   wesentlich  nur 
durch  eine  geradgestreckte,  spindelförmige  Gestalt  (L.  bis  0,032  Mm.),  mit 
zugespitztem   Hinterende.     Grosser    scheibenförmiger  Paramylon(?)körper 
häufig  vorhanden. 

1  Art.     Süsswasser.     Europa. 

Rhabdomonas  Fresenius  1858  (102),  Klebs  (206). 

Syuon.     Astasia  Stein,  Jiigendform  (167),  ?  Astasia  (costata)  Künstler  (190). 

Klein  (L.  =  0,020  Mm.),  cylindrisch,  meist  etwas  halbmondförmig 
gekrümmt  und  beide  Enden  unverschmälert  und  breit  abgerundet.  Cuti- 
cula  breit  längsgestreift.  Schlundröhre  deutlich  (Klebs).  Längstheilung 
beobachtet  (Künstler).  (Künstler  gibt  bei  seiner  wahrscheinlich  hieher- 
gehörigen  Astasia  costata  neben  der  Hauptgeissel  noch  eine  kleine  Neben- 
geissel  an.) 

1  Art.     Süsswasser,     Europa. 

10.  Familie  Peranemina. 

Sehr  metabolische  ungefärbte  Euglenoidinen  von  ziemlicher  Grösse 
mit  einer  sehr  ansebnlichen  Geissei  des  Vorderendes,  die  dicht  vor  der 
etwas  zurückgerückten  ziemlich  weiten  Mundöfifnung  entspringt.  Zuweilen 
sammt  dieser  in  einem  erweiterten  Peristom  gelegen.  Die  Mundöffnung 
führt  in  einen  ansehnlichen  röhrenförmigen  Schlund.  Cuticula  zart; 
spiralgestreift.  Nucleus  central.  1  contractile  Vacuole  im  Vorderende. 
Nahrungsaufnahme  sicher. 

Peranema  Dujardin  1841,   Perty  (76),  Stein  (167),  Klebs  (206). 

Synon.     Traclielius  p.  p.  (tricliopliorus)  Ehrenberg  (32  und  früher),  Astasia  Clap. 
und  Lachmann,  Carter  (lOOa),  James-Clark  (125),  Fromentel  (146)  p.  p.,  Kent  (182). 

T.  47,  Fig.  1. 
Ziemlich  gross  (L.  bis  0,08  Mm.),  etwa  oval,  Hinterende  meist  breit 
abgerundet,  seltner  etwas  zugespitzt;  Vorderende  massig  zugespitzt.  Auf 
diesem  sehr  ansehnliche  Geissei;  dicht  dahinter  auf  der  Bauchseite  eine 
wahrscheinlich  im  geschlossenen  Zustand  spaltförmige  Mundöffnung,  die 
in  einen  ziemlich  langen,  röhrenförmigen,  geraden  Schlund  führt  (nach 
Klebs  soll  derselbe  ein  vorstossbarer  Stabapparat  sein).    Sehr  metabolisch. 


Uebcrsiclit  ilus  Systciiis  (L'.-O.  iMig'lcimidiiia).  825 

Cuticula  fein  spiralgestreift.   1  contractile  Vacuole  im  Vorderende,  Nucleus 
ziemlich  central.    Fortpflanzung  durch  Längstheilung. 

1  sichere  Art,  doch  zeigen  noch  zahlreiche  unzureichend  beschriebene 
Formen  vielleicht  nähere  Beziehungen  zu  dieser  Gattung.  Süsswasser. 
Europa,  Ostindien,  Nordamerika  und  Nordafrika. 

Urceolus   Mereschkowsky   1877   (Arbeiten    der   Gesellschaft   der 
Naturforscher  zu  Petersburg  Vol.  VIII.  und  174). 

Synon.     Phialonema  Stein  (167). 

T.  47,  Fig.  5. 

Mittelgross  (L.  bis  0,05  Mm.),  Gestalt  im  gestreckten  Zustand  etwa 
flaschenförmig,  mit  flaschenhalsartig  erweitertem  Vorderende  und  abge- 
rundetem bis  massig  zugespitztem  Hinterende.  Cuticula  fein  bis  grob 
schraubig  gestreift.  Sehr  metabolisch.  Vorderende  zu  einem  etwa  trichter- 
förmigen Peristom  vertieft,  in  dessen  Grund  die  ansehnliche  Geissei  ent- 
springt und  das  in  den  tief  hinabsteigenden,  engen  Schlund  führt.  1  con- 
tractile Vacuole  im  vorderen  Körperdrittel. 

1  Art.     Süsswasser.     Europa. 

11.  Familie  Petalomonadina. 

Ungefärbte  formbeständige  Formen  von  etwa  ovaler  abgeplatteter 
Gestalt,  mit  grosser  Geissei  des  Vorderendes  und  dicht  dahinter,  auf 
Bauchseite  einer  Mundöff"nung  mit  sehr  wenig  entwickeltem  Schlund. 
Nahrungsaufnahme  sicher. 

Petalomonas  Stein  1859  (Organismus  der  Infusionsthiere  I.  p.  76). 

Synon.  ?  Gonium  (rectaug,  und  obtusang.)  0.  F.  Müller  (12),  ?  Traclielius  (lati- 
ceps)  Ehrenb.  (36),  Cyclidium  (abscissa)  p.  p.  Dujardin  (39),  ?  Monas  (pilcat.) 
p.  p.  Perty  (76)  ?  Peranema  (protr.  u.  giobul.)  Fromentel  (146). 

T.  47,  Fig.  2. 

Mittelgross  (bis  0,045  Mm.  L.),  formbestäüdig ;  etwa  oval,  stark  abge- 
plattet, mit  platter  oder  durch  eine  mittlere  Längsfurche  vertiefter  Bauchseite, 
gewölbter  und  zum  Theil  mit  einigen  Längskielen  ausgerüsteter  Rück- 
seite. Sehr  lange  Geissei  des  Vorderendes,  die  gewöhnlich  nur  am  Ende 
bewegt  wird.  Mundöffnung  au  der  Geisseibasis  auf  Bauchseite,  ohne 
oder  doch  nur  mit  sehr  kurzer  Schlundeinsenkung.  1  contractile  Vacuole 
in  vorderer  Körperhälfte,  dem  linken  Seitenrand  genähert.  Kern  dem 
rechten  genähert.     Nahrungsaufnahme  sicher. 

Süsswasser.     Europa,    4  Arten. 

Anhang  zu  der  Familie  der  Petalomonadina. 

Scytomonas  Stein  1878  (167). 

Klein  (L.  =  0,615  Mm.),  nackt  (?).  formbeständig,  etwa  oval;  1  vordere  Geiysel. 
Contractile  Vacuole  etwas  vor  der  Mitte.     Nucleus?     Nahrungsaufnahme? 

Süsswasser.     Europa.     J  Art. 

Die  Stellung  dieser  Form  ist,  insofern  sich  nach  dem  bis  jetzt  bekannten  urtheilen  lässt, 
noch  unsicher.  Stein  zieht  sie  zu  seiner  Familie  der  Scytomonadina,  wogegen  sie  Kent(182) 
in    die  Nähe   von  Oikomonas    bringt,    der    sie  ja    auch    ziemlich    gleicht.     Ich    glaube,    dass 


826  Flagellata. 

vielleiclit   gewisse   Beziehungen  zu   Pctalomonas   vorhanden  sind,   doch  ist,    wie  bemerkt,  die 
Sachlage  sehr  un]<lar. 

12.  Familie    Astasiina   Btitsclili  (vielleiclit  besser  als   Heteronemina 

zu  bezeichnen). 
Ungefärbte,  metabolische  oder  starre  Formen,  deren  Hauptauszeich- 
nung- gegenüber  den  übrigen  Euglenoidinen  im  Besitz  einer  dicht  neben 
der  Hauptgeissel  entspringenden ,  kleinen  bis  massig  langen  Neben- 
geissel  besteht.  Ernährung  wahrscheinlich  z.  Th.  saprophytisch ,  z.  Th. 
animal. 

a.  Metabolische  Formen. 

Astasia    (Ehrenberg  1830)    emend.   Stein   1878  (167),   non  Kent 
und  Klebs. 

Synon.     Proteus  p.p.  (tenax)  (J.  F.  Müller  (12),  Distigma  p.  p.  Ehbg.,  Kent  (182) 

T.  48,  Fig.  9. 

Gross  (L.  bis  0,1  Mm.);  langgestreckt  cylindrisch,  Vorder-  und 
Hinterende  zugespitzt.  Vorderende  trägt  dicht  neben  der  Hauptgeissel 
eine  zarte,  nach  vorn  gerichtete  Nebengeissel  (die  Geissein  gehen  jedoch 
häufig  verloren).  Cuticula  zart  spiralstreifig.  Metabolie  sehr  energisch, 
auch  während  des  Schwimmens.  Dicht  hinter  der  Geisseibasis  zuweilen 
zwei  schwärzliche  stigmaartige  Puncte.  Mund  und  Schlundröhre  wahr- 
scheinlich ähnlich  denen  der  Eugleninen.     Ernährung? 

1  Art.     Süsswasser.     Europa  und  Nordamerika. 

Heteronema  Dujardin  1841  (39),  emend.  Stein  (167). 

Synon.  Trachelius  p.  p.  (globulifer)  Ehbg.,  Astasia  p.  p.  (acus)  Ehbg.  (36), 
?  Peranema  p.  p.  (globulifer),  Dujardin  (39),  '?  Dinema  Perty  (76),  Astasia  p.  p. 
(fusiformis)  Fromentel  (146). 

T.  48,  Fig.  10. 

Die  Unterschiede  dieser  Gattung  von  Astasia  sind  sehr  geringfügig, 
so  dass  es  überhaupt  fraglich  erscheint,  ob  beide  nicht  besser  zusammen- 
zuziehen wären.  Die  hauptsächlichste  Differenz  scheint  darin  zu  bestehen, 
dass  die  Nebengeissel  hier  ansehnlicher  wird  und  ihre  Insertion  etwas 
auf  die  Bauchseite  nach  hinten  gerückt  ist.     Ernährung? 

3 — 4  Arten.     Süsswasser  und  marin.     Europa. 

Zygoselmis  Dujardin  1841  (39),  Perty  (76),  Stein  (167). 

Synon.     Astasia  (inflata  und  crassa)  Fromentel  (146)  p.  p. 

T.  48,  Fig.  11. 

Gross  (L.  bis  0,1  Mm.).  Gestalt  oval  bis  länglich,  jedoch  durch 
active  oder  passive  Gestaltsänderung  sehr  wechselnd.  Cuticularschicht 
spiralgestreift.  Vorderende  meist  etwas  zugespit/t,  Hinterende  abgerundet. 
Beweguügsgeissel  sehr  ansehnlich,  dicht  dabei  die  kleine  Schleppgeissel. 
Dahinter  eine  etwa  schlitzförmige  Mundöflfnung,  die  in  kurzen  und  weiten 
röhrigen  Schlund  führt.  Daneben  die  contractile  Vacuole.  Grosser 
Nuclens  etwa  central.  Nimmt  ansehnliche  Nahrungskörper  auf.  Längs- 
theilung. 

Süsswasser.     Europa.     1  Art. 


Uebersiclit  des  Systems  (U.-Ü.  Eugleuoirliiia  u.  Ilcterouiastigoda).  827 

1).  Nichtmetabolischc  Formen. 

Sphenomonas  Stein  1878  (167). 

T.  48,  Fig.  12. 
MittelgTOSS  (L.  =  0,032  Mm.),   formbeständig.      Gestalt   etwa  oval, 
beiderseits   zugespitzt,   mit  4  hervorragenden  Längskielen,  so  dass  Quer- 
schnitt   ziemlich    quadratisch.      Hinterende    enthält    häutig   einen    sogen. 
Gallertkorper.     Längstheilung.     Nahrungsaufnahme? 
Siisswasser.     Europa.     1  Art. 

Tropidoscyphus  Stein  1878  (167). 

Syuon.     Sphenomonas  jj.  p.  Kent  (182). 

T.  48,  Fig.  13. 

Mittelgross  (L.  =  0,04  Mm.),  formbeständig.  Gestalt  etvra  oval, 
Hinterende  scharf  zugespitzt,  Vorderende  schief  abgestutzt  bis  ausge- 
schnitten. Regelmässig  vertheilte  Längsrippen  des  Körpers,  die  häutig 
etwas  schraubenförmig  verlaufen.  Mund  im  ausgeschnittenen  Vorderende, 
im  Anschluss  hieran  ein  sehr  erweiterungsfähiger  Schlund,  an  dessen 
Ende  die  contractile  Vacuole.    Nucleus  central.    Nahrungsaufnahme  sicher. 

Siisswasser.     Europa.     1  Art. 

3.  Unterordnung  Heteromastigoda. 

Kleine  Abtheilung,  zu  welcher  Formen  von  geringer  bis  ziemlich  be- 
trächtlicher Grösse  gehören.  Nackt  und  dann  zuweilen  auch  amöboid 
werdend,  oder  starr  und  dann  häufig  mit  ähnlicher  Cuticula  wie  die 
Eugleninen  etc.  versehen.  Hauptauszeichnung  der  Besitz  zweier,  in  ihrem 
Verhalten  wesentlich  verschiedener  Geissein  des  Vorderendes,  die  auch 
gewöhnlich  an  Grösse  recht  dififeriren.  Die  eine  Geissei  ist  nach  vorn 
gerichtet  und  bewirkt  die  gewöhnliche  Vorwärtsbewegung,  die  andere  und 
meist  grössere  wird  nach  hinten  gerichtet  nachgeschleppt.  Doch  müssen 
wir  einstweilen  hier  auch  zwei  Formen  anschliessen,  bei  welchen  die 
Zahl  der  hinteren  Geissein  auf  zwei  vermehrt  ist.  Ernährung  stets  ani- 
malisch und  daher  zum  mindesten  immer  eine  Mundstelle  vorhanden, 
welche  bei  den  grösseren  Formen  zu  einem  deutlichen  Mund  wird,  der 
mit  ansehnlichem  Schlund  in  Verbindung  steht.     Stets  ungefärbt. 

Wie  schon  aus  Früherem  hervorgeht,  existirt  keine  scharfe  Grenze  zwischen  den  Eugle- 
noidina  und  der  jetzt  zu  besprechenden  Unterordnung  (speciell  der  Familie  der  Anisonemina), 
auch  scheint  es  überhaupt  noch  etwas  unsicher,  ob  die  Verwandtschaft  der  beiden  unter- 
schiednen  Familien  der  Heteromastigoden  eine  so  innige  ist,  wie  hier  angenommen  wurde. 

13.  Familie  Bodonina  Bütschli  (Heteromitidae  Kent  1880). 

Kleine,  nackte  Heteromastigoda,  bei  welchen  der  Grössenunterschied 
der  beiden  Geissein  zuweilen  nur  wenig  hervortritt.  Schlund  höchstens 
angedeutet. 

Bodo  (Ehbg.  1830),  Stein  1878,  non  Kent  (182). 

Synon.  Heteromita  Dujardin  p.  p.  (39),  Perty  (76)  p.  p.,  Fromentel  (14(5) 
p.  p.,  Kent  (182),  Grassi  p.  p.  (193),  Künstler  (Compt.  rend.  1S83,  October), 
Amphimonas  Dujardin  (39)  p.p.,  Spiromonas  (Perty)  Kent  p.  p.  (182),  Pleuro- 


^2S  Flagollata. 

monas  Pcrty  (7G).  Colpodella  Cicnkowsky  (115),  Piplomastix  Kcut  (1S2),  V  Aiii- 
soncma  (ludibund.  und  intermed.)  Kent  (182),  Isomita  Dicsing  (121),  Protomonas 
Haeck.  (Moiiogr.  d.  Monereu  1870)*),  the  hooked  Monad  und  tlie  springing  Monad 
Dallinger  and  Drysdale  (145). 

T.  46,  Fig.  4—6. 

Klein  (L.  bis  0,03  Mm.),  nackt,  oval  bis  länglich  gestreckt.  Das  meist 
zugespitzte  Vorderende  mit  zwei  gewöhnlich  recht  ungleichlangen  Geissein. 
Die  kleinere  nach  vorn  gerichtet  und  schlängelnd ,  die  grössere  nach 
hinten  gerichtete  wird  nachgeschleppt  und  dient  auch  häufig  zur  Befesti- 
gung. Mundstelle  am  Vorderende,  sich  zuweilen  in  schlundartiges  kurzes 
Röhrchen  fortsetzend.  Nucleus  meist  in  Körpermitte ;  1  bis  mehrere  con- 
tractile  Vacuolen  von  verschiedener  Lagerung.  Mit  oder  ohne  Verlust 
der  Geissein  gehen  gewisse  Formen  häufig  in  amöboiden  Zustand  über. 
Vermehrung  durch  Längstheilung  und  Sporulation  nach  Copulation. 

Süss-  und  Salzwasser  (Parona)  und  Infusionen.  Europa  und  Aegypten. 
[Pruner  bei  Davaine  (152)] ;  auch  parasitische  Formen  von  entsprechendem 
Bau  finden  sich,  so  z.  B.  im  Darm  von  Lacerta  (Grassi,  Künstler).  Ebenso 
gehört  die  sog.  Plagiomonas  (früher  1879  Retortomonas)  Gryllotalpae  (Grassi, 
193),  aus  dem  Darm  der  Gryllotalpalarve  wahrscheinlich  hieher. 
Artzahl  ca.  5 — 6. 

Phyllomitus  Stein  1878  (167). 

T.  4Q,  Fig.  7. 
Klein  (L,  bis  0,021  Mm.);  Gestalt  oval  bis  länglich  oval,  Hinterende 
häufig  zugespitzt,  seltner  abgerundet.  Vorderende  mit  schiefem  Ausschnitt 
(Peristom  St.'s)  und  einer  dicken  blattartigen  Geissei,  die  sich  bald  in 
zwei  gewöhnlich  ungleich  lange  spaltet.  Nucleus  im  Vorderende.  Nah- 
rungsaufnahme wohl  sicher. 

Süsswasser.     Europa.     1  Art. 

Colponema  Stein  1878  (167). 

T.  46,  Fig.  10. 
Klein  (L.  =  0,03  Mm.),  formbeständig;  Gestalt  breit  S förmig; 
massig  abgeplattet;  Bauchseite  durch  Längsrinne,  welche  sich  in  vorderer 
Hälfte  stark  erweitert,  tief  ausgehöhlt.  Kleinere  Bewegungsgeissel  an 
vorderer  Körperspitze,  hintere  Schleppgeissel  in  der  Mitte  der  Bauchrinne. 
1 — 2  contractile  Vacuolen  in  Körpermitte.  Nahrungsaufnahme? 
Süsswasser.     Europa.     1  Art. 

Anhang  zu  der  Familie  der  Bodouina. 

Dallingeria  Kent  1880  (1882)  nach  Dallinger  (168). 

T.  45,  Fig.  12. 
Klein  (L.  =  0,007  Mm.);   Göstalt  länglich,  in  der  Mittelregion  etwas 
eingeschnürt;    Vorderende    zugespitzt,    mit    einer    nach  vorn   gerichteten 
Geissei.     Jederseits,  etwa  in  Körpermitte,  entspringt  eine  nach  hinten  ge- 
richtete Geissei,   mit  welchen  die  Wesen  sich  häufig  festheften  und  dann 

*)  Die  in  den  Nachträgen   zur  Monogr.  der  ]Moneren   beschriebene  Protomon^  Huxleyi 
ist  eine  ganz  unsicliere,  walirschcinlich  überhaupt  nicht  zu  den  Flagellaten  gehörige'  Form. 


Ue1)ersicht  des  Systems  (U.-O.  Heteroinastigoda).  829 

mittels   der   CoDtractionen   dieser   Geisselu  Schnelibewegungen  ausführeu, 
ähnlich    gewissen    Bodonen.      Nucleus    in    hinterer    Hälfte.      Contractile 
Vacuole?     Längstheihmg,  Copulation. 
Infusion.     Europa.     1  Art. 

Ein  gesichertes  ürtlieil  über  die  Stellung-  dieser  Form  scheint  mir  zur  Zeit  unmöglich, 
ich  reihe  sie  daher  nur  provisorisch  hier  an. 

Trimastix  Kent  1880  (182). 

T.  45,  Fig.  13. 

Klein  (L.  =  0,015  Mm.);  oval  bis  birnförmig,  mit  etwas  zugespitztem 
Vorderende ,  dies  trägt  drei  Geissein ,  von  welchen  eine  nach  vorn  ge- 
richtet ist,  die  beiden  andern  dagegen  nachgeschleppt  werden.  Der 
rechtsseitige  Körperrand  in  eine  Art  Membran  ausgewachsen ,  längs 
deren  Basis  sich  die  eine  der  nach  hinten  gerichteten  Geissein  in 
schlangenförmigen  Biegungen  anlegt  und  erst  ihre  über  das  Körperendc 
sich  fortsetzende  Verlängerung  wird  frei.  1  contractile  Vacuole  nahe  der 
Geisseibasis,  Nucleus  im  Hintereude.     Nahrungsaufnahme? 

Faulendes  Seewasser.     Europa.     1  Art. 

Leider  fühle  ich  mich  ausser  Stand,  dieser  interessanten  Form  eine  gesicherte  Stellung 
anzuweisen;  daher  ist  ihre  Einreihung  eine  ganz  provisorische.  Wie  schon  früher  angedeutet, 
halte  ich  auch  Beziehungen  zu  Trichomonas  nicht  für  unmöglich.  Mit  Trimastix  hat  viel- 
leicht auch  das  dreigeisselige  Wesen,  welches  Henneguy  neuerdings  (201)  unter  dem  Namen 
Bodo  necator  beschrieb  und  das  zuweilen  in  sehr  grossen  Mengen  auf  der  Haut  junger 
Forellen  schmarotzt,  nähere  Beziehungen.     Ein  Bodo  ist  es  wohl  sicher  nicht. 

14.  Familie  Anisonemina  Kent  1880.     (Scytomonadinae  p.p.  St.*.) 

Grössere  Formen  (L.  0,04 — 0,05  Mm.);  formbeständig,  mit  Cuticula. 
Körper  abgeplattet;  im  Allgemeinen  oval  und  etwas  asymmetrisch. 
Grössendifferenz  der  beiden  Geissein  erheblich.  Deutliche  Mundötfnung 
hinter  der  Basis  der  Bewegungsgeissel  auf  Bauchseite  in  Verbindung  mit 
verschieden  langem  röhrigem  Schlundapparat.  Aufnahme  ansehnlicher 
Nahrungskörper.     Vermehrung  durch  Längstheilung. 

Anisonema  Dujardin  1841  (39),  james-Clark  (125),  Bütschli  p.  p.  (171), 

Stein  (16T),  Kent  p.  p.  (182),  Klelos  (206). 

Synon.  Bodo  (grandis)  p.  p.  Ehrenberg  (32),  Heteromita  (ovata)  Dujardin  (39) 
und  Perty  (76),  p.  p.  Fromentel  (146),  Diplomita  Fromentel  (146),  ?  Ploeotia 
Dujardin  (39). 

T.  46,  Fig.  8. 
Mittelgross  (L.  bis  0,04  Mm.);  oval,  stark  abgeplattet  und  deutlich 
asymmetrisch,  der  rechte  Seitenrand  auf  der  Bauchseite  etwas  stärker 
wulstig  vorspringend.  Zarte,  sehr  fein  spiralgestreifte  Cuticula  (Klebs). 
Dicht  hinter  der  Basis  der  Bewegungsgeissel  die  Mundöffnung,  welche 
sich  etwas  schief  nach  links  hinein  senkt  und  mit  einem  dunkeln,  massig- 
langen,  röhrigen  Schlundapparat  in  Verbindung  tritt.  Schleppgeissel  ent- 
springt aus  der  Mundeinsenkiing  (Klebs),  zieht  im  Bogen  um  den  vorderen 

*)  Bei  der  allgemeinen  Schilderung  des  Baues  etc.  der  Flagellata,  wurde  für  diese 
Familie  gewöhnlich  die  Bezeichnung  Scytomonadina  gebraucht,  da  jedoch  die  Gattung-  Scyto- 
monas  sicher  nicht  hieher  gehört,  so  "'inpfinhlt  sicli  der  Kent'scho  Mame. 


830  Flagellata. 

Körperiand  nach  rechts  und  läuft  an  dem  aufgewulsteten  rechten  Körper- 
rand  nach  hinten  herab,  1  contractile  Vacuole  im  Vorderende  am  linken 
Seitenrand.  Nucleus  randlich,  etwas  hinter  der  Körpermitte.  Nahrungs- 
aufnahme sicher;  sog.  Afterstelle  am  Hinterende  (Stein).  Vermehrung 
durch  Längstheilung. 

Süsswasser  und  wahrscheinlich  auch  marin;  Europa  und  Nordamerika. 
Artzahl  2—3. 

Entosiphon  Stein  1878  (167). 

Synon.  ?  Cyclidium  (margaritac.)  Ehrenberg  (32),  Cyclidium  (liiieata)  Weisse 
(1851),  Anisonema  p.  p.  Diijardin  (39),  Bütschli  (171),  Heteromita  (sulcata  und 
V  cylindrica)  Mereschkowsky  (174),  Ploeotia  (Dj.)  Fromentel  (146). 

T.  46,  Fig.  9. 

Unterscheidet  sich  hauptsächlich  von  Anisonema  dadurch,  dass  sich 
die  Schleppgeissel  dicht  hinter  der  Bewegungsgeissel  inserirt  und  keinen 
Bogen  beschreibt.  Vorderende  ziemlich  breit  und  meist  etwas  schief  ab- 
gestutzt.    Bauch-  und  Rückseite  grob  längsgerippt. 

Süsswasser  und  marin  (Parona).     Europa.     1  Art. 

Anhang  zur  Familie  der  Anisonemina. 

Heteromastix  James- Clark  1867  (124),  früher  in  „Mind  in  naturc".  p.  146. 

Mittelgross  (Länge  im  gestreckten  Zustand  =  0,05  Mm.);  Körperbau  im  Allgemeinen 
sehr  ähnlich  Anisonema;  dagegen  sehr  contractu,  ähnlich  Euglena  und  Peranema.  Auf  vor- 
derer Fläche  der  Bauchseite  eine  etwas  schief  nach  hinten  ziehende  breite  Grube  oder  ein 
Eindruck,  der  sich  über  die  Hälfte  des  Körpers  liinzieht.  Daraus  entspringen  eine  grosse 
Anzalil  feiner  Cilien,  welche  die  Hauptbeweguugsorgane  sind,  über  deren  Stellung  und  An- 
ordnung jedoch  keine  Sicherheit  herrscht.     Stigma  im  Vorderende. 

Fundstätte?     Nordamerika.     1  Art. 

4.  Unterordnung  Isomastigoda  Bütschli. 

Kleine  bis  mittelgrosse  Formen  von  monaxoner,  seltener  bilateraler 
bis  asymmetrischer  Gestalt.  Vorderende  mit  2,  4  oder  selten  5  gleichen 
Geissein,  die  gewöhnlich  dicht  bei  einander  entspringen,  selten  mehr  aus- 
einander gerückt  sind.  Theils  gefärbt,  theils  ungefärbt.  Nackt  oder  mit 
Schalenhülle  oder  Gehäuse.  Mundöffnung  und  Schlund  selten;  Ernährung 
meist  holophytisch,  z.  Th.  jedoch  animalisch. 

15.  Familie  Amphimonadina  Kent  emend. 

Kleine,  farblose  reguläre  zweigeisselige  Isomastigoden,  nackt  und 
gewöhnlich  mit  Neigung  zur  Metabolie  oder  Pseudopodienentwicklung.  Er- 
nährung thierisch. 

Amphimonas  Duj.  (39),  Kent  (182)  1880,  Perty  (76). 

Synon.     Deltomonas  Kent  (182), 

T.  42,  Fig.  4-5. 
Klein  (L.  bis  0,012  Mm.);  meist  oval  oder  knglig  bis  unregelmässig, 
da  metabolisch.     Häufig  mit  Hinterende  festgeheftet.     Die  Geissein  des 
Vorderendes   entweder   dicht  zusammenstehend  oder  etwas  von  einander 


Uebersicht  des  Systems  (Ü.-O.  Isomastig-oda).  831 

gerückt.  1 — 2  contractile  Vacuolen,  1  Nucleus.  Nahrungsaufnahme 
sicher,  angeblich  durch  gesammte  Körperoberfläche.  Vermehrung  durch 
Längstheilung  (Quertheiluug  ?). 

Süssvvasser  und  marin.     Ca.  3 — 4  Arten.     Europa. 

?Pseudospora  [Cienkowsky  (115)j  emend.  —  Keiit  (182). 

T.  42,  Fig-.  7. 
Fraglich   ob   von  Amphimonas  xmterschieden.     Hauptdifferenz   bestände   darin,   dass   sie 
keine  Neigung    hat    sich    anzuheften.     Entsendet  häufig  spitzwinklig  verästelte   Pseudopodien 
und  geht  auch  in  den  amöboiden  Zustand  über,  während  dessen  sie  namentlich  ihre  Nahrung 
aufnimmt. 

Süss  Wasser.  Europa.  Dringt  hauptsächlich  in  Volvoxstöcke  ein  und  verzehrt  deren 
Zellen. 

■pDinomonas  Kent  1880. 

T.  42,  Fig.  6. 

Gestalt  oval  bis  birnförmig  (L.  =  0,01—0,015  Mm.);  Körper  plastisch,  jedoch  nicht 
amöboid.  Vorderende  mit  zwei  gleichen  oder  nahezu  gleichen  Geissein,  an  deren  Basis  eine 
sehr  ausdehnbare  Mundöflhung,  die  jedoch  nur  während  der  Nahrungsaufnahme  sichtbar  ist. 
Sehr  gefrässig.  1  bläschenförmiger  Kern  und  eine  im  Hinterende  gelegene  contractile  Ya- 
cuole.     Infusionen.     Europa.     2  Arten. 

Diese  Gattung  scheint  mir  sowohl  bezüglich  ihrer  Selbstständigkeit,  als  ihrer  systema- 
tischen Stellung  nach  etwas  zweifelhaft;  einerseits  dürfte  sie  sich  der  Gattung  Amphimonas 
anreihen,  andrerseits  besitzt  sie  jedoch  vielleicht  Beziehungen  zu  den  kleinen  Heteromastigoden, 
speciell  Bodo,  worauf  auch  die  Art  der  Nahrungsaufnahme  hindeutet. 

16.  Familie  Spongomonadina  Stein. 

Kleine  (L.  bis  ca.  0,02  Mm.),  farblose,  ovale  Flagellaten  mit  zwei 
dicht  zusammenstehenden  Geissein,  einem  Nucleus  und  einer  contractilen 
Vacuole,  beide  etwa  in  Körpermitte.  Hauptauszeichnuug  Stockbildung  durch 
Vereinigung  zahlreicher  Individuen  in  gemeinsamer  Gallerte  oder  durch 
Entwicklung  verzweigter  Gallertröhren,  deren  Enden  die  Einzelwesen  be- 
wohnen. Gallerte  dieser  Hüllen  stets  stark  körnig  und  dadurch  häufig 
braun  gefärbt.  Vermehrung  durch  Längstheilung  der  Einzelwesen,  Quer- 
theilung  (Kent)  ?.     Ernährung  wahrscheinlich  thierisch. 

Spongomonas   Stein   (167)   1878,  Kent  (182),   Gruber  (in  Ztschr,  f.  wiss. 
Zool.  38,  p.  56). 

Synon.     ?  Monas  consociatum  Fresenius  (102),   Phalansterium  Cienk.  (134)  p.  p. 

T.  42,  Fig.  12—13. 

Flagellaten  in  gallertiger  Kolonialmasse  meist  dicht  zusammengebettet, 
so  dass  nur  die  Geissein  hervorschauen.  Kolonien  z.  Th.  sehr  ansehnlich 
(bis  zu  3  Centim.  Länge).  Gestaltung  sehr  verschieden,  z.  Th.  platt  auf- 
gewachsen und  dann  Scheiben-  oder  wurmförmig,  z.  Th.  von  Unterlage 
sich  buschig  erhebend  oder  schliesslich  frei  herabhängend  und  dann  kuglig 
oder  sackartig  bis  gelappt. 

Süsswasser.     Europa.     4  Arten. 

Cladomonas  Stein  (167)  1878,  Kent  (182). 

T.  42,  Fig.  21. 
Einzelflagelhitcn  bewohnen  die  Enden  einer  dichotomisch  verzweigten 


832  Flagellata. 

Gallertröhre,    deren  kurze    Aeste  sich    frei,    nicht  zusammenwachsend  er- 
heben.    Grösse  der  Stöcke  massig  (Höhe  ca.  0,075  Mm.). 
Süsswasser.     Europa.     Artzahl  1. 

Rhipidodendron    Stein    1878   (167),  Kent  (182),   Ryder  (Americ.  natur. 
Vol.  14). 

Synon.     Aporea  Bailey  (64). 

T.  42,  Fig.  9. 

Stöcke  ansehnlich  (Höhe  bis  ca.  0,3  Mm.).  Beginn  durch  eine 
Gallertröhre,  die  sich  fortgesetzt  dicbotomisch  in  einer  Ebene  theilt;  die 
iieuentstandnen  Röhrenzweige  bleiben  zunächst  eine  Strecke  weit  zu  einem 
Fächer  vereinigt,  der  sich  hierauf  in  eine  Anzahl  secundärer  Fächer  theilt 
und  diese  Zerspaltung  setzt  sich  noch  weiter  fort. 

Süsswasser.     Europa  und  N.-Amerika.     2  Arten. 

Anhang  zu  Spongomonadina. 

Diplomita  Kent  (182). 

Synon.     Bicosoeca  Kent  (138). 

T.  42,  Fig.  8. 

Klein,  farblos,  oval,  dicht  bei  der  Geisseibasis  meist  rother  Augen- 
fleck. Braunes  Gehäuse  (H.  ohne  Stiel  =  0,013  Mm.),  ganz  ähnlich  dem 
der  Bicosoeca;  ebenso  Befestigung  des  Thieres  im  Gehäusegrund  und 
Rlickziehfähigkeit.     Nahrungsaufnahme  ?. 

Süsswasser,     Europa.     1  Art. 

Nach  den  vorliegenden  Mittheilungen  ist  es  schwer,  die  Beziehungen  dieser  Gattung  zu 
heurtheilen,  daher  ist  die  ihr  hier  angewiesene  Stellung  durchaus  provisorisch. 

Gruppe  der  Phy tomastigoda  Bütschli. 

Die  folgenden  3  Familien  der  Chrysomonadina,  Chlamydomonadina  und  Volvocina  zeigen 
eine  so  innige  Verwandtschaft,  dass  sicli  ihre  Vereinigung  zu  einer  Untergruppe  empfiehlt.  Die- 
selbe wäre  einmal  ausgezeicluiet  durch  den  regulär  isomastigoden,  meist  zwei-,  selten  viergeisseligen 
Bau  und  weiterhin  namentlich  durch  die  holophytische  Ernährungsweise  der  hierhergehörigen 
Formen.  Wie  im  früheren  schon  mehrfacli  erörtert  wurde,  sind  es  diese  Phytomastigoda,  welche 
die  innigsten  Beziehungen  zu  einer  Reihe  einzelliger  Algen  darbieten ,  so  dass  sie  von  den 
Botanikern  gewöhnlicli  mit  denselben  zu  der  Abtheilung  der  Protococcoideae  vereinigt  werden. 
Auch   diesen   Beziehungen   soll   durch  den  Namen  Phytomastigoda  Ausdruck  gegeben  werden. 

17.  Familie  Chrysomonadina  (Stein)  emend.  Bütschli. 

Einzellebende  oder  koloniebildende  Individuen,  meist  länglich  und 
formbeständig,  SchalenhUlle  ähnlich  der  der  Chlamydomonadina  fehlt 
gewöhnlich;  selten  in  Gehäuse  oder  gestielt.  Mit  zwei,  selten  nur  einer 
braunen  bis  grünlichbraunen  Chromatophore,  die  den  beiden  Seiten- 
rändern anliegen.     Meist  mit  Augenflecken  an  der  Geisseibasis. 

Die  Geissein  fast  stets  ganz  gleich ,  und  selten  vielleicht  durch  ge- 
legentliche Reductiou  einer  (Mallomonas)  auf  Einzahl  vermindert.  Die 
freischwimmenden  Kolonien  durch  kuglige  Gruppiruug  zahlreicher  Indi- 
viduen um  ein  Centrum  gebildet. 


üebersicht  des  Systems  (Ü.-O.  Isomastigoilu).  833 

Stylochrysalis  Stein  (167)  1878. 

T.  44,  Fig.  6. 
Klein  (L.  ca.  0,009  Mm.);  einzellebend,  auf  ansehnlichem  secernirtem 
Stiel  befestigt.     Vermehriiug  durch  Quertheilung. 

Süsswasser.     Europa.     1  Art,  auf  Eudorina  befestigt. 

Chrysopyxis  Stein  1878  (162),  Wille  (197). 

T.  43,  Fig.  2. 

Einzellebend  in  ziemlich  dickwandigem  Gehäuse  (Höhe  =  0,012  Mm.), 
von  birnförmiger  Gestalt  und  ziemlich  stark  verengter  Mündung.  Das- 
selbe ist  durch  zv^ei  hintere  gegenständige,  zugespitzte  Fortsätze  auf 
Algenfäden  befestigt.     Vermehrung  durch  Längstheilung  im  Gehäuse. 

Süsswasser.     Europa.     1  Art. 

Nephroselmis  Stein  1878  (167). 

T.  44,  Fig.  7. 

Klein,  von  etwa  bohnenförmiger  Gestalt,  Bieitenaxe  (0,018  Mm.)  über- 
trifft dieHauptaxe  an  Länge.  Stark  abgeplattet.  In  vorderer  schwach  concaver 
Einsenkung  die  zwei  nahezu  gleich  langen  Geissein.  Dicht  dabei  die  contr. 
Vacuole  und  der  Nucleus  wahrscheinlich  dicht  dahinter.  Längs  des  ganzen 
Körperrandes  zieht  ein  bandförmiges  Chromatophor  hin.  Bewegung  in 
der  Richtung  der  Breiten axe.     Vermehrung  durch  LäDgstheilung. 

Süsswasser.     Europa.     1  Art. 

Stein  zieht  diese  Form  zu  seinen  Cryptomonadina ,  indem  er  die  Breitenaxe  für  die 
Hauptaxe  nimmt.  Ich  glaube  dagegen,  dass  die  Gattung  hier  ihren  richtigen  Anschluss  findet, 
wenn  sie  auch  in  manchen  Punkten  nicht  unwesentliche  Abweichungen  von  den  typischen 
Chrysomonadinen  zeigt. 

Synura  Ehrbg.  1833  (20,  32),  Stein  (167). 

Synon.  Volvox  p.  p.  0.  F.  Müller  (12),  üvella  (drescens)  Ehrbg.  (32),  Dujardin 
(39),  Perty  (76),  Schmarda  (85),  Fromentel  (146),  Bütschli  (171),  Grimm  (143); 
Glenouvella  Diesing  (121). 

T.  43,  Fig.  1. 

Koloniebildend;  Einzelwesen  massig  gross  (L.  bis  ca.  0,035  Mm.), 
oval  bis  länglich  mit  zarter  cuticulaier  Hülle,  die  häufig  zu  einem  all- 
seitigen feinen  Stachelbesatz  auswächst.  Dicht  hinter  Geisseibasis  ge- 
wöhnlich eine  wechselnde  Zahl  Augenflecke.  Im  Hinterende  einige  con- 
tractile  Vacuolen.     Nucleus  central. 

Kuglige  Kolonien  aus  verschiedner  Zahl  (bis  60  etwa)  radiär  um  das 
Centrum  gestellter  Einzelwesen  zusammengesetzt,  die  entweder  im  Cen- 
trum organisch  zusammenhängen  oder  nur  durch  die  Hüllen  lose  vereinigt 
sind.  Vermehrung  der  Individuen  durch  Längstheilung,  der  Kolonien 
ebenfalls  durch  Theilung.     Häufig  Zerfall   der  Kolonie   in  die  Individuen. 

Süsswasser.     Europa,  Aegypten,  N.-Amerika.     1  Art. 

?Mallomonas  Perty  (76)  1852,  Fresenius  (102),  Kent  (182). 

Synon.     ?  Chaetophlya   p.   p.   Ehrbg.   (32),    ?  Trichonema   hirsuta  p.  p.   From- 
mentel  (146). 
Sehr  unsichere   Gattung,   die   sich   nur  dadurch  von  den  freigewordenen  einzellebenden 
Individuen   der  Synura   unterschiede,   dass  sie  nur  1  Geissei  besitzt.     Stets  mit  ansehnlichem 

Broun,  Klassen  des  Tliier-Eeichs.    Piotozoa.  53 


834  Flagellata. 

Stachelkleid.  Stein  (167)  bezieht  daher  auch  Mallomonas  auf  isolirte  Individuen  der  Synura; 
da  jedoch  die  Beobachtungen  von  Perty,  Fresenius  und  Kent  tibereinstimmend  nur  1  Geissei 
angeben  und  ich  gleichfalls  eingcisselige  Formen  beobachtet  habe,  so  scheint  diese  Auffassung 
noch  etwas  fraglich,  obgleich  dieselbe  bei  der  sonstigen  üebereinstimmuug  gewiss  viel  für  sicli  hat. 
Süsswasser.     1  Art.     Europa. 

Syncrypta  Ehrbg.  (20)  1833  u.  32;  stein  (167). 
Synon.     ?  üvella  Fromentel  (146)  p.  p. 

T.  43,  Fig.  3. 

Unterscheidet  sieb  wesentlicb  nur  dadurch  von  Synura,  dass  die  Be- 
stacbelung-  der  Cuticularhülle  den  Eiuzelindividuen  fehlt  und  die  ent- 
sprechend gebaute  Kolonie  von  einer  körnigen  Gallerthülle  (Durchm. 
ca.  0,045)  umschlossen  wird,  aus  der  nur  die  Enden  der  Geissein  her- 
vorragen. 

Süsswasser.     Europa.     1  Art. 

Chlorodesmos  Phillips  1882  (198). 

Noch  etwas  unsicher ;  koloniebildend ;  scheint  sich  in  Bezug  auf  den  Bau  der  Einzel- 
wesen an  Synura  anzureihen ,  da  dieselben  mit  einer  dreieckigen  stachligen  Hülle  versehen 
sind.  Augenfleck  fehlt.  1  contractile  Vacuole  am  Hintereude.  Kolonie  durch  Aneinander- 
reihung der  Individuen  (bis  30)  zu  einer  Kette  gebildet;  die  Kolonien  zeigen  Bewegungs- 
erscheinungen ,  indem  die  Kette  sich  rhythmisch  verlängert  und  wieder  zusammenzieht  und 
ferner  die  benachbarten  Individuen  zuweilen  noch  zusammenklappende  Bewegungen  innerhalb 
der  Kette  ausführen. 

1  Art.     Süsswasser.    Europa. 

18.  Familie  Chlamydomonadina. 

Körpergestalt  ziemlich  verschieden,  kuglig  bis  langgestreckt  spindel- 
förmig. Vorderende  mit  2  oder  4  (selten  5)  Geissein.  Fast  stets  grün 
durch  ansehnliches  und,  wie  es  scheint,  gewöhnlich  einheitliches  Chroma- 
tophor.  Meist  zarte  Schalenhülle,  welche  dem  Körper  gewöhnlich  dicht 
aufliegt,  sich  jedoch  auch  sehr  weit  abzuheben  vermag,  seltener  dick- 
wandige Schale.  Grössere  Oeffnung  der  Schale  fehlt  meist.  1  —  2  con- 
tractile Vacuolen  an  der  Geisseibasis.  1  Augenfleck  gewöhnlich.  Ver- 
mehrung, soweit  verfolgt,  durch  fortgesetzte  Theilung  innerhalb  der  Schalen- 
hülle, während  des  freischwimmenden  Zustandes  oder  ruhend  nach  Ver- 
lust der  Geissein.  Meist  Makro-  und  Mikrogonidieubildung  und  häufig 
Copulation. 


a.  Unterfamilie  Chlamydomonadinae  s.  str. 

Ausgezeichnet  durch  stets  sehr  zarte  Schalenhülle,  die  keine  grössere 
Oeffnung,  sondern  nur  Poren  zum  Durchtritt  der  Geissein,  keine  Nei- 
gung zum  Zerfall  in  zwei  Klappen  besitzt. 

Hymenomonas  St.  1878. 

T.  44,  Fig.  5. 
Einzellebend   und    freischwimmend.     Gestalt   oval  bis  etwas  unregel- 
mässig   (L.    ca.   0,04   Mm.);    zwei   seitliche  gelbbraune   Chromatophoren- 
platten.  Eine  „weiche,  feingekerbte",  massig  dicke  Hülle  liegt  der  Körper- 
obertläche   dicht  und   allseitig   auf.     Zwei   contractile   Vacuolen   dicht  au 


üebersicht  des  Systems  (Ü.-O.  Isomastigodca).  835 

der  Geisseibasis  und  zwischen  ihnen  ein  heller  vacuolenaitlger  Raum,  der 
au  den  Behälter  der  Eiigleninen  erinnert.  Im  Hinterende  gewöhnlich  ein 
kugliger  gallertiger  Körper.     1  Art.     Süsswasser.     Europa. 

Die  Lage  der  contractilen  Vacuolen  im  Vorderende  gibt  dieser  Form 
nähere  Beziehungen  zu  den  Chlamydomonadina  als  zu  den  Chrysomona- 
dina,  zu  welchen  sie  Stein  ziehen  will. 
Chlorangium  Stein  1878  (167). 

Synon.     Colacium  Ehrbg.  (32)  p.p.,  Cienkowsky  (134),  Dinobryon  p.  p.  Duj.  (39) 

T.  44,  Fig.  2. 

Klein  spindelförmig  (L.  ca.  0,03  Mm.),  mit  sehr  zarter,  dicht  auf- 
liegender Schalenhülle.  Hinter  Geisseibasis  eine  contractile  Vacuole, 
längs  der  Körperseiten  2  chlorophyllgrüne  Chromatophorenbänder  (viel- 
leicht auch  nur  eines).  Augenfleck  fehlt.  Nucleus  central.  Zunächst  frei- 
schwimmend, hierauf  sich  mit  Vorderende  festheftend  und  unter  Verlust 
der  Geissein  einen  kurzen  Stiel  ausscheidend.  Vermehrung  in  diesem 
festsitzenden  Zustand  bis  zu  4  Sprösslingen,  welche  durch  Aufbrechen  der 
Hülle  frei  werden  und  ihrerseits  Stiele  ausscheiden,  so  dass  sich  buschige 
Kolonien  bilden.  Häufig  Loslösung  von  den  Stielen  und  Uebergang  in 
den  freischwimmenden  Zustand.  Mikrogonidienbildung  und  Encystirung 
beobachtet. 

Süsswasser.     Europa.     1  Art. 

Chlorogonium    Ehrbg.    1835    (21)    und  [32;    Weisse  (61),  Perty  (76), 
Schneider  (84),  Stein  (83  und  167),  KrassilstscMk  (196),  Klebs  (206). 
Synon.     Glenomorura  Ehrbg.  (32\  Dyas  Ehrbg.  (80). 

T.  44,  Fig.  1. 

Gestalt  spindelförmig  bis  langgestreckt  spindelförmig  (L.  bis  0,12  Mm.). 
Schalenhülle  sehr  zart  und  dicht  aufliegend.  Chromatophor  nicht  deut- 
lich erkannt,  wahrscheinlich  einheitlich.  Selten  auch  farblos.  Zahlreiche 
kleine  contractile  Vacuolen  über  den  gesammten  Körper  vertheilt.  Augen- 
fleck vorhanden.  Nucleus  central.  Vermehrung  im  freischwimmenden 
Zustand  durch  fortgesetzte  Quertheilung  in  der  Hülle  zu  wenigen  grösseren 
Makrogonidien  oder  sehr  zahlreichen  Mikrogonidien.  Letztere  copuliren 
und  bilden  Dauerzygote. 

Süsswasser.     Europa,  Aegypten  und  N.-Amerika.     1  Art. 

Polytoma  Ehrbg.  1838  (32),  Perty  (Hß),  Schneider  (84),  Dallinger  und 
Drysdale  (145),  Stein  (176),  Kent  (182),  Krassilstschik  (195  ii.  Hauptarbeit  in  Schriften  des 
neuruss.  Naturf.vereins  Bd.  VIII). 

Synon.     Monas  p.p.  0.  F.  Müller  (12),  Chlamydomonas  Cohn  (86),  Glenopolytouia 

Diesing  (121). 

T.  43,  Fig.  4—5. 
Grösse  massig,  Gestalt  rein  oval  oder  mit  zugespitztem  Hinterende. 
Schalenhülle  zart  und  meist  vom  Weichkörper  ganz  erfüllt.  Keine  Chro- 
raatophoren,  dagegen  fast  stets  zahlreiche  Amylumkörnchen.  Augenfleck 
zuweilen.  Zwei  contractile  Vacuolen  dicht  bei  der  Geisseibasis.  Nucleus 
in  hinterer  Körperhälfte.  Saprophyt.  Vermehrung  durch  fortgesetzte 
Theilung   zu  4 — 8   Sprösslingen   in  der  Hülle.     Hierauf  Freiwerden  der- 

53* 


836  Flagellata. 

selben.     Nach  gewisser  Zeit  Copulation  der  Sprösslinge  mit  Bildung  einer 
Dauerzygote. 

Süsswasser  und  Infusionen.     Europa.     Artzahl  2. 

Chlamydomonas  Ehrbg.  1833  (20)  u.  32,  a.  Biaun  (7ü),  Tluuet  ((5G). 

Perty  (76),  Colin  (86  u.  162j,  Fresenius  (102),  Cienkowsky  (118),  Reinhardt  (157),  Goroslianlän 

(154),  Schneider  (164).  Stein  (167). 

Synon.  Diselmis  Duj.  (26  u.  39),  Microglena  (monadina)  p.  p,  Ehrbg.  (32) 
Glenomonim  (aegyptiac.)  p.  p.  Sclimarda  (85),    Zygoselmis    angusta    u.    Allodorina 

Fromentel  (146). 

T.  43,  Fig.  6—8. 

Mittelgross  (L.  bis  0,045  Mm.);  Gestalt  kuglig,  oval  bis  nahezu 
cylindrisch.  Schalenhülle  zart,  dem  Körper  dicht  aufliegend.  Einfaches 
sehr  ansehnliches  Chromatophor,  das  theils  schalenartig  unter  der  Körper- 
oberfläche liegt,  oder  den  grössten  Theil  des  Körpers  einnimmt  und  nur 
vorn  eine  Aushöhlung  besitzt,  in  w^elcher  sich  die  Hauptmasse  des  un- 
gefärbten Körperplasmas  findet.  Kernlage  hiernach  verschieden.  Chro- 
matophor mit  1  bis  mehreren  kugligen,  selten  bandartig  gestreckten  Pyre- 
noiden.  Zwei  contractile  Vacuolen  dicht  hinter  der  Geisseibasis.  Gewöhnlich 
ein  rother  Augenfleck  in  der  vorderen  Körperhälfte. 

Vermehrung  durch  fortgesetzte  Theilung,  gewöhnlich  nach  Verlust  der 
Geissein.  Zu  Zeiten  Copulation  zwischen  Makro-  und  Mikrogonidien  und 
Bildung  von  Dauerzygote. 

Süsswasser  u. marin?  (Parona).  Europa,  Aegypten,  Ostindien.  Artz.  ca.  G. 

Haematococcus  Agardh  1828  (Icones  Algar.  europ.),   Dunal  (33), 

Flotow  (50),  Kostafinski  (148  u.   187),  Goroshaukin  (154). 

Synon.  ?  Volvox  lacustris  Girod  (13),  Monas  Joly  (34),  Disceraea  Morren  (40  u.  41), 
K.  Vogt  (48),  Chlamydococcus  A.  Braun  (70),  Stein  (167),  Protococcus  Cohn  (66), 
Chlamydomonas  p.  p.  Cienkowsky  (118),  Schneider  (164),  Zygoselmis  (leucoa)  Parona 
(Arch.  sc.  ph.  nat.  3.  3.  T.  X)  *). 

T.  43,  Fig.  9. 
Unterscheidet  sich  wesentlich  dadurch  von  der  vorhergehenden  Gat- 
tung, dass  sich  die  zarte  Schalenhülle  der  frei  beweglichen  gewöhnlichen 
Formen  weit  von  dem  Körper  abhebt**).  Gestalt  der  Hülle  theils  oval, 
theils  sogar  viereckig  bis  herzförmig.  Körper  daher  nur  noch  an  der 
Durchtrittsstelle  der  Geissein  durch  schnabelartigen  Fortsatz  an  die  Schale 
geheftet.  Grün  durch  einfaches,  wahrscheinlich  mantelartiges  Chromato-- 
phor,  das  ein  bis  mehrere  runde  Pyrenoide  enthält.  Augenfleck  fehlt.  Da- 
gegen häufig  theilweise  bis  totale  Rothfärbung  durch  Auftreten  von  Haemato- 


I 


*)  Bezüglich  weiterer  Synonymie  vergleiche  bei  Cohn  (66).  Cohn  (Jahresber.  der  schles. 
Ges.  für  vaterl.  Cultur  1881,  p.  318)  scheint  mit  Recht  anzunehmen,  dass  der  Volvox  lacustris 
von  Girod  wegen  seines  Vorkommens  in  Seen  nicht  mit  dem  Haematococcus  pluviaiis  Fl.  iden- 
ti:><:li  sein  könne.  Ich  habe  diese  Notiz  früher  übersehen  und  auf  Rostafinski's  Autorität  diese 
Identität  angenommen,  da  mir  das  Werk  von  Girod  nicht  zugänglich  war. 

**)  Eine  scharfe  Grenze  zwischen  Chlamydomonas  und  Haematococcus  scheint  sich 
wenigstens  zur  Zeit  niclit  zielien  zu  lassen.  Mit  Stein  möcht-e.ich  die  der  Schalenhülle  ent- 
nommenen Charaktere  für  die  zur  Unterscheidung  besten  halten.  Andre  Forscher,  wie 
A.  Braun .  Cohn ,  legten  mehr  Gewicht  auf  die  Zahl  der  Pyrenoide  und  beschränken  dalier 
Chlamydomonas  auf  die  Formen  mit  1  Pyrenoid,  während  sie  die  mit  mehreren  zu  Haemato- 
coccus ziehen. 


üebei'siclit  des  Systems  (Ü.-O.  Isoinasti.ujoda).  .837 

cln-oni.     Vermehrung  gewöhnlich   im  ruhenden  Zustand  durch  fortgesetzte 
Zweitheilung.     Mikrogonidienbildung.     Copulation  nicht  beobachtet. 

Siisswasser  und  Seewasser,  Schnee  des  Hochgebirges  und  der  Polar- 
regionen.    Europa  bis  Japan  (nach  Cohn).     Arten  zahl  3 — 4. 
Carteria  Diesing  1866  (121). 

Synon.     ?  Polysclmis  Duj.  (41),   Sporozoidic  Perty  (76,  T.  XI,  9),    Cryptogieiia 
Carter  (105),    Chlamydomonas  Fresenius  (102),   Eostafiiiski  (137).   Schneider  (104). 

T.  45,  Fig.  2. 
Zeigt  alle  wesentlichen  Charaktere  von  Chlamydomonas,  besitzt  jedoch 
4  Geissein.     Mikrogonidienbildung  und  Copulation  beobachtet. 
Siisswasser.     Europa  und  Ostindien.     1  Art. 

Spondylomorum  Ehrbg.  1848  (59),  Stein  (167). 

Synon.     Uvella  p.  p.  (Bodo)  Ehrbg.  (32),   Carter  (130),  Phacelomonas  Stein  (83). 

T.  45,  Fig.  4. 

Koloniebildend,  Einzelthiere  sehr  ähnlich  Carteria.  Die  Kolonien  be- 
stehen aus  16  gleich  gerichteten  Individuen,  die  in  4  alternirendeu  Kränzen 
von  je  4  Individuen  um  die  Längsaxe  der  Kolonie  zusammengestellt  sind. 
Der  Zusammenhang  der  Individuen  relativ  locker.  Fortpflanzung  durch 
ziemlich  gleichzeitigen  Zerfall  sämmtlicher  Kolonialindividuen  durch  suc- 
cessive  Theilung  in  neue  Kolonien,  die  sich  hierauf  aus  der  Schalenhülle 
ihrer  Mütter  befreien. 

1  Art.     Süss  Wasser.     Europa,  Ostindien. 

b.  Unterfamilie  Phacotina. 
Flagellatenkörper  entsprechend  den  Chlamydomonas-  oder  Haemato- 
coccusformen  gebaut,  von  fester  dicker  Schalenhülle  umkleidet,  welche 
der  Weichkörper  gewöhnlich  nur  zum  Theil  erfüllt.  Die  Schale  zeigt 
entweder  eine  Zusammensetzung  aus  zwei  hälftigen  Klappen  oder  doch 
eine  Neigung,  unter  gewissen  Umständen  in  die  beiden  Hälften  zu  zer- 
reissen. 

Coccomonas  Stein  1878  (167). 

Synon.     '?  Trachelomonas    (acuminata)    Schulz    (Beitr.    zur  Kenntniss  der   Infus. 
Nassau  (Jahrb.  d.  nass.  Ver.  f.  Naturk.  XI). 

T.  43,  Fig.  11. 

Im  Allgemeinen  sehr  ähnlich  Haematococcus,  jedoch  Schale  dick, 
fest  und  spröde  und  vorn  mit  einfacher,  kleiner,  rundtr  Oeffnung  zum 
Durchtritt  der  beiden  Geissein.  Schalengestalt  oval  bis  viereckig.  Frag- 
lich, ob  der  Weichkörper  noch  mit  einer  zweiten  dicht  aufliegenden  Hülle 
umkleidet  ist?  Vermehrung  durch  fortgesetzte  Theilung  in  der  Schale, 
welche  hierauf  in  zwei  Hälften  zerreisst  zum  Austritt  der  Sprösslinge. 

Süsswasser.     Europa.     1  Art. 

Phacotus  Perty  1852  (76),  Stein  (167). 

Synon.     Cryptomonas  p.  p.  Ehrbg.   (32),   Cryptoglena  p.  p.  Carter  (105  u.  106), 
Kent  p.  p. 

T.  44,  Fig.  3-4. 
Schale  linsen-  bis   mehr  herzförmig   (Durchm.   bei  Ph.   lenticul.   bis 


838-  Flagellata. 

0,02  Mm.)  aus  zwei  gleichen  Klappen  zusammengesetzt,  die  im  Aequator 
zusammengefügt,  jedoch  nicht  verwachsen  sind,  daher  können  dieselben 
sich  nach  dem  Tod  etc.  aus  ihrem  Zusammenhalt  lösen.  Schalenober- 
fläche sculpturirt.  Flagellat  füllt  die  Schale  gewöhnlich  nur  theilweise 
aus.  Vermehrung  durch  fortgesetzte  Theilung  innerhalb  der  Schale ;  Copu- 
lation  zwischen  Makro-  und  Mikrogonidien  beobachtet. 

Süsswasser.     Europa,  Aegypten  und  Ostindien.     2  Arten. 

Auliang-  zu  der  Familie  der  Chlamydomonadina. 
?  Tetratoma  n.  g.  Bütschli. 

Synoii.     Chlauiydomonasform  Archer  (142). 

Allgemeiner  Bau  ähnlich  Carteria,  doch  entspringen  die  vier  Geissein 
des  Vorderendes  nicht  aus  einem  Punkt,  sondern  aus  vier  weit  getrennten, 
von  welchen  jeder  farblos  ist.  Doch  scheint  Vorderende  nicht  etwa  ge- 
lappt zu  sein.  Elliptisch.  Ein  weit  nach  hinten  gerückter  Augenfleck. 
Zarte  SchalenhtiUe. 

Süsswasser.     Europa.     1  Art. 

Pyramimonas  Schmarda  1850  (65). 

Syuon.     Pyramidomonas  Stein  (167),  Chloraster  p.  13.  Kent  (182). 

T.  45,  Fig.  7. 

Klein  (L.  bis  0,037  Mm.),  Gestalt  umgekehrt  kegelförmig,  durch 
vier  Längsfurchen  vierrippig.  Vorderende  mit  vier  gleichlangen  Geissein. 
Grün.  Contractiie  Vacuole  an  der  Geisseibasis.  SchalenhtiUe  ?.  Ver- 
mehrung durch  Längstheilung.  Sehr  unvollständig  bekannt  und  spc- 
ciell  in  ihren  möglichen  Beziehungen  zur  folgenden  Gattung  unsicher. 

Süsswasser.     Europa.     1  Art. 

Chlor aster  Ehrbg.  1848  (59),  Stein  (167),  Kent  (182). 

T.  45,  Fig.  5-6. 

Klein  (L.  bis  0,035  Mm.),  Gestalt  spindelförmig  bis  umgekehrt  kegel- 
förmig, vierkantig  bis  vierlappig.  Grtin.  Schalenhülle  ?.  Vorderende  mit 
einer  mittleren  und  vier  kranzförmig  darum  stehenden  Geissein,  1  Augen- 
fleck vorn.     Nucleus  (?)  hinten.     Contractiie  Vacuole  '?. 

Süss-  und  Salzwasser.     Europa.     2  Arten. 

19.  Familie  Volvocina  Ehrbg.  emend. 

Koloniebildende  Phytomastigoda,  deren  Einzelindividuen  bezüglich 
ihres  Baues  im  Allgemeinen  zwischen  Chlamydoraonas  und  Haematococcus 
stehen  und  stets  nur  zweigeisselig  sind.  Zahl  der  zu  Kolonien  vereinigten 
Individuen  in  den  verschiedenen  Gattungen  sehr  verschieden,  ebenso  wie 
der  Aufbau  der  Kolonien.  Fortpflanzung  durch  fortgesetzte  Theilung 
sämmtlicher  oder  nur  gewisser  Individuen  der  Kolonie  zu  Tochterkolonien. 
Bei  einigen  (wahrscheinlich  wohl  allen)  tritt  zeitweilig  Copulation  der 
Individuen  bestimmter  geschlechtlicher  Kolonien  auf,  ohne  oder  mit  Diff'e- 
renzirung  der  Kolonien    und  Gameten   in  männliche   und  weibliche.     Das 


ücbcrsicht  tlcs  Systems  (Ü.-O.  [soiiiastig'oda).  83i* 

Kosultat  der   Copulation   ist  eine  ruhende   Zygote,   welche  sich  später  zu 
einer  oder  mehreren  neuen  Kolonien  entwickelt. 

Gonium  0.  F.  Müller  1773  (6,  11)  emend.,  Ehrbg-.  (32),  Turpiu  (15), 

Dujard.  (39),  Perty  (76),  Cohn  (86)  u.  (162),   Warmiiig  (156),   Goroshankiii  (154),  Stein  (167). 

Syuon.  Volvox  j).  p.  Schrank  (8),  Pectoralina  Bory  de  Vincent  1824  (Encycl. 
incthod.),  Cryptomonas  (Tetrabaena)  Dujard.  (39),  Gleno.nonium  Dies.  (121). 

T.  44,  Fig.  9. 

Kolonien  aus  4  oder  16,  zu  einer  quadratischen  tafelförmigen  Gruppe 
(Seitenlange  bis  0,09  Mm.)  zusammengestellten,  gleichgerichteten  Individuen 
bestehend.  Die  Geissein  daher  sämmtlich  auf  einer  Seite  der  Tafel  Mit 
oder  ohne  eine  gallertige  Mantelhülle  der  Kolonien.  Fortpflanzung  durch 
gleichzeitigen  Zerfall  sämmtlicher  Kolonialindividuen  zu  Tochterkolonien- 
Geschlechtliche  Fortpflanzung  noch  nicht  sichergestellt.  Dauerzustände 
der  Einzelindividuen  beobachtet;  zuweilen  auch  Auflösung  der  Kolonien 
in  die  Einzelindividuen. 

2  Arten.     Süsswasser.     Europa,  Nord- Amerika,  Nord-Afrika. 

Stephanosphaera   Cohn  1853  (81),  Cohn  und  Wichura  (101). 

Synon.     Stephonoma  Werneck  (38). 

Kolonien  aus  8  Individuen  bestehend,  die  zu  einem  Ring  zusammen- 
geordnet sind.  Dieser  wird  von  ansehnlicher  kugliger  Kolonialhülle 
(Durchm.  =  0,03 — 0,06  Mm.)  umschlossen,  so  dass  er  den  Aequator  der- 
selben bezeichnet.  Die  Geissein  der  Individuen  treten  in  diesem  Aequator 
hervor.  Gewöhnliche  Vermehrung  wie  bei  Gonium.  Dauerzustände  beob- 
achtet. Zuweilen  Mikrogouidienbildung  und  in  deren  Gefolge  vielleicht 
Copulation.  Die  Mikrogonidien  zerstreuen  sich  und  gehen  schliesslich  in 
Dauerzustände  über. 

1  Art.   Süsswasser,  meist  in  Regenlachen.    Deutschland  und  Lappland. 

Pandorina  (Bory  de  Vincent  1824,  Encyclop.  method.),  Ehrbg. 
1838  (32),  Perty  (76),  Focke  (58),  Henfrey  p.  p.  (93),  Pringsheim  (127), 
Fromentel  (146),  Stein  (167). 

Synon.  Volvox  0.  F.  Müller  p.  p.  (12),  dto.  Schrank  p.  p.  (14),  Synaphia  Perty 
(76),  Dijjlodorina  Fromentel  (146),  dto.  Parona  (Arch.  sc.  phys.  et  natur.  Bibl. 
univers.  3.  s.  T.  X). 

T.  44,  Fig.  8. 

Kolonien  kuglig  bis  oval  (Durchm.  =  0,06 — 0,09  Mm.),  aus  meist 
16  (seltner  32)  Individuen  zusammengesetzt,  die  zu  einer  kugligen  Gruppe, 
ähnlich  Synura,  um  ein  Centrum,  sich  dicht  berührend  vereinigt  sind. 
Jedes  Individuum  besitzt  eine  besondere  Schalenhaut  und  ausserdem  findet 
sich  eine  gemeinsame,  mehr  oder  weniger  dicke,  bis  ziemlich  starke  und 
dann  geschichtete  Mantelhülle.  Fortpflanzung  in  gewöhnlicher  Weise. 
Zu  gewissen  Zeiten  Erzeugung  geschlechtlicher  Kolonien ,  die  sich  von 
den  gewöhnlichen  nur  wenig  unterscheiden  und  deren  Individuen  nach 
ihrer  Zerstreuung  zur  Copulation  schreiten.    Geschlechtliche  Differenz  der 


840  Flagellata. 

Gameten  kaum  angedeutet.     Aus  der  ruhenden  Zygote  gehen  1  bis  meh- 
rere neue  Kolonien  hervor. 

1  sichere  Art.  Siisswasser.  Europa,  Nord-Amerika,  Ostindien  und 
Nord-Afrika. 

Eudorina  Ehrbg.  1831  (19)  und  (32),  Carter  (105),  Pringsheim 
(127),  Goroshankin  (154),  Bütschli  (171),  Stein  (167). 

Syiion.     Volvox  p.  p.  0.  F.  Müller  (12),  Pandorina  Henfrey  p.  p.  (93). 

Kolonien  kuglig  bis  oval  (Durchm.  =  0,1—0,15  Mm.),  gewöhnlieh 
aus  32,  seltner  nur  aus  16  kugligen  bis  ovalen  beschälten  Individuen 
zusammengesetzt,  die  sich  in  regelmässigen  und  ziemlich  weiten  Abständen 
von  einander  auf  der  Innenfläche  der  massig  dicken  Kolonialhülle  ver- 
theilen  und  nicht  bis  ins  Centrum  der  Kolonie  reichen.  Gewöhnliche 
Fortpflanzung  in  bekannter  Weise.  Zuweilen  Auftreten  weiblicher  und 
männlicher  Kolonien ,  von  welchen  die  ersteren  den  gewöhnlichen  ent- 
sprechend gebaut  sind,  die  letzteren  dagegen  durch  successive  Theilung 
ihrer  Zellen  Spermatozoenplatten  erzeugen,  welche  die  ovoiden  Gameten 
befruchten.  Aus  der  ruhenden  Zygote,  dem  befruchteten  Ei,  geht  eine 
neue  Kolonie  hervor. 

1  sichere  Art.     Siisswasser.     Europa  und  Ostindien. 

Volvox  (L.  1788)  emend.  Ehrbg.  (32),  Focke  (58),  Perty  (TG),  Laurent 
(62),  Williamson  (71  u.  78),  Busk  (77),  Colin  (91  u.  147),  Carter  (106),  Kirchner  (177), 
Goroshankin  (154),  Stein  (167\ 

Synon.    Sphaerosira  Ehrbg.  (32),  dto.  Perty  etc. 

T.  45,  Fig.  2;  T.  46,  Fig.  1. 

Kolonien  kuglig  und  gross  (zwischen  0,2—0,7  Mm.).  Zahl  der  sie 
zusammensetzenden  Zellen  gross  bis  sehr  gross  (bis  12,000).  Dieselben 
vertheilen  sich  ähnlich  wie  bei  Eudorina  in  gleichen  Abständen  auf  der 
Innenfläche  der  gemeinsamen,  massig  dicken  Kolonialhtille  und  liegen  in 
weitabstehenden  besonderen  Schalenhüllen ,  die  sich  gegenseitig  zu  hexa- 
gonalen  Umrissen  comprimiren  und  mit  denen  der  benachbarten  Zellen 
verwachsen.  Alle  Zellen  der  Kolonie  stehen  durch  plasmatische  Ver- 
bindungsfäden in  directem  Zusammenhang.  Die  gewöhnliche  Fortpflanzung 
ist  auf  gewisse  Zellen,  die  sogen.  Parthenogonidien ,  beschränkt,  welche 
durch  fortgesetzte  Theilung  Tochterkolonien  erzeugen,  die  schliesslich  aus 
der  Mutter  hervorbrechen.  Die  geschlechtliche  Fortpflanzung  geschieht 
durch  besondere,  zu  gewissen  Zeiten  entstehende  Geschlechtskolonien, 
welche,  je  nach  den  Arten  entweder  getrennt  geschlechtlich  oder  herma- 
phroditisch sind.  Die  weiblichen  Kolonien  und  die  hermaphroditischen 
entwickeln  eine  Anzahl  Eizellen,  homolog  den  Parthenogonidien;  die 
männlichen  dagegen  und  ebenso  die  hermaphroditischen  eine  Anzahl 
SpermatozoenbUndel.  Aus  dem  befruchteten  Ei,  der  ruhenden  Zygote, 
geht  nur  ein  einziger  junger  Volvox  hervor. 

3  Arten.     Siisswasser.     Europa,  Ostindien,  Nord-Amerika. 


Ueljeraicht  dua  Syatcuis  (U.-O.  Isomastigoda).  ^41 

20.  Familie  Tetramitina  Bütsclili  (non  Kent). 

Kleine  monaxone,  zweistrahlige  oder  etwas  asymmetrische  Formen 
von  meist  länglicher  Gestalt  und  mit  fein  zugespitztem  Schwänzende.  Nackt 
und  daher  zuweilen  auch  etwas  amöboid.  Vorderende  entweder  mit  vier 
gleichen  Geissein  oder  von  diesen  eine  beträchtlich  länger  und  nach 
hinten  gerichtet;  selten  statt  dieser  binteren  Geissei  ein  undulirender 
Saum.  Nucleus  dicht  hinter  der  Geisseibasis.  Ernährung  wohl  durchaus 
animalisch,  doch  deutliche  Mundstelle  nur  selten  nachgewiesen. 
Collodictyon  Carter  1865  (17b). 

Syiion.     Tetramitus  p.  p.  (sulcatus)  Stein  (167). 

T.  45,  Fig.  3. 

Massig  gross  (L.  bis  0,035  Mm.),  Gestalt  vorn  etwas  verbreitert  und 
quer  abgestutzt,  nach  hinten  wenig  verschmälert  und  abgerundet.  Wahr- 
scheinlich etwas  abgeplattet;  über  die  eine  Fläche  zieht  eine  breite 
Längsfurche  hinab.  Vordereude  mit  vier  gleich  langen  aus  einem  Punkt 
entspringenden  Geissein  (Carter  gibt  nur  drei  an).  Nucleus  und  con- 
tractile  Vacuole  im  Vorderende.  Nahrungsaufnahme  sicher.  Vermehrung 
durch  Längstheilung. 

Süsswasser.     Europa  und  Ostindien.     1  Art. 
Tetramitus  Perty  1852  (76),  Stein  (167)  p.  p.,  Kent  (182). 

Synon.  ?  Chilomonas  (Volvox)  Ehrbg.  (32) ,  Pyramimonas  Bütschli  (171),  Caly- 
cine  Monad  Dallinger  und  Drysdale  (145). 

T.  45,  Fig.  13. 
Klein  (L.  bis  0,046  Mm.),  nackt,  farblos.  Gestalt  etwa  oval  mit 
hinterer  zugespitzter  schwanzartiger  Verlängerung.  Vorderende  quer  ab- 
gestutzt und  mit  peristomartiger,  an  Chilomonas  erinnernder  Aushöhlung 
oder  mit  schiefer  bis  etwa  zur  Körpermitte  nach  hinten  ziehender  Ab- 
stutzung. Vorderende  mit  vier  ziemlich  gleichlangen,  aus  einem  Punkt 
entspringenden  Geissein.  Nucleus  im  Vorderende,  contractile  Vacuolen 
gleichfalls;  Nahrungsaufnahme  sicher,  Mundstelle  ?.  Vermehrung  durch 
Längstheilung.     Sporulation  ?  (Dallinger  und  Drysdale). 

Süsswasser  und  marin  (Bütschli).     Europa.     2  Arten. 

Monocercomonas   Grassi  1882   (siehe  auch  Künstler  182   und 
Compt.  rend.  October  1883). 

Synon.  ?  Cercomonas  (hominis)  Dapainc  (88)  und  andere  Autoren,  'PCercomonas 
(colubrorum)  Hammerschuiidt  (47),  Trichomonas  (intestinalis)  Leuckart  (Parasiten 
des  Menschen),  Schedoacercomonas  Grassi  1879,  Bodo  p.  p.  Kent  (182),  Protomyxo- 
myces  Cunningham  (183). 

Klein  (L.  bis  0,015  Mm.).  Gestalt  und  Bau  sehr  ähnlich  Tetramitus, 
von  dem  sie  sich  wesentlich  nur  dadurch  unterscheidet,  dass  ein  Peristom 
nicht  ausgebildet,  sondern  das  Vorderende  einfach  abgerundet  ist.  Bei 
einigen  Formen  wurde  jedoch  eine  Einkerbung  dicht  neben  der  Geissei- 
basis beobachtet,  welche  vielleicht  auf  eine  hiergelegene  Mundöflfnung 
hindeutet.    Zugespitzter  Schwanz  wie  bei  Trichomonas  und  Trichomastix, 


842  Flagellata. 

von  welch  letzterer  sich  die  hiehergehörigen  Formen  nur  dadurch  unter- 
scheiden, dass  die  vier  Geissein  gleich  lang  sind  (die  Angaben  der  Beob- 
achter über  die  Zahl  der  Geissein  lauten  jedoch  etwas  schwankend 
zwischen  1^ — 4,  doch  scheint  alles  darauf  hinzuweisen,  dass  die  Vierzahl 
auch  hier  die  normale  ist).  Nucleus  dicht  hinter  Geisseibasis  wie  bei 
den  Verwandten  gewöhnlich.  Contractile  Vacuole?  Nahrungsaufnahme 
wahrscheinlich.  Zuweilen  amöboid  werdend  und  wahrscheinlich  zuweilen 
unter  Geisselverlust  in  ganz  sarkodinenartigen  Zustand  übergehend. 

Parasitisch.  Mehrere,  sehr  wenig  verschiedene  Arten.  Darm  des 
Menschen  (bei  Diarrhoen),  der  Reptilien  (Lacerta  [Künstler],  Coronella 
[GrassiJ,  ?  Tropidonotus  [Hammerschmidt]),  verschiedener  Insecten  (Larven 
von  Gryllotalpa  [Grassi] ,  Melolontha  [Grassi  und  Künstler] ,  Hydrophilus 
[Künstler]). 

Trichomonas  Donue  1837  (22),  Dujardin  (39),  Perty  (76),  Scanzoni  und 
Koelliker  (89a— b),  Hausmann  (131),  Hennig  (133),  Stein  (167),  Kent  (182),  Grassi  (193), 
Blochmann  (Z.  f.  wiss.  Zoologie  40),  Künstler  (ComiJt.  rend.  Ac.  sc.  1883,  1,  October). 

Synon.     Cimaenomonas  Grassi  (193). 

T.  46,  IIa  und  c. 

Klein  (L.  bis  0,04),  farblos,  nackt,  Gestalt  ziemlich  breit  spindel- 
förmig, Hinterende  gewöhnlich  in  stachelartigen  zugespitzten  Schwanz- 
fortsatz ausgezogen.  Auch  das  Vorderende  meist  etwas  zugespitzt.  Am 
Vorderende  3  gleichlange  massige  Geissein  und  von  deren  Basis  aus  zieht 
ein  undulirender  Saum  verschieden  weit  über  die  Bauchseite  nach  hinten, 
um  sich  zuweilen  in  ein  freies  Flagellum  fortzusetzen.  Ueber  die  Rück- 
seite zieht  z.  Th.  ein  zarter  Kiel  hin.  Nucleus  dicht  hinter  der  Geissei- 
basis; contractile  Vacule  wahrscheinlich  fehlend.     Nahrungsaufnahme? 

Parasitisch.  Darm  der  anuren  Amphibien,  wahrscheinlich  auch  im 
Darm  der  Mäuse,  Ratten,  Katzen,  Cavia  cobaja  und  Enten  (Grassi),  Darm 
von  Limax.     Scheide  der  Frauen.     Ca.  3  Arten. 

Trichomastix  Blochmann  (Zeitschr.  f.  wiss.  Zoologie  40). 

T.  46,  Fig.  IIb. 
Unterscheidet    sich    wesentlich   dadurch   von   Trichomonas,    dass   an 
Stelle   des  undulirenden  Saumes  eine  ansehnlich  lange  freie  Geissei  tritt. 
Parasitisch.     Europa.     Darm  von  Lacerta. 

Hielier  gehört  vielleicht  auch  die  von  Grassi  (193)  unter  dem  Namen  Heteromita  Caviae 
aus  dem  Darm  von  Cavia  beschriebene  Flagellate. 

21.  Familie  Polymastigina. 

Kleine  farblose  Formen  von  zweistrahligem  oder  bilateralem  Bau. 
Gestalt  etwa  oval  mit  breiterem  oder  zugespitztem  Hinterende,  das  sich 
bei  den  typischen  Formen  in  zwei  Geisselu  fortsetzt.  Am  Vorderende 
oder  den  Seiten  des  Körpers  jederseits  zwei  bis  drei  Geissein  von 
gleicher  Beschaffenheit.  Ernährung  animalisch  oder  vielleicht  zum  Theil 
saprophy tisch,  doch  noch  wenig  festgestellt. 


Uebersiclit  des  Systeuiä  (U.-D.  Isoinastigodn).  843 

Hexamitus  Dujardin   1838   (28)  und  39;   Btuschli  (171),  Stein  (167), 

Kent  (1S2),  Certes  (189). 

Syiiou.     ?  Chaetomonas  (consfr.)  Ehbg.  (32);  Heteromita  piisilla  Perty  (76),  Am- 
phimonas  Diesing  (121)  p.  p.,  ?  Künstler  (192)  No.  3.     Dicercomonas  Grassi  (193). 

T.  46,  Fig.  2. 
Klein  (L.  bis  0,03  Mm.),  farblos ;  nackt  und  bäiifig  ziemlich  metabolisch 
bis  nahezu  amöboid.  Gestalt  oval  bis  länglich ;  Vorderende  abgerundet 
oder  zugespitzt,  trägt  jederseits  zwei  dicht  zusammenstehende,  gleichlauge, 
ansehnliche  Geissein.  Hinterende  quer  abgestutzt  oder  schwanzartig  aus- 
gezogen, trägt  zwei  lange  Geissein,  die  gewöhnlich  nachgeschleppt  werden 
und  häufig  zu  vorübergehender  Befestigung  dienen.  Nucleus  im  Vorder- 
ende. Contractile  Vacuole  am  Hinterende  sich  contrahirend.  Nahrungs- 
aufnahme am  Vorderende.     Vermehrung  durch  Längstheilung. 

Süss  Wasser,  Infusionen  und  parasitisch  (Darm  von  Fröschen  und 
Tritonen,  sowie  der  Auster).     Europa.     Artenzahl  ca.  3. 

MegaStoma  Grassi  1881  und  1882  (193). 

Synon.     Cercomonas    (intestinalis)    Lainbl  (108  u.  109),    Dimorphus  Grassi  (1879, 
Gazz.  med.  ital.  Louib.). 

T.  46,  Fig.  3. 

Aehnlich  Hexamitus.  Gestalt  entschieden  bilateral,  mit  hinterem 
Schwanzanhang,  der  sich  in  zwei  Geissein  verlängert  (L.  bis  0,01  Mm.). 
Vorderhälfte  der  Bauchseite  schief  abgestutzt  bis  ausgehöhlt,  ähnlich  ge- 
wissen Tetramitus.  Cuticula?  Auf  hinterer  Hälfte  der  Bauchseite  ein 
zarter  Kiel.  Jederseits  in  Mittelregion  des  Körpers  entspringen  mehrere 
(wahrscheinlich  3)  Geissein.     Nucleus  und  contractile  Vacuole? 

Parasitisch.  Dünndarm  verschiedener  Mäuse,  der  Katze  und  des 
Menschen. 

?  Polymastix  n.  g.  Bütschli. 

Synon.  Trichomonas  Grassi  (193),  s.  auch  Künstler  (192). 
Klein  (L.  bis  0,014  Mm.),  oval,  mit  zugespitztem  oder  zwei-  bis  dreilappigem  Schwanz- 
ende. Das  abgerundete  Vorderende  mit  4  (Grassi)  oder  6  (Künstler)  ansehnlichen  und  gleichen 
Geissein.  Auf  der  Körperoberliäche  bemerkt  man  eine  verschiedene  Anzahl  dunkler  und  ver- 
schieden langer  Striche,  die  Grassi  für  trichocystenartige  Gebilde  zu  halten  geneigt  ist,  während 
sie  Künstler  für  Eippen  der  Oberfläche  erklärt.  Bei  gewissen  Individuen  finden  sich  weiter- 
hin eine  verschiedene  Zahl  geisselartiger  Fäden  in  verschiedener  Anordnung  auf  dem  ge- 
sammten  Körper  vertheilt,  die  nach  Künstler  eine  zitternde  Bewegung  besitzen  sollen,  während 
sie  Grassi  mit  den  trichocystenartigen  Gebilden  in  Zusammenhang  zu  bringen  sucht.  Künstler 
dagegen  ist  zweifelhaft,  ob  sie  nicht  etwa  nur  fremde,  dem  Körper  zufällig  anhaftende  Ge- 
bilde sind.  MundöfFnung  nach  K.  dicht  hinter  der  Geisseibasis.  Nucleus  im  vorderen  Körper- 
ende. Contractile  Vacuole?  Vermehrung  durch  Quertheilung  wahrscheinlich.  1  Art.  Darm 
der  Larve  von  Melolontha  vulgaris,  sehr  häufig. 

22.  Familie  Trepomonadina  Kent. 

Farblose,  kleine  Formen,  hauptsächlich  dadurch  ausgezeichnet,  dass 
die  beiden  nach  vorn  gerichteten  Geissein  weit  von  einander  getrennt  an 
den  Seiten  des  Körpers  entspringen.  Siehe  die  Characteristik  der 
einzigen  Gattung. 


844  Flagellata. 

Treponionas    Dujardiu   (39),   Perty  (TO),    Fromeutel  (146),    Biitschli  (171), 
Stein  (167),  Kent  (182). 

Synon.     ?  Gonium  (corrugat.)  p.  p.  0.  F.  Müller  (12),   Grymaea  Fresenius  (102). 
T.  45,  B^ig.  14;  T.  46,  Fig.  1. 

Klein,  nackt,  farblos  (L.  bis  0,03  Mm.).  Gestalt  etwa  umgekehrt 
kegelförmig,  Hinterende  viel  dicker  wie  das  Vorderende.  Parallel  der 
Längsaxe  abgeplattet.  Die  beiden  Seitenkanten  der  hinteren  Körperhälfte 
in  nach  hinten  sich  erhöhende  Flügel  ausgewachsen,  welche  nach  ent- 
gegengesetzten Seiten  gekrümmt  sind,  so  dass  die  Gesammtgestalt  etwa 
einer  Schiffsschraube  ähnlich  sieht.  Vom  Vorderende  jedes  Seitenflügels 
entspringt  eine  nach  vorn  gerichtete  Geissei*).  Nucleus  im  Vorderende, 
contractile  Vacuole  im  Hinterende  contrahirt.  Vermehrung  durch  Längs- 
theilung.    Nahrungsaufnahme  sicher. 

Süsswasser  und  Infusionen.     Europa.     1  Art. 

23.  Familie  Cryptomonadina. 

Gefärbte  oder  ungefärbte  zweiseitige  bis  asymmetrische  Formen  von 
Mittelgrösse.  Ohne  eigentliche  Cuticula.  Meist  seitlich  comprimirt. 
2  massig  lange  Geissein  des  Vorderendes,  dasselbe  mehr  oder  weniger 
schief  abgestutzt,  gewöhnlich  mit  peristomartiger  Einsenkung,  die  sich 
auf  der  linke  Seite  weiter  nach  hinten  hinabzieht  und  entweder  in  einen 
Schlund  führt  oder  dieser  fehlend,  Theils  thierische  Ernährung,  theils 
hob-,  theils  saprophytisch. 

Cyathomonas  Fromentel  1874  (146)  emend.,  Kent  (182). 

Synon.     '?  Monas   (urceol.)    Perty  (76),    Monas  (truncata)  Fresenius  (102),    Spu- 
uiella  (?)  Bütsclili  (171)  p.  p.  Goniomonas  St.  (167). 

T.  45,  Fig.  8. 

Klein  (L.  bis  0,023  Mm.),  farblos.  Gestalt  oval  mit  schief  abge- 
stutztem Vorderende,  sehr  abgeplattet.  Zwei  ziemlich  gleichlange  Geissein 
an  der  vorderen  Körperspitze;  Nucleus  an  der  längeren  Körperseite; 
ncotractile  Vacuole  gegenüber  im  Vorderende.  Eine  Reihe  stark  licht- 
brechender Körnchen  dicht  bei  und  parallel  dem  vorderen  Körperrand. 
Vermehrung  durch  Längstheilung. 

Infusionen.     Europa.     1.  Art. 

Chilomonas  Ehrenberg  1831  (19)  und  32,  Dujardiu  (39),  Perty  (76), 

Schneider  (84),  Bütscbli  (171),  Kent  (182),  Künstler  (190). 

Synon.     '?  Cyclidium   (nigi-ic.)   0.  F.  Müller  (12)  p.  p.,  Plagiomastix  Dies.  (121) 
p.  p.,  Zygoselmis  (nebulosa)  Fromentel  p.  p.  (146). 

T.  45,  Fig.  9. 

Gestalt  etwa  oval  (L.  bis  0,03  Mm.),  von  der  Seite  etwas  comprimirt ; 
Vorderende  schief  abgestutzt  und  peristomartig  ausgehöhlt.  An  der 
höheren  rechten  Lippe  der  Peristomaushöhlung  befestigen  sich  innen  die 


*)  Stein  zeichnet  zuweilen  noch  je  eine  weitere,  am  Hinterende  jedes  Flügels. 


üebersicht  des  Systems  (U.-O.  Isomastigoda).  845 

beiden  massig  langen  und  gleichen  Geissein.  Das  Peristom  führt  in  den 
Mund,  der  in  einen  röhrigen,  nach  hinten  etwa  bis  zur  Körpermitte  hin- 
absteigenden Schlund  überführt.  1  contractile  Vacuole  in  vorderer 
Körperspitze  dorsalwärts,  Kern  im  hinteren  Körperdrittel.  Chromato- 
phoren  fehlend,  dagegen  gewöhnlich  zahlreiche  Amykimkörner  dicht  unter 
der  Körperoberfläche.     Saprophyt. 

Infusionen  und  marin?  (Parona).     Europa.     1 — 2  Arten. 

Cryptomonas   Ehbg.    1831    (19),   Perty  (76),  Fresenius  (119),  Cicnkowsky 
(134),  Strasbiirger  (170),  Stein  (167),  Kent  (182),  Künstler  (190). 

Synon.     Chilomonas  Bütschli  (171)  p.  p.,  Kent  p.  p.  (182). 

T.  45,  Fig.  10—11. 

Unterscheidet  sich  von  der  vorhergehenden  Gattung  vi^esentlich  nur 
durch  Vorhandensein  zweier,  die  Seitenflächen  einnehmender,  brauner  bis 
grüner  Chromatophorenplatten.  Daher  lässt  sich  sogar  die  generische 
Trennung  von  Chilomonas  in  Frage  ziehen.     Holophyt. 

Süss-  und  Seewasser.     Europa  und  Aegypten.     1 — 2  Arten. 

Sehr  ähnlicli  Cryptomonas  (nicht  jedoch  Chromulina,  wie  Brandt  meint)  sclieinen  auch 
die  im  Meeresauftrieb  der  Bucht  von  Neapel  häufigen  zweigeisseligen  Schwärmzellen  zu  sein, 
welche  Brandt*)  geneigt  ist,  für  die  beweglichen  Zustände  der  sogenannten  gelljen  Zellen,  der 
bei  den  Kadiolarien  (p.  456)  besprochnen  Zooxanthellen  zu  halten.  Sollte  sich  diese  inte- 
ressante Beobachtung  bestätigen,  so  würde  sich  hieraus  ergeben,  dass  parasitische  Flagellaten 
eine  sehr  wichtige  EoUe  bei  den  verschiedensten  Meeresthieren  spielen,  denn  die  neuerdings 
sehr  erweiterten  Beobachtungen  haben  das  Vorkommen  solcher  Zooxanthellen  in  früher  un- 
geahnter Verbreitung  dargelegt. 

Aus  Brandt's  Mittheilung  entnehme  ich  weiterhin,  dass  auch  die  von  Cienkowsky**)  vor 
einiger  Zeit  beschriebne  neue  Flagellaten  form  Exuviaella  marina,  welche  er  im  weissen 
wie  schwarzen  Meer  häufig  beobachtete,  der  von  Brandt  beobachteten  Form  sehr  ähnlich  ist. 
Leider  hatte  ich  keine  Gelegenheit  die  Cienkowsky'sche  Arbeit  selbst  zu  sehen  und  bin  daher 
auch  ausser  Stand,  die  darin  noch  weiter  beschriebenen  zwei  neuen  marinen  Gattungen 
Daphnidium  und  Multicilia  im  System  aufzuführen. 

Oxyrrhis   Dujardin   1841   (39),   Kent  (182),    Blochmann   (Zeitschr.   f.   wiss. 
Zoologie  40). 

Synon.     Glyphidium  Fresenius  (119),  Cohn  (122). 

T.  45,  Fig.  12. 
Mittelgross  (L.  bis  0,03  Mm.);  Gestalt  etwa  oval,  Hinterende  abge- 
rundet; Vorderende  in  einen  rückenständigen,  etwas  zugespitzten  Fortsalz 
verlängert;  an  der  Basis  desselben  linksseitig  eine  ziemlich  weit  nach, 
hinten  ausgedehnte  Grube,  an  deren  dorsalem  Rand,  und  zwar  an  einem 
zahnartigen  Vorsprung  die  beiden  ziemlich  gleich  langeh  Geissein  ent- 
springen. In  der  Ruhelage  biegen  sich  die  Geissein  nach  hinten  durch 
die  Grube  zurück  und  treten  vorn  aus  derselben  wieder  hervor.    Nucleus 


*)  üeber  die  morph.  und  physiol.  Bedeutung  des  Chlorophylls    bei  Thiercn.     Mittheil, 
der  zoolog.  Station  zu  Neapel.  4.  Bd.  p.  192. 

**)  Bericht  über  die  Excursion   nach   dem  weissen  Meer.     Arbeit,   der  Petcrsb.  Naturf. 
Gesellsch.  12.  Bd.  1881. 


846  Flagellata. 

etwa    in    der    Körpermitte;    contractile   Vacuole    walirscheinlich    fehlend. 
Bewegung    stets  mit   dem   Hinterende    voran.     Mundstelle  an  der  Geissei- 
basis.    Nahrungsaufnahme  sicher.     Vermehrung  durch  Quertheilung. 
Marin.     1  Art. 


8.  Physiolo«1sch  -  Biologisches. 

A.  Bewegungsersclieiüungen. 

Die  bei  den  Flagellaten  zu  beobachtenden  Bewegungsvorgänge  sind 
dreierlei  Art :  1)  die  amöboide  Bewegung,  2)  die  Bewegung  durch  Geissein, 
3)  die  Contractionsbewegungen  des  Körpers  oder  die  Metabolie,  an 
welche  sich  auch  diejenigen  Fälle  anscbliessen,  wo  die  Contractions- 
erscheinungeu  nur  auf  gewisse  Körpertheile  oder  Regionen  beschränkt 
sind  und  4)  Strömungsbewegungen  des  Körperplasmas.  Wie  wir  aus 
Früherem  schon  zur  Genüge  wissen,  treten  diese  Bewegungsformen 
nicht  selten  bei  einer  und  derselben  Flagellate  combinirt  oder  ab- 
wechselnd auf,  wie  dies  ja  auch  schon  daraus  hervorgeht,  dass  die 
Geisseibewegung  sämmtlichen  in  gewissen  Lebensepochen  eigen  ist  und, 
wie  wir  früher  schon  betont  haben,  gerade  die  Hauptepoche  des  Lebens  be- 
zeichnet. Sebr  zahlreiche  Formen  zeigen  ausser  der  Geisseibewegung  keine 
andere,  während  nicht  wenige  der  einfacheren  auch  dauernd  oder  doch 
zu  gewissen  Zeiten  amöboid  beweglich  sind.  Da  diese  Fälle  schon 
(p.  659  ff.)  etwas  genauer  besprochen  wurden  und  die  allgemeine  Natur 
dieser  Bewegungsvorgänge  ja  aus  früheren  Abschnitten  hinreichend  be- 
kannt ist,  brauchen  wir  sie  an  dieser  Stelle  nicht  nochmals  zu  er- 
läutern. Zahlreiche  Euglenoidiuen,  speciell  die  Eugleninen,  sowie 
ein  Theil  der  Astasiineu  und  Menoidinen,  endlich  die  beiden  zu  den 
Monadinen  gehörigen  Gattungen  Bicosoeca  und  Dinobryou  besitzen  neben 
der  Geisseibewegung  noch  das  Vermögen  contractiver  Gestaltsverände- 
rungen, welche,  wenn  hinreichend  energisch,  auch  einen  Ortswechsel  her- 
vorrufen können,  der  sich  dann  gewöhnlich  in  kriechender  Weise  vollzieht. 

Da  diese  Formen  auch  häufig  ihre  Geissein  abwerfen,  so  begeg- 
net man  ihnen  zeitweise  ausschliesslich  in  solcher  Bewegung. 

1)  Contractionsbewegung  des  Körpers  oder  sog.  Metabolie. 
Aus  der  schon  oben  angedeuteten  Verbreitung  dieser  Bewegungsform 
ergibt  sich,  dass  dieselbe  in  besonderer  Entwicklung  denjenigen  Fla- 
gellaten zukommt,  welche  eine  deutliche  Cuticula  besitzen  oder  bei 
welchen  das  Vorhandensein  einer  solchen  doch  sehr  wahrschein- 
lich, wenn  auch  zur  Zeit  noch  nicht  erwiesen  ist.  Wir  dürfen  da- 
her auch  wohl  einen  Zusammenhang  zwischen  dieser  Bewegungsform 
und  der  Anwesenheit  einer  Cuticula  vermuthen  und  diese  Annahme 
wird  noch  dadurch  bestärkt,  dass  die  Protozoen,  welche  hinsichtlich 
ihrer  Bewegungserscheinungen  die  grösste  Analogie  mit  der  Metabolie 
der  Flagellaten  zeigen ,  die  Gregariniden  nämlich ,  auch  eine  wohl  ent- 
wickelte Cuticula  besitzen. 


Bewegun^serscheiiningeii  (Contraction  eder  Metabolie).  847 

Die  biehergehöiigen  Beweguiigserscheinimgen  sind  nun  im  Wesent- 
lichen Körpercontractiouen,  welche  viel  Aehnlichkeit  mit  der  Contraction 
der  Muskelzellen  zeigen.  Entweder  kann  sich  nämlich  der  gesammte 
Körper  in  seiner  Llingsaxe  mehr  oder  weniger  energisch  zusammenziehen 
und  verkürzen ,  wie  sich  z.  B.  eine  langgestreckt  nadeltormige  Astasiopsis 
(T.  47,  Fig.  4b— c)  zu  einem  nahezu  kugligen  Körper  zusammenzieht  — 
ein  weniger  langer  Urceolus  (T.  47,  Fig.  5  a — b)  dagegen  zu  einem 
flachen  kreis  eiförmigen  Gebilde  wird  —  oder  der  Contractionsvorgang 
erstreckt  sich  zunächst  nur  über  einen  Theil  der  Körperlänge ,  so  dass 
dieser  sich  verkürzt  und  entsprechend  verbreitert  und  der  Körper  dann 
zu  einem  ringförmigen  Querwulst  aufgeschwollen  erscheint  (T.  48, 
Fig.  10  b  und  9a  —  b).  Ein  derartiger  Contractionsprocess  schreitet 
nun  aber  gewöhnlich  über  den  Körper  nach  dem  Vorder-  oder 
Hinterende  zu  fort,  wie  solches  ja  auch  bei  den  Muskelzellen  hin- 
reichend bekannt  ist,  und  zuweilen  erhebt  sich  schon  wieder  eine  neue  Con- 
tractiouswelle,  bevor  die  erste  das  Körperende  erreichte.  Dass  sich  auch 
hierbei  der  Gesammtkörper  mehr  oder  weniger  erheblich  verkürzt,  ist 
klar.  Hiermit  ist  denn  das  Wesen  dieser  Contractionen  oder  dieser 
Metabolie  in  der  Hauptsache  geschildert;  es  bedarf  nur  noch  einiger  er- 
gänzender Worte,  um  gewisse  Modalitäten  zu  erläutern.  Nicht  immer 
umgreifen  die  lokalen  Contractionen  den  Körper  so  regelmässig  ring- 
förmig, sondern  sie  geschehen  manchmal  nur  einseitig,  woraus  natürlich 
eine  Biegung  oder  Krümmung  des  Körpers  nach  dieser  Seite  folgt 
(speciell  die  eigentlichen  Euglenen  zeigen  in  ihren  beweglicheren  Formen 
solche  Biegungen  nicht  selten).  Da  sich  nun  auch  mehrere  lokale 
Contractionen  in  verschiedener  Weise  zu  combiniren  vermögen,  so  resultirt 
hieraus  zuweilen  eine  ziemlich  unregelmässige  Configuration  des  Kör- 
pers, welche  jedoch  gewöhnlich  rasch  wechselt,  da  ja  die  lokalen 
Contractionen  selbst  nicht  dauernd  sind,  sondern  weiter  schreiten. 

Wie  bemerkt,  ist  der  Ausbildungsgrad  dieses  Contractionsvermögens 
sehr  verschieden,  ja  wir  finden  sogar  bei  einer  und  derselben  Gattung 
(Euglena)  sehr  erhebliche  Unterschiede  in  dieser  Hinsicht.  Während 
gewisse  Formen  recht  energische  Contractionen  in  der  geschilder- 
ten Weise  ausführen,  beschränken  sich  andere  auf  halbmondförmige 
oder  schlängelnde  Krümmungen  (E.  Spirogyra),  ja  bei  einigen  ist  nur 
das  Vorder-  und  Hinterende  zu  solchen  Krümmungen  geneigt  (E.  oxyuris 
und  tripteris),  und  endlich  gibt  es  auch  Arten,  welche  lange  Zeit  gar 
keine  Contractionen  ausführen  und  dann  ganz  starr  erscheinen  (E.  acus 
häufig). 

Viele  der  Formen  jedoch,  welche  lange  Zeit  nur  schwache  Krümmungs- 
contractionen  zeigen,  vermögen  sich  dennoch  zu  gewissen  Zeiten  gänzlich 
zusammenzuziehen. 

Eigenthümlich  erscheinen  noch  zwei  Arten  der  Contraction,  welche 
speciell  bei  gewissen  Euglenen  nicht  selten  zu  beobachten  sind  und  die 
nur  unter  besonderen  Modificationen  des  Contractionsprocesses  zu  Stande 


§48  Flag'ellata. 

kommen  können.  Die  eine  besteht  in  einer  Abplattung  des  für  gewöhn- 
lich meist  drehruuden  Körpers  parallel  der  Längsaxe  zu  bandförmiger 
Gestalt  und  ist  besonders  bei  Euglena  deses,  jedoch  auch  bei  Astasiopsis 
contorta  beobachtet  worden.  Eine  solche  Abplattung  setzt  Contractions- 
vorgänge  voraus,  die  senkrecht  zu  der  Richtung  der  seither  betrachteten 
geschehen;  vielleicht  lässt  sie  sich  jedoch  auch  so  erklären,  dass  die 
Contraction  in  der  Längsrichtung  geschieht,  sich  jedoch  nur  auf  eine 
Mittelebene  des  Körpers  beschränkt,  denn  der  Erfolg  eines  solchen  Vor- 
ganges wäre  eine  Verbreiterung  und  Verkürzung  des  Körpers,  ohne  Dicken- 
zunahme in  den  übrigen  Radialebnen,  also  die  Annahme  einer  abgeplat- 
teten Form. 

Noch  seltsamer  erscheint  die  spiralige  Contraction  oder,  richtiger 
gesagt,  die  schraubige,  wie  sie  sich  nicht  selten  bei  gewissen  Eugknen 
(oxyuris  und  Spirogyra  namentlich),  jedoch  auch  bei  der  Astasiopsis  con- 
torta findet  (T.  47,  4a).  Der  Körper  wird  hierbei  schraubig  tordirt; 
die  Schlaubenumgänge  sind  natürlich  meist  recht  steil  und  verlaufen 
in  nur  wenigen  Windungen  über  den  Körper.  Seltsamer  Weise  findet 
sich  eine  solche  Körpertorsion  gelegentlich  auch  bei  Bodo  angustatus 
(T.  46,  6  b).  Stets  scheint  aber  diese  Torsion  Licht  rasch  einzu- 
treten und  zu  schwinden,  wie  die  übrigen  Contractionserscheinungen, 
sondern  längere  Zeit  zu  beharren.  Bei  gewissen,  sehr  wenig  metabolischen 
Formen,  wie  Euglena  tripteris  ist  sie  sogar  zur  bleibenden  Gestal- 
tung geworden  und  dasselbe  gilt  von  Phacus  longicauda,  für  welchen 
Stein  wohl  irrig  annimmt,  dass  die  Zusammendrehung  gelegentlich  wieder 
rückgebildet  werden  könne.  Eine  schraubige  Contraction  kann  nun 
meiner  Ansicht  nach  nur  derart  zu  Stande  kommen,  dass  eine  einseitige 
Contraction  in  der  gesammten  Ausdehnung  des  Körpers  stattfindet,  jedoch 
nicht  längs  einer  geraden  Linie,  wie  diejenige,  welche  einfache  Ein- 
krümm ung  verursacht,  sondern  längs  einer  die  Körperaxe  umziehenden 
Schraubenlinie.  Wir  werden  gleich  sehen,  dass  ein  solcher  Vorgang 
der  Contraction  höchst  wahrscheinlich  auch  bei  dem  Zustandekommen 
der  Geisseibewegungen  eine  sehr  wichtige  Rolle  spielt  und  daher  seine 
directe  Wahrnehmung  an  dem  Körper  gewisser  Flagellaten  recht  bedeut- 
sam erscheint. 

Es  fragt  sich  noch,  wie  mit  Hülfe  der  geschilderten  Contractions- 
vorgänge  eine  Ortsbewegung  zu  Stande  kommen  kann,  wie  sie  thatsäch- 
lich  bei  kriechenden  geissellosen  Euglenen  etc.  häufig  beobachtet  wird. 
Da  nun  ein  Ortswechsel  unter  solchen  Umständen  nur  auf  einer  Unterlage 
geschieht,  so  dürfen  wir  hieraus  wohl  schliessen,  dass  er  einfach  darauf 
beruht,  dass  bei  der  wechselnden  Streckung  und  Verkürzung  des  Körpers 
eine  abwechselnde  leichte  Anheftung  oder  Anstemiuung  des  Hinter-  und 
Vorderendes  eintritt  und  der  Körper  so  nach  Art  der  Spannerraupe  den 
Ort  wechselt. 

Noch  ist  die  Frage  kurz  zu  beantworten,  wann  hauptsächlich  diese 
Contractionsbewegungen  der    Euglcnoidinen    eintreten ;   hierauf  lässt  sich 


Bevregungserschein.  (Coutraction  oder  Metabolie).        "  849 

zunächst  erwidern ,  hauptsächlich  dann ,  wenn  Bewegung-  mittels  der 
Geissei  unmöglicb  ist,  sei  es,  dass  dieselbe  verloren  gegangen  oder  durch 
Znsatz  schädlicher  Substanzen  unwirksam  gemacht  wurde,  oder  dass 
Druck ,  Wassermangel  etc.  ein  freies  Schwimmen  verhindern.  Während 
des  freien  Schwimmens  dagegen  unterbleiben  solche  Contractionen  ge- 
wöhnlich, der  Körper  verharrt  im  gestreckten  Zustand.  Nur  wenige 
Formen,  so  z.  B.  Eutreptia,  zeigen  auch  dann  häufig  lebhafte  Contrac- 
tionen ;  im  Allgemeinen  müssen  wir  solche  Contractionen  als  unvortheil- 
liaft  für  die  freie  Schwimmbewegung  erachten.  Bei  Formen  wie  Per- 
anema  dagegen ,  welche  sich  auch  mit  Hülfe  der  Geisseibewegung  nur 
auf  einer  Unterlage  gleitend  vorwärts  schieben,  treten  auch  während 
dieser  Bewegung  nicht  selten  Contractionen  ein  und  dienen  dann  manch- 
mal zur  Aenderung  der  Bewegungsrichtuug. 

Schliesslich  wäre  die  Frage  noch  zu  lösen,  wo  wir  den  eigentlichen  Sitz 
der  besprochenen  Contractionserscheinungen  zu  suchen  haben.  Schon 
früher  bemerkte  ich  (p.  678 — 679),  es  sei  sehr  unwahrscheinlich,  dass 
etwa  die  Cuticula,  wie  dies  früher  und  noch  von  Stein  geschah,  der 
Sitz  der  Contractilität  sei.  Speciell  die  spiralige  Streifung  derselben, 
welche  Stein  mit  den  sogen.  Muskelstreifen  der  Ciliata  vergleicht, 
kann  nicht  in  dieser  Weise  gedeutet  werden.  Auch  Klebs  ist  ge- 
neigt, der  Cuticula  der  Euglenoidinen  Contractilität  zuzuschreiben.  Wie 
gesagt,  halte  ich  dies  für  sehr  unwahrscheinlich,  hauptsächlich  desshalb, 
weil  die  Contractilität  in  dieser  Gruppe  im  Allgemeinen  mit  der  stärkeren 
Ausbildung  der  Cuticula  abnimmt.  Es  stände  nun  zunächst  nichts  im 
Wege,  das  gesammte  Plasma  als  Sitz  der  Contractilität  zu  betrachten, 
doch  spricht  dagegen  die  Erfahrung,  dass  sowohl  bei  anderen  Protozoen 
wie  bei  zahlreichen  contractilen  Zellen  der  Metazoen  die  Contracti- 
lität gewöhnlich  auf  eine  peripherische,  mehr  oder  weniger  modificirte 
Plasmaschicht  lokalisirt  ist,  und  weiter,  dass  mit  der  Voraussetzung 
einer  ähnlichen  Beschaffenheit  bei  den  Flagellaten  die  besonderen  Vor- 
gänge ihres  Contractionsprocesses  besser  harmoniren.  Bis  jetzt  mangelt 
jedoch  bei  den  Flagellaten  der  sichere  Nachweis  einer  derartigen  Schicht. 
Doch  halte  ich  ihre  Nichtexistenz  noch  für  unbewiesen,  da  die  Beob- 
achtung bei  diesen  kleinen  Wesen  mit  grossen  Schwierigkeiten  zu 
kämpfen  hat. 

Ich  vermuthe  daher,  dass  auch  bei  den  durch  Metabolie  ausge- 
zeichneten Flagellaten  eine  peripherische  Plasmaschicht  existirt,  die 
sich  durch  einen  besonderen,  regelmässigen  Bau  ihres  Plasmanetzwerkes 
auszeichnet,  wie  wir  dies  auch  bei  dem  contractilen  Noctilucatentakel 
finden  werden.  Eine  besondere  Anordnung  des  Plasmanetzwerkes  ist 
ferner  das  Bedingende  für  die  sog.  Muskelstreifen  der  Infusorien  und 
schliesslich  ebenso  für  die  contractile  Substanz  der  Muskelzellen,  worin 
ich  Heitzmann  beistimme. 

2)  Die  Bewegung  durch  Geissein.  Bei  der  Besprechung 
dieser    Erscheinungen    sind    zunächst    auseinander    zu    halten,    die    Be- 

Brniiu     Klassen  des  Tliier-Keielis.     Tvotozoo.  54 


850  Flagellata. 

wegungsvorgänge   der  Geissein  an  und  für  sich  und  dann  die  durch  die- 
selben bewirkten  Ortsbewegungen  der  Flagellaten. 

Hinsichtlich  der  Eigenbewegungen  der  Geissein  ist  zu  betonen,  dass 
dieselben  ziemlich  mannigfaltig  sind,  wenn  auch  ihre  schärfere  Ver- 
folgung wohl  eine  principielle  üebereinstimmung  verrathen  wird.  Im  All- 
gemeinen ergibt  sich,  dass  die  Geissein  durchaus  nicht  stets  in  Bewegung 
sind,  sondern  dass  sie  auch  Ruheperioden  verschiedener  Länge  zeigen 
können.  Das  Verhalten  der  verschiedenen  Flagellaten  ist  in  dieser  Hin- 
sicht wesentlich  differeut;  während  die  einen  durch  die  nur  selten  pausi- 
renden  Geisseibewegungen  in  rastloser  Ortsveränderung  erscheinen,  stehen 
andere  häufig  längere  Zeit  still.  Während  der  Ruhe  zeigen  die  Geissein 
häufig  eine  ziemlich  gestreckte,  nieht  selten  jedoch  etwas  gebogene  Ge- 
stalt und  erscheinen  ziemlich  steif.  Plötzlich  beginnt  dann  wiederum  ihre 
Bewegung*).  Einmal  sind  es  peitschenformige  Schlag -Bewegungen  der 
Geissei  in  ihrer  ganzen  Länge,  welche  speciell  an  längeren  Geissein  nicht 
selten  zu  beobachten  sind.  Dabei  bleibt  die  Geissei  entweder  ziemlich 
gestreckt,  oder  krümmt  sich  doch  nur  wenig,  oder  es  treten  mehr 
oder  minder  unregelmässige  schlängelnde  Biegungen  auf,  welche  sich 
wieder  mehr  ausgleichen,  wenn  sich  die  Geissei  nach  dem  Schlag 
wieder  streckt.  Wahrscheinlich  ist  es ,  dass  auch  diese  Schlänge- 
lungen peitschender  Geissein  häufig  auf  unregelmässiger  schraubiger 
Zusammenziehung  beruhen,  d.  h.  dass  die  Schlängelung  nicht  in 
einer  Ebene  geschieht.  Wenn  solche  Schläge  mit  einiger  Energie 
erfolgen,  bringen  sie  natürlich  auch  eine  Ortsveränderung  des  Kör- 
pers zuwege,  derselbe  wird  ruckweise  durch  den  Widerstand,  welchen 
die  schlagende  Geissei  am  umgebenden  Wasser  findet,  auf  die 
Seite  geschleudert,  oder  doch  die  Richtung  seiner  Längsaxe  geändert. 
Gleichzeitig  können  derartige  Schlagbewegungen  natürlich  auch  dazu 
beitragen,  einen  Nahrungskörper  der  Mundstelle  zuzuführen.  Eine 
wirkliche  Schwimmbewegung  wird  jedoch  durch  solche  Geisselscbläge 
gewöhnlich  nicht  hervorgebracht,  sie  erfolgen  daher  auch  gewöhnlich 
während  der  Ruhe  der  Flagellaten,  und  namentlich  bei  festgehefteten 
Formen  beobachtet  man  sie  häufig,  wo  sie  dann  mit  der  Nahrungsauf- 
nahme speciell  in  Beziehung  stehen.  Auch  schwimmende  Formen 
bedienen  sich  der  Schläge  zuweilen ,  um  eine  Veränderung  der 
Schwimmrichtung    herbeizuführen   und   unter   Umständen   sind   bei   mehr- 


*)  Pfeffer  (Unters,  aus  d.  botau.  Instit.  Tübingen  I.  p.  444)  macht  darauf  aufmerksam, 
dass  die  Geissein  von  Ciilamydomonas  in  verscliiedner  Weise  gereizt  werden  können.  Auf 
mechanischen  Eeiz,  so  )3eim  Anstossen  der  Geissein  an  einen  festen  Köri^er,  erfolgt  ein  plötz- 
liches Strecken  derselben,  wodurch  ein  Eückprallen  der  Flagellate  erzeugt  wird,  das  häufig 
auch  mit  einer  Veränderung  der  Richtung  der  Hauptaxe  verbunden  ist,  welche  bewirken 
kann,  dass  die  Flagellate  das  Hinderniss  allmählich  umgeht.  In  gleicher  Weise,  wie  ein 
mechanischer  Eeiz  wirkt  jedoch  auch  eine  Berührung  der  Geissein  mit  concentrirteren  Lösungen 
und  die  Beobachtung  lehrt  ferner,  dass  ähnliche  Streckungen  der  Geissein  auch  ohne  äussere 
Veranlassung,   also  durch  innere  Eeize  veranlasst,  eintreten  können. 


I 


Hewegiingserschein.  (Bcwofi'.  der  Geisseln).  851 

geisseligeu  Formen  gewisse  Geiseln,  wie  es  scheint,  speciell  mit  dieser 
Aufgabe  betraut  und  haben  dann  auch  vorzugsweise  oder  ausschliesslich 
diese  Bewegungsform. 

Eine  solche  Aufgabe  besitzt  nämlich  die  hintere  sogen.  Schlepp- 
geissel  der  Heteromastigoda,  das  sog.  Gubernaculum  James-Clark's.  Die- 
selbe wird  während  des  Schwimmens  gewöhnlich  einfach  nachgeschleppt, 
bis  sie  plötzlich  einmal  in  Wirksamkeit  tritt  und  durch  schlagende  Be- 
wegungen die  Schwimmrichtung  ändert,  oder  sich  mit  ihrem  Ende  fcst- 
hefet  und  nun  ähnliche  schlagende  Bewegungen  ausführt,  wobei  natürlich 
der  Körper  unregelmässig  hin-  und  hergeschleudert,  respect.  auch  zurück- 
gezogen wird,  wenn  sich  die  Geissei  hierbei  gleichzeitig  in  Schlängelungen 
legt.  In  letzterem  Falle  machen  die  Bewegungen  der  Schleppgeissel 
ganz  den  Eindruck  der  Contraction ,  ähnlich  der  des  Vorticellen-Stiel- 
muskels  und  ohne  es  ganz  allgemein  beweisen  zu  können,  halte  ich 
es  doch  für  sehr  wahrscheinhch ,  dass  sich  eine  solche  Schleppgeissel 
bei  ihrer  Contraction  auch  nicht  etwa  einfach  schlängelt,  sondern  in 
Schraubenwindungen  zusammenzieht,  welche  nur  wegen  ihres  geringen 
Durchmessers  für  Schlängelungen  in  einer  Ebene  gehalten  werden. 
Dass  sich  dies  wirklich  so  verhält,  lässt  sich  durch  gewisse  Erfah- 
rungen und  Betrachtungen  sehr  wahrscheinlich  machen.  Einmal  fällt 
es  auf,  dass  die  Schleppgeissel  auch  im  Ruhezustand  nicht  einfach 
gerade  gestreckt  erscheint,  sondern  gewöhnlich  einige  sehr  flache  Bie- 
gungen aufweist,  ähnlich  wie  der  Stielmuskel  der  Vorticellen  sehr  flach 
schraubig  gewunden  ist.  Daher  ist  es  wahrscheinlich,  dass  sich 
auch  im  ruhenden  Zustand  gewöhnlich  schon  eine  schwachscbraubige 
Drehung  der  Geissei  findet,  welche  während  der  Contraction  deutlicher 
hervortritt.  Dass  dem  so  sei,  d.  h.  dass  die  Geissei  sich  bei  der  Con- 
traction schraubig  rollt,  ist  in  einigen  Fällen  direct  zu  beobachten.  So 
an  den  beiden  nach  hinten  gerichteten  Geissein  von  Dallingeria 
(T.  46,  Fig.  12a — b),  die  sich  wie  das  sogen.  Gubernaculum  der 
Heteromastigoda  verhalten  und  sich  bei  ihrer  Contraction  deutlich  zu 
einer  Schraubenlinie  zusammenziehen.  Dallingeria  setzt  sich  nämlich 
häufig  mit  diesen  beiden  Geissein  fest  und  macht  nun  mittels  ihrer  Con- 
traction Schnellbewegungen.  Entsprechend  verhält  sich  auch  Bodo  saltans, 
der  sich  häufig  mit  der  Schleppgeissel  anheftet  und  nun  durch  deren 
Contractionen  hin-  und  hergeschnellt  wird.  Dass  sich  auch  hierbei  die 
hintere  Geissei  schraubig  contrahirt,  geht  aus  den  Beobachtungen  Dal- 
linger's  und  Drysdale's  hervor  und  ich  vermag  dies  zu  bestätigen.  Weiter 
unten  wird  zu  zeigen  sein,  dass  schraubige  Contractionen  nicht  auf 
die  Schleppgeisseln  beschränkt,  sondern  wohl  allgemein  verbreitet  sind. 

Was  nun  die  feineren  Vorgänge  bei  der  peitschenden  Bewegung  der 

Geissein    betrifft,   so   haben   wir   daran   festzuhalten,    dass   der   Sitz  der 

Geisseibewegung  jedenfalls  in  diesen  Bewegungsorganen  selbst  zu  suchen 

ist   und   weiter,   dass   es  Contractionen  des  Geisseiplasmas  sind,   welche 

diese    Erscheinung  hervorrufen.     Erfolgt  eine  solche  Contraction  einseitig 

54:!: 


852  Flagellata. 

längs  einer  der  Geisselaxe  parallelen  oberfläcblichen  Linie,  so  krümmt 
sich  die  Geissei  natürlich  nach  dieser  Seite,  erfolgt  eine  ähnliche  Con- 
traction  im  basalen  Abschnitt  der  Geissei  und  ist  gleichzeitig  der  übrige 
Theil  der  Geissei  schlaff,  so  wird  derselbe  hierbei  mehr  oder  minder  un- 
regelmässige peitschenartige  Schlängehmgen  ausführen  können.  Wahrschein- 
licher ist  es  jedoch  vielfach  und  für  die  oben  speciell  angeführten  Fälle 
sicher,  dass  diese  scheinbaren  Schlängelungen  einer  schraubigen  Contraction 
der  Geissei  den  Ursprung  verdanken.  Eine  schraubige  Contraction 
aber  kann  nur  dadurch  zu  Stande  kommen,  dass  die  Contractionslinie 
der  Geissei  selbst  einen  schraubenförmigen  Verlauf  nimmt,  werde  dies 
nun  dadurch  bewirkt,  dass  auch  die  scheinbar  gestreckte  Geissei  ganz 
flach  schraubig  tordirt  ist,  oder  dass  au  der  nicht  tordirten  Geissei 
die  Contractionslinie  schraubig  verläuft.  Jedenfalls  scheint  es  nämlich 
sicher,  dass  wir  diesen  Geissein  nicht  eine  scharf  vorgezeichnete  und 
con^tante  Contractionslinie  zuschreiben  dürfen,  denn  die  Erfahrung  lehrt, 
dass  sie  sich  zuweilen  in  wenige  und  längere,  andere  Male  dagegen 
auch  wieder  in  zahlreichere  und  demnach  auch  kürzere  Wellen  oder 
Schraubenwindungen  zu  contrahiren  vermögen,  was  eben  nur  möglich  ist, 
wenn  die  Coutractionslinie  einen  wechselnden  Verlauf  nimmt. 

Wir  gelangen  nun  zu  der  eigentlichen  Schwini  mbe  wegu  ng  der 
Flagellaten  mit  Hülfe  der  Geissein.  Es  dürfte  sich  empfehlen,  die 
Betrachtung  mit  der  Besprechung  der  Totalbewegung  schwimmender 
Flagellaten  zu  beginnen  und  dieser  erst  eine  Analyse  der  Geissei- 
bewegungen folgen  zu  lassen,  da  die  letzteren  gewöhnlich  so  rasch  ge- 
schehen, dass  ihre  directe  Beobachtung  bis  jetzt  kaum  glückte  und  im 
Allgemeinen  nur  von  einer  welligen  oder  schraubigen,  zuweilen  auch 
rasch  pendelnden  Bewegung  die  Rede  ist.  Die  durch  die  Geissein 
verursachten  Schwimmbevvegungen  geschehen  fast  durchaus  so,  dass 
das  die  Geissein  tragende  Ende  vorausgeht.  Nur  eine  einzige  Aus- 
nahme von  dieser  Regel  ist  bekannt,  die  Gattung  Oxynhis  näm- 
lich, bei  welcher  zwar  die  Geissein  nahe  der  Körpermitte  entspringen, 
deren  Bewegungen  aber  sicher  so  erfolgen,  dass  die  Geissein  nach  hinten 
gerichtet  sind,  während  sonst  die  Haltung  der  Geissein  bei  der  Bewegung 
stets  eine  nach  vorn  gerichtete  ist. 

Durch  diese  Eigenthümlichkeit  unterscheiden  sich  die  Bewegungen 
der  Flagellaten  sehr  wesentlich  von  denen  der  ebenfalls  mit  Geissein 
ausgerüsteten  thierischen  Spermatozoon,  bei  welchen  die  Geissei  stets 
nach  hinten  gerichtet  ist.  Nur  wenige  Beobachter  wollen  gelegentlich 
auch  ein  Rückwärtsschwimnien  gewisser  Flagellaten  wahrgenommen 
haben  und  es  ist  auch  keineswegs  unwahrscheinlich,  dass  solches,  ähn- 
lich wie  bei  den  pflanzlichen  Zoosporen,  unter  gewissen  Umständen 
geschieht,  namentlich  dann,  wenn  sich  der  Vorwärtsbewegung  ein 
Hinderniss  in  den  Weg  stellt.  Immerhin  kann  dieser  Fall  jedoch  nur 
sehr  selten  eintreten,  da  er  nur  wenige  Male  speciell  erwähnt  wird.  So 
bezeichnet   Perty    Cryptomonas    als   eine    Form,   welche  sich  häufig  nach 


Bcwegiiiig-sersch.  (Schwiuiui beweg-,  mit  Hülfe  dw  Geiöscln).  853 

rückwärts  bewege  und  Cohu  (1850)  findet,  dass  Haematoeuceus  sich 
ebensowohl  vor-  wie  rückwärts  zu  bewegen  vermöge,  doch  ist  auch  bei 
dieser  Gattung  die  Vorwärtsbewegung  der  gewöhnliche  Vorgang. 

Seltsam  abweichend  verhält  sich  nach  Stein  in  ihren  Schwinim- 
bewegungen  noch  die  Gattung  Nephroselmis ;  der  Körper  dieser  zu  den 
Zweigeisseligen  Isomastigoden  gehörigen  Form  besitzt  bekanntlich  eine 
die  Längsaxe  übertreffende  Breitenaxe  und  bewegt  sich  dementsprechend 
auch  in  der  Richtung  dieser  längeren  Axe,  also  senkrecht  zu  der  gewöhn 
liehen  Richtung  der  Isomastigoden.  Es  steht  dies  jedenfalls  im  Zusammen- 
hang mit  der  auffallenden  Form  jenes  Wesens,  welche  diese  Bewegungs- 
richtung zu  der  vortheilhafteren  macht,  da  in  ihr  der  Körper  dem  ge- 
ringsten Widerstand  begegnet. 

Die  Schwirambewegungen  geschehen  nun  entweder  ganz  frei  im  Wasser 
und  sind  dann  stets  mit  Rotation  um  die  Längsaxe  verknüpft,  oder  sie  sind 
mehr  Gleitbewegungen  auf  einer  Unterlage,  wie  sie  speciell  gewisse 
Euglenoidinen  (Peraneraa,  Petalomonas ,  auch  die  Astasiinen  z.  Th )  dar- 
bieten und  dann  fehlt  die  Rotation  um  die  Axe.  Ganz  scharf  dürften 
sich  diese  beiden  Bewegungsarten  nicht  trennen  lassen,  da  auch  Formen 
mit  erst  erwähnter  Bewegungs weise,  bei  gelegentlichem  Fortgleiten  auf 
einer  Unterlage  Avohl  die  zweite  Bewegungsart  annehmen  können  und 
das  Umgekehrte  wohl  auch  gelegentlich  für  die  gleitenden  Formen  gilt. 
Immerhin  ist  bei  den  Letzteren  die  Körpergestaltung  der  Bewegungs- 
art fast  stets  mehr  oder  weniger  angepasst,  indem  eine  abgeflachte 
Kriech-  oder  Bauchfläche  ausgebildet  und  der  Körper  überhaupt  ab- 
geplattet ist.  Sehr  gewöhnlich  sind  derartige  Formen  auch  mit  dem 
schon  geschildertem  Steuerapparat  in  Gestalt  einer  Schleppgeissel  ver- 
sehen. Wie  schon  angedeutet  wurde,  geschehen  solche  Gleitbewegungen 
relativ  langsamer  wie  die  freien  Schwimmbewegungen. 

Letztere  erfolgen  entweder  in  ziemlich  geraden  oder  auch  in  mehr 
oder  weniger  gebogenen  Linien,  ja  gewisse  Formen  beschreiben  sogar 
zuweilen  ziemlich  enge  Kreise  (Chilomonas,  Cjathomonas);  jedenfalls 
herrscht  jedoch  in  dieser  Hinsicht  sogar  bei  einer  und  derselben  Form 
keine  völlige  Constanz.  Natürlich  erfolgt  die  Vorwärtsbewegung  in  der  be- 
schriebenen Weise  nicht  gleichmässig  fortdauernd,  sondern  es  wechselt  die 
Bewegungsrichtung  früher  oder  später,  sei  dies  nun  durch  eine  äussere 
Ursache,  ein  Hinderniss  oder  dergleichen  verursacht,  oder  durch  eine 
innere  Ursache  bedingt.  Die  Mannigfaltigkeit  in  den  Schwimmbewegungen 
wird  durch  die  geringere  oder  grössere  Häufigkeit,  mit  welcher  ein  solcher 
Wechsel  eintritt,  hervorgerufen.  Nicht  wenige  Formen  beharren  ziemlich 
lange  in  der  einmal  eingeschlagenen  Bahn,  speciell  gilt  dies  für  zahlreiche 
Chlamydomonadineu  und  verwandte  Isomastigoden,  auch  die  Eugleninen 
im  Allgemeinen;  wogegen  bei  Anderen  ein  häufiger  Wechsel  stattfindet 
und  die  Bewegung  dadurch  eine  unstete  hin-  und  herschiessende  bis 
flatternde  wird. 


854  Flagellata. 

Wie  bemerkt,  erfolgen  die  freien  Schwimm bewegungen  stets  unter 
Rotation  des  Körpers  um  seine  Längsaxe,  doch  ist  bei  den  Fla- 
gellaten  der  genauere  Vorgang  dieser  Rotation  leider  noch  wenig 
erforscht  worden.  Sowohl  die  Beobachtungen  an  den  pflanzlichen  Zoo- 
sporen jedoch,  wie  allgemein  theoretische  Betrachtungen  über  das  Zu- 
standekommen der  Schwimmbewegung  machen  es  unabweisbar,  dass 
diese  Rotation  für  eine  bestimmte  Art  gewöhnlich  constant  in  einer  Rich- 
tung geschieht,  und  dass  sie  in  umgekehrter  Richtung  erfolgt,  wenn  die 
Bewegung  nach  rückwärts  stattfindet.  Cohn  gibt  zwar  für  Haematococcus 
an,  dass  die  Drehung  auch  abwechselnd  nach  rechts  und  links  erfolgen 
könne*).  Auch  Klebs  bemerkt,  dass  die  Rotationsrichtung  bei  den  Euglenen 
nicht  immer  constant  sei;  selbst  wenn  dies  so  zu  verstehen  wäre,  was 
aus  dem  Satz  nicht  folgt,  dass  bei  einem  und  demselben  Wesen  die 
Drehuugsrichtung  wechsle,  so  lässt  sich  dies  doch  durch  die  später  zu 
erwähnende  theoretische  Darstellung  begreifen,  wenn  nur  die  Rotations- 
richtung nicht  plötzlich  wechselt,  was  gegen  unsere  und  wohl  jede  Er- 
klärung der  Schwimmbewegung  mittels  der  Geissein  spräche. 

Wir  besprachen  seither  nur  solche  Fälle,  bei  welchen  die  Rotations- 
axe  mit  der  Körperaxe  und  gleichzeitig  auch  der  Bewegungslinie  zu- 
sammenfällt. Nun  gibt  es  jedoch  auch  Beispiele,  wo  dies  nicht  der  Fall 
ist.  So  geschieht  die  Rotation  nach  Klebs  bei  den  Euglenen  so,  dass 
der  Körper  hierbei  um  die  Axe  der  Bewegungsbahn  kreist  und  hierbei 
das  vordere  Körpereude  einen  weitereu,  das  hintere  einen  engeren  Kreis, 
oder,  streng  genommen,  jedes  eine  entsprechende  Schraubenlinie  beschreibt. 
Demnach  bewegt  sich  also  die  Euglena  in  einer  Schraubenlinie  um  die 
ideale  Axe  ihrer  Bahn.  Dasselbe  gilt  sicherlich  auch  noch  für  weitere 
Flagellaten  und  wurde  auch  schon  von  Perty  im  Allgemeinen  für  die- 
selben angegeben ;  auch  Cohn  schilderte  für  Haematococcus  eine  solche 
schraubige  Bewegung  um  die  Idealaxe  der  Bahn,  wenngleich  die  von 
ihm  gegebene  Analyse  der  Bewegungen  dieser  Flagellate  etwas  unver- 
ständlich ist. 

Wenn  wir  es  nun  versuchen,  uns  eine  Vorstellung  von  den  wirk- 
samen Geisseibewegungen  zu  machen,  welche  jene  geschilderten  Schwimm- 
bewegungen  hervorzurufen  im  Stande  sind,  so  wenden  wir  uns  vielleicht 
zunächst  am  Besten  zu  den  ersterwähnten  Gleitbewegungen,  da  sich  bei 
diesen  noch  am  ehesten  die  Thätigkeit  der  Geissei  selbst  beobachten 
lässt.  Bei  den  grösseren  Heteromastigoden ,  sowie  den  Gattungen  Pera- 
nema  und  Petalomonas  beobachtet  man  nun,  dass  während  des  Gleitens 
gewöhnlich  nur  ein  veihältnissmässig  kleiner  Theil  der  Geissei  bewegt 
wird,  nämlich  nur  deren  Ende  und  zwar  sieht  man  dieses  anscheinend 
in  rascher  Schlängelung  begriffen.  Genauere  Beobachtung  lehrt,  dass 
diese  Schlängelung  dadurch  hervorgerufen  wird,  dass  ziemlich  kurze  Wellen 


'*)    A.    Braun    dagegen    (70)    will    hm    Haematococcus  stets    Linksdrehung    Ijeobachtet 
haben. 


Beweg-uiigcrsch.  (Schwimiul)c\v.  mit  Hülfe  der  Geisselii).  855 

rasch  über  das  Ende  der  Geissei  verlaufen.  Dieselben  Bewegungs- 
vorgänge  vollziehen  sich  nun  sicherlich  auch  an  den  Geissein  der  frei- 
schwimmenden, in  rascher  Bewegung  begriffenen  Formen.  Wenngleich 
dies  meist  nicht  direct  zu  beobachten  ist,  so  folgt  es  doch  wohl 
sicher  daraus,  dass  bei  verlangsamter  Bewegung  häufig  genug  die  über 
die  Geissein  hinziehenden  Wellen  wahrzunehmen  sind  und  weiterhin 
daraus,  dass  bei  rascher  Tödtung  der  Flagellaten  die  Geissein  sehr  ge- 
wöhnlich in  wellig  geschlängelter  Beschaffenheit  absterben.  Zum  Unter- 
schied von  den  ersterwähnten  Gleitbewegungen  ist  in  diesen  häu- 
figeren Fällen  jedoch  zu  beobachten,  dass  die  Geissein  in  ihrer  ge- 
sammten  Länge  in  Wellenbewegung  begritfen  sind.  Es  tritt  zuweilen 
statt  der  Wellenbewegung  auch  ein  rasches  Hin-  und  Herschwingen 
der  Geissein  auf,  eine  Bewegungsform,  welche  aber  meiner  Ansicht 
nach,  nur  als  eine  besondere  Art  der  erstgedachten  betrachtet  werden 
muss  und  zwar  als  deren  einfachste  Art,  wo  nämlich  die  Länge  der 
Wellen  die  der  Geissei  übertrifft,  so  dass  letztere  stets  nur  einen  Theil 
einer  Wellenlinie  beschreibt.  Die  wichtigste  Frage  bei  der  Erklärung 
der  Ortsbewegung  unserer  Flagellaten  durch  die  Wirkung  der  Geissein 
ist  nun  aber  die,  ob  die  geschilderte  Wellenbewegung  wirklich  eine 
solche  ist,  oder  nur  eine  scheinbare,  d.  h.  ob  sie  nicht  in  Wahrheit 
darauf  beruhe,  dass  die  Geissei  sich  in  einer  Schraubenlinie  bewegt,  d.  h. 
successive  die  aufeinanderfolgenden  Stellungen  einnimmt,  welche  eine  in 
Rotation  um  ihrer  Axe  befindliche  Schraubenlinie  einnehmen  würde. 

Es  ist  klar,  dass  die  optische  Erscheinung  einer  solchen  rotirenden 
Schraubenlinie  sich  unter  dem  Bild  von  über  die  Geissei  fortschreitenden 
Wellen  darstellen  würde,  so  dass  also  in  der  scheinbaren  Wellenbewegung 
der  Geissein  an'sich  kein  Widerspruch  gegen  eine  derartige  Auffassung  liegt. 
Mancherlei  spricht  jedoch  dafür,  dass  die  Sache  sich  thatsächlich  so  ver- 
hält. Zunächst  ist  hervorzuheben,  dass  ich  häufig  bei  der  Beobachtung 
direct  den  Eindruck  hatte,  dass  die  Bewegung  eine  schraubenförmige  sei 
und  dies  auch  schon  1878  gelegentlich  aussprach.  Auch  bei  anderen  Be- 
obachtern rief  die  Sache  wohl  die  gleiche  Vorstellung  hervor;  so  sagt 
Hofmeister*)  direct,  dass  die  pflanzlichen  Zoosporen  sich  durch  schrauben- 
linige  Bewegungen  ihrer  Geissein  bewegten.  Auch  Hensen**)  gibt  zu, 
dass  die  durch  vorderständige  Geissein  bewirkte  Vorwärtsbewegung  wohl 
auf  schraubige  Bewegungen  der  Geissein  zurückzuführen  sei.  Weiterhin 
können  wir  zur  Unterstützung  unserer  Ansicht  auf  die  schon  oben  aufge- 
führten Fälle  hinweisen,  welche  zeigten,  dass  sich  die  Geissein  bei 
energischer  Contraction  gewöhnlich  in  einer  Schraubenlinie  zusammen- 
ziehen und  ich  betone  bei  dieser  Gelegenheit  nochmals,  dass  mir  der 
eigenthümlich  schwach  bogig  geschlungene  Verlauf,  welchen  zahlreiche 
Geissein   im  Ruhezustand   zeigen,   ganz   den  Eindruck  einer  sehr  flachen 


*)  Handbuch  der  physiologischen  Botanik,  Bd.  I,  p.  29. 
**)  Physioloirie  der  Zeugung- 


856  Flag-cllata. 

Scbraubenlinie  macht.  Zu  diesen  Belegen  gesellt  sich  mm  noch  ein 
weiterer,  der  mir  ganz  besonders  wichtig  erscheint.  Wie  schon  bei 
früherer  Gelegenheit  (p.  123)  raitgetheilt  wurde,  zeigt  die  sog.  Amoeba 
radiosa  häufig  schwach  schwingende  Bewegungen  ihrer  Pseudopodien- 
enden.  Diese  Bewegungen  geschehen  hier  so  langsam ,  dass  eine 
genauere  Beobachtung  ihres  Verlaufes  möglich  ist,  und  diese  zeigt  dann 
auch  ganz  deutlich,  dass  es  sich  nicht  um  einfach  pendelnde,  son- 
dern um  schraubig  rotirende  Bewegungen  der  Pseudopodien  handelt.  Dass 
solche  vorliegen,  geht  z.  B.  sicher  aus  dem  Fall  hervor,  wo  das  Ende 
des  Pseudopodiums  schlingenförmig  umgebogen  war  und  nun  bei  den 
Bewegungen  der  Geissei  deutlichst  rotirte. 

Fragen  wir  uns  nun,  wie  eine  schraubige  Rotationsbewegung 
der  Geissei  zu  Stande  kommen  kann,  so  ergibt  sich,  wenn  wir  die 
morphologische  Natur  der  Geissei  berücksichtigen ,  dass  diese  Bewegung 
nicht  wohl  anders  geschehen  kann,  als  dass  die  an  der  Geissei  schraubig 
verlaufende  Contractionslinie  eine  veränderliche  ist,  d.  h.  dass  sie  sich 
im  Verlauf  einer  Rotationsbewegung  der  Geissei  einmal  um  dieselbe 
herumbewegt.  Eine  Ueberlegung  dessen,  was  geschehen  muss,  wenn 
die  Contraction  der  Geissei  längs  einer  Schraubenlinie  geschieht,  die  in 
fortdauernder  Rotation  um  die  Geisselaxe  begriffen  ist,  ergibt  leicht,  dass 
die  Geissei  dann  successive  alle  die  Lagen  einnehmen  muss,  welche  eine 
entsprechend  rotirende  Schraubenlinie  allmählich  einnimmt.  Ein  schein- 
bares Hin-  und  Herpendeln  der  Geissei  wird  unter  diesen  Umständen 
dann  eintreten,  wenn  dieselbe  bei  dieser  Contraction  etwa  nur  die 
Hälfte  einer  Schraubenwindung  darstellt  —  das  Bild  mehr  oder  minder 
zahlreicher  Wellen  dagegen,  welche  über  die  Geissei  hineilen,  wenn  die 
contrahirte  Geissei  sich  in  mehrere  Schraubenwindungen  legt.  Unter 
Voraussetzung  solcher  rotirender  Schraubenbewegungen  der  Geissein 
erklären  sich  nun  die  Bewegungen  des  Flagellatenkörpers  ziemlich 
einfach.  Eine  Ueberlegung  der  Wirkungsweise  einer  am  Vorderende 
eines  freischwimmenden  Körpers  angebrachten  rotirenden  Schraube  ergibt, 
dass  der  betreffende  Körper  sich  vorwärts  bewegt,  wenn  die  Schraube 
eine  linksgewundene  (im  Sinne  der  Botaniker)  ist  und  dabei  so  rotirt, 
dass  sie,  bei  nördlich  gerichtetem  Vorderende  des  Körpers,  westlich  aufsteigt 
und  östlich  sich  senkt,  oder  wenn  die  Verhältnisse  gerade  umgekehrt  liegen, 
d.  h.  wenn  eine  rechtsgewundene  Schraube  von  Ost  nach  West  rotirt. 
Da  nun  die  schraubig  rotirende  Geissei  der  Flagellaten  ein  mit  dem 
Körper  fest  zusammenhängendes  Gebilde  ist,  nicht  etwa  ein  demselben 
gelenkig  verbundenes,  so  folgt  hieraus,  dass  die  zweite  Componente,  in 
welche  sich  die  bei  den  Rotationsbewegungen  einer  Schraube  ergebende 
Widerstandskraft  des  umgebenden  Wassers  zerlegen  lässt,  d.  h.  diejenige 
Componente,  welche  senkrecht  zur  Vorwärtsbewegung  wirkt,  eine  Rota- 
tion des  Körpers  um  seine  Axe  veranlassen  muss,  welche  der  Schrauben- 
rotation stets  entgegengesetzt  verläuft.  Rotirt  daher  die  schraubige  Geissei 
von  Ost   nach   West,   so   rotirt   der  Körper   von  West   nach  Ost   und  um 


Bewiguiigöorsoli.   (Schwiuiiiibcw.  mit  Hülfe  clor  (jeissclii). 


857 


gekehrt.    Die  Stärke  der  Rotation  steht  unter  sonst  gleichen  Bedingungen 
im  geraden  Verhältniss   zu  der  Höhe  der  Schraubengänge.*) 

Bei  Gegenwart  zweier  oder  mehrerer  gleicher  Bewegungsgeissein  des 
Vorderendes  ist  jedenfalls  anzunehmen ,  dass  dieselben  in  ganz  gleicher 
Weise  wirken,  und  dabei  wird  natürlich  der  gleiche  Effect  in  verstärkter 
Weise  erzielt.  Interessant  ist,  dass  sich  bei  gewissen  Flagellaten  sogar 
eine  VorkehruDg  findet,  wodurch  die  Rotation  des  Körpers  nochmals 
z.  Th.  für  die  Vorwärtsbewegung  nutzbar  gemacht  wird.  Wenigstens 
können  wir  den  Sinn  der  dauernden  oder  vorübergehenden  Schrauben- 
gestalt gewisser  Formen  nicht  wohl  anders  auffassen.  Natürlich  ist  es 
noth wendig,  dass  die  Schraube  des  Körpers  entgegengesetzt  derjenigen 
gewunden  ist,  welche  die  Geissei  bei  der  Vorwärtsbewegung  darstellt, 
da  ja  der  Körper  in  entgegengesetzter  Rotation  wie  die  Geissei  ist.  Nur 
dann  wird  durch  die  Schraubengestalt  des  Körpers  ein  neuer  Antheil 
zur  Vorwärtsbewegung  zugefügt,  im  umgekehrten  Fall  dagegen  dieselbe 
verzögert. 

Noch  bleibt  ein  Punct  der  Besprechung  übrig,  nämlich  die  Eigen- 
thümlichkeit  zahlreicher  Formen  nicht  um  ihre  Längsaxe  zu  rotiren, 
sondern  um  die  ideale  Axe  der  Bewegungsbahn.  Die  Erklärung  biefür 
hat  wohl  schon  Nägeli**)  richtig  gegeben,  indem  er  darauf  hinwies,  dass 
dieselbe  Erscheinung  bei  den  pflanzlichen  Zoosporen  auf  deren  z.  Th. 
asymmetrischen  Bauweise  beruhe  und  dies  gilt  noch  mehr  für  zahlreiche 
Flagellaten,  welche  ja  ziemlich  stark  asymmetrisch  sind.  Jede  solche 
Asymmetrie  jedoch  muss  eine  Störung  des  geradlinigen  Fortschreitens 
bewirken,  welche  sich  in  Verbindung  mit  der  Rotation  des  Körpers  in 
der  erwähnten  Weise  aussprechen  muss. 


*)  Es  dürfte  sich  empfehlen,  die  durch  die  Eotation  einer 
schraubenförmigen  Geissei  hervorgerufene  Bevv^egung  noch  etwas 
genauer  darzustellen.  Sei  xy  auf  nebenstehendem  Holzschnitt 
eine  Windung  einer  linksgewundenen  schraubenförmigen  Geissei, 
welche  in  der  Richtung  des  Pfeiles  von  links  nach  rechts  rotirt, 
so  wird  ein  beliebiger  Punct  a  dieser  Geissei  bei  seiner  Be- 
wegung an  dem  umgebenden  Wasser  einen  Widerstand  erfahren, 
welcher  durch  die  Kraftlinie  a  b  ausgedrückt  werden  kann ;  diese 
Kraftlinie  lässt  sich  zerlegen  in  die  beiden  Componenten  ac 
und  ad,  von  welchen  die  erste  eine  Vorwärtsbewegung  hervor- 
ruft, die  zweite  dagegen  die  Rotation  des  Flagellatenkörpers  um 
seine  Axe  bewirken  wird  und  zwar,  wie  aus  der  Figur  ersicht- 
lich ist,  in  umgekehrter  Richtung  der  Eotation  der  Geissei. 
Eine  kleine  Ueberlegung  ergibt,  dass  in  gleicher  Weise  Vor- 
wärtsbewegung zu  Stande  kommt ,  wenn  die  V^erhältnisse  gerade 
umgekehrt  liegen,  d.  h.  wenn  eine  rechtsgewundene  Geissei  von 
rechts  nach  links  rotirt,  wobei  natürlich  auch  die  Rotation  des 
Flagellatenkörpers  in  umgekehrter  Richtung,  nämlich  von  links 
nach  rechts  geschieht. 

**)  Beiträge  zur  wissensch.  Botanik.  2.  Heft.  p.  97. 


858  Flagellata. 

Zum  Abschluss  unserer  Besprechung  der  Bewegungserscheinungen 
haben  wir  noch  der  Bewegungen  der  freischwimmenden  Kolonien  zu 
gedenken.  Auch  diese  ähneln  im  Allgemeinen  denen  der  Einzel- 
wesen und  geschehen  namentlich  auch  unter  fortwährender  Rotation. 
Bei  den  tafelförmigen  Kolonien  des  Gonium  pectorale  geschieht  die  Ro- 
tation um  die  kürzere  Axe  und  die  Drehung  selbst  erfolgt  bei  den  ver- 
schiedenen Individuen  bald  nach  rechts,  bald  nach  links*).  Die  ellipsoiden 
Kolonien  der  Pandorina  und  Eudorina  rotiren  um  die  längere  Axe  und 
zwar  die  .der  ersten  Gattung  nach  A.  Braun  (70)  stets  im  Sinne  des  Uhr- 
zeigers (wenn  die  Kolonie  auf  den  Beobachter  zueilt)  oder  südwestlich,  wie 
sich  Nägeli**)  ausdrückt,  der  jedoch  bei  Pandorina  zuweilen  auch  die  ent- 
gegengesetzte Rotation  beobachtete.  Interessanter  Weise  scheint  auch  der 
ganz  kuglig  gebaute  Volvox  Globator  nach  den  Beobachtungen  von  Wills***) 
dieselbe  Rotationsrichtung  zu  besitzen,  doch  kehrt  sich  die  Rotation  auch 
gelegentlich  auf  kurze  Zeit  um.  Inwiefern  jedoch  hier  die  Rotationsaxe 
selbst  constant  ist,  lässt  sich  aus  der  Mittheilung  nicht  sicher  entnehmen, 
wiewohl  die  Angabe,  dass  die  Geburt  der  Tochterstöcke  gewöhnlich  an 
dem  vorangehenden  Pol  geschehe,  vielleicht  auf  eine  solche  Constanz 
hindeutet. 

Bei  den  übrigen  freischwimmenden  Kolonien  ist  nichts  Bestimmtes 
hinsichtlich  der  Drehungsrichtung  bekannt.  Die  kugligen  Kolonien  der 
Uroglena,  Syncrypta  und  Synura  sind  in  beständigem  Umherkugeln  be- 
griffen. 

4)  Protoplasmaströmungen  im  Innern  des  Flagellaten- 
körpers.  Strömungserscbeinungen  des  Plasmas,  ähnlich  wie  sie  bei  den 
Ciliaten  so  häu%  angetroffen  werden,  sind  bis  jetzt  nur  bei  wenigen 
Flagellaten  beobachtet  worden.  Zuerst  machte  Bütschli  (171)  darauf  auf- 
merksam, dass  bei  Trepomonas  eine  Circuhition  des  Plasmas  am 
ruhenden  Organismus  leicht  wahrzunehmen  ist  und  dass  diese  Strömung 
bald  nach  der  einen,  bald  nach  der  anderen  Richtung  stattfindet  und 
ebenso  in  ihrer  Schnelligkeit  sehr  wechselt.  Eine  ähnliche  Circulation 
Hess  sich  auch  bei  Hexamitus  inflatus  aus  der  allmählichen  Verschiebung 
der  contractilen  Vacuole  im  Körper  erschliessen. 

Klebs  wies  hierauf  nach,  dass  auch  bei  den  metabolischen  Euglenen 
Strömungen  des  Protoplasmas  wahrzunehmen  sind,  nur  scheinen  dieselben 
hier  nie  zu  einer  wirklichen  Circulation  zu  werden,  sondern  sich  auf  un- 
regelmässiges Hin-  und  Herwallen  des  Plasmas  und  seiner  Einschlüsse  zu 
beschränken.  Diese  Strömungen  erstrecken  sich  bei  den  Euglenen 
bis  dicht  unter  die  Cuticula,  woraus  Klebs  schliesst,  dass  hier  eine  ruhende 


*)  Pfeffer  dagegen  (Untersuchungen  aus  dem  botanischen  Institut  zu  Tübingen,  I.  p.  433) 
sah  die  Kolonien  von  Gonium  pectorale  während  der  fortschreitenden  Bewegung  alDwechsehid 
rechts  und  links  drehen. 

**)  Beiträge  zur  wissensch.  Botanik.  2.  Hft.  p.  97 — 08. 
***)  Mitlaud  Naturalist.  Sept.-Üct.  1880. 


Bewegungscrsch.  (Ströuiiiiiäcn  «les  Plasma.     \'cilKilteii  m  Wanne).  859 

Hautschiclit  (einem  Ectoplasiiiu  vergleichbar)  völlig  fehle.  Obgleich  die 
Ötrömiuigserscheiniiugen  bis  jetzt  nur  bei  den  erwähnten  wenigen  Formen 
beobachtet  wurden  ^  dürfte  es  doch  sehr  wahrscheinlich  sein,  dass  sie 
eine  viel  weitere  Verbreitung  besitzen. 

B.  Verhalten  gegen  Wärme  und  Licht  etc. 

1.  Einfluss  der  Wärme.  Dass  die  Lebensvorgänge  der  Fla- 
gellateu  sich  innerhalb  ziemlich  weiter  Temperaturgrenzen  abzuspielen 
vermögen,  geht  zum  Theil  schon  aus  früher  Bemerktem  hervor.  Wir 
brauchen  uns  nur  des  Haematococcus  der  Hochgebirge  und  Polar- 
regioneu  zu  erinnern,  um  zu  begreifen,  dass  gewisse  Formen  noch 
bei  sehr  niederer  mittlerer  Temperatur  zu  gedeihen  vermögen  und 
namentlich  im  Stande  sind,  tief  unter  Null  gelegene  Temperatur- 
grade ohne  Nachtheil  zu  ertragen.  Auf  Letzteres  weisen  auch  die 
häutig  geschilderten  Beobachtungen  hin,  dass  sich  zahlreiche  Flagellaten 
noch  munter  unter  der  Eisdecke  gefrorener  Gewässer  bewegen,  ja  sich 
noch  theileu  (Klebs  für  Euglena).  Derartige  Angaben  finden  sich  zahl- 
reich bei  Ehrenberg,  Perty,  Weisse  und  Anderen.  Auch  wiederholtes 
Einfrieren  wird  von  gewissen  Formen  ertragen ,  wie  die  Versuche  von 
Klebs  an  Euglena  viridis  erw^eisen,  wogegen  Strasburger  (170)  die  ein- 
gefrorenen Schv^ärmzustände  des  Haematococcus  lacustris  und  der  Crypto- 
monas  stets  abgestorben  fand.  Die  ruhenden  Zustände  der  ersteren  Form 
werden  hingegen  nach  Cohn's  Beobachtungen  (66)  durch  Frost  nicht  ge- 
tödtet,  wie  dies  ja  auch  durch  die  Formen  des  rothen  Schnees  erwiesen 
wird.  Davaine  (152)  sah  die  Monaden  der  Infusionen  beim  Einfrieren 
zu  Grunde  gehen. 

Bei  verhältnissmässig  nicht  sehr  niederen  Temperaturgraden  scheinen 
dagegen  die  in  warmblütigen  Thieren  schmarotzenden  Formen  abzusterben, 
wenigstens  gibt  Zunker  an,  dass  die  Flagellaten  des  menschlichen  Darmes 
schon  bei  12  ^  C  absterben.  Doch  stehen  diesen  Angaben  die  Cunuing- 
ham's  (183)  entgegen,  welcher  die  Flagellaten  aus  dem  Darm  verschie- 
dener Säugethiere  auch  ausserhalb  des  Körpers  bei  gewöhnlichen  Tempe- 
raturen weiter  gezüchtet  haben  will.  Auch  die  Herpetomonas  aus  dem 
Blut  der  Ratten  bleibt  nach  Lewis'  Erfahrungen  häufig  mehrere  Tage 
nach  der  Herausnahme  aus  dem  Wirthsthier  lebendig. 

Im  Allgemeinen  übt  die  Steigerung  der  Temperatur  auch  auf  die 
Flagellaten  einen  belebenden  Einfluss  aus,  sie  erhöht,  wenn  sie  eine  ge- 
wisse Grenze  nicht  überschreitet,  die  Energie  der  Bewegungen  und 
sicherlich  auch  die  des  Stoffwechsel,  womit  sich  dann  andererseits  wieder 
eine  raschere  Fortpflanzung  verknüpft.  So  geschehen  z.  B.  nach  Stras- 
burger's  Angaben  die  Bewegungen  des  Haematococcus  lacustris  zwischen 
30 — 40*^  C  am  raschesten.  Bei  fortgesetzter  Temperatursteigerung  tritt 
jedoch  eine  allmähliche  Verlangsamung  der  Bewegungen  ein  und  damit 
gewöhnlich    auch    ein  Niedersinken    der   schwimmenden   Wesen,    bis   die 


860  Flagellata. 

Bewegungen  schliesslich  völlig  aufhören,  ohne  dass  jedoch  der  Tod  sich 
gemeldet  hätte.  Der  Eintritt  dieser  sog.  „Wärmestarre"  erfolgt  natürlich 
bei  den  verschiedenen  Formen  bei  etwas  verschiedenen  Temperaturen 
und  scheint,  soweit  die  wenigen  Beobachtungen  hierüber  berichten,  ge- 
wöhnlich zwischen  40 — 50^  C  stattzufinden.  Für  Haematococcus  lacustris 
liegt  diese  Temperatur  bei  50  '^  C,  niedriger  dagegen  jedenfalls  bei  Crypto- 
monas,  die  schon  bei  45  *^  C  zu  Grunde  geht,  wogegen  bei  dieser  Tempe- 
ratur nach  Klebs  die  Wärmestarre  der  meisten  Euglenen  eintritt.  Bei  Ab- 
kühlung werden  die  wärmestarren  Formen  allmählich  wieder  beweglich 
und  erlangen  ihre  gesammte  Lebensfähigkeit  wieder.  Nur  wenig  höher 
wie  die  Temperatur  der  Wärmestarre  liegt  jedoch  der  Wärmegrad,  welcher 
die  Flagellaten,  wenigstens  in  ihren  beweglichen  Zuständen  dauernd  ver- 
nichtet. Natürlich  ist  auch  dieser  je  nach  den  Formen  etwas  schwankend, 
wie  die  hierüber  etwas  vollständigeren  Angaben  verschiedener  Beobachter 
beweisen.  So  will  Davaine  (152)  schon  bei  40  •^  C  das  Absterben  der 
Monaden  gewisser  Infusionen  beobachtet  haben,  doch  halte  ich  es  in  An- 
betracht der  übrigen  Erfahrungen  wahrscheinlich,  dass  er  diese  Temperatur 
zu  nieder  setzt.  Bei  45**  tritt,  wie  erwähnt,  der  Tod  der  Cryptomonas 
ein,  indem  der  Körper  gewissermaassen  explodirt  (Strasburger  170),  bei 
dieser  Temperatur  erfolgt  denn  auch  nach  Zunker  (169)  das  Absterben 
der  Flagellaten  des  menschlichen  Darmkanals.  Etwas  höher  liegt  nach 
den  Erfahrungen  von  Klebs  diese  Grenze  für  die  Eugleninen,  welche 
etwa  zwischen  45  —  50**  definitiv  absterben.  Haematococcus  lacustris 
dagegen  wird  erst  bei  öS**  getödtet,  und  noch  höher  liegt  nach 
Dallinger  (178)  der  Todespunkt  für  gewisse  Flagellaten  der  Infusionen 
(Bodo,  Polytoma,  Cercomonas  etc.),  welche  erst  bei  60**  C.  vernichtet 
werden  sollen. 

Welche  Temperaturen  die  Ruhe-  und  Dauerzustände,  letztere  speciell 
im  ausgetrockneten  Zustand  aushalten  können,  ist  bis  jetzt  nicht  weiter 
erforscht;  dagegen  haben  Dallinger  und  Drysdale  und  später  der  erstere 
allein  eine  Reihe  von  Experimenten  über  die  Widerstandsfähigkeit  der 
von  ihnen  bei  einer  Anzahl  Infusionsbewohner  beschriebenen  Keime  oder 
Sporen  angestellt.  Indem  wir  hier  nicht  nochmals  die  Frage  nach  der 
Sicherheit  dieser  Beobachtungen,  speciell  der  Sporennatur  der  beschriebe- 
nen Körperchen  discutiren,  welche  ja  zunächst  bejaht  werden  muss,  wenn 
man  den  zu  berichtenden  Angaben  Vertrauen  schenken  will,  geben  wir 
hier  nur  eine  kurze  Mittheilung  der  gefundenen  Resultate.  Zunächst 
wurde  ein  sehr  wesentlicher  Unterschied  in  der  Widerstandsfähigkeit  der 
in  Flüssigkeit  befindlichen  und  der  getrockneten  Sporen  gefunden.  Die 
ersteren  gehen  früher  zu  Grunde,  ertragen  jedoch  z.  Th.  noch  weit 
über  100**  steigende  Temperaturen ;  die  getrockneten  dagegen  halten  noch 
höhere  Temperaturen  aus.  Die  Widerstandsfähigkeit  der  Sporen  steht  im 
Allgemeinen  mit  ihrer  Grösse  im  umgekehrten  Verhältniss ,  die  ansehn- 
lichsten starben  am   frühesten   ab.     Die   nachfolgende  kleine  Tabelle  gibt 


Verhalten  zu  Licht. 


861 


eine    Uebersiclit    der   erzielten    Resultate    und    bedarf   keiner  besonderen 


Erläuterung. 


Temperaturgrenze 

im  beweglichen 
Zustand 

als  Sporen  in  Fliis- 
sigkeit 

alti  trockne  Sporen 

Bodo  ?  saltans       .     .     . 

60—61«  G. 

122«  C. 

149«  C. 

Bodo  ■?  caudatus    .     .     . 

(iO« 

65,5« 

82« 

Oikomonas  sp.       ... 

(iO— 61" 

131« 

149« 

Cerconionas       .... 

CO« 

114« 

126« 

Polytoma  üvella   .     .     . 

60" 

111« 

121" 

Tetramitus  rostratus  .     . 

58,8« 

100« 

121« 

Daliingeria 

• 

105" 

121« 

2.  Einfluss  des  Lichtes.  Wie  bekannt,  bedürfen  die  gefärbten 
Flagellaten  wie  die  grünen  Pflanzen  des  Lichtes  zur  Assimilation  und 
entwickeln  auch  wäe  letztere  unter  der  Einwirkung  des  directen 
Sonnenlichtes  Sauerstoff,  was  zahlreiche  Beobachter  hauptsächlich  bei 
Euglenen  und  ChLamydomonadinen,  die  sich  wegen  ihres  häufig  sehr 
reichlichen  Vorkommens  zu  solchen  Beobachtungen  besonders  eignen, 
vielfach  constatirten.  Bis  zu  welchem  Grade  das  Gedeihen  und  die 
Existenz  der  gefärbten  Flagellaten  an  die  Lichtwirkung  geknüpft  ist, 
lässt  sich  zur  Zeit  noch  nicht  wohl  beantworten,  da  es  an  Versuchen 
über  den  Einfluss  langdauernder  Verdunkelung  auf  unsere  Wesen  sehr 
fehlt.  Immerhin  scheint  z.  B.  aus  gewissen  Experimenten  von  Klebs  an 
Euglena  viridis  hervorzugehen,  dass  dieselbe  Wochen  lang  in  völliger 
Dunkelheit  beweglich  bleibt  und  wohl  auch  sicher  keine  sichtliche  Chloro- 
phylleinbusse  erleidet,  weshalb  die  Vermuthung  nicht  abzuweisen  ist,  dass 
dieselbe  sich  auch,  wenngleich  nur  nothdürftig,  in  saprophytischer  Weise 
ernähren  kann ,  wenn  dauernde  Lichtentziehung  sie  hierzu  zwingt.  Da- 
gegen scheinen  die  beweglichen  Zustände  des  Haematococcus  lacustris 
nach  Cohn  und  Strasburger  viel  stärker  unter  anhaltender  Lichtentziehung 
zu  leiden,  sie  werden  blässer,  blasslichtgrün  nach  Cohn,  und  auch  der 
rothe  Farbstoff,  das  Haematochrom ,  nimmt  allmählich  etwas  ab ;  gleich- 
zeitig magern  sie  mehr  und  mehr  ab,  um  schliesslich  zu  sterben.  Doch 
bleiben  auch  die  Haematococcen  in  der  Dunkelheit  dauernd  beweglich 
wie  die  Euglenen  und  gehen  ebensowenig  wie  diese  in  den  Ruhezustand 
über.  Auch  bei  Stephanosphaera  konnte  Cohn  beobachten ,  dass  die  in 
wenig  durchsichtigen  Gläsern  gehahenen  Kolonien  nur  kleine  Zellindivi- 
duen entwickelten ,  die  in  hellen  Gläsern  dagegen  sehr  ansehnliche  mit 
zahlreichen  verzweigten  Plasmafortsätzen. 

Noch  in  anderer  Hinsicht  hat  jedoch  das  Licht  auf  die  gefärbten 
Flagellaten  einen  sehr  wesentlichen  Einfluss,  indem  es  näuilich,  ähnlich 
wie  bei  den  Zoosporen  der  Algen,  ihre  Bewegungen  beeinflusst,  es  sind 
daher  die  farbigen  Flagellaten  im  Allgemeinen  phototactisch ,  nach  der 
Bezeichnung  Strasburger's   (170).     Ob   diese  Regel   ganz  ausnahmslos  für 


8(52  Flagellata. 

sämmtliclie  ^ilt,  lässt  sich,  wegen  der  Maugelbaftigkelt  der  Untersuchungen, 
bis  jetzt  nicht  angeben.  Wenngleich  eine  solche  Uebereinstinimung  sehr 
wahrscheinlich  ist,  wäre  eine  Ausnahme  doch  nicht  unmöglich,  da  sich 
auch  gewisse  gefärbte  Algenzoosporen  indiflferent  verhalten.  Ungelöst 
scheint  bis  jetzt  die  Frage,  ob  es  auch  phototactische  farblose  Flagellaten 
gibt;  jedenfalls  können  solche  Formen  nicht  allzu  häufig  sein,  da  die 
Beobachtung  sonst  darauf  schon  aufmerksam  gemacht  haben  müsste.  Da- 
gegen lässt  sich  die  Möglichkeit  solcher  Formen  nicht  leugnen,  da  an 
farblosen  Zoosporen  gewisser  Chytridieen  die  Lichtwirkung  hervortritt 
und  auch  anderweitige  farblose  Plasmakörper  (Pelomyxa  und  Plasmodien 
der  Myxomyceten)  deutlich  auf  Licht  reagiren. 

Der  Einfluss  des  Lichtes  auf  die  Bewegiingsvorgänge  spricht  sich  nun 
im  Allgemeinen  in  der  Weise  aus,  dass  die  Bewegung  unter  dem  Ein- 
fluss des  Lichtes  parallel  zu  der  Richtung  des  Lichteinfalls  wird,  indem 
die  Axe  der  Formen  im  Allgemeinen  die  Tendenz  hat,  sich  dem 
Lichteinfall  parallel  zu  stellen  und  damit  denn  auch  die  Fortbewegung  in 
entsprechender  Richtung  geschieht.  Wenn  wir  nun  die  Erfahrungen 
Strasburger's  *)  über  die  nächstverwandten  Erscheinungen  bei  den  Zoo- 
sporen berücksichtigen ,  so  lässt  sich  auf  Grund  derselben  zunächst  fol- 
gendes Speciellere  über  die  Bewegungen  der  phototaktischen  Flagellaten 
unter  dem  Einflüsse  des  Lichtes  angeben.  P^ntweder  erfolgt  die  Be- 
wegung stets  dem  Lichteinfall  zu  ohne  Rücksicht  darauf,  ob  in  dieser 
Richtung  die  Lichtintensität  steigt  oder  fällt.  Solche  Formen  nennt 
Strasburger  „aphoto'metris  che".  Oder  aber  die  Bewegung  geschieht 
in  der  Richtung  des  Lichteinfalls,  jedoch  nach  der  Natur  des  Wesens 
oder  dessen  augenblicklicher  Disposition  (Lichtstimmung)  entweder  dem 
Lichte  zu  oder  umgekehrt  von  diesem  weg,  in  letzterem  Fall  flieht 
also  die  Form  das  Licht,  ist  lichtscheu  oder  photophob,  die  erstere 
dagegen  photophil.  Letzterwähnte  Modification  der  Phototaxie  bezeichnet 
Strasburger  als  die  photometrische.  Mit  Stahl  (Verh.  d.  phys.  medic. 
Gesellsch.  zu  Würzburg  N.  F.  Bd.  14)  und  Pfeß'er  (Pflanzenphysiologie 
p.  367)  halte  ich  es  jedoch  für  zweifelhaft,  ob  wirklich  aphotometrische 
Formen  im  Sinne  Strasburger's  existiren.  Einmal  konnte  Stahl  nach- 
weisen ,  dass  sich  gewisse  von  Strasburger  für  aphotometrisch  gehaltene 
Zoosporen  photometrisch  verhalten  und  weiterhin  scheinen  mir  wie  Pfeffer 
die  Strasburger'schen  Experimente,  welche  beweisen  sollen,  dass  gewisse 
aphotometrische  Schwärmer  dem  Licht  zuwandern ,  auch  wenn  dessen 
Intensität   in   der   Richtung  zur  Lichtquelle   abnimmt,    nicht  überzeugend. 

Im  Grunde  genommen  unterscheiden  sich  die  beiden  Arten  photo- 
metrischer Flagellaten  nicht  priucipiell,  sondern  nur  quantitativ  von 
einander,  d.  h.  beide  bewegen  sich  einem  Licht  bestimmter  Intensität  zu, 
welches   sie   aufsuchen   und   für   das  sie  abgestimmt  sind,    wie  man  sich 


*)   Eine    ansführlicbe    Zusammenstellung    der    liifrauf   bezüglichen    Literatur    siehe    bei 
Strasburger  (170). 


Verhalten  zu  Licht.  863 

ausdrücken  kann.  Wählend  aber  die  pbotophilen  ein  Licht  sehr  hoher 
oder  doch  höherer  Intensität  aufsuchen  und  daher  für  gewöhnlich  der 
Lichtquelle  zueilen,  sind  die  photophoben  auf  Licht  niederer  Intensität  ge- 
stimmt, demnach  fliehen  sie  das  Licht  mittlerer  Intensität  und  sammeln 
sich  an  der  der  Lichtquelle  abgewendeten  Seite  der  Beobachtungsgefässe 
an.  Wird  jedoch  die  Intensität  des  zutretenden  Lichtes  allmählich  ver- 
ringert, so  gelingt  es  wohl,  die  photophoben  Formen  zu  pbotophilen  zu 
machen,  sobald  nämlich  die  Intensität  des  zutretenden  Lichtes  unter  die 
Grenze,  auf  welche  die  betreffenden  Formen  abgestimmt  sind,  sinkt,  eilen 
sie  der  Lichtquelle  zu;  d.  h.  sie  suchen  die  ihnen  zusagende  Lichtinten- 
sität auf.  Aehnlich  ist  es  ohne  Zweifel  mit  den  pbotophilen,  es  handelt 
sich  hier  nur  darum  die  Intensität  des  zutretenden  Lichtes  über  diejenige, 
welche  den  betreffenden  Formen  noch  zusagt,  zu  steigern,  damit  sie  photo- 
phob  werden.  Es  scheint  jedoch,  dass  zahlreiche  dieser  pbotophilen  For- 
men auf  so  hohe  Lichtintensitäten  abgestimmt  sind,  dass  sie  schwierig 
zur  Photophobie  gebracht  werden  können,  namentlich  auch  noch  deshalb, 
weil  bedeutende  Steigerung  der  Intensität  zuweilen  ein  Festheften  mittels 
der  Geissein  hervorruft  (Haematococcus). 

Diese  Lichtstimmung  ist  nun  nicht  nur  für  verschiedene  Arten  eine 
recht  verschiedene,  so  dass  dieselben  sich  theils  als  photophil,  theils  als 
l)hotophob  erweisen,  sondern  sie  kann  auch  bei  einer  und  derselben 
Art  wechseln,  so  dass  diese  in  verschiedenen  Lebensepochen  oder  ab- 
hängig von  anderweitigen,  vielfach  noch  unbekannten  Ursachen  bald  photo- 
phil, bald  photophob  erscheint.  Hierauf  beruht  denn  auch  die  vielfach, 
speciell  bei  den  gefärbten  Flagellaten  gemachte  Erfahrung,  dass  sich  unter 
dem  Einfluss  des  Lichtes  die  Flagellaten  eines  Gefässes  und  zwar  auch 
die  derselben  Art  häufig  sehr  verschieden  verhalten,  d.  h.  dass  die  einen 
sich  an  dem  dem  Licht  zugewendeten  Rande  des  Gefässes,  die  anderen 
dagegen  an  dem  entgegengesetzten  ansammeln.  Manche  Erfahrungen 
sprechen  dafür,  dass  die  Photophilie,  d.  h.  also  eine  Stimmung  auf  hohe 
Lichtintensität  während  der  jugendlichen  Zeit  vorherrscht,  dagegen  im 
erwachsenen  Zustand  die  Photophobie  mehr  zur  Entwicklung  gelangt.  So 
hat  Cohn  schon  1850  für  Haematococcus  angegeben,  dass  die  für  gewöhn- 
lich pbotophilen  beweglichen  Zustände  bei  der  Fortpflanzung  und  wenn 
sie  im  Begriff  sind  sich  zur  Ruhe  zu  begeben,  das  Licht  fliehen.  Bei 
Volvox  dagegen  will  Cienkowsky  umgekehrt  die  Jugendformen  das  Licht 
fliehend  gefunden  haben.  Wie  gesagt,  sind  zahlreiche  Einflüsse,  welche 
einen  solchen  Stimmungswechsel  erzeugen  können,  uns  jedenfalls  noch 
unbekannt.  Strasburger's  Vermuthung,  dass  in  dieser  Beziehung  eine  ge- 
wisse Anpassung  an  die  mittlere  Helligkeit  der  speciellen  Wohnorte  vor- 
liege, hat  jedenfalls  vieles  für  sich.  Andrerseits  gelang  es  diesem  Beob- 
achter auch,  experimentell  einige  Ursachen  ausfindig  zu  machen,  welche 
einen  Einfluss  auf  die  Lichtstimmung  ausüben.  Zunächst  steigert  höhere 
Temperatur  im  Allgemeinen  die  Photophilie  und  umgekehrt,  andrer- 
seits   steigert    aber    auch   Sauerstoffmangel    die   Photophilie   speciell    bei 


864  Flagellata. 

Haematococcus ,  eine  Eischeinung ,  welche,  wie  die  Erfahrungen  Cohn's 
(1850),  der  die  beweglichen  Zustände  dieser  Form  bei  Luftabscbluss 
schon  in  zwei  Stunden  absterben  sab,  darauf  hinweist,  dass  ihr  Sauer- 
stofifbediiifniss  ein  recht  erhebliches  ist.  Dagegen  scbeint  Eugelmann  (200) 
bei  den  Euglenen  nichts  Aehnlicbes  gefunden  zu  haben,  denn  er  berichtet, 
dass  dieselben  sich  in  ihrer  Lichtreaction  sehr  unabhängig  von  der  Sauer- 
stoffspannung des  Mediums  zeigten.  Doch  folgt  hieraus  zwar  an  und  für 
sich  nichts  für  die  Frage  nach  der  Photophobie  oder  -philie,  immerhin 
scheint  Engelmann  aber  doch  keine  Veränderung  in  dieser  Hinsicht  ge- 
funden zu  haben. 

Während  wir  sehen,  dass  die  Bewegungsrichtung  der  phototactischen 
Flagellaten  durch  das  Licht  so  wesentlich  beeinflusst  wird,  ist  dagegen 
ihre  ßewegungsintensität  ganz  unabhängig  von  dem  Licht,  wie  zuerst 
Nägeli  und  dann  Strasburger  zeigten. 

Die  Lichtwirkung  geht,  wie  Versuche  Cohn's  (HG),  Strasburger's  (170) 
und  Engelmann's  (200)  zeigten,  von  den  starkbrechenden  Theilen  des 
Spectrums  aus,  die  blauen,  indigofarbenen  und  violetten  Strahlen  sind 
nach  Strasburger  allein  wirksam  und  das  Maximum  der  Wirkung  liegt 
im  Indigo.  Engelmann  sah  bei  Untersuchungen  im  Mikrospectrum  die 
Euglenen  sich  hauptsächlich  in  der  Gegend  der  Linie  F  anhäufen. 

Schliesslich  haben  wir  hier  noch  einiges  über  den  Sitz  der  Licht- 
empfindlichkeit unserer  Wesen  zuzufügen,  insofern  die  einzig  darüber  vor- 
liegenden Versuche  Engelmann's  uns  Aufschluss  gewähren.  Derselbe  fand 
bei  Euglena,  dass  der  Sitz  der  Lichtempfindlichkeit  in  der  farblosen  vor- 
dersten Körperspitze,  dicht  vor  dem  Stigma  zu  suchen  ist,  denn  setzte 
man  Euglenen  partiell  in  Schatten,  so  trat  die  Wirkung  auf  die  Bewegung 
immer  dann  ein ,  wenn  der  Schatten  diese  Stelle  traf,  nie  jedoch  wenn 
dieselbe  unbeeinflusst  blieb.  Hieraus,  wie  aus  anderen  Erwägungen  lässt 
sich  der  Schluss  ziehen ,  dass  die  Chromatophoren  direct  nichts  mit  der 
Lichtwirkung  zu  thun  haben  und  dass  ebenso  auch  das  Stigma  selbst 
nicht  lichtempfindlich  ist, 

3)  Einfluss  der  Schwerkraft  auf  die  Bewegungsrichtung 
gewisser  Flagellaten.  Aus  in  jüngster  Zeit  publicirten,  interessanten 
Beobachtungen  von  F.  S.  Schwarz  (Ber.  d.  deutschen  bot.  Gesellsch.  II, 
p.  51)  scheint  hervorzugehen,  dass  die  Bewegungen  von  Chlamydomonas 
und  Euglena  in  der  That  durch  den  Einfluss  der  Schwerkraft  in  gewissem 
Grade  bestimmt  werden.  Diese  Untersuchungen  zeigen  zunächst,  dass  di^ 
dem  Einfluss  des  Lichtes  entzognen  Flagellaten  stets  der  Richtung  der 
Schwere  entgegen  streben  und  sich  deshalb  an  der  Oberfläche  des  Sub- 
strates, in  welchem  sie  sich  befinden,  ansammeln.  Den  Einwand,  dass 
das  Sauerstoffbedürfniss  bei  dieser  Ansammlung  mitwirke,  konnte  der 
Beobachter  durch  besondere  Experimente  ausschliessen.  Auch  das  spec. 
Gewicht  vermag  diesen  Bewegungsdrang  nicht  zu  erklären,  da  die  unter- 
suchten Formen  entschieden  schwerer  als  Wasser  sind.  AVurden  die- 
selben Flagellaten  unter  ähnlichen  Bedingungen  der  Wirkung  von  Centri- 


Einfl.  d.  Lichtes,  der  Schwerkraft  und  cliem.  ßeize  auf  die  Bewegung.  865 

fugalkräften  ausgesetzt,  indem  die  Gläser  in  radialer  Richtung  an  einer 
horizontalen  Axe  rotirt  wurden,  so  zeigte  sich,  dass  unter  dem  Einfluss 
einer  massigen  Ceutrifugalkraft  eine  Bewegung  der  Flagellaten  nach  der 
Axe  zu  stattfand,  also  in  ähnlichem  Sinne  wie  unter  der  Wirkung  der 
Schwere.  Ueberstieg  die  von  der  Centrifugalkraft  hervorgerufene  Be- 
schleunigung dagegen  etwa  8  —  9  Mal  die  durch  die  Schwere  bewirkte, 
so  erfolgte  Bewegung  von  der  Rotationsaxe  weg  und  die  Flagellaten 
sammelten  sich  also  an  dem  von  der  Axe  entferntesten  Theil  des  rotir- 
ten  Gefässes  an.  Letzteren  Vorgang  glaubt  Schwarz  als  eine  einfache 
Wirkung  der  Centrifugalkraft  betrachten  zu  müssen,  doch  ist  diese  Er- 
klärung bis  jetzt  nicht  als  ganz  gesichert  zu  erachten,  da  getödtete  Fla- 
gellaten oder  Lycopodiumsporen  unter  denselben  Umständen  keine  ent- 
sprechende Ansammlung  ergaben. 

Dass  aber  die  erstgeschilderten  Ansammlungen  der  Flagellaten  unter 
dem  Einfluss  der  Schwere  oder  der  Centrifugalkraft  wirklich  auf  einem 
bestimmenden  Einfluss  dieser  Kräfte  auf  ihre  Bewegungen  beruhen,  dürfte 
mit  Sicherheit  daraus  zu  entnehmen  sein,  dass  diese  Ansammlungen 
unterbleiben,  wenn  die  Flagellaten  zuvor  getödtet  waren  oder  wenn  die 
Versuche  bei  niederer  Temperatur  (5 — 6^  C.)  vorgenommen  wurden. 

4)  Einfluss  chemischer  Reiz  e  auf  die  Bewegungsrich- 
tung. In  einer  vor  Kurzem  erschienenen  Arbeit  von  W.  Pfeffer  (Arbeiten 
aus  dem  Botanischen  Institut  zu  Tübingen  I ,  p.  363)  wird  der  höchst 
interessante  Nachweis  geführt,  dass,  wie  der  Lichtreiz  auf  die  Bewegungs- 
richtung der  Zoosporen  und  Flagellaten  einen  bestimmenden  Einfluss  aus- 
übt, auch  chemische  Reize  auf  die  Spermatozoidieu  der  Cryptogamen,  die 
schwärmenden  Schizomyceten  und  gewisse  Flagellaten  ähnlich  wirken. 
Für  Chlamydomouas  gelang  es  nicht,  einen  Stoff  ausfindig  zu  machen, 
welcher  einen  Einfluss  in  dem  betonten  Sinne  ausübt.  Anders  verhielten 
sich  dagegen  gewisse  farblose  Flagellaten,  unter  denen  Trepomonas  deut- 
lich von  einer  Fleischextractlösung  angezogen  wurde,  während  bei  Chilo- 
monas  eine  solche  Wirkung  nur  sehr  schwach  hervortrat. 

Eine  solche  Anziehung  seitens  chemischer  Reize  wird  dadurch  be- 
wirkt, dass  ähnlich  wie  durch  den  Einfluss  des  Lichtes  die  Körperaxe 
nach  der  Reizquelle  gerichtet  wird  und  daher  die  Bewegung  in  der  Rich- 
tung auf  dieselbe  geschieht. 

C.   Wohnorts-  und  Ernährungsver hiiltnisse  der  Flagellaten. 

Eine  gemeinsame  Erörterung  der  in  der  Ueberschrift  dieses  Abschnitts 
erwähnten  Verhältnisse  empfiehlt  sich  aus  dem  Grunde,  weil  beide  sich  gegen- 
seitig mehr  oder  weniger  bedingen.  Wie  schon  mehrfach  erwähnt  wurde, 
ist  der  Modus  der  Ernährung  im  Wesentlichen  ein  dreifach  verschiedener, 
d.  h.  entweder  1)  ein  echt  thierischer  durch  Aufnahme  geformter  organi. 
scher  Nahrung,  oder  2)  ein  pflanzlicher  durch  Assimilationsvorgänge,  ent- 
sprechend denjenigen  der  grünen  Pflanzen,  oder  3)  ein  saprophytischer, 
d.  h.   die   Ernährung   geschieht   ähnlich   der   zahlreicher  chlorophyllfreier 

Bronn,  Klassen  des  Thier-Eeichs.    Protozoa.  55 


866  •  Flagellata. 

Pflanzen  durch  Aufsaugung  gelöster  organischer  Substanzen,  ist  also  in 
chemischer  Hinsicht  mehr  thierisch,  im  Hinblick  auf  die  Art  der  Nahrungs- 
aufnahme mehr  pflanzlich.  Wir  haben  im  systematischen  Abschnitt  diese 
drei  Ernährungsformen  als  die  animalische,  die  holophytische  und  die 
saprophytische  bezeichnet.  Natürlich  werden  dieselben  einander  nicht 
unvermittelt  gegenüberstehen,  sondern  es  ist  wahrscheinlich,  dass  viele 
Formen  mit  animalischer  Ernährung  auch  noch  mehr  oder  weniger 
saprophytisch  Nahrung  zu  sich  nehmen ,  und  das  Gleiche  gilt  wohl 
häufig  auch  für  holophytisch  sich  ernährende,  da  wir  ja  schon  er- 
fahren haben ,  dass  dieselben  nicht  selten  in  nächstverwandten  Formen 
oder  sogar  nur  Varietäten  zu  rein  saprophytischer  Ernährungsweise 
übergehen. 

Die  holophytische  Ernährung  setzt  natürlich  die  Existenz  von  Chroma- 
tophoren  voraus  und  so  finden  wir  denn  auch,  dass  die  gefärbten 
Flagellaten  fast  ausschliesslich  reine  Holophyten  sind.  Nur  ein  siche- 
res Beispiel  der  Verknüpfung  pflanzlicher  und  thierischer  Ernährung 
liegt  meines  Wissens  vor,  nämlich  die  von  Stein  constatirte  Auf- 
nahme geformter  Nahrung  (Diatomeen  und  Chlamydomonaden)  bei  der 
von  uns  zu  den  Euglenoidinen  gezogenen  Chromulina  (Chrysomonas  St.) 
flavicans.  Auch  für  einige  anderweite  gefärbte  Flagellaten  wurde  ge- 
legentlich behauptet,  dass  sie  geformte  Nahrung  aufnehmen,  doch  halte 
ich  die  bezüglichen  Angaben  für  unsicher  und  in  hohem  Grade  unwahr- 
scheinlich. So  wollte  schon  Perty  (76)  einmal  in  einer  Euglena  eine 
Pflanzenfaser  beobachtet  haben;  in  neuester  Zeit  trat  Kent  (182)  mit  der 
Angabe  auf,  dass  sich  Euglena  viridis  mit  Karmin  füttern  lasse  und 
der  sogen.  Mund  der  Euglenen  thatsächlich  zur  Aufnahme  fester  Nahrungs- 
stoffe diene,  wogegen  Stein  demselben  nur  die  Aufsaugung  flüssiger  Nah- 
rung zuschrieb.  Die  vielen  andern  Beobachter,  welche  sich  mit  Euglenen 
beschäftigten ,  konnten  nie  etwas  von  der  Aufnahme  geformter  Nah- 
rung wahrnehmen,  weshalb  die  vereinzelt  stehenden  Angaben  Perty's 
und  Kent's  wenig  Vertrauen  verdienen. 

Wie  schon  früher  augedeutet  wurde,  scheint  sogar  die  von  Stein  den 
sogen,  Mundeinrichtungen  der  Eugleninen  und  Chloropeltinen  zugeschriebne 
Aufnahme  flüssiger  Nahrung  sehr  zweifelhaft  und  dies  gilt  in  gleicher 
Weise  für  zahlreiche  Coelomonadinen,  Menoidinen  und  Astasiinen.  Wahr- 
scheinlich hat  sich  bei  diesen  theils  holo-  theils  saprophytisch  lebenden 
Formen  Mund  und  Schlund  nur  als  Ausleitungsapparat  des  Systems  der 
contractilen  Vacuolen  erhalten,  dagegen  jede  Beziehung  zur  Nahrungs- 
aufnahme verloren.  Die  von  der  holo-  resp.  saprophytischen  Ernährungs- 
weise bedingte  Aufsaugung  flüssiger  Nahrung  dürfte  wie  bei  vielen  anderen 
Flagellaten  auch  hier  durch  die  gesammte  Oberfläche  geschehen. 

Einige  Zweifel  herrschen  auch  noch  bezüglich  der  Ernährungsweise 
der  gefärbten  Cryptomonas,  bei  welcher  Künstler  (190)  in  dem  von 
ihm   beschriebenen   complicirten    Darmapparat  Nahrung  (Bacterien)  beob- 


I 


Ernährungsverhiiltnisse.  867 

achtet  haben  will.  Hinsichtlich  dieser  Form  ist  ein  Zweifel  leicht  erklär- 
lich, da  dieselbe  ähnlich  wie  die  farblose  Chilomonas  mit  einem  ansehn- 
lichen Mund  und  Schlund  versehen  ist.  Ich  halte  jedoch  die  Nahrungs- 
aufnahme der  Cryptomonas  für  um  so  zweifelhafter,  da  die  nächstver- 
wandte Chilomonas  Paramaecium  sicher  keine  Nahrung  aufnimmt,  son- 
dern echt  saprophytisch  lebt.  Zwar  gibt  Kent  (182)  an,  dass  seine 
Chilomonas  Amygdalum  Vibrionen  und  kleine  Monaden  fresse,  jedoch 
ist  die  Stellung  dieser  Form  bei  Chilomonas  ziemlich  zweifelhaft. 

Wir  erkennen  hieraus,  dass  nur  der  einzige  Fall  der  Chromulina 
flavicans  die  Vereinigung  der  animalischen  und  holophytischen  Ernährungs- 
weise sicher  darbietet. 

Die  rein  saprophytische  Ernährungsweise  erfordert  besondre  Lebens- 
bedingungen, d.  h.  eine  an  aufgelösten  organischen  Substanzen  reiche 
Wohnstätte,  wie  sie  am  besten  von  Infusionen  dargeboten  wird.  Dies 
schliesst  nicht  aus,  dass  derartige  Formen  auch  in  natürlichen  Gewässern, 
die  nicht  gerade  die  Bezeichnung  Infusionen  verdienen,  gelegentlich  ge- 
troffen werden,  denn  auch  hier  werden  sie  in  der  Nähe  faulender 
und  zerfallender  Organismen  die  Bedingungen  ihrer  Ernährung  finden. 
Doch  treten  solche  Formen  erst  dann  in  grösserer  Menge  auf,  wenn 
durch  natürliche  oder  künstlich  erzeugte  Vorgänge  die  Wohnstätte 
mehr  den  Charakter  einer  wirklichen  Infusion  annimmt.  Rein  sapro- 
phytische Formen  nun  scheinen  häufig  aus  solchen  mit  holophytischer 
Ernährungsweise  hervorgegangen  zu  sein,  worauf  ihre  nahen  verwandt- 
schaftlichen Beziehungen  zu  denselben  hinweisen.  Dies  zeigen  Polytoma 
und  Chilomonas  in  ihren  Beziehungen  zu  Chlamydomouas  und  Crypto- 
monas und  die  farblosen  Varietäten  gefärbter  Formen  aus  der  Gruppe 
der  Euglenoidinen,  auf  die  wir  schon  früher  hinwiesen.  Auch  unter  den 
Menoidinen  und  Astasiinen  finden  sich  wahrscheinlich  zahlreich  solche 
Saprophyten.  Dieselbe  Art  der  Ernährung  mag  sich  denn  auch  nicht  selten 
bei  parasitischen  Flagellaten  finden,  denn  für  nicht  wenige  derselben 
blieb  die  Aufnahme  fester  Nahrung  zweifelhaft  oder  ist  unwahrscheinlich 
(doch  sind  die  Untersuchungen  hier  noch  wenig  ausreichend). 

Zu  den  echt  animalischen  Formen  gehören  natürlich  nur  farblose 
Flagellaten  und  zwar  wohl  sicher  die  grosse  Mehrzahl  der  Monadinen, 
dagegen  relativ  wenige  Isomastigoden ,  darunter  sicher  die  Amphi-  und 
Spongomonadinen  und  weiter  die  Trepomonadina  und  die  Tetramitina 
z.  Th.  oder  gänzlich.  Unter  den  irregulären  Formen  ist  nur  die  marine 
Oxyrrhis  hieherzurechnen. 

Unter  den  Euglenoidinen  sind  sicher  animalisch  die  Peranemina, 
Petalomonadina  und  ein  Theil  der  Astasiina;  für  zahlreiche  farblose  Eu- 
glenoidinen ist  jedoch  die  Ernährungsweise  noch  zweifelhaft.  Bei  den 
Heteromastigoda  ist  die  animalische  Lebensweise  wenigstens  für 
Bodo  und  die  Anisonemina  sicher  erwiesen.  Von  den  hier  aufgezählten 
animalischen  Formen  sind  die  kleineren  gewöhnlich  sehr  ausgesprochene 

55* 


868  Flagellata. 

Infiisionsbewobner,  wiewohl  auch  die  grösseren  in  Infusionen  gedeihen. 
Die  ersteren  Formen  ernähren  sich  dann  auch  vorzugsweise  von  den  in 
den  Infusionen  nie  fehlenden  Schizoniyceten.  Micrococcen,  ßacterien, 
Vibrionen  etc.  bilden,  soweit  erwiesen,  ihre  Hauptnahrung,  wozu  sich  je- 
doch auch  noch  mancherlei  organische  Körper  gesellen,  wenn  sie  nur  die 
Kleinheit   besitzen,   um   von  den  minimalen  Wesen  bewältigt  zu  werden. 

So  frisst  ein  Bodo  (angustatus)  hauptsächlich  gern  Stärkemehl;  auch 
parasitische  Formen  nehmen  dies  zuweilen  auf  (Hexamitus  intlatus). 
Manche  Formen  fressen  den  Inhalt  von  Algenzellen  (Spirogyra,  Oedo- 
gonium,  Diatomeen)  aus,  so  Bodo  globosus  St.,  die  sog.  Pseudospora 
parasitica  und  Nitellarum  Cienkowsky's;  die  Pseudospora  Volvocis  dagegen 
Volvoxzellen.  Grössere  Formen  vermögen  auch  grössere  Nahrungs- 
körper zu  bewältigen,  so  hauptsächlich  kleinere  Flagellaten  anderer  oder 
sogar  zuweilen  derselben  Art,  Coufervenbruchstücke,  Diatomeen, 
Schwärmsporen  von  Algen  und  wohl  überhaupt  die  verschiedenartigsten 
kleinen  Bewohner  der  Gewässer. 

Wir  reihen  hier  gleich  noch  einige  Bemerkungen  über  die  Ver- 
breitung der  Flagellaten  an  den  verschiedenen  Wohnorten  an.  Die 
Hauptmenge  der  früher  aufgezählten  190— 200  Arten  tindet  sich  mit  etwa 
155  — 165  im  süssen  Wasser  der  verschiedensten  Form,  etwa  16  Arten 
sind  seither  marin  gefunden  worden  und  ca.  20 — 21  als  Parasiten  in 
den  mannigfaltigsten  AVirthen  aus  dem  Thierreich.  Ausschliesslich 
marin  beobachtet  wurden  bis  jetzt  nur  4  Gattungen  *),  sowohl  in  süssem 
Wasser  wie  im  Meer  dagegen  8  —  9.  Jedenfalls  geht  aus  dieser  Zu- 
sammenstellung hervor,  dass  die  marine  Fauna  bis  jetzt  überhaupt  nur 
wenig  Beachtung  gefunden  hat.  Verschiedenartige  Mittheilungen  der 
neueren  Zeit  deuten  darauf  hin ,  dass  auch  die  parasitischen  Flagel- 
laten an  Zahl  wie  Verbreitung  bedeutend  reicher  sind,  als  seither  ver- 
muthet  wurde,  ßein  parasitisch  leben  7  Gattungen,  doch  sind  darunter 
noch  einige  ziemlich  unsicher;  freilebend  und  parasitisch  gefunden 
wurden  dagegen  2  —  3  Gattungen.  Zweifelhaft  erscheint  bis  jetzt  noch, 
ob  ein  und  dieselbe  Art  gelegentlich  parasitisch  und  freilebend  existiren 
kann,  was  bei  unseren  Wesen  nicht  ganz  unwahrscheinlich  ist.  Die 
Verbreitung  der  Parasiten  erstreckt  sich  über  die  Wirbelthiere,  wo  sie 
in  sämmtlichen  Unterabtheilungen  getroffen  wurden,  die  Arthropoden 
(namentlich  Insecten ,  weiter  Myriopoden),  einige  Mollusken  und  einen 
Nematoden,  doch  hängt  dies  wohl  wesentlich  damit  zusammen,  dass  sich 
die  Aufmerksamkeit  bis  jetzt  vorzugsweise  auf  diese  AVirthe  gerichtet  hat. 
Den  Hauptsitz  parasitischer  Flagellaten  bildet  der  Darmkanal  in  seineu 
verschiedenen  Abschnitten,  doch  treten  dieselben  gelegentlich  auch  noch 
anderweitig  auf,  so  im  Blut  (Trypanosoma  und  Herpetomonas),  in  dem 
Schleim  der  menschlichen  Scheide  (Trichomonas),  den  Beceptacula  seminis 


*■•)  Hierzu  kilmcu  jedoch  noch  die  drei  auf  p.  845    erwähnten  von  Cienlowsky  besrlirii'- 


benen  üattungcu,  libur  die  ich  nicht  urtheilen  liann. 


WnlmorlsviTlKiltnissu.  869 

gewisser  Helicinen  (Leidy,  56a,  T.  V.),  sowie  in  den  llarnweg-en,  da 
im  Urin  des  Menschen  gelegentlich  Flagellaten  beobachtet  wurden  (Hassal, 
the  Lancet  1859  und  Künstler*)  1883).  Auch  in  der  Mundhöhle  wurden 
gelegentlich  fiagellatenartige  Organismen  beobachtet.  Aus  einer  Unter- 
suchung Kannenberg's**)  geht  weiter  hervor,  dass  kleine  Flagellaten 
zuweilen  im  menschlichen  Sputum  bei  Lungengangrän  zu  finden  sind 
und  die  Beobachtungen  machen  es  sehr  wahrscheinlich,  dass  die 
monadenartigen  Wesen  schon  in  dem  fauligen  Secret  der  Lunge 
selbst  leben.  Auch  in  abgeschlossenen  Räumen  fanden  sich  gelegentlich 
Flagellaten ,  so  gehört  hieher  der  von  Lambl  mitgetheilte  Fall  massen- 
hafter Flagellaten  (wahrscheinlich  Cercomonas)  in  der  äusseren  Cysten- 
fiüssigkeit  um  einen  Echinococcus  der  Leber  eines  Menschen.  Da  jedoch 
diese  Cj^ste  sehr  wahrscheinlich  aus  einem  Gallengang  entstanden 
war,  so  erklärt  sich  das  Eindringen  von  Flagellaten  an  diesen  Ort 
unschwer. 

Eine  und  dieselbe  Gattung  der  Parasiten  bewohnt  häutig  recht  ver- 
schiedene Orte  nnd  sehr  verschiedenartige  Wirfhe;  als  Beispiel  möge 
Trypanosoma  dienen,  welche  nicht  nur  im  Blut  zahlreicher  Wirbelthiere, 
sondern  auch  im  Darm  gewisser  Vögel  und  Mollusken  (Ostrea)  ge- 
limden  wird. 

Einige,  vielleicht  zahlreiche  gefärbte  Formen  des  süssen  Wassers 
besitzen  die  Fähigkeit,  auch  auf  feuchter  Unterlage  und  in  feuchter 
Atmosphäre  zu  vegetiren ;  natürlich  gehen  sie  hierbei  in  den  Ruhe- 
zustand über.  So  gelingt  nach  Klebs  (206)  die  Kultur  zahl- 
reicher Eugleneu  und  Chlamydomonadinen  auf  feuchtem  Torf  sehr  gut 
und  schon  A.  Braun  (70)  berichtete  Aehnliches  für  Haematococcus 
lacustris.  Letzterwähnte  Form  verdient  unser  besonderes  Interesse ,  da 
sie  oder  doch  eine  ganz  nahe  Verwandte  auch  im  Schnee  der  Hoch- 
gebirge und  der  Folargegenden  gedeiht  und  hier  die  Erscheinung  des 
rothen  Schnees  hervorruft.  Es  sind  natürlich  wie  in  jenen  Kulturen  in 
feuchter  Atmosphäre  die  vegetirenden  Ruhezustände,  welche  sich  vor- 
zugsweise im  Schnee  finden,  w^ogegen  die  beweglichen  Formen  nur 
dann  auftreten ,  wenn  eine  Wasseransammlung  ihre  Ausbildung  möglich 
macht.  Neuere  Erfahrungen  von  Rostafinski  (187)  ergaben,  dass  der 
eigentliche  Haematococcus  lacustris  (s.  nivalis)  in  der  Tatra  hauptsäch- 
lich auf  den  Eisgraupen  entstehender  Gletscher  lebt,  und  dass  sich 
gleichzeitig    noch    eine    wahrscheinlich   zu   Chlamydomonas   (flavovirens) 


*)  Commimication  k  la  sociote  (rAnatomie  et  de  Physiologie  de  Bordeaux  27.  Nov.  1883. 
**)  Kannenberg-  (Arch.  f.  patliol.  Anatomie,  75,  1879)  beobachtete  zwei  verschiedene 
Formen,  deren  Natur  auf  Grund  der  Befunde  bis  jetzt  nicht  sicher  zu  stellen  ist.  Die  eine 
erscheint  etwa  wie  eine  kleine  Oikomonas,  die  zweite  hat  merkwürdiger  Weise  eine  gewisse 
Aehnlichkeit  mit  Chilomonas.  Natürlich  lässt  sich,  wie  bei  noch  manchen  anderen  der  un- 
genau bekannten  parasitischen  Flagellaten  zur  Zeit  nicht  einmal  bestimmt  sagen,  ob  dieselben 
nicht  gar  in  den  Entwicklungskreis  verwandter  Gruppen  gehören. 


870  *  B'lagellata. 

gehörige  Form  auf  deui  Schnee  der  Tatra  findet,  welche  demselben  bei 
reichlicher  Entwickelung  eine  grünlichgelbe  Farbe  verleiht*). 

Wir  schliessen  an  diese  Bemerkungen  über  den  rothen  Schnee  gleich 
einige  Worte  über  die  von  Flagellaten  häufig  hervorgerufenen  Färbungen 
der  Gewässer  an.  Grüne  Färbungen  können  natürlich  durch  reichliche 
Entwicklung  sehr  verschiedenartiger  Formen  hervorgerufen  werden,  be- 
sonders häufig  sind  es  jedoch  Euglena  viridis  und  Chlamydomonasformen, 
welche  dies  bewirken;  gelbliche  bis  bräunliche  Färbungen  verdanken 
gleichfalls  häufig  Flagellaten  ihre  Entstehung  und  namentlich  die  rothe 
oder  blutartige  Färbung  hat  die  Aufmerksamkeit  besonders  erweckt. 
Dieselbe  beruht  in  grösseren  Wasseransammlungen  (Teichen  etc.)  gewöhn- 
lich auf  massenhafter  Entwicklung  der  Euglena  sanguinea,  in  kleineren 
Pfützen ,  Lachen  etc.  dagegen  meist  auf  der  Entwicklung  des  Haemato- 
"toccus  lacustris. 

Da  nun  letztere  Form  oder  eine  sehr  ähnliche  auch  im  Salz- 
wasser, und  zwar  recht  concentrirter  Soole,  wie  sie  sich  bei  der  Salz- 
gewinnung an  den  Küsten  des  Mittelmeers  in  den  Bassins  bildet, 
oft  in  grosser  Menge  vorkommt,  so  nimmt  auch  diese  Soole  manchmal 
eine  rothe  Farbe  an,  ja  diese  theilt  sich  durch  Einschluss  zahlreicher 
Haematococcen  zuweilen  dem  gewonnenen  Salz  mit  (Dunal,  Joly,  33 — 34). 
Diese  Erfahrungen  machen  es  dann  auch  nicht  unwahrscheinlich,  dass 
gelegentlich  beobachtete  Rothfärbungen  des  Meeres  auf  der  massenhaften 
Entwicklung  eines  Haematococcus  beruhen.  So  wurde  im  Jahre  1845 
eine  solche  Färbung  des  Seewassers  an  der  portugiesischen  Küste  weit 
verbreitet  beobachtet  und  Montagne  entdeckte  als  Ursache  derselben  einen 
dem  Haematococcus  nivalis  sehr  ähnlichen  Organismus,  welchen  er  Proto- 
coccus  atlanticus  nannte  (s.  bei  Dareste  Ann.  sc.  nat.  4.  Zool.  T.  3,  1855). 

D.    Absonderung  riechender  Stoffe. 

Eigenthümlicher  Weise  besitzen  gewisse  gefärbte  Flagellaten  einen 
specifischen  Geruch,  der  deutlich  hervortritt,  wenn  sie  ein  Wasser  in 
grossen  Mengen  erfüllen.  Schon  Ehrenberg  machte  darauf  aufmerksam, 
dass  Chlamydomonas  pulvisculus  und  Chlorogonium  einen  spermatischen 
Geruch  besitzen  und  spätere  Beobachter  bestätigten  dies.  Die  einst  von 
Cohn  (1850)  ausgesprochene  Vermuthung,  dass  diese  Erscheinung  von  Ozon 
herrühre,  konnten,  wie  derselbe  Beobachter  später  mittheilte  (1856), 
genauere  Untersuchungen  von  Löwig  nicht  bestätigen.  Die  mit  den 
erwähnten  nahe  verwandte  Haematococcus -Form,  welche,  wie  früher 
gezeigt  wurde,  die  Salzbassins  der  Mittelmeerküste  häufig  röthet,  gibt 
dem   Salzwasser    gleichfalls    einen    besonderen   Geruch,    welcher   jedoch 


*)  Dieser  Chlaüiydomonas  flavovirens,  oder  doch  eine  sehr  nahe  verwandte  Form,  wurde 
neuerdings  während  der  Nordenslijöld'schen  Expedition  auch  im  Schnee  Grönlands  beobachte^ 
(s.  Om  Snöns  och  Isens  Flora  etc.  von  V.  B.  Wittrock).  Nach  Eeferat  im  Bot.  Centralblatt 
14.  1883. 


Geographisclie  Verbreitung, 


871 


nach  Dunal  und  Joly  deiUlicü  veilcbenartig  ist  und  sieb  auch  dem  aus 
solchen  Bassins  gewonnenen  Salze  mittheilt.  Ich  selbst  fand  in  jüngster 
Zeit,  dass  ein  von  zahllosen  Euglena  sanguinea  tief  roth  gefärbtes  Wasser 
einen  recht  ausgesprochenen  Fischgeruch  besass.  Da  die  Euglcnen  schon 
abgestorben  waren,  ist  es  nicht  unmöglich,  dass  dieser  Geruch  erst 
bei  ihrer  allmählichen  Zersetzung  entstand,  jedoch  war  er  durchaus 
nicht  faulig. 

E.    Geog-rapliische  Yerbreituiig. 

Eine  geographische  Lokalisation  dürfte  den  Süsswasserfiagellaten 
ebensowenig  zukommen ,  wie  den  früher  besprochenen  Süsswasser- 
protozoen.  Obgleich  sich  unser  Urtheil  rücksichtlich  dieser  Ordnung  nur 
auf  wenige  thatsächliche  Erfahrungen  stützen  kann,  so  scheinen  diese 
doch  genügend,  um  dasselbe  zu  begründen,  wenn  wir  die  Resultate  aut 
den  verwandten  Gebieten  berücksichtigen. 

Von  den  ca.  110  Gattungen  wurden  bis  jetzt  29  auch  ausserhalb 
Europas  beobachtet  und  zwar,  soweit  sich  feststellen  lässt,  fast  durch- 
gängig in  mit  den  europäischen  identischen  Arten.  Zum  Beleg  der 
weiten    uud   daher  wohl   allgemeinen  Verbreitung   zahlreicher  Gattungen 


Europa 


Nord  -  Afrika 
(Aegypteii) 


Nord  -  Amerika 


Süd  -  Asien 
(Bombay) 


Mastigamoeba  . 
Oikomonas  .  , . 
Codonoeca  .  . 
Bicosoeca  .  . 
AnthoiJhysa 
Dinobryon  .  . 
Rhipidodendron 
Synura  .  .  . 
Chlamydomonas 
Chlorogonium  . 
Haematococcus 
Carteria  .  .  . 
Spoiidylomorum 
Pliacotus  .  . 
Goiiium  .  .  . 
Eudorina  .  . 
Volvox  .  .  . 
Paadoiina  .  . 
CoIIodictyon 
Ciyptomonas  . 
Euglena  .  .  . 
Trachclomonas 
Lepocinclis  .  . 
Pliacus  .  .  . 
Peranema  .  . 
Astasia  .  .  . 
Bodo  .  .  .  . 
Anisonema   .     . 


872  Flagellata. 

diene  die  vorstehende  tabellarische  Uebersicht,  deren  Unvollständigkeit 
allein  auf  der  Mangelhaftigkeit  der  Untersuchungen  beruht  und  durchaus 
nicht  etwa  den  Schluss  gestattet,  dass  andere  Gattungen  nicht  eine  ähn- 
lich weite  Verbreitung  besässen.*) 

Auch  die  vertikale  Verbreitung  der  Süsswasserflagellateu  dürfte  keine 
bestimmten  Differenzen  zeigen,  doch  liegen  hier  die  Erfahrungen  noch 
spärlicher  vor ,  wie  rücksichtlich  der  horizontalen  Ausbreitung.  Dass 
gewisse  Formen  sehr  hoch  in  den  Gebirgen  emporsteigen ,  ist  bekannt, 
so  geht  nach  Perty  die  Euglena  viridis  in  den  Alpen  bis  zu  9000'  hoch, 
und  wir  wissen  ja,  dass  selbst  die  Schneeregion  manchen  Formen  keine 
Grenze  setzt,  und  dass  es  sehr  fraglich  ist,  ob  der  gewöhnliche  Haema- 
tococcus  lacustris  der  Ebene  von  dem  jener  hohen  Regionen  ver- 
schieden ist. 

F.    Parasiten  der  Flagellaten. 

Es  ist  keineswegs  selten,  dass  die  Flagellaten  trotz  ihrer  Kleinheit 
gewissen  Parasiten  zum  Opfer  fallen  und  die  hierdurch  bewirkten  Ver- 
hältnisse gaben  sogar,  wie  es  bei  den  Protozoen  so  häufig  geschah, 
zur  Aufstellung  irriger  Anschauungen  über  ihre  Fortpflanzung  Veran- 
lassung. Natürlich  werden  es  gewöhnlich  selbst  wieder  kleinste,  mikro- 
skopische Schmarotzer  sein,  welche  sich  den  Flagellaten  aufdrängen,  nur 
in  gewissen  kolouiebildenden  Formen  können  auch  etwas  grössere 
thierische  Schmarotzer  ihre  Wohnstätte  suchen.  So  ist  seit  Ehrenberg 
bekannt,  dass  in  die  Volvoxkugeln  gelegentlich  zwei  Räderthierarten  der 
Gattung  Notommata  eindringen  und  sich  von  dem  Volvox  ernähren, 
sowie  ihre  Eier  in  demselben  ablegen. 

Wir  haben  schon  früher  erfahren,  dass  die  sogen.  Pseudospora  Vol- 
vocis  gewissermassen  als  Parasit  in  Volvox  eindringt  und  sich  von  ihm 
nährt;  das  Gleiche  thut  nach  Stein  (Iß?)  auch  die  früher  beschriebene 
Vampyrella,  welche  ebenfalls  grosse  Verwüstungen  in  den  Volvoxkugeln 
hervorrufen  kann  und  auch  in  denselben  zur  Fortpflanzung  schreitet. 

Am  häufigsten  suchen  jedoch  die  sog.  Chytridieen  unsere  Flagellaten 
heim  und  diese  sind  es  auch,  welche  durch  ihren  Parisitismus  die  er- 
wähnten Irrthümer  über|  die  Fortpflanzung  der  Flagellaten  erzeugten. 
Dieselben  heften  sich  theils  als  äussere  Schmarotzer  an  die  frei- 
schwimmenden oder  ruhenden  Flagellaten  fest,  beziehen  jedoch  entschieden 
ihre  Nahrung  aus  denselben,  theils  dringen  sie  mit  besonderen  Aus- 
wüchsen ihres  Körpers  in  den  Flagellatenleib  selbst  ein,  oder  treten 
endlich  auch  als  völlig  endoparasitische  Schmarotzer  auf,  welche  dem 
Plasma  der  Flagellatenzelle  eingelagert  sind. 

Während  nun  die  zu  den  beiden  ersterwähnten  Kategorien  gehörigen 
Schmarotzer  in  jeder  Hinsicht  echte  Chytridieen  darstellen,  sind  die 
Endoparasiten  rücksichtlich  ihrer  systematischen  Stellung  noch  ein  wenig 


*)  In  dieser  üebersicht  sind  die  i)arasitischen  Gattungen  nicht  •beTücksichtigt. 


Parasiten  (Polypliagus  Eugleiiac).  873 

UDsicher,  obgleich  kein  Zweifel  bestehen  kann,  dass  sie  thatsäcblich  ein- 
gedrungene Schmarotzer  sind.  Immerhin  deutet  das,  was  wir  von  ihrer 
Lebensgeschichte  bis  jetzt  wissen,  mit  ziemlicher  Bestimmtheit  darauf 
hin,  dass  sie  ihre  nächsten  Verwandten  unter  den  einfacheren  Chytridien 
finden.  Wie  aber  im  systematischen  Abschnitt  zu  zeigen  versucht  wurde, 
schliessen  sich  die  Chytridien  ziemlich  nahe  an  die  einfacheren  Flagellaten 
an  und  daher  ist  es  wohl  erklärlich ,  dass  uns  unter  jenen  Flagellaten- 
parasiten  auch  Wesen  begegnen  können,  bei  welchen  die  Charactere  der 
eigentlichen  Chj^tridieen  noch  nicht  scharf  ausgeprägt  sind ,  die  viel- 
mehr in  mancher  Hinsicht  an  die  niederen  Flagellaten  und  Sarko- 
dinen  erinnern. 

Werfen  wir  zunächst  einen  Blick  auf  die  eigentlichen  ectoparasitischen 
Chytridien  der  Flagellaten.  Der  Begründer  der  Gattung  Chytridium 
und  der  Chytridiengruppe  überhaupt,  A.Braun*),  beobachtete  auch  schon, 
dass  einige  Arten  derselben  Flagellaten  angreifen,  sich  häufig  auf 
Chlamydomonas  und  Haematococcus  festsetzen  und  dieselben  schliesslich 
zu  Grunde  richten.  Man  bemerkt  dann  auf  dem  Körper  dieser  Fla- 
gellaten ein  bis  mehrere  helle  bläschenförmige  Gebilde  von  spindelförmiger 
bis  kugliger  oder  auch  bauchig  flaschenförmiger  Gestalt,  Schon  früher 
hatte  Vogt  (48)  bei  seiner  Untersuchung  des  Haematococcus  des  rothen 
Schnees  diese  Parasiten  beobachtet,  jedoch  unrichtiger  Weise  auf  eine 
Fortpflanzung  durch  Sprossung  bezogen.  Auch  Perty  (76)  beobachtete 
sie  wahrscheinlich  auf  einer  Carteria  und  deutete  sie  ebenso. 

Gestützt  auf  Untersuchungen  von  v.  Siebold  und  Meissner  wies 
A.  Braun  ferner  schon  1855  nach,  dass  auch  die  Ruhezustände  der 
Euglenen  häufig  einem  hiehergehörigen  Schmarotzer  zum  Opfer  fallen 
und  zeigte  gleichzeitig,  dass  es  diese  Parasiten  waren,  welche  s.  Z. 
Gros**)  zu  so  merkwürdigen  und  irrthümlichen  Ansichten  über  die  Um- 
wandlung der  Euglenen  in  Monaden  etc.  verleiteten.  Auch  Th.  Bail***) 
untersuchte  um  die  gleiche  Zeit  dieses  Chytridium  und  2  Jahre  später 
verfolgte  es  A,  Schenk,  f)  Die  genaueste  Darstellung  seiner  Lebens- 
geschichte etc.  gab  jedoch  1877  L.  Nowakowski.ff)  Der  Parasit, 
welchen  Nowakowski  als  Polyphagus  Euglenae  bezeichnet,  gehört  zu  der 
zweiten  Kategorie  unserer  Schmarotzer,  d.  h.  zu  denen,  welche  nicht 
eigentlich  endoparasitisch  in  die  Euglenen  eindringen,  jedoch  wurzelartig 
verästelte  und  meist  sehr  fein  auslaufende  Fortsätze,  sogen.  Haustorien, 
treiben,  welche  in  die  ruhenden  Euglenen  eindringen,  ja  dieselben  sogar 
zuweilen  durchwachsen  und  aussaugen.  In  dieser  Weise  überfällt  ein 
solcher  Polyphagus  mit  seinen  zahlreichen  verzweigten  Haustorien  häufig 
gleichzeitig     eine    ganze    Menge    encystirter    Euglenen    und    tödtet    sie. 


*)  Abbandlungen  der  Berliner  Akademie  aus  d.  J.  1855,  p.  21. 
**)  Bullet.  SOG.  imp.  de  naturalistes  de  Moscou.  1851. 
***)  Botanische  Zeitung  1855. 

t)  Verhandl.  d.  physikal-medicin.  Gesellscli.  zu  Würzburg,Bd.  VITI.  1857. 
tt)  Cohn's  Beiträge  zur  Biologie  der  Pflanzen,  Bd.  II. 


874  Flagellata. 

Schliesslich  schreitet  der  Schmarotzer  zur  Vermehrung,  indem  sich  sein 
gesammtes  Plasma  im  Centralkörper  zusammenzieht  und  endlich  an  einer 
Stelle  desselben  in  Form  eines  Schlauches  hervorvvächsl  (sog.  Zoospo- 
rangium).  Der  Plasmainhalt  des  Schlauches  zerfällt  dann  simultan  in 
eine  grosse  Menge  kleiner  Zoosporen,  von  welchen  jede  eine  hin- 
tere Geissei  erhält  und  einen  ansehnlichen  gelblichen  Oeltropfen  ein- 
-schliesst.  Die  Zoosporen  treten  endlich  aus  der  Spitze  des  schlauchför- 
migen Zoosporangiums  aus.  Nach  kurzer  Schwärmzeit  setzen  sie  sich 
nieder,  verlieren  die  Geissei  und  treiben  Haustorien,  welche  in  neue 
Euglenen  eindringen.  Weiterhin  gelang  es  Nowakowski  zu  zeigen ,  dass 
Polyphagus  -  Individuen  etwas  verschiedener  Bauweise  gelegentlich  copu- 
liren,  indem  ihr  Plasma  zusammenfliesst  und  sich  zu  einer  doppelbeschalten 
Dauerzygote  umgestaltet.  Nach  einer  längeren  Ruhe  geht  auch  diese 
Dauerz3'gote  zur  Vermehrung  über,  indem  sie  in  schon  geschilderter 
Weise  ein  schlauchförmiges  Zoosporangium  treibt,  dessen  Plasma  in 
Zoosporen  zerfällt. 

Dies  sind  die  wesentlichen  Grundzüge  der  Lebensgeschichte  des 
interessanten  Schmarotzers,  dem  sich  jedoch  nach  den  Erfahrungen 
Strasburger's  (170)  ein  ähnlicher  zugesellt  (Chytridium  vorax  Strasb.), 
welcher  in  ganz  entsprechender  Weise  die  Dauerzustände  von  Haemato- 
coccus  und  Cryptomonas  überfällt  und  sich  wesentlich  nur  dadurch  von 
Polyphagus  unterscheidet,  dass  er  bei  der  Vermehrung  kein  besonderes 
Zoosporangium  treibt,  sondern  das  kuglig  zusammengezogene  Plasma  ein- 
fach in  Zoosporen  zerfällt. 

Die  dritte  Kategorie  hiehergehöriger  Schmarotzer  lebt,  wie  bemerkt, 
endoparasitisch  in  sehr  verschiedenen  Flagellaten  und  gab  Stein ,  der  sie 
bis  jetzt  fast  ausschliesslich  beobachtete,  Veranlassung  zur  Aufstellung 
einer  jedenfalls  ganz  irrthümlichen  Ansicht  über  die  geschlechtliche  Fort- 
pflanzung der  Flagellaten.  Im  Innern  gewisser  Formen  nämlich  (Antho- 
physa,  Chlamydomonas,  Phacotus,  Cryptomonas,  Euglena,  Phacus,  Trachelo- 
monas,  Atractonema,  Tropidoscyphus,  Anisonema  und  Entosiphon)  fand 
Stein  häufig  ein  oder  mehrere  kuglige  bis  ovale,  mehr  oder  weniger  an- 
sehnliche Plasmakörper.  Es  ist  wahrscheinlich,  wiewohl  aus  den  Figuren 
nicht  ganz  sicher  zu  entnehmen,  dass  diese  Körper,  die  sog.  Keim- 
kugeln  Stein's,  eine  zarte  Membraji  besitzen.  Gewöhnlich  enthalten  sie 
ein  centrales  bläschenförmiges  Gebilde,  wahrscheinlich  eine  Vacuole,  in 
welcher  sich  häufig  ein  bis  mehrere  dunkle  Körperchen  vorfinden*).  Das 
Plasma  dieser  sog.  Keimkugeln  nun  zerfällt  schliesslich,  wenn  dieselben 
bis  zu  einer  gewissen  Grösse  herangewachsen  sind,  in  eine  Anzahl  kleiner 
Schwärmer  oder  Zoosporen,  die  sich,  soweit  bekannt,  dadurch  befreien, 
dass  der  Fiagellatenkörper  unter  dem  Druck  der  Keimkugeln  auf- 
platzt.    Die  Bildung   der   Schwärmer   scheint   bei   den  Parasiten  der  ver- 


*)  Eine  solche  Vacuole  findet  sich   auch  iu  echten  Chytridien  zuweilen.    Ich  halte  sie 
für  ein  Excretionsi)roduct. 


Parasiten  (sog.  Keimkugeln  Stein"«  luul  seine  Tiieorie  der  gesclilechtl.  Fortpfl.)-      875 

schiedeiien  genannten  Flagellaten  etwas  verschieden  zu  ^el•Iaufen.  Stets 
scheint  das  Keimkugelplasma  vollständig  in  Schwärmer  zu  zerfallen,  da- 
gegen bleibt  das  Centralbläschen  dabei  deutlich  intact  erhalten,  es  nimmt 
an  der  Schwärmerbildung  gar  keinen  Antheil.  Der  Zerfall  des  Plasmas 
geschieht  sicherlich  simultan  und  zwar  entweder,  indem  der  Körper 
des  Parasiten  in  zahlreiche  radiär  zu  dem  Centralbläschen  geordnete 
Stücke,  oder  indem  er  zuerst  in  einige  grössere  polygonale  Portionen 
zerfällt,  welche  sich  hierauf  erst  in  eine  grössere  Zahl  kleinster 
Zellen  theilen.  Die  letzterwähnte  Art  der  Sprösslingsbildung  erinnert 
an  die  entsprechenden  Vorgänge  bei  Synchytrium ,  wie  sie  de  Bary 
schilderte. 

Der  Bau  der  'reifen,  künstlich  oder  natürlich  entleerten  Zoosporen  ist 
etwas  verschieden;  bei  den  Parasiten  des  Chlamydomonas  haben  sie  eine 
etwa  ovale  Gestalt  und  zwei  Geissein;  die  des  Parasiten  der  Euglena 
viridis  dagegen  besitzen  etwa  die  Gestalt  einer  sehr  kleinen  Cercomonade, 
das  eine  Ende  des  ziemlich  lang  spindelförmigen  Körpers  trägt  eine 
Geissei,  das  andere  Ende  ist  in  einen  ziemlich  ansehnlichen  Schwanz- 
fortsatz verlängert.  Wie  schon  bemerkt,  deutet  Stein  diese  Zoosporen  als 
Embryonen,  welche  in  einer  besonderen  geschlechtlichen  Generation  der 
Flagellaten  entstünden.  Der  Erzeugung  der  Embryonen  soll  stets  eine 
Copulation  zweier  Individuen  der  geschlechtlichen  Generation  vorausgehen. 
Die  sog.  Keimsäcke  sollen  aus  den  bei  der  Copulation  verschmelzenden 
Nuclei  durch  Auswachsen,  resp.  unter  Umständen  nach  einem  vorherigen 
Zerfall  der  verschmolzenen  Nuclei  zu  mehreren  Keimsackanlagen,  ent- 
stehen. Wie  wir  schon  früher  darzulegen  Gelegenheit  hatten,  sind  jedoch 
die  von  Stein  bei  Chlamydomonas  und  Euglena  beschriebenen  und  mit 
der  Embryonenbildung  in  Zusammenhang  gebrachten  Copulationszustände 
keine  solchen,  sondern  bei  Chlamydomonas  Zwillingsbildungen,  bei 
Euglena  dagegen  Längstheilungsstadien.  Für  letztere  Gattung  wies  dies 
Klebs  speciell  nach,  welcher  auch  feststellte,  dass  die  Keimsäcke  nicht 
aus  dem  Kern  hervorgehen  können,  da  derselbe  auch  bei  den  mit  Keim- 
säcken inficirten  Euglenen  noch  deutlich  vorhanden  ist.  Klebs  konnte  weiter 
feststellen,  dass  die  mit  den  Parasiten  behafteten  Euglenen  in  ihrem 
Wohlbefinden  wesentlich  beeinfiusst  sind.  Ihre  Chlorophyllkörner  gehen 
allmählich  zu  Grunde,  so  dass  sie  schliesslich  ganz  farblos  werden; 
Stein  hat  solche  farblos  gewordenen  Individuen  der  Euglena  acus 
sogar  als  besondere  Geschlechtsgeneration  betrachtet.  Auch  die  Par- 
amylonkörper  verschwinden  allmählich  und  ölartige  rothe  Tröpfchen 
treten  auf,  doch  bleibt  die  Euglene  beweglich  bis  sie  schliesslich  zerplatzt 
und  die  Schwärmer  des  Parasiten  frei  werden.  Auf  diese  Erfahrungen 
gestützt,  erwies  denn  Klebs  für  die  Euglenen  die  Irrigkeit  der  Stein 'sehen 
Embryonenlehre;  auch  Askenasy*)  hatte  bei  Gelegenheit  einer  Besprechung 
des   Stein'schen    Buches    schon'  die  wohlbegründete  Vermuthung   ausge- 


•*)  Bot.  Jahresbericlit  1878.  p.  478. 


876  Flagellata. 

Sprüchen,  dass  die  von  Stein  vorgetragene  Lehre  der  geschlechtlichen 
Fortpflanzung  der  Flagellaten  auf  parasitischen  Erscheinungen  beruhe. 
Der  erste  Beobachter  solcher  Keimsäcke  oder  parasitischer  Chytridieen 
in  Euglena  scheint  Carter  (99)  gewesen  zu  sein,  auch  wollte  derselbe 
schon  wie  Stein  den  Keinisack  aus  dem  Nucleus  hervorgehen  lassen. 
Sehr  wahrscheinlich  ist  ferner,  dass  auch  die  von  Weisse  (87)  in 
encystirten  Euglenen  beobachtete  Bildung  zahlreicher  monadenförmiger 
Keime  von  ähnlichen  Parasiten  hervorgerufen  wurde.  Diese  Deutung  ist 
um  so  wahrscheinlicher,  als  Stein  die  Weisse'sche  Beobachtung  auf  die 
von  ihm  geschilderte  Embryonenbildung  bezieht.  Kent  acceptirt  die 
Stein'sche  Lehre  ohne  weitere  Bemerkung  und  Avill  seinerseits  gelegent- 
lich in  beweglichen  Euglena  viridis  einen  Zerfall  des  Plasmas  zu  einer 
grösseren  Anzahl  Keime  beobachtet  haben,  einen  Vorgang,  welchen 
er  mit  der  Theilung  von  Polytoma  vergleicht.  Die  frei  gewordenen 
Keime  sollen  spindelförmig,  sowie  mit  einem  Augenfleck  und  einer 
Geissei  versehen  gewesen  sein.  Es  kann  wohl  ohne  Bedenken  ange- 
nommen werden ,  dass  auch  diese  vermeintlichen  Keime  parasitische 
Wesen  waren. 

Aus  der  im  Vorstehenden  versuchten  Schilderung  unserer  augenblick- 
lichen Erfahrungen  über  jene  einzelligen  endogenen  Schmarotzer  der 
Flagellaten  ergibt  sich,  dass  dieselben  gewiss  den  Chytridieen  am 
nächsten  verwandt  sind,  wiewohl  es  vielleicht  noch  nicht  erlaubt  ist,  sie 
diesen  direct  einzureihen. 


II.  Unterabtheilung  (Ordnung)  Clioanoflagellata  S.  Kent. 
(=  Craspedomonadina  Stein  =  Cylico  mastig  es  ßütschli.) 

1.    lebersicht    der    liistoristheii   Entwickliin«-   unserer   Kenntnisse   der 

Choanoflagellata. 

Die  erste  sichere  Nachricht  über  ein  zu  unserer  Abtheihuig  gehöriges 
Wesen  verdanken  wir  Ehreuberg,  welcher  im  Jahre  1838  (32),  die  kolonie- 
bildende Codosiga  Botrytis  autfand,  jedoch  ihre  wahre  Natur  verkannte 
und  sie  zu  der  Vorticellinen  -  Gattung  Epistylis  verwies. 

Zwar  waren  sicher  schon  vor  Ehreuberg  hiehergehörige  Formen  gelegentlich  heobaclitet 
worden.  So  durften  wohl  die  sog.  Squamulae  pellucidae,  welche  0.  F.  Müller  (12)  auf 
den  Stielen  verschiedener  Vorticellinen  und  Bacillariaceen  fand,  hiehergehören.  Müller 
scheint  in  diesen  Squamulae  eine  Art  Knospen  der  besagten  Vorticellinen  erblickt  zu  haben 
und  beruft  sich  bei  dieser  Deutung  auch  auf  eine  Beobachtung  von  Trembley*)  über  die 
Fortpflanzung  gewisser  Vorticellen  durch  sich  ablösende  Brutknospen ,  doch  beziehen  sich  die 
Beobachtungen  des  Letzteren  keineswegs  auf  den  Squamulae  pellucidae  Müllcr's  entsprechende 
Gebilde**).  Auch  die  von  Bory  de  Vincent***)  1824  kurz  beschriebene  Form  Anthophysis 
solitaria  wurde  mehrfach   auf   die  schon  erwähnte  Codosiga  Botrytis  zurückzuführen  versuclit, 


(loch  olme  genügende  Sicherheit. 


Aehnlich  wie  Ehrenberg  beurtheilte  noch  Stein  in  den  Jahren 
1849  t)  und  1854  (92)  gewisse  von  ihm  studirte  und  abgebildete  Choano- 
fiagellaten,  die  wie  Kent  (191)  hervorhob,  wohl  z.  Th.  ebenfalls  dem 
Geschlecht  Codosiga  angehören.  Stein  deutete  sie  als  wahrscheinliche 
Jugendformen  gewisser  Vorticellinen  (Epistylis  und  Zoothamnium).  Auch 
die  Epistylis  Botrytis  Ehrenberg's  rechnete  er  1849  als  Jugendform  zu 
Epistylis.     Dagegen    hatte   Alex.   Braun   1855  ft)    zuerst    eine    beschalte 


*)  Philosophical  Trausact.  roy.  soc.  London,  T.  44,  P.  IL  174T,  p.  644  ff. 
**)  Irrthümlich  ist,  soweit  ich  finden  kann,  die  Angabe  0.  F.  Müllcr's,  dass  schon  Leeuweu- 
hoek   eine  solche   Knospenforipflanzung  der  Vorticellen  beschrieben  habe;  die  betreffende  Be- 
merkung   L.'s    in    dem   96.    Brief   der    Arcana    naturae   bezieht   sich   nicht   hierauf,    sondern 
beschreibt  die  Losung  der  Yorticellenindividuen  einer  Kolonie  von  ihren  Stielen. 
***)  Encyclop.  m6th.  Hist,  nat.  des  Zoophytes  1824,  p.  üT. 

t)  Archiv  für  Naturgeschichte  1849,  Bd.  I.  p.  12G— 127,  T.  II  ff.  36  und  \il. 
ff)  Ueber   die  Gattung  Ghytridium  Abhandlungen   der  Berliner  Akademie  u.  d.  J.  1855. 


878  Ghoanoflagellata. 

Choanoflagellate  der  Gattung  Salpingoeca  beobachtet,  jedoch  als  ein 
Chytridium  gedeutet,  mit  welcher  Gattung  er  sich  damals  gerade  be- 
schäftigte. 

Viel  besser  schilderte  Fresenius  im  Jahre  1858  (111)  die  Codosiga 
Botrytis,  welche  er  als  Anthophysa  solitaria  (Bory)  bezeichnete.  Er 
erkannte  zuerst  die  einfache  Geissei  der  Thiere  deutlich  und  bezeichnete 
den  Kragen  als  einen  „zarten,  abgestutzten  Anhang". 

Erst  im  Jahre  1867  erhielten  wir  neue  Nachrichten  über  diese 
Wesen,  jetzt  aber  gleich  so  vorzügliche  und  umfassende,  dass  deren  Ver- 
fasser, James -Clark,  ohne  Zweifel  als  der  eigentliche  Entdecker  und 
Begründer  der  Abtheilung  bezeichnet  werden  muss.  James-Clark  (133) 
studirte  vier  Choauoflagellaten  so  eingehend,  dass  er  nicht  nur  sämmtliche 
Organisationsbestandtheile  richtig  feststellte,  sondern  auch  die  Fortpflan- 
zung durch  Theilung  bei  einer  derselben  auf  das  Genaueste  verfolgte. 
Namentlich  die  Morphologie  des  für  die  Gruppe  characteristischen 
Kragens  erörterte  er  gründlich  und  richtig. 

Damit  ist  jedoch  die  hervorragende  Bedeutung  der  Clark'schen  Arbeit 
nicht  erschöpft,  denn  einer  der  bedeutsamsten  Puncte,  welche  darin  zum 
ersten  Mal  festgestellt  wurden,  ist  der  Nachweis,  dass  sich  bei  den 
Spongien  Zellen  finden,  welche  mit  den  Choauoflagellaten  nahe  überein- 
stimmen. Diesen  Fund  machte  James-Clark  zunächst  bei  einem  Kalk- 
schwamm (der  sogen.  Leucosolenia  botryoides  Bowrbk.).  Schon  damals 
bekannte  er  sich  zu  der  Ansicht,  dass  die  Spongien  als  Flagellaten- 
kolonien  aufzufassen  seien,  d.  h.  als  Kolonien  der  Choauoflagellaten  in 
unserem  Sinne.  Dieselbe  Ansicht  suchte  er  1871  (148)  durch  das 
Studium  eines  Kieselschwammes  (einer  Spongilla)  noch  eingehender  zu 
begründen. 

1868  beschrieb    Tatem   nochmals    eine  in  die  Nähe  der  Gattung  Codosiga  gehörige  neue 
Form  als  eine  Epistylisart. 

Einige  wenige  Angaben  über  hiehergehörige  Formen  finden  wir  weiter  in  der  Arbeit 
Greeff's  über  Vorticellen  aus  den  Jahren  1870  und  1871*),  sowie  in  dem  Werk  Fromentel's 
über  die  Microzoün,  jedoch  hatten  beide  Beobachter  keine  richtigen  Vorstellungen  von  dem 
Bau  unserer  Organismen,  so  dass  ihre  Mittheilungen  ohne  tiefereu  Werth  sind. 

Cienkowsky  beschrieb  im  Jahre  1870  (143)  einen  neuen,  sehr  inter- 
essanten, koloniebildenden  Organismus,  das  Phalansterium  consociatum, 
welches  eine  wichtige  Bereicherung  unserer  Gruppe  bildete,  wenn  auch 
sein  Entdecker  die  Beziehungen  zu  den  von  James-Clark  so  genau 
eharacterisirten  Formen  nicht  erkannte. 

Das  durch  James-Clark  so  vorzüglich  inaugurirte  Studium  der  Choauo- 
flagellaten fand  in  England  einen  eifrigen  Förderer  in  Saville  Kent, 
welcher  auch  die  Ansichten  seines  Vorgängers  über  die  nahen  Be- 
ziehungen der  Spongien  zu  unserer  Abtheilung  völlig  acceptirte  und 
durch  eigene  Untersuchungen  fester  zu  begründen  suchte.  Seit  dem 
Jahre   1871   (147),   in  welchem   Kent   seine  ersten   kurzen  Mittheilungen 


*)  Archiv  für  Naturgeschichte  1870  nnd  1871  (T.  VII.  %.  18  und  19). 


Geschichte.  879 

über  einige  Choanoflngellaten  publicirte,  widmete  er  ihrem  Studium 
besondere  Aufmerksamkeit  und  veröffentlichte  auch  im  Laufe  der  sieb- 
ziger Jahre  eine  Anzahl  seiner  Beobachtungen;  so  im  Jahre  1878  zwei 
Arbeiten,  von  welchen  sich  die  erste  (172)  gegen  die  Haeckel'sche 
Auffassung  der  sog.  „Physemarien''  wendet  und  deren  Spongiennatur  zu 
erweisen  sucht.  Die  zweite  wichtigere  Arbeit  (178)  dagegen  sucht 
nachzuweisen,  dass  die  Spongien  sich  in  allen  ihren  Beziehungen 
als  Kolonien  von  Choanoflagellaten  betrachten  lassen.  Dabei  stützt  sich 
der  Verfasser  auf  eine  ziemliche  Reihe  eigener  Untersuchungen  über  den 
Bau  und  die  Fortpflanzung  der  Schwämme.  Wir  halten  uns  hier  nicht 
für  berechtigt,  ein  Urtheil  über  die  positiven  Leistungen  Kent's  auf  dem 
Gebiet  der  Anatomie  und  Entwicklungsgeschichte  der  Spongien  zu 
äussern,  da  die  übrigen  Bearbeiter  der  Schwämme  seltsamer  Weise  die 
Arbeit  Kent's  bis  jetzt  ganz  unberücksichtigt  gelassen  haben. 

Eine  weitere  Mittheilung  über  unseren  Gegenstand,  die  ich  jedoch 
nicht  Gelegenheit  hatte  zu  sehen ,  veröffentlichte  Kent  noch  im  gleichen 
Jahr  (174).  Eine  vollständige  Zusammenstellung  fremder  wie  eigener 
Erfahrungen  über  unsere  Gruppe  bot  schliesslich  sein  schon  erwähntes 
umfangreiches  Handbuch  der  Infusorien  (191).  Bau  und  Fortpflanzung, 
sowie  die  allgemeine  Forraenkenntniss  der  Choanoflagellata  erfahren  darin 
in  gleicher  Weise  eine  sehr  bedeutsame  Bereicherung.  Unter  den 
zahlreichen  von  Kent  entdeckten  neuen  Formen  finden  sich  eine  Reihe 
sehr  interessanter  und  für  die  allgemeine  Beurtheilung  der  Gruppe  wich- 
tiger, doch  dürfte  die  Artsonderung  im  Allgemeinen  wohl  zu  weit  ge- 
trieben sein. 

Ohne  hier  Weiteres  über  das  Kent'sche  Werk  zu  berichten,  dessen 
Ergebnisse  der  speciellen  Darstellung  vorbehalten  bleiben  müssen,  er- 
innern wir  nur  nochmals  an  die  schon  bei  Gelegenheit  der  Flagellaten 
bemerkten  Worte  über  die  Beurtheilung  der  Kent'schen  Leistungen. 

Das  Jahr  1878  bot  jedoch  noch  vor  dem  Erscheinen  der  Kent'schen 
Bearbeitung  der  Choanoflagellata  auch  zwei  deutsche  Leistungen  auf 
unserem  Gebiet.  Im  Beginn  desselben  erschienen  Bütschli's  Beiträge 
(180),  welche  zwar  nur  einen  beschränkten  Kreis  von  Formen  behandelten, 
jedoch  als  selbständige  Bestätigung  der  bis  dahin  in  Deutschland  ziem- 
lich unberücksichtigt  gebliebenen  Befunde  Clark's  immerhin  einigen  Werth 
beanspruchen  durften.  Viel  umfangreichere  Studien  über  unsere  Gruppe 
konnte  Stein  in  seinem  Flagellatenwerk  (176)  mittheilen.  Obgleich  daher 
unsere  Gruppe  verhältnissmässig  erst  seit  kurzer  Zeit  wirklich  be- 
kannt wurde,  ist  -unser  Wissen  von  derselben  doch  schon  zu  einem 
ziemlich  ausgedehnten  herangewachsen.  In  jüngster  Zeit  ist  den  schon 
hervorgehobenen  Leistungen  kaum  etwas  Bemerkenswerthes  zugefügt 
worden*). 


*)  Literatur  schon  bei  Flag-ellata  p.  (i.")0  ff.  aufgeführt.    Die  betreffenden  Nummern 
sind  mit  einem  *  bezeichnet. 


880  Choanoflagellata. 

2,  Allgemeine  Schilderiing  der  fhoanoflRoellata. 

Schon  bei  früherer  Gelegenheit  wurde  des  charakteristischen  Kenn- 
zeichens der  Gruppe ,  nämlich  des  die  Geisseibasis  umgebenden  proto- 
plasmatischen Kragens  mehrfach  gedacht.  In  allen  sonstigen  Verhältnissen 
des  Baues,  der  Fortpflanzung  und  der  Lebensweise  schliessen  sich  die 
Choanoflagellaten  den  früher  besprochenen  eigentlichen  Flagellaten  so 
innig  an,  dass  es  gerechtfertigt  sein  wird,  wenn  wir  uns  bei  ihrer 
Schilderung  möglichst  kurz  fassen  und  hauptsächlich  die  Differenzen 
betonen.  Wie  die  gesammte  Gruppe  nur  einen  geringen  Umfang  besitzt, 
ist  auch  die  Manichfaltigkeit  der  organisatorischen  Entfaltung  innerhalb 
derselben  nicht  gross  und  wird  vorzüglich  durch  Gehäuse-  und  Kolonie- 
bildungen bedingt,  wogegen  der  eigentliche  Thierkörper  ein  recht  ein- 
förmiges Gepräge  darbietet.  Es  scheint  daher  auch  die  Aufstellung 
von  Untergruppen  fast  unnöthig;  dennoch  möge  gleich  hier  betont  werden, 
dass  sich,  so  weit  unsere  Kenntnisse  zur  Zeit  reichen,  zwei  Abtheflungen 
formiren  lassen,  von  welchen  sich  die  der  Phalansterinen  durch 
rudimentäre  Entwicklung  des  Kragens  von  der  zweiten,  den  Cräspedo- 
m  0  n  a  d  i  n  e  n  unterscheidet ,  in  welch'  letztrer  Abtheilung  der  Kragen 
stets  seine  charakteristische  Entfaltung  darbietet. 

Die,  wie  betont,  im  Ganzen  auf  niederer  Stufe  verharrende  Organi- 
sation, welche  sich  namentlich  auch  darin  ausspricht,  dass  nie  mehr  wie 
eine  Geissei  existirt,  rechtfertigt  auch  die  Ableitung  unserer  Gruppe  von 
einfacheren  Formen  der  Monadinenreihe,  mit  welchen  denn  auch  die 
Choanoflagellaten  in  vieler  Hinsicht  tibereinstimmen,  wenn  wir  von  dem 
eigenthümliehen  Kragen  absehen. 

Gestaltsverhältnisse.  AVenn  auch  die  Choanoflagellaten  zahl- 
reichen einfachen  Monadinen  darin  gleichen,  dass  ihre  Gestalt  sowohl, 
durch  Contractionen  als  auch  durch  amöboide  Bewegungen  veränder- 
lich sein  kann,  so  lässt  sich  doch  ein  Grundtypus  der  Gestaltung  nicht 
verkennen.  Derselbe  ist  ein  recht  ausgesprochen  monaxoner.  Stets 
existirt  eine  Hauptaxe  des  Körpers ,  von  deren  vorderem  Ende  die 
Geissei  entspringt  und  welche,  über  das  Vorderende  hinaus  verlängert, 
zu  der  Kragenaxe  würde.  Fast  ausnahmslos  ist  ferner  diese  Haupt- 
axe auch  die  Längsaxe,  indem  der  Körper  in  ihrer  Richtung  mehr 
oder  minder  gestreckt  ist.  Nicht  sehr  verlängerte  Formen  können  sich 
wohl  bis  zur  Kugelgestalt  contrahiren,  selten  erscheint  dagegen  die 
kuglige  Gestalt  als  die  normale.  Am  häufigsten  begegnen  wir  einer 
mehr  oder  weniger  regelmässig  ellipsoidischen  Gestaltung  von  massiger 
Längsstreckung  (49,1),  welche  jedoch  bei  einzelnen  Formen  der  Gattung 
Salpingoeca  langellipsoidisch ,  ja  fast  cylindrisch  werden  kann  (49,6). 
Meist  wird  aber  die  rein  ellipsoidische  Form  dadurch  aufgehoben, 
dass  das  den  Kragen  und  die  Geissei  tragende  Vorderende  mehr  oder 
minder  verschmälert,  ja  nicht  selten  halsartig  verlängert  ist  (49,4). 
Das   Hinlerende  erscheint   entweder  einfach  abgerundet   oder  läuft,   sich 


Gestaltsverhältiiisse ;   Kragenbildung-.  gg]^ 

verschmälernd ,  mehr  oder  weniger  zugespitzt  aus.  Letzteres  ist  speciell 
bei  den  auf  Stielen  befestigten  Formen  eine  gewöhnliche  Erscheinung 
(T.  48,  16). 

Die  von  der  Kragenbasis  eingeschlossene  Area  des  Vorderendes, 
aus  deren  Centrum  die  Geissei  entspringt,  erscheint  meist  schwach  ge- 
wölbt bis  etwas  kegelig  erhoben  und  ist  nicht  selten  durch  eine 
schwache  Einschnürung  an  der  Kragenbasis  von  dem  übrigen  Körper 
abgesetzt.  —  Eine  Abweichung  von  der  regelmässig  monaxonen 
Gestalt  wird,  wie  gesagt,  selten  beobachtet,  doch  findet  man  solches 
nicht  selten  bei  den  koloniebildenden  Codosiga  und  Codonocladium,  wo 
sich  eine  grössere  Anzahl  von  Individuen  auf  dem  Ende  eines  Stieles 
dicht  zusamraengruppirt,  mehr  oder  minder  angedeutet,  indem  hier  die 
Krümmung  der  Aussenseite  des  Körpers  etwas  stärker  ist  wie  der  nach 
dem  Centrum  der  Individuengruppe  schauenden  Seite.  Es  rührt  diese 
Asymmetrie  hier  wohl  sicher  daher,  dass  sich  die  Individuen  in  ihrer 
central^  Entwicklung  gegenseitig  hemmen. 

Morphologie  und  Physiologie  des  Kragens  und  der 
Geis  sei.  Der  Kragen,  dieses  für  die  ganze  Abtheilung  bezeichnendste 
Organ,  wurde  zuerst  von  James -Clark  (125)  richtig  erkannt.  Er  wird 
stets  von  einer  so  dünnen  Plasmahaut  gebildet,  dass  seine  Beobachtung 
auch  mit  guten  Systemen  und  Beleuchtungsvorrichtungen  eine  schwierige 
ist.  Es  ist  daher  natürlich,  dass  die  früheren  Forscher,  mit  einziger 
Ausnahme  von  Fresenius  (102),  den  Kragen  nur  unvollständig  wahr- 
nahmen und  darstellten,  so  nämlich,  wie  er  auch  einem  besser  orientirten 
Beobachter  beim  ersten  Anblick  stets  erscheint.  Am  schärfsten  und 
dunkelsten  muss  sich  nämlich  der  optische  Durchschnitt  der  Kragenwand 
in  Gestalt  zweier,  zu  den  Seiten  der  Geisseibasis  entspringender  und  ge- 
wöhnlich divergirender  Linien  darstellen  (T.  48,  16  a  und  b),  während  der 
freie  Kragenrand  wegen  seiner  Feinheit  und  Blässe  meist  nur  sehr 
schwierig  wahrzunehmen  ist.  Auf  den  Abbildungen  der  verschiedenen 
Forscher  ist  derselbe,  wo  er  gezeichnet  wurde,  denn  auch  gewöhnlich 
in  schematischer  Weise  zu  scharf  und  dunkel  gehalten  (T.  48,  16c  etc.). 
Auf  die  Beobachtung  des  optischen  Durchschnittes  beschränkten  sich 
also  die  Wahrnehmungen  der  früheren  Beobachter ,  nur  Fresenius 
schilderte  den  Kragen  bei  Codosiga  Botrytis  als  einen  „zarten  abgestutzten 
Anhang,  aus  welchem  die  Geissei  hervorrage".  Wie  bekannt,  ist  der 
Kragen,  wenigstens  bei  den  Craspedomonadinen,  ein  gestaltsveränderliches 
Organ,  ja  er  kann  auch  unter  Umständen  ganz  eingezogen  und  wiederum 
neu  gebildet  werden.  Auf  diese  Beobachtung,  welche  noch  durch  das 
Verhalten  des  Kragens  bei  der  Theihing  und  der  Nahrungsaufnahme 
unterstützt  wird,  gründet  sich  denn  auch  die  Ueberzeugung,  dass  das 
fragliche  Organ  aus  eigentlichem,  sehr  hellem  und,  soweit  die  Beobach- 
tungen bis  jetzt  reichen ,  homogenem  Plasma  gebildet  wird.  Nur  Kent 
(182)  beschreibt  die  Kragenhaut  als  sehr  fein  granulirt,  auf  seinen  Ab- 
bildungen ist  jedoch  nichts  davon  zu  sehen. 

Hronn,    Klassen  des  Thier-Keii'lis.    Protozoa.  56 


882  Choanoflagellata. 

Etwas  anders  verhält  sich  nach  den  Beobachtungen  Cienkowsky's 
und  Stein' s  der  Kragen  der  Phalansterinen,  auf  dessen  Vergleich- 
barkeit mit  dem  der  Craspedomonadinen  Bütschli  zuerst  hinwies  (171). 
Einmal  bleibt  der  Kragen  bei  dieser  Gruppe  immer  verhältnissmässig 
klein,  so  dass  er  wie  eine  kurze  und  enge,  um  die  Geisseibasis  sieh 
erhebende  Scheide  erscheint,  als  welche  ihn  auch  Stein  bezeichnet 
(T.  48,  14  a).  Letzterer  leugnet  denn  auch  die  nähere  Verwandtschaft 
der  beiden  Abtheilungeu  und  zieht  die  Phalansterinen  zu  der  Familie 
der  Spongomonadinen  (Flagellaten).  Eine  active  Gestalts-  oder  Grössen- 
veränderung  scheint  an  dem  Kragen  der  Phalansterinen  nie  wahrgenommen 
worden  zu  sein;  Stein  bezeichnet  ihn  sogar  als  „resistent".  Immerhin 
scheint  die  Beobachtung  Cienkowsky's,  dass  der  Kragen  bei  der 
Encystirung  des  Phalansterium  consociatum  „eingeht",  dafür  zu  sprechen, 
dass  er  auch  hier  protoplasmatischer  Natur  und  daher,  wie  Kent  und 
ich  annehmen,  dem  der  Craspedomonadinen  zu  homologisiren  ist.  — 
Schliessen  wir  hier  gleich  einige  Bemerkungen  über  die  specielleren 
Formverhältnisse  dieses  Phalansteriuenkragens  an.  Wie  bemerkt,  ist 
derselbe  verhältnissmässig  kurz,  indem  seine  Länge  etwa  ein  Fünftel  bis 
ein  Drittel  der  Körperlänge  erreicht.  Ebenso  ist  er  auch  eng,  besitzt 
aber,  wie  es  scheint  stets,  an  der  Basis  einen  etwas  grösseren  Durch- 
messer wie  an  dem  distalen  Ende,  so  dass  er  eine  enge,  distalwärts 
sich  schwach  konisch  zuspitzende  ßöhre  darstellt.  Da  die  Gestalt  des 
Phalansteriumkörpers  selbst  eine  etwas  veränderliche  ist,  so  erscheint  der 
Kragen  bald  von  dem  mehr  verbreiterten  Vorderende  des  Körpers  deut- 
lich abgesetzt  oder  bald,  wenn  das  letztere  verschmälert  ausgezogen  ist, 
gewissermassen  als  Verlängerung  desselben. 

Bei  weitem  umfänglicher  ist  nun  der  Kragen  im  normalen  Zustand 
bei  den  Craspedomonadinen  und  weicht  auch  im  uncontrabirten 
Normalzustand  stets  darin  von  dem  der  Phalansterinen  ab,  dass  er  sich 
umgekehrt  wie  der  letztere  distalwärts  erweitert,  also  eine  umgekehrt 
kegelförmige  Gestalt  besitzt. 

Eine  solche  trichterförmige  Erweiterung  nimmt  der  Kragen  der 
Craspedomonadinen  im  ungestört  functionirenden  Zustand  wohl  durchaus 
an,  doch  ist  die  Erweiterungsfähigkeit  bei  den  verschiedenen  Formen  in 
etwas  verschiedenem  Grade  vorhanden.  Während  manche  nackte  Formen 
nie  mehr  als  eine  schwach  trichterförmige  Erweiterung  zeigen,  können 
gewisse  Salpingoecaarten  ihren  Kragen  weit  schüsseiförmig  ausbreiten. 
Natürlich  ändert  sich  unter  sonst  gleichen  Verhältnissen  die  relative 
Höhe  des  Kragens  mit  dem  Maasse  der  Ausbreitung.  Je  stärker  die 
letztere  wird,  desto  mehr  nimmt  die  Höhe  ab,  wie  auch  directe  Beob- 
achtung lehrt.  Ganz  streng  wird  diese  Beziehung  jedoch  wohl  nicht  ein- 
gehalten werden,  da  der  Kragen  sicher  auch  durch  neue  Zufuhr  von 
Plasma  wachsen  kann. 

Zur  allgemeinen  Orientirung  über  die  Grössenentwicklung  des 
Kragens    bemerken    wir    hier,    dass    derselbe    bei   sehr   langgestreckten 


Bau  und  Verhalten  des  Kragens.  883 

Thiereu  etwa  ein  Drittel  der  Körperlänge  erreicht ,  gewöhnlich  aber  im 
voll  entwickelten  Zustand  eine  Höhe  von  etwa  zwei  Drittel  bis  völliger 
Körperlänge  besitzt.  Doch  linden  sich  auch  Fälle,  wo  die  Kragenhöhe 
die  Körperlänge  ansehnlich  übertrifft;  so  kann  der  Kragen  der  Monosiga 
gracilis  nach  Kent  die  doppelte  Körperlänge  erreichen. 

Bei  mittlerer  Ausbreitung  übertrifft  der  distale  Durchmesser  des 
Kragens  den  grössten  Breitedurchmesser  des  Körpers  meist  noch  etwas; 
bei  sehr  ausgebreiteten  Kragen  kann  der  distale  Durchmesser  aber 
mehr  wie  die  dreifache  Körperbreite  betragen. 

Gewöhnlich  scheint  die  Gestalt  des  Kragens  eine  rein  kegelförmige 
zu  sein,  wenigstens  sprechen  hiefttr  die  Erlahrungen  von  James  -  Clark, 
Stein  und  mir;  seltener  ist  dagegen  die  Kragenwand  nach  aussen 
schwach  convex  gewölbt,  vrie  es  James-Clark  und  Stein  z.  Tb.  bei 
Salpingoecen  angeben.  Kent  bildet  letzteres  Verhalten  fast  bei  sämmt- 
lichen  Craspedomonadinen  ab ;  ich  muss  jedoch  eine  solch'  allgemeine 
Verbreitung  dieser  Kragenform  bestreiten. 

Wie  bemerkt,  besitzt  der  Kragen  der  Craspedomonadinen  vv^ie  auch 
deren  Körper,  ein  sehr  ausgesprochenes  Contractionsvermögen.  Z.  Th. 
ohne  besondere  Veranlassung,  meist  jedoch  bei  Beunruhigung  der  Wesen 
durch  heranschwimmende  andere  Organismen,  lässt  sich  die  Contraction 
des  normal  ausgebreiteten  Kragens  deutlich  beobachten.  Sehr  rascb, 
z.  Th.  plötzlich,  sieht  man  dann  den  erweiterten  distalen  Rand  des 
Kragens  sich  verengern  und  auf  einen  Durchmesser  herabsinken,  welcher 
gew^öhnlich  geringer  wie  der  der  Kragenbasis  ist,  so  dass  die  Gestalt 
des  Kragens  nun  eine  aufrecht  kegelförmige  wie  bei  den  Phalansterinen 
wird.  Bei  dieser  Contraction  wird  sich  natürlich  gewöhnlich  die  Höhe 
eines  sehr  ausgebreiteten  Kragens  vergrössern.  Dieselbe  Contraction  des 
Kragens  wird  auch  eintreten,  wenn  sich,  wie  es  oft  geschieht,  die 
Thiere  der  gehäusebewohnenden  Salpingoeca  plötzlich  in  das  Gehäuse 
zurückziehen,  wobei  sich  der  Kragen  natürlich  verengern  muss.  Bei 
der  Contraction  des  Kragens  von  Salpingoeca  konnte  nun  Jaraes-Clark 
beobachten,  dass  die  Kragenhaut  in  eigenthümliche  schwingende  Be- 
wegungen gerieth,  die  ihn  an  den  Anblick  einer  schwingenden  Stimm- 
gabel erinnerten.  Von  anderer  Seite  liegen  keine  Beobachtungen  über 
ein  solches  Phänomen  vor.  —  Es  bedari  kaum  besonderer  Erwähnung, 
dass  sich  ein  in  der  geschilderten  Weise  contrahirter  Kragen  auch 
wieder  zu  erweitern  vermag.  —  Bei  heftigerer  Beunruhigung  —  wie 
später  zu  schildern  sein  wird,  jedoch  auch  noch  unter  anderen,  mit 
der  Encystirung  und  Fortpflanzung  in  Verbindung  stehenden  Verhältnissen 
—  kann  die  besprochene  Contraction  des  Kragens  zu  einer  theil- 
weisen  bis  völligen  Einziehung  desselben  führen.  Hierbei  verkürzt 
sich  der  Kragen,  wie  es  scheint  rasch,  mehr  und  mehr,  indem  sein 
Plasma  in  den  Körper  zurücktritt,  und  schliesslich  kann  dieser  Rückfluss 
so  weit  gehen,  dass  der  Kragen  völlig  schwindet.  In  umgekehrter 
Richtung  kann  jedoch  auch  ein  Wiederhervorwachsen  des  theilweise  oder 

5G* 


384  Choanoflagellata. 

gänzlich  eingezogenen  Kragens  stattfinden,  wobei  nach  den  Beobachtungen 
von  James -Clark  der  wiederhervorwachsende,  »noch  niedere  Kragen 
zunächst  eine  grössere  Dicke  zu  besitzen  scheint  und  erst  allmählich  bei 
weiterer  Höhenzunahme  die  Zartheit  des  entwickelten  Kragens  erlangt. 
Das  geschilderte  Einziehen  und  Hervorwachsen  des  Kragens  dürfte  nicht 
mehr  als  ein  Contractionsphänomen  zu  betrachten  sein,  sondern  als  eine 
Protoplasmabewegung  nach  Analogie  der  Pseudopodienbewegung. 

Die  von  Kent  dem  Plasma  des  Kragens  zugeschriebenen  Strömungs- 
erscheinungen werden  wir  besser  erst  bei  Gelegenheit  der  Erörterung  der 
Kragenfunction  betrachten.  Ebenso  kommen  wir  auf  die  Darstellung, 
welche  Entz*)  von  dem  Bau  unseres  Organes  gibt,  geeigneter  bei  dieser 
Gelegenheit  zurück. 

Eine  etwas  eigenthümliche  Modification  des  Kragens  will  Robin 
(185)  bei  einer  Codosiga,  welche  er  nur  als  Varietät  der  gewöhnlichen 
C.  Botrytis  betrachtet,  beobachtet  haben.  An  Stelle  des  Kragens  sollen 
sich  hier  in  gleichen  Abständen  um  die  Geisseibasis  4  rigide  und  un- 
bewegliche Girren  finden ,  welche  im  allgemeinen  eine  solche  Stellung 
einnehmen,  dass  sie  in  der  Kragenmembran  verliefen,  wenn  eine  solche 
vorhanden  wäre.  Robin  will  denn  auch  gelegentlich  die  4  Girren  durch 
eine  feine  Kragenmembran  verbunden  gesehen  haben.  Ich  kann  gewisse 
Zweifel  an  der  Richtigkeit  dieser  Beobachtung  nicht  unterdrücken,  um  so 
mehr,  als  Robin  selbst  bemerkt,  dass  man  alle  4  Girren  nur  schwierig 
bemerken  könne  und  zunächst  gewöhnlich  nur  zwei  derselben  zu  sehen 
seien.  —  Seltsamer  Weise  soll  diese  Godosiga  noch  eine  weitere  Besonder- 
heit zeigen,  wie  sie  bei  keiner  anderen  Ghoanoflagellate  bis  jetzt  wahr- 
genommen wurde.  Direct  um  die  Geisseibasis  soll  sich  eine  kurze  und 
enge,  kragenartige  Scheide  erheben,  von  homogener  oder  längsgestreifter 
Beschaffenheit,  also  gewissermassen  ein  zweiter  innerer  Kragen.  Der- 
selbe soll  sich  abwechselnd  erweitern  und  verengern.  Kent  glaubt  die 
Robin'sche  Beobachtung  der  4  Girren  an  Stelle  des  Kragens  als  eine 
theilweise  Reduction  dieses  Organs  unter  Zurücklassung  einiger  pseudo- 
podienartiger  Gebilde  betrachten  zu  können,  und  bringt  damit  gewisse 
von  ihm  bei  Salpingoeca  Amphoridium  beobachtete  Stadien  in  Verbindung, 
wo  sich  an  Stelle  des  Kragens  ein  reicher  Kranz  feiner  Pseudopodien 
erhob  (T.  49,  8  d).  Mir  scheint  dieser  Deutungsversuch  schon  auf  Grund  der 
Beschreibung  Robiu's  unzulässig,  da  letzterer  die  rigide  Beschaffenheit 
der  Girren  bestimmt  betont. 

lieber  die  stets  einfache  Geissei  unserer  Organismen  ist  weniges 
zu  bemerken.  Entsprechend  der  Kleinheit  der  Ghoanoflagellaten  ist  sie 
gewöhnlich  recht  fein  und  wie  wir  dies  im  Allgemeinen  auch  bei  den 
Flagellaten  fanden,  von  durchaus  gleicher  Dicke  in  ihrer  ganzen  Länge. 
Meist  entspringt  sie  scharf  abgesetzt  von  dem  Gentrum  der  Kragen- 
basis,   nur    bei    gewissen    Salpingoecen    geht    ihr    basales    Ende   unter 


*)  Termeszetrjzi  Füzetek.  Vol.  VII.  1883. 


Bau  und  Function  von  Kragen  und  Geissei.  885 

konischer  VerdickuDg  in  den  Körper  über.  Ihre  Länge  ist  im  Ganzen 
keine  besonders  beträchtliche  und  erreicht  im  Minimalfall  etwa  die 
anderthalbfache  Körperlänge,  um  sich  unter  Umständen  bis  zu  der  vier- 
fachen zu  erheben.  Gewöhnlich  finden  wir  eine  Geissei  von  zwei-  bis 
dreifacher  Körperlänge.  —  Hinsichtlich  der  Geisselbeweguugen  begegnen 
wir  ähnlichen  Erscheinungen  wie  bei  manchen  Flagellaten.  Bei  den  fast 
stets  festsitzenden  Choanoflagellaten  hat  die  Geissei  wesentlich  die  Bedeu- 
tung, durch  Erregung  von  Wasserströmungen  dem  Körper  Nahrungspartikel 
zuzuführen.  Unter  diesen  Umständen  scheint  es  auch  begreiflich,  dass 
gerade  bei  unseren  Wesen  die  Geissei  häufig  längere  Zeit  ganz  be- 
wegungslos und  anscheinend  rigid  gefunden  wird.  In  diesem  Zustand 
besitzt  sie  meist  einen  flach  bogig  geschwungenen  Verlauf,  worauf  zuerst 
James -Clark  aufmerksam  machte.  Sehr  gewöhnlich  ist,  dass  die  Geissei 
sich  erst  schwach  nach  der  einen  und  dann  in  ihrer  distalen  Hälfte 
nach  der  anderen  Seite  ausbiegt.  Ich  halte  es  für  sehr  wahrschein- 
lich, dass  diese  Biegungen  der  Geissei  in  ähnlicher  Weise,  wie  es 
schon  früher  für  die  Flagellaten  erörtert  wurde,  auf  eine  sehr  steile 
Schraubenkrümmung  der  ruhenden  Geissei  zurückzuführen  sind.  Kent 
ist  wenigstens  für  Salpingoeca  Amphoridium  der  Ansicht,  dass  auch 
die  scheinbar  ruhende  Geissei  in  sehr  rapider  Wirbelbewegung  begriffen 
sei;  ich  kann  jedoch  nicht  verstehen,  dass  das  Bild  einer  ruhenden 
Geissei,  wie  er  meint,  bei  solchen  Wirbelbewegungen  zu  Stande  kom- 
men soll. 

Tritt  die  Geissei  in  Action,  so  finden  wir  bei  nicht  wenigen  Formen, 
dass  bei  schwächeren  Graden  der  Bewegung,  ähnlich  wie  dies  bei  vielen 
Flagellaten  beobachtet  wird,  nur  ihr  Endstück  in  Wellenbewegung  ge- 
räth.  Es  kann  sich  aber  bei  denselben  Formen  diese  Bewegung  auch 
über  die  ganze  Geissei  ausdehnen  und  bei  anderen  scheint  dies  das 
Gewöhnliche  zu  sein.  In  heftigere  Bewegung  geräth  die  Geissei  nach 
James -Clark  gewöhnlich  dann,  wenn  Fremdkörper  oder  Auswurfsstoffe 
aus  der  Höhlung  des  Kragens  entfernt  werden  sollen.  Auch  peltschen- 
förmige  Bewegungen  der  gesammten  Geissei  sind  gelegentlich  zu  beob- 
achten 

Function  des  Kragens  und  der  Geissei.  Es  herrscht  Ein- 
stimmigkeit unter  den  Beobachtern,  dass  der  Kragen  wenigstens  bei  den 
Craspedomonadinen  ein  mit  der  Nahrungsaufnahme  in  Beziehung  stehen- 
des Organ  ist;  dagegen  gehen  die  Ansichten  über  die  Rolle,  welche 
er  dabei  spielt,  weit  auseinander.  James -Clark  glaubte,  dass  er  etwa 
wie  ein  Trichterapparat  functionire,  welcher  die  von  der  Geissei  in  ihn 
geschleuderten  Nahrungspartikel  zu  der  an  der  Geisseibasis  vermutheten 
Mundöffnung  führe.  Dass  der  Kragen  in  directerer  Weise,  als  es  James- 
Clark  vermuthete,  an  der  Nahrungsaufnahme  betheiligt  ist,  konnten  etwa 
zu  gleicher  Zeit  Bütschli  und  Kent  feststellen,  doch  weichen  die  Beob- 
achtungen derselben  in  fundamentaler  Weise  von  einander  ab.  Kent 
(163,  182)  findet,   dass  durch  die  Bewegungen  der  Geissei  im  Umkreis 


886  Choanoflagellata. 

des  Thieres  ein  von  dem  Hinter-  nach  dem  Vorderende  desselben 
eilender  Strom  erzeugt  würde ,  welcher  Nahrungspartikel  oder  dem 
Wasser  beigemischte  Karminkörnchen  gegen  die  äussere  Fläche  des 
Kragens  führe,  wo  sie  kleben  bleiben.  Indem  nun  das  Plasma  der 
Kragenwand  in  einer  fortdauernden,  strömenden  Bewegung  begriffen  sei, 
welche  auf  der  Aussenfläche  von  der  Basis  nach  dem  freien  Kragenrand 
gehe,  dann  auf  die  Innenfläche  übertrete  und  auf  dieser  nach  der 
Kragenbasis  zurückkehre,  würden  die  von  der  Aussenfläche  des  Kragens 
festgehaltenen  Nahrungspartikel  den  gleichen  Weg  geführt  und  gelangten 
schliesslich  nach  der  von  der  Kragenbasis  umschlossenen  Area  um  den 
Geisseiursprung.  Hier  würden  sie  denn  von  dem  Körperplasma  auf- 
genommen. Eine  besondere  Mundöffnung  finde  sich  in  dieser  Area  nicht, 
sondern  jede  Stelle  derselben  sei  gleich  geschickt  die  Nahrungskörper 
aufzunehmen.  Genauere  Angaben  über  den  eigentlichen  Vorgang  der 
Incorporirung  der  Nahrungspartikel  theilt  jedoch  Kent  nicht  mit. 

Wie  gesagt,  weicht  das,  was  Bütschli  (171)  bei  Codosiga  von  der 
Nahrungsaufnahme  beobachtete,  von  den  Kent'schen  Angaben  ab.  Auch 
er  sah,  wie  die  Nahrungspartikel  auf  der  Aussenfläche  des  Kragens  an- 
kleben und  dann  gegen  die  Kragenbasis  herabrücken,  jedoch  nicht  auf 
dessen  Innenfläche,  sondern  direct  auf  der  Aussenseite  Dicht  hinter  der 
Kragenbasis  wurde  nun  auf  der  Aussenfläche  des  Körpers  zeitweise  ein 
vacuolenartig  vorspringendes  helles  Gebilde  beobachtet  (T.  48,  16d,no), 
welches  nach  einiger  Zeit  verschwand,  worauf  denn  nach  einem  gewissen 
Zeitraum  ein  ähnliches  Gebilde  auf  der  entgegengesetzten  Körperseite 
auftauchte.  Es  Hess  sich  nicht  sicherstellen,  wurde  aber  wahrscheinlich, 
dass  dieses  Schwinden  und  Wiederauftauchen  des  Gebildes  von  einem 
Herumwandern  desselben  um  den  Körper  herrühre.  Schliesslich  Hess 
sich  dann  beobachten,  dass  die  an  der  Aussenfläche  des  Kragens  herab- 
gerückten Nabrungspartikel ,  sobald  sie  mit  dem  vacuolenartigen  Vor- 
sprung in  Berührung  kamen,  von  demselben  aufgenommen  und  dem 
Körperplasma  einverleibt  wurden. 

Diese  Beobachtungen  Bütschli's  au  Codosiga  Botrytis  wurden  in 
neuester  Zeit  von  Entz*)  an  einer  als  Codonocladium  corymbosum  be- 
zeichneten Form  im  Wesentlichen  bestätigt,  jedoch  in  recht  abweichender 
Weise  gedeutet.  Das  vacuolenartige,  über  die  Körperoberfläche  vor- 
springende Gebilde  hält  Entz  für  einen  losgeschlitzten  Theil  des  basalen 
Abschnittes  des  Kragens,  wie  er  denn,  abweichend  von  allen  übrigen 
Beobachtern,  den  Kragen  nicht  für  einen  geschlossenen  Trichter  oder 
Köhre,  sondern  für  ,,  eine  papiertrichterartig  gedrehte  feine,  protoplasma- 
tische Membran''  hält,  ,, deren  unterer  Theil  sich  bei  der  Nahrungsauf- 
nahme vom  Trichter  losdrehe  und  das  sogen,  vacuolenartige  Gebilde 
darstelle".     Mir  ist  bei  dieser  Auffassung  namentlich  nicht  recht  verständ- 


-)  1.  p.  884  c. 


Vorgang-  der  Nahrungsaufnahme;  Plasma.  887 

lieh ,  wie  sich  Entz  das  doch  auch  von  ihm  bestätigte  Auftreten  dieses 
Gebildes  an  wechselnden  Körperstellen  erklärt.  Nur  bei  der  Aufnahme 
fester  Nahrungstheilchen  soll  sich  übrigens  das  Gebilde  abschlitzen.  In 
„der  Tiefe"  der  abgeschlitzten  Membran  soll  sich  nun  eine,  während  der 
Nahrungsaufnahme  bemerkbare  feine  Mundöffnung  finden,  welche  in  einen 
spaltartigen  Schlund  führe.  Das  aufgenommene  Wasser  sammt  den 
Nabrungspartikelu  sammle  sich  am  inneren  Ende  dieses  Schlundes  in 
einer  sich  hier  bildenden  Vacuole  an,  einer  sogen.  Schlingvacuole  nach 
EntZj  welche  sich  alsdann  contrahire  und  Wasser  nebst  Nahrung  in 
das  Plasma  presse.  Wir  werden  später  bei  Besprechung  der  contractilen 
Vacuolen  auf  diese  Schilderung  nochmals  zurückkommen,  weil  das,  was 
Entz  hier  als  eine  Schlingvacuole  mit  der  Nahrungsaufnahme  in  Be- 
ziehung bringt,  seither  allgemein  als  eine  gewöhnliche  contractile  Vacuole 
betrachtet  wurde. 

Wenn  nun  auch  die  Kent'sche  Schilderung  der  Nahrungsaufnahme 
sehr  bestimmt  klingt,  so  kann  ich  mich  doch  nicht  entschliessen ,  meine 
mit  aller  Deutlichkeit  gemachten  Beobachtungen  zu  bezweifeln,  um  so 
weniger  als  dieselben,  was  das  Thatsächliche  betrifft,  in  den  Mit- 
theilungen von  Entz  eine  Bestätigung  gefunden  haben.  Jedenfalls  sind 
erneute  Untersuchungen  erforderlich,  um  die  hinsichtlich  der  Nahrungs- 
aufnahme der  Craspedomonadinen  herrschenden  Meinungsverschiedenheiten 
aufzuklären.  —  Fraglich  muss  es  zur  Zeit  erscheinen,  ob  auch  der 
wenig  entwickelte  Kragen  der  Phalansterineu  eine  Rolle  bei  der  Nah- 
rungsaufnahme spielt.  Wir  wissen  von  diesen  Formen  durch  Cienkowsky 
nur  so  viel,  dass  sie  feste  Nahrung  aufnehmen;  über  die  Art,  wie  dies 
geschieht,  ist  jedoch  gar  nichts  bekannt.  —  Hinsichtlich  der  Ausstossung 
der  Nahrungsreste,  über  die  wir  hier  gleich  einige  Bemerkungen  an- 
schliessen  wollen,  herrscht  dagegen  erwünschte  Uebereinstimmung  unter 
den  Beobachtern.  Dieselbe  erfolgt  bei  den  Craspedomonadinen,  wie 
zuerst  James -Clark  nachwies,  und  später  Bütschli  wie  Kent  bestätigten, 
in  der  von  der  Kragenbasis  umschlossenen  Area.  Eine  Afteröffnung 
existirt  natürlich  nicht.  Bütschli  sah  bei  Codosiga,  dass  sich  das  Plasma 
der  Area  bei  der  Ausstossung  eines  Körnchens  keglig  erhob  (T.  48,16  c), 
worauf  aus  der  Spitze  des  Plasmakegels  das  auszustossende  Körnchen 
hervortrat,  worauf  das  Plasma  wieder  zurücksank. 

Ueber  die  allgemeine  Beschaffenheit  des  Körperplasmas  ist 
kaum  etwas  zu  bernerken.  Die  Unterscheidung  eines  Ectoplasmas  ist 
nicht  möglich.  Eine  ausgesprochene  Färbung  besitzt  das  Plasma  jeden- 
falls nicht.  Gewöhnlich  erscheinen  die  Formen  von  schwach  bläulich-  bis 
gelblichgrtiner  Färbung;  James -Clark  spricht  bei  gewissen  auch  von 
gelber  Farbe  und  beschreibt  die  Salingoeca  marina  sogar  als  dunkel- 
braun. Ich  möchte  aber  vermuthen,  dass  diese  Färbungen  wesentlich 
durch  die  Einrichtung  des  Mikroskopes  bedingt  sind.  Irgend  welche 
eigentlichen  Pigmente  oder  Chromatophoren  kommen  den  bekannten 
Choanoflagellaten  nicht  zu.     Im   Plasma   sind  feinere  oder  massig  grobe 


ggg  Choanoflagellata. 

dunklere  Körnchen  mehr  oder  weniger  regelmässig  vertheilt,  von  welchen 
sich  ein  Theil  meist  als  aufgenommene  Nahrungspartikel  recognosciren 
lässt.  Ausserdem  findet  man  das  Plasma  häufig  auch  von  Vacuolen  in 
grösserer  oder  geringerer  Zahl  durchsetzt.  Unter  diesen  begegnet  man 
gewöhnlich  auch  solchen,  welche  sich  durch  ihren  Inhalt  als  Nahrungs- 
vacuolen  erweisen.  Wie  schon  bemerkt,  finden  wir  die  Nahrungspartikel 
aber  auch  frei  im  Plasma.  Gewöhnlichen  Flüssigkeitsvacuolen  begegnet 
man,  wie  meine  Beobachtungen  an  Codosiga  und  die  Abbildungen 
Stein's  erweisen,  besonders  reichlich  bei  den  gehäuselosen  Formen,  ob- 
gleich auch  die  Salpingoecen  zuweilen  eine  ziemliche  Menge  derselben 
enthalten.  Bei  Codosiga  Botrytis  entwickeln  sich  nicht  selten  einige 
derartige  Vacuolen  so  ansehnlich,  dass  sie  nur  noch  durch  dünne 
Plasmawände  geschieden  werden  und  der  Körper  mehr  oder  weniger 
blasig  erscheint  (T.  48,  16  a — b). 

Contra  etile  Vacuolen  bilden  einen  regelmässigen  Bestandtheil 
des  Körpers  unserer  Choanoflagellaten  und  finden  sich  gewöhnlich  in 
dem  hinteren  Leibesdrittel.  Nur  wenn  ihre  Zahl  eine  beträchtlichere  wird, 
treten   sie  zum  Theil  auch  mehr  in  dem  Vorderkörper  auf. 

Ihre  Zahl  scheint  bei  den  verschiedenen  Formen  ziemlichen  Schwan- 
kungen zu  unterliegen  und  auch  bei  einer  und  derselben  Art  nicht  stets 
constant  zu  sein.  Während  Cienkowsky  bei  Phalansterium  consociatum 
1  bis  2  von  unregelmässiger  Stellung  angibt,  zeichnet  Stein  stets  nur  eine 
ziemlich  weit  nach  hinten  gelagerte  bei  den  beiden  von  ihm  beobachteten 
Arten.  Eine  contractile  Vacuole  zeichnet  Stein  auch  constant  bei  Hirmi- 
dium  Phalanx  (Codonodesmus  Stein),  während  Kent  bei  seinem,  von  der 
Stein'schen  Art  wohl  schwerlich  verschiednen  H.  moniliformis  zwei  bis 
mehr  Vacuolen  angibt.  Ein  ganz  ähnlicher  Widerspruch  findet  sich  in 
den  Angaben  der  beiden  Forscher  bezüglich  der  von  Stein  Salpingoeca 
ampullacea  genannten  Form ,  welche  Kent  als  S.  Amphoridium  Clark 
aufführt  und  die  auch  wohl  nicht  scharf  von  der  Clark'schen  Form  zu 
trennen  ist.  Stein  bildet  bei  derselben  stets  nur  eine  Vacuole  ab,  Kent 
gibt  dagegen  deren  drei  bis  vier  an,  was  mit  den  früheren  Angaben  von 
James-Clark  übereinstimmt,  welcher  in  seltenen  Fällen  sogar  5  beobachtet 
haben  will.  Es  kann  hier  nicht  unsere  Aufgabe  sein,  die  in  mancher 
Hinsicht  widerspruchsvollen  oder  unsicheren  Angaben  über  die  Zahl  der 
contractilen  Vacuolen  eingehender  zu  erörtern,  es  genüge  darauf  hin- 
zuweisen ,  dass  eben  die  Fünfzahl  die  höchste  bis  jetzt  beobachtete 
ist  und  dass  sich  recht  häufig  nur  zwei  Vacuolen  zu  finden  scheinen, 
welche  dann  im  hinteren  Körperdrittel  an  entgegengesetzten  Seiten,  meist 
nicht  ganz  in  derselben  Höhe  liegen  und  sich  abwechselnd  contrahiren. 
Tritt  noch  eine  dritte  Vacuole  auf,  so  scheint  sie  gewöhnlich  eine 
mittlere  Lage  zwischen  diesen  beiden  an  der  hinteren  Körperspitze  ein- 
zunehmen. Vier  Vacuolen  sah  James-Clark  bei  gewissen  Salpingoecen 
gewöhnlich  so  gelagert,  dass  sich  an  beiden  Seiten  des  Körpers  je  zwei 
hinter  einander  fanden.  —  lieber  die  zeitlichen  Verhältnisse  der  Contrac- 


Contiactile  Vacuolen ;  Stiele  und  Geliäuse.  889 

tionen  findet  man  bei  James-Clark  und  Kent  einige  Angaben,  welche  hier 
nicht  reproducirt  werden  sollen. 

Bezüglich  der  Neubildung  der  Vacuolen  nach  der  Systole  liegen  nur 
wenige  Angaben  von  Clark  und  Bütschli  vor.  Bei  der  Salpingoeca  vagi- 
nicola  St.  ('?  gracilis  B.)  sah  der  letztere  die  Neubildung  der  Vacuole 
in  der  bekannten  Weise  durch  Zusammenfluss  mehrerer  kleiner.  Bei 
Codosiga  Botrytis  bildet  sich  an  Stelle  der  verschwundenen  Vacuole  unter 
der  Körperoberiläche  zunächst  ein  länglicher  Flüssigkeitsraum,  dessen 
Entstehung  nicht  genauer  zu  verfolgen  war  und  erst  kurz  vor  der  Systole 
erfolgt  die  Abrundung  desselben  zu  einer  gewöhnlichen  Vacuole.  Es 
wurde  nun  schon  oben  angedeutet,  dass  Entz  der  Ansicht  ist,  es  sei  nur 
die  eine  Vacuole  der  zweivacuoligen  Formen  eine  eigentlich  contractile, 
die  andere  dagegen  eine  zur  Nahrungsaufnahme  bestimmte  sogen. 
Schlingvacuole.  Er  sucht  denn  auch  den  von  Janies-CIark  und  Bütschli 
bei  der  Bildung  der  Vacuole  beobachteten  länglichen  Flüssigkeitsraum 
anders  zu  deuten,  und  erklärt  ihn  für  den  Schlund,  welchen  er,  wie  oben 
erwähnt  wurde,  den  Choanoflagellaten  zuschreibt.  Ich  muss  gestehen, 
dass  mir  diese  Deutung  recht  unwahrscheinlich  vorkommt. 

Ein  einziger  und  kleiner  Nucleus  kommt  den  Choanoflagellaten 
regelmässig  zu.  Derselbe  liegt  stets  im  Vorderende  des  Körpers  in  ge- 
ringer Entfernung  hinter  der  Geisseibasis.  Sein  Bau  ist  wie  bei  den 
einfacheren  Flagellaten  ein  ausgesprochen  bläschenförmiger.  Stets  ist  er 
kuglig  und  enthält  einen  relativ  ansehnlichen,  kugligen  Nucleolus,  der 
von  einer  hellen  Kernsaftzone  umgeben  ist.  Bei  Behandlung  mit  Rea- 
gentien  tritt  um  die  Kernsaftzone  auch  eine  etwas  körnelige  dunkle 
Hülle  deutlich  hervor,  welche  meiner  Ansicht  nach  wahrscheinlich  nicht 
die  eigentliche  Kernmembran,  sondern  eine  Kernrindenschicht  ist.  Von 
Theilungserscheinungen  dieses  Nucleus  ist  bis  jetzt  kaum  etwas  be- 
kannt. 

Stiel-  und  Gehäusebildungen.  Der  Mangel  jeglicher  Skelet- 
bildungen,  wenn  wir  unter  dieser  Bezeichnung  die  Stiel-  und  Gehäuse- 
bildungen zusammenfassen,  ist  eine  im  Ganzen  seltne  Erscheinung  unter 
den  Choanoflagellaten ,  wir  finden  solche  Formen  einerseits  in  der 
Kent'schen  Gattung  Monosiga  und  zwar  sind  dies  nackte  mit  dem  mehr 
abgerundeten  oder  verschmälert  ausgezognen  Hinterende  direct  fest- 
geheftete Formen,  welche  auch  als  die  einfachsten  unter  den  Craspedo- 
monadinen  zu  betrachten  sind.  Andererseits  bestehen  auch  die  eigen- 
thümlichen  Kolonien  der  Gattung  Hirmidium  (Codonodesmus  St.)  aus  ganz 
skeletlosen  Individuen.  Die  meisten  Codonosoginen  besitzen  dagegen  das 
Vermögen,  an  ihrem  Hinterende  einen  meist  ziemlich  feinen  und  drehrunden 
Stiel  auszuscheiden.  Ich  bediene  mich  hier  dieses  Ausdrucks  ohne 
damit  ausschliessen  zu  wollen ,  dass  derselbe  nicht  etwa  auch  durch 
directe  Umbildung  des  Plasmas  gebildet  werden  möge.  Im  Gegentheil 
Hesse  sich  hierfür  sogar  einiges  anführen,  indem  einmal  die  Thiere  nicht 
selten  mit  einer  stielförmig  ausgezognen  Partie  ihres  Hinterendes  auf  dem 


890  Ghoanotiagellata. 

Vorderende  des  eigentlichen  Stieles  aufsitzen  (T.  48,  16  a)  und  Kent  für 
seine  Monosiga  gracilis  besonders  hervorhebt,  dass  die  vordere  Stielhälfte 
stets  einen  weichen,  plasmatischen  Charakter  bewahre. 

Im  Allgemeinen  erinnern  die  zu  schildernden  Stielbildungen  lebhaft 
an  die  der  Dendromonadiuen  unter  den  Flagellaten  und  auch  die  im 
Zusammenhang  damit  entwickelnden  Kolonien  sind  ähnliche.  Die 
Stielsubstanz  ist  gewöhnlich  homogen  und  glasartig,  nur  selten  (Codo- 
siga)  bei  älteren  Stielen  etwas  gelblichbraun.  Sie  scheint  eine  ziemliche 
Festigkeit  zu  besitzen.  Erfahrungen  über  ihre  chemische  Beschatfenheit 
liegen  nicht  vor.  Gewöhnlich  werden  die  Stiele,  auch  die  dickeren  der 
koloniebildenden  Formen,  als  ganz  solid  und  undiflferenzirt  geschildert, 
nur  Bütschli  fand  an  den  dickeren  Stielen  der  Codosiga  Botrytis  eine 
äussere  dunklere  Stielwand  und  eine  helle  Centralmasse,  so  dass  er 
diese  Stiele  in  gewissem  Sinn  als  röhrenförmige  bezeichnet.  Zur  Be- 
festigung auf  der  Unterlage  scheint  sich  der  Stiel  sehr  gewöhnlich  an 
seiner  aufgewachsenen  Basis  etwas  scheibenförmig  zu  verbreitern  (T.  48, 
16  a);  Kent  wenigstens  bildet  ein  solches  Basalscheibchen  ganz  allge- 
mein ab. 

Der  morphologische  Auibau  der  Stiele  hängt  nun  wesentlich  von  den 
Kolonialverhältnissen  ab.  —  Bei  der  monozoen  Gattung  Monosiga  finden 
wir  einen  längeren  oder  kürzeren  meist  zarten  Stiel,  welcher  stets  nur 
ein  Thier  trägt.  —  Hieran  schliesst  sich  zunächst  die  Gattung  Codosiga 
(T.  48,  16  a),  bei  welcher  es  zur  Koloniebildung  kommt,  indem  das  monosiga- 
ai'tige  Individuum,  welches  die  Kolonie  gründet,  sich  auf  seinem  Stiel  durch 
Theilung  fortgesetzt  vermehrt  und  die  Sprösslinge  als  eine  Individuen- 
dolde, ähnlich  wie  bei  Anthophysa,  durch  kurze  protoplasmatische 
Stielchen  auf  dem  Ende  des  Stieles  befestigt  bleiben.  Man  sollte  er- 
warten, dass  sich  bei  dieser  fortgesetzten  Vermehrung  der  Individuenzahl 
der  Kolonie,  welche  sich  auf  über  20  erheben  kann,  eine  allmähliche 
Verdickung  der  jüngeren  Stieltheile  eintreten  werde,  wie  dies  auch  bei 
gewissen  Codonocladien  zu  beobachten  ist,  doch  zeigt  sich  im  Gegentheil 
auch  bei  individuenreichen  Kolonien  meist  eine  geringe  Verschmälerung 
des  Stieles. 

Bei  der  Stein'schen  Gattung  Codonocladium  tritt  nun  eine 
reichere  Entfaltung  des  Stielgerüstes  dadurch  ein,  dass  die  durch  Thei- 
lung entstandenen  Sprösslinge  des  monosiga-artigen  Koloniegründers  fort- 
fahren, Stielsubstanz  zu  bilden,  so  dass  sich  der  ursprünglich  einfache 
Stiel  allmählich  verzweigt.  Es  sind  im  Wesentlichen  zwei  Modi  der 
Stielverzweigung  bei  den  Formen  dieser  Gattung  bis  jetzt  gefunden 
worden,  von  welchen  der  eine  (C.  umbellatum;  T.  49,  5)  den  Charakter 
der  wahren  Dolde  zeigt.  Hier  bildet  sich  nämlich  wie  bei  Codosiga 
auf  dem  Ende  des  primären  Stieles  eine  Dolde  von  3  bis  10  Individuen 
und  erst  dann  beginnen  dieselben  ziemlich  zu  gleicher  Zeit,  die  Er- 
zeugung secundärer  Stiele.  Demnach  verzweigt  sich  der  Stiel  hier  in 
einem   Punct  doldenartig   in  3  bis  10  Zweige  und  jeder  derselben  kann 


Stiel-  und  GehäusebikUuigeii.  gyi 

seinerseits  nochmals  eine  entsprechende  Verzweigung  erfahren.  Auf  den 
letzten  Zweigenden  sitzen  schliesslich  die  aus  mehr  oder  weniger  Indi- 
viduen gebildeten  Träubchen.  Ein  zweiter  Modus  Avird  durch  das  C.  cymo- 
sum  Kent  repräsentirt,  indem  hier  die  Stielerzeugung  nach  jeder  Zwei- 
theilung geschieht  und  so  eine  mehr  oder  weniger  unregelmässige  dicho- 
tomische  Verästelung  des  Stielgerüstes  eintritt  unter  Bildung  einer  Art 
Trugdolde  oder  Cyma.  Bei  einer  Modification  dieser  Art  scheint  von  den 
beiden  bei  jeder  Zweitheilung  entstehenden  Sprösslingeo  gewöhnlich  nur 
der  eine  sich  weiter  zu  vermehren ;  eine  zweite  Modification  kommt  da- 
durch zu  Stande,  dass  der  eine  der  Sprösslinge  der  ersten  Theilung  ein 
präponderirendes  Weiterwachsthum  zeigt,  welches  er  auch  weiterhin  be- 
wahrt, so  dass  alle  von  dem  betreffenden  Sprössling  und  seinen  Nach- 
folgern gebildeten  Stiele  eine  Art  Hauptstamm  als  directe  Fortsetzung 
des  ursprünglichen  Stieles  bilden,  an  welchen  die  übrigen  Zweige  dann 
einseitig  ansitzen.  In  solcher  Weise  bildet  dann  die  ganze  Kolonie  eine 
Art  einseitigen  Wedel. 

Kent  reiht  hier  noch  eine  weitere  Modification  an,  doch  scheint  es 
mir  etwas  fraglich,  ob  dieselbe  wirklich  hierher  gehört.  Bei  dieser 
finden  wir  nämlich  keine  Stielverzweigungen,  sondern  die  Stiele  der 
jüngeren  Kolonialindividuen  befestigen  sich  successive  auf  der  Seite  der 
Körper  der  älteren.  Kent  glaubt  diese  Bildung  aus  einem  Knospungs- 
process  der  Individuen  herleiten  zu  können;  wir  werden  jedoch  später 
sehen,  dass  eine  Fortpflanzung  durch  Knospung  bei  den  Choanoflagellaten 
nicht  sicher  erwiesen  ist. 

Hüllen-  und  Gehäusebildungen.  Wir  begegnen  auch  unter 
den  Choanoflagellaten  den  beiden  Hauptmodificationen  der  Hüllenbildung, 
welche  bei  den  Flagellaten  zu  verzeichnen  waren ,  nämlich  den 
schleimigen  oder  gallertartigen  Hüllen  und  den  aus  festerer  Substanz 
gebildeten  echten  Gehäusen.  Eine  scharfe  Grenze  scheint  zwischen 
diesen  beiden  Hüllbildungen  auch  hier  nicht  zu  existiren.  Gallertige 
Hüllen  von  grosser  Aehnlichkeit  mit  denen  der  Spongomonadinen  charac- 
terisiren  die  Kolonien  der  Phalansterinen  und  die  Kent'sche  Gattung 
Protospongia.  Die  Gallerthtillen  der  ersteren  namentlich  zeigen  die 
grösste  Uebereinstimmung  mit  denen  gewisser  Spongomonaden.  Die 
farblose  oder  mehr  oder  weniger  braune  Gallertmasse  ist  auch  hier 
reichlich  von  ziemlich  groben  Körnchen  durchsetzt  (T.  48,  14b),  hinsicht- 
lich deren  Beurtheilung  auf  das  bei  den  Flagellaten  Bemerkte  zu  ver- 
weisen ist.  Nach  den  Beobachtungen  Cienkowsky's  und  Stein's  scheint 
der  Gründer  einer  Kolonie  des  Phalansteriums  zunächst  eine  etwa  birn- 
bis  trichterförmige,  geschlossene  Hülle  auszuscheiden,  welche  bei  Ph. 
digitatum  mit  dem  zugespitzten  Hinterende  frei  aufgewachsen  ist, 
während  sie  bei  Ph.  consociatum  der  Unterlage  flach  aufliegt.  Bei  der 
ersteren  Art  ist  die  Weiterbildung  der  Kolonie  leicht  verständlich.  Das 
erste  Individuum  vermehrt  sich  durch  Quertheilung  in  der  Hülle,  worauf 
sich  die  beiden  Sprösslinge  in  dem  freien  Ende  der  Hülle  neben  einander 


892  Choanoflagellata. 

anordnen  und  durch  weitere  Ausscheidung  von  Hüllsubstanz  bald  eine 
dichotoniische  Verästelung  der  Hülle  bewirken.  Bald  scheinen  nun  auch 
die  beiden  so  erzeugten  Aeste  der  Hülle  an  ihren  freien  Enden  je  eine 
weite  runde  Oeffnung  zu  erhalteo.  Mit  der  fortgesetzten  Vermehrung  der 
Individuen  geht  denn  auch  die  dichotomische  Verästelung  des  Stockes  in 
.gleicher  Weise  weiter,  so  dass  ein  entwickelter  Stock  (T.  48, 14  b)  aus  einem 
sich  dichotomisch  verzweigenden  Röhrengerüst  besteht,  das  an  seinem 
Ursprungsende  aufgewachsen  ist  und  dessen  einzelne  nicht  sehr  lauge 
Eöhren  fingerartig  neben  einander  stehen,  indem  sie  nach  den  freien 
Enden  an  Dicke  wachsen.  Wie  gesagt  sind  die  Röhrenenden  gewöhnlich 
mit  weiter  runder  Oeffnung  versehen,  aus  welchen  die  Geissein  der  in 
Ein-  oder  Zweizahl  in  den  Röhren  sich  findenden  Individuen  hervor- 
ragen. 

Schwer  verständlich  ist  dagegen  bis  jetzt  die  Bildung  der  Kolonie 
des  Ph.  consociatura  (T.  48,  15).  Die  Gründung  derselben  geschieht  in 
wesentlich  gleicher  Weise  wie  bei  der  erst  besprochenen  Art.  Die  aus- 
gebildete Kolonie  dagegen  stellt  eine  rundliche  bis  nierenförmige,  flach 
aufgewachsene  Scheibe  dar,  welche  aus  mehr  oder  weniger  zahlreichen, 
radial  gestellten  und  im  Centrum  der  Kolonie  zusammenstossenden,  etwa 
kegligen  Gallertröhren  zusammengesetzt  wird.  Aeltere  Kolonien  sollen 
nach  Cienkowsky  mehr  unregelmässig  umgrenzte  Aggregate  bilden.  Die 
Lagerung  der  Individuen  in  den  Gallertröhren  ist  hier  wesentlich  dieselbe 
wie  bei  der  anderen  Art,  Wie  gesagt,  erscheint  es  noch  etwas  unklar, 
wie  durch  Vermehrung  des  Koloniegründers  die  geschilderten  Scheiben 
entstehen;  das  Wahrscheinlichste  dürfte  sein,  dass  die  ursprüngliche  Röhre 
mit  der  Vermehrung  ihres  Erzeugers  in  die  Breite  wächst  und  durch 
Bildung  von  radialen  Zwischenwänden  zwischen  den  Sprösslingen  all- 
mählich in  eine  Anzahl  von  Röhren  zerlegt  wird. 

Sehr  einfach  ist  die  Gallerthülle  bei  den  Kolonien  der  Proto- 
spongia  Hacke lii  (T.  49,  11)  nach  Kent's  Untersuchungen  gebaut. 
Die  mehr  oder  weniger  zahlreichen,  monosigaartigen  Individuen,  welche 
eine  solche  Kolonie  aufbauen,  sind  in  ziemlich  gleichen  Abständen  in 
eine  sehr  flache ,  ganz  hyaline  oder  doch  nur  sehr  schwach-körnige 
Gallertscheibe  eingebettet,  so  dass  nur  ihr  Kragen  mit  der  Geissei  hervor- 
ragt. Diese  Gallertscheiben  finden  sich  entweder  an  der  Oberfläche  des 
Wassers  oder  überziehen  untergetauchte  Gegenstände.  Um  das  hervor- 
ragende Ende  jedes  Individuums  scheint  sich  die  Gallerte  schwach  zu 
erheben,  so  dass  der  Rand  der  Scheibe  ein  etwas  ausgezacktes  Aussehen 
erhält.  Bis  zu  60  und  mehr  Individuen  können  in  solcher  Weise  zu  einer 
Kolonie  vereinigt  sein. 

Ausscheidung  einer  zarten  gallertartigen  Hülle  kommt  zuweilen  auch 
bei  den  nackten  Codosiginen  vor.  So  beobachtete  Bütschli  gelegentlich 
eine  zarte  schleimige  Hülle  um  gewisse  Individuen  der  Codosiga  Botrytis 
(T.  48,  16b),  und  Kent  theilt  mit,  dass  Codonocladium  umbellatum  bei 
heftigem  Druck  eine  ähnliche  vergängliche  Hülle  ausscheide.   Als  Sarkode, 


Gehäusebildungen.  893 

wie    er    will,    dürfte  jedoch   die   Substanz    dieser  Hülle  wohl   nicht  be- 
zeichnet werden. 

Eine  Uebergangsstufe  der  nackten  zu  den  gehäusebewohnenden 
Formen  scheint  auch  das  von  Entz*)  entdeckte  Codonocladium  corym- 
bosum  zu  bilden.  Bei  dieser,  rücksichtlich  ihrer  Koloniebildung  an 
Codonocladium  sich  anreihenden  Form  haben  die  Individuen  nur  auf  dem 
hinteren  Drittel  ihres  Körpers  eine  sehr  feine  Gehäusemembran  abge- 
schieden und  dann  hat  sich  das  Plasma  von  dieser  Membran  etwas 
zurückgezogen.  Nach  vorn  soll  diese  Hülle  allmählich  in  die  Rinden- 
schicht des  Körpers  übergehen,  von  welcher  jedoch  auf  Entz'  Abbildungen 
nichts  deutliches  zu  erkennen  ist. 

Solche  Hüllbildungen  führen  uns  zu  den  Gehäusen,  welche  die 
Gruppe  der  Salpingoecinen  charakterisiren,  über.  Das  Gehäuse  ist  hier 
ursprünglich  ein  Abguss  der  gesammten  Körperoberfläche  und  daher  auch 
in  den  allermeisten  Fällea  von  ganz  regulär  monaxonem  Bau.  Gewöhn- 
lich füllt  jedoch  der  Thierkörper  das  erwachsene  Gehäuse  nicht  mehr 
völlig  aus,  wenngleich  sich  in  dieser  Hinsicht  bei  einer  und  derselben 
Art  Verschiedenheiten  darbieten.  Die  Wand  des  fast  stets  glashell 
durchsichtigen  Gehäuses  ist  meist  recht  dünn  (s.  T.  49)  und  dann  wohl 
gewöhnlich  aus  einer  ziemlich  festen  Substanz  gebildet.  Wenn  die  Ge- 
häusewand eine  beträchtlichere  Dicke  erreicht,  wie  bei  der  Salpingoeca 
Convallaria  Stein's  (T.  49 ,  1) ,  so  scheint  sie  weich  zu  bleiben ;  auch 
James-Clark  beschreibt  die  Substanz  des  Gehäuses  bei  S.  gracilis  als 
schleimig  und  Stein's  Abbildungen  derselben  Art  zeigen  auch  ziemliche 
dicke  Wandungen.  Wie  Kent's  Beobachtungen  über  die  Entwicklung 
des  Gehäuses  der  S.  Ampulla  Kent  zeigen  und  wie  es  auch  von  vorn- 
herein wahrscheinlich  ist,  besitzt  die  erste  Anlage  des  später  erhärtenden 
Gehäuses  eine  schleimige  weiche  Beschaffenheit.  Wie  bemerkt,  ist  das 
Gehäuse  gewöhnlich  farblos,  nur  bei  der  sog.  Lagenoeca  cuspidata  K. 
gibt  Kent  braune  Färbung  an. 

Mit  einer  einzigen  Ausnahme,  der  eben  erwähnten  Lagenoeca  cuspidata, 
sind  die  Gehäuse  an  dem  hinteren  Ende  befestigt.  Letztere  wurde  frei 
schwimmend  gefunden  und  deshalb  auch  von  Kent  zu  einer  besonderen 
Gattung  neben  Salpingoeca  erhoben.  Da  jedoch  Stein  beobachtete,  dass 
sich  festgeheftete  Salpingoecen  (S.  Convallaria)  gelegentlich  ablösen  und 
mit  dem  Gehäuse  frei  umherschwimmen,  so  dürfce  auf  das  einzige  bis  jetzt 
beobachtete  Exemplar  der  Lagenoeca  cuspidata  kein  allzugrosser  Werth 
zu  legen  sein.  —  Die  befestigten  Gehäuse  sind  nun  entweder  direct  mit 
ihrem  Hinterende  aufgewachsen  (2,  8),  oder  werden  von  einem  verschieden 
langen  Stiel  getragen  (9,  15).  Im  letzteren  Fall  bildete  also  das  Thier 
vor  der  Erzeugung  des  Gehäuses  zunächst  einen  Stiel,  ging  also  durch 
eio  monosiga- artiges  Stadium  hindurch,  was  auch  durch  directe  Beob 
achtung  der  Entwicklung   des  gestielten  Gehäuses  bei  S.  Infusionum  von 


*)  S.  Entz  1.  p.  884  cit. 


394  Clioanoflagellata. 

Kent  festgestellt  wurde.  Eine  ganz  scharfe  Grenze  zwischen  einem  soliden 
Gehäusestiel  und  einer  stielartigeu  hohlen  Verlängerung  des  hinteren 
Gehäuseendes  scheint  nicht  gezogen  werden  zu  können. 

Beschäftigen  wir  uns  nun  noch  kurz  mit  den  manichfaltigen  Gestalten 
der  Gehäuse.  Die  Reihe  beginnt  etwa  mit  ellipsoidischen  bis  eiförmigen 
oder  auch  birnförmigen  Gehäusen  mit  enger  Oefifnung  des  Vorderendes. 
Hieran  schliessen  sich  andere  mit  weiter  bis  sehr  weiter  Oefifnung,  deren 
Rand  dann  auch  mehr  oder  weniger  auswärts  gebogen  ist,  so  dass  die 
Gestalt  eine  vasenförmige  wird  (12).  Andererseits  kann  sich  das 
vordere  Drittel  der  Schale  auch  halsartig  verschmälern,  so  dass  die  Form 
einer  mehr  oder  weniger  bauchigen  Flasche  entsteht  (8)  oder,  bei  ge- 
ringer Entwicklung  des  Halses,  die  einer  Amphora.  Nicht  selten  ist 
gleichzeitig  das  Hinterende  mehr  oder  weniger  stielartig  ausgezogen  oder 
zugespitzt  (2 ,  7).  Von  den  ersterwähnten  vasenförmigen  Gestalten 
leiten  sich  solche  ab,  welche  durch  starkes  Längswachsthum  mehr  die 
Gestalt  eines  Champagnerglases  annehmen,  sitzend  oder  auf  elegantem 
Stiel  befestigt,  und  schliesslich  treten  auch  lange  hornartig  geschwungene 
Formen  auf  (6).  Bei  der  so  gebildeten  S.  cornuta  zeigt  sich  noch 
eine  weitere  interessante  Eigenthümlichkeit ,  indem  nämlich  eine  Gablung 
des  Gehäuses  in  Verbindung  mit  der  Theilung  des  Thieres  eintreten  kann, 
also  eine  Art  Stockbildung,  ähnlich  wie  bei  Phalansterium  digitatum. 
Eine  besonders  eigenthümliche  Gestaltung  des  Gehäuses  findet  sich  noch 
bei  den  S.  Ampulla  (10  a)  und  Campanula.  Bei  diesen  beiden  Arten 
wird  nämlich  das  Thier  sammt  dem  Kragen  für  gewöhnlich  von  dem 
Gehäuse  ganz  umschlossen,  während  sonst  im  nicht  retrahirten  Zustand 
stets  der  Kragen  aus  dem  Gehäuse  hervorschaut.  Dieser  Umstand  be- 
dingt nun  auch  bei  diesen  beiden  Formen  eine  besondere  Gestalt  des 
Gehäuses,  indem  sich  dessen  vordere  zwei  Drittel  balloniörmig  zur  Auf- 
nahme des  Kragens  erweitern.  Bei  S.  Ampulla  ist  dieser  erweiterte  Theil 
grob  längsgerippt.  Kent  konnte  die  allmähliche  Entwicklung  des  Ge- 
häuses hei  der  letzteren  Form  verfolgen  und  fand,  wie  erwähnt,  dass  die 
erste  Anlage  eine  einfache,  annähernd  kuglige  Hülle  ist  (10  b),  an  welcher 
später,  nach  der  Bildung  des  Kragens,  „durch  dessen  und  der  Geissei 
Thätigkeit"  allmählich  die  vordere  Erweiterung  hervorgerufen  wird; 
worauf  das  Gehäuse  erhärtet.  Besondere  Verzierungen  oder  dergleichen 
finden  sich  an  den  Gehäusen  fast  nie,  nur  das  abgerundete  Hinterende 
des  ungefähr  flaschenförmigen  Gehäuses  der  sog.  Lagenoeca  cuspidata 
Kent  zeigt  einige  dornartige  Fortsätze,  welche  etwas  an  die  der  Flagel- 
late  Chrysopyxis  bipes  St.  (T.  43,  2)  erinnern. 

Nachdem  wir  eben  bei  der  S.  cornuta  die  Andeutung  einer  Kolonie- 
bildung beschälter  Formen  gefunden  haben,  müssen  wir  ganz  kurz  der 
Gattung  Polyoeca  gedenken,  welche  sich  hinsichtlich  ihrer  Koloniebildung 
zu  den  solitären  Salpingoecen  genau  so  verhält,  wie  Poteriodendron  zu 
Bicosoeca  unter  den  Flagellaten.  Die  Stockbildung  (T.  49,  12)  erfolgt 
hier  nämlich  so,  dass   sich    die   jüngeren   Gehäuse    mit    ihren    ziemlich 


Gehäusebildungen.  895 

langen  Stielen  auf  den  Mündungsrändern  der  älteren  successive  befestigen ; 
zuweilen  geschiebt  jedocb  aueb  die  Anheftung  auf  dem  Stiel  eines 
benachbarten  Kolonialgenossen. 

Verhalten  des  Thierkörpers  zu  dem  Gehäuse  bei  den 
Salpingoecen.  Es  wurde  schon  erwähnt,  dass  das  Gehäuse  im  er- 
wachsenen Zustand  gewöhnlich  nur  zu  einem  beschränkten  Theil  von 
dem  Thierkörper  erfüllt  wird,  doch  ist  bei  den  weniger  langgestreckten 
Gehäusen,  wie  bei  S.  arapullacea,  Amphoridium,  Pisiformis  und  Ver- 
wandten die  Erfüllung  der  Schale  gewöhnlich  eine  ziemlich  vollständige 
(1,  4,  8).  Auch  hier  findet  sich  aber  meist  eine  Flüssig'keitsschicht 
zwischen  der  Oberfläche  des  Körpers  und  der  Schalenwand,  so  dass  nur 
in  der  Gegend  der  Gehäusemündung  eine  Art  Aufhängung  des  Körpers 
in  der  Schale  zuweilen  zu  beobachten  ist.  In  den  länger  gestreckten 
Gehäusen  (mit  Ausnahme  der  schon  früher  besprochnen  S.  Ampulla  und 
Campanularia)  findet  sich  der  Thierkörper  im  nicht  retrahirten  Zustand 
im  vorderen  Theil,  so  dass  der  Kragen  aus  der  Mündung  herausschaut. 
Eine  Berührung  mit  der  Gehäusewand  scheint  meist  nirgends  stattzu- 
finden. In  verhältnissmässig  wenigen  Fällen  konnte  bis  jetzt  eine  be- 
sondere Befestigung  an  der  Gehäusewand  nachgewiesen  werden.  Bei 
gewissen  Formen  entspringt  von  dem  Hinterende  ein  feines,  wahrschein- 
lich protoplasmatisches  Fädchen,  welches  sich  im  Grunde  des  Gehäuses 
befestigt  (10a);  bei  S.  cornuta  heftet  sich  ein  zuweilen  vorhandenes 
ähnliches  Fädchen  weiter  vorn  an  die  Seite  des  Gehäuses  an  und  an 
seiner  Stelle  finden  sich  manchmal  auch  mehrere  pseudopodienartige  Fort- 
sätze (6). 

Da  nun  die  meisten  Formen  der  Salpingoecen  und  Verwandten  das 
Vermögen  besitzen,  sich  bei  Beunruhigung  plötzlich  und  rasch  in  das 
Gehäuse  völlig  zurückzuziehen,  so  liegt  es  nahe,  hiermit  diese  in  gewissen 
Fällen  (S.  cornuta  Kent)  nachweisbar  contractilen  Fädchen  des  Hinter- 
endes in  Verbindung  zu  bringen.  Immerhin  scheint  es  mir  möglich,  dass 
bei  dieser  Retraction  auch  noch  andere  Momente  ins  Spiel  kommen. 
Manche  Salpingoecen  wenigstens  (so  nach  Bütschli  S.  fusiformis)  be- 
sitzen das  Vermögen,  bei  ihrer  Retraction  auch  die  Gehäusemtindung  zu 
verengern,  ähnlich  wie  die  Bicosoecen  unter  den  Flagellaten,  welchen  sich 
ja  auch  die  Gehäusebildungen  der  Salpingoecen  am  innigsten  anschliessen. 

Wie  schon  früher  gelegentlich  hervorgehoben  wurde ,  besitzen 
wenigstens  gewisse  Formen  der  Choanoflagellaten  eine  recht  ausge- 
sprochene Contractionstähigkeit.  So  contrahirt  sich  Codosiga  Botrytis 
häu6g  zu  kugliger  Gestalt  und  auch  bei  der  Retraction  der  Salpingoecen 
wird  wohl  gewöhnlich  eine  Contraction  des  Thierkörpers  stattfinden.  Auf 
die  amöboiden  Bewegungserscheinungen  werden  wir  gleich  bei  der 
Fortpflanzung  noch  etwas  näher  eingehen. 

Fortpflanzungserscheinungen    und    Encystirung. 

Theilungse r schein ungen.  Die  Vermehrung  durch  Theilung 
scheint  mir   zur  Zeit   allein   als   ganz   sichergestellte  Fortpflanzungsweise 


896  Choanoflagellata. 

der  Choanoflagellateu  betrachtet  werden  zu  müssen.   Wie  bei  den  Flagel- 
laten,  begegnen  wir  sowohl  der  Quer-  wie  Längstheilung. 

Die  Quertheilung  wurde  von  Cienkowsky  bei  der  Gattung 
Phalansterium  sicher  nachgewiesen  und  durch  Stein's  Untersuchungen 
noch  genauer  dargestellt.  Aus  des  Letzteren  schönen  Abbildungen  dieses 
Vorganges  geht  hervor,  dass  sich  das  in  Theilung  eingehende  Individuum 
etwas  in  die  Länge  streckt,  worauf  eine  ringförmige  Einschnürung  in  der 
Mitte  auftritt  (T.  48,  14  b  I),  indem  gleichzeitig  schon  eine  wohl  sicher 
neugebildete  contractile  Vacuole  für  den  vorderen  Sprössling  kenntlich 
wird.  Erst  wenn  die  Durchschnürung  ziemlich  vollzogen  ist,  bemerkt 
man  die  Neubildung  eines  Kragens  an  dem  Vorderende  des  hinteren 
Sprösslings  (siehe  neben  I).  Die  Verhältnisse  bedingen  es,  dass  dieser 
neue  Kragen  etwas  schief  seitlich  aus  dem  Vorderende  des  hinteren 
Sprösslings  hervorwachsen  muss.  Dass  auch  dessen  Geissei  neu  entsteht, 
unterliegt  nach  dem  Mitgetheilten  keiner  Frage.  Nach  geschehener 
Sonderung  der  beiden  Sprösslinge  rückt  der  hintere  in  gleiche  Höhe  mit 
dem  vorderen  in  der  Wohnröhre  Aus  den  Mittheilungen  Cienkowsky's 
ergibt  sich  weiter,  dass  die  Vorgänge  bei  der  anderen  Art  im  Wesentlichen 
dieselben  sind.  —  Letzterer  Beobachter  sucht  es  auch  wahrscheinlich  zu 
machen,  dass  bei  der  gleichen  Art  auch  Längstheiluug  auftrete.  Er  fand 
nämlich  nicht  selten  Individuen  mit  zwei  Kragen  und  Geissein  des 
Vorderendes,  welche  er  geneigt  ist,  für  beginnende  Längstheilungsstadien 
zu  halten.  Da  jedoch  weiter  fortgeschrittene  Theilungszustände  nicht 
beobachtet  wurden,  so  ist  eine  andere  Deutung  dieser  Individuen  nicht 
ausgeschlossen;  man  darf  wenigstens  daran  denken,  sie  aus  Copulation 
abzuleiten. 

Für  die  Craspedomonadinen  wurde  die  Vermehrung  durch  Längs- 
theilung zuerst  von  James-Clark  und  später  von  Stein  auf  das  Sicherste 
erwiesen.  Kent  dagegen  will  sowohl  bei  Monosiga  wie  Salpingoeca 
häufig  einen  Qaertheilungsprocess  beobachtet  haben,  welcher  in  sehr 
eigenthümlicher  Weise  verlaufen  soll.  Für  die  Gattung  Monosiga  wird 
dieser  Proeess  nicht  genauer  geschildert,  sondern  nur  kurz  erwähnt,  dass 
das  zur  Quertheilung  tibergehende  Individuum  zunächst  seinen  Kragen 
und  die  Geissei  einziehe,  worauf  sich  eine  vordere  Partie  des  Körpers 
abschnüre  und  nach  Ausbildung  einer  Geissei  in  Form  einer  kleinen 
Monade  wegschwimme,  welche  sich  nach  einiger  Zeit  festhefte  und  einen 
Stiel  nebst  Kragen  ausbilde. 

Bei  Salpingoeca  dagegen  wird  dieser  Quertheilungsprocess  in 
zweierlei  Art  beschrieben.  Bei  S.  Amphoridium  wird  zu  Begina  des 
Vorgangs  zunächst  Geissei  und  Kragen  eingezogen  (T.  49,  8  b)  und  das 
Plasma  dringt  in  Form  einer  Anzahl  fingerartiger  Pseudopodien  aus  der 
Gehäuseöffnung  hervor  (8  c).  Diese  hervortretende  amöboide  Plasmamasse 
soll  sich  nun  ablösen  und  in  Gestalt  einer  kleinen  sternförmigen  Amöbe 
(8e)  einige  Zeit  umberbewegen ,  sich  alsdann  wieder  festheften  und  zu 
einer  vollständigen  Salpingoeca  entwickeln.     Statt  solcher  fingerförmiger 


Quer-  und     l.äiigstlioiluiig'.  897 

Pseudopodien  sah  Kent,  wie  schon  früher  erwähnt,  zuweilen  auch  einen 
Kranz  feiner  strahlenartiger  Pseudopodien  aus  der  Mündung  hervor- 
treten. Auch  bei  S.  fusiformis  wird  ein  ähnliches  Hervordringen  des 
Plasmas,  jedoch  in  mehr  unregelmässig  wurstförmiger  Weise,  nach  Rück- 
bildung des  Kragens  und  der  Geissei,  beschrieben.  Das  vorgedrungene 
Plasma  soll  sich  ablösen  und  der  in  dem  Gehäuse  gebliebene  Theil 
wie  bei  S.  amphoridium  wieder  zu  einem  völligen  Individuum  resti- 
tuiren.  Stein  bildet  bei  seiner  nahe  verwandten  S.  Clarkii  ein  Indi- 
viduum mit  kugelförmig  hervorgedrungenem  Plasma  ab,  deutet  es 
aber  als  ein  nach  der  Abstossung  des  Halskragens  zerfliesseu- 
des  Thier. 

Zvveitheilungeu  im  amöboiden  geissei-  und  kragenlosen  Zustand  führt 
Kent  auch  von  den  Individuen  der  Protospongia  an. 

Die  zweite  Art  der  von  Kent  beobachteten  Querth eilung  wird  am 
genauesten  von  der  S.  inquillata  Kent  beschrieben.  Hier  soll  sich  das 
aus  der  Gehäusemündung  ziemlich  hervorgetretene  Thier  zunächst  in  der 
Mitte  nahezu  durchschnüreu ,  ohne  dass  Geissei  und  Kragen  eingezogen 
würden.  Dann  erfolge  die  Einziehung  des  Kragens  und  erst  etwas  später 
auch  die  der  Geissei.  Hierauf  würden  die  beiden,  nun  von  einander 
.  getrennten  Sprösslinge  zwischen  sich,  in  der  Richtung  der  Längsaxe  eine 
cylindrische  zarte  Plasmamasse  entwickeln,  einen  Kragen,  welcher  sich 
zwischen  den  beiden  Sprösslingen  ausspanne.  Bei  der  weiteren  Ent- 
wicklung verbleibe  dieser  neugebildete  Kragen  ausschliesslich  mit  dem 
hinteren  Sprössling  in  Verbindung,  während  sich  der  vordere  Sprössling 
als  eine  geissellose  Plasmakugel  ablöse. 

Wer  die  von  Kent  mitgetheilten  Abbildungen  der  Stadien  dieses 
Quertheilungsprocesses  genauer  betrachtet,  wird  zweifeln  müssen,  ob 
dieselben  .  in  der  angegebenen  Weise  aufeinanderfolgen  können.  Auch 
von  S.  gracilis  werden  verschiedene  Stadien  eines  entsprechenden  Quer- 
theilungsprocesses abgebildet. 

Wenn  ich  nun  auch  nicht  glaube,  dass  die  Darstellung,  welche  Kent 
von  der  letztgeschilderten  Art  der  Quertheilung  bei  Salpingoeca  gibt, 
der  Wirklichkeit  ganz  entspricht,  so  scheint  mir  daraus  doch  zu  folgen, 
dass  hier  Quertheilung  wirklich  vorkommt.  Für  weniger  sicher  erachte 
ich  dagegen  den  ersterwähnten  Modus. 

Längstheilung  finden  wir  bei  Codosiga  und  Salpingoeca  und,  wie 
wir  aus  den  Koloniebildungen  schliessen  dürfen,  sicherlich  auch  bei  Co- 
donocladium  und  Hirmidium  (Desmarella  Kent).  Genauer  bekannt  wurde 
der  Vorgang  der  Längstheilung  nur  für  Codosiga  Botrytis  durch  die 
schönen  Untersuchungen  von  James -Clark;  die  Abbildungen,  welche 
Stein  von  einigen  Theilungsstadien  dieser  Art  gibt,  bestätigen  die  An- 
gaben des  amerikanischen  Forschers  auf  das  Beste.  Es  sind  natürlich 
meist  relativ  grosse  Individuen,  welche  sich  theilen.  Seltsamer  Weise 
beginnt  der  Process  damit,  dass  der  Kragen  eine  ungefähr  glocken- 
förmige  Gestalt    annimmt  und   seine  Endöfifnung  eine  grössere  Weite  als 

Bronn.    Klasi?en  des  Thier -Reichs.     Protozoa,  57 


898  Choanoflagellata. 

gewöhnlich  erlangt.  Diese  Erweiterung  ist  jedenfalls  nur  ein  Vorspiel  seiner 
späteren  Theilung.  Die  geschilderte  Gestaltänderung  wird  durch  eine  Eeihe 
Ausdehnungen  und  Zusammenziehungen  des  Kragens  vermittelt,  wobei 
er  in  eine  Art  vibrirender  Bewegung  geräth,  ähnlich  wie  dies  schon 
früher  bei  Schilderuug  der  Contraction  des  Kragens  nach  James -Clark 
erwähnt  wurde.  Während  der  Körper  sich  im  weiteren  Verlauf  des 
Frocesses  verkürzt  und  verbreitert  (T.  49,  16  h),  wird  das  Flagellum, 
Avelches  zuvor  eine  gestreckte  Form  angenommen  hat,  rasch  eingezogen. 
In  etwa  einer  Minute  schmilzt  es  zu  einem  kurzen  und  dicken  Stumpf 
zusammen  (16  h,  161),  der  sehr  bald  vollständig  schwindet.  Während  dei" 
Körper  sich  weiter  verbreitert,  beginnt  nun  die  Mündung  des  Kragens 
sich  zu  verengern,  so  dass  derselbe  allmählich  eine  cylindrische  und 
schliesslich  eine  sich  mehr  und  mehr  zuspitzende  keglige  Gestalt  annimmt 
(16i),  Schon  wenn  der  Kragen  aber  noch  als  /iemlich  weit  abgestutzter 
Kegel  erscheint,  beginnt  die  eigentliche  Theilung  des  Körpers,  indem  auf 
dem  Vorderende  in  der  Kragenarea  eine  mittlere  Längsfurche  auftritt 
(16i),  welche  nun  allmählich  bis  auf  das  hintere  Ende  fortschreitet; 
noch  bevor  sie  dieses  erreicht,  haben  sich  die  Vorderenden  der  beiden 
Sprösslinge  schon  auf  eine  kurze  Strecke  von  einander  gesondert  (16k). 
Die  Oeflfnung  des  Kragens  hat  sich  mittlerweile  so  verengt,  dass  derselbe 
spitzkegelig  erscheint  (16k).  Erst  wenn  die  Separirung  der  beiden  Spröss- 
linge etwas  über  die  Hälfte  nach  hinten  fortgeschritten  ist  (nach  Stein's  Ab- 
bildungen zuweilen  aber  auch  früher  [16g,  161])  beginnt  der  Kragen  sich 
zu  theilen  und  zwar,  wie  zu  erwarten,  von  der  Basis  gegen  den  freien 
Rand  fortschreitend.  Zuvor  hat  sich  seine  Oeffnung  jedoch  wieder  er- 
weitert und  diese  Erweiterung  macht  während  seiner  Durchschnürung 
noch  Fortschritte.  Wenn  die  Theilung  des  Kragens  etwa  bis  zur  Hälfte 
geschehen  ist,  setzt  sich  die  ihn  einschnürende  Furche  schon  bis  zu  seinem 
freien  Rand  fort  und  dieser  erscheint  daher  von  oben  betrachtet  ungefähr 
bisquitförraig  (16  g).  Das  erste  Auftreten  der  neuen  Geissein  der  Spröss- 
linge fällt  noch  vor  den  Beginn  der  Krageutheilung.  James-Clark  sagt 
hierüber:  „an  jedem  der  abgerundeten  Enden  (der  Sprösslinge)  erscheint 
eine  leichte  Bewegung ,  ähnlich  der  Molekularbewegung  eines  Körnchens, 
und  dann  erhebt  sich  daselbst  sehr  rasch  ein  scharfer  und  deutlich  faden- 
förmiger Auswuchs,  welcher  sich  in  einem  Zustand  constanter  schwacher 
(narrow)  Vibration  oder  einer  Art  Zitterns  erhält".  Diese  Bewegung  der 
Geissein  (161)  scheint  bis  zu  ihrer  völligen  Ausbildung  fortzudauern. 
Während  sie  nun  weiter  heranwachsen,  setzt  sich  die  Theilung  des  Kragens 
nach  vorn  bis  zur  völligen  Trennung  fort  und  nachdem  der  Körper  bis 
zum  Hiuterende  durchgeschnürt  ist,  geht  die  Theilung  auf  das  hintere 
plasmatische  Stielchen  über  (16  f),  welches  schliesslich  auch  längs- 
gespalten wird.  Etwas  unsicher  scheint  mir  noch  die  Zeit  des  Auf- 
tretens der  neuen  contractilen  Vacuolen  der  Sprösslinge  zu  sein.  James- 
Clark  bemerkt  zwar,  dass  dieselben  sich  wahrscheinlich]  schon  in  dem 
Vorbereitungsstadium     vermehrten,    da  er    zu    dieser   Zeit   drei  Vacuolen 


Längstheilung;  Copiüatiori  iiatl  Encystirung  899 

beobachtet  [haben  will.  Da  nun  aber  sowohl  auf  seineu  Abbildungen 
wie  auf  denen  Stein's  die  4  Vacuolen  der  Sprösslinge  erst  auf  einem 
weit  vorgerückten  Theilungsstadium  gezeichnet  sind,  so  halte  ich  diese 
Angabe  für  etwas  unsicher.  James  hat  den  ganzen  Verlauf  der  Theilung 
an  einem  Individuum  verfolgt;  derselbe  beanspruchte  einen  Zeitraum  von 
40  Minuten. 

Bezüglich  der  Läng-stheilung  bei  S alpin goeca  wissen  wir  aus  den 
Abbildungen  von  Stein  nicht  viel  mehr,  als  dass  dieselbe  vorkommt.  Er 
beobachtete  ein  sicheres  Endstadium  derselben  bei  S.  vaginicola.  Die  in 
der  flüUe  getheilten  Sprösslinge  hingen  nur  noch  an  den  Hinterenden 
ein  wenig  zusammen  (T.  49,  Ib).  Das  hier  weiche  Gehäuse  hatte  sich 
verbreitert  und  war  durch  eine  der  Theilungsebene  entsprechende 
Längsfurche  eingeschnürt,  so  dass  der  Verdacht  entsteht,  es  möge  sich 
auch  das  Gehäuse  hier  theilen. 

Einen  etwas  seltsamen  Zustand,  welchen  Stein  als  Längstheilung 
deutet,  bildet  er  bei  S.  oblonga  ab.  Derselbe  ist  auf  T.  49,  9  b  wieder- 
gegeben und  halte  ich  es  trotz  der  gegentheiligen  Ansicht  von  Kent, 
welcher  in  ihm  eher  einen  Copulations-  oder  Quertheilungszustand  er- 
kennen will,  für  wahrscheinlich,  dass  Stein's  Ansicht  die  richtige  ist.  Die 
Entstehung  dieses  Zustandes  müsste  dann  wohl  so  gedacht  werden,  dass 
das  sich  theilende  Thier  ziemlich  weit  aus  dem  Gehäuse  hervorgeragt  und 
sich  dann  wahrscheinlich  etwas  schief  längsgetheilt  hätte. 

Wie  schon  bemerkt,  lässt  sich  das  Vorkommen  der  Längsthejhing 
aus  der  Bildung  der  Kolonien  bei  Hirmidium  Perty  (=  Desmarella  Kent 
=  Codonodesmus  St.)  sicher  erschliessen.  Es  wird  deshalb  am  Platze 
sein,  auf  diese  bis  jetzt  noch  nicht  besprochenen  Kolonien  kurz  einzu- 
gehen. Dieselben  (T.  48,  17)  sind  freischwimmend  und  bestehen  aus 
4  — 11  zu  einem  schwach  gebogenen,  einreihigen  Band,  Seite  an  Seite 
zusammengefügten,  gehäuselosen  Individuen.  Es  kann,  wie  gesagt,  keinem 
Zweifel  unterliegen,  dass  die  Bildung  dieser  Kolonien  durch  fortgesetzte 
Längstheilung  geschieht,  wobei  die  Theilungsebenen  parallel  bleiben.  Die 
eintretende  Krümmung  rührt  von  der  die  Körperbreite  übertreffenden 
Weite  der  Kragenmüudung  her.  Wie  Stein  beobachtet  hat,  kann  eine 
individuenreiche  Kolonie  des  Hirmidium  durch  einfache  Lösung  des 
Zusammenhangs  an  einer  gewissen  Stelle  in  zwei  zerfallen. 

Copulation,  Encystirung  und  damit  zusammenhängende 
Fortpflanzungserscheinungen. 

Von  Copulations-  oder  Conjugationserscheinungen  ist  bis 
jetzt  mit  Sicherheit  fast  nichts  ermittelt.  Wir  haben  schon  früher  auf  die 
Möglichkeit  der  Copulation  bei  Phalansterium  hingewiesen  und  hier  nur 
noch  über  einen  von  Stein  beobachteten  möglichen  Copulationszustand 
der  Codosiga  Botrytis  zu  berichten.  Derselbe  (T.  48,  16  m)  betraf  ein 
Individuum,  aus  dessen  einer  Seite  sich  ein  zweites,  etwas  kleineres  wie 
eine   Knospe   erhob.     Auch   ich   möchte   die  Stein'sche   Deutung-,  dass  es 

(  N  57* 


900  Choanoflagellata. 

sich  hier  um  die  Copulation  eines  frei  gewordenen  Individuums  mit  einem 
sessilen  handele,  für  recht  wahrscheinlich  erachten. 

Das  Vorkommen  eines  mit  Encystirung  verbundenen  Ruhezustandes 
bei  Phalansterium  consociatum  wurde  schon  von  Cienkowsky  ent- 
deckt. Beim  Uebergang  in  diesen  Ruhezustand  nehmen  die  Individuen 
Kugelgestalt  an,  Geissei  und  Kragen  schwinden  und  das  Körper- 
volum scheint  sich  gleichzeitig  etwas  zu  vergrössern.  Es  wird  dann  eine, 
wie  es  scheint,  ziemlich  derbe  Cystenmembran  abgeschieden,  welche  an- 
fänglich äusserlich  ganz  glatt  ist,  später  aber  eine  kielartige  Erhebung 
längs  eines  grössten  Kreises  der  Kugel  erhält.  Zwei  gegenüberstehende 
Pole  dieses  Kiels  sind  noch  dadurch  ausgezeichnet,  dass  sich  in  ihnen 
je  ein  kleines  Häkchen  erhebt. 

Encystirungsprocesse  der  Craspedomouadinen  wurden  namentlich  von 
Kent  beschrieben.  Ausser  ihm  hat  nur  Stein  eine  wohl  unzweifelhafte 
Encystirung  bei  seiner  Salpingoeca  oblonga  beobachtet.  Der  Körper 
des  Thieres  war  innerhalb  des  Gehäuses  zu  einer  geissei-  und  kragen- 
losen Kugel  zusammengezogen  (T.  49,  9  a)  und  die  Gehäusemündung 
durch  ein  häutiges  Diaphragma  geschlossen,  ähnlich  demjenigen,  welches 
bei  der  Encystirung  mancher  beschälten  Rhizopoden  gebildet  wird. 

Kent,  der  die  Encystirung  bei  einer  ganzen  Anzahl  Salpingoecen 
beobachtet  haben  will,  erwähnt  nichts  von  einem  solchen  Diaphragma. 
Die  von  ihm  beschriebenen  Encystirungszustände  erscheinen  gleichfalls 
als  kuglige  bis  ovale  Plasmakörper  innerhalb  der  Gehäuse,  um  welche 
jedoch  auf  fast  keiner  der  Abbildungen  eine  besondere  CystenhüUe  an- 
gegeben wird  (T.  49,  8  a).  Nur  an  den  kugligen  Cysten  der  Salpingoeca 
Infusionum  ist  eine  ziemlich  dicke  Haut  deutlich  gezeichnet  (T.  49,  13  e); 
doch  scheint  aus  der  sehr  kurzen  Darstellung  hervorzugehen ,  dass 
diese  Cysten  nicht  in  den  Gehäusen,  sondern  frei  gefunden  wurden,  was 
ihre  Herkunft  vielleicht  etwas  zweifelhaft  macht.  In  mehreren  Fällen 
beobachtete  Kent  vor  der  Encystirung,  nachdem  Kragen  und  Geissei  ge- 
schwunden sind,  einen  amöboiden  Zustand ;  genauer  beschrieben  wird  derselbe 
bei  S.  fusiformis  und  Protospongia  (T.  49;  11,  a);  auch  für  Codosiga  wird 
derselbe  behauptet,  doch  sicherlich  irrthümlich,  da  die  kurzen,  stachel- 
artigen Pseudopodien,  welche  Kent  über  die  ganze  Oberfläche  dieser 
Formen  bei  kragentragenden  wie  kragenlosen  Individuen  sich  erheben  sah 
(T.  48,  16 n)*),  sicherlich  nichts  anderes,  wie  der  von  Bütschli  und 
Stein  geschilderte  Bacterienbesatz  war,  eine  Ansicht,  welche  Kent 
ursprünglich  selbst  vertrat. 

Die  Cysten  der  Codosiga  Botrytis  werden  als  birnförmig,  auf  den 
Stielen   befestigt  und  mit  feiner  Haut  versehen,   geschildert  (T.  48,  16 o), 

Kent  sucht  nun  nachzuweisen,  dass  der  Encystiriingsprocess  gewöhn- 
lich mit  einer  Vermehrung  verbunden  sei,  indem  der  Cysteninhalt  in  eine 

*)  Auf  flieser  von  Kent  (1S2)  genomineneu  Abbildung  sind  die  den  Besatz  bildenden 
Stäbchen  viel  zu  dick  und  plump  gezeiclin  .  Naturgetreuere  Darstellungen  findet  man  bei 
Bütschli  (171)  und  Stein  (167). 


,  Eiioyötinuig-  und  ^ii<^.  Simrulalinr;.     System.  iJOl, 

grössere  oder  geringere  Anzahl  nackter  Sporen  oder  Keime  zerfalle. 
Am  genauesten  wurde  dieser  Vorgang  bei  S.  fusiformis  dargestellt  (16B 
und  182).  Die  Abbildungen  zeigen  einen  successiven  Zerfall  des  ruhenden 
Organismus,  erst  in  4  und  schliesslich  in  einen  kugligen  Haufen  vieler 
kleiner  Sprösslinge  (T.  49,  7  a).  Bei  anderen  Salpingoecen  werden 
Stadien  eines  ähnlichen  Vermehrungsprocesses  abgebildet,  so  bei  den  an- 
geblichen Cysten  von  S.  Infusionum  (T.  49,  13  e),  wo  etwa  acht 
Sprösslinge  angegeben  sind.  In  Haufen  kleinerer  oder  grösserer  Sporen 
sollen  auch  die  ruhenden  Zustände  bei  Protospongia  zerfallen  (T.  49, 
11,  Cy),  ebenso  der  Cysteninhalt  bei  Codosiga  Botrytis  (T.  48,  16  o), 
während  bei  Codonocladium  cymosum  bis  jetzt  nur  eine  Zweitheiluiig 
des  Inhalts  beobachtet  wurde.  Die  Keime  oder  Sporen  sollen  schliesslich 
in  Gestalt  sehr  kleiner  eingeisseliger  Monaden  frei  werden  (T.  49,  7  b, 
13f),  um  sich  nach  einiger  Zeit  des  Umherschwärmens  festzuheften  und 
sich  unter  allmählicher  Entwicklung  der  fehlenden  Organe  zu  voll- 
ständigen Thieren  auszubilden. 

Bei  der  koloniebildenden  Protospongia  siedeln  sich  die  jungen  aus 
den  Sporen  hervorgegangenen  Individuen  entweder  zwischen  den  Er- 
wachsenen an  und  vergrössern  so  die  Individuenzahl  der  Kolonie  oder 
entfernen  sich  von  der  Mutterkolonie,  um  neue  zu  gründen.  Etwas  eigen- 
thümlich  wird  die  Weiterentwicklung  der  monadenförmigen  Larve  des  S. 
Infusionum  geschildert  und  mag  deshalb  hier  noch  speciell  erwähnt  werden. 
Dieselbe  bildet  einen  Stiel  und  den  fehlenden  Kragen  aus  (T.  49 ,  13  c); 
dann  erst  entsteht  das  Gehäuse,  während  welcher  Arbeit  jedoch  der  erst- 
gebildete Kragen  und  die  Geissei  wieder  eingezogen  werden  sollen  (T.  49, 
13  d).  Das  in  Entwicklung  begriffene  Gehäuse  wird  hier,  wie  bei  S.  in- 
quillata  als  eine  das  ganze  Thier  umgebende,  geschlossene  Hülle  dar- 
gestellt. 

3.  System  der  Choanoflagellata.  Versuche  einer  systematischen 
Gruppirung  der  Formen  unserer  Abtheilung  liegen  bis  jetzt  nur  von  Stein 
und  Kent  vor.  Der  erstere  führt  unsere  Craspedomonadina  als  besondere 
Familie  der  Flagellaten  auf,  vereinigte  dagegen,  wie  bemerkt,  die  Gattung 
Phalansterium  wegen  ihrer  Stockbilduug  mit  der  Flagellatenfamilie  der 
Spongomonadina.  Bei  Kent  bilden  die  Choanoflagellaten  eine  besondere 
Ordnung  der  Flagellata,  welche  jedoch  auch  noch  die  gesammte 
umfangreiche  Abtheilung  der  Spongien  umfasst.  Er  unterscheidet  daher 
in  dieser  Ordnung  zwei  Sectionen:  1)  die  Discostomata-Gymnozoida, 
d.  h.  unsere  Choanoflagellata  und  2)  die  Discostomata-Sarcocrypta 
oder  die  Spongida.  Ich  habe  nun  schon  früher  (171)  und  auch  in  der 
historischen  Einleitung  dieses  Abschnittes  ausgeführt,  dass  ich  die  gene- 
tischen Beziehungen  der  Spongien  zu  unseren  Choanoflagellaten  nicht 
verkenne.  Dies  Anerkenntniss  zwingt  nun  aber  nicht,  auch  die  gesammte 
Abtheilung  der  Spongien  in  den  Kreis  der  Mastigophoren  zu  ziehen,  so 
wenig  wie  wir  alle  einzelligen  und  mehrzelligen  Algen,  welche  aus 
flagellatenartigen   Formen  abzuleiten   sein  dürften ,  mit  den  letzteren  ver- 


902  Choanoflagellata. 

einigen  können  und  ebensowenig  als  mau  etwa  die  Gruppe  der 
Mollusken  mit  den  Würmern  vereinigt,  weil  man  die  Ueberzeugung 
besitzt,  dass  dieselbe  genetisch  mit  einfachen  Wurmformen  zusammen- 
hängt. Die  Spongiengruppe  bietet  so  viel  Eigenthümliches  und  ist 
in  sich  vorerst  so  wohl  geschlossen ,  dass  wir  sie  als  selbstständige 
Gruppe  aus  dem  Kreis  der  Protozoen  ausscheiden  müssen.  Wir  sind  ja 
in  gleicher  Weise  der  Ueberzeugung,  dass  auch  die  übrigen  Metazoen  aus 
Protozoen  und  wahrscheinlich  den  Flagellaten  hervorgegangen  sind. 

In  der  Bildung  systematischer  Untergruppen  weichen  wir  in  manchen 
Puncten  von  Kent  ab,  wie  dies  aus  der  speciellen  Darstellung  hervor- 
gehen wird. 

1.  Familie.     Phalansterina  Kent  (emend.  BUtschli). 

Individuen  oval  bis  länglich  oval.  Die  Basis  der  Geissei  von  einem 
kurzen  und  engen  kegelförmigen,  gestaltbeständigen  Kragen  umgeben. 
Vermehrung  durch  Qaertheilung  (Längstheilung  fraglich).  Koloniebildend, 
indem  jedes  Individuum  eine  stark  körnige  Schleimröhre  um  sich  aus- 
scheidet. Die  Schleimröhren  bilden  entweder  eine  auf  der  Unterlage 
flach  scheibenförmig  ausgebreitete  Kolonie,  in  welcher  die  Einzelröhren 
radial  um  das  Centrum  geordnet  sind,  oder  einen  sich  frei  erhebenden 
dichotoraisch  verzweigten  Stock,  dessen  Aeste  von  je  einer  Eöhre  gebildet 
werden.  Die  Individuen  sitzen  zu  ein  bis  zweien  in  jeder  Röhre  und 
meist  ziemlich  von  deren  Mündung  zurückgezogen.  Encystirung  beob- 
achtet. 

Phalansteriura  Cienkowsky  1870  (emend.  Stein  1878). 

Synon.:  ?  Calia,  Werneck  (38);  Monas  (consociata  Fresenius  102). 

T.  48,  Fig.  14—15. 

Charactere  der  Familie.  Länge  der  Individuen  bis  0,003  Mm.  Sttss- 
wasser.     2  Arten.     Deutschland  und  Russland. 

2.  Familie.     Craspedomonadina  Stein  1878. 

Iidividuen  kuglig  bis  langgestreckt,  mit  ansehnlichem,  gestaltver- 
änderlichem und  im  ausgebreiteten  Zustand  umgekehrt  kegelförmigem 
Kragen.  Solitär  oder  stockbildend.  Länge  der  Einzelthiere  ohne  Kragen 
0,005—0,035  Mm. 

1.  Unterfamilie.     Codonosiginae  Kent  (Familie,  Kent). 

Individuen  nackt,  oder  nur  mit  Andeutung  eines  unvollkommenen 
Gehäuses,  oder  in  gallertartige  Hülle  eingebettet. 

Monosiga  Kent  1880. 

Stets  solitär.  Individuen  mit  dem  Hinterende  direct  oder  mittels  eines 
mehr  oder  weniger  ausgebildeten  Stiels  festgeheftet. 


System.  903 

Süss-  und  Salzwasser.  Europa.  Kent  führt  9  Arten  auf,  doch  wird 
es  schwer  sein,  dieselben  von  jugendlichen  Formen  der  folgenden 
Gattungen  zu  unterscheiden. 

Co  dosig  a  James-Clark  1867;  ßütschli  171;  Kent  138  und  182  p.  p.; 
Robin  185. 

S  y  n  0 11. :  Epistylis  (Botrytis)  Ehrenberg  (32) ;  Anthophysa  (solitaria)  Fresenius  (102) ; 
Codonosiga  Stein  (167). 

T.  48,  Fig.  16. 

Unterscheidet  sich  von  Monosiga  dadurch,  dass  die  durch  Längs- 
theilung  sich  vermehrenden  Individuen  auf  dem  Ende  des  einfachen  Stieles 
in  einer  Kolonialdolde  vereinigt  bleiben.  ludividuenzahl  einer  Kolonie  bis 
20  und  mehr,  gewöhnlich  aber  weniger. 

Nach  Kent  Vermehrung  durch  Encystirung  und  Sporulation.  Süss- 
und  Salzwasser.     Eine  sichere  Art.     Europa  und  Nordamerika. 

?  Asterosiga  Kent  1880. 

Synon. :  üvella  disjuncta  From.  (146). 

Zweifelhafte  Gattung;  etwa  wie  eine  von  ihrem  Stiel  losgelöste.  freischwimmeiKl(3 
Kolonialdolde  von  Codosiga  oder  Codonocladium  erscheinend.  Nur  auf  die  unzuverlässigen 
Angaben  bei  Fromentel  gegründet. 

Codonocladium  Stein  1878;  Entz  (Termeszetrajzi  Füzetek, 
Vol.  7,  1883). 

Synon.:  Epistylis  Tätern  (126);  Codosiga  Kent  pr.  p.  (138  und  182). 

T.  49,  Fig.  5. 

Unterscheidet  sich  dadurch  von  Codosiga,  dass  die  Individuen  nach 
der  Vermehrung  durch  Theilung  secundäre  Stiele  ausscheiden ,  wodurch 
ein  verästeltes  Stielgerüst  erzeugt  wird,  auf  dessen  Astenden  Einzel- 
iadividuen  oder  Dolden  von  Individuen  sitzen.  Die  Verzweigung  des 
Stielgerüstes  geschieht  entweder  doldig  oder  unregelmässig  dichotomisch. 
Encystirung  nach  Kent.  Etwas  abweichend  verhält  sich  das  von  Entz 
beschriebene  C.  corymbosum,  weil  dessen  Individuen  an  ihrer  hinteren 
Hälfte  die  Anlage  eines  unvollständigen  Gehäuses  besitzen,  wie  früher 
geschildert  wurde. 

Süss-  und  Salzwasser.     Europa.     Zahl  der  sicheren  Arten  3—4. 

Hirmidium  Perty  1852.*) 

Synon.:  Desmarella  Kent  (165,  166  und  182);  Codonodesmus  Stein  (167). 

T.  48,  Fig.  17. 
Freischwimmende  Kolonien  aus   bis   11    ungestielten   Individuen  zu- 
sammengesetzt,   welche    Seite   an   Seite  zu  einem  schwach   bogenförmig 


*)  Die  Identilicirung  des  Perty 'sehen  Hirmidium  inane  mit  den  von  Stein  und  Kent  be- 
schriebenen Formen  scheint  mir  zwar  nicht  absolut  sicher,  jedoch  so  sehr  wahrscheinlich,  dass 
ich  den  Perty 'sehen  Namen  gewählt  habe.  Der  einzige  ernstliche  Zweifel  an  der  Identität 
der  Perty'schen  Form  gründet  sich  auf  die  grüne  Farbe,  welche  sie  besitzen  soll.  Doch  Lann 
bei  einem  so  kleinen  Objcct  das  Mikroskop  leicht  eine  solche  Farbe  vorgetäuscht  haben. 


904  Choanoflagrllata. 

gekrümmten  Band  vereinigt  sind.    Zerfall  grösserer  Kolonien  in  zwei  von 
geringerer  Individuenzabl  beobachtet. 

Süss-  und  Salzwasser.     1  Art.     Europa. 

Protospongia  Kent  1880.     Oxley  (Journ.  roy.  micr.  soc.  [2]  VI.)*) 

T.  49,  Fig.  11. 

Individuen  ungestielt,  bis  zu  60  und  mehr  in  ziemlich  gleichen  Ab- 
ständen in  eine  sehr  flach  ausgebreitete,  mehr  oder  wenig  unregelmässige 
Gallertscheibe  von  fast  hyaliner  Beschaffenheit  vereinigt.  Die  Thiere 
gehen  sehr  leicht,  unter  Einziehung  des  Kragens  und  der  Geissei  in 
einen  amöboiden  Zustand  über.     Encystirnng  und  Sporulation  nach  Kent. 

Süsswasser.     1  Art.     Europa. 

2.  Unterfamilie.     Salpingoecina  Kent  (Familie,  Kent). 

Die  Individuen  bilden  ein  im  Allgemeinen  dünnwandiges,  meist  häutiges 
Gehäuse  von  sehr  manigfaltiger  Gestalt,     Solitär  oder  stockbildend. 

Salpingoeca  James -Clark  1867;  Kent  (138,  163,  165,  166  und 
182);  Bütschli  170;  Stein  167;Vedjowsky(Org.  d.  Brunnengew.  von  Prag,  1882). 

T.  49,  Fig.  1-2,  4—10  und  13. 

Gehäuse  sehr  manigfaltig,  im  Allgemeinen  ei-  bis  pokalförmig,  auch 
balloüförmig  oder  cylindrisch.  Mit  dem  Hinterende  direct  oder  mittels 
eines  Stieles  aufgewachsen.  Stets  solitär.  Vermehrung  durch  Längs- 
theilung; wahrscheinlich  auch  Quertheilung  nach  Kent.  Encystirung  im 
Gehäuse;  nach  Kent  mit  Sporulation. 

Süss-  und  Salzwasser.  Artenzahl  ca.  27;  doch  scheinen  sich  scharfe 
Grenzen  zwischen  den  Arten  schwer  ziehen  zu  lassen.  Europa  und  Nord- 
amerika. 

?  Lageiioeca  Kent  1880. 

Zweifelhafte  Gattung,  ^yelche  sich  von  Salpingoeca  nur  durch  freies  ümherschwimmen 
unterscheiden  soll.  Da  al)er  Stein  beobachtet  hat,  dass  sich  auch  Salpingoecaformen  zuweilen 
loslösen ,  so  muss  die  auf  ein  einziges  beobachtetes  Individuum  gegründete  Gattung  zur  Zeit 
noch  unsicher  erscheinen.     Süsswasser.     Europa.     1   Art. 

Polyoeca  Kent  1880. 

T.  49,  Fig.  12. 

Unterscheidet  sich  von  Salpingoeca  nur  durch  Stockbildung  nach 
Art  des  Poteriodendron  oder  Dinobryon,  indem  die  jüngeren  Kolonial- 
individuen sich  mit  ihren  Stielen  auf  der  Mündung  der  Gehäuse  der 
älteren  befestigen. 

Marin.     Nordsee.     1  Art. 

4.  Einige  Bemerkungen  über  gewisse  Lebensverhält- 
nisse der  Choanoflagellaten.     Choanoflagellaten  werden,    wie  be- 


*)   Es  war  mir   nicht  mehr  möglich,   diese  jüngst  erschienene  Mittheilung  einzusehen^ 


Dieselbe  enthält  die  Beschreibung  einer  zweiten  Art. 


Sybtcm;  verschiedene  Lobensverbältiüsse.  905 

merkt,  nicht  selten  im  Siisswasser  und  Meer  gefunden,  auch  in  Aufgüssen 
wurden  einige  beobachtet.  Als  meist  sessile  AVesen  befestigen  sie  sich 
auf  den  verschiedensten  Gegenständen :  Algen ,  AVasserlinsen ,  Volvox, 
Räderthieren ,  namentlich  gern  auch  auf  den  Stielen  der  Vorticellen  und 
s.  f.  Manche  Formen  findet  mau  häufig  in  zahlreichen  Gesellschaften 
dicht  beisammen.  Wie  erwähnt,  wurde  auch  mehrfach  beobachtet,  dass 
einzelne  sessile  Individuen  sich  ablösen  und  frei  uniherschwimmeu, 
namentlich  für  die  häufige  Codosiga  wurde  dies  verzeichnet  und 
Stein  sah  auch  Salpingoeca  Convallaria  mit  sammt  dem  Gehäuse  sich 
ablösen  und  frei  umherschwimmen.  Hierbei  zeigt  sich  nun  die  inter- 
essante Erscheinung,  dass  die  Choanoflagellaten  ihr  Geisselende  beim 
Schwimmen  nach  hinten  richten,  umgekehrt  wie  die  allermeisten  Flagel- 
laten  und  man  erkennt  leicht,  dass  diese  Bewegungsweise  hier  auch  die 
vortheilhaftere  ist,  weil  der  nach  vorn  gerichtete  Kragen  ein  grosses 
Hinderniss  für  die  Vorwärtsbewegung  bilden  würde. 

Die  Choanoflagellaten  ernähren  sich  auf  entschieden  thierische  Weise 
und  wegen  ihrer  Kleinheit  kommen  natürlich  nur  recht  kleine  Nahruugs- 
körper  in  Betracht ,  vorzugsweise  Schizomyceten.  Das  Vorkommeo 
saprophj'tischer  Ernährung  neben  der  thierischen  dürfte  jedoch  auch 
bei  diesen  Wesen  nicht  ausgeschlossen  sein.  Gewisse  Schizomyceten 
siedeln  sich,  wie  erwähnt,  auch  auf  der  Oberfläche  einiger  Choano- 
flagellaten an,  man  trifft  zuweilen  Codosiga-  und  Codonocladiumindividuen, 
deren  Körper  und  Kragen  mit  kleinen,  senkrecht  auf  die  Oberfläche  ge- 
stellten Bacterieustäbchen  dicht  besetzt  ist. 


3.  Unterabtheiliing  (Ordnung)  Dinoflagellata. 

(Cilioflagellata  früher  p.  619,  Peridinea  Klebs  1883,  Arthrodele 

Flagellaten  Stein  1883). 


1.    Historische  rebersielit  der  Entwiclieluiig'  unserer  Kenntnisse  dieser 

Abtiieiluno'. 


•»• 


Im  Allgemeinen  sind  es  dieselben  Forseher,  welche  wir  schon  in 
der  Geschichte  der  Flagellaten  namhaft  machten,  denen  wir  auch  unsere 
Kenntnisse  der  Dinoflagellaten  verdanken;  es  stimmt  daher  auch  der 
Verlauf  des  allmählichen  Fortschrittes  unserer  Erkenntniss  der  vorliegen- 
den Abtheilung  im  Wesentlichen  mit  dem  schon  geschilderten  der 
Flagellaten  überein  und  die  wechselnden  Anschauungen,  welche  sich 
bezüglich  letzterer  Gruppe  im  Laufe  der  Zeit  geltend  machten,  mussten 
auch  auf  die  kleinere  und  nahe  verwandte  Abtheilung  der  Dinoflagel- 
lata ihren  Einfluss  ausüben.  Wir  können  uns  deshalb  in  der  Dar- 
stellung dieses  Abschnittes  kurz  fassen. 

Die  ersten  Mittheilungen  über  Dinoflagellaten  rühren  von  0.  F.  Müller 
her,  welcher  schon  im  Jahre  1773*)  zwei  Süsswasserformen  als 
Bursaria  Hirundinella  und  Vorticella  cincta  beschrieb.  1777**) 
konnte  er  in  dem  „Prodromus  der  Zoologia  danica''  eine  dritte  marine  Form 
als  Cercaria  Tripos  aufführen.  Diese  drei  Formen  wurden  dann  in 
dem  Hauptwerk  1786  (1)  nochmals  verzeichnet  und  abgebildet.  Schon  aus 
den  mitgetheilten  Namen  geht  hervor,  dass  Müller  so  ungenügende  Vor- 
stellungen von  den  entdeckten  Formen  hatte,  dass  ihm  nicht  einmal  ihre 
Zusammengehörigkeit  klar  wurde.  Bursaria  Hirundinella  und  Cercaria 
Tripos  sind  Angehörige  der  Gattung  Ceratium,  Vorticella  cincta  dagegen 
gehört  zu  Peridinium  und  ob  darunter,  wie  Bergh  meint,  zwei  verschiedene 
Formen  vermischt  sind,  scheint  mir  nicht  wohl  entscheidbar. 

Müller's  Verständniss  der  Organisation  war  bei  den  einzelnen  Formen 
ziemlich  verschieden.   Während  er  bei  Ger.  Hirundinella  die  Hülle  bestimmt 


*)  Historia  vermium  terrestr.  et  fluviatil.  Hauiiiae  1773.  V.  I.  p.  6  3  —  64  und  p.  9S— 99. 
**)  Zoologiae  Danicae  prodromus.     Hauniae  1777.  p.  266. 


Geschichte.  907 

erwähnt  und  auch  schon  den  Bauchausschnitt  derselben  ohne  Zweifel  sah, 
gedenkt  er  bei  den  beiden  anderen  der  Hülle  nicht.  Die  Quer- 
furche sah  er  sowohl  bei  C.  Hirundinella  wie  bei  Peridiniuni,  dagegen  bei 
Cer.  Tripos  nicht.  Von  der  Geisselbewaffnung  hat  er  kaum  etwas  ge- 
sehen. Bei  Cer.  Hirundinella  ist  gar  keine  Rede  von  Cilien  oder  Geissein, 
bei  Cer.  Tripos  dagegen  vermuthete  er  auf  der  Unterseite  verborgene 
Cilien  und  bei  Peridiniuni  gelang  es  ihm  jedenfalls,  etwas  von  der  Be- 
wegung in  der  Qnerfurche  zu  sehen,  ja  er  sprach  sogar  die  Vermuthung 
aus,  dass  letztere  vielleicht  von  verschmolznen  Cilien  gebildet  werde. 
Doch  ist  seine  Beschreibung,  speciell  bei  Peridinium,  recht  unklar,  so 
dass  es  nicht  gelingen  will,  seine  Auffassung  völlig  zu  verstehen.  Von 
Müller  rührt  auch  die  bis  in  die  neueste  Zeit  herrschend  gebliebene  irr- 
thümliche  Orientirung  unserer  Formen  her;  während  er  nämlich  bei  Cer. 
Hirundinella  das  bei  der  Bewegung  vorangehende  Ende  richtig  als  das 
vordere  bezeichnete,  giebt  er  Cer.  Tripos  eine  umgekehrte  Stellung, 
worin  ihm  dann  Ehrenberg,  Claparede  und  Lachmann,  sowie  Andere 
folgten. 

Im  Jahre  1793  beschrieb  auch  Schrank  (2)  eine  Dinoflagellate 
unter  dem  Namen  Ceratium  tetraceras  und  errichtete  damit  gleichzeitig 
die  erste  noch  heute  gültige  Gattung  unserer  Abtheilung.  1802  (3)  schilderte 
er  noch  eine  zweite  Art  dieser  Gattung  als  Cer.  macroceras,  welche 
wohl  mit  Müller's  Cer.  Hirundinella  identisch  ist.  Zur  Kenntniss  der 
Organisationsverhältnisse,  namentlich  der  Bewegungsorgane  trug  Schrank 
nichts  bei. 

Während  Nitzsch  1817*)  die  Zugehörigkeit  von  Müller's  Cercaria 
Tripos  zu  der  Schrank'chen  Gattung  Ceratium  richtig  erkannte,  glaubte 
Bory  de  Vincent  1824**)  diese  Form  wie  die  Müller'sche  Bursaria 
Hirundinella  zu  Typen  zweier  neuer  Gattungen  erheben  zu  sollen,  ohne 
dadurch  zu  ihrem  besseren  Verständniss  etwas  beizutragen. 

Erst  im  Jahre  1830  wurde  unser  Wissen  von  den  Diooflagellaten 
in  dankenswerther  Weise  durch  die  Forschungen ,  welche  der  Arzt 
Michaelis  (4)  über  das  Meeresleuchten  in  der  Kieler  Bucht  an- 
stellte, bereichert.  Da  diese  Beobachtungen  nicht  von  einem  Zoologen 
ausgingen  und  auch  ihren  Schwerpunct  in  der  Ermittelung  der  Ursachen 
und  Bedingungen  des  Meerleuchtens  fanden,  so  ist'  es  erklärlich,  dass 
sich  ihr  Verfasser  nicht  eingehender  mit  der  Erörterung  und  Feststellung 
der  zoologischen  Natur  der  beobachteten  Wesen  beschäftigte.  Dennoch 
sind  seine  Abbildungen  so  getreu,  dass  sich  einige  derselben  mit  Sicher- 
heit deuten  lassen.  Indem  Michaelis  sich  überzeugte,  dass  das  Leuchten 
der  Ostsee  von  thierischen  Wesen  bewirkt  wird,  stellte  er  gleichzeitig  fest,  dass 
die  gewöhnlichsten  Leuchtwesen  dieses  Meeres  Dinoflagellaten  sind.  Als 
sicher  leuchtend  beobachtete  er  eine  bis  dahin  noch  nicht  bekannte  Form, 

*)  Beitr.    z.    Iiifusorienkunde   oder    Naturbesclir.    der    Zerkarien   und  Bacillarieu.     Neue 
Schriften  der  naturf.  Gesellsch.  zu  Halle.     Bd.' III.  1817.  p.  4. 
**)  Encyclopcdie  method.  Zoophytes  1824.  p.  454  und  75o. 


908  ■  DinoHa^cllata. 

welche  er  als  Volvox  bezeichnete  und  die  nach  der  Abbildung  Peridinium 
divergens  ist;  weiterhin  führte  er,  wegen  ihrer  grossen  Häufigkeit  im 
leuchtenden  Seewasser,  als  leuchtende  Formen  noch  auf:  das  Ceratium 
Tripos  Müller's  and  zwei  weitere  zuerst  von  ihm  entdeckte  Arten,  sog. 
Cercarien,  von  welchen  die  eine  Ceratium  Fusus,  die  andere  Proro- 
centrum  micans  war.  Ausserdem  lässt  sich  auf  seinen  Abbildungen 
noch  deutlich  eine  Dinophysis  erkennen,  welche  er  nicht  weiter  be- 
zeichnete. AVie  gesagt,  sind  seine  Figuren  recht  gut,  ja  es  ist  auf  den- 
selben einiges  angedeutet,  was  erst  später  genauer  erkannt  wurde;  so 
finden  wir  bei  nicht  wenigen  der  abgebildeten  Cer.  Tripos  die  hintere 
Geissei  angegeben,  wenn  auch  in  der  Gestalt  mehrerer  Fäden,  ein  Irr- 
thum,  in  welchen  bekanntlich  auch  Ehrenberg  bei  der  Untersuchung  der 
Flagellaten  zuerst  verfiel.  Noch  interessanter  erscheint,  dass  er  sowohl 
bei  Cer.  Tripos  wie  Fusus  schon  das  Zusammenhängen  zweier  Individuen 
abbildete,  was  erst  in  neuester  Zeit  von  Murray  und  Pouchet  genauer 
erkannt  wurde.  Die  eingehenden  Untersuchungen  Michaelis'  über  die 
Einflüsse  verschiedener  Agentien  chemischer  und  anderer  Natur  auf  das 
Meerleuchten  interessiren  uns  hier  nicht  weiter  und  werden  auch  später 
noch  kurz  zu  erwähnen  sein. 

Schon  vor  der  Publication  der  eben  geschilderten  Untersuchungen  von 
Michaelis  hatte  auch  Ehrenberg  seine  Aufmerksamkeit  den  Dinoflagel- 
laten  zugewendet  und  seinen  Bestrebungen  verdanken  wir  eine  in  vieler 
Hinsicht  verbesserte  und  erweiterte  Kenntniss  derselben.  1830*)  waren  ihm 
erst  zwei  Formen  bekannt  geworden,  welche  er  mit  der  Gattung  Cyclidium 
in  einer  besonderen  Familie  der  Epitricha  unter  seinen  Anentera  ver- 
einigte, indem  er  für  sie  eine  neue  Gattung  Peridinium  errichtete.  Da- 
mals hielt  er  sie  für  nackt  und  von  der  Geisselbewaftnung  war  ihm  noch 
nicht  viel  bekannt,  da  seine  Diagnose  auf  ein  allgemeines  in  queren 
Reihen  geordnetes  Wimperkleid  hindeutet.  1831**),  wo  er  noch  zwei 
weitere  Arten  aufgefunden  hatte,  stellte  er  die  Peridinien  unter  die  ge- 
panzerten Formen  und  verblieb  auch  in  der  späteren  Zeit  der  Ansicht,  dass 
alle  ihm  bekannten  Dinoflagellaten  mit  einer  PanzerhUlle  versehen  seien. 
Jetzt  wird  auch  ein  doppelter  Wimperkranz  in  der  Querfurche  beschrieben. 

Das  Studium  der  marinen  Formen,  aufweiche  die  Forschungen  Michaelis" 
Ehrenberg  hinleiteten,  förderte  ihn  in  der  Erkenntniss  der  Dinoflagellaten 
beträchtlich.  1833  und  1834***)  konnte  er  daher  nicht  nur  die  von  Michaelis 
abgebildeten  Formen  als  Angehörige  seiner  Gattung  Peridinium  deuten, 
sondern  auch  mehrere  neue  Arten  aus  der  Ostsee  beschreiben.  Namentlich 
gelang  es  ihm  nun,  bei  einem  Theil  der  marinen  wie  der  Süsswasserformen 
einen  Rüssel,  die  hintere  Geissei,  zu  finden,  und  daher  vermuthet  er  denn  auch 
an  der  Basis  derselben  einen  Mund.  Den  Ursprung  dieser  Geissei  vermochte 

*)  Abhandl.  der  Berliner  Akad.  a.  d.  J.  1830.  p.  38. 
'**)  ibidem,  a.  d.  J.  1831.  p.  74—75. 

***)   Abhandl.    der    Berliner   Akad.    a.  d.  J.  1833.  p.  270  —  272   und  p.  307;    die  Abbil- 
dungen hierzu  ibidem  a.  d.  J.   1834  auf  T.  II. 


Geschichte.  909 

er  nicht  richtig  festzustellen;  er  lässt  sie  irriger  Weise  stets  am  Hinter- 
ende der  Längsfurche  entspringen.  Uebrigens  war  er  hinsichtlich  der 
Orientirung  der  Formen  etwas  unsicher,  da  er,  wie  erwähnt,  das  Cer. 
Tripos  und  Furca  verkehrt,  dagegen  andere,  wie  Peridinium  Michaelis 
und  Glenodinium  fuscum  richtig  orientirte.  Bei  letzterer  Form,  welche 
in  der  gleichen  Abhandlung  auch  beschrieben  wurde,  beobachtete 
er  die  Längsfurche  recht  wohl,  dagegen  nicht  die  hintere  Geissei,  sondern 
stattete  auch  die  Längsfurche  mit  zwei  Cilienreihen  aus.  Das  Proro- 
centrum  micans,  welches  Michaelis  als  eine  Cercarie  abgebildet  hatte, 
wurde  gleichzeitig  von  Ehreuberg  genauer  studirt,  jedoch,  dem  damaligen 
Standpunct  der  Kenntnisse  ganz  entsprechend,  nicht  der  Familie  der 
Peridineen,  sondern  der  der  Cryptomonaden,  zugesellt,  da  er  die  Querfurche 
und  den  Wimperkranz  bei  demselben  vermisste,  dagegen  schon  eine 
Geissei  beobachtete.  Dieses  Verfahren  kann  man  bei  dem  damaligen 
Stand  der  Forschung,  wie  gesagt,  nur  billigen.  Dass  Ehrenberg  die 
wohl  beobachteten  Chromatophoren  der  marinen  Formen  als  Ovarien 
deutete  und  den  Kern,  welchen  er  nur  bei  Cer.  Tripos  bemerkte,  als 
Samendrüse  auffasste,  ist  nach  seinen  schon  bei  den  Flagellaten  ge- 
schilderten Vorstellungen  selbstverständlich.  Auch  die  Deutung  von 
Vacuolen  als  Mägen  schliesst  sich  dem  an. 

Eine  Bereicherung  aus  dem  Jahre  1835*)  bildet  die  Entdeckung 
eines  Augenflecks  bei  Glenodinium  cinctum,  welche  zur  Errichtung  dieser 
Gattung  führte,  wenn  sich  dieselbe  auch  später,  wenigstens  in  diesem 
Sinne,  nicht  erhalten  Hess.  Schon  im  folgenden  Jahr**)  gelang  es, 
die  Dinoflagellateu  auch  jim  fossilen  Zustand  in  den  Feuersteinen  der 
Kreide  aufzufinden  und  gleichzeitig  gewisse  von  Ehrenberg  zu  den 
Desmidiaceen  gestellte  Formen,  sog.  Xanthidien,  lebend  und  an  dem 
gleichen  Ort  auch  fossil  zu  beobachten.  Formen,  welche  Stein  in  neues 
ter  Zeit  gleichfalls  den  Dinoflagellateu  zuzählen  möchte.  Diese  Forschungen 
über  fossile  Dinoflagellateu  wurden  später  in  der  1854  erchienenen  Mikro- 
geologie  noch  vervollständigt,  wo  übrigens  auch  einige  lebende  Formen 
abgebildet  sind. 

In  dem  1838  (5)  erschienenen  Hauptwerk  fasste  Ehrenberg  seine 
Erfahrungen  zusammen  und  berichtete  ferner,  dass  ihm  bei  gewissen 
Formen  die  Fütterung  mit  Indigo  gelungen  sei,  was  denn  auch  für  sein 
Peridinium  pulvisculus  nicht  unwahrscheinlich  ist.  Hier  erfahren  wir 
auch  zuerst  einiges  über  die  Fortpflanzung,  indem  bewegliche  angebliche 
Längstheilungszustände  bei  drei  Arten  geschildert  werden.  Welche  Be- 
deutung denselben  zukommt,  ist  leider  zur  Stunde  noch  nicht  ganz  auf- 
geklärt, und  soll  später  eingehend  erörtert  werden. 

In  der  Beurtheilung  der  allgemeinen  Stellung  und  Verwandtschaft 
der  Dinoflagellateu  war  Ehrenberg  ebensowenig  glücklich  wie  hinsichtlich 


*)  Ibid.  a.  J.  J.  1835.  p.  174. 
**)  Ibid.  a.  d.  J.   1S36.  p,   lOi). 


910  DiiioHagcllata. 

der  Flagelliiteu.  1838  fasste  er  die  bekanuten  Formen,  mit  Ausnahme 
des  Proroeentruni,  das  bekanntlich  zu  den  Cryptomonaden  gezogen  wurde, 
in  eine  Familie  der  Peridinaea  zusammen,  reihte  in  dieselbe  aber  auch 
eine  Anzahl  Trachelomonasarten  ein,  indem  er  ohne  Zweifel  die  Borsten- 
bedeckung, welche  die  Hülle  bei  dieser  Gattung  zuweilen  zeigt,  mit  den 
Cilien  der  Dinoflagellaten  in  eine  Reihe  stellte.  Die  Familie  der  Peridinaea 
bildete  die  letzte  unter  den  Auentera  und  auf  sie  folgte  gleich  als  erste 
der  Enterodela  die  der  Vorticellina,  so  dass  auch  Ehrenberg  wohl  schon 
der  Ansicht  war,  es  leiteten  die  Dinoflagellata  zu  den  peritrichen 
Ciliaten  über. 

Wir  dürfen  hier  gleich  der  späteren  Arbeiten  Ebrenberg's  gedenken, 
weil  er  sich  bekanntlich  zu  einer  Aeoderung  seines  Standpunctes  von 
1838  nicht  entschliessen  konnte.  Im  Jahre  1839  (6)  entdeckte  er  die 
wichtige  Gattung  Dinophysis.  Seine  verschiedenen  späteren  Mittheilungen 
von  1840 — 1873  beschränken  sich  lediglich  auf  die  Aufstellung  der 
Diagnosen  neuer  oder  für  neu  gehaltener  Arten.  Nur  die  Publication  von 
1859  enthält  auch  eigene  Beobachtungen  über  das  Leuchtvermögen  ge- 
wisser Formen  des  Mittelmeeres. 

In  den  von  Ehrenberg  referirten  Mitlheilungen  Werncck's  (1841 ,  8) 
finden  sich  einige  Bemerkungen  über  Angehörige  unserer  Gruppe. 
Zwar  will  uns  die  Beobachtung  eines  Afters  bei  Proroeentruni  und  des 
Lebendiggebärens  bei  Peridinium  und  Glenodinium  heutzutage  nicht  recht 
plausibel  erscheinen,  dagegen  beansprucht  das  hier  zuerst  mitgetheilte 
Vorkommen  mariner  Formen  im  süssen  Wasser  grösseres  Interesse,  da 
sich  dieser  Angabe  später  bestätigende  von  Cohn  (1850),  Pringsheim 
(bei  Clapar^de  und  Lachmann)  und  Maggi  (1880)  anschlössen.  Wir 
werden  dieselben  übrigens  später  kritisch  zu  untersuchen  haben. 

Wenngleich  sich  in  dem  Werk  Duj  ardin' s  (9)  keine  eigenen  Be- 
obachtungen über  Dinoflagellaten  finden,  so  musste  der  französische 
Forscher  doch  bei  der  richtigeren  Vorstellung,  welche  er  von  seiner  Gruppe 
der  Flagelliferen  hatte,  auch  zu  einer  natürlicheren  Beurtheilung  der 
Stellung  der  Peridineen  kommen.  Zunächst  schied  er  mit  richtiger  Er- 
kenntniss  die  Trachelomonaden  aus  der  Familie  aus  und  stellte  dieselbe 
als  die  letzte  in  die  Abtheilung  seiner  flagelliferen  Infusorien,  welche, 
wie  früher  bemerkt,  unseren  Mastigophoren  entspricht. 

Zur  Vermehrung  unserer  Erfahrungen  über  die  geographische  Ver- 
breitung trug  Bailey  1850  (18)  durch  seine  Untersuchungen  in  Nord- 
amerika bei  und  besprach  1855  (17)  auch  zwei  marine  Formen.  Nur 
in  geographisch  faunistischer  Beziehung  haben  auch  die  Beobachtungen 
Schmarda's  über  egyptische  Formen  Interesse,  welche  deshalb  auch 
gleich  an  dieser  Stelle  erwähnt  werden  mögen  (1854,  16). 

Ausgedehntere  Untersuchungen  über  die  Süsswasserformen  konnte 
Perty  im  Jahre  1852  (12)  mittheilen,  doch  haben  dieselben  weder  in 
systematischer  noch  anatomischer  Hinsicht  den  Stand  unserer  Kenntnisse 
wesentlich    gefördert.      Die    allgemeinen    Vorstellungen  Perty's  über   die 


Geschichte.  911 

Organisation  der  Diuofiagellateu  waren  dieselben,  welche  auch  schon 
bezüglich  der  Flagellaten  hervorgehoben  wurden  (vergl.  p.  637).  Er- 
wähnenswerth  scheint,  dass  er  zuerst  auf  das  Vorkommen  nackter  Formen 
aufmerksam  machte  und  die  richtige  Orientirung  gegenüber  Ehrenberg 
betoute.  Sog.  Längstheilungszustände  werden  von  ihm  bei  zwei  Arten 
beschrieben  und  bei  Peridinium  tabulatum  scheint  er  auch  die  Encystirung 
schon  beobachtet  zu  haben.  Recht  verwirrt  sind  seine  systematischen 
Bestrebungen   und   die   neu   aufgestellten  Arten  wohl  durchaus  unhaltbar. 

Einer  kurzen  Notiz  von  AUmau  aus  dem  Jahre  1855  (19)  verdanken 
wir  einige  nennenswerthe  Fortschritte,  jedoch  verbunden  mit  einer  ganz 
unverständlichen  Angabe.  Bei  einer  zu  Glenodinium  oder  Peridinium 
gehörigen  (als  Per.  uberrimum  bezeichneten)  Süsswasserform  konnte  der 
englische  Forscher  einmal  zuerst  die  richtige  Insertion  der  Längsfurchen- 
geissel  am  Vordereude  der  Längsfurche  feststellen  und  weiterhin  den 
Nachweis  des  Kernes  mit  aller  Schärfe  führen,  wobei  er  auch  zuerst  etwas 
von  der  bemerkenswerthen  Kernstructur  der  Dinoflagellaten  sah.  Ferner 
gelang  es  ihm,  das  häufige  Vorkommen  von  Ruhezuständen  zu  erweisen. 
Unsicherer  dagegen  erscheint  seine  Angabe  über  die  Fortpflanzung  durch 
Quertheilung  und  ganz  unglaublich  die  Behauptung,  dass  der  ganze  Körper 
mit  Ausnahme  der  Furchen  von  einem  dichten  Wimperkleide  überzogen 
sei.     Es  soll  erst  später  versucht  werden,  diese  Angabe  zu  kritisireu. 

In  mancher  Hinsicht  au  die  eben  erwähnten  erinnernde  Beobach- 
tungen theilte  Carter  lb58  (18)  über  ein  marines  Peridinium  der  Küsten 
von  Bombay  mit.  Als  wichtigstes  Ergebniss  seiner  Untersuchungen  rauss 
hier  hervorgehoben  werden,  dass  auch  er  den  Uebergang  in  den  ruhen- 
den Zustand  als  regelmässige  Erscheinung  in  dem  Entwickelungsgang 
seines  Per.  sanguineum  beobachtete  und  dabei  die  ursprünglich  grüne 
Farbe  desselben  durch  reichliche  Bildung  eines  rothen  Oeles  in  tiefes 
Roth  übergehen  sah,  so  dass  dadurch  eine  Rothfärbung  des  Seewassers 
verursacht  wurde.  Wichtiger  erscheint,  dass  er  zuerst  Theilung  im 
ruhenden  Zustand  feststellte.  Er  wies  auch  schon  richtig  auf  die  Be- 
ziehungen ,  welche  sich  in  diesem  Entwickelungsgang  mit  dem  gewisser 
Flagellaten  und  einzelliger  Algen  verrathen,  hin,  wenn  wir  ihm  auch 
darin  nicht  völlig  beistimmen  können,  dass  er  die  rein  pflanzliche  Natur 
der  Peridinien  damit  für  erwiesen  erachtete.  Besonders  wichtig  erscheint 
vf'eiter,  dass  er  zuerst  die  Cellulosereaction  der  Hülle  der  ruhenden  Formen 
feststellte.  Leider  fehlen  der  Abhandlung  Abbildungen,  weshalb  eine 
sichere  Vergleichung  der  beobachteten  Form  mit  anderen  nicht  wohl 
möglich  ist.  Eine  spätere  Notiz  von  Carter  (1871,  22)  hat  nur  tür  die 
geographische  Verbreitung  Interesse. 

Viel  hervorragender  als  alle  seither  besprochnen,  auf  Ehrenberg 
folgenden  Abhandlungen  erscheint  die  Bearbeitung  der  Dinoflagellaten, 
welche  Claparede  und  Lachmann  in  ihrem  bekannten  Infusorienwerk 
1858  bis  1861  (21)  veröffentlichten.  In  der  Erkenntniss  der  Organisation 
zwar   kamen   sie  nicht  wesentlich  über  Ehrenberg  hinaus,  wenn  sie  auch 


912  DinotJagellata. 

manches  genauer  darstellten.  Den  Ursprung  der  hinteren  Geissei  er- 
kannten sie  z.  Tb.  richtig  und  fanden  auch  bei  Ceratium  cornutum 
zuweilen  zwei  Geissein  ,  was  im  Hinblick  auf  die  neueren  Erfahrungen 
interessant  ist.  Die  nahe  Verwandtschaft  des  Prorocentrum  mit  den 
übrigen  Dinoflagellaten  wurde  ihnen  klar  und  sie  vereinigten  diese 
Gattung  deshalb  mit  unserer  Gruppe,  welche  sie  durch  die  Entdeckung 
der  wichtigen  Gattung  Amphidinium,  sowie  einer  Anzahl  neuer  mariner 
Arten  bereicherten.  Mit  Recht  erhoben  sie  die  Gruppe  auf  Grund  der 
damaligen  Erfahrungen  zu  einer  selbstständigen  der  Ci  Hof  lageil  ate  n  , 
welche  eine  zwischen  den  Flagellaten  und  Ciliaten  vermittelnde  Stellung 
einnehmen  sollte.  Wichtiger  als  die  eben  aufgeführten  Ergebnisse  sind 
die,  welche  die  beiden  Forscher  auf  dem  Gebiet  der  Fortpflanzung  und 
Entwicklung  erzielten,  worüber  sie  der  Pariser  Akademie  schon  im 
Jahre  1857  einen  Bericht  vorlegen  konnten.  Sie  glaubten  die  Beobach- 
tungen Ehrenberg's  und  Perty's  über  Längstheilung  bestätigen  zu  können 
und  vermehrten  namentlich  unser  Wissen  von  den  Ruhezuständen.  Ihnen 
verdankt  man  die  erste  Bekanntschaft  mit  den  sog.  gehörnten  Cysten 
der  Peridinien,  welche  leider  heute  noch  nicht  sicher  aufgeklärt  sind. 
Das  Vorkommen  nackter,  beweglicher  wie  ruhender  Formen  wurde  von 
ihnen  bestätigt,  doch  hielten  sie  dieselben  sämmtlich  für  vorübergehende 
Zustände  umhüllter  Arten.  Im  Allgemeinen  macht  sich  bei  ihren  Studien 
über  die  Entwickelung  störend  geltend,  dass  dieselben  nicht  auf  zusammen- 
hängenden Beobachtungen  basiren,  sondern  gelegentlich  Gefundenes  zu- 
sammenstellen. 

Auf  Claparede  und  Lachmann's  Werk  folgte  ein  Zeitraum  von  fast 
20  Jahren,  welcher  für  die  Weiterentwickelung  der  Dinoflagellaten- 
kenntnisse  fast  unfruchtbar  war.  Nur  kurz  soll  hier  angedeutet  werden, 
dass  James-Clark  im  Jahre  1865*)  den  Versuch  machte,  eine  Ciliateu- 
form,  das  Urocentrum  Turbo  Ehrb.,  von  welchem  er  eine  recht  gute 
Schilderung  entwarf,  den  Cilioflagellaten  zuzugesellen  und  hierdurch  die 
thierische  Natur  der  letzteren  zu  erweisen.  Der  Missgrifif"  war  hervor- 
gerufen worden  dureli  die  unserer  Ansicht  nach  irrthümliche  Beschreibung, 
welche  Allman  von  dem  sog.  Peridinium  uberrimum  gegeben  hatte.  Das 
allgemeine  Cilienkleid,  welches  letzterer  Forscher,  sonder  Zweifel  fälsch- 
lich, bei  seinem  Peridinium  uberrimum  beschrieben  hatte,  konnte  allein 
James  veranlassen,  an  einem  solchen  Vergleich  zu  denken  und  R.  S. 
Bergh,  welcher  in  seiner  Arbeit  (30)  James-Clark  wegen  dieses  Irrthums 
verspottet,  referirt  nichts  destoweniger  wenige  Zeilen  vorher  die  An- 
gabe Allman's,  dessen  Arbeit  er  eine  besondere  Wichtigkeit  zuschreibt, 
ohne  jede  weitere  Bemerkung.  Wäre  aber  die  Allman'sche  Behauptung 
richtig,  so  könnte  man  James-Clark  bei  seinem  Vergleich  nicht  besonders 
tadeln  und   derselbe  hat   sogar   eine  gewisse  Rechtfertigung  dadurch  er- 


*)  Proofs  of  the  animal  iiatnre   of  the  cilioflag:ellate  infusoria  etc.     Ann.  mag.  nat.  liist. 

(iir.)  xvi.  p.  270—279.  PI,  xir, 


Gescliiclitc,  913 

fahren,  dass  noch  in  neuester  Zeit  ein  geübter  Inl'usorienforscher,  Entz, 
(40),  gerade  das  Urocentrum  Turbo  als  nächsten  Verwandten  der 
Dinoflagellaten  betrachtet,  in  directem  Gegensatz  zu  den  Anschauungen 
Bergh's.  Wir  verweilen  daher  auch  nicht  länger  bei  der  Polemik, 
welche  sich  zwischen  Carter  und  James*)  über  des  letzteren  Auffassung 
des  Urocentrum  erhob. 

Die  aus  dem  Jahre  1866  datirende  Zusammenstellung  der  Dino- 
flagellaten, welche  Diesing  in  seiner  Revision  der  Prothelminthen  (23) 
gab,  trug  nicht  zu  einem  besseren  Verständniss  der  Gruppe  bei,  verwirrte 
vielmehr  die  Systematik  durch  Aufstellung  einer  Anzahl  ganz  unbe- 
gründeter Gattungen  und  durch  Zurechnung  mehrerer  nicht  hierher- 
gehöriger Formen. 

Auch  die  Beobachtungen  über  gewisse  Dinoflagellaten  der  Ostsee,  welche 
Willemoes-Suhm  1871  (25)  mittheilte,  sind  bis  jetzt  ziemlich  unver- 
ständlich geblieben,  so  dass  wir  an  dieser  Stelle  nicht  näher  auf  die- 
selben eingehen  wollen. 

Im  Jahre  1873  wurde  zuerst  die  interessante  Gattung  Polykrikos 
von  Bütschli  (26)  genauer  beschrieben  und  als  Protozoe  erkannt,  da- 
gegen erst  1882  von  Bergh  den  Dinoflagellaten  zugewiesen,  unter  welchen 
sie  eine  der  auffallendsten  Formen  darstellt. 

Das  umfangreiche  Protozoenwerk  von  Fromentel  (1874)  hat  unserer 
Abtheilung  keinerlei  Bereicherung  gebracht,  dagegen  konnte  War  min  g 
(1875,  27)  auf  Grund  gelegentlicher  Untersuchungen  über  das  Vorkommen 
von  Cellulose  und  Stärkemehl  bei  den  Dinoflagellaten  berichten,  was  ihn 
veranlasste,  dieselben  den  einzelligen  Algen  zu  überweisen. 

Eine  neue  Epoche  eröffneten  erst  die  hervorragenden  Untersuchungen 
St  ein 's,  welcher  schon  1878  (28)  in  der  historischen  Einleitung  seines 
Flagellatenwerkes  eine  kurze  Darstellung  seiner  Forschungsergebnisse 
mittheilte,  welche  er  von  da  an  noch  mehrere  Jahre  fortsetzte.  Die 
Frucht  dieser  Bemühungen  bildete  ein  1883  (39)  veröffentlichter  Atlas 
zu  seinen  Dinoflagellatenstudien,  welchen  leider  nur  ein  ganz  kurzer  Text 
begleitet.  Schon  1878  konnte  Stein  zwei  neue  Gattungen  Gymnodini um 
und  Hemidinium  unterscheiden  und  denselben  1883  einen  ungeahnten 
Reichthum  neuer  mariner  Formen,  von  z.  Tb.  recht  merkwürdiger  Gestal- 
tung zufügen.  Auch  die  Fortpflanzungsgeschichte  verdankt  ihm  wesent- 
liche Bereicherung,  namentlich  suchte  er  das  Vorkommen  der  Copulation 
und  die  Entwicklung  innerer  Keime  wie  bei  den  Flagellaten  nachzuweisen. 

Da  es  an  dieser  Stelle  nicht  unsere  Aufgabe  sein  kann,  diese  der 
Neuzeit  angehörigen  Forschungen  genauer  zu  besprechen,  so  beschränken 
wir  uns  darauf,  die  allgemeine  Auffassung,  zu  welcher  Stein  bezüglich 
der  Dinoflagellaten  gelangte,  kurz  anzudeuten.  Er  rechnet  sie  zu  seiner 
Gruppe  der  Flagellata  und  stellt  sie  den  übrigen  Formen  derselben, 
wegen    der    Zusammengesetztheit    der    Hülle  ,    als    a  r  t  h  r  o  d  e  1  e    F 1  a  - 


*)  Ann.  mag.  nat.  hist.  (III.)  XVI.  p.  399-402  und  XVIII.  p.  2—6. 
Broun,  Klassen  des  Thier-Reichs     Piotozoa.  58 


914  Dinoflagellata. 

gell  ata  gegenüber.  Wie  die  übrigen  Flagellata  gelten  ihm  daher 
auch  die  Dinoflagellata  als  echt  thierische  Wesen,  welchen  er  ganz 
allgemein  eine  Mundöffnung  zur  Aufnahme  fester  oder  flüssiger  Nah- 
rung und  eine  oder  mehrere  contractile  Vacuolen  zuschreibt.  In  der 
Erkenntniss  des  Bewegungsapparates  kam  er  nicht  wesentlich  über  Cla- 
parede  und  Lachmann  hinaus.  Auch  für  ihn  ist  die  Querfurche  der  Sitz 
eines  Wimperkranzes:  dennoch  zweifelt  er  in  seiner  zweiten  Abhandlung 
nicht  an  der  Hiehergehörigkeit  des  Prorocentrums  und  seiner  Verwandten, 
deren  Dinoflagellatennatur  er  noch  1878  in  Frage  zog.  Die  Familie  der 
Proroceutrinen  war  schon  1881,  wie  hier  einschaltend  berichtet  werden 
mag,  durch  Cienkowsky  (33)  um  eine  neue  Form  bereichert  worden, 
welche  jedoch  höchst  wahrscheinlich  mit  einer  1858  von  Ehrenberg  ent- 
deckten identisch  ist.  Cienkowsky  beobachtete  bei  derselben  zuerst  richtig 
die  beiden  Geissein,  wurde  jedoch  auf  die  Verwandtschaft  mit  Prorocentrum 
nicht  aufmerksam. 

Etwas  tiefer  in  die  wahre  Organisation  unserer  Gruppe  war  eine 
Arbeit  von  R.  S.  Bergh  eingedrungen  (30),  welche  1881,  in  der  Zeit 
zwischen  den  beiden  Mittheilungen  Stein's  erschien.  Zunächst  constatirte 
derselbe,  dass  sich  die  Dinoflagellaten  wie  die  Flagellaten  in  ihren 
Ernährungsverhältnisseu  bald  thierisch,  bald  pflanzlich  verhalten;  dann 
gelangte  er  in  der  Erforschung  der  Bewegungsorgane  etwas  weiter, 
indem  er  statt  des  Cilienkranzes  gewöhnlich  einen  am  freien  Rande  in 
Cilien  fortgesetzten  contractilen  Saum  annimmt.  Immerhin  glaubte  er  in 
diesem  Verhalten  keine  Veranlassung  zu  einer  Aenderung  der  Ansicht 
über  die  vermittelnde  Stellung  der  Gruppe  zwischen  den  Flagellaten  und 
Ciliaten  finden  zu  sollen,  welcher  Auffassung  er  sich  vielmehr  mit  besonderer 
Wärme  zuwandte. 

Durch  Beschreibung  mehrerer  neuer  Formen  und  schärfere  Characteri- 
sirung  anderer  trug  diese  Arbeit  wesentlich  zu  einem  besseren  Ver- 
ständniss  der  Beziehungen  der  Gattungen  und  Arten  unter  einander  bei. 
Weniger  eingehend  und  zutreffend  sind  dagegen  seine  Angaben  über  die 
einzelnen  Organisationsbestandtheile,  die  daher  auch  in  der  neuesten  Zeit 
eine  Reihe  von  Correcturen  erfuhren.  Auch  über  die  Fortpflanzungs- 
verhältnisse enthält  sie  nicht  viel.  Ueber  letztere  berichtete  auch  schon 
1879  Joseph  (29)  nach  Untersuchungen  an  einem  Peridinium,  doch 
lassen  seine  kurzen,  von  Abbildungen  nicht  begleiteten  Mittheilungen  be- 
gründete Zweifel  zu. 

Maggi  (31)  und  Kent  (32)  entwarfen  •ziemlich  gleichzeitig  eine  Zu- 
sammenstellung der  bekannten  Dinoflagellatenformen,  ohne  durch  eigene 
Untersuchungen  den  Gegenstand  wesentlich  zu  fördern.  Letzterer  ent- 
stellte hingegen,  ähnlich  wie  früher  Diesing,  die  so  einheitliche  Gruppe 
durch  die  Einreihung  einer  Anzahl  nicht  hiehergehöriger  oder  ganz  un- 
sicherer Formen.  Auch  der  Bericht  von  Balbiani  (43)  über  unsere  Gruppe 
in  seinen  Legons  sur  les  Protozoaires  enthält  nichts  Neues  von  Bedeutung. 


Literatur.  9 1 5 

Vielleicht  der  wichtigste  Fortschritt,  welcher  seit  Ehrenberg  in  der 
Erkenntniss  der  Dinoflagellaten  gemacht  wurde,  war  der  1883  von  Klebs 
(36)  geführte  Nachweis,  dass  die "  so  lange  behauptete  Existenz  eines 
Cilienkranzes  in  der  Querfurche  ein  Irrthum  gewesen  sei,  dass  vielmehr 
eice  einfache  Geissei  in  derselben  verlaufe.  Diese  ursprünglich  nur  an 
Süsswasserformen  gemachte  Beobachtung  konnte  Klebs  in  einer  späteren 
Arbeit  auch  für  marine  bestätigen  und  auch  Bütschli  (46)  gelang  es, 
durch  im  Interesse  dieses  Werkes  unternommene,  eigne  Untersuchungen 
die  Klebs'schen  Angaben  zu  bestätigen,  indem  er  gleichzeitig  den  Kern- 
verhältnissen seine  Aufmerksamkeit  zuwandte. 

Dem  Jahre  1883  verdanken  wir  noch  zwei  Arbeiten  französischer 
Forscher,  Pouch  et  und  Gourret  (37  und  38),  über  marine  Dinoflagel- 
laten, welche  sich  hauptsächlich  auf  systematischem  Gebiet  bewegen  und 
abgesehen  von  der  Beschreibung  einiger  neuer  Formen  unsere  Kenntnisse 
nicht  erheblich  vermehrt  haben.  Hervorhebenswerth  erscheint,  dass 
Pouchet  zuerst  wieder  auf  die  schon  von  Michaelis  beobachtete  ketten- 
förmige Aneinanderreihung  der  Ceratien  einging,  welche  übrigens  schon 
vor  ihm  durch  Murray  (1881^ — 82;  34)  wiederentdeckt  worden  war. 
Eine  Anzahl  der  neueren  Beobachter  suchten  schliesslich  der  1872  von 
AUraan  zuerst  geäusserten  Ansicht,  von  der  näheren  Verwandtschaft  der 
Dino-  und  Cystoflagellaten  (Noctiluca),  Geltung  zu  verschaffen.  Kent, 
Pouchet,  Stein  und  schliesslich  Bütschli,  doch  mit  wesentlich  anderer 
Begründung  wie  seine  Vorgänger,  verbreiteten  sich  über  diese  Frage. 

Obwohl  nun  die  neueren  Beobachtungen  in  vielen  Richtungen  zu 
einer  bedeutend  erweiterten  und  vertieften  Kenntniss  unserer  Gruppe  ge- 
führt haben,  zeigt  dieselbe  doch  namentlich  auf  dem  Gebiet  der  Fort- 
pflanzungs-  und  Entwicklungsgeschichte  noch  grosse  Lücken,  welche  wohl 
bei  dem  frisch  belebten  Interesse  an  den  Dinoflagellaten  in  nicht  zu  langer 
Zeit  ausgefüllt  werden  dürften. 

3.  Literatur. 

1.  Müller,  O.  Fr.,  Animalcula  iufusoria  fluviat.  et  mariua.  Hauniae  178(5.  p.  117,  136, 
•256—57,  T.  XVII,  9—12;  XIX,  22;  XXV,  5-6,  A— B. 

2.  Schrank,  Fr.  von  Paula,  Mikroskopisclie  Wahrnelmiungen ,  in:  Der  Naturforscher, 
herausgeg.  von  Walcli.  27.  Stück  17U3.  p.  26—37.  Taf.  III. 

3.    Briefe   naturhist. ,  pliysik.  und   Ökonom.   Inhaltes  an  Herrn  B.  S.  Nau ,    Erlangen. 

1S02.  p.  374—76.  Taf.  II. 

4.  Michaelis,  G.  A.,  üeber  das  Leuchten  der  Ostsee  nach  eigenen  Beobachtungen.  Mit 
2  Tafeln.     Hamburg  1S3Ü. 

5.  Ehrenberg,  Chr.  G. ,  Die  Infusionsthiere  als  vollkommne  Organismen,  Berlin  1S38. 
(Früheres  siehe  in  Abhandl.  d.  Berliner  Akademie  a.  d.  J.  1830—31  und  33 — 36.) 

6.    üeber    noch    jetzt    zahlreich    lebende    Thierarten   der    Kreidebildung.     Abh.    der 

Berliner  Akademie  a.  d.  J.  1839.  p.  81  —  174. 

7.    Beobachtungen  von  274  Infusorienarten.    Monatsber.  der  Berliner  Akademie  184Ü. 

p.  197—219. 

8.  Werneek,  Untersuchungen  über  mikroskopische  Organismen  in  der  Umgebung  von  Salz- 
burg. Mitgetheilt  von  Ehrenberg,  Monatsber.  der  Berliner  Akademie  1841.  p.  1Ü2 — 110 
und  p.  373 — 77. 

9.  Dujardin,  F.,  Hist.  natur.  des  Zoophytes.    Infusoires.    Paris  1841. 

58* 


916  Dinoflagellata. 

10.  Bailey,  J,  W.,  Microcospical  observations  madc  in  Soutli-Caroliiia,  Georgia  and  Florida. 
Smitlison.  contributions  two  kuowledge.     V.  II.  1850.  3  Taf. 

11.  Cohn,  F.,  Beobachtungen  über  mikroskop.  Organismen.     Monatsb.  d.  Berliner  Akademie 

1850.  Anm.  p.  57. 

12.  Perty,  M.,  Zur  Keiintniss  kleinster  Lebensformen,  nach  Bau,  Functionen,  Systematik  etc. 
Bern  1852. 

13.  Ehrenberg,  Ch.  G.,  üeber  neuere  Anschauungen  des  Ideinsten  nördlichen  Polarlebens. 
Monatsber.  der  Berliner  Akademie  a.  d.  J.  1853.  p.  522 — 33. 

14.    Nova   genera   et-  novae   species  maris   profundi.     Monatsber.  der  Berl.  Akademie 

1854.  p.  236—250. 

15.    Mikrogeologie.  Leij^zig  1854. 

16.  Sehraarda,  L.  K.,  Zur  Naturgeschichte  Acgyptens.  Denkschr.  der  Wiener  Akademie 
Bd.  YII.  1854.  28  p.  m.  7  Taf.;  s.  auch  Kl.  Beiträge  z.  Naturgesch.  d.  Infus.  Wien  1846. 

17.  Bailey,  J.  W.,  Notes  on  new  species  and  localities  of  microscopic.  organisms.  Smithso- 
nian  contributions  to  knowledgc  Vol.  VII. 

18.  Allman,  Gr.  J.,  Observations  on  Aphanizomenon  Flos-aquae,  and  a  species  of  Peridinea. 
Quart,  journ.  micr.  sc.  Vol.  III.  1855.  p.  21—25.  PI.  III. 

11).  Carter,  H.  J. ,  Note  on  the  red  colouring  matter  of  the  sea  round  the  shores  of  tho 
Island  of  Bombay.  Ann.  nat.  hist.  (III.)  I.   1858.  p.  258—62. 

20.  Ehrenberg,  Ch.  G.,  Ueber  das  Leuchten  und  über  neue  mikroskopische  Leuchtthiere 
des  Mittelmeeres.  Monatsber.  der  Berliner  Akad.  185t).  p.  727  und  p.  791.  Aljbildungcn 
hierzu  siehe  in  Festschrift  z.  Feier  des  100jährigen  Bestehens  d.  Gesellsch.  naturf.  Freunde 
zu  Berlin.  Berlin  1873.  S.  auch  Monatsb.  1861  p.  295. 

21.  Claparede,  E.,  et  Lachmann,  J.,  Etudes  s.  les  infus,  et  les  rhizopodes.  M6m.  instit. 
nation.  g6n6vois.  T.  V— VII.  1858-61. 

22.  Weisse,  J.  Fr.,  Vcrzeichniss  aller  von  mir  in  einem  30jährigen  Zeitraum  zu  St.  Peters- 
burg beobachteten  Infusorien.  Bull.  soc.  imp.  de  Moscon.  1863.  p.  236.  (Siehe  die  früheren 
Verzeichnisse  bei  Flagellata  p.  654.) 

23.  Diesing,  K.  M.,  Revision  der  Prothelminthen.  Sitzber.  d.  k.  Akad.  zu  Wien.  Bd.  52. 
p.  287.   1S66. 

24.  Carter,  H.  J.,  Note  on  a  fre'shwater  species  of  Ceratium  from  the  lake  of  Nynee  Tal 
in  Kumaon.  Ann.  m.  of  nat.  hist.  (IV)  VII  1871.  p.  229—30. 

25.  Willemoes-Suhm,  R.  von.  Biologische  Beobachtungen  über  niedere  Seethiere.  1)  Zur 
Entwickl.  eines  Peridinium.  Zeitschr.  f.  wiss.  Zoologie.  XXL  1871.  p.  380—382.  Taf.  XXXI. 

26.  Bütschli,  O.,  Einiges  über  Infusorien.  Arch.  f.  mikrosk.  Anat.  Bd.  IX.  1873.  p.  657 
bis  678.  Taf.  XXV— XXVI. 

27.  Warming,  E.,  Om  nogle  ved  Danmarks  Kyster  levende  Bacterier.  Vidensk.  Medd.  fra 
naturhist.  Foren,  i  Kjöbenhavn  f.  Aaret  1875.  p.  414. 

28.  Stein,  Fr.  von.  Der  (Jrganismus  der  Infusionsthiere.  III.  Abth.  I.  Hälfte.  Leipzig  1878. 
p.  88—96. 

29     Joseph,  G.,  üeber  ürotteninfusorien.     Zoolog.  Anzeiger  1879.  IL  Jahrg.  p.  114 — 18. 

30.  Bergh,   R.  S.,    Der    Organismus    der    Cilioflagellaten.    Morpholog.  Jahrbucli    Bd.   VII. 

1851.  p.   177—288  Taf.  XII— XVL 

31.  Maggi,  Ij.,  a.  Intorno  al  Ceratium  furca  Gl.  e.  L.  e  ad  una  sua  varieta.  Bolletino  seien- 
tifico.  Anno  L  1880.  p.  125—28. 

b.  Tassonomia  e  corologiadei  Cilioflagellati.  Bellet,  scientif.  Anno  II.  1880.  p.  7 — 16 

c.  Intorno  ai  Cilioflagellati.  Nota  corologica.  Kendic.   d.  I\.  Instit.  Lombardo.  s.  IL 

V.  13.  1880.  p.  20. 

32.  Kent,    S.,  A  Manual  of  infusoria.  Vol.  I.  p.  439— 469.    London  1880—81. 

33.  Cienkowsky,  L.,  Bericht  über  Excursionen  ins  weisse  Meer.  Arbeiten  der  St.  Peters- 
burger naturf.  Gesellsch.  Bd.  XII.  42  p.  3  Taf.  1881   (russisch). 

34.  Murray,  J.,  Exploration  of  the  Faroe  Channel.  Proc.  roy.  soc.  Edinburgh  1881 — 82. 
p.  18. 

35.  Bergh,   R.  S.,   üeber   die  systematische  Stellung  der  Gattung  Amphidinium  Clap.   und  • 
Lachm.     Zool.  Anzeiger  1882.  p.  693. 

36.  Klebs,  G.,  üeber  die  Organisation  einiger  Flagellatengruppen  und  ihre  Beziehungen 
zu  Algen  und  Infusoriengruppen.  Unters,  aus  dem  botan.  Institut,  zu  Tübingen.  Bd.  I. 
p.  233—62.  Taf.  2—3.  1883. 

37.  Pouchet,  G.,  Contribution  a  l'histoire  des  Cilioflagelles.  Journal  de  l'Anatomie  et  de 
la  Physiologie,   1883.  p.  399—455,  T.  19—22. 


Literatur.  917 

38.  Gourret,  P.,  Sur  les  Peridiiiicns  du  golf'c  de  Marseille     Annales  du  musee  d'hist.  uat. 
de  Marseille  T.  I.  1883.  101  pp.  4  pl. 

39.  Stein,  Fr.  von.  Der  (Organismus   der  Infusionsthiere  III.  Abth.  II.  Hälfte.     Die  Natur- 
o-escli.  d.  arthrodelen  Flagellaten.  Einleit.  u.  Erkl.  der  Abbildungen.  25  Taf.  Leipzig  1883. 

40.  Bergh,   R.  S. ,   Neue  Untersuchungen  über  Cilioflagellaten.     Kosmos,   herausgcgeb.  von 
Vetter.  1S84.  I.  Bd.  p.  384—90. 

41.  Entz,    Gr.,   Beiträo-e  zur  Kenntniss  der  Infusorien,   Zeitsclir.   f.   wiss.  Zoologie    Bd.  38. 
p.  167—189.  T.  VIIL 

42.  Imhof,  O.  E. ,    Resultate   meiner  Studien   über  die  pelagische   Fauna  der  Süsswas'ser- 
beckcn  der  Schweiz.  Zeitsclir.  f.  wiss.  Zoologie  Bd.  40.  p.   151—178.  1884. 

43.  Balbiani,  G-.,   Les   protozoaires.  Leqms  faites  au  College  de   France.  XXI.    Les  cilio-- 
flagelles.  Journal  de  micrographie  T.  VIII.  1884.  p.  138—142,  p.  249—57  u.  p.  367—75. 

44.  Klebs,   G.,    Ein    kleiner    Beitrag    zur    Kenntniss    der  Peridineen.     Botanische    Zeitung 
Jahrg.  42.  1884.  p.  721—33  u.  p.  737—45.  T.  X. 

45     Blanc,   H.,    Note  sur  le  Ceratium  Hirundinella  (0.  F.  M.)  Bullet,   soc.  vaud.  sc.   nat. 

Vol.  XX.  11  p.  T.  X.  1884. 
45  a.  Daday,  E.  von,  üeber  eine  Polythalamie  der  Kochsalztümpcl  bei  Deva  in  Siebenbürgen. 

Zeitschrift  f.  wiss.  Zoologie  Bd.  40,  1884  Taf.  24.  p.  479. 
40.    Bütsclili,  O.,  Einige  Bemerkungen  über  gewisse  Organisationsverhältnisse  d.  Cilioflagellaten 

und  der  Noctiluca.     Morpholog.  Jahrbuch  Bd.  X.  1885.  p.  529—77.    3  Taf.     Mit  einem 

Beitrag  von  E.  Askenasy. 
47.    Poiiehet,  G.,  Sur  un  P6ridinien  parasite.  Compt.  rend.  Ac.  sc.  Paris.  1884.  26.  Mai. 
48*).  Nouvelle  contribution  ä  l'histoire  des    Peridiniens  marins.     Journ.  de  l'anatomie 

et  de  la  physiologie  T.  XXI  1885,  p.  28—88.  PI.  II— IV. 

3.   Kurzer  üeberblick  der  allgemeinen  Morphologie  des  Dinotlagellaten- 
Rörpers  nebst  Cliaracteristik  der  Untergruppen. 

Aus  dem  historischen  Abschnitt  ist  bekannt,  dass  erst  die  Forschungen 
der  letzten  Jahre  richtigere  Vorstellungen  von  dem  Bau  der  Dinoflagellaten 
zu  Tage  gefordert  haben.  Wir  sind  daher  jetzt  in  der  glücklichen  Lage, 
die  etwas  unbestimmte  und  mangelhafte  Characteristik,  welche  auf  p.  619 
gegeben  wurde,  in  erwünschter  Weise  zu  vervollständigen  und  zu  ver- 
bessern. Obgleich  erst  in  einem  späteren  Abschnitt  die  verwandtschaft- 
lichen Beziehungen  der  Dinoflagellaten  eingehender  besprochen  werden 
sollen,  müssen  wir  doch  an  dieser  Stelle  schon  bemerken,  dass  nach 
unserer  Ansicht  ihre  directe  Ableitbarkeit  von  den  Flagellaten  nicht 
zweifelhaft  sein  kann,  dass  sie  vielmehr  als  ein  zu  eigenthümlicher  Ent- 
wicklung gelangter  Zweig  derselben  betrachtet  werden  müssen.  Es 
sind  nicht  etwa  sehr  einfache  und  primitive  Flagellaten,  von  welchen  sich 
unsere  Gruppe  höchstwahrscheinlich  ableitet,  sondern  ziemlich  hoch  difife- 
renzirte,  nämlich  irreguläre  Isomastigoden  aus  der  Familie  der  Crypto- 
monadinen,  mit  welchen  die  einfacheren  Dinoflagellaten  einen  be- 
merkenswerthen  Grad  von  Uebereinstimmung  darbieten. 

Aus  dem  Gesagten  ergiebt  sich  demnach  schon,  dass  wir  bei  den 
Dinoflagellata  im  Allgemeinen  zwei  Geissein  antreffen  werden,  welche 
bei  den  primitiven,  entsprechend  den  Verhältnissen  der  Cryptomonaden, 
von  einem  am  vorderen  Körperpol  gelegenen  Punkt  entspringen.  Wie 
bei  der  erwähnten  Flagellatenfarailie  besitzt  der  Körper  eine  ursprünglich 


*)  Da  diese  Arbeit  mir  erst  während  der  Correctur  zur  Hand  gekommen  ist,  so   kann 
ich  dieselbe  nicht  mehr  ausreichend  berücksichtigen. 


918  Diuoflagellata, 

zweiseitige  Gestaltung,  welche  durch  geringe  Differenzen  der  beiden  Seiten 
asymmetrisch  geworden  ist.  Doch  ist  auch  bei  diesen  ursprünglichen 
Dinoflagellatenformen  schon  diejenige  Fortbildung  gegenüber  den  Crypto- 
monadinen  eingetreten,  welche  für  die  ganze  Ordnung  bezeichnend  er- 
scheint, nämlich  die  fnnctionelle  Diflferenzirung  der  beiden  Geissein,  für 
welche  wir  aber  in  anderen  Abtheilungen  der  Flagellaten  Analogien 
finden.  Die  eine  Geissei  ist  nach  vorn  gerichtet  und  bewegt  sich  mehr 
schlagend  oder  in  langgestreckten  Wellen,  die  andere  nimmt  einen  queren, 
bogigen  Verlauf  um  die  Basis  der  ersteren  und  ihre  Bewegungen  erfolgen 
derart,  dass  zahlreiche,  sehr  kurze  ^Wellen  ununterbrochen  über  sie  hin- 
ziehen. 

Da  schon  bei  diesen  primitivsten  Formen  eine  aus  Cellulose  bestehende 
Membran  oder  Hülle  (Schale,  Panzer)  entwickelt  ist,  welche  bei  der  grossen 
Mehrzahl  der  Uebrigen  wiederkehrt,  so  darf  die  Ausbildung  einer 
solchen  Umhüllung  um  so  mehr  als  characteristisches  Merkmal  der 
ganzen  Gruppe  bezeichnet  werden,  da  es  auch  recht  wahrscheinlich  ist, 
dass   die   nackten  Formen   aus  umhüllten  hervorgegangen  sind. 

Indem  sich  nun  alle  übrigen  Dinoflagellaten  von  den  seither  besprochnen 
durch  bedeutsame  Weiterbildungen  recht  scharf  scheiden,  so  folgt  hieraus 
die  Zusammenfassung  der  ersteren  zu  einer  besonderen  Untergruppe  der 
Prorocentrinen   oder   Adinida  recht  natürlich. 

Diesen  stehen  nun  die  übrigen,  welche  die  grosse  Mehrzahl  bilden, 
dadurch  gegenüber,  dass  sich,  in  Zusammenhang  mit  einer  noch  schärferen 
Ausbildung  der  Verschiedenheit  der  beiden  Geissein,  eine  den  Körper  im 
allgemeinen  quer  umziehende,  also  gürtelartige  Furche  gebildet  hat,  in 
welche  die  querv^erlaufende  Geissei  eingelagert  ist.  Eine  weitere  constante 
Abweichung  dieser  Gruppe  der  Diniferen  bestebt  darin,  dass  die  zweite 
Geissei  nicht  nach  vorn,  sondern  nach  hinten  gerichtet  ist,  wenn  wir  das 
bei  der  Bewegung  voranschreitende  Körperende  als  das  vordere  bezeichnen. 
Auch  diese  nach  hinten  gerichtete  Geissei  der  Diniferen  ist  längs  ihres 
Verlaufes  über  den  Körper  in  eine  Furche  eingelagert,  welche  mit  der  Quer- 
furche in  Zusammenhang  steht.  Die  Ursprungsstelle  beider  Geissein 
ist  im  Allgemeinen  da  zu  suchen,  wo  die  beiden  Furchen  zusammentreffen, 
resp.  sich  kreuzen.  Dieser  Ursprungspunct  der  Geissein,  und  damit 
in  Verbindung  auch  der  Verlauf  der  Querfurche  an  dem  Körper,  hat  bei 
den  verschiedenen  Familien  eine  recht  verschiedene  Lage.  Die  Querfurche 
kann  dem  Vorderende  sehr  genähert  sein  wie  bei  der  Familie  der 
Dinophysiden,  welche  desshalb  von  einigen  Forschern  als  die  ur- 
sprünglichste der  Diniferen  betrachtet  wird,  oder  sie  umzieht,  wie  es  bei 
der  Familie  der  Peridinida  gewöhnlich  der  Fall  ist,  die  Mittelregion 
des  Körpers,  und  endlich  finden  sich  vielleicht  auch  Formen,  welche  eine 
weit  nach  hinten  gerückte  Stellung  der  Querfurche  und  des  Ursprungs- 
punctes  der  beiden  Geissein  zeigen. 

Die  asymmetrische  Bildung,  welche  schon  den  Prorocentrinen  eigen- 
thümlich  war,  tritt  bei  den  Diniferen   noch   viel  ausgeprägter  hervor  und 


Allgeui.  Morphologie;  üiitergruppcu,  Gestaltsvcrli.  etc.  (Adiiiida).  919 

wird  hauptsächlich  durch  den  schraubenförmigen  Verlauf  der  Querlurche 
bestimmt,  wozu  sich  jedoch  bei  den  umhüllten  Formen  häufig  noch  man- 
cherlei äusserliche  Abweichungen  von  der  zweiseitigen  Symmetrie  gesellen. 

Als  Kepräsentanten  einer  dritten  Familie  haben  wir  wohl  eine  bis 
jetzt  vereinzelt  dastehende  Form  anzusprechen ,  welche  gewissermaassen 
als  eine  segmentirte  Dinifere  betrachtet  werden  kann,  indem  sich  bei  ihr 
zahlreiche  Querfurchen  vorfinden  und  jede  derselben  wohl  sicher 
auch  mit  einer  Geissei  ausgerüstet  ist.  Die  hierdurch  angezeigte  Unter- 
gruppe dürfte  daher  die  Bezeichnung  Polydinida  verdienen. 

Im  Hinblick  auf  ihre  innere  Organisation  nähern  sich  die  Dinoflagel- 
laten  den  Flagellaten  sehr.  Es  sei  daher  nur  kurz  hervorgehoben,  dass 
sie  wie  zahlreiche  Flagellaten  gewöhnlich  Chromatophoren  enthalten  und 
fast  stets  einen  einzigen  Nucleus  führen.  Eine  Ausnahme  von  dieser 
Regel  bilden  nur  die  Polydinida,  bei  welchen  in  Zusammenhang  mit  der 
Vermehrung  anderer  Organe  auch  eine  solche  des  Kernes  eingetreten  ist. 
Dagegen  scheinen  eigentliche  contractu e  Vacuolen  gewöhnlich   zu  fehlen. 

4,  Schilderung'  der  Gestaltsverhältnisse,   der  Morphologie  der  Geissein, 
sowie  der  gröberen  Morphologie  der  Schalenhülle. 

Wie  der  vorhergehende  Abschnitt  schon  darlegte,  haben  wir  die  Be- 
sprechung der  Gestaltsverhältnisse  naturgemäss  mit  den  primitivsten 
Formen,  den  Prorocentrinen  zu  beginnen,  welche  sich  in  ihrer  allge- 
meinen Morphologie  den  früher  für  die  Cryptomonaden  geschilderten  Ver- 
hältnissen nahe  anschliessen.  Der  massig  grosse  Körper  (41,  1,  2)  ist 
demnach  deutlich  bilateral  und  mehr  oder  weniger  stark  komprimirt. 
Bei  der  Gattung  Exuviaella  (2)  tritt  die  bilaterale  Bildung  weniger 
hervor,  sehr  deutlich  dagegen  bei  Prorocentrum,  indem  hier  die  beiden 
Schmalseiten  des  mehr  oder  weniger  länglichen  bis  bandförmigen  Körpers 
in  verschiedenem  Maasse  gekrümmt  sind,  so  dass  sie  sich  als  Rücken- 
und  Bauchseite  unterscheiden  lassen.  Was  jedoch  die  bilaterale  Bildung 
dieser  Gattung  wesentlich  verstärkt,  ist  das  Vorhandensein  eines  von  der 
rückwärtigen  Hälfte  des  Vorderendes  entspringenden  schlanken  und  an 
seinem  freien  Ende  fein  zugespitzten  Zahn-  oder  sog.  Stirnfortsatzes. 
Derselbe  scheint  zuweilen  nur  von  der  Schalenhülle  gebildet  zu  werden; 
bei  zwei  der  von  Stein  abgebildeten  Prorocentrumarten  ist  aber  deutlich 
zu  sehen,  dass  er  hohl  und  von  einem  Fortsatz  des  Weicbkörpers  erfüllt 
ist.  Es  scheint  nichts  im  Wege  zu  stehen,  diesen  Stirnfortsatz  der  sog. 
Oberlippe  bei  Cryptomonas  zu  homologisiren.  Dicht  vor  oder  ventral- 
wärts  von  der  Basis  dieses  Fortsatzes  entspringen  die  beiden  Geissein 
ganz  wie  bei  den  Cryptomonaden. 

Alle  Prorocentrinen  sind  nun  mit  einer  dem  Weichkörper  dicht  auf- 
liegenden Schalenhülle  versehen,  welche  daher  die  Körpergestalt  getreu 
nachahmt  und  nach  dem  Tode  leicht  in  zwei  seitliche  Klappen  zerfällt. 
Die  Trennungslinie  dieser  beiden  Klappen  ist  schon  an  der  unversehrten 
Hülle  als  feine  Naht  zu  erkennen.    Erst  später,  bei  der  Besprechung  der 


920  DinoHa,!j,-ullata. 

feineren  Schalenstructur  soll  die  Frage  erörtert  werden,  was  den  leichten 
Zerfall  in  die  Klappen  bedinge. 

Etwa  in  der  Mitte  des  vorderen  Randes  findet  sich  zwischen  den 
beiden  Klappen  eine  feine  rundliche  Oeffnung,  durch  welche  die  Geissein 
ihren  Austritt  nehmen.  Gewöhnlich  scheint  diese  Oeffnung  etwas  auf  die 
rechte  Seite  verschoben  und  die  rechte  Klappe  besitzt  dementsprechend 
eine  muldenförmige  Ausbuchtung  (Fig.  2  b,),  die  am  deutlichsten  bei  Exu- 
viaella  Lima  Ehrb.  sp.  hervortritt,  aber  auch  gewissen  Prorocentrumarten 
nicht  fehlt.  Die  Klappen  sind  also  nicht  völlig  symmetrisch.  Es  Hesse 
sich  nun  die  geschilderte  muldenförmige  Einbuchtung  des  Vorderrandes 
wohl  mit  dem  Peristomausschnitt  der  Cryptomonas  vergleichen,  wenn  sie 
nicht  auf  der  rechten  Seite  gelegen  wäre,  da  sich  der  letztere  stets  links- 
seitig vorfindet. 

Wie  bemerkt,  ist  der  sog.  Stirnfortsatz  des  Prorocentrums  zuweilen 
hohl  und  dann,  wie  Stein  gezeigt  hat,  einfach  von  zwei  hälftigen  Fortsätzen 
der  Schalenklappen  gebildet,  welche  bei  dem  Auseinanderfallen  der  Klappen 
als  Anhänge  derselben  erscheinen.  Anders  verhält  sich  dagegen  der 
Stirnfortsatz  bei  dem  gemeinen  Prorocentrum  micans.  Hier  ist  er  eine 
ausschliesslich  der  Schale  angehörige  Bildung,  an  deren  Aufbau  der 
Weichkörper  keinen  Antheil  mehr  nimmt  und  besteht  auch  nicht  mehr 
aus  zwei  Hälften,  sondern  scheint  nach  den  Untersuchungen  Stein's  eine 
quergestellte,  blattförmige,  solide  Bildung  zu  sein.  Sie  scheint  mit  beiden 
Klappen  in  directer  Verbindung  zu  stehen,  so  dass  diese  nicht  völlig 
auseinander  fallen  können,  so  lange  der  Stirnfortsatz  noch  erhalten  ist. 
Erst  wenn  der  Fortsatz  verloren  gegangen  ist,  trennen  sich  die  beiden 
Schalenklappen  von  einander. 

Indem  wir  die  schwierige  Frage:  wie  sich  die  Diniferen  aus  den 
Adiniden  entwickelt  haben,  zunächst  bei  Seite  lassen,  betonen  wir  nur 
nochmals,  dass  als  allgemeiner  Character  der  ganzen  Gruppe  bei  allen 
die  Längsgeissel  nach  hinten  gerichtet  und  die  Quergeissel  in  eine 
den  Körper  umziehende  Querfurche  eingelagert  ist.  Fast  überall  ndet 
sich  dann  weiter  eine  Längsfurche,  in  welcher  der  proximale  Theil  der 
Längsgeissel  verläuft. 

Der  allgemeine  Aufbau  des  Diniferenkörpers  ist  ein  bilateraler  mit 
mehr  oder  weniger  ausgesprochener,  asymmetrischer  Umformung.  Diese 
Asymmetrie  wird  hauptsächlich  durch  das  Verhalten  der  Querfurche  be- 
dingt, indem  dieselbe  den  Körper  im  Allgemeinen  nicht  ring-  sondern 
schraubenförmig  umzieht.  Die  Gesammtgestalt  des  Körpers  ist  überaus 
verschieden,  da  sie  theils  kuglig  bis  eiförmig,  theils  dorso-ventral  abgeplattet 
oder  liusenförmig  niedergedrückt,  theils  dagegen  bis  zum  Nadeiförmigen  ver- 
längert sein  kann,  abgesehen  von  zahlreichen  secundären  Modificationeu, 
die  erst  später  Berücksichtigung  finden  können. 

Wir  wollen  uns  zunächst  über  die  Bezeichnung  der  Körperregionen 
in  dieser  Gruppe  orientireu.  Indem  der  Ursprungspunkt  der  Geissein 
stets  von  dem  Vorderende,  wenngleich  in  sehr  verschiedenem  Grade,  nach 


Gestalt,  lliillo,  Gcisselanordnung  (Adinida,  Pcridiiiida).  921 

hinten  verlagert  ist,  so  wird  allein  hierdurch  schon  die  Unterscheidung 
zweier  Körperflächen  angedeutet,  einer  Bauchfläche  nämHch,  welcher  die 
Geissein  angehören  und  einer  dieser  entgegenstehenden  Rückenfläche. 
Die  Verhältnisse  der  Furchenbihlungen  der  Diniferen  tragen  zu  der  Ver- 
schiedenheit dieser  Flächen  gewöhnlich  noch  wesentlich  bei.  Die  beiden 
Enden  der  Qiierfurche  liegen,  insofern  dieselbe  deutlieh  schraubig  verläuft, 
auf  der  Bauchfläche  und  sind  verbunden  durch  die  die  Ventralseite  in 
der  Längsrichtung  überziehende  Längsfurche,  welche  sich  jedoch  bei  zahl- 
reichen Formen  noch  über  die  Querfurche  hinaus  bis  zu  dem  hinteren 
Körperende  ausdehnen  kann  und  nicht  selten  auch  auf  den  vor  der  Qner- 
furche  gelegenen  Theil  der  Bauchfläche  übergreift.  Durch  die  Entwick- 
lung der  Querfurche  wird  weiterhin  eine  vordere  und  eine  hintere  Körper- 
region geschieden.  Die  relativen  Grössenverhältnisse  dieser  beiden  Re- 
gionen wechseln  natürlich  sehr,  je  nach  der  Lage  der  Querfurche.  Es 
finden  sich  zahlreiche  Fälle,  wo  die  beiden  Regionen  fast  oder  völlig  gleich 
sind  und  andere,  wo  die  vordere  mehr  und  mehr  beschränkt  erscheint, 
bis  sie  zu  einem  sehr  unbedeutenden  Körpertheil  geworden  ist;  doch  kann 
vielleicht  auch  das  Umgekehrte,  wenngleich  selten,  eingetreten  sein. 

Wenn  auch  gewichtige  Gründe  dafür  sprechen,  dass  die  Familie  der 
Dinophysiden  in  mancher  Hinsicht  ursprünglichere  Charactere  bewahrt 
hat,  so  mag  die  genauere  Betrachtung  doch  mit  der  Familie  der  Peri- 
diniden  begonnen  werden. 

Wenn  wir  einige  abweichende  Formen  bei  Seite  lassen,  so  werden 
alle  Angehörige  dieser  Familie  durch  eine  ungefähr  mittlere  Lage  der 
Querfurche  characterisirt,  so  dass  vordere  und  hintere  Körperbälfte  nahezu 
gleich  sind.  Die  gewöhnlich  schmal  rinnenförmige,  im  Querschnitt  meist 
halbkreisförmige  Furche  nimmt  auch  hier  fast  immer  einen  deutlich 
schraubenförmigen  Verlauf.  Bei  der  grossen  Mehrzahl  der  Formen  hat 
der  einfache  Schraubenumgang,  welchen  die  Querfurche  beschreibt,  nur 
eine  sehr  geringe  Höhe,  so  dass  die  beiden  ventralen  Enden  der  Furche 
auf  der  Bauchfläche  in  geringer  Entfernung  hinter  einander  liegen,  ver- 
bunden durch  einen  Theil  der  Längsfurche,  welcher  sich  zwischen  den- 
selben ausdehnt.  Fast  immer  liegt  das  rechte  ventrale  Ende  der  Quer- 
furcbe  hinter  dem  linken,  d.  h.  der  Verlauf  der  Furche  entspricht  einer 
rechts  gewundenen  Schraube.  Die  seltenen  Fälle  eines  umgekehrten 
Verlaufes  finden  sich  bei  einigen  Arten  der  Gattung  Peridinium  nach 
den  Forschungen  Stein's  (so  am  deutlichsten  bei  Per.  globulus  St.  [52,7], 
ferner  bei  P.  Michaelis  und  zuweilen  auch  bei  P.  tristylum  St.).  Hier  liegt 
das  rechte  Ende  der  Querfurche  vor  dem  linken  und  die  Schraube  ist 
also  eine  linksgewundene.  Da  sich  nun  bei  manchen  Arten  von  Peridi- 
nium, bei  Goniodoma,  gewissen  Arten  von  Gymnodinium,  bei  Diplopsalis, 
Pyrophacus,  sowie  einzelnen  Formen  aus  anderen  Gattungen  eine  nur 
äusserst  geringe  Verschiebung  der  Enden  der  Querfurche  gegeneinander 
findet  oder  aber  die  Enden  direct  auf  einander  stossen,  so  dass  die  Quer- 
furchc  ringförmig  wird,  so  lässt  sich  vielleicht  annehmen,  dass  die  selten 


922  Dinoflagellata. 

vorkommende  Linkswendung  der  Querfurche  durch  eine  allmähliche  Ver- 
schiebung der  ursprünglich  rechts  gewundenen,  durch  das  Stadium  der 
Ringfurche  hindurch,  entstanden  ist. 

Nur  bei  gewissen  Arten  der  Gattung  Gymnodinium  und  bei 
Hemidinium  finden  wir  eine  recht  steile  Windung  der  Querfurche,  so 
dass  ihre  beiden  Enden  weit  auseinanderrücken  (51,  3).  Die  letztgenannte 
Gattung  zeigt  ferner  die  sehr  benierkenswerthe  Eigenthümlichkeit,  dass 
nur  die  linke  Hälfte  der  Querfurche  entwickelt  ist.  Ob  sich  hierin  ein 
ursprünglicher  Character,  wie  nicht  unmöglich,  erbalten  hat,  lässt  sich 
zur  Zeit  kaum  mit  einiger  Bestimmtheit  sagen.  Bei  dem  von  Bergh 
zuerst  beschriebenen  Gynin.  spirale  (51,  5),  welches  ungefähr  spindelförmig 
gestaltet  ist,  finden  wir  das  linke  Ende  der  Furche  etwa  auf  der  Grenze 
der  beiden  vorderen  Körperdrittel,  das  rechte  dagegen  auf  der  Grenze 
der  hinteren,  so  dass  die  Schraubenhöhe  ungefähr  ein  Drittel  der  Körper- 
länge beträgt.  Noch  seltsamer  sind  die  Verhältnisse  bei  dem  von  Pouchet 
beschriebenen  Gymnodinium  Archimedis  (51,  9),  welches  aber  auch  wohl 
als  Typus  einer  besonderen  Gattung  betrachtet  werden  kann.  Bei  dem- 
selben beschreibt  die  Querfurche  nicht  eine,  sondern  zwei  volle  Schrauben- 
windungen um  den  etwas  kegelförmigen  Körper.  Das  rechte  Ende  der 
Furche  liegt  ganz  am  hinteren  Körperpol,  das  linke  dagegen  an  dem 
vorderen,  so  dass  die  Höhe  der  Windungen  der  halben  Körperlänge 
gleichkommt. 

Um  hier  gleich  zu  einem  Abschluss  der  Besprechung  der  Querfurchen- 
verhältnisse  in  der  Familie  der  Peridiniden  zu  gelangen,  betonen  wir  noch, 
dass  bei  einigen,  auf  Grund  ihrer  allgemeinen  Bauweise  hierhergehörigen 
Formen  die  Querfurche  vermisst  wird.  Dies  sind  zunächst  die  nahe 
verwandten  Gattungen  Blepharocysta  (53,  3)  und  Podolampas  (55,  9), 
bei  denen  sich  zwar  aus  der  Zusammensetzung  der  sehr  entwickelten 
Schalenhülle  der  Ort,  wo  die  Furche  zu  verlaufen  hätte,  angeben  lässt, 
eine  wirkliche  Furche  sich  aber  nicht  findet.  Aehnlich  scheint  sich 
auch  der  eigenthümliche  Ptychodiscus  St.  zu  verhalten.  Diese  ab- 
weichende Form  (54,  4a — b),  welche  wohl  durch  die  Gattung  Pyro- 
phacus  mit  den  typischen  Peridiniden  verknüpft  wird,  zeigt  an  dem 
von  vorn  nach  hinten  sehr  deprimirten,  linsenförmigen  Körper  nur  ein 
dünnes,  aequatoriales  Schalen  band,  das  die  dickere  vordere  und  hintere 
Schalenhälfte  verbindet  und  wohl  der  Querfurcbe  entspricht.  Da  die 
letzterwähnten  Formen  mit  mangelnder  Querfurche  bis  jetzt  im  lebenden 
Zustand  nicht  untersucht  wurden,  so  bleibt  es  fraglich,  ob  mit  der  Rück- 
bildung der  Querfurche  auch  eine  Aenderung  der  Geisseiverhältnisse  ver- 
bunden ist,  doch  halte  ich  das  für  unwahrscheinlich. 

Es  gibt  nun  einige  Formen  unter  den  Peridiniden,  welche  sich  durch 
die  Verlagerung  der  Querfurche  an  das  Vorderende  in  gewissem  Sinne 
der  Familie  der  Dinophysiden  nähern,  wenn  sie  auch  wohl  sicher  sonst 
keine  nahe  Verwandtschaft  mit  derselben  besitzen.  Dies  sind  die  von 
Stein  entdeckten   Angehörigen   der   Gattung  Oxytoxum,   von   welchem 


Gestaltsverhältnisse  der  Peridinida.  923 

mir  die  als  Pyrgidium  gesonderten  Formen  kaum  gencrisch  verschieden 
zu  sein  scheinen. 

Bei  diesen  Peridiniden  (53,  5  und  6)  ist  die  sehr  flach  gewundene, 
jedoch  deutlich  schraubige  Querfurche  dem  einen  Körperi)ol  sehr  genähert, 
so  dass  die  beiden  von  ihr  getrennten  Körperregionen  recht  verschieden 
gross  sind.  Nach  Stein  soll  die  Furche  dem  Hinterende  genähert,  also 
die  hintere  Körperhält'te  verkümmert  sein.  Ich  halte  diese  Ansicht  aber 
für  recht  unwahrscheinlich,  schliesse  vielmehr  aus  dem  Verlauf  der  Längs- 
lurche und  der  Lage  der  Austrittsstelle  für  die  Geissein,  dass  umgekehrt 
die  vordere  Körperhälfte  verkümmert  ist  und  Stein  die  Formen  irrig  orien- 
tirte.  Im  lebenden  Zustand  wurden  dieselben  bis  jetzt  noch  nicht  unter- 
sucht, so  dass  über  ihre  Haltung  bei  der  Bewegung  nichts  bekannt  ist. 

Dass  sich  unter  den  Peridiniden  auch  eine  Verlagerung  der  Querfurche 
an  das  Hinterende  finden  könne,  wird  von  Stein  für  seine  Gattung 
Ceratocorys  (54,  5)  angegeben,  wo  sich  die  ungefähr  ringförmige 
Furche  dicht  an  dem  einen  Körperende  findet.  Leider  ist  diese  inter- 
essante Form  bis  jetzt  nur  einmal  von  Gourret  im  lebenden  Zustande 
beobachtet  worden;  Stein  sah  nur  conservirte  Exemplare  ohne  Geissein. 
Wenn  nun  Gourret's  Beobachtungen  über  den  Ursprung  der  Längs- 
geissel  richtig  wären,  so  näherte  sich  diese  Form  der  Familie  der  Dino- 
physiden  (wohin  sie  auch  Gourret  und  Klebs  verweisen)  und  die  Furche 
wäre  also  nicht  an  das  Hinter-,  sondern  umgekehrt  an  das  Vorderende 
gerückt.  Doch  sind  die  Angaben  Gourret's  über  die  Geisseiursprünge  im 
Allgemeinen  so  ungenau,  dass  ich  durch  seine  Mittheiluugen  allein  die 
Stein'sche  Auffassung  der  Ceratocorys  nicht  für  widerlegt  halte.  Ich 
muss  daher  zur  Zeit  die  Frage  nach  der  Orientirung  und  der  systematischen 
Stellung  dieser  Gattung  noch  für  eine  offne  halten. 

Die  folgenden  Zeilen  müssen  einer  Betrachtung  der  Längs  für  che 
gewidmet  werden,  denn  erst  durch  das  Zusammenwirken  dieser  mit  der 
Querfurche  werden  die  wesentlichen  morphologischen  Eigenthümlichkeiten 
der  Diniferen  bestimmt.  Es  ist  nun  zur  Zeit  schwer  zu  sagen,  welche 
Ausbildungsform  der  Längsfurche  unter  den  Peridiniden  wir  als  die  ursprüng- 
lichste betrachten  dürfen.  Vielleicht  dürfte  es  doch  diejenige  sein,  wo 
die  Furche  als  eine  im  Allgemeinen  schmale  Rinne  in  grader  Richtung 
über  die  hintere  Region  der  Bauchseite  verläuft,  indem  sie,  an  dem  linken 
Ende  der  Querfurche  beginnend  zunächst  zu  dem  rechten ,  weiter  nach 
hinten  gelegenen  Ende  derselben  zieht,  mit  dem  sie  gleichfalls  zusammen- 
hängt und  sich  dann  weiter  bis  an  das  hintere  Körperende  fortsetzt.  Es 
münden  demnach  die  Enden  der  Querfurche  direct  in  die  Längsfurche  ein. 

Eine  solche  Ausbildung  der  Längsfurche  ist  bei  den  meisten  Ge- 
schlechtern der  Peridiniden  die  gewöhnliche,  so  findet  sie  sich  bei  den 
meisten  Gymnodinien  (51,  10a),  bei  Glenodinium  (51,  10a),  Peridinium 
(53,  1  a)  und  anderen.  Doch  ist  schon  bei  einzelnen  Formen  dieser  Gat- 
tungen zu  beobachten,  dass  sich  das  vordere  Ende  der  Längsfurche  auf 
die  vordere  Körperregion   mehr  oder  weniger  ausdehnt.    Dieses  Ueber- 


924  Diuoflagcllata. 

greifen  der  Längsfurche  auf  die  Vorderregion  wird  bei  gewissen  For- 
men, welche  Stein  zu  der  Gattung  Gonyaulax  erhoben  hat,  am  stärk- 
sten, indem  sich  die  Furche  hier  bis  an  das  vordere  Körperende  fortsetzt  (52, 4). 

Eine  andere  Modification  der  Längsfurche  ist  schon  bei  einer  Reihe 
Arten  des  formreichen  Geschlechtes  Peiidinium  augedeutet,  indem  die, 
wie  erwähnt,  sonst  schmal  rinnenförmige  Furche  sich  in  der  hinteren 
Körperregion  mehr  in  die  Breite  entwickelt  (52,  8).  Sie  nimmt  dabei 
gewöhnlich  eine  ungefähr  dreieckige  Gestalt  an,  indem  sie  sich  von  vorn 
nach  hinten  verbreitert,  unter  Umständen  so  ansehnlich,  dass  ihre  hintere 
Breite  mehr  als   ein  Drittel  der  gesammten  Körperbreite  betragen  kann. 

Von  solchen  Zuständen  leitet  sich  dann  wohl  die  Ausbildung  der 
Längsfurche  bei  Ceratium  ab  (53,  7a,  9a,  10b;  If.).  Hier  ist  sie  so  an- 
sehnlich verbreitert,  dass  sie  die  Hälfte  der  Körperbreite  erreichen  kann 
und  sich  gleichzeitig  beträchtlich  auf  die  vordere  Region  ausdehnt.  Da 
nun  die  Läugsfurche  bei  diesen  umhüllten  Formen,  wie  wir  später  sehen 
werden,  nur  von  einer  zarten  Membran  bekleidet  wird,  so  erscheint  sie 
an  der  leeren  Hülle  gewöhnlich  wie  ein  Ausschnitt  und  wurde  daher  auch 
nicht  ohne  Recht  als  Bauchausschnitt  bezeichnet. 

Es  kann  aber  die  Längsfurche  unter  den  Peridiniden  auch  Verküm- 
merungen aufweisen  und  dieses  Moment  bildet  einen  der  wesentlichsten 
Charactere  der  Gattung  Oxytoxum,  welche  wir  schon  oben  wegen  der 
Verlagerung  der  Querfurche  an  das  Vorderende  kurz  betrachteten.  Hier 
(53,  5  —  6)  ist  entweder  nur  noch  ein  ganz  kurzes  Stück  der  Längsfurche 
erhalten ,  welches  sich  von  der  Querfurche  über  einen  kleinen  Theil  des 
langen  Hinterkörpers  erstreckt,  oder  es  ist  eine  nahezu  völlige  Verkümme- 
rung der  Furche  eingetreten,  deren  letzter  Rest  nur  noch  als  eine  schwache 
hintere  Ausbiegung  der  Querfurche  erscheint. 

Auch  bei  dem  merkwürdigen  Pyrophacus  (54,  3b)  ist  die  Längs- 
furche sehr  kurz,  so  dass  sie  mit  ihrem  Hinterende  weit  von  dem  hinteren 
Pol  entfernt  bleibt. 

Bei  den  Gattungen  Blepharocysta  und  Podolampas,  welche 
oben  wegen  der  mangelnden  Querfurche  erwähnt  wurden,  scheint  auch 
die  Längsfurche  nur  schwach  angedeutet  zu  sein,  höchstens  durch  eine 
sehr  seichte  Rinne  dargestellt  zu  werden. 

Die  merkwürdigste  Bildung  der  Längsfurche  zeigt  das  Pouchet'sche 
Gymnodinium  Archimedis  (51,  9).  Wie  früher  bemerkt  wurde, 
findet  sich  hier  eine  Querfurche,  welche  zwei  rechte  Schraubenwindungen 
beschreibt.  Dass  dieses  Verhalten  nun  direct  aus  dem  gewöhnlichen  ab- 
zuleiten ist,  ergibt  sich  sehr  hübsch  aus  dem  Verlauf  der  Längsfurche. 
Stellen  wir  uns  nämlich  vor,  dass  das  vordere  Ende  einer  einfach  schrau- 
bigen Querfurche  zu  einer  zweiten  Windung  ausgewachsen  sei,  so  muss 
nun  die  bei  der  einfachen  Querfurche  einfach  längsgerichtete  Längsfurche, 
welche  beide  Querfurchenenden  verbindet,  auch  einen  schraubigen  Verlauf 
angenommen  haben,  jedoch  wird  sie  nur  einen  einfachen  Umgang  be- 
schreiben.   Dieses  ist  nun  auch  das  Verhalten,  welches  wir  bei  G.  Archi- 


Gestaltsverliältuisse,  Hüllo  u.  Geisselanoriliuiiiji-  d.  Peridinid.a  (Gyinnodiii.,  Glenodin.).  925 

raedis  kennen  gelernt  haben.  Es  ergibt  sich  daraus  aber  auch,  dass  diese 
Form,  entgegen  der  Vernnithung  Pouchet's,  keine  näheren  Beziehungen  zur 
Gattung  Polykrikos  hat,  wie  wir  später  noch  zu  zeigen  haben  werden. 

Allgemeine  morphologische  Verhältnisse  der  Hülle  und 
der  Geisseistellung  der  Peridiniden.  Wie  schon  gelegentlich 
erwähnt  wurde,  finden  sich  unter  den  Peridiniden  auch  nackte,  nicht  um- 
hüllte Formen,  wenigstens  ist  wohl  sicher,  dass  gewisse  Formen 
der  Gattung  Gymnodinium  in  ihrem  beweglichen  Zustande  hüllenlos 
sind.  Ob  dies  von  allen  zu  dieser  Gattung  gerechneten  Arten  gilt, 
bleibt  zur  Zeit  etwas  zweifelhaft.  Bei  Hemidinium,  welches  Stein 
gleichfalls  als  nackt  beschreibt,  will  Klebs  eine  zarte  Zellhülle  beob- 
achtet haben. 

Er  konnte  ferner  beobachten,  dass  Gymnodinium  fuscum  nacli  der  Behandlung  mit  ver- 
scliiedenartigen  Eeagentien  eine  dicke,  radiär  gestrichelte,  wahrscheinlicli  schleimige  Um- 
hüllung besitzt.  Aus  der  Schilderung  scheint  zu  folgen,  dass  diese  Umhüllung  ein  durch  die 
betreffenden  Keagentien  verursachtes  Abscheidungsproduct  ist;  doch  ist  nicht  bestimmt  aus- 
gesj^rochen,  dass  die  Hülle  für  ge^^öhnlich  fehlt. 

Alle  übrigen  Gattungen  sind  mit  einer  mehr  oder  weniger  starken, 
häufig  recht  dicken  Hülle  versehen,  welche  dem  Plasma,  als  Product 
desselben,  wenigstens  ursprünglich  dicht  aufliegt,  wie  es  sich  auch 
während  des  beweglichen  Zustandes  gewöhnlich  findet.  Auf  Ab- 
weichungen von  diesem  regelmässigen  Verhalten  werden  wir  später 
hinzuweisen  haben.  Wenn  wir  also  im  Folgenden  die  Gestalts- 
verhältnisse der  Hülle  etwas  genauer  beschreiben,  so  werden  damit  im 
Allgemeinen  auch  die  Formen  des  Weichkörpers  angegeben.  Die  Hülle 
darf,  wie  bemerkt,  im  Allgemeinen  als  eine  allseitig  geschlossne  bezeich- 
net werden,  doch  muss  sich  an  derselben  jedenfalls  eine  Unterbrechung 
zum  Austritt  der  Geissein  finden.  Leider  sind  nun  die  Verhältnisse  des 
Geisseiaustritts  noch  nicht  überall  ausreichend  erforscht  und  auch  recht 
schwierig  zu  ermitteln.  Wir  werden  übrigens  sehen,  dass  bei  zahlreichen 
Peridiniden  noch  eine  zweite  Oeffnung  vorhanden  und  dass  eine  poröse 
Beschaffenheit  der  Hülle  recht  verbreitet  ist. 

Die  einfachste  Hülle  findet  sich,  abgesehen  von  dem  schon  erwähn- 
ten Hemidinium,  bei  Glenodinium,  als  eine  farblose,  zarte,  jedoch 
deutlich  doppelt  conturirte  Membran  (51,  10 — 13).  Ich  zweifele  nicht, 
dass  wenigstens  bei  den  meisten  bekannt  gewordenen  Glenodinien  eine 
Differenzirung  der  Hülle  zu  einzelnen,  leicht  auseinanderfallenden  tafel- 
artigen Partien,  wie  sie  die  Hüllen  der  meisten  übrigen  Peridiniden 
zeigen,  fehlt,  wenn  wir  von  den  durch  die  Querfurche  natürlich  auch 
hier  gegebenen  beiden  Abschnitten,  dem  Vorder-  und  Hinterkörper,  ab- 
sehen. Feinere  Structurverhältnisse  mag  auch  die  Schalenhülle  der  Gleno- 
dinien zum  Theil  schon  zeigen,  doch  versparen  wir  deren  Betrachtung 
besser  auf  später.  Natürlich  werden  auch  die  beiden  Furchen  von  der 
Membran  ausgekleidet  und  längs  der  beiden  Ränder  der  Querfurche  bildet 
dieselbe  je  eine  vorspringende  Kante,  welche  eine  scharfe  Begrenzung  der 
Furche  bewirken.    Zu  eigentlichen  Leisten,  wie  sie  sich  bei  den  grösseren 


926  Dinoflagellata. 

Peridiniden  gewöhnlich  finden,  scheinen  sich  die  Ränder  der  Furche  jedoch 
hier  nie  zu  erheben. 

Ueber  die  Oeffnung  zum  Geisseiaustritt  ist  bei  dieser  Gattung 
wenig  bekannt:  Stein  zeichnet  bei  einigen  Arten  eine  runde  bis  läng- 
liche Oeffnung  an  der  Stelle,  wo  Längs-  und  Querfurche  zusammenstossen 
(51,  13;  gs).  Da  sich  nun  auch  hier  die  Ursprungsstätte  der  Geissein 
findet,  so  kann  dies  wohl  der  Fall  sein.  Die  Bezeichnung  „Mund Öff- 
nung", welche  Stein  für  die  Austrittsstelle  der  Geissein  bei  allen  beschälten 
Dinofiagellaten  gewählt  hat,  müssen  wir  fallen  lassen  und  adoptiren  dafür 
den  Ausdruck  Geisseispalte.  Eine  ähnliche  Darstellung  gab  auch 
Bergh  von  der  Geisseispalte  bei  Glen.  cinctum  und  Warmingii. 

Es  scheint  mir  aber  etwas  zweifelhaft,  ob  die  Geisselspalte  bei  Glenodiiiium  stets  eine  so 
beschränkte  Ausdehnung  besitzt,  wie  nach  den  citirten  Darstellungen  angenommen  werden  müsste. 
Da  nämlich  bei  manchen  Formen  die  Längsgeissel  ziemlich  weit  hinter  der  Quergeissel  aus 
der  Längsfurche  entspringt,  so  wäre  es  möglich,  dass  sich  auch  bei  dieser  Gattung  die  Geissel- 
spalte wie  bei  anderen  Peridiniden  zuweilen  als  ein  längerer  Schlitz  durch  die  Längsfurche 
erstreckte. 

Soweit  unsere  Erfahrungen  reichen,  scheinen  alle  mit  complicirteren 
Hüllen  versehenen  Peridiniden  anfänglich  eine  ähnlich  einfache  Membran 
zu  bilden  wie  Glenodinium,  welche  erst  bei  stärkerer  Verdickung  den 
complicirteren  Bau  entwickelt.  Abgesehen  von  feineren  Structureigenthümlich- 
keiten  spricht  sich  derselbe  nun  hauptsächlich  darin  aus,  dass  auf  der 
äusseren  Oberfläche  der  Membran  stärker  verdickte  Leisten  gebildet  wer- 
den, welche  im  Allgemeinen  einen  geradlinigen  Verlauf  besitzen  und  die, 
unter  einander  in  verschiedenster  Weise  zusammenstossend,  eckige  Felder 
oder  Tafeln  umschliessen.  Es  ist  Eegel,  dass  die  in  solcher  Weise 
gebildeten  Hüllen  eine  mehr  oder  weniger  grosse  Neigung  haben,  durch 
Auflösung  des  Zusammenhanges  der  Membran  längs  dieser  Verdickungs- 
leisten  in  einzelne  Platten  oder  Tafeln  zu  zerfallen.  Worauf  dieser  leichte 
Zerfall  der  stärker  ausgebildeten  Hüllen  eigentlich  beruhe,  ist  bis  jetzt 
nicht  sicher  bekannt  und  soll  später  discutirt  werden. 

An  Glenodinium  reihen  sich  zunächst  einige  Formen  an  (sog.  Clathro- 
cysta  St.),  bei  welchen  die,  wie  es  scheint,  massig  dicke  Hülle  von 
zahlreichen,  zu  ziemlich  kleinen  polygonalen  Feldern  zusammengeordneten 
Verdickungsleisten  gleichförmig  überzogen  wird  (52,  2).  Bei  einer  derselben 
findet  sich  als  weitere  Eigenthümlichkeit  eine  ziemlich  weite  Oeffnung 
des  vorderen  Poles,  die  sog.  Apical Öffnung,  welche  bei  fast  allen  noch 
zu  besprechenden  Peridiniden  wiederkehrt.  Im  Zusammenhang  damit  ist 
der  vordere  Pol  oder  Apex  zu  einer  umgekehrt  trichterförmigen  Röhre 
ausgewachsen. 

Sehr  nahe  mit  den  eben  erwähnten  Formen  sind  diejenigen  verknüpft, 
welche  Stein  unter  der  Bezeichnung  Heterocapsa  zu  einer  besonderen 
Gattung  vereinigt,  zu  welcher  aber  wohl  auch  das  Glenodinium  trochoi- 
deum  Stein's  gerechnet  werden  muss,  das  seiner  allgemeinen  Form  nach 
hiehergehört  und  auch  nach  den  Untersuchungen  von  Klebs  keine  ganz 
structurlose    Hülle   besitzt.     Alle    diese    Formen   (52,   1)   sind    mit   einer 


Hülle  der  Pcndinida  (Chlathrocysta,  Heterocapso,  Goniodoma). 


927 


Apicalöflfuimg  versehen.  Die  typischen  Heterocapsen  Stein's  nähern  sich 
den  folgenden  Gattungen  durch  die  geringere  Zahl  der  Felder,  welche 
die  Verdickungsleisten  an  ihrer  Schalenhülle  hervorrufen.  Sie  zeigen  ausser- 
dem eine  ziemliche  Verschiedenheit  in  der  Bildung  der  Vorder-  und  Hinter- 
hälfte der  Hülle. 

Unter  diesen  Heterocapsen,  welche  Stein  nur  als  provisorisclie  Gattung-  auffasst,  befinden 
sich  zwei  Formen,  welche  durch  grössere  Zahl  kleinerer,  polygonaler  Tafeln  der  vorderen 
Hälfte  noch  an  die  Verhältnisse  hei  Clathrocysta  erinnern.  Diese  Tafeln  ordnen  sich  im  all- 
gemeinen in  drei  der  Querfurclie  parallelen  Kränzen  um  den  Apicalpol,  deren  Tafelzahl,  ent- 
sprechend der  Weitezunahme  nach  dem  Aequator  zu  sich  vermehrt.  Bei  dem  H.  triquetrum 
(52,  1)  finden  sich  dagegen  nur  zwei  Tafelkränze  in  der  Vorderhälfte  und  die  Zahl  der  Tafeln 
der  Kränze  ist  geringer.  Damit  sind  denn  Verhältnisse  gegeben,  welche  zu  denen  der  meisten 
übrigen  Peridinidengattungen  überleiten. 

Die  Verhältnisse  der  Täfelung  bei  den  übrigen  Peridiniden  zeigen, 
wenn  wir  von  der  hinsichtlich  ihrer  Stellung  zweifelhaften  Gattung  Cera- 
tocorys  absehen,  sehr  viel  Uebereinstimmendes.  Vorder-  wie  Hinterhälfte 
der  Hülle  weisen  je  zwei  Kränze  von  Tafeln  auf,  von  welchen  sich  die 
centralen  oder  polaren  um  die  Pole,  die  aequatorialen  um  den  Aequator 
oder  den  Rand  der  Querfurche  ordnen.  Wir  können  daher  diejenigen 
Tafeln  (resp.  die  einzige),  welche  die  polaren  Gürtel  zusammensetzen, 
als  die  polaren,  oder  die  vorderen,  wenn  wir  den  vorderen  Pol  als  den 
Apex  bezeichnen,  auch  die  apicalen  benennen,  die  hinteren  polaren  da- 
gegen als  die  antapicalen.  Stein  bezeichnet  die  Apicalplatten  als  „fron- 
tale", die  Antapicalplatten  dagegen  als  die  „Endplatten". 

Die  Aequatorial platten  können  ihrerseits  wieder  in  prae-  und 
postaequatoriale  unterschieden  werden.  Stein  nennt  dieselben  im 
Allgemeinen  „Basalia"  und  unterscheidet  vordere  und  hintere. 

Orientiren  wir  uns  nun  zunächst  über  die  Verhältnisse  bei  einer 
Form,  welche,  wenn  auch  vielleicht  nicht  die  ursprünglichste,  so  doch  als 
Ausgangspunkt  für  die  Darstellung  von  Vortheil  ist.  Bei  der  Gattung 
Goniodoma  (T.  52,  5a — c  u.  Holzschn.  Fig.  la  — b),  deren  allgemeine 
Gestaltung  mit  Glenodinium  wohl  übereinstimmt,  finden  wir  in  der  vorderen 
Hälfte  einen  Gürtel  von  7  Aequatorialplatten,  welche  sich  so  vertheilen,  dass 
eine  unpaare,  die  wir  als  die  vierte  bezeichnen,  dorsal  liegt,  während  ihr 


Erklärung  der  Holzschnitte  Fig.  1  a— b.  Schema  der  Tafelordnung  der  Hülle 
von  Goniodomata.  Die  vordere  Hälfte  in  der  Ansicht  auf  den  Apex;  Ventralseite  nach  unten. 
Die  Apicalplatten  sind  schraffirt.  1  b.  Ansicht  der  Hinterhälfte  in  gleicher  Stellung,  man  sieht 
also  von  innen  auf  den  Antapex.  —  Auf  sämmtlichen  folgenden  Holzschnitten  zur  Erläuterung 
der  Tafelbildung  der  Hülle  sind  entsprechende  Ansichten  der  resp.  Schalenhälften  dargestellt. 


928 


Dinoflagellata. 


ventialwärts  zwei  (I  u.  VII)  gegenüber  stehen  imd  den  Theil  der  Längsfurche, 
der  sich  auf  die  vordere  Körperhälfte  erstreckt,  bedecken.  Stein  fasst  diese 
beiden  letzteren  Platten  als  eine  einzige  auf,  welche  er  vordere  Mund- 
platte  nennt;  da  jedoch  eine  mediane  Verdickungsleiste,  welche  diese 
Mundplatte  in  zwei  Tafeln  scheidet,  auf  den  Abbildungen  Stein's  deutlich 
zu  sehen  ist,  und  zwei  entsprechende  Tafeln  bei  Peridinium  wiederkehren, 
habe  ich  mir  die  oben  ausgesprochene  Auffassung  von  der  Zusammen- 
gesetztheit der  sog,  Mundplatten  gebildet. 

Die  Plattenpaare  II  und  VI,  sowie  III  und  V  gruppiren  sich  symmetrisch 
auf  den  beiden  Seiten,  wie  der  beigefügte  Holzschnht  zeigt.  Apical- 
platten  finden  sich  drei,  eine  ventrale  und  zwei  seitliche,  welch'  letztere 
in  der  Rückenlinie  zusammenstossen;  alle  drei  umschliessen  das  Scheitel- 
loch. Die  hintere  Hälfte  der  Hülle  weist  zunächst  ähnliche  und  gleich 
geordnete  Aequatorialplatten  auf,  nur  mit  dem  Unterschiede,  dass  die 
dünne  Membran,  welche  die  Längsfurche  auskleidet,  keine  mittlere  Sonde- 
rung zeigt,  so  dass  sich  also,  wenn  wir  diese  Membran  (hintere  Mund- 
platte Stein's)  als  Platte  rechnen,  nur  G  finden  würden.  Der  polare  Ab- 
schluss  des  hinteren  Poles  wird  auch  durch  drei  Antapicalplatten  gebildet, 
deren  Stellung  jedoch  eine  um  180  Grad  gegen  die  Apicalplatten  ver- 
drehte ist,  wie  aus  dem  Holzschnitt  (1  b)  am  besten  anerkannt  wird.  Die 
Geisseispalte  ist  nach  Stein's  Darstellung  eine  kleine,  länglich  ovale  Oefif- 
nung  an  der  Zusammenstossungsstelle  der  Längs-  und  Querfurche. 

Von  diesen  Verhältnissen  bei  Goniodoma  lassen  sich  nun  leicht  die 
der  formenreichen  Gattung  Peridinium  und  der  mit  letzteren  nahe  ver- 
wandten Diplopsalis  ableiten.  Die  Veränderungen,  welche  die  vordere 
Schalenhälfte  bei  Peridinium  (T.  52,  6,  7;  53,  1  u.Holzschn.  2  a — b)  aufweist, 
beruhen  wesentlich  auf  einer  Verkürzung  des  vorderen  Theils  der  Längs- 
furche, welche  sich  nur  als  ein  kleiner  Ausschnitt  vor  die  Querfurche 
verlängert.  Im  Zusammenhang  damit  hat  sich  die  ventrale  Apicalplatte 
nach  der  Querfurche  zu  stark  verlängert  und  ist  gleichzeitig  durch  Auf- 
treten zweier  neuer  meridionaler  Verdickungsleisten  in  drei  secundäre 
Tafeln  zerlegt  worden,  von  welchen  wir  die  längere  mittlere  wegen  ihrer 
rautenförmigen  Gestalt  mit  Stein  wohl  als  die  Rautenplatte  (r)  bezeichnen 
dürfen. 


l 


a 


Erklärung  der  Holzschnitte  Fig.  2a — b.     Schema  der  Tafelanordnung-  der  Hülle 
von  Peridinium.     2  a  die  Vorderhälfte,  2  b  die  Hinterhälfte. 


Bau  der  Schalenliiille  (Peridinium).  929 

Ferner  haben  sich  in  der  dorsalen  Mittellinie  zwei  hinter  einander 
geordnete  unpaare  Tafeln  (d  und  d')  zwischen  die  seitlichen  Apicalplatten 
eingeschoben,  für  welche  wir  nur  bei  dem  später  zu  betrachtenden 
Gonyaulax  ein  Analogou  finden.  Uebrigens  können  diese  beiden  unpaaren 
dorsalen  Platten  auch  durch  Nichtsouderung  nur  als  eine  einzige  ver- 
treten sein. 


Ic 


Erklärung  des  Holzschnittes  Fig.  2c.  Tafel- 
anordnung- der  Vorderhälfte  der  Hülle  von  Peridinium  cinc- 
tum  nach  Stein ;  d  die  hier  einfache  dorsale  unpaare  Apical- 
platte,  2  a  und  21)  die  zerfallene  Apicalplatte  2,  von  welcher 
Stein  die  Hälfte  2  a  als  eine  aus  ihrer  gewöhnlichen  Lage 
verschobene  zweite  unpaare  dorsale  Apicalplatte  deutet. 


Eine  beachtenswerthe  Abweichung  in  der  Täfelung  des  Vorderkörpers 
findet  sich  nach  Stein  bei  Ferid.  cinctum  (Ehbg.)  St.,  doch  deute  ich 
dieselbe  anders  wie  Stein;  meine  Ansicht  geht  am  einfachsten  aus  der 
Betrachtung  des  nebenstehenden  Holzschnittes  (2  c)  hervor.  Auf  die  ab- 
weichende Meinung  Stein's  will  ich  nicht  näher  eingehen. 

In  der  Hinterhälfte  (s.  2  b)  finden  sich  Verhältnisse,  welche  ganz  denen 
von  Goniodoma  entsprechen,  mit  dem  Unterschiede,  dass  statt  der  drei  Apical- 
platten dieser  Gattung  zwei  seitliche  vorhanden  sind.  Bei  einigen  Peri- 
dinien,  am  ansehnlichsten  bei  Per.  divergens,  verlängern  sich  diese  beiden 
Antapicalplatten  in  je  einen  hohlen,  hornartigen  Fortsatz  (53,  la— b), 
welche  nach  hinten  divergirend  auseinander  weichen.  Bei  anderen 
Formen  sind  diese  hinteren  Fortsätze  weniger  entwickelt  und  nicht  mehr 
hohl,  sondern  solid.  Als  Beispiel  kann  Peridinium  Michaelis  (52,  8)  nach 
den  Untersuchungen  Bergh's  (Protoperidinium  Bergh)  und  Stein's  dienen. 
Die  Fortsätze  sind  hier  zwei  quergestellte  dünne  Blätter,  welche  der 
Länge  nach  von  einer  dickeren  Rippe  durchzogen  werden;  letztere  sind 
eine  directe  Fortsetzung  der  die  Längsfurche  begrenzenden  Verdickungs- 
oder  Randleisten.  —  Wir  werden  ähnlichen  Fortsatzbildungen  auch  noch 
bei  anderen  Peridiniden  begegnen. 

Besonderes  Interesse  besitzt  die  Beschaff"enheit  der  Geisselspalte  bei 
unserer  Gattung.  Die  Abbildungen  Stein's  geben  hierüber  wenigstens  so  weit 
Aufschluss,  dass  sich  unter  Berücksichtigung  der  Verhältnisse  bei  Cera- 
tium,  welche  principiell  übereinstimmend  zu  sein  scheinen,  das  Wesent- 
lichste feststellen  lässt.  Die  Geisselspalte  scheint  nämlich  bei  fast  allen 
Peridinien  nicht  mehr  eine  einfache  Oeffnung  zu  sein,  sondern  ein  län- 
gerer, spaltartiger  Schlitz  der  Membran,  welche  die  Längsfurche  auskleidet 
(53,  la,  gs).  Der  Spalt  liegt  nicht  in  der  Mittellinie  der  Längsfurche, 
sondern  asymmetrisch  längs  ihrer  linken  Randleiste.  Seine  Längsaus- 
dehnung ist  ziemlich  variabel;  während  sich  bei  Per.  divergens  (53,  la,  gs) 
und  anderen  der  Spalt  über  die  ganze  Längsfurche  bis  an  das  Hinterende 
erstreckt,  reicht  er  nach  den  Abbildungen  Stein's  bei  Per.  tabulatiim  und  anderen 

IJionn,    Klassen  des  Thier-Keiclis.    Protozüa.  59 


930  Dinoflag-ellata. 

nur  bis  zur  Mitte  der  Längsfurche  nach  hinten.  Sein  Beginn  liegt  in  den 
eben  namhaft  gemachten  Fällen  stets  an  der  Stelle,  wo  sich  das  linke 
Ende  der  Querfurche  mit  der  Längsfurche  vereinigt. 

Der  rechte  Rand  der  Spalte  scheint  gewöhnlich  von  einem  leisten- 
artigen Vorsprung  der  Längsfurchenmembran  gebildet  zu  werden  und, 
soweit  die  Abbildungen  verständlich  sind,  scheint  die  Basis  dieser  Leiste 
durch  eine  Verdickung  ausgezeichnet  zu  sein,  welche  bei  manchen  Formen 
einen  etwas  welligen  Verlauf  nimmt  (52,  6  a).  Der  linke  Rand  wird  ent- 
weder direct  von  der  linken  Randleiste  der  Längsfurche  oder  von  der 
Membran  der  Furche  gebildet. 

Bei  Ferid.  divergens  und  einigen  anderen  ist  der  Geisseischlitz  jedenfalls 
in  seiner  ganzen  Ausdehnung  äusserst  eng  und  nur  sein  hinteres  Ende  zu 
einer  ovalen  Oeffnung  erweitert,  aus  welcher  die  Längsgeissel  hervortritt ; 
Stein  bezeichnet  diese  Oeffnung  als  den  Mund.  Bei  Per.  tabulatum  wäre  nach 
Stein  umgekehrt  das  vordere,  an  die  Querfurche  anstossende  Ende  der 
Spalte  zu  einer  rundlichen  Oeffnung  erweitert,  doch  zweifle  ich,  ob  diese 
Verhältnisse  richtig  angegeben  sind.  Jedenfalls  bedarf  es  erneuter  Unter- 
suchungen, um  das  Verhalten  der  Geisseispalte  bei  dieser  und  anderen 
Gattungen  festzustellen. 

Sehr  abweichend  soll  nun  nach  Stein  die  Spalte  bei  dem  überhaupt 
recht  eigenthümlichen  Peridinium  globulus  sein,  indem  dieselbe 
hier  eine  ovale,  ganz  hinten  in  der  Längsfurche  gelegene  Oeffnung  dar- 
stelle (52,  7;  gs). 

Das  gleiche  Verhalten  der  Geisselspalte  findet  sich  nach  Bergh  und 
Stein  auch  bei  der  nahe  verwandten  Gattung  Diplopsalis  (53,  2). 
Ueber  deren  Hülle  sei  kurz  bemerkt,  dass  die  hintere  Hälfte  ganz  mit 
Peridinium   übereinstimmt,   die  vordere  dagegen  dadurch  abweicht,  dass 

im  Aequatorialgürtel  die  seitlichen  Platten    2  und  3, 

sowie  5  und  6  nicht  gesondert,  sondern  durch  je  eine 

Platte  repräsentirt  sind  (s.  nebenst.  Holzschn.  Fig.  3). 

Ebenso  werden  in  dem  Kranz  der  Apicalplatten  die 

beiden  seitlichen  Paare  des  Peridinium  nur  von  je  einer 

einzigen  repräsentirt  und  ist  auch  nur  eine  unpaare 

dorsale   Apicalplatte   vorhanden.     Stein    bildet    aber 

eine  sehr  bemerkenswerthe  Variation  der  Prääquatorial- 

Erklärung   des     platten  eines   Individuums   ab;    die    Formel  für   die 

Holzschn.    Fig.    3.     Hälfte  des  prääquatorialen  Gürtels  wäre  bei  demselben 

•Scliema    der  gewöhn-     1,   2,  3  +  4^0,   ähnlich  wie   bei  der  später  zu  er- 

lichen   Tafelanordnung     wähnenden  Gattung  Gonyaulax. 

der    Vorderhälfte     von  rj       •        .^  .    ,  x     /-.    x-  o^  •    >     ti  i 

T.-  ,      ,-,  Zwei  weitere,  interessante  Gattungen  Steins  Ble- 

Uiplopsalis.  '  ö 

pharocysta  und  Podolampas  scheinen  recht 
innig  mit  Peridinium  und  speciell  mit  dem  oben  erwähnten  Peri- 
dinium globulus  verwandt  zu  sein,  doch  verräth  namentlich  Podolampas  in 
der  allgemeinen  Gestaltung  auch  Beziehungen  zu  den  um  Peridinium  Michaelis 
sich  gruppirenden  Formen.     Blepharocysta  (53,  3)  besitzt  eine  kugel-  bis 


Bau  der  SchalenhUlle  (Peridinium,  Diplopsalis,  Blepliarocysta  u.  Podolampasl.         931 


Erklärung  der  Holzschnitte   Fig.  4a  —  b.     Schema  der  Tafelanordnung  von  Ble- 
pliarocysta.    4a  Vorderhälfte;  4b  Hinterhälfte. 

eiförmige  Gestalt,  Podolampas  (55, 9)  dagegen  einen  den  Hinterleib  an  Länge 
beträchtlich  übertreffenden  Vorderkörper,  dessen  Apex  sich  in  eine  mehr 
oder  weniger  lange ,  umgekehrt  trichterförmige  Scheitelröhre  fortsetzt.  Da- 
durch wird  die  Gestalt  dieser  Gattung  eine  umgekehrt  kreiseiförmige.  Das 
hervorstechendste  Merkmal  beider  Gattungen  besteht  einmal  in  der  Nichtaus- 
bildung  der  Querfurche  und  eigentlich  auch  der  Längsfurche,  indem  letztere 
zwar  durch  verdickte  Randleisten  angedeutet  scheint,  aber  eine  Vertiefung 
der  die  Furchenregion  tiberziehenden  Membran,  der  hinteren  Mund- 
platte Stein's,  fehlt.  Wie  bei  Peridinium  globulus  und  Diplopsalis,  mit 
welch'  letzterer  Gattung  in  der  Täfelung  der  Hülle  gewisse  Uebereinstim- 
mungen  vorhanden  sind,  liegt  die  längsovale  (Blepharocysta)  bis  quer- 
halbmondförmige Geisselspalte  (Podolampas)  ganz  hinten  in  der  Längs- 
furche, Die  Täfelung  der  Hülle  verhält  sich  folgendermaassen  (s.  Holz- 
schnitt 4a  — b):  Der  prääquatoriale  Gürtel  wird,  wie  dies  bei  Di- 
plopsalis gewöhnlich,  aus  5  Platten  gebildet,  indem  auch  hier  2  und  3, 
sowie  5  und  6  jederseits  als  nichtgesondert  zu  betrachten  sind.  Die 
Prääquatorialplatten  sind  sehr  hoch,  indem  der  polare  Gürtel  recht  wenig 
entwickelt  ist.  Bei  Blepharocysta  (4aj  besteht  derselbe 
aus  drei  kleinen  Plättchen,  welche  denen  von  Diplop- 
salis entsprechen,  mit  Ausnahme  der  Rautenplatte, 
welche  beiden  Gattungen  völlig  fehlt.  Bei  Podolampas 
soll  dagegen  der  polare  Gürtel,  welcher  die  Scheitel- 
röhre bildet,  keine  weitere  Zusammensetzung  zeigen. 
Auch  in  der  Bildung  der  hinteren  Hälfte  ist  ein  eigen- 
thümliches  und  tibereinstimmendes  Verhalten  zu 
beobachten.  Die  Platten  2,  3,  sowie  4  und  5 
sind  je  zu  einer  grossen  Tafel  vereinigt,  so  dass 
sich  also  nur  3  Aequatorialplatten  finden,  während 
der  polare  Ring  bei  Blepharocysta  aus  den  drei  Platten 
des  Goniodoma,  bei  Podolampas  aus  den  beiden  des 
Peridinium  gebildet  wird.  Bei  der  ersteren  Gattung 
erheben  sich  die  Randleisten  der  Längsfurche  zu  beiden  Seiten  der 
Geisselspalte  zu  zwei  kleinen  flügel-  bis  ohrförmigen  Fortsätzen,  eine 
Einricbtung,  die  entwickelter  auch   schon  bei  Diplopsalis  vorkommt,  indem 

59* 


Erklärung  des  Holz- 
schnittes Fig.5.  Schema 
der  Tafelanordnung  der 
Hinterhälfte  von  Podo- 
lampas. 


932 


Dinoflaffellata. 


sich  hier  diese  Flügelleisten  nach  Bergh  in  der  gesammten  Ausdehnung 
der  beiden  Ränder  der  Längsfurche  erheben,  wogegen  Stein  nur 
eine  liniie  gefunden  haben  will.  Dass  diese  Flügelleisten  trotz 
ihrer  etwas  abweichenden  Stellung  den  hinteren  Fortsätzen  der  Peridinien 
entsprechen  dürften,  scheint  mir  aus  dem  Verhalten  von  Podolampas 
sicher  hervorzugehen.  Bei  Pod.  bipes  (55,  9  a)  tinden  wir  auf  den  Anta- 
picaltafeln  dieselben  beiden  queren  dreieckigen  Fortsätze  mit  je  einer 
stärkeren  Mittelrippe  wie  bei  Peridinium  Michaelis.  Von  der  Mittelrippe 
des  linken  Fortsatzes  aber  entspringt  eine  linke  Flügelleiste  (1),  die  längs 
der  linken  Seite  der  Greisseispalte  bis  etwas  vor  dieselbe  zieht.  Wir 
dürfen  daher  annehmen,  dass  die  hinteren  Fortsätze  und  die  Flügelleisten 
aus  gemeinsamer  Grundlage  hervorgingen,  wovon  später  noch  mehr.  Bei 
Podolampas  palmipes  (9  b)  zeigt  sich  eine  Abweichung  darin,  dass  die  beiden 
hinteren  Fortsätze  dorsal  hinter  der  Geisselspalte  mit  einander  verwachsen 
sind  und  der  linke  länger  ist  wie  der  rechte. 

In  gewisser  Hinsicht  scheint  sich  an  die  ebenerwähnten  Gattungen 
auch  das  von  Stein  errichtete  Genus  Amphidoma  anzuschliessen,  doch 
bin  ich,  nach  der  Lage  meiner  Kenntnisse,  nicht  im  Stande,  zu  entscheiden, 
ob  hier  nur  Annäherung  oder  wirkliche  Uebereinstimmung  vorliegt.  Diese 
Gattung  (53,  4)  weist  zwei  ziemlich  gleich  entwickelte  Körperhälften  auf, 
mit  gut  ausgebildeter  Quer-,  aber  nur  wenig  entwickelter  Längsfiircbe, 
welche  das  Hinterende  nicht  erreicht.  Beide  Pole  spitzen  sich  ziemlich 
zu,  so  dass  die  Gestalt  eine  annähernd  doppelkeglige  ist.  Die  Zusammen- 
setzung des  Vorderkörpers  stimmt  nun  ganz  mit  Blepharocysta  überein. 
der  Hinterkörper  dagegen  weicht  namhaft  ab,  indem  sich  die  normalen 
5  Tafeln  finden,  aber  nur  eine  einfache,  ansehnliche  antapicale  Platte 
(s.  Holzschn.  Fig.  6).  Auf  der  linken  Seite  der  Längsfurche  findet  sich 
neben  der  postäquatorialen  Tafel  1  noch  eine  Platte,  welche  wir  bei  den 


Erklärung  der  Holzschnitte  Fig.  6 — 7.  Fig.  6  Schema  der  Tafelanordnung  der 
Hinterhälfte  von  Amphidoma.  Fig.  7  a  — b.  Schema  der  Tafelanordnung  von  Gonyaulax 
polyedra.     a.  Vorderhälfte ;  b.  Hinterhälfte. 


seither  besprochenen  Gattungen  nicht  beobachteten  und  von  welcher  ich  mit 
Stein  annehmen  muss,  dass  sie  aus  einem  Theil  der  die  Längsfurche  be- 
kleidenden Membran  entstanden  ist,  indem  sich  wohl  eine  Art  Rückbildung 
der  bei  den  Vorfahren  breiteren  Längsfurche  ausgebildet  hat. 


Bau  der  Schalcuhüllc  (Aiiiphidoma,  Gonyaulax,  Ceratiuui).  933 

Benierkenswerther  Weise  treffen  wir  die  gleiche  Bildung  der  Hinter- 
hälfte  bei  der  Gattung  Gonyaulax  (52,  3  u.  Holzschn.  7b),  welche 
desshalb  wohl  auch  Amphidonia  nahe  steht.  Ihre  Gestalt  ist  z.  Th.  eine 
ganz  peridiniumartige.  Die  Vorderhälfte  aber  weist  dieselbe  Bildung  auf, 
wie  sie  bis  jetzt  nur  bei  Diplopsalis  als  Abnormität  beobachtet  wurde, 
nämlich  6  äquatoriale  Platten  der  Formel  1,  2,  3  +  4V2  (s-  Holzschn.  7  a), 

Apicalplatteu  findet  Stein  nur  drei,  ich  dagegen  bei  Gonyaulax  po- 
lyedra  5,  vielleicht  variiren  sie  also.  Die  bedeutsamste  Eigenthümlichkeit 
des  Gonyaulax  ist  aber  die  Ausdehnung  der  Längsfurche  über  den  ganzen 
Vorderkörper  bis  zum  Scheitel. 

Bevor  wir  diejenigen  Formen  erörtern ,  welche  sich  vielleicht  an  die 
letztbesprochenen  mit  einiger  Sicherheit  anreihen  lassen,  wollen  wir  uns 
noch  zwei  Seitenzweige  betrachten,  die  sich  aus  ziemlich  ursprünglichen, 
jedoch  in  einiger  Hinsicht  mit  Peridinium  verwandten  Peridiniden  hervor- 
gebildet haben  müssen.  Unter  diesen  verdienen  zunächst  die  Ceratien, 
jene  reizenden  Dinoflagellaten  des  Meeres  und  Süsswassers  unsere  Auf- 
merksamkeit. 

Ein  bezeichnender  Character  dieser  Gattung  ist  einmal:  die  grosse 
Ausdehnung,  welche  die  Längsfurche  in  der  Breite  erlangt  (53,  9  a,  10  b; 
If.) ,  so  dass  sie  zu  einem  breiten  Bauchausschnitt  oder  Feld  wird, 
welches  sich  auch  ein  beträchtliches  Stück  auf  die  Vorderregion  er- 
streckt. Bekleidet  wird  dieser  Bauchausschnitt  von  einer  zarten  Fort- 
setzung der  dicken  übrigen  Schalenhtille,  was  zuerst  Stein  nachwies. 
Die  früheren  Forscher,  auch  noch  Bergh,  Klebs,  Pouchet  und  Gourret, 
hielten  diesen  Ausschnitt  für  nackt.  Am  linken  Rande  desselben  zieht 
eine  lange,  schmale  Spalte  hin,  welche  sich  von  dem  linken  Ende 
der  Querfurche  bis  an  das  Hinterende  des  Bauchausschüittes  fort- 
setzt, die  Geisseispalte.  Dieselbe  zeigt  im  Wesentlichen  die  gleiche  Bil- 
dung wie  bei  Peridinium,  ist  jedoch  in  ihrer  Beschaffenheit,  wenigstens 
bei  Ceratium  Tripos,  von  mir  etwas  eingehender  studirt  worden,  als  dies 
bei  Peridinium  bis  jetzt  geschah.  In  der  ganzen  Ausdehnung  dieser 
Geisseispalte  ist  der  Weichkörper  zu  einer  schmalen  Rinne  eingesenkt 
(54,  1  b;  gs),  der  Geisseirinne,  auf  deren  Seitenränder  die  Membran  (fm) 
des  Bauchausschnittes  sich  fortsetzt  und  bis  an  den  Grund  der  Rinne  zu 
verfolgen  ist.  Hier  aber  liegt  das  Plasma  wohl  in  der  ganzen  Ausdeh- 
nung der  Rinne  nackt.  Der  rechte  Rand  der  Rinne  erhebt  sich  stärker 
und  legt  sich  nach  links  dachartig  über  dieselbe  herüber,  wodurch  sie 
in  ihrer  ganzen  Ausdehnung  zu  einer  linksseitig  mit  einem  schmalen 
Spalt  versehenen  Röhre  wird,  die  sich  am  Hinterende  des  Bauch- 
ausschnittes durch  ein  ovales,  ziemlich  ansehnliches  Loch  öffnet.  Aus 
diesem  Loch  tritt  die  Längsgeissel  heraus,  die  in  ihrem  proximalen 
Verlauf  in  die  Rinne  eingelagert  ist  und  am  Vorderende  derselben,  dicht 
neben  dem  linken  Ende  der  Querfurche  entspringt.  An  derselben  Stelle 
inserirt  sich  auch  die  Quergeissel  (s.  53,  9a;  54,  1  a— b). 


934  Dinoflagellata. 

Der  Apex  ist  stets  in  eine  mehr  oder  weniger  lange,  bei  den  meisten 
marinen  Formen  sogar  sehr  lange,  geöffnete  Scheiteh-öhre  ausgewachsen 
und  auch  der  Antapex  zu  einem  hinteren,  zugespitzten  Hörn  (aah)  von 
recht  verschiedener  Länge  entwickelt. 

Bevor  wir  die  durch  anderweitige  Auswüchse  sehr  mannichfaltige 
Gestaltung  der  Ceratien  eingehender  verfolgen,  wird  es  angezeigt  sein, 
die  Täfelung  der  Hülle  etwas  genauer  zu  betrachten.^)  Dieselbe  lässt 
sich  zwar  auf  die  allgemeinen  Verhältuisse  der  Peridiniden  zurückführen, 
scheint  aber  im  Ganzen  ziemlich  vereinfacht  zu  sein.  Nach  Stein's  Dar- 
stellung finden  wir  im  äquatorialen  Gürtel  des  Vorderkörpers  nur  3  Tafeln 
(s.  den  Holzschnitt  Fig.  8a),  welche  nach  meiner  Auffassung  etwa  folgender- 


& 


cu 


Erkläniuar  des  Holzschnittes  Fiff.  S.     Schema  der  Tafelaiioi'diiujifr  von  Ceratiuin. 


ö 


a.  Vorderhälfte;  b.  Hinterhälfte. 


maassen  auf  die  7  von  Peridinium  zurückzuführen  sind:  die  dorsale  Platte 
entspricht  No.  IV,  die  grosse  linke  einer  Vereinigung  von  No.  I  bis  HI  und 
die  rechte  einer  Vereinigung  von  No.  V  bis  VII;  doch  ist  wohl  ein  nicht 
unansehnlicher  Theil  der  Tafel  VII  in  die  Bildung  des  breiten  vorderen 
Theils  des  Bauchausschnittes  eingegangen.  Apicalplatten  finden  sich  nach 
Stein  nur  drei,  welche  denen  von  Goniodoma  (s.  Fig.  1  a,  p.  927)  etwa  ent- 
sprechen, doch  erstreckt  sich  die  ventrale  Tafel  bei  Ceratium  tetraceros  und 
Hirundinella  bis  zu  dem  linken  Ende  der  Querfurche  und  erlangt  dadurch 
einige  Uebereinstimmung  mit  der  Rautenplatte  der  Peridinien ;  bei  den 
übrigen  reicht  sie  jedoch  nicht  bis  zum  Aequator.  Klebs  konnte  nun 
aber  beobachten,  dass  die  Apicalregion  (Scheitelröhre)  bei  Ceratium  Tripos 
zuweilen  auch  in  4  (ebenso  Pouchet  37,  p.  418)  und  noch  mehr  Tafeln  zer- 
fällt, was  auch  nicht  unwahrscheinlich  ist ;  es  werden  eben  die  Linien  des 
weiteren  Zerfalls  wohl  denen  entsprechen,  welche  bei  Peridinium  (siehe 
Fig.  2a,  p.  928)  die  grössere  Zahl  der  apicalen  Tafeln  scheiden.  Auch  an 
dem  Hinterkörper  (8  b)  findet  sich  eine  entsprechend  geringe  Sonderung  der 
Tafeln,  indem  derselbe  sich  ebenfalls  nur  aus  drei  postäquatorialen  Platten 
von  der  sehr  wahrscheinlichen  Formel  1  +  2,  4  +  5  und  3  aufbaut. 
Am  Antapex  findet  sich  nur  eine  einzige  Tafel,  welche  in  das  hintere 
Hörn  (aah)  ausgewachsen  ist. 

')  Klebs  (44)  hat  schon  die  von  Brandt  (Mitth.  zooIog.  Stat.  Neapel  Bd.  IV,  p.  295) 
aufgestellte  Ansicht,  dass  die  Hülle  der  Ceratien  aus  zwei,  nach  Analogie  der  Verhältnisse 
bei  den  Bacillariaceen ,  längs  der  Querfurche  in  einander  geschachtelten  Hälften  bestehe, 
zurückgewiesen ;  auch  ich  fand  bei  meinen  Untersuchungen  nicht  den  geringsten  Anhalt  hierfür. 


Bau  der  Schalenhüllc  (Ceratiuui ,  Pyropliacus).  935 

Diese  Neigung  zur  Entwicklung  hornartiger  Auswüchse  ist  nun 
bei  den  Ceratien  noch  an  zwei  weiteren  Körperstellen  vorhanden, 
nämlich  an  den  beiden  postäquatorialen  Seitenplatten.  Zunächst  scheint 
ein  solches  Seitenhorn  an  der  rechten  Seitenplatte  aufgetreten  zu 
sein.  Es  findet  sich  allein  neben  dem  Hinterhorn  bei  Ceratium 
tetraceros  (=  cornutum;  53,  7a),  Furca,  Fusus  (54,  2a)  und  Tri- 
pos  (53,  10  b)  vor.  Bei  den  drei  erstgenannten  bleibt  es  im  Allgemeinen 
klein,  bei  der  letztgenannten  Art  wird  es  dagegen  sehr  lang,  hat  aber 
wie  das  Hinterhorn  eine  merkwürdige  Veränderung  des  bei  den  übrigen 
Arten  ziemlich  nach  hinten  gerichteten  Verlaufes  erfahren.  Beide  Hörner 
biegen  nämlich  nach  ihrem  Ursprung  sofort  um  und  verlaufen  in  sehr 
variabler  Krümmung  und  Länge  nach  vorn.  Ein  viertes  Hörn,  aus 
der  linken  postäquatorialen  Seitenplatte  hervorwachsend,  findet  sich 
in  ziemlich  verschiedener  Entwickelung  bei  Ceratium  Hirundinella 
(53,  9  a)  und  bleibt  gewöhnlich  kleiner  wie  das  rechte  Seitenhorn.  Bei 
einer  marinen  Form  endlich,  welche  Gourret  als  Cer.  quinquecorne  be- 
schrieb und  die  der  letzterwähnten  Art  recht  ähnlich  ist,  soll  sich  auf 
der  linken  Rückseite  des  Hinterkörpers  noch  ein  iiinftes  Hörn  finden. 

Wie  gesagt,  bietet  die  Entwickelung  dieser  Hörner  der  Ceratien  ein 
Feld  für  die  manichfachsten  Variationen  auch  innerhalb  der  Arten,  zwischen 
welchen  sich  die  unverkennbarsten  Uebergänge  finden.  Die  geringste 
Ausbildung  eines  einzigen  Seitenhornes  ist  bei  dem  langspindelförmigen 
Cer.  Fusus  (54,  2  a)  zu  beobachten  und  bei  gewissen  Varietäten  desselben 
ist  es  ganz  reducirt. 

Nach  einer  anderen  Richtung  leiten  sich  von  peridiniumartigen  For- 
men zwei  interessante,  von  Stein  entdeckte  Gattungen  ab,  welche  er  in 
näheren  Zusammenhang  mit  den  Cystoflagellaten  (Noctiluca)  zu  bringen 
versuchte  und  desshalb  auch  ihre  naturgemässen  Beziehungen  zu  den 
Feridiniden  verkannte.  Aus  Rücksicht  auf  diese  vermeintlich  innige  Ver- 
wandtschaft mit  Noctiluca  gab  er  ihnen  eine  von  den  übrigen  ganz  ab- 
weichende Orientirung.  Die  erste  dieser  Gattungen,  der  ansehnliche 
Pyrophacus  nämlich  (54,  3a— b),  zeigt  auf  den  ersten  Blick  die  nahen 
Beziehungen  zu  den  eigentlichen  Peridinien.  Sie  leitete  sich  vielleicht 
von  Formen  her,  welche  Diplopsalis  nahe  standen;  wie  die  letztere 
Gattung  besitzt  sie  nämlich  einen  sehr  niedergedrückten,  linsenförmigen 
Körper  mit  wohl  ausgeprägter  äquatorialer  Querfurche  und  nur  kurzer 
Längsfurche  des  Hinterkörpers.  Stein  bezeichnet  den  Hinterkörper  als 
die  Rücken-,  den  Vorderkörper  als  die  Bauchfläche,  da  er  die  gleichen 
Flächen  bei  Noctiluca  unterscheiden  will. 

Die  ziemlich  dicke  Hülle  weist  eine  Täfelung  auf,  die  sich  der  der 
Peridinien  im  Allgemeinen  anschliesst,  nur  wird  die  Plattenzahl,  wohl  in 
Zusammenhang  mit  der  bedeutenden  Körpergrösse,  im  Alter  eine  beträcht- 
lich höhere.  Auf  den  von  Stein  abgebildeten  verschiedenen  Altersstadien 
lässt  sich  verfolgen,  dass  die  Vermehrung  der  Platten  durch  die  Ausbil- 
dung   neuer   Verdickungsleisten ,    welche    die    ursprünglichen    Platten    in 


936  Dinoflagelkta. 

secimdäre  theilen,  zu  Stande  kommt.  Im  Vorderkörper  fiuden  wir  einen 
äquatorialen  Gürtel  von  9  bis  14  und  einen  apicalen  von  4  bis  7  Platten, 
wozu  sich  noch  eine  ventrale,  schmale,  etwas  geschwungen  verlaufende 
Platte  gesellt  (r),  welche  von  dem  Apex  bis  zu  der  Querfurcbe  reicht. 
Stein  bezeichnet  sie  als  Stabplatte,  da  er  sie  dem  sog.  Staborgan  der 
Noctiluca  vergleicht,  sie  entspricht  aber  wohl  sicher  der  früher  ge- 
schilderten Rautenplatte  des  Peridinium.  Eine  deutliche  Apicalöffnung 
ist  vorhanden  und  wird  von  Stein  seltsamer  Weise  als  After  bezeichnet. 
Am  Hinterkörper  wurden  10  bis  14  postäquatoriale  und  3  bis  13  anta- 
picale  Platten  beobachtet,  welch'  letztere  etwas  unregelmässig  zusammen- 
gruppirt  und  im  Alter  so  geordnet  sind,  dass  einige,  wie  es  scheint  ge- 
wöhnlich drei,  central  stehen  und  die  übrigen  einen  Kranz  um  dieselben 
formiren.  Die  kurze  Längsfurche  wird  in  ihrer  ganzen  Ausdehnung  von 
einer  Geisseispalte  durchzogen,  welche,  soweit  ich  die  Stein'sche  Schilde- 
rung und  seine  Zeichnungen  verstehen  kann,  dem  früher  geschilderten 
Geisseispalt  gewisser  Peridinien  sehr  ähnlich  ist.  Das  Hinterende  dieses 
Spaltes  scheint  zu  einer  runden  Oetfnung  erweitert  zu  sein,  wie  sie  bei 
Peridinium  divergens  und  Ceratium  angetroffen  wurde. 

Mit  der  Gattung  Pyrophacus  stimmt  nun  der  von  Stein  als  Ptycho- 
discus  (54,  4)  bezeichnete  Organismus  in  der  allgemeinen  Bildung  nahe 
überein.  Der  wesentliche  Unterschied  besteht  darin,  dass  eine  Täfelung, 
mit  Ausnahme  der  wie  bei  Pyrophacus  am  Vorderkörper  deutlich 
markirten  Rautenplatte  (r),  fehlt.  Eine  eigentliche  Querfurche  ist  nur  un- 
deutlich ausgebildet,  an  ihrer  Stelle  findet  sich,  wie  früher  erwähnt,  eine 
dünne  Membran,  welche  die  kleinere  vordere  Hälfte  der  Hülle  mit  der 
grösseren  hinteren  verbindet.  Dass  diese  Membran,  wenn  sie  auch  keine 
deutliche  Furche  bildet,  das  Homologon  der  Querfurche  ist,  scheint  keinem 
Zweifel  unterworfen  zu  sein.  Die  Längsfurche  entspricht  ganz  der  des 
Pyrophacus  und  wird  auch  nach  Stein's  Angabe  von  einem  feinen  Geissei- 
spalt durchzogen,  welcher  keine  hintere  Erweiterung  zeigt.  Die  im  All- 
gemeinen grosse  Uebereinstimmung  zwischen  den  beiden  Gattungen  scheint 
mir  die  Möglichkeit  zuzulassen ,  dass  unter  Umständen  auch  bei 
Ptychodiscus  eine  Täfelung  der  Hülle  zur  Entwickelung  gelangen  könne ; 
vielleicht  waren  die  von  Stein  beobachteten  Exemplare  unausge- 
wachsene. 

Wir  wenden  uns  schliesslich  zu  zwei  letzten  Gattungen  der  Peridiuiden- 
gruppc,  die  sich  entschieden  als  die  abweichendsten  documentiren,  gerade 
desshalb  aber  ein  besonderes  Interesse  beanspruchen,  da  sie  zu  der  fol- 
genden Familie,  den  Dinophysiden ,  eine  gewisse  Hinneigung  verrathen. 
Es  sind  dies  die  Gattungen  Oxytoxum  St.  (einschliesslich  Pyrgidium 
Stein,  dessen  Verschiedenheit  von  der  ersteren  denn  doch  gar  zu  gering- 
fügig ist)  und  Ceratocorys  St.  Die  Abweichungen  in  dem  Bau  der 
noch  wie  bei  den  Peridiniden  aus  einer  grösseren  Anzahl  von  Tafeln  zu- 
sammengesetzten Hülle  sind  so  erhebliche,  dass  ich  es  zur  Zeit  für  ziem- 
lich aussichtslos  halte,  deren    Täfelung  von    den   eigentlichen  Peridiniden 


Bau  der  Schaleiiliüllo  (Ptychodiscus,  OxytoxuniV  937 

abzuleiten.  Der  g-ewichtigste  Unterschied  unserer  beiden  Gattungen  von 
den  letzteren  besteht  darin,  dass  die  Anordnung  der  Tafeln  eine  ziemlich 
ausgesprochen  bilateral  symmetrische  ist,  so  dass  die  Medianebene  wenig- 
stens die  Haupttafeln  in  zwei  seitliche,  in  übereinstimmender  Weise  zu- 
sammengesetzte Hälften  scheidet.  Dieses  Verhalten  aber  darf  wohl  als 
eine  Annäherung  an  die  Dinophysiden  betrachtet  werden.  Eine  weitere 
recbt  bezeichnende  Annäherung  spricht  sich  aber  bei  Oxytoxum 
(53,  5 — G)  sicher  darin  aus,  dass  die  vordere  Körperhälfte  viel  kleiner 
ist  als  die  hintere,  höchstens  die  halbe  Höhe  der  letzteren  erreicht,  nicht 
selten  aber  nur  ein  kleines  Köpfchen  darstellt.  Wie  schon  frtiher  erwähnt 
wurde,  hatte  Stein,  der  Entdecker  dieser  Formen,  eine  andere  Auf- 
fassung derselben ,  indem  er  die  kleinere  Körperhälfte  für  die 
hintere  nahm.  Da  sich  aber  die  Längsfurclie,  wie  gleich  zu  schildern 
sein  wird,  nur  auf  die  grössere  Hälfte  erstreckt  und  in  ihr  auch  die 
Geisselspalte  liegt,  welche  bei  keiner  anderen  Dinifere  bisher  auf  dem 
Vorderkörper  gefunden  wurde,  so  kann  ich  die  Stein'sche  Ansicht  nicht 
acceptiren.  Lebende  Exemplare  wurden  bis  jetzt  nicht  beobachtet, 
ich  zweifele  jedoch  kaum,  dass  sie  meiner  Ansicht  die  thatsächliche  Be- 
stätigung geben  werden.  Hinsichtlich  der  allgemeinen  Körpergestalt  der 
Oxytoxumarten  ist  zu  bemerken,  dass  sich  darunter  solche  mit  ziemlich 
ovalem  Hinter-  und  etwa  halbkugligem  Vorderkörper  finden ,  bei  den 
meisten  jedoch  eine  ausgesprochene  Neigung  zur  Längsstreckung  und  zur 
Bildung  zugespitzter,  stachelartig  verlängerter  Pole  auftritt.  Die  Ab- 
setzung der  beiden  Körperhälften  von  einander  ist  eine  viel  schärfere  wie 
bei  den  bis  jetzt  besprochenen  Formen,  da  die  Querfurche  sehr  breit 
wird  und  ihr  Vorderrand,  bei  stärkerer  Reduction  des  Vorderkörpers, 
einen  viel  geringereu  Durchmesser  besitzt  wie  der  Hinterrand,  so  dass 
sich  der  Körper  innerhalb  der  Furche  deutlich  keglig  zuspitzt.  Auch 
dieses  Verhalten  erinnert  an  zahlreiche  Dinophysiden. 

Leider  ist  nun  die  Täfelung  der  Hülle  durch  die  Stein'schen  Beob- 
achtungen nicht  so  genau  bekannt  geworden,  wie  dies  gerade  bei  dieser 
interessanten  Gattung  wünschenswerth  wäre.  Festzustehen  scheint,  dass 
sich  der  grössere  Hinterkörper  aus  5  grossen,  den  Postäquatorialplatten 
der  übrigen  Peridiniden  im  Allgemeinen  entsprechenden  Platten  zusammen- 
setzt, zu  welchen  sich  dann  noch  eine  den  hinteren  Pol  oder  Stachel 
bildende  Antapicalplatte  gesellt.  Von  den  5  erstgenannten  Platten  liegt 
eine  ventral  und  enthält  vorn  die  bei  den  sogen.  Pyrgidien  Stein's  (53,  5) 
noch  etwas  längere,  bei  den  eigentlichen  Oxytoxen  dagegen  auf  eine 
kleine  hintere  Ausbiegung  der  Querfurche  beschränkte  Längsfurche  mit 
der  engen,  ovalen  Geisselspalte.  Diese  Ventralplatte  ist  nun  bei  den 
sogen.  Pyrgidien  weniger  entwickelt,  sie  reicht  nämlich  nicht  ganz  bis 
an  die  Antapicalplatte  und  ist  gleichzeitig  etwas  asymmetrisch.  Dadurch 
erlangt  sie  eine  gewisse  Aehnlichkeit  mit  der  früher  geschilderten  hinteren 
Mundplatte  der  Amphidoma  und  des  Gonyaulax  und  dürfte  auch  wohl 
wie  diese  aus  der,  die  ursprünglich  stärker  entwickelte  Längsfurche  über- 


938 


Dinoflagellata. 


ziehenden  Membran  hervorgegangen  sein.  Bei  den  eigentlichen  Oxytoxen 
dagegen  erreicht  sie  die  Länge  und  symmetrische  Beschaffenheit  der 
übrigen  4  Platten,  doch  ist  bemerkenswerth,  dass  auf  den  Abbildungen 
von  Oxytoxiim  sphaeroideum  bei  Stein  überhaupt  nur  4  postäquatoriale 
Platten  erscheinen.  Die  4  weiteren  Platten  ordnen  sich  nun  so,  dass 
zwei  die  dorsale,  zwei  andere  die  ventrale  Hälfte  einnehmen. 

Auch  der  Vorderkörper  soll  nach  Stein  eine  entsprechende  Zu- 
sammensetzung besitzen,  doch  tritt  dies  weder  auf  seinen  Abbildungen 
hinreichend  deutlich  hervor,  noch  ist  der  Text  in  Betreff  dieser  Verhält- 
nisse sehr  präcis.  Immerhin  halte  ich  es  für  wahrscheinlich,  dass  Stein 
mit  dieser  Angabe  das  Richtige  getroffen  hat. 

Schon  oben  wurde  erwähnt,  dass  die  Geisselspalte  in  der  kurzen 
Längsfurche  liegt.  Stein  zeichnet  sie  als  eine  mehr  oder  weniger  länglich 
ovale  Oeffnung,  die  bei  den  mit  längerer  Furche  ausgerüsteten  sog.  Pyr- 
gidien  dem  Hinterende  der  Furche  nahe  liegt.  In  diesem  Fall  lässt  sich 
auf  den  Abbildungen  z.  Tb.  eine  spaltartige  dunkle  Linie  erkennen, 
welche,  von  der  Oeffnung  entspringend,  in  der  Längsfurche  nach  vorn 
zieht,  wesshalb  ich  es  für  wahrscheinlich  halten  möchte,  dass  wenigstens 
in  diesen  Fällen  die  Geisselspalte  ein  längerer  feiner  Spalt,  ähnlich  wie 
bei  Peridinium  ist,  der  sich  an  seinem  Hinterende  zu  der  geschilderten 
Oeffnung  erweitert.     Eine  Apicalöftnung  scheint  Oxytoxum  zu  fehlen. 

Indem  wir  uns  zu  der  merkwürdigen  Gattung  Ceratocorys  (54,  5) 
wenden,  müssen  wir  leider  nochmals  auf  die  schon  früher  erwähnten 
Zweifel  über  deren  richtige  Orientirung  hinweisen.  Auch  sie  besitzt 
nämlich  zwei  sehr  verschieden  grosse  Körperhälften ,  von  welchen  die 
kleinere  wie  ein  flachgewölbter  Deckel  auf  der  grösseren,  die  etwa  die 
Gestalt  eines  Topfes  hat,  aufsitzt.  Stein  erklärt  nun  die  kleinere  Region 
für  die  hintere;  Gourret  dagegen  orientirt  umgekehrt,  indem  er  Cerato- 
corys direct  den  Dinophysiden  beigesellt.  Die  Annahme  der  Gourret'schen 
Orientirung  hat  gewisse  Schwierigkeiten,  doch  halte  ich  sie  für  nicht 
ganz  unwahrscheinlich,  weil  eben  noch  anderweitige  Analogien  mit  den 
Dinophysiden  vorhanden  sind.  AVir  betrachten  also  die  grosse  topfförmige 
Region  als  den  Hinterkörper   und   seine  Täfelung   erinnert  auffallend  an 


1(X. 


Erklärung  des  Holzschnittes  Fig.  9.  Schema  der  Tafelanordnung  von  Cera- 
tocorys. a.  Hinterhälfte  in  der  Ansicht  von  aussen  auf  den  Antapex,  Ventralseite  unten; 
b.  Vorderhälfte  in  gleicher  Stellung  von  innen. 


Bau  der  Sclialenhüllc  (Cerafocorys,  Amphidiuium).  939 

die  der  Oxytoxeu.  Er  besteht  nämlich  aus  4  grossen  postäqiiatorialen 
Platten,  zwei  rechten  und  zwei  linken  und  einer  schmalen  fünften  Platte, 
die  sich  zwischen  die  beiden  ventralen  grossen  Platten  einlagert  und 
desshalb  wohl  als  hintere  Mundplatte  zu  betrachten  ist  (s.  Holzschn,  9  a). 
Abgeschlossen  wird  das  Hinterende  durch  eine  vierseitige  Antapicalplatte, 
deren  Ecken  mit  den  Trennungslinieu  der  4  grossen  Platten  zusammen- 
fallen. Diese  4  Ecken  sind  nun  in  ansehnlich  lange,  divergirende,  platte 
Hörner  ausgewachsen,  welche  nach  der  Beschreibung  Ötein's  in  ihrer 
ganzen  Länge  von  einem  Centralkanal  durchzogen  werden,  von  welchem 
nach  beiden  Seiten  fiederartig  geordnete  Seitenästchen  ausgehen.  Ein 
ähnliches  plattes  Hörn  entwickelt  sich  aus  dem  ganzen  ventralen  Rand 
der  linken  ventralen  Postäqiiatorialplatte  und  gegenüber  diesem  ein  rücken- 
ständiges aus  dem  dorsalen  Rand  der  linken  dorsalen  Postäquatorialplatte. 

Die  Hülle  des  deckeiförmigen  Vorderkörpers  wird  von  vier  entsprechend 
gelagerten  Platten  gebildet  und  einer  ventralen  sog.  vorderen  Mundplatte, 
die  sich  von  dem  Apex  bis  zur  Querfurche  erstreckt,  und  also  wohl  der  Rauten- 
sammt  den  Apicalplatten  der  Peridinien  entsprechen  dürfte.  Diese  Platte 
nun  trägt  auf  ihrem  Scheitel  eine  Oefifnung,  von  welcher  sich  ventralwärts 
eine  Rinne  bis  zur  Querfurche  nach  hinten  fortsetzt.  Letztere  Oefifnung  deutet 
Stein  als  Geisseispalte  und  dies  veranlasste  ihn  jedenfalls  hauptsächlich, 
die  kleinere  Körperregion  für  die  hintere  zu  erklären.  Es  scheint  mir 
nun  aber  recht  wohl  möglich,  dass  diese  Oefifnung  der  Apicalöffnung  der 
Peridinien  entspreche,  da  sich  diese  bei  Peridinium  zuweilen  in  eine 
deutliche,  ventral  eine  kleine  Strecke  herablaufende  Spalte  fortsetzt.  Wo 
aber  bei  dieser  Deutung  die  eigentliche  Geisseispalte  sei,  lässt  sich  zur 
Zeit  nicht  sicher  sagen,  doch  beschreibt  Stein  eine  Läugsrinne  auf  der 
hinteren  Mundplatte,  welche  vielleicht  auf  den  Geisselspalt  bezogen  wer- 
den kann. 

Als  eine  auffallend  an  die  Dinophysiden  erinnernde  Eigenthümlichkeit 
der  Ceratocorys  ist  endlich  noch  hervorzuheben,  dass  die  Randleisten  der 
Querfurche  in  ungemein  entwickelte  Säume  ausgewachsen  sind,  welche 
nahezu  die  Hälfte  der  Körperbreite  an  Höhe  erreichen. 

Wir  müssen  unsere  Aufmerksamkeit  nun  der  Familie  der  Dino- 
physiden zuwenden  und  werden  finden,  dass  die  Morphologie  derselben 
recht  übereinstimmend  ist,  so  dass  wir  die  Schilderung  kurz  fassen  können. 

Den  wichtigsten  Character  der  Familie  bildet,  wie  schon  gelegentlich 
erwähnt  wurde,  die  grosse  Verschiedenheit  der  beiden  Körperregionen, 
indem  die  Querfurche  dem  Vorderende  sehr  nahe  gerückt  ist  und  weiter 
das  Verhalten  der  Schalenhülle,  welche  höchstens  einer  einzigen  Gattung 
fehlt.  Die  Eigenthümlichkeit  der  im  Allgemeinen  bilateralen  Hülle  besteht 
darin,  dass  sie  eine  durchgehende  Trennungslinie  in  der  Medianebene 
besitzt,  ähnlich  wie  die  der  Prorocentriuen,  also  leicht  in  zwei  seit- 
liche Klappen  zerfällt.  Bei  fast  allen  bekannten  Dinophysiden  tiber- 
trifft der  Längsdurchmesser  den  queren,  so  dass  ihre  Gestalt  vom 
nahezu    kugligen     oder     ellipsoidischen     bis    zum     langgestreckt    nadel- 


940  Üiuoflagellata. 

förmigeü  schwankt.  Die  Qiierfiirche  ist  stets  wohl  entwickelt  und  zeigt 
eine  Neigung  zu  mächtiger  Erhebung  der  sie  begrenzenden  Leisten.  Ihre 
beiden  Enden  stossen  ventral  stets  aufeinander,  sie  ist  also  ringförmig 
geschlossen.  Dagegen  tritt  nun  die  Längsfurche  gewöhnlich  stark 
zurück  und  scheint  sich  nur  selten  etwas  über  die  vordere  Hälfte 
des  Hioterkörpers  nach  hinten  zu  erstrecken;  auf  den  Vorderkörper 
dehnt  sie  sich  überhaupt  nur  ganz  selten  aus. 

Wie  bemerkt,  kennt  man  nur  eine  wahrscheinlich  hierhergehörige 
Form,  der  eine  Hülle  möglicherweise  abgeht,  Amphidinium  nämlich 
(54,  6 — 7),   doch   liegen  über  dieselbe   recht  verschiedene  Angaben  vor. 

Während  ihre  Entdecker,  Claparede  und  Lachmann,  eine  Hülle  erwähnen  und  auch 
Stein  eine  zarte  Hülle  beschreibt,  erklärt  Spengel  (35)  sie  für  nackt  und  möchte  sie  d ess- 
halb mit  Bergh  den  Gymnodiniden  zurechnen.  Letztere  Ansicht  scheint  mir  unhaltbar,  auch 
wenn  eine  Hülle  wirklich  fehlt.  Klebs  (44)  und  Pouch  et  (48),  welche  das  Amphidinium 
in  jüngster  Zeit  gleichfalls  untersuchten,  sprechen  sich  nicht  näher  über  diese  Frage  aus;  auf 
ihren  Abbildungen  ist  von  einer  Hülle  übrigens  nichts  zu  sehen. 

Der  Vorderkörper  unserer  Gattung  ist  namentlich  bei  dem  gewöhn- 
lichen Amphid.  operculatum  nur  ein  kleiner,  knopfförmiger  und  etwas  schief 
abgestutzter  Anhang  und  der  grosse  Hinterkörper  bei  dieser  Art  in  dorso- 
ventraler  Richtung  stark  abgeplattet,  lieber  die  ganze  Bauchseite  des 
Hinterkörpers  zieht  die  Längsfurche,  welche  sich  nach  Stein's  Dar- 
stellung vorn  bedeutend  verbreitert  und  mit  der  Querfurche  zusammen- 
fliesst.  Spengel  gibt  dagegen  an,  dass  beide  Furchen  sich  nicht 
vereinigen.  Nach  Stein's  Darstellung  soll  übrigens  die  Längsfurche 
veränderlich  sein;  die  Membran  reiche  nur  bis  zu  den  Rändern  dieser 
Furche,  wäre  demnach  in  deren  ganzer  Ausdehnung  auf  der  Bauch- 
seite gespalten  und  diese  Ränder  der  Hülle  sollen  sich  nähern  und 
entfernen  können,  die  Furche  also  entweder  verdecken  oder  öffnen. 
Bei  dem  kleineren  Amphidinium  lacustre  Stein's  (54,  7a)  ist  der  Hinter- 
körper nahezu  kuglig  und  kaum  abgeplattet,  .auch  ist  der  Vorderkörper 
hier  relativ  etwas  grösser,  durch  welche  Eigenthümlichkeiten  diese  Form 
den  Peridiniden  viel  ähnlicher  ist  wie  die  ersterwähnte. 

In  letzterer  Hinsicht  reiht  sich  ihr  unter  den  echten  Dinophysiden 
die  gleichfalls  von  Stein  entdeckte  Gattung  Phalacroma  am  nächsten 
an  und  es  scheint  mir  unzweifelhaft,  dass  dieselbe  eine  der  ursprüng- 
lichsten Dinophysiden  ist.  Dies  geht  einmal  daraus  hervor,  dass  die 
Grössendifferenz  zwischen  den  beiden  Körperregionen  bei  einem  Theil 
der  Phalacromen  noch  eine  geringe  ist  (55,  1),  indem  sich  der  Vorder- 
körper derselben  halbkuglig  zu  etwa  der  halben  Länge  des  Hinterkörpers 
erhebt  und  ferner  daraus,  dass  die  Randleisten  der  Querfurche  im  All- 
gemeinen sich  wenig  mehr  erheben  wie  bei  den  Peridiniden.  Dennoch 
macht  sich  auch  schon  in  dieser  Gattung  die  Tendenz  zur  Abflachung 
der  Vorderregion  mehr  und  mehr  geltend,  ja  erreicht  bei  gewissen  Arten 
schon  einen  so  hohen  Grad,  dass  man  eigentlich  kaum  mehr  von  einem 
Vorderkörper  reden  kann  (55,  2).    Der  Hinterkörper  ist  entweder  eiförmig 


Bau  der  Schalenliülle  (Phalacroiiia,  DinopLysis).  941 

oder  läuft  hinten  zugespitzt  aus  und  ist  wie  bei  den  übrigen  Üinopbysideu 
mebr  oder  weniger  comprimirt. 

Eine  gewisse  Ursprünglichkeit  zeigt  die  in  Rede  stehende  Gattung 
auch  dadurch,  dass  sich  wenigstens  bei  Phalacroma  nasutum  die  Längs- 
furche eine  kleine  Strecke  weit  auf  den  Vorderkörper  fortsetzt ;  ich  kann 
nämlich  das  von  Stein  bei  dieser  Art  beschriebene  Stirnfeldchcn  nur  in 
diesem  Sinne  deuten.  Als  Längsfurche  des  hinteren  Körpers  haben  wir 
bei  dieser  wie  bei  den  übrigen  Dinophysiden  den  schmalen  von  der  Quer- 
furche nach  hinten  ziehenden  medianen  Streif  zu  beanspruchen ,  'welcher 
von  den  beiden  eigenthümlichen,  flUgelförmigen  Längsleisten  begrenzt 
wird,  deren  Ausbildung  ein  charakteristisches  Merkmal  aller  eigentlichen 
Dinophysiden  bildet.  Diese  Leisten,  welche  zusammen  die  sog.  „Hand- 
habe'' Claparedes  und  Lachmann's  darstellen ,  sind  jedenfalls  nichts 
anderes,  wie  die  zu  flügeiförmigen  Bildungen  ausgewachsenen  Randleisten 
der  Längsfurche  und  den  sog.  Flügelleisten  homolog,  welche  wir  schon 
bei  gewissen  Peridiniden  (Blepharocysta,  Diplopsalis)  kennen  gelernt  haben. 
Sowohl  bei  Phalacroma  wie  fast  allen  übrigen  Dinophysiden  ist  die  linke 
Leiste  (1)  länger  und  viel  stärker  ausgewachsen  wie  die  rechte  (1').  Beide 
Leisten  setzen  sich  vorn  durch  Umbieguug  direct  in  die  hintere  Randleiste 
der  Querfurche  fort.  Die  rechte  erstreckt  sich  nun  etwa  nur  halb  soweit 
nach  hinten  wie  die  grössere  linke,  die  bei  Phalacroma  etwa  bis  zur 
Körpermitte  oder  etwas  über  dieselbe  nach  hinten  reicht.  Letztere  besitzt 
wohl  in  Verbindung  mit  ihrer  stärkeren  Entwicklung  drei  für  die  meisten 
Dinophysiden  charakteristische  Verdickungsleisten  oder  Rippen,  welche 
in  ziemlich  gleichen  Abständen  die  blattartig  dünne  Membran  der  Leiste 
durchziehen  (r^ — r=^).  Nur  bei  dem  kleinen  Phalacroma  nasutum  scheinen 
diese  Rippen  zu  fehlen.  Die  vordere  (1)  und  hintere  Rippe  (3)  stehen 
ganz  vorn,  resp.  hinten  in  der  Leiste  und  laufen  auf  die  vordere  resp. 
hintere  Ecke  derselben  zu;  die  Mittelrippe  durchzieht  die  Mittelregion 
der  Leiste. 

Die  Geisseispalte  ist  bei  Phalacroma  und  allen  übrigen  Dinophysiden 
eine  unansehnliche,  von  der  Ventralseite  gesehen,  rundliche  Oetfnung  in 
der  Längsfurche  (54,  8c;  gs)  zwischen  den  beiden  Flügelleisten  und 
liegt,  mit  Ausnahme  der  Gattung  Amphisolenia,  zwischen  der  ersten 
und  zweiten  Rippe  der  linken  Flügelleiste.  Sie  wird  vorn  und 
hinten,  sowie  auf  der  linken  Seite  von  dunklen  verdickten  Rändern  um- 
zogen und  setzt  sich  nach  innen,  wie  Stein  zuerst  beobachtete  und  ich 
für  Dinophysis  bestätigen  kann,  in  ein  kurzes  aber  deutliches  Röhrchen 
fort  (55,  3  a;  gs). 

In  ihrer  allgemeinen  Morphologie  schliesst  sich  die  Gattung  Dino- 
physis, welche  der  ganzen  Famihe  den  Namen  gegeben  hat,  recht  nahe 
an  die  eben  besprochene  an  (54,  8;  55,  3  a).  Der  wesentliche  Unterschied 
besteht  darin,  dass  die  Randleisten  der  Querfurche  stärker  entwickelt  sind 
und  in  grösserer  Entfernung  von  einander  entspringen,  indem  die  Quer- 
furche im  Allgemeinen  breiter  ist.     Der  Vorderkörper  ist  stärker  reducirt 


942  Dinoflagellata. 

und  zwar  nicht  nur  au  Höhe,  sondern  auch  an  Durchmesser,  was  sich, 
in  Verbindung  mit  der  Verbreiterung  der  Querfurche  dadurch  ausspricht, 
dass  der  Durchmesser  der  Basis  der  vorderen  Randleiste  der  Querfurche 
bedeutend  kleiner  ist  wie  der  der  hinteren.  Indem  sich  nun  die  vordere 
Randleiste  auch  ziemlich  viel  höher  erhebt  wie  die  hintere,  wächst  sie 
bei  einem  Theil  der  Arten  zu  einem  trichterförmigen  Gebilde  aus,  welches 
wir  mit  Stein  der  leichteren  Orientirung  wegen  wohl  als  den  Kopf  trichter 
bezeichnen  dürfen;  die  hintere  Randleiste  mag  dann  nach  seinem  Vorgang 
Halskfagen  genannt  werden.  Hiermit  sind  denn  auch  die  wesentlichsten 
Eigenthümlichkeiten  der  Gattung  Dinophysis  erschöpft.  Die  Schwankungen 
der  Gestalt  interessiren  uns  hier  weniger;  der  Hinterkörper  erscheint  bald 
mehr  eiförmig  bald  länglicher  gestreckt,  ja  zuweilen  verschmälert  sich 
seine  hintere  Hälfte  sogar  beträchtlich  und  spitzt  sich  zu.  Wichtiger  er- 
scheint, dass  das  Hinterende  bei  einigen  Arten  einen  schwanzartigen 
zugespitzten  Fortsatz  besitzt,  an  dessen  Stelle  bei  Dinophysis  acuta  auch 
mehrere  kürzere  fingerartige  vorhanden  sein  können.  Ich  muss  diese 
Fortsätze  auf  Grund  eigener  flüchtiger  Untersuchung  für  ähnliche  Ge- 
bilde halten  wie  die  Randleisten  der  Längsfurche.  Es  sind  auch  ganz 
platte  längs  der  Zusammensetzungslinie  der  beiden  Klappen  verlaufende 
Leisten;  ich  blieb  aber  unsicher,  ob  sie  nur  von  einer  oder  von  beiden 
Klappen  entspringen.  Bei  Dinophysis  hastata  und  bei  Phalacroma  dory- 
phorum  wird  die  Mitte  des  schwanzartigen  Fortsatzes  auch  von  einer 
Verdickungsrippe  durchzogen ,  wodurch  er  der  linken  Flügelleiste  der 
Längsfurche  noch  ähnlicher  wird.  Bei  Dinophysis  acuta  findet  man  häufig, 
dass  die  ganze  Hülle  von  dem  Ende  der  linken  Randleiste  ab  in  der 
Medianlinie  von  einem  leistenartigen  Kiele  umzogen  wird;  derselbe  ist 
nichts  anderes,  wie  eine  Ausdehnung  der  hinteren  Fortsätze  über  die 
ganze  Zusammensetzuagslinie  der  Hülle.  Eine  solche  Form  mit  völlig 
ausgebildeter  Kielleiste  haben  schon  Claparede  und  Lachmann  als  Varietät 
ihrer  Dinoph.  ventricosa  beschrieben.  Es  finden  sich  auch  Varietäten,  bei 
welchen  diese  Kielleiste  nur  auf  dem  Rücken  entwickelt  ist  und  einen 
mehr  oder  weniger  unregelmässigen  gezackten  oder  welligen  freien  Rand 
besitzt.  Ich  habe  diese  Bildungen  aus  dem  Grunde  etwas  genauer  er- 
örtert, weil  sie  bei  einer  noch  zu  betrachtenden  Gattung  eine  viel  ansehn- 
lichere Entwicklung  erreichen. 

Bevor  wir  die  Gattung  Dinophysis  verlassen ,  müssen  wir  kurz  auf  gewisse  Differenzen, 
zwischen  den  Darstellungen,  die  Bergh  und  Stein  von  dem  Verhalten  der  Flügelleisten  der 
Längsfurche  gaben,  aufmerksam  machen,  da  dieselben  für  die  übrigen  Dinophysiden  jedenfalls 
in  gleicher  Weise  gelten  und  gerade  Bergh  diesem  Apparat  eine  besondere  Bedeutung  für 
die  Vergleichung  der  Dinophysiden  mit  deii  Peridiniden  und  den  Prorocentrinen  beilegt.  Wir 
haben  uns  in  unserer  Schilderung  an  die  Resultate  Stein's  angeschlossen,  da  wir  dieselben 
für  Dinophysis  acuta  im  Allgemeinen  durch  eigene  Untersuchungen  zu  bestätigen  vermögen. 
Danach  verlaufen  also  die  drei  Rippen  in  der  grösseren  linken  Flügelleiste;  die  kürzere 
rechte,  welche  in  ihrem  ganzen  Verlauf  deutlich  von  der  linken  gesondert  ist  (s.  Fig.  8  c 
54  und  3a  55)  enthält  nur  da,  wo  sie  vorn  in  die  Querfurchenleiste  umbiegt,  eine  schwache 
Rippe  (Fig.  3a,  55).  Bergh  ist  nun  der  Ansicht,  dass  die  dritte  Rippe  (r^)  der  linken  Flügel- 
leiste eigentlich  der  rechten  angehöre  und   demnach  von  der  rechten  Klappe  der   Hülle  ent- 


Bau  der  Schalenhülle  (Dinopliysis .  Histioncis).  943 

springe.  Man  sollte  demnach  annehmen,  dass  die  beiden  Fliigelleistcu  etwa  von  der  zweiten 
Kippe  ab  nach  hinten  verwachsen  wären  und  Bergh  bemerkt  auch  mehrfach,  dass  dies  so 
scheine,  versichert  aber  auch  wieder,  dass  die  Leisten  eigentlich  getrennt  seien.  Die  zwei 
vorderen  Kippen  (r*  und  r^)  der  linken  Flügelleiste  gehören  nach  ihm  der  linken  Klappe  an. 
Die  Betrachtung  von  der  Ventralseite  lehrt  nun  (Fig.  8  c,  54),  dass  es  wirklich  so  sclieint,  als 
wenn  die  hintere  (r^)  und  vielleicht  auch  die  mittlere  Rippe  von  der  rechten  Klappe  ent- 
sprängen und  diese  AutTassung  wird  nocli  weiter  dadurch  gestützt,  dass  man  aus- 
eiuand ergefallene  Klappen  findet,  wo  die  beiden  hinteren  Kippen,  sammt  dem  zwischen  ihnen 
gelegenen  Antheil  der  linken  Flügelleiste  in  Verbindung  mit  der  rechten  Klappe  geblieben 
sind  und  nur  der  vordere  Theil  der  Flügclleistc  in  Verbindung  mit  der  linken.  Stein  hat  ein 
solches  Exemplar-  abgebildet  und  ich  beobachtete  dasselbe. 

Die  eigentliche  Geisselspalte  hat  Bergh  nicht  wahrgenommen  und  verlegt  den  Ursprung 
der  Längsgeissel  unrichtigerweise  zwischen  die  zweite  und  dritte  Rippe.  Ich  kann  jedoch 
nicht  umhin  zu  bemerken,  dass  die  Schilderung,  welche  Bergh  von  der  Bildung  der 
Handhabe  gibt,  so  schwer  verständlich  ist,  dass  ich  nicht  weiss ,  ob  ich  sie  ganz  richtig  auf- 
gefasst  habe.  Jedenfalls  bedarf  aber  der  ganze  Apparat  noch  einiger  specieller  Studien  zu 
seiner  völligen  Aufklärung. 

Nahe  verwandt  mit  Dinophysis,  doch  merkwürdig  umgestaltet,  er- 
scheint die  Gattung  Histioneis  Stein  (55,  Fig.  6).  Das  Eigenthümliche 
derselben  besteht  zunächst  in  fast  völliger  Reduction  des  Vorderkörpers, 
d.  h.  des  von  der  Basis  des  Kopftrichters  (vordere  Randleiste  der  Quer- 
furche) umschlossenen  Feldes.  Diese  Basis  des  Kopftrichters  ist  zu  einem 
ganz  kleinen  Kreischen  geworden.  Dabei  hat  sieb  aber  die  Basis  des 
sog.  Halskragens  (der  hinteren  Randleiste  der  Querfurche)  nicht  verengt, 
sondern  ist  ungefähr  an  derselben  Stelle  wie  bei  Dinophysis  geblieben, 
woraus  also  folgt,  dass  die  Querfurche  hier  eine  ungemeine  Breite  er- 
langt. Gleichzeitig  aber  wurde  die  Basis  des  Kopftrichters  excentrisch 
nach  der  Ventralseite  verschoben,  die  Querfurche  ist  also  in  ihrer 
dorsalen  Region  viel  breiter  wie  in  der  ventralen. 

Sowohl  der  Kopftrichter  wie  der  Halskragen  sind  ungemein  ausge- 
wachsen, der  erstere  (vr)  ist  wirklich  zu  einem  hohen,  nach  der  Basis 
sich  eng  verschmälernden  Trichter  geworden,  welcher  an  der  Ventralseite 
wie  bei  Dinophysis  durch  einen  Längsspalt  unterbrochen  ist. 

Der  Halskragen  (hi)  erhebt  sich  bei  erwachsenen  Exemplaren  meist 
nahezu  so  hoch,  wie  der  Trichter  und  ist  seltsamer  Weise  und  als  einziger 
Fall  in  der  Familie,  nicht  nur  an  der  Ventralseite,  sondern  auch  an  der 
Dorsalseite  unterbrochen,  so  dass  er  eigentlich  aus  zwei  seitlichen  Flügeln 
besteht.  Den  freien  Rand  beider  Halskragenflügel  umzieht  eine  Ver- 
dickungsleiste ,  doch  setzt  sich  das  Wachsthum  der  Flügel  bei  einigen 
Formen  noch  über  diese  Verdickungsleiste  hinaus  fort,  wie  später  bei  der 
Besprechung  der  feineren  Bauverhältnisse  der  Hüllen  noch  genauer  zu 
betrachten  sein  wird.  Der  linke  Halskragenfliigel  setzt  sich  direct 
in  die  sehr  stark  entwickelte  linke  Randleiste  (1)  der  Längsfurche 
fort  wie  bei  Dinophysis;  dieselbe  ist  so  ansehnlich  entwickelt,  dass  sie 
bis  an  den  hinteren  Pol  reicht.  Bei  Histioneis  crateriformis  (und  wohl 
auch  biremis)  weist  sie  im  Uebrigen  noch  die  Verhältnisse  von  Dino- 
physis auf,  ist  nämlich  eine  einheitliche  Flügelleiste  mit  den  drei  Ver- 
dickungsrippen,  von  welchen  die  hintere  (r^)  nahe  an   dem   hinteren  Pol 


944  DinoÜagellata. 

entspringt.  Bei  den  übrigen,  mehr  umgestalteten  Arten  des  Geschlechtes 
ist  ein  Zerfall  der  Leiste  im  Bereich  der  Mittelrippe  eingetreten,  so  dass 
sie  in  einen  Vorder-  (1)  und  Hinterflügel  (1^)  gesondert  erscheint.  Das 
Vorderende  des  Vorderflügels  hat  sich  dann  gewöhnlich  von  dem  linken 
Flügel  des  Halskragens  etwas  emancipirt,  oder  ist  wohl  vielmehr  neben  dem- 
selben in  eine  freie  zugespitzte  Verlängerung  ausgewachsen  (s.  Fig.  6  u.  6  a). 
Der  Hinterflügel  (1=')  ist  sehr  stark  nach  hinten  ausgewachsen,  sein  Hinter- 
ende ist  entweder  zugespitzt  oder  im  erwachsenen  Zustande  abgerundet, 
oder  auch  zu  einem  halbkreisförmigen  flosseuartigen  Anhang  verbreitert  (6  a). 

Die  rechte  Randleiste  der  Längsfurche  kommt  dagegen  bei  unserer 
Gattung  überhaupt  nicht  zur  Entwickelung,  an  ihrer  Stelle  findet  sich  nur 
eine  Verdickungsleiste  der  Hülle,  welche  die  Grenze  der  Längsfurche 
bildet. 

Ein  Wort  verdient  noch  die  eigenthümliche  Gestaltung,  welche  der 
Hinterkörper  bei  gewissen  Histioneisarten  erlangt.  Bei  der  ursprüng- 
lichsten halbkuglig  erscheinend,  reducirt  sich  bei  anderen  seine  Längs- 
axe  so  sehr,  dass  er  etwa  kahnförmig  wird;  durch  Bildung  eines 
dorsalen  Auswuchses  kann  die  Gestaltung   noch    eigenthümlicher  werden. 

In  vieler  Hinsicht  schliesst  sich  die  Gattung  Ornithocercus  (55,  7) 
nahe  au  die  eben  beschriebene  an.  Sie  theilt  mit  ihr  die  grosse  Breite 
der  Querfurche  und  die  Excentricität  der  Basis  des  Kopftrichters  (vr), 
doch  ist  derselbe  nicht  so  hochgradig  verengt.  Die  ungemeine  Entwicke- 
lung der  Randleisten  der  Querfurche  finden  wir  auch  hier,  aber  die  dor- 
sale Unterbrechung  des  Halskragens  (hr)  fehlt.  Kolossal  entwickelt 
ist  die  linke  Randleiste  der  Längsfurche,  während  auch  hier  die 
rechte  nicht  zur  Entwickelung  gelangt.  Die  Sonderung  der  grossen 
linken  Randleiste  in  einen  Vorder-  und  Hinterflügel  kommt  auch  Ornitho- 
cercus zu.  Der  Hinterflügel  (1^)  aber  dehnt  sich  noch  weit  über  den  hin- 
teren Pol  auf  die  Dorsalseite  aus,  indem  er  gleichsam  einen  hinteren 
Fortsatz,  wie  er  bei  gewissen  Dinophysisarten  vorkommt,  in  sich  aufnimmt. 
Wir  können  nichtsdestoweniger  in  der  grossen  linken  Randleiste  die  drei 
ursprünglichen  Rippen  (r^ — r^)  unterscheiden,  welche  etwa  die  Stellung 
wie  bei  Histioneis  haben,  dazu  gesellt  sich  noch  eine  vierte  (r^),  etwas 
dorsal  von  dem  hinteren  Pol  entspringende,  welche  wohl  derjenigen  Rippe 
zu  vergleichen  ist,  die  sich  bei  Dinophysis  und  Phalacroma  in  dem  hin- 
teren Fortsatz  zuweilen  entwickelt.  Bei  sehr  mächtiger  Ausbildung  der 
Randleiste,  wie  sie  erwachsene  Exemplare  aufweisen,  treten  aber  zwischen 
diesen  4  ursprünglichen  Rippen  noch  zahlreiche  secundäre  auf  und  die 
Rippen  erlangen  eigenthümliche  Weiterbildungen,  die  wir  später  noch  be- 
trachten werden. 

In  etwas  anderer  Richtung  leitet  sich  von  dinophysisartigen  Formen 
die  Gattung  Citharistes  ab  (55,  Fig.  5).  Halskragen  und  Trichter 
haben  hier  etwa  die  Verhältnisse  mancher  Dinophysisarten.  Der  Hinter- 
körper ist  ungefähr  beuteiförmig  und  in  seltsamer  Weise  auf  der 
vorderen  Region  der  Dorsalseite  mit  einer  sehr  tiefen,  von  der  Seite  be- 


Bau  d.  SclialenhüUe  i^Oruitliocercus,  Citharistcs,  Ainpliisoleiiia);  Polykrikos  (Geissein).   945 

trachtet,  balbkreislürmigen  AushöbluDg  veiselieu,  über  welche  sich  ueben- 
eiuander,  von  vorn  nach  hinten,  zwei  brückeuartige,  aus  Schalensubstanz 
bestehende  Stäbe  herliberleg-en ,  gewissermaassen  Stützen,  welcbe  dem 
durch  die  tiefe  Aushöhlung  in  seiner  Verbindung  mit  dem  Hinterkörper 
sehr  geschwächten  Vorderkörper  mehr  Halt  verleihen. 

Die  linke  Eandleiste  (1)  der  Längsfurche  ist  stark  entwickelt  und 
reicht  bis  fast  an  den  hinteren  Pol.  Ihre  hintere  Hälfte  wird  von 
einigen  Rippen  durchzogen,  welche  sich  nicht  gut  auf  die  drei  der 
übrigen  Dinophysiden  zurückführen  lassen. 

Endlich  restirt  noch  die  liesprechung  der  jedenfalls  zu  den  inter- 
essantesten Dinophysiden  gehörigen  Gattung  Amphisolenia  (55,  Fig.  4). 
Sie  bildet  wegen  der  kolossalen  Längsentwickelung  gewissermaassen 
ein  Gegenstück  zu  Ceratium  Fusus  unter  den  Peridiniden.  Es  liegt 
eine  echte  Dinophyside  vor,  welche  sich  so  stark  verlängert  hat, 
dass  die  Gestalt  langspindelförmig  bis  nadelartig  geworden  ist.  Die  Zu- 
sammensetzung der,  wie  es  scheint,  nicht  sehr  dicken  Schalenhülle  aus 
zwei  Klappen  ist  jedoch  ganz  deutlich,  ebenso  die  beiden  Randleisten 
der  Querfurche,  welche  ungefähr  die  Verhältnisse  von  Dinophysis  zeigen. 
Etwas  abweichend  haben  sich  dagegen  die  Flügelleisten  der  Längsfurche 
entwickelt;  sie  sind  nämlich  beide  gleich  ausgebildet,  vorn  am  höchsten, 
nach  hinten  allmählich  niedriger  werdend  und  hören  an  der  Stelle  auf, 
wo  sich  der  Geisselspalt  (gs)  in  der  ventralen  Mittellinie  tindet  und  die 
ungefähr  spindelförmige  Erweiterung  des  Mittelleibes  beginnt.  Eigen- 
thUmlich  ist  auch  der  hintere  Pol  gebildet,  indem  er  entweder  kuglig 
angeschwollen  (Fig.  4a)  ist,  oder  in  eine  quergestellte  flossenartige, 
mit  drei  Spitzchen  versehene  Verbreiterung  ausläuft. 

Noch  bleibt  eine  der  interessantesten  Formen  der  Dinoflagellaten 
zur  Betrachtung  übrig,  welche  oben,  wegen  ihrer  besonderen  Eigen- 
thümlichkeiten  als  Typus  einer  besonderen  Familie  beansprucht  wurde-, 
nämlich  die  von  mir  zuerst  genauer  geschilderte  Gattung  Polykrikos 
(55,  8  a — b).  Nachdem  wir  in  den  Abiheilungen  der  Rhizopoden  und 
Radiolarien  schon  Bauverhältnisse  kennen  gelernt  haben,  die  in  ge- 
wissem Sinne  als  Segmentirungserscheinungen  einer  einfachen  Zelle  zu 
deuten  waren,  tritt  uns  bei  Polykrikos  die  gleiche  Erscheinung  in 
viel  entschiedenerer  Ausprägung  entgegen.  Wir  dürfen  diese  Gattung 
wohl  von  einer  nackten ,  gymnodiniumartig  gestalteten  Urform  ableiten, 
deren  Körper  beträchtlich  in  die  Länge  gewachsen  ist  und  dabei  eine 
Art  Segmentirung,  d.  h.  die  Wiederholung  gewisser  Organe  in  der  Längs- 
richtung erfahren  hat.  —  Die  allgemeine  Gestalt  ist  demnach  eine  un- 
gefähr tonnenförmige,  im  Querschnitt  massig  abgeplattete,  indem  sich 
über  die  ganze  Bauchseite,  von  dem  bei  der  Bewegung  vorangehenden 
Vorderende  bis  an  das  Hinterende  eine  Längsfurche  verfolgen  lässt;  letzteres 
ist,  wie  zu  erwarten,  die  stark  ausgewachsene  Längsfurche  der  Peridiniden. 
Statt  einer  einfachen  Querfurche  finden  wir  nun  aber  viele,    welche   sich 

Bronn,  Klassen  des  Thierreiclis.    Protozoa.  ßO 


946  Dinoflagellata. 

in  ziemlich  gleichen  Abständen,  wie  die  Reife  einer  Tonne,  um  den  Körper 
herumlegen.  Gewöhnlich  scheint  die  Zahl  dieser  Querfurcben  8  zu  be- 
tragen, wie  es  Bergh  bei  der  von  ihm  beobachteten  Form  stets  fand, 
während  ich  zwar  auch  diese  Zahl  der  Furchen  meist  beobachtete,  jedoch 
zum  Theil  auch  mehr,  wie  ich  mich  sicher  zu  erinnern  glaube,  da  sich 
bei  der  von  mir  studirten  Form  die  Zahl  der  Querfurchen  schon  vor  der 
eigentlichen  Theilung  vermehrte,  so  dass  jeder  der  beiden  Theilsprössliuge 
vor  der  Trennung  schon  seine  8  Querfurchen  besass. 

Die  ventralen  Enden  aller  Querfurcben  fliessen  mit  der  gemeinsamen 
Längsfurche  zusammen  und  jede  Querfurche  verläuft  wie  bei  den  Peri- 
diniden  niedrig  schraubenförmig,  so  dass  ihre  rechten  ventralen  Enden 
die  Längsfurche  ein  wenig  weiter  hinten  erreichen  wie  die  linken.  Es 
kann  nun  wohl  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  auch  die  Quergeissein 
eine  der  Zahl  der  Querfurcben  entsprechende  Vermehrung  erfahren  haben, 
wenigstens  wurde  in  allen  Querfurchen  die  Wellenbewegung  beobachtet, 
welche  in  der  einfachen  Furche  der  Peridiniden  von  der  einzigen  Quer- 
geissel  bewirkt  wird.  Dagegen  scheint  eine  entsprechende  Vermehrung 
der  Längsgeisseln  sicher  nicht  eingetreten  zu  sein.  Bergh  fand  ge- 
wöhnlich nur  eine  Längsgeissel  („selten  zwei"),  welche  eine  kleine 
Strecke  vor  dem  Hinterende  aus  der  Längsfurche  entsprang ;  ich  dagegen 
beobachtete  bei  der  von  mir  gesehenen  Form  noch  eine  zweite  Längs- 
geissel an  dem  hinteren  Pol,  welche  sich  hier  zwischen  vier  niedrigen 
lappigen  Fortsätzen,  zwei  seitlichen  und  zwei  medianen,  die  das  Hinter- 
ende krönten,  erhob. 

5,  Chemische  Natur  und  feinere  Struetur  der  Schaleiihülle. 

Wie  schon  in  der  historischen  Einleitung  bemerkt  wurde,  verdanken 
wir  Warming  die  Entdeckung,  dass  die  Schalenhülle  der  Dinoflagellaten 
aus  einer  Cellulose  ähnlichen  Substanz  bestehe,  während  Carter  (19) 
das  Gleiche  für  die  Cystenhülle  einer  ruhenden  Peridinide  schon  früher 
festgestellt  hatte.  Die  späteren  Beobachter:  Bergh,  Klebs  und  Bütschli 
konnten  dies  im  Allgemeinen  bestätigen,  wenn  auch  die  bekannten  Reac- 
tionen  auf  Cellulose  nicht  bei  allen  Formen,  welche  untersucht  wurden, 
gleich  gut  eintreten.  Am  besten  gelingt  gewöhnlich  die  Reaction  mit 
Jod  und  Schwefelsäure,  wogegen  die  Behandlung  mit  Chlorzinkjod  meist 
keine  Bläuung,  sondern  eine  mehr  oder  weniger  intensive  Violett-  bis 
Rothfärbung  erzeugt,  ja  nach  Klebs  (44)  bei  den  Ceratien  überhaupt  nur 
eine  sehr  schwache  Färbung  hervorruft.  Nach  demselben  Beobachter 
sollen  die  von  ihm  bei  Hemidinium  und  der  als  Glenodinium  (Gymnodinium) 
pulvisculus  beschriebenen  Form  beobachteten  Membranen  von  Chlorzink- 
jod braun,  resp.  gelb  gefärbt  werden,  es  dürfte  daher  wohl  zu  verrauthen 
sein,  dass  dieselben  nicht  eigentlich  in  die  Kategorie  der  Cellulose- 
hüllen  gehören. 

Wie  eine  Cellulosemembran  wird  denn  auch  die  Schalen  hülle  der 
Dinoflagellaten    von    schwächeren    Mineralsäuren     und    Kalilauge    nicht 


I 


Chemische  Natur  der  Hülle;  Structur  derselben.  947 

gelöst,  leicht  dagegen  von  concentrirter  Schwefelsäure.  Doch  versagt 
nach  den  Untersuchungen,  welche  Bergh  hauptsächlich  an  Ceratien  an- 
stellte, auch  das  bekannte  Lösungsmittel  der  Cellulose:  Kupferoxyd- 
ammoniak, und  diese  Abweichung  rechtfertigt  wohl  die  Vermuthung,  dass 
die  Substanz  der  Dinofiagellatenhülle  keine  vollwerthige  Cellulose,  sondern 
eine  irgendwie  modificiite  sei. 

Die  verhältnissmässig  recht  spröde  und  zerbrechliche  Beschaffenheit 
der  dickeren  Hüllen  könnte  leicht  zur  Vermuthung  führen,  dass  sie 
mit  einer  anorganischen  Substanz  imprägnirt  seien;  so  hielt  sie  War- 
nung für  kieselhaltig.  Doch  hatte  sich  schon  Ehrenberg  bei  Ceratium 
Hirundinella  überzeugt,  dass  die  Hülle  verbrennlich  ist,  beim  Glühen 
also  keinen  bemerkbaren  Rückstand  hinterlässt.  Diese  Erfahrung  konnte 
Bergh  speciell  für  die  Ceratien  völlig  bestätigen.  Hiernach  scheint  es 
also  wohl  sicher,  dass  wenigstens  die  Hüllen  der  lebenden  Dinoflagellaten 
nicht  merklich  mit  anorganischer  Substanz  imprägnirt  sind,  zweifelhaft 
bleibt  dies  aber  für  die  früherer  Epochen,  da  bekanntlich  aus  der 
Kreideformation  wohl  conservirte  kieseiige  Hüllen  vorliegen,  deren  gute 
Erhaltung  sich  am  leichtesten  durch  die  Annahme  erklären  Hesse,  dass 
sie  schon  im  Leben  verkieselt  gewesen  seien.  Ich  halte  aber  eine  solche 
Annahme  nicht  für  zwingend,  da  die  Verkieseiung  auch  wohl  secundär 
sein  kann. 

Die  Substanz  der  Schalenhülle  ist  stets  farblos  und  glasartig  durch- 
sichtig; von  einer  feineren  inneren  Structur  der  Masse  wurde  bis  jetzt  nichts 
bekannt,  dieselbe  erscheint  vielmehr  hyalin  und  homogen.  Von  der  feinen 
Membran  des  Hemidinium  zwar  bemerkt  Klebs,  dass  sie  feinkörnig  oder 
feinstreifig  erscheine,  doch  ist  nicht  näher  angegeben,  ob  dieses  Structur- 
verhältniss  wie  bei  den  übrigen  Dinoflagellaten  nur  der  Oberfläche  an- 
gehöre oder  der  Substanz  selbst  zukomme. 

Bei  den  allermeisten  Dinoflagellaten  zeigt  die  Hülle  nun  besondere 
Structurverhältnisse ,  die  im  Allgemeinen  von  zweierlei  Natur  sind. 
Entweder  bestehen  sie  nämlich  in  leistenförmigen  Verdickungen  der  Ober- 
fläche, die  durch  ihre  verschiedene  Zusammengruppirung  die  manuich- 
fachsten  Zeichnungen  hervorrufen  können  oder  in  porenartigen  Durch- 
brechungen. Meist  sind  beide  Structurverhältnisse  an  derselben  Hülle 
vereinigt. 

Soweit  unsere,  in  dieser  Hinsicht  namentlich  von  Stein  und  Klebs 
geförderten  Erfahrungen,  die  ich  bestätigen  kann,  reicheo,  treten  jedoch 
alle  structurirten  Hüllen  ursprünglich  als  dünne  ganz  homogene  Mem- 
branen auf  und  die  Structurverhältnisse  entwickeln  sich  erst  allmählich 
im  Laufe  des  Wachsthums;  doch  scheint  mir  zweifelbaft,  ob  dies  auch 
für  die  Poren  gilt. 

Bei  früherer  Gelegenheit  wurde  jedoch  hervorgehoben ,  dass  es 
gewisse  Formen  gibt,  deren  zarte  Hülle  zeitlebens,  wenigstens  mittels 
optischer  Mittel  keinerlei  Structur  erkennen  lässt  (Glenoidinium) ;  dennoch 

60* 


948  Dinoflagellata. 

scheint  bei  diesen  zAiweilen  schon  die  Andeutung  einer  Structur  vor 
banden  zu  sein ,  da  nach  den  Erfahrungen  von  Klebs  und  Bergh  die 
Hüllen  einiger  Glenodinien  (Warmingii  Bergh  und  obliquum  Pouchet) 
die  Neigung  haben,  in  mehrere  tafelartige  Stücke  zu  zerfalle^,  eine 
Erscheinung,  welche  bei  den  übrigen  Dinoflagellaten  mit  dem  Vor- 
handensein gewisser  Structureigenthüniliehkeiten  verbunden  ist,  wessbalb 
auch  bei  diesen  Glenodinien  ähnliches,  wenn  auch  nicht  deutlich  sichtbar, 
anzunehmen  sein  dürfte. 

Schon  bei  der  Besprechung  der  allgemeinen  Morphologie  der  Schalen- 
hUUe  mussten  wir  bis  zu  einem  gewissen  Grade  auf  die  Structur 
eingehen,  weil  die  für  die  verschiedenen  Formreihen  in  vieler  Hinsicht 
characteristische  Täfelung  der  Hülle,  auf  solchen  Structurverhältnissen 
beruht.  Wie  dort  schon  hervorgehoben  wurde,  sind  es  leistenförraige 
Verdickungen  der  Oberfläche  der  Hülle,  welche  die   Täfelung  bewirken. 

Nach  den  oben  geschilderten  Zerfallerscheinungen  der  Hüllen  gewisser 
Glenodinien  kann  es  scheinen,  als  wenn  die  Verdickungsleisten,  welche 
die  grösseren  Tafeln  oder  Klappen  der  Hülle  begrenzen,  wohl  die  ersten 
Structurverliältnisse  gewesen  seien,  die  an  der  Hülle  zur  Entwickelung 
gelangten.  Ich  glaube  jedoch,  dass  dies  nicht  der  Fall  war,  sondern  dass 
diese  stärkeren  Verdickungsleisten  sich  erst  allmählich  aus  den  feineren 
reticulären  Leistchen  entwickelten,  wie  sie  fast  bei  allen  Formen  als 
weitere  Verzierung  der  Tafeln  vorkommen.  Wir  sahen  schon  früher, 
dass  es  einige  einfache  Peridiniden  gibt  (Clathrocysta),  deren  Hülle  von 
einem  ziemlich  gleichmässigen  Netzwerk  feiner  Leisten  überzogen  wird, 
welche  weitere  oder  engere  polygonale  Feldchen  einschliessen.  Durch 
stärkere  Verdickung  gewisser  in  einer  Flucht  verlaufender  Züge  von 
Leistchen  können  sich  nun  die  Verdickungsleisten  zwischen  den  T;ifeln 
der  Peridinidenhülle  und  ebenso  die  Verdickungsleiste,  welche  die  beiden 
Tafeln  oder  Klappen  der  Dinophysiden  scheidet,  gebildet  haben. 

Dies  lässt  sich  z.  B.  bei  Exemplaren  von  Peridinium  divergens  recht  gut  bemerken,  wo 
die  Verdickungsleisten  zwischen  den  Tafeln  noch  wenig  entwickelt  sind,  doch  muss  ich  be- 
merken, dass  man  auch  nicht  selten  Exemplaren  dieser  Art  begegnet,  an  deren  noch  dünner 
Hülle  nur  die  Verdickungsleisten  letzterer  Art  zu  bemerken  sind,  die  feinere  Netzzeichnung 
dagegen  nicht  oder  doch  nur  äusserst  schwach  hervortritt.  Diesem  Umstände  mag  jedoch  für 
unsere  Auffassung  vielleicht  weniger  Gewicht  beigelegt  werden,  denn  es  scheint  sicher,  dass 
bei  dieser  Form  überhaupt  bedeutende  Abweichungen  in  der  Schalenstructur  vorkommen, 
wenigstens  beobachtete  ich  auch  grosse  Individuen  mit  dicker  Hülle,  an  welcher  keine  Spur 
der  Täfelung  und  der  gewöhnlichen  Netzzeichnung  zu  erkennen  war. 

Aus  dem  eben  Bemerkten  geht  hervor,  dass  die  Tafeln  der  Hülle 
gewöhnlich  noch  eine  feinere  Areolirung  aufweisen.  Die  beiden  Klappen 
der  Dinophysiden  scheinen  fast  stets  eine  solche  Structur  zu  besitzen, 
doch  ist  sie  auf  den  Abbildungen  Stein's  zuweilen  nicht  richtig  wieder- 
gegeben, da  er  namentlich  bei  den  eigentlichen  Dinophysisarten  statt  der 
polygonalen  Areolen  häufig  zu  weit  auseinander  gezeichnete  Kreischen 
angibt.  Ebenso  rauss  ich  auch  die  bei  Citharistes  und  Histioneis  auf 
den    Abbildungen   dargestellte  Structur   beurtheilen,   wogegen    bei    Orni- 


I 


Structur  der  Hullc  (Leistenverzierung).  949 

thocercus  die  Leistchen  wircklich  so  verbreitert  zu  sein  scheinen,  dass 
die  Areolen  weiter  auseinandergerückt  sind.  Nur  bei  Amphisolenia 
scheint  die  Netzzeichnung  nach  den  Abbildungen  Stein's  zu  fehlen  oder, 
wie  ich  vermuthen  möchte,  sehr  wenig  entwickelt  zu  sein. 

Auch  bei  einer  Reihe  Peridiniden  findet  sich  die  Areolirung  der 
Hülle  auf  Stein's  Zeichnungen  nicht,  doch  möchte  ich  für  die  meisten 
derselben  gleichfalls  vermuthen,  dass  sie  Stein  wegen  ihrer  Feinheit  nur 
übersah.  Namentlich  halte  ich  dies  für  die  Gattungen  Blepharocysta, 
Podolampas  und  Diplopsalis,  wo  Stein  von  eigentlicher  Netzstructur  nichts 
angibt,  für  wahrscheinlich,  da  ßergh  wenigstens  bei  der  letztgenannten 
eine  sehr  feine  Netzzeichnung  auffinden  konnte.  Bei  der  eigenthümlichen 
Gattung  Ptychodiscus  scheint  die  Hülle  nach  Stein's  Zeichnungen  glatt 
aber  porös  zu  sein,  ähnlich  wie  es  bei  den  Prorocentrinen  wohl  allgemein 
ist.  Eine  etwas  stärkere  Entwickelung  der  Poren  würde  aber  auch  hier 
eine  Netzstructur  ähnlich  der  der  Dinophysiden  hervorrufen,  wo  sich  im 
Grunde  jeder  Areole  ein  Porus  findet.  Auch  bei  Pyrophacus  wird  nur 
eine  feine,  wohl  auf  Poren  zu  beziehende  Punctirung  der  Oberfläche 
angegeben. 

Durch  stärkeres  Hervortreten  gewisser  Leisten züge  der  Tafeln  bilden 
sich  bei  einigen  Peridiniden  auch  secundäre  Längsleisten  aus,  so  bei 
Gonyaulax  polygramma  und  verschiedenen  Oxytoxumformen,  bei  welchen 
die  Areolen  überhaupt  eine  Neigung  haben,  sich  zu  Längszügen  auf  den 
Tafeln  zu  ordnen.  Am  schönsten  zeigt  dies  das  sog.  Pyrgidium  tesse- 
latum  Stein's,  dessen  Tafeln  je  mit  mehreren  Längszügen  grosser  recht- 
eckiger Areolen  verziert  sind. 

Mit  der  Areolirung  verbindet  sich  bei  gewissen  Peridiniden,  seltener 
bei  Dinophysiden  (Citharistes),  eine  borstige  Bestachelung  der  Oberfläche, 
indem  die  Knotenpuncte  der  Netzleistchen  in  kurze  Stacheln  oder  Borsten 
auswachsen.  Am  deutlichsten  ist  dies  bei  einigen  Peridinium-  (divei-gens, 
bipes  und  tabulatum)  und  Ceratiumarten  (Hirundinella  und  macroceros), 
doch  findet  sich  ähnliches  auch  schon  bei  Clathrocysta  und  Gonyaulax- 
formen.  Bei  Citharistes  sind  gewöhnlich  nur  die  Ränder  des  Rücken- 
ausschnitts in  solcher  Weise  bestachelt. 

Etwas  abgeändert  erscheint  die  feinere  Schalenstructur  bei  den 
meisten  marinen  Ceratien,  indem  die  Leistcheu  nur  selten  regelmässig 
polygonal  geordnet  sind  (Varietät  von  Cer.  Tripos),  gewöhnlich  einen 
mehr  welligen  Längsver-lauf  nehmen,  wobei  sie  wenig  oder  reichlich 
untereinander  anastonrosisen ,  in  letzterem  Fall  also  eine  unregelmässige 
Netzzeichnung  hervorrufend. 

Eigenthümliche,  besondere  Structurverhältnisse  treten  gewöhnlich  bei 
fortgesetztem  Wachsthum  der  getäfelten  Hüllen  an  den  Grenzen  der 
Tafeln  auf,  indem  sich  hier  die  sog.  Intercalarzonen  oder  -streifen 
Stein's  bilden. 

Leider  ist  zur  Zeit  die  Natur  und  Bildungsgescbichte  dieser  Streifen 
noch  wenig  aufgeklärt  und  was  ich  nachstehend  über  dieselben  bemerke. 


950  Diuoflag-ellata. 

gründet  sich  auf  einige  selbststäudige  Beobachtungen,  hat  aber  zunächst 
einen  mehr  hypothetischen  Character. 

Die  Entstehung  dieser,  je  nach  dem  Alter  der  Hülle  schmälerer  oder 
breiterer  Streifen  längs  der  Tafelgrenzen  muss  wohl  darauf  zurückgeführt 
werden,  dass  das  Flächenw^Tchsthum  an  den  Tafelrändern,  d.  b. 
eigentlich  innerhalb  der  ursprünglichen  Verdickungsleisten,  die  dabei  in 
zwei  seitliche  Streifen  auseinander  gedrängt  werden,  geschieht.  Ich  nehme 
also  an,  dass  die  Intercalarstreifen  den  Zuwachs  in  der  Fläche  bezeichnen, 
welchen  die  Tafeln  nach  ihrer  Abgrenzung  noch  erfahren  haben.  Diese 
Zuwachsstreifen  sind  daran  kenntlich,  dass  ihre  feinere  Structur  eine 
etwas  andere  ist  wie  die  der  übrigen  Tafelfläche.  Sie  sind  nämlich 
fein  und  dicht  quergestreift,  d.  h.  ihre  Streifung  verläuft  senkrecht 
zu  den  Grenzen  der  Tafeln.  Beobachtungen,  welche  ich  an  den 
Hüllen  von  Gonyaulax  polyedra  und  Peridinium  divergens  über  die  Inter- 
calarstreifen anstellen  konnte,  machen  es  mir  sehr  wahrscheinlich,  dass 
die  feine  Querstreifung  nicht  auf  der  äusseren,  sondern  der  inneren  Fläche 
der  Streifen  ihren  Sitz  hat,  wenigstens  finde  ich  bei  Peridinium,  dass 
die  äussere  Fläche  dieselben  Netzfeldchen  deutlich  aufweist,  wie  die  übrige 
Tafelfläche;  die  aufeinander  stossenden  Feldchen  benachbarter  Tafeln 
zeichnen  sich  nur  dadurch  aus,  dass  sie  ziemlich  regelmässig  senk- 
recht zur  Grenze  der  Tafeln  gerichtet  sind,  ein  Verhalten,  welches  sich 
übrigens  überall  da  zu  finden  scheint,  wo  die  Areolen  an  eine  Ver- 
dickungsleiste  grenzen,  also  z.  B.  auch  an  den  Kandleisten  der  Quer- 
furche. Aus  den  Beobachtungen  Stein's  an  Goniodoma  geht  ferner 
hervor,  dass  die  Intercalarstreifen  nicht  so  dick  sind,  wie  die  eigent- 
liche Tafelfläche,  sondern  sich  auf  der  Innenseite  gegen  den  Grenz- 
rand  allmählich  zuschärfen.  Auch  ich  glaube,  diese  Erfahrung  für  die 
Tafeln  von  Gonyaulax  und  Peridinium  divergens  bestätigen  zu  können. 
Stein  glaubt  nun,  dass  die  Tafeln  sich  mittels  dieser  abgeschrägten  inneren 
Ränder  an  der  zusammenhängenden  Hülle  aneinanderlegen,  was  ich  für 
unmöglich  halte,  da  dann  die  benachbarten  Tafeln  bei  der  flachen  Ab- 
schrägung der  Ränder  unter  ganz  spitzem  Winkel  zusammenstossen 
mttssten,  während  sie  in  Wirklichkeit  einen  recht  stumpfen  Winkel  mit 
einander  bilden;  letzteres  kann  aber  nur  so  zu  Stande  kommen,  dass  sich 
nur  die  eigentlichen  Ränder  der  abgeschrägten  Intercalarstreifen  berühren 
resp.  zusammenhängen,  d.  h.  da  wo  sie  am  dünnsten  sind.  Dies  scheint 
denn  auch  mit  unseren  Vorstellungen  über  das  Dickenwachsthum  der 
Tafeln  am  besten  zu  harmoniren.  Wenn  wir  eine  fortdauernde  Zu- 
nahme der  Tafeldicke  bei  dem  Wachsthum  voraussetzen,  so  ergibt  sich 
als  nothwendige  Folge,  dass  die  Intercalarstreifen,  als  die  neuhinzutretenden 
Randverbreiterungen,  nach  der  Peripherie  dünner  werden  müssen  und 
dass  da,  wo  die  benachbarten  Intercalarstreifen  der  Tafeln  zusammen 
hängen,  die  dünnste  Stelle  sein  muss. 

Hieraus  würde  sich    dann    auch    am  einfachsten    erklären,    warum 
die  Hüllen   mit   stark   entwickelten  Intercalarstreifen  so  leicht  in  einzelne 


Srructur  der  Iliillc  (Iiitercalarstreifea).  951 

Tafeln  zerfallen,  da  dieselben  an  der  Grenze  der  Intercalarstreifen  nur 
durch  sehr  dünne  Schalensubstanz  verbunden  sind.  Es  ist  aber  be- 
kannt, dass  auch  die  Hüllen,  welche  keine  Intercalarstreifen  ausgebildet 
haben,  in  die  durch  die  Verdickungsleisten  umgrenzten  Tafeln  zer- 
lallen können ,  wesshalb  wohl  die  obige  Erklärung  nicht  in  allen 
Fällen  zutrifft.  Auch  die  Randleisten  der  Querfurche  verhalten  sich  in 
dieser  Hinsicht  wie  die  übrigen  Leisten,  wie  denn  auch,  im  Verlaufe 
secundärer  Leistchen  zuweilen  ein  Zerfall  eintreten  kann.  Worauf 
diese  Erscheinung  beruhe,  lässt  sich  zur  Zeit  nicht  wolil  angeben;  da 
jedoch  sicher  scheint,  dass  im  Bereich  der  Leisten  das  Weiterwachsthum 
geschieht,  ja,  wenn  Intercalarstreifen  auftreten,  die  Leisten  gewöhnlich 
in  zwei  Hälften  auseinander  weichen  müssen,  so  weist  dies  alles  auf  eine 
Neigung  derselben  sich  zu  sondern  und  auf  einen  geringeren  Zusammen- 
bang der  Schalensubstanz  längs  der  Verdickungsleisten  hin. 

Einige  Worte  verdient  noch  die  Ausbildung  der  Intercalarstreifen  der 
üinophjsiden,  welche  einstweilen  nur  bei  den  Gattungen  Phalacroma  und 
Dinophysis  von  Stein  beschrieben  wurden.  Von  beiden  Gattungen  sind 
auf  seinen  Zeichnungen  Exemplare  dargestellt,  bei  welchen  massig 
breite  Intercalarstreifen  in  ganz  derselben  Weise  wie  bei  den  Peridiniden 
zwischen  den  Schaleuklappen  ausgebildet  sind,  demnach  als  fein  quer- 
gestreifte Bänder  erscheinen.  Bei  anderen  Individuen  dagegen,  wo 
die  Streifen  viel  breiter  sind,  werden  dieselben  entweder  ganz  glatt,  ohne 
besondere  Structur,  oder  mit  einer  der  übrigen  Hülle  entsprechenden, 
nur  bedeutend  feineren  Areolirung  abgebildet.  Für  letztere  Formen  gibt 
Stein  weiter  an,  dass  die  Nahtränder,  mittels  welcher  die  beiden  Klappen 
zusammengefügt  sind,  von  je  einer  Reihe  feiner,  alternirend  in  einander 
greifender  Zähnchen  dicht  besetzt  seien.  Wie  weit  er  diese  Verbindungs- 
weise der  Schalenklappen  auch  auf  die  übrigen  Dinophysiden  ausdehnt, 
geht  aus  seineu  Mittheilungen  nicht  hinreichend  hervor.  Ich  halte  es  nun 
für  wahrscheinlich,  dass  diese  Zähnchen  auf  die  quergestreiften  Inter- 
calarstreifen zu  beziehen  sind,  welche  er  ja  zuweilen  fand,  dann 
möchte  ich  aber  auch  annehmen,  dass  es  sich  nicht  um  wirkliche  Zähne 
handelt.  Mir  lag  leider  kein  Material  zum  eigenen  Studium  dieser  Ver- 
hältnisse vor. 

Einen  Augenblick  haben  wir  noch  bei  den  Structurverhältnissen 
der  Fortsatzgebilde  verweilen,  welche  sich  an  den  Hüllen  der  Dinoflagel- 
laten  häufig  so  ansehnlich  entwickeln.  Zunächst  wären  in  dieser  Hinsicht 
die  Randleisten  der  Quer  furche  kurz  zu  untersuchen.  Wenn  die- 
selben sich  stärker  entwickeln,  sei  es  bei  den  Peridiniden  oder  den  Dino- 
physiden, so  treten  zu  ihrer  Verstärkung  auch  Verdickungsleistchen 
in  sie  ein  und  strahlen  von  ihrer  Basis  nach  dem  freien  Rand  als 
gestreckter  oder  welliger  verlaufende,  dunklere  Rippen  aus  (52,  3b,  5, 
6;  55).  Sie  sind  bald  dichter,  bald  weiter  gestellt  und  an  den  wenig 
entwickelten  Randleisten  meist  alle  gleich ,  ohne  besondere  Differen- 
zirungen. 


952  Dinoflagellata. 

In  den  so  ansehnlich  ausgewachsenen  Leisten  der  Ceratocorys 
und  vieler  Dinophysiden  entwickeln  sich  die  Rippen  stärker  und 
nehmen  besondere  Verhältnisse  an ;  so  lassen  sich  bei  Ceratocorys 
stärkere  und  dazwischen  feinere  secundäre  Rippen  unterscheiden.  Zwischen 
den  Rippen  der  zum  hohen  Kopftrichter  ausgewachsenen,  vorderen  Rand- 
leiste von  Histioneis  bilden  sich  zuweilen  quere  Verbindungen  aus,  so 
dass  eine  netzige  Structur  entsteht,  ähnlich  der  gewöhnlichen  der  Dino- 
physidenhülle.  Aus  der  Abbildung  einer  Dinophysis  acuta  bei  Stein  geht 
aber  auch  hervor,  dass  unter  Umständen  die  gewöhnliche  Areolirung  der 
Hülle  auf  die  Randleisten  der  Quer-  und  Längsfurche  ohne  Veränderung 
übergehen  kann.  Bei  dem  schönen  und  grossen  Ornithocercus  treten 
an  den  peripherischen  Enden  der  stärkeren  Rippen  des  Kopftrichters 
seitliche  Verzweigungen  auf,  zwischen  denen  Netzbildung  stattfindet,  da- 
zwischen finden  sich  dann  ähnlich  wie  bei  Ceratocorys  noch  zartere  se- 
cundäre  einfache  Rippen  (55,  7). 

i  Aehnliche  Structuren  wie  der  Kopftrichter  zeigt  gewöhnlich  auch 
die  hintere  Randleiste  der  Querfurche  oder  der  Halskragen  der  Dino- 
physiden. Besondere  Eigenthümlichkeiten  weist  derselbe  nur  bei 
Histioneis  auf,  wo  er  in  zwei  seitliche  Flügel  getheilt  ist,  wie  früher 
erwähnt  wurde.  Jeder  dieser  Flügel  wird  längs  seines  freien  Randes 
von  einer  stärkereu  Verdickungsleiste  begrenzt.  V^on  dem  nach  vorn 
gerichteten  Theil  dieser  Leiste  entwickeln  sich  bei  älteren  Individuen 
stachelartige  Auswüchse,  welche  sich  allmählich  verzweigen  und,  indem 
sie  unter  einander  anastomosiren ,  eine  netzige  Verlängerung  jedes 
Halskragenflügels  bilden.  Wahrscheinlich  sind  es  aber  keine  freien 
Stacheln,  die  so  hervorwachsen,  sondern  nur  die  Rippen  einer  zarten 
membranösen  Verlängerung  der  Flügel,  wenigstens  bestehen  die  Fort- 
sätze der  Flügel  im  erwachsenen  Zustand  sicherlich  aus  einer  Membran, 
nicht  aber  aus  einem  durchbrochenen  Netzwerk. 

Endlich  hätten  wir  noch  der  besonderen  Structurverhältnisse  der 
bei  den  Dinophysiden  zum  Theil  so  ansehnlich  entwickelten  linken  Flügel- 
leiste zu  gedenken.  Schon  früher  besprachen  wir  die  drei  oder  mehr 
charakteristischen  Hauptrippen,  welche  als  Stützen  in  diesen  Flügel 
fast  stets  eintreten.  Die  sie  verbindende  zarte  Flügelmembran  scheint 
gewöhnlich  ziemlich  structurlos  zu  sein,  dennoch  lässt  sich  nicht  selten 
erkennen,  dass  auch  sie  die  netzige  Structur  der  eigentlichen  Hülle 
mehr  oder  minder  deutlich  zeigt.  Entweder  ist  diese  Netzstructur 
der  der  Hülle  ganz  ähnlich  oder  es  bilden  sich,  indem  die  Maschen 
rechteckig  werden  und  die  einzelnen  Feldchen  sich  hintereinander  reihen, 
aus  den  aneinander  gereihten  Maschenleistchen  secundäre  Rippen,  welche 
zwischen  den  Hauptrippen  hinziehen  und  unter  einander  durch  recht- 
winklige Anastomosen  verbunden  sind.  Recht  eigenthümlich  entfaltet 
sich  das  Netzwerk  des  Flügels  bei  gewissen  Formen  von  Histioneis  und 
erhellt  besser  aus  der  Abbildung  (55,  6  a)  als  aus  einer  Beschreibung. 


Stiiictiii-  der  ILiillc  (Ivandlcistcii  der  Furclicii ;  l'orosität).  953 

Bei  dem  eigenthiimlichen  Ornithocercus  gehen  auch  die  peripheren 
Enden  der  Hauptrippen  der  Flügelleiste,  ähnlich  wie  des  Kopitrichters 
eine  reichliche  Verästelung  ein,  welche  im  erwachsenen  Zustand  zur  Bil- 
dung maschig  schwammigen  Netzwerkes  am  Ende  der  Rippen  führen 
kann,  das  sich  auch  seitlich  aus  der  Flügelfläche  erhebt  und  den 
Hippenenden  je  wie  ein  länglicher  Kn(»pf  ansitzt. 

Wir  haben  uns  nun  noch  etwas  spezieller  mit  der  Porosität  der 
Hüllen  zu  beschäftigen.  Schon  ältere  Beobachter,  wie  Claparede  und 
Lachmann,  sahen  die  Poren  bei  Ceratiiim,  gaben  aber  keine  Erklärung 
des  Bildes.  Erst  Bergh  erwies  die  Porosität  bei  den  marinen  Ceratium- 
arten.  Unter  den  übrigen,  von  ihm  untersuchten  Formen  konnte  er 
nur  noch  bei  Prorocentrum  die  Poren  constatireu.  Neuere  Forscher, 
wie  Pouchet,  Gourret  und  Ivlebs  zogen  die  Richtigkeit  dieser  Beob- 
achtung in  Zweifel.  Wie  sich  Klebs  eigentlich  zu  der  Frage  stellt, 
scheint  mir  nicht  recht  klar.  Bei  zwei  Formen  (Glenodinium  trochoi- 
deum  und  Exuviaella)  spricht  er  in  seiner  zweiten  Arbeit  (44) 
selbst  von  Poren  der  Hülle;  andererseits  scheint  er  aber  die  Ansicht  zu 
hegen,  dass  die  von  Bergh  beschriebenen  Poren  der  Ceratien  nicht 
eigentlich  solche  seien,  sondern  „gewöhnliche  runde,  zarte  TüpfeP^  Auch 
bei  Glenodinium  obliquum  Pouch,  spricht  er  von  Tüpfeln  der  Membran. 
Die  neueren  Erfahrungen  der  Botaniker  scheinen  nun  aber  dafür 
zu  sprechen,  dass  die  sogenannten  Tüpfel  der  Zellhäute  unter  den 
BegriflF  der  Poren  fallen  und  damit  würde  sich  wohl  die  Meinungs- 
verschiedenheit zwischen  Bergh  und  Klebs  von  selbst  heben.  Pouchet's 
Ansicht  über  die  Poren  ist  so  charakteristisch,  dass  ich  dieselbe  wört- 
lich anführen  will.  Indem  er  die  Deutung  Bergh's  als  übereilt  be- 
zeichnet, sagt  er:  „Der  Eindruck,  welchen  sie  (die  Poren)  auf  das  Auge 
machen,  ist  vielmehr  der  schwacher  Erhebungen  oder  rundlicher,  scharf 
begrenzter  Depressionen."  Soll  diess  nun  heissen,  dass  die  sog.  Poren 
theils  Erhebungen  theils  Depressionen  seien  oder  gar,  dass  sie  auf  Pouchet 
gleichzeitig  den  Eindruck  von  Erhebungen  und  Depressionen  machten? 
Für  Gourret  aber  gelten  die  Poren  der  Ceratien,  welche  er  als  Punctua- 
tionen  beschreibt,  als  „das  Resultat  einer  Verschiedenheit  in  der  Schalen- 
masse'', also  keineswegs  für  Poren.  Leider  finde  ich  bei  Stein  zwar 
gute  Darstellungen  der  Poren  auf  den  Abbildungen,  jedoch  kein  Wort 
über  seine  Ansicht  in  dieser  Streitfrage. 

Ich  glaube  nun,  dass  ein  einigermaassen  geübter  Mikroskopiker  über 
die  Porennatur  der  kleinen  hellen  Kreischen,  welche  in  zahlloser  Menge 
auf  der  Membran  der  marinen  Ceratien  zu  bemerken  sind,  nicht  lange 
im  Zweifel  sein  kann;  zum  Ueberfluss  hat  denn  Bergh  auch  Durchschnitte 
der  Ceratienhülle  gefertigt,  welche  erweisen,  dass  die  Poren  wirklich 
völlige  Durchbrechungen  der  Membran  bilden.  Es  ist  aber  unnöthig, 
sich  diese  Mühe  zu  machen,  denn  das  aufmerksame  Studium  des  optischen 
Durchschnittes  der  Membran  von  Ceratium  Tripos  lehrt  das  Gleiche  in 
überzeugender  "Weise.     Ich  betone   gleichzeitig,  dass  die   Poren,   wie  zu 


954  Dinoflagellata. 

erwarten,  auf  der  Innen-  wie  Aussenfläche  der  Membran  gleich  deutlich 
zu  sehen  sind,  wodurch  Pouchet's  Ansicht  hinfällig  wird.  Bergh  be- 
tont ferner  noch,  dass  namentlich  die  Färbung  der  Membran  mit  Chlor- 
zinkjod oder  Jod  und  Schwefelsäure  beweisende  Bilder  liefere,  indem 
die  Poren  dabei  immer  ungefärbt  bleiben,  demnach  wirkliche  Durch- 
brechungen seien.  Wie  gesagt,  muss  ich  die  Auffassung  Bergh's 
nach  eigenen  Untersuchungen  der  Ceratien  vollinhaltlich  bestätigen. 
Ebenso  sicher  lässt  sich  aber  auch  bei  Dinophysiden  die  Porosität  der 
Membran  nachweisen. 

Eine  andere  Frage  aber  ist,  wie  weit  sich  die  Porosität  in  der  Gruppe 
verbreitet.  Ein  gesichertes  Urtheil  hierüber  ist  augenblicklich  ein  Ding 
der  Unmöglichkeit;  wenn  ich  aber  einerseits  bedenke,  dass  die  jedenfalls 
sehr  primitiven  Prorocentrinen  poröse  Hüllen  besitzen  und  sichere  Bei- 
spiele aus  den  beiden  anderen  beschälten  Familien  vorliegen,  so  neige 
ich  mich  zu  der  Ansicht,  dass  hier  eine  ziemlich  allgemeine  Erscheinung 
der  Dinoflagellatenhülle  vorliegen  wird.  Ich  glaube  denn  auch,  auf  Grund 
der  Stein'schen  Abbildungen  und  eigener  Erfahrungen ,  die  Porosität  der 
Hülle  noch  bei  vielen  Formen  behaupten  zu  müssen,  wo  sie  seither  nicht 
direct  erwiesen  war. 

Für  die  Prorocentrinen  kennen  wir  sie  durch  die  Untersuchungen 
von  Bergh  und  Klebs  und  auch  auf  den  Abbildungen  von  Stein  sind  die 
Poren  deutlich  dargestellt.  Sie  sind  hier  sehr  fein  und  bald  gleichmässig 
und  dicht,  bald  etwas  mehr  zerstreut  und  weniger  dicht  über  die 
gesammte  Hülle  ausgebreitet.  Bei  Prorocentrum  micans  bilden  sich  nicht 
selten  bogige  Querreihen  solcher  Poren  aus,  welche  nur  auf  einem  Theil 
oder  der  gesammten  Oberfläche  der  Schalenklappen  entwickelt  sein  können. 
Am  nächsten  scheinen  sich  die  Verhältnisse  der  Dinophysiden  hier  anzu- 
reihen. Bei  diesen  steht  nämlich  die  Areolirung  der  Schalenoberfläche 
in  inniger  Beziehung  zu  den  Poren;  jedes  vertiefte  Feldchen  der  Ober- 
fläche enthält  auf  seinem  Grunde  einen  Porus,  wovon  ich  mich  bei 
Dinophysis  acuta  auf  das  deutlichste  überzeugte  (55,  3a),  was  aber 
auch  auf  nicht  wenigen  Figuren  grösserer  Dinophysiden  bei  Stein 
deutlich  zu  erkennen  ist,  wenn  er  auch  nicht  angibt,  dass  die  Kreis- 
chen in  der  Mitte  der  Feldchen  Poren  seien.  Ferner  lassen  die  Stein- 
schen  Abbildungen  erkennen,  dass  auch  die  Membran  der  Querfurche 
(Stein's  Gürtelband)  gewöhnlich  zwei  randliche  Porenreihen  besitzt,  was 
mit  der  gewöhnlichen  Zusammensetzung  dieser  Membran  aus  zwei  Reihen 
von  Feldchen  übereinstimmt. 

Zwei  entsprechende  Porenreihen  kehren  aber  auch  an  der  Membran 
der  Querfurche  bei  vielen  Peridiniden  deutlich  wieder,  was  Bergh  zuerst 
für  die  marinen  Ceratien  feststellte  und  wie  es  auch  auf  den  Abbildungen 
Stein's  gut  zu  erkennen  ist.  Stein's  Zeichnungen  lassen  dasselbe 
auch  bei  einer  Anzahl  Peridiniden,  bei  Goniodoma  und  Gonyaulax 
nachweisen;    für  letztere  Gattung  kann  ich   die  Existenz  der  Porenreihen 


Structur  dor  llullcu  (Porosität).  955 

durch  eigene  Untersuchungen  bestätigen.  Wahrscheinlich  wird  sich  aber 
diese  Bildung  bei  genaueren  Untersuchungen  als  noch  verbreiteter  heraus- 
stellen. 

Etwas  abweichend  von  den  Verhältnissen  der  Dinophysiden  ist  die 
Anordnung  der  Poren  auf  der  Hülle  der  Peridiniden.  Wenn,  wie  dies 
bei  Ceratium  Tripos  zuweilen  der  Fall  ist,  eine  grossmaschige  poly- 
gonale Felderung  entwickelt  ist,  unischliesst  jedes  der  Felder  eine 
beträchtliche  Anzahl  von  Poren ;  bei  den  übrigen  marinen  Ceratien 
vertheilen  sich  die  Poren  mehr  oder  weniger  regelmässig ,  dichter 
oder  weniger  dicht,  auf  den  von  den  welligen  Verdickungsleistchen 
erzeugten  unregelmässigen  Feldchen.  Auf  den  Hörnern  nehmen  sie  an 
Zahl  allmählich  ab,  lassen  sich  aber  bis  an  die  Enden  derselben 
verfolgen  (gegen  Gourret  und  Bergb).  Wenn  die  Reticulation  der  Ober- 
fläche eine  sehr  enge  ist  wie  bei  Gonyaulax  polyedra,  die  ich  selbst 
untersuchte,  finden  sich  die  Poren  nicht  mehr  in  den  Feld  eben,  sondern 
an  den  Knotenpunkten  derselben  und  bilden  gewissermaassen  selbst 
kleine  eingeschaltete  Feldchen.  Wahrscheinlich  findet  sich  Aehnliches  bei 
denfeinnetzigen  Arten  der  Gattungen  Peridinium  und  Ceratium  (Hirundinella 
und  macroceros).  Bestimmtes  über  deren  Poren  ist  zwar  bis  jetzt  nicht 
bekannt,  doch  vermuthe  ich,  dass  sie  nur  ihrer  Kleinheit  wegen  tibersehen 
wurden.  Ich  halte  mich  zu  dieser  Vermuthung  um  so  mehr  berechtigt, 
als  Stein  bei  einigen  Peridiniden  (globulus  und  Michaelis)  wie  auch  bei 
der  nahe  verwandten  Diplopsalis  deutliche  Poren  zeichnet;  dasselbe  gilt 
von  den  Gattungen  Blepharocysta  und  Podolampas.  Bei  den  letzterwähnten 
Formen  scheinen  sie  ziemlich  zerstreut  und  meist  nicht  sehr  dicht  zu 
stehen.  In  der  vorderen  Körperhälfte  von  Podolampas  (55,9)  werden 
die  Poren,  nach  Stein's  Abbildungen  zu  urtheilen,  ziemlich  schief  nach 
vorn  die  Schalenwand  durchsetzen,  so  dass  sie  als  dunklere  Striche 
(Röhrchen)  erscheinen.  Sehr  dicht  und  in  ziemlich  regelmässigen  Längs- 
und Querreihen  sind  die  Poren  bei  Goniodoma  (52,  5)  geordnet;  auch 
bei  Ceratocorys  (54,  5)  ordnen  sie  sich  in  dichte  Querreihen,  während 
bei  Amphidoma  und  Oxytoxum  mehr  die  Tendenz  zur  Bildung  von  Längs- 
reihen zu  herrschen  scheint.  Dass  auch  bei  nicht  weiter  structurirten 
Schalen  schon  Poren  entwickelt  sein  können  geht  aus  der  oben  citirten 
Beobachtung  von  Klebs  über  die  Poren  der  Hülle  von  Glenodinium  obli- 
quum  hervor. 

Bemerkung  über  das  Wachsthum  der  Schalenhülle.  Die 
eigenthümlichen  Schalenhüllen  der  Dinoflagellaten  mit  ihren  merkwürdigen 
Leisten  und  Fortsätzen  erwecken  natürlich  das  Verlangen,  über  die  Vor- 
gänge, die  zu  ihrer  Bildung  führen,  etwas  zu  vernehmen.  Leider  ist 
aber  hierüber  bis  jetzt  nichts  Genaueres  bekannt.  Ueber  das  Weiter- 
wachsthum  getäfelter  Hüllen  nach  der  Ausbildung  der  Tafeln  wurde  oben 
schon  das  wenige  Bekannte  hervorgehoben.  Das  Dicken  wachsthum  der 
Hülle  scheint  durch  successive  Ablagerung  neuer  Schalenmasse  zu  ge- 
schehen,  denn  die  Durchschnitte   der   Hülle  von  Ceratium  Tripos  zeigen 


956  Dinoflagdlata. 

eine  deutliche  zarte  Schichtung  (Bergh).  Mancherlei  augenblicklich  nich 
zu  lösende  Schwierigkeiten  treten  aber  auf,  wenn  man  sich  über  das 
Wachsthum  der  Leisten  und  sonstigen  Fortsätze  der  Hüllen  Rechenschaft 
geben  will.  Wie  geschieht  es,  dass  in  der  soliden  Flügelleiste  der  Dino- 
physiden,  welche  ausser  directem  Contact  mit  dem  Köiperplasma  ist, 
nachträglich  netzförmige  Verdickungsleisten  zur  Entwicklung  kommen, 
oder  dass,  wie  es  nach  den  Angaben  von  Stein  sicher  scheint,  der  freie 
Rand  der  ebenso  soliden  hinteren  Randleiste  der  Querfurche  bei  Histioneis 
crateriformis  nachträglich  noch  weiter  wächst? 

Man  wird  versucht,  auf  Grund  solcher  Erscheinungen  an  die  Möglich- 
keit eines  äusseren  Wachsthums  zu  glauben,  ja  man  könnte  daran  denken, 
die  so  verbreitete  Porosität  der  Hüllen  damit  in  Verbindung  zu  bringen. 
Ich  muss  mich  jedoch  begnügen,  auf  diese  Fragen  hingedeutet  zu  haben, 
deren  Lösung  von  einem  eingehenderen  Studium  der  Hüllen  zu  erwarten  ist. 

6.  Specielle  Morphologie  und  Physiologie  der  Geissein, 
sowie  die   Bewegungsvorgänge  der  Dinoflagellaten  überhaupt. 

Wir  haben  schon  aus  der  historischen  Einleitung  erfahren,  dass 
die  Bewegungsorgane  der  Dinoflagellaten  erst  in  neuester  Zeit  richtig 
erkannt  wurden.  Wir  verdanken  die  wichtige  Entdeckung,  dass  in 
der  Querfurche  kein  Cilienkranz,  sondern  eine  eigenthümliehe  Geissei 
vorhanden  ist,  den  Bemühungen  von  Klebs.  Obgleich  die  allmäh- 
lichen Fortschritte  hinsichtlich  dieser  Frage  in  dem  geschichtlichen 
Ueberblick  schon  ziemlich  eingehend  verfolgt  wurden,  dürfte  es  doch 
angezeigt  sein,  noch  etwas  genauer  auf  die  früheren  Vorstellungen  von 
der  Cilienbekleidung  des  Dinoflagellatenkörpers  einzugehen. 

Dass  die  Angaben  über  die  Cilien  der  Querfurche  bei  den  Diniferen  nicht  ganz  gesicherte 
waren,  hätte  man  bei  einer  kritischen  Vergleichung  des  hierüber  von  den  verschiedenen 
Beobachtern  Bemerkten  vielleicht  schon  daraus  entnehmen  können,  dass  dieselben  recht  ver- 
schiedene Angaben  über  die  Stellung  der  Cilien  machten.  Während  Ehrenberg  in  seinen 
früheren  Ahhandlungen  mehrfach  von  einem  doppelten  Wimperkranz  der  Querfurche  sprach, 
berichtet  er  in  seinem  Hauptwerk  nur  im  Allgemeinen  von  dem  Wimperkranz  und  zeichnet 
auf  den  Abbildungen  bald  einen  einfachen,  bald  einen  doppelten.  Im  letzteren  Fall  zieht  der- 
selbe längs  der  beiden  Leisten  der  Querfurche  hin,  im  ersteren  Fall  bald  längs  der  vorderen, 
bald  längs  der  hinteren  und  zuweilen  auch  auf  dem  Grunde  der  Furche.  Dieser,  schon  bei 
Ehrenberg  bemerkbaren  Unsicherheit  begegnen  wir  auch  bei  den  späteren  Beobachtern.  Zwar 
stimmen  dieselben  mit  Ausnahme  von  Bergh  ziemlich  darin  überein,  dass  nur  ein  Wimper- 
kranz existire,  sind  aher  über  dessen  Stellung  uneinig.  Carter  und  Stein  verlegen  denselben 
an  den  vorderen  Band  der  Querfurche  und  auch  Gourret  schliesst  sich  für  die  meisten  Formen 
dieser  Ansicht  an.  Claparede  und  Lachmann  dagegen  fanden  den  Wimperkranz  stets  an  der 
hinteren  Leiste  der  Querfurche.  Pouchet  war  der  Ansicht,  dass  der  einfache  oder  doppelte 
Cilienkranz  im  Grunde  der  Furche  verlaufe,  doch  will  dies  mit  seiner  gleich  zu  erwähnenden 
Vorstellung  von  der  Art  des  Cilienaustritts  aus  der  Schalenhülle  nicht  recht  harmoniren.  Auch 
Bergh  glaubte,  dass  der  einfache  Cilienkranz  bei  Gymnodinium  längs  des  Furchengrundes 
hinziehe ;  wenn  sich  aber  zwei  Säume  fänden ,  wie  bei  den  meisten  Peridiniden ,  so  ent- 
sprängen dieselben  wahrscheinlich  längs  der  beiden  Furchenleisten.  üeber  die  genauere 
Stellung  des  nach  ihm  einfachen  Saumes  bei  den  Dinophysiden  macht  er  keine  Angaben. 


Geissein  (Historisclies).  957 

Während  die  meisten  Beobachter  bis  auf  Klcbs  von  deutlichen,  kurzen  Cilien  der  Quer- 
t'urche  sprachen,  ähnlich  denen  der  Ciliaten  und  dieselben  auch  auf  ihren  Abbildungen  be- 
stimmt wiedergaben ,  entwickelte  Bergh  wenigstens  für  die  Dinifcren ,  eine  etwas  andere  An- 
schauung, wenngleich  er  bei  den  nackten  Formen  derselben  die  einzelnen  Cilien  ebenso  be- 
stimmt zeichnete  wie  die  früheren  Forscher.  Er  glaubte  sich  nämlich  überzeugt  zu  haben, 
dass  nicht  ein  oder  zwei  Kränze  gesonderter  Cilien  ,  sondern  ein  oder  zwei  contractile  Säume 
vorhanden  seien,  deren  freier  Kand  sich  in  regelmässigen  geringen  Abständen  in  mehr  oder 
weniger  lange  Spitzen  erhebe ,  („Cilien  entsprechend",  wie  er  sich  ausdrückt).  Jedenfalls 
hatten  ihn  seine  Beobachtungen  darüber  belehrt,  dass  es  sich  nicht  um  gesonderte  Cilien 
handle,  doch  gelangte  er  noch  nicht  zu  einer  genügenden  Erkenntniss  der  Verhältnisse.  Die 
gleiche  Unsicherheit  verrieth  sich  auch  in  den  Vorstellungen  der  verschiedenen  Beobachter 
über  die  Art,  wie  diese  Cilien  bei  den  beschälten  Formen  mit  dem  Plasma  des  Weichkörpers 
in  Verbindung  ständen.  Stein  und  Gourret  machten  sich  die  Sache  zwar  leicht,  indem  sie 
die  Cilien  einfach  aus  der  Schalensubstanz  ihren  Ursprung  nehmen  Hessen.  Stein  drückt  sich 
so  aus:  .,sie  seien  appendiculäre  Organe  des  Panzers,  könnten  jedoch  darum  immerhin  im 
Weichkörper  wurzeln"  (1878  p.  91).  Auch  die  Längsfurchengeissel  (Ceratium  tetraceros) 
Hess  er  wenigstens  18TS  noch  „in  der  Schalensubstanz  wurzeln." 

Nur  bei  Bergh  und  Pouchet  finden  wir  bestimmte  Aeusserungen  über  den  Zusammenhang 
der  Cilien ,  resp.  der  contract.  Säume ,  mit  dem  Weichkörper.  Ersterer  hat  die  Vorstellung, 
dass  sich  bei  den  Peridiniden  längs  den  Leisten  der  Querfurche  je  eine  feine  Spalte  in  der 
Schalensubstanz  hinziehen  müsse.  Letzterer  hingegen  nahm  an,  dass  die  Querfurche  von 
einem  besonderen  Band  von  Schalensubstanz  ausgekleidet  werde,  welches  nur  an  einigen 
Punkten  mit  den  Leisten  der  Furche  in  Verbindung  stünde,  eine  Autfassung,  welche  also  der 
von  Bergh  recht  ähnlich  ist.  Beide  stimmen  darin  überein,  dass  die  Poren  der  Querfurche 
nicht  für  den  Austritt  der  Cilien  bestimmt  seien,  Pouchet  speciell  desshalb,  weil  er  die  Deutung 
derselben  als  Poren  bestreitet. 

Aus  unserer  früheren  Scliilderung  der  Sclialenhülle  geht  schon  hervor,  dass  wir  das 
Vorhandensein  solcher  Spalten  nicht  zugestehen  können.  Wir  erblicken  überhaupt  in  dem 
Mangel  an  Einrichtungen  zum  Durchtritt  eines  undulirenden  Saumes  einen  weiteren  Beweis 
für  die  Richtigkeit  der  Klebs'schen  Auffassung  der  Querfurchengeissel,  da  sich,  im  Hinblick 
auf  ihre  zuweilen  bandförmige  Gestalt,  die  Möglichkeit,  dass  es  sich  um  einen  abgelösten  un- 
dulirenden Saum  handeln  könne,  noch  discutiren  Hesse. 

Ganz  kurz  sei  hier  nochmals  erwähnt,  dass  Allman  (18)  seiner  Zeit  ein  Peridinium 
beobachtet  haben  woHte,  welches  ein  gleiclimässiges  Wimperkleid  auf  der  ganzen  Oberfläche 
besitze,  dessen  Querfurche  dagegen  keine  Cilien  aufweise.  Ich  habe  schon  bei  früherer  Ge- 
legenheit (46)  bemerkt,  dass  ich  diese  Beobaclitung  unmöglicli  für  begründet  halten  kann  und 
sie  mir  nicht  anders  zu  erklären  vermag,  als  dass  Allman  ein  Peridinium  mit  borstiger  Schalen- 
hulle  beobachtete,  deren  Borsten  er  Cilien  gleich  setzte  —  ein  ähnliches  Verfahren,  wie  es 
Ijekanntlich  Ehrenberg  für  seine  Gattungen  Chaetoglena  und  Chaetophlya  und  Kent  noch  in 
neuester  Zeit  für  die  Gattung  Mallomonas  einschlug. 

Von  der  angeblichen  Cilienbekleidung  der  Prorocentrinen  hat  eigentlich  nur  Bergh  eine 
genauere  DarsteUung  gegeben,  indem  Claparcde  und  Lachmann,  welche  dieselbe  zuerst  ent- 
deckt haben  wollten,  auf  ihren  Abbildungen  nichts  davon  andeuteten.  Die  Cilien  sollten  nach 
Bergh  etwa  das  vordere  Körperviertel  bis  Drittel  in  einer  medianen  Längsreihe  überziehen, 
zwischen  den  beiden  Schalenklaj^pen  hervortretend.  Dass  diese  Beobachtung  nicht  begründet 
ist,  dürfte  aus  den  Ergebnissen  von  Stein,  Cienkowsky  und  Klebs  an  dieser  und  der  verwandten 
Gattung  Exuviaella  wohl  sicher  folgen.  Auch  hier  ist  es  eine  zweite  eigenthümlich  verlaufende 
Geissei,  der  Querfurchengeissel  der  Diniferen  sicher  entsprechend,  die  zu  der  Täuschung  Ver- 
anlassung gab. 

Von  früher  ist  es  uns  bekannt,  dass  die  Geissein  bei  den  beiden 
Uiiterabtheilungen  der  Dinoflagellaten  in  sehr  verschiedener  Weise  inserirt 
sind   und   dass   sie   in   ihrem  Verlauf  und   ihrer  Functioniruug   stets   die 


958  Dinoflagellata. 

charakteristischen  Unterschiede  zeigen,   welche   für  die  Abtheilung  über- 
haupt bezeichnend  sind. 

Die  Längsgeissel  besitzt  stets  den  Bau  einer  einfachen  Geissei, 
ist  daher  ein  bis  an's  Ende  gleich  dicker  Faden,  an  welchem  keine  be- 
sonderen Structurverhältnisse  beobachtet  wurden.  Bei  den  Prorocentrinen 
ist  sie  nach  vorn  gerichtet,  bei  den  übrig-en  Dinoflagellaten  bekanntlich 
nach  hinten,  indem  sie  durch  die  Längsfurche  hinzieht  und  über  das 
Hinterende  frei  hervorragt,  wenn  sie  die  genügende  Länge  besitzt.  Ihre 
Länge  im  gestreckten  Zustand  erscheint  im  Verhältniss  zur  Körperlänge 
etwas  verschieden.  Bei  den  nicht  sehr  langgestreckten  Formen  schwankt 
sie  etwa  zwischen  der  einfachen  und  doppelten  Körperlänge;  bei  sehr 
langgestreckten,  wie  gewissen  Ceratien,  kann  sie  dagegen  nicht  unbe- 
trächtlich hinter  der  Körperlänge  zurückbleiben. 

Von  verschiedenen  Beobachtern  wurde  berichtet,  dass  sowohl  bei 
Ceratium  tetraceros  (corniitum)  wie  bei  Ceratium  Tripos  zuweilen  zwei 
Längsgeisseln  statt  der  einfachen  zu  finden  seien.  Für  die  erstge- 
nannte Form  bemerkten  dies  schon  Claparede  und  Lachmann,  welche 
sich  auf  das  Zeugniss  von  Lieberkühn  beriefen.  Auf  den  prächtigen 
Originalabbildungen  des  letzteren  Forschers,  die  mir  durch  seine  Güte 
zugänglich  waren,  ist  die  zweite  Geissei  denn  auch  deutlich  wiedergegeben. 
Für  Cer.  Tripos  machte  zuerst  Bergh  auf  eine  gelegentliche  Verdoppelung 
der  Längsgeissel  aufmerksam. 

Man  könnte  nun  diese  Beobachtungen ,  welche  aus  einer  Zeit  stammen ,  wo  die  Geissei 
der  Querfurche  noch  unbekannt  war,  wohl  mit  Klebs  für  zweifelliaft  halten,  da  die  zweite 
Geissei  eventuell  die  Quergeissel  gewesen  sein  könnte,  welche  speciel!  bei  den  Geratien  zu- 
weilen aus  der  Querfurche  hervorzutreten  scheint.  Da  nun  aber  Butschli  (46)  bei  Cer.  Tripos 
gelegentlich  neben  der  Quergeissel  zwei  deutliche  Längsgeisseln  auffand,  so  scheint  die  Angabe 
der  früheren  Beobachter  doch  gerechtfertigt. 

Die  Quergeissel  scheint  bei  einem  Theil  der  Formen  den  Bau 
einer  einfachen  Geissei  zu  besitzen,  vielleicht  ist  dieses  Verhalten  sogar 
das  gewöhnliche.  In  einigen  Fällen  aber  wurde  constatirt,  dass  ihr  Bau 
von  dem  gewöhnlicher  Geissein  beträchtlich  abweicht.  Zunächst  war  es 
Klebs  (36),  welcher  darauf  aufmerksam  machte,  dass  die  Geissei  bei  Peri- 
dinium  tabulatum  nicht  ein  einfacher  cylindrischer  Faden,  sondern  „ein 
schraubig  gewundenes  Band  sei,  welches  gegen  das  Ende  sich  fadenartig 
verschmälere^'.  Auch  für  Ceratium  cornutum  glaubt  er  ein  ähnliches  Ver- 
halten festgestellt  zu  haben.  Dann  konnte  Butschli  (46)  die  bandförmige 
Beschaffenheit  der  Geissei  beiPeridinium  divergens  beobachten.  Schrauben- 
förmig gewunden  erschien  zwar  das  gar  nicht  so  schmale  Geisseiband 
hier  nicht  (52,  9  a;  fg),  vielmehr  war  es  selbst  eigentlich  nicht  gewunden, 
sondern  nur  sein  einer  Rand  in  viele  schlingenförmige  Biegungen  gelegt. 
Auch  Daday  (45a)  hat  jüngst  bei  Amphidinium  operculatum  die  Quer- 
geissel beobachtet,  über  die  er  berichtet,  „dass  sie  spiralig  gewunden 
sei  und  einen  undulireuden  Saum  besitze,  dessen  Schwingungen  die  ver- 
meintlichen  Cilien    vortäuschen";    auch   scheint    Spengel   nach    der  Mit- 


Specielle  Morphologie  der  Geisselii.  959 

tbeilung  von  Bergb  die  bandförmige  Bescbaftenbeit  der  Quergeissel  bei 
derselben  Art  scbon  beobacbtet  zu  baben.  Jedenfalls  geht  aus  diesen  Be- 
merkungen hervor,  dass  die  Quergeissel  zuweilen  eine  Bandform  hat; 
leider  lässt  sich  aber  zur  Zeit  gar  nicht  absehen,  welche  Verbreitung 
dieses  Verhalten  unter  den  DinoÜagellaten  besitzt.  Bütscbli  vermochte 
bei  Peridinium  divergens  gleichzeitig  noch  zu  beobachten,  dass  das  Plasma 
des  Geisseibandes  eine  fein-netxförmige  Structur  zeigt. 

Der  Verlauf  der  Quergeissel  wird  bei  den  Diniferen  im  Allgemeinen 
durch  den  der  Querfurche  gegeben.  Entsprechend  ihrem  gewöhnlichen 
Ursprünge  an  dem  linken  ventralen  Ende  der  Querfurche,  zieht  sie  von 
hier  über  die  linke  Seite  auf  den  Rücken  und  kehrt  über  die  rechte  wieder 
auf  die  Ventralfläche  zurück,  um  sich,  wie  es  scheint,  gewöhnlich  bis  zu 
dem  rechten  Ende  der  Querfurche  zu  begeben. 

Ob  letzteres  stets  der  Fall  ist,  erscheint  zur  Zeit  noch  etwas  unsicher;  da  jedocli  die 
früheren  Beobachter  die  Cilienbekleidung  stets  in  der  ganzen  Furclie  zeichnen,  also  die 
Geisseibewegung  in  der  Gesammtausdelmung  derselben  gesehen  haben,  so  spricht  vieles  dafür, 
dass  ein  völliger  Umlauf  der  Quergeissel  Ecgel  ist. 

Bei  den  furchenlosen  Prorocentrinen  nimmt  die  Quergeissel,  so- 
weit dies  bis  jetzt  bekannt  ist,  nichtsdestoweniger  einen  nahezu  queren 
Verlauf  zur  Körperaxe,  umzieht  aber  den  Körper  selbst  nicht,  sondern 
den  basalen  Theil  der  nach  vorn  gerichteten  Längsgeissel.  Bei  Exu- 
viaella  wenigstens  ist  dieser  Umlauf  der  Quergeissel  nach  der  Dar- 
stellung von  Klebs  (44)  recht  kenntlich.  Bei  Prorocentrum ,  wo  diese 
Geissei  allein  von  Stein  bis  jetzt  beobachtet  wurde,  scheint  sich  ihr  Ende 
längs  der  Rückseite  nach  hinten  zu  erstrecken,  was  auch  in  gewissem 
Sinne  mit  der  Angabe  Bergh's  übereinstimmt:  dass  die  Cilien  auf  der 
Rückseite  (nach  Bergh  Bauchseite)  weiter  nach  hinten  reichten  wie  auf 
der  Bauchseite. 

In  morphologischer  Hinsicht  wäre  es  von  besonderem  Interesse,  die 
Art  des  Umlaufes  der  Quergeissel  um  die  Basis  der  Längsgeissel  bei  den 
Prorocentrinen  zu  kennen,  da  daraus  wohl  für  die  Orientirung  derselben, 
im  Vergleich  mit  den  Diniferen,  Wichtiges  zu  folgern  wäre. 

Bewegungsverhältnisse  der  Geissein.  Das  Wenige,  was 
wir  hierüber  kennen,  beschränkt  sich  hauptsächlich  auf  die  Verschieden- 
heit der  Bewegungen  der  beiden  Geisseiarten.  Die  Längsgeissel  scheint 
bezüglich  ihrer  Bewegungen  in  mancher  Hinsicht  an  die  Schleppgeissel 
der  Heteromastigoden  zu  erinnern  und  spielt  auch  bei  den  Bewegungen 
der  Dinoflagellaten  wahrscheinlich  eine  ähnliche  Rolle  wie  letztere  bei 
der  genannten  Flagellatenabtheilung.  Zunächst  scheint  die  Geissei  auch 
bei  den  sich  bewegenden  Wesen  nicht  selten  im  gestreckten  Zustande 
getragen  zu  werden  (Joseph,  Bütscbli)  oder  doch  nur  recht  schwache 
Bewegungen  auszuführen.  Sie  besitzt  weiter,  wie  dies  wenigstens  für  die 
Ceratien  festgestellt  wurde,  energisches  Contractionsvermögen ,  indem  sie 
sich  plötzlich   verkürzen   und   schraubig  zusammenziehen  kann.     Schon 


960  Dinoflagcllata. 

Claparede  und  Lachmann  machten  auf  diese  Erscheinung  aufmerksam 
und  fanden  auch  schon,  dass  die  Geissei  der  Ceratien  bei  der  Con- 
traction  völlig  in  den  Geisselspalt  zurückgezogen  werden  kann,  ßergh, 
Pouchet,  Gourret  und  Klebs  bestätigten  dies,  nur  scheint  Gourret  seltsamer 
Weise  zu  glauben,  dass  die  Geissei  bei  der  Contraction  völlig  eingezogen 
werde,  da  er  sie  dann  nicht  mehr  aufzufinden  vermochte. 

Speciell  für  die  Ceratien  wird  jedoch  auch  von  energischen  schwin- 
genden Bewegungen  der  Längsgeissel  berichtet,  während  wir  von  den 
übrigen  Formen  kaum  etwas  sicheres  hierüber  erfahren  haben.  Obgleich 
die  Beobachter  nicht  besonders  dabei  verweilen,  scheint  es  mir  doch 
zweifellos  zu  sein,  dass  die  Längsgeissel  auch  peitschenartige  Bewegungen 
ausführen  kann.  Zuweilen  aber  geräth  sie  in  lebhafte  Vibrationen,  wobei, 
nach  den  Untersuchungen  von  Pouchet  und  Klebs,  der  proximale, 
in  der  Geisseispalte  verlaufende  Theil  in  Kühe  bleiben  soll.  Pouchet  ver- 
gleicht die  lebhaft  vibrirende  Geissei  mit  einem  schwingenden  Eisenstab, 
spricht  jedoch  auch  von  acbterförmigen  Bewegungen  derselben.  Nicht 
unwichtig  scheint  mir  die  Angabe  von  Gourret,  dass  die  bewegte  Geissei 
einen  Kegelmantel  beschreibe.  Jedenfalls  haben  wir  ihre  Bewegungen, 
nach  den  schon  bei  Gelegenheit  der  Flagellaten  mitgetheilten  Erörterungen, 
als  schraubenförmige  zu  betrachten. 

Die  Bewegungen  der  Quergeissel  scheinen  recht  einförmig  zu  sein, 
indem  andauernd  kurze  Wellen  von  ihrer  Basis  nach  dem  Ende  hin- 
ziehen, wodurch  der  Eindruck  einer  Reihe  auf-  und  abschwingender 
Cilien  hervorgerufen  wird,  wie  leicht  begreiflich  ist.  Dass  die  Wellen- 
bewegung stets  von  der  Basis  nach  dem  Ende  der  Geissei  fort- 
schreitet, folgt  namentlich  aus  der  sehr  bestimmten  Angabe  Bergh's,  dass 
die  Bewegung  in  der  Querfurche  immer  von  der  linken  Bauchseite  über 
den  Rücken  nach  der  rechten  Seite  geschehe.  Bei  Amphidinium  oper- 
culatum  sah  Klebs  (44)  die  Wellen  „abwechselnd  schneller  und  langsamer" 
über  die  Geissei  hinlaufen.  Ob  die  Quergeissel  auch  zuweilen  ruht  und 
welche  Form  sie  dann  hat,  scheint  mir  zur  Zeit  noch  etwas  unsicher. 
Klebs  fand  bei  den  von  ihm  gefundenen  Ceratien  gewöhnlich  „voll- 
kommene Ruhe  in  der  Querfurche";  es  ist  jedoch  nicht  ganz  sicher, 
woher  dies  kam. 

Gewöhnlich  scheint  die  Wellenbewegung  über  die  ganze  Geissei 
fortzuschreiten;  Pouchet  gibt  aber  an,  dass  manchmal  in  einem  Theil 
der  Furche  Ruhe  zu  herrschen  scheine,  was  übrigens  auch  darauf  be- 
ruhen kann,  dass  sich  die  Geissei  unter  Umständen  nicht  mehr  durch  die 
ganze  Furche  erstreckt. 

Besondere  Einwirkungen  bewirken  auch  stärkere  Contractionen  der 
Quergeissel  und  können  ein  Hervortreten  derselben  aus  der  Quer- 
furche veranlassen.  So  fand  Klebs,  dass  bei  Amphidinium  neben  der 
Wellenbewegung  auch  eine  schwache  Peitschenbewegung  der  Geissel  zu 
beobachten  war,  indem  sich  dieselbe  bald  enger  an  den  Körper  anlegte, 


Bewegungen  der  (ieisselii  und  Ortsbewcgungun.  9G1 

bald  etwas  weiter  von  deiriselbeii  abstand.  Hervorschleuderung'  der 
Geissei  aus  der  Qiierl'nrclie  wurde  im  lebenden  Zustande  bis  jetzt  nooli 
nicht  sicher  beobachtet,  tritt  Jedoch  bei  der  Abtödtung  der  Diniferen  mit 
verschiedenen  Reagentien  (CliromsHure,  ChrouK  srainmsäure,  Chlorzink-Jod) 
häulig  ein  und  führte  Klebs  zuerst  zur  Entdeckung  der  Geissei.  Dieses 
Hervorschleudern  ist  ohne  Zweifel  auf  eine  letzte  heltige  Contractiou  vor 
dem  Eintritt  des  Todes  zurückzuführen. 

Nach  einigen  Beobachtungen  von  Klebs  an  Cerntiuni  Tripos  scheint 
es  al)er  nicht  unmöglich,  dass  die  Geissei  zuweilen  auch  im  Leben  und, 
wie  Klebs  vermnthet,  unter  ungünstigen  Umständen,  hervorgeschlendert 
wird;  sie  lagert  dann  im  Bauchausschnitt. 

D  i  e  B  e  w  e  g  u  n  g  s  e  r  s  c  h  e  i  u  u  n  g  e  n  der  D  i  n  o  f  I  a  g  e  1 1  a  t  e  n 
reihen  sich,  ihrer  allgemeinen  Erscheinung  nach,  innig  an  die  der 
Fhiü-ellaten  an.  Während  wir  aber  bei  den  letzteren  fast  ausnahmslos 
nur  Vorwärtsbewegung  in  einer  bestimmten,  durch  die  allgemeine  Mor 
phologie  des  KJh-pers  bezeichneten  Richtung  fanden,  sind  nach  den  Mit- 
theilungen der  verschiedenen  Beobachter  zahlreiche  Dinoilagellaten  be- 
fähigt, sich  abwechselnd  mit  dem  vorderen  und  hinteren  Ende  vorwärts- 
zubewegen.  Die  Prorocentrinen  zwar  scheinen  in  dieser  wie  in  anderen 
Hinsichten  noch  mit  den  eigentlichen  Flagellaten  übereinzustimmen,  da 
bei  ihnen  nur  Vorwärtsbewegung  ])ekannt  ist.  Auch  die  Diniferen 
scheinen  gewöhnlich,  oder  doch  hantiger  diese  Bewegungsrichtung  einzu- 
schlagen und  bei  gewissen  Formen,  wie  Glenodinium  cinetum  (Bütschli), 
gewissen  Gymnodinien  (Hergh),  Polykrikos  (Bergh)  und  anderen,  scheint 
dieselbe  ausschliesslich  vorzukommen.  Andere  können  sich  gelegentlich, 
Jedoch  selten ,  auch  rückv^'ärts  bewegen ,  wie  die  Ceratien ;  nur  bei  der 
Gattung  Protoceratium  Bergh  (=  Clatbrocystis  Stein)  gibt  Bergh  ,, ab- 
wechselnde" Bewegung  nach  vorn  und  hinten  an,  es  scheint  also  hier 
keine  der  beiden  Richtungen  bevorzugt  zu  werden.*) 

Wie  bei  den  Flagellaten  und  ähnlich  gebauten  Organismen  ist  die 
Bewegung  fast  immer  mit  Rotation  um  die  Längsaxe  verbunden,  ^'on 
Dijjlopsalis ,  dessen  Bewegungen  nach  Bergh  überhaupt  recht  unregel- 
mässig sein  sollen,  berichtet  letzterer,  dass  gelegentlich  auch  Rotation 
um  eine  Queraxe  statthaben  könne,  lieber  die  Richtung  der  Hotatiou 
ist  fast  nichts  bekannt,  doch  konnte  Bütschli  (4())  bei  Glenodinium  cine- 
tum feststellen,  dass,  anders  wie  bei  den  Flagellaten  gewidmlich,  ein 
häutiger  Wechsel  in  der  Rotationseinrichtung  vorkommt.  Nach  Pouchet 
soll  der  Körper  des  Peridinium  divergens  bei  der  Rotation  einen  Kegel- 
mantel beschreiben,  dessen  Spitze  das  Vorderende  des  Peridinium  bilde, 
und  bei  Dinophysis  acuta  beobachtete  Bergh  gelegentlich  Rotation  um 
einen  ausserhalb  des  Körpers  gelegenen  Punkt,  ein  Verhalten,  wie  es 
bekanntlich  auch  bei  Flagellaten  vorkommt. 


*)  Dasselbe  htTiclitete    Poiulut  (48.  p.  4')  kiirzlicli.  von  einem  lau egesf reckten  marinen 
Gymnodinium. 

Bronn,  Klassen  des  Thier-Rcifh?     Protozna.  Q\ 


962  Diiioflagellata. 

Die  Bewegung  ist  entweder  eine  stetige,  nur  von  kurzen  Ruhepansen 
an  Hindernissen  etc.  unterbrocliene,  oder  eine  nnregelmässigere.  Wie 
erwähnt  soll  sich  nach  Bergh  namentlich  Diplopsalis  durch  solclie  lln- 
regehnässigkeiten  auszeichnen  auch  Glenodinium  Warniingii  sich  ähn- 
lich verhalten.  Bei  einigen  Formen  beobachtete  Beigh  auch  ruckweise 
Bewegungen,  so  bei  Gyranodinium  giacile  und  „kleine"  Bewegungen 
dieser  Art  gelegentlich  auch  bei  Dinophysis  acuta. 

Wenn  auch  die  Vorwärtsbewegung  gewöhnlich  mit  Rotation  verbunden 
ist,  so  scheint  dies  doch  nicht  immer  der  Fall  zu  sein.  Bergh  bemerkt 
für  die  Ceratien,  dass  eine  Rotation  „sehr  oft''  während  der  Bewegung 
vorkomme  und  auch  Pouchet  findet,  dass  man  die  Dinoflagellaten  bald 
rotirend,  l)ald  nicht  rotirend  sich  bewegen  sehe.  Ich  möchte  vermuthen, 
dass  eine  Rotation  dann  fehle,  wenn  die  Bewegungen  auf  einer  Unter- 
lage, nicht  frei  erfolgen. 

Noch  ist  die  Frage  kaum  discutiit  worden,  welchen  Antheil  die 
beiden  verschiedenen  Geissein  an  der  Bewegung  nehmen  und  welche 
verschiedenen  Aufgaben  denselben  wohl  zukommen.  Stein  sprach 
1878  (28)  die  Vermuthung  aus,  dass  nur  die  Längsgeissel  der  Be- 
wegung diene,  die  angeblichen  Wimpern  der  Querfnrche  dagegen  der 
adoralen  Spirale  der  Ciliaten  zu  vergleichen  seien  und  einen  ,,Nahrnngs- 
strom''  dem  Munde,  den  Stein  überall  annimmt,  zuzuführen  hätten.  Wenn 
wir  nun  auch  nicht  in  Abrede  stellen  wollen,  dass  die  Geissein  möglicher- 
weise bei  der  Nahrungsaufnahme  der  wenigen  Formen,  welche  animalisch 
leben,  mitwirken  können,  so  erachte  ich  die  Ansicht  Stein's  doch  für  un- 
begründet. Ich  glaube  im  Gegentheil,  dass  die  Geissei  der  Qnerfurche 
an  der  Bewegung  lebhaft  Antheil  nimmt  und  stimme  hierin  mit  l'ouchet 
überein,  welcher  diese  Anschauung  gegenüber  Bergh  vertheidigen  zu 
müssen  glaubte;  doch  hat  sich  Bergh  nirgends  über  die  vorzugsweise 
Betheiligung  der  einen  oder  der  anderen  Geissei  an  der  Bewegung  aus- 
gesprochen, scheint  vielmehr  die  Ansicht  zu  vertreten,  dass  sie  sich  hierbei 
beide  gleichmässig  bethätigen,  da  er  sie  stets  gemeinsam  unter  der  Auf- 
schrift „Bewegnngsapparat"  beschreibt.  Ich  stütze  mich  bei  meiner  Ver- 
muthung auf  die  Thatsache,  dass  man  die  hintere  Geissei  bei  lebhafter 
Bewegung  nicht  selten  in  Ruhe  findet,  dass  sie  demnach  in  solchen 
Fällen  nicht  die  Bewegung  verursachen  kann.  Ohne  daher  in  Abrede 
zu  stellen,  dass  sie  unter  Umständen  auch  activen  Antheil  au  der  fort- 
schreitenden Bewegung  nehme,  möchte  ich  doch  vermuthen,  dass  sie 
gewöhnlich  mehr  nach  Art  der  Schleppgeissel  der  Heteromastigoden 
wirkt,  also  hauptsächlich  die  Richtung  der  Bewegung  und  ihre  Aende- 
rung  beeinflusst.  Auch  Joseph  bemerkte  schon,  dass  die  Längs- 
geissel seines  Peridinium  stygium  hauptsächlich  als  „Steuer"  zu  dienen 
scheine. 

Wenn  wir,  auf  Grund  der  schon  bei  den  Flagellaten  entwickelten 
theoretischen  Anschauungen  (s.  p.  854—57),  die  Möglichkeit  der  Be- 
wegungen   der   Dinotlagellalcn    mit    Hülfe   der    Querlnrcliengeisscl    unter- 


Ortübewegiiiigen.     Bau  des  Plasmas.  9G3 

siicheu,  so  werden  wir  finden,  dass  diese  wohl  allein  durch  dieselbe  zu 
Stande  kommen  können.  I5ei  \'orhandensein  einer,  wie  es  sich  bei  den 
Dinoflagcllaten  findet,  um  den  KörjiCr  herum  laufenden  und  in  fort 
dauernden  schraubenförmigen  Bewegungen  befindlichen  Geissei,  wird  zu 
der  Vor-  resp.  Iliickwärtsbewegung  nicht  wie  bei  den  Flagellaten  die 
längs  der  Schraubenaxe  gerichtete  Componente  des  Wasserwiderstaudes 
(s,  die  Fig.  auf  j).  857),  sondern  die  senkrecht  dazu  einsetzende  zur  Vor- 
resp.  Riickwärtsbewegung  verwerthet  werden.  Wir  können  uns  mit  Hülfe 
dieser  einen  Geissei  sowohl  die  Vorwärts-  wie  Kückwärtsbcweguugen  er- 
klären und  bei  beiderlei  Bewegungsformen  die  Rotation  in  den  beiden 
verschiedenen  Richtungen,  wenn  wir  die  4  verschiedenen  Fälle  in  Betracht 
ziehen :  dass  die  Geissei  eine  rechts  oder  linksgewundeue  Schraube  bilden 
kann  und  dass  diese  jedesmal  wieder  in  den  beiden  entgegengesetzten 
Richtungen  rotiren  kann. 

Es  wird  später  genauer  zu  betrachten  sein,  dass  auch  die  üi- 
noilagellaten  wie  andere  Mastigophoren  nicht  selten  unter  Verlust  ihrer 
Geissein  in  den  ruhenden  Zustand  übergehen  und  dabei  die  Geissein 
gewöhnlich  abgeworfen  werden.  Hier  sei  nur  auf  eine  Eigenthümlichkeit 
aufmerksam  gemacht,  welche  die  abgestossene  Querfurchengeissel  des 
Glenodinium  cinctum  nach  den  Beobachtungen  Bütschli's  (46)  zeigt. 
Nachdem  ein  solches  Glenodinium  seine  Bewegungen  allmählich  eingestellt 
hat,  rollt  sich  in  der  Gegend  der  Querfurche  plötzlich  eine  Geissei  zu 
einem  korkzieherartigen,  engen  Gewinde  dicht  auf  und  wird ,  indem  sie 
auf  diese  Weise  natürlich  über  den  Rand  des  Wesens  stark  verspringt, 
deutlich  sichtbar.  Kurz  darauf  löst  sie  sich  plötzlich  ab  und  beginnt 
nun  gleich,  oder  erst  nach  einigen  Secunden,  sich  lebhaft  flatternd  umher 
zu  bewegen,  wobei  sie  jedoch  fortdauernd  im  aufgerollten  Zustand 
verweilt.  Nach  etwa  einer  Minute  kommt  sie  dann  zur  Ruhe  und  stirbt 
definitiv  ab.  Wenngleich  nicht  mit  absoluter  Bestimmtheit,  konnte  es 
Bütschli  doch  recht  wahrscheinlich  machen,  dass  diese  Geissei  die  Quer- 
geissel  sei,  indem  er  zuvor  die  Ablösung  der  Läugsgeissel  gelegentlich 
beobachtet  zu  haben  glaubte;  letztere  rollte  sich  hierbei  nicht  auf.  Auch 
Klebs  (44)  berichtet,  dass  die  Quergeissel  der  Dinoflagellaten  sehr  em- 
l)findlich  ist  und  leicht  zu  Grunde  gehe,  ,, indem  knötchenartige  Anschwel- 
lungen entstehen,  die  sich  rasch  vergrössern,  schliesslich  sich  trennen, 
rasch  ver(|Uellend.''     Mir  ist  diese  Schilderung  nicht  ganz  verständlich. 

S.  Der  Bau  des  iibrioeii  >Veiclik(M pers  der  Dinofliigelliiteii. 

A.   All,!;cmeiiies    über   das   Plasma   und   dessen   Diff erenziruiig   in    Keg'ionen 

Auch  das  Plasma  der  Dinoflagellaten  zeigt  die  in  neuerer  Zeit  so 
häufig  beobachtete,  netzige  Structur  (54  8  a),  doch  fehlen  zur  Stunde  bei 
unserer  Gruppe  noch   genauere  Untersuchungen   über   diese  Verhältnisse. 

Die  Differenzirung  einer  deutlichen  peripherischen  Ecto plasma- 
schichte scheint  nach  meiner  Auflassung  höchstens  bei  einigen  nackten 
Formen  vorzukommen.     Bergli  ist  zwar  der  Ansicht,  dass  sich  ein   Fcto- 

61  =i= 


9ß4  Dinoflagellata. 

plasmia    unter   den    Dinoflagellaten    allg-eniein   finde,    bei    den    lluihlillten 

aber  -ganz    structurlos   nnd    homogen   sei.     Zu    dieser  Annahme  gelangte 

er   aber,  wie    es   seheint,   nur   durch   die  irrthümliche  VorsteHung,   dnss 

der   so   häutige    braune    Farbstoff  in    dem    Entoplasma    dift'us    verl)roitet 

sei.     Das,    was    er    bei    den    mit    Chromatophoren    versehenen    Formen 

Ectoplasma   nennt,    ist  nämlich   weiter   nichts   wie   die  äusserste ,    dünne 

Plasmaschichte   des   Körpers,   welche  die  darunter   befindliche  Chromato- 

phorenlage   überzieht    und    die   sich    von  dem  übrigen    Plasma   in  keiner 

Weise  durch  besondere  Eigenthümlichkeiten  unterscheidet,  desshnlb  auch 

nicht  wohl  als  ein  Ectoplasma  betrachtet  werden  kann. 

Ungefähr  dieselben  Ansichten,  nur  etwas  nnldarer,  entwickelt  auch  Gourret.  Er  unter- 
scheidet gleichfalls  ein  gelbes  nnd  körniges  Centralplasma  nnd  ein  hyalines  farbloses  äusseres. 
Audi  spricht  er  gelegentlich  von  einem  zwischen  diesen  Ijeiden  gelegenen  contractilen  Plasma. 
Wie  in  vielen  anderen  Punkten  tritt  eben  auch  hier  die  Schwäche  dieser  Arbeit  hervor,  die 
kaum  über  Eiirenberg  fortgeschritten  ist.  —  Auch  von  dem  feinen  vacuolären  Ectoplasma, 
welches  Blanc  (4."))  bei  dem  C'eratium  Hirundiuella  beobachtet  haben  will,  vermag  ich  auf 
seinen  Abbildungen  nichts  zu  erkennen. 

Etwas  anders  scheinen  die  Verhältnisse  bei  einigen  nackten  Formen 
der  Gattungen  Gymnodinium  und  Polykrikos  zu  liegen.  Bei  diesen 
schildert  Rergh  ein  ziemlich  dickes  farbloses  Ectoplasma,  welches  sich 
namentlich  bei  Gymn.  gracile  (51,  4)  und  Polykrikos  Auricularia  (5.5,  Sa) 
scharf  von  dem  hier  röthlich  gefärbten  Rnfoplasma  unterscheide,  auch 
scheint  er  genügende  Gründe  anzuführen,  um  diese  äussere  Schicht  von 
einer  etwaigen  Hülle  zu  unterscheiden.  Immerhin  scheint  dies  noch 
nicht  absolut  sicher,  da  wir  durch  Klebs  die  gelegentliche  Ahscheidung 
einer  ziemlich  dicken  gallertartigen  Umhüllung  bei  Gymnodininni  fus- 
cum  kennen  gelernt  haben.  Nur  bei  Gymn.  gracile  tritt  übrigens  auf 
den  Abbildungen  Bergh's  die  Grenze  dieses  Ectoplasmas  gegen  das  Ento- 
plasma deutlich  hervor,  bei  Gymn.  spirale,  wo  sie  gleichfalls  angegeben 
wird,  ist  davon  nichts  zu  erkennen.  Bei  letzterer  Form  findet  sich  aber 
eine  andere  Eigentbümlichkeit  dieser  äussersten  Plasmaschichte.  Während 
dieselbe  bei  Gymn.  gracile  eine  unregelmässig  faltige  bis  runzelige  äussere 
Oberfläche  besitzt,  erscheint  sie  bei  der  erstgenannten  Form  deutlich 
längsstreifig,  in  einer  Weise,  welche  an  die  sogen,  Muskel  streifen  des 
Ciliaten-Ectoplasmas  erinnert.  Es  sind  schmälere  körnige  Streifen,  welche 
mit  breiteren  homogenen  abwechseln.  Nach  Bergh  soll  diese  Streifen- 
bildung ihren  Sitz  in  einer  tieferen  Schichte  des  Ectoplasmas  haben,  doch 
lässt  die  Abbildung  davon  nichts  wahrnehmen.  Da  sich  nun  gerade  dieses 
Gymnodinium  durch  ein  recht  entwickeltes  Contractionsvermögen  aus- 
zeichnet, so  erscheint  die  Deutung  Bergh's  wohl  gerechtfertigt:  dennoch 
dürfte  im  Hinblick  auf  die  Cuticiilarstreifungen  der  Flagellaten  noch 
einige  Vorsicht  geboten  sein.  Bei  seinem  Gymnodinium  Archimedis 
erwähnt  schliesslich  Pouchet  eine  Art  von  Integument,  das  granulirt  sei 
nnd  kleine  zerstreute  Bläschen  (Vacuolen?)  aufweise.  Auf  der  Skizze 
zeichnet  er  eine  radiär  gestrichelte  äussere  Schichte,  welche  wohl  dieses 
Integument   vorstellt    (51 ,  9).     Wahrscheinlich   muss   dasselbe    gleichfalls 


DiHereiizirung  in  Ecto-  iiml  Kiituphisuia.     Chrouiatoplioreu.  965 

in    die     Kategorie    der    ectuplci.siiititischcn     Diflcrcnziriuij;cii     gerechnet 
werden.*) 

Wie  eben  bemerkt  wurde,  zeigt  das  Entoplastna,  rcsp.  das  Tlasnia 
üljcrhaiipt,  bei  gewissen  Formen  eine  rötldicbe  Farbe,  erseheint  dann  ge- 
wöhnlieh rosafarbig.  Es  seheint,  dass  eine  solehe  Färbung  nur  bei  ehromatu 
phoreulosen  Formen  oder  Varietäten  vorkommt  und  auch  bei  diesen  nicht 
constant  ist.  Beobachtet  wurde  sie  zuerst  von  Sehmarda  bei  seinem  Gleno- 
dinium  roseolum  (vielleicht  ein  Gymnodinium),  tindet  sich  weiter  bei  einigen 
marinen  Gymnodinien  (gracile  Bergh  und  Archimedis  Pouchet,  zuweilen  auch 
Spirale  nach  Pouchet),  ferner  bei  Polykrikos  von  Bergh  und  Pouchet,  während 
die  von  Bütschli  beschriebene  Polykrikosform  keine  solehe  Färbung  be- 
sass.  Auch  das  Plasma  der  Dii)lopsalis  lenticula  zeigt  einen  rölhlichen 
Ton  und  ebenso  verhält  sich  nach  Bergh  und  Pouchet  meist  auch  Peri- 
dinium  divergens.  Nach  den  Angaben  des  Letzteren  scheint  auch  bei 
den  marinen  Gymnodinien  diese  Färbung  nicht  constant  zu  sein. 

Nach  den  vorliegenden  Angaben  muss  »nan  annehmen,  dass  die  ge- 
schilderte Pigmcntirung  eine  diffuse  ist;  immerhin  bedarf  dies  noch  be- 
stimmterer Feststellung;  auch  fehlt  zur  Zeit  jeder  Anhalt  zur  Beurtheilung 
der  möglichen  physiologischen  Bedeutung  dieser  Erscheinung. 

]i.    Iiihaltskövper   dos   Plasjiias. 

a.  Die  C  hrom  atophoren.  Nicht  nur  hinsichtlich  der  Verbreitung 
dieser  physiologisch  so  wichtigen  Einschlüsse,  sondern  auch  bezüglich  ihrer 
allgemeinen  Bildung  herrscht  eine  recht  grosse  Uebereinstimmung  zwischen 
Flagellaten  und  Dinotiagellaten.  Die  Mehrzahl  der  letzteren  führt  Cbroma- 
tophoren  und  ernährt  sich  daher  im  wesentlichen  in  holophytischer  Weise. 
Ihre  grosse  Verbreitung  ergibt  sich  leicht  daraus,  dass  eigentlich  nur  eine 
Gattung  bekannt  ist,  welcher  die  Chromatophoren  dauernd  zu  fehlen 
scheinen,  Polykrikos  nämlich.  Zwar  soll  auch  Diplopsalis  nach  Bergh  der- 
selben immer  entbehren ;  bei  ihrer  nahen  Verwandtschaft  mit  gefärbten 
Formen,  scheint  mir  aber  wohl  möglich,  dass  noch  eine  gefärbte  Varietät 
derselben  zur  Beobachtung  kommen  mag.  In  verschiedenen  Gattungen 
sind  ferner  einzelne  Arten  chromato[)horenfrei,  so  nach  Bergh  die  marinen 
Gymnodinien  G.  spirale  und  gracile  (bei  letzterer  Art  will  Pouchet  aber 
gelegentlieh  auch  Chromatophoren  beobachtet  haben),  die  8üsswasserform 
G  Vortieella  nach  Stein  und  das  sog.  Glenodinium  pulviseulus  (Ehrb.) 
St.  Auch  bei  je  einer  Art  der  Gattungen  Peridinium  (Protoperidinium 
pellueidum  iiergli  =  Peridinium  tristylum  Stein)  und  Dinophysis  fand 
Bergh  nie  Chromatophoren. 

Wie  bei  den  Flagellaten  bemerkt  man  nicht  selten,  dass  die  in 
der  Kegel  gefärbten  Arten  auch  gelegentlich  farblos  vorkommen.  Bei 
den    marinen    Ceratien    wurde   dies   nicht   selten    beobachtet;    ebenso    bei 

*)  In  suiiicr  neueren  Arbeit  (48;),  p.  Hl)  schildert  fouchet  forner  eine  solche  radiär 
gestrichelte  Ectoplasmaschichte  bei  seinem  Gymnodiniuui  crassum  und  vergleicht  sie  der  sog. 
Myopliauschicht  der  Ciliateu.  Üer  radiär  i'asrige  Bau  entspricht  denn  auch  dem  des  Ecto- 
plasmas  vieler  (Jiliaten,  tindet  sich  jedoch  auch,  wie  tiuher  erwähnt,  schon  bei  gewissen  Flagellaten. 


U6(i  DiiioHagcllata. 

gewissen  Peridinien,  und  das  häufige  Peridiniuni  divergeiis  scheint  sogar 
gewöhnlich  chromatophorenl'rei  zu  sein,  enthält  aber  nach  Pouchet  doch 
zuweilen  solche. 

Recht  mannichtaltig  ist  die  Färbung  der  Chromatophoren;  im  All- 
gemeinen finden  sich  dieselben  Nuancen,  welche  auch  bei  den  Flngcllaten 
schon  verzeichnet  wurden.  Häufiger  sind  die  braunen  Töne,  von  Gelblich- 
braun bis  mehr  oder  weniger  tief  Braun  und  Braungrün.  Es  scheint, 
dass  wenigstens  die  marinen  Formen  ausschliesslich  gelbe  bis  braune 
Farben  aufweisen,  während  bei  den  Süsswasserformen  auch  eine  mehr 
oder  Aveniger  reichliche  Beimischung  von  Grün,  sogar  reines  Grün 
auftreten  kann.  Klebs  wollte  überhaupt  in  Abrede  stellen,  dass  sich 
grüne  Chromatophoren  in  unserer  Gruppe  finden,  dies  lässt  sich  aber 
angesichts  der  bestimmten  Angaben  und  Abbildungen  älterer  und  neuerer 
Forscher  nicht  aufrecht  erhalten.  Ob  zwar  der  Farbstoff  der  Chromato- 
phoren zuweilen  reines  Chlorophyll  ist,  scheint  auch  mir  zweifelhaft; 
es  wird  sich  eben  wohl  immer  um  ein  Gemisch  von  Chloroi)hyll  und 
Diatomin  handeln,  aber  in  sehr  wechselnden  Verhältnissen. 

Bergh  (Entwickelte  die  eigenthiimliche  Ansicht,  dass  Chlorophyll  und 
Diatomin  bei  den  Dinoflagellaten  gesondert  vorhanden  seien ;  der  letztere 
Farbstoff  sollte  diffus  im  Plasma  verbreitet,*)  der  erstere  demselben  in  Form 
von  Körnein  eingelagert  sein.  Die  Unhaltbarkeit  dieser  Ansicht  hat  schon 
Klebs  genügend  dargelegt.  Wie  bei  den  Flagellaten  sind  eben  auch 
hier  die  beiden  Farbstoffe  immer  zusammen  in  geformten  Chromatophoren 
vereinigt  und  der  Irrthum  Bergh's  kann  sich  nur  dadurch  erklären, 
dass  er  die  nach  Alkoholbehandlung  auftretende  reine  Chlorophyllfärbung 
deutlicher  an  geformte  Bestandtheile  gebunden  sah,  wie  die  ursprüng- 
liche Farbe. 

Wie  in  der  Färbung  findet  sich  auch  in  der  Gestalt  und  Lage  der 
Chromatophoren  viel  Uebereinstimmung  mit  den  Flagellaten,  doch  scheinen 
nocli,  häufiger  wie  bei  den  letzteren  Verschiedenheiten  bei  einer  und 
derselben  Art  vorzukommen.  Gewöhnlich  liegen  auch  hier  die  Chroma- 
tophoren peripherisch,  dicht  unter  der  Oberfläche,  und  reichen  nur 
bei  wenigen  Formen  bis  gegen  das  Centrum.  Wir  werden  aber  später 
linden,  dass  sie  unter  gewissen  Lebensverhältnissen  aus  ihrer  peripherischen 
Lage  in  eine  mehr  centrale  übergehen  können. 

Zwei  grosse,  dünne  Chromatophorenplatten,  welche  je  eine  Seite  des 
comprimirten  Körpers  einnehmen,  finden  wir  bei  der  zu  den  Prorocentriuen 
gehörigen  Gattung  Exuviaella  (51,  2c;  ehr)  und  erblicken  darin 
wiederum  eine  charakteristische  Annäherung  an  die  Cryi)tomonadiuen, 
wo  das  Gleiche  früher  geschildert  wurde.  Gleichzeitig  scheinen  diese 
Chromatophoren  die  einzigen  zu  sein,  bei  welchen  das  Vorkommen 
eines  Pyrenoids  wenigstens  wahrscheinlich  wurde.    Der  Mitte  der  Aussen- 

*)  Audi  Pouchet  (48,  p.  35)  'hält  noch  daran  fest,  dass  das  Diatomin  sich  auch  zu- 
weilen gelöst  im  Plasma  ünde.  Eeines  Chlorophyll  finde  sich  bei  dem  soüciianntcn  Protö- 
peridiuium  viride. 


Cluoiuatophorcii.  967 

llaclic  .jcilcr  riallc  licg't  lüiiiilich  eine  nliri;l;isluniiii!,'  gewölbte,  diiune 
Ainylonschcibe  auf;  es  lässt  sich  dessluilb  hier  ein  Tyreiioid  vcr- 
nuitlien,  welehes  dem  der  Chromatoplioren  mancher  Kuglenen  nieht  un- 
ähnlich wäre. 

Bei  den  übrigen  Dinotlagellaten  begegnen  wir  gewöhnlich  zahlreichen 
kleineren  Chromatophoren,  doch  seheint  die  Möglichkeit  nicht  ausgeschlussen, 
dass  auch  bei  manchen  zu  gewissen  Zeiten  grössere  vorhanden  sind, 
welche  sich  später  in  zahlreichere  kleinere  zertheilen. 

Etwas  besondere  Verhältnisse  weist  jedenfalls  die  interessante,  aber 
leider  nicht  genügend  studirte  Gattung  Pyrophacus  auf,  die  nach 
Steiu's  Abbildungen  wahrscheinlich  ein  central  gelegenes,  einheitliches 
grosses  Chromatophor  enthält,  von  welchem  sich  zahlreiche  strahlenförmig 
angeordnete  und  z.  Tb.  verzweigte  Ausläufer  allseitig  bis  unter  die  Ober- 
iläche  erstrecken  (54,  3  c).  Ein  entsprechend  gebautes  Chromatophor 
iindet  sich  nach  Bergh  wahrscheinlich  bei  Glenodinium  Warmingii  und 
nach  Klebs  bei  dem  nahe  verwandten  Gl.  obliquum  (51,  12).  Derselbe 
Forscher  berichtet  ähnliches  von  den  Ceratien;  häutiger  scheint  aber 
nach  seiner  Darstellung  der  Zustand  zu  sein,  dass  ein  aus  ,,verhältniss 
massig  dünneu  Fäden''  gebildetes  netzförmiges  Chromatophor  vorhanden 
ist.  Klebs  bemerkt  jedoch,  dass  unter  „Veränderung  der  äusseren  Be- 
dingungen'^  das  zusammenhängende  Chromatophor  der  Ceratien  leicht  in 
zahlreiche  kleine,  scheibenförmige  zerfalle.  So  fand  ich  die  Verhältnisse 
stets  bei  conservirten  Ceratium  Tripos,  welche  ich  in  grösserer  Anzahl 
untersuchte  (54,  la)  und  dasselbe  zeigen  denn  auch  schon  die  Figuren 
Ehrenberg's  für  Cer.  Tripos  und  Furca,  wie  diejenigen  Steins  für  die 
erstgenannte  Form  und  Cer.  tetraceros.  Auf  den  Originalabbildungen 
Lieberkühn's  sind  die  kleinen  scheibenförmigen  Chromatophoren  der 
letzteren  Species  deutlichst  angegeben  und  ihre  Zusammenorduung  zu 
netzartigen  Zügen  ist  recht  kenntlich  (53,  7  c). 

An  ein  centrales,  sternförmiges  Chromatophor  erinnern  noch  die  Ver- 
hältnisse bei  Amphidinium  operculatum  (54,  Gc),  wo  gewöhnlich  eine  ziem- 
liche Anzahl  bandförmiger  Chromatophoren  um  einen  centralen  hügligen, 
nach  Stein  amylonartigen  Körper  strahlig  angeordnet  ist.  Wie  die  stern- 
iormigen  Chromatophoren  überhaupt,  erinnern  auch  die  Verhältnisse  bei 
Amphidinium  an  die  mancher  Euglenen  nach  den  Schilderungen  von 
Schmitz.  Stein's  Abbildungen  lassen  aber  gut  erkennen,  dass  bei 
Amphidinium  nicht  selten  auch  viel  zahlreichere,  kleinere  Chromatophoren 
vorhanden  sind,  die  dann  wohl  eine  peripherische  Schicht  bilden  und 
sich  aus  dem  Zerfall  der  grösseren  herleiten  werden. 

Dem  letzteren  Verhalten  schliessen  sich  auch  die  meisten  übrigen 
Dinullagellaten  an,  indem  sich  deren  Chromatophoren  in  einer  ein- 
fachen und  meist  dicht  gedrängten  Schicht  unter  der  Obertläche  an- 
ordnen, nur  von  einer  sehr  dünnen  Plasmalage  bedeckt  (51,  10).  Die 
Gestalt  der  Chromatophoren  hängt  unter  diesen  Umständen  namentlich 
von    dem    Grad   ihrer   Ausdehnung   nach   dem    Centrum   ab.     Sind  sie  in 


968  Diiioflagcllata. 

dieser  Richtung  wenig  entwickelt,  so  erscheinen  sie  mehr  scheibenlormig 
bis  kiiglig,  S])ringen  sie  stärker  gegen  das  Centruni  vor,  so  werden  sie 
natürlich  kürzer  oder  länger  stäbchenförmig. 

Etwas  besondere  Verhältnisse  scheinen  sich  bei  Dinophysis  acuta  zu 
linden,  indem  Stein  hier  nur  wenige  grössere  rundliche  bis  unregel- 
niässige  oder  bandförmige  Chromatophoren  beobachtete;  auch  die  Schil- 
derungen Bergh's  stimmen  damit  ziendich  überein. 

Am  Schlüsse  dieses  Abschnittes  über  die  Chromatophoren  glauben 
wir  kaum  besonders  betonen  zu  müssen,  dass  sich  nicht  ein  einziger 
Anhalt  linden  lässt,  welcher  gegen  die  von  Brandt*)  in  Zweifel  ge- 
zogene endogene  Natur  derselben  spräche. 

b.  Amylum  scheint  wenigstens  bei  den  mit  Chromatophoren  ver- 
seheneu Formen  regelmässig  vorzukommen;  dass  es  den  ungeiärbten 
nicht  immer  ganz  fehlt,  wie  Bergh  vermuthete,  wurde  schon  von  Klebs 
erwiesen,  der  bei  einer  farblosen  Varietät  des  Peridinium  Michaelis 
Stärke  fand ,  wie  denn  auch  die  Analogie  nut  den  Flagellaten 
hierfür  spricht.  Die  meist  kleinen  Stärkekörner  linden  sich  stets  im 
Plasma,  nie  in  den  Chromatophoren  und  liegen  bei  den  mit  einer 
peripherischen  Chromatophorenschicht  versehenen  Formen  nach  innen 
von  dieser  (51,  10a;  a).  Interessant  erscheint  der  von  Stein  angcge 
bene  centrale  amylonartige  Körper  des  Amphidinium  operculatum  und 
die  uhrglasförmigen  Amylumscheiben  der  Exuviaella.  Die  Beziehungen 
letzterer  Gebilde  zu  den  Chromatoi)horen  wurden  schon  oben  erwähnt. 
Einen  geschichteten  Bau  der  Amylonkörner  beobachtete  Bergh  bei  den 
Ccratien  (53,  10 e;  a),  ich  konnte  denselben  bei  den  von  mir  untersuchten 
Exemplaren  nicht  deutlich  wahrnehmen.  Etwas  abweichend  soll  sich 
nach  Bergh  das  Amylum  der  Ceratien  gegen  Jod  verhalten,  indem  es 
sich  damit  blauviolett  färbe,  bei  den  übrigen  Formen  war  die  Färbung 
eine  rein  blaue. 

c.  Fett,  rothes  Pigment  und  Stigmata  (Augenilecke).  Ein 
larbloses  Fett  gehört  nach  Klebs  zu  den  gewöhnlichen  Einschlüssen  des 
Plasmas ;  dasselbe  ist  in  Alkohol  leicht  löslich  und  schwärzt  sich  mit 
Osmiumsäure.  Mäutig  treten  auch  gelbe,  bis  in  verschiedenen  Nuancen 
roth  gefärbte,  ölartige  Kugeln  oder  Tropfen  im  Plasma  auf.  Die  rothe 
Farbe  derselben  rührt  höchst  wahrscheinlich  von  demselben  Farbstoff  her, 
welchen  wir  bei  den  Flagellaten  in  ähnlicher  Weise  auftreten  sahen,  dem 
Haematochrom.  Selten  aber  seheint  sich  dieses  rothe  Fett  bei  den  Dino- 
flagellaten  in  so  feiner  Vertheilung  zu  finden,  wie  dies  bei  rothen  Flagel- 
laten gewöhnlich  ist.  Nur  bei  einigen  rothen,  von  Schmarda  (16) 
in  Egypten  beobachteten  Formen  von  zweifelhafter  Stellung,  war  dies 
vielleicht  der  Fall.  Solche  rothe  Fettkugeln  linden  sich  nicht  nur  bei 
gefärbten,  sondern  auch  bei  farblosen  Formen;  in  letzterer  Hinsicht  erregt 
namentlich    Peridinium    divergens    Interesse,    welches    gewöhnlich    viele 


'*)  Mittheiliingen  der  zool.  Station  zu  Neaioel  Bd.  4,  p.  294. 


Aniylam;  Fett;  "Rothes  Pijjinent,  Stigmata.  969 

deiiirtige  Fettlroplcn  cnlliält,  dagegen  gcwöhnlicli  keine  Cliromaloplioien. 
Die  Tropl'en  liegen  wie  die  Stärkekörner  in»  inncrn  Plasma  und  meist 
nnregclniässig  zerstreut;  hei  Teridiniiim  divergeus  sollen  sie  nach  Pouchet 
nicht  selten  einen  Kranz  längs  der  Qnerfurche  biklen. 

Die  Farbe  ist  etwas  verschieden,  indem  sie  zwischen  Hjäiinlich 
(„chamois'',  gemsi'arbig  nach  Puuchet)  und  Braunroth  bis  Zinnober-  und 
Carminroth  schwankt.  Klebs  (36)  versichert,  dass  sich  die  gelblichen 
Tropfen  in  rothe  umzuwandeln  scheinen,  indem  die  rothe  Farbe  all- 
mählich in  ihnen  auftrete,  so  dass  Tropl'en  mit  theilweiser  Gelb-  und 
Kothfärbung  zuweilen  vorkämen.  Hiermit  verbindet  er  die  weitere  An- 
gabe, dass  aus  solchen  Tropfen  das  rothe  Pigment  mittels  Alkohol  auszu- 
ziehen sei,  das  gelbe  dagegen  nicht.  Dem  widersprechen  aber  wohl  die 
Angaben  von  Bergli,  welcher  bei  Peridininm  divergens  die  rothen  Tropfen 
in  Alkohol  völlig  löslich  fand. 

Wie  bei  den  Flagellaten  scheint  das  rothe  Fett  häutig  bei  ruhenden 
Formen  und  auch  schon  während  der  Vorbereitung  zum  Ruhezustand 
besonders  reichlich  entwickelt  zu  werden.  Schon  Carter  fand  dies  bei 
dem  in  Indien  beobachteten,  sogenannten  Peridininm  sauguincum,  bei 
welchem  einige  Zeit  vor  Eintritt  der  Kühe  die  ursi)riinglich  grüne  Farl)e 
in  eine  völlig  rothe  übergeht.  Auch  ich  beobachtete  ähnliches,  wenn 
auch  nicht  so  ausgeprägt,  bei  Glenodinium  cinctuni.  Jedenfalls  ist  die 
physiologische  Bedeutung  dieser  Erscheinung  dieselbe  wie  bei  den  Fla- 
gellaten, wenn  sie  auch  zur  Zeit  noch  nicht  scharf  präcisirt  werden  kann. 

Ehrenberg  und  zahlreiche  spätere  Beobachtern  wiesen  auf  das  Vor- 
kommen von  sogenannten  Stigmen  oder  Au  gen  flecken  bei  den 
Dinoflagellaten  hin.  Perty  und  später  Claparede  und  Lachmann  hoben 
die  Unregelmässigkeit  im  Auftreten  dieser  Gebilde  bei  einer  und  der- 
selben Art  hervor,  doch  halte  ich  es  -für  wohl  möglich,  dass  sie  dabei 
zu  weit  gingen  und  nicht  hinreichend  scharf  zwisclien  den  geschilderten 
rothen  Fetttropfen  und  den  eigentlichen  Stigmen  unterschieden.  Neuere 
Beobachter,  wie  Bergh  und  Klebs,  berichten  nichts  über  solche  Gebilde 
und  letzterer  möchte  sogar  ihr  Vorkommen  bestinmit  leugnen,  oder  hält 
es  doch  für  sehr  zweifelhaft.  Dem  gegenüber  konnte  ich  (46)  darauf 
hinweisen,  dass  bei  Glenodinium  cinctum  ein  echter,  in  allen  Beziehungen 
mit  denen  der  Flagellaten  übereinstimmender  Augentleck  vorhanden  ist 
und  zweifele  daher  auch  nicht,  dass  die  in  ähnlicher  characteristiscber 
Lage  von  anderen  Dinoflagellaten  beschriebenen  Gebilde  ebenso  beurtheilt 
werden  müssen.  Die  Stigmen  nehmen  bei  den  Diniferen  (wo  sie  bis 
jetzt  allein  gefunden  wurden)  eine  bestimmte  Stellung  am  Körper  ein, 
sie  sind  nämlich  etwa  der  Mitte  der  Längsfurche  eingelagert  (51,  10  a 
und  13;  53,  7c;  oc),  als  ovale,  längliche  oder  zuweilen  (Glenodinium 
cinctum)  hufeisenförmige   und   lebhaft   roth  gefärbte  Körper. 

Am  besten  ist  der  Augenfleck  des  Glenodinium  cinctum  bekannt, 
und  da  die  der  übrigen  Formen  der  Lage  nach  mit  demselben  gut  über- 
einstimmen, so  lässt  sich  wohl  annehmen,  dass  sie  auch  in  ihren  sonsli- 


1)70  Dinolla-cllata. 

gen  Eigeiilliünilichkeiten  nicht  wesentlich  abweichen.  Wie  das  »Stigma 
der  Flagellaten  liegt  auch  das  von  Glenodinium  ganz  direct  unter  der 
oberflächlichen  Plasmascbicht  der  Längsfurche,  als  eine  verhältnissmässig 
dünne  Platte  und  da  letztere  sich  der  Längsfurche  in  ihrer  ganzen  Breite 
anschmiegt,  so  ist  sie  natürlich  entsprechend  dieser  gekrümmt  und  besitzt 
ferner  einen  nach  vorn  schauenden  hufeisenförmigen  Ausschnitt. 

Wie  bei  den  Euglenen  ist  das  Stigma  aus  zahlreichen  kleinen 
Kügelchen  oder  Körnchen  zusammengesetzt,  welche  sich  leicht  von  ein- 
ander trennen.  Auch  das  Verhalten  gegen  Jod  wie  Schwefelsäure  stimmt 
mit  dem  bei  den  Flagellaten  überein  und  beweist,  dass  auch  hier  die 
färbende  Substanz  Haematochrom  ist.*) 

Die  Verbreitung  der  Stigmen  unter  den  Dinoflagellateu  lässt  sich  zur 
Zeit  aus  schon  angegebenen  Gründen  nicht  ganz  sicher  beurtheilen. 
Sie  wurden  vorzugsweise  bei  Süsswasserarten  beobachtet,  von  marinen 
scheint  nur  die  Heterocapsa  trochoideum  St.  sp.  (=  Glenodinium 
trochoideum  St.)  einen  Augenfleck  zu  besitzen.  Wir  begegnen  ihm 
.weiter  bei  den  Gattungen  Gymnodinium,  Glenodinium,  gewissen  Peri- 
dinien  und  auch  zuweilen  bei  Ceratium  (tetraceros  nach  Lieberkühn's 
Originalien. 

d.  Zu  den  merkwürdigsten  Erzeugnissen  des  Plasmas  einer  Dino- 
llagellatenform  gehören  die  Nesselkapseln  und  sind  in  vieler  Hin- 
sicht beachtenswerth.  Einmal,  weil  sie  unter  den  zur  Zeit  bekannten 
Formen  ganz  unvermittelt  bei  der  einzigen  Gattung  Polykrikos  auftreten 
und  weil  sie  viel  höher  entwickelt  sind  als  bei  sonstigen  Protozoen, 
Wohl  begegnet  man  ja  bei  Flagellaten  und  Ciliaten  nicht  selten  den  in 
mancher  Hinsicht  nesselkapselartigen  Trichocysten,  nur  bei  einer  einzigen 
Ciliatcnform  aber  (Epistylis  flavicans)  wurden  echte  Nesselkapseln  beob- 
achtet, die  wir  unter  den  Protozoen  sonst  nur  noch  bei  den  Myxosporidien 
linden.  Doch  ist  die  Ausbildung  der  Kapseln  in  den  letztgenannten  Fällen 
eine  viel  einfachere,  während  diejenigen  der  Polykrikos  denen  der  Cölen- 
teraten  selbst  in  feineren  Verhältnissen  entsprechen. 

Die  Kapseln  liegen  in  nicht  gerade  sehr  erheblicher  Zahl  in  der 
äusseren  Plasmaregfon  des  Körpers  (55 ,  8 ;  nk) ,  dem  Ectoplasma 
Bergh's  und  treten,  wie  letzterer  nachwies,  in  verschiedenen  Ent- 
wicklungsstadien auf,  wodurch  der  Einwand,  dass  sie  nicht  genuine 
Theile    des    Organismus    seien,     widerlegt    wird.      Ihre    Gestalt    ergibt 


*)  Ein  seltsam  weiterentwickeltes  Stig'ma  beschreibt  Poucliet  (48)  von  einer  marineu,  mit 
Gymnodinium  zunächst  verwandten  Dinoüagellate ,  deren  genauere  Beschreibung  jedoch  leider 
zur  Zeit  noch  fehlt.  Das  Stigma  wird  hier  von  einer  kugligen  Anliäufung  schwarzen  Pigments 
gebildet,  welche  im  Innern  des  Körj^ers  liegt  und  der  ein  ziemlich  kugliger,  linsenartigcr 
Körper  von  glasartig  durchsichtiger  ]]esclialienheit,  meist  mittels  eines  stieltormig  ausgezogenen 
Theils  angefugt  ist.  Letzterer  Körper  ist  so  gelagert,  dass  er  dem  bei  der  Bewegung  voran- 
gehenden Pol  zuschaut.  Während  Pouchet  nun  in  der  Pigmentanliäufung  eine  Art  Chorioidea 
vermuthet,  sieht  er  in  dem  durchsichtigen  Körper  einen  lichtbrechenden  Apparat,  der  sich 
nach  seinen  Beobachtungen  noch  aus  einer  äusseren  Haut,  die  er  einer  Cornea  vergleichen 
möchte  und  einer  inneren  Masse,  die  der  Linse  an  die  Seite  zu  stellen  sei,  zusammensetze. 


Stiguiata;  Nossülkaiisolii.  Vaciiolrii.  971 

sich  am  Resten  aus  der  Abbildung  (8c),  die  denn  auch  weiter  ver- 
läth,  dass,  wie  bei  den  grösseren  KapseUi  der  Cölentcratcn,  der  ein- 
gestülpte Theil  zunächst  zu  einer  Art  Vorhöhle  entwickelt  ist,  in  welche 
der  basale  Theil  des  Fadens  hineinragt,  während  der  übrige  feinere 
Faden  in  dem  hinteren  Theil  der  Kapsel  in  dicliten  Schrauben  Windungen 
aufgerollt  liegt.  Durch  Druck  werden  die  Kapseln  zum  Ausschnellcn  ge- 
bracht. Die  Vorhöhle  bildet  dann  scheinbar  den  vordersten  Theil  der 
Kai)sel,  von  welcher  sich  der  ausgeschnellte  Faden  erhebt.  Welche  spe- 
cielle  physiologische  Leistung  die  Nesselkapseln  unserer  Gattung  zu  er- 
füllen haben,  lässt  sich  zur  Zeit  nicht  angeben. 

e.  Vacuolen.  Im  Allgemeinen  scheint  das  Plasma  der  Dinollagel- 
latcn  nicht  besonders  zur  Vacuolisirung  zu  neigen;  nur  bei  Klebs  (36) 
finde  ich  die  Angabe,  dass  das  Plasma  der  Süsswasserformen  zuweilen 
netzig-vacuolär  sei.*)  Dagegen  ist  das  Vorkommen  einiger  weniger,  oder 
auch  nur  einer  mehr  oder  minder  ansehnlichen  Vacuole  eine  recht  ge- 
wöhnliche Erscheinung;  aber  die  Meinungen  über  die  Natur  dieser  Va- 
cuolen sind  noch  recht  getheilte.  Stein  glaubt  sie  stets  als  die  contrac- 
tilen  Behälter  bezeichnen  zu  dürfen,  obgleich  er  ausdrücklich  erwähnt  (28) 
dass  er  ,, keine  Formveränderungen  an  denselben  wahrgenommen  habe." 
ßergh  spricht  zwar  in  der  Uebersicht  seiner  Ergebnisse  die  Ansicht 
aus,  dass  eine  contractile  „Blase"  nirgends  mit  Sicherheit  nachgewiesen 
sei,  dennoch  versuchte  er  im  speciellen  Theil  für  einige  Formen,  wie 
Prorocentrum  und  Peridinium  tristylum  wahrscheinlich  zu  machen,  dass 
die  sog.  Blase  sich  contrahire,  wenngleich  sehr  langsam.  Für  die  erst- 
erwähnte Form  betont  er  sogar,  dass  die  betreffenden  Vacuolen  wohl  den 
contractilen  der  Flagellaten  entsprächen.  Besondere  Verhältnisse  dieser 
Blase  oder  Vacuole  führten  ihn  zu  der  Vermuthung,  dass  dieselbe  nicht 
etwa  zur  Entfernung  von  Flüssigkeit  aus  dem  Leib  des  einzelligen  Orga- 
nismus diene,  sondern  dass  sie  zur  Einfuhr  flüssiger  Nahrung  bestimmt 
sei,  eine  Vorstellung,  welche  sich  also  im  wesentlichen  mit  der  Stein's 
von  dem  contractilen  Vacuolensystem  der  Euglenen  deckt  (s.  p.  712).  Zu 
letzterer  Auffassung  gelangte  aber  Bergh  wohl  hauptsächlich  desshalb, 
weil  er  die  Vacuole  namentlich  bei  i'arblosen  Formen  beobachtete, 
vvesshalb  ihm  die  Idee  nahe  lag,  dass  dieselbe  in  irgend  einer  Beziehung 
zu  der  Ernährung  derselben  stehen  werde,  welche  ja  nicht  mittels  Chroma- 
tophoren,  aber  doch  auch  nicht  auf  thierischem  Wege  vor  sich  gehe. 
Diese  Ansicht  dürfte  jedoch  schon  dadurch  stark  erschüttert  werden,  dass 
auch  die  gefärbten  und  sich  entschieden  auf  holophytische  Weise  ernähren- 
den Formen  solcher  Vacuolen  sicher  nicht  entbehren,  -  Während  Klebs 
in  seiner  ersten  Mittheilung  sich  sehr  skeptisch  bezüglich  contractiler 
Vacuolen  der  Dinoflagellaten  aussprach  und  die  zuweilen  zu  beobachtende 
Vacuole  dem  „Zelllumen''  vieler  Algen  vergleichen  wollte,  schloss  er  sich 


*)  Eine    netzig    vacuoläre   Bcschaflbnlieit    beschreibt  Ponchet  (48)   ncuerdinc-s    in   dem 
pcriplierisclien  Plasma  der  vorderen  Körpcrhaifte  seines  Gyninodiniiim  crassum. 


972  DiiiüflaguUata. 

in  seiner  iiwcilen  Arbeit,  was  das  Tliatsäcliliclie  angelil,  den  MiUheihiugen 
von  Bergli  innig  an,  bemerkte  aber  doch,  dass  die  Vacuoicn  den  „Zellsatt- 
vacuülen"  vieler  PHauzenzellen  wohl  entsprechen  dürften.  Wir  werden 
aber  gleich  sehen,  dass  gewisse  Erfahrungen  gegen  eine  solche  Autfassung 
sprechen  und  es  nicht  unwahrscheinlich  macheu,  dass  die  Vacuuleu  sich 
den  coiitracfileu  mancher  Flagellaten  anreihen,  wenn  sie  auch  Ver- 
schiedenheiten von  den  gewöhnlichen  aufweisen. 

Die  meist  in  Ein-  bis  Zweizahl  vorhandenen  Vacuolen  zeigen 
zunächst  mit  denen  vieler  Flagellaten  darin  eine  gewisse  Uebereinstimmung, 
dass  sie  eine  ähnliche  Lage  haben,  öie  linden  sich  nämlich,  wie  es 
scheint,  stets  in  der  Nähe  der  Geisseibasis,  also  auch  in  der  Nähe  der 
Geisseispalte.  Bei  den  Prorocentrinen  liegen  sie  also  im  Vorderende  des 
Körpers  (51,  i  b,  2  a,  v),  bei  den  Üiniferen  dagegen  mehr  in  der  Mittcl- 
region  und,  wie  es  scheint,  häutiger  im  Vorder-  als  Hinterkörper  (51, 
10a;  r).  Letztere  Lage  ist  nach  der  Abbildung  Steiu's  besonders  aus- 
gesprochen bei  Ceratium  tetraceros  (5o,  7  a;  v),  wo  die  Vacuole  etwa  am 
hinteren  Ende  des  hier  bekanntlich  sehr  langen  Geisselspaltes  abgebildet 
wird,  während  sie  bei  den  übrigen  Arten  gleichfalls  im  Vorderkörper 
liegen  soll,  was  aber  wohl  nicht  ganz  constant  sein  dürfte  (54,  la  und 
Ib;  v).  AVo  die  Geisseispalte  ganz  hinten  liegt,  erstreckt  sich  auch  die 
Vacuole  tief  in  die  Hinterhälfte  des  Körpers  hinein ,  wie  dies  für  Diplo- 
psalis  von  Bcrgh  deutlich  geschildert  wird,  aber  wohl  auch  sicher  für  ver- 
wandte Formen,  wie  Blepharocysta  und  Podolampas,  gelten  dürfte.  Natür- 
lich findet  sich  die  Vacuolenbildung  bei  den  mit  reducirtem  Vorderleibe 
versehenen  Üinophysideu  gleichfalls  im  Hinterkörper  (54,  6b  undöa;  v). 

Auch  bei  denjenigen  Formen,  welchen  Bergh  die  Vacuole  abspricht, 
scheint  es  mir  recht  wahrscheinlich,  dass  sie  nur  übersehen  wurde;  lür 
eine  Anzahl  derselben  ist  sie  übrigens  auch  von  Stein  schon  angegeben 
worden. 

Mehr  vvi<i  zwei  Vacuolen  üudeu  sich  wohl  selten,  aber  es  scheint, 
dass  die  Zweizahl  für  einige  Fornjcn  eine  gewisse  Regelmässigkeit  besitzt. 
Dies  gilt  namentlich  für  die  Prorocentrinen,  bei  welchen  Bergh,  Stein  und 
Klebs  solches  berichten.  Die  beiden  Vacuoicn  dieser  Formen,  wie  die 
gewisser  Dinifcren,  fliessen  aber  nicht  selten  zu  einer  einzigen  zusammen 
und  die  in  solcher  Weise  vereinfachte  Vacuole  kann  zeitweilig  durch  ein 
feines,  nach  vorn  verlaufendes  Kanälchen  an  der  Stelle  der  Geisselinserlion 
mit  der  Aussenwelt  in  Verbindung  stehen.  Letzteres  Verhalten  wurde  für 
die  Prorocentrinen  allein  von  Stein  geschildert  (51,  la),  wir  haben  aber 
keine  Veranlassung  an  der  Zuverlässigkeit  seiner  diesbezüglichen  An- 
gaben zu  zweifeln,  da  Bergh  für  eine  Reihe  von  Diniferen  Aehnlichcs 
berichtet  hat  und  Klebs  (44)  diese  Mittheilungen  für  wohl  möglich  erklärt. 
Bergh  will  nämlich  auch  beobachtet  haben,  dass  die  Vacuole,  wenigstens 
zu  gewissen  Zeiten,  durch  ein  feines  Kanälchen,  das  in  der  Geisselspahe 
münde,  mit  dem  umgebenden  Wasser  conmuinicire.  Besonders  klar  wurde 
ihm  dies  bei  seinem  Protoperidinium  pellucidum  (=  Poridinium  tristylum 


Vacuolen;  Kerne.  973 

Stein);  weiter  glaubt  er,  sich  von  demselben  Verhalten  noch  bei  einer 
Anzahl  Peridinidcn,  wie  Diplopsalis  und  Peridininni  divergens,  überzeugt  zu 
haben,  selbst  bei  Ceratiuni  Furca  schien  es  iinn  recht  wahrscheinlich. 
Ebenso  gelang  es,  dns  KanJllchen  bei  Dinophysis  laevis  wahrzunehmen. 
Aus  diesen  Erfahrungen  scheint  also  hervorzugehen,  dass  das  zeitweilige 
Vorkommen  eines  solchen  Kanälchens  eine  weit  verbreitete,  vielleicht  all- 
gemeine Erscheinung  ist. 

Es  verdient  nun  ein  besonderes  Interesse,  dass  Stein  bei  Prorocentruni 
micans  zuweilen  in  der  Gegend,  wo  dieses  Ausführungskanälchen  der 
Vacuole  erscheint,  ein  cylindrisches  Bündel  eigenthiimlicher  Stäbchen 
wahrgenommen  hat  (51,  Ib;  s),  das  in  mancher  P>eziehung  an  die  Schlund- 
bildung von  Cryptomonas  erinnert,  was  auch  Stein  schon  andeutete.  Wir 
haben  vor  Kurzem  von  Fisch*)  erfahren,  dass  die  contrnctile  Vacuole 
von  Chilomonas  in  den  Anfang  des  Schlundes  einmündet,  wesshalb  ich  die 
Möglichkeit,  das  von  Stein  gelegentlich  gesehene  Gebilde  mit  dem  Schlund 
dieser  Flagellate  zu  vergleichen,  nicht  von  der  Hand  weisen  kann.  Bei 
den  in  ziemlicher  Menge  von  mir  beobachteten,  allerdings  conservirten 
Prorocentrinen  konnte  ich  übrigens  nie  etwas  von  dieser  Einrichtung 
wahrnehmen. 

Wenn  nun  schon  die  namentlich  von  Bergh  hervorgehobene 
Variabilität  in  der  Grösse  der  Vacuolen  auf  die  Möglichkeit  ihrer  Con- 
tractionsfähigkeit  hindeutet,  wobei  es  sich  jedoch  natürlich  nur  um  sehr 
allmähliche  und  langsame  Volumveränderungen  handeln  kann,  so  scheint 
diese  Möglichkeit  noch  dadurch  befestigt  zu  werden,  dass  die  ganze  Ein- 
richtung eine  nicht  zu  verkennende  Analogie  mit  dem  Vacuolensysteni, 
welches  wir  bei  den  Euglenoidinen  kennen  lernten,  darbietet,  specicll  dem 
der  Coelomonadinen  (s.  p.  714).  Ich  möchte  daher  annehmen,  dass_  es 
sich  bei  den  Dinotlagellaten  um  eine  oder  zwei  langsam  contractile  Va- 
cuolen handelt,  welch  letztere  vor  der  Entleerung  gewöhnlich  zusammen- 
Hiessen  und  sich  dann  durch  ein  feines  Kanälchen  nach  aussen  öffnen. 
Die  temporäre  Bildung  eines  solchen  Kanälchens  kann  uns  nicht  gerade 
überraschen,  da  wir  ja  ähnliches  bei  den  contractilen  Vacuolen  manchei- 
Infusorien  begegnen,  wenn  anch  die  Kanälchen  hier  die  Bedeutung  zu- 
leitender, nicht  ausleitender  Apparate  haben  und  Fisch  neuerdings  auch 
bei  Peranema  trichophorum  die  vorül)ergehende  Bildung  eines  derartigen 
AusfMhrkanälchens  bestätigte. 

Namentlich  die  Analogie  mit  den  erwähnten  Einrichtungen  der  Fla 
gellaten  ist  denn  auch  Ursache,  dass  ich  mich  den  Anschauungen  Bergh's 
hinsichtlich  der  physiologischen  Bedeutung  der  Vacuolen  nicht  anscliliessen 
kann,  denn  bei  den  ersteren  hat  das  System  meiner  AufiCassung  nach 
sicherlich  nichts  mit  der  Aufsaugung  flüssiger  Nahrung  zu  thun,  wenn 
auch  Stein  diese  Ansieht  für  die  Eugleninen  entwickelte.  Auch  scheint 
es   nach    unseren    Erfahrungen    kein    Bedürfniss    für    chromatophoreufreie 


*)  Fisch,  Zettschr.  f.  wiss.  Zoologie.     BJ.  42,  p.  S5. 


974  Dinoflag-ellata. 

Formen,  einen  besonderen  Aufsaugnngsapparat  auszubilden,  da  wir 
viele  pflanzliche  und  tbierische  einzellige  Wesen  kennen,  deren  Er- 
nährung auf  saprophy tische  Weise  geschieht,  obue  die  Beibüll'e  einer 
besonderen  derartigen  Einrichtung. 

Die  besonderen  Verhältnisse  des  Vacuolenapparates  der  Dinoflagellaten 
machen  es  aber  aucb  unmöglich,  der  Ansicht  von  Klebs  zuzustimmen, 
dass  derselbe  den  Safträumen  der  Algenzellen  gleichzusetzen  sei.  Es 
soll  aber  damit  nicbt  in  Abrede  gestellt  werden ,  dass  nicht  auch  bei 
den  Dinoflagellaten  Vacuolen  gewöhnlicher  Art,  die  sich  jenen  Zellsaft- 
vacuolen  der  Pflanzenzellen  an  die  Seite  stellen,  anzutreffen  seien. 

f.  Die  Kerne.  Mit  den  Flagellaten  bat  unsere  Abtheilung  gemein- 
sam ,  dass  fast  ohne  Ausnahme  nur  ein  einziger  Nucleus  vorhanden  ist, 
während  dessen  Structur,  soweit  sie  bis  jetzt  erforscht  wurde,  von  der  bei 
den  Flagellaten  gewöhnlichen  ziemlich  abweicht,  aber  doch  auch  An- 
schlüsse an  den  Bau  gewisser  Flagellatenkerne  darbietet,  ebenso  aber 
auch  an  denjenigen  der  Infusorien-Hauptkerne. 

Eine  Ausnahme  bezüglich  der  Zahl  der  Kerne  bildet  nur  die  Gattung 
Polykrikos,  da  sich  bei  derselben  gewöhnlich  4  Nuclei  finden,  die  in 
gleichen  Abständen  in  einer  Längsreihe  hintereinander  liegen  (55,8a;  n). 
Diese  Ausnahme  darf  aber  wohl  als  eine  Bestätigung  der  Regel  gelten, 
da  wir  ja  schon  aus  anderen  Eigenthümlichkeiten  dieser  Gattung  kennen, 
dass  bei  ihr  eine  Art  segmentaler  Vermehrung  einzelner  Organe  ein- 
getreten ist.  Sonst  wurde  nur  ein  nicht  ganz  sicherer  Fall  von  Ver- 
doppelung des  Kernes  bei  Ceratium  Tripos  von  Bütschli  (46)  beobachtet. 

Die  Lage  des  Kernes  scheint  bei  den  Dinoflagellaten  im  Wesentlichen 
constant  zu  sein,  es  ist  wenigstens  nicht  bekannt,  dass  der  Kern  Ver- 
schiebungen im  Plasma  erleidet,  auch  sind  die  Schwankungen,  welche 
wir  bei  den  Individuen  einer  Art  in  seiner  Lage  beobachten,  geringfügige.*) 
Bei  den  Prorocentrinen  liegt  er  ziemlich  in  der  Mitte  (Prorocentrum)  oder 
im  hinteren  Drittel  des  Körpers  (Exuviaella),  also  im  Allgemeinen  ähnlich 
wie  bei  den  nächstverwandten  Flagellaten.  Bei  den  Diniferen  dagegen 
herrscht  im  Allgemeinen  die  Lage  im  Vorderkörper  bei  weitem  vor,  dessen 
Mitte  er  dann  gewöhnlich  einnimmt.  Bei  gewissen  Formen  lagert  er  sich 
ziemlich  in  die  Mittelregion  des  Körpers,  also  in  die  Höhe  der  Querfurche, 
so  z.  B.  gewöhnlich  bei  Peridinium  cinctum,  Peridinium  divergens  und 
Ceratium  Hirundinella  (nach  Blanc),  ebenso  bei  dem  eigenthümlichen 
Gyninodinium  spirale  Bergh.  Es  finden  sich  aber  auch  einige  Gattungen, 
bei  welchen  er  im  Hinterleib  liegt.  Natürlich  ist  dies  bei  den  Dino- 
physiden  der  Fall.  Bei  Dinophysis  nimmt  er  ziemlich  die  Mitte  des 
Hinterleibes  ein,  liegt  aber  nach  Bergh  gewöhnlich  der  Rückseite  genähert 
(eine   solch   dorsale  Lage  soll  nach  dem  gleichen  Beobachter  meist  auch 


*)  Nur  Poucliet  (48)  liat  bei  Ceratium  eine  eigentliümliclie  langsame  Eotation  des  Kernes, 
jcdocli  nur  sehr  seifen  beobachtet.  Es  schien  ihm,  dass  hierbei  der  gesammte  Kern  in  Be- 
wegung sei.  Doch  sind  die  P.eobachtungen  nicht  hinreichend  zu  einer  wirldiihen  Bejirtlw'ilnnü 
dos  Yortiaiigs. 


Kerne  (Zahl,  Lage,  Structur).  975 

bei  Diplopsalis  nncl  Glenodinium  Wannlngii  vorkommen).  Aebnlicli  wie 
bei  den  Dinopbysiden  ist  aucb  der  Kern  der  Gattung  Oxytoxuni  unter 
den  Peridiniden  gelagert,  wenn  unsere  morpbologisebe  Orientiriing  der- 
selben ricbtig  ist  (nacb  Stein  würde  er  sich  auch  hier  in  der  Vorderhälfte 
linden).  Endlich  gehören  hierher  noch  Hemidiuium  und  Peridinium  trist.y- 
lum  nach  Stein,  sowie  Gymnodinium  gracile  nach  Bergh. 

Ziemliche  JMannichfaltigkeit  zeigt  die  Gestalt  der  Nuclei,  welche 
z.  Tb.  kugelförmig  bis  gedrungen  ellipsoidiscb,  weiterhin  aber  auch  nicht 
selten  ziemlich  langellipsoidisch  sein  kann.  Streckt  sieb  der  Kern  noch 
mehr  in  die  Länge,  so  wird  er  bandförmig,  und  da  solche  Kerne 
gewöhnlich  in  die  Ebene  der  Querfurche  liegen,  so  müssen  sie  sich,  wenn 
ihre  Länge  ansehnlicher  wird,  krümmen  und  erscheinen  dann  hufeisen- 
iTtrmig  (52,  3b;  n).  Derartige  Nuclei  erinnern  etwas  an  den  Hauptkern 
der  Vorticellen  und  mancher  anderen  Ciliaten.  Zuweilen  finden  sich  aber 
auch  ganz  unregelmässig  gestaltete  Kerne.  Am  bezeichnendsten  in  dieser 
Hinsicht  ist  Prorocentrum  micans,  dessen  Kern  Bütscbli  gewöhnlich  unregel- 
mässig gelappt  und  in  Fortsätze  verlängert  fand,  doch  kommen  wohl  auch 
zuweilen  einfache,  ovale  Nuclei  vor;  auch  bei  Peridinium  divergens  begegnet 
man  nicht  selten  unregelmässig  gebuchteten  Kernen. 

Die  Stellung  der  ellipsoidischen  Nuclei  zum  Körper  hängt  etwas  von 
der  Gestalt  desselben  ab,  indem  sich  im  Allgemeinen  die  längere  Axe 
des  Nueleus  auch  dem  längeren  Durchmesser  des  Körpers  parallel  lagert. 
Dies  ist  gut  zu  bemerken  bei  den  langgestreckten  Ceratium  Furca 
und  Fusus,  doch  auch  bei  Podolampas  und  Gymnodinium  spirale.  Bei 
dem  dorsoventral  stark  abgeplatteten  Ceratium  Tripos  stimmt  auch  der 
kürzeste  Durchmesser  des  Kernes  gewöhnlich  mit  dem  kleinsten  Durch- 
messer des  Wesens  überein. 

Von  höchstem  Interesse  ist  die  feinere  Structur  der  Kerne,  welche  erst 
in  neuerer  Zeit  etwas  genauer  bekannt  wurde.  Von  den  meisten  Flagellaten- 
keruen  und  vielen  der  früher  betrachteten  Protozoen  entfernen  sie  sich 
dadurch  sehr,  dass  der  bläschenförmige  Bau  völlig  fehlt,  dagegen  stets 
ein  fädig-netziger  in  ganz  besonders  schöner  und  klarer  Ausbildung  vor- 
banden ist.  Da  nun  eine  solche  Bauweise,  wie  wir  von  früher  wissen 
(s.  p.  741),  auch  bei  gewissen  Fiagellaten ,  obgleich  nie  so  deutlich, 
vorkommt,  so  steht  die  Kernstructur  der  Dinofiagellaten  diesen  nicht  un- 
vermittelt gegenüber  und  schliesst  sich,  wie  erwähnt,  andererseits  an  die 
der  Infusorien-Hauptkerne  an. 

Von  der  fädigen  Structur  der  Kerne  konnte  zuerst  Allman  (18)  bei 
seinem  Peridinium  uberrimum  etw^as  beobachten.  Bergh  nahm  gewöhn- 
lich nur  eine  feinkörnige  Structur  wahr,  doch  schien  sie  ihm  bei  den 
Ceratien  zuweilen  etwas  netzig.  Gourret  hat  die  Kernstructur  ganz 
übersehen ,  er  beschreibt  den  Nueleus  als  hyalin  und  homogen.  Erst 
Klebs  machte  auf  die  eigenthümliche  Bescbaftenheit  des  Kernes  auf- 
merksam, er  beschreibt  sie  als  sehr  deutlich  fiidig;  die  Kernfäden 
seien    relativ    dick    und   gewöhnlich    regelmässig   ])arallel    gelagert,    nicht 


97(>  DinoMagellata. 

homogen  sondern  aus  einzelnen  Gliedern  znsanimengesetzt ,  welche  sich 
heim  Vcrqnellen  in  Wasser  von  einander  trennten.  Feine  stähchenartig,e 
Gebilde  beschreibt  auch  Blaue  aus  dem  Nncleus  des  Ceratium  Hirun- 
dinella.  Viel  weniger  sicher  lauten  die  Angaben  von  Pouchet,  welcher  eine 
leine  Netzstructur  beschrieb,  häufiger  aber  eine  durch  zahlreiche  kleine 
Kiigelchen  hervorgerufene  Granulation,  weiche  durch  ihre  Anordnung 
|)arallele  Linienzüge  erzeugen  soll,  beobachtet  haben  will.*)  Auch  Stein 
deutete  auf  wenige  Figuren  eine  parallelstreifige  Beschaffenheit  des  Kernes 
an.  Zuletzt  beschäftigte  sich  Bütschli  (4ß)  mit  der  Kernstructur  und  die 
im  Nachfolgenden  zu  machenden  Angaben  gründen  sich  wesentlich  auf 
diese  Untersuchungen. 

Von  einer  Kernmembran  wurde  bis  jetzt  kaum  etwas  beobachtet, 
doch  scheint  mir  ihr  Fehlen  nicht  genügend  sie  hergestellt.  Nur  Blanc 
will  eine  äusserst  feine  Membian  an  dem  Kern  des  Ceratium  Ilirun 
diuella  stets  beobachtet  haben.  Die  leichtfärbbare  Masse  des  Kernes  wird 
in  ganz  gleichmässiger  Weise  von  einer  Gerüstsubstanz  gebildet,  welche 
im  Allgemeinen  aus  ziemlich  dicken  Fäden  zusammengesetzt  ist,  die  auch, 
wie  es  Klebs  angibt,  nicht  gleichmässig  sind,  sondern  in  ziemlich  regel 
massigen  Abständen  kleine  Anschwellungen  aufweisen  (53,  lOd;  54,  2b). 
Ob  diese  Fäden  in  der  von  Klebs  angegebenen  Weise  bei  der  Verquellung 
in  Wasser  zerfallen,  habe  ich  nicht  festgestellt.  Sehr  gewöhnlich,  nament- 
lich bei  den  kugligen  oder  ellipsoidischen  Kernen,  ziehen  nun  die  Fäden 
in  recht  regelmässigem  Verlauf  durch  den  Kern,  indem  sie  parallel,  in 
ziemlich  geringen  Abständen,  nebeneinander  verlaufen  und  zwar  bald  so, 
dass  ihre  Erstreckung  parallel  der  Längs-,  bald  parallel  einer  kurzen  Keiu- 
axe  geht  (53,  10 d).  Daneben  beobachtet  man  aber  auch  Fälle,  wo 
die  Fäden  schief  zu  der  Längsaxe  des  Kernes  ziehen  und  dabei 
etwas  bogig  geschwungen  sind  (5t,  21)).  Bei  den  bandförmigen  und 
nnregelmässiger  gestalteten  Kernen,  zuweilen  aber  auch  bei  rundlichen, 
wird  der  Verlauf  der  Fäden  gewöhnlich  ein  uuregelmässigerer;  sie  ziehen 
gewellt,  bei  gewissen  Ansichten  zuweilen  in  einer  ziemlich  conccntrischeu 
Anordnung  (52,  9  c)  und  namentlich  in  den  verschiedenen  Ebenen  des 
Kernes  in  recht  verschiedenen  Richtungen  und  Biegungen.  Wenn  dieser 
Zustand  seine  höchste  Ausbildung  erreicht,  macht  der  Kern  den  Eindruck 
eines  verworrenen  Fadenkuäuels  (52,  3b;  n).  Ich  bin  nun  durchaus  nicht 
der  Ansicht,  dass  die  Structur  zu  allen  Zeiten  bei  einer  und  derselben 
Art  die  nändiche  ist,  im  Gegentheil  weisen  die  Erfahrungen  über  die 
ziemlich  ähnlichen  Hauptkerne  der  Infusorien  darauf  hin,  dass  auch  hier 
wohl  Veränderungen  vorkommen  werden;  auch  konnte  ich  tlirect  beob- 
achten, dass  die  Anordnung  und  die  Dicke  der  Kernfäden  bei  Ceratium 
Tripos  ziemlich  variabel  ist. 


*)  In  seiner  neuen  ruWikation  gibt  Pouchet  (4S,  p.  .j5)  ilagegen  eine  etwas  genauere 
und  richtigere  Darstellung  iler  Kernstructur,  indem  er  den  fädigen  Bau  hefünt  und  auch  dessen 
Moditicationcn  andeutet.     Das  eigentliche  Wesen  der  Structur  erkannte  er  jedoch  nicht, 


Feinerer  Bau  des  Kernes;  Kerntlieilung ;  Nebenkerne.  977 

Genauere  Untersuchung  ergibt  nun,  dass  die  geschilderten  Kernfäden 
nicht  ohne  Verbindung  sind,  sondern  dass  die  benachbarten  in  ihrer 
ganzen  Länge  durch  feine  Lamellen  von  Kernsubstanz  in  Zusammenhang 
stehen.  Dies  ergibt  sich  am  klarsten,  wenn  man  einen  einfach  gebauten 
Kern  mit  parallel  geordneten  Kernfäden  in  einer  Ansicht  betrachtet,  wo 
die  Kernfäden  im  optischen  Querschnitt  erscheinen.  Dann  bemerkt  man 
die  sie  verbindenden  Lamellen  gleichfalls  im  optischen  Schnitt,  als  zarte 
Linien,  welche  die  punktförmigen  Querschnitte  der  Fäden  verbinden;  das 
Gesammtbild  ist  also  das  eines  Netzwerkes,  dessen  Knotenpunkte  verdickt 
sind  (52,  10  c).  Dass  auch  die  Kerne  mit  unregelmässigerem  Verlauf  der 
Fäden  dieselbe  Beschaifenheit  aufweisen,  folgt  daraus,  dass,  wenn  es  nur 
gelingt,  einen  Theil  der  Fäden  im  optischen  Querschnitt  zu  sehen,  auch 
die  geschilderte  Netzstructur  deutlich  wird  (52,  9d). 

Ferner  Hess  sich  aber  in  manchen  Fällen  ziemlich  klar  erkennen, 
dass  sich  auch  senkrecht  zu  dem  Verlauf  der  Fäden  zwischen  ihnen  noch 
zarte  Verbindungen  finden  (54,  2  b),  welche  wohl  gleichfalls  nicht  als 
Fäden,  sondern  als  zarte  Lamellen  aufzufassen  sein  dürften.  Das  Gesammt- 
ergebniss  wäre  aber  dann,  dass  die  Gerüstsubstanz  des  Kernes  nicht  ein 
Fadenwerk,  sondern  ein  regelmässiger  oder  unregelmässiger  geordnetes 
Wabenwerk  darstellt,  dessen  Längskanten  zu  fadenartigen  Bildungen  ver- 
dickt sind.  Eine  solche  Structur  erweckt  unser  Interesse  namentlich  noch 
desshalb,  weil  sie  der  Plasraastructur  in  vieler  Hinsicht  gleicht. . 

Innerhalb  des  Kerngerüstes  finden  sich  zuweilen,  wenn  auch  nicht 
gerade  häufig,  kleine  nucleolusartige  Einschlüsse;  so  manchmal  bei 
Ceratium  Tripos  und  Hirundinella  (nach  Blanc  gewöhnlich),  Peridinium 
divergens,  ebenso  nach  Stein  bei  Blepharocysta  und  gelegentlich  bei  Di- 
plopsalis.  Auch  Pouchet*)  und  Gourret  machen  auf  das  Vorkommen 
solcher  Gebilde  aufmerksam  Wo  ich  diese  Nucleoli  genauer  untersuchte 
(Peridinium  divergens  und  Ceratium  Tripos)  besassen  sie  gleichfalls  einen 
feinnetzigen  Bau,  also  wohl  eine  ähnliche  Structur  wie  die  eigentliche 
Kernmasse,  von  welcher  sie  jedoch  scharf  abgegrenzt  waren. 

Wegen  des  interessanten  Baues  der  Kerne  wäre  es  von  grosser 
Wichtigkeit,  etwas  von  ihrem  Theilungsvorgange  zu  wissen,  leider  ist  aber 
hierüber  noch  nichts  ermittelt  worden.  Das  wenige,  was  davon  bekannt 
ist,  macht  es  wahrscheinlich,  dass  die  Theilung  ähnlich  verläuft  wie  bei 
den  Hauptkernen  der  Infusorien.  Bei  Polykrikos  wenigstens  beobachtete 
Bütschli  bisquitförmige,  in  Theilung  begriffene  Kerne  (55,  8  b)  und  ähnliche 
Zustände  bildet  auch  Stein  von  encystirten  Peridinien  ab  (52,  10  b).  — 
Schliesslich  hat  Blanc  die  Theilung  des  Kernes  von  Ceratium  Hirundinella 
bei  der  Vermehrung  dieser  Dinoflagellate  im  bewegten  Zustande  in  ent- 
sprechender Weise  geschildert  (53,  9  b).  Vor  Beginn  der  Theilung  ver- 
mehre sich   der   gewöhnlich  vorhandene  Nucleolus,   wahrscheinlich  durch 


*)  In  seiner  neuesten  Publikation  betont  Pouchet  die  wahrscheinliche  Constanz   des  Nu- 
cleolus ;  dies  ist  jedoch  sicher  unriclitig. 

Bronn,  Klassen  des  Thier-Reiclis.    Pvotozoa.  ß2 


978  Dinoflagellata. 

Theilung,  zu  zweien,  die  nun  die  Mittelpunkte  der  sich  trennenden  Hälften 
des  Nucleus  einnehmen.  Blanc  stellt  in  Abrede,  dass  die  Struetur  des 
Kernes  bei  der  Theilung  irgend  welche  Veränderungen  erleide ;  da  aber 
seine  Beobachtungen  über  die  Kernstructur  jedenfalls  nicht  sehr  ein- 
gehende sind,  halte  ich  es  doch  für  möglich,  dass  bei  der  Theilung  auch 
hier  gewisse  Veränderungen  der  Kernstructur  auftreten. 

Man  darf  demnach  vermuthen,  dass  der  bisquitförmig  gewordene 
Kern  durch  allmähliche  Verdünnung  und  schliessliches  Durchreissen  der 
eingeschnürten  Stelle  seine  Theilung  vollendet.  Ob  sich  dabei  auch  wie 
in  den  Hauptkernen  der  Ciliateu  die  verworren-fasrige  Knäuelstructur 
stets  ausbildet,  lässt  sich  zur  Zeit  nicht  angeben,  scheint  mir  aber  recht 
"wahrscheinlich. 

Bergh  hat  bei  dem  eben  erwähnten  Polykrikos  eine  Beobachtung 
gemacht,  welche,  wenn  sie  sich  auch  für  andere  Dinoflagellaten  bestätigen 
sollte,  die  schon  im  Kern  bau  ausgesprochene  Uebereinstimmung  mit  den 
Ciliaten  noch  vermehren  würde.  Er  sah  nämlich  der  Oberfläche  jedes 
der  4  Kerne  drei  bis  sechs  kleine,  glänzendere,  also  wohl  dichtere 
Gebilde  anliegen  (8  a,  n'),  welche  sich  in  Pikrokarmin  lebhafter  wie  die 
Kerne  färbten.  Bergh  hält  sie,  nach  Analogie  mit  den  Verhältnissen 
der  Ciliaten,  für  kleine,  besonders  geartete  Kerne,  den  Nebenkernen  der 
Infusorien  vergleichbar.  Da  er  weiter  noch  fand,  dass  an  Stelle  dieser 
Nebenkerne  zuweilen  deutliche  kleine  Kernspindeln  vorkommen,  so  liegt 
kein  Grund  vor,  an  seiner  Deutung  zu  zweifeln.  Damit  wäre  denn  zum 
ersten  Male  das  Vorkommen  differenter  Kerne  ausserhalb  der  Abtheilung 
der  Infusorien  coustatirt,  hie  sichtlich  welcher  es  sich  nur  fragen  würde, 
ob  sie  sich  auch  bei  den  Copulationsvorgängen  ähnlich  verhalten  wie 
jene  der  Infusorien.  Bei  den  übrigen  Dinoflagellaten  wurde  bis  jetzt 
von  solchen  Nebenkernen  nichts  sicheres  aufgefunden.  Es  wurden 
zwar  neben  dem  Kern,  besonders  bei  den  Ceratien,  zuweilen  kleinere  oder 
grössere  Gebilde  wahrgenommen,  welche  ebenfalls  Farbstoffe  (Karmin) 
stärker  wie  das  Plasma  aufnahmen  und  auch  durch  ihre  netzförmige, 
ziemlich  grobe  Structur  an  Zellkerne  lebhaft  erinnerten,  ßutschli  hat 
diese  Einschlüsse,  welche  er  auch  bei  Dinophysis  gelegentlich  beob- 
achtete (54,  8  a),  näher  beschrieben  und  abgebildet,  zuvor  hatten  aber 
auch  schon  Pouchet  und  Klebs  auf  ähnliche  Gebilde  aufmerksam  gemacht. 
Dass  sie  aber,  wie  Klebs  meint,  mit  den  sog.  Keimkugeln,  die  Stein  be- 
schrieb und  welche  wir  später  specieller  zu  betrachten  haben  werden, 
identisch  sind,  halte  ich  nicht  für  wahrscheinlich.  Hervorzuheben  wäre 
noch,  dass  in  den  fraglichen  Körpern  zuweilen  ein  nucleolusartiges  Ge- 
bilde vorkommt,  ganz  ähnlich  den  oben  beschriebenen  Nucleoli  der 
Dinoflagellaten  kerne. 

0.  Fortpflanzungserselieinuiioen  der  Dinoflagellaten, 

Wir  betreten  hier  ein  Gebiet,   welches   leider  noch  nicht  so   durch 
forscht  ist,   wie  es  eine  zusammenhängende,  abgerundete  Darstellung  er- 


Allgemeines  über  die  Theiluiin'  (Lage  der  Theilcbene).  979 

forderte.  Wir  werden  uns  vielmehr  mit  einer  AufzäbluDg  der  da  und 
dort  gemachten  Einzelbeobachtungen  begnügen  müssen  und  können  nur 
die  Hoffnung  aussprechen,  dass  die  kommende  Zeit  umfassendere  Unter- 
suchungen zu  Tage  fördern  möge.  Immerhin  glaube  ich ,  dass  wir  beim 
Ueberblick  des  Bekannten  wohl  behaupten  dürfen ,  dass  sich  unsere 
Gruppe  auch  hinsichtlich  der  Fortpflanzungserscheiuuugen  an  die  Fla- 
gellaten  anschliesst,  wenngleich  auch  Modificationen  zu  verzeichnen  sein 
werden. 

So  finden  wir  zunächst,  dass  der  einzige  bis  jetzt  mit  Sicherheit  fest- 
gestellte Fortpflanzungsact  einfache  Zweitheilung  ist,  sei  es,  dass 
dieselbe  im  frei  beweglichen  oder  ruhenden  Zustande  geschehe;  alles, 
was  von  Fortpflanzungserscheinungen  sonst  noch  geschildert  wurde ,  ist 
unsicher  oder  recht  unwahrscheinlich. 

Da  wir  nun  wissen,  dass  die  Zweitheilung  der  Flagellaten,  und 
speciell  der  den  Dinoflagellaten  nächstverwandten  Formen,  fast  aus- 
nahmslos Längstheilung  ist,  so  lässt  sich  auch  hier  als  Fundamental- 
frage die  nach  der  Theilungsrichtung  bezeichnen.  Wir  wollen  daher 
an  erster  Stelle  versuchen,  diese  Frage  kurz  zu  erörtern,  da  ihr  ja 
auch  eine  allgemein  morphologische  Bedeutung  zukommt.  Gerade  be- 
züglich der  Lage  der  Theilungsebene  zur  Körperaxe  stimmen  die  ver- 
schiedenen Forscher  nicht  überein.  Während  Stein  aus  den  Resultaten 
seiner  Untersuchungen  schloss,  dass  die  Theilebene  quer  zur  Längs- 
axe  verlaufe,  fasst  Klebs  die  Theilung  als  längsverlaufende  auf,  wenn 
auch  die  Richtung  der  Theilungsebene  nicht  genau  mit  der  Längsaxe 
zusammenfalle,  sondern  dieselbe  gewöhnlich  etwas  schief,  ungefähr  unter 
einem  Winkel  von  45  ^  oder  weniger  schneide.  Die  übrigen  Forscher 
haben  sich  nicht  allgemein  über  diese  Frage  geäussert,  ihre  speciellen 
Angaben  werden  bei  Gelegenheit  noch  erwähnt  werden.  Ich  persönlich 
bemerkte  vor  einiger  Zeit  (46),  dass  ich  die  Herleitung  der  schiefen 
Theilebene  der  Peridiniden  aus  ursprünglicher  Quer-  oder  Längstheilung 
noch  für  eine  offene  Frage  halte.  Durch  erneute  Ueberlegung  dieses 
wichtigen  Punktes  kam  ich  zu  einer  etwas  anderen  Auffassung,  die,  wie 
ich  glaube,  die  widerstreitenden  Ansichten  zu  vereinigen  im  Stande  ist. 

Leider  wissen  wir  von  der  Theilung  der  Ursprungsgruppe  der  Dino- 
flagellaten, der  Prorocentrinen,  nur  wenig;  der  Theilungsvorgang  dieser 
Formen  erscheint  aber  besonders  wichtig;  ebenso  wegen  der  Vergleichung 
mit  den  Vorgängen  bei  den  Flagellaten,  wie  zur  Aufklärung  der  Ver- 
hältnisse bei  den  Diniferen.  Nur  bei  Pouchet  finden  wir  eine  Nachricht 
über  die  Theilung  der  Exuviaella  (seines  Amphidinium  operculatum), 
welche,  obgleich  ziemlich  kurz  gehalten,  doch  wohl  mit  Sicherheit  ent- 
nehmen lässt,  dass  hier  Längstheilung  herrscht,  wie  bei  den  verwandten 
Flagellaten.*)     Reguläre  Längstheilung  findet  sich  weiter  bei  Amphidinium 

*)  Die  neiieste  Arbeit  von  Pouchet  bringt  die  Abbildungen  einiger  Stadien  dieses  Tlieilungs- 
processes  und  macht  die  Sache  zweifellos. 

62* 


980  Dinoflag-ellata. 

nach  den  Erfahrungen  Stein's  und  dürfte,  wie  sich  mit  ziemlicher  Sicher- 
heit vermuthen  lässt,  wohl  die  Vermehrungsart  säramtlicher  Dinophysiden 
sein.  Doch  ist  kaum  zu  bezweifeln,  dass  unter  den  Dinifereu  auch  entschiedene 
Quertheilung  beobachtet  wurde,  d.  h.  Theilung  quer  zur  längereu  Körperaxe. 
Ganz  sicher  scheint  dies  nach  meinen  und  Bergh's  Untersuchungen  für  Poly- 
krikos  und  auch  die  nur  durch  Abbildungen  erläuterten  Angaben  Stein's 
über  die  Quertheilung  bei  Hemidinium  halte  ich  für  gesichert.  Unsicher 
scheint  dagegen  die  ältere  Angabe  von  Allman  über  die  Quertheilung  seines 
Peridinium  uberrimum,  wenigstens  fehlen  uns,  da  die  Form  selbst  zweifelhaft 
erscheint,  genügende  Anhaltspunkte  zur  Beurtheiluug  dieser  Nachricht,  welche 
überhaupt  die  erste  über  Quertheilung  der  Dinoflagellaten  ist.  Es  fragt 
sich  nun  aber,  kann  man  die  Längstheilung  der  Prorocentrinen  mit  der 
schiefen  der  meisten  und  der  ausgesprochenen  Quertheilung  gewisser 
Peridiuiden  vereinigen.  Mir  scheint  dies  nicht  schwierig,  wenn  wir 
uns  über  die  Axenverhältnisse  bei  den  beiden  Abtheilungen  etwas  genauer 
orientireu.  Das  eine  Ende  der  Längsaxe  der  Prorocentrinen  wird,  wie 
es  auch  bei  den  Flagellaten  meist  ist,  durch  die  Insertion  der  beiden 
Geissein  bezeichnet  und  die  Längstheilungsebene  der  Flagellaten  geht 
stets  durch  den  Ursprungspunkt  der  Geissein.  Wir  wissen  nun  aus  der 
früheren  Darstellung,  dass  bei  der  wohl  zweifellosen  Herleitung  der  Dini- 
feren  und  speciell  der  Peridiniden  von  den  Prorocentrinen  unter  allen 
Umständen  eine  Verschiebung  des  Ursprungspunktes  der  Geissein  statt- 
gefunden haben  muss;  derselbe  ging  aus  seiner  endständigen  Lage 
allmählich  in  eine  solche  über,  dass  er  meist  die  Mittelregion  der 
sog.  Bauchseite  einnimmt.  Wie  wir  uns  diese  Verschiebung  im  speciellen 
entstanden  denken  müssen,  wird  erst  später  besprochen  werden  können. 
Jedenfalls  folgt  aber  hieraus,  dass  die  längere  Axe  der  Peridiniden 
nicht  der  Längsaxe  der  Prorocentrinen  homolog  ist,  sondern  dass 
eine  Axe,  welche  von  der  Geisselinsertion  der  Peridiniden  ausgeht 
und  senkrecht  oder  auch  vielleicht  mehr  oder  weniger  schief  zur  Rück- 
seite hinzieht,  der  Längsaxe  der  Prorocentrinen  entspricht.  Jede  Ebene 
also,  welche  bei  den  Peridiniden  durch  den  Ursprungspunkt  der  Geissein 
geht  und  auf  der  Kückenfläche  senkrecht  steht,  dürfen  wir  daher 
einer  Längsebene  der  Prorocentrinen  entsprechend  betrachten ,  ja  es 
wird  uns  in  Zukunft  der  Verlauf  der  Theilungsebene  wohl  noch  wichtige 
Fingerzeige  für  die  vergleichende  Orientirung  der  verschiedenen  Formen 
der  Dinoflagellaten  liefern.  Ich  kann  hier  auf  einen  schon  bei  den  Fla- 
gellaten besprochenen  ähnlichen  Fall  hinweisen,  nämlich  auf  die  scheinbar 
abweichende  Stellung  der  Geissein  und  die  vermeintliche  Quertheilung 
der  Gattung  Nephroselmis  St.,  welche  sich  ganz  ebenso  zu  der  Längs- 
theilung der  verwandten  Formen  (seien  dies  nun  Chlamydonionadinen, 
nach  meiner  Auffassung,  oder  Cryptomonadinen,  nach  der  Stein's)  verhält, 
wie  die  scheinbare  Quer-  oder  schiefe  Läagstheilung  zu  der  echten  Längs- 
theilung der  Prorocentrinen. 

Ich  glaube,   durch  diese   Erörterungen  gezeigt  zu  haben,   dass   sich 


Thciluii^'  im  bewcgliclicii  Zustauilc  (Polykrikos,  Ceratiiim).  981 

bei  den  Dinoflagellaten,  ebenso  wie  fast  ausnahmslos  bei  den  Flagellaten, 
Längstheilung  findet,  und  dass  die  Ausnahmen  nur  scheinbare  sind,  hervor- 
gerufen durch  die  Verlagerung  der  ursprünglichen  Längsebene,  die  Ver- 
änderung in  den  Grössenverhältnissen  der  Axen  und  der  Bewegungs- 
richtung.  Indem  ich  mich  also  der  Ansicht  von  Klebs  anschliesse, 
muss  ich  doch  hervorheben,  dass  ich  in  ganz  anderer  Weise  eine  Be- 
gründung derselben  versucht  habe. 

A.   Theilung   im   „beweglichen   Zustande". 

Es  scheint  sicher,  dass  ein  solcher  Vermehrungsvorgang  bei  den 
Dinoflagellaten  nur  selten  vorkommt;  dass  dies  aber  der  Fall,  ist  ebenso 
sicher  und  bei  einzelnen  Formen  ist  er  sogar  vielleicht  der  häufigere. 
Am  bestimmtesten  lauten  in  dieser  Hinsicht  die  Mittheilungen  Bütschli's 
und  Bergh's  für  Polykrikos,  wenn  auch  in  ihren  Detailangaben  man- 
cherlei Differenzen  bestehen.  Uebereinstimmung  herrscht  in  sofern,  als 
beide  Quertheilung  durch  eine  ringförmige  Einschnürung  in  der  Mitte  der 
längeren  Körperaxe  beobachteten.  Verschieden  lauten  dagegen  die  Mit- 
theilungen über  das  Verhalten  der  wichtigsten  Organe  des  sich  theilenden 
Körpers.  Bütschli  fand,  dass  die  sich  vermehrenden  Individuen  schon 
die  doppelte  Anzahl  der  gewöhnlichen  acht  Querfurchen  besassen  (Tf.  55, 
8b),  dass  demnach  jeder  Theilsprössling  mit  8  Querfurchen  ins  Leben 
trat.  Bergh  beobachtete  dagegen  bei  den  Theilungszuständen  nie  mehr  als 
die  gewöhnlichen  8  Furchen  und  daher  hatten  auch  die  von  ihm  gesehenen 
Theilsprösslinge  nur  4  Furchen.  Ein  ähnlicher,  vielleicht  mit  obigem 
zusammenhängender  Unterschied  fand  sich  bezüglich  der  Kerne.  Bergh 
fand  nämlich,  dass  bei  der  Theilung  einfach  zwei  der  4  Kerne  auf  den 
vorderen,  die  beiden  anderen  auf  den  hinteren  Sprössling  übertraten,  ohne 
dass  die  Kerne  getheilt  wurden;  die  Sprösslinge  waren  also  zweikernig. 
Ich  dagegen  beobachtete,  dass  die  4  in  eben  angegebener  Weise  auf 
die  noch  zusammenhängenden  Sprösslinge  übertragenen  Kerne  sich  schon 
theilten,  bevor  die  Trennung  geschah  (Tf.  55,  8  b).  Alle  4  Kerne  wiesen 
das  gleiche  Stadium  der  Theilung  auf.  Schon  vor  der  Isolirung  der 
Sprösslinge  vollendete  sich  die  Theilung  der  Kerne.  Ob  nun  diese  Unter- 
schiede, welche  übrigens  bedeutender  erscheinen,  als  sie  thatsächlich  sind, 
da  ja  die  Vermehrung  der  Organe  bei  den  von  Bergh  beobachteten  Zu- 
ständen nur  verzögert  erscheint,  constante  sind  oder  nur  gelegentliche, 
lässt  sich  zur  Zeit  nicht  entscheiden. 

Hinsichtlich  der  schon  oben  erwähnten  Quertheilung  des  Hemidinium 
nasutum  vermögen  wir  nach  der  Abbildung  Stein's  nur  berichten,  dass 
dieselbe  durch  einfache  Einschnürung  in  der  Mitte  der  längeren  Axe 
zu  geschehen  scheint  (Tf.  51,  3  b),  und  dass  die  noch  zusammenhängen- 
den Sprösslinge  schon  alle  Organe  besitzen. 

Wenn  wir  von  den  unsicheren  älteren  Angaben  Ehrenberg's,  Perty's, 
Claparede's  und  Anderer  über  Längstheilung  im  beweglichen  Zustande 
absehen,    welche    erst    später    nach    ihrer    wahrscheinlichen    Bedeutung 


982 


Diiioflat'X'llata. 


ZU  erörtern  sein  werden,  bleibt  uns  namentlich  noch  die  Betrachtung 
gewisser  Theilungserscheinungen  bei  den  Ceratien.  Obgleich  der 
Gegenstand  nicht  in  ganz  genügender  Weise  aufgeklärt  ist,  scheint 
aus  den  vorliegenden  Daten  doch  ziemlich  sicher  hervorzugehen,  dass 
auch  diese,  mit  starker,  getäfelter  Hülle  versehenen  Dinoflagellaten 
theilungsfähig  sind.  Die  ersten  Mittheilungen  rühren  von  Bergh  her, 
welcher  bei  sämmtlichen  von  ihm  studirten  Ceratienarten  nicht  selten  frei- 
schwimmende Individuen  fand,  welchen  eine  Hälfte  der  Schalenhülle  fehlte 
(53,  7b).  Auch  beobachtete  er,  dass  zuweilen  zwei  derartige  Individuen, 
mit  den  nackten  Theilen  gewissermaassen  verklebt,  munter  mit  ein- 
ander umherschwammen.  Bergh  blieb  unsicher  über  die  Deutung  seiner 
Beobachtungen,  namentlich  mangelte  ihm  ein  Kriterium,  um  die  erwähnten 
Doppeliodividuen  als  Theil-  oder  Conjugationszustände  zu  bestimmen,  er 
Hess  die  Frage  daher  offen,  neigte  aber  doch  mehr  zu  ihrer  Auffassung 
als  Conjugationszustände. 

Auch  Stein  fand  die  nur  halb  umhüllten  Formen  bei  Ceratium  Furca 
und  Tripos,  erklärte  sie  aber  für  verstümmelte  Exemplare,  welche  die 
nackten  Theile  durch  Neubildung  ergänzt  hätten.  Dass  nun  aber  diese 
Zustände  nicht  durch  Verstümmelung  entstanden  sein  können,  folgt  wohl 
bestimmt  daraus,  dass  bei  allen  von  beiden  Beobachtern  abgebildeten 
die  fehlende  Schalenhälfte  stets  ein  ganz  bestimmter  Theil  der  Hülle  ist, 
nicht  etwa  eine  zufällig  abgebrochene  Partie.  Das  Gleiche  besagen  end- 
lich auch  die  Beobacbtuagen  Blanc's  an  Ceratium  Hirundinella. 

Die  Hülle  erscheint  üämlich  bei  den  fraglichen  Individuen  stets  durch 
eine  schief  zur  Längsaxe  des  Körpers  verlaufende  Linie  halbirt  und  zwar 
zieht  diese  Linie  etwa  von  der  Mitte  der  rechten  seitlichen  Vorderhälfte 
zu  der  der  linken  hinteren  Seitenhälfte,   sowohl  auf  der  Rück-  wie  der 


Erklärung  des  Holzschnittes  Fig.  10.  Schema  des  Zerfalls  der  Hülle  von  Ce- 
ratium Trii30s  bei  der  schiefen  Zweitheilung.  Die  linke  Figur  zeigt  die  Bauchseite,  die  rechte 
die  Rückseite,  beide  Inder  Ansicht  von  der  Bauchseite.  Die  Tafelnäthe,  längs  welcher  der 
Zerfall  geschieht,  sind  durch  die  Schraffirung  bezeichnet. 


Thciluüjj  im  beweglielieii  Zustande  (Ceratiimi).  983 

Bauchseite.  Ein  genaueres  Studium  der  Abbildungen  von  Stein  und  Bergh 
lässt  dann  ferner  mit  genügender  Sicherheit,  wie  mir  scheint,  erkennen, 
dass  die  Trennung  der  beiden  Schalenhälften  längs  der  Nähte  gewisser 
Tafeln  geschieht  und  zwar  in  übereinstimmender  Weise  bei  allen  hierauf 
genauer  untersuchten  Ceratien.  Um  eine  weitläufige  wörtliche  Beschrei- 
bung zu  ersparen,  habe  ich  auf  nebenstehendem  Holzschnitt  für  Ceratium 
Tripos  die  Nähte  der  Tafeln  angegeben,  längs  welcher,  aller  Wahr- 
scheinlichkeit nach,  die  Trennung  sich  vollzieht.  Fig.  a  zeigt  die  Trennungs- 
linie auf  der  Bauch-,  Fig.  b  auf  der  Rückseite  und  zwar  die  Rückseite 
gleichfalls  in  ventraler  Ansicht. 

Man  begegnet  nun  in  gleicher  Weise  Individuen,  welche  noch  die 
rechte  (53,  7  b)  und  solchen,  welche  die  linke  Hälfte  der  Schale  besitzen ; 
schon  diese  Erfahrung  scheint  mir  zu  Gunsten  der  Ansicht  zu  sprechen, 
dass  hier  Theilzustände  vorliegen,  bei  welchen  jedes  der  Theilindi- 
viduen  eine  Schalenhälfte  mit  sich  nahm.  Weiter  spricht  hierfür  der 
Umstand,  dass  die  schiefe  Trennungslinie  der  Hülle  im  Allgemeinen  den- 
selben Verlauf  zu  nehmen  scheint,  wie  die  Theilebene  bei  den  Peri- 
diniden,  soweit  ich  hierüber  nach  den  Erfahrungen  Stein's,  Klebs'  und 
eigenen  zu  urtheilen  vermag.  Auch  hier  scheint  nämlich  die  Theilebene 
von  rechts  vorn  nach  links  hinten  zu  ziehen.  Endlich  haben  wir  nun 
noch  die  Beobachtungen  Blanc's  über  Ceratium  Hirundinella,  welche  einen 
solchen  Theilungsvorgang  fast  zur  Gewissheit  erheben.  Derselbe  fand 
bei  dieser  Art,  wie  schon  früher  geschildert  wurde,  Theilungszustände 
des  Kernes  unter  Vermehrung  des  Nucleolus  zu  zweien  und  bisquitförmiger 
Einschnürung  des  Nucleus.  Die  Anfangsstadien  dieses  Theilungsprocesses 
wurden  bei  Individuen  beobachtet,  die  äusserlich  keine  Veränderung 
zeigten;  der  fortgeschrittenste  Thcilungszustand  des  Kernes  fand  sich 
aber  in  einem  Individuum,  welches  von  einer  ringförmigen  Furche 
umzogen  war,  deren  Verlauf  recht  wohl  mit  der  oben  geschilderten 
Trennungslinie  der  beiden  Hüllhälften  tibereinstimmt  (53,  9  b).  Leider 
scheint  gerade  die  Untersuchung  dieses  entscheidenden  Zustandes  nicht 
besonders  gelungen  zu  sein.  Der  Verlauf  der  Furche  auf  der  vorderen 
rechten  Seite  stimmt  genau  mit  der  Trennungslinie  der  Hülle  (bei  Stein 
und  Bergh)  überein,  auf  der  linken  hinteren  Hälfte  dagegen  wird  er  etwas 
abweichend  angegeben.  Die  Furche  soll  nämlich  hier  auf  der  rechten 
Seite  der  Basis  des  grossen  hinteren  Hörn  es  (aah)  verlaufen,  so  dass 
dieses  bei  der  Theilung  dem  linken  Sprössling  verbliebe.  Letzteres  ist 
aber  wahrscheinlich  unrichtig,  da  dieses  Hörn,  welches  von  der  Anta- 
picalplatte  entspringt,  nach  den  Erfahrungen  Stein's  und  Bergh's  der 
rechten  Hüllhälfte  verbleibt.  Wir  sind  um  so  mehr  berechtigt,  in  diesem 
Punkt  einen  Irrthum  bei  Blanc  zu  vermuthen,  als  derselbe  gleichfalls  In- 
dividuen mit  hälftiger  Hülle  beobachtete  und  sie  mit  Recht  als  Sprösslinge 
deutet,  welche  dem  beschriebenen  Theilungsact  entstammen,  aber  bei  einem 
solchen  Sprössling,  welcher  die  linke  vordere  Hälfte  der  Hülle  besitzt, 
lässt  er  das  hintere  Hörn  fehlen,  dasselbe  verbleibt  also  auch  nach  seiner 


984  Dinoflagellata. 

Wahrnehmung  dem  rechten  Theilsprössling.  Das  eben  erwähnte  Exemplar 
ist  noch  desshalb  interessant,  weil  ihm  das  hintere  Hörn  und  das 
rechte  Öeitenhorn  auch  als  Protoplasmagebilde  noch  völlig  fehlten. 
Der  nackte,  von  der  verbliebeneu  linken  vorderen  Hüllhälfte  nicht  bedeckte 
Plasmakörper  bildete  nur  eine  unregelmässig  vorspringende  Masse,  welche 
augenscheinlich  im  Auswachsen  begriffen  war.  Die  Längsfurchengeissel 
ist  auf  der  Abbildung  angegeben,  das  Individuum  war  also  beweglich. 

Noch  ist  hervorzuheben,  dass  auch  das  Verhalten  des  Kernes  in  dem 
geschilderten  Individuum  mit  der  ringförmigen  Furche  für  den  Theilungs- 
process  sprach ;  der  tief  bisquitförmig  eingeschnürte  Kern  stand  nämlich 
mit  seiner  Längsaxe  senkrecht  zu  der  vermuthlichen  Theilebene,  so  dass 
seine  eine  Hälfte  in  die  rechte  hintere  Hälfte,  die  zum  rechten  Sprössling 
wird,  hineinragte,  die  andere  Hälfte  in  die  linke  Vorderhälfte,  welche 
den  linken  Sprössling  erzeugt. 

Leider  wird  über  die  Geisseiverhältnisse  der  mit  Kerntheilungen 
versehenen  Individuen  nichts  berichtet;  vielleicht  waren  die  Geissein 
rückgebildet  und  bilden  sich  für  die  beiden  Sprössliuge  neu.  Immerhin 
dürften  wir  den  Theilungsvorgang  auch  dann  zu  den  im  beweglichen 
Zustande  erfolgenden  rechnen. 

Aus  dem  Mitgetheilten  scheint  mit  ziemlicher  Sicherheit  hervorzu- 
gehen, dass  Blaue  die  richtige  Deutung  des  Vorganges  gegeben  hat  und 
demnach  bei  den  Ceratien  schiefe  Zweitheilung  im  beweglichen,  oder 
wenigstens  unencystirten  Zustand  vorkommt,  wobei  jeder  Sprössling  die 
Hälfte  der  Schalenhülle  mitnimmt  und  nach  erfolgter  Isolirung  die  man- 
gelnde Körperhälfte  sammt  dem  zugehörigen  Theil  der  Hülle  hervorbildet. 

Diese  Auffassung  wird  namentlich  auch  durch  das  entsprechende  Ver- 
halten der  Hülle  bei  der  Längstheilung  der  Exuviaella  marina  unterstützt. 
Nach  den  Erfahrungen  Pouchet's  (37  u.  48)  nimmt  hierbei,  ähnlich  wie 
bei  der  Theilung  der  Bacillariaceen ,  jeder  der  Sprösslinge  eine  der 
beiden  Schalenklappen  mit  sich;  die  Theilung  scheint  jedoch  in  diesem 
Falle  stets  im  geissellosen  Zustande  stattzufinden,  der  Vorgang  gehörte 
also  eigentlich  unter  den  folgenden  Abschnitt. 

Andererseits  kann  jedoch  auch  bei  gewissen  Diuoflagellaten  ein 
Theilungsprocess  im  beweglichen  Zustande,  ohne  Betheiligung  der  Hülle, 
analog  den  Verhältnissen  bei  Polytoma  unter  den  Flagellaten,  vorkommen. 
Klebs  (45)  hat  dies  für  Glenodinium  obliquum  festgestellt.  Der  Weich- 
körper zerfällt  hier  durch  schiefe  Längstheilung  innerhalb  der  Hülle  und 
ohne  Verlust  der  Geissein  in  zwei  Sprösslinge  (51,  12),  welche  sich 
wahrscheinlich  später,  nach  Abstreifung  der  Hülle  und  unter  Neubildung 
besonderer  Geisseisysteme  isoliren  werden. 

B.   Vermehrung  durcl:  einfache   oder  fortgesetzte  Zweit h eilung  im  ruhenden 
Zustande  einschliesslich   der   En cys ti rungsvorgänge  überhaupt. 

Es  wurde  schon  früher  bemerkt,  dass  solche  Vermehrungsprocesse 
bei  den    Dinoflagellaten   sicher   die  häufigeren    sind.     Wie   bei   den   Fla- 


Theiliing-  iui  riihoudeii  Zustande  (Peridiiiiuin,  (iyinuodinium,  Glenodinium).  985 

gellaten  kann  der  Ruhezustand  entweder  nur  in  dem  Verlust  der 
Geissein  bestehen  und  die  Thcilung  sich  dann  nur  wenig  von  den  im 
vorigen  Kapitel  beschriebenen  Vorgängen  unterscheiden ,  oder  es  umhüllt 
sich  der  ruhende  Körper  gleichzeitig  mit  einer  besonderen  Cystenmembran, 
unter  deren  Schutz  die  Theilung  geschieht.  In  letzterem  Fall  geht 
die  Schalenhülle,  insofern  eine  solche  existirte,  nach  der  Encystirung 
gewöhnlich  verloren.  Der  Theilungsvorgang  selbst  ist  in  den  sicher  be- 
kannten Fällen  die  schiele  Zweitheilung,  welche  schon  im  vorigen  Kapitel 
erörtert  wurde.  Dieselbe  kann  sich  an  den  Theilsprösslingen  unter  Um- 
ständen noch  mehrfach  wiederholen,  so  dass  die  Zahl  der  in  einer 
Cyste  enthaltenen  Nachkommen  ziemlich  beträchtlich  werden  kann. 

Bei  manchen  Formen  wurden  auch  Cystenbildungen  beobachtet,  ohne 
Nachweis  gleichzeitiger  Vermehrung;  wir  können  dieselben  zur  Zeit 
nicht  scharf  von  den  ersterwähnten  trennen  und  werden  sie  desshalb 
nicht  gesondert  besprechen.  Einen  Unterschied  zwischen  Cysten-  und 
Dauerzuständen  zu  machen,  wie  wir  es  bei  den  Flagellaten  gehalten 
haben,  scheint  bei  den  Dinoflagellaten  schwierig,  doch  liegen  Beob- 
achtungen über  Encystirungsprocesse  vor,  welche  wohl  auf  die  Bezeichnung 
Dauerzustände  Anspruch  machen  dürfen.  Uebrigens  besitzt  ja  die  Unter- 
scheidung der  ßuhe-  und  Dauerzustände  keine  grosse  Bedeutung. 

Ziemlich  die  einfachsten  Theilungsvorgänge  im  ruhenden  Zustande 
dürften  nach  den  übereinstimmenden  Angaben  von  Stein  und  Klebs  bei 
den  Peridiniden  vorkommen. 

Die  Beobachtungen  beider  Forscher  beziehen  sich  auf  Feridinium 
tabulatum  und  cinctum.  Nachdem  das  Feridinium  seine  Geissein  verloren 
hat,  was  zweifellos  durch  Abwerfen  geschieht,  gelangt  es  zur  Ruhe, 
zieht  sich  unter  Condensation  des  Plasmas  in  der  Schalenhülle  kuglig 
zusammen,  wobei  die  Furchen  ganz  verschwinden  sollen  und  scheidet 
hierauf  eine  gallertige  Umhüllung  aus ,  unter  deren  speciellem  Schutz 
die  Theilung  geschieht.  Letztere  erfolgt  als  schiefe  Längstheilung,  wobei 
die  Theilebene  nach  den  Erfahrungen  von  Klebs  einen  ziemlich  spitzen 
Winkel  mit  der  Längsaxe  bildet  (52,  6d).  Der  Kern  (n)  ist  mittlerweile 
in  die  Mitte  der  Kugel  gerückt  und  theilt  sich  nun,  jedenfalls  senkrecht 
auf  der  Theilebene  (genaueres  über  den  Vorgang  der  Kerntheilung  ist 
unbekannt).  Wenn  die  Tochterkerne  etwas  auseinandergerückt  sind,  be- 
merkt man  nach  Klebs  längs  der  späteren  Theilebene  zwei  dicht  neben 
einander  verlaufende  dunkle  Streifen ,  die  gewöhnlich  aus  dunklen  Körn- 
chen zusammengesetzt  sind  (6d).  Die  ganze  Erscheinung  erinnert  an 
die  sogen.  Zellplatte  (Strassburger)  bei  der  Theilung  pflanzlicher  Zellen. 
Hierauf  vollzieht  sich  die  Trennung  der  Sprösslinge,  doch  blieb  der  nähere 
Vorgang  dabei  noch  unermittelt.  Ich  glaube  aber  annehmen  zu  dürfen, 
dass  die  Trennung  durch  eine  allseitige  ringförmige  Einschnürung  ge- 
schehen wird.  Nach  der  Sonderung  der  Sprösslinge  quillt  die  un- 
getheilt  gebliebene  Gallerthülle  auf  und  sprengt  die  Schalenhülle  längs 
der    Querfurche    (6  e).      Jetzt    erst    erlangen    die    ovalen    bis    kugligen 


986  Diuoflasellata. 

Spiösslinge  allmählich  wieder  neue  (?)  Furchen  und  beginnen  wohl 
auch  die  Production  einer  Schalenhülle,  doch  ist  Näheres  über  ihre 
weitere  Entwickelung  noch  unbekannt.  Bei  Peridinium  cinctum  kommt  es 
nun  nicht  selten  vor,  dass  der  von  der  Gallerthülle  umgebene  kugiige 
Organismus  schon  vor  der  Theilung  aus  der  alten  Öchalenhülle  hervor- 
tritt; dieser  Process  leitet  über  zu  der  Bildung  der  Cysten  mit  festerer 
Haut.  Auch  Peridinium  divergens  zeigt  Zweitheiluug  des  zusammen- 
gezogenen Körpers  innerhalb  der  Schalenhülle  (Pouchet  und  Bütschli), 
wobei  die  Theilebene  ganz  deuselben  Verlauf  hat  wie  bei  den  erstgenannten 
Peridinien  (Bütschli).  Wie  Pouchet  vermochte  auch  ich  um  die  getheilten 
Körper  keine  Gallerthülle  wahrzunehmen,  doch  schliessen  sich  diese  Zu- 
stände vielleicht  näher  an  die  oben  (s.  p.  984)  von  Glenodiniura  obliquum 
geschilderten  an. 

An  die  besprochenen  Vorgänge  reihen  sich  die  bei  den  Gym- 
nodinien  wahrgenommenen  nahe  an.  Klebs  bemerkte  bei  Gymnodinium 
fuscum  Zweitheilung  in  einer  nicht  sehr  dicken  Gallerthülle;  auch 
Stein  bildet  ein  ruhendes  Gymnodinium  aeruginosum  in  einer  sehr  dicken 
Gallerthülle  ab  (51,  8),  wogegen  er  bei  Gymnodinium  Vorticella  Cysten 
mit  dicht  aufliegender,  dünner,  membranöser  Hülle  beobachtete.  In 
den  beiden  letztgenannten  Fällen  besassen  die  encystirten  Wesen,  ab- 
gesehen von  den  Geissein,  ihre  volle  Ausbildung;  dünnhäutige  Cysten 
beobachtete  auch  Pouchet  bei  seinem  Gymnodinium  Archimedis. 

Auch  Glenodinium  scheint  sich  hier  anzureihen.  Man  findet  häufig 
ruhende  Formen  desselben  in  kugliger  bis  ovaler  zarter  membranöser 
Hülle,  welche  nach  Bütschli's  Auffassung  die  Schalenhülle  ist,  deren 
Querfurche  verstrich.  Unter  dem  Schutz  dieser  Hülle  wurde  nun  von 
Stein  und  Klebs  auch  Zweitheilung,  von  ersterem  sogar  Viertheilung  beob- 
achtet, wobei  eine  besondere  Gallerthülle  nicht  zur  Ausbildung  zu  gelangen 
scheint.  Dagegen  fand  Bergh  ruhende  Glenodinium  cinctum  mit  sehr 
weit  abstehender  klebriger,  also  wohl  gallertiger  Hülle,  und  verfolgte 
auch  innerhalb  derselben  Zweitheilung  (51,  10  d).  Mir  scheint  dass  die 
letzteren  Zustände  aus  den  erstgeschilderten  hervorgehen  können,  indem 
die  ursprüngliche  Schalenhülle  unter  Entwicklung  einer  Gallertcyste  all- 
mählich verloren  geht. 

Bei  nicht  wenigen  Formen  bildet  sich  um  den  Körper  der  ruhenden 
Form  statt  einer  Gallertumhüllung  eine  membranöse  festere  Cystenhaut, 
und  derartige  Cysten  scheinen  dann  meist  die  Schalenhülle  abzustreifen. 
Ein  solcher  Vorgang  wurde  von  Stein  bei  Goniodoma  acuminatum  gut 
dargestellt.  Die  in  der  Schalenhülle  gebildete  Cyste  mit  ziemlich  derber 
Haut  ist  kuglig  und  ihr  Inhalt  lässt  von  .  den  Furchen  nichts  mehr 
erkennen.  Derselbe  theilt  sich  nach  Abstreifung  der  Schalenhülle  in 
zwei  oder  weiter  in  4  Sprösslinge  (52,  5d),  welche  auf  Stein's  Ab- 
bildungen die  Querfurche  schon  deutlich  zeigen.  —  Schon  in  den  fünf- 
ziger Jahren,  konnte  Lieberkühn  einen  ganz  entsprechenden  Vorgang 
bei   Ceratium   tetraceros  vortrefflich  beobachten,  leider  wurden  aber 


Theiluii!;-  im  ruhciuleii  Zustande  und  Cysteubildung  (Ceratium).  987 

die  Beobachtuugen  nicht  veröffentlicht.  Aus  seinen  mir  vorliegenden 
Abbildungen  geht  hervor,  dass  sich  in  der  Schalenhülle  auch  hier 
eine  kuglige  Cyste  bildet,  an  deren  Inhalt  die  Furchen  deutlich  er- 
halten bleiben;  die  weiteren  Abbildungen  (53,  7c— d)  zeigen  drei  Spröss- 
linge  (4  ?)  mit  wohl  entwickelten  Furchen  in  der  Cyste,  die  Theilung 
schreitet  also  auch  hier  mindestens  bis  zu  der  Vierzahl  fort.  —  Kuglige, 
dünnhäutige  Cysten  mit  Vermehrung  des  encystirten  Körpers  durch  deut- 
lichste Längstheilung  bildet  Stein  auch  für  Amphidinium  opereul.  u. 
lac.  ab;  es  scheint,  dass  die  Querfurche  hierbei  immer  erhalten  bleibt 
(54,  Fig.  6d).  Etwas  modificirt  erscheint  schliesslich  ein  analoger  Vor- 
gang bei  dem  interessanten  Pyrophacus,  indem  sich  die  Schalenhülle 
als  weiterer  Schutz  der  ziemlich  derbhäutigen  Cyste  gewöhnlich  zu  er- 
halten scheint;  die  Zweitheilung  wird  hier  wohl  wie  bei  den  nahe  ver- 
wandten Peridinien  schief  längs  verlaufen  (54,  3  c).  —  Endlich  will 
Gourret  bei  Podolampas  (seiner  Parrocelia)  Cysten  innerhalb  der  Schalen- 
hülle beobachtet  haben,  deren  Inhalt  in  eine  grössere  Anzahl  rundlicher 
Körper  zerfiel.  Die  Abbildungen  lassen  übrigens  von  einer  Cystenhülle 
um  diese  Körper  nichts  erkennen. 

Auch  Stein  konnte  bei  Ceratium  tetraceros  Encystirung  in  der  Schalen- 
htille  beobachten  und  sah  die  Cysten  später  frei  werden.  Dieselben 
waren  jedoch,  im  Gegensatz  zu  den  eben  geschilderten  immer  etwas  un- 
regelmässig eckig,  entsprechend  der  gehörnten  Gestalt  des  Ceratiums. 
Theilung  des  Inhalts  wurde  nicht  beobachtet.  Letztere  Cysten  scheinen 
entschieden  mehr  die  Natur  von  Dauerzuständen  zuhaben,  da  sie  nach 
Stein's  Angabe  den  Winter  über  ohne  Vermehrung  ruhten.  Aus  einigen 
trat  im  Frühjahr  ein  mit  noch  dünner  Hülle  versehenes  Individuum 
wieder  hervor.  Dieselben  Dauerzustände  hatte  auch  Lieberkühn  schon 
beobachtet  und  auf  seiner  Abbildung  zeigt  die  Cystenhülle  deutlich  die 
drei  Hörner  des  Ceratiums  als  etwas  unregelmässige  Vorsprünge,  aus 
welchen  sich  der  Plasmakörper  zurückgezogen  hat.  Die  Cystenhülle  ist 
mehrere  Male  dicker  als  die  der  ersterwähnten  Cysten,  was  mit  der  Auf- 
fassung als  Dauerzustände  wohl  harmoniren  würde. 

Dem  gleichen  Vorgange  begegnen  wir  auch  bei  Ceratium  Hirun- 
dinella,  sowohl  nach  den  alten  Beobachtungen  Lieberkühn's  wie  den 
neueren  Stein's.  Hier  ahmt  aber  die  dicke  Cystenhülle  (53 ,  9  c) 
noch  deutlicher  die  Gestalt  des  Ceratiums  nach,  da  sie  vier  lange,  den 
Hörnern  entsprechende  Fortsätze  besitzt.  Der  Plasmainhalt  der  Cyste  er- 
streckt sich  auch  hier  nicht  in  diese  Fortsätze  hinein,  dieselben  scheinen 
vielmehr  nach  den  übereinstimmenden  Darstellungen  der  beiden  Forscher 
solid  zu  sein.  Die  Abbildung  Lieberkühn's  lässt  endlich  eine  deutliche 
Netzzeichnung  auf  der  Oberfläche  der  Cystenhülle,  ähnlich  der  der  ge- 
wöhnlichen Scbalenhülle  erkennen.  Die  Bildung  solcher  Cysten  muss 
ohne  vorherige  kuglige  Zusammenziehung  des  Plasmas  geschehen;  erst 
nach  der  Abscheidung  der  Hülle  zieht  sich  dasselbe  aus  den  Hörnern 
allmählich  zurück,   wesshalb  dieselben   an  der  Cyste  angedeutet  bleiben. 


988  Dinoflagellata. 

Es  scheint  mir  nun  ziemlich  sicher,  dass  die  sog.  gehörnten  Cysten, 
welche  zuerst  von  Claparede  und  Lachmann  beschrieben,  gleichzeitig  aber 
auch  von  Lieberkühn  aufgefunden  und  vorzüglich  abgebildet  wurden 
(nicht  publizirt),  den  eben  erwähnten  Dauercysten  der  Ceratien  analog 
sind.  Leider  glückte  es  bis  jetzt  noch  nicht,  die  Abstammung  dieser 
Cysten  mit  aller  Schärfe  festzustellen,  wenn  es  auch  wenig  zweifelhaft 
ist,  dass  die  des  süssen  Wassers  zu  Peridinium  gehören. 

Wahrscheinlich  reihen  sich  in  dieselbe  Kategorie  auch  die  Cysten, 
welche  Stein  bei  seinem  Peridinium  umbonatum  beobachtete;  ihre  Ent- 
stehung scheint  nicht  verfolgt  worden  zu  sein;  sie  sind  dickhäutig  und 
länglich  bohnenförmig;  jedenfalls  musste  daher  der  Plasmakörper  des 
Peridinium  beim  Uebergang  in  den  encystirten  Zustand  eine  Streckung 
erfahren,  was  auch  für  die  gehörnten  Cysten  gilt.  Wie  bei  letzteren  er- 
folgt auch  in  den  Cysten  des  Peridinium  umbonatum  Vermehrung  durch 
Zweitheilung,  doch  blieb  das  Nähere  des  Vorganges  unermittelt.  Aehnlich 
gestaltete  Cysten  fand  Klebs  im  süssen  Wasser;  ihre  Herkunft  blieb 
unbekannt,  sie  werden  nur  im  Allgemeinen  als  ruhende  Peridiniden- 
formen  characterisirt.  Als  besonders  bemerkenswerth  bezeichnet  er  für 
sie,  dass  der  eingeschlossene  Plasmakörper  gewöhnlich  eine  weite  Zell- 
safthöhle enthält,  die  von  Plasmasträngen  durchsetzt  werde.  Auch  in  diesen 
Cysten  erfolgt  Zweitheilung,  jedoch  bestimmt  in  querer  Richtung  zu  der 
Längsaxe,  welche  doch  sonder  Zweifel  der  Längsaxe  des  Peridiniums 
entspricht.  Klebs,  welcher  bekanntlich  entschiedener  Vertheidiger  der 
Längstheilung  der  Dinoflagellaten  ist,  äussert  sich  leider  nicht  näher,  wie 
er  diesen,  von  ihm  selbst  beschriebenen  Fall  der  Quertheilung  mit  seiner 
Ansicht  vereinigen  will.  Ich  muss  übrigens  gestehen,  dass  ich  nach  den 
Abbildungen  dieser  Cysten  bei  Klebs  etwas  zweifelhaft  werden  könnte, 
ob  dieselben  wirklich  von  Dinoflagellaten  herrühren. 

Die  gehörnten  Cysten  des  süssen  Wassers,  welche  von  Stein  ver- 
muthungsweise  zu  Peridinium  cinctum  und  tabulatum  gezogen  werden, 
haben  nun  desshalb  besonderes  Interesse,  weil,  die  Richtigkeit  dieser 
Vermuthung  vorausgesetzt,  bei  ihrer  Erzeugung  gewisse  Gestaltsverände- 
ruugen  der  Peridinien  stattgefunden  haben  müssen,  welche  die  Bildung 
der  hornartigen  Fortsätze  veranlassten,  denn  die  betreffenden  Peridinien 
besitzen  keine  solche.  Die  Cysten  sind  mehr  oder  weniger  lang  spindel- 
förmig und  entweder  (?  Peridinium  cinctum,  52,  10  a— c)  nur  an  dem  einen 
Pol  in  einen  hornartigen,  zugespitzten  Fortsatz  verlängert  oder  an  beiden 
Polen  (?  Peridinium  tabulatum,  52,  11).  Der  einfache  Fortsatz  der  erst- 
genannten Cysten  entspricht  dem  Hinterende  des  eingeschlossenen  Peri- 
dinienkörpers ;  dies  lässt  sich  stets  deutlich  erkennen,  da  in  den  meisten 
Cysten  der  Peridinienkörper ,  abgesehen  von  dem  Mangel  der  Geissein, 
vollständig  organisirt  ist.  Nicht  immer  scheint  es  jedoch  so  zu  sein,  denn 
bei  Claparede  und  Lachmann,  wie  bei  Lieberkühn  finden  sich  Abbildungen 
solcher  Cysten,  deren  Inhalt  keine  Furchen  zeigt  und  bei  Lieberkühn 
auch  solche  letzterer  Art,   wo  der  Inhalt  die  Cyste  völlig  erfüllt  und  bis 


Theilung  im  ruhenden  Zustande  nnd  Cystenbildung  (gehörnte  Cysten).  989 

• 

in  die  Spitzen  der  Höruer  hineinragt.  Wir  dürfen  wohl  annehmen,  dass 
solche  Cysten  jugendlicher  sind  und  uns  über  die  Bildung  der  Hörner 
Aufschluss  geben.  Der  Peridinienkörper  rauss  sich  am  einen  oder  an 
beiden  Enden  in  solche  Fortsätze  verlängert  haben,  als  die  Cystenmembran 
abgeschieden  wurde.  Später  zog  er  sich  dann  aus  den  Hörnern  zurück 
und  nahm  wieder  eine  der  normalen  entsprechendere  Gestalt  an,  wobei 
gleichzeitig,  wie  wir  es  auch  bei  den  Ceratiencysten  fanden,  die  ursprüng- 
lich hohlen  Hörner  durch  weitere  Ausscheidung  zu  soliden  umgebildet 
wurden,  denn  als  solche  sind  die  Hörner  auf  den  Abbildungen  der  drei 
erwähnten  Forscher  in  übereinstimmender  Weise  dargestellt. 

Es  lässt  sich  heute  kaum  eine  Vermuthung  über  die  Bedeutung  dieser 
eigeuthümlichen  Hörnerbildung  äussern.  Nur  die  Abbildungen  Lieber- 
kühn's  können  vielleicht  einen  Wink  in  dieser  Hinsicht  geben,  denn  sie 
zeigen  mehrere  solche  Cysten,  die  mit  dem  einen  Hörn  festgeheftet  sind. 
Darunter  ist  namentlich  eine  mit  reticulirter  Cystenhaut,  deren  etwas 
abweichende  Gestalt  auch  anzudeuten  scheint,  dass  sie  von  einer  anderen 
Art  herrühren  muss  wie  die  bei  Stein  beschriebenen.  Bemerkenswerth 
scheint  auf  diesen  Abbildungen  auch  eine  doppeltgehörnte  Cyste,  welche 
ein  völlig  organisirtes  Wesen  enthält,  dessen  Längsfurchengeissel  aus 
einer  Oefluung  des  hinteren  Hornes  hervorragt.  Die  eben  geäusserte  An- 
sicht über  die  eventuelle  Bedeutung  der  Fortsätze  der  gehörnten  Cysten 
der  Peridinien  findet  eine  directe  Stütze  in  der  Beschaffenheit  der  von 
Cienkowsky  beobachteten  Cysten  der  Exuviaella  Lima;  dieselben 
sind  birnförmig,  d.  h.  mit  einem  spitzig  auslaufenden  Pol  der  im  All- 
gemeinen ovalen,  dünnhäutigen  Hülle  versehen  und  mittels  dieses  Fort- 
satzes festgeheftet.  Weiter  unten  werden  wir  noch  ganz  ähnlich  gebaute, 
festsitzende  Cysten  eines  Gymnodinium's  kennen  lernen,  die  Pouchet  auffand. 
Auch  scheint  es  nach  den  Erfahrungen  des  letzterwähnten  Forschers,  dass 
vorübergehende  Festheftung  im  Leben  mancher  Dinoflagellaten  während  des 
sogen.  Häutungsprocesses  vorkommt,  welcher  manche  Uebereinstimmung 
mit  der  Encystirung  zeigt  und  von  dem  im  Kapitel  über  die  Biologie 
unserer  Abtheilung  ausführlicher  die  Rede  sein  wird.*) 

Claparede  und  Lachmann  beobachteten  auch  in  der  Nordsee  eine 
sehr  langgestreckte  doppeltgehörnte  Cyste.  Wenn  man  annehmen  will, 
dass  nur  Peridinien  derartige  Cysten  erzeugen  können,  müsste  man 
sie  wohl  auf  Peridinium  divergens  beziehen.  Dies  erhält  noch  dadurch 
eine  Bestätigung,  dass  Gourret  solche  gehörnte  Cysten  nicht  selten  im 
Mittelmeer  fand  und  gleichfalls  auf  Peridinium  divergens  bezog.    Er  will 


*)  Auch  in  der  neuesten  Arbeit  Pouchet's  (18)  findet  sich  die  Beschreibung  einer  Er- 
scheinung an  Exuviaella  Lima,  welche  viel  Aehnlichkeit  mit  einem  Encystirungsprocess  hat. 
Pouchet  beobachtete  innerhalb  der  Schalenhülle  geisselloser  Individuen  die  Bildung  einer 
farblosen,  meist  von  einer  deutlichen  zarten  Hülle  umgebenen  Kugel,  neben  welcher  sich  meist 
noch  das  Residuum  der  Chromatophoren ,  zu  einem  Häufchen  zusammengeballt,  vorfand. 
Letzterer  Umstand  namentlich  macht  es  sehr  zweifelhaft,  ob  hier  ein  Encystirnngsprocess  oder, 
was  ich  für  wahrscheinlicher  halte,   die  Entwickelung   eines   parasitischen  Organismus  vorlag. 


990  Dinoflagellata. 

die  Bildung  dieser  Cysten  so  beobachtet  haben,  dass  der  zusammen- 
gezogene Peridinienkörper,  nur  von  einer  feinen  Cystenmembran  umkleidet, 
aus  der  Schalenhülle  hervortritt  und  erst  nach  dem  Freiwerden  unter  Ver- 
dickung der  Membran  die  Hörner  bildet.*) 

Die  gehörnten  Cysten  der  Peridinien  unterscheiden  sich  nun  von 
denen  der  Ceratien,  soweit  sich  bis  jetzt  urtheilen  lässt,  dadurch,  dass 
unter  ihrem  Schutz  lebhafte  Vermehrung  stattfindet.  In  den  beiderlei 
Cysten  des  süssen  Wassers  kann  die  Vermehrung  mindestens  bis  zur 
Vierzahl,  nach  der  Abbildung  einer  doppeltgehörnten  Cyste  bei  Lieber- 
kühn wahrscheinlich  zuweilen  auch  bis  zur  Achtzahl  fortschreiten. 
Acht  Sprössliuge  beobachtete  Claparede  auch  in  der  langen  marinen 
Cyste.  Aus  Stein's  und  LieberkUhn's  Beobachtungen  scheint  bestimmt  hervor- 
zugehen, dass  die  sich  theilenden  Individuen  stets  deutliche  Furchen 
zeigen  (52,  10  b,  11).  Die  Theilung  verläuft  in  der  von  früher  bekannten 
Weise  schief  zur  Längsaxe,  wie  die  Figuren  Stein's  sicher  angeben 
(s.  Fig.  10  b  und  11,  T.  52). 

Was  Gourret  über  die  Theilung  des  Inhaltes  der  Cysten  von  Peridinium  divergens  be- 
richtet, scheint  zum  geringsten  Theil  auf  eigenen  Beobachtungen  zu  beruhen  und  wird  noch 
dadurch  verwirrt,  dass  er  die  an  dem  ungetheilten  Inhalt  oder  den  Sprösslingen  nicht 
selten  zu  beobachtende  Quer-  und  Längsfurche  für  die  Andeutung  neuer  Theilungen  hält, 
wodurch  er  zu  der  seltsamen  Vorstellung  einer  Dreitheilung  solcher  Sprösslinge  gelangt  und 
glaubt,  dass  die  Zahl  derselben  in  einer  Cyste  bis  auf  24,  ja  62  steigen  könne,  was  durchaus 
unbewiesen,  ja  unwahrscheinlich  ist.  üeberhaupt  sind  die  Begriß'e.  welche  Gourret  von  Cysten 
und  Larven  hat,  etwas  verwirrt;  so  bezeichnet  er  die  gehörnten  Cysten  als  Larven  und  die 
darin  eingeschlossenen  Sprösslinge  als  Cysten.  Was  er  weiterhin  von  freischwimmenden  Larven 
formen  dieses  Peridiniums  berichtet,  beruht  der  Hauptsache  nach  auf  irrigen  Deutungen, 
indem  er  gewisse  Peridinidenformen,  ja  sogar  ein  Phalacroma,  für  solche  Larven  hielt. 

In  den  gehörnten  Cysten,  Avie  in  den  Dauercysten  der  Ceratien  tritt 
eine  eigenthümliche  Umlagerung  der  Chromatophoren  ein,  auf  welche 
Stein  aufmerksam  machte.  Die  Chromatophoren  ziehen  sich  nämlich  von 
der  Oberfläche,  unter  welcher  sie,  wie  früher  bemerkt,  lagern,  in  das 
Centralplasma  zurück  und  sammeln  sich  bei  den  Ceratien  in  einer  Zone  um 
den  Kern  an.  Stein  zeichnet  bei  Ceratium  eine  angeblich  zusammen- 
hängende Zone  bräunlichen  Pigmentes  um  den  Kern  (53,  9c,  pi),  in 
welcher  einzelne  Chromatophoren  nicht  zu  unterscheiden  sind.  Hieraus 
folgern  zu  wollen,  dass  sich  die  Chromatophoren  bei  dieser  Zu- 
sammenhänfung  vereinigen,  scheint  mir  etwas  gewagt.  In  den  gehörnten 
Cysten  von  Peridinium  erfolgt  diese  Concentrirung  der  Chromatophoren 
gleichfalls,  und  zwar  sammeln  sie  sich  entweder  zu  einem  centralen 
Haufen  oder  zu  zweien,  je  einem  im  Vorder-  und  Hinterleib.  Doch 
scheint  der  Kern  dabei  nicht  als  Centrum  zu  fungiren,  da  er  neben  dem 


*)  Auch  Pouchet  (48)  hat  dieselben  Cysten  neuerdings  mehrfach  beobachtet,  möchte 
sie  jedoch  zu  Gymnodinium  ziehen,  wofür  ausreichende  Gründe  nicht  angegeben  wer- 
den. AVeiterhin  fand  er  eine  marine  doppeltgehörnte  Cyste  mit  ungetheiltem  Inhalt,  die  er 
gleichfalls  von  einem  Gymnodinium  (nahe  verwandt  mit  G.  spirale  B.)  abzuleiten  versucht.  In 
letzterem  Fall  erscheint  die  Deutung  gesicherter,  da  er  die  fragliche  Form  auch  im  nicht  en- 
cystirten  Zustande  auffand. 


Ruhezustände.     UnvollsUindig-c  Tlieiluna:.  991 

Chromatopborenhaufen  liegt.  Stein  bildet  dann  weitere  Cysten  von  Peri- 
dinium  cinctum  (?)  ab,  an  welcbeu  Chiomatopboren  nicbt  mebr  erkennbar 
sind,  dagegen  an  Stelle  des  Chroniatopborenbaufens  eine  oder  mebrere 
rothe  Oelkugeln,  welcbe  nacb  seiner  Auffassung  durcb  Umbildung  der 
Cbromatopboren  entstanden.  Letzteres  balte  icb  noeb  für  unbewiesen 
Er  bemerkt  weiter,  dass  diese  Oelkugeln  allmäblicb  resorbirt  würden. 
Scbon  bei  früberer  Gelegenbeit  wurde  betont,  dass  die  Bildung  rothen 
Oels  im  Plasma  ruhender  Zustände  recht  häufig  ist;  auch  Klebs  bebt  dies 
hervor  und  gibt  bei  dieser  Gelegenheit  noch  an,  dass  der  braune  Farb- 
stoff unter  diesen  Umständen  mebr  und  mehr  zurücktrete;  ob  er  wirklich 
verloren  geht  oder  nur  verdeckt  wird,  wird  jedoch  nicht  gesagt.  Die 
letzterwähnten  Angaben  von  Klebs  beziehen  sich  im  Speciellen  auf  Dauer- 
zustände, welche  er  bei  gewissen  Peridinien  (tabulatum  und  cinctum) 
beobachtet  haben  will.  Dieselben  sollen  entstehen,  wenn  man  die  Peri- 
dinien auf  dem  Objectträger  allmählich  eintrocknen  lässt;  dabei  ziehe 
sich  (Perid.  tabulatum)  das  Plasma  in  der  Schalenhülle  zusammen  und 
scheide  eine  Cystenhaut  aus,  welche  aus  einer  dünnen,  cuticularen  äusseren 
und  einer  dickeren,  weicheren  inneren  Schicht  bestehe  und  keine  Ober- 
üächenstructur  zeige.  Aehnlich  verhalte  es  sich  auch  mit  Peridinium 
cinctum,  doch  werde  hier  die  Schalenhülle  „von  vornherein"  abgeworfen. 
Im  Allgemeinen  hätten  also  diese  Cystenzustände  ziemliche  Aehnlichkeit 
mit  den  gewöhnlichen  Theilcysten,  doch  finde  ich  bei  keinem  der  anderen 
Beobachter  eine  Angabe  über  Doppelschichtigkeit  der  Cystenhülle. 

Am  Schlüsse  dieses  Abschnittes  wollen  wiv  noch  kurz  üher  einen  eigenthümlichen  Yer- 
mehrungsprocess  berichten,  welchen  Pouchet  (47)  in  jüngster  Zeit  von  einem  marinen  Gymno- 
dinium  beschrieben  hat. 

Bis  jetzt  liegt  darüber  nur  ein  vorläufiger  Bericht  vor,  der  eine  ausreichende  Beurtheilung 
nicht  zulässt.  Pouchet  fand  auf  den  Schwänzen  von  Appendicularien  kleine  (0,02  Mm),  an- 
fänglich ungefärbte,  später  braune,  von  einer  zarten  Membran  umhüllte,  einkernige  Körper, 
die  mit  einem  stielförmigen  Pol  ihres  im  Allgemeinen  birnförmigen  Körpers  festgeheftet  waren 
und  allmählich  bis  zu  einer  Länge  von  0,180  Mm.  heranwuchsen.  Dann  lösten  sie  sich  von 
dem  Stiel  ab  und  wurden  nun  in  grosser  Menge  an  der  Meeresoberfläche  freischwimmend 
gefunden.  Letztere  Gebilde  begannen  dann  einen  Vermehrungsprocess  durch  fortgesetzte 
Zweitheilung.  Lnwiefern  sich  die  Membran  daran  betheiligt,  kann  icli  aus  der  Darstellung 
nicht  hinreichend  erkennen,  doch  macht  letztere  mir  den  Eindruck,  als  wenn  es  sich  dabei 
um  die  Bildung  pleurococcusartiger  Verbände  handelte,  wie  wir  sie  bei  der  fortgesetzten  Zwei- 
theilung  gewisser  Flagellaten  im  Ruhezustand  (Chlamydomonadinen)  fanden.  Nachdem  durch 
reiche  Vermehrung  der  Durchmesser  der  Sprösslinge  bis  auf  0,01  Mm.  gesunken  ist,  werden 
dieselben  in  Gestalt  kleiner  Dinoflagellatcn  beweglich  Wie  diese  sich  weiter  verhalten  und 
schliesslich  wieder  auf  den  Appendicularien  zur  Ruhe  gelangen,  wurde  nicht  festgestellt.*) 


*)  Aus  der  mittlerweile  veröffentlichten  genaueren  Schilderung  dieser  Vorgänge  ergibt 
sich  im  Allgemeinen  nicht  viel  mehr,  als  was  wir  schon  im  Text  auf  Grund  der  vorläufigen 
Mittheilung  berichteten.  Nachzutragen  wäre  hauptsächlich,  dass  die  erste  Theilung  fast  stets 
eine  Längstheilung  ist,  jedoch  zuweilen  auch  quer  zu  der  Längsaxe  der  birnförmigen  Gebilde 
verlaufen  soll.  Auch  wird  im  Allgemeinen  bestätigt,  dass  unsere  Auffassung  des  Theilungs- 
actes,  als  analog  mit  dem  gewisser  ruhender  Flagellaten,  richtig  ist.  Jede  Theilung  scheint 
zunächst  unter  dem  Schutz  einer  dünnen  Cystenhülle  zu  geschehen,  die. sich  jedoch  nach  voll- 
zogener Sonderung  der  Sprösslinge  rasch  auflöst,   so    dass  letztere  frei   werden.     Dann  bildet 


992  Dinoflagellata. 

C.   üeber   das  Vorkommen  unvollständiger  Theilung. 

Schon  bei  den  Flagellaten  fanden  wir,  dass  zuweilen  unvollendete 
Theilzustände  auftreten,  bei  welchen  die  Theilung  auf  recht  verschiedenen 
Stadien  sistirt  sein  konnte  und  die  so  entstandenen,  seltsamen  Doppel- 
individuen nun,  wie  gewöhnliche,  frei  umherschwärmten.  Auch  fanden 
wir  bei  jener  Gelegenheit,  dass  solche  Doppelindividuen  gelegentlich  als 
Copulationen  betrachtet  wurden.  Letzteres  hat  nun  höchstwahrscheinlich 
bei  unserer  Gruppe  gleichfalls  stattgefunden.  Auch  hier  begegnet  man 
solchen  Doppelindividuen,  sowohl  im  beweglichen  wie  ruhenden  Zu- 
stande. Bewegliche  Formen  solcher  Art  fand  schon  Ehrenberg  bei  Gym- 
nodinium  fuscum,  Glenodinium  pulvisculus  und  cinctum  und  hielt  sie  für 
Längstheilungen,  worin  ihm  Perty  und  Claparede  folgten.  Stein  dagegen 
erklärte  sie  für  Copulationen,  an  welche  er  dieselbe  Hypothese  von  der 
Entwicklung  innerer  Embryonen  aus  den  vereinigten  Kernen  anknüpfte, 
die  wir  schon  bei  den  Flagellaten  besprachen.  Klebs  erhob  sich 
zuerst  für  die,  schon  namhaft  gemachte  Auffassung  dieser  Vorkomm- 
nisse, indem  er  bei  Gymnodinium  ihr  Hervorgehen  aus  unvollendeter 
Theilung  direct  beobachtet  haben  will.*) 

Für  die  letztere  Deutung  spricht  denn  auch  eine  Reihe  von  Gründen. 
Die  Doppelindividuen  (51,  IIa — b)  sind  immer  so  mit  einander  vereinigt, 
wie  es  ihre  Entstehung  aus  unvollständiger  Theilung  verlangt.  Die  Ver- 
einigungsebene der  beiden  Individuen  liegt  nämlich,  wenn  wir  sie  als 
Theilzustände  auffassen,  ganz  analog  der  schiefen  Längstheilungsebene, 
zieht  also  von  vorn  rechts  nach  hinten  links.  Demnach  stehen  auch  die 
beiden  Individuen,  wie  bei  der  Theilung  nicht  direct  neben  einander,  son- 
dern das  linke  weiter  vor  wie  das  rechte. 

Auch  das  Verhalten  der  Schalenhülle  bei  den  Doppelindividuen  be- 
schälter Gattungen  spricht  gegen  ihre  Auffassung  als  Copulationen.  Beide 
werden  nämlich  von  einer  gemeinsamen  Hülle  umkleidet,  welche  der 
Doppelgestalt  des  Körpers  genau  entspricht.  Es  wäre  schwer  vorstellbar,  wie 
bei  einer  Verschmelzung  eine  solche  schrittweise  Vereinigung  der  Hüllen 
eintreten  könnte,  dennoch  möchte  ich  einen  derartigen  Vorgang  nicht  für 
ganz  unmöglich  halten.  —  Ferner  hat  Bütschli  (46)  ruhende  Zustände 
dieser  Art  bei  Glenodinium  cinctum  viele  Tage  verfolgt,  ohne  die  geringste 
Veränderung,   weder   im  Sinne  der  Vollendung   der  Theilung,   noch   der 


jeder  Sprössling  eine  neue  zarte  Hülle  und  so  fort.  Bei  zuweilen  eintretender  Behinderung 
der  weiteren  Theilung  können  die  Sprösslinge  auch  successive  mehrere  in  einander  geschach- 
telte Hüllen  ausscheiden.  Im  Verlaufe  der  fortgesetzten  Vermehrung  nimmt  der  Gehalt  an 
braunem  Farbstoff  mehr  und  mehr  ab,  so  dass  die  frei  werdenden  Gymnodinien  nahezu  farb- 
los sind.  Ausser  den  birnförmigen  Körpern ,  deren  Herkunft  von  den  gestielten  Cysten  der 
Appendicularien  sicher  erscheint,  finden  sich  an  der  Meeresoberfläche  noch  ähnliche  eiförmige, 
welche  genau  dieselbe  Weiterentwicklung  durchlaufen  und  die  daher  auch  wohl  eine  ähnliche 
Herkunft  haben. 

*)   Auch  Pouchet  (4S)  beobachtete  bei  dem  auf  vorhergehender  Seite  erwähnten  Gym- 
nodinium zuweilen  bewegliche,  durch  unvollendete  Theilung  entstandene  Doppelindividuen. 


Unvollständige  Thcilung.     Copulation.  993 

weiteren  VerschmelzuDg  wahrzimehmen.  Nach  Analogie  der  Verhältnisse 
bei  den  copulirendeu  Flagellaten  hätten  wir  endlich  Grund  zu  der  An- 
nahme, dass  bei  der  Copulation  die  Vereinigung  mit  gleichnamigen  Stellen, 
wahrscheinlich  den  Geisselinsertionen ,  geschehe,  welcher  Voraussetzung 
die  Doppelindividuen  gleichfalls  widersprechen. 

Die  weiteren  Entwicklungsstadien,  welche  Stein  diese  angeblichen 
Zygoten  durchlaufen  lässt,  dürfen  wir  aber  getrost,  wie  bei  den  Flagel- 
laten ,  als  irrige  betrachten ,  hervorgerufen  durch  Entwicklung  eines 
parasitischen  Organismus;  denn  er  schildert  sie  ganz  wie  die  gewisser 
Flagellaten,  und  letztere  verdienen  eine  solche  Beurtheilung  sicher- 
lich. Nur  die  Doppelwesen,  welche  Stein  von  Amphidinium  lacustre  ab- 
bildet (54,  7  b),  erscheinen  in  dieser  Hinsicht  etwas  zweifelhaft,  ich  werde 
desshalb  bei  der  Besprechung  der  Copulation  nochmals  auf  sie  zurück- 
kommen. 

Wenn  wir  nun  zugeben,  dass  die  Doppelformen  der  Peridinien  keine 
Copulations-,  sondern  sistirte  Theilzustände  sind,  so  sind  dieselben  viel- 
leicht geeignet,  einige  nähere  Aufschlüsse  über  gewisse  Verhältnisse  des 
Zweitheilungsprocesses  zu  geben,  da  sie  dann  gewisse  Stadien  fixirt 
und  eingehenderem  Studium  zugänglich,  vorführen.  So  konnte  Bütschli 
an  ruhenden  Doppelwesen  des  Glenodinium  cinctum  beobachten,  dass 
die,  beiden  Individuen  gemeinsame  Querfurche  stark  in  die  Länge  ge- 
zogen war,  also  nun  eine  steile,  rechts  gewundene  Schraube  darstellte, 
ähnlich  wie  sie  bei  dem  Gymnodinium  spirale  Bergh  (51,  5)  dauernd  er- 
scheint. Die  schon  durch  eine  schwache  Einschnürung  angedeutete  Tbeil- 
ebene  lief  in  der  bekannten  Weise,  so  dass  sie  die  noch  gemeinsame 
Querfiirche  in  eine  rechte  und  linke  Hälfte  zerlegte.  Die  beiden  Halbwesen 
hatten  stets  schon  gesonderte  Kerne.  Aus  diesen  Ergebnissen  scheint 
zu  folgen,  dass  bei  der  schiefen  Längstheilung  der  Peridinien,  inso 
fern  diese  bei  Individuen  stattfindet,  welche  die  Querfurche  noch  be- 
sitzen, letztere  so  zerlegt  wird,  dass  das  eine  Individuum  die  eine, 
das  andere  die  andere  Hälfte  derselben  mit  sich  nimmt,  worauf  dann  an 
den  getrennten  Sprösslingen  Ergänzung  der  Furche  eintritt.  Dieses  Re- 
sultat harmonirt  denn  auch  gut  mit  den  Abbildungen  Stein's  über  den 
Theilungsvorgang  in  den  gehörnten  Cysten  von  Peridinium  (52,  10  b),  der 
Längstheilung  von  Amphidinium  und  den  Ergebnissen  über  die  Theilung 
im  freien,  beweglichen  Zustande. 

10.  Copulations-  und  Conjugations- Erscheinungen. 

Obgleich  wir  annehmen  müssen,  dass  solche  Vorgänge  auch  bei 
unserer  Abtheilung  nicht  fehlen,  liegen  leider  keine  hinreichend  ge- 
sicherten Beobachtungen  darüber  vor.  Wir  erwähnten  schon  im  vorigen 
Abschnitt,  dass  die  von  Stein  abgebildeten  Copulationsformen  wohl  eine 
andere  Deutung  erhalten  müssen  und  dass  nur  für  Amphidinium  la- 
custre die  Angelegenheit  etwas  zweifelhafter  erscheint.  Hier  bildet  näm- 
lich Stein  mit  einander  umher  schwimmende,  in  verschiedenen  Stellungen 

Bronn,    Klassen  des  Thier-Keiclis.    rrotozoa.  63 


994  Dinoflagellata. 

ZU  einander  befindliche  Paare  ab  (54,  7  b),  welche  doch  vielleicht  die  An- 
fänge von  Copulation  gewesen  sein  könnten. 

lieber  Copulation  bei  Glenodinium  cinctum  berichtet  auch 
Askenasy  (46),  welcher  gefunden  haben  will,  wie  zwei  wahrscheinlich 
nackte  Individuen  sich  aneinander  anlegten,  indem  sich  die  hintere  Hälfte 
des  einen  an  die  vordere  des  anderen  heftete,  und  beide  in  solcher  Weise, 
anfänglich  nur  durch  einen  Punkt  vereinigt,  längere  Zeit  mit  einander 
umherschwammen,  sich  unter  Umständen  auch  wieder  losrissen  und  Ver- 
bindungen mit  anderen  Individuen  eingingen.  Nachdem  die  Vereinigungs- 
stelle etwas  umfangreicher  geworden  war,  kamen  die  Paare  plötzlich  zur 
Ruhe.  An  der  ruhenden  Zygote  Hess  sich  aber  eine  weitere  Veränderung 
nicht  constatiren.  Askenasy  hält  denn  auch  die  ruhenden  Doppelindivi- 
duen von  Glenodinium,  welche  wir  schon  oben  erwähnten,  für  Zygoten, 
doch  kann  ich  mich  zu  dieser  Annahme  noch  nicht  entschliessen,  auch 
wenn  die  von  Askenasy  beobachteten  Vereinigungen  wirkliche  Copulationen 
waren,  was  ich  nicht  für  zweifellos  halte. 

Zweifelhaft  muss  uns  auch  der  Conjugationsakt  erscheinen,  welchen 
Joseph  (29)  von  einem  nicht  weiter  bekannten  Peridinium  stygium  aus 
einer  der  Krainer  Grotten  beschrieb. 

Es  soll  sich  hier  um  einen  wirklichen  Conjugationsprocess,  wie  bei 
den  Infusorien  handeln,  indem  sich  beide  Individuen  nur  eine  Zeit  lang 
vereinigen.  Die  Vereinigung  geschehe  in  der  Weise,  dass  sich  die  Wesen  in 
verwendeter  Stellung,  das  Hinterende  des  einen  nach  vorn,  das  des  anderen 
nach  hinten  gerichtet,  mit  den  Geisselspalten  (Mundspalte  nach  Joseph) 
aufeinanderlegen  und  durch  hier  ausgetretenes  Plasma  zu  verkleben 
scheinen.  „Die  Kerne  scheinen  aneinander  gerückt  zu  sein  und  bildeten 
eine  Bisquitform,  während  die  in  ihrer  Masse  enthaltenen  Körnchen  in 
lebhafter  Bewegung  ergriffen  waren.''  Nach  einigen  Stunden  trennten 
sich  die  Individuen,  worauf  sie  unter  Geisseiverlust  in  einen  Ruhezustand 
übergingen.  Nun  sollen  weitere  Veränderungen  an  dem  Kern  dieser  Ruhe- 
zustände eintreten.  Bei  den  meisten  soll  derselbe  einfach  bleiben,  zuweilen 
aber  sich  in  zwei  theilen,  von  welchen  der  eine  in  den  Vorderkörper, 
der  andere  in  den  Hinterkörper  rücke.  Dann  beginne  der  einfache,  resp. 
doppelte  Kern  sich  zu  vergrössern,  indem  er  das  Plasma  gewissermaassen 
aufzehre  und  schliesslich  erfülle  er,  resp.  die  beiden  Kerne,  den  ganzen 
Körper.  Im  letzteren  Falle  erscheint  der  Körper  dann  in  zwei  Kugeln 
(die  vergrösserten  Kerne)  getheilt.  Durch  Zerfall  der  Schalenhülle  werden 
nun  die  einfache  oder  die  beiden  Kugeln  frei,  nachdem  sie  eine  zarte 
Hülle  ausgeschieden  haben.  Die  fernere  Entwicklung  verlaufe  ganz 
verschieden,  je  nachdem  eine  oder  zwei  Kugeln  gebildet  wurden.  In 
letzterem  Falle  entwickeln  sich  dieselben  einfach  zu  jugendlichen  Peri- 
dinien;  im  ersteren  dagegen  treten  in  der  Kugel  zahlreiche  Bläschen 
auf,  so  dass  dieselbe  schliesslich  ganz  prall  von  solchen  erfüllt  ist;  letz- 
tere werden  endlich  durch  Bersten  der  Kugelhülle  frei  und  entwickeln 
sich  zu  jugendlichen  Peridinien. 


Copulation.     Kctteubildung.  995 

So,  wie  die  Mittheiluog  von  Joseph  vorliegt,  als  kurze  nicht  von  Ab- 
bildungen begleitete  Notiz,  lässt  sich  schwerlich  ein  bestimmtes  Urtheil 
über  die  beschriebenen  Vorgänge  gewinnen.  Ich  kann  jedoch  nicht  ver- 
hehlen, dass  mir  die  angeblichen  Entwicklungsvorgänge  im  Gefolge  der 
Conjugation  recht  zweifelhaft  erscheinen. 

11.  Kettenbildun^. 

Schon  in  der  historischen  Einleitung  erwähnten  wir,  dass  Michaelis 
bei  marinen  Ceratien  zuerst  eine  eigenthümliche  Vereinigung  zweier 
Individuen  beobachtete,  die  er  abbildete,  im  Text  aber  nicht  erwähnte. 
Erst  viele  Jahre  später  wurden  Murray  und  Pouchet  auf  diese  Erscheinung 
wieder  aufmerksam,  wobei  es  sich  herausstellte,  dass  viel  mehr  wie  zwei 
Individuen  in  solcher  Weise  aneinandergereiht  sein  können ,  also  eine 
wirkliche  Kettenbildung  statthaben  kann  (Taf.  53,  8  und  10  a). 

Nicht  allein  bei  den  Ceratien  wurde  übrigens  dieses  Phänomen  beob- 
achtet, sondern  auch  bei  einer  von  Pouchet  als  Glenodinium  cinctum  ge- 
deuteten marinen  Form,  deren  Bestimmung  aber,  wie  früher  erwähnt, 
unsicher  scheint.  Endlich  wurde  noch  bei  einer  Dinophysis  (acuta  var. 
geminata  Pouchet  =  Dinophysis  Homunculus  Stein)  das  Zusammenhängen 
zweier  Individuen  constatirt,  doch  muss  es  zweifelhaft  erscheinen,  ob  es 
sich  hier  um  einen  entsprechenden  Vorgang  handelte. 

Die  Kettenbildung  der  Ceratien  beobachtete  Pouchet  bei  C.  Furca 
und  Tripos;  bei  der  ersteren  Art  stieg  die  Zahl  der  vereinigten  Individuen 
bis  auf  acht,  bei  der  letzteren  wurden  nur  Ketten  von  zwei  bis  drei 
Individuen  gefunden;  bei  Cer.  Fusus  fand  Pouchet  keine  Ketten,  doch  bil- 
dete schon  Michaelis  solche  von  zwei  Individuen  ab.  Die  Zusammen- 
fügung der  Einzelwesen  zu  einer  Kette  geschieht  bei  den  Ceratien  immer 
in  einer  bestimmten  Weise,  woraus  hervorgeht,  dass  es  sich  nicht  um 
etwas  zufälliges  handelt.  Alle  Individuen  der  Kette  sind  gleich  gestellt 
und  das  vordere  Hörn  eines  jeden  heftet  sich  an  die  rechte  ventrale  End- 
stelle der  Querfurche  des  Vorgängers  (s.  die  Abbild.  Taf.  53).  Diese 
Art  der  Zusammenfiigung  ist  schon  auf  den  Abbildungen  von  Michaelis 
angedeutet;  sie  dürfte  wohl  damit  zusammenhängen,  dass  das  vordere 
Hörn  an  seinem  Ende  geöffnet  ist,  also  das  hier  freie  Körperplasma  sich 
bei  der  Vereinigung,  resp.  Festheftung,  betheiligen  kann.  Fraglich  ist 
es,  ob  es  sich  nur  um  eine  Anheftung  oder  um  eine  wirkliche  Vereini- 
gung der  Plasmakörper  handelt. 

Etwas  anders  sind  die  Ketten  des  fraglichen  Glenodinium  gebildet. 
Dieselben  enthielten  bis  4  Individuen,  welche  einfach  hintereinander  ge- 
reiht waren,  so  dass  der  vordere  Pol  des  hinteren  an  dem  hinteren  des 
vorhergehenden  befestigt  war.  Diese  Kettenbildung  erinnert,  wie  auch  Pouchet 
bemerkte,  an  die  von  Allman  beschriebenen  Quertheilungszustände  seines 
Peridinium  uberrimum;  es  liegt  daher  die  Möglichkeit  vor,  dass  letztere 
solche   Vereinigungen   waren,    was   auch    desshalb   interessant   erschiene, 

63* 


996  Dinoflagellata. 

weil  dies  der  erste  Fall  von  Kettenbildung  bei  einer  Süsswasser- 
form  wäre. 

Bei  Dinopbysis  Homunculus  kamen  Vereinigungen  zweier  Individuen 
mittels  der  Rücken  zur  [Beobacbtung;  sie  berührten  sich  mittels  eines 
am  Rücken  dieser  Art  vorspringenden  Fortsatzes  der  Schalenhülle,  wobei 
also  das  eine  Individuum  seine  Bauchseite  nach  rechts,  das  andere  nach 
links  wendete.  Die  Verbindungsweise  war  demnach  eine  ganz  andere 
wie  bei  den  Peridiniden,  wesshalb  es  auch  etwas  fraglich  erscheinen 
muss,  ob  es  sich  um  das  gleiche  Phänomen  handelt. 

Ganz  unsicher  ist  zur  Zeit  die  Bedeutung  der  Kettenbildung. 
Der  nächstliegende  Gedanke  wäre  der  an  Conjugation  oder  Syzygien- 
bildung.  Ein  Fall,  wie  er  dann  bei  den  Ceratieu  vorläge,  wäre  nicht 
ganz  ohne  Analogie,  denn  auch  bei  der  Syzygienbildung  der  Grega- 
riniden  konnte  Frenzel  neuerdings  das  Aneinanderhängen  einer  ganzen 
Anzahl  Individuen,  unter  Kettenbildung  beobachten*).  Klebs  spricht  sich 
sehr  bestimmt  gegen  eine  solche  Deutung  aus,  ohne  aber  seine  Gründe 
zu  entwickeln;  er  möchte  in  der  Kettenbilduug  eine  „rein  biologische  Er- 
scheinung" erkennen,  „eine  Anpassungserscheinuug  an  das  pelagische 
Leben,  welches  sehr  verschiedene  Organismen  zu  einer  solchen  Ketten- 
bildung führe."  Welche  Organismen  er  dabei  im  Auge  hat,  geht  aus  der 
Bemerkung  nicht  hervor,  vielleicht  die  kettenbildenden  Bacillariaceen  und 
die  Ketten  der  Salpen.  In  diesen  Fällen  handelt  es  sich  aber  immer  um 
einen  ursprünglichen  Zusammenhang  von  Individuen,  welche  durch  Thei- 
lung  oder  Sprossung  aus  geraeinsamer  Stätte  hervorgingen.  Gerade  letz- 
teres scheint  nun  für  die  Ketten  der  Dinoflagellaten  wenig  wahrscheinlich; 
nichts  deutet  wenigstens  darauf  hin,  dass  dieselben  durch  fortgesetzte 
Theilung  entstanden  seien;  man  könnte  höchstens  vermuthen,  dass  die 
zahlreichen,  durch  fortgesetzte  Theilung  gebildeten  Sprösslinge  einer  Cyste 
in  solcher  Kettenform  ins  Freie  gelangten.  Ich  halte  es  daher  für  wahr- 
scheinlicher, dass  die  Ketten  nachträglich,  durch  Vereinigung  ursprünglich 
isolirter  Individuen  entstehen  und  kann  desshalb  auch  die  Möglichkeit,  dass 
das  Phänomen  mit  Copulation  etwas  zu  thun  habe,  einstweilen  noch  nicht 
für  ausgeschlossen  erachten**). 


*)  Archiv  f.  mikroskop.  Anatomie,  Bd.  24,  p.  545. 

**)  In  seiner  neuesten  Publikation  (48)  theilt  Pouch  et  noch  einige  weitere  Beobach- 
tungen über  die  Kettenbildung  mit,  ohne  jedoch  der  Frage  nach  ihrer  Bedeutung  wesentlich 
näher  zu  kommen.  Er  neigt  jetzt  der  oben  schon  angedeuteten  Möglichkeit  zu,  dass  die  Ketten 
aus  den  Theilsprösslingen  einer  Cyste  hervorgingen ,  nennt  diese  Vereinigungen  jedoch  auch 
häufig  „Conjugationen.'"  Er  beobachtete  nun  auch  eine  Kette  zweier  Gymnodinium 
Spirale,  deren  Vereinigung  nach  dem  bei  den  Ceratien  gewöhnlichen  Modus  gebildet 
war.  Dagegen  fand  er  einige  Mal  Verbindungen  zweier  Ceratium  Fususin  ganz  ab- 
weichender Weise,  indem  beide  Individuen  in  gleicher  Orientirung  neben  einander  lagen  und 
in  der  Gegend  der  Querfurche  vereinigt  schienen.  Hinsichtlich  der  oben  geschilderten  Paare 
von  Dinophysis  hebt  er  jetzt  hervor,  dass  die  beiden  vereinigten  Individuen  nicht  gleich 
gebildet,  sondern  spiegelbildlich  verschieden  seien ;  das  eine  ein  rechtes,  das  andere  ein  linkes 
Exemplar.     Mir  scheint   dies   etwas  zweifelhaft,    da    solche  Verschiedenheiten  noch  von  Nie- 


Kcttciibilduiig.     System  (Historisches).  997 

Wie  aus  den  obigen  Bemerkungen  hervorgeht,  sind  die  bis  jetzt  vor- 
liegenden Untersuchungen  noch  zu  aphoristische,  um  die  Natur  der  jeden- 
falls sehr  interessanten  Erscheinung  näher  zu  bestimmen. 

13.  System  der  Dinoflagellaten, 

A.  Historisches. 

Bezüglich  der  Ansichten  Ehrenberg's  und  Dujardin's  übei-  die  syste- 
matische Stellung  unserer  Gruppe  können  wir  füglich  auf  den  historischen 
Abschnitt  verweisen,  wo  dieselben  schon  erörtert  wurden.  Siebold  reihte 
1848  die  Dinoflagellata  als  Familie  der  Peridinäen  in  seine  Ordnung  der 
Astoma  ein ;  sie  fanden  hier  ihren  Platz  neben  einer  Anzahl  Flagellaten, 
welche  die  Familie  der  Astasiaea  bildeten.  Bei  Perty  begegnen  wir 
ihnen  als  Familie  der  Peridinida  unter  seinen  Filigera  und  erst  Claparede 
und  Lachmann  trennten  sie  von  den  übrigen  Flagellaten  als  besondere 
Ordnung  der  Cilioflagellata  ab.  Von  Diesing  wurden  sie  1866  zu 
einem  besonderen  Typus  der  „Trichosomata"  unter  den  Mastigophora 
erhoben  und  in  zwei  Familien,  die  der  Mallomonadinea  und  der 
Peridinea  gesondert.  Die  erste  Familie  enthält  neben  Mallomonas,  die, 
wie  wir  schon  bei  den  Flagellaten  erfuhren,  gewiss  nicht  hierhergehört, 
noch  die  Gattung  Prorocentrum ,  die  zweite  Familie  alle  übrigen  Dino- 
flagellaten,  unter  welchen  Diesing  eine  ziemliche  Anzahl  neuer  Genera 
errichtete,  die  aber  fast  alle  unhaltbar  erscheinen. 

Wie  auf  anderen  Gebieten  des  Systems  schloss  sich  auch  Kent  (32) 
in  seinem  systematischen  Versuch  Diesing  darin  an,  dass  er  in  seine 
Ordnung  der  Cilioflagellata  eine  Eeihe  nicht  hierhergehöriger  Formen  auf- 
nahm, welche  neben  den  Geissein  noch  Cilien  besitzen  sollen.  Alle  echten 
Dinoflagellaten  finden  sich  bei  ihm  in  der  Familie  der  Peridiniidae, 
der  er  noch  4  weitere  Familien  anreihte;  einmal  wie  Diesing  die  Mallo- 
monadidae  (nur  Mallomonas  enthaltend),  ferner  die  Heteromastigodae 
(auf  die  Gattung  Heteromastix  gegründet,  deren  Nichthierhergehörigkeit  wir 
schon  bei  den  Jlagellaten  p.  830  erörterten),  endlich  die  beiden  Familien  der 
Stephanomonadidae  und  Trichonemidae,  jede  derselben  mit  zwei 
Gattungen.  Zwei  dieser  Genera  wurden  von  Fromentel  (Flagell.  No.  146) 
aufgestellt:  Stephan omonas  und  Trichonema,  sie  sind  ganz  zweifel- 
hafter Natur  und  unsicher,  wie  die  Beschreibungen  dieses  Autors  gewöhnlich. 
Die  Gattung  Astmathos  von  Salisbury,  eine  parasitische  Form  des  Men- 
schen, bedarf  gleichfalls  erneuter  Untersuchung;  nach  den  jetzigen  Schilde- 
rungen  gehört  sie   zu  den   zweifelhaftesten  Protozoen,   was   in  gleichem 


mandem  sonst  bei  dieser  Gattung  wahrgenommen  wurden.  Schliesslich  schildert  er  noch  paar- 
weise Vereinigung  bei  Prorocentrum  micans;  die  beiden  Individuen  waren  mit  den  ent- 
gegengesetzten Seiten  in  im  Allgemeinen  gleicher  Orientirung  vereinigt,  doch  ihre  Längsaxen 
unter  einem  Winkel  von  etwa  45 "  gekreuzt,  Speciell  der  letztgeschilderte  Fall  scheint  auch 
mir  auf  unvollständige  Theilung  rückfuhrbar  und  gehörte  daher  vielleicht  besser  in  ein  früheres 
Kapitel. 


b 


998  Dinoflagellata. 

Maasse  von  der  Perty'scben  Gattung  Mitophora  gilt,  die  als  die  zweite 
der  Trielionemidae  aufgeführt  wird.  Wir  können  daher  in  dem  System 
Kent's  nur  einen  Rückschritt  in  der  Umgrenzung  der  recht  einheitlichen 
Dinoflagellatengruppe  erkennen.  Auch  in  der  Errichtung  der  Gattungen 
und  Arten  verfährt  Kent  ohne  scharfe  Kritik,  so  dass  sich  darunter  viel 
unhaltbares  findet.  Die  Gattung  Polykrikos  verwies  er  schliesslich  zu  den 
Ciliaten. 

Das  von  R.  S.  Bergh  i.  J.  1882  errichtete  System  muss  als  ein  wirklicher 
Fortschritt  bezeichnet  werden.  Er  unterschied  in  seiner  Ordnung  der  Cilio- 
flagellaten  zwei  Familien,  die  der  Adinida  mit  Frorocentrum  und  die  der 
Diniferen,  welche  alle  übrigen  umschloss.  Die  grosse  Differenz  zwischen 
diesen  beiden  Gruppen  war  ja  schon  lange  aufgefallen,  so  dass  Stein  noch 
1878  die  Gattung  Frorocentrum  überhaupt  von  den  Dinoflagellaten  trennen 
wollte.  Die  Diniferen  werden  von  Bergh  in  drei  Subfamilien  zerlegt, 
die  Dinophysida,  Feridinida  und  Gymnodinida,  von  welchen 
die  beiden  ersten  recht  natürliche  sind,  die  letztere  dagegen  wohl  keinen 
Anspruch  hierauf  machen  kann.  In  der  Feststellung  der  Arten  verfuhr 
Bergh  recht  exact  und  die  von  ihm  neu  errichteten  Gattungen  sind  meist 
acceptabel. 

Ein  gleiches  lässt  sich  von  den  beiden  im  Jahre  1883  erschienenen 
Arbeiten  von  Fouchet  (37)  und  Gourret  (38)  nicht  behaupten.  Es  finden  sich 
vielmehr  bei  ihnen  nicht  wenige  Unsicherheiten  und  Unrichtigkeiten  in 
den  Bestimmungen,  auf  die  wir  im  speciellen  Theil  hinzuweisen  haben 
werden  und  bei  Gourret  eine  Tendenz  zur  Zersplitterung  der  Arten,  welche 
in  Betracht  der  grossen  Variabilität  der  Dinoflagellaten  entschieden  viel  zu 
weit  geht. 

Als  Grundlage  für  die  systematische  Behandlung  der  Dinoflagellaten, 
speciell  die  Feststellung  der  Genera,  wird  die  umfassende  Bearbeitung 
Stein's  (38)  betrachtet  werden  müssen,  schon  desshalb,  weil  ihm  der 
grösste  Reichthum  an  Formen  zu  Gesicht  kam  und  er  auch  ein  gutes 
Auge  für  Erkennung  generischer  Zusammengehörigkeit  hatte,  wie  sich  nicht 
leugnen  lässt.  Aus  diesem  Grunde,  und  da  ich  nicht  zur  Entscheidung 
der  Frage  berechtigt  bin,  welche  der  1883  erschienenen  Arbeiten  die 
Priorität  beanspruchen  darf,  halte  ich  mich  in  zweifelhaften  Fällen  an 
die  Namengebung  Stein's.  Stein  unterschied  unter  seinen  arthrodelen 
Flagellaten  5  Familien,  von  welchen  die  der  Prorocentrinen  mit  den 
Adinida  Bergh's  zusammenfällt,  weiterhin  die  der  Noctilucida  unhaltbar 
erscheint,  da  zwei  der  ihr  zugeschriebenen  Gattungen  zu  den  Peridiniden 
gehören,  Noctiluca  aber  wohl  richtiger  den  Typus  einer  besonderen 
Ordnung  bildet.  Es  bleiben  ferner  noch  die  Peridiniden  (einschliesslich 
der  Gymnodinidae  Bergh's),  die  Dinophysiden  und  endlich  eine  Familie 
der  Cladopyxiden,  welche  noch  zu  unsicher  erscheint,  um  acceptirt 
werden  zu  können  und  auch  einstweilen  recht  gut  mit  den  Peridiniden 
vereinigt  werden  kann. 


Verwandtschaftliclie  Bezieliuugeii  der  Diiioiiagellata.  999 

B.  Verwandtschaftliche  Beziehungen  der  Dinof lagellaten 
zu  den  übrigen  Protozoen  und  einzelligen  pflanzlichen   Organismen. 

Durch  die  Einreihiing  der  Gruppe  in  die  Klasse  der  Mastigo- 
phoren  haben  wir  unsere  Ansicht  über  ihre  nächsten  Verwandten 
schon  ausgesprochen.  Die  Beziehungen  zu  den  Flagellaten  wurden  auch 
seit  Ehrenberg  selten  verkannt  und  von  den  neueren  Forschern  meist 
stark  betont.  Bergh  leitete  sie  von  den  Flagellaten  her  und  Stein  ord- 
nete sie  seiner  Flagellatenabtheilung  direct  ein.  Nur  Klebs  (36)  verhält 
sich  etwas  zweifelnd  und  zieht  es  vor  die  Dinoflagellaten  „als  eine  scharf 
gesonderte  Familie  in  die  grosse  und  mannichfaltige  Gruppe  der  Thallo- 
phyten  zu  stellen."  Dieselben  Gründe,  welche  uns  bei  den  Flagel- 
laten bestimmten,  die  zu  entschiedenen  Pflanzen  hinneigenden  Formen 
von  den  übrigen  nicht  zu  sondern,  müssen  uns  auch  veranlassen,  die  in 
ihrer  überaus  grossen  Mehrzahl  sich  entschieden  holophytisch  ernährenden 
Dinoflagellaten  unter  den  Protozoen  zu  belassen. 

Die  Beobachter  sind  auch  ziemlich  einig  darüber,  mit  welchen  zwei- 
geisseligen  Flagellaten  wohl  die  nächsten  Beziehungen  existiren.  Schon 
Ehrenberg  sprach  dies  dadurch  aus,  dass  er  Prorocentrum  zu  den  Crypto- 
monadinen  zog  und  Exuviaella  marina  geradezu  als  eine  Cryptomonas 
beschrieb  (20,  1872).  Auch  Klebs  (44)  erkennt  an,  dass  die  Beziehungen 
zwischen  den  Prorocentrinen  und  den  Cryptomouadinen  nicht  zu  leugnen 
sind  und  Bergh,  welcher  die  Flagellatenabstammung  unsererer  Gruppe 
besonders  warm  vertritt,  wollte  sie  von  den  Thecomonadinen  herleiten 
und  wies  namentlich  auf  eine  von  ihm  beobachtete  Form  der  letzteren 
hin,  welche,  den  kurzen  Angaben  zufolge,  wohl  sicher  nichts  anderes 
wie  Exuviaella  marina  war. 

Recapituliien  wir  kurz  die  Punkte  in  dem  Bau  der  Prorocentrinen, 
welche  an  die  Cryptomouadinen  erinnern.  Einmal  ist  dies  die  Körper- 
gestalt, namentlich  auch  der  Zahnfortsatz  gewisser  Prorocentrumformen, 
welcher  mit  der  Oberlippe  von  Crypto-  und  Chilomonas  identisch  zu  sein 
scheint;  weiter  die  Stellung  der  beiden  Geissein  und  der  in  seiner  Be- 
schaffenheit an  das  Peristom  der  Cryptomouadinen  erinnernde  Geisselspalt 
an  deren  Basis;  endlich  die  beiden  Chromatophorenplatten  sammt  ihrer  Fär- 
bung bei  Exuviaella.  Abweichend  dagegen  ist  der  Besitz  einer  Schalenhülle, 
welche  den  Cryptomouadinen,  vielleicht  mit  Ausnahme  von  Oxyrrhis  fehlt ; 
ferner  der  Mangel  einer  scharf  ausgeprägten  contractilen  Vacuole,  wogegen 
sich  ein  Vacuolensystem  findet,  welches  vielleicht  an  das  gewisser  Eugle- 
ninen  erinnert.  Wenn  wir  in  letzterem  Verhalten  einen  Anklang  an  eine 
andere  Abtheilung  der  Flagellaten  begegnen,  so  erinnert  auch  die,  aus  zwei 
leicht  auseinanderfallenden  Klappen  gebildete  Schalenhülle  an  die  gewisser 
anderer  Isomastigoden,  der  Phacotinen  nämlich,  so  dass,  wenn  auch  die 
nächsten  Beziehungen  zu  den  Cryptomouadinen  nicht  zu  verkennen  sind, 
der  Ursprung  der  Dinoflagellaten  doch  wohl  weiter  zurückverlegt  werden 
muss,  in  Formen,  welche  eine  Mischung  von  Characteren  zeigten,  wie  sie 
bei  jetzt  lebenden  Flagellaten  noch  nicht  beobachtet  wurde. 


1000  Dinoflagellata. 

Wie  zu  den  Flagellaten  wurden  auch  Beziehungen  unserer  Gruppe 
zu  der  dritten  Abtheilung  der  Mastigophoren,  den  Cysto flagellaten  in 
neuerer  Zeit  festzustellen  versucht.  Zuerst  machte  AUman*)  auf  die  Ver- 
wandtschaft beider  Ordnungen  aufmerksam,  doch  waren  die  von  ihm  auf- 
geführten Grüode  wenig  beweisend,  wesshalb  denn  auch  seine  Ansicht 
lange  keinen  Anklang  fand.  In  neuester  Zeit  sprachen  sich  Kent,  Pouchet 
und  Stein  für  die  Verwandtschaft  beider  Abtheilungen  aus  und  letzterer 
reihte  Noctiluca  sogar  direct  unter  seine  arthrodelen  Flagellaten  ein**). 
Auch  ich  erklärte  (46),  mich  endlich  für  die  Beziehungen  zwischen  den 
beiden  Abtheilungen,  vermag  mich  aber  der  Stein'schen  Anschauung 
nicht  anzuschliessen.  Wir  werden  daher  auch  die  Cystoflagellaten  erst 
später  als  eine  gesonderte  Gruppe  betrachten  und  es  wird  dort  auch 
unsere  Aufgabe  sein,  ihre  Verwandtschaft  mit  den  Dinofllagellateu  speciell 
darzulegen. 

AVir  haben  endlich  schon  früher  erfahren,  (s.  d.  historische  Einleitung), 
dass  schon  Ehrenberg  durch  die  Stellung ,  welche  er  unserer  Gruppe 
gab,  deren  Beziehung  zu  den  cihaten  Infusorien  unzweifelhaft  andeuten 
wollte.  Erst  bei  Claparede  und  Lachmann  finden  wir  diesen  Gedanken 
schärfer  formulirt:  die  Cilioflagellaten  galten  ihnen  als  eine  Mittelgruppe 
zwischen  den  bewimperten  Infusorien  und  den  Flagellaten,  obwohl 
sie  den  letzteren  viel  näher  verwandt  seien,  wie  den  ersteren.  Dass  sie 
unsere  Gruppe  hinter  den  Acineten  aufführen,  kann  nicht,  wie  Bergh 
meint,  so  gedeutet  werden,  als  schrieben  sie  den  Dinoflagellaten  eine 
nähere  Verwandtschaft  mit  den  Suctoria  zu.  Später  wurden  die  Be- 
ziehungen der  Dinoflagellaten  zu  den  Ciliaten  namentlich  von  Bergh 
lebhaft  betont;  derselbe  erblickte  in  den  ersteren  die  Gruppe,  von  welcher 
die  Ciliaten  phylogenetisch  entsprungen  seien. 

Wie  es  schon  Ehrenberg  angedeutet  hatte,_  sollten  zunächst  die  peri- 
trichen  Ciliaten  aus  den  Dinoflagellaten  hervorgegangen  sein,  speciell 
die  Gattung  Mesodinium  (Stein),  welche  Bergh  als  eine  primitive  Peritriche 
betrachtete,  vermittle  den  Uebergang.  Die  Unhaltbarkeit  einer  solchen 
Auffassung  wurde  in  zweifacher  Weise  dargelegt;  einerseits  durch  die 
Erfahrung,  dass  bei  den  Dinoflagellaten  gar  kein  Ciliensystera  vorhanden 
ist,  aus  welchem  die  Cilienbekleidung  der  Infusorien  hervorgegangen  sein 
könnte  und  andererseits  durch  die  genauere  Untersuchung  der  Gattung 
Mesodinium,  welche  wir  hauptsächlich  Entz  verdanken***).  Durch  Letz- 
teren wurde  aber  festgestellt,  dass  diese  Gattung  kaum  nähere  Beziehungen 
zu  den  Peritrichen  besitzt.  Unsere  heutigen  Kenntnisse  verwehren  uns 
also,  der  Annahme  einer  näheren  Verwandtschaft   zwischen   Ciliaten  und 


*)  Quarterl.  journ.  micr.  science.  N.  s.  V.  XII.  p.  326 — 332. 

**)  Aehiüich  spricht  sich  auch  Pouchet  in  seiner  neuesten  Arbeit  (48)  aus,  wo  er  Nocti- 
luca sogar  zu  Gymnodinium  ziehen  will. 

***)  Zeitschrift  f.  wiss.  Zoologie  Bd.  38,  p.  167  und  Mitth.  der  zoolog.  Station  Neapel 
Bd.  V.  p.  303. 


System.  1001 

Dinoflagellaten  zuziistimmeu  und  auch  der  von  Entz  (1.  c.)  erneuerte 
Versuch,  die  zuerst  von  James  Clark  angedeuteten  vermeintlichen  Be- 
ziehungen zwischen  den  Dinoflagellaten  und  der  Ciliatengattung  Uro- 
centrum  neu  zu  befestigen,  muss,  angesichts  der  neueren  Erfahrungen 
über  die  Bauverhältnisse  unserer  Gruppe,  verv^orfen  werden. 

Schliesslich  noch  ein  Wort  über  die  möglichen  Beziehungen  zu  ein- 
zelligen pflanzlichen  Wesen.  Wie  erwähnt,  hat  Warnung  seiner  Zeit 
ganz  kurz  und  ohne  specielle  Begründung  geäussert,  dass  die  Dino- 
flagellaten ein  Mittelglied  zwischen  den  Bacillariaceen  und  den  Des- 
midiaceen  bildeten.  Es  lässt  sich  auch  wohl  nicht  völlig  verkennen, 
dass  einige  Eigenthümlichkeiten  unserer  Gruppe  gerade  in  dieser 
Richtung  weisen.  Wenn  wir  von  den  allgemeineren  Characteren  ab- 
sehen, die,  wie  schon  bei  den  Flagellaten  gezeigt  wurde,  auf  Be- 
ziehungen der  Mastigophoren  zu  den  einzeiligen  Pflanzen,  speciell  den 
Bacillariaceen  hinweisen,  ist  es  namentlich  der  eigenthümliche  Theilungs- 
process  mit  Neubildung  der  einen  Hälfte  der  Schalenhülle,  welcher  uns 
an  ähnliche  Vorgänge  bei  den  erwähnten  beiden  Abtheilungen  der  Proto- 
phyten  erinnert.  Die  zweiklappige  Bildung  der  Schalenhülle  der  ursprüng- 
licheren Dinoflagellaten  erinnert  überhaupt  an  die  Verhältnisse  bei  den 
Bacillariaceen  und  auch  in  der  feineren  Structur  der  Hülle  mögen  sich 
vielleicht  gewisse  Annäherungen  ergeben,  wenn  erst  das  Augenmerk 
genauer  auf  diese  Verhältnisse  bei  den  Dinoflagellaten  gerichtet  wird. 
Nicht  unwichtig  erscheint  mir  in  dieser  Hinsicht  namentlich  die  eigen- 
thümliche Entwickelung  der  Gürtelbänder  gewisser  Bacillariaceen  (Ach- 
nanthes  u.  zahlr.  a.),  welche  durch  ihre  Querstreifung  lebhaft  an  die  sog. 
Intercalarstreifen  vieler  Dinoflagellaten  erinnern. 


C.  üebersicht  der  Gattungen, 

Die  Zahl  der  bis  jetzt  mit  einiger  Sicherheit  zu  unterscheidenden 
Gattungen  beträgt  etwa  26,  wozu  sich  noch  zwei  zweifelhafte  ge- 
sellen; die  Zahl  der  Arten  beziffert  sich  auf  nicht  mehr  als  90  bis  95, 
wobei  jedoch  zu  berücksichtigen  ist,  dass  dem  Artbegriff  von  den  ver- 
schiedenen Beobachtein  ein  recht  verschiedener  Umfang  gegeben  wird, 
so  dass  einzelne,  wie  z.  B.  Gourret,  eine  viel  grössere  Zahl  von  Species 
annehmen  würden. 

I.  Unterordnung.     Adinida  Bergh  (Prorocentrina  Stein). 

Längliche,  bilateral  symmetrische  Formen  mit  Neigung  zur  Asymmetrie, 
bei  welchen  die  beiden  Geissein  am  vorderen  Pol  entspringen.  Querfurche 
nicht  entwickelt.  Mit  zweiklappiger  poröser  Hülle.  Zwei  Vacuolen  im 
Vorderende  neben  einander.    Chromatophoren. 


1002  Dinoflagcllata. 

1.  Familie.     Prorocen trina  Stein. 
Charactere  der  Unterordnung. 
Exuviaella  Cienkowsky  1882,  Klebs  (44),  Pouchet  (48). 

Synon.  '?  Pyxidicula  Ehrenb.  (Abb.  d.  Berl.  Ak.  1836),  Bailey  (Smith.  Inst. 
Vol.  II.  PI.  2  Fig.  14),  Cryptomonas  Ehrenb.  (Lima,  20);  Prorocentrum  p.  p. 
Kent  (32);  Amphidinium  operculatum  Pouchet  (37);  Dinopyxis  Stein  (39);  Post- 
prorocentrum  Gourret  p.  p.  (38),  V  Thecomonadine  verw.  mit  Cryptomonas  Lima 
bei  Bergh  (30). 

Taf.  51,  Fig.  2. 

Gestalt  nahezu  kuglig  bis  eiförmig  und  länger,  zuweilen  hinten  zu- 
gespitzt. Die  länglichen  Formen  meist  ziemlich  comprimirt  (Länge  bis 
etwa  0,08  ?).  Die  rechte  Schalenhälfte  am  vorderen  Pol  mit  oder  ohne 
deutlichen  Ausschnitt.  Zahnfortsatz  fehlend  oder  je  ein  zartes  Zähnchen 
zu  den  Seiten  des  Geisselspalts.  Zwei  seitliche,  plattenförmige ,  grosse 
braune  Chromatophoren,  jede  in  der  Mitte  mit  einem  runden  Amylonkörper. 
Kern  im  hinteren  Drittel.     Vermehrung  durch  Längstheilung. 

Nord.  Meere  und  Mittelmeer.    4  bis  5  Arten. 

Prorocentrum   Ehrenberg  1833  und  (5);  ciaparede  und  Lachm.  (21), 

Bergh  (30),  Stein  (39),  Bütschli  (40),  Pouchet  (48). 

Synon.     Cercaria  spec.  Michaelis  (4),  Postprorocentrum  Gourret  p.  p. 

Taf.  51,  Fig.  1. 

Gestalt  ungefähr  oval  bis  recht  lang  gestreckt;  Hinterende  stets 
deutlich  zugespitzt.  Länge  bis  ca.  0,05.  Stets  ziemlich  comprimirt. 
Dorsal  an  der  Geisseispalte  ein  starker  Zahnfortsatz,  welcher  entweder 
aus  einem  Stück  besteht  oder  von  je  einem  Fortsatz  der  Schalenklappen 
zusammeugesetzt  wird.  Keine  grossen  plattenförmigen  Chromatophoren, 
sondern  wahrscheinlich  zahlreichere  kleinere.     Gelbbraun. 

Marin.     Kosmopolit.     3  bis  4  Arten. 

IL  Unterordnung.     Dinifera  Bergh. 

Dinoflagellaten  mit  einer  oder  mehreren  deutlichen  Querfurchen,  in 
welche  die  einfache  oder  mehrfache  Querfurchengeissel  eingelagert  ist. 
Längsgeissel  gewöhnlich  nach  hinten  gerichtet. 

1.  Familie  Peridinida. 

Mit  einer  Querfurche  in,  oder  nahezu  in  der  Mitte  des  Körpers. 
Meist  mit,  zuweilen  aber  auch  ohne  Hülle.  Selten  ist  die  Querfurche 
nicht  ausgebildet,  jedoch  dann  die  Position,  welche  sie  einnehmen  würde, 
durch  die  Bauweise  der  Hülle  angedeutet.     Gestalt  ziemlich  verschieden. 

Podolampas  Stein  1883. 

Synon.     Parrocelia  Gourret  (38). 

Taf.  55,  Fig.  9  (Holzschn.  Fig.  5,  p.  931). 
Gross.   Gestalt  birnförmig,  langgestreckt  bis  kürzer;  das  verschmälerte 
Ende  ist  höchst  wahrscheinlich  das  vordere.     Dasselbe  ist   in  eine  mehr 


1 


System.  1003 

oder  weniger  lange,  geöffnete  Apicalröhre  ausgezogen.  Keine  vertiefte 
Quer-  und  Längsfurche  vorhanden,  doch  ihre  Lage  durch  die  Art  der 
Täfelung  der  Hülle  angedeutet.  Die  dicke  Hülle  zeigt  5  grosse  vordere 
und  drei  hintere  Aequatorialtafeln.  Apicaltafel  scheint  einfach  zu  sein, 
dagegen  zwei  ansehnliche  Antapicaltafeln ;  jede  derselben  bei  einer  der 
Arten  mit  einem  quergestellten,  zahn-  oder  flügelformigen  Fortsatz  zu  der 
Seite  der  dicht  am  hinteren  Pol  gelegenen  kleinen  Geisselspalte.  Bei  der 
anderen  Art  sind  diese  Fortsätze  dorsal  von  der  Geisselspalte  verwachsen 
und  erinnern  dann  sehr  an  den  Zahnfortsatz  von  Prorocentrum,  Jeder 
der  Fortsätze  ist  mit  einer  ansehnlichen  Verdickungsrippe  ausgestattet 
und  von  dem  linken  zieht  eine  Randleiste  neben  der  Geisselspalte  nach 
vorn.  Breite  Intercalarstreifen.  Im  lebenden  Zustande  nicht  genauer 
untersucht. 

Mittelmeer  und  Stidsee.     Zwei  Arten. 

Blepharocysta.     Ehrenb.  1873.  Stein  (39). 

Taf.  53,  Fig.  2  (Holzschn.  Fig.  4,  p.  931). 

Synon.  Peridinium  Ehrenb.  (20). 

Mittelgross.  Gestalt  kuglig  bis  längsellipsoidiscb.  Schliesst  sich  durch 
die  NichtVertiefung  einer  Quer-  und  Längsfurche  an  die  vorhergehende 
Gattung  nahe  an,  ebenso  in  der  Bauweise  der  dicken  Hülle.  Vorderhälfte 
derselben  wie  bei  Podolampas  jedoch  mit  Andeutung  von  drei  kleinen 
Apicaltäfelchen,  zwischen  denen  die  nicht  röhrig  verlängerte  Apicalöfifnung 
liegt.  Hinterhälfte  dadurch  von  Podolampas  verschieden,  dass  ihr  Pol 
von  drei  kleinen  Antapicaltäfelchen  geschlossen  wird.  Zu  den  Seiten  der 
ganz  hinten  gelegenen  Geisselspalte  je  eine  kleine  längsgerichtete  flügei- 
förmige Leiste.     Intercalarstreifen  breit.     Chromatophoren  vorhanden. 

Marin.  1  Art.     Wahrscheinlich  Kosmopolit. 

Dipl op sali s  Bergh  1882.     Stein  (39),  Pouchet  (48). 

Synon.  Glenodinium  (lenticula)  Pouchet  (37). 

Taf.  53,  Fig.  2  (Holzschn.  Fig.  3,  p.  930). 

Klein  bis  mittelgross.  (Länge  bis  0,04).  Gestalt  eine  in  der  Haupt- 
axe  verkürzte,  nahezu  linsenförmige  Kugel.  Quer-  und  Läugsfurche  deut- 
lich. Die  Querfurche  in  sich  rücklaufend,  nicht  schraubig.  Hülle  massig 
dick.  Vorderhälfte  gewöhnlich  mit  den  5  Aequatorial-  und  drei  Apical- 
tafeln  der  vorhergehenden  Gattung,  die  letzteren  aber  viel  ansehnlicher, 
dazu  aber  noch  eine  ventrale,  mediane  sog.  ßautenplatte  (r),  welche  von 
dem  Apex  bis  zur  Querfurche  reicht.  Variationen  in  den  Aequatorialtafeln 
jedoch  beobachtet.  Der  Apex  etwas  röhrenförmig  erhoben.  Hinterhälfte 
mit  5  Aequatorial-  und  zwei  grossen  Antapicaltafeln.  Geisselspalte  wie 
bei  Blepharocysta  und  auch  die  beiden  Flügel  der  Ränder  der  Längs- 
furche, die  hier  bis  zur  Querfurche  ziehen  (Bergh).  Nach  Stein  soll  sich 
nur  ein  linker  Flügel  finden.     Besondere  Sculpturen  der  Hülle  fehlen. 

Ostsee  und  Mittelmeer.  1  Art. 


1004  Dinoflagellata. 

Peridiuium   Ebrenberg  1832   (emend.  Stein  1883);   ciaparede  und 

Lachmann  (21),  Bergh  (30),  Klebs  (36),  Pouchet  (37  u.  48),  Gourret  (38),  Bütschli  (46), 

Synon.  Vorticella  (cincta)  0.  F.  Müller  (1);  Glenodinium  p.  p.  Ehrb.  (5),  Gleno- 
dinium  Perty  (12):  Ceratopliorus  Dies.  (Systema  helminth.) ;  Ceratium  p.p.  Ciapa- 
rede und  Lachmann  (21),  ebenso  Kent  (32);  Protoperidinium  Bergh  (30),  ebenso 
Pouchet  (37),  Larre  von  Peridinium  Gourret  (38). 

Taf.  52,  Figg.  6-11  u.  Taf.  53,  Fig.  1.    (Holzscbn.  Fig.  2,  p.  928—29). 

Klein  bis  ziemlich  gross  (L.  bis  0,15).  Gestalt  kuglig  bis  eiförmig 
oder  etwas  länglich.  Apex  häufig  in  deutliches  Röhrchen  ausgezogen. 
Quer-  und  Längsfurche  gut  ausgeprägt,  die  erstere  gewöhnlich  schwach 
rechts  schraubig,  selten  links  schraubig  oder  kreisförmig.  Die  letztere 
massig  breit  und  nach  hinten  gewöhnlich  wenig,  selten  ansehnlicher  ver- 
breitert. Die  beiden  Körperhälften  gleich,  bis  die  hintere  beträchtlich  ver- 
kürzt. Hinterhälfte  der  massig  dicken  Hülle  wie  bei  Diplopsalis  gebaut, 
Vorderhälfte  dagegen  mit  7  Aequatorialplatten,  der  Rautenplatte,  je  zwei 
seitlichen  Apicalplatten  und  dazwischen  zwei  hintereinander  gereihten 
dorsalen,  welche  aber  auch  vereinigt  sein  können.  Die  zwei  Antapical- 
platten  zuweilen  mit  je  einem  zahuartigen  Fortsatz  wie  bei  Podolampas 
oder  auch  an  deren  Stelle  zwei  hohle  Hörner.  Randleisten  der  Längs- 
furche wenig  erhoben.  Geisseispalte  z.  Th.  noch  weit  hinten,  z.  Th.  jedoch 
bis  zur  Querfurche  gerückt,  dann  scheint  sie  jedoch  stets  langspalt- 
förmig  zu  sein.  Farblos,  grün  oder  braun.  Vermehrung  im  Ruhezustand. 
Bildung  gehörnter  Cysten  zuweilen. 

Stisswasser  und  Meer.    Etwa  9  gesicherte  Arten. 

Goniodoma  Stein  1883. 

Synon.  Peridinium  Ehrb.  (5);  Peridinium  polyedricum  Pouchet  (37). 

Taf.  52,  Fig.  5  (Holzschn.  Fig.  1,  p.  927). 

Mittelgross.  Im  Allgemeinen  kuglig,  doch  durch  starke  Ausprägung 
der  Täfelung  etwas  polyedrisch.  Die  Hälften  gleich.  Querfurche  fast 
kreisförmig,  Längsfurche  massig  breit.  Die  kleine  ovale  Geisseispalte 
bis  zur  Querfurche  vorgerückt.  Hülle  dick  mit  breiten  Intercalarstreifen. 
Vorderhälfte  mit  7  Aequatorial-  und  3  Apicalplatten,  die  jedoch  anders 
orientirt  sind  wie  bei  Blepharocysta.  Hinterhälfte  mit  5  Aequatorial- 
platten und  3  ziemlich  ansehnlichen  Antapicalplatten.  Apicalröhrcheu, 
Randleisten  oder  Fortsätze  nicht  entwickelt;  Poren  sehr  deutlich.  Chroma- 
tophoren  klein,  zahlreich. 

Ostsee  und  atlantischer  Ocean.     1  Art. 

Gonyaulax  Diesing  1866,  Stein  (39). 

Synon.  Peridinium  p.p.  Ciaparede  und  Lachmann  (21);  Protoperidinium  digitale 
und  pyropliorum  Pouchet  (37),  ?  Protoceratium  und  ?  Koulea  Gourret  (38). 

Taf.  52,  Fig.  3—4  (Holzschn.  Fig.  7,  p.  932). 

Klein  bis   mittelgross.     Gestalt   kuglig  -  polyedrisch  bis  ellipsoidisch ; 

die  beiden  Pole  zuweilen  stachelartig  ausgezogen.    Hälften  gleich.    Hülle 

massig    dick.      Vorderhälfte    nach    Stein    mit    5   Aequatorial-    und   drei 

Apicaltafeln  (nach  mir  bei  G.  polyedra  mit  6,  resp.  4).    Hinterhälfte  mit 


System.  1005 

5  Aequatorialtafeln  und  einer  Apicaltafel;  links  neben  der  Längsfurche 
noch  eine  eigenthümliche  accessorische  Tafel  eingeschaltet.  Längsfurche 
bis  zum  Apex  nach  vorn  verlängert.  Zwei  zuweilen  schwache  Stachel- 
fortsätze des  Hinterendes.  Hülle  fein  reticulirt  oder  gestachelt  und  die 
Tafeln  zuweilen  noch  mit  secundären  Leisten  verziert.  Geisselspalte  klein, 
oval,  bis  an  die  Querfurche  vorgerückt.  Chromatophoren  klein,  zahlreich. 
Marin.  4  Arten.  Wohl  Kosmopolit. 
Ceratium   Schrank  1793  (Stein  emend.  1883);  Perty  (12),  Clapamle 

und  Lachmann  p.p.  (21),  Carter  (24),  Bergh  (30),  Klebs  (35),  Pouchet  (37  u.  48),  Gourret  (3S), 

Blanc  (45),  Bütschli  (40). 

Synon.  Cercaria  p.  p.  und  Bursaria  p.  p.  0.  F.  Müller  (1);  Tripos  u.  Hirun- 
dinella  Bory  de  Vincent  (Encyclop.  mcthod.  1824);  Cercaria  Michaelis  (4);  Peri- 
dinium  p.  p.  Ehrenberg-  (5  und  f.  f.);  Diesing  p.  p.  (23),  Bailey  (10  und  17); 
Ceratophorus  p.  p.  Diesing  (Systema  Helminlh.);  Dimastigoaulax  Diesing  (23)  und 
Kent  (32);  GIcnodinium  Diesing  p.  p.  (23). 

Taf.  53,  Figg.  7—10  und  Taf.  54,  Figg.  1—2  (Holzschn.  Fig.  8,  p.  934). 

Mittelgross  bis  gross  (L.  bis  0,4).  Gestalt  durch  die  Entwickelung 
ansehnlicher  hornartiger  Körperfortsätze  eigenthüralich ;  im  Allgemeinen 
von  einer  dorsoventral  abgeplatteten  Kugel  sich  ableitend.  Körperhälften 
ziemlich  gleich.  Die  Querfurche  niedrig  schraubig  bis  nahezu  kreisförmig. 
Längsfurche  meist  stark  verbreitert  und  beträchtlich  auf  die  Vorderhälfte 
ausgedehnt,  so  dass  sie  einen  sehr  ansehnlichen  Theil  der  Ventralfläche 
einnimmt.  Hülle  dick,  reticulirt  bis  wellig  gestreift  und  zuweilen  schwach 
bestachelt;  sehr  deutlich  porös.  Vorderhälfte  aus  drei  ansehnlichen 
Aequatorial-  und  drei  (zuweilen  auch  mehr)  Apicaltafeln  gebildet;  letztere 
setzen  sich  in  ein  langes  Apicalhorn  fort.  Hinterhälfte  aus  drei  Aequatorial- 
und  einer  Apicaltafel  gebildet.  Letztere  ist  stets  in  ein  hinteres  Hörn 
verlängert,  welches  entweder  gerade  bis  schwach  schief  nach  hinten  ge- 
richtet ist  oder  sich  nach  links  und  vorn  umbiegt.  Rechte  hintere 
Aequatorialtafel  fast  stets  in  ein  ähnliches  Hörn  ausgewachsen,  das  rudi- 
mentär bleiben  oder  ansehnlich  laug  werden  kann  und  das  nach  hinten 
gerichtet  ist  oder  sich  nach  rechts  und  vorn  umbiegt.  Auch  die  linke 
hintere  Aequatorialplatte  kann  ein  Hörn  bilden,  das  jedoch  gewöhnlich 
klein  bleibt,  ebenso,  sehr  selten  wie  es  scheint,  die  hintere  Aequatorialplatte 
(Cer.  quinquecorne  nach  Gourret).  Es  finden  sich  demnach  2,  3,  4  und 
5  hörnige  Ceratien.  Die  sehr  lange  Geisselspalte  zieht  am  linken  Rande 
der  Längsfurche  (Bauchausschnitt)  hin.  Chromatophoren  gewöhnlich  zahl- 
reich, grün-  bis  gelbbraun. 

Süsswasser  (Europa,  N.-Amerika  und  S.-Asien)  und  Meer.  Zahl  der 
Arten  sehr  unsicher,  da  dieselben  äusserst  variabel  sind.  Gourret  hat  von 
Marseille  nicht  weniger  wie  43  Arten  und  Varietäten  beschrieben,  doch 
dürften  sich  die  zahlreichen  Abänderungen  auf  höchstens  10  Formenkreise 
zurückführen  lassen. 

Amphidoma.     Stein  1883. 

Taf.  53,  Fig.  4  (Holzschn.  Fig.  6,  p.  932). 
Klein   bis   mittelgross.     Gestalt  doppclkegelförmig.     Hälften   nahezu 


1006  Dinoflagellata. 

gleich  oder  die  hintere  etwas  kleiner.  Hülle  der  Vorderhälfte  aus  den 
4  Aequatorialplatten  und  3  sehr  kleinen  Apicalplatten  wie  bei  Blepharo- 
cysta  gebildet.  Hintere  Hälfte  dagegen  ähnlich  wie  bei  Gonyaulax,  nur 
scheint  die  accessorische  Platte  nicht  scharf  von  der  die  Längsfurche  aus- 
kleidenden Membran  gesondert  zu  sein.  Die  Längsfurche  nicht  deutlich 
auf  die  Vorderhälfte  ausgedehnt.  Geisseispalte  dicht  bei  der  Querfurche. 
Lebend  nicht  beobachtet. 

Atlantischer  Ocean;  1  sichere  Art. 

Oxytoxum  Stein  1883. 

Synon.  Pyrgidium  Stein  (39). 

Taf.  53,  Fig.  5-6. 

Klein  bis  ziemlich  gross.  Langgestreckt  doppelkegelig  bis  spindel- 
förmig. Die  beiden  Hälften  sehr  ungleich ;  die  vordere  sehr  verkürzt, 
z.  Tb.  bis  auf  einen  knopiförmigen  Anhang  rediicirt  (Stein  orientirt  die 
Formen  umgekehrt  und  betrachtet  die  reducirte  Hälfte  als  die  hintere). 
Die  Pole  gewöhnlich  zugespitzt  und  zuweilen  stachelartig  ausgezogen. 
Querfurche  niedrig  schraubig,  recht  breit  und  tief,  so  dass  beide  Hälften 
durch  eine  beträchtliche  Einschnürung  von  einander  geschieden  sind. 
Längsfurche  stark  verkürzt  (Pyrgidium  Fig.  5)  oder  bis  fast  ganz  redu- 
cirt  (Fig.  6,  Oxytoxum  s.  Str.).  Die  kleine  Geisseispalte  daher  stets  dicht 
an  der  Querfurche.  Hinterhälfte  aus  4  ansehnlichen  Aequatorialtafeln 
und  einer  sog.  Mundtafel  zusammengesetzt,  letztere  entspricht  wohl  der 
Längsfurchenmembran  der  Verwandten  sammt  der  accessorischen  Tafel  des 
Gonyaulax.  Bei  dem  sog.  Pyrgidium  bleibt  diese  Platte  kürzer  wie  die 
Aequatorialplatten.  Dazu  noch  eine  einfache  kleine  Antapicaltafel.  Vorder- 
hälfte wahrscheinlich  auch  aus  5  (zuweilen  auch  4)  Tafeln  und  einer 
Apicaltafel  gebildet.  Doch  zeigen  die  Apical-  und  Antapicaltafel  zuweilen 
Spuren  von  Zusammensetzung.  Oberfläche  der  Hülle  zum  Theil  deutlich 
reticulirt  und  Poren  wahrscheinlich  nicht  selten  recht  ansehnlich.  Inter- 
calarstreifen  gewöhnlich  nicht  sehr  ausgebildet.    Lebend  nicht  beobachtet. 

Marin;  wahrscheinlich  Kosmopolit.     Stein  unterscheidet  10  Arten. 

Pyrophacus  Stein  1883. 

Taf.  54,  Fig.  3. 

Gross.  Hauptaxe  stark  verkürzt,  daher  linsenförmig.  Querfurcbe 
wohl  ausgebildet;  kreisförmig.  Längsfurche  kurz,  hört  weit  vor  dem 
Antapex  auf.  Geisseispalt  an  ihrem  Hinterende,  dehnt  sich  aber 
wahrscheinlich  wie  bei  gewissen  Peridinien  und  Ceratium  spaltartig  bis 
zur  Querfurche  aus.  Hülle  massig  dick.  Vorderhälfte  derselben  aus 
bis  14  Aequatorial-  und  bis  7  Apicaltafeln  gebildet,  wozu  sich  noch  eine 
etwas  asymmetrisch  gebogene,  von  der  Querfurche  bis  zum  Apex  ziehende 
Tafel  gesellt,  die  ohne  Zweifel  der  Eautenplatte  der  Peridinien  etc. 
entspricht.  Hinterhälfte  aus  bis  14  Aequatorial-  und  bis  13  Antapical- 
tafeln  gebildet.     Braunes,  centrales,  strahliges  Chromatophor, 

Marin.     1  Art.     Wahrscheinlich  Kosmopolit. 


System.  1007 

Ptychodiscus.     Stein  1883. 

Taf.  54,  Fig.  4. 

Mittelgross.  Schliesst  sich  nahe  an  Pyrophacus  an,  von  welchem 
sie  sieh  wesentlich  dadurch  unterscheidet,  dass  an  der  Hülle  ausser  der 
Rautenplatte  keine  Tafeln  angedeutet  sind  und  statt  der  Querfurche  ein 
dünnhäutiges  Band  vorhanden  ist,  welches  die  grössere  Vorderhälfte  der 
Hülle  mit  der  kleineren  Hinterhälfte  verbindet.  Apicalöffuung  und  Geissel- 
spalte  etwas  unsicher.     Lebend  nicht  beobachtet. 

Atlantischer  Ocean.     1  Art. 

Protoceratium  Bergh  1882. 

Synon.  Peridinium  p.  p.  (reticulatum)  Claparede  u.  L.  (21),  Clathrocysta  Stein  (39). 

Taf.  52,  Fig.  2. 

Klein,  kuglig  (Dm.  ca.  0,035)  zuweilen  mit  etwas  röhrig  erhobener 
Apicalöffnung.  Querfurche  niedrig  schraubig,  die  Längsfurche  ziemlich 
schmal  und  gleich  breit,  dehnt  sich  nicht  auf  die  Vorderhälfte  aus.  Hälften 
gleich.  Keine  deutliche  Täfelung  der  Hülle,  dagegen  Verzierung  mit 
engeren  oder  weiteren  reticulären  Leisten.  Gewöhnlich  etwas  bestachelt. 
Geisselspalt  dicht  an  der  Querfurche. 

Marin.     Zwei  Arten.     Wahrscheinlich  Kosmopolit. 

?  Heterocapsa  Stein  1883. 

Taf.  52,  Fig.  1. 
Synon.  Glenodinium  p.  p.  (triquetra)  Ehrenb.  (5),  Glenodinium  p.  p.  (trochoideum) 
Stein  (39),  Klebs  (44)  und  Pouchet  (37). 
Unsicliere  Gattung,   die   sich  von  der   vorherg'ehenden   und  der  folgenden   nicht  scharf 
trennen  lässt.     Allgemeine  Bildung  wie  bei  Clathrocysta,  von  -welcher  sie  sich  dadurch  unter- 
scheidet, dass  gewöhnlich  nur  die  Vorderhälfte  mit   deutlichen  Verdickungsleisten  geziert  ist, 
die  jedoch  viel  grössere,  in  zwei  oder  drei  Cyklen  angeordnete,  polygonale  Felder  umgrenzen. 
Auf  der  Hinterhälfte  sind  nur  einige  Längsleisten  bemerkbar. 

Marin.     Wahrscheinlich  kosmopolitisch.     Stein  unterscheidet  4  Arten. 

Glenodinium  Ehrenberg  (emend.  Stein  1883);  Bergh  (30),  Klebs  (36 

und  44),  Butschli  (46),  Pouchet  p.  p.  (37),  Daday  (45  a). 

Synon.  Peridinium  Ehrenb.  p.  p.,  dto.  Claparede  u.  L. ;  Peridinium  und  Ceratium 
p.  p.  Perty  (12), 

Taf.  51,  Figg.  10—13. 

Klein  bis  mittelgross  (L.  bis  ca.  0,045).  Allgemeine  Bildung  etwa 
wie  bei  Clathrocysta;  nicht  selten  mit  ziemlicher  dorsoventraler  Abplattung. 
Hülle  sehr  zart  und  structurlos.  Farblos  oder  grün  bis  braun.  Chroma- 
tophoren  gewöhnlich  klein  uud  zahlreich. 

Süsswasser  und  Meer.     Artenzahl  5  bis  6. 

Gymnodiniura   Stein  1878  und  (39);  Bergh  (30),  Kent(32),  Klebs  (36), 
Pouchet  (37  u.  48),  Gourret  (38),  Entz  (40). 

Syno  n.  Peridinium  Ehrenb.  p.  p.  (5),  do.  Perty  (12),  Glenodinium  Schmarda  p.  p.  (16). 

Taf.  51,  Figg.  4—9. 
Mittelgross   bis   klein  (L.    bis   ca.  0,09).     Allgemeine  Bildung  z.  Th. 
ganz  wie  bei  Glenodinium,  doch  ohne  Hülle.     Zuweilen   aber  auch  ziem- 


1008  Dinoflagellata. 

lieh  langgestreckt  und  die  Pole  zugespitzt.  Auch  dorsoventral  manchmal 
ziemlich  abgeplattet.  Daran  reihen  sich  Formen,  bei  welchen  die  Schraube 
der  Querfurche  steiler  wird  und  eine  bei  welcher  sie  zwei  Umgänge  be- 
schreibt. Geisseiursprung  gewöhnlich  dicht  bei  der  Querfurche,  selten 
hinten  in  der  Längsfurche.  Mit  oder  ohne  Chromatophoren  und  Ernäh- 
rung zuweilen  animalisch.     Ectoplasma  z.  Th.  kenntlich. 

Süsswasser  und  Meer  (Kochsalzteiche  Ungarn's;  Entz)  Artenzahl  7 
bis  8. 

Wie  aus  obiger  Beschreibung  hervorgeht,  sind  die  Charactere  dieser  Gattung  ziemlich 
differente,  ich  halte  es  denn  auch  zur  Zeit  für  fraglich,  ob  dieselbe  eine  natürliche  ist  oder 
ob  sie  nicht  von  verschiedenen  Quellen  ihren  Ursprung  genommen  hat. 

Hemidinium  Stein  1878  und  (39),  Klebs  (36).     , 

Taf.  51,  Fig.  3. 

Klein.  Wahrscheinlich  nackt  (Stein)  oder  doch  (Klebs)  mit  äusserst 
zarter  Hülle.  Hauptcharacter  besteht  darin,  dass  nur  die  linke  Hälfte 
der  Querfurche  ausgebildet  ist.  Gelb  mit  zahheichen  kleinen  Chromato- 
phoren.    Nach  Stein  Aufnahme  fester  Nahrung  sicher. 

Süsswasser  (Europa);  eine  Art. 

?  Cladopyxis  Stein  1883. 

Synon.  Xanthidium  Ehrenberg  (Abh.  d.  Berliner  Akad,  a.  d.  J.  1836  u.  15). 

Taf.  55,  Fig.  10. 

Lebend  nicht  untersucht;  überhaupt  unsicher,  ob  eine  Dinoflagellate.  Hülle  etwa  der 
eines  Glenodinium  ähnelnd,  mit  einer  etwas  vor  der  Mitte  verlaufenden  schmalen  Zone,  welclie 
an  die  Querfurche  erinnert,  nacli  Stein's  Schilderung  aber  dadurch  entstehen  soll,  dass  hier 
die  vordere,  kleinere  und  deckelartigc  Hälfte  der  Hülle  über  die  hintere  übergreife.  Von 
einer  Stelle  dieser  Bildung  ziehen  zwei  Leisten,  ursprünglich  parallel,  bald  jedoch  divergirend 
nach  hinten,  wodurch  eine  Art  Längsfurche  gebildet  wird.  Ln  vorderen  Theil  derselben  findet 
sich  eine  rundliche  Oeffnung,  welche  den  Geisseispalt  repräsentiren  soll.  Von  beiden  Hälften 
der  Hülle  erheben  sich  hohle,  sehr  ansehnlich  auswachsende  Stacheln,  die  sich  bei  weiterer 
Entwickelung  an  ihren  Enden  dichotomisch  verzweigen. 

Marin.     1  Art. 

Obgleich  die  Bildung  der  allein  bekannten  Hülle  nach  der  Darstellung  Stein's  in 
vielen  Punkten  an  diejenige  der  Peridiniden  erinnert,  halte  ich  die  Dinoliagellatennatur 
der  Cladopyxis  noch  für  zweifelhaft.  In  mancher  Hinsicht  nämlich  (speciell  durcli 
ihre  hohlen  Stacheln)  erinnert  sie  an  gewisse  Phäodarien;  sie  bedarf  also  entschieden 
weiterer  Aufklärung.  Wenn  sich  ihre  Hierhergehörigkeit  ergeben  würde,  so  scheint  mir  die 
Errichtung  einer  besonderen  Familie  der  Cladopyxiden,  wie  Stein  will,  unnöthig,  da  sie  sich 
dann  wohl  den  Peridiniden  einreihen  liesse. 

Ceratocorys  Stein  1883, 

Synon.  Dinophysis  p.  p.  (Jourdani)  Gourret  (38). 

Taf.  54,  Fig.  5  (Holzscbn.  Fig.  9,  p.  938). 
Mittelgross  bis  gross.  Hälften  sehr  ungleich.  Wahrscheinlich  die 
vordere  stark  reducirt  (Stein  fasst  diese  als  die  hintere  auf,  vergleiche 
hierüber  p.  938).  Querfurche  kreisförmig  mit  sehr  hoch  ausgewachse- 
nen Leisten.  Die  etwa  hutförmige  Hinterhälfte  mit  4  ziemlich  gleichen 
Aequatorialtafeln  und  einer  schmalen  ventralen  Tafel.  Dazu  noch  eine 
vierseitige   Antapicaltafel    (ap),    deren   Ecken   in    4   hohle   Stacheln    aus- 


System.  1009 

gezogen  sind.  Ferner  der  ventrale  Rand  der  linken  ventralen  und  der 
dorsale  Rand  der  linken  dorsalen  Aequatorialtafel  in  je  einen  Flügelstachel 
ausgezogen.  Vorderhälfte  aus  entsprechend  geordneten  4  Aequatorial- 
tafeln  (b')  gebildet.  Zwischen  den  beiden  ventralen  ein  ziemlich  schmales, 
etwas  eingesenktes  Band  (If),  wahrscheinlich  die  Verlängerung  der  Längs- 
furche; darin  ein  Längsspalt,  welcher  sich  vorn  zu  einer  ovalen  Oeffnung 
erweitert  (gs). 

Marin.     Wahrscheinlich  Kosmopolit.     1  Art. 

Vergleiche  über  die  Orientirung  dieser  Gattung  das  früher  Bemerkte  (p.  938).  Wie  schon 
dort  angegeben,  scheint  es  mir  ziemlich  sicher,  dass  dieselbe  zwischen  den  Peridiniden  und 
Dinophysiden  vermittelt. 

2.  Familie  Dinophysida  Bergh  und  Stein. 

Mit  Ausnahme  der  in  dieser  Hinsicht  etwas  zweifelhaften  Gattung 
Amphidinium  stets  mit  Hülle,  welche  den  primitiven  Charakter  der 
Prorocentrinen  bewahrt  hat,  da  sie  aus  zwei  seitlichen  Klappen,  die 
sich  leicht  trennen,  besteht.  Die  immer  sehr  gut  entwickelte  kreis- 
förmige Querfurche  stets  beträchtlich  vor  der  Mitte,  so  dass  die  Vorder- 
hälfte mehr  oder  weniger,  bis  sehr  bedeutend  reducirt  ist.  Die  Randleisten 
der  Querfurche  sind  gewöhnlich  sehr  stark  erhoben.  Die  Längsfurche  wenig 
ausgebildet,  dehnt  sich  nur  selten  etwas  auf  die  Vorderhälfte  aus  und 
wird  hauptsächlich  dadurch  bezeichnet,  dass  ihre  Randleisten  zu  zwei  längs- 
gerichteten Flügelleisten  ausgewachsen  sind.  Fast  stets  ist  die  linke  Flügel- 
leiste viel  ansehnlicher  entwickelt  wie  die  rechte  und  gewöhnlich  von  drei, 
zuweilen  aber  auch  mehr,  in  ziemlich  gleichen  Abständen  aufeinander- 
folgenden Verdickungsrippen  durchzogen.  Bei  gewissen  Formen,  deren 
linke  Flügelleiste  ganz  besonders  entwickelt  ist,  findet  sich  eine  Sonde- 
rung der  letzteren  in  zwei  hintereinander  stehende  Leisten.  Die  kleine, 
etwa  ovale  Geisseispalte  liegt  in  geringer  Entfernung  hinter  der  Querfurche 
zwischen  den  erwähnten  Leisten  und  setzt  sich  nach  innen  in  ein  kurzes 
Röhrchen  fort.  Im  Alter  können  sich  breite  Intercalarstreifen  entwickeln. 
Oberfläche  der  Hülle  gewöhnlich  sehr  deutlich  reticulirt  und  jedes  Netz- 
feldchen  mit  einem  Porus.  Gelbe  bis  braune  Chromatophoren  wohl  stets 
vorhanden.     Fast  ausschliesslich  marin. 

P  h  a  1  a  c  r  0  m  a  Stein  1883. 

Synon.  Larve  von  Peridinium  divergens  Gourret  (38). 
Taf.  55,  Figg.  1  und  2. 

Klein  bis  ziemlich  gross.  Gestalt  etwa  eiförmig  bis  umgekehrt  kegel- 
förmig. Die  Verschiedenheit  der  beiden  Körperhälften  bleibt  hier  im 
ganzen  gering,  so  dass  die  vordere  wie  ein  gewölbter,  selten  flacher 
Deckel  erscheint.  Die  Leisten  der  Querfurche  horizontal  abstehend  und 
nicht  stärker  entwickelt  wie  bei  den  Peridiniden  gewöhnlich.  Flügelleisten 
der  Längsfurche  wenig  bis  gut  entwickelt;  linke  mit  den  drei  Rippen. 
Lebend  nicht  untersucht. 

Marin;  wohl  Kosmopolit.     4  Arten. 

Bi-onu,   Klassen    des  Thiev  -  Reiclis.    Piotozoa.  64 


1010  DinoflagclLifa. 

Dinophysis    Ehrenberg   1839;    Claparede   und  L.  (21),   Bergh  (30),   Stein 
(39).  Pouchet  (37  ii.  48).  Gourret  (38),  Bütscbli  (46). 

Taf.  54,  Fig.  8  und  Taf.  55,  Fig.  3. 

Klein  bis  mittel  (L.  bis  ca.  0,08),  Gestalt  im  Allgemeinen  in  seitlicher 
Ansicht  eiförmig  oder  länglicher.  Das  Hinterende  häufig  etwas  zuge- 
spitzt bis  stachelartig  ausgewachsen.  Stark  coniprimirt.  Schliesst  sich 
nahe  an  die  vorhergehende  Gattung  an,  von  der  sie  sich  hauptsächlich 
dadurch  unterscheidet,  dass  die  Vorderhälfte  sehr  reducirt,  die  Leisten 
der  Querfurche  stärker  entwickelt  sind  und  schief  nach  vorn  aufsteigen. 
Namentlich  ist  die  vordere  stark  entwickelt  und  bildet  einen  sog.  Kopf- 
trichter.    Flügelleisten  ähnlich  entwickelt  wie  bei  Phalacroma. 

Marin.  Kosmopolit.  Artunterscheidung  schwierig ;  8  bis  10  Species 
bekannt. 

Amphisolenia  Stein  1883. 

Taf.  55,  Fig.  4. 

Gross  bis  sehr  gross.  Unterscheidet  sich  von  Dinophysis  durch  un- 
gemeine Längsstreckung  des  Körpers,  welcher  laugspindel-  bis  nadeiförmig 
geworden  ist.  Die  beiden  Flügelleisten  (1  und  1')  gut  entwickelt  und 
gleich,  doch  ohne  Kippen.  Zwischen  ihren  hinteren  Enden  liegt  die 
Geisselspalte  (gs).  Hinterende  kuglig  angeschwollen  oder  flossenartig 
verbreitert.     Hülle,  wie  es  scheint,  nahezu  structurlos. 

Südsee  und  atlantischer  Ocean.     2  Arten. 

Citharistes  Stein  1883. 

Taf.  55,  Fig.  5. 

Mittelgross ;  Gestalt  von  der  Seite  etwa  beuteiförmig.  Aehnlich  Dino- 
physis, von  welcher  Gattung  sie  sich  hauptsächlich  dadurch  unterscheidet, 
dass  die  Rückseite  einen  tiefen,  von  der  Seite  gesehenen,  halbkreisförmigen 
Ausschnitt  besitzt,  der  von  zwei  längsverlaufenden  Balken  brückenartig 
überwölbt  wird.  Linke  Flügelleiste  sehr  ansehnlich,  reicht  bis  nahe  an 
den  hinteren  Pol,  mit  4  bis  5  Rippen.     Lebend  nicht  untersucht. 

Atlantischer  Ocean  und  Südsee.     1  Art. 

Histioneis  Stein  1883. 

Taf.  55,  Fig.  6. 

Mittel-  bis  ziemlich  gross.  Gestalt  beutel-  bis  kahnförmig ;  die  dorso- 
ventrale  Axe  tibertrifft  gewöhnlich  die  Hauptaxe  an  Länge.  Querfurche 
so  stark  verbreitert,  dass  die  Vorderhälfte  nahezu  völlig  reducirt  ist  und, 
da  die  Verbreiterung  an  der  Dorsalseite  stärker  ist,  gleichzeitig  ventral- 
wärts  verschoben  erscheint.  Die  vordere  Randleiste  der  Querfurche  zu 
einem  abnorm  hohen  Kopftrichter  ausgewachsen ;  auch  die  hintere  Rand- 
leiste erhebt  sich  fast  zu  derselben  Höhe  und  direct  nach  vorn.  Sie  ist 
in  der  Dorsallinie  unterbrochen,  also  in  zwei  seitliche  Flügel  zerfallen. 
Ebenso  ist  die  linke  Flügelleiste  der  Längsfurche  abnorm  nach  hinten 
ausgewachsen,    so   dass    sie  stets    bis   an    den    hinteren    Pol    reicht   und 


f 


System.  1011 

über  diesen  bis  zur  Körperlänge  nach  hinten  vorspringen  kann.  Sie  lässt 
die  drei  Rippen  deutlicli  erkennen,  zu  welchen  sich  aber  noch  secundäre 
gesellen  können.  Gewöhnlich  ist  sie  vor  der  zweiten  Rippe  unterbrochen, 
so  dass  sie  in  eine  hintere  und  eine  vordere  Leiste  gesondert  ist.  Rechte 
Fitigelleiste  fast  völlig  reducirt.     Lebend  nicht  untersucht. 

Sudsee.  Stein  unterscheidet  5  Arten,  die  sich  jedoch  theilweise  recht 
nahe  stehen. 

Ornithocercus  Stein  1883. 

Synon.  Dinopliysis  p.  p.  Poiichet  (37). 

Taf.  55,  Fig.  7. 

Mittelgross  bis  gross.  Körper  im  Allgemeinen  beuteiförmig,  seitlich 
ziemlich  comprimirt.  Schliesst  sich  nahe  an  die  vorhergehende  Gattung 
an.  Querfurche  ähnlich  wie  bei  dieser,  doch  nicht  ganz  so  stark  ver- 
breitert, so  dass  die  Basis  des  hohen,  excentrischen  Kopftrichters  nicht 
so  auffallend  verengt  ist.  Auch  die  hintere  Randleiste  der  Querfurche 
nahezu  so  hoch  wie  der  Kopftrichter  entwickelt  und  dorsal  geschlossen. 
Die  linke  Flügelleiste  der  Längsfurche  ist  noch  mächtiger  entwickelt  und 
greift  über  den  hinteren  Pol  auf  die  Dorsalseite,  bis  nahe  an  die  Quer- 
furche, über.  Sie  enthält  neben  den  Hauptrippen  zahlreiche  accessorische 
mit  Netzverzweigungen.     Rechte  Randleiste  ganz  reducirt. 

Marin.     Kosmopolit.     1  Art. 

Amphidinium  Claparede  und  L.  1859;  Spengel  bei  Bergh  (35),  Stein 

(39),  Klebs  (44).  Daday  (45  a),  Poiicliet  (48,  non  37). 

Taf.  54,  Fig.  6—7. 

Klein  bis  sehr  klein.  Gestalt  etwa  ei-  bis  nahezu  kugelförmig, 
z.  Th.  stark  dorsoventral  abgeplattet.  Vorderhälfte  sehr  klein,  knopfförmig 
oder  deckelartig.  Längsfurche  über  die  ganze  Hinterhälfte  ausgedehnt 
und,  wie  es  scheint,  erweiterungs-  und  verengerungsfähig.  Wahrscheinlich 
nackt,  nach  Stein  aber  mit  sehr  dünner  in  der  Längsfurche  unterbrochener 
Hülle.  —  Braune  bis  grüne  Chromatophoren  von  bandförmiger  bis  kür- 
zerer Gestalt  vorhanden,  die  sich  gewöhnlich  um  einen  centralen  Amylon- 
körper  strahlig  gruppiren.     Nucleus  in  der  Hinterhälfte. 

Marin,  Süsswasser  und  Salzteiche  (Ungarn).     2  Arten. 

Die  Gattung'  Amphidininm  tictet  liinsiclitlich  ilirer  Bezicluingen  grosse  ScLwierigkeiten, 
da  sie  einerseits  dircct  von  Prorocentrinen ,  andererseits  aber  auch  von  peridinidenartigen 
Formen  entstammen  könnte.  Ich  halte  daher  ihre  Stellung  hei  den  Dinophysiden  noch  nicht 
für  gesichert. 

3.   Familie  Folydinida. 

Unterscheiden  sich  von  den  übrigen  Diniferen  durch  Anwesenheit 
mehrerer  Querfurchen  und  demnach  auch  wohl  sicher  mehrerer  Quergeissein. 

Polykrikos   Bütschli    1873;   Bergh  (30),  Pouchet  (37  xi.  48). 

Synon.  Turbellarienlarve ,   Ouljanin,   Protokolle  der  Ks.  Gesellschaft  der  Freunde 
der  Naturwissenschaften  zu  Moskau.     1868  p.  61. 

Taf.  55,  Fig.  8. 
Massig  gross,  ohne  Hülle.    Gestalt  länglich  tönnchenförmig.    Gewöhn- 

64* 


1012  Dinoflagellata. 

lieh  mit  acht  niedrig  schraubigen  Querfurchen ,  die  alle  in  eine  ge- 
meinsame Längsfurche,  welche  die  gesammte  Bauchseite  überzieht,  ein- 
münden (zuweilen  in  Voibereitung  zur  Theilung  wahrscheinlich  auch  mit 
mehr  Querfurchen). 

Am  Hinterende  der  Längsfurche  eine  hintere  Geissei  und  in  jeder 
Querfurche  wohl  sicher  eine  Quergeissel.  Zuweilen  eine  zweite  hintere 
Geissei  vorhanden.  4  rundliche  Nuclei  in  gleichen  Abständen  hinter- 
einander; jedem  derselben  sind  nach  Bergh  einige  Nebenkerne  angelagert, 
Nesselkapseln  im  äusseren  Plasma.  Nahrungsaufnahme  und  Vermehrung 
durch  Quertheilung  wohl  sicher. 

Nördliche  europäische  Meere  und  Mittelmeer.     1  bis  2  Arten. 

D.   Bemerivungen   über  die   vermuthliche   Phylogenese  in  der  Keilie  der 

Dinoflagellaten. 

Wenn  wir  hier  einem  Gegenstande  einen  besonderen  Abschnitt  wid- 
men, dessen  Erörterung  wegen  unserer  noch  so  lückenhaften  Erfahrungen, 
wohl  Manchem  verfrüht  erscheinen  dürfte,  so  geschieht  dies  desshalb, 
weil  Bergh  (30)  diese  Frage  eingehend  besprochen  hat  und  wir  sie 
daher  nicht  gänzlich  umgehen  können.  Es  sind  nur  wenige  Punkte, 
über  welche  eine  Einigung  der  Meinungen  unschwer  zu  erzielen  sein  wird, 
über  diese  hinaus  erheben  sich  sofort  bedenkliche  Zweifel  und  wir 
scheitern  bald  an  der  Unbestimmtheit  unserer  Kenntnisse  über  Fragen, 
welche  unbedingt  der  Erledigung  bedürfen,  bevor  mit  Ernst  an  eine  einiger- 
maassen  sichere  Begründung  des  Stammbaumes  innerhalb  unserer  Gruppe 
gedacht  werden  kann. 

Ueber  den  Ausgangspunkt  der  Gruppe  sind  wir  mit  Bergh  und  Stein 
einig,  suchen  ihn  also  in  prorocentrinenartigen  Formen,  von  welchen 
die  heutigen  Prorocentrinen  einen  Rest  bilden.  Hieraus  folgt  weiter,  dass 
wir  mit  Bergh  der  Ansicht  sind:  es  seien  die  nackten  Formen  der  Dini- 
feren  nicht,  wie  Stein  will,  die  ursprünglichsten,  sondern  wohl  sicher 
von  Umhüllten  herzuleiten.  Die  Natürlichkeit  dieses  Schlusses  folgt 
daraus ,  dass  noch  die  ganze  Familie  der  Dinophysiden  einen  Bau  der 
Schalenhülle  bewahrt  hat,  welcher  mit  dem  der  Prorocentrinen  principiell 
übereinstimmt;  da  nun,  wie  wir  gleich  sehen  werden,  die  Diniferen  jeden- 
falls mit  gemeinsamem  Stamm  aus  prorocentrinenartigen  Vorfahren  ent- 
sprangen, so  wäre  schwer  einzusehen,  dass  die  Dinophysiden  die  zwei 
klappige  Hülle  der  Prorocentrinen  selbstständig  erworben  hätten ,  wenn 
die  Diniferen  etwa  aus  nackten  Prorocentrinen,  die  ja  wohl  existirt 
haben  könnten,  hervorgegangen  wären.  Dass  aber  die  Diniferen  einen 
gemeinsamen  Ursprung  haben  mussten,  erweist  das  nie  fehlende  Merk- 
mal derselben,  die  Querfurche.  Es  erschiene  gezwungen,  an  deren 
selbstständige  Entstehung  in  den  beiden  Familien  zu  denken.  Sollen 
wir  uun  mit  Bergh  annehmen,  dass  aus  den  Prorocentrinen  zunächst 
die  Dinophysiden    und   aus  letzteren    die  Peridinideu    hervorgingen,    oder 


Phylogeuie.  1013 

sollen  wir  Stein's  Ansicht  theilen,  dass  die  Dinophysiden  aus  peridinien- 
artigen  Formen  durch  Verschiebung  der  Querfurche  an  das  Vorderende 
entstanden?  Ich  glaube,  wir  können  uns  weder  der  einen,  noch  der 
anderen  Ansicht  anschliessen ,  sondern  müssen  uns  zunächst  die  Ent- 
stehung einer  Urform  der  Diniferen  aus  den  Prorocentrinen  denken, 
von  welcher  dann  beide  Familien  entsprangen.  Welchen  Bau  aber 
dürfen  wir  nun  dieser  ürdinifere  geben?  Wenn  wir  diese  Frage  über- 
legen, so  stossen  wir  zunächst  auf  eine  Schwierigkeit,  welche  in  den 
phylogenetischen  Speculationen  von  Bergh  umgangen  wurde  und  die  nicht 
leicht,  ja,  wie  ich  glaube,  zur  Zeit  überhaupt  nicht  bestimmt  zu  erledigen 
ist.  Bekanntlich  sind  die  beiden  Geissein  der  Prorocentrinen  nach  vorn 
gerichtet  wie  bei  den  meisten  Flagellaten  und  es  bewegen  sich  diese 
Wesen  auch  mit  nach  vorn  gerichteten  Geissein.  Anders  verhalten  sich, 
wie  bekannt,  die  Diniferen  gewöhnlich,  deren  Längsgeissel  bei  der  Be- 
wegung nach  hinten  gerichtet  ist.  Wie  ist  aber  diese  Richtung  der  Längs- 
geissel bei  den  Diniferen  entstanden?  Dies  konnte  in  zweierlei  Art  ge- 
schehen sein,  entweder  in  der  Weise,  dass  die  Längsgeissel  wie  die 
öchleppgeissel  der  Heteromastigoden  nach  hinten  umgeschlagen  wurde, 
oder  so ,  dass  sich  bei  den  Diniferen  überhaupt  die  gewöhnliche  Be- 
wegungsrichtung gegenüber  den  Prorocentrinen  umkehrte,  dass  sich  also 
die  Diniferen  mit  dem  dem  Hinterende  der  Prorocentrinen  entsprechenden 
Pol  voran  bewegen.  Für  die  Möglichkeit  einer  solchen  Umkehr  haben 
wir  ein  interessantes  Beispiel  in  der  von  uns  zu  den  Cryptomo- 
uadinen  gezogenen  Gattung  Oxyrrhis,  und  es  erscheint  wichtig,  dass 
gerade  in  dieser  Flagellatenfamilie  ein  solches  Verhalten  eintreten 
konnte.  Bergh  entschied  sich  nun  für  die  erste  Alternative,  wenn 
er  sich  auch  über  die  Rückwärtsrichtung  der  Längsgeissel  nicht  näher 
ausspricht.  Er  lässt  also  die  Dinophysiden  dadurch  aus  Prorocentrum 
hervorgehen,  dass  der  Geisseispalt  etwas  auf  der  Rückseite  (nach  Bergh 
die  Bauchseite)  des  Prorocentrum  nach  hinten  verschoben  wurde  und  der 
Stachelapparat,  welcher  dabei  natürlich  die  gleiche  Verschiebung  erlitt, 
zu  der  Anlage  der  hinteren  Randleiste  der  Qnerfurche  und  der  Flügel- 
leisten der  Dinophysis  wurde ;  die  eigentliche  Qnerfurche  und  deren 
vordere  Randleiste  sind  demnach  völlige  Neubildungen, 

Wie  ich  schon  in  einer  früheren  Publikation  (46)  andeutete, 
neige  ich  mich  der  anderen  Auffassung  zu  und  halte  es  daher  für  wahr- 
scheinlicher, dass  wir  die  Diniferen  mit  ganz  hinten  gelegenem  Geissei- 
spalt, wie  sie  uns  unter  den  Peridiniden  in  beträchtlicher  Zahl  begegnen, 
als  die  ursprünglicheren  zu  betrachten  haben  und  dieselben  nicht,  wie 
Bergh  will,  durch  die  Annahme  einer  allmählichen  Rückwärtsverschiebung 
des  Geisselspaltes  und  der  Querfurche  erklären  dürfen.  Mich  bestimmt 
hierzu  die  Möglichkeit,  den  Stachelapparat  der  Prorocentrinen  bei  dieser 
Annahme  natürlicher,  wie  mir  scheint,  mit  Einrichtungen  der  Diniferen 
in  Zusammenhang  zu  bringen.  Untersuchen  wir  auf  diese  Verhält- 
nisse  die   Peridiniden   mit   am    hinteren   Pol   gelegenem   Geisseispalt,    so 


]^Q14  Diiioflagellata. 

finden  wir  bei  der  Gattung  Podolampas  Stein  eine  Bildung,  welche  auffallend 
an  den  Stachelapparat  von  Prorocentrum  erinnert.  Bei  Podolampas  palmipes 
(T.  55,  9  b)  haben  wir  einen  den  Geisselspalt  dorsal  umgreifenden  einfachen 
Stachel  wie  bei  Prorocentrum;  bei  Podolampas  bipes  (55,  9a)  dagegen 
ist  er  ein  paariges  Gebilde  zu  den  Seiten  des  Geisseispaltes,  doch  wissen 
wir,  dass  der  Stachelapparat  auch  bei  gewissen  Prorocentrumarten  noch 
eine  deutlich  paarige  Beschaffenheit  zeigt,  so  dass  wir  wohl  berechtigt 
sind,  die  unpaare  Bildung  von  der  paarigen  abzuleiten.  Seltsamer  Weise 
entbehren  die  Gattungen  Podolampas  und  die  ganz  nahe  verwandte  Ble- 
pharocysta  auch  der  Querfurche;  man  könnte  also  versucht  sein,  hierin 
eine  noch  grössere  Annäherung  an  die  Prorocentrinen  zu  erblicken.  Dies 
scheint  mir  aber  sehr  gewagt,  denn  die  Zusammensetzung  ihrer  Schalen- 
hülle reiht  sie  an  die  übrigen  Peridiniden  und  ist  viel  complicirter  wie 
bei  den  Dinophysiden  und  Prorocentrinen.  Da  nun  die  Dinophysiden 
die  Ursprünglichkeit  der  Schalenhülle  bewahrten  und  stets  eine  gut 
entwickelte  Querfurche  besitzen,  so  müssen  wir  der  Urform  der  Dini- 
feren  schon  die  Querfurche  zuschreiben  und  können  daher  deren 
Mangel  bei  den  beiden  Gattungen  der  Peridiniden  nicht  wohl  anders  als 
eine  Rückbildung  beurtheilen.  Doch  mag  die  Möglichkeit  einer  solchen 
Rückbildung  bis  zu  gewissem  Grad  als  Bestätigung  für  ihre  Ursprüng- 
lichkeit dienen;  die  Formen,  aus  welchen  sie  entsprungen  sind,  mögen 
noch  eine  sehr  wenig  entwickelte  Furche  besessen  haben.  Da  sich 
ferner  bei  Podolampas  von  dem  hinteren  Stachelapparat  schon  eine 
deutliche,  wenn  auch  noch  kurze  linke  Flügelleiste  der  Längsfurche 
entwickelt  hat,  bei  Blepharocysta  aber  deren  zwei  (Bergh)  unter  Re- 
duction  der  eigentlichen  Stacheln,  so  lassen  sich  daraus  leicht  die  Ver- 
hältnisse bei  Diplopsalis  und  den  übrigen  Peridiniden  ableiten  und  ebenso 
die  Flügelleistenbildung  der  Dinophysiden. 

Von  der  Urform  der  Diniferen  können  wir  uns  nach  diesen  Betrach- 
tungen etwa  die  Vorstellung  machen,  dass  sie  mit  zweiklappiger  Schalen- 
hülle versehen  w^ar,  mit  einem"  am  hinteren  Pol  gelegenen  Geisselspalt 
und  zu  dessen  Seiten,  resp.  etwas  mehr  dorsal,  mit  zwei  Stachel- 
fortsätzen; dass  sie  ferner  eine  wahrscheinlich  nur  wenig  ausgeprägte 
Längsfurche  besass,  welche  von  dem  Geisselspalt  eine  kleine  Strecke  weit 
auf  der  Bauchseite  nach  vorn  zog  und  hier  mit  einer  wenig  entwickelten 
Querfurche  in  Zusammenhang  stand.  Wahrscheinlich  kam  dieser  Aus- 
gangsform auch  schon  eine  Apicalöffnung  zu. 

Die  Dinophysiden  entwickelten  sich  aus  dieser  Urdinifere  durch 
allmähliche  Verlagerung  der  Querfurche  und  des  Geisseispaltes  an  das 
Vorderende.  Für  die  Annahme  einer  Reduction  des  Vorderkörpers 
bei  dieser  Familie  spricht  auf  das  entschiedenste  die  in  der  Reihe  der- 
selben deutlich  hervortretende  Tendenz  zu  fortschreitender  Rückbildung 
des  Vorderkörpers.  Bei  den  ohne  Zweifel  ursprünglichsten  Formen 
(Phalacroma  z.  B.)  finden  wir  die  Vorderhälfte  nur  wenig  kleiner 
wie  bei  manchen  Peridiniden;  bei  den  extremsten  Formen  dagegen  schwin- 


Phylogenic.  1015 

det  der  Vorderkörper  schliesslich  so  zu  sagen  völlig.  Die  phylogenetische 
Entwicklung  in  der  Reihe  der  Dinophysiden  bietet  in  dieser  Weise  keine 
erheblichen  Schwierigkeiten  dar,  zweifelhafter  gestaltet  sich  dagegen  ein 
.solcher  Versuch  in  der  Familie  der  Peridiniden.  Bergh  beansprucht  als 
deren  Urform  seine  Gattung  Protoperidinium,  welche  nach  unserer 
Ansicht  zu  Peridinium  im  Sinne  Stein's  gehört.  Peridinium  ist  nun  eine 
Form  mit  so  complieirter  [Schalenhülle,  dass  sie  jedenfalls  nicht  direct 
aus  der  zweiklappigen  Urform  entstehen  konnte,  obgleich  sich  manche 
Peridinien  in  den  beiden  hinteren  Stacheln  der  Podolampas  einen  recht 
ursprünglichen  Besitz  bewahrten.  Wir  müssen  uns  überhaupt  zunächst 
fragen,  wie  die  complicirte  Zusammensetzung  der  PeridinienhUUe  aus 
der  zweiklappigen  Hülle  der  Urform  entstanden  sein  kann.  Es  wird 
keiner  Frage  unterliegen,  dass  wir  die  einfachen  Verhältnisse  der 
Hülle  bei  Glenodinium  und  Verwandten  nicht  als  die  ursprünglichen  zu 
beanspruchen  haben,  was  sich  wohl  auch  darin  ausspricht,  dass  deren 
Geisseispalt  weit  vom  Hinterende  nach  vorn  verschoben  ist.  Ich  glaube 
nun,  dass  sich  eine  gesicherte  Rückführung  der  Hüllenverhältnisse  der 
Peridiniden  auf  die  der  Urform,  und  damit  auch  die  Vergleichung  der 
Verhältnisse  der  Hüllen  der  Peridiniden  untereinander,  erst  bewerkstelligen 
lassen  wird,  wenn  ein  genauer  Einblick  in  die  Theilungsverhältnisse  er- 
langt ist,  denn  es  scheint  aller  Grund  zur  Annahme  vorzuliegen,  dass 
die  beiden  Hälften,  in  welche  die  Hülle  bei  der  Theilung  (Ceratium) 
auseinandergeht,  wohl  auf  die  beiden  ursprünglichen  Klappen  der  Proro- 
centriuen  und  Dinophysiden  zurückgeführt  werden  dürfen.  Lässt  sich 
dieser  Standpunkt  festhalten,  so  würde  sich  nach  dem  wenigen,  was  über 
die  Theilung  von  Ceratium  bis  jetzt  bekannt  wurde,  ergeben,  dass  die 
Apical-  und  Antapicaltafeln  der  Peridiniden  in  der  Weise  hervorgingen, 
dass  die  ersteren  sich  aus  dem  Vorderende  der  linken  Klappe,  die 
Antapicalplatten  dagegen  aus  dem  Hinterende  der  rechten  Klappe 
differenzirten.  Dann  entwickelten  sich  wohl  Zustände,  wie  sie  bei  Cera- 
tocorys  noch  bestehen,  wo  die  vorderen  und  hinteren  Hälften  jeder 
Klappe  nur  in  zwei  Aequatorialplatten  gesondert  erscheinen.  Aus  sol- 
chen Formen  mögen  sich  dann  diejenigen  Peridiniden  entwickelt  haben, 
welche  5  Aequatorialtafeln  in  der  Vorderbälfte  und  z.  Th.  auch  der 
Hinterhälfte  besitzen,  wie  Amphidoma,  Oxytoxum  und  Diplopsalis.  Es 
wäre  verfrüht  und  würde  den  Aufwand  an  Worten  nicht  lohnen ,  wenn 
ich  meine  Ansichten  über  die  Phylogenie  in  der  Reihe  der  Peridiniden 
genauer  darlegen  wollte;  ich  beschränke  mich  daher  darauf,  denselben 
durch  die  Aufstellung  eines  graphischen  Stammbaumes  einen  kurzen 
Ausdruck  zu  geben  und  bitte  nur,  denselben  nicht  für  etwas  anderes 
nehmen  zu  wollen,  als  was  er  sein  kann,  nämlich  einen  Ausdruck 
unserer  sehr  unvollkommenen  Kenntnisse  von  dem  Bau  und  den  Ver- 
wandtschaftsverhältnissen der  Dinoäagellaten. 


1016 


Dinoflasellata. 


Oriül/merrus 


uium      ainium 


\  Fi/rnp/iacus 
Pfifrhodisrus 


CysinflagdlatoL 


Auch  Gourret  (38)  hat  sich  in  phylogenetischen  Speculationen  über  die  Dinotiagellaten 
ergangen,  welche  ich  jedoch  für  durchaus  unlialtbar  und  unbegründet  erachten  muss  und  die 
ich  desshalb  auch  nur  ganz  kurz  berülire.  Er  kann  weder  die  Prorocentrinen  als  die  ursprüng- 
lichsten Dinofiagellaten  anerkennen,  noch  die  Ableitbarkeit  der  Gruppe  von  den  Flagellaten  ; 
dagegen  stellt  er  die  durch  nichts  begründete  Hypothese  auf,  dass  die  Dinoflagellaten  sich 
aus  den  Larven  der  Flagellaten  entwickelt  hätten ,  welche  nach  ihm  mit  einem  vergänglichen 
Cilienkleide  versehen  sein  sollen.  Worauf  sich  diese  seltsame,  gewiss ermaassen  als  allgemein 
bekannt,  hingestellte  Thatsachc  gründen  soll,  wird  leider  nicht  mitgctheilt.  Durch  einen 
sehr  seltsamen  und  in  keiner  Weise  annehmbaren  Gedankengang  gelangt  er  weiter  zu 
der  Vorstellung,  dass  die  Ceratien  die  ursprünglichsten  Dinoflagellaten  seien,  indem  er  in  den 
Hörnern  derselben  Pseudopodien  erkennen  will,  welche  durch  die  Entwickelung  einer  Schalen- 
hülle unbeweglich  geworden  seien  und  deren  Vorhandensein  einen  sehr  ursprünglichen 
Character  dieser  Gattung  bilde.  Aus  letzterer  lässt  er  dann  alle  übrigen  Dinoflagellaten,  auch 
die  Prorocentrinen,  entspringen;  doch  glauben  wir  nach  dem  Vorbemerkten  auf  das  Nähere 
hierüber  wohl  verzichten  zu  können. 


13.  Physiologisch-Biologisches. 

A.  Ernährungsverhältnisse. 

Die  Eriiährungsverhältnisse  unserer  Abtheilung  scheineu  äholich 
schwankende  zu  sein  wie  die  der  Flngellaten,  doch  dürfen  wir  nicht  ver- 
gessen, dass  diese  Vorgänge  noch  nicht  hinreichend  stndirt  wurden.    Ge- 


Phylogenie.     Ernährungsverluiltiiisse.  1017 

sichert  scheint  einmal,  dass  die  mit  Chromatophoren  verseheneu  Formen 
nie,  oder  doch  höchstens  ausnahmsweise,  feste  Nahrung  aufnehmen, 
und  demnach  wie  die  entsprechenden  Flagellaten  in  holophytischer  Weise 
assimilireu.  Alle  vertrauenswerthen  Beobachter  versichern  wenigstens, 
dass  sie  in  solchen  Formen  nie  feste  Nahrungskörper  fanden.  Dem 
gegenüber  will  es  nicht  viel  besagen,  dass  Gourret  (38)  im  Plasma 
eines  Ceratium  Tripos  ein  etwas  zweifelhaftes  Algenbruchstück  gefunden 
haben  will  und  überhaupt  versichert,  dass  der  Bauchausschnitt  der  Ceratien 
als  Mundöfifnung  functionire,  da  das  Plasma  hier  frei  liege,  was  ja  that- 
sächlich  unrichtig  ist.  Von  einer  Mundöffnung  der  Uinoflagellaten  haben 
aber  auch  andere  Beobachter  häufig  gesprochen,  so  bezeichnet  Stein 
den  Geisseispalt  überall  als  eine  solche ,  doch  zeigen  seine  Abbildungen 
und  der  Text  zweifellos,  dass  er  nur  bei  zwei  nackten  Formen  feste 
Nahrungspartikel  im  Körper  beobachtete.  Er  betrachtete  daher  die  Mund- 
öffnung wie  diejenige  der  Euglenen  nur  als  Aufnahmestelle  für  flüssige 
Nahrung  (28).  Eine  ähnliche  Ansicht  vertrat  auch  Bergh  (30)  für  ge- 
wisse chromatophorenfreie  Formen,  bei  welchen  er  die  in  der  Nähe 
des  Geisselspaltes  gelegene  Vacuole  als  Anfnahmeapparat  flüssiger 
Nahrung  auffasst.  Wir  dürfen  aber  für  wahrscheinlich  halten,  dass  diese 
saprophytischen  Dinoflagellaten  ebensowenig  wie  einzellige  Pilze  einer 
besonderen  Oeffnung  der  Membran  zur  Aufsaugung  bedürfen  und  er- 
kennen die  Bedeutung  des  Geisselspaltes  wesentlich  als  Austrittsöffnung 
der  Geissein.  Uebrigens  findet  sich  ja  auch  die  Vacuoleneinrichtung  in 
gleicher  Weise  bei  gefärbten  Dinoflagellaten. 

Nichtsdestoweniger  scheint  es  einige  nackte  Formen  zu  geben,  welche 
feste  Nahrung  aufnehmen  wie  Stein's  und  Bergh's  Erfahrungen  gelehrt 
haben.  Bei  dem  sog.  Gymnodinium  Vorticella  fand  Stein  nicht  selten 
Chlamydomonadinen  im  Plasma  (51;  7,  N),  welche  doch  nur  als  auf- 
genommene Nahrung  beurtheilt  werden  können,  und  auch  in  Hemidi- 
nium  nasutum  versichert  er,  mehrfach  grosse  grüne  Körper  beobachtet 
zu  haben.  Dass  er  sie  aber  als  ,,gefressene''  bezeichnet,  scheint  über 
das  thatsächlich  Beobachtete  hinauszugehen,  wenn  es  auch  wahrscheinlich 
sein  mag.  Mit  grosser  Bestimmtheit  spricht  sich  auch  Bergh  über 
die  Nahrungsaufnahme  seines  Gymnodinium  gracile  und  spirale  aus.  In 
ersterem  fand  er  Nahrungsballen,  ähnlich  denen  der  ciliaten  Infusorien 
und  im  Plasma  des  letzteren  beobachtete  er  „sehr  häufig  gefressene 
Organismen,  Monaden  u.  A.".  Noch  bestimmter  lauten  die  Angaben 
Kent's  (32)  über  die  räuberische  Lebensweise  seines  sog.  Gymnodinium 
marinum,  welches  Bodonen  und  andere  Monaden  mittels  einer  an  der 
Insertion  der  Längsgeissel  gelegenen  Mundöffnung  verschlingen  soll, 
wobei  letztere  sich  weit  öffne.  Er  fügte  auch  eine  Abbildung  des  Actes 
der  Nahrungsaufnahme  bei,  welche  aber  die  Sache  wenig  aufklärt. 
Ebenso  versichert  Entz  (41),  dass  er  sich  bei  Gymnodinium  pulvisculus 
von  der  Existenz  eines  deutlichen  Mundes  und  Schlundes  überzeugt  habe. 
Die    betreffenden    Organe    sollen    ganz    wie   die    der   Ciliate    Urocentrum 


1018  Diuoflagcllata. 

Turbo  gelagert  sein,  welche  ja  nach  der  Ansicht  von  Entz  mit 
den  Dinoflagellaten  nahe  verwandt  wäre.  Gegenüber  diesen  Angaben 
müssen  wir  besonders  betonen,  dass  Bergh  bei  den  erwähnten  Gym- 
nodinien  eine  Mimdstelle  nicht  auffinden  konnte.  Ganz  isolirt  steht 
bis  jetzt  eine  von  Maupas*)  leider  nur  kurz  und  gelegentlich  geschil- 
derte Beobachtung  über  die  Nahrungsaufnahme  einer  kleinen  marinen 
Peridinide  von  unbestimmter  Natur.  Dieselbe  soll  sich  an  grosse  ciliate 
Infusorien  anlegen  und  einen  an  die  Tentakel  der  Acineten  erinnernden 
Saugfaden  in  deren  Leibessubstanz  einsenken,  mit  dem  sie  das  Infusor 
aussaugt.  Maupas  vergleicht  diese  Art  der  Nahrungsaufnahme  auch  mit 
der  p.  698  geschilderten  des  Bodo  caudatus. 

Die  ältesten  Erfahrungen  über  Nahrungsaufnahme  gymnodinienartiger 
Wesen  rühren  von  Ehrenberg  und  Schmarda  her;  ersterer  konnte  sein 
Peridinium  pulvisculus  (fraglich  ob  identisch  mit  dem  Stein'schen  Gleno- 
dinium  pulvisculus)  mit  Carmin  füttern  und  letzterer  fand  in  seinem  Gleno- 
dinium  roseolum  ansehnliche  grüne  Körper,  welche  er  als  aufgenommene 
Microglenen  deutete  (vielleicht  war  auch  diese  Form,  wie  Stein  vermuthet, 
ein  Gymnodinium). 

Schliesslich  hätten  wir  noch  der  Gattung  Polykrikos  zu  gedenken. 
Sowohl  Bütschli  wie  Bergh  glauben  bei  derselben  Nahrungsballen  im 
Plasma  gefunden  zu  haben,  ohne  jedoch  über  die  Art  der  Nahrungs- 
aufnahme etwas  ermitteln  zu  können. 

Von  Ausstossung  unverdauter  Nahrungsreste  wurde  bis  jetzt  nur  ein- 
mal etwas  gesehen ;  Bergh  beobachtete  nämlich  bei  Gymnodium  spirale 
die  Ausstossung  körniger  Massen  am  Vorderende  und  deutet  den  Vorgang 
in  obigem  Sinne. 

Nach  dem  Mitgetheilten  kann  ich  nicht  zweifeln,  dass  bei  ge- 
wissen Gymnodinien  und  Verwandten  animalische  Ernährungsweise  vor- 
kommt und  es  ist  auch  characteristisch ,  dass  diesen  Formen  fast  aus- 
nahmslos die  Chromatophoren  fehlen;  nur  Hemidinium  bildete  eine  Aus- 
nahme, wenn  Stein's  Beobachtung  über  dessen  Nahrungsaufnahme  gerecht- 
fertigt ist. 

Sollte  es  sich  nun  in  der  Zukunft  voll  bewähren,  dass  die  animalische 
Ernährungsweise  den  genannten  Dinoflagellaten  zukommt,  so  dürfte  dies 
von  erheblichem  Interesse  sein.  Wie  schon  betont  wurde,  kann  es  näm- 
lich kaum  fraglich  sein,  dass  die  chromatophorenlosen  und  nackten 
Formen  von  gefärbten  und  beschälten  abstammen,  welche  sich  in  holo- 
phytischer  Art  ernährten.  Es  spricht  also  Vieles  dafür,  dass  die  thierische 
Ernährungsweise  in  der  Gruppe  der  Dinoflagellaten  aus  holophytischer, 
resp.  unter  Vermittelung  saprophytischer,  entstanden  ist. 

B.   HäutungserscheiiiuiigeD. 

Es   scheint  sicher,   dass   bei  nicht  wenigen  Dinoflagellaten   die  alte 


*)  Archives  de  Zoologie  exp6r.  Vol.  IX.  p.  865. 


ErnJihrungsverliältnisse.     Ilüutuiig.  1019 

Schalenhiille  zeitweilig  verloren  geht  und  eine  neue  gebildet  wird.  Fast 
alle  hierüber  gesammelten  Erfahrungen  beziehen  sich  übrigens  auf 
Peridiniden,  so  dass  es  unsicher  bleibt,  ob  die  gleiche  Erscheinung  auch 
bei  den  Dinophysiden  angetroffen  wird.  Auch  ist  die  Sachlage  noch 
keineswegs  so  aufgeklärt,  um  den  Vorgang  vollständig  zu  überschauen. 
Bei  Exuviaella  Lima  scheint  die  Häutung  nach  den  Erfahrungen  Cien- 
kowsky's  recht  häufig  zu  sein  und  sich  besonders  in  alten  Culturen  bei 
demselben  Individuum  rasch  hintereinander  mehrere  Male  zu  wiederholen. 
Dies  Verhalten  veranlasste  sogar  die  Wahl  des  Gattungsnamens.  Dabei 
fallen  die  beiden  Klappen  der  Hülle  auseinander  und  das  Wesen  tritt  aus 
demselben  schon  mit  einer  neuen  Hülle  bekleidet  hervor. 

Claparede  und  Lachmann  (21)  waren  es,  die  zuerst  darauf  hinwiesen, 
dass  in  Gesellschaft  beschälter  Peridiniden  nicht  selten  auch  nackte  In- 
dividuen gefunden  werden,  welche,  ihrer  Bauweise  nach,  von  den 
ersteren  nicht  specifisch  unterscheidbar  sind.  Auch  Stein  will  solchen 
nackten  Individuen  bei  den  Gattungen  Gonyaulax,  Goniodoma,  Peridinium 
und  Glenodinium  begegnet  sein  (39).  Ebenso  fand  Bergh  nackte  Indi- 
viduen von  Peridinium  divergens, -Diplopsalis,  Glenodinium  cinctum  und 
Prorocentrum  micans.  Immerhin  scheint  es  mir  etwas  unsicher,  ob  die 
als  nackt  beschriebenen  Formen  jeder  Spur  einer  Hülle  entbehrten  oder 
nicht  die  noch  zarte  Anlage  einer  solchen  aufwiesen.  Klebs  (44) 
wenigstens  konnte  sich  von  der  Existenz  nackter  Individuen,  als  Ent- 
wickelungszustände  der  Umhüllten,  nicht  überzeugen  und  Stein  sprach 
sich  im  I.  Band  seiner  Flagellaten  (28)  auch  etwas  reservirt  aus ,  in- 
dem er  bei  den  „nackten"  Formen  von  Peridinium  tabulatum  und  Gleno- 
dinium von  einem  feinen  Häutchen  redet,  welches  er  zwar  als  eine 
„Cuticularschicht"  von  der  eigentlichen  Schalenhülle  zu  unterscheiden  suchte, 
eine  Differenz,  die  in  der  Natur  nicht  begründet  sein  dürfte. 

Solche  Zustände  nun  können  in  doppelter  Weise  entstanden  gedacht 
werden,  entweder,  indem  eine  freibewegliche  gewöhnliche  Form  ihre 
Hülle  abwirft,  oder  indem  eine  ruhende  Form  aus  der  Schalen-  oder 
CystenhüUe  austritt,  bevor  eine  neue  gebildet,  oder  doch  einigermaassen 
ansehnlich  entwickelt  wurde.  Der  erstgenannte  Fall  wurde  noch  nicht 
direct  beobachtet,  der  zweite  dagegen  gelegentlich  wahrgenommen.  So 
konnte  Askenasy  (46)  beobachten,  dass  aus  ruhenden,  d.  h.  geissel- 
losen  Glenodinium  cinctum  der  Körper  austrat,  indem  die  Schalenhülle 
an  einer  Stelle  der  Querfurche  aufriss,  der  Körper  sich  aus  der  Oeffnung 
hervorzwängte  und  mit  den  Geissein  weiter  bewegte.  Stein  konnte 
bei  dieser  Art,  sowie  Peridinium  tabulatum  den  Austritt  aus  der  Schalen- 
hülle nicht  direct  beobachten  und  glaubt,  dass  derselbe  im  Laufe  der 
Nacht  oder  früh  am  Morgen  erfolge;  er  fand,  dass  sich  der  ruhende 
Körper,  nach  Verlust  der  Geissein,  in  der  Hülle  stark  kuglig  con- 
trahire  und  dann  nach  erneuter  Ausbildung  der  Querfurche  und  der 
Geissein  wahrscheinlich  die  alte  Schalenhülle  abwerfe.  Wie  schon  be- 
merkt, scheint  aus  seiner  Darstellung  hervorzugehen,  dass  die  neue  Hülle 


1020  Dinoflagellata. 

schon  vor  dem  Austritt  als  schwache  Membran  angelegt  werde.  Das 
Hervortreten  des  zusammengezogenen  Körpers  aus  der  zerfallenden  Schalen- 
hülle schilderte  er  weiterhin  für  Glenodinium  foliacenm,  Heterocapsa  tri- 
quetra,  Gonyaulax  spinifera  und  Goniodoma;  in  den  beiden  letzten 
Fällen  war  der  austretende  Körper  von  einer  schon  ziemlich  dicken  und 
angeblich  „weichen"  (gallertartigen)  Hülle  bekleidet,  die  eine  deutliche 
Querfurche  besass.  Geissein  werden  an  den  austretenden  Körpern  nicht  ge- 
zeichnet. Wenn  es  daher  auch  nicht  unwahrscheinlich  ist,  dass  letztere 
z.  Th.  wenigstens  wieder  zu  beweglichen,  gewöhnlichen  Individuen  heran- 
wachsen mögen,  so  bleibt  doch  nicht  ausgeschlossen,  dass  das  Abstreifen 
der  Schalenhülle  z.  Th.  auch  die  Encystirung  einleiten  möge ,  wofür  wir 
ja  früher  Beispiele  kennen  gelernt  haben.  Schon  Claparede  und  Lach- 
mann beobachteten  das  Abwerfen  der  Schalenhülle  bei  ruhenden  Gleno- 
dinium  cinctum  und  nahmen  an,  dass  darauf  Encystirung  folge. 

Bezüglich  der  vorhin  erwähnten  Gattung  Gonyaulax  habe  ich  noch 
an  eine  eigene  Beobachtung  zu  erinnern.  Bei  zahllosen  Individuen  der 
Gonyaulax  polyedra,  welche  ich  im  Auftrieb  aus  der  Kieler  Bucht  sah, 
hatte  sich  der  Körper  stets  stark  von  der  Schalenhülle  zurückgezogen  und 
mit  einer  zarten,  structurlosen  Membran  umkleidet  (52,  3b;  h).  Die 
Schalenhülle  zerfiel  bei  diesen,  mit  Geissein  versehenen  Individuen  sehr 
leicht  in  die  Tafeln.  Ich  möchte  vermuthen,  dass  es  sich  auch  in  diesem 
Fall  um  einen  solchen  Häutungsprocess  handelte.  Für  die  von  Bergh  (30) 
bei  einer  Reihe  von  Formen  beschriebenen  Ruhezustände  (Peridinium  tabu- 
latum,  divergens  und  pellucidum,  Protoceratium ,  Dinophysis  laevis  und 
Prorocentrum)  muss  es  zweifelhaft  bleiben,  ob  sie  beginnende  Encystirungen 
oder  Häutungen  waren.  Nur  bei  Peridinium  tabulatum  wird  um  den 
kuglig  zusammengezogenen  Weichkörper  eine  neugebildete  homogene 
Membran  erwähnt,  bei  den  übrigen  nur  eine  kuglige  Zusammenziehung 
des  Weichkörpers  innerhalb  der  Schale  angegeben. 

Aus  dem  Angeführten  ist  zu  ersehen,  dass  der  Stand  der  Frage  noch 
ein  ziemlich  unsicherer  ist.  Sollte  sich  bei  weiterer  Erforschung  derselben 
wirklich  ergeben,  dass  die  Häutung  eine  regelmässige  Erscheinung 
im  Leben  der  Peridiniden  und  anderer  Dinofiagellaten  ist,  so  Hesse 
sich  mit  Stein  wohl  daran  denken,  dass  dieser  Vorgang  das  Weiterwachs- 
thuni  ermögliche,  auch  wenn  die  alte  Schalenhülle  demselben  nicht  mehr 
zu  folgen  im  Stande  ist. 

lu  seiner  zweiten  Arbeit  theilte  auch  Pouchet  (48)  eine  Reihe  von  Erfahrungen  über 
die  Häutungserscheinungen  der  Peridiniden  mit.  Er  hebt  ihre  Häufigkeit  hervor,  auch  dass 
sie  sich  im  Leben  desselben  Individiums  in  kurzen  Fristen  mehrfach  wiederholen  können 
(Glenodinium  obliquum,  Peridinium  tabulatum  etc.).  Unter  dem  Begriff  der  Häutung  fasst  er 
jedoch  auch  diejenigen  Theilungserscheinungen  zusammen,  wo  die  Theilsprösslinge  in  der  alten 
Hülle  entstehen  und  dieselbe  später  verlassen.  Obgleich  eine  solche  Betrachtungsweise  nicht 
unnaturlich  ist,  durfte  sie  doch  dem  Sprachgebrauch  nicht  entsprechen.  Die  gehäuteten  Indi- 
viduen sollen  entweder  im  nackten  Zustand  (z.  B.  Peridinium  divergens)  die  alte  Hülle  ver- 
lassen oder  nach  Bildung  einer  neuen ,  hinsichtlich  derer  er  aber  zweifelt,  ob  sie  zur  defini- 
tiven  wird.     Sollte   dies   nicht   der   Fall   sein,   so   zögen   wir  vor,   den    betrefl'enden   Vorgang 


Häutung-;  Leuchten.  1021 

unter  die  Encystirungsprocesse  zu  reihen  und  Laben  in  dem  betreuenden  Abschnitt  auch 
schon  entsprechendes  geschiklert.  Nicht  unwichtig-  ist,  dass  Pouchet  bei  der  Häutung 
der  Peridiniden  stets  eine  beträchtliche  Condensirung  des  Plasmas  heobaclitete ,  dass  also 
bei  diesem  Vorgange  eine  Verkleinerung  eintritt.  Sehr  interessant  ist  ferner,  dass  die  Häutung 
nicht  selten  durch  eine  Festheftung  eingeleitet  wird  (Peridinium,  Diplopsalis,  Glenodinium). 
Letztere  geschieht  durch  Excretion  eines  durchsiclitigen  Schleims,  der  gewöhnlich  nur  an  einer 
beschränkten  Stelle  gebildet  wird.  Bei  fortgesetzter  Abscheidung  solchen  Schleims  können 
sich  die  festgehefteten  Individuen  von  der  Unterlage  allmählich  erlieben ,  von  einem  Schleim- 
stiel getragen.  Derartige  Stielbildung-  wurde  bei  Peridinium  und  Diplopsalis  beobachtet.  Bei 
letzterer  z.  B.  der  interessente  Fall,  dass  das  festgelieftete  Individium  sich  innerhalb  der  Hülle 
theilte,  die  beiden  kugligen  Sprösslinge  hierauf  aus  der  Hülle  traten  und  je  einen  sehr  langen 
Schleimstiel  bildeten.  Letztere  zeigten  eine  Anzahl  A'erdickungsringe  in  ziemlich  regulären 
Abständen,  welche  wahrscheinlich  Pausen  im  Wachsthum  der  Stiele  bedeuteten.  Da  jeder 
Sprössling  mit  einer  ziemlich  resistenten  Hülle  versehen  war,  so  dürfte  auch  dieser  Process 
nicht  den  eigentlichen  Häutungen  angehören,  sondern  den  Euhe-  und  Encystirungszuständen. 
Er  erinnert  interessanter  Weise  lebhaft  an  die  Koloniebildung  der  Flagellatengattungen  Cola- 
cium  und  Chlorangium  (s.  p.  769).  Die  Entwickelung  von  Schleimstielen  erweckt  unser  Inter- 
esse aber  auch  durch  die  Erinnerung  an  die  Desmidiaceen  und  Bacillariaceen ,  wo  dieselbe 
Fähigkeit  gleichfalls  recht  verbreitet  ist.  Pouchet  glaubt  übrigens,  dass  diese  Schleimsecretion 
gewisser  Dinoflagellaten  einen  krankhaften  Zustand  anzeige,  welcher  gewöhnlich  zum  Tode  führe. 

C.  Verhalten  der  gefärbten  Dinoflagellaten  zum  Licht  und  Lichtproduction. 

Gegen  Lieht  verhalten  sich  die  gefärbten  Dinoflagellaten  analog 
den  Flagellaten ,  doch  fehlen  eingehendere  Untersuchungen  darüber 
bis  jetzt  gänzlich,  so  dass  speciellere  Erörterungen  unmöglich  sind.  Da- 
gegen verdienen  die  Dinoflagellaten  unser  besonderes  Interesse  durch  eine 
andere  Beziehung  zum  Licht,  da  es  für  eine  Anzahl  mariner  Formen 
ziemlich  sicher  ist,  dass  sie  activ  Licht  produciren.  Wir  erfuhren 
schon  in  der  Einleitung,  dass  Michaelis  (4)  zuerst  auf  die  Lichtentwicke- 
lung einiger  Dinoflagellaten  aufmerksam  machte  und  nachwies,  dass  das 
diffuse  Meerleuchten  des  Kieler  Hafens  in  der  Hauptsache  durch  die- 
selben bewirkt  werde.  Seine  Versuche  mittels  Filtration  bewiesen  ein- 
mal, dass  es  die  in  stark  leuchtendem  Wasser  reichlich  vorhandenen  be- 
weglichen Organismen  sein  müssen,  welche  das  Leuchten  bewirken,  denn 
das  filtrirte  Wasser  leuchtete  nicht  mehr,  dagegen  der  auf  dem  Filter 
gebliebene  schleimige  Rückstand  bis  zur  Austrocknung. 

Bei  genauerer  Betrachtung  zeigte  sich  ferner,  dass  die  Lichtentwicke- 
lung von  beweglichen  kleinen  Punkten  ausging.  Da  es  nun  einigemale 
gelang,  einen  solchen  Leuchtpunkt  mittels  eines  Capillarröhrchens  zu 
fangen  und  als  eine  Dinoflagellate  zu  erkennen  (meiner  Ansicht  nach 
Peridinium  divergens)  und  sich  ferner  einige  andere  Formen  immer 
fanden,  wenn  das  Wasser  leuchtete  (Ceratium  Tripos  und  Fusus,  Proro- 
centrum  micans),  so  schien  der  Schluss  gesichert,  dass  die  marinen  Dino- 
flagellaten Leuchtwesen  sind. 

Ehrenberg*)  bestätigte  diese  Angaben  von  Michaelis  durch  eigene 
Untersuchungen ,    indem    er   die   Leuchtpunkte    aus   Seewasser  von  Kiel 


*)  Abh.  der  Berliner  Akademie  a.  d.  J.   1834,  p.  537. 


1022  Dinoflagellata. 

mit  der  Spitze  einer  feinen  Feder  heraushob  und  isolirt  unter  das  Mi- 
kroskop brachte.  Mittels  dieses  Verfahrens  will  er  sich  überzeugt  haben, 
dass  Ceratiura  Tripos,  Fusus  und  Furca,  sowie  Prorocentium  leuchten. 
Auch  1859  (und  1873)  constatirte  Ehrenberg  das  Leuchten  gewisser 
Varietäten  der  genannten  Ceratien  und  der  Gattung  Blepharocysta  im 
Mittelmeer,  Hess  dagegen  das  der  gleichzeitig  entdeckten  Exuviaella  Lima 
(gleich  Cryptomonas  Lima  Ehr.)  zweifelhaft. 

Es  scheint  seltsam,  dass  gegen  diese  so  sicher  lautenden  Mitthei- 
lungen von  einigen  Seiten  Widerspruch  erhoben  wurde.  So  konnten  sich 
Claparede  und  Lachmann  (21)  von  dem  Leuchten  der  Ceratien  nicht  über- 
zeugen und  Gourret  (38)  sprach  sich  in  neuester  Zeit  mit  grosser  Be- 
stimmtheit gegen  das  Leucbtvermögen  der  marinen  Dinoflagellaten  über- 
haupt aus,  doch  scheint  mir  seine  Autorität  gerade  nicht  besonders  ver- 
trauenerweckend. Ich  schliesse  mich  daher  um  so  lieber  der  Ansicht 
Stein's  an,  welcher  den  Angaben  Michaelis'  und  Ehrenberg's  im  Allgemeinen 
durchaus  beistimmt.  Leider  scheint  aber  auch  er  das  Leuchten  der  Peri- 
diniden  der  Kieler  Bucht  nicht  direct  festgestellt  zu  haben,  doch  bestätigt 
er,  dass  das  Leuchten  durchaus  an  die  Gegenwart  der  Dinoflagellaten 
gebunden  sei;  ähnlich  äusserte  sich  auch  Pouchet  (37).  Noctiluca  tritt 
bekanntlich  im  Kieler  Hafen  nur  sehr  selten  auf  und  ist  dann,  wie  es  scheint, 
durch  besondere  Windverhältnisse  aus  der  Nordsee  zugeführt.  Es  ist  be- 
dauerlich, dass  Bergh  und  Klebs  dieser  Frage  keine  Aufmerksamkeit  zu- 
wendeten. Nach  allem  Bemerkten  zweifele  ich  nicht  an  der  Richtigkeit 
der  älteren  Angaben  und  hoffe,  dass  diese  Zeilen  vielleicht  Veranlassung 
geben  werden,  die  nicht  schwierige  Frage  definitiv  zu  erledigen. 

Ueber  das  Leuchten  von  Süsswasserformen  berichtete  bis  jetzt 
nur  ein  einziger  Beobachter,  Werneck  (8).  Derselbe  will  bei  Salzburg 
angeblich  Ceratium  Furca,  Peridinium  Michaelis  und  ein  sog.  Peridinium 
lucina  leuchtend  gesehen  haben  (Vergl.  über  angebliches  Vorkommen 
dieser  beiden  marinen  Formen  im  süssen  Wasser   weiter  unten  p.  1024). 

Was  Michaelis  in  seiner  Schrift  weiter  über  die  Art  des  Leuchtens 
und  das  Verhalten  desselben  unter  dem  Einfluss  verschiedenartiger 
Agentien  raittheilt,  stimmt  im  Allgemeinen  so  wohl  mit  dem  tiberein, 
was  wir  genauer  und  eingehender  über  das  Leuchten  der  Noctiluca 
erfahren  haben,  dass  ich  eine  Besprechung  an  dieser  Stelle  unterlassen 
zu  dürfen  glaube,  indem  eine  ausführliche  Darstellung  des  Leuchtens  im 
Abschnitt  über  die  Cystoflagellaten  folgen  wird. 

D.  Wobnortsverhältnisse  der  Dinoflagellaten. 

Von  den  ca.  28  Gattungen  der  Dinoflagellaten  ist  nur  eine  einzige 
ausschliesslich  im  süssen  Wasser  gefunden  worden  (Hemidinium);  von 
den  übrigen  besitzen  5  auch  Vertreter  im  Süsswasser,  der  Rest  von 
22  Gattungen  wurde  bis  jetzt  nur  marin  beobachtet.  Von  den  90  bis 
95  Arten  finden  sich  nur  14  bis  15  im  süssen  Wasser,  die  übrigen 
sind  marin. 


Wobnortsvci'liältnisso.  1023 

Ueber  das  Vorkommen  der  Süsswasserformen  ist  wenig  zu  be- 
merken ;  dieselben  scheinen  sich  am  besten  in  ruhigen  und  nicht  fauligen 
Tümpeln,  Sümpfen  und  Teichen  zu  entwickeln.  Besonderes  Interesse 
verdient  es,  dass  gewisse  Formen  mit  Vorliebe  ausgedehntere  Gewässer, 
grössere  Teiche  oder  Seen  zu  bevölkern  scheinen  und  dann,  wie  ihre 
Ernährungsverhültnisse  es  bedingen,  Mitglieder  der  pelagischen  Fauna 
bilden.  Durch  die  neueren  Untersuchungen  der  pelagischen  Fauna 
der  nördlichen  wie  südlichen  alpinen  Seen  wurde  speciell  Ceratium 
Hirundinella  als  eine  solche  Form  erkannt.  Die  Untersuchungen  von 
Imhof  (42)  (dessen  Ceratium  reticulatum  ich  mit  Blanc  nur  für  die 
zweihörnige  Varietät  des  Ceratium  Hirundinella  halte),  Pavesi*)  und 
Blanc  (45)  erwiesen  dies.  Aber  auch  in  Ostindien  wurde  dasselbe 
Ceratium  in  den  Seen  von  Kumaon  (Himalaja),  4-  bis  GOOO  Fuss  über 
dem  Meeresspiegel,  so  massenhaft  beobachtet,  dass  das  Wasser  von  ihm 
braun  gefärbt  war.  Wir  besitzen  darüber  einen  Bericht  Carter's  (24),  wel- 
cher zwar  an  die  specifische  Verschiedenheit  der  indischen  und  der  euro- 
päischen Form  glaubte,  doch  war  auch  sie  wohl  nichts  weiter  wie  die 
zweihörnige  Varietät  des  Cer.  Hirundinella.  Sowohl  Carter  wie  Blanc 
berichten,  dass  das  Ceratium  nicht  direct  an  der  Oberfläche,  sondern  in 
einiger  Tiefe  angetroffen  werde,  nach  Carter  in  den  indischen  Seen 
hauptsächlich  in  10  bis  12  Fuss  Tiefe,  nach  Blanc  im  Genfer  See 
am  reichsten  in  10  Meter  Tiefe.  Wahrscheinlich  dürfte  dies,  sowie 
die  Verschiedenheit  in  der  Tiefe,  mit  der  Intensität  der  Belichtung  zu- 
sammenhängen. 

Als  Mitglieder  der  pelagischen  Fauna  der  Alpenseen  werden  von 
Imhof  noch  aufgeführt  Peridinium  tabulatum  und  ein  unbestimmtes  Ceratium, 
von  Blanc  Glenodinium  cinctum.  Als  ganz  besonders  merkwürdiges  Vor- 
kommen erwähnte  endlich  Maggi  (31,  a)  das  marine  Ceratium 
Furca  aus  einigen  italienischen  Alpenseen.  Abbildungen  liegen  aber 
nicht  vor,  welche  entsche^iden  Hessen,  ob  die  Bestimmung  richtig  ist  und 
ich  glaube  mit  ziemlicher  Sicherheit  annehmen  zu  dürfen,  dass  auch 
dieses  angebliche  Ceratium  Furca  nur  die  zweihörnige  Varietät  von 
Hirundinella  war.  Das  Gleiche  möchte  ich  mit  Stein  für  das  von 
Cohn  (11)  in  einem  Graben  Breslau's  beobachtete  Ceratium  Furca 
festhalten;  es  erklärt  sich  diese  Verwechselung  um  so  leichter,  da 
Ehrenberg  Ceratium  Hirundinella  nicht  kannte  und  dasselbe  daher 
leicht  für  das  in  dem  grossen  Infusorienwerk  abgebildete  ähnliche 
Ceratium  Furca  gehalten  werden  konnte.  Wir  wollen  an  dieser  Stelle 
gleich  die  weiteren  Angaben  über  gelegentliches  Vorkommen  mariner 
Formen  im  süssen  Wasser  besprechen,  welche  stets  ein  gewisses  Auf- 
sehen erregten,  ja  Maggi  sogar  Veranlassung  zu  der  Ableitung  der 
Fauna  der  Binnenseen  aus  der  des  Meeres  gaben.  Diese  Angaben 
scheinen  aber  nicht  sicherer  wie  die  erwähnten  über  das  Ceratium  Furca. 


*)  Altra  Serie  di  ricerclie  e  studi  sulla  fauna  pelag.  d.  laglii  italiani.     Padova.     1883. 


1024  Dinoflagellata. 

Zunächst  soll  nach  Claparede  und  Lachmann  (21)  das  Ceratium  Tripos 
von  Pringsheim  zu  Berlin  beobachtet  worden  sein,  doch  fehlt  gleichfalls 
der  genauere  Nachweis  und  ich  neige  mich  daher  der  Annahme  zu, 
dass  es  sich  ebenfalls  um  eine  Verwechselung  mit  Ceratium  Hirundinella 
handelte.  Wem  eck  (8)  will  sogar  drei  marine  Formen  zu  Salz- 
burg gefunden  haben:  Peridinium  Michaelis,  Ceratium  Furca 
und  Prorocentl'um  micans.  Die  Angabe  über  die  zweite  Form  er- 
klärt sich  nach  dem  oben  Bemerkten  von  selbst;  hinsichtlich  der  zwei 
anderen  wird  es  schwer  sein,  zu  einer  sicheren  Entscheidung  zu  gelangen, 
so  lange  nicht  die  Originalabbildungen  Werneck's  zugänglich  gemacht 
werden.  Ich  für  meine  Person  hege  keinen  Zweifel,  dass  Werneck's  An- 
gaben auf  irrthümlichen  Deutungen  beruhen,  denn  Niemand  anders  fand 
diese  Formen  im  süssen  Wasser.  Endlich  hätten  wir  noch  anzuführen, 
dass  Poucbet  (37)  das  in  süssem  Wasser  so  verbreitete  Glenodinium  cinctum 
auch  aus  dem  Mittelmeer  beschrieb,  doch  ist  seine  Darstellung  nicht  ge- 
nügend um  die  Richtigkeit  der  Bestimmung  sicher  beurtheilen  zu  können. 
Ich  halte  jedoch  gerade  diesen  Fall  für  wohl  möglich,  da  dieses  Gleno- 
dinium auch  von  Entz  in  einem  Salzteich  Ungarns  beobachtet  wurde. 
Wir  erkennen  aus  diesen  Bemerkungen ,  dass  die  Angaben  über  das 
Vorkommen  von  Meeresformen  im  süssen  Wasser  auf  sehr  schwachen 
Füssen  stehen,  ja  dass  es  recht  wahrscheinlich  ist,  dass  sie  sämmtlich 
keine  Begründung  besitzen.  Es  liegt  mir  zwar  ferne,  das  gleichzeitige 
Vorkommen  einer  und  der-selben  Form  an  beiden  Orten  überhaupt  be- 
streiten zu  wollen,  durch  die  augenblicklich  bekannten  Thatsachen  lässt 
sich  dasselbe  aber  gewiss  nicht  sicher  beweisen. 

Ihren  grössten  Reichthum  entfalten  aber  die  Dinoflagellaten,  wie  be- 
kannt, im  Meer,  wo  sie  gleichfalls  der  pelagischeu  Fauna  angehören  und 
einen  nicht  unansehnlichen  Theil  derselben  bilden.  Genaueres  über  ihr 
Verhalten  ist  kaum  bekannt,  doch  scheint  aus  den  Beobachtungen  der 
Challengerexpedition  zu  folgen*),  dass  sie  wie  Noctiluca  ihre  Haupt- 
verbreitung längs  der  Küsten  finden,  im  offenen  Ocean  dagegen  nicht 
oder  doch  nur  wenig  entwickelt  sind.  Aus  den  Beobachtungen  von 
Michaelis  haben  wir  erfahren,  dass  der  Reichthum  des  Kieler  Hafens  an 
Dinoflagellaten  im  Laufe  des  Sommers  allmählich  wächst  und  sein  Maxi- 
mum im  Juli  und  August  erreicht,  doch  fehlen  dieselben  auch  in  den 
Wintermonaten  nicht  gänzlich,  das  Leuchten  des  Seewassers  wurde  sogar 
unter  der  Eisdecke  wahrgenommen. 

Es  ist  natürlich,  dass  die  pelagischen  Dinoflagellaten  des  Meeres 
zahlreichen  Thieren,  welche  eine  ähnliche  Lebensweise  führen  zur  Nah- 
rung dienen.  Ihre  widerstandsfähigen  Schalenhüllen  füllen  desshalb  oft 
in  grosser  Menge  den  Darm  gewisser  Seethiere.  Stein  hat  hiervon 
grossen  Vortheil  gezogen  und  eine  ansehnliche  Zahl  der  von  ihm  ent- 
deckten Formen  stammt  aus  dem  Darminhalt  von  Salpen,  Ascidien,  Glieder- 


*)  S.  den  Bericht  von  Murray  in  Proc.  roy.  soc.  London,  Bd    24,  p.  533. 


Wolinortsverliältiiissc.     P;irasik'ii.  1025 

Würmern  und  Comateln,  welche  Abtheilungen,  namentlich  aber  die  Salpen, 
besonders  reich  an  Dinoflagellateuresten  sind. 

Interessant  erscheint,  dass  Joseph  (29)  sein  Peridinium  stygium  in 
der  feuchten  Erde  einer  Krainer  Höhle  gefunden  hat;  die  beweglichen 
Zustände  desselben  dürften  sich  aber  wohl  nur  in  kleinen  Wasserlachen 
entwickeln. 

Eine  Aeusserung  über  die  geographische  Verbreitung  der  Dino- 
flagellateu  lassen  unsere  mangelhaften  Erfahrungen  bis  jetzt  noch  nicht 
zu,  doch  wissen  wir,  dass  gewisse  marine  Avie  Süsswasserformen  in 
grösstmöglichen  Entfernungen  auf  der  Erdoberfläche  vorkommen,  wess- 
halb  es  wenig  zweifelhaft  erscheint;  dass  sich  auch  unsere  Gruppe  hin- 
sichtlich der  geographischen  V^erbreitung  ähnlich  wie  die  übrigen  Protozoen- 
abtheiluugen  verhalten  wird. 

Parasitische  Dinoflagellaten  sind  bis  jetzt  nicht  gefunden  worden.  Das,  was 
Pouchet  (47)  neuerdings  als  eine  parasitische,  auf  den  Schwänzen  gewisser  Appendicülarien 
befestigte  Form  beschrieb ,  kann  nur  als  ein  ruhender  Zustand  betrachtet  werden ,  der 
hier  Befestigung  suchte,  aber  sicherlich  nicht  als  wahrer  Parasit  lebt.  Maggi  (31c)  will 
aus  einer  Notiz  hei  Perty  (12),  welche  die  Beobachtung  eines  Gymnodinium  fuscum  in  einer 
Planarie  schildert,  auf  das  parasitische  A^orkommen  dieser  Dinofiagellate  schliessen,  doch  fehlt 
hierzu  jede  Berechtigung. 

Dass  auch  die  Dinoflagellaten  im  süssen  Wassers  zuweilen  reich- 
lich genug  auftreten,  um  eine  deutliche  Färbung  des  Wassers  zu  er- 
zeugen, wurde  mehrfach  beobachtet.  Die  Färbung  ist  natürlich  meist 
eine  bräunliche.  Dass  unter  Umständen  auch  rothe  Färbungen  vorkommen 
können,  beweisen  die  Mittheilungen  Carter's  (19),  der  eine  solche  in 
den  Seewassersümpfen  an  den  Küsten  von  Bombay  beobachtete,  die  von 
einem  marinen  Peridinium  (sanguineum  Cart.)  erzeugt  wurde.  Derselbe 
Beobachter  sucht  es  wahrscheinlich  zu  machen,  dass  Rothfärbungen 
der  See,  die  zu  verschiedenen  Zeiten  und  an  verschiedeneu  Orten  beob- 
achtet wurden ,  auf  der  massenhaften  Entwicklung  von  Dinoflagellaten 
beruhen  können,  doch  lässt  sich  nach  den  vorliegenden  Angaben  darüber 
kaum  etwas  sicheres  sagen. 

E.  Parasiten  der  Dinoflagellaten. 

Es  wurde  schon  früher  gezeigt,  dass  wir  die  von  Stein  beschriebene 
Fortpflanzung  der  Dinoflagellaten  durch  innerlich  auftretende  Embryonen 
unter  die  parasitären  Erscheinungen  rechnen  müssen.  Die  Gründe  hier- 
für sind:  dass  wir  einerseits  die  von  Stein  als  Copulationen  gedeuteten 
Zustände  anders  beurtheilen  mussteu,  ferner  die  fast  völlige  Uebereinstim- 
mung  des  Vorgangs  (nach  der  Schilderung  Stein's)  mit  der  Entwicklung 
der  vermeintlichen  Embryonen  der  Flagellaten  und  schliesslich  der  Um- 
stand, dass  die  Weiterentwickelung  der  angeblichen  Keime  zu  zweifel- 
losen Dinoflagellaten  bis  jetzt  von  Niemand  erwiesen  wurde.  Das 
Thatsächliche ,  welches  Stein  feststellte,  beschränkt  sich  auf  Folgendes. 
Derselbe  fand  bei  einer  Anzahl  Süsswasser-  und  Meeresformen  (einigen 
Gymnodinien,  Glenodiniuni  pulvisculus,  Heterocapsa  triquetra,  Exuviaella, 

r.  lonii,   Klasseu  dos  Tliieneiclis.     PiMtozoa.  ()5 


1026  Biiiofiag-ollata. 

sowie  AmpLidiiiium  operciilatiim)  im  Plasma  eine  oder  zwei  ziemlich 
lichte,  „farblose  oder  bläulich  weisse  Kugeln'',  mit  zarter  Hülle,  neben 
welchen  er  keinen  Nucleus  mehr  beobachten  konnte.  Im  Centrum  dieser 
sog.  „Keimkugeln"  (51,  11c;  K)  fand  sich  stets  ein  helles  Bläschen,  das 
gewöhnlich  auch  ein  dunkles  Körperchen  enthielt,  ganz  wie  in  den 
Keimkugeln  der  Flagellaten.  Die  Kugeln  wachsen  entschieden  im  Inneren 
der  Dinoflagellaten  heran,  so  dass  sie  endlich  deren  Körper  zur  Hälfte 
oder  mehr  erfüllen,  wobei  auch  die  Chromatophoren  grossentheils  zer- 
stört zu  werden  scheinen.  Schliesslich  zerfällt  ihr  Plasma  in  zahl- 
reiche kleine  „Kügelchen",  wobei  jedoch  das  centrale  Bläschen  keine 
Veränderung  erleidet.  Der  Austritt  dieser  Kügelchen  oder  Keime  („Em- 
bryonen'' nach  Stein)  wurde  nicht  beobachtet,  dieselben  konnten  nur  durch 
künstliche  Sprengung  der  Dinoflagellate  und  der  Keimkugel  entleert 
werden;  dann  besassen  sie  noch  keine  Geissein.  Stein  lässt  diese  Keim- 
kugeln nun  wie  jene  der  Flagellaten  aus  den  verschmolzenen  isTuclei  eines 
copulirten  Paares  hervorgehen ;  finden  sich  gleichzeitig  zwei  Keimkugeln 
vor,  so  sollen  diese  durch  nachträgliche  Theilung  des  copulirten  Nucleus 
entstanden  sein.  Der  Beweis  für  diese  Entstehung  der  Keimkugeln  wird 
aber  vermisst. 

Aus  obiger  Schilderung  geht  die  grosse  Analogie  dieser  Gebilde 
mit  den  bei  den  Flagellaten  erwähnten  deutlich  hervor,  so  dass  wir  sie 
wie  jene  auffassen  müssen,  wenn  auch  die  Entstehung  der  Keime  nicht 
ganz  wie  bei  den  Flagellaten  zu  verlaufen  scheint;  doch  zeigten  sich 
schon  bei  diesen  hierin  Verschiedenheiten. 

Klebs  (36)  hat  zuerst  die  Bedeutung,  welche  Stein  den  Keimkugeln 
gab,  angegriffen  und  hervorgehoben,  dass  bei  Gymnodinium  und  Hemidinium 
wo  er  diese  Einschlüsse  vielfach  beobachtet  habe,  der  Zellkern  stets  vor- 
handen sei.  Er  schildert  sie  als  „weissliche,  stark  lichtbrechende  Körper", 
während  Stein  sie  „als  lichter  wie  der  Nucleus"  bezeichnet,  also  gewiss 
nicht  stark  lichtbrechend.  Ich  hege  dessbalb  Zweifel ,  ob  die  von  Klebs 
gesehenen  Körper  mit  den  Stein'schen  Keimkugeln  identisch  waren.  Klebs 
enthält  sich  für  die  genannten  Formen  übrigens  eines  Urtheils  über  ihre 
eigentliche  Bedeutung.  Der  eben  ausgesprochene  Zweifel  wird  noch  ver- 
stärkt durch  die  späteren  Beobachtungen  von  Klebs  (44)  über  Einschlüsse 
in  marinen  Ceratieu,  welche  er  gleichfalls  den  Keimkugeln  an  die  Seite 
stellt,  die  aber  ebenso  von  denselben  verschieden  sein  dürften.  Diese 
Körper  sollen  bei  marinen  Dinoflagellaten,  besonders  den  Ceratien,  nicht 
selten  sein  und  sich  in  verschiedener  Zahl  neben  dem  Kern  finden.  Auch 
sie  werden  als  stark  hchtbrechend ,  anscheinend  homogen  und  von  sehr 
verschiedener  Grösse  und  Form  beschrieben.  Sie  lassen  sich,  wenn  auch 
langsamer  wie  der  Kern,  färben,  und  Klebs  nennt  sie  auch  „kernartig." 
Aehnliche  Körper  hatte  auch  schon  Pouchet  (38)  aus  Ceratien  beschrieben 
(bis  zu  drei  und  vier  in  einem  Individuum)  und  darin  häufig  ein  nucleolus- 
artiges  Gebilde  gesehen. 


Parasiten  (Eigeiitliümliclie  Einschlüsse  der  Oeratien).  1027 

Endlich  konnte  ich  (46)  in  Ceratium  Tripos  und  Fusiis  analoge  Ein- 
schlüsse beobachten.  Bei  der  ersteren  Form  besassen  sie  ein  net/Jges  Plasma 
und  zuweilen  ein  centrales  nucleolusartiges  Gebilde;  sie  fanden  sich  nur 
in  Einzahl  neben  dem  Kern  und  waren  entweder  viel  kleiner  wie  derselbe 
oder  bis  von  Kerngrösse.  Anders  erschienen  die  des  Cer.  Fusus;  ihre  Masse 
war  homogener,  die  Gestalt  etwas  länglich  und  jedem  Ende  ein  stark 
gefärbter  Nucleus  eingelagert;  war  das  Gebilde  ansehnlich  gross,  so 
erschien  der  Kern  des  Ceratiums  an  Grösse  sehr  reducirt. 

Ich  halte  alle  diese  Einschlüsse  der  Ceratieu  namentlich  desshalb 
nicht  für  vergleichbar  mit  den  Keimkugeln  Ötein's,  weil  ihnen  das  cen- 
trale Bläschen  fehlt,  das  Stein  bei  letzteren  stets  deutlich  abbildet. 

Klebs  fand  nun,  dass  die  von  ihm  bei  den  Ceratien  beob- 
achteten Einschlüsse  öfters  eine  mittlere  ringförmige  Einschnürung  be- 
sassen und  beobachtete  ein  Gerat.  Fusus,  aus  dessen  Bauchausschnitt  ein 
solcher  Körper  hervorragte,  welcher  sich  nach  einiger  Zeit  plötzlich  losriss 
und  mittels  einer  in  der  Querfurche  befindlichen  Geissei  bewegte,  jedoch 
bald  zu  Grunde  ging.  Die  Aehnlichkeit  des  ausgetretenen  Körpers  mit 
einer  Dinoflagellate  ist  auffallend  und  schwer  anders  zu  deuten,  als  dass 
es  sich  um  eine  parasitische  Dinoflagellate  oder  um  einen  Fortpflanzungs- 
process  des  Ceratiums  handle.  Ich  glaube  auch,  dass  die  von  mir  in 
Ceratium  Fusus  beobachteten  Körper  wohl  mit  diesen  von  Klebs  gesehenen 
identisch  waren. 

Es  bleibt  demnach  zur  Zeit  nichts  anderes  übrig,  wie  die  Angelegenheit 
auf  sich  beruhen  zu  lassen  und  genauere  Erfahrungen  abzuwarten. 

Wir  wollen  an  dieser  Stelle  noch  über  die  Entwicklung  eines 
merkwürdigen  grossen  Körpers,  welchen  Bütschli  in  Ceratium 
Tripos  aus  dem  Kieler  Hafen  beobachtete,  berichten,  da  seine  Natur 
gleichfalls  noch  zweifelhaft  ist  und  derselbe  möglicherweise  auch  als  ein 
parasitisches  Gebilde,  eventuell  sogar  als  identisch  mit  Stein's  Keim- 
kugeln betrachtet  werden  darf. 

Wenn  dieser  Körper  sich  vorfand,  so  nahm  er  stets  die  Stelle  des 
Kernes  ein  und  übertraf  auch  in  seinen  Anfangsstadien  den  Kern 
nur  wenig  an  Grösse  (54,  Ic).  Ganz  sicher  konnte  festgestellt 
werden,  dass  neben  ihm  kein  Kern  mehr  vorhanden  war.  Der 
Körper  färbte  sich  deutlich,  wenn  auch  etwas  schwächer  wie  der  Kern 
und  zeigte  eine  Structur,  die  sich  mit  der  Nucleusstructur  ver- 
gleichen Hess,  obgleich  sie  damit  nicht  identisch  war.  Er  baute  sich 
nämlich  aus  concentrisch  angeordneten,  dunkleren  Fäden  auf,  welche 
varicöse  Anschwellungen  zeigten ,  zwischen  denen  sich  noch  feinere 
Verbindnngsfädchen  bemerken  Hessen.  Mehr  im  Innern  konnte  eine 
netzige  Structur  wahrgenommen  werden.  Weitere  Stadien  zeigten  nun 
deutlich ,  dass  der  Körper  in  den  Ceratien  allmählich  heranwächst 
(Id)  und  schliesslich  so  gross  wird,  dass  er  deren  eigentlichen  Leib 
ganz  erfüllt  (1  e).  Er  ist  dann  nur  noch  von  einer  sehr  dünnen 
Plasmaschichte  umgeben,  nur  in   den  Hörnern   des   Ceratiums   fand   sich 


1028  Dinoflas-ellata. 

das  Plasma  uoch  reichlicher  vor.  Nun  machte  sich  auch  eine  Verände- 
rung an  den  Fäden  des  Körpers  geltend ;  die  Varicositäten  derselben  ver- 
grösserten  sich  zu  kleinen  kernartigen  Gebilden  und  die  letztere  ver- 
bindenden Fadentheile  schwanden.  Auf  den  entwickeltsten  Stufen  (1  e) 
Hess  sich  schliesslich  um  jene  kleinen  kernartigeu  Gebilde  die  Andeutung 
von  Zellgrenzen  sicher  beobachten.  Eine  netzige  Masse  im  Innern  des 
Körpers  war  auf  diesen  Endstadien  der  Entwicklung  nicht  mehr  zu  be- 
merken, vielmehr  erschien  derselbe  jetzt  blasenartig  hohl.  Hiermit  fanden 
die  Beobachtungen  ihren  Abschluss,  namentlich  wurde  nichts  von  einem 
Austritt  der  kleinen  Zellen  wahrgenommen.  Wie  gesagt,  lässt  sich  zur 
Zeit  auch  diese  Beobachtung  nicht  mit  Bestimmtheit  deuten,  speciell  nicht 
entscheiden,  ob  es  sich  dabei  um  eine  parasitäre  Entwicklung  oder  um 
einen  Fortpflanzungsprocess  handelte.  Ich  neige  mich  mehr  der  ersteren 
Autfassung  zu,  und  manches  in  dem  Entwicklungsgang  des  fraglichen 
Körpers  erinnert  ja  an  die  Keimkugeln  Stein's,  obgleich  auch  hier  das 
centrale  Bläschen  der  letzteren  vermisst  wurde. 

14.  Vorkommen  im  fossilen  Zustand. 

Nachdem  wir  schon  in  der  historischen  Einleitung  auf  F^hrenberg's 
Beobachtungen  einiger  fossiler  Dinoflagellaten  aufmerksam  machten,  er- 
übrigt uns  noch,  diese  Funde  etwas  näher  zu  erläutern. 

Zu  den  1836*)  aus  den  Feuersteinen  der  Kreide  von  Delitzsch 
(Provinz  Sachsen)  beschriebenen  Formen  gesellte  Ehrenberg  in  der  Mikro- 
geologie,  1854,  noch  einige  weitere,  welche  der  Blätter  kohle  des  Wester- 
waids, der  sog.  Steinkohle  von  Pottschappel  und  dem  Hörn- 
st ein  des  Coralrag  von  Krakau  entstammen.  Sämmtliche  letzt- 
erwähnten Formen  scheinen  mir  aber  zu  undeutlich  erhalten  oder  abge- 
bildet zu  sein,  um  als  zweifellose  Dinoflagellaten  beansprucht  werden  zu 
dürfen.  Dagegen  scheint  dies  für  die  als  P  e  r  i  d  i  n  i  u  m  p  y  r  o  p  h  o  r  u  m 
aus  den  Feuersteinen  von  Delitzsch  beschriebene  Form  ganz  sicher  und 
auch  für  das  Peridinium  delitiense  vom  gleichen  Fundort  recht 
wahrscheinlich.  Das  erstgenannte  Fossil  möchte  ich  weiter  für  ein  sicheres 
Peridinium  halten,  nächstverwandt,  wenn  nicht  gar  identisch,  mit  Peri- 
dinium divergens,  womit  auch  harmonirt,  dass  sich  in  diesem  Feuer- 
stein eine  Textularia,  also  eine  sicher  marine  Form  fand.  Wie  schon 
bemerkt  wurde,  ist  das  sogen.  Peridinium  delitiense  etwas  weniger  kennt- 
lich ,  doch  möchte  ich  seine  Dinoflagellatennatur  nicht  ernstlich  be- 
zweifeln. Da  Ehrenberg  eine  ziemlich  grobe  Reticulirung  der  Hülle 
zeichnet  und  bei  einigen  Exemplaren  einen  hornartigen  Fortsatz  in  der 
Querfurchengegend,  so  liegt  die  Vermuthung  nahe,  dass  diese  Form  der 
Gattung  Ceratium  angehöre,  wenn  sich  dies  auch  auf  Grund  des 
Bekannten  nicht  bestimmt   ermitteln   lässt.     In  dem   gleichen   Feuerstein 


*)  Abhandl.   der   Berliner   Akademie  a.  d.  ,1.  1836.     Die  Abbildungen   sind   liier  besser 


wie  in  der  Mikrog'eologie. 


Fossile  Diiioflaü-cUatcii.  1021) 

finden  sich  endlich  sehr  reichlieh  die  sog.  Xanthidien,  von  welchen 
Stein  (39)  zwei,  das  X.  ramosum  und  furcatum  für  möglicherweise 
identisch  mit  seiner  Cladopyxis  bra'chiolata  hält.  Es  könnte  das  wohl 
der  Fall  sein ,  doch  ist  die  Natur  der  Cladopyxis  selbst  zu  zweifelhaft, 
um  bei  der  Betrachtung  obiger  Xanthidien  länger  zu  verweilen*).  End- 
lich hält  es  Stein  auch  für  möglich,  dass  das  Gebilde,  welches  Ehrenberg 
als  Pyxidicula  prisca  von  demselben  Fundort  beschrieb,  mit  der  Exu- 
viaella  compressa  ßailey  (=  Dinopyxis  compressa  Stein)  identisch  sei. 
Bei  Vergleichung  der  Abbildungen  Ehrenberg's  kann  ich  aber  keine  ge- 
nügenden Anhaltspuncte  finden,  welche  eine  solche  Annahme  rechtfertigten. 

*)  Vergl.  über  fossile  Xanthidien  ans  den  Feuersteinen  der  Kreide  weiterhin  die  Arbeiten 
von  White,  H.  H.,  in  Transactions  of  the  r.  micr.  soc.  London  Vol.  Lp.  TT  u.  87;  Deane. 
H„  ibid.  Vol.  IL  p.  77;  Wilkinson,  S.  J.,  ibid.  Vol.  IL  p.  89;  Reade,  J.  B.,  Ann.  mag. 
iiat.  bist.  Vol.  2.  1839.  p.  19L  Die  eigentliclie  Natur  dieser  Gebilde,  welche  in  zahlreichen 
Arten  beschrieben  wurden,  scheint  noch  sehr  fraglich,  da  namentlich  auch  ihre  Rückfuhrang 
auf  Desmidiaceen  ziemliche  Schwierigkeiten  bietet.  Es  ist  ferner  wahrscheinlich  genug,  dass 
sich  unter  den  Xanthidien  der  Feuerstteine  verschiedenartige  Organismen  oder  deren  Erzeug- 
nisse verbergen. 


IV.  Unterabtheilmig  (Ordnung)  Cystoflagellata  Häckel. 

(Noctilucidae  Autor.). 

1.  Lebersieht  der  liisfonseheu  Kiitwiekluii«  unserer  Keuutiiisse  der 

Cystoflsi«ellatii. 

Schun  seit  alter  Zeit  hat  das  prachtvolle  Schauspiel  des  allgemeinen 
Meerleuchtens  das  Interesse  der  Menschen,  namentlich  des  griiheluden 
und  forschenden  Theils  derselben,  in  Anspruch  genommen.  Es  muss  daher 
eher  wunderbar  erscheinen ,  dass  das  kleine  Protozoon ,  welches  wenig- 
stens im  Bereich  der  Küsten  die  Ursache  dieser  Erscheinung  ist,  erst 
verhältnissmässig  spät  bekannt  wurde.  Mit  einiger  Sicherheit  lässt  sich 
nämlich  die  erste  Beobachtung  der  Noctiluca  etwas  vor  die  Mitte 
des  vorigen  Jahrhunderts  (1742)  zurück  datiren.  Ich  halte  es  nicht 
für  zweifelhaft,  dass  die  von  J.  Sparshall  beobachteten  leuchtenden  Meeres- 
thierchen  echte  Noctiluccn  waren.  Was  uns  Baker  (1)  über  diese  Beob 
achtung  Sparshall's  berichtet,  lässt  mich  vermuthen,  dass  dieser  erste 
Beobachter  sogar  schon  den  sog.  'Tentakel  wahrnahm.  Seine  Bemerkungen 
über  die  Ansammlung  der  Organismen  an  der  Wasseroberfläche,  sowie 
ihr  Aufleuchten  bei  Erschütterungen,  dürften  unsere  Deutung  energisch 
unterstützen*). 

Kigault's  Beobachtungen  über  das  Meerleuchten  (1768;  2)  ergaben 
bei  weitem  nicht  ein  so  bestimmtes  Resultat.  Obgleich  auch  er  das  Leuchten 
auf  eine  Unmasse  kleiner  leuchtender  Thierchen  (Insecten)  zurückzuführen 
sucht,  lässt  sich  aus  seiner  Mittheilung  doch  nicht  entnehmen,  ob  er  die 
Noctiluca  wirklich  genauer  erkannte.  Dagegen  experimentirte  er  über 
den  Einfluss  von  Säuren  und  Alkalien  auf  das  Leuchten  und  gründete 
auch  hauptsächlich  auf  die  Resultate  dieser  Versuche  seine  Ansicht. 

Um  so  besser  beobachtete  dagegen  der  Holländer  Slabber  (3)  in 
demselben  Jahre  1768  unser  Thier,  das  er  als  eine  Medusa  beschrieb 
und  sehr  gut  abbildete.  Sowohl  die  allgemeine  Gestalt,  wie  die  strahlige 
Ausbreitung  der  Plasmafäden  des  Innern  stellte  er  schon  recht  gut  dar, 
dagegen  erwähnte  er  den  Tentakel  nicht,  wohl  aber  den  Mund,  den  er 
an  der  richtigen  Stelle  angibt;  auch  die  Nahrungsaufnahmen  scheint  er 
schon  beobachtet  zu  haben.    Als  ein  besonderer  Zufall  ist  hervorzuheben. 


*)  Ich   musste  dies    etwas    octoiieii.   da   Ehrciibcr^  (lO^i   die   von   Sparshall   beobachteten 
Thiere  auf  Vorticellen  zurückfüliren  wollte.  B 


(iuscliichtc.  1031 

dass  Slahbcr  das  rjcuchtvcnnögcn  unseres  Wesens  nicht  bemerkte, 
wcsshalb  wohl  die  Identität  des  von  ihm  beschriebenen  Organismus 
mit  dem  gewöhnlichsten  Lenchtthicr  des  Meeres  verhältnissmässig  lange 
verborgen  blieb.  Oken  (Lehrb.  d,  Naturgesch.  Zool.  l.  p.  828)  errichtete 
1815  für  das  von  Slabber  geschilderte  Thier  eine  Gattung  ölabberia 
unter  den  Quallen. 

Geringe  F)edeutung  besitzen  die  Angaben  Newland's,  der  ein  unter 
den  Tropen  beobachtetes  Meerleuchten  auf  Fischlaich  oder  Animalcula 
zurückführte  jedoch  keine  genauere  Beschreibung  derselben  gab  (1772;  4). 

Um  so  sicherer  lässt  sich  dagegen  das  prachtvolle  Meeresleuchten, 
welches  J.  R.  und  Georg  Forst  er  (6)  auf  ihrer  Weltumsegelung  am 
-  Cap  der  guten  Hoffnung  beobachteten,  auf  Noctiluca  beziehen.  Dass  die 
von  ihnen  als  Ursache  des  Leuchtens  erkannten  und  kurz  beschriebenen 
Thierchen  echte  Noctilucen  waren,  beweist  die  Abbildung,  welche  zwar 
erst  im  Jahre  1810  von  Macartnay  (7)  publicirt  wurde. 

Die  ersfc  scharfe  Darstellung  des  Tentakels  finden  wir  in  der  Schrift 
des  Abbe  Dicquemare  (1775,  5),  welcher  das  Meeileuchten  zu  Havre  an- 
haltend untersuchte.  Fir  beobachtete  (1778)  eine  solche  Menge  der  Leucht- 
thierchen  an  der  Meeresoberfläche,  dass  dieselbe  mit  einer  dicken  öligen 
Schicht  überzogen  schien.     Durch  Filtriren  führt  er  den  Nachweis,    dass 

(das  Wasser  selbst  nicht  leuchte*). 
Zwei  Abbildungen  ßruguiere's  in  der  Encyclopedie  mcthodique 
(Tableau  encycloped.  cont.  rilelminthologic,  oules  vers  infusoires  etc.  1791, 
PI.  81),  Fig.  2  u.  3)  beziehen  sich  ohne  jeden  Zweifel  auf  Noctiluca.  Sic 
wurden  hier  mit  den  von  Forskjll  unter  dem  Namen  Gleba  beschriebenen 
Organismen  (im  wesentlichen  Schwimmglocken  von  Hippopodius)  zusammen- 
gestellt.    Eine  Beschreibung  scheint  nicht  publicirt  worden  zu  sein**). 

Im  Jahre  1810  veröffentlichte  Macartnay  (7)  eine  ausgedehntere 
Untersuchung  über  das  Meerleuchten,  als  dessen  allgemeinste  und  ver- 
breitetste  Ursache  er  gleichfalls  unsere  Noctiluca  erkannte.  Auch  die  An- 
gaben früherer  Beobachter  über  das  Meerleuchten  suchte  er  z.  Th.  auf 
dieses,  von  ihm  Medusa  scintillans  genannte  Wesen  zu  beziehen. 
Seine  eigenen  Untersuchungen  über  die  Organisation  der  Noctiluca  sind 
jedoch  recht  dürftig  und  erreichen  kaum  die  seiner  Vorgänger,  so  fand 
er  z.  B.  den  Tentakel  nicht. 

Beträchtlichere  Fortschritte  in  der  Erkenntniss  des  Baues  machte 
dagegen  in  demselben  Jahre  der  Arzt  Suriray  in  Havre,  welcher  seine 
erst  im  Jahre  1836  publicirte  Abhandlung  schon  1811  der  Pariser  Akademie 


*)- Es  würde  zu  weit  fülireu,  alle  Angaben  von  ßeiseiiden  und  Seefuhrern  Über  das 
Leuchten  Jes  Meeres,  welche  sich  eventuell  auf  Noctiluca  beziehen  lassen,  liier  zu  verzeichnen; 
wer  sich  für  eine  ansführliche  Zusammenstellung-  hierilber  interessirt,  findet  dieselbe  bei 
Ehrenbcrg-  (10). 

*)  Kachträglich  komme  ich  auf  die  Vermuthung,  dass  diese  Abbildungen  Bruguiere's 
wahrscheinlich  nur  CJopien  der  Slabber'schcn  Figuren  sein  diirften  ;  ich  bin  leider  ausser  Stand 
diese  Vermuthung  zu  prüfen,  da  mir  das  Werk  Slabber's  nicht  mehr  zur  Disposition  steht. 


]  032  Cystofiag-cllata. 

vorlegte,  die  sie  jedoch,  wie  es  scheint,  des  Druckes  nicht  würdigte. 
Seine  Abbildungen  übertretfen  die  der  Vorgänger  entschieden.  An  dem 
gut  dargestellten  Tentakel  tritt  die  Querstreifung  schon  deutlich  hervor; 
der  Mund  wird  in  seiner  Lage  richtig  angegeben  und  auch  eine  Art  Oeso- 
phagus beschrieben,  welcher  wohl  sicher  das  sog.  Peristom  (oder  Atrium) 
war.  Derselbe  sollte  in  eine  Magenhöhle  führen,  von  der  eine  Anzahl 
Gefässe  ausstrahlten,  ein  Theil  der  strahligen  Plasmafortsätze;  einen 
anderen  Theil  derselben  verlegte  er  als  Nerven  in  die  äussere  Haut 
und  deutete  sie  z.  Th.  auch  als  ein  verästeltes  Ovarium.  Zu  letzterer 
Meinung  verleitete  ihn  wohl  die  irrige  Auffassung  der  Nahrungsvacuolen, 
sammt  ihrem  Inhalt,  als  Eier.  Im  Allgemeinen  ist  jedoch  die  Beschreibung- 
weiche  er  vom  Bau  der  Noctiluca  milaris  (die  ihm  ihren  Namen  verdankt) 
entwirft,  etwas  knapp  und  verräth  seine  Unsicherheit  in  der  Deutung 
des  Gesehenen  vielfach.  Hinsichtlich  der  zoologischen  Stellung  des 
Wesens  sprach  er  sich  nicht  eingehender  aus,  bezeichnete  es  jedoch  als 
Polyp.  Von  den  früheren  Erfahrungen  über  Noctiluca  kannte  Suriray  so 
gut  wie  nichts. 

Lamarck  nahm  1816*)  die  ihm  durch  Suriray 's  noch  ungedrucktc 
Schrift  bekannt  gewordene  Noctiluca  neben  Beroe  in  sein  System  auf; 
hierin  folgte  ihm  Blainville  1825  (9);  1833  dagegen  zog  letzterer  sie  mit 
Zweifel  zu  den  Diphyiden.  Bei  Blainville  .(1825)  finde  ich  jedoch  auch 
die  interessante  Notiz,  dass  Bosc  Noctiluca  für  eine  Monade  erklärt  hat. 

Auch  Ehrenberg,  der  sich  1834  (10)  eingehend  mit  der  Ge- 
schichte der  Frage  vom  Leuchten  der  Thiere  beschäftigte  und  dabei 
auch  das  Noctiluca  betreffende  Material  aufs  genaueste  zusammenstellte, 
hielt  unser  Thier  für  eine  Verwandte  der  Medusen.  Er  deutete  die  Plasma- 
fäden gleichfalls  als  Ernährungskanäle,  die  strahlig  geordnet  seien  wie  jene 
der  Medusen.  Den  Tentakel  bezeichnete  er  als  Küssel,  und  findet  inter- 
essanter Weise  eine  Analogie  in  seiner  Wirkungsweise  mit  dem  sogen. 
Monadenrüssel.  Auch  ein  Ovarium  glaubte  er  im  Innern  des  Körpers 
beobachtet  zu  haben. 

Seit  jenen  Arbeiten  Suriray's  und  Ehrenberg's  ist  die  Noctiluca  mi- 
liaris in  ihrer  Bedeutung  als  Ursache  des  allgemeinen  Meerleuchtens  ein- 
stimmig anerkannt  worden,  so  dass  wir  in  der  Fortsetzung  unserer  histo- 
rischen Uebersicht  wesentlich  die  Fortschritte  in  der  Erforschung  ihres 
Baues  und  Lebens  zu  besprechen  haben. 

Nachträglich  sei  noch  bemerkt,  dass  auch  L.  Woodward  (8)  im 
Jahre  1831  eine  ziemlich  gute  Abbildung  mittheilte  und  den  Tentakel  für 
eine  Röhre  erklärte,  eine  Ansicht,  welche  schon  Suriray  angeregt  hatte, 
da  er  im  Tentakel  die  Andeutung  eines  Kanals  beobachtet  haben  wollte. 

Erst  im  Jahre  1846  traten  neue  Untersuchungen  hervor,  die  zu 
werthvollen  Ergebnissen  hinsichtlich  der  allgemeinen  zoologischen  Stellung 
der  Noctiluca  führten.     Zunächst  sind  hier  die  wichtigen  Beobachtungen 


'■)  Anim.  saus  vcrtrbrcs  T.  II,  \t.  470. 


I 


Geschichte.  10o3 

Vcrhaeglie's  zu  erwähnen,  dessen  Arbeit  erst  1848  veröffentlicht,  jedoch 
schon  1846  durch  einen  Bericht  von  P.  van  Beneden  bekannt  wurde. 
Verhaeg'he's  (14)  Beobachtungen  sind  sehr  gut,  wie  sich  aus  seinen  treff- 
lichen Abbildungen  ergibt;  nicht  auf  gleicher  Höhe  dagegen  stehen  die 
Deutungen  des  Wahrgenommenen.  So  beobachtete  er  zuerst  den  Kern, 
erkannte  zuerst  die  abgeplattete  Gestalt  des  Tentakels  und  bildete  das 
sogen.  Staborgan  sehr  kenntlich  ab.  In  seiner  Gesammtauffassung  des 
Organismus  blieb  er  jedoch  noch  gänzlich  im  Banne  der  früheren  An- 
schauungen. Auch  ihm  galten  die  Plasmafortsätze  noch  als  Gefässe  und 
die  Nahrungsvacuolen  als  verdauende  Erweiterungen  derselben.  Zu  einer 
bestimmten  Ansicht  über  die  zoologische  Stellung  gelangte  er  daher  nicht, 
sondern  fragt  zweifelnd,  wohin  unter  den  Coelenteraten  diese  Form  wohl 
zu  bringen  sei. 

Dagegen  eröffneten  die  gleichfalls  im  Jahre  1846  publicirten  Unter- 
suchungen Doyere's  (13)  einen  neuen  Gesichtspunkt  in  der  Beurtheilung 
der  Noctiluca,  indem  sie  auf  ihre  Zugehörigkeit  zu  den  Dujardin- 
schen  Sarkodethiereu  deutlich  hinwiesen.  Doyere  ermittelte  zuerst  richtig, 
dass  die  innere  Leibesmasse  eine  in  ihrer  Gestalt  und  Anordnung  ver- 
änderliche Sarkodemasse  sei,  welche  er  der  Dujardin'schen  Sarkode  auch  in 
ihren  Bewegungen  sehr  richtig  verglich.  Die  sog.  „Magen'"^  seien  nichts 
weiter  wie  in  der  Sarkode  auftretende  Vacuolen ,  welche  die  Nahrung 
einschlössen.  Die  einzigen  beständigen  Theile  des  Noctilucakörpers  bil- 
deten die  Hülle,  der  als  Rüssel  bezeichnete  Tentakel,  welcher  ein  Er- 
zeugniss  der  Hülle  sei,  und  die  Mundöffnung.  Ueber  die  systematische 
Stellung  der  Noctiluca,  auf  Grund  dieser  neuen  Anschauungsweise,  sprach 
sich  Doyere  nicht  weiter  aus,  dennoch  müssen  wir  seine  Arbeit  als  den 
ersten  Schritt  zur  Erlösung  der  Noctiluca  aus  ihrer  unnatürlichen  Ver- 
bindung mit  den  Coelenteraten  und  zur  Erkenntniss  ihrer  Protozoen- 
natur bezeichnen.  Noch  entschiedener  erhob  sich  ebenfalls  im  Jahre 
1846  P.  van  Beneden  (12)  für  diese  Auffassung;  in  seinem  Be- 
richt über  Verhaeghe's  Untersuchung  sprach  er  seine  eigene  Ansicht 
über  die  verwandtschaftlichen  Beziehungen  der  Noctiluca  aus  und  glaubte 
dieselbe  als  eine  „nackte  Foramioilere  oder  Rhizopode"  betrachten  zu 
dürfen,  welche  an  die  Spitze  der  Dujardin'schen  Rhizopoden  zu  stellen 
sei.  Mit  dieser  Ansicht  contrastirt  zwar  die  wenige  Zeilen  später  sich 
lindende  Bemerkung,  dass  die  Noctiluca  eine  „regelmässige  Schale''  be- 
sitze, in  merkwürdiger  Weise.  Immerhin  war  jetzt  der  richtige  Weg  zur 
weiteren  Beurtheilung  der  Noctiluca  eröffnet. 

Bald  wurden  denn  auch  die  Untersuchungen  von  Quatrefages  fort- 
gesetzt; bevor  wir  jedoch  dessen  Forschungen  betrachten,  sei  erwähnt, 
dass  im  Jahre  1849  auch  die  merkwürdigste  physiologische  Leistung  der 
Noctiluca,  ihr  Leuchtvermögen,  durch  Bring  (15)  der  experimentellen 
Beobachtung  unterzogen  wurde.  Zwar  hatten  schon  die  älteren  Beobachter 
mancherlei  hierüber  mitgetheilt,  auch  gelegentlich  einige  Experimente 
über, die  Beeinflussung  des  Leuchtens  durch  verschiedene  Agentien  ange- 


1034  GystoflagcUata. 

stellt;  doch  dürfen  wir  mit  Recht  die  erste  systematische  Bearbeituug 
dieses  Gegenstandes  Pring  zuschreiben.  Derselbe  studirte  die  Wirkung 
verschiedener  chemischer  Agentien  auf  das  Leuchtvermögen,  ebenso  die 
der  Electricität  und  seine  Erfahrungen  sollen  später  an  geeigneter  Stelle 
im  Zusammenhang  mit  den  neueren  Beobachtungen  besprochen  werden. 
Wenn  er  auch  durch  seine  Experimente  nicht  zu  einer  Erklärung  des 
Leuchtens  gelangen  konnte,  so  glaubte  er  doch  wenigstens  die  That- 
sache  mit  Sicherheit  festzustellen,  dass  das  Leuchten  unseres  Thieres 
nicht  unter  die  Kategorie  der  Verbrennungserscheinungen  zu  rechnen 
sei,  ein  Resultat,  welches  zu  einer  Zeit,  wo  die  Selbstverbrennung 
thierischer  Körper  noch  in  manchen  Köpfen  spukte,  von  Bedeutung 
erschien. 

Die  von  Doyere  und  van  Beneden  angebahnte  Erforschung  der  Organi- 
sation wurde,  wie  erwähnt,  von  A.  de  Quatrefages  fortgesetzt,  dessen 
Arbeiten  (16  und  17)  wesentlich  zur  Befestigung  der  Ansicht  über  die 
Sarkodenatur  der  verzweigten  inneren  Leibesmasse  beitrugen.  Er  schloss 
sich  daher  auch  der  Beneden'schen  Ansicht  von  der  Stellung  der  Nocti- 
lucen  bei  den  Rhizopoden  an.  —  So  werthvoll  diese  Untersuchungen  auch 
in  vieler  Hinsicht  für  die  Sicherung  der  Protozoennatur  der  Noctiluca 
erscheinen,  so  führten  sie  doch  nicht  zu  wesentlichen  Erweiternngen 
unserer  Kenntnisse  von  dem  Bau  dieser  Thiere.  Dagegen  suchte  Quatre- 
fages zuerst  dieuVermehrung  durch  Theiluug  wahrscheinlich  zu  machen. 
In  ähnlicher  Weise  wie  Pring  experimentirte  er  ferner  über  das 
Leuchtvermögen,  ohne  jedoch  hierbei  namhaft  über  seinen  Vorgänger 
hinauszukommen. 

Eine  wichtige  Vermehrung  erfuhr  dagegen  unser  Wissen  durch  zwei 
deutsche  Forscherin  den  Jahren  1851  und  52.  Busch's  (18)  Beobachtungen 
vertieften  zwar  nicht  wesentlich  unsere  Kenntnisse  von  der  Organisation 
der  Noctiluca,  welcher  er  eigenthümlicher  Weise  eine  scheibenförmige 
Gestalt  zuschrieb  und  deren  wohl  beobachtetes  Staborgan  er  ins  Innere 
verlegte;  dagegen  bezeichnete  er  zuerst  den  Tentakel  als  eine  Geissei. 
Wichtig  ist  ferner  die  Beobachtung  eines  sogenannten  Doppelmonstrums 
der  Noctiluca,  obgleich  dessen  Bedeutung  sich  heutzutage  nicht  mehr 
sicher  aufklären  lässt.  Weiterhin  sah  er  zuerst  Stadien  der  Knospung, 
hielt  dieselben  jedoch  nicht  für  Noctiluca  angehörig  und  glaubte  schliess- 
lich noch  eine  Fortpflanzung  durch  innere  Keimen  beobachtet  zu  haben. 
Wenn  er  auch  in  der  Deutung  der  Thatsachen,  welche  dieser  angeblichen 
Fortpflanzung  zu  Grunde  lagen,  irrte,  so  wurde  er  dadurch  doch  zum 
ersten  Beobachter  der  interessanten  und  bis  jetzt  noch  nicht  hinreichend 
verstandenen  Regenerationserscheinungen  im  Leben  unserer  Protozoe. 

Krohu  (19)  bereicherte  unsere  Erfahrung  sehr  wesentlich  durch  den 
Nachweis  der  sogen.  Cilie,  deren  Lage  er  richtig  angab,  obgleich  er  die 
Muudöffnung  irrig  darstellte.  Gegenüber  Quatrefages  verbesserte  er  die 
Kenutniss   des   Tentakels   und  betonte  namentlich  zuerst  scharf  und  be- 


(ioscili.iiic.  10;-i5 

stimmt  die  Existenz  des  Keines,  welchen  er  den  Kernen  der  Infusorien 
und  Amöben  verglich.  Als  Fortpflanzung  konstatirte  er  nur  Theilung. 
Der  Bau  der  Noctiluca  erinnerte  ihn  schliesslich  sehr  an  das  von  Kölliker 
beschriebene  Actinosphaerium. 

Ziemlich  werthlos  erscheinen  Gosse 's  Beobachtungen  von  1853, 
der  in  der  Beurtheilung  der  Noctilucaorganisation  etwa  noch  auf  dem 
Standpunkt  Suriray's  steht;  dagegen  förderten  Huxley's  Untersuchungen 
(21,  1854)  unser  AVissen  in  mancher  Beziehung  nicht  unwesentlich.  Er  ent- 
deckte zuerst  den  merkwürdigen  Zahn  an  der  Mundötfnung  und  be- 
stätigte die  Existenz  der  Cilie.  Dagegen  war  er  in  seiner  allgemeinen 
Beurtheilung  der  Organisation  unseres  Tbicres  nicht  sehr  glücklich. 
Es  gelang  ihm  nicht,  sich  von  der  Existenz  der  Sarkodeströmung  im 
Plasmanetz  zu  tiberzeugen,  desshalb  glaubte  er  denn  auch  die  Vacuolen 
nicht  als  solche,  anerkennen  zu  dürfen,  sondern  erklärte  sie  von  neuem 
als  besondere  Mägen,  die  mit  einem  Darmlumen  in  der  centralen  Sarkode- 
masse zusammenhingen.  Auch  einen  After  glaubte  er  im  Verlaufe  des 
sogenannten  Staborgans,  das  er  nur  mangelhaft  erkannte,  wahrgenommen 
zu  haben.  Nach  dieser  Darstellung  wäre  denn  die  Noctiluca  ein  den 
Ehrenberg'schen  Polygastrica  recht  ähnliches  Wesen  geworden ;  Huxley 
zögerte  auch  nicht  diese  Consequenz  wirklich  zu  ziehen  und  ihre  nächsten 
Verwandten  in  den  ciliaten  Infusorien  zu  suchen.  Nicht  unerwähnt  darf 
bleiben,  dass  Huxley  die  Querstreifung  des  Tentakels  schon  mit  der  Quer- 
streifung der  Muskelfasern  verglich. 

Sehr  ähnlich  sprach  sich  im  allgemeinen  auch  Webb  (23)  im  An- 
schluss  an  Huxley  über  den  Bau  der  Noctiluca  aus,  er  bestätigte  den 
Zahn  und  den  After  und  scheint  auch  das  Staborgan  etwas  richtiger 
beurtheilt  zu  haben.  Am  meisten  Interesse  erregt  wohl  sein  kurzer,  jedoch 
deutlicher  Hinweis  auf  die  häufige  Regeneration  der  Noctiluca,  sowie  die 
Beobachtung  zusammenhängender  Paare,  obgleich  er  sich  gegen  deren 
Auffassung  als  Conjugirte  erklärte. 

In  demselben  Jahre  1854  wies  ferner  J.  Müller  daraufhin,  dass  man 
häufig  geissellose,  sog.  encystirte  Noctilucen  finde,  ohne  jedoch  die  Be- 
deutung dieser  Zustände   zu   erörtern. 

Eine  interessante  Bereicherung  brachten  die  von  Brightwell  mitgetheilten 
Untersuchungen  Baddeley's  über  die  Fortpflanzung  durch  Theilung.  Es 
war  dies  die  erste  genauere  Darstellung  eines  der  Fortpflanzungsprocesse 
unseres  Wesens.  Da  über  diese  Untersuchungen  später  noch  eingehender 
zu  berichten  sein  wird,  so  möge  an  dieser  Stelle  ein  Hinweis  genügen. 

Ohne  Erfolg  waren  die  von  zwei  deutschen  Forschern  Engel  mann 
(25)  und  V.  Gar  US  (29)  ausgehenden  Bestrebungen  einen  mehrzelligen  Bau 
der  Noctiluca  nachzuweisen.  Indem  sich  Doenitz  (1867 — 68;  28)  mit 
Recht  gegen  diese  Bestrebungen  aussprach,  verharrte  er  selbst  bei  einer 
in  vieler  Hinsicht  veralteten  Auffassung  unseres  Wesens.  Er  suchte  ge- 
wisseimassen  die  alte  Ansicht  einer  verdauenden  Cavität  mit  ausstrahlen- 


1036  Gystoliagellata. 

den  Gefässen  (hohlen  Plasmafäden)  mit  den  neueren  Ansichten  über 
die  Bauverhältnisse  der  Protozoen  zu  vereinigen,  wobei  ihn  die  Reichert'scbe 
Ansicht  von  dem  Bau  der  Khizopoden,  der  er  sich  anschloss,  nicht  gerade 
förderte.  Wie  gesagt,  gelten  ihm  die  Plasmafäden  der  Noctilnca  als  hohle, 
gefässartige  Geljilde,  welche  sich  daher  den  Pseudopodien  der  Rhizopoden 
nicht  direct  vergleichen  Hessen,  sondern  denen  der  Amöben,  Gromien  und 
wohl  auch  den  Tentakeln  der  Acineteu.  Auch  der  Tentakel  sei  hohl. 
Interessant  erscheinen  die  Mittheilungen  über  das  Staborgan ,  auf  dessen 
Bau  er  ausführlicher  eingeht,  wie  frühere  Beobachter,  ohne  jedoch  zu 
einer  klaren  V^orstellung  desselben  zu  gelangen.  Die  wichtigsten  Resul- 
tate seiner  Beobachtungen  sind  jedoch  ohne  Zweifel  die  über  die  Regene- 
ration ,  deren  Verlauf  er  zum  ersten  Male  genauer  verfolgte  und  durch 
Abbildungen  erläuterte. 

Wenig  später  eröffnete  jedoch  der  auf  dem  Gebiete  der  Protozoeu- 
kunde  so  vielfach  verdiente  Cieukowsky  eine  neue  Epoche  in  den 
Forschungen  über  Noctiluca.  1871  (31)  veröffentlichte  er  zunächst 
Untersuchungen  über  die  sogenannte  Schwärmerbildung  der  Noctiluca, 
durch  welche  nicht  nur  die  zuerst  von  Busch,  jedoch  ohne  Ver- 
ständniss  und  ganz  unvollständig  beobachtete  Knospenfortpflanzung 
festgestellt  und  in  fast  allen  wesentlichen  Punkten  richtig  erkannt 
wurde,  sondern  auch  schon  die  Copulation  experimentell  nachgewiesen 
wurde.  In  der  späteren  Arbeit  von  1873  (33)  führte  er  diese 
Untersuchungen  beträchtlich  weiter  aus  und  glaubte  namentlich  auch 
zwischen  Copulation  und  Knospung  einen  Zusammenhang  statuiren  zu 
dürfen. 

Gleichzeitig  klärte  Cienkowsky  aber  auch  die  Bauverhältnisse  der 
Noctilucen  in  vieler  Hinsicht  genauer  auf,  indem  er  namentlich  die  feineren 
Verhältnisse  der  mannichfachen,  um  die  Mundöffnung  gruppirten  Organe 
theils  bestätigte,  theils  berichtigte.  Auch  die  Regenerationserscheinungen 
zog  er  in  den  Kreis  seiner  Untersuchungen  und  schilderte  ihren  Verlauf 
im  Anschluss  an  Dönitz  näher.  Diese  Beobachtungen  führten  ihn  dann 
auch  zu  dem  interessanten  Ergebniss,  dass  die  seiner  Zeit  von  Busch 
beobachteten  inneren  Keime,  sowie  dessen  vermeintlichen  jugendlichen 
Thiere,  nichts  weiter  wie  solche  Regeuerationszustände  waren. 

Alle  diese  Ergebnisse,  speciell  jedoch  die  Bauverhältnisse  der  sogen. 
Schwärmer,  d.  h.  der  abgelösten  Knospen,  befähigten  Cienkowsky  zu  einem 
gesicherten  Urtheil  über  die  verwandtschaftlichen  Beziehungen  der  Nocti- 
luca. Er  erklärte  sie  daher  zuerst  für  eine  Angehörige  der  Mastigophora, 
unter  welchen  sie  wegen  ihrer  quergestreiften  Geissei  (Tentakel)  eine  be- 
sondere Gruppe  bilden  müsse. 

Die  hervorragende  Bedeutung  der  Cienkowsky 'sehen  Arbeiten  dürfte 
auch  aus  obigen  kurzen  Angaben  genügend  hervorgehen,  die  folgende 
Darstellung  der  Bau-  und  Fortpflanzungsverhältnisse  wird  dies  ein- 
gehender darlegen. 


Geschichte.  1037 

Mancherlei  Funkte  in  der  Organisation  der  Noctiluca  wurden 
durch  eine  1872  erschienene  Arbeit  A  lim  an 's  gefördert,  so  namentlich 
die  Bildung  der  Einsenkung,  welche  zum  Munde  führt  und  gewisse  mit 
dem  Staborgan  zusammenhängende  Einrichtungen,  Andererseits  enthält 
die  Arbeit  jedoch  auch  eine  Reihe  entschiedener  Irrthümer.  Hinsicht- 
lich der  systematischen  Stellung  kam  AUman  zu  dem  für  die  damalige 
Zeit  kühnen  Schluss,  welchen  er  auch  keineswegs  tiefer  begründete, 
dass  die  nächsten  Verwandten  der  Noctiluca  in  den  Cilioflagellaten 
zu  suchen  seien.  Wir  werden  gleich  sehen,  dass  diese  Ansicht  später 
allgemeinere  Anerkennung  fand. 

Im  Anschluss  an  Cienkowsky  studirte  Robin  {S6)  im  Jahre  1878  so- 
wohl Bau  wie  Fortpflanzung  sehr  eingehend  und  vermochte  auch  in  einer 
Reihe  von  Punkten  die  Untersuchungen  seines  Vorgängers  zu  vervollständi- 
gen. Unter  diesen  sei  nur  speciell  betont,  dass  es  ihm  glückte,  das  Ver- 
halten des  Kernes  bei  der  Knospung  zu  verfolgen.  Die  Arbeit  Robin's 
darf  in  jeder  Hinsicht  als  eine  wichtige  Förderung  unseres  Wissens  be- 
zeichnet werden,  deren  Ergebnisse  sich  jedoch  dem  Rahmen  unserer 
historischen  Darstellung  entziehen.  Auch  die  seit  Quatrefages  nicht  ein- 
gehender studirte  Physiologie  des  Leuchtvermögens  fand  in  dieser  Schrift 
wieder  einige  Würdigung,  im  Anschluss  an  frühere  Untersuchungen, 
welche  Robin,  in  Gemeinschaft  mit  Legros  (27)  über  die  Einwirkungen 
der  Electricität  auf  das  Leuchten  angestellt  hatte. 

Mit  dem  gleichen  Gegenstand  beschäftigte  sich  um  dieselbe  Zeit 
auch  Vignal  (35),  dessen  Ergebnisse  jedoch  von  denen  Robin's  und 
Legros'  ziemlich  abweichen.  Vignal  studirte  aber  auch  die  Bauverhält- 
nisse der  Noctiluca  von  neuem,  doch  dürfen  wir  ^ine  Resultate  nicht  als 
sehr  gelungen  bezeichnen,  da  ihm  manche  der  schon  durch  frühere 
Beobachter  sicher  constatirten  Organe,  wie  Zahn,  Wimper  etc.  ganz  un- 
bekannt blieben. 

Von  höchstem  Interesse  für  die  Beurtheilung  der  Gruppe  der  Cysto- 
flagellaten  wurde  schliesslich  eine  Entdeckung  R.  Hertwig's  (1877;  34), 
die  zuerst  einen  zweiten,  entschieden  zu  dieser  Gruppe  gehörigen  Or- 
ganismus kennen  lehrte.  Diese  Beobachtung  gibt  der  Vermuthung  Raum, 
dass  unsere  Gruppe  vielleicht  noch  andere,  bis  jetzt  unbekannte  Ange- 
hörige besitzt. 

Wie  schon  angedeutet  wurde  und  auch  aus  dem  Abschnitt  über 
die  Dinoflagellaten  bekannt  ist,  haben  eine  Anzahl  neuester  Autoren 
den  von  Allmau  geäusserten  Gedanken  von  der  Verwandtschaft  der  Noc- 
tiluca mit  den  Dinoflagellata  weiterzuführen  gesucht.  Darunter  sind  jedoch 
nur  zwei.  Stein  (39)  und  Bütschli  (40),  welche  dies  auf  Grund  eigener, 
diesem  Organismus  gewidmeter  Studien  thun.  Des  ersteren  Beobachtungen 
verdanken  wir  keine  Bereicherungen  und  seine  Zusammenziehung  der 
Noctiluca  mit   echten  Pcridiniden  in  einer  Familie  der  Dinoflagellaten  ist 


1038  Cystoflag-ellata. 

wohl  ein  entschiedener  Missgriff.  Bütschli  gab  genauere  Darstellungen  von 
dem  Peristom  und  dem  sog.  Staborgan  und  suchte  auch  die  Beziehungen  zu 
den  Dinoflagellaten  in  besonderer  Weise  zu  begründen.  Als  weitere  Ver- 
treter dieser  Ansicht  traten  schon  früher  Kent  (37)  und  Pouchet  (38) 
auf,  doch  wie  gesagt,  ursprünglich  ohne  selbstständige  Studien  über 
Noctiluca  und  ohne  genügende  Begründung  dieser  Zusammenstellung. 
Eist  in  einer  zweiten  Arbeit  (41)  suchte  der  Letztere  diese  Ver- 
gleichung  naturgeraässer  zu  begründen  und  glaubte  auch  gewisse 
Organismen  beobachtet  zu  haben,  die  eine  Mittelstufe  zwischen  den  beiden 
Abtheilungen  einnehmen.  Er  geht  diesen  Betrachtungen  und  Beobach- 
tungen zu  lieb,  sogar  so  weit,  Noctiluca  in  die  Gattung  Gymnodinium 
einzureihen. 

Am  Schlüsse  dieser  historischen  Uebersicht  dürfen  wir  wohl  den 
Ausspruch  wagen,  dass  unsere  Kenntnisse  der  Cystoflagellata  (wenigstens 
was  Noctiluca  betrifft)  ziemlich  umfassende  geworden  sind,  wenn  auch  der 
mögliche  Umfang  der  Gesammtgruppe  sich  bis  jetzt  noch  nicht  mit 
Sicherheit  überschauen  lässt. 

:Z.  Literatur. 

1.  Sparshall,  J.,  bei  Baker,  H.,  Tlic  luicroscope  madc  easey  and  employmeut  for  the 
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Ci 


Literatur.  1039 

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33.  Gienkowsky,  L. ,  Ueber  Noctiluca  miliaris.  Arch.  f.  mikr.  Anat.  Bd.  IX.  1873.  p.  47 
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41.  Pouchet,  G.,  Nouvelle  contribution  ä  l'histoire  des  Peridiniens  marins.  Journ.  de  l'ana- 
tomie  et  de  la  physiologie.  T.  21.  1885.  p.  28—88.  PI.  II— IV. 


1040  Cystoflagellata. 

3,  Allgeineiiie  Sthilderuno-  des  Baues  der  Cystoflagellata . 

Wie  in  der  historischen  Einleitung  mitgetbeilt  wurde,  kennt  man  bis 
jetzt  nur  zwei  Gattungen  unserer  Abtbeilung,  so  dass  ein  Bedürfniss  zur 
Aufstelhmg  von  Untergruppen  zur  Zeit  nicht  vorliegt,  obgleich  die  Ver- 
schiedenheiten beider  Gattungen  so  bedeutend  sind,  dass  man  wohl  für 
jede  eine  besondere  Familie  errichten  könnte. 

A.  Grössen-    und   Gestaltsveiiiältnisse. 

Die  eben  erwähnte  Verschiedenheit  in  dem  Bau  der  beiden  Gat- 
tungen tritt  schon  in  ihren  sehr  abweichenden  allgemeinen  Gestalts- 
verhältnissen so  auflfallend  hervor,  dass  es  genauerer  Vergleichung  be- 
darf, um  die  verwandtschaftlichen  Beziehungen  beider  nicht  zu  verkennen. 
Die  Gattung  Noctiluca  besitzt  gewöhnlich  einen  regelmässig  kugligen 
Körper,  welcher  nur  selten  durch  geringes  Ueberwiegen  der  gleich  genauer 
festzustellenden,  dorsoventralen  Axe  etwas  länglich  erscheint.  In  dem 
später  specieller  zu  betrachtenden  Ruhezustand  ist  die  Kugelgestalt  eine 
ganz  vollkommene,  allseitig  ausgebildete,  im  gewöhnlichen  Zustand  da- 
gegen erscheint  sie  durch  die  Anwesenheit  und  Stellung  gewisser  Organe 
ein  wenig  modificirt.  Die  Ausbildung  dieser  Organe  bewirkt  gleichzeitig, 
dass  der  Körper  einen  ausgesprochen  bilateral  symmetrischen  Bau  er- 
langt, welcher  etwas  zum  Assymmetrischen  neigt,  da  gewisse,  gering  ent- 
faltete Organe  einseitig  angebracht  sind.  Wir  können  demnach  eine 
Medianebene  gut  unterscheiden. 

In  einer  gewissen  Strecke  dieser  Medianebene,  welche  etwa  ein 
Sechstel  bis  ein  Viertel  des  Kugelumfanges  erreicht,  ist  die  Oberfläche 
nämlich  mehr  oder  weniger  tief  eingesenkt;  doch  besitzt  diese  Einsenkuug 
nur  eine  geringe  Breiteausdehnuug,  wesshalb  der  Gesammtkörper  an 
die  Bildung  eines  Pfirsichs  erinnert  und  ein  Querschnitt,  welcher 
durch  die  Mitte  der  Einsenkung  geführt  wird,  nierenförmig  eingebuchtet 
erscheint.  Wir  wollen  diese  Einsenkung,  deren  genauere  Beschreibung 
später  folgen  wird,  das  Peristom  nennen  (Atrium,  Allman;  Infundibulum, 
Robin),  da  die  Mundöffnung  auf  ihrem  Grunde  angebracht  ist.  Wie  wir 
noch  sehen  werden,  ist  diese  Peristomeinsenkung  etwas  veränderlich,  sie 
kann  sich  abflachen  und  wieder  vertiefen.  Betrachtet  man  sie  von  der 
Seite  (T.  49,  14  b,  vst),  so  ergibt  sich  leicht,  dass  ihr  eines  Ende,  welches 
wir  das  hintere  nennen  wollen,  am  tiefsten  in  den  Körper  hineinreicht, 
indem  es  von  einer  etwas  geschwungenen,  ungefähr  in  der  Richtung  eines 
Radius  absteigenden  Hinterwand  begrenzt  wird,  während  der  Boden  der 
Einsenkung  von  hier  aus  nach  vorn  ganz  allmählich  ansteigt,  d.  h., 
das  Peristom  nimmt  nach  vorn  successive  an  Tiefe  ab  und  biegt  endlich 
ganz  allmählich  in  die  Kugeloberfläche  über.  Sein  Vorderende  scheint 
überhaupt  nur  l)ei  starker  Einziehung  scharf  markirt  zu  sein;  auch  die 
Seitenränder  biegen  ganz  allmählich,  ohne  scharfe  Absetzung  in  die 
Kugeloberfläche  über,   doch   nähern  sich  die  Seitenwandungen  rasch,    so 


AlJgoiiieiue  (jcstaltsverliiütnisse.  lUil 

dass  der  tiefere  Tlieil  des  Peristonis,  wenigstens  im  einigermaasseu  ein- 
gezogeneu Zustand,  schmal  spaltförmig  ist;  doch  kann  es  sich  auch  mehr 
ausbreiten,  ja  es  scheint  dies  im  Leben  meist  der  Fall  zu  sein. 

Ganz  vorn  im  Peristom,  also  wenig  tiefer  wie  die  Kugeloberfläche,  ent- 
springt der  sog.  Tentakel  (t)  oder  die  Bandgeissel,  wie  man  das  Ge- 
bilde aus  später  zu  eröiterudeu  Gründen  auch  nennen  kann  ;  nicht  weit 
dahinter  erheben  sich  von  der  rechten  Seitenwand  des  Peristoms  zwei 
Organe,  der  Zahn  (z)  und  die  Lippe  (1),  deren  einseitige  Lage  die  gering- 
fügige Asymmetrie  des  Noctilucakörpers  hervorruft.  Von  der  Lippe  ent- 
springt, nach  vorn  gerichtet,  die  Geissei  oder  Cilie  (f),  welche  meist  ganz 
in  dem  Peristom  eingelagert  und  daher  schwer  erkennbar  ist. 

Zu  beiden  Seiten  des  Hinterendes  der  Peristomeinsenkung  erheben 
sich  auf  der  Kugeloberfläcbe  zwei  schwache,  ganz  schmale  Falten,  nahezu 
parallel  den  Seitenrändern  des  Peristoms  (st) ;  die  beiden  Falten,  zwischen 
welchen  die  Oberfläche  etwas  concav  eingesenkt  ist,  verlaufen  nach  hinten, 
sich  rasch  nähernd,  so  dass  sie  schon  in  geringer  Entfernung  von  dem 
Peristom  dicht  zusammengerückt  sind ;  nun  verlaufen  sie  nahezu  parallel, 
aber  sich  doch  fortgesetzt  nähernd,  in  der  Medianebene  soweit  nach 
hinten  (Fig.  14  b),  dass  ihr  Endpunkt,  wo  sie  zusammenfliessen ,  dem 
Vorderrand  des  Peristoms  ungefähr  gerade  gegenüber  liegt. 

Vom  Vorderrande  des  Peristoms  bis  zur  Spitze  dieses  sogen.  Stab- 
organs  haben  wir  also  die  eine  Hälfte  der  Kugeloberfläche  durchmessen. 
Wir  bezeichnen  dieselbe  als  die  ventrale,  die  gegenüberliegende,  welche 
keinerlei  besondere  Organe  trägt,  als  die  dorsale  und  eine  Axe,  welche 
von  dem  Vorderrande  des  Peristoms,  oder  ein  wenig  vor  demselben,  ent- 
springt und  nach  dem  Hinterende  des  Staborgans  zieht,  als  die  Haupt- 
oder Längsaxe. 

Wir  können  gleich  hinzufügen ,  dass  der  bilaterale  Bau  der  Nocti- 
luca  durch  die  Vertheilung  des  Plasmas  im  Kiirperinnern  noch  vermehrt 
wird.  Die  Haupt-  oder  Centralmasse  des  Plasmas  liegt  nämlich  ventral, 
als  ein  etwas  länglicher  Plasmazug  am  Grunde  der  Peristomeinsenkung 
(14  a — b)  und  von  dieser  Centralmasse  strahlen  allseitig  verzweigte  und 
veränderliche  Plasmazüge  gegen  die  Kugeloberfläche  aus,  die  grosse  Zell- 
safthöhle durchspannend. 

Noctiluca  gehört  zu  den  ansehnlichsten  Protozoen,  indem  sie  nicht 
selten  bis  1  Millimeter  Durchmesser  erreicht,  wenn  sie  auch  gewöhnlich 
ein  wenig  hinter  dieser  Grösse  zurückbleibt;  es  finden  sich  aber  auch 
Nachrichten  über  Noctilucen,  welche  2  Millimeter  Durchmesser  besassen 
(Giglioli  30). 

Wenden  wir  uns  nun  zu  einer  Betrachtung  der  auffallend  verschie- 
denen Gestaltsverhältnisse  des  Leptodiscus,  indem  wir  sie  mit  denen 
der  besser  bekannten  Noctiluca  vergleichen.  Leptodiscus  (Taf.  50,  Fig. 
10c — d)  erreicht  eine  ähnliche  Grösse,  da  sein  scheibenförmiger  Körper 
im  Durchschnitt  etwa  1,2  Mm.  misst  (0,(3 — 1,5).  Seine  Gestalt  ist,  wie 
angedeutet,  eine  abgeflacht  scheibenförmige,  mit  convexer  Krümmung  der 

Bronn,  Klassen    Jt- Ihiei-Reichs     Protnzoa.  (Jß 


1042  Cystofla.nellata. 

eiuen  und  concaver  der  anderen  Scheibenseite,  so  dass,  je  nach  dem 
Contractionszustand,  der  Körper  bald  flach  glocl^en-  bis  schirmlormig^ 
bald  hoch  glocken-  bis  miltzent'örmig  erscheint.  Wir  bemerken  gleich, 
dass  sich  dieser  Organismus,  im  Gegensatz  zu  Noctiluca,  durch  eine  gauz 
besondere  Contractionsialiigkeit  und  Beweglichkeit  auszeichnet.  Lepto- 
discus  erinnert  daher  autfallend  an  kleine  Medusen,  eine  Aehnlicld<eit, 
welche  durch  die  analogen  Bewegungserscheinungen  noch  vermehrt  wird. 
Die  Centralpartie  der  Scheibe  scheint  zuweilen  etwas  verdickt  zu  sein 
(Fig.  10  e),  ihre  Peripherie  verdünnt  sich  sehr.  Wenn  wir  die  Anordnung 
der  Organe  untersuchen,  so  lässt  sich  auch  hier  eine  bilaterale  Bildung 
feststellen,  obgleich  eine  so  deutliche  und  grosse,  bilaterale  Peristom- 
einsenkung  wie  bei  Noctiluca  nicht  vorhanden  ist.  Die  Bilateralität  wird 
hervorgerufen  durch  eine  ziemlich  weite  röhrentormige  Einstülpung  der 
convexen  Scheibenseite  (vst) ;  dieselbe  hat  ihre  äussere  Mündung  etwa  mitten 
zwischen  Centrum  und  Peripherie  der  Scheibe  und  läuft  von  hier  aus, 
schief  centralwärts  gerichtet,  gegen  die  concave  Scheibenfläche,  welche  sie 
ungefähr  in  der  Entfernungeines  Viertel  Scheibendurchmessers  vom  Centrum 
nahezu  erreicht,  indem  sie  endet.  Zu  diesem  Ende  der  Einstülpung  trilt 
nun  ein  starker  Strang  paralleler  Plasmafäden  (p),  welche  in  radialer  Rich- 
tung von  dem  im  Centrum  der  concaven  Seite  gelegenen  Centralplasma 
entspringen.  Durch  die  Längsstreckung  des  geschilderten  Organes  wird 
eine  Mittelebene  bezeichnet,  welche  der  Mittelebene  der  Noctiluca  ent- 
sprechen dürfte,  indem  ich  vermuthe,  dnss  das  Organ  dem  Staborgan  der 
Noctiluca  zu  vergleichen  ist,  obgleich  diese  Deutung  noch  nicht  als  ganz 
gesichert  betrachtet  werden  kann. 

Ein  zweites  Organ  macht  aber  auch  den  Leptodiscuskörper  etwas 
asymmetrisch.  Auf  der  anderen  Hälfte  der  convexen  Scheibenseite,  welche 
wir  als  die  vordere  bezeichnen  wollen,  findet  sich  nämlich  noch  eine 
zweite,  aber  sehr  eng  röhrenförmige  Einsenkung  (f),  die  gleichfalls 
schief  centralwärts  absteigend ,  bis  zum  Centralplasma  zieht.  Aus 
dieser  Röhre  erhebt  sich  eine  feine,  ziemlich  lange  Geissei,  deren 
Homologie  mit  der  Noctilucageissel  wohl  nicht  zweifelhaft  sein  kann. 
Die  äussere  Mündung  dieser  Geisseiröhre  tällt  nun  aber  nicht  in  die 
früher  festgestellte  Mittelebene,  sondern  liegt  neben  derselben,  etwa 
in  ein  Drittel  des  Durchmessers  vom  Centrum.  Da  sich  die  Geissei  aus 
dieser  Einsenkung  erhebt,  so  halte  ich  ihre  Homologisirung  mit  dem  Pe- 
ristom  der  Noctiluca  für  noth wendig.  Desshalb  und  wegen  der  Stellung 
der  Geissei  auf  der  convexen  Scheibenseite  müssen  wir  w^eiter  folgern, 
dass  letztere  der  Bauchfläche  der  Noctiluca  entspricht,  die  Concavseite 
dagegen  deren  Rückseite.  Der  für  letztere  Gattung  so  charakteristische 
Tentakel  konnte  bei  keinem  der  untersuchten  Leptodiscen  gefunden  wer- 
den; ob  er  dieser  Gattung  aber  zu  allen  Zeiten  fehlt,  scheint  mir  doch 
noch  nicht  ganz  ausgemacht  zu  sein. 


Allgemeine  Gestaltsverhältnisse.    Membran.  1043 

R.  Bcsclireitju  ng-   der   einzelnen  Organisationsbestandtbeile. 

1,  Membran,  Die  älteren  Beobachter  bescbrieben  zicnilicb  überein- 
stimmend eine  den  Noctilucakörper  allseitig  umhüllende,  feine  Membran. 
Vor  den  Untersuchungen  Quatrefages'  wurde  eben  die  Körperwand  einfach 
als  eine  solche  Hüllmembran  bezeichnet.  Erst  nachdem  letzterer  in  der 
KTuperwand  ein  feines  Protoplasmanetz  entdeckt  hatte,  wurde  noch  ausser- 
halb desselben  eine  eigentliche  Membran  unterschieden.  Quatrefages  selbst 
wollte  sogar  eine  doppelte  äussere  Membran  gefunden  haben,  eine  An- 
gabe, die  ich  mir  nicht  recht  zu  erklären  vermag.  Die  übrigen  neueren 
Beobachter,  so  namentlich  Huxley,  Dönitz,  AUman,  Vignal  und  auch  Robin 
finden  eine  äusserst  zarte  oberflächliche  Membran  (ungefähre  Dicke  0,001 
bis  0,002  Mm.),  welche  gewiJhnlich  als  vollkommen  homogen  und  structur- 
los,  nur  von  Robin  als  sehr  feinkörnig  („grenu")  geschildert  wird ;  Dönitz 
bezeichnet  sie  sogar  als  Schale  der  Noctiluca.  Viel  weniger  bestimmt 
spricht  sich  ein  so  genauer  Beobachter  wie  Cienkowsky  über  die 
Existenz  einer  besonderen  Hüllmembran  aus;  nach  ihm  besitzt  die  Wand 
der  Noctilucablase  „eine  viel  festere  Consistenz  als  der  Inhalt,  scheint 
aber  von  ihm  nicht  scharf  geschieden  zusein";  bei  schädlichen  Einflüssen 
hebt  sich  von  ihrer  Oberfläche  eine  äusserst  feine  Contour  ab."  Auch 
au  den  Schwärmeranlagen,  -welche  doch  direct  aus  der  Oberfläche  der 
Noctiluca  hervorgehen,  findet  er  nur  eine  dichtere  Hautschicht,  welche 
aber  ohne  scharfe  Grenze  in  das  innere  Protoplasma  übergeht.  Gegen 
die  Existenz  einer  besonderen  Membran  sprach  sich  auch  Klebs*) 
kurz  aus  und  meine  Erfahrungen  zeigen  dasselbe.  Ich  konnte  eine  solche 
Membran  weder  von  dem  die  Köri)erwand  bildenden  Plasmanetz  optisch 
unterscheiden,  noch  mit  Hülfe  von  Reagentien  isoliren  und  zweifele  daher 
auch  nicht,  dass  eine  vom  Plasma  chemisch  wesentlich  verschiedene  Haut 
nicht  vorhanden  ist,  sondern  dass  es  sich  höchstens  um  eine  dichtere, 
feine,  im  optischen  Durchschnitt  sehr  feinkiWnig  erscheinende  Haut- 
schicht handeln  kann,  welche  die  Grenze  des  Noctilucakörpers  gegen  das 
umgebende  Medium  bildet.  Diese  Hautschicht  gehJirt  dem  Plasmakörper 
ebenso  unmittelbar  an  wie  die  sog.  Cuticula  der  Infusorien.  Mit  dieser 
Auffassung  stimmt  denn  auch  das  Verhalten  der  Noctiluca  bei  der  Thei- 
luug  und  Copulation  ü herein,  deren  Verlauf  gleichfalls  erweist,  dass  eine 
eigentliche  Membran  nicht  vorhanden  sein  kann.  Dass  es  durch  Ein- 
wirkung gewisser  Reagentien  auf  lei)ende  Noctilucen  gelingt  die  Haupt- 
masse des  Plasmas  innerhalb  dieser  Hautschicht  zur  Zusammenziehung 
und  zur  Ablösung  von  derselben  zu  bringen,  beweist  meiner  Ansicht  nach 
ebensowenig  wie  bei  den  Ciliaten  die  Existenz  einer  von  dem  Plasma 
differenten  Membran. 

An  gewissen  Organen  des  Noctilucakörpers,  wie  dem  Tentakel  und 
dem  sogen.  Zahn,  ist  jedoch  eine  etwas  dickere  und  ziemlich  deutlich 
doppelt   contourirte  äussere   Hautschicht   zu  erkennen,   wie   bei  der   spe- 


*)  Botanische  Zeitung  42,  p.  9. 

66* 


I(j44  Cystoflagellata. 

ciellen  Betrachtung  dieser  Thcile  erörtert  werden  wird.  Für  diese  Organe 
liesse  sieh  daher  die  Existenz  einer  Membran  eher  vt-rtheidigen ,  doch 
glaube  ich,  dass  es  sich  auch  hier  nur  um  eine  sogen.  Cuticular-  oder 
Hautschicht  handelt,  weil  diese  Orgaue  unter  Umständen  ganz  eingezogen 
werden  können,  was  wohl  gegen  die  Existenz  einer  von  dem  Plasma 
chemisch  stark  differenten  Membran  spricht.  Es  ist  jedoch  immerhin  mög- 
lich, ja  an  und  für  sich  nicht  unwahrscheinlich,  dass  diese  Mautschicht, 
ähnlich  wie  sie  sich  physikalisch  durch  grössere  Festigkeit  von  dem 
Binnenplasma  unterscheidet,  auch  chemisch  von  demselben  etwas  differirt. 
So  scheint  wenigstens  aus  den  Mittheilungen  Robin's  hervorzugehen,  dass 
sie  in  Ammoniak  viel  weniger  quillt  wie  das  innere  Plasma.  Ich  brauche 
übrigens,  indem  ich  auf  das  bei  Gelegenheit  der  Cuticularbildungen  der 
Flagellaten  (p.  677)  Bemerkte,  verweise,  nicht  besonders  zu  betonen,  dass 
ich  zwischen  Hautschicht  und  bestimmter  diffeienzirter  Ciiticularmembran 
Uebergänge  anerkenne. 

Die  vorstehenden  Erörterungen  sprechen  denn  auch  gegen  die  Be- 
zeichnung der  Hautschicht  der  Noctiluca  als  Zellmembran,  da  man  mit 
dieser  doch  gewöhnlich  den  Begriff  einer  von  dem  unterliegenden  Plasma 
physikalisch  und  chemisch  wohl  geschiedenen  Membran  verbindet. 

Wie  diese  Verhältnisse  bei  Lci)todiscus  liegen ,  lässt  sich  zur  Zeit 
nicht  mit  Sicherheit  angeben.  Hertwig  schreibt  demselben  eine  all- 
seitige dünne  Membran  zu,  welche  nur  auf  der  convexen  Fläche 
(Ventralseite)  an  den  beiden  früher  erwähnten  Einsenkungen  unter- 
brochen sei.  Die  jene  Seite  überziehende  Partie  der  Membran  er- 
scheine etwas  dicker  und  im  optischen  Schnitt  deutlich  doppelt  con- 
tourirt,  auch  besitze  sie,  im  Gegensatz  zu  der  Membran  der  Concavseite, 
eine  besondere  Structur.  Von  der  Fläche  betrachtet  zeige  sie  nämlich  eine 
sehr  feine  chagrinartige  Zeichnung,  gebildet  von  sich  dicht  berührenden 
helleren  Kreischen,  in  deren  Centrum  je  ein  dunkleres  Pünktchen  sichtbar 
ist.  Hertwig  möchte  diese  Zeichnung  auf  hügelige  Hervorragungen  der 
Membranoberfläche  zurückführen  (die  hellen  Kreischen) ,  welche  auf 
ihrem  Seheitel  eine  Vertiefung  (den  centralen  dunklen  Punkt)  besässen. 
Auch  vermuthet  er  weiter,  dass  diese  Vertiefungen  vielleicht  in  feine,  die 
Membran  durchsetzende  Poren  führten,  da  es  ihm  manchmal  schien,  als 
entsprängen  auf  der  convexen  Seite  des  Körpers  feine  Pseudopodien, 
welche  aus  diesen  Poren  hervorgetreten  sein  könnten.  Da  nun  aber 
auf  dem  abgebildeten  optischen  Schnitt  dieses  Theils  der  Membran 
weder  von  solchen  hügeligen  Hervorragungen  noch  von  Poren  etwas 
zu  sehen  ist,  so  halte  ich  diese  Deutung  für  zweifelhaft  und  bin  viel- 
mehr geneigt,  die  chagrinartige  Zeichnung  auf  eine  feine  Netzstructur 
im  Inneren  der  wahrscheinlich  plasmatischen  Membran  zurückzuführen,  wie 
wir  sie  später  auch  von  der  Hautschicht  der  Noctiluca  kennen  lernen 
werden.  Da  keinerlei  Angaben  über  die  chemische  Natur  der  Lepto- 
discusmembran  vorliegen,  so  lässt  sich  nicht  sagen,  ob  dieselbe  von  dem 


Membran  (Hautscliicht),     Aiiordiuinn-  und  Stimtur  des  Plasmas.  1045 

Plasma  wirklich  verscliicdcu  ist;  ich  möchte  sie  wie  die  an^cl)lichc  Mem- 
bran der  Nüctiluca  für  eine  plasmatische  llautschicht  halten, 

2.  i\.  n  0  r d  u  u  n  g  und  S  t  r  u  c  t  u  r  des  Pias  m  a s.  Da  wir  schon  in 
der  historischen  Einleitung  die  mannigfachen  Deutungen,  welche  das 
Plasmanetz  der  Noctiluca  im  Laufe  der  Zeiten  erfahren  hat ,  ziemlich 
eingehend  besprachen,  so  dürfen  wir  in  dieser  Beziehung  auf  den  ge- 
nannten Abschnitt  verweisen.  Wir  wissen,  dass  die  Anordnung  des  Plasmas 
im  Innern  des  Noctilucakörpers  eine  recht  eigenthümliche  ist,  die  jbei 
den  früher  besprochenen  Mastigophoren  nicht  bemerkt  wurde  und  unter 
den  übrigen  Protozoen  namentlich  bei  den  Ciliaten  Analogien  findet.  Wie 
uns  die  Entwickelungsgeschichte  später  zeigen  wird  und  auch  die  Regene- 
rationserscheinungen verrathen,  geht  die  eigenthümliche  Anordnung  ur- 
sprünglich aus  einem  gleichmässig  zusammenhängenden,  nach  der  ge- 
wöhnlichen Ausdrncksweise  homogenen  Plasmakörper  hervor,  indem  der- 
selbe bei  der  weiteren  Entwickelung  durch  reichliche  Vacuolisation  bald 
schaumig  oder  alveolär  wird  und  wie  wir  annehmen  müssen,  denn  direct 
wurde  die  AVeiterentwickelung  noch  nicht  verfolgt,  schliesslich  durch  fort- 
gesetztes Anwachsen  und  theilweises  Zusammenfliessen  dieser  Vacuolen 
ein  Plasmanetzwerk  entwickelt,  wie  es  in  Pflanzenzelleu  so  gewöhnlich 
angetroffen  wird.  Stets  erhält  sich  jedoch  ein  mehr  oder  minder 
ansehnlicher  Centraltheil  des  Plasmas  als  eine  zusammenhängende 
Masse,  von  welcher  zahlreiche  verästelte  Plasmazüge  nach  der  Oberfläche 
der  Blase  ausstrahlen.  Dieses  Centralplasma  findet  seine  Lage,  wie  be- 
merkt, längs  des  Peristomgrundes,  so  dass  die  hier  befindliche  Mund- 
öffnung direct  in  dasselbe  führt.  Nach  meinen  Erfahrungen  erstreckt  es 
sich  als  eine  gewöhnlich  etwas  längliche  Masse,  von  unregelmässigen 
und  wechselnden  Umrissen  von  der  Gegend  der  Lippe  bis  zum  Hinter- 
ende des  Peristoms;  ins  Innere  des  Körpers  springt  es  nur  wenig  mehr 
als  die  Dicke  des  Kernes,  der  ihm  eingelagert  ist,  vor.  Uebrigens  deuten 
die  Beobachtungen  der  verschiedenen  Forscher  an,  dass  das  Volum 
des  Centralplasmas  etwas  variabel  ist,  was  ja  auch  nicht  überrascht. 
Nach  Vignal  soll  es  „ein  Viertel  bis  ein  Elftel  des  Körpers  einnehmen 
können."  Ersteres  scheint  mir  aber  für  erwachsene  Individuen  ent- 
schieden übertrieben,  das  Centralplasma  beträgt  hier  sicherlich  meist  noch 
nicht  den  11.  Theil  des  Körpervolums.  Von  der  inneren,  wie  bemerkt, 
unregelmässig  gebuchteten  Oberfläche  dieses  Centralplasmas  entspringen 
allseitig  strahlig  angeordnete  Plasmazüge  verschiedener  Dicke,  die  sich 
zur  Körperwand  begeben,  indem  sie  auf  ihrem  Verlauf  fortdauernd  Ver- 
ästelungen erfahren,  also  immer  feiner  werden.  Die  Zweige  benach- 
barter Plasmazüge  anastomosiren  reichlich  untereinander  und  bilden  so 
ein  unregelmässiges  Netzwerk,  welches  die  durchaus  klare  und  ungefärbte 
Flüssigkeit  (Zellsaft),  die  den  ansehnlichsten  Theil  des  Körpervolumens 
bildet,  durchsetzt.  Die  feinsten  peripherischen  Fadenverzweigungeu,  welche 
sich  an  der  Körperwand  befestigen,  sind  etwa  auf  0,001  Mm  Dicke 
herabgesunken.     An   den   Verzweigungsstellen    der  Plasmazüge   bemerkt 


1046  Cystofiagellata. 

man  gewöhnlich  dreieckige  oder  uniegelmässige  Ausbreitungen  wie  an 
den  Pseudopodiennetzen  der  Rhizopoden  und  wie  bei  den  letzteren  treten 
auch  im  Verlauf  der  feineren  Fäden  häutig  varicöse  Anschwellungen  auf. 
Die  peripherischen,  feinen  Verzweigungen,  welche  sich  an  die  Körperwand 
anheften,  gehen  schliesslich  in  ein  diese  constituirendes,  aus  polygonalen 
bis  unregeimässigen  Maschen,  von  durchschnittlich  Ü,U3  bis  0,04  Mm. 
Weite,  gebildetes  Plasmanetzwerk  über,  das  bekanntlich  zuerst  von  Quatre- 
fages  wahrgenommen  wurde  und  jedenfalls  zu  der  von  V.  Carus  geäusserten 
irrthümlichen  Ansicht  führte,  dass  die  Körperwand  eine  Zellenschicht  auf- 
weise. Wie  gesagt,  sind  die  Maschen  dieses  Netzes  mehr  oder  minder 
uuregelmässig  und,  wie  die  Anordnung  des  Plasmas  überhaupt,  veränder- 
lich; auch  begegnet  man  nach  den  Angaben  Vignal's  Stellen  der  Körper- 
wand, wo  sich  grössere,  zusammenhängende  Plasmapartien  gebildet 
haben,  welche  nur  von  kleinen  Löchern  durchbrochen  sind,  also  Partien, 
wo  das  Maschenwerk  noch  nicht  zur  Ausbildung  gelangte,  oder  durch 
Vereinigung  rückgcbildet  wurde.  Wir  werden  übrigens  gleich  sehen,  dass 
in  der  nächsten  Umgebung  des  Peristoms  und  an  dessen  Wand  die 
Maschenbildung  fehlt. 

Auch  Engelmaiiu's  Angaben  (25)  über  das  Vorkouimca  zahlreicher  kleiner  Kerne 
und  die  Allman's  über  das  Vorhandensein  zellähnlicher  Körper  in  der  Wandschicht  der  Nocti- 
luca  beruhen  jedenfalls  auf  einer  Missdeulung  des  Plasmanetzes  der  Wand.  Wahrscheinlich 
gaben  solche  Stellen  hierzu  Veranlassung,  wo,  wie  ohen  bemerkt,  die  Maschenbildung  unvoll- 
kommen ist.  Engelmann  hat  übrigens,  wie  es  scheint,  seine  Angaben  hauiJtsächlich  auf  ab- 
gestorbene und  daher  veränderte  Exemplare  gegründet.  AUman  wollte  die  vermeintlichen 
zellähnlichen  Körper  mit  der  Fortpflanzung  in  Zusammenhang  bringen,  was  natürlich  ohne 
jede  Berechtigung  ist. 

Genauere  Untersuchung  lehrt  nun  aber  (Bütschli),  dass  mit  dem  eben 
beschriebenen  Maschenwerk  die  Structur  der  Körperwand  nicht  erschöpft 
ist,  sondern  dass  sich  im  Innern  der  einzelnen  Maschenräume  noch  ein 
äusserst  zartes,  feinstes  Netzwerk  ausspannt,  das  von  den  die  Maschen 
umgrenzenden  Plasmafäden  entspringt.  Ich  habe  daher  die  Vorstellung, 
dass  die  Körperwand  von  einer  zusammenhängenden  zarten  Plasmamembran 
gebildet  wird,  welche  durchaus  von  kleinsten  Vacuolen  durchsetzt  ist, 
also  einen  feinschwammigen  (oder  wabigen)  J3au  zeigt  —  hierauf  beruht 
das  feinste  Netzwerk,  —  welches  letztere  dann  wieder  durch  die  Aus- 
bildung etwas  stärkerer  Plasmazüge  in  gröbere  Maschen  zertheilt  wird. 
Eine  genauere  Untersuchung  der  verästelten  Plasmazügc  des  Körper- 
innern  lehrt  aber  auch,  dass  die  beschriebene  feinnetzige,  resp.  wabige 
Structur  der  Plasmawand  nicht  auf  diese  beschränkt  ist,  sondern  dass 
alle  etwas  dickeren  Plasmastränge  dieselbe  besitzen,  gewöhnlich  aber  in 
der  Weise  moditicirt,  dass  sich  durch  Streckung  der  feinen  Netzmaschen 
in  der  Richtung  der  Plasmastränge  gleichzeitig  ein  tibrillärer  Structur- 
charakter  entwickelt  hat. 

Wie  eben  bemerkt  wurde,  ändert  sich  die  Stiuctur  der  äusseren 
Körperwand  in  der  nächsten  Umgebung  des  Peristoms,  indem  die  gröbe- 
ren Maschen  hier   aufhören   und   nur  das  äusserst  feine  Plasmanetzwerk 


Noctiluca.     Anordnung-  und  Struchir  des  Plasmas.     Staborgan.  1047 

verbleibt.  Bei  schwächerer  Ver^rosscriiiij;-  erscheint  daher  die  Wand 
in  dieser  Gegend  dicht  g-ranulirt;  vielleicht  ist  sie  auch  etwas  dicker, 
wie  dies  Robin  angibt,  welcher  ihr  verändertes  Aussehen  schon  beobachtete. 
Zuweilen  soll  sie  nach  letztgenanntem  Forscher  auch  etwas  gelblich  er- 
scheinen. Die  gleiche  Structur  weist  denn  auch  der  zur  Bildung  der 
Peristoniwandungeii  eingesenkte  Theil  der  Körjjerwand  auf. 

Ausser  den  oben  beschriebenen  Plasniastrahlen,  die  von  der  Central- 
masse ausgehen,  entspringen  von  letzterer  einige  sehr  deutlich  lein-tibrillärc 
Plasmazüge,  welche  sich  zu  besonderen  Organen  begeben  und  zu  deren 
Bildung  beitragen.  Vom  Vorderende  des  Centralplasmas  verläuft  zunächst 
ein  starker  librillärer  Strang  zur  Basis  des  Tentakels,  und  tritt  z.  Th.  wenig- 
stens mit  dessen  Protoplasma  in  Verbindung  (Taf.  49,  14a,  bei  f);  nach 
Vignal  soll  dieser  Strang  zuweilen  doppelt  auftreten.  Auch  zu  der  Basis 
des  Zahnes  begibt  sich  ein  ähnlicher  Strang,  welcher  wahrscheinlich 
nur  eine  Abzweigung  des  ersterwähnten  ist  und  geht  in  das  Plasma  des 
Zahns  über. 

Noch  interessanter   erscheinen  aber  Plasmastränge,  welche  von   dem 
Hinlerende  der  Centralmassc  und  von  der  schmalen  Hinterwand   des  Pc- 
ristoms  entspringen,  da  sie  das  viel   besprochene  und  gewöhnlich   falsch 
gedeutete   Staborgan    bilden.      Von   dem    Hinterende   des    Centralplasmas 
entspringt  nämlich  ein  dickes  Büschel  feiner  Plasmafäden,  welches  zu  der 
hinteren  Hälfte  des  sog.  Staborgans  zieht,  indem  es  sich  auf  seinem  Wege 
fächerartig  ausbreitet  (14  b  u.  a);  schliesslich  heften  sich  seine  Fäden  längs 
der  beiden  etwas. erhabenen  Falten  oder  Kanten,   welche  das  Staborgau 
äusserlich  formiren,   an  der  Körperwand  an  und  ihre  Anheftung  bewirkt 
denn   auch   wohl    das    Vorspringen   dieser    Falten.     In    ähnlicher  Weise 
werden  auch   die   Fortsetzungen   der  beiden  Falten,   welche  die   vordere 
Hälfte  des  Staborganes   bilden ,    von   zahlreichen   ähnlichen  Plasmafäden 
gewissermaassen  gestützt.     Letztere  entspringen   aber  nicht  aus  dem   ge- 
schilderten Busch,  sondern  in  zwei  dicht  neben  einander  hinziehenden  Reihen 
längs   der  ganzen    schmalen   Hinterwand   des  Peristoms.     Da  die  beiden 
Falten,  welche  die   Rinne  des  Staborgans   begrenzen ,  in  dessen  vorderer 
Hälfte  allmählich    beträchtlich    divergiren,    so    müssen    auch    die    beiden 
flächenartigen    Züge    feiner    Plasmafäden    in    ihrem    Verlauf  divergiren, 
was  am  besten  in  der  Ansicht  auf  die  Vcntralseite  (14  a)  wahrgenommen 
wird.     Da  sich  nun  weder  an  den  Falten  des  sog.  Staborg;anes,  noch  in 
der  von  ihnen  eingeschlossenen  Rinne  eine  Veränderung  der  Körperwand, 
etwa  eine  membranöse  Verdickung  oder  dergleichen  nachweisen  lässt,  so 
ergibt  sich  aus  vorstehender  Schilderung,  dass  das  Staborgan  ausschliess- 
lich  durch   die  Anheftung   der  geschilderten  Plasmafäden   gebildet  wird 
und  seine  Auffassung  als  ein  festerer,   durch  eine  Verstärkung  der  Mem- 
bran entstandener  Stab  oder  eine  Platte  (worauf  auch  der  Name  hindeutet) 
unzulässig  ist.     Dass   es  sich   als   eine   festere  Region   in  der  Wand  der 
Noctiluca  darstellt,  ist  gewiss  nur  die  Folge  der  in  so  reicher  Zahl  heran- 
retenden  Plasmafäden. 


1(148  Cystoflagellata. 

Da  das  Staborgau  so  verschiedenartige  und  z.  Th.  seltsame  Deutungen  erfuhr,  scheint 
es  nöthig,  die  früheren  Ansichten  eingehender  zu  erörtern,  um  so  mehr,  als  die  oben  gegebene 
Schilderung  von  den  früheren  wesentlich  abweicht.  Bekanntlich  wurde  das  Organ  schon  von 
Verhaeghe  ganz  gut  abgebildet,  aber  erst  von  Busch  geschildert,  welcher  es  als  einen 
„scharfkantigen  Stab"  auffasste,  der  in  das  Innere  der  Noctiluca  hineinrage.  Die  beigegebene 
Abbildung  ist  übrigens  recht  charakteristisch  und  viel  besser  als  manche  spätere,  Quatrc- 
fages  scheint  es  ganz  übersehen  zu  haben. 

Huxley  unterschied  das  Staborgan,  welches  er  als  „dreieckige  Grube  oder  Spalte"  be- 
zeichnete,  nicht   genügend   von   dem  Peristom.     Für  ein  besonderes   stabartiges   Gebilde   hielt 
er  es  jedenfalls  nicht.     Dagegen   glaubte  er,    etwa  in  der  Mitte  seines    Verlaufes  eine   kleine 
trichterförmige  Einsenkung  gefunden  zu  haben,   die  in  Verbindung  mit   dem   Centralplasma 
stehe  (,,Magen"  nach  ihm)  und  vermuthet,  dass  sie  die  Afteröftnung  sei.    Es  scheint  mir  sehr 
wahrscheinlich,  dass  er  etwas  von  dem  grossen  Büschel  von  Plasmafäden  wahrnahm  und  dass 
sich  die  Schilderung  der  trichterförmigen  Einsenkung  hierauf  bezieht.     Webb   scheint   etwas 
schärfer  zwischen  dem  Peristom  und  der  Kinne  des  Staborganes  unterschieden  zu  liaben.    Dem 
Staborgan  selbst  schrieb  er  eine  feste,  hornige   Natur  zu;   auch   er   hat   wohl   etwas   von   den 
Plasmazügen,    die  sich   zu  ihm  begeben,   beobachtet,   doch  ist  seine  Beschreibung  zu  unklar 
und  nicht  genügend  von  Abbildungen  unterstützt,  um  vollkommen  verstanden  zu  werden,   was 
übrigens  für  die  meisten  Schilderungen  des  Staborganes  mehr  oder  weniger  gilt.  —  Zu  einer 
recht  seltsamen  AulTassung   des   fraglichen  Gebildes  kam    Dönitz,   welcher   dem  „Stab  oder 
pfriemenförmigen   Körper"   die  Gestalt   einer   sehr  langgestreckten  dreiseitigen   Pyramide  zu- 
schreibt (also  etwa  wie  eine  dreischneidige   Dolchklinge),   deren  eine   Seitenfläche  im   Niveau 
der , äusseren   Kugelfiäche   liege,   während    die   anderen  ins  Innere  hineinragen.     Dieser  Stab 
„fülle  eine  Kinne  in  der  Schale  aus"  oder,  was  ihm  noch  wahrscheinlicher  dünkt,   „er  über- 
decke einen  Spalt  in  derselben."    Möglicherweise  hat  Dönitz  demnach  etwas  von  den  zutreten- 
den Plasmazügen  gesehen   und   diese   auf  die   inneren   Seitenflächen  eines  pyramidenförmigen 
Stabes  bezogen.     Vignal   dagegen  unterschied  wieder  gar  nicht  zwischen  dem  Peristom  und 
der  Kinne  des  Staborganes  und  scheint  der  Ansicht  zu  sein,  dass  das  ganze  Staborgan  bis  zu 
seinem  Ende  eine  Fortsetzung  der  tiefen  Peristomeinsenkung  sei ;   in  der  ganzen  Einrichtung 
will   er  einen   Stützapparat  für  das   Centralplasma   erkennen.     In  mancher  Hinsicht   mit  der 
Dönitz'schen  Auffassung  übereinstimmend,  ist  die  Stein's,  welcher  das  Organ  für  eine  festere 
leistenartige  Platte  hält,  welche  in  die  Continuität  der  Membran  eingelagert  sei  und  es  daher 
als   „Stabplatte"   bezeichnet.     Eigenthümlicher   Weise   findet   er   es   hinten   abgestutzt   und 
glaubt,  dass  sein  Vorderende  bei  der  Einführung  der  Nahrung  mitwirke.     Von  dem  Peristom 
scheint    Stein    gar    keine    Vorstellung    gehabt    zu    haben,     wesshalb    er    seine    Beziehungen 
zu     dem     Staborgan     nicht     erörterte.      Auch     bei     Cienkowsky    und     Kobin    vermissen 
wir  eine  genauere  Darstellung  des  Organes,    sie   scheinen  beide   nicht  hinreichend   zwischen 
Peristom  und  Staborgan  zu  unterscheiden,  speciell  Robin  scheint  sich  das  Organ  als  eine  Art 
schwächerer  Fortsetzung  der  Peristomeinsenkung  zu  denken,  eine  Auffassung,  welche  übrigens, 
wie  wir  später  sehen  werden,  auch  eine  gewisse  Berechtigung  besitzt;   beide  bemerkten  aber 
die  Beziehungen  des  Organes  zum  Centralplasma  nicht. 

Letztere  Verhältnisse  hat  allein  A  lim  an  ziemlich  richtig  beobachtet,  das  Gesehene 
aber  theüweisc  falsch  gedeutet.  Seltsamer  Weise  beschrieb  er  die  äussere  Beschaffenheit  des 
(3rganes  als  die  einer  schwach  erhobenen  Leiste,  dagegen  erkannte  er  zuerst  den  Busch 
von  Plasmafäden  richtig,  der  sich  vom  Centralplasma  zur  Hinterhälfte  des  Organes  begibt  und 
sah  auch  die  beiden  Züge  von  Fäden,  welche  zu  der  vorderen  Hälfte  gehen,  deutete  sie  aber 
als  Streifen  einer  nach  innen  vorspringenden  „Duplicatur",  welche  die  Körperwand  hier  l)ilde. 
Er  nahm  weiter  an,  dass  im  Staborgan  ein  Kanal  hinziehe,  der  in  der  erwähnten  Dupli- 
catur  ausmünde.  Diese  Einsenkung  und  den  Kanal,  folgert  er  weiter,  könne  man  als  die 
Afteröffnung  betrachten,  zu  welcher  die  Excremente  durch  den  Busch  von  Plasmafäden,  dessen 
feinere  Structur  er  übrigens  niclit  erkannte,  zugeleitet  würden.  Wir  bemerken  bei  dieser  Ge- 
legenheit noch,  dass  auch  Webb  (23)  seiner  Zeit  einen  After  beobachtet  zu  haben  glaubte, 
den  er  jedoch  als  eine  feine,  etwas  hinter  dem  Zahn  in  dem  Peristom  gelegene  Oeffnuug 
abbildet. 


Noctihaa.     Stabojj^aiic  (llibtui'ibchcsX     Plasuiaslrömung'.  1049 

Naclideiu  wir  uns  im  Vorstehenden  über  die  Anordnung  des  Plasmas 
im  Noctiluceukörper  orientirt  haben,  bemerken  wir  nur  noch,    dass   das- 
selbe,    wie    schon    öfters    bemerkt    wurde,     in    beständiger    strömender 
Bewegung    und    Veränderung    begriffen    ist;    wenigstens   gilt  dies   sicher 
für  das  zur  Körperoberfläche  strahlende  Plasmanetzwerk  und  seine  Aus- 
breitung  in   der  Körperwand.     Man   verfolgt  dies   deutlich    an    den   Ver- 
schiebungen der  Einschlüsse  des  Plasmas  und  an  fortwährenden  Verände- 
rungen in  der  Anordnung  des  Netzes;  auch  sieht  man,  wie  die  varicösen 
Anschwellungen    der    feineren    Plasmazüge    an    diesen    hingleiten,    was 
auch    von    den    Pseudopodien    der    Sarkodiueu    bekannt    ist.     Wie    wir 
wissen,  hat  zuerst  Doyere  diese  Verhältnisse  gut  erkannt  und  richtig  ge- 
deutet.    Seine   Darstellung   wurde   dann   bald   von   Quatrefages  bestätigt 
und   die   späteren    Beobachter   hatten    nur   einen   Punkt   in   des   letzleren 
Hehildernng   zu  verbessern.     Quatrefages   (und   ähnlich  später  auch  West 
bei  Brightwell  [24])  glaubte   nämlich   eine   völlige  Uebereinstimmung  des 
Plasmanetzes  mit  der  Pseudopodienbildung  der  Rhizopoden  zu  finden  und 
schilderte    daher    auch   frei   durch    den   Zellsaft   ragende   und   ohne    An- 
heftung endende  Fortsätze  des  Centralplasmas,  ebenso  wollte  er  auch  in 
Zurückziehung  begriffene   Fortsätze   mit   freien  Enden  in   der   Zwischen- 
flüssigkeit  beobachtet    haben.     Diese   Angaben   scheinen  nach  den  über- 
einstimmenden Beobachtungen   von  Dönitz,    AUman   und  Robin  unrichtig 
zu   sein,    da   letztere   nie   frei   endende   Plasmafäden    fanden;    nur   beim 
Zurückziehen  absterbender  Fäden  soll  dies  als  pathologische  Erscheinung 
nach  Robin  wahrzunehmen  sein.     Die  Bildung  neuer  Verzweigungen   der 
Plasmastrahlen  erfolgt  demnach  auch  nicht  nach  Art  des  Hervorwachsens 
von  Pseudopodien,  sondern,  der  allgemeinen  Entstehung  des  Plasmanetzes 
gemäss,  jedenfalls  dadurch,    dass   sich   an  gewissen  Stellen  Flüssigkeits- 
vacuolen   in   demselben   bilden ,   welche   schliesslich    in   den   allgemeinen 
Zellsaft  durchbrechen   und   dadurch   einen  Netzfaden   vom   benachbarten 
Plasma  abtrennen,  welch'  letzterer   nun  durch  Verschiebung   und  Zufluss 
sich  verlängern  und  in  der  mannichfaltigsten  Weise  verändern  kann, 

Dass  sich  auch  die  Centralmasse  des  Plasmas  an  den  Strömungen 
betheiligt,  wird  direct  erwähnt,  indem  auch  ihr  Aussehen  sich  ändert 
und  namentlich  der  Kern  Verschiebungen  erfahren  kann.  Sehr  energisch 
scheinen  übrigens  die  Strömungen  des  Plasmas  nicht  zu  verlaufen,  denn 
Allman  bemerkt,  dass  sie  viel  schwächer  seien  als  in  den  Pflanzenzellen 
gewöhnlich. 

Wie  sich  bezüglich  der  Strömungserscheinungen  die  oben  geschilderten 
Züge  von  Plasmatibrillen  verhalten,  welche  zum  Tentakel,  Zahn  und  Stab- 
organ ziehen,  ist  noch  kaum  erforscht;  nur  Vignal  berichtet,  dass  der  zum 
Tentakel  ziehende  Strang  ganz  starr  und  bewegungslos  sei. 

Wir  können  jetzt  versuchen,  auch  die  Verhältnisse  bei  Leptodiscus 
einer  kurzen  Betrachtung  zu  unterziehen.  Wie  schon  bemerkt  wurde, 
findet  sich  auch  bei  diesem  eine  centrale  Plasmaanhäufung,  welche  im 
Centrum   der   concaven,    dorsalen  Scheibenfläche  liegt,    deren   Membran 


1050  -  Cystoflagellata. 

dicht  angeschmiegt,  oder  nach  unserer  AuflTa.s.sung  einen  Theil  dieser  Wand 
selbst  bildend  (T.  50,  10 e — d).  Der  Durchmesser  dieser  scheibenförmigen 
Plasmaanhäiil'nng  ist  nicht  sehr  beträchtlich;  in  der  Dicke  erreicht  sie 
höchstens  ein  Fünftel  der  Öcheibendicke  Sie  iiraschlicsst  wie  bei  Noctiluca 
den  Kern  und  sendet  radienartig  zahlreiche,  an  ihrem  Beginn  ziemlich 
dicke  Phismastrablen  ans,  welche  längs  der  cuncaven  Körperwand  ver- 
laufen und,  indem  sie  sich  fortgesetzt  verästeln  und  anastomosiren,  über 
diese  ganze  Wand  hin  ein  Piasmamaschenwerk  bilden,  dessen  centrale 
Maschen  etwas  länglich  gestreckt  sind,  während  sie  nach  der  Peripherie 
allmählich  kürzer  und  breiter  werden  (lOd).  Hertwig  bemerkt  ausdrücklich, 
dass  sich  innerhalb  der  grösseren  Maschen  noch  ein  feineres  Netzwerk 
finde.  Im  Allgemeinen  begegnen  wir  also  in  der  concaven  Körperwand 
des  Leplodiscus  einem  Bau,  wie  ihn  die  gesammte  Körperwand  der  Nocti- 
luca darbietet.  Anders  verhält  sich  aber  die  convexe,  ventrale  Körper- 
wand. Sowohl  von  dem  Centralplasma  wie  von  den  stärkeren  radialen 
Balken  des  dorsalen  Netzwerkes  erheben  sich  ungemein  zahlreiche  Plasma- 
fäden, oder  von  der  Centralmasse  auch  dickere  Züge,  welche  gerade  durch 
die  Scheibe  hindurch  zu  der  Ventralseite  aufsteigen  (10  e).  Im  peripheren  Theil 
der  Leptodiscusscheibe  sind  sie  unverästelt ;  die  centraleren  dagegen  ver- 
ästeln sich  in  ihrem  Verlauf.  Alle  Endästchen  heften  sich  schliesslich  an 
die  ventrale  Körperwand.  Die  Fäden  durchsetzen  die  glashell  durchsichtige 
Zwischenmasse,  welche  sich  auch  hier  findet,  aber  nach  Hertwig,  im  Gegen- 
satz zu  den  Verhältnissen  bei  Noctiluca,  nicht  flüssig,  sondern  von  gallert- 
artiger Consistenz  sein  soll.  Jedes  Plasmafädchen  soll  an  seiner  Be- 
festigungsstelle an  der  Ventralvvand  eine  etwas  merkwürdige  Beschaffen- 
heit aufweisen.  Es  scheint  sich  nämlich  nicht  direct  an  die  sog.  Mem- 
bran derselben  zu  heften,  sondern  je  an  ein  kleines  stäbchenförmiges 
Körperchen,  das  senkrecht  zur  Körperwand  nach  innen  vorspringt. 
Da  Hertwig  jene  Körperchen,  die  in  der  Ansicht  auf  die  Fläche 
als  kleine,  hellleuchtende  Kreise  erscheinen,  bei  der  Schilderung  der 
Membran  erwähnt,  so  scheint  er  sie  als  Theile  derselben  zu  betrachten. 
Ich  muss  gestehen,  dass  ich  mir  zunächst  keine  rechte  Vorstellung  von 
der  Natur  dieser  Gebilde  machen  kann. 

Von  einem  Plasmanetzwerk  der  ventralen  Körperwand  soll  sich  nach 
Hertwig  nichts  finden,  doch  hob  ich  schon  bei  der  Besprechung  der 
Membran  hervor,  dass  deren  angebliche  Structur  möglicherweise  auf 
ein  sehr  feines  Plasmanetzwerk  zurückzuführen  sei.  Sollte  sich 
dies  bestätigen,  so  verhielte  sich  also  die  ganze  Ventralseite  des  Lepto- 
discus  ähnlich,  wie  bei  Noctiluca  die  Gegend  um  den  Eingang  des  Pe- 
ristoms  und  dessen  Wand. 

In  der  centralen  Hälfte  der  concaven  Körperwand  beobachtete  Hert- 
wig noch  eine  weitere  Structureigenthündichkeit,  über  welche  er  aber 
nicht  hinreichend  klar  wurde.  Etwa  in  der  Entfernung  des  halben  Radius 
vom  Centrum  nimmt  man  an  dieser  Wand  eine  Kreislinie  wahr,  welche  von 
feinen  Körnchen  gebildet  werden  soll  (10  d).   An  günstigen  Präparaten  ge- 


Leptodiscus.    Anordn.  u.  Structur  des  Plasmas.  —  Noctiluca.    Färbung.  1051 

lang  es  mm  vini  dieser  Linie  nach  dem  Centriini  (eine,  sehr  dicht  neben 
einander  radiär  vcrlaul'ende  Plasmafibrillcu  in  der  Körperwand  zu  ver- 
folgen. Hertwig  verniuthot,  dass  dieselben  vielleicht  contractilc  Fibrillen 
seien,  wie  sie  im  Ectoplasma  anderer  Protozoen  gefunden  wurden,  doch 
blieb  er  unsicher,  ob  die  Fibrillen  nicht  etwa  nur  die  schon  beschrie- 
benen, bei  Contrahirten  Exemplaren  sehr  dicht  zusammengerückten  ra- 
dialen Plasmazügc  der  Ventralseite  seien.  Letztere  Ansicht  scheint  mir 
zwar  beim  Vergleich  seiner,  bei  derselben  Vergrijsserung  gezeichneten  Fi- 
guren der  Züge  und  Fibrillen  wenig  wahrscheinlich ,  doch  lässt  sich 
schwer  sagen,  wie  sich  die  Fibrillen  zu  den  Plasmamaschen  verhalten 
sollen,  wenn  beide  verschieden  von  einander  sind.  Wie  bemerkt,  bean- 
sprucht Hertwig  diese  Fibrillen,  möge  ihre  morphologische  Deutung 
nun  sein,  wie  sie  wolle,  als  contractile  Elemente,  durch  welche  die  Zu- 
sammenziehung und  Wölbung  der  medusenförmigen  Leptodiscusscheibe 
bewirkt  werde.  In  diesem  Punkt  können  wir  aber  seiner  Auffassung 
wohl  schwerlich  beistimmen,  denn  so,  wie  die  Fibrillen  liegen  und  ver- 
laufen, können  sie  bei  der  Contraction  unmöglich  eine  Zusammenziehung, 
sondern  müssen  vielmehr  eine  Ausbreitung  des  Schirmes  bewirken,  üass 
sie  nun  letzteres  thatsächlich  thun,  scheint  nicht  unmöglich. 

Endlich  haben  wir  noch  einer  vom  Centralplasma  ausgehenden 
Bildung  zu  gedenken,  welche  am  meisten  au  den  Fibrillenbusch  erinnert, 
der  sich  bei  Noctiluca  zu  dem  hinteren  Theil  des  Staborganes  begibt. 
Es  ist  dies  ein  breiter,  platter  Strang  feiner  plasmatiscber  Fibrillen,  wel- 
cher vom  Centralplasma  geraden  Wegs  zum  Grunde  der  Einstülpung 
zieht,  die  wir  schon  früher  auf  das  Staborgan  der  Noctiluca  bezogen 
haben  (10 d,  p).  Hertwig  lässt  es  etwas  zweifelhaft,  ob  die  Fibrillen 
dieses  Stranges  wirklich  plasmatiscber  Natur  sind,  doch  glaube  ich,  dass 
wir  dies,  nach  den  Erfahrungen  bei  Noctiluca,  getrost  annehmen  dürfen. 

3.  Färbung  des  Plasmas.  Bei  mikroskopischer  Betrachtung 
scheint  das  Plasma  der  Noctiluca  ganz  farblos,  namentlich  sind  die  Plasma- 
strahlcn,  wie  die  verschiedenen  Autoren  versichern,  ganz  durchsichtig  und 
farblos.  Die  zahlreichen  Einschlüsse,  welche  im  Plasma  vorkommen  können, 
verleihen  der  Centralpartie  gewöhnlich  eine  gelbliche  bis  bräunliche  Fär- 
bung. Dennoch  scheint  es  mir  möglich,  dass  das  Plasma  selbst  eine 
sehr  schwache  Färbung  besitze.  Zahlreiche  Beobachter  (Suriray,  Ma- 
cartney,  Byerly  [bei  Webb],  Dönitz,  Vignal  und  Pouchet)  versichern  näm- 
lich, dass  eine  dickere  Schicht  von  Noctilucen,  wie  sie  an  der  Meeres- 
oberfläche häutig  gefunden  wird,  röthlich  gefärbt  erscheine.  Man  könnte 
zwar  annehmen,  dass  diese  Färbung  ganz  auf  Rechnung  der  Plasma- 
eiuschlüsse  zu  setzen  wäre,  was  auch  Robin  behauptet,  doch  linden  sich  unter 
diesen,  soweit  bekannt,  keine  von  röthlicher  Farbe.  Ich  halte  es  daher 
für  möglich,  dass  das  Plasma  eine  sehr  zarte  röthliche  Färbung  besitzt, 
welche  erst  in  dickerer  Schicht  deutlich  erkennbar  wird ;  wir  lernten  ja 
eine  ganze  Anzahl  mariner  Dinotlagellaten  kennen,  welche  eine  solche 
Plasmafärbung  zeigen. 


1052  Cystoflagcllata. 

Der  Körper  des  Leptooliscus  ist  ganz  durchsichtig,  wasserldar,  nur 
das  Centralplasnia  erscheint  als  ein  wcisslicher  Punkt.  Anf  der  eonvexen 
Scheibenseite  ist  ein  irisirender  Schimmer  bcmerlibar,  der  möglicherweise 
auf  den  erwähnten  besonderen  Striicturverhältnissen  der  Wand  dieser 
Seite  beruht. 

4.  Plasmaeinschlüsse.  Unter  diesen  treten  uns  fett-  und  eiweiss- 
artige  entgegen,  doch  sind  die  Untersuchungen  über  dieselben  bis  jetzt 
noch  wenig  ausführlich. 

Sowohl  im  Centralplasma  der  Noctiluca  wie  in  den  Plasmastrahlen 
und  namentlich  in  dem  Netz  der  Körperwand  trifft  man  zahlreiche  stark 
lichtbrechende  und  nach  Robin  gelbliche  bis  orangegelbliche  Körnchen 
on  rundlicher  bis  länglicher  Gestalt;  auf  ihnen  beruht  die  gelbliche  bis 
bräunliche  Färbung  des  Centralplasmas.  Sie  finden  sich  stets  in  den 
Plasmaiäden  oder  sind  denselben  scheinbar  angefügt;  wenn  man  sie 
anscheinend  frei  in  den  Maschen  der  Körperwand  beobachtet,  so  ist  dies 
nur  eine  Täuschung,  sie  liegen  dann  in  dem  feinen  Netzwerk,  welches, 
wie  bemerkt,  diese  Maschen  noch  erfüllt.  Leider  wurde  die  Natur  dieser 
Einschlüsse  noch  nicht  sicher  gestellt.  Mittels  Karminfärbung  konnte 
Vignal  zwei  Arten  von  körnigen  Einschlüssen  unterscheiden ,  indem 
sich  die  einen  färbten,  die  anderen  ungetärbt  blieben.  Erstere  vergleicht 
er  den  Dotterplättchen  niederer  Wirbelthiere  und  hält  sie  demnach  auch 
wohl  für  eiweisshaltig.  Ich  kann  hierzu  bemerken,  dass  ich  im  Central- 
plasma conservirter  Noctilucen  häufig  polyedrische,  blättchenartige  Körper- 
chen fand,  welche  sich  also  dieser  Auffassung  anschliessen  würden.  Leider 
vässt  nun  aber  Vignal  zweifelhaft,  welche  Art  dieser  Einschlüsse  den  erst 
geschilderten,  im  lebenden  Wesen  zu  beobachtenden  Granulationen  ent- 
spreche. —  Ausserdem  findet  man  nun  aber  im  Plasma  recht  häufig  auch 
grössere  Fetttropfen  (bis  0,01  Mm.  Durchm.),  wie  durch  ihre  Osmium- 
säurereaction  und  Färbung  mit  Quinolein  sicher  gestellt  wurde  (Vignal). 
Robin  hat  derartige  Fetttropfen  manchmal  so  reichlich  im  Centralplasma 
gefunden,  dass  dasselbe  viel  umfangreicher  wie  gewöhnlich  erschien. 
Reich  mit  solchen  Tropfen  versehene  Noctilucen  sollen  nach  diesem  For- 
scher den  von  Busch  zu  einer  besonderen  Art,  Noctiluca  punctata,  er- 
hobenen Individuen  zu  Grunde  gelegen  haben.  Von  einer  besonderen 
Färbung  der  Fetttropfen  wird  nichts  berichtet,  wogegen  Allman  zu- 
weilen zahlreiche  ,, gelbbraune  ölähnliche  Tropfen'^  in  der  peripherischen 
Schicht  des   Centralplasmas   gefunden   haben   will. 

Entsprechenden  Einschlüssen  begegnen  wir  nach  Hertwig  auch 
bei  Leptodiscus.  Fettkügelchen  finden  sich  spärlich  in  dem  „nahezu 
homogenen  Plasma^';  eine  zweite  Art  von  Einschlüssen,  welche  auch 
Hertwig  den  Dotterplättchen  vergleicht,  findet  sich  nur  an  der  Innen- 
seite der  eonvexen  Körperwand,  und  zwar  reichlicher  gegen  die  Peri- 
pherie hin,  sowie  um  den  Eingang  der  von  uns  auf  das  Staborgan 
bezogenen  Einsenkung.  Es  sind  mattglänzende  Kugeln  von  etwa 
0,003   Durchra.,    welche   sich  weder  mit   Karmin  lärben  noch   bei  Essig- 


Plasmaoinschlussc.     Nuclcus.  1053 

sänrezusatz  geriniieu.  llertwig  liiilt  sie  für  Eiwcisskiigelii  mit  ge- 
ringem Fettgehalt,  was  ich  nach  den  angegebenen  Reactioneu  nicht 
recht  verstehe. 

Vacuolen  bilden  sich  sehr  häufig  im  Plasma  der  Noctiluca  und 
treten  auch  zeitweilig  in  dem  des  Leptodiscus  auf.  Dieselben  scheinen 
durchaus  gewöhnliche  Flüssigkeitsvacuolen  von  nicht  contractiler  Natur 
zu  sein.  Sie  kommen  eben  sowohl  im  Centralplasma  wie  in  den  Plasma- 
strahlen und  dem  peripherischen  Maschenwerk  der  Noctiluca  vor;  an 
letzterem  Ort  sind  sie  natürlich  klein.  Mit  den  Strömungen  des  Plasmas 
werden  die  Vacuolen  gleichfalls  umher  geführt.  Vignal  will  auch  beob- 
achtet haben,  dass  gelegentlich  mehrere  Vacuolen  zu  einer  grösseren 
zusammenfliessen  und  umgekehrt  auch  eine  Vacuole  zuweilen  in  kleinere 
zerfalle. 

Nahrungsvacuolen.  Alle  durch  den  Mund  in  das  Centralplasma 
der  Noctiluca  aufgenommenen  Nahrungskörper  werden  darin  von 
Nahrungsvacuolen  umschlossen,  über  deren  Entstehung  noch  nichts 
bekannt  ist.  Es  bleibt  also  zweifelhaft,  ob  die  meist  nicht  sehr  ansehn- 
liche Flüssigkeitsmenge,  welche  den  Nahrungskörper  umgibt,  vom  Plasma 
ausgeschieden  wird,  was  ich  in  diesem  Fall  für  wahrscheinlicher  halte, 
oder  ob  sie  gleichzeitig  mit  der  Nahrung  von  aussen  aufgenommen  wird. 
Jedenfalls  bilden  sich  die  Nahrungsvacuolen  ursprünglich  im  Centralplasma 
und  treten  erst,  wie  es  sehr  gewöhnlich  geschieht,  aus  diesem  auf  die 
Plasmastrahlen  über.  Je  nach  der  Grösse  der  verschlungenen  Nahrungs- 
körper schwankt  auch  das  Volum  der  Vacuolen  und  da  nicht  selten  Körper 
verschlungen  werden,  die  den  Durchmesser  der  Noctiluca  nahezu  erreichen, 
so  können  sich  unter  Umständen  Vacuolen  bilden,  welche  die  Noctiluca- 
blase  fast  erfüllen.  Nur  Vignal  will  beobachtet  haben,  dass  diese  Vacuolen 
von  einer  deutlich  doppelt  contourirten  Membran  umschlossen  seien ,  ob- 
gleich auch  er  an  ihrem  Entstehen  und  Entleertwerden  mit  der  Ausstossung 
der  unverdauten  Nahrungsreste  nicht  zweifelt.  Mag  es  sich  nun  bei  dieser 
Beobachtung  nur  um  ein  gegen  die  Flüssigkeit  der  Vacuole  verdichtetes 
Oberflächenhäutchen  des  Plasmas  gehandelt  haben  oder  um  ein  optisches 
Phänomen,  jedenfalls  können  wir  für  die  Nahrungsvacuolen  der  Noctiluca, 
so  wenig  wie  für  die  anderer  Protozoen  die  Existenz  einer  besonderen 
Membran  zugeben. 

Bei  Leptodiscus  wurde  die  Bildung  besonderer  Nahrungsvacuolen 
nicht  beobachtet. 

5.  Nu  eleu s.  Die  Cystoflagellaten  wurden  bis  jetzt,  wie  die  Masti- 
gophoren  gewöhnlich ,  nur  einkernig  gefunden.  Der  im  Verhältniss  zu 
der  Grösse  der  Wesen  nicht  sehr  ansehnliche  Kern  liegt,  wie  bemerkt, 
stets  im  Centralplasma  und  ist  von  kugliger  bis  ellipsoidischer  Gestalt. 
Nach  den  Angaben  Vignal's  und  Robin's  nimmt  seine  Grösse  meist  ziemlich 
entsprechend  den  Grössenverhältnissen  der  Noctiluca  zu  und  wächst  bis 
O.df)  heran.  Eine  deutliche  Kernmembran  (nach  Hertwig  bei  Lepto- 
discus relativ  dick  und  dopi^elt  contourirt)  ist  vorhanden. 


1054  Cystoflagellata. 

Die  Structur  des  Noctilucakernes  ist  leider  noch  nicht  genügend  er- 
forscht. Die  Beobachter  stimmen  darin  üherein,  dass  der  lebende  Kern 
ganz  hell,  diirohsichtig  und  liomogen  erscheine.  Vignal  behauptet  sogar, 
dass  der  Nucleus  im  lebenden  Zustand  gar. nicht  sichtbar  sei,  eine  jeden- 
falls irrthümliche  Angabe.  Die  meisten  Forscher  wollen  nun  auch  nach 
der  Behandlung  mit  Reagentien  eine  feinere  Kernstructur  vermisst  haben, 
und  nehmen  also  au,  dass  der  Nucleus  aus  einer  ganz  homogenen  Sub- 
stanz bestehe,  so  noch  Vignal  und  Robin.  Schon  M.  Schultze  berichtete 
jedoch,  dass  der  Kern  aus  zahlreichen  zart  contourirten,  kugligen  Gebilden 
zusammengesetzt  sei,  wogegen  Cienkowsky  diese  Erscheinung  in  folgender 
Weise  zu  erklären  versuchte.  Gewöhnlich  werde  der  Kern  von  einem 
gleichmässigen  „protoplasmatischen  Inhalt''  erfüllt;  „beobachte  man  diesen 
aber  anhaltend,  so  werde  man  bald  gewahr,  dass  er  mitunter  Form- 
veränderungen zeige.  Oft  ziehe  er  sich  von  der  Nucleuswand  zurück, 
bilde  Stränge  und  verzweigte  Strahlen,  die  nach  einer  Weile  wieder  ein- 
gezogen würden  (49,  14 d).  Diese  protoplasmatischen  Fortsätze  erschienen 
nun,  wenn  sie  senkrecht  zum  Beobachter  zu  stehen  kämen,  wie  KJirpcrchen 
von  verschiedenen  Umrissen  und  Grössen."  Wir  dürfen  uns,  wie  gesagt, 
nach  diesen,  bis  jetzt  vorliegenden  Mittheilungen  keiner  genügenden 
Kenntniss  des  Noctilucakernes  rühmen. 

Bei  Leptodiscus  hat  Hertwig  die  Kernstructur  etwas  genauer 
untersucht.  Die  Kerusubstanz,  welche  die  Membran  ganz  erfüllt,  ist 
gewöhnlich  deutlich  in  zwei  ungleich  grosse,  durch  eine  ziemlich  scharfe 
quere  Linie  begrenzte  l^artien  gesondert,  von  welchen  die  kleinere  eine 
homogene,  die  grössere  eine  fein  granulirte  Beschaffenheit  besitzt  (50,  lOf); 
die  homogene  Partie  imbibirt  sich  rascher  mit  Carmin  wie  die  granulirte. 
Aehnliche  Structurverhältnisse  sind  uns  schon  am  Kern  gewisser  llhizo- 
poden  begegnet  und  finden  sich  auch  am  Keimbläschen  mancher  Eier. 
Ich  vermuthe,  dass  sich  bei  genauerer  Untersuchung  diese  Structur- 
verschiedenheit  der  Kernsubstanz  in  der  Art  erklären  wird,  dass  die  an- 
scheinend homogene  Partie  einen  sehr  feinnetzigen,  die  granulirte  einen 
gröber  netzigen  Bau  besitzt.  Hertwig  beobachtete  jedoch  auch  einige 
Male  einen  etwas  abweichenden  Bau,  der  nach  seiner  Vermuthuug  viel- 
leicht mit  Theilungsvorgängen  der  Kerne  zusammenhängt.  In  einem  Fall 
waren  in  der  granulirten  Substanz  eine  Anzahl  dichterer  nucleolusartiger 
Körpercheu  vorhanden,  in  einem  anderen  flOg)  war  die  gewöhnliche  Kern- 
structur ganz  verschwunden :  in  einem  reichlich  vorhandenen  Keinsaft  fand 
sich  ein  grösseres  kugliges  Körperchen,  aus  einer  dichteren  Hiiidensubstanz 
und  einem  kleinen  nucleolusartigen  Gebilde  in  der  inneren  Saftli(»hle  be- 
stehend und  daneben  in  dem  Kerusaft  noch  einige  verschieden  grosse 
nucleolusartige  Gebilde. 

Bei  Noctiluca  ergaben  nun  die  Untersuchungen  Robin's,  dass  die 
Tlieilung  des  Kernes  sehr  gut  mit  dem  Schema  der  indirecten  Theilung 
tibereinstimmt,  wir  glauben  jedoch  die  hierüber  vorliegenden  Erfahrungen 


i 


i 


Nuclmis.     Perisfoinorgaiiü   Ijoi  Noctiliua.  105f) 

besser  erst  bei  der  Bcspicclinng  der  Fortpflanzungserscbeiming-en  er(trtern 
zu  sollen. 

G.  Das  Peristora  und  die  in  ihm  befindlicb  en  Organe, 
Von  der  allgemeinen  Lage  und  Gestalt  des  Peristoms  gaben  wir  schon 
früher  eine  Schilderung,  die  wohl  geniigen  wird;  dagegen  müssen  wir  die 
in  ibm  befindlichen  wichtigen  Organe  noch  etwas  genauer  nach  ihrer 
Lage  und  Beschaffenheit  betrachten. 

Nach  meinen  Erfahrungen  erstreckt  sich  die  langspaltförmige,  ganz 
schmale  Mund  Öffnung  über  den  ganzen  Boden  des  Peristoms  hin,  so- 
weit derselbe  mit  dem  eigentlichen  Centralplasma  in  Berührung  steht,  also 
etwa  von  der  hinteren  Grenze  der  sog.  Lippe  bis  an  die  hintere  Peristom- 
wand  (49,  14  a,  m).  Hier  geben  eben  die  Wände  des  Peristoms  direct  in  das 
undiflferenzirte  Centralplasma  über,  welches  an  dieser  Stelle  nackt  und  offen 
liegt.  Man  kann  diese  spaltförmige  Mundöffnung  bei  günstigem  Einblick 
in  das  Peristom  ganz  gut  sehen.  Zwischen  der  Basis  der  Bandgeissel 
und  der  Lippe,  wohin  fast  alle  früheren  Beobachter  das  Cytostom  ver- 
legen, konnte  ich  nie  etwas  von  einer  Oefifnung  wahrnehmen.  Gegen 
eine  solche  Lage  spricht  auch  der  Umstand ,  dass  das  Centralplasma  in 
diese  Gegend  gewöhnlich  nicht  mehr  reicht,  vielmehr  zieht  hier  am  Boden 
des  Peristoms  der  Fibrillenstrang  hin,  welcher  sich  zu  der  Basis  der  Band- 
geissel und  dem  Zahn  begibt. 

Ein  Mund  wurde  zum  ersten  Male  von  Krolin  genauer  gescliildert,  als  eine  grosse  rund- 
liche Oeifnung,  welche  sich  zwischen  der  Basis  der  Bandgeissel  und  dem  Ursprung  der  Iiiiiteren 
(ieissel  erstrecke.  Ihm  schloss  sich  Huxley  innig  an  und  zeichnete  eine  womöglieli  noch 
weitere  und  grössere  Oetf'uung  an  der  gleichen  Stelle.  Auch  die  späteren  Beobacliter,  mit 
Ausnahme  von  Cienkowsky,  verlegen  das  Cytostom  an  diesen  Ort,  doch  ist  es  nach  Eobin 
nicht  eine  weite  rundliche  Oeflnung,  sondern  ein  schmaler  Längsspalt.  Eigenthümlich  ist  die 
Darstellung  Allman's;  nach  ihm  ist  das  Cytostom  eine  rundliche  Oeffnung  dicht  hinter  der 
Basis  der  Bandgeissel  und  diese  führe  in  einen  ziemlich  langen  röhrenförmigc^n  Schlund,  auf 
dessen  Grund  die  hintere  Geissei  entspringe,  welche  der  Mundöffnung  zu  gerichtet  sei.  Von 
der  äusseren  Wand  dieses  Schlundes  entspringe  der  Zahn  und  rage  in  ihn  hinein.  Ich 
kann  mir  diese  Schilderung  nur  so  erklären,  dass  Alhnan  die  Leiste,  von  welcher  sich  der 
Zahn  erhebt,  in  der  seitlichen  Ansicht  des  Peristoms  für  die  äussere  Grenzwand  eines  Schlund- 
rohres gehalten  hat  und  dadurch  auch  zu  der  Vorstellung  von  der  Lage  der  Mundöllhiing 
hinter  der  Basis  der  Bandgeissel  kam.  Als  scheinbare  Umgrenzungen  dieser  MundöHiiung 
deutete  er  wohl  z.  Th.  die  Basalleisten  der  Bandgeissel.  Für  ganz  unrichtig  lialte  ich  auch 
die  Angaben  Stein's  über  das  Cytostom.  Was  er  als  solches  beschreibt,  kann  nur  das  Falten- 
oder Leistensystem  sein,  welches  sich  mehr  oder  weniger  kenntlich  von  der  Basis  der  Band- 
geissel zu  dem  Zahn  hinzieht. 

Auch  bei  Cienkowsky  vermissen  wir  eine  genauere  Beschreibung  des  Cytostonis,  nament- 
lich ist  es  auf  seinen  Abbildungen  gar  nicht  dargestellt,  doch  deutet  die  Bemerkung,  dass  es 
sich  auf  dem  Grunde  der  trichterförmigen  Einsenkung  (des  Peristoms)  linde  und  die  Thatsaclie, 
dass  es  auf  den  Abbildungen,  welclie  die  Kegion  vor  dem  eigentlichen  Mund  darstellen,  nicht 
angegeben  ist,  darauf  hin,  dass  C.  wohl  richtig  beobachtet  hat. 

Die  sog.  Bandgeissel  oder  der  Tentakel  ist  das  am  weite- 
sten vorn,  etwa  mitten  zwischen  dem  Vorderrand  des  Peristoms  und  dem 
Vorderendo  der  Mundöffnung  entspringende  Organ  (49,  14  a— b,  t).  Im 
nicht  retr.^hirten  Znstande  ragt  es  weit  aus  dem  Peristom  heraus,  indem  es 


1056  Cystoflagellata. 

eiue  Lauge  vou  duicbsclmittlich  dem  halben  Köipeidiuebniesser  erreicht. 
Es  soll  zwar  nach  den  Angaben  und  den  Abbildungen  einiger.  Autoren 
auch  bis  zum  Durchmesser  des  Körpers  und  mehr  heranwachsen,  doch 
halte  ich  das  für  ungewöhnlich,  wenn  überhaupt  vorkommend. 

Die  Bandgeissel  ist  ein  contractiles  Organ,  daher  in  ihrer  Gestalt 
wechselnd,  bald  gestreckt,  bald  mehr  oder  minder  eingerollt.  An  ihrer 
Basis  erreicht  sie  eine  Breite  von  0,04  und  verschmälert  sich  allmählich 
nach  dem  Ende  zu,  welches  aber  doch  noch  ziemlich  stumpf  ist.  Sie  ist 
im  Querschnitt  nicht  cylindrisch,  sondern  mehr  oder  weniger  bandförmig 
abgeplattet  (50;  ll,d)  und  so  befestigt,  dass  der  grössere  Querdurchmesser 
quer  zum  Peristom  gerichtet  ist.  Dabei  sind  aber  ihre  beiden  Breitseiten  nicht 
gleich  gebildet,  sondern  die  nach  dem  Mund  schauende  ist  rinnenförmig 
vertieft  oder  ausgehöhlt,  die  abgewendete  dagegen  schwach  vorgewölbt. 
Allman  will  auch  bemerkt  haben,  dass  die  rinnenförmige  Aushöhlung  ver- 
änderlich ist,  dass  sich  nämlich  die  beiden  Ränder  soweit  nähern  kJhmen, 
indem  sich  die  Rinne  vertieft,  bis  sie  einen  fast  geschlossenen  Kanal 
herstellen.  Es  ist  ja  nicht  unmöglich ,  dass  die  Bandgeissel  auch 
in  der  Qnerrichtung  eine  solche  Contractilität  besitzt  wie  in  der  Längs- 
ansdehnung. Nach  dem  Ende  zu  soll  sich  die  Abplattung  allmählich  ver- 
lieren, der  Querschnitt  also  mehr  rund  werden. 

Das  gesammte  Organ  ist  ein  Auswuchs  des  Körperplasmas  und  seine 
Verbindung  mit  der  Centralmasse  desselben  haben  wir  schon  früher  kennen 
gelernt.  Doch  zeigt  das  Plasma,  welches  die  Bandgeissel  bildet,  beson- 
dere Differenzirungen,  die  jedenfalls  mit  ihrer  Function  in  Zusammen- 
hang stehen.  Zunächst  ist  an  ihr  eine  membranartige  äussere  Umhüllung 
recht  wohl  zu  erkennen  und  an  günstigen  Präparaten  konnte  ich  mich 
überzeugen,  dass  diese  Llülle  eine  zwar  äusserst  feine,  doch  ganz  deut- 
liche Querringelung  besitzt  (50,  11,  cut).  Das  innere  Plasma  grenzt  sich 
wenigstens  an  Osmiumsäurepräparaten  ziemlich  scharf  durch  einen  kleineu 
Zwischenraum  von  der  Membran  ab  und  erfüllt  das  Organ  völlig;  das- 
selbe ist  also  nicht  hohl,  wie  verschiedene  ältere  Beobachter  angaben. 
Dies  Plasma  erweist  sich  nun  auch  von  netziger  Structur,  doch  mit  ver- 
schiedener Beschaffenheit  der  ausgehöhlten  und  der  convexen  Seite.  Auf 
der  ersteren  (cnc)  ordnen  sich  die  Plasmafäden  so,  dass  sie  in  geringen 
Abständen  regelmässig  quer  und  parallel  zu  einander  ziehen,  worauf  die 
Qnerstreifung  des  Organs  beruht.  Jedes  quere  Fädchen  besitzt  in  regu- 
lären Abständen  eine  Anzahl  varicöser  knötchenartiger  Verdickungen  und 
alle  entsprechenden  Verdickungen  sind  in  der  Längsrichtung  durch  feinere 
Fädchen  mit  einander  verbunden.  Die  Dififerenzirung  der  concavcn  Seite 
ist  also  im  Allgemeinen  derart,  dass  sich  die  im  gewöhnlichen  Plasma 
unregelmässige  Netzstructur  zu  einer  regelmässigen,  mit  viereckigen 
Maschen  umgestaltet  hat.  Auf  der  convexen  Seite  findet  sich  dagegen  ein 
Netzwerk  von  unregelmässigerer  Bildung  (cov),  so  dass  hier  keine  Querstrei- 
fung hervortritt.  Betrachtet  man  den  optischen  Durchschnitt  des  Tentakels  (d), 
so  bemerkt  mau,  dass  das  Netzwerk  der  beiden  Seiten  nicht  unverbunden 


Noctiliica  (Bau  der  Bandgeissel).  -  1057 

ist,  sondeiu  dass  die  Knotenpunkte  beider  Netzwerke  durch  Fädchen, 
welche  in  der  Dickeurichtung-  der  Geissei  ziehen,  unter  einander  ver- 
bunden shid. 

Die  älteren  Beobachter  (namentlich  Quatrefages)  verlegten  die  Quorstreifung  in  die  Mem- 
bran der  Bandgeissel  und  Blainville  wollte  sie  auf  quere  Muskelfasern  beziehen.  Krohn  be- 
tonte dagegen  zuerst,  dass  die  Streifung  ihren  Sitz  im  Innern  ]ial)e.  Schon  frühzeitig  wurde 
der  Gedanke  ausgesprochen,  dass  diese  Structur  mit  der  der  qnergestreifter  Muskelfasern 
vergleichbar  sei;  namentlich  Vignal  versuchte  durch  seine  Beobachtungen  über  den  feineren 
Bau  der  Bandgeissel  eine  solche  Auffassung  zu  befestigen.  Nach  ihm  soll  die  Streifung 
daranf  beruhen ,  dass  an  der  Concavseite  der  Bandgeissel  eine  Längsreihe  von  rechteckigen, 
stärker  färbbaren  Querstreifen  oder  Kästclien  hinziehe,  welche  durch  sclimälere,  nicht  gefärbte 
Zwischenräume  von  einander  getrennt  werden.  Auf  der  convexen  Seite  findet  er  eine  Lage 
von  Granulationen.  Ich  muss  gestehen,  dass  ich  ausser  Stande  bin,  den  von  mir  beobachteten 
Bau  mit  den  Angaben  Vignal's  in  Einklang  zu  bringen ,  doch  habe  ich  keinen  Grund 
desshalb,  an  den  selir  deutlich  gescbtinen  Verhältnissen  zu  zweifeln.  Die  Bauweise,  welche 
sich  aus  meinen  L'ntersucliungen  ergibt,  scheint  zu  beweisen,  dass  sich  die  Querstreifung 
der  Bandgeissel  nicht  mit  den  complicirteren  Einrichtungen  des  quergestreiften  Muskels ,  son- 
dern der  Anordnung  des  Plasmanetzwerkes  in  den  gewöhnlichen,  glatten  Muskelfasern  ver- 
gleichen lässt ,  welche  nach  meinen  Erfahrungen  häufig  dieselbe  ist  wie  die  der  Concavseite 
der  Bandgeissel.  Dies  Eesultat  harmonirt  denn  auch  besser  mit  der  allgemeinen  Ürganisations- 
stufe,  welche  die  Noctiluca  erreicht. 

Erst  Huxley  beobachtete  deutlich,  dass  sich  an  der  Basis  der  Band- 
geissel, wo  dieselbe  in  die  Wände  und  den  Boden  des  Peristoms  über- 
geht, eigenthüniliche  Verhältnisse  finden,  von  welchen  auch  schon  Krohn 
etwas  bemerkt  halte.  Namentlich  entdeckte  ersterer  den  sogen.  Zahn 
(14  a— c,  Z),  welcher  in  einem  gewissen  Zusammenhang  mit  der  Tentakel- 
basis steht  und  schilderte  denselben  schon  recht  gut.  Cienkowsky  aber 
gab  zuerst  in  seiner  zweiten  Abhandlung  eine  genauere  Darstellung  der 
ganzen  Einrichtung,  von  welcher  Robin's  Schilderung  nicht  wesentlich 
abweicht.  Zunächst  bemerkt  man,  dass  die  beiden  seitlichen  Ränder  der 
Bandgeissel,  da  wo  sie  die  Klirperwand  erreichen,  je  in  eine  ziemlich 
rechtwinklig  zu  der  Längsaxe  des  Peristoms  verlaufende,  schwache 
leistenartige  Verdickung  der  Körperwand  übergehen,  die  einen  etwas  ge- 
schwungenen Verlauf  nehmen  und  sich  endlich  verschmälernd  verlieren 
(14a,  14  c,  a  u.  bc).  Weiter  sieht  man  aber  gewöhnlich  von  dem 
linken  Basalrand  der  Bandgeissel  noch  eine  zweite  ähnliche  Leiste  ent- 
springen (14  e,  b),  welche  ihren  Verlauf  nach  der  rechten  Peristomwand 
nimmt  und  längs  dieser  hinzieht,  um  in  den  freien  nach  dem  Peristom- 
iuneren  schauenden  Rand  der  Zahnlamelle  überzugehen.  Eine  ähnlich 
verlaufende  Leiste  wird  zuweilen  beschrieben,  welche  von  der  rechten 
Basis  der  Bandgeissel  ausgeht,  und  parallel  der  ersteren  verlaufend,  sich 
gleichfalls  zu  der  Zahnleiste  begibt,  um,  wie  es  mir  scheint,  in  die  Basis 
derselben  überzugehen.  Alle  geschilderten  Leisten  erscheinen  etwas 
gelblich  und  wurden  von  Cienkowsky  sehr  unglücklich  als  Borsten  be- 
zeichnet. Robin  hält  sie  für  Verdickungen  der  Membran;  ich  glaube, 
da>ss  sie  wie  die  beiden  Falten  oder  Leisten  des  Staborganes  im  wesent- 
lichen auf  einer  Verdickung  und  schwachen  Erhebung  der  protoplasma- 
lischen  Kürperwand  beruhen.     Ob   die   nach    dem    Zahn  sich  begebenden 

Bronn,  Klassen  des  Thier-Reichs.    Protozoa,  67 


1058  Cystoflagellata. 

Leisten  immer  deutlich  zu  bemerken  sind,  scheint  mir  fraglich;  an  den 
conservirten  Exemplaren,  die  ich  untersuchte,  war  gewöhnlich  nur  sehr 
wenig  von  ihnen  zw  sehen  und  auch  auf  Cienkowsky's  Abbildungen 
sind  sie  bald  gezeichnet,  bald  dagegen  nicht.  Vielleicht  sind  es  auch 
zeitweilige  Faltenbildungen  in  der  rechten  Peristomwand,  die  das  stärkere 
Hervortreten  dieser  Leisten  bewirken. 

Die  schon  erwähnte  Zahnlamelle  (z)  wird  durch  eine  protoplasmatische, 
lamellenartige  Einwachsung  der  rechten  Wand  des  Peristoms,  etwa  mitten 
zwischen  der  Basis  der  Bandgeissel  und  dem  Vorderrand  der  Mundöffnung 
gebildet.  Diese  Lamelle  läuft  dem  Peristomboden  etwa  parallel  und  un- 
gefähr in  halber  Höhe  zwischen  Boden  und  äusserer  Mündung.  Sie  er- 
scheint, wenn  man  von  oben  in  das  Peristom  blickt  (14a  u.  c),  gewöhn- 
lich deutlich  trapezförmig,  mit  längerer  Basis  und  kürzerer  freier  Schneide, 
sowie  zwei  schief  aufsteigenden  Rändern,  einem  vorderen  und  einem 
hinteren.  Die  Ecken,  welche  die  freie  innere  Schneide  mit  den  beiden 
schiefen  Rändern  bildet,  sind  in  zahnartige  Spitzen  ausgezogen  und  häufig 
erhebt  sich  zwischen  diesen  beiden  Spitzen  aus  der  Schneide  noch  ein 
mittlerer,  etwas  grösserer,  an  seinem  Ende  zweispitziger  Vorsprung.  Wie 
schon  Huxley  beobachtete,  kann  sich  unter  Umständen  noch  eine 
vierte  Spitze  des  Zahnes  entwickeln.  Betrachtet  man  die  Zahnlamelle 
im  optischen  Querschnitt,  so  ist  zu  sehen,  dass  sie  ziemlich  dick  und 
etwas  gegen  den  Boden  des  Peristoms  gekrümmt  ist.  Der  Zahn  besteht, 
wie  bemerkt,  aus  Protoplasma;  ob  sich  an  ihm  eine  Membran  deutlicher 
wie  an  dem  übrigen  Körper  unterscheiden  lässt,  lasse  ich  dahin  gestellt. 
Die  Streifung,  welche  Robin  an  ihm  bemerkte,  ist  nichts  weiter  wie  die 
fibrilläre  Diiferenzirung  seines  Plasma,  welche  manchmal  recht  kenntlich 
hervortritt. 

Dicht  hinter  dem  Zahn  und  etwas  tiefer  wie  derselbe  entspringt  eine 
ähnliche  protoplasmatische  leistenartige  Hervorragung,  die  sogenannte 
Lippe  (14a,  1;  14c),  welche  Cienkowsky  entdeckte;  doch  sah  auch 
wohl  Allman  schon  etwas  von  derselben.  Das,  was  Krohn  als  Lippe 
bezeichnete,  war  wohl  die  Zahnleiste.  Der  Vorderrand  der  Lippe 
schliesst  sich  dicht  an  das  Hinterende  des  Zahnes  an.  Wenn  man  von 
oben  in  das  Peristom  blickt,  so  erscheint  sie  als  eine  meist  ziemlich 
halbkreisförmige  Hervorragung,  deren  Hinterende  die  Mundspalte  ge- 
wöhnlich etwas  überdeckt.  Nicht  selten  fand  ich  aber  ihre  Umrisse 
etwas  unregelmässiger.  Am  Vorderrande  der  Lippe  entspringt  nun  die 
kleine  hintere  Geis  sei  oder  Cilie  (f),  jedoch  vermag  ich  ihre  genaue 
Insertion  nicht  anzugeben  und  kann  dieselbe  auch  nicht  aus  der,  leider 
in  vieler  Hinsicht  sehr  unbestimmten  Darstellung  Cienkowsky's  entnehmen. 
Jedenfalls  liegt  ihr  Ursprung  dicht  bei  oder  an  der  Lippe,  also  auch 
dicht  am  Vorderrande  der  Mundspalte.  Diese  Geissei  ist,  wenn  man  ihre 
Lage  einmal  kennt,  selbst  bei  gut  conservirtem  Material  nicht  schwer  auf- 
zufinden, doch  bedurfte  Krohn,  wie  Huxley  und  Cienkowsky  mit 
Recht    bemerken,    einer    sehr    guten    Beobachtungsgabe,    um    sie    zum 


Noctiluca  (Zahn,  Lippe,  hintere  Geissei;  Bewegung-eii  der  (ieisseln).  1059 

ersten  Mal  wabrzuuehmen.  Dass  sie  Vignal  und  Stein  vermissteu,  lag 
jedenfalls  nicht  an  ihrem  Material,  sondern  an  ihnen  selbst ;  beide  haben 
übrigens  auch  weder  den  Zahn  noch  die  Lippe  erkannt  und  sind  daher 
hinter  den  Forschern  alterer  Zeit  weit  zurückgeblieben. 

Das  Organ  ist  nach  Art  der  gewöhnlichen  Mastigophorengeisseln  ein 
in  der  ganzen  Länge  gleich  dicker  Faden  und  reicht  im  gestreckten  Zu- 
stand wohl  etwas  über  das  Vorderende  des  Peristoms  hinaus.  Ein  solcher 
Verlauf  nach  der  Basis  der  Bandgeissel  ist  ihr,  wie  es  scheint,  auch 
immer  eigen,  und  da  sie  gewöhnlich  nicht  gestreckt,  sondern  in  viele 
Wellen  gelegt  ist,  so  ragt  sie  aus  dem  Peristom  nicht  hervor,  wodurch 
ihre  Wahrnehmung  erschwert  wird. 

Wir  glauben  am  besten  schon  an  dieser  Stelle  auf  die  Bewegungs- 
erscheinuugen  der  beschriebenen  Peristomorgane  eingehen  zu  sollen. 
Die  zuletzt  beschriebene  kleine  oder  hintere  Geissei  macht,  ihrer  Bil- 
dung entsprechend,  Bewegungen  gleich  denen  gewöhnlicher  Geissein; 
sie  bestehen  nach  den  Schilderungen  der  verschiedenen  Autoren  in  Wellen, 
welche  mehr  oder  weniger  rasch,  unter  Umständen  rapid,  über  sie  hin- 
eilen —  bald  sehr  zahlreiche  kleine,  bald  wenigere  und  grössere  Wellen. 
Es  scheint,  dass  die  Geissei  abwechselnd  thätig  ist  und  ruht,  denn  einige 
Beobachter  (Webb  und  AVest)  betonen  das  Intermittiren  der  Bewegung 
besonders.  Peitschenförmige  Bewegungen  scheinen  gleichfalls  vorzu- 
kommen, auch  kann  sich  die  Geissei  unter  Contraction  zurückziehen  und 
plötzlich  wieder  vorschnellen.  Wie  die  Wellen  über  die  Geissei  ver- 
laufen, ist  aus  den  Schilderungen  nicht  bestimmt  zu  entnehmen;  aus  einer 
Bemerkung  Cienkowsky's  scheint  hervorzugehen ,  dass  sie  von  der  In- 
sertionsstelle  nach  dem  freien  Ende  ziehen. 

Die  meisten  Beobachter  sind  der  Ansicht,  dass  die  Geisselbeweguugeu 
die  Zuführung  von  Nahrungskörpern  zu  der  Mundöffnung  bewirken.  Be- 
wegungen des  Noctilucakörpers  vermag  die  Geissei  sicher  nicht  hervor- 
zubringen. Dass  sie  mit  der  Athmung  etwas  zu  thun  habe,  wie  West 
auf  Grund  irrthümlicher  Vergleiche  anzunehmen  geneigt  war,  entbehrt 
jeder  Begründung. 

Die  Bewegungen,  welche  die  Bandgeissel  ausführt,  werden  von 
allen  Beobachtern  seit  Suriray  als  sehr  träge  geschildert.  Sie  soll  sich 
langsam  nach  den  verschiedensten  Richtungen  biegen  und  wieder  auf- 
richten, ohne  dass  der  Körper  eine  Ortsveränderung  erleide,  sondern 
höchstens  in  ein  Hin-  und  Herschwanken  gerathe.  Vignal  zählte  in  der 
Minute  etwa  5  Bewegungen.  Mit  der  Angabe  der  meisten  Forscher,  dass 
Bewegungen  nach  den  verschiedensten  Richtungen  ausgeführt  weiden 
können,  harmonirt  die  Bemerkung  Vignal's,  dass  die  Contraction  und  Ein- 
biegung stets  nach  der  gestreiften  Concavseite  geschehe,  nicht  recht,  den- 
noch mag  dem  so  sein,  da  sich  ja  diese  Seite  durch  eine  besondere 
Plasmadifferenzirung  auszeichnet  und  die  Bandgeissel  der  getödteten  Thiere 
stets  nach  dieser  Seite  eingerollt  ist.  Langsamer  noch  wie  Contraction 
und  Biegung  soll  nach  Vignal  die  Streckung  vor  sich  gehen,  wobei  noch 

67* 


lOBO  Cystoflagcllata 

das  Eigenthümliche  beobachtet  werde,  dass  sich  zunächst  das  Ende  der 
Geissei  der  Basis  nähere,  worauf  erst  die  Ausstreckung  erfolge.  Unter 
Umständen  kann  sich  auch  die  Bandgeissel  so  stark  contrahiren  und 
zusammenrollen,  dass  sie  ganz  in  das  Peiistom  tritt  und  scheinbar  ver- 
schwindet. Selbst  der  restirende  Stumpf  einer  abgebrochenen  Band- 
geissel soll  sich  nach  Webb  noch  bewegen,  sich  jedoch  rasch  an  der 
Basis  ablösen.  Dieser  Beobachter  findet  die  Bandgeissel  überhaupt  sebr 
zerbrechlich. 

Da  auch  die  Bandgeissel,  wie  bemerkt,  ohne  erheblichen  Einfluss  auf 
die  Körperbewegungen  ist,  so  vermuthen  einige  Beobachter  (Krohn,  Vigual), 
dass  sie  ebenfalls  bei  der  Zufuhr  grösserer  Nahrungskörper  zum  Munde 
mitwirke,  was  auch  möglich  sein  kann. 

Nur  Webb  (23)  will  auch  active  Bewegungen  des  Zahns  beobachtet 
haben;  soweit  ich  die  Mittheilung  verstehe,  soll  sich  derselbe  abwechselnd 
gegen  den  Boden  des  Peristoms  zu  krümmen  und  wieder  aufrichten.  West 
(bei  Brightwell  24)  leugnet  dagegen  die  selbstständige  Bewegungsfähigkeit 
dieses  Organes,  doch  sah  er  es  wiederholt  bei  den  Biegungen  der  Band- 
geissel in  passiver  Bewegung.  Es  scheint  mir  übrigens  nicht  unmöglich, 
dass  der  Zahn  gelegentlich  auch  activ  bewegt  wird,  sein  Bau  wenigstens 
spricht  eher  für  als  gegen  eine  solche  Thätigkeit. 

Nachdem  die  Verhältnisse  bei  Noctiluca  im  Vorstehenden  erörtert 
wurden,  haben  wir  noch  diejenigen  von  Leptodiscus  zu  betrachten. 
Wie  früher  bemerkt,  wurde  hier  ein  der  Bandgeissel  vergleichbares 
Organ  nicht  gefunden,  dagegen  der  Repräsentant  der  hinteren  Geissei, 
als  ein  in  seiner  ganzen  Länge  gleich  dicker  Geisselfaden  (Taf.  50, 
Fig.  10  d,  f),  der  etwa  die  doppelte  Länge  der  grössten  Dicke  der  Lepto- 
discusscheibe  erreicht.  Diese  Geissei  entspringt  auf  der  Ventralseite  aus 
der  engen  röhrigen  Ein  Senkung,  welche  Hertwig  als  Geisseischeide  be- 
zeichnete und  die  wir  für  das  eigentliche  Peristom  halten  möchten.  Wo 
sie  jedoch  innerhalb  desselben  ihre  Insertion  findet,  wurde  bis  jetzt  noch 
nicht  sicher  ermittelt.  Hertwig  weist  die  Deutung  dieser  Röhre  als  Pe- 
ristom hauptsächlich  desshalb  zurück,  weil  er  sie  zu  eng  für  den  Durchtritt 
von  Nahrungskörpern  hält.  Da  jedoch  nur  sehr  kleine  Nahrungskörper 
im  Plasma  beobachtet  wurden  und  auch  die  hintere  Geissei  der  Noctiluca 
in  directer  Beziehung  zur  Mundöflfnung  zu  stehen  scheint,  muss  ich  einst- 
weilen die  hier  gegebene  Auffassung  für  wahrscheinlicher  halten. 

Rückbildung  des  Peristoms  und  seiner  0  )•  g  a  n  e  beim 
Uebergang  in  den  sog.  Ruhezustand.  Mit  zahh-eichen  anderen 
Mastigophoren  stimmt  Noctiluca  darin  überein,  dass  ihre  Bewegungsorgane 
nicht  selten  rückgebildet  werden,  resp.  verloren  gehen,  wodurch  ein  Zu- 
stand hervorgerufen  wird,  den  wir  auch  hier  mit  einigem  Recht  als 
einen  ruhenden  bezeichnen  können.  Ein  wirklicher  Ruhezustand,  unter 
Bildung  einer  schützenden  C^^stenmembran,  wurde  aber  bis  jetzt  bei  Cysto- 
flagellaten  noch  nie  sicher  beobachtet. 


Nocüluca  (Beweg. d.Geibs.  u.d.  Zahns).  Leptodi3cus(Geiss.u.  Perist.).  Ruhezust.  v.Noctil.    1061 

Die  Vereinfachung  der  Organisation  erstreckt  sich  bei  der  Bildung 
des  Ruhezustandes  nicht  allein  auf  die  Geissein,  sondern  ergreift  auch  das 
gesammte  Peristom  und  seine  Organe,  sowie  das  iStaborgan.  Indem  sich 
alle  diese  Theilc  rückbilden,  wird  die  Noctiluca  zu  einer  regulär  kugligen 
Blase  ohne  Andeutung  der  früheren  Peristomeinsenkung;  ihre  Stelle  wird 
nur  noch  durch  das  Centralplasnia  an  der  Wand  der  Blase  bezeichnet. 
Das  von  letzterem  ausstrahlende  Plasraanetz  erhält  sich  intact,  wie  natür- 
lich auch  der  Nucleus. 

Der  genauere  Vorgang  bei  der  Ausbildung  des  Ruhezustandes  wurde 
zuerst  von  Cienkowsky,  dann  auch  von  Robin  etwas  näher  verfolgt, 
doch  bleibt  noch  manches  weiterer  Aufklärung  vorbehalten.  Zunächst 
geht  die  Bandgeissel  verloren.  Robin  scheint  zu  glauben,  dass  dieselbe 
abgeworfen  werde,  wie  dies  mit  den  Geissein  der  Mastigophoren  unter 
derartigen  Verhältnissen  gewöhnlich  geschieht.  Cienkowsky  hat  zwar  einen 
solchen  Vorgang  bei  der  Bildung  ruhender  Zygoten  durch  Copulation 
zweier  Individuen  selbst  beobachtet,  wie  später  noch  specieller  dargelegt 
werden  wird,  dagegen  bei  dem  üebergange  gewöhnlicher  Individuen  in  den 
Ruhezustand  die  Einziehung  der  Geissei  wahrgenommen.  Dabei  trat  meist 
zunächst  an  einer  Stelle  der  Bandgeissel  eine  Anschwellung  auf,  in  deren 
Plasma  die  Querstreifung  schwand,  darauf  verkürzte  sich  die  Geissei  all- 
mählich und  schrumpfte  schliesslich  zu  einer  Warze  zusammen,  welche 
endlich  eingezogen  wurde.  Es  liegt  kein  Grund  vor,  an  dieser  Darstellung 
Cienkowsky's  zu  zweifeln,  so  dass  also  sich  bei  den  Cystoflagellaten  zwei 
verschiedene  Modi  des  Geisseiverlustes  finden. 

Die  Rückbildung  des  Peristoms  geschieht,  soweit  bekannt,  in  der 
Weise,  dass  sich  dessen  Wände  dicht  zusammenlegen,  worauf  ihr  Plasma 
verschmilzt;  natürlich  müssen  dabei  auch  die  übrigen  Organe  des  Peristoms, 
der  Zahn,  die  Basalleisten  der  Bandgeissel,  die  Lippe  und  die  hintere 
Geissei  wieder  mit  dem  Centralplasnia  zusammenfliessen.  Nur  für  die 
hintere  Geissei  könnte  man  auch  an  einen  Verlust  durch  directes  Abwerfen 
denken;  specielle  Angaben  hierüber  liegen  nicht  vor.  Nach  den  Be- 
merkungen Robin's  soll  auch  das  Staborgan  ganz  eingehen,  was  wohl 
durch  Einziehung  der  zu  ihm  tretenden  Plasmafäden  geschehen  dürfte. 
Cienkowsky  spricht  sich  darüber  weniger  bestimmt  aus,  dennoch  bemerkt 
er,  dass  das  Staborgan  ganz  „unmerklich"  werde. 

Ruhende  Noctiluceu  beobachtete  zuerst  Joh.  Müller  in  Menge  im  Mittelmeer,  docli 
sprach  er  mit  grosser  Bestimmtheit  von  einer  glashellen  Hillle ,  welche  den  eigentlichen 
Thierkörper  umgebe.  Er  fasste  sie  dementsprechend  auch  als  encystirte  Formen  auf.  Kurz 
hierauf  erwähnte  auch  Baddeley  (24)  das  häutige  Fehlen  der  Bandgeissel.  Cienkowsky  nimmt 
mit  Bestimmtheit  an,  dass  sich  Müller's  Beobachtung  auf  die  geschilderten  ruhenden  Formen 
beziehe;  ich  muss  dies  zwar  auch  für  das  wahrscheinlichste  halten,  dennoch  habe  ich,  wegen 
der  so  bestimmt  angegeheucn  CystenhüUe,  einige  Zweifel,  ob  die  von  Müller  gesehenen  Zu- 
stände nicht  einige  Besonderheiten  darboten. 

Auf  der  Challengerexpedition  wurden  im  oftenen  Ocean,  in  der  Region  der  Passatwinde, 
grosse  Mengen  leuchtender  Organismen  beobachtet,  welche  Why  wille  Thomson  u.  Murray*) 


*)  Proceed.  roy.  soc.  London.  Bd.  24.  1876.  p.  533. 


1062  Cystoflagellata. 

für  Diatomeen  hielten  und  unter  dem  provisorischen  Namen   Pyrocystis   kurz   beschrieben, 
sowie  z.  Th.  abbildeten.     Eine  Form  derselben  erhielt  wegen   ihrer   grossen   Aehnlichkeit  mit 
Noctiluca  den  Speciesnamen  „Pseudonoctiluca".    Schon  S.  Kent  (38)  sprach  die  Vermuthung 
aus,   dass   dieses  Wesen   eine   „encystirte  Noctiluca"   und  identisch  mit  den   von  Müller  be- 
schriebenen Cysten  sei.     Auch   ich  muss  mich   dieser  Ansicht   anschliessen   und   kann  noch 
bemerken,  dass  die  Untersuchung  einiger  dieser  angeblichen  Pyrocysten ,   welche  ich  Murray 
verdanke,    ergab,    dass    eine   besondere   Cystenmembran    nicht    vorhanden    ist.     Murray    und 
Thomson  wollten  eine  sehr  zarte  „kieselige''  Hülle  beobachtet  haben,   welche  aber   sicherlich 
fehlt,  denn  sie  lässt  sich  weder  direct  sehen,  noch  bleibt  bei  der  Behandlung  mit  concentrirter 
Schwefelsäure  die  geringste  Spur  einer  solchen  zurück.    Ich  halte  demnach  Pyrocystis  pseudo- 
noctiluca  für  ruhende  Noctilucen,  wie   sie  oben   beschrieben  wurden.     Auf  der  Abbildung, 
welche  Murray's  Mittheilung  begleitet,  ist  übrigens   auch  eine  Peristomeinsenkung  zu  sehen, 
woraus  ich  fast  schliessen  möchte,  dass  die  Rückbildung  der  Organe   bei   den  vermeintlichen 
Pyrocysten   z.  Th.  noch  nicht  so   weit  gegangen  war,   wie    gewöhnlich.     Eine  zweite  lang- 
spindelförmige Pyrocystisart,  welche  gleichfalls  leuchtete  (P.  fusiformis),  möchte  Kent  als  den 
encystirten  Zustand  von  Leptodiscus  deuten;  ich  kann  mich  mit  dieser  Auflassung  nicht  be- 
freunden; eher  wäre  es  möglich,  dass  diese  Pyrocystis  fusiformis  die  Cyste  einer  besonderen, 
bis  jetzt  noch  unbekannten  Cystoflagellate  ist,  vielleicht  einer  zwischen  den  Dinoflagellaten  und 
den  Cystoflagellaten  vermittelnden  Form ,   denn   das  langspindelförmige   Gebilde ,  welches   mit 
einer  deutlichen  Hülle  versehen  zu  sein  scheint,   erinnert  an  die  gehörnten  Cysten  der  Dino- 
flagellaten. 

Es  scheint  nicht  zweifelhaft  zu  sein  und  stimmt  auch  mit  den  Er- 
fahrungen an  anderen  Mastigophoren  gut  überein,  dass  die  ruhenden 
Noctilucen  unter  Neuentwicklung  der  eingegangenen  Organe  wieder  in 
den  vollausgebildeten  Zustand  übergehen  können.  Robin  hat  die  Neu- 
bildung der  fehlenden  Organe  wenigstens  ihrem  Verlauf  nach  geschildert, 
hegt  jedoch  die  Vorstellung,  dass  die  blasigen  Noctilucen,  an  welchen  er 
dieselbe  beobachtete,  nicht  ruhende  rückgebildete  Formen  gewesen  seien, 
sondern  Entwicklungszustände  von  Schwärmern,  welche  ihre  volle  Aus- 
bildung noch  nicht  erreicht  hätten.  Nach  seiner  Angabe  schwankten  die 
Durchmesser  der  fraglichen  Noctilucen  zwischen  0,15  und  0,9  Mm. ;  es 
waren  also  darunter  solche,  welche  die  Maximalgrösse  der  Noctiluca  er- 
reichten; dazu  gesellt  sich  weiter  der  Umstand,  dass  zwischen  diesen 
geissellosen  Individuen  auch  solche  aller  Grössen  vorhanden  waren ,  die 
ihre  volle  Ausrüstung  besassen;  schliesslich  werden  wir  später  erfahren, 
dass  die  Schwärmer  wahrscheinlich  sehr  frühzeitig  ihre  Bandgeissel  ent- 
wickeln. Alle  diese  Punkte  scheinen  mir  aber  dafür  zu  sprechen,  dass 
die  Noctilucen,  an  welchen  Robin  die  Neubildung  der  Theile  verfolgte, 
nicht  Jugendformen,  sondern  Ruhezustände  waren. 

Die  Neubildung  soll  nun  so  verlaufen,  dass  zuerst  ein  neuer  Mund 
entstehe,  da  wo  das  Centralplasma  der  Wand  anliegt.  Derselbe  soll  sich 
anfänglich  als  eine  lineare  Runzelung  („froncement  lineaire")  dieser  Wand- 
stelle zeigen,  erst  später  treten  die  beiden  den  Mund  begrenzenden  Längs- 
falten (Lippen  nach  Robin)  mehr  auseinander.  Die  Mundbildung  nehme 
ungefähr  dreiviertel  Stunden  in  Anspruch.  Es  wurde  schon  früher  er- 
wähnt, dass  wir  den  Mund  an  einer  anderen  Stelle  suchen  wie  Robin, 
desshalb  halte  ich  es  auch  für  etwas  zweifelhaft,  ob  die  eben  kurz  an- 
gedeutete Entwickeliing  des  Mundes  mit  der  Wirklichkeit  harmonirt.    Nach- 


Noctiluca  (Ruhezustand  und  Umbildung  desselben  in  den  normalen;  Theilung).      1063 

dem  die  Bildung  des  Cytostoms  soweit  fortg-eschritteu  sei,  folge  gleich 
die  Eiüsenkimg  des  Peristoms,  sowie  die  Bildung  des  Staborganes  und 
der  Bandgeissel,  welch'  letztere  in  derselben  Weise  hervorsprosst,  wie  bei 
den  aus  der  Theilung  hervorgegangenen  Sprösslingeu.  Wir  werden  dess- 
halb  den  Bildungsvorgang  der  Bandgeissel  erst  bei  der  Besprechung  der 
Theilung,  wo  er  von  Robin  genauer  beschrieben  wurde,  darstellen.  Die 
letzterwähnten  Entwickelungsvorgänge  sollen  sich  in  nicht  ganz  einer 
Stunde  vollenden. 

4.  Foitpflauzungsersclieinuiigeii. 

Die  in  neuerer  Zeit  ausgeführten  Untersuchungen  haben  zwei  Fort- 
pflanzungsweisen bei  Noctiluca  sicher  gestellt,  während  die  Vermehrung 
des  Leptodiscus  leider  noch  ganz  im  Dunkeln  liegt.  Dereine  der  Pro- 
cesse  ist  die  einfache  Zweitheilung,  der  andere  ein  Knospungsvorgang 
zahlreicher  kleiner  Schwärmer,  welcher  sich  leicht  auf  rasch  verlaufende, 
fortgesetzte  und  unvollständige  Zweitheilung  zurückführen  lässt  und  der 
vielleicht  mit  vorhergehender  Copulatiou  in  Verbindung  steht. 

A.  Fortpflanzung-  durch  Theilung. 

Schon  Quatrefages  vermuthete  eine  solche  Fortpflanzungsweise,  da 
er  eingeschnürte,  anscheinend  in  Theilung  begriffene  Noctilucen  fand.  Da 
nun  solche  Zustände  auch  durch  Copulatiou  entstanden  sein  können,  so 
lässt  sich  nicht  mit  Sicherheit  behaupten,  dass  er  thatsächlich  schon  Thei- 
lungen  beobachtete.  Sicherer  scheint  dies  für  die  Beobachtungen  Krohn's. 
Derselbe  beschreibt  zwar  die  Theilung,  welche  er  öfter  gesehen  haben 
will,  nicht  näher,  führt  aber  an,  dass  er  schon  vor  der  Verdoppelung  des 
Peristoms  und  seiner  Organe  zwei  Kerne  gefunden  habe,  was  wohl  nur 
bei  Theilzuständen  beobachtet  werden  dürfte.  Etwas  genauere  Darstel- 
lungen und  Abbildungen  verdanken  wir  Baddeley  (mitgetheilt  von 
ßrightwell),  doch  haben  die  neueren  Beobachtungen  Robin's  ziemlich  sicher 
erwiesen,  dass  nicht  alle  von  Baddeley  abgebildeten  angeblichen  Theilungs- 
stadien  als  solche  betrachtet  werden  können ,  dass  vielmehr  die  geschil- 
derten Anfangsstadien  (speciell  Fig.  5)  wahrscheinlich  eine  Art  eigen- 
thttmlicher  Doppelthiere  waren,  wie  sie  nach  Robin's  Erfahrungen  auch 
bei  Noctiluca  vorkommen.  Baddeley  wollte  die  Theilung  sowohl  bei  ge- 
wöhnlichen, mit  allen  Organen  ausgerüsteten,  wie  bei  der  Bandgeissel 
entbehrenden  Noctilucen  gefunden  haben,  und  wenn  seine  Darstellung  der 
Anfangsstadien  richtig  wäre,  so  müsste  die  Theilung  der  Noctiluca  als 
eine  quere  aufgefasst  werden.  Nun  wies  aber  Robin  tiberzeugend  nach, 
dass  die  Theilung  in  der  Längsrichtung  geschieht,  welcher  Umstand  wohl 
seine  Deutung  der  von  Baddeley  beobachteten  Anfangsstadien  bestärkt. 
Auch  Cienkowsky  konnte  Theilung  beobachten,  gab  davon  aber  leider 
nur  eine  so  kurze  Notiz,  dass  aus  derselben  wenig  mehr  als  eine  Bestäti- 
gung der  Angaben  Baddeley's  zu  entnehmen  ist.  Auch  er  will  die  Thei- 
lung   bei    normalen    und     bei    ruhenden    Exemplaren    gefunden    haben; 


1064  Cystoflagellata. 

bei  den  letzteren  sollen  die  beiden  Bandgeissein  der  Sprössliage  schon 
vor  „dem  Schlüsse  der  Theilung*^  gebildet  werden.  Letztere  Theilzustände 
waren  demnach  wohl  identisch  mit  den  gleich  zu  erwähnenden ,  welche 
Kobin  genauer  schildert.  Bei  den  sich  theilenden  gewöhnlichen  Individuen 
will  Cienkowsky  dagegen  schon  ,, gleich  am  Beginne  der  Einschnürung 
eine  doppelte  Zahl  der  erwähnten  Organe"  gefunden  haben.  Leider  ver- 
missen wir  auch  bei  ihm  eine  Angabe  über  die  Lage  der  Theilebene  zu 
den  Körperregionen. 

Wie  bemerkt,  veröifentlichte  Robin  die  genauesten  Mittheilungen  über 
die  Theilung,  doch  lassen  sich  seine  Angaben  nicht  ganz  mit  denen 
der  früheren  Beobachter  vereinigen.  Nach  ihm  soll  die  Theilung 
stets  im  geissellosen  Zustand  geschehen,  da  der  Vorgang  durch  ein 
Verschwinden  des  Peristoms  eingeleitet  würde  („effacement,  d.  h.  also 
wohl  durch  eine  Ausebenung  desselben,  so  dass  seine  Wände  nun  einen 
Theil  der  ganz  kuglig  gewordenen  Körperoberfläche  bilden).  Ebenso  ver- 
schwindet die  hintere  Geissei  und  nach  einiger  Zeit  auch  die  Bandgeissel 
sammt  ihren  Leisten  und  der  Zahn,  doch  scheint  sich  der  Verlust  der 
ersteren  zuweilen  etwas  zu  verzögern.  In  welcher  AVeise  die  Bandgeissel 
schwindet,  blieb  unklar,  doch  vermuthet  Robin,  dass  sie  abgeworfen  werde. 
Der  Mund  aber  soll  sich  erhalten  und  dieser  Umstand  aliein  würde 
einen  Unterschied  gegen  den  ruhenden  Zustand  bilden.  Gleichzeitig 
strecken  sich  die  so  zur  Theilung  vorbereiteten  Tbiere  in  der  Quer- 
axe  etwas  in  die  Länge.  Obgleich  nun  Robin  mit  grosser  Bestimmt- 
heit versichert,  dass  nur  in  dieser  Weise  rückgebildete  Individuen  in 
Theilung  eingingen,  möchte  ich  es,  in  Anbetracht  der  Angaben  Cien- 
kowsky's,  doch  für  möglich  halten,  dass  auch  Theilungen  bei  Individuen 
vorkommen,  welche  die  Bandgeissel  besitzen;  wir  wissen  ja,  dass  auch 
bei  den  übrigen  Mastigophoren  Theilungen  im  ruhenden  und  im  beweg- 
lichen Zustande  bei  einer  und  derselben  Form  statttinden  können. 

Der  weitere  Fortschritt  zeigt  sich  zunächst  durch  eine  Theilung 
des  Kernes  innerhalb  des  Centralplasmas.  Die  Kerntheilung  verläuft  nach 
dem  bei  der  Kuospenfortpflanzung  zu  schildernden,  indirecteu  Schema. 
Nachdem  sich  die  beiden  Tochterkerne  getrennt  haben,  rücken  sie  quer 
zur  Längsaxe  der  Noctiluca  auseinander  und  gleichzeitig  beginnt  auch 
das  Centralplasma  sich  in  die  Quere  zu  strecken  und  trennt  sich  schliess- 
lich durch  Ein-  und  Durchschnürung  in  zwei,  nur  noch  durch  einige  Fila- 
mente verbundene  Antheile,  die  beiden  Centralplasmapartien  der  Töchter. 
Letztere  entfernen  sich  aber  in  der  Querrichtung  nicht  weit  von  einander, 
so  dass  sie  auch  an  den  schon  weit  gesonderten  Sprösslingen  am  einen 
Ende  der  Theilebene  dicht  gegenüber  stehen  (Taf.  49,  14f  u.  Taf.  50,  1  c). 
Die  Theilung  des  Centralplasmas  erfordert  ungefähr  eine  Stunde.  Ziem- 
lich gleichzeitig  mit  der  Kerntheilung  beginnt  die  Einschnürung  des 
Noctilucakörpers,  welche  sich  nach  Robin  zuerst  in  einer  Depression  auf 
der  Rückseite,  gegenüber  dem  früheren  Peristom,  bemerkbar  machen  soll. 
Hierauf  tritt  eine  ringförmige  Furche  auf;   wie  es  scheint,   gleichzeitig  in 


Noctiluca  (theilung).  1065 

der  ganzen  Medianebene  und  dringt  allmählich  tiefer  und  tiefer  (Taf.  49, 
14  f — g,  u.  Tal.  50,  Ic),  so  dass  die  Durchschniirimg  des  Körpers  nach 
Verlauf  von  ein  bis  anderthalb  Stunden  vollendet  ist.  Während  des 
Durchschniirungsprocesses  sollen  sich  die  beiden  Sprösslinge  abwechselnd 
etwas  von  einander  entfernen  und  wieder  zusaramcndiängen. 

Die  Lage  der  Theilebene  ist,  wie  bemerkt,  eine  solche,  dass  sie  den 
Mund,  wenn  sich  derselbe  nach  Kobin's  Angabe  wirklich  dauernd  er- 
hält, der  Länge  nach  durchschneiden  muss,  demnach  der  eine  Seiten- 
rand des  Mundes  dem  einen,  der  andere  dem  anderen  Individuun)  ver- 
bleibt, wie  auch  Robiu  direct  angibt.  Die  eigentliche  Trennung  beider 
Sprössüuge  verläuft  etwas  verschieden,  indem  entweder  zuerst  im  Cen- 
trum der  Theilebene  ein  stärkeres  Auseinanderweichen  derselben  eintritt 
und  nach  der  Peripherie  fortschreitet  oder  die  Trennung  von  der  Peripherie 
nach  dem  Centrum  vor  sich  geht. 

Wir  haben  nun  noch  die  Neubildung  des  Peristoms  und  seiner  Or- 
gane an  den  Sprösslingen  zu  verfolgen.  Nachdem  die  Durchschnürung 
des  Körpers  zum  mindesten  zu  dreiviertel  vollendet  ist,  bildet  sich  zu- 
nächst an  jedem  der  Sprösslinge  die  Anlage  einer  neuen  Bandgeissel. 
Zuerst  erhebt  sich  aus  dem  Centralplasma  jedes  Sprösslings,  etwas  vor 
der  neuen  Mundspalte,  ein  Fortsatz,  welcher  über  die  Oberfläche  als  ein 
etwas  länglicher,  fersenähnlicher  Vorspruug  emporragt.  Ein  wenig  „unter- 
halb" dieses  Vorsprunges,  doch  mit  ihm  in  directem  Zusanmienhang, 
wächst  nun  ein  zweiter,  erst  kegelförmiger  und  dann  an  seinem  freien 
Ende  abgerundeter  Fortsatz  hervor  (s.  Taf.  50,  la  u.  b),  durch  dessen 
Mitte  sich  eine  dunkle  Linie  erstreckt,  welche,  wie  die  weitere  Entwicke- 
lung  zeigt,  darauf  beruht,  dass  der  Fortsatz  etwa  die  Bildung  einer  Oese 
hat,  deren  beide  Enden  in  dem  erstgenannten  Vorsprung  (ba,  f.  16) 
wurzeln.  Die  dunkele  Linie  ist  eben  der  Ausdruck  der  Oesenöffnung. 
Indem  der  oesen-  oder  schleifenartig  zusammengekrümmte  Fortsatz  sich 
durch  Auswachsen  immer  mehr  erhebt,  sondern  sich  seine  beiden 
Schleifenhälften  mehr  und  mehr  von  einander  und  es  ist  bald  zu 
erkennen,  dass  die  eine  Hälfte  dicker  ist  wie  die  andere.  Endlich 
verliert  das  Basalende  der  dünneren  Hälfte  seinen  Zusammenhang  mit 
dem  fersenartigen  Vorsprung  (ba) ;  die  so  als  zusammengekrümmte  Schleife 
entstandene  Bandgeissel  streckt  sich  und  geräth  bald  in  langsame  Be- 
wegungen. Noch  mehrere  Stunden  bewahrt  ihr  Plasma  den  undifferen- 
zirten  Zustand  des  Centralplasmas,  aus  dem  es  hervorging;  dann  erst  tritt 
allmählich  die  Querstreifung  hervor,  indem  sie  zunächst  an  der  Geissei- 
basis bemerkbar  wird  und  allmählich  gegen   das  freie  Ende  fortschreitet. 

Aus  dem  fersenartigen  Vorsprung  (ba),  der  sich  zu  dieser  Zeit  gleich- 
falls verändert,  da  er  fast  farblos  wird,  scheint  der  basale  Stützapparat 
der  Bandgeissel  und  wohl  auch  der  Zahn  hervorzugehen,  doch  konnte 
die  Bildung  dieser  Einrichtungen  nicht  genauer  verfolgt  werden,  da  sich 
jetzt  auch  das  Peristom  einsenkt  und  diesen  Theil  mit  in  die  Tiefe  nimmt. 
Das    Auswachsen    der    Bandgeissel    zur    definitiven    Länge  scheint  dem 


1066  Cystoflagellata.-    • 

Berichteten  zufolge  stets  erst  nach  der  Isolirung  der  Sprösslinge  zu  ge- 
schehen, zuweilen  besitzen  die  sich  trennenden  Sprösslinge  sogar  nur  die 
Anlagen  der  Bandgeissein. 

Wie  schon  oben  bemerkt  wurde,  beschreibt  Robin  auch  Doppel- 
individuen  der  Noctiluca,  wie  sie  uns  ähnlich  schon  bei  den  anderen  Ab- 
theilungen der  Mastigophoren  begegneten.  Auf  1000  gewöhnliche  Indi- 
viduen fand  er  ein  solches  Doppelwesen.  Da  jedoch  nicht  bemerkt  wird, 
ob  diese  Doppelindividuen  längere  Zeit  unverändert  verfolgt  wurden,  so 
halte  ich  ihre  Deutung  für  noch  nicht  unbedingt  gesichert,  obgleich 
ich  nicht  verkenne,  dass  mir  Robin's  Ansicht  als  die  natürlichste 
erscheint.  Diese  Individuen  übertreffen  die  gewöhnlichen  an  Grösse 
nicht,  sind  jedoch  etwas  in  die  Länge  gezogen,  ungefähr  eiförmig.  Der 
Körper  selbst  ist  ganz  einheitlich  ohne  Andeutung  einer  Sonderung  in 
zwei  Individuen;  seine  Doppelnatur  spricht  sich  nur  durch  die  Gegenwart 
zweier  Centralplasmapartien,  sowie  zweier  Peristome  und  der  damit  zu- 
sammenhängenden Organe  aus.  Diese  Organe  sind  so  orientirt,  dass  die 
beiden  durch  sie  angedeuteten  Noctilucenindividuen  eine  gemeinsame 
Medianebene  besitzen,  und  zwar  geht  letztere  durch  die  Längsaxe  des 
eiförmigen  Körpers.  An  jedem  Pole  des  Körpers  findet  sich  ungefähr  die 
Mitte  eines  Peristoms  und  beide  Peristome  etc.  sind  gleich  gelagert,  so 
dass  also  das  Staborgan  jedes  Peristoms  nach  der  Bandgeissel  des  be- 
nachbarten zieht.  Bei  diesen  Lagerungsverhältnissen  erscheint  es  natür- 
lich, dass  sich  die  beiden  Tentakel  auf  entgegenstehenden  Hälften  des 
ovoiden  Körpers  finden. 

Aus  vorstehender  Schilderung,  die,  wie  ich  hoffe,  der  Natur  entspricht 
—  die  Beschreibung  Robin's  ist  leider  etwas  kurz  und  auch  die  Abbil- 
dung lässt  einige  Zweifel  zu  —  ergibt  sich ,  dass  ein  solches  Doppel- 
individuum nicht  wohl  durch  gewöhnliche  Längstheilung  entstanden 
sein  kann;  die  Anordnung  der  Organe  lässt  sich  allein  bei  der  Voraus- 
setzung eines  Quertheilungsprocesses  verstehen.  Da  nun  ein  solcher  weder 
bei  reifen  Noctilucen  noch  bei  den  Knospen  und  Schwärmern  con- 
statirt  wurde,  so  sind  einige  Zweifel  hinsichtlich  der  Deutung  dieser 
Doppelwesen  vielleicht  nicht  ganz  ungerechtfertigt.  Wie  bemerkt,  sucht 
Robin  auch  die  Mehrzahl  der  von  Baddeley  abgebildeten  Theilungszustände 
als  solche  Doppelwesen  zu  deuten,  doch  stimmen  B.'s  Figuren  6  und  8 
im  Allgemeinen  so  wenig  mit  dem  Bau  des  von  Robin  abgebildeten 
Doppelindividuums  überein,  dass  ich  es  vorziehen  möchte,  hinsichtlich 
derselben  bei  der  Deutung  Baddeley's  zu  beharren,  wenn  diese  Zustände 
auch  mit  wohlausgebildeten  Bandgeissein  dargestellt  sind. 

Robin  glaubt  die  geschilderten  Doppelwesen  aus  Knospen  herleiten 
zu  dürfen,  welche  ihre  letzte  Theilung  nicht  erfahren  hätten,  betont  jedocli 
selbst,  dass  er  derartige  Knospen  nicht  beobachtet  habe.  Obgleich  ich 
es  noch  für  fraglich  halte,  ob  die  Doppelnatur  dieser  Formen  schon  im 
Knospenzustand  angelegt  wird,  glaube  ich  doch  hervorheben  zu  müssen, 
dass  nach  unseren  Erfahrungen  über  ähnliche  Bildungen  ihre  Entstehung 


Koctiluca  (Theilung  und  Knospung).  1067 

jedenfalls  nicht  auf  eine  unterbliebene,   sondern  auf  eine  nicht  vollendete 
Theilung  zurückzuführen  sein  dürfte. 

R.    Knospenfortpflanzung   und  Gopulatiou    bei  Noctiluca. 

Ein  Stadium  des  jetzt  zu  betrachtenden  Knospungsprocesses  wurde 
schon  im  Jahre  1851  von  Busch  beobachtet,  doch  blieb  ihm  dessen  Be- 
deutung unklar;  er  hegte  sogar  noch  Zweifel  an  seiner  Zugehörigkeit  zu 
Noctiluca.  Es  war  ein  Exemplar  mit  entwickelter  Scheibe  von  Schwärraer- 
anlagen. 

Ganz  unrichtiger  Weise  wird  gewöhnlich  Gosse  (20)  die  erste  Beob- 
achtung der  Knospung  zugeschrieben;  was  derselbe  sah,  hat  jedenfalls 
nichts  damit  zu  thun.  Er  beobachtete  im  Innern  der  Noctilucen  zuweilen 
gelbliche  Kugeln  mit  einem  röthlichen  Kern  und  sah  einmal,  dass  eine 
solche  Kugel  aus  dem  Peristom  entleert  wurde.  Desshalb  erklärte  er  die 
Kugeln  für  Keime  oder  Eier;  sicherlich  waren  sie  aber  nur  Nahrungs- 
körper. 

Erst  Cieukowsky  erkannte  im  Jahre  1871  den  Knospungsprocess 
genauer,  ermittelte  gleichzeitig  das  Vorkommen  von  Copulation  und  machte 
es  recht  wahrscheinlich,  dass  letztere  mit  dem  Knospungsprocess  in  Zu- 
sammenhang stehe.  Einige  Jahre  später  konnte  er  diese  Vorgänge  durch 
fortgesetzte  Untersuchungen  erheblich  besser  darstellen,  und  die  wichti- 
gen Beobachtungen  Robin' s  klärten  den  Process  noch  in  vielen  Punkten 
genauer  auf.  Da  Cienkowsky,  wie  bemerkt,  der  Ansicht  ist,  dass  die 
Schwärmerbildung  „in  hohem  Grade  von  der  vorangehenden  Copulation 
abhängig  zu  sein  scheine",  so  wird  es  am  Platze  sein,  wenn  wir  zunächst 
einen  Blick  auf  den  Copulationsvorgang  werfen. 

Schon  Webb  (23)  fand  nicht  selten  zwei  aneinanderhängende  Nocti- 
lucen ;  wie  er  sich  ausdrückt,  in  „Apposition",  doch  wollte  er  an  denselben 
keine  Anzeigen  von  „Conjunction"  beobachtet  haben,  was  wohl  heissen 
soll,  dass  er  keine  Verschmelzung  derselben  wahrnahm  und  den  Vorgang 
nicht  für  eine  Copulation  hielt.  Cienkowsky  verfolgte  aber  die  Copu- 
lation zweier  Individuen  direct  unter  dem  Mikroskop  und  fand,  dass  so- 
wohl gewöhnliche  wie  ruhende  Exemplare  verschmelzen  können.  Dabei 
legen  sich  beide  Individuen  in  Gegenstellung  mit  den  beiden  Peristomen 
aufeinander,  oder,  wenn  es  sich  um  ruhende  handelt,  mit  den  dem  ehe- 
maligen Peristom  entsprechenden  Stellen  der  Körperwände,  also  denjenigen, 
wo  sich  das  Centralplasma  findet.  Die  Berührungsstelle  scheint  nament- 
lich im  letzteren  Fall,  eine  recht  kleine  zu  sein,  was  auch  bei  der  voll- 
kommenen Kugelgestalt  ruhender  Individuen  erkärlich  ist.  Es  bildet  sich 
dann  bei  solchen  Paaren  zunächst  eine  ganz  kleine  Communicationsstelle 
zwischen  den  beiden  Centralplasmen,  indem  sich  ein  schmaler  Plasma- 
strang zwischen  letzteren  ausspannt.  Von  einer  Auflösung  der  Wand 
(Cienkowsky)  wird  nach  unserer  Vorstellung  vom  Bau  derselben 
nicht  die  Rede  sein  können.  Auch  mehrere  solche  Communicationen 
können  sich  gleichzeitig  bilden.     Die  Verschmelzung  der  Wände  schreitet 


1068  Cystoflagellata. 

nun  von  dieser  Stelle  aus  nach  der  Peripherie  der  einander  zugewendeten 
Kugelhälften  weiter  fort,  so  dass  bisquitförmige  Copulationsproducte  ent- 
stehen ;  schliesslich  verbinden  sich  beide  Individuen  zu  einer  einfachen 
Kugel,  indem  sich  ihre  Centralplasmen  vereinigen  und  auch  die  beiden 
Kerne,  wie  es  scheint,  immer  zu  einem  einzigen  zusammentreten.  Der 
Vorgang  der  Verschmelzung  scheint  bei  den  mit  den  Peristomen  anein- 
andergehefteten ,  normalen  Individuen  im  Allgemeinen  derselbe  zu  sein, 
nur  ist  die  Berührung  hier  von  Anfang  an  eine  ausgedehntere  (Taf.  50, 
f.  1  d).  Dabei  ebnen  sich  die  beiden  Peristome  aus  und  die  Bandgeissein 
gehen  ebenso  wie  die  übrigen  Peristomorgane  verloren ;  die  ersteren 
scheinen  entweder  eingezogen  oder  abgeworfen  zu  werden;  hinsichtlich 
der  übrigen  Organe  ist  Näheres  unbekannt.  Die  weitere  Verschmelzung 
verläuft  in  der  schon  bei  der  Copulation  ruhender  Individuen  geschilderten 
Weise.  Nicht  selten  vollzieht  sich  der  Verschmelzungsprocess  auch  etwas 
unregelmässig,  so  dass  auf  gewissen  Stadien  desselben  nicht  bisquitförraige 
sondern  unregelmässig  gelappte  Verschmelzungsproducte  beobachtet  wer- 
den. Der  ganze  Vorgang  nimmt  einen  Zeitraum  von  5  bis  6  Stunden 
in  Anspruch. 

Robin  vermochte  die  Copulation  nicht  zu  verfolgen,  er  sah  zwar 
einige  Male  Anfangsstadien  derselben,  konnte  jedoch  eine  weitere  Ver- 
schmelzung nicht  nachweisen ;  er  enthielt  sich  daher  auch  eines  Urtheils 
über  die  Beziehung  der  Copulation  zum  Knospungsprocess. 

Folgende  Gründe  sprechen  nun  dafür,  dass  die  Knospung  haupt- 
sächlich an  den  Copulatiousproducten  (Zygoten)  eintritt.  Einmal  zeigt 
sieh  dieser  Fortpflanzuugspröcess  nur  an  ganz  kugligen  Individuen 
von  der  Beschaffenheit  der  ruhenden  und  auch  die  Zygote  besitzt 
ja  diese  Bildung;  ferner  sind  die  knospenden  Individuen  gewöhnlich  be- 
sonders gross  (nach  Robin  sehr  selten  unter  0,5  Mm.)  und  wenigstens 
nach  Cienkowsky's  Erfahrungen  häutig  etwas  eingekerbt  oder  gelappt, 
was,  wie  die  Grösse,  auf  ihr  Hervorgehen  aus  Copulation  hinweist.  Bei 
directer  Verfolgung  der  Zygoten  konnte  Cienkowsky  jedoch  während  dreier 
Tage  keine  Veränderungen  beobachten,  welche  auf  Knospuug  hindeuteten. 

Wenn  demnach  auch  manches  dafür  spricht,  dass  eine  Beziehung 
zwischen  Copulation  und  Knospung  besteht,  so  sind  die  Untersuchungen 
doch  bis  jetzt  noch  ungenügend,  um  solches  direct  zu  erweisen  und  jeden- 
falls werden  wohl  auch  gewöhnliche  ruhende  Individuen  Knospen  hervor- 
bringen können. 

Nach  Robin's  Versicherung  soll  der  Knospungsprocess  die  häufigste 
Fortpflanzungsweise  der  Noctiluca  sein ,  und  zwar  zählte  er  ein  knos- 
l)endes  Individuum  auf  ungefähr  200  —  300  gewöhnliche.  Diese  An- 
gaben harmoniren  aber  nicht  recht  mit  der  späteren,  dass  man  unter 
1 — 200  gewöhnlichen  Thieren  meist  einem  in  Theilung  begriffenen  be- 
gegne. Wenn  ich  diese  Bemerkungen  richtig  verstehe,  so  wäre  doch  die 
Theilung  etwas  häufiger  wie  die  Knospung. 


I 


Noctiluca  (Copulatioii ;  Knospung:  Anfangssfadien  uiul  Allgemeines).  1069 

Der  Vorgang"  der  Knospung-  verläuft  nun,  wenn  wir  die  Er 
fabrungen  der.  beiden  Beobaobter,  welcbe  denselben  verfolgten,  hiög- 
licbst  zusammenfassen,  in  folgender  Weise.  Das  Centralplasma,  welcbes 
einer  beschränkten  Stelle  der  Ktn-perwand  anliegt,  wölbt  sich  etwas 
empor,  so  dass  es  wie  ein  niederer  ?Iiigel  auf  der  Kugelobertläcbe 
vorspringt.  Hierauf  theilt  sich  der  Kern  und  ziemlich  gleichzeitig  damit 
sondert  sich  auch  das  Centralplasma  in  zwei  Hügel,  die  etwas  aus- 
einander rücken.  Die  Theilung  des  Zellkörpers  schreitet  aber  nicht  über 
dieses  Stadium  fort,  sondern  die  beiden  Hügel  bleiben,  ebenso  wie  die 
weiteren  Theilproducte  derselben,  durch  den  übrigen,  nicht  getheilten  Kugel- 
körper mit  einander  veieinigt.  Der  ganze  Vorgang  bietet  also  die  grösste 
Analogie  mit  der  Erscheinung  der  partiellen  und  speciell  der  discoidalen 
Furchung  eines  Metazoeneies,  wie  die  weitere  Darstellung  deutlich  ergeben 
wird.  Bezüglich  dieser  Herleitung  des  Knospungsprocesses  von  unvoll- 
ständiger Theilung  ist  es  noch  von  besonderem  Interesse,  dass  Cienkowsky 
in  seiner  ersten  Arbeit  einige  Stadien  mit  2  und  4  Hügeln  abbildet,  wo 
die  Einsenkungen  zwischen  den  Hügeln  sich  in  Gestalt  ringförmiger  Fur- 
chen über  den  gesammten  Körper  des  knospenden  Thieres  fortsetzen. 
Auch  auf  dem  Fig.  7  unserer  Taf.  50  nach  Cienkowsky  abgebildeten  In- 
dividuum ist  eine  viertheilige  Beschaffenheit  des  Körpers  noch  zu  er- 
kennen, obgleich  schon  16  Hügel  gebildet  sind.  Es  scheint  mir  hiernach, 
dass  wenigstens  in  den  Anfangsstadien  die  Theilung  zuweilen  auch  auf 
den  gesammten  Körper  etwas  übergreift,  doch  scheinen  sich  die  Furchen 
bald  wieder  zu  verlieren.  Robin  ewähnt  nichts  von  einer  derartigen  Er- 
scheinung. 

Nach  Sonderung  zweier  Hügel  beginnen  dieselben  bald  unter  erneuter 
Kerntheilung  je  in  zwei  neue  zu  zerfallen,  wobei  ihre  Theilebene  sicher 
senkrecht  zu  der  ersten  steht  (Taf.  50,  Fig.  3).  Hierauf  erfolgt  die  Thei- 
lung der  Hügel  in  8,  dann  in  16,  32  und  durch  fortschreitende  Zwei- 
theilung schliesslich  in  eine  sehr  grosse  Zahl  kleiner  Hügel  oder  Knospen, 
welche,  wenn  keine  Unregelmässigkeit  in  der  Entwickelung  stattgefunden 
hat,  als  eine  ai)gerundet  vierseitige  Scheibe  über  die  Oberfläche  der  Nocti- 
luca hervorragen  (50,  Fig.  6).  Diese  Scheibe  soll  etwa  ein  Drittel  bis 
ein  Viertel  der  Kugeloberfläche  einnehmen,  was  mir  aber  nach  den  Ab- 
bildungen zu  hoch  gegriffen  erscheint,  wahrscheinlich  bezieht  sich  diese 
Angabe  auf  die  sichtbare  Kugeloberfläche,  also  nur  die  Hälfte  der  ge- 
sammten. Die  Scheibe  bedeckt  demnach  einen  viel  ansehnlicheren  Theil 
der  Oberfläche  als  das  Centralplasma  ursprünglich  einnahm,  was  auf  Ver- 
hältnissen beruhen  dürfte,  die  gleich  zur  Sprache  gebracht  werden  sollen. 

Die  Zahl  der  durch  fortgesetzte  Theilung  gebildeten  Knospen  soll 
nach  Robin  gewöhnlich  auf  512,  seltener  nur  256  anwachsen,  diese  Zahlen- 
angaben scheinen  aber  nur  auf  Grund  der  Annahme  regelmässig  fort- 
schreitender Zweitheilung  berechnet  zu  sein.  256  ist  die  Zahl,  welche 
bei  der  8.,  512  diejenige,  welche  bei  der  9,  Theilstufe  erreicht  wäre.  Da 
nun  aber  sowohl  aus  Cienkowsky 's  wie  Robin's  Angaben  hervorgeht,  dass 


1070  Cystoflag-ellata. 

die  Theilungen,  wenn  die  Zahl  der  Knospen  eine  höhere  geworden  ist, 
ziemlich  unregehnässig'  und  durchaus  nicht  mehr  simultan  fortschreiten, 
so  werden  wohl  auch  keine  so  regelmässigen  Knospenzahleu  gebildet 
werden.  Ungefähr  mögen  dieselben  richtig  sein,  da  die  reifen  Knospen 
keine  sehr  beträchtlichen  Grössenunterschiede  zeigen. 

Namentlich  aus  Cienkowsky's  Darstellung  scheint  hervorzugehen,  dass 
das  durch  den  Körper  verbreitete  Plasma  im  Laufe  der  Knospung 
allmählich  mehr  und  mehr  mit  dem  Ceutralplasma  zusammentritt,  denn 
er  betont  speciell,  dass  die  knospenden  Noctilucen  sehr  inhaltsleer  er- 
schienen, was  wohl  nur  in  dieser  Weise  zu  deuten  ist.  Bei  Robin  tindet 
sich  keine  dahin  zielende  Angabe;  doch  scheint  mir  der  beträchtliche 
Umfang,  welchen  die  Knospenscheibe  erreicht,  gleichfalls  dafür  zu  sprechen. 
Jedenfalls  bleibt  aber  das  Plasmanetz  der  Körperwand  intact. 

Jeder  Theilvorgang  nimmt  nach  Robin  etwa  1 — IV2  •''Stunden  in  An- 
spruch und  der  gesammte  Process  bis  zur  Reifung  der  Knospen  ca.  11 
bis  12  Stunden.  Indem  wir  auf  die  Einzelheiten  des  Theilungsvorganges 
etwas  näher  eingehen,  beansprucht  zunächst  die  von  Robin  genauer 
verfolgte  Kerntheilung  unser  Interesse.  Cienkowsky  glaubte  noch, 
dass  der  Kern  vor  Beginn  der  Knospung  verschwinde.  Die  Kerntheilung 
verläuft,  wie  es  scheint,  stets  in  derselben  Weise,  wurde  aber  nur  bei 
den  Anfangsstadien  genauer  erkannt.  Der  Vorgang  ist  dem  der  indirecten 
Theilung  im  wesentlichen  analog.  Der  Kern  streckt  sich  zunächst  zu 
einem  kurzen  Cylinder  mit  abgerundeten  Enden  in  die  Länge  und  nimmt 
eine  gleichmässig  feinkörnige  Beschaffenheit  an.  Wie  diese  Structur  aus 
der  des  ruhenden  Kernes  hervorgeht,  blieb  unermittelt;  Robin  hält  ja 
den  ruhenden  Kern  bekanntlich  für  strncturlos.  Hierauf  wird  die  Mittel- 
region des  Cylinders  sehr  fein  längsstreifig  (Taf.  50,  Fig.  2  a),  was  jeden- 
falls, wie  auch  Robin  bemerkt,  von  feinen,  längsgerichteten  Fibrillen 
(Spindelfasern)  verursacht  wird;  die  beiden  abgerundeten  Enden  behalten 
aber  ihren  feinkörnigen  Character.  Von  Verdickungen  oder  ähnlichen  Er- 
scheinungen an  den  Spindelfasern,  welche  auf  die  so  allgemein  verbreitete 
Kernplatte  bezogen  werden  könnten,  wurde  nichts  beobachtet,  doch  möchte 
ich  glauben,  dass  das  Stadium,  welches  eine  solche  zeigt,  übersehen  wurde 
und  dass  alle  von  Robin  abgebildeten  Kerne  schon  weiter  fortgeschrittene 
Zustände  repräsentiren,  wo  nämlich  die  Kernplattenelemente  schon  an  die  Pole 
der  Kernspindel  gerückt  und  zur  Anlage  der  Tochterkerne  zusammen- 
getreten sind. 

Die  körnigen  Enden  des  Kerncylinders,  die  Anlagen  der  Tochter- 
kerne, setzen  sich  nun  bald  kuglig  von  dem  sie  verbindenden  Faserband 
ab  (Fig.  2  b)  und  letzteres  verschmälert  sich  in  der  Mitte  schon  etwas. 
Während  diese  Verschmälerung  allmählich  noch  weitere  Fortschritte  macht, 
verlängert  sich  das  Band  der  Spindelfasern  noch  mehr  und  krümmt  sich 
endlich  ziemlich  beträchtlich  bogenförmig  (2  c— 2  d)..  An  einem  der 
schon  ziemlich  scharf  kuglig  abgegrenzten  Tochterkerne  ist  mittlerweile 
eine    eigenthümliehe    Erscheinung    hervorgetreten ,     indem    derselbe    an 


Noctiluca  (Knospung-;  Kerntheiluugsvorgilnge  hierbei).  1071 

der  nach  dem  anderen  Kern  schanenden  Hälfte,  also  da,  wo  er  mit  den 
Spindelfasern  zusammenhängt,  einen  ziemlich  tief  gehenden  Einschnitt 
zeigt,  d.  h.  die  Anlage  dieses  Kernes  weist  eine  stark  nierenförmige  Ein- 
krümmung  auf  (2  b).  Bald  verschmelzen  nun  die  sich  berührenden  zu- 
sammengekrlimraten  Enden  dieser  Kernanlage  mit  einander,  wobei  der 
Einschnitt  natürlich  verschwindet,  indem  sich  nur  ein  Rest  desselben  als 
eine  helle  Cavität  im  Centriim  dieses  Kernes  noch  längere  Zeit  erhält 
(2  c — e).  Während  nun  die  beiden  Tochterkerne  an  Volum  zunehmen, 
nimmt  das  Band  der  Spindelfasern  ab,  indem  seine  Masse  wahrscheinlich 
allmählich  in  die  Kerne  aufgenommen  wird.  Schliesslich  wird  seine 
Continuität  in  der  Mitte  unterbrochen ;  seine  Reste  hängen  noch  wie 
Schwänze  den  Tochterkernen  an  (2e)   und   schwinden  endlich  völlig. 

Diese  Darstellung-  wird  es  rechtfertigen,  den  beschriebenen  Kernthcilungsvorgang  in  die 
Kategorie  der  indirecten  einzureihen.  Interessanter  Weise  zeigt  er  manche  Anklänge  an  die 
Kerntheilung  eines  anderen  Protozoon,  welche  R.  Hertwig*)  neuerdings  beschrieb,  des  Acti- 
nosphaerium  Eichhorni  nämlich. 

Einmal  ist  hier  der  Vorgang  der  äusseren  Umgestaltung  des  Kernes  während  der  Thei- 
lung  im  wesentlichen  derselbe,  worauf  zwar  kein  grosser  Werth  zu  legen  ist,  namentlich 
wiederholt  sich  aber  hier  die  beschriebene  Entstehung  der  Tochterkerne  durch  nierenförmige 
Zusammenkrümmung  und  schliessliche  Verschmelzung  ihrer  Anlagen,  Die  Anlage  der  Tochter- 
kerne geht  bei  Actinosphaerium  aus  den  auseinandergerückten  Hälften  der  ursprünglich  einheitlichen 
Kernplatte  hervor,  welche  sich  mit  je  einer  der  an  den  Polen  der  Sjnndel  entstandenen  sog. 
Polplatten  vereinigen.  Die  Natur  dieser  Polplatten  wurde  bis  jetzt  noch  nicht  genügend  auf- 
geklärt. Auf  dieser  Bildung  der  Tochterkerne  beruht  die  wesentliche  Analogie  mit  dem 
Vorgang  bei  Noctiluca,  denn  ausser  bei  den  beiden  genannten  Protozoen  wurde  ein  solcher 
bis  jetzt  nirgends  beobachtet.  Wegen  dieser  Analogie  möchte  ich  aber  annehmen, 
dass  sich  jener  Bildungsvorgang  auch  bei  Noctiluca  nicht  auf  den  einen  Tochterkern  be- 
schränkt, was  von  vornherein  recht  unwahrscheinlich  ist;  die  oben  ausgesprochene  Ver- 
muthung  tlber  das  wahrscheinliche  Auftreten  einer  Kernplatte  bei  der  Theilung  der  Noctiluca- 
kerne,  stützt  sich  gleichfalls  auf  die  geschilderten  Analogien. 

Robin  beschreibt  ferner  ein  eigenthümliches  Verhalten  des  den  Kern 
umschliessenden  Centralplasmas  bei  der  Theilung,  doch  bin  ich  unsicher, 
ob  ich  seine  Darstellung  desselben  ganz  verstanden  habe.  Um  den 
cylindrisch  gewordenen  Kern  soll  das  Plasma  anfänglich  eine  nicht 
sehr  dicke  ovale  Umhüllung  bilden  (Fig.  2a),  welche  den  vorspringenden 
Hügel  formirt.  Um  dieses  Plasma  breitet  sich  in  der  Wand  der  Nocti- 
luca eine  ziemlich  breite  Zone  feiner  Plasmanetzmaschen  aus,  von  welchen 
sich  die  centralen  allmählich  mehr  zusammendrängen  und  mit  dem  den 
Kern  einschliessenden  centralen  Plasma  zusammenschmelzen. 

Dieses  centrale  Plasma  macht  bei  der  Theilung  im  Allgemeinen  die- 
selben Gestaltsveränderungen  durch  wie  der  Kern  und  wird  endlich  bisquit- 
förmig  (2  b),  so  dass  es  die  Spindelfasern  nur  noch  als  eine  sehr  dünne 
Schicht  umgibt.  Wenn  dieser  Zustand  eingetreten  ist,  bildet  sich  in  einer 
gewissen  Entfernung  vom  centralen  Plasma  durch  Zusammenfluss  der 
engen  Netzmaschen  eine  Zone  dichten  Plasmas  (2c^ — d),  welche  sich  bei 


*)  Die  Kerntheilung  bei  Actinosphaerium  Eichhorni,  Jena  1884  (Unters,  z    Morjjhol.  und 
Physiol.  der  Zelle  von  0.  und  R.  Hertwig,  1.  Hft.). 


1072  Gystoflagellata. 

dem  Fortscliieilen  der  Keriitbeilung  ebenfalls  bisquitförmig  einscbnüit. 
Indern  sich  also  die  drei  genannten  Plasmazonen  mit  dem  Kern  tbeilen, 
ist  jeder  Tocbterkern  kurz  nach  seiner  Isolirung  (etwa  Fig.  2d)  zu- 
nächst von  einer  Lage  dichten  Centralplasmas  umgeben ,  worauf  eine 
Zone  von  Netzmaschen  folgt  und  schliesslich  wieder  eine  ringförmige 
schmale  Zone  dichten  Plasmas.  Nun  zieht  sich  aber  bald  die  Zone  der 
Netzmascheu  mehr  und  mehr  zusammen,  so  dass  endlich  eine  voll- 
ständige Vereinigung  der  drei  Zonen  zu  einem  den  Tochterkern  umgeben- 
den Centralplasma  erfolgt  (2e);  letzteres  bildet  dann  den  Tochterhügel. 
Dieser  Vorgang  soll  sich  bei  jeder  Theilung,  also  sicher  wenigstens  den 
anfänglichen,  wo  die  Verhältnisse  besser  zu  beobachten  sind,  wiederholen. 
Das  Wesen  des  ganzen  Prozesses  scheint  mir  aber  darin  zu  bestehen, 
dass  successive  neues  Plasma  ans  der  Umgebung  den  Tochterhügeln  zu- 
geführt wird,  was  im  Allgemeinen  schon  oben  angedeutet  wurde. 

Die  entstandenen  Tochterhügel  besitzen  in  den  jüngeren  Stadien  eiue 
eigenthUmlich  gefurchte  Oberfläche  (Fig.  3).  Die  ziemlich  tief  einschnei- 
denden und  durch  rippenartige  Erhebungen  gesonderten  Furchen  haben 
einen  etwas  unregelmässigen  Verlauf  und  sind  an  zwei  aus  der  Theilung 
hervorgegangenen  Schwesterhügeln  schief  zu  einander  gestellt,  „wie  wenn 
die  Segmentation  das  Resultat  einer  Torsion  wäre"  (Robin).  Die  Furchen- 
bildung tritt  nach  Robin  von  der  Viertheilung  au  deutlich  hervor  und 
schwindet  etwa  bei  der  Theilung  von  64  zu  128  Knospen. 

Selbst  bei  Gegenwart  zahlreicher  Knospen  bemerkt  man  häutig  noch 
eine  Zusammengruppirung  derselben  in  Vierzahl,  in  (Iruppen,  welche  aus 
der  Theilung  eines  ursprünglichen  Hügels  hervorgingen  (50,  Fig.  7),  doch 
wurden  auch  gelegentlich  Gruppen  von  16  Hügeln  beobachtet. 

Wenn  die  Theilung  bis  zu  32  Knospen  gelangt  ist,  tritt  zuerst  eine 
Abschnürung  derselben  gegen  den  unterliegenden  ]\Iutterkörper  auf,  doch 
kommt  es  zunächst  noch  nicht  zur  Bildung  eines  verengten  Stielchens. 
Bei  der  ferneren  Vermehrung  der  Knospen  schreitet  die  Abschnürung 
weiter  fort  und  die  reifen  Knospen  sind  nur  noch  durch  ein  sehr  zartes, 
angeblich  aus  „amorpher  Substanz"  bestehendes  Stielchen  an  der  Mutter- 
blasenwand befestigt  (Robin). 

Nach  der  Bildung  von  64  oder  mehr  Knospen  treten  die  zuge- 
hörigen Kerne  ins  Innere  des  Knospenplasmas  völlig  ein;  es  mag  dies 
wohl  mit  der  Abschnürung  der  Knospen  zusammenhängen,  denn  dass 
letztere  unter  nochmaliger  radiär  gerichteter  Theilung  des  Kernes  ver- 
laufe, scheint  in  den  Beobachtungen  keine  Stütze  zu  tinden.  In  den  früheren 
Stadien  des  Knospungsprocesses  dagegen  liegt  der  Kern ,  resp.  seine 
Theilproducte  stets  in  der  innersten  Schicht  des  Centralplasmas,  von  dem 
Zelllumen  nur  durch  eine  dünne  Plasmaschicht  geschieden  (Robin).  Sind 
die  Knospen  einmal  von  der  Wand  des  Mutterkörpers  etwas  abgeschnürt, 
so  sieht  man  bei  ihrer  weiteren  Theilung  eine  Furche  auf  ihrer  distalen 
Fläche  entstehen,  welche  allmählich  gegen  die  Basis  durchschneidet.    Die 


Noctiluca   (Knospiing).  1073 

zwei  aus  der  Theilnng  entstandenen  Knospen  liegen  zunächst,  zwei  Kaffee- 
bohnen ähnlich,  mit  ihren  abgeplatteten  Flächen  dicht  aneinander. 

Nach  Bildung  der  fertigen  Zahl  von  Knospen  erhalten  dieselben  ihre 
definitive  Gestalt,  indem  sich  ihr  distales  Ende  zuspitzt,  während  das  noch 
am  Stielchen  befestigte ,  proximale  abgerundet  erscheint  (Figg.  4 — 6). 
Die  eine  Seitenfläche  ist  etwas  concav  ausgehöhlt,  die  andere  convex 
vorgewölbt.  In  jeder  Knospe  bemerkt  man  deutlich  den  Kern  als  einen 
runden  hellen  Fleck. 

Bevor  wir  die  specielle  Ausbildung  der  reifen  und  der  abgelösten 
Knospen  oder  Schwärmer  schildern,  haben  wir  noch  gewisse  Unregel- 
mässigkeiten im  Entwicklungsgange  kurz  zu  betrachten.  Cienkowsky  will 
nämlich  bei  der  Bildung  sehr  grosser  und  individuenreicher  Knospen- 
scheiben einen  etwas  anderen  Vorgang  beobachtet  haben.  Soweit  ich 
seine  wenig  klare  Schilderung  zu  verstehen  vermag,  wäre  der  Process 
etwa  folgender.  Die  Knospen  entstehen  nicht  durch  fortgesetzte  Theiluug 
weniger  Hügel,  sondern  es  bildet  sich  zuerst  ein  centraler  „Hügelkranz''  der 
Scheibe  (wie,  ist  nicht  genauer  angegeben);  hierauf  „scheidet"  sich  das 
umgebende  Plasma  in  eine  Anzahl  ,, Klumpen, ''  welche,  indem  sie  sieh 
,, ausstülpen/'  einen  zweiten,  den  centralen  umgebenden  Hligelkranz  bilden. 
Durch  Fortsetzung  dieses  Processes  bilden  sich  successive  neue  und  immer 
umfangreichere  Kränze  von  Hügeln.  Dabei  sammelt  sich  das  übrige  Plasma 
der  Noctiluea  allmählich  an  der  in  Entwicklung  begriffenen  Scheibe  an 
und  tritt,  wie  es  scheint,  endlich  völlig  in  deren  Bildung  ein.  Bei  dieser 
Gelegenheit  bemerkt  C.  endlich  noch:  „Bei  häufig  vorkommendem  abnormen 
Laufe  der  Entwicklung  entstehen  entweder  wurmartige  Wucherungen, 
welche  durch  Abschnürung  und  Theilung  normal  gebaute  Zoosporen  geben, 
oder  die  Hügel  werden  in  einem  gedrängten  Haufen  angesetzt".  Robin 
hat  von  solchen  Unregelmässigkeiten  nichts  bemerkt. 

Auch  die  Gestalt  der  ausgebildeten  Scheibe  ist  recht  variabel.  Wie 
schon  bemerkt  wurde,  besitzt  sie  gewöhnlich  einen  vierseitigen  Umriss 
mit  abgerundeten  Ecken  (Fig.  6);  nicht  selten  finden  sich  aber  auch 
ovale,  herzförmige  und  unregelmässigere.  Cienkowsky  fand  auch  Scheiben, 
welche  den  Mutterkörper  gürtelförmig  umzogen  (Fig.5);  Robin  beobachtete 
solche  nicht. 

Die  definitive  Reifung  der  Knospen  vollzieht  sich  hauptsächlich 
dadurch,  dass  sie  die  noch  fehlende  Geissei  entwickeln.  Letztere  wächst 
aus  der  concaven  Knospenseite  hervor  und  bleibt  unbeweglich,  bis 
sie  etwa  die  doppelte  Länge  des  Körpers  erreicht  (Fig.  4).  Sie  wächst 
dann  allmählich  zur  definitiven  Länge,  welche  die  des  Körpers  6  bis 
7  fach  übertrifft,  aus.  Das  Hervorwachsen  der  Geissei  nimmt  etwas  weniger 
wie  eine  Stunde  in  Anspruch.  Cienkowsky  glaubt  beobachtet  zu  haben, 
dass  die  centralen  Knospen  der  Scheibe  zuerst  Geissein  bilden ,  während 
die  peripherischen  noch  in  Theilung  begriffen  sind  und  folgert  hieraus, 
dass  die  Reifung  überhaupt  von  dem  Centrum  nach  der  Peripherie  der 
Scheibe  fortschreite.     Robin   leugnet    dies   und   lässt  alle  Knospen  gleich 

ßvonn,   Klassen    des  Thier  -  Reichs.    Protozoa.  ߧ 


1074  Cystoflagellata. 

zeitig  diese  Entwicklungsstufe  erreichen.  Au  der  ausgebildeten  Scheibe 
sind  alle  Geissein  in  lebhafter  Thätigkeit,  ohne  aber  den  Mutterkörper  in 
Bewegung  zu  setzen. 

Nach  völliger  Ausbildung  der  Geissei  lösen  sich  die  Knospen  als 
Sehwärmer  ab  und  zwar  gewöhnlich  einzeln,  successive  da  und  dort,  so 
dass  die  Scheibe  allmählich  unregelmässige  Lücken  aufweist,  bis  die 
Ablösung  vollständig  geworden  ist.  Doch  scheinen  sich  nach  Robin's 
Erfahrungen  einige  Knospen  gewöhnlich  nicht  abzutrennen,  welche  dann 
bald  zu  Grunde  gehen.  Unter  dem  Einfluss  ungünstiger  Verhältnisse 
kommt  es  auch  vor,  dass  sich  die  ganze  Knospeuscheibe  im  Zusammen- 
hang vom  Mutterkörper  abtrennt  (Cienkowsky  und  Robin).  Nach  ihrer 
Lösung  ballt  sich  die  Scheibe  zu  einem  rundlichen  Körper  zusammen, 
welcher  trotz  der  energischen  Geisseischwingungen  der  Knospen  nicht 
in  Bewegung  geräth;  schliesslich  lösen  sich  letztere  aber  aus  ihrem  Zu- 
sammenhang und  werden  frei. 

Leider  blieb  die  Frage,  was  aus  dem  restirenden  Mutterkörper  wird 
noch  unerledigt.  Derselbe  ist  seines  Plasmas  nicht  ganz  beraubt, 
weist  vielmehr  nach  Robin  an  der  Stelle  der  früheren  Scheibe  eine  sehr 
dünne  Lage  vofa  solchem  auf,  von  welcher  auch  einige  zarte  Fäden  durch 
die  Zellsafthölile  ausstrahlen.  Kerne  sollen  ihm  ganz  fehlen  und  wenn 
dies  richtig  ist,  so  dürfte  er  wohl  sicher  bald  zu  Grunde  gehen,  was  ja 
auch  als  das  natürlichste  erscheint. 

Der  Bau  der  isolirten  Schwärmer.  Die  Länge  der  Schwär- 
mer schwankt  von  0,016  bis  0,020  Mm.;  ihre  allgemeine  Gestalt  ist  deut- 
lich bilateral,  also  verschieden  nach  der  Richtung,  in  welcher  man  sie 
betrachtet.  In  seitlicher  Lage  (8  b,  8d)  erscheint  der  Schwärmer  etwa 
bobnenförmig  mit  ziemlich  zugespitztem  Hinterende,  während  das  Vorder- 
ende breit  abgerundet  ist.  Die  Rückseite  ist  gleichmässig  gewölbt,  die 
Bauchseite  dagegen  in  den  hinteren  zwei  Dritteln  schwach  löffelförmig  aus- 
gehöhlt, ihr  vorderes  Drittel  wie  die  Rückseite  convex  vorgewölbt  (8d). 
Der  concave  Theil  der  Bauchseite  wird  seitlich  je  von  einem  ziemlich  scharfen 
Rand  begrenzt;  diese  beiden  Ränder  stehen  vorn,  am  Beginn  der  Aushöhlung, 
etwa  um  die  ganze  Körperbreite  von  einander  ab  und  convergiren  nach 
hinten  allmählich,  um  am  Hinterende  spitz  zusammenzulaufen  (s.  den  Holzschn. 
auf  pag.  1083).  Die  gesammte  Aushöhlung  erscheint  daher  in  gewissen 
Ansichten  wie  ein  dreieckiges,  eigenthümliches  Organ  der  Bauchseite,  wel- 
ches von  Cienkowsky  wohl  nicht  ganz  richtig  aufgefasst  wurde,  da  er  es 
als  Stachel  bezeichnete  (s.  Figg.  8  a— b  u.  e,  s)  und  gewöhnlich  nicht  aus- 
gehöhlt, sondern  etwas  convex  vorgewölbt  abbildete;  auch  springt  es  auf 
seinen  Abbildungen  mehrfach  am  Hinterende  frei  und  spitzig  vor  (8  a  u.  e), 
was  vielleicht  gelegentlich  der  Fall  sein  kann,  da  sich  bekanntlich  das 
Staborgan  der  ausgebildeten  Noctiluca,  welches  jedenfalls  mit  dem  sogen. 
Stachel  identisch  ist,  manchmal  ähnlich  verhält.  In  Bauch-  oder 
Rückenansicht  erscheint  der  Schwärmer  nach  Robin  breit  eiförmig  (8  c) 
mit  hinterem  breiterem  und  vorderem  mehr  verschmälertem  Ende.     Cieu- 


Noctiluca  (Knospung;  Bau  der  Schwärmer).  1075 

kowsky  gibt  dagegen  eine  beträchtliche  Verbreiterung  des  Hiuterendes 
nicht  an,  dasselbe  erscheint  auf  seinen  Abbildungen  sogar  manchmal  ver- 
schmälert. Die  vordere  Grenze  der  ventralen  Aushöhlung  wird  durch  eine 
quere  Furche  bezeichnet,  welche  nach  Kobin  von  der  etwas  stärkeren  Vor- 
wölbuug  des  davor  gelegenen  Theils  der  Bauchseite  verursacht  wird  (8d 
und  Holzschnitt).  Nach  diesem  Forscher  soll  jene  Furche  auf  die  Bauch- 
seite beschränkt  sein,  während  sie  auf  Cienkowsky's  Abbildungen  z.  Th. 
auch  auf  den  Rücken  tibergreift,  also  den  Körper  mehr  oder  weniger 
vollständig  umzieht.  In  der  Querfurche  entspringt  auf  der  Bauchseite  die 
sehr  ansehnliche  Geissei;  nach  Robin  ziemlich  in  der  Mittellinie  der  Bauch- 
seite, nach  Cieukowsky  gewöhnlich  auf  der  rechten  Seite,  an  dem  vorderen 
Rande  der  Aushöhlung. 

Hinsichtlich  der  inneren  Verhältnisse  des  Schwärmers  ist  zunächst 
hervorzuheben,  dass  derselbe  aus  einem  gleichmässigen  gelblichen,  nicht 
vacuolisirten  Plasma  besteht.  In  der  hinteren  Hälfte  findet  sich  der  helle, 
schwach  granulirte  (Robin)  und  relativ  ansehnliche  Kern  (n),  der  in  der 
Bauch-  oder  Rückenansicht  kreisrund,  in  der  Seitenansicht  nieren- 
förmig  gekrümmt  erscheint,  mit  concaver  Bauchseite.  Der  Ventralseite 
des  Kernes  soll  nach  Robin  eine  nicht  sehr  ansehnliche  contractu  e 
Vacuole  (8e,  cv;  auch  8d)  angelagert  sein,  deren  Zusammenziehun^en 
sehr  langsam  erfolgen;  Cienkowsky  hat  von  einer  solchen  nichts  wahr- 
genommen. 

Eudlich  hätten  wir  noch  eines  Organes  zu  gedenken,  das  Cien- 
kowsky nicht  immer,  aber  doch  nicht  gar  selten  an  den  Schwärmern 
beobachtete.  Es  ist  ein  dicht  "neben  der  Geissei  entspringender,  ziemlich 
dicker  und,  wie  es  scheint,  drehrunder  Faden  (8b,  a),  welcher  von  der 
vorderen  Körperhälfte  ausgehen  soll.  Er  erreichte  häufig  eine  dem  Schwär- 
mer etwa  gleichkommende  Länge  und  hatte  zuweilen  ein  knöpfchenartig 
angeschwollenes  Ende.  Ich  versuchte  schon  früher  (40)  diesen  Anhang 
als  die  Bandgeissel  zu  deuten  und  werde  darauf  gleich  zurückkommen. 
Robin   hat  nie  etwas  von  ihm  gesehen. 

Die  Bewegungen  erfolgen  stets  mit  dem  sog.  Vorderende  voran,  ent- 
weder mehr  gleitend  auf  der  Unterlage  oder  freischwimmend;  die  Geissei 
ist  also  bei  den  Bewegungen  nach  hinten  gerichtet. 

Leider  gelaug  es  noch  nicht,  die  Entwickelung  der  Schwärmer 
zur  ausgebildeten  Noctiluca  direct  zu  verfolgen.  Es  dürfte  jedoch 
wenig  zweifelhaft  sein,  dass  dieselben  ohne  weitere  Complicationeu,  wie 
etwa  Copulation ,  ihre  Entwickelung  durchlaufen.  Robin  vermuthet  in 
kleinen  Noctilucen  von  0,15  Durchmesser,  welche  im  Allgemeinen  die 
Organisation  ruhender  Formen  darboten,  solche  Entwickelungszustände, 
woraus  er  weiter  schliessen  will,  dass  die  Geissei  der  Schwärmer 
nicht  direct  in  die  ihr  ähnliche  hintere  Geissei  der  Noctiluca  über- 
gehe und  dass  ebensowenig  der  von  Cienkowsky  beobachtete  Anhang 
die  Bandgeissel  sein  könne.  Beides  erachte  ich  für  unbegründet,  da 
nicht    der    geringste    Beweis    vorliegt,     dass     diese     kleinen    Noctilucen 

68* 


107G  Cystoflagellata. 

einfache  Weiterentwiekeliingsziistäiule  und  nicht,  was  viel  wahrschcinlichcv 
ist,  kleine  ruhende  Formen  waren. 

Das  Einzige,  was  uns  einen  gewissen  Anhalt  zur  Reurtheilung  der 
weiteren  Entwickelung  gibt,  ist  Cieukowsky's  Beohaehtung,  dnss  die 
Schwärmer,  noch  bevor  sie  die  Mutterseheibe  verlassen,  zuweilen  Ver- 
änderungen erleiden,  welche  jedenfalls,  mögen  sie  nun  normal  oder  anor- 
mal sein,  denen  ähnlich  sein  dürften,  die  sie  bei  der  Entwickelung  zur 
ausgebildeten  Noctiluca  durchmachen. 

Zunächst  sind  diese  ovalen  bis  kuüligeu  oder  auch  unreirelmässiirer 
aufgeblähten  Schwärmer  grösser  wie  die  gewöhnlichen,  was  z.  Tli.  auf 
der   Entwickelung   einer  noch   wenig   umfänglichen   Zellsafthöhle    beruht, 

CT*  O  O  7 

durch  die  häutig  schon  eine  Anzahl  riasmazüge  strahlen,  von  der 
als  Centralplasma  an  einer  Wandstelle  verbliebenen  Hauptmasse  des 
Plasmas  ausgehend.  Das  stabartige  Organ  auf  der  Bauchseite  des 
Schv^ärmers  hat  sich  viel  deutlicher  zu  einem  dem  Stabore-an  der  Nocti- 
luca  ähnlichen  Gebilde  umgestaltet,  es  erscheint  relativ  schmäler  und  wird 
auch  von  Cienkowsky  z.  Th.  bestimmt  als  Einne  dargestellt.  Die 
Querfiirche  ist  bei  der  Aufblähung  des  Körpers  geschwunden;  die  In- 
sertion der  Geissei  findet  sich  an  der  Stelle,  wo  das  Centralplasma  der 
Wand  anliegt  und  in  der  früheren  Beziehung  zum  Vorderende  des  Stab- 
organs, dagegen  ist  der  Ursprung  der  Bandgeissel  nun  beträchtlich  vor 
den  der  Geissei  gerückt,  was  mit  den  Verhältnissen  bei  der  ausgebildeten 
Xoctiluca  übereinstimmt.  Aus  dem  Angeführten  möchte  ich  daher  sehliessen, 
dass  uns  diese  abnormen  Bildungen  einiges  von  dem  weiteren  Ent- 
wicklungsgang  der  Schwärmer  verrathen  und  dass  wir  hiernach  zu  folgen- 
den Annahmen  über  die  Beziehungen  zwischen  den  Verhältnissen  des 
Schwärmers  und  denen  der  ausgebildeten  Noctilnca  berechtigt  sind.  Die 
Aushöhlung  auf  der  Bauchseite  des  Schwärmers,  der  sog.  Stachel  Cieu- 
kowsky's, entspricht  dem  Staborgan  plus  der  Peristomeinsenkung ,  die 
Querfurche  schwindet  zum  grössten  Tbeil  und  erhält  sich  vielleicht  nur 
noch  in  Andeutung  als  der  vordere  quere  Rand  der  Peristomeinsenkung. 
Die  Geissei ,  des  Schwärmers  entspricht  der  hinteren  der  ausgebildeten 
Noctiluca  und  der  sog.  Anhang  deren  Bandgeissel. 

F  0  r  t  p  11  a  n  z  u  n  g  von  L  e  p  t  o  d  i  s  c  u  s.  Leider  wurde  bis  Jet /t 
nichts  genaueres  über  die  Vermehrung  dieser  interessanten  Form  bekannt, 
doch  gelang  es  Hertwig  gleichzeitig  mit  den  Leptodiscen  einige  Orga- 
uismeu  zu  finden,  die  er  mit  ziemlicher  Berechtigung  als  Entwicklungs- 
formeu  derselben  beansprucht.  Dass  sie  auf  Theilzustände  von  Lepto- 
discus  zurückzuführen  seien,  wie  er  vermuthet,  halte  ich  für  unwahr- 
scheinlich ,  möchte  vielmehr  annehmen ,  dass  sie  Uebergangsstufen  von 
Schwärmern  zu  entwickelten  Formen  darstellen.  Gewisse  in  neuester  Zeit 
von  Pouchet  (41)  gemachte  Beobachtungen  vermögen  diese  Absiebt  viel- 
leicht zu  unterstützen,  doch  wollen  wir  zunächst  die  von  Hertwig  ent- 
deckten Organismen  betrachten. 


Noctiluca  (Eutvvickl.  der  Sclnv;iiiüur  zur  reif.   Form),     Leptodiscuhi  (^Fortpflanzung).    1077 

Es  waren  dies  eiförmige  bis  etwas  vierseitige,  zuweilen  in  der  Mittel- 
region  stundenglasförmig  eingeschnürte  Kör])er  (T.  50,  10h),  über  deren 
Grösse  leider  keine  Angaben  vorliegen.  Auch  wurden  gelegentlich  ähn- 
liche Gebilde  beobachtet,  bei  welchen  ein  Theil  des  Körpers  schon 
scheibenförmig  war,  also  auch  in  der  Gestalt  eine  Annäherung  an  Lepto- 
discus  verrieth.  Ungefähr  im  Ccntruni  liegt  ein  ovaler,  gleichmässig 
fein-granulirter  Kern,  dessen  Körnehen  bei  gewissen  Formen  eine  eigen- 
thüraliche  Anordnung  in  verschiedenartig  verlaufenden  Zügen  zeigten, 
wesshalb  ich  es  für  wahrscheinlich  halte,  dass  der  eigentliche  Bau  des 
Kernes  sich  dem  der  Dinoflagellatenkerne  nahe  anschliesst.  Um  diesen 
Nucleus  findet  sich  ein  centrales  Plasma,  von  welchem  zählreiche  verästelte 
und  anastomosirende  Plasmazüge  ausstrahlen,  die  durch  den  Zellsaft  zur 
Wand  treten.  Letztere  soll  nach  Hertwig  wie  bei  Leptodiscus  von  einer 
besonderen  Men)bran  gebildet  werden.  Bei  einem  der  Körper  besass  das 
Centralplasma  die  Gestalt  eines  etwas  fibrillären  Stranges,  der  sich  in  der 
stundenglasförniigen  Einschnürung  zwischen  den  Körperwänden  aus- 
spannte (Fig.  loh). 

Die  Plasmaeinschlüsse  bestanden  zunächst  bei  allen  beobachteten 
Varietäten  aus  homogenen  farblosen  Körperchen,  die  mit  denen  überein- 
stimmten, weh;he  früher  bei  Leptodiscus  erwähnt  und  den  Dotterplättchen 
der  Fische  verglichen  wurden.  Diese  Körperchen  waren  theils  durch  das 
ganze  Plasma  verbreitet,  tlieils  dagegen  in  der  einen  Hälfte  des  stunden- 
glasförniigen blasigen  Körpers  zu  _dnem  von  einer  doppelten  Körnchen- 
reihe gebildeten  Piing  unter  der  Körperwand  aneinandergereiht;  bei  einem 
Exemplar  zeigte  sich  die  wichtige  Erscheinung,  dass  statt  dieses  Ringes 
eine  deutliche  schmale  Querfurche  den  Körper  äusserlich  umgürtete, 
an  deren  beiden  Rändern  die  Körnchen  hinzogen.  Weiter  enthielt 
nun  das  Plasma  bei  einigen  Formen  rundliche  und  ovale  Körper- 
chen, „deren  Farbe  von  dem  eigenthüralichen  Gemisch  von  gelb,  grün  und 
braun  gebildet  wird,  das  bei  vielen  Diatomeen  vorkommt",  also  sehr  wahr- 
scheinlich Chromatophoren ;  andere  dagegen  enthielten  zahlreiche  schwefel- 
gelbe Kugeln,  welche  den  gelben  Zellen  der  Radiolarien  sehr  glichen, 
sich  aber  durch  ihre  Kernlosigkeit  von  denselben  unterschieden ;  end- 
lich fanden  sich  auch  Exemplare,  welche  gar  keine  gefärbten  Körper 
besassen. 

Während  nun  ein  Theil  dieser  Organismen  ganz  starr  und  gestalts- 
beständig war,  zeigten  die  chromatophorenführenden  sehr  eigenthümliche 
Bewegungen.  In  der  einen  Hälfte  des  eingeschnürten  Körpers  verkürzten 
sich  die  Plasmazüge  allmählich  und  strömten  in  die  andere  Hälfte  über; 
die  erstere  wurde  daher  kleiner  und  ihre  Körperwand  schrumpfte  zu 
einem  gefalteten  oder  zerknitterten  Anhang  an  der  stark  aufgeblähten 
anderen  Hälfte  zusammen.  Hierauf  trat  eine  umgekehrte  Strömung  ein, 
mit  Aufblähung  der  geschrumpften  Hälfte  und  Zusammenfall  der  anderen. 
Dies  wechselnde  Hin-  und  Herströmen  des,  Plasmas  wiederholte  sich 
mehrfach. 


1078  Cystoflagellata. 

Ich  halte  es  nun  für  möglich,  dass  ein  neuerdings  von  Pouche!  (41) 
beobachteter  Organismus  in  naher  Beziehung  zu  den  eben  geschilderten 
steht.  Pouchet  fand  denselben  bei  Concarneau  im  atlantischen  Ocean 
und  nannte  ihn,  da  er  einerseits  Beziehungen  zu  den  Cystoflagellaten, 
andererseits  auf  einem  gewissen  Stadium  grosse  Uebereinstimmung  mit 
der  Dinoflagellatengattung  Gymnodinium  aufweist,  Gymnodinium 
pseudonoctiluca.  Dass  derselbe  mit  Noctiluca  zusammenhängt, 
scheint  ausgeschlossen,  weil  letztere  während  der  ganzen  Beobachtungs- 
zeit nicht  vorkam,  ferner  aber  auch  desshalb,  weil  seine  ursprüng- 
lichsten Zustände,  die  mit  den  Schwärmern  von  Noctiluca  verglichen 
werden  könnten,  viel  grösser  wie  die  letzteren  sind,  nämlich  eine 
Länge  von  0,1  Mm.  erreichen.  Der  ursprünglichste  Zustand  des  sogen. 
Gymnodinium  pseudonoctiluca  ist  nun  auch  einem  gewöhnlichen  Gymno- 
dinium äusserst  ähnlich.  Ein  im  Allgemeinen  länglich  cylindrischer  Kör- 
per wird  durch  eine  schmale  Querfurche  in  eine  beträchtlich  kleinere 
Vorder-  und  eine  grössere  Hinterhälfte  getheilt;  erstere  ist  kegelförmig 
zugespitzt,  die  hintere  abgerundet.  Die  beiden  ventralen  Enden  der  Quer- 
furche sind  stark  nach  hinten  gebogen  und  gehen  in  eine  sehr  wenig 
ausgeprägte  Längsfurche  über,  in  welcher  ganz  hinten  ein  recht  ansehn- 
liches Flagellum  entspringt.  In  der  Querfurche  soll  sich  eine  Quergeissel 
finden,  von  welcher  aber  auf  den  Abbildungen  nichts  zu  sehen  ist.  In 
der  hinteren  Körperhälfte  findet  sich  der  runde  und  angeblich  ganz  homo- 
gene, structurlose  Kern,  von  welchem  das  Plasma  in  strahligen  Zügen  zu 
der  Körperwand  ziehe.  Es  scheint  aber  auf  diesem  Stadium  eine  solche 
Anordnung  des  Plasmas  noch  wenig  hervorzutreten,  sie  ist  übrigens  auch 
auf  den  weiteren  Entwicklungsstadien  nur  äusserst  mangelhaft  angedeutet. 
Im  Plasma  finden  sich  braungrünliche  Granulationen,  von  wohl  chromato- 
phorenartiger  Beschaffenheit,  gelbe  bis  orangefarbige  Bläschen  und  grüne 
spindelförmige  Körperchen. 

Die  nächste  Weiterbildung  dieses  Organismus  besteht  darin,  dass  er 
sich  unter  Zunahme  des  Zellsaftes  mehr  aufbläht,  wobei  die  kegel- 
förmige Bildung  des  Vorderendes  in  eine  abgerundete  übergeht  und  auch 
die  Längsfurche  zu  verstreichen  scheint.  Gleichzeitig  kommt  letzteren  For- 
men eine  gewisse  Beweglichkeit  zu,  welche  an  die  der  fraglichen  Lepto- 
discuszustände  erinnert.  Namentlich  kann  die  Vorderhälfte  mehr  oder 
weniger  eingezogen  werden,  doch  auch  an  dem  übrigen  Körper  treten 
lokale  Retractionen  auf,  wodurch  derselbe  unregelmässig  faltig  werden 
kann.  Dieser  Zustand  leitet  in  einen  folgenden  über,  der  sich  durch 
ziemlich  vollständige  Einziehung  der  Vorderhälfte  characterisirt,  wobei 
die  Querfurche  erhalten  bleibt.  In  letzterer  Ausbildungsform  erinnern 
die  fraglichen  Gebilde  recht  lebhaft  an  gewisse  Formen  der  von  Hertwig 
beobachteten  Organismen,  speciell  an  solche  mit  einer  deutlichen  Querfurche; 
auch  die  Anordnung  des  Plasmas  und  die  Einschlüsse  sind  ja  sehr  ähn- 
lich. Das  eigenthümlichste  des  letzterwähnten  Stadiums  ist  aber  die  Ent- 
wicklung eines  an  die   Bandgeissel   der  Noctiluca   erinnernden   Orgaues, 


Leptodiscus  (Forfpliaiizung,  sog.  Gymnodiiüum  i)seudonoctiluca  Pouch.).  1079 

das  sich  aus  der  Gegend  der  Läugsl'iirche,  ein  wenig  hinter  deren  Zu- 
sammentritt mit  der  Querfurche  erhebt.  Nur  einmal  wurde  dieses  un- 
bewegliche Organ,  welches  aus  granulirtem  Plasma  bestand,  in  ansehn- 
licherer Entfaltung,  von  etwa  Körperlänge  gesehen,  gewöhnlich  erschien 
es  als  ein  verkümmerter  Anbang,  der  nach  der  Meinung  Pouchet's  wohl 
wieder  zu  Grunde  geht.  In  der  Querfurche  soll  neben  dieser  Bandgeissel 
die  Quergeissel  noch  vorhanden  gewesen  sein.  Die  ursprüngliche  Längs- 
geissel  wird  übrigens  auf  keinem  der  späteren  Stadien  mehr  abgebildet, 
ich  halte  es  desshalb  auch  für  sehr  unwahrscheinlich,  dass  die  Bandgeissel 
wie  Pouchet  eventuell  annehmen  möchte,  auf  die  Längsgeissel  zurückzu- 
führen sei.  Wäre  die  Bandgeissel  wirklich  neben  der  Quergeissel  vor- 
handen und  gibt  man  die  Homologie  der  ersteren  mit  der  der  Noctiluca 
zu,  so  könnte  man  daraus  folgern,  dass  meine  Homölogisirung  der  ersteren 
mit  der  Quergeissel  der  Dinoflagellaten  falsch  sein  müsse.  Doch  können 
mich  Pouchet's  Abbildungen  zunächst  noch  nicht  von  der  Richtigkeit  seiner 
Angabe  überzeugen ;  auch  wäre  es  ja  möglich ,  dass  die  Bandgeissel  als 
Ersatz  einer  ursprünglichen  Quergeissel  auftritt  und  daher  unter  Umständen 
einige  Zeit  mit  letzterer  zusammen  vorhanden  sein  kann,  da  wir  ja 
wissen,  dass  Geissein  im  Leben  mehrfach  rück-  und  wieder 'neugebildet 
werden  können. 

Wenn  nun  unsere  Vermuthung,  dass  das  von  Pouchet  beschriebene 
Gymnodinium  pseudonoctiluca  eventuell  als  Schwärmer  in  den  Entwicklungs- 
gang des  Leptodiscus  oder  doch  einer  vielleicht  noch  unbekannten  Cysto- 
flagellate  gehört,  richtig  ist,  so  würden  sich  hieraus  zwei  wichtige 
Folgerungen  ergeben :  einmal,  dass  die  Ableitung  der  Cystoflagellaten  von 
Dinoflagellaten  ganz  gesichert  erschiene  und  zweitens,  dass  wahrscheinlich 
auch  bei  Leptodiscus  vorübergehend  ein  der  Bandgeissel  entsprechendes 
Gebilde  auftrete. 

5.  Systematisches  und  Verwandtscliaftsbezieliungen. 

Obgleich  es  kaum  nöthig  erscheint,  glaube  ich  doch  hier  kurze  Diag- 
nosen der  beiden  Gattungen  beifügen  zu  sollen,  indem  dieselben  Manchem 
vielleicht  nicht  unerwünscht  sind. 

Noctiluca  Suriray  1816  (bei  Laraarck  Aminaux  s.  vertebres  Bd.  IL 
pag.  470). 

Synon. :  Medusa  sp.  Slabber  (3),  Macartnay  (7);  Slabberia  Oken, 

Gestalt  kuglig  oder  nahezu  kuglig  (bis  1  Mm.  und  etwas  mehr  Durch- 
messer). Peristom  lang  und  schmal,  ziemlich  tief  eingesenkt  und  auf 
seinem  Grunde  eine  langspaltenförmige  Mundöffnung,  welche  direct  in  das 
dem  Peristomgrund  anliegende  Centralplasma  führt.  Letzteres  wenig  ent- 
wickelt, von  ihm  strahlen  zahlreiche,  sich  in  ihrem  Verlauf  zur  Körper- 
wand verästelnde  und  anastomosirende  Plasmazüge  aus,  welche  durch 
den  klaren  und  ungefärbten  Zellsaft  treten.  Hinter  dem  Peristom  erstreckt 
sich  in  der  Medianebene  das  sogen.  Staborgan ;   im   Vorderende  des   Pe- 


1080  Cystoflagellata. 

ristoms  findet  sich  die  Bandgeissel  und  etwas  dahinter  au  der  rechten 
Peristomwand  der  Zahn  und  die  Lippe.  In  der  Gegend  der  letzteren  ent- 
springt die  hintere  oder  Ideinere  Geissei.  Bewegungen  sehr  schwach. 
Fortpflanzung  durch  Längstheilung  und  einen  eigeuthümlichen  Knospungs- 
process. 

Wahrscheinlich  nur  1  Art.     Kosmopolit. 

Gelegentlich  wurden  neben  der  gewöhnlichen  N.  miliaris  unserer 
Meere  noch  andere  Species  beschrieben,  die  jedoch  vorerst  sämmtlich 
keinen  Anspruch  auf  Anerkennung  erheben  können.  Es  wurde  schon 
früher  angegeben  (p.  1052),  dass  die  von  Busch  unterschiedene  Nocti- 
luca  punctata  nicht  von  der  gewöhnlichen  zu  trennen  ist.  Giglioli 
unterschied  neben  miliaris  zwei  weitere  Arten,  homogenea  und  pacifica, 
welche  nicht  nur  in  der  Farbe  ihres  Lichtes,  sondern  auch  im  anatomischen 
Bau  und  in  der  Grösse  von  der  ersteren  merklich  differirten.  Da  jedoch 
Abbildungen  derselben  fehlen  und  die  kurzen  Beschreibungen  kein  be- 
sonderes Vertrauen  erwecken,  so  halte  ich  es  für  mehr  als  zweifelhaft, 
ob  diese  Arten  begründet  sind. 

Leptodiscus  R.  Hertwig  1877  (34). 

Gestalt  scheibenförmig,  einer  flachen  kleinen  Meduse  sehr  ähnlich 
(Durchmesser  bis  1,5  Mm.).  Centraltheil  des  Plasmas  im  Centrum  der 
concaven  Scheibeufläche  (Dorsalseite);  von  demselben  breitet  sich  ein 
feines  Netzwerk  von  Plasmafäden  an  der  concaven  Scheibenwand  bis  zur 
Peripherie  aus.  Von  diesem  Netz  steigen  nach  der  convexen  Öcheiben- 
seite  zahlreiche,  gewöhnlich  verästelte  Plasmafäden  auf.  Die  klare,  un- 
gefärbte Zwischenmasse  zwischen  diesen  Fäden  ist  gallertartig.  Auf  der 
convexen  Scheibenseite  findet  sich  excentrisch  eine  tiefe,  schief  zum  Central- 
plasma  absteigende  Einsenkung  (Cytostom  Hertwig;  Homologon  des  Stab- 
organs nach  mir).  Auf  der  gegenüberliegenden  Hälfte  dieser  Scheiben- 
seite liegt  eine  zweite,  eng- röhrige  Einsenkung,  die  gleichfalls  bis  zum 
Centralplasma  reicht  und  aus  welcher  eine  massig  lange  feine  Geissei 
hervortritt  (Homologon  der  hinteren  Geissei  der  Noctiluca).  Eine  Band- 
geissel fehlt  (ob  immer?).  Bewegung  sehr  energisch.  Fortpflanzung  un- 
sicher.    1  Art.     Mittelmeer. 

Nur  andeutungsweise  glauben  wir  hier  bemerken  zu  sollen,  dass  die  vor  einigen  Jahren 
von  Künstler*)  als  naher  Verwandter  der  Noctiluca  aus  süssem  Wasser  beschriebene 
Künkelia  gyrans  nicht  hierhergehört,  ja  kein  Protozoon  ist,  wie  Künstler  mittlerweile  selbst 
zugegeben  hat.  Dies  zu  erwähnen ,  zwingt  mich  nur  der  Umstand ,  dass  die  Künkelia  schon 
in  Darstellungen  der  Protozoenkunde  Aufnahme  gefunden  hat**). 

Da  wir  schon  in  der  historischen  Einleitung  die  Anschauungen  der 
älteren  Forscher  über  die  Verwandtschaftsverhältnisse  und  die  systematische 
Position  unserer  Gruppe  berücksichtigten,  so  können  wir  hinsichtlich 
derselben  auf  jenen  Abschnitt  verweisen.     Ich   bemerke  nur  noch,   dass 


*)  Bullet,  soc.  zoologique  de  France  1882,  vergl.  hierüber  auch  Bütschli,  Zoolog.  Anzeiger 
1S82.  p.  679  und  Klmstler  ibid.  1883.  p.  168. 

**)  So  z.  B.  in  Lanessan,  Traite  de  Zoologie.  T.  I.  Protozoaires. 


Systematik      Verwandtscliaftsbezieliung'en.  1081 

V.  Caius  für  Noctiliica  eine  bcsüiiderc  Klasse  ciTichlele  (Myxocystodea)," 
welche  er  an  die  Spitze  der  Protozoa  stellte  und  Häckel  zum  ersten 
Male  unsere  Formen  unter  der  Bezeichnung  Cystofla  gell  ata  als  be- 
sondere Ordnung  seiner  Flagellata  (Mastigophora)  aufführt,  dass  schliess- 
lich Robin  geneigt  scheint,  Noctiluca  in  eine  besondere  Abtheilung  der 
Infusorien  (Infusoria  tentaculata)  zu  reihen,  wohin  er  auch  noch  gewisse 
Suctoria  zieht.  Bestimmend  ist  für  ihn  der  Tentakel  (Bandgeissel), 
den  er  als  etwas  ganz  besonderes  auffasst  und,  wie  es  scheint,  mit  den 
Tentakelbilduugen  mancher  Suctorien  (Acinetina)  vergleichen  möchte*). 

Unsere  Aufgabe  wird  es  in  diesen  Zeilen  noch  sein,  die  in  neuerer 
Zeit  von  verschiedenen  Seiten  betonten  Beziehungen  unserer  Gruppe  zu 
den  Dinoflagellaten  etwas  eingebender  zu  erläutern,  als  dies  schon  in 
früheren  Kapiteln  geschehen  ist. 

Wie  bemerkt,  wies  zuerst  All  man  auf  die  Beziehungen  der  Dino- 
Ihigellaten  zu  Noctiluca  hin,  doch  hob  ich  schon  anderwärts  (40)  hervor, 
dass  sich  der  von  ihm  gezogene  Vergleich  im  Wesentlichen  nur  auf  das 
Vorkommen  einer  Längsfurche  und  einer  aus  ihr  entspringenden  Geissei 
bei  beiden  Formen  stützte.  Unter  diesen  Umständen  ist  es  leicht  ver- 
ständlich, dass  die  Idee  Aliman's  keine  grosse  Verbreitung  fand,  um  so 
mehr,  als  er  speciell  sein  Peridinium  uberrimum  zum  Vergleich  heranzog, 
das  mit  einem  allseitigen  Cilien kleide  versehen  sein  sollte,  wie  wir  früher 
sahen  (p.  957).  Kent  (37)  äusserte  sich  ähnlich  wie  Allman  und  betonte 
namentlich  auch  die  Uebereinstimmung  beider  Abtheilungen  im  Leucht- 
vermögen;  jedenfalls  hat  er  aus  Allman  geschöpft.  In  seinem  System 
aber  gab  er  diesen  Beziehungen  keinen  Ausdruck,  denn  er  stellte  unsere 
Abtheilung  als  Familie  der  Noctilucidae  zwischen  die  Familien  der 
Euglenidae  und  Chrysomonadidae  in  seine  Ordnung  der  mundführenden 
Flagellaten. 

Im  Jahre  1883  sprachen  sich  Pouchet  und  Stein  energisch  für 
eine  nahe  Verwandtschaft  der  beiden  Abtheilungen  aus.  Ersterer  be- 
mühte sich  namentlich  Beziehungen  zwischen  Peridinium  divergens  und 
Noctiluca  nachzuweisen  und  vermuthete,  dass  die  Noctiluceu  ein  peridinium- 
artiges,  mit  Hülle  versehenes  Jugendstadium  durchliefen.  Folgende  Gründe 
schienen  ihm  namentlich  für  die  Verwandtschaft  beider  Abtheilungen  zu 
sprechen.  Bei  beiden  fänden  sich  „dieselben  physikalisch -chemischen 
Charactere  der  lebenden  Substanz,  dieselbe  Gegenwart  einer  „lacune 
aqueuse''  und  von  carminrothen  bis  gemsfarbigen  Tröpfchen;  dieselbe 
Asymmetrie,  durch  Torsion  bewirkt,  dasselbe  Hervorragen  einer  Lippe, 
die  Existenz  eines  Flagellums  und  Leuchtvermögen.''  Ausserdem  wies 
er  noch  auf  eine  gewisse  Uebereinstimmung  in  der  Gestaltung  der 
seit  Busch  bekannten,  in  Regeneration  begriffenen  Noctilucen  mit  Peri- 
dinium divergens  hin,  Beziehungen,  welche  wir  nicht  für  begründet  er- 
achten  können,    da   man   um  sie    anzunehmen,    die  Noctilucen    in   eine 


")  S.  Journ.  anat.  et  physiologie  15.  Ann.  1879,  p,  536, 


1082 


Cystoflagellata. 


Stellung  bringen  muss,  welche  nach  unserer  Auffassung  gerade  um  180 
Grad  gegen  die  übereinstimmende  Orientirung  mit  den  Diuoflagellaten 
verdreht  ist.  Dass  ich  die  übrigen  im  Vorstehenden  von  Pouchet  nam- 
haft gemachten  Vergleichspunkte  nicht  für  beweisend  erachten  kann,  habe 
ich  schon  hervorgehoben  (40)  und  will  hier  nicht  weiter  darauf  ein- 
gehen, da  sie  der  Leser  selbst  beurtheilen  wird. 

Stein  wollte,  wie  schon  bei  früherer  Gelegenheit  bemerkt  wurde, 
Noctiluca  mit  einigen  echten  Dinoflagellaten  (Pyrophacus  und  Ptychodiscus) 
zu  der  Familie  der  Noctilucidae  vereinigen,  welche  er  unter  die  Dino- 
flagellaten (seine  arthrodele  Flagellaten)  aufnahm.  Mit  Klebs  (s.  Dinofl.  44) 
musste  ich  schon  betonen  (vergl.  pag.  935),  dass  ich  diese  Vereinigung 
von  Pyrophacus  und  Ptychodiscus  mit  Noctiluca  für  unrichtig  halte,  doch 
kann  ich  mit  ersterem  nicht  so  weit  gehen,  die  Beziehungen  der  Dino- 
flagellaten zu  Noctiluca  überhaupt  in  Abrede  zu  stellen,  halte  dieselben 
im  Gegentheil  für  begründet. 

In  seiner  neuesten  Publikation  gelangte  Pouchet  (41)  zu  einer  etwas 
veränderten  Auffassung  der  Beziehungen  unserer  beiden  Abtheilungen, 
wesentlich  auf  Grund  des  von  ihm  entdeckten  sogen.  Gymnodinium 
pseudonoctiluca,  das  wir  oben  beschrieben  (s.  p.  1078)  und  mit 
Pouchet  für  den  Jugendzustand  einer  Cystoflagellate,  wenn  auch  sicher 
nicht  den  der  Noctiluca  beanspruchen.  Jetzt  möchte  Pouchet  die  Ver- 
wandtschaft zwischen  Noctiluca  und  Peridinium  divergens  fallen  lassen 
und  an  deren  Stelle  eine  solche  mit  Gymnodinium  setzen.     Doch  geht  er 


4t... 


ti'- 


Erklärung  des  Holzschnittes.  Links  Schema  eines  Schwärmers  (Ventralansicht) 
nach  den  Darstellungen  von  Cienkowsky  und  ßohin;  rechts  Schema  der  ausgebildeten  Nocti- 
luca in  gleicher  Orientirung,  so  dass  die  Beziehungen  der  Organe  beider  Zustände  zu  einander 
sich  von  selbst  ergeben. 


Vcrwandtschaftsbczicliungen.  1083 

auch  hier  meines  EraehteDS  wieder  zu  weit,  iudeni  er  Noctiluca  direct  in 
die  Gattung  Gymnodinium  einreihen  will,  wenn  diese  Beziehungen  sich 
bestätigen  sollten. 

Etwa  gleichzeitig  mit  der  neuesten  Arbeit  Pouchet's  habe  auch  ich 
eine  ähnliche  Ansicht  zu  erweisen  gesucht,  indem  ich  mich  darzulegen 
bemühte,  dass  die  Schwärmer  von  Noctiluca,  wie  sie  uns  durch  die  Unter- 
suchungen Cienkowsky's  und  Robin's  bekannt  geworden  sind,  einen  dino- 
liagellatenartigen  Bau  besässen. 

Der  nebenstehende  Holzschnitt  wird  diese  Vergleichung  rechtfertigen. 
AVir  erinnern  uns  aus  der  früher  gegebenen  Beschreibung  des  Schwärmers, 
dass  derselbe  eine  Querfurche  (qf)  besitzt,  ähnlich  der  der  Dinoflagellaten 
und  eine  über  die  Bauchseite  der  hinteren  Körperhälfte  hinziehende,  nach 
hinten  sich  verschmälernde  Aushöhlung  (st),  welche  der  Längsfurche  der 
Dinoflagellaten  gleich  zu  setzen  sein  dürfte.  Auf  der  Bauchseite  ent- 
springen an  der  Querfurche  die  nach  hinten  gerichtete  Geissei  (g)  und 
zuweilen  das  von  uns  als  Anlage  der  Bandgeissel  gedeutete  Organ  (t). 
Dass  die  ersterwähnte  Geissei  der  Längsfurchengeissel  der  Dinoflagellaten 
entspricht,  kann  keinem  Zweifel  unterliegen  und  ebenso  halte  ich  es,  wie 
früher  bemerkt,  für  wahrscheinlich,  dass  dieselbe  in  die  hintere  Geissei 
der  ausgebildeten  Noctiluca  übergeht.  Dann  spräche  aber  manches  dafür, 
dass  die  Bandgeissel  der  Querfurchengeissel  der  Dinoflagellaten  zu  homolo- 
gisiren  sei,  worauf  auch  die  bandförmige  Structur  der  ersteren  bei  manchen 
Dinoflagellaten  hinweist.  Pouchet  ist  hinsichtlich  dieser  Vergleichung  der 
Geissein  anderer  Meinung.  Da  er  neben  dem  rudimentären  Tentakel 
seines  Gymnodinium  pseudonoctiluca  noch  eine  Quergeissel  beobachtet 
haben  will,  so  möchte  er  den  Tentakel  oder  die  Bandgeissel  auf  die 
Längsgeissel  der  Dinoflagellaten  zurückführen.  Ich  bemerkte  schon 
(p.  1079),  dass  ich  einstweilen  bei  meiner  Anschauung  verbleiben  muss. 
Wir  haben  auch  erfahren,  dass  Robin  bei  den  Noctiluca  -  Schwärmern 
eine  contractile  Vacuole  beobachtete,  welche  sich  sehr  langsam  zusammen- 
zieht. In  letzterer  Hinsicht  sowohl,  wie  in  ihrer  Lage  stimmt  dieselbe 
mit  der  Vacuole  der  Dinoflagellaten  gut  überein. 

Auf  die  angedeutete  Vergleichung  der  Noctiluca  mit  den  Dinoflagellaten 
gründet  sich  auch  die  Orientirung,  welche  wir  den  Cystoflagellaten  ge- 
geben haben  und  welche  von  der  früherer  Autoren  wesentlich  abweicht. 
Dass  wir  in  dieser  Beziehung  das  richtige  trafen,  ergibt  sich  viel- 
leicht aus  einem  Umstände,  auf  welchen  ich  erst  später  aufmerksam 
wurde.  Bei  seinem  Amphidinium  lacustre  beschrieb  Stein  vorn,  an 
dem  rechten  Rand  der  Längsfurche  einen  leistenartigen  Vorsprung,  wel- 
cher wohl  ein  Aequivalent  des  Zahnes  der  Noctiluca  sein  könnte  und 
dessen  Lage  nach  unserer  Orientirung  der  Noctiluca  genau  mit  der  des 
Zahns  derselben  übereinstimmt.  Ueberhaupt  hat  diese  kleine  Dinoflagellate 
vielleicht  die  grösste  Aebnlichkeit  mit  den  Schwärmern  der  Noctiluca,  so 
dass  es  möglich  wäre,  dass  sie  und  die  Gattung  Amphidinium  überhaupt 


1084  Cystoflag-ellata. 

mit  den   Formen    näher  verwandt   war,    aus    welchen    sich    die    Cysto- 
flagellaten  entwickelten. 

Aus  dem  Mitgetheilten  geht  also  hervor,  dass  wir  die  Ableitung  der 
Cystoflagellaten  von  den  DiaoHagellaten  für  angezeigt  halten,  aber  eine 
Unterordnung  der  ersteren  unter  die  Dinoflagellaten  nicht  befürworten 
können,  da  die  Cystoflagellaten  sowohl  im  Bau  wie  in  der  Fortpflanzung 
zu  tiefgehende  Unterschiede,  respect.  Weiterbildungen  aufweisen. 

0.  Biolo}»iscli-Physiolooisclies. 

A.  Vorkommen  und  Lebensverhältnisse. 

Während  Leptodiscus  bis  jetzt  nur  bei  Messina  beobachtet  wurde, 
darf  Noctiluca  als  ein  kosmopolitisches  Wesen  bezeichnet  werden ,  wie 
einige  Angaben  über  ihr  Vorkommen  ergeben  werden.  Sie  ist  sehr  häufig 
in  der  Nordsee,  tritt  dagegen  nur  gelegentlich  in  die  Ostsee  ein,  verbreitet 
sich  an  den  Küsten  des  atlantischen  Oceans  sowohl  auf  der  nördlichen 
wie  südlichen  Halbkugel  (Rio  de  Janeiro,  Giglioli).  An  den  Küsten  des 
Mittelmeeres  ist  sie  weit  verbreitet,  ebenso  im  schwarzen,  bis  in  das 
Asow'sche  Meer  hinein.  Am  Cap  der  guten  Hoffnung  wurde  sie  mehrfach 
beobachtet  (Forster  und  Dartet  de  Tessan  bei  Beneden),  scheint  im  rothen 
Meer  nicht  zu  fehlen  (Ehrenberg)  und  auch  das  südwestlich  vom  Cap 
Aden  durch  Newland  beobachtete  Leuchtwesen  war  wohl  Noctihica.  Gi- 
glioh  fand  sie  weiter  in  der  Bangkastrasse,  zu  Singapore,  an  der  Küste 
von  Cochinchina,  zu  Hongkong  und  Batavia;  derselbe  Beobachter  consta- 
tirte  ihr  Vorkommen  im  stillen  Ocean  sowohl  bei  Sidney  wie  an  der  west- 
lichen Küste  bei  Valparaiso.  Ich  habe  manche  ältere  Beobachtung,  welche 
sich  mit  mehr  oder  weniger  Gewissheit  hierher  beziehen  Hesse,  absichtlich 
nicht  erwähnt.  Nach  dem  Mitgetheilten  lässt  sich  also  an  der  kosmo- 
politischen Verbreitung  der  Gattung  nicht  zweifeln. 

Schon  Giglioli  betonte  aber,  dass  sie  wesentlich  längs  der  Küsten 
verbreitet  sei,  dem  offenen  Ocean  hingegen  fehle;  zu  demselben  Resultat 
gelangte  auch  die  Challengerexpedition*),  doch  constatirte  dieselbe  auch 
die  oben  erwähnte  Verbreitung  der  sog.  Pyrocystis  noctiluca  im  offenen 
Ocean.  Da  nun  diese  Pyrocystis  wohl  sicher  zu  Noctiluca  gehört,  so 
dürfte  die  Beschränkung  auf  die  Küsten  keine  völlige  sein. 

Wie  weit  sich  die  Noctilucen  in  die  Tiefe  erstrecken,  wurde  noch 
nicht  erforscht;  da  sie  aber  keine  activen  Schwimmbewegungeu  ausführen 
und  durch  ihre  specifische  Leichtigkeit  im  Seewasser  aufsteigen,  dürfte  an- 
zunehmen sein,  dass  sie  nicht  tief  unter  die  Oberfläche  hinab  gehen. 

Es  ist  lange  bekannt,  in  welcher  Massenhaftigkeit  Noctiluca  miliaris 
zuweilen  auftritt.  Schon  Suriray  sah  sie  bei  Havre  zuweilen  eine  dicke 
klebrige  Schicht  an  gewissen  Stellen  der  Meeresoberfläche  bilden.  Drei 
bis  vier  Zoll  dick,  wie  er  solche  Schichten  beobachtet  haben  will,  scheint 


*)  Proceed.  roy.  soc.  London.  Bd.  24.  p.  533. 


A'oiiomnicn.     Ernalninig-,  1085 

vielleicht  etwas  zu  viel,  doch  gibt  auch  Döiiitz  dasselbe  au.  Auch 
Verhaeg'he  fand  zu  Ostende  bei  stark  leuchtendem  Meer  eine  Schicht 
von  2 — 3  Mm.  Dicke.  Aehnlicbes  beobachtete  Busch  zu  Helgoland  und 
Giglioli  zu  Gibraltar;  ersterer  beschreibt  eine  solche  Noctilucenschicht  der 
Meeresoberfläche  als  gelblich  und  ölartig,  letzterer  vergleicht  sie  gelatin- 
artigem Rahm. 

Wie  für  die  Dinoflagellaten  scheint  wenigstens  in  den  nördlicheren 
Meeren  das  massenhafte  Auftreten  der  Noctilncen  in  die  Sommer-  und  Herbst- 
monate zu  fallen,  obgleich  sie  im  Winter  nicht  fehlen  (Verhaeghe,  Webb), 
aber  doch  spärlicher  auftreten ,  wie  schon  aus  der  Erfahrung  hervor- 
geht, dass  das  Meerleuchten  in  den  Sommer-  und  Herbstmonaten  am 
stärksten  ist.    Cienkowsky  hat  dieselbe  Erfahrung  auch  zu  Odessa  gemacht. 

B.  Ernälirungsverli  illtnissc. 

Noctiluca  gehört  zu  den  sich  entschieden  animalisch  ernährenden  und 
recht  gefrässigen  Protozoen.  Sie  scheint  ziemlich  ohne  Auswahl  alle  nicht 
zu  grossen  pelagischen  Organismen  zu  fressen,  seien  dies  nun  pflanzliche 
oder  thierische.  Besonders  dienen  ihr  pelagische  Bacillariaceen  als  Nah- 
rung, doch  auch  Oscillatorien  und  Bruchstücke  verschiedener  Algen.  Ver- 
schiedenen pelagischen  Protozoen  w^ie  Dinoflagellaten,  Tintinnoiden  etc. 
begegnet  man  häufig  in  ihr;  aber  auch  höherstehende  thierische  Organismen, 
wie  kleine  Copepoden,  manchmal  nahezu  so  lang  wie  ihr  eigener  Durch- 
messer, bewältigt  sie,  ebenso  wie  Copepoden-  und  Gastropodeneier  und 
deren  pelagische  Larven  (Robin).  Nach  letzterem  Beobachter  verschlingt 
sie  aber  auch  sehr  verschiedenartige  Körper,  welche  durch  Zufall  auf 
die  Meeresoberfläche  gerathen,  wie  Pollen  von  Pinus  maritima,  Pflanzen- 
haare, Fäden  von  Stoflfen,  ja  auch  Oeltropfen  und  schliesslich,  was  be- 
sonders eigenthümlich  erscheint,  sogar  Luftblasen.  Ob  letzteres  direct 
beobachtet  wurde,  ist  nicht  angegeben.  Auch  untereinander  sollen  sie  sich 
nach  Robin  auffressen,  doch  wird  dies  wohl  nicht  häufig  sein,  da  kein 
anderer  Beobachter  etwas  davon  berichtet. 

Leptodiscus  ernährt  sich  gleichfalls  wohl  sicher  thierisch,  wieHertwig 
versichert,  der  nur  sehr  kleine  und  wie  mir  scheint  nicht  ganz  sichere 
Nahrungskörper  im  Innern  gefunden  hat,  nämlich  Algensporen,  sowie  rothe 
und  braune  Pigmentkörner;  speciell  die  letzteren  scheinen  in  ihrer  Be- 
deutung als  Nahrung  etwas  zweifelhaft. 

0.  Oon  tractioiien  des  Körpers  und  Scliwiin  men. 

Noctiluca  scheint  nur  selten  stärkere  Contractionen  auszuführen; 
die  meisten  Beobachter  berichten  gar  nichts  von  solchen,  doch  erwähnen 
schon  Verhaeghe,  Krohn  und  West  einiges  über  Gestaltsveränderungen, 
die  von  Contractionen  herrührten.  Nach  Robin  äussert  sich  die  Contrac- 
tion  gewöhnlich  darin,  dass  das  Peristom  vertieft,  der  Mund  also  tiefer 
in  das  Körperinnere  hineingezogen  wird,  wobei  natürlich  auch  die 
Peristomorgane   weiter    in    das   Innere    hinabsinken.     Mancherlei    Falten 


1086  Cystoflagellata, 

der  Körperwand  mögen  vielleicht  auch  von  localen  Confractioneu  der 
Plasmazüge  herrühren. 

Ganz  anders  verhält  sich  Leptodiscus,  deon  dieser  contrahirt 
sich  ungemein  energisch  und  führt  so  seine  raschen  Bewegungen  aus. 
Die  Contractionen  rufen  Verengerung  der  Schirrahöhle  ganz  wie  bei  einer 
Meduse  hervor  und  durch  rasche  Wiederholung  solcher  V8rengerungen 
und  Erweiterungen  der  Höhle,  unter  Ausstossung  des  Wassers,  bewegt 
sich  Leptodiscus  qnallenähnlich,  in  manchmal  „pfeilschnellen"  Stössen 
durch  das  Wasser,  Die  Contraetion  kann  aber  auch  nur  Partien  des 
Schirmrandes  ergreifen,  so  dass  ein  Lappen  desselben  eingeschlagen 
w^ird  oder  zwei  gegenüberstehende  Lappen  sich  zusammenlegen,  indem 
sie  gleichsam  eine  Rinne  auf  der  concaven  Schirmseite  erzeugen  (T.  50, 
Fig.  10  a — c).  . 

Leptodiscus  ist  also  ein  energischer  activer  Schwimmer ;  ganz  anders 
verhält  sich  Noctiluca.  Das  Schwimmen  derselben  an  der  Ober- 
fläche beruht  jedenfalls,  wie  schon  die  älteren  Beobachter  vermutheten, 
auf  geringerem  specifischem  Gewicht  wie  das  umgebende  Seewasser. 
Die  geissellosen  ruhenden  Exemplare  halten  sich  ebenso  gut  an  der 
Oberfläche  wie  normale.  Werden  Noctilucen  unter  den  Wasserspiegel 
gebracht,  so  steigen  sie  langsam  immer  wieder  empor;  erst  einige  Zeit 
nach  dem  Tode  sinken  sie  dauernd  zu  Bodea.  V  i  g  n  a  1  versuchte 
sie  unter  höheren  Druck  zu  versetzen  und  will  gefunden  haben, 
dass  sie  bei  einem  den  mittleren  Barometerstand  nur  um  18  Millimeter 
übersteigenden  Druck  sinken,  um  sich  bei  Nachlassen  desselben  allmäh- 
lich wieder  zu  heben.  Er  vermuthet  daher  im  Körper  eine  compressiblere 
Substanz.  Ich  muss  jedoch  gestehen,  dass  mir  der  Versuch  nicht  ganz 
einwurfsfrei  erscheint,  da  das  Sinken  schon  bei  einem  so  geringen  Ueber- 
druck  eintrat.  Verhielte  sich  das  in  der  That  so,  so  müssten  die  Nocti- 
lucen bei  einem  Barometerstand  von  778,  wie  er  gelegentlich  vorkommt, 
unter  die  Meeresoberfläche  sinken. 

Dass  bei  der  schwimmenden  Noctiluca  das  Peristom  mit  der  Band- 
geissel  nach  unten  gerichtet  ist,  wie  es  hauptsächlich  Dönitz  betonte, 
folgt  wohl  aus  der  excentrischen  Lage  des  Centialplasmas  am  Peristom, 
wodurch  der  Schwerpunkt  letzterem  jedenfalls  genähert  liegt.  Die  Ur- 
sache des  niederen  specifischen  Gewichts  gegenüber  dem  Seewasser  suchen 
Vignal  und  Robin  im  Zellsaft,  welcher  nach  dem  ersteren  sehr  wenig 
gelöste  Substanz  enthält.  Da  die  todte  Noctiluca  untersinkt,  so  scheint 
dies  auch  ziemlich  plausibel;  andererseits  scheint  aber  dieser  Zellsaft 
doch  wohl  etwas  schwerer  wie  süsses  Wasser  zu  sein,  da  Noctilucen  in 
demselben  stark  aufschwellen.  Die  activen  Schwimmbeweguugen,  wenn 
man  überhaupt  von  solchen  reden  darf,  beschränken  sich,  wie  früher 
bemerkt  wurde,  auf  ein  leises  Hin-  und  Herschwauken,  das  auf  die  Be- 
wegungen der  Bandgeissel  zurückzuführen  ist. 


Körpercontractionen.     Schwimmen.     Lebenszäliigkeit  etc.  1087 

D.  Lötens  Zähigkeit,  Ein  flu  ss  verschiedener  Agcntien. 

Während  Leptodiscus  nach  Hertwig's  Erfahrungen  zu  den  zarte- 
sten pelagischen  Organismen  gehört,  da  er  in  kleinen  Glasgefässen 
schon  nach  einer  halben  Stunde  zu  Grunde  geht,  besitzt  Noctiluca  eine 
relativ  beträchtliche  Lebens/ähigkeit,  die  es  gestattet,  sie  14  Tage  bis 
drei  Wochen  in  kleinen  Glasschalen  zu  halten,  namentlich,  wenn  durch 
zugefügte  Algen  für  Erneuerung  des  Sauerstoffs  gesorgt  wird.  In 
kleinen  Wassermengen  unter  dem  Mikroskop  oder  im  hängenden  Tropfen 
kann  man  sie  nach  den  Erfahrungen  von  Cienkowsky  und  ßobin  etwa 
12  bis  18  Stunden  erhalten.  Der  beginnende  Tod  macht  sich  durch  Auf- 
treten zahlreicher  Vacuolen  bemerkbar,  welche  auf  der  äusseren  Oberfläche 
faltige  Hervorragungen  verursachen  und  die  Abhebung  einer  besonderen 
Membran  vortäuschen.  Die  Plasmazüge  ziehen  sich  schliesslich  in  die 
Centralmasse  zurück  und  endlich  tritt  eine  mehr  oder  weniger  intensive 
Zerstörung  des  Plasmas  unter  Auflösung  ein.  Dabei  schrumpfen  die 
Noctilucen,  häufig  unter  Platzen,  unregelmässig  zusammen.  Eine  solche 
Schrumpfung  tritt  überhaupt  bei  Verletzungen  ungemein  leicht  ein;  schon 
die  Berührung  mit  einer  Nadel  genügt  gewöhnlich,  um  eine  solche  hervor- 
zurufen. Wir  werden  aber  sehen,  dass  sogar  stark  verletzte  Noctilucen 
weiterzuleben  und  sich  zu  restituiren  im  Stande  sind. 

Wie  schon  bemerkt  wurde,  leiden  die  Noctilucen  wohl  kaum  unter 
der  Winterkälte,  doch  will  Verhaeghe  gefanden  haben,  dass  sie  beim 
Frieren  des  Wassers  zu  Grunde  gehen.  Bei  Temperaturerhöhung  sterben 
sie,  wie  schon  Quatrefages  fand  und  Vignal  bestätigte,  bei  etwa  39  Grad 
C.  (39,7  Vignal). 

Ueber  den  Einfliiss  electrischer  Ströme  wurden  ziemlich  wider- 
sprechende Mittheilungen  gemacht.  Indem  wir  zunächst  von  der  Wirkung 
derselben  auf  das  Leuchten  absehen,  betonen  wir,  dass  Vignal  gefunden 
haben  will,  dass  sich  die  Bandgeissel  unter  dem  Einfluss  gewöhnlicher 
und  Inductionsströme  wie  eine  Muskel  verhält,  da  sie  sich  beim  Oeflfnen 
und  Schliessen  contrahirt  und  durch  einen  rasch  unterbrochenen  In- 
ductionsstrom  in  tetanische,  andauernde  Contraction  versetzt  wird.  Letz- 
tere erhält  sich  aber  nur  etwa  3  bis  4  Minuten,  um  hierauf  unter  dem 
Einfluss  der  Ermüdung  nachzulassen.  Bei  Einwirkung  einer  Anzahl  Ent- 
ladungen des  Inductionsstromes  soll  sich  das  gesammte  Plasma  langsam 
auf  das  centrale  zusammenziehen,  indem  die  Noctiluca  allmählich  abstirbt. 

Vignal  will  sich  ferner  bei  Vergiftung  mit  Curare  überzeugt  haben, 
dass  die  Bandgeissel  ihre  Contractionsfähigkeit  nicht  einbüsst,  indem  sie 
durch  Electricität  erregbar  bleibe;  da  sie  sich  aber  nach  solcher  Vergiftung 
nicht  mehr  von  selbst  contrahirt,  so  möchte  er  annehmen,  dass  der  Fi- 
brillenstrang,  der  vom  Centralplasma  zu  ihrer  Basis  zieht,  die  Rolle  eines 
Nerven  spielt,  der  durch  Curare  ausser  Action  gesetzt  wird.  Leider 
bemerkt  er  aber  selbst,  dass  seine  Versuche  nicht  vollständig  zufrieden 
stellend  gewesen  seien,   so  dass    wir  diese  Erfahrung,   welche,   ihre   Be- 


1088  Gystoflagellata. 

stätigUDg-  vorausgesetzt,  gewiss  ein  hohes  Interesse  beanspruchen  muss, 
noch  nicht  zu  den  sicheren  rechnen  dürfen.  In  directem  Gegensatz 
zu  vorstehenden  Angaben  VigoaPs  wollen  sich  nun  aber  Robin  und 
Cadiat  tiberzeugt  haben,  dass  electrische  Ströme  jeder  Art  nicht  den 
geringsten  Einfluss  auf  die  Contractionen  der  Bandgeissel  und  die  Be- 
wegungen des  Plasmas  haben.  Wie  diese  Widerspruche  zu  lösen  sind, 
muss  einstweilen  dahin  gestellt  bleiben. 

E.   Leucliten. 

Wohl  das  grösste  Interesse  erregte  Noctiluca  stets  als  eines  der 
wichtigsten  marinen  Leuchtwesen,  das  wegen  der  Massenhaftigkeit 
seines  Vorkommens,  bei  gleichzeitiger  Kleinheit  des  Körpers,  vorzugsweise 
das  gleichmässige  oder  diffuse  Leuchten  der  Meeresoberfläche  bewirkt. 
Wie  früher  bemerkt  wurde,  findet  sie  nur  in  den  Dinoflagellaten  Rivalen, 
deren  Leuchtvermögen  jedoch  beträchtlich  geringer  bleibt,  so  dass  sie 
selbst  bei  grosser  Anhäufung  nicht  die  Intensität  der  Erscheinung  bewirken 
wie  Noctiluca.  Was  aber  die  Untersuchungen  Michaelis'  von  dem 
Verhalten  der  leuchtenden  Dinoflagellaten  gegen  mechanische  und  ander- 
weitige Reizung  lehrten,  zeigt,  dass  sie  darin  in  jeder  Hinsicht  mit 
Noctiluca  übereinstimmen,  wesshalb  auch  die  Ursache  des  Phänomens 
bei  beiden  Abtheilungen  die  gleiche  sein  dürfte.  Auch  das  Leuchten 
vieler  anderer  mariner  Thiere  zeigt  sowohl  in  seiner  allgemeinen  Er- 
scheinung, wie  in  seinem  Verhalten  bei  verschiedenartigem  Experimen- 
tiren so  viel  Uebereinstimmendes,  dass  vielleicht  bei  allen  diesen  Wesen 
dieselbe  Leuchtursache  anzunehmen  ist.  Leider  blieb  die  Frage  nach  dem 
Leuchtvermögen  des  Leptodiscus  bis  jetzt  unerledigt,  wenn  es  auch  mehr 
wie  wahrscheinlich  ist,  dass  auch  diese  Cystoflagellate  leuchten  wird. 

Zunächst  müssen  wir  uns  einigermaassen  mit  der  allgemeinen  Er- 
scheinung des  Leuchtens  vertraut  macheu ,  um  später  dasjenige  zu  be- 
trachten, was  die  experimentellen  Untersuchungen  ergaben. 

Bei  ruhigem  Schwimmen  in  unbewegtem  Wasser  ist  keine,  oder  doch 
nur  eine  äusserst  schwache  und  dann  weissliche  Lichtentwickclung  der 
Noctiluca  zu  beobachten.  Die  verschiedenen  Beobachter  stimmen  übrigens 
in  dieser  Hinsicht  nicht  ganz  überein;  während  die  meisten  keine  Licht- 
entwickelung der  ungereizten  Noctilucen  gefunden  haben  wollen,  berichten 
andere  (speciell  Vignal)  von  einem  schwachen  weisslichen  Leuchten.  Wie 
wir  sehen  werden,  scheint  es  auch  möglieb,  dass  beide  Auffassungen 
Berechtigung  haben,  da  unter  Umständen  ein  andauerndes,  schwaches 
Leuchten  eintreten  kann. 

Schon  eine  äusserst  geringe  Bewegung  des  Wassers,  eine  leichte  Er- 
schütterung des  Gefässes  oder  eine  sonst  wie  erzeugte  Bewegung  des 
Wassers,  ruft  sofort  ein  lebhaftes  Aufleuchten  der  Noctilucen  hervor,  wobei 
(las  ganze  Wasser  auf  sehr  kurze  Zeit,  höchstens  einige  Secunden,  ein 
))läuliches  bis  grünliches  Licht  ausstrahlt,  wenn  es  viele  Noctilucen  ent- 
hält und  dieselben  nicht  schon  stark  afficirt  sind. 


Leuchten  (Farbe,  Intensität  etc.).  1080 

Dass  die  verschiedenen  Beobachter  über  die  Farbe  des  Lichtes  diffe- 
rirende  Angaben  machen,  kann  nicht  Wunder  nehmen,  da  die  Färbung 
keine  intensive  ist  und  schwaches  Grün  und  Blau,  um  das  es  sich  dabei 
handelt,  besonders  schwer  unterschieden  wird.  Bald  wird  das  Licht 
daher  mehr  als  bläulich,  bald  mehr  als  grünlich  bezeichnet;  ich  persön- 
lich habe  mehr  den  Eindruck  des  Blauen.  Giglioli  findet  bei  den  drei, 
von  ihm  unterschiedenen  Noctilucaarten  verschiedenfarbiges  Licht.  Bei 
N.  miliaris  sei  dasselbe  milchartig  grünlich  und  azurblau  gefärbt, 
bei  N.  homogenea  grünlich  (verdognola)  und  bei  N.  pacifica  weisslich 
(biancastra).  Fortgesetzte  mechanische  oder  anderweitige,  zur  Lichtent- 
wickelung führende  Keizung  ruft  nicht  nur  eine  baldige  Abschwächung 
des  Lichtes  hervor,  sondern  nach  Quatrefages  auch  eine  Veränderung  seiner 
Farbe,  indem  dieselbe  mehr  und  mehr  ins  Weisse  übergeht.  Dabei  tritt 
die  Erscheinung  auf,  welche  nach  Panceri  auch  bei  anderen  marinen 
Leuchtthieren  z.  Th.  beobachtet  wird;  das  Leuchten  verliert  den  Charakter 
des  spontanen,  auf  Reiz  plötzlich  und  kurz  eintretenden  und  wird  zu 
einem  fixen,  länger  andauernden,  schwach  weisslichen  Licht. 

Bleiben  die  Noctilucen  einige  Zeit  in  Ruhe,  so  stellt  sich  die  Fähig- 
keit der  Lichtentwicklung  in  ursprünglicher  Intensität  wieder  ein.  Nach 
einer  einmaligen  Erschütterung  und  Lichtentwicklung  genügt  nach  Allman 
eine  Minute  Ruhe,  um  die  Erscheinung  wieder  in  gleicher  Vollendung 
hervorzurufen. 

Eine  spectroskopische  Prüfung  des  Lichtes  fehlt  bis  jetzt  noch,  doch 
dürfte  wohl  unbedenklich  anzunehmen  sein,  dass  es  wie  das  anderer 
mariner  und  terrestrischer  Thiere  ein  continuirliches  schwaches  Spectrum 
besitzt. 

Obgleich  die  Erscheinung  bei  voller  Entwicklung,  in  einer  dunklen 
Nacht  einen  überwältigenden  Eindruck  macht,  von  dessen  Anblick  man 
sich  nur  schwer  trennt,  ergibt  eine  genauere  Ermittelung  doch,  dass  die 
Intensität  des  ausgestrahlten  Lichtes  keine  sehr  erhebliche  ist.  Die  Mit- 
theilung einiger  Versuche  von  Quatrefages  mag  dies  darlegen.  In  einer 
15  Millim.  weiten  Röhre  befand  sich  Wasser,  das  eine  20  Millim.  dicke 
Schicht  Noctilucen  enthielt;  bei  heftigem  Schütteln  der  Röhre  konnten  die 
ziemlich  feinen  Ziffern  einer  Uhr  nur  dann  gelesen  werden,  wenn  die 
Röhre  direct  auf  das  Zifferblatt  gelegt  wurde.  Wurden  vier  bis  fünt 
Kaffeelöffel  Noctilucen  auf  ein  Filter  gebracht  und  dieses  nach  dem  Ab- 
laufen des  Wassers  entfaltet,  so  war  das  Licht  intensiv  genug,  um  die 
Ziffern  derselben  Uhr  in  einer  Entfernung  von  einem  Fuss  zu  lesen. 

Nur  Quatrefages  suchte  durch  Versuche  zu  ermitteln,  ob  mit  der 
Lichterscheinung  auch  Wärmeentwicklung  verbunden  sei;  obgleich  nun 
seine  Versuche  jedenfalls  nicht  mit  genügend  feinen  Instrumenten  ausge- 
führt wurden,  um  sehr  geringe  Temperaturunterschiede  festzustellen,  und 
auch  die  allgemeinen  Versuchsbedingungen  durchaus  nicht  einwurfsfrei 
waren,  so  folgt  aus  denselben  doch,  dass  bemerkenswerthe  Wärmequan- 
titäten  beim   Leuchten   jedenfalls    nicht  frei   werden  und   wenn   wir  die 

Broun,  Klassen    des  Thier-Reichs.     Protosjoa.  (Jf) 


1090  Cystoflag-ellata. 

viel  genaueren  Untersuclmngen  Panceri's  an  anderen  marinen  Leuelittliieren 
berücksichtigen,  so  dürfen  wir  mit  Recht  vermuthen,  dass  ancli  beim 
Leuchten  der  Noctilucen  keine,  oder  doch  so  geringe  Wärmemengen  ge- 
bildet werden,  dass  sie  selbst  mit  den  empfindlichsten  thermoelektrischen 
Instrumenten  unbemerkbar  bleiben. 

Eine  mikroskopische  Prüfung  über  den  Sitz  der  Lichtentwicklung  er- 
gibt sofort,  dass  nicht  ein  bestimmter  KöipertheiL,  oder  ein  besonderes 
Organ  mit  dieser  Fähigkeit  ausgerüstet  ist,  dass  vielmehr  bei  lebhafter 
Lichtentwicklung  die  gesammte  Noctiluca  wie  eine  gleichmässig  leuchtende 
Kugel  erscheint.  Doch  versichert  Quatrefages ,  dass  nicht  selten  nur 
einzelne  Theile  des  Körpers  leuchten  und  an  einem  und  demselben  Indi- 
viduum gelegentlich  abwechselnde  Partien.  Quatrefages  scheint  der  An- 
sicht zu  sein,  dass  die  Körperoberfläche  den  Sitz  der  Lichtentwicklung 
bilde  und  auch  Allman  spricht  sich  bestimmt  in  diesem  Sinne  aus.  Als 
Beweis  führt  letzterer  namentlich  an,  dass,  vs^enn  man  das  allmähliche 
Erlöschen  einer  Noctiluca  unter  dem  Mikroskop  verfolge,  zuletzt  noch  ein 
leuchtender  peripherischer  King  übrig  bleibe;  derselbe  entstehe  aber  derart, 
dass  bei  sehr  geschwächter  Leuchtintensität  nur  noch  an  der  Peripherie, 
wo  man  durch  eine  grössere  Dielte  der  leuchtenden  Schicht  hindurchsehe, 
eine  Lichterscheinung  wahrnehmbar  bleibe,  also  ein  leuchtender  peri- 
pherischer Ring  erscheinen  müsse. 

Anderer  Ansicht  über  den  Sitz  des  Leuciitens  ist  dagegen  Vignal, 
indem  er  nicht  nur  das  oberflächliche  Wandplasma,  sondern  das  Plasma 
überhaupt  als  leuchtend  erkennt.  Den  Beweis  hierfür  sucht  er  darin, 
dass,  wenn  man  durch  eine  Verletzung  die  Einziehung  der  Plasmastrahlen 
in  die  Centralmasse  veranlasse,  alle  Theile  des  Körpers,  aus  welchen 
die  Plasmazüge  zurückgetreten  seien,  dunkel  würden  und  schliesslich 
nur  noch  das  centrale  Plasma  leuchte.  Ich  kann  nicht  leugnen,  dass  ich 
gegen  diese  Auffassung  und  die  Richtigkeit  der  Beobachtung  einige  Be- 
denken habe,  denn  verhielte  sich  die  Sache  in  der  angegebnen  Weise, 
so  müsste  bei  einer  kräftigen  Noctiluca  wohl  das  ganze  Plasnianetz- 
werk  deutlich  leuchtend  hervortreten  und  davon  bericliten  die  früheren 
Beobachter  nichts  und  auch  Vignal  selbst  gibt  keine  solche  Schilde- 
rung der  leuchtenden  Noctiluca.  Im  allgemeinen  scheint  mir  daher  die 
Angabe  wahrscheinlicher,  dass  die  Wand  vornehmlich  leuchte  wenn 
ich  auch  dem  inneren  Plasma  das  Leuchtvermögen  nicht  ganz  absprechen 
möchte. 

Mit  eingehenderer  Untersuchung  der  Leuchterscheinung  bei  stärkerer 
Vergrösserung  hat  sich  meines  Wissens  nur  Quatrefages  beschäftigt 
und  dabei  die  bemerkenswerthc  Thatsache  festgestellt,  dass  es  sich 
nicht  um  eine  continuirlich  zusammenhängende  Lichtfläche  handelt, 
sondern  das  anscheinend  gleichmässige  Licht  schon  bei  LöOfacher  Ver- 
grösserung in  eine  Unzahl  kleiner  leuchtender  Punkte  aufgehest  wird. 
Grössere  und  kleinere  derartige  Leuchtpunkte  stehen  durcheinander  wie 
in  einem  Nebelfleck.     An  einer  bcgron/ten   leuchtenden  Partie  des  Nocti- 


Leuchten  (Sitz,  median,  u.  clieiii.  Reize  etc.).  1091 

Incakörpers  besteht  der  centrale  Tbeil  aus  einer  dichten  Zusfinimcnhäufung 
solcher  Leuchtpunkte,  welche  gegen  die  Peripherie  allmählich  spärlicher 
werden  und  weiter  auseinander  stehen,  um  endlich  ganz  aufzuhören.  Wie 
unten  noch  näher  auseinandergesetzt  werden  soll,  scheint  diese  Beobachtung 
wichtig  und  lässt  in  Verbindung  mit  anderweitigen  Erfahrungen  vielleicht 
eine  Vermuthuug  über  die  leuchtenden  Theile  des  Plasmas  zu. 

Nach  dem  über  den  Einfluss  der  Erschütterung  auf  das  Leuchten 
Bemerkten  wird  es  natürlich  erscheinen,  dass  auch  dirccte  mechanische 
Reizung  durch  Druck  oder  Berührung  Lichtentwicklung  hervorruft.  Bei 
leiser  Ikrührnng  mit  der  Nadelspitze  machten  Robin  und  Legros  die 
interessante  Erfahrung,  dass  nur  die  gereizte  Stelle  des  Noctilucenkörpers 
leuchte,  eine  Erscheinung,  welche  im  Hinblick  auf  die  rasche  Ausbreitung 
des  Reizes  bei  gewissen  leuchtenden  Anthozoen  (so  Pennatula  nach  Panceri) 
etwas  befremdend  erscheint. 

Wie  mechanische  Reize  wirken  auch  diejenigen  chemischen, 
welche  durch  ihren  Einfluss  auf  das  Plasma,  indem  sie  es  zur  Con- 
traction  veranlassen ,  resp.  sein  Leben  vernichten ,  eine  innere  Erschütte- 
rung des  Körpers  hervorrufen. 

Wahrnehmungen  dieser  Art  wurden  schon  im  vorigen  Jahrhundert 
(Rigault)  gemacht  und  später  von  vielen  Beobachtern  bestätigt  und  er- 
weitert (namentlich  Verhaeghe,  Pring  und  Quatrefages).  Mineralsäuren, 
Alkalien,  Alkohol,  starke  Salzlösung,  jedoch  auch  Süsswasser  wirken 
in  dieser  Weise,  indem  sie  ein  mehr  oder  minder  intensives  Aufleuchten 
hervorrufen,  dem  das  erwähnte  weissliche  Licht  folgt,  wenn  die  zugesetzten 
Stoffe  den  Tod  nicht  zu  rasch  herbeiführen.  Natürlich  bewirken  aber 
alle  diese  Stoffe  endlich  das  Absterben  der  Noctilucen  und  damit  auch 
das  Erlöschen  des  Leuchtvermögens;  denn  über  den  Tod  hinaus  scheint 
sich  das  Leuchten  der  Noctilucen  nicht  zu  erhalten.  Zwar  senden  auch 
kleine  Bruchstücke  noch  lange  Zeit  ein  schwaches  Licht  aus  (Quatrefages); 
dem  feinen  Netz  anhängende  oder  auf  dem  Filter  befindliche  Noctilucen 
leuchten  noch  so  lange  bei  Erschütterung,  als  das  Netz  oder  Filter  ein 
wenig  Feuchtigkeit  zurückhält  (Allman  sah  ein  Netz  noch  nach  31  Stunden 
leuchten,  ähnliches  berichtete  auch  schon  Suriray).  Dennoch  scheinen  alle 
Erfahrungen  darauf  hinzuweisen ,  dass  der  Tod  dem  Leuchten  ein  Ziel 
setzt.  Vorherige  Belichtung  ist  keine  Bedingung  des  Leuchtens,  wie 
Pring  versichert,  der  hierüber  Versuche  angestellt  haben  will,  die  er 
aber  nicht  specieller  schildert.  Andererseits  ist  aber  auch  die  Leucht- 
fähigkeit ständig  vorhanden,  nicht  etwa  nur  auf  die  Zeit  der  Dunkelheit 
beschränkt,  wie  jederzeit,  bei  Ueberführung  in  einen  dunklen  Raum  zu 
constatiren  ist  (Allman,  Robin  etc.).  Allman  hebt  letzteres  speciell  im 
Gegensatz  zu  Beroe  hervor,  welche  nach  seiner  Erfahrung  erst  einige 
Zeit  im  Dunkeln  verweilen  muss,  bevor  sie  leuchtet.  Wie  die  Unter- 
suchungen zur  Zeit  liegen,  scheint  aber  doch  keine  Nöthigung  zu  be- 
stehen ,  das  Leuchtvermögen  als  Ausfluss  des  eigentlichen ,  lebendigen 
Plasmas  zu  betrachten,  sondern  die  Möglichkeit  vorhanden  zu  sein,  dass 


1092  Gystoflagellata. 

es  von  einem  im  Plasma  erzeugten  und   daher  auch  über  dessen  Leben 
hinaus  erhaltungslahigen  Stoff  ausgeht,  wovon  später  noch  mehr. 

Damit  dürfte  die  auch  von  anderen  Leuchtthieren  beliannte  Erschei- 
nung kaum  im  Widerspruch  stehen,  dass  wenn  man  die  Noctilucen  zwischen 
den  Fingern  zerreibt,  die  an  letzteren  haftende  Substanz  noch  lange 
leuchtet.  Nach  Quatrefages  soll  die  zerquetschte  Substanz  das  geschilderte 
weissliche,  fixe  Licht  entwickeln;  nach  Kobin  sollen  die  Finger,  zwischen 
denen  man  Noctilucen  zerrieb,  bei  jeder  Reibung  leuchten,  so  lange  noch 
etwas  von  der  Substanz  zurückblieb.  Jedenfalls  stirbt  die  zerquetschte 
Substanz  nicht  momentan  ab;  genauere  Untersuchungen  wären  sehr 
wünschenswerth. 

lieber  den  Einfluss  der  Wärme  weiss  man  kaum  etwas  bestimmtes. 
Pring  fand  keine  Verstärkung  des  Leuchtens,  wenn  er  ein  Gefäss  mit 
Noctilucen  in  Wasser  von  etwa  25*^  C.  stellte.  Quatrefages  beobachtete 
dagegen  Aufleuchten  beim  Erwärmen  einer  langen  Glasröhre  mit  Nocti- 
lucen; doch  mag  dies,  wie  Vignal  bemerkt,  eine  Folge  der  Strömungen 
in  der  Röhre  gewesen  sein.  Letzterer  glaubt  selbst  einen  gewissen 
Einfluss  der  Erwärmung  auf  das  Leuchten  gefunden  zu  haben ,  da  er 
beobachtete,  dass  eine  Portion  Noctilucen,  welche  einige  Zeit  auf  37^  C. 
erhitzt  worden  war,  nach  dem  Erkalten  intensiver  leuchtete,  als  eine 
andere,  nicht  erwärmte  Portion  der  gleichen  Wesen. 

Eine  noch  grössere  Unsicherheit  herrscht  hinsichtlich  der  Wirkung 
der  Elektricität ,  da  sich  die  Angaben  der  verschiedenen  Beobachter 
geradezu  widersprechen. 

Beim  Ueberspringen  des  Funkens  einer  Leydener  Flasche  in  ein  Ge- 
fäss mit  Noctilucen  erhielt  Quatrefages  regelmässig  ein  Aufleuchten 
und  nach  drei  Entladungen  waren  die  Noctilucen  in  den  dauernd 
schwach  leuchtenden  Zustand  übergegangen.  Pring  konnte  mit  dem 
durch  zwei  Smee'sche  Elemente  erzeugten  Strom  keine  Leuchtwirkung 
erzielen.  Mit  einem  kleinen  Element  (pile  a  äuge)  fand  Quatrefages 
namentlich  reichliches  Leuchten  am  Zinkpol;  doch  bemerkt  er  selbst,  dass 
diese  Erscheinung  wohl  als  Wirkung  der  beim  Durchleiten  des  Stromes  frei- 
gewordeuen  Säulen  gedeutet  werden  müsse.  Robiu  und  Legros  wollen 
bei  Anwendung  eines  kleinen  elektro-medicinischen  Apparats  („au  bisul- 
fate  de  mercure")  sofort  um  jeden  der  eingetauchten  Pole  einen  lebhaften 
Lichtring  gesehen  haben  und  zwischen  den  beiden  Ringen  ein  leuchtendes 
Verbindungsband.  Im  Moment  der  Stromunterbrechung  wurde  das  Leuchten 
stärker,  erlosch  jedoch  bald.  —  Ganz  verschieden  hiervon  lauten  die 
Angaben  Vignal's,  welcher  weder  mit  dem  Strom  zweier  Grenet'scher 
Elemente  noch  mit  einem  Schlitteninductionsapparat,  unter  verschieden- 
artiger Variation  der  Versuchsbedingungen,  Leuchten  erzielen  konnte  und 
sich  daher  gegen  jede   directe  Wirkung   der  Elektricität  ausspricht. 

Eine  Frage  von  besonderer  Wichtigkeit  für  Auffassung  und  Erklä- 
rung des  Leuchtens  ist  dessen  Beziehung  zum  Sauerstoff,  welche  denn 
auch    schon   früh    untersucht   wurde.     Im   Gegensatz   zu  dem,    was   man 


Leuchten  (Bezieh,  zu  Leben,  zu  Wärme,  Electric.,  Sauerstoff  u.  and.  Gasen).       1093 

nach  den  Erfahrimgen  bei  audereu  Lencbtthiereu  erwarten  dürl'te,  stimmen 
alle  Untersueber  seit  Suriray  darin  überein,  dass  Sauerstoff  kein  Er- 
fordcrniss  des  Leucbtens  sei,  dass  dieses  vielmebr  unter  indifferenten  Gasen 
in  gleicber  Weise  fortdauere.  Bevor  ieb  einiges  über  die  angestellten  Ex- 
perimente bericbte,  glaube  ieb  bemerken  zu  müssen,  dass  mir  alle  bis 
jetzt  vorliegenden  Versucbe  nicbt  exact  genug  scbeinen,  um  ganz  be- 
weisend zu  sein.  Aucb  minimale  Sauerstofifmeugen  dürften  wohl  noch 
genügen,  das  Leuchten  zu  unterhalten,  und  kaum  in  einem  der  Versuche 
kann  von  absolutem  Ausschluss  des  Sauerstoffs  die  Rede  sein.  Schon 
Macartney  brachte  Noctilucen  unter  die  Luftpumpe  und  beobachtete  hierbe 
kein  Aufhören  des  Leucbtens  bei  Erschütterungen,  ja  glaubte  gefunden  zu 
haben,  dass  es  unter  diesen  Umständen  leichter  angeregt  werde  und  längei 
dauere.  Auch  Quatrefages  machte  diesen  Versuch  und  sah  die  Noctilucen 
bald  in  den  weisslich  leuchtenden  Zustand  tibergehen ;  nach  einer  Stunde 
19  Minuten  sollen  sie  bei  Erschütterung  noch  geleuchtet  haben;  er  er- 
klärte dieses  Experiment  übrigens  itir  wenig  beweisend.  Noctilucen, 
welche  über  Quecksilber  abgesperrt  wurden,  verloren  dagegen  bald  ihr 
Leuchtvermögen.  Den  Einfluss  von  Sauerstoff,  Wasserstoff  und  Kohlen- 
säure untersuchten  Pring  und  Quatrefages;  ersterer  brachte  Wasser  mit 
Noctilucen  in  Flaschen  mit  den  betreffenden  Gasen,  letzterer  Hess  etwas 
von  den  Gasen  in  mit  noctilucahaltigem  Meerwasser  gefüllte  Röhren  auf- 
steigen, die  in  Wasser  umgekehrt  aufgestellt  waren.  Beide  fanden,  dass 
sich  die  Noctilucen  unter  Wasserstoff  nicht  anders  verhalten  wie  unter 
Luft,  und  Pring  constatirte  das  Gleiche  auch  für  Stickstoff.  Unter  Sauer- 
stoff schien  Pring  das  Leuchten  stärker  aufzutreten,  während  Quatre- 
fages keine  Veränderung  gegen  Luft  beobachtete  und  auch  in  Kohlensäure 
keine  Veränderung  fand.  Anders  spricht  sich  dagegen  Pring  über  die 
Wirkung  der  Kohlensäure  aus;  dieselbe  rief  bei  seinen  Versuchen  zu- 
nächst energisches  und  lang  andauerndes  Leuchten  hervor,  das  nach 
etwa  20  bis  25  Minuten  erlosch  und  sich  durch  Zufuhr  von  Luft  nicht 
erneuern  Hess. 

Schwefelwasserstoffgas  wirkt  nach  Pring,  wie  zu  erwarten,  sofort 
tödtend,  wogegen  Quatrefages,  der  die  Wirkung  einer  wässrigen  Lösung 
untersuchte,  keinen  heftigen  Einfluss  derselben  bemerkte.  Mir  scheint 
letzteres  sehr  unwahrscheinlich. 

Schliesslich  stellte  auch  Vignal  ein  Experiment  über  die  Beziehung 
des  Sauerstoffs  zum  Leuchtvermögen  an.  Er  brachte  einige  Noctilucen 
in  eine  mit  ausgekochtem  Seewasser  gefüllte  Röhre  und  verschloss  die- 
selbe sofort,  ohne  Luft  mit  einzulassen.  In  der  Röhre  befand  sich  ein 
kleines  Glasstück,  das  bei  Bewegungen  mechanisch  auf  die  Noctilucen 
wirkte.  Unter  diesen  Bedingungen  leuchteten  letztere  bei  Erschütterungen 
wie  gewöhnUch  und  dieses  dauerte  an,  bis  sie  aus  Mangel  an  Sauerstoff' 
abstarben.  Leider  wird  nicht  berichtet,  wie  lange  dies  währte  und  wie 
lange   die   Noctilucen   überhaupt   ohne  Sauerstoff  leben  können. 


1 094  Cystoflagellata. 

Weim  wir  das  Berichtete  überticbauen,  so  wird  es  uns  zur  Zeit  schwer 
oder  unmöglich  scheinen ,  über  die  Ursacbe  des  Leucbteus  eine  eiiiiger- 
maassen  begründete  Vermuthung  zu  äussern.  Wenn  wir  dennoch  auf 
diese  Frage  eingeben,  so  veranlassen  uns  hierzu  Erfahrungen,  welche 
auf  einem  anderen  Gebiet  über  das  Leuchten  organischer  Körper  ge- 
sammelt wurden  und  welche  mit  der  Zeit  wohl  zur  Aufklärung  des 
Leuchtens  der  Organismen  führen  werden.  Wir  dürfen  hier  die  älteren 
Ansichten,  welche  die  Ursache  des  Leuchtens  in  elektrischen  Erschei- 
nungen oder  Phosphorverbindungen  vermutheten,  wohl  stillschweigend 
übergehen*).  Es  fragt  sich  zunächst  hauptsächlich:  haben  wir  das  Leuch- 
ten als  directe  Lebensäusserung  des  eigentlich  lebendigen  Plasmas  zu  be- 
trachten, welcher  Auffassung  Pflüger**)  entschieden  zuneigt,  oder  dürfen 
wir  seine  Ursache  in  gewissen  im  lebenden  Organismus  erzeugten  Stoffen 
suchen,  welche  unter  bestimmten  Bedingungen  Licht  zu  entwickeln  ver- 
mögen. Letzterer  Auffassung  neigen  diejenigen  Beobachter  zu,  welche 
eine  gewisse  Leuchtmaterie  nachgewiesen  haben  wollen.  So  Panceri***), 
der  bei  den  untersuchten  marinen  Leuchtthieren  (darunter  nicht  Nocti- 
luca)  Fette  als  die  leuchtenden  Körper  beansprucht  und  Phipsonf), 
welcher  eine  leuchtende  Materie,  die  er  Noctilucin  nannte,  von  ver- 
schiedenen leuchtenden  Thieren  gewonnen  haben  will;  Noctiluca  unter 
suchte  jedoch  auch  er  nicht.  Wir  dürfen  aber  wohl  mit  Radziszewskiff) 
ohne  Bedenken  annehmen,  dass  dieses  Noctilucin  kein  einheitlicher  chemi- 
scher Körper  war  (was  auch  die  Untersuchungen  nicht  erwiesen),  sondern 
ein  Gemisch  verschiedenartiger  Stoffe.  Die  wichtigen  Untersuchungen 
des  letzterwähnten  polnischen  Chemikers  sind  es  aber,  welche  bis  zu 
gewissem  Grad  ein  neues  Licht  über  die  Leuchtvorgänge  in  den  Organismen 
verbreitet  haben.     Es  gelang  ihm  nämlich  nachzuweisen,  dass  eine  ganze 


*)  Sehr  eigcuthüuilicli  ist  die  Vorstellung,  welche  sich  Pring  von  der  nächsten  Ursache 
des  Leuchtens  gebildet  hatte ;  ich  erwähne  dieselbe ,  weil  dieser  Beobachter  das  Phänomen 
zuerst  genauerer  experimenteller  Untersuchung  unterzog.  Er  glaubte  die  Leuchtmaterie  in  einem 
flockigen  Schleim  gefunden  zu  haben,  welchen  die  Thiere  in  der  Gegend  des  Peristoms  aus- 
schieden. Wahrscheinlich  handelte  es  sich  also  um  die  bekannte  Erscheinung,  dass  bei  Druck 
häufig  etwas  Plasma  aus  dem  Peristom  hervorgepresst  wird.  Zur  Absonderung  dieses  Schleims 
schienen  ihm  die  Thiere  durch  Furcht  veranlasst  zu  werden;  das  Leuchten  beim  Schütteln 
der  üefässe  wollte  er  denn  auch  auf  das  hierdurch  bewirkte  Erschrecken  der  Thiere  zurück- 
fuhren. 

**)  Pflüger,   Ueber  die    physiologische   Verbrennung   in    dem   lebendigen  Organismus. 
Arch.  f.  d.  ges.  Physiologie  Bd.  X,  p.  275. 

***)  Panceri,  Etudes  s.  1.  phosphorescence  des  animaux  marins.  Ann.  sciences  naturelles. 
Zoologie  (V).  T.  XVL  Art.  8. 

t)  Pbipyon,  S.  la  matiere  phosphor.  de  la  raie.  Cpt.  rend.  Ac.  Paris  T.  51,  p.  541 
und  S.  la  noctilucine  ibid.  T.  75,  p.  547. 

tt)  Kadziszew  ski,    Ueber  das   Leuchten   des   Lophins.      Berichte   der  deutscli.    ehem. 
üesellsch.  Bd.  X,  p.  17Ö. 

Ueber  die  Phosphorescenz  der  organischen  und  organisirten  Körper.   Ann.  d,  Chemie 

Bd.  2Ü3.  ISSO,  p.  3Ü5— 335. 


Leucliteu  (Ursache),    ßogciicration.  1095 

Reihe  von  Körpern,  die  sich  im  lebenden  Organismus  linden,  unter  ge- 
wissen licdingungeu  bei  gewöhnlicher  oder  doch  nur  wenig  erhöhter  Teni- 
j)cratur  leuchten  können :  nämlich  Fette,  Lecithin,  Cholcsiearin,  ätherische 
Oele,  Gallensäurcn,  Traubeuzuciier  und  vielleicht  noch  eine  Reihe  anderer 
Stoffe.  Bedingung  l'iir  den  Eintritt  des  Leuchtens  ist,  dass  die  Körper 
sich  in  alkalischer  Lösung  befinden  und  meist  zuvor  etwas  erwärmt  wer- 
den ;  doch  dauert  das  Leuchten  nach  dem  Erkalten  bei  gewöhnlicher 
Temperatur  meist  noch  lauge  fort  und  tritt  hauptsächlich  bei  mechanischer 
Erschütterung,  Umschütteln  etc.,  hervor.  Statt  anorganischer  Basen  können 
jedoch  auch  organische,  darunter  die  im  thierischen  Körper  vorhandenen 
Cholin  und  Neurin,  diis  Leuchten  der  genannten  Körper  bewirken.  Die 
Lichtentwicklung  beruht  unter  diesen  Bedingungen  auf  langsamer  Oxy- 
dation der  betreffenden  Verbindungen  und  es  ist  in  dieser  Hinsieht  wichtig, 
dass  die  meisten  derselben  die  Fähigkeit  haben ,  Sauerstoff  zu  absorbiren 
und  in  activen  zu  verwandeln. 

Den  Einfluss  mechanischer  Erschütterung  auf  das  Leuchten  genannter 
Verbindungen,  welcher  uns  wegen  der  interessanten  Analogie  mit  den 
Verhältnissen  bei  Noctiluca  besonders  interessirt,  sucht  Radziszewski 
hauptsächlich  dadurch  zu  erklären,  dass  hierdurch  immer  neue  Theile  des 
zu  oxydirenden  Körpers  mit  aetivem  Sauerstoff  in  Berührung  gesetzt 
würden.  Doch  scheint  er  daneben  auch  eine  directe  molekulare  Wirkung 
der  Erschütterung  anzuerkennen.  Es  kann  nicht  geleugnet  werden,  dass 
speciell  die  Leuchterseheinungen  der  Noctiluca  so  viel  Aehnlichkeit  mit 
manchen  Experimenten  Radziszewski's  bieten,  dass  die  Vermuthung  nahe 
liegt:    es   handle   sich  bei  Noctiluca  um  einen  ähnlichen  Vorgang. 

Wenn  wir  ferner  die  Ergebnisse  der  Untersuchungen  Quatref'ages' 
berücksichtigen,  dass  das  Licht  der  Noctiluca  aus  zahllosen  kleinen  Licht- 
punkten zusammengesetzt  ist,  so  lässt  sich  vielleicht  auf  die  Möglichkeit 
hindeuten,  dass  die  Lichtentwicklung  von  den  zuhlreichen  kleinen  Körn- 
chen im  Waudplasma  der  Noctiluca  ausgehe. 


F.   Iv  egeaeratiousersclieiuungcn  und  künstlicli  e  Theilu  ng. 

Schon  Webb  konnte  feststellen,  dass  das  centrale  Plasma  der  Nocti- 
luca befähigt  ist,  wieder  den  vollständigen  Organismus  zu  regeneriren,  wenn 
ein  grosser  Theil  desselben  zerstört  war.  Später  wurden  diese  Beobach- 
tungen von  Dönitz  und  Cienkowsky  weiter  ausgedehnt  und  damit  die 
grosse  Regenerationsfähigkeit  unseres  Wesens  definitiv  ermittelt.  Es  ergab 
sich  dann  auch,  dass  schon  Busch  in  Regeneration  begriffene  Noctilucen 
beobachtet,  irrigerweise  aber  als  Jugendzustände  gedeutet  hatte,  welche 
er  von  innerlich  gebildeten  Keimen  herleitete.  Schliesslich  sah  auch 
Pouchet  (41)  in  neuester  Zeit  solche  Regeneratiouszustände;  da  ihm  aber 
die  Arbeiten  seiner  Vorgänger  unbekannt  blieben,  hielt  er  sie  gleichfalls 
wieder  für  Jugendzustände,  die  auf  eine  besondere  Art  der  Fortpflanzung 
zurückzuführen  seien. 


1096  Cystoflagellata. 

Wir  haben  früher  die  grosse  Zartheit  der  Noctilucen  lieuuen  gelernt 
und  gesehen,  dass  schon  geringe  mechanische  Eingritfe  ein  Zusam- 
menfallen der  Blase  oder  ein  Zerreissen  der  Blasenwand  hervorrufen ; 
unter  diesen  Verhältnissen  zieht  sich,  wie  wir  fanden,  das  Plasma- 
netz, unter  Ablösung  von  der  Wand,  auf  das  Centralplasma  zurück  und 
bildet  um  den  Kern  einen  unregelmässigen  Klumpen,  welcher  gewöhnlich 
aus  der  alten  Blasenwand  hervorquillt  und  sich  von  derselben  trennt, 
wenn  die  Verletzung  eine  tiefergehende  war.  Gewöhnlich  wird  der  Theil 
der  Wand,  welcher  das  Staborgan  bildet,  ziemlich  unversehrt  mitgenom- 
men, was  nicht  unverständlich  ist,  da  dieses  Organ  von  einem  jeden- 
falls nicht  unwichtigen  Theil  des  centralen  Plasmas  gebildet  wird  und 
eine  gewisse  Festigkeit  besitzt,  die  bewirkt,  dass  es  auch  unter  diesen 
Verhältnissen  dem  Plasmarest  des  Körpers  eine  Art  Stütze  gibt.  Auch 
die  Baudgeissel  bleibt  nicht  selten  erhalten.  Wie  es  sich  mit  dem  Peri- 
stom  und  seinen  übrigen  Organen  verhält,  lässt  sich  einstweilen  nicht  an- 
geben, doch  dürfte  der  Grad  ihrer  Erhaltung  von  Zufälligkeiten  und  dem 
Maass  der  Verletzung  abhängen.  Wie  bemerkt,  stellt  der  verbliebene 
Best  der  Noctiluca  einen  unregelmässigen,  dichten  Plasmakörper  dar, 
welchem  das  Staborgan  entweder  seiner  ganzen  Länge  nach  angefügt 
ist,  oder  über  den  es  mit  seinem  einen  oder  beiden  Enden  stachelartig 
hinausragt.  Letzteres  tritt  wohl  dann  ein,  wenn  der  Umfang  des  ver- 
bliebenen Plasmakörpers  ein  geringer  ist,  sich  also  nur  ein  Theil  des 
Plasmas  erhielt. 

Die  Gestalt  solcher  verstümmelter  Noctilucen  ist  zuweilen  eine  sehr 
eigenthümliche  und  konnte  wohl  zu  falschen  Beurtheilungen  führen,  so 
lange  keine  directe  Beobachtung  ihrer  Entstehung  vorlag,  die  erst 
Dönitz  und  Cienkowsky  feststellten.  Wie  Cienkowsky  zeigte,  ist  aber 
die  Regeneration  nicht  an  die  Erhaltung  irgend  welcher  äusserer  Körper- 
organe gebunden,  sondern  kann  auch  von  einem  einfachen  Plasraa- 
rest  ausgehen.  Ein  Theil  des  durch  Druck  aus  der  Mundöffnung  hervor- 
gepressten  Plasmas  oder  ein  Plasmaklumpen,  welcher  sich  im  Inneren  des 
Körpers  ohne  Theilnahme  der  Organe  isolirte,  kann  sich  wie  die  vorhin 
beschriebenen  Reste  regeueriren.  Dass  aber  auch  kernlose  Piasmatheile  im 
Stande  sind,  wieder  eine  vollständige  Noctiluca  sammt  Kern  zu  ent- 
wickeln, wie  Cienkowsky  angibt,  muss  im  Hinblick  auf  die  jüngst  von 
Nussbaum  und  Gruber  angestellten  Beobachtungen  über  die  Regeneration 
der  Infusorien  und  wegen  allgemeiner  Erwägungen  zunächst  als  recht 
zweifelhaft  betrachtet  werden. 

Es  kommt  nicht  selten  vor,  dass  das  zur  Regeneration  schreitende 
Plasma  in  dem  zusammengefallenen  Rest  der  Blasenwand  verbleibt  und 
sich  hier  weiter  entwickelt.  Ob  dies  schon  Busch  beobachtete  und  da- 
durch zur  Annahme  innerer  Keimbildung  geführt  wurde,  lässt  sich  nicht 
feststellen.  Metschnikow  (s.  bei  Cienk.)  hat  solche  Fälle  zuerst  sicher 
beobachtet  und  auch  Pouchet  (41)  beschrieb  neuerdings  ähnliches,  will 
sogar    gelegentlich    zwei  solcher   Plasmakugeln   im .  Innern    einer  Blase 


Regeneration.     Parasiten.  1097 

gefunden  haben.  Es  ist  ja  auch  möglich,  dass  eine  solche  Sonderung 
des  Plasmas  zuweilen  vorkommt,  doch  recht  unwahrscheinlich,  dass  sich 
beide  Plasmareste  regeneriren,  da  einer  wahrscheinlich  kernlos  und  daher 
wohl  nicht  regenerationsfähig  ist.  Insmerhin  wäre  es  auch  denkbar,  dass 
ein  solcher  Plasmarest  gelegentlich  eine  vorläufige  regelmässige  Theilung 
erfahre  und  ^sich  derart  zwei  junge  Thiere  aus  einem  ursprünglichen 
regen  er  irten. 

Ueber  den  weitereu  Gang  der  Regeneration  ist  nicht  viel  zu  bemerken, 
auch  im  Ganzen  nicht  allzuviel  bekannt.  Zunächst  wird  die  peripherische 
Schicht  des  dichten  Plasmaklümpchens  durch  Auftreten  zahlreicher  kleiner 
Vacuolen  schaumig,  womit  sich  natürlich  auch  wieder  eine  deutliche 
Körperwand  ausbildet.  Indem  diese  Vacuolen  sich  vergrössern  und  durch 
Neubildung  vermehren ,  fliessen  sie  schliesslich  zusammen ,  was  in  der 
schon  früher  geschilderten  Weise  zur  Bildung  eines  zur  .Wand  ziehenden 
Plasmanetzes  führt,  während  der  nicht  vacuolisirte  Rest  als  Centralplasma 
verbleibt.  Unter  reichlicher  Zunahme  des  Zellsaftes  wächst  die  Noctiluca 
allmählich  zu  grösserem  Umfang  heran,  wobei  das  Staborgau  wieder  ganz 
in  die  Körperwand  aufgenommen  wird,  wenn  es  anfänglich  über  dieselbe 
vorragte.  Die  Neubildung  fehlender  Organe  wird  sich  ohne  Zweifel  in 
der  früher  bei  dem  Theiluugsprocess  geschilderten  Weise  vollziehen. 

G.   Parasiten  der  Noctiluca. 

Nur  Pouchet  (38)  erwähnt  ein  in  Noctiluca  schmarotzendes  Distomum, 
doch  fehlt  eine  genauere  Beschreibung  dieses,  wenn  richtig,  jedenfalls  sehr 
interessanten  Falles.  Bei  dieser  Gelegenheit  mag  noch  notirt  werden, 
dass  Robin  die  Oberfläche  der  Noctilucen  nicht  selten  mit  Vorticellen  be- 
setzt fand  und  gelegentlich  bemerkte,  dass  die  Knospen  von  einer  Ciliate 
(Urouychiaj  aus  der  Knospenscheibe  weggefressen  wurden,  obgleich  die 
beiden  letzterwähnten  Fälle  nicht  in  das  Gebiet  des  eigentlichen  Para- 
sitismus gehören. 


Gedruckt  tei  E.  Polz  in  Leipzig. 


Erklärung  von  Tafel  L 


Fig. 

la — c.  Protomyxa  aurantiaca  Hack. 

1  a.  Eine  ausgcwaclisene  Protomyxa  im  üppigsten  Futterzustande .  nacli  selir  reiclilicLer 
Nalirungsanfnalimc.  Im  Protoplasmaleib  zahlreiche  Vacuolen  (v) ,  die  sich  bis  in 
die  grösseren  Pseudopodien  liinein  erstrecken.  Oben  liat  derselbe  zwei  Isthmien, 
unten  drei  Kieselschalea  von  pelagischcn  Tintinnoiden  (Dictyocysta  Hack.)  aufge- 
nommen. Einige  Pseudopodien  liaben  ein  Ceratium  erfasst  und  umfliessen  es.  Vergr. 
etwa  11 Ü. 

1  b.  Eine  Cyste :  der  Protoplasmainhalt  hat  sich  von  der  Innenseite  der  Gallerthülle 
zurückgezogen  und  eine  helle  Flüssigkeit  ausgeschieden.  Er  beginnt  in  zahlreiche 
kleine  Kugeln  zu  zerfallen.     Vergr.   150. 

1  c.   Eine  birnförmige  Schwärmspore  nach  ilirem  Austritt  aus  der  Cyste.     Vergr.  190. 

1  d.  Eine  Schwärmspore ,  welche  die  Geissei  eingezogen  und  statt  deren  eine  Anzahl 
spitze  Pseudopodien  hervorgestreckt  hat.     Vergr.  190. 

•2a— b.  Schematische  Darstellung  der  Coccolithen  von  Coccosphaera  Carterii  Wall, 
(nach  Wallich). 
2a.  Ein  Coccolith  im  Längsschnitt  zur  Erläuterung  des  Bildes,  das  derselbe  von  der 
Fläche  betrachtet  (2bl  bietet.  Das  Bild  der  sogen.  Centralkörner  Häckel's  soll  durch 
grübchenförmige  Einsenkungen  (a)  in  der  Mittelgegend  hervorgerufen  werden.  Das 
sogen.  Markfeld  Häckel's  ist  der  optische  Ausdruck  des  Stieles  (b)  in  der  Flächen- 
ansicht; der  Markring  Häckel's  ist  der  entsprechende  Ausdruck  der  verbreiterten 
Basis  des  Stiels  (c)  und  der  Körnerring  Häckel's  die  radiär-gestreifte  Scheibe  (d). 

3a— i.   Discolithen  und  Cyatholithen  nach  Häckel. 
;^a — b.  Optische  Längsschnitte  von  Discolithen. 
3c — d.  Solche  von  Cyatholithen. 

3e — g.  Verschiedene  Entwickelungszuständc  kreisrunder  Discolithen  von  der  Fläche  gesehen. 
3  h.  Elliptischer  Discolith  von  der  Fläche  gesehen. 
3i.   Elliptischer  Discolith  von  der  Fläche   gesehen,   mit  theilweis  erhaltenem  Aussenring. 

4a — d.  Verschiedene  Ausbildungszustände  von  Rhabdolithen  nach  0.  Schmidt. 
.5a — d.  Verschiedene    von    Ilarting    künstlich    aus   Lösungen    von    Kalksalzen    unter    Zusatz 
organischer  Stoffe  erzeugte  Kalkkörper,   zum  Vergleich  mit  den  Coccolithen. 

•ja.  Kalkkörper  aus  Ochsengallc  bei  Zusatz  von  CaCl.>  und  NaHCO.,. 

5  b.  Kalkkörper  aus  zerriebenen  Austerkörpern  unter  Zusatz  von  CaCl.i  und  NaHCOn. 

5c — d.  Kalkkörper.  erhalten  aus  einem  Gemisch  von  Eiweiss  und  Kalkwasser. 

t).  Coccosphaera  pelagica  Wall,  nach  Wallich. 

7.  Rhabdosphaera  nach  Wyw.  Thomson  und  Murray. 

8a — h.  Labyrinthula  nach  Cienkowsky. 

8  a.  Labyrinthula  vitcllina  Cienk.  einen  Algunfadcn  überziehend  und  zahlreiche  Faden- 
bahnen mit  darauf  hingleitenden  Spindelzellen  aussendend.     Vergr.  ca.  100. 

8  b.  Theil  einer  Fadenbahn  von  Lal)yrinthula  vitellina  mit  darauf  hingleitenden  Spindel- 
zellen, p  scheinbare  Protoplasmaplattc  in  der  Fadenbahn,  nach  Cienkowsky  hervor- 
gegangen durch  Zusammenlagerung  zahlreicher  Fäden ;  p^  mehrere  Spindeln  mit  ver- 
schwommenen Contouren;  s  ruhende,  cingckugelte  Zellen.     Vergr.  ca.  180. 

Sc.  Spindelzelle  von  Labyrinthula  macrocystis  Cienk.  mit  einigen  Fäden  der  Fadenbahn. 
Vergr.  ca.  200. 

8d.  Haufen  encystirtcr  Zellen  von  L.  macrocystis  in  die  Rindensubstanz  eingehüllt.  Vergr. 
ca.  180. 

8e~f.  Cysten  von  L.  macrocystis  mit  getheiltem  Zellinhalt.     Vergr.  ca.  180. 

Sg — h.  In  Theilung  begriffene  Spindclzellcn  von  L.  macrocystis.     Vergr.  ca.  400. 


Fig. 

9.  Chlamydomyxa  labyrint huloides  Arch.  Vollständiges  Exemplar  mit  reich 
entwickelter  Fadenbahn  und  darauf  hingleitenden  Spindeln.  In  der  Körpermasse  treten 
zahlreiche  contractile  Vacuolen  deutlich  hervor,  ebenso  wie  in  den  lokalen  Anhäufungen 
derselben  an  gewissen  Stellen  der  Fadenbahn.  Ausserdem  enthält  die  Körpermasse  noch 
zahlreiche  grünliche,  röthliche  und  bläuliche  Körner,  sowie  aufgenommene  Nahrungs- 
partikel. Als  solche  lassen  sich  hauptsächlich  bei  o  ein  Exemplar  von  Oocystis  Naegelii 
und  bei  o^  ein  Faden  von  Spirotaenia  wahrnehmen.  Bei  c  hat  sich  eine  kleine  Portion 
der  Körpermasse  abgegliedert  und  encystirt.     Vergr.  ca.  100. 

10.  Dactylosphaeria  (Amöba)  radiosum  Duj.  Ein  Exem^ilar  mit  4  langen  Pseudo- 
podien, von  welchen  eines  am  Ende  schlingenförmig  umgebogen  und  in  drehender 
(schwingender)  Bewegung  begriffen  ist. 

11.  Dactylosphaeria  vitreum  Hertw.  u.  Less.  Ein  kleiner  Theil  des  Randes  eines 
Exemplars  der  grünen  Varietät,  mit  2  Pseudopodien;  die  ganze  Oberfläche  ist  mit 
Protoplasmazöttchen  besetzt. 

12.  Dactylosphaeria  (Amöba)  polypodia  (M.  Schnitze)  F.  E.  Seh.  n.  Kern,  v.  Vacuolc. 


Fig.  1  nach  Häckel  (Monograph.  der  Moneren);  Fig.  2  nach  Wallich  (Ann.  mg.  n.  h. 
4.  XIX);  Fig.  3  nach  Häckel  (Monogr.  der  Moneren);  Fig.  4  nach  0.  Schmidt  (Sitzb.  der 
W.  Akad.  Bd.  52);  Fig.  5  nach  Harting  (Naturk.  A'erh.  d.  K.  Akad.  Deel  XIV);  Fig.  6  nach 
Wallich  (Ann.  m.  n.  h.  4.  XIX);  Fig.  7  nach  W.  Thomson  und  Murray  (Proc.  roy.  soc. 
Bd.  23);  Fig.  8  nach  Cienkowsky  (Arch.  f.  mikr.  Anat.  Bd.  III);  Fig.  9  nach  Archer  (Qu. 
journ.  micr.  sc.  Bd.  15);  Fig.  10  Original;  Fig.  11  nach  Hertwig  u.  Lesser  (Arch.  f.  mikr. 
Anat.  Bd.  X,  Suppl.);  Fig.  12  nach  F.  E.  Schultze  (Arch.  f.  mikr.  Anat.  Bd,  XI). 


i 


Rhizopoda. 


Taf.  I. 


Lith.Ansl.Werner  &.  Winter, Frankfurt  ^.A 


Erklärung  von  Tafel  II. 


Fig. 

la — c.  Amöba  Priuceps  Ehrbg. 

la.  Ein  kriechendes  Exemplar,  n  Kern,  v  Vaciiolen,  x  aufgenommene  Nahrung. 

1  b.  Isolirter  kleiner  Kern  eines  grossen  vielkernigen  Exemjjlars,  nach  Essigsäurebehandlung. 

Ic.  Sehr  grosser  Kern  eines  einkernigen  Exemplars,  nach  Essigsäurebehandlung. 

2.  Amöba  Limax  Duj.     Ein  kriechendes  Exemplar;  u  Nucleus,  cv  contractile  Vacuole. 

3.  Amöba  Guttula  Duj.    Ein   kriechendes  Exemplar;   n  Nucleus,  cv  contractile  Vacuole. 

4.  Amöba  Blattae  Bütschli.  Ein  in  Bewegung  hegriä'enes,  sehr  deutlich  faseriges  Exem- 
plar; n  Nucleus,  x  und  y  die  im  Yorschreitcn  begriffenen  Stellen,  w  nnd  z  ruhende 
Stellen,  u  in  Einziehung  begriffene  Stelle. 

5.  Amöba  terricola  Greeff.  Ein  Exemplar  mit  Zottenbesatz  (d)  am  Hintereude;  n  Nucleus, 
cv  contractile  Vacuole,  c  eigenthümliche  Körper  mit  haarförmig  geschlängelten  Fäden 
(Greeff 's  Spermatozoiden). 

6a — g.  Pelomyxa  palustris  GreeE 

6  a.  Eine  in  amöbenartiger  Bewegung  begriffene  Pelomyxa  mit  zahlreichen  Glaiizkörpern, 

jedoch  wenig  Nahrungsstoffen  und  Schlamm, 
fib.  Ein  Glanzkörper  von  Stäbchen  umhüllt. 

6  c.  Ein  grösserer  Kern  mit  gruppenweise  zusammenliegenden  Körnchen. 
6d.  Ein  Kern  mit  einer  Anzahl  grösserer  Kernkörper. 

ß  e.  Ein  Gianzkörper  mit  zwei  Löchern  oder  Vertiefungen  auf  der  Oberfläche. 
6  f.  Ein  bisquitförmiger,  nach  Greeff  in  der  Theilung  begriffener  Glanzkörper. 
6g.  Eandtheil  einer  lebenden  Pelomyxa;  a  hyalines  Ectosark,  das  sich  zu  kurzen  pseudo- 

podienartigen  Fortsätzen   c  und  d   erhebt,  in   die   etwas  Endoplasma  mit  Vacuolcn, 

Stäbchen  und   Körnchen   einströmt,    b  Vacuolen,    e  Kerne  und   f  (ilanzkörper   des 

Endosarks,  dazwischen  zahlreiche  Stäbchen.     Vergr.  ca.  200. 

7.  Amphizonella  violacea  Greeff.     a  die  hyaline  Hüllschicht,  n  Nucleus. 

8.  Pseudochlamys  Patella  Clp.  u.*  Lehm.  Ansicht  von  unten  mit  zusammengefalteter 
Schale  und  ausgestrecktem  fingerförmigem  Pseudopodium.  Vergr.  400. 

9a — c.  Arcella  vulgaris  Ehrbg. 

9a.  Ein  Exemplar  in  seitlicher  Ansicht;  n  Nucleus,  cv  contractile  Vacuole. 

9  b.  Ein  kleines   Stück  der  Schalenoberfläche  einer  Arcella  vulgaris  bei  oberflächlicher 

Einstellung  des  Tubus. 
9  c.  Optischer  Durchschnitt  eines  kleinen  Theils  der  Schale. 

10a — b.  Hyalosphenia  lata  F.  E.  Seh.     Vergr.  etwa  350. 
10  a.  Ansicht  von  der  flachen  Seite. 
10b.  Ansicht  von  oben,  im  optischen  Querschnitt;  n  Nucleus,  cv  contractile  Vacuolen, 

11.  Cochliopodium  pellucidum  Hertw.  u.  Lesser. 

Ansicht    von   der  Seite    mit  weit  geöffneter  Schalenmündung   und  vielen  ausgestreckten 
Pseudopodien.     Vergr.  nahe  600. 

12.  Quadrula  symmetrica  Wallich  sp.  Ein  von  der  breiten  Seite  gesehenes  Exemplar; 
n  Nucleus,  cv  contractile  Vacuole. 

13.  Petalopus  dif  fluens  Clp.  u.  Lehm,  mit  blattartig  ausgebreiteten  Pseudopodien. 

14.  Plakopus  ruber  F.  E.  Seh.  Ein  Exemplar  mit  zahlreichen  plattenförmigen,  kantig 
zusammenstossenden  Pseudopodien;  n  Kern.    Vergr.  ca.  330. 


Figg.  1-a,  2  u.  3  nach  Auerbach  in  Z.  f.  w.  Z.  Bd.  VII;  Figg.  1b — c  nach  Bütsclili 
Abh.  der  Senckenberg.  Gesellsch.  Bd.  X;  Fig.  4  nach  Bütschli  Z.  f.  w.  Z.  Bd.  XXX;  Fig.  5 
u.  7  nach  Greeff  A.  f.  m.  A.  Bd.  II;  Fig.  6a — g  nach  Greeff  A.  f.  m.  A.  Bd.  X;  Figg.  8  u. 
9b— c  nach  Hertwig  u.  Lesser  A.  f.  m.  A.  Bd.  X  Suppl.;  Figg.  10—12  u.  14  nach  F.  E. 
Schulze  A.  f.  m.  A.  Bd.  XI;  Fig.  13  nach  Claparede  u.  Lachm.  Etudes  s.  1.  inf. 


Rhizopoda. 


Taf.II. 


Lilh. Anst-  V  Werner  i.  Winter  Frankfurl  *A 


Erklärung  von  Tafel  III. 


Fig. 

1.  Difflugia  globulosa  Duj.    Seitliche  Ansicht  der  Schale. 

2  u.  3.  Difflugia  marsupiformis  Wall.     Seitliche  Ansichten  der  Schalen  eines  stachel- 
losen und  eines  gestachelten  Exemplars. 

4.  Difflugia  (Echinopyxis   Gl.  u.  L.,   Centropyxis  St.)  aculeata  Ehrhg.     Ansicht  einer 
Schale  von  der  Mündungsseite. 

5.  Difflugia  corona  Wall.     Ein    vierstacheliges    Exemplar   in    seitlicher   Ansicht.     Der 
Mündungsrand  ist  bei  dieser  Form  eigenthümlich  ausgezackt. 

6.  Difflugia  pyriformis  Perty.     Seitliche  Ansicht  der  Schale. 

7.  Difflugia  acuminata  Ehrbg.     Seitliche  Ansicht  der  Schale. 

8.  Difflugia  lageniformis  Wall,  (urceolata  Gart.).     Seitliche  Ansicht  der  Schale,   den 
breiten,  hyalinen,  nach  hinten  zurückgebogenen  Mündungsrand  der  Schale  zeigend. 

9.  Lecqueureusia  (Difflugia)  spiralis  Lecl.    Seitliche  Ansicht  der  Schale,  die  hier  aus 
unregelmässig  zusammengruppirten ,  kleinen  Ghitin('?)cylindern  aufgebaut  ist. 

lü.  Difflugia  (NebelaLeidy?)  bipes  Gart.  Thier  mit  Schale,  von  der  breiten  symmetrischen 
Seite  gesehen;  n  Nucleus,  cv  contractile  Vacuolen,  N  aufgenommene  Nahrung.  Yergr. 
ca.  250. 

11.  Pseudodifflugia  (?)  Helix  Entz.  Thier  mit  seiner  der  Difflugia  spiralis  ähnlichen 
Schale  in  seitlicher  Ansicht;  n  Nucleus,  Pseudopodien  werden  nicht  allein  aus  der  weiten 
Schalenöffnung,  sondern  auch  an  andern  Stellen  hervorgestreckt. 

12a — b.  Euglypha  alveolata  Duj. 

12  a.  Lebendes  Exemplar  mit  hervorgestreckten  Pseudopodien. 

12  b.  Encystirtes  Exemj^lar  mit  Bildung  einer  doppelten  Gystenhülle;  a  die  aus  hexagonalen 
Plättchen  (nach  Hertwig  und  Lesser)  bestehende ,  bei  d  durch  verklebte  Fremdkörper 
geschlossene  Schale,  b  die  äussere,  braune,  eiförmige  Gystenhülle,  c  die  farblose, 
innere,  kugelrunde  Gystenhülle,  f  der  zwischen  der  Innern  und  äussern  Gystenhülle 
äich  ausspannende  homogene,  farblose  Strang,  n  die  hellere,  wahrscheinlich  dem 
Kern  entsprechende  innere  Partie  des  Gysteninhalts. 

13.  Gyphoderia  margaritacea  Schlmb.  Thier  mit  Schale  in  seitlicher  Ansicht;  n  Nucleus, 
cv  contractile  Vacuolen.     Vergr.  ca.  400. 

14.  Pseudodifflugia  amphitr ematoides  Arch.     Vergr.  ca.  500. 
15a — d.  Mikrogromia  socialis  Arch. 

15  a.  Eine  Kolonie  im  gehäuften  Zustand  (Gystophrys  Arch.).     Vergr.  ca.  350. 

1 5  b.  Ein  einzelnes  Individuum  einer  Kolonie  in  seitlicher  Ansicht ;  h  Schalenhals,  p  Pseudo- 

podienstiel,  c  contractile  Vacuole,  n  Kern. 
15c.  Individuum    kurz  nach    der  Quertheilung  des  Thieres  in  seiner  Schale;    der    eine 
Sprössling  (b)  (nach  Hertwig  der  hintere)  ist   in  Auswanderung   begriffen,   um  sich 
später  zum  Schwärmer  auszubilden. 
15d.  Der  aus  dem  Theilstück  b  entstandene  Schwärmer. 

Figg.  15b— d  Vergr.  ca.  670. 

16.  Lieberkühnia  (Gromia  Gienk.)  paludosa  Gienk.  Zwei  durch  Quertheilung  entstandene, 

noch  durch  einen  schlauchförmig    ausgezogenen   Verbindungstheil  ihrer  dünnen   Schale 

zusammenhängende  Individuen,    kurz  vor  ihrer  Trennung.     Die  Schale   wird,  wie  aus 

dieser  Beschreibung  hervorgeht,  gleichfalls  getheilt;  p  Pseudopodienstiel.    Vergr.  ca.  75. 

I7a — c.  Platoum  (Ghlamydophrys  Gienk.)  stercoreum  Gienk.     Vergr.  ca.  350. 

17a.  Ein  Individuum  mit  vorgestreckten  Pseudopodien;  n  Nucleus,  cv  contractile  Vacuole, 

N  aufgenommene  Nahrung. 
17b.  Eine  durch  Knospung  aus  der  Pseudopodienplatte  hervorgegangene  Kolonie;  pl  Pseudo- 
podienplatte,  n  Nuclei,  x  ein  junger,  noch  schalenloser  Sprössling,  N  aufgenommene 
Nahrung. 
17  c.  Encystirung;  die  mit  dicker,  geschichteter  Hülle  versehene  Gyste  ist  in  die  Mündung 
der  Schale  eingeklemmt. 
18.  Gromia  (Plagiophrys)  scutiformis  Hertw.  u.  Less.  Ein  von  der  breiten,  abgeplatteten 
Seite  gesehenes  Individuum,  n  Nucleus.     Vergr.  ca.  400. 


Figg.  1—9  nach  Wallich  (A.  m.  n.  h.  3.  XIII),  Fig.  10  nach  Garter  (A.  m.  n.  h.  4.  V), 
Fig.  11  nach  Entz  (Naturh.  Hefte  d.  ung.  Nat.-Mus.  I),  Figg.  12  a  u.  13  nach  F.  E.  Schulze 
(A.  f.  mikr.  A.  XI),  Figg.  12  b,  15a— d  u.  18  nach  Hertwig  u.  Lesser  (Arch.  f.  mikr.  A.  X 
Suppl.);  Figg.  16  u.  17a— c  nach  Gienkowsky  (Arch.  f.  mikr.  A.  XII). 


Rhizopoda. 


Taf^  111- 


Lilh.Anst. V.Werner  tWmter  Frankfurt'^/'. 


Erklärung  von  Tafel  lY. 


Fig. 

1.  Diaplioropod  ou  mobile  Ärcli.  Ein  Exemplar  mit  weit  liervorgestreckten  Pseudo- 
podien, in  ihrer  charakteristischen  Verästelung;  v  contractile  Vacnole,  p  Nucleus.  üeber 
die  gesammte  Oberfläche  der  Schale  hin  treten  zarte  pseudopodienartige  Fortsätze  herv^or. 

2a — b.  Diplophrys  Archeri  Bark. 

2  a.  Einzelnes  Individuum  in  seitlicher  Ansicht ;  a  die  gelbe  fettglänzende  Kugel,  cv  con- 
tractile Vacuolen,  n  Nucleus. 
2b.  Eine   durch  Theilung  entstandene  Gruppe   von  4  Individuen,    wie  sie  in  grösseren 
Mengen    zusammengruppirt   vorkommen    und   dann  die   von  Archer  als   Cystophrys 
oculea  beschriebene  Form  bilden. 

3.  Amphitrema  Wrightianum  Arch.  Ein  Exemplar,  das  deutlich  die  beiden  etwas 
kragenartig  vorspringenden  Pseudopodienöftnungen  zeigt,  da  dieselben  hier  weniger  thircli 
die  incrustirenden  Fremdkörper  verdeckt  werden. 

4.  Orbulinella  smaragdea  Entz.  Ein  Exemplar  mit  vielen,  aus  den  zahlreichen  Oefi- 
iiungen  'der  Schale  hervortretenden  Pseudopodien.  Die  Schale  besitzt  keine  grössere 
Oefthung;  n  Nucleus. 

5.  Microcometes  paludosus  Cienk.  Ein  Individuum  mit  den  aus  den  in  mehrfacher 
Anzahl  vorhandenen  Schalenöffnungen  (o)  ausgestreckten  Pseudopodien  (p);  n  Nucleus, 
cv  contractile  Vacuolen.     Vergr.  ca.  370. 

ß.  Gromia  oviformis  Duj.  Einige  der  Pseudopodien  haben  eine  Navicula  ergriffen.  Im 
Innern  des  Thieres  sieht  man  zahlreiche  Naviculac  liegen,  sowie  Kerne  n.  Der  Eaum- 
ersparniss  wegen  ist  die  Länge  der  Pseudopodien  relativ  dreifach  verkleinert  dargestellt. 
Vergr.  der  Schale  ca.  200. 

7.  Squammulina  laevis  M.  Seh.     Vergr.  ca.  40. 

8a — b.  Cornuspira  foliacea  Phill,     Schale. 
8  a.  Seitliche  Ansicht. 

8  b.  Ansicht  von  der  schmalen  Seite. 

9a — c,  Nubecularia  lucifuga  Defr. 

9a.  Aeussere  Ansicht    eines  Exemplars,  das   eine  acervuline  Anhäufung  von   Kammern 
um  einen  kleinen  Zweig  einer  Isis  hippuris  bildet. 

9  b.  Aeussere  Ansicht  eines  auf  der  Oberfläche  einer  flachen  Muschelschale  aufgewach- 

senen Exemplars,  dessen  Kammern  sehr  in  die  Breite  ausgewachsen  sind. 
9c.  Ansicht  der  aufgewaclißenen  Unterfläche  eines  Exemplars,    bei  welchem  die  anfäng- 
lich regelmässig  spiralige  Anordnung  der  Kammern  sehr  frühzeitig  einer   ganz  un- 
regelmässigen Zusammenhäufung  der  jüngeren  Kammern  Platz  gemacht  hat. 

10.  Spirolocu-lina    planulata   Lmck.      Seitliche    Ansicht    einer    Schale   von    sehr    regel- 
mässigem Wachsthum. 

11.  Quinqueloculina  secans  d'Orb.     Seitliche  Ansicht  der  Schale. 

12.  Biloculina  ringens  Lam.     Ansicht  auf  die  vorletzte  Kammer. 

13.  Dieselbe.,   Ansicht  von   vorn   auf  die    Mündung,   zeigt   die  in  die  MündungsöfFnung  vor- 
springende Zunge  sehr  deutlich. 


Fig, 

14.  u.  15.  Biloculina.  Mündungen  von  zwei  grossen,  iJhilippinisclicn  Exemplaren,  mit 
sehr  entwickelter  Zunge. 

16.  Junge  Spiroloculina  sp.  mit  4  Kammern  und  7  deutliclien  Kernen. 

17.  Vertebralina  striata  d'Orb.     Tyjjisches  Exemplar. 

18.  Vertebralina  (Articulina  d'Orb.).     Tertiärsand  von  Baltjik. 

19.  Vertebralina  (Renulina  Lmk.).     Eocän  von  Hauteville. 

2Üa — b.  Hauerina  d'Orb. 

20  a.  Seitliche  Ansicht  der  Schale. 

20  b.  Die  siebförmig  durchlöcherte  Mündungsplatte  von  vorn  gesehen. 

21.  Fabularia  d'Orb.  Querschnitt  der  Schale,  der  das  nach  dem  Typus  der  Biloculina 
erfolgende  Wachsthum  gut  zeigt.  Die  Kammern  sind  fast  vollständig  von  solider  Schalen- 
masse ausgefüllt,  durch  welche  anastomosirende  Köhrchen  ziehen  (vergl.  T.  VIII,  Fig.  2). 

22.  Spirolina  (üntergcnus  von  Peneroi^lis).     Seitliche  Ansicht. 

23.  Spirolina.  Eine  der  Kammerscheidewände  von  der  Fläche  gesehen.  Sie  zeigt  ein 
üebergangsstadium  zwischen  den  isolirten  Poren  von  Peneroplis  und  den  zusammen- 
flicssenden  Spalten  von  Dendritina. 

24.  Dendritina.  Letzte  Kammerscheidewand  eines  Exemplars  von  der  Fläche  gesehen,  zeigt 
die  eigenthümliche  dendritische  Gestaltung  SeptalölTmiiig  und  zugleich  die  Abweichung" 
der  Querschnittsges'talt  der  jüngeren  Kammern  von  den  ontsprcclienden  Verhältnissen  bei 
Peneroplis. 

25.  Triloculina  (Cruciloculina)  triangularis  d'Orb.     Recent.     Küste  von  Südamerika. 


Figg.  1—3  nach  Archer  (Qu.  journ.  micr.  sc.  N.  S.  IX);  Fig.  4  Entz  (Naturh.  Hefte  d. 
Ungar.  Nat.-Mus.  I);  Fig.  5  Cienkowsky  (A.  f.  mikr.  A.  XII);  Figg.  0  u.  7  M.  SchuUze  (Org. 
d.  Polyth.);  Figg.  S,  10—13  nach  AVilliamson  (Eec.  Foraminif.);  Figg.  14,  15,  17—19  u. 
21—24  nach  Carpenter  (Introduct.) ;  Fig.  16  (Hertwig  (Jen.  Zeitschr.  X);  Figg.  20  u.  25 
D'Orbigny  (for.  foss.  d.  Vienne). 


* 


Rhizopoda. 


Taf.  IV. 


.iih  Anst.v.Werner  4.  Winter.Frankrurl  &A. 


Erklärung  von  Tafel  Y. 


Fig. 

1.  Peneroi^lis.  Ideale  Darstellung  des  Schalenbaues  dieser  Gattung.  Ein  Theil  der 
Kammern  ist  durch  Wegnahme  der  Wandungen  einer  Seite  offen  gelegt.  Man  sieht  die 
Poren  in  den  Scheide\^änden  zwischen  den  aufeinanderfolgenden  Kammern  und  bemerkt 
die  Unterschiede  in  der  Anordnung  dieser  Poren  in  den  älteren  und  jüngeren  Umgängen, 
in  Zusammenhang  mit  der  Veränderung  der  Gestalt  der  Scheidewände. 

2a  u.  b.  Alveolina  Quoyii  d'Orb.     Schale. 

2  a.  Aeussere  Ansicht  der  Schale.  Man  bemerkt  äasserlich  längs  verlaufende  Furchen 
auf  der  Oberfläche  der  Schale,  deren  Zwischenräume  von  feineren,  secundären 
Furchen,  in  zu  den  ersteren  senkrechter  Richtung,  durchzogen  werden.  Die  lang- 
gestreckte Mündungsplatte  wird  von  zahlreichen  Poren  durchbrochen ,  von  welchen 
die  am  äussern  Eand  stehenden  kleiner  und  dichter  gestellt  sind.  An  ihren  beiden 
Enden  verbreitert  sich  die  Mündungsplatte  sehr  und  hier  ist  die  Zahl  ihrer  Poren- 
reihen sehr  vermehrt,  doch  ihre  Anordnung  weniger  regelmässig.     Vergr.  ca.  15. 

2  b.  Querschnitt  einer  Schale  dieser  Art.  Man  erblickt  die  Unterabtheilung  der  spiralen 
Umgänge  in  die  Hauptkammern,  angedeutet  durch  die  Einbiegungen  der  äussersten 
Lamelle  bei  a,  a.  Jede  dieser  Kammern  wird  durch  die  Lamellen  d,  d^  und  d^  in 
eine  Eeihe  übereinandergestellter  Kämmerchen  getheilt,  welche  sich  an  ihren  Enden 
in  die  radial  gestellten  Käume  f  f  öffnen.  Li  jedem  dieser  Räume  bemerkt  man  die 
Oeffhungen  (b,  c)  von  zwei  Kanälen,  die  sich  in  der  ganzen  Längenausdehnung  der 
Schale  erstrecken  und  die  gesammten,  einer  Primärkammer  entsprechenden  Räume 
f  mit  einander  in  Communikation  setzen.     Vergr.  ca.  20. 

3.  Orbitolites  (complicirte  Varietät)  von  den  Samoa-Liseln.  Der  peripherische  Theil  der 
Scheibe  erhebt  sich  nach  der  einen  Seite  zu  zahlreichen  radialen  Falten,  die  z.  Th.  in 
Lamellen  auswachsen.     Vergr.  ca.  40. 

4.  Orbitolites  (complicirte  Varietät).  Ideale  Darstellung  eines  Theils  der  peripherischen 
Region  einer  Scheibe,  i^  die  untere  Lage  der  äusseren  kleineren  Kämmerchen,  die  ent- 
sprechende obere  Lage  ist  z.  Th.  entfernt.  Zwischen  diesen  beiden  Lagen  der  äusseren 
kleineren  Kämmerchen  bemerkt  man  auf  dem  Radialschnitt  (h^)  zwei  geölihete  Kammern 
der  mittleren  Lage,  wogegen  dieselben  auf  den  in  verschiedener  Höhe  ausgeführten 
Querschnitten  bei  c  und  c^  im  Querschnitt  geöffnet  sind.  Gleichzeitig  bemerkt  man  auf 
diesen  Querschnitten  noch  die  schiefen,  in  ihrer  Richtung  nach  rechts  und  links  ab- 
wechselnden Röhrchen,  welche  die  mittleren  Kammern  der  aufeinanderfolgenden  Cyklen 
in  Verbindung  setzen  und  die  auf  dem  peripherischen  Rand  in  senkrecht  übereinander 
gestellten  Porenreihen  ausmünden  (f).  Bei  h^  h^,  h*,  h*  sind  die  circulären  Röhren  auf 
dem  Radialschnitt  geöffnet,  welche  die  mittleren  Kammern  je  eines  Cyklus  in  directe  Com- 
munikation setzen;  die  in  dieser  Weise  geöffneten  Circularröhren  alterniren  mit  den 
zwei  Cyklen,  deren  mittlere  Kammern  auf  dem  Eadialschnitt  geöffnet  sind. 

5a — b.  Thurammina  papillata  Brady  (recent).     Vergr.  ca.  25. 

öa.  Gewöhnliche,  freie  Form  mit  kurzem,  die  Hauptmündung  tragenden  Hälschen. 
5b.  Ein   Theil  der   Schalenwandung  weggebrochen;   man  erblickt  eine  in  der  grösseren 
eingeschlossene  kleinere  Kammer  (i). 

6.  Psammosphaera  fusca  F.  E.  Seh.  (recent).  Ein  über  eine  Schwammnadel  gewach- 
senes Exemplar ;  ein  Theil  der  Schale  ist  weggebrochen,  so  dass  man  das  Innere  erblickt. 
Vergr.  ca.  25. 

7.  Pelosina   rotundata  Brady  (recent).     Exemplar  in  seitlicher  Ansicht.     Vergr.  ca.  7. 

8.  Reophax  difflugiformis  Brady  (recent).  Exemplar  in  seitlicher  Ansicht.  Vergr, 
ca.  35. 


-Fig. 

9,  Marsipella  granulosa  Brady.     Ein  der  Länge  nach  halbirtes   Exemplar,   zeigt  den 
Hohlraum  und  die  Dicke  und  Textur  der  Schalenwandung.     Vergr.  ca.  10. 

10.  Ehahdammina    linearis     Brady    (recent).      Der    Länge    nach    halbirtes    Exemplar.. 

Vergr.  ca.  10. 
IL  Astrorhiza  limicola  Sandahl  (Haeckelina  gigantea   Bessels)    recent.     Ein  Exemplar 

in   etwa   7  maliger   Vergr.     a  die  röhrenförmigen  Fortsätze  der  centralen  Scheibe,   h  die 

nicht  contractilen  Fortsätze,  c  die  Pseudopodien. 

12.  Astrorhiza  (?)  arenaria  Carp.  (recent).     Ein  geweihartig  verästeltes  Exemplar. 

13a — 13b.  Saccamina  Carteri  Brady.     Kohlenkalk. 

13  a.  Eine  einzelne  Kammer,  an  beiden  Enden  geöffnet.     Vergr.  2. 

13  b.  Ein  aus  3  aneinandergereihten  liammern  bestehendes  Exemplar,  in  nat.  Grösse. 

14.  Keophax  (Lituola)  Soldanii  d'Orb.  (recent).     In  seitlicher  Ansicht. 

15.  Hormosina  ovicula  Brady  (recent).     Li  seitlicher  Ansicht.     Vergr.  ca.  8. 

16.  Sagenella    frondescens     Brady,    auf    ein     Korallenstück    aufgewachsen    (recent). 
Vergr   ca.  5. 

17.  Haplophragmium  (Lituola)  canariensis  d'Orb.  (recent).     In  seitlicher  Ansicht. 
18a — b.  Lituola  nautiloidea  d'Orb.  (recent). 

18  a.  Seitliche  Ansicht  eines  Exemplars,  an  dessen  jüngeren  Kammern  das  Innere  z.  Th. 
durch  Abreibung  biosgelegt  ist.  ' 

18  b.  Eine  Kammerscheidewand  von  zahlreichen  Poren  durchbrochen.  *; 

19.  Placopsilina  (Lituola)  cenomana  d'Orb.  (fossil).     Seitliche  Ansicht  eines  Exemplars. 

20.  Ammodiscus  (Trochammina  P.  u.  J.)  incerta  d'Orb.  (recent).     Seitliche  Ansicht. 

21.  Ammodiscus  ?  (Trochammina  P.  u.  J.)  charoides  P.  u.  J.  (recent). 

22.  Ammodiscus  ?  (Trochammina  P.  u.  J.)  gordialis  P.  u.  J.  (recent). 

23a — b.  Parke ria  Carp.     Oberer  Grünsand  von  England. 

23a.  Ideale  Darstellung  der  inneren  Structur  von  Parkeria.  Der  obere  horizontale 
Querschnitt  durch  das  Centrum  der  Kugel  zeigt  die  allgemeine  Anordnung  der 
concentrischen  Lagen  um  die  kegelförmigen  Primordialkammern  C^ — C*;  ferner  die 
Unterbrechung  der  regelmässigen  Abwechselung  solider  Lamellen  und  Zwischen- 
räume, die  von  den  radialen  Fortsätzen  durchzogen  werden,  durch  die  4  dicken 
Lagen  P,  1'^,  P  und  1*.  Die  vertikale  Fläche  A  zeigt  die  innere  Oberfläche  einer 
Lamelle,  welche  durch  concentrische  Abspaltung  freigelegt  wurde,  und  an  welcher 
die  konischen  Radialfortsätze  hängen  geblieben  sind.  B  gibt  das  Bild  einer  ähn- 
lichen Abspaltung,  welche  durch  die  Eadialfortsätze  gegangen  ist,  so  dass  deren 
netzförmige  Structur  sichtbar  geworden  ist.  C  erläutert  die  netzförmige  Structur 
einer  Lamelle,  die  an  dieser  Stelle  concentrisch  gespalten  ist.  D  zeigt  die  äussere 
Ansicht  einer  Lamelle,  welche  durch  eine  concentrische  Abspaltung  durch  die 
Eadialfortsätze  freigelegt  worden  ist.  E  schliesslich  gibt  das  Bild  eines  radialen 
Durchschnitts,  die  Lamellen  und  ihre  Zwischenräume  schneidend.    Vergr.  ca.  2. 

23  b.  Theil  der  inneren  Oberfläche  einer  Lamelle  (stärker  vergrössert) ,  welche  durch 
concentrische  Abspaltung,  die  die  Eadialfortsätze  (rp)  durchbrochen  hat,  freigelegt 
wurde.  Jeder  Durchschnitt  dieser  Fortsätze  zeigt  mehrere  grosse  Oetfnungen ,  die 
Eadialröhren.  fl  ist  die  solide,  undurchbrochene  Schalensubstanz,  welche  die  laby- 
rinthische Substanz  der  Lamelle  gegen  den  Zwischenraum,  der  sie  von  der  vorher- 
gehenden Lamelle  scheidet,  auskleidet. 


Figg.  1,2,4,    14   und    17 — 22   nach  Carpenter  (Introduction) ;  Fig.   12  nach  Cari^enter 

(Quart,  journ.  micr.  sc.  Bd.  16);    Fig.  3  Original;   Fig.  5 — 6,  7 — 10,  15  und  16   nach  Brady 

(Quart,  journ.   micr.   sc.    1879);    Fig.  U    nach    Bessels  (Jen.  Zeitschr.  Bd.  IX);    Fig.  23  nach 
Carpenter  und  Brady  (Philos.  Transact.  roy.  soc.  1869). 


Rhizopoda. 


Taf.  V. 


Liih.Ansl.Wern'eri  Winter, Frankfurt*« 


Erklärung  von  Tafel  YI. 


Fig. 

1.  A — E.  Orbitolites  Lmk. 

A.  Ideale  Darstellung  eines  Individuums  von  einfachem  Typus  (Orbitolites  complanata 
Lmk.),  so  aufgeschnitten  und  durch  Bruchflächen  freigelegt,  dass  der  innere  Bau 
deutlich  hervortritt.  Da,  wo  die  natürliche  Oberfläche  erhalten  ist,  sieht  man  die 
äusseren  Andeutungen  der  concentrischen  Ringe  der  querovalen  Kämmerchen  und 
bemerkt  auf  dem  schmalen  Kreisrand  der  ganzen  Schale  die  einfache  äquatoriale 
Reihe  von  Poren,  durch  welche  allein  die  eingeschlossene  Sarkode  mit  der  Ausscn- 
welt  communicirt.  Durch  den  angebrachten  Medianschnitt  ist  im  Centrum  der  Schale 
die  Embryonalkammer  (a)  und  die  dieselbe  halbspiralig  umfassende  zweite  Kammer 
(b)  biosgelegt,  auf  welche  sogleich  die  concentrischen  Ringe  von  Kämmerchen  (c) 
folgen.  Letztere  stehen  sowohl  in  jedem  Ring  durch  concentrische  Kanäle  unter  sich 
in  Verbindung,  als  auch  durch  radiale  mit  denen  des  folgenden  Ringes.  Bei  e  e  sind 
die  Kämmerchen  durch  den  radialen  Schnitt  in  halber  Höhe  geöfi'net,  an  der  gegen- 
überliegenden Seite,  sind  zwei  in  ihrer  ganzen  Höhe  durchschnitten.  Bei  ff  sind 
die  Kämmerclien  durch  eine  concentrische  Bruchfläche  nur  gestreift  worden,  jedoch 
nicht  völlig  geöflnet,  jedoch  ist  auf  der  Oberseite  durch  Wegnahme  ihrer  Decke  ihre 
Höhlung  blosgelegt. 

B.  Hälfte  eines  radialen  Durchschnitts  durch  ein  Exemplar  vom  einfachen  Typus.  Die 
dunkeln  centralen  Kammerhöhlungen  sind  die  getroffene  Embryonal-  und  die  zweite 
halbspiralige  Kammer.  Hierauf  folgen  die  concentrischen  Ringkämmerchen  (e)  mit 
ihren  radialen  und  ihren  concentrischen  (c)  Communikationskanälen  (sehr  schematisch). 

C.  Aehnlicher  Durchschnitt  durch  ein  anderes  Exemplar,  den  üebergang  zum  complexen 
Typus  zeigend,  indem  sich  in  den  äusseren  Ringen  ein  Zerfall  der  Kämmerchen  in 
drei  Lagen,  eine  mediane  und  zwei  oberflächliche  bemerklich  macht,  ^"/j. 

D.  Durchschnitt  durch  ein  Exemplar  vom  complexen  Typus.  Die  mittlere  Kammerlage 
(i)  hat  sich  in  den  äusseren  Zonen  von  den  beiden  oberflächlichen  (i^)  noch  schärfer 
abgesetzt  und  nimmt  die  grössere  Dicke  der  Schale  ein.  Ihre  Kammern  communi- 
ciren  mit  einander  durch  eine  grosse  Zahl  von  Porenkanälen  (c) ,  so  dass  nun  auf 
dem  Scheibenrand  zahlreiche  Porenreihen  sich  finden,  ^"j^. 

E.  Centraler  Theil  des  Sarkodenkörpers  von  Orbitolites,  der  erkennen  lässt,  wie  der  erste 
Ring  von  Kämmerchen  von  der  zweiten  halbspiraligen  Kammer  (b)  seinen  Ursprung 
nimmt.  ^*"/i. 

2.  A — E.  Orbiculina  adunca  F.  u.  M.  sp. 

A.  Ein  junges  Individuum  mit  wenigen,  noch  nicht  umfassenden  Kammern. 

B.  Ein  'erwachsenes  Individuum,  bei  welchem  die  späteren  Kammern  die  früheren  voll- 
ständig concentrisch  umgreifen.  Die  Kämmerchenbildung  in  den  einzelnen  Kammern 
deutlich  zu  sehen. 

C.  Horizontaler  Durchschnitt  durch  ein  grosses  spirales  Exemplar,  bei  welchem  ein  voll- 
ständiges, concentrisches  ümschliessen  der  Kammern  nicht  eingetreten  ist. 

D.  Stück  des  Scheibenrandes  des  einfachen  Typus  mit  nur  einer  Porenreihe, 

E.  Scheibenrand  der  Schale  des  complicirteren  Typus,  statt  der  einen  Porenreihe  finden 
sich  3 — 4  und  entsprechend  vermehrte  Communikationen  zwischen  den  Kämmerchen 
der  Ringe. 


Fig. 

3.  A — D.  Cycloclypeus  Carp, 

A.  Die  äussere  Oberfläche  eines  halben  Individuums. 

B.  Radialer  senkrechter  Durchschnitt  durch  eine  Schale;  zeigt  die  einfache  mediane 
Kammerschicht  (a)  und  die  dicken  lamellösen  und  perforirten  Wandungen  der 
Scheibenflächen;  die  dünneren  Wände,  welche  die  Ifammern  von  einander  scheiden 
und  die  dieselben  durchbrechenden  schiefen,  dicken  Porenkanäle  zur  Comuiunikation 
der  Kammern  der  aufeinanderfolgenden  Einge.  Rechts  ist  ein  horizontaler  Schnitt 
angelegt,   auf  welchem  sich  die  cyklische  Anordnung   der  Kammern  erkennen  lässt. 

C.  Schema  einer  einzelnen  Kammer  im  Horizontalschnitt,  a  Kammerhöhle,  b  die  benach- 
barten Kammerhöhlen  desselben  Ringes ,  die  von  a  durch  je  ein  doppellam elliges 
Septum  getrennt  werden ;  c  c^  und  d  d^  Kammerhöhlen  des  nächst  äusseren  und 
inneren  Ringes ,  von  a  getrennt  durch  die  cyklischen  Kammerwände  e  e  und  e^  e^, 
jedoch  in  Communication  mit  der  Kammerhöhle  a  durch  die  schiefen  Kanäle  f,  f,  f,  f. 
In  den  Septen  zwischen  a  und  b  bemerkt  man  die  Interseptalkanäle  g,  welche  je 
zwei  Kanäle  entspringen  lassen,  die  die  cyklischen  Septen  e  e  und  e^  e^  schief  durch- 
setzen und  mit  den  entsprechenden  Interseptalkanälen  in  den  Septen  zwischen  den 
Kammern  c  c*  und  d  d*  sich  verbinden.  Von  den  Interseptalkanälen  g  scheinen  directo 
Communikationskanäle  in  die  Kammerhöhlen  zu  fuhren,  während  bei  g  vertikale 
Kanäle  von  ihnen  ausgehen,  die  sich  mit  den  benachbarten  Interseptalkanälen  desselben 
Septums  verbinden,     h  h  und  h^  h^  ist  das  Kanalsystem  in  den  cyklischen  Septen. 

D.  Ideale  Darstellung  eines  kleinen  Theils  einer  Scheibe  von  Cycloclypeus,  die  in  ver- 
schiedener Weise  geöffnet  ist,  um  die  innere  Structur  darzustellen,  a,  a  die  aus  über- 
einandergelagerten  Lamellen  aufgebaute  obere  Scheibenwand ,  b,  b  die  entsprechende 
untere  Scheibenwand;  c,  c  die  Kegel  aus  solider,  nicht  perforirter  Schalenmasse,  die 
jedoch  zuweilen  von  Zweigen  des  Kanalsystems  durchzogen  werden ;  d,  d,  d  die 
äusseren  Enden  dieser  Kegel,  welche  als  Tuberkel  auf  der  Scheibenfläche  hervor- 
ragen und  von  welchen  Platten  von  ähnlicher,  nichtperforirter  Schalenmasse  aus- 
gehen (e),  die  als  Fortsetzung  der  Septen  die  perforirte  Schalensubstanz  durchsetzen, 
f  f  Communikationskanäle  zwischen  den  Kammern  in  den  cirkulären  Septen  im  Durch- 
schnitt, g  g  ebensolche,  im  Hintergrund  der  Kammerhöhlen  sich  öffnend ;  h  h  Quer- 
schnitte von  Interseptalkanälen;  i  eine  Kammer,  in  deren  Wandungen  das  Interseptal- 
kanalsystem  in  seiner  ganzen  Entwickelung  dargestellt  ist ;  k  k  Verlauf  der  Haupt- 
kanäle längs  der  Verbindungslinie  zwischen  der  Kammerdecke  und  den  vertikalen 
Septen,     Vergr.  60. 


Sämmtliche  Figuren  nach  Carpenter  (Philos.  Transact.  1S56). 


Rhizopoda. 


Taf.  VT. 


/■/;.//•  /, 


Druck  V  Jtl^fjfurlfi  .£t'tft xi  1/ 


Erklärung  von  Tafel  VII. 


Vig. 
1.  Loftusia  persica  Brady.     Tertiär  von  Persien. 

Ein  wenig  vergrössertes  Exemplar  in  verschiedener  Weise  angeschnitten ,  um  die  innere 
Structur  zu  zeigen.  A  ein  Querschnitt,  auf  dem  die  spiraligen  Umläufe  der  äusseren 
Kammerwand  und  die.  von  ihr  nach  Innen  den  Kammerraum  in  flachen  Lagen  durch- 
ziehende labyrintliische  vSchalensubstanz  zu  sehen  ist.  B  ein  horizontaler  und  C  ein 
vertikaler  Längsschnitt,  welche  zeigen,  dass  die  Umgänge  sich  allseitig  umhüllen  und 
die  labyriuthische  Schalenmasse  im  Innenraum  der  Umgänge  noch  deutlicher  erkennen 
lassen. 

2 — 22a.  Eine  Suite  verschiedener  Formen  und  Variationen  von  Lagena  (einschliesslich  Ento- 
solenia),  vorzüglich  um  die  grosse  Mannigfaltigkeit  der  Schalenskulptur  und  den  grossen 
Formenreichthum  dieses  Genus  zu  zeigen. 

2.  Lagena  globosa  Walk.  sp.  aus  Crag  von  Antwerpen. 

3.  Lagena  apiculata  Reuss  (Entosoleniaform).     Septarienthon  von  Pietzpuhl. 

4.  Lagena  vulgaris  Will.  Crag  von  Antwerpen. 

5.  Lagena  tenuis  Borne m.  var.  ornata  aus  dem  Septarienthon  von  Pietzpuhl, 

6.  Lagena  gracilis  Will,  recent. 

7.  L.  striata  d'Orb.  aus  dem  Septarienthon  von  Pietzpuhl. 

8.  L.  mucronata  Kss.  Septarienthon  von  Pietzpuhl. 

9.  L.  acuticosta  Ess.  Kreidetuff  von  Mastricht. 

lü.  L.  reticulata  Macgill.  sp.     Crag  von  Antwerpen. 

11.  L.  catenulata  Will,  recent. 

12.  L.  hystrix  Eeuss.  Septarienthon  von  Pietzi3uhl. 

13.  L.  (Entosoleuia). 

14.  L.  (Entosolenia)  marginata  Montg.  recent. 

15.  L.  radiato -marginata  P.  u.  J.  recent.     Australien. 

16.  L.  crenata  P.  u.  J.  recent.     Australien. 

17.  L.  tubifero-squamosa  P.  u.  J.  fossil  von  Grignon.  Der  Schalenhals  besitzt  bei 
dieser  Form  an  seiner  Basis  meist  3  secundäre  röhrenförmige  Oeffnungen,  die  gewöhn- 
lich rechtwinkelig  von  demselben  entspringen. 

18.  L.  (Entoselenia)  squamosa  Montg.    Monströse  Doppelbildung  (recent). 

19.  L.  pulchella  Brady.     Ansicht  auf  die  Oeffhung  (recent). 

20.  L.  gracillima  Seguenza  sp.     Eine  doppelmündige  Form  (recent). 

21.  L.  laevis  Mont.     Monströse  Doppelbildung  (fossil  von  Grignon). 

22.  Lagena,  monströse  Doppelbildung  (recent). 

22a.  Ein  Stück  des  seitlichen  Kieles  von  Lagena  (Entosolenia)  marginata  Montg.,  das 
die  eigenthümlichen  in  demselben  befindlichen,  kleinen,  kämmerchenartigen  Höhlen  mit 
nach  Aussen  mündendem  Eingangskanal  deutlich  zeigt. 

23a — b.  Lingulina  costata  d'Orb.  (Tertiär),    a  Ansicht  von  der  schmalen  Seite,  b  Ansicht 
auf  die  Mündung. 

24.  Rimulina  glabra  d'Orb.  (receut.     Adriat.  Meer).     Ansicht  von  der  breiten  Seite. 

25.  Glandulina  laevigata  d'Orb.     Tertiär.     (Auch  recent.) 

26.  Flabellina  cor  data  Eeuss.     Fossil. 

27.  Cristellaria  (Robulina)  echinata  Sold.  sp.    Tertiär.     (Auch  recent.) 


Fig. 

28a.  Globigerina  bulloides  d  Orb.  Ansicht  eines  Exemplars  von  unten,  o  die  Oeffnung 
der  jüngsten,  grössten  Kammer.  Man  sieht  den  Sarkodeinhalt  der  Kammern  sp  und  den 
Kern  (n),  der  in  der  7.  und  8.  Kammer  liegt. 

28b — c.  Basis  und  Spitze  eines  Globigerinenstachels. 

29a — c.  Globigerina. 

29a.  DünnschlifF  einer  sehr  dickschaligen,  typischen  Tiefseeglobigerina.  i  die  ursprüng- 
liche jüngste  Schalenwand,  a  äussere  sogen,  exogene  Schalensubstanz,  die  eine  Anzahl 
der  schon  bei  Lagena  dargestellten,  birnförmigen,  nach  aussen  sich  öffnenden  Höhlen 
enthält  (h). 

29  b.  Konische  oder  wetzsteinförmige,  krystallinische  Kalkkörper,  welche  die  exogene  Schalen- 
substanz einer  solchen  Globigerina  zusammensetzen. 

29  c.  Stark  vergrössertes  Fragment  der  Schale  einer  ausgewachsenen  Globigerina  von  Innen 
gesehen,  i  die  ursprüngliche,  innerste  Schalenlage,  a  die  äussere,  exogene  Schalen- 
substanz, g  die  weiten  und  k  die  feinen  Porengänge  in  der  Schale. 

30.  Orbulina  universa  d'Orb.  Ein  pelagisch  gefischtes  Exemplar  mit  erhaltenen  Stacheln 
(dieselben  sind  auf  der  linken  Seite  nicht  ausgezeichnet).  In  der  Kammerhöhle  bemerkt 
man  eine  Anzahl  gleichfalls  bestachelter  und  globigerinenartig  angeordneter,  kleiner 
Kammern  (junge  Globigerine  nach  Pourtales,  Keuss  etc.). 

31.  üvigerina  angulosa  Will. 

32.  Bulimina  Preslii  Eeuss.     Fossil. 

33.  Cassidulina  serrata.     Fossil. 

34.  Valvulina.  (Bulimina-artige  Form.) 

35.  Valvulina  triangularis  d'Orb.     Recent.     Ansicht  auf  den  Apex  der  Schale. 

36.  Valvulina.  (Clavulina-artige  Form.) 

37.  Polymorphina  Orbignii  Zborzew.  (tubulosa  d'Orb.)    Recent. 

38.  Eine  dreizehnkammerige  Rotalina  von  unten  gesehen.  Die  Schale  ist  durch  Behandlung 
mit  Essigsäure  entfernt  und  der  aus  2  etwas  verschiedenen  Theilen  zusammengesetzte 
Kern  (n)  durch  Behandlung  mit  Osmiumsäure  und  Karminfärbung  deutlich  gemacht. 


Fig.  1  nach  Carpenter  und  Brady  (Philos.  Trausactions  1S69);  Figg.  2 — 5  u.  7 — 12  nach 
Reuss  (Monogr.  d.  Gatt.  LagenaV,  Figg.  6,  13,  18,  31  u.  37  nach  Williamson  (Recent  Forami- 
nifera);  Fig.  14  nach  Kym.  Jones  (Transact.  of  Linn.  soc.  Bd.  30);  Figg.  15 — 17  u.  21  nach 
Parker  u.  Jones  (Philos.  Transact.  1865);  Figg.  19 — 20  nach  Brady  (Ann.  mag.  nat.  hist.  4.  ser. 
T.  VI);  Fig.  22  nach  Alcock  (Mem.  of  litt.  a.  phil.  soc.  of  Manchester  T.  HI);  Figg.  23—25 
u.  27  nach  d'Orbigny  (Foraminif.  foss.  de  Vienne);  Figg.  26,  32 — 36  nach  Carpenter  (Intro- 
duction);  Figg.  28  u.  38  nach  R.  Hertwig  (Jen.  Zeitschr.  Bd.  XI);  Fig.  29a — c  nach  Wallich 
(North  atlantic  sea-bed);  Fig.  30  nach  Murray  (Proc.  roy.  soc,  Bd.  23). 


Khizopoda. 


Tar.VlI. 


lirh.An«, Werner  iWnter. Frankfurt  -M 


Erklärung  von  Tafel  VIII. 


Fig. 

1.  Cornuspira   foliacea   Phil.     Junge,    noch  nicht   ausgewachsene  Schale  in  seitlicher 

Ansicht. 
2a — d.  Fabularia  discolithes  Defr.     Eocän. 

2  a.  Seitliche  Ansicht  in  naturlicher  Grösse. 

2  b.  Ansicht   von   vorn ,    man   erblickt  die  von   zahlreichen  feinen   Oeffnungen    gebildete 
Mündung. 

2  c.  Seitliche  Ansicht. 

2d.  Medianer  Durchschnitt  eines  Exemplars,   zeigt  die  Biloculina-artige  Anordnung  der 
Kammern  und  deren  Ausfüllung  durch  solide  Schalensubstanz,  die  nur  feine,  anasto- 
mosirende  Kanalräume  zur  Aufnahme  der  Sarkode  offen  lässt. 
3a — c.  Triloculina  gibba  d'Orb.     Miocän  (auch  recent). 

3  a  u.  c.  Seitliche  Ansichten. 

3b.  Ansicht  von  vorn  auf  die  Mündung;   zeigt  deutlich   den  zungenartigen  Vorsprung  in 
letzterer. 
4a — c.  Polymorphina  communis  d'Ürb.     Miocän. 
4a  und  c.  Seitliche  Ansichten. 

4  b.  Ansicht  von  vorn  auf  die  Mündung,  die  strahlenartige  Zeichnung  um  letztere  deutlich. 

5a — c.  Textularia  Mariae  d'Orb.     Miocän. 

5  a.  Ansicht  von  der  schmalen  Seite. 

5  b.  Ansicht  von  vorn  in  der  Richtung  der  Axe. 
5c.  Ansicht  von  der  breiten  Seite. 

6a — b,  Cassidulina  crassa  d'Orb.    Kccent. 

6  a.  Seitliche  Ansicht. 
6  b.  Ansicht  von  vorn. 

7.  Zwei  ganz  junge  Milioliden  im  lebenden  Zustand  mit  hervorgestreckten  Pseudopodien. 

Das   linke  Exemplar  mit   der  kugeligen  Embryonalkammer  und   einer  halben    Windung, 

das  rechts  mit  der  Embryonal-  und  einer  vollständigen  ersten  Kammer. 
8a — c.  Anomalina  variolata  d'Orb.     Tertiär  (auch  recent). 

8  a.  Von  der  apicalen  Seite. 

8  b.  Von  der  schmalen  Seite. 

8  c.  Von  der  basalen  Seite. 

9a— c.  Globigerina  bulloides  d'Orb.     Tertiär  (auch  recent). 

9  a.  Von  der  basalen  Seite,  zeigt  nur  die  4  jüngsten  Kammern. 
9  b.  Von  der  Schmalseite. 

9  c.  Von  der  apicalen  Seite,  hier  sind  auch  die  jüngeren  Kammern  zu  sehen. 

lüa— b.  Cristellaria  (Robulina)  ariminensis  d'Orb.     Tertiär. 
10  a.  Von  der  Schmalseite,  o  die  Mündung. 
10  b.  Von  der  Breitseite,  hier  der  peripherische  Kiel  sehr  deutlich. 


Flg. 

IIa — b.  Nummulites  radiatus  Ficht,  u.  M.     Miocän  (auch  recent). 

IIa.  Ansicht  von  der  Breitseite. 

IIb.  Von  der  Schmalseite. 
12a — h.  Dendritina  elegans  d'Orh.     Miocän. 

12  a.  Von  der  Breitseite. 

12  b.  Von  der  Schmalseite. 

13a — b.  Pavonina  flabelloides  d'Orb.  (recent). 

13  a.  Von  der  abgeplatteten  Seite. 

13  b.  Ansicht  der  von  zahlreichen  Oeffnungen  durchbrochenen  Mündungsfläche. 

14a — e.  Nodosaria  Bacillum  Defr. 

14a — b.  Zwei  Exemplare  in  seitlicher  Ansicht. 

14  c.  Anfangstheil  eines  Exemplars,  stärker  vergrössert. 
14d.  Endtheil  eines  Exemplars,  stärker  vergrössert. 

14e.  Letzte  Kammer,  von  der  Mündungsfläche  betrachtet. 

15a — c.  Frondicularia  annularis  d'Orb. 

15  a.  Von  der  abgeplatteten  Seite. 
15  b.  Auf  die  Mündungsfläche,  und 

15  c.  von  der  schmalen  Seite  gesehen. 

16a — c.  Orbitolites  (Cyclolina)  cretacea  d'Orb. 

16  a.  Von  der  Breitseite. 
16  b.  Von  der  Schmalseite. 

16c.  Ein  kleiner  Theil  des  Scheibenrandes,  stärker  vergrössert.     16a  und  b  ^/j. 

17.  Acervuline   Planorbulina  (Acervulina   M.   Seh.).    Ein   Haufen  Kammern  in  unregel- 
mässiger Weise  auf  einer  Coralline  aufgewachsen.     Vergr.  ca.  72, 


Figg.  1,  7  und  17  nach  M.  Schnitze  (Org.  d.  Polyth.);  die  übrigen  Abbildungen  nach 
d'Orbigny  (Foraminif.  foss.  de  Vienne)  und  2  a  — d  nach  d'Orbigny  (Annales  des  sciences 
natur.  T.  7). 


liliizopoda. 


Tar.  VIII 


Liih  II  Dr  V  AucjKiirth.  Leipxtg- 


^■^p^ 


Erklärung  von  Tafel  IX. 


fig. 
1.  Globigcrina    (Hastigerina)  Murrayi   W.  Tlionis.     Ein  pelagiscli  gefischtes  Exemplar 
mit  erhaltenen  Stacheln  nnd  ausgestreckten  Pseudopodien,     s  die  Schale,    a  der  dieselbe 
ähnlich  wie  bei  den  Radiolarien  umhüllende  Alveolenmantel. 

2a — b.  Carpenteria.     (Recent.) 

2a.  Ein  auf  einer  Pectcnschale  fcstgewachsenes  Exemplar,  bei  welchem  die  Kammern 
des  letzten  Umgangs  so  sehr  divergiren,  dass  sie  in  hohem  Grad  von  einander  ge- 
trennt erscheinen,  a  Oeffnung  der  Centralhöhle,  in  welche  die  einzelneu  Kammern 
einmünden. 

2  b.  Querschnitt  eines  sehr  flachgedrückten  Exemplars,  nahe  unter  der  Mündungsölfnung. 

a  Durchschnitt  der  Centralhöhle,  in  welche  die  Kammerräume  (k,  k',  k")  eiuzeln  ein- 
münden, wie  bei  b  und  c  direct  zu  sehen  ist.     k'  letzte  und   k"   vorletzte   Kammer; 
d— d'^  vollständige  Septen,   welche  die  Hauptkammern  trennen,  in  diesen  sieht  man 
bei  g  und  g^  Theile  des  Kanalsystems. 
3a— b.  ßotalia  Schroeteriana  P.  u.  J. 

3  a.  Seitliche  Ansicht  der  Schale. 

3b.  Schlilf  parallel  der  Windungsebene,  stärker  vergrössert ;  derselbe  zeigt  das  Kanal- 
system z.  Th.  sehr  deutlich. 

4.  Cymbalopora  Poyei  d'Orb.  sp.  in  seitlicher  Ansicht. 

5.  Pulvinulina  vermiculata  d'Orb.  von  der  oberen  Seite  gesehen, 
(j.  Disco rbina  vesicularis  d'Orb.  von  der  oberen  Seite  gesehen. 

7.  Calcarina  Spengleri  Gmel.  Ideale  Darstellung  zur  Erläuterung  des  inneren  Baues. 
Durch  Anlegung  von  Schnitiflächen  in  verschiedener  Richtung  und  Abtragung  eines 
grossen  Theils  der  secundär  aufgelagerten  Schalenmasse  ist  die  Kammerspirale  zum 
grösseren  Theil  blosgelegt  (b,  b).  Bei  a^  a^,  a*  sieht  man  die  Kammerhöhlen  der  auf- 
einanderfolgenden Umgänge  im  Durchschnitt  und  bemerkt,  dass  jede  Kammer  von  einer 
besondcron  dünnen  Wand  umkleidet  ist.  Bei  d  sieht  man  das  sogen.  Zwischenskelet  im 
Durchschnitt  und  bemerkt  dessen  allmähliche  Zunahme  an  Dicke  an  den  jüngeren  Um- 
gängen. Bei  d^  sind  auf  dem  Durchschnitt  die,  die  Kammern  der  aufeinanderfolgenden 
Umgänge  in  Communikation  setzenden  Kanäle  zu  sehen,  während  ähnliche  Kanäle 
das  gesammte  Zwischenskelet  durchsetzen  und  äusserlich  frei  ausmünden,  f  sind  die 
armartigen  Auswüchse  des  Zwischenskelets,  von  einem  dichten  Kanalnetz  durchzogen. 
Bei  e^  nimmt  man  im  Durchschnitt  kegelförmige  Partien  von  nichtkanalisirter,  solider 
Schalensubstanz  in  der  äasseren  Auflagerungsmasse  der  Schale  wahr,  die  auf  der  Ober- 
fläche in  Gestalt  von  Tuberkeln  sich  erheben  (e). 

8.  Planorbulina  mediterran ensis  d'Orb.  Ansicht  auf  die  untere  Seite.  Die  bei 
diesem  Geschlecht  sehr  weiten  punktförmigen  Porenöffnungen  sind  deutlich  bemerkbar 
(recent). 


Fig. 
9a — b.  Patellina  corrugata  Will,  (recent). 

9  a.  Ansicht  der  Oberseite ;  an  der  Spitze  eine  Centralkammer  und  eine  diese  umgreifende 
zweite    Kammer,     ähnlich    Orbitolites.     darum     ringförmig    geordnete    Keihen    von 
Kämmerchen. 
9b.  Ansicht   der   Unterseite.     Man   bemei](t   die   centripetalen  Verlängerungen  der  Käm- 
merchen  und  eine  die  Nabelhöhle  ausfüllende   secundäre   Auflagerung  von  Schalen- 
substanz. 
10.  Innere   Cuticula   eines  Theils   einer  Kammer   von   Discorbina  Turbo  d'Orb.   mit  den 
davon    ausgehenden    röhrenförmigen    Cuticularhäutchen    der    Porenkanäle   (b);    c   solche 
Köhrchen  von   der  Fläche  gesehen  (nach  Entfernung  des  Kalks   durch  Säure).     Vcrgr. 
ca.  200. 
IIa — b.  Polytrema  miniaceum  L. 

IIa.  Schön  entwickeltes,   reich  verästeltes  Exemplar  aus  dem  Mittelmeei'.     Vergr.  ca.  12. 

IIb.  Kleiner  Theil  des  Randes  eines  QuerschlifTs  des  Stammes;  man  bemerkt  eine  Anzahl 

tibereinandergclagcrter  Lamellen  mit  ihren  säulenförmigen ,  hohlen  Einsenkungen  (s). 

die  sich  auf  die   unterliegende   Lamelle   aufstützen.     Bei  o  OefFnungen ,   die   sicli  an 

der  Basis  dieser  Säulen  häufig  finden  und  in  das  Lumen  derselben  führen. 

12.  Involutina  liasina  Jon.  sp.  (Lias).     Exemplar  in  seitlicher  Ansicht.     Vergr.  ca.  lü. 

13a — b.  Archaeodiscus  Karre ri  Brady.     Kohlenformation. 
13  a.  Seitliche  Ansicht  eines  Exemplars.     Vergr.  ca.  16. 
13b.  Querschlift'  eines  Exemplars,   sowohl  die  feinen  nummulitenartigen ,   als  die  gröberen 

Porenkanäle    zeigend,    ebenso    wie    die   Unregelmässigkeit   der   Spiralen   Aufrollung. 

Vergr.  ca.  38. 

14.  Pullenia  bulloides  d'Orb.     Ansicht  auf  die  Mündungsfläche.     Tertiär. 

15.  Sphaeroidina  austriaca  d'Orb.     Seitliche  Ansicht.     Tertiär. 

16.  Endothyra  crassa  Brady.     Ansicht  auf  die  Mündungsfläche.     Kohlenformatiou. 

17.  Bradyina  rotula  Eichw.     Ansicht  auf  die  Mündungsfläche.     Kohlenformation. 


Fig.  1  nach  Murray  (Proc.  roy.  soc.  Bd.  23);  Figg.  2 — 7  und  9  nach  Carpenter  (Intro- 


duction);   Fig.  S   nach    Williainson   (Eec.  Foramin.);   Fig.   10   nach  Kölliker  (Icones  liistiolog 


O" 


\- 


Fig.  11  Original;  Fig.  12  nach  Bornemann  (Zeitschr.  d.  deutsch,  geol.  Gesellsch.  Bd.  26); 
Fig.  13  nach  Brady  (Palaeontolog.  soc.  1876);  Figg.  14—15  nach  d'Orbigny  (Foram.  foss.  de 
Vienne);  Figg.   16  und   17  nach  v.  Möller  (Mem.  acad.  St.  Petersb.  7.  s.  T.  25). 


Rhizopoda. 


Taf.IX. 


3  a. 


*****  .^***      _*J'^> 


.»        "» 


Lilh.Anst  Werner  i.  Winler,  Frankfurt  ?A. 


Erklärung  von  Tafel  X. 


Fig. 
la — c.  Ami)liistc'gin  a  (Juoyii  d'Orb.  (^Eecent.). 
1  a.  Ansicht  der  oberen  Fläche. 
Ib.  Ansicht  der  unteren  Fläche. 
1  c.  Seitliche  Ansicht  auf  die  Müudungsfläche. 

2.  Steinkern  einer  Amphistegina ,  an  welchem  man  die  fast  vollständige  Abtrennung  der 
seitlichen  Kammerflügel  von  den  Hauptlsammern  auf  der  Unterseite  bemerkt.  Mit  den 
letzteren  stehen  sie  nur  noch  durch  die  schmalen  Verbindungen  (a)  in  Zusammenhang 
und  erscheinen  als  zwischengeschobene  sogen.  „Astrallappen". 

3.  Vertikaler  Schliff  einer  Ami^histegina.  Bei  a  a  bemerkt  man  die  Kammerflügel  der  Ober- 
und  bei  a^  a^  die  der  Unterseite.  Bei  b  und  b^  tritt  der  obere  und  untere  Knopf  der 
Nabelgegend,  der  aus  solider,  nichtperforirter  Schalenmasse  besteht,  hervor,  gleicher 
Weise  sind  auch  die  peripherischen  Eandtheile  der  spiraligen  Kammerwand  bei  c^  und 
c**  gebildet,  f  Septalöffnung.  i  scheinbare  üntertheilung  der  betreffenden  Kammer,  her- 
rührend vom  Durchschnitt  eines  Septums,  da  diese  hier  sehr  schief  zum  Radius  der 
Umgänge  verlaufen. 

4a — e.  Op  erculina. 

4  a.  Eadialer  Durchschnitt  durch  eine  kleine  Operculina;  derselbe  zeigt  die  allgemeine 
Anordnung  des  Kanalsystems  und  den  grossen  Unterschied  in  der  Dicke  der  Kauimer- 
wände  des  letzten  und  vorletzten  Umgangs. 
4b.  Ideale  Darstellung  einer  Operculina,  deren  innerer  Bau  durch  in  verschiedener 
Richtung  gelegte  Schnitte  sichtbar  gemacht  ist.  a,  a,  a  der  Dorsalstrang,  der  bei 
a*  quer  durchschnitten  ist  und  hier  die  ihn  durchziehenden  Kanäle  im  Querschnitt 
zeigt ,  während  sie  bei  a'^  a^  in  der  Fläche  und  bei  a^  a^  im  horizontalen  Durch- 
schnitt blosgelegt  sind,  b  b  die  äussere  Oberfläche  der  Kammern,  welche  durch  die 
hervortretenden  Septalbänder  auch  äusserlich  markirt  werden,  c  c  Kammerhöhlungen 
des  äusseren  Umgangs,  deren  Flügel  sich  bei  c^,  c*  über  den  vorliergehenden  Um- 
gang nach  dem  Centrum  der  Schale  ausdehnen,  d  d  die  Septa,  die  von  2  Lamellen 
zusammengesetzt  werden,  zwisclien  denen  das  Kaualsystem  liegt,  dessen  Verlauf  bei 
g  deutlich  zu  sehen  ist.  Die  beiden  Hauptstämme  eines  Septums  entspringen  aus 
den  beiden  Spiralkanälen  (li)  und  die  feinen  Endzweige  der  Septalkanäle  münden 
äusserlich  zu  beiden  Seiten  der  Septalbänder  aus.  Auch  die  bei  i  im  Durchschnitt 
gesehenen  Tuberkel  nichtperforirter  Schalensubstanz,  welche  die  Septalbänder  bilden, 
sind  häufig  von  Zweigen  des  Kanalsystems  durchsetzt,  e  Septalöffnung,  f  secundäre 
Oeffnungen  in  den  Septen.. 
4c.  Theil  eines  tangentialen  Durchschnitts,  der  ein  sehr  schönes  Bild  des  Kanalsystems 
gibt,  a^  a^  Dorsalstrang  von  zahlreichen,  netzförmig  zusammenhängenden  Längs- 
gcfässen  durchsetzt,  h,  h  Spiralkanäle,  von  denen  die  in  die  Septen  eingehenden 
Gefässe  g,  g  ihren  Ursprung  nehmen,  i  i  Kegel  von  nichtperforirter  Schalensubstanz, 
da  wo  die  Septen  in  die  Kammerwände  übergehen,  während  letztere  sonst  von  fein- 
perforirter  Schalenmasse  (k,  k)  gebildet  werden. 

4d  u.  e.  Fragmente  der  perforirten  Schalensubstanz  einer  Operculina  bei  starker  Vergrösse- 
rung  (250),   die  Zusammensetzung  derselben  aus  Säulchen,  die  von  je  einem  Porenkanal 
durchbohrt  werden,  zeigend. 

5.  Ausgewachsenes  Exemplar  von  Heterostegina.  a,  b,  c  der  verdickte  peripherische 
Rand  des  letzten  ümfangs,  d  Gegend  des  Umfangs,  wo  die  Scheidewände  offen  liegen. 
Vergr.  ca.  2^1^. 

6a — c.  Polystomella  craticulata  F.  u.  M.  sp. 

6  a.  Seitliche  Ansicht  eines  Exemplars. 

6  b.  Eadialer  Durchschnitt,  a,  a^  a^  Durchschnitte  von  Kammerhöhlungen.  1,1,  1*,  P 
exogene  Schalenmasse ,  die  hauptsächlich  die  Nabelhöhle  völlig  erfüllt ,  e,  e,  e^  e^ 
Durchschnitte  der  Spiralkanäle. 

Gc,  Steinkern,  e  e  Spiralkanal  der  einen  Seite  in  nahezu  völligem  Verlauf,  d,  d  die 
von  ihm  ausgehenden,  am  peripherischen  Rand  der  Scheidewände  verlaufenden 
sogen.  ISIeridionalkanäle ;  f  die  von  letzteren  abgehenden  zahlreichen  Kanälchen, 
durch  welche  die  Meridionalkanäle  mit  den  beiden  sie  überlagernden  Kammern  des 
folgenden  Umgangs  in  Communikation  treten,  wie  dies  bei  c^,  c^  zu  sehen  ist. 
s  Stolonen,  welche  die  Porenöffnungen  der  Septen  durchsetzen ; *)  k  blindsackförmige, 
peripherische  Fortsätze  der  Kammerhöhlungen  nach  hinten  zu. 


Fig.  la — c  nach  d'Orbigny  (Ann.  sc.  nat.  T.  7),  die   übrigen  Figuren  nach    Carpenter 
(Introduction). 


*)  Fälschlich  gleichfalls  blau  angedeutet. 


1 


Rhizopoda. 


Taf.X. 


j*-^ 


LUh.  Anst  WerherÄr  Winur  Trankfurt  *A. 


Erklärung  von  Tafel  XI. 


Fig. 
1  u.  2.  Polystomella  strigilata   F.    u.  M.   sp. ,    nach  M.    Schnitze  (Organ,  der  Poly- 
thalamien). 

1.  Stellt  eine  Schale  in  der  Ansicht  auf  die  Mündungsfläche  dar;  am  inneren  Band  der 
letzten  Kammerscheidewand  (der  Mündungsfläche)  bemerkt  man  die  Septalöifnungen  (o) 
zum  Durchtritt  der  Sarkode.  Die  punktförmigen  Gebilde  auf  der  Mündungsfläche 
sind  keine  Porenöff'nungcn,  wie  Schultze  annahm,  sondern  aach  Carpenter  solide 
Tuberkel.     Yergr.  72. 

2.  Ein  lebendes  Thicr  mit  zahlreichen  hervorgestreckten  Pseudopodien ,  welche  jedoch 
nur  in  der  unteren  Hälfte  vollständig  dargestellt  und  in  Bezug  auf  die  Vergrösserung 
der  Schale  (72)  um  das  3 — 4  fache  verkürzt  gezeichnet  sind.  Die  Pseudopodien  zeigen 
lebhafte  Körnchenströmung ,  hier  und  da  eine  Zusammenlegung  zu  kegelförmigen 
Bündeln  und  an  einigen  Stellen  Verschmelzung  zu  Sarkodeplatten.  Auf  der  Schale 
bemerkt  man  die  centrale  Ablagerung  von  solider  Schalenmasse  in  der  Nabelgegeud; 
die  eigenthümlichen  ([ucren  Kippen  auf  den  Grenzen  je  zweier  Kammern ,  in  welche 
blindsackförmige  Verlängerungen  von  dem  hinteren  Eand  der  Kammern  aus  eintreten 
und  die  zwischen  diesen  Kippen  gelegenen  spaltartigen  Vertiefungen,  die  jedoch  keine 
in  die  Kammerhöhlungen  führenilen  Spalten  darstellen .  wie  M.  Scliultze  fälschlich 
annahm. 


Rhizopoila 


Taf.  XI. 


r.l'oik  fec. 


Ih'U-ck  a  ~i'uf-  h'ilpiJt-,  l/eijixi,^. 


Erklärung  von  Tafel  XII. 


Fig. 
la — b.  Num  mulitcs  distans  Desh.     Naturliche  Grösse. 

1  a.  Ansicht    von  der  flachen   Seite;    die    obere   Hälfte   ist  in   der   Medianebene   aufge- 
schnitten, um  die  spiralen  Umgänge  der  Kammern  zu  zeigen. 
Ib.  Querschnitt  der  Schale. 

2.  Nummulites  Meneghinii  d'Arch.  Querschnitt  der  Schale  in  2facher  Vergr.,  die 
lichten  Kadialstriche  sind  die  Säulchen  von  nichtperforirter  Schalensubstanz. 

3a — c.  Nummulites  ßamondi  Defr. 

3  a  u.  b.  Ansicht  in  natürlicher  Grösse,  a  von  der  schmalen  und  b  von  der  breiten  Seite. 
3  c.  Hälfte  einer  Schale  vergrössert   und    das  rechte  Viertel  in   der  Medianebene  durch- 
schnitten. Auf  der  linken  Hälfte  bemerkt  man  die  für  die  Gruppe  der  Radiaten  z.  Th. 
charakteristischen  Eadiärstreifen. 

4a — b.  Nummulites  granulosa  d'Arch.  (Assilina  d'Orb.).  4a  Ansicht  von  der  flachen 
und  4  b  von  der  schmalen  Seite.     Nat.  Grösse. 

5.  Nummulites  mammillata  d'Arch.  (Assilina  d'Orb.).  Ansicht  von  der  flachen  Seite, 
rechts  oben  z.  Th.  im  medianen  Durchschnitt;  Vergr.  2. 

6.  Nummulites  Lucasanus  (?)  Defr.  Sehr  stark  vergrössert  und  durch  einen  Quer-  und 
Medianschnitt  so  geöffnet,  dass  der  innere  Bau  deutlich  wird,  a  der  Dorsalstrang  mit 
seinem  Kanalsystem  im  Quer-  und  a^  im  Horizontalschnitt;  b  die  Kammerscheidewände 
mit  ihrem  Kanalsystem ;  c  die  geöffneten  Kammerhöhlen;  d  feinperforirte  Schalensubstanz; 
e  Kegel  von  nichtperforirter  Schalensubstanz.    Exemplar  von  Kressenberg  in   Oberbaiern. 

7.  Nummulites  garansensis  Leym.  Ein  Thcil  der  Schale  z.  Th.  so  aufgebrochen, 
dass  die  äussere  Fläche  eines  inneren  Umgangs  freigelegt  ist.  Man  sieht  auf  demselben 
bei  b^  b^  die  seitlichen  Flügelverlängerungen  der  Kammerscheidewände ,  die  sich  durch 
zahlreiche  secundäre  Scheidewandbildungen  so  mit  einander  netzförmig  verbinden,  dass 
eine  grosse  Anzahl  secundärer  Kämmerchen  gebildet  wird. 

8.  Nummulites  laevigata  Lmk.  Kleinerer  Theil  eines  Radialschnitts,  auf  welchem  die 
Porenkanäle  in  den  perforirten  Theilen  der  Kammerwände  (d^)  sehr  deutlich  hervor- 
treten ,  im  Gegensatz  zu  den  dazwischengeschalteten  Säulchen  von  solider  Schalenmasse 
(e)  und  dem,  von  dem  Kanalsystem  durchsetzten  Dorsalstrang  a.  f  sind  die  beiden 
randlichen  Hauptstränge  des  interseptalen  Kanalsystems  in  dem  hier  erhaltenen  Septum, 
dessen  Mündungsöffnung  bei  c  zu  bemerken  ist. 

9.  Nummulites  laevigata  Lmk.  Tangentialer  Schnitt  durch  einen  kleinen  Theil  der 
Schale.  Man  bemerkt  die  medianen  Hauptkammerhöhlungen  b  und  in  den  dieselben 
trennenden  Septen  die  Durchschnitte  der  Interseptalkanäle  f;  d  perforirte  Masse  der 
Kammerwände  zwischen  den  mehrfachen  Lagen  secundärer  Kämmerchen;  e  Säulchen 
von  nichtperforirter  Schalensubstanz,  die  von  den  Septen  der  medianen  Kammern  ent- 
springen und  sich  bis  zur  Oberfläche  durch  die  gesammte  Zahl  der  sich  umfassenden 
Kammerwände  hindurch  fortsetzen. 

lü.  Nummulites  laevigata  Lmk.  Kleiner  Theil  eines  dünnen  Medianschnitts,  auf  dem 
der  Dorsalstrang  a  mit  seinem  Kanalsystem  und  die  Scheidewände  b  mit  ihrem  Inter- 
kanalsystem  (f)  deutlich  hen'ortreten. 


Fig. 

11.  Fusulina  longissima  v.  Moll.  (Kolilenformation).  Ansicht  auf  die  Mündungsfläclie, 
die  Mündung  ist  bei  m  deutlich  zu  sehen.  Bei  s  ist  die  äussere  Schalenw^and  abge- 
rieben, so  dass  hier  die  wellenförmig  leerlaufenden  Septen  freigelegt  sind. 

12.  Fusulina  montipara  Ehrbg.  (Kohlenformation).     Ansicht  auf  die  Mündungsfläche. 

13.  Exemplar  derselben  Art,  mit  theilweis  verloren  gegangener  Aussenwand  der  Schale,  so 
dass  die  Septen  zu  sehen  sind,  wie  auch  ein  die  Lage  der  Septalöffnungen  bezeichnender 
Mittelstreif. 

14.  Fusulina  Bocki  v.  Moll.  Aequatorialer  Querschlid';  o  die  Embryonalkanimer  und  s 
die  in  die  äussere  Schalenwand  eingekeilten  Septen. 

15.  Theil  eines  Radialschliffes  der  Schale  von  Fusulina  montipara  Ehrbg.  o  die  Em- 
bryonalkammer und  bei  n  die  netzförmige  Verzweigung  und  Verbindung  der  Septen 
untereinander  deutlich. 

16a — b.  Orbitoides  (Discocyclina  Gümb.)  dispansa  Sowb.  (Tertiär),  a  Ansicht  von  der 
Flachseite,  b  von  der  Schmalseite.    Natürl.  Grösse. 

17.  Orbitoides  (Asterocyclina  Gümb.)  priabonensis  Gümb.  Ansicht  von  der  Flachseite. 
Natürl.  Grösse. 

18.  Orbitoides  (Asterocyclina)  Stella  Gümb.  (Tertiär).  Ansicht  von  der  Flachseite. 
Vergr.  5. 

19.  Orbitoides  (Actiiiocyclina)  variecostata  Gümb.  (Tertiär).  Ansicht  von  der  Flach- 
seite.   Natürl.  Grösse. 

20.  Orbitoides  papyracea  Boubee  sp.  Ideale  Darstellung  eines  kleinen  Theils  der 
Scheibe  bei  stärkerer  Vergrösserung.  a  a  die  Höhlen  der  Mediankammern  mit  ihren  Com- 
munikationsöffnungen  (c);  d  die  schiefen  Communikafionsgänge  zwischen  den  secundären 
Kämmerchen  der  Aussenlagen;  ee  Kegel  von  nichtperforirter  Schalenmasse,  mit  dem 
sie  durchziehenden  Kanalsystem  •,  h  Kanalsystem  in  den  Wandungen  der  Mediankamniern. 
Vergr.  ca.  45. 

21.  Orbitoides  papyracea  Boubee  sp.  Ideale  Darstellung  eines  Theils  der  Scheibe 
eines  E.\emplars,  das  sowohl  durch  einen  Quer-  als  durch  einen  horizontalen  Durchschnitt 
geötfnet  worden  ist.  Man  bemerkt  die  mediane  Lage  der  Hauptkammern  (a)  und  die 
dieselben  überdeckenden  Lagen  von  Kämmerchen  (b).  Im  Horizontalschnitt  ist  die  An- 
ordnung der  medianen  Kammern  in  der  Fläche  zu  sehen.     Vergr.  nahe  20. 

22.  Horizontaler  Durchschnitt  durch  die  Kammern  der  medianen  Lage  von  Orbitoides 
Mantelli  Morton  sp.  Man  sieht  einige  Kammern  zweier  Kinge  in  ihrer  alternirenden 
Stellung  und  bemerkt  die  schiefen  Communikationsgänge  (a  b)  zwischen  den  einzelnen 
Kammern  der  verschiedenen  Einge,  sowie  eine  Andeutung  ähnlicher  Communikationen 
zwischen  den  Kammern  desselben  Ringes  bei  a^.     h  Kanalsystem.     Vergr.  ca.  30. 


Figg.  1 — 5  u.  7  nach  d'Archiac  u.  Haime  (Descr.  d.  anim.  foss.  de  l'Inde);  Figg.  8 — 10 
u.  20 — 22  nach  Carpenter  (Introduction);  Fig.  6  nach  Zittel  (Handbuch  der  Palaeontologie) ; 
Figg.  11 — 15  nach  v.  Möller  (Mem.  Acad.  St.  Petersb.  7.  ser.  Bd.  25);  Figg.  16—19  nach 
Gümbel  ^Abh.  d.  bair.  Akad.  Bd.  10). 


Rhizopoda. 


TafXlI. 


Liih.Anst  »Werner  tWinterFrarikfurl*;". 


Erklärung  von  Tafel  XIII. 


I'!g. 


Orbitoidcs  (Asterocycliiia)    stellata   d'Arcliiac  (Tertiär).     Ansicht  der  abgeplatteten 
Fläclic.     Vergr.  5. 

2a — b,  Tinoporus  vesicularis  P.  u.  J.  (Reccnt), 

2a.  yVeiisserc  seitliclie  Änsiclit  eines  konischen  Exemplars.  Vergr.  ca.  10. 
2  b.  Idcah;  Darstellung  eines  Idcincn  Tlicils  des  Inneren,  um  den  inneren  Bau  za  zeigen. 
Die  kleinen,  in  grosser  Zahl  übcrcinandergelagertcn  Kammern  stehen  durch  grössere 
Oeffnungen  (a)  in  ihren  vertikalen  Scheidewänden  und  durch  zahlreiche  feinere 
Poren,  welche  die  siebförmigen ,  horizontalen  Scheidewände  (b)  durchlöchern,  in 
Verbindung. 
3,  Tinoporus  baculatus  Defr.  (Rccent).  Ein  langstrahliges  Exemplar  von  der  Breitseite 

gesehen.     Vergr.  ca.   15. 
4 — 7.  Zur   Orientirung    ilber    die   Organisation    der    sogen.    Da  c  tylop  orideen ,    bis    vor 
Kurzem  fast   allgemein  für  Foraminifera   in  Anspruch   genommen ,  jetzt  hingegen  als 
Kalkalgen  erkannt. 
4.  Dactylopora   (Haploporella  Gümbcl)   eruca    P.  u.  J.   (Recent).      Ansicht   von    der 
Flachscite;    man   bemerkt   am   concaven   Innenrand    die  Mündungen  (o)  der  vermeint- 
lichen   Kämmerchen.     (Wahrscheinlich    nur    aus   dem    Zusammenhang   gelöstes    Stuck 
eines  Eingglicdes.)     Vergr.  1 5. 
5a  u.  b.  Dactylopora  (Haploporella  Giimb.)  annulus  P.  u.  J.  (Tertiär). 

5a.  Zwei    zusammenhängende    Kiugglieder,    Kalkhüllen   der    äusseren,    ringförmig 

geordneten  Zellen  der  Alge  (von  der  schmalen  Seite  gesehen). 
5  b.  Ansicht  eines  solchen  Ringes  von  der  Breitseite.     Vergr.  ca.  25. 

6.  Dactylopora  (Dactyloporella  Gümb.)  cylindracca  Lmk.  (Tertiär).  Ein  Exemjjlar 
von  einfachstem  Bau,  nahezu  10  Mal  vergr. 

7.  Theil  eines  Längsdurchschnittes  durch  eine  Dactylopora  cylindracea  Lmk.  Der 
weite  röhrenförmige  Hohlraum  wird  nach  Munier-Ciialmas  im  Leben  von  der  Central- 
zelle  ausgcfiilit,  nach  früherer  Auffassung  war  derselbe  von  Sarkode  erfüllt.  Bei  a,  a, 
sind  die  ringförmig  geordneten  sogen.  Kammerhöhlungen  Carpcntcr's  im  Durchschnitt 
blossgelegt,  nach  M.-Ch.  zur  Einlagerung  der  Sporangien  dienend.  Die  Kanäle  d,  d 
dienten  zur  Einlagerung  einer  äusseren  Lage  langgestreckter  Hüllzellen,  wogegen  die 
von  dem  ringförmigen  Hohlraum  (b,  b)  in  die  Centralhöhle  führenden  kurzen  Kanäle 
zur  Einlagerung  einer  inneren  Schicht  solcher  Hüllzellen  dienten.     Vergr.  ca.  25. 

S.  Ideale  Darstellung  des  Baues  von  Eopzoon  canadense  nach  der  Auffassung  von  Carpenter 
und  Dawson.  Die  Figur  stellt  ein  kleines,  durch  die  Anbringung  mehrerer  nach  ver- 
schiedenen Richtungen  geführter  Schnitte  aus  einer  Eozoonmassc  ausgeschnittnes  Stück 
dar.  Dasselbe  zeigt  drei  Kämmerchenlagen  (k,  k),  die  hier  hohl  dargestellt,  im  natür- 
lichen Verhalten  dagegen  mit  Serpentin  erfüllt  sind.  Direct  umkleidet  werden  diese 
Kämmerchen  von  der  sogen,  feinporösen,  eigentlichen  Kammerwand  (k'),  der  feinfaserigen 
Chrysotillage  der  Gegner.  Zwischen  die  Kämmerchenlagen  mit  ihren  Kammerwänden 
eingeschoben  findet  sich  das  sogen.  Zwischenskelet  (sk)  (die  Kalkschichtcn),  welches  von 
dem  verästelten  sogen.  Zwischenkanalsystem  (c)  durchsetzt  wird.  Bei  v  finden  sich  weitere, 
stolonenartige  Communikationen  zwischen  benachbarten  Kämmerchen  und  ebenso  bei  st 
ähnlliche  stolonenartige  Kanalräume,  die  sich  durch  das  Zwischenskelet  von  der  einen  bis 
zu  der  gegenüberliegenden  Kammerwand  erstrecken. 


rig. 
9.  Stromatopora  tuberculata  Nich.  (Corniferous  limestoiie).  Kleines  Stück  in  ungcföhr 
natürlicher   Grösse;   zeigt   deutlich   die   wellenförmig  in   Tuberkel   sich  erhebende  Ober- 
fläche, welche  rauh  und  granulirt  erscheint.  Die  verwitterte  seitliche  Bruchfläche  dagegen 
gibt  eine  Vorstellung  von  der  lamellösen  Zusammensetzung  des  Ganzen. 

10.  Theil  eines  VertikalschliflTs  einer  sogen.  Stromatopora  striatella  d'Orb.  Man  bemerkt  sehr 
deutlich  die  ziemlich  regelmässig  geordneten  Lamellen  (1)  und  die  sie  trennenden  Inter- 
lamellarräiime  (il).  Zwischen  den  aufeinanderfolgenden  Lamellen  sind  die  Pfeiler  (pf) 
ausgespannt.     Yergr.   ca.  18. 

IIa — e.  Vampyrella  lateritia  Fres.  sp.  (spyrogyrae  Cienk.). 

a.  Kriechendes  Exemplar ;  v  nichtcontraktile  Vacuolen ,  N  grünliche  Nahrungskörper, 
wahrscheinlich  aufgenommenes  Chlorophyll.     Vergr.  ca.  900. 

b.  Ein  in  Nahrungsaufnahme  begriffenes  Exemplar,  saugt  eine  Spirogyrazclle  aus, 
f  der  Lihalt  der  Zelle,  der  im  Begriff  ist,  in  die  Vampyrella  überzutreten;  N  dem 
Vampyrellakörper  schon  einverleibte  Chlorophyllkörner.     Vergr.  ca.  180. 

c.  Eine  Verdauungscyste  mit  viergetlieiltem  Inhalt  (Zellzustand  nach  Cienkowsky) ;  einer 
der  Sprösslinge  im  Heraustreten  begriffen ;  z  sogen.  Zellhaut,  N  ausgeschiedne,  unver- 
daute Nahrungsreste.     Vergr.  ca.  270. 

d.  Aehnliche  Cyste  mit  weiter  herausgetretnem  Sprössling.     Vergr.  ca.  270. 

e.  Ruhezustand  (mehrhüllige  Cyste);  z  sogen.  Zellhaut,  c  warzige  Cystcnhaut,  N  aus- 
geschiedne Nahrungsreste.     Vergr.  ca.  250. 

12a — b.  Vampyrella  pendula  Cienk. 

a.  Euhezustand  (mehrhüllige  Cyste),  s  sogen.  Schleier  (gallertige  Hüllschicht?),  z  Zellhaut, 
st  sticlförmiger  Fortsatz  der  Zellhaut,  c  Cystenhaut,  N  Nahrungsreste.  Vergr.  ca.  820. 

b.  Verdauungscyste  (Zeilzustand  nach  Cienkowsky),  st  der  starre  Fadenstiel,  s  Schleier, 
N  Nahrung.     Vergr.  ca.  320. 

13a — b.  Vampyrella  gomphon  cm  atis  Hack. 

a.  Zwei  Gomphoncmazellon  von  einer  Vampyrella  überzogen,  die  in  das  Innere  derselben 
einzudringen  beginnt.     Vergr.  350. 

b.  Encystirtes  E.xemplar,  in  4  Sprösslinge  (Tetrasporen)  zerfallen ;  z  Cystenhülle,  o  Stiel- 
ende der  Gomphonema,  auf  welchem  die  Cyste  aufsitzt  und  das  in  die  Cystenwand 
eingebettet  ist.     Vergr.  ca.  420. 

14a — b.  Myxastrum  radians  Hack. 

a.  Eine  kieselschalige  Specialcystc  (Spore),  durch  radiale  Zerklüftung  und  nachträgliche 
Encystirung  der  Theilprodukte  des  Mutterorganismus  hervorgegangen.  Der  Sarkode- 
inhalt (k)  im  Begritf  auszuschlüpfen,  c  Specialcystenhüllc  (Sporenscliale).  Vergr.  ca.  350. 

b.  Der  aus  einer  Specialcyste  ausgeschlüpfte  Sprössling,  welcher  auf  seiner  ganzen  Ober- 
fläche zahlreiche  Pseudopodien  entwickelt  und  dadurch  eine  dem  Muttcrorganismus 
sehr  ähnliche  Gestalt  erlangt  hat.     Vergr.  ca.  350. 


Fig.  1  nach  Gümbel,  Abb.  d.  bair.  Akad.  X;  Figg.  2 — 7  nach  Carpcutcr,  Inlroduction ; 
Fig.  8  nach  Carpenter,  Ann.  m.  n.  h.  IV.  13;  Figg.  9  u.  10  nach  Nicholson,  Journ.  Linnean 
soc.  Zoolog.  Vol.  XIV;  Fig.  IIa  nach  Hertwig  u.  Lesscr,  Arch.  f.  m.  An.  X,  Supplem.; 
Figg.  IIb — e  u.   12  nach  Cienkowsky,  A.  f  mikr.  An.  I;  Figg.  13 — 14  nach  Häckel,  Jenaische 


Zeitschr.  IV. 


Rhlzopoda  u.  Heliozoa, 


Taf.  Xm. 


2a 


11c 


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IIb 


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LithJjiSl  V  Werners  mnier,  Trankfiiri-^Ji. 


e 


Eildäiuiig  von  Tafel  XIV. 


Fig. 
la — b.  Nuclearia  delicatula  Cieuk.  (Heteroplirys  variaus  F.  E.  Schulze). 

a.  Ein  nacktes,  kriecliendes  Thier  mit  4  sichtbaren  Kernen  (n)  und  einer  Anzahl  con- 
tractiler  Vacuolen  (cv)  in  der  Randpartie ,  nebst  2  als  Nahrung  aufgenommenen  Dia- 
tomeen (N).     Vergr.  300. 

b.  Ein  von  einer  GallerthüUc  (g)  umschlossnes  Thier  mit  vielen  dunklen  Körnchen  und 
einigen  Nahrungskörpern.     Vergr.  200. 

2a— b.  Nuclearia  simplex  Cienk. 

a.  Eine  Cyste  mit  doppelter  Hülle ,  z  äussere ,  c  innere  Cystenhulle.  N  unverdaute 
Nahrungsreste,  die  vor  Bildung  der  innern  Specialcyste  ausgestossen  wurden. 

b.  Eine  ähnliche  Cyste,  deren  Inhalt  sich  jedoch  vor  der  Bildung  der  Specialcyste  vier- 
getheilt  hat. 

a.  Eine  Kolonie  der  Monobia  confluens  Aim.  Schneider.     Vergr.'? 

4.  Lithocolla  globosa  F.  E.  Schulze.     Vergr.  400. 

5.  Elaeorhanis    cincta   Greelf.     Mit  vorzüglich  aus  Diatomeenschalen    aufgebauter  loser 
Hülle;  0  gelbe  öltropfenartige  Kugel.     Vergr.  ca.  520. 

6a — b.  Actinolophus  pedunculatus  F.  E.  Seh. 

a.  Gewöhnliches,  nicht  encystirtes  Exemjjlar.  n  der  excentrisch  gelegene  Kern  ;  k  das 
Centralkorn  der  Markmasse;  p  der  Stiel.     Vergr.  ca.  270. 

b.  In  Encystirung  begriffnes  Exemplar ;  z  die  Lage  von  Kieselplättchen,  die  sich  auf  der 
Gallerthülle  bildet  und  die  sich  auch  auf  den  Stiel  fortsetzt.  Kern  (ii)  zu  zweien 
vermehrt;  p  Stiel,  in  dem  die  zarten  Fäden  bis  zu  dem  Protoplasmakörper  des  Thieres 
zu  verfolgen  sind.     Vergr.  ca.  480. 

7a — d.  Actin  ophrys  sol.  Ehrbg. 

a.  Ein  Exemplar,  das  die  vacuolisirte  ansehnliche  Eindenschicht  (R,  Ectosark)  und  das 
fcingranulirte  Entosark  (M)  deutlich  zeigt.  Letztres  umschlicsst  den  central  gelegnen 
Kern  (n),  bis  zu  dessen  Oberfläche  die  Axenfäden  (ax)  dx;r  Pseudopodien  zu  verfolgen 
sind,  cv  die  contractile  Vacuole ;  N  ein  in  einer  ansehnlichen  Nahrungsvacuole  ein- 
geschlossner  Nahrungskörper.     Vergr.  ca.  800. 

b.  Eine  Kolonie  von  4  Individuen,  nach  Behandlung  mit  Essigsäure.  E  Ectosark,  M  Ento- 
sark, n  Nuclei;  N  grössere  und  kleinere  von  Vacuolen  umschlossne  Nahrungskörper 
in  den  Verbindungsbrücken  zwischen  den  Individuen;  v,  v  ansehnliche  Vacuolen. 

c.  Cyste  von  Actinophrys  sol;  z  äussere  Cystenhulle  (sogen.  Zellhaut  Cienkowsky's); 
c  innere  Cystenhulle  (sogen.  Cystenhaut). 

d.  Eine  aufgesprungne  Cyste,  aus  der  die  junge  Actinophrys  hervortritt.  Die  sogen. 
Cystenhaut  (c)  iimschliesst  dieselbe  noch,  obgleich  schon  Pseudopodien  entwickelt 
sind  und  auch  die  contractile  Vacuole  (cv)  schon  ihr  Spiel  begonnen  hat. 

Sa — b.  Zwei  isolirte  Kerne  von  Actinosphaerium  Eichhorni  Ehrbg.  nach  Behandlung 
mit  Essigsäure  (l"/o)- 


Figg.  1,  4,  6  nach  F.  E.  Schulze  (Arch.  f,  mikr.  A.  X);  Figg.  2  u.  8  Original;  Fig.  3 
nach  Aim.  Schneider  (Arch.  zoolog.  expur.  VH);  Fig.  5  nach  Greeff  (A.  f.  m.  A.  XI);  Fig.  7a 
nach  Grenacher  (Verh.  d.  physik.-med.  (ies.  Würzburg  N.  F.  I.);  Fig.  7  b  nach  Stein  (Die 
Infusionsthiere  etc.);  Fig.  7c  u.  d  nach  Cienkowsky  (A.  f.  m.  A.  I). 


Hello  zoa. 


Taf.XlV. 


litfLAnstvWiTneri.'Winfer.rrankfuri-*^ 


1 


Erkläriiii«  von  Tafel  XV.  - 


la — b.  A  ctiii  ospliacii  um  Eichlioini  Elirbg-. 

a.  Ganzes  Exemplar.  M  die  Markmasse  mit  zaiilreicheii  Kernen  (n) ;  K  die  Kindeii- 
sclücht:  cv  die  contractilen  Vacuolen.     Vergr.  ca.  200. 

b.  Ein  oberflächlicher  Thcil  des  Körpers  im  optischen  Durchschnitt.  E,  die  Rindeu- 
schicht  mit  ihren  grösseren  Vacuolen;  M  die  äussere  Eegion  der  Markschicht  mit 
kleineren  Vacuolen.  In  letztre  bei  n  Kerne  und  bei  ch  Chlorophyllkörnor  eingelagert, 
ax  die  Axenfäden  der  Pseudopodien,  die  bis  in  die  äusserste  Kegion  der  Markmasse 
zu  verfolgen  sind, 

c.  Cyste  mit  zalilreichen  kieselschaligen  Keimkugelu;  z  deren  Kieselhülle,  n  ihrNucIeus; 
g  die  Gallerthülle  der  Cysto. 

2.  Hcterophrys  marina  H.  u.  L.  Ganzes  Thier  mit  der  eigenthümlichen  Hülle.  M  Mark- 
schicht, R  Rindenschicht,  n  Nucleus.     Vergr.  ca.  660. 
3a — b.  Sphaerastrum  conglobatum  GreefF. 

a.  Kolonie  zahlreicher  Thiere.     Vergr.  ca.  220. 

b.  Ein  einzelnes  Individuum,  um  die  eigenthümliche  Beschaffenheit  der  Hülle  besser  zu 
zeigen,     n  Kern.     Vergr.  ca.  460. 

4.  Pompholyxophrys  exigua  H.  u.  L.     Vergr.  ca.  550. 


Figg.  la— b,  2  u.  4  nach  Hertw.  u.  Lesser  (A.  f.  m.  A.  X,  Sui^pL);  Fig.  3  nach  Greeff 
(A.  f.  m.  A.  XI);  Fig.  Ic  nach  F.  F.  Schulze  (A.  f.  m.  A.  X). 


Heliozoa. 


Taf.X^Z 


L:ih.  Anstv.Wemfräi  Winier,  frankfort^ 


m 


I 


Erkläiung  von  Tafel  XVI. 


Vig. 

1.  Astrodisculus  ruber  GrecfF.  Mit  grosser  rother  centraler  Pigmentlcugel  (p)  und 
zahlreichen  rothen  Piginentkörncheu  des  Protoplasmas,  die  auch  auf  die  Pseudopodien 
hinauswaudern.  g  die  homogen  erscheinende  Hülle  von  zweifelhafter  Beschatfenheit. 
Vergr.  b20. 

2.  Kaphidiophrys  pallida  F.  E.  Seh.  Thier  mit  von  der  Nadclhülle  etwas  zurück- 
gezognem Protoplasmakörper,  n  cxcentrisch  gelagerter  Kern,  k  das  Centralkorn  in  dem 
sich  sämmtliche  Axenfäden  vereinigen;  4  contractile  Vaciiolen  vorhanden  (cv);  N  als 
Nahrung  aufgenommene  Diatomee,  auf  der  entgegengesetzten  Seite  lindet  sich  noch  eine 
solche  und  ausserdem  schliesst  das  peripherische  Plasma  zahlreiche  Körner  ein.  Vergr. 
ca.  430. 

3.  Kaphidiophrys  elegans  H.  u.  L.  Kolonie  von  8  Individuen  mit  gemeinsamer 
Skcletliülle.  n  Nucleus.  Die  dunklen  Körner  im  Protoplasma  sind  Chiorophyllkörner. 
Vergr.  ca.  430. 

4.  Pinacocystis  rubicunda  H.  u.  L.  Ein  Thier  mit  zahlreichen  braunen  Pigment- 
körnern; sk  die  aus  zahlreichen  runden  PliUtchen  aufgebaute  Skelethülle.  R  die  Kinden-, 
M  die  ]\Iarkschicht,  n  der  Nucleus.     Vergr.  ca.  520. 

5.  Pinaciophora  fluviatilis  Greeff.  Kieselgebilde  der  Skelethülle.  a.  die  Kiesel- 
plättchen  in  ihrer  natürlichen  Zusammenlagerung  am  Rande  der  Schale,  man  bemerkt  bei 
dieser  Ansiclit  die  sie  durchsetzenden  Porenkanäle;  b.  isolirtes  derartiges  Plättchen  im 
optischen  Durchschnitt,  mit  Porenkanälen  (nach  Greeff  „von  der  Seite  gesehen"),  c.  Einige 
Plättchen  in   der   Flächenansicht   in   natürlicher  Zusammenlagerung.     Vergr.  800 — 1000. 

6a — b.  Acanthocystis  turfacea  Gart,  (nach  GreelP). 

a.  Ganzes  Thier,  etwas  comprimirt,  der  optische  Durchschnitt  gezeichnet,  st  lange  und 
kurzgegabclte  Skeletstacheln.  st^  kurze  und  tiefgegabeltc  Skeletstacheln ;  h  äusscrste 
feinkörnige  Sarkodeschicht,  die  nach  Greeff  sich  zwischen  die  Skelethülle  und  das 
eigentliche  Ectosark  (R)  einschiebt.  Dies  letztere  ist  erfüllt  von  zahlreichen  blassen  und 
grünen  Körnern ,  sowie  Vaeuolen  und  durchzogen  von  den  Axenfäden  der  Pseudo- 
podien. ]M'?  wahrscheinlich  die  Markmasse  (das  centralkapselartige  Gebilde  Greeff's), 
n  wahrscheinlich  der  Nucleus,  in  dessen  Centrum  die  Axenfäden  nach  Greelf  sich 
vereinigen  sollen.  Ueber  die  wahrscheinliche  Deutung  dieser  Greeff'schen  Darstellung 
vergi.  im  Text  das  Nähere.     Vergr.  ca.  240. 

b.  Isolirter  langer  und  kurzgcgabeiter  Skeletstachel  mit  deutlichem  Fussplättchen. 
7a — c.  Acanthocystis  aculeata  H.  u.  L.     Vergr.  ca.  760. 

a.  Exemplar  nach  Behandlung  mit  Osmiumsäure  und  Carmin;  R  die  körnige  Rinden- 
schicht; M  die  feingranulirte  Markmasse,  excentrisch  gelegen  und  bis  an  die  Ober- 
fläche des  Thierkörpers  heranragend,  n  der  sehr  excentrisch  gelegene  Nucleus.  Jn 
der  Markmasse  treten  die  Axenfäden  deutlich  hervor,  und  vereinigen  sich  im  Centrum 
mit  einem  Centralkorn. 

b.  Exemplar  mit  zwei  Knospcnsprösslingen,  von  welchen  der  eine  im  Austreten  aus  der 
Skelethülle  begriffen  ist.     n  Nuclei. 

c.  Der  Sprössling  nach  dem  Austritt,  hat  durch  Entwicklung  zweier  Geisselu  eine 
Flagellatengestalt  angenommen  (n  der  Nucleus). 


Fig.  1  nach  Greeff  (Arch.  f.  m.  A.  V);  Fig.  2  nach  Schulze  (A.  f.  m.  A.  X);  Figg.  3 
u.  4  nach  Hertwig  u.  Lesser  (A.  f.  m.  A.  X,  Suppl.);  Figg.  5  u.  6  nach  Gree(F(A.  f.  m.  A.  XI); 
Fig.  7  nach  R.  Hertwig  (Jenaische  Zeitschr.  Xi). 


Hello  zoa. 


Taf.  XVI. 


Lith  Ansl.V.  Werner  S.  Wmtnfr;  FraTdrnrrt  i  ff. 


# 


Erkläriins*  von  Tafel  XYIL 


la — f.  Clatliriiliiia  clegans  Cienk. 

1  a.  Ein  ganzes  Thier.     Vergr.  ca.  i.JU — 200. 

]  b.  Ein  kleiner  Theil  der  Wand  der  Gitterscliale  stärker  vergrössert.  mn  die  Rinnen  auf 

der  Aussenseite  der  Netzbalkcn  zu  zeigen.     Vergr.  ca.  300. 
1  c.  Ein  Exemplar   mit  z^vei  durch  Theilimg  des  Thierkorpers  liervorgegangncn  Cysten; 

z,  deren  (,'ystenluille. 
1  d.  Ein  Scliwärmsprössling.     n  dessen  ^ucleus,  cv  contractile  Vacuolen. 
1  e.  Eine  (.'yste  mit  feingestaclielter  Kieselhülle. 

1  f.  Eine  jugendliche,  noch  nackte  Clathnilina.    N  in  Vacuolen  cingeschlossncr  Nahrungs- 
körper; cv,  contractile  Vacuolc. 
2.  Hedriocystis   pellucida   Hertw.     Ein  Exemplar  mit  der  Schale  sk.   dem  Niicleus  n 

und  zwei  contractilcn  Vacuolen  cv. 
3a — h.  ThalassicoUa  (Thalassophysa  Hack.   ISSl)  pelagica  Iläck. 

3  a.  Ein  lebendes  Exemplar,  ck  die  Centralkapsel  mit  zahlreichen  peripherischen  Oel- 
kugeln  und  dem  grossen  Nucleus  n  (Binnenbläschen).  In  der  Gallerte  massenhafte' 
Entwicklung  von  extrakapsulären  Vacuolen  alv  (Alveolen),  gz  die  gelben  Zellen. 
Vergr.  ca.  25. 

3  b.  Ein  isolirter  Nucleus  (Binnenbläschen)  mit  blindsackförmigen  Ausstülpungen  bedeckt 

und  einem  wurmförmig  gewundnen  Nucleolns  ncl. 
4a — e.  ThalassicoUa  11  uclcata  H\l. 

4  a.  Ein  lebendes  Exemplar  bei  schwacher  Vergrösscrung  (ca.  3);  ck  die  von  schwarzem 

Pigment  dicht  unihlülte  Centralkapsel;  alv  die  Vacuolen  (Alveolen)  in  zwei  Zonen 
um  die  Centralkapsel  gelagert,  einer  inneren,  welche  aus  kleineren  Vacuolen  besteht 
und  einer  äusseren  mit  sehr  ansehnlichen  Vacuolen. 

4b.  Ein  reifer  (links)  und  ein  unreifer  (rechts)  Scliwärmsprössling;   n  deren  Zellkern. 

4  c.  Ein  Stück  der  Centralkapselmcmbran ;  zeigt  auf  der  Fläche  deutlich  die  punktförmigen 
Poren,  welche  in  polygonalen  Feldern  zusammcngruppirt  sind;  an  dem  ümschlags- 
rand  treten  die  Porenkanäle  sehr  deutlich  als  eine  feine  Strichelung  des  optischen 
Durchschnitts  der  Membran  hervor. 

4d.  Kleines  peripherisches  Stück  eines  radialen  Durchschnitts  einer  Centralkapsel.  Zeigt 
deutlich  die  Eadiärstreifung  des  peripherischen  l*lasmas  der  Centralkapsel,  das  an- 
sehnliche Eiweisskugcln  cinschliesst  (v);  ckw  die  Centralkapselwand  mit  den  Poren- 
kanälen, r 

4e.  Stück  eines  Querschnittes  durch  die  Centralkapsel  eines  in  Vorbereitung  zur  Fort- 
pflanzung begriffenen  Thiers ;  im  Protoplasma  zahlreiche  Haufen  von  Kernen  (n) 
und  Eiweisskugcln,  welche  Concretionen  einschliessen  (vcV 


Figg.  la— b,  le  nach  GreefF  (Arch.  f.  mikr.  Anat.  V);  Fig.  Ic  nach  Cienkowsky  (Arch. 
f.  m.  A.  HI);  Figg.  1  d.  If  und  2  nach  Hertwig  und  Lesser  (Arch.  f.  m.  A.  X,  Suppl.);  Figg.  3a, 
4  c  nach  Häckel  (I?adiolarien):  Figg.  4  a,  4b,  4d — e  nach  K.  Hertwig  (Zur  Hist.  d.  Eadiolarien). 


Heliozoa  u.Radiolaria  (Collida). 


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Erklärung  von  Tafel  XVIII. 


ja — d.  Voii  Tlialabsicolla  nuclcata  Hx.  (siehe  auch  vorhcrgeheiule  TafclV 

1  a.  Nucluus  (Biniieiibläbdieu)  eines  Exemplars,  uiit  zahlreichen  eigcnthümlich  IjeschafFeiien 
Kucleoli  [iid).     Kleine  Kerne  waren  ausserdem  im  CentralKapselpIasma  enthalten. 

1  b.  Radialer  Sclmitt  durch  eine  Centralkapsel.  n  der  grosse  Kucleus  i^Binnenblaschen), 
ncl  dessen  Nncleoli.  Im  Geiitralkapsclpiasma  innen  Eiweisskugehi  ohne  Goncremente, 
nach  aussen  solche  mit  Goncremcntcn  (vc),  hierauf  die  radiärstrcilige  peripherische 
Plasmaschicht. 

Ic.  Nucleus  mit  sehr  zahlreichen  kleinen  Nucleoli.  die  wahrscheinlich  durch  successiven 
Zerfall  des  ursprunglichen  Nucleolus  hervorgegangen   sind. 

1  d.  Inhalt  der  Gentralkapsel  einer  Thalassieolla ;  darin  zahlreiclic  Eiweisskugeln  mit 
Goncretionen  und  Krystalliten  (vc),  ferner  Oelkugoln  (oe),  sowie  kleine  kuglige  bis 
spindelförmige  Bläschen  (?  Kerne).     Vergr.  ca.  300. 

2.  Thalassieolla  sanguinolcnta  Hck.  Ein  durch  Aufnahme  von  Goccolilhen  in  di(; 
(jallerte  deformirtes  Exemi^lar;  sogen.  Myxobracliia  pluteus  Hiickels.  ck  die  Gentral- 
kapsel  mit  dem  Nucleus  n ;  gf  die  armartigen  Gallertfortsätze .  in  deren  Endknöpfchen 
sich  die  Goccolithcn  augehäuft  linden.     Vergr.  0. 

3.  Kieselkörper  von  Thalassosphaera  hierum   J.  M.  sp.     Vergr.  ca.  400. 

4.  Eine  Kieselnadel  von  Thalassosphaera  (Thalassoxanthium  Hck.  ISSI)  bifurca  Hack. 
A'ergr.  .550. 

5.  Ein  kleines  Kandstück  des  Physcmatium  INIülleri  Schnd.  ck  die  Membran  der 
Gentralkapsel ,  nach  aussen  davon  die  extrakai)suläre  Sarkode  mit  gelben  Zellen  (gz)  unil 
Pseudopodien.  Unter  der  Gentralkapselwand  Gruppen  von  je  vier  sogen,  centripetalen 
Zellen  (/.),  welche  peripherisch  je  eine  Oelkugel  (oe)  zwischen  sich 'nehmen.  Dazwischen 
im  Protoplasma  grosse  Vacuolen  (v)  und  wahrscheinlich  auch  Kerne.     Vergr.  ca.  400. 

tia— }!.  Gollozoum  inerme  J.  M.  sp. 

6a — c.  Verschiedne  Formen  von  Kolonien  in  natürlicher  (irössc. 

(id.  Eine  kleine  Kolonie  bei  stärkerer  Vergrösserung  (ca.  25).  ck  die  Gentralkapseln  mit 
der  centralen  Oelkugel :  alv  die  Gallerte  mit  den  extrakapsulären  Vacuolen  (Alveolen). 

üe.  Eine  junge  Gentralkapsel,  n  die  Kerne. 

()f.  Eine  Gentralkapsel  mit  grosser  centraler  Oelkugel  'oe)  und  einem  Kranz  kleiner,  um 
welche  die  Kernhaufen  n  rosettenförmig  gruppirt  sind.  An  jedem  Kernhaufen  liegt 
weiterhin  ein  Aggregat  von  Fettkörnchen. 

Ci  g.   Isolirte  Kernhaufen  dieses  Stadiums. 

(i  h.  Die  Kerne  der  Haufen  haben  sich  mit  einem  Antheil  des  Protoplasmas  der  Gentral- 
kapsel umhüllt  und  sind  derart  Zellliaufen  entstanden,  aus  welchen  die  Schwärmer 
hervorgehen,     gz  gelbe  Zellen. 

(ii.  Ein  derartiger  Zellhaufen  isolirt.     n  die  Zellkerne. 

t)k.  Gentralkapsel  mit  zahlreichen  Kernen  und  in  Bildung  begriiliien  krystallinischen 
Stäbclien. 

))].  Gentralkapsel,  deren  Plasma  entsprechend  der  Kernzahl  in  Anlagen  der  Schwärm- 
sprösslinge  zerfallen  ist,  von  welclieii  jede  ein  krystallinisches  Stäbchen  einschliesst. 
In  Figg.  6  k  und  1  die  gelben  Zellen  gz  angeblich  in  Zerfall  (nach  Hertwig). 

(im.  Zwei  Schwärmsprösslinge  ohne  Krystalle.  Aus  Gentralkapseln  wie  Figg.  6f  und  h 
hervorgegangen. 

(in.  Zwei  Scliwärm&prösslinge  mit  je  einem  krystallinischen  Stäbclien  k  aus  Gentralkapseln 
wie  Figg.  Ck  und  1  hervorgegangen. 

Ci  0.  Eine  Gentralkapsel  mit  sogen,  extrakapsulären  Körpern  K  in  der  extrakapsulären 
Sarkode,  den  Anlagen  neuer  Gentralkapseln  nach  Stuart  und  Gienkowsky. 

(ip.  Ein  solch  extrakapsulärer  Körper  nach  Behandlung  mit  Ghromsäure.  oe  centraler 
Haufen  von  Oelkugeln,  darum  Kerne  n. 

7.  Verschiedne  Entwicklungszustände  von  Kieselnadeln  des  Sphaerozoum  \>  unctatum  J.  M. 


Figg.  la— c,  6e — p  nach  K'.  Hertwig  v^ur  Hist.  d.  Ixadiol.);  Figg.  Id,  2,  4,  5,  Ga — d 
nach  Häckel  (Monographie);  Fig.  3  nach  J.  Müller  (Abh.  ISöS"^:  Fig.  6a  oben  und  6  m  rechts, 
sowie  7  nach  K.  Brandt  (Monatsber.  Berl.  Akad.  18S1). 


Radiolaria.  (Collida.u.  Sphaerozoida). 


Taf:XVni, 


UihAnstvUnnriWtiraiyatiiA/n'M 


Erklärung  von  Tafel  XIX. 


1.  Zwei  Kicöelbijicula  von  S^^h  acrozoum  italicuui  Hck.     Vergr.  ca.  400. 

2.  Ei»  Spiculum  vou  Sphaerozoum  spinulosum  J.  M.     Vergr.  .300. 

3.  Randliclie  Partie  einer  Kolonie  von  Sphaerozoum  neapolitanum  Brandt,  ck  Gentral- 
kapseln,  angeblich  membranlos;  alv  extrakapsuläre  Vacuolcn;  gz  gelbe  Zellen.  Vergr.  ca.  GO. 

4a — k.  Kerne  aus  der  Ccntralkapsel  von  Sphaerozoidenarten.  a.  homogener  Kern ,  gewöhn- 
liches Vorkommen,  b.  Kern  bei  Beginn  der  Bildung  von  Makro-  und  Mikrosporen, 
c — d.  Theilungsstadicn  der  liomogenen  Kerne  von  Sphaerozoum  punctatum.  e — k.  diffe- 
renzirte  Kerne,  wie  sie  sich  im  Verlaufe  der  Schwärmerentwicklung  ausbilden,  h— k.  Tuei- 
lungszustände  derartiger  Kerne.     Vergr.  1000. 

5a — d.  Collosphacra  Huxleyi  J.  M. 

5  a.  Die  Hälfte  einer  kugligen,  lebenden  Kolonie.  Im  Centrum  eine  grosse  Vacuole  (alv, i, 
vou  einem  Protoplasmanetz  umgeben,  hierauf  folgen  in  der  Gallerte  zunächst  kleine 
jugendliche  und  nackte  Oentralkapseln ,  von  welchen  einige  in  Theilung  begriilen 
sind  und  nach  aussen  erwachsene,  ältere,  von  Kieselschale  umhüllt  (ck).  Zahlreiche 
gelbe  Zellen  an  den  Pseudopodien.     Vergr.  ca.  50. 

5  b.  Isolirte  t'entralkapsel  von  der  Gittersehale  umhüllt.  Die  Kapsel  schliesst  zahlreiche 
Krystalle  und  eine  grosse  centrale  Oelkugel  ein.     Vergr.  ca.  250. 

5  c.  Zwei  Schwärmsprösslinge. 

5  d.  Isolirte  Krystalle  aus  der  L'entralkapsel. 

(Ja — i.  Gelbe  Zellen  versehicdner  Kadiolarien ;  a — c,  c— g  von  Sphaerozoiden;  a  normale 
gelbe  Zelle,  b.  c  Theilungszustände  solcher  Zellen  mit  Bildung  mitilerer  Scheidewand, 
d  viergetheilte  Zelle;  e  veränderte  gelbe  Zelle  nach  K.  Brandt;  (>f  amöboide  gelbe  Zelle 
aus  der  Gallerte  abgestorbner  Sphaerozoeen ,  der  Körper  ist  von  dicker  GallerthiUle  um- 
geben, welche  durch  Umbildung  der  Cellulosemembran  entstanden  ist;  i]  g  eine  derartige 
Zelle  in  Theilung;  6h  und  i  zwei  derartige  Zellen,  welche  sich  durch  Ausschlüpfen  aus 
ihrer  Gallerthülle  häuten ,  bei  i  wiederholt  sich  dieser  Vorgang  zum  zweiten  Älal  (nach 
Cienkowsky).     Vergr.  ca.  4 — 500. 

7.  Siphon  osphaera  sp.  Einzelne  Centralkai>sel  ck  mit  der  von  gcöilneten  Köhrchen  be- 
setzten Schale  sk. 

S.  Cenosphaera  sctosa  Ehrb.  Etwas  zerbrochne  Schale.  (Philippinischer  Ocean.) 
Vergr.  100. 

9.  Acanthos]ihaera  (Cenosphaera)  megapora  Ehrb.  (Barbados).     Vergr.   100, 

10.  Magosphaera  laevis  Ehrb.     Schale  (Philipp.  Ocean).     Vergr.  100. 

11.  Trisolenia  megalactis  Ehrb.     Schale  (Philiijp.  Ocean).     Vergr.  100. 

12.  Tetrasolenia  quadrata  Ehrb.     Schale  (Indischer  Ocean).     Vergr.  100. 
Ic».  Polysolenia  setosa  Ehrb.     Schale  (Philipp.  Ocean).     Vergr.  200. 

J4.  Etmosphaera  siphon  osphaera  H.     Schale.     Vergr.  300.     (Mittelmeer.) 

15.  Cyrtidosphaera  reticulata  H.     Schale.     Vergr.  200.     (Mittehneer.) 

16.  Heliosphaera  tenuissima  H.  Die  Ccntralkapsel  ck  enthält  einen  sehr  ansehnlichen 
Kern  n  mit  zwei  Nucleolen  (ncl) ;  das  intrakapsuläre  Plasma,  in  zahlreiche  radiäre,  keil- 
förmige Partien  gesondert,  enthält  Oelkügelchen. 


i''igg.  I.  2.  5a — b,  Od,  11  und  15  nach  Iläckel  i  Monographie) ;  l'igg.  o.  4,  (ia — c  und 
e  — g  nach  K.  Brandt  (Monatsber.  d.  Berl.  Akad.  18S1);  Figg.  5c  links  und  6h — i  nach  Cien- 
kowsky (A.  f.  uiikr.  An.  Bd.  VIP.  Fig.  5d  nach  J.  Müller  (Abh.  1S5S);  Fig.  7  nach  Huxley 
(Ann.  mag.  n.  h.  [Uj  VIID;  Figg.  8,  10—1,3  nach  Ehrenberg  (Abh.  1S72)  und  Fig.  0  (Abh. 
1875);  Figg.  5c  rechts  und   16  nach  I\.  Hertwig  (Der  Organismus  der  Kadiolarien). 


Radiolaria.  fSphaerozoida  aSphaeridea). 


Taf.  XIX. 


CK 


Liih  Anst  vVernerJiVinm; Frankfirri^ 


Eildärung  ^oll  Tafel  XX. 


1.  Heliospliacra  (Phormospliaera  Hck.  1S81)  inermis  H.  Lebendes  ganzes  Thier,  sk  die 
Schale,  ck  die  Ccntralkapscl  und  n  der  Nucleus  (Binnenbliisciien).  Yergr.  ca.  400. 
(Mittelmeer.) 

2.  Heliosphaera  ecbinoides  Hck,  Schale,  polare  Ansicht.  Vergr.  ca.  400.  (Mittelmeer.) 
:!.  Eaphidococcus  acufer  Hck.     Schale.     Vergr.  300.    (Mittelmeer.) 

4.  Cladococcus  cervicornis  Hck.  Etwas  mehr  wie  die  Hälfte  eines  lebenden  Thicrs 
mit  zahlreichen  ausgestreckten  Pseudopodien.  Die  ansehnliche  Centralkapsel  (ck)  um- 
schliesst  die  Kieselgitterschale  (sk)  gänzlich  uiid  die  centralen  Abschnitte  der  verzweigten 
liadialstacheln  zum  Theil.  Zahlreiche  gelbe  Zellen  in  der  extrakapsulären  Sarkode. 
Vergr.  160.  (Mittelmeer.) 
■ia— c.  Diplosphaera  Hck.     (Mittelmeer.) 

öa.  Centralkapsel    von   Diplosphaera   ?    gracilis    Hack.     Dieselbe  entwickelt   zahl- 
reiche  blindsackartige   Ausstülpungen,  welche   sich   durch  die  Maschen  der  Gitter- 
kugel   hindurcii    drängen   und  dieselbe  verdecken,    so    dass  nur  die  Basalenden  der 
Radiärstaclicln  sichtbar  sind. 
.')b.  Die  isolirte  Centralkapsel  (ck)  von  Diplosphaera  spinosa  Hertw.  mit  ansehnlichem 
Nucleus  11,  welcher  zahlreiche  Nucleo'en  einschliesst.  Das  intrakapsuläre  Protoplasma 
radiär  streifig  diü'erenzirt. 
.5  c.  Ganzes  lebendes  Tliicr  von  Diplosphaera  spinosa  Hertw.,  das  Skelet  jedoch  nur 
z.  Th.  sichtbar,     ck  die  Centralkapsel  mit  dem  ansehnlichen  Nucleus  K  und  gelben 
Zellen  in  ihrem  Umkreis.     Sk  die  kuglige  Gitterschalc    mit   den  radialen  Stacheln, 
deren  Enden  mit  quirlartig  gestellten   Seitenästchen    besetzt  sind   und  durch  zarte 
Kieselfäden,  welche  sich  zwischen  den  benachbarten  Stacheln  ausspannen,  verbunden 
werden. 
(J.  Arachnosphaera    myriacantha    H.      Die    (iitterkugel    mit    drei   Eadialstacheln    in 
vollständiger  Entwicklung.   Die  tlbrigen  Stacheln  dicht  oberhalb  ilirer  Basis  abgeschnitten. 
Vergr.  200.     (Mittelmeer.) 


Figg.  1—4.    lind  fi  nacli  Häckel  (MonographieV,  Figg.  .5a — c  nach  Hcrtwig  (Organ,  der 
Radiolarien). 


Radiolaria  (Sphaeridea). 


Taf.  XX. 


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Erklärung  von  Tafel  XXI. 


1.  Haliomma  Eriiiaceus  Hck.  Ganzes  Tliier  mit  der  Rindenschale  sk'  und  der  damit  durch 
Eadialstäbc  verbundnen  Markscliale  sk ;  letztere  wird  umsclilosscn  von  dem  Kern  (Binnen- 
bläsclien  n)  der  Centralkapsel  Ck.     Im  Plasma  der  letzteren  einige  Concretionen  c. 

2.  Isolirte  Centralkapsel   Ck   einer   Haliomma  sp. ,    dieselbe    umscliliesst  den  ansehnliclien 
Kern   n',    daneben   jedoch    noch    einige  kleinere   Kerne  n ;    ersterer  umhüllt  die   ;N[arlc=^ 
schale  sk  mit  davon  abgehenden  Eadialstäbcn. 

3a — b.  Actinomma  Asteracanthion  Hck. 

3  a.  Das  Kieselskelet.  Die  Markschalc  sk  ist  durch  theilweises  Wegbrechen  der  ersten 
(sk')  und  zweiten  Rindenschale  (sk")  sichtbar  gemacht.  Sechs  radiale  Stäbe,  welche 
sich  über  die  zweite  Rindenschale  in  ansehnliche  Stacheln  verlängern,  stellen  die 
Verbindung  zwischen  den  drei  concentrischcn  Gitterschalen  her.     Vergr.  260. 

3  b.  Ganzes  Thier  im  optischen  Durchschnitt  in  der  Ebne  von  vier  Stacheln,  sk"  die 
äussere  Rindenschale,  sk'  die  innere,  welche  von  der  Centralkapsel  Ck  umschlossen 
wird;  sk  die  in  dem  Kern  n  eingeschlossne  Markschalo. 

4.  Stylosphaera  (Amphist^^lus  Hck.  1881)  sulcata  Elirbg.  —  Kieselskelet.  sk  die 
Markschale,  sk'  die  erste,  sk"  die  zweite  Rindenschale.    Barbados.     Vergr.  ca    250. 

5.  Actinomma  (Rhodosphaera  ?  Hck.  1881)  echinata  Ehrbg.  sp.  sk  die  Markschale, 
sk'  die  erste,  sk"  die  zweite  Rindenschale.    Barbados.     Vergr.""ca.  130. 

6.  Actinomma  (Stauracontium  oder  Hexadrymium  Hck.  ISSl)  Entactinia  Ehrbg.  sp. 
Skelet.  Die  zweite  Rindenschale  sk"  ist  in  der  unteren  Hälfte  aufgebrochen,  so  dass  die 
erste  sk'  sichtbar  geworden  ist  und  diese,  auch  z.  Th.  aufgebrochen,  zeigt  in  sich  die 
kleine  Markschale  sk.    Barbados.     Vergr.  ca.  300. 

7.  Sogen.  Haliomma  ovatum  Ehrbg.  Skelet.  sk  die  kleinere  innere  kuglige  Schale, 
sk'  die  ungemein  dicke  äussere  Schale.  Zwischen  beiden  Schalen  bleibt  kaum  ein 
Zwischenraum.    Barbados.     Vergr.  ca.  300. 

8.  Sogen.  Ehabdolithis  Pipa  Ehrbg.  Bau  ähnlich  dem  von  Haliomma  ovatum,  doch 
Zwischenraum  zwischen  beiden  Schalen  grösser  und  deutlich  von  einer  Anzahl  Radial- 
stäben durchsetzt.    Barbados.    Vergr.  ca.  300. 

0.  Dictyoplegma  spongiosum  J.  M.  sp.  Kieselskelet.  sk'  die  Rindenschale,  welche 
noch  eine  kleine  Markschale  cinschliesst.  Von  der  Oberfläche  der  Rindenschale  ent- 
springt eine  spongiöse  ümhüUungsmasse  von  Kieselfäden  (sp).  Vergr.  ca.  J80. 
10.  Rhizosphaera  trigonacantha  Hck.  Lebendes  Thier.  sk'  die  Rindenschale,  sk  die 
Markschale;  von  ersterer  entspringen  zahlreiche  Stachelfortsätzc,  die  unregeimässig  ver- 
zweigte Querästchen  aussenden,  welche  sich  zur  Bildung  einer  schwammigen  äussersten 
Schale  (sp)  vereinigen.  Ck  die  Centralkapsel,  welche  die  beiden  inneren  Schalen  cin- 
scliliesst  und  zahlreiche  kleinere,  sowie  einen  Rest  des  ursprünglichen  Kernes  enthält,  eine 
Anzahl  der  kleineren  Kerne  (n)  sind  auch  in  die  extrakapsuläre  Sarkode  eingedrungen. 


Figg.  ]  ,    2,    3  b  und  10    nach   Hertwig  (Der  Organismus   etc.V,    Fig.  3  a   nach  Häckel 
(Monographie);  Fig.  9  nach  J.  Müller  (Abhandlungen  1858);  Figg.  4 — 8  Originalia. 


H a d i o  1  a na  jSphaeridea) 


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Erklärung  von  Tafel  XXII. 


l<")g. 

la— b.  Spongospliaera  streptacantlia  Hck. 

1  a.  Kieselskelet  (nicht   ganz  vollständig   ausgezeichnet),     sk'  die  Rindenschale ,   von  der 

sehr  ansehnliche  Radialstacheln  entspringen  (auf  der  Figur  kurz  abgebroclicn  dar- 
gestellt) und  welche  eine  kleine  Markschale  umschliesst.  Die  Basalabschnitte  der 
Stacheln  sind  durch  ein  spongiöses  Maschenwerk  von  Kieselfäden,  das  demnach  die 
beiden  inneren  Kugelschalen  völlig  umhüllt,  unter  einander  vereinigt.  Vergr.  ca.  200. 
Ib,  Junges  ganzes  Thier.  Die  Markschalc  sk  ist  im  Kern  n  eingeschlossen,  die  Einden- 
schale  sk'  dagegen  in  der  Centralkapsel  Ck;  das  spongiöse  Kieselwerk  zwischen  den 
Eadialstachelu  ist  erst  in  seinen  Anfängen  angelegt. 

2a — b.  Spongodictyum  trigonizon  Hck. 

2  a.  Ganzes    lebendes    Thier.      sk    die    kuglig    abgerundete    Oberfläche    des    spongiöscn 

Kiesclwerks,  welches  die  drei  inneren  Kiigelschalen  umhüllt;  Ck  die  rothe  Central- 
kapsel, mit  dem  sie  umhüllenden  e.\trakapsulären  Plasma,  das  zahlreiche  gelbe 
Zellen  enthält.     Vergr.  ca.  40—50. 

2  b.  Die  drei  concentrischen  Kieselgitterkugeln  des  Centrums  des  Skeletes  (sk — sk"),  durch 
Radialstäbe  verbunden.  Von  der  äusseren  Schale  entspringen  zahlreiche  Fortsätze, 
welche  in  das  spongiöse  Netzwerk  übergehen,  das  die  inneren  drei  Schalen  allseitig 
umhüllt.     Vergr.  ca.  400. 

3a — b.  Heliodiscus  Phacodiscus  Hck.     Kieselskelet. 

3a.  Ansicht  der  Schale  von  der  Breitseite,  sk"  die  äussere  abgeflachte  Kieselschale, 
deren  äquatorialer  Rand  in  zahlreiche  ansehnliche  Stacheln  allseitig  auswächst; 
sk'  die  innere  Gitterkugel. 

3b.  Ansicht  von  der  Schmalseite  auf  den  Aequator  der  äusseren  abgeflachten  Schale  sk", 
welclie  im  optischen  Durchschnitt  gezeichnet  ist;  sk'  die  innere  Kugel,  von  welcher 
sowohl  in  der  Aequatorialebne,  wie  zu  den  abgeflachten  Seitenflächen  der  äusseren 
Schale  zahlreiche  Radialstäbe  entspringen,  die  die  Verbindung  der  zwei  Schalen 
herstellen.     Mittelmeer.     Vergr.  ca.  240. 

4.  Heliodiscus  Amphidiscus  J.  M,  sp.  Jugendzustand.  Skelet.  Die  äussere  linsen- 
förmige Schale  sk"  ist  hier  erst  in  Gestalt  zweier  unzusammenhängender  Klaj^pen  an- 
gelegt, zum  Beweis,  dass  dieselbe  erst  nachträglich,  von  den  Radialstacheln  der  inneren 
Schale  ausgehend,  ihre  Bildung  nimmt.     Mittelmeer. 

5a — b.  Heliodiscus  (Astrosestrum  Hck.  18S1)  contiguus  Ehrbg.  sp.     Kieselskelet. 

5  a.  Ansicht  auf  die  Flachseite,  sk  die  Markschale,  sk'  die  innere  und  sk"  die  äussere, 
linsenförmige  Schale,  von  deren  äquatorialem  Rand  eine  Anzahl  ansehnlicher  Kiescl- 
stacheln  entspringen. 

5  b.  Ansicht  auf  den  Aequatorialrand.    Die  äussere  linsenförmige  Rindenschale,  im  opti- 

schen Durchschnitt  dargestellt,  zeigt,  dass  ihr  Zusammenhang  mit  der  inneren 
Rindenschale  nur  durch  eine  Anzahl  etwas  verzweigter  Stäbe  die  nach  der  mittleren 
Rejiion  der  Flachseiten  der  Linsenschale  laufen,  hergestellt  wird,  sk  die  Markschale. 
Barbados.     Vergr.  ca.  300. 

6a — b.  Periphaena  decora  Ehrbg.     Kieselskelet. 

6  a.  Ein  kleiner  Theil  des  äquatorialen  Randes  in  der  Ansicht  von  der  Flachseite,  zeigt 

den  äquatorialen  Saum  Sa  deutlich. 
6  b.  Ein  Stückchen   des  äquatorialen    Randes  im   optischen  Durchschnitt.     Sa  der  Saum, 
der  sich  zwischen  zwei  äquatorialen,  ansehnlichen  Porenreilien  (p)  erhebt.    Barbados. 
Vergr.  ca.  200. 

7.  Didymocyrtis  Ceratospyris  Hck.  Der  centrale  Theil  des  Skelets.  Zeigt  deutlich 
die  Markschale  sk  und  die  innere  Rindenschale  sk',  während  von  der  äusseren  Rinden- 
schale sk"  nur  ein  kleiner  Theil  im  optischen  Durchschnitt  gezeichnet  ist.  Mittclmcer. 
Vergr.  ca.  300. 


Figg.  1  a,  2a — b,  3  und  7  nach  Häckel  (Monographie) ;  Fig.  1  b  nach  Hertwig  (Organis- 
mus d.  Radiol.);  Fig.  4  nach  J.  Müller  (Abhandl.  1858);  Figg.  5  und  6  Originalia. 


R ö d i o  1  ciri ti    : S p h a e r i cl e a^ 


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Erklärung  von  Tafel  XXIII. 


J.  Didyuiocyrtis   Ceratospy ris   Hack.     Ganzes,    lebendes  Thicr.     Die  äussere  Kiiiden- 
scliale  (sk")  sowie  die  Centralkapsel  {Gk)  sind  deutlich  sichtbar;    zahlreiche  j;elbe  Zellen 
(gz)  in  der  extrakapsulären  Sarkode  vorhanden.     ^littelmeer.     Yergr.  ca.  350. 

2.  Ommatospyris  profunda  Elirbg.  Kicselskelet.  Eine  innere  Kugelschale,  wahrschein- 
lich die  erste  Eindeiiscliale  sk'  und  die  äussere  Rindenschale  sk"  sind  zu  erkennen. 
Philii^p.  Ocean.     Vergr.  ca.  200. 

."ja — b.  Echinosphaera  Datura  Hertw.  Kicselskelet.  3a  zeigt  nur  die  Eindenschale  sk', 
in  der  sich  zwei  weite  Löcher  finden  (1).  3  b  dasselbe  Skelet  um  90°  gedreht,  zeigtauch 
die  ]Markschale  sk  deutlicli.     Mittelmeer. 

4a — b.  Tetrapyle  octacantha  J.  M.  Skelet  eines  jungen  Thiers,  in  zwei  um  ilO°  gegen 
einander  verwendeten  Ansichten,  sk  die  Markscliale :  sk'  die  folgende  Kindenscliale, 
welche  jedcrseits  ein  Paar  grosse  Löcher  (1)  aufweist.  Die  äusseren  Känder  dieser  Löcher 
erheben  sich  briickcnartig  (jk")  über  den  Löcherpaaren  und  verschmelzen  bei  erwachsenen 
Formen  zu  einer,  je  ein  Löcherpaar  überspannenden  Brücke.  Hierdurch  entstehen  in  der 
Schale  vier  neue,  jedoch  um  90**  gegen  die  frülieren  verlagerte  Löcher,  von  deren  peri- 
pherischen Ländern  derselbe  Process  der  Brückenbildung  sich  wiederholen  kann.  Mittelmeer. 

5.  Lithocyclia  (Coccodiscus  Hck.)  Darwinii  Hck.  Etwas  über  die  Hälfte  eines  Skelets 
in  der  Flächenansicht  dargestellt,  sk — sk"  der  innere  dreischalige,  heliodiscus-ähnliche 
Kern,  um  welchen  sich  der  aus  den  äquatorialen  Abschnitten  zahlreicher  äusserer  Kugel- 
schalen bestehende  Scheibentheil  d  herumlcgt.  l\echts  ist  die  durchlöcherte  Decke  dieses 
Scheibentheils  gezeichnet,  links  dagegen  der  optische  Medianschnitt  der  Scheibe,  welcher 
die  Eingbalkcn  und  die  sie  verbindenden  radiären  Stäbe  zeigt.  Mittelmecr.  A'ergr.  ca.  1>0. 

0.  Lithocyclia  Ocellus  Ehrbg.  Skelet  in  der  Ansicht  auf  den  Scheibenrand;  haupt- 
sächlich der  optische  Durchschnitt  gezeichnet,  nur  bei  o  ein  kleines  Stück  der  Ubertiäche 
des  Scheibenrandes  ausgeführt,  sk — sk"  der  heüodiscus-artige  Kern;  d  der  Scheiben- 
theil, auf  dessen  optischem  Durchschnitt  die  einzelnen  nur  äipiatorial  ausgebildeten  Kugel- 
schalen deutlich  hervortreten.     Barbados.     A^ergr.  ca.  250. 

7.  Lithocyclia  Stella  Ehrbg.  Ein  Theil  der  äusseren  Peripherie  des  Scheibentheils  in 
der  Eandansicht.  Indem  sich  bei  dieser  Form  die  den  beiden  Scheibenflächen  zugekehr- 
ten Theile  der  den  Scheibentheil  zusammensetzenden  Kugelschalenpartien  in  ein  feines 
Schwammwerk  umbilden,  finden  sich  nur  zwei  regelmässige  Kämmerchenlagen  i^k)  in  der 
Aequatorialcbne  der  Scheibe,  beiderseitig  umhüllt  von  einer  dicken  Lage  Schwammwerk. 
Barbados. 

S.  Stylocyclia  (=  Stylocyclia  -)-  Auiphicyclia  Hck.  ISSl)  dimidiata  Ehrbg.  Skelet 
in  Flächenansicht,  etwas  zerbrochen,  sk'  die  innere,  sk"  die  äussere  Eindenschale  des 
heliodiscus-artigen  Kernes,  d  die  Scheibe,  auf  der  Ehrenberg  gar  keine  Poren  zeichnet. 
Barbados.     Vergr.  ca.  150. 

9.  Stylocyclia  sp. ?  Der  Heliodiscus-artige  Kern  im  optischen  Eadialschnitt,  zeigt  deut- 
lich die  drei  Gitterschalen  sk,  sk'  und  sk",  sowie  die  beiden  ansehnlichen  Aefpiatorial- 
stacheln  st,  welclie  hier  neben  den  zu  den  abgeplatteten  Scheibenflächen  tretenden  Eadial- 
stäben  noch  entwickelt  sind.  Von  dem  Scheibentheil  ist  nur  ein  erster  Eing  entwickelt, 
derselbe  war  daher  jedenfalls  erst  sehr  unvollständig  ausgebildet.  Barbados.  Vergr.  ca.  600. 

10.  Act  in  omma  Aristotelis  Ehrbg.  sk'.  sk"  der  heliodiscus-artige  Kern,  hierauf  folgt 
die  Scheibe,  welche  jedoch  hier  nur  unvollständig,  in  Gestalt  von  vier  kreuzförmig  ge- 
stellten Armen  entwickelt  ist.  Jedem  derselben  dient  ein  äquatorialer  Stachel  zur  Stütze, 
der  sich  über  den  Aussenrand  des  Annes  noch  eine  Strecke  frei  fortsetzt.  Einer  der 
Arme  ist  abgebrochen.    Barbados.     Vergr.  ca.  IGO. 

11.  Hymeniasfrum  Pythagorae  Ehrbg.  Skelet  in  Flächenansicht,  sk'  und  sk"  der 
heliodiscus-artige  Kern;  die  Scheibe  ist  nur  in  Gestalt  dreier  Arme  entwickelt,  deren 
Basen  durch  ein  abweichend  gebildetes  Kammerwerk  verbunden  sind.  Barbados.  Vergr. 
ca.   140. 

12.  ■?  Caryosphaera  (Hck.  1881)  polysphaerica  Btschli  n.  sp.  Ein  aus  vier  concen- 
trisclien  Gitterschalen  (sk— sk"')  zusammengesetztes  Exemplar.   Barbados.    Vergr.  ca.  350. 


Figg.  1  und  5  nach  Häckel  (IMonographie) ;  Figg.  3  und  4  nach  Hertwig  (Ürga-nismus); 
Fig.  2  nach  Ehrenberg  (Abhandlungen  18T2);  Figg.  8,  10  und  11  nach  Ehrenberg  (Abhand- 
lungen  1S75);  Figg.  G,  ",  9  und   12  Originalia. 


Radiolaria   (Sphaerideaj. 


Taf.XXm. 


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litkAnstyMmeritWinter/rnnkluft  '0. 


Erklärung  von  Tafel  XXIV. 


1.  Spongosphacra  pachystyla  Elirbg-.  ('?  =  Spongostyliiim  HcL  1S81).  Skclet  im 
optischen  Längssclinitt.  sk ,  sk'  und  sk"  der  au  Heliodiscus  erinnernde  Kern,  der  sich 
iuisseiJich  mit  einer  dicliten  Schwammhülle  umkleidet  (sp).  Die  Gestalt  ist  jedoch  nicht 
linsenförmig  wie  bei  Heliodiscus,  sondern  etwa  citronenförmig.  Barbados.   Vergr.  ca.  150. 

2.  Chilomma  Saturn  us  Ehrbg.  sk — sk"  die  drei  inneren  concentrischen  Gitterkugeln, 
sk'"  wahrscheinlich  eine  äusserstc  vierte  Schale  (pallium  nach  Ehrenberg),  welche  jedoch 
nicht  gegittert,  sondern  membranös.  hyalin  sein  soll.  Atlant.  Ocean  bei  Grönland.  Vergr. 
ca.  150. 

3.  Trcmatodi'scus  orbiculatus  H.  Skelet.  Flächenansicht  der  Scheibe.  Bei  x  in  der 
natürlichen  Verfassung;  bei  z  ist  die  dem  Beschauer  zugewendete  Scheibendeckc  weg- 
genommen, so  dass  die  concentrischen  Ringbalken  der  Scheibe,  sowie  die  abgewendete 
Scheibendeckc  deutlich  hervortreten.  Bei  y  sind  beide  Scheibendcckcn  entfernt,  so  dass 
nur  die  Ringbalken  mit  den  sie  verbindenden  Radialstäben  erhalten  sind.  Mitteimeer. 
Vergr.  ca.  ISO. 

4.  Tr  emat  odiscus  concontricus  Ehrbg.  Skelet,  randliche  Ansicht.  Nur  ein  kleiner 
Theil  der  OberlUichc  des  Eandes  ist  bei  x  gezeichnet,  sonst  wesentlich  der  optische 
Radialschnitt  der  Scheibe.  Das  Centrum  derselben  wird  von  zwei  sich  concentrisch  um- 
fassenden Gitterkugeln  gebildet;  hierauf  folgen  die  nur  in  der  äquatorialen  Zone  ausge- 
bildeten, unvollständigen  Kugeln,  welche  die  Scheibenringe  darstellen  und  l»ei  dieser  Form 
nach  der  Scheibenperipherie  kaum  an  Höhe  zunehmen.     Barbados.     Vergr.  ca.  380. 

5a — b.  Tremat odiscus  Häckelii  n.  sp.  Btschli.  Skelet.  5a  ein  kleiner  Ausschnitt  der 
Scheibe  in  der  Flächenansicht.  5  b  die  Scheibe  in  der  randlichen  Ansicht ;  nur  der 
optische  Radialschniit  ist  genauer  dargestellt  und  zeigt  auch  hier  wahrscheinlich  zwei 
centrale  sich  umfassende  vollständige  Gitterkugeln,  sowie  die  unvollständigen  Kugeln  der 
Scheibe,  welche  nach  der  Peripherie  an  Höhe  zunehmen,  so  dass  die  gesammte  Scheibe 
dadurch  beiderseitig  sehr  flach  trichterförmig  ausgehöhlt  erscheint.  Barbados.  Vergr. 
von  5  b  ca.  270. 

t).  Discospira  Operculina  Hck.  Skelet  in  der  Flächenansicht;  zeigt  den  spiraligcn  Ver- 
lauf der  Ringbalken  nach  der  Darstellung  Häckel's.     Mitteimeer.     Vergr.  ca.  20U. 

7.  Perichlamydium  spirale  Ehrbg.  Skelet.  7a,  der  innerste  Theil  der  Scheibe  in 
der  Fläche,  zeigt  die  innerste  Kugel  sk,  und  die  ümlagerung  derselben  von  nicht  mehr 
vollständigen  Ringen,  sondern  gegeneinander  abgesetzten  Ringtheilen.  Der  folgende  Ring, 
welcher  noch  eine  umfassende  Kugel  repräsentirt.  ist  aus  zwei  Tlieilen  (1  und  2)  zu- 
sammcügcsctzt;  der  hierauf  folgende  jedoch  schon  aus  vier  (3,  4,  5,  6)  und  ebenso  die 
folgenden.  In  den  Ringtheilen  4  und  6  ist  die  poröse  sogen.  Deckplatte  eingezeichnet, 
die  übrigen  dagegen  sind  nur  im  opt.  Durchschnitt  dargestellt.    Barbados.   Vergr.  ca.  300. 

8.  Stylodictya  multispina  Hck.  Flächenansicht  der  Scheibe.  Bei  x  sieht  man  die 
poröse  Deckplatte  der  Scheibe;  bei  z  ist  dieselbe  weggenommen,  doch  sieht  man  noch 
die  untere  Deckplatte,  bei  y  ist  auch  diese  entfernt,  so  dass  nur  die  Ringbalken  darge- 
stellt sind.     Mittelmeer.     Vergr.  ca.  200. 

9.  Sogen.  Stylodictya  ('?  =  Staurodictya  Hck.  1881)  ocellata  Ehrbg.  Etwas  unvoll- 
ständige Flächenansicht  der  Hälfte  eines  Exemplars.  Zeigt  eine  innerste  Kugel  sk,  welche 
von  einer  zweiten,  etwas  unregeluiässigen  umschlossen  wird;  hierauf  folgen  die  äquato- 
rialen Kugeln,  welche  hier  ungemein  deutlich  in  je  vier  Abschnitte  getheilt  sind.  Diese 
Abschnitte  sind  so  geordnet,  d.iss  ihre  Beriihrungbzonen  ein  reguläres  Kreuz  bilden  und 
durch  jede  dieser  Zonen  tritt  ein  sehr  ansehnlicher,  über  den  Scheibenrand  stark  vor- 
springender Stachel  hindurch.  Mit  Ausnahme  des  Radius  x  ist  nur  der  optische  Durch- 
schnitt mit  der  Anordnung  der  Ringbalkcn  gezeichnet.  Im  Radius  x  ist  die  Deckplatte 
eingezeichnet.     Barbados.     Vergr.  ca.  220. 

10.  Stylodictya  setigera  Ehrbg.  Skelet.  Ansicht  von  der  Fläche,  zeigt  deutlich  die 
do|  pclte  Spirale,  welche  nach  der  Auffassung  von  Ehrenberg  und  Stöhr  die  Ringbalken 
der  Scheibe  beschreiben  sollen ,  welche  Auffassung  jedoch  wohl  sicher  irrthümlich  ist 
und  auf  der  Missdeutung  einer  der  Fig.  9  entsprechenden  Bauweise  beruht.  Barbados. 
Vergr.   ca.  150. 

1 1.  Theil  einer  Stylodictya  ar  a  chnia  J.  ^I.  sp.  mit  den  Weichtheilen ;  die  Skelettheile  sind 
fast  unsichtbar  geworden  durch  Einlegung  des  Präparats  in  Glycerin.  Die  Centralkapsel  Ck 
reicht  bis  zum  Rand  der  Skeletscheibe  und  schliesst  diese  daher  fast  völlig  ein,  sogar 
der  ansehnliche  Nucleus  (n)  umschliesst  ausser  der  centralen  Kugelschale  noch  die  zweite 
und  einen  bedeutenden  Theil  der  dritten.  G  die  Gallerte,  von  zahlreichen  Pseudopodien 
und  einem  Skeletstachel  st  durchsetzt;  die  übrigen  Stacheln  sind  nicht  angedeutet,  da. 
wie  gesagt,  das  Skelet  grossentheils  unsichtbar  war.     Mittelmeer. 

Figg.  2  und  10  nach  Ehrenberg  (1872  und  1875  Abhandl.);  Figg.  3,  6,  8  nach  Häckel 
(Monographie);  Figg.   1,  4.  5,  7  und  9  Originalia;  Fig.  11   nach  Hertwig  (Organismus). 


"Radiolaria  (Sphaeridea). 


Taf.  XXIY. 


li>hJnar¥anerMnlir,Frmkfatt  "/H. 


Ei-klämng  von  Tafel  XXV 


1.  Periclilamydiu  m  limbatum  Ehibg.  (jiösücrc  Hälfte  einer  Scheibe  iii  Fläclieii- 
ansiclit;  d'  der  diese  GatUmg  auszeicluiende  äussere  Saum.  Vergr.  ca.  260.  Siciliani- 
sclier  Tripel. 

2.  Kliopalastruui  truiicatum  Hck.  Skelct  in  Flächenansicht.  Das  Dritttlicil  y  iu  natür- 
licher BebchaHenhcit;  im  Drittthcil  z  dagegen  ist  die  obere,  im  Drittthcil  x  sind  die  beiden 
Deckplatten  der  Scheibe  entfernt.     Vergr.  ca.  200. 

3.  Euchitonia  ^'irchowii  Hck.  Ganzes  lebendes  Thier.  Die  Ceutralkapsel,  welche  zahl- 
reiche Oelkugeln  enthält,  umschliesst  die  centrale  Scheibe  sammt  ihren  drei  Armen  voll- 
ständig, h  das  zwischen  den  Armen  sich  ausbreitende  Flechtwerk ;  sg  die  sogen.  Sarkode- 

geissel.     Mittelmeer.     Yergr.  ca.  175. 

4a — d.  Stephanastriiui  Ehombus  Ehrbg.  Skelet.  -ia  Flächenansicht;  der  untere  Theil 
abgebrochen.  Fig.  -Ib  optischer  Durchschnitt  der  Ccntralscheibc  senkrecht  zur  Scheiben- 
Jläche;  zeigt  deutlich  clie  Zusammensetzung  der  Scheibe  aus  innerster  (sk)  und  zweiter 
(äk')  vollständiger  Gitterkugel,  worauf  noch  zwei  unvollständige  Kugeln  (sk"  und  sk'")  fol- 
gen. Hierauf  erheben  sich  die  Arme.  —  4  c  zerbrochne  Scheibe  mit  zwei  erhaltnen 
Armbasen.  Die  Scheibe  zeigt  auch  iu  der  Flächenansicht  die  schon  bei  4  b  geschilderte 
Zusammensetzung.  Die  Arme  zeigen  den  eigenthiimlichen  Bau,  dass  sich  von  einer 
stachelartigen  Mittelachse  (st)  allseitig  zahlreiche  Eadiärstäbe  erheben ,  welche  einen 
äusseren  porösen  Mantel  des  Armes  stützen.  Fig.  4d  Arm  im  optischen  Querschnit',, 
zeigt  deutlich  die  Achse  st,  sowie  den  Mantel  und  die  zwischen  beiden  Theilen  sich 
ausspannenden  Eadialstäbe.     Barbados.     A'ergr.  von  4  a  ca.  130. 

5.  Histiastrum  t|uatcruarium  Ehrbg.  Skelet.  Flächenansicht.  Unterer  Arm  abge- 
brochen,   h  das  die  Armbasen  verbindende  Kammerwerk.     Barbados.     Vergr.  ca.  IbO. 

li.  Lithelius  Alveolina  Hck.  Optischer  Querschnitt,  senkrecht  zur  Achse  der  angeb- 
lichen Spiralen  Aufrollung.  sk  die  centrale  Gitterkugelschale,  von  welcher  die  nach  Häckel 
spiralige  Gitterlamelle  entspringt.     Mittelmeer.    Vergr.  180. 

7.  Lithelius  primordialis  Hertw.  Skelet;  sk  die  Gitterkugelschale,  sk'  die  spiraligv 
(■iitterlamelle,  welche  von  dieser  ihren  Ursprung  nimmt.     Mittelmeer. 

S.  Lithelius  (Stylodictya  Ehrbg.)  Echiuastrum  Ehrbg.  sp.  Skelet.  Sa  optischer  Durch- 
schnitt in  der  Eichtung,  wo  die  eigenthümliche  Zusammensetzung  der  sich  umhullendeu 
Schalenlamellen  am  deutlichsten  hervortritt.  Die  Zusammensetzung  zeigt  sich  ganz  ent- 
sprechend der  schon  bei  gewissen  Stylodictyen  beobachteten,  nur  ist  hier  jede  der  sich 
umfassenden  Kugelschalen  nicht  aus  vier,  sondern  nur  aus  zwei  Abschnitten  zusammen- 
gesetzt, b  dasselbe  Skelet  um  90"  gedreht,  wo  sich  sämmtliche  Schalen  durchaus  con- 
centrisch  umfassen.     Barbados.     Vergr.  ca.  300. 

9.  Ommatodiscus  Häckelii  Stöhr.  Skelet.  Bei  x  im  optischen  Medianschnitt,  bei  y  die 
äussere  Oberfläche  (sogen.  Deckplatte),  bei  z  das  innere  Gerüstwerk  nach  M'egnahme  der 
Deckplatte,  o  der  durch  stärkere  Stachelbildung  ausgezeichnete  Pol.  l^ach  eigenen  Beob- 
achtungen ähnlicher  Formen  von  Barbados  gehört  diese  Form  nicht  zu  den  Disciden.  oder 
Monopylarien,  sondern  in  die  Nähe  von  Lithelius.  Sicilien. 
10.  Ommatocampe  Ehrbg.  sp.?  Skelet.  sp  das  spongiöse  Kieselnetz,  welches  die  kleine 
Scheibe  mit  ihren  zwei  Armen  äusserlich  umhüllt.     Barbados.     Vergr.  ca.   150. 


Figg.  2,  i'j  und  6  nach  Üäckel  (Monographie);  Figg,  1  und  9  nach  Stöhr  (Palaeonto- 
graphica  1880);  Figg.  4a  und  5  nach  Ehrenberg  (Abhandl.  1875);  Figg.  4b— d.  8  und  10 
Originalia;   Fig.  7  nach  Hertwig  (Organismus). 


Radiolaria  (Sphae ridea). 


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Taf.XXV. 


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Eikläniug  von  Tafel  XX\'I. 


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]a — b.  ?  Spoii  gotroclius  (Hclij  Elirenberg^i  n.  sp.  Skelet.  la  optischer  Radialschnitt 
senkrecht  zur  Aeqiiatorialebne  des  etwa  dick-linsenförmigen  Schwauimkörpers ;  zeigt  sehr 
deutlich  die  concentrisclie  Umlagerung  der  zahlreichen  Schalenlagen.  1  b  Ansicht  von 
der  Fläche;  bei  y  die  Oberfläche  dargestellt;  bei  x  der  optische  Durchschnitt  in  der 
Aequatorialebne,  der  gleichfalls  die  concentrische  Umfassung  der  Schalenlagen  sehr  deut- 
lich zeigt.     Barbados.     Vergr.  ca.  300. 

2.  '?  Spongotrochus  oder  S p o n g o  1  o n c h e  (Hck.)  (Sj^ongosphaera  Ehrbg )  rhabdostyla 
Ehrbg.  sp.  Ansicht  der  Schmalseite  des  etwa  dick-scheibenförmigen  Schwammkörpers. 
Auch  hier  schimmert  die  concentrische  Umfassung  der  zahlreichen  Schalenlagen  im  op- 
tischen Schnitt  sehr  deutlich  durch.     Barbados.     Vergr.  ca.  800. 

^.  Stylospongia  (Stylospoiigidium  Hck.  ISSl)  liuxleyi  Hck.  Ganzes,  lebendes  Thier. 
Man  bemerkt  sehr  deutlich  die  trematodiscus-artige  Scheibe  und  deren  peripherische 
spongiöse  l'ortsetzung  (sp).  Die  Centralkapsel  schliesst  fast  das  gcsammte  Skelet  ein. 
Mittelmeer.     Vergr.  ca.  250. 

4.  Spongocyclia  (Hck.  ISOl  =  ?  Perispongidium  ISSl)  Charybdaea  Hck.  Ganzes, 
lebendes  Thier  mit  sogen.  Sarkodegeissel  sg.     Mittelmeer.     Vergr.  ca.   150. 

h.  Stylactis  Zittelii  Stöhr.  Skelet  in  Flächenansicht.  Tripel  von  Grotte  in  Sicilien. 
Vergr.  ISO. 

6.  Spongasteriscus  quadricornis  Hck.  Ganzes,  lebendes  Thier  mit  sogen.  Sarkode- 
geissel (sg)  in  Flächenansicht.     Mittelmeer.     Vergr.  ca.  180. 

7.  Spongodiscus  mediterranen  s  Hck.  7a  Skeletscheibe  in  Flächenansiclit.  7b  die- 
selbe in  randlicher  Ansicht.     Mittelmcer.     Vergr.  ca.  400. 

8.  Spongurus  cylindricus  Hck.    Ganzes,  lebendes  Thier.    Mittelmcer.    Vergr.  ca.  220. 


Figg.   1  und  2  Origiiialia:   Figg.  3.4,  C— 8  Häckel   (Monographie'^ ;    Fig.  5    nach  Stöhr 
(Palacontograiihica  1880). 


Ttadiolaria  (Sphaendea) 


Taf.XXYI. 


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Erklärung  von  Tafel  XXVII. 


Fig. 

1.  Rh  opalodictyum  ab3'"SSoriim  Ehrbg'.  Skclet.  Flächenaiisicht.  Philippin.  Ocean. 
Vergr.  ca.  200. 

2.  Dictyocoryne  profunda  Ehrbg.  Flächenansicht  des  Skeletes.  Philippin.  Ocean. 
Vergr.  ca.  100. 

3.  Ommatogramma  (=  '?  Spongobrachium  Hck.  l'iSl'  navicularis  Ehrbg.  Skelet. 
Californischer  Ocean.     Vergr.  ca.  200. 

4.  Acanthometra  elastica  Hclu  Ganzes,  lebendes  Thier.  g  die  Gallerte.  Ck  die  Central- 
kapsel.  Man  bemerkt  die  Axenfäden  der  Pseudopodien,  welche  bis  zum  Stachelkreuz  im 
Centrum  der  Centralkapsel  zu  verfolgen  sind,     gc  die  Gallcrtcilicn.     Mittelmoer. 

4a.  Amphilon  ch  e  belon  oides  Hck.  Kern,  dessen  Nuclcolus  sich  ans  zwei  dillercnten  Sub- 
stanzen zusammensetzt  und  an  dem  eine  Einstülpung  der  Kernmembran  hervortritt. 
4b.  Acanthometra  serrata   Hck.     Achnlicher  Kern,    wie    in  vorhergehender  Figur  ab- 
gebildet, jedoch  ohne  Zweifel  weiter  vorgcschrittnes  Ausbildungsstadium. 
4c.  Acanthometra  sp.?     Kern.     Wahrscheinlich  hervorgegangen  aus  einem  Zustand,  wie 
4b;  Nucleolus  verschwunden  und  die  Einstülpung  der  Membran  rückgebildet,   dagegen 
die  Kernwände  sehr   verdickt   und  gelappt,    sowie    mit    zahlreichen    Einlagerungen    ver- 
sehen, 
5a — b.  Acanthometra  Claparedei  Hck. 

5a.  Centralkapsel   mit  den   centralen  Theileu  der  Stacheln,   die  im  Centrum  der  Kapsel 

zusamuienstosseh.    h  kleine  Zellkerne;  gz  intrakapsuläre  eigenthi'imliche  gelbe  Zellen. 

5  b.  Centralkapsel  mit  umhüllender  Gallerte  fg),  im  üebergang  vom  einkernigen  in  den 

mehrkernigen  Zustand  begriffen;  n'  grosse  Kerne  mit  zahlreichen  Nucleolen.  n  kleine 

Kerne,  je  mit  einem  Nucleolus.     Mittelmeer. 

I).  Acanthometra  (üntergatt.  Phyllostaurus  Hck.)  ciispidata  Hck.  Ein  isolirter  Stachel. 

Vergr.  ca.  250.     Mittelmeer. 
7.  Amphilonche  messanensis  Hck.  Ganzes,  lebendes  Thier.  Mittelmeer.   Vergr.  ca.  200. 
Sa.  Acanthostaurus  sp.?    Jugendliche  Centralkapsel   mit  einem  Kern  n.     Skeletstacheln 

abgebrochen.     Mittelmeer. 
8b.  Acanthostaurus  hastatus  Hck.  Ganzes,  lebendes  Thier.  Polare  Ansicht,  ac  Aequa- 
torialstacheln .   t  die  vier  dem  Beschauer  zugewendeten  Tropenstacheln,   p  die  vier  ent- 
sprechenden Polstacheln.     Vergr.  ca.  450.     Mittelmeer. 
0.  Xiphacantha  serrata  Hck.     Isolirter  Stachel.     Vergr.  ca.  250. 

10.  Lithoptera  Mülleri  Hck.  Ganzes,  todtes  Thier,  mit  den  vier  eigenthümlichcn,  gitter- 
förmig  geflügelten  Aequatorialstacheln  (ae).  Ckdie  Centralkapsel.  Mittelmeei'.  Vergr.  ca.  150. 

11.  Diploconus  Fasces  Hck.  Ganzes,  lebendes  Thier.  Polare  Ansicht,  ae  die  Aequa- 
torialstacheln .  von  welchen  zwei  sehr  verlängert  und  von  den  durch  Verwachsung  der 
Tropenstacheln  entstandenen  zwei  kegelförmigen  gestreiften  Scheiden  umgeben  sind,  p  die 

kurzen  Polarstacheln.     Mittelmeer.     Vergr.  ca.  300. 
12a  und  b.  Acanthochiasma   rubescens   Hck.     Eine  Stachelspitze  mit  der  sich  um  sie 
erhebenden   contractilen   Membran  (entsprechend  den  Gallertcilien  der  übrigen  Acantho- 
metreen);  a  dieselbe  im  contrahirten,  b  im  ausgedehnten  Zustand. 


Figg.  1—3    nach    Ehrenberg   (Abhandl.  1872);    Figg.  4,5,   8a  und  12    nach    Hertwig 
(Organismus);  Figg.  6,  7,  Sb,  9—11  nack  Häckel  (Monographie). 


Radiolaria  (Sphaeridea  xi-Acanthoinetrca). 


Tar  xxi^n. 


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Utk Jmt.r.Vemer ^Winter,  fmnlifun'^/M. , 


I 


Erklänmg  von  Tafel  XX\'UI. 


1.  Litholoplius  Khipidium  HcL  Ganzes,  todtes  Tliicr.  g  Gallerte,  Gk,  Geutralkapsel. 
Mittelmeer.     Yergr.  ca.  260. 

2.  Astrolitliium  dicopum  H.  Skelet  isolirt;  zeigt  deutlich  die  Verschmelzung  der 
20  Stacheln  im  Centrum.     Vergr.  ca.  260. 

3.  Acanthochiasma  ruhescens  Hck.  Kleines  Stück  der  Oberfläclie  der  Gallerte;  in 
der  Mitte  tritt  eine  Stachelspitze  st  hervor;  stf  die  feinen,  in  polygonalen  Figuren  ver- 
laufenden Stiltzfasern  der  Gallerte,  durch  welche  die  Pseudopodien  hindurchtreten.  Man 
bemerkt  weiterhin  das  feine  Protoplasmanetz  der  Gallertoberlläche. 

4.  Acanthochiasma  fusiforme  Hck.  Ganzes  Thier,  todt.  Ck  Centralkapsel ;  g  Gallertc. 
Mittelmeer.     Yergr.  ca.  200. 

5a — b.  Dorataspis  loricata  Hck. 

5  a.  Ganzes,  lebendes  Thier.     Ck,  Centralkapsel.     Mittelmeer.     Vergr.  ca.  200. 
5  b.  Ein  isolirter  Stachel.     Yergr.  ca.  üOO. 

6.  Haliommatidium  (?  Phatnaspis  Hck.  1881)  Miilleri  Hck.  Ganzes,  todtes  Thier. 
Die  20  Gitterplatteu  der  Schale  sind  noch  nicht  zusammengewachsen,  gz  gelbe  Zellen. 
Mittelmeer.     Vergr.  ca.  150. 

7.  Aspidomma  (==  Tessaropelma  Hck.  1881)  Hystrix  J.  M.  sp.  Ein  isolirter  Stachel 
mit  den  Fortsätzen,  welche  die  innere  und  äussere  Gitterkugel  bilden.    Mittelmeer. 

8.  Cystidium  iucrme  Hertw.  Lebendes  Thier.  Nackte  Centralkapsel  Ck,  mit  Kern  (n) 
und  ansehnlicher  Anhäufung  der  extrakapsulären  Sarkode  vor  dem  Porenfeld.  Zahlreiche 
gelbe  Zellen  (gz)  vorhanden.     Mittclmeer. 

9.  Zygocircus  (Btschli  1881)  productus  Hertw.  ap.  Ganzes,  todtes  Thier.  a  die  vor- 
dere, b  die  hintere  Hälfte  des  primären  Skeletringes. 

In  allen  Ahbildungen  von  Monopylarienskeleten  bezeichnet  a  die  vordere,  b  die  hin- 
tere Hälfte  des  Primärrings,  c  dessen  Basaltheil,  welcher  die  hinteren  BasallöcLer  1 
scheidet.  Die  vorderen  Basallöcher  sind  mit  H  und  der  Stab  zwischen  vorderem  und 
hinteren  Basalloch  jeder  Seite  ist  mit  e  bezeichnet.  Bezüglich  der  schwierigen  systema- 
tischen Benennung  der  Stephid-  und  Cyrtidformen  habe  ich  mich  zunächst  an  die  von 
mir  1881  (Nr.  38)  formirten  Gruijpen  gehalten,  jedoch  stets  den  Gattungsnamen,  unter 
welchem  die  betreffende  Form  ursprünglich  aufgestellt  wurde,  beigefügt.  Ebenso  habe 
ich,  wo  dies  mir  möglich  schien,  die  Gattung,  zu  welcher  die  betreffende  Form  im 
Häckel'schen  System  von  1881  (Nr.  37)  gehört,  in  Klammer  beigefügt. 
9a.  Lithocircus  annularis  (?  J.  M.)  Hertw.  Lebendes  ;Thier.  pf  das  Porenfeld  der 
Centralkapsel  Ck.    Mittelmeer. 

10.  Stephanoli this  (?  Lithocoronis  Hck.  oder  Dyostephaniscus  Hck.  1881)  spinescens 
Ehrbg.  Seitenansicht,  a  vordere  Einghälfte,  b  hintere,  c  Basaltheil  des  ßinges,  e  und  e' 
seitliche  Fortsätze,  c^  Medianfortsatz,  welcher  die  Basallöcher  I  von  einander  scheidet. 
Vergr.  200. 

11.  Stephanolithis  Häckelii  Btschli.  Vorderansicht  etwas  nach  vorn  geneigt,  Basis 
oben.  Durch  Zutritt  der  Fortsätze  c*  ist  das  zweite  Paar  der  Basallöcher  (II)  gebildet. 
Yergr.  200. 

12.  Acanthodesmia  (?  Zygostephaniscus  Hck.  1881)  Hertwigii  Btschli.  Basalansicht. 
Der  Sekundärring  f  ist  zum  Primärring  a  b  c  zugetreten. 

13.  Dictyospyris  (Ceratospyris  Ehrbg.)  pentagona  Ehrbg.  sp.  Skelet.  Indischer  Oceau 
i^bei  Afrika).     Vergr.  150. 

14.  Dictyospyris  Gigas  Ehrbg.  (sehr  wahrscheinlich).     Basalansicht.     Vergr.  240. 


Figg.  1,  2,  4,  o,  6  nach  Häckel  (Monographie);  Fig.  7  nach  J.  Müller  (Abhaüdl.  Ia58); 
Figg.  3,  8,  9  und  9a  nach  Hertwig  (Organismus) ;  Figg.  10—12  und  14  Bütsclili  ^Zeitschr. 
f.  wiss.  Zool.  36V,  Fig.  13  nach  Ehrenberg  (Abhandl.  1872). 


Radiolaria  (Acanthometrea  u.MQUopylaria). 


TafXXVni, 


< 


IS"-; 


\oO  0 


LUhJmt.  r.WfrmriMnter,FranJifurt''/l{. 


Erklärung  von  Tafel  XXIX. 


Fig. 
1.  Dictyospyris   Gigas   Ebrbg.   (solir  wahrscheinlich).      Ojitischer   Durchschnitt  in   tler 

Sagittalehcne,  um  den  Primärring  abc  zu  zeigen.    Vergr.  ca.  300.     Barbados. 
2a — b.  Sp  iridobotrys  trinacria  Hck.    Todtes  Thier.     a  in  Ansicht  von  der  Breitseitä; 

b  Basalansicht  mit  den  vier  Basallöcliern.  Gk  Centralka2)sel,  gz  gelbe  Zellen.  Yergr.  ca.  fiOO. 

8.  Sogen.  Ceratospyris  Fibula  Ehrbg.     Skclet.     Vergr.  ca.  200.     Barbados. 

4a — b.  Ceratospyris  (Petalospyris  Hck.  1881)  setigera  Ehrbg.  a  Basalansicht,  b  Seiten- 
ansicht.    Vergr.  300.     Barbados. 

5  Ceratospyris  (Cladospyris  Ehrbg.,  Acrospyris  Hck.  ISSl)  tribrachiata  Ehrbg. 
Skelet  in  Breitseitenansicht.     Vergr.  200.     Barbados. 

ßa— b.  Petalospyris  Argiscus  Ehrbg.  a  Seitenansicht,  b  Basalansicht.  Vergr.  200. 
Barbados. 

7a — b.  Petalospyris  (Desmospyris  Hck.  ISSl)  anthocyrtoi  d  es  Btschli.  a  Seitliche 
Ansicht,  b  Basalansicht,  um  die  Bildung  der  Köpfchenbasis  zu  zeigen.  Vergr.  200. 
Barbados. 

S.  Clathrocanium  coarctatum  Ehrbg.     Skelet.     Philippinischer  Ocean.     Vergr.  300. 

9.  Dictyophimus  Tripus  Hck.  Ganzes  lebendes  Thier  mit  der  Centralkapsel  Ck.  Vergr. 
ca.  300.     Mittelmeer. 

10.  Dictyophimus  Cralicula  Ehrbg.  Apicalansicht.  Die  Peripherie  des  1.  Glieds  un- 
vollständig.    Vergr.  200.     Barbados. 

11.  Eucecryphalus  (Eucyrtomphalus  Hck.  1881)  Schultzei  Hck.  Ganzes,  lebendes  Thier, 
etwas  von  unten  gesehen;  zeigt  deutlich  die  vierlappige  Centralkapsel.  Mittelmeer. 
Vergr.  ca.  200. 

12a— b.  Eucecryphalus  (Lamprodisculus  Hck.  1881)  laevis  Hertw.  a  Ansicht  des  Apex 
der  Schale;  vom  Köpfchen  ist  nur  die  Basalfläche  gezeichnet;  das  erste  Glied  nur  un- 
vollständig wiedergegeben,    b  die  vierlappige  Centralkapsel  mit  einem  Kern  [n].   Mittelmeer. 

13a— b.  Eucecryphalus  Gegenbauri  Hck.  a  Skelet  in  Hinteransicht,  b  der  apicale 
Theil  des  Skelets  im  optischen  Durchschnitt  mit  der  Centralkapsel  Ck ,  an  welcher  vier 
Lappen  sichtbar  sind,  auch  bemerkt  man  das  Porenfeld  pf  und  den  Kern  n.  Mittelmeer. 

14a— b.  Arachnocorys  circumtexta  Hertw.  a  Ganzes  Thier  mit  der  vierlaiipigen 
Centralkapsel  Ck.  Das  Skelet  des  Köpfchens  im  optischen  Durchschnitt,  b  Junges  Skehit 
in  Basalansicht,  das  erste  Glied  nur  durch  Stacheln  repräsentirt.     Mittelmeer. 


Figg.  1,  4,  6,  7.  10  nach  Bütschli  (Zeitsch.  f.  wiss.  Zaol.  XXXVl) ;  Figg.  2,  9,  11  nach 
Häckel  (Monographie);  Figg.  3  und  8  nach  Ehrenberg  (Abb.  1870  und  1872);  Figg.  12,  13 
und  14  nach  Hertwig  (Organismus). 


Radiolaria  IMoiiopylari a 


Taf  XXIX. 


lith.Aiist.  fr  Warer^l^ntcr^fmnkfart  yU. 


Erkläi-una  von  Tafel  XXX. 


Fig. 
la — b.  Lithomclissa  Hertwigii  Btschli.  a  Nahezu  Hinteransicht,  Apicalstachel  wahr- 
sclicinlich  abgebrochen,  b  Ai)icalansicht,  nur  die  Köpfclienbasis  ausgeführt,  von  der  auf- 
steigenden vordem  Hälfte  des  Primärrings  a  gehen  drei  seitliche  Aeste  (h)  aus,  welche 
sich  an  die  Köpfchenwand  begeben,  g  Die  stabartigen  Ursprünge  der  drei  Stacheln  des 
1.  Gliedes,  noch  innerhalb  dieses  eingeschlossen.  Vergr.  200.  Barbados. 
2.  Lithomelissa  (Sethopera  Hck.  1881)  microptera  Ehrbg.  Halbseitliche  halbvordre 
Ansicht.     Yergr.  200.     Barbados. 

3a — c.  Lithobotrys  geminata  Ehrbg.    a  Seitliche  Ansicht,    b  Köpfchenbasis,    c  Hinter- 
ansicht.   Vergr.  200.     Barbados. 

4.  Botryocyrtis    Caput    serpentis    Ehrbg.     Skelet.     Indischer    Occan    (bei    Afrika). 
Vergr.  200. 

5.  Botryocampe  hexathalamia  Hck.     Skelet.     Mittelmeer.     Vergr.  2ü0. 

6.  Pterocanium  Proserpinae  Elirbg.     Skelet.     Vergr.  150.     Mittelmccr. 

7a — b.  Lychnocanium  tetrapodium  Ehrbg.  Skelet.    a  Ansicht  von  vorn,   b  Köpfchen- 
basis in  Apicalansicht     Barbados.     Vergr.  von  7a  ca.  200. 

8.  Lychnocanium  (^Lithomelissa  Ehrbg.,  "PTetraedrina  Hck.  1881)  ventricosum  Ehrbg. 
sp.     Skelet.     Barbados.     Vergr.  ca.  130. 

9.  Lithornithium  (Theopera   Hck.  1881)  Luscinia  Ehrbg.     Skelet.     Barbados.     Vergr. 
ca.  130. 

10.  Ivhopalocanium  (=  Pterocanium  Ehrbg.  =  ? Tetrapera  Hck.  1881)  Bombus  Ehrbg. 
sp.    Skelet  in  nahezu  Vorderansicht.     Vergr.  ca.  150.     Barbados. 

11.  Podocyrtis  (Thyrsocyrtis  Ehrbg.)  Khizodon  Ehrbg.  sp.  Skelet.  Barbados.  Vergr. 
ca.  150. 

12.  Podocyrtis  Eulophus  Ehrbg.     Skelet.     Barbados.     Vergr.  100. 

13.  Podocyrtis  cothuruata  Ehrbg.     Skelet.     Barbados.     Vergr.  130. 

14a — b.  Podocyrtis  Princeps  Ehrbg.   Köpfchen,   a  seitliche  Ansicht,  b  Basis.  Barbados. 
15.  Cycladophora  spatiosa  Ehrbg.     Skelet.     Barbados.     Vergr.  150. 
IC.  Cycladophora   stiligera  Ehrbg.    (zu  meiner  Thyrsocyrtisgruppe,  siehe  Nr.  38,  ge- 
hörig).    Skelet.     Barbados.     Vergr.  ca.  130. 

17.  Eucyrtidium  Alauda  C-'^Axocorys  Hck.  18SD  Ehrbg.    Skelet.   Barbados.   Vergr.  100. 

18.  Eucyrtidium  (üictyomitra  Zitt.)  excellens  Ehrbg.  Skelet.  Barbados.  Vergr. 
nahezu  1 50. 

19.  Eucyrtidium  (ialea  Hck.  Ganzes  Thier.  Skelet  im  optischen  Durchschnitt.  Von  der 
ansehnlichen  Centralkapsel  Ck  sind  zwei  der  drei  sehr  verlängerten  Lappen  zu  sehen,  mit 
dem  sehr  ausgezognen  Porenfeld  (pf);  n  der  Kern.     Mittelmeer.  v 

20.  Eucyrtidium  (Lithocampium  Hck.  1881)  multiseriatum  Ehrbg.  Skelet.  Philip- 
pinischer Ocean.     Vergr.  ca.  150. 

21.  Eucyrtidium  (Eucyrtis  Hck.  1S81)  auritum  Ehrbg.  Skelet.  Tripel  von  Grotte  in 
Sicilien.     Vergr.  ca.  200. 

22.  Eucyrtidium  (Lithocampe  Ehrbg.)  Clava  Ehrbg.  sp.    Skelet.     Barbados.    Vergr.  150. 

23.  Eucyrtidium  (Lithocampe  Stöhr,  Stichocapsa  Hck.  1881)  subligatum  Stöhr  sp.  Skelet. 
Tripel  von  Sicilien.     A'ergr.  ca.  120. 

24.  Lithostrobus  Bütschli  1881  (Nr.  38)  (Eucyrtidium  Ehrbg.,  Eucyrtis  Hck.  1881) 
cuspidatum  Bailey  spec.     Skelet.     Davisstrasse.     Vergr.  ca.   100. 

25.  Litbomitra  Bütschli  1881  (Nr.  38)  (Eucyrtidium  Ehrbg.)  paupera  Ehrbg.  sp.  Skelet 
in  seitlicher  Ansicht.     Barbados.     Vergr.  ca.  300. 

26.  Lithomitra  (^Eucyrtidium  Ehrbg.)  Pachyderma  Ehrbg.  sp.  Skelet.  Barbados. 
Vergr.  150. 


Figg.  1,  2,  3  u.  14  nach  Bütschli  (1881,  Z.  f.  w.  Zool.  Bd.  36);  Figg.  4,  6,  20,  24  nach 
Ehrenberg  (1872);  Figg.  9,  11—13,  15—18,  22  und  26  nach  Ehrenberg  (Abhandl.  1875); 
Fig.  5  nach  Häckel  (Monographie);  Fig.  19  nach  Hertwig  (Organismus);  Figg.  21  u.  23  nach 
Stöhr  (^Palaeontographica  1880);  F'igg.  7  und  10  Originalia. 


Radiolaria  (Monopylaria). 


TafXXX, 


IMjinstxVemerirMimr/rankfurt'yM. 


Erklärung  von  Tafel  XXXI. 


Fig. 

1.  Sogen.  Eucyrtidium  biauritiim  Ehrbg.  Skelet  in  seitlicher  Ansicht.  Barbados. 
Vergr.  ca.  200. 

2a — b.  Pterocyrtidiuui  Btschli  (Pterocaiii um  Ehrbg.)  barbadeiise  Ehrbg.  sp.  a  Skelet 
in  Vorderansicht,  b  In  Apicalansicht,  um  die  Köpfchenbasis  zu  zeigen,  st  Apicalstacliel. 
Vergr.   ca.  200.     Barbados. 

3.  Lithopera  (Eucyrtidium  Ehrbg.  =  Theosyringium  Hck.  18S1)  Sipho  Ehrbg.  sp. 
Skelet.     Barbados.     Vergr.  ca.  130. 

4.  Lithochytris  Vesper  tili  o  Ehrbg.     Skelet.     Vergr.  ca.  'JO. 

5.  Anthocyrtis  hispida  Ehrbg.   Skelet  in  seitlicher  Ansicht.   Vergr.  ca.  200.  Barbados. 

6.  Anthocyrtis  ophirensis  Ehrbg.  Skelet.  Vergr.  ca.  150.  Indischer  Ocean  bei 
Zanzibar. 

7.  Anthocyrtis  V  (Eucyrtidium  Ehrbg.  =  Sethocorys  Hck.  ISSl)  Ficus  Ehrbg.  sp. 
Skelet.     Barbados.     Vergr.  ca.  90. 

8.  Cryptoprora  ornata  Ehrbg.     Skelet.     Barbados.     Vergr.  ca.  200. 

9.  Calocyclas  (?  =  Clathrocyclas  Hck.  1881)  Turris  Ehrbg.  Skelet.  Barbados. 
Vergr.  ca.  75. 

10a— b.  Dictyoccphalus  ?  obtusus  Ehrbg.  a  Seitliche  Ansicht,  b  Köpfchenbasis. 
Vergr.  ca.  200.     Barbados. 

11.  Lophophaena  (?  =  Conarachnium  Hck.  1881)  larvata  Ehrbg.  Skelet.  Barbados. 
Vergr.  150. 

12.  Cyrtocalpis  Amphora  Hck.     Schale.     Mitteluieer.     Vergr.  ca.  200. 

13a — c.  Carpocanium  Diadema  Hck,  a  Ganzes,  lebendes  Thier,  mit  dreilai^piger  Central- 
kapsel  Ck.  Mittelmeer.  Vergr.  ca.  350.  b  Centralkapsel  mit  Nucleus  u,  OelKugeln  oc 
und  Porenfeld  pf;  das  Skelet  sk  im  optischen  Durchschnitt,  c  Der  Apicaltheil  des  Skelets 
im  optischen  Sagittalschnitt,  zeigt  die  beiden  Hälften  des  Priuiärrings  (a,  b)  des 
Köpfchens. 

14a — b.  Ceratocyrtis  (Cornutella  Ehrbg.  =  Cormitellium  Hck.  1881)  cucullaris  Ehrbg. 
sp.  a  Hinteransicht,  b  Apicalansiclit.  h  zwei  seitliche  Stäbe,  welche  von  der  Mitte 
der  Vorderhälfte  des  Primärrings  a  entspringen ;  g  absteigende  Fortsätze  der  Stäbe  e,  so- 
wie der  vorderen  und  hinteren  Hälfte  des  Primärringes.     Barbados.     Vergr.  ca.  180. 

15.  Li tharachnium  ('?  =  Cinclopyramis  Hck.  1881)  Tentorium  Hck.  Skelet  mit  Cen- 
tralkapsel (Ck).     Mittelmeer.     Vergr.  100. 

10a — c.  Litharachnium  (Cornutella  Ehrbg.,  ?  =  Bathropyramis  Hck.  1881)  «luadra- 
tellum  Ehrbg.  sp.  Skelet.  a  Hinteransicht,  b  Köpfchenbasis,  c  Seitenansicht  des  Köpf- 
chens.   Barbados.     Vergr.  ca.  200. 

17.  Cornutella  (=  Cornutanna  Hck.  1881)  longiseta  Ehrbg.  Skelet.  Barbados  und 
recent.     Vergr.  150. 

17a.  Plagiacantha  abietina  Hertw.  Lebendes  Thier;  Ck  Centralkapsel  mit  Kern  (n). 
Mittelmeer. 

18.  Thalassoplancta  Cavispicula  Hck.  Ganzes,  lebendes  Thier  mit  zwei  Ceutral- 
kapseln  (Ck)  und  viel  schwarzbraunem  Pigment  der  e.\trakapsulären  Sarkode;  gz  gelbe 
Zellen.     Vergr.  200.     Mittelmeer. 

19.  Aulacantha  Scolymantha  Hck.  Hälfte  eines  lebenden  Thieres.  st  Die  grossen, 
radial  bis  zur  Centralkapsel  gehenden  Stacheln;  st'  die  kleinen  tangential  gelagerten 
Nadeln:  alv  die  extrakapsulären,  ansehnlichen  Vacuolen  (Alveolen  Häckel's).  Vergr.  100. 
Mittelmeer. 


Figg.  1,  2,  10,  14,  10  nach  Bütschli  (Zeitschr.  f.  wiss.  Zool.  36);  Figg.  4,  5  und  17 
Originalia;  Figg  3,  6 — 9,  11  nach  Ehrenberg  (Abhandl.  1872  und  1875);  Figg.  12,  13a,  15, 
18  und  19  nach  Häckel  (Monographie);   Figg.  13b — c   und  17a  nach  Hertwig   (Organismus). 


^adiolaria(Monopyl.u.Phaooclaria). 


Taf.  XXXI. 


alv --■'--■ 


LithJiist.T¥emerg,Wmter^rankfmt  ^M. 


Erklärung  von  Tafel  XXXII. 


Fig. 

1.  Mesocena  triangula  Ehrbg.     Skeletelement.     Tripel  von  Sicilien.     Vergr.  150. 

2.  Mesocena     elliptica    Elirbg.      Skeletelement.      Mergel    von     Maryland     (N.    Am). 
Vergr.  150. 

3.  Dictyoclia  Pons  Elirbg.     Skeletelement.     Tripel  von  Oran.     Vergr.  150. 

4  u.  5.  Dictyoclia  Fibula  Elirbg.  Skeletelemente.  Tripel  von  Oran  und  Mittelmecr. 
Vergr.  150. 

6.  Dictyocha  Speculum  Ehrbg.     Skeletelement.     Tripel   von  Sicilien.     Vergr.  230. 

7.  Distephanus  rotundus  Stöhr.     Skeletelement.     Tripel  von  Sicilien.     Vergr.  200. 
8a — d.  Aulospliaera  elegantissima  Hck. 

8  a.  Hälfte  einer  Gitterkugel.     Vergr.  26.     Mittelmeer. 

Sb.  Flächenansicbt  eines  der  Knotenpunkte  des  Masclienwerks  der  Skeletkugel,  in 
welchem  sechs  Hohlröliren  zusammenstossen  und  sich  ein  radialer  röhriger  Stachel 
nach  Aussen  erhebt,  der  als  Kreischen  erscheint.  Man  bemerkt,  dass  die  Lumina 
der  sämmtlichen  in  diesem  Knotenpunkt  zusamnienstossenden  sieben  Röhren  durch 
zarte  Kieselscheidewände  geschieden  sind  und  dass  durch  das  Lumen  sämmtlicher 
Röhren  ein  feiner  axialer  Kieselfaden  hindurclizieht. 

8c.  Ein  solcher  Knotenpunkt  von  der  Seite  betrachtet;  man  sieht  den  radialen  Hohl- 
stachel mit  seinen  in  Wirtein  gruppirten  Seitenästchen  und  zwei  mit  ihm  zusamineu- 
stossende  Röhren  der  Kugeloberfläche. 

8d.  Eine  der  Nebenöffimngen  der  Centralkapsel  bei  starker  Vergrösserung. 

9.  Isolirte  tripyle  Centralkapsel  einer  unbestimmten  Phaeodarie  des  Mittelmeers.  Durch  Be- 
handlung mit  Osmiumsäure  und  Carmin  ist  die  äussere  Centralkapselmembran  (ck)  von 
der  inneren  (ck')  abgehoben  worden,  o'  die  Haupt-,  o,o  die  beiden  Nebenöffnungen, 
n  der  sehr  ansehnliche  Kern. 

9a.  In  Theilung  begriffne  Centralkapsel  einer  unbestimmten  Phaeodarie,  mit  zwei  Kernen, 
zwei  Haupt-  und  zwei  Nebenöffnungen. 

10.  Aulacantha  Scolymantha  Hck.  Nebenöffnung  der  Centralkapsel  nach  Behandlung 
mit  Chromsäure  und  Carminfärbung. 

11.  Centralkapsel  einer  tripylen  Phaeodarie  in  Zweitheilung  begriffen.  Die  Theilung  noch 
nicht  soweit  fortgeschritten,  wie  in  Fig.  8d. 

12.  Coelodendrum  gracillimum  Hck.  Ganzes,  lebendes  Thier.  Die  Centralkapsel  (Ck) 
ist  nur  z.  Th.  sichtb:ir,  da  sie  von  dem  dunklen  Pigment  (pg)  ziemlich  verdeckt  wird. 
Die  beiden  Skeletklappen  sind  nicht  sichtbar,  dagegen  die  von  ihnen  entspringenden  ver- 
zweigten und  hohlen  Strahlen.     Vergr.  50. 

13.  Coelodendrum  ramosissimum  Hck.  Eine  Skeletklappe  in  der  Flächenansicht; 
gk  die  halbkuglige  Gitterklappe,  a  der  dreiseitige  Aufsatz  mit  den  von  seinen  Ecken  ent- 
springenden Röhren,  die  kurz  abgeschnitten  sind.     Mittelmeer.     Vergr.   150. 

14a — d.  Coelothamnus  (?)  Davidoffii  Btschli. 

14  a.  Ganzes,  todtes  Thier  mit  Gallerte  (gX  Im  Centrum  bemerkt  man  die  Schalenklappen 
mit    den   von   ihnen    entspringenden    16   Strahlen.      Centralkapsel    nicht    bemerkbar. 
Vergr.  etwas  über  4.    Mittelmeer. 
14  b.  Ende  eines  der  Skeletstrahlen.     Vergr.  80. 
14  c.  Die  eine  Schalenklappe  in  der  Flächenansicht.     Vergr.  ca.  25. 
14  d.  Einige  der  Ankerfäden  bei  stärkerer  Vergrösserung. 
15.  Cadium  marinum  Bailey.     Kamtschatkameer.     Vergr.  5^2- 
15a.  Cadium    caudatum    Wall.     Schale    mit    kuglig    zusammengezognem    Plasmakörper. 

0  Mündung.     Nordatlant.  Ocean.     Vergr.  ca.   100. 
IG.  Protocystis   auritum  Wall.     Schale,     o  Mündung.     Nordatlantisch.     Vergr.  ca.  120. 
17—18.  Zwei  Vertreter  der  Familie   der  Challengcridae  Murray  (Hck.).     o  die  einfaclie 

Mündungsöffnung  mit  einem  oder  mehreren  hohlen  Fort^ätzen  ausgerüstet.     Südsee. 
19 — 20.  Zwei  Vertreter  der  Familie  Circo poridae  Hck.     o   die  Mündungsüfliiung;   p   die 
Porenkränze  um  die  Basis  der  Stacheln.     Sildsee. 


Figg.  2—4  nach  Ehrenberg  (Mikrogeologie) ;  Figg.  1,  0  u.  7  Stöiir  (Palaeontographica 
1880);  Figg.  5,  8b -d,  9-11,  13  nach  Hertwig  (Organismus);  Figg.  8  u.  12  nach  Häckel 
(Monographie);  Figg.  14a— d  nach  Bütschli  (Zeitschr.  wiss.  Zool.  36);  Fig.  15  nach  Bailey 
(Amer.  journ.  sc.  arts  1856);  Figg.  15a— 16  nach  Wallich  (Monthly  microsc.  journ.  Bd.  I); 
Figg.  17 — 20  nach  Murray  (Proc.  roy.  Acad.  Vol.  24). 


:lacliolaria  (.Pliaeodavia). 


Taf.  XXXU. 


li/h.Änsi  KhimerdMnter/yarJffiiit  '!<V 


Erklärung  von  Tafel  XXXIII. 


Fig. 

1.  Moiiocystis  magna  A.  Sclimidt. 

1  a.  Ein  Stück  der  Triclitermeuibran  des  Hodens  von  Lnmbricus  terrcstris  mit  zwei  in 
25olialföimigcn  Zellen  (z)    eingepflanzten  Exemplaren  der  M.  magna.     Vcrgr.  ca.  5Ü. 

Ib.  Vorderende  einer  grossen  Monocystis  magna,  zeigt  deutlich  die  Längsrippung  der 
Cuticula  am  festgehefteten  Vorderende,  sowie  die  feine  Längsstreifung  der  Cuticula. 

2.  Monocystis  agilis  St.  a  ein  ruhendes  Individuum;  b  ein  Individuum  in  Bewegung; 
eine  den  Leib  ringförmig  umgreifende  Einschnürung  zieht  vom  unteren  nach  dem  oberen 
Ende.     Vcrgr.  ca.  250. 

3a— g.  Zur  Entwiclilungsgeschichtc  der  Monocystis  agilis  St.     Vcrgr.  220. 

3  a.  Ganz  jugendliche   Form   (m)    im   Innern   einer  Spcrmatosphaere  von  Lumbricus  ter- 

restris. 
3  b.  Weiterentwickelte  Form. 
3  c.  Ziemlich  herangewachsene  Form,  die  Spermatoblasten  haben  begonnen  auszuwachsen. 

3d.  Erwachsene  Form  mit  einem  dichten  ücbcrzug  wenig  ausgewachsener  Spermato- 
blasten. 

3  c.  Erwachsene  Form  mit  einem  zum  borstenartigen  Besatz  ausgewachsenen  üeberzug 
von  Speruiatoblasten. 

3  f.  Das  Thier  hat  die  Hülle  am  einen  Ende  gesiircngt  und  ist  im  Begrilf  hervorzutreten. 

3g.  Ein    ähnliches    Stadium;    die  Monocystis   hat   ihre   haarige   Hülle  schon  weiter  ab- 
gestreift. 
4a — f.     Zur  Sporulation  der  Regcnwurmmonocysten. 

4  a.  Cyste  mit  zwei  grossen  Kugeln.     Nacli  der  gewöhnlichen  Auffassung  aus  der  Thei- 

lung  einer  einfachen  encystirten  Monocystis  hervorgegangen,   vielleicht  jedoch  airch 
durch  Copulation  entstanden.     (Vergr.  300.) 

4b.  Aehnlichcr   Zustand;   auf  der   Oberfläche   der   einen  Kugel  sind  schon  Sporoblasten 

hervorgesprosst.     (Vergr.  450.) 
4c.  Aehnlicher  Zustand;   auf  beiden  Kugeln   hat   sich  die  Sporoblastenljildung  vollzogen. 

(Vergr.  160.) 

4d.  Die  eine  der  Kugeln  ist  in  mehrere  kleine  zerfallen  (fraglich  ob  vor  oder  nach  der 
Sporoblastenbildung).     (Vergr.  160.) 

4e.  Cyste  mit  unregclmässigen  Zerfallsproducten,  noch  kugligen  Sporoblasten  und  solchen, 
welche  schon  die  spindelförmige  Gestalt  der  reifen  Sporen  angenommen  haben. 
(Vcrgr.  2 SO.) 

4  f.  Grosse  Cyste    mit    einer   dichten   oberflächlichen    Lage   reifer  Sporen;    im    Centrum 

noch  eine  unregelmässige  körnige  Plasmamasse,  von  welcher  verzweigte  Plasmafäden 
zur  Sporenschicht  laufen. 

5.  Verschiedene  Ausbildungszustände  grosser  Sporen  einer  Regenwurmmonocystis.  Vergr. 
ca.  1400. 

5  a.  Noch  nackter  Sporoblast,  welcher  sich  spindelförmig  gestreckt  hat. 

5b.   Spore   mit  vollständig    entwickelter    Sporenschale;    das  Plasma   hat   sich  etwas  con- 

deusirt. 
5  c.  Eeife  Spore  mit  entwickelten  sichelförmigen  Keimen  und  dem  nucleus  de  reliquat  (r). 
5d.  Eine  ähnliche  Spore  in  der  Polansicht. 

6 — 11.  Verschiedene  anormale  Ausbildungszustände  von  Sporen  der  Eegenwurmmonocystcn ; 
hesonders  eigenthümlich  sind  darunter  die  merkwürdigen  Mehrfach-  oder  Verwachsungs- 
bildungen Figg.  9 — 11. 


Figg.  1a  und  5  nach  BtUschli  (Zeitsch.  f.  wiss.  Zoo).  XXV);  Fig.  2  nach  Stein  (Arch. 
f.  Anat.  u.  Phys.  1S48);  Figg.  3a — c  und  3f — g  nach  A.  Schmidt  (Abb.  d.  Senckenb,  Ges.  I) ; 
Figg.  3d  und  4a — e  nacii  Lieberkühn  (,Mem.  cour.  Acad.  Belgique  XXVI);  Figg.  6 — 10  nach 
Aime  Schneider  (Arch.  zool.  exp.  IV);  Figg.  Ib  und  4f  Originalia. 


Sporozoa. 


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Erkläiung  von  Tafel  XXXIV. 


Fip. 

1.  Zygocystis  Cometa  St.  aus  dem  Hoden  von  Lumbncus  commiinib  Hoffm.  Vergr. 
ca.  250, 

1  a.  Syzygie  zweier,  1  b  solche  dreier  Individuen. 

2.  (iamocystis  tenax  Aim.  Schnd.  aus  dem  Darm  von  Blatta  lapponica. 

2  a.  Syzygie    zweier    Tliiere.     a    die    quere    Fibrilleulage    des    Ectosarks    im    optischen 

Durchschnitt. 
2  b.  Reife   Cyste   mit   hervorgetretnen   Sporoducten    (sp),   welche   Haufen    von  Sporen  (s) 
entleert  haben,     c  die  eigentliche  Gystenhülle,  g  die  dicke  Gallertumhüllung. 

2  c.  Sporen. 

3.  Conorhynchus  Echiuri  (irueli  aus  dem  Darm  von  Echiurus  Pallasii. 

3  a.  Jugendliches,  isolirt  Jebendes  Individuum. 

3b.  Etwas   weiter   entwickeltes   Individuum,   das  schon  einige  seitliche  Fortsätze  hervor- 

getriehen  hat. 
3  c.  Syzygie  zweier  erwachsener  Thiere;  das  Entoplasma  ist  durchaus  vacuolär,  v,v  zwei 

sehr  grosse  Vacuoleii.     Vergr.  ca.  60. 

4.  Sogen.  Monocystis  pellucida  Köll.  aus  dem  Darm  von  Nereis  pelagica.  Erwach- 
senes Individuum  mit  dickem  Ectoplasma  und  einer  fibrillären  Streifung  desselben  im 
Yordercnde.     Vergr.  ca.  150. 

5.  (ionospora  Terebellac  Köll.  sp.  aus  dem  Darm  von  Audouinia  und  Terebella. 

5a — b.  Zwei  reife  Sporen  mit  sichelförmigen  Keimen  und  einem  Restkörper  (r). 
5  c.  Ein  Individuum. 
6a — b.  ürospbra "  Nemertis    Köll.   sp.     Zwei   reife  Sporen   mit  sichelförmigen   Keimen 
und  einem  Restkörper  (r). 

7.  ?  ürospora  (Gregarina)  Saenuridis  Köll.  sp.  Syzygie  zweier  Individuen  aus  dem 
Hoden  von  Tubifex  rivulorum.  '' 

8.  Zur  Sporulation  dieser  Form. 

8  a.  Syzygie  kurz  vor  der  Encystirung. 

8  b.  Nach  vollzogener  Encystirung. 

Sc    Jedes   der   Individuen   anscheinend  vollständig  in   eine  Anzahl  Theilstücke  zerfallen; 

es  scheint  sich  noch  eine  speciellc  Cystenhaut   um  jedes  Individuum    innerhalb   der 

gemeinsamen  gebildet  zu  haben  (sogen.  Pseudoconjugation). 
Sd.  Die  Tlieilstücke  haben  sich  noch  weiter  zu  rundlichen  Sporoblasten  vermehrt. 
S  e.  Die    Sporoblasteji    sind    zu    Sporen    umgebildet.     Später  scheint   die   Scheidewand. 

welche  beide  Sporenhaufen   trennt,   zu  vergehen,   so  dass  die  Cyste  dann  von  einer 

einheitlichen  Sporenmasse  erfüllt  wird. 
9a — c.  Sogen.  Monocystis  Enchytraei   Köll.   aus  dem  Darm  von  Enchytraeus  albidus. 
',1a  und  c  ältere  Individuen;  9b  ein  solches  wie  9c  in  Krümmungsbewegungeu  begriffen. 
Vergr.  ca.  350. 

10.  Monocystide  aus  dem  Darm  einer  Phyllodoce  mit  longitudinaler  und  circulärcr  Strei- 
fung.    Vergr.  60 — 70. 

11.  Sogen,  Monocystis  sagittata  Leuck.  aus  dem  Darm  von  Caintella  cajntata.  Vergr. 
ca    120. 

12.  Monocystide  aus  Phyllodoce.  a  ein  Individuum,  welches  zahlreiche  stäbchenartige 
Gebilde  (Sporen  nach  Claparede)  in  seinem  Entoplasma  einschliesst.  Vergr.  [ca.  320. 
b  eine  solche  Spore  stärker  vergrössert. 


Fig.  1  nach  Stein  (Arch.  f.  Anat.  u.  Phys.  1848);  Figg.  2,  5  u.  6  nach  Aim.  Schneider 
(Arch.  zool.  exp.  IV);  Fig.  4  nach  R.  Lankestcr  (Quart,  journ.  m.  science  n.  s.  VI);  Figg.  7 — 9 
nach  Kölliker  (Zeitschr.  f.  wiss.  Zool.  I);  Figg.  10 — 12  nach  Claparede  (Mem.  soc.  Phys.  et 
d'hist.  nat.  Geneve  1861). 


Sporozoa. 


Taf.  XXXIV. 


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LitAAnsl.rVerneriKnter,fnmkfiirt'yM. 


Erkläiimg  von  Tafel  XXXV. 


1.  Moiiocys  tiij  Apliroditac  R.  Laiik.  aus  dem  Darm  von  Aphrodite  aculeata.  Vergr. 
ca.  50 — 60. 

2.  Zur  Copulation  und  Encystining  der  Clcpsidrina  Blattarum  Sieb    sp. 

2  a.  Beginn    der  Eiicystirung;    die  Syzygic   bewegt  sich  andauernd  in  der  Richtung  der 

Pfeile  im  Kreise  umher. 
2b.  ca.  zehn  Minuten  später;   die  beiden  Individuen  liaben  sich  mit  iliren  gleichnamigen 
Seiten  schon  ziemlich  innig  zusammengelegt ;  die  Bewegung  dauert  fort. 

2  c.  ca.  Vi  Stunde  später.  Die  Thiere  haben  sich  der  Länge  nach  völlig  zusammen- 
gelegt; die  Abscheidung  der  Gallerthalle  (gh)  hat  begonnen. 

2d.  ca.  45  Minuten  später.  Die  eigentliche  CystenhüUe  (ch)  hat  sich  schon  angelegt; 
die  Cyste  hat  ihre  bleibende  ovale  Gestalt  angenommen.  Nur  das  Protomerit  (pm) 
des  einen  Thieres  ist  noch  sichtbar. 

3.  Eine  Cyste  der  Clepsidrina  ovata  Df  sp.  Von  der  Oberfläche  des  einheitlichen 
Cystcninhalts  sprossen  die  Sporoblasten  (spb)  in  einer  einschichtigen  Lage  hervor. 

4.  Ausgereifte  Cyste  der  Clepsidrina  Blattarum  Sieb.  sp.  mit  dicker  Gallerthülle  (gh) 
und  hervorgestülpten  Sporoducten  (spd).  Die  Sporen  zum  grössten  Tlieil  entleert,  ein 
Häufchen  derselben  (ps)  liegt  noch  im  Centrum  der  Cyste.  Durch  Kalilauge  sind  die 
Körnermassen  des  Cysteninhalts  zerstört;  man  bemerkt  nun  sehr  deutlich  das  plasma- 
tische Netzwerk,  in  dessen  Maschen  die  Körner  eingebettet  sind,  sowie  die  plasmatischen 
Schläuche  s,  welche  zur  Leitung  der  Sporen  nach  den  Sporoducten  dienen.  Die  eigent- 
liche CystenhüUe  (ch)  hat  sich  sehr  contrahirt  und  verdickt,  sie  erscheint  daher  jetzt 
sehr  deutlich  geschichtet,     sph  die  sogen.  Sporoductenhaut.     Vergr.  ca.  100. 

5.  Eine  reife  Spore  der  Clepsidrina  Blattarum,  längere  Zeit  nach  dem  Austritt  aus 
der  Cyste.     Vergr.  ca.  1600. 

6.  Basale  Hälfte  eines  ausgestülpten  Sporoducts  der  Clepsidrina  Blattarum.  w  fein- 
körniger Plasmawulst,  S  plasmatischer  Schlauch,  in  dessen  Innern  der  Sporoduct  ent- 
stand; b  körnig-faserige  Masse,  welche  gewöhnlich  das  Basalendc  der  ausgestülpten  Sporo- 
ducte  umgibt. 

7.  Eine  Syzygie  der  Clepsidrina  Blattarum  Sieb,  aus  dem  Darm  von  Blatta  orientalis. 
Vergr.  ca.  100. 

8.  Drei  Epithelzcllen  des  Mitteldarms  der  Blatta  orientalis,  in  deren  freien  Enden  je  eine 
jugendlichste  Clepsidrina  Blattarum  eingesenkt  ist.     Vergr.  ca.  600—700. 

lt.  Weiteres  Entwicklungsstadium  der  jungen  Clepsidrinen;  nur  das  Epimerit  (ep)  ist  noch 
in  die  Epithelzcllen  eingesenkt,  der  übrige  Körper  ragt  frei  hervor.     Vergr.  ca.  150. 

10.  Einzelthier  von  Clepsidrina  Munieri  Aim.  Sehn,  aus  dem  Darm  von  Timarcha  teue- 
bricosa.  Etwas  schematisirt,  um  die  netzförmig  anastomosirende  Fibrillenschicht  des 
Ectosarks  zu  zeigen. 

11.  Du f curia  agilis  Aim.  Sehn,  aus  dem  Darm  der  Larve  einer  Hydrocantharide.  a  Sy- 
zygie im  Begriff  sich  zu  encystiren.  b  eine  reife  Spore  mit  drei  sichelförmigen  Keimen 
und  einem  Kestkörper  (r). 

12.  Adelea  ovata  Aim.  Sehn,  aus  dem  Darm  des  Lithobius  forficatus.  a  Ein  Individuum, 
dem  ein  kleiner,  seiner  Natur  nach  zweifelhafter  Körper  (c)  anhängt  (wie  dies  nicht  sel- 
ten beobachtet  wird),  b  Cyste  von  zahlreichen  Sporen  erfüllt,  c  eine  Spore,  n  der 
Nucleus,  k  zwei  kleine  Körperchen ,  welche  sich  zu  beiden  Seiten  des  Nucleus  herab- 
ziehen und  deren  Natur  unsicher.     Sehr  stark  vergrössert. 


Fig.  1   nach  R.  Lankcster    (Qu.  j.  micr.  sc.  VII);    Figg.  2,  4--6,  8  u.  9    nach   Butsrhli 
(Zcitsch.  f.  wiss.  Zool,  XXXV);  Figg.  3,  7,  10—12  nach  Aim.  Schneider  (Arch,  zool.  exp.  IV). 


Spoiozoa. 


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Erkläiung  von  Tafel  XXXVI. 


1.  Einige  SiJoren  von  Hyalosijora  roscoviana  Aiiii.  Sclin. 

2.  Einige  Sporen  von  Euspora  fallax  Aiui.  Sehn.  Zwei  derselben  in  seitlicher  Ansicht, 
zwei  andere  in  der  Ansicht  auf  die  pentagonale  Endfläche. 

3 — 9.  Porospora   gigantea   E.  van  Beneden  sp.,   aus  dem  Darm  von  Homarus  vulgaris. 

3.  Ein  erwachsenes  Individuum.     Vergr.  ca.  150. 

4.  Encystirungszustände  der  Porospora  gigantea. 

4  a.  eine  einfache  Cyste  mit  einheitlichem  Inhalt. 

4  b.  Eine  Cyste  mit  zweigctlieiltem  Inhalt  (van  Beneden). 

4  c.  Eine  solche,  bei  welcher  die  beiden  Theilstücke  sich  unter  Ycrgrösserung  der  Cyste 
abgerundet  haben. 

4d.  Durch  Zerfall  der  Cystenhülle  des  vorhergehenden  Stadiums,  Auseinanderrucken  der 
beiden  Theilstücke  und  Erzeugung  einer  besonderen  Cystenhülle  um  jedes  derselben, 
haben  sich  zwei  Cysten  zweiter  Generation  gebildet.  Deren  Inhalt  hat  sich  von 
neuem  getheilt,  wodurch  vier  Cysten  dritter  Generation  entstanden  sind.  (Nach  E.  van 
Beneden's  Deutung.^ 

5.  Zwei  Sporen  der  Porospora  mit  der  dicken  porösen  Sporenschale. 
Ca — n.  Eine  Reihe  von  Entwicklungsstadien  der  Porospora  gigantea. 

6  a.  Jugendlichstes  beobachtetes  Stadium,  in  Gestalt  einer  kleinen  Amöbe  (angeblich  kernlos). 

6  b.  Allmähliche  Hervorbildung  zweier  Fortsätze. 

6c — d.  Die  beiden  Fortsätze  oder  Arme  haben  sich  vergrössert,  der  eine  (untere)  ist 
sehr  beweglich,  der  andere  stets  rigid. 

6  e.  Der  untere .   bewegliche  Arm  ist  im  Begriff  sich  als  sogen.  Pseudofilarie  abzulösen. 

6f — h.  f,  der  rigide  Arm  mit  dem  Rest  der  Amöbe,  nach  Ablösung  des  beweglichen 
Armes,  verwandelt  sich  durch  Vertheilung  der  Endanschwellung  (6g)  allmählich  in 
das  als  Pseudofilarie  bezeichnete  Jugendstadium  6h,  welche  Form  auch  der  beweg- 
liche Arm  nach  seiner  Lösung  annimmt. 

6i — 1.  Umbildungszustände  der  monocystiden  Pseudofilarie  zur  jungen  Polycystidc.  Der 
Kern  angeblich  nur  durch  Nucleolus  repräsentirt. 

Gm,  Das  Protomerit  (pm)  schon  ziemlich  deutlich. 

6n.  Weiter  herangewachsene  Psorospora.  Der  Kern  deutlich  bläschenförmig.  Bei  der 
weiteren  Entwicklung  wächst  das  Deutomerit  immer  ansehnlicher  aus. 

T.  Vordertheil  einer  erwachsenen  Porospora  stark  vergrössert;  zeigt  deutlich  die  circulärc 
Fibiillenschicht  des  sog.  Myocyts  m  sowie  die  Bildung  der  Scheidewand  durch  das  Myocyt; 
Ectoplasma  (Ec)  und  Entoplasma  (En). 

8.  Drei  Fibrillen  des  Myocyts,  welche  eine  deutliche  Zusammensetzung  aus  kleinen  Kör- 
perchen zeigen. 

9a— f.  Der  Nucleus  eines  jugendlichen  Exemplars  von  Porospora,  um  die  fortdauernden 
Veränderungen  der  Nucleoli  während  etwa  25  Minuten  zu  zeigen.     Vergr.  ca.  300. 

10.  Pileocephalus  chinensis  Aim.  Sehn,  aus  dem  Darm  von  Mystacideslarven. 

10  a.  Cephalon  mit  Epimerit  ep. 

10b.  Einfache  und  y-förmigc   Spore,  letztere  ist  vielleicht  als  Verwachsung  zu  deuten; 
n  Nucleus. 

11.  Bothriopsis  Histrio  Aim.  Sehn,  aus  dem  Darmkanal  vcrschiedner  Wasserkäfer. 

12a — b.  Pyxinia  rubecula  Hammerschm.,  aus  dem  Darm  der  Dermesteslarve.  a  Sporon- 
zustand.     b  vorderster  Theil  des  Protomerils  eines  Cephalon  mit  Epimerit  (ep). 

13a — f.  Actinocephalus  Dujardini  Aim.  Sehn,  aus  dem  Darm  von  Lithobius  forficatus. 
a  Cephalon  mit  Epimerit  (ep);  b  dasselbe  wirft  gerade  sein  Epimerit  ab  und  geht  da- 
durch in  den  Zustand  des  Sporen  tiber.  c— e:  drei  aufeinanderfolgende  Stadien  der 
solitären  Encystirung  dieser  Art.     e  die  ausgebildete  Cyste,     f  Zwei  Sporen. 

14a — c.  Echinocephalus  hispidus  Aim.  Sehn,   aus  dem  Darm  von  Lithobius  forficatus. 
14  a.  Cephalon  mit  dem  Epimerit  (ep)  und  seinen  Anhängen. 
14  b.  Sporen,  kettenförmig  zusammenhängend. 
14  c.  Eine  Spore  stärker  vergrössert;  ncl  angeblich  Nucleolus. 


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Figg.  1,  2,  5,  10—14   nach  Schneider   (Arch.  zool.  exp6r.  IV);    Figg.  3 — 4,  6—9  nach 
E.  van  Beneden  (Bull.  Acad.  roy.  Belgique  2.  s.,  T.  28,  31   u.  33). 


Sporozoa. 


Taf.XXX^^. 


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Eikläiung  von  Tafel  XXXVII. 


Fig. 

1.  Ccplialon  von  Act  inoccphalu  s>  stollif  oruiis  Aim.  Sclin.   aus  dem  Darin  von  Käfern, 
ep  Epimerit. 

2.  Stylo  rhynchus  longicollis  St.  aus  dem  Darm  von  Blaps  mortisaga. 

2  a.  Ceplialon  mit  Epimerit. 

2  b.  Sporen,  nach  Verlust  des  Epimerits. 

3a — c.  Stylorhynchus    oblongatus    Hainmcrschm.   sp.    aus    dem   Darm    von    Opatruro 
sabulosum. 

3  a.  Cyste  vor  Entwicklung  der  SporoWasten. 

3b.  Eine  solche  während  der  Knospung  der  Sporoblastcn  (spb). 

3  c.  Theil    einer  Cyste    während   des   Stadiums   der   Beweglichkeit   der  hervorgeknospten 

Sporoblasten  (spb). 
3d.  Eine  ausgereifte  aufge^prungene  Cyste;  die  Sporen  (s)  treten  in  zusammenhängende!» 

Ketten  hervor;  pc  die  sogen.  Pseudocyste;  ch  die  eigentliche  Cystenhülle. 
4.  H.  5.  Stücke   der   eigentlichen    Cystenhülle   von   Stylorhynchus   longicollis  (4)   und 
St.  oblongatus  (.5). 

6.  Ein   kleiner  Theil   der  Oberfläche  des  Cysteninhalts  von  Stylorhynchus  longicollis, 
mit  hervorknospenden  Sporoblasten. 

7.  Sporen  von  Stylorhynchus  longicollis. 

8a — b.  G  en  ei  orhy  nchus  Monnieri   Aim.  Sehn,    aus    dem  Darm  von  Libellennymphen. 

8  a.  Ceplialon  mit  vollständig  ausgestrecktem  Epimerit  ep. 

8b.  Cephalon  mit  zum  Theil  in  das  Protomerit  zurückgezognem  Epimerit. 
9a — b.  A  ctinoccphalus   (Hoplorhynchus   V.   Car.)    oligacanthus   St.    aus   dem   Darm 
der  Larve  von  Agrion. 

9  a.  Cephalon  mit  Epimerit  ep. 
9b.  Einige  Sporen. 

10a — h.  Klossia   lielicina   Aim.    Sehn,   aus   der  Xiere    von    Helix   hortensis.     Vergr.    von 

a— d  und  h  =  .SOO,  von  e— g  =  600. 

10  a.  ^lonströs  vergrössertc  Nierenzelle,  in  welcher  eine  ziemlich  erwachsene  Klossia  ein- 
gebettet ist.  Die  Oberfläche  der  Zelle  hat  einen  eigenthtimlichen  Borstenbesatz  ent- 
wickelt ;  n'  der  Kern  der  Niercnzcllc,  n  der  der  Klossia. 

lob.  Encystirte  Klossia  in  einer  Nierenzelle;  der  Kern  ist  nicht  mehr  sichtbar. 

10c.  Cyste  deren  Inhalt  in  eine  Anzahl,  wie  es  scheint,  noch  unbeschalter  Tbeilstücke 
zerfallen  ist. 

10 d.  Cyste  deren  Inhalt  in  zahlreiche  runde  Sporen  zerfallen  ist,  in  welchen  die  sichel- 
förmigen Keime  in  Bildung  bcgrifl'en  sind. 

lOe — f.  Zwei  Sporen  mit  sichelförmigen  Keimen  und  einem  Restkörper  (r). 

10  g.  Die   aus   einer   Spore   hervorgetretneii   sichelförmigen  Keime  und  der  Restkörper  (r). 
iOh.  Zwei  der  jugendlichsten  Stadien  der  Klossia  in  den  Nierenzellen. 

11.  Coccidium  oviforme  Lck.  aus  der  Leber  des  Kaninchens. 
IIa.  Eben  gebildete  Cyste. 

1 1  b.  Die  äussere  Cystenhaut  ist  verloren  gegangen,  der  Inhalt  hat  sich  condensirt.  n  ?  Nucleus. 
1 1  c.  Der  Cysteninhalt  in  vier  Sporoblasten  getheilt. 

1 1  d.  Dieselben  haben  sich  abgerundet  und  zeigen  je  eine  helle  kernartige  Stelle  im  Innern, 
lle — f.  Die   Sporoblasten   haben    sich  zu   Sporen   entwickelt  und  je   einen  sichelförmigen 
Keim  erzeugt. 

11  g — h.  Eine   reife  Spore  stärker  vergrössert.     g  der  sichelförmige  Keim  von  der  Seite: 

h  von  vorn,  nur  die  kuglig  verdickten  Enden  deutlich  zu  sehen. 

12.  Zwei    weitere    angebliche  Entwicklungsstufen    der  Cysten    des  Coccidium    oviforme   nach 
Waldenburg's  Darstellung. 

12  a.  In  den  vier  Theilstücken  des  Cysteninhalts  sind  je  vier  helle  KUgelchen  (Kerne  nach 

Waidenburg)  aufgetreten. 
12b.  Diesen  Kernen  entsprechend  ist  jedes  der  vier  Theilstücke  in  vier  kleinere  Kügelchen 
zerfallen.     Vergr.   300. 

(Diese  Entwicklungsstadien  der  Cysten  wurden  bei  Aufbewahrung  der  inficirten  Leber 
in  Chromsäure  beobachtet.) 

13.  Aus   der   Spore   ausgetretne   sichelförmige    Keime   der   Eimeria   falciformis    Eim.  sp.  der 
Maus:  dieselben  sind  amöboid  (?)  beweglich   und  gestaltswechsclnd. 


Figg.  1 — 9  nach  Aim.  Schneider  (Arch.  zool.  e.\per.  IV);  Fig.  10  nach  Kloss  (Abh.  der 
Senckenberg.  Gescllsch.  I);  Figg.  IIa — llf  nach  R.  Leuckart  (Die  Parasiten  des  Menschenr 
2.  Aufl.):  Figg.  11g — h  nach  Stieda  (Arch.  f.  pathol.  Anatomie  32);  Fig.  12  nach  Waiden- 
burg (Arch.  f.  pathol.  Anatomie  24);   Fig.  13   nach   Eimer   (Psorospermieji   der  Wirbelthiere). 


Sporozoa. 


Taf.  XXX\"E 


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Erklaiuni-'  von  Tafol  XXXVIII. 


Fig. 

1.  Klossia  octopiaiia  Aim.  SlIiii.  aus  L'oplialopodeii. 

1  a.  Ein    kleines   Exemplar   vor  Bej^riim    der   Sporulatioii ;   n    der   Kern   mit  anselmllchem 
iS'ucleohis,  et  abgehobne  Cuticula. 

1  b.  Cyste  mit  zalilrcicliea  hellen  Körpern  (Kernen?)  im  Inhalt. 

1  c.  Cyste  mit  unreifen  Sporen  (SporoblastenV). 

Id — f.  Reife  Sporen    mit   sichelförmigen   Keimen   in    verscLiedner  Lagerung   und  einem 
Kestkörper  (r).     Vergr.  von  a — c  =  200. 

2.  Eimeria  falciformis  Eim.  sp. 

2  a.  Ein  erwachsenes,   nicht   encystirtes  Individuum   in  einer  Darmepithelzello  der  ]Maus. 

2b.  Encystirtc  Form;   an  beiden  Polen  der  Cyste  eine  sogen.  Mikropyle;   im  Inhalt  der 
Cyste  drei  nucleusartige  Körper. 

2  c.  Cyste  mit  stark  condensirtem,  kugligen  Inhalt. 

2d.  Eine  ähnliche  Cyste,  in  deren  Inhalt  eine  Anzahl  heller  Körperchen  aufgetreten  sind. 
2  e.  Cyste,  deren  Inhalt  sich  zur  Spore  ausgebildet  hat,  in  welcher  eine  Anzahl  sichel- 
förmiger Keime  neben  einem  Kestkörper  (r)  sich  lindet. 
2  f.  Eine  isolirte  Spore  mit  einer  Anzahl  sichelförmiger  Keime. 

2  g.  Eine  ähnliche  Spore,  deren  sichelförmige  Keime  mit  ihrem  einen  Ende  einem  Rest- 
körper (r)  aufsitzen. 

li.  Darmepithelzello  des  Kaninchens  mit  einer  (nach  Waidenburg)  angeblich  in  Viertheilung 
begriüenen  Coccidie.     Vergr.  300. 

4.  Ein  isolirter  sichelförmiger  Keim  der  Eimeria  Schneideri  n.  sp.  (aus  dem  Darm  von 
Lithobius  forticatus);  a  gestreckt;  b  sich  einkrümmend;  c  zu  unregelmässig  ovaler  Ge- 
stalt zusammengezogen.     Vergr.  ca.  700. 

5.  Freie  amöbenförmig  gestaltete  Myxosporidie  auf  einem  Kicmenbiättchcn  von  Leucis- 
cus  erythrophthalmus.     Vergr.  ca.  20. 

6 — 10.  Myxobolus  3Iulleri  n.  g.  et  sp.  von  den  Kiemen  verschiedener  Cypdnoiden. 

6a.  Zwei  Kiemenblättchen  einer  Cyprinoide,  von  welchen  das  eine  eine  ansehnliche  Myxo- 
sporidie einschliesst  (M) ;  Kn  das  Knorpelstäbchen  des  Kiemenblättchens. 

6  b.  Spore  in  der  Ansicht  von  der  Flachseitc.  p  Polkörper  (Nesse'kapscl),  n  Kern,  k  glän- 
zendes Körperchen;  o  die  OcUhung. 

7.  Sporenschale  von  der  Schmalseite  (nach  Behandl.  mit  concentrirter Schwefelsäure). 

8.  Die  beiden  Hälften  einer  solchen  Sporenschale  getrennt;  von  der  Schmalseite. 

lt.  Eine  Spore  mit  ausgeschnellten  Nesselfäden  der  Polkörper;  in  Flächenansicht. 

10a — b.  Zwei  Entwicklungsstadien  der  Sporen:  die  drei  rundlichen  Körper  in  10a  sind  wahr- 
scheinlich Kerne;  in  b  sieht  man  die  jugendlichen  Nesselkapseln,  welche  anscheinend  in 
den  beiden  vorderen  Kernen  liegen. 

11.  Zwei  Sporen  einer  Myxosporidie  der  Hechtkiemen,  paarweise  in  gemeinsamer  Hülle  ein- 
geschlossen.    Vergr.  ca.  700. 

12 — 15..Myxidium  Lieberkühnii  n.  g.  et  sp.  aus  der  Harnblase  des  Hechts. 

12.  Stark  amöboid  verzweigtes  Exemplar.     Vergr.  ca.  60. 

13.  Exemplar,  dessen  Oberfläche  dicht  von  queren  faltenartigen  Erhebungen  bedeckt  ist;  an 
einem  Pole  einige  Pseudopodien.     Vergr.  160. 

14.  Zur  Bildungsgeschichte  der  Sporen. 

14  a.  Eine  sechskernige  Keimkugel  eines  Myxidium  Lieberkühnii. 

14  b.  Eine  ähnliche,  mit  einer  zarten  Hülle  bekleidet. 

14c.  Weiteres  Stadium;  die  Keimkugel  hat  sich  in  zwei  dreikernige  Sporoblasten  getheilt. 

14 d.  Die    beiden   Sporoblasten    haben    sich   länglich   gestreckt  und   nähern   sich   in   ihrer 
Gestalt  der  reifen  Spore. 

14  e.  Weiter    gereifter    Sporoblast.     Die    beiden    endständigen   Nuclei    sind    geschwunden, 
und  an  deren  Stelle  haben  sich  zwei  Nesselkapseln  ausgebildet. 


Fig. 

15.  Keife  Spore;  p  die.  Nessclkapseln ;   n  der  Nucleus. 

16.  Geschwänzte  Sporen  einer  Myxosporidic  von  den  Kiemen  der  Perca  fluviatilis.  a  ein- 
fach geschwänzte  Si)ore  in  Flächenansiclit;  b  eine  solche  in  der  Seitenansicht ;  c  dojjpelt- 
geschwänzte  Spore  in  Flächenansiclit.     Vergr.  ca.   6.50. 

17.  Spore  mit  Myxosporidie  (aus  der  Harnblase  von  Lota  vuli>-aris)  uiit  vier  Polkapseln ;  polare 
Ansicht.     Vergr.  600. 

18.  Myxosporidic  von  den  Kiemen  des  Gobio  Hiiviafilis.     Ver^r.  ca.  HOO. 
18  a.  Spore  in  seitlicher  Ansicht. 

18  b.  Aufgesprungene  Spore,  mit  austretendem  Inlialt. 

ISc.  Der  ausgetretene  Inhalt  in  amöboider  Bewegung  begriffen. 

19.  Spore  einer  Myxosporidie  von  der  Kieme  von  Tinea  vulgaris  (in  Flächenansiclit). 

20.  Myxosporidie  ans  der  Gallenblase  von  Lota  vulgaris.     Yergr.  ca.  130. 

21.  Spore  einer  Myxosporidie  aus  der  Niere  von  Lota  vulgaris;  mit  gegabeltem  Schwanz. 
Vergr.  ca.  700. 

22.  Spore  einer  Myxosporidie  aus  dem  Ovarium  von  Lota  vulgaris.  Jede  Spore  in  besonderer 
heller  Hülle.     Vergr.  ca.  600. 

23.  Myxosporidienspore  aus  Kais  proboscidea;  a  in  Flächen-,  b  in  seitlicher  Ansicht.  Vergr. 
ca.  700. 

24.  Myxosporidic  von  den  Kiemen  der  Lota  vulgaris;  sehr  dickes  Ectoplasma  vorhanden. 
Vergr.  ca.   130. 

25.  Sarcocystis  aus  dem  Zwerchfell  des  Scliweins;  die  mit  dickem  Borstenbesatz  versehene 
Hülle  ist  an  einer  Stelle  eingerissen.  Das  Innere  dicht  mit  Sporenkugeln  erfüllt,  welche 
zahlreiche  Keime  enthalten. 

26.  Keime  dieser  Sarcocystis.  a  Keime  der  jugendlichsten  Sarcocystcn;  b  rundliche  Keime, 
an  welchen  eine  Membran  deutlich  hervorgetreten  sein  soll  und  der  Inhalt  sich  zu  einem 
nierenförmigen  Körperchen  zusammengezogen  hat.  c  gewöhnliche  nierenförmige  Keime, 
welche  nach  Maiiz  aus  der  Form  b  durch  Platzen  der  Hülle  frei  werden  sollen,  d  an- 
gebliche Theilungszustände  der  Keime. 

27.  Drei  Keime  einer  Sarcocystis  nach  Lcuckart. 

28.  Eine  Sarcocystis  mit  Borstenbesatz  in  einer  quergestreiften  Muskelzellc  des  Schweins  ein- 
geschlossen. 

29.  Amoebidium  parasiticum  Cienk. 

29  a.  Ein  erwachsenes  Exemplar;  a  die  Bcfcstigungsstellc,  n  einer  der  zahlreichen  Nuclei. 

29b.  Ein  Exem|ilar,   dessen  Plasma,    der  Zahl  der  Kerne  entsprechend,   in  junge  Amöbi- 
dion  zerfallen  ist. 

29  c.  Amöbidium,   dessen   Inhalt   in  zahlreiche  amöboid  bewegliche   Sporen    zerfallen   ist. 

29  d.  Eine  freigewordne  sich  amöbenartig  bewegende  Spore.  ^ 

29  c.  Die  Spore   ist  zur  Eulie  gekommen  und  hat  sich  mit  einer  dünnen  Hülle  bekleidet- 

29f — g.  Der  Sporeninhalt  ist  in  eine  grössere  Zahl  von  Amöbidienkeime  zerfallen. 

29  h.  Spore  mit  dicker  Hülle  (sogen.  Kuhezustand  Cienkowsty's). 

29 i.  Weiterer  Entwicklungszustand  einer  derartigen  Spore;  die  Hülle  hat  sich  allmählich 

sehr  verdünnt  und  der  Inhalt  ist  in  eine  Anzahl  Amöbidienkeime  zerfallen. 
29  k  u.  1.  Junge    Amöbidien   aus   einer  Spore  wie  Fig.  29  i  hervorgegangen,     k  mit  zwei, 

1  mit  vier  Vacuolen   (oder  Kernen?).     Vergr.   von   29a — c   190,  e — 1  285,  29 d  380. 


Figg.  la — c  nach  Eberth  (Zeitsch.  f.  wiss,  Zool.  XI);  Id — f  nach  Aim.  Schneider  (Arch. 
zool.  cxp.  IV');  Fig.  2  nach  Eimer  (Psorospermien  der  Wirbelthierc);  Fig.  3  nach  Waidenburg 
(Arch.  f.  pathol.  Anat.  40);  Figg.  4,  6—10,  14,  15  nach  Bütschli  (Zeitsch.  f.  wiss.  Zool.  XXXV); 
Figg.  5,  11 — 13,  16 — 24  nach  Oiiginalzeichnungen ,  welche  Herr  Prof.  Lieberkühn  die  Güte 
hatte  mir  zur  Benutzung  zu  überlassen;  Figg.  25 — 26  nach  Manz  (Arch.  f.  mikr.  Anat.  HI); 
Fig.  27  nach  Leuckart  (Parasiten  des  Menschen);  B'ig.  28  nach  Rainey  (Transact.  philos.  soc. 
Vol.  147);  Fig.  29  nach  Cienkowsky  (Botan.  Ztg.  1861). 


Sporozoa. 


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Erklärung  von  Tafel  XXXIX. 


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la — e.  Ortliospora  propria  Aiin.  Sclin.  aus  ilcin  Dann  von  Triton. 

1  a.  Eine  Cyste,  deren  Inlialt  sich  Iviigli^-  conileiisirt  liat,  jedoch  am  einen  Pol  der  Cysten- 

wand  noch  durch  ein  feines  Plasmafädchen  befestigt  ist.   a  fein    radiär   gestrichelter, 

d.  h.  wahrscheinlich  von  Porenkanälchen  durchsetzter  äquatorialer  Theil  der  Cysten- 

wand. 
1  b.  Cyste,   aus    deren  Inhalt   vier    sichelförmige   Keime  hervorsprossen.     Im   Inhalt    eine 

grosse  Vacuole. 
1  c.  Cyste  mit  den  vier  ausgebildeten  sichelförmigen   Keimen    neben   dem  Restkörper  r. 

Vergr.  von  la — c  =  460. 

Id — e.  Sichelförmiger  Keim,  stärker  vergrösscrt.   in  zwei  verschiedenen  Ansichten.     Man 
sieht  deutlich,   dass  derselhe  aus  einem  mehr   hyalinen  Theil   und  einem  granulösen, 
cigenthilmlich  gestalteten  Mitteltheil  besteht. 
2a — c.  Cyclospora  glomericola  A.  Sehn,  aus  dem  Darm  von  Glomeris.    Vergr.  GOü. 
2a.  Cyste,  deren  Inhalt  sich  kuglig  condensirt  hat.   Der  Nucleus  n  ist  ganz  an  die  Ober- 
fläche gerückt. 
21).  Cyste,  deren  Inhalt  sich  in   zwei  Sporoblasten  getheilt  hat.    Neben  diesen  finden  sich 
zwei    Kürperchen   a,   welche   nach    dem    Undeutlichwerden   des   Nucleus   und  vor  der 
Theilung  des  Cysteninhalts  aus  dem  Plasma  austreten. 
2c.  Cyste   mit  zwei  reifen  beschälten   Sporen,    von  denen  jede   einen  Kestkörper  r  und 
zwei  sichelförmige  Keime  enthält. 
3.  Isospora  rara  A.  Sehn,  aus  Limax.   Ein  sichelförmiger  Keim,  der  aus  drei  Abschnitten 
zusammengesetzt   erscheint,   zwei  endständigen  stark  lichtbrechenden  und  einem  mittleren, 
weniger  stark  brechenden, 
■la — b.  Klossia  Soror  A.  Sehn,  aus  der  Niere  von  Ncritina  fluviatilis.     Vergr.  ca.  .360. 
4a.  Cyste,  deren  condensirter  Inhalt  auf  seiner  Oberfläche  zahlrciclie  Sporoblasten  hervor- 

sprosst. 
4  b.  Cyste  mit  fertigen  Sporoblasten  und  einem  Eestkörper  r. 
4c — d.  Sogen.  Drepanidium  Kanarum  K.  Lank. 

4c.  Blutkörperchen   eines  Frosches,   das  vor  und  hinter  seinem  Zellkern  (n)  je  ein  sogen. 

Drepanidium  Ranarum  R.  Lank.  einschliesst. 
4d.  Ein   solches   Drepanidium   nach   seinem   Austritt   aus   dem   Blutkörperchen,    zeigt   in 

seinen  beiden  Enden  je  ein  stärker  lichtbrechendes  Körperchen  (nach  Gaule). 
4e.  Ein  ebensolches  Drepanidium  nach  R.  Lankester. 
Für  sämmtliche  Abbildungen  d  er  Mastigophoren  sind  übereinstimmende 
Bezeichnungen   für  die  nachstehend  verzeichneten  Theile  gewählt  worden: 
Der  Nucleus  n,    die  contractile  Vacuole  cv,  das  sogen.  Stigma  (Augenfleck)  o,  aufgenommene 
Nahrung  N,  die  nahrungsaufnehmende  Vacuole  nv,  die  Chromatophoren  (Endochromplatten)  Ec, 
Chlorophyllkörner   ch,  Stärkemehleinschlüsse  am,   Paramyloneinschlüsse  pam,   sogen.  Amylon- 
kerne  (Pyrenoide)  amk,  Mundöffnung  m,  Schlund  s,  Afterstclle  a. 
5a — e.  Trypanosoma  sanguinis  Gruby  aus  dem  Blut  von  Rana. 
öa.  Form  mit  unentwickelter  oder  eingezogner  undulirender  Membran. 
äh—Q.    Verschiedene    Formen    mit    verschiedengradiger    Entwicklung    des    undulirenden 

Saumes  und  der  Geissei.     Vergr.  ca.  500. 
5 f.    Trypanosoma  Carassii  Mikroph.  aus  Blut  von  Cyprinus  carassius. 


6a.  Tryp  anosoiiia  Balbianii  Certes  aus  dem  Mageu  von  Ostrea.     Vergr.  4üü. 

6b — c.  Tryi^anosoma  Ebertliii  S.  Kent  aus  dem  Darm  verschiedener  Vögel.  Ii.  im 
beweglichen,  c.  im  ruhenden  Zustand.     Vergr.  700. 

7a — f.  Ciliophrys  Infusionum  Cienlc.  7a.  Ein  Exemplar  im  flagellaten artigen  Zu- 
stand nach  Einziehung  der  Pseudopodien.  7  b.  Der  helio/.oünartige  Zustand  ohne  Geissel 
und  mit  zahlreiclien  feinen  Pseudopodien.  7  c.  Mehrere  (wahrscheinlich  drei)  im  helio- 
zoenartigen  Zustand  copulirte  Individuen,  von  welchen  sich  eines  zu  einem  Flagellaten  um- 
gebildet bat  und  im  Begritf  ist,  sich  loszutrennen.  Die  anderen  Individuen  werden  gleich- 
falls bald  in  den  Flagellatenzustand  übergehen.  7  d.  Theilungszustand  der  Üagellatenartigen 
Form;  die  beiden  so  entstehenden  Sprösslinge  trennen  sich  jedoch  nicht  vollständig  von 
einander,  sondern  vereinigen  sich  wieder  durch  Copulation.  7e  zeigt  einen  solchen  Ver- 
schmelzungszustand und  7  f  die  durch  völlige  Verschmelzung  zweier  solcher  Theilspröss- 
linge  entstandene  zweigeibSelige  bewegliche  Zygote ,  deren  weiteres  Schicksal  unbekannt 
ist.     Vergr.  der  Figg.  ca.  500. 

S.  Actinomonas  mirabilis  Kent.     Vergr.  800. 

9.  Mastigamoeba  aspera  F.  E.  Seh.  kriechend;  das  Hinterende  zeigt  zahlreiche  haar- 
artige Fortsätze,  entsprechend  denen  zahlreicher  Amöben,  die  übrige  Oberfläche  ist  dicht 
mit  den  bacterienartigen  Stäbchen  bedeckt.  Vergr.  250. 
10a — b.  Mastigamoeba  lobata  (?)  St.  sp.  a.  Im  kriechenden  Zustand,  b.  im  schwimmen- 
den, mehr  flagellatenartigen  Zustand.  Vergr.  ca.  1000. 
IIa— b.  Cercomonas  crassicauda  Duj.  IIa.  Gewöhnliche  Form,  m  die  bläschenförmige 
Mundstelle;  Hb  amöboid  veränderliche  Form,  die  am  Hinterende  rasch  wechselnde  Pseudo- 
podien aussendet. 

11c.  Cercomonas  longicauda  Duj.  Längstheilungszustand.  Vergr.  der  Figg.  IIa 
bis  c  =  400. 
12a— d.  Cercomonas  (tyi3ica  Kent).  12a.  Angebliche  Quertheilung,  wobei  der  zwischen  den 
beiden  Sprösslingen  ausgezogene  Plasmafaden  zu  den  Schwanzfortsätzen  derselben  werden 
soll.  12  b.  Zwei  amöboid  geAvordene  Individuen  im  Begriff  zu  copuliren.  Die  Geissein 
sind  noch  vorhanden  und  die  eigentlichen  Körper  scharf  von  den  Pseudopodien  zu  unter- 
scheiden. 12  c.  Weiteres  Stadium  der  Verschmelzung.  Die  Pseudopodien  haben  sich  zu 
gemeinsamer  Plasmamasse  vereinigt,  die  beiden  Körper  dagegen  sind  noch  nicht  ganz  ver- 
schmolzen. 12  d.  Dünnwandige  aus  der  Copulation  hervorgegangene  Cyste.  12e.  Die- 
selbe ist  aufgeplatzt  und  sendet  nach  allen  Seiten  die  minutiösen  feinen  Sporen  aus. 


Figg.  1,  2,  3  und  4a— b  nach  Aim6  Schneider  (,Arch.  Zoologie  experim.  IX);  Figg.  4  c 
bis  d,  5a— d  nach  Gaule  (Arch.  f.  Anat.  u.  Physiol.  Phys.  Abth.  1880  u.  81);  Fig.  4e  nach 
E.  Lankester  (.Quart,  iourn.  micr.  sc.  N.  s.  22);  Fig.  5e  nach  R.  Lankester  (Q.  j.  m.  sc.  N  s  XI); 
Fig.  5f  nach  Mitrophanow  (Biolog.  Centralbl.  1882):  Fig.  6  a  nach  Certes  (Ballet,  soc.  zool. 
France  1SS2);  Fig.  6b— c  nach  Eberth  (Zeitsch.  f.  wiss.  Zool.  XI);  Figg.  7a— b  u.  10a— b  nach 
Biitsclili  (Zeitsch.  f.  wiss.  Zool.  XXX);  Fig.  8  nach  S.  Kent  (Manual  of  infusoria);  Figg.  10  a— c 
nach  Stein  (Organismus  der  Flagell.);  Figg.  12  nach  Dallinger  und  Drysdale  (Monthly  microsc. 
journ.   I  b73). 


Sporozoa  u.Flacfellata 


Taf.XXXlX. 


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Erklärung  von  Tafel  XL. 


Fig. 
la — g.  Herpctomonas  Muscae  Burn.  aus  dem  Darin  von  Musca  domestica.       a.  Jiigoiid- 
lichc    Form.      Ib — c.  Aclterc   Form  in   verschiedenen   Contractionszustäiidcn.      Id.  Alte, 
fast  starre,  nur  noch  wenig  biegsame  Form,    le — g.  Verschiedene  Längstliciluiigszuständc 
nach  der  Auffassung  Stein's.     Vergr.  440. 

2a — e.  Oikomonas  Termo  Ehrbg,  sp.  la.  Einige  Exemplare,  die  sicli  mit  dem  etwas 
ausgezogenen  Hinterende  auf  einer  Bacterienhaut  befestigt  haben.  2b — d.  Ein  Indivi- 
duum in  drei  verschiedenen  Stadien  der  Nahrungsaufnahme.  2  b  zeigt  die  nahruni^sauf- 
iiehmende  Vacuole  bei  nv  und  einen  kleinen  Nahrungskörper  N,  der  von  der  lieissel 
gegen  diese  Vacuole  geschleudert  wird.  In  2  c  hat  die  beträchtlich  vergrösserte  Vacuole 
den  Nahrungskörper  in  sich  aufgenommen  und  ist  im  Begriff  nach  hinten  zu  rücken ;  in 
2d  ist  die  Vacuole  schon  bis  gegen  die  Mitte  des  Seitenrandes  nach  hinten  gerückt  und 
eine  neue  beginnt  sich  zu  bilden.  2  e.  Ein  Individuum  mit  amöboid  veränderlichem 
Hinterende.     Vergr.  von  2b — d  ==  700,  der  übrigen  Figg.  =  440. 

Sa — c.  Oikomonas  mutabilis  Kent.  3a.  Ein  mit  ansehnlichem  stielförmigen  Plasma- 
faden des  Hinterendes  befestigtes  Thier.  N  aufgenommener  Nahrungskörper  in  einer 
nahrungaufnehmenden  Vacuole.  Vergr,  600.  3  b.  Längstheilungszustand.  3  c.  Sporen- 
haufen, der  durch  Zerfall  eines  encystirten  Thiers  entstanden  sein  soll;  von  einer  Cysten- 
hülle  ist  jedoch  nichts  angegeben. 

4a — b.  ?  Oikomonas  sp.  (sogen.  Pseudospora  parasitica  Cienk.)  aus  faulenden  Spirogyren- 
zellen.  4  a.  Ein  Individuum  vor  dem  Eindringen  in  die  Algenzelle.  4b.  Ein  amöboid 
umgestaltetes  Individuum  aus  einer  Algenzelle.  4c.  Der  encystirte  Ruhezustand,  dessen 
Inhalt  sich  nach  Ausstossung  der  unverdauten  Nahrungsreste  in  einige  Sprösslinge  gc- 
theilt  hat.     Vergr.  320. 

4c — d.  ?  Oikomonas  sp.  (sogen.  Pseudospora  Nitellarum  Cienk.)  aus  faulenden  Nitellen. 
4  c.  Die  Flagellate.  4d.  Der  Dauerzustand,  welcher  zwei  Gystenhüllen  (z  und  c)  besitzt, 
zwischen  denen  sich  die  ausgestossenen  Nahrungsreste  N  finden.     Vergr.  320  (?). 

5a — k.  ?  Oikomonas  Dallingeri  Kent  sp.  (sogen.  Monas  Dallingeri  Kent).  5a.  Aeltere 
Form ;  um  die  Basis  der  Geissei  findet  sich  eine  Art  Scheide  oder  Verdickung,  die  etwas 
an  die  Kragenbildung  der  Choanoßagellata  erinnert.  5  b.  Gewöhnliche  Form  ohne  diese 
Auszeichnung  der  Geissei.  (Vergr.  =   1300.) 

5e — g.  Eigenthümlicher  Fortpflanzungsprocess  durch  Theilung.  5e.  Der  Körper  nimmt 
eine  mehr  kuglige  Gestalt  an  und  wird  schliesslich,  indem  die  Bewegung  erlischt,  ganz 
kuglig  (5  d).  Hierauf  geht  die  Geissei  verloren  und  es  treten  plötzlich  zwei  sich 
kreuzende  Furchen  am  Körper  auf  (5  e) ;  die  Zahl  der  Furchen  vermehrt  sich  und  die- 
selben zeigen  eine  eigenthümliche  Anordnung  (5f).  Schliesslich  zerfällt  der  Körper 
entsprechend  den  Furchen  in  eine  grosse  Anzahl  Sprösslinge  (5  g),  die  sich  nach  Ausbil- 
dung der  Geissein  zerstreuen. 

5h — k.  Der  Copulationsprocess.  5  h.  Ein  sehr  grosses  und  ein  kleines  Individuum  haben 
sich  vereinigt  und  schwimmen  mit  einander  umher,  öi.  Die  aus  der  Copulation  eines 
derartigen  Paares  hervorgegangene  dünnwandige  Cyste.  5  k.  Dieselbe  ist  aufgesprungen 
und  hat  eine  eiweissarartige  Flüssigkeit  entleert,  in  der  sich  nichts  von  Sporen  wahr- 
nehmen lässt. 


Figr. 
6a — b.  ChroDiulina  flavicans  Ehrbg.  sjj.  Oa.  Sehr  grosses  Individuum-,  das  eine 
Navicula  (N)  gefressen  bat.  G  b.  Wahrscheinlidicr  Ruhezustand ;  in  einer  körnigen  (iallert- 
kugel  eingehüllt,  hat  sich  die  Chromulina  durch  fortgesetzte  Längstheilung  vermehrt,  in- 
dem die  Sprösslingc  sicli  zu  einem  Eing  zusammengruppiren.  Vergr.  von  a  =  440, 
von  b  =  825. 

7a — b.  Acyromonas  sigmoides  Kcnt.  Marin.  7a.  Ein  mit  der  Geissei  festgeheftetes 
Individuum.     7  b.  Schiefer  Quertheilungszustand  nach  Kent.     Vergr.  ca.  1300. 

8.  Platytheca  micropora  St.  Kleines  Stück  einer  Wasserlinsenwurzel,  auf  der  vier 
Individuen  befestigt  sind,  darunter  eines,  das  sich  in  seiner  Hülle  getheilt  hat.  Der  geissel- 
artige  Faden  des  Vorderendes  wurde  nicht  in  Bewegung  beobachtet,  daher  ist  die  Flagel- 
latennatur  dieser  Form  noch  etwas  zweifelhaft.     Vergr.  =  440. 

9.  Codonoeca  costata  J.-Clark.     Marin.     Vergr.  =  1000. 

10a — b.  Po  teriod  endron  petiolatum  St.  10a.  Ein  junger  Jiur  aus  wenigen  Individuen 
bestehender  Stock.  Zwei  Individuen  weit  vorgestreckt  und  mit  geöffnetem  sogen.  Peristom 
(pe).  Vergr.  325.  10b.  Gehäuse,  dessen  Inwohner  sich  nach  der  Beschreibung  Kent's 
in  zahlreiche  sporenartige  Körper  zertheilt  haben  soll.     Vergr.  ca.  600. 

IIa — d.  Bicosoeca  1  acus tri s  J.-Clark.  IIa — b.  Zwei  Individuen,  welche  ihre  den  sogen. 
Peristom fortsatz  (pe)  tragenden  Vordereiiden  aus  dem  Gehäuse  vorgestreckt  haben,  a  in 
seitlicher ,  b  iu  vorderer  Ansicht.  1  i  c.  Individuum ,  das  sich  durch  Contraction  des 
Befestigungsfadens  und  des  Körpers  in  den  Grund  des  Gehäuses  zurückgezogen  hat, 
dessen  Mündung  sich  liierbei  zusammenzieht.  1 1  d.  Quertheilungszustand;  der  hintere 
Sprössling  hat  seine  Geissei  schon  entwickelt;  das  Gehäuse  wird  wahrscheinlich  niit- 
getheilt.     Vergr.  der  Figg.  =-  650. 

12a — e.  Monas  Guttula  Ehrbg.  sp.  12a.  Ein  Individuum,  das  in  seine  sehr  ausgedehnte 
Nahrungsvacuole  einen  grossen  Mycelfaden  aufgenommen  hat.  12  b.  Ein  mit  stielförmig 
ausgezogenem  Plasmafaden  des  Ilinterendes  befestigtes  Thicr,  das  im  Beiirilf  ist,  mit 
seiner  nahrungaufnehmenden  Vacuolc  einen  Nahrungskörper  (N)  aufzunehmen;  e  die 
sogen.  Mundleistc.  i  2  c.  Eigenthümlichcr  Theilungszustand  (nach  der  Auffassung  Cien- 
kowskys  gleichzeitige  Theilung  in  vier  Sprösslinge).  12  d.  Ein  Individuum,  das  innerlich 
eine  Cyste  ausgebildet  hat.  12  e.  Die  fertige  und  isolirte  Cyste  (Dauerzustand).  Vergr. 
von   12a— h  =  1060,  von  d— e  =  SOO,     2c  =  600. 

13a— c.  Monas  vivipara  Ehrbg  sp.  13a.  Individuum  mit  zarter  gallertartiger  Hülle. 
Auf  der  linken  Seite  erhebt  sich  ein  Pseudopodium,  das  die  Gallerthülle  vorstülpt,  e  die 
Mundleiste.  13  b.  Amöboid  veränderliches  Individuum.  13  c.  Der  Nucleus.  Vergr.  von 
13a— b  =  650  und  440. 


Figg.  1,  2a  und  e,  6,  S,  10a,  IIa.  c — d  und  13b  nach  Stein  (Organismus  d.  Flagell.); 
Figg.  2b— d  und  IIb  nach  Bütschli  (Z.  f.  w.  Z.  XXX);  Figg.  3a— c,  7  und  10  b  nach  Kent 
(Manual);  Figg.  4a — d  nach  Cienkowsky  (Arch.  f.  mikr.  Anat.  I);  Figg.  12a — e  nach  dem- 
selben (ibid.  VI);   Figg.  5  nach  Dallinger   und    Drysdalc   (Monthly   micr.  journ.    1874  Febr.); 


Figg.  13  a  und  c  Üriginalia. 


Flagellata. 


Taf.XL. 


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Erklärung  von  Tafel  XIjI. 


Fig. 

la — c.  Monas  Guttula  Ehrbg.  sp.  Drei  aufeinanderfolgende  Stadien  der  Liingslheilung. 
Vergr.  440. 

2a — d.  Monas  (Pliysomonas  Kent)  so  Cialis  Kent.  2a  Ein  Längstheilungszustand.  Vergr. 
ca.  1000.  2  b.  Eine  mit  zahlreichen  Sprösslingen  (Sporen  Kcnt's)  erfüllte  Cyste,  auf  dem 
erhärteten  Stiel  des  Individuums.  Vergr.  2000.  2  c.  Eine  auf  zwei  Stielen  befestigte 
ähnliche  Cyste,  die  wahrscheinlich  aus  der  Copulation  zweier  gestielter  Thiere  hervor- 
ging. Der  Inhalt  erscheint  in  zwei  Portionen  gesondert,  wahrscheinlich  der  Beginn  des 
Zerfalls  in  Sprösslinge.  Vergr.  1500.  2d.  Ein  aus  der  Cysto  Fig.  2  b  ausgetretener 
Sprössling,  der  zunächst  nur  eine  Geissei  besitzt.     Vergr,  2500. 

3.  Poteriodendron  (Stylobryon  Kent)  epistyloides  Kent.    Eine  Kolonie.   Vergr.  1500. 
4a.  Bicosoeca  lacustris  J.-Clark.     Vollendeter  Quertheilungszustand   nach  Kent.    Der 

vordere  Sprössling  ist  im  Begriff  das  Gehäuse  zu  verlassen.     Vergr.  1250. 
4b.  Bicosoeca  (Hedraeophysa  Kent)  Bulla  Kent  sp.     Vergr.  1500. 
5.  Anthophysa  vegetans  0.  F.  M.  sp. 

5a.  Ein  isolirtes  Individuum,  aus  der  Auflösung  einer  Kolonie  herrührend.  K  eine  sogen. 
Keimkugel  Stein's,  wahrscheinlich  ein  eingedrungener  Parasit. 

5  b.  Ein  schwächlich  entwickelter  Zweig  einer  Kolonie  mit  einer  geringen  Zahl  von  In- 
dividuen seiner  Endtraube. 

5  c.  Eeich  verzweigte  ansehnliche  Kolonie  mit  sehr  zahlreichen  Endtrauben,  deren  eine, 
K,  in  Theilung.     Vergr.  220. 

5  d.  Cyste  eines  isolirten  Individuums  nacli  Kent ,  deren  Inhalt  in  zahlreiche  Sprösslinge 
zerfallen  ist. 

5e.  Entsprechende  Cyste,  die  sich  geöffnet  hat  und  die  zunächst  eingeisseligen  Spröss- 
linge entlässt.     Vergr.  von  5d — e  =  530. 

5g.  Isolirtes  Anthoi)hysaindividuum,  das  spitzige  Pseudopodien  aussendet.    Vergr.  440. 

5  h.  Grosses  Individuum  in  der  Aufnahme  eines  Nahrungskörpers  N  begriffen.    Vergr.  700. 

5i.  Endzweig  einer  Kolonie  mit  sehr  individuenreicher  Endtraube;  dieselbe  ist  im  opti- 
schen Durchschnitt  dargestellt,  um  die  Befestigungsweise  und  die  Gruppirung  der 
Individuen  auf  dem  knopfförmig  angeschwollenen  Ende  des  Zweiges  zu  zeigen. 

6a^c.  Dendromonas  virgaria  Weisse  sp.  a.  Jugendliche  nur  aus  drei  Individuen  be- 
stehende Kolonie.  Vergr.  440.  b.  Reich  entwickelte  alte  Kolonie.  Vergr.  320.  c.  Junge 
Kolonie  von  nur  zwei  Individuen,  die  beide  in  Längstheilung  begrill'en  sind.  Vergr.  von  c  1000. 

7.  Dendromonas  (Cladonema  Kent)  laxa  Kent.  Ein  Individuum  einer  Kolonie,  das  in 
einer  seitlichen  ansehnlichen  Nahrungsvacuole  einen  Nahrungskörper  N  aufgenommen 
hat.     Vergr.  ca.  2000. 

8a — c.  Cephalothamnium  caespitosa  Kent  (=  Cyclopum  St.)  von  Cyclops.  a.  Jugend- 
liche nur  aus  zwei  Individuen  bestehende  Kolonie,  davon  das  eine  in  Nahrungsaufnahme 
begriffen  b.  Ein  Individuum,  das  zahlreiche  fingerförmige  Pseudopodien  an  seiner  Ober- 
fläche aussendet,     c.  Keich  entwickelte  Kolonie.    Vergr.  von  8a  =  650,  8c  =  440. 

9a — c.  Dinobryon  Sertularia  Ehrbg,  a.  Ein  Gehäuse  einer  Kolonie,  dessen  Inwohner 
sich  getheilt  liat,  der  eine  Sprössling  ist  im  Grunde  des  Gehäuses  geblieben,  der  andere 
dagegen  hat  sich  im  Mündungsrand  desselben  befestigt,  jedoch  noch  kein  Gehäuse  ab- 
geschieden.    Vergr.  700.     b  und  c.  Dauercysten  nach  Stein  und  Bütschli. 

10.  Dinobryon  stipitatum  St.  Längstheilungszustand  eines  Individuums  im  Gehäuse, 
das  nicht  mit  gezeichnet  ist.  Die  neuen  Geissein  haben  sich  schon  dicht  neben  den 
alten  entwickelt,  jedoch  noch  nicht  die  definitive  Länge  erreicht.  Am  Hinterende  sprosst 
ein  zweiter  Schwanzfaden  st  hervor.  Vorn  beginnt  die  Theilfurche  sich  bemerklich  zu 
machen.    Vergr.  ca.  6 — 700. 


Figg  1,  5a,  5e,  5g— i,  6a — b,  Sa  und  c,  Ob  nach  Stein  (^Organismus V,  Figg.  2a — d, 
3,  4a — b,  5d— f,  6c,  7  und  Sb  nach  Kent  (Manual);  5b,  9a  und  c  nach  Bütschli  (L  f. 
w.  Z.  XXX);  Fig.  10  nach  Pelletan  (Jonrn.  de  microscp.  1882). 


^agellata. 


Taf .  XLI. 


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Erklärung  von  Tafel  XLII. 


Fig. 

1.  Dinobryon  Sertularia  Ehrbg.  sp.  Massig  entwickelte  junge  Kolonie,  auf  der  sich 
einige  farblose  eingeisselige  Flagellaten  (M)  angesiedelt  haben,  die  wahrsclieinlich  niclit 
in  den  Entwicklungskreis  des  Dinobryon  gehören.     Vergr.  440 

2.  Epipyxis  ütriculus  Ehrbg.  a.  Ein  gewöhnliches  Individuum  in  seinem  aufgewach- 
senen Gehäuse,  b.  Ein  schief  quergetheiltes  Individuum;  der  hintere  Sprössliiig  noch 
ohne  Geissei.     Vergr.  650. 

3.  Üroglena  Volvox  Ehrb.  a  Die  Hälfte  einer  kugelförmigen  ansehnlichen  Kolonie. 
Vergr.  400.  b.  ein  encystirtes  Individuum  einer  Kolonie,  das  sich  unter  dem  Schutz 
der  Cystenhülle  in  vier  Sprösslinge  getheilt  hat.  c.  Grössere  dickschalige  Cyste,  die  nach 
Kent  wahrscheinlich  als  Zygote  aufzufassen  ist;  ihr  Inhalt  ist  in  sehr  zahlreiche  kleine 
sporenartige  Theilstücke  zerfallen.  Die  Cyste  ist  künstlich  gesprengt  und  daher  die 
Sporen  z.  Th.  ausgetreten.  Vergr.  260.  d.  Einige  benachbarte  Individuen  einer  Kolonie 
stärker  vergrössert. 

4.  Amphimonas  globosa  Kent.  a  Individuum,  das  in  einer  seitlichen  Nahrungsvacuole 
Nv  einen  Nahrungskörper  eingeschlossen  hat.  b.  Individuum ,  das  mit  einer  sehr  aus- 
gedehnten nahrungaufnehmenden  Vacuole  einen  ansehnlichen  Bacillus  zu  ergreifen  im 
Begriffe  steht.     Vergr.  von  a  ca    500. 

5.  Deltomonas  Cyclopum  Kent.  a.  Ein  Individuum,  wie  sie  sich  gewöhnlich  gruppen- 
weise auf  Cyclops  befestigt  finden.  Vergr.  ca.  ISOO.  b.  Längstheilungszustand ;  auf 
jedem  der  beiden  Lappen  des  Vorderendes  hat  sich  eine  zweite  Geissei  entwickelt,  so 
dass  also  jeder  derselben  zu  dem  Vorderende  eines  der  beiden  Sprösslinge  wird.  c.  An- 
gebliche Cyste  mit  zahlreichen  sogen.  Sporen  im  Innern. 

6.  Diiiomonas  tuberculatus  Kent.  Ein  Individuum,  das  einen  ansehnlichen  Bacillus 
aufgenommen  hat.     Vergr.  ISOO. 

7.  Pseudospora  Volvocis  Cienk.  a  und  b  zwei  Individuen,  die  von  gewissen  Stellen 
der  Körperoberfläche  spitzige  Pseudopodien  aussenden,  a  zeigt  deutlich  die  fein  radiär 
gestrichelte  Hautschicht  und  enthält  zahlreiclie  grüne  bis  braune  Nahrungskörper  N. 
c.  Encystirter  Dauerzustand  mit  drei  Hüllen,  s  eine  äusserstc  zarte,  walirscheinlirh 
gallertige  Hülle  (der  sogen.  Schleier  nach  Cienkowsky),  z  die  Zellhulle  und  c  die  Cysten- 
hülle nach  der  Bezeiclinung  Cienkowsky's ,  zwischen  den  beiden  letztere]!  bemerkt  man 
die  ausgestossenen  unverdauten  Nahrungsreste  N.     Vergr.  von  7b— c  =  320. 

8.  Diplomita  socialis  Kent.  Ein  Individuum  auf  einem  Algenfaden  festgeheftet. 
Vergr.   1500. 

9.  Rhipidodendron  splendidum  St.  a.  Reich  entwickelte  Kolonie.  Vergr.  200. 
b.  Junge  noch  unverzweigte  Kolonie  stärker  vergrössert.  c.  Ein  isolirtes  Kolonialindivi- 
duum.    Vergr.  700. 

10.  Spongomonas  Sacculus  Kent.  Eine  von  der  Wasseroberfläche  herabhängende  er- 
wachsene Kolonie.     Vergr.  3 — 4 

11.  Cladomonas    fruticulosa    St.     Erwachsene    Kolonie.     Die  Endzweige  der  Gehäuse- 
röhrc  sind  zum  Theil  leer,  indem  die  Flagellaten  z.  Th.  die  Kolonie  verlassen  haben.  In  ' 
einem   Endzweig   der  Röhre   sind  zwei  durch  Längstheilung  hervorgegangene  Flagellaten 
enthalten.     Dicht  daneben  ist  zu  sehen,  wie  durch  Ausscheidung  besonderer  Röhren   um 
solche  Theilsprösslinge  die  Verzweigung  der  Gehäuseröhre  sich  vollzieht.     Vergr.  325. 

12.  Spongomonas  Intestinum  Cienk.  sp.  Theil  einer  fadenförmigen  auf  einer  Unter- 
lage flach  aufgewachsenen  Kolonie.  In  der  Axe  derselben  ist  ein  kanalartiger  Flüs- 
sigkeitsraum bemerkbar.     Vergr.  SqO. 

13a.  Spongomonas  Discos  St.  Flach  scheibenförmige  Kolonie  auf  einer  Unterlage 
aufgewachsen.   Vergr.  325. 

13b.  Spongom.  Intestinum  Cienk.  Kleiner  Theil  einer  zerzupften  Kolonie,  der  zeigt,  dass 
die  Individuen  in  engen  Flüssigkeitshüllen  innerhalb  der  Kolonialgallertc  liegen  und  dass 
bei  der  Vermehrung  durch  Längstheilung  sich  innerhalb  dieser  Hüllen  ganze  Gruppen 
von  Individuen  bilden;  dasselbe  ist,  wenn  auch  weniger  deutlich,  auch  auf  den  Figuren 
12  und  13  a  zu  erkennen.     Vergr.  440. 


Figg.  1,  2,  3a,  0,  11,  12,  13  nach  Stein  (Organismus);  Figg.  3b— c,  4,  5,  6,  S  und  10 
nach  Kent  (Manual);  Figff.  7b— c  nach  Cienkowsky  (Arch.  f.  mikr.  Anat.  I);  Fig.  3d  nach 
Bütschli  (Z.  f.  w.  Z.  XXX);  Fig.  7  a  Original. 


riagellata. 


Taf.XLn. 


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12  a. 


Fig. 

7a — b.  Copulationszustände  von  Clilamy  domonas  pulvisculus.  7  a.  Eine  Mikro-  und 
eine  Makrogonidie  haben  sich  mit  ihren  Voiderenden  vereinigt-  die  Geissein  der  Mikro- 
gonidie  sind  noch  erhalten.  7  b.  Das  Plasma  der  Mikrogonidie  hat  sich  unter  Zurück- 
lassung seiner  Schalenhülle  mit  dem  der  Makrogonidie  vereinigt;  die  Geissein  sind  ge- 
schwunden.    Vergr.  4S0. 

8.  Chlamydomonas  alboviridis  St.  Gewöhnliches  Individuum,  ch  die  einfache  Chloro- 
phyllplatte (Chromatophor).     Vergr.  =  650. 

Da— k.  Haematococcus  lacustris  Girod.  sp.  9a.  Gewöhnliches  Individuum  mit  weit 
abstehender  Schalenhülle  (z).  9b.  Aehnliches  Individuum,  dessen  Plasmakörper  durch 
zahlreiche  radiäre  pseudopodienartige  Fortsätze  mit  der  Schalenhülle  verbunden  ist. 
9  c.  Der  Dauerzustand  mit  dem  encystirten  Körper  (c)  in  der  Schalenhülle  (z).  9  d.  Der 
encystirte  Körper  ist  durch  Auflösung  der  Schaleuhülle  frei  geworden  und  hat  sich  ge- 
theilt.  9  e.  Der  eine  der  Sprösslinge  hat  sich  nochmals  getheilt,  die  Cystenhüllc  (c)  ist 
aufgebrochen  und  einer  der  Sprösslinge  in  eine  secundäre  Hülle  eingeschlossen  durcli 
die  Aufbruchsstelle  hervorgetreten.  9  f.  Aehnlicher  Zustand  mit  zahlreicheren  Theil- 
sprösslingen.  9  g.  Dauerzustand  mit  drei  Theilsprösslingen ,  die  ihre  Geissein  z.  Tli. 
schon  wieder  erlangt  haben,  davon  einer  in  Längstheilung  begriffen.  9  h.  Polytoma  ähn- 
licher Vermchrungszustand  mit  einer  Anzahl  Theilsprösslingen  in  der  Schalenhülle  und 
durch  Besitz  der  urpsrünglichen  beiden  Geissein  noch  beweglich.  9i.  Dauerzustand  mit 
Mikrogonidienbildung.  9  k.  Zwei  frei  gewordene  Mikrogonidien.  In  sämmtlichen  Abbil- 
dungen bedeutet  r  das  rothe  Pigment  (llaematochrom).  Vergr.  von  9  a — b  =  480,  von 
c— f  =-  400,  von  g  =  600. 
10.  Chlamydomonas  oibtusa  A.  Br.  (grandis  St.).  Altes,  grosses  Individuum  mit  zahl- 
reichen Amylonkeruen  (amk).     Vergr.  520. 

IIa — b.  Coccomonas  orbicularis  St.  IIa.  Gewöhnliches  Individuum.  IIb.  Vermeh- 
rungszustand. Die  Coccomonas  hat  sich  durch  fortgesetzte  Zweitheilung  in  der  Schalen- 
liüUe  zu  vier  Sprösslingen  vermehrt,  welclie  sich  durch  Sprengung  der  Schale  in  zwei 
Hälften  befreien.     Vergr.  440. 


Figg.  la  und  e,  2 — 3,  4  a — h,  6a,  6d — n,  7,  9a — g  und  11  nach  Stein  (Organismus); 
Figg.  Ib— d  nach  Bütschli  (L.  f.  w.  Z.  XXX);  Fig.  5  nach  Dallinger  und  Drysdale  (Monthly 
micr.  j.  1874);  Figg.  6  b— c  nach  Cienkowsky  (Bot.  Zeitung  1868);  Figg.  9  h— k  nach  Cohn 
(Nova  Acta  XXII);  Fig.  8  Original. 


Flagellala. 


Tat:  XLin. 


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Erklärung  von  Tafel  XLIV. 


la — d.  Chlorogonium  euchlorum  Elirbg.  1  a.  Grosses  starres  Individuum  der  schmalen 
Varietät;  statt  der  zwei  liier  verzeichneten  contractilen  Vacuolen  finden  sich  nach  neueren 
Untersuchungen  zahlreiche.  1  b.  Vermehrungszustand  durch  Bildung  von  Makrogonidien 
ähnlich  Polytoma.  Die  drei  sichtbaren  Sprösslinge  sind  durch  quere  Theilung  entstanden 
und  haben  sicli  nachträglich  in  der  abgebildeten  Weise  zusammengeschoben.  1  c.  Mikro- 
gonidienbildung,  Endzustand.  Der  Körper  ist  innerhalb  der  Schalenhülle  in  sehr  zahl- 
reiche kleine  Sprösslinge  zerfallen.  Id.  Copulationszustand  zweier  frei  gewordener  Mikro- 
gonidicn.     Vergr.  von  1  a  325,  der  übrigen  Figuren  440. 

2a — d.  Chlorangium  stentorinum  Ehrbg.  2  a.  Gewöhnliches  freischwimmendes  Indivi- 
duum. 2  b.  Ein  festgeheftetes  Individuum ,  das  einen  Gallertstiel  ausgeschieden  liat  und 
in  der  Schalcnhülle  viergetheilt  ist.   2  c.  Eine  Kolonie,  wie  sie  sich  aus  dem  Zustand  von 

2  b  entwickelt,  indem  die  Schalenhülle  des  Mutterindividuums  aufbricht  und  die  befreiten 
Sprösslinge  neue  Gallertstiele  ausscheiden.  2  d.  Encystirter  Dauerzustand  (V).  Vergr.  von 
2a— b  =  440. 

3a — f.  Phacotus  lenticularis  Ehrbg.  sp.  3a.  Ein  Individuum  in  Ansicht  auf  die 
Flachseite    (seh    die    Schale").     3  b.   Ein    ebensolches  in  der  Ansicht  auf  die  Schmalseite. 

3  c.  Vermehrung  durch  Bildung  von  Makrogonidien.  Der  Körper  hat  sich  innerhalb  der 
Schale  in  vier  Sprösslinge  getheilt ,  die  schon  eigene  Schalen  gebildet  haben  und  durch 
Aufbrechen  der  beiden  Klajjpen  der  Mutterschale  frei  werden,  jedoch  noch  in  einer 
zarten  Blase  eingeschlossen.  3  d.  Bildung  von  Mikrogonidien  durch  Zerfall  des  Körpers 
in  zahlreiche  kleine  Sprösslinge.  3e.  Freiwerden  dieser  Mikrogonidien  ähnlich  wie  der 
Makrogonidien  in  3  c.  3  f.  Copulation  zwischen  Mikrogonidien  und  zwei  Makrogonidien, 
die  noch  in  der  Blase  eingeschlossen  sind ,  daneben  liegt  die  aufgeklappte  Mutterschale 
dieser  Makrogonidien.     Vergr.  von  3a — b  =  650,  von  3c  =  440. 

4a — b.  Phacotus  angulosus  Cart.  sp.  4a.  Individuum  von  der  Breitseite;  der  Weich- 
körper ist  in  vier  Sprösslinge  zerfallen.     4  b.  Ein  Individuum  von  der  Schmalseite. 

5.  Hymenomonas  roseola  St.  Ein  Individuum,  cu  die  weiche  feingekerbte  cuticula- 
artige  Hülle,     f  ein  fettartiger  Körper     Vergr.  650. 

6a — b.  Stylochrysalis  parasitica  St.  6b.  Ein  gewöhnliches  Individuum  auf  steifem 
Stiel.     6a.  Ein  Qucrtheilungszustand.     Vergr.  650. 

7a — b.  Nephroselmis  olivacca  St.  7a.  Gewöhnliches  Individuum.  7b.  Längstheilungs- 
zustand.     n?  wahrscheinlich  der  Zellkern.     Vergr.  650. 

Sa — g.  Pandorina  Morum  Ehrbg  8a.  Eine  Kolonie  von  16  Individuen  mit  durch  se- 
cundäre  Verdickungsschichten  verstärkter  Kolonialhülle.  8  b.  Einige  Zellen  einer  grossen 
in  Auflösung  begriffenen  Geschlechtskolonie,  umschwärmt  von  den  freigewordenen  kleinen 
Individuen  einer  kleineren  geschlechtlichen  Kolonie,  1  Copulation  eines  grossen  und  eines 
kleinen  Individuums.  S  c.  Copulation  zweier  Gameten  von  gleicher  Grösse.  S  c.  Frei- 
schwimmende viergeisselige  aus  der  Copulation  hervorgegangene  Zygote.  Sd.  Encystirto 
Zygote.  8 f.  Die  aufbrechende  Zygote;  der  Inhalt  tritt,  noch  in  eine  feine  Haut  gehüllt 
hervor  und  bildet  sich  zu  einem  zweigcisseligen  Schwärmer  um  (8  g),  der  durch  succes- 
sive  Theilungen  eine  Pandorinakolonie  erzeugt.  Vergr.  von  8  a  =  325,  von  8b— d  ^=  480. 
von  f — g  ==  320. 

«la— b.  Gonium    pectorale    0.  F.  Müll.     Ita    Kolonie    von  der  Fiacliseite.     Ob.  Von  der 

Schmalseite.  Vergr.  ;i25. 
]()a_c-.  Volvox  Globator  L.  10a.  Hälfte  eines  geschlechtlichen,  lieimaphroditischen 
Individuums.  Vergr.  250.  ov  Die  Eizellen,  deren  Centrinn  z.  Th  vacuolär  ist:  sp  die 
Samcnfädenbündel  thcils  in  Ansicht  von  der  Fläche,  theils  in  der  Ansicht  auf  die  Schmal- 
seite der  Bündel.  10  b.  Kleiner  Theil  der  Übcriläche  eines  Individuums,  zeigt  deutlieh 
die  hexagonalen  Hüllen  der  Zellen  und  die  letztere  verbiudendei)  Plasmafäden. 
10  c.  Kleiner  Theil  der  Peripherie  eines  Individuums  im  optischen  Kadialsclmitt;  f  eine 
junge  Parthenogonidie,  daneben  drei  gewöhnliche  Zellen      Vergr    von  10  c  800. 


Figg.  1,  2a— b,  3c,  5—7,  8a  und  '.)  nach  Stein  (Organismus»;  Figg.  2c— d  nach  Cien- 
kowsky  (Arch.  f.  mikr.  Anat.  VI);  Figg.  3d— f  und  4  nach  Carter  (Ann.  mag.  n.  h.  (3)  II 
und  111);  Sb  — g  nach  Pringsheim  (Moiiatsb  Herl.  AK.  1S69):  Figg.  10  a  und  c  nach  Cohn 
(.Beitr.  z.  Biol.  d.  PH.  I);  Fig.  10  b  Original. 


Flacjellata. 


Taf.  XIN. 


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Erklärung  \ou  Tafel  XLV. 


Fig. 

1  a — k.  V  0 1 V  0  X. 

1  a.  SiJermatozoidien  von  Volvox   Globator.     Vergr.  650. 

Ib.  Reifes,  ungeschleclitlich  erzeugtes  Tochterinclividuuni  von  Volvox  minor  St.  noch 
umschlossen  von  der  Hülle  der  Parthenogonidie ;  pr  die  jungen  Parthenogoni- 
dien.     Vergr.  650. 

Ic — g.  Zur  Entwicklung  des  Eies  von  Volvox  minor  St.  Reifes  befruchtetes  Ei  mit 
zwei  Hüllen,  dem  Exospor  (Ex)  und  dem  Endospor  (En) ;  das  letztere  beginnt  zu 
<|uellen.  1  d.  Die  Quellung  des  Endospors  hat  das  Exospor  zerrissen.  1  e.  Die 
Furchung  hat  begonnen,  Viertheilungszustand ;  um  die  Furchungszellen  ist  schon  eine 
gallertige  Hülle  (g)  abgeschieden.  1  f.  Achttheilungszustand  vom  offenen  Pol  gesehen. 
1  g.  Derselbe  vom  geschlossenen  Pol  gesehen. 

Ih — k.  Entwicklungsstadien  der  Parthenogonidien  eines  A'olvox  (wahrscheinlich  V.  Glo- 
bator). 1  h.  Achtzelliges  Stadium  in  der  Ansicht  auf  den  geschlossenen  Pol.  1  i.  Sechs- 
zchnzelliges  Stadium  in  der  Ansicht  auf  den  geschlossenen  Pol.  1  k.  Vielzelliges  Stadium 
in  der  Ansicht  auf  den  ungeschlossenen  Pol,  der  noch  verhältnissmässig  weit  geöfiiiet  ist. 

2.  Carteria  cordiformis  Gart.  sp.  Gewöhnliches  Individuum  mit  im  Vordertheil  etwas 
abgehobener  Schalenhülle.     Vergr.  050. 

3.  Collodictyon  triciliatum  Gart.  (=  Tetramitus  sulcatus  St)  Ansicht  auf  die  längs- 
gefurchte Bauchseite.     Vergr.  500. 

4.  Spondylomorum  (luaternarium  Ehrbg.  Entwickelte  Kolonie  von  10  Individuen 
in  seitlicher  Ansicht.     Vergr.  600. 

5.  Chloraster  gyrans  Ehrbg.     Vergr.  300. 

6.  Chloraster  agilis  Kent.     Seitliche  Ansicht.     Vergr.  1250. 

7.  Pyramimonas  Tetrar hynchus  Schmarda.  Achtgcisseliger  Theilungszustand ;  nur 
die  Geissein  sind  einstweilen  verdoppelt.     Vergr.  300. 

8a — b.  Cyathomonas  truncata  Fresen.  spcc.   8 a.  Gewöhnliches  Individuum.  8b.  Längs- 

theilungszustand.     Vergr.  650. 
Da— d.    Ghilomonas    Paramaecium    Ehrbg.     9a.    Individuum    in  seitlicher  Ansicht- 
9  b.  Vorderende  eines  Individuums  in  Ansicht  von  der  Bauchseite.   Vergr.  700.  9  c.  Cyste 
mit  einfacher  Hülle.     9d.  Längstheilungszustand.     Vergr.  650. 

10a— b.  Cryptomonas  ovata  Ehrbg.  10a.  Ein  gewöhnliches  Individuum  in  seitlicher 
Ansicht;  pe  das  sogen.  Peristom  nach  der  Darstellung  Stein's.  10b.  Ein  angeblich 
jugendliches  Individuum  nach  Stein.     Vergr.  650. 

11.  Protoeoccusartiger  A'eruiehrungszustand  der  Cryptomonas  ovata  Ehrbg.    Vergr.  220. 

12a— c.  Oxyrrhis  marina  Duj.  Zwei  Individuen  in  seitlicher  Ansicht,  a  mit  ausge- 
streckteren Geissein,  nach  Kent;  b  mit  den  in  der  Peristomeinsenkung  eigenthümlich  zu- 
sammengelegten Geissein,  nach  Blochmann.  12  c.  Quertheilungszustand;  die  Geissein  des 
hinteren  Sprösslings  sind  jedenfalls  schon  entwickelt,  jedoch  auf  der  Fig.  nicht  ange- 
deutet.    Vergr.  ca.  400. 

13a— c.  Tetramitus  rostratus  Perty.  13a-b.  Gewöhnliche  Individuen,  a  in  Ansicht 
von  der  Bauchseite,  b  in  seitlicher  Ansicht.  13c.  Längstheilungszustand;  der  Kern,  die 
contractilen  Vacuolen  und  die  Geissein  sind  schon  verdoppelt.     Vergr.  520. 

13d— k.  Zur  geschlechtlichen  Fortpflanzung  des  Tetramitus  rostratus  nach  Dallinger 
und  Drysdale.  13 d.  Ein  Individuum  in  Vorbereitung  zur  Copulation,  das  Hinterenüe  ist 
amöboid  geworden  und  der  Kern  hat  sich  vergrössert.  13e.  Zwei  mit  den  Hinterenden 
copulirte  derartige  Individuen.  13 f.  Die  aus  der  Copulation  hervorgegangene  Cyste. 
13g— k.  Allmähliche  Entwicklung  der  entleerten  Sporen  zu  den  Mutterthieren  ähnliphen 
Wöscn. 

14a— b.  Trepomonas  agilis  Duj.  14a.  Seitliche  Ansicht  eines  Individuums  von  der 
Schmalseite.     14  b.  Vorderansicht. 


Figg.  la  (oben),  1  b,  2—4,  5,  7,  Sb,  9d,  10a— b,  13a— c  nach  Stein  (Organismus); 
Figg.  la  (unten)  nach  Cohn  (Beitr.  z.  Biol.  I);  Ic— g  nach  Kirchner  (Cohn,  Beitr.  z.  Biol.  III); 
Figg.  6,  12a  und  c  nach  Kent  (Manual);  Figg.  .8a,  9a  und  14a— b  nach  Bütschli  (Z.  i.  w. 
Zool.  XXX);  Fig.  12  b  nach  Blochmann  (Z.  f.' w.  Z.  40).  Figg.  13d— k  nach  Dallinger  und 
Drysdale.     9  b — c.  Originalia. 


FlageUata. 


Taf.  XLY. 


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I 


Erklärung  von  Tafel  XI. VI. 


Fig. 
la — b.  Trepomonas  agilis  Djvd.    1  a.  Iiidividuuin,  das  ausser  den  zwei  vorderen  Geisselii 
noch  zwei  liintere  besitzt,  wahrsclunnlicli  in  Vorbereitung  zur  Längstheilung-.    1  b.   W'alir- 
scheinlicher  Längstlieiluagszustand,  jedöcli  niclit  ganz  sicher;  andernfalls  wohl  Copulation. 
Vergr.  650. 


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2a— b.  Hexamitus  inflatus  Djrd.  2a.  Gewöhnliches  Individuum.  2b.  Längstheilungs- 
z_ustand.     Vergr.  440. 

3a— d.  MegaStoma  intestinalis  Lambl.  sp.  aus  dem  Darm  des  Menschen.  3  a.  Ein 
Individuum  von  der  Bauchseite,  3  b.  Ein  solches  in  Seitenansicht.  3  c— d.  Ansicht 
zweier  Individuen  von  der  Bauchseite,  ohne  die  Geissein.  3d  zeigt  deutlich  den  Kiel 
und  zwei  sich  gewöhnlich  findende  helle  Flecken,  wahrscheinlich  Vacuolen  (v).  Vergr. 
ca.  2000. 

4a — e.  Bodo  caudatus  Djrd.  sp.  4a.  Ein  gewöhnliches  Individuum  von  der  Seite;  das- 
selhe  hat  zwei  Chlamydomonaden  gefressen.  4b.  Ein  Individuum,  das  im  Begriff  ist, 
einen  Chlamydomonas  pulvisculus  auszusaugen.  4c.  Ruhezustand  mit  Vermehrung.  In 
der  Cyste  hat  sich  der  Bodo  in  eine  Anzahl  Sprösslinge  getheilt,  die  eben  aus  der  Cyste 
ausschlüpfen.  4d.  Der  Dauerzustand  nach  Cienkowsky.  4e.  Ein  ähnlicher  Cystenzustand 
wie  4  c  nach  Cienkowsky ,  dessen  Inhalt  in  eine  Anzahl  Sprösslinge  zerfallen  ist.  N  die 
vor  der  Theilung  ausgestossenen  Nahrungsrestc.     Vergr.  von  4  a — c  =  520. 

5a — c.  Fortpflanzung  von  Bodo  V  caudatus  Djrd.  sp.  nach  Dallinger  und  Drysdale. 
5  a.  Copulation  mehrerer  Individuen.  5  b — c.  Eucystirte  Zygote,  hervorgegangen  aus  der 
Copulation  zweier  Individuen  in  verschiedenen  Stadien  fortgesetzter  Theilung  des  Inhalts. 
5  c  stellt  die  mit  zahlreichen,  dem  Ausschwärmen  nalien  Sprösslingen  gefüllte  Zygote  dar. 

6a — n.  Bodo  angustatus  Djrd.  (=  Monas  Amyli  Cienk.).  6a  und  c,  Individuen  gewülin- 
licher  Art  nach  Stein  und  Cienkowsky.  6  b.  Ein  eigenthümlich  schrauhig  zusammen- 
gedrehtes Individuum.  6d — e.  Amöboid  gewordene  Individuen,  die  zahlreiche  spitzige 
Pseudopodien  aussenden.  6g.  Ein  Individuum,  dass  seine  Geissei  noch  besitzt,  hat  ein 
grosses  Stärkekorn  (am)  umflossen.  6h.  Ein  ähnliches  umflossenes  Stärkekorn  an  dem- 
noch  mehrere  Geissein  thätig  sind.  6  i.  Drei  Stärkekörner  sind  gleichzeitig  umflossen 
worden.  6k.  Encystirter  ßuhezutand  mit  Zerfall  des  Inhalts  in  zahlreiche  kleine  Spröss- 
linge; am,  Kest  des  grossentheils  verdauten  Stärkemehlkorns.  61.  Aehnliche  Cyste,  deren 
Sprössünge  grossentheils  ausgeschwärmt  sind,  einige  noch  im  Hervorbrechen  begriffen. 
6m.  Cyste,  aus  der  die  Sprösslinge  grossentheils  ausgeschwärmt  sind;  der  Kest  des 
Stärkekorns  (am)  wurde  neuerdings  von  Sprösslingen  aufgenommen  und  in  dieser  Weise 
hat  sich  in  der  alten  Cystenhaut  (Z)  eine  neue  Cyste  (Z')  gebildet,  deren  Inhalt  schon 
wieder  in  Sprösslinge  zerfallen  ist.  6n.  Dauerzustand,  am  der  ausgestossene  Kest  des- 
Stärkemehlkerns,  zwischen  den  beiden  Hüllen.  Vergr.  von  6  a — b  =  650,  von  6c— e  = 
450,  von  6f— i  =  300,  von  6  k— m  =  240. 

7.  Phyllomitus  undulans  St.  in  seitlicher  Ansicht.     Vergr.  650. 

8a — b.  Anisonema  grande  Ehrbg.  sp.  8a.  Individuum  in  Kllckenansicht.  Vergr.  700. 
8  b.  Längstlieilungszustand  in  Bauchansicht.     Vergr.  440. 

9.  Längstlieilungszustand  von  Entosiphon  sulcatum  Djrd.  sp.  in  Bauchansicht.   Vergr.  650. 

10.  Colponema  Loxodes  St.  in  der  Ansicht  auf  die  Bauchseite.     Vergr.  650. 

Ha.  Trichomonas  Batrachorum  Perty  aus  dem  Darm  des  Frosches   von  der  Bauchseite; 
US  der  undulirende  Saum.     Vergr.  440. 

IIb.  Trichomastix  Lacertae  Blchm.  aus  dem  Darm  von  Lacerta  agilis.     K  der  Kiel    des 
Kückens.     Vergr.  1400. 

11c.  Trichomonas  vaginalis  Donnc  aus  der  menschlichen  Vagina,    us   der   undulirende 
Saum.     Vergr.  700. 

12a — f.  Daliingeria  Drysdalii  Kent.  12a.  Gewöhnliches  schwimmendes  Thier.  12b.  In- 
dividuum, das  sich  mit  seinen  beiden  hinteren  Geissein  festgeheftet  hat  und  durch  deren 
Contractionen  Schnellbewegungen  ausführt.  12  c.  Längstlieilungszustand.  12d.  Individuum, 
dessen  hintere  Geissein  zusammenschrumpfen  und  eingehen,  in  Vorbereitung  zur  Copula-  . 
tion.  12  e.  Copulation  eines  der  Individuen  von  12  d  mit  einem  gewöhnlichen  drei- 
geisseligen.  12 f.  Die  encystirte  Zygote,  hervorgegangen  aus  einer  solchen  Copulation. 
12  g.  Allmähliche  Entwicklung  der  von  einer  Zygote  entleerten  Sporen.     \'ergr.  2000. 

13.  Trimastix  marina  Kent,  in  seitlicher  Ansicht.     Vergr.  1000. 


Figg.  2,  4  a — c,  6a-b,  7,  8  b,  10  und  Ha  nach  Stein  (Organismus) ;  Figg.  3  a — b  und 
d  nach  Grassi  (Atti  soc.  ital.  sc.  nat.  25);  Fig.  3  c  nach  Lambl  (Aus  d.  Franz-Jos.  Spital  Thl.  IV, 
Figg.  4d — e  nach  Cienkowsky  (Arch.  f.  mikr.  An.  I.);  Eigg.  6  c— n  nach  Cienkowsky  (Bullet. 
Ac.  imp.  Petersbourg  XIV  und  XVII);  Figg.  8  und  9  nach  Bütschli  (Z.  f.  w.  Z.  XXX); 
Figg.  IIb— c  nach  Blochmann  iZ.  f.  w.  Z.  40);  Figg.  12a — f  nach  Dallinger  (in  Pioceed.  my. 
soc.  27);  Fig.   13  nach  Kent  (Manual). 


Flogellala. 


Taf.  XL\1 


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Erkläi'ung  von  Tafel  XLVII, 


Fig. 

la^ — d.  Pcraiieina  tricliophorum  Elirbg.  sp.  1  a.  IndivicluTim  von  der  Ruckenseite, 
kriechend.  1  1j.  Vorderendu  eines  Individuums,  das  grosse  Nalirungskörper  in  die  selir 
erweiterte  Mundöffnung-  einführt.  1  c,  Einei-  der  mannigfaltigen  Contractionszustände. 
1  d.  Längstlieilungszustand.     Vergr.  440. 

2.  Petalomonas  abscyssa  Djrd.  sp.  Kriechendes  Individuum  von  der  Rückseite,  mit 
zwei  Rückenkielen.     Vergr.  650. 

3.  Petalomonas  sinuata  St.     Längstheiluugszustand.     Vergr.  520. 

4a — c  Astasiopsis  distortum  Djrd.  sp.  (=  Cyclidium  dist.  Djrd.).  4a.  Abgeplattete 
und  schraubig  eingerollte,  wenig  bewegliche  Form,  welche  jedoch  häufig  in  die  lang- 
gestreckte Form  der  Figur  4  b  übergeht.  4  c.  Contractionszustand  einer  langgestreckten 
Form.     Süsswasser.     Vergr.  280. 

öa — b.  ürceolus  Alenitzini  Mereschk.  (=  Phialonema  cyclostomum  St.).  5a.  Aus- 
gestrecktes Individuum.     5  b.  contrahirtes.     Vergr.  650. 

6a — f.  Euglena  viridis  Ehrbg.  Gewöhnliches  Individuum.  Vergr.  300.  6b.  Längsthei- 
lung im  Ruhezustand  in  einer  Gallerthülle  (c).  6  c— d.  Zusammengezogene  gcissellose 
Individuen  mit  sogen.  Keimkugeln  (Ks)  nach  Stein,  ohne  Zweifel  Parasiten;  auf  Fig.  6d 
und  6e  dieselben  in  Zerfall  in  zahlreiche  Schwärmer.  6  f.  Durch  Druck  hervorgesprengte 
Schwärmer  der  sogen.  Keimkugeln.  Vergr.  von  6b — c  =  440,  von  6f  =  650.  (Es 
scheint  mir  nicht  ganz  sicher,  ob  alle  die  von  Stein  unter  der  Bezeichnung  E.  viridis 
abgebildeten  Euglenen  zu  der  Art  im  Sinne  von  Klcbs  gehören.) 

7.  Cyste  von  Euglena  Tuba  Carter.     Vergr.  ca.  220, 

8.  Vorderende  der  Euglena  acus  Ehrbg.  in  seitlicher  Ansicht.     Vergr.  650. 

9a — c.  Euglena  Spiro gyra  Ehrbg.  9a.  Vorderhälfte  eines  Individuums  in  seitlicher 
Ansicht.  Vergr.  500.  9  b— c.  Längstheilungszustände  ruhender  geisselloser  Formen. 
Vergr.  200. 
10a— b.  Paramylonkörper  von  Euglena  Ehrenbergii  Klbs.  10a.  Ansicht  der  Schmal-, 
10  b  der  Breitseite.  10c.  Vorderende  der  Euglena  Ehrenbergii  in  seitlicher  Ansicht. 
Man  sieht  den  Behälter  (bh),  daneben  eine  contractile  Vacuole  (cv)  und  um  diese  einen 
Kranz  kleiner  Vacuolen,  die  später  zu  einer  neuen  contractilen  Vacuole  zusammenfliessen 
werden.    Vergr.  400. 

11.  Euglena  velata  Klbs.  Chromatophoren  mit  Pyrenoid  (py)  und  zwei  demselben  aussen 
aufliegenden  Paramylonschalen  (pam).  a  In  Flächenansicht,  b  im  optischen  Durchschnitt. 
Vergr.  500. 

12.  Phacus  longicaudus  Ehrbg.  sp.  von  der  abgeplatteten  Bauchseite.     Vergr.  600. 

13.  Phacus  Pleuronectcs  Ehrbg.  sp.  Vorderhälfte  eines  Individuums  von  der  abgeplat- 
teten Bauchseite ;  neben  dem  unregelmässigen  Behälter  (bh)  zwei  contractile  Vacuolen  (cv). 
Der  grosse  Paramylonkörper  (pam)  hat  nach  Behandlung  mit  Alkohol  eine  selir  cigcn- 
thümliche  Beschaffenheit  angenommen.     K  der  Rückenkiel.     Vergr,  760. 

14.  Phacus  Pleuren ectes  Ehrbg.  sp.  Seitliche  Ansicht  des  Vorderendes  eines  Indivi- 
duums.    A'^ergr,  760. 

15.  Grosser  Paramylonkörper  von  Phacus  Pleuronectes.     Vergr.  700. 

16a — b.     Colacium  calvum  St.     16  a.  Freiumherschwimmendes ,   nacktes,   sehr  contractiles 

Einzelwesen.     16b.  Eine  Kolonie  umhüllter,  festgehefteter  Wesen,  die  durch  fortgesetzte 

Theilung  eines  Individuums  hervorging.     Vergr.  400, 
17a — b.     Lepocinclis  Ovum  Ehrbg.   sp.      17a.  Die  leere  ausgefaulte  Cuticula.     17b.  Ein 

gewöhnliches  Individuum  mit  zwei  grossen  seitlichen  Paramylonbändern    und  zahlreichen 

kleinen  Paramylonscheibchcn.     Vergr.  780. 

18.  Phacus  Pyrum  Elirb.  sp.     Ein  Individuum.     Vergr,  650. 

19.  Ascoglena  vaginicola  St.  Individuum  in  seinem  braunen,  festgehefti/ten  (iehäuse. 
Vergr.  470. 

20.  Trachelomonas  caudata  Ehrbg.  sp.     Vergr.  440. 

21.  Trachelomonas  volvocina  Ehrbg.     Vergr,  650. 

Fio'g.  1  a— 2.  4,  5,  8,  9  a,  12—15,  17  und  21  Originalien  aus  dem  Jaiire  1877,  Fig.  Ib 
nach  Bütschli  (Z.  f.'  w.  Z.  XXX);  Figg.  Ic— d,  3,  6b— f,  IG,  18—20  nach  Stein  (Organismus); 
Fig.  7  nach  Carter  (Ann.  m,  n.  h.  (4)  III);  Figg.  6a,  9  b— c,  10  und  11  nach  Klebs  (Unters, 
aus  d.  botau.  Instit.     Tübingen  I). 


Flagellata. 


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Tar.  XL  VII. 


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Erklärung  von  Tafel  XL VIII. 


1.  Traclielomonas  armata  Ehrbi;-.  sp.     Vergr.  440. 

2.  Trachelomonas  hispida  Perty  sp.  Veruiehrung  durch  Theilung  im  ruhenden  Zu- 
stand; der  encystirte  Körper  ist  unter  dem  Schutz  einer  besonderen  Cystenhülle  (C)  in 
drei  Sprösslinge  zerfallen.     Vergr.  ca.  700. 

3.  Coelomonas  grandis  Ehrbg.  sp.     Individuum  von  der  Kiickseite.     Vergr.  400. 

4.  Gonyostomum  Dies.  (==  Merotricha  Mereschk..  Raphidomonas  St.)  Semen  Ehrbg.  sp. 
tr  Die  Trichocysten.     Vergr.  400. 

5.  Microglena  punctifera  Ehrbg.     Vergr.  440. 

6.  Khabdomonas  incurva  Fres.     Vergr.  440. 

7.  Menoidium  pellucidum  Perty.     In  seitlicher  Ansicht.     Vergr.  300. 

8.  Atractonema  teres  St.  Vergr.  ö50;  im  Hinterende  ein  blasser,  scheibenföraiiger 
Ivöri^er  unbekannter  Natur. 

!»a — b.  Astasia  tenax  0.  F.  Mull.  (Proteus  St.)  'Ja.  Ein  mit  den  deisseln  ausgerüstetes 
Individuum  in  lebhafter  Contraction.  Ob.  Ein  geisselloses  Individuum  mit  den  beiden 
schwärzlichen  Punkten  (o)  im  A'orderende.     Vergr.  440. 

10a — b.  Heteronema  acus  Ehrbg.  sp.     10a.  Lang  ausgestrecktes  Individuum,     lob    Uoii- 
•    tractionszustand.     Vergr.  4S0. 

11.  Zygoselmis    nebulosa    Duj.     Individuum,    das  zwei  ansehnliche  Diatomeen  gefressen 
hat  und  dadurch  etwas  verunstaltet  wurde.    Vergr.  300. 
12a— b.  Sphenomonas    quadra  ngu  laris    St.      Pia.    Individuum    in    seitlicher    Ansicht. 
12b.  Ein  solches  in  der  Ansicht  auf  das  Hinterende;  zeigt  deutlich  die  vierkantige  Körper- 
form,    f  ein  gallertartiger  blasser  Inhaltskörper.     A'ergr.  voji  a  6.50,  von  b  ==  4S0. 

13.  Tropidoscyphus  octocostatus  St.     In  seitlicher  Ansicht.     Vergr.  400. 

14a — b.  Phalansterium  digitatum  St.  14a.  Ein  einzelnes  Individuum  (Vergr.  440). 
14b.  Gewöhnliche  Form  der  Kolonie,  bei  I  ein  Individuum  in  Qucrtheilung,  bei  II  weiter 
fortgeschrittener  Quertheilungszustand.     Vergr.  400. 

15.  Phalansterium  consociatum  Cienk.  Eine  der  llach  scheibenförmigen  Kolonien. 
Vergr.  325. 

16a — 0.  Codosiga  Botrytis  Ehrbg.  sp  16a.  Eine  massig  entwickelte  Kolonie  aof  langem 
Stiel.  16b  Ein  einzelnes  Individuum  mit  zarter,  gallertiger  Hülle.  16c.  Ein  Individuum, 
das  eben  innerhalb  des  Kragens  einen  Körper  aus  dcmPlasma  ausgestossen  hat.  1 6  d.  In- 
dividuum, das  aussen  an  der  Basis  des  Kragens  eine  nahrungaufnehmende  Vacuolc 
(,nv)  zeigt.  Vergr.  von  16b— d  =  1300.  16e— g.  Längstheihingsvorgänge  nach  Stein. 
16h— 1.  Ebensolche  nach  James-Clark.  16  m.  Wahrscheinlicher  Copulationsprocess  eines 
festsitzenden  mit  einem  abgelösten,  zugeschwommenen  Individuum  16n.  Zwei  Indivi- 
duen, die  nacli  Einziehung  ihres  Kragens  und  der  Geissein  angeblich  zahlreiche  finger- 
förmige Pseudopodien  entwickelt  haben.  lOo.  Cyste  eines  einfachen  Individuums,  deren 
Inhalt  in  zahlreiche  Theilstücke  (sogen.  Sporen  Kont's)  zerfallen  ist. 

17.  Codonodesmus  Phalanx  St.     Frei  umherschwimmende  Kolonie.     Vergr.  .'J25. 


Figg.   1,    3—6,    8—0,    10a,    11  —  15,    16e— g,    16m  und   17   nach   St-in   (Ürganibuiusi : 
Figg.  2,   10b,  16c— d   Originalia   aus    d.   J:  1877;"  Fig.  7  nach  Klebs    (Unters,  aus  d.  botan. 
Instit.  Tübingen  I);  Figg.   Kla— b  nach  Biitschli  (Z.  f.  w.  Z.  XXX);  Figg.  1 6h -1  nach  James 
Clark  (Ann.  m.  u.  h.  [IV]   1);  Figg.   16n— o  nach  Kcnt  (Manual). 


Flagellatau.  Choanoflagellata. 


Taf.  XLVIir 


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Erklärung  von  Tafel  XLIX. 


Fig. 
]a— b.  Salpingocca  Couvallaria  St.    1  a.  Gewöhnliches  Individuum.    Ib.  Ein  solches. 

das  sich  in  seinem  Gehäuse  längsgetheilt  hat.     Vergr.  von  a  650,  von  b  500. 
2.  Salpingoeca  fusiformis  Kent  (=  Clarkii  Btschli).     Vergr.  800. 
S.  Codonocladium  umbellatum  Tat    sp.    Eine  reich  entwictelte  Kolonie.    Vergr.  120, 

4.  Salpingoeca  Lagena  n.  sp.  (==  S.  auiphoridium  ?  Btsclili  1878).     Vergr.  800. 

5.  Salpingoeca  napiforniis   Kent.     Vergr.  1200. 

6.  Salpingoeca  cornutum  Kent.     Vergr.  400. 

7a — c    Salpingoeca   fusiformis   Kent.      7a.    Encystirtes   Individuum   in  dem  Gehäuse. 
7  b.    Aehnliches  Individuum ,   dessen   Cyste   geplatzt   sein  soll  und  zahlreiche  Sprösslinge 
entleert  hat.     Vergr.  1500. 

8a  -d.  Salpingoeca  Amphoridium  J.-Clark.  Sa.  Encj'stirtes  Individuum  in  seinem 
Gehäuse.  8  b.  Individuum,  das  seinen  Kragen  eingezogen  und  die  Basis  der  Geissei  sehr 
verdickt  hat,  das  Plasma  tritt  lappig  aus  der  Mündung  hervor.  8c — d.  Geissei-  und 
kragenlose  Individuen,  die  fingerförmige  (Sc)  oder  sehr  fein  fadenförmige  (8d)  Pseudo- 
podien aus  der  Gehäusemündung  aussenden.     Vergr.  =  800. 

üa— b.  Salpingoeca  oblonga  St.  9a.  Wahrscheinlicher  Encystirungszustand  in  dem 
Gehäuse,  das  durch  ein  deckelartiges  Diaphragma  abgeschlossen  ist.  üb.  Angeblicher 
Längstheilungszustand  nach  Stein,  möglicherweise  auch  Copulation.  Vergr.  650. 
lOa — b.  Salpingoeca  Ampulla  Kent.  10a.  Altes  Individuum  mit  vollständig  ausgebil- 
detem Gehäuse.  10b.  Ein  junger  Sprössling,  der  im  Begriff  ist,  den  Kragen  und  das 
Gehäuse  zu  entwickeln.     Vergr.  700. 

11.  Protospongia  Haeckelii  Kent.  Eine  Kolonie  von  ungefähr  40  Individuen  in  eine 
gemeinsame  flache  Gallertmasse  eingebettet;  a  Individuen,  die  den  Kragen  und  die  Geissei 

eingezogen  und  eine  amöboide  Bescliaffenheit  angenommen  haben,  b  ähnliche  Individuen, 
die  sich  durch  Quer(?)tlieilung  vermehren.  Gy  Cyste,  deren  Inhalt  in  zahlreiche  Theil- 
stücke  (sogen.  Sporen  Kcnt's)  zerfallen  ist.     Vergr.  650. 

12.  Polynoeca  dichotoma  Kent.     A'ergr.  500. 

l.ja — f.  Salpingoeca  Infusionum  Kent.  1.3a.  (^)uerthcilungszustand.  13b.  Der  vordere 
abgelöste  Sprössling,  der  den  Kragen  eingezogen  hat  und  nach  der  Festheftung  einen 
Stiel  und  neuen  Kragen  entwickelt  (13  c).  13d.  Junges  Individuum  ähnlich  13  b,  das 
seinen  Kragen  und  Geissei  eingezogen  liat  und  das  Gehäuse  abscheidet.  13  e.  Cyste, 
deren  Inhalt  in  eine  Anzahl  Theilstücke  (sogen.  Sporen  Kent's) .  zerfallen  ist.  13  f.  Ein 
aus  einer  solchen  Cyste  hervorgetretener  Sprössling.     Vergr.  800. 

14a— g.-Noctilu  ca  miliaris  Sur.  14a.  Ganges  Individuum  in  der  Ansicht  auf  die  Oral- 
seite, nach  einem  mit  Osminmsäure  conservirten  Exemplar.  Die  von  dem  Centralplasma 
(mit  dem  Kern  n>  ausstrahlenden  Plasmafäden  haben  sich  von  der  Wand  abgelöst. 
Man  sieht  in  das  sogen.  Vestibulum  (vst)  oder  die  Peristomeinsenkung  und  erblickt  in 
deren  Grund  die  langspaltförmigc  Mundöffnung  m,  die  direct  in  das  Centralplasma 
fahrt.  Im  Vestibulum  entspringt  vorn  der  Tentakel  (t)  und  etwas  dahinter  an  seiner 
linken  Seitenwand  der  Zahn  (z)  und  die  Lippe  (1),  sowie  an  dieser  die  Geissei  (f).  Etwas 
hinter  dem  ^'estibulum  sieht  man  die  oralen  Enden  des  aus  zwei  nach  der  aboralen 
Seite  zusammenlaufenden  Linien  bestehenden  sogen.  Staborgans  (st),  das  dadurch  ent- 
steht, dass  sich  längs  dieser  Linien  sehr  zahlreiche  von  dem  hintern  Kand  des  Vestibu- 
lums  ausstrahlende  feine  Plasmafäden  an  die  Cuticula  anheften.  Im  Verlauf  dieses  Stab- 
organs haben  sich  mehrere  quere  Falten  in  der  Wand  gebildet.  14  b.  Orale  Hälfte  einer 
Noctiluca  in  seitlicher  Ansicht.  Man  erblickt  das  Vestibulum  in  seiner  Tiefenausdehnung 
und  an  seinem  Grund  das  Centralplasma  mit  dem  Kern,  sowie  den  Tentakel,  den  Zahn 
und  die  Lippe  im  Vestibulum.  Vom  Hinterrand  des  Vestibulums  sieht  man  die  zahl- 
reichen verzweigten  feinen  Plasmafäden  zum  sogen.  Staborgan  hinziehen.  Die  zum  ab- 
oralen Theil  des  Staborgans  ziehenden  Fäden  sind  stets  zu  einem  dicken  Bündel  oder 
Busch  zusammengehäuft.  Vergr.  von  a  und  b  =  100.  14  c  Ansicht  der  Gegend  des  Zahns, 
der  Lippe  und  der  Basis  des  Tentakels  (Bezeichnungen  wie  in  1  a).  Vergr.  200.  1  d.  Nucleus 
einer  Noctiluca  mit  dem  gestaltverändernden  Nucleolus.  Vergr.  380.  14e — g.  Theilungs- 
zustände  nach  Brightwell.  14  e.  Ein  zweiter  Tentakel  schon  vorlianden,  der  Nucleus  hat 
sich  gerade  getheilt.  14 f.  Weiter  fortgeschrittene  Theilung;  die  Nuclei  sind  auseinander- 
gerückt und  eine  Theilfurchc  macht  sich  bemerklich.  14  g.  Endstadium  der  Theilung, 
die  Ijeiden  Sprösslinge  hängen  nur  noch  durch  ein  schmales  Plasmabaud  zusammen. 
Vergr.  von  14e — g  ca.  40.  (Robin  hält  diese  Zustände  nicht  für  Theilungen ,  sondern 
für  eine  Art  Doppel-  oder  Zwillingsthiere,  wohl  vergleichbar  den  Zwillingsbildungen  ge- 
wisser Flagellaten ) 


Figg.  1  u.  9  nach  Stein  (Organismus);  Figg.  2  u.  4  nach  Bütschli  (Z.  f.  w.  Z.  -\XX); 
Figg.  3,  5 — 8,  10 — 13  nach  Kent  (Manual);  Figg.  14a — ^b  Original,  14  c — d  nach  Cienkowsky 
(Arch.  f.  m.  Anat.  IX);  Figg.   14e-g  nach  Brightwell  (Qu.  journ.  m.  sc.  V.). 


Choanoflagellata  u.  Cystoflagellata . 


Tat:  XLix. 


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Erklärung  von  Tafel  L. 


Fig. 

la — c.  Noctiluca  miliaris.  Theilungszustände  nach  Robiu.  1  a.  Tentalcelregion  zweier 
schon  naliezu  völlig  getrennter  Sprössiinge.  INIan  sieht  die  Theilspalte  (tr)  und  die  be- 
nachbarten Centralpartien  des  durchgeschniirten  Plasmas  mit  den  davon  ausgehenden 
Plasmafäden,  n  die  Zellkerne ;  die  neuen  Tentakel  beginnen  hervorzusprossen  und  stellen 
gering  entwickelte  Fortsätze  dar,  die  einen  untergebogenen  Endtheil  besitzen.  1  b.  Tltwas 
weiter  entwickelter  derartiger  Tentakel ;  p  die  centrale  Plasmaregion  des  Noctilucakörpers, 
die  durch  einen  Fortsatz  mit  dem  Basalstück  i^ba)  des  Tentakels  in  Verbindung  steht.  Die 
beiden  Windungen  des  Jungen  Tentakels  haben  sicli  jetzt  schon  deutlich  gesondert.  Vergr. 
von  1  a  und  b  =  200.  1  c.  Theilungszustand ;  die  Tlieilungsfurche  ist  in  der  Mundgegend 
schon  beträchtlich  tiefer,  wie  am  gegenüberliegenden  Pol.  N  die  Schale  eines  gefressenen 
Tintinnus.  Vergr.  35.  1  d.  Beginnender  Copulationszustand  zweier  Noctilucen.  Vergr.  25. 
2.  Theilungsvorgänge  des  Zellkerns  und  des  umgebenden  Gentralplasmas  bei  der  ersten 
Theilung  zum  Behufe  der  Schwärmerbildung.  Die  Figuren  zeigen  nur  den  Zellkern  und 
das  umgebende  Plasma  in  der  Ansicht  auf  die  Innenseite  der  Noctiluca  wand.  In  den 
Figg.  2  c— e  ist  auch  die  Theilung  des  Gentralplasmas  zu  sehen.  Vergr.  von  2  a — c  180, 
von  2d— e  200. 

3 — 7.  Zur  Schwärmerbildung  der  Noctiluca. 

.3.  Das  Centralplasma  hat  sich  in  vier  hügelartig  erhobene  Portionen  getheilt.     Vergr.  90. 

4.  Durch  weitere  Zertheilung  dieser  Hügel  haben  sich  sehr  zahlreiche  (ca.  256)  Schwärmer- 
anlagen gebildet,  die  zu  einer  Scheibe  zusammengeordnet  sind,  und  ihre  Geissei  schon 
entwickelt  haben.  Der  helle  Fleck  in  einem  Theil  dieser  Schwärmer  ist  der  Zellkern 
Vergr.  100. 

5.  Theil  einer  Noctiluca  mit  zahlreichen  Schwärmerknospen,  die  hier  in  abweichender  Weise 
keine  Scheibe,  sondern  eine  gürtelförmige  Zone  bilden.     Vergr.  50. 

6.  Kleine  Noctiluca  mit  einer  Knospeiischeibe ;  Ansicht  auf  die  Scheibe.     Vergr.   70. 

7.  Früher  Zustand  der  Entwicklung  einer  Knospensrhcibe,  die  vier  Hügel  der  Fig.  3  sind 
je  in  vier  Theilstücke  zerfallen,  die  noch  deutlich  in  vier  Portionen  zusammcngruppirt  sind. 

8a-  -e.  Verschiedene  freigewordene  Schwärmer  nach  Cienkowsky  und  Eobin.     s  der  sogen. 

Stachel,  a  ein  eigenthümlicher  Anhang,  n  der  Zellkern.   Vergr.  von  8  a — b  =  500.  8  c — 

d  =  300. 
9a — b.  Eegencrationszustände  der  Noctiluca  nach  Verstümmlnng.    st  das  erhalten  gebliebene 

sogen.  Staborgan,  welchem  ein  Theil  des  Centralplasma  anhängt,  aus  dem  sich  ein  neuer 

Körper  hervorhildet.     Vergr.  von  9  a  =  25. 

10.  Leptodiscus  medusoides  E.  Hertw.  aus  dem  Mittelmeer.  10a — c.  Verschiedene 
Gontractionszustände  von  Leptodiscus  bei  etwa  siebenmaliger  Vergrösseruug.  lOd.  Exemplar 
in  der  Ansicht  auf  die  convexe  Oralfläche  der  Scheibe,  vst  das  sogen.  Vestibulum, 
das  zum  Mund  (m)  führt ,  zu  dem  sich  vom  Centralplasma  ein  faseriger  Strang  (p) 
erstreckt,  n  der  im  Centralplasma  eingeschlossene  Nucleus.  f  die  (jeissel  mit  ihrer  Geissei- 
scheide. Vergrösseruug  ca.  55.  10  e.  Optischer  Durchschnitt  durch  den  Leptodiscus. 
Vergr.  55.  lOf — g.  Nuclei;  f  Gewöhnliche  Nucleusform  nach  Behandlung  mit  Essigsäure, 
g  aussergewöhnliche  Kernform.  Vergr.  von  10  f — g  ca.  100.  10  h.  Möglicher  Entwick- 
lungszustand von  Leptodiscus. 

11.  Theil  eines  Noctiluca-Tentakels  bei  starker  Vergrösseruug  (6 — 700).  Die  Figur  zeigt  die 
sehr  fein  quergeringelte  Cuticula  (cut)  des  Tentakels  und  dass  dessen  Plasma  im  Allge- 
meinen eine  faserig  -  netzige  Anordnung  besitzt,  derart,  dass  die  Netzmaschen  auf  der 
convexen  Seite  des  Tentakels  (cov)  eine  mehr  unregelmässige  Anordnung  besitzen,  da- 
gegen auf  der  Concavseite  quere  Züge  bilden ,  deren  Verdickungen  vielleicht  noch 
durch  sehr  feine  Längsfasern  verknüpft  sind.  Bei  d  tritt  die  Faserbildung  auch  auf  dem 
optischen  Durchschnitt  hervor. 


Figg.  la— c,  2  a— e,  3,  4  und  8  c— d  nach  Kobin  (Arch ,  ahat.  et  physiol.  1878); 
Figg.  1  d;  5.  6,  7,  8  a— b,  8e  und  9  a  nach  Cienkowsky  (Arch.  mikr.  A.  VII  und  IX);  Fig.  9  b 
nach  Busch  (Beobacht.  über  wirbellose  Seethiere);  Fig.  10  nach  E.  Hertwig ,  Jenaische  Zeit- 
schrift IX);  Fig.   11   Original. 


Cystoflagellata  u.  Cilioflagellata. 


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Erklärung  von  Tafel  LI. 


Auf  allen  rcproducirten  Abbilduiigc!)  von  Dinoflagellaten,   wo  die  Autoren  einen  Cilien- 
kranz  der  Querfurche  angegeben  haben,  wurde  derselbe  einfach  weggelassen. 

Bedeutung  der  wiederkehrenden  Buchstaben: 

a     Aniylonkörner. 

ch     Chrom  atophoren. 

fg     Die  Querfurchengeissel. 

g     Die  Längsfurchengeissel. 

gs     Gcisselspalt  der  Schalenhülle. 

If    Längsfurche. 

n     Nucleus, 

0     Oelkugeln. 

oc    Siigma  (Augenfleck). 

V     Vacuolen. 

Fig. 

1.  Prorocentrum  micans  Ehrbg,  (marin). 

la    Seitliche  Ansicht;  Ib.  Bauchansicht,  s  eigenthümliches  Stäbchenbündel,  welches  nach 
Lage  und  Beschaffenheit  an  den  Schlund  von  Cryptomonas  erinnert.    Vergr.  ca.  440. 

2.  Exuviaella  Lima  Ehrbg.  sp.  (=  marina  Cienkowsky). 

2  a.  Exemplar  mit  Geissein  in  seitlicher  Ansicht;  a  Amylonkörper. 

2  b.  Die  isolirten  Hälften  der  Schalenhülle;   man  sieht  auf  die  Flachseite  der  linken  Klappe 
und  bemerkt  an  dem  Vorderende  der  rechten  den  Ausschnitt  für  die  Geissein. 

2  c.  Exemplar  ohne  Geissein  in  Ansicht  von   der  Schmalseite*,   die  beiden  grossen  Chro- 

matophorenplatten  (ehr)  sind  gut  zu  erkennen,  ebenso  der  jeder  derselben  auf  liegende 
Amylonkörper  (a).     Vergr.  ca.  270. 

3.  Hemidinium  nasutum  Stein  (Süssw.). 

3  a.  Exemplar  in  seitlicher  Ansicht.   3  b.  Quertheilungszustand  nach  Stein    Vergr.  3—400. 

4.  Gymnodinium  gracile  Bergh  in  Baucliansicht.     Vergr.  270  (marin). 

5.  Gymnodinium  spirale  Bergh  von  der  Bauchseite.     A^'ergr.  270  (marin). 

6.  Gymnodinium  fuscum  Ehrbg.  sp.  (Süssw.). 

6a.  in  Bauchansicht;  6b  in  seitlicher  Ansicht.     Vergr.  ca.  400. 

7.  Gymnodinium    Vorticella    Stein    in   Bauchansicht;    N   als   Nahrung   aufgenommene 
Chlamydomonaden.     Vergr.  wohl  ca.  500  (Süssw.). 

8.  Kuhezustand  von  Gymnodinium  aeruginosum  Stein  mit  dicker  Gallertumhüllung  (gh) 
Das  Wesen  in  Bauchansicht.     Vergr.? 

9.  Gymnodinium  Archimed  is  Pouchet  in  ümri>sen,  von  der  Rückseite.  Vergr.?  (marin). 

10.  Gleuodinium  finctum  Ehrbg.  (Süssw.). 

10a.  Von  der  Bauchseite;  10b  Ansicht  auf  den  hinteren  Pol;  10c  in  nahezu  seitlicher 
Ansicht,  in  Umrissen,  nach  Behandlung  mit  Chrom -Osmiumsäure;  lOd  Grosse 
gallertige  Cyste  mit  2  aus  der  Thciluug  hervorgegangenen  Sprösslingen.  Vergr. 
von  10a — c  ca.  600. 

11.  Glenodinium  pul'visculus  Ehrbg.  sp.  (Süssw.). 

IIa  und  b  zwei  wahrscheinlich  durch  unvollständige  Theilung  entstandene  Doppelindi- 
\*iduen;  a  mit  getrennten,  b  mit  nicht  getrennten  Kernen;  a  von  der  Bauch-,  b  von 
der  Rückseite.  (Nach  Stein's  Deutung  Copulationszuständel.  11c  Exemplar  mit  sog. 
Keimkugel  (K)  Stein's.     Vergr.,  nach  Ehrenberg's  Angaben  berechnet,  ca.  900. 

12.  Glenodinium  obliquum  Pouchet  von  der  Bauchseite.     Beweglicher  Theilungszustand. 
Jeder  der  Sprösslinge  enthält  ein  strahliges  Cliromatophor  (cli).     Vergr.  ca    270   (marin). 

13.  Glenodinium  foliacoum  Stein.     Geisseiloses  Individuum,    dessen  Hülle  an  der  Quer- 
furche geborsten  ist  und  abgestreift  wird.     Vergr.? 


Figg.  1,  2  b,  3,  6  bis  S.  11  uud  13  nach  Stein  (Arthrodele  Flagellaten) ;  Figg.  2  a  und  c. 
sowie  12  nach  Klebs  (Botanische  Zeitung  Jahrg.  42);  Figg.  4.  5  und  lOd  nach  Bergh  (Mor- 
pholog.  Jahrb.  7);  Figg.  10a— c  nach  Bütschli"(Morphol.  Jahrb.  Bd.  X);  Fig.  9  nach  Pouchet 
(Journ.  anat.  et  physiol.  1883). 


Diaoflagellata(Ciliofl.). 


Tal'.  LI. 


liih.AnstT-WiriuritWmUnFnnikfun'yiC. 


Erklärung  von  Tafel  LH. 


Bedeiitung  der  wiederkehrenden  Bii  clistaben. 


aap     Anfapicaltafelu. 

ap     Apicaltafeln. 

apo     ApicalöfFnung-. 

b     Vordere  Aequatorialtafeln. 

b'     Hintere  Aequatorialtafeln. 

Querfurcliengeissel. 
Längsfurchengeissel. 

If 

n 

Geisselspalte. 
Längsfiirche. 
Nucleus. 

oc 

Stigma. 

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Raufenplatte. 

V 

Vacuole. 

1.  Hetcrocapsa  triquetra  Elirbg.  sp.   SclialenhüUe  von  der  Bauchseite  (marin)   Vergr. ? 

2.  Protoceratium  (Clathro  cystis  Stein)  reticulata  Gl.  u.  L.  sp.     Schalenhülle  von 
der  Bauchseite  (marin).     Vergr.  ca.  700  (berechnet  nach  Clapar.). 

3.  Gonyaulax  polyedra  Stein  (Ostsee). 
3  a.  Schalenhülle  von  der  Bauchseite. 

,3  b.  Geisseiloses  Individuum  von  der  Apicalseite  Der  Weichkörper  liat  sich  von  der 
Schalenhülle  beträchtlich  zurückgezogen  und  mit  einer  secundären,  zarten  und  structiir- 
losen  Membran  (h)  umkleidet.     Vergr.  von  3  a  580. 

4.  Gonyaulax  birostris  Stein  (Südsee).     Schalenhülle  von  der  Baucliseite. 
.5.  Goniodoma  acuminatum  Ehrbg.  sp.  (marin).   Vergr.  ca.  .")00. 

,5  a.  Schalenhülle  von  der  Bauchseite. 
5  b.  Ansicht  auf  den  Apicalpol. 

5  c.  do.  auf  den  Antapicalpol. 

5d.  Eine  Cyste  mit  4  Theilsprösslingen. 

6.  Peridinium  tabula  tum  Ehrbg.  sp.  (Süsswasser). 

6  a.  Individuum  von  der  Bauchseite. 

6  b.  Schalenhülle  von  der  Apicalseite. 

6  c.  Dieselbe  von  der  Antapicalseite. 

6d.  Theilungszustand  eines  ruiienden,  geissellosen  Iiulividuums;  die  Theilebene  i^t  schon 
durch  eine  Ansammlung  feiner  Körnchen  bezeichnet. 

6  e.  Weiter  fortgeschrittener  Theilungszustand.  Die  beiden  Sprüsslinge  sind  schon  völlig 
gesondert  und  in  eine  gemeinsame  (jallertmasse  (ga)  eingelagert,  durch  deren  Quel- 
lung die  Schalenhülle  des  Mutterindividuums  in  ihre  beiden  Hälften  zersprengt 
wurde.     Vergr.  von  6  a  ca.  440. 

7.  Peridinium  globulus  Stein  (marin).     Schalenhülle  von  der  Bauchseite.     Vergr.? 

8.  Peridinium    Michaelis   Ehrbg.   (marin).     Schalenhülle   von    der  Bauchseite      Vergr. 
ca.  500. 

9.  Peridinium  divergens  Ehrbg.  (marin). 

9  a.  Getödtetes  Individuum  von  der  Seite  in  Umrissen,  zeigt  deutlich  die  beiden  Geissein, 
von  welchen  die  der  Querfurche  (fg)  eine  bandförmige  Beschatfenheit  besitzt. 

9b.  Ein  kleines  Stück  des  Geisseibandes  der  Querfurche  stärker  vergrössert,  um  die  feinere 
Structur  desselben  zu  zeigen. 

9  c  und  d.  Der  Kern  eines  Exemplars  in  zwei   verschiedenen  Ansichten. 

10.  Sogen,  einfach  gehörnte  Cysten,  nach  Stein  wahrscheinlich  von  Peridinium 
eine  tum.  10a  mit  noch  einfachem,  ungetheiltem  Körper.  10  b  eine  solche,  deren 
Körper  in  schiefer  Zweitheilung  begritten  ist.  lOc  Cyste  mit  4  Theilsprösslingen. 
Vergr. '? 

11.  Eine  doppeltgehörnte  Cyste  (nach  Stein  wahrscheinlich  von  Peridinium  tabulatum)  mit 
2  Theilsprösslingen.     Vergr.'? 


Figg.  1— 3a,  4,  5,  6a— c  u.  e,  7,  8,  10  u.  11  nach  Stein  (Arthrodele  Flagell.);  Figg.  3  b, 
9a— d  nach  Bütschli  (Morph.  Jahrb.  X) ;  Fig.  6  c  nach  Klebs  (Abhandl.  des  botan.  Instit.  zu 
Tübingen). 


Dinoflag'ellala(Ciliofl.). 


Tal'.  LH. 


2. 


3a. 


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Eildiiiiiiig  von  Tafel  LIII. 


Wiederkehrende  Buchstaben: 


a     Amylon. 

apo     Apicalöffnung. 

g-     Geissei  der  Längsfiirche. 

gs 
If 

Geisselspah. 
Längsfurclie 

11 

Nucleus. 

0 

Oelkugelii. 

oc 

Stigma. 

r 

V 

Kautenplatte. 
Vacuole. 

Fig. 

1.  Peridinium  divergens  Ehrbg.  (marin). 
1  a.  Schalenhülle  von  der  Bauch-  und 

1  b.  dieselbe  von  der  Eückseite.     Vergr.  ca.  350. 

2.  Diplopsalis  Lenticula  Bergh  (marin)  von  der  Bauchseite.     Vergr.  ca.  600. 

3.  Blepharocysta    Splendor    Ehrbg.    (marin).     Schalenhülle   von   der    Bauchseite;    der 
Weichkörper  hat  sich  kuglig   contrahirt.     Vergr.  ca.  500. 

4.  Amphidoma  Nucula  Stein  (marin).     Schalenhülle  von  der  Bauchseite.     Vergr.? 

5.  Oxytoxum  (Pyrgidinm  Stein)   constrictum   Stein  sp.  (marin).     Schalenhnlle  von  der 
Bauchseite.     Vergr.  ? 

6.  Oxytoxum  Scolopax  Stein  (marin).     Schalenhülle  von  der  Bauchseite.     Vergr.? 

7.  Ceratium  tetraceros  Schrank  (cornutum  Ehrbg.  sp.).     Süsswasser. 

7a   Individuum  von  der  Bauchseite;  rsh  rechtes,  aah  hinteres  Hörn.     Vergr.  ca.  450. 

7b.  Ein   wahrscheinlich    aus   der   Theilung   hervorgegangenes   Individuum,    welchem  die 
rechte  hintere  Hälfte  der  SchalenhUlle  fehlt. 

7  c  und  d.  2  Cysten  mit  3  (oder  vielleicht  auch  4)  Theilsprösslingen. 
S.  Ceratium  Furca  Ehrbg.  sp.  (marin).     6  Individuen   in  einer  Kette  zusammenhängend. 

Vergr.  ca.  SO. 
9.  Ceratium  Hirundinella  0.  F.  Müll.  sp.  (Süsswasser"). 

9  a.  Individuum  von  der  Bauchseite.     Vergr.  ca.  290. 

9  b.  Schiefer  Theilungszustand  (wahrscheinlicli  beweglich). 

9  c.  Encystirter  Ruhezustand.    Die  Chromatophoren  haben  sich  in  einem  centralen  Haufen 

(pi)  um  den  Kern  zusammengezogen. 

10.  Ceratium  Tripos  Ehrbg.  sp.  (marin). 

10  a.  Zwei  zu  einer  Kette  vereinigte  Individuen  von  der  Bauchseite. 
10b.  Schalenhülle  von  der  Bauchseite.     Vergr.  ca.  220. 

10  c  und  d.  Ein  Kern  in  der  Ansicht  von  der  Bauch-  (c)   und  der  Schmalseite  (d). 
lOe.  Querschnitt   durch   ein   Individuum,   zeigt   die   Schichtung    der   Membran   und   ihre 
Poren. 


Figg.  1,  7a,  9a  und  9  c,  10b  nach  Stein  (Arthrodele  FlagelL);  Pigg.  7b  und  10 e  nach 
Bergh  (Morph.  Jahrb.  VII);  Figg.  7c— d  nach  Originalien  von  Lieberkühn;  Figg.  S  und  10 a 
nach  Pouchet  (Journal  anat.  et  physiol  1883);  Figg.  10  c  und  d  nach  Bütschli  (Morphol. 
Jahrb.  X). 


Dinoflaü'ellala  (Cilioil). 


Taf.Llll. 


rnfi 


Lüh.itsl.y. Werner/.  M-Tl^KFraxltfiirt'/M. 


Eiklänina  von  Tafel  LIY. 


Wiederkehrende  Buchstaben  (mit  Ausnahme  der  Fig.  5). 

a     Amylon. 

ap     Apicaltafel. 

apo     ApicalöfFnuug'. 

b     vordcie  Aequatorialtafeln. 

b'     hintere  Äequatorialtafeln. 

ch     Chromatophoren. 

g    Längsg-eissel.  < 

gs    Geisseispalte. 

ig    Quergeissel. 

If    Längsfurche. 

n    Nacleus. 

r    Kautenplatte. 

V    Vacuole. 

Fig. 

1.  Ceratium  Tripos  Ehrbg.  sp. 

1  a.  Getödtetes  Individuum  von  der  Bauchseite  mit  den  beiden  Geissein.   (Die  Hörner  sind 

nicht  ausgezeichnet.) 
Ib.  Ein  ebensolches  von  der  Antapicalseite.    fm  die  zarte  Membran,  welche  den  Baucli- 

ausschnitt  überkleidet;  dieselbe  hat  sich  etwas  abgehoben. 
Ic — d.  Drei  aufeinanderfolgende  Entwicklungsstadien  des  auf  p.  1027  geschilderten  eigen- 

thumlichen  Körpers,  welcher  die  Stelle  des  Kernes  einnimmt.     Nach  Präparaten. 

2.  Ceratium  Fusus  Ehrbg.  sp.  (marin). 

2  a.  Ein  Individuum  von  der  Bauchseite.     Vergr.  ca.  230. 

2  b.  Der  Kern  eines  solchen, 

.S.  Pyrophacus  Horologium  Stein  (marin).     Vergr.? 

3  a.  Schalenhiille  von  der  Apicalseite;  die  beiden  Hälften  haben  sich  in  der  Querfurche 

getrennt  und  etwas  gegeneinander  verschoben. 
3  b.  Eine  ähnliche  Schalenhülle  von  der  Bauchseite. 
3  c.  Euhendes  Individuum ,   dessen   Weichkörper  sich   in   der  Schalenhülle  encystirt  und 

hierauf  getheilt  hat. 

4.  Ptychodiscus  Noctiluca  Stein  (marin).  Geisselloses  Individuum  von  der  Antapical- 
seite. Man  sieht  die  kleinere  Apicalhälfte  der  Hülle  durch  die  dem  Beschauer  zuge- 
wendete grössere  Antapicalhälfte  durchscheinen.     Vergr.  V 

5.  Ceratocorys  horrida  Stein  (marin).  Schalenhülle  in  nahezu  seitlicher  Ansicht,  die 
Bauchseite  und  der  Apicalpol  (nach  unten  gerichtet)  dem  Beschauer  etwas  zugekehrt. 
If  die  Fortsetzung  der  Längsfurche  If  auf  die  Apicalhälfte.  b  wahrscheinlich  die  hin- 
teren und  b'  die  vorderen  Aequatorialtafeln ,  daher  auch  ap  die  Antapicalplatte  und 
gs  wahrscheinlich  die  Apicalötfnung.     Vergr.  ? 

6.  Amphidinium  operculatum  Clap.  u.  L.  (marin). 

6  a  und  b.     Zwei  Exemplare  von  der  Bauchseite  (a  nach  Klebs  und  b  nach  Stein).     Das 
Exemplar  6  b  mit  ziemlich  geschlossener  Längsfurche  (nach  der  Angabe  von  Stein). 

6  c.  Exemplar  von  der  Rückseite,  die  (ieisseln  nicht  angegeben.     Vergr.  ca.  200. 
6d.  Cyste  mit  zwei  jedenfalls  durch  Längstheilung  hervorgegangenen  Sprösslingcn. 

7.  Amphidinium  lacustre  Stein  (Süsswasser).     Vergr.? 

7  a.  Individuum  von  der  Bauchseite,     z  „ein    leistenartiger  Vorsprung  am  rechten  Bande 

der  Längsfurche"  (Stein). 

7  b.  Zwei  Individuen  im  Beginn  der  Copulatiou  (nach  Stein's  Deutung). 

8.  Dinophysis  acuta  Ehrbg.  (marin). 

8  a.  Ansicht  eines  getödteten  Individuums   von  der  linken  Seite.     Der  Weichkörper  stark 

condensirt. 
8  b,  Schalenhülle  von  der  Dorsalseite. 
8  c.  Eine  ebensolche  von    der  Ventralseite.      r\   r^   und  r*  die  drei   Rippen  der  linken 

Flügelleiste  (l);  1'  die  rechte  Fitigelleiste.     Vergr.  ca.  500. 


Figg.  1,  2b  und  8a  nach  Bütschli  (Morpholog.  Jahrb.  X);  Figg.  2a,  3,  4,  5,  6b— d, 
7  und  8  b  nach  Stein  (Arthrod.  Flagellaten) ;  Fig.  6  a  nach  Klebs  (Botan.  Zeitung  Bd.  42); 
Fig.  8c  Original. 


Dinofla^^ellata  (Ciliofl.). 


Taf.  LIV. 


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lüf'  An-rt  vWitj-nrrJlt'mtfrJriaOsfwl  °/M. 


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Erklärung  von  Tafel  LV. 


Wiederkehrende  Buchstaben; 

g    Längsgeissel. 

gs     Geisselspalte. 

hr    hintere  Eandleiste  der  Querfurche  (Halskragen  nach  Stein). 

1     hnke  FlUgelleiste  der  Dinophysiden. 

1'     deren  rechte  Flügelleiste. 

1"    hinterer  abgetrennter  Tlieil    der  linken    Flügelleiste  bei  Histioneis 

und  Ornithocercus. 
r\  r■^  r^    die  drei  Hauptrippen  der  linken  Flügelleiste  der  Dinophysiden. 
vr    vordere  Bandleiste  der  Querfurche  (Kopftrichter  nach  Stein). 

1.  Phalacroma    porodictyum    Stein   (marin).     Schalenhülle   in  halb  rechts  ventraler 
Ansicht.     Vergr.  ? 

2,  Phalacroma  ßapa  Stein  (marin).     SchaleiihüUe  in  rechtsseitiger  Ansicht.     Vergr.? 
3a.  Dinophysis  acuta  Ehrbg.  (marin).   Schalenhülle  in  linksseitiger  Ansicht.   Vergr.  750. 
.3b.  Dinophysis   Homunculus    Stein    (marin).     Schalenhülle   in   linksseitiger   Ansicht. 

Vergr.  ? 

4.  Amphisolenia  Stein  (marin).     Vergr.? 

4a    Amph.  globifera  St.     Individuum  in  Bauchansicht. 

"■ib.  Amph.  palmata  St.      Das  vordere  Achtel   eines  Individuums  in  linksseitiger  Ansicht. 

5.  Citharistes  regius  Stein  (marin).   Schalenhülie  in  linksseitiger  Ansicht ;  ba  die  beiden 
Balken,  welche  den  Kückenausschnitt  überbrücken.     Vergr.? 

6.  Histioneis  Eemora  Stein  (Südsee).     Schalenhülle  in  rechtsseitiger  Ansicht.     Vergr.? 
6a.  Histioneis    megalocopa    St.     (Südsee).      Schalenhülle     in    rechtsseitiger    Ansicht. 

Vergr.  ? 

7.  Ornithocercus  magnificus  St.     Schalenhülle  in  rechtsseitiger  Ansicht.     Vergr.? 

S.  Polykrikos  Bütschli  (marin). 

8a.  P.  auricularia  Bergh.     Individuum  von  der  Bauchseite,     n'  die  Nebenkerne  nach 

der  Deutung  von  Bergh.     nk  Nesselkapseln.     Vergr.  ca.  240. 
8b.  P.   Schwarzi   Btschli.     Quertheilungsjustand  von   der  Rückseite.     Die   Kerne  sind 

gerade  im  Begriff  sich  zu  theilen. 
8c.  Zwei  Nesselkapseln   bei  stärkerer  Vergrösserung ;  links  im  geschlossenen,   rechts  im 

ausgesprungnen  Zustand. 

9.  Podolampas  Stein  (marin). 

9  a.  Schalenhülle  von  Podolampas  bipes  St.  in  Bauchansicht,    st  und  st'  die  beiden  Ant- 

apicalstacheln,  von  welchen  sich  der  linke  in  eine  Flügelleiste  (1)  fortsetzt. 
9  b.  Schalenhülle  mit  Weichkörper  von  Podol.  palmipes  St.   in  Bauchansicht ;   st  die  ver- 
wachsenen beiden  Stacheln  des  Hinterendes. 
10.  Cladopyxis  brachiolata  Stein   (marin).     Schalenhülle  in   Bauchansicht,    qf  wahr- 
scheinlich Analogon  der  Querfurche. 


Figg.  1—2,  3b,  4—7,  9  und  10  nach  Stein  (Arthrod.  Flageliaten);  Fig.  3a  Original; 
Fig.  8  a  nach  Bergh  (Morphol.  Jahrb.  Bd.  VII);  Figg.  8b— c  nach  Bütschli  (Arch.  mikrosk. 
Anat.  Bd.  IX). 


l)inof]a«>-eUala  (Ciliol'l.). 


TaF.  LV. 


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