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D" H. G. BRONN'S
Klassen und Ordnungen
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des
THIER-REICHS
wissenscbaftlicli darfirestellt
ö"-
in Wort und Bild,
ERSTER BAND. PROTOZOA.
Von
Dr. 0. Bütschli,
Professor der Zoologie iii Heidelberg.
Mit einem Beitrag:
Palaeontologische Entwicklung der Rhizopoda von C. Schwager
I. Abtheilimg:
Sarkodina und Sporozoa.
Mit Tafel I — XXXVIII und einem Tlieü von Tafel XXXIX
sowie 9 Holzsclmitten.
Leii)zig und Heidelberg-.
C. F. Winter'sche Yerlagshandlung.
1880—82.
(1880 p. 1 224; 1881 p. 225 — 320; 1882 p. 321 — 616.^
If^of'
Inhalt.
raff.
Einleitung: I— XVIII
A. Klasse Sarkodina 1
I. Unterklasse Rhizopoda 3
1. Historische Eutwicld unj;- unserer Kenntnisse 3
Literatur ](>
2. Morphologische Auffassung- und Gestaltung, sowie die Haupt-
gruppen 14
3. Schalen bau.
A. MaterialiendesSchalenbau's 18
a. Chitinöse Schalen 19
ß. Kalkschaleu 21
y. Fremdkörperschalen 28
6. Kieselige Schalen 33
B. Morphologie der Schalen 35
a. Houiaxone Schalen 35
ß. Monaxone, monothalame Schalen 3(3
y. Polythalame Schalen 44
y 1. Polythalame Imperforata 46
}' 2. Polythalame Perforata 58
Abnorme Schalenbildung 94
4. Der Weich kör per 95
a. Allgemeine Gestaltung 95
ß. Beschaffenheit des Protoplasmas 97
y. Differenzirung in Eegionen 98
6. Färbung des Plasmas 100
f. Einschlüsse des Plasmas 100
f 1. Nichtcontractilc Vacuolen, Gasblasen, Sfoffwechselproducte 100
f 2. Contractile Vacuolen 105
f 3. Nuclei 107
Allgemeines Vorkommen 10"
Gestalt und Bau der Kerne 112
5. Pseudopodienbildung, Bewegung und Nahrungsaufnahme . . . 114
?/. Gallertige Umhüllungen 124
5. Verhalten des Weichkörpers zur Schale und Bildung der Schale 125
6. Fortpflanzung, Kolonie bildung und En cystirung 134
«. Fortpflanzung durch Theilung oder Knospung 134
ß. Koloniebildung 143
}'. Encystirung 148
rf. Copulation und Conjugation 153
f. Angebliche geschlechtliche Fortpflanzung 156
7. Biologische Verhältnisse 161
u. Wohnort 161
ß. Nahrung 169
)'. Abhängigkeit der Organisation von den äusseren Lebensbedingungen 1 70
/
(^ 0 H ;i
Inhalt.
Pap.
S. System 172
a. Historisches 172
ß. üebersicht des Systems bis zu den Gattungen 176
y. Anhang- zum System.
Eozoon 217
Stromatoporida 221
Dratyloporida 224
9. Geographische Verbreitung 22S
10. Paläontologische Entwicklung. Von C. Schwager 242
IT. Unterklasse Heliozoa 261
1. Historische Entwicklung unserer Kenntnisse 261
Literatur 265
2. Morphologische Auffassung und Gestaltung, sowie die Haupt-
gruppen 267
3. Der Weichkörper 269
4. Pseudopodien; Nahrungsaufnahme; Bewegung 284
5. Skeletbilduugcn 29*i
A. Gallertige Hüllen 296
B. Kieselige Skelete 298
C. Fremdkörperskelete 302
6. Fortpflanzungserscheinungeu 303
A. Einfache Theilung und Koloniebildung 303
B. Fortpflanzung durch Knospung und Schwärmerbildung . 307
C. Encystirung 310
D. Conjugation und Copulatiou 317
7. System 318
A. Allgemeine systematische Auffassung 318
B. üebersicht des Systems 320
8. Vorkommen, geographische Verbreitung, biologische Ver-
hältnisse 329
III. Unterklasse Eadiolaria 332
1. Historische Entwicklung unserer Kenntnisse 332
Literatur 342
2. Morphologische Auffassung und Gestaltung, sowie die Haupt-
gruppen 344
3. Skeletbau 347
A. Skeletsubstanz • 348
B. Morphologischer Bau des Skelets 350
a. Acanthometrecn 351
ß. Sphäroidskeletc 358
)'. Phaeodarienskelete 379
ö. MonopylaricnsKelete 3S4
4. Der Weichkörper 402
A. Die Centralkapscl 402
B. Intrakapsuläres Plasma und seine Einschlüsse 410
ß. Das intrakapsuläre Plasma 411
ß. Einschlüsse mit Ausnahme der Nuclci 413
1. Nichtcontractile Vacuolen 413
2. Eiweisskugeln 415
3. Oelkugeln " 416
4. Pigmente 418
5. Concretionen und Krystalle 420
Inhalt.
Pag.
y. Die Nuclei 421
1. Lagerung im Körper und Zahl 421
2. Bau und Vermehrung 424
C. Extrakapsuläres Plasma, seine EinscJilüsse und Erzeugnisse 430
1. Das Plasma und die Gallerte 430
2. Einschlüsse 4-J4
D. Pseudopodien, Nahrungsaufnahme und Bewegung. . . . 437
1. Pseudopodien 437
2. Sarkodegeisscl und contractile Fäden 4^0
3. Bewegung 442
4. Nahrungsaufnahme und Ernährung überhaupt 444
5. Fortpflanzung 445
A. Theilung 445
B. Koloniebildung 446
C. Schwärmerbildung 449
('). Biologische Verhältnisse 456
A. Parasiten 456
B. Regeneration 463
C. Missbildung und Deformation 463
D. Verhalten bei Reizung 464
E. Wohnortsverhältnisse 4156
7. Paläontologisches Vorkommen 472
B. Klasse Sporozoa 479
Historische Entwicklung unserer Kenn tnisse 480
Literatur 498
I. Unterklasse (Jreg'ariiiida 503
1. Morphologische und sonstige Charactere 503
2. Genauere Schilderung der Gestaltung 504
3. Einzelne Organ i sationselemente 508
A. Cuticula 508
B. Ectoplasma 510
C. Entoi^Iasma 516
D. Bewegung und Ernährung 518
E. Nuclei 522
4. Fortpflanzung 526
I. Fortpflanzung der nicht intracellularen Gregariniden . . . 526
A. Vorbereitende Erscheinungen, Conjugation 526
B. Encystirung 531
G. Gestalt der Cysten und Beschaffenheit ihrer Hüllen 535
D. Sporulation 538
E. Weitere Ausbildung und Bau der reifen Sporen 547
F. Bildung sichelförmiger Keime 550
G. Wiederentwicklung der Gregariniden aus den Sporen 552
II. Fortpflanzung der sog. Coccidien 558
5. System 572
6. Verbreitung und Wohnortsverhältnisse 581
II. Unterklasse Myxosporidia 590
III. Unterklasse Sarcosporidia 604
Anhang: Sog Microsporidien (Peprinekörperchen) 614
Einleitung*).
Den Namen Protozoa gebrauchte zuerst Goldfuss (1820) für die
auf der Stufenleiter des Systems den niedrigsten Rang einnehmende
Abtheihing des grossen Tbierreiehs. Erst 1841 verwendete Siebold
diese Bezeichnung in dem Sinne, welchen sie im Wesentlichen jetzt
noch besitzt, während Goldfuss (und Andere, die sich ihm anschlössen)
nicht wenige der heutigen Metazoen in ihren Protozoen einbegriifen hatten.
(Näheres hierüber siehe p. 1136 u. ff.). Die Siebold 'sehen Protozoen
umfassten die Infusoria der älteren Forscher (0. F. Müller, Ehren-
berg und Dujardin), nach Ausscheidung der Rotatorien und anderer,
einst irrthümlich hierher gerechneter Metazoen, sowie derjenigen einfach-
sten Organismen, welche in ihrem physiologischer Charakter den typischen
Pflanzen nahe kamen. Genaueres über die allmähliche Reinigung der Ani-
malcula infusoria von nicht zugehörigen Formen, wie sie sich im Laufe der
Jahrzehnte, von Müller bis auf Siebold vollzog, gibt der Abschnitt über
die Geschichte der Infusorien, auf welchen wir verweisen. Dort wird auch
eingehender erläutert, dass die Abtheilung gelegentlich noch andere Namen
erhielt, wie Microscopica (Bory de St. Vincent), Zoophytes in-
fusoires (Dujardin und Andere), Archezoa (Perty), Micro-
zoaires (Frommen tel und Andere). Auf gewisse andere Benennungen
wird später noch hingewiesen werden.
Siebold wurde jedoch nicht nur der Pathe der Gruppe, sondern er
ermittelte auch zuerst den gemeinsamen Charakter, welcher die mannig-
faltigen Formen derselben verbindet und von den übrigen Thieren trennt.
*) Geschrieljeii März 1888.
Meine ursprüngliche Absicht, in der Einleitung- die Grunderscheinungen des einfachsten
Lebens, Plasma, Kern, Zelle und ihre Lebensäusserungcn zu behandeln , wird durch den Um-
fang, welchen das Werk allmählich erreichte, vereitelt. Dem mehrfach geäusserten Wunsch: das
Binden der ersten Theile des Werks zu ermöglichen, entgegenkommend, beschränke ich mich
in den einleitenden Worten auf eine Besprechung der Protozoen- und Protistenfrage. Die
baldige Vollendung der Infusorien erscheint mir wichtiger wie eine weitere Ausführung der
Einleitung.
Bronn, Klassen des Tliier- Reichs. Protozoa. ' A
n Protozoa.
Seine Definition der Protozoa lautete: „Thiere, in welchen die verschie-
denen Systeme der Organe nicht scharf ausgeschieden sind, und deren
unregelmässige Form nnd einfache Organisation sich auf eine Zelle redu-
ciren lassen.'' Zu dieser scharfen Umgrenzung der Gruppe gelangte S.
hauptsächlich dadurch, dass er die Spongien nicht mit den Protozoen ver-
einigte, wie es später längere Zeit geschah. Diese Gruppe fehlt seinem
System überhaupt; er schloss sie also von dem Thierreich aus. Dass
Siebold nicht ganz unvermittelt zu dieser Auffassung der Protozoen ge-
langte, ihm vielmehr in der Rückführung der Protozoenorganisation auf das
Zellenschema Vorläufer vorangingen — dass ferner die Hypothese vom
einzelligen Bau der Protozoen sich ihre Begründung eist in der kommen-
den Zeit mühsam erkämpfen musste, bis sie endlich vor etwa einem De-
cennium den Sieg erfocht — darüber gewähren die historischen Abschnitte
der einzelnen Abtheilungen genauen Aufschluss. Um aber die Bedeutung
der Sieb old 'sehen Hypothese voll würdigen zu können, möge hier der An-
sicht eines der grössten Biologen unseres Jahrhunderts, Job. Müller 's,
gedacht werden , welcher 1841 (s. Sporozoa Nr. 99 p. 493) bemerkte :
dass die Existenz einzelliger Organismen zwar nicht als unmöglich und
absurd zu verwerfen sei, eine solche Annahme jedoch nach dem zeitigen
Stand unserer Kenntnisse ganz unstatthaft erscheine. — • Auch später
nahm Müller, obgleich mehr indirect, an der Bekämpfung der Siebold'-
schen Lehre lebhaften Antheil.
Die von Letzterem aufgestellte Charakteristik der Protozoen kann
noch heute ohne sehr wesentliche Veränderung gelten. Jetzt dürfen wir
die Einzelligkeit in erster Linie betonen und etwa sagen: Als Pro-
tozoen bezeichnen wir die Organismen, welche einfache Zellen oder
Verbände gleichgebildeter, einfacher Zellen sind und sich in ihren physio-
logischen Lebensäusserungen (Ernährung und Stoffwechsel überhaupt,
Reizbarkeit und Beweglichkeit) den typischen mehrzelligen Thieren ähn-
lich verhalten.
Zwei Punkte dieser Charakteristik bedürfen etwas genauerer Erläute-
rung. Einmal bemerkt dieselbe, dass wir nicht nur streng einzellige, sondei'u
auch in ihrem erwachsenen Zustand mehrzellige Wesen den Protozoen
beizählen. Dadurch wird die Grenze gegen die mehrzelligen Thiere etwas
verwischt. Die sogenannten Gesellschaften und Kolonien , welche mehr-
zellige Verbände darstellen, haben jedoch ein Recht unter den Protozoen
eingereiht zu werden, so lange die constituirenden Zellen sämmtlich in
Bau und Leistungen übereinstimmen, so lange, um es anders auszu-
drücken, eine mit Arbeitstheilung verknüpfte Differenzirung fehlt. Eine
derartige Gesellschaft oder Kolonie bildet keinen einheitlichen vielzelligen
Organismus wie der Leib der höheren Thiere, dessen einzelne Zellcon-
stituenten nicht mehr selbstständig leben können , da sie ausser Stande
sind , sämmtliche physiologischen Leistungen allein zu tibernehmen. Ob-
gleich nun die mehrzelligen Verbände der Protozoen diesen gleichmässigen
Charakter ihrer Constituenten fast durchgängig bewahren , begegnen wir
Einleitung-. Hl
doch verein/elten (Volvox, Zoothamnium), bei welchen dies nicht mehr
völlig zutrifft, die vielmehr Anfänge der Differenzirung und damit eine
Aasbildungsstufe erreichen , welche über die Protozoennatur hinausstrebt.
Dies kann uns nicht überraschen, da ja die höheren, d. h. die mehrzelligen
und heteroplastiden Organismen zweifellos aus einzelligen hervorgingen;
scharfe Grenzen aber nach unserer Vorstellung über die Zusammenhänge
der Lebewesen überhaupt nur auf Unkenntniss oder der Zerstörung der
Bindeglieder beruhen werden. Dennoch erhebt sich die Frage, ob wir
berechtigt sind, solche, eine gewisse Difterenzirung ihrer Constituenten
zeigende Kolonien den Protozoen unterzuordnen. Dies wird meiner An-
sicht nach erlaubt, ja nothwendig sein, so lange die Differenzen einen
massigen Grad der Complication nicht überschreiten; wenn die betreffen-
den Organismen ferner deutlichen Anschluss an sichere Protozoen zeigen
und andererseits nicht zu typischen Heteroplastiden überführen, sondern
isolirte Seitenzweige darstellen.
Anders liegt die Sache, wenn solch ein selbstständiger Seitenzweig
aus den Protozoen heraus zu einem relativ hohen Grade der Complication,
analog typischen Heteroplastiden sich entwickelt hätte. Dann erschiene
es jedenfalls angezeigt, ihn nicht mit den Protozoen zu vereinigen,
sondern als selbstständigen, den übrigen Heteroplastiden coordinirten
Stamm zu betrachten. Ob derartige Vorkommnisse wahrscheinlich sind,
soll später erörtert werden.
Wie oben bemerkt wurde, bedarf noch ein zweiter Punkt unserer
Charakteristik der Erläuterung. Derselbe bietet grössere Schwierigkeiten,
und von seiner Erledigung wird es abhängen, ob die wie oben um-
schriebene Abtheilung überhaupt als natürliche betrachtet werden darf.
Siebold beginnt nämlich seine Charakteristik der Protozoen mit der Be-
merkung, dass sieThiere seien; auch in unserer Definition betont der
Schlusssatz die Thierähnlichkeit ihrer Lebensäusserungen.
Diese Einschränkung des Protozoenbegrift'es ist eine physiologische,
d. h. eine solche, welche sich nicht auf Bau und Structur des Organis-
mus, sondern auf den Verlauf der Lebensprocesse und Lebensäusse-
rungen bezieht. Ln Allgemeinen hat man schon lange erkannt, dass
physiologische Charaktere bei der Bildung natürlicher systematischer
Gruppen möglichst zu vermeiden sind; dass vielmehr die morphologische
Beschaffenheit ausschlaggebend ist. Dies stützt sich auf die wohlbegrün-
dete Ueberzeugung, dass das natürliche System auf genealogischer Basis
beruht und die Gruppenbildung das genealogisch Uebereinstimmende, d. h.
das von demselben Ursprung Herkommende umgreifen soll. Da nun die
Erfahrung häufig genug lehrt, dass gleiche Abstammung und daher Zu-
sammengehörigkeit sich mit physiologisch difterenten Leistungen sehr wohl
verträgt, so ist die Einführung physiologischer Charaktere stets bedenk-
lich, wenn auch von vornherein nicht ganz unzulässig.
Dass nun gerade für die Umgrenzung der Protozoen ein physiologi-
scher Charakter nothwendig wurde, beruht auf dem Umstand, dass von
A*
IV Protozoa.
allen Eigentliümlichkeiten der höheren Thierwelt nur die physiologischen
verwerthbar erscheinen, um zwischen Lebewesen wie die Einzelligen —
deren Organisation durch eine tiefe Kluft von jener der heteroplastiden
Thiere geschieden, ja eigentlich mit derselben unvergleichbar ist — und
jenen Höheren eine Vermittelung herzustellen.
Dass dies geschah und man auf solcher Grundlage seit alter Zeit
thierische und pflanzliche Einzellige zu unterscheiden suchte, basirt selbst
wieder darauf, dass man bei der Begriffsbestimmung von Thier und Pflanze
die physiologischen Leistungen stets in den Vordergrund stellte, dagegen
die morphologische oder, sagen wir besser die genealogische Umgrenzung
der beiden Reiche erst in zweiter Linie beachtete, diejenige, welche doch
allein die naturgemässe sein kann.
Während nun die mehrzelligen Pflanzen und Thiere fast ausnahmslos
genügend morphologische Charaktere aufweisen, um mit Sicherheit dem
einen oder dem anderen Reich zugetheilt zu werden, versagte dies
Htilfsmittel natürlich auf dem Gebiet der Einzelligen. Hier entbrannte
denn auch seit alter Zeit der Streit über die Grenze beider Reiche, über
die Zurechnung der einzelnen Abtheilungen zu dem einen oder dem andern.
Nach dem oben Bemerkten musste im Einzelfalle natürlich der Grad der
thier- oder pflanzenähnlicheu Leistungen der betreffenden Organismen
bei der Entscheidung den Ausschlag geben. Früh genug hatte man
sich überzeugt, dass das lang gesuchte absolute Kriterium zur Unter-
scheidung beider Reiche nicht zu finden sei und dass solch' künstliche
Versuche keine Beachtung verdienten, welche in der Gegenwart oder
dem Mangel der Cellulose, der contractilen Vacuole oder sonstiger ein
zelner Organisationstheile, in der activen Bewegung oder deren Mangel,
resp. in der Art der Bewegung und dergleichen mehr, absolute Unterschiede
der beiden Reiche erblicken wollten.
Entscheidenden Aufschluss in dieser Frage könnte nur die Erkennt-
niss des genealogischen Zusammenhangs der Gruppen der Einzelligen unter
einander und ihrer Verbindung mit den mehrzelligen Thieren und Pflanzen
gewähren. Nur auf dieser Grundlage Hesse sich, wenn auch als Wahr-
scheinlichkeitsresultat, feststellen, ob die Unterscheidung einer Abthei-
lung thierähnlicher Einzelligen berechtigt ist und ob dieselbe genea-
logisch mit den typischen mehrzelligen Thieren zusammenhängt, und ob
ferner den gewöhnlich mit den Pflanzen vereinigten Einzelligen eine
solche Stellung naturgemäss ist. A priori lässt sich nicht bestreiten,
dass die Differenzirung der beiden organischen Reiche schon auf tiefster
Stufe der Einzelligen anheben konnte, ja dass die Vorläufer dieses Entwick-
lungsprocesses vielleicht heutzutage gar nicht mehr existiren, demnach
alle Organismen in eine der beiden genealogischen Reihen eingeschaltet
werden könnten. Ein solcher Gedankengang scheint um so eher be-
rechtigt, als thatsächlich alle Organismen nur zwei Hauptentwicklungs-
richtungen des Lebens zustreben, der thierischen und der pflanzlichen;
eine dritte, irgendwie bestimmt charakterisirte nicht zu erkennen ist
Einleitung. y
Bevor wir eingehender untersuchen, welche Wahrscheinlichkeits-
schlüsse unsere zeitigen Kenntnisse in dieser Hinsicht gestatten, scheint
es angezeigt, die seitherigen Meinungen kurz zu charakterisiren, wobei
uns natürlich die der Zoologen besonders beschäftigen müssen.
Es ist nicht unsere Absicht, an dieser Stelle eine ausführliche historische üebersicht
der Erörterungen über die Grenzlinie beider Eeiche im Gebiet der Einzelligen zu geben. Ein-
gehenderes hierüber bieten die historischen Abschnitte, welche den einzelnen Protozoengruppen
vorausgehen, speciell die über die Flagellaten und Infusorien. Ebensowenig verweüen wir
bei den vielfach wiederholten Versuchen: einzelne Gruppen der Protozoen oder die ganze
Abtheilung den höheren Thieren oder auch den Pflanzen einzureihen und so schliesslich die
Abtheilung überhaupt zu streichen. Auch über diese schon frühzeitig auftretenden Versuche
gewähren die historischen üebeiblicke der Einzelgruppen speciellcren Aufschluss, namentlich
möge wieder auf den Abschnitt über die Infusorien verwiesen werden. Erwähnt werde nur, dass
von neueren Forschern besonders L. Agassiz*) und Milne-Edwards**) für die gänzliche
Auflösung . der Protozoen und ihre Vertheilung auf Pflanzen und Thiere oder gewisse
Grujipen der höheren Thierwelt eintraten.
Die Ansichten der Forscher über die Abgrenzung der beiden Reiche auf dem Gebiet
der Einzelligen, resp. über die Stellung, welche den sog. Protozoen zu oder zwischen beiden
Eeichen anzuweisen sei, bewegten sich in zwei Richtungen. — Die meisten Biologen hielten
daran fest, dass die Sonderung beider Reiche bis zur tiefsten Stufe der Lebewesen hinab
durchführbar sei; sie vertraten daher im Allgemeinen die Ansicht, welche oben als eine mög-
liche, wenn auch unerwiesene bezeichnet wurde. Dass die Annäherung beider Reiche
eine sehr weitgehende sei, erliannten zwar auch diese Forscher meist bereitwillig an, glaubten
aber, dass bei allseitiger Berücksichtigung des Gesammtcharakters eines zweifelhaften
Organismus eine Entscheidung über seine Stellung möglich sei. Es soll nicht näher er-
örtert werden, inwiefern die Gründe, welche den einzelnen Gelehrten maassgebend schienen,
mehr oder weniger künstlich oder natürlich waren. Wie gesagt, hatte diese Auffassung ent-
schieden die Mehrzahl der Biologen für sich, unter denen wir hier nur Ehrenberg***),
Dujardin, Siebold, Stein, Carust), Clapar ede-Lachmann, Gegenbaur, Claus,
Huxley, Kent und Künstlerff) ausser vielen Andern nennen.
Nach der Art, wie die Sonderung der beiden Reiche durchgeführt werden sollte, trennten
sich die Anhänger dieser Ansicht selbst wieder in zwei Gruppen. Fast Alle betrach-
teten die physiologischen Leistungen als ausschlaggebend und beurtheilten danach die Stellung
zweifelhafter Organismen. Nur Gegenbaurfft) vertrat eine andere Auffassung. Er hoffte
auf morphologischer Grundlage zu einer naturgemässen Sonderung der beiden Reiche ge-
langen zu können. Der Bau der Gewebe typischer Thiere, die innigere Vereinigung ihrer
Zellen in Verbindung mit tiefer gehender Diffcrenzirung derselben zu verschiedenartigen
Leistungen, schien ihm den wesentlichen morphologischen Charakter der Thierheit zu
bilden. Im Gegensatz dazu boten die pflanzlichen Organismen strengere Individualisation
*) Siebe Näheres pag. 1156. Dort auch über ähnliche Versuche von anderer Seite.
**) Lebens s. la jibysiologie et l'anatomie comparee. T. IL p. 13 u. T. V. p. 289 u. 328 Anm.
***) Dass die Ansicht Ehrenberg's über den Umfang des Thierreichs speciell auf dem
Gebiet der Einzelligen von der der übrigen Forscher sehr abwich, kommt hier natürlich nicht
in Betracht. Um so entschiedener vertrat er, auf Grund seiner Meinungen, die absolute Diffe-
renz zwischen den beiden Reichen.
t) System der thierischen Morphologie. Leipzig 1853.
tt) Les origines de la vie. Journ. de Micrograpliie T. VIII.
ttt) ^^ animalium plantarumque regni terminis et differentiis. Programma Jen. 1860. Auf
die besondere Bedeutung der Verschiedenheit der Gewebe für die Charakterisining der beiden
Reiche hatte Gegenbaur schon 1858 in seinen Grundzügen der vergl. Anatomie hingewiesen,
hier jedoch noch einzellige Thiere anerkannt. Für das Vorkommen solcher war namentlich
auch J. V. Carus 1853 eingetreten (System der thierischen Morphologie).
VI Protozoa.
(Sonderung) der constituirenden Zellen ihrer Gewebe, neben einer viel geringeren DifFerenzi-
rung derselben. Auf diesem Wege, welcher unsere Anerkennung insofern verdient, als er von
dem richtigen Gedanken ausging, dass die morphologischen Charaktere für die Abgrenzung
natürlicher Gruppen vornehmlich maassgebend seien, entschied sich Gegenbau r dafür, dass
überhaupt sämmtliche einzelligen Wesen dem Pflanzenreich überwiesen werden müssten. Zum
besseren Verständniss dieser Ansicht muss betont worden, dass Gegenbaur die thierähn-
lichsten Protozoen, wie Infusorien und Rhizopoden, für Complexe theilweis verschmolzener
Zellen hielt und sie daher anstandslos seinem Thierreich unterordnete. — Dass G.'s Ansicht
keinen Beifall fand — nur Häckel stimmte ihr 1S62*) lebhaft zu — lag wohl darin, dass
es in gewissem Grade willkürlich erschien: alle Einzelligen einfach zu Pflanzen zu stempeln.
An und für sich wäre gegen die vorgeschlagene, morphologisch schärfere Umgrenzung einer
typischen Thiergruppe in der Gegenbaur'schen Weise nichts einzuwenden gewesen: auch lebte
dieselbe später ihrem Wesen nach in der Abtheilung der Metazoen wieder auf. Es schien
aber doch sehr fraglich : ob in Betracht der ausgesprochenen Thierähnlichkcit zahlreicher Ein-
zelligen und der Zweifel, welche über die Ein- oder Mehrzelligkeit vieler sog. Protozoen noch
bestanden, der Stamm der typischen Thiere nicht noch tiefer abwärts ins Gebiet der Ein-
zelligen zu verfolgen sei. Denn dass die mehrzelligen Thiere aus einzelligen Organismen ent-
standen seien, war auch Gegenbaur's Ansicht. Wäre aber der Stamm des Gegenbaur'schen
Thierreichs bis auf zweifellos einzellige Organismen zu verfolgen, dann erschien es unnatür-
lich, alle Einzelligen den Pflanzen zu überweisen.
Ein solcher Gedankengang lag denn auch wohl der Kritik zu Grunde, welche vornehm-
lich Claus**) an Gegenbaur's Ansicht übte, obgleich mehr unbewusst; denn dass
allein die genealogischen Beziehungen für die Entscheidung maassgebend sein könnten, wird in
seiner Schrift nicht angedeutet. Dieselbe vertheidigt vielmehr hauptsächlich die Ansicht, dass
auch Einzellige mit ausgesprochen physiologisch-thierischer Natur existiren dürften.
Auf einem anderen Wege wurde endlich schon seit alter Zeit eine Lösung des Dilemma
versucht, nämlich durch Aufstellung eines dritten oder Mittelreichs der Organismcnwelt, dazu
bestimmt, die niedrigsten und zweifelhaften Formen im Gegensatz zu den typischen Thieren
und Pflanzen aufzunehmen. Wir übergehen hier die älteren Versuche in dieser Richtung.
Schon Buffon, Münchhauscn, Oken, später Bory de St. Vincent machten Vorschläge
in dieser Hinsicht, über welche das Genauere in dem historischen Abschnitt über die Infu-
sorien dargelegt wurde. Die meisten dieser Bemühungen waren schon deshalb hinfällig,
weil sie in das Mittelreich mehr oder weniger willkürlich auch echte Thiere von pflanzen-
ähnlichem Aeusseren zogen. Erst in neuerer Zeit erhoben sich wieder Stimmen, welche die
Schwierigkeiten in ähnlicher Weise zu lösen versuchten.
Soviel mir bekannt, ging diese Bewegung von Owen, dem verdienstvollen englischen
Morphologen aus***). ISßOf) plädirte derselbe für eine grundsätzliche Gegenüberstellung der
sog. Protozoa gegen die Reiche derAnimalia und Vegetabilia. Die Protozoen bildeten
*) Die Radiolarien p. 163. Alles Einzellige gehöre zu den Pflanzen. Zweifelhaft in
ihrer Stellung seien die Spongien, Gre garinen und Myxom ycetcn. Gleichzeitiger-
achtete er es auch für wahrscheinlich, dass die bei den Thieren verbleilienden Protozoen später
in mehrere Gruppen zerlegt werden müssten , dass namentlich die Infusorien und Rhizopoden
gesondert zu werden verdienten, ähnlich wie dies s. Z. für Coelenterata und Echinodermata
geschehen sei. Es handelte sich also um eine Auflösung des Typus, wie sie Carle er schon
früher (Ann. des universites de Belgique II. s. I. 1858—59 p. 281) vorgeschlagen hatte, der den
Protozoentypus in die Infusoria und Rhizopoda zerlegen wollte. Die ersteren seien mit den
Polypen (= Coelenterata) in gewissem Zusammenhang; die letzteren bildeten eine Gruppe
für sich, die unterste des ganzen Thierreichs.
**) Claus, C. , Ueber die Grenze des thierischen und pflanzlichen Lebens. Marburger
Programm 1864.
***) Einige Erörterungen über die Möglichkeit eines Mittelreichs der Einzelligen linden
sich zwar schon bei Carus (System der thierischen Morphologie 1853).
t) Palaeontology. 1. Auflage p. 4.
Einleitung'. VII
ein (IriUes Eeicli von Lebewesen indiUereiiter Natur. Er betonte nameutlicli , dass sie
meist aus einfachen Zellen bestünden. Owen rechnete zu seinen Protozoen die Klassen
der Amorphozoa (Spongia), l\hizopoda und „die meisten der Polygastrica Ehreiiberg's"
(einschliesslich der Diatomeen und Desmidiaceen). — Ihm schloss sich J. H egg (1861)*)
an, oliue etwas Wesentliches zuzufügen; nur sticss er sich an dem Namen Protozoa, "welchen
Owen dem indifferenten Mittelreich belassen oder gegeben hatte, da es doch keine Thicrc
enthielte, und nannte dasselbe daher Protoctista {xxiaza = geschaffene Dinge). Owen
fühlte später selbst das Bedürfniss einer andern Bezeichnung und verwendete daher in der 2. Auf-
lage seiner Paläontologie (1S61) den Namen Acrita (= üudilferenzirte, von xqivm, sondern).
Auf directe Anregung durch Owen ist auch die Ansicht der Amerikaner Wilson und
Cassin (1862)**) zurückzuführen. Auch sie hielten die Errichtung eines Mittelreiches,
Primalia genannt, für noth wendig; sie glaubten, dass ihre drei Reiche scharf von
einander geschieden seien. Ohne hier genauer auf W.'s und C.'s Erörterungen einzugehen,
werde nur betont, dass ihre Primalia sich durchaus nicht mit Owen's Protozoa oder Acrita
deckten; nach ihrer Aufzählung enthielten dieselben vielmehr als eigentlichen Stamm die-
jenigen Pflanzen, welche jetzt als Thallophyta bezeichnet werden, daneben noch die Spongia.
Jedenfalls rechneten sie dazu auch Owen's Protozoa, doch äussern sie sich über die-
selben nicht spccieller. W.'s und G.'s Ansichten gingen daher weit über Owen und alles
spätere hinaus; ihre Primalia waren unnatürlicher als alle ähnlichen Versuche.
Seit 1866 vertrat Häckel die Errichtung eines neutralen Mittelreichs der Pro-
tista mit besonderer Wärme. Man kann aber schwerlich behaupten, dass sein Ge-
dankengang, wie er sich 1S66 in der generellen Morphologie offenbart, ein zutreffen-
der war. Von vornherein war H. überzeugt, dass die Hauptgruppen des Organismensystems,
die beiden oder die drei Eeiche, welche er jetzt aufstellte, unnatürliche oder künstliche Ab-
theilungen sein müssten. Er erachtete es damals für sehr wahrscheinlich, dass nicht nur die
einzelnen Stämme oder Phylen seiner Pflanzen und Thiere, sondern auch die Hauptgruppen oder
Stämme des Protistenreichs selbstständig und getrennt aus den niedersten Moneren
entsprungen seien. Die Consequenz dieser Anschauung hätte naturgcmäss zu einer Auflösung
der beiden früheren Reiche und zur Errichtung einiger selbstständiger Stämme für die ver-
meintlichen Protisten führen müssen, schwerlich aber zur Aufstellung eines dritten künstlichen
Reiches neben zwei anderen, gleichfalls künstlichen. Hierzu lag um so weniger Nöthigung vor,
als Häckel selbst anerkannte, dass man thierische und pflanzliche Protisten unterscheiden
könne. Wenn daher die beiden Eeiche der Pflanzen und Thiere künstliche sind, wie ange-
nommen wurde, so hätten wohl auch die Protisten auf sie vertheilt werden können, ohne die
Künstlichkeit besonders zu vermehren. Dieser Schluss scheint um so gerechtfertigter, als
Häckel nicht versuchte, seine Protisten morphologisch schärfer zu charakterisiren , vielmehr
nur die Einfachheit der Organisation und Fortpflanzung, sowie die häufige ünentschiedenheit
des physiologischen Charakters als Eigenthümlichkeiten des Reiches hervorhob. Während
Owen, obgleich nicht ganz consequent, die einzellige Natur seiner Protozoon betonte, that
dies Häckel keineswegs, denn er überwies typisch einzellige Algen, wie die Protococcoi-
deen und Desmidieen , dem Pflanzenreich, andererseits die Infusorien den Tliieren, obgleich
deren Mehrzelligkeit viel zweifelhafter schien wie die der Radio laria (seiner damaligen Auf-
fassung gemäss) oder gar die der Spongien. Demnach ermangelte das Protistenreich
Häckel's von 1866 (Moneres, sog. Protoplasta [Amöben und Gregarinen], Diatomca,
Flagellata, Myxomycetes, Noctiluca, Rhizopoda und Spongiae) eines einheit-
lichen morphologischen und daher auch genealogischen Charakters im Sinne des Gründers
selbst. Für seine Errichtung war im Wesentlichen der unentschiedene physiologische Charakter
der vereinigten Gruppen und die Einfachheit ihrer Organisation ausschlaggebend. Schien der
physiologische Charakter entschiedener pflanzlich oder thierisch, so zögerte Häckel auch bei
einfachster Organisation der betreffenden Organismen nicht, sie den beiden andern Reichen zu
*) On the distinctions of a Plant and an Animal, and on a fourth kingdom of nature.
Edinburgh n. philospli. Journal N. s. Vol. XII.
**) On a third kingdom of organizod bcings. Proceed. Acad. nat. sciencc Philadelphia
1863. p. 113.
VIII Protozoa.
überweisen. Man wird es daher auch nicht ungerechtfertigt erachten, dass das Protistenreich
nicht viele Anhänger fand. In der Icommenden Zeit arbeitete Häckcl fortgesetzt an der Ver-
besserung des neuen Eeichs , und es gelang ihm denn auch , dasselbe in mancher Hinsicht
natürlicher zu gestalten und einer wirklichen morphologisch genealogischen Gruppe näher zu
fahren. Dennoch bildete der physiologische Charakter, rcsp. dessen angebliche ünentschieden-
heit, welche für zahlreiche Protisten (man denke nur an die Infusorien) keineswegs zutrifft,
stets maassgebend für Häckel's Umgrenzung der Protisten. Auch in seinem letzten Protisten-
system werden wie früher die einzelligen Algen ausgeschlossen. Bis zuletzt hielt er
ferner den polyphyletischen Ursprung der Protisten für das Wahrscheinlichste und bezweifelte
daher selbst ihre Bedeutung als genealogische Gruppe; doch gelang es, sie wenigstens
gegen die typischen Thiere schärfer abzugrenzen. Die 1868*) den Protisten zugerechneten
sog. Phycochromaceae der Botaniker wurden später (1875)**) und 1878***) wieder aus-
geschieden. Seit 1868 rechnete er dagegen sämmtliche Fungi zu den Protisten, wofür neben
dem thierähnlichen Stoffwechsel hauptsächlich die angebliche Kernlosigkeit und die vermeint-
liche Verwandtschaft mit den Myxomyceten maassgebend schienen. Wie unsicher sich
Häckel jedoch hinsichtlich der Fungi fühlte, geht daraus hervor, dass er sie 1875 wieder
eliminirte, 1878 von neuem aufnahm. Diese Einreihung aller Pilze unter die Protisten
beeinträchtigte unserer Ansicht nach die Natürlichkeit der Abtheilung sehr. Selbst wenn man
zugibt, dass diese Gruppe direct aus einfachsten Moneren entsprungen sei, wäre wegen der
eigenartigen, hohen Organisation, welche sie im Gegensatz zu allen übrigen Protisten erlangt, ihre
Abtrennung und selbstständige Stellung angezeigt, um so mehr, als Häckel selbst den
polyphyletischen Ursprung seiner Protisten vertheidigte. Dagegen vermissen wir noch 1875
(wie früher) unter den Protisten die Bacteriaceen. Die Spongien wurden seit ihrer Auf-
fassung als Coelcnteraten entfernt. Erst 1873 gesellten sich die Infusorien den Protisten zu,
nachdem mit Aufstellung der Gastraeatheorie der sog. Metazoen die ünhaltbarkeit der früheren
Ansicht über die Stellung der Infusorien eclatanter hervorgetreten warf). Dazu hätte es aber
wohl der Theorie der beiden Keimblätter der typischen Thiere nicht bedurft, denn die
Furchung ihrer Eier war seit langer Zeit und die Erfahrungen über die angebliche Nicht-
existenz dieser Erscheinung an den Eiern oder Keimen der Infusorien schon vor 1866
genügend bekannt.
Gelegentlich gab Häckel zu, dass es ihm gleichgültig scheine, ob seine Protista als
Protozoa bezeichnet und dem Thierreich einfach im Gegensatz zu den Metazoa einverleibt
würden, oder ob sie als Protista die Eolle eines Mittelreichs weiterführten ff ). Zwar wären
theoretisch Protozoen (d. h. die genealogisch directen Vorläufer der typischen Thiere) von
Protisten (die weder mit echten Thieren noch Pflanzen genealogisch verknüpft seien), zu
unterscheiden, doch sei die Durchführung dieser Scheidung praktisch ganz unmöglich.
Früher zwar hatte er mehrfach versucht, Protozoa im obigen Sinne aus den ehemaligen
Protisten zu sondern f ff); als solche schienen die Infusorien und seltsamer Weise die
Gregarinen gelten zu dürfen, welchen sich dann als Ovularia oder Eithiere diejenigen hypo-
thetischen Moneren und Amöben zugesellten, durch welche der genealogische Stamm der Thiere
zur Vielzelligkeit emporgestiegen sei.
187S endlich nahm Häckel wieder die Protista im ganzen Umfange auf, bestehend aus
den 14 Klassen der: Monera, Lobosa, Gregarinae, Flagellata, Catallacta,
Ciliata, Acineta, Labyr inthulea, Bacillariae, Fungi, Myxomycetes, Tha-
lamophora, Heliozoa und Eadiolaria. Dabei betonte er nochmals, dass er der polyphy-
letischen Entstehung der Protisten den Vorzug gäbe.
*\
*) Monographie der Moneren. IV. Begrenzung des Protistenreichs. Jen, Ztschr. IV. 1868.
**) Natürliche Schöpfungsgeschichte (3. Auflage. 1875.
***) Das Protistenreich. 1S7S.
f) Morphologie der Infusorien. Jenaische Zeitschr. f. Naturw. Bd. VIII, 1873.
ff) Nachträge zur Gastraeatheorie. Jen. Zeitschr. XL 1877.
ftf) Morphologie der Infusorien und Schöpfungsgeschichte. 6. Aufl.
Einleitung. IX
Das Häckel'sche Prolistenreich erwarb sich eine Reihe Anhänger, auf welche einzugehen
unnöthig erscheint, da sie den weiteren Ausbau der Lehre nicht förderten. Fassen wir das
über die Bestrebungen zur Gründung eines Mittel- oder Protistenreichs Bemerkte zusammen,
so fällt das Schwankende in der Umgrenzung der Grupi^e auf, der bald einiges zugefügt, bald
einiges weggenommen wurde. Zwar trat die ursprüngliche Ansicht: in den Protisten eine
ganz künstliche, vorwiegend praktischer Bedürfnisse wegen vereinigte Gruppe aufzustellen, bald
mehr in den Hintergrund; es wurde wenigstens die Möglichkeit zugegeben, dass die Pro-
tisten selbst monophyletisch entstanden und daher einer genealogischen Gliederung und einer
Abgrenzung gegen die beiden höhern Reiche zugänglich seien. Dass die Monophylese der
typischen Pflanzen und Thierc die naturgemässere Hypotliesc sei, hatte Häckcl seit Be-
ginn der 70er Jahre gegen früher anerkannt. Das Schwankende in der Umgrenzung der Pro-
tisten rührte wesentlich daher, dass nicht versucht wurde, sie morphologisch schärfer zu cha-
rakterisiren. Mit der Einreihung der Pilze unter die Protisten war dies unmöglich geworden;
ebenso blieb eine morphologische Abgliederung gegen das Pflanzenreich unmöglich, denn die
einzelligen Algen morphologisch von gewissen Abtheilungen der Protisten zu scheiden, war
undurchführbar. — Wollte man aber andererseits, wie es Häckel gelegentlich auch bevor-
zugte, die Stämme der Pflanzen und Thiere bis zu den niedersten einzelligen abwärts ver-
folgen und daneben noch eine Reihe niederer Formen als neutrale Protisten festhalten, so
durfte man fragen, mit welchem Recht dies geschehe? Warum die Rhizopoden neutrale Pro-
tisten sein sollten, während die Amöben oder ihnen doch entsprechende in den genealogischen
Stamm der Thiere gehörten? Wieso die Gregarinen dazu kamen, als Thiere zu fungiren, ja in
die Ursprungslinie der Metazoen fielen? Darauf dürfte schwerlich eine genügende Antwort
gegeben werden können. Wodurch sich die Monera animalia als Stammväter des Thierreichs
von den Monera neutralia, den Eltern der neutralen Protisten unterscheiden, dürfte als ein un-
lösbares Räthsel erscheinen. Dagegen wäre es jedenfalls besser erschienen, die beiden alten
Reiche zu belassen und die Einzelligen nach ihren Charakteren auf dieselben zu vertheilen,
so gut es eben ging ; ähnlich wie dies seit alter Zeit gehalten worden war.
Jedenfalls erforderte das Protistenreich so gut wie die beiden anderen Reiche einen ein-
heitlichen morphologischen Charakter. Denn dass die beiden letzteren überhaupt von ihnen
abgesondert wurden , heruhte wenigstens für die typischen Thiere darauf, dass ein solcher
gemeinsamer und höherer Charakter der Organisation nachweisbar schien.
Unserer Ueberzeugiing gemäss, worin wir mit Häckel und den
meisten Biologen übereinstimmen, ist die Frage nach der Grenze beider
Eeiche und die Stellung der Einzelligen zu denselben nur auf genealogischem
Wege zu lösen. Inwiefern unsere heutigen Kenntnisse dazu ausreichend
erscheinen, kann mit Recht bezweifelt werden. Dennoch muss der Ver-
such gewagt werden, wollen wir anders nicht auf jede Lösung und eine
Stellungnahme in der Angelegenheit verzichten. Die Möglichkeit eines
polyphyletischen Ursprungs der Organismen kann nicht geleugnet werden.
Irgend ein positiver Nachweis hierfür scheint aber ausgeschlossen. Zu
einer solchen Annahme könnte demnach nur die erwiesene Unmöglichkeit
eines monophyletischen Stammbaums der Organismenwelt führen. Für
die typischen mehrzelligen Thiere und Pflanzen dürfte die Monophylese
heutzutage mehr als wahrscheinlich sein; für die Einzelligen ist ihre
Möglichkeit keineswegs von vornherein zu leugnen*).
*) Ich bin mir wohl hewusst, dass gerade die entgegengesetzte Ansicht: nämlich der
polyphyletische Ursprung der Organismen, und im Besonderen der der Einzelligen, von Bio-
logen, welche viel und gut über diese Frage nachgedacht haben, vertheidigt, ja für die einzige
wissenschaftliche Möglichkeit erklärt wurde. Abgesehen von Häckel geschah dies nament-
lich von Nägeli (s. Mechanisch -physiologische Theorie der Abstammungslehre 1884). Ich
X Protozoa.
Ueberscbancn wir dieselben im Liebte unserer beutigen Erfabrungcn,
so scheint sieb viebnebr ein monopbyletischer Zusanimenbang der Grui)pen
glaube daher meinen abweichenden Standpunkt ein wenig nälier darlegen zu soUcn , um
nicht Gefahr zu laufen, durch blossen Hinweis auf Nägeli's Ansichten anscheinend wider-
legt zu werden. N. (p. 464) erachtet allein die Annahme: dass die spontane Erzeugung ein-
fachster Organismen zu allen Zeiten stattgefunden habe , für wissenschaftlich begründbar. Er
bemerkt dann weiter: „Wenn einmal aus unorganischen Stolfen organische Verbindungen und
Organismen entstehen konnten, so musste dies stets eintreten, wo und wann jene Bedingungen
vorhanden waren." Dies klingt sehr präcis und wäre es auch, wenn nicht das ganze Fun-
dament des Schlusses völlig unbestimmt erschiene. Was wissen wir denn von den Bedingungen
der spontanen Entstehung einfachster Organismen? Nage 11 verweist uns zwar auf sein
Kapitel über die Urzeugung, es bedarf aber wohl keines Nachweises, dass dasselbe von jenen
Bedingungen durchaus nichts mitfheilt, sondern nur einige ganz allgemeine Erwägungen dar-
über anstellt, was man sich allenfalls bei dem ganz embryonalen Stand unserer diesbezüglichen
physikalisch- chemischen Kenntnisse über eine Urzeugung denken könne. Da wir von diesen
Bedingungen geradezu nichts wissen — höchstens berechtigt sind, die Möglichkeit des Ein-
tretens geeigneter Bedingungen auf Grund unseres Wissens zuzugeben — so lässt sich auch vor-
erst in keiner Weise entscheiden, ob diese Bedingungen in der Entwicklungsgeschichte unseres
Planeten nur einmal, mehrmals oder ob sie gar stets statthatten. Da Nägeli letzteres annimmt,
und seine mechanisch-physiologische Aljstammungstheorie gleichzeitig eine fortwährende Weiter-
bildung einmal entstandener Organismen zur Voraussetzung hat, einen Beharrungszustand der
Organismen eigentlich ausschliesst, so führt ihn dies nothwendig zur Annahme, dass die
Stämme der höchstentwickelten Organismen die ältesten sein müssten, die einfachsten dagegen,
speciell die Einzelligen, relativ sehr jungen Datums. Die Einfachheit letzterer ist eben nach
seiner Ansicht eine Folge ihrer verhältnissmässig jugendlichen spontanen Entstehung. Im Be-
sonderen entwickelt er diesen Gedanken für die Schizophyceen. Wie gesagt, scheint mir
theoretisch keine Nöthigung zu einer solchen Annahme vorzuliegen; auch wäre wohl ein viel
grosserer Kcichthum an verschiedenen Stämmen zu erwarten , wenn die Sache einen solchen
Verlauf genommen hätte.
Wie verhalten sich aber dazu die paläontologischen Thatsachen, welche uns doch allein einen
thatsächlichen Maassstab für das Alter der Stämme geben? Zunächst lehren dieselben auf das
Bestimmteste, dass von dem Muss einer unltcdingtcn Weiterbildung keine Eede sein kann. Die
Beispiele der Brachiopoden, Gcphalopoden und anderer Abthcilungcn sind zu bekannt,
um hier genauer ausgeführt zu werden. Vielleicht wird man aber einwerfen, dass dies Abthei-
lungen seien, welche seit der Urzeit schon rückschritten. Wenden wir uns zu den Protozoen
selbst. Da finden wir denn, dass die beiden Abtheilungen der Ehizopoden und Kadio-
larien, über welche die Paläontologie Aufschluss geben kann, schon in den ältesten
Ablagerungen unzweifelhaft vertreten sind. Wenn auch die Ehizopodenfauna der älteren pa-
läozoischen Schichten noch immer etwas unsicher erscheint, so beweist doch die reiche Mannig-
faltigkeit der Ehizopoden der Kohlenformation, unter welchen sich schon höchstentwickelte
Formen finden, zweifellos, dass der Ursprung der beschälten Ehizopoden viel tiefer hinabreicht.
— Für die Eadiolarien, welche lange nicht über die Tertiärzeit zurückverfolgt werden
konnten, wissen wir jetzt, dass sie in den ältesten paläozoischen, ja cambrischen Schichten
vorkommen (vergl. Eust, Palaeontographica Bd, 31 , p. 271 und Häckel, die Eadiolarien
2. Theil, 1S87). Beide Gruppen lassen ferner erkennen, dass zwar im Allgemeinen während
dieser langen Zeit ein gewisser Fortschritt stattgefunden hat, dass gewisse Formen erloschen,
andere sich allmählich difierenzirten und änderten, dass jedoch über den Typus der Abthei-
lung hinaus keine Fortbildung geschah. Letzteres lässt sich mit aller Bestimmtheit behaupten,
da heutzutage keine Organismen existiren, welche als entwickeltere auf diese Gruppen zurück-
zuführen wären, Während eines Zeitraums also, in welchem die Ahnen der Säugethiere von
einer fischähnlichen Stufe bis zum Menschen fortgeschritten sein müssen und zu dessen Beginn
noch keine phancrogame Pflanze existirte, verharrten diese, wie viele andere Gruppen der Thier-
Kiuloiliiiif;-. XI
als walirscbeinlich zu ergeben und damit auch eine monophyletisclie Ab-
stammung der ganzen Orgauismenwelt-''). Da eine Orientirung über die
vermuthlichen genealogischen Zusammenhänge am kürzesten und präg-
nantesten durch die Aufzeichnung eines Stammbaums geschieht, geben
wir unseren Ideen in einem solchen Ausdruck, ohne damit zu verkennen,
wie viele Schwierigkeiten der hypothetischen Begründung desselben zur
Zeit noch entgegenstehen (s. den Holzschnitt auf d. folg. p.).
Zur Erläuterung dieser Aufstellungen und der Schlussfolgerungeu,
welche denselben für unser Thema entspringen, diene das Nachstehende.
Die Wurzel aller Einzelligen suchen wir nicht in amöbeuavtigen For-
men, sondern wie es im Abschnitt über die Verwandtschaftsverhältnisse
der Flagellaten schon früher dargelegt wurde, in Formen, welche durch
ihre Eigenthümlichkeiten zwischen den Sarkodinen und den Masti-
gop hören vermittelten und sich vielleicht noch in der Gruppe der
Khiz omastigoda am reinsten erhielten. Es scheint zur Zeit unnütz,
darüber speculiren zu wollen, ob diesen Formen noch einfachere voraus-
gingen und welchen Bau dieselben eventuell besassen '''*).
Dagegen bedarf die Frage nach der Berechtigung der sog. Moneren-
abtheiluug, welche Häckel stets als die primitivste aller Protisten bc-
welt auf wesentlicli derselben Bildungsstufe. Beide (jruijpcn aber sind solclie, welche in der
Jetztwelt noch eine ganz bedeutende Eolle spielen, für welche keinerlei Anzeichen des Eiick-
schritts vorliegen.
Ausser den Bacillariaceen gibt es keine weitere Gruppe der Einzelligen, welche fossil
ausgiebig erhaltungsfähig ist. Die Bacillariaceen konnte man vorerst nicht sicher liber
die Jurazeit zuruckverfolgen (vergl. 11 (Ist 1. c). Eine triasische Form (Bactryllum) ist zweifel-
haft. Wenn es auch möglich ist, dass sie thatsächlich nicht iiltcr sind, oder vielleicht von
Ahnen abstammen, deren Zellhäute unverkieselt waren, so scheint es mir doch sehr ge-
rathen , weitere Untersuchungen abzuwarten , namentlich im Hinblick auf die neueren Erfah-
rungen über die Radiolarien. Die paläontologischen Ergehnisse lehren demnacli gerade das
Entgegengesetzte wie Nägeli's Theorie. Sie zeigen, dass Gruppen der Einzelligen sich seit
uralter Zeit in wesentlich gleicher Bildung erhielten und zu keiner höhern Entwicklungsreihe
fnhrten. Dieselbe Möglichkeit ist demnach auch fiir die übrigen Gruppen nicht ausgeschlossen
und die Erwägung eines monophyletischen Ursprungs wird dadurcli nälier gelegt.
Ueberhaupt lehrt uns der Gesammtgang der paläontologischen Entwicklung, dass stets
nur wenige Formen einer Gruppe (wenn überhaupt welche! einer aufsteigenden Entwicklung
in erheblichem Maasse fällig waren, dass die grosse Masse dagegen nie mehr über den be-
schränkten Typus ihres Zweiges hinausgelangte , wenn sie nicht überhaupt ausstarb. Worauf
dies eventuell zurückführbar scheint, kann an dieser Stelle nicht untersucht werden.
*) üeber die Bedeutung der grossen Uebercinstimmung der Kerntheilungsvorgänge thie-
rischcr und pflanzlicher Zellen für die Monophylese vergl. meine, im Anschluss an Stras-
burger geäusserten Bemerkungen in ,, Studien über die Entwicklung etc." Abhandl.
Senckenberg. Gcsellsch. Bd. X. 1876 (p. 20G — 7 des S. A.'s). Die Schwierigkeit, welche da-
mals noch in der vermeintlichen spontanen Entstehung von Nuclei erblickt wurde, besteht
natürlich heute nicht mehr.
**) Speculationeu hierüber findet man bei Nägeli: , .Mechanisch-physiologische Theorie
der .Abstammungslehre" 1884, welcher ein besonderes Reich der Probien oder Urorganismen
aufstellt, die einfachsten ursprünglichsten, jedoch bis jetzt noch ganz unbekannten. Mit dieser
Erwähnung will ich jedoch keineswegs meine Uebercinstimmung mit der Nägeli'schen Specu-
lation aussprechen.
XII
Protozoa.
trachtete, einer kurzen Erörterung. Wie die frühem Abschnitte dieses
Werkes schon zeigten, vermied ich die Aufstellung einer solchen Gruppe,
da ich ihre Existenz von jeher bezweifelte. Bekanntlich bildet die Kern-
losigkeit den einzigen Charakter der sog. Moneren, Vielehe im Uebrigen
bald mehr flagellatenartig , bald mehr sarkodinenartig erscheinen. Die
Typ.Thiere
Höhere
Pflanzen
Vielzellige
Spongiae ;
Frotococcoidea
SaCillariaCea /« weitere ein-
xeär^e Al^en
(fracfifch Desmin
Infusoria Choanoflag
SchhopJit/cea
BadericLcm
Errichtung der Gruppe fällt in eine Zeit, wo die Methoden der Kernnach-
weisung sehr wenig ausgebildet waren, namentlich aber auch die That-
sache kaum gewürdigt Avurde, dass häutig statt eines einzigen an-
sehnlichen Kernes zahlreich kleine und daher schwer nachweisbare vor-
handen sein können. Die Erfahrungen auf botanischem wie zoologischem
Gebiet, sowohl im Bereich der Viel- wie der Ein-zelligen haben seit dieser
Zeit ergeben, dass die Kerne in den meisten Fällen, wo sie lange ver-
misst wurden, thatsächlich nicht fehlen. Wenn wir auf Gesetzmässigkeit
in der Natur überhaupt bauen dürfen , so berechtigen die heutigen Er-
fahrungen zum Schlüsse, dass mit alleiniger Ausnahme der Gruppen der
Schizophyceae und Bacteriaceae am allgemeinen Vorhanden-
sein der Kerne nicht zu zweifeln ist. Ich hege denn auch die feste
Ueberzeugung, dass bei allen angebhchen Moneren Hack eis, sofern sie
nicht diesen beiden Gruppen zugehören (allein die Bacterien zählt übrigens
Häckel als Tachymonera der Monerengruppe zu) der angebliche
Einleitung. XIII
Kernmangel nur auf ungenügender Erforschung beruht. Mir begegnete
bei vielfachen Studien in der Welt der Einzelligen wenigstens niemals
eine Protamoeba oder eine Protomonas, und anderen Beobachtern er-
ging es ähnlich (s. Entz*); auch Schmitz**), der sich um den Nach-
weis der Kerne niederer Pflanzen grosse Verdienste erwarb, spricht sich
ähnlich aus).
Wie es aber mit der anscheinenden Kernlosigkeit der Schizophy-
ceen und Bacteriaceen steht, bedarf zweifellos weiterer Aufklärung.
Die Untersuchung dieser Gruppen auf Nuclei oder ähnliche Einschlüsse
wurde lange Zeit sehr vernachlässigt, da die Frage nach den Kernen von
den Botanikern, welchen das Studium dieser Abtheilungen dem Herkom-
men gemäss oblag, bis in die jüngste Zeit wenig beachtet wurde. Zwar
wurden die Bacterien neuerdings der Gegenstand zahlloser Untersuchungen,
die aber hauptsächlich von Gesichtspunkten ausgingen, welchen morpho-
logische Fragen fern lagen und denen gleichzeitig ein weiterer Ausblick
auf die Welt der verwandten niederen Organismen mangelte.
Immerhin zeigten die Untersuchungen von Schmitz***), dass das
Plasma der Schizophyceae stark färbbare kleinere oder grössere
Körnchen in verschiedener Zahl enthält, die manchmal auch in einer
Gruppe zusammenliegen. Zwar zweifelt Schmitz an der Kernnatur
dieser Einschlüsse, obgleich er sie früher (1879) für echte Nuclei gehalten
hatte. Ich erachte es aber doch für möglich, dass diese Körper Nuclei
einfachster Art entsprechen, d. h. dichte Nucleinkörner sind. Auch sehr
verdichtete kleine Kerne oder Kernfragmente unzweifelhafter Natur er-
scheinen bei Infusorien etc. als kleine stark färbbare Körner. Auch für
die Bacterien liegt die Frage keineswegs klar, was de Baryj) an-
erkannte. Färbbare Körner sind im Plasma gewisser Bacterien nachweis-
bar; ihre Bedeutung ist jedoch vorerst ähnlich unsicher, wie die der
Oscillarien und Verwandten. Wir können aus dem Ermittelten nur
schliessen, dass selbst für die beiden letzterwähnten Gruppen der Kern-
mangel zweifelhaft ist. Daher scheint die Möglichkeit vorerst nicht aus-
geschlossen, dass der Aufbau aus Plasma und geformter Kernsubstanz
überhaupt eine Auszeichnung alles Lebenden ist.
Bei diesem Stand der Forschung vermag ich eine Abtheilung der
Monera als Ausgangspunkt der höheren Einzelligen nicht zu rechtfertigen.
Unsere Gründe für die Ableitung der Gruppen der Bacterien,
Schizophyceen, Sarkodinen, Myxomyceten und wahrscheinlich
auch der Chytridiaceen (wenigstens z. Th.) wurden im Abschnitt über
die Verwandtschaftsbeziehungen der Flagellaten eingehender darge-
*) Entz, Studien über Protisten I. Th. Pestli 1888. p. 254—55.
**) Schmitz, ßesultatc seiner Untersuch, über die Zellkerne der Thallophyten. SitzLer.
der niederrh. Gesellsch. f. Nat. u. Heilk. 1879.
***) ibid. 1880 Untersuch, über die Structur des Protoplasmas u. d. Zellkerne der Pflanzen-
zellen.
f) Vorlesungen über Bacterien 1885 p. 3.
XIV Protozoa.
legt (s. p. 803 ff.). :5ie hatten sich im Allgemeinen der Zustimmung eines
unserer hervorragendsten Botaniker, de Bary's zu erfreuen*). Dass die
Myxomyceten wohl in directerer Beziehung zu dem Stamm der Sarko-
dinen stehen, bedürfte heutzutage keiner besonderen Belege mehr, da die
Ansicht über deren Nichtzusamineuhang mit den eigentlichen Pilzen sich
mehr und mehr befestigt.
Auf die Frage nach der Beziehung und Ableitung der eigentlichen
Pilze einzugehen vermag ich nicht. Weder meine Kenntniss dieser Gruppe
berechtigt mich hierzu, noch dürfte es der Stand unserer Erfahrungen
gestatten. Es bleibt daher competenterem Urtheil anheimgestellt, zu ent-
scheiden , ob die höheren mehrzelligen Pilze ganz oder zum Theil von
den Chytridiaceen abzuleiten sind. Aber auch zugegeben, dass dies
so sei, so würde die Eeihe der höheren Pilze als ein selbstständiger
Zweig, der aus niederem Ursprung erwachsen ist, zu betrachten sein, der
wegen der Höhe der Organisation, welche er erlangte, ein Recht besitzt,
als besonderer Stamm von den Einzelligen getrennt zu werden. Ich
glaube aber, die Botaniker werden für viele der höheren Pilze die Mög-
lichkeit der Ableitung und des Anschlusses an typische Pflanzen natur-
gemässer erachten.
Ueber die Herleitung des Mastigophorenstammes aus der an-
gegebenen Wurzel werden schwerlich ernstliche Meinungsverschiedenheiten
bestehen, ebensowenig auch über seine Gliederung in die verschiedenen
*) de Bary, Vergl. Morphologie uad Eiologie der Pilze, Mycetozoeii und Bacterieu.
1884, p. 417 ff. und p. 513. Dass die Scliizopliyceen eine isolirte, mit höheren eigentlichen
Pflanzen nicht in Verbindung stehende Gruppe sind, erkennt auch Nägeli an (Mechaniscli-
physiologische Abstammungslehre). Dass ein gewisses Maass von Zelldifferenzirung bei einem
Theil dieser Gruppe zur Ausbildung gelangte, kann , da es einen massigen Grad nicht über-
schreitet, nicht wohl Veranlassung geben, sie von den übrigen Einzelligen zu trennen. Dies
wäre anders, wenn höiicrc Gruppen auf diese Wurzel rilcliführbar wären, was thatsächlich
nicht der Fall zu sein scheint.
Die schon früher und hier wieder besprochenen Beziehungen der Bacteriaceen zu den
ursprünglicheren Flagcllaten wurden eine wichtige Bestätigung erhalten, wenn sich Künstler's
Schilderung eines eigenthümlichen parasitischen Organismus, Bacterioidomonas spori-
fera Kstl. bestätigte. Das im Blinddarm des Meerschweinchens gefundene Wesen nimmt nach
K.'s Beschreibung sowohl durch seinen Bau wie wegen der endogenen Sporenbildung eine ver-
mittelnde Stellung zwischen primitiven Flagcllaten und endosporen Bacterien ein. Es soll aber
einen deutlichen Nucleus besitzen und eine Länge von 0,024 erreichen (s. Journal de Micro-
graphie T. YIII. 1884 p. 376). Bei dieser Gelegenheit möchte ich mich verwaliren gegen die
gelegentliche Besprechung de Bary's und meiner Ansichten über die verwandtschaftlichen Be-
ziehungen der Bacterien (s. Fisch im Biolog. Centralblatt Bd. V. 1S85 p. 97), welche den
Anschein erweckt, als hätten de Bary und ich gleichzeitig und unabhängig Aehnliches über
diesen Gegenstand geäussert. Das Umgekehrte ist das Richtige. Wie de Bary selbst hervor-
hebt, war ihm meine Erörterung in dem Abschnitt über die Flagcllaten bekannt. Ob de Bary
selbstständig zu ähnlichen Ansichten gelangte, wie die Form, in welcher er meiner gedenkt —
er spricht davon, dass auch ich derartige Ansichten ausgesprochen hätte — anzudeuten
scheint, ist an und fiir sich gleichgültig, da meine Publication vorlag, darf jedoch wohl be-
zweifelt werden.
Einleitung. XV
Hauptzweige der Flagellata, Dinoflagellata, Cli oauoflagel-
lata und Cy stofl agellata.
Unsicherer bleibt leider noch die Ableitung der lufusoriengruppe.
Vermittelnde Formen, welche den Zusammenhang mit niederen Einzelligen
herstellten, sind nicht bekannt. Genauer wird diese Schwierigkeit bei
der Erörterung der verwandtschaftlichen Beziehungen der Infusorien dar-
zulegen sein; je:lenfalls deutet alles darauf hin, dass die Gruppe weder
einem der difterenzirteren Zweige der Mastigophoren, noch einem
der tieferen Seitenzweige des Hauptstamms entsprossen ist. Die versuchte
Herleitung aus dem Hauptstamm gründet sich daher mehr auf Exclusion
wie auf den Nachweis directer Beziehungen. Die Vorstellung, dass die
Infusorien aus mastigophorenähnlichen Formen entstanden , welche zahl-
reiche Geisseifäden auf der gesammten Körperoberfläche entwickelten,
scheint vorerst die naturgemässeste. Immerhin bleibt die Abzweigungs-
stelle des Infusorienstnmms noch recht fraglich, da sie auch beträcht-
lich tiefer gelegen sein könnte. Dagegen ist zweifellos, dass die Infu-
soriengruppe isolirt ausläuft, dass höhere Formen an sie nicht anschliessen.
Es verdient dies besondere Betonung im Hinblick auf die immer wieder-
kehrenden Versuche, sie mit den Metazoen in einen unnatürlichen Zu-
sammenbang zu bringen.
Einzelne Zweige des Mastigophorenstamms führten ohne Zweifel zu
neuen und bedeutungsvollsten Entwicklungsrichtungen. Als ein isolirter,
in sich abgeschlossener und zu höheren Formen nicht aufsteigender Ast
begegnen wir den Bacillariacea, deren vermuthliche Beziehung zu
den Dinoflagellata bei diesen näher dargelegt wurde (s. p. 1001)*).
Unsicher ist die Herleitung der Sporozoa, deren Beziehungen noch
in tiefes Dunkel gehüllt sind. Im Abschnitt über die verwandtschaft-
lichen Beziehungen der Flagellaten (p. 807) wurde die hier reproducirte
provisorische Ableitung etwas näher zu begründen versucht; wir verweisen
daher auf das dort Bemerkte. Es ist aber keineswegs unmöglich, dass
die Sporozoa sich schon viel früher von dem Hauptstamm abzweigten,
etwa in der Gegend des Chytridiaceenastes. Auch gilt alles Bemerkte
nur für die Gregariniden, da die Beziehungen der übrigen sog. Sporozoen-
abtheilungen zu den ersteren selbst noch sehr zweifelhaft sind.
Zweifellos ist dagegen der Zusammenhang der Protococcoidea
mit den Phy tomastigoda, welche ja von den Botanikern gewöhnlich
mit den erstem vereinigt werden. Gleich sicher erscheint wohl auch die
Ableitung des grossen Stamms der höhern mehrzelligen Pflanzen aus diesen
Einzelligen. Zweifelhaft bleibt meines Erachteus vorerst die Beziehung
der Conjugaten zu den Protococcoidea. Die Möglichkeit scheint
nicht ausgeschlossen, dass diese Algen einen besonderen Ursprung aus
*) Dass die Bacillariaceen ein isolirter Zweig sind, der mit liölicren Gruppen keiner-
lei Connex besitzt, wird von den Botanikern wolil allgemein anerkannt. So betont es t. B.
auch Nägeli (Mechaniscli-pliysiolog. Abstamuuingslehre 1S84) bestimmt.
XVI Protozoa.
holopbytischen Mastigophoren besitzen, doch wage ich in dieser Hinsicht
kein bestimmtes Urtheil.
Bei Besprechung der Choanoflagellata (s. p. 901) wurde dar-
gelegt, dass uns die Beziehungen der Spongien zu dieser Gruppe
zweifellos erscheinen; wie auch, dass die übrigen Metazoa eine selbst-
ständige Entwicklung neben den Spongien genommen haben dürften, Dass
der Ursprung derselben gleichfalls auf die Mastigophora zu führen scheint,
wurde schon angedeutet. Dieser Schluss beruht gleichfalls mehr auf Ex-
clusion als auf directen Belegen durch Uebergangsformen, welche fehlen.
Die Möglichkeit eines Zusammenhangs der Wurzel des Spongienzweiges
mit den eigentlichen Metazoa soll nicht bestritten werden. Nähere Auf-
klärungen über diese Frage kann ja doch nur die Zukunft bringen.
Wie gestaltet sich aber auf Grund dieser Ergebnisse über die Genea-
logie der Organismen die Frage nach dem Umfang der Protozoen in
ihren Beziehungen zu den typischen Pflanzen und Thieren? Zunächst
scheint klar, dass eine Zerlegung der Einzelligen in zwei von Beginn ge-
trennte Stämme der thierischen und pflanzlichen undurchführbar ist, wenn
nicht etwa am Beginn der Isomastigoden eine sehr künstliche Grenze er-
richtet werden soll. Auch dann aber blieben jedenfalls die Euglenoidina
mit zahlreichen holopbytischen Formen bei den thierischen Einzelligen.
Erweist sich also die Scheidung der Einzelligen nach ihrem thierischen
oder pflanzlichen Charakter und ihrem genealogischen Zusammenhang mit
den typischen Thieren und Pflanzen als unthunlich und ohne Zwang
nicht durchführbar, so dürfte, wenn überhaupt nicht auf eine natürliche
Gruppenbildung in der Organismenwelt verzichtet wird, die Zusammen-
fassung aller einzelligen Wesen zu einer Gesammtabtheilung im Gegensatz
zu den typischen mehrzelligen Thieren und Pflanzen das naturgemässeste
erscheinen.
Ein consequentes Bestreben nach möglichst natürlicher, der Genea-
logie entsprechender Grnppirung der Organismen führt uns so zur Aner-
kennung des Mittelreiches, der Häckel'schen Protisten in modificirtem
Sinne. Obgleich ich überzeugt bin, dass in der Praxis auf nicht abseh-
bare Zeit die Welt der Einzelligen je nach Bedttrfniss und Herkommen
zwischen Botanik und Zoologie getheilt werden wird, kann ich mich
obiger Consequenz vom theoretischen Standpunkt aus doch nicht entziehen.
Auch jeder Classification auf genealogischer Grundlage klebt insofern
etwas Willkürliches an, als wir gezwungen sind, Gruppen beginnen
zu lassen ; wo dies geschehen soll, wird stets Sache des Uebereinkommens
bleiben und um so willkürlicher erscheinen, je zahlreicher die Uebergangs-
formen sich erhielten. Bei dem Bestreben, naturgemässe Grenzen der
systematischen Gruppen zu finden, kann uns wohl nur der Grundsatz
leiten, dem Inhalt jeder Gruppe ein einheitliches morphologisches Gepräge
zu geben, d. h. nichts aufzunehmen, was in seinem Bau weit über die
Organisation der Mehrzahl hinausgeht, ebenso aber auch nichts auszu-
schliessen, was seiner morphologischen Entwicklung nach in den Rahmen
Einleitung. XVII
der Gruppe fällt. Diesem Grundsatz gemäss würde ich zu einem natür-
lichen Reich der Urwesen oder Einzelligen auch diejenigen seither dem
Pflanzenreich zugerechneten Organismen ziehen, welche sich in ihrer
morphologischen Entwickluiig nicht über die Einzelligen erheben, also vor
allem die Protococco idea und andere. Die Grenze gegen die typische
Pflanzenwelt wäre dann erst da zu statuiren, wo eine Difl'eienzirung der
Zellverbände zu verschiedenartigen Leistungen anhebt, was sich zuerst
darin ausspricht, dass nur gewisse Zellen die Fortpflanzung übernehmen,
zu typischen Propagationszellen werden. Schon früher wurde betont, dass
diese Differenzirung auch bei einzelnen Formen eintritt, welche wir von
den übrigen Einzelligen nicht scheiden können, dass dies jedoch insofern
ohne Belang ist, als diese Formen isolirte Ausläufer bilden, während sich
an die echten mehrzelligen Pflanzen eine reiche Weiterentwicklung an-
schliesst.
In diesem Punkt wäre ich demnach geneigt, den Umfang des Reiches
der Einzelligen weiter zu ziehen als es Häckel thut, da ich die morpho-
logische Uebereinstimmuug der Einzelligkeit oder die homoplastide Aus-
bildung als Grundcharakter der Gesammtheit betrachten muss. Dass sich
jedoch eine solche Umgrenzung des Reiches in der Praxis Geltung er-
werben dürfte, glaube ich nicht. Der Zusammenhang der Einzelligen von
entschieden physiologisch pflanzlichem Charakter mit den echten mehr-
zelligen heteroplastiden Pflanzen ist zu innig, als dass man sich bequemen
wird, einer solchen Abgrenzung zuzustimmen, welche ja auch nur auf dem
Bedürfniss beruht, eine Grenzmarke zu ziehen. Man wird daher in der
Praxis wohl vorziehen, das Pflanzenreich mit denjenigen Einzelligen be-
ginnen zu lassen, welche physiologisch den höheren Pflanzen entsprechen,
d. h. holophytisch leben und während der längeren Periode ihres Lebens
unbeweglich sind. Die Abgrenzung der Einzelligen gegen die hetero-
plastiden Thiere ist dagegen scharf, da hier Uebergangsformen nicht
mehr existiren oder doch unbekannt sind.
Diejenigen Abtheilungen der Einzelligen aber, welche wir in diesem
Werk als Protozoen beschreiben, haben kein Anrecht als eine na-
türliche Gruppe zu gelten. Es sind die, ihres mehr physiologisch-
thierischen Charakters wiegen seither conventioneil unter die Thiere auf-
genommenen und beschriebenen Gruppen, von welchen aber nicht
wenige Angehörige dem pflanzlichen Leben physiologisch sehr nahe
treten. Diese Gruppen sind die Sark odina, Mastigophora, Spo-
rozoa und Infusoria. Es bleiben demnach zum mindesten die Ab-
theilungen der Bacteriacea mit den sich höchst wahrscheinlich an-
schliessenden Schizophycea, die Myxomycetes und Bacillaria-
ceae, welche Anrecht auf Betrachtung hätten. Dass dies nicht ge-
schehen, dass dies Werk nicht zu einem solchen über die einzelligen
Urwesen, die Protisten überhaupt, erweitert wurde, dürfte keinen Anstoss
erregen, da es nicht seine Aufgabe war, eine Reform durchzuführen,
sondern die sog. Protozoen, wie sie im historischen Gange unserer Wissen-
Bronn, Kiasseu des Tliier-Reichs. Protozoa. B
XVIII Protozoa.
Schaft allraählicli entstanden, soweit möglich, erschöpfend darzustellen.
Wie wir uns aber deren Beziehungen zu den übrigen Einzelligen und den
höheren Organismen denken dürfen , suchte diese Einleitung darzulegen.
Mit dem Fortschreiten und der Klärung unseres Wissens von den genea-
logischen Beziehungen der Gruppen dürfte die allseitige Anerkennung einer
Reform nicht ausbleiben , wenn dieselbe sich auch zunächst auf die
theoretische Ueberzeugung beschränken sollte, dass die seither beliebte
Vertheilung der Einzelligen auf die beiden Keiche in der Natur nicht
begründet ist.
A. Ab th eilung (Klasse, Subphylum).
Sarkodina.
In der Abtheilung der Sarkodina*) fassen wir die Gesammtheit der-
jenigen Protozoen zusammen, welche während der Hauptperiode ihres
thätigen (beweglichen) Daseins mittels einfachster Protoplasmabewegungen,
also entweder durch einfaches Hinfliessen (Hinströmen) oder durch Ent-
wicklung nicht schwingender, protoplasmatischer Fortsätze wechselnder
Gestalt den Ortswechsel vollziehen, wobei dann ihr Körper mannigfachen
Gestaltsveränderungen unterworfen ist. Auch die Nahrungsaufnahme wird
mit Hülfe solcher Protoplasmabewegungen bewerkstelligt.
Bezüglich ihrer Fortpflanzungsverhältnisse zeigen sie einfache Thei-
lungs- oder Sprossungserscbeinungen ohne Hervorbildung besonderer spo-
rangienartiger Fortpflanzungskörper (wodurch eine Trennung von den in
ihren beweglichen Zuständen in vieler Hinsicht sich ähnlich verhaltenden
Myxomyceten gezogen wird, welche letzteren eben dieser Fortpflanzungs-
erscheinungen wegen, den einfachsten pflanzlichen Organismen näher an-
geschlossen w^erden).
Die hier unter der Bezeichnung Sarkodina vereinigten Protozoen
werden in neuerer Zeit gewöhnlich sämmtlich als Rhizopoda zu-
sammengefasst, ein Verfahren, von dem hier Abstand genommen
wurde, weil einerseits die mit der Bezeichnung Rhizopoda verknüpfte
Vorstellung keineswegs mit den thatsächlichen Bauverhältnissen dieser
Formen sich deckt, andrerseits der Name Rhizopoda von seinem Begründer
(Dujardin) in einem viel beschränkteren Sinne gebraucht wurde und zwar
in einer Ausdehnung, die auch hier mit einer kleinen Erweiterung An-
wendung finden soll.
Die Abtheilung der Sarkodina zerfällt ziemlich ungezwungen in
3 Unterabtheilungen oder Unterklassen, nämlich:
*) Der Name Sarkodina ist schon frilherhin, jedoch in anderem Sinne, von Hertwig und
Lesser zur Bezeichnung unsrer Abtheilung der Khizopoda (einschliesslich der Heliozoa) in Vor-
schlag gebracht worden (vergl. 99"). Die Anwendung , die wir hier von demselben machen,
geht aus dem Folgenden hervor.
Bronn, Klassen des Thiei-Eeichs. Protozoa. 1
2 Ehizopoda.
I. Rhizopoda.
Nackte (hüllenlose) oder umhüllte (beschalte) Sarkodinen, die sich
entweder durch einfaches Hinfliessen ihres protoplasmatischen Zellenleibes
oder durch Aussenden mehr oder weniger bis sehr gestaltsveränderlicher,
und häufig unter einander Verschmelzungen bildender Protoplasmafort-
sätze (Pseudopodien) bewegen. Solche Pseudopodien können sowohl von
der Gesammtoberfläche des Körpers, als auch nur von einem beschränk-
ten Theil derselben entspringen. Die Gesammtgestalt des Körpers ist
entweder sehr veränderlich, oder wo sie mit oder ohne Beihülfe einer Um-
hüllung (Schale) eine grössere Constanz zeigt, offenbart sich an ihr sehr
gewöhnlich eine Hinneigung zu einaxiger Gestaltung, indem entweder
durch verschiedenartige Ausbildung entgegengesetzter Körperenden oder
durch eine Längsstreckung des Gesammtkörpers eine Hauptaxe zu deut-
licher Entwicklung gelangt. (Nur wenige Formen weichen von dieser
Regel ab und bewahrheiten dadurch nur die alte Erfahrung, von der
Unmöglichkeit absolut scharfer Gruppentrennung in der Organismenwelt.)
II. Heliozoa.
Nackte oder umhüllte (von einem Kieselskelet umkleidete) Sarko-
dinen, von meist nahezu regelmässiger hügliger Gestaltung (welche nur
bei einer Anzahl wenig differenzirter Formen durch den Gestaltswechsel
des Gesammtkörpers zeitweise beeinträchtigt wird). Pseudopodien fein,
wenig gestaltsveränderlich und verhältnissmässig wenig zu Verschmel-
zungen geneigt, von der Gesammtoberfläche des Körpers allseitig aus-
strahlend.
(Durch ihre einfacheren, wenig differenzirten und gestaltsveränder-
lichen Formen zeigt diese Unterabtheilung innige Beziehungen zu den
Rhizopoden, wie andrerseits die kuglig gestalteten Formen dieser letzte-
ren sich zu den Heliozoen hinneigen. Die allgemeinen Gestaltsverhält-
nisse und die Skeletentwicklung bringen ferner die Heliozoa in nähere
Beziehung zu der folgenden und letzten Abtheilung der Radiolaria.)
III. Eadiolaria.
Sarkodinen von homaxoner (hügliger) Grundgestalt, die jedoch durch
auftretende Modificationen häufig in eine einaxige übergeführt wird. Eine
kuglige oder einaxig modificirte Hüllbildung stets vorhanden, die je-
doch von hervorgedrungnem Protoplasma äusserlich überzogen wird
(ähnlich wie bei manchen Rhizopoden) und dadurch ins Innere des Proto-
plasmakörpers eingelagert erscheint (sogenannte Centralkapsel). Hierzu
gesellen sich gewöhnlich noch weitere Skelettheile.
Pseudopodien allseitig von der Körperoberfläche ausstrahlend, fein
und in massigem Grade zur Verschmelzung geneigt.
(Die Radiolaria zeigen, wie schon oben bemerkt, deutliche Beziehungen
zu den Heliozoa, andrerseits jedoch auch solche zu den homaxonen For-
men unter den Rhizopoda.)
Geschiebte. 3
I. Unterabtheilung (Unterklasse).
Rhizopoda.
1. rebei'sieht der historiselieu Entwickliing' uiisier Kenntnisse von den
Rhizopoden.
Bei der verbältnissmässig sebr beträchtlichen Grösse, welche gewisse
Rhizopoden erreichen und der Häufigkeit, in welcher ihre Schalenreste in
gewissen Erdschichten aus vergangenen Epochen aufgespeichert sich vor-
tinden, konnten solche fossile Rhizopoden auch dem Alterthum nicht völlig
verborgen bleiben, wie denn auch die Nummuliten schon bei Strabo*) er-
wähnt werden. Eine wirklich wissenschaftliche Beschäftigung, wenn auch
nur mit den Schalenresten der Rhizopoden, erforderte jedoch optische
Hiilfsmittel und eine besondere Hinlenkung des Beobachtungssinnes auf
die Welt des Kleinen, wie sie hauptsächlich durch die Leeuwenhoek'schen
Bestrebungen im 17. Jahrhundert erzeugt wurde. So lieferte denn auch
schon die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts eine Anzahl Beobachtungen
über die zahlreichen Schalenreste der Rhizopoden, wie sie sich sowohl im
recenten Meeressand, als auch in den Ablagerungen der verschiedensten
geologischen Formationen finden. Beccarius 1731 (1) und Breyn 1732(2)
gaben Beschreibungen recenter und fossiler Rhizopodenschalen und letz-
terer gebrauchte flir dieselben schon die Bezeichnung Polythalamia, welche
auch jetzt noch häufig für eine Abtheilung derselben verwerthet wird.
Plauens (Bianchi) veröffentlichte 1739 (3) zuerst Abbildungen derselben,
ebenso wie Gualtieri 1743 (4) und Ledermüller 1763 (15).
Die ursprüngliche Auffassuug dieser Schalenreste als Cephalopoden-
gehäuse sollte noch lange Zeit die herrschende bleiben. Die 15 von
Linne in der 12. Ausgabe seines Systema naturae aufgeführten und auf
die Beobachtungen von Plauens, Gualtieri und Ledermüller gegründeten
Arten wurden in die Geschlechter Nautilus (14) und Serpula (1) ver-
theilt. Hierzu gesellte Gmelin noch weitere 8 Arten (7 Nautilus und
1 Serpula), die sich auf die mittlerweile erschienenen Miltheilungen von
Spengler, Schröter und Gronovius basirten (8, 9 u. 10).**)
Die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts lieferte noch einige wichtige
Beiträge zur Kenntniss der Rhizopodenschalen. Während die früheren
Beobachtungen wesentlich die Formen des Mittelmeeres betrafen, bildeten
Boys und Walker (Beschreibungen von Jacob) eine Reihe von Arten
der englischen Küste ab, die sie gleichfalls den Genera Nautilus, Serpula
und eine sogar Echinus einverleibten.***) Bat seh hingegen veröffent-
lichte 1791 6 vorzüglich ausgeführte Kupfertafeln mit Abbildungen von
16 Rhizopodenarten, über deren Herkunft jedoch nichts mitgetheilt wurde. f)
*) Vergl. hierüber bei D'Archiac et Haime, Descript. des anim. foss. d, groupe Num-
mulitique de l'Inde. Paris 1853.
**) Analyse der Arten bei Parker u. Jones 62 a.
***) Analyse der Arten bei Parker u. Jones 62 b.
t) Analyse der Arten bei Parker u. Jones 62 1.
1*
4 Rhizopoda.
Bei weitem die hervorragendsten und ansgedelmtesteo Untersuchungen
über unsern Gegenstand lieferte jedoch Soldaui*) in zwei Werken, von
denen das ältere 1780, das jüngere, die Testaceographia, 1789 bis 1798
erschien und von nicht weniger als 228 Kupfertafeln begleitet ist (7 u. 13).
Sowohl die fossilen als die recenten Rhizopodenschalen Italiens und der ita-
lischen Küste zog Soldani in den Bereich seiner Darstellungen. Eine Beein-
trächtigung erlitten die Soldani'schen Werke durch die Nichtanwendung
der binomischen Bezeichnung, jedoch basiren eine grosse Zahl später auf-
gestellter Arten auf seinen Abbildungen.**)
Auch die Beiträge, welche Fichtel und Moll in ihrem 1803 er-
schienenen Werk (14) gaben, waren hauptsächlich wegen der VorzUglich-
keit der Abbildungen von nicht geringer Bedeutung. Eine beträchtliche
Zahl von Arten wurden hier beschrieben und sämmtlich als Angehörige
des Geschlechtes Nautilus betrachtet. Mit Ausnahme einer Anzahl fos-
siler Formen sind es Bewohner des Mittel- und rothen Meeres.***) Schon
diesen beiden deutschen Beobachtern drängte sich die grosse Variabilität
der von ihnen untersuchten Formen unwillkürlich auf und ähnlich sprach
sich auch ein gleichzeitiger Beobachter der britischen Rhizopodenschalen,
Montague (16), aus (1803—1808). —
Von Wichtigkeit erscheinen ferner die Beiträge, die Lamarck seit
1801 zur Kenntniss der Rhizopodenschalen hauptsächlich durch seine
Untersuchungen über die Fossilien des Pariser Grobkalkes lieferte.
Zusammenfassungen der ihm bekannten Rhizopodenschalen gab er
später in dem Tableau encyclop. et meth. 23. Th. 1816 und in der Hi-
stoire nat. d. anim. sans vert. 1815—22. Er vertheilte unsre Formen
unter Cephalopoden und Korallen, errichtete jedoch zu ihrer Aufnahme eine
grössere Zahl selbständiger Geschlechter, die zum Theil noch heute Ver-
wendung fiodea.f)
Weniger glücklich als Lamarck, in Bezug auf die systematische Gruppi-
rung der Rhizopodenschalen, warDenys deMontfort (18), der 1808 — 1810
nicht weniger als 60 neue Genera aufstellte, von welchen nur eine ganz
geringe Zahl von spätem Forschern festgehalten werden konnten, ff) —
Auch Blainville und Defrance vermehrten durch eine Reihe von Arbeiten
die Kenntniss unserer Formen und es mag hier noch besonders hervor-
gehoben zu werden verdienen, dass der erstgenannte Forscher nach Beob-
achtung einer lebenden Miliola seinen Zweifeln an der Cephalopodennatur
dieser Wesen Ausdruck verlieh.
Eine neue und bedeutsame Epoche in der Geschichte der Rhizopoden-
kenntniss wurde durch die 1826 anhebenden Arbeiten Aleide d'Orbigny's
*) Mönch mid später Prof. der Matliematik zu Sienna. gob. 1736, gest. 1808.
**) Siehe die Analyse der von d'Orbiguy auf Soldani'sche Abbildungen gegründeter
Arten bei Parker u. Jones 62 o.
***) Analyse der Arten bei Parker u. J. 62 c.
t) Siehe bei Parker u. J. 62 d.
ft) Siehe bei Parker u. J. 62 e.
Geschichte. 5
begrttndet. Wie sehr auch die zahlreichen, im Laufe von 30 Jahren
(1S26 — 52) fortgesetzten Arbeiten d'Orbigny's durch eine Reihe von nach-
theiligen Einfltissen beeinträchtigt wurden, — so die ganz mangelhaften
Erfahrungen, welche er von den thierischen Insassen, der von ihm so
anhaltend untersuchten Schalen besass, ebenso wie seine ausschliessliche
Beschränkung auf die marinen Formen, ferner die Zugrundelegung einer
wenig natürlichen Klassifikationsweise und eine ausgesprochene Neigung
zur Schaffung neuer, auf sehr geringfügige Unterschiede basirter Arten
— so wird doch nie der hervorragende Einfluss und die grosse Bedeu-
tung der d'Orbigny'schen Untersuchungen in Abrede gestellt werden können.
Einmal ist die Gesammtmenge der Rhizopodenschalen, und zwar fos-
siler wie lebender, weder vor noch nach ihm in so vollständiger Weise
zusammengetragen und verarbeitet worden; ferner hat er sowohl die Zu-
sammengehörigkeit der so zahlreichen Formen als besondere Gruppe
zuerst hervorgehoben und schliesslich den Grund zu einer systematischen
Gruppirung derselben gelegt, welche die Basis für alle weiteren Versuche
auf diesem Gebiet wurde.
D'Orbigny war anfänglich völlig von der Cephalopodennatur der thie-
rischen Bewohner der Rhizopodenschalen überzeugt, ja glaubte sogar
durch eigne Untersuchungen festgestellt zu haben, dass diese Schalen
als innre (z. B. ähnlich Spirula) im hintern Körperende des Thieres ein-
geschlossen seien. Demgemäss vereinigte er diese Schalenreste in einer
besondern Ordnung unter dem Namen Foraminifera,*) im Gegensatz
zu den übrigen mit gekammerter Schale versehenen Cephalopoden, die
er als Ordnung der Siphonifera zusammenfasste. Späterer besserer
Einsicht in den eigentlichen Bau des Weichkörpers unsrer Organismen
konnte sich jedoch d'Orbigny nicht verschliessen ; er erkannte 1839 die
seitdem durch Dujardin festgestellte wahre Natur derselben an.
Das 1826 erschienene Tableau method. d'Orbigny's gab eine Ueber-
sicht aller von ihm damals unterschiednen fossilen und recenten Formen,
von denen jedoch ein grosser Theil (ca. 253) wegen der mangelnden Be-
schreibungen niemals hat festgestellt werden können. Eine Anzahl dieser
Arten wurde noch durch die von ihm 1825—26 hergestellten 4 Lieferungen
von Modellen kenntlich gemacht; weitere durch seine späteren faunisti-
schen und paläontologischen Arbeiten. 1839 beschrieb er die Foramini-
feren von Cuba und den Canarischen Inseln, den Küsten Südamerika's
und der Pariser Kreide; 1846 die des Tertiärbeckens von Wien und
1852 veröffentlichte er noch eine Uebersicht der fossilen Genera (s. 28—
30, 34, 38 u. 44).
*) Der Name Foraminifera bezieht sich keineswegs nach der ihm von d'Orbigny ge-
gebnen Begründung auf die Perforation der Schalenwände bei der Abtheilung der Perforata,
wie dies in neueren Schriften gewöhnlich dargestellt wird, sondern sollte der Durchbohrung
der Scheidewände durch eine oder mehrere Ocftiiungen bei gleichzeitigem Fehlen einer Sipho-
bildung Ausdruck verleihen (s. d'Orbigny 22).
6 Eliizopoda.
In Frankreich war es jedoch, wo zuerst das richtige Verständniss
für die thierischen Körper, welche diese Schalen erbauten , angebahnt
wurde. Im Jahre 1835 gelangte Fei. Duj ardin (s. 24—26) durch wieder-
holte Beobachtung lebender Formen zu der Ueberzeugung, dass es sich
hier nicht um complicirt zusammengesetzte, sondern höchst einfach ge-
baute Organismen handle, deren Körper aus einer einfachen thierischen
Ursubstanz (Sarkode) bestehe und sich am besten den schon lange unter
der Bezeichnung Proteus oder Amoeba aus süssem Wasser bekannten un-
beschalten Formen vergleichen lasse.
Den von ihm ursprünglich für die Foraminifera d'Orbigny's vorge-
schlagenen Namen Symplectomeres verliess er jedoch sofort, um hierfür
die charakteristische, der Beschaffenheit der Bewegungsorgane entnommne
Bezeichnung Rhizopoda zu substituiren, welcher Abtheilung er jedoch
auch die ähnlichen Formen des Süsswassers zugesellte.
Die zuerst von Dujardin erkannte enge Beziehung der Rhizopoden-
schalen des Meeres zu gewissen, im Süsswasser einheimischen und schon
lange im lebenden Zustand gekannten Formen, veranlasst uns hier, noch
einen Blick auf die Geschichte uusrer Kenntniss dieser Formen zu werfen.
Im Jahre 1755 hatte Rösel von Rosenhof*) die ersten Amöben
entdeckt und unter dem Namen Proteus beschrieben. Gleichen und
andre Forscher beobachteten ähnliche Formen und Bory de St. Vin-
cent stellte 1822 den Namen Amoeba auf, den er jedoch auf sehr hetero-
gene Organismen ausdehnte. Beschalte Süsswasserformen (Difflugia) wur-
den zuerst von Lee lere 1815**) beschrieben und auch sehr richtig als
Verwandte des Proteus gedeutet, während spätere Forscher, wie Lamarck,
Oken und andre sie weit von diesem entfernen wollten. Weitere ansehn-
liche Vermehrung erfuhr unsre Kenntniss der Süsswasserformen durch
G. Ch. Ehrenberg, der neben der Gattung Difflugia noch eine weitere,
Arcella, für von ihm gefundne beschalte Süsswasserrhizopoden aufstellte,
die nahe Verwandtschaft dieser Formen anerkannte und sie in seinem
Hauptwerk, 1838, in zwei Familien der Amoebaea und der Arcellina neben
einander stellte. Schon damals, jedoch noch weit bestimmter in späteren,
gleich zu erwähnenden Arbeiten sprach er sich gegen die von Dujardin
bezüglich der Verwandtschaft und Organisation der marinen Foramini-
feren aufgestellten Ansichten aus, in welch letzteren er höchst wahrschein-
lich kolonienbildende Formen und zwar Moosthierchen (Bryozoa) erkannt
haben wollte. — Die eingehende Beschäftigung mit den fossilen Resten
mikroskopischer Organismen, so zunächst hauptsächlich der der Kreide,
führte Ehrenberg schon 1838 und 39 zu einem genaueren Studium der
lebenden Foraminiferen, von welchen er einige Formen der Nordsee beob-
achten konnte. Das Resultat dieser Untersuchungen bestärkte ihn jedoch
nur noch mehr in seiner schon vorgetragenen Ansicht von der Bryozoen-
*) Insectenbelustiguugeu. III.
**) Ann. du Mus. d'hist. nat. II. 1815.
Geschichte. 7
natur derselben (nach ihm Polythalamia). Ausser einem einfachen, röh-
rigen Darmkanal, glaubte er auch Ovarien und zuweilen den Schalen
äusserlich anhängende Eierbeutel beobachtet zu haben. Nach besonders
missverständlich aufgefassten Eigeuthümlichkeiten der Schale versuchte
er ferner einfach lebende und koloniebildende Formen zu unterscheiden. —
Die Kalkschale und deren zuvs^eilen complicirter Bau bildete für Ehreu-
berg noch ein besonderes Moment zur Abtrennung dieser Formen von den
Arcellinen des süssen Wassers. — Mit bekannter Hartnäckigkeit und Un-
zugänglichkeit für Aufklärungen, die seine, durch vorgefasste Meinungen
über den thierischen Bau im Allgemeinen beeinflusste Ansichten zu ver-
bessern im Stande gewesen wären, hielt Ehrenberg stets an seiner Deu-
tung des Foraminiferenorganismus fest, ohne jedoch durch weitere Unter-
suchungen lebenden Materials neue Belege hierfür beizubringen. Desto
eifriger hingegen durchforschte er die Erdschichten der verschiedensten
Epochen nach Schalenresten unsrer Thiere und gab eine Zusammen-
stellung der hierbei erzielten Resultate in dem umfangreichen Werk
„Mikrogeologie" 1856. Ebenso nahmen die Foraminiferenreste der Tief-
see seine Aufmerksamkeit in hohem Grade in Anspruch, worüber er
gleichfalls die erzielten Resultate in einer grössern Abhandlung 1873
sammelte (97 a), Auch in dem Luftstaub, den Ehrenberg lange fortgesetzt
und aus den verschiedensten Gegenden untersuchte, fanden sich mancher-
lei Schalenreste von Rhizopoden (hauptsächlich jedoch von Süsswasser-
formen), worüber er 1871 eine übersichtliche Zusammenstellung publi-
cirte (95).
Obgleich in diesen letztgenannten Arbeiten Ehrenberg's eine grosse
Zahl von Formen abgebildet und beschrieben wurde, trugen dieselben
doch zum allgemeinen Fortschritt unsrer Kenntnisse nur sehr wenig bei,
was hauptsächlich darauf beruht, dass Ehrenberg ebenso hartnäckig wie
an seinen Ansichten über die Organisation der Foraminiferen , auch an
seiner eigenthümlichen und sich keiner Anerkennung seitens andrer For-
scher erfreuenden systematischen Gruppirung derselben festhielt, in der
Aufstellung der Arten ziemlich willkürlich verfuhr und dieselben wenig
ausreichend charakterisirte und die systematischen Bestrebungen ande-
rer Forscher bei ihm keine Berücksichtigung fanden. Ausserdem wird
der Werth dieser Arbeiten noch dadurch sehr vermindert, dass die Unter-
suchung der Formen fast stets an Canadabalsampräparaten im durch-
fallenden Lichte vorgenommen und hiernach auch die Abbildungen ge-
fertigt wurden, wesshalb die Wiedererkennung der Arten grosse Schwierig-
keiten bereitet.
Von hervorragender Bedeutung für die weitere Entwicklung unsrer
Kenntniss der marinen Rhizopoden und hauptsächlich des feineren Bau's
ihrer Schalen wurden die Untersuchungen William son 's. Ursprünglich
noch auf dem Standpunkte Ehrenberg's bezüglich der Beurtheilung der
Organisation der Rhizopoden stehend, gab er denselben doch bald auf
und näherte sich dem Dujardin's, wenngleich er in der Erforschung des
g Rhizopoda.
Weichkörpeis im ganzen keine sehr erheblichen Resultate zu Tage för-
derte. Bei weitena bedeutender waren seine Beobachtungen über den
feineren Bau der Schalen, den er zum ersten Mal mit Hülfe von Dünnschliffen
untersuchte, die denn auch sowohl Carp enter als ihn ziemlich gleich-
zeitig zur Entdeckung des Kanalsystems führten (43, 46 u. 47). Schon
früher 1848 betrieb er auch systematisch faunistische Studien auf diesem
Gebiet, zunächst über die Gattung Lagena und krönte dieselben 1858
durch sein Werk über die Foraminiferen der britischen Küsten (61).
Diesen Beobachtungen von Williamson über die feinere Schalenstructur
der Foraminiferen schlössen sich die von Carter (49)*) seit 1849 und die
weiteren sehr wichtigen von Carpenter 1856 (59 und 60) an, weswegen
dieselben gleich hier kurz erwähnt werden mögen. Durch diese ausge-
dehnten und eingehenden Untersuchungen vorbereitet, konnte dann Car-
penter 1862 dazu schreiten , unterstützt von Parker und Jones , eine Ge-
sammtdarstellung der Rhizopoden (wesentlich jedoch nur der Schalen-
verhältnisse derselben) zu entwerfen, die wohl für lange Zeit das grund-
legende Werk sowohl für die Kenntniss des Schalenbaues als der hierauf
basirten Classification der Foraminiferen bleiben wird. Parker und Jones
hatten sich seit 1857 hauptsächlich in faunistisch-systematischem Sinne mit
der Erforschung der Foraminiferen beschäftigt, namentlich auch in einer
Reihe fortgesetzter Arbeiten die so verwirrte Synonymie dieser Formen auf-
zuklären versucht (62). Ihr Antheil an den ,,Introduction'^ ist ein ganz er-
heblicher.
So bedeutend auch die Bestrebungen der genannten englischen For-
scher auf dem Gebiete der Foraminiferenkunde erschienen, so wäre die
gänzliche Vernachlässigung des Studiums des Weichkörpers doch eine
sehr empfindliche Lücke geblieben, wenn nicht schon 1854 von einem
deutschen Forscher, M. Schnitze, in trefflicher Weise hierüber Licht ver-
breitet worden wäre, so dass dessen Werk „Ueber den Organismus der
Polythalamien'' in Bezug auf den Weichkörper dieselbe hohe Bedeutung
beansprucht, wie die Untersuchungen Carpenter's bezüglich des Schalen-
baues. M. Schnitze stellte zuerst den Bau des Weichkörpers, und da-
durch auch die Stellung der Foraminiferen überhaupt, im Sinne Dujardin's
ganz sicher.
Weniger glücklich war Schnitze in seinen systematischen Bestrebungen.
Dagegen hat ein anderer deutscher Foraminiferenforscher, Reuss, der
in einer grossen Reihe von Arbeiten seit dem Beginn der 40 er Jahre sich
die Erforschung der fossilen Reste der Foraminiferen zur Aufgabe machte,
sich nicht unbedeutende Verdienste um die Systematik dieser Abtheilung
errungen, die ihn 1861 (65) zur Aufstellung eines Systemes derselben
führten, das sich in vieler Hinsicht dem unabhängig entstandenen der oben
genannten englischen Forscher anschloss.
*) Vergl. jedoch auch 42. sowie bei d. Gattungen Operculina, Orbitolites, Aiveolina.
Patellina etc.
Geschichte. 9
Ueber die Fortpflanzungserscheiüungen der Foraminiieren war im
Ganzen nur wenig ermittelt worden; einer älteren Mittheilung von Gervais
schlössen sich Untersuchungen von M. Schnitze und Str. Wright an, ohne
sehr erheblich die Frage zu fördern.
Werfen wir nun, rückwärts schauend, einen Blick auf die seither
ausser Auge gelassenen Süss wasserformen, so haben wir zunächst zu ver-
zeichnen, dass Dujardin die Kenntniss derselben vielfach förderte, Ehren-
berg dagegen mit der Aufstellung zahlreicher und meist sehr mangelhaft
charakterisirter Arten im Ganzen wenig zum besseren Verständniss der-
selben beitrug. Nicht unwichtige Beiträge lieferten Schlumberger 1845*),
Perty 1852 (48), M. Schnitze 1854 (53) und namentlich auch Claparede
und Lachmann 1858 — 59 (60). In England haben Carter seit 1856 (56),
Wallich seit 1864 sich vielfach mit diesen Formen beschäftigt und in
Deutschland wurden sehr namhafte Beiträge zur Kenntniss derselben von
Greeff, R. Hertwig und Lesser, F. E. Schulze und andern geliefert,
denen sich die Untersuchungen Archer's in Irland und Cienkowsky's
in Russland würdig anreihen.
Durch die Bestrebungen Häckel's um die Erforschung der von ihm
sogenannten Moneren wurden gleichfalls eine Reihe hierher gehöriger For-
men aufgedeckt.
In der Aufklärung der Bauverhältnisse des Weichkörpers der marinen
Rhizopoden geschah ein sehr wesentlicher Schritt durch den von Hertwig
und F. E. Schulze erbrachten Nachweis der Anwesenheit von Zellkernen
im Plasmaleib derselben. Auch suchten beide Forscher das System nach
ihren Erfahrungen und Anschauungen zu verbessern.
Die wesentlichsten systematischen und faunistischen Bestrebungen
der neuern Zeit bezüglich der marinen Formen behaupteten jedoch ihren
Sitz in England und wurden namentlich von Parker, Jones und Brady
gepflegt, die sich auch vielfach um die Kenntniss der fossilen Formen
verdient machten.
Die Erforschung der im fossilen Zustand aus früheren Epochen der
Erdgeschichte uns aufbewahrten Rhizopodenreste hatte ausser den schon
genannten Forschern, wie d'Orbigny, Ehrenberg, Reuss und Anderen noch
die Aufmerksamkeit zahlreicher Paläontologen und Geologen in Anspruch
genommen, unter denen hier hauptsächlich noch hervorgehoben werden
mögen: Joly und Leymerie, d'Archiac und Haime, sowie Terquem in
Frankreich, in Belgien van den Broeck und Miller, in Deutschland Geinitz,
Römer, Czjzek, Richter, Hagenow, Gümbel, Karrer, Rütimeyer, von Schlicht,
Bornemann und Schwager; in England und Nordamerika Hall, Young,
Armstrong, Dawson und Andere, in Russland Fischer von Waldheim,
Eichwald, Zborczewsky und neuerdings von Möller (116); in Italien
Seguenza, Michelotti und Sismonda. Eine Zusammenfassung der Be-
*) Ann. d. sc. nat. III. vol. o. 1845.
10 KMzopoda.
strebungen auf dem Gebiet der fossilen Forarainiferenreste gab Zittel
neuerdings in seinem vortrefflichen Handbuch der Paläontologie.
In vieler Hinsicht fördernd griffen auch die in neurer Zeit schwung-
haft betriebenen Tiefseeforschungen namentlich von englischer Seite in
die Entwicklung unsrer Kenntniss von den marinen Rhizopoden ein und
erwarben sich auf diesem Feld namentlich Wallich, W. Thomson und
Murray ausser schon genannten englischen Forschern Verdienste.
Ueberblicken wir zum Schluss noch einmal die in den vorher-
gehenden Zeilen versuchte kurze Darstellung der geschichtlichen Entwick-
lung unsrer Kenntnisse von den Rhizopoden, so müssen wir erkennen, dass
die Erforschung derselben sich bis jetzt mit Vorliebe den zwar auch
leichter zugänglichen Schalenresten zugewendet hat, dass hingegen das
Studium des Weichkörpers mit Ausnahme der Süsswasserformen trotz der
hervorragenden Bemühungen eines Max Schnitze sehr zurückgeblieben
ist. Es bildet daher die genauere Erforschung des Baues und der Lebens-
erscheinungen, namentlich aber der Fortpflanzungsverhältnisse der marinen
Rhizopoden noch eine bedeutsame der Zukunft gestellte Aufgabe, die
hoffentlich in nicht zu langer Zeit einer entsprechenden Lösung entgegen-
gehen wird.
Ueb er sieht der Literatur.*)
1. Beccarius, De Boimoniensi arena i^uodam 1731. Commentarii de Bonnon. scient. et
art. instituto. T. I. p. 68.
2. Breyn, J. P., Dissert. pliysica de Polythalamiis, iiova testac. classe. Gedaui. 1732.
3. Plancus, Jan., De concliis minutis notis. 1. ed. V'euetils 1739. 2. edit. I?omae 1760.
4. Grualtieri, Nie, Index Testar.-Conchyl. quae adversant. in mus. suo. Florentiuae 1742.
5. Ledermüller, M. F., Mikroskop. Augen- u, Gemüthsergötzungeu. Nürnberg 1763.
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7. Soldani, Arab. , Saggio orittografico overa osservazioni sopra le terre nautilitiche della
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8. Gronovius, L. Th,, Zoophylacium Gronovianum. Fase. III. Lugd. Batavor. 1781.
9. Spenglei', Lor., Beskrivelser ov. nogle i Havsand. nyl. opdag. EoMlier. — Nye Saml.
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11. Boys, W., et Walker, G, , Testacea minuta rariora nnp. detecta in arena littor.
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12. Batsch, A. J., Seclis Kupfertafeln mit Conchylien des Seesandes. Jena 1791.
13. (F) Soldani, Testaceographiae ac zoophytographiae parpae et microscopiae. Senis 1789
—98.
14. Fiehtel et Moll, Testacea microscopia aliaque minuta etc. Wien 1803,
*) In naclisteheuder üebersiclit sind zunächst diejenigen Arbeiten aufgenommen, die von
allgemeiner Bedeutung für die Organisation oder die Lebenserscheinungen der Ehizopoden
sind , oder doch ein grösseres historisches Interesse beanspruchen. Monographien oder Mit-
theüungeu über einzelne Arten, z. Th. auch Familien, finden ihre Ervvähnung später bei die-
sen; hier sind zumeist nur diejenigen Arbeiten berücksichtigt, die von einer Anzahl verschie-
dener Formen handels. Gleichzeitig ist an dieser Stelle auch schon die wichtigste faunisti-
sche Literatur angegeben, ebenso wie die auch in allgemeiner Hinsicht wichtigeren Arbeiten
über die fossilen Ehizopoden. Speciellere Angaben über die einzelnen Formationen folgen
dann später bei dem Kapitel über die paläontologische Entwicklung der Ehizopoda. Die
Voranstellung eines F in Klammern soll darauf hinweisen, dass die betreuende Schrift aus-
schliesslich oder doch vorzugsweise fossile Formen bespricht.
Literatur. 11
15. Montfort, Denis de, Histoire nat. g6n6r. et partic. des MoUusques (Partie du Buffon
de Sonnini). Paris 1802—5. T. IV.
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c) P. III. The species en. by Fichtel and Moll. 3. s. Vol. V. 1860.
d) P. IV. The species en. by Lamarck. 3. s. Vol. V. 1860 u. Vol. VI. 1860,
e) P. V. The species en. by D. de Montfort. 3. s. Vol. VI. 1860.
f) P. VL Alveolina. 3. s. Vol. VIIL
g) P. VII. Operculina and Nummulina. 3, s. Vol. VIIL
h) P. VIIL Textularia. 3. s. Vol. XI.
i) P. IX. The species enumer. by de Blainville and Defrance. 3. s. Vol. XII.
k) P. X. The species enumer. by d'Orbigny (in Ann. d. sc. nat. Vol. VII. 1826.) 3. s.
Vol. XII.
I) P. XL The species enumer. by Batsch in 1791. 3. s. Vol. XV.
m) P. XII. The species illustr. by Models of d'Orbigny. 3. s. Vol. XVI.
n) (F) P. XIII. The Permian Trochammina pusilla and its allies. 4. s. Vol. IV.
o) (F) P. XIV. The species founded by d'Orbigny (Ann. sc. n. 1826) upon the figures
in Soldani's Testaceographia et Zoophytographia. 4. s. Vol. VIIL
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99. Hertwig, R., u. Lesser, E., Ueber Rhizopoden und denselben nahe stehende Orga-
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14 KMzopotla.
100. Hertwig, R,, Bemerkimgen zur Organisation und systemat. Stellung der Foraminiferen,
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101. Sehvdze, F. E., Ehizopodenstudien. Archiv f. mikrosk. Anatomie I u. II. Bd. X. 1874.
III— V. Bd. XI. 1875. VI. Bd. XIII. 1877. (Süsswf. liaupts.)
102. Broeck, E. van den, Etudes sur les foraminif. de la Barbade (^Antilles). Ann. de la
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103. Jahresberichte der Conimission zur wiss. Untersuchung der deutschen
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104. Broeck, E. v. d., Note sur les Foraminif. du littorale du Gard. Bull, de la soc. d'6t.
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105. (F) Brady, H. B., A Monograph of carboniferous and permian Foraminifera (the genus
Fusulina excepted). Palaeontolog. soc. Vol. f. 1876. London 1876.
106. (F) Zittel, K. A., Handbuch der Paläontologie. 1. Lieferung. München 1876.
107. Jones, T. R. , Eemarks on the Foraminifera with spec. refer. to their variability of
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108. Archer, W. , EiSsume of recent contributions to the knowledge of „freshwater rhizo-
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109. Leidy, J., Proc. Ac. nat. bist, of Philad. 1877. P. III. p. 288, 293, 306. 321.
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115. Brady", H. B., On the reticul. and radiol. Ehizopoda of the Northpolar expedit. of
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116. (F) Möller, V. von. Die spiralgewundnen Foraminiferen des russischen Kohlenkalks
Mcm. Acad. imp. St. Petersbourg. 7 s. T. XXV. 1878.
117. Brady, H. B., Notes on some Eeticularian Ehizopoda of the „Challenger" expedition.
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II. Addit. to the knowledge of porcellanous and hyal. types. ibid.
118. Mereschkowsky, C, von, Studien über die Protozoen des nördl. Eusslands. Arch. f.
mikrosk. Anatomie Bd. 16. (Süsswasserformen.)
2. Kurzer Ueberblick der morphologischen Auffassung und Gestaltung*
der Rhizopoda, sowie der HauptnntergTuppen dieser .\btheilung'.
Die Rhizopoda begreifen nach unsrer schon oben kurz hervorgehobneu
Definition sowohl nackte hüllenlose, als beschalte, umhüllte einzellige
Sarkodinen, welche verhältnissmässig nur selten Neigung zur Bildung von
organischen Verbänden mehrerer Individuen, zur Entwicklung echter Kolo-
nien oder Stöcke zeigen. Wir bezeichnen hier die Rhizopodenindividuen
durchaus als einzellig, da wir, wie in der Einleitung des genaueren aus-
geführt ist, den Begriif der Zelle sowohl auf solche Elementorganismen oder
Piastiden ausdehnen, welche kernlos als auch auf solche, die eine grössere
Zahl von Kernen einschliessen und nicht nachweislich aus der Verschmel-
zung ursprünglich getrennter einkerniger Zellen hervorgegangen sind.
Wir behandeln daher unter den Rhizopoda sowohl kernlose Formen
(sog. Moneren HUckel's) als kernführende, und dies um so mehr, als die
Einleitende Uebersicht. 15
Frage nach dem Vorhandensein oder dem Mangel von Kernen bis jetzt in
vielen Fällen noch nicht mit hinreichender Sicherheit entschieden ist.
Auch der grössre oder geringre Grad von Diiferenzirung, welche der Proto-
plasmakörper der Rhizopoden erreicht hat, kann nur in sehr bedingtem
Maasse unsere Auffassung von dem Umfang der hier zu betrachtenden
Gruppe beeinflussen. So sehen wir keinen Grund ein, Formen mit Diife-
renzirung in Ecto- und Entoplasma von solchen schärfer zu scheiden, bei
welchen deiselbe fehlt; auch An- oder Abwesenheit einer schalenartigen
Umhüllung, oder die Ausbildung contractiler Vacuolen scheint keineswegs
hinreichend zur Trennung der hier vereinigten Formen in besondre Ab-
theilungen,
Alle hier als Rhizopoda vereinigten Formen schliessen sich, wenn
wir von den soeben als nicht entscheidend zurlickgewiesenen Charakteren
absehen, unter einander so innig an und sind durch Uebergangsformen so
innig verbunden, dass eine Auflösung derselben in getrennte Gruppen,
wie dies mehrfach versucht wurde, keineswegs natürlich erscheinen kann.
Schwieriger erscheint es hingegen, die Gesammtheit der Rhizopodenformen
durch scharfe Angabe positiver Charaktere von den beiden andern hier
noch unterschiednen Abtheilungen der Sarkodina, den Heliozoa und Radio-
laria zu scheiden. Leichter geschieht dies in negativer Weise durch Her-
vorhebung der für beide letztgenannten Abtheilungen charakteristischen
Momente, welche den Rhizopoda abgehen.
Versuchen wir es jedoch hier, die schon früher angedeuteten positiven
Merkmale dieser Abtheilung noch etwas eingehender darzustellen und da-
bei gleichzeitig einen Ueberblick über die morphologische Gestaltung des
Rhizopodenkörpers zu gewinnen.
Die morphologische Gestaltung des Rhizopodenkörpers ist, wenn nicht
durch die Ausbildung einer Schalenumhüllung die Gestaltung eine be-
stimmtere, eben durch die Schale bedingte, geworden ist, eine gewöhn-
lich sehr veränderliche, indem das Plasma des Körpers mit oder
ohne Bildung wahrer Pseudopodien mannigfachem Gestaltswechsel unter-
liegt. Aber auch die wechselgestaltigen nackten Rhizopoden nehmen
nicht selten zeitweise beim Eintritt von Ruhezuständen eine schärfer um-
schriebene Gestaltung an, die sich dann gewöhnlich der kugligen, hom-
axonen, nähert. Auch bei denjenigen wenigen Formen, die mit einer bestimm-
teren bleibenden Körpergestalt den Mangel einer wirklichen Umhüllung
verbinden und bei welchen die Formveränderung, die Entwicklung von
Pseudopodien, auf einen beschränkten Bezirk der Körperoberfläche be-
grenzt ist, sind wir wohl berechtigt eine oberflächliche Verdichtung des
Plasma's anzunehmen, wenn dieselbe auch noch nicht bis zur Bildung
einer wirklichen Schalenhaut geführt hat. Nur in seltnen Fällen sehen
wir jedoch unter den Rhizopoden die bei Ruhezuständen nackter Formen
gewöhnliche kuglige Gestaltung auch noch bei dauernder Bildung einer
Hülle bewahrt, sondern die eben schon angedeutete monaxone Gestaltung
dadurch zur Ausbildung gelangend, dass die Bildung der Schalenhaut an
1 6 Ehizopoda.
einer, unter Umständen jedoch auch zwei entgegengesetzten Stellen der
Körperoberfläche unterbleibt, wodurch demnach grössere Oeffnungen in
der Schaleuhaut, zur Communication des Plasmakörpers mit der Aussen
weit entstehen.
Auch die homaxone, kuglige und bleibende Schalenhaut erfordert je-
doch geeignete Einrichtungen, welche eine Communication des Plasma-
körpers mit der Aussenwelt gestatten, die denn auch ohne die homaxone
Gestaltung aufzuheben in der Weise zur Ausbildung gelangen, dass die
Schalenhaut hier von mehr oder minder zahlreichen feinen Oeffnungen
durchbrochen ist
Wir erkennen in dieser Weise zugleich, dass die Rhizopoden, ab-
gesehen von den unbeschalten, nackten Formen, sich in zvs^ei Haupt-
gruppen spalten , je nachdem die Communication des beschälten Weich-
körpers mit der Aussenwelt sich durch eine oder zwei grössere Schalen-
öffnungen oder durch eine grössere Zahl kleiner Oeffnungen vollzieht
(Iniperforata und Perforata). Da nun aber auch bei den allseitig von
feinen Löchern durchbrochnen Schalen dieser Perforirten eine weitere
HauptöffnuDg gewöhnlich zur Ausbildung gelangt, so bietet auch die
grosse Mehrzahl dieser Formen eine homaxone Gestaltung dar.
Im weiteren morphologischen Verhalten zeigt der beschalte Rhizopoden-
organismus sich namentlich darin noch dififerent, dass das Wachsthum
des Individuums entweder ein das ganze Leben hindurch gleichmässig
fortschreitendes ist, was seinen Ausdruck in dem durchaus einheitlichen,
keine Unterabtheiluugen zeigenden Schalenbaue erhält (Eiukammerige,
Mouothalamia), oder aber, dass das Wachsthum ein periodisch absetzen-
des und anschwellendes ist, wobei der Schalenraum, den einzelnen
Wachsthumsperioden entsprechend, in eine kleinere oder grössere Anzahl
mehr oder weniger von einander geschieduer Abtheilungen zerlegt wird
(Mehrkammerige, Polythalamia). In dieser Kammerbilduug der beschälten
Rhizopoden eine Wiederholuug des Einzelindividuums, also eine Kolonie-
bildung zu erblicken, wie dies wenigstens für einen Theil der Formen
anfänglich sehr natürlich erscheint, hat sich durch die Untersuchung des
Weichk<^i'P6''S nicht ausreichend bewahrheitet und wird späterhin das Nä-
here über diese Frage raitzutheilen sein.
Eine weitere hier vorläufig flüchtig zu berührende Eigenthümlichkeit
der beschälten Rhizopoden betrifft die Natur des Materials der Schale,
worin sich nicht unerhebliche Verschiedenheiten zeigen können. Gegen-
über den beiden anderen Abtheilungen der Sarkodiuen fällt hier die
Seltenheit der Abscheidung von Kieselsäure als Material des Schalenbau's
auf. Wenn es sehr wahrscheinlich ist, dass Kieselsäure in einigen
Fällen das Schalenmaterial bildet, so ist doch hierüber noch keine völlige
Sicherheit erreicht. Fast sämratliche Hüllbildungen der Rhizopoden sind
entweder aus reiner chitinartiger Masse gebildet, oder aber durch secun-
däre Imprägnation und Auflagerung von kohlensaurem Kalk zu Kalkschalen
umgebildet; oder schliesslich aus dem Rhizopodenkörper ursprünglich
Einleitende Uebersicht. • 17
fremden, von aussen her aufgenouimeneu festen Partikeln der verschieden-
sten Art, unter Mitv^^irkung eines ebenfalls seiner Natur nach verschieden-
artigen, von dem thierischen Körper gelieferten Bindemittels aufgebaut.
Versuche, die Natur dieser verschiedenartigen zum Aufbau der Schalen
verwertheten Substanzen zur Grundlage einer natürlichen Klassifikation
derselben zu machen, haben sich, wie späterhin noch genauer zu erörtern
sein wird, als trügerisch herausgestellt.
Was schliesslich die Erscheinungen der Fortpflanzung der Rhizopoden
in Beziehung zu ihrer morphologischen Auffassung und ihrer Stellung in
der Klasse der Sarkodinen betrifft, so lässt sich bei der im Ganzen sehr
spärlichen Erfahrung über diesen wichtigen Abschnitt ihrer Lebenserschei-
nungen nur wenig Positives berichten. Die Fortpflanzungserscbeinungen
der Rhizopoden sind wie die der Protozoen überhaupt identisch mit
denen der Zelle im Allgemeinen. Es sind die Erscheinungen der Thei-
lung und die daraus abgeleiteten der einfachen und vielfachen Knospung
oder Sprossung, zum Theil jedoch auch Avohl die der simultanen Theilung
in zahlreiche Tochterindividuen. Diese Vermehrungserscheinungen können
sowohl am nackten Plasma der Rhizopoden auftreten, als auch seltner
nach vorhergehender Umhüllung durch eine sogen. Cyste während eines
Ruhezustandes.
In wieweit ein durch eine Copulation oder Conjugation sich voll-
ziehender Vermischungs- oder Verschmelzungsprocess des Plasmakörpers
zweier oder mehrerer Individuen von Einfluss auf die oben hervorgehobe-
nen Vermehrungsvorgänge der Rhizopoden ist, scheint bis jetzt noch sehr
wenig festgestellt.
Die durch die Theilung oder Knospung erzeugten neuen Individuen
können entweder, und es scheint dies wohl in der Mehrzahl der Fälle
sich zu ereignen, schon von Anfang an die Gestaltung des Mutterorganis-
mus besitzen (abgesehen von etwa nachträglich erst eintretender Schalen-
bildung) , oder sie treten zuerst in einer von dem Mutterorganismus ab-
weichenden Form flagellatenartiger Schwärmer auf. Letztere gehen bald
in die Gestaltung des mütterlichen Organismus über und ihre Entwicklung
verräth eine auch durch anderweitige Erfahrungen bestätigte Beziehung der
Rhizopoden und Sarkodinen überhaupt zu den flagellateuartigen Wesen.
Die vorstehende allgemeine Betrachtung der Rhizopoda hat uns
gleichzeitig befähigt, die von uns unterschiednen Hauptunterabtheilungen
dieses Formenkreises kurz zu charakterisireU; was noch hier bevor wir
zu einer genaueren Betrachtung der Organisation im Einzelnen schrei-
ten, geschehen soll. Die in der Einleitung schon hervorgehobnen Schwie-
rigkeiten einer auf natürlichen und vor Allem genetischen Beziehungen
basirten Klassifikation der Protozoen überhaupt, wird jedoch auch in die-
sem speciellen Falle den systematischen Versuchen zur Beurtheilung unter
zulegen sein.
Wir bringen zunächst sämmtliche unbeschalten Formen in eine Ab
theilung der Amöbaea, denen die beschälten als Testacea gegenüber
Bronn, Klassen des Thier-Reichs. Protozoa. 9
18 Rhizopoda.
stehen, ohne dass jedoch diese Ahtheüuug der Testacea als eine ganz
natürliche, auf gemeinsamem Ursprung beruhende, zu betrachten wäre.
Die Testacea zerfallen wir in die zwei Gruppen der Imperforata und
Perforata , welche sich auf den oben hervorgehobnen Unterschied in der
feinern Beschaffenheit der Schalenwandungen gründen.
In dem besonderen, der Systematik gewidmeten späteren Abschnitt
wird diese Gruppirung und ihre Beziehungen zu anderweitigen Klassifika-
tionsversuchen auf diesem Gebiet eine eingehendere Besprechung zu er-
fahren haben.
3. Der Schaleubaii der Rhizopoda.
Indem wir unsre Aufmerksamkeit hier zunächst dem Schalenbau der
Rhizopoda zuwenden, verlassen wir eigentlich den Gang einer natürlichen
Betrachtung, indem wir statt des eigentlich Primären, des protoplasmati-
tischen, die Schale erzeugenden Weicbkörpers, diesem secundären Erzeug-
niss des Rhizopodenkörpers die erste Stelle in unsrer Betrachtung ein-
räumen. Da jedoch die grosse Mehrzahl der Rhizopoden eine Schale er-
zeugt und diese für die Gestaltung des ganzen Organismus dann ge-
wissermaassen bestimmend erscheint, wenn ja auch dieses Bestimmungs-
. verhältniss eigentlich umgekehrt liegt, so wird es aus Gründen der tiber-
sichtlichen Darstellung gerechtfertigt erscheinen, mit der Besprechung des
Schalenbaues zu beginnen.
A. Materialien des Schale nb aus.
Schon an einer früheren Stelle haben wir in Kürze die Natur der-
jenigen Stoffe kennen gelernt, welche der Rhizopodenorganismus zum Auf-
bau seiner Schale verwendet. Es ist dies zunächst eine organische, stick-
stoffhaltige Substanz, die wir nach ihrem Verhalten gegenüber Reagentien
wohl als Chitin, einen bei den wirbellosen Thieren so verbreiteten, zur Bil-
dung der mannigfachsten Hüllen verwertheten Stoff, bezeichnen dürfen.
Von jenen aus reiner Chitinmasse aufgebauten Schalen leiten sich ohne
Zweifel die bei den marinen Formen so verbreiteten Kalkschalen ab,
welche durch Imprägnation einer meist sehr spärlichen chitinösen Grund-
lage mit mineralischen, hauptsächlich aus kohlensaurem Kalk bestehenden
Substanzen gebildet werden. Eine weitere dritte Reihe von Schalen
wird dadurch erzeugt, dass zur Verstärkung der Schalenwandungen
mannigfache Fremdkörper aufgenommen werden und durch ein verschie-
denartiges Cement zusammengekittet die Schale aufbauen. Je nach der
Natur dieses Cements leiten sich solche Bildungen sowohl von rein chiti-
nösen als kalkigen Schalen her, oder es können auch noch weitere che-
mische Substanzen, so Eisenoxydsalze oder seltner Kieselsäure zur Ver-
kittung der Fremdkörper verwerthet sein.
Nur in seltnen, und bis jetzt noch nicht hinreichend sicher gestellten
Fällen, scheint die Schale der Rhizopoden aus Kieselsäure zu bestehen
und wird es später noch unsre Aufgabe sein, diese Fälle etwas genauer
zu betrachten.
Schalenmaterial. 19
a, Chitinöse Schalen.
Die Verwerthung reiner, von mineralischen Stoffen nicht imprägnirter
Chitinmasse zum Schalenbau ist vorwiegend den Formen des süssen
Wassers eigenthiimlich , jedoch keineswegs ausschliesslich auf diese be-
schränkt. Indem wir hier zunächst von den morphologischen Verhältuissen
der Schalen absehen, beschäftigen wir uns mit den Eigenthiimlich-
keiten der diese Schalen aufbauenden chitinösen Substanz und dem fei-
neren Bau der Schalenwände.
Entsprechend dem chemischen Verhalten des Chitins widerstehen
solche Schalen der Einwirkung verdünnter Mineralsäuren, lösen sich je-
doch in concentrirten, namentlich concentrirter Schwefelsäure auf. Kausti-
schen Alkalien widerstehen sie sogar gewöhnlich beim Erhitzen. Dennoch
ist nach dem bis jetzt hierüber Ermittelten die Widerstandsfähigkeit der
gemeinhin als chitinös bezeichneten Schalen gegenüber den oben genann-
ten Reagentien keineswegs gleich ausgebildet.
Ein derartiges chitinöses Schalenhäutchen kann nun in sehr verschie
dener Stärke zur Entwicklung gelangen, z. Th. nur als ein äusserst zar-
tes, schwer sichtbares Häutchen, der Oberfläche des Plasmakörpers dicht
anliegend (so Lieberkühnia, Gromia z. Th., Pamphagus, Diplophrys, IL
16, III. 6, 1)*), z. Th. eine ansehnlichere Stärke erreichend, jedoch
noch eine biegsame elastische Beschaffenheit bewahrend und der Kör
peroberfläche dicht aufliegend (so Gromia z. Th., Lecythium), während
sich bei stärkerer Entwicklung der Schalenhaut und einer mehr star-
ren, weniger biegsamen Beschaffenheit derselben der Plasmakörper von
der Schale gewöhnlich mehr oder weniger zurückzieht (so z. B. Pla-
tovum, Hyalosphenia etc. II. 10, III. 17a). Alle die seither erwähn-
ten Schalenbildungen bestehen aus ganz homogener, durchsichtiger, keine
besonderen Structurverhältnisse zeigender Chitinmasse, die meist auch
völlig farblos ist oder doch nur von leicht gelblicher Färbung. Eine wei-
tere Reihe chitinöser Schalen zeigt jedoch eigenthüraliche Structurverhält-
nisse, die einer genaueren Erwähnung bedürfen. Die ersten Andeutungen
solcher feineren Structuren an chitinösen Schalen treten uns entweder
als eine Bedeckung der äusseren Schalenoberfläche mit feinen Höckerchen
entgegen (Pyxidicula Ehrbg.) oder als eine zarte Strichelung der Schalen-
oberfläche (Plectophrys Entz.) oder auch als eine feine reticuläre oder
areoläre Zeichnung der Aussenseite (so Pseudochlamys, einige sogen. Dif-
flugien , triangulata Lang, und carinata Arch.). Von diesen feinen Structur-
verhältnissen, welche, wie es scheint, auf die Schalenoberfläche beschränkt
sind, leiten sich iedoch wohl die Einrichtungen einer Reihe weiterer Formen
ab, bei welchen die Schale aus feinen Plättchen aufgebaut ist, die wohl den
durch die erwähnten reticulären Zeichnungen umschriebnen Feldchen ent-
sprechen dürften. Ueber die chemische Natur dieser Plättchen existiren bis
*) Die Schwierigkeiten der sicheren Erkennung eines so zarten Häutcliens machen es
erklärlich, dass dessen Existenz bei manchen der hierherzurechnenden Formen noch streitig ist.
2*
20 Rhizopoda.
jetzt noch mannigfache Zweifel und scheint es nach den vorliegenden Unter-
suchungen nicht unwahrscheinHch , dass einestheils sowohl eine chitinöse
Bildung, als eine Verkieselung derselben statthaben kann. Die Unsicher-
heit, welche bis jetzt über diese Verhältnisse herrscht, im Zusammenhang
mit der grossen morphologischen Aehnlichkeit dieser Plättchenformen
untereinander, veranlasst uns diese Bauverhältnisse der Schalen hier im
Zusammenhang zu betrachten*).
Die erwähnten Plättchen treten entweder in rundlich scheibenförmiger
Gestalt auf und setzen in dichter Zusammensetzung oder, indem sich ihre
Ränder etwas über einander schieben, die Schalenwandung zusammen (so
Cyphoderia, Difflugia bipes Cart. , Euglypha und Trinema nach F. E.
Schulze, s. III. 13, 10, 12), oder sie besitzen einen mehr oder weniger
regelmässig viereckigen bis mehreckigen Umriss, sich mit ihren Bändern
aneinanderfügend (Quadrula mit vorzugsweise viereckigen Plättchen,
T. IL 12, Euglypha nach Hertwig und Lesser mit sechseckigen Plättchen).
Unter einander stehen diese Plättchen in mehr oder weniger fester Ver-
bindung, so dass es z. Th. nicht unschwer gelingt, die Plättchen von ein-
ander zu isoliren. Was ihre Anordnung betrifft, so ordnen sie sich gewöhn-
lich in ziemlich regelmässigen Reihen, die entweder nach der Längs- und
Querrichtung der Schale verlaufen (so Quadrula gewöhnlich) oder schief
zur Schalenaxe stehen (Euglypha, Trinema, Cyphoderia). Besondere
Auszeichnungen einzelner solcher Plättchen sind z. Th, vorhanden; so
tragen die des Hinterendes zuweilen borsten- bis stachelartige Fortsätze
(Euglypha IIL 12 a, Quadrula z. Th.) und bei ersterer Gattung können
solche borstige Fortsätze auch über die ganze Schale verbreitet sein.
Bei Euglypha zeigen gleichzeitig auch die die Mündung der Schale um-
säumenden Plättchen eine abweichende Gestaltung, endigen fein zugespitzt
und mit gezähnten Rändern, so dass hierdurch der Mündungsrand ge-
wöhnlich eine gezackte Beschaifenheit erhält (IIL 12 a).
Etwas abweichend von dem soeben erörterten Schalenbau , jedoch
sich nahe anschliessend, erscheint der der Gattung Arcella. Die Schalen-
wandung derselben zeichnet sich einmal dadurch aus, dass sie zwei tiber-
einandergelagerte Schichten unterscheiden lässt (IL 9 c) , eine dünnere,
innere, welche keine Structurverhältnisse zeigt und eine dickere äussere,
welche von der Fläche betrachtet eine feine reticuläre Zeichnung erkennen
lässt (IL 9 b), deren einzelne hexagonale Feldchen in ihrer Anordnung die
auf der Rückseite von Taschenuhren gewöhnlich angebrachte Zeichnung
wiedergeben. Es rührt dieselbe davon her, dass in der äussern Schicht
zahlreiche hexagonale prismatische (wohl mit Flüssigkeit gefüllte) Hohl-
räume dicht zusammenstehen. Zuweijen lässt sich ein Zerfall der äussern
Schicht in diesen Hohlräumchen entsprechende Prismen beobachten, wor-
aus also eine Zusammensetzung der äussern Schicht der Arcellaschale
aus zahlreichen kleinen hexagonalen, hohlen Prismen sichergibt, welche
Vgl. hierüber auch weiter unten im Abschnitt über kieselige Schalenbildungen derRhizopoda,
Schalenmaterial. 21
den Plättchen der seither besprochenen Formen wohl an die Seite gestellt
werden dürfen*).
Ausser den schon hier hervorgehobnen Structurverhältnissen mögen
wohl noch eine Reihe von besonderen Bildungsverhältnissen sich finden,
wie dies aus den zahlreichen von Ehrenberg (95) beschriebenen und ab-
gebildeten Schalen von Arcellinen und Euglyphinen sieh erschliessen
lässt, die jedoch im Ganzen zu ungenau untersucht sind, als dass sich
bezüglich ihrer feineren Schalenstructur eine sichere Angabe machen Hesse.
Ein beträchtlicher Theil der structurlosen wie der structurirten Chitin-
schalen bleibt stets farblos, wasserhell, und in gleicher Weise tritt auch
das Schalenhäutchen ursprünglich bei den im entwickelten Zustand ge-
färbten Chitinschalen auf. Die bei letzteren auftretende Färbung ist eine
mehr oder weniger intensiv gelbliche bis bräunliche (so Cochliopodium,
Pseudochlamys , Pyxidicula, Ditrema, Gromia z. Th.), ja kann zuweilen
ein gesättigtes Braun erreichen (Arcella). —
ß. Die Kalkschalen.
Bei weitem complicirtere Structurverhältnisse zeigen die Kalkschalen,
welche bis jetzt ausschliesslich bei marinen Formen angetroffen wurden.
Dass dieselben sich ursprünglich von chitinigen Schalenbildungen herleiten,
geht einmal daraus hervor, dass sich nach Auflösung des Kalkgehaltes
durch verdünnte Säuren eine aus einer organischen, wohl zweifellos
chitinigen Substanz bestehende Grundlage wohl constatiren lässt, wenn
dieselbe auch nie in sehr erheblichem Grade entwickelt ist und dass fer-
ner unter gewissen später noch näher zu bezeichnenden Bedingungen der
Gehalt solcher Schalen an Kalk sich sehr verringern kann, ja die Schale
eine rein chitinöse Beschaffenheit anzunehmen im Stande ist.
Was zunächst die chemische Natur der zur Verstärkung in die
Schalenwandungen aufgenommenen mineralischen Bestandtheile betrifft, so
wird die Hauptmasse derselben aus kohlensaurem Kalk gebildet, neben
dem jedoch M. Schnitze bei Orbiculina und Polystomella auch geringe
Mengen von phosphorsaurem Kalk nachzuweisen vermochte. Genaue
Analysen der kalkigen Rhizopodenschalen liegen jedoch bis jetzt noch
nicht vor.
Ueber den Antheil, welchen die chitinöse organische Grundlage der
Kalkschalen an deren Aufbau nimmt, sind die Ansichten der Beobachter
etwas getheilt. M. Schnitze und Carpenter folgern aus ihren Beobach-
tungen eine durchgehende Imprägnation der kalkigen Schalenwandungen
mit organischer Substanz, die daher nach vorsichtigem Auflösen der Kalk-
salze durch verdünnte Säuren als zarter, etwas körniger oder faserig-
flockiger Rest in der ganzen Dicke der Schalenwandungen erhalten bleibt.
Auch ich muss mich nach mehrfachen Versuchen sowohl an Imperforaten
als Perforaten dieser Auffassung im Gegensatz zu Kölliker anschliessen,
*") S. hierüber hauptsächlich Nr. 99 u. Bütschli, Arch. f. m. An. XI.
22 Ehizopoda.
der ausser dem gleich zu erwähnenden inneren und äusseren Schalen-
häutchen kaum eine Spur von organischer Substanz nach Entfernung der
Kalksalze angetroffen haben will. Die soeben erwähnten Schalenhäutchen
bleiben nach der Behandlung mit Säuren als verdichtete, ohne Zweifel
reichlicher mit organischer Substanz imprägnirte Grenzschichten der
SchalenwanduBgen sowohl auf der inneren wie äusseren Oberfläche zurück,
und da auch sämmtliche weiteren oder feineren, die Schalenwandungen
durchsetzenden Oeffnungen oder Kanäle nach der Entkalkung ein der-
artiges Häutchen als Auskleidung aufweisen, so stehen hierdurch das
innere und äussere Häutchen in directer Verbindung (IX. 10). Schon
Dujardin und Ehrenberg kannten das innere Schalenhäutchen und M. Schnitze
beschreibt es eingehend und hält es für unverkalkte chitinöse Substanz.
Auch Kölliker ist geneigt, sich ihm in dieser Beziehung anzuschliessen ;
er glaubt jenes innere Schalenhäutchen, das M. Schnitze allein bekannt
war, für die äussere Grenze des Thierleibes selbst halten zu dürfen. Im
Gegensatz hierzu bezeichnet er das äussere Schalenhäutchen als verkalkt.
Nach meinen Untersuchungen bin ich geneigt, die sehr scharfe und deut-
liche, jedoch etwas unregelmässige Ausbildung, welche sowohl das innere
wie äussere Schalenhäutchen häufig zeigen, vorzüglich auf vertrocknete
Reste des protoplasmatischen Inhalts der Schalen oder eines äusserlichen
Ueberzugs derselben zu beziehen, da nach sorgiältigem Auskochen der-
selben in Kalilauge sowohl das äussere wie innere Häutchen gewöhnlich
nur als wenig deutliche, etwas verdichtete Grenzschichten der organischen
Grundlage der Schalenwandungen sich darstellen, die sogar meiner Auffassung
nach kaum die Bezeichnung Schalenhäutchen oder Cuticula verdienen. Immer-
hin scheint eine solche Grenzschicht der Schalenwandungen gewöhnlich
entwickelt zu werden, da man einmal bei Imperforaten die Grenze zwischen
zwei sich aufeinanderlegenden Kammern oder Umgängen durch eine solche
Schicht häufig sehr deutlich bezeichnet trifft, andrerseits dagegen die sehr
deutliche Schichtung der Schalenwandungen zahlreicher Perforateu ihren
Grund wohl ohne Zweifel in der Ausbildung derartiger etwas mehr ver-
dichteter Grenzschichten besitzt, und sowohl das erste wie das letztge-
nannte Verhalten sich bei vorsichtiger Entkalkung z. Th. noch recht wohl
an den organischen Resten der Schalen nachweisen lässt.
Eine weitere Frage ist, ob die Ausbildung einer sogen, inneren oder
primären Schalenlamelle, wie sie sich nach Carpenter's Untersuchungen
bei zahlreichen Perforaten findet, und worüber weiter unten noch Näheres
mitzutheilen sein wird, nicht durch ihr Verhalten nach der Entkalkung
mehrfach als inneres Schalenhäutchen in Anspruch genommen werde.
Was die feinere Beschaffenheit der verkalkten Schalenwandungeu der
Imperforaten betrifft, so erscheinen dieselben im auffallenden Licht stets
weiss, opak, porcellanartig, was hauptsächlich bei solchen Formen noch
deutlicher hervortritt, welche eine glänzend polirte Oberfläche besitzen.
*) Icoues zootomicae I. 186.
Schalenmaterial. 23
Im durchfallenden Licht hingegen erscheinen sie selbst in Dünnschliffen
ziemlich tief braun , was von M. Schnitze und Carpenter dem Gehalt an
organischer Substanz zugeschrieben wird, eine Ansicht, die ich nicht für
richtig halte, da nach Auflösen des Kalkes die rückbleibenden Reste
höchstens eine schwach gelbliche Färbung zeigen. Die verkalkten Wan-
dungen dieser Schalen sollen nach Carpenter ganz structurlos, homo-
gen sein, was ich, wie schon früher KöUiker, nicht für ganz richtig halte,
so zeigt wenigstens Orbitolites und ähnlich auch Alveolina bei starken
Vergrösserungen ein sehr feinfaserig - körniges Wesen der Schalenmasse,
was wohl nicht ohne Beziehung zu der bräunlichen Färbung der Schalen
sein dürfte. Was die bei dieser Abtheilung nicht seltnen Verzierungen
der äusseren Schalenoberfiäche betrifft, so bestehen diese entvs^eder in
mehr oder weniger tiefen punktförmigen Eindrücken, die nicht mit den
Porenkanälen der perforirten Schalen verwechselt werden dürfen, oder
aber indem derartige Eindrücke weiter und flacher werden, kann eine
netzförmige, areoläre Zeichnung sich ausbilden. Sehr häufig begegnet man
ferner auf der Oberfläche solcher Schalen einer Bildung erhabner Streifen
mit dazwischen liegenden Furchen, und zwar meist parallel der Schalen-
axe, seltner in zu dieser senkrechter Richtung. In der näheren Ausfüh-
rung dieser Verzierungen zeigt sich eine grosse Mannigfaltigkeit.
Im Gegensatz zu den soeben besprochenen Kalkschalen der Imper-
foraten zeigen die der Perforata niemals eine so opake Beschaffenheit
der Schalenwandungen , sondern im Gegentheil meist eine vollkommen
durchsichtig glasartige, wo nicht die zahlreichen Porenkanäle eine Ver-
änderung des optischen Verhaltens der Schalenwandungen bedingen.
Es hängt die glasartig durchsichtige Beschaffenheit der Schalenwan-
dungen dieser Formen ohne Zweifel damit zusammen, dass ihnen das
feinfaserig körnige AVesen, welches wir bei den Imperforaten trafen,
meist völlig abgeht. Deutlich tritt jedoch diese pellucide, glasartige
Beschaffenheit nur bei solchen Geschlechtern der Perfo raten hervor,
welche mit relativ dünnen Wandungen ziemlich weite und nicht sehr
dichtstehende Porenkanäle verbinden, wie z. B. bei gewissen Rotalinen.
Wird hingegen die Dicke der Schalenwandungen beträchtlich, sind
dieselben gleichzeitig von sehr dicht stehenden und engen Poren
kanälchen durchsetzt, so wird hierdurch, bei der Erfüllung der Poren-
kanälchen mit Luft oder einem andern in seinen Brechungsverhältnissen
von den Schalenwandungen verschiednen Stoff, die Durchgängigkeit der
letzteren für das Licht wegen der häufigen Reflexionen sehr alterirt und
an Stelle der glasartig durchsichtigen Beschaffenheit der Schalenwan-
dungen tritt eine getrübte, milchige, halbopake, wie dies bei den Nummu-
liniden fast durchaus der Fall ist. Indem sich jedoch an derartigen halb-
opaken Schalen der Perforaten häufig lokale Anhäufungen von solider,
nicht mit feinen Porenkanälen oder doch nur von weiteren Kanälen durch,
zogner Schalenmasse in Gestalt von Bändern, Tuberkeln, Kielen etc. bilden,
24 Ehizopoda.
SO trittauch an solchen Stellen die glasartige Beschaffenheit wieder deutlich
hervor. Dasselbe ist natürlich auch der Fall an genügend dünnen Schliffen,
die in geeigneter Richtung zu dem Verlauf der Porenkanäle geführt sind.
Wenn nun auch eine solche glasartig durchsichtige Beschaffenheit eine
fast allgemeine Verbreitung unter den Perforaten zu besitzen scheint, so
sind doch zuweilen auch rein opake Schalen dieser Typen anzutreffen,
so z. B. Calcarina, und nach Carpenter sollen die todten Schalen
durch langes Liegen in Seewasser häufig durchaus weiss und opak werden.
Was die Färbung der Schalenmasse der Perforaten anbetrifft, so fehlt
eine solche gewöhnlich durchaus, sie ist ganz oder nahezu farblos; da-
gegen findet sich bei Polytrema sehr gewöhnlich eine mehr oder weniger
intensiv rothe Farbe derselben, wie sie ähnlich auch einer Anzahl Rota-
lineu eigen sein soll, wogegen M. Schnitze die Färbung letztrer auf
die der durchschimmernden Sarkode bezieht. Eine sehr schöne blaue
Färbung zeigt die Schalenmasse der interessanten Carpenteria Raphido-
dendron Mob.
Der wichtigste Charakter im feineren Schalenbau der Perforaten liegt
jedoch in der Perforation der Schalenwandungen durch mehr oder minder
zahlreiche Porenkanäle, die fast stets in ziemlich gestrecktem Verlauf die
innre Schalenfläclie mit der äussern in Verbindung setzen. (Eine Reihe
von bildlichen Darstellungen dieser Porenkanäle bieten die Tafeln VII —
XIII.) Bezüglich ihrer feineren Ausbildungsverhältnisse zeigen diese
Porenkanäle eine ziemliche Mannigfaltigkeit. Zunächst sind es die Grössen-
verhältnisse derselben und ihre Vertheilung über die Schale, die hier
unsre Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen. Die weitesten Porenkanäle
finden sich bei den Globigeriniden, wo sie zwischen 0,0127—0,0025 Mm.
Durchmesser schwanken, im Allgemeinen jedoch die gröberen Porenkanäle
von ca. 0,0127—0,005 Mm. Durchmesser vorherrschen (VII. 28 a, IX. 8).
Relativ weite Porenkanäle von 0,017 Mm. finden sich bei Orbulina, hier
jedoch neben sehr feinen, so dass bei dieser Form sich gleichzeitig zweier-
lei Porenkanäle vorfinden, wie es von Wallich auch für die nahver-
wandte Globigerina (VII. 29 c) und von M. Schultze für Discorbinia an-
gegeben wird, so dass dieses Verhalten unter den Globigeriniden keines-
wegs isolirt zu sein scheint*).
Schon bei Rotalia und einigen weiteren Formen unter den Globige-
riniden verfeinern sich jedoch die Porenkanäle sehr beträchtlich und das-
selbe gilt nahezu durchaus von den Nummuliniden, bei letzteren Formen
besitzen sie einen Durchmesser von ca. 0,0025 Mm. und erinnern durch
ihre Feinheit und ihr dichtgedrängtes Beisammenstehen sehr an die Dentin-
röhrchen bei den Wirbelthieren (X u. XII). Noch weiter jedoch gebt
*) Auch an der ansehnlichen kuglig angeschwollnen Endkammer gewisser Cymbaloporen
sind ähnlich wie bei Orbulina grobe und feine Poren vorhanden.
Schalen material. 25
die Feinheit der Porenkanäle bei der Abtheilung der Lagenideen, wo ihr
Durchmesser kaum noch nennbar ist und sie ungemein dicht zusammen-
gedrängt stehen. Im Allgemeinen scheint daher die Feinheit der Röhr-
chen und die Entfernung derselben von einander proportional zu sein.
Im besondern zeigen die feineren Bauverhältnisse dieser Porenkanäle
noch einige erwähnenswerthe Verhältnisse. Während sie gewöhnlich in
ihrem ganzen Verlauf durchaus gleiche Weite besitzen, findet sich bei
einigen Globigeriniden eine trichterförmige Erweiterung der Porenröhren
nach der Aussenfläche der Schale zu (so namentlich bei Globigerina) ;
andrerseits können sich jedoch auch die Porenkanälchen über die Ober-
fläche der Schale hinaus zu kurzen Röhrcheu verlängern, wie solches von
verschiednen Gattungen der Globigeriniden, so hauptsächlich Bigenerina
(Textularia) und Planorbulina bekannt ist. In ihrem Verlauf zeigen die
Porenkanälchen sehr häufig eine quere Streifung, die mit der Schichtung
der Schalenmasse im Zusammenhang steht, indem die Schichtengrenzen
durch schwache Faltungen in den Porenkanalwandungen angedeutet sind
(IX. 10). Auf der Schalenoberfläche lassen sich um die Mündungen
der Poren bisweilen zarte, dieselben umziehende erhabne Kanten wahr-
nehmen, die zusammen eine reticuläre Felderung bilden, so dass jede
Porenöö'nung in einem solchen Feldcheu liegt, wie solches bei Globigerina
und Orbulina häufig deutlich zu beobachten ist. Eine ähnliche, jedoch
viel zartere areoläre Zeichnung um die Porenöft'nungen findet sich jedoch
nach Carpenter auch bei Operculina und da diese sich auch um den
Querschnitt jedes Porenkanals auf TangentialschHffen der Schale zeigt
(X. 4d u, e), so liegt die Vermuthung nahe, dass sich die Schalen-
masse hier aus sehr feinen senkrecht zur Oberfläche stehenden Kalk-
prismeu aufbaue, von welchen jedes von einem Poreukanal durchsetzt
wird. Dasselbe hat KöUiker auch bei Heterostegina, Cycloclypeus und
Rotalia nachzuweisen vermocht und schliesst sich der Carpenter'schen
Deutung an, während Carter bei einer Planorbulina-artigen Form (seiner
Aphrosine) gleichfalls dieselbe Bildung traf. Andrerseits ist für die
äussere Schalenmasse bei Orbulina und Globigerina durch Wallich der
Nachweis geführt worden, dass sie sich aus keilförmig nach aussen er-
weiterten, an krystallinische Bildungen erinnernden Partikeln zusammensetze
(VII. 2, 9a u. b), und eine ähnliche Structur wird auch für die ent-
sprechende äussere Schalenmasse weiterer Perforaten angegeben, sowohl
Lagenideen (z. B. Lagena) als Globigerinideen (z. B. Pulvinulina). Von
Carter wurde schon früherhin versucht, eine Zusammensetzung gewisser
späterhin näher zu erörternder Schalentheile einiger Perforaten aus
zahlreichen feinen spicula - artigen Gebilden zu erweisen, wogegen
späterhin hauptsächlich Carpenter zu zeigen versuchte, dass es sich
hier um ein anderes, mit dem Verhalten und dem Verlauf des sogen.
Kanalsystems in Zusammenhang stehendes Structurverhältniss handle.
Neuerdings hat jedoch Carter bei einer als Rotalia bezeichneten Form
(wohl Planorbulina) die Bildung der Schalenwandungen aus dicht zu-
26 Ehizopoda.
sammenstebenden, doppelspitzigen Kaliiuadeln, welche durch ein fein-
krystallinisches Kalkcement verbunden wareu, beobachtet*).
Das oben hervorgehobene Vorkommen einer sogen, äussern Schalen-
masse führt uns noch auf einen weiteren eigenthümlichen Punkt in dem
feineren Aufbau der Perforatenschalen. Bei den Imperforaten er-
scheint die Schalenmasse durchaus gleichmässig und ohne Andeutung von
Schichtung, bei den Perforaten hingegen lässt sich wohl durchgehend oder
doch sehr gewöhnlich eine primäre innerste Schalenlage erkennen (der
sogen, proper wall Carpenter's), die gewöhnlich von geringer Dicke ist
und ihre definitive Stärke frühzeitig zu erreichen scheint (VII. 29 a
u. c, IX. IIb). Auf diese primäre Schalenschicht lagert sich eine weitere
Schalenschicht ab (sogen, exogene Schalensubstanz auch Zwischen- oder
supplementäres Skelet Carpenter's), die entweder ganz wie die primäre
Schalenschicht von den Porenkanälen gleichmässig durchbohrt sein kann,
oder aber auch ganz solid und unperibrirt auftritt, so dass durch ihre
Auflagerung die gleichmässige Perforirung der Oberfläche der Schale be-
einträchtigt wird. Es kann aber diese Auflagerungsmasse auch von wei-
teren und von den gewöhnlichen Porenkanälen abweichenden Kanälen
durchzogen sein, dem sogen. Zwischenkanalsystem Carpenter's, neben
dessen Entwicklung sich jedoch auch noch wahre Porenkanäle in dem
aufgelagerten supplementären Skelet finden können. Nicht immer jedoch
scheint der primäre Schalenwall von der aufgelagerten exogenen Schalen-
masse scharf geschieden zu sein, wie dies hauptsächlich bei Nummuliniden
der Fall ist, wo es zuweilen (so wenigstens bei Operculina) nicht mög-
lich ist, zwischen einer primären Schalenschicht und einer aufgelagerten
Schalenmasse eine Grenze zu ziehen, obgleich hier dasselbe, später noch
genauer zu besprechende Kanalsystem sich findet, welches gewöhnlich
eine Auszeichnung der Auflagerungsmasse bildet.
Die Unterscheidung eines sogen, supplementären oder Zwischen-
skelets von einer primären Schalen wandung, hat seit Carpenter's Dar-
stellung eine ziemlich allgemeine Aufnahme gefunden, ohne dass mir je-
doch der Begriff einer solchen Zwischenskeletbildung, der in obigen Zeilen
kurz zu entwickeln versucht worden ist, völlig klar und sicher gestellt
scheint. Mir scheint der Unterschied zwischen einer primären Schalen-
schicht und spätem secundären Auflagerungsschichten keineswegs ein so
fundamentaler, wie dies aus der Carpenter'schen Darstellung dieser Ver-
hältnisse wohl erscheint, namentlich jedoch aus der Bezeichnung dieser
secundären Auf lagerungsschichten als supplementäres oder Zwischenskelet,
eine Bezeichnungsweise, die ich einmal wegen des Ausdrucks Skelet in
Verbindung mit Schalenbildungen für wenig geeignet halte, ferner jedoch
auch deshalb, weil sie einen sehr tiefgreifenden Unterschied und eine
*) Dass es sich hier nicht um fremde von Aussen in die Schalenwandung aufgenom-
mene Nadeln handelt, wird durch ihre successive, dem Wachsthum der Schale parallel gehende
Grössenzunahme wohl unzweifelhaft dargethan.
Schalenmaterial. 27
scharfe Grenze dieser Auflageruugsschicbten gegenüber der primären
Schalen wand festzustellen scheint, während eine solche Grenze thatsäch-
lich z, Th. nur sehr wenig ausgeprägt, z. Th. hingegen gar nicht festzu-
stellen ist. Wir werden daher im Verlaufe dieser Darstellung unterschei-
den zwischen einer primären Schalenlage (dem Carpenter'schen sogen,
proper chamber-wall) und einer secundären Schalenmasse, gleichgültig ob
die letztere perforirt oder unperforirt oder noch von einem besondern
Kanalsystem durchzogen ist.
Diese exogene Schalenmasse, welche bei einem beträchtlichen Theil
der Perforirten die Hauptmasse der Schalen Wandungen bildet, zeigt ge-
wöhnlich sehr deutlich einen geschichteten Bau, worauf schon oben bei
Gelegenheit der mit demselben in Zusammenhang stehenden queren Strei-
fung der Porenkanälchen hingewiesen wurde.
Wie bei den Imperforaten ist auch die Schalenoberfläche der Perfo-
raten der Sitz mannigfaltiger Verzierungen, deren Entwicklung hier vor-
zugsweise von der Ausbildung der secundären Schalenmasse abhängt.
Indem diese bei den Lagenideen als imperforirte Auflagerungsmasse nur
Theile der primären Schalenschicht überzieht, bildet sie je nach ihrer
Anordnung die mannigfachsten, aus erhabnen Rippen, Kielen, Netzen und
dergleichen gebildeten Zeichnungen (VII. 5 — 17). Auch borsten- und
dornartige Bedeckungen der Schalenoberfläche werden wohl in dieser
Weise gebildet sein.
Wenn hingegen die secundären Auflagerungsschichten die gesammte
Schalenoberfläche gleichmässig überziehen, wie dies bei den Globigeri-
niden und den Nummuliniden der Fall ist, so entstehen Verzierungen der
Oberfläche entweder einfach durch erhabne und vertiefte Zeichnungen,
oder noch besonders dadurch, dass gewisse Stellen der Auflagerungs-
schichten durch den Mangel der Perforirung sich auszeichnen und indem
sie gleichzeitig gewöhnlich knöpf- oder bandartig über die benachbarte
Schalenoberfläche hervorspringen, als glasartig durchsichtige Knöpfe oder
Bänder die Schaleuoberfläche zieren.
Bekanntlich sind eine Anzahl pelagisch lebender Perforatenformen,
nämlich die so nahe verwandten Geschlechter Orbulina (VII, 30) und
Globigerina mit einem Besatz sehr ansehnlicher, von der Schalenober-
fläche ausstrahlender Stacheln ausgerüstet. Auch die wohl nur als Unter-
geschlecht von Globigerina zu betrachtende Hastigerina (IX. 1) ist
durch einen entsprechenden Stachelbesatz ausgezeichnet. Ob ein solcher
Stachelbesatz sämmtlichen zu den erwähnten Geschlechtern gehörigen
Arten zukommt, scheint bis jetzt noch fraglich, jedenfalls scheinen aber
die pelagischen Formen stets mit demselben versehen zu sein. Diese
sehr langen und dünnen Stacheln erheben sich entweder, wie bei
Orbulina, von niedern Papillen der Schalenoberfläche, oder aber bei Glo-
bigerina und Hastigerina von den Eckpunkten der erhabenen, die Poren-
öflfnungen umstehenden Netzkanten, die schon oben geschildert wurden.
Die 4 — 5 Mal den Durchmesser der Schale messenden Kalkstacheln
28 Ehizopoda.
sind etwas biegsam, aber doch sehr zerbrechlich. Im Querschnitt ersehei-
nen sie nicht rundlich, sondern mehrkantig (VII. 28b— c)*). Die Be-
hauptung, dass es sich hier um hohle, für den Austritt der Pseudopodien die-
nende Stachelbildungen handle, welche mehrfach aufgestellt wurde, scheint
wenigstens für Globigerina und Hastigerina nach den übereinstimmenden
Beobachtungen von Wallich, W. Thomson und Murray, sowie R. Hertwig
nicht zutreffend zu sein, wogegen für Orbulina die Hohlheit der Stacheln
noch von Thomson und Murray behauptet wird.
y. Aus Fremdkörpern aufgebaute Eliizopodenschalen.
Eine nicht unbeträchtliche Zahl von ßhizopoden bildet ihre Schale
nicht allein aus vom Thierkörper selbst erzeugter Substanz, sei diese nun
organischer oder unorganischer Natur, sondern verwerthet hierzu kleine
aus der Umgebung aufgenommene feste Partikel verschiedener Art, welche
durch einen von dem Plasmakörper ausgeschiednen Kitt zu einer mehr
oder minder festen Schale vereinigt werden. Zwischen den seither be-
sprochenen chitinösen und kalkigen Schalen und diesen jetzt noch etwas
näher zu betrachtenden, aus Fremdkörpern aufgebauten, die entsprechend
dem bei weitem am häufigsten verwertheten fremden Material gewöhnlich
als sandige Schalen bezeichnet werden , existirt jedoch keineswegs eine
scharfe Grenze.
Es ist kein seltner Fall, dass der chitinösen Schale gewisser Süss-
wasserformen fremde Partikel anhaften, oder auch mehr oder weniger
fest mit derselben verkittet sind. Durch reichlichere Aufnahme solcher
Fremdkörper und Verkittung derselben durch die ursprünglich chitinöse
Grundlage der Schale entstehen die bei einer ganzen Anzahl Geschlech-
tern der Süsswasserrhizopoden sich findenden Fremdkörperschalen. Andrer-
seits nehmen jedoch auch eine nicht geringe Zahl kalkschaliger Meeres-
formen Fremdkörper, vorzugsweise Sandkörner, in ihren Schalen auf,
welche die Oberfläche derselben mehr oder weniger überziehen und ihr
eine rauhe, sandige Beschaffenheit ertheilen.
Es findet sich ein solches Verhalten sowohl unter den Imperforaten
(so z. B. bei Nubecularia ganz gewöhnlich, auch zuweilen bei Quinque-
loculina), als andrerseits bei gewissen Perforata. Unter letzteren treffen
wir es sehr gewöhnlich bei Textularia und den verwandten Geschlechtern,
wie bei Bulimina und andern.
Von solchen nur wenig mit fremden Partikeln ausgestatteten kalkigen
Schalen scheint jedoch ein ziemlich allmählicher Uebergang zu den speci-
fisch sandigen Schalen sich zu finden, die von Carpenter, Parker und
Jones in einer besondern Abtheilung der Lituolidae unter den Imperfo-
raten vereinigt worden sind. Da nun, wie späterhin bei der eingehendem
Betrachtung der systematischen Fragen noch näher zu erörtern sein wird,
*) Vergl. hauptsächlich Wyw. Thomson und Murray Proc. roy. soc. 23 und Hertwig,
Jenaische Zeitschr. XI, auch Wallich, Deep-sea res. on the biology of Globigerina Lond. 1876.
Schalenuiaterial. 29
die Aufstellung einer solchen Abtheilung der Lituolidae sehr wenig natür-
lich erscheint und die seither in derselben untergebrachten Formen mit
sandiger Schale ihre natürlichen Beziehungen theils unter den Imperfo-
raten, theils unter den Perforaten finden, indem sie sich den bekannten
kalkschaligen Geschlechtern dieser grossen Gruppen zum Theil wenigstens
näher anschliessen, so dürfte hieraus hervorzugehen, dass die Fähigkeit
zur Aufnahme von Fremdkörpern in die Schale und der Uebergang zu
völlig sandigen Schalen sowohl unter den Imperforaten als Perforaten in
viel ausgedehnterem Maasse verbreitet ist, als dies nach der gewöhnlichen
Auffassung der Fall scheint.
Was zunächst die Natur der zum Aufbau der Schale verwendeten
Fremdkörper betrifft, so herrscht hierin grosse Mannigfaltigkeit. Bei
weitem am häufigsten sind es kleine Sandkörnchen und zwar vorwiegend
Quarzkörnchen, sowohl bei Süsswasserformen (Difflugia, Pseudodifflugia etc.),
als bei zahlreichen marinen Formen , aus denen sich die Schale auf-
baut. Selten finden wir Kalksandkörnchen, Körnchen vulkanischen San-
des etc. verwerthet. Auch in den Grössenverhältnissen der verwendeten
Sandkörner zeigt sich eine weitgehende Verschiedenheit und häufig eine
gewisse Auswahl von Seiten der Erbauer solcher Schalen, indem die eine
Form nur grössere, die andre nur kleinere, die dritte hingegen Körnchen
verschiedner Grösse verbaut.
Gewisse Formen bedienen sich jedoch noch feineren Materials, sie
bilden eine Schlammhülle von grössrer oder geringerer Festigkeit (so z. B.
Astrorhiza limicola, Pelosina*).
Als weiteres Material des Schalenbaus dienen sehr häufig die auf dem
Meeresboden ja in so grosser Menge verbreiteten Schwammnadeln, und
manche Formen scheinen zur Verwerthung derselben gerade eine be-
sondre Neigung zubesitzen (so Haliphysema, die etwas zweifelhafte Marsi-
pella Norm., Aschemonella ßrdy.), gewöhnlich jedoch werden sie unter-
mischt mit Sandkörnern verbaut.
Von anderweitigen zum Schalenbau dienenden Fremdmaterialien sind
bei den marinen Rhizopoden hauptsächlich noch zu erwähnen die Kalk-
schalen kleinrer Formen, sowie die späterhin hinsichtlich ihrer Natur noch
etwas eingehender zu besprechenden, unter der Bezeichnung Coccolithen
und Cyatholithen bekannten und im Tiefseeschlamm so verbreiteten sehr
kleinen Kalkgebilde. Seltner werden Fragmente von Molluskenschalen
mit anderen Materialien in die Schalenwandungen aufgenommen.
Die Süsswasserformen dagegen nehmen in ihre Schalen ausser den
schon erwähnten gewöhnlichen Sandkörnern sehr häufig auch die Kiesel-
hüllen der Bacillariaceen **) auf und bei gewissen Geschlechtern (haupt-
sächlich Difflugia) finden sich zuweilen auch eigenthümliche Schalenmate-
*) Vergl, T. III. Figg. 1—8, 11 u. 14, IV, 1 u. 3, V. 5—18.
**) Auch Protococcuszelleii sind von Archer bei Diaphoropodon als Schalenmaterial neben
Diatomeen beobachet worden.
30 Rhizopoda.
rialien, über deren Herkunft noch keine völlige Sicherheit erreicht ist, ja
bezüglich deren noch nicht einmal sicher entschieden ist, ob sie als von
Aussen in die Schale aufgenommne Fremdkörper, oder als von dem thie-
rischen Körper selbst erzeugte Gebilde zu betrachten sind. So finden sich
Difflugien, die in ihren allgemeinen Gestaltungsverhältnissen sich durch-
aus an solche Formen anschliesseu , deren Schalen deutlich aus Sand-
körnern oder Diatomeenschalen erbaut sind, bei welchen die Schalen aus
länglich ovalen, z. Th. Hinneigung zu hexagonalen Umrissen zeigenden
Plättchen besteht ; an diese schliessen sich weitere Formen an mit runden
scheibenförmigen Plättchen, entweder von annähernd gleichen Grössen-
verhältnissen oder grössere untermischt mit kleineren. Schliesslich reiht
sich hier noch an die bei der kaum von Difflugia zu trennenden sogen.
Echinopyxis gewöhnlich (jedoch auch bei gewissen Difflugien) sich fin-
dende Zusammensetzung der Schale aus kleinen cylindriscben, geraden
oder mannigfach gebognen stäbchenartigen Gebilden (IIL 9). Wallich*),
der diesen feineren Structurverhältnissen der Difflugienschalen eingehen-
dere Aufmerksamkeit gewidmet hat, kommt zu dem Schluss, dass alle
die soeben erwähnten Gebilde ursprünglich aus von Aussen aufgenommnen
kieseligen Diatomeenschalen (hauptsächlich der Gattung Eunotia) hervorge-
gangen seien, indem dieselben durch active Einwirkung des Plasma's der Dif-
flugien eine allmählich immer weiterschreitende Umgestaltung erlitten hätten,
was wegen der ganz allmählichen Uebergänge, welche die erwähnten
Schalenbestandtheile unter sich, andrerseits jedoch auch zu den Schalen
der Eunotia zeigen sollen, nicht unwahrscheinlich klingt. Kaum glaublich
erscheint jedoch die von Wallich auch für die quadratischen regelmässigen
Plättchen der Quadrula (vergl. S. 20) geltend gemachte gleiche Entstehung,
wie denn überhaupt die hervorgehobnen besondern Structurverhältnisse gewis-
ser Difflugienschalen weiterer Untersuchungen zu ihrer Aufklärung bedürfen.
Die Vereinigung der die sandigen Schalen aufbauenden Partikelchen
geschieht durch eine Kittsubstanz oder ein Cement sehr verschiedner Natur.
Für die Fremdkörperschalen der Süsswasserrhizopoden wird die chi-
tinöse Natur dieses Kittes ziemlich allgemein angenommen. Derselbe ver-
bindet die Fremdpartikel loser (Diaphoropodon) oder fester mit einander.
Das gelegentliche Auftreten solcher Formen mit häutiger von Fremd-
körpern freier Schale — so z. B. der Difflugia spiralis nach Mereschkowsk}'
(118), ähnlich auch nach Entz (110) — spricht für eine solche Auffassung
der Kittsubstanz. Auch scheint bei der Mehrzahl dieser Schalen ur-
sprünglich eine innerliche rein chitinöse Lamelle gebildet zu werden, wofür
Wallich's, Hertwig und Lesser's und Entz' Untersuchungen sprechen.
Ob aber bei sämmtlichen Fremdkörperschalen der Süsswasserrhizo-
poden die Kittmasse eine chitinöse Beschaffenheit besitzt, ist fraglich.
*) S. Aim. mag. nat. bist. III. lü. Leidy hat für die birnförmigen. durch eine derartige
Schalenstructur ausgezeichneten Difflugien neuerdings das Genus Nebela aufgestellt. Er ist
geneigt, die betreff. Schalengebilde als Erzeugnisse des Thierkörpers selbst zu betrachten.
(Proc. Ac. PhUad. 1876.)
Schaleninaterial. 31
indem bei einem Theil möglicherweise ein protoplasmatisehes oder gallertiges
Bindemittel vorhanden sein könnte. Ich selbst habe bei Difflugia acnmi-
nata dasselbe in Carmin sich lebhaft färben sehen und Carter schreibt
demselben bei D. pyriformis eine glutinöse (eiweissartige?) Beschaffenheit
zu (75). In Beziehung hiermit Hessen sich auch die Verhältnisse bei dem
Diaphoropodon Archer's bringen, wo zwischen den lose vereinigten Schalen-
partikeln über die Gesammtoberfiäche der Schale feine Pseudopodien
hervortreten sollen, was sich wohl durch die Annahme eines protoplasma-
tischen oder gallertartigen Bindemittels erklären Hesse*).
Bei dieser Gelegenheit sei jedoch noch erwähnt, dass auch WaHich
zur Annahme geneigt ist, dass bei den Difflugien das Protoplasma des
Thierkörpers aus feinen Löchern zwischen den Schalenpartikeln hervor-
treten könne, während Carter sich von einem solchen Hervortreten von
Pseudopodien aus dem Hinterende der Schale der Difflugien überzeugt
haben will und Entz von seiner Pleurophrys Helix (einer zwischen Dif-
flugia und Pseudodifflugia schwankenden Form (III. Fll), sowie der
Pleurophrys sphaerica gleichfalls ähnliches berichtet.
Andrerseits ist auch das Vorkommen eines kieseligen Cementes in
den Fremdkörperschalen gewisser Süsswasserformen nicht unwahrschein-
lich in Betracht der für gewisse Difflugienformen behaupteten grossen
Widerstandsfähigkeit gegen starke Mineralsäuren**).
Auch von den marinen Formen mit Fremdkörperschalen wird das
Vorkommen des Chitins als Cement mehrfach berichtet, so hat Brady (89)
gezeigt, dass die gewöhnlich durch kalkiges Cement ausgezeichneten
Trochamminaformen im brackischen Wasser statt des Kalkes eine chitinöse,
die Fremdkörper verkittende Schalenhaut zeigen. Auch gewisse Reophax-
formen, sowie die noch etwas zweifelhafte Gattung Pelosina zeigen das
gleiche Verhalten (117). Bei einer Anzahl weiterer Formen scheint da-
gegen, ähnlich wie dies auch für gewisse Süsswasserformen bemerkt
wurde, das organische Bindemittel keineswegs die vom Chitin bekannte
Widerstandsfähigkeit gegen Säuren und Alkalien zu besitzen, wie solches
z. B. von Bessels bei Astrorhiza limicola, von Brady bei der noch etwas
unsicheren Gattung Rhizammina beobachtet wurde (117).
Die Fähigkeit Pseudopodien zwischen den die Schale aufbauenden
Partikeln auszusenden, die einer ziemlichen Reihe von marinen Sand-
formen unzweifelhaft zukommt, mag bei losen Schalenbauten, wie z, B.
denen der Astrorhiza vielleicht durch die Beschaffenheit des organischen
Bindemittels ermöglicht werden, wogegen bei den festeren Schalen-
bauten mit unorganischer Cementirung besondere feine Austrittswege,
wohl in Gestalt unregelmässig zwischen den Partikeln verlaufender und
daher schwer sichtbarer Porenkanäle, zu diesem Behuf vorhanden sein
werden.
*) Qu. joum. m. sc. IX.
**) Vergl. Schneider Z. f. w. Z. Bd, 21.
32 Rhizopoda.
Zahlreiche marine, sandige Rhizopodenschalen scheinen jedoch
ein kalkiges Ceraent aufzuweisen, wie dies, in Betracht ihrer nahen Be-
ziehungen zu den rein kalkschaligen Formen, natürlich erscheint. Doch
rauss bemerkt werden, dass über die Natur des Cementes viel Unsicher-
heit in den Schriften über die sandigen Formen sich findet, und diese Frage
bis jetzt keineswegs hinreichend genau untersucht scheint. Als mit Kalk-
cement versehen darf jedenfalls die jetzt mit Recht zu den Perforaten ge-
zogene Gattung Valvulina bezeichnet werden ; auch von den sogen. Tro-
charaminaformen der englischen Forscher scheinen nach Brady zahlreiche
ein solches Cement zu besitzen, während Carpenter denselben ein dichtes,
eisenschüssiges Cement von ockerartigem Aussehen zuschreibt.
Im Allgemeinen scheint ein Gehalt an Eisenoxyd überhaupt für das
Schalencement mannigfacher Sandrhizopoden charakteristisch zu sein So
wird von Carpenter auch das Cement der Rhabdammina als eisenschüssig
erwähnt und neuerdings den Lituolaformen eine aus phosphorsaurem
Eisenoxyd bestehende Kittsubstanz zugeschrieben, während in der „Intro-
duction" bezüglich dieses Punktes nichts sicheres angegeben wird (abge-
sehen von der Angabe, dass das Cement in sehr geringer Quantität vor-
handen sein soll). Die rothe bis braune Färbung, welche die Sand-
schalen gewisser Rhizopoden häufig zeigen, wird gewöhnlich einem Ge-
halt an Eisenoxyd zugeschrieben, ohne dass jedoch meist genauere che-
mische Untersuchungen über die Natur dieser Färbung vorliegen.
Zwei Analysen von Sandschalen, die Brady bekannt gemacht hat
(Hyperammina und Cyclammina 117), zeigen einen auffallend geringen Kalk-
gehalt (2—3 Proc), wogegen das Eisenoxyd (einschliesslich etwas Thon-
erde) bei der ersteren Form 2, bei der letzteren sogar 8,9 Proc. betrug.
Hiernach scheint also Eisenoxyd wirklich eine Rolle im Cement der
marinen Sandschalen zu spielen , wobei jedoch beachtenswerth erscheint,
dass es sich in den erwähnten beiden Fällen weder als Silicat noch als
Phosphat, sondern als unverbundenes Oxyd gefunden haben soll. Neben
kalkiger und eisenoxydhaltiger Kittsubstanz scheint jedoch nach neue-
ren Erfahrungen von Brady (117) auch Kieselsäure als Bindemittel auf-
treten zu können , insofern nämlich aus der vollständigen Unveränder-
lichkeit der Schalen gewisser Ammodiscus- und Reophaxformen in Säu-
ren ein solcher Schluss gezogen werden darf.
Weitere Verschiedenheiten lassen die Sandschalen der marinen Rhizo-
poden in der feineren Ausbildung ihrer Schalenwände erkennen. Bei
einer Anzahl von Formen sind die kleinen Fremdkörper (hauptsächlich
Sandkörner) vollständig in das in ziemlich reichlicher Quantität vorhandne
Cement eingebettet, so dass sowohl die äusseren wie die inneren Flächen
der Schale glatt, ja z. Th. sogar wie polirt erscheinen. Dieser Charakter
zeichnet hauptsächlich die sogen. Trocharaminen der englischen For-
scher aus, ja bildet eigentlich den einzigen bezeichnenden Charakter dieses
Gewirres von Formen. Aehnliches zeigen eine Anzahl weiterer von
Schalenmaterial. 33
F. E. Schulze und Brady neuerdings beschriebener Gattungen, namentlich
die Glättung der inneren Schalenfläche (so Psammosphaera, Stortosphaera,
Marsipella). Aus grösseren Sandkörnern oder anderweitigen grösseren
Fremdkörpern erbaute Schalen zeigen hingegen unregelmässige, durch
die vorspringenden Partikel rauhe Flächen, welche von dem nur in ge-
ringerer Quantität vorhandenen Cement nicht geglättet werden. Dieser
Charakter wurde von Carpenter und seinen Mitarbeitern Parker und Jones
für so wichtig erachtet, dass sie einen weiten Formenkreis, wesentlich auf
diese Beschaffenheit der Schale hin, zu einer Gattung Lituola ver-
einigten.
Die späteren Forschungen haben jedoch noch zahlreiche weitere For-
men solcher rauhschaligen Sandrhizopoden kenneu gelehrt und auch die
Gattung Lituola in verschiedene Formreihen zerlegt.
Eine besondere Eigenthümlichkeit zeigt nicht selten die innere Schalen-
fläche solcher rauhen Formen, indem die ursprüngliche Rauhigkeit all-
mählich zur Bildung unregelmässiger netzartiger oder labyrinthisch verwirr-
ter Einwüchse der Wandung in die Höhlung der Schale überführt, woraus
schliesslich eine mehr oder weniger vollständige Ausfüllung der Schalen-
höhlung durch solche Einwüchse hervorgehen kann. Hinsichtlich ihres
Aufbaues zeigen diese Einwüchse ganz dieselbe Bildung aus Fremdpar-
tikeln, wie die eigentlichen Schalenwandungen (vergl. bezüglich dieses
Verhaltens hauptsächlich die Gattungen Lituola, Haplostiche, Botellina,
Cyclammina, Bdelloidina; in geringerer Ausbildung findet sich Aehnliches
noch bei einer Anzahl weiterer Formen).
6. Aus Kieselsäure bestehende Schalenbildungen der Khizopoden.
Die gelegentlichen Mittheilungen älterer Rhizopodenforscher über das
Vorkommen kieseliger Schalen haben sich zum grössern Theil als irr-
thümliche herausgestellt, es waren kieselsandige Schalen, die solche An-
gaben veranlassten.
Dies gilt von der von M. Schultze (53) beschriebenen Polymorphina
silicea (nach Parker und Jones = Verneuilina polystropha) und ähnlich
dürfte es sich auch mit der von Ehrenberg beschriebenen kieselschaligen
Spirillina verhalten. Auch den aus Kieselsandsttickchen ihre Schale aufbauen-
den Difflugien ist mehrfach das Vermögen der Kieselsäureabscheidung zu-
geschrieben worden; so hat M. Schultze in Berücksichtigung seiner irr-
thümlichen Untersuchungen über die Kieselschaligkeit der oben angeführ-
ten sogen. Polymorphina auch den Difflugien die Fähigkeit der Kiesel-
säuresecretion zugeschrieben. Auch A. Schneider*) bemühte sich nachzu-
weisen, dass die Schale der Difflugien ganz allgemein eine directe Aus-
scheidung des Thierkörpers sei und Entz sprach sich neuerdings in dem-
selben Sinne für Difflugia und Pseudodifflugia aus.
*) Ztschr. f. w. Z. Bd. 21.
Broun, Klassen des Thiei-Keiclis. Piotuzoa.
34 ■ Eliizoi^oda.
Angesichts der ganz unbezvveifelbaven Aufnahme von Fremdkörpern
in die Schale dieser und anderer Süsswasserformen scheint zum mindesten
die Behauptung, dass die Schalen dieser Formen ganz allgemein eine di.
recte thierische Abscheidung darstellten, ganz ungerechtfertigt. Andrer-
seits kann jedoch, wie auch schon oben angedeutet worden, das Vor-
kommen kieseliger Ausscheidungen bei den Difflugien und eine ähn-
liche Schalenstructur zeigenden Formen des süssen Wassers nicht un-
bedingt zurückgewiesen werden, da kieselige Abscheidungen ja den Rhi-
zopoden nicht durchaus fehlen und die speciellen Structurverhältnisse
mancher Difflugien noch nicht recht aufgeklärt sind.
Dass in jener Beziehung vorschnelles Verallgemeinern zu irrthüm-
lichen Behauptungen wohl führen kann, geht deutlich aus den Erfahrungen
der neueren Zeit hervor, die eine kieselige Schalenbildung sowohl bei
gewissen Süsswasser- als Meeres -Ehizopoden ziemlich sicher erwiesen
haben.
Was zunächst die Süsswasserformen betrifft, so blieb Hertwig zweifel-
haft, ob nicht doch die Schale von Microgromia ihre grosse Widerstands-
fähigkeit einem Gehalt an Kieselsäure verdanke. Unzweifelhaft kieseliger
Natur scheinen die Plättchen der Euglypha zu sein, wogegen die ähn-
lichen der Cyphoderia nach F. E. Schulze einen rein chitinösen Charakter
besitzen. Bei einer Reihe verwandter Formen liegen keine sicheren Be-
obachtungen über die chemische Natur ihres Schalenmaterials vor.
Was die marinen Formen anbetrifft, so wurde schon oben auf das
wahrscheinlich kieselige Cement gewisser Fremdkörperschalen hingewiesen
und hieran schliesst sich die eigenthümliche Beobachtung Brady's (117),
der eine kleine Miliola mit ganz homogener durchsichtiger Schale beob-
achtet hat, die sich bei weiterer Untersuchung als kieselig herausstellte. —
Im Jahr 1856 wurde durch Bailey *) eine marine, Cadium, genannte Rhizo-
podenform entdeckt, die auch von Ehrenberg **) bei seinen Tiefseestudien
wieder beobachtet, als kieselschalig erkannt, und zu seiner Familie der
Arcellinen gestellt wurde. Später hat Wallich***) ausser der schon be-
kannten noch eine weitere Form beobachtet und durch die Challenger-
expedition ist auf das Vorkommen einer sehr mannigfaltigen Gruppe
kieselschaliger, rhizopodenartiger Organismen in den Tiefgründen des
pacifischen Oceans (hauptsächlich in dem an gewissen Stellen aufgefun-
denen Radiolarienschlamm) hingewiesen worden f).
Es scheint mir ziemlich sicher, dass die ältere unter dem Namen
Cadium beschriebne Form ein Mitglied dieser von W. Thomson und
Murray „Challengeridae" getauften kieselschaligen, rhizopodenartigen Or-
ganismen bildet. Die von E. Häckel unternommene genauere Untersuchung
■ *) Sillim. Americ. journ. sc. a. arts 1856 p. 3.
**) M. B. d. Berl. Ak. 1860.
***) A. ai. 11. li. III. 13.
t) Proc. roy. soc. 24.
Sclialeugestaltung. (Homaxone Formen.) 35
dieser „Challengeridae", über welche erst während des Druckes dieses Bogens
durch eine vorläufige Mittheilung weiteren Kreisen Nachricht zukommt,*)
scheint mit Sicherheit zu ergeben, dass diese Formengruppe zu den Ka-
diolarien zu rechnen ist, wodurch denn auch die erwähnte G. Cadium von
den Rhizopoda wohl definitiv abgetrennt erscheinen dürfte.
B. Der morphologische Aufbau der ßhizopoden-
schalen.
K. Homaxone Schalenbildungen.
Wie schon bei der Besprechung der allgemeinen morphologischen
Verhältnisse der Rhizopoden erörtert wurde, ist die Schalengestaltung der-
selben fast durchaus eine einaxige. Dennoch findet sich eine geringe
Anzahl von Formen, welche als homaxone bezeichnet werden müssen und
und die wegen dieses Verhaltens einen Anscbluss an die Heliozoen ver-
mitteln. Diese homaxon gestalteten Formen gehören zu den Perforaten
und sind vorwiegend marine, wogegen nur eine wohl hierhergehörige
Form des süssen Wassers bekannt ist. Jene letzterwähnte Form, die
Gattung Micro CO metes (IV. 5) besitzt eine kuglige, chitinöse Schale
von sehr unbedeutender Grösse, die von 1 — 5 kreisförmigen ziemlich engen
Porenöffnungen (o) zum Durchtritt der Pseudopodien durchbrochen wird.
Die Variabilität in der Zahl der Porenöifnungen bei dieser, wohl un-
zweifelhaft als homaxon zu bezeichnenden Form verräth innige Be-
ziehungen zu den monaxon gebauten Schalen und wenn es nicht ein zu
unsicheres Unternehmen wäre, einen natürhchen Stammbaum der Rhizo-
poden entwerfen zu wollen, so dürfte eine solche Gestalt wohl als Aus-
gangspunkt der beschälten Rhizopoden überhaupt aufgestellt werden.
Die marinen homaxonen Formen sind theils kalkschalige, theils san-
dige. Von erstem gehört allein die meist exquisit homaxone Gattung
Orbulina (VII. 30) hierher, deren ganz sphärische, bestachelte Schale
von dicht stehenden, sehr feinen Porenkanälen und weiter gestellten,
gröberen Poren allseitig durchbohrt wird. Obgleich nun hier eine rein
homaxone Form vorzuliegen scheint, so bietet dieselbe doch ebenfalls
wieder innige Beziehungen zur monaxonen Gestaltung dar, indem sich
nicht selten eine einfache weitere Schalenöffoung finden soll, die durch
besondere Erweiterung eines der grossen Porenkanäle entstanden gedacht
werden darf und wodurch dann der erste Schritt zur monaxonen Gestal-
tung geschehen ist. (Vergl. hierüber Carpenter 74 und Wallich D. sea
research. on Globigerina, sowie Brady 117. II.) In mehr oder weniger
innigem Anschluss an die homaxone kalkschalige Orbulinaform scheinen
*) Häckel, E., Ueber die Phaeodarien, eine neue Gruppe kieselschaliger mariner
Ehizopodcn. Sitzb. d. Jen. G. f. Med. u. Naturw^. Jahrg. 1879.
36 Ebizopoda.
eine Anzahl in neuerer Zeit durch F. E. Schulze (103) und Brady (117. I)
bekannt gevvordner sandiger mariner ßhizopoden zu stehen, nämlich die Gat-
tungen Psammo8phaera(V. 6), Sorosphaera, StortosphaeraundThu-
rammina (V.5). Es sind dies entweder freie oder auch aufgewachsene, sand-
schalige Rhizopoden mit sphärischer oder nahezu sphärischer Schale. Bei
der freien Psammosphaera findet sich keinerlei Oefifuung an der Schale,
so dass die Pseudopodien wohl ihren Austritt zwischen den die Wan-
dungen aufbauenden Partikeln nehmen müssen*). Aehnlich verhält sich
auch Sorosphaera. Bei Stortosphaera finden wir die freie kuglige Schale
äusserlich von kurzen zackenartigen Fortsätzen bedeckt, ohne jedoch eine
Münduugsöflfuung zu beobachten, wogegen Thurammina (V. 5) sich
noch am nächsten an Orbulina anschliesst, indem die gewöhnlich sphäri-
sche Schale eine grössere Zahl auf vorspringenden Tuberkeln gelegener
Porenöffnungen zeigt, denen sich jedoch sehr gewöhnlich noch eine von
einem kurzen röhrenförmigen Hals getragne Hauptöflfnung zugesellt, so
dass also auch bei dieser sandschaligen Form die gleiche Hinneigung zur
Monaxonie auftritt, die wir schon bei Orbulina bemerkten.
ß. Monaxone, monothalame Schalenbildungen.
Von der grossen Zahl der restirenden monaxonen beschälten Rhizopoden
würden sich zunächst die einaxigen und gleichpoligen Formen hier an-
schliessen, die nach dem Vorschlag von Hertwig und Lesser (99) gewöhnlich
als besondere Gruppe der Amphistomata unter den Imperforaten aufge-
führt werdeu. Es sind dies Süsswasserformen mit ellipsoidischer, mehr oder
weniger langgestreckter, entweder chitinöser (Diplophrys IV. 2a und
Ditrema) oder sandiger Schale (Amphitrema IV. 3), welche an beiden Polen
mit ziemlich weiter Mündung zum Austritt der Pseudopodien versehen ist.
So natürlich eine solche Gruppe der doppelmündigen Formen unter den
übrigen einkammerigen Imperforaten auch auf den ersten Blick er-
scheint, so kann doch wohl, wegen des interessanten Verhaltens gewisser
einkammeriger und einmündiger perforirter Formen der Gattung Lagena,
die scharfe Scheidung solcher doppelmündiger Formen von den einmün-
digen kaum streng durchgeführt werden. Bei dieser kalkschaligen, sehr
*) Bei dem heutigen Stand unserer Kenntnisse der Sarkodinen ist es kaum möglich,
eine scharfe Grenze zwischen den Gruppen derselben zu ziehen. Es wird daher in gewissen
Fällen schwierig, eine Form der einen oder der andern AbtheUung zuzuweisen. Die von Entz
(110) beschriebene Gattung OrbulineUa (IV. 4) macht diese Schwierigkeit sehr fühlbar. Sie
bietet einerseits Beziehungen zu den erwähnten homaxonen Khizopoden dar, wie sie anderer-
seits auch den Helizoen sich sehr nähert. Da sie jedoch ein kieseliges Skelet besitzt,
so glaube ich, dass ihre verwandtschaftlichen Beziehungen zunächst nicht auf die kalkschaligc
Gattung Orbulina, sondern auf die kieselschalige Gattung Clathrulina der Heliozoen hindeuten.
Wie wenig scharf sich jedoch zwischen homaxonen Ehizopoden und Heliozoen eine Grenze
wird ziehen lassen, geht auch noch daraus hervor, dass es auch heliozoenartige Formen gibt,
die sich mit einer aus Fremdkörpern erbauten HüUe umkleiden, was bei der Erörterung der
verwandtschaftlichen Beziehungen der oben aufgeführten, im ganzen bis jetzt sehr wenig ge-
kannten homaxonen Sandforaminifera nicht aus dem Auge zu lassen ist.
Schalengestaltunj. (Monaxone Monothalamien.) 37
artenreichen Gattung treten nämlich neben typischen einmiindigen Formen
auch eine kleine Anzahl doppelmündiger auf, die in ihren Gestaltsver-
hältnissen sich innigst an die erwähnten Amphistoraen anschliessen , in
ihrem übrigen Verhalten jedoch so nahe mit den einmündigen Lagenen
übereinstimmen, dass eine generische Trennung von diesen nicht wohl
gerechtfertigt erscheint. (Vergl. Lagena distoma P. u. J. , Lyelli Segu.
und gracillima Segu. VII. 20.)
Bei den übrigen Rhizopodenschalen sehen wir den monaxonen und
ungleichpoligen Schalenbau entweder an der ausgebildeten Schale aufs
deutlichste ausgeprägt oder, da durch die mannigfachen mit der Kammer-
bildung Hand in Hand gehenden Modificationen die Gcsammtgestalt der
ausgebildeten Schale eine sehr wechselnde, bis ganz unregelmässige wer-
den kann, diesen Charakter doch noch an dem jugendlichen Anfangstheil
derselben oder der sogen. Embryonalkammer ausgeprägt.
Betrachten wir hier zunächst die einkammerigen , monaxonen und
ungleichpoligen Schalen, die sowohl in der Abtheilung der Imperforata
als der Perforata vertreten sind und in beiden Gruppen, abgesehen von
dem feineren Bau der Schalenwandungen, sehr ähnliche Gestaltungsver-
hältnisse und parallel laufende Modificationen zeigen, wie denn auch in
beiden Gruppen sandschalige Vertreter dieses Formtypus sich finden.
Zunächst gehört von den Imperforaten hierher die ganze Reihe der
beschälten Süsswasserforraen (mit Ausnahme der schon erwähnten wenigen
abweichenden Gattungen). Die bei weitem vorherrschendste Gestaltung
dieser chitinösen, kieseligen oder sandigen Schalen, mit deren feinerer
Structur wir uns schon früher beschäftigt haben, ist im Allgemeinen eine
sack- bis eiförmige, die jedoch nicht selten durch etwas röhrige Verlänge-
rung des die Mündung tragenden Pols eine mehr fiaschenförmige wird
(z. B. bei Mikrogromia III. 15, Platoum III. 17 a, Lecythium etc.).
Durch starke Verkürzung der Längsaxe und scharfe Absetzung einer
abgeflachten, die Mündung tragenden Oralfläche von einer kuglig gewölb-
ten Aboralfläche geht die bekannte Schalengestalt der Arcella hervor
(II. 9 a), die sich ähnlich auch bei den als Pyxidicula und Pseudochlamys
(II. 8) unterschiednen Formen findet, wo jedoch die Oralfläche der Schale
entweder nur als dünne Haut oder als schmaler Saum ausgebildet ist,
der zuweilen auch vöillig fehlt*).
Gewöhnlich ist die Gestalt der hier zunächst zu erörternden Arcellinen,
Euglyphinen und Gromiinen eine drehrunde, also ohne Hervortreten be-
sondrer Queraxen, zuweilen bilden sich jedoch durch Abplattung der
Schale in einer der Längsaxe parallelen Ebene zwei solcher Queraxen
deutlich aus und die Schalengestaltung wird dadurch eine zweistrahlige.
Sehr deutlich tritt dies unter den Arcellinen bei den Gattungen Hyalo-
sphenia (II. 10) und Quadrula hervor (II. 12), z. Th. jedoch auch bei
*) üeber die wahrscheinlichen Beziehungen dieser beiden Gattungen zu Arcella vergl.
im System. Abschnitt.
38 Rhizopoda.
Difflugia. Die Abplattung kann sich bei gewissen, wohl zu Hyalosphenia
gehörigen Formen so vermehren, dass der Schalenrand zu einem zuge-
schärften Kiel ausgezogen erscheint (vergl. die sogen. Difflugia carinata*),
auch bei einer gewissen Form des Leidy'schen Genus Nebela soll sich eine
ähnliche Kielbildung finden. Auch bei Angehörigen der Gattung Euglypha
tritt eine solche Abplattung z. Th. sehr ausgeprägt hervor (so E. com-
pressa Gart.) und fehlt ferner nicht gewissen Gromiinen, ja es kann die
Gesammtgestalt des Körpers hier zuweilen platt schildförmig werden
(vergl. Gromia [Plagiophrys] scutiformis H. u. L,, III. 18).
Durch eintretende Excentricität der Mündungsöflfnung kann die öchalen-
gestalt jedoch auch in eine bilateral-symmetrische übergehen, wie solches
mehr oder weniger deutlich in jeder der 3 genannten Abtheilungen der
beschälten Süsswasserrhizopoden hervortritt. Ein derartiges Verhalten
finden wir zunächst bei einer ganzen Anzahl Difflugiaformen (so z. B.
D. aculeata Ehbg. III. 4, marsupiformis Wall. III. 2, 3, cassis Wall.). In-
dem sich zu solcher Excentricität der Münduug bei der Difflugia spiralis
(III; 9) noch eine spiralige Einkrümmung der Schalenhauptaxe gesellt,
zeigt sich die erste Hinneigung zu spiraliger Einrollung der bilateral-sym-
metrischen Schale, eine Eigenthümlichkeit, die in so grosser Verbreitung
den marinen Formen zukommt. Unter den Süsswasserformen bilden die
erwähnte Art und die etwas zweifelhafte Pleurophrys (?) Helix Entz
(III. 11) die einzigen bis jetzt bekannten Beispiele spiraliger Einrollung,
jedoch erreicht dieselbe hier höchstens ^/g Umgang.
Die Excentricität der Mündung ist unter den Euglyphinen charakte-
ristisch für die G. Trinema, deren Schalengestaltung sehr an die ähnlich
ausgezeichneten Difflugien erinnert, wogegen bei der G. Cyphoderia eine
bilaterale Gestaltung durch die schiefe Neigung des die Mündung tragen-
den Halses hervortreten kann (C. margaritacea III. 13).
Auch für eine Anzahl Genera der Gromiinen ist eine geringe Excen-
tricität der Mündung charakteristisch, so z. B. deutlich ausgeprägt bei
Lieberkühnia (III. 16), Mikrogromia (III. 15), Platoum (III. 17) und
Pseudodifflugia zum Theil.
Es geht aus dieser Betrachtung hervor, dass eine Hinneigung zu bi-
lateraler Schalengestaltung unter den erwähnten Süsswasserformen sehr
verbreitet ist und ihr gelegentliches Auftreten nicht einmal immer zur
Charakteristik bestimmter Genera geeignet erscheint.
Ganz ähnliche Gestaltungsformen zeigen uns auch die monothalameu
marinen Rhizopoden, seien dies nun kalkschalige oder mit Fremdkörper-
schalen versehene.
In sehr regelmässig monaxoner Bildungsweise und sehr mannigfaltiger
Entwicklung tritt uns zunächst die Gattung Lagena unter den kalkschali-
gen Perforaten entgegen (VII. 2 — 17).
*) Archer, Qu. j. micr. sc. VII.
Schalengestaltiiiig. (Moiiaxone Mouothalamia.) 39
Hier finden wir meist einen sehr regelmässig drelirunden, ei- bis
spindelförmig längsgestreckten Körper, der an einem Pol in einen mehr
oder minder verlängerten, halsartigen Fortsatz ausgezogen ist, auf dessen
etwas knopfartig angeschwollenem Ende die, meist von strahligen Furchen
oder Rippen umstellte Mündung liegt. Die drehrunde Gestalt kann jedoch
durch Entwicklung von Längsrippen in eine auf dem Querschnitt poly-
gonale übergehen, oder die Schale ist mehr oder minder comprimirt, wo-
bei der Rand ebenfalls sehr gewöhnlich als Kiel vorspringt, ja es kann
dieser Randkiel zu einer ansehnlichen Lamelle auswachsen, die wie ein
Hof die Schale umzieht (H. 14). Auch die sonst rundliche Schalenmündung
wird bei den comprimirten Formen häufig spaltartig ausgezogen (Fissu-
rina Rss.).
Eine besondere Eigenthümlichkeit dieser comprimirten Lagenaformen
mag hier noch kurz erwähnt werden. Bei einer grossen Reihe von in
allen übrigen Beziehungen mit den ebengeschilderten übereinstimmenden
Formen (VH. 13) findet sich nämlich keine halsartige Verlängerung der
Schale, dagegen ist eine von der äusseren, einfachen Mündung in die
Schalenhöhlang, z. Th. bis zum Grunde derselben, hineinreichende, an
ihrem Ende ofifne Röhre (gewissermaassen der umgestülpte Hals) vorhan-
den (Entosolenia Ehbg).
Auch sandige, an Lagena sich wohl anschliessende Formen sind
neuerdings von Brady aufgefunden und mit anderen nodosariaartig ge-
stalteten Formen unter dem Namen Hormosina (V. 8) beschrieben worden.
Unter den kalkschaligen marinen Imperforaten tritt die regulär mon-
axone Gestaltung nicht deutlich hervor, sondern sie sind entweder stets ent-
schieden bilateral entwickelt oder unregelmässig ausgebildet, wie dies bei
der M. Schultze'schen Squammulina der Fall ist, einer etwa linsenförmig
gestalteten kleinen, mit der einen abgeflachten Seite festgehefteten Schale
(IV. 7), die auf der convexen Oberseite eine excentrisch gelegene, ziem-
lich weite Mündung zeigt. Sehr wohl entwickelt tritt jedoch die regulär
monaxone und monothalame Bildung bei einem Theil der gewöhnlich zu
den Imperforaten gestellten*), sandigen marinen Rhizopoden hervor und
bedürfen diese Formen daher hier noch einer kurzen Erwähnung.
Die Gestaltung ihrer Schalen ist entweder eine mehr kuglige bis ei-
förmige, mit an einem Fol hervortretender Mündungsöffnung, die häufig
auch auf einer halsartigen verlängerten Röhre sich findet (so z. Th. bei
Pelosina [V. 7], Webbina) oder aber die Schale ist länger gestreckt kegel-
bis stabförmig, auch pokalförmig (Haliphysema) , wobei das erweiterte
Ende die gewöhnlich weit geöffnete Mündung darstellt (so Hyperammina
z. Th., Jacullela, Botellina, Rhabdopleura). Dabei sind die Formen ent-
*) Die Zutheiluiig dieser Formen zu den Imperforata ist Ijis jetzt keineswegs gesichert,
wenigstens können sicli darunter recht wohl perforirte Formen befinden. Der kleinste Theil
derselben ist bis jetzt im lebenden Zustand beobachtet worden, meist sind es nur leere Schalen,
die bekannt geworden sind und über deren Zugehörigkeit zu den Ehizopoden sogar in einigen
Fällen die Acten noch nicht geschlossen erscheinen.
40 Khizopoda.
weder frei, oder mit dem aboralen Ende aufgewachsen (Haliphysema, Bo-
tellina wahrscheinlich), oder auch ähnlich der schon beschriebnen Squam-
mulina mit einer Flachseite, die dann häufig nur unvollständig ausgebildet
ist, befestigt (so Webbina zum Theil).
Die hals- oder röhrenartige, die Mündung tragende Schalenverlänge-
rung kann ihre einfache Bildung mit einer verästelten vertauschen (so
flyperammina z. Th.), wobei dann statt der einfachen Mündungsöflfnung
mehrere an den Zweigenden der verästelten Röhre auftreten, eine Er-
scheinung, die auch unter den kalkschaligen Monothalamen, wenn auch
selten hervortritt, indem bei gewissen abweichenden Lagenaformen accesso-
rische Mündungen, die selbst wieder auf kurzen Röhren sich finden, an
dem Schalenhals auftreten können. Auch bei der schon erwähnten sand-
schaligen Haliphysema tritt eine Verästelung der Schale zuweilen auf
(H. ramulosa Cart).
Andrerseits tritt bei einer Reihe sich hier anschliessender Sandschalen
eine Mündungsbildung auch am anderen Pol der Schale auf, so dass die-
selbe hierdurch den amphistomen Charakter annehmen, womit jedoch
ebensowenig wie bei Lagena eine schärfere Abgrenzung derselben von
den monostomen Formen angezeigt scheint. Die Gestalt wird in diesem
Falle bei langgestreckten Schalen etwa eine spindelförmige mit etwas ver-
dickter Mittelregion (Marsipella V. 10) oder die beiden Mündungen liegen
auf röhrenförmigen Verlängerungen einer mehr kugligen oder scheiben-
förmigen Schale (Rhabdammina zum Theil).
Die Zahl der Mündungsöfi'nungen kann aber bei den hier zu be-
sprechenden Formen noch eine weitere Vermehrung erfahren. So können
bei der eben erwähnten Rhabdammina an Stelle zweier sich 3 — 5 mit
endständigen Mündungen versehene armartige Röhren entwickeln, so dass,
da diese Arme sich gewöhnlich nur in einer Ebene ausbreiten, eine rad-
oder sternförmige Gestalt entsteht. Die Entwicklung dieser Arme kann
so weit gehen, dass von einem scheibenförmigen Centraltheil der Schale
nichts mehr übrig bleibt. In noch beträchtlicherer Zahl können solche
Arme aus dem scheibenförmigen Centraltheil der Schale bei der Gattung
Astrorhiza sich entwickeln, wobei die Arme entweder unverzweigt bleiben,
und die Centralscheibe einen ansehnlichen Durchmesser erreicht (V. 11)
oder die Arme verzweigen sich geweihartig und die Centralscheibe redu-
cirt sich sehr oder ist kaum angedeutet.
Während bei den eben erwähnten Formen die die Mündungen tra-
genden Arme gewöhnlich nur in einer Ebene an den Scheibenrändern
hervortreten, strahlen bei einer weiteren, gleichfalls zu Astrorhiza gestell-
ten Form (A. catenata) von dem etwa eiförmigen Centraltheil allseitig ähn-
liche armartige Fortsätze aus und schliesslich bilden sich auch ganz röhrige,
unregelmässig verzweigte Formen. Im Gegensatz zu den ebenerwähnten
interessanten Gattungen Rhabdammina und Astrorhiza ist die nahver-
wandte Dendrophrya mit der Centralscheibe der Schale aufgewachsen und
Schalengestaltung. (Spirale Monothalamicn.) 41
von ihr entspringen wie bei Astrorhiza eine grössre Zahl geweihartig ver-
ästelter Röhren, die an ihren Enden geöffnet, den Pseudopodien Durch-
tritt gewähren.
Schliesslich können dann hier noch einige Formen angereiht werden,
die vielfach verästelte, entweder freie (Rhizammina) oder auf einer Unter-
lage aufgewachsene Röhren bilden (Sagenella V. 16), wobei die einzelnen
Zweige entweder frei ohne gegenseitige Verbindung bleiben können oder
aber mit einander Anastomosen zu bilden vermögen (Sagenella), so dass
die Gesammtbildung dann gewissermaassen an ein Plasmodium erinnert,
das sich allseitig mit sandiger Hülle umkleidet hat, ausgenommen die
freien Enden seiner Zweige.
Wenden wir uns nach dieser Betrachtung der sandigen monothalamen
Formen von eigenthümlichem Bau nun wieder zu den kalkschaligen Mono-
thalamien mit ausgeprägter Bilateralität.
Eine solche Bildung wird bei den marinen Formen sehr gewöhnlich
dadurch hervorgerufen, dass die Schalenhauptaxe ihre gerade Streckung
aufgibt und sich spiralig einkrümmt. Die Einrollung erfolgt bei den bi-
lateral gebildeten Schalen natürlich in einer Ebene, die als die Windungs-
ebene bezeichnet wird und die Medianebene der Schale repräsentirt. Der-
artige Schalenformen sind sowohl unter den Imperforaten, wie Perforaten
verbreitet und auch durch sandschalige Formen vertreten.
Da die spiralig eingerollten Schalen sowohl unter den Monothalamen
wie den Polythalamen eine so hervorragende Rolle spielen, wird es
hier gerechtfertigt erscheinen, über eine Anzahl technischer Ausdrücke,
die zur Verständigung über die Eigenthümlichkeiten solcher Schalenformen
von Nutzen sind, noch vorläufig kurz zu berichten. Schon oben wurde
der Windungsebene gedacht; eine auf dieser Ebene in dem Anfangs-
punkt der spiralig gekrümmten Längsaxe errichtete Senkrechte wäre als
Windungsaxe zu bezeichnen, während die spiralig eingerollte Längsaxe
wohl am besten als Spiralaxe bezeichnet wird. Den, einem vollständigen
Umlauf dieser Spiralaxe ent?jprechenden Schaleutheil bezeichnen wir als
einen Umgang und messen demnach auch die Spiralaxe nach der Zahl
ihrer Umgänge. Der Abstand der beiden Punkte, in welchen ein Radius
der Spiralaxe die innere und äussere Oberfläche eines Umgangs schneidet,
wird Umgangshöhe genannt.
In gleicher Weise, wie für die ähnlich spiral aufgerollten Schalen der
Cephalopoden und Gastropoden eine mathematisch gesetzmässige Bildung
der Spiralität hauptsächlich durch Naumann nachgewiesen wurde, konnte
auch in neuerer Zeit das Gleiche für die entsprechenden Rhizopodenschalen
durch V. Möller bestätigt werden (116). Es hat sich ergeben, dass eine
sehr auffallende Uebereinstimmung der spiral gewundenen Rhizopo-
den- und Cephalopodenschalen existirt. Zur genaueren Untersuchung
der der spiralen Aufrollung zu Grunde liegenden mathematischen Ge-
setzmässigkeit betrachtet man gewöhnlich die sogen. Rückenspirale,
d. h. die spiralige Durchschnittslinie der peripherischen Wandung der
42 Rhizopoda.
Schalenwindiingen mit der Windimgsebenc. Ein tieferes Eingehen auf
die von Möller für eine Reihe von Geschlechtern der Nummuliniden
festgestellten mathematischen Gesetze der Spiralen Aufrollung glau-
ben wir hier unterlassen zu können, namentlich auch deshalb, weil, so
interessant diese Erscheinungen auch an und für sich und vorzüglich im
Vergleich mit den spiral gewundnen Cephalopoden erscheinen, bis jetzt
doch alle Anhaltspunkte fehlen, um diese Regelmässigkeiten mit ander-
weitigen Organisations- und Wachsthumsverhältnisseu in Beziehung zu
setzen und eventuell hierdurch zu einer Erklärung derselben zu gelangen.
Nach welchen Gesetzen sich die Spirale bei den Monothalamen , die
uns hier zunächst interessireu, aufbaut, ist bis jetzt noch nicht ermittelt,
die später erst genauer zu erörternden gekammerten Formen sind hin-
gegen fast durchaus nach der sogen, cyclocentrischen Conchospirale Nau-
mann's gewunden, d. h. einer Conchospirale, deren Mittelpunkt sich ge-
wissermaassen zu einem Kreis erweitert hat. Letztres hängt damit zu-
sammen, dass bei diesen gekammerten Formen stets eine im Median-
schnitt nahezu kreisförmige sogen. Central- oder Embryoualkammer sich
findet, auf welche erst die spiralige Einrollung der Schalenwände folgt.
Der Charakter der sogen. Conchospirale ist dadurch bestimmt, dass bei
ihr nur die sich entsprechenden Windungsabstände (also die auf einem
Radius liegenden) in geometrischer Progression zunehmen, während bei
der logarithmischen Spirale (die nur einen besondern Fall der Concho-
spirale darstellt) auch die Durchmesser und Halbmesser in geometrischer
Progression wachsen. Aber auch der Specialfall der logarithmischen Spi-
rale wird nach den Untersuchungen MöUer's von einem Theil der ge-
kammerten Formen repräsentirt.
Zur Bestimmung der Gleichung einer gewissen cyclocentrischen
Conchospirale ist erforderlich die Kenntuiss des Radius desjenigen Kreises,
auf dessen Peripherie der Anfangspunkt der Spirale liegt. Dieser sogen.
Archiradius (a) ist also nach dem oben bemerkten gleich dem Halbmesser
der Centralkammer. Ferner wird noch erfordert der sogen. Parameter (a),
die absolute Höhe der ersten Windung an ihrem Endpunkt und schliess-
lich der sogen. Windungsquotient (p), d. h. das Verhältniss zwischen zwei
aufeinanderfolgenden, entsprechenden Windungshöhen. Aus diesen Grössen
ergibt sich die Grösse des Radius (r) der Spirale für einen beliebigen
Umlaufswinkel desselben (v) zu
Die logarithmische Spirale ist derjenige bestimmte Fall dieser cyclo-
centrischen Conchospirale, in welchem der Archiradius a = ^ wird,
woraus für dieselbe die entsprechende Gleichung r = ^ P Jn ^^^^ ^^''
giebt. Wie jedoch von Naumann schon für die spiralgewundenen Schalen
der Mollusken gezeigt wurde, erfolgt auch für die ähnlichen der Rhizo-
Sclialeiigestaltung. (Spirale Moiiothalauiia.) 43
poden häufig die spirale Aufrollung- nicht durchaus nach derselben Concho-
spirale, sondern durch plötzliche Aenderung des Windungsquotienten und
zwar sowohl Vergrösserung als Verkleinerung desselben, kann plötzlich
die spirale Aufrollung nach einer cyclocentrischen Conchospirale von an-
derer Gleichung weitergehen, für welche der Abstand des Anfangspunktes
(Aenderungspunktes) vom dem Centrum den sogen. Archiradius bildet.
Es finden sich also auch hier bei den Rhizopoden die zusammengesetzten
sogen. Pleospiralen Naumann's wieder und lassen sich im speciellen Fall
als Diplo-, Triplospiralen und so fort bezeichnen. Da die Veränderung
des Windungsquotienten hierbei sowohl in einer Vergrösserung als Ver-
kleinerung gegenüber der Anfangsspirale bestehen kann, so lassen sich
auch hier exostehne und entostehne Pleospiralen unterscheiden.
Noch eine weitere Eigenthümlichkeit der Spiralen Aufrollung der
Rhizopodenschalen wurde hauptsächlich durch von Möller aufgedeckt,
nämlich der unter den Nummuliniden häufige Uebergang der letzten Win-
dung aus dem spiralen in ein kreisförmiges Wachsthum. Hiermit muss
natürlich schliesslich eine Berührung der letzten Windung mit der äusse-
ren Oberfläche der vorletzten und damit ein Verschluss und Abschluss der
Schale eintreten. Dieser Fall tritt natürlich dann ein, wenn der Windungs-
quotient der Spirale plötzlich gleich Null wird.
Im Gegensatz hierzu ist es jedoch bei den spiralgewundnen Rhizo-
poden eine nicht seltene Erscheinung, dass die spirale Einrollung allmäh-
lich in gerade gestrecktes Wachsthum übergeht, so dass ein spiral auf-
gerollter Anfangstheil von einem geradlinigen Endtheil zu unterscheiden
ist. Ausserdem treten jedoch mannigfache weitere Unregelmässigkeiten
in der spiraligen Aufrollung noch hervor, die späterhin eingehender zu
erörtern sein werden.
Nach dieser allgemeinen Betrachtung der mathematischen Gesetz-
mässigkeiten, die sich im Spiralen Aufbau der Rhizopodenschalen erkennen
lassen, gehen wir jetzt wieder über zur Besprechung des morphologischen
Aufbau's der einkammerigen spiralgewundenen Formen.
Es finden sich solche sowohl unter den Injperforata wie Perforata
und werden auch durch sandige Formen repräsentirt. Die einfachsten
Gestaltungsverhältnisse erkennen wir unter den Imperforata bei der Gat-
tung Cornuspira (IV. 8), unter den Perforata bei der ganz ähnlich ge-
bauten Spirillina (VIII. 1), unter den Formen mit sandiger Schale bei
Ammodiscus (V. 20—22) Bei diesen sämmtlichen Formen berühren sich
die mehr oder minder zahlreichen Windungen der Schale nur, ohne sich
zu umgreifen, und die Umgangshöhe wächst entweder in Zusammenhang
mit einer Abplattung der Umgänge (parallel der Windungsebene) rasch
an (Cornuspira) oder nur sehr allmählich (Spirillina und Ammodiscus).
Während bei Cornuspira die spiralige Aufrollung eine ganz regelmässig
symmetrische ist, treten dagegen bei Spirillina auch asymmetrische For-
men auf, bei welchen die Aufrollung nicht mehr in einer Ebene, sondern
niedrig schraubenspiralig erfolgt (Brady 117, II) und noch weit unregel-
44 Rhizopoda.
massiger erfolgt z. Tb. die Aufrollung bei der sandscbaligen Gattung
Ammodiscus. Hier finden sieh neben ganz regelmässig symmetrisch spi-
raligen Formen auch solche, bei denen die Aufwindung nicht mehr nur
in einer Ebene erfolgt, sondern eine ganz unregelmässige, knäuelförniige
wird (V. 21 u. 22), ein Uebergang zu unregelmässigem Wachsthum, wie
ihn auch andere Rhizopodengattungen noch zeigen. Auch ein Aufgeben
der spiraligen Einrollung und Weiterwachsthum in gestreckter Linie ist
hier z. Th. schon zu bemerken.
Im Gegensatz zu diesen eben erwähnten Formen mit sich nur berüh-
renden, äusserlich wohl sichtbaren Umgängen stehen zwei im Grunde sehr
ähnlich gebaute perforate Gattungen: Involutina (IX. 12) und Archaeo-
discus (IX. 13), bei welchen sich zwar die Hohlräume der aufeinander-
folgenden Umgänge nur wenig umfassen, wo jedoch die die Wandungen
der Jüngern Umgänge bildende Schalenmasse über die älteren successive
sich ausdehnt, so dass also dennoch eine Umwachsung der älteren durch
die jüngeren Umgänge vorliegt. Hierbei kommt denn weder eine nabel-
artige Vertiefung zur Ausbildung, noch ist äusserlich von den einzelnen
Umgängen etwas zu erkennen, sondern die Schale besitzt eine einfach
linsen- bis scheibenförmige Gestaltung. Während bei Involutina die
Aufrollung regelmässig in einer Ebene vor sich geht, verläuft dieselbe
hingegen bei Archaeodiscus, ähnlich wie dies schon für gewisse Am-
modiscen hervorgehoben wurde, etwas unregelmässig (s. den Querschnitt
IX. 13b), indem die Windungsebene im Verlaufe des Wachsthums sich
mehrfach ändert.
y. Mehrkammerige (polythalame) Schalenbildungen.
Weitaus die meisten marinen Rhizopoden bilden durch periodische
Unterbrechungen und darauf folgende besondere Intensität des Wachs-
thums Schalen, welche mehr oder weniger deutlich diese Wachsthums-
perioden durch ihre Zusammensetzung aus einer mit dem Alter des Thiers
sich erhöhenden Zahl von Abschnitten, sogen. Kammern, verrathen. Wie
wir jedoch die mannigfaltigen Gestaltsbildungen der monothalamen Schalen
durch sehr allmähliche Uebergänge mit einander verbunden sahen, so
stehen auch die mehrkammerigen keineswegs unvermittelt den ersteren
gegenüber, sondern sind durch Zwischenbildungen mit denselben ver-
knüpft.
Schon bei gewissen spiralgewundenen monothalamen Geschlechtern,
so Cornuspira und Ammodiscus, verräth sich zuweilen eine Hinneigung
zur Bildung einer Anzahl Abschnitte durch seichte in unregelmässigen Ab-
ständen die Umgänge umziehende Einschnürungen der Schalenwandung,
die nur wenig tiefer greifen und in regelmässigerer Folge auftreten müss-
ten, um die monothalame Schale in eine polythalame überzuführen. Die
Bildung regelmässig sich wiederholender Kammerabschnitte findet sich in
ganz entsprechender Weise durchgeführt sowohl bei Imperforata als Per-
Schalengcstaltung. (Polythalamia.) 45
forata und wie wir nach den Beziehungen der sandigen Formen er-
warten dürfen, auch bei diesen.
Ihre innigen Beziehungen und ihre ursprüngliche Herleitung von mono-
thalamen Formen, verrathen jedoch die poly thalamen , spiralig auf-
gerollten SchalenbilduDgen auch noch dadurch, dass sie ihr Wachsthum
stets mit einer kugeligen oder eiförmigen Anfangskammer beginnen, die
mouaxon gebildet ist und durch diesen Bau verräth, dass auch diese For-
men sich ursprünglich von gestreckten, monaxonen Gestalten herleiten,
die erst späterhin zu einem Spiralen Wachsthum übergingen.
Die Art der Kammerbildung bei den polythalamen Formen ist etwas
verschieden, was hauptsächlich von der Bildungsweise der Kammern
selbst herzurühren scheint. Sind dieselben ungefähr röhrenförmig mit weite-
rer, wenig verengter Mündung, so lagert sich jede folgende Kammer so
an die vorhergehende an, dass zwischen beiden nur eine wenig scharfe
Grenzmarke sich findet, meist als eine Einschnürung auf der Grenze bei-
der Kammern, die von der etwas verengten Mündung der altern Kammer
herrührt. Sind hingegen die Mündungsöffnungen der Kammern sehr ver-
engt, so lagert sich jede neue Kammer gewöhnlich in der Weise, die Mün-
dung überdeckend auf die vorhergehende auf, dass der überdeckte Theil
der Wand der vorhergehenden Kammer nun eine Scheidewand zwischen
den Höhlungen der beiden aneinandergelagerten Kammern bildet. In den
meisten Fällen wird diese Scheidewand in der geschilderten Weise nur
von einer einfachen Schalenlamelle, nämlich der Fortsetzung der Wand
der älteren Kammer gebildet, indem nämlich derjenige Abschnitt der neuen
Kammer, der sich an die alte anlehnt, keine besondere neue Wand er-
hält, sondern einfach durch die Wand der vorhergehenden Kammer ver-
vollständigt wird. So ist das Verhalten wenigstens durchweg bei den poly-
thalamen Imperforaten und einem grossen Theil der einfacheren Perforaten.
Bei den höher entwickelten Formen dieser letzten Abtheilung hingegen
erhält die Scheidewand jedoch noch eine Verstärkung dadurch, dass sich
an ihrer Bildung auch die Wand der neuen Kammer betheiligt. In dieser
Weise wird demnach bei jenen letzterwähnten Formen jede Scheidewand
aus zwei Lamellen aufgebaut, die sich entweder dicht aufeinanderlegen
oder LückcDräume zwischen sich lassen, welche zur Bildung eines sogen.
Kanalsystems der Schale beitragen. Die genauere Besprechung der ver-
schiedenen Bildungsvorgänge der polythalamen Schalen wird die eben an-
gedeuteten Verschiedenheiten klarer darlegen und werden wir in der fol-
genden Darstellung dieser höchst mannigfaltigen und zum Theil sehr com-
plicirten Schalenbildungen uns weniger von allgemeinen morphologischen
Gesichtspunkten, die bei den verschiedenen Unterabtheilungen z. Th. in
recht ähnlicher Weise zur Ausbildung gelangen, leiten lassen, als weit
mehr von dem genetischen Zusammenhang der Formen unter einander,
der ein sehr inniger ist, und beginnen daher naturgemäss mit den ein-
facheren Imperforata.
46 Ehizopoda.
y/ Imperforate Poly thalamia.
Als ein Beispiel sehr unvollständiger Sonderung der aufeinander-
folgenden Kammern einer polytlialamen Imperforaten verdient hier zu-
nächst die sehr eigenthümliche Gattung Nubecularia hervorgehoben
zu werden (IV. 9). Ausser durch den eben erwähnten Charakter wird
dieses Geschlecht noch durch seine grosse Mannigfaltigkeit und meist
auch Unregelmässigkeit der Gestaltung ausgezeichnet, welche letztere
Eigenthtimlichkeit ohne Zweifel in Zusammenhang mit der festsitzenden
Lebensweise steht. Wir haben es hier mit einem der nicht seltnen pro-
teisch vielgestaltigen Formenkreise zu thun, wie sie gerade die aufge-
wachsenen marinen Rhizopoden mehrfach darbieten. Das Wachsthum der
Schale ist ursprünglich ein spiralig aufgerolltes (9 c), ähnlich etwa dem von
Cornuspira, jedoch ein polythalames , wenngleich die einzelnen Kammer-
abschnitte nicht durch wohl ausgebildete Scheidewände von einander ge-
schieden werden, sondern ihre Sonderung nur durch eine Verengerung
des Endtheils der Kammern, und eine beträchtliche Erweiterung des hin-
tern Abschnittes der folgenden Kammer zu Stande kommt. In der Art
wird eine Scheidewand zwischen den aufeinanderfolgenden Kammern nur
durch eine schwache Einfaltung der Kammerwand angedeutet. Da die
Schale mit einer der Windungsebene parallelen und abgeplatteten Fläche
aufgewachsen ist, ist eine symmetrische Ausbildung der Spiralschale hier
nicht möglich und diese asymmetrische Bildung wird dadurch noch er-
heblich vermehrt, dass die Schalen wand der aufgewachsenen Seite ent-
vs^eder nur sehr dünn oder, was noch häufiger, überhaupt nicht entwickelt
ist, so dass also der als Unterlage dienende Fremdkörper den Ab-
schluss der Schalenwandung bildet. Dagegen besitzt die freie Seite sehr
dicke, starke Kalkwände, welche meist so sehr verdickt sind, dass äusser-
lich eine Unterscheidung der einzelnen Kammerabschnitte und ihrer An-
ordnung nicht mehr möglich ist. Nur sehr selten bleibt jedoch das regu-
lär spiralige Wachsthum während der ganzen Lebensdauer erhalten, sehr
häufig geht es nach einiger Zeit in ein geradliniges, ebenso häufig jedoch
auch in mehr oder weniger uuregelmässig hin- und hergebogenes über, ja
es finden sich auch solche geradlinig oder unregelmässig entwickelte For-
men, welchen ein spiraliger Anfangstheil ganz abgeht. Auch Verzwei-
gungen der einfachen Kammerreihe sind zu beobachten, wo dann mehrere
neben einander hinlaufende Reihen sich finden können, und durch
vielfache, hier nicht näher zu erörternde Foimbildungen hindurchgehend,
treffen wir schliesslich auch auf ganz unrege massig neben- und überein-
ander gehäufte Kammermassen (9 a), die nur durch Berücksichtigung aller der
Mittelstufen und der Schalentextur etc. als in diesen Formenkreis gehörig
erkannt werden können. Eine Abweichung nach anderer Richtung muss
hier noch kurz erwähnt werden, es besteht dieselbe nämlich in beträcht-
licher Verbreiterung der Kammern, so dass diese bei ihrer geringen Höhe
eine bandartig ausgedehnte Form annehmen (9 b). Hiermit ist jedoch
Sclialeugcstaltung. (Nubecularia etc., Miliolina.) 47
eine etwas vollständigere Ausbildung der Scheidewände zwischen den
Kammern verknüpft, indem die einfache weite Verbindungsöffnung zwi-
schen den aufeinanderfolgenden Kammern durch einwachsende Brücken
in eine grössere Zahl secundärer Oeffnungen zerlegt wird. Durch der-
artige Wachsthumsmodificationen können sogar Formen entstehen, die
eine gewisse morphologische Aehnlichkeit mit den später zu schildern-
den Geschlechtern Peneroplis und Orbitolites aufweisen.
Wie zahlreiche andere Geschlechter der kalkschaligen marinen Rhizo-
poden zeigt auch die Gattung Nubecularia eine ziemlich ausgesprochene
Neigung (wenigstens in gewissen Modificationen ihrer Bildung) Sand zur
Verstärkung in die Schalenwandungen aufzunehmen. Es erscheint dieses
Verhalten gerade hier nicht uninteressant, da sich auch unter den rein
sandigschaligen marinen Rhizopoden eine Anzahl Formen finden, welche
eine ziemliche morphologische Aehnlichkeit im Schaleubau mit der soeben
beschriebenen Gattung aufweisen. Dies gilt hauptsächlich von der d'Or-
bigny'schen Gattung Placopsilina, welche von den englischen Forschern
gewöhnlich in ihrem sehr erweiterten Genus Lituola eingeschlossen wird.
Wir haben es hier mit äusserlich rauhen sandigschaligen Formen zu thun,
die ähnlich wie bei Nubecularia gewöhnlich einen deutlich spiraligen
Wachsthumsbeginn zeigen, ja meist deutlicher als bei dieser kalkschaligen
Gattung. Mit der einen Seite sind sie aufgewachsen und ähnlich Nube-
cularia ist dann die Wandung dieser aufgewachsenen Seite häufig nur
sehr unvollständig ausgebildet. Gewöhnlich wird das spiralige Wachs-
thum nicht bis zu Ende fortgesetzt, sondern geht in gerades bis unregel-
mässiges über ; auch Verzweigungen treten ähnlich wie bei Nubecularia
auf, wie denn auch aus ganz unregelmässig zusammengehäuften Kammern
gebildete Formen hier nicht fehlen.
Einen nur geringen Grad der Sonderung der Kammern von einander
zeigen auch die hier zunächst sich anschhessenden Miliolinen. Durch die
Gattung Spiroloculina reihen dieselben sich recht innig an die früher er-
wähnte monothalame Cornuspira an. Mit einer nahezu kugeligen Anfangs-
kammer beginnend wächst die Schalenröhre in spiralig sich aufrollenden,
sich berührenden Umgängen symmetrisch vreiter (IV. 10), wobei nach Car-
penter der innere Abschluss jedes neuen Umgangs gar nicht von besonderen
Wandungen, sondern von der peripherischen Wand des vorhergehenden
Umgangs gebildet wird, eine Regel, die wenigstens für Spiroloculina nach
meinen Erfahrungen nicht durchaus richtig ist.
Indem die Schalenröhre am Ende jedes halben Umgangs eine
Einschnürung erhält, die ohne Zweifel eine Wachsthumspause ver-
räth, während welcher die Einschnürungsstelle als häufig noch durch be-
sondere Eigenthümlichkeiten ausgezeichnete Mündungsöfifnung fungirt,
wird eine vielkammerige Schale gebildet, deren einzelne Kammern je einen
halben Umgang Ausdehnung besitzen. Sämmtliche Einschnürungsstellen
einer solchen Schale liegen, wie aus obiger Schilderung hervorgeht, in
48
Ehizopoda.
einer geraden Linie, die wohl auch die ursprüngliche Hauptaxe der durch
excentrische Verlagerung der Mündungsöffnung symmetrisch bilateral ge-
wordenen Embryonalkammer darstellt. In der Richtung dieser Hauptaxe
zeigen die Angehörigen der Gattung Spiroloculina sowohl als die übrigen
Miliolinen gewöhnlich eine Längsstreckung, wodurch die regulär spira-
lige Aufrolluug etwas alterirt wird.
Eine weitere Abweichung zeigen die übrigen Miliolinen dadurch, dass
die bei Spiroloculina sich nur berührenden, daher auf beiden Seitenflächen
der Schale völlig sichtbaren Umgänge (oder die sie constituirenden
Kammerabschnitte) sich bei den übrigen mehr oder minder umfassen, so dass
jeder neue Umgang den vorhergehenden entweder nur zum Tbeil (Quinque-
loculina) oder gänzlich (Biloculina) verdeckt. Bei Quinqueloculina
(IV. 11) wird die Schale durch abwechselnde ungleiche Umfassung auf
den beiden Seitenflächen gleichzeitig asymmetrisch (s. den nebenstehenden
Holzschnitt a), so dass gewöhnlich auf der einen Seitenfläche der Schale
4, auf der entgegengesetzten durch stärkere Umfassung hingegen nur
3 Kammerabschnitte sichtbar bleiben.*)
Biloculina (IV. 12 u. 13) hingegen ist durch völlige und symmetrische
Involubilität ausgezeichnet, so dass hier stets nur die beiden jüngsten
Kammerabschnitte sichtbar bleiben (vergl. auch den Querschnitt der ent-
sprechend gebauten Fabularia IV. 21).
Bedeutsamer erscheint die Abweichung
von der den Ausgangspunkt unserer Be
trachtung bildenden Spiroloculina bei der
Gattung Triloculina, die äusserlich nur
3 um die Längsaxe regelmässig gruppirte
Kammerabschnitte bemerken lässt(VIII. 3).
Es lässt sich diese Form entweder so deu-
ten, dass hier die Winduugsebene nach je-
dem halben Umgang sich um 120*' um die
Längsaxe verschiebt, oder aber auch durch
eine besondere Art der gegenseitigen Um-
wachsung der einzelnen Kammerabschnitte
in der Weise, dass während der 2. (vergl.
nebenstehenden Holzschnitt b) sich nach bei-
den Seitenflächen hin gleichmässig aus-
dehnt, der 3. hingegen hauptsächlich über die linke, der 4. über die
rechte Seitenfläche hinwächst u. s. f.
Von besondrem Interesse ist noch eine sehr gewöhnliche Auszeich-
nung der Mündungsöffnung der besprochnen Miliolinen, indem in dieselbe
ein zungenartiger, bei den einzelnen Formen recht mannigfach gestalteter
Vorsprung von der Aussenvvand des vorhergehenden Umgangs hineinragt
a. Idealer Querschnitt von Quinqueloeulina,
b. ebens. von Triloculina.
*) Doch herrscht bezüglich der Zahleaverhältaisse der sichtbaren Kammern ziemliche
Variabilität.
Monothalame Impcrforata. (Miliolina, Peneroplina.) 49
(IV. 13, 14 u. 15), eine Einrichtung, die vielleicht mit der bei verwandten
Formen auf der Grenze der Kammern auftretenden Scheidewandbildung
in Verbindung gebracht werden darf. Letzteres scheint um so mehr ge-
stattet, da zuweilen (Quinqueloculina saxorum) durch diese vorspringende
Zunge und noch weitere hierzu sich gesellende rippenartige Vor.
Sprünge der innern Mündungsränder, welche mit jener verwachsen, die
Mihidung bis auf eine Anzahl Durchlassporen ganz verschlossen werden
kann.
Wie schon oben im Allgemeinen hervorgehoben wurde, ist es eine
unter den spiralgewundnen Rhizopoden sehr verbreitete Erscheinung, dass
nach einer Anzahl von Umläufen die spiralige Krümmung allmählich ge-
ringer wird und schliesslich in ein geradliniges Wachsthum übergeht.
Diese Erscheinung tritt auch bei dem zunächst mit den Miliolinen ver-
wandten Genus Vertebralina hervor, wie bei der gleichfalls nahe
verwandten Peneroplis. Bei Vertebralina (IV. 17) ist der ältere Anfangs-
theil der Schale in miliolinenartiger Weise spiralig eingerollt, so jedoch,
dass gewöhnlich 3 — 4 Kammerabschnitte einen Umgang bilden, worauf
dann die Schale ihr Wachsthum in gerader Linie mehr oder weniger lang
fortsetzt. Auch hier sind zwischen den einzelnen Kammern Scheidewände
noch kaum gebildet, sondern jede folgende Kammer ist auf die gewöhnlich
etwas erweiterte Mündung der vorhergehenden aufgesetzt. Gelegentliches
Fehlen des geradlinigen Endtheils der Schale schliesst diese Formreihe
noch näher an die Miliolinen an, wie jedoch andrerseits auch der gerad-
linig gestreckte Schalentheil bei weitem überwiegen kann, so dass
schliesslich ein spiralig eingerollter Anfangstheil ganz unterdrückt wird
(ünterg. Aiticulina d'Orb. IV. 18).
Sehr ähnlich dem spiralig aufgerollten Anfangstheil der Vertebralina-
schale ist auch hinsichtlich ihrer allgemeinen Configuration die Gattung
Hau er in a (IV. 20), welche von Carpenter zu Miliola gezogen wird. Sie
beginnt ganz miliolartig, setzt jedoch ihr weiteres Wachsthum mit 3 bis
4 Kammern auf den Umgang fort. Der vorzugsweise hervorstechende
Charakter dieser Form ist jedoch die Umbildung der Mündung zu einer
siebförmig von Poren durchbrochnen Platte (IV. 20 b, ähnlich der er-
wähnten Quinqueloc. saxorum), so dass füglich hier auch die aufeinander-
folgenden Kammern durch solche von Poren durchsetzte Scheidewände
geschieden werden.
In nahem Anschluss an die soeben erwähnten Formen steht die
Gruppe der Peneropliden (IV. 22, V. 1, VIII. 12) mit der Hauptgattung
Peneroplis. Wir haben es hier mit symmetrisch-spiralig aufgerollten
Formen zu thun, die jedoch schon von Beginn eine ziemlich beträchtliche
Zahl von Kammern in den Umgängen aufweisen. Es ist nämlich die
Länge jeder Kammer nur eine geringe, dagegen die Höhe meist recht
beträchtlich. Gewöhnlich sind die Umgänge parallel der Medianebene
sehr comprimirt, wodurch, in Zusammenhang mit der beträchtlichen
Kammerhöhe, die Mündungsfläche, sowie die entsprechenden Septalflächen,
Bronn, Klassen des Thier-Eeichs. Protozoa. 4
50 Rhizopoda,
hoch und schmal werdeo. Die Septalflächen sind hier durch eine Ein-
faltung- der Kainmerwand zum grösseren Theil geschlossen, so dass also
wohlgebiidete Scheidewände und eine entsprechende Mündungswand sich
finden, die entweder von einer langgestreckten spaltartigen und dendritisch
verzweigten Mündungs- oder Septalötfnung durchsetzt werden (Dendritina
IV. 24), oder nur eine, bei breiterer Gestaltung der Septalflächen jedoch
auch zwei Eeihen von Porenöffnungen aufweisen (Peneroplis V. 1). Letzteres
Verhalten leitet sich wohl von der Auflösung der dendritisch verzweigten
Mündungsspalte in eine grössere Zahl von Poren her (eine Art Uebergangs-
bildung siehe IV. 25). Die Zahl dieser Poren der Scheidewände vermehrt
sich successive, die älteste weist nur einen Porus auf, in den folgenden
nimmt ihre Zahl stetig zu. Eine weitere Mannigfaltigkeit dieser Formen-
reihe wird noch dadurch erreicht, dass die sich gewöhnlich nur berührenden
Umgänge sich mehr umfassen, ein Verhalten, das namentlich häufig an
der jüngeren Hälfte des letzten Umgangs hervortritt, sich jedoch auf die
gesammten Umgänge ausdehnen kann , so dass die Schale hierdurch
ziemlich iuvolut wird (Dendritina) und die Septalflächen eine mehr huf-
eisenförmige Gestaltung annehmen. Auch Uebergang in geradliniges
Wachsthuni tritt sehr häufig bei Peneroplis wie Dendritina hervor. Von
besonderem Interesse ist ferner noch, dass in Verbindung hiermit bei
Peneroplis sehr gewöhnlich die letzten Kammern besonders in der Rich-
tung der Umgangshöhe, also senkrecht auf die Längsaxe (Spiralaxe)
ausvvachsen, wobei gleichzeitig die Kammerlänge sehr gering wird (V. 1).
Indem in dieser Weise die letzten Kammern sich successive sehr rasch
senkrecht zur Längsaxe, verbreitern, nimmt so der Endtheil der Schale
eine fächerartig ausgebreitete Gestalt au und werden die Septalflächen
sehr lang und stark gekrümmt. Indem sie sich mit ihren Enden stark
nach den äheren Schalentheilen zurückbiegen, kann die Ausdehnung der
Mündungsfläche schliesslich nahezu ^/^ des ganzen Schalenumfanges be-
tragen. In solcher Weise ist hier schon eine Hinneigung zum Uebergang
in das sogen, cyklische Wachsthum gegeben, wie es bei den später zu
besprechenden Orbiculina- und Orbitolitesformen in hoher Ausbildung
hervortritt, wo die einzelnen Kammern sich bis zur Bildung geschlossener
Ringe zurückbiegen. Auch die früher erwähnte Gattung Vertebralina zeigt
schon eine ähnliche Modifikation ihres Wachsthums in den als Renulites
bezeichneten fossilen Formen (IV. 19).
In allgemein morphologischer Hinsicht scheinen die mit sandiger
Schale versehenen Gattungen Lituola Lmck. und Haplophragmium Rss.
in ziemlich naher Beziehung zu den eben geschilderten Formen der Pene-
ropliden zu stehen (fraglich bleibt jedoch bis jetzt, ob eine solche An-
näherung auch in genetischer Beziehung gerechtfertigt ist). Es sind dies
freie Formen mit symmetrisch spiraliger Schale, deren Umgänge gewöhnlich
einen ziemlich hohen Grad von Involubilität zeigen und entweder ihr
ganzes Wachsthum in der begonnenen spiraligen Aufrollung fortsetzen
(so dass die Gesammtgestalt der Schale dann von einem Dendritina-artigen
Polythalame Imperforata. (Lituola, Orbitolitiiia.) 51
Habitus ist [V. 17]) oder es gehen, ähnlicli wie bei den als Spirolina be-
zeichneten Modifiliationen von Dendritina, die letzten Kammern in ein
geradliniges Wachsthiim über und wird die Gesammtform der Schale
hierdurch eine bischofstabförmige (V. 18 a). Die Mündungsbeschaffenheit
dieser saudigen Formen ist eine etwas verschiedenartige; entweder sind
die Kammerscheidewände von einer einfachen, jedoch häufig unregel-
mässigen Oeffnung durchbrochen, die auch ähnlich wie bei Dendritina
eine dendritisch verzweigte Beschaffenheit besitzen kann, oder es finden
sich bei Lituola statt der einfachen Mündung zuweilen auch mehrere
Durchbrechungen der Scheidewände, die Mündung nimmt eine zusammen-
gesetzte Beschaffenheit an, ja die Scheidewände werden z. Th. siebartig
(V. 18 b). Letztere Eigenthtimlichkeit steht wohl ohne Zweifel in Zu-
sammenhang mit den labyrinthischen Auswüchsen, die hier von den innern
Flächen der Kammerwände entspringen und, wie dies früher schon im All-
gemeinen als für einen Theil der sandigschaligen Formen charakteristisch
geschildert wurde, die Kammerhöhlungen in ein Maschenwerk von zahl-
reichen uuregelmässigen Kämmerchen theilen.
Zu den interessantesten morphologischen Wachsthumsverhältnissen
der polythalamen Schalen der marinen Rhizopoden gehört die eigenthüm-
liche Umwandlung des spiralig symmetrischen Wachsthums in das sogen,
cyklische, wie wir solches unter den Imperforaten bei den Geschlechtern
Orbiculina und Orbitolites, unter den Perforaten hingegen bei Heterostegina,
Cycloclypeus und Orbitoides antreffen. In beiden morphologischen Reihen,
welche durch diese besonderen Wachsthumsverhältnisse charakterisirt werden,
tritt noch eine weitere Eigenthümlichkeit, die wohl nicht ausser Zusammen-
hang mit der ersteren steht, hervor, nämlich eine Unterabtheilung der
ursprünglichen Kammerräume durch secundäre, in senkrechter Richtung
zu den primären verlaufende Scheidewände in eine mehr oder minder
grosse Zahl secundärer Kammern oder Kämmerchen (chamberlets, Carpenter).
Dieselbe Erscheinung fanden wir, wenngleich von viel unregelmässigerer
Ausbildung, schon bei den sandschaligen Rhizopoden und letzthin speciell
bei der Gattung Lituola. Obwohl es sich hier um ganz unregelmässige
Untertheilungen der Kammerräume handelt, so unterliegt es doch wohl
keinem Zweifel, dass in beiden Fällen im Princip dieselbe Erscheinung
vorliegt.
Das beste Verständniss für die Herleitung dieses cyklischen Wachs-
thums aus dem einfach spiraligen bietet die imperforate Gattung Orbiculina
dar (VI. 2) und indem wir die Betrachtung der durch ähnliche Wachthums-
vorgänge ausgezeichneten, jedoch ohne Zweifel genetisch nicht hierher
gehörigen Gattungen der Perforata auf später verschieben, beschäftigen
wir uns zunächst mit den cyklischen Imperforata und zwar der erwähnten
Gattung Orbiculina.
Diese Form lässt sich am natürlichsten herleiten von gewissen Modi-
fikationen der schon früher geschilderten Peneroplis und es unterliegt
4*
52 Khizopoda.
wohl auch keinem Zweifel, dass es sich hier um einen wirklich genetischen
Zusammenhang handelt. Die hier in Betracht kommenden Peneroplis-
formen sind die schon erwähnten , bei welchen die jüngsten Kammern,
indem sie ihr spiraliges Wachsthum aufgeben, sich sehr rasch verbreitern,
so dass die Gesammtgestalt der Schale hierdurch eine fächerföraiige wird.
Denkt man sich diese Verbreiterung rasch noch mehr anwachsen, indem
die Kammerenden sich dabei mehr und mehr um den spiraligen Anfangs
theil der Schale herumlegen (VI. 2A), so dass schliesslich die Enden
einer gewissen Kammer sich treffen und zu einer kreisförmig geschlossenen
verschmelzen (VI. 2B), so erhält man eine ungefähre Vorstellung davon,
in welcher Weise aus den in spiraliger Anordnung aufeinanderfolgen-
den Kammern schliesslich kreisförmig geschlossene hervorgehen und das
Weiterwachsthum dann durch peripherische Neubildung solcher kreis-
förmiger Kammern cyklisch vor sich geht.
Eine etwas eingehendere Darstellung der Bauverhältnisse von Orbi-
culina wird diese Wachsthumsvorgänge noch deutlicher machen. Mit
einer oder mehreren ziemlich ansehnlichen Embryonalkammern beginnend,
geht diese Form dann in ein symmetrisch spiraliges Wachsthum über,
das sie in regelmässiger Weise mehrere Umgänge hindurch verfolgt
(VI. 2 C). Diese spiraligen Umgänge werden ähnlich wie bei Peneroplis
von zahlreichen, sehr schmalen Kammern gebildet, die sich rasch ver-
breitern, da die Umganghöhe schnell zunimmt. Diese spiraligen Umgänge
umhüllen sich völlig und es besitzt daher die junge Schale oder der
spiralige Anfangstheil älterer Schalen eine nahezu kuglige Gestaltung.
Die die Kammern scheidenden Septen sind sehr stark nach vorn convex
gekrümmt und die Kammerräume, wie schon erwähnt, durch auf den pri-
mären Septen senkrecht aufstehende secundäre in zahlreiche Kämmerchen
getheilt, deren Zahl sich natürlich mit der Verbreiterung der Kammern
(entsprechend der Zunahme der Umgangshöhe) rasch vermehrt. Unter
sich stehen alle diese Kämmerchen eines Kammerabschnitts durch eine,
oder bei bedeutenderer Höhe der Secundärsepten (die Höhe hier parallel
zur Windungsaxe genommen) durch mehrere Verbindungskanäle in Com-
munication. Ebenso stehen auch die Kämmerchen der aufeinanderfolgenden
Kammerabschnitte durch Porenkanäle in Verbindung, die in Zahl ähnlichen
Schwankungen unterliegen, wie die zuvor geschilderten, und die nicht von
den Kämmerchen selbst ausgehen, sondern von den oben geschilderten
Verbindungskanälen zwischen den benachbarten Kämmerchen eines
Kammerabschnittes (vergl. die ähnliche Bildung bei Orbitolites VI. lA, c).
Diese letzterwähnten Porenkanäle sind es dann natürlich auch, die, indem
sie auf der Septalfläche der jüngsten Kammer münden, die Verbindung
mit der Aussenwelt herstellen (VI. 2D). — Aehnlich wie bei Peneroplis
fungiren daher statt einer einfachen Mündung hier eine oder mehrere
Reihen von Poren auf der Münduugsfläche (VI. 2 E). — Die stark convexe
Vorwärtsbiegung der Primärsepten macht, dass, im Zusammenhang mit
der bedeutenden Höhe der Umgänge, die Septalflächen rasch zu sehr
Polytlialame Imperforata. (Orbitolitina.) 53
ansehnlicher Ausdehnung gelangen, so dass sie bald etwa Va ^er ge-
samniten Schalenperipherie bilden. Das Weiterwachsthura vollzieht sich
nun in etwas verschiedener Weise. Entweder indem das spiralige Wachs-
thum in ein geradliniges übergeht und der periphere Schalenrand in einer
ziemlich geraden Linie weiterwächst (VI. 2C*), so dass demnach hier die
Kammerenden in gerader Linie übereinander aufgestapelt sind , während
im Gegensatz zu diesem Halt, der den peripheren Kammerenden hier ge-
setzt ist, die Kammern sehr rasch nach der entgegengesetzten freien Seite
auswachsen, indem sie sich, sich immer mehr und mehr vcrgrössernd, um
den spiraligen Theil der Schale allmählich völlig herumziehen. Endlich
legen sie sich bei fortdauernder Neubildung und Vergrösserung um den
oben erwähnten geradlinig fortgewachsenen peripheren Schalenrand herum,
bis schliesslich eine der Kammern mit dem Ende ihrer cyklisch um die
älteren Theile herumgelagerten Partie wieder auf ihren peripherischen
Anfangstheil stösst, und so die erste völlig kreisförmig abgeschlossene
Kammer gebildet worden ist (VL 2 B). Durch weitere Neubildung solcher
kreisförmiger Kammern kann dann auch der Gesammtumriss der Schale
sich der Kreisgestalt mehr und mehr nähern , jedoch wird dieselbe in
diesem Falle gewöhnlich nicht völlig erreicht, da der geradlinig fort-
gewachsene peripherische Rand sich noch durch eine Einbiegung oder
Abstumpfung der Peripherie merklich macht. Bei der zweiten Art des
Uebergangs ins cyklische Wachsthum bildet sich dagegen eine ziemlich
reguläre Kreisform aus, indem hier das rasche Auswachsen der Kammer-
enden beim üebergang ins geradlinige Wachsthum gleichmässig nach dem
peripherischen wie nach dem centralen Kammerende hin geschieht. Es
lagern sich daher hier die Enden der Kammern allmählich von beiden
Seiten um den spiraligen Anfangstheil der Schale herum (VL 2A), und
das Zusammenstossen derselben zur Bildung der ersten cyklischen Kam-
mer vollzieht sich also in der Verlängerung der Axe des geradlinigen
Wachstbums. Mit der Neubildung von cyklischen Kammern wird hier die
ursprünglich noch vorhandene Einschnürung rasch ausgeglichen und der
Umriss der Schale nahezu kreisförmig. Noch ist zu erwähnen, dass mit
dem Üebergang des ursprünglich spiraligen Wachsthums ins geradlinige
die Umfassung der früheren Windungen durch die neugebildeten Kammern
allmählich gänzlich aufhört, womit sich gleichzeitig auch die Höhe der
neugebildeten Kammern (im Sinne der Windungsaxe) verringert, so
dass die Schale nach dem Rande hin dünner wird und die Porenreihen
auf den Scheidewänden sich verringern, während der spiralige Anfangstheil
der Schale knopfartig hervorsteht.
In noch viel vorzüglicherer, jedoch jedenfalls principiell überein-
stimmender Weise tritt das cyklische Wachsthum bei der nächstver-
wandten Gattung Prbitolites hervor (VI. 1). Das wichtigste Charakte-
ristikum dieser Gattung gegenüber Orbiculina besteht in der sehr früh-
zeitigen Ausbildung der cyklischen Wachsthumsweise, indem hier
bei Orbitolites gewöhnlich auf eine recht ansehnliche Embryonal-
54 Rhizopoda.
kammer (VI. 1 E, a), die von einer dieselbe zur Hälfte oder nahezu völlig
umfassenden, ansehnlichen und nur zuweilen durch eine senkrechte
Scheidewand theilweis untergetheilten zweiten Kammer umgeben wird (b),
sogleich die kreisförmig geschlossenen Reihen von kleinen Orbiculina-
artigen Kämmerchen folgen. Indem sich zahlreiche weitere derartige
Cyklen von Kämmerchen beim Weiterwachsthum ausbilden, wird die
Schalengestaltung sehr bald eine scheibenförmige mit ganz regulär
kreisförmigem Umriss (VI. lA), Da ferner im Gegensatz zu Orbiculina
die jüngeren Cyklen allmählich an Höhe (im Sinne der Windungsaxe)
zunehmeo, so verdickt sich die Scheibe nach den Rändern zu mehr oder
minder regelmässig, so dass die Flachseiten der Scheibe schwach concav
ausgehöhlt erscheinen (VI. 1, B— D), oder doch wenigstens im Centrum
eine derartige concave Aushöhlung und starke Verdünnung der Scheibe
aufweisen (im Gegensatz zu der knopfartigen Verdickung bei Orbiculina).
Die ursprüngliche Herleitung dieser cyklischen Wachsthumsweise aus
der spiraligen lässt sich jedoch zuweilen noch, wenn auch nicht so
charakteristisch wie bei Orbiculina, bei gewissen fossilen Orbitoliten nach-
weisen (auch bei dem recenten Orb. tenuissimus*) soll sich dieses Ver-
halten zum Theil zeigen), indem die ersten Kämraerchenreihen nicht als
geschlossene Cyklen hervortreten, sondern sich wie bei Orbiculina auf
die üntertheilung von spiralig angeordneten primären Kammern zurück-
führen lassen, welche jedoch hier sehr bald in das cykliscbe Wachsthum
übergehen. Die feineren Bauverhältnisse der kreisförmigen Kämmerchen-
reihen zeigen auch bei Orbitolites eine ziemliche Mannigfaltigkeit der
Bildung, die zur Unterscheidung von einfachen und complicirt gebauten
Formen geführt hat. Bei den ersteren (VI. 1, A u. B) besitzen die
Kämmerchen die einfache Bildung wie bei Orbiculina und eine verhältniss-
mässig geringe Höhe; jedes der Kämmerchen steht mit den benachbarten
desselben Cyklus durch eine Verbindungsröhre in Communication, während
die Verbindung der Kämmerchen der aufeinanderfolgenden Cyklen durch
radiale Röhrchen, die von jenen erstgenannten Verbindungsröhrchen ent-
springen und in die alternirend gestellten Kämmerchen des nächst jüngeren
Cyklus münden, vermittelt wird (VI. 1, A, c). Auf der peripherischen
Randfläche der Scheibe tritt so eine Reihe von Mündungsporen hervor,
welche die Ausmündungsstellen solcher radialen Röhrchen darstellen und
über denen sich in der Folge die Kämmerchen eines neuen Cyklus bilden
werden (VI. 1, A, d). Bei den complicirter gebauten Formen hingegen
(VI. 1, C u. D) beginnen die cyklischen Kämmerchenkreise im Centrum
der Scheibe in ähnlich ^einfacher Weise, gehen jedoch, indem die Höhe
der Kämmerchen rasch zunimmt, früher oder später in complicirtere
Bildungsverhältnisse über. Zunächst nämlich treten statt der einfachen
cirkulären Verbindungsröhren zwischen den Kämmerchen der einzelnen
Cyklen zwei solcher Verbindungsröhren auf, die nahe an die Ober- und
*) Carpenter etc. Proc. roy. soc. XYIII. u. Brady 115 II.
Polytbalamo Iinperforata. (Orbitolitos.) 55
Unteifläche der Scheibe rücken (V.4,h%^). Gleichzeitig sondern sich hiermit
die jenseits dieser cirkulären Verbindungsröhren den Scheibenflächen anlie-
genden Theile der Kämmerchen von dem mittleren Abschnitt ab, so dass
durch diese Sonderung die peripherischen Scheibentheile wie aus 3
Kämmerchenlagen zusammengesetzt erscheinen; nämlich einer mittleren,
die nach aussen rasch an Höhe anwächst und zwei oberflächlichen (c^), die
sich auf der gesammten Scheibe nahezu in gleicher Höhe erhalten (VI. 1 D).
Unter sich stehen die jedem Cyklus entsprechenden 3 Kämmerchen-
lagen (wenigstens bei den typischen Exemplaren) in Verbindung durch
Vermittlung der beiden cirkulären Verbindungsröhren jedes Cyklus, indem
sich die Kämmerchen der mittleren Lage direct (gewissermaassen wie
Communikationskanäle) zwischen den beiden cirkulären Eöhren ausdehnen,
wogegen die oberflächlichen Kämmerchen so geordnet sind, dass sich ein
Cyklus von ihnen zwischen zwei aufeinanderfolgende cirkuläre Verbindungs-
röhren einschiebt und jedes der oberflächlichen Kämmerchen sich durch
je ein feines Verbindungsröhrchen mit diesen beiden cirkulären Verbindungs-
röhren in Communikation setzt. Die hohen Kämmerchen der mittleren Lage
sind wie die der einfachen Formen alternirend gestellt in den aufeinander-
folgenden Cyklen (V. 4, c) und es stehen auch die der benachbarten Cyklen
in Communikation durch feine Verbindungsröhren, die von jedem Kämmer-
chen der mittleren Lage in verschiedener, meist jedoch recht beträchtlicher
Zahl (je nach der Höhe derselben) alternirend nach rechts und links hin
entspringen und sich zuden beiden alternirend gestellten Kämmerchen des
folgenden Cyklus begeben (c u. e^). Auf dem peripherischen Rand der Scheibe
münden die entsprechenden Verbindungsröhrchen des letzten Cyklus der
mittleren Lage in Gestalt zahlreicher in mehr oder weniger regelmässigen
senkrechten Reihen neben einander gestellter Poren aus (f). Ueberhaupt ist
jedoch die Regelmässigkeit in der Bildung der mittleren Kämmerchen
keine sehr grosse; häufig nehmen sie zum Theil eine recht unregelmässige
Gestaltung an und in Verbindung hiermit bilden sich accesorische, zum
Theil gleichfalls recht unregelmässig beschaffene Communikationen zwischen
den benachbarten Kämmerchen aus. Im Gegensatz hierzu stehen die
Kämmerchen der oberflächlichen Lagen unter einander in keiner directen
Communikation und die der aufeinanderfolgenden Cyklen alterniren auch
nicht mit einander. In Betreff der Zahlenverhältnisse besteht keine Be-
ziehung zwischen den Kämmerchen der mittleren und der oberflächlichen
Lagen , stets jedoch sind die letzteren an Zahl viel reichlicher wie die
ersteren, so dass ca. 3 — 4 in jeder oberflächlichen Lage auf 1 Kämmerchen
der mittleren Lage kommen.
Aus dieser Schilderung der Bauweise der complicirten Formen dürfte
hervorgehen, dass eine so directe Ableitung derselben von den ein-
fachen, wie sie oben der Einfachheit der Darstellung wegen gegeben
worden ist und wie sie Carpenter darzustellen versucht, in der Natur
nicht begründet erscheint. Die Herleitung der complicirten Formen aus
den einfachen scheint sich vielmehr in der Weise vollzogen zu haben,
56 ßhizopoda.
dass sich allmählich die mittlere Kämmerchenlage zwischen die beiden
Hälften der ursprünglich einfachen Kammern eingeschaltet hat und im
wesentlichen darauf zu beruhen, dass sich mit der Ausbildung der zwei
gesonderten cirkularen Verbindungsröhren und ihrer weiten Trennung von
einander ein System von Verbindungsröhren (die Kämmerchen der mitt-
leren Lage) entwickelt hat. Hieraach würden also die oberflächlichen
Kammerlagen eigentlich den Kämmerchen der einfachen Form entsprechen,
jedoch zeigen sie durch ihre abweichenden Stellungsverhältnisse (nicht
alternirend in den aufeinanderfolgenden Cyklen) sich gleichfalls etwas
verschieden von dem Verhalten bei den einfach gebauten Formen. Nach
Carpenter sollen sich jedoch zahlreiche Uebergangsformen zwischen dem
einfachen und dem complicirten Typus finden, die hier näher zu schildern
der Raum gebricht, so dass gleichwohl eine nähere Beziehung zwischen
diesen beiden zu existiren scheint, wenn auch durch die bis jetzt vor-
liegenden Schilderungen der morphologische Zusammenhang derselben
keineswegs völlig aufgeklärt scheint.
Von Interesse erscheinen einige morphologische Besonderheiten im
Schalenbau gewisser Orbitoliten. So wird zuweilen (namentlich bei ge-
wissen fossilen durch Gümbel*) näher bekannt gewordenen Formen)
das Dickenwachsthum der Randzone ein abnorm starkes, so dass die-
selbe zu einem dicken ringförmigen Wulst auswächst (Orbitolites circum-
valvata Gmb.). Auf ähnliche abnorme Wachsthumsvorgänge in der Rand-
region der Scheibe dürfen auch die recenten Formen des complicirten
Typus zurückgeführt werden, bei welchen die Raudpartie der Scheibe
eine krausenartige Faltung zeigt und woran sich dann schliesslich die
eigen thümlichsten Formen anreihen, wo sich von der Höhe dieser Falten,
hauptsächlich auf der einen Seite der Scheibe, senkrechte leistenartige
Auswüchse von ziemlicher Höhe entwickeln (V. 5); indem sich die Enden
dieser Leisten brückenförmig zusammenneigen, können sie schliesslich mit
einander verwachsen und der Art durch weitergehende Entwicklung in
dieser Richtung ein netzartiges durchbrochnes Dach über der einen Seiten-
fläche der Scheibe bilden.
Einen besondern Typus der morphologischen Entwickelung weist
noch unter den Imperforaten die Gattung Alveolina auf (V. 2a— b),
die in gewisser Hinsicht, nämlich durch die Untertheilung der pri-
mären Kammerräume, an die soeben genauer geschilderten Formen
sich anschliesst, dagegen in dem allgemein morphologischen Typus ihres
Schalenbaues unter den Imperforaten kein eigentliches Ebenbild hat.
Dagegen finden sich unter den Perforaten und zwar in der Abtheilung
der Nummuliniden eine Anzahl um die Gattung Fusulina sich gruppirender
Formen, die in Bezug auf die allgemeinen Gestaltsverhältnisse am meisten
an den jetzt zu besprechenden Typus der Imperforaten sich anschliessen,
wenn auch die feineren Bau Verhältnisse hier ebenso wenig an eine
*) Jahrb. f. MineraJ. u. Geol. 1872.
Imperforate Polythalainia. (Älveolina.) 57
genetische Zusammengehörigkeit denken lassen, als dies bezüglich der
nach cyklischem Wachsthum sich entwickelnden Formen der Impertbraten
und der Perforaten der Fall ist.
Die zunächst ins Auge fallende Eigenthümlichkeit dieses Genus,
welche dasselbe auch mit den soeben erwähnten Fiisuliniden unter den
Perforaten gemein hat, ist die meist langgestreckte, etwa ei- bis spindel-
förmige Gestaltung, welche in beiden Fällen auf den gleichen Bedingungen
beruht. Wir haben es hier nämlich mit symmetrisch spiralig aufgerollten
Schalen von völliger Involubilität zu thun, bei welchen die Umgangshöhe
im Allgemeinen eine recht geringe ist und auch nur sehr allmählich zunimmt
(siehe den Querschnitt V. 2 b). Besonders ansehnlich stark sind dieselben
hingegen in der Richtung der Windungsaxe verlängert, sodass bei Alveolina
die Länge der Windungsaxe wenigstens dem Durchmesser der Schale (in
der Windungsebene gleichkommt, und die Gestalt der ganzen Schale der
Art nahezu oder völlig kugelförmig wird; gewöhnlich übertrifft jedoch
die Länge der Windungsaxe den erwähnten Durchmesser sehr beträchtlich
und damit wird die Schalengestalt eine verlängert eiförmige bis spindel-
förmige, ja sogar cylindrische (V. 2 a). Die feineren Verhältnisse der
inneren Organisation zeigen auch bei diesem Formtypus einen verschiednen
Grad von Complication , ähnlich wie wir solches schon von Orbitolites
kennen gelernt haben. Bei den einfacheren, fossilen Formen wird jeder
Umgang durch eine Anzahl primärer Septen, die jedoch im Ganzen wenig
entwickelt sind, in eine massige Zahl von primären Kammern getheilt.
Dieselben haben im Zusammenhang mit der allgemeinen Configuration der
Schale eine niedere, jedoch in der Richtung der Windungsaxe sehr ver-
längerte bandförmige Gestalt. Die Septalflächen und die Endfläche der
letzten Kammer haben natürlich eine entsprechende Gestaltung; sie besitzen
nur eine sehr geringe Höhe, dagegen eine Länge, die von dem einen Pol
der Schale bis zu dem andern reicht. Jede Primärkammer wird durch
eine grosse Anzahl secundärer, senkrecht zur Windungsaxe verlau-
fender Septen in zahlreiche ziemlich schmale, langgestreckte secuudäre
Kämmerchen getheilt, jedoch bleiben an ihrem Hinterende sämmtliche
secundäre Kämmerchen durch einen parallel der Windungsaxe in jedem
primären Karamerabschnitt ziehenden, dicht unter der äussern Oberfläche
verlaufenden Kanal in Verbindung. Auf der Endfläche der letzten
Kammer münden, wie zu erwarten, die secundären Kämmerchen je
durch einen Mündungsporus aus, so dass die Gesammtheit dieser Poren
in einer Reihe etwa längs der Mittellinie der Mündungsfläche hinzieht.
Zuweilen tritt jedoch auch hier schon eine Vermehrung der Müudungs-
poren jedes Kämmerchens zu zweien auf und eine noch reichere Ver-
mehrung dieser Poren in Zusammenhang mit weiteren inneren Com-
plicirungen charakterisirt nun die complicirter gebauten recenten Alveolinen
(V. 2). Bei diesen letzteren finden wir, dass jedes der secundären
Kämmerchen der einfachen Form durch das Auftreten von Septen 3. Ord-
nung (V. 2'' d— dg), die in der 2—5 Zahl vorhanden sein können (jedoch
58 Eliizopoda.
gewöhnlich in der Dreizahl jedes Kämmerchen durchziehen) in weitere und
zwar röhrige Kämmerchen 3. Ordnung zerlegt wird (e — eg), von denen
nun jedes auf der Septal- oder Miindungsfläche durch einen besonderen
Porus nach Aussen mündet, so dass sich hier auf der MUndungsfläche
zahlreiche vertikale Reihen von gewöhnlich je 4 Poren neben einander
finden (V. 2 a). Diese tertiären Septen theilen jedoch die Kämmerchen
2. Ordnung nicht völlig, sondern lassen in jedem den hintersten Abschnitt
ungetheilt (2b, f), durch welchen, wie durch eine radiale Verbindungs-
röhre, die 4 — 5 Kämmerchen 3. Ordnung in Verbindung stehen. Unter
sich stehen jedoch diese hintern Reste der secundären Kämmerchen jeder
Primärkammer gewöhnlich durch 2 longitudinal, parallel der Windungsaxe,
verlaufende Kanäle (2 b, c u. b) in Communikation. Zu bemerken dürfte
noch sein, dass die oberflächlichsten Kämmerchen 3. Ordnung in viel
grösserer Zahl neben einander in jeder Primärkammer zu finden sind, wie
die tiefer liegenden, wodurch die oben gegebene und im Interesse des
leichteren Verständnisses gewählte Art der Ableitung dieser complicirten
Formen von den einfachen ähnlich wie bei Orbitolites etwas unsicher
wird. Es erinnert aber gerade diese Kleinheit und die entsprechende
grössere Zahl der oberflächlichen Kämmerchen an ähnliche Verhältnisse
bei Orbitolites.*)
Neuerdings wurde von v. Möller (116) eine fossile Foraminiferengattung unter dem
Namen Fusulinella aus dem Kohlenkalk beschrieben, die sich in allen ihren Bauverhältnissen
auf das innigste an die schon erwähnten perforirten Fusuliniden anschliesst, unter anderem
auch ein sogen. Kanalsystem aufweist, wie solches bei keiner Gattung der Imperforaten bis
jetzt gefunden wurde. Nach v. Möller soll jedoch diese Gattung Fusulinella sich durch die
fehlende Perforirung der Schalenwände von den eigentlichen Fusuliniden unterscheiden imd
daher zu den Imperforata zu rechneu sein. Trotz der Güte der v. MöUer'schen Untersuchungen
können wir doch unsere Zweifel an der Richtigkeit seiner Beobachtung nicht unterdrücken,
um so mehr, als auch die Zugehörigkeit der übrigen Fusuliniden zu deu Perforaten erst sehr
allmählich festgestellt wurde. Wir werden daher erst späterhin bei der Besprechung der
Fusuliniden auf die Besonderheiten dieses Genus zurückkommen.
y,^ Morphologische Verhältnisse der hauptsächlichsten Typen der poly-
thalamen Perforata.
Während uns die Betrachtung der Formtypen der Imperforaten mehr-
fach Gelegenheit gegeben hat, den Uebergang des ursprünglich spiraligen
Wachsthums in das geradlinig gestreckte zu verfolgen, bieten uns die
*) Carpeuter (74, p. 104) glaubt zwischen den Orbiculinen und Alveolinen eine nahe
Verwandtschaft annehmen zu dürfen, indem sich die letztern aus den erstem durch ent-
sprechende Aenderung der allgemeinen Gestaltung leicht ableiten Hessen. Gegen diese Be-
ziehung dürften sich jedoch gegründete Bedenken erheben lassen, da die secundären Septen
der Orbiculinen mit denen der einfachen Formen der Alveolinen, die doch hier zunächst in
Betracht kommen, der Lage nach gar nicht übereinstimmen, wie sich solches durch einige
üeberlegung leicht ergibt. Während diese secundären Septen bei Orbiculina parallel zur
Windungsaxe gestellt sind, verlaufen sie dagegen, wie oben hervorgehoben, bei Alveohna senk-
recht zu dieser, womit meiner Ansicht nach ein recht principieller Unterschied zwischen beiden
Formen gegeben ist.
Pcrforate Polytlialamia. (Nudosarien.) 59
jetzt zunächst in Betrachtung zu ziehenden einfachsten morphologischen
Bildungsverhältnisse der Perforata, die wir in der Abtheilung der Lagenida,
jedoch auch z. Th. ähnlich in der der Globigerinida antreffen, Gelegenheit,
uns davon zu überzeugen, dass auch die morphologischen Umbildungs-
verhältnisse in umgekehrter Weise ihren Verlauf nehmen können, dass
nämlich ein ursprünglich gestreckt geradliniges Wachsthum durch Ein-
krümmung in ein spiraliges sehr allmählich überführen kann. Aus den
uns früher schon bekannt gewordenen einfachsten monothalamen Formen der
Perfo raten, die in der Gattung Lagena (einschhesslich Entosolenia) zusammen-
gefasst werden, gehen nämlich in sehr natürlicher und einfacher Weise
eine Reihe sehr nahe mit einander verwandter polythalamer Formen her-
vor, die von Carpenter sämmtlich dem Genus Nodosa rina eingereiht
werden. Im Allgemeinen vollzieht sich die Bildung solcher polythalamer
Formen, ausgehend von der monothalamen Lagena, in der uns schon von
den Imperforaten her bekannten Weise, indem sich nämlich über die Mün-
dung einer einfachen Kammer eine neue aufsetzt, so dass die hintere
nicht mit eigenen Schalenwandungen versehene Partie dieser neuen Kammer
durch den überdeckten Theil der alten ihren Abschluss erhält und die
Mündungsöffnung der ersten Kammer in den Hohlraum der zweiten führt.
Der von der neuen Kammer überdeckte Theil der Wandung der ersten
fungirt nun als Scheidewand zwischen beiden Kammern. Dass die Ab-
leitung solcher polythalamen Formen von dem monothalamen Geschlecht
Lagena gerechtfertigt ist, ergibt sich aus gelegentlich bei gewissen Formen
des letztern auftretenden Doppelbildungen, die ganz einen solchen
Typus der Kammervermehrung darstellen. In dieser Weise können sich
eine mehr oder minder grosse Anzahl von Kammern zur Bildung einer
derartigen polythalamen Form aneinanderreihen , jedoch bieten sich im
speciellen zahlreiche, durch besondere Wachsthumsbedingungen und Ge-
staltungsverhältnisse hervorgerufene Modifikationen dar.
Die einfachsten Verhältnisse treffen wir zunächst bei einer Reihe von
Formen an, bei welcher die Kammern so aufeinander aufgesetzt sind, dass
die Axen sämmtlicher monaxoner Einzelkammern zusammen eine gerade
Linie, nämlich die Hauptaxe der ganzen polythalamen Schale bilden. Im All-
gemeinen wird die Gestalt einer solchen Schale, als deren typischer Ver-
treter die Gattung Nodosaria (in weiterem Sinne) zu betrachten ist, eine ge-
streckte, stabförmige sein (VIII. 14), jedoch geht dieselbe häufig über in eine
mehr kegelförmige, wenn nämlich die jüngeren Kammern an Grösse mehr
zunehmen; und durch besondere Gestaltungsverhältnisse der einzelnen Kam-
mern, sowie ihr gegenseitiges Verhalten, werden noch eine grosse Zahl spe-
cieller Modifikationen hervorgerufen. Bleiben die Einzelkammern nahezu
kugelig, indem sie sich gegenseitig nur wenig umfassen, so dass die Gren-
zen oder Nähte zwischen ihnen ziemlich vertieft erscheinen, so sehen wir
die wesentlichsten Eigenthümlichkeiten der Gattung Nodosaria vor uns.
Natürlich ist bei der regulären Gestaltung der Einzelkammern hier die
Mündung auch eine rundliche und genau axial gelegene (VIII. 14 e).
60 Khizopoda.
Variationen in der Form sind hier hauptsächlich durch innigeres Zusamnaen-
rücken der einzelnen Kammern oder aber durch Auseinanderrücken der-
selben gegeben, was in der Weise zu Stande kommt, dass, ähnlich wie
dies bei der monothalamen Lagena gewöhnlich, jede Einzelkammer eine
die Mündung tragende halsartige Röhre entwickelt und die folgenden
Kammern nur auf diese Halsröhren aufgesetzt sind, so dass demnach die
Gesammtgestalt einer solchen Nodosaria ein perlschnurartiges Aussehen
darbietet.
Durch einfache Modifikation der Gestaltung der Einzelkammern
sehen wir aus Nodosaria die als Lingulina bezeichneten Formen hervor-
gehen (VII. 23), indem nämlich die Kammern ihre kugelige Form mit
einer parallel der Hauptaxe comprimirten vertauschen und gleichzeitig
auch die axenständige Mündung entsprechend der Comprimirung der
Schale eine in die Länge gezogene, schlitzförmige wird (VII. 23 b). Rücken
die Kammern inniger aufeinander als dies bei Nodosaria der Fall ist, so
dass jede jüngere ungefähr die Mündungshälfte der nächst altern umfasst,
so entstehen kürzere, mehr oder weniger eiförmige Gestalten, indem die
umfassenden jüngeren Kammern verhältnissmässig rasch anwachsen
müssen (VII. 25). Für solche Formen wurde von d'Orbigny der Name
Glandulina aufgestellt. Bei der Gattung Frondicularia umfassen sich
hingegen die Kammern nahezu völlig oder völlig und die eigenthümliche
Form dieser Gattung wird noch weiter durch eine sehr starke Compri-
mirung parallel der Hauptaxe bestimmt, wodurch die Gesammtgestalt
blattartig wird (VII. 26). Auch eine vier- oder dreiseitig- prismatische
Gestaltung der einzelnen Kammern ist bei der Gattung Orthocerina d'Orb.
anzutreffen und da die Kammern sehr dicht zusammengerückt sind, wird
die Gesammtgestalt der Schale hier eine drei- bis vierseitig pyra-
midale.
Bemerkenswerthere Modifikationen des allgemeinen Typus entstehen
jedoch dadurch, dass die Hauptaxe, längs welcher die Kammern gruppirt
sind, ihren geradlinigen Verlauf aufgiebt und eine mehr oder minder aus-
geprägte Einkrümmung aufweist, welche schliesslich bis zu regulär
spiraliger Einrollung führt. Die ersten Anfänge einer solchen Einkrüm-
mung sehen wir in dem Genus Dentalina realisirt, dessen Formen sich
im Allgemeinen aufs innigste an Nodosaria auschliessen , im wesent-
lichen nur durch eine schwache, bogenförmige Krümmung der Hauptaxe
unterschieden. In Verbindung hiermit steht die fast stets excentrische
Lage der Mündung, die der concaven Einkrümmungsseite der Schale
genähert ist. Aehnlich wie seitlich comprimirte nodosariaartige Formen
sich finden (Lingulina), sehen wir auch solche von Dentalina-artigem Bau
auftreten, sie sind durch die Benennung Vaginuli na d'Orb. ausgezeichnet
worden. Ist mit einer solchen Vaginulina-artigen Gestaltung eine sehr
langgestreckte über einen ansehnlichen Theil der convexen Schalen-
seite sich hinziehende, schlitzförmige Mündung verbunden, so gilt die
Bezeichnung Rimulina d'Orb. (VII. 24).
Polythalame Perforata. (Nodosarien.) 61
Gebt die Einkrümraung der Hauptaxe in völlig spiralige Aufrollnng
über, so entstebt das Genus Cristellaria (VII. 27; VIII. 10). Jedoch
scheint dies nicht unmittelbar aus den seither beschriebenen Formen her-
vorzugehen, sondern durch Einschaltung einer vermittelnden Uebergangs-
stufe, welche durch das Geschlecht Margin ulina repräsentirt wird. Bei
letzterem sehen wir die ältesten Kammern spiralig eingerollt oder doch
stark eingekrümmt, während die jüngeren in ein schwach gebogenes,
Dentalina-artiges Wachsthum übergehen. Eine starke seitliche Compri-
mirung zeichnet diese Form wie die völlig spiralige Cristellaria aus und
macht die bilaterale Bildung der Schale, die sich schon in der Einlcrüm-
mung ausspricht, noch hervorstechender. Wie bei Dentalina treffen wir
auch hier die Mündungen nicht mehr central, axenständig auf den
Einzelkammern (speciell der letzten Kammer, wo sie frei hervortritt) an,
sondern excentrisch. Jedoch zeichnet sich die Mehrzahl der hierher-
gehörigen Formen durch eine entgegengesetzte Verschiebung der Mündung
aus; dieselbe ist nämlich hier bei Marginulina wie Cristellaria an die con-
vexe Krümmungsseite der Schale verschoben , wo sie meist etwas zu-
gespitzt hervortritt (VIII. 10, o). Wie bei Dentalina und Cristellaria ver-
laufen auch bei Marginulina die Kammernähte (oder Septalgrenzen) sehr
schief zur Hauptaxe (resp. Spiralaxe bei Cristellaria), ein Umstand, der wohl
mit der excentrischen Verlagerung der Mündung im Zusammenhang steht.
Wie gesagt, ist bei Cristellaria die spiralige Einrollung eine völlige
geworden; die einzelnen Umgänge sind verhältnissmässig stark involut
(VII. 27). Charakteristisch ist die schon erwähnte Lagerung der kleinen
gewöhnlich rundlichen Mündung. Obgleich meist rundlich gestaltet, nimmt
sie doch z. Th. auch die Form eines Schlitzes an, ja wird auch läng-
lich dreieckig (eine Mündungsform, die den wesentlichsten Charakter des
LJntergenus Roh ulina darstellt, das jedoch kaum von den eigentlichen
Cristellarien mit einiger Schärfe zu scheiden ist).
Die mannigfachen Modifikationen der Cristellaringestalt, die sich
durch sehr wechselnde äussere Verzierungen (VII. 27) und dergleichen
entwickeln, können hier nicht Gegenstand unserer Betrachtung sein.
Doch auch in anderen der oben kurz charakterisirten nodosaria-
artigen Formtypen macht sich z. Th. eine Marginulina-ähnliche Neigung
zur spiraligen Einrollung des Anfangstheiles der Schale geltend; so unter-
scheidet Reuss einen sogen. Mischtypus Lingulinopsis, der sich von der
oben erwähnten Form Lingulina durch cristellaria-artige Einrollung der
Anfangskammern herleitet, und in ähnlicher Weise verhält sich die
d'Orbigny'sche Gattung Fl ab eil in a (VII. 26) zu der schon charakterisirten
Frondicularia.
Nach ihrer Bauweise schliessen sich den nodosaria-artig entwickelten
Formen jedoch auch eine Anzahl, z. Th. erst in neuerer Zeit bekannt
gewordener Rhizopoden mit sandiger Schale an , die früher wenigstens
theilweise den Geschlechtern Lituola und Trochammina zugesellt wurden
und auch jetzt gewöhnlich noch in näheren Anschluss an dieselben ge-
ß2 RUzopoda.
bracht werden. Ueber ihre Zugehörigkeit zu den Imperforatea oder Per-
foraten scheint mit Sicherheit noch keine Entscheidung gegeben werden
zu können, obgleich sie, wie erwähnt, gewöhnlich als imperforirt be-
trachtet werden. Von ganz nodosaria-artigem Bau erscheinen die Ge-
schlechter Reophax Montf. (emmeud. Brady 117 L), Haplostiche Reuss
und Hormosina Brady (V. 14, 15). Die beiden erst erwähnten Geschlechter
besitzen äusserlich eine rauhe, sandige Oberfläche und werden daher von
den englischen Forschern dem Genus Lituola näher angeschlossen, während
Hormosina wegen ihrer geglätteten Schalenoberfläche dem proteischen
Genus Trochammina P. u. J. angereiht wird. Haplostiche unterscheidet
sich von Reophax durch eine labyrinthische Kämmerchenbildung in den
Hauptkammern in ähnlicher Art, wie sich die früher erwähnte Gattung
Lituola von Haplophragmium unterschied. In ähnlicher Weise wird denn
auch die bei Reophax einfache Mündung bei Haplostiche häufig dendritisch
bis zusammengesetzt. Auch die bis jetzt nur fossil gefundene sandige
Gattung Nodosinella Brady (105) zeigt eine ziemliche Aehnlichkeit in
ihren Wachsthumsverhältnissen, ist jedoch bis jetzt noch sehr wenig genau
bekannt. Schliesslich dürften ihrer Bauweise nach (abgesehen von ihrer
wahren systematischen Stellung) hier auch noch angereiht werden die
polythalamen Formen des Genus Saccammina Sars (V. 13b), die aus einer
Anzahl von spiudel- bis birnförmigen Kammern bestehen, welche kurze
Röhrchen mit einander in Verbindung setzen (ähnlich wie dies auch bei
gewissen Nodosarien der Fall ist), und eine gerade oder wenig gebogene
polythalame, perlschnurartige Schale bilden. Es darf wohl mit Recht
vermuthet werden , obgleich hierüber die bis jetzt vorliegenden Unter-
suchungen der Sacc. Carter! und Schwageri, die nach diesem Typus
gebaut sind, keinen Aufschluss geben, dass die Schale auch hier ihr
Wachsthum mit einer einmündigen Kammer ähnlich Nodosaria beginnt,
und die gewöhnlich gefundenen doppelmündigen Einzelkammern (13a) nur
von dem Zerfall der vielkammerigen Schalen herrühren.
Im Anschluss an die nodosaria-artig gebauten Schalen sei hier kurz
noch einiger sehr eigenthümlicher Formtypen gedacht, die sich bis zu
einem gewissen Grade hier anzureihen scheinen, obgleich über ihre wahren
Beziehungen durch die Besprechung an diesem Ort kein Urtheil abgegeben
werden soll. Zunächst ist es die nur fossil bekannte Gattung E 11 ipso i-
dina Segu., deren wir hier zu gedenken haben und deren noch nicht völlig
aufgeklärter Bau sich vielleicht in der Weise kurz versinnlichen lässt, dass
man eine Anzahl an Grösse ziemlich rasch zunehmender eiförmiger, lagena-
artiger Kammern sich vollständig successive einhüllend denkt, so dass
die aboralen Polflächen der in einander steckenden Kammern ziemlich
dicht bis zur Berührung aneinander gelagert sind, wogegen die vorderen
durch weitere Abstände getrennt werden. Unter einander stehen jedoch
die Vorderenden der Kammern durch eine axial verlaufende, säulenartige
Bildung in Verbindung, die sich nicht etwa als Homologon der röhren-
förmig ausgezogenen Mündung der Lagenen und gewisser Nodosarien
Polythalame Perforata. (Chilostomella, Üvigerina.) 63
betrachten lässt, sondern als ein besonderer, häufig wenig solider Ein-
wuchs des oralen Pols der respectiven Kammern, An der Basis jedes
zwischen zwei Kammern ausgespannten Säulenstücks findet sich ein diese
Basis halbkreisförmig umgreifender Mündungsschlitz, der häufig noch durch
zwischen seinen Rändern sich ausspannende Querbrücken in eine Anzahl
von secundären Oeffnungen getheilt wird.
Auch die erst in neuerer Zeit auch im recenten Zustand gefundene
Gattung Chilostomella Reuss besteht aus einer Anzahl eiförmiger, sich
völlig einhüllender und mit ihren Axen nahezu oder völlig zusammen-
fallender Kammern. Jede neue Kammer wächst hier mit ihrem Mündungs-
ende so an dem aboralen Pol der vorhergehenden fest, dass eine
gewisse, ziemlich schief umschriebene Fläche dieses Pols der älteren
Kammer unbedeckt bleibt. Die Mündung ist ein halbkreisförmig die
Schale umfassender Schlitz an jener Verwachsungsstelle, der eben dadurch
entsteht, dass hier keine Verwachsung der Wand der jüngeren Kammer
mit der der älteren stattfindet. Aus den geschilderten Wachsthumsvorgängen
der Schale ergibt sich natürlich, dass ähnlich, wie wir dies bei den
Miliolinen unter den Imperforaten gesehen haben, die Mündung der auf-
einanderfolgenden Kammern abwechselnd nach dem einen und dem andern
Pol der Axe schauen , wie denn überhaupt die allgemeinen Bildungs-
verhältnisse dieser Perforaten sich sehr innig an die für das angebliche
Miliolidengenus Uniloculina*) geltend gemachten anschliessen.
Etwas modificirt erscheint dieselbe Bauweise in dem nächst ver-
wandten Geschlecht Allomorphina Reuss, hier bleibt die Umfassung der
Kammern unvollständig, so dass äusserlich die 3 jüngsten, ähnlich wie
bei Triloculina, sichtbar sind ; wie denn überhaupt die allgemeine Kammer-
anordnung dieser Gattung ebenso Triloculina zu entsprechen scheint, wie
für Chilostomella eine derartige Analogie zu Uniloculina wahrscheinlich wurde.
In naher Beziehung zu den früher besprochenen Nodosarinen und
daher von Carpenter und den übrigen englischen Forschern mit denselben
in der Abtheiluug der Lagenideen vereinigt, stehen zwei Gattungen, die
uns zum ersten Male einen weiteren Formtypus der polythalamen Schalen-
bildung vorführen , nämlich die Aufrollung der Kammern nicht in einer
symmetrischen, sondern in einer asymmetrischen Spirale oder, besser aus-
gedrückt, in einer schraubenförmigen Spirallinie. Es sind dies die haupt-
sächlich wegen der feineren Bauverhältnisse ihrer Schalenwände, sowie ihrer
Mündung als Verwandte der Nodosarinen zu erkennenden Gattungen
Üvigerina und Polymorphina (VII. 31, VIII. 4). Bei beiden sind die
Kammern in einer hohen Schraubenspirale aufgerollt, so dass die Gesammt-
gestalt eine gewöhnlich ziemlich langgestreckt kegelförmige bis ovoide
wird. Stets bleibt die Zahl der auf einen Umgang kommenden Kammern
eine nur geringe. Bei Üvigerina (VII. 31) treffen wir gewöhnlich 3 ziem-
lich kugelige, nodosaria-artige Kammern in einem Umgang an, so dass,
*) Vergl. hierüber den system. Absclm.
{j4 Ehizopoda.
da die entsprechenden Kamnaern der aufeinanderfolgenden Umgänge sieb
reihenweis übereinander ordnen, eine niehr oder minder regelmässige
dreizeilige Anordnung resultirt. Die nahe Beziehung dieser Formen zu
den Nodosarien ergibt sich auch aus den nicht seltenen Uebergängen zu
zweizeiliger und einzeiliger Anordnung der jüngeren Kammern (gewöhn-
lich als Sagrina d'Orb. bezeichnete Formen).
Bei Polymorphina (VIII. 4), einem äusserst formenreichen und viel-
gestaltigen Geschlecht, ist die Anordnung der ziemlich schief zur Schrauben-
axe gestellten Kammern gewöhnlich eine mehr oder minder deutlich zwei-
zeilige. Die Kammern sind bald ziemlich stark blasig angeschwollen und
dann äusserlich schärfer gegen einander abgesetzt, oder indem die Einzel-
kammern sich nur wenig scharf von einander absetzen, bleibt die äussere
Schalentläche abgerundet ohne Septalfurchen. Die jüngeren Kammern
greifen in verschiedenem Grad nach hinten auf die älteren über und
zwar geschieht dieses Uebergreifen gewöhnlich in beiden Kammerreihen
in verschiedenem Maasse, wodurch die ganze Schale etwas asymmetrisch
wird; ja es kann die Umhüllung der älteren Kammern so weit gehen,
dass nur die beiden jüngsten äusserlich sichtbar bleiben. —
Von morphologischem Interesse ist ein bei gewissen Formen von
Polymorphina zu beobachtendes excessives Wachsthum der letzten Kammer.
Bei Polym. concava Williamson wächst dieses keine Mündung zeigende
letzte Segment in Gestalt einer ringförmigen ansehnlichen Scheibe um die
ganze Schale in der Ebene der beiden Kammerreihen herum, so dass die
nach gewöhnlichem Typus gebauten jüngeren Kammern gleichsam im
Centrum dieser Scheibe eingelagert erscheinen. Bei Polym. d'Orbignyi
Zborz.*) (VII. 37) hingegen entwickeln sich von der Mündungsgegend
des letzten Segmentes röhrige Auswüchse, die nach hinten zu die Schale
mehr oder minder völlig überwachsen und von denen, oder auch direct
von dem letzten Segment mehr oder minder zahlreiche, sich frei erhebende,
häufig sehr reichlich verästelte, dünnwandige Eöhrchen entspringen. Bei
reichlicher Entwickelung solcher verzweigter Röhrchen, welche die Schale
mehr oder weniger umwachsen haben, erscheint dieselbe wie mit hirsch-
geweihartigen Auswüchsen bedeckt. Die Mündung des letzten Segmentes
wird nicht selten durch solche Auswüchse ganz geschlossen, wogegen die
frei sich erhebenden Röhrchen an ihren Enden z. Th. geöffnet und daher
die Function der Mündung zu übernehmen im Stande sind, wenngleich
es zwar den Anschein hat, dass sie ursprünglich blind geschlossen sich
bilden und ihre Oeffnungen durch Zerbrechen der Enden entstehen. Eigen-
thümlich ist ferner, dass sich in den von den röhrigen Auswüchsen überzoge-
nen Wänden der älteren Kammern Durchlöcherungen, zuweilen von ziemlicher
Weite finden, die wohl ohne Zweifel durch nachträgliche Resorption der
*) Jedocli nur ein Sammelname fiir in ähnlicher Weise variirende Modifikationen zahl-
reicher Polymorphina-Arten. Vergl. hierüber Brady, P. u, J,, Monogr. of the g. Polymor-
phina (s. unt. b. Polymorphina).
Polytlialame Perforata. (Textulariden.) 65
Kalkwände erzeugt werden. (Derartige Lochbildungen sind auch in
den Wänden anderer Poly morphinen gar nicht sehr selten.) Auch die
die einzelnen Kammern scheidenden Septen des Schaleninneren zeigen
sich nicht selten stark rückgebildet bis fast gänzlich geschwunden, was
wohl gleichfalls nur auf nachträgliche Resorption zurückzuführen sein
dürfte. *)
Wie wir schon bei Uvigerina die ursprüngliche Anordnung zuweilen
in eine einreihige übergehen sahen, so tritt dieser Fall auch bei poly-
raorphina-artigen Formen auf, welche auf Grund dieses Verhaltens zu einem
besonderen Geschlecht Dimorphina erhoben worden sind.
Ganz entsprechenden Wachsthumsverhältnissen und Schalengestal-
tungen, wie wir sie soeben bei den Gattungen Polymorphina und Uvigerina
kennen gelernt haben, treten uns auch in einer grossen Mannigfaltigkeit
der Ausführung bei der Gruppe der Textulariden unterj der Abtheilung
der Globigeriniden entgegen. Auch hier finden wir im Allgemeinen ein
hoch schraubenspiraliges Wachsthum, was im Zusammenhang mit der
Grössenzunahme der jüngeren Kammern den Schalen im Ganzen ein
spitz kegelförmiges Aussehen gibt; und wie bei den letzthin besprochenen
Geschlechtern der Lagenideen variirt die Zahl der auf jedem Umgang
sich findenden Kammern in ziemlicher Ausdehnung, so dass wir zwei-
zeilige, dreizeilige und schliesslich auch eine mehr oder minder
regelmässige schraubenspiralige Anordnung, ohne den Ausdruck einer
Reihenordnung der Kammern, antreffen. Die Gestaltungsverhältnisse
zeigen sogar in den einzelnen Geschlechtern einen ziemlichen Spiel-
raum für Modifikationen, so dass es meist eigentlich untergeordnet er-
scheinende Eigenthümlichkeiten , so namentlich die Gestaltungsverhält-
nisse der Mündung, sind, durch welche die einzelnen Formkreise
gesondert werden.
Eine regulär zweizeilige und alternirende Anordnung der Kammern
herrscht in dem Genus Textularia (im engeren Sinne) ; indem die Kammern
ziemlich stetig anwachsen, wird die Gestalt der Gesammtschaie eine
kegel- oder keilförmige (VIII. 5), da sehr häufig die Schale in der Ebene
der beiden Kammerreihen stark abgeplattet ist. Die Mündung hat eine
für dieses und die verwandten Geschlechter ziemlich charakteristische
Lagerung, sie ist nämlich nach der Schalenaxe gewendet und liegt dem
Nahtrand an, welchen die zwei aufeinanderfolgenden Kammern der beiden
Reihen bilden (VIII. 5 a u. b). Indem sie diesem Nahtrand meist aut
eine gewisse Ausdehnung folgt, zeigt sie gewöhnlich eine halbkreis- bis
schlitzförmige Beschaffenheit. (In seltneren Fällen sehen wir sie jedoch
auch auf die nach vorn gerichteten Endflächen der Kammern hinaufrücken.
*) Vergl. über diese Verliältaisse Alcock, Quart, jourii. of microsc. sc. T. VII. p. 237,
und Mem. of the litter. and philos. soc. of Manchester 1868 III. y. 241, sowie Brady, P. a. J.,
Transact. of Linn. soc. Yol. 27. p. 244.
Bronn, Klassen des Thier-Eeichs. Piotozüa. 5
66 Ehizopoda.
ja sogar etwas röhrenförmig ausgezogen; auch eine labyrinthisehe und
zusammengesetzte Beschaffenheit derselben wird z. Tti, angegeben.)
Wie wir schon früher zu erwähnen Gelegenheit hatten, nehmen die
Textularia-Arten sehr häufig Sand in ihre Schalenwände auf (wie dies
überhaupt für die gesammte Gruppe dieser Formen mehr oder weniger
gültig zu sein scheint). Ganz sandschalige Formen, von Textularia entspre-
chender Bauweise, hat Reuss durch den Namen Plecanium ausgezeichnet.
An die eigentlichen Textularien schliessen sich aufs innigste Formen an,
welche die ursprünglich zweireihige Anordnung der Kammern später mit
einer einreihigen vertauschen ; rein kalkschalige derartige Formen werden
unter der Bezeichnung Gemmulina d'Orb. beschrieben, während die Mehr-
zahl der hierhergehörigen Formen eine ziemlich sandige Schale besitzen
und als Bigenerina d'Orb. zusammengefasst werden. Auch eine sehr alte
Form der Kohlenformation, die von Brady (105) den Namen Climacimma
erhalten hat, zeigt einen sehr ähnlichen Bau, soll jedoch angeblich im-
perforirt sein. In die Reihe dieser sich an Textularia zunächst an-
schliessenden Formen gehören auch einige mit abweichend gebauter Mün-
dung, so zunächst die Gattung Grammostomum Ehrbg., welche eine sehr
stark comprimirte Textularia mit sehr schief zur Längsaxe gestellten
Kammern darstellt, deren Mündung ein auf dem Vorderende der
Kammern befindlicher und parallel der Compressionsebene laufender
Schlitz ist. Etwas abweichender gestaltet sich der Bau bei der Gat-
tung Pavonina (VIII. 13), deren Zugehörigkeit zu der hier besprochenen
Gruppe erst neuerdings durch Brady (117 II.) festgestellt wurde. Wir
haben hier eine bigenerina-artige Schale, deren Anfangskammern deutlich
alternirend zweizeilig geordnet sind, während die sehr rasch in die Breite
anwachsenden jüngeren Kammern in eine einzeilige Anordnung übergehen;
gleichzeitig ist die Schale sehr stark textularia-artig comprimirt, so dass
die Gesammtgestalt eine fächerartige wird. Statt einer einfachen Mündung
finden wir auf der lang bandförmigen Endfläche der jüngsten Kammer
eine Reihe von grossen Poren (13 b). In Bezug auf die allgemeineren
Gestaltsverhältnisse und die Beschatfenheit der Mündung schliesst sich die
d'Orbigny'sche Gattung Cuneolina sehr nahe an die eben erwähnte Pavo-
nina an, obgleich ihr allgemeines Gestaltungsprincip ein wesentlich ver-
schiedenes ist, indem wir es hier mit einer Textulariaform zu thun haben,
die nicht im Sinne der gewöhnlichen Formen comprimirt ist , sondern in
einer hierzu senkrechten Ebene, so dass demnach bei dieser breit fächer-
förmigen Cuneolina jede der Breitseiten von einer der Kammerreihen
gebildet wird.
In nächster Beziehung zu den typischen Textularien stehen nun
jedoch noch Formen, die statt einer zweizeiligen eine dreizeilige Anordnung
der Kammern zeigen, es sind dies die zur Gattung Verneuilina d'Orb.
gerechneten Formen, welche jedoch leicht in solche übergehen, bei welchen
die jüngeren Kammern eine zweizeilige (Gaudryina d'Orb.) und sogar
eine einzeilige Anordnung annehmen (Clavulina d'Orb. p. p.).
I
Polythalamc Peii'orata. (Biilimina, Valvulina etc.) (57
Ihren allgemeinen Formverhältnissen nach reiht sich die Gattung Bnli-
mina (VII. 32) mit ihren Untergeschlechtern aufs innigste hier an und wird
vorzugsweise durch Eigenthümlichkeiten der Müiaduug von den ähnliche
Wachsthumsverhältnisse zeigenden textularia-artigen Formen unterschieden.
Es sind hoch schraubenspiralige Formen , bei welchen eine 2 — 3 zeilige
Anordnung der Kammern meist nur wenig deutlich ausgeprägt ist (Buli-
mina im engeren Sinne) oder aber eine zweizeilige Textularia artige An-
ordnung ziemlich deutlich hervortritt (Virgulina d'Orb. und Bolivina d'Orb.).
Wie gesagt, liegt das Hauptcharakteristikum in der Gestaltung der Mün-
dung. Dieselbe ist wie bei den typischen Textularien auf der nach der
Schalen axe schauenden Fläche der Kammern angebracht und entweder
rundlich oder meist schlitzförmig in der Richtung der Axe oder etwas
schief zu ihr in die Länge gezogen. Dabei ist ihr vorderes Ende meist
rundlich erweitert, so dass sie das Aussehen eines Komma's erhält. Die
Mündungsränder, welche gewöhnlich etwas lippenförmig aufgeworfen sind,
schieben sich mit ihren hinteren Abschnitten etwas übereinander, was
gleichfalls für recht charakteristisch gelten darf. Bei den zur Gattung
Bulimina (im engeren Sinne) gehörigen Formen macht sich zuweilen eine
ziemliche Involubilität der Umgänge geltend, indem die abgeflachten
hinteren Ränder der Kammern über die früheren Umgänge mehr oder
weniger nach hinten sich hinüberlegen oder in stachelartige Fortsätze
auswachsen.
Aehnliche allgemeine Formverhältnisse, jedoch in noch grösserer
Breite schwankend, bietet auch die Gattung Valvulina dar (VII. 34. 35),
die wegen ihrer im Alter stets sandigen Schalenbeschaffenheit früher zu
den Lituolida Carpenter's gerechnet wurde. Hoch schraubenspiralige
Formen von mehr bulimina-artigem Aussehen reichen sich hier die Hand
mit niedergedrückten kreiselförmigen und den wesentlich verbindenden
Charakter derselben bildet die Gestaltung der Mündung, die einen
bogenförmigen Schlitz darstellt, dessen einer Rand mehr oder minder
zungenförmig gegen den anderen vorspringt. Auch solche Formen können
in einreihiges Wachsthum übergehen (VII. 36) und sind von d'Orbigny
dann seinem Genus ClavuHna zugerechnet worden.
Ein weiterer sehr eigenthümlicher Formtypus lässt sich von der
Gattung Textularia herleiten , indem die Axe , um welche die Kammern
zweizeilig alternirend geordnet sind, ihre gerade Streckung aufgibt und
sich selbst spiralig oder flach schraubenspiralig einrollt. In dieser Weise
gebildet sind die Genera Cassidulina d'Orb. (VIII. 6) und Ehrenbergina
Reuss. (VII. 33), von welchen sich das letztere dadurch auszeichnet, dass
bei ihm die spiralige Einrollung nur auf den älteren Schalentheil be-
schränkt ist, während der jüngere in gestrecktes Wachsthum übergeht.
Auch die zahlreichen übrigen Formen der Abtheilung der Globigerinida
sind fast sämmtlich nach dem jetzt schon vielfach erörterten Schema der
Schraubenspirale gebaut, jedoch dadurch von den seither besprochenen
Formen abweichend, dass unter ihnen die niedere, flache Entwicklung
68 KMzopoda.
der Schraubenspirale herrscht, während die seither besprochenen Formen
sich fast durchaus durch eine sehr hohe Form derselben auszeichneten.
Im Zusammenhang hiermit steht dann ferner die Eigenthümlichkeit, dass
die jetzt zu besprechenden Formen gewöhnlich eine grössere Zahl von
Kammern in einem Umgang bilden, also die Entwicklung zwei- und drei-
zeiliger Formen nicht mehr zu verfolgen ist. Zunächst ist es die Gattung
Globigerina selbst, die unsere Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt, und
auch ein erhöhtes Interesse verdient, weil sie sich durch eine ziemliche
Variabilität ihrer Gestaltung bemerkbar macht. Die typische Form der-
selben wird eben durch eine flache schraubenspiralige Anordnung ihrer
kugeligen oder nahezu kugeligen und nur wenig innig mit einander ver-
bundnen Kammern charakterisirt (VIII. 9). Indem die jüngeren Kammern
sich nur massig vergrössern, bleibt auf der basalen Seite der Schale eine
ziemlich weite nabelartige Höhlung frei, um die sich die Kammern herum-
legen und in diese sogen. Nabelhöhle öffnen sich dann auch die gewöhnlich
halbmondförmigen Mündungen der einzelnen Kammern. Diese letztere
Eigenthümlichkeit verräth noch besonders die, auch schon aus der ge-
sammten Anordnung hervorgegangene, relative Selbständigkeit der einzelnen
Kammern. Daneben finden sich jedoch auch Globigerinaformen, bei welchen
die jüngeren Kammern so ansehnlich wachsen und anschwellen, dass sie
in der Scbraubenaxe zusammenstossen und so eine Nabelhöhle nicht mehr
zur Ausbildung kommt. Auf der apicalen Seite sind hier sämmtliche
Kammern in ihrer schraubenspiraligen Anordnung zu bemerken, auf der
basalen Seite hingegen nur einige (3, 4) der jüngsten (VIII. 9), Gleich-
zeitig tritt jedoch bei den hierhergehörigen Formen (deren Typus Glob.
inflata d'Orb. bildet) nur an der jüngsten Kammer noch eine freie, an-
sehnliche Mündung auf, während die Mündungen der älteren durch die
jüngeren überdeckt worden sind. Hierzu gesellt sich dann drittens noch
eine Reihe von Formen, welche sich in ihrem allgemeinen Bau ziemlich
nahe an die Letztbesprochenen anschliessen, bei denen jedoch die Mündung
der jüngsten Kammer klein bleibt. Dagegen entwickeln sich nun aber
hier (nach den Beobachtungen von van den Broeck [102J und Brady
[117 II.]) auf der apicalen Seite der Schale au einer ganzen Reihe von
Kammern accessorische und ziemliche weite Oeffnungen (z. Th. sogar in
Zweizahl auf einer Kammer).
Interessant ist jedoch, dass auch die schraubenspiralige Anordnung
der Kammern in eine symmetrisch spiralige übergehen kann, wie wir
dies unter den echten Globigerinen bei einer Form (Glob. aequilateralis
Brdy. 117 II) antreffen, fernerhin jedoch auch in dem Globigerina sehr
nahe verwandten Genus Hastigerina Wyw. Thoms. sehen (IX. 1), welche
Form sich noch durch völlige Involubilität der Umgänge und eine einzige
ansehnliche Mündung auf der Endfläche der jüngsten Kammer auszeichnet.
In einer eigenthümlichen und noch keineswegs völlig aufgeklärten
Beziehung zu der besprochenen Gattung Globigerina steht die schon früher
unter den monothalamen Formen erwähnte Orbulina, welche ohne Zweifel
Polythalame Perforata. (Globigerina, Gymbalopora.) 69
zunächst mit Globigerina verwandt ist. Es hat sich nämlich durch eine
Reihe Untersuchungen von Pourtales*), M. Schnitze und Krohn**),
Reuss***), Major Owen t) undAlcockff) herausgestellt, dass die kugelige
Schale zahlreicher Orbulinen eine kleine, häufig sogar bestacbelte
Globigerina im Innern einschliesse (VII. 30). Es ist dieses Verhalten in
verschiedener Weise beurtheilt worden, entweder, wie späterhin bei der
Besprechung der Fortpflanzung noch genauer zu erörtern sein wird, als
ein Fortpflanzungsakt, so von Pourtales, M. Schnitze und Reuss, indem
man sich die Orbulinen als losgelöste Endkammern von Globigerinen
dachte, die nun, als Brutkammer fungirend, eine junge Globigerina in sich
erzeugten, oder sich die Globigerinen enthaltenden Orbulinen durch be-
sondere Wachsthumsvorgänge aus gewöhnlichen Globigerinen hervor-
gegangen dachte. Letztere Betrachtungsweise, die zuerst von Major
Owen aufgestellt und neuerdings von Brady adoptirt wurde, erklärt sich
die Entstehung dieser globigerinenhaltigen Orbulinen in der Weise, dass
von einer gewöhnhchen Globigerina eine excessiv grosse, sämmtliche
früheren Kammern einschliessende, sphärische Endkammer gebildet werde.
So wahrscheinlich auch letztere Bildungsweise der globigerinenhaltigen
Orbulinen erscheint, so wird doch daraus noch nicht nothwendig folgen,
dass die Gattung Orbulina überhaupt gestrichen oder doch nur als Unter-
genus von Globigerina betrachtet werden müsse, wie dies Brady (und
vor ihm schon S. Owen) will, da bekanntlich, worauf namentlich Carpenter
(74) hingewiesen hat, keineswegs sämmtliche Orbulinen den Globigerina-
einschluss aufweisen. Wollte man auch letztere Formen in der von Owen
und Brady vermutheten Weise entstanden sein lassen, so müsste man zur
Erklärung eine spätere Resorption der eingeschlossenen Globigerinaschale
zu Hülfe nehmen.
In ziemlich naher morphologischer Beziehung zu Globigerina scheint
die Gattung Gymbalopora Hagen, zu stehen (IX. 4). Wir haben
hier eine etwa flach kegelförmige Schale, die ihr Wachsthum in
deutlich schraubig spiraliger Anordnung der niedrigen Kammern beginnt,
wobei, ähnlich gewissen Globigerinaformen, eine axiale Nabelhöhle
auf der Basalseite offen bleibt. Bald jedoch geht dieses schraubenspiralige
Wachsthum in ein cyklisches über, indem Ringe von Kammern, von all-
mählich sich vergrösserndem Durchmesser, an den schraubenspiraligen
Anfangstheil sich ansetzend untereinanderlagern. Wie bei den erwähnten
Globigerinaformen öffnet sich jede Kammer mit einer auf einem röhren-
förmigen Hälschen gelegenen Mündung in die gemeinsame Nabelhöhle,
soll jedoch nach Carpenter jederseits noch eine grosse gelippte Oefifnung
besitzen, vermittels welcher die benachbarten Kammern in Communikation
*) Sillim. Americ. j. 1858. XXVI.
•**) Arch. f. Naturgesch. 1860. I.
***) Sitzungsb. der k. böhm. G. d. W. 1861.
f) Journ. Linn. soc. Zool, IX.
tt) Mem. of the litterar. and pliilos. soc. Manchester 1868. III.
YO Rhizopoda.
treten (ohne dass jedoch diese Commnnikation eine directe wäre). Es
scheint von Interesse, namentlich im Hinblick auf die verwandtschaft-
lichen Beziehungen dieser Form zu Globigerina, dass eine ihrer Arten
(C. bulloides d'Orb.) sich durch die Bildung einer abnorm grossen orbulina-
artigen Endkammer auszeichnet, welche die Nabelhöhle erfüllt und sich
wie Orbulina durch den Besitz weiterer Porenöffnungen neben feineren
(bei mangelnder grösser Mündungsöffnung) auszeichnet.
Eine noch eigenthümlichere Modifikation des globigerina -artigen
Baues, wie wir sie soeben bei Cymbalopora kennen gelernt haben,
treffen wir bei der aufgewachsenen Gattung Carpenteria an (IX. 2).
Hier tritt einmal mit der Festheftung eine gewisse und zum Theil sogar
recht unregelmässige Bildungsweise ein, wie solches ja bei festsitzenden
Formen von uns schon mehrfach beobachtet wurde, andererseits dagegen
zeigt diese Gattung auch Spuren einer höheren Ausbildung, wie wir sie
in besserer Entwickelung in der zunächst zu besprechenden Abtheilung
der Rotalinen antreffen werden. Im Allgemeinen können wir uns die
Bauweise der Carpenteria in der Art kurz versinnlichen , dass wir uns
eine in flacher Schraubenspirale aufgerollte Globigerina mit dem Apex
der Spirale, also den ältesten und kleinsten Kammern, auf eine Unterlage
aufgewachsen denken; gleichzeitig jedoch auch die einzelnen Kammern
so innig mit einander verbunden, dass sie äusserlich nur noch sehr wenig
von einander geschieden erscheinen und die Gesammtschaie etwa die
Gestaltung eines Kegels erhält, der auf der Spitze eine Oeflfnung (a) zeigt.
Diese Oeflfnung und die durch sie ausmündende, ziemlich vertikal in die
Schale hinabsteigende Höhlung (2 b, a) entspricht der uns von Globigerina
und Cymbalopora her bekannten Nabelhöhle und wie bei jenen Formen,
so münden auch hier sämmtliche Kammern (k, k', k") in diese Central-
höhle. Die Mündungsöfifnung der gemeinsamen Centralhöhle auf der
Spitze des Kegels ist häufig noch der Sitz einer besonderen Entwickelung,
wie sie nur selten bei den Foraminiferen uns entgegentritt. Sie wächst
nämlich bei gewissen Formen röhrenförmig aus , ja verästelt sich dann
baumförmig (wie dies namentlich durch Carter*) und dann weiterhin
durch Möbius**) bei einer sehr interessanten neuen und durch sehr unregel-
mässige Kammeranordnung sich auszeichnenden Form, C. raphidodendron,
nachgewiesen wurde), wobei jedes der häufig zahlreichen Aestchen dieser
Mündungsröhre eine Oeflfnung zur Ausstrahlung der Pseudopodien auf-
weist. Abgesehen von untergeordneten morphologischen Bauverhält-
nissen , wie eine mehr oder minder vollständige Unterabtheilung der
ursprünglichen Kammern durch secundäre Septen, sehen wir, wie schon
oben angedeutet, eine höhere Entwickelungsstufe im Schalenbau dieser
Gattung noch darin ausgeprägt, dass die Scheidewände zwischen den
*) Ann. m. n. Ii. 4. XX.
**) PalaeontograiJliica XXV.
Polythalame Perforata. (Rotalinen.) 71
Kammern in ihrer feineren Beschaflfenheit sich von den äusseren Kammer-
vvandungen differenzirt haben. Während nämlich die letzteren die grobe
Perforation der Globigerinen zeigen, sind die ersteren imperforirt und aus
zwei Lamellen zusammengesetzt ('2Q, d — d^). — Indem letztere jedoch
nicht überall vollkommen bis zu völliger Berührung aufeinander gelagert
sind, bleiben zwischen ihnen hier und da kanalartige Lücken übrig, die,
indem sie sämmtliche Septen (auch die unvollständigen, secundären)
zusammenhängend durchziehen, ein sogenanntes Kanalsystem formiren
(2 b, g, g^), das uns hier zum ersten Mal begegnet, welches wir jedoch bald
bei den höher entwickelten Typen in seiner ganzen reichen Ausbildung
kennen lernen werden.
Noch einmal tritt uns der flach schraubenspiralige Typus des
Schalenbaues in einer sehr reichen und z. Th. sehr eigenthUmlichen
Entfaltung in der grossen und mannigfaltigen Abtheilung der Rota-
linen entgegen. Die ziemlich beträchtliche Zahl von Gattungstypen,
welche in dieser Abtheilung, bei verhältnissmässig hohem Grad von Ueber-
einstimmung in den allgemeinen Bauverhältni^sen, unterschieden werden
(welche also im wesentlichen durch Charaktere von secundärer Bedeutung
gekennzeichnet sind), veranlasst uns, bei Gelegenheit dieser morphologi-
schen üebersicht, die zahlreichen Formen nur im Allgemeinen und im
Hinblick auf ihre mehr gemeinsamen morphologischen Charaktere zu
verfolgen.
Die einfacheren Formen der Eotalinen bieten uns im Allgemeinen
eine ähnliche Gestaltungsweise dar, wie wir sie schon bei den schrauben-
spiraligen Globigerinen kennen gelernt haben, wie sich denn auch
durch die grob perforirte Beschaffenheit der Schalenwandungen (Dis-
corbina und Planorbulina) noch eine nähere Beziehung zu den Globi-
gerinen ergibt. Wie gesagt, ist die Höhe der Schraubenaxe stets
nur wenig beträchtlich, so dass die steilsten Formen gewöhnlich
eine massig hohe kegelförmige Gestaltung nicht überschreiten, meist
jedoch die Erhebung der Schalenaxe eine noch geringere bleibt.
Die Gesammtgestalt der Schale ist dann eine kreisel- bis flach scheiben-
förmige (IX. 3, 6). Natürlich sind, wie dies sich aus der morpho-
logischen Bildungsweise dieser flachen scheibenförmigen Schalen ergibt,
auch bei ihnen die beiden Flachseiten verschieden gebaut und die Gesammt-
schaie daher asymmetrisch. Wir bezeichnen diejenige Seite, auf welcher
sich die Spitze (Apex) der Schraubenspirale, also die älteste und kleinste
Kammer findet, als die apicale, die entgegengesetzte Seite hingegen,
welche durch die ansehnlichsten jüngsten Kammern ausgezeichnet wird,
als die basale. Die Verschiedenheit dieser beiden Seiten der Schale wird
noch dadurch erhöht, dass auf der apicalen Seite die meist recht zahl-
reichen Umgänge sämmtlich zu sehen sind (3 a), da jeder folgende durch
einen etwas grösseren Durchmesser über den vorhergehenden randlich
ein wenig hervorragt. Auf der basalen Seite bleibt hingegen gewöhn-
lich nur der letzte oder doch wenig mehr als dieser Umgang sichtbar, indem
72 Rhizopoda.
die Kammern der jüngeren Umgänge sich nach der Schraubenaxe zu so
ansehnlich erweitern, dass jeder folgende Umgang den vorhergehenden
völlig oder doch nahezu völlig auf der Basalseite bedeckt. Ausserdem ist
die meist nicht sehr ansehnliche axiale Nabelhöhle, welche sich z. Th.
erhält, meist noch durch secundäre Auflagerung von Schalenmasse aus-
gefüllt, so dass in ihr nichts von den älteren Umgängen sichtbar bleibt.
Mit der asymmetrischen Entwickelung dieser Rotalinenschalen steht im
Zusammenhang, dass dieselben häufig mit einer Seite aufgewachsen sind
(Planorbulina, Truncatulina) oder doch die lebenden Thiere sich mit einer
ihrer Seiten anheften. Je nach der speciellen morphologischen Gestaltung
kann diese zur Befestigung dienende Seite bald die apicale, bald hin-
gegen die basale sein , da nämlich die Befestigung gewöhnlich mit der
flacheren Seite geschieht und in dieser Hinsicht die beiden Seiten sehr
variiren.
So sehen wir z. Th. eine ziemlich gleichmässige Wölbung beider
Seitenflächen bei der Gattung Rotalia (abgesehen natürlich von der
sonstigen Verschiedenheit dieser beiden Seiten , welche diese ziemlich
biconvexen Schalen dennoch zu asymmetrischen stempelt), oder aber es
erhebt sich die apicale Seite convex bis kegelförmig, während die basale
flach convex oder abgeplattet bleibt und zur Befestigung dient, wie dies
namentlich auch in den Gattungen Discorbina und Pulvinulina deutlich
hervortritt. Der umgekehrte Fall dagegen ist bei den Gattungen Plan-
orbulina und Truncatulina anzutreffen ; hier bleibt die apicale Seite flach
oder ist sogar etwas concav ausgehöhlt, und dient daher zur Befestigung,
die basale hingegen wölbt sich convex feis kegelförmig hervor, so dass
hier die gesammte Schalengestaltung gewissermaassen umgekehrt ist. Bei
diesen letztgeannten Formen ist denn eigentlich auch von einer schrauben-
spiraligen Aufwindung nicht mehr die Rede, sondern man kann sich die
Schalengestaltung besser in der Weise entstanden denken, dass die Um-
gänge sich in regulär spiraliger Weise aufrollen, jedoch in sehr asym-
metrischer Weise nach den beiden Seiten der Spiralaxe sich entwickeln;
auf derjenigen Seite der Spiralaxe, auf welcher ihre Entwickelung gering
bleibt, sind sie sämmtlich sichtbar (apicale Seite) und diese Seite bleibt
flach, auf der entgegengesetzten aber schwellen die Umgänge rasch sehr
an, so dass die jüngeren die älteren überdecken und nur der letzte
sichtbar bleibt, die ganze Seite aber eine convex hervorgewölbte Beschaffen-
heit erhält. Auch bei der oben schon erwähnten Gattung Rotalia tritt
häufig in ähnlicher Weise die basale Seite gegenüber der apicalen durch
stärkere Wölbung hervor.
Die soeben gegebene Auffassung des Schalenbaues der Gattungen
Planorbulina und Truncatulina lässt jetzt auch leicht verstehen, dass in
nahem Anschluss an dieselben sich auch gewisse Formen finden , welche
eine nahezu symmetrisch-spiralige Bildung aufweisen, wie wir ja auch
schon bei den Globigerinen solche symnietrisch-spiralige Formen kennen
gelernt haben. (Hierher gehören die sehr flach scheibenartigen Planorbulina-
Polythalamo Perforata. (Rotalinen.) 73
Alten und die Anomalinen d'Orbigny's, doch zeigt auch die Gattung
Discorbina z. Tb. eine Hinneigung zu regulär spiraliger Ausbildung.)
Die Zahl der auf einen Umgang kommenden Kammern ist gewöhnlich
ziemlich beträchtlicb. Entweder treten diese Kammern äusserlich blasig
kugelig hervor (wie dies bei Discorbina gewöhnlich (IX. 6), z. Tb. jedoch
auch bei Planorbulina der Fall ist), oder aber sie sind innig zusammen-
gepresst, so dass die Oberfläche der Schale mebr oder weniger eben wird
und die Grenzen der Kammern nur noch als Nähte hervortreten. Häufig
sind diese Nähte noch besonders ausgezeichnet durch Auflagerung von
unperforirter secundärer Schalensubstanz, die dann besondere Nahtbänder
bildet und gleichzeitig noch in verschiedener, hier nicht näher zu be-
sprechender Weise, Verzierungen auf der Oberfläche der Schale hervorruft.
Unter einander stehen die Kammern durch Septalöffnungen in Ver-
bindung, welche sich an der Basis der Septen, also da, wo die letzteren
auf den vorhergebenden Umgang sich aufsetzen, befinden. Im Allgemeinen
stellen sich diese Oefifnungen als etwa halbmondförmige Schlitze dar; im
speciellen hingegen zeigen sie bei den einzelnen Gattungen ziemliche
Verschiedenheiten, sowohl in ihrer Gestaltung als Lagerung. Bei den
oben erwähnten spiralig symmetrischen Formen lagern sich die Septal-
öffnungen gleichfalls symmetrisch. Bei den übrigen Formen dagegen ist
auch ihre Lagerung eine asymmetrische. So sind sie bei Discorbina und
Pulvinulina ganz auf die basale Seite gerückt, während sich bei der
Gattung Rotalia meist nur eine geringere Asymmetrie der massig grossen
Mündungsöifnung durch Verschiebung nach der Basalseite findet. Etwas
eigenthümlich ist die Lage der Mündung bei der Gattung Truncatulina;
auch hier dehnt sie sich mit ihrem Haupttheil auf der basalen, hervor-
gewölbten Seite der Schale lang schlitzartig aus, erstreckt sich jedoch
auch auf die abgeflachte Oberseite, wo sie sich längs der Naht, welche
die betreifende Kammer mit dem vorhergehenden Umgang bildet, hin-
erstreckt. Da dieser letzterwähnte Theil der Mündungsöifnung auf der
abgeflachten Oberseite bei der Bildung der folgenden Kammer nicht um-
schlossen und verdeckt wird, so zeigt sich demnach hier die Eigenthüm-
lichkeit, dass wenigstens noch eine Anzahl der jüngsten Kammern durch
besondere Oeff'nungen nach aussen münden; an den älteren Kammern
hingegen wird dieser frei bleibende Theil der Mündung durch Auflagerung
secundärer Schalensubstanz geschlossen.
In der Beschaffenheit der Septen zeigt sich in bei weitem den meisten
Fällen noch das einfachste Bildungsverhältniss, indem dieselben nur aus
einer einfachen Lamelle durch Einfaltung der Vorderwand jeder Kammer
gebildet werden, und meist auch in derselben Weise wie die übrigen
Schalenwände perforirt sind. In letzterer Beziehung macht sich jedoch
schon hier und da eine höhere Ausbildungsstufe geltend, indem sich die
gewöhnliche Perforation der Scheidewände verliert und die letzteren
nur von einer geringen Anzahl gröberer Poren durchbohrt werden.
74 Khizopoda.
Dagegen schliesst sich die Gattung Rotalia in Betreff der Entwickelung
der Scheidewände an die höheren Ausbildungszustände der Nummuliniden
an, indem sie, ähnlich wie wir das schon bei Carpenteria fanden, Septen
besitzt, die aus zwei Lamellen bestehen, von welchen die hintere durch
Einfaltung der Wand der hinteren Kammer, die vordere durch eine ent-
sprechende Einfaltung der Wand der vorderen Kammer hervorgegangen
ist. In gleicher Weise wie bei Carpenteria, bleibt zwischen diesen beiden
Septallamellen, indem sie nicht völlig zusammenschliessen, ein Interseptal-
raiim übrig, der auf Längsschnitten des Septums ein kanalartiges Ansehen
darbietet, sich jedoch spaltartig fast durch das ganze Septum erstreckt
(IX. 3b). Längs der Kammernähte, auf der äusseren Oberfläche der
Schale, münden jederseits eine Reihe von Kanälchen durch Poren aus,
welche von dem entsprechenden Interseptalraum ihren Ursprung nehmen.
Indem sich nun die Interseptalräume der jüngeren Umläufe durch diese
Poren und die zu ihnen führenden Kanälchen mit den Interseptahäuraen
der früheren Umgänge in Verbindung setzen, steht das gesammte sogen.
Kanalsystem der Schale in organischem Zusammenhang und gibt uns
schon eine ungefähre Vorstelkmg von der Entwickelung der entsprechenden
Einrichtung bei den höheren Nummuliniden.
Zum Beschluss unserer Betrachtung der Morphologie der Rotalinen-
schalen müssen wir noch auf gewisse Unregelmässigkeiten und Ab-
weichungen im Wachsthum hinweisen , die wir ja schon mehrfach und
namentlich bei festgewachsenen Rhizopoden eine nicht unbedeutende Rolle
spielen sahen. — So geht zunächst die typische Gattung Planorbulina in
ihrem entwickelteren Zustand gewöhnlich in das cyklische Wachsthum
über (IX. 8) , indem in der von uns schon mehrfach , zuletzt wieder bei
der Gattung Cymbalopora, angetroffenen Weise von dem letzten spiraligen
Umgang randlich allseitig Kammern hervorsprossen, die einen ersten
Cyklus bilden, auf dem nun in ähnlicher Weise eine grössere oder klei-
nere Zahl weiterer Cyklen folgt. Jede Kammer dieser Cyklen besitzt
statt der früheren einfachen Oeffnung deren zwei, welche seitlich und
nach Aussen schauend angebracht sind und sich gewöhnlich mit den zwei
alternirend gestellten benachbarten Kammern des folgenden Cyklus in
Verbindung setzen. Diese meist etwas lippenförmig aufgeworfenen Mün-
dungen können sich zuweilen auch hals- bis röhrenförmig ausziehen und
die durch sie in Verbindung gesetzten Cyklen von Kammern , sowie die
einzelnen Kammern selbst, auseinanderrücken, so dass in dieser Art ein
flach ausgebreitetes reticuläres Werk von Kammern und Verbindungs-
röhrchen entsteht. Jedoch sehen wir auch die Gattung Planorbulina (und
ähnlich verhalten sich zuweilen auch die jüngsten Kammern anderer
Gattungen) in ein ganz unregelmässig zusammengehäuftes Wachsthum
tibergehen, das, nachdem M. Schnitze eine hierhergehörige Form unter der
Bezeichnung Acervulina beschrieben hat (VIII. 17), gewohnlich als acer-
vuline Bildungsweise oder acervulines Wachsthum unterschieden wird.
Eine sehr merkwürdige Modifikation bietet noch die Gattung Pulvinulina
Perforate Polythalamia. (Calcariua.) 75
dar (IX. 5), indem sie durch starke Abfiachung in eine scheibenförmig
entwickelte Form llbergeht, deren Kammern sich allmählich sehr ver-
längern, so dass schliesslich nur wenige, bis zwei, auf den Umgang kom-
men, was auch hier schliesslich in cirkuläre Anordnung überführt. Ja es
treten in diesem Fall sogar Ringe auf, welche nur aus einer einzigen in
sich zurückkehrenden Kammer bestehen (Pulvin. vermiculata d'Orb. sp.).
Eine besonders eigenthümliche Entwickelung erreicht der Rotalinen-
typus in der Gattung Calcarina und zwar nicht durch beson-
dere morphologische Anordnuugs- und Wachsthumsverhältnisse der
Kammern, sondern durch die ungemein reichliche Entwickelung secundär
aufgelagerter Schalenmasse, wie wir sie ja auch schon bei den seither
besprochenen Rotalinen fanden. Dieser besonderen Bilduugsverhältnisse
wegen verdient die genannte Gattung hier noch eine kurze Besprechung.
Bezüglich der allgemeinen Anordnungsverhältnisse der Kammern verhalten
sich die hierhergehörigen Formen (IX. 7) wie die meisten übrigen Rota-
linen, es bilden die Kammern eine flache Schraubenspirale, die jedoch
hier, da die Umgänge nur ziemlich allmählich an Breite zunehmen und
mit ihren axialen Rändern weit von der Schraubenaxe entfernt bleiben,
eine weite Nabelhöhle aufweisen würde, wenn nicht schori seit dem ersten
Beginn der Schalenbildung eine dicke Lage von secundärer Schalenmasse
(sogen, supplementäres Skelet Carpenter's d, d') auf die primären Kammer-
wände allseitig aufgelagert würde. Durch diese Auflagerung wird die
weite Nabelhöhle völlig ausgefüllt. Es bildet demnach diese secundäre
Schalenmasse hier eine dicke Auflagerungsschicht über die ganze Schale
und lässt äusserlich keine Unterscheidung der Kammern mit Ausnahme
der jüngsten zu. Es ruhen daher auch hier die primären Wandungen
der jüngeren Umgänge nicht auf den entsprechenden der älteren direct
auf, sondern auf der secundären Schalenmasse, welche diese älteren Um-
gänge überdeckt (7, d', d'). Diese secundäre Schalenmasse entwickelt
jedoch hier noch einen besonderen, in geringerem Grad auch bei gewissen
Rotalinen ausgeprägten Charakter, indem sie, schon von dem ersten Um-
gang aus, und so fort von den übrigen, am peripherischen Rand in ziem-
lich ansehnliche Stacheln auswächst (7, f, f). Zahl, Länge und Gestaltung
dieser Stacheln, welche die äussere Erscheinung der Schale hier vorzugs-
weise bestimmen, variiren sehr; bald sind sie einfach, bald an ihren
Enden verzweigt, meist jedoch stumpf abgerundet.
Während die dünnen primären Schalenwandungen grob perforirt
erscheinen, wird dagegen die gesammte secundäre Schalensubstanz von
zahlreichen, im Allgemeinen radiär nach der Oberfläche der Schale strah-
lenden, unter einander jedoch vielfach auastomosirenden Kanälen durch-
zogen, die auf der Schalenoberfläche ausmünden. Indem jedoch gewisse
gleichfalls radial ziehende Partien von solchen Kanälen frei bleiben, bilden
sie zapfenähnliche solide, in der kanaHsirten Masse steckende Partien
(7, e', e'), die auf der Oberfläche tuberkelartig vorspringen (7, e). Carpenter
bezeichnet das die secundäre Schalensubstanz durchziehende Kanalwerk
76 Rhizopoda.
auch hier als Kanalsystem und stellt es in eine Kategorie mit dem oben
beschriebenen Kanalsystem der Carpenteria, Rotalia und dem noch weiter-
hin zu besprechenden der Nummuliniden. Ich kann hingegen eine Bildung,
äholich dem Kanalsystem der erwähnten übrigen Formen, hier nicht er-
kennen, da ihm der wichtige Charakter desselben, nämlich aus Inter-
septalräumen wenigstens zum Theil hervorgegangen zu sein, abgeht. Die
Septen der Calcarina sind einfach und enthalten keine Kanalräume.
Auch in der Bildung der Septalöffnung zeigt sich bei Calcarina eine
Abweichung von den eigentlichen Rotalinen; statt einer einfachen findet
sich hier am basalen Rand des Septums eine Reihe porenartiger Oefif-
nungen; im Uebrigen sind die Scheidewände hier imperforirt.*)
Die höchste Ausbildungsstufe erreicht der Schalenbau der Rhizopoden,
wie schon mehrfach angedeutet wurde, in der Abtheilung derNummuli-
niden; wo, wie dies ja ein überhaupt in der Thierwelt mehr oder minder
gültiges Gesetz zu sein scheint, mit der höheren Stufe der Entwickelung
im Allgemeinen auch eine ansehnliche Grösse verbunden ist. Innerhalb
dieser Abtheilung begegnen wir aber dennoch einfacheren, ja verhältniss-
mässig sehr einfach gebauten Formen neben den complicirten, und
sind im Stande, eine mehr oder minder zusammenhängende Reihe von
allmählich fortschreitenden Ausbildungszuständen nachzuweisen, von den
einfachsten ausgehend, bis zu den höchst entwickelten fortschreitend.
Was die gemeinsamen morphologischen Charaktere der hier zusammen-
gefassten Formen betrifft, so können wir die fast durchweg regulär spi-
ralige Aufrollung hervorheben, welche in seltenen Fällen etwas zur asym-
metrisch schraubenförmigen hinneigt und bei den höchstentwickelten
Formen in ähnlicher Weise den Uebergang ins cyklische Wachsthum
darbietet, wie wir dies auch schon in der Reihe der Imperforaten gesehen
haben. Fast durchaus ist fernerhin diese regulärspiralige Schale durch
einen hohen Grad von Involubilität ausgezeichnet, obgleich in dieser Hin-
sicht auch Modifikationen sich finden. Die höher entwickelten Formen
zeichnen sich durch die sehr vollständige Ausbildung eines, von uns schon
in geringeren Entwickelungsstufen besprochenen, sogen. Kanalsystems
aus und als weiteren Charakter, der uns zwar hier nicht näher berührt,
dürfen wir noch die fast durchaus sehr feine Perforirung der Schalen-
wände hervorheben.
Als einfachste hierhergehörige Form können wir, indem wir absehen
von gewissen schon kurz besprochenen monothalamen, durch engere Ver-
wandtschaftsbande sich hier wahrscheinlich anschliessenden Typen (wie
Involulina und Archaeodiscus), die Gattung Pullenia P. u. J. betrachten
*) unter den sandschaligen und angeblich imperforaten Formen des, wie schon mehrfach
bemerkt, eine grosse Zahl sehr verschiedenartiger Gestalten umschliessenden Genus Trocham-
mina P. u. J. finden sich auch eine Anzahl Arten, die sich in ihrer allgemeinen Bauweise
sehr nahe an die Kotalinen anschliessen. Es erscheint daher wohl nicht unmöglich, dass sich
durch genauere Untersuchungen für diese Formen ein näherer Anschluss an die eben betrach-
tete Gruppe der Globigeriniden herausstellen dürfte.
I
Perforate Polythalamia. (Pullenia, Sphaeroidiua etc.) 77
(IX. 14), Dieselbe wird zwar gewöhnlieh in die Nähe der Globigerinen
gestellt, mit deren symmetrisch spiraligen Formen sie wohl auch durch
verwandtschaftliche Beziehungen verknüpft sein dürfte, doch scheinen ihre
Beziehungen zu den Nummuliniden, hauptsächlich bei Berücksichtigung
erst in neuerer Zeit aufgefundener Zwischenstufen, recht innige. Diese
nur durch wenige Modifikationen vertretene kleine Form bietet uns
das Bild einer symmetrisch spiraligen Schale mit nahezu oder völlig
involuten Umgängen, die sich aus einer geringen Anzahl (4 — 5)
verhältnissmässig sehr rasch an Grösse zunehmender Kammern zusammen-
setzen. Die verhältnissmässig geringe Höhe der Kammern in Verbindung
mit ihrer ansehnlichen Breite macht die Gesammtgestalt der Schale zu
einer nahezu kugeligen. Die Septalöffnung ist ein sehr breiter und
niedriger Schlitz an der Basis der Septen. Letztere sind, so weit die
vorliegenden Untersuchungen hierüber Aufschluss verleihen, einfach und
von derselben feineren Structur wie die übrigen Theile der Karamer-
wandung.
Als nahe verwandt mit der soeben kurz beschriebenen Form wird
gewöhnlich die Gattung Sphaeroidina (IX. 15) betrachtet, der wir
daher hier noch einige wenige Worte widmen wollen. In vieler
Hinsicht an Pullenia sich anschliessend, weicht sie von dieser durch die
etwas asymmetrische schraubenspiralige Aufrollung ab, ist gleichfalls ganz
involut, so dass äusserlich meist nur die 3 letzten Kammern sichtbar
sind. Am abweichendsten verhält sich die Mündung, welche sich durch
Kleinheit und asymmetrische Lage sehr von der von Pullenia unterscheidet.
Möglicherweise dürfte sich eine neuerdings von Wallich*) beschriebene,
jedoch noch nicht ausreichend bekannte Gattung (Rupertia) ebenfalls näher
an Pullenia anschliessen. Es ist dies eine Form, welche namentlich durch
einen nur selten bei den kalkschaligen Rhizopoden beobachteten Charakter
sich auszeichnet. Sie erhebt sich nämlich auf einem, jedenfalls durch Aus-
scheidung secundärer, nichtperforirter Schalenmasse gebildeten Stiele. Auf
diesem ziemlich dicken Stiel ist eine an Pullenia, hauptsächlich durch die
ähnlich gestaltete Mündung, erinnernde Schale aufgewachsen, welche
jedoch eine viel unregelmässigere Bildung besitzt und daher auch in
mancher Beziehung an gewisse Rotalinen, so namentlich die Gattung
Planorbulina, erinnert.
Wir erlauben uns an dieser Stelle einzuschalten, dass schon früher
gelegentlich durch Macdonald (59) eine ähnliche, wenngleich nicht ganz
sichere, Stielbildung bei einer zu den Rotalinen gehörigen und von Parker
und Jones als Calcarina Spengleri gedeuteten Form beschrieben wurde,
auch bei einer Nummulites ähnlichen, jedoch nicht näher zu bestimmenden
Form will er eine solche Stielbildung beobachtet haben (wogegen die
übrigen von ihm als Stielbildungen beschriebenen Verlängerungen nichts
*) A. m. n. h. 4, XX.
78 Ehizopoda.
weiter wie die bekanntlich bei gewissen Formen röhrenförmig- ausgezogenen
Schalenmündungen sind).
In nahem Anschluss an die jetzt noch lebende Gattung Pullenia
scheinen mir eine Anzahl fossiler, erst in neuerer Zeit, vorzüglich
durch Brady (105) und v. Möller (116), näher bekannt gewordener Gat-
tungen zu stehen, welche jedoch wenigstens zum Theil schon auf einer
höheren Ausbildungsstufe stehen. In ihrer allgemeinen Gestaltung nähern
sich diese, hauptsächlich durch Endothyra Phill, (IX. 16) und Bradyina
V. Moll. (IX. 17) vertretenen Formen der Gattung Pullenia recht sehr,
unterscheiden sich jedoch durch eine, wenngleich sehr geringe, schraubig
spiralige Aufrollung der Umgänge, welche zwar bei der völligen Involu-
bilität der Umgänge nur wenig hervortritt, aber doch eine etwas asym-
metrische Gestaltung der Schale bedingt. Die Zahl der Kammern in den
Umgängen ist auch hier im Ganzen gering und ihr Wachsthum in die
Breite rasch, wodurch eben, im Zusammenhang mit den schon hervor-
gehobenen Charakteren, die allgemeine Aehnlichkeit mit Pullenia wesentlich
bedingt wird. Bei Endothyra sehen wir denn auch dieselbe weite Mündung
wie bei Pullenia die einfachen und in ihrer feinporösen Beschaffenheit sich
nicht von den übrigen Kammerwandungen unterscheidenden Septen durch-
setzen. Sehr eigenthümlich gestalten sich hingegen die Mündungsverhältnisse
bei der Gattung Bradyina und der nahe verwandten Cribrospira; hier
soll nach den Möller'schen Untersuchungen jedes Septum anfänglich völlig
geschlossen gebildet werden, so dass also das jüngste Septum oder die
Endfläche der jüngsten Kammer keine Mündung aufweist. Nach Bildung
einer weiteren Kammer wird der dünne Basaltheil des Septums zerstört
und damit eine ähnliche weite Communikationsöffnung zwischen den
Kammern hergestellt wie bei Endothyra und Pullenia.
Während bei der genannten Cribrospira die Septen noch einfach
gebaut, jedoch von grösseren Poren wie die übrigen Schalenwandungen
durchbrochen werden, stehen dagegen die Septen von Bradyina auf einer
höheren Ausbildungsstufe, indem sie von zwei Lamellen zusammengesetzt
werden, zwischen welchen eine Anzahl radiär verlaufender Interseptal-
kanäle frei bleiben, die auf der Oberfläche der Schale längs der Kammer-
nähte in ziemlich ansehnlichen Poren ausmünden. Andererseits münden
jedoch diese Interseptalkanäle auch frei in die Kammerhöhlungen aus und
zwar sowohl auf der centralen freien Schneide der Septen wie auch auf
deren vorderer und hinterer Fläche. Im Princip gestaltet sich daher das
Kanalsystem hier recht ähnlich dem schon früher bei Rotalia kennen
gelernten und schliesst sich an die noch weiter bei den Nummuliniden
auftretenden höheren Ausbildungsstufen desselben an.
Sehr nahe Beziehungen zu den seither besprochenen Formen scheint
mir die Gattung Aniphistegina d'Orb. (X. 1 — 3) aufzuweisen, wenngleich
dieselbe auch von neueren Forschern gelegentlich zu den Rotalinen gezogen
wurde. An die letztbesprochenen Genera schliesst sich Aniphistegina
Perforate Polythalamia. (Amphistegina, Nonionina etc.) 79
speciell dadurch näher an, dass ihre ganz involute iSchale eine ziemlich
bedeutende Asymmetrie der beiden Seiteuflächen aufweist (X. 3). Es
lässt sich diese Asymmetrie entweder auf eine schwach schraubenspiralige
Anordnung; oder, wie es hier auf dem Durchschnitt der Schale eigentlich
mehr den Anschein hat, nur auf eine stärkere, asymmetrische Ausbildung
der einen Seite zurückführen. Diese durch stärkeres, etwa stumpf-
kegeliges Hervorspringen ausgezeichnete Seite (X. 3, b^) wird, da die
Septalöflfnungen ähnlich wie bei den asymmetrischen Rotalinen sämmtlich
auf diese Schalenseite verschoben sind (3, f), als die Unterseite bezeichnet.
Im Gegensatz zu den seither besprochenen Formen sehen wir hier die
Umgangshöhe nur sehr allmählich anwachsen und da gleichzeitig die
Umgänge auch in der Richtung der Windungsaxe nur massig zunehmen,
besitzt die Gesammtgestalt hier nicht das kugelige Aussehen der letzt-
besprochenen Formen, sondern nähert sich mehr einer biconvexen Gestal-
tung (X. Ic). Die Zahl der auf einen Umgang kommenden Kammern
ist sehr ansehnlich, die die Kammern scheidenden Septen sind sehr
schief zur Spiralaxe gestellt und zeigen noch eine besondere, auf der
Unterseite hervortretende Eigenthümlichkeit, welche für unsere Gattung
vorzugsweise bemerkenswerth ist. Auf der Oberseite der Schale reprä-
sentiren sich die zahlreichen Kammernähte als stark nach vorn geknickte
Linien (X. la); auf der Unterseite dagegen sehen wir anscheinend zwxi
concentrisch umeinander gelagerte Kämmerchenspiralen (X. Ib). Und in
der That ist etwas derartiges hier auch wirklich zur Ausbildung gelangt.
Es hat sich nämlich auf der Unterseite die flügelartig nach der Axe hin
um die frühereu Umgänge herumlegende Verlängerung der Kammern
durch eine secundäre Scheidewand von dem peripherischen Kammertheil
abgesondert und diese beiden Theile jeder Kammerhälfte der Unterseite
stehen nur noch durch eine meist enge Communikationsöffnung in Ver-
bindung, was sich namentlich gut an Steinkernen fossiler Schalen nach-
weisen lässt (X. 2, a). Die Septen selbst sind von einfacher Bildung und
ausser der basal und auf der Unterseite der Schale gelegenen ziemlich
ansehnlichen Septalöfifnung weisen sie gewöhnlich nur noch eine Anzahl
grober Poren auf. Wie wir ähnliches auch noch bei den weiterhin
zu besprechenden Formen finden werden, sehen wir auch hier die um die
Windungsaxe gelagerte Schalenpartie (X. 3, b, b^) aus dichter, nicht
perforirter Schalensubstanz aufgebaut und ein Streif ähnlicher nicht per-
forirter Substanz bildet ferner ein durch den Verlauf der Rückenspirale
bezeichnetes Band in den Umgangswandungen, das man seiner Lage
nach den Dorsal st rang nennt (3, c^, c^). Ein Kanalsystem ist bei der
eben kurz geschilderten Form nicht angedeutet.
Eine hohe, ja die höchste Entwickelungsstufe erreicht hingegen das
Kanalsystem bei den beiden in sehr naher Beziehung zu einander stehen-
den Gattungen Nonionina und Polystomella, zwischen welchen, da
sie durch zahlreiche Uebergangsformen mit einander verknüpft scheinen,
eine scharfe Grenzlinie nicht zu ziehen ist.
80 Ehizopoda.
Die bei weitem einfacheren Formen umscbliesst die Gattung Non io-
nin a, die in ihren allgemeinen Gestaltsverhältnissen sich z, Th. noch sehr
nahe an Pullenia und Endothyra anreiht. Im Gegensatz zu letzterer
Gattung jedoch haben wir hier fast durchaus regulär-symmetrisch gestal-
tete Formen von gewöhnlich sehr bedeutender, bis völliger Involubilität.
Die Zahl der auf einen Umgang kommenden Kammern ist meist ziem-
lich beträchtlich und die Zunahme der Umgangshöhe nicht sehr be-
deutend. Zuweilen jedoch wächst der letzte Umgang recht beträchtlich
in die Höhe und es nähert sich damit die ganze Gestaltung der nahe
verwandten Gattung Operculina. Die weniger involuten Formen können
jederseits eine recht deutliche Nabelhöhle aufweisen, meist jedoch wird
dieselbe durch secundäre Schalenmasse völlig ausgefüllt und die Ablagerung
derselben erstreckt sich zuweilen strahlenartig von dem Nabel aus auf
die Kammernähte, so dass hierdurch eine sternartige Figur auf den Seiten
der Schale gebildet wird.
Die ziemlich senkrecht zur Spiralaxe verlaufenden Septen werden
von einer basalen schlitzartigen Mündung durchbohrt. Sie sind nicht
perforirt wie die Kammerwandungen, aus zwei Lamellen zusammengesetzt,
zwischen welchen sich ein Kanalsystem entwickelt. Wie sich die Ent-
faltung dieses Kanalsystems speciell bei den Nonioninen gestaltet, scheint
noch wenig sicher bekannt zu sein. Nach den Angaben von Parker und
Jones ist es häufig sehr wenig ausgebildet oder soll sogar gänzlich fehlen.
Wir schildern hier die Ausbildung des Kanalsystems bei den Nonionina
so nahestehenden Polystomellen (nach den Untersuchungen Carpenter's),
welchen sich in dieser Hinsicht auch die Nonioninen, wenigstens in ihren
höher entwickelten Formen, anschliessen werden. Jederseits bemerkt man
hier in jedem Septum einen Interseptalkanal, der dicht unterhalb der
äusseren Schalenoberfläche verläuft und an der Rückenseite des Septums
in den der andern Seite übergeht (X. 6 c, d). Von jedem dieser Kanäle
entspringen vorn und hinten, nach der Schalenoberfläche zu, zahlreiche
secundäre Kanälchen (6 c, f), die wie bei Rotalia auf der Oberfläche der
Kammern längs der Kammernähte in je einer vordem und hintern Reihe
von Poren ausmünden. Die Interseptalkanäle jeder Seite nehmen ihren
Ursprung von einem jederseits der Schale verlaufenden Spiralkanal (X. 6c,
e; 6 b, e u. e^), der in der Gegend der Embryonalkammer aus einer Art
lakunären Lücken werks, wie es häufig scheint, beginnend, die nach der
Winduugsaxe schauenden Ränder der Umgänge begleitet. Die Bildung
dieser Spiralkanäle kann man sich in der Weise vor sich gehend denken,
dass, bei der Auflagerung jedes neuen Umgangs auf den vorhergehenden,
ein solcher spiraliger Kanal zwischen der Oberfläche des vorhergehenden
Umgangs und der sich auflagernden Wandung des folgenden frei gelassen
wird. Von diesen Spiralkanälen entspringen dann noch bei denjenigen
Formen, bei welchen der Nabel von einer secundären Auflagerungsmasse
ausgefüllt wird, zahlreiche letztere durchsetzende Kanälchen, welche in
Polythalamc Perforata. (Polystomclla, Oiierculina.) 81
ziemlich gestreckter Richtung nach der Schalenoberfläche aufsteigen und
hier ausmünden (X. 6 b).
Wie gesagt, besitzt dieses Kanalsystem seine höchste, eben geschil-
derte Ausbildung bei der Gattung Polystomclla; jedoch sind es noch
einige nicht uninteressante morphologische Eigenthümlichkeiten , welche
letztere weiterhin charakterisiren. Schon bei eigentlichen Nonioninen zeigt
sich nicht selten eine Hinneigung zum Zerfall der schlitzartigen Septal-
öfifnung in eine grössere Anzahl secundärer, porenartiger Oeffnungen.
Letzteres Verhalten ist dann für die eigentlichen Polystomellen typisch
geworden; es findet sich also hier statt einer einfachen Septalöfifnung eine
Reihe längs des ganzen Basalrandes des Septums hinziehender Poren
(6 b u. 6 c, s). Ausserdem bilden sich jedoch hier weiterhin am periphe-
rischen Rand der Septen eigenthümliche, dicht unter der Schalenoberfläche
sich entwickelnde und entweder in die hintergelegene Kammer hinein-
ragende, sackartige Ausstülpungen, oder röhrenförmig in die äussere
Kammerwandung sich erstreckende Fortsetzungen. Auch auf die Con-
figuration der Schalenoberfläche sind diese Bildungen von Einfluss, indem
entweder bei der letzterwähnten Ausbildungsform derselben längs dem
hinteren Rand jeder Kammer grubenförmige, je zwischen zwei der Septal-
röhrchen gelegene Einsenkungen sich finden (XL 2 g), oder aber bei der
erstgenannten Ausbildungsform eine Längsfurchenbildung, welche haupt-
sächlich auf dem jüngsten Umgang hervortritt (X. 6 a), von jener eigen-
thümlichen Beschaffenheit der Septen äusserlich Zeugniss gibt.
Wie wir schon öfter den innigen Zusammenhang von kalk- und
sandschaligen Formen zu constatiren hatten, so sehen wir denn auch
sandschalige Rhizopoden auftreten, die sich in ihrer Gestaltung so nahe an
Nonionina anschliessen, dass ich ihre Hierhergehörigkeit nicht bezweifeln
kann. Eine solche Form ist z. B. von Brady (117 I.) als Angehörige
der Gattung Trochammina (Tr. trulissata Brdy.) geschildert worden, eine
andere, wohl gleichfalls sich hier anschliessende, sandschalige Form ist
noch deshalb von besonderem Interesse, weil Carter*) bei ihr die Per-
foration der Wände sehr wahrscheinlich gemacht hat. Es ist dies die von
Brady (117 1.) zum besonderen Geschlecht erhobene Cyclammina, bei
welcher sich nach letzterem Beobachter der von Sandrhizopoden schon
vielfach hervorgehobene Charakter auch wieder zeigen soll, nämlich die
z. Th. völlige Erfüllung der Kammerhöhlungen durch Auswüchse der Wände.
In sehr inniger Beziehung zu einander stehen die beiden Gattungen
Operculina (X. 4) und Nummulites (XII. 1 — 10), so dass es eigentlich
nur gewisse Wachsthumsverhältnisse sind, welche dieselben unterscheiden.
Andererseits schliessen sie sich auch recht innig an die letztbesprochenen
Formen, Nonionina und Polystomclla, an.
Wir haben hier gleichfalls wieder (mit seltenen kleinen Abweichungen)
die regulär spiralische Aufrollung, welche zwischen völliger und geringer
*) A. m. n. h. 4. XIX.
Bronn, Klassen des Thier-Eeichs. Protozoa. 6
82 Ehizopoda.
Involubilität schwanken kann. Da jedoch bei den wenig involuten Formen
(wie z. B. Operculina und den in der Untergattung Assilina zusammen-
gefassten Formen von Nummulites), wenn auch die Kammerhöhlungen der
jüngeren Umgänge nicht bis zu völliger Umfassung der früheren Umgänge
sich ausdehnen, doch die Schalenwandung der jüngeren Umgänge sich
verstärkend auf die vorhergehenden überlegt, so darf hier dennoch, wie
dies auch bei einem Theil der Polystomellen der Fall ist, von völliger
Involubilität gesprochen werden.
Die auf allgemeinen Wachsthumsverhältnissen beruhenden Unterschiede
beider Gattungen sind hauptsächlich: das verhältnissmässig sehr rasche
Anwachsen der Umgangshöhe bei Operculina (X. 4 a u. b), was sich
namentlich in der raschen Höhenzunahme des letzten Umgangs ausspricht
und mit der geringen Ausdehnung in der Richtung der Windungsaxe eine
meist sehr abgeflachte, scheibenförmige Gestalt der Schale bedingt. Bei
Nummulites hingegen wachsen die meist sehr zahlreichen Umgänge nur
sehr allmählich, häufig nahezu unmerklich in die Höhe (XII. 1, 2, 6) und
eine operculina-artige Erhöhung des letzten Umgangs tritt nie auf, sondern
die ausgewachsene Schale scheint sich im Gegentheil ziemlich allgemein,
wie dies schon früher angedeutet wurde, durch Uebergang der spiraligen
Aufrollung in eine kreisförmige zu schliessen.
Bei beiden Gattungen sehen wir zahlreiche ziemlich genau radiale und
nach vorn etwas convex hervorgewölbte Septen die einzelnen Kammern
scheiden, zwischen welchen an der Basis der Septen gelegene, spaltartige
Oefifnungen die Communikation herstellen (X. 4b, e uud XI. 8, c).
Gemeinsam für beide ist fernerhin die Ausbildung eines aus nicht per-
forirter Schalensubstanz bestehenden sogen. Dorsalstrangs (X. 4 b, a — a^
u. XII. 6 u. 8, a — a^), wie wir ihn ähnlich auch schon bei der Gattung
Amphistegina angetroffen haben. Hier zeichnet sich derselbe durch seine
bei Operculina sehr deutliche Zusammensetzung aus parallel der Spiral-
axe gelagerten Kalkspicula aus*), fernerhin jedoch noch durch die ihn
der Längsrichtung nach durchziehenden zahlreichen Kanäle, welche
unter sich vielfach anastomosiren und einen Abschnitt des hochausgebil-
deten Kanalsystems darstellen, den wir bei Polystomella sammt dem
Dorsalstrang vermissten. Bei Nummulites treten unter den Längskanälen
des Dorsalstrangs hauptsächlich zwei Paar ansehnlich hervor (XII. 8, a).
Das übrige Kanalsystem wird auch hier durch dasselbe Paar ansehnlicher
Spiralkanäle gebildet (X. 4 b, 4 c, h, XII. 8), welche wir auch schon bei
Polystomella angetroffen haben, jedoch ist ihre Lage hier eine etwas
andere, indem sie einander näher gerückt sind, zu beiden Seiten des
Dorsalstrangs und demselben aufgelagert hinziehen, also die Septen jeder-
seits dicht neben den seitlichen Enden der spaltartigen Septalöffnung
durchsetzen. Zwischen die beiden Lamellen jedes Septums schickt der
*) Gegenüber Carpenter muss ich, nach eigner Untersuchung, die von Carter an-
gegebene Zusammensetzung des Dorsalstrangs aus Kalkspicula bestätigen.
Polythalame Perforata. (Nummulitcs.) ^3
Spiralkanal jeder Seite einen nach dem Dorsalstrang aufsteigenden Inter-
septalkanal (X. 4b, 4c, g; u. XII. 8f, 10b), der sich während seines Ver-
laufs meist vielfach verzweigt und indem die Zweige jeder Seite unter
sich, häufig jedoch auch mit denen der gegenüberliegenden Seite anasto-
raosenartige Verbindungen eingehen, entsteht ein netzartiges Kanalwerk
von mehr oder minder regulärer Ausbildung. Von dem in der Dorsal-
partie des Septums gelegenen Theil dieses Gefässwerkes nehmen denn
auch die den Dorsalstrang durchziehenden Gefässe ihren Ursprung (X.
4 c, a^). Bei Nummulites wenigstens ist ferner der Zusammenhang der
Kanäle des Dorsalstrangs mit den beiden ihm aufliegenden Spiralkanälen
des folgenden Umgangs sichergestellt, so dass also in dieser Weise das
Kanalsystem der aufeinanderfolgenden Umgänge und schliesslich das der
ganzen Schale in Zusammenhang steht. Wie bei Polystomella sehen wir
fernerhin auch bei Operculina von den Interseptalkanälen jedes Septums
zahlreiche Aestchen nach der äusseren Schalenoberfläche dringen und
hier jederseits der durch imperforirte Schalenmasse ausgezeichneten Kammer-
nabt in je einer Porenreihe ausmünden (X. 4 b, b). Etwas anders hin-
gegen gestalten sich diese Verhältnisse bei Nummulites, indem hier jene
nach aussen führenden Aestchen nicht gleichmässig längs jeder Kammer-
naht sich erstrecken (wie denn hier auch die Kammernähte nicht wie bei
Operculina durch einen fortlaufenden Streif imperforirter Substanz aus-
gezeichnet sind), sondern es dringen sowohl von den Interseptalkanälen,
als auch direct von den Spiralkanälen, Bündel feiner nach aussen führender
Zweigkanälchen in zapfenartige nach der Schalenoberfläche sich erweiternde
und über den Septen die feintubulirten Schalenwände durchsetzende Par-
tien imperforirter Substanz ein (XII. 8e), um auf der tuberkelartig vor-
springenden Aussenfiäche dieser Zapfen oder Pfeiler auszumünden (XII.
6, e, 9 e). Wenn nun , wie dies bei den involuten Nummuliten gewöhn-
lich der Fall ist, derartige Zapfen nicht perforirter, jedoch von Zweigen
des Kanalsystems durchzogener Schalensubstanz der übereinandergelagerten
Umgänge aufeinandertreff'en, so setzen sie sich direct ineinander fort
(XII. 2, 9e). Wir begegnen dann auf den Durchschnitten solcher Schalen
sehr häufig derartigen Pfeilern, welche durch mehrere, ja durch sämmtliche
Umgänge hindurch sich fortsetzen. Die Septen werden ausser von der
SeptalöffnuDg noch von einer Anzahl gröberer Poren durchbrochen, welche
auch z. Th. eine Communikation der Interseptalkanäle mit den Kammer-
räumen herstellen. Im übrigen sind wenigstens bei Operculina die Septen
imperforirt, wogegen für Nummulites (z. Th.) von v. Möller (116), wie
früher auch schon von d'Archiac und Haime, eine perforirte Beschaffenheit
der Septen angegeben wird.
Besondere Eigenthümlichkeiten zeigen sich noch im gegenseitigen
Verhalten und der Anordnung der Septen bei Nummulites, wo eine be-
deutende Mannigfaltigkeit in dieser Hinsicht angetroffen wird. Wie schon
oben bemerkt wurde, ist ein Theil der Nummuliten sehr wenig involut,
wenigstens in dem Sinne, dass die eigentlichen Kammerhöhlungen der
6*
84 Ehizopoda.
aufeinanderfolgenden Unigänge sich ähnlich wie bei Operculiua nur wenig
umfassen (XII. 4 a, 5). Bei den involuten Formen dagegen, bei welchen
die Kammerhöhluugen die vorhergehenden Umgänge seitlich, flügelartig
ausgezogen, bis zur Windungsaxe überdecken (XII. 2, 6), findet sich ent-
weder ein einfach strahlenartig radiärer Verlauf der Septen bis zur
Windungsaxe hin (XII. 3), oder diese nach der Windungsaxe jederseits
sich erstreckenden Seitentheile der Septen zeigen einen mehr oder weniger
unregelmässig hin- und hergewundenen Verlauf. Bei weiterer Entwicke-
lung dieses Verhaltens trefiFen die Ausbuchtungen dieser seitlichen Flügel-
theile der aufeinanderfolgenden Septen verschmelzend aufeinander (XII. 7 b^).
Durch diese eigenthümlichen Wachsthumserscheinungen werden die ur-
sprünglich einfachen Seitenflügel der Kammern in zahlreiche secuudäre
Kämmerchen zerlegt (XII. 6). Ein in der Windungsaxe geführter Durch-
schnitt eines solchen Nummuliten bietet daher in der Medianlinie eine
Reihe grösserer Kammern (XII. 9, b), d. h. die centralen Kammertheile
dar, welche seitlich von einer ganzen Anzahl Schichten sehr niederer
Kämmerchen überdeckt werden (XII. 9d); es sind dies eben die
aus der Umbildung der Seitenflügel der Kammern hervorgegangenen
Kämmerchen.
Eine eigenthümliche Parallelgruppe zu der von uns schon früher be-
sprochenen iraperforaten Gattung Alveolina bilden unter den Nummuliniden
die sogen. Fusuliniden (XII. 11 — 15) mit der Hauptgattung Fusulina. In
mancher Hinsicht schliessen dieselben sich gerade der Gattung Nummulites
au, von der sie sich jedoch durch eine im allgemeinen viel einfachere
Bildungsweise wieder entfernen. Der hauptsächlichste morphologische
Charakter dieser Formen, welcher dieselben gleichzeitig den Alveolinen
nähert, ist die völlige Involubilität; die Umgänge umhüllen sich hier
völlig (XII. 15), so dass jeder neue Umgangsraum allseitig den vorher-
gehenden umfasst. Aeusserlich ist daher von den früheren Umgängen
absolut nichts sichtbar. Gleichzeitig ist jedoch die Gesammtschaie in der
Richtung der Windungsaxe sehr verlängert (XII. 11, 12, 13, 15); wes-
halb, da die Umgangshöhe nur sehr allmählich anwächst, die Gesammt-
gestalt der Schale derjenigen von Alveolina sehr ähnlich wird. Bei ge-
ringerer Streckung der Windungsaxe erscheint sie demnach etwa kugelig
(Schwagerina), bei grösserer Streckung hingegen spindelförmig bis cylin-
drisch (Fusulina und Hemifusulina). Die Umgänge werden wie bei
Nummulites durch zahlreiche Septa in Kammern zerlegt (XII. 14), die
unter einander durch spaltartige, am Innenrand der Septa gelegene Oeff-
uungen in Verbindung stehen (XII. lim). Aehnlich wie wir jedoch die
seitlichen Theile der Septen bei gewissen Formen von Nummulites in sehr
eigenthümlicher Weise gefältelt und damit die Erzeugung secundärer
Kämmerchen verbunden sahen, finden wir solches auch bei den Fusu-
linen. Bei der Gattung Schwagerina sind die Septen in ihrer grössten
Ausdehnung von regelmässig ebenem Verlauf, an den Polen der Schale
jedoch, wo sie sich der Windungsaxe nähern, gehen sie plötzlich in
Polythalame Perforata. (Fusuliniden, Loftusia.) 85
wellenförmig gebogeuen Verlauf über, verzweigen sich auch und indem
die hier zusammenkommenden zahlreichen Septen eines Umgangs — und,
wie es scheint, sogar der aufeinanderfolgenden Umgänge — mit ihren Ver-
zweigungen und Hin- und Herbiegungen vielfach anastomosiren , bildet
sich in der Windungsaxe ein ganz unregelmässiges, labyrinthisches Fach-
werk (XH. 15 n) kleiner Kämmerchen aus (sogen, filet cloisonnaire, nach
der Bezeichnung von d'Archiac und Haime für das in mancher Hinsicht
ähnliche Verhalten der seitlichen Septentheile der oben beschriebenen
Nummuliten). Anders hingegen ist das Verhalten bei den Gattungen
Fusulina und Hemifusulina. Hier sind die Septen durchaus wellenförmig
gefältelt, parallel dem medianen Durchmesser der Schale (XH. 11 s, 13),
jedoch verliert sich diese Fältelung etwa in Va bis ^/g der Höhe der
Septen, so dass sich letztere in gestrecktem, geradem Verlauf an die
äussere Schalenwandung anheften. Indem nun die sich gegenüberstehenden
Ausbiegungen der aufeinanderfolgenden Septen mit einander verschmelzen,
wird jeder Kammerraum in eine grosse Zahl secundärer Kämmerchen
getheilt, welche jedoch sämmtlich mit ihren äusserlichen Theilen unter
einander in Verbindung stehen, da ja hier, wie erwähnt, die Fältelung
der Septen fehlt.
Die einfachere Bauweise, gegenüber Nummulites etc., zeigt sich in
dem völligen Mangel eines Kanalsystems bei Fusulina und Schwagerina,
womit denn auch die Einfachheit der nichtperforirten Septen in Verbin-
dung steht. Bei der Gattung Hemifusulina dagegen, die sich in allge-
mein morphologischer Beziehung genau an Fusulina anschliesst, ist mit
dem Auftreten einer doppelten Septenwand auch ein, wenn auch sehr
mangelhaft ausgebildetes, Kanalsystem verbunden.
Wir glauben, im Anschluss an die Fusuliniden, an eine sehr eigen-
thümliche, von ihrem Monographen Brady (88) für eine sandschalige Form
erklärte Rhizopode erinnern zu dürfen, über deren Stellung sich bis jetzt
mit Sicherheit nur wenig bemerken lässt. Es ist dies die auch durch
ihre Grösse bemerkenswerthe Gattung Loftusia (VII. 1), welche zuerst
tertiär, neuerdings jedoch auch in der Kohlenformation nachgewiesen
wurde. Wie die sandschaligen Formen überhaupt, wird auch die Loftusia
von Brady für eine Imperforate gehalten, wogegen viel für ihre Zugehörig-
keit zu den Perforaten zu sprechen scheint und auch die angebliche Zu-
sammensetzung ihrer Schale aus Kalksand scheint etwas fraglich, da wir
neuerdings durch v. Möller (116) erfahren haben, dass eine Reihe fossiler,
angeblich kalksandschaliger Formen als echt kalkschalige zu betrachten
sind, welche durch den Fossilisationsprocess eigenthümlich verändert
wurden. In ihren allgemeinen morphologischen Bauverhältnissen nähert
sich Loftusia in mancher Hinsicht den besprochenen Fusuliniden; sie
ist gleichfalls eine völlig involute und in ihrer Windungsaxe sehr ver-
längerte, daher ei- bis spindelförmige Form, die jedoch in ihrem feineren,
inneren Bau mannigfache sehr eigenthümliche Verhältnisse darbietet. Auf
der Innenfläche einer die Umgänge äusserlich bildenden, vcrhältnissmässig
3 Q Ehizopoda.
dünnen Schalenlamelle hat sich nämlich eine ziemlich beträchtliche Menge
einer secundären, eigenthümlich reticulären, bis labyrinthiscben Schalen-
masse abgelagert (1, c), welche auch die elllpsoidische Centralkammer
vollständig erfüllt. Von dieser Auskleidungsmasse entspringen zahlreiche
sehr schief zur Spiralaxe die Umgangshöhlungen durchsetzende Septen,
die keine regulären Communikationsöffnungen besitzen, jedoch, da sie aus
der gleichen labyrinthisch reticulären Masse gebildet sind, vielfache Com-
raunikationen zwischen den durch sie geschiedenen Kammern gestatten.
Ausserdem erstrecken sich jedoch noch zahlreiche, hohle säulenartige
Auswüchse zwischen den benachbarten Septen, durch welche der Kammer-
raum vielfach unregelmässig untergetheilt wird. Wie gesagt, ist der
eigenthümliche Bau dieser Gattung (deren Rhizopodennatur sogar von
Carter,*) jedoch, wie ich glaube, mit Unrecht bezweifelt wird) bis jetzt
in keine sichere Beziehung zu anderen Formen zu bringen, doch dürften
die allgemeinen Bauverhältnisse den vorläufigen Anschlus^ an die Fusu-
liniden wohl rechtfertigen.
Schon früher wurde bei Betrachtung der Imperforata darauf hin-
gewiesen, dass ein ganz ähnlicher Uebergang zur cyklischen Aus-
bildungsweise, wie er von Peneroplis durch Orbiculina zu Orbitolites zu
verfolgen ist, auch bei den Perforaten angetroffen wird. Hier wird dieser
Uebergang durch die Gattung Heterostegina (X. 5) bewerkstelligt
und zwar schliesst sich diese zunächst an Operculina an. Wie bei letzterer
haben wir auch bei Heterostegina ein ursprünglich vollständig oder nahezu
vollständig involutes Wachsthum, das jedoch mit dem raschen Höhen-
wachsthum der Umgänge schliesslich in ein nur wenig involutes übergeht,
indem sich wie bei Operculina der letzte Umgang sehr rasch bedeutend
erhöht und in der Richtung der AVindungsaxe entsprechend abflacht. Eine
sehr grosse Anzahl nach ^orn convexer und ziemlich schief zur Spiralaxe
verlaufender Septen theilt die Umgänge in zahlreiche und nur sehr kurze
Kammern, während dieselben natürlich sehr rasch an Höhe wachsen und
so bei der Betrachtung von der Seite eine etwa bandförmige Gestalt
zeigen. An der Basis jedes Septums existirt wie bei den meisten seither
besprochenen Nummuliniden eine Communikationsöffnung zwischen den
Kammern. Diese bandförmigen Kammern werden jedoch ähnlich wie bei
Orbiculina durch zahlreiche secundäre Scheidewände, welche senkrecht
auf die primären aufgesetzt sind, in secundäre Kämmerchen getheilt.
Unter sich stehen diese secundären Kämmerchen jeder Kammer in keiner
directen Verbindung, dagegen communiciren die alternirend gestellten der
aufeinanderfolgenden Kammern in ganz ähnlicher Weise, wie wir dies
schon mehrfach unter entsprechenden Verhältnissen fanden, indem jedes
Kämmerchen sowohl mit den zwei benachbarten der vorhergehenden wie
der folgenden Kammer durch schiefe Communikationsöffnungen in Ver-
bindung steht. Sowohl die primären wie die secundären Scheidewände
") A. m. n. h. 4. XVII.
Polythalame Perforata. (Cycloclypeus, Orbitoides.) 87
werden von zwei Lamellen zusammengesetzt, zwischen welchen ein Inter-
Kanalsystem verläuft, das sich wie bei der nahe verwandten Opereulina
mit einem in einem Dorsalstrang zur AusbilduDg kommenden Theil in
Verbindung setzt.
Das regulär -cyklische Wachsthum, wie wir es unter den Im-
perforaten schon bei Orbitolites antrafen, linden wir unter den Perforaten
bei 2 Gattungen, Cycloclypeus (VI. 3) und Orbitoides (XII. 17— 21) ver-
treten, von welchen die erstere, als die einfacher gebaute, hier zunächst
unsere Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen wird. Wie bei der einfachen
Form von Orbitolites sehen wir hier um eine ansehnliche Centralkammer
zahlreiche, in einer Ebene ausgebreitete Kämmerchencyklen, die scheiben-
förmige Schale bilden (VI. 3 B). Zwischen den Kämmeichen jedes Cyklus
existirt auch hier keine directe Verbindung, dagegen stehen die alternirend
gestellten der aufeinanderfolgenden Cyklen durch mehrfache übereinander-
gelegene, schiefe Communikationen, ähnlich wie bei der complicirten Form
von Orbitolites, in Verbindung (3, D, c, f). An jedem Kämmerchen lässt
sich eine primäre innerste Schalenlamelle unterscheiden, welche jedoch
auf den Seitenflächen der Schale von einer dicken Lage geschichteter,
secundärer Schalensubstanz überlagert wird (3 D a), während gleichzeitig
auch die aneinanderstosseuden primären Schalenlamellen der benachbarten
Kämmerchen durch eine Zwischenlagerung ähnlicher, jedoch, wie die
Scheidewände überhaupt, nicht perforirter Substanz gesondert werden. In
dieser Zwischensubstanz der Scheidewände breitet sich nun ein hoch ent-
wickeltes Interkanalsystem aus (3 D, c), das sich im wesentlichen aus
zahlreichen radiären (3 C, g), die secundären Septen, und cirkulären (3 C,
h, h^), die primären Septen durchziehenden Kanälen zusammensetzt.
Aestchen, welche von den Kanälen der secundären Septen abgehen,
münden in die Kämmerchenhöhlungen ein (3 C, g), während andere, in
der Dickenrichtung der Schale von den radialen und cirkulären Kanälen
aufsteigende Aestchen durch die nichtperforirte Schalensubstanz, welche
die Fortsetzung der Septen durch die perforirten Auflagerungen der Seiten-
flächen bildet, hindurchtretend (3 D, e), auf der Oberfläche der Schale
in feine Poren ausmünden, lieber den Kanten, welche durch die zu-
sammenstossenden Wände benachbarter Kämmerchen gebildet werden»
verdicken sich, namentlich im centralen Gebiet der Scheibe, diese aus
nichtperforirter Substanz bestehenden Fortsetzungen der Septen zu nach
der Schalenoberfläche zu kegelartig sich verbreiternden Pfeilern (3 D, c,
c, d). Aehnliche Bildungen haben wir bei verwandten Formen schon
mehrfach angetroffen und wie dort sind sie auch hier von Ausläufern des
Kanalsystems durchzogen. Von der einfacher gebauten Gattung Cyclo-
clypeus unterscheidet sich der complicirtere Orbitoides (XII. 17 — 21)
hauptsächlich durch die Eigenthümlichkeit, dass hier zwischen den zahl-
reichen aufeinandergeschichteten Lamellen, welche wie bei Cycloclypeus
die seitlichen Flächen der medianen Kämmerchenschicht überlagern, zahl-
reiche Schichten secundärer und sehr niedriger Kämmerchen eingeschaltet
§8 Ehizopoda.
sind (21b, 20d), demnach in einer mehr oder minder dicken Lage jeder-
seits die mediane Hauptkammerschicbt (a) überkleiden. Da ancb hier
wie bei Cycloclypeus die seitlichen Auflagerungsmassen am stärksten in
der centralen Partie der Scheibe entwickelt sind, so tritt diese einmal
gewöhnlich knopfförmig hervor und weist ferner zahlreichere tiberein-
andergestapelte Schichten von Nebenkämmerchen auf, als dies in den
peripherischen Theilen der Scheibe der Fall ist. Zwischen den grösseren
Mediankammern der aufeinanderfolgenden, häufig jedoch z. Th. nicht ganz
vollständigen, Cyklen existiren ähnliche Communikationen (22, a b), wie
bei Cycloclypeus; dagegen sollen hier gewöhnlich auch die Kämmerchen
jedes Cyklus durch eine die secundären Septen durchsetzende Oeffnung
(22 a^) in directer Verbindung stehen. Aber auch die Nebenkämmerchen
der übereinandergeschichteten Lagen stehen durch Communikationskanäle
in Verbindung (20 d), indem jedes derselben sich durch schief von ihm
auf- und absteigende Kanäle mit den 2 benachbarten, jedoch alternirend
gestellten der über- und untergelagerten Schicht in Communikation setzt.
Auf der Scheibenoberfläche treten die nichtperforirten Scheidewände
zwischen den Nebenkämmerchen gewöhnlich etwas leistenartig hervor (20)
und die Gesammtheit dieser Leisten bildet eine erhabene netzartige Zeich-
nung. Aehnlich wie bei Cycloclypeus entwickeln sich jedoch auch hier
in den zusammenstossenden Kanten der Scheidewände der Nebenkämmer-
chen kegelartige Pfeiler (20 e) von nichtperforirter Masse, welche in den
Knotenpunkten des oberflächlichen Leistenwerks warzig vorspringen.
In ähnlicher Weise wie bei Cycloclypeus ist ferner hier auch ein
Kanalsystem (20 h, 22) entwickelt, das jedoch im Ganzen weniger genau
bekannt ist. In Kürze mag noch erwähnt werden, dass sich in dem
hierhergehörigen Formenkreis eine reiche Mannigfaltigkeit der äusseren
Gestaltung kundgibt, welche jedoch durch gewisse Modifikationen aus der
typisch scheibenförmigen ohne Schwierigkeit abgeleitet werden kann.
Durch besondere Mächtigkeit der seitlichen Auflagerungen von Neben-
kämmerchenschichten geht die allgemeine Gestaltung in eine linsenförmige,
ja nahezu kugelförmige, über. Durch besonders ansehnliche Entwickelung
der Mediankamraern in gewissen Radien der Scheibe bilden sich auf der
Oberfläche hervorspringende Rippen (19), die gleichzeitig auch eine be-
sondere randliche Verlängerung eingehen können, so dass der Umriss der
Scheibe eine polygonale (17) oder, bei noch stärkerem Vorspringen dieser
Rippen, sogar eine sternförmige Gestaltung (18) annehmen kann.
In ziemlich naher Beziehung zu Orbitoides scheint mir in allgemein
morphologischer Hinsicht die gewöhnlich zu den Rotalinen gerechnete
Gattung Tinoporus (XIII. 2 — 3) zu stehen und zwar wenigstens mit
der unter dem Namen T. baculatus bekannten Art (3). Im Hinblick auf
die soeben kurz beschriebenen Orbitoidesformen können wir die haupt-
sächlichsten morphologischen Besonderheiten dieses T. baculatus in der
Weise charakterisiren , dass wir ihn als einen Orbitoides bezeichnen, bei
welchem es nicht zur Ausbildung der medianen Kämmerchenlage ge-
Polytlialame Perforata. (Tiaoporus.) 89
kommen ist, oder bei welchem sich dieselbe nicht von den übrigen
Kämmerchen unterscheidet. Der Wachsthumsanfang des Tinoporus wird
jedoch an Stelle der ansehnlichen, bei Orbitoides sich findenden Central-
kammern durch eine Anzahl deutlich spiralig aufgerollter Kammern be-
zeichnet, die man wohl als die sehr reducirte Medianlage des Orbitoides
betrachten dürfte. Dies scheint um so mehr gestattet, als sich auch bei
gewissen Orbitoidesformen eine so erhebliche Entwickelung der Neben-
kammern findet, dass dagegen die mediane Kämmerchenlage sehr zurück-
tritt und namentlich die beiden seitlichen Nebenkammerlagen , um den
peripherischen Rand der Medianlage herumgreifend, in einander übergehen,
wobei natürlich das Weiterwachsthum] der medianen Lage gänzlich
sistirt. Es Hesse sich der Bau von Tinoporus im Anschluss hieran in der
AYeise deuten, dass bei ihm die mediane Kammerlage durch sehr
frühzeitiges allseitiges Herumwachsen der Nebenkämmerchen nur eine sehr
geringe Ausbildung erreicht, wogegen aber die Nebenkämmerchenlagen
sich sehr entwickeln und in allseitig kugelig umfassenden Schichten weiter-
wachsen. Gleichzeitig ordnen sich die Kämmerchen in radialen, ziemlich
regelmässigen Reihen, wie ja solches auch bei Orbitoides hervortritt. In
dieser Weise wird, da auf der einen Seite der spiraligen Anfangs-
kammerlage die Entwickelung der Kämmerchenlagen eine etwas reich-
lichere ist als auf der entgegengesetzten Seite, eine Gesammtschaie von
etwas asymmetrischer, brodförmiger oder bei dem Tinoporus vesicularis
(XIII. 2a) stumpf kegelförmiger Gestalt, mit abgeplatteter Unterfläche, erzeugt.
Unter sich stehen die Kämmerchen in ganz ähnlicher Verbindung
wie die Nebenkämmerchen bei Orbitoides, und zwar in der Art, dass
jedes der Kämmerchen einer radialen Reihe durch Communikations-
öffnungen (2 b) mit den zwei weiter nach aussen und ebenso den zwei
weiter nach dem Centrum zu alternirend gestellten der beiden benach-
barten Radialreihen in Verbindung steht. Während die parallel der
Oberfläche verlaufenden Böden der Kämmerchen perforirt sind, wie dies
gleichfalls bei Orbitoides der Fall, sind hingegen die seitlichen Wände
solid. Wie bei Orbitoides entwickeln sich jedoch auch hier längs der
Kanten, in welchen die Radialreihen von Kämmerchen zusammenstossen,
kegelförmige Zapfen von solider Schalensubstanz, die auf der Schalen-
oberfläche warzig hervorspringen, wie denn auch auf der Oberfläche
eine ähnliche Netzzeichnung sichtbar ist, die von den vorspringenden
Septen der oberflächlichsten Kämmerchenschicht herrührt. Ausser diesen
Kegelzapfen von nichtperforirter Schalensubstanz (sogen, supplementäres
Skelet Carpenter's) bilden sich jedoch hier (T. baculatus) noch weit
ansehnlichere und zum grössten Theil in die Ebene der anfänglichen
Kämmerchenspirale fallende Ansammlungen von nicht perforirter Schalen-
substanz , die sich radiär stachelartig (3) , ähnlich wie die Stacheln bei
Calcarina, über die Peripherie der Schale hinaus erstrecken und ziemlich
zugespitzt in mehr oder minder ansehnlicher Längenentwickelung endigen.
Ein reichlich entwickeltes Kanalsystem durchzieht diese Stacheln, um auf
90 Khizopoda.
ihrer freien Aussenfläche zu münden, und setzt sieh andererseits auch
mit den anliegenden Kämmerchenhöhlungen in Verbindung. Auch in die
Kämmerchenwandungen soll sich nach Carpenter dieses Kanalsystem
erstrecken.
Weit einfacher gestaltet sich der Bau bei dem Tinoporus vesi-
cularis, dessen allgemeine Gestalt schon oben erwähnt wurde. Hier
fehlt mit der Ausbildung besonderer Züge unperforirter Substanz auch
die Entwickelung eines Kanalsystems. Carter*) will daher diese Art
gar nicht als hierher gehörig gelten lassen, sondern erhebt sie sammt
einer von ihm beobachteten Form, die flache, melobesia-artige Ueberzüge
auf Korallen etc. bildet, zu einer besonderen Gattung Gypsina.
Einen eigenthümlichen Formtypus, Patellina Williams., glauben wir
hier, des leichteren Verständnisses wegen, gleichfalls im Anschluss an die
Gattung Orbitoides besprechen zu dürfen, obgleich die näheren verwandt-
schaftlichen Beziehungen dieser im Ganzen bis jetzt nur unzureichend
erkannten Formen, noch keineswegs als sicher gestellt betrachtet werden
dürfen. Die einfacheren Ausbildungszustände zeigen Bauverhältnisse, die
in ziemlich hohem Grade für einen Anschluss an gewisse Rotalinen
sprechen, wohin denn auch die Gattung Patellina von den meisten
Forschern gestellt wird. Die äussere Gestaltung ist im Ganzen charak-
teristisch für unsere Gattung, indem dieselbe stets eine höher oder flacher
kegelförmige ist (IX. 9 a — b). Bei der einfachst gebauten Form findet
sich auf der Spitze dieses Kegels eine Embryonalkammer, um die sich
eine spiralig-schraubig geordnete Kammerlage herumlagert, welche jedoch
bald, ganz ähnlich wie dies bei der früher erwähnten Pulvinulina vermi-
culata geschieht, in Umgänge übergeht, welche nur aus zwei schmalen
bandförmigen Kammern bestehen. Diese letzteren Kammern lagern sich
mehr oder weniger regelmässig alternirend um einander. Der von dieser
eben geschilderten [einfachen Kammerlage gebildete dünne Mantel des
Kegels umschliesst eine weite axiale oder Nabelhöhle, die von einer
Ablagerung secundärer Schalensubstanz mehr oder weniger ausgefüllt
wird. Die beschriebenen halbkreisförmigen Kammern lassen unter sich
keinerlei deutliche Communikationen wahrnehmen und ihre Hohlräume
werden mehr oder minder vollständig, jedoch nie gänzlich, durch von der
Aussenwand hereinwachsende secundäre Septen in Kämmerchen getheilt.
Bei einer sich hieran anschliessenden, wie die eben erwähnte, gleichfalls
recenten Form (IX. 9), ist die Theilung der Kammern in Kämmerchen
eine völlige, so dass sich zwischen den einzelnen Kämmerchen keine
Communikationen mehr auffinden lassen, und dies um so mehr, als die
secundären Septen solid sind, während die äussere Wandung jedes
Käramerchens von einer geringen Zahl von Poren durchbrochen wird.
Weiterhin hat sich jedoch bei dieser Form ein völlig cyklisches
Wachsthum der Kammern ausgebildet, so dass auf die verhältnissmässig
*) A. m. n. L
Polytlialaiue Pcrforata. (Patclliua.) 91
grosse Embryonalkammer der Kegelspitze sogleich völlig cyklisch
geschlossene Kammern folgen , welche in die erwähnten Käramerchen
untergetheilt sind. Auch die Ausfüllungsmasse der Nabelhöhle (9 b) zeigt
hier eine Weiterbildung, da sie von einem lacunenartigen Netzwerk
secundärer Kämmerchen durchzogen wird. Es lässt sich daher die letzt-
besprochenc Form auch wohl mit einem Orbitoides vergleichen, dessen
Mediankanimerlage, statt scheibenförmig in einer Ebene ausgebreitet zu
sein, eine kegelmantelartige Entwickelung genommen hat und bei welchem
die Ablagerung secundärer Schalenmasse, sowie die von ihr bedingte
Bildung secundärer Kämmerchen, nur auf einer und zwar der Unterseite
der Hauptkammerlage stattgefunden hat. Noch mehr Uebereinstimmung
mit der Ausbildung der accessorischen Nebenkämmerchenschichten bei
Orbitoides scheint die Ablagerung der Nabelhöhle bei gewissen fossilen,
bedeutend grossen Patellinen zu besitzen. Hier sind zunächst diese zahl-
reichen Schichten von Nebenkämmerchen so geordnet, dass wie bei
Orbitoides oder Tinoporus die Kämmerchen der verschiedenen Schichten
in vertikalen Reihen libereinandergelagert sind. Auch tritt wenigstens bei
einem Theil der hierhergehörigen Formen auf der Kegelbasis eine ähn-
liche netzartige Zeichnung hervor, wie wir sie oben bei Orbitoides und
Tinoporus kennen gelernt haben, wie denn auch die zwischen den senk-
rechten Reihen von Nebenkämmerchen sich findenden soliden Pfeiler, die
mit ihren Breitenden tuberkelartig über die Oberfläche der Kegelbasis
hervorragen, sich hier wiederfinden.
Etwas abweichend verhält sich bei letzteren Formen z. Th. die den
Kegelmantel bildende Lage der Hauptkämmerchen. Dieselben können näm-
lich nochmals durch tertiäre, nicht völlig die Kammeriäume durchsetzende
Scheidewände in Kämmerchen tertiärer Ordnung getheilt sein, oder aber
es kann das cyklische Wachsthum in dieser Kämmerchenlage unterbleiben,
so dass dieselbe sich in Form einer regulär schraubenspiraligen Röhre
darstellt, welche durch zahlreiche Scheidewände in Kämmerchen getheilt
ist, so dass also in letzterem Fall eine Ausprägung der primären Kamraer-
abschnitte, wie wir sie bei den seither besprochenen Formen kennen
gelernt haben, sich nicht zu finden scheint.
Den Abschhiss unserer Betrachtung der morphologischen Eigenthüm-
lichkeiten des Schalenbaues der Rhizopoden möge ein , wie es scheint,
sehr eigenthtimlicher Typus bilden, der gewöhnlich den Rotalinen näher
angeschlossen wird, welche Anreihung mir jedoch im Ganzen wenig
gesichert erscheint; es ist dies die Gattung Polytrema (IX. IIa — b).
Unter den jetzt Lebenden steht dieselbe sehr vereinzelt, wogegen
sie mit gewissen fossilen, aber ihrer Natur nach noch nicht völlig sicher-
gestellten Formen eine Anzahl Structureigenthümlichkeiten theilt. Wir
meinen hier einmal die so eigenthümliche, nach Carpenter und Brady eine
sandschalige Foraminifere darstellende Parkeria und dann die palaeozoische
Gruppe der Stromatoporidae, in deren Nähe zuweilen auch das zweifel-
hafte Eozoon gebracht wird.
92 Ehizopoda.
Wie bemerkt, ist allein die recente Gattung Polytrema allseitig als
Rhizopode anerkannt, obgleich ihr Aeusseres sehr abweichend von den
meisten seither besprochenen Formen ist und weit mehr das Bild eines
kleinen Korallenskelets (Edelkoralle), als das einer Rhizopodenschale dar-
bietet (IIa).
Mit einigen Worten müssen wir daher hier zunächst des Gesammt-
habitus gedenken. Von einem mehr oder weniger dicken, stammartigen und
massig hohen, festgewachsenen Basalstock erheben sich eine Anzahl mehr
oder minder entwickelter, verzweigter oder un verzweigter Aeste, deren
Enden geöffnet sind, wenn man auch im Ganzen nur selten noch intakte
Astenden trifft. Was den feineren Bau betriff't, so bemerkt man zunächst
an der Basis eine Anzahl unregelmässig gehäufter bis spiralig angeordneter
Anfangskammern, deren äussere Schalenwandung feinperforirt ist, wogegen
die Septen solid sind. Das Weiterwachsthum vollzieht sich durch eine
ziemlich unregelmässige Aufeinanderhäufung von Kammern, die sich rasch
lamellenartig in die Breite ausdehnen und sehr nieder werden. Zugleich
bildet sich an diesen Kammern ein sehr eigenthümlicher Charakter aus.
In mehr oder weniger regelmässigen Abständen senkt sich nämlich die
Schalenwandung, indem sie gleichzeitig ihre Perforation verliert, zu hohlen
Pfeilern nach Innen ein (IIb Is), die sich auf die Aussenfläche der
unterliegenden Kammer aufsetzen. In Höhe, Dicke und Weite des Lumens
unterscheiden sich diese Pfeiler beträchtlich und z. Th. werden sie auch
durch Obliteration ihrer Lumina solid. Die Lumina der hohlen Pfeiler
führen natürlich durch eine porenartige Oeffnung auf der Aussenfläche der
Kammerwand in den Hohlraum der aufliegenden Kammer oder, wo solche
fehlt, nach aussen. Durch diese hohlen Pfeiler wird jedoch gleichzeitig
eine Coramunikation der Kammerräume unter einander und mit der
Aussenwelt hergesteUt, indem die Pfeiler an der Basis sehr gewöhnlich
(ob immer?) eine ziemlich ansehnliche Oefiiiung besitzen (Hb, o). Die
Bauweise der Aeste ist noch nicht ganz sicher ermittelt, scheint jedoch
im Princip in der Weise sich zu gestalten, dass eine oder mehrere über
einander gelagerte Kammerlamellen in einen astartigen hohlen Fortsatz aus-
wachsen, wobei sich die Pfeiler in der innersten Kammerröhre eines solchen
Astes nicht mehr gegen eine unterliegende Wandung, sondern gegen ein-
ander stützen. An den Enden sind, wie schon gesagt, die Zweige geöffnet.
Weiter im Inneren des basalen Stammes zuweilen sich findende grössere
Räume werden von Carter*) durch nachträgliche Resorption erklärt, wo-
gegen es mir eher scheinen will, dass dieselben davon herrühren, dass
bei fortgesetztem Wachsthum die ursprünglich freien Basen der Zweige
mit ihren weiteren Höhlen in den Stamm eingeschlossen wurden.
In Kürze möge denn hier noch eine Darstellung der Hauptzüge der
Bauweise jener oben schon erwähnten fossilen und zweifelhaften Parkeria
folgen, wodurch die bis zu einem gewissen Grade vorhandene Aehnlich-
*=) A. m. II. h. 4. XVII.
Polythalame Perforata. (P^rkeria.) 93
keit mit dem geschilderten Bau von Polytrema erhellen dürfte. Diese
bis zu 2 englischen Zoll im Durchmesser erreichende, gewöhnlich ziem-
lich regulär kugelige Form (V. 23) soll nach Carpenter und Brady (88)
eine kalksandschalige Imperforate sein, jedoch dürften bezüglich des einen
wie des anderen Charakters noch einige Zweifel erlaubt sein, wie wir sie
oben schon für die ähnlich geschilderte Loftusia geltend machten.
Eigenthümlich ist der Bau der von Carpenter geschilderten Central-
kammern bei Parkeria, welche in grösserer Zahl in gerader Linie und in
einem Radius der kugeligen Schale angeordnet sein sollen (23, c^ — c^),
so dass die älteste und kleinste am meisten peripherisch, die jüngste und
grösste hingegen im Centrum der Kugel gelegen ist. Carter*) bestreitet
jedoch die Natur dieser vermeintlichen Centralkammern, und hält sie für
einen Fremdkörper, welcher von der Parkeria überwachsen wurde. Nach
ihm sollen verschiedenartige Bruchstücke von Cephalopodenschalen oder
auch Aggregate von kleineren Rhizopodenschalen und Schwammnadeln
die Stelle dieser vermeintlichen Centralkammern vertreten können. .
Um diesen Centraltheil lagern sich nun zahlreiche kugelige Schalen-
lamellen (Ij — 14) herum, welche durch Zwischenräume, die etwa primären
Kammerräumen der Rhizopoden gleichzustellen wären, von einander getrennt
werden. Jede dieser Lamellen besteht aus zwei Schichten, einer inneren
dünneren und angeblich soliden und einer äusseren dickeren labyrinthisch
röhrigen, die sich, wie die Schalensubstanz überhaupt, aus verkitteten
Sandkörnchen aufbauen soll. Zwischen den einzelnen Schalenlagen wird
die Verbindung durch pfeilerartige oder kegelförmige hohle ßadialbalken
hergestellt (23 b, rp, 23 a D, A, B). In den Centraltheilen der Schale sollen
diese Pfeiler fast nur von der soliden Innenlamelle gebildet werden,
während sie in den äusseren Theilen eine sehr ansehnliche Umhüllung
von der labyrinthischen Aussenschicht erhalten (23 b, rp). Auf der Aussen-
fläche jeder Schalenlage öffnen sich die Hohlräume der sie stützenden
Pfeiler in den nächstfolgenden Kammerraum. Ausserdem setzen sich
jedoch auch die Hohlräume der labyrinthischen Schichten je zweier auf-
einanderfolgender Schalenlagen durch die Vermittelung der Pfeiler in
directe Verbindung.
Wir erkennen aus diesem Verhalten, dass hauptsächlich durch die
hohlen Pfeiler und ihre Beziehung zu den von ihnen in Verbindung ge-
setzten Schalenlagen zwischen Parkeria und der früher geschilderten
Polytrema eine gewisse Aehnlichkeit hergestellt wird.
Auf ähnliche Verhältnisse gründen sich auch die von einer Reihe
von Forschern betonten Beziehungen zwischen der Gattung Polytrema
(und den Rhizopoden überhaupt) und der eigenthümlichen Abtheilung der
sogen. Stomatoporiden. **)
*) A. in. n. h. 4. XIX.
**) Vergl. über diese zweifelhafte Gruppe, sowie über das Eozoon den systemat. Absclinitt.
94 Eliizopoda.
Abnorme Seh alenbildungs Verhältnisse.
Unter den mannigfachen Abnormitäten und Missbildungen der Schalen
unserer Rbizopoda, die gelegentlich zur Beobachtung gekommen sind,
sind hauptsächlich die eigenthümlichen Doppelbildungen von Interesse,
welche sowohl bei monothalamen wie polythalamen Schalen sich zuweilen
finden. Bei den monothalamen Süsswasserbewohnern sind derartige Fälle
bis jetzt nur sehr selten beobachtet worden, jedoch zeigt eine Beobachtung
von Hertwig und Lesser an Trinema, dass sie auch hier nicht völlig
fehlen. Bei letzterer Form beobachteten H. und L. ein Monstrum, das
sich etwa wie 2 Einzelindividuen darstellte, die mit ihren vorderen Enden
verschmolzen und in einem Winkel von etwa 100*' zusammengestellt
waren ; auch eine eigenthUmliche, fast wie in Theilung sich repräsentirende
Arcella vulgaris, die vom Verf. gelegentlich beschrieben wurde, darf zu
der Kategorie dieser Bildungsabweichungen gezählt werden.
G.ar nicht sehr selten scheinen sich derartige Doppelbildungen dagegen
bei der monothalamen Gattung Lagena zu finden und hierhergehörige
Exemplare -sind schon von Williamson (61), Parker und Jones (79),
Alcock (86) und Anderen beschrieben worden, Sie repräsentiren sich in Ge-
stalt von flaschenförmigen Lagenagehäusen, die an ihrem Hinterende
durch eine mehr oder weniger tiefgreifende Einfurchung in zwei Lappen
getheilt sind (VII. 22) oder erscheinen wie zwei Lagenen, die mit ihren
Hinterenden verschmolzen sind (VII. 18). Andersartig dagegen sind die
auch gar nicht so selten bei dieser Gattung anzutreffenden Doppelbildungen,
welche den Uebergang zu den polythalamen Nodosarinen vermitteln. Hier
ist seitlich oder auf das Mündungsende einer Lagena eine zweite Kammer
mehr oder minder regelmässig aufgesetzt (X. 21).
Wie gesagt, sind derartige Doppelbildungen jedoch auch bei Poly-
thalamen gelegentlich beobachtet worden und während ihre Bildungsweise
bei Lagena und anderweitigen Monothalamen im Ganzen ohne grosse
Schwierigkeit verständlich wird, dürfte sich für die zu erwähnenden Poly-
thalamien die Frage nach der Bildung solcher Vorkommnisse etwas
schwieriger gestalten. Da bis jetzt genauere Untersuchungen des feineren
Schalenbaues nicht vorliegen, so lässt sich auch vermuthungsweise nur
wenig in dieser Richtung äussern. Speciell die Gattung Polystomella
unter den Nummuliniden scheint eine Neigung zu derartigen Missbildungeu
zu besitzen. M. Schnitze hat solche von Polystomella strigilata beschrieben,
bei welchen sich der letzte Umgang in zvs'ei neben einander herlaufende
Umgänge spaltet, so dass die Schale Aehnlichkeit mit einem Verwachsungs-
zwilling erhält. Entsprechende Vorkommnisse haben weiterhin Parker und
Jones von P. striatopunctata bekannt gemacht.*)
Sehr bemerkenswerth sind fernerhin die eigenthümlichen Abnormitäten,
*) Beschreibungen \veiterer Monstrositäten von Nodosaria und Marginulina sollen sich
bei Keuss (Die Verstein. d. böhm. Kreideform. 1. Abth. 1845) finden.
Gestaltung des W'ciclikörpers. 95
welche die Gattung Orbitolites zuweilen darbietet und die gleichfalls der
Kategorie der eben besprochenen Bildungen wohl angereiht werden
dürfen.*) So sind zuweilen Exemplare von Orbitolites gefunden worden,
bei welchen die eine Hälfte der Scheibe von regulärem Bau war, während
die entgegenstehende Hälfte sich in zwei unter mehr oder minder grossem
Winkel von einander abstehende Scheiben spaltete. Eine derartige
Monstrosität lässt sich wohl in ähnlicher Weise als eine Art von Doppel-
bildung betrachten, wie die früher geschilderten von Polystomella. Etwas
abweichender, wenn auch im Princip wohl auf entsprechende Bil-
dungsvorgänge zurückführbar, sind die gleichfalls nicht gar seltenen
Exemplare von Orbitolites, bei welchen aus einer regulär gebauten Scheibe
sich einseitig eine' vertikal aufgesetzte halbe Scheibe erhebt, die entweder
von gleichem Durchmesser wie die Hauptscheibe ist, oder aber nur die
Hälfte dieser erreicht, in welch letzterem Fall sie sich dann über einem
Radius der Hauptscheibe erhebt. Andererseits reihen sich hier dann noch
weitere Formen an, bei denen eine oder mehrere, jedoch weniger voll-
ständige Scheiben sich von der Hauptscheibe zu erheben vermögen, die
häufig nur peripherisch zur Ausbildung gelangen und durch welche Formen
der Anschluss an die früher schon kurz erwähnten gefalteten und mit
radialen Auswüchsen verseheneu grossen Formen vermittelt zu werden
scheint.
4. Der Bau des Weichkorpers der Rhizopoda.
a. Allgemeine Gestaltsverhältnisse des Weichkorpers.
Die Gestalt des protoplasmatischen Weichkörpers der beschälten
Rhizopoda wird natürlich von der Gestaltung der Schale, sei diese nun
völlig oder nur z. Th. von demselben erfüllt, bestimmt. Bei der grossen
Mehrzahl der unbeschalten Rhizopoda hingegen ist die Gestalt des Weich-
körpers eine mehr oder minder unregelmässig wechselnde, wie es die in
sehr verschiedener Weise sich entwickelnden Pseudopodien während des
beweglichen Zustandes bedingen. Dennoch lässt sich bei einer Reihe von
Formen, trotz der wechselnden Gestaltungszustände, eine gewisse Grund-
gestalt mehr oder minder deutlich erkennen.
Im Allgemeinen scheint wenigstens für eine beträchtliche Zahl dieser
nackten Rhizopoden eine allseitig abgerundete, kugelige Gestaltung als
Grundform des Körpers festgehalten werden zu dürfen, da wir sehen,
dass unter gewissen Verhältnissen, die eine Unterbrechung der Bewegung
und der Pseudopodienentwickelung hervorrufen — so bei dem Uebergang
in den Ruhezustand (bei der Encystirung), fernerhin bei der Einwirkung
von Inductionsschlägen , sowie z. Th. auch ehem. Reagentien — der
betreffende Rhizopodenkörper sich der Kugelgestalt nähert. Wie bemerkt.
^). Vergl. bei Carpenter (74).
96 Eliizopoda.
bewahren aber auch eine Reihe von Formen eine gewisse Grundgestalt
ihres Weichkörpers trotz reichlicher und wechselnder Pseudopodienbildung
ziemlich dauernd bei. Zunächst haben wir hier Formen zu erwähnen,
bei welchen es überhaupt nicht zur Entwicklung eigentlicher Pseudopodien
kommt, sondern wo sich der Rhizopodenkörper ohne tiefgreifende äussere
Gestaltveränderungen, so zu sagen, fiiessend fortbewegt, gewissermaassen
ein einziges Pseudopodium darstellend. Als Beispiele dieser Art können
wir zunächst die bekannte Amoeba Guttula Duj. (II. 3) (in deren Nähe
jedenfalls auch die Gattung Hyalodiscus H. u. L. gehört) aufführen. Wir
finden hier einen scheibenförmig abgeflachten Körper, von nahezu kreis-
runder bis ovaler Gestalt, der tropfenartig und sehr anhaltend in einer
und derselben Richtung hinfliegst, ohne seine Gesammtgestaltang namhaft
zu ändern. Aehnlich sehen wir bei der Amoeba Limax Duj. (IL 2) und
einigen Verwandten eine mehr bandartig gestreckte Form fast ohne
Pseudopodienentwickelung hingleiten.
Auch die Formen mit reichlicher Entwickelung von Pseudopodien,
seien letztere nun von einfacher stumpfer, bis zarter und verästelter
Gestaltung, lassen gewöhnlich eine gewisse Grundgestalt des Pseudopodien
aussendenden Weichkörpers erkennen und zwar nähert sich derselbe
gleichfalls entweder mehr der kugeligen bis scheibenförmigen oder der in
einer Richtung ausgezogenen, bandförmigen Gestalt.
Ob eine dauernde, bestimmte Gestaltung des Weichkörpers sich bei
einem völlig nackten Rhizopoden findet, ist eine Frage, welche keineswegs
sicher entschieden scheint, wenngleich jedenfalls für eine Anzahl Formen
von monaxonem Bau die Schalenhaut, wenn sie überhaupt entwickelt
ist, eine so zarte Beschaffenheit besitzt, dass die dauernde und bestimmte
Gestaltung des Körpers bei der Schmiegsamkeit der Membran ohne Zweifel
vorzugsweise von der Formbeständigkeit des Weichkörpers bedingt wird.
Als hierhergehörige Beispiele dürfen aufgeführt werden der nach
Claparede und Lachmann schalenlose Petalopus (IL 13) mit etwa ovalem,
vorn abgestutztem Körper, von welchem abgestutzten Körperende die
eigenthümlichen Pseudopodien entspringen. Auch die im Allgemeinen
durch ähnliche Gestaltung sich auszeichnende Gattung Plagiophrys ist nach
ihren Entdeckern Claparede und Lachmann schalenlos und F. E. Schulze
konnte sich bei den von ihm beobachteten hierhergehörigen Formen eben-
falls nicht von der Existenz einer Schalenhaut überzeugen. Zweifelhaft
in dieser Hinsicht erscheint ferner noch die Gattung Diplophrys mit ihren
von beiden Polen des ovalen Körpers entspringenden Pseudopodien-
büscheln. Uebrigens ist ja die Schwierigkeit des Nachweises zarter
Schalenhäutchen genugsam bekannt und andererseits eine, wenn auch nur
zeitweise, Formbeständigkeit des Weichkörpers der Rhizopoda, bei der
Regularität der von ihm erzeugten Schalenbildungen, nicht wohl zu be-
zweifeln.
Allgemeines über Jas Protoplasma. 97
ß. Beschaffenheit des Protoplasmas des Rhizopodenkörpers im
Allgemeinen.
Im Ganzen haben wir in diesem Abschnitt nur wenige Bemerkungen
beizubringen, da die Schilderung der allgemeinen Eigenschaften und des
Verhaltens des Protoplasmas der Protozoen, die wir in der allgemeinen
Einleitung zum Gegenstand unserer Betrachtung erwählt haben, auch
für die Rhizopoden im Besonderen ihre Gültigkeit besitzt.
Die physikalischen Erscheinungen des Rhizopodenprotoplasmas können
beträchtlichen Schwankungen unterworfen sein. Schon das optische Ver-
halten lässt in manchen Fällen einen Schluss auf die bei verschiedenen
Formen sehr verschiedene Consistenz zu. Ein geringeres Lichtbrechungs-
vermögen deutet im Allgemeinen auf eine geringere Consistenz, auf eine
flüssigere Beschaffenheit hin, umgekehrt ein stärkeres auf einen geringeren
Grad von Verflüssigung. In gleicher Weise lässt sich aus der Art der
Bewegung ein Schluss in dieser Hinsicht ziehen, da eine rascher strömende
Bewegung und Verschiebung der Plasmatheilchen gegeneinander gleichfalls
eine mehr flüssige Beschaffenheit des betreffenden Plasmas anzuzeigen scheint,
wie trägere Bewegungsvorgänge das Gegentheil wohl vermuthen, jedoch
nicht mit Bestimmtheit voraussetzen lassen. In wie weit die später noch
zu besprechenden Gestaltsverschiedenheiten der Pseudopodien mit der
verschiedenen Consistenz des Protoplasmas im Zusammenhang stehen und
daher einen Rückschluss auf die Protoplasmaconsistenz gestatten mögen
(wie dies zuweilen angenommen worden ist; vergl. bei Mereschkowsky [118]),
scheint sehr wenig sicher. Jedenfalls scheint es nicht zulässig, die Ent-
wickelung feiner, zarter Pseudopodien in einen directen Zusammenhang
mit einer mehr schwerflüssigen Beschaffenheit des Protoplasmas zu bringen
und umgekehrt, da ja häufig gerade sehr zarte Pseudopodien durch ihre
sehr lebhaften Strömungserscheinungen auf eine mehr flüssige Beschaffen-
heit ihres Protoplasmas hindeuten.
Als Beispiele protoplasmatischer Rhizopodenkörper von dichterer,
grösserer Consistenz darf hier wohl an die grossen in der Erde lebenden
Amöben erinnert werden, bei welchen wenigstens die peripherische Körper-
partie eine solche hohe Consistenz zu besitzen scheint, wogegen zahl-
reiche kleinere Amöben sich durch sehr leicht fliessende Beschaffenheit
ihres Plasmas auszeichnen.*) Im Allgemeinen scheint auch für die zahl-
reichen in süssem Wasser lebenden, einkammerigen Formen mit spitzigen
und im Ganzen wenig verästelten und wenig anastomosirenden Pseudopodien
eine zähere Consistenz des Plasmas gegenüber den marinen Reticulaten, mit
ihrer gewöhnlich so lebhaften Körnchenströmung der Pseudopodien, fest-
gehalten werden zu dürfen. Im Speciellen dürfte jedoch der Consistenz-
grad bei einer und derselben Form zu verschiedenen Lebenszeiten wechselnd
*) Die sich zuweilen bei Amöben, wie auch der grossen Pelomyxa, durch lebhafte Mole-
kularbewegung der feinkörnigen Einschlüsse des Endoplasmas ausspricht.
Bronn, Klassen des Tliier-Reiclis. Piotozoa. 7
98 Ehizopoda.
sein, wie sich dies z. B. mit einiger Berechtigung aus dem verschie-
denen Verhalten der Amoeba radiosa (jedoch auch zahlreicher anderer
in bald trägeren, bald rasch beweglichen Zuständen sich findender Formen)
wird entnehmen lassen. Erstgenannte Form sehen wir ziemlich plötzlich
aus einem starren, mit langen, wenig beweglichen Pseudopodien aus-
gerüsteten Zustand in einen recht beweglichen, durch stumpfe, breite Fort-
sätze fortschreitenden, übergehen, was wohl mit einer Veränderung in
der Consistenz des Plasmas verknüpft sein dürfte.
Eine dichtere Beschaffenheit scheint das Plasma ferner nicht selten
bei dem Uebergang in den encystirten Zustand anzunehmen, indem hier-
mit, wie wir später noch genauer zu betrachten haben werden, nicht
selten eine Volumverminderung verbunden ist und sich auch eine dichtere
Beschaffenheit schon durch die erhöhte Lichtbrechung des encystirten
Plasmakörpers kundgibt.
Was die Structurverhältnisse betrifft, so müssen wir zunächst das
Vorkommen ganz structurlosen, hyalinen Plasmas anerkennen, möge dies
nun, wie dies z. Th. bei gewissen Formen der Fall ist, den ganzen
Weichkörper bilden oder nur eine äusserliche Zone desselben.
In den meisten Fällen jedoch bietet das Plasma eine äusserst fein-
körnige Beschaffenheit dar, und es unterliegt wohl keiner Frage, dass
wir in dieser gleichmässig durch das ganze Plasma, oder doch einen
bestimmten, von dem übrigen in dieser Hinsicht differenzirten Theil, sich
erstreckenden Granulation ein bestimmtes Structurverhältniss zu erkennen
haben; wiewohl häufig die feine Granulation, welche wir hier im Sinne
haben, von den verschiedeneu Forschern nicht hinreichend scharf von
körnigen Einschlüssen, wie sie in sehr mannigfacher Ausbildung anzu-
treffen sind, unterschieden wurde. Weitere Structurverhältnisse scheinen
nur selten zur Ausbildung zu kommen, beschrieben wird zwar z. Th. eine
netzförmig-faserige Structur gewisser Amöben,*) jedoch könnte diese
Erscheinung sich wohl, wie unten noch gezeigt werden wird, auf eine
allgemeine Vacuolisation zurückführen lassen. Eine eigenthümliche faserige
Structur des Plasmas wurde von mir bei einer grossen Amöbe beob-
achtet (II. 4).**)
y. Differenzirung des Plasmas in besondere Zonen oder Eegionen.-
Wie schon mehrfach hervorgehoben, wird bei einer sehr grossen Zahl
von Rhizopoden der gesammte Weichkörper von durchaus gleichmässiger
Plasmamasse gebildet. Hierher gehört vor Allem die grosse Zahl der
marinen Rhizopoden, die Perforata also durchaus und von den Imperfo-
rata ein grosser Theil. Von nackten Formen gehört hierher ein Theil
der Amöben (einschliesslich Protamoeba); auch bei der ansehnlichen
Pelomyxa lässt sich kaum von einem ständig differenzirten Aussenplasma
*) S. bei Heifzmann, Sitzungsb. d. Wien. Akad. 1873. III. Abth.
**) Ztschr. f. V. Z. Bd. 30.
DifFerenzirung des Plasmas. (Ecto- und Entoplasma.) 99
reden. Auch die marinen Monerenformen Protomyxa, Myxodyctium und
Protogenes, welche wir gleichfalls unter die Rhizopoden (in unserem Sinne)
einreihen, zeigen keinerlei Unterscheidung von besonderen Plasmaregionen.
Ebenso ist bei den beschälten Süsswasserformen im Allgemeinen nicht
viel von der Differenzirung einer besonderen Rindenschicht wahrnehmbar,
wenn sich auch die oberflächlichste Schicht des Weichkörpers häufig
etwas freier von körnigen Einschlüssen zeigt. Dennoch erkennt man bei
letzteren Formen eine Hinneigung zur Sonderung des Plasmas, indem
die Pseudopodien gewöhnlich eine hyaline, von körnigen Einschlüssen
wenigstens ganz freie Beschaffenheit zeigen, ihre Bildung demnach durch
lokales Zusammenströmen reinen, von Einschlüssen freien Plasmas
geschehen muss.
Eine mehr oder minder scharf ausgeprägte Sonderung des Plasmas
in eine oberflächliche Rinden- und eine Marksubstanz (Ectosark und Ento-
sark, Ectoplasma und Entoplasma) zeigt sich hingegen bei einem Theil
der nackten Formen. Zahlreiche Amöben und amöbenartige Organismen
(wie die Gattungen Hyalodiscus H. u. L., Dactylosphaera H. u. L., Gloi-
dium Sorok., Plakopus F. E. Seh.) zeigen eine oberflächliche, mehr
oder weniger dicke, aus hyalinem Protoplasma gebildete Rindenschicht
(I. 11, 12; II. 1, 5, 6), welche ein körniges Entoplasma umschliesst. Beson-
dere Structurverhältnisse dieses Ectoplasmas, wie sie uns bei anderen
Protozoen noch begegnen werden, sind hier, soweit bekannt, niemals
vorhanden. Eine scharfe Grenze existirt natürlich zwischen dem hyalinen
Ecto- und dem körnigen Entoplasma nicht, wie auch schon daraus her-
vorgeht, dass bei gewissen Amöben und auch Pelomyxa, wo für
gewöhnlich ein Ectoplasma sich nicht unterscheiden lässt, unter gewissen
Verhältnissen eine solche hyaline, äussere Plasmalage auftritt, die sich
demnach hier in gleicher Weise aus dem körnigen Plasma hervorgebildet
haben muss, wie sich, lokal begrenzt, ein hyalines Pseudopodium aus einem
aus körnigem Plasma bestehenden Rhizopodeukörper entwickelt.*)
Eine Diff'erenzirung gewisser Körperregionen kann sich jedoch auch
noch in anderer Weise an dem Leibe gerade solcher Rhizopoden hervor-
bilden, welchen die oben schon geschilderte Unterscheidung von Ecto-
und Endoplasma abgeht.
Bei einer Reihe von Euglyphinen und Gromiinen lassen sich 2, auch
3 hintereinander gelegene Abschnitte des monaxonen Körpers dadurch
untercheiden, dass sich die später noch genauer zu erwähnenden, körnigen
Einschlüsse vorzugsweise in der mittleren Körperregion anhäufen (III.
*) In neuerer Zeit wurde von zwei italienischen Forschern, Maggi und Cattaneo, hei der
eigenthümlichen aniöhenartigen Gattung Podostoma Clp. u. L. (vergl. hierüher den systemat.
Abschnitt), weiterliin jedoch auch hei Arcella, noch eine dritte, zwischen Ecto- und Entoplasma
sich einschiebende Eegion als „Mesoplasma" unterschieden. Diese Mesoplasmaregion soll
hauptsächlich durch die Einlagerung der contractilen Vacuolen charakterisirt sein. Bis jetzt
scheint mir, die Berechtigung zur Unterscheidung eines solchen Mesoplasma noch nicht ge-
nügend begründet zu sein. (Vergl. Kendic. R. Ist. Lomb. 2, IX; Atti soc. ital. d. sc. n. XXI).
7*
lOQ fihizopoda.
12a, 17a), während die vordere wie auch die hintere, den Kern ein-
schliessende Region homogen bleiben ; häufig dehnt sich jedoch die körnige
Erfüllung auf die gesammte vordere Körperhälfte aus, so dass dann nur
zwei Abschnitte hervortreten (so Euglypha, Trinema, Lecythium, Platoum).
Auch das umgekehrte Verhalten wird angetroffen, so bei Cyphoderia, wo
der hintere, kernhaltige Abschnitt sich durch seinen Körnerreichthum von
dem vorderen unterscheidet (III. 13). Natürlich ist in solchen Fällen die
Scheidung dieser Regionen noch weniger scharf als in den gewöhnlichen
Fällen der Dififerenzirung in Ecto- und Entoplasma.
Eine, an die soeben erwähnte erinnernde, Regionenbildung wird auch
gewöhnlich, doch ohne scharfe Scheidung in einzelne Regionen, im Körper
der polythalamen marinen Rhizopoden durch die Vertheilung des fast
regelmässig vorhandenen , feinkörnigen Farbstoffes hervorgerufen. Die
grösste Anhäufung desselben findet sich in den ältesten Kammern, wogegen
sich seine Menge in den jüngeren successive verringert, so dass das
Protoplasma der jüngsten oder auch noch das mehrerer vorletzten Kammern
nahezu oder völlig farblos erscheint.
6. Färbung- des Protoplasmas.
In den allermeisten Fällen besitzt das Plasma der Rhizopoden keine
besondere Färbung, sondern zeigt die bekannte, schwach bläulich-grüne,
zuweilen auch mehr gelbliche Färbung, welche dem Protoplasma unter
dem Mikroskop überhaupt eigenthümlich ist. Es scheint überhaupt fraglich,
ob jemals eine intensivere eigenthümliche Färbung des Plasmas sich
findet; es dürften sich vielmehr die wenigen Fälle, in welchen eine Fär-
bung des Plasmas selbst angegeben worden ist, doch vielleicht auch als
zu der gewöhnlichen Kategorie gehörig herausstellen, wo nämlich die
scheinbar diffuse Färbung durch sehr fein vertheilten Farbstoff bedingt
wird. So gibt z. B. Häckel für seine Protomyxa aurantiaca auch neben
dem Vorhandensein eines röthlichen bis orangerothen Farbstoffs eine gelb-
röthliche Färbung des Protoplasmas selbst an. So erwähnen ferner
Carpenter, Jeffreys und Thomson*) eines Rhizopoden mit olivengrüner
Sarkode.
f. Besondere Einschlüsse des Protoplasmas.
f'. Nicli tcontractile Vacuolen, Gasblasen und eigenthümliche Prodncte
des Stoffwechsels.
Nie h tcontractile Flüssigk ei ts räume (Vacuolen) sind eine
sehr gewöhnliche Erscheinung im Protoplasma der Rhizopoden und treten
in sehr verschiedener Grösse und Zahl auf (I. 1 a). Gewöhnlich finden sie
sich vereinzelter im Weichkörper, und wo derselbe eine Sonderung in Ecto-
und Entoplasma zeigt, in diesem letzteren zerstreut; seltener hingegen wird
*) Proc. roy. soc. XVIII.
Gasblaseu, Nahruugsvacuoleu, Farbstoifbläschen. 101
ihre Zahl so beträchtlich, dass das sie trennende Plasma nur noch ein
Maschenwerk von Scheidewänden zwischen ihnen herstellt, das Plasma eine
schaumige oder alveoläre Beschaffenheit annimmt. Ein derartiges Verhalten
begegnet uns z. B. gewöhnlich bei Pelomjxa (II. ^g), auch bei gewissen
Amöben tritt ähnliches mehr oder weniger deutlich hervor (so z. B. bei der
von Mereschkowsky [118] beschriebenen A. alveolata und der neuerdings
von R. Lankester aufgestellten Gattung Lithamoeba*); auch bei Plakopus
ruber ist nach F. E. Schulze eine schaumige Beschatfenheit eines Theils
des Körpers ziemlich häufig).
Der Betrachtung der contractilen Vacuolen werden wir einen beson-
deren Abschnitt widmen.
Eine sehr eigenthümliehe Erscheinung im Protoplasma gewisser Süss-
wasserrhizopoden bildet das zeitweilige Auftreten von Gasvacuo len. Zuerst
wurde dieses Phänomen von Perty bei Arcella beobachtet**), bei welcher
Gattung dasselbe auch späterhin am häufigsten studirt wurde; weitere
Beobachtungen hierüber rühren von Engelmann, Bütschli, Entz und du
Plessis***) her, die das Vorkommen solcher Gasblasen auch bei Difflugia
und Amoeha constatirt haben. Wie schon der erste Beobachter derselben
richtig fand, dienen sie den betreffenden Organismen gewissermaassen als
Schwimmblasen zur Erhebung und zum Schwimmen im Wasser, oder auch
nur, wie dies z. B. bei Arcella beobachtet wurde, zur Veränderung der
Lage des Thieres, Aufrichtung oder ümkehrung desselben. Die Entwicke-
lung des Gases geschieht nach Engelmann bei Arcella sehr plötzlich und
wachsen die Blasen in etwa 5 — 20 Minuten zu ihrer häufig recht be-
trächtlichen Maximalgrösse heran. Ihre Zahl ist sehr verschieden; wäh-
rend bei Arcella gewöhnlich 2—5, zuweilen jedoch auch bis 14, beobachtet
wurden, scheint bei Difflugia gewöhnlich nur eine einzige, dafür jedoch
desto ansehnlichere, zur Ausbildung zu kommen. Auch bei Amoeba wurden
von Entz mehrere Blasen beobachtet. Im Ganzen scheinen sie, wie sie
rasch entstanden, auch rasch wieder zu vergehen. In 5—10 Minuten,
oder auch noch kürzerer Zeit, können sie vom umgebenden Protoplasma
wieder vöUig absorbirt werden. Ueber die Natur des entwickelten Gases
liegen bis jetzt kaum Beobachtungen vor, Bütschli glaubt, wegen der
raschen Absorption desselben durch Kalilauge, auf COg schliessen zu
dürfen.
Wie bei den Protozoen sehr gewöhnlich, wird auch bei den Rhizo-
poden die in den Körper eingeführte Nahrung häufig von Flüssigkeit um-
geben, in Vacuolen eingeschlossen, so dass wir also auch hier Nahrungs-
vacuolen antreffen, über deren Bildung dann später noch Weiteres zu be-
*) Qu. journ. micr. sc. XIX.
**) Perty, M. , Eine physiol. Eigenthümlichkeit der Khizopodensippe Arcella. Mittheil.
der iiaturf. Gesellsch. zu Bern, 1849.
***) Engelmann, Arch. neerland. sciences cxactes et nat. T. IV., Zoolog. Anzeiger
Jahrg. I. — Bütschli, Archiv f. mikrosk. Anatomie Bd. XI. — Entz, Zoolog. Anzeiger Jahrg. I.
— Du Plessis, Bull. soc. Vaudoise sc. nat. Vol. 15.
102 ßliizoijoda.
richten sein wird. Möglicherweise sind die bei den marinen Rhizopoden
mehrfach erwähnten grösseren Farbstoffb las eben z. Th. auf solche
Nahrungsvacuolen zurückzuführen, deren Flüssigkeit bei der Veränderung
der aufgenommenen, pigmentirten Nahrung durch aufgelöste Farbstoffe
sich färbt, was auch schon Carpenter vermuthete. *) Wir sehen wenigstens
ähnliches bei gewissen Infusorien vor sich gehen. Die Färbung solcher
Bläschen ist dieselbe, wie die des noch zu besprechenden, körnigen
Pigments, also gewöhnlich eine rothe bis bräunliche.
An die besprochenen Farbstoffbläschen von wahrscheinlich vacuolärer
Natur schliessen sich nun die feinkörnigen und anderweitigen Pigmente
an, welche sehr gewöhnlich im Protoplasma der Rhizopoden und in dem
der marinen fast durchaus verbreitet sind. Unter diesen Pigmenten sind,
namentlich die feinkörnigen, intensiv rothen bis gelblichrothen und gelb-
braunen bei den marinen Rhizopoden ungemein verbreitet und verleihen,
wie schon oben bemerkt wurde, durch ihre reichliche Anhäufung diesen
Formen meist eine mehr oder minder intensive Färbung. Schon oben
wurde ihrer besonders reichlichen Anhäufung in den älteren Kammern
der Polythalamen gedacht. Die genauere Untersuchung dieses Farbstoffs,
sowie der oben schon erwähnten Farbstoffbläschen, bei Polystomella und
Gromia durch M. Schnitze (53) ergab, dass es sich hier um einen dem
Diatomin entsprechenden Körper handelt, weshalb M. Schnitze nicht
anstand, denselben von der vorzugsweise aus Diatomeen bestehen-
den Nahrung herzuleiten. Die Richtigkeit dieser Auffassung ergab sich
auch noch daraus, dass sich in hungernden Polystomellen der Farbstoff"
sehr verminderte, wogegen reichliche Fütterung ihn bald wieder vermehrte.
Aber auch die Süsswasserformen weisen Pigmente ähnlicher Art nicht
selten auf. So findet sich ein ähnliches diatomin-artiges Pigment häufig
bei Pseudochlamys patella. Ein tiefviolettes, feinkörniges Pigment findet
sich bei der Amphizonella violacea Greeff. Ein zinnoberrothes, zuweilen
ins braunrothe und grünliche gehendes, ist charakteristisch für denPlakopus
ruber F. E. Schulze's und soll wahrscheinlich aus dem Chlorophyll der
aufgenommenen Nahrung hervorgehen, wie ja ähnliche Umwandelungen
gefressener Chlorophyllmassen zu gelben bis braungelben Massen auch
schon anderweitig, so z. B. von Auerbach bei dem Cochliopodium bilim-
bosum beobachtet wurden. **) Chlorophyll selbst, als endogenes Erzeugniss
des Rhizopodenkörpers, ist mit Sicherheit kaum bekannt, es scheint sich
hier fast durchaus, um als Nahrung aufgenommenes Chlorophyll zu handeln.
Doch ist eine der beschriebenen Varietäten der Dactylosphaera vitieum
H. u. L. mit grünen Körnern reichlich gefüllt, während die andere Varietät
ähnliche gelbe Körner zeigt. Zahlreiche Chlorophyllkörner enthalten
fernerhin auch eine Art oder Varietät von Cochliopodium, sowie sehr
*) Grössere Nahrungsbestaiidtheile , wie Diatomeen, scheinen jedoch bei den marinen
Khizopoden gewöhnlich nicht in besondere Nahrungsvacuolen eingeschlossen zu werden.
**) Z. f. w. Z. VII.
Pigmente, C]iIoro2)hyll, Fettkörnchen, Excretkoruchcn. 103
häufig- die Difflugien.*) ReiDgelbes Pigment findet sich auch noch bei
einigen weiteren Formen; so sind die Spindelzellen einer Art der, in
ihren Beziehungen zu den ßbizopoden zwar noch etwas zweifelhaften Lab}'-
rintbula Cienkowsky's von feinkörnigem, gelbem Pigment erfüllt, während
bei der eigenthümlichen Diplophrys sich ein oder mehrere gelbe bis orange-
farbene, oder sogar rubinrotbe und zuweilen recht ansehnliche Kugeln
finden (zuweilen sind sie jedoch auch farblos) (IV. 2 a, a). Hier handelt
es sich jedoch, wie das Verhalten zu Chloroform und Alkohol ausweist,
wohl sicher um einen festen, gefärbten, fettartigen Körper, also kein
eigentliches Pigment.
Ausser gefärbten, körnigen oder tröpfchenförmigen Einschlüssen des
Rhizopodeuprotoplasmas finden sich jedoch auch sehr gewöhnhch un-
gefärbte vor, deren Natur keineswegs immer ganz sicher gestellt scheint.
Häufig mögen diese z. Th. sehr kleinen, stark lichtbrechenden Körnchen
und Tröpfchen mit Recht als Fett betrachtet werden. So sind sehr kleine
derartige Fetttröpfchen, jedoch auch gewöhnlich untermischt mit etwas
grösseren (bis zu 0,001 — 0,002"'), im Protoplasma der marinen Rhizopoden
durchaus verbreitet ; auch bei den Süsswasserrhizopoden sind, wie soeben
schon gelegentlich von Diplophrys erwähnt wurde, zuweilen Fettkugeln
vorhanden; so haben ferner die Untersuchungen Hertwig's die fettige
Natur der im Protoplasma der Mikrogromia zerstreuten, feinen Körnchen
wegen ihres Verhaltens zu Osmiumsäure sehr wahrscheinlich gemacht.
Eine grosse Zahl der im Protoplasma der Süsswasserrhizopoden sehr
verbreiteten und wohl in Zusammenhang mit den Stoffwechselverhältnissen
zu gewissen Zeiten in grösserer Menge angehäuften, stark lichtbrechenden
Körner sind jedoch häufig unrichtig als Fettkörner beansprucht wor-
den.**) Es sind dies Körnchen von äusserster Kleinheit bis zu ziem-
lich ansehnlichen Dimensionen, so dass die grössten derselben sich als
concrelionenartige Einschlüsse darstellen. ***) Ihre Färbung ist gewöhnlich
etwas dunkel, mit einem Stich ins gelblichbraune oder olivenfarbige.
Meist bieten sie ziemlich wechselnde, unregelmässige Formen dar (s. H. 11;
HI. 12 a, 17a), doch ist für ihre ßeurtheilung noch besonders charak-
teristisch, dass sie gar nicht selten auch in krystallinischer Gestaltung
auftreten können, und zwar scheinen sie rhombisch zu krystallisiren,
vorzugsweise in Pyramiden oder Combinationen, in welchen eine Pyramide
vorherrscht (vergl. hierüber haupts. bei Auerbach f)). Ihre Unlöslichkeit
in Alkohol und Aether, sowie verdünnten Mineralsäuren, ihre Löslichkeit
dagegen in concentrirten Säuren und Alkalien schliesst ihre Fettnatur
aus; Auerbach vergleicht sie den Dotterplättchen des Fischeies, ich
*) S. haupts. Carter A. m. n. h. 3. XIII.
**) Bei Carter erscheinen sie unter der Bezeichnung „granules".
***) Wie sie z. B. neuerdings in sehr hervorragender Grösse und Zahl von Kay Lankester
in seiner Lithamoeha discus angetroffen worden sind (Quart, journ. Micr. sc. N. S. T. XIX.)
t) Z. f. w. Z. Bd. VII.
1Q^ Rhizopoda.
halte es hingegen, wie ich das auch schon früher ausgesprochen habe,*)
für das Wahrscheinlichste, dass wir es hier mit einem Endproduct des
Stoffwechsels zu thun haben. Da die chemische Natur dieser, bei
den Protozoen überhaupt sehr verbreiteten Körperchen mit Sicherheit
noch nicht festgestellt ist, so bleibt es bis jetzt nur Vermuthung, in ihnen,
wie ich gethan, ein oxalsaures oder, wie Entz will, ein harnsaures Salz
anzunehmen. Ihre bei Infusorien häufig sehr eigenthümliche, büschelig
krystallinische Beschaffenheit hat mich, hauptsächlich im Hinblick auf ähn-
liche Krystallbildungeu oxalsaurer Salze, zu der ausgesprochenen Ver-
muthung veranlasst. Die grosse Verbreitung dieser von mir mit dem
Namen Secretkörnchen (wohl besser Excretkörnchen) belegten Ein-
schlüsse bei den Protozoen überhaupt, lässt auch wohl mit Recht ver-
muthen, dass sie bei den marinen Rhizopoden ebenso häufig sein werden,
wie bei den Süsswasserformen.
Eigenthümlich ist ferner noch, dass es hauptsächlich diese Excret-
körnchen zu sein scheinen, welche, durch ihre Anhäufung in gewissen
Körpergegenden, die oben schon bei einer Anzahl Süsswasserformen be-
tonte Unterscheidung bestimmter Regionen ermöglicht. Es scheint hier-
nach, dass die Abscheidung solcher Excretkörnchen bei den betreffenden
Formen vorzugsweise auf gewisse Körperregionen lokalisirt ist.
Das Vorkommen von Stärkemehlkörnern, als endogener Erzeugnisse
der Sarkode des Rhizopodenkörpers, scheint bis jetzt mit Sicherheit in
keinem Fall erwiesen zu sein. Auerbach**) erwähnt zwar z. B. des Vor-
kommens zahlreicher kleiner Amylumkörnchen in der oberflächlichen
Plasmaschicht seines Cochliopodium bilimbosum, jedoch ist derartiges von
andern Untersuchern dieser und nahe verwandter Formen bis jetzt nicht
wieder gesehen worden. Stärkekörner werden nach Carter***) auch im
Protoplasma gewisser Difflugien reichlich angetroffen und sollen sich nach
demselben Forscher auch im Plasma seiner Operculina arabica, also
einer marinen Form, gefunden haben. f) Ob die Beobachtung Cien-
kowsky's,tt) dass die Spindelzellen der in ihrer Stellung noch zweifelhaften
Labyrinthula sich durch Jod blau färben, hierhergezogen werden darf,
scheint sehr zweifelhaft, da diese Bläuung bei vorheriger Behandlung der
Spindeln mit Alkohol nicht eintreten soll.
Wir haben dann noch einer Reihe von Inhaltskörpern zweifelhafter
Natur zu gedenken, die sich z. Th. verbreiteter, z. Th. hingegen nur bei
gewissen Formen im Protoplasma gefunden haben. Hierher gehören zu-
nächst blasse Bläschen mit homogenem oder feiugranulirtem Inhalt und
einem Durchmesser von etwa 0,002—0,003'", die M. Schnitze sehr ver-
breitet bei den marinen Rhizopoden getroffen hat und die durch Einwir-
*) Z. f. w. Z. XXX.
**) Z. f. w. Z. VIII.
***) A. m. n. h. 3. XII. u. XIII.
t) A. lü. 11. h. 8. VIII.
tt) Arcli. f. m. A. III.
Stärkemehlkömer, Glanzkörper etc. 105
kling von Essigsäure oder verdünnter Kalilauge bis zum Verschwinden
erblassen sollen. Ihre Natur dürfte nach diesen Angaben schwer zu
beurtlieilen sein. Zweifelhafter Natur sind auch die bräunlichen und
z. Th. sehr unregelmässig gestalteten Körperchen, welche nach den Unter-
suchungen von M. Schnitze der Grouiia Dujardini ihre braune Färbung
verleiben. Ihre Resistenz gegen starke Alkalien und Mineralsäuren und
die schwärzlichviolette Färbung durch Jod und Schwefelsäure machen eine
Beziehung zu Cellulose noch am wahrscheinlichsten, obgleich ihre Unlös-
lichkeit in concentrirtcr Schwefelsäure hiermit nicht übereinstimmt.
Von besonderem Interesse erscheinen noch eigenthümliche Einschlüsse,
welche die, auch in anderer Beziehung so interessante Pelomyxa gewöhn-
lich enthält.*) Zunächst sind die sogenannten Glanzkörper Greeff's
zu erwähnen (II. 6d — f, 6 g, f), die wir am besten hier besprechen werden,
da ihre Natur bis jetzt noch nicht hinreichend aufgeklärt werden konnte,
wenn auch einige Beobachtungen für ihren Zusammenhang mit der Fort-
pflanzung der Pelomyxa zu sprechen scheinen. Die Hauptauszeichnung
dieser Körper besteht in ihrer homogenen, glänzenden Beschatfenheit, doch
lässt sich auf der Oberfläche eine kapselartige, feste, glänzende Hüllschicht
nachweisen. In Bezug auf Gestalt und Grössenverhältnisse sind sie sehr
verschieden, wenn auch die kugelige Form meist vorherrscht; daneben finden
sich jedoch auch ovale bis völlig unregelmässige Gestalten. Gegen verdünnte
Essigsäure verhalten sie sich resistent, concentrirte jedoch macht sie
zusammenfallen und granulirt und Jod färbt sie stark braun. Greeff" ver-
muthet eine selbständige Vermehrung dieser Körper durch Theilung,
jedoch darf dies wohl noch als zweifelhaft betrachtet werden, da directe
Theilung nicht verfolgt, sondern nur aus bisquitförmigen Gestaltungen
erschlossen wurde (6f). In gleicher Weise ist das von Greeff vermuthete
Hervorgehen dieser Glanzkörper aus den frei gewordenen Kernkörperchen
der zahlreichen Nuclei bis jetzt noch keineswegs hinreichend erwiesen
oder auch nur sehr wahrscheinlich.
Neben diesen Glanzkörpern birgt nun das Protoplasma der Pelomyxa
gewöhnlich noch zahlreiche eigenthümliche, kleine, stäbchenförmige Kör-
perchen,**) die häufig dadurch in eine nähere Beziehung zu den Glanz-
körpern treten, dass sie dieselben äusserlich dicht umhüllen (II. 6 b). Die
Stäbchen, welche aus organischer Substanz gebildet sind, erscheinen hyalin
und erreichen bis zu 0,008 Mm. Länge; von einer feineren Structur ist
an ihnen kaum etwas mit Sicherheit zu bemerken.
e^. Contractilc Vaciiolen.
Die Bildung contractiler Vacuolen kommt nur einem Theil der Rhizo-
poden zu und scheint sogar der grossen Mehrzahl derselben, nämlich den
*) Vergl. Greeff, Arcli. f. m A. X.
**) Archer (Qu. journ. uiicr. sc. 1871 p. 101) hat bei den von ihm untersuchten Pelo-
myxen diese Stäbchen vermisst, so dass es sich hier doch vielleicht um nicht constanto
Gebilde handelt.
106 Ehizopoda,
marinen Formen, abzugehen. Ob jedoch letztere dieser Gebilde durchaus
entbehren, scheint zur Zeit noch keineswegs sicher gestellt und bedarf es
neuer Untersuchungen, um über diesen Punkt ins Klare zu kommen.
Mit Sicherheit ist das Fehlen contractiler Vacuolen für eine Anzahl
Stisswasserformen festgestellt, so fehlen sie den Protamöben, wie auch
bei der viel höher differenzirten Pelomyxa keine besonderen contractilen
Vacuolen sich finden sollen. Bei den kernlosen Mjxodictyum und
Protogenes Häckel's sind überhaupt keinerlei Vacuolen im Plasma beob-
achtet worden. Doch auch beschälten Süsswasserformen fehlen contractile
Vacuolen z. Tb,; so sind sie vermisst worden bei Lecythium und Plagio-
phrys, wie ja auch für die nahe verwandten Gromien von den meisten
F'orschern das Fehlen der Vacuolen behauptet wird, während sie neuer-
dings von Wallich sowohl bei marinen als Süsswasser-Gromien angegeben
worden sind. Mit Sicherheit fehlen sie jedoch wieder der sehr nahe-
stehenden Lieberkühnia.*)
Bei gewissen Formen, so nach Häckel's Angabe bei der Protomyxa,
scheint sich kaum eine Scheidung zwischen contractilen und nicht con-
tractilen Vacuolen ziehen zu lassen, da sich die zahlreich vorhandenen
Vacuolen hier sämmtlich sehr langsam zu contrahiren scheinen.
Die Zahl der contractilen Vacuolen der zahlreichen Süsswasserformen,
wo solche deutlich entwickelt sind, ist sehr verschieden und scheint auch
bei einer und derselben Form kaum jemals völlig constant zu sein. Neben
solchen, die gewöhnhch nur eine zeigen, wie dies z. B. bei zahlreichen
Amöben der Fall ist, treffen wir andere mit 2, 3 und mehr, bis über ein
Dutzend bei Arcella z. B. ; Claparede und Lachmann (60) haben Amöben
mit bis zu 20 contractilen Vacuolen beobachtet.
Auch die Lage der contractilen Vacuolen im Körperprotoplasma ist
mannigfachen Verschiedenheiten unterworfen. Während bei den proteischen
Amöben auch die contractile Vacuole im Allgemeinen ihre Lage stets
wechselt, zeigt sich doch bei zahlreichen eine Neigung zu constanter
Lagerung derselben in dem hinteren, bei der Bewegung nachfolgenden
Körperende, und bei einer Anzahl von Formen, wie A. Limax und Guttula
(IL 2, 3), aber auch verrucosa (Ehrbg.) Duj. (= quadrilatera Carter), ist
diese Einlagerung der Vacuole in das Hinterende ganz constant geworden.
Bei den monaxonen, beschälten Formen ist ihre Lage recht verschieden,
jedoch finden sie sich bei Anwesenheit mehrerer gewöhnlich ziemlich
nahe beisammen. So sehen wir die bei Euglypha (HL 12 a) und Trinema
meist in mehrfacher Zahl (gewöhnlich bis zu 3) vorhandenen Vacuolen in
einer mittleren Zone, auf der Grenze zwischen der körnigen Region und
der hinteren homogenen versammelt, und ähnlich verhält es sich auch bei
gewissen Gromiinen, wie Platoum (IIL 17 a). Auch bei Arcella (H. 9 a)
ist dasselbe Verhahen zu constatiren, indem hier die Vacuolen ringförmig
im peripherischen Rand des abgeplatteten Körpers zusammengestellt sind,
*) S. Cienkowsky, 104 a, Gromia paludosa = Lieberkühnia Clap. Lachm.
Coiitractilo Vacuoleii, Nucloi. 107
welcher Raod ja etwa der Aequatorialzone der gestreckten Formen ent-
spricht. Bei anderen Formen treffen wir sie jedoch bald mehr in den
vorderen, bald in den hinteren Körperabschuitt verlagert. Das erstere
Verhalten gilt für Cyphoderia (III. 13, cv) und Mikrogromia (III. 15 b, c),
während sie bei Hyalosphenia und Qiiadrula mehr ins hintere Körperende
gerückt sind (II. 10 a ii. 12 cv).
Stets jedoch scheinen die Vacuolen, wenigstens kurz vor und während
ihrer Contraktion, dicht unter die Körperoberfläche zu rücken, ja zuweilen
auch die Oberfläche buckelartig hervorzutreiben (vergl. Platoum stercoreum
Cienkowsky, Diaphoropodon Arch. flV. 1, v] und Amoeba Blattae Bütschli).
Deshalb darf, im Hinblick auf die Erfahrungen über ihre Entleerung bei
anderen Protozoenabtheiluugen, wohl auch hier diese Entleerung nach
Aussen angenommen werden. Durch directe Beobachtung ist jedoch dieser
Vorgang bei den Rhizopoden bis jetzt noch kaum festgestellt worden;
auch sind keinerlei vorgebildete Oefifnungen oder Ausführgänge zur Ent-
leerung der Vacuolen gesehen worden. Die Contraktion selbst erfolgt mit
sehr verschiedener Schnelligkeit.
In gleicher Weise liegen auch nur sehr wenige Erfahrungen über
die Neubildung der an Stelle der contrahirten tretenden Vacuole vor. Im
Allgemeinen scheint einfach eine kleine, allmählich heranwachsende Va-
cuole an Stelle der geschwundenen zu entstehen, doch liegen auch
Beobachtungen vor, welche eine Entstehung der Vacuole durch den
Zusammenfluss mehrerer kleiner erweisen, wie solches ja bei anderen
Protozoenabtheilungen sehr gewöhnlich ist. Ein solches Verhalten hat
Greeff bei seiner Amoeba terricola*) constatirt und Verf. später gleich-
falls bestätigt gefunden. Hier entstehen an Stelle der contrahirten, in
mehrfacher Anzahl vorhandenen und mit den Strömungen des Plasmas
hin- und hergeschobenen Vacuolen zahlreiche äusserst kleine, welche
sich rasch zu einer Anzahl grösserer vereinigen, die nun ihren weiteren
Zusammenfluss langsam weiter fortsetzen, oder durch die Strömungen
des Plasma's von einander fortgetrieben werden, um dann erst alhnählich
bei ihrer Begegnung weiter zu verschmelzen. Von den in dieser Weise
entstandenen, grösseren Vacuolen wird dann zuweilen eine nach der Ober-
fläche getrieben, worauf ihre Contraktion eintritt.**)
£^. Nuclei der Khizopoden.
Allgemeiues Vorkommen der Rhizopodennuclei.
Wie schon mehrfach hervorgehoben wurde, ist die Anwesenheit von
Nuclei im Protoplasma der Rhizopoda, in dem Umfang, den wir dieser
*) Arch. f. mikr. A. II.
**) Ganz ähnlicli schildert Lieberkühn die Hervorbildung- der contractilen Vacuole bei
einer von ihm beobachteten Amöbe (nach der Beschreibung sehr ähnlich A. Guttula Duj.).
Hier vereinigen sich die neu entstandenen, zahlreichen kleinen Vacuolen successive zu einer
einzigen grossen , die hierauf stets aus Hinterende geschoben wird , wo ihre Contraction sich
vollzieht. (Schrft. d. Ges. z. Bef. d. ges. Naturw. zu Marburg IX. p. 371.)
108 EMzopoda.
Abtheilung: g:eben , keineswegs eine allgemeine. Sie geht den häufig
mit (Jen übrigen kernlosen Protozoen als Moneren zusammengefassten
Formen ab. Wir haben schon früher unsere Gründe angegeben, weshalb
wir kernlose sowohl als kernhaltige Formen in näheren Zusammenhang
bringen und es vorziehen, ihre verwandtschaftlichen Beziehungen nach
ihrem gesammten körperlichen Erscheinen zu bestimmen.
Wir werden hierzu hauptsächlich auch noch dadurch bestimmt, dass
der Nachweis der Kerne zuweilen keine geringen Schwierigkeiten hat, die
häufig noch dadurch erhöht werden mögen, dass, wie sich dies nament-
lich durch neuere Untersuchungen herausstellte, statt des früher meist
gesuchten einen ansehnhchen Kernes häufig mehr oder weniger zahlreiche
kleine vorhanden sind, welche der Beobachtung (namentlich, wenn dieselbe
nicht durch Färbungsversuche unterstützt wird) leicht entgehen können.
Es wird daher wohl nicht als eine unbegründete Vermuthung bezeichnet
werden dürfen, wenn wir hier den Glauben aussprechen, dass mannig-
fache im Laufe der Zeit beschriebene monere Khizopoden sich doch noch
als kernhaltig herausstellen dürften. Wir persönlich haben bis jetzt noch
nicht Gelegenheit gehabt, uns bei unseren mannigfachen Untersuchungen
mit einer unzweifelhaft kernlosen SUsswasserform bekannt zu machen.
Immerhin liegt kein ausreichender Grund vor, die Existenz kernloser
Formen überhaupt bezweifeln zu wollen. Als solche kernlose Formen
sind zunächst amöbenartige Süsswasser- und Meeresrhizopoden beschrieben
worden, die als Protamoeba oder Gloidium zu besonderen Gattungen
erhoben wurden. Weiterhin rechnen wir hierher die Häckel'schen Moneren
Protomyxa, Myxodyctium und Protogenes. Von beschälten Formen wird
das Fehlen des Kernes durch Claparede und Lachmaun von Lieberkühnia
berichtet und von einem auf diesem Gebiet so erfahrenen Beobachter wie
Cienkowsky bestätigt. Von mancher anderen Form ist bis jetzt die Kern-
haltigkeit noch nicht mit Sicherheit erwiesen, wenn auch das Vorhanden-
sein von Nuclei bei nahen Verwandten dieselbe sehr wahrscheinlich
macht. Was die marinen Rhizopoden betrifft, so war für diese bis in die
neueste Zeit die Annahme ihrer Kernlosigkeit eine allgemeine, bis, wie
dies schon früher durch M. Schuhze und Wallich für Gromia festgestellt
worden war, durch K. Hertwig und F. E. Schulze auch für eine, bis jetzt
zwar ziemlich beschränkte Anzahl mono- und polythalamer Formen die
Gegenwart eines oder mehrerer Kerne erwiesen wurde.
Wie schon aus den eben gemachten Bemerkungen hervorgeht, ist
die Zahl der vorhandenen Kerne bedeutenden Schwankungen unterworfen,
so dass wir von einem, und dann gewöhnlich auch durch beträchtliche
Grösse sich auszeichnenden Kern Uebergänge bis zu sehr hohen Zahlen,
100 und mehr, finden, in welchen Fällen dann die Kerne naturgemäss
eine relativ sehr geringe Grösse zeigen. Wenn wir einerseits derartige
weite Schwankungen in der Kernzahl durch eine Reihe verschiedener
Formen hindurch zu verfolgen vermögen, so begegnen wir andererseits
zuweilen ähnlichen Schwankungen in gleich weitem Spielraum bei einer
ö
Nuclei. (Zahlenverbältnisse.) 109
und derselben Form, wenn auch für gewöhnlich die Differenzen in der
Zahl der vorhandenen Kerne sich in engeren Grenzen bewegen.
Nach solchen Erfahrungen dürfte es überhaupt fraglich erscheinen,
ob sich die Einkernigkeit bei einem Rhizopoden das gesammte Leben
hindurch erhält und ob nicht derartige raehrkernige Zustände zu
gewissen Zeiten den Rhizopoden durchaus eigenthümlich sind. Letztere
Vermuthung wird noch durch die Auffassung der mehrkernigen Zustände
überhaupt gestützt, denn es kommt diesen ohne Zweifel eine nicht un-
wichtige Bedeutung im Leben unserer Organismen zu, und werden wir
dieselbe wohl, ohne fehlzugehen, auf dem Gebiete der Fortpflanzung zu
suchen haben. Zunächst machen wir uns hier mit den einschlägigen Verhält-
nissen etwas näher bekannt. Eine geringe Zahl von Kernen ist gewöhnlich
den Amöben eigenthümlich; einer (IL 1—5 n), zuweilen jedoch auch 2 und 3
finden sich hier zumeist, doch zeigt sich gerade bei gewissen hierhergehörigen
Formen eine aufallende Vermehrung der Kerne bei bestimmten Individuen.
So hat Bütschli*) bei der Am. princeps neben einkernigen, durch einen
recht ansehnlichen Kern ausgezeichneten Individuen häufig auch solche
gefunden, welche eine grössere bis sehr grosse Zahl (100—200) Kerne
enthielten, so dass sich alle Uebergangsstufen bezüglich der Kernzahl
nachweisen Hessen, wie solches auch durch frühere Untersuchungen von
Stein, Wallich**) und Carter***) wahrscheinlich gemacht worden war,
wenn auch die beiden letzteren Forscher die zahlreichen kleinen Kerne
fälschlich (Carter z. B. als Fortpflanzungszellen) deuteten. Während wir
so bei Amoeba (ähnlich verhält sich nach Bütschli auch die A. Blattae)
zuweilen eine sehr hohe Kernzahl antreffen, hat sich ein solches Verhalten
bis jetzt bei der wohl nahe verwandten, grossen Pelomyxa durchaus
gezeigt; die Zahl der hier vorhandenen Kerne ist stets eine sehr grosse
und steht in Beziehung zu der Grösse des Thieres, so dass sehr grosse
Exemplare gewiss mehrere Hundert solcher Zellkerne einschliessen
(II. Gg, e).
Obgleich eine ziemliche Zahl der beschälten Monothalamen des süssen
Wassers bis jetzt nur in Besitz eines oder doch nur weniger Zellkerne
getroffen wurde, zeigen andere ganz ähnliche Verhältnisse wie die
eben erwähnten Amöben, und gerade von solchen, wie z. B. Arcella und
Difflugia, sind die grossen Schwankungen in der Kernzahl schon ver-
hältnissmässig lange bekannt. Bei Arcella finden sich fast durchaus
mehrere Kerne (IL 9 a, n) und ihre Zahl ist grossen Differenzen unterworfen,
während gewöhnlich etwa 3 — 6 vorhanden sind, hat doch schon Auerbach
Individuen mit etwa 40 Kernen beobachtet. Aehnliches treffen wir auch
bei der nahe verwandten Gattung Difflugia. Hier findet sich gewöhnlich
im hinteren Abschnitt des Körpers ein Kern, jedoch hat neuerdings
*) Abb. d. Senckeiib. naturf. Gesellscli. X. p. 164 (d. Sep.-Abdr.).
**) An. 111. n. h. S. s. XL u. XII.
***) An. m. n. L. 3. s. XII,
110 Rhizopoda.
R. Hertwig*) auch Individuen der Difflugia proteiformis untersucht, die
bis zu 40 Kernen enthielten und gleiches wurde auch schon früher von
M. Schultze berichtet. Diese Erfahrungen machen es nicht unwahrschein-
lich, dass die von Carter bei mehreren Gelegenheiten beschriebenen sogen.
Fortpflanzungszellen der Difflugia pyriformis und compressa in gleicher
Weise, wie dies oben bezüglich der sogen. Fortpflanzungszellen der
Amöben angedeutet wurde, als solche in grosserer Menge vorhandene
kleine Nuclei betrachtet werden dürfen. (Wir werden späterhin bei Er-
örterung der Fortpflanzung nochmals auf diese Angelegenheit zurück-
zukommen haben.)
Auch für einen marinen Rhizopoden, nämlich die Gromia oviformis,
wurden schon vor längerer Zeit durch M. Schnitze**) ganz gleiche Ver-
hältnisse constatirt. Bei jungen Thieren findet sich hier ein Kern, wie
das unter den seither beschriebenen Formen auch für Ärcella nachgewiesen
wurde. Bei den älteren Exemplaren hingegen war die Zahl der Kerne
stets vermehrt (IV. 6n), so dass sich eine grosse Mannigfahigkeit ver-
schiedener Kernzahlen, von 2 bis zu 60 auffinden Hessen. Im letzteren
Fall fand sich jedoch neben den zahlreichen kleinen noch ein etwas
grösserer. (Auch M. Schultze wurde durch diese Beobachtungen über die
zahlreichen kleinen Kerne der Gromien auf die Vermuthung geführt, dass
es sich hier möglicherweise um Fortpflanzungszellen handle.)
Wie schon oben hervorgehoben wurde, sind die Beobachtungen über
die Verbreitung der Kerne bei den kalkschaligen und sandschaligen
Rhizopoden noch sehr spärlich. Die ersten einschlägigen Beobachtungen
auf diesem Gebiet rühren zwar auch schon von M. Schultze her, dennoch
sind bis jetzt die Kerne nur bei einer kleinen Zahl von Gattungen nach-
gewiesen. Schultze (53) hat sich von der Gegenwart eines kernartigen
Körpers bei einer zu Lagena (Oolina d'Orb.) mit Zweifel gestellten Form
überzeugt, die mir überhaupt nicht zu dieser Gattung zu gehören, sondern
eine kalksandschalige Form zu sein scheint. Ebenso hat er einen hellen
kernartigen Fleck in der jüngsten Kammer junger Pulvinulinen (Rotalia
veneta M. Seh.) und in den beiden jüngsten Kammern gewisser Textu-
larien nachgewiesen.
Kerne sind jedoch auch von einem englischen Forscher, wiewohl
o"hne ihre wahre Natur zu erkennen, bei einer Reibe mariner Rhizo-
poden nachgewiesen worden. Es scheint mir nämlich keiner Frage zu
unterliegen, dass die von Str. Wright***) im Protoplasma von Gromiinen,
Miliolinen, Orbulina, Rotalina und Truncatulina aufgefundenen, vermeint-
lichen Eier nichts weiter als die Kerne der betreffenden Formen waren ;
wenigstens scheint dies mit grosser Sicherheit aus der Abbildung der
*) Jenaisclie Zeitschr. f. Naturwissensch. Bd. XI.
**) 53 u. Arcli. f. m. A. 11.
***) A. m. n. h. 3. VH.
^1
Nuclei. (Vorkommen bei uiarinen Eliizopoden, Zahl, Lage.) 111
betreffenden Eier in einer ziemlich reicbkammerigen Truneatulina hervor-
zugehen. *)
Mit voller Sicherheit sind dagegen erst in neuerer Zeit die Kerne
mit Hülfe von Färbungsmethoden von F, E. Schulze und R. Hertwig bei
einer Reihe mariner Formen nachgewiesen worden. Auch hier ver-
ratheu die zum Theil sehr schwankenden Zahlenverhältnisse der Kerne
ein ähnliches Verbalten, wie bei den schon besprochenen Formen. So
fand F. E. Schulze bei der monothalamen Lagena (Entosoienia) globosa
Will. 1 Kern, ähnlich auch bei der Quinqueloculina fusca Brdy., dagegen
R. Hertwig bei Spiroloculina hyalina F. E. Seh. 1 — 7 Kerne (IV. 16).
Bei den von Hertwig untersuchten kleinen Rotalinen (wahrscheinlich Pnlvi-
nulina) schwankte die Keinzahl zwischen 1 — 4, so dass in einer Anzahl
von Fällen die Zahl der Kerne der Kammerzahl gleichkam, z. Th. jedoch
auch geringer blieb. Eine Beziehung zwischen der Anzahl der Kammern
und Kerne polythalamer Rhizopoden ist jedoch in keiner Weise Regel;
so fand sich bei 2 Textularien mit respective 5 und 13 Kammern je nur
1 Kern und dasselbe gilt für Globigerina (VH. 28 a) und eine sogen.
Rotalina inflata Will.**) (VII. 38) nach R. Hertwig. Auch F. E. Schulze
fand bei der vielkammerigen Polystomella striatopunctata F. u. M. ge-
wöhnlich nur einen Kern, seltener 2 und nur einmal 3. Jedenfalls geht aus
diesen Beobachtungen zur Genüge hervor, dass die Zahl der Kerne bei
den Polythalamen , möge sie auch noch so verschieden sein, in keiner
Weise mit der Karamerzahl correspondirt.
Hinsichtlich der Kernverhältnisse der marinen, sandschaligen Rhizo-
poden ist bis jetzt nur sehr wenig ermittelt worden. Bessels***) hat in
dem Protoplasma der Astrorhiza limicola eigenthümliche kugelige Körper
beobachtet, die er encystirten Moneren vergleicht und die, nach der
Abbildung zu urtheilen, wohl Kerne gewesen sein könnten. Diese Deutung
wird dadurch, dass neuerdings R. Lankesterf) im Protoplasma der
Haliphysema grosse Mengen bläschenförmiger, kugeliger Kerne beobachtete,
wesentlich sicherer.
Was die Lage der Kerne im Protoplasraakörper betrifft, so ist die-
selbe häufig eine sehr wechselnde, da sie als frei im Protoplasma (resp.
Entoplasma, wo ein solches entwickelt ist) schwebende Körper mit dessen
Verschiebungen auch ihre Lage ändern. Dies gilt z. B. fast durchaus für
die Amöben und Verwandten, wenngleich bei den oben schon hervor-
gehobenen Formen, welche mit einer eigenthümlichen Bewegungsweise
*) Die Kichtigkeit dieser Deutung wird ganz unbezweifelbar, wenn man bemerkt, dass
W'right die von ihm bei seiner Boderia (Journ. Anat. and Phys. 1. 1867) beschriebeneu Kerne
bald als Nuclei, bald als Eier bezeichnet, also die Kerne der Rhizopoden, wie aus weiteren
Bemerkungen hervorgeht, eben für die Eier hält.
**) Dieselbe ist jedoch jedenfalls nicht identisch mit der Williamson'schen Art, da
letztere nach Parker und Jones eine sandschalige sogen. Trochammina ist.
***) Jen. Zeitschr. IX.
t) Qu. j. micr. sc. XIX.
-[^2 Rhizopoda.
eine fast constante Lagerung der Vacuole im Hinterende verbinden, auch
der Kern gewöhnlich hinten, in der Nähe der Vacuole, sich findet. Bei
Anwesenheit zahlreicher Kerne sind dieselben meist durch den ganzen
Körper vertheilt, doch auch zuweilen, wie z. B. bei Gromia, vorzugsweise
im Hinterende versammelt. Diese Einlagerung des einen oder der in
Mehrzahl vorhandenen Kerne im Hinterende des monaxonen Körpers ist
bei den monothalamen Süsswasserformen und wie es nach der Beob-
achtung F. E. Schulze's bei Lagena scheint, auch bei den marinen sehr
gewöhnlich.
Für die polythalamen Formen darf bei Anwesenheit von nur einem
Kern wohl vorausgesetzt werden, dass derselbe ursprünglich seine Lagerung
in der Embryonalkammer hatte. Da er jedoch späterhin nicht mehr in
derselben angetroffen wird, sondern sich nach F. E. Schulze bei Poly-
stomella gewöhnlich in einer Kammer des mittleren Drittels findet, so darf
schon hieraus auf eine allmähliche Vorwärtswanderung des Kernes mit
der Zunahme der Kammerzahl geschlossen werden. Das Gleiche ergibt
sich aus den Beobachtungen Hertwig's an Globigerina und der sogen.
Rot. inflata. Aber auch durch directe Beobachtung liess sich eine solche
Vorwanderung bei den Polythalamen sehr wahrscheinlich machen, in-
dem es beiden Forschern gelang, den Kern noch im Stadium des Durch-
tretens von einer zur folgenden Kammer wahrzunehmen. Die grosse Enge
der Verbindungsöflfnungen zwischen den aufeinanderfolgenden Kammern
bei Polystomella macht es nothwendig, dass sich der Kern beim Durch-
tritt sehr schmal auszieht. Bei gewissen Globigerina-Arten wird durch die
Beobachtung eines solchen Durchtretens des Kernes (VH. 28 a, n) von einer
Kammer in die andere die Existenz einer Communikationsöffnung zwischen
den Kammern sicher erwiesen.
Gestalts- und Baiiverliältnisse der Ehizopodenkerne.
Soweit die bis jetzt vorliegenden Untersuchungen reichen, ist die
Gestaltung der Rhizopodenkerne fast durchweg eine kugelige, ellipsoidische
oder scheibenförmig abgeplattete. Bandförmig verlängerte oder gar ver-
ästelte Kerngestalten, wie sie in anderen Protozoenklassen zuweilen auf-
treten, sind hier noch nie be^pbachtet worden.
Was ferner die feineren Bauverhältnisse betrifft, so ist der sogen,
bläschenförmige Bau der bei weitem vorherrschendste und, wie wohl
mit Recht angenommen werden darf, auch der ursprünglichste. Diese Bau-
weise des Zellkernes sehen wir namentlich bei den zahlreichen Süsswasser-
formen fast durchaus vertreten und auch bei gewissen marinen Formen
ist eine ähnliche Bildungsweise sehr wahrscheinlich. Ein derartiger
bläschenförmiger Kern (H. 1—3, 9a; HL 10 etc. n) zeigt zunächst eine
mehr oder minder deutliche Kernhülle oder Kernmembran, welche von einer
hellen, durchsichtigen, und, wie wohl aus ihrer allgemeinen Erscheinung
mit Recht gefolgert werden darf, flüssigen Masse erfüllt ist, dem sogen.
Bau des Nuclcus. (Kernkörper.) 113
Kernsaft. Innerhalb dieser findet sich sodann ein mehr oder minder an-
sehnlicher, ziemlich dichter und daher dunkelbläulich erscheinender Binnen-
oder Kernkörper. Wie angedeutet, schwankt dieser Binnenkörper in
seinen Grössenverhältnissen sehr beträchtlich ; er kann den von der Kern-
hülle umschlossenen Raum nahezu völlig ausfüllen, so dass zw^ischen ihm
und der äusseren Membran nur eine schmale, helle, mit Kernsaft erfüllte
Zone übrig bleibt, oder es sinkt seine Grösse mehr und mehr herab,
bis er schliesslich nur ein unansehnliches Korn in dem weiten , von
Kernsaft erfüllten Binnenraum des Nucleus darstellt (IL 12). Nicht sämmt-
liche Kerne der Süss wasserformen verharren jedoch auf einer so einfachen
Bildungsstufe, sondern ein Theil zeigt eine etwas complicirtere Form, welche
sich wohl durch eine Umbildung des ursprünglich einfachen Binnen-
körpers von der eben geschilderten herleiten lässt. So zeigt sich z. Tb.
eine Vermehrung der verhältnissmässig kleinen Binnenkörper, statt eines
finden sich eine Anzahl rundlicher Kernkörperchen, wie z. B. nach
F. E. Schulze bei Hyalosphenia (bis 6 Körperchen), in geringerem
Maass auch bei Cyphoderia (II. 10, n). Auch scheint es nach den
vorliegenden Beobachtungen nicht unwahrscheinlich, dass sich bei ge-
wissen Formen eine zeitweise Veränderung in dem gewöhnlichen Ver-
halten des Kernes zeigt; so wird z. B. für die Euglyphen von Carter
und Hertwig-Lesser in übereinstimmender Weise ein einfacher, bläschen-
förmiger Kern beschrieben, während F. E, Schulze bei den von ihm
untersuchten Exemplaren entweder gar nichts von einem Kernkörper
oder an dessen Stelle eine grössere Anzahl kleiner Kernkörperchen fand.
Bei manchen Formen scheint jedoch die Zertheilung des einfachen
Kernkörpers noch weiter zu gehen, wenigstens dürfen wir diese Auffassung
im Interesse der Schilderung hier festhalten; so zeigen die zahlreichen
kleinen Kerne gewisser Formen der Amoeba Princeps einen ziemlich ab-
weichenden Bau (IL Ib). Hier liegt dicht unter der Kernmembran eine
Zone kleiner, dunkler Körperchen, in einfacher Schicht angeordnet. Aehn-
lich scheint sich der Bau des Kernes bei den erwachsenen Formen der
Amoeba terricola Greeff's (IL 5 n) und der Amphizonella violacea desselben
Forschers zu verhalten, nur wird hier eine völhge Erfüllung des Kern-
inneren von solchen kleinen rundlichen Körperchen beschrieben, was mir
jedoch, wenigstens für die A. terricola, nach den gegebenen Abbildungen
nicht ganz wahrscheinlich zu sein scheint.*) Bei den mit wenigen oder
*) S. Greeff, Arch. f. mikr. Anat. Bd. IL — Audi bei Pelomyxa zeigen die so massen-
haft vorhandenen Kerne einen sehr ähnlichen Bau. Der Innenseite der sehr deutlichen Kern-
hülle sind im wasserhellen Kerninhalt (wohl Kernsaft) zahlreiche, meist ziemlich feine Körnchen
angelagert, unregelmässiger oder regelmässiger über die ganze Innenfläche und zuweilen auch
noch durch den eigentlichen Binnenraum der Kerne zerstreut. Zuweilen fand GreefF diese
feinen Kernkörner vergrössert und mit vacuolenartigen Bläschen im Inneren. Durch weitere
Vergrösserung der Körner und hauptsächlich dieses Bläschens lässt er aus ihnen schliesslich
die früher geschilderten, sogen. Glanzkörper der Pelomyxa hervorgehen, welche durch Sprengung
der Kernhülle ins Körperprotoplasma übertreten sollen.
Bronn, Klassen des TMer-Eeiclis. Protozoa. §
114 Ehizopoda.
nur einem grossen ovalen Kerne verseheneu Exemjjlaren der A. Princeps
bat sich der feinere Bau des Kernes etwas anders gestaltet (II. 1 c), statt
der Zone rundlicher Körner unterhalb der Kernmerabran findet sich hier
eine ähnlich gelagerte Zone, welche aus unregelmässigen, feinkörnigen,
hier und da netzförmig verzweigten und zusammenhängenden plasmatischen
Massen besteht, also eine Bildung zeigt, welche an das Fadennetz der
Zellkerne, wie es durch neuere Forschungen in weiter Verbreitung nach-
gewiesen wurde, erinnert.
Eine ziemliche Aehnlichkeit mit den geschilderten Kernen der Amöben
scheinen auch die Kerne eiuer Anzahl bis jetzt hierauf untersuchter
mariner Rhizopoden zu zeigen. Nach M. Schnitze sind die Kerne der
Gromien gänzlich von kleinen, sehr blassen Bläschen erfüllt und nach
F. E. Schulze enthält der ansehnliche Kern älterer Polystomellen zahl-
reiche stark lichtbrechende, meist kugelige Einschlüsse, während der
kleinere Kern jugendlicher Exemplare meist nur einen solchen nucleolus-
artigen Körper einschliesst, so dass hieraus auf eine fortdauernde Ver-
mehrung dieser Einschlüsse mit dem Wachsthum des Kernes geschlossen
werden darf.
Besonders eigenthümlich verhalten sich noch die Kerne gewisser von
R. Hertwig untersuchter Rotalinen und Globigerinen. Bei den ersteren
zeigten zuweilen vorhandene, kleine Kerne eine ganz homogene Beschaffen-
heit, gewöhnlich war jedoch der nur in der Einzahl vorhandene, kugelige
und ziemlich grosse Kern sehr eigenthümlich gebaut, wie solches bis jetzt
in ähnlicher "Weise nur bei gewissen ciliaten Infusorien nachgewiesen
wurde. Zunächst war der Kern hier nicht bläschenförmig, sondern es
umschloss die Kernmembran (sie wurde jedoch hier nicht direct beob-
achtet) einen sie vollständig erfüllenden, plasmatischen Inhalt, der sich
aus zwei Abschnitten zusammensetzte (VII. 38 n), einem feinkörnigen,
dichteren, sich mit Karmin stärker färbenden und einem hellen homogenen,
der sich nur schwach färbte. In ihrer Grösse verhielten sich beide Ab-
schnitte etwa gleich, oder es blieb der homogene hinter dem körnigen an
Grösse zurück. Wir erwähnen schliesslich noch, dass auch der von
F. E. Schulze bei Lagena beobachtete Kern eine homogene oder, nach
der Anwendung von Säuren, feinkörnige Beschaffenheit zeigte. Auch die
von Ray Lankester beschriebenen Kerne der Haliphysema scheinen sich
ihrer Bauweise nach innigst hier anzuschliessen , da sie innerhalb einer
deutlichen, dicken Kernhülle einen feingranulirten oder homogenen Inhalt
zeigen.
^. Pseudopodienbililung', Bewegung und Nahrungsaufnahme der
Ehizopoda.
Wie die Ueberschrift dieses Abschnittes besagt, werden wir hier mit
der allgemeinen Besprechung der Pseudopodienbildung gleichzeitig auch
die Bewegungs- und Ernährungsverhältnisse in Betracht ziehen, da die-
Pseudopoclienbildung-. (Lobosa,) 115
selben ja mit der Beschaffenheit der Pseudopodien in den innigsten
Beziehungen stehen.
Wie schon gelegentlich angedeutet wurde, kennen wir einfache nackte
Rhizopodenfornien , gewisse Amöben, welche eigentlich gar keine beson-
deren Pseudopodien entwickeln, sondern sich fliessend mit ihrer ge-
sammten Masse bewegen, ohne hierbei tiefgreifende Gestaltsveränderungen
zu zeigen. In der A. Guttula und Limax haben wir derartige Formen
schon kennen gelernt und auch die ansehnliche Pelomyxa bewegt sich,
wenigstens häufig, für längere Zeit in dieser Weise. Der Vorgang dieser
fliesseuden Bewegung des gesammten Rhizopodenleibes ergibt sich bei
näherer Untersuchung in der Art, dass von der hinteren Region, das heisst
der bei der Bewegung das Hinterende bildenden Leibespartie, das Proto-
plasma beständig in einem Strom in der allgemeinen Bewegungsrichtung
des Organismus nach dem vorderen Ende hineilt und, hier angelangt, zu
beiden Seiten abfliessend, sich in den seitlichen Tbeilen nach hinten wendet.
Zu beiden Seiten der mittleren Leibesgegend sammeln sich so die zurück-
kehrenden Protoplasmamassen an und gehen in einen relativ ruhenden
Zustand über, indem ihre Rückwärtsbewegung allmählich erlischt. Weiter-
hin werden dann diese Ansammlungen ruhenden Protoplasmas wieder
in den nach vorwärts sich bewegenden Strom hineingezogen, so dass also
eine Art Cirkulation des gesammten Leibesprotoplasmas die Grundlage
für die fliessende Bewegung des Körpers abgibt.
Eine derartige Cirkulation des gesammten Körperprotoplasmas in
ziemlich regelmässiger Weise sehen wir nun zuweilen, abgesehen von
den bei jeder Pseudopodienentwickelung nothwendigen Strömungen und
Verschiebungen, auch neben einer reichlichen Pseudopodienentwickelung
stattfinden. Hierfür bietet die sogen. Lieberkühnia (= Gromia paludosa
Cienkowsky) ein gutes Beispiel.
Ganz ähnlich im Allgemeinen wie die fliessende Bewegung des
gesammten Leibes, welche eben geschildert wurde, verhält sich auch die
Entwickelung eines Pseudopodiums bei den übrigen Lobosen ; hier bewegt
sich der strömende Zufluss des Protoplasma's nach einer oder mehreren
lokal beschränkten Stellen der Leibesoberfläche hin und tritt hier als ein
fingerartiger, an seinem Ende stumpf abgerundeter Fortsatz hervor. In
einem solchen Pseudopodium verhält sich der eintretende Strom ganz
ähnlich, wie wir das eben bei der Strömung des gesammten Leibesproto-
plasmas gesehen haben, das heisst: es bewegt sich das Protoplasma
in dem axialen Theil des Fortsatzes nach vorwärts und fliesst au
dessen Ende allseitig nach den Seiten hin ab, und indem es sich hier
in relativ ruhendem Zustand anhäuft, wächst durch fortdauernden, inneren
Zufluss das Pseudopodium allmählich in die Länge. Hierbei kann es sich
dann ereignen, dass sich der zufliessende Strom an seinem Ende ver-
zweigt, in Folge dessen dann auch das Pseudopodium sich verästelt und
durch mehrfache Wiederholung derartiger Stromabzweigungen können
sich dann schliesslich mehrfach getheilte Pseudopodien hervorbilden.
8*
WQ Ehizopoda.
Ebenso wie solclie Pseudopodien an einer oder mehreren Stellen der
Körperoberfläche hervorgeflossen sind, wie man sich wohl ausdrücken
darf, werden sie jedoch auch wieder eingezogen. Dieser Vorgang der
Zurückziehung der Pseudopodien bietet ungefähr das entgegengesetzte
Bild wie ihre Entstehung. Indem nach einer gewissen Zeit der
Zufluss aus dem Körperinneren sistirt, kommt das Pseudopodium zu einem
kurzen Ruhezustand, es steht der zufliessende axiale Strom desselben
still. Mittlerweile haben sich die Strömungsrichtungen des Körperplasmas
überhaupt geändert und in Folge dessen beginnt, durch Zuströmung des
Plasmas nach einer anderen Stelle der Körperoberfläche, sich hier ein
neues Pseudopodium hervorzubilden. Nach einiger Zeit sehen wir dann,
wie der axiale Theil des Plasmas des alten Pseudopodiums in eine
rückströmende Bewegung tibergeht und so die Plasmamasse des Fort-
satzes, zunächst von der Endspitze desselben beginnend, allmählich in
den Körper zurückgeführt wird, wobei sich, entsprechend dem Ahfluss,
das Pseudopodium allmählich verkürzt, bis es schliesslich wieder
völlig in die allgemeine Leibesmasse aufgenommen worden ist. In
solcher Weise also sehen wir Neu- und Rückbildung der Pseudopodien
bei den mit derartigen läppen- oder fingerförmigen Pseudopodien ver-
sehenen Amöben und Verwandten vor sich gehen, die man häufig
(nach dem Vorgange Carpenter's), eben wegen dieser Beschaffenheit ihrer
protoplasmatischen Leibesfortsätze, als Lobosa zusammenfasst.
Ist die Leibesmasse solcher Formen deutlich in eine hyaline Rinden-
schicht oder Ectoplasma und eine körnige Inneumasse oder Entoplasma
gesondert, so bilden sich die Pseudopodien zunächst ausschliesslich aus
dem hyalinen Ectoplasma und bestehen auch, wenn sie eine massige
Grösse nicht überschreiten, gewöhnlich nur aus solchem. Wenn sich je-
doch durch fortgesetzten Plasmazufluss das Pseudopodium zu ansehnlicher
Grösse entwickelt, dann tritt gewöhnlich auch die körnige Entoplasma-
masse in dasselbe ein und bildet eine axiale, körnige Partie des basalen
Abschnittes des Pseudopodiums (IL la).
Aus diesen Verhältnissen darf wohl der Schluss gezogen werden,
dass es die hyaline Ectoplasmaschicht ist, welche vorzugsweise die
Strömungserscheinungen zeigt und dies geht auch noch dadurch
besonders hervor, dass sich auch bei dem Hinfliessen, ohne Entwicke-
lung eigentlicher Pseudopodien, eine Anhäufung solch hyalinen Plasmas
am Vorderende findet, wenn überhaupt eine Sonderung in die beiden
Plasmapartien am Leibe des betreffenden Rhizopoden ausgebildet ist.
So sehen wir denn auch die Pseudopodienbildung bei einer Reihe von
Lobosen, an deren Körper sich keine deutliche Scheidung zwischen Ecto-
und Entoplasma durchführen lässt, dennoch nur aus hyalinem oder doch
sehr feinkörnigem Plasma stattfinden, wie dies der Fall ist bei den be-
kannten beschälten Lobosen, Arcella, Difflugia, Hyalosphenia, Qua-
drula etc. (s. II).
Unter den Lobosa selbst zeigt jedoch im Speciellen die Gestaltung
Pseudopodienbilduiig. (Lobosa.) 117
der Scheinfüsschen eine ziemlich reiche Mannigfaltigkeit, und eine nicht
unbeträchtliche Reihe noch hierherzurechnender Formen weist schon An-
klänge an die Gestaltungsverhältuisse, wie wir sie in vollkommenerer Weise
bei den sogen. Reticulosa späterhin kennen lernen werden, auf.
Bei den nackten Formen der hier zu betrachtenden Gruppe, also
vorzugsweise den Amöben und Verwandten, wird natürlich die Gesammt-
gestalt des Körpers im beweglichen Zustand durch Gestalt und Bildungs-
weise der Pseudopodien bestimmt. Neben Formen mit kurzen, stumpfen
Fortsätzen, welche allseitig vom Körper in grösserer oder geringerer Zahl
entspringen, treffen wir solche, bei welchen dieselben länger und dünner,
mehr fingerförmig werden. Entspringen solche Fortsätze gleichmässig
von dem gesammten Rand des ziemlich scheibenförmigen Körpers, so
erhält der Körper ein strahliges Aussehen, wie z. B. bei der Dactylo-
sphaera H. und Lesser's (I. III. 11, 12), der Amoeba polypodia M. Seh.
(F. E. Seh.) und der Amoeba radiosa (bei letzterer treten jedoch auch
Formen auf, welche sich durch sehr lange, dünne, strahlenartige Pseudo-
podien von den übrigen Amöben entfernen [I. 10]). Andererseits sehen
wir die Enden der fingerförmigen Pseudopodien sich nicht selten ver-
zweigen (seltener bei A. diffluens 0. F. M., häufiger bei A. brachiata Duj.),
und in eigenthümlicher Weise zugespitzt und zerschlitzt erscheinen die
Pseudopodien der A. lacerata (Duj.) From. Auch die beschälten Formen
zeigen z. Th. etwas abweichende Bildungsverhältnisse, so besitzt eine von
Hertwig und Lesser beschriebene Difflugia acropoda ziemlich breite, ab-
geflachte und flammenartig spitzig zerschlitzte Pseudopodien, welche an
die der ebenerwähnten A. lacerata sich anschliessen.
Auch treten hier z. Th. besonders abweichende Pseudopodienbildungen
auf; so dürfen hierher gerechnet werden die eigenthümlichen, an ihren
Enden schwimmhautartig verbreiterten Pseudopodien von Petalopus (II. 13)
Gl. u. L. und die noch merkwürdigeren, membranartigen Pseudopodien
von Plakopus F. E. Seh., welche sich in verschiedenen Richtungen vom
Körper erheben können, unter sich winkelig zusammenstossend und so
trichter- oder kappenförmige Hohlräume zwischen sich einschliessen (II. 14).
Im Anschluss an die Betrachtung der Pseudopodienentwickelung der
Lobosa fügen wir hier gleich einige Angaben über die Art der Nahrungs-
aufnahme bei, da ja dieser Process in directer Beziehung zu der
Pseudopodienbildung steht. Es liegen hauptsächlich bei den Amöben ge-
nauere Beobachtungen dieses Vorgangs vor, wo Lachmann*) und Leidy**)
denselben in übereinstimmender Weise verlaufen sahen. Ein aufzunehmen-
der Nahrungskörper wird von den Pseudopodien gewissermaassen allseitig
umflossen und indem sich dieselben jenseits um den Nahrungskörper ver-
schmelzend vereinigen, wird dieser, sammt einer gewissen Quantität
Wasser, in den Protoplasmakörper aufgenommen. Auch ein einzelnes
*) Verh. d. iiat.-h. Ver. d. preuss. Eheinl. XVI.
**) Proceed. Acad Philad. 1874. p. 143 u. 1877.. p. 2^
118 Rhizopoda.
Pseudopodium wird ohne Zweifel die Fähigkeit besitzen, einen kleineren
oder grösseren Nahrungskörper derartig zu umfliessen. Etwas anders
gestaltet sich jedoch der Vorgaog bei Aufaahme ansehnlich grosser
Nahrungstheile, so z. B. längerer Algenfäden; in solchen Fällen sieht
man die Amöbe gewissermaassen den Nahrungskörper umfliessen, der in
dieser Art, häufig nicht ohne beträchtliche Anstrengungen des Amöben-
körpers und zuweilen erst nachdem hierdurch der Algenfaden in
mehrere Stücke zerbrochen worden ist, in den Körper aufgenommen wird.
Interessant ist die neuerdings von Duncan*) und Leidy gemachte
Beobachtung, dass die Amöben hauptsächlich mit ihrem sogen. Hinterende
die Nahrungsaufnahme vollziehen sollen.
Wie [angegeben, zeigt sich schon bei einer ziemlichen Zahl den
echten Lobosen sehr nahestehender Formen eine Hinneigung zur Ent-
wickelung zarterer, fadenförmiger und zugespitzter Pseudopodien. Diese
treten uns in noch höherer Entwickelung in der Abtheilung der
sogen. Keticulata entgegen. Einfachere Verhältnisse, durch welche
ein naher Anschluss an die eben charakterisirten Lobosen vermittelt
wird, zeigen uns die meisten Süsswasserformen dieser Gruppe, wie ja
auch die Lobosen vorzugsweise dem süssen Wasser angehören. Hier
treffen wir zarte, ziemlich dünne, häufig noch ganz hyaline Pseudopodien
mit mehr oder minder ausgeprägt spitzwinkeliger Verästelung ihrer
Enden, jedoch ohne grosse Neigung zur Verschmelzung unterein-
ander. Es bilden sich hier entweder nur wenige oder keine Ana-
stomosen zwischen den Pseudopodien, fast nie aber ein so reiches
Netzwerk, wie dies bei den marinen Reticulata fast durchweg der Fall
ist. Treffliche Beispiele dieser Form der Pseudopodienbildung sehen wir
bei Euglypha, Trinema, Cyphoderia, Platoum und Lecythium (s. HL),
hier finden wir dieselben ganz hyalin und körnchenlos ; auch die Amphi-
stomeen schliessen sich hier an. Gewisse Gromien (z. B. Gromia Dujar-
dini M. Seh.) besitzen ähnliche, hyaline, spitzig verästelte und sehr starr
erscheinende Pseudopodien. Ob bei solchen hyalinen Pseudopodien eine
ähnliche, wahrscheinlich nicht fehlende Strömungserscheinung des Plasmas
der Pseudopodien stattfindet, wie sie an den köruerführenden Pseudo-
podien sehr deutlich ist, kann bei dem Mangel der Körnchen hier nur
schwierig festgestellt werden.
Die typisch reticulären Formen, wozu wir ausser einer kleinen Zahl
von 'Süsswasserformen — wie z. B. die Mikrogromia, Lieberkühnia,
einen Theil der Gromien und Pseudodifflugien — die grosse Masse der
marinen Rhizopoden zu rechnen haben, zeichnen sich durch die meist
sehr feinen, fadenförmigen, gewöhnlich in sehr grosser Anzahl entwickelten
Pseudopodien aus. Dieselben sind körnchenführend, zeigen das Phänomen der
sogen. Körnchenströmung und treten durch mehr oder weniger zahlreiche,
*) Duncan, P. M. , Studies amoiigst Amoeba. Populär science review 1S77. (Nicht
eingesehen !)
P:>eudoi)odienbildung-. (ßeticulata.) 119
netzförmig zwischen den Pseudopodien ausgespannte Anastomosen in
Communikation (IV. 6; IX. 1; XL 2). Die trefflichsten Schilderungen
derartiger Pseudopodiennetze, ihrer Bildung und ihres Verhaltens, hat
M. Schnitze bei mehreren Gelegenheiten gegeben. *) Bei den einnitindigen
imperforaten Formen entwickeln sich diese sehr zahlreichen, in ihrer
Stärke etwas schwankenden Pseudopodien aus der einfachen Schalen-
öffnung, z. B. einer Gromia oder Miliola;**) zuweilen breitet sich je-
doch das Protoplasma, indem es reichlicher aus der Mündung hervorquillt,
wie ein Ueberzug über die Schale aus und lässt nun allseitig die zarten
Pseudopodien ausstrahlen. Bei den Perforaten scheint zwar die Entwicke-
lung der Pseudopodien gleichfalls zunächst von der weiteren Schalen-
mündung aus vor sich zugehen, späterhin treten jedoch die Pseudopodien
allseitig aus den Poren der Schale hervor.
Es bestehen diese Pseudopodien, wie eine Untersuchung bei starker
Yergrösserung nachweist, aus einem sehr feingranulirten Plasma, das
zahlreiche stark lichtbrechende Körnchen, von rundlicher bis stäbchen-
förmiger Gestalt, mit sich führt, die an der Oberfläche der Fäden hin-
gleiten, so dass sie meist über dieselbe noch etwas hinausragen. Wie
schon bemerkt, sind diese Körnchen in mehr oder minder lebhaft strömen-
der Bewegung begriffen; man sieht sie an den Fäden einerseits von der
centralen Körpermasse hinauseilen bis zu dem äussersten Pseudopodien-
ende, während sie andererseits auf den gleichen Fäden in rückläufigem
Strom sich zur Schale zurückbewegen. Hieraus geht hervor, dass sich
an jedem der Pseudopodienfäden das Plasma in strömender Bewegung
befindet, dass sich ein Strom, aus der Körpermasse hervortretend, nach
der Peripherie begibt, während gleichzeitig ein rückkehrender dem Körper
wieder zueilt.***) Zuweilen treten an den fadenartigen^Pseudopodien auch
lokale, spindelförmige Anschwellungen, Varicositäten, auf, die sich ähnlich
wie die Körnchen an dem Faden fortbewegen können, f) Was die Länge
*) S. 53 und: Das Protoplasma der Khizopoden und der PÜaiizenzellea. Leipzig 1863.
**) Bei den oben erwähnten Süsswassergeschleclitcrn Mikrogromia, Lieberkühnia und
z. Th. auch Gromia entspringen die Pseudopodien von einer stielartigen Verlängerung des
Vorderendes des Protoplasmakörpers, die aus der Schalenmündung hervorgestreckt wird, dem
sogen. Pseudopodienstiel. Bei Mikrogromia und Lieberkühnia (IIL 15, 16, p) entspringt dieser
Pseudopodieustiel niclit vom vorderen Theil des Weichkörpers, sondern etwas hinter demselben
seitlich, so dass hierdurch die schon im Schalenbau angedeutete bilaterale Gestaltung noch
deutlicher zum Ausdruck kommt.
***) Diese Schilderung M. Schultze's von dem Vorhandensein der Doppelströme an den
Pseudopodien der Eeticularia kann sich doch wohl vorzugsweise nur auf die, wenn der Aus-
druck erlaubt ist, ruhenden, d. h. in ihrer Gestalt für eine gewisse Zeit wenig veränderlichen
beziehen , da in den sich hervorbildenden Pseudopodien oder umgekehrt in den sich zurück-
ziehenden doch wohl die Strömung einseitig erfolgen, oder doch die Strömung in einer
Richtung sehr gegen die in anderer vorherrschen muss. Doch gibt Schnitze ausdrücklich an,
dass sich an den im Hervortreten begriffenen, an ihren Enden meist knopfförmig angeschwol-
lenen Pseudopodien ein rückläufiger Strom bemerken lasse, wie umgekehrt auch sogar während
der Einzieluing ein centrifugaler Strom zu bemerken sein soll.
f ) Im Allgemeinen scheint es wenig wahrscheinlich, dass den fadenartigen Pseudopodien
X20 Ehizopoda.
der in solcher Weise entwickelten Pseudopodien betrifft, so ist dieselbe
gewöhnlich sehr ansehnlich und erhebt sich bis zu dem 6 — 10 fachen des
Schalendurchmessers. Natürlich vermag sich ein solch zartes, reiches
Pseudopodiennetz gewöhnlich nicht frei in dem umgebenden Medium zu
erheben, sondern kriecht auf einer Unterlage hin. Es ist leicht einzusehen,
wie durch Verkürzung der Pseudopodien auch eine langsame Ortsverände-
rung der ganzen Schale bewerkstelligt werden kann und so, ähnlich wie
dies auch für die seither besprochenen Formen gilt, der Organismus sich
mit Hülfe seiner Pseudopodien kriechend bewegt.
Wie durch Verschmelzung der Pseudopodien Netze hergestellt weiden
können, so können dieselben auch stellenweise zu grösseren protoplasma-
tischen, plattenartigen Anhäufungen zusammenfliessen und dies findet
namentlich statt, wenn es gilt, Nahrungskörper mit Hülfe der Pseudo-
podien in den Körper einzuführen. Es geschieht dies in der Weise, dass
der aufzunehmende Körper von mehreren Pseudopodien ergriffen und
gewissermaassen umflossen wird, indem Protoplasma reichlich zuströmt,
den betreffenden Körper umhüllt und derselbe hierauf durch Verkürzung
der Pseudopodien allmählich in den Körper hereingezogen wird. *) Fraglich
scheint es jedoch, ob ein solcher Nahrungskörper zu seiner Verdauung
stets nothwendig in die Hauptkörpermasse, resp. die Schale, eingeführt
zu werden braucht, oder ob nicht die Assimiliruog auch ausserhalb der
Schale, wenn nur eine hinreichende Umhüllung desselben durch lebendiges
Protoplasma stattgefunden hat, vor sich zu gehen vermag.
Die hier geschilderte, jetzt allgemein anerkannte Natur der reticulären Pseudopodien
der Ehizopoden und ihrer Körnchenströmung, welche schon von Dujardin in richtiger Weise auf-
gefasst worden war , gab seiner Zeit Veranlassung zu einem hartnäckigen Streit zwischen
M. Schnitze und Eeichert, wie einer Anzahl weiterer Forscher, die sich theils auf die eine,
theils mehr auf die andere Seite schlugen. Unter diesen ist hauptsächlich noch Häckel zu
nennen, der mit grosser Lebhaftigkeit die Dujardin-Schultze'sche Ansicht vertheidigte. Ehren-
berg, dessen Ansichten über die Natur der marinen Ehizopoden schon früher, gelegentlich des
historischen üeberblicks, mitgetheilt wurden, hat sich nie mit der Dujardin-Schultze'schen Auf-
fassung ausgesöhnt, und stets daran festgehalten, dass es sich bei der Bildung der Pseudopodien-
netze nicht um eine wahre Verschmelzung handle, sondern um eine innige Aneinander-
lagerung der stets getrennt bleibenden Pseudopodienfäden — dass demnach die gesammte
Netzbüdung nur eine scheinbare sei. Eeichert,**) als ein heftiger Gegner der ganzen sogen.
Sarkodetheorie, hält wie Ehrenberg diese Netzbildung für eine scheinbare und wandte sich
der Ehizopoden z. Th. eine Differenzirung in Axenfaden und Eindenschicht zukomme, wie
wir solches späterhin bei einem Theil der Heliozoen und Eadiolarien finden werden ; dennoch '
möge an dieser Stelle darauf aufmerksam gemacht werden, dass M. Schnitze für die körncheu-
armen und weniger leichtflüssigen Pseudopodien eine solche höhere Ausbildungsstufe nicht
unmöglich hält (s. „Das Protoplasma").
*) Bei dieser Gelegenheit sei noch erwähnt, dass M. Schnitze mehrfach eine sehr plötz-
liche lähmende Wirkung der Pseudopodiennetze von Gromia und Polystomella auf dieselben
berührende Infusorien beobachtete; ein Moment, das für ihre Bedeutung als Organe zur
-Nahrungsaufnahme nicht gering anzuschlagen sein wird.
**) Monatsberichte d. Berliner Akad. 1862, Arch. f. An. u. Physiol. 1862 (Abdruck).
Monatsber. 1863, 1865 (Abdr. im Arch. f. A. u. Ph.). üeber Schultze's Vertheidigung siehe
auch: Arch. f. Naturgesch. 1863 und haupts.: Das Protoplasma 1863.
Pseudopodieubilduug-. (Starre, pseudopodienart. Fortsätze bei Amöben.) 121
namentlich aucli gegen das Phänomen der Körnchenströmung, das nach ihm nicht durch
Strömung thatsäclilich oxistirender Körnchen, sondern durcli das Fortsclireiten von Contralctions-
wellcn an den Pscudopodienfäden hervorgerufen werde. Es handle sich also hier, wie gesagt,
nicht um wirkliche Körnchen, sondern der Anschein solcher sei hervorgerufen durch schlingen-
artige Contraktionswellen , die an dem Faden hüpfend sich fortbewegten. Es kann hier nicht
unsere Aufgabe sein, diesen Streit durch alle die Gründe und Gegengründo hindurch zu ver-
folgen. Wir heben nur hervor: dass einmal die gesammte optische Erscheinung der Körnchen
und ihrer Bewegungen, ferner die Netzbildung der Pseudopodien gegen die Ehrenberg-
Reichert'sche Auffassung spricht, andererseits der namentlich von Häckel und späterhin auch
von M. Schnitze geführte Nachweis, dass feine, dem Khizopodenkörper zugeführte Karmin-
oder Stärkemehlkörnchen in derselben Weise wie die eigentlichen sogen. Protoplasmakörnchen
die Erscheinung der Strömung auf den Pseudopodien zeigen, hinreichend die gegeutheilige
Ansicht widerlegt. Auch anderweitige kleine Fremdkörper können in solcher Weise von dem
rückläufigen Strom der Pseudopodien ergriffen und als Nahrungsbestandtheile dem eigentlichen
Thierkörper zugeführt werden, üebrigcns hat Eeichert in seinen späteren Abhandlungen über
diesen Gegenstand seinen ursprünglich schroffen Gegensatz vielfach gemildert. Wir glaubten
hier einige kurze Bemerkungen über diese Streitfragen einschalten zu sollen, da hauptsächlich
die Untersuchung unserer Ehizopoden zum Austrag derselben geführt hat.
Eine recht eigentliUniliche und bemerkenswertlie Erscheinung tritt
uns noch darin entgegen, dass eine Reihe von Rhizopoden das Vermögen
besitzt, Pseudopodien oder doch pseudopodienartige Fortsätze von
zweierlei Gestalt auszusenden. Gelegentlich haben wir dieses Verhalten
schon bei der sogen. Amoeba radiosa erwähnt, die zuweilen ihre ansehn-
lich langen, strahlenartigen Pseudopodien einzieht und sich mit Hülfe
kurzer, stumpfer Fortsätze weiterbewegt. Auch bei seiner Gromia granu-
lata (= Plagiophrys lentiformis H. u. L.) hat F. E. Schulze zuweilen
das Hervortreten kurzer, lappenförmiger Pseudopodien zwischen den Basen
der gewöhnlichen, lang fadenförmigen beobachtet.
Ziemlich allgemein scheint jedoch den Amöben noch die Eigenthüm-
lichkeit zuzukommen, an ihrem Hinterende eine Anzahl, häufig wie ein
Schopf zusammenstehender, kurzer fransen- oder haarartiger, ectoplasma-
tischer Fortsätze zu entwickeln (U. 5, d). Möglich, dass diese Erscheinung
schon von Dujardin bei seiner Amoeba inflata beobachtet wurde, späterhin
haben sich hauptsächlich Lieberkühn,*) Wallich**) (der auf diesen ver-
gänglichen Charakter seine A. villosa = princeps Ehrbg. gründete),
Carter und Andere mit dieser Erscheinung beschäftigt und es hat sich
herausgestellt, dass es sich hier wohl um eine bei Amoeba und verwandten
Organismen ziemlich verbreitete Erscheinung handelt. So zeigt sich
dieselbe ähnlich zuweilen auch bei Pelomyxa und Plakopus F. E. Seh.,
und auch die später bei den Flagellaten zu besprechenden, mit Geissei
versehenen Amöben, so z. B. die Mastigamoeba F. E. Schulze's und die
Amoeba monociliata Carter's bieten das gleiche Verhalten.
Diese haarartigen Fortsätze machen einen sehr starren Eindruck und
scheinen keiner activen Bewegung fähig zu sein ; sie sind daher auch
kaum in die Kategorie der eigentlichen Pseudopodien zu ziehen. Während
*) S. bei Clap. u. Lachm. tiO.
**) A. m. n. h. 3. XI u. XII.
122 KMzopoda.
sie meist verhältnissmässig sehr kurz bleiben, hat Archer*) einmal bei einer,
wegen der Anwesenheit eines solchen hinteren Schopfes kurzer Fortsätze
als A. villosa bezeichneten Form, auch nebenbei noch einen Büschel feiner
Fortsätze von Körperlänge und gelegentlich auch unter den gewöhnlichen
kurzen, hintern Fortsätzen einige körperlange angetroffen.
In dieselbe Kategorie starrer, kurzer Oberflächenfortsätze gehören
ohne Zweifel auch die von Hertwig und Lesser bei ihrer Dactylosphaera
vitreum beschriebenen , welche die ganze oder nur einen Theil der Ober-
fläche sammt den Pseudopodien bedecken, und an denen sie gleichfalls
Bewegungen nicht wahrzunehmen vermochten (I. 11). Eine solche Aus-
dehnung dieses Härchen- oder Zöttchenbesatzes über das gesammte Ecto-
sark amöbenartiger Rhizopoden findet sich aber noch weiter verbreitet, so
hat schon Stein**) (13) einen amöbenartigen Organismus, der gänzlich von
solchen kurzen Borsten überzogen war, unter dem Namen Chaetoproteus
beschrieben; späterbin wurde dann ein ähnlicher, wenn nicht identischer,
von Leidy***) aufgefunden. In dieselbe Kategorie, wie die eben be-
schriebenen haarartigen, starren Fortsatzbildungen der Amöben, mögen
auch die bei dem interessanten Diaphoropodon Archer's von der gesammten
Körperoberfläche zwischen den Schalenpartikeln entspringenden haarartigen
Fortsätze gehören (IV,1). Neben solchen entwickelt diese Form dann noch mehr
oder minder zahlreiche, sehr lang fadenartige, oder in sehr eigenthümlicher
Weise tannenbaumartig verästelte Pseudopodien aus der Schalenmündung.
Ueber die eigentliche Natur und Bedeutung dieser zöttchen- bis
haarartigen Fortsätze der amöbenartigen Rhizopoden vermag vielleicht
aus einer Beobachtung Czerny'sf) einiger Aufschluss geschöpft werden.
Derselbe fand nämlich, dass Amöben bei Zusatz von V4% Kochsalzlösung
zahlreiche, feine, wimperartige Fortsätze aussenden, die „rasch länger,
dann knotig werden, sich biegen und in zitternde Bewegung gerathen."
Möglich, dass hieraus der Schluss gezogen werden darf, dass das Ecto-
plasma der Amöben die Eigenthümlichkeit besitzt, bei stärkerer Verdichtung
durch Wasserentziehung (wie sie ohne Zweifel in Folge des Zusatzes von
Kochsalzlösung eintritt) solche Fortsätze zu entwickeln. Diese Auffassung
erscheint auch noch deshalb nicht unplausibel , weil es das Hinterende
der kriechenden Amöbe ist, wo sich der Schopf solcher Fortsätze gewöhn-
lich entwickelt. Aus früher in der Einleitung erörterten Gründen aber,
scheint es wahrscheinlich, dass eben am Hinterende die Dichte des Proto-
plasmas am bedeutendsten, resp. dasselbe hier am wasserärmsten ist.
Gewisse eigenthümliche Erscheinungen zeigen sich z. Th. noch bei
der Einziehung der Pseudopodien mancher Rhizopoda, und verdienen
hier noch eine kurze Besprechung. Bei der schon mehrfach erwähnten
Dactylosphaera vitreum haben Hertwig und Lesser beobachtet, dass die
*) Qu. j. lüicr. bc. VI.
**) Abh. d. k. böhiü. Ges. d. W. X.
***) Proc. acad. Philad. 1874.
t) Arch. f. inikr. Anatomie Bd. V. p. 15S.
PseudoiJodienbildung. (Einziehung, geisselnde Pöeudüpodieu.) 123
strahleDartigen, jedoch ziemlich dicken Pseudopodien vor ihrer Einziehung
plötzlich knorrig- und unregelmässig werden und hierauf rasch zurück-
fliessen. Noch bemerkenswerther ist das schon Carter (75. 13) und
Fresenius*) bekannte, später auch durch Hertwig und Lesser geschil-
derte Verhalten der fadenartig zugespitzten Pseudopodien bei Cyphoderia.
Hier fliesst das Pseudopodium entweder rasch zu einem Protoplasma-
tropfen zurück oder zieht sich zunächst plötzlich zu einer, ihre Windungen
allmählich verkürzenden, Spirale zusammen; dasselbe geschieht gewöhnlich
auch, wenn das Pseudopodium ein Nahrungspartikelchen ergriffen hat,
das dann in einem Protoplasmatropfen eingeschlossen, der sich an dem
Ende des Scheinfüsschens gebildet hat, in den Körper des Thieres ein-
gezogen wird. Einen ähnlichen Vorgang hat dann ferner auch F. E. Schulze
bei seiner Gromia granulata (wohl = Plagiophrys lentiformis H. u. L.)
beobachtet, indem hier bei der Einziehung eines Pseudopodiums plötzlich
eine Erschlaffung desselben, mit welliger Kräuselung, zu beobachten war,
worauf es zu einem Klumpen zusammenschmolz.
Zum Beschluss unserer Betrachtung der Pseudopodienbildung der
Rhizopoda müssen wir noch einen Blick auf die seltneren Vorkommnisse
pseudopodienartiger Fortsätze mit schwingenden bis geisselnden Bewegungs-
erscheinungen werfen. Wir kennen nur einen oder vielleicht zwei hierher
gehörige Fälle, die sich bei amöbenartigen Organismen gefunden haben
und die unser Interesse um so mehr in Anspruch nehmen, als, wie be-
kannt, eine ganze Reihe amöbenartiger Organismen mit der Zeit entdeckt
worden ist, die durch den Besitz einer mehr oder minder ansehnlichen
Geissei sich den eigentlichen Fiagellaten so innig anschliessen, dass wir
vorgezogen haben, sie diesen anzureihen und ihre Besprechung daher auf
später zu verschieben. Die jetzt zu erwähnenden Vorkommnisse aber
scheinen eine ziemlich directe Uebergangsstufe von den gewöhnlichen
Amöben zu jenen Geisseiamöben zu bilden.
Der einfachste hierhergehörige Fall liegt zunächst bei der schon
mehrfach erwähnten Amoeba radiosa Auerb. vor. Die strahlenartigen
langen Pseudopodien, welche diese Form im ruhenden Zustand aussendet
(I. 10), besitzen nach meinen Beobachtungen*'^') zeitweilig die Fähigkeit,
mit ihren fein ausgezogenen, häufig schlingenförmig umgebogenen Enden
leicht hin und her zu schwingen oder sich anhaltend drehend zu bewegen.
Wie schon früher bemerkt, werden dann diese Pseudopodien zuweilen
eingezogen und der Organismus bewegt sich mittels breiter, lappiger
Pseudopodien fort. Ganz ähnlich verhält sich nun nach den Untersuchungen
Lachmann's (60) eine zu der Gattung Podostoma erhobene Form, die
sich hauptsächlich dadurch von der geschilderten A, radiosa unterscheidet,
dass die langen, fadenartigen Fortsätze sich auf einem basalen kurzen,
dickeren Fortsatz erheben und der Pseudopodienfaden heftige geisselnde
Bewegungen ausführt, also sich hier in sehr hohem Grade der Natur
*) Abhandl. d. Senckenb. iiat. Ges. IL
**) Z. f. w. Z. XXX.
124 Ehizopoda.
wahrer Geissein nähert. Er dient zur Nahrungsaufnahme, indem kleine
Nahrungskörperchen an ihm herabgleiten und durch den basalen Träger
des Geisselfadens aufgenommen werden. Dass sich an dieser Stelle eine
persistirende Oeffnung zur Aufnahme der Nahrungskörper finde, wie Cla-
parede und Lachmann angeben, scheint mir sehr wenig wahrscheinlich.
Etwas abweichend von dieser Schilderung des Podostoma ist die
Darstellung, welche L. Maggi*) von demselben entwirft. Nach letzterem
Beobachter sollen sich statt der von Claparede und Lachmann geschil-
derten, geisselnden Fortsätze auch häufig bedeutend längere, fadenförmige
(und wohl auch geisselnd bewegliche) finden, die sich an ihrem Ende
nicht zuspitzen, sondern durchaus gleichförmige Dicke besitzen. Ihren
Ursprung sollen sie nicht, wie die gewöhnlichen Pseudopodien, aus dem
Ectoplasma, sondern aus der früher erwähnten, sogen. Mesoplasmascbicht
nehmen. Merkwürdigerweise sollen nun diese langen, fadenartigen Fort-
sätze an ihrem Ende eine Oeffnung zur Aufnahme der Nahrung besitzen,
von deren Existenz ich jedoch ebensowenig tiberzeugt bin, wie von der
oben nach Claparede und Lachmann angegebenen Mundöffnung an der
Basis des geisselartigen Pseudopodiums. Ueberhaupt scheint mir die
Beziehung der von Maggi untersuchten Organismen zu dem Podostoma
filigerum Gl. u. L. nicht ganz sicher, wogegen ich trotz der Einwendungen
Cattaneo's die Beziehungen des Podostoma zu A. radiosa für sehr innige
halten muss, worin auch ihr Entdecker Lachmann mit mir übereinstimmt,
der beide Formen gleichfalls für sehr innig verwandt erklärt.**)
ij. Gallertige Umhüllungen des Weiclikörpers.
Bildungen, wie sie die Ueberschrift dieses Abschnittes bezeichnet,
sind verhältnissmässig seltene Vorkommnisse bei den Rhizopoda; dennoch
sind 2 hierhergehörige, bei verwandtschaftlich sich sehr wenig nahe-
stehenden Formen findende Fälle bekannt geworden, von denen es jedoch
fraglich erscheinen darf, ob sie in näherer Beziehung zu einander stehen.
Der erste betrifft eine amöbenartige Form, die sogen. Amphizonella
Greeflfs ***) (II. 7). Hier wird der amöbenartige Körper von einer ziemlich
dicken, hyalinen Umhullungsschicht überzogen. Dieselbe ist recht resistent
gegenüber Säuren und Alkalien, besitzt jedoch jedenfalls nur eine etwa
gallertige Consistenz, da sie von den fingerförmigen Pseudopodien leicht
durchbohrt wird und ebenso schnell wieder an Stelle der eingezogenen
Pseudopodien zusammenfliesst.
Der zweite Fall hingegen betrifft eine marine, pelagische Form der
Perforata, nämlich die sogen. Hastigerina Murrayi (Untergenns von Globi-
gerina). Hier fand zuerst Murray*) bei wohlerhaltenen, lebenden Thieren
eine den Durchmesser der Schale fast um das Doppelte an Dicke tiber-
*) Kendic. d. E. Istit. Lomb. IX. 1876.
**) Verh. d. nat.-hist. Ver. d. pr. Elieinl. u. Westpli. XVI.
***) Arch. f. mikr. A. II.
*) Proc. roy. soc. XXIV. p. 532.
I
Gallertige Hüllen. Wcichlcörper und Schale bei Monotlialainia. 125
treffende Umhüllnng' von „bubble like extensions" der Sarkode, wie er
sich ausdrückt (IX. 1). Dass es sich jedoch hier, wie schon der erste
Anblick der Abbildung lehrt, um eine ähnliche AlveolenhüUe handelt, wie
sie bei den Radiolarien so weit verbreitet ist, hat R. Hertwig,*) der
genaue Kenner der Radiolaria, durch eigene Untersuchung der Ilastigerina
oder einer sich ähnlich verhaltenden pelagischen Globigerinenform gezeigt.
Demnach wird auch hier eine ansehnlich dicke Gallerthülle die Schale
sammt Thierkörper äusserlich umhüllen, durch welche Gallerthülle sich
Sarkodenetze hindurchziehen, die von der Oberfläche der Gallerte die
Pseudopodien entspringen lassen. Die „bubble like extensions" aber sind
zahh'eiche ansehnliche, sogen. Alveolen (Flüssigkeitsvacuolen), die in der
Substanz der Sarkodenetze der Gallerte gebildet werden.
Eine genauere Darstellung der jentsprechenden Bildungen der Radio-
larien wird späterhin bei diesen mitgetheilt werden. Es liegt die Ver-
muthung sehr nahe, dass solche Gallert- und Alveolenbildung nicht nur auf
die erwähnte Gattung beschränkt sei, sondern eine weitere Verbreitung unter
den pelagischen Rhizopoden besitze, worauf denn auch die Bemerkung
Murray's hindeutet, dass auch die stachellosen Formen der pelagischen
Rhizopoden (also wohl hauptsächlich Pulvinulinen) ähnliche blasige Ueber-
züge entwickelten.
5. Verhalten des Weichkörpers zur Schale und Bildung' der Schale
durch den Weichkörper.
In seinem erwachsenen Zustand zeigt der Organismus der beschälten
Rhizopoden ein etwas verschiedenes Verhalten zu der ihn umhüllenden
Schalenhaut ; wir haben daher hier auch auf diese Verhältnisse noch einen
Blick zu werfen.
Unzweifelhaft geschieht die erste Bildung eines Schalenhäutchens in
directer Auflagerung auf die Oberfläche des Protoplasmaleibes selbst, ja
es handelt sich wohl auch hier um eine directe chemische Umbildung
der äussersten Plasmaschicht, welche den Anstoss zur Schalenbildung
gibt, wofür ja die von uns früher namhaft gemachten Fälle sprechen,
in welchen das Vorhandensein eines Schalenhäutchens unsicher ist. In
diesen letzterwähnten sowohl, als auch in den sich zunächst anschliessenden
Fällen mit sehr dünner oder doch biegsamer und zarter Schalenhaut,
wie wir solches z. B. bei Lieberkühnia, Lecythium, Gromia und unter
den Lobosen bei Cochliopodium gefunden haben, liegt daher auch die
Schalenhaut der Oberfläche des protoplasmatischen Weichkörpers noch
dicht auf. Hat dieselbe hingegen eine grössere Festigkeit erlangt, so
zeigt sich bei den monothalameu Formen des Süsswassers häufig eine
Zurückziehung des Körpers von der Schale, die dann also nicht mehr
völlig von dem Weichkörper ausgefüllt wird. Ein solches Verhalten ist
namentlich bei den Lobosen weit verbreitet, wird jedoch auch bei den
*) Jen. Zeitschr. IX.
126 Ehizopoda.
Reticulata nicht selten angetroffen. Entweder trennt in diesen Fällen eine
mehr oder minder ansehnliche, mit Flüssigkeit erfüllte Zone den Weich-
körper völlig von der Schale, der sich dann nur noch an der Mündung
an dieselhe zur Befestigung anzulegen scheint, wie sieh solches z. B. bei
Mikrogromia und Platoum, jedoch auch bei Euglypha und Trinema
beobachten lässt; oder aber es heftet sich der Weichkörper durch be-
sondere zarte, vom Hinterende des Körpers entspringende Plasmafortsätze
im Grunde der Schale fest. In diesen Fällen, wie sie unter den Lobosen
sehr w^ohl ausgeprägt bei Arcella (II. 9 a), Hyalosphenia (II. 10), Qua-
drula (II. 12) und Difflugia, unter den Reticulata hingegen bei Cyphoderia
(III. 13) zu beobachten sind, hat sich demnach hauptsächlich das Hinter-
ende des Körpers weit von dem Schalengrunde zurückgezogen, so dass
bisweilen der Weichkörper wie in der Mündung aufgehängt erscheint.
Unzweifelhaft sind diese zur Befestigung verwertheten protoplasma-
tischen Fortsätze des Hinterendes auch einer activen Veränderung fähig
und vermögen den Weichkörper in den Schalengrund zurückzuziehen.
Einige Forscher berichten sogar von einem plötzlichen Zurückziehen
solcher Formen, ohne Zweifel mit Hülfe dieser hinteren Fortsätze. So
gibt Stein*) dieses Verhalten von seiner Hyalosphenia cuneata an, doch
hat F. E. Schulze bei seiner H. lata nichts Aehnliches beobachtet und Carter
berichtet ebenso ein plötzliches Zurückziehen seiner Difflugia bipes (wahr-
scheinlich zu NebelaLeid. zu stellen [III. 10]) mittels ihrer hinteren Fortsätze,
wobei sich der Weichkörper gleichzeitig zu einer Kugel abrunden soll.**)
Bei den marinen, kalkschaligen und sandschaligen Rhizopoden
scheint nach den Untersuchungen M. Schultze's und anderer Forscher der
Weichkörper die Schalenhöhlungen gewöhnlich völlig anzufüllen, wie dies
schon daraus hervorgeht, dass man durch vorsichtiges Auflösen der Kalk-
schalen mittels Säure gewöhnlich einen untadelhaften Ausgnss der Schalen-
räume in Gestalt des restirenden Plasmakörpers erhält. Für die poly-
thalamen Formen hebt jedoch M. Schnitze hervor, dass die jüngste Kammer
häufig keine völlige Erfüllung mit Protoplasma, sondern nur ein feines
Gespinnst von Protoplasmafäden enthalte und hält diesen Zustand für den
primitiven, dem eine völlige Erfüllung erst nachträglich folge.
Aber nicht nur die weiten, eigentlichen Schalenräume der marinen
Formen sind in dieser Weise meist völlig durch Sarkode erfüllt, sondern
auch die Porenkanäle der Perforaten sowie das Kanalsystem, wo ein
solches vorhanden ist, besitzen eine Erfüllung durch Protoplasma. Für
die Porenkanäle ergibt sich dies ja schon aus dem Durchtreten der Pseudo-
podien, für das Kanalsystem hingegen ist eine solche Erfüllung gleichfalls
verständlich, da dasselbe ja stets in irgend einer Weise mit den Kammer-
räumen communicirt. Dass jedoch auch dieses Kanalsystem der Schale
der höheren Rhizopoden thatsächlich mit Protoplasma erfüllt sei, wie
*) Abh. (]. ]>. bölnn. G. d. W. X.
**) A. in. 11. h. 4. V.
Bildung- der Schale durch Weichkörper etc. 227
Carpenter vermnthete^ und nicht etwa Flüssigkeit führe, wie dies z. B. von
Carter*) behauptet worden war (der hiernach das Kanalsystem für eine
den Einströmungskanälen der Spongien vergleichbare Einrichtung erklärte),
hat erst Kölliker**) an vorsichtig entkalkten Formen nachgewiesen, bei
welchen es gelang, die Protoplasmareste in den Kanälen noch deutlich
zu beobachten.
Ein weiteres eigenthümliches und wichtiges Verhalten des Weich-
körpers zur Schale scheint bei den marinen Rhizopoden zuweilen vor-
handen zu sein, nämlich die mehr oder minder völlige Umfliessung der
äusseren Schalenoberfläche durch aus dem Inneren hervorgedrungenes
Protoplasma. Bei den Imperforaten (so z. B. sehr schön bei Gromia)
tritt das Protoplasma aus der Schalenöfifnung aus und ergiesst sich als
ein Ueberzug über die Schalenoberfläche (IV. 6), während bei den Per-
forata ein solcher Ueberzug durch Verschmelzung der Basaltheile der aus
den Poren hervorgedrungenen Pseudopodien sich bilden kann. In wie
weit jedoch diese Erscheinung unter den marinen Rhizopoden verbreitet
ist, scheint bis jetzt, bei der Mangelhaftigkeit unserer Kenntniss derselben
im lebenden Zustand, nur wenig aufgeklärt. Die Wachsthums- und
Bildungsverhältnisse der Schale, auf die wir gleich noch näher einzugehen
haben werden, machen es sehr wahrscheinlich, dass solche Ueberdeckungen
der äusseren Schalenfläche mit Protoplasma hierbei eine wichtige Rolle
spielen, wie dies ja auch durch Carpenter und Wallich***) betont wurde,
welch letzterer sogar diese äussere Plasmalage mit einem besonderen
Namen, Chitosark, belegt hat, und auch bei den monothalamen Süss-
wasserformen einer solchen (jedoch bis jetzt von Niemand gesehenen)
äusseren Plasmalage, eine wichtige Rolle beim Schalenbau zuschreibt. ]
Wenn wir uns jetzt zu einer Erörterung der wichtigen und interes-
santen Frage wenden, in welcher Weise der so einfach organisirte Plasma-
körper der Rhizopoden im Stande ist, so complicirt gebaute Schalen-
bildungen zu erzeugen, wie wir sie z. B. unter den Nummuliniden antreffen,
so müssen wir zunächst gestehen, dass thatsächliche Erfahrungen hierüber
kaum vorliegen. Es beschränken sich die Vorstellungen hierüber wesentlich
auf Vermuthungen und Wahrscheinlichkeiten, wie man sie aus den Bau-
verhältnissen der fertigen Schale, mit Berücksichtigung der Beschaffenheit
des Weichkörpers, a posteriori zu entwickeln vermag. Namentlich Carpenter
(74) hat sich mit der Erörterung dieser Frage bei den einzelnen Formen
beschäftigt. Die einfacheren Verhältnisse des Schalenbaues der mono-
thalamen Süsswasserformen haben wir oben schon kurz auch in Bezug
auf ihre Entstehung erörtert und kommen späterhin noch auf besondere
Verhältnisse zurück.
Was hingegen die marinen kalkschaligen Formen betrifft, so heben
wir hier kurz noch die wichtigsten Punkte hervor, ohne uns jedoch auf
*) A. m. n. h. 2. X.
**) Icones liistiologicae I.
***
) A. m. n. h. 3. XIIL p. 72—82.
128 Ehizopoda.
eine Erörterung der besonderen Bildungsverbältnisse bei einzelnen Formen
näher einzulassen, sondern beschränken uns darauf, uns bei einer ausge-
wählten, complicirten Form den wahrscheinlichen Gang der Scbalenbildung
kurz vorzuführen.
Was zunächst den Unterschied in dem Bau der Schalenwandung
bei den Imperforaten und Ferforaten betrifft, so darf derselbe wohl auf
die ursprüngliche Verschiedenheit der die Schalen aufbauenden Weich-
körper zurückgeführt werden. Die Iraperforata leiten sich sonder Zweifel
von Formen ab, welche auch schon im nackten, schalenlosen Zustand
ihre Pseudopodien vorzugsweise von einer gewissen Körperstelle aus-
sendeten, so dass, indem sich die Körperoberfläche gleichmässig, mit
Ausnahme der Pseudopodienursprungsstelle, mit einem Schalenhäutchen
bekleidete, eine imperforate, nur mit einer grösseren Oeffnung versehene
Schale entstand. Die Ferforaten hingegen müssen wir von Formen her-
leiten, welche das Vermögen besassen, allseitig zarte, fadenartige Pseudo-
podien auszusenden, wenn auch eine gewisse Körperstelle in dieser Hin-
sicht bevorzugt war. Indem sich auf der von unzähligen feinen Pseudopodien
bedeckten Körperoberfläche einer derartigen Form ein Schalenhäutchen
l)ildete, blieben natürlich die Ursprungsstellen der Pseudopodien offen, so
dass in dieser Weise eine von zahlreichen feinen Porenöffnungen durch-
bohrte Schalenwand ihre Entstehung nahm. Diese Bildungsweise der
perforirten Schalenwandungen scheint durch die früher geschilderte,
interessante Zusammensetzung der Wandungen aus zarten prismatischen
Gebilden, von welchen jedes von einem Porenkanal durchbohrt wird,
noch besonders unterstützt zu werden. Es würde so jedes dieser Prismen
das Theilchen der Schalenwandung repräsentiren, das von je einem
Pseudopodium gebildet worden wäre.
Wenn wir uns in dieser Weise die erste Entstehung eines Schalen-
häutchens durch Secretion oder Umbildung der oberflächlichsten Plasma-
schicht vorstellen können, welches erste Schalenhäutchen vielleicht auf
die sogen, innere Cuticula (insofern eine solche bei den Kalkschalen über-
haupt ausgeprägt ist) bezogen werden darf, so fragt sich weiter, wie das
ansehnliche Diekenwachsthum, das ja die Schalenwände zahlreicher Formen
zeigen, vor sich geht. Bezüglich dieser Frage, glaube ich, ist das Richtige
schon von Carpenter, Wallich und Kölliker ausgesprochen worden, d. h. :
das weitere Diekenwachsthum der Schalenwand erfolgt vorzugsweise,
wenn nicht ausschliesslich, durch Auflagerung von Schalenmasse auf die
äussere Fläche der Schalenanlage.
Die hierfür hauptsächlich geltend gemachten Gründe sind: 1) die
Thatsache, dass von einer Verengerung der Schalenräume, wie sie die
Folge einer von Innen stattfindenden Verdickung sein müsste, nichts zu
beobachten ist; 2) die Ausbildung äusserlicher Skulpturen in Gestalt von
Knoten, Kippen, Stacheln und dergleichen, welche der jugendlichen Schale
fehlen, hingegen im erwachsenen Zustand hervortreten; 3) die ganz
zweifellose Thatsache, dass bei jenen früher schon namhaft gemachten
Waclistluira der Sclmle. 129
zahlreichen Formen, welche eine Auflagerung von sogen, secundärer
Schalensubstanz (Zwiscbenskelet) auf die primäre Kamraerwand zeigen,
diese secundäre, häufig sehr deutlich schichtweis abgesetzte Masse eine
äusserliche Auflagerung darstellt. Dies ist hauptsächlich in den Fällen
sehr deutlich, wo solche Auflagerungsmasse sich von einem jüngeren
Umgang aus als directe Fortsetzung einem älteren auflagert. (Zahlreiche
Beispiele hierfür bieten die Nummuliniden.)
Von geringerer Bedeutung für die Entscheidung dieser Frage scheint
mir hingegen die von Kölliker gleichfalls betonte, frühzeitige und stete
Gegenwart der sogen, inneren Cuticula zu sein ; einmal deshalb, weil, wie
oben schon erörtert wurde, diese Cuticula überhaupt kaum eine selbständige
Bildung zu sein scheint, andererseits aber ihre stete und frühzeitige
Gegenwart sich auch wohl mit einigen Voraussetzungen bei einer Ver-
dickung der Schale durch innere Auflagerung verstehen Hesse.
Aus diesen Bemerkungen über die Art des Dickenwachsthums der
Schaleuwandungen erklärt sich wohl die grosse Bedeutung, welche wir mit
Carpenter, Kölliker und Wallich schon oben dem für einige Formen mit
Sicherheit constatirten, zeitweiligen oder dauernden Sarkodeüberzug der
Schale zugeschrieben haben, denn in diesem müssen wir hauptsächlich
die Bildungsstätte jenes Wachsthums der Schale durch äussere Auflage-
rungen suchen. Bei den Perforaten mögen jedoch auch die basalen Ab-
schnitte der zahlreichen Pseudopodien an Stelle eines continuirlichen
Ueberzugs dienen (soweit es sich hier nicht um lokale Auflagerungen von
solider Beschaffenheit handelt).
Es darf jedoch hier nicht stillschweigend übergangen werden, dass
diese Vermuthungen über den Vorgang des Dickenwachsthums der Schalen
in mancher Hinsicht noch problematisch erscheinen, da ihnen die Grund-
lage ausgedehnter Beobachtungen abgeht; so scheint mir namentlich für
die porcellanartigen Schalen der Imperforata, an welchen von einer
Schichtung nie etwas zu sehen ist, diese Auflagerungslehre etwas un-
sicher; um so mehr, als z. B. M. Schnitze und andere Forscher, welche
die hierhergehörigen Milioliden lebend untersuchten, nichts von einem
protoplasmatischen Ueberzug der Schalenoberfläcbe, etwa wie bei Gromia?
berichten.
Was die speciellen Wachsthumsverhältnisse bei den einzelnen Gat-
tungen betrifft, die zu der grossen Mannigfaltigkeit der Rhizopoden schalen
führen, so liegt hierüber, wie schon bemerkt, wenig oder kein Material
zur Beurtheilung der thatsächlichen Vorgänge vor, so dass, wie gesagt,
es sich zutoeist um einige aus dem Bau der betreffenden Formen her-
zuleitende Schlussfolgerungen bezüglich der Wachsthumsvorgänge handelt.
Was zunächst die monothalamen Formen betrifft, so bieten dieselben
wenig Anlass zu eingehenderen Erörterungen dar; es ist ja die Schalen-
gestaltung ohne Zweifel zunächst abhängig von gewissen, den Protoplasma-
körper beherrschenden Gesetzmässigkeiten der Form, ohne dass wir bis
P. V 0 n 11 , Klassen des Thier-Reichs. Prolozoa. 9
130 - Uhizopocia.
jetzt im Stande wären, über die fraglichen Gründe und Bedingungen uns
äussern zu können. Denn dass diese unmöglich in solchen Aeusserlich-
keiten gesucht werden dürfen, wie sie z. B. von Wallich*) für die Er-
klärung der so mannigfachen Schalengestaltungen der Difflugien geltend
gemacht worden sind, dürfte keinem Zweifel unterliegen. Nach diesem
Beobachter soll nämlich die allgemeine Gestalt der Difflugienschale
wesentlich von solchen Bedingungen beeiuflusst werden; zunächst durch
die Art der ursprünglichen Vertheilimg des Fremdkörpermateiials, das zum
Bau der Schalen dient, indem eine einseitige Anhäufung desselben die
Schale schief ziehen und die Mündung daher excentrisch verlagern soll.
Aehnlich wirke jedoch auch eine fortdauernde, gleichmässige Strömung
des von den Difflugien bewohnten Wassers; ja es soll sich, nach seiner
Vorstellung, auf die einfache Wirkuug solcher Wasserströmungen die
spiralige Einrollung der Difflugia spiralis zurückführen lassen. Mag man
den äusseren Verhältnissen einen noch so weit gehenden Einfluss auf die
Bildungsverhältnisse der Rhizopoda zuschreiben, so wird man sich doch
wohl nie von der Wirksamkeit derselben eine derartig grobmechanische
und dabei noch sehr unklare Vorstelhing machen dürfen.
Eine sehr eigenthümliche Erscheinung tritt jedoch im Wachsthum der
monothalameu Süsswasserrhizopoden z. Th. hervor und ist wohl auch
nicht ohne Einfluss auf die Vorstellung, die man sich von dem Wachs-
thum der Polythalamen zu bilden hat. Es ist dies nämlich die zunächst
bei Arcella durch Clapar^de und Lachmann sehr wahrscheinlich gemachte
sogen. Häutung, d. h. ein Verlassen der alten und die Bildung einer
neuen Schale. Hierbei tritt der protoplasmatische Thierleib zum grössten
Theil aus der Mündung der Schale hervor und scheidet hierauf eine neue
ab, so dass nach Bildung dieser letzteren zwei mit ihren Mündungen
einander zugewendete Schalen aufeinandergelagert sich finden, von
welchen die neugebildete noch ganz hell, nahezu ungefärbt, ist, die
alte hingegen sich durch ihre intensiv braune Färbung auszeichnet.
Schliesslich soll das Thier die alte Schale völlig verlassen und sich in
die neugebildete zurückziehen. Nach den Angaben Claparcde's und
Lachmann's soll sich dieser Process der Schalenneubildung mehrfach im
Leben der Arcella wiederholen, wogegen Hertwig und Lesser, wie wir
unten bei der Fortpflanzung noch näher zu besprechen haben werden,
einige Zweifel gegen die zutreffende Deutung dieser Vorgänge erhoben,
indem sie eine ähnliche Vermehrung durch Theilung mit Schalenneubildung
beobachteten. Jedoch dürfte, wie sie selbst bemerken, auch wohl eine
solche Häutung neben ähnlichen Theilungserscheinungen sich finden.
Auch bei Euglypha und der, in Bezug auf den Aufbau der Schale
aus Plättchen, ähnlichen Quadrula, finden sich Anzeigen, die, wenn auch
nicht mit völliger Sicherheit, auf eine Erneuerung der Schale, eine Art
=*) A. 111. n. li. 3. Xni.
Häutungsvorgänge, Neubildung von Kammorn bei Polythalamia 131
Häutung, bezogen werden dürfen. Schon die älteren Beobachter Carter
und Wallich haben, wie die neueren Untersucher Hertwig und Lesser,
sowie F. E. Schulze, im Hintergrund leerer oder von dem protoplasma-
tischen Thierleib erfüllter Schalen häufig freie, oder zu ganzen Packeten
zusammengelagerte Schalenplättchen angetroffen. Bei lebenden Euglyphen
hat namentlich Schulze solche Plättchen in einer Schicht der Oberfläche
des Thierleibes, unterhalb der eigentlichen Schale, aufgelagert gesehen.
Die Vermuthung einer gelegentlichen Erneuerung der Schale liegt hier-
nach, wie auch Hertwig und Schulze annehmen, sehr nahe; dennoch ist
bis jetzt eine sichere Entscheidung dieser Frage nicht wohl möglich, da
nach Hertwig und Lesser's Beobachtungen bei der Encystirung von
Euglypha eine aus ähnlichen Plättchen zusammengesetzte Cystenhülle
unterhalb der alten Schale gebildet wird, zu deren Aufbau die er-
wähnten Schalenplättchen Verwendung finden könnten. Aehnliches wird
über einen Häutungsvorgang bei Difflugia von Entz (110) berichtet, hier
soll nach der Schilderung dieses Beobachters die Schale zuweilen in Stücke
zerfallen, unterhalb welchen schon eine neugebildete Schale vorhanden sei.
(Auf diese Erscheinung wird denn auch von Entz vorzugsweise die
Behauptung gegründet, dass die die Schale der Difflugien aufbauenden
Kieselstückchen von dem Thierleib selbst gebildet würden.)
Ein weiterer Vertheidiger der zeitweiligen Neubildung der Schalen
der Mouothalamen ist Alcock (86), der diese Ansicht vorzüglich auch
für die marinen, kalksclialigen Formen ausgesprochen hat. Den Haupt-
grund bildet für ihn die Unmöglichkeit, das Wachsthum dieser Formen
ohne Hülfe eines solchen Vorgangs zu verstehen. M. Schnitze (53) hin-
gegen ist der Ansicht, dass sich das Wachsthum der monothalamen
Schalen nur durch innere Resorptions- und äussere Auflagerungserschei-
nungen erklären lasse. Wir glauben diese Frage hier vorerst auf sich
beruhen lassen zu sollen, da es für ihre Entscheidung an thatsächlichem
Material völlig gebricht.
Den Vorgang bei der Bildung neuer Kammern der polythalamen
Rhizopoden dürfen wir uns wohl im Ganzen ähnlich wie die oben charak-
terisirte Neubildung einer Schale bei Arcella denken. Soweit ich die
zahlreichen Abbildungen und Beschreibungen von polythalamen Rhizopoden-
schalen vergleichen konnte, bin ich auf kein Beispiel gestossen, das etwa
eine in Bildung begriffene, noch unvollständige Kammer darstellte. Es
scheint daher, dass in ähnlicher Weise, wie sich die neue Schale bei
jener Häutung oder Theilnng der Arcella bildet, auch die Bildung einer
neuen Kammer bei den polythalamen Schalen vor sich geht. Es wird zu
diesem Behuf ziemlich rasch eine entsprechende Plasmamenge aus der
einfachen oder den mehrfachen Oeffnungen der jüngsten Kammer aus-
treten und sich gleichmässig und allseitig mit einem Schalenhäutchen
bekleiden, oder es wird doch die Ausbildung des Schalenhäutchens sich
über den gesaramten neuen Kammerabschnitt hin sehr rasch vollziehen.
Hiermit stimmen auch die wenigen directen Beobachtungen über die
9*
1 32 Ühizopoda.
Neubildung einer weiteren Kammer, die M. Schultze (53) bei Polystoraella
und einigen Rotalinen anstellte, ziemlich gut liberein. Er sah die neue
Kammer sich wie einen Wulst um die Mündung der jüngsten, vorhergehen-
den anlegen , bemerkt jedoch gleichzeitig, dass, „ehe die Schale (dieser
neuen Kammer) vollständig erhärtet, sie meist diejenige Ausdehnung an-
zunehmen scheine, die ihr im vollständig ausgebildeten Zustand zukomme."
Bei Polystomella glaubt er jedoch eine nachträgliche, nur durch innere
Resorption und äussere Auflagerung stattfindende Vergrösserung der neu-
gebildeten Kammer annehmen zu müssen, auch sollen hier die eigenthüm-
lichen taschen- oder röhrenförmigen Aussackungen der Kammerhöhle erst
nachträglich gebildet werden. Möglich, dass durch die geschilderten
Bildungs Vorgänge sich auch die von M. Schultze bemerkte, sehr unvoll-
ständige Füllung der jüngsten Kammer erklärt, indem das Plasma nach
Bildung dieser Kammer zum Theil wieder in die alten Kammern zurück-
treten mag.
Suchen wir uns, gestützt auf diese wenigen Erfahrungen, Rechen-
schaft zu geben von dem Bildungsgang einer neuen Kammer bei einer
etwas complicirteren Form, z. B. einer Operculina, so hätten wir etwa
Folgendes festzuhalten. Zur Bildung einer neuen Kammer wird eine
entsprechende Protoplasmamasse aus der basalen Septalöifnung, sowie
den secundären Poren Öffnungen des letzten Septums hervortreten und wird
sich vor diesem in Form eines neuen Kammerabschnitts anhäufen.
Gleichzeitig wird sich jedoch auch hierzu noch Protoplasma gesellen,
welches aus dem Kanalsystem des Dorsalstrangs des vorhergehenden
Umgangs hervorgedrungen ist. Der plasmatisch vorgebildete neue Kanimer-
abschnitt wird sich nun allseitig, mit Ausnahme des durch den Dorsal-
strang des vorhergehenden Umgangs begrenzten Abschnittes mit einer
dünnen Schalenlamelle umkleiden, jedoch wird diese da, wo sie sich auf
das letzte Septum auflagert, kanalartige Räume offen lassen, welche das
Kanalsystem in der Scheidewand zwischen der neugebildeteu und der
vorhergehenden Kammer bilden. Fernerhin wird gleichzeitig zu jeder
Seite des Dorsalstrangs des vorhergehenden Umgangs ein Theil der Spiral-
kanäle gebildet, indem hier die neugebildete Schalenlamelle einen kanal-
artigen Raum zwischen sich und der Oberfläche des vorhergehenden
Umgangs offen lässt, mit welchen Spiralkanälen dann der neugebildete
Abschnitt des Kanalsystems in der Scheidewand in offene Verbindung
tritt. Die Art und Weise, wie die neugebildete Kammerlamelle ihre
Differenzirung in perforirte und solide Theile erhält, ergibt sich nach dem
früher darüber Bemerkten von selbst. Das weitere Dickenwachsthum der
Wände der neugebildeteu Kammer ist gleichfalls nach den früheren An-
gaben verständlich und dürfte hier nur noch hervorzuheben sein, dass der
Dorsalstrang der neugebildeten Kammer wohl hauptsächlich in directem
Anschluss an den der vorhergehenden Kammer wächst.
Etwas abweichend geschieht jedenfalls das Wachsthum der cyklisch
gebauten Rhizopodenschalen, wie Orbitolites und Orbitoides. Hier wird bei
Bilduiigsvorgaiig der Sclialo bei Upcrculiua und den iaudsclialigeu Ehizopodeii. 133
der einfachen Form von Orbitolites aus den zahlreichen, rundlichen
OeÖnungen der Kämmerchen des letzten Cyklus eine ringförmige Froto-
plasmamasse hervortreten, die sich durch ümkleidung mit einer Schalen-
lamelle zu dem Cyklus neuer Kämmerchen mit ihren verhältnissmässig
weiten Communikationen gestaltet. Bei der complicirten Varietät von
Orbitolites hingegen und ebenso bei Cycloclypeus und Orbitoides müssen
sich die einzelnen Kämmerchen eines neuen Cyklus mehr unabhängig von
einander bilden, jedoch ohne Zweifel ziemlich gleichzeitig.
Eine Bemerkung verdient wohl noch die Frage nach den Bildungsvor-
gängen der aus Fremdkörpern aufgebauten Schalen. Schon früher wurde die
Thatsache hinreichend hervorgehoben, dass sich hierbei in vielen Fällen
eine unzweifelhafte Auslese des verwertheten Materials erkennen lässt.*)
In welcher Art jedoch 'eine solche bewerkstelligt wird, ist bis jetzt
noch ganz unermittelt, ebensowenig als etwas darüber bekannt ist, in
welcher Weise die betreffenden Organismen die einzelnen Fremdkörperchen
ihrer Schale einfügen. Bei den kalkschaligen Formen, die äusserlich ihre
Schale durch mehr oder minder reichlich eingewebte Sandkörner ver-
stärken, kann dieses Material doch wohl nur durch äussere Heranziehung-
mittels der Pseudopodien und Einlagerung — insofern es etwa nicht blos
mechanisch anklebt und eingebacken wird — der Schale eingefügt werden.
Die rein saudigen Schalen hingegen lassen vielleicht noch eine andere
Art der Entstehung zu, die jedoch hier nur als eine eventuell zu prüfende
Vermuthung ausgesprochen werden mag. Wenn wirklich, wie dies oben auf
Grund der Beobachtungen von Entz angegeben wurde, die Difflugien
ihre Schale z. Th. erneuern und unter der alten die neue schon vor-
gebildet vorhanden ist, so kann sich, meiner Ansicht nach, diese That-
sache (da ich an dem Aufbau der Difflugienschale aus Fremdkörperu
festhalten muss), nur so erklären lassen, dass das zum Schalenbau ver-
werthete Fremdmaterial in die protoplasmatische Leibesmasse der Difflugien
selbst aufgenommen und nachträglich auf der Oberfläche zur Bildung der
Schale angelagert wurde. Dass Sand und Schlamm nicht selten in die
protoplasmatische Leibesmasse gewisser Rhizopoden aufgenommen werden,
wissen wir z. B. durch M. Schnitze für Gromia, durch Greeff für Pelomyxa.
Auch eine Mittheilung von Leidy, der eine sehr reichliche Aufnahme von
Sand in die Leibesmasse einer Amöbe beobachtete, darf wohl hier an-
geführt werden, wenn auch durch sie direct nichts bewiesen wird. Auch
die vielfach hervorgehobene Eigenthümlichkeit zahlreicher sandschaliger
mariner Formen : ihre Kammerhöhlungen durch labyrinthische, aus Sand
gebildete Auswüchse der Kammerwand mehr oder minder auszufüllen,
darf wohl hier gleichfalls aufgeführt werden; denn es kann wohl kaum
anders sein, als dass solche Auswüchse nachträglich entstehen und dann
wird ihre Bildung auch nur in der Weise verständlich, dass das zu
ihrem Aufbau verwerthete Material durch die protoplasmatische Leibes-
*) Vergl. hierüber auch Normann A. in. n. h. 5. I.
134 Eliizopoda.
masse selbst aufgenommen und an den Ort seiner Ablagerung gebracht
wurde. *)
6. Fortpflanzuugserscheiiiungeii, Koloiiiebildiiiig" und Encystirung:
der Rhizopoda.
Wie schon bei Gelegenheit angedeutet wurde, sind die Fortpflanzungs-
verhältnisse der Rhizopoda im Ganzen nur wenig und speciell die der
marineu Formen sehr unzureichend erforscht. Im Allgemeinen darf jedoch
auf Grund der bis jetzt vorliegenden, gesicherten Beobachtungen wohl be-
hauptet werden, dass die Fortpflanzungserscheinungen der Rhizopoda, wie
der Protozoa im Allgemeinen, die der Zelle überhaupt zukommenden
sind, d. h, Theilung, Kuospung und möglicherweise auch endogene Zell-
bildung; dass jedoch in keiner Weise hier Fortpflanzungserscheinungen
mit Sicherheit beobachtet worden sind, welche der geschlechtlichen Fort-
pflanzung der Metazoeu in einer Weise sich näher anschlössen, dass
hierdurch die einfache Zellnatur des Rhizopodenorganismus in Frage ge-
stellt würde.
a. Fortpflanzung durch einfache Theilung- oder Knospung.
Die einfache Theilung, wobei der Körper der betrefi'enden Protozoen
in zwei, seltener durch fortgesetzten oder zuweilen auch gleichzeitigen
Zerfall in vier und mehr Theilstiicke zerlegt wird, wurde bei den Rhizo-
poden, und zwar sowohl nackten als beschälten, häufig beobachtet. Bis jetzt
wurde aber nur in verhältnissmässig wenigen Fällen der nähere Vorgang,
namentlich das Verhalten des einen oder der mehrfachen Kerne, insofern
sich solche finden, festgestellt.
Für eine Reihe von unbeschalten, kernlosen Formen (sogen. Moneren
Häckel's) soll die einfache Zweitheilung die einzige Art der Vermehrung
bilden; es sind dies namentlich Protamoeba und Protogenes; speciell bei
diesen Formen soll keine Andeutung eines umhüllten, cystenartigen Ruhe-
zustandes sich zeigen, der ja, wie wir in der Folge noch mehrfach zu
sehen Gelegenheit haben werden, häufig auch mit einer Vermehrung des
in der Cystenhülle eingeschlossenen Thierkörpers verbunden ist. Da
jedoch die einschlägigen Untersuchungen dieser Formen keineswegs so
ausgedehnt sind, dass hierdurch mit Sicherheit das völlige Fehlen eines
solchen eucystirten und eventuell mit Vermehrung verknüpften Ruhe-
zustandes erwiesen wäre, so darf wohl vorerst noch daran gezweifelt
werden, ob bei ihnen wirklich die einfache Theilung durchaus die
einzige Art der Vermehrung bildet. Was fernerhin das Vorkommen der
einfachen Zwei- oder auch Mehrtheilung betrifft, so scheint dieser Vorgang
*) Auch eine Beobachtung von Brady (117 I.), der im Inneren der sandschaligen und
allseitig abgeschlossenen Thurammina, zuweilen eine Ideinere, ähnliche Schale beobachtete,
könnte möglicherweise hierhergezogen werden; jedoch liegt hier wohl derselbe Fall vor, wie
bei Orbulina, über die weiter unten bei der Fortpflanzung zu vergleichen ist.
Thciluug der Amöben. 135
sicher gestellt unter den nackten Formen bei den Gattungen Amoeba,
Gloidium und Pelomyxa, sowie Labyrinthula (wenn man deren Hierlier-
stellung zugibt); unter den beschälten hingegen bei Liebcrkühnia, Diplo-
phrys, Arcella, Lecythiura, Mikrogromia, Platoum und Microcometes. Je
nach der Bauweise des betreffenden in Theilung eingehenden Organismus,
namentlich insofern es sich hierbei um einen nackten oder beschälten
handelt, muss natürlich der Verlauf des Vorgangs ein etwas verschiedener
sein. Ueber die einfache Zweitheilung der Amöben oder amobenartigen
Rhizopoden liegen genauere Untersuchungen nur von F. E. Schulze
bei einem mit der Amoeba polypodia M. Seh. identificirten Organismus
vor (der jedenfalls der sogenannten A. radlosa Diij. sehr nahe steht
und auch mit der von Hertwig und Lesser beschriebenen Dactylosphaera
nahe verwandt ist). Ueber die Vermehrung der Amoeba durch einfache
Zweitheilung haben jedoch auch schon frühere Forscher häufig berichtet.
So hat schon Rösel von Rosenhof die Theilung seiner Amoeba diffluens
beschrieben und abgebildet, von späteren Beobachtern eines solchen
Vorgangs seien hier nur erwähnt Pick*) und Greeff.**)
Während Greeff bei der Theilung seiner Amoeba brevipes (wohl
kaum verschieden von der A. verrucosa [Ehrbg.] Diij.) eine sehr unwahr-
scheinliche, mit der Durchschnürung des Amöbenleibes gleichzeitig er-
folgende Durchschnttrung des in seiner Gestalt sich gar nicht ver-
ändernden Kernes beschreibt, hat dagegen F. E. Schulze den Theilungs-
vorgang bei der sogen. A. polypodia in einer Weise beobachtet, die sich
den genauer bekannten Theilungserscheinungen anderer Protozoen näher
ansehliesst. Hier erfolgte die Theilung des, einen sehr ansehnlich grossen
Kernkörper einschliessenden Kernes vor der eigentlichen Durchschnürung
des Protoplasmaleibes; wenigstens liess sich vor der vollständigen
Sonderung der beiden Kernhälften keine Andeutung eines Theilungs-
vorgangs an dem Thierleib selbst entdecken. Die Kerntheilung wurde
hauptsächlich an dem Verhalten des grossen Kernkörpers festgestellt, da
sich die äussere Kerngrenze nicht scharf unterscheiden liess. Es zeigte
sich zunächst eine Längsstreckuog des Kernkörpers und hierauf dessen
Einschnürung, worauf sich das Mittelstück zu einem feinen Verbindungs-
fädchen zwischen den Hälften auszog, das schliesslich durchrissen wurde.
Nachdem sich die beiden neugebildeten Kerne in der auf der späteren
Theilungsebene des Thierkörpers senkrechten Richtung etwas von einander
entfernt hatten, erfolgte denn auch die allmähliche Durchschnürung des
Amöbenleibes selbst. Der ganze Theilungsact verlief in etwa 10 Minuten.
Mit dieser Beobachtung F. E. Schulze's ist denn auch alles, was wir
bis jetzt von den Theilungsvorgängen der Zellkerne bei den Rhizopoden
wissen, erschöpft. Ich habe bei einigen vielkernigen Exemplaren der
Amoeba Blattae zuweilen Keruformen beobachtet, die wegen ihrer spiudel-
*) Verli d. zoolog. bot. Ver. Wien 1857.
**) Arcli. f. mikr. Anat. IL
2^36 Ivliizopoda.
förmigen Gestalt möglicherweise auf Tlieilungszustände bezogen werden
durften. =•') Von Cienkowsky hingegen wird für eine Reihe von Rhizo-
poden geradezu in Abrede gestellt, dass die neuen Kerne der beiden, oder
aber der in grösserer Menge durch Theilung oder Knospung entstehenden
jungen Sprösslinge, sieh von einer Theilung des ursprünglichen Zellkernes
herleiten. Nach Cienkowsky's Angaben (104 a) soll sich nämlich bei der
gleich noch näher zu besprechenden Theilung von Mikrogromia, Lecythium
und Platoum der neue Kern des einen, aus der Schale hervortretenden
Theilungssprösslings ganz selbständig und unabhängig von dem restirenden,
alten Kern bilden.
In etwas eigenthümlicher und mannigfaltiger Weise verläuft der
Theilungsvorgang bei den beschälten Monothalamen. Bei solchen For-
men, welche mit einem sehr dünnen, der Oberfläche des Körpers dicht
aufliegenden Schalenhäutchen versehen sind, wie Lieberkühnia und
Lecythium, tritt der interessante Fall ein, dass der Thierkörper mitsammt
der Schale sich theilt; letztere wird gleichzeitig mit durchgeschnürt
und es erfordert dieser Theilungsprocess jedenfalls noch gewisse, bis
jetzt wenig aufgeklärte Vorgänge bei der Trennung der beiden durch-
schnürten Schalenhälften, sowie zur Vervollständigung des Schalenhäutchens
an den durchschnürten Stellen. Bei Lieberkühnia verläuft die Theilung quer
und wird zunächst dadurch angedeutet, dass sich an dem Hinterende des
Thieres aus dem Protoplasmaleib ein neuer Pseudopodienstiel entwickelt, der
den hinteren Pol des Schalenhäutchens durchbricht und hier eine neue Mün-
dung erzeugt, sofort auch seine Pseudopodien entwickelnd. Hierauf erfolgt die
Durchschnürung im Aequator und zieht sich die eingeschnürte Mittelregion
schliesslich zu einem Verbindungsstrang aus, welcher endlich durchreisst
und von den Theilsprösslingen eingezogen wird (III. 16). Im Gegensatz
hierzu, geht die Theilung bei Lecythium in der Längsebene vor sich. Bei
der amphistomen Diplophrys, bei der die Verhältnisse des Schalenhäutchens
keineswegs noch ganz sicher gestellt sind, erfolgt nach Cienkowsky die Ver-
mehrung gleichfalls durch einfache Quertheilung, jedoch soll bei den sich
theilendeu Individuen ein Schalenhäutchen nicht bemerkbar sein. Auch
die von Greeff**) beobachteten Exemplare von Diplophrys Archeri, bei
welchen statt der gewöhnlichen zwei, 4 Pseudopodienbüschel entwickelt
waren, dürfen wohl auf Theilungsvorgänge bezogen werden. Da man
*) Z. f. w. Z. XXX.. In demselben Bande beschreibt E. Bück eine sehr eigenthümliche,
angebliche Kernvermehrung bei Arcella, doch stehen die Angaben zu sehr im Widerspruch
mit den von verwandten Organismen bekannten Vorgängen der Kern Vermehrung , als dass wir
sie ohne weitere Bestätigung für wahrscheinlich halten sollten. Bück glaubt die Kerne der
Arcella überhaupt als eine Art von Tochterzellen auffassen zu dürfen, deren Vermehrung zunächst
durch eine Art endogener Zellbildung vor sich gehe, wobei sich der Kern in einen maulbeer-
artigen Haufen kleinerer Kerne zerlege ; während bei dem zweiten Modus der von ihm aufgeführten
Kernvermehrung eigentlich nur eine Vermehrung des Kernkörpers in unserem Sinne erfolgt
(für Bück ist dies der eigentliche Kern einer Tochterzelle). Ein näheres Eingehen auf diesei
zweifelhaften Untersuchungen glauben wir hier unterlassen zu sollen.
**) Arch. f. m. Anat. XII.
TliciluDg bei Moüolhaiamia. 137
aber sehr häufig Gelegenheit hat, 4 zu einer Gruppe innig vereinigte
kleine Exemplare dieser Art zu beobachten (IV. 2 b), so dürfte wohl die
Theilung hier gewöhnlich nicht mit einfachem Zerfall zu zweien ab-
schliessen, sondern successive zu vieren weiterschreiten. Aehulich scheint
sich auch eine kleine, von mir mehrfach in Heuinfusionen beobachtete
Amöbe zu verhalten, bei welcher ich sehr häufig auf Gruppen von
4 ruhenden kleinen, ohne Zweifel durch Theilung hervorgegangenen Indi-
viduen stiess. Ferner reiben wir denn hier auch die Beobachtung ISorokin's
an seinem kernlosen, amöbenartigen Gloidium an, *), das sich durch ziem-
lich regelmässig verlaufende, jedoch nicht successiv, sondern simultan
stattfindende Viertheilung vermehrt. Weiter unten werden wir bei
Protomyxa noch eine weit regere Vermehrung durch gleichzeitigen Zerfall
kennen lernen.
Die dickschaligen Monothalamen besitzen naturgemäss nicht mehr
das Vermögen, den Körper mitsammt der Schale durch Theilung zu ver-
mehren. Hier ist (wenigstens für den einen Theilsprössling) die Neu-
bildung einer Schale nothwendig.
Schon früher hatten wir Gelegenheit, auf den Zweitheilungspro-
cess der Arcella hinzuweisen, wie er sich nach den Beobach-
tungen von Hertwig und Lesser gestaltet;**) es tritt hier der zur Bildung
des neuen Sprösslings verwerthete Theil des protoplasmatischen Leibes
aus der Schalenmündung hervor und lagert sich, indem er sich mit einer
neuen Schale umkleidet, vor der Mündung an. Nach erfolgter Schalen-
bildung dieses neuen Sprösslings vollzieht sich dann die Trennung der
beiden Theilhälften, von denen die eine die alte Schale weiter bewohnt,
die andere sich hingegen in neugebildeter Schale entfernt. In gleicher
Weise mag sich der Theilungsvorgang auch noch bei zahlreichen weiteren
Monothalaraien gestalten, jedoch wurde bis jetzt nur noch bei Platoum
stercoreum ein entsprechender Vorgang von Cienkowsky nachgewiesen.
Andererseits kann jedoch der Theilungsvorgang solcher Monothalamen
auch in der Weise modificirt auftreten, dass sich die völlige Theilung
innerhalb der Schale vollzieht und die Schalenneubildung des einen
Sprösslings erst nach seinem Austritt vor sich geht. Ein solcher Vor-
gang wurde in ziemlich übereinstimmender Weise von K. Hertwig***)
und Cienkowsky (104 a) bei der Mikrogromia socialis beobachtet.
Hier erfolgt die Theilung, wie bemerkt, innerhalb der Schale, und zwar
ebensowohl in der Längs- als Querrichtung. Nach erfolgter Theilung
schiebt sich der eine Sprössling — und zwar scheint keiner der beiden
in dieser Hinsicht einen bestimmten Vorzug zu geniessen — aus der
Schalenmündung hervor (III. 15 c) und bewegt sich entweder mit seinen
*) Morph. Jahrb. IV.
**) Wir glauben ■ hier auch noch darauf hinweisen zu sollen, dass schon Schneider 1854
die vermeintlichen Conjugationszustände der Arcella als Theilungs- und Knospungsvorgänge
gedeutet hat. (Arch. f. A. u. Ph. 1854.)
***) Arch. f. m. A. X. Supplem.
138 RLizopoda.
Pseudopodien amöbenartig fort oder nimmt nach Einziehung der Pseudo-
podien eine flagellatenartige Gestalt an (III. 15 d), indem er zwei Geissein
an dem einen Pol des ellipsoidischen Körpers entwickelt und in dieser
Verfassung sich von seiner Bruderhälfte entfernt. Dieser interessante
Fall von sogen. Sehwärmerbildung ist bis jetzt (mit Ausnahme der bei
der bezüglich ihrer Stellung etwas zweifelhaften Protomyxa zu schildern-
den Schwärmerbildung) der einzige im Bereich der Ehizopodenwelt mit
Sicherheit bekannte. Die Verbreitung jedoch, welche dieser Modus der
Fortpflanzung bei den z. Tb. so nahe verwandten beiden anderen Ord-
nungen der Sarkodinen besitzt, legt es nahe, zu vermuthen, dass wohl
auch unter den Ehizopoden diese Art der Fortpflanzung sich noch in
weiterer Verbreitung finden dürfte. Nur bei Trinema Acinus haben jedoch
bis jetzt Hertwig und Lesser durch Beobachtung das Vorkommen einer
ähnlichen Vermehrungsart direct wahrscheinlich gemacht.
Eine Beobachtung Cienkowskj^'s an seinem Microcometes paludosa
belehrt uns jedoch dariiher, dass die Theilung innerhalb der Schale
auch mit einem völligen Verlassen der alten Schale von Seiten der beiden
Sprösslinge verbunden sein kann, wobei also jeder der Sprösslinge in die
Nothwendigkeit versetzt ist, sich eine neue Schale zu bilden.
Von besonderem Interesse erscheint der bis jetzt nur bei der Gattung
Arcella mit einiger Sicherheit nachgewiesene gleichzeitige Knospungs-
process einer grösseren Zahl kleiner, schalenloser Sprösslinge. Leider
sind hierbei, wie bei den Theilnngserscheinungen der Rhizopoden über-
haupt, die feineren Bildungsvorgänge noch nicht näher verfolgt, nament-
lich ist eine etwaige Betheiligung der Kerne des Mutterorganismus noch
unermittelt geblieben. Was das Nähere dieses Fortpflanzungsprocesses
der Arcella betrifft, so bemerkt man auf der aboralen Fläche oder an der
Peripherie des Thierkörpers ziemlich gleichzeitig, oder doch im Verlauf
verhältnissmässig kurzer Zeit, das Auftreten einer ziemlichen Zahl (bis 9),*)
flach scheibenförmiger, knospenartiger Protoplasmastücke, die wohl ohne
Zweifel durch Kuospung aus dem Arcellenleib hervorgegangen sind. Sie
erhalten nach einiger Zeit eine contractile Vacuole und lassen auch einen
Kern wahrnehmen. Bald beginnen sie amöboide Bewegungen auszuführen
und kriechen schliesslich in Gestalt kleiner, unbeschalter Amöben aus der
Arcellaschale heraus, sich von dem Mutterthier entfernend.
Die Zweifel, welche über Herkunft und Bedeutung dieser Sprösslinge
*) Kacli den, jedoch nicht hinreichend zuverlässig erscheinenden, Beobachtungen von
E. Bac1< (Zeitschr f. wiss. Zoologie Bd. 30) scheint es nicht unmöglich, dass die Zahl dieser
Sprösslinge zuteilen noch eine viel höhere ist. So will B. bis zu 30 kleine Amöbcnspröss-
linge, aus einer Arcella hervorgehend, gesehen haben. Die Entstehungsart dieser Sprösslinge
ist jedoch nach ihm eine sehr eigenthümliche, indem sie durch einen, zunächst von einer
"blasigen bis niaulbeerartigen Beschaffenheit angedeuteten, Zerfall des gesammten Arcellaleibes
entstehen sollen. Hierbei sollen die Kerne der Arcella mit etwas umgebendem Protoplasma
sich zu grösseren derartigen Sprösslingen umgestalten, während in den kleineren sich Kerne
selbständig hervorbildcii sollen.
Scliwärmer v. Mikrogr., Kuospensprössl. v. Aredia, venu. Fortijfl.-Körpcr mariner Ehizopoda. 139
von Arcella uocli berechtigter Weise erhoben werden dürften, werden
durch die von Bück*) und Cattaneo**) verfolgte Umbildung solch nackter
kleiner Amöben zu einer beschälten, jungen Arcella beträchtlich verringert.
Was jedoch hauptsächlich dieser Fortpflanzungsweise der Arcella:
durch ziemlich gleichzeitige Entwickelung einer grösseren Anzahl von
Sprösslingen, ein erhöhtes Interesse verleiht, ist die wahrscheinliche Ana-
logie, welche dieselbe mit den bis jetzt bekannten Fortpflanzungserschei-
nungen der marinen Rhizopoden aufweist.
Von dem wirklichen Fortpflanzungsact dieser letzteren scheint erst
Gervais im Jahre 1847***) etwas Sicheres beobachtet zu haben. Die
früheren Angaben von Ehrenberg über die Fortpflanzung unserer Formen
durch Eier und die vermeintliche Beobachtung äusserlich anhängender
Eierbeutel bei Polystomella und Nonionina haben sich durch die Be-
mühungen von M. Schnitze bald als irrig erwiesen. Ebenso wenig Erfolg
hatten die von anderer Seite ausgehenden Bemühungen, die Bildung sogen.
Keimkugeln oder Eier in dem Protoplasmaleib der marinen Rhizopoden
zu erweisen. Schon Dujardin gab an: zuweilen den protoplasmatischen
Kammerinhalt von Truncatulina zu kugeligen Haufen zusammengriippirt
getroffen zu haben. M. Schnitze hat hierauf bei gewissen Rotalinen das
Auftreten mehr oder minder zahlreicher dunkler Kugeln in den Kammern
beobachtet, zuweilen so reichlich angehäuft, dass sie sämmtliche Kammern
erfüllten. Jedoch schon die allmähliche Bildung dieser Kugeln aus kleinen
molekularen Körnchen, die ohne von einer gemeinsamen Hülle umschlossen
zu werden, sich zu den erwähnten Kugeln zusammengruppiren , lässt die
Bedeutung derselben als Fortpflanzungskörper sehr zweifelhaft erscheinen.
Zu völliger Gewissheit scheint jedoch dieser Zweifel erhoben, wenn wir
ferner beachten, dass diese Kugeln sich durch ihre Resistenz, selbst gegen
die stärksten Mineralsäuren und kochende Alkalien, als Körper ausweisen,
die unmöglich von lebendiger, thierischer Substanz gebildet sein können.
Auch Carpenterf) hat kugelige oder ovale, zuweilen sogar in
Zweitheilung begriffene Körper in den oberflächlichen Kammern von
Orbitolites zahlreich gesehen; sie besassen jedoch eine feste Hülle. Die
Abbildungen, welche Carpenter von diesen als Fortpflanzungszellen gedeuteten
Körpern gibt, macht es mir sehr plausibel, dass die neuerdings von Moseley ff)
ausgesprochene Ansicht: es seien dieselben parasitische, einzellige Algen (die
nach ihm auch im frischen Zustand grün gefärbt sind), wohl zutrifft. Sie
für Zellkerne zu halten, wie es R. Lankester nicht ganz ungerechtfertigt
dünkt, erscheint mir dagegen wenig sicher. Andererseits habe ich jedoch
schon früher meiner Ueberzeugung Ausdruck verliehen, dass die ver-
meintlichen, von Str. Wright bei einer Reihe mariner Rhizopoden
*) 1. c.
**) Att. soc. Ital. d. sc. natur. XXI. 1878.
***) Compt. rend. 1847, auch L'Institut 1847.
t) 73.
ft) Not. by a naturalist oa tho Challeuger. Lond. 1879. p. 292.
140 Elikopoda.
Dachgewiesenen Eier nichts weiter wie die Zellkerne gewesen seien. Die
oben erwähnten kugeligen Fortpflanziingskörper haben jedoch auch
Carter beschäftigt, der sich vielfach bemühte, eine sogen, geschlechtliche
Fortpflanzung der Süsswasserformen zu erweisen. Eine Beobachtung
über angebhche Embryonen in den Kammern von Orbitolites*) hat er
später selbst zurückgenommen und die vermeintlichen Embryonen für
parasitische Diatomeen (Cocconeis) erklärt.**) Schon früher***) hat er
das Vorkommen kugeliger Fortpflanzungskörper bei seiner Operculina
arabica nachzuweisen gesucht und dieselben mit den von ihm bei
Süsswasserformen (Amoeba und Euglypha) aufgefundenen sogen. Fort-
pflanzungskugeln verglichen. Was wir von jenen Fortpflanzungskugeln
der Süsswasserformen zu halten haben, wurde z. Th. schon bei Gelegen-
heit der Kernfrage erörtert, soll jedoch noch weiter unten näher besprochen
werden. Zur Beurtheilung der Fortpflanzungskugeln der Operculina
dagegen fehlt uns ein sicherer Anhalt, jedoch darf wohl ohne grosse An-
maassung behauptet werden, dass ihre Bedeutung für die Fortpflanzung
mehr wie zweifelhaft ist und dies um so mehr, als der gleiche Beobachter
dieselben Fortpflanzungskörper auch bei einer Reihe von fossilen Formen,
wie Nummulites, Orbitoides etc. nachgewiesen haben will.
Gehen wir jedoch nach kurzer Besprechung dieser irrigen, oder doch
jeder sicheren Basis entbehrenden Beobachtungen zu der Betrachtung der
wenigen sicheren Beobachtungen über.
Der oben schon erwähnte Gervais gab 1847 an, bei Milioliden das
Austreten zahlreicher lebendiger Jungen beobachtet zu haben, nachdem
ein Begattungs- (resp. Conjugations-) Act vorhergegangen sei. Genauere
Untersuchungen über die Vermehrung der Milioliden und Rotalinen, durch
Erzeugung einer zahlreichen Brut junger Thiere, verdanken wir jedoch
wieder M. Schnitze. Es gelang ihm durch directe Beobachtung innerhalb
der zertrümmerten Schale einer zehnkammerigen, kleinen Rotaline nicht
weniger als 20—30 junge, nur dreikammerige Thiere nachzuweisen (64). Die
Beobachtung eines zweiten solchen Thieres liess auch das ziemlich plötz,
liehe Auftreten zahlreicher solcher jungen Rotalinen in der nächsten Um-
gebung des Mutterthieres erkennen; jedoch konnte nicht mit Sicherheit
festgestellt werden, ob dies Austreten der jungen Brut durch Aufbrechen
der Schale des Mutterthieres oder durch Hervorgehen derselben aus der
Schalenmündung bewerkstelligt wurde. Wenn aus diesen Beobachtungen
hervorzugeben schien, dass nicht der ganze Weichkörper des Mutterthieres
zur Bildung der Brut verbraucht wird, so schienen hingegen frühere
Beobachtungen über die Fortpflanzung der Milioliden in diesem Sinne zu
sprechen.!) Diese zeigten nämlich das Auftreten zahlreicher (bis zu 40)
kleiner Milioliden in der bräunlichen, schleimigen Umhüllungsmasse, mit
*) A. in. 11. h. 4. XIII. p. 192.
**) A. m. n. li. 4. XVI. p. 420.
***) Ann. mag. n. h. 3. VIII.
i) Arch. f. Au. u. Phys. 1856.
Portpflanzniig mariner 'Rliizopoclcn. 141
welcher sich ansehnliche Exemplare von Triloculina umgeben hatten, und
in dieser Weise an den Wänden eines Glasgefässes eine ziemliche Reihe
von Tagen ruhend befestigt waren. Die Untersuchung des Mutterthieres
nach der Entwickelung der Brut Hess nur noch sehr geringe Spuren von
feinkörniger Sarkode auffinden. Wie gesagt, schien daher in diesen Fällen
der Weichkörper nahezu völlig in der Bildung der Brut aufgegangen zu sein.
Auch von anderer Seite liegen noch einige Angaben über die Ent-
wickelung beschälter Brut in der Schale mariner Rhizopoden vor. So hat
Str. Wright die ältere Beobachtung von Ehrenberg über das Vorkommen
junger Thiere in der Spirillina vivipara Ehrbg. bestätigt. Reuss hat ge-
legentlich das Vorhandensein einer jungen Globigerina in der Endkaramer
einer erwachsenen gesehen und bezüglich der Entwickelung einer zahl-
reichen beschälten Brut bei Orbitolites liegen uns die übereinstimmenden
Angaben von Carpenter (und Parker), sowie Semper*) vor. Hier geschieht
die Entwickelung je eines jungen Thieres in den einzelnen Kämmerchen
des Scheibenrandes. Innerhalb dieser Kämmerchen des Mutterthieres
bildet die junge Orbitolitesbrut nur den embryonalen Theil der Schale
aus, bestehend aus der sogen. Embryonalkammer und der zweiten,
nahezu einen völligen Umgang beschreibenden Kammer. Erst nach dem
Hervortreten der jungen Thiere aus der Mutterschale, was nach Semper
durch Aufbrechen derselben vor sich gehen soll, bildet sich der erste
Cyklus der Kämmerchen.
Schon oben wurde bei Gelegenheit der Beschreibung der Gattungen
Orbulina und Globigerina auf die vielbesprochenen Vorkommnisse hin-
gewiesen, die von Pourtales, M. Schultze, Reuss und Anderen als
Fortpflanzungserscheinungen der Globigerina gedeutet worden sind.
Bekanntlich bestehen diese Befunde in dem häufigen Vorhandensein einer
deutlichen, kleinen Globigerinaschale in einer Orbulina. Nach der Deutung,
welche dieser Erscheinung von den oben erwähnten Forschern im Sinne
einer Fortpflanzung gegeben wurde, wären die Orbulinen als die los-
gelösten Endkammern von Globigerinen zu betrachten, innerhalb deren
nun eine kleine, junge Globigerina erzeugt werde. Dem gegenüber wurde
schon oben die entgegenstehende Ansicht von Macdonald, Alcock und
Brady dargelegt, wonach es sich hier keineswegs um eine Fortpflanzungs-
erscheinung handele, sondern die Orbulinaschale erst nachträglich, die
Globigerina einschliessend, zur Ausbildung gelange. Aus den schon früher
dargelegten Gründen halten auch wir es für nicht unwahrscheinlich, dass
die letztere Auffassung das Richtige getroffen hat.
Fragen wir uns nach dieser Uebersicht der spärlichen Beobachtungen
über die Vermehrungsweise der marinen Rhizopoden, wie sich dieselben
in eine nähere Beziehung zu den genauer bekannten Fortpflanzungsver-
hältnissen der Süsswasserrhizopoden bringen lassen, so finden wir bis
*) Die von Semper untersuchte und als Nummulites bezeichnete Form war sicher ein
Orbitolites. (Z. f. w. Z. XIII. p. 56S.)
142 Eliizopoda.
jetzt nur in den geschilderten Erscheinungen bei Arcella einen Anknüpfungs-
punkt. Wir dürfen uns wohl die Brutbildung bei jenen marinen Formen
z. Th. wenigstens als einen ähnlichen Knospungsprocess deoken, wie wir
ihn auch bei Arcella anzunehmen berechtigt sind.*) Dabei erhebt sich
jedoch noch die Unterfrage: ist dieser Vorgang der Brutbildung wohl
stets unter dem Bild einer solchen Knospung verständlich, wie dies z. B.
für Orbitolites mit der nur in der Kaudzone sich entwickelnden jungen
Brut erscheint, oder wird nicht auch z. Th. die Entwickelung dieser Brut
in ähnlicher Weise durch einen Zerfall des gesammten Weichkörpers vor
sich gehen, wie wir den gesammten Inhalt der Centralkapsel bei den
Radiolarien in die Brutbildung eingehen sehen. Die Beobachtungen
M. Schultze's an den Milioliden scheinen einer solchen Annahme nicht
ungünstig zu sein.
.Was jedoch gegenüber den Fortpflanzungserscheinungen der Stiss-
wasserformen namentlich auffällt und worüber auch kein Zweifel statt-
finden kann, ist die frühzeitige Bildung der Schale, schon vor dem
Austritt der Brut aus dem mütterlichen Gehäuse — ein Verhalten, für das wir
bis jetzt bei den Süsswasserformen kein Analogon besitzen. Damit
scheint auch wohl das Vorkommen einer Metamorphose, wenn ich mich
so ausdrücken darf, in dem Entwickelungsgang der marinen Formen
ausgeschlossen, so namentlich das Auftreten von Schwärmerbildung.
Die im Obigen gegebene Darlegung unserer Kenntnisse von der
Fortpflanzung der marinen Rhizopoden wird jedoch, auch ohne weitere
Bemerkungen, die Ueberzeugung hervorrufen, dass wir noch sehr weit
davon entfernt sind, einen einigermaassen genügenden Einblick in diese
jedenfalls viel des Interessanten darbietenden Verhältnisse zu besitzen.
Obwohl die Fortpflanzung durch einfache Theilung schon von vorn-
herein bei den marinen beschälten Rhizopoden wenig Aussicht auf Vor-
handensein besitzt, so scheint doch unter gewissen anormalen Verhältnissen
etwas derartiges eintreten zu können. Ich meine hier nämlich jene selt-
samen Doppelbildungen, wie sie gelegentlich sowohl bei monothalamen
als polythalamen Rhizopoden beobachtet worden sind. Was die raouo-
*) In neuester Zeit liat E. Lankester inehrfacli in der Mündiingsregion des proto-
plasmatischen Leibes der sandschaligen Halipliysema eine grössere Zahl ei-ähnlicher Gebilde
getrott'en.Dieselbeu waren hüllenlos , die kleinen ohne, die grösseren mit deutlichem Zellkerne
und, wie es schien, z. Th. sogar in Vermehrung durch Zweitheilung begriffen. Lankester
erblickt in diesen Gebilden endogen erzeugte Keime der Haliphysema. Ich erwähne diese
Beobachtung liier hauptsächlich noch deshalb, um darauf hinzuweisen, dass mit obiger
Darstellung des wahrscheinlichen Fortpflanzungsprocesses der marinen Rhizopoden keineswegs
die Möglichkeit der Erzeugung endogener Keime gänzlich in Abrede gestellt werden soll,
wenn ich auch durch die mitgetheilte Beobachtung Lankcster's diese Möglichkeit noch in keiner
Weise für erwiesen erachte ^ da über das weitere Schicksal dieser vermeintlichen Eikeime
nichts ermittelt wurde. Wir machen bei dieser Gelegenheit noch darauf aufmerksam , dass
S. Kent (A. m. n. h. 5. II.) die Jugendformen der Haliphysema in amöbenartigen, kleinen,
unbeschalten Formen entdeckt haben will, die sich später festhefteten und anfänglich, vor
dem Bau einer Schalenhülle, noch von ihrer ganzen Oberfläche zarte Pseudopodien entwickelten.
Abnorme und unvollständige Tlieilung'sprocesse von Mono- und Polythalamia. 143
thalamen derartigen Bildungen betrifft, wie sie z. B. in der Gattung
Lagena gar nicht so selten durch Williamson, Parker und Jones, sowie
durch Alcock beobachtet wurden, so kann deren Entstehung nicht wohl
auf etwas anderes, als auf eine sehr frühzeitige, noch im schalenlosen
Zustand stattgefundene, jedoch unvollständige Theilung zurückgeführt
werden. Alcock, der, wie schon oben hervorgehoben wurde, für einen
mehrfachen Schalenwechsel im Lebenslauf der monothalamen Formen
plaidirt, ist der Ansicht, dass gerade diese Doppelmonstra hierfür be-
weisend seien, indem er ihre Entstehung auf eine unvollständige Theilung
während eines solchen Schalenwechsels zurückführt. Was ähnliche
Doppelbildungen der polythalamen Formen betrifft, wie sie durch M. Schnitze
bei Polystomella und in etwas abweichender Weise auch durch Parker
und Jones nachgewiesen wurden, so scheint es zweifelhafter, wie hier
die Entstehung zu deuten ist, da genauere Untersuchungen über den Bau
dieser monströsen Schalen nicht vorliegen. Dagegen scheinen die eigen-
thümlichen Doppelbildungen, wie sie gelegenthch bei Orbitolites beobachtet
wurden, kaum einer Erklärung durch einen unvollständigen, frühzeitigen
Theilungsprocess zugängig, sondern sind wohl das Erzeugniss besonderer,
wiewohl an eine Vermehrung erinnernder Wachsthumsvorgänge.
ß. Koloniebilduug in Zusammenhang mit der Theilung oder Knospung
der Khizopoda.
Die Erscheinung der sogen. Koloniebildung steht in so inniger Be-
ziehung zu den besprochenen Fortpflanzungsvorgängen durch Theilung
oder Knospung, dass dieselbe hier im Anschluss an letztere zunächst
einer kurzen Besprechung unterzogen werden darf. Wir verstehen unter
einem kolonialen Verbände nur einen solchen, dessen einzelne Mitglieder
thatsächlich in directer, lebendiger Verbindung vermittelst ihrer protoplasma-
tischen Leibessubstanz stehen. Derartige koloniale Verbände gehören
gerade nicht zu den häufigen Erscheinungen unter den Rhizopoden, jedoch
hat die neuere Forschung uns auch auf diesem Gebiet mit einer Anzahl
hierhergehöriger und nicht uninteressanter Fälle bekannt gemacht. Das
ausgezeichnetste Beispiel solcher Koloniebildung bietet uns wohl die hier-
nach benannte Mikrogromia socialis dar.*) Wir haben schon oben die
mit Schwärmerbildung verbundene Fortpflanzung dieser Form durch Quer-
oder Längstheihing besprochen. Nicht stets führt jedoch die Längstheilung
der Thiere zur völligen Trennung der beiden Sprösslinge, sondern
es erhält sich zwischen beiden häufig ein organischer Zusammenhang
durch die Pseudopodienstiele. — Auch in diesem Fall verlässt jedoch der
eine Theilsprössling nach einiger Zeit die Schale des Mutterthieres, mit
dem er jedoch durch den Pseudopodienstiel noch in organischem
*) Unter den unbeschalten Formen tritt uns eine sehr hübsche koloniale Entwickelung
bis jetzt allein bei der, hinsichtlich ihrer Stellung etwas zweifelhaften, monercn Form Myxo»-
dyctium entgegen ; hier stehen wie bei Mikrogromia zahlreiche Einzelindividuen durch ihre
reichlich wurzelartig verästelten Pseudopodiennctze im Zusammenhang.
]44 Eliizopoda.
Zusammenhang bleibt. Nach einiger Zeit wird sich das neugebildete
Individuum mit einer Schale bekleiden. Durch fortgesetzte Vermehrung
können sich in dieser Weise Kolonien zahlreicher Individuen bilden, indem
diese sämmtlich durch ihre Pseudopodien in Verbindung bleiben. In ihrem
Verhalten zeigen diese Kolonien eine Reihe wechselnder Zustände, die
sogar zur Trennung derselben in zwei Arten, ja sogar Gattungen,
Veranlassung gaben. Sie treten nämlich einmal im gehäuften Zustand auf
(III. 15 a), indem sämmtliche Individuen zu einem dichten Klumpen zu-
sammengedrängt sind, von dem dann allseitig die Pseudopodien aus-
strahlen (dieser Zustand wurde ursprünglich von Archer, seinem Entdecker,
als Cystophrys Haekeliana bezeichnet und in die Nähe der Radiolarien
gezogen). Andererseits vermag jedoch die Kolonie sich auch flach aus-
zubreiten, die einzelnen Individuen trennen sich durch mehr oder minder
weite Zwischenräume von einander und stehen untereinander durch die
netzartig ausgespannten Pseudopodien in Verbindung. (Es ist dies der
Zustand, den Archer ursprünglich als Gromia socialis beschrieb.)
In ähnlicher Weise sehen wir jedoch auch noch eine Anzahl nahe
verwandter Formen eine Koloniebildung eingehen, so das Lecythium hya-
linum. Hier hat schon Fresenius*) in richtiger Weise die Koloniebildung
durch Längstheilung beobachtet, wie sie später durch die Untersuchungen
von Cienkowsky (104 a) bestätigt wurde. Die in solcher Weise ent-
standenen Kolonien des Lecythium bilden traubige Verbände, indem
sämmtliche Einzelthiere durch das aus den Schalenmündungen heraus-
getretene und zu einer breiten Platte verschmolzene Protoplasma, von
welchem die Pseudopodien ausstrahlen, in Verbindung stehen. Nach
F. E. Schulze's Beobachtungen dieser Form (seiner Gromia socialis Arch.)
sollen aber solche koloniale Verbände auch durch allmähliche successive
Verschmelzung von Einzelindividuen entstehen können; jedoch scheint mir
nicht völlig sichergestellt zu sein, wenigstens nach dem Wortlaut der
Schulze'schen Beschreibung, ob er wirklich die Verschmelzung von mehr
als zwei Individuen direct beobachtet hat (s. 101 III.). 1
Eine ähnliche Koloniebildung treffen wir schliesslich auch bei dem
nahe verwandten Platoum stercoreum Cienk. (= Chlamydophrys Cienk.);
hier geht jedoch die Bildung neuer Kolonialindividuen nach den Unter-
suchungen von A. Schneider**) und Cienkowsky (104a) in etwas ab-
weichender Weise vor sich. Ein einfaches Thier erzeugt zunächst
durch theilweises Austreten des Körperprotoplasmas und durch Ab-
scheidung einer neuen Schale um diesen ausgetretenen Theil ein neues
Individuum, ähnlich wie wir es auch bei Arcella gesehen jhaben. Es
erfolgt nun jedoch häufig keine Trennung der beiden Individuen, sondern
dieselben bleiben durch eine breite Protoplasmabrücke, von der die
Pseudopodien ausstrahlen, in Verbindung. Aus dieser Protoplasmabrücke
*) Abli. d. Senckenb. naturf. Ges. II.
**) Arch. f. A. u. Pli. 1854.
Kolon iebildung-. (Platoum, Labyriiitliula.) 145
gemeinschaftlicben Pseudopodienplatte können sich nun noch zahl-
reiche weitere Individuen entwickeln, indem sich an derselben neue Aus-
buchtungen erzeugen, in denen nach Cienkowsky unabhängig von den
frühereu ein neuer Kern entsteht und sich weiterhin eine neue Scbalen-
umhiillung bildet. Die Form der Kolonie ist ganz ähnlich der von Lecy-
tbium (III. 17 b). Das nur durch etwas abweichende Schalenstructur
sich unterscheidende, von Entz (HO) beschriebene Geschlecht Plecto-
phrys zeigt auch eine ganz entsprechende Koloniebildung.*)
'*) In die Nälie der Ehizoi^odenkolonien lassen sich vielleicht auch die eigenthüm-
lichen ZcllenaggTcgate der sogen. Labyrinthula Cienkowsky's (Arch. f. mikr. A. III.)
bringen , die wir daher hier anmerkungsweise kurz noch betrachten wollen , da , wie schon
mehrfach zu bemerken Gelegenheit war, die Stellung dieser Gattung bei den Khizoi)oda über-
haupt wenig sicher erscheint; wir haben sie dennoch hierher gezogen, da bei den übrigen
Protozoen noch weniger eine passende Einreihung derselben zu ermöglichen ist, weiterhin
jedoch auch die betreffenden Formen noch speciellerer Aufklärung zu einem vollen Verständniss
ihrer Organisationsverhältnisse nnd einer richtigen Würdigung ihrer verwandtschaftlichen Be-
ziehungen bedürfen. Im nicht beweglichen Zustand bildet die Labyrinthula haufenförmige
Aggregate von rundlichen bis bolmenförmigen gekernten Zellen, die entweder ohne erkennbare
Zwischensubstanz zusainmengelagert sind, oder aber von einer feinkörnigen Zwischensuhstanz,
die auch als dünne Einde den Haufen überzieht, zusammengehalten werden (I. 8d). Der
Uebergang in den beweglichen Zustand vollzieht sich in der Weise, dass von der Oberfläche
des Haufens farblose, hyaline oder sehr fein faserige Fortsätze von starrer Beschaffenheit her-
vorgeschoben werden (I. 8 a), die sich vielfach verästeln und durch reichliche Verbindungen
unter einander ein labyrinthisches Netzwerk bilden (Sb), längs welcher sogen. Fadenbahn nun
die Zellen langsam hinwandernd von dem Centralhaufen nach der Peripherie fortgleiten.
Bei dieser \\'anderung nehmen die Zellen eine spindelförmige Gestalt an, sind jedoch über-
haupt etwas gestaltsveränderlich (Sc). Der fraglichste Punkt in der Natur dieser eigenthüm-
lichen Labyrinthula-Zellenaggregate bildet die Entstehung und Natur der sogen. Fadenbahn,
Protoplasmatisch scheint dieselbe nicht zu sein, sondern eine Ausscheidung der Zellen dar-
zustellen , womit jedoch ihr scheinbar selbständiges Entstehen und Vergehen nicht ganz wohl
in Einklang zu bringen ist. Vielleicht dürften die von Cienkowsky (104 a) bei seinem Diplo-
phrys stercoreum beobachteten, eigenthümlichen Aggregationen zahlreicher Einzelindividuen,
die mit ihren von beiden Körperpolen ausstrahlenden, fadenartigen Pseudopodien aneinander
hinkriechen und so gleichfalls netzartige, z. Th. hoch sich erhebende Aggregate von Individuen
bilden, die der Fadenbahn der Labyrinthula mit ihren Zellen sehr ähnlich sehen, doch noch
zur Aufklärung der Verhältnisse bei Labyrinthula beitragen. In wieweit sich ein von Archer
(Qu. j. micr. sc. XV.) beobachteter, und als Chlamydomyxa labyrinthuloides bezeichneter
rliizopodenartiger Organismus an die eben erörterte Labyrinthula anschliesst (I. 9), lässt sich
bis jetzt noch nicht mit genügender Bestimmtheit angeben. Es handelt sich hier um einen
von einer Cellulosehülle umkleideten, protoplasmatischen Körper, der durch eine polare, riss-
artige OefTnung ansehnlich lange, pseudopodienartige Fortsätze aussendet, welche sich baumförmig
verästeln und zahlreiche feine hyaline Fäden entwickeln, die eine ähnliche Fadenbahn formiren,
wie bei der Labyrinthula. Auch hier gleiten dann zahlreiche, während ihrer Wanderung
spindelförmige, jedoch kernlose Körperchen auf der Fadenbahn hin, die sich in dem cen-
tralen Protoplasmakörper als kugelige, plastische Körperchen vorgebildet vorfinden. Die
Fadenbahn scheint nach Archer's Schilderung bei der Chlamydomyxa die Natur pseudopodien-
artiger Fortsätze zu haben und da die sogen. Spindeln hier kernlos sind, andererseits auch
der Gesammtorganismus durch Nahrungsaufnahme und Vacuolenbildung seines Centralkörpers
sich dem gewöhnlichen Rhizopodenorganismus nälier anschliesst, so scheint mir vorerst eine
directe Annäherung der Chlamydomyxa an die Labyrinthula kaum gerechtfertigt. Die neuer-
dings von R Laiikester (Qu. journ. micr. sc. XIX.) ausgesprochene Ansicht, dass die sogen.
Bronn, Klassen des Thier-Keichs. Protozoa. 2Q
146 Rliizopoda.
Unter den marinen Rhizopoden scheint eine ähnliche Kolonie-
bildung nur sehr selten einzutreten. Jedoch hat R. Hertwig*) neuer-
dings eine Kolonie sehr junger (dreikammeriger) Rotalinen beobachtet.
Etwa 30 — 40 Individuen bildeten ein Häufchen ähnlich der sogen.
Cystophryskolonie der Mikrogromia und wurden durch eine gemeinsame
Protoplasmamasse mit einander vereinigt. Zu den kolonialen Verbänden
dürfen wir wohl auch die von Bessels**) und Anderen mehrfach beob-
achteten, durch ihre armartigen Fortsätze in directem Verbände stehenden
Individuengruppen der Astrorhiza limicola Sund, rechnen, ßessels ver-
muthet ihr Hervorgehen durch Sprossung, worauf auch die zuweilen zu
beobachtende Anschwellung und besondere Grösse eines der Arme
hindeute.
Im Anschluss an diese Erörterung der sogen. Koloniebildung der
Rhizopoda ist es wohl am Platze, in Kürze auch noch der Frage nach
der morphologischen Auffassung der polythalamen Formen der Rhizopoden
einige Augenblicke zu schenken, da, wie bekannt, die regelmässige
Wiederholung der Kammerbildung häufig zur Annahme einer Kolonie-
bildung Gelegenheit gegeben hat. Wir sehen hier natürlich ab von
solchen Ansichten über die koloniale Zusammensetzung der marinen Rhi-
zopoden, wie sie Ehrenberg seiner Zeit vortrug, der zum Hauptkriterium
in dieser Frage die Zahl der Kammermündungen machte und daher For-
men mit zahlreichen Mündungen (wie z. B. Peneroplis) zu einer von zahl-
reichen Einzelthieren , entsprechend der Zahl der Mündungsporen, be-
wohnten Kolonie stempelte.
Dagegen scheint es nun bei erstmaliger Ueberlegung recht natürlich,
die polythalamen Formen , bei welchen eine so reguläre Wiederholung
bestimmter Abschnitte in Form und Bildung sich findet, als in innigem
Verbände stehende Kolonien zu deuten, da ja jede Einzelkammer einer
solchen Polythalamie gewöhnlich in hohem Grade mit der Bildung der
einfachen Kammer einer Monothalamie übereinstimmt. Die Bildung neuer
Kammern wäre hiernach als ein Theilungs-, resp. Sprossungsact, zu be-
trachten. Diese, von einer Reihe von Forschern auch heute noch vertretene
Ansicht steht jedoch mit gewissen anderweitigen Bauverhältnissen des
Rhizopodenorganismus in nicht wohl zu vereinbarendem Widerspruch.
Schon M. Schultze (53) hat sich gegen diese Auffassung sehr entschieden
ausgesprochen, obgleich ihm der Hauptgrund, welcher gegen dieselbe vor-
gebracht werden kann, noch nicht bekannt war. Diesen Grund jedoch
bilden die Kernverhältnisse.
Wie wir oben schon genügend zu erörtern Gelegenheit hatten, steht
die Zahl und Vertheilung der Zellkerne in gar keiner bestimmten Be-
Spindelii der Chlamydomyxa und Labyrinthula wohl als Zellkerne zu betrachten seien, könnte
möglicherweise für die erstgenannte Gattung einige Wahrscheinlichkeit besitzen , wogegen mir
dieselbe für Labyrinthula ganz ungerechtfertigt erscheint.
*) Jen. Zeitschr. X.
**) Jen. Zeitschr. IX.
Koloniebildung. (Marine Formen, Bezieh, d. PolyÜialamie z. Kolonieb.) 147
ziebiuig- zu der Kamraerzahl, wir lernten einkernige Polythalamia und
vielkernige Monothalamia kennen. Da uns jedoch die marinen Poly-
thalamia als kernführend wohl bekannt sind, so dürften wir, wenn es
sich in ihren Kammerabschnitten wirklich um individuelle Wiederholungen
im Sinne einer kolonialen Bildung handelte, mit Recht die Gegenwart
eines oder mehrerer Zellkerne in jedem Kammerabschnitt verlangen.
Wir sind daher nicht berechtigt, in der Ausbildung und regelmässigen
Wiederholung der Kammerabschnitte bei den Polythalamen eine wirkliche
morphologische Wiederholung von Individuen einfacherer Art, wie sie
uns die Monothalamien darbieten, nach Art einer Kolonie- oder Stock-
bildung zu erkennen. Immerhin jedoch ist die Regularität der Wieder-
holung der einfachen Kammerabschnitte bei diesen Formen von einer
Art, dass sie bis zu gewissem Grade eine wirkliche Wiederholung
der Form und Theile des Einzelindividuums der Monothalamie vorführt.
Wenn wir uns nun nach Vergleichen für ein derartiges morphologisches
Verhalten in den Abtheilungen der höheren Thierwelt umsehen, so werden
wir nicht verkennen, dass von einem allgemein morphologischen Stand-
punkt aus die Segmentation, wie sie uns in verschiedenem Grad der Aus-
bildung die gegliederten Metazoen darbieten, eine nicht zu leugnende
Aehnlichkeit mit der Kammerung der Polythalamien darbietet. In beiden
Fällen sehen wir Wiederholung einer Anzahl morphologisch sich ent-
sprechender Körperabschnitte, die gleichzeitig bis zu einem gewissen
Grade als Homologa einer einfacheren, ungegliederten Individualitäts-
stufe erscheinen. In beiden Fällen jedoch sind die einzelnen Ab-
schnitte oder Metameren mehr oder weniger weit von der Höhe der
Individualisation entfernt, die wir an den einzelnen Gliedern einer Kolonie
oder eines Stockes antreffen, indem ihnen zunächst eine Anzahl von
Organisationseigenthümlichkeiten, die wir dem vollkommenen Individuum
zuschreiben müssen, abgehen, wie andererseits dem ganzen, aus den
Wiederholungen solcher einzelner Körperabschnitte zusammengesetzten
Organismus eine Reihe von Organisationseigenthtimlichkeiten zukommen,
die in centralisirter Ausbildungsweise gemeinsam für die Gesammtheit
des betreffenden Organismus vorhanden sind. Wie jedoch die Grenzlinie
zwischen Kolonie und gegliedertem Organismus auch unter den höheren
Formen nur schwierig oder nicht scharf zu ziehen ist, so kann in gleicher
Weise auch hier auf dem Gebiet der Protozoen eine solche Schwierigkeit
sich erheben, wenn auch die bis jetzt bekannten Beispiele eigentlicher
Koloniebildung im Bereich der Rhizopoda sich recht scharf abgrenzen
lassen gegen die Erscheinung der Polythalamie, die wir, wie gesagt, im
allgemein morphologischen Sinne am ehesten mit der Segmentation der
Metazoen zu vergleichen im Stande sind.
10'
148 Ehizopoda.
y. Ueber di e Erscheinung der Encystirung bei den Ehizopoden, oline oder
in Verbindung mit Vermelirung."
Wie bei zahlreichen Protozoen überhaupt, finden wir auch unter den
Rhizopoden (wenigstens denen des süssen Wassers) eine sehr ausge-
sprochene Neigung, sich zu gewissen Zeiten ihres Lebens mit einer durch
selbstthätige Ausscheidung gebildeten Hüllhaut zu umkleiden (die gewöhn-
lich nach Aussen völlig abgeschlossen ist) und in diesem encystirten Zu-
stand längere oder kürzere Zeit ruhend zu verharren, oder noch innerhalb
der Cystenhülle einen Vermehrungsprocess durch Theilung einzugehen.
Wenn nun auch bei den Protozoen eine solche Vermehrung im encystirten
Zustand nicht gerade selten stattfindet (wiewohl gerade die Rhizopoden
hierfür bis jetzt nur wenige Beispiele geliefert haben), so scheint doch in
der Mehrzahl der Fälle der Encystirungsprocess wenigstens ursprünglich
hiebt in directem Zusammenhang mit der Vermehrung gestanden zu haben.
Er scheint im Gegentheil ursprünglich, wie dies auch jetzt thatsächlich
noch häufig der Fall ist, entweder zum Schutz des Organismus gegen
äussere schädliche Einflüsse, wie Austrocknung oder faulige Verderbniss
des Wassers entstanden zu sein, andererseits jedoch auch, um nach reich-
licher Nahrungsaufnahme gewissermaassen in ungestörter Ruhe die auf-
genommene Nahrung assimiliren zu können. Wie schon bemerkt, zeigen
gerade die Rhizopoden nur selten, nach den bis jetzt darüber vorliegenden
Beobachtungen, eine Vermehrung durch Theilung innerhalb der Cysten-
hülle, ja der einzige Fall, der eine regelmässige Fortpflanzung durch
Encystirung anzudeuten scheint, betrifft gerade einen Organismus, dessen
Stellung unter den übrigen Rhizopoden keineswegs völlig gesichert ist,
nämlich die bekannte monere Form, die Häckel'sche Protomyxa.
Betrachten wir zunächst jene Fälle etwas näher, wo bis jetzt wenig-
stens keinerlei Vermehrungsvorgänge in Verbindung mit der Encystirung
beobachtet wurden. Derartige Encystirung scheint unter den nackten und
beschälten Formen des süssen Wassers ziemlich allgemein verbreitet zu
sein, wogegen bis jetzt wenigstens im Bereich der marinen, beschälten
Formen nichts Analoges beobachtet wurde.
Eine Reihe von Beobachtungen liegen über Encystirungsvorgänge bei
Amöben und amöbenartigen Rhizopoden vor, ohne dass jedoch bis jetzt
dieser Vorgang gerade hier in eingehenderer Weise ermittelt worden
wäre. A. Schneider*) will die Encystirung der Amöben (es ist die Rede
von A. diffluens und radiosa) beobachtet haben und schildert den Vor-
gang in der Weise, dass anfänglich die Bildung der Cystenhülle lokal
begrenzt, einseitig beginne, während gleichzeitig noch die amöboide Be-
weglichkeit des Protoplasmakörpers auf der entgegenstehenden Seite sich
äussere. Allmählich wachse schliesslich die Hülle allseitig um die Amöbe
herum. Gegen diese Schilderung hat Auerbach**) vielleicht mit Recht
*) Arch. f. A. u. Ph. 1854.
**) Z. f. w. Z. YII.
Encystirung. (Amöben und Verwandte.) 149
Einsprache erhoben und die Veimuthung geäussert, dass Schneider
möglicherweise durch das eigenthümliche Verhalten einer Form, wie sie
z. ß. Cochliopodium darbietet, getäuscht worden sei. Sicherer dagegen
scheint die Beobachtung des Encystirungsprocesses einer fraglich als
Amoeba Gleichen! Djrd. bezeichneten Form durch Carter.*) Hier bildet
sich bemerkenswerther Weise keine kugelige, sondern eine etwas kegelige,
gewöhnlich kurz gestielte, braune und rauhe Cyste, die mit ihrem zu-
gespitzten Ende oder dem Stielchen, in welches dieses sich fortsetzt, an
fremde Gegenstände festgeheftet ist. Weiterhin haben auch J. Lüders**)
und 'Wallich ***) Encystirungserscheinungen von Amöben beschrieben und
zwar übereinstimmend von solchen Formen, die, nach reichlicher Aufnahme
von Diatomeennahrung, sich nun gewissermaassen zu einer sogen. Ver-
dauungscyste, wie sie hauptsächlich bei den heliozoenartigen Sarkodinen
häufig beobachtet wird, umbildeten. Hierbei wurde nur eine zarte,
z. Th. faltige Cystenhülle entwickelt. Die, nach dem Wiederaustreten der
Amöben, in der Cystenhülle zurückgelassenen Diatomeenschalen gaben
mehrfach Veranlassung zu der Beschreibung sogen. Diatomeencysten,
welche jedoch, wie gesagt, von der Encystirung der Amöben, z. Th. jedoch
auch heliozoenartiger Süsswassersarkodinen herrühren.
Für den amöbenartigen Plakopus ist die Encystirung durch F. E. Schulze
mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit festgestellt worden ; die dünne Cysten-
hülle besitzt hier eine regulär kugelige Bildung und liegt dem eingehüllten
Weichkörper direct auf. Die Bildung geschichteter, kugeliger Cysten
wurde auch von Sorokinf) bei seinem Gloidium constatirt und ihr
Bau ist von besonderem Interesse, weil sich an einer Stelle eine
Einrichtung zum Austritt des encystirten Plasmakörpers findet. Es ist
nämlich nur die äusserste und älteste Schicht der Cyste völlig geschlossen,
während die jüngeren, inneren Schichten au der erwähnten Stelle unter-
brochen sind. An dieser Stelle wird daher in der Cystenhülle ein nach
Innen trichterförmig sich erweiternder Kanal gebildet, der nur durch die
äusserste Cystenschicht geschlossen ist. Durch diesen Kanal verlässt denn
auch der encystirte Körper die Cystenhülle wieder.
Im Bereich der Monothalamia des süssen Wassers scheint die En-
cystirung sehr allgemein verbreitet zu sein, jedoch in mancher Hinsicht
etwas verschieden zu verlaufen. So kann die Encystirung sowohl inner-
halb der Schale, als auch nach Austritt aus derselben vor sich gehen;
es kann sich nur eine einfache oder es können sich mehrfache, successive
gebildete und ineinander geschachtelte Cystenliüllen entwickeln. Für
gewöhnlich encystirt sich der Weichkörper innerhalb der Schale und
unter deren Schutz.
*) A. m. n. li. 2. XVIII. u. 3. XIII.
**) Bot. Zeitung 18. Jahrg. 1860.
***) A. m. n. h. n. XIII.
t) Morph. Jahrb. IV.
]^50 Khizopoda.
Zuweilen tritt sogar ein Theil der Schale selbst mit in die Bildung
der Cystenwandung ein, wenigstens lässt sich der von Archer (108)
beschriebene Encystirungsprocess der Pseudochlamys patella in dieser
Weise auffassen. Hier wird nämlich nicht eine den Weichkörper allseitig
umgebende Cystenhülle abgeschieden, sondern es bildet sich nur eine
uhrglasförmige Umhüllung auf der oralen Seite des Weichkörpers, deren
Ränder mit der Schale verwachsen und die in solcher Weise den Weich-
körper gewissermaassen nach Aussen abkapselt. Ein vielleicht hiermit
vergleichbarer Verschluss der Schalenmündung tritt, wie wir gleich noch
sehen werden, auch bei dem Encystirungsprocess der Gattungen Difflugia
und Eugiypha auf.
Unter den Arcellinen hat Auerbach die Bildung einer einfachen
kugeligen und ziemlich dickwandigen Cystenhülle bei seinem Cochlio-
podium bilimbosum beobachtet. Die Cystenhülle liegt hier dem Thier-
körper ziemlich dicht auf, so dass nur zuweilen eine schmale, helle Zone
zwischen ihm und der Hülle bemerkbar ist. Eigenthümlich erscheint noch
eine die Cystenhülle äusserlich einhüllende, schleimige, feinkörnige Lage.
Wie sich bei diesem Encystirungsprocess die eigenthtimliche eigentliche
Schale des Cochliopodium verhält, ist nicht bekannt.*) Die Bildung
einer einfachen, kugeligen Cyste, wohl auch mit einfacher Hülle,
wurde durch Hertwig und Lesser für Arcella festgestellt; sie liegt hier
innerhalb der Schale dicht der Mündung an. Auch bei gewissen Difflugien,
die jedoch bezüglich ihrer Schalenstructur sich vielleicht näher an die
Gattung Quadrula anschliessen, hat Wallich**) einen Encystirungsprocess
verfolgt; hierbei hatte sich der Weichkörper des Thieres kugelig zusammen-
geballt und in die mittlere Hälfte der Schale zurückgezogen. Die sonst
runde Mündung der Schale war durch Zusammenklappen ihrer Ränder
geschlossen und ausserdem hatte sich innerhalb der Schale, etwas vor
dem zusammengekugelten Thierkörper, ein häutiges Diaphragma gebildet,
wodurch also ein völliger Abschluss des Weichkörpers gegen die Aussen-
welt hergestellt wurde. Bildung einer einfachen kugeligen Cyste wurde
ferner von Cienkowsky bei dem Platoum stercoreum beobachtet, wo dieser
Vorgang hauptsächlich noch desshalb unser Interesse beansprucht, weil er
nicht innerhalb der Schale, sondern, nach Austritt des protoplasmatischen
Körpers, vor oder noch innerhalb der Schalenmündung stattfindet (HI. 17 c).
Auch hier tritt, wie solches oben schon gelegentlich der Gattung Cochlio-
podium angedeutet wurde, noch eine feinkörnige, äusserliche Umhüllung
zu der eigentlichen Cystenkapsel hinzu. Von besonderem Interesse erscheint
*) Auerljacli kam durch fortgesetzte Beobachtungen zu einigen Vermuthungen über
das weitere Schicksal dieser Cysten, mit denen er eine besondere amöbenartige Form, die er
späterhin, als sich zahlreiche leere und aufgesprungene Cysten vorfanden, vielfach beobachtete,
in Zusammenhang bringt; da jedoch die Zugehörigkeit dieser Formen zu dem Entwickelungs-
kreis des Cochliopodium in keiner ^^"eise sicher festgestellt scheint, so gehen wir hier nicht
näher auf diese Beobachtungen und Vermuthungen ein.
**) A. m. u. h. 3. XIII.
Eucystirung. (Mouothalamia.) 151
uns ferner noch die Beobachtung, dass die protoplasmatischen Weichkörper
einer ganzen Kolonie dieser Art zuweilen ausserhalb der Schalen zu einem
einheitlichen Protoplasmakörper zusammenfliessen , der sich dann ganz
wie ein einfaches Individuum zu encystiren vermag. Zur Vervollständigung
unserer Angaben über die Encystirungserscheinungen der hierhergehörigen
Formen, fügen wir noch bei, dass durch Cienkowsky auch für den
interessanten Microcometes einfache kugelige Cystenbildung innerhalb der
Schale festgestellt wurde.
Etwas complicirter gestalten sich die Cystenbildungen bei den jetzt
noch zu erwähnenden Formen, bei welchen durch successive Wiederholung
der Hüllbildung zwei ineinander geschachtelte Cystenhäute zur Entwicke-
lung gelangen. Durch die gesonderte Betrachtung, die wir diesen Vor-
kommnissen zukommen lassen, soll nicht etwa angedeutet werden, dass
wir hierin etwas ganz besonderes sehen, sondern es mögen einfache' und
doppelte Cystenumhtillungen vielleicht sogar bei einer und derselben Form
zuweilen gleichzeitig nebeneinander sich finden, wie solches bei den
Heliozoen z. B. thatsächlich der Fall zu sein scheint. Mit einer solchen
doppelten Cystenhtille sah Cienkowsky die Spindelzellen der merk-
würdigen Labyrinthula sich zuweilen umkleiden, und zwar geht hier dieser
Encystirungsprocess ziemlich gleichzeitig für sämmtliche Individuen eines
Labyrinthula-Aggregates vor sich (I. 8d), und werden alle die Cysten
in eine gemeinsame, ziemlich feste Masse eingehüllt, welche wohl durch
Umbildung der sogenannten Rindenschicht der beweglichen Aggregate
hervorgeht.
Eine doppelte Hüllbildung scheint ferner in der Abtheilung der
Euglyphinen ziemlich allgemein verbreitet zu sein, da sie wenigstens für
Euglypha und Trinema sicher constatirt ist, wogegen bei Cyphoderia
bis jetzt nur eine kugelige Zusammenballung des Weichkörpers in der
Schalenmitte von M. Schnitze und F. E. Schulze gefunden wurde, ein
Vorgang, der wohl ohne Zweifel zur Encystirung führen dürfte.
Bei Euglypha und Trinema ist der Encystirungsvorgang zuerst von
Carter (56), späterhin hauptsächlich von Hertwig und Lesser (99) beobachtet
worden. Der Vorgang ist von den letztgenannten beiden Forschern am
genauesten bei Euglypha alveolata ermittelt worden, die wir daher auch
unserer Schilderung zu Grunde legen. Wie bei Difflugia wird auch
hier zunächst die Schalenmündung durch ein Diaphragma gegen die
Aussenwelt abgeschlossen (III. 12 b, d) und zwar soll dessen Auf bau hier
durch verklebte Fremdkörper, wie Algenfäden, Diatomeen und dergleichen,
zu Stande kommen. Die eigentliche Cyste liegt im Grunde der Schale
und wird zunächst von einer recht ansehnlichen, etwa die Hälfte der
Schalenlänge erreichenden, ovalen Aussenhülle gebildet (b), die interessanter
Weise ganz dieselbe Zusammensetzung aus hexagonalen Plättchen zeigt,
wie die eigentliche Schale. Innerhalb dieser Aussenhülle liegt die kugelige
innere Cystenhülle (c), die den sehr körnigen und daher recht undurch-
152 Rhizopoda.
sichtigen Weichkörper dicht unischliesst. Auch diese Innenhülle ist
nicht völlig glatt und structurlos, sondern äusserlich wie innerlich von
zahlreichen feinen Buckelchen bedeckt, so dass sie auf dem optischen
Durchschnitt ein perlschnurartiges Aussehen besitzt. Bemerkenswerth ist
ferner hauptsächlich noch die Befestigung dieser inneren, kugeligen Cyste
durch einen zarten, homogenen und ziemlich langen Strang (f) in dem
spitzeren, vorderen Ende der Aussenhiille.
Bei der nahe verwandten Gattung Trinema hat Carter die Bil-
dung einer ovalen bis viereckigen, einfach umhüllten Cyste im Schalen-
hintergrund beobachtet; dagegen wurde von Hertwig und Lesser auch
für diese Form die wenigstens zeitweilige Bildung doppelter Cysten-
hüUen wie bei Euglypha ermittelt. Die eigentliche innere CystenhtiUe
soll auch hier kugelig sein, und den sehr körnigen, undurchsichtigen
Weichkörper dicht umschliessen, wogegen die äussere Hülle der Innen-
wand der Schale dicht anliegen, ja vielleicht mit derselben verschmolzen
sein soll.
Unter den amphistomen Monothalamien ist die Encystirung bis jetzt
nur von Cienkowsky (104a) für Diplophrys Archeri constatirt worden.
Auch hier bilden sich zwei zarte, kugelige Cystenhüllen, von welchen die
innere glatt, die äussere hingegen mit zahlreichen bläschenförmigen Aus-
buchtungen besetzt erscheint.
Wenden wir uns nun zu denjenigen wenigen Fällen, wo in Zusammen-
hang mit der Encystirung ein Vermehrungsprocess aufgefunden werden
konnte. Es ist dies bis jetzt nur bei zwei, wie schon früher bemerkt,
bezüglich ihrer verwandtschaftlichen Beziehungen zu den eigentlichen
Rhizopoden etwas unsicheren Formen geglückt. So konnte Cienkowsky*)
feststellen, dass die in der obengeschilderten AVeisc encystirten Spindel-
zellen der Labyrinthula sich durch Viertheilung in der Cyste vermehren
(I. 8 c u. f). Es erfolgt nach einiger Zeit ein Ausschlüpfen der Spröss-
linge, die wohl zu jungen Spindelzellen sich entwickeln, wenngleich dieser
Uebergang nicht direct beobachtet werden konnte.
Etwas abweichend verhält sich der zweite, eventuell hierher zu rech-
nende Fall, der durch Häckel**) bei seiner Protomyxa aurantiaca entdeckt
wurde. Hier scheint die Encystirung sicher zu einem Foripflanzungsact
geworden zu sein, obgleich sich nach den bis jetzt vorliegenden Unter-
suchungen auch nicht mit völliger Bestimmtheit wird verneinen lassen,
dass nicht gelegentlich auch hier Encystirung ohne Vermehrung vor-
kommen möge.
Die Protomyxa bildet nach Häckel's Beobachtungen kugelige, von
einer einfachen, jedoch ziemlich dicken und geschichteten Gallerthülle
*) Arch. f. mikr. A. III.
**) Jen. Zeitschr. IV.
Encystining (mit Vormcliruiig, Protoinyxa). Copulatiou. 153
umschlossene Cysten (I. Ib), unter deren Schutze der eingeschlossene
Protoplasnicakörper durch gleichzeitige Theilnng oder Sprossung (Mono-
sporogonie Häckel's) in zahlreiche (ca. 200) kugelige Theilstücke zerfällt.
Letztere treten durch Platzen der Cyste nach einiger Zeit hervor, ent-
wickeln eine Geissei (Ic) und schwärmen — sehr ähnlich den Zoosporen
der Myxomyceten (ohne jedoch einen Nucleus und eine contractile
Vacuole zu besitzen) — eine Zeitlang umher. Unter Einziehung der Geissei
gehen sie dann in kleine amöbenartige Gestalten über (Id), die entweder
allmählich und direct zu der reifen Form heranwachsen sollen, nicht
selten aber durch Verschmelzung mehrerer ein Plasmodium, ähnlich dem
der Myxomyceten, zu bilden im Stande sind, durch dessen weiteres Aus-
wachsen sich alsdann die entwickelte Form heranbildet.
Ist nun schon die Stellung der Protomyxa unter den übrigen Rhizo-
poden in Anbetracht ihrer allgemeinen Bauweise eine etwas zweifelhafte,
so dürften durch ihre soeben in kurzen Zügen wiedergegebene Fort-
pflanzungsgeschichte diese Zweifel nur noch verstärkt werden und hieraus
vielleicht eine Anreihung derselben an die Myxomyceten als natürlicher
sich ergeben. In Berücksichtigung jedoch, dass unsere Kenntnisse der
Forfpflanzungserscheinungen der Rhizopoden im Ganzen keine sehr ein-
gehenden sind, kann wohl auch nicht in Abrede gestellt werden, dass
nicht doch noch nähere Anknüpfungspunkte zwischen den Fortpflanzungs-
verhältnissen der Protomyxa und denen echter Rhizopoden gefunden werden
dürften.
S. Copulations- und Conjugatiouserscheinungen bei den Rhizopoda.
Wenn auch im Allgemeinen bis jetzt fast keine sicheren Unter-
suchungen über eine Beziehung der Copulations- oder Conjugationserschei-
nungen der Rhizopoda zu einem damit zusammenhängenden Vermehrungs-
process vorliegen, so dass eine Anzahl Forscher, wie Cienkowsky, und auch
Hertwig und Lesser, geneigt sind, überhaupt jeden Zusammenhang dieser
interessanten Vorgänge mit der Fortpflanzung in Abrede zu stellen, so dürfte
sich doch vielleicht bei genauerer Erforschung ein solcher Zusammenhang,
wenigstens in gewissen Fällen, ergeben. Wie die Schwierigkeit der ein-
schlägigen Untersuchungen jedoch von vornherein erwarten lässt, sind
unsere Kenntnisse bezüglich derartiger Vorgänge im Leben der Rhizo-
poden bis jetzt recht beschränkte.
Zunächst finden wir hier, wie auch in anderen Abtheilungen der
Protozoen , völlige, gelegentlich eintretende Verschmelzungen zweier oder
auch mehrerer Individuen zu einem einheitlichen Organismus, und wir
hatten schon oben Gelegenheit, das Vorkommen solcher Verschmelzungen
bei den Gattungen Lecythium und Protomyxa zu erwähnen. Bei letzterer
Form waren es die jugendlichen, amöbenähnlichen Sprössliuge, die häufig
zu zweien oder zu mehreren einen Verschmelzungsprocess eingingen, ohne
dass sich, ebenso wie bei den sich ähnlich verhaltenden Myxomyceten, ein
154 EhizoiJoda.
directer Zusammenhaag dieses Processes mit einer Vermehrungserschei-
nung zeigte. Auch von Amöben ist mehrfach eine solche Ver-
schmelzung zweier oder mehrerer Individuen berichtet worden, so hat
Kühne*) diesen Vorgang bei einer kleinen marinen Amöbe mehrfach
gesehen, das Gleiche wird von Maggi**) berichtet, und auch Carter will
einen jedoch etwas zweifelhaften Conjugationsprocess bei seiner Amoeba
radiosa Djrd. (die jedoch, wie er später bemerkt, wohl eher zu Cochlio-
podium gehört) beobachtet haben.***) Häufig scheint jedoch ein Copulations.
process bei den Amöben nicht stattzufinden, da man so vielfach Gelegen-
heit hat, Amöben in dichtester Berührung aneinander hinkriechen zu
sehen , ohne dass eine Verbindung zwischen ihnen hergestellt würde.
Auch bei den Monothalamien des süssen Wassers sind VerschmelzungS"
processe mit Sicherheit constatirt worden, jedoch scheint es sich hier in
den meisten Fällen nicht um eine dauernde, völlige Verschmelzung der
beiden Weichkörper zu handeln, sondern um eine vorübergehende, zeit-
weise Vereinigung, die wir daher zum Unterschied von der völligen Ver-
schmelzung oder Copulation, nach Analogie mit den ähnlichen Vorgängen
bei den Infusorien, als Conjugationsprocess bezeichnen. Wie bei letzteren
Formen haben auch hier diese Vereinigungen häufig zu der Vorstellung
einer wirklichen geschlechtlichen Vermischung, eines Austausches wahrer
Geschlechtsprodukte, Veranlassung gegeben, wie weiter unten noch näher
erörtert werden wird. Andererseits hat man auch die Conjugations-
erscheinungen der Monothalamien ganz in Abrede stellen wollen, nament-
lich gestützt auf die schon früher erwähnten Theilungs- und Häutungs-
erscheinungen der Arcella, wobei die beiden Schalen, die alte tiefbraune
und die neugebildete, noch schwach gefärbte, eine ähnliche Stellung zu
einander besitzen, wie sie auch die in Conjugation befindlichen Thiere
annehmen. Hierauf gestützt glaubte man die Conjugationserscheinungen
der Monothalamia wenigstens grossentheils als solche Theilungs- oder
Häutungserscheinungen ansprechen zu dürfen.
Es unterliegt nun aber keiner Frage, dass auch wirkliche Conjugations-
erscheinungen solcher Formen und speciell auch der Arcellen sich finden.
Die Conjugationszustände der Monothalamien bieten sich gewöhnlich in
der Weise dar, dass zwei Thiere sich mit den Mündungen ihrer Schalen
gegeneinander stellen, wobei gewöhnlich die Mündungsöfifnungen dicht
aufeinander gepresst werden, während die beiderseitigen Weichkörper in
*) unters, über das Protoplasma etc. 1864.
**) Kendic. d. E. Istit. Lomb. IX. p. 436.
***) Einen zweifelhaften Conjugationszustand hat GreefF bei seiner Amphizonella violacea
beobachtet. Die von Tätern (Monthl. m. journ. VI.) angeblich gesehenen Conjugationszustände
von Amöben sind jedenfalls ganz unbeweisend. Derselbe glaubt nämlich aus dem Verlauf
der Strömungserscheinungen im Protoplasmaleib gewisser Amöben ihren Hervorgang aus der
Verschmelzung zweier Individuen erschliessen zu können. Es sind jedoch diese Strömungs-
erscheinungen keine anderen als die schon früher geschilderten, normalen einer einfach hin-
flicssenden Amoeba.
CoiJuIatioii und Coiijugatioii. . 155
Verschmelzung treten, so dass das Protoplasma in strömender Bewegung
von der einen nach der anderen Schale beobachtet wird.
Derartige Coujugationsformen sind schon von Cohn*) für Arcella
vermuthet worden, jedoch hatte er es wohl sicher mit den erwähnten
Theilungszuständen zuthun; späterhin hat Bütschli**) unzweifelhafte Con-
jugationszustände bei dieser Gattung beobachtet und nicht nur zwei, son-
dern auch drei Thiere in eigenthümlicher Weise zusammengelagert und
durch directe Verbindung ihrer Plasmakörper in Conjugation angetroffen.
Sehr häufig wurden solche Verbindungen auch bei Difflugia beobachtet***)
und von Carter f) z. B. mit geschlechtlicher Fortpflanzung in Beziehung
gebracht; auch Archer ff) hatte häufig Gelegenheit, die Conjugations-
erscheinung bei Difflugia zu beobachten und hält diesen Vorgang seiner
Häufigkeit wegen für recht bedeutungsvoll. Auch er wurde durch seine
Beobachtungen dazu geführt, die Ansicht zurückzuweisen, dass es sich
hier vielleicht um einen Knospungs- oder Theilungsprocess handeln könne.
Wir haben ferner noch Kenntniss von dem gleichen Process erhalten
durch Carter für Euglypha,ttt) durch Archer und F. E. Schulze für
Pseudodifflugia; durch letzteren Forscher für Cyphoderia wie Hertwig und
Lesser für Trinema. Gabriel beobachtete Conjugation zweier Thiere mit
nachfolgender Trennung bei Platoum (seinem Troglodytes). Hieraus
scheint jedenfalls hervorzugehen, dass es sich hier um eine Erscheinung
von sehr allgemeiner Verbreitung handelt. Zweifelhafter dagegen ist es,
ob wir auch den marinen Mono- und Polythalamien solche Conjugations-
erscheinungen zuschreiben dürfen. Die einzige Beobachtung, welche sich
in dieser Hinsicht vielleicht aufführen lässt, ist die alte Angabe von
Gervais,*!), der Milioliden vor der Erzeugung einer jungen Brut zu
zweien aneinanderhängend getroffen haben will.
Von inneren Veränderungen im Plasmaleib der conjugirten Thiere
ist mit Sicherheit bis jetzt nichts bekannt geworden, namentlich ist das
Verhalten der Zellkerne hierbei sowohl, als auch bei den Verschmelzungs-
erscheinungen, die früher schon erwähnt wurden, völlig unbekannt. Dass
auch bei den Monothalamien derartige Copulationsvorgänge sich zu er-
eignen vermögen, daran sei hier nachträglich nochmals durch die Hin-
weisung auf die schon oben erwähnten Verschmelzungserscheinungen der
*) Z. f. w. Zool. IV.
**) Arch. f. m. Anatomie Bd. XL
***) Schon der erste Entdecker der Difflugia, Ledere (1815), beobachtete solche mit
ihren Mündungen zusammengelagerte Exemplare der Difflugia spiralis und hielt sie für
Begattungszustände. Auch Cohn liat ^1. s. c) derartige Conjugationszustände bei Difflugia
aufgefunden.
t) A. m. n. h. 3. XIL
ft) Qu. journ. micr. sc. VI.
ttt) Carter hat auch schon bei Arcella wie Euglypha die Vereinigung von .5—4 Indi-
viduen beobachtet (56 u. 75).
*t) Compt. rend. 1847. p. 467.
156 Rhizopoda.
Weichkörper einer ganzen Kolonie von Platoum zur Bildung einer Cyste
erinnert.
Was die Trennung der conjugirten Monothalaniien nach vollzogenem
Conjugationsprocess betrifft, so scheint gewöhnlich jedes der beiden oder
der in grösserer Zahl zusammengetretenen Individuen seinen Antheil am
Protoplasmaleib wieder mitzunehmen, indem sich die Verbindung zwischen
den Einzelindividuen löst. Immerhin erscheint es jedoch auch nicht un-
möglich, dass in gewissen Fällen der Leib des einen Thieres völlig mit
dem des anderen verschmilzt und, nach Trennung der beiden Schalen,
die eine leer zurückgelassen wird (wobei es sich dann also eigentlich
um Copulation handelte).
f. Kurze üebersicht der Versuche, eine geschlechtliche Fortpflanzung
der Rhizopoda nachzuweisen.
Obgleich im Ganzen bis jetzt nur wenig sichere Anzeigen dafür
sprechen, dass die im vorhergehenden Abschnitt beschriebenen Copulations-
und Coujugationserscheinungen in eine directe Analogie mit dem Copu-
lationsvorgang gebracht werden dürfen, wie ihn die Ei- und Spermazelle
der Metazoen im Befruchtiingsact darbieten, so darf dieser Gesichtspunkt
doch nicht aus dem Auge gelassen werden und erneute und erweiterte
Forschungen mögen wohl noch sicherere Anhaltspunkte zu einer solchen
Vergleichung liefern. *) In diesem Sinne lässt sich daher möglicher-
weise von einer geschlechtlichen Fortpflanzung der Rhizopoda wohl reden.
Daneben haben sich jedoch eine Reihe von Bestrebungen geltend gemacht,
die darauf hinzielten, bei den Rhizopoden geschlechtliche Fortpflanzungs.
verhällnisse zu erweisen, die sich in einem viel engeren Sinne jenen der
Metazoen anschlössen, wobei nämlich innerhalb des Rhizopodenleibes
Geschlechtsprodukte in ähnlicher Weise wie bei den Metazoen, also Ei-
und Samenzellen, hervorgebracht werden sollten, durch deren Vermischung
oder Aufeinanderwirkung der Fortpflanzungsact zu Stande käme. Die in
dieser Richtung angestellten Versuche waren ohne Zweifel einmal wesent-
lich bedingt durch die lange Zeit unklare Vorstellung von dem morpho-
logischen Werth des Rhizopodenorganismus überhaupt, was es nicht un-
plausibel erscheinen Hess, in der Voraussetzung eines näheren Anschlusses
an die Metazoen, auch eine Gleichheit in den Fortpflanzungsverhältnissen
zu constatiren. Andererseits waren sie jedoch wohl auch wesentlich be-
einflusst durch den anscheinend sehr sicheren Nachweis derartiger Vor-
gänge bei anderen Protozoenabtheilungen, namentlich den Infusorien.
*) Jedoch sind directe Beziehungen eines Conjugations- od'er Copulationsactcs zu nach-
folgender Vermehrung durch Theilung oder Knospung nicht mit hinreichender Sicherheit
erwiesen. Abgesehen von der weiter unten zu berührenden, unsicheren, älteren Angabe von
Gervais für marine Rhizopoden, liat neuerdings Bütschli die früher geschilderte Knospenfort-
pflanzung der Arcella mehrfach auf vorhergehende Conjugation erfolgen sehen, wenngleich
auch hieraus noch nicht auf einen stetigen Zusammenhang dieser beiden Vorgänge geschlossen
werden darf.
Sogen, gcsclilcclitl. Fortpfl. (Amöben.) 157
Wir dürfen hier jedoch wohl mit Sicherheit aussprechen, dass es bis
jetzt in keinem Falle geglückt ist, den versuchten Nachweis für die
Rhizopoden zu führen; sondern dass die Beobachtungen, worauf sich die
betreffenden Auffassungen hauptsächlich gründeten, theils viel zu lücken-
haft sind, um als Beweise für eine derartige Lehre gelten zu können,
theils sich jedoch in wesentlich anderer Weise erklären lassen.
Es ist schwierig, diese hauptsächlich von Carter in England und
Greeif in Deutschland vertretene Auffassung und ihre Beweisgründe hier in
Kürze zu schildern. Wir wollen dies jedoch so kurz wie möglich ver-
suchen, da ein längeres .Verweilen bei diesen, nach unserer wie Hertwig's
Ansicht, irrthümlichen Deutungen wohl kaum gerechtfertigt wäre. Eine
Schwierigkeit erwächst unserer Darstellung noch daraus, dass es keines-
wegs leicht ist, die z. Th. schwankenden Darstellungen der angeführten For-
scher, hauptsächlich diejenigen Carter's, richtig zu verstehen und in kurzen
Ausdrücken wiederzugeben. Die thatsächlichen Beobachtungen sind aus-
I schliesslich Süsswasserrhizopoden entnommen, und vorzugsweise an Amoeba,
Arcella, Diftlugia und Euglypha angestellt worden. Es hatte sich durch
die Beobachtungen Carter's*) ergeben, dass bei Amoeba an Stelle des
einfachen Nucleus zuweilen zahlreiche kleinere kugelige, bläschenförmige
Körperchen auftreten, die einen granulirten Inhalt aufwiesen. Bei Amoeba
Gleicheni (?) und radiosa Duj. (?), wo Carter zuerst diese Beobachtung
machte, glaubte er sich davon überzeugt zu haben, dass die Entwickelung
der Bläschen durch einen successiven Theilungsprocess des Nucleus vor
sich gehe. Die Inhaltskörnchen der Bläschen werden nun hier, zwar mit
einiger Reserve, als Spermatozoidien bezeichnet und auch angegeben,
dass diese vermeintlichen Spermatozoidien zuweilen aus ihren Bläschen
hervortreten und durch das Protoplasma der Amöben zerstreut angetrotfen
werden. Ausserdem wird jedoch bei den gleichen Amöben auch die Ent-
wickelung ei-artiger, zellenähnlicher Körper im Plasma beschrieben, von
welchen jedoch nur eine sehr unvollständige Darstellung gegeben wird.
^ Nach der Beschreibung und Abbildung dieser ei artigen Körper bei Euglypha
haben sie ganz die Bildung kleiner, bläschenförmiger Zellkerne mit ziem-
lich ansehnlichem, dunklem Nucleolus.
In den späteren Abhandlungen Carter's wird der körnchenführenden
Spermatozoenkapseln der Amöben gar nicht mehr gedacht, sondern es
werden schon 1857 bei Amoeba verrucosa die ganz entsprechenden
^ körnchenführenden Bläschen (granuliferous cells) als Eier bezeichnet. Bei
Amoeba princeps werden dann schliesslich 1863 dieselben Gebilde, die
! auch hier durch successive Theilung des grossen einfachen Nucleus ent-
stehen sollen, als Fortpflanzungszellen betrachtet, ohne dass jedoch Carter
anzugeben im Stande wäre, wie die Entwickelung einer jungen Amöben-
brut aus diesen angeblichen Fortpflanzungszellen zu Stande komme.
*) Vergl. hierüber 50, 75, ferner A. m. n. li. 3. Xlt. XY.
158 Eliizoi30tla.
Höchstens Hesse sich in dieser Hinsicht eine Beobachtung Wallich's*) ver-
werthen, der gleichfalls diese vermeintlichen Fortpflanzungszellen bei der-
selben Amöbe gesehen hat, jedoch auch die Ausstossung kleiner Amöben
aus einer Amoeba princeps beobachtet haben will. Wir haben nun schon
oben bei Gelegenheit der Besprechung der Kernverhältnisse der Rhizo-
poden Gelegenheit genommen, darauf hinzuweisen, dass die angeführten
Fortpflanzungszellen der Amöben, Eier sowohl wie vermeintliche Spermato-
zoenkapseln, wohl nichts weiter sind, als die kleinen Nuclei eines vielkernigen
Zustandes, wie er ja bei Amöben und Rhizopoden überhaupt, häufig vor-
zukommen scheint, wobei wir es als eine offene, da bis jetzt noch durch
keine sicheren Beobachtungen erwiesene, Frage betrachten, ob diese
zahlreichen kleinen Kerne sieb durch successive Theilung aus einem ur-
sprünglichen einfachen Kern entwickeln, wie es die mitgetheilten Beob-
achtungen Carter 's und Wallich's angeben. Noch eine weitere vom Nucleus
ausgehende Bildung von Fortpflanzungskörpern sucht jedoch Carter für
die Amoeba princeps wahrscheinlich zu machen. Zuweilen soll der ein-
fache Nucleus sich vergrössern und eine sehr deutlich granulirte Be-
schaffenheit der nucleolaren Substanz annehmen. Nach Carter's Vermuthung
hätten wir es hier dann mit einem zu einer Art Brutkapsel umgebildeten
Kern zu thun; die Inhaltskörner desselben würden vermuthlich nach
einiger Zeit entleert werden und nach vorübergehender Annahme eines
flagellatenartigen Stadiums sich zu jungen Amöben entwickeln.
Letztere Ansicht von der Bedeutung des Nucleus als einer Art von
Fortpflanzuugsorgan glaubt auch Greeff**) durch seine Untersuchungen
an Amoeba terricola bestätigt gefunden zu haben. Auch hier soll sich
der Nucleusinhalt — ursprünglich ein einfacher, ansehnlicher Nucleolus***)
— durch allmählichen Zerfall zu einer grossen Zahl rundlicher Körper ent-
wickeln, die nach erlangter Reife in das Protoplasma der Amöbe entleert
werden sollen — ein Vorgang, der jedoch nicht durch directe Beobachtung
festgestellt, sondern nur durch die Anwesenheit ähnlicher Körperchen im
Protoplasma der Amöben wahrscheinlich gemacht wurde. Zuweilen sollen
sich auch Amöben finden, die ganz erfüllt von solchen Körperchen sind
*) A. in. n. h. 3. XL
**) Aelmliclie Anschauung-cn über die Fortpflanzung der Amöben entvrickelt auch
Wallicli. Nach ihm (vergl. haupts. A. m. n. h. 3. XII. p. 448) soll dieselbe sich in dreierlei
Weise, abgesehen von einfacher Theilung oder Knospung, vollziehen. Nämlich einmal durch
directes Lebendiggebären lileiner, schon vollständig entwickelter Amöben. Zweitens durch
Entwickelung der von ihm Sarcöblasten genannten Inhaltskörner des Amöbenleibes (nach
unserer Deutung kleine, in grösserer Zahl vorhandene Zellkerne) zu jungen Amöben, mit oder
ohne gleichzeitige Encystirung des Mutterkörpers, und schliesslich drittens durch Zerfall der
sogen. Sarcöblasten in die sie constituirenden Körner und durch Entwickelung dieser zu jungen
Amöben. Das Auftreten der sogen, Sarcöblasten während des encystirten Zustandes lässt
meiner Ansicht nach, bei Berücksichtigung der Abbildungen Wallich's, auch die Annahme zu,
dass hier möglicher Weise ein Zerfall des encystirten Amöbenkörpers in eine grössere Anzahl
Theilsprösslinge vorgelegen habe.
***) Arch. f. mikr. Anat. IL
Sogen, gcschlcclitl. Fortpfl. (Amöben, Monothal.) 159
und des Nucleus entbehren. Die Weiterentwickelung dieser Fortpflanzungs-
körpereben erfolge jedocb nicht in dem Muttertbier, sondern erst nach
Entleerung derselben. Die allmähliche Hervorbildung junger Amöben aus
derartigen Körperchen wird denn auch von Greeff geschildert; zuerst soll
ein als heller Fleck erscheinender Kern und hierauf eine contractile
Vacuole kenntlich werden. Wie aus dieser kurzen Schilderung hervor-
geht, fehlt dem wirklichen Nachweis eines solchen Entwickeiungsgauges
die Beobachtung sehr wichtiger Uebergangsstadien und glaube ich wohl
vermuthen zu dürfen, dass der oben geschilderte Zustand mit zahlreichen
solchen Fortpflanzungskörperchen, bei fehlendem Nucleus, sich vielleicht
auch als ein Stadium mit sehr zahlreichen kleinen Kernen erweisen
dürfte. *)
Wie schon bemerkt, hat jedoch Carter auch bei beschälten Süss-
wasserformen einen ähnlichen Fortpflanzungsprocess nachzuweisen ver-
sucht. Zunächst bei Euglypha. Hier sollen sich in der Nucleusgegend,
ohne dass jedoch eine Herleitung von dem Nucleus selbst zu beobachten
war, dieselben Spermatozoidien führenden sogen. Körnchenzellen ent-
wickeln , während sich in anderen , zum Theil jedoch auch denselben
Individuen, ei- ähnliche Zellen (sehr kernähnlich) hervorbilden sollen;
letztere, wie auch bei Amoeba ursprünglich behauptet wurde, ohne Be-
ziehung zu dem Nucleus. Dass die angeblichen Geschlechtsprodukte
während des Conjugationsactes ausgetauscht würden, wie es als Carter's
Ansicht mehrfach angegeben wurde, scheint mir nicht aus seinen Angaben
hervorzugehen. Dagegen scheint er bei Euglypha die Entwickelung der
sogen. Spermatozoidenkapseln von vorhergehender Conjugation abhängig
zu machen, wie er ähnliches späterhin auch für Difflugia angab.
Fraglicher wie bei Amöben erscheint hier bei Euglypha die Bedeutung
jener sogen. Samenkapsel- und ei-ähnlichen Körperchen, von welchen er
die letzteren in ähnlicher Weise auch bei Trinema (56) und Arcella
(75. Xni.) beobachtet hat. Für letztere Form scheint es wohl kaum
zweifelhaft, dass es sich um Kerne gehandelt hat, von denen Carter Arcella
*) Auch bei der interessanten Pelomyxa glaiibt GreefF (A. f. mikr. A. X.) einen ähn-
liclien Fortpflanzungsprocess wahrscbeinlich gemacht zu liaben. Hier sollen die aus den Kernen
hervorgetretenen Keimliörner zunächst, wie schon früher mitgetheilt wurde, zu den eigenthüm-
lichen Glanzkörpern werden. Da er nun gelegentlicli zahlreiche kleine Amöben aus einer
Pelomyxa hervorbrechen sah, so glaubt er die Glanzkörper jedenfalls als die Sporen der Pelo-
myxa betrachten zu dürfen, wenn auch ihr directer Zusammenhang mit den erwähnten kleinen
Amöben , die sich z. Th. nach ihrem Hervortreten zu kleinen Flagellaten umbildeten , nicht
sicher erwiesen sei. Sporenartige Gebilde, jedoch mit deutlicher Hülle und mit Zellkern
führendem protoplasmatischem Inhalt, habe ich bei Pelomyxa beobachtet, ohne jedoch ihre
Weiterentwickelung verfolgen zu können. Auch Str. Wright sucht eine vom Nucleus aus-
gehende Fortpflanzung bei seiner amöbenartigen Boderia nachzuweisen. Der Protoplasmakörper
soll nach vorhergehendem Verschwinden der Nuclei in eine grosse Zahl von navicula-artigen
Körperchen (die den Pseudonavicellen der Gregarinen verglichen werden) zerfallen und jedes
dieser sich nach einiger Zeit zu einer kleinen Amöbe entwickeln , defen weiteres Yerhalten
nicht erkannt wurde (s. Journ. Anat. a. Phys. I. 1867).
1Q[) Eliizo23oda.
höchstens zwei zuschreibt. Für Euglypha und Trinema scheint mir die
Entscheidung unsicherer, da neben den erwähnten Körperchen gewöhnlich
noch ein ansehnlicher Nucleus beschrieben wird und Hertwig und Lesser
die sogen. Körnchenzellen gleichfalls gesehen zu haben angeben, ohne
über ihre Natur ins Klare gekommen zu sein.
Auch über Difflngia liegen ähnliche Beobachtungen Carter's vor.
Hier soll der Conjugationsact gleichfalls die Einleitung zur Entwickelung
der Geschlechtsprodukte sein. Nach der Trennung entwickeln sich zahl-
reiche Kügelchen im Nucleus und es schwinden die Chlorophyll- und
Stärkekörner. Hierauf sollen sich die in das Protoplasma ausgetretenen
Nucleuskngelchen zu granulirteu Körperchen, den Fortpflanzuugszellen,
entwickeln. Der Nucleus erscheine hierauf sehr erschöpft (effete). Eine
directe Weiterverfolgung dieser Fortpflanzungskörperchen gelang nicht,
dagegen glaubt er dieselben als kleine Flagellaten, die in der Umgebung
seiner Difflugien auftraten, wieder gefunden zu haben und verfolgte
schliesslich noch deren üebergang in Amöben.
Durch spätere Beobachtungen hat er jedoch seine Ansicht über die
Entwickelung der Geschlechtsprodukte der Difflugien sehr modificirt. Er
fand nämlich bei seiner Difflugia compressa grosse, sogen. Fortpflanzungs-
körper neben dem Nucleus im Protoplasma und glaubt daher jetzt, dass
dieses die weiblichen Elemente seien , während die früher beobachteten,
kleinen granulirten Körperchen wohl männliche, befruchtende Elemente
darstellten.
Wir haben über letztere, wie aus den obigen Angaben hervorgeht, sehr
schwankenden Beobachtungen und Deutungen kaum zu bemerken, dass
es in hohem Grad zweifelhaft erscheint, ob hier wirkliche Fortpflanzungs-
erscheinungen vorliegen. Ob auch hier nicht vielkernige Zustände zu den
vermeintlichen Deutungen Veranlassung gegeben haben, müssen wir vorerst
dahin gestellt sein lassen.
Ein Zerfall des Kernes in sporenartige Kügelchen, ähnlich wie es
Greeff und Carter für gewisse Amöben geschildert haben , wird auch
von E. Bück*) als Fortpflanzungsact des Platoum beschrieben und die
directe Entwickelung solcher Sporen zu der ausgebildeten Form zu er-
weisen gesucht. Auch für Arcella sucht derselbe Forscher einen ähnlichen
Fortpflanzungsprocess wahrscheinlich zu machen.**)
Ganz abweichend von allen übrigen seither bekannten Fortpflanzungs-
erscheinungen der Rhizopoden wäre nach Gabriel's Untersuchungen die
Vermehrungsart seines Troglodytes zoster (Wohl identisch mit der Platoum
stercoreum Cienkowsky's). Wir versuchen in einer Anmerkung das
Wesentliche dieses vermeintlichen Fortpflanzungsactes wiederzugeben,
*) Z. f. w. Z. XXX.
**) Die Ausbildung zalilreiclier körnchenartiger Sporen will Maggi auch hei gewissen
Amöben beobachtet haben und glaubt, dass die von ihm einmal gesehene Copulation seiner
Amöben die Einleitung zu dem Sporenbildungsprocess darstelle. (Kendic. d, K. Istit. Lomb.
IX. p. 436.)
Wobnortsverliältnisse. 161
müssen jedoch gestehen, dass wir den ganzen Process für sehr unwahrschein-
lich halten und die Vermuthung nicht unterdrücken kijnnen, dass Gabriel
durch postmortale Zeifallsvorgänge, sowie durch Entwickehmg von Schizo-
myceten getäuscht wurde.*)
7. Bioloo'ische Veiiiältiiisse der Rhizopodii , soweit dieselben im Voraii-
steliendeu noch keine eiii<>'eliendere Beaclitung erfahren haben.
«. Wohnorts Verhältnisse.
Die wahre ursprüngliche Heimath der Rhizopoda sind die Gewässer,
und zwar sowohl die süssen als die salzigen. Es erscheint hier zwecklos,
noch besonders auf den Reichthum der fliessenden und stehenden Gewässer
des Binnenlandes, wie der verschiedenen Meere an unseren Rhizopoden
aufmerksam zu machen. Was zunächst die specielleren Lebensverhält-
nisse der Süsswasserformen betrifft, so treffen wir dieselben einmal im
Bodensatz, im Schlamm, an — dieser bildet sogar für einen Theil, wie
die Amöben und amöbenartigen unbeschalten Formen, die eigentliche
Heimath — wogegen zahlreiche beschalte Formen mit Vorliebe auch auf
Steinen und Wasserpflanzen herumkriechen, ja z. Th. auch, wie dies
wenigstens für die Arcellen und Difflugien nachgewiesen ist, sich vorüber-
gehend, mit Hülfe der früher erwähnten Gasentwickelung, an die Oberfläche
der Gewässer zu erheben vermögen. Nur wenige Formen jedoch scheinen
sich dauernd oder doch zuweilen in fauligen Infusionen zu entwickeln
und unter diesen sind hauptsächlich kleinere Amöben zu erwähnen, wo-
gegen kleinere Monothalamien nur selten unter solchen Verhältnissen
auftreten.
Nicht selten hat man jedoch Gelegenheit zu beobachten, dass Formen,
deren eigentliche Heimath jedenfalls die süssen Gewässer noch sind oder
*) Der dem Platoum von Gabriel zugeschriebene Fortpfianzungsvorgang lässt sich kurz
dahin resümiren: 1) Zwei Thiere conjugiren sich vorübergehend; trennen sich hierauf und
alsdann tritt 2) eine Auflösung der Körnchen der früher von uns schon erwähnten, mittleren
Körnchenzone (des sogen. Zoster Gabriel's) ein ; 3) treten in der Leibesmasse zahlreiche feine,
runde Körperchen auf, die sehr lebhafte Bewegungen zeigen und unter Nachlassen der
Bewegung allmählich schwinden. Diese Körperchen werden als Befruchtungskörperchen be-
zeichnet, ohne dass hierfür ein ersichtlicher Grund vorhanden ist. 4) Bildet sich in der
Leibesmasse, die jetzt Keimmasse genannt wird, eine feine Körnelung aus, welche an Chagrin-
papier erinnert, und daher als Chagrin bezeichnet wird. Diese Masse ballt sich hierauf etwas
zusammen und wird allmählich durch Zerfall der Schale frei. Bei anderen Ehizopoden soll
diese Chagriumasse sich nur aus einem Theil der Leibesmasse entwickeln. 5) Die einzelnen
Chagrinkörnchen sind die Keime des Troglodytes. Sie lösen sich durch Zerfall der Masse
los und wachsen allmählich heran, erhalten eine ovale Form und eine contractile Vacuole und
werden daher als Monostigmaform bezeichnet. 6) Je zwei solcher Monostigmen verschmelzen,
zunächst nur theilweise, mit ihren Hinterenden und bilden so die sogen. Diplostigmaform.
7) Diese bildet sich nun durch allmähliches Wachsthum, Auftreten der sogen. Zosterkörnchen
und eines Kernes, und schliessliches völliges Verschmelzen der Vorderenden, sowie Bildung
einer Schale, zu dem Troglodytes aus.
Broun, Klassen des Tliier-rieichs. Protozoa. 1]
162 Ehizopoda.
doch früher waren, ausserhalb derselben an Orten, wo ihnen unr ge-
nügende Feuchtigkeit geboten wird, ihr Leben fristen. Am auffallendsten
dürfte dies für die nnbeschalten Formen erscheinen, jedoch bietet das
ähnliche, ja noch auffallendere Verhalten der Plasmodien der Myxo-
myceten ganz entsprechendes dar.
So treffen wir Amöben in feuchtem Sand oder Moos von Bäumen
und zwar sowohl am Fnsse solcher als in ziemlicher Höhe über dem
Erdboden an. Schon Duj ardin *J hat sich von solchen Vorkommnissen
überzeugt und Greeff**) hat später eine ganze Reihe Amöben, sowie die
interessante Amphizonella in feuchtem Sande gefunden, mir selbst gelang
es, dieselben Formen im feuchten 3Ioos eines Daches nachzuweisen.
Ganz dieselben Erscheinungen bieten uns jedoch auch die beschälten
Formen dar, auch von diesen hat schon Dujardin Arcella, Difflugia, Euglypha
imd andere im Baummoos aufgefunden: auch Ehrenberg hat sich vielfach
mit solchen Untersuchungen beschäftigt, so schon 1848 *** i das Vorkommen
lebenskräftiger Exemplare von Arcella. Euglypha, Lecythium und Dif-
fiagia (?) im Dachrinnensand erwiesen, dann namentlich seine Studien
auch auf das in beträchtlicher Höhe über dem Erdboden an Bäumen
wachsende Moos ausgedehnt f/ und auch hier in seinen zahlreichen Ab-
handlungen das Vorkommen von Monothalamien vielfach nachgewiesen,
obgleich es sich hierbei wohl meist um leere, todte Schalen handelte. In
neuerer Zeit hat sich auch Leidyft) in Nordamerika mit der Unter-
suchung ähnlicher Verhältnisse beschäftigt und Difflugia, Euglypha und
Trinema unter entsprechenden Verhältnissen gleichfalls lebenskräftig an-
getroffen. Dass es sich in diesen Fällen meist um Formen handelt, die
durch Winde im encvstirten oder zum Theil vielleicht auch nicht en-
cystirten Zustand gewissermaassen verschlagen wurden, dürfte keinem
Zweifel unterliegen.
In dieselbe Kategorie dürfen wir vielleicht auch die von Cienkowsky
auf Pferdemist beobachtete Diplopbrys stercoreum und das unter ähnlichen
Verhältnissen getroffene Platoum stercoreum, sowie den jedenfalls zur
gleichen Gattung gehörigen, von Gabriel in feuchter, mit thierischen Ex-
crementen durchsetzter Erde gefundenen sogen. Troglodytes rechnen, deren
nächste Verwandte ja das süsse "Wasser bewohnen.
Wenden wir uns jetzt zu einer etwas näheren Betrachtung der marinen
Formen, so haben wir zunächst die relativ recht scharfe Abgrenzung
derselben von denen des süssen Wassers hervorzuheben. Im Ganzen
scheinen nur sehr wenige Geschlechter gleichzeitig im süssen und Salz-
wasser vertreten zu sein. Unter diesen ist zunächst der proteischen
*) Ann. d. sc. nat. 3. sex. T. IS.
**) Arch. f. mür. Anat IL
***) Monatsber. d. Berliner Aiad. 1S4S.
t) Ebendaselbst u. M. d. Berliner Akad. 1S49, sowie AbbandL d. Berl. Atad. 1ST2.
fr) Proc. acai Pbilad. HL IST 7.
Laudlebeiule, ßraclwasscrformen etc. I(j3
Gattung- Anioeba zu gedenken, von der ich mit Entz*) wohl annehmen
möchte, dass sie mit identischen Arten in beiden Gebieten vertreten ist,
jedenfalls aber auch im Meer ein häufiges Vorkommen besitzt. Aehnlich
scheint sich nur noch Gromia zu verhalten , die Meeres- und Süsswasser-
formen, ja identische Arten in beiden Eegionen aufweist.
Da jedoch eine Reihe von Meeresformen im Stande ist, eine Vermin-
derung des Salzgehaltes bis zu gewissem Grad zu ertragen, umgekehrt
dagegen gewisse Siisswasserformen sich an etwas gesalzenes Wasser zu
gewöhnen vermögen, so sehen wir solche Meeres- und Siisswasserformen
sich in brackischen Gewässern z. Th. begegnen und vermischt leben. So
haben die Untersuchungen von Brady und Robertson (89) ergeben, dass
in den brackischen Gewässern Grossbrittanniens mehr als ein Drittel der
überhaupt vorhandenen marinen Rhizopodengeschlechter vertreten sind
und die fehlenden Genera sind z. Th. überhaupt sehr selten oder
zweifelhaft. Eine Reihe der gelegentlich vertretenen Formen ist je-
doch recht selten, wogegen andere in beträchtlichem Reichthum vorhanden
sind. Einige Formen setzen sich sogar bis in Gewässer fort, die zeit-
weise nur Spuren von Salz enthalten (so Quinqueloculina, Trochammina,
Lituola, Truncatulina, Rotalia, Polystomella und Nonionina), ja die beiden
letzterwähnten Geschlechter gehen sogar in reines Süsswasser über. Da
gewisse Difflugien auch noch in schwach gesalzenes Wasser hinein-
gehen, so treten sie gelegentlich untermischt mit echten Meeresformen auf.
Aehnlich hat auch Siddall (114) Difflugien mit Gromia oviformis und
Polystomella striatopuuctata gemeinschaftlich lebend im brackischen Wasser
des Dee angetroffen. Der gleiche Beobachter führt nicht weniger als
62 marine Arten aus dem Brackwasser des erwähnten Flusses auf, doch
scheint es mir nicht ganz sicher, ob diese Arten sämmtlich auch wirkliche
Bewohner des Brackwassers sind, da die meisten nur als todte Schalen
gefunden wurden; die gleiche Bemerkung muss jedoch auch bezüglich
der Untersuchungen von Brady und Robertson gemacht werden.**)
Was nun die Lebensweise der marinen Rhizopoden betrifft, so wissen
wir von früher, dass ein Theil derselben direct festgewachsen, dauernd
seinen Standort auf Steinen, Korallen, Muschelschalen, Seepflanzen etc.
beibehält; wir brauchen hier nur an die Geschlechter Carpenteria, Poly-
trema, Nubecularia und eine Reihe sandschaliger Formen zu erinnern, die
exquisite Beispiele dieses Verhaltens darbieten. Eine grosse Zahl anderer
Formen hingegen, die sich vorzugsweise in littoralen Regionen entwickelt
zeigt, sucht sich gleichfalls einen Wohnort an Seepflanzen, Polypen-
stöckchen und dergleichen, ohne sich jedoch dauernd zu befestigen, son-
dern nur vermittels der Pseudopodien sich festhaltend und hinkriechend.
Hierher zählen namentlich zahlreiche Imperforata, jedoch auch viele Per-
*) Naturhist. Hefte f. Zoologie etc. v. Nation.-Mus. in Budapest 1877. 4. H.
**) Bezüglich der Veränderungen, welche die Brackwasserformen in ihrem Schalenbau
gewöhnlich zeigen, vergl. weiter unten p. 171.
II*
164 Rhizopoda.
forata, so hauptsächlich die Rotalinen und wohl auch ein ziemlicher Theil
der Nummuliiiiden. Für weitere Formen bildet scliliesslich der Meeres-
grund den vorzugsvveisen Aufenthaltsort; dies gilt wolil ganz besonders
für die sandschaligen Formen, jedoch auch zahlreiche kalkschalige.
Immerhin ist es schwer, sich nach den bis jetzt vorliegenden Unter-
suchungen ein sicheres Urtheil darüber zu bilden, ob ein solches Leben
im Sand und Schlamm der Bodenfläche sehr verbreitet ist, da die meisten
Untersuchungen sich eben einfach mit dem Nachweis der todten Schalen
begnügten, von denen es doch häufig sehr fraglich erscheint, ob sie da,
wo sie zur Deponirung gelangten , auch thatsächlich gelebt haben. Der-
selbe Umstand beeinflusst jedoch auch unser augenblickliches Wissen von
der Tiefen Verbreitung der marinen Rhizopoden sehr, da auch die Unter-
suchungen über diese Verhältnisse sich fast durchaus mit der Constatirung
des blossen Vorkommens der Schalen begnügten.
Im Allgemeinen ist zweifellos die marine Rhizopodenfauna in ihrer
grössten Mannigfaltigkeit in der littoralen Zone oder doch nur bis zu
massigen Tiefen entwickelt. So gilt dies fast durchaus für die kalk-
schaligen Imperforata und wenn hier auch einzelne Formen in grosse
Tiefen hinabsteigen , wie dies z. ß. die Miliolinen z. Th. thun , so
sind es gewöhnlich ziemlich verkümmerte Exemplare, die dortselbst an-
getroifen werden.
Zu sehr grossen Tiefen scheinen im Allgemeinen die sandschaligen
Formen hinzuneigen, so gibt Brady (115 I.) für eine ganze Reihe der-
selben Tiefen von 2000 — 3000 Faden an, wiewohl auch für eine ziemliche
Zahl dieser ein sehr weiter Spielraum der bathymetrischen Verbreitung
zu bestehen scheint, da manche von jenen ungeheuren Tiefen bis in ver-
hältnissmässig seichtes Wasser hineinragen, wenn auch die meisten mit
ca. 300 Faden ihre obere Grenze erreicht zu haben scheinen. Immerhin
finden wir jedoch auch eine gewisse Zahl dieser sandschaligen Formen
littoral.
Die Perforaten entwickeln ihre grösste Mannigfaltigkeit in Tiefen
bis zu etwa 300 Faden, doch gehen gewisse Formen bis zu sehr grosser
Tiefe hinab. So sehen wir Lagena, die ihre Hauptentwickelung in massiger
Tiefe erreicht, auch noch in sehr grossen Tiefen ziemlich reichlich auf-
treten, und eine Reihe von Geschlechtern sind anscheinend vorzugsweise
in den grössten Abgründen entwickelt. Hierher gehören namentlich Orbu-
lina, Globigerina, Pulvinulina, PuUenia und Sphaeroidina.
Es ist nun eine sehr eigenthümliche Erscheinung, dass man sich
durch neuere Untersuchungen immer mehr überzeugt hat, dass gerade
diese, früher vorzugsweise der Tiefsee zugeschriebenen Formen, auch in
sehr geringer Tiefe leben, aber nicht in der nächsten Nähe der Küsten,
sondern vielmehr vorzugsweise auf hoher See als pelagische Oberflächen-
thiere. Diese hochinteressante Erfahrung, durch welche eine ziemliche
Reihe von Rhizopodenformen in ihren Lebensverhältnissen plötzlich in
nächsten Anschluss an die ihnen ja auch sonst nahe verwandten Radiolarien
Beziehung zu Meerestiefe, pelag. Formen. 105
gebracht werden, ist jedoch keineswegs so sehr neu, wie es häufig dar-
gestellt wird. Schon d'Orbigny (29) hatte 1839 seine sogen. Nonionina
pelagica (= Hastigerina Murrayi Wyw. Thomson) im pacifiscben Ocean
pelagisch gefischt; später hat hauptsächlich Major Owen*) unsere Kennt-
niss vom pelagischen Leben einer Reihe von Rhizopodengeschlechtern
gefördert, indem er eine ganze Anzahl Globigerinen, fernerhin Or-
bulina, ausserdem jedoch auch noch die Gattung Pulvinulina mit
mehreren Arten an der Meeresoberfläche fischte. Früher schon hatten
jedoch auch Macdonald, Wallich, Bailey, Job. Müller, Pourtales, Krohn und
Häckel einige hierhergehörige Beobachtungen gesammelt. Eine weitere wich-
tige Vermehrung hat schliesslich unser Wissen von diesen Verhältnissen
durch die ausgedehuten Erforschungen der Challengerexpedition erfahren,
die gerade der Untersuchung dieser Frage ihr Augenmerk vorzüglich
zuwendete. Aus diesen von Brady (115 II.) einer näheren Unter-
suchung unterzogenen Ergebnissen der Challengerexpedition hat sich
nun herausgestellt, dass von den oben erwähnten, für die Tiefsee be-
sonders charakteristischen kalkschaligen Geschlechtern auch noch Pullenia
und Sphaeroidina pelagisch gefunden werden. Die Zahl der hiernach
überhaupt bis jetzt als pelagisch festgestellten Geschlechter beträgt 9
und zwar gehören diese sämmtlich zu den Perforata und nach der
Carpenter'schen Classifikation auch sämmtlich zu der Familie der Globi-
gerinida. Es sind nicht weniger als 6 Arten von Globigerina, 1 Orbulina,
1 (oder 2) Hastigerina, ca. 4 von Pulvinulina und je 1 von Pullenia,
Sphaeroidina, Candeina, Cymbalopora und Chilostomella, also im Ganzen
ca. 18 Arten.
Unter diesen Formen sind einige, wie Candeina und Chilostomella,
sehr selten, wogegen Hastigerina und Cymbalopora zwar an gewissen
Orten in grosser Menge auftreten , jedoch eine sehr lokale Verbreitung
zeigen. Ueber die besonderen Lebensverhältnisse dieser pelagischen
Formen ist bis jetzt kaum etwas festgestellt. Dennoch wollen wir hier
auf die Owen'scheu Beobachtungen hinweisen, nach welchen diese Wesen
den Tag über nicht an der Meeresoberfläche anzutreffen sein sollen,
während sie nach Sonnenuntergang erscheinen ; auch windiges Wetter soll
mehr als Windstille ihr Erscheinen an der Oberfläche begünstigen. Diese
Beobachtungen würden demnach darauf hindeuten, dass sie wie die Radio-
larien die Fähigkeit besitzen, sich in grössere Tiefe herabzusenken und
wieder aufzusteigen. Hiermit steht denn auch in Einklang, dass es durch-
aus nicht nur die oberflächhchsten Regionen des hohen Meeres sind, in
welchen man die erwähnten pelagischen Formen antrifft, sondern auch
mehr oder minder tiefe Regionen.
Im Anschluss an diese Beobachtungen hat sich nun, wie leicht be-
greiflich, eine vielbesprochene Streitfrage über die Lebensweise der ge-
nannten Geschlechter erhoben, namentlich im Hinblick auf ihr gleichzeitiges
*) Journ. Lina. Soc. Zool. IX.
166 Ehizopoda.
Vorkommen in so sehr beträchtlichen Tiefen. Es ist jedenfalls sehr
eigenthümlich, dass gerade diese verbreitetsten pelagischen Geschlechter
auch zu den gewöhnlichsten Tiefseeformen gehören und sie es haupt-
sächlich sind, die sich in grossen Mengen in den meisten Oceanen in
Tiefen von 250 bis ca. 3000 Faden in Form des sogen. Globigerinen-
schlammes anhäufen. Die erwähnte Streitfrage ist daher auch als
identisch zu betrachten mit der Frage nach der Eutstehungsweise des
sogen. Globigerinenschlammes.
Bei dem grossen Interesse, welches diese Angelegenheit besitzt, dürften
an dieser Stelle einige historische Notizen nicht unerwünscht sein. Die
erste Nachweisung einer solchen ausgedehnten, hauptsächlich ans Rhizo-
podenschaleu zusammengesetzten Ablagerung verdanken wir Bailey im
Jahre 1848. *) Zunächst wurde dieselbe in massiger Tiefe gefunden,
1855**) jedoch konnte ihre Verbreitung im nordatlant. Ocean in Tiefen
von 1000 — 2000 Faden von dem gleichen Forscher coustatirt werden.
Seit dieser Zeit ist dann die Bildung einer solchen Ablagerung noch in
weiterer Verbreitung festgestellt worden und haben wir hauptsächlich
wieder durch die Challengerexpedition einen Einblick in die geographische
Verbreitung und die Tiefenverhältnisse derselben erhaben.***) Hieraus
geht hervor, dass die Bildung dieses Globigerinenschlammes im paci-
fischen Ocean eine beschränktere ist, wie im atlantischen, dass im
ersteren seine Verbreitung hauptsächlich zwischen 50** s. Br. und lO*' n. Br,
eingeschlossen ist, während er im letzteren im offenen Ocean stets bis zu
1800 Faden Tiefe in unregelmässig begrenzten Territorien sich vorfindet,
wogegen seine Ausdehnung auf grössere Tiefen von bis jetzt noch un-
bekannten, besonderen Bedingungen abhängig scheint.
Die Frage über die Entstehungsweise dieses Globigerinenschlammes
wurde nun entweder in der Weise beantwortet, dass man die pelagischen
Formen allmählich nach ihrem Absterben zu Boden sinken liess, während
nach der Ansicht der Gegner die betreffenden Rhizopodeuformen, also
hauptsächlich Orbulina und Globigerina, auf dem Meeresboden jener
Tiefen selbst leben über dem Leichenhaufen ihrer Millionen von Brüdern,
die ihnen in den Tod vorangingen. Die Entscheidung dieser Frage hat
ihre grossen Schwierigkeiten und es darf wohl, ohne dass wir hier die
ganze stattliche Reihe von Gründen und Gegengründen, die im Laufe der Zeit
beigebracht worden sind, sämmtlich aufführen, zunächst anerkannt werden,
dass bis jetzt eine ganz sichere Lösung derselben nicht möglich scheint.
Dass die Schalenreste der abgestorbenen pelagischen Foraaen zu Boden
sinken und hier zur Bildung dieses Schlammes beitragen, ist eine Sache,
die sich wohl von selbst erklärt, um so mehr, als wir in demselben
Schlamm häufig noch Schalenreste anderer pelagischer Thier- und Pflanzen-
*) Smithson, contriliut. II. 1851.
**) S. Americ. joiirn. 2. s. XXIII.
***) Proc. roy. soc. XXV.
Bildungsweise des sogen. Globigerincnsclilammes. 167
formen, wie Radiolarieu und Diatomeen, antreffen. Es bleibt also haupt-
sächlich die Frage übrig, ob die erwähnten Geschlechter neben ihren
pelagischen Formen auch Tiefseearten umfassen, oder ob dieselben Arten
für beiderlei Lebensbedingungen eingerichtet sind. Was den ersten
Punkt betrifft, so scheint es nach den bis jetzt vorliegenden Erfahrungen
einigermaassen sicher, dass wenigstens von Globigerina und Pulvinuliua
(auch Sphaeroidina und Pullenia) gewisse Arten der Tiefsee ausschliess-
lich eigenthümlich sind, woraus also die Folgerung gezogen werden darf,
dass jene Geschlechter beiderlei Lebensbedingungen gerecht werden können.
Immerhin ist jener Punkt nicht so ganz sicher zu entscheideo, da einmal
die Beobachtungen über pelagische Formen keine allzuausgedehnten sind
und andererseits jene Tiefseeformen bis jetzt keineswegs mit Sicherheit
im lebenden Zustand constatirt wurden. Letzteres gilt jedoch überhaupt
für die Rhizopoden des Globigerinenschlammes. Zwar haben Ehrenberg,
Wallich*) und neuerdings auch Brady (115 IL), wie auch andere, z. Th.
noch eine deutliche und frisch erscheinende Sarkodeerfüllung gefunden;
dagegen ist es bis jetzt durchaus nicht gelungen, wirkliche Lebens- und
namentlich Bewegungserscheinungen jener Sarkodekörper wahrzunehmen,
denn die von Wallich angeblich gesehenen, hügelartigen, kleinen Pseudo-
podien scheinen in dieser Frage von keiner entscheidenden Bedeutung zu
sein. Wenn wir die Erfahrungen M. Schultze's berücksichtigen, der eine
grosse Resistenz und sehr langsame Zerstörung des Sarkodekörpers auch
nach dem Tode beobachtet hat (53), so scheint überhaupt der mehrfach
erbrachte Nachweis einer Sarkodeerfüllung nur mit Vorsicht verwerthet
werden zu dürfen. Durch Wallich und Brady ist ferner hauptsächlich
darauf aufmerksam gemacht worden, dass dieselben Arten in der Tiefe
durchschnittlich eine bedeutendere Grösse und dickere Schalen besitzen,
wie an der Oberfläche, dass es daher nicht wohl möglich sei, die ersteren
von den letzteren herzuleiten; doch scheint mir auch dieser Punkt nicht
durchaus beweisend zu sein, da gerade die allmähliche Grössenzunahme
in Verbindung mit der Verdickung der Schalenwände das allmähliche
Sinken der Oberflächenthiere hervorrufen kann, ohne dass dieselben da-
durch sofort ihr Leben und Weiterwachsthum einbüssten und hieraus der
grössere Reichthum des Bodens an grossen und dickschaligen Formen
sich vielleicht erklären liesse. Eine derartige, gewissermaassen zwischen
den beiden Extremen vermittelnde Ansicht hat noch Carpenter**) aus-
gesprochen, der übrigens an der Lebensfähigkeit der Tiefseeglobigerinen
nicht zweifelt, jedoch der Annahme zuneigt, dass die jungen Globigerinen
an die Oberfläche aufstiegen, hier eine Zeit lang lebten und alsdann
wieder zu Boden sänken; eine Ansicht, die wohl kaum recht plausibel
erscheinen dürfte, wenn man sich eine Vorstellung von den Schwierigkeiten
*) The north atlantic seabed. Lond. 1862. Deep-sea researches on the biology of
Globigerina. Lond. 1876.
**) Proc. roy. soc. XXIII.
168 Eliizopoda.
und der Dauer der Reise, welche diese Jugendlieben Globigerineu durch
die lOüO — 2000 Faden hohe Wasserschicht zu unternehmen hätten, macht.
Lassen wir daher hier diese Angelegenheit einstweilen, bis sicherere
Beweise nach einer oder der anderen Richtung beigebracht sind, auf sich
beruhen, und heben wir nur noch hervor, dass von den Forschern, die
sich eingehender mit dieser Frage beschäftigt haben, Ehrenberg, Wallich,
Huxley und, wie erwähnt, auch Carpenter uud Brady, für die Lebens-
fähigkeit der Rhizopoden des Globigerinenschlammes (natürlich nur der
oberflächlichsten Schicht desselben) eintreten, wogegen schon Bailey die
späterhin hauptsächlich von den Gelehrten der Challengerexpedition,
Wyw. Thomson und Murray*) vertheidigte Ansicht von der ursprünglich
pelagischen Lebensweise derRhizopodenformen des Globigerinenschlammes,
ausgesprochen hat.
Nur selten scheint der Rhizopodenorganismus sich an parasitische
Lebensweise gewöhnen zu können und die bis jetzt bekannt gewor-
denen, hierherzurechnenden Fälle gehören fast ausschliesslich den Amöben
an. Diese scheinen in der That ziemlich häufige Parasiten sowohl bei
Wirbelthieren als Wirbellosen zu sein, wenn auch in manchen der be-
kannt gewordenen Fälle die Amöbenformen möglicherweise als eine Eut-
wickelungsstufe gregarinenartiger Parasiten angesprochen werden dürften.
Der gewöhnliche Aufenthaltsort solcher parasitischer Amöben scheint der
Darmkanal zu sein, hier sind sie bei Wirbelthieren sowohl als Wirbel-
losen gelegentlich in recht beträchtlicher Menge beobachtet worden. Im
Dickdarm des Menschen scheint die sogen. Amoeba Coli Lösch**) sogar
unter gewissen Umständen recht nachtheilige Wirkungen hervorrufen zu
können und wenigstens ein schon vorhandenes Darmleiden sehr zu ver-
schärfen im Stande zu sein. Bei Kaninchen***) und namentlich Fröschen f)
sind gleichfalls gelegentlich solche Darmamöben beobachtet worden und
im Darm der Insekten, so hauptsächlich der so parasitenreichen Schaben ff)
hat sich ebenfalls die Anwesenheit ansehnlicher Amöben mehrfach con-
statiren lassen.
Ueber den Parasitismus beschälter Formen liegen bis jetzt kaum
sichere Beobachtungen vor, doch gibt E. Buckflf) an, das Lecythium
hyalinum parasitisch sowohl in verschiedenen Räderthieren , Cyclops-
larven und Infusorien, als auch den Zellen von Süsswasserpflanzen
beobachtet zu haben. Innerhalb der erwähnten Thiere sollen die
in Form der früher geschilderten Sporen eingedrungenen Lecythien
eine so grosse Verwüstung anrichten, dass sie den Tod derselben bald
*) Siehe Proc. roy. soc. XXII— XXV.
**) Lösch, Arch. f. pathol, Anat. 65, siehe namentlich auch Leuckart, Die Parasiten
des Menschen II. Aufl.
***) Waidenberg, Arch. f. pathol. Anat. 40.
r) Li eher kühn, Arch. f. An. u. Phys. 18.54.
tt) Bütschli, Zcitschr. f. wiss. Zool. XXX.
ttt) Z. f. w. Z. XXX.
Parasitismus; Nahrung. 169
herbeiführen, worauf sie wieder zum freien Leben übergehen.*) Auch
die eigenthümliche Chhunydomyxa lebt nach Archer**) in ihrer Jugend
parasitisch im Zellgewebe von Süsswasserpflanzen und soll hier wieder-
holte Encystirungeu durchmachen.
ß. Nalirung-sverliältnisse der Rliizopoda.
Da wir die Art der Nahrungsaufnahme unserer Thiere schon bei
früherer Gelegenheit hinreichend charakterisirt haben , so bleibt uns hier
hauptsächlich noch die Natur der Nahrung zu betrachten übrig. In dieser
Hinsicht lässt sich im Allgemeinen wenig sagen, jedoch scheinen im
Ganzen die Rhizopoda ihre Nahrung vorzugsweise aus dem Pflanzenreich
zu entnehmen. Einzellige kleine Pfläuzchen, wie Diatomeen, Protococcen
und dergleichen , jedoch auch Detritus und Theile mehrzelliger Pflanzen,
hauptsächlich Algen, machen wohl ohne Zweifel die Hauptmasse der Rhizo-
podennahrung aus, und zwar ebensowohl der Formen des süssen Wassers,
wie der marinen. Namentlich letztere scheinen nach den Beobachtungen
von M. Schultze besonders auf Diatomeen angewiesen zu sein. Ab- i
weichende Fälle sind natürlich hier ebensowohl, wie anderwärts vertreten,
wir brauchen nur auf die obenerwähnten Vorkommnisse von Parasitismus
hinzuweisen , wie ja auch die gelegentliche Aufnahme kleiner Protozoen
als Nahrung keineswegs ausgeschlossen ist.
Besondere Schwierigkeiten scheint die Frage nach der Ernährungs-
weise der Rhizopoden der Tiefseegründe zu bereiten, was denn auch
zu der Aufstellung sehr eigenthümlicher Ansichten geführt hat. Der nächste
Weg zur Lösung dieser interessanten Frage wäre natürlich die genaue
Untersuchung des Protoplasmaleibes solcher Formen, woraus sich ergeben
dürfte, ob und welche Art geformter Nahrung dieselben zu sich nehmen.
Bis jetzt scheinen jedoch gesicherte Beobachtungen hierüber kaum vor-
zuliegen. Da nun bis jetzt anscheinend keine geeignete Nahrung in
jenen Tiefseegründen für unsere Rhizopoden aufgefunden wurde, so
haben einige englische Forscher, wie Wallich, Wyw. Thomson***)
und Carpenterf) die Ansicht ausgesprochen, dass dieselben wohl über-
haupt nicht mit fester, sondern flüssiger Nahrung ihr Leben fristeten.
Im Speciellen hat Wyw. Thomson sich die Existenz flüssiger Nahrung in
jenen Tiefseegründen etwa in der Art vorgestellt, dass durch das be-
ständige Absterben so grosser Massen mariner Organismen und die
allmähliche Zerstörung und Lösung derselben, das Meerwasser stets eine
zur Ernährung dieser Formen hinreichende Quantität gelöster organischer
*) Die von Lauibl (Aus dem Franz-Josepli-Kiiider-Spitale Bd. I.) angeblich iui Darm-
schleime eines Kindes gefundenen Arcellen und Difflugien, werden ohne Zweifel das Kesultat
einer Täuschung gewesen sein.
**) Qu. journ. micr. sc. XV.
***) The depth of the sea. Lond. 2. ed. 1874.
t) Proc. roy. soc. XIX. p. 155.
170 Ehizopoda.
Substanzen enthalte, ja, wie er sich auch ausdrückt, gewissermaassen
eine sehr verdünnte Lösung von Protoplasma darstelle.
Mir scheint eine solche Theorie sehr wenig plausibel, hauptsächlich
wegen der grossen Verschiedenheit, die sie zwischen so nahe verwandten
Formen hinsichtlich der Ernähruugsverhältnisse aufzustellen sucht, auch
glaube ich nicht, dass thatsächlich so grosse Schwierigkeiten für die
Erklärung der Ernährungsverhältnisse der Tiefseerhizopoden existiren.
Wie schon Möbius *) sehr wahrscheinlich gemacht hat, dürfen wir voraus-
setzen, dass die Zerfalismassen der abgestorbenen Thier- und Pflanzen-
bewohner der seichteren Küsteuregionen allmählich nach der Tiefe geführt
werden ; **) andererseits existirt ja auch in jenen Tiefseeregiouen noch
thierisches Leben höherer Ausbildungsstufe, von dessen Zerfallsprodukten
wohl die Ernährung jener Tiefseerhizopoden vor sich gehen kann , ohne
dass wir auf jene Ausflucht der flüssigen, gelösten Nahrungsstotfe zu re-
curriren nothig hätten.
Wie leicht begreiflich, steht diese Frage im innigsten Zusammenhang
mit jener früher erörterten: nach der Lebensweise jener massenhaften
Tiefseerhizopoden des sogen. Globigerinenschlammes. Wird, wie wir dies
für sehr wahrscheinlich halten, zugegeben, dass wenigstens ein grosser
Theil der Rhizopoden jenes Tiefenschlammes ursprünglich von der Ober-
fläche herstammt und dass die Sarkode noch z. Th. wohl erhalten mit
nach jenen Tiefen gebracht wird, so dürfte hiermit eine Erklärung für
die Ernährung nicht nur zahlreicher Tiefseerhizopoden, sondern auch
höher organisirter Tiefseethiere gegeben sein.***) Auch mag es nicht ganz
unwahrscheinlich sein, dass auch der protoplasmatische Leib noch weiterer
einzelliger Oberflächenorganismen, wie z. B. der Diatomeen, gleichfalls
ähnlich widerstandsfähig ist und auch durch diese in gleicher Weise die
Ernährung der Tiefseethiere gefördert wird.
y. Abhängigkeit der Organisation von äusseren Lebensbedingungen.
Bezüglich dieser, in der Neuzeit mit besonderem Interesse verfolgten
Verhältnisse haben die Khizopoden bis jetzt nur wenig Bemerkens-
werthes erkennen lassen. Immerhin sind einige Punkte zur Sprache ge-
kommen, die hier kurz berührt werden mögen.
*) Z. f. wiss. Zool. XXI.
**) Durch die Challengerexi3edition wurde in einer ganzen Reihe von Beobachtungen
festgestellt, dass thatsächlich Theile von Land- oder üferijflanzeu bis zu Tiefen von 1400 Faden
und in weite Entfernung von den Küsten herabgefuhrt werden. Aehnliches haben auch die
Tiefenuntersuchungen von A. Agassiz an der Küste von Florida ergeben. (Vergl. Moseley,
Notes of a natur. on the Challenger p. 583 ff.)
***) Ganz ähnlich spricht sich auch Moseley an eben citirtem Ort aus. Er hat sich von
der lange conservirenden Eigenschaft des Meerwassers gleichfalls an Salpen überzeugt und
schätzt nach von ihm angestellten Beobachtungen die Zeit, die eine massig grosse Salpe ge-
brauche, um bis zu einer Tiefe von 2000 Faden zu sinken, auf etwa 4 Tage und 4 Stunden,
während die Erhaltungsfähigkeit der todten Salpe in Seewasser eine vielmal längere ist.
^- Eniähruug- der Tiefseerhizopoden ; Eiafl. äusserer Lebensbed. 171
Nach einer Reihe von Erl'ahrungeu scheint die Mcerestiefe nicht ohne
Einfluss auf die Bildungsverhältnisse, namentlich die Grössenentwickeluug
gewisser mariner Rhizopoden zu sein. Im Allgemeinen scheinen z. B.
die vorzugsweise in geringerer Tiefe einheimischen und hier ihre reichste
und höchste Entwickelung erreichenden Imperforaten in grösserer Tiefe
zu verkümmern und kleiner zu werden. Auch fiir manche Geschlechter
der Perforata scheint sich Achnliches zu zeigen. Etwas zweifelhaft muss
jedoch his jetzt noch der nähere Grund dieser Verkümmerung in der
Tiefe bleiben. Nach den Ergebnissen der neueren Tiefseeforschungen
hat es nämlich den Anschein, als wenn diese Erscheinung eher auf die
Temperatur-, als auf die gesteigerten Druckverbältnisse in jenen grösseren
Tiefen zurückführbar wäre. Es haben sich nämlich in recht beträchtlichen
Tiefen (600 Faden) sehr grosse Exemplare von Cornuspira, Biloculiua
und Cristellaria gefunden, jedoch in wärmeren Meeren, so dass hieraus
mit Carpenter,*) wie gesagt, eher die Abnahme der Temperatur als
wesentlicher Grund für die erwähnte Verkümmerung angenommen wer-
den darf.
Verändernd wirkt ferner, wie die directe Beobachtung ergeben hat,
die Abnahme des Salzgehaltes auf die marinen Rhizopoden ein, und zwar
vorzugsweise auf die Öchalenbildung, der jedoch wohl auch hauptsächlich
die Aufmerksamkeit zugewendet wurde. Die hierhergehörigen Ergebnisse
haben sich bei der Untersuchung der im Brackwasser lebenden Rhizo-
poden feststellen lassen und sind, wie wir schon früher zu bemerken
Gelegenheit hatten, hauptsächlich Brady (89) und Siddall (114) zu ver-
danken.
Im Allgemeinen scheint sich aus denselben zu ergeben, dass die kalk-
schaligen Formen mit der Abnahme des Salzgehaltes an Kalkgehalt der
Schale Einbusse erleiden. Entweder zeigt sich dies nur in einer Abnahme
der Wandstärke der Schalen, oder aber in völligem Verluste kalkiger
Imprägnation. Die Schale wird rein chitinös, wie solches bei gewissen
Miliolinen beachtet worden ist. Auch gewisse sandschalige Formen, wie
Trochammina inflata Mutg., sollen unter diesen Verhältnissen das kalkige
Schalencement mehr und mehr verlieren, womit gleichzeitig auch die In-
crustirung durch Fremdkörper sich vermindert, so dass auch hier schhess-
lich die Schale völlig chitinös werden soll.
Von beiden englischen Forschern wird ferner noch angeführt, dass
zuweilen bei den Brackwasserformen eine grüne Färbung des Thierleibes
durch Chlorophyll zu bemerken sei, eine Erscheinung, die wohl wahr-
scheinlicher chlorophyllhaltiger Nahrung, als endogener Erzeugung von
Chlorophyll zuzuschreiben sein dürfte.
Schon früher**) haben wir der Versuche Wallich's gedacht, bei den
Difflugien auch die allgemeinen Gestaltungsverhältnisse der Schalen von
=*) A. m. n. h. 4. IX. p. 287.
**) S. pag. 130.
172 Ehizopoda.
äusseren Bediugiiagen herzuleiten und uns schon gegen die Durchführ-
bariceit dieses Versuclies erklärt.
8. System der Rhizopoda.
a. Historische Entwickeluug.
Bekanntlich herrschten bis zu Dujardin's bahnbrechenden Unter-
suchungen von 1835 und 1841 gänzlich verfehlte Vorstellungen über die
Natur und daher auch die Verwandtschaftsverhältnisse der marinen
Rhizopoden , so dass wir erst von dieser Zeit an die Aufstellung
eines natürlichen Systemes der hierhergehörigen Organismen erwarten
dürfen. Was zunächst die Ordnung als solche betrifft, so hat, wie gesagt,
erst Dujardin die Zusammengehörigkeit der Süsswasser- und Meeresformen
erkannt und sie in seinem System von 1841 (35) in zwei Familien direct
neben einander unter seine II. Ordnung der Infusoires non symetriques
ou asymetriques, die unseren Sarkodina entspricht, gestellt. Diebeiden
Familien der Amibiens und Khizopodes sind in einem besonderen
Paragraphen im Gegensatz zu dem damals einzig bekannten Genus Ac-
tinophrys der Heliozoa vereinigt (wozu jedoch unrichtiger Weise auch noch
die Acineten gesellt wurden). 1848*) vereinigte v. Siebold jedoch die
beiden Dujardin'schen Familien zu einer Klasse der Rhizopoda, unter
welchen er wohl auch die damals bekannten Heliozoen einbegriff.
M. Schultze (53) fasste seine Rhizopoda in dem Sinne, wie wir dies in
diesem Buche festgehalten haben, obgleich er hierzu einmal durch die
Nichtkenntniss der Radiolaria, andererseits durch Zweifel an der Selbst-
ständigkeit der Actinophryen bestimmt wurde. Späterhin, nach genauerer
Bekanntschaft mit den Radiolarien durch die Untersuchungen Job. Müller's,
wurden auch diese letzteren, sowie die Heliozoa, sehr allgemein mit
unseren Rhizopoda zu einer Klasse Rhizopoda vereinigt, so von J. Müller, **)
Claparede und Lachmann (60), Häckel, ***) Carpenter etc., wogegen wir
uns hier erlaubt haben , die Bezeichnung Rhizopoda mehr in dem alten
Sinne Dujardin's wieder nur auf einen Theil der Pseudopodien entwickeln-
den Protozoen zu beschränken und nur in dem geringfügigen Umstand
von Dujardin abzuweichen, dass wir die kleine Dujardin'sche Familie der
Amöben gleichfalls mit den Rhizopoden vereinigen. Diese Beschränkung
der Bezeichnung Rhizopoda kann um so mehr als gerechtfertigt erscheinen,
als die Bedeutung des Ausdrucks im Ganzen doch noch mehr für die von
uns hier zusammengefasste Gruppe als für die Radiolaria und gar Heliozoa
zutreffend erscheint.
Den häufigen Versuch, die d'Orbiguy'sehe Bezeichnung der marinen
Rhizopoden als Foraminifera, die noch von der unrichtigen Vergleichung
*) Lehrbuch der vergleichenden Anatomie wirbelloser Thiere von Sicbold.
**) Abh. d. Berl. Ak. 185S.
*** MonogT. d. Kadiolaria. 1862.
^ Systemat. Auffassung der Hliizopoda; Hauptuntergruppen. 173
dieser Formen mit den Ceplialopoden hergenommen ist, auf die Gesanimt-
heit unserer Rhizopoda auszudehnen, halten wir für wenig nachahmens-
werth, da dieser Name, abgesehen von seiner ursprüiigliehen Vcriehltheit,
für eine ganz ansehnliche Reihe von Formen in keiner Weise irgend eine
Bedeutung besitzen kann.
Nachdem wir uns so über die Ordnung als solche orientirt haben,
fragt es sich, wie dieselbe in grössere Untergruppen oder Unterordnungen
zerlegt wurde und auch hierfür finden wir die ersten Andeutungen, denen
wir noch heute folgen, bei Dujardin. Es sind die beiden Familien
Dujardin's, die wir zu unserer „Rhizopoda'' zusammenziehen, nämlich die
Amibiens und die eigentlichen beschälten Rhizopoden, welche auch wir,
zunächst aus mehr praktischen wie zwingenden, natürlichen Gründen, in
gleicher Weise unterscheiden. Aehnlich hat auch schon M. Schnitze seine
Rhizopoda in 2 Unterabtheilungen, nämlich Nuda und Testacea, zerfällt.
Dieselben beiden Abtheilungen treten uns auch späterhin v^^ieder in dem
System von R. Hertwig als Unterabtheilungen der Rhizopoda (im weiteren
Sinne) entgegen, nur hat Hertwig die Testacea Schultze's in Thalamophora
umgewandelt. *)
Häufig wurde der Versuch gemacht, die mit contractilen Vacuolen
und nach den früheren Untersuchungen auch allein mit Kernen versehenen
Süsswasserrhizopoden schärfer von den marinen Formen zu scheiden; so
hat schon Job. Müller 1858 die Ersteren (einschliesslich Actinophrys) als
Infusoria rhizopoda sämmtlichen übrigen Rhizopoda (seinen Rhizopoda
genuina) gegenübergestellt; auch Claparede fasste diese Süsswasserfornien
als Ordn. Froteina seiner Rhizopoda (= Sarkodina) zusammen, erhob aber
gleichzeitig auch die Gromida neben den übrigen marinen Formen (seinen
Foraminifera) zu einer besonderen Ordnung. Bei Stein (und Reuss)**)
treten die Claparede'schen Rhizopoda proteina neben den Foraminifera
d'Orb. als die beiden Ordnungen unserer Rhizopoda gleichfalls auf, wäh-
rend Häckel 1862 diese Proteina als Rhizopoda sphygmica (mit contractiler
Blase) von den Rhizopoda asphycta (ohne solche Blase) unterschied.
Ein anderes Eintheilungsprincip ist von Carpenter 1862 (74) geltend
gemacht worden. Er zerlegt unsere Rhizopoda nach der Beschaffenheit
ihrer Pseudopodien in die beiden Abtheilungen der Lobosa und Reticularia.
Auch F. E. Schulze (101. VI.) adoptirt diese Untertheilung, die überhaupt
viel Anklang gefunden hat. Wir haben schon früher mit Hertwig und
Lesser***) darauf hingewiesen, dass wir wegen der Unmöglichkeit, eine
auf diesem Princip beruhende Scheidung mit einiger Schärfe durchzu-
führen, der Eiutheilung in Amoebina (oder Nuda) und Testacea (oder
Thalamophora) den Vorzug geben, wenn wir auch gestehen müssen,
dass diese Eintheilung ebensowohl auf Schwierigkeiten stösst, wie die
*) Vergl. Jenaisclic Zeitschr. X. und Organismus der Kadiolarien. 1879.
**) (65).
***) S. (99).
J74 Rhizopoda.
erstere. Wir verlassen hiermit die Betrachtung des Entwickelungsganges
der systematischen Bestrebungen auf dem Gebiet der Rhizopoda und
werden dieselbe späterhin bei der Cbarakterisirung der Untergruppen
noch weiter fortzusetzen haben.
Es bleibt uns jedoch noch eine wichtige, allgemein systematische
Frage zur Erörterung übrig, nämlich die nach dem Umfang und der Cou-
stanz des Artbegriffes im Bereich der Rhizopoda. Aus den Erfahrungen
zahlreicher Erforscher der verschiedenen Abtheilungen der Protozoenwelt,
scheint im Allgemeinen hervorzugehen , dass die Beständigkeit der Art-
charaktere auf dieser niedersten Stufe thierischen Lebens nicht viel ge-
ringer ist, als bei den höheren Gruppen. Es hat sich dies speciell auch
durch die älteren und neueren, recht zahlreichen Erfahrungen über die
Rhizopodenfauna des süssen Wassers bewährt. Hier erkennen die meisten
Forscher eine ziemliche Beständigkeit der Artcharaktere und hiermit die
Möglichkeit, Arten überhaupt mit einiger Schärfe zu unterscheiden, an.
Sehen wir ab von so proteischen und in keiner Weise ausreichend stu-
dirten Formen wie die Amöben, so bleibt uns nur ein Süsswassergenus,
wo ähnlich, wie dies durch Parker, Jones und Carpenter für die marinen
Formen festgehalten wird, eine Unterscheidung von scharfbegrenzten
Arten überhaupt nicht möglich sein soll, nämlich bei Difflugia nach den
Untersuchungen von Wallich.*) Dieser Forscher will nicht nur die eigent-
lichen Difflugien, sondern auch die Angehörigen der Gattungen Quadrula
und Arcella sämmtlich zu einer Art gerechnet wissen, da alle die ver-
schiedenen Formen durch Uebergäuge aufs innigste mit einander verknüpft
seien. So wenig nun auch die grosse Variabilität in der eigentlichen
Gattung Difflugia geleugnet werden kann, wie dies auch schon Lachmann**)
hervorhob, so kann man doch nur mit Archer***) die Ansichten von
Wallich für viel zu weit gehend erachten, ja es dürften sich in der Gat-
tung Difflugia selbst doch wohl noch einigermaassen fixirte Arten unter-
scheiden lassen. Wie schon gesagt, ist jedoch die Lehre von der Un-
möglichkeit der Artunterscheidung in dem gewöhnlichen Sinne zuerst
durch Parker, Jones und Carpenter für die marinen Rhizopoden geltend
gemacht worden (73). Nach den sehr ausgedehnten Erfahrungen dieser
Forscher ist die Unterscheidung distincter Arten eine völlige Unmöglich-
keit, wenigstens in dem Sinne, in welchem der Artbegrifif bei höheren
Abtheilungen gewöhnlich aufgefasst wird. Die einzig mögliche Art der
systematischen Gruppirung der so variablen marinen Formen sei die Zu-
sammenfassung und Aneinanderreihung der um eine besonders aus-
gesprochene Form sich gruppirenden mehr oder minder abweichenden
Gestalten zu einer generischen Abtheilung, in welcher dann z. Th. noch
eine Anzahl von Subgenera zu unterscheiden sein dürften. Handelte es
*) A. m. n. h. 3. XITI.
**) Verli. d. nat.-hist. Vereins d. joreuss. Rhein!. XVI.
***) Qu. journ. micr. sc. VI. p. 185.
Artbegriir bei Rhizopoda. 175
sich um eine thatsäcliliche Feststellung der mit den Species höherer Ab-
theiluugen zu vergleichenden Forrareiheu der marinen Khizopodeu, so
seien dies jene generischen Abtheiluugen, jedoch nicht die von früheren
Autoren beschriebenen Arten, noch die auch noch weiterhin, aus praktischen
Gründen, mit binomischen Bezeichnungen belegten, specielleren, schwanken-
den Formen, sondern es hätten diese letzteren höchstens den Werth von
Varietäten. Wie schon hieraus hervorgeht, konnten die genannten eng-
lischen Forscher doch nicht vermeiden, aus mehr praktischen Gründen
ihre umfassenden, sogen, generischen Abtheilungen in eine grosse Anzahl
von sogen. Arten und häufig auch Subgenera zu zerlegen.
Auf dem Coutinent, wo namentlich von Seiten der Paläontologen das
Studium der fossilen Schalenreste der Rhizopoda mit grossem Eifer be-
trieben wurde, hat sich diese Auffassung der englischen Forscher niemals
rechten Beifall erworben, sondern dieselben haben (wie Keuss, Gümbel,
Schwager und Andere) an der früheren Auffassung und Unterscheidung
der Arten festgehalten.
Es ist nicht zu leugnen, dass durch diese Verschiedenheit der Auf-
fassungen die systematische Bearbeitung der marinen und fossilen Rhizo-
poden eine z. Th. sehr verwirrte geworden ist, so dass von dem einen
Forscher eine Formreihe mit der binomischen Bezeichnung der Art ver-
sehen wird, die von Anderen kaum als Varietät betrachtet wird, oder
von denselben Forschern heute Varietäten zu Arten gemacht werden, die
ein anderes Mal wieder eingezogen werden. Auch die Anwendung der
sogen, subgenerischen Bezeichnungen wird sehr frei gehandhabt, so dass,
wie bemerkt, die Verwirrung der Synonymik und die Unsicherheit der
Feststellung der sogen. Arten auf unserem Gebiet wohl einen so hohen
Grad erreicht hat, wie es kaum in einer anderen Abtheilung der Thier-
welt der Fall sein dürfte. Dass unter solchen Bedingungen Aufgaben,
wie die Ermittelung der geographischen Verbreitung oder der paläonto-
logischen Entwickelung auf bis jetzt kaum zu bewältigende Hindernisse
stossen müssen, dürfte ohne weitere Auseinandersetzungen genügend
erhellen.
Bevor wir zu der speciellen systematischen Betrachtung der Rhizo-
poden übergehen, möge hier noch mit wenigen Worten die Mannigfaltig-
keit der Ausbildung dieser Gruppe durch einige Zahlenangaben etwas
näher erläutert werden. Nach den von mir gefertigten Zusammenstellungen
erhebt sich die Zahl der bis jetzt mit hinreichender Sicherheit unterschie-
denen lebenden Arten (die Art in dem oben näher erläuterten Sinne auf-
gefasst) auf ca. 650 — 700. Die Vertheilung derselben auf Süsswasser und
Meer ergibt sich folgendermaassen : ca. 100 Arten gehören dem Süsswasser
oder überhaupt dem Festlande an, während auf die Meeresfauna ca. 550
bis 600 Arten zu rechnen sind. *) Ich habe mich bei dieser Zusammen-
*) Die Zahl der zu den einzelnen systematischen Abtheilungen gehörigen Arten ergibt
sich dem Leser leicht aus den für die einzelnen Gattungen , soweit es möglich war, namhaft
gemachten Artzahlen.
176 Rhizopoda.
Stellung auf die lebenden Arten beschränkt, weil dieselben unser Interesse
hier zunächst in Anspruch nehmen und weil eine entsprechende, einiger-
maassen kritische Sichtung der ausgestorbenen Formen bei dem oben er-
wähnten Stand der Dinge Schwierigkeiten bereiten würde, die in keinem
Verhältniss zu dem zu erzielenden, ohne Zweifel doch sehr problematischen
Resultate stünden.
ß. üebersicht des Systemes der Rhizopoda mit kurzer Charakteristik der
Abtheilungen bis zu den Gattungen hinab.
Ordnung Rhizopoda, Dujard. (1835) 1841, emmend. Bütschli,
Ehizopodes -\- Amibiens Duj. 1841, Rhizopoda v. Siebold 1848, Rhizopoda M. Schultze
1854, Infusoria rhizopoda -[- Polythalauiia Joh. Muller 1858, Proteina pr. p. + Gromida -j-
Foramiuifera Claparede 1858; Stein (Reuss) Rhizopoda proteina -f- Foraminifcra 1S61 ; Amoe-
bidae + Acyttaria Häckel 1862; Lobosa + Reticularia Carp. 1862; Moneres jjr. p. -\- Laby-
rinthulea (?) + Protoplasta ( — Grcgarina) + Acyttaria Häckel 1868; Sarkodina ( — Heliozoa)
Hartwig u. Lesser 1874; Lobosa -\- Reticularia -\- Rhizopoda innucleata pr. p. F. E. Schulze
1877; Moneres pr. p. -{- Amoebina -f- Thalamophora R. Hertwig 1879.
I. Unterordnung Amoebaea, Ehrbg. 1830.
Amoebina Duj. 1841 , v. Siebold 1848, Nuda M. Schultze 1854, Infusoria rhizopoda
Joh. Müller 1858, Amoebina pr. p. Claparöde 1858; Gymnica pr. p. Stein 1861, Amoebidae
pr. p. Häckel 1862, Amoebina ^v. p. Carpenter 1862, Gymnomoneres pr. p. + Gymnamoeba
pr. p. Häckel 1866; Rhizopoda innucleata pr. p. + Amoebidae F. E. Schuize 1877; Gymno-
moneres 4" Gymnamoebae Hertwig 1879.
Char. Nackte Rhizopoda von meist unbeständig wechselnder Gestalt,
mit Pseudopodien von loboser oder reticulärer, selten hingegen mehr
strahlenartiger Bildung. Mit oder ohne Kerne und contractilen Vacuolen,
1. Familie. Amoebaea lobosa.
Char. Pseudopodien von loboser Gestaltung oder doch ohne Netz-
bildung. (Die Scheidung dieser Formen von der folgenden Familie mit
reticulaten Pseudopodien wird sich ebensowenig durchführen lassen, als
solches bei den beschälten Formen der Fall ist, dennoch glaube ich diese
Sonderung einer etwaigen Theilung in Nucleata und Innucleata vorziehen
zu sollen.)
Protamoeba, Häckel 1866 (84); Maggi (R. Istit. Lomb. Rendic. X.),
Mereschkowsky (118).
Lobose, kleine Amöben ohne Kern und contractile Vacuolen. Fort-
pflanzung angeblich nur durch Zweitheilung im beweglichen Zustand.
Süsswasser und Meer. Zahl der unterschiedeneu Arten ca. 4—6.
Gloidium, Sorokin 1878 (Morph. Jahrb. IV.).
Unterschieden von Protamoeba durch Besitz von contractiler Vacuole
und die Fortpflanzung durch simultane Viertheilung im beweglichen
Zustand. Encystirung ohne Vermehrung beobachtet. Süsswasser. 1 Art.
Amoeba, Aut. (emmend. Bütschli) (IL 1 — 5); Auerbach, Z, f. w. Z.
VII.; Wallich, A. m. n. h. 3. XI. XII.; Carter, ibid. XII.; Greeff, Arch.
System. 177
f. mikr. A. II.; Leidy, Proc. Ac. Philad. 1874, 77; Frommentel, Etud. sur
les microzoaires etc. Paris 1874; Mereschkowsky (118).
Synon. Proteus Kösel und 0. F. Müller pr. p., Corycia Dujard. ('?), Trichamoeba
Frommentel pr. p., Oouramoeba Leidy pr. p., Lithamoeba R. Lankester (Qu. journ.
micr. sc. 1S79).
'Kernhaltig; stumpf lobose, selten etwas verästelte oder spitzige und
zerschlitzte Pseudopodien. Zuweilen auch ohne eigentliche Pseudopodien-
entwickelung sich fliessend bewegend. Contractile Vacuolen vorhanden.
Fortpflanzung durch Zweitb eilung im beweglichen Zustand. Encystirung
bis jetzt ohne Vermehrung beobachtet. Süsswasser und Meer. Zahl der
unterschiedenen Arten sehr beträchtlich, von denen jedoch höchstens etwa
ein Dutzend einigermaassen wohl charakterisirt erscheinen.
? Chaeto Proteus, Stein 1857 (Sitz.-B. d. k. böhm. Ak. X.).
Synon. Dinauioeba Leidy (Proc. acad. Phil. 1874, 77).
Von Amoeba durch Besatz der Leibesoberfläche und der Pseudopodien
mit kurzen, stachelartigen Fortsätzen unterschieden. Süsswasser. 1 oder
2 Arten. (Fraglich, ob von Amoeba zu trennen.)
Hyalodiscus, Hertwig und Lesser 1874 (99).
Synon. Amoeba (Guttula) Duj. und Auerbach.
Scheibenförmig, ohne Entwickelung eigentlicher Pseudopodien sich
fliessend bewegend mit Erhaltung der Gestalt. Kern und contractile
Vacuolen (ob immer?) vorhanden. Süsswasser. 1—2 Arten.
Plakopus, F. E. Schulze 1875 (101) (II. 14).
Synon. Hyalodiscus Mereschkowsky (118).
Statt der gewöhnlichen Pseudopodien Entwickelung schwimmhaut-
artiger Plattenfortsätze, die sich allseitig erheben können und in geraden
Kanten zusammenstossen. Zuweilen jedoch auch in hyalodiscusartigen
Zustand übergehend. Kern und contractile Vacuolen vorhanden. Süss-
wasser. 2 Arten.
Dactylosphaera, Hertw. u. Lesser 1874 (99) (L 10—12).
Synon. Amoeba (radiosa, Perty, Auerbach etc.: polypodia M. Schnitze,
F. E. Scliulze).
Finger- oder strahlenartige Pseudopodien allseitig radienartig vom
rundlichen Körper ausstrahlend und zuweilen schwach geisselartig beweg-
lich. Nach Einziehung der langen Pseudopodien zuweilen durch kurze,
bruchsackartige sich bewegend. Süsswasser. Artzahl ca. 2—3.
? Podostoma, Clap. u. Lachm. 1858; Bütschli (Z. f. w. Z. XXX.);
Maggi (Rendic. R. Ist. Lomb. 2. IX.) ; Cattaneo (Atti soc. ital. d. sc. n. XXL).
Sehr ähnlich Dactylosphaera (speciell D. radiosa); jedoch die zeit-
weise entwickelten, strahlenartigen, langen Pseudopodien heftiger, geisseln-
der Bewegung fähig; sie dienen zur Nahrungsaufnahme. 1 Art. Süss-
wasser. (Fraglich, ob von Dactylosphaera zu trennen.)
Pelomyxa, Greeff 1874 (Arch. f. mikr. A. X.) (IL 6).
Synon. Pelobius GreefF187Ü. Vergl. Archer (Qu.jourii. m. sc. 1S71), F. E. Scliulze
(101, IV.).
Bronn, Klassen des Thier-Eeichs. Protozoa. 12
178 Eliizopoda.
Aiiiübenaitig-, sebr gross (bis 2 Mm. Durcbmesser); BewegUDg durch
brucbsackartige , stumpfe Fortsätze. Sehr grosse Zahl von Kernen und
sogen. Glanzkörpern, sowie gewöhnlich kleine, Stäbchen- oder bacterien-
artige Körperchen einschliesseud. 1 Art. Süsswasser.
Amphizonella, Greeff 1866 (Arch. f. mikr. A. IL) (II. 7).
Synon. ? Amoeba (Auerbachii) Laclim. (Verh. nat.-h. Vereins pr. Rheinl. XVI.).
Amöbenartig, mit ziemlich dicker, gallertartiger Hülle, die von den
hyalinen, kurzen, fingerartigen Pseudopodien durchbrochen wird. Feuchte
Erde, Süsswasser (?). 2 Arten etwa.
2. Familie. Amoebaea reticulosa, Btschli.
Mit netzbildenden , meist allseitig vom Körper entspringenden
Pseudopodien. (Die Beziehungen dieser Formen , namentlich der Pro-
tomyxa, scheinen nach den Myxomyceten hinzuweisen, so dass ihre
Hierherstellung bis jetzt keineswegs als völlig gesichert betrachtet
werden darf.)
Gymnophrys, Cienk. 1876 (104 a).
Kleiner, ovaler bis unregelmässiger Protoplasmakörper, farblos, ohne
Kerne und contractile Vacuolen. Pseudopodiennetze von wenigen, an
beliebigen Stellen der Körperoberfläche sich entwickelnden, ziemlicli an-
sehnlichen Stämmen entspringend. 1 Art. Marin und Süsswasser.
Boderia, Str. Wright 1867 (Journ. Anat. a. Phys. I.).
Ziemlich ansehnlicher, nackter (?) *) veränderlicher Protoplasmakörper,
mit 1 bis zahlreichen Nuclei und mehr oder weniger zahlreichen, Netze
bildenden, sehr langen Pseudopodien, ähnlich Gymnophrys. (Abgesehen
von der Anwesenheit der Kerne, scheint sich diese Form sehr nahe an
die vorhergehende anzuschliessen.) 1 Art. Marin.
Protomyxa, Häckel 1868 (84) (I. 1).
Unregelmässiger, kernloser, bis 1 Mm. im Durchmesser erreichender
Protoplasmaklumpen, von dem zahlreiche dicke, vielfach baumförmig ver-
ästelte und anastomosirende Pseudopodien ausgehen. Fortpflanzung durch
Encystirung und Zoosporeubildung. 1 Art. Marin.
Myxodyctium, Häckel 1868 (84).
Zahlreiche, Protomyxa ähnliche, kernlose Einzelindividuen zu Kolo-
nien durch Anastomosirung ihrer Pseudopodien vereinigt. Fortpflanzung ?
(Kenntniss bis jetzt sehr mangelhaft). 1 Art. Marin.
Protogenes, Häckel 1864 (Z. f. w. Z. XXVI.).
Kugeliger, bis unregelmässig scheibenförmig ausgebreiteter, kernloser
Protoplasmakörper mit sehr zahlreichen feinen, verästelten und anastomosi-
renden Pseudopodien. Fortpflanzung soll nur durch Zweitheilung geschehen,
jedoch Kenntniss des Organismus bis jetzt sehr mangelhaft. 1 Art. Marin.
*) Wright schreibt zwar seiner Boderia eine „sehr zarte, farblose, membranartige
Hülle" zu , jedoch scheint mir die Anwesenheit einer solchen sehr unwahrscheinlich , auch
zeigen die Abbildungen nichts davon.
System, 179
All hang zu der Unterordnung- der Anioebaea.
Batbybius, Huxley (Quart, joiirn. micr. sc. VIIL); Häckel (84);
Gümbel (Neues Jahrb. f. Mineralogie 1870); W. Thomson (Tlie depth of
the sea, 2. ed. 1874); Bessels (Protobathybius), Jenaische Zeitschrift
Bd. IX. ; American naturalist T. IX. ; Die amerik. Nordpolexpeditiou.
Leipz. 1879, p. 320—21; Wallich, Ann. mag. nat. h. 4. ser. Vol. II.
u. VI.; Häckel, Kosmos Bd. I. ; W. Thomson, Proc. roy. soc. Bd. 23.
Problematischer, sehr einlacher protoplasmatischer Organismus, ohne
Kerne und Vacuolen, der in ausgedehnten Massen, gewissermaassen
Schleimnetze bildend, den Grund des Meeres, hauptsächlich in den hoch-
nordischen Regionen, bedecken soll.
Die ursprünglich dem Bathybiusschlamm als eigenthümliche Inhalts-
körper zugeschriebenen sogen. Coccolithen (Discolithen und Cyatho-
lithen Huxley) (I. 2 — 3) haben sich bald als in keiner Weise diesem direct
angehörig erwiesen. Es sind übrigens diese Coccolithen schon viel früher
hauptsächlich durch Ehrenberg''') (zuerst 1836) als wesentliche Bestand-
theile der Kreide, wie auch im Meeresschlamm nachgewiesen worden
(Kreide-Morpholithe, Krystalloide). Hierzu gesellten sich dann 1860 die
von 'Wallich zuerst**) beschriebenen sogen. Coccosphaeren (I. 6). Es
sind dies rundliche oder eiförmige, zellähnliche Bläschen von 0,003 bis
0,032 Mm. im Durchmesser, die nach Wallich von einer äusseren, festen
Membran gebildet werden sollen, auf deren Innenfläche mehr oder weniger
zahlreiche Coccolithen anhaften und gewissermaassen die Kugel aufbauen.
0. Schmidt***) beschrieb als weitere ähnliche Kalkgebilde des Bathybius-
schlammes die sogen. Rhabdolithen (I. 4), kleine stäbchenförmige Körper-
chen, die z. Tb. einem coccolithenartigen Scheibchen aufsitzen.
Die neueren englischen Untersuchungen haben dann ergeben, dass
auch diese Rhabdolithen zu Rbabdosphaeren vereinigt getroffen werden f)
(I. 7) und dass, wie dies früher schon von Wallich dargestellt wurde,
sowohl Coccosphaeren wie Rbabdosphaeren ihre eigentliche Heimath an
der Oberfläche der hohen See haben, wie es denn auch nach diesen
Ergebnissen wohl völlig sicher erscheint, dass, wie schon Sorbyft) und
Wallich behaupteten, die freien Coccolithen und Rhabdolithen aus dem
Zerfall der Cocco- und Rhabdosphären herzuleiten sind.
Sehr fraglich erscheint jedoch noch immer die Natur dieser Kalk-
gebilde. Die meisten Anhänger zählt jetzt wohl die von Carterfff) und
*) Vergl. hier M.-B. d. Berl. Akademie 183G, Abhandl. der Berl. Akademie 1838,
M.-B. d. Berl. Ak. 1840, Mikrogeologie und Nr. 95.
**) A. m. n. b. 3. VII. (s. auch 3. XI.) und Notes on the pres. of anim. life at vast
deapth etc. Lond. 1860 u. schliessl. A. m. n. h. -1. XIX.
***) Sitz.-B. d. Wien. Ak. LXII. 1870.
f) Proc. roy. soc. XXV.
tt) A. m. n. h. 3. VIIL
ttt) A. m. n. h. 4. VII.
12*
IgO Rhizopoda.
iihnlicli auch W. Thomson*) entwickelte Ansicht, dass die Coccolithen
als einzellige Kalkalgen zu betrachten seien, die Coccosphaeren hingegen
als die Sporangien dieser Algen. Mir scheint jedoch der Beweis für eine
solche Auffassung bei weitem nicht auch nur annähernd erbracht zu sein.
Dagegen müssen wir hier darauf aufmerksam machen, dass Harting in
künstlicher Weise, nämlich durch sehr langsame Fällung von kohlensaurem
Kalk, bei Gegenwart von eiweissartigen, thierischen Substanzen, zahlreiche
Kalkgebilde hergestellt hat (I. 5), die eine grosse Aehnlichkeit mit den Cocco-
lithen besitzen.**) Hiernach ist die Möglichkeit nicht von der Hand zu
weisen, dass es sich bezüglich der Coccolithen vielleicht überhaupt nicht um
im lebenden Organismus erzeugte Gebilde oder gar selbst Organismen
handelt, sondern um natürliche Kalkconcretionen bei Gegenwart organi-
scher Stoffe, eine Ansicht, die von Ehren berg stets vertreten wurde.
Was den Bathybiusschleim selbst betrifft, so schien dessen Natur
durch die angeblich von Carpenter und W. Thomson constatirte Proto-
plasmabewegung desselben gesichert.***) Dagegen ist nun jedoch die
ganze Frage durch die neueren Beobachtungen von W. Thomson und
den übrigen Zoologen der Challengerexpedition wieder zu einer sehr
zweifelhaften geworden. Es wollen sich nämlich die genannten Forscher
jetzt überzeugt haben, dass der vermeintliche Bathybiusschleim nichts
weiter sei, als durch Zusatz starken Alkohols aus dem Meerwasser ge-
fällter feiner Schlamm von schwefelsaurem Kalk, der durch sein Ver-
halten gegen Färbungsmittel und sein mikroskopisches Aussehen eine Ver-
wechselung mit Protoplasma wohl möglich mache. Huxley hat hierauf seine
frühere Ansicht über den Bathybiusschlamm gleichfalls zurückgezogen. Dem
gegenüber will nun aber Bessels während der nordamerikanischen Polar-
expedition im Smithsund (92 Faden Tiefe) bathybiusartige Protoplasma-
massen aufgefunden haben, denen er den Namen Protobathybius Robert-
son! gibt. Dieselben bildeten maschenartige Netzwerke mit prächtiger
amöboider Bewegung und Körnchenströmung, nahmen Karminkörnchen
auf und enthielten keine Coccolithen. Auf diese Beobachtungen von
Bessels gestützt, bekämpft Häckelf) die neuere Auffassung Thomson's
und kommt zum Schluss: der Bathybius sei wohl lokal beschränkt und
nur in den nördlichen Meeren verbreitet. Den Protobathybius von Bessels
hält er für identisch mit dem Bathybius Häckelii.
Wenn nun auch wohl kein berechtigter Zweifel an der plasmodium-
artigen Natur des von Bessels beobachteten Organismus erhoben werden
darf und hiernach die Existenz eines mit den früheren Schilderungen des
Bathybius ziemlich übereinstimmenden, rhizopodenartigen Organismus am
Grunde gewisser Meere nicht in Abrede gestellt werden darf, so ist da-
*) The depth of the sea. 2. ed. 1S74.
**) Harting, Rech, de morphol. synthet. etc, Naturk. Verh. d. kon. Akad. Deel XIV.
***) \V. Thomson 1. c.
f) Kosmos, herausgeg. von Caspary, I.
System. 181
gegen bis jetzt keine sichere Gewähr vorhanden, dass der ursprünglich
untersuchte sogen. Bathybiusschleim wirkliche Protoplasmasscn enthalten
habe. Nach der von Günibel (s. oben) vorgenommenen Analyse eines
solchen von Huxley ihm übergebencn Bathybiusschlammes enthielt derselbe
nur 3,05 Vo organischer Substanz (jedoch auch bemerkcnswerther Weise
gar keine Schwefelsäure, dagegen 20 ^Iq Kieselsäure).
II. Unterordnung. Testacea, M. Schultze 1854. (Thalamophora,
R. Hertwig 1876.)
In diese Unterordnung stellen wir, wie schon früher bemerkt, sämmt-
liche beschälten Ehizopoden ohne Rücksicht auf die ßilduugsverhältnisse der
Schale, also auch die mit weniger wohl ausgebildeter Hülle versehenen
amöbenartigen Formen, die von R. Hertwig nach dem Vorgang Häckel's als
Lepamoeba unter die Familie der Amoebina gebracht werden. Es ist ferner-
hin schon mehrfach hervorgehoben worden, dass auch eine scharfe Trennung
zwischen den unbeschalten und beschälten Formen nicht wohl zu bewerk-
stelligen ist, indem die Ausbildung einer Schalenhülle sehr allmählich zu
Stande kommt und daher eine Anzahl Mittelglieder von unentschiedener
oder doch bis jetzt noch zweifelhafter Stellung sich finden müssen. Wir
haben dieselben hier, insofern sie sich an sicher beschalte Formen näher
anschliessen, mit diesen zusammengestellt.
Als eine natürliche Gruppe betrachtet zu werden , kann die grosse
Abtheilung der Testacea gewiss nicht beanspruchen und geben wir gern
zu, dass dieselbe wohl sicher von verschiedenen Punkten aus ihren Ur-
sprung von den Unbeschalten genommen haben wird. Die grossen
Schwierigkeiten jedoch, welche sich der Begründung wahrer verwandt-
schaftlicher Zusammenhänge, bei der geringen Zahl und der Wandelbarkeit
der verfügbaren Charaktere, entgegenstellen, mag es rechtfertigen, dass
wir hier von einem Versuch, die Ableitung der beschälten Formen von
den verschiedenen Typen der Unbeschalten in der Classifikation zum
Ausdruck zu bringen, vorerst Abstand genommen haben.
Wir glauben am besten an dieser Stelle eine kurze historische Ueber-
sicht der von d'Orbigny festgehaltenen Classifikationsprincipien der be-
schälten marinen Rhizopoden mittheilen zu sollen, denn nur solche bilden
in den zahlreichen Werken dieses Beobachters der Gegenstand seiner
Untersuchungen. Ursprünglich (22) hat er nur polythalame Schalen
gekannt und daher auch nur solche in seinem System von 1826 berück-
sichtigt. Die Basis seiner systematischen Anordnung bildete die Art des
Aufbaus der polythalamen Schalen, die Gruppirungsweise der Kammern;
so blieb von ihm der Unterschied zwischen Imperforata und Perforata
völlig unberücksichtigt, wie auch andererseits zahlreiche Formen auf
Grund der ähnlichen Zusammengruppiruug der Kammern nebeneinander-
gestellt wurden, welche die spätere Forschung als zu verschiedenen Reihen
gehörig erwiesen hat. Nachdem ihm späterhin auch die einkammerigen
Ig2 Eliizopoda,
Formen bekannt geworden waren, erhob er diese zu einer Abtheiliing
der Monostegia. Die raehrkammerlgen vertheilte er dagegen in folgende
Abtheilungen: 1. Stichostegia, mit in einer einzigen, nicht spiralen
Axe aufgereihten Kammern, die heutigen Nodosarien und Verwandten
umfassend. 2. Die Enallostegia mit Kammern, die ganz oder theil-
weise alternirend nach zwei oder drei Axen in verschiedener Weise
zusammengruppirt sind, jedoch ohne regelmässige spiralige Anordnung.
Hier finden wir hauptsächlich Textularia und Verwandte, jedoch auch
Polymorphina, Sphaeroidina etc. 3. Helicostegia. Mit regulär spiralig,
schneckenförmiger Anordnung der Kammern nach 1 oder 2 Axen. Hierher
wurden zunächst schraubig-spiralige Formen zu einer Unterabtheilung der
Turbinoidea zusammengestellt, wie Uvigerina, Bulimina, Valvulina und die
grosse Reihe der Rotalinen , während in den Unterabtheilungen der Am-
monoidea und Nautiloidea hauptsächlich die symmetrisch spiraligen Formen
Ihren Platz fanden, perforirte und imperforirte bunt durcheinander.
4. Die Agathistegia umgreifen hauptsächlich die Milioliuen und bedürfen
"daher hier keiner besonderen Charakteristik. Die Anordnungsverhältnisse
der Kammern dieser Formen hat d'Orbigny schon ziemlich richtig erkannt.
5. Entomostegia werden durch die Untertheilung der Kammern durch
Scheidewände oder kleine Röhrchen in Unterkämmerchen charaktcrisirt,
und hier finden sich Amphistegina, Orbiculina, Heterostegina neben Fabu-
laria und Alveolina. Späterhin (1852) errichtete d'Orbigny für die cyklisch
wachsenden Formen noch eine 6. Abtheilung der Cyclostegia, welche
die früher von ihm wenig berücksichtigten Genera Orbitolites, Orbitoides,
-jedoch auch Tinoporus (= Orbitolina d'Orb.) umfasste.
A. Tribus Imperforata, Carpenter 1862 (Reuss 1861).
Char. Schalenwandungen solid, nicht von feinen Poren perforirt,
dagegen mit 1—2 Mündungsöffnungen, oder auch, durch Unterabtheilung
der ursprünglich einfachen Mündung, einer grösseren Zahl kleinerer poren-
artiger OeffuuDgen. Einkammerig bis vielkammerig.
Den Imperforata von Carpenter sind hier auch die beschälten Lobosa
desselben eingeordnet, da wir, wie bemerkt, die Trennung der Rhizopoda
in Lobosa und Reticulosa nicht festhalten. Die schon von M. Schnitze
1854 versuchte Eintheilung der Testacea in Mono- und Polythalamia
halten wir mit Carpenter für unnatürlich ; natürlicher wird die Verwerthung
dieser Bezeichnungen dann, wenn man wie R. Hertwig (1879) die Mono-
thalamia auf die Süsswasserformen und die Gromien beschränkt; jedoch
wird hierdurch die Bezeichnung Polythalamia für die restircnden marinen
Formen ganz verwirrend, da sich unter letzteren zahlreiche einkammerige
finden.
System. . 183
1. Familie. Arcellina, Ebrbg. 1830 und 38 (nicbt später).
Arcellina p. p. v. Siebold 1848 ; Lageuida p. p. M. Scbultze 1854 ; Amoebina
p. p. Clap. 1858; Arcellina + Dif'fliigiua p. p. Stein 1861; Amoebina p. p.
Carp. 1862; Lepamoeba Häckel 1868; Tbekolobosa Häckel 1878; Mono-
thalamia monostomata p. p. Hertwig 1879.
Cbar. Scbale einaxig, kappenförmig bis lauggestreckt, zuweilen
durcb etwas einseitige Lagerung der polaren, engeren oder weiteren ein-
fachen Mündung bilateral. Pseudopodien lobos. Kerne und contractile
Vacuolen gewöhnlich vorhanden.
Cochliopodium, Hertwig u. Lesser 1874; F. E. Schulze (101, III.)
(II. 11).
Synon. Amoeba p. p. Auerbach (Z. f. w. Z. VII.), Ampliizonella (Greeff) Archer
(90), ? Cyphidium Ehrbg. (31).
Schale biegsam und von kappenartiger Gestalt, dem Körper dicht
aufliegend, daher mit diesem grosser Gestaltsveränderiingen fähig.
(Structur erinnert an Arcellaschale.) Schalenöffuung, aus der die lobosen
Pseudopodien bündelartig hervortreten, sehr weit. Contractile Vacuolen
2 bis mehr. 1 Kern. Süsswasser. 1 — 2 Arten.
?Pyxidicula, Ehrbg. 1838; Carter (A. m. n. h. 3. XIII.) ; Hertwig
und Lesser (99).
Synon. Arcella p. p. Clap. u. Lachui. (60), ? Pseudochlamys (Clap. u. Lachm.)
F. E. Schulze (101, III.).
Schale uhrglasförmig und die weite untere Oeffnung nur durch
schmalen Umschlagssaum des Randes etwas verengt. Schaleuoberfläche
mit feinen Höckerchen bedeckt. Thierkörper wie Arcella. Süsswasser;
1 Art. (Nach meiner Ansicht möglicherweise nur Jugendzustand von
Arcella, vergl. A. f. mikr. A. X. und Bück Z. f. w. Z. XXX.)
?Pseudoclilamys, Clap. u. Lehm. 1858 (60); Hertwig u. Lesser (99)
(IL 8).
Schale in Gestalt und Farbe wie Arcella; orale, flache Wand jedoch
sehr dünn. Oberseite mit arcella-artiger Gitterzeichnung. Thierkörper
wie Arcella (gewöhnlich nur 1 Kern). 1 Art. Süsswasser. (Auch diese
Form möchte ich für einen Jugendzustand von Arcella halten.)
Arcella, Ehrbg. 1830; Perty (48); Clap. u. Lachm. (60); Carter
(56, etc.); Wallich (A. m. n. h. 3. XIII.); Ehrenberg (95); Bütschli (Arch.
f. m. A. X.); Leidy (Pr. Ac. Philad. 1876); Bück (Z. f. w. Z. XXX.);
Cattaneo (Att. soc. it. d. sc. n. XXI.); Hertwig u. Lesser (99) (T. IL 9).
Char. Schale uhrglasförmig mit convexer Oberseite und flacher Oral-
scite, in deren Centrum die massig weite, kreisrunde Mündung. Braun.
Feine, eigenthümliche Gitterstructur. Thierkörper füllt die Schale nicht
völlig aus. Meist die Kerne und contractilen Vacuolen in grösserer Zahl.
Süsswasser (auch feuchter Sand und Moos). 1 sichere Art, die sonst
noch beschriebenen Arten sind unsicher.
184 Ebizopoda.
Hyalosphenia, Stein 1857 (Sitz.-B. d. k. böhra. G. X.); F.E.Schulze
(101, III.) (II. 10).
Synon. Arcella (oblonga) Lachm. (Verh. des ii.-V. d. preuss. Eh. XVI.), Catharia
Leidy (Proc. acad. Philad. J874. 1875).
Schale chitinös, structurlos. Gestalt oval bis birnförmig, mit ver-
längerter Hauptaxe, parallel dieser stark comprimirt. Mündung einfach.
Thierkörper die Schale nicht völlig ausfüllend, difflugienartig. Süsswasser.
2—3 Arten. (Einige weitere nordamerikanische Formen hat Leidy, jedoch
bis jetzt sehr unvollständig, beschrieben.)
Quadrula, F. E. Schulze 1875 (101, III.) (II. 12).
Synon. DifÜiigia p. p. Wallicli (A. m. n. h. 3. XIII.), Elirenberg (95).
Schalengestalt ähnlich Hyalosphenia, jedoch weniger comprimirt;
aus meist quadratischen, glashellen Plättchen (Chitin?) aufgebaut. Hinter-
ende der Schale zuweilen bestachelt, ähnlich Euglypha. Thierkörper
difflugia-artig. Süsswasser. Sichere Arten 2. (Bei Ehrenberg [95] linden
sich jedoch eine ziemliche Anzahl unsicherer, wohl hierhergehöriger
Schalenformen beschrieben.)
Difflugia, Ledere 1815; Ehrenberg (31); Perty (48); Clap. u.
Lachm. (60); Wallich (A. m. n. h. 3. XIII.); Carter (A. m. n. h. 3. XII.
und XIII.); Hertwig und Lesser (99); Leidy (Proc. Ac. Philad. 1877)
(IL 1—8).
Synon. Arcella p. p. Ehrenlierg (1)5), Echinopyxis Clap. u. Lachm. (60), Ceutro-
pyxis Stein (Sitz.-B. d. k. böhm. G. X.), Nebela Leidy (Pr. A. Philad. 1874 u. 76).
Schale mit Fremdkörpern incrustirt, die durch chitinöses oder z. Th.
vielleicht auch mehr protoplasmatisches Bindemittel verkittet werden
(hauptsächlich Sandkörnchen, Diatomeenschalen, seltner rundliche bis ovale
Scheibchen oder cylindrische Stäbchen von zweifelhafter Herkunft). Gestalt
ziemlich variabel. Regulär monaxon, kugelig bis langgestreckt und dabei
das Hinterende z. Th. in Spitze ausgezogen oder mit mehreren symmetrisch
oder asymmetrisch gestellten, hornartigen Fortsätzen geziert. Häufig stark
comprimirt, z. Th. die Mündung jedoch einseitig excentrisch verschoben
und dann Gestaltung bilateral. Mündungsrand zuweilen etwas nach Innen
oder Aussen umgeschlagen, z. Th. auch eigenthümlich crenulirt. Thier-
körper die Schale gewöhnlich nicht ganz erfüllend; mit lobosen, selten
etwas zerschlitzten Pseudopodien. Vacuolen und Kerne in sehr verschie-
dener Zahl. Süsswasser. Zahl der Arten sehr beträchtlich, jedoch schwierig
festzustellen, wegen grosser Variabilität; bis jetzt mögen sich etwa
IV2 Dutzend Formtypen einigermaassen auseinanderhalten lassen. (Eine
sehr grosse Zahl unsicherer Arten wurde von Ehrenberg [95] beschrieben.
Zu einem besonderen Geschlecht Nebela erhebt Leidy diejenigen Difflu-
gien, die als Schalenmaterial die erwähnten eigenthümlichen scheiben-
förmigen Körperchen oder zugleich Stäbchen zeigen. Dieselben besitzen
ferner eine birnförmige Gestaltung und sind meist ziemlich stark com-
primirt.
System. 185
Lee queren sia, Schlumbcrger (Ann. d. sc. nat. Zool. 3. III.); Ehien-
berg (M.-B. d. B. A. 1840); Cohu (Zeitschr. f. w. Z. IV.); Carter (75);
Entz (110); Mereschkowsky (118) (III. 9).
Synon. Difflugia Aut.
Schalenstrnctur wie Difflugia, jedoch durch einseitige Wendung der
Schalenmündung und spiraliges Weiterwachsthum des Schalenhalses etwa
retortenförmig; die einzige Form des Süsswassers, die eine spiralige Ein-
rollung aufweist (höchstens jedoch V2 Umgang). 1 Art.
Anhang zur Familie der Arcellinen.
Petalopus, Cl. u. Lehm. 1858 (60) (IL 13).
Ovaler, vorn abgestutzter Körper, angeblich ohne Schale. Pseudo-
podien nur vom abgestutzten Vorderende entspringend; etwas verästelt
und an den Enden plattenförmig verbreitert. Nucleus und contractile
Vacuole? 1 Art, Süsswasser. (Diese seither noch nicht wiedergesehene
Form habe ich vorläufig hierhergestellt, da mir die die Abwesenheit eines,
wenn auch zarten Schalenhäutchens keineswegs sicher erwiesen zu sein
scheint.)
Are eil in a, du Plessis 1876. (Sitz.-B. d. phys. medic. Soc. zu
Erlangen 1876.)
Zweifelhafte marine Form. Kugelig, seltener eiförmig, bis zu Hanf-
korngrösse. Dünne Schale chitinös mit rundlicher Oefifnung auf konischem
Vorsprung. Schalenwände sollen sehr fein porös (!) sein, jeder Porus
äusserlich auf einem Wärzchen der Schalenoberfläche münden. Pseudo-
podien lobos, nur aus der Mündungsöffnung austretend. Kerne in Mehr-
zahl, sowie sogen. Glanzkörper (ähnlich Pelomyxa?) vorhanden.
2. Familie. Euglyphina Btschli,
Schale chitinös oder kieselig, aus hexagonalen oder rundlichen
Plättchen aufgebaut. Monaxon bis bilateral. Pseudopodien fadenartig
zugespitzt, wenig anastomosirend. Kern und contractile Vacuolen vor-
handen.
Euglypha, Duj. 1841; Carter (A. m. n. h. 3. XIL u. XV.); Hertwig
u. Lesser (99); F. E. Schulze (101, III.) (III. 12).
Synon. Difflugia p. p. Ehrbg. (95), Spheuoderia Schlumberger (A. sc. n. Zool. 3. III.).
Schale monaxon, ellipsoidisch, bis beutel- und birnförmig; Mün-
dung ziemlich weit. Kieselige, kreisförmige bis hexagonale Plättchen
bauen in schiefen Reihen die Schale auf. Mündungsrand gewöhnlich
zackig. Häufig Hinterende bestachelt oder auch kürzere Stacheln über
die ganze Schale verbreitet. Pseudopodien nicht anastomosirend. Süss-
wasser. Ca. 3 — 4 sichere Arten, jedoch finden sich bei Ehrenberg (95)
noch eine ziemliche Reihe unsicherer Formen erwähnt.
Trinema, Duj. 1836; Carter (56); Hertw. u. Lesser (99); F. E.
Schulze (101, ni.).
Synon. Difflugia (enclielys) Elubg. (31), Euglypha (pleurosoma) Carter, Arcella
p. p. Ehrbg (95)."
186 Eliizopoda.
Schaleiistriiclur und Thierkörper wie Englypha, dagegen Mündung
auf etwas abgeplattete Unterfläclie gerückt und somit Schale bilateral.
Süsswasser. 1 Art.
Cypboderia, Schlumb. 1845; H. u. L. (99); F. E. Seh. 101, III.)
(III. 13).
Synon. Difflugia Ehrbg. p. p. (95), Euglypha Perty p. p. (43), Wallicli p. j).
(1. c. s. Diffl.), Lagyiiis M. Schultze (53).
Schale aus chitinösen Plättchen gebildet, die jedoch relativ viel
kleiner sind, als bei den vorhergehenden beiden Geschlechtern. Gestalt
etwa länglich beutellormig mit halsartig gerader oder nach der Seite
gewendeter Mündung. Süsswasser und Ostsee, 2 Arten.
Anhang zur Familie der Euglyphinen.
Campascus, Leidy 1877 (Proc. Ac. Philad. 1877. P. III.).
Gestalt der Schale und Bau des Protoplasmakörpers ähnlich Cypho-
deria, Schale chitinös mit Fremdkörpern incrustirt. Hinterende jederseits
mit hornartigem Fortsatz ähnlich gewissen Difflugieu. 1 Art. Süsswasser.
2. Familie. Gromiina, Btschli; Gromidea Clap. und Lachm. 1858;
Stein (Reuss) 1861; dto. Carp. p. p. 1862.
Mit chitinöser, fast stets ganz structurloser Schale, von jnonaxoner
oder etwas bilateraler, ovaler Gestaltung und ziemlich verengter Mün-
dung. Pseudopodien meist reticulos, stets jedoch dünn, fadenförmig
und spitzig. Kerne und contractile Vacuolen vorhanden oder fehlend.
Lieberkühnia, Clap. u. L. 1858 (60) (III. 16).
Syuon. Gromia Cienkowsky (104a).
Körper ovoid, mit sehr zarter, dicht anliegender Hülle bekleidet;
Mündung etwas hinter dem etwas zugespitzten Vorderende. Die Pseudo-
podien entspringen von einem Pseudopodienstiel, der von der Mitte
der antioralen Seite des Thierkörpers seinen Ursprung nimmt und aus
der Mündung austretend ein sehr reiches Pseudopodiennetz entwickelt.
Contractile Vacuolen und Kerne vermisst. Süsswasser. 1 oder 2 Arten.
Mikrogromia, R. Hertw. 1874 (Arch. f. mikr. Anat. X. Suppl.
(III. 15).
Syuon. Gromia Archer (90), Cystophrys Archer (90).
Schale beuteiförmig, klein, etwas bilateral durch die sehr wenig
einseitig verschobene, etwas halsartig ausgezogene Mündung. Körper
die Schale nur z. Th. ausfüllend. Pseudopodien von einem oralen
Pseudopodienstiel entspringend. 1 Kern und 1 contractile Vacuole. Häufig
koloniebildend. Süsswasser. 2 Arten.
Platoum, F. E. Seh. 1875 (101, III.) (III. 17).
Synon. Difflugia Schneider (A. f. A. u. Ph. 1854), Chlamydophrys Cienk. (104a),
Troglodytes Gabriel (Morph. J. I.).
Unterschiede von Mikrogromia sehr gering. Schalengestalt sehr ähn-
lich, jedoch Mündung etwas spitziger ausgezogen,* terminal bis sehr wenig
System. ,. 187
seitlich verschoben. — Im Qacrschnitt elliptisch bis rundlich. Schalen-
haut etwas bieg-sam. Thierkörper die Schale nicht völlig erfüllend. Häufig
kolouiebildend. SUsswasser, feuchte Erde und faulende Stoffe. 2—3 Arten.
Plectophrys, Entz 1877 (110).
Nur durch eine eigenthümlich faserige (oder vielleicht eher etwas
schuppig zu bezeichnende) Schaleustructur von Platoum unterschieden.
1 Art. Salzteich bei Klausenburg (Ungarn).
Lecythium, H. u. L. (99) 1874.
Synoii. Arcella p. p. Elivbg-. (31), Fresenius (Abh. d. Seiickeiib. Ges. IL), Gromia
Schlumberger (A. sc. n. Z. 3. III.), — socialis F. E. Scli (1(J1, III.), Phonergates
Bück (Z. f. w. Z. XXX.).
Schale in ihrer Gestalt sehr ähnlich Mikrogromia, klein, jedoch dem
Körper dicht aufliegend; ob biegsam oder starr, wird verschieden an-
gegeben. Contractile Vacuole gewöhnlich nicht, Kern vorhanden. Zuweilen
Koloniebildung. Stisswasser. 1 Art.
Gromia, Duj. 1835 (26); M. Seh. (53); F. E. Seh. (101, III.) (III. 18,
IV. 6).
Synon. Sphaerula Dalyell (The powers of the creat.), Plagiophrys Hertwig und
Lesser (99).
Gestalt ei- bis kugelförmig; chitinöse Schale dem Körper direct auf-
liegend und meist ziemlich biegsam, daher zuweilen mit diesem die
Gestalt etwas ändernd. Wanddicke recht variabel. Mündung terminal.
Pseudopodien theils sehr fein reticulös, körnchenfiihrend, tbeils hyalin,
spitzig verästelt und wenig anastomosirend. 1 bis zahlreiche Kerne. Con-
tractile Vacuolen gewöhnlich fehlend. Stisswasser und marin. Ca. 4 Arten.
(Wenn es wirklich gromia-artige ßhizopoden ohne Schalenhaut gibt, wie
Claparede und Lachmann (60) für ihre Plagiophrys angaben und wie es
nach den Beobachtungen von F. E. Schulze (101, III.) gleichfalls scheint,
so dürfte für diese der Gattungsname Plagiophrys zu reserviren sein.)
? Pamphagus, Bailey 1853 (Sill. amer. journ. 2. XV.); Archer
(Qu. journ. micr. sc. 1871).
Zweifelhaftes Geschlecht, soll nach Archer biruförmigen, von sehr
zarter Schalenhaut umschlossenen Körper besitzen, von dessen breitem
Ende die langen verästelten Pseudopodien entspringen. Grosser Nucleus.
Stisswasser. 1 Art.
Pseudodifflugia, Schlumberger 1845 (III. 14).
Synon. Pleurophrys Clap. u. Lachm. (60), Kevtw. u. L. (99), F. E. Seh. (101, III.),
Archer (90).
Gestalt und Bau des Weichkörpers gromia-artig. Schale mit Fremdkör-
pern difflugia-artig incrustirt. Süsswasserund Brackwasser. Artzahl ca. 5 — 6.
Diaphoropodon, Archer 1870 (90) (IV. 1).
Schale monaxon, eiförmig, aus lose vereinigten Fremdkörpern (haupts.
Diatomeen und Protococcuszellen) gebildet. Pseudopodien von zweier-
lei Art; einmal zahlreiche sehr lange, hyaline, z. Th. tannenbauii^/
"^ ' *^ ' - einer
188 • EMzopoda.
verästelte, aus der Mündung hervortretende und dann fein haarförmige,
nicht retractile, allseitig zwischen den Schalenpartikeln vorspringend.
(Ob wirklich Pseudopodien?) Contractile Vacuole vorhanden. Süsswasser.
1 Art.
Anhano: zur Familie der Gromiina.
Lecythia, Wright 1861 (A. m. n. h. 3. VIII.).
Mangelhaft beschriebener, vielleicht hierher gehöriger Organismus.
Etwa zu vergleichen einem auf langem, aboralem Stiel getragenen Lecy-
thium, aus dessen Schalenöffnung strahlenartig zahlreiche feine Pseudo"
podien austreten. 1 Art. Marin.
Squamulina, M. Seh. 1854 (53).
Schale kalkig, flach linsenförmig bis unregelmässig, mit dünner,
flacher Seite festgeheftet. Auf Oberseite excentrisch gelegene, massig
weite, rundliche Mündung. Marin. 1 Art. Fossil? (Scheint mir ziemlich
fraglich, namentlich im Hinblick auf ihre eventuellen Beziehungen zu dem
so vielgestaltigen Geschlecht Nubecularia; daher auch ihre Stellung bei
den Gromiinen fraglich. Von Carpenter an die Spitze der Miliolida
gestellt.)
4. Familie. Amphistomina Btschli. (Monothalamia amphistomata
Hertw. 1879).
Char. Schale sehr zart bis dicker, chitinös oder von Fremdkörpern
gebildet. Monaxon, etwa citronenförmig und an beiden Polen mit Mün-
dung versehen. Pseudopodien fadenförmig, spitzig bis reticulos. Nucleus
vorhanden.
Diplophrys, Barker 1868 (Qu. journ. micr. sc. VII. p. 232, VIII.
p. 123); Archer (90); Greeff (Arch. f. mikr. A. XL); Hertw. u. L. (99);
F. E. Seh. (101, III.) (IV. 2).
Körper klein, nahezu kugelig bis spindelförmig. Schalenhäutchen
höchst zart (nicht völlig sicher). Mehrere contractile Vacuolen und 1 oder
mehrere gelbe bis orangerothe Fettkörper. Süsswasser und Mist. 2 Arten.
Ditrema, Archer 1876 (Qu. journ. micr. sc. XVI.).
Schale hyalin, gelblich, ziemlich dick und starr. Mündungsränder
etwas nach Innen umgeschlagen. Süsswasser. 1 Art.
Amphitrema, Archer 1870 (90) (IV. 3).
Schale oval, mit Fremdkörpern incrustirt; Mündungen etwas hals-
artig verlängert. Contractile Vacuole fehlt. Süsswasser. 1 Art.
Gruppe Miliolida, Carp. emmend. B. (Miliolida Carp. 1862 -J- pars
Lituolidarum Carp.).
Schalengestalt sehr verschieden, mono- und polythalam. Structur
kalkig, imperforirt, äusserlich gewöhnlich porcellanartig glänzend; oder
lichj^'jo; und imperforirt (für diese sandigen Formen kann ein allgemeiner
System. . 189
Charakter nicht angegeben werden ; ihre wenig sichere Stellung wird ihnen
durch ihre gestaltlichen Beziehungen zu den kalkschaligen Formen
gegeben).
5. Familie Miliolidina (Miliolidea Reuss 1861 -f- pars Lituolidarum).
Char. Mono- bis polythalam, spiralig eingerollt, auf 1 Umgang
kommen nur 2 Kammern bei den Polythalamen. Kalk- oder sandschalig.
Cornuspira, M. Seh. 1854 (53, 64) (IV. 8).
Synon. Operculina p. p. Keiiss et alior. olim.
Kalkig, frei, monothalam, symmetrisch spiralig eingerollt und sehr
wenig involut. Meist parallel der Windungsebene sehr comprimirt und
letzter Umgang rasch in die Höhe wachsend. Zahl der lebenden Arten
ca. 3. Seit Trias.
Ammodiscus, Reuss (V. 20—22).
Synon. Cornuspira Will. p. p., Trochauimina Parker u. J., sowie Carp. p. p., Invo-
lutina Terqu. p. p., Operculina d'Orb. p. p.
Frei, cornuspira- artig, jedoch sandig; äusserlich ziemlich glatt.
Häufig unregelmässiger werdend, so z. Th. knäuelförmig uuregelmässig
gewunden, oder letzter Umgang geradlinig weiter wachsend. Zu-
weilen durch gelegentliche unregelmässige Einschnürungen Neigung zur
Polythalamie. (Fraglich, ob alle hierhergerechneten Arten imperforirt.
Unsicher ist die vielleicht verwandte Terebralina Terqu. aus Lias.)
Lebende Arten ca. 2. Seit Kohlenformation.
Miliola, Lamarck 1804; Parker (Transact. micr. soc. n. s. VI.).
Synon. Serpula p. p. Linne, Frumentaria Soldani, Vermiculum Montagu.
Schale kalkig oder seltener sandig bis chitinös; spiralig ein-
gerollt und polythalam ; jede Kammer nimmt die Hälfte eines Umgangs
ein, so dass die Mündungen abwechselnd an einem und dem anderen Pol
liegen. Mündung weit, gewöhnlich springt ein zungenförmiger Fortsatz
von der Wand des vorhergehenden Umgangs in sie ein. Wenig bis völlig
involut und hiernach die Zahl der äusserlich sichtbaren Kammern sehr
verschieden. (Hierher dürfen wohl auch eine Anzahl sandschaliger, von
Parker, Jones, Carpenter und Brady zu Trochammina gezogener fossiler
Formen gestellt werden, da sie ganz den Bau von Miliola zeigen und die
sandschaligen Rhizopoden, wie schon mehrfach bemerkt, überhaupt keine
natürliche Abtheilung bilden.)
üntergenera:
Spiroloculina d'Orb. 1826 (IV. 10).
Umgänge sich nur berührend, so dass äusserlich die Kammern beider-
seits sämmtlich sichtbar sind. Zahl der lebenden Arten ca. 9. Vom oberen
Jura ab.
Quinqueloculina, d'Orb. 1829 (IV. 11).
Synon. Adelosina d'Orb., Miliolina Will. p. p.
Umgänge sich mehr oder weniger umfassend, jedoch auf einer
190 Rhizopoda.
Seite mehr , so dass äusserlieli auf dieser Seite gewöhnlicli 3 , auf
der entgegengesetzten aber 4 Kammern sichtbar bleiben. Jedoch die
Zahl dieser sichtbaren Kammern etwas variabel. Mündung selten sieb-
förmig. Zahl der lebenden Arten ca. 22. Seit Kreide.
Triloculina, d'Orb. 1827 (IV. 25, VIII. 3).
Synoii. Cruciloculina d'Orb., Lageiia Brown p. p., Miliolina Will. p. p.
Char. Aeusserlich nur die 3 jüngsten Kammern sichtbar. Mündung
meist ähnlich vorhergehenden, z. Tb. jedoch durch 4 vorspringende Ecken
kreuzförmiger Schlitz (Cruciloculina d'Orb.). Zahl der lebenden Arten
ca. 8. Vom Jura ab. (Brady [117, II.] weist neuerdings wieder auf die
zahlreichen Uebergänge zwischen diesem Untergenus und Quinqueloculina
hin und schlägt daher vor, beide unter der schon früher von Williamson
in diesem Sinn angewendeten Bezeichnung Miliolina zusammenzufassen.
Biloculina, d'Orb. 1826 (IV. 12—15).
Synon. Rcnoidea Brown p. p., Lagenula Flemm. p. p., Pyrgo Defr.
Char. Vollständig involut, so dass äusserlich nur die 2 jüngsten
Kammern sichtbar. Meist parallel der Längsaxe linsenförmig abgeplattet.
MUndungszunge häufig sehr entwickelt. Zahl der lebenden Arten ca. 7.
Seit Trias.
Anhang:
Uniloculina d'Orb. (Mod. und 1839) soll sich durch völlige Um-
fassiMig der früheren Kammern durch jede folgende auszeichnen, daher
äusserlich nur die jüngste sichtbar. Bis jetzt nur 1 zweifelhafte lebend
beobachtete Form.
Fabularia, Defr. (IV. 21, VIII. 2).
Gestalt und Wachsthum wie Biloculina, nur viel grösser. Kammer-
höhlungen von Schalenmasse bis auf ein System zahlreicher, anastomosi-
render Längsröhren erfüllt; daher Mündung siebförmig. Nur Tertiär.
G. Familie Pener oplidina, Reuss 1860 (Sitz.-B. d. k. böhm. G. 1860).
Kalkig oder sandig, polythalam; z. Th. die Kammern noch miliolinen-
artig, jedoch stets 3 oder mehr auf dem Umgang (wenigstens in den
jüngeren Umgängen). Häufig Uebergang in gerades Wachsthum. Mündung
einfach oder in zahlreiche porenartige Oeffnungen zerfallend.
Hau er in a, d'Orb. 1846 (IV. 20).
Kalkig, frei, Spiral aufgerollt. Anfangsumgänge miliola-artig, spätere
hingegen mit 3 — 4 Kammern. Grössenzunahme der Kammern recht
allmählich. Mündung siebförmig. Zahl der lebenden Arten ca. 5. Seit
Jura.
Vertebralina, d'Orb. 1826 (IV. 17—19).
Synon. Articulina d'Orb., Renulites Lam., Renulina Blainv., ? Ceratospirulina ELrbg.
Kalkig, frei, Anfangskammer spiral eingerollt, miliola-artig, gewöhn-
lich 3 Kammern auf den Umgang, Hierauf geradliniges Wachsthum,
System. 191
Scheidewandbildung schwach, Mündung daher einfach. Häufig parallel
der Längsaxe sehr abgeplattet. Z. Th. spiraliger Aufangstheil sehr klein
und wenig entwickelt (Articulina) und gleichzeitig Kammern sehr lang-
gestreckt. Zuweilen dagegen sehr abgeplattet und Kammern rasch in die
Breite wachsend, so dass Gesammtgestalt nierenförmig (Renulites). Zahl
der lebenden Arten ca. 5. Seit Unter-Tertiär.
Peneroplis, Montf. 1810; Carpenter (57, 3. ser.).
Synon. Nautilus p. p. F. u. M., Cristellaria p. p. Lam.
Char. Kalkig, frei, spiralig eingerollt, wenig bis ziemlich involut.
Zahl der Kammern auf einem Umgang recht beträchtlich, daher Einzel-
kamraern nur kurz, jedoch ziemlich rasch an Höhe anwachsend. Meist
parallel der Windungsebene sehr abgeplattet. Scheidewände sehr wohl
entwickelt. Mündung verzweigter Längsspalt oder Längsreihe von Poren.
Untergenera:
Peneroplis, s, str. (V. 1).
Wenig involut, letzter Umgang gewöhnlich in massig langes gerades
Wachsthum übergehend und sich dann häufig fächerförmig ausbreitend,
mit sehr niederen, jedoch in der Höhenrichtung sehr ausgedehnten
Kammern. Mündung gewöhnlich 1, seltener 2 Längsreihen von Poren
auf der Septalfläche. Lebende Arten ca. 3. Seit Eocän.
Dendritina, d'Orb. (IV. 22-24, VIU. 12).
Synon. Spirolina d'Orb. p. p., Coscinopora Ehrbg.
Mehr involut, Septalflächen daher hufeisenförmig; ohne fächerartige
Ausbreitung der jüngsten Kammern. Spirolina d'Orb. mit Uebergang in
gestrecktes Wachsthum. Mündung dendritisch verzweigter Längsschlitz.
Lebende Art 1. Seit Tertiär.
Anhang:
Nubecularia, Defr. 1825 (IV. 9).
Synon. Serpula p. p. Sold., Webbina p. p. d'Orb.
Char. Kalkig, z. Th. jedoch auch etwas sandig; mit breiter Basal-
fläche aufgewachsen und diese gewöhnlich ohne oder doch nur mit sehr
dünner Wandung. Polythalam. Anfang spiralig, jedoch bald sehr unregel-
mässig werdend. Kammern nur durch Waudeinschnürungen getrennt.
Aeusserlich von Kammerbildung gewöhnlich nur wenig sichtbar. Zuweilen
in eine Art cyklischen Wachsthums übergehend. Lebende Arten ca. 2.
Seit Trias.
Placopsilina, d'Orb. 1850 (V. 19).
Synon. Lituola p. p. P. u. J., Carp.
Char. Sandig, äusserlich rauh; aufgewachsen ähnlich Nubecularia
und auch wie bei dieser die aufgewachsene Seite häufig ohne Wand-
bildung. Beginn mehr oder weniger regelmässig Spiral, jüngerer Theil
häufig in gerades Wachsthum übergehend oder aber auch sehr unregel-
mässig bis acervulin. Lebende Arten ca. 1. Fossil seif?
192 Rlüzopoda.
Lituola, Linck. emmend. B.
Synon. Lituola P. u. J,. Carp. p. p.
Sandig, äusserlich raub, frei, polytlialam, spiralig symmetrisch auf-
gerollt; nahezu völlig involut; jüngere Kammern häufig in gestrecktes
Wachsthum übergehend.
üntergenera:
Haplophragmium, Reuss 1860 (V. 17).
Synon. Lituola p. p. Carp., P. u. J., Nonionina p. p. Will., M. Seh., Spirolina
Aiit. p. p., D'Orbignyina v. Hagen, Proteonina Will. p. p
Kammerhöhlungen ohne labyrinthische Einwüchse; Mündung ein-
fach, gewöhnlich an Basis des Septums, an gerade gestreckten Kammern
terminal. Lebende Arten ca. 1 — 2. Fossil seit?
Lituola, s. str. Reuss, Brady (V. 18).
Kammerhöhlungen von labyrinthischen Auswüchsen erfüllt; Mündung
unregelmässig, dendritisch bis siebförmig. Lebende Arten ca. 1. Fossil
seit Kohlenformation.
7. Familie Orbitolitina (= Orbitulitidea Reuss 1861).
Gestalt und Wachsthumsverhältnisse ziemlich verschieden. Kalkig.
Primäre Kammern durch secundäre Scheidewände in secundäre Kämmer-
chen getheilt.
Orbiculina, Lamck. 1816; Williamsou (47); Carpenter (57, 2. ser.)
(VL 2).
Synon. Nautilus F. u. M.. Helenis, Archais, Ilotes Montf.
Char. Aufangstheil der Schale spiralig, involiit aufgerollt, hierauf
in cyklisches mehr oder minder völlig kreisförmig geschlossenes Wachs-
thum übergehend. Umrisse der flachen Schale bis fächer-, nieren- und
nahezu kreisförmig. Ursprungstheil knopfförmig verdickt. Bis zu 1 Cm.
und mehr Durchmesser etwa. Lebende Arten ca. 2. Fossil seit Tertiär.
Orbitolites, Lam. 1801; Williamson (47); Carpenter (43, 57 1. ser.);
Gümbel (96) (VL l, V. 3, 4).
Synon. Discolithes Fortis p. p., Madreporites Deine, Milleporites F. de St. Fond.,
Orbulites Lam., Marginopora Quoy et Gayni., Sorites Ehrbg., Omphalocyclus Bronn,
CuiJulites d'Orb., Cyclolina d'Orb.
Char. Scheibenförmig, kreisrund; auf Embryonalkammer und grosse,
dieselbe etwa zur Hälfte umgebende 2. Kammer folgt sogleich cyklisches
Wachsthum zahlreicher Kämmerchenkreise. Entweder nur 1 Lage Kämmer-
chen oder jederseits oberflächlich noch eine Lage kleinerer secundärer
Kämmerchen abgesondert. Centrum der Scheibe dünn, häufig concav ver-
tieft; Ränder zuweilen sehr verdickt, wulstförmig, auch z. Th. gefaltet.
Durchmesser zuweilen bis gegen 2 Centimeter. Lebende Arten ca. 2 (wohl
mehr). Fossil seit Lias.
System. 193
Alveolina, Bosc (d'Orb.) 1826; Deshayes (A. sc. nat. XV.); Carter
(A. m. n. h. 2. XIV.); Carpenter (57, 2. s.); Parker u. Jones (62, f) (V. 2).
Synon. Discolithcs Fortis p. p., Nautilus F. u. M. p. p., Borelis, Clausulus, Milio-
lites Moiitf., Melonites, Melonia Lamck.
Char, Spiralig-symmetrisch aufgerollt, gänzlich involnt und Windungs-
axe ansehnlich verlängert; daher Gestalt kugelig bis spindel- und cylinder-
förmig. Kammern durch auf der Windungsaxe senkrechte Septa in zahl-
reiche Kämmerchen getheilt, und z. Th. diese nochmals durch tertiäre
der Windungsaxe parallele Septen in 3 — 4 tertiäre Kämmerchen zerlegt.
Hiernach Zahl der porenartigen Oeffnungen auf Endfläche verschieden.
Läugsdurchmesser bis zu 75 Mm. (fossil), recent kleiner bis 15 Mm.
Länge. Lebende Arten ca. 2. Fossil seit Kreide.
Familie Arenacea.
Wir vereinigen hier eine Reihe mariner, z. Th, sehr unvollständig
bekannter sandschaliger Rhizopoden von meist monothalamem, z. Th. aber
auch polythalamem Bau. Die Zusammenstellung dieser Formen ist eine
ganz provisorische und nur dadurch bedingt, dass es bis jetzt nicht mög-
lich erscheint, dieselben anderweitig natürlich einzureihen und wir die
schon mehrfach auch von anderer Seite ausgesprochene Ueberzeugung
theilen, dass die Carpenter'sche Gruppe der sandschaligen Formen, die
Familie der Lituolida, nicht aufrecht erhalten werden kann. Es wird
daher die Aufgabe der kommenden Zeit sein, die verwandtschaftlichen
Beziehungen der hierhergehörigen Formen, namentlich ihr Verhalten zu
Imperforata oder Perforata, im Einzelnen genauer festzustellen.
a. Schale mehr oder minder langgestreckt konisch bis röhrig,
monothalam, am spitzen Ende geschlossen, am breiten geöffnet; frei oder
aufgewachsen.
Jacullela, Brady 1879 (117, L).
Frei, langgestreckt. Kammerhöhle ohne labyrinthische Einwüchse.
Länge bis 9 Mm. 1 Art lebend. (Nicht sicher, ob überhaupt zu Rhizo-
poden gehörig.)
Botellina, Carp., Jeffr. u. Thoms. 1870 (Proc. roy. soc. XVIIL),
Thoms. (The d. of the sea).
Mit spitzem Ende wahrscheinlich aufgewachsen. Innenfläche mit
labyrinthischen Auswüchsen. 1 Art lebend (bis 25 Mm. lang).
Hyperammina, Brady 1878 (115, 117, II.).
Frei oder in ganzer Länge aufgewachsen, röhrig, loser Bau. Ge-
schlossenes Ende abgerundet oder zu kugeliger Kammer aufgebläht.
MUndungsende einfach oder sich vielfach verästelnd. Aufgewachsene
Formen mit vielfach unregelmässig hin- und hergebogener Röhre. Lange
bis 16 Mm. Lebende Arten 3. Fossil wahrscheinlich seit Silur. (Die
aufgewachsenen Formen nähern sich sehr Webbina d'Orb.)
B r 0 u u , Klassen des Tliicr-Keiclis. rrotuzoa. lo
X94 Ehizopoda.
Haliphysema, Bowerbank 1862.*)
Synon. Squamulina Carter.
Pokal- bis röhrenförmig, mit aboralem, stielförmig ausgezogenem
Ende und verbreiterter, scheibenförmiger Basis aufgewachsen. Mündung
einfach, terminal, oder das orale Ende verästelt ausgewachsen. Schwamm-
nadeln gewöhnlich sehr zahlreich in Schalenwand aufgenommen und
hauptsächlich das orale Ende meist ganz stachelig; bis jetzt nur lebend.
Artenzahl ca. 2.
(Bekanntlich wurde die Gattung Haliphysema von Bowerbank zu-
nächst für eine Schwammform erklärt. Carter hat hingegen 1870 den
Nachweis zu führen versucht, dass dieselbe zu den Rhizopoden gehöre
und sie dem M. Schultze'schen Geschlecht Squamulina eingereiht. Häckel
fand hierauf ganz ähnliche Skeletbildungen bei seinen Physemarien, und
erklärte daher auch die Haliphysema Bowerbank's und Carter's als zu
diesen gehörige Formen. Schliesslich wurde durch Kent und weiterhin
bestätigend durch R. Lankester die Rhizopodennatur der Bowerbank'schen
Form sicher erwiesen. Es ist daher zunächst nur die Annahme möglich,
dass thatsächlich äusserlich ganz übereinstimmend sich verhaltende, bis
zur Verwechselung ähnliche Rhizopoden und Physemarien sich finden.)
Pelosina, Brady 1879 (117, I.).
Monothalam, kugelig bis röhrenförmig, monaxon, mit terminaler,
auf chitiniger Halsröhre gelagerter Mündung. Wandung dick, aus
Schlamm geformt. Z. Th. zusammenhängende Individuen (jedoch wohl
nur äusserlich). Recent. Arten 2.
b. Schale röhrig; an beiden Enden geöffnet, oder von einer Central-
kammer gebildet, von der zwei oder auch mehr einfache oder verästelte
Mündungsröhren ausgehen. Frei oder aufgewachsen.
Marsipella, Norm. 1878 (A. m. n. h. 5. L); Brady (117, 1.) (V. 9).
Synon. Proteonina (Will.) Carp. The Microscop 1875.
Freie, geradgestreckte, in Mittelregion etwas verdickte Röhre; beider-
seits geöffnet. Wand dick. (Länge bis 6 Mm.) Recent. 2 Arten.
Rhabdammina, Sars 1865 (80); Brady (117, I.) (V. 10).
Frei; kleine Centralkammer mit 2 entgegenstehenden, langen Armen
oder 3 — 5 strahlenähnlichen. Bis zu 25 Mm. Durchmesser. Recent.
2 Arten.
Astrorhiza, Sandahl 1857 (Ofvers. Kongl. Vet. Ak. Forh. 1857);
Carpenter (Qu. journ. micr. sc. XVI.); Leidy (Proc. Ac. Philad. 1875);
Normann (Pr. roy. soc. XXV.); Brady (117, I.) (V. 11).
Synon. Hacclielina Bessels (Jen. Zeitschr. IX.), Astrodiscus F, E. Schulze (lO.S).
*) Die ziemlich beträchtliche Literatur über Haliphysema niag hier kurz angegeben
werden. Bowerbank, Philos. Transact. 1S62. British Spongiadae 1S65— lU"). Proc. Zoolog,
soc. 1873. Parfitt, Transact. Devonsh. Assoc. 1868, A. m. n. h. 5. II. Carter, Ann. m. n. h.
4. V. VI. XI. XX. 5. I. Hcäckel, Jen, Zeitschr. Bd. X.. Kent, S., A. m. n. h. 5. I. u. II.
Normann, A. m. n. h. 5. I. Mereschko wsky , A. m. n. h. 5. I. K. Lankester, Qu.
j. m. sc. XIX,
System. 195
Frei; lose oder festere, aus Schlamm oder Sand gebildete Wand.
Scheibenförmige Centralkammer mit bis zu 15 armartigen, strahlenförmig
gestellten Mündungsfortsätzen, oder aber auch z. Th. mit verzweigten,
geweihartigen Armen (A. arenaria Carp.) von sehr mannigfaltiger und
z. Th. sehr unregelmässiger Bildung. Auch eiförmige Kammern mit zahl-
reichen allseitig entspringenden Armen etc. Zuweilen Vereinigung mehrerer
Individuen mittels der Armfortsätze. Recent. Artzahl 4. (Fraglich, ob
die von Carpenter, Normann und Brady hierher gerechneten Formen sich
wirklich zunächst an die A. limicola Sand, anschliessen.)
Aschemonella, Brady (117,1.) schliesst sich Astrorhiza sehr nahe
an; 2 oder mehr Armfortsätze entspringen von dem einen Ende der ovalen
bis spindelförmigen Kammern und endigen frei oder verbinden sich mit
benachbarten Individuen zu mehrkammerigen Gebilden.
Dendrophrya, Wright 1861 (A. m. n. h. 3. VII.).
Lässt sich etwa auffassen als eine Astrorhiza, die mit ihrer Central-
scheibe aufgewachsen ist, und zahlreiche sich frei erhebende, ver-
ästelte oder aber auf der Unterlage hinkriechende Armfortsätze aussendet.
Bis 6 Mm. Durchmesser. Recent. 2 Arten.*)
c. Schale ein vielfach verästehes, zartes Röhrenwerk darstellend.
Rhizammina, Brady 1879 (117, I.).
Frei; unregelmässig verästeltes Netzwerk oder algenartiges Gewebe
(bis zu 25 Mm. im Durchm. erreichend). Recent. Artzahl 1.
Sagen ella, Brady 1879 (117, I.) (V. 16).
Aufgewachsen in ganzer Ausdehnung; dichotomisch verästelt, Aeste
anastomosirend. (Gesammtdurchmesser bis zu 6 Mm.) Recent. Artzahl 1.
d. Mono- bis polythalam, Kammern kugel- bis eiförmig, mit terminaler,
häufig röhrenförmig verlängerter Mündung. Polythalame Formen mit
nodosaria-artig aufgereihten Kammern.
Saccammina, Sars 1865 (80); Brady (117. I.) (V. 13).
Synon. Carteria Brady 1869 (A. m. n. h. 4. VII.).
Char. Frei, mono- oder polythalam. Kammern sphärisch bis spindel-
und birnförmig; die Kammern der polythalamen Formen durch Ver-
bindungsröhren in gerader Linie nodosaria-artig aufgereiht. (Kammer-
länge bis zu 3 Mm.) Lebende Arten 1. Fossil seit Kohlenforniation.
Webbina, d'Orb. 1839; Brady (117, I.).
Synon. Trocliammina P. u. J. (^62, XIII.), Carp. p. p.
Aehnlich Saccammina, jedoch in ganzer Länge aufgewachsen; auf-
gewachsene Fläche ähnlich Nubecularia unvollständig. Zusammenreihung
der Kammern der polythalamen Formen häufig sehr unregelmässig werdend.
Recent. Zahl der Arten ca. 2.
*) Dawson führt noch zwei von ihm gefundene Gattungen von Sandrhizopoden auf (91),
Hippocrepina und Rhabdopleura (mit ?), die zwar durch beigefügte Holzschnitte dar-
gestellt, jedoch nicht weiter geschildert werden; wir begnügen uns daher hier mit dem Hin-
weis auf diese Formen,
13*
196 Rliizopoda.
Anhang:
Trocliammina, P. u. J. 1859 (62, n.); Carp. (74); Brady (117. I.).
Bekanntlich wurden die sandschaligen marinen Rhizopoden von P.
u. J. , sowie Carpenter in nur 3 Gattungen gebracht und in der Familie
der Lituolida unter den Imperforata zusammengestellt. Von diesen 3 Gat-
tungen hat sich Valvulina als sicher zu den Perforata in die Nähe von
Bulimina gehörig ergeben; die Gattung Lituola wurde schon früher be-
sprochen ; die Gattung Trochammina hingegen umschloss eine grosse Zahl
in ihren Gestaltsverhältnissen ungemein verschiedener, mono- und poly-
thalamer Formen, die nur durch die feinere Beschaffenheit ihrer Schalen-
wände zusammengehalten wurden. Dieselben setzen sich nämlich aus
feinen Sandkörnchen zusammen , die so innig verbunden sind , dass die
Aussenfiäche der Schale stets glatt, ja z. Th. wie polirt erscheint; auch
die Innenfläche ist glatt und niemals mit labyrinthischen Auswüchsen
bedeckt. Brady hat dieses proteische Geschlecht schon in die Unter-
gattungen Ammodiscus Reuss, Trochammina s. str., Hormosina und
Webbina d'Orb. zerlegt; wir glaubten, wie dies auch schon von Zittel
durchgeführt wurde, diese einzelnen sogen. Untergattungen denjenigen
kalkschaligen Formen anschliessen zu sollen, denen sie durch ihre Gestalt-
bildung am nächsten kommen. Es bliebe hiernach nur die sogen. Unter-
gattung Trochammina s. str. Brady übrig (da Hormosina im Anschluss
an die Nodosarien besprochen werden wird). Diese umfasst polythalame,
rotaloid, trochoid oder nautiloid aufgerollte Formen, die sich in ihrer
Gestaltung z. Th. den kalkschaligen Rotalinen oder Nonioninen, z. Th.
auch Pullenia, Globigerina und Haplophragmium so nahe anschliessen,
dass wir sehr geneigt sind, sie in die Nähe dieser zu stellen. Da wir
jedoch keine eigenen Erfahrungen über diese Formen besitzen, so glauben
wir zunächst auf diese Verhältnisse nur hinweisen zu sollen und
hoffen, dass künftige Untersuchungen über die Stellung dieser Formen
wohl bald entscheiden werden. Wahrscheinlich wird wohl das Genus
Trochammina am besten gänzlich eingezogen werden.
IL Unterordnung Perforata, Carp. 1862 (-|- pars Lituolidarum).
Grossentheils kalkschalig, hyalin und perforirt; zum kleineren Theil
hingegen sandig und zwar bis zur völligen Verdrängung und Schliessung
der Poren. Mono- und polythalam.
Gruppe Lagenidae, Carp. 1862.
Mono- und polythalam. Wände hyalin und sehr fein perforirt. Poly-
thalame Formen mit einfach gebauten Scheidewänden, da die Wandung
jeder neuen Kammer nicht allseitig gebildet wird, sondern der hintere
Abschluss von dem zur Scheidewand werdenden Vordertheil der vorher-
gehenden Kammer formirt wird. Eigentliches sogen. Zwischenskelet und
System. 197
Kanalsystem fehlt daher, hingegen Auflagerungen von nicht perforirter
secundärer Schalensubstanz recht verbreitet. Mündung gewöhnlich
charakteristisch, etwas röhrenförmig verlängert und meist von radialen,
strahlenartigen Furchen umstellt.
1. Familie. Rhabdoina, M. Seh. 1854.
Char. Mono- und polythalam. Polythalame Formen durch gerade
oder schwach gebogene bis spiralig eingerollte Aufreihung der Kammern
gebildet.
Lagena, Walker u. Jacobs 1784; Williamson (An. m. n. h. 2. I.);
Reuss (Sitzb. d. Ak. Wien 1863); Jones, 0. R. (Transact. Lin. soc. XXX,)
(VII. 2—22).
Synon.*) Scrpula (Lagena) \V. u. J. , Vermiculum Montagu, Serpula Maton a.
Rackett, Pcunant, Turton , Lagenula Montfort, Fleming etc., Oolina d'Orbigny,
Keuss etc., Miliola, Cenchridium Ehrbg., Entosolenia Ehrbg., Will., Ovulina
Ehrbg. etc., Apiopterina p. p. Zborz., Fissurina Reuss etc., Ampborina d'Orb. etc.,
Amygdalina, Phialina Costa, Seguenza, Tetragonulina , Trigonulina, Obliquina
Seguenza.
Char. Einkammerig, frei, kalkig, monaxon. Ei- bis spindelförmig.
Meist eine polare Mündung, selten beiderseits geöffnet. Skulpturverhältnisse
sehr mannigfaltig. Mündung z. Th. in nach Innen tief hinabsteigende
Röhre ausgewachsen (Entosolenia); zuweilen bei starker Schalenabplattung
spaltartig (Fissurina). Lebende Arten sehr zahlreich (ca. 40—50). Fossil
seit Kohlenformation.
Nodosarina, P. u. J., Carp. 1862.
Frei, polythalam, kalkig. Kammern in gerader bis schwach bogiger
Axe aufgereiht. Mündung terminal oder etwas seitlich gerückt.
Untergenera von Nodosarina:
Nodosaria, Lamck. 1816 (VIII. 14).
Synon. Nautilus Linn6 etc., Orthoceras Gualtieri etc., Orthocera Lamck. etc.
Schale cylindrisch bis schwach konisch, Kammern in gerader Axe
aufgereiht, sich nicht umfassend oder durch Verbindungsröhren getrennt.
Mündung central. Fossil bis zu 1 Zoll lang. Lebende Arten ca. 12.
Fossil seit Dyas (Kohlenformation?).
Lingulina, d'Orb. 1826 (VIL 23).
Geradaxig ; parallel der Axe stark comprimirt, Mündung daher schlitz-
förmig. Kammern dicht aufeinandergepresst bis etwas umfassend. Lebend
ca. 2 Arten. Fossil seit Trias. (Lingulinopsis Reuss ausgezeichnet durch
spiralige Einrollung der Anfangskammern.)
Glandulina, d'Orb. 1826 (VIL 25).
Synon. Nautilus (Orthoceras) Batsch.
Von Nodosaria unterschieden durch Umfassung der vorderen Hälfte
*) Nach Parker u. Jones (81).
198 Ehizopoda.
der älteren Kammern von Seiten der jüngeren. Gesammtgestalt etwa
eiförmig. Lebende Arten ca. 1. Fossil seit Trias. (Psecadium Reuss
wird durch etwas gebogene Schalenaxe charakterisirt.)
Orthocerina, d'Orb. 1826.
Synon. Triplasia Eeuss, Kliabdogonium Eeuss.
Geradegestreckt, Kammern dicht aufeinandergesetzt, sich ziemlich
rasch vergrössernd. Querschnitt drei- oder vierseitig, daher Gesammt-
gestalt etwa umgekehrt drei- oder vierseitige Pyramide. Mündung einfach
rund. Lebende Arten 1. Fossil seit ob. Jura. (Dentalinopsis Reuss ist
eine Orthocerine mit Uebergang in dentalina-artig gebogenes Wachsthum.
Kreideformation.)
Dentalina, d'Orb. 1826.
Synon. Ortlioceras, Nautilus, Orthocera u. Nodosaria Autor, p. p.
Ganz ähnlich Nodosaria, jedoch Axe schwach bogig gekrümmt; Mün-
dung fast stets excentrisch an die concave Krümmungsseite gerückt.
Lebende Arten ca. 14. Fossil seit Dyas (Kohlenformation?).
Vaginulina, d'Orb. 1826.
Synon. Ortlioceras, Nautilus, Orthocera Autor., Dentalina Will. p. p., Spirolina
Brown, Citliarina d'Orb.
Unterscheidet sich von Dentalina hauptsächlich durch seitliche Com-
pression, schwach gebogen bis nahezu gerade. Lebende Arten ca. 8.
Fossil seit Rhät. Stufe.
Rimulina, d'Orb. 1826 (VIL 24).
Wie Vaginulina. Mündung jedoch schlitzförmig und auf die convexe
Krümmungsseite der Kammern verlängert. Lebende Arten 1. Fossil seit
Tertiär.
Frondicularia, d'Orb. 1826; Reuss (Sitzb. d. k. böhm. Ges. 1860).
Synon. Mucronina d"Orb.
Aeholich Glandulina, jedoch Umfassung der Kammern noch voll-
ständiger bis zu gänzlichem Einschluss der älteren durch die jüngeren.
Parallel der Hauptaxe sehr stark blattförmig comprimirt. Mündung ein-
fach, terminal, eng. Lebende Arten ca. 7. Fossil seit Rhät. Stufe.
Flabelliua, d'Orb. 1839; Brady (117, IL) (VIL 26).
Unterscheidet sich von der vorhergehenden Gattung durch spiralige
Einrollung oder unregelmässige Zusammenhäufung der Anfangskammern.
Lebende Arten 2. Fossil seit Trias.
Marginulina, d'Orb. 1826.
Synon. Nautilus, Ortboceras, Orthocera, Cristellaria , Orthocerina, Hemicristel-
laria Autor.
Unterscheidet sich von Dentalina und Vaginulina durch die spi-
ralige Einrollung der Anfangskammern. Mündung excentrisch und auf
die convexe Krümmungsseite der Schale gerückt. Uebergangsform
zwischen Dentalina und Cristellaria. Lebende Arten ca. 9. Fossil seit Trias.
System, 199
Cristellaria, Lamck. 1816 (VII. 27, VIII. 10).
Synon. Nautilus Aut. p. p., Lenticulitcs u. Lenticulina Lamck. etc., Polystomella
Lamck., Nummularia p. p. Sorby, Nummulina p. p. d'Orb., 16 verschiedene Genera
bei Moiitf., Planularia, Saracenaria Defr., d'Orb., Robulina d'Orb. etc , Hemicristel-
laria. Hemirobulina Stäche.
Völlig- spiralig symmetrisch eingerollt und involut; Septen und
daher auch Kammernähte recht schief nach vorn zur Spiralaxe ge-
neigt. Kammerzahl der Umgänge ca. 8 — 9. Mündung nodosaria-artig,
am peripherischen convexen Krtimmungsrand gelegen; zuweilen schlitz-
förmig bis dreiseitig (Robulina d'Orb.). Häufig Kiel oder Nabelknopf.
Lebende Arten ca. 20. Fossil seit Trias.
Anhang zur Familie der Rhabdoina.
Conulina, d'Orb. 1839.
Frei, kalkig; Kammern zahlreich nodosaria-artig in gerader Axe auf-
gereiht, sehr niedrig und rasch in die Breite wachsend, daher Gesammt-
gestalt etwa umgekehrt konisch. Statt einfacher Mündung zahlreiche
Poren auf Endfläche. (Zugehörigkeit zu Perforata bis jetzt noch nicht
constatirt.) 1 Art lebend. Kreideformation?
Wir schliessen hier ferner noch eine Anzahl sandschaliger Formen
an, die von den englischen Forschern gewöhnlich als Untergeschlechter
der Gattungen Lituola und Trochammina betrachtet und auch dem-
entsprechend als imperforat bezeichnet werden. Die grosse Ueberein-
stimmung in den allgemeinen Bau- und Wachsthumsverhältnissen, welche
diese Formen z. Th. wenigstens mit den kalkschaligen Nodosarien zeigen,
lässt ihre einstweilige Einreihung an dieser Stelle nicht ungerechtfertigt
erscheinen.
Hormosina, Brady 1879 (117, I.) (V. 15).
Frei, monothalam, lagena-artig ; oder polythalam nodosaria-artig.
Feinsandig glatt, daher von Brady als üntergeschlecht von Trochammina
betrachtet. Recent. 2 Arten.
Reophax, Montf. 1808; Brady (105 u. 117, I.) (V. 8 u. 14).
Synon. Lituola p. p. P. u J., Carp., Dentalina Aut. p. p.
Frei, monothalam lagena artig, oder polythalam nodosaria-artig, gerade
bis gekrümmt. Rauhsandig. Mündung einfach; Kammerhöhlungen ohne
labyrinthische Einwüchse. Lebende Arten ca. 7. Geolog. Verbreitung?
Haplostiche, Reuss 1861.
Wie Reophax, jedoch Kammerhöhlungen durch labyrinthische Ein-
wüchse in zahlreiche unregelmässige Kämmerchen getheilt ; Mündung daher
dendritisch bis zusammengesetzt. Recent? Fossil Dyas.
Polyphragma, Reuss.
Synon. Lichenopora Reuss.
Aehnlich Haplostiche, jedoch mit Anfangsende festgewachsen. Mündung
siebförmig. Fossil. Kreideformation. (Noch zweifelhafter hinsichtUch
200 Ehizopoda.
ihrer Stellung sind die beiden von Brady aus der Kohlenformation und
dem Dyas beschriebenen sandschaligen Gattungen Nodosinella und
Stacheia (105), wir versuchen es hier nicht, dieselben zu charakterisiren.)
2. Familie. Polymorphinina.
Char. Polythalam, kalkig; Kammern in hoher Schraubenspirale
aufgerollt, mit mehr oder weniger deutlicher zwei- bis dreizeiliger An-
ordnung.
Polymorphina, d'Orb. 1826 (emmend. Br., P. u. J. Transact. Linn.
soc. XXVII.); Alcock (Qu, j. m. sc. VII. u. Mem. of litter. a. philos. soc.
Manchester III.) (VIII. 4).
Synon. *) Polymorphium Soldani p. p., Serpula W. u. J. , Anthiisa, Cantharus,
Misilus Montf., Renoidea Brown p. p., Aulostomella Alth., Eaphanulina, Apiopterina
p. p. Zborz., Piosoporus , Grammostomum , Strophoconus , Bigeneriua, Vaginulina,
Pleurites, Sagrina, Spliaeroidina p. p. Elirbg., Globulina, Guttulina, Pyrulina d'Orb.,
Eostroliua, Atractolina v. Scliliclit.
Meist frei; Kammern mehr oder minder deutlich zweizeilig geordnet
und ziemlich schief zur Hauptaxe, blasig aufgetrieben oder Schale
äusserlich gleichmässig abgerundet. Jüngere Kammern die älteren in
sehr verschiedenem Grad tiberdeckend. Mündung rundlich bis spalt-
förmig, meist etwas zitzenförmig verlängert (lagena-artig) , am vorderen
Ende der Kammern ziemlich axial gelegen. Aeussere Sculpturen mannigfach,
z. Th. abnorme Wachsthumserscheinungen. Lebende Arten ca. 22. Fossil
seit Trias (Silur?).
Untergattung Dimorphina, d'Orb. 1826.
Synon. Orthoceratium Sold. p. p.
Von Polymorphina unterschieden durch den Uebergang der jüngeren
Kammern in gestreckt einzeiliges, nodosaria-artiges Wachsthum. Lebende
Arten 1. Fossil seit Tertiär.
Uvigerina, d'Orb. 1826 (VIII. 31). Untergattung Sagrina (Sagraina)
d'Orb. 1839.
Synon. Polymorphium Soldani p. p.
Frei. Mehr oder minder deutlich dreizeilig, jedoch zuweilen mit
Uebergang der jüngeren Kammern in zwei- und einzeiliges nodosaria-
artiges Wachsthum (Sagrina d'Orb.). Mündung lagena-artig. Zahl der
lebenden Arten ca. 14.
Familie Globige rininae, Carp. 1862 (p. p.).
Char. Mono- bis polythalam, chitinös, kalkig, (hyalin) oder sandig;
Perforation gewöhnlich (jedoch keineswegs durchaus) grob und ziemlich
weit gestellt. Mündung im Gegensatz zu den Lagenidae gewöhnlich
schlitzförmig und nicht röhrenförmig ausgezogen. Scheidewände fast stets
*) Nach Brady, P. u, J. 1. c.
. System. 201
einfach und daher KauaLsystem und sogen. Zwischenskelst nur bei einigen
Formen entwickelt. (Wie sich aus dieser Aufzählung ergibt, ist es nicht
wohl möglich, diese immerhin recht natürlich erscheinende Formenreihe
durch gewisse feststehende Charaktere scharf zu definiren.)
Unterfamilie Globige rinae, Carp. 1862 (p. p.).
Monothalam oder polythalam und dann die in niedriger Schrauben-
spirale oder symmetrischer Spirale aufgerollten Kammern blasig, kugelig
aufgetrieben und gewöhnlich (jedoch nicht immer) die Kammermündungen
getrennt in gemeinsame Nabelhöhle mündend.
Microcometes, Cienk. 1876 (104a); Entz (110) (IV. 5).
Schale kugelig, häutig (chitinös) mit 1 — 5 (häufig 3) porenartigen
Mündungen. Thierkörper füllt die Schale nicht aus. Pseudopodien lang,
verästelt oder unverästelt, nicht anastomosirend. 1 Nucleus; contractile
Vacuolen mehrfach. Lebende Arten 2. Süsswasser und Salzteich bei
Klausenburg.
? Orbulina, d'Orb. 1839; Pourtales (Sillim. americ. j. 1858);
M. Schultze (Arch. f. Nat.-G. 1860 I.); Reuss (Sitzber. d. k. böhm. Ges.
1861); Wallich (s. b. Globigerina); Owen (J. Linn. soc. Zool. IX.); Alcock
(Mem. lit. a. philos. soc. Manchester III.); Thomson a. Murray (Proc. roy.
soc. 23); Brady (117, II.) (VII. 30).
Synon. Sphaerula Sold.
Homaxon, kugelig. Zweierlei Poren, zahlreichere feinere und gröbere,
weitergestellte. Grössere Kammeröfi'nung meist fehlend (ihr Vorkommen
überhaupt nicht ganz sicher). Aeusserlich im intakten Zustand meist
lang bestachelt (ob immer?). Häufig eine kleinere Globigerinaschale ein-
schliessend. Lebende Arten 2. Fossil seit Rhät. Stufe, (lieber die Be-
rechtigung der Trennung dieser Formen von Globigerina sind, wie schon
früher bei Gelegenheit der morphologischen Besprechung des Schalenbaues
und der Fortpflanzung näher ausgeführt wurde, die Ansichten sehr getheilt.
Brady (117, II.) führt sie neuerdings als Untergeschlecht von Globigerina
auf. Wenn jedoch, wie Carpenter und andere Beobachter versichern,
häufig keine innere Globigerinaschale zu finden ist, so könnte bis auf
weiteres wenigstens für solche Formen die Gattung Orbulina reservirt
werden.)
Globigerina, d'Orb. 1826; Wallich (Deep sea research. London
1876); Thomson and Murray (Proc. roy. soc. 23); Brady (117, IL);
Hertwig (Jen. Zeitschr. XL) (VIII. 9).
Synon. Polydexia Elirbg., Khynchospira Ehrbg., Coscinospira Stuart.
Polythalam, kalkig, Kammern kugelig; meist in flacher Schrauben-
spirale aufgerollt und die Kammern rasch an Grösse wachsend. Zu-
weilen jedoch nahezu oder völlig symmetrisch spiralig. Halbmond-
förmige Mündungen entweder sämmtlich in die weite Nabelhöhle getrennt
führend, oder nur die der letzten Kammer frei und unbedeckt. Zuweilen
auf Oberseite accessorische Kammermündungen in verschiedener Zahl
202 Rhizopoda.
auftretend. Meist äusserlich lang bestachelt (ob immer?). Lebende Arten
ca. 13. Fossil seit Trias.
Untergenus Hastige rina, Wyw. Thomson 1876 (IX. 1).
S y n 0 n. Nonionina (pelagica) d'Orb., Globigerina P. u. J.
Aehnlich Globigerina; symmetrisch spiralig, gänzlich involut, Möndung
der letzten Kammer allein nach aussen geöffnet, gross. — Lang gestachelt.
Lebende Arten ca. 1 — 2. Fossil?
Candeina, d'Orb. (Mod. 1826) 1846; Brady (117, IL).
Polythalam, kalkig, schraubenspiralig (3 Kammern gewöhnlich auf
1 Umgang). Kammern kugelig und rasch anwachsend. Statt einfacher
Mündung Reihen von grossen Poren längs der Kammernähte. Recent.
Artzahl 1.
Cymbalopora, Hagen. 1850 (IX. 4).
Synon. Eosalina d'Orb. p. p.
Char. Kalkig, frei, feinporös, globigerina-artig schraubenspiralig
beginnend, jedoch in cyklisches Wachsthum übergehend. Gesammtgestalt
flach kegelförmig mit tiefer Nabelhöhle. Kammeröffnungen führen getrennt
in diese Nabelhöhle. Lebende Arten ca. 4. Fossil seit Kreide.
Carpenteria, Gray 1858; Carpenter (57, 4. ser., 74); Carter (A. m.
n. h. 4. XVn. XIX. XX.); Möbius (Palaeontographica XXV.) (IX. 2).
Synon. Kapliidodendron (Möbius) Carp.
Kalkig, aufgewachsen. Kammern schraubenspiralig aufgerollt bis
sehr unregelmässig. Gesammtgestalt etwa kegelförmig, Kammeröff-
nungen führen in axialen Centralraum, der auf freiem Kegelende mündet.
Zuweilen diese Mündung in einfache oder baumförmig verästelte Röhre
auswachsend. Kammern durch Secundärsepten mehr oder minder unter-
getheilt. Hauptscheidewände doppelt und Kanalsystem schwach entwickelt.
Recent. Arten ca. 2 — 3.
Anhang zur ünterfamilie der Globigerinae.
Wir reihen hier noch eine Anzahl bezüglich ihrer Stellung zweifel-
hafter Sandrhizopoden an, die einen orbulina-artigen Bau zeigen.
Psammosphaera, F. E. Seh. 1875 (103); Brady (117, L) (V. 6).
Frei oder aufgewachsen, sphärisch, ohne grössere Mündungsöffnung.
Wand dick, äusserlich rauh. 2—4 Mm. Durchm. Recent. 1 Art.
Stortosphaera, F. E. Seh. 1875 (103).
Frei, sphärisch; äusserlich von dichtstehenden, nicht geöffneten
Zacken bedeckt. Ohne Schalenmündung. Recent. 1 Art.
Thurammina, Brady 1879 (117, I.) (V. 5).
Synon. Lituola Carp. (The Microsc. 5. edit.).
Meist frei ; monothalam , sphärisch ; mit oder ohne Hauptmündung
auf kurz röhrenförmigem Hals; stets jedoch noch in verschiedener
Zahl auf Tuberkeln über die ganze Schale verbreitete Nebenmün-
System. 203
düngen. Zuweilen mehrere Individuen äusserlich zusammenhängend.
Feinsandig. Reeent. Artzahl 3.
Sorösphaera, Brady 1879 (117, L).
Frei; polythalam; Kammern sphärisch bis etwas unregelmässig. In
unregelmässig acervuliner Weise zusammengeliäuft, Kammer hierbei z. Th.
nur halbkugelig ausgebildet. Keine Mündungen oder Communikationen
zwischen den Kammern. Durchm. 4 — 5 Mm. Reeent. 1 Art.
Unterfamilie Cryptostegia, Reuss 1861.
Kalkig, frei, hyalin, feinporös; polythalam. Kammern etwa ovoid,
völlig oder doch sehr involut. In gerader Axe aufgereiht oder zwei- bis
dreizeilig geordnet. Mündung quer schlitzförmig, an einem Pol der
Kammern gelegen.
Ellipsoidina, Seguenza; Brady (A. m. n. h. 4. I.).
Kammern in gerader Linie aufgereiht, die jüngeren die älteren
successive völlig umfassend und einschliessend , durch eine säulenartige
Verbindung ihrer vorderen Pole zusammenhängend. Mündungen der
Kammern am vorderen Pol, an der Basis dieser Säule, schlitzförmig und
' durch Querbrücken in eine Anzahl secundärer Oeffnungen getheilt.
Fossil. Miocän (1 Art).
Chilostomella, Reuss 1849; Brady (117, II.).
Kammern ovoid, sich nahezu völlig umfassend, alternirend zwei-
zeilig geordnet, so dass die schlitzförmigen, queren Mündungen bald
an dem einen, bald an dem andern Pol der Schale liegen. (Allgemeine
Bauverhältnisse ganz entsprechend der sogen. Uniloculina unter den Im-
perforata.) Lebende Arten 1. Fossil seit Tertiär.
Allomorphina, Reuss 1849; Brady (117, IL).
Aehnlich Chilostomella und verhält sich zu dieser etwa so, wie
Triloculina zu Uniloculina. Also Kammern sich weniger umfassend und
äusserlich 3 sichtbar. Lebende Arten 1. Fossil seit oberer Kreide-
formation.
Unterfamilie Textularidae, Carp. 1862.
Polythalam, kalkig und sandig; in meist hoher Schraubenspirale
zwei-, mehrzellig oder ohne Ausprägung von Zeilen aufgerollt. Meist
ziemlich grob perforirt.
Textularia, Defr. 1828 (Textilaria); Parker u. J. (62, h.).
Kammern alternirend zwei-, selten dreizeilig entlang der Hauptaxe
aufgereiht. Gesammtgestalt stets mehr oder weniger umgekehrt kegel-
bis keilförmig. Mündung meist an Basis der axialen Kammerfläche,
halbkreisförmig bis halbmond- und schlitzförmig, seltener mehr terminal.
204 Rhizopoda.
Untergattungen:
Textularia s. str. (VIII. 5).
Synon. Polymorphium Sold. p. p. , Loxostomum , Clidostomum, Ehynchoplecta,
Proroporus p. p. Ehrbg.
Regulär zweizeilig, häufig stark in der Medianebene beider Kammer-
reihen abgeplattet, Mündung meist normal. Grössere Formen häufig etwas
sandig. Lebende Arten ca. 25. Fossil seit Kohlenformation. (Plecanium
nannte Keuss sandschalige, echte Textularien.)
Bigenerina, d'Orb. 1826.
Synon. Gemmulina d'Orb.
Aehnlich Textularia, jedoch jüngere Kammern in einreihiges Wachs-
thum übergehend. Meist etwas sandig. Lebende Arten ca. 5. Fossil
seit Kohlenformation. (Climacimma nennt Brady (105) bigenerina-artige
und angeblich imperforirte, innerlich labyrinthische Formen der Kohlen-
formation.)
Gramraostomum, Ehrbg.
Synon. Vulvulina d'Orb.
Regulär zweizeilig; sehr stark comprimirt. Mündung spaltförmig
parallel der Abplattungsebene. Lebende Arten ca. 4. Fossil seit Kohlen-
formation. (Schizophora Reuss unterscheidet sich von Grammostomum
durch Uebergang in einzeiliges Wachsthum. Tertiär.)
Verneuilina, d'Orb.
Synon. Tritaxia Reuss.
Dreizeilig. Mündung axial oder terminal. Gaudryina d'Orb.
(emmend. P. , J. u. Carp.) ist eine Verneuilina mit Uebergang in zwei-
zeiliges, Clavulina d'Orb. (emmend. P., J. u. Carp.) hingegen mit Ueber-
gang in einzeiliges Wachsthum. Lebende Arten ca. 8. Fossil seit Kreide-
formation.
Cuneolina, d'Orb. 1839.
Frei; Textularia mit starker Abplattung, jedoch senkrecht zu der bei
Textularia gewöhnlichen Richtung. Jüngere Kammern rasch sich ver-
breiternd, daher Gesammtgestalt fächerförmig. Statt einfacher Mündung
eine Reihe grosser Poren. Lebende Arten 1. Fossil seit Kreideformation.
Pavonina, d'Orb. 1826; Brady (117, IL) (VIIL 13).
Anfangskammern textularia-artig aufgereiht; spätere einzeilig; sehr
stark abgeplattet und sich sehr rasch verbreiternd ; Gesammtgestalt daher
fächerförmig. Statt einfacher Mündung 1 Reihe von Poren auf der End-
fläche. Recent. 1 Art.
Bulimina, d'Orb. 1826.
Frei, kalkig oder etwas sandig; in hoher Schraubenspirale aufgerollt
mit 2 bis zahlreichen Kammern auf 1 Umgang; wenig bis recht involut.
Gesammtgestalt stets ziemlich gestreckt kegelförmig bis cylindrisch. Be-
sonders charakteristisch Mündung. Der Windungsaxe zu gerichtet und
System. 205
parallel dieser meist länglich schlitzförmig ausgezogen. Vorderes Ende
des Schlitzes häutig etwas erweitert, dann etwa kommafOrmige Gestalt
der Mündung; Ränder häufig lippenförmig aufgewulstet und etwas über-
einander geschoben. Fossil seit Triasformation.
üiitergenera:
Bulimina s. str.
Deutlich schraubenspiralig, zuweilen, jedoch wenig deutlich, Neigung
zu drei- oder zweizeiliger Anordnung, z. Th. sogar in einreihige über-
gehend. Zuweilen Neigung zur Involubilität. Lebende Arten ca. 13.
(Ataxophragmium nennt Reuss sandige Buliminen.)
Robertina, d'Orb. 1846, soll sich nach d'Orbigny hauptsächlich
dadurch von Bulimina unterscheiden, dass die Kammern noch durch eine
secuudäre Scheidewand untergetheilt werden. (Carp. definirt hingegen
dieses Untergenus etwas anders.) Lebend.
Virgulina, d'Orb. 1826.
Synoii. Grammobotrys Ehrbg.
Dünne, kalkige, langgestreckte Schale, mehr oder weniger deutlich
zweizeilig. Lebende Arten ca. 3.
Bolivina, d'Orb. 1839.
Ganz regelmässig zweizeilig, jedoch Mündung ganz bulimina-artig.
Lebende Arten ca. 6.
Valvulina, d'Orb. 1826 (VIL 34—36).
Synon. Clavulina, Virgulina, Eobertina, Bolivina d'Orb. p. p.
Frei oder angewachsen; sandig (in der Jugend jedoch deutlich hyalin
und perforirt). Schraubenspiralig und häufig dreizeilig. Gesammtgestalt
dreiseitig pyramidal, kegel- oder kreiseiförmig. Zuweilen auch ins ein-
zeilige übergehend (Clavulina d'Orb. p. p.). Mündung gewöhnlich bogen-
förmiger Schlitz mit zungenförmigem Vorsprung des einen Randes (Haupt-
charakter). Lebende Arten ca. 10. Fossil seit Kohlenformation.
Chrysalidina, d'Orb. 1846.
Kalkig, frei, regulär dreizeilig, Kammern sehr niedrig und sehr
schief zur Hauptaxe gerichtet. Aeussere Kammernähte hingegen hori-
zontal. An Stelle grösserer Mündung eine Anzahl grober Poren. Lebende
Arten 1. Fossil seit Kreideformation.
Cassidulina, d'Orb. 1826 (VIII. 6).
Kalkig, frei, feinporös; Kammern textularia-artig, zweizeilig auf-
gereiht, jedoch Aufreihuugsaxe nicht gerade gestreckt, sondern spiralig
symmetrisch oder ganz niedrig schraubig aufgerollt. Letzter Umgang die
vorhergehenden einhüllend. Mündung lang schlitzförmig, asymmetrisch
gelegen. (Untergatt. Ehrenbergina Reuss (VIL 33), hier die spiralige
Einrollung auf Anfangstheil der Schale beschränkt.) Lebende Arten ca. 6.
Fossil seit Miocän.
206 Ehizopoda.
Unterfarailie Rotalinae, Carp. (74); Parker u. J. (Qu. journ. geol.
SOG. 1872).
Polythalam , gewöhnlich grobperforirt ; kalkig (jedoch wohl nicht
durchaus); niedrig schraubenspiralig aufgerollt, so dass auf der apicalen
Fläche sämmtliche Kammern, auf der basalen hingegen nur die des letz-
ten Umgangs sichtbar sind. Zuweilen jedoch auch zu völlig symmetri-
scher Aufrollung übergehend. Bald die apicale, bald die basale Seite
mehr hervorgewölbt. Mündung meist schlitzförmig, bald mehr auf die
apicale, bald mehr auf die basale Fläche gerückt. Scheidewände gewöhn-
lich einfach , nur bei Rotalia doppelt und mit Kanalsystem. Häufig in
abnorme Wachsthumsverhältnisse übergehend.
Discorbina, Lamck. (P. u. J.- emmend.) 1804 (IX. 6).
Syuon. Discorbitcs, Eotalia, Rosaliiia, Valvulina, Asterigerina, Anomalina nnd
Globigerina d'Orb. p. p., Kotalia Will. p. p.
Frei, kalkig, niedrige Scbraubenspirale mit mehr oder weniger empor-
gewölbter Apicalseite. Basalseite flach. Kammern sphärisch, meist auf-
gebläht. Ziemlich grob porös. Mündung excentrisch, hauptsächlich auf
Basalseite, schlitzförmig. Nabelhöhle der Basalseite meist von nicht per-
forirter Kalkmasse erfüllt oder von Lamelle solcher überdeckt, welche
sternartige Fortsätze in die Septalfurchen aussendet. (Asterigerina d'Orb.)
Lebende Arten ca. 20. Fossil seit Kreideformation.
Piano rbulina (d'Orb. 1826), P. u. J. (IX. 8).
Synon. Planorbulina, Kotalia, Rosalina. Anomalina. Truncatulina, Planulina,
Gyroidina d'Orb. p. p , Acervulina M. Scli.
Kalkig, recht grob porös (vielleicht bezeichnendster Charakter für
diese Formen); aufgewachsen mit apicaler Fläche; diese daher abgeplattet,
V7ährend basale Fläche mehr oder minder hervorgewölbt. Mündung
schlitzförmig, auf basale Fläche gerückt.
Untergattungen:
Planorbulina s. str.
Synon. Siphonia Eeiiss, Acervulina M. Seh.
Flach aufgewachsen, Kammern ziemlich blasig aufgetrieben. Nach
einer Anzahl von Umgängen in mehr oder weniger cyklisches Wachs-
thum tibergehend, wobei die Zahl der Kammermündungen sich vermehrt.
Lebende Arten ca. 15. Fossil seit Lias. (Acervulina M. Seh. ist eine
aus sehr unregelmässig übereinandergethürmten Kammern bestehende
Planorbulina, und auch die neuerdings von Carter beschriebene Aphrosine
(Journ. micr. soc. Vol. IL) scheint nur eine etwas unregelmässig wachsende
Planorbulina zu sein.)
Truncatulina, d'Orb. 1826 (emmend. P. u. J.).
Synon. Lobatula Flem., Polyxenes, Cibicides, Aspidospira, Arisb^rospira Ehvbg.
Nicht cyklisch auswachsend. Zur Anheftung dienende Apicalfläche
abgeflacht, freie Basalfläche stark convex hervorgewölbt. Mündung
System, 207
charakteristisch (vergl. frühere Beschreibung). Lebende Arten 4. Fossil
seit Kohlenformation.
Anomalina, d'Orb. 1826.
Nahezu symmetrisch spiralig-, bald mehr planorbulina-, bald mehr
truncatulina-artig. Lebende Arten 2.
Planulina, d'Orb.
Nahezu symmetrisch und sehr stark scheibenförmig abgeflacht, nicht
cyklisch auswachsend. Lebende Arten 1.
Pulvinulina (d'Orb. 1826), P. u. J. emmend. (IX. 5).
Synon. ßotalia, Planorbulina, Valvulina, Nonionina d'Orb. p. p.
Frei, kalkig, fein porös (sehr wichtiger Charakter). Apicalfläche
meist kegelförmig erhaben, Basalfläche mehr oder weniger convex. Z. Th.
jedoch auch sehr niedergedrückt. Kammerzahl massig gross, Nabel der
Basalfläche häufig ausgefüllt, ebenso die Kammernähte; häufig gekielt.
Mündung auf Basalfläche schlitzartig. Jüngere Kammern zuweilen in eine
Art cyklisches Wachsthum übergehend (vermiculat). Lebende Arten ca. 30.
Fossil seit Kohlenformation.
Rotalia (Lamck. 1801) P. u. J. emmend.; Williamson (Transact.
micr. SOG. 2. s. L) (IX. 3).
Synon. Nautilus Aut. ant. p. p., Kotalia , Eosalina, Gyroidina, Asterigerina und
Calcarina d'Orb. p. p.
Frei, kalkig ; feinporös ; Kammerzahl der Umgänge ziemlich gross ;
apicale Seite flach oder wenig erhoben, Basalseite ziemlich flach bis
kegelförmig erhoben. Mündung wenig asymmetrisch gelegen bis ganz
auf Basalseite gerückt. Nabel und Kammernähte häufig von nlchtperfo-
rirter Schalenmasse erfüllt. Septen doppelt, mit wohlausgebildetem Kanal-
system. Lebende Arten ca. 13. Fossil seit Kreideformation. (Oberer
Jura?)
Calcarina, d'Orb. 1826; Carp. (57, 4. s.) (IX. 7).
Synon. Siderolitlies Lamck., Siderolina d'Orb., Siderospira, Pleurotrema Elirbg.
Frei, kalkig, niedere Schraubenspirale, mit wenig sich verdeckenden
Umgängen. Hauptcharakter allseitige Umhüllung durch secundäre, von
zahlreichen Kanälen (sogen. Kanalsystem) durchzogene Schalensubstanz,
die hauptsächlich peripherisch in mehr oder minder zahlreiche einfache
oder verzweigte lange Stacheln auswächst. Mündung an Basis der ein-
fachen Septen, gewöhnlich in einer Reihe von groben Poren untergetheilt.
Lebende Arten ca. 4. Fossil seit Kreideformation (Kohlenform.? Brady).
Anhang zur ünterfamilie der Rotalinae:
Sandschalige Rotalinen. Es wurde schon früher bemerkt, dass
eine Anzahl der sandschaligen, gewöhnlich dem Genus Trochammina bei-
gerechneten Formen wahrscheinlich zu den Rotalinen zu stellen sind.
208 EJiizopoda.
Polytrema, Risso 1826; Blainv. 1834; M. Schultze (Arch. f. Nat.-G.
1863, I.) ; Carpenter (74 u. A. m. n. h. 4. XVII.) ; Carter (A. m. n. h. 4.
XVII. XIX. XX. (IX. 11).
Synon. Millepora Pallas, Liiin6, Esper, Lamclc, Pustularia Gray. '
Kalkig, aufgewachsen, polythalam spiralig beginnend und hierauf in
sehr eigenthtimlicher Weise weiterwachsend. Gesammtgestalt baumförmig,
mit mehr oder weniger ästig verzweigtem Distalende. Enden der Aeste
geöffnet. Meist roth gefärbt. (Lieber die feineren Bauverhältnisse vergl.
die früher gegebene Beschreibung.) Recent. 1 Art. (Verwandtschaftliche
Beziehungen bis jetzt noch wenig aufgeklärt, von Carpenter, P. u. J. als
eine modificirte Rotaline, etwa von Planorbulina sich ableitend, betrachtet.
Doch ist die feinere Bauweise so eigenthümlich, dass mir diese Auffassung
sehr fraglich erscheint.)
? Parkeria, Carp. 1869 (88); Carter (A. m. n. h. XIX) (V. 23).
Frei; nach Carp. kalksandschalig, nach Carter kalkigfaserig, nicht
sandig. Kugelig bis linsenförmig (bis zu 50 Mm", im Durchm.). Aus
zahlreichen concentrischen Lamellen, die durch radiäre Pfeiler verbunden
werden, zusammengesetzt. Ohne grössere Kammermündung. Im Centrum
eine Anzahl in gerader Linie hintereinanderliegender Embryonalkammern,
die von Carter auf einen umwachsenen Fremdkörper zurückgeführt werden.
Fossil, Kreideformation. (Carter leugnet die Rhizopodennatur der Parkeria
und betrachtet sie als das Basalskelet eines Hydractinia ähnlichen
Hydroidpolypen.)
Patellina, Will. 1858 (61); Carp. (74) (IX. 9).
Synon. Orbitolina d'Orb. p. p. Aut., ? Cyclolina d'Orb., Conulites Carter (A. m. n. h.
3. VIII).
Ziemlich verschieden und z. Th. bis jetzt noch wenig sicher. Gestalt
etwa flach kegelförmig. Spitze des Kegels mit Embryonalkammer, hieran
anschliessend der Kegelmantel, gebildet aus halbe Umgänge formiren-
den Kammern oder aus schraubigspiraliger Röhre. Stets jedoch Untertheilung
der Kammern durch zahlreiche secundäre Septen. Von besonderen Kammer-
mündungen nichts bekannt; auf der Aussenfläche eine Anzahl Poren.
Kegelhöhle von exogener Schalenmasse mehr oder weniger erfüllt. Hierin
z. Th. Ausbildung von Nebenkämmerchen von unregelmässiger oder regel-
mässigerer Bildung und häufig ganz orbitoides- oder tinoporus- artiger
Anordnung. Lebende Arten ca. 3. Fossil seit Kreide. (Wie schon früher
bemerkt, scheinen mir die verwandtschaftlichen Beziehungen dieser
interessanten Gattung noch keineswegs hinreichend aufgeklärt; ja es
scheint mir sogar bis jetzt ihre Zurechnung zu den Perforaten noch nicht
gegen jeden Zweifel sichergestellt. Ob die von P.. J. und Carp. ihr an-
gewiesene Stellung bei den Rotalinen sich durch eingehendere Unter-
suchungen als richtig erweisen dürfte, oder ob nicht doch ein näherer
Anschluss an Orbitoides und Tinoporus gerechtfertigt erseheint, wagen
wir hier nicht zu entscheiden.
System. 209
Familie Nummulitinae (Nummulinida Carp. 1862) emmend. Btschli.
Kalkig, selten sandig; hj^alin und gewöhnlieh fein bis sehr fein porös.
Mono- bis polythalam, symmetrisch spiralig aufgerollt, selten etwas asym-
metrisch schraubenförmig. Fast stets völlig involut, jedoch häufig die
seitlich übergreifenden Partien der späteren Umgänge ohne zwischen-
bleibende Kammerhöhlungen direct zur Verstärkung der Wand des vorher-
gehenden Umgangs aufgelegt. Mündung fast stets schlitzförmig an Basis
des einfachen oder doppelten Septuras gelegen; dieses gewöhnlich nicht
perforirt, nur von einer Anzahl grober Poren durchbohrt. Kanalsystem
bei den höheren Formen sehr wohl und z. Th. in sehr complicirter Weise
entwickelt. Z. Th. mit Uebergang in cyklisches Wachsthum und Unter-
theilung der Kämmerchen durch Secundärsepta, in ähnlicher Weise wie
bei den Orbitolitina unter den Imperforata.
(Die Familie der Nuuiuuilitinae ist liier in einem weiteren Sinne gefasst, als dies von
Carpenter geschehen, indem ihr eine Anzahl Formen zugesellt wurden, die Carpenter unter
den Globigeriniden aufführt oder die erst in neuerer Zeit bekannt wurden. Neben anderen
Charakteren scheint mir die ausgesprochene Neigung zu symmetrisch spiraligem und völlig
involutem Wachsthum diese Formen hauptsächlich zu verbinden.)
Unterfamilie Involutinae, Btschli.
Monothalam, symmetrisch bis etwas asymmetrisch spiralig, kalkig,
cornuspira-artig, jedoch involut, mit Beschränkung der Kammerhöhlung
auf die peripherischen Theile der Umgänge.
Involutina (Terqu. 1862), Bornemann emmend. (Z. d. d. geolog.
G. 26) Brady (IX. 12).
Kalkig, frei, cornuspira-artig aufgerollt und selten etwas asym-
metrisch. Durch Ueberlagerung durch die Schalenlamellen der späte-
ren Umgänge die Nabelhöhlungen ganz ausgefüllt, so dass Umgänge
äusserlich nicht sichtbar. Feinere und gröbere Poreukanäle vorhanden
(jedoch die feinen, nummulitenartigen Porenkanäle von Archaeodiscus
nicht beobachtet, aber doch vielleicht vorhanden). Fossil (Lias). (Proble-
matina nennt Bornemann einige von Terquem beschriebene Involutina-
arten, die durch den Besitz von Scheidewänden sich als polythalam er-
weisen sollen; Silicina (Involutina Terq. p. p.) hingegen sandig-kieselige
involutina-artige Formen; beide Gattungen sind jedoch bis jetzt noch zu
wenig genau bekannt, um über ihre Stellung mit Sicherheit urtheilen zu
können. Lias.)
Archaeodiscus (Archaediscus), Brady (A. m. n. h. 4. XI. u. 105)
(IX. 13).
Monothalam, ähnlich Involutina, jedoch die Aufrollung nicht in einer
Ebene, sondern wechselnd in verschiedenen. Aeusserlich die Umgänge
nicht sichtbar. Gesammtgestalt linsenförmig. Zweierlei Poren. Fossil,
Kohlenformation. 1 Art.
Bvonn, Klassen des TMer-Eeiclis. Protozoa. 14
2 10 Rliizopoda.
Spirillina, Ehrbg. 1841 (emmend. P., J. u. Carp.).
Synon. Oolis Phill., Operculina Eeuss etc, p. p., Cornuspira M. Seh. p. p.
Kalkig, frei, symmetrisch bis etwas asymmetrisch aufgerollt und Um-
gänge nur sehr allmählich anwachsend. Nicht involut. Meist grob porös.
Häufig Auflagerungen von exogener Schalenmasse. Lebende Arten ca. 7.
Fossil seit Tertiär. (In mancher Hinsicht scheint mir die Gattung Spi-
rillina zunächst an die beiden soeben besprochenen Gattungen sich an-
zuschliessen, jedoch sind nach den bis jetzt vorliegenden Untersuchungen
sehr erhebliche Unterschiede nicht zu verkennen. Carp., P. u. J. stellen
sie zu den Globigerinida.)
Unterfamilie Pulleninae^ Btschli.
Polythalam, kalkig, feinporös, meist frei. Spiralig aufgerollt, zu-
weilen etwas asymmetrisch. Involut; Kammerzahl der Umgänge gering
und Kammern rasch in die Höhe und namentlich auch Breite wachsend,
daher Gesammtgestalt mehr oder weniger kugelig. Septa gewöhnlich
einfach, daher meist kein Kanalsystem. Mündung meist sehr ansehnlicher
Querschlitz an Basis der Septen.
Pullenia, P. u. J. 1862 (IX. 14).
Synou. Nonionina p. p. d'Orb.
Symmetrisch, völlig involut. Kammerzahl auf 1 Umgang 4 — 5; Höhe
der Kammern gering , dagegen Breite recht ansehnlich. Gesammtgestalt
kugelig. Mündung sehr breiter, niederer Schlitz an Basis der Septen.
Kein Kanalsystem. Septen perforirt (?). Lebende Arten ca. 5. Fossil
seit oberer Kreideformation.
Sphaeroidina, d'Orb. 1826 (IX. 15).
Synon. Sexloculina J iz .
Unterscheidet sich hauptsächlich, durch asymmetrisch, seitlich an der
Basis der Septen gelegene, kleine halbmondförmige Mündung. Zahl der
lebenden Arten 2. Fossil seit oberer Kreide. (Die Hierhergehörigkeit
der Sphaeroidina ist etwas fraglich ; da sie jedoch ohne Zweifel in nächster
Beziehung zu Pullenia steht, so dürfte trotz ihrer Abweichungen ihre
Hierherziehung gerechtfertigt erscheinen.)
?Ilupertia, Wallich 1877 (A. m. n. h. 4. s. XIX.).
Kalkig, zuweilen jedoch auch etwas sandig, verhältnissmässig grob
porös. Ziemlich unregelmässige spiralige Aufrollung. Gesammtgestalt
kugelig bis unregelmässig. Kammern äusserlich nicht unterscheidbar.
Mündung breit halbmondförmig. Durch dicken, kurzen, aus nicht perfo-
rirter Schalenmasse bestehenden Stiel aufgewachsen. Scheidewände im-
perforirt. Recent. 1 Art. (Die Hierhergehörigkeit dieser Gattung scheint
recht fraglich, jedoch scheinen mir die verwandtschaftlichen Verhältnisse
noch am meisten auf Pullenia hinzudeuten.)
System. 211
Endothyra, Phill. 1846; Brady (105); v. Müller (116) (IX. 16).
Synon. Eotalia Hall, Nouionina p. p. Eichwald, Involutina p. p. Brady.
Allgemeine Bildung ähnlich Pullenia. Kammerzahl der Umgänge
jedoch bedeutend grösser (bis 20 im letzten Umgang). Kalkig nach
Möller (nach Brady angeblich kalksandig), feinporös. Septen einfach,
perforirt; Mündung ansehnlich. Fossil, Kohlenformation. (Nach Brady
angeblich zu sandigen Imperforata gehörig.)
Cribrospira, v. Möller (116).
Aehnlich Endothyra, jedoch etwas asymmetrisch schraubenspiralig.
Mündung gross, jedoch nach v. Möller secundär gebildet, daher der
letzten Scheidewand gewöhnlich fehlend. Septa einfach, mit gröberen
Poren. Fossil, Kohlenformation.
Bradyina, v. Möller (116) (IX. 17).
Synon. Nonionina Eicliwald p. p., Lituola Brady p. p.
Aehnlich Cribrospira, grob perforirt, asymmetrisch. Kammerzahl der
Umgänge massig gross (7 — 8 im letzten Umgang). Zweiter Umgang mit
abgeschnürten Seitenkammern unter der apicalen Windungsspitze. Mün-
dung wie Cribrospira. Septa zweiblätterig mit Kanalsystem und einer
Anzahl gröberer Poren. Fossil, Kohlenformation.
Amphistegina, d'Orb. 1826; Williamson (47); Carpenter (57, 3. s.)
(X. 1—3).
Kalkig, frei. Etwas asymmetrisch, flach schraubenspiralig; eine Seite
mehr convex als die andere. Kammerzahl der Umgänge zahlreich, die
Höhlungen erstrecken sich bis nahezu zur Windungsaxe. Höhen- und
Breitenzunalime sehr allmählich, daher Gesammtgestalt etwa linsenförmig.
Septa stark vorwärts gekrümmt; auf mehr convexer, sogen. Unterseite
durch secundäre Septen von jedem KammerflUgel ein secundäres Käm-
merchen abgetheilt. Septa einfach, ohne Kanalsystem. Mündungen spalt-
artig, einseitig auf sogen. Unterseite gerückt. Lebende Arten ca. 3.
Fossil seit Kohlenformation. (Diese Gattung neigt sich durch zahlreiche
Charaktere schon sehr zu der folgenden Unterfamilie hin, ist daher wohl
am besten als eine mit dieser vermittelnde zu betrachten.)
Unterfamilie Nummulitidae.
Symmetrisch, gewöhnlich sehr vielkammerig, Kammern meist nur
wenig in die Breite wachsend, daher Gesammtgestalt gewöhnlich, jedoch
keineswegs immer, ziemlich abgeflacht. Septa imperforirt, zweilamellig
mit mehr oder minder, z. Tb. sehr hoch entwickeltem Kanalsystem.
Polystomella, Lamck. 1822; Williamson (46 u. 47); Carpenter
(57, 4. ser.) (X. 6, XL).
Umgänge ziemlich in die Breite wachsend, dagegen in der Höhe nur
massig zunehmend. Gesammtgestalt daher nicht sehr abgeflacht bis
14*
<2\2 Rhizopoda.
linsenförmig. Kammerzalil der Umgänge gering bis massig gross. Kanal-
system mehr oder weniger wohlentwickelt. Kein Dorsalstrang.
Untergenus Nonionina, d'Orb. 1826.
Synon. Noniona, Melonis, Florilus, Chrysolus Montf., Pulvillus, Lenticulina p. p., Placentula
Lamck., Geoponus Ehrbg.
Mündung einfacher, basaler, halbmondförmiger Schlitz. Kammer-
höhlungen einfach ohne zipfelförmige Aussackungen. Nabel z. Tb. un-
ausgefüllt. Kanalsystem weniger wohl entwickelt. Lebende Arten ca. 14.
Fossil seit Kreideformation. (Durch die einfachsten Formen scheint sich
diese Gattung noch ziemlich innig an Pullenia anzuschliessen , die höher
entwickelten führen ganz allmählich zu Polystomella s. str. hinüber.)
Untergenus Polystomella s. str.
Synon. Nautilus p. p. L. et Aut. ant., Geophonus, Elphidium, Pelorus, Andromedes, Sporilus
Themeon, Calcanthus Montf., Vorticialis Blainv., Polystomatium Ehrbg., Faujasina d'Orb.
Mündung in eine basale Reihe von groben Poren untergetheilt.
Kammerzahl der Umgänge ziemlich gross. Kammerhöhlungen peripherisch
nach hinten in zipfelförmige Aussackungen fortgesetzt (z. Th. äusserlich
wohl sichtbar). Kanalsystem sehr wohl entwickelt. Nabel stets aus-
gefüllt. Lebende Arten ca. 11, Fossil seit Kreideformation (Kohlen-
formation'?).
Cyclammiua, Brady 1876 (Proc. roy. soc. XXV. u, 117, I.).
Synon. Lituola Carp. The Microsc. 5. edit., Carter A. m. n. L. 4. XIX.
Ganz ähnlich Nonionina, jedoch sandschalig. Kammerhöhlungen
durch röhrige Auswüchse mehr oder weniger erfüllt. Recent. 1 Art.
(Sandige, ganz nonionina-artige Formen hat ferner Brady als Trochammina
beschrieben, so Trochammina trulissata [117, I.].)
Operculina, d'Orb. 1826; Carter (An. m. n. h. 2. X.); Carpenter
57, 3. ser.); Parker u. J. (Q2, g.) (X. 4).
Synon. Nautilus Gronovius, Schroedt., Lenticulites Basterot, Defr.
Wenig Umgänge, sehr rasch, namentlich der letzte, in die Höhe wach-
send, dagegen in Breite sehr wenig zunehmend; Gesammtgestalt daher
scheibenförmig abgeplattet. Kammerzahl massig gross. Kammerhöhlungen
nicht flügelartig über die Seitenflächen fortgesetzt. Mündung einfach,
niedriger Querschlitz. Kanalsystem wohl entwickelt, mit Dorsalstrang.
Lebende Arten ca. 2 — 3. Fossil seit Kreideforraation.
Nummulites, Lamck. 1801; Joly et Leymerie (Mem, Acad. sc. de
Toulouse 3. s. IV.); Carpenter (43); d'Archiac et Haime, Descript. d.
anim. foss. d. groupe Nummulitique de Finde. Paris 1853); Parker u. J.
(62, g); Gümbel (N. Jahrb. f. Min. 1872); Brady (A. m. n. h. 4. XIIL
u. 105); V. Möller (116) (XIL 1—10).
Synon. Helicites Sold., Discolithes, Camerina Brug. , Lenticulites Schloth., Lyco-
pliris p. p. Rotalites Montf., Nummularia Sowb., Nummulina d'Orb. etc., Orobias Eichw^.
Umgangszahl meist sehr gross ; Umgangshöhe sehr allmählich
System. 213
wachsend, Bieiteziinahine gleichfalls meist gering, daher gewöhnlich
scheibenförmig bis linsenförmig, seltener bis kugelig. Kammerzahl der
Umgänge sehr gross; letzter Umgang meist cyklisch geschlossen. Mün-
dung einfach. Kanalsystem sehr wohl entwickelt, mit Uorsalstrang,
Unterg. Assilina, d'Orb. (Explanatae d'Arch. et H.) (XII. 4, 5).
Kammerhöhlungen ähnlich Operculina nicht fltigelartig über die Seiten
bis zum Nabel fortgesetzt, daher die Umgänge äusserlich meist sämmtlich
sichtbar.
Unterg. N um muH na, d'Orb. (XII. 1—3, 6—10).
Kammerhöhlungen flügelartig über die Seiten der Schale bis zur
Windungsaxe sich fortsetzend, daher äusserlich gewöhnlich nur der letzte
Umgang sichtbar. Verhalten der die seitlichen Kammerflügel scheidenden
Theile der Septen verschieden, z. Th. einfach radiär verlaufend (Radiata
P. u. J. = Plicatae + striatae d'Arch. et H. [XII. 3]); oder sinuös sich
hin- und herbiegend (Sinuatae P. u. J. = laeves -{- sublaeves -f pars
puuctulatarum d'Arch. et H.), oder die gewundenen Septen vielfach ana-
stomosirend und daher die Seitenflügel in zahlreiche secundäre Kämmer-
chen zerlegt (Reticulata P. u. J. =^ Reticulatae + Subreticulatae d'Arch.
et H.). Lebende Arten ca. 1. Fossil seit Kohlenformation.
Anhang zur Unterfamilie der Nummulitiden.
?Bdelloidina, Carter 1877 (A. m. n. h. 4. XIX.).
Flach aufgewachsen, kalksandig, allgemeine Bauweise erinnert sehr
an Peneroplis unter den Imperforata; Mündung eine Reihe die Septen
durchsetzender Poren. Obere freie Schalenwand labyrinthisch entwickelt,
jedoch nach Carter sicher perforirt. Recent. 1 Art. (Die Stellung dieser
Form erscheint bis jetzt ganz zweifelhaft, und haben wir sie daher einst-
weilen ganz provisorisch hierhergewiesen, da wir ausser Stande sind, mit
einiger Sicherheit über ihre verwandtschaftlichen Beziehungen zu ent-
scheiden. Der Nachweis der Perforirung verbietet ihre Unterbringung
bei Lituola und Verwandten.)
Unterfamilie Fusulinidae, v. Möller 1878.
Kalkig, frei, feinporös. Regulär spiralig aufgeroUt, völlig involut.
Umgänge nur massig in die Höhe wachsend, dagegen sehr rasch in die
Breite, so dass die Gesammtgestalt, ähnlich Alveolina unter den Imperfo-
rata, kugelig bis in der Windungsaxe langgestreckt, spindelförmig und
cylindrisch wird. Kammerhöhluugen bis zur Windungsaxe ausgedehnt,
daher die früheren Umgänge völlig von dem letzten verdeckt. Kammer-
zahl der Umgänge ziemlich hoch. Letzter Umgang durch cyklisches Aus-
wachsen oder in anderer Weise völlig abgeschlossen. Mündung massig
breiter, basaler Querschlitz, symmetrisch gelegen. Septa meist einfach
und Kanalsystem selten angedeutet. Durchaus fossil.
2 1 4 Ehizopoda.
Fusulina, Fischer v. W. 1829 (Bullet, s. imp. nat. Moseou 1829);
Verneuil (Sill. am. journ. 2. ser. IL) v. Möller (116); (XII. 11—15).
Synon. Alveolina Ehrtg. j). p.
Schale spindelförmig bis cylindrisch. Septa einfache Lamellen; ihr
nach der Windungsaxe gerichteter Theil (bis zu ^g ihrer Höhe) in wellen-
förmige, parallel der Höhenlinie der Kammern gerichtete Falten gelegt.
Durch Zusammentreffen dieser Falten der benachbarten Septen Bildung
zahlreicher secundärer Kämmerchen. (Bis zu 12 Mm. lang.) Kohlen-
formation.
Schwager ina, v. Möller 1877 (116).
Synon Borelis Ehrbg. p.p., Fusulina p. p. Meck, Barbot de Marny, Stuckenberg.
Kugelig bis etwas längsgestreckt; Hauptunterschied von Fusulina,
dass Septa hier in ihrer grössten Ausdehnung nicht gefältelt und erst bei
ihrer Annäherung an die Windungsaxe plötzlich stark wellenförmig sich
hin und her falten und sich verzweigend unter einander anastomosiren.
Fossil. Obere Kohlen- bis untere Dyasformation.
Hemifusulina, v. Möller 1877 (116).
Allgemeiner Bau sehr ähnlich Fusulina; Septa jedoch doppellamellig
mit kanalsystemartigen Interseptalräumen. Grösse gering. Kohlenfor-
mation.
Anhang zur Familie der Fusulinida.
Fusulinella, v. Möller 1877 (116).
Synon. Melonia Ehrbg.. Borelis p. p. Ehrbg., Alveolina p. p. Ehrbg., Fusulina
p. p. Abich, Schvrager, Brady.
Gestaltsverhältnisse ähnlich Fusulina. Septa mit mittleren, ebenen
und seitlichen, schwach gefältelten Theilen. — Schalenwandungen nach
V. M. dicht, imperforirt; sammt den Septa aus zwei Lamellen gebildet,
zwischen welchen ziemlich entwickeltes Kanalsystem sich findet. (Bis
5 Mm. Länge.) Fossil. Kohlenformation. (Wie schon früher bemerkt,
sind die Beziehungen dieser Form zu den perforirten Fusuliniden so innig,
dass sie vorerst, bis zu einer eventuellen Bestätigung ihrer Imperforirt-
heit, wohl am besten hier zu belassen sein dürfte.)
? Loftusia, Brady 1869 (88); Carter (A. m. n. h. 4. XVH.); Dawson,
G. M. (Qu. j. geol. soc. 35) (VIL 1).
Frei, spiralig symmetrisch aufgerollt, völlig involut, ähnlich Fusuli-
nida, Gestalt ellipsoidisch bis linsenförmig. Umgänge sehr nieder (bis 25),
durch zahlreiche sehr schiefe Septen in Kammern getheilt, die durch
säulenartige, senkrecht sich erhebende Auswüchse der Septen noch in
zahlreiche unregelmässige secundäre Kammerräume untergetheilt werden.
Kalksandig nach Brady. Aeussere Kammerlamelle dicht (?), innere dickere
aus labyrinthischem Werk gebildet, das auch die Septen und säulen-
artigen Auswüchse bildet. Längsdurchmesser bis 80 Millim. Fossil.
Kohlenformation und Tertiär. (Carter ist geneigt, auch diese Form, wegen
System. 215
ihrer Beziehungen zu der Parkeria, die mir jedoch sehr wenig nahe zu
sein scheinen, für das Basalskelet eines Hydroidpolypen zu erklären.
Mir scheint die ßhizopodennatur der Loftusia nicht wohl zu bezweifeln,
dagegen ihre Stellung sehr unsicher. Ihre Hierherziehung ist daher eine
ganz provisorische.)
Unterfamilie Cycloclypidae, Btschli.
Polythalam, mit ursprünglich spiraliger Aufrollung, die späterhin,
ähnlich wie bei den Orbitolitina unter den Imperforata, in cyklisches Wachs-
thum übergeht, oder cyklisches Wachsthum sogleich auf die Central-
kamraer folgend. Ursprüngliche Kammerräume wie bei den Orbitolitina
durch secundäre Septen in Kämmerchen untergetheilt. Gestalt stets
scheibenförmig abgeflacht. Primäre und secundäre Septa zweilamellig,
mit sehr hoch entwickeltem Kanalsystem.
Heterostegina, d'Orb. 1826; Carpenter (57, 2. ser. (X. 5).
Beginn der Schale symmetrisch spiralig, involut aufgerollt; letzter
Umgang sich rasch operculina- artig erhöhend und verflachend. Kammer-
länge sehr gering, und die Kammern des letzten Umgangs häufig sehr
schief, nahezu parallel mit der Spiralaxe verlaufend, so dass hierdurch
Uebergang zu cyklischem Wachsthum angebahnt wird. Mündung an
Basis der Primärsepten, ähnlich Operculina. Dorsalstrang entwickelt (bis
12 Mm. Durchmesser). Lebende Arten 1—2. Fossil seit Untertertiär.
Cycloclypeus, Carp. 1856 (57, 2. ser. u. 74 (VI. 3).
Scheibenförmig, kreisrund bis gegen 60 Mm. Durchmesser, Um ein-
fache Centralkammer sogleich Cyklen von radial verlängerten Kämmerchen
in einfacher Lage. Seitenflächen der Scheibe von dicker, geschichteter,
perforirter Kalkmasse überdeckt. Kanalsystem sehr hoch entwickelt.
Lebende Art 1. Fossil seit Miocän.
Orbitoides, d'Orb. 1847; Carpenter (43, 57, 2. ser.); Gümbel (Abh.
d. k. bair. Ak. X. 2. Abth.) (XII. 16-21, XIIL 1).
Synon. Nummulites und Lenüculites Aut. p. p. , Discolithes Fortis p. p. , Lyco-
phrys Defr. p. p., Asteracites Schloth. p. p., Orbitulites Aut. p. p., Hymenocyclus
Bronn, Cyclosiphon Ehrbg.
Gestalt und Bau schliesst sich nahe an Cycloclypeus an und unter-
scheidet sich hauptsächlich dadurch, dass auf beiden Scheibenflächen,
zwischen den hier aufeinandergeschichteten Kalklamellen, mehr oder minder
zahlreiche Lagen von Nebenkämmerchen sich entwickeln. Grosse Embryo-
nalkammer und diese noch von 3—5 recht grossen Centralkammern in
spiraliger Anordnung umgeben; hierauf folgen die kleinen Kämmerchen
der Medianlage, gewöhnlich sehr bald in regulär cyklischer Anordnung.
Fossil, oberste Kreideformation bis Miocän. Artzahl recht beträchtlich.
21 G Khizopoda.
üntergenera:
Discocyclina, Gttmbel 1868 (XII. 16).
Linsenförmig, oder dünn scheibenförmig; Mediankammern der Peri-
pherie nicht dm'ch Querwände untergetheilt.
Rhipidocyclina, Gtimbel 1868.
Linsenförmig ; Mediankammern nach der Peripherie zu stark in Höhe
imd Breite erweitert und durch der Medianebene parallele tertiäre Scheide-
wände untergetheilt.
Actin ocy Clin a, Gümbel 1868 (XII. 19).
Flach linsenförmig, kreisrund mit zahlreichen strahlenartigen Ver-
dickungen, die vom Centrum der Scheibe auslaufen und durch erweiterte
Mediankammern gebildet werden.
Asterocyclina, Gümbel 1868 (XIL 17, 18, XIIL 1).
Aehnliche radiale Verdickungen, wie bei der vorhergehenden Unter-
gattung, diesen entsprechend der Rand der Scheibe ausgewachsen, so
dass die Gesammtgestalt polygonal bis sternförmig wird. Erweiterte
Mediankammern auch hier untergetheilt.
Lepidocyclina, Gümbel 1869 (XIL 22).
Flach linsen- oder dünn scheibenförmig; Mediankammern auf dem
Horizontalschnitt peripherisch halbkreisförmig abgerundet. (Bei den vor-
hergehenden Untergattungen dagegen rectangulär.)
Anhang zur Unterfamilie der Cyclocly piuae.
Tinoporus, de Montf. 1808; Carpenter (57, 4. ser., 74); Carter
(A. m. n. h. 4. XIX. u. XX.) (XIIL 2).
Synon. Orbitolina P. u. J., Calcarina d'Orb., Keuss p. p.
Etwa von der Bildung eines Orbitoides, bei welchem die mediane
Kammerlage nahezu völlig rudimentär geworden ist. Sie spricht sich
nur noch aus in den planorbulina-artig sehr bald in cyklisches Wachs-
thum übergehenden Anfangskammern der Schale. Nach beiden Seiten
von diesen sind zahlreiche Schichten von Kämmerchen, ähnlich den
Nebenkämmerchen von Orbitoides entwickelt. Gesammtgestalt etwa linsen-
förmig bis stumpfkegelig. Sogen. Zwischenskelet und Kanalsystem z, Th.
wohl ausgebildet (T. baculatus) und dann ersteres in eine Anzahl von
strahlenartigen Stacheln randlich hervortretend, gleichzeitig auch das Aus-
wachsen der Kämmerchenlagen längs dieser Stacheln mehr oder minder ver-
anlassend, z. Th. jedoch ohne Entwickelung eines solchen Zwischen-
skelets und Kanalsystems. Lebende Arten 2. Fossil seit Kreideformation.
(Die Gründe, wesshalb wir die Gattung Tinoporus, entgegen der Auf-
fassung von Parker, J. und Carp., von den Rotalinen entfernen und in
Anschluss an die Cycloclypinen bringen, sind schon früher bei Gelegen-
heit der morphologischen Betrachtung des Schalenbaues erörtert worden.
Carter hingegen hält den Tinoporus baculatus für nächstverwandt mit
System. 217
Calcarina, dagegen die des Kanalsystems entbehrende Form T. vesicularis
für hiervon sehr verschieden, die er nun für uächstverwandt mit einer von
ihm früher zu Polytrema gezogenen Form hält. Letztere erhebt er jetzt
zu einer besonderen Gattung Gypsina; sie bildet flache, melobesia-
artige*) Ueberzüge auf Korallen etc., aus zahlreichen tinoporusartig auf-
einandergehäufteu Kammern bestehend, ohne Anwesenheit einer grösseren
besonderen Mündung der Schale.)
y. Anhang zur systematischen Uebersicht der ßhizopodengattungen.
Zweifelhafte oder durch neuere Untersuchungen als nicht hierher-
gehörig erwiesene Formen.
Eozoon, Dawson 1865 (XIII. 8).
Uebersicht der wichtigsten Schriften über Eozoon:
Logan, Qu. j. geolog. soc. XXI.
Dawson, Qu. j. geolog. soc. XXI.
Carpenter, Qu. j. geolog. soc. XXI.
Gümbel, Sitzungsb. bayr. Akad. 1866.
Pousyrewski, B. Ac. Petersb. X.
Hochstetter, Sitzungsb. d. Wiener Ak. 53.
Fritsch, Arb. d. geolog. Sect. d. Landesdurchforsch. in Böhmen 1869.
King and Rowney, Qu. j. geolog. soc. XXII. ; Proc. irish Acad. Vol. X. und N. S.
Vol. I.
Carpenter, Qu. j. geolog. soc. XXII.
Carter, A. m. n. h. 4. XIII., XIV., XVI.
Carpenter, A. m. n. h. 4. XIII.
Burbank and Perry, Proc. Boston soc. 14.
M. Schnitze, Vcrhandl. naturh. Vereins preuss. Kheinl. u. \V. XXX, u. Tagebl. der
Naturf.-Vers. 1873; A. m. n. h. 4. s. XIII.
King and Rowney, A. m. n. h. 4. s. XIII. u. XIV.
Dawson, The dawn of life etc. London 1875; A. m. n. h. 4. XVII. XVIII.; Qu. j.
geol. soc. 1876.
Halm, C, Würtemb. naturw. Jahresh. 1876 u. 78.
Gümbel, Corrcsp.-Bl. zool. min. Verein Eegensb. 1876.
Möbius, Palacontograph. XXV.
Dawson, Am. j. sc. a. arts 1879.
Möbius, Am. j. sc. a. arts. 1879.
Die von Logan (1865) entdeckten, eigenthümlichen Einschlüsse
in gewissen Schichten krystallinischen Kalkes der laurentischen Gneiss-
formation Canada's, welche Einschlüsse von Dawson den Namen Eozoon
canadense erhalten haben, sind bis zu dieser Stunde trotz vielfacher Unter-
suchungen seitens der Zoologen, Paläontologen und Mineralogen noch ein
ihrer Natur nach sehr bestrittenes Object geblieben. Es ist bekannt, dass
die hervorragendste Autorität auf dem Gebiet der Schalenbildungen der
Rhizopoden, Carpenter, nach eigenen Untersuchungen sich sofort für die
Rhizopodennatur der fraglichen Gebilde erklärte und seit dieser Zeit mit
Lebhaftigkeit diese, wesentlich von ihm begründete Auffassung gegen
zahlreiche Angriffe vertheidigt hat.
*") Melobesia, eine flache, unregelmässige Ueberzüge auf Steinen etc. bildende Kalkalg
218 Ehizopoda.
Ausser an ihrer ursprünglichen Fundstätte wurden diese Eozoon-
sgebilde bald auch noch in entsprechenden Schichten Baierns, Böhmens,
Irlands und Finnlands gefunden und sogar mehrere Arten unterschieden.
Dieselben bestehen aus mehr oder weniger ausgedehnten , ca. 4 bis
5 Millim. dicken Lagen von Serpentin, die in verschiedener Zahl,
durch Zwischenlagen von krystallinischem Kalk getrennt, regelmässiger
oder unregelmässiger übereinandergeschichtet sind. Das Ganze bildet
knollige Massen, die bis Kopfgrösse erreichen. Die Serpentinlagen er-
scheinen wie aus einer grossen Anzahl kugeliger bis ellipsoidischer An-
schwellungen zusammengesetzt (8, k), die etwa den Ausgüssen der Kammer-
höhlungen unregelmässig gebauter, poly thalamer Rhizopoden gleichen
und daher auch in diesem Sinne von den Vertheidigern der Rhizopoden-
natur des Eozoon aufgefasst werden. Auf der Grenze zwischen den ein-
zelnen Serpentinlagen und den zwischen gelagerten Kalkschichten findet
sich gewöhnlich (jedoch keineswegs ganz regelmässig und in sehr verschie-
denem Grad der Deutlichkeit) eine feinfaserige Lage (8, k^). Die Faserung
derselben ist gewöhnlich, jedoch keineswegs wieder durchaus, senkrecht
zur Oberfläche der Serpentinlamellen gerichtet. Nach der Auffassung von
Carpenter u. A. entspräche diese Lage der feinperforirten , eigentlichen
Kammerwandung, deren Tubuli durch Serpentin erfüllt sind.
Weiterhin lassen sich in den kalkigen Zwischenlagen noch verästelte,
dendritische Einlagerungen wahrnehmen (c), die sich etwa als Ausfüllungen
eines Systems verzweigter Kanäle, das die Zwischenmasse durchzieht,
auffassen lassen. Eine ganze Reihe verschiedener Mineralien sollen sich
an der Bildung dieser dendritischen Gestaltungen betheiligen, so haupt-
sächlich Serpentin und andere SiUkate, jedoch auch Calcit, Bitterspath
und sogar vielleicht zuweilen Graphit. Jedoch wird die ursprüngliche
Bildung durch Calcit und Bitterspath von King und Rowney in Abrede
gestellt, es soll sich nach ihnen hier um Pseudomorphosen handeln.
Carpenter, Dawson und die sich ihnen anschliessenden Vertheidiger
der Rhizopodennatur des Eozoon haben nun die geschilderten Befunde in
nachstehender Weise auf die Organisationsverhältnisse der Schalengebilde
der Rhizopoden zurückzuführen gesucht. Wie schon bemerkt, entsprechen
nach ihnen die Serpentinlagen mit ihren knolligen Anschwellungen den
Ausfüllungsmassen der in unregelmässigen Schichten übereinandergelagerten
Kammern (k), die in je einer Lage durch ziemlich weite Verbindungskanäle
oder Oeffnungen communiciren, z. Th. jedoch auch stolonenartige Verbin-
dungen mit den benachbarten Kamraerlagen eingehen (st). Die feinfaserige
Schicht (k^) hingegen repräsentirt die eigentliche Kammerwand. Die zwischen
den einzelnen Serpentinschichten eingelagerten Kalkschichten (sk) vertreten
das sogen. Zwischenskelet und die sich darin findenden, dendritischen
Bildungen (c) sind das von verschiedenen MineraUen ausgefüllte Kanal-
system, welches die Communikation der einzelnen Kammerlagen durch das
Zwischenskelet hindurch vermittelte. Im Allgemeinen führt dann diese
Auffassung vom Bau des Eozoon zu der Einreihung dieser Form bei den
Eozoon. 219
Nummuliuiden, zu denen sie nach Carpenter etwa in ähnlicher Beziehung
stehen soll, wie die Gattung Polytrema zu den Rotalinen.
Dawson hat ferner einzelne oder in geringer Zahl zusammenhängende,
eiförmige bis kugelige Serpentingebilde von faseriger Struetur gefunden
(Kalk von St. Pierre Seigniory of Petite Nation), die er als losgelöste
Kammern von Eozoon anspricht und mit dessen Fortpflanzung in Be-
ziehung setzt. (Ursprünglich wurden sie von ihm Archaeosphaerium
genannt.)
Von deutschen Forschern hat hauptsächlich Gümbel die Rhizopoden-
natur des Eozoon vertheidigt; M. Schnitze gab an, sich von der organi-
schen Natur des sogen. Kanalsystems überzeugt zu haben, wogegen er
in der sogen. Kammerwandung eine unorganische Bildung erblickte.
Mit grosser Entschiedenheit wurde jedoch schon sehr bald nach der
ersten Bekanntwerdung der Eozooneinschlüsse durch zwei englische
Forscher, King und ßowney, die organische Natur desselben in Abrede
gestellt. Die gewichtigsten C^ründe, die von ihnen gegen die Carpenter-
Dawson'sche Ansieht vorgebracht wurden, glauben wir hier ganz kurz
anführen zu sollen. 1) Werden nach ihnen ganz ähnliche Gestaltungen,
wie sie uns in den Serpentinlagen des Eozoons entgegentreten, auch
durch Concretionenbildung verschiedener anderer Mineralien erzeugt (so
Chondrodit, Coccolit, Pargasit etc.); 2) verhält sich das sogen. Zwischen-
skelet des Eozoon ganz so wie die Grundmassen, in welchen die Con-
cretionen der erwähnten Mineralien zur Ausbildung gelangen; 3) die
faserige eigentliche Kammerwand verhält sich genau wie eine den
Chondrodit umhüllende, asbestförmige Lage und ist nichts wie eine äusser-
liche Umbildung der Serpentinlagen zu Chrysotil; 4) das sogen. Kanal-
system verhält sich ganz wie ein dendritisches Mineral, wie sich solche
dendritische Bildungen zuweilen auch in reinen Kalken und gewissen
anderen Mineralien finden. Aehnliche schichtförmige Abwechselungen
verschiedener Mineralien, wie sie bezüglich Kalk- und Serpentinlagen im
Eozoon vorliegen, sollen sich gelegentlich auch in anderen Gesteinen
finden, wo ihr Nichtzusammenhaug mit organischen Structurverhältnissen
unfraglich sei. Auch Carter hat sich bei verschiedenen Gelegenheiten
gegen die organische Herkunft des Eozoon ausgesprochen. Von deutscher
Seite wurde von v. Hahn die Zurückweisung der Carpenter'schen Auf-
fassung versucht, jedoch glauben wir die Untersuchungen dieses Beob-
achters hier wohl ohne Vorwurf mit Stillschweigen übergehen zu dürfen,
als er in seinem neuesten Elaborat*) nun doch wieder zu der organischen
Natur des Eozoon zurückgekehrt ist, es jedoch jetzt für einen pflanzlichen
Organismus (den er auch Eophyllum benennt) erklärt. Das berechtigte
Aufsehen, welches die Hahn'sche Arbeit über das Eozoon einst erregte,
erscheint jetzt durch die wunderlichen neuesten Entdeckungen dieses
Forschers in einem sehr zweifelhaften Lichte.
=*■■) Die ürzelle etc. Tübingen 1879.
220 Rhizopoda.
Während Hahn das Eozoon hauptsächlich durch Umbildung von in
Kalk eingeschlossenem Olivin zu Serpentin sich entstanden dachte, haben
King und Rowney eine hiervon sehr verschiedene Ansicht zu entwickeln
versucht, von der hier nur soviel bemerkt sei, dass sie es durch all-
mähliche Zerstörung und Ersetzung einer ursprünglichen Serpentinbildung
durch ein Carbonat entstehen lassen.
Wie King und Rowney ging auch neuerdings K. Möbius in der Hoff-
nung, die Rhizopodennatur des Eozoon sicher erweisen zu können, an
eine erneute Untersuchung desselben. Er wurde jedoch gleichfalls zu
der entgegengesetzten Ansicht geführt und seine Gründe sind in vieler
Hinsicht tibereinstimmend mit denen seiner englischen Vorgänger. Wir
glauben auch hier noch die wesentlichsten derselben andeuten zu sollen.
Die Deutung der faserigen Hüllschicht als Kammerwand einer Rhizo-
podenschale ist unzulässig, da sie sich durchaus aus feinen prismatischen
Krystallnadeln ohne Zwischenmasse zusammensetzt; auch ist der Verlauf
der Faserung häufig ein solcher, dass er sich nicht mit der Tubulation
der Rhizopodenschalen in Einklang bringen lässt. Auch die Form-
verhältnisse des sogen. Kanalsystems entsprechen nicht denen dieser
Einrichtung bei den Rhizopoden. Es sind nach Möbius plattgedrückte,
stengelartige Bildungen ohne organische Regelmässigkeit. Schliesslich
vermisst M. im Bau des Eozoon den genetischen und physiologischen
Zusammenhang der einzelnen Formtheile untereinander; so namentlich
den für die polythalamen Rhizopoden allgemein gültigen Beginn des
Wachsthums von Anfangskammern aus und ferner hinreichend regel-
mässige Beziehungen der Kammerräume, der faserigen Kammerwand und
des vermeintlichen Kanalsystems zu einander.
Wenn wir hier noch hervorheben, dass Carpenter und Dawson
auch gegenüber diesen neuesten und eingehenden Untersuchungen von
Möbius, ihre Auffassung des Eozoon unverändert aufrecht halten, so
hätten wir damit ungefähr die Hauptphasen in der Eozoonfrage kurz ge-
kennzeichnet. Wir überlassen es dem Urtheil der Leser, sich für die
eine oder die andere Seite zu entscheiden und wollen nur bezüglich
unserer eigenen, allein auf das ernstliche Studium der einschlägigen Lite-
ratur gestützten Meinung bemerken, dass wir uns persönlich der durch
King und Rowney, sowie Möbius, vertheidigten Ansicht von der nicht-
organischen Natur dieser Bildungen auschliessen. Ein entscheidendes
Wort in dieser auf dem Grenzgebiet biologischer und petrographischer
Forschung sich bewegenden Frage wird, unserer Meinung nach, wohl
erst dann ausgesprochen werden, wenn sich Petrographen und Zoologen
zu gemeinsamer Arbeit die Hände reichen, während seither die Unter-
suchung wesentlich immer nur von der einen oder der anderen Seite
in Angriff genommen wurde.
Eozoon, Stromatoporida. 221
Stromatoporida (XIII. Figg. 9 u. 10).
In den silurischen und devonischen Schiebten Europas und Nordame-
rikas finden sich häufig und* z. Th. in grossen Massen Ueberreste einer
eigenthümlichen Gruppe fossiler Organismen, die bis jetzt trotz ziemlich
zahlreicher Untersuchungen hinsichtlich ihrer wahren Natur nicht aus-
reichend aufgeklärt sind. Es sind dies die sogen. Stromatoporiden,
wie nach der zuerst 1827 durch Goldfuss*} beschriebenen Gattung
Stromatopora diese Abtheilung benannt wurde. Goldfuss glaubte jene
Stromatopora zu den Spongien rechnen zu sollen und diese Auffassung
hat sich bis zur neuesten Zeit vielfacher Anerkennung erfreut, namentlich
haben die eingehendsten Erforscher der durch die Auffindung einer Reihe
von Stromatopora etwas abweichender Geschlechter allmählich erweiterten
Gruppe der Stromatoporiden, Rosen 1867**) und Murie und Nicholson
1878***) die Spongiennatur derselben gleichfalls zu erweisen gesucht.
Während jedoch Rosen auf Grund seiner Untersuchungen eine eigen-
thümliche Gruppe fossiler Hornschwämme in ihnen erkannt haben
wollte, suchten Murie und Nicholson ihre Zugehörigkeit zu den Kalk-
schwämmeu zu erweisen, unter denen sie ihnen eine ähnliche Stellung
zuwiesen, wie den Hexactinelliden unter den Kieselschwämmen. Immerhin
muss jedoch hervorgehoben werden, dass die letzterwähnten Untersucher
ihrer Ansicht nur mit einiger Reserve Ausdruck verleihen und die mög-
liche Richtigkeit der von anderer Seite betonten Zugehörigkeit derselben
zu den Hydroiden nicht ganz zurückweisen. Ohne dass wir hier näher
auf die historische Entwickelung der Kenntnisse von den Stromatoporiden
einzugehen gedenken, heben wir doch hervor, dass sie von anderer
Seite theils den Korallen , theils den Bryozoen zugerechnet wurden und
schliesslich noch die Ansicht zu entwickeln versucht wurde, dass sie
ihre richtige Stellung bei den Rhizopoden finden. Letztere Auffassung
wurde ursprünglich von Carpenter angedeutet und hierauf namentlich von
Dawson näher zu begründen versucht.!) Ohne dass wir hier ein Urtheil
nach einer oder der andern Seite hin auszusprechen uns berufen fühlten,
halten wir es doch für gerechtfertigt, die wichtigsten Eigenthümlichkeiten
der Gruppe kurz zu besprechen, da in der That mancherlei Anklänge
mit gewissen Rhizopoden, namentlich der Gattung Polytrema und den zwar
gleichfalls unsicheren Gattungen Parkeria und Eozoon vorhanden sind.
Nach ihrer makroskopischen Entwickelung bilden die Stromatoporiden
mehr oder minder unregelmässige, meist flach ausgebreitete Ueberzüge (Fig. 9).
Zuweilen erreichen sie eine sehr ansehnliche Ausbreitung bis zu mehreren
ft
*) Goldfuss, Petrefacta Germaniae 1826.
**) Rosen, Fr., üeber die Natur der Stromatopora etc. Inauguraldissert. Dorpat 1867.
***) Nicholson and Murie, On the niinute struct. of Stromatoi)ora and its allies.
Journ. Linn. soc. Zoology XIV. 1878. Eine vollständigere üebersicht über die Literatur siehe
an dieser Stelle.
f) Quart, journ. geolog. soc. 1879,
222 Ehizopoda.
Füssen, verhältnissmässig selten erheben sie sich höher von ihrer Unter-
lage bis zu halbkugeligen, z. Th. auch etwas gelappten bis ästigen
Massen. Die freie Oberfläche dieser Gebilde ist entweder ziemlich glatt
oder wellig auf- und niedergebogen, häufig auch warzig; zuweilen
und namentlich bei gewissen Geschlechtern (Cauuopora, nach M. und N.
auch Stromatopora,*) Stromatocerium) zeigen sich mehr oder weniger
"weite, porenartige Oeffnungen der Oberfläche, die in vertikal durch die
Masse absteigende Röhren führen, welche von den Vertheidigern der
Schwammnatur der Stromatoporiden gewöhnlich den Oscula der Schwämme
verglichen wurden. Diese Oeffnungen sind dann nicht selten auf der
Spitze der warzenartigen Erhebungen gelagert.
Ueber die feinere Bauweise unserer Fossilien geben hauptsächlich
Vertikal- und Horizontalschliffe Auskunft, jedoch scheint der Erhaltungs-
zustand im Allgemeinen kein sehr günstiger zu sein, so dass eine genauere
Untersuchung unter starken Vergrösserungen Schwierigkeiten bereitet.
Eine derartige Untersuchung zeigt zunächst, dass die ganze Masse aus
meist dünnen Kalklamellen zusammengesetzt ist (1), die bei den flach aus-
gebreiteten Exemplaren der Unterlage mehr oder weniger parallel hin-
ziehen, bei den sich freier erhebenden hingegen mehr der freien Ober-
fläche parallel angeordnet sind. Zwischen diesen Lamellen, deren
ursprüngliche Bildung aus Kalk, trotz ihrer gelegentlichen Umwandelung
in Kiesel, füglich nicht bezweifelt werden kann, bleiben entsprechend
aufeinander geschichtete Interlamellarräume (il), die meist in ihrer Höhen-
entwickelung die Lamellen etwas übertreffen, zuweilen jedoch auch (so
bei Stromatocerium [Wall.] Nich. u. M. und Pachystroma N. u. M.) sehr
niedrig und unregelmässig sind, bei sehr ansehnlicher Dicke der Lamellen.
Bei den meisten Stromatoporiden stehen nun die successiven Lamellen
durch zahlreiche senkrecht zwischen ihnen ausgespannte pfeilerartige
Bildungen (pf) in Verbindung, so dass also auf dem Vertikalschliff dieser
Formen eine mehr oder weniger regelmässige, rechteckige Maschenzeich-
nung, durch Lamellen und Pfeiler gebildet, hervortritt. Nicht immer
scheinen jedoch diese Pfeiler vollständig zu sein, sondern reichen zuweilen
nicht bis zur nächsten Lamelle, endigen also dann frei in den Interlamellar-
räumen. Was die feinere Beschaffenheit der die Lamellen und Pfeiler auf-
bauenden Kalkmasse betrifft, so bietet dieselbe nach M. und N. eine gra-
nulirte Beschaffenheit dar, lässt jedoch keine Zusammensetzung aus
Nadeln wahrnehmen. Nach Dawson sind die Lamellen von zahlreichen
runden Poren durchbrochen, durch welche die benachbarten Interlamellar-
räume in Communikation stehen, und welche Poren bei ansehnlicherer
Dicke der Lamellen auch zu Tubuli werden können. M. und N. konnten
nicht überall solche Communikationen zwischen den Interlamellarräumen
constatiren, bei gewissen Formen jedoch fanden sie die Durchbrechungen
der Lamellen so zahlreich und regelmässig, dass die Structur derselben
*) Eiaschliesslicli Coenostroma.
Stromatoporida. 223
eine netzförmige wurde. Aebnliches hatte früher schon Rosen geschildert
und abgebildet und hauptsächlich auf Grund dieser Structurverhältnisse
eine ursprüngliche Zusammensetzung der Lamellen und Pfeiler aus Horn-
fasern angenommen. Was die Beschaffenheit der Pfeiler betrifft, so
werden dieselben von Rosen wie N. und M. als solide geschildert, wogegen
sie Dawson neuerdings nur z. Th. für solid, z. Th. jedoch für hohl erklärt,
so dass durch die Höhlung der Pfeiler je zwei luterlamellarräume, mit
Ueberspringung des vom Pfeiler durchsetzten, zwiscbenliegenden, in Com-
munikation gesetzt werden. Wir erinnern hier gleich an das ähnliche
Verhalten der hohlen Pfeiler zwischen den Lamellen der Parkeria und
Polytrema, da diese Einrichtungen hauptsächlich zu der Vergleichung
mit den erwähnten Rhizopodengeschlechtern Veranlassung gaben.
Nicht bei sämmtlicheu Geschlechtern der Stromatoporiden sind jedoch
solche Pfeiler entwickelt, bei Arthrodyction N. und M. sind die Lamellen
wellenförmig hin- und hergebogen und werden die luterlamellarräume
durch Aufeinandertreffen der Wellenberge und Thäler der benachbarten
Lamellen in blasig-zellige Räume untergetheilt ; auch bei den Gattungen
Stromatocerium (Hall) N. und M. , sowie Pachystroma N. und M. sind
keine Pfeiler entwickelt.
Besonders eigenthümlich ist das Vorkommen ziemlich weiter, schon
oben erwähnter Vertikalröhren, die, von der Oberfläche entspringend,
die gesammte Lamellenmasse mehr oder weniger tief, bis vollständig
durchsetzen. Bei Stromatopora (wo nach N. und M. sich solche Vertikal-
röhren gleichfalls finden, während Dawson das Vorkommen solcher
Röhren bei der eigentlichen Gattung Stromatopora leugnet und die be-
treffenden Vorkommnisse für Bohrröhren parasitischer Thiere oder über-
wachsene Korallenröhren, Syringopora hauptsächlich, erklärt) — bei
Stromatopora und Stromatocerium sind diese Röhren ohne besondere
Wandungen, bei Caunopora hingegen sind sie mit eigenen Wandungen
versehen. Bei Coenostroraa sollen nach Dawson auch Gruppen solcher
Vertikalröhren zusammenstehend vorkommen.
Von besonderem Interesse sind ferner noch eigenthümlich sternförmig
zusammengruppirte Systeme von horizontal oder meist etwas schief zu
den Lamellen verlaufenden Kanälen, die nach Rosen (Ausströmungskanäle)
sowie M. und N. ohne besondere Wandungen sein sollen und gewöhnlich
in grosser Zahl in mehr oder weniger regelmässigen Abständen sich bei
einer ziemlichen Reihe von Formen finden. Meist liegen die Centren der
oberflächlichen dieser sternförmigen Kanalsysteme auf warzenartigen
Erhebungen. Dawson verlegt diese Kanäle bei Caunopora und Coeno-
stroma in eine hier jeder Lamelle zukommende Auflagerungsschicht (die
er dem sogen, supplementären Skelet der Rhizopodenschalen an die Seite
stellt, während nach Rosen wie N. und M. diese Kanalsysteme sich ver-
ästelnd meist schief durch eine grössere Zahl von Lamellen fortsetzen.
Rosen und Dawson lassen diese sternförmigen Kanalsysteme in ihrem
Centrum in die Vertikalröhren einmünden, während M. und N. sich von
224 Ehizopoda.
einer derartigen Verbindung mit ausführenden Vertikalröhren nicht über-
zeugen konnten.
Bei dieser Gelegenheit mag noch erwähnt werden, dass auch Dawson
Kanäle beschreibt, welche die Lamellen schief durchsetzen und z. Th. in
die hohlen Pfeiler einmünden sollen.
Etwas besondere Verhältnisse zeigt noch die Gattung Stylodyctj^on
(Syringostroma N. pr. p.), wo sich durch die ganze Masse der Lamellen
hindurch vertikale Pfeiler entwickeln, die durch Einfaltung und Ver-
schmelzung sämmtlicher Lamellen längs gewisser Vertikallinien entstehen,
wobei diese Pfeiler entweder eine ziemlich solide oder eine retikuläre Be-
schaffenheit besitzen.
Nach dieser kurzen Erörterung der wichtigsten Organisationseigen-
thümlicbkeiten der Stromatoporiden brauchen wir kaum noch näher
auseinanderzusetzen, in welcher Weise speciell von Dawson der Vergleich
mit den ßildungsverhältnissen der Gattung Parkeria und dem Eozoon
durchgeführt wird und darauf hin die gesammte Gruppe den perforaten
Rhizopoden, gewissermaassen als Vertreter des Eozoon während der palaeo-
zoischen Zeit, zugetheilt wird.
Gegenüber dieser Auffassung hat sich dann hauptsächlich die zuerst
von Lindström,*) dann Carter,**) Steinmann***) und Zittel (11) ver-
tretene Ansicht von der Hydrozoennatur der Stromatoporiden Geltung ver-
schafft. Hiernach wären dieselben, ebenso wie die Parkeria nach Carter,
als die verkalkten Basalskelete Hydractinia ähnlicher Hydroidpolypen zu
betrachten. Nach Steinmann fände sich auch ein hierhergehöriger Ver-
treter in der Kreideformation.
Wie schon früher bemerkt, maassen wir uns kein Urtheil über diese
Frage an und haben den Leser durch die obigen Schilderungen in den
Stand setzen wollen, sich einigermaassen selbst zu orientiren. Uebrigens
erscheinen uns die jetzigen Untersuchungen noch kaum zu einer sicheren
Entscheidung ausreichend, namentlich da auch die zum Vergleich heran-
gezogenen Basalskelete der Hydractinien noch nicht genügend erforscht
sein dürften.
Die Familie der sogen. D a c t y 1 o p o r i d a.
Wichtigste Literatur :
D'OrIjigny i.Cours cl6menf. d. Palaeont. et Göol. T. II. 1S52), Parker u. Jones (62 d),
Carpenter (74), Gümbel, Abhandl. d. bair. Akad. Bd. XI. (sehr wichtige monogTaph. Bearbei-
tung), X. (Receptaculites) u. Sitz.-B. d. bair. Akad. (Petrascula) , Munier-Chalmas, Compt.
rend. 85, Parker u. Jones (Ovulites) A. m. n. h. 4. XX., Munier-Chalmas (Ovulites) soc.
geolog. de France 1879.
Obgleich es keinem Zweifel mehr unterliegt, dass die sogen. Gattung
Dactylopora und die ganze Familie der Dactyloporida, wie sie von
*) Oefyers. af Kongl. Vetensk. Akad. Förh. 1873.
**) A. m. n. h. 4. XIX.
***) Steinmann, Palaeontographica 25. 1877.
Dactyloporida. 225
Andern ins System der Rhizopoden eingereiht wurde, ins Pflanzenreich
und zwar zu den Algen zu verweisen ist, so dürfte es doch, in Anbetracht
der Rolle, welche diese Formen lange Zeit unter den Rhizopoden gespielt
haben, nicht unberechtigt erscheinen, ihrer hier mit wenigen Worten zu
gedenken. Dies wird auch desshalb nicht unerwünscht sein, als gewiss
von neuem Versuche auftauchen werden , sie unter den Rhizopoden zu
belassen, wie denn z. B. Brady sich neuerdings wieder zweifelnd über ihre
Stellung bei den Rhizopoden ausgesprochen hat (117, IL).
Hierhergehtirige Formen hat zuerst Bosc unter dem Namen Reteporites
zu den Zoophyten gestellt, wohin sie auch von Laraouroux verwiesen
wurden. Gleicher Ansicht waren ferner Lamarck, Blainville und Defrance,
von welchen der erstere das Genus Dactylopora zur Aufnahme dieser
Formen schuf, dem noch ein zweites, Polytrypa, von den beiden letzt-
genannten Forschern an die Seite gestellt wurde. D'Orbigny zog- Dactylo-
pora zuerst zu den Rhizopoden und erklärte sie für nächstverwandt mit
dem von ihm gleichfalls zu den Rhizopoden gezogenen Lamarck'schen
Genus Ovulites. Reuss war noch 1861 ein Anhänger der Bryozoennatur
dieser Formen, erklärte sich jedoch 1866 für ihre Zurechnung zu den
Rhizopoden. Durch die Untersuchungen von Parker und Jones, sowie
Carpenter, schien die Rhizopodennatur der 3 von ihnen unterschiedenen
Genera Dactylopora, Acicularia d'Arch. (1843) und Ovulites sichergestellt,
jedoch verwiesen sie die beiden erstgenannten Gattungen als nächstver-
wandt unter die Imperforata, die letzte hingegen zu der Familie der
Globigerinida unter die Perforata. Später haben jedoch Parker und Jones
diese Stellung der G. Ovulites corrigirt und sie, wie schon d'Orbigny, in
die Nähe von Dactylopora gezogen. Ein sehr eingehendes Studium
widmete Gümbel hauptsächlich den so zahlreichen fossilen Vertretern
dieses Forraenkreises und unterschied eine grosse Anzahl von Gattungen
und Arten. Jeden Zweifel an der Rhizopodennatur dieser Gebilde glaubte
er für beseitigt erklären zu dürfen.
Wir entwerfen hier eine kurze Charakteristik dieser Formen mit
Beiseitelassung einer Anzahl zweifelhafter, noch später zu erwähnender
Geschlechter, indem wir uns zunächst auf den Standpunkt der Vertreter
ihrer Rhizopodennatur stellen. Wir haben es hier zu thun mit kalkigen,
porcellanartigen und z. Th. nicht unansehnlichen Gehäusen, von cylin-
drischer bis tonnenförmiger Gestaltung und einem weiten, cylindrischen,
nicht weiter untergetheilten axialen Hohlraum (XIII. 6, 7). Das eine
Ende, und zwar ist dies das Anfangsende des Wachsthums, ist geschlossen,
das andere hingegen weit geöffnet. (Häufig jedoch erscheint durch Ab-
reibung oder Bruch beiderseits eine Oeffnung.) Aufgebaut wird diese
Schale aus vertikal aufeinandergesetzten Ringsegmenten (XIII. 5 a, 7), die
loser oder so fest mit einander verwachsen sind, dass sie nicht mehr von
einander unterschieden werden können (XIII. 6). (Zuweilen finden sich
auch freie Ringe oder sogar nur Ringabschnitte, die als besondere ein-
fachste Form, Dactylopora eruca, von P. , J. und Carpenter betrachtet
Bronn, Klassen des Thier-Hoiclis. Protozoa. X5
226 Ehizopoda.
werden (4, 5 b), während Giimbel geneigt ist, hierin nur Zerfallsprodukte
höher entwickelter Formen zu erkennen.)
Jeder Ring oder Ringabschnitt wird von einer grösseren Anzahl
meist ganz innig verwachsener Kammern aufgebaut (7, a), von denen
jede einen gewöhnlich eiförmigen Hohlraum umschliesst, der sich in die
Centralhöhle des Gehäuses öffnet; gleichzeitig strahlen auf der Grenze
der benachbarten Ringe zahlreiche, ziemlich weite, unverzweigte Kanäle
von dem inneren Centralraum bis zur Aussenfläche aus, wo sie münden
(Haploporella Gümb.). Zuweilen (Dactyloporella Gtimb.) finden sich neben
den eigentlichen Kammerhöhlungen noch sackartige, secundäre Hohlräume
oder auch an ihrer Stelle Hohlringe (7, b) in den Wandungen der Ge-
häuse, von welchen aus zahlreiche Kanälchen in divergireuder Richtung
büschelnrtig oder wie die Finger an der Hand gruppirt, aber nie ver-
zweigt, bis zur Oberfläche ausstrahlen (XIH. 7d), während gleichzeitig
kurze Kanälchen die Verbindung mit dem Centralraum herstellen. Schliess-
lich können auch z. Th. weder eigentliche Kammer- noch Nebenhöhlungen
zur Ausbildung gelangen (Thyrsoporella und Gyroporella Gümb.) und
dann bleiben nur die vom centralen Hohlraum radial zur Oberfläche ver-
laufenden Kanälchen als gemeinsamer Charakter der ganzen Abtheilung
übrig. In Anschluss an die Reihe der soeben kurz besprochenen Formen
werden nun z. Th. durch Carpenter, z. Th. durch Gümbel, noch eine An-
zahl etwas abweichender fossiler Formen gebracht, von denen die Gat-
tungen Ovulites Lamck., Petrascula Gümb., Acicularia d'Arch., Uteria Mich,
und Cylindrella Gümb. wohl zweifellos, wie dies auch aus den gleich
noch zu erwähnenden Untersuchungen von Munier-Chalraas hervorgeht,
mit Recht hier angereiht werden , während die sehr alte silurische und
devonische Form Receptaculites ihren Platz kaum mit einiger Sicherheit
hier angewiesen erhalten kann, wenngleich sie durch Gümbel, ihrem ge-
nauesten Monographen, gleichfalls den Dactyloporiden angereiht wurde.
Soweit ich mir ein Urtheil über dieselbe zu bilden vermochte, kann ich,
wie gesagt, in ihren Bauverhältnissen nichts finden, woraus sich mit
Sicherheit eine Hierherziehung rechtfertigen Hesse und ebensowenig ver-
mag ich ihren Bau mit der gleich zu besprechenden Auffassung der
Dactyloporiden als Kalkalgen zu vereinbaren.
Im Jahre 1877 hat Munier-Chalmas neue Beobachtungen über die
Dactyloporiden mitgetheilt, aus denen hervorgeht, dass es sich, wenigstens
insoweit die eigentlichen, soeben charakterisirten Formen in Betracht
kommen, nicht um Rhizopoden, sondern um Kalkalgen handelt. Nach
ihm schliessen dieselben sich der Familie der Dasycladeen Harvey's am
nächsten an, ja sind z. Th. sogar nicht einmal generisch von gewissen
zu dieser gehörigen Gattungen unterschieden. Bis jetzt liegt über die
Munier'schen Untersuchungen nur ein kurzer vorläufiger Bericht vor, so
dass wir kaum in der Lage sind, hiernach die Beziehungen der mannig-
fachen Formen zu den Kalkalgen hinreichend zu würdigen. Wir werden
jedoch versuchen, in Kürze die Eigenthümlichkeiten unserer Formen auf
Dactyloporida, 227
die Organisationsverhältnisse der Kalkalgen zurückzuführen, wie sie sich
aus den erwähnten Untersuchungen ergeben.
Dasycladeen und Dactyloporiden vereinigt M. zu einer Abtheilung
der Siphoniata verticillata , für welche folgende Eigenthümlichkeiteu
hauptsächlich maassgebend sind. Der Thallus dieser Algen, von einfacher
oder verzweigter Bildung, wird gebildet von einer axialen Haupt-
zelle (die dem centralen Hohlraum des Dactyloporidengehäuses ent-
spricht) ; um diese herum gruppiren sich zahlreiche radiär und zu
Wirtein zusammengestellte secundäre Zellen (die einerseits den sogen.
Kanälen, andererseits jedoch auch Theilen der Kammerhöhlungen der
Dactyloporiden entsprechen). Durch Bildung einer Kalkhülle werden
dann schliesslich alle diese Zellen in einen festen Kalkcylinder zusammen-
gepackt.
Bei einem Tlieil der Geschlechter zeigen jedoch die secundären
Wirtelzellen selbst wieder Differenzirung, und zwar zunächst zu einer die
Centralzelle direct umgebenden Lage , die denjenigen Kanälchen von
Dactylopora entsprechen, die aus dem centralen Hohlraum in die eigent-
lichen Kammerhöhkmgen oder in die ringförmigen Nebenhöhlungen
Gümbels führen. Ferner hat sich hier eine zweite äussere Lage grösse-
rer schlauchförmiger Zellen gebildet, welche den Kanälen von Dactylopora
entspricht. Schliesslich gesellen sich hierzu dann noch Sporangien , ein-
fache oder untergetheilte Hohlräume, in welchen wir die eigentlichen
Kammerhöhlungen von Dactylopora wiederfinden. Wie sich die Formen
verhalten , bei welchen von solchen Kammerhöhluugen nichts vorhanden
ist und ob bei sämmtlichen Dactyloporiden mit Kamnierhöhlungen diese
letzteren als solche Sporangienräume zu deuten sind, scheint uns aus den
bis jetzt vorliegenden Mittheilungen nicht mit Sicherheit hervorzugehen.
Wie gesagt, ist nach M. die Verwandtschaft gewisser Formen der
Dactyloporiden zu einzelnen Gattungen der Dasycladeen so gross, dass
sie geradezu unter lang bekannte Gattungen dieser letzteren einzureihen
sind. So gehört Haploporella Gmb. als Untergenus zu Cymopolia Lamour.
und auch Zittel hat sich durch eigene Untersuchung von Cymopolia von
dieser Uebereinstimmung überzeugt.
Auch von den oben anhangsweise erwähnten Geschlechtern will
Munier z. Th. die Algenuatur festgestellt haben, so von Ovulites, Acicu-
laria und Uteria.
Wenn auch, wie bemerkt, bis jetzt noch nicht die wahre Natur der
Dactyloporiden in jeder Hinsicht aufgeklärt erscheint, so wird doch wohl
kein Zweifel mehr obwalten können, dass sie aus der Liste der Rhizo-
poda und überhaupt aus der Reihe der thierischen Organismen zu
streichen sind.
15*
228 Ehizopoda.
0. GeogTiiphische Verbreitung' der Rliizopoda.
Bei der Besprechung der in dieses Kapitel gehörigen Fragen dürfen
wir uns im Allgemeinen wohl kurz fassen, da die thatsächlichen Grundlagen
für eine ausreichende Discussion derselben noch sehr wenig ausgedehnte
sind. Wie es für die SUsswasserprotozoen überhaupt gültig zu sein
scheint, bieten uns auch die Rhizopodenbewohner der süssen Gewässer
keine Anhaltspunkte zur Annahme besonderer geographischer Verbreitungs-
bezirke dar, sondern ihre Verbreitung scheint eine ganz allgemeine zu
sein und sich überall für die verschiedensten Gattungen derselben da und
dort die geeigneten Lebensbedingungen zu finden. Wir können zwar
ebensowenig, wie z. B. bei den Infusorien, bis jetzt die Allgemeingiiltig-
keit dieses Ausspruchs stricte erweisen, doch deutet das Auftreten einer
ganzen Reihe von Geschlechtern an sehr weit von einander entfernten
Orten darauf^ hin, dass auch die scheinbar weniger verbreiteten Ge
schlechter bei eingehenderer Untersuchung eine entsprechende weite
Verbreitung zeigen werden.
Wie gesagt, ist jedoch bis jetzt unser thatsächliches AVissen auf
diesem Gebiet sehr beschränkt. Wirklich methodische Durchforschungen
aussereuropäischer Gebiete liegen, so zu sagen, nicht vor. Vereinzeltere
hierhergehörige Beobachtungen verdanken wir Carter*) und Wallich**)
in Ostindien, letzterem Forscher z. Tb. noch aus verschiedenen anderen,
gelegentlich von ihm berührten, aussereuropäischen Orten (wie Grön-
land etc.), ferner Leidy***) und einigen weiteren Forschern bezüglich
der nordamerikanischen Fauna und schliesslich hauptsächlich auch Ehren-
berg,!) der ja mit grossem Fleisse die verschiedenartigsten Schlammproben
und dergleichen aus den entlegensten Stellen der Erde auf die Gegen-
wart unserer Organismen geprüft hat. Auf die Angaben dieser Forscher
gestützt, glauben wir zum Beleg unseres oben über die geographische
Verbreitung der Süsswasserformen aufgestellten Satzes doch noch eine
Reihe von Thatsachen mittheilen zu sollen, die wir hier in Form einer
Tabelle folgen lassen. In diesen Fällen weiterer Verbreitung sind es ge-
wöhnlich sogar dieselben Arten, soweit sich hierüber nach den vorliegenden
Untersuchen urtheilen lässt, welche die betreffenden Gattungen an so weit
von einander entlegenen Punkten repräsentiren.
*) S. hauptsilchlicli 56, 75.
'**) Ann. mag. nat. h. 3. XIII.
***) Proc. acad. Philad. II. III.
f) Hauptsächlich 95, jedoch zahlreiche weitere Abhandlungen in den Monatsberichten
der Berliner Akademie, sowie über polare Formen in „Die zweite deutsche Nordpolarfahrt"
Leipzig 1873. 1874. Vergl. auch Schmarda: Zur Naturgeschichte Aegyptens, Denkschr. der
Wiener Akademie VII.
Geographische Verbreitung (Susswasserformen).
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*
*
Arcella
*
*
*
*
*
*
*
Difflugia
*
*
*
*
*
*
*
Hyalosphenia . . .
*
*
Quadru a
*
*
*
*
Euglypha ....
*
*
*
*
*
*
*
Triuema
*
*
*
'?
*
*
*
Cyphoderia ....
*
*
*
*
*
*
Sehen wir in dieser Weise die bekannteren und häufigeren Gattungen
eine weite, ja, wie wohl angenommen werden darf, eine allgemeine Ver-
breitung in horizontaler Ausdehnung über die Erdoberfläche darbieten, so
scheint das Gleiche auch für die Verbreitung in vertikaler Richtung
Gültigkeit zu haben. Natürlich sind die über diesen Punkt vorliegenden
Beobachtungen noch spärlicher, als die erstbesprochenen, dennoch geben
auch hierüber die Untersuchungen von Perty in der Schweiz und Leidy
in Nordamerika, sowie gelegentliche Beobachtungen Ehrenbergs einigen
Aufschluss. So traf Perty (48) in den Alpen Difflugien in 8000' Höbe
an (die gleiche Höhe constatirte auch Ehrenberg für eine Difflugia des
Hinialaya), Arcella, Euglypha und Trinema konnten in Höhen von 5000'
in der Schweiz nachgewiesen werden. Leidy (Proc. acad. Philad. HI.
p. 321) überzeugte sich, dass die Rhizopodenfauna der Rocky-mountains
noch in 10,000' Höhe wesentlich denselben Charakter besitzt, wie die
Philadelphia's und machte bei dieser Gelegenheit noch die Erfahrung,
dass dieselbe sich vorzügUch reichlich auf Sandstein, Quarz, Thon- und
granitischem Boden entwickelt, wogegen auf Kalkboden stets nur eine
sehr ärmliche Rhizopodenfauna zur Ausbildung gelangen soll. Ein wesent-
licher Einfluss der Höhe auf die Verbreitung der Süsswasserrhizopoden
hat sich demnach bis jetzt nicht ergeben und dies um so weniger, als
es dieselben Arten sind , die sich in der Ebene und jenen z. Th. so be-
trächtlichen Höhen finden.
Etwas anders gestaltet sich die geographische Verbreitung der Meeres-
formen. Nicht dass hier eine ähnlich lokale Verbreitung der grossen
Mehrzahl der Geschlechter sich zeigte, wie sie in höheren Abtheilungeu
der Thierwelt gewöhnlich angetroffen wird, sondern aus den bis jetzt in
ziemlicher Zahl vorliegenden Untersuchungen scheint im Gegentheil her-
vorzugehen, dass eine sehr grosse Zahl der Geschlechter eine kosmopoli-
tische Verbreitung besitzt. Dennoch ergibt sich mit Sicherheit, dass
einer Reihe von Geschlechtern eine beschränktere Verbreitung zukommt;
— fraglich bleibt jedoch, wie mir scheint, die Verbreitung der bis jetzt
nur selten gefundenen Geschlechter, von denen es, in Anbetracht der trotz
aller Beschränkung immer noch sehr weiten Verbreitung der besser be-
230 Rhizopoda.
kannten Geschlechter, sehr wahrscheinlich ist, dass auch sie sich einer
ähnlichen weiten Verbreitung erfreuen, und nur ihre relative Seltenheit
die Ursache für ihre scheinbare lokale Beschränktheit bildet.
Ich habe mich bemüht, das mir zugängliche Material über die geo-
graphische Verbreitung der marinen Rhizopoden zu sammeln, um zu einem,
wenn auch noch sehr beschränkten, Ueberblick über diesen Gegenstand
zu kommen. Diese Arbeit wird natürlich sehr erschwert, ja z. Th.
geradezu illusorisch gemacht, durch die grosse Schwierigkeit der Arten-
begrenzung und die Verwirrung der Synonymik. Denn wenn man sich der
Auffassung von Parker, Jones und Carpenter anschliesst, so dürfte es, bei
der von diesen Forschern betonten so überaus grossen Variabilität der
Formen, schwierig sein zu erweisen, dass zwei identische oder doch sehr
ähnliche Formen weit entlegener Gebiete thatsächlich sich in entsprechen-
der Weise verhalten, wie dies für die höheren Thiere angenommen wird —
d. h. dass sie als eine Formreihe gemeinsamen Ursprungs zu betrachten
sind, die sich über eine weite Fläche ausgebreitet hat, oder ob nicht
beide sehr ähnliche Formen gesondert von einander ihren Ursprung ge-
nommen haben.
Eine Hauptschwierigkeit bei dem Versuch der Erörterung der geographi-
schen Verbreitung bildet jedoch der Mangel einer durchgehenden kritischen
Sichtung der zahlreichen d'Orbigny'schen Arten. Da sich ein derartiges
Unternehmen nur unter Mithülfe eigenen, ansehnlichen Vergleichmaterials
wird bewerkstelligen lassen, so konnte ich dies nur bis zu einem gewissen
Grade durchführen. Immerhin hoffe ich, dass durch die unten mitgetheilte
Tabelle über die geographische Verbreitung der Gattungen, Untergattungen
und Arten eine annähernde Uebersicht gewonnen werden kann.
Die Vergleichung dieser Tabelle ergibt nun eine Reihe allgemeinerer
Punkte, die hier zunächst kurz erörtert werden mögen.
Die Zahl der Geschlechter und Untergeschlechter*) nimmt im All-
gemeinen in den wärmeren Meeren zu, oder anders ausgedrückt, eine
ziemliche Anzahl von Formen ist auf die wärmeren Meere beschränkt;
wenigstens fehlen sie den kälteren Meeren der nördlichen Hemisphäre,
die bis jetzt allein eingehender durchforscht sind. Eine Zählung ergibt,
dass von 70 kalkschaligen Gattungen und Untergattungen ca. die Hälfte (38)
den arktischen Meeren fehlen; dass hingegen an den brittischen Küsten
und der Nordsee dieser Mangel sich nur auf ca. 25 Gattungen erstreckt,
im Mittelmeer schliesslich nur auf 15 herabsinkt. Dagegen ist kein Ge-
schlecht oder Untergeschlecht den arktischen oder den nördlichen gemässig-
ten Meeren eigenthümlich, alle hier vertretenen verbreiten sich auch durch
die warmen Meere.
Eine im Ganzen nicht sehr erhebliche Zahl von Geschlechtern scheint
*) Bei dieser Betrachtung sind die sandschaligen Formen nicht weiter berücksichtigt
worden, da eine beträchtliche Zahl derselben nur sehr wenig bekannt ist und die systemati-
schen Fragen hier am unsichersten liegen.
Geographische Verbreitung (Meeresformen). 231
den tropischen Meeren allein eigenthümlich zu sein, es sind dies 12 von
jenen 15 Geschlecbtern, die nach obiger Angabe dem Mittelmeer fehlen,
während die 3 übrigen Gattungen (Chilostomella, Hauerina und Nummu-
lites) die sich in nördlicheren Meeren gefunden haben, wohl ohne Zweifel
auch noch im Mittelmeer anzutreffen sein werden. Es sind diese 12 Gat-
tungen sämmtlich an Artzahl sehr beschränkt; auch ist ihre geographische
Verbreitung in den tropischen Meeren, soweit dieselbe bis jetzt be-
kannt, meist keine weite; jedoch mag dies, wie schon oben bemerkt
wurde, mehr auf unzureichender Erfahrung, als auf einem thatsächlich
lokal beschränkten Auftreten dieser Formen beruhen. Die eben hinsicht-
lich der Zahl der vorhandenen Gattungen kalkschaliger Rhizopoden näher
betrachteten Districte sind bei weitem die am besten durchforschten ;
wollte man nach den thatsächlich in den verscbiedenen wärmeren Meeren
bis jetzt gefundenen Zahlen von Gattungen urtheilen, so müsste man eine
z. Th. nicht unbeträchtliche Verminderung gegenüber dem Mittelmeer an-
nehmen. So stellt sich mit Berücksichtigung aller sicheren mir vor-
liegenden Daten die Zahl der bis jetzt im rothen Meer gefundenen Gat-
tungen und Untergattungen nur auf ca. 29, die von den canarischen
Inseln, der Westküste von Afrika und dem tropischen atlantischen Ocean
auf 38, die von den westindischen Meeren auf 42, von der Ostküste
Südamerikas auf 37, von der Ostküste Afrikas (Seychellen, Madagascar
und indischer Ocean) auf 48, vom malayischen Archipel auf 24, Australien
und Neuseeland auf 42 und den oceanischen Inseln, sowie dem pacifischen
Ocean überhaupt auf 37. Wie gesagt, wäre es jedoch gewiss ungerecht-
fertigt, in diesen Zahlenverhältnissen die Summe der thatsächlich in jenen
angeführten Regionen verbreiteten Gattungen und Untergattungen finden
zu wollen; die einzige Thatsache, dass von jenem Plus des Mittelmeeres
die eine oder die andere Gattung bald in der, bald in jener der oben
aufgeführten Regionen angetroffen wird (mit alleiniger Ausnahme der sehr
wenig bekannten Gattungen Squamulina und Rimulina) beweist zur
Genüge, dass jene Verhältnisse nur aus unserer unzureichenden Erfahrung
sich herleiten. Andererseits ist uns jedoch auch dieser Umstand direct
wohl bekannt.
Berücksichtigen wir die Zahl der Arten, so lässt sich fernerhin aus
der weiter unten folgenden Tabelle wohl noch einiges hervorheben, wenn
auch der Grad der Sicherheit kein sehr erheblicher ist. Für eine ziem-
liche Reihe von Gattungen scheint nämlich die Artzahl in den wärmeren
Meeren zuzunehmen ; wir führen als Beispiele hierfür namentlich die Gat-
tungen Quinque- und Triloculina, ferner Nodosaria, Vaginulina, Cristellaria,
Marginulina, Textularia und Pulvinulina auf. Dagegen scheinen eine
weitere Reihe von Gattungen eine ebenso reiche Artzahl in den kälteren,
wie den wärmeren Meeren aufzuweisen ; ein Blick auf Lagena , Poly-
morphina, Virgulina, auch Rotalia (jedoch erst in der gemässigten Region
beginnend) wird dies lehren. Inwiefern bis jetzt ein Werth auf die be-
sonders reichliche Entwickelung einiger Gattungen (wie Bulimina und
232 Rhizopoda.
Nonionina) in der arktischen Region zu legen ist, wollen wir hier nicht
zu entscheiden suchen.
Was den Reichthum der einzelnen oben unterschiedenen Faunen-
gebiete an Arten betrifft, so wollen wir hier nur die drei bestbekannten
derselben vergleichen, nämlich das arktische, das nördliche gemässigte
und das mittelmeerische, wobei wir, wie auch schon bei der Betrachtung
der Geschlechter, eine Zunahme der Artzahl in den wärmeren Meeren im
allgemeinen antreffen werden. Die Zahl der bis jetzt in den erwähnten
drei Regionen gefundenen Arten beträgt in der Reihenfolge, in der sie
soeben genannt worden sind, ca. 99, 185 und 198, wobei jedoch zu be-
merken ist, dass die nördliche gemässigte Region bei weitem die genauest
bekannte ist, und namentlich für die Mittelmeerregion die Zahl der Arten
bei ausgebreiteteren Untersuchungen sich wohl noch ziemlich erhöhen
dürfte. So beträgt die Zahl der bis jetzt allein an den britischen Küsten
nach der Zusammenstellung von Siddall und Brady gefundenen Arten
166, so dass, wie gesagt, diese Region mit Bestimmtheit als die genauest
durchforschte zu bezeichnen sein dürfte.
Was die 99 Arten der arktischen Region betrifft, so dürfte hier noch
hervorgehoben werden, dass nach den Erfahrungen der britischen Nord-
polexpedition (115) die Rhizopodenfauna der arktischen Region des paci-
fischen Oceans im Ganzen ein sehr einförmiges Gepräge besitzt, indem
die grosse Mehrzahl (ca. 95 *^/o) sämmtlicher angetroff"ener Rhizopoden
sich aus wenigen Arten zusammensetzt und zwar sind dies: Globigerina
bulloides, Cassidulina laevigata und crassa und Polystomella striatopunc-
tata. Hierzu gesellen sich gewöhnlich noch ein oder zwei Formen von
Nonionina und auf sandigem Grund auch Polystomella arctica. Hieruach
möchte es scheinen, dass auch die Rhizopodenfauna der arktischen Re-
gionen, trotz der nicht unerheblichen Zahl von 99 bis jetzt überhaupt in
ihr angetroffenen Arten, doch im Ganzen einen ähnlichen Charakter zeigt,
wie die arktische Meeresfauna überhaupt, d. h. das Vorherrschen weniger
Formen in sehr beträchtlichen Mengen.
In der folgenden Tabelle versuchen wir nun eine Uebersicht der bis
jetzt ermittelten Hauptergebnisse über die geographische Verbreitung der
marinen Rhizopoden zusammenzustellen. Zum Verständniss derselben
schicken wir einige Erläuterungen voraus. Die Unterscheidung einzelner
Faunengebiete ist eine ziemlich willkürliche und einzig von den vorliegen-
den, ausgedehnteren Untersuchungen gewisser Gebiete abhängig gewesen.
Wir haben solche Gebiete wie die Antillen und die canarischen Inseln,
über welche eingehendere Untersuchungen vorliegen , zum Mittelpunkt
einer Region erhoben, der wir weitere, zerstreute Beobachtungen aus be-
nachbarten Gebieten angeschlossen haben. Nach diesem Grundsatz sind
demnach in der folgenden tabellarischen Uebersicht 11 Regionen unter-
schieden, die wir zunächst hier etwas genauer zu charakterisiren
haben.
Geograpliisclie Verbreitung (Meeresformen). 233
I. Arktische Meere; die bezüglichen BeobacbtuDgen beziehen sich
sowohl auf den arktischen atlantischen als pacifischen Ocean, die Küsten
von Grönland, des arktischen Norwegens, die Bafiinsbai etc.
IL Nördlich gemässigte Meere; begreifend die Küsten von
Grossbritaunien , die Nordsee, Ostsee, die Küstengebiete des gemässigten
Norwegens, die Ostküste von Nordamerika, die gemässigten Gebiete des
nordatlantischen Oceaus, den Kanal und die Westküste von Frankreich.
III. Das Mittelmeer.
IV. Das r 0 1 h e Meer.
V. Die c anarischen Inseln, die wenigen Beobachtungen von
der Westküste von Afrika und aus dem tropischen atlantischen Ocean.
VI. Westindische Meere.
VII. Die Ostküste von Südamerika, hauptsächlich Befunde
von der sogen. Albrolhos Bank.
VIII. Die Ostküste von Afrika, hauptsächlich Befunde von den
Seychellen und Madagascar, sowie dem indischen Ocean.
IX. Malayischer Archipel.
X. Australien und Neuseeland.
XI. Die Küsten der oceanischen Inseln und die im Ganzen
sehr spärlichen Beobachtungen aus dem pacifischen Ocean überhaupt,
mit Ausnahme seiner arktischen Region.
Wir geben zunächst stets eine Totalübersicht der Zahl der überhaupt
bis jetzt in jeder Gattung oder Untergattung unterschiedenen Arten und
hierauf die Totalzahl der in jeder der unterschiedenen Regionen bis jetzt
angetroffenen Arten. Hierauf folgt eine nach Nummern gegebene Ueber-
sicht der Arten jeder Region, so dass hieraus in jedem einzelnen Fall
leicht zu eruiren ist, wie viel Arten je zwei Regionen gemeinsam sind,
und in welcher Verbreitung durch die verschiedenen Regionen bis jetzt
eine und dieselbe Art angetroffen wurde.*) Wenn das Vorkommen einer
Gattung in einer Region nur im Allgemeinen, ohne Kenntniss der betreffen-
den Arten, bekannt wurde, so bezeichnen wir dies durch ein * ; wo ferner
die Verbreitung einer Gattung durch gewisse Regionen, aus welchen noch
kein directer Beweis für ihr Vorkommen vorliegt, aus der sonstigen Ver-
breitung mit Sicherheit wohl zu erschliessen ist, so deuten wir dies durch
ein ? an.**)
*) Das ganze Arsenal von Artnamen hier vorzuführen, glaubten wir nicht unternehmen
zu sollen.
**) Ausser den schon in der allgemeinen LiteraturülDcrsicht aufgeführten Schriften über
die geographische Verbreitung der marinen ßhizopoden, die fast sämmtlich von mir bei der
Zusammenstellung der folgenden üebersicht benutzt werden konnten, mögen hier noch nach-
stehende Abhandlungen angemerkt werden, die mir unzugänglich blieben:
Robertson, D., Note ofrec.Foraminif. etc. ofFirth ofClyde (Transact. geol. soc. Glasgow V.).
Eeport on dredging etc. of Durham and N.-Yorksh. (Rep. Brit. Assoc. Bristol Meet.).
Winther, G., Danmarks Foraminifera. Kjöbenh. 1874.
Terquem, 0., Foraminif. de la plage de Dunkerque. 2 p. Paris 1876 — 78.
234
Bhizopoda.
Imperforata.
I.
II.
III.
IV.
V.
VI.
VII.
VIII.
IX.
X.
XI.
Squamulina ....
1
Totalzahl 1.
Ammodiscus . . ,
1
4
9
■?
1
2
3
?
?
?
?
Tot. 4.
1
1
1
4
2
3
2
2
3
1
3
Cornuspira
3
3
1
?
?
1
1
1
?
1
?
Tot. 3.
I
1
2
1
3
1
1
1
1
1
Nubecularia ....
1
1
?
?
?
9
1
1
1
Tot. 2.
t
2
Placopsllina . . .
1
1
■?
9
?
?
1
?
?
V
Tot. 1.
Spiroloculina . . .
4
6
?
1
4
3
3
1
4
3
Tot. 11.
1
1
1
3
7
1
1
2
1
1
1
1
2
1
5
4
tj
9
10
7
3
5
11
Quinqueloculina .
4
13
11
3
4
16
8
9
5
11
7
Tot. 29.
1
1
1
1
1
2
1
1
2
1
1
3
1
1»
2
3
1
3
1
0
1
1
1
9
11
13
4
4
4
5
6
5
3
5
14
9
6
1
7
9
9
5
1
9
6
12
17
17
6
16
11
12
14
17
20
24
1
29
9
17
22
13
20
1
20
18
23
Triioculina ....
3
6
7
1
3
10
7
3
3
5
3
Tot. 23.
1
1
1
2
1
3
4
3
4
1
1
3
1
2
3
2
3
3
6
3
5
12
7
12
23
15
1
22
3
9
10
11
14
5
5
5
6
13
Biloculina
1
6
4
1
1
5
4
3
?
3
1
Tot. 6.
1
1
1
1
3
1
1
1
1
2
3
1
1
1
6
3
5
3
5
6
3
5
6
3
I.
II.
III.
IV.
V.
VI.
VII.
VIIL
IX.
X.
XI.
Geographische Verbreitung beschälter Meeresformen.
235
1
II.
III.
IV.
V.
VI.
VII.
VIII.
IX.
X.
XI.
Vertebralina . . .
Tot. Ü.
Hauerina
Tot. 5.
1
.3
4
1
1
4
9
7
1
4
?
7
4
2
1
5
?
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1
3
6
v
1
3
?
7
4
1
3
5
3
1
1
2
1
4
Peneroplis .
Tot. 5.
Dendritina .
Tot. 1.
Spirolina
Tot. 1.
Haplophragmium
Tot. 3.
Lituola s. Str.
Tot. 1.
Orbiculina .
Tot. 2.
Alv eolina . .
Tot. 3.
Orbitolites*)
Tot. 4.
Boteliina . . .
Tot. 1.
Hyperauimina
Tot. 3.
Jacullela . . .
Tot. 1.
Marsipella . .
Tot. 1.
Rhyzammina
Tot. 1.
Sagenella . .
Tot. 1.
Rhabdammina
Tot. 3.
Arenacea.
Reg. II.
durchaus sehr weit verbreitet.
Reg. II, weitere Verbreitung unsicher.
Reg. V, und weiter.
Verbreitung sehr weit.
Reg. XI.
Reg. II, VI und VII.
die
5. Art nach
Brady weit verbreitet.
3
2
1
1
1
1
7
7
4
5
2
2
?
2
3
1
7
7
1
7
7
7
1
1
1
?
7
?
7
7
1
i 2
3
2
1
2
1
1
1
1
1
1
1
2
1
1
2
2
1
2
3
1
2
1
2
1
1
1
1
1
7
2
1
2
7
1
1
*
*
7
*
7
*
2
1
3
7
2
1
2
7
3
1
2
*
*
*
*
*
?
?
*
?
*
1
2
1
1
*) Da es mir nicht möglich war, die Verbreitung der einzelnen Formen einigermaassen
sicher zu ermitteln, so habe ich speciellere Angaben unterlassen; jedoch sei hier soviel be-
merkt, dass die complicirter gebauten Formen auf die wärmeren Meere beschränkt sind.
236
Ehizüpoda,
I.
IL
m.
IV.
V.
VI.
VII.
VIII.
IX.
X.
XI.
Astrorhiza
Tot. 3.
1
2
3
1
1
3
1
2
1
3
1
3
1
2
Aschemonella . .
Tot. 1.
ßeg.
V, VII und XII.
Dendroplirya . . .
Tot. 2.
-Reg.
II.
Haliphysema . . .
Tot. 1—2.
Reg.
II.
Saccammina ....
Tot. 1.-
-Reg
II und weiter.
Webbina
Tot. 2.
Reg
II, y und VI.
Perforata.
Lagena
16
37
8
4
1
6
9
8
33
13
3
Tot. 54.
1
1
1
2
12
10
0
2
S
2
2
1
2
1
2
i
10
12
16
7
13
12
10
5
4
4
4
10
I
15
12
7
8
8
10
5
7
7
10
15
14
11
12
9
12
17
1
12
14
1
14
13
1
15
19
20
17
44
1
41
42
43
54
Nodosaria s. str. . .
3
6
8
?
1
6
3
1
V
*?
0
Tot. 13.
1
2
1
1
5
13
1
3
10
5
1
3
8
11
12
1
4
4
Dentalina
4
5
9
1
5
3
3
3
7
3
7
Tot. 14.
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
2
4
3
4
7
4.
4
4
4
5
9
1
7
9
11
1
13
5
9
10
14
9
5
8
Glandulina
1
1
1
1
')
?
1
'P
7
1
■?
Tot. 1.
Lingulina
1
2
1
1
Tot. 2.
1
1
2
1
I.
II.
III.
IV.
V,
VI.
VII.
vm.
IX.
X.
XI.
Geographische Verbreitung beschälter Meeresformen.
23;
I.
II.
III.
IV.
V.
VI.
VII.
VIII.
IX.
X.
XI.
Vaginulina ....
Tot. 8. *
1
1
2
1
3
7
1
1
7
?
?
?
?
1
8
?
1
8
?
E i um 1 i n a
Tot. 1.
1
0 r t h 0 c e r i n a . . . .
Tot. 1.
1
C 0 n 11 1 i n a
Tot. 1.
1
F r 0 n d i c u I a r i a . . .
Tot. 7.
3
4
5
3
2
3
?
3
1
2
?
?
?
?
0
3
6
7
Flabellina
Tot. 2.
1
2
3
l
1
2
M a r g i n u 1 i n a ...
Tot. 9.
1
8
3
1
8
9
7
2
1
8
1
5
1
8
1
8
1
8
•p
, ?
•?
?
Cristellaria ....
Tot. 2(».
4
1
1
4
1
16
1
0
1
1
5
1
1
2
1
2
•p
1
2
1
7
Hormosina
Tot. 2.
1
'S
16
Verl
4
)reitun|
15
17
j sehr
■weit.
1
3
7
19
20
3
7
18
,
i
Haplostichc ....
Tot.?
Verbreitung?
Eeophax
Tot. ca. 7.
Verbreitung sehr
weit.
Polymorphina . .
(ei]isclil. Dimorphina)
Tot. 25.
8
1
1
18
22
13
1
1
6
IG
17
21
23
1
25
8
1
1
3
6
9
21
*
*
4
11
12
15
21
3
1
13
21
3
1
21
*
6
1
3
6
10
14
21
*
Uvigerina
(einschl. Sagrina)
Tot. 14.
2
1
2
3
1
2
7
4
1
4
?
4
1
2
8
11
4
3
4
9
10
3
1
6
3
2
3
5
1
5
3
2
3
5
1
11
14
I.
II.
ni.
IV.
V.
VI.
VII.
vin.
IX.
X.
1
XI.
238
Ehizopoda.
I.
II.
m.
IV.
V.
VI.
vn.
vm.
IX.
X.
XI.
Orbulina
1
1
1
1
1
1
1
?
?
9
"?
Tot. 1.
Globigerina ....
3
3
3
3
3
4
1
3
?
1
1
Tot. 11 (oder 18)
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
(liierFon jedoch nur 7
2
2
1
3
2
4
1
bis jetzt hins. Verbreit.
4
3
7
5
3
näher bekannt).
Hastigerina ....
Verbreitung weit
Tot. 1.
Carpen teria ....
3
1
1
Tot. 3.
1
2
1
2
Candeana
1
1
?
1
1
1
Tot. 1.
Cymbalopora . . .
3
4
1
1
?
3
1
Tot. 4.
1
3
1
1
4
1
1
1
2
1
Psammosphaera .
1
1
1
1
1
1
1
Tot. 1.
Stortosphaera . . .
Reg. 2.
Tot. 1.
Thurammina ....
Sehr weit verbrei
tet.
Tot. 3.
Sorosphaera ....
1
1
1
1
Tot. 1.
Chilostomella . . .
1
1
1
1
1
Tot. 1.
•
Allomorphina . . .
1
Tot. 1.
Textularia
3
13
13
'P
4
9
7
5'
?
7
3
Tot. 26.
1
1
1
5
1
1
1
1
1
1
2
2
7
5
3
2
7
18
3
4
1
12
26
4
1
8
13
14
18
20
18
21
8
15
16
18
23
25
7
14 ,
1
17
5
8
15
8
14
1
16
22
Bigenerina .....
1
3
4
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1
1
1
•
Tot. 5.
1
1
l
3
1
2
4
5
1
1
1
I.
II.
III.
IV.
V.
VL
VII.
VIII.
IX.
X.
XI.
Geographische Verbreitung beschälter Meeresformen.
239
I.
n.
m.
IV.
V.
VI.
VII.
vni.
IX.
X.
XI.
Verneuilina ....
1
3
4
1
2
2
V
2
1
?
1
Tot. 6.
1
1
1
3
4
3
3
3
5
(einschl. Clavulina
1
1
6
5
d'Orb. p. p.)
2
4
4
Grammostomum .
4
1
Tot. 4.
1
1
4
2
Cuneolina
1
Tot. 1.
Pavonina
1
1
1
Tot. 1,
B u 1 i m i n a
8
9
7
2
1
3
3
2
?
4
3
Tot. \S.
1
1
1
3
13
3
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1
4
4
(einschl. Kobertina.j
1
1
1
7
4
5
4
5
7
7
8
5
12
7
7
10
11
13
7
9
8
Virgulina
2
2
2
1
?
1
2
3
1
3
1
Tot. 3.
1
1
1
2
3
1
1
1
1
1
2
2
2
2
2
2
Boli vina
2
3
2
4
5
4
3
1
3
Tot. 6.
1
1
1
1
1
1
1
1
1
4
2
4
5
3
1
5
3
1
6
2
3
6
5
2
4
Valvulina
1
2
2
1
3
2
?
?
0
6
7
Tot. 10.
1
1
2
1
3
7
9
10
1
8
1
3
1
Chrysalidina . . .
■
1
1
Tot. 1.
Cassidulina ....
3
3
1(3?)
?
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1
5
4
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Tot. 7.
1
1
3
1
2
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2
4C?)
1
1
2
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1
6
1
2
4
6
Discorbina
2
6
5
1
4
6
2
1
3
8
8
Tot. 20.
3
1
1
1
4
3
3
5
3
3
3
5
1
3
5
1
5
5
1
4
5
4
16
6
5
7
13
6
7
17
15
16
8
1
12
11
13
18
1
20
I.
II.
III.
IV.
V.
VI.
vn.
VIII.
IX.
X.
XI.
240
Rhizopoda.
I.
II.
ni.
IV.
V.
VI.
VII.
VIII.
IX.
X.
XI.
Planorbiilina s. str.
3
0
2
3
7
3
4
3
3
3
Tot. Iß.
1
1
6
1
1
2
2
1
1
1
1
1
11
7
1
4
4
4
2
10
3
3
4
5
11
12
5
7
13
14
8
10
15
4
16
T r u n c a t u 1 i n a . . .
1
2
3
1
1
1
1
1
1
2
1
Tot. 4.
1
1
2
1
3
1
1
1
1
1
!
1
2
1
Anouialina
1
1
3
1
Tot. 2.
1
1
1
2
1
Planuliiia
1
1
1
Tot. 1.
P u 1 V i n u 1 i n a . . . .
3
11
11
8
7
13
s
10
3
2
2
Tot. .^.0.
3
1
1
5
6
2
2
1
2
11
28
9
1
1
j
1
7
3
6
2
5
15
29
10
9
17
3
5
9
16
18
19
5
7
11
5
1
6
30
1
7
9
11
14
17
19
23
25
7
9
11
13
17
20
1
22
13
18
26
27
9
11
16
17
■
Rotalia
4
5
?
2
4
3
4
4
2
3
Tot. 13.
1
1
3
1
1
4
1
1
1
1
1
4
11
4
6
3
7
9
4
5
12.
13
7
7
8
9
10
Galcarina
lod.3
?
1
1
4
1
1
1
2
Tot. 4.
IV
2
1
4
1
4
4
1
1
1
3
Polytrema
. 1
1
1
1
Tot. 1.
Patellina
1
1
1
3
2
2
Tot. 3.
1
1
1
1
3
2
3
2
3
Pullenia
1
1
1
2
2
4
1
Tot. 5.
1
1
1
1
4
2
3
1
2
4
5
1
I.
II.
III.
IV.
V.
VI.
VII.
vm.
rs.
X.
XI.
Geographische Verbreitung beschälter Meeresformen.
241
I.
n.
m.
IV.
V.
VI.
vn.
VI IT.
IX.
X.
XI.
Sphacroidina . . .
1
1
1
1
1
Tot. 2.
1
1
2
2
j
Spirillin a
2
2
1
1
2
2
3
Tot. 7.
1
2
1
6
1
1
5
6
1
4
3
4
5
Amphistegina . .
1
2
2
2
1
1
Tot. 3.
3
1
3
1
3
1
2
1
1
Operculina
1
1
1
1
*
*
*
2
2
2
Tot. 3.
3
3
3
3
1
2
1
3
1
3
Nummulites ....
*
*
*
*
*
*
Tot. 1 od. 2.
Nonionina
9
6
8
1
3
2
2
4
1
2
2
Tot. 14.
1
1
1
5
1
1
1
1
4
2
1
2
1
2
4
4
4
2
4
5
4
1
6
4
1
5
4
6
7
6
9
8
11
10
12
13
Polystomella . . .
3
3
4
1
4
6
3
4
6
4
Tot. 11.
1
1
1
7
2
1
1
2
1
1
1
1
2
4
2
2
5
2
2
3
3
4
1
6
4
1
4
4
8
6
7
10
11
7
6
1
8
6
Cyclammina ....
1
1
1
l
1
1
1
Tot. 1.
Heterostegina . .
*
*
*
*
Tot. ca. 4.*)
Cycloclypeus . . .
*
Tot. 2.**)
I,
IL
iii.
IV.
V.
VI.
VII.
vm.
IX.
X.
XI.
*) Eingerechnet zwei neuerdings von Möbius (Beiträge zur Meeresfauna der Insel Mau-
ritius etc. 1880) von Mauritius beschriebne Arten.
**) Eingerechnet eine neuerdings von Brady (Qu. journ. micr. sc. Vol. 21. n. s.) von den
Fiji-Inseln beschriebne Art.
Broun, Klassen des Tbierreichs. Protozoil.
u
242 Eliizoi^oda.
10. Paläontolog'isclie Eiitwickluiio' der Rliizopoda.
Bearbeitet von C. Schwager.*)
Nachdem die Eozoonfrage schon bei früherer Glelegenheit eine ziem-
lich ausführliche Erörterung erfahren hat, würde es zu weit führen,
wenn man dieselbe hier nochmals berühren wollte, und will ich nur be-
merken, dass trotz allem bisher Angeführten erst die Zukunft endgültig
zu entscheiden haben wird, ob wir in dem Eozoon den ältesten bekannten
Vertreter der Rhizopoden aus den sogenannten archäischen Formationen
zu begrüssen haben oder nicht.
Wir wenden uns daher gleich zur Betrachtung der
Paläozoischen Formationen.
Wichtigere Literatur:
Ehrenberg, Monatsber. der Berliner Akad. 1858.
Parker und Jones, Ann. magaz. nat. bist. London 1863 u. 1872.
Dawson, G. M., On a new species of Loftusia. Quart, journ. geolog. soc. Vol. 35.
Fischer de "Waldheim, G., Oryctograpble du Gouvernem. de Moscou. 1829 — 37.
Ehrenberg, Mikrogeologie 1854.
Geinitz, Die Versteinerungen d. deutsclien Zechsteingebirges u. Rothliegenden. Dresden 1848.
Jones, R., in King, W., Monograph. of the Permian fossils of England. London 1850.
Eeuss, A. E., Entoniostr. u. Foraminiferen im Zechstein der Wetterau. Jahrb. der Wettcr-
auischen Gesellschaft f. 1851 — 53. Hanau 1854.
Richter, R., Zeitschr. d. deutschen geolog. Gesellsch. Bd. VII.
Hall, J., Trans. Albany Institute Vol. IV. (Kohlenkalk von Indiana u. Illinois.)
Eichwald, E., Lethaea rossica. Stuttgart 1860.
Geinitz, H. B., Dyas. Leii)zig 1861.
Schmidt, E., üeber die kleineren organ. Formen des Zechsteinkalkes von Selters. N. Jahrb.
f. Mineralogie etc. 1867.
Young and Armstrong, Transact. geolog. soc. of Glasgo^v. Vol. III. u. IV. (Kohlenkalk
von Schottland.)
Brady, H. B., A monograph of Carboniferous and Permian Foraminifera. Palaeontogr.
soc. 1876.
On a Group of Russian Fusulinae. Ann. mag. nat. bist. 1876.
Stäche, Fusulinenkalke aus Ober-Krain, Sumatra u. Chios. Verb. geol. Reichsanst. Wien 1876.
Zittel, Handbuch der Paläontologie. München 1876.
Möller, V. von. Die spiralgewundnen Foraminiferen des russischen Kohlenkalks. Mem.
acad. St. Petersburg 7. s. T. XXV. 1878.
', Die Foraminiferen des russischen Kohlenkalks. Ibid. 7. s. T. XXVII. 1879.
üeber einige Foraminiferen führende Gesteine Persiens. Jahrb. der geolog. Eeichs-
anbt. Wien 1880.
Steinmann, G., Mikroskopische Thierreste aus dem deutschen Kohlenkalk. Zeitschr. der
deutschen geolog. Gesellsch. 1880.
*) Die Schwierigkeiten, welche, wegen des ümfangs und der weiten Zerstreuung der ein-
schlägigen Literatur, sowie der Verwicklung der systematischen Verhältnisse, die Abfassung
eines kurzen Berichtes über die paläontologische Entwicklung der Rhizopoden darbietet, Hess es
mir wünschenswerth erscheinen , einen auf diesem Gebiet seit längerer Zeit thätigen Fach-
mann um seine gütige Mitwirkung zu ersuchen. Ich hege die Hoffnung, dass trotz einiger
Ungleichheiten, welche hierdurch in die Darstellung eingeführt Avorden sind, das Werk im
Ganzen dadurch gewonnen hat. * ü. Bütschli.
Paläontolog. Entwicklung (Kolilenform.)- 243
Es existiren zwar mannigfache Angaben über das Auftreten von
Rhizopoden im Silur, von welchen namentlich jene so bewährter Forscher,
wie es Parker und Jones sind, gewiss alle Beachtung verdienen; trotz-
dem schwebt aber noch ein gewisses Dunkel über diesen Vorkomm-
nissen, und lässt sich an das, was von denselben bisher bekannt wurde,
kaum irgendwie anknüpfen. Auch im Devon fand Schlüter*) eine Form,
welche er als Coelotrochium Decheni an Ovulites anschliessen zu können
glaubt, die aber Steinmann wohl mit Recht zu den Kalkalgen stellen
möchte, zu denen allerdings auch Ovulites gehört.**) Auf die, ausserdem
im Silur und Devon vorkommenden Receptaculiden und Stromatoporiden
brauchen wir hier nicht näher einzugehen , da wir über dieselben schon
früher berichtet haben und deren Beziehungen zu den Rhizopoden über-
haupt noch mannigfach in Frage kommen.
Ganz anders gestaltet sich das Verhältniss dagegen bei den Rhizo-
poden des Kohlenkalks. Hier sind es keine zweifelhaften Formen, denen
wir gegenüberstehen, wir finden da im Gegentheil manche Vorkommnisse,
die sich in ungeahnter Weise selbst an recente Formen anschmiegen.
Steinkohlen formation.
Obwohl gewiss vorauszusetzen ist, dass es früher oder später gelingen
wird, in älteren Schichten die Vorläufer der verhältnissmässig so hoch
entwickelten Rhizopodenfauna dieser Formation zu entdecken, so spielt
dieselbe bei dem jetzigen Stande unseres Wissens doch immerhin die Rolle
einer Primordialfauna, und muss man sich vor der Hand damit begnügen,
von dieser Etappe aus die weitere Entwicklung der bezüglichen Formen
zu verfolgen.
Dies aber dürfte es rechtfertigen, wenn wir bei der Vorführung der
betreffenden Fauna etwas mehr ins Detail eingehen, um so mehr, als
manche Unsicherheiten, welche sich in den bisherigen Bearbeitungen der-
selben noch finden, wohl einer gewissen Feststellung bedürfen. Es ist
dies übrigens nicht zu verwundern, wenn man die Schwierigkeiten
in Betracht zieht, welche der Erhaltungszustand hier so häufig einer ge-
naueren Untersuchung entgegensetzt. Was die Reihenfolge betrifft, in
welcher diese Formen vorgeführt werden, so schliesst sie sich, der
Gleichartigkeit wegen, im Ganzen an die im systematischen Abschnitt
eingehaltene Folge an, und sind die bisher aus dem Carbon bekannt
gewordenen Gattungen mit Ausschluss der Synonyme folgende:
Haplophragmium Reuss. Brady führt in seiner Monographie
bloss eine Form dieser Gattung an, die allerdings mit Recht der vorliegen-
den Abtheilung zugezählt werden muss und zwar jener Untergruppe mit
einfacher centraler Mündung, welche bereits von Reuss als d'Orbignyna
Hagenow abgetrennt wurde; von Haplophragmien sensu strictiori, mit
*) Zeitschr. der deutsclien geolog'. Gesellsch. 1879.
**) Die eingehende Bearbeitung von Munier- Clialmas in Bull. soc. geol. de France
3. Ser. T. VII. Nr. 10 lässt über die Stellung dieser Form kaum mehr einen Zweifel zu.
16*
244 Rliizopoda.
einfachen Kammern, aber mehr oder weniger siebförmiger Mündung,
findet man dort jedoch nichts erwähut, doch kann ich nicht umhin, Endo-
thyra globulus (Eichwald) Möller (IL Taf. I. Fig. 1), sowie auch die als
Endothyra Panderi M. und End. parva M. aufgeführten Formen dafür
zu erklären, denn ich vermag kein Merkmal zu finden, das sie von ersterer
Gattung trennen würde. Auch die bei Möller als fraglich angegebene
Form , die 1. c. Abth. I. Taf. IV. Fig. 6 abgebildet ist , dürfte wohl
hierher gehören, falls sie nicht eine echte Lituola mit Sekundärsepten
darstellt.
Lituola Lamarck. Von typischen Lituolen wird bei Brady eine
Form als L. nautiloidea Lmk. angeführt, was jedenfalls auf eine exorbi-
tante Langlebigkeit dieser Species hiüdeuten würde.
Wichtiger jedoch als die bisher angeführten Lituolideen, in Anbetracht
der Eolle, welche er zum Theile in der Zusammensetzung der Kohlenkalk-
faunen spielt, ist ein anderer Repräsentant dieser Gruppe, welcher wohl
als das aufgefasst werden muss, was man bisher als die Nonioninenform
von Haplophragmium zu betrachten gewöhnt war, nämlich :
Endothyra Phillips. Die älteren Formen, wie z. B. die von Phillips
zuerst aufgestellte Species E. Bowmanni Ph. zeigen zwar meist eine
ausgesprochene Ungleichseitigkeit, während unter denen aus jüngeren
Schichten sich gerade im Gegentheil mehr annähernd gleichseitige Formen
finden, doch wird man bei genauerer Untersuchung wohl auch bei letz-
teren den, wenn auch flach tarbinoiden Aufbau zu erkennen vermögen.
Brady führt diese Formen als porenlos und halbsandig an, während
Möller, dem augenscheinlich ein besser erhaltenes Material zu Gebote
stand, das Vorhandensein von Poren betont. Ich kann nach den Beob-
achtungen, die ich zu machen Gelegenheit hatte, nur Beides bestätigen,
so sehr es sich auch zu widersprechen scheint. Die vorliegende Gattung
kann au Massenhaftigkeit des Vorkommens im Kohlenkalke stellenweise
selbst mit den Fusulinen wetteifern.
Trocbammina P. et J. An die von Brady aufgeführten Arten
dieser Gattung schliessen sich jene eng an, die aus demi oberen Zech-
steine angegeben werden, und ist möglicherweise hier der Ausgangspunkt
mancher, später gesondert auftretender Formen zu suchen.
Saccammina Sars. Zu den genauen Untersuchungen dieser Gattung,
wie wir sie Brady verdanken, wäre nur hinzuzufügen, dass die grosse Form
aus dem Kohlenkalke von Punchab, welche Prof. Zittel in seinem Handbuche
erwähnt, in ganz ausgezeichneter Weise, jenes eigenthümliche Relief kleiner
Sechsecke zeigt, wie wir es bei manchen Lageniden beobachten können.
No dosin eil a Brady. Repräsentirt hier, in Gemeinschaft mit der
vorhergehenden Form, die Gruppe der Arenacea, die ich als wohl be-
rechtigt zu betrachten allen Grund habe.
Lagena Walker et Jakob. Von den bei Brady angeführten Formen
besitzt namentlich L. Lebouriana B. ein so charakteristisches Aussehen,
Paläontolog. Entwicklung (Kohlcnfomi.). 245
dass an deren Zugehörigkeit zu der betreffenden Gattung kaum gezweifelt
werden kann.
C 1 i m a c a m m i n a Brady (Cribrostomum Möller). *) Bei diesem Genus
scheint ein eigenthtimliches Verhältniss im Aufbau, das bei anderen
agglutinirenden Foramiuiferen nur hier und da beobachtet wird, als
Norm vorzukommen. Die Schale wird nämlich bei jeder einzelnen Kam-
mer Anfangs rein kalkig, mit ziemlich gedrängt stehenden, gieichmässig
vertheilten Poren abgeschieden. Erst später werden Sandkörner mit zum
Aufbaue derselben verwendet, wodurch, wie es nicht anders zu erwarten
ist, die Entstehung von Poren auf einzelne Partien beschränkt, oder
deren Bildung auch vollständig sistirt werden kann. Die Zeichnungen,
welche v. Möller seinem Werke beigibt, zeigen dieses Verhältniss in ganz
ausgezeichneter Weise, aber auch bei Brady ist Taf. IL Fig. 8 Aehn-
liches bereits angedeutet.
Textularia Defrance. Manche Formen, die ich, namentlich aus
dem Carbon von China und Japan kennen zu lernen Gelegenheit hatte,
dürften wohl zu den echten Textularien oder wenigstens zu der agglu-
tinirenden Abänderung derselben, den Plecanien, zu zählen sein.
Tetrataxis Ehrenberg. Was diese eigenthUmliche Form betrifft,
die eine sehr grosse horizontale Verbreitung besitzt, jedoch nirgends
gerade häufig zu sein scheint, so erinnert dieselbe in dem äusseren Aufbaue
ihres konischen Schalen-Mantels an Patellina, obwohl sie anderseits doch
wieder viel mehr Aehnlichkeit mit manchen gerundet konischen, agglutini-
renden Textilarien besitzt. Dass aber diese Tetrataxis - Form aus der
Reihe der Arten, die bisher unter der Genusbezeichnung Valvulina auf-
geführt wurden, ausgeschieden und die alte Ehrenberg'sche Bezeichnung
für dieselben beibehalten werden müsse, darin kann man v. Möller nur
beistimmen. Ebenso kann ich die Beobachtung Möllers nur bestätigen,
dass auch bei dieser Gattung, zumeist nur in den Jüngern Theil der Schale
Sand aufgenommen wird.
Höchst eigenthümlich ist das, sowohl von Brady als auch von Möller
beobachtete Auftreten zierlich vertheilter Sekundärsepta bei manchen dieser
Formen. Durch das letztere Merkmal würde sich auch Brady's Valvulina
rudis annähernd hier anschliessen, doch erweist sich dieselbe im Ganzen
als so eigenartig, dass ich sie bei keiner bisher aufgestellten Gattung
unterzubringen wüsste.
Valvlulina plicata Br. und Valv. bulloides Br. werden wohl bei
Valvulina verbleiben müssen; doch dürfte es nothwendig werden, dieses
Genus etwas mehr einzuengen, als dies bislang vielfach der Fall war.
Truncatulina d'Orbigny. Wenn man die Beschreibung, und
namentlich die Abbildung der Form, welche Brady unter dem Namen
T. Boueana d'Orb. aus dem Kohlenkalke anführt, mit den tertiären
*) Durch ein Versehen wurde p. 204 fälschlich geschrieben Climacimuia.
246 ' ■ Khizopoda.
Eepiäsentanten dieser Art vergleicht, so dürften sich doch wohl Merkmale
finden lassen, welche beide Arten von einander scheiden, obwohl sich
scheinbar unmittelbar verbindende Glieder immerhin finden lassen mögen.
Pulvinulina Parker et Jones. Eine sehr charakteristische Art
dieser Gattung, welche in einer nahestehenden Verwandten allerdings erst
wieder in der Kreide erscheint, dann aber, mit wenig Veränderungen bis
in die Jetztzeit hinaufreicht, lernen wir ebenfalls durch Brady, in der
P. Broeckiana Br. aus dem Kohlenkalke kennen, und gibt so dieselbe
thatsächlich das Beispiel einer sehr langlebigen Gruppe ab.
Calcarina d'Orbigny. Der äusseren Form nach, wie sich aus der
Abbildung bei Brady ersehen lässt, zeigt die betreffende Kohlenkalkform
keine besondere Aehnlichkeit mit den jüngeren Vertretern dieser Gattung,
doch die Angabe der Schalenstruktur muss jedes Bedenken beseitigen,
das sich gegen die richtige Einreihung der als C. ambigua Brady be-
zeichneten Form erheben könnte.
Spirillina Ehrbg. Von diesem Genus werden von Möller einige recht
charakteristische Formen angeführt, die sich ganz ungezwungen an die
jüngeren Vertreter dieser Gruppe anschliessen, obwohl sie immerhin merk-
liche Verschiedenheiten zeigen.
Archaediscus Brady. Diese eigenthümliche Gattung, deren Durch-
schnitte, wie sie sich in den Dünnschliffen zeigen, namentlich bei Möller
sehr charakteristisch gezeichnet sind, repräsentirt meist in den verschie-
denen Kohlenkalkproben , in denen ich sie zu beobachten Gelegenheit
hatte, für sich allein die rein kalkschaligen Foraminiferen , und fällt
dieselbe durch ihre auffallend durchsichtige, dicke Schale meist ziemlich
auf. Im Ganzen scheint dieselbe feinporös zu sein, doch konnte ich
auch mehrmals grobporige Partien deutlich unterscheiden, genau in der
Weise wie sie Brady zeichnet.
Cribrospira Moll. Diese Gattung, welche ich jedoch nicht selbst
untersuchen konnte, schliesst sich der allgemeinen Gestalt nach an die
ganz eingerollten Formen von Haplophragmium an, doch wäre es immer-
hin denkbar, dass sie eine rein kalkige Schale besitzt, wofür jedenfalls
die Art der Perforation sprechen würde.
B r a d y i n a Moll. Ganz unerwartet steht man hier einer Form gegenüber,
die enge Beziehungen zu den Polystomellen besitzt, von denen sie sich
aber durch ihren unsymmetrischen Aufbau unterscheiden würde. Exem-
plare von Kaluga, die ich zu untersuchen Gelegenheit hatte, und die ich
allen Grund habe hierher zu rechnen, zeigen dieses Merkmal ganz augen-
fällig, doch scheinen dieselben eine agglutinirte Schale zu besitzen.
Amphistegina d'Orbigny. Einen eigenthümlichen Eindruck macht
es, diese Form, welche man höchstens in der oberen Kreide zu suchen
gewöhnt war, in überdies noch so sehr typischen Repräsentanten hier
wiederzufinden, und könnte man durch solche Funde verleitet werden.
Paläoiitolog;. Eiitwickliuig' (lviililcnform.\ 247
Jenen recht zu geben, welche den Foraminiferen alle Tauglichkeit zur
Unterscheidung von Schichten absprechen möchten. Doch gibt es der
Gründe übergenug, welche für das Gegentheil sprechen.
Numraulites Lamarck. Was von der vorhergehenden Gattung ge-
sagt wurde, gilt von der vorliegenden noch in erhöhtem Maasse, deren
erstes Auftreten einst als eines der charakteristischsten Merkmale des
Eocän galt. Durch die exorbitante Entwicklung, welche sie dort findet,
wird sie aber für diese Abtheiking ihre bezeichnende Rolle allerdings
auch immer behaupten.
Fusulina Fischer v. Waldheim. Die beste Charakterisirung dieser
für den Kohlenkalk schon lange als typisch bekannten Rhizopode ver-
danken wir Val. v. Möller, dem aber auch bei der Bearbeitung dieser
Formen ein ganz besonders umfangreiches Material zu Gebote stand.
Noch in Zittels Handbuche der Paläontologie, in welchem mir die
Aufstellung der Diagnose für diese Gattung überlassen wurde, hatte ich
der bisherigen Auffassung folgend die Fusuliniden im Allgemeinen unter
diesem Namen zusammengefasst, und auf die damals noch unfertige Unter-
suchung dieser Abtheilung fassend, die Mündungsverhältnisse von Formen
aus dem Kohlenkalke von China als die typischen betrachtet. Sehr bald
wurde jedoch auch mir klar, dass hier eine Trennung in verschiedene
Gruppen nicht zu vermeiden sei. Mehr als irgend ein anderes Vorkommen
sind es aber die erwähnten Funde aus dem chinesischen Kohlenkalke,
welche Klarheit in das gegenseitige Verhältniss dieser jedenfalls ver-
wandten Typen zu bringen vermögen, und geht aus denselben nicht nur
hervor, dass jene Formen, welche v. Möller als S ch wager in a ab-
trennt, thatsächlich eine selbständige Gruppe bilden ; sondern dass die ex-
tremen dort vorkommenden Repräsentanten dieser neuen Gattung es ausser-
dem möglich machen, die für dieselbe aufgestellte Diagnose wesentlich zu
ergänzen. Für die Fusulinen bleibt die Fältelung der Kammern, welche
zwar schon Salter kenntlich abgebildet hat, und die auch v. Möller be-
sonders hervorhebt, immerhin charakteristisch, den Schwagerinen gegen-
über tritt aber noch als trennendes Merkmal der Mangel des Basalskelets
hinzu, das wir dort kennen lernen werden. Die Mündung, welche bei der
Form von Savaninsk, die ich zuerst zu untersuchen Gelegenheit hatte, so
häufig, sehr bald verschwindet, stellt bei den Fusulinen ausserdem that-
sächlich, im normalen Zustande, eine aus dem Unterrande der Septal-
fläche ausgeschnittene mediane Spalte dar, während wir bei den Schwage-
rinen mannigfache Schwankungen in dieser Richtung kennen lernen werden.
' Ein verbindendes Merkmal dagegen , welches beide Formengruppen zu
einem Ganzen, den Fusulineen vereinigt, liegt jedoch in den eigenthüm-
lich in die äussere Wand eingekeilten Septalwänden , die mir sonst bei
keiner andern Foraminifere bekannt sind. Bei einem Durchschnitte, wie
wir ihn etwa Taf. XII. Fig. 14 sehen, findet man nämlich, dass das Sep-
tum sich mit zugeschärftem Aussenrande, zwischen die benachbarten
248 Ehizopoda.
Aussenränder zweier Kammern hineinschiebt, sodass es gerade nur noch
an die Septalnaht heranreicht.
Hemii'usulin a Möller. Das einzige trennende Merkmal, welches
diese Form von den eigentlichen Fusulinen scheiden würde, wäre
das Vorhandensein eines Interseptal-Canalsystems, doch muss ich ge-
steben, dass ich einige Zweifel an dem Vorhandensein desselben nicht
zu unterdrücken vermag, denn ähnliche Bilder wie das auf Taf. XI.
Fig. 1 und Taf. XIV. Fig. 1—4 der 1. Abth. bei v. Möller, konnte
ich mehrfach an Fusulinellen beobachten; doch scheinen mir dieselben
stets nur durch die allmähliche Umwandlung der ursprüDglichen Kalksub-
stanz hervorgebracht zu sein. Jedenfalls wird es erneuter Untersuchungen,
an vielleicht noch besser erhaltenem Materiale bedürfen, um diese Frage
zur vollen Klarheit zu bringen.
Was die geologische Verbreitung der Fusulinen betrifft, so ist es be-
kannt, welche Rolle sie namentlich im oberen Kohlenkalke spielen, wo sie
nicht selten in der Art der Nummuliten im Eocän förmlich gesteinsbildend
auftreten. Ihr vertikales Vorkommen ist jedoch ziemlich eng begrenzt
und gehen sie nicht über die obere Abtheilung des untern Kohlenkalkes
einerseits und über die untern Dyasschichten anderseits hinaus.
Schwager ina Möller. Von den Formen, welche v. Möller als grund-
legend für dieses Genus betrachtet, konnte ich bloss Schw. Verbeeki
untersuchen, da es mir nicht gelang, Exemplare der in Berlin deponiiten
Schw. princeps Ehrbg. zur Ansicht zu erhalten. Die treflflich erhaltenen
Exemplare von ersterer Art jedoch, die ich Herrn Ingenieur Verbeek
und Prof. F. Römer verdanke, lassen so sichere Vergleiche zu, dass ein
Zweifel an der Zusammengehörigkeit derselben mit den mannigfaltigen
Vorkommnissen aus dem Kohlenkalke von China nicht aufzukommen
vermag. Bei den extremsten Formen dieser Abtheilung, die mir von den
erwähnten Fundpunkten bekannt wurden, zeigt sich aber das eigenthüm-
liche Verhältniss, dass auf der Basis jeder Kammer eine schwache Kalk-
platte abgesetzt wird, von welcher wallartige Erhöhungen sich erheben,
die in ihrem Gesammtverlaufe sich zu Spiralreifen vereinigen. Diese
Erhöbungen, welche die Schale wie nahe an einandergelegte Fassreifen
umgeben, können dort, wo sie stärker entwickelt sind, die langen, geraden
Kammern förmlich in Nebenkammern abtheilen ; während sie anderseits
wieder manchmal so wenig ausgesprochen erscheinen, dass man sie sehr
leicht übersehen kann, wie diess sowohl bei Brady als auch bei Möller
der, allerdings sehr zu entschuldigende Fall war. Bei Schw. Verbeeki und
ihren nächsten Verwandten muss man allerdings schon sehr gute Exem-
plare zur Verfügung haben und bereits darauf aufmerksam sein, um diese
Reifen zu sehen; ich fand sie aber, nachdem ich sie einmal kennen ge-
lernt hatte, doch immer wieder, ja Spuren derselben kann man selbst
an der von Möller auf Taf. IX. Fig. 1^ der 1. Abth. gegebenen Abbildung
bemerken.
Paläoutolog. Entwicklung (Kohlenforin.). 249
Für diese eigenthümliche Ablagerung, welche ich als ein besonders
charakteristisches Merkmal der Schwagerinen zu betrachten Grund habe,
möchte ich die Bezeichnung „Basalskelef' in Vorschlag bringen. Auch die
Mtiudungsverhältuisse werden übrigens von diesem Basalskelete wesentlich
beeinflusst, denn die Formen , welche diese Ablagerung kaum wie einen
Hauch angedeutet besitzen, zeigen einfache Spaltmlindungen, während bei
etwas stärker entwickelten Reifen sowohl Spaltmündungen als auch
zugleich Reihen runder Miindungslöcher vorkommen können; bei hochent-
wickeltem Basalskelete aber jedem Intervalle zwischen den Reifen ein
rundes Müudungsloch entspricht.
In der geologischen Verbreitung schliessen sich die Formen dieser
Gattung eng an Fusulina an mit dem einzigen Unterschiede, dass sie
etwas später auftreten.
Fusulinella Möller. Dieses Genus scheint sich in manchen
seiner Repräsentanten den Fusulinen sehr zu nähern und ist es wohl
diese Beziehung, welche v. Möller durch die Wahl des Namens aus-
sprechen wollte. Das Hauptmerkmal jedoch, welches die vorliegenden
Formen von den Fusuliniden scheidet, ist der auch von Möller betonte,
ununterbrochene Uebergang der äusseren Schalenwand in die Septalfläche
bei den ersteren, während als eines der wichtigsten Merkmale bei letz-
terer Gruppe das Einkeilen der Septalflächen zwischen die Aussenwände
der Kammern bereits erwähnt wurde. Die typischen Repräsentanten dieser
Gattung scheinen ebenfalls rein kalkschalig zu sein, obwohl sie an Durch-
sichtigkeit den Formen von Archaediscus immerhin weit nachstehen.
Ob die agglutinirenden Formen mit ähnlichem Aufbaue, wie z. B.
Fus. Struvi Möller, die auch Steinmann anführt, zu einer besonderen
Gruppe zusammenzulegen wären, müssen noch eingehendere Unter-
suchungen erweisen.
Auch Fusulinella besitzt eine grosse Verbreitung.
Stacheia Brady. Ich führe diese eigenthümliche und interessante
Form erst hier, gewissermaassen im Anhange an, weil ich dieselbe nir-
gends streng anzuschliessen vermag. Für die so gleichmässige Unter-
abtheilung der Kammern finden sich allerdings auch bei Tetrataxis Ana-
logien, und für das Proteische der Form, welches z. Th. durch die An-
heftung bedingt wird, die sie von der Unterlage abhängig macht, lassen
sich mannigfache Vergleiche finden; aber dennoch zeigt die Gattung so
viel Eigenartiges im Habitus, dass sie dadurch eine sehr isolirte Stellung
erhält. Auch Stacheia scheint im Kohlenkalke eine ziemliche Verbreitung
zu besitzen. Ob Loftusia mit ihren vielfach unterabgetheilten Kammern
hier nicht nahe Beziehungen findet, möchte allerdings zu erwägen sein,
namentlich da diese Gattung nach den Untersuchungen Dawson's eben-
falls schon im Kohlenkalke Nordamerikas vertreten ist.
250 Kliizopüda.
Dyas-Forraation.
Wenn wir die Rhizopodenvorkommuisse innerhalb dieser Formation
mit jenen vergleichen , die wir in der vorhergehenden kennen lernten, so
finden wir Anfangs kaum eine wesentliche Veränderung, und Alles,
was sich an Verschiedenheiten findet, Hesse sich wohl als durch den
Mangel unserer derzeitigen Kenntniss erklärt betrachten. Anders ge-
staltet sich diess jedoch, wenn wir in die höheren Lagen dieser Ab-
theilung hinübertreten. Hier findet sich keine Spur mehr von Fusulinen,
und auch Climacammina scheint zu verschwinden. Statt dessen ge-
winnen die echten Nodosarien, die nach meinen Erfahrungen schon im
Kohlenkalke, wenn auch sehr selten, vorkommen, hier grösstentheils
numerisch das Uebergewicht. Nodosinella kommt nach Brady vor. Tetrataxis
wurde bisher noch nicht nachgewiesen, dürfte aber kaum ganz fehlen. Archae-
discus wurde zwar nicht gefunden, doch tritt statt dessen eine andere dieser
Gattung im Aufbau äusserst ähnliche Form (stellenweise sogar ganz häufig)
auf, bei der ich aber, trotzdem ich sie von verschiedenen Fundpunkten
kenne, nie eine Spur von Poren zu entdecken vermochte. Auch Cornu-
spira, allerdings meist mit wechselnder Spiralebene und deshalb der viel-
umfassenden Species Trochammina incerta zugehörig (wenn man diese
Fassung annehmen will) kommt stellenweise nicht selten vor; vereinzelt
ist dagegen das Vorkommen agglutinirender Textilarien, die jedoch dem
Kohlenkalke auch keineswegs vollständig fehlen. Stacheia wurde bisher
noch nicht nachgewiesen. Auch für die übrigen, meist mehr vereinzelten
Vorkommnisse des Kohlenkalkes wurden in der vorliegenden Formation
noch keine Vertreter gefunden.
Mesozoische Formationen.
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Marsson, Die Foraminiferen der weissen Schreibkreide der Insel Rügen. Mitth. naturwiss.
Ver. Neuvorpommern u. Rügen, lü. Jahrg.
Trias-Formation. Für diese Formation ist namentlich ein Fora-
miniferen-Vorkommen von Wichtigkeit, dessen genauer geologischer Hori-
zont zwar noch Gegenstand der Controverse ist, der sich aber keines-
falls von der unteren Grenze der Trias vreit entfernt. Es sind diess
die Belerophonschichten , wie sie Stäche nennt, aus dem Pusterthale in
Tyrol, auf deren Foraminiferenreichthum bereits Loretz (Zeitschr. Deutsch,
geolog. Gesellsch. 1874) besonders aufmerksam machte, und deren ein-
gehende Bearbeitung wir von Gümbel zu erwarten haben. *)
In diesen Schichten, deren Einschlüsse ich namentlich aus dem reichen
Materiale, das ich Prof. R. Hörnes verdanke, und aus den Präparaten des
Dr. Loretz kenne, kommt neben sehr zahlreichen Cyprideen, Bryozoen etc.
besonders eine Rhizopodenform , und stellenweise sogar sehr häufig vor,
welche dem äusseren Ansehen nach an manche Involutinen erinnert, den
Struktur- und Aufbauverhältnissen nach sich aber näher an Archaediscus
anzuschliessen scheint. Für dieselbe wäre die Speciesbezeichnung gre-
garia wohl am Platze. Neben dieser Form macht sich ebenfalls eine
zweite, wenn auch lange nicht so häufig vorkommende bemerkbar, welche
*) Die vorläufige Benennung und Abbildung des grössten Theiles dieser Formen findet
man bereits in Gümbers „Anleitung zu geol. Beob. in den Alpen".
^52 Rhizopoda.
ZU jenen Valvulinen gehört, welche wir oben als typisch bezeichnet
haben. Gümbel nennt sie V. alpina. Zum Theile gleichfalls nicht selten
kommt Bulimina contorta G. vor, die im Ganzen allerdings an manche
agglutinirende Buliminen, namentlich an Ataxaphragmium variabile aus
der Kreide erinnert, aber eine gelippte Mündung und ausserdem
aus alternirenden Kammern zusammengesetzte Umgänge besitzt. Endo-
thyra radiifera Gümbel dürfte vielleicht besser zu Fusulinella zu stellen
sein. Auch Textilarien fehlen in diesen Schichten nicht; sowie ich auch
Tetrataxis erkannt zu haben glaube.
Ueberblicken wir nun nochmals die angeführten Formen, so zeigen
dieselben mehr oder weniger Verwandtschaft mit den Vorkommnissen
des Kohlenkalks. Anders gestaltet sich dies jedoch bei den Lingulinen,
indem Lingulina lata Gümb. nahe Beziehungen zu gewissen Formen des
Muschelkalkes und unteren Keupers und L. subacuta Gümb. sogar zu
solchen aus dem Lias besitzt. Trochammina vnlgaris Gümb. findet da-
gegen Vewandte sowohl nach oben als nach unten.
Wenden wir uns nun zu den mit Sicherheit der Trias zugezählten
Schichten, so sind aus dem Gebiete des Buntsandsteins, wohl in Folge
des meist so ungünstigen Versteinerungsmittels bisher noch keine Khizo-
poden nachgewiesen worden. Auch aus dem Muschelkalke wurden die-
selben noch nicht beschrieben, doch fehlt es nicht an Angaben über das
Vorkommen derselben. Im alpinen Muschelkalke hatte ich selbst Gelegen-
heit, dieselben zu beobachten, und sind sie in jenem von der Schreyer-
alpe gar nicht so selten. Nodosarien machen sich dort ziemlich be-
merkbar, und ausserdem konnte ich eine Form erkennen, welche, wie
bereits erwähnt, der Lingulina lata Gümb. wohl sehr nahe steht. Auch
typische Cristellarien kommen hier bereits vor. Pulvinuliuen finden sich,
ebenfalls und zum Theile sogar nicht selten. Die Reihe der poren-
losen Foraminiferen scheint hier ausserdem durch eine archaediscus-
ähnliche Nubecularia vertreten zu werden, wie wir sie ähnlich im Zech-
stein kennen lernten.
Wenden wir uns jetzt zu den nächsthöheren Schichten des unteren
Keupers, so führen uns dieselben wieder auf bereits bebautes Terrain.
Es sind dies vor Allem die Ablagerungen von St. Cassian und die so-
genannten Raibler Schichten, deren Rhizopodenvorkommen wir namentlich
durch Reuss und Gümbel kennen. Auch das von mir vielfach beobachtete
Vorkommen von Rhizopodeu in den sogenannten Hierlatzschichten wäre
hier anzuschliessen.
Als die auffälligste Erscheinung tritt uns hier vor allem das erste
Auftreten echter Globigerinen entgegen, an welches sich das Vorkommen
von Textilarien aus der Gruppe der Globifera Ehrbg., wie es Sandberger
angibt, eng anschliesst. Cristellaria setzt hier fort, zum Theile bereits
begleitet von Marginulina, von der sich jedoch Spuren auch selbst schon
im alpinen Muschelkalke finden. Nodosarien sind zum Theil nicht selten,
doch wäre Dentalina Korynephora G. die erste echte Dentalina mit schief
Paläontolog. Entwicklung!: i^Trias- und Juraform.). 253
gegen die Hauptachse liegenden Septalwänden. Lingulina entwickelt sich
gleichmässig weiter. Polymorphina wird zwar hier zuerst angegeben, doch
dürfte diese Gattung immerhin erheblich tiefer herabgehen. Fraglich ist es,
ob Polym. '? longirostris , welche sich in verwandten Formen durch den
Lias bis in den oberen Jura fortsetzt, hierher oder zu den Milioliden zu
stellen sei, da die Schalenbeschaffenheit dieser Form bisher noch nicht
sicher erkannt werden konnte. Rotalien, namentlich Pulvinulinen, von
denen Gümbel auch eine angibt, finden sich besonders in den Hierlatz-
schichten, und zum Theile sogar häufig. Von porenlosen Foraminiferen
führt Reuss eine Biloculina an, und ausserdem kommen, stellenweise
sogar durchaus nicht selten, namentlich in den Hierlatzschichten, die be-
reits erwähnten archaediscus- oder auch involutina-ähnlichen Nubecularien,
sowie auch Cornuspira vor.
Gehen wir in der Reihe der Schichten noch ein klein wenig höher,
so sind für uns die Angaben besonders von Wichtigkeit, welche Peters
über das Vorkommen von Rhizopoden im Dachsteinkalke macht. Die ver-
schiedenen Faciesverhältnisse , unter denen uns hier das Rhizopodenvor-
kommen vorgeführt wird, geben uns einen werthvollen Ruhepunkt zum
Vergleiche mit den Vorkommnissen aus älteren oder jüngeren Schich-
ten, von denen wir im besten Falle, nach unserer jetzigen Kenntniss,
meist nur durch kurze geologische Zeiträume analoge Faciesverhältnisse
zu verfolgen vermögen.
Hier finden wir das erste Mal das Massenvorkommen der Globigerinen
erwähnt, sowie auch das häufige Auftreten einer langhalsigen Lagena.
Kaum merklich ist dagegen die Aenderung in dem Gesammtbilde der
Rhizopodenfauna bei dem Uebertritt in die höchsten Schichten der
Trias, in jene des rhätischen Keupers. Wenn wir von den Vorkommnissen
in Chelaston absehen, welche die betreffenden Autoren selbst, der geogno-
stischen Lage nach als zweifelhaft bezeichnen, so ist das, was wir über
die Foraminiferen dieser Zone kennen, doch recht geriug. Es führen zwar
Gümbel*) und Schaf häutl**) verschiedene Formen an, doch bedarf manche
bezügliche Angabe, namentlich jene des Vorkommens von Cuneolina doch
wohl erst der Bestätigung. Auch ich veröffentlichte einige wenige Arten
in Dittmar's „Contortazone". Aus dem Allen lässt sich aber doch nur
sehr wenig entnehmen, was den Einblick in die Entwicklung der Fora-
miniferen im Allgemeinen besonders fördern würde. Erfreulicheres Licht
in dieser Richtung finden wir dagegen in der nächsten Formation, der
Jura- Formation. Namentlich was die untere und mittlere Ab-
theilung derselben, den Lias und Dogger, betrifft, so verdanken wir
das Meiste, was wir an Foraminiferenvorkommen aus derselben ken-
nen, dem unermüdlichen Eifer eines französischen Forschers, Terquem's,
dessen Arbeiten wohl erst in späterer Zeit in ihrem vollen Werthe erkannt
*) Gümbel, C. W., Geognost. Besclir. des bayr. Alpengebirges. Gotha 1861.
**) Schaf häutl, Geognost. Unters, d. südbayr. Alpengebirges. München 1851.
254 Rhizopoda.
werden dürften. Mag auch Manchem die Zersplitterung seiner Arten zu gross
erscheinen, es spricht sich doch gewiss ein selten feiner Formsinn und eine
grosse Sorgfalt darin aus, wie er die Einzelformen zur Species zusammenfügt.
Sehr werthvoUe Beiträge haben wir in dieser Richtung auch Bornemann
zu danken, der übrigens der erste war, von dem die Bearbeitung der
Foraminiferen einer speciellen Liasfauna in die Hand genommen wurde.
Obgleich aber auch selbst hier noch gar manche Lüciie auszufüllen ist
und wir namentlich nicht selten genöthigt sind, die Vorkommnisse aus
verschiedenen Faciesverhältnissen mit einander zu vergleichen, wenn wir
ein zusammenhängendes Band der Entwicklung erhalten wollen, so genügt
doch das was wir bereits kennen, um uns einen grossen Theil der Beziehun-
gen erkennen zu lassen, welche sich nach oben und nach unten ergeben.
Vor Allem auffällig erscheint die fortschreitende Differenzirung bei den
Nodosarien und Dentalinen, die zu einer immer grösseren Mannig-
faltigkeit der vorkommenden Formen Veranlassung gibt. Dasselbe gilt
und vielleicht sogar in noch höherem Grade von den Cristellarideen,
speciell den Marginulinen , welche hier einen ausserordentlichen Form-
reichthum entfalten. Allmählich sieht man da auch die flache, als
Vaginulina bezeichnete Abänderung aus denselben hervorgehen, an-
fangs mit den zugleich vorkommenden Marginulinen noch eng ver-
knüpft, bis sie endlich in jüngeren Formationen zu jener typischen Ent-
wicklung gelangt, wo sie förmlich Hemiediien der mit vorkommenden
Frondicularien darstellt. Auch bei den hier ebenfalls nicht selten vor-
kommenden Linguliuen finden wir Aehnliches. Unter der grossen Zahl
von Formen, wie wir sie namentlich bei Terquem kennen lernen, heben
sich nämlich zwischen ganzen Reihen, die man förmlich als Pseudo-
Frondicularien bezeichnen könnte, immer mehr solche heraus, welche
sich mehr oder weniger an die spätere typische Entwicklung dieser Formen
anschliessen, die nur mehr lose mit den gleichzeitigen Frondicularien zu-
sammenhängen. Eine grosse Mannigfaltigkeit, in welche einige Ordnung zu
bringen Terquem mit Erfolg versucht, zeigen hier auch die Polymor-
phinen, während die Textularien dagegen keine besonders hervorragende
Rolle zu spielen scheinen. Cornuspira macht sich jetzt überall bemerk-
bar meist in Gemeinschaft von Involutina, welche namentlich in
manchen alpinen Liasgesteinen in erstaunlicher Menge vorkommt. Die
Rotalideen scheinen zwar bloss an einzelnen Punkten häufiger auf-
zutreten, doch zeigen sie stellenweise eine immerhin bemerkenswerthe
Entwicklung. Auch eine echte Polystomella wird von Terquem be-
reits hier vorgeführt.
Was nun die porenlosen, rein kalkigen Formen betrifft, von denen
wir Cornuspira schon erwähnten, so ist hier namentlich das erstmalige
Auftreten von Orbitulites von Wichtigkeit, dessen Kenntniss wir Gtimbel
verdanken. Auch Milioliden kommen sporadisch vor.
Nicht sehr wesentlich finden wir den Charakter der Fauna verändert,
wenn wir in den oberen, den sogenannten weissen Jura oder Malm ein-
Paläoiitolog. Entwicklung- (Krcidcform.). 255
treten und eist in den obersten Lagen desselben, dem Kimraeridgien,
findet sich eine, neu auftauchende Gattung Rhabdogonium,*), welche
dann in sehr nahe verwandten Formen nach oben unmittelbar weiter
fortsetzt. Erw-ähnungswerth ist ausserdem auch der Nachweis von
Nummuliteniformen im Mahn, obwohl wir Repräsentanten dieser
Gruppe bereits im Kohleukalke kennen gelernt haben.
Kreide-F-brmation. Haben wir im Jura Terquem's und Borne-
mann's gedacht, an die sich im Malm die Arbeiten Gümbers und des
VerfassOirs vorliegenden Ueberblickes anschliessen, so dürfen wir hier des
Altmeisters der systematischen Foraminiferenkunde, A. E. Reuss, nicht
ve'-|essen, dem wii\ so wichtige Arbeiten über die Faunen der Kreide,
n&jcn nicht minder umfassenden und noch zahlreicheren über die
Einschlüsse des Tertiärs verdanken, und als deren unmittelbare Fort-
setzung in jeder Hinsicht jene seines Schülers und Freundes F. Karrer
gelten können. Uebersehen dürfen wir aber auch hier keinesfalls die
Verdienste, welche sich um die Kenntniss der Rhizopodenfauna dieser
Formation der Vater der allgemeinen Rhizopodenkunde, d'Orbigny, er-
worben hat. Auch Marsson brachte uns in neuerer Zeit einen werthvollen
Beitrag in dieser Richtung.
Wenden wir uns nun wieder zu dem Forarainiferen- Vorkommen selbst,
so weit wir es innerhalb der Kreideformation kennen, so macht sich vor
Allem schon in der unteren Kreide das Aufleben der Rotali de en
und der verwandten Globigerinideen bemerkbar; auch das Massen-
vorkommen von typischen Globigerinen, das wir allerdings bereits in der
Trias erwähnt finden, das aber dort bloss eine Einzelerscheinung dar-
zustellen scheint, dürfte damit zusammenhängen. Die Cristellarideen
und noch mehr die Vag inul inen spielen zwar auch hier noch eine be-
deutende Rolle, doch dominiren sie bereits lange nicht mehr in dem
Maasse, wie diess besonders in den tieferen Schichten des Jura der Fall
war. Bei den Nodosa rien und Dentalinen zeigt sich anderseits in-
sofern eine Veränderung, als die in einander fliessende Masse kleiner For-
men, wie sie namentlich im oberen Jura vorkommt, sich hier um festere Typen
zu gruppiren beginnt. Echte Haplophragmien treten ausserdem in der
unteren Kreide und zum Theile in grosser Häufigkeit auf, nicht selten begleitet
von verwandten nonioninenartigen Formen, die ich, wie bereits erwähnt,
von dem Grundstocke der Endothyren, nach meiner Auffassung genommen,
vor der Hand nicht zu trennen vermag. Nirgends sehr häufig vorkommend,
aber durch sehr charakteristische Formen vertreten, sind ausserdem die
Frondicularien und Flabellinen. Auch Folymorphina findet
sich ziemlich gleichmässig zerstreut und erhält einen neuen Zuwachs
durch die verwandte Pleurostomella. Amphimorphina**) wird
*) Im systematischen Abschnitt zu Orthocerina d'Orb. gezogen.
'**) Durch ein Versehen wurde sowohl Pleurostomella Kss. wie Amphimorphina Neugeb.
im systematischen Theil nicht erwähnt. Beide gehören zu der Familie der Khabdoina. Die
256 Rhizopoda.
hier zwar das erste Mal angegeben, doch dürfte v ' '• ^ eiue (riandiilina
Gümbel's von St. Cassian besser hier einzureihen öciu , und d^lr Anfang
dieser Form dadurch bedeutend weiter nach rilckwärts ''ersetzt werden.
Von geflochtnen Formen finden sich namentlich Textularien mchl selten, Deben
denen dann Proroporus Ehrbg. (Textularia) dat« eiste Mal erscheint, sowie
TritaxiaRss.(Verneuilinad'Orb.). Von den niohtporösen kalkschaligen For-
men macht sich Nubecularia und Cornuspira mit verschiedenen sieh ihnen
eug anschliessenden Formen hier bemerkbar, sowie Haueri'na, die jedoch
Reuss auch schon aus dem braunen Jura angibt. Miliolide*,^ kommen
ebenfalls, jedoch stets bloss vereinzelt vor.
Hier ist es auch am Platze einer Foim ,.j gedenken; »He ,^gf^ die
Grenzlage zwischen der unteren und mittleren Kreide stellenweisV%i\ie
hohe Bedeutung besitzt, und die zum Theil s(r ffiassGühait vorkommt,
dass sie thatsächlich gesteiusbildend auftritt. Es ist diess Orbitolina
(im systematischen Theile unter Patellina aufgeführt), deren Foraminiferen-
charakter mir jedoch jetzt zum mindesten zweifelhaft geworden ist. Mit
Patellina, an welche sie vielfach angereiht wurde, hat dieselbe vor Allem
entschieden nichts gemein, denn ich fand bei allen Orbitolinen, von den
verschiedensten Fundorten genommen, stets wenigstens Spuren eines
kieseligen Skelets, das bei Patellina wohl noch Niemand gesehen haben
dürfte, und besitzt diese Form überdiess eine förmliche Epithek, welche
wohl bei keiner Foraminifere vorkommt.
Gehen wir nun aus der unteren Kreideformation noch um einen
Schritt höher in die mittlere und obere Abtheilung derselben, so ver-
lieren die Cristellarien nach und nach relativ immer mehr an Boden,
während die Rotalien und Globigerinen immer mehr davon gewinnen.
Allmählich stellen sich auch immer mehr neue Typen ein, von denen die
bemeikensweithesten, die echten Orthocerinen, Bulimina (hier meist
durch agglutinirende Formen vertreten), Gaudryina,Verneuilina,Chry-
salidina, dann Cymbalopora Park, et Jones (non Hagenow), Allo-
morphina, Alveolina, und in den höchsten Lagen Orbitoides sein
dürften. Auch Amphistegina sowie Calcarina, von denen wir zwischen ihrem
ersten Auftreten im Kohlenkalke und dem hier, keine Verbindung kennen,
treten wieder auf Cymbalopora Hagenow aus der Kreide von Mastricht,
hat dagegen mit den Formen, welche später mit diesem Namen be-
zeichnet wurden, gewiss nichts zu thun.
erstere Form besitzt ein iiodosaria- bis dentalina-artiges Gehäuse. Die jüngeren Kammern
umfassen den oralen Theil der nächst älteren ab\rechselnd auf einer Seite mehr wie auf der
andern. Die jüngste Kammer kurz zugespitzt. Mündung halbrund oder halbelliptisch, unter
der Spitze auf einer Seite der Kammer liegend und zwar abwechselnd auf der vordem und
hintern Seite. Die Form ist aus der Kreide und dem Tertiär bekannt. Amphimorphin a
Neugeb. lässt sich als eine Frondicularia auffassen, die in ihren jüngeren Theilen in ein
Iiodosaria- oder dentalina-artiges Wachsthum übergeht. Auch sie fand sich bis jetzt nur fossil
und reicht bis in das Tertiär hinein. 0. B.
Palilontolog. Entwicklung (Tertiär). 257
Känozois che Formationen.
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Hantken, Hebert vmd Munier-Ch. , ]\Iittheilungen über die ungar. Tertiär-Bildungen.
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Tertiär-Formation. Mit dem Eintritt in diese Formation machen
sich, so wie auf anderen Gebieten der organischen Welt, so auch bei
den Foraminiferen ungewöhnlich eingreifende Veränderungen bemerkbar.
Haben schon früher die Rotalideen und Globigerinideen den Stichostegieru
und Cristellarideen den Vorrang abgelaufen, so treten jetzt auch die
porenlosen Formen, namentlich die Miliolideen immer mehr in den
Vordergrund. Zwar finden sich dieselben bereits in der oberen Kreide,
vor Allem in jener der Gosau, und an einzelnen Stellen sogar in grosser
Menge zusammengehäuft, aber erst hier gewinnt deren Vorkommen eine
allgemeinere Verbreitung. Auch Alveolina, die allerdings von d'Archiac
bereits aus dem Cenoraan angegeben wird und später auch in höheren
Kreideschichten nachgewiesen wurde, gelangt erst mit dem Beginne des
Eocän zu so massenhafter Entwicklung, dass sie sogar an der Zusammen-
setzung mancher Gesteine einen wesentlichen Antheil nimmt. Aehnliches,
wenn auch in weit bescheidenerem Maasse, gilt von Orbitulites.
Neu erscheinen dagegen, Peneroplis mit der Nebenform Dendritina;
dann Fabularia, Articulina und Vertebralina, und namentlich ist
es das Pariser Eocän, welches hier wie eine Colonie im Sinne Barrande's
zu einer wahren Brutstätte, besonders von Miliolidenformen wird.
Wenden wir uns nun wieder zu den Perforaten, so sind es hier vor
Allem die Nummuliten, welche unser Interesse in hervorragender
Weise in Anspruch nehmen und zwar hauptsächlich deshalb, weil sie zum
Theile eine so ausserordentliche Massenentwicklung zeigen, dass sie stellen-
weise förmlich ganze Gebirge zusammensetzen. Ihnen schliessen sich
beinahe ebenbürtig die Orbitoiden an. Von den mehr vereinzelt vor-
kommenden Formen machen sich ausserdem die neu auftretenden Gattungen
Heterostegina, Tinoporus, dann Clavulina und in den obersten
Lagen des Eocän stellenweise Bolivina bemerkbar, von welchen letztere
jedoch auch bereits in der oberen Kreide und zum Theil sogar recht
häufig vorkommt. Auch die Gattungen und Untergattungen Uvigerina,
Rhynchospira,*) Sphaeroidina etc. erscheinen das erste Mal.
Im systematischen Theil unter Globi gerin a aufgeführt.
Paläontolog. Entwicklung- (Tertiär). 259
Wenn wir nun zu den oberen Abtheilungen des Tertiär tibergeben,
so macbt sich- vor Allem die rapide Abnahme der Orbitoideen und der
Numrauliten bemerkbar, von denen erstere hier ganz auszusterben scheinen,
während die letzteren nur mehr in kleinen Formen kümmerlich weiter
existiren, und theilweise durch die einfacheren, hier nicht selten massen-
haft auftretenden Amphisteginen ersetzt werden. Die Differenzirung der
Formen schreitet aber immer noch weiter fort und macht sich jetzt
namentlich bei jenen mit trochoidem Aufbaue bemerkbar, unter denen
besonders die dünnschaligen von der Bewegung ergriffen werden. Aste-
rigerina, Patellina, Discorbina etc. erscheinen als Produkte der-
selben.
Auch die Textilarien halten sich ziemlich auf der Höhe der Entwick-
lung, namentlich soweit es die agglutinirende Abtheilung (Plecanium
Reuss) betrifft, ja letztere treten zum Theile noch häufiger auf, als diess
jemals in der Kreide der Fall war. Dass aber irgendwo echte, rein kalk-
schalige Textilarien im Tertiär zu einer so bedeutenden Massenentwick-
lung gelangen würden, wie diess z. B. in der Kreide von Palästina zum
Theile der Fall ist, wo sie die Globigerinen förmlich vertreten, dafür
ist mir kein Beispiel bekannt. Im Anschluss an die Textilarien tritt hier
ausserdem Reussia das erste Mal auf; eine Form, die ich um ihrer
Schalenbeschaffenheit willen von Tritaxia abtrennen zu müssen glaubte.*)
Auch Cassidulina und Ehrenbergina kennt man bisher noch nicht
aus älteren Schichten. Polystomella und die Cryptostegier (Allo-
morphina und Chilostomella) kommen zwar schon früher vor, aber erst
hier gelangt besonders die erstere zu der Bedeutung, welche sie im
oberen Tertiär und in der Jetztzeit besitzt. Bei den agglutinirenden For-
men macht sich dagegen, den Vorkommnissen aus der nächst älteren
Periode gegenüber, eine gewisse Abnahme geltend, obwohl dieselben in
unserer Zeit zum Theile wieder aufzuleben scheinen.
Quartär-Formation. Mit Sicherheit der Diluvialperiode zuzuweisende
marine Ablagerungen kennt man so wenige, dass man von denselben hier
abzusehen genöthigt ist, und nun eigentlich zu der jüngsten Periode, jener
der Jetztzeit übergehen sollte. Von dem Foraminiferenvorkommen desselben
aber einen Ueberblick geben zu wollen, wäre vor der Hand in so ferne un-
nütz, als ja doch zu erwarten steht, dass das Gesammtbild durch die Resultate
der eingehenden Untersuchungen, welche wir in der nächsten Zeit von H. B.
Brady zu erwarten baben, wesentlich alterirt werden könnte, indem dieselben
das umfassendste bisher bekannte, recente Material, jenes der Challenger-Ex-
pedition zum Gegenstande haben. Namentlich diese Untersuchungen dürften
aber erst erweisen, ob bei den gekammerten Rhizopoden (Foraminiferen) that-
sächlich zweierlei Entwickelungstendenzen bestehen, wie mir aus dem bis-
her Bekannten hervorzugehen scheint. Es drängt nämlich augenscheinlich
*) C. Schwager. Saggio di una classificazione dei Foraminiferi. Boletino E. com. geol.
d'Italia 1877. pag. 18. Nr. 66.
17*
260 Rhizopoda.
eine Reihe von Formen nach einer Complicirung in dem architektonischen
Gesetze des Aufbaues der Schale, ohne jedoch über den Rahmen der
Protozoennatur hinüberzugreifen ; während die andere dagegen, welche sich
mehr an die Süsswasserformen anschliesst, nach einer höheren Orga-
nisation des Weichkörpers zu gravitiren scheint, und für welche auch die
Schalenform deshalb weit weniger an feste Regeln des Aufbaues gebunden
sein dürfte. Diese letztere Abtheilung wird wohl zum grössten Theile mit
der Gruppe der Arenacea Bütschli zusammenfallen, während als Gipfel-
formen im Sinne der ersteren Rotalia, Polystomella, Nummulites, Fusulina
und Orbitoides etc. gelten können.
Das hier Gegebene soll nur eine in ihren einfachsten Grundlinien
gezeichnete Skizze der Foraminiferen-Entwicklung im Laufe der geologi-
schen Zeiten darstellen; es dürfte aber dennoch genügen, um die fort-
schreitende Entwicklung dieser Formen zu zeigen, die allerdings auch
hier nicht in einer geraden Linie stattfindet, und gerade dadurch charak-
terisirt erscheint, dass bald die eine, bald die andere Gruppe mehr in den
Vordergrund trat; oder anderseits manche, welche gewissermaassen in
eine Sackgasse der Entwicklung gerieth, einen Abschluss ihrer Existenz
fand.
Hcliozoa, Geschichte. 261
II. Unterabtheilung (Unterklasse).
Heliozoa.
1. Uebersicht der historischen Entwicklung unsrer Kenntnisse von den
Heliozoen.
Die geschichtliche Entwicklung der Heliozoen forschung schliesst sich
auf das innigste an den schon früher besprochnen Entwicklungsgang
unsres Wissens von den Süsswasserrhizopoden an, da ja die Heliozoa
ganz vorzugsweise im süssen Wasser ihre Heimath haben. Im Ganzen
hat jedoch die Erforschung dieser nicht gerade sehr umfangreichen und
daher dem Auge des Beobachters seltner sich darbietenden Gruppe lang-
samere Fortschritte gemacht, als dies bezüglich der Süsswasserrhizopoden
zu verzeichnen war; es ist erst der jüngsten Zeit aufgespart geblieben,
den Nachweis zu führen, dass doch auch diese Abtheilung eine bei
weitem reichhaltigere und mannigfaltigere Ausbildung besitzt, als bis vor
verhältnissmässig kurzer Zeit vermuthet wurde.
Die erste Beobachtung und Schilderung eines hierhergehörigen Ge-
schöpfes fällt in die zweite Hälfte des vergangnen Jahrhunderts. Wenn
Joblot' s (1) Abbildung mit Recht auf eine Actinophrys bezogen werden
darf, gebührt ihm (1754) die Ehre des ersten Darstellers eines Heliozoon;
mit Sicherheit dürfen wir dagegen die Trieb o da sol des verdienstvollen
0. F. Müller (2 u. 5) auf Actinophrys und Actinosphaerium (die erst
relativ spät unterschieden wurden) zurückführen. Möglicherweise gleich-
falls hierher gehörig scheint mir ein 1775 von demselben Beobachter (3)
kurz beschriebner Organismus, welcher einen kugligen, bis zu 1 Linie im
Durchmesser erreichenden, grünen Körper besass, von dem allseitig zarte,
farblose Fäden ausstrahlten. Die ansehnliche Grösse dieses in der Ab-
bildung sehr heliozoenartig erscheinenden Organismus verbietet es, den-
selben etwa als ein chlorophyllführendes, einfaches Heliozoenthier zu
deuten; dagegen ist es immerhin möglich, dass es Kolonien zahlreicher
Einzelindividuen eines grünen Heliozoon waren, welche 0. F. Müller hier
beschrieben hat. ^
262 Heliozoa.
Treffliche Untersnehungen , in Anbetracht der sehr beschränkten
Hülfsmittel seiner Zeit, verdanken wir dem Pastor Eichhorn (4, 1783),
der eine musterhafte Schilderung und zahlreiche Abbildungen des Actino-
sphaerium lieferte und namentlich schon die allgemeinen Lebenserschei-
nungen dieses interessanten Organismus vortrefflich aufklärte.
0. F. Müller hatte seine Trichoda sol mit zahlreichen ciliaten
Infusionsthieren in einer Gattung vereinigt und fand hierin an seinem
Nachfolger Ehrenberg einen Gesinnungsgenossen, der zv^ar die erwähnten
Heliozoen von der direkten Gattungsgemeinschaft mit Ciliaten erlöste,
indem er für die Trichoda sol Müller's 1830 die Gattung Actinophrys
errichtete, dieselbe jedoch noch in seinem grossen Infusorien werk (6) in
einer Familie mit ciliaten Infusorien zusammenstellte und so ihre wahren
Beziehungen zu den rhizopodenartigen Organismen völlig verkannte.
Eine Anzahl weiterer Arten und eine neue Gattung Trichodiscus, die
er 1838 noch beschrieb, haben sich theils nicht aufrecht erhalten lassen,
theils konnten sie bis jetzt nicht mit Sicherheit auf seither besser bekannt
gewordene Formen zurückgeführt werden.
Erwähnenswerth erscheint jedoch an dieser Stelle noch, dass sich
Ehrenberg 1840*) tiberzeugte, dass der von Eichhorn beschriebne „Stern"
specifisch verschieden sei von einer kleineren Form, für die er den
Müller'schen Speciesnamen „sol" beibehielt, während die grössere, Eich-
horn'sche Form von ihm jetzt als Actinophrys Eichhornii aus-
gezeichnet wurde.
Ehrenberg hatte jedoch noch in andrer Hinsicht die verwandtschaft-
lichen Beziehungen der Actinophrys irrthümlich aufgefasst, indem er sie
mit seiner den Acinetinen angehörigen Gattung Podophrya zusammen-
stellte, eine Missdeutung, die sich noch verhältnissmässig lange Zeit in
d.er Zusammenfassung der Acineten und der Actinophryeu geltend machte.
Erst Duj ardin erkannte 1841 (7) die wahren Beziehungen der
Actinophrys, geleitet durch seine schon früher genügend betonte, richtige
Deutung des Rhizopodenorganismus. Er würdigte zuerst die wahre Natur
der strahligen Fortsätze des Actinophryenkörpers, indem er sie den
Pseudopodien der Ehizopoden an die Seite stellte und die früher beliebte
Vergleichung mit den Wimpern der Ciliaten abwies. Wie gesagt, wies
er daher den Actinophrysformen, direct neben den Rhizopoden, den ihnen
gebührenden, richtigen Platz an, beharrte jedoch noch bei der irrigen
Vereinigung der Acinetinen mit den Actinophryiden.
Ende der 40 er Jahre wurde diese Auffassung Dujardin's durch die
KöUiker'sche Untersuchung der Actinophrys Eichhornii (9) bestätigt
und gesichert und verschaffte sich denn auch bald allgemeine Geltung
(obgleich noch Perty [12] 1852 der alten Anschauung huldigte). Durch
die eben erwähnten Untersuchungen Kölliker's, durch frühere Beobachtungen
*) Monatsberichte der Berliner Akademie f. d. J. 1840. p. 198.
Geschichte. 263
von Sie bo 1(1 's*), durch weitere von Cohn (10), Claparcde (13),
Fr. Stein (14), Weston (16), Lieber kühn (15), Gl aparede und
Lachmann (17) wurde die genauere Kenntniss der Organisation und
der Lebenserscheinungen von Actinophrys und Actinosphaerium im Laufe
der 50 er Jahre bedeutsam gefördert. Wir heben hier nur den Nachweis
des Ecto- und Entosarks, der contraktilen Vacuolen, des Kerns etc., so-
wie von den Lebenserscheinungen Beobachtungen über Nahrungsaufnahme,
Fortpflanzung und Conjugation hervor. Gegen Schluss der 50er Jahre wurde
durch Untersuchungen von Claparede und Lachmann, hauptsächlich
jedoch von Joh. Müller und E. Häckel die hochinteressante Gruppe der
marinen Radiolarien einer genaueren Erkenntniss zugeführt und damit
hebt denn auch eine neue Phase in der Geschichte unserer Heliozoen an.
Wenngleich keiner der genannten Forscher eine innigere Zusammen-
fassung der damals bekannten Heliozoa mit den Radiolaria befür-
wortete, sondern Alle die ersteren in innige Beziehungen zu den Süss-
wasserrhizopoden brachten, so wurde doch bald eine solche Zusammen-
fassung der beiden Gruppen versucht, und zwar scheint dies zuerst 1861
mit voller Entschiedenheit von Carpenter unternommen worden zu
sein**). Eine genauere Erörterung der für diese Zusammenstellung
maassgebenden Gründe kann hier vorerst nicht unsre Aufgabe sein, es
wird genügen, in dieser Beziehung auf die allgemeinen Gestaltsähn-
lichkeiten, welche die Vertreter beider Abtheilungen darbieten, hin-
zuweisen. Durch eine, im Jahr 1864 von Carter (21) gefundne
neue Heliozoenforni (Acanthocystis) erwuchsen dieser Vergleichung neue
und sehr gewichtige Stützpunkte; in dieser Acanthocystis war nämlich
zuerst mit Sicherheit eine mit Kiesel Nadeln und -Stacheln ausgerüstete
Form nachgewiesen worden, welche eben, auf Grund dieser Eigenthüm-
lichkeit, sehr innige Beziehungen zu den Radiolarien, speciell den Acantho-
metriden, darzubieten schien. Auch in der wichtigen, von M. Schultze
1862 ermittelten Bauweise der Pseudopodien von Actinosphaerium glaubten
wenigstens eine Reihe von Forschern eine neue Verwandtschaftsbeziehung
zu den Radiolarien zu erkennen.
Es dürfte wohl nicht unrichtig sein, wenn wir es hauptsächlich diesen
neueröffneten Gesichtspunkten zuschreiben , dass die Erforschung der
Heliozoen in den folgenden Jahren einen bedeutsamen Aufschwung nahm,
der eben sowohl zu einem tiefergehenden Verständniss des allgemeinen
Baues, wie zur Auffindung einer ziemlichen Reihe neuer und z. Th. sehr
interessanter Formen führte.
Grosse Verdienste erwarb sich in dieser Hinsicht zunächst R. Greeff,
der schon 1867 (27) die grosse Radiolarienähnlichkeit des Actinosphaerium
hervorzuheben glauben durfte und durch seine fortgesetzten, umfang-
reichen Studien unsrer Gruppe, die ihn zur Entdeckung zahlreicher neuer
*) Vergl. Anatomie der wirbellosen Thiere. 1848.
**) On the systematic Arrangement of the Rhizopoda (The nat. history review N. IV.
1861) und Introduct. to the stud. of Foraminifera. 1862.
264 ' Heliozoa.
Formen führten, zu dem beredtesten Vertheidiger dieser Ansicht wurde
(27, 33, 35, 40). Es sei hier gleich betont, dass als Cardinalpunkt für
diese Vergleichung der Nachweis eines, der sogen. Centralkapsel der
Radiolarien entsprechenden Gebildes auch bei den Heliozoen gelten
musste, welcher Nachweis denn auch von Greeff für zahlreiche Heliozoen-
formen, jedoch mit wenig Glück, zu führen versucht wurde. Zur gleichen
Ansicht bekannten sich weiterhin Focke 1868 (28) und Grenacher
(29, 31) 1868 und 69, von welchen der erstere jedoch kaum einen be-
deutsamen Grund für die Zusammenstellung der von ihm gefundenen
Heliozoenformen mit den Radiolarien hervorzuheben wusste, während
Grenacher durch den Nachweis gewisser, vor ihm wenig oder nicht be-
kannter Eigenthümlichkeiten von Actinophrys und Acanthocystis seiner
Ansicht eine gewisse, wenn auch gerade nicht sehr haltbare, Stütze verlieh.
In England begann der verdienstvolle W. Archer etwa zu gleicher
Zeit die Erforschung der Heliozoen (32) und glaubte ebenfalls, auf Grund
seiner Beobachtungen, die nahe Verwandtschaft mit den Radiolarien für
sehr wahrscheinlich erachten zu dürfen.
Im Anschluss hieran sei dann noch erwähnt, dass auch Ant. Schneider
(36) sich sehr energisch zu Gunsten dieser Auffassung aussprach.
Als Gegner der Radiolariennatur der Heliozoa erhoben sich im Jahr
1874, gestützt auf eigne Untersuchungen, R. Hertwig und Lesser (39).
Indem sie die einzelnen, zu Gunsten dieser Auffassung geltend gemachten
Merkmale der Heliozoa einer genauen Besprechung und Vergleichung
unterzogen, gelangten sie zu der Ueberzeugung, dass eine direkte Ver-
wandtschaft zwischen den beiden in Sprache stehenden Abtheilungen,
nach dem Stande der augenblicklichen Kenntnisse, keine Wahrscheinlich-
keit besitze und suchten mit Glück die einzelnen von Greefif, Archer,
Grenacher und Schneider hervorgehobnen Vergleichspunkte zu widerlegen.
Dennoch hatten sie sich hierbei zu weit führen lassen ; wesentlich wegen
der damals in vieler Hinsicht noch mangelhaften Kenntniss der Radio-
larien. So ist hauptsächlich das von ihnen in erster Reihe aufgeführte
Argument, nämlich die Vielzelligkeit der Radiolarien, im Gegensatz zu
der aus ihren Untersuchungen hervorgehenden Einzelligkeit der Heliozoen,
durch die späteren Radiolarienuntersuchungen R. Hertwig's*) selbst hin-
fällig geworden. Immerhin wird den Untersuchungen und Erörterungen
beider Forscher das grosse Verdienst zuzuerkennen sein, dass sie in sehr
präciser Weise die Diflferenzpunkte der beiden Gruppen hervorhoben,
wozu sie eben hauptsächlich ihr tiefergehendes Verständniss des Heliozoen-
organismus befähigte.
Nach dem eben bemerkten wird es nicht verwunderlich erscheinen,
dass R. Hertwig in seinen spätem Arbeiten die frühere, scharfe Entgegen-
setzung der Heliozoen und Radiolarien aufgab und im Jahre 1879 sogar
*) Hertwig, E. , Zur Histologie der Kadiolarien. Leipzig 1876 und: Der Organismus
der Radiolarien. Jena 1879.
Geschichte und Literatur. 265
die BerechtigUDg- der Zusammenstellung beider Abtheilungen zu einer grösse-
ren Gruppe, im Gegensatz zu unseren Rhizopoda, anerkannte. Auch
F. E. Schulze, der gleichfalls eine Reihe hierhergehöriger Formen
durch treffliche Untersuchungen aufklärte, hatte schon 1877 einer ähn-
lichen Ansicht Ausdruck gegeben, indem er die beiden Abtheilungen zu
einer Gruppe der Radiaria zusammenstellte (38, V). Archer stellte sich
in seinen späteren Arbeiten ganz auf den Standpunkt R. Hertvvig's und
Lesser's und gab die direkte Unterordnung der Heliozoa unter die Radio-
laria auf. Wir werden, wie schon früher bemerkt, die Heliozoa als gleich-
berechtigte Gruppe zwischen Rhizopoda und Radiolaria betrachten und
unsere Gründe hiefür späterhin, bei der Besprechung der Radiolaria, etwas
genauer darstellen.
Wie schon aus dem seither Bemerkten hervorgeht, haben die erwähn-
ten Forscher, Greeflf, Hertwig und Lesser, Archer und F. E. Schulze durch
ihre Untersuchungen zur Aufklärung der Bau- und Lebensverhältnisse
unsrer Gruppe sehr wichtige Beiträge geliefert und ihnen reihen sich
weiter noch die Beobachtungen E. Häckel's (der auch den Namen Helio-
zoa aufstellte)*) und Cienkowsky's an.
Um die Erforschung der Fortpflanzungsverhältnisse haben sich haupt-
sächlich verdient gemacht Cienkowsky, Greeflf, Ant. Schneider, F. E. Schulze,
Hertwig und neuerdings A. Brandt.
So sehen wir denn durch die vereinten Bemühungen dieser Beob-
achter unsre Kenntniss der Heliozoen zu einer ziemlichen Ausbildungsstufe
erhoben , von der wir in den folgenden Abschnitten versuchen wollen,
eine Darstellung zu geben.
Literaturübersicht.**)
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**) Alles Wichtige ist hier chronologisch zusammengestellt worden, ohne Rücksicht auf
den Umfang der betreffenden Abhandlungen.
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Allgem. morpliolog. Auffassung. 267
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3. Kurzer lieberblick der morphologi sehen Äiiffassuiig' und Gestaltung'
des Heliozoenkörpers, sowie der Hauptgruppen dieser Abtlieilung:.
Gemäss nnsrer schon früher (p. 1 und 2) gegebenen Definition der
Sarkodinen im Allgemeinen und der Heliozoa im Speciellen, haben wir
die uns hier beschäftigenden Wesen als einzellige Organismen aufzufassen,
seien es nun kernlose, einkernige oder mehrkernige Formen. Nicht selten
begegnen wir jedoch bei ihnen einer Neigung zur Bildung kolonialer Ver-
bände, wofür ja auch schon die Rhizopoden einige Beispiele lieferten. Schon
früher lernten wir ferner die homaxone, kuglige Gestaltung als eine sehr
charakteristische Eigeuthümlichkeit der Heliozoa kennen und zwar zeich-
nen sich durch solche sowohl der hüllenlose Weichkörper wie die Skelet-
oder Hüllbildungen, welche sich bei einigen Formen entwickeln, aus.
Dennoch verrathen auch die hierherzurechnenden Sarkodinen eine all-
mähliche Befestigung dieser, bei den hochentwickelten, typischen Formen
kaum veränderlichen Kugelgestalt.
Eine Anzahl entschieden tiefer stehender Formen zeigt nämlich eine viel geringere
Constanz der homaxonen Gestaltung , die , zwar vorübergehend , im ruhenden Zustand sehr
deutlich hervortritt, dagegen während der Bewegung tiefgreifende Veränderungen erfährt, in-
dem der Gesammtkörper dabei in amöbenartiger Weise seine Gestalt wechselt.
Die noch wenig ausgeprägte Kugelgestalt mancher Formen berechtigt
uns, dieselben zunächst an die nackten Rhizopoden anzuschliessen und
die Annahme wird wohl erlaubt sein, dass die höheren Formen sich all-
mählich aus derartigen einfacheren hervorgebildet haben.
Einen weiteren, höchst wichtigen Charakter bildet die Stellung und
Beschaffenheit der Pseudopodien. Zunächst ist hinsichtlich dieser hervor-
zuheben, dass sie stets sehr fein, strahlenartig, nie jedoch stumpf lobos,
wie die Pseudopodien gewisser Süsswasserrhizopoden, erscheinen. Ferner
strahlen sie fast stets allseitig von der Körperoberfläche aus, wenngleich
auch in dieser Beziehung bei den niederen Formen einige Abweichungen
zu verzeichnen sind. Bei typischer Anordnung strahlen die Pseudopodien
demnach in den Radien des kugligen Heliozoenkörpers aus, so dass eia
268 PIcliozoa.
solcher, mit voll entwickelten Pseudopodien, wohl die Bezeichnung Sonnen-
thierchen verdient.
In Zusammenhang mit dieser Anordnung , wie andrerseits einer
sehr geringen Neigung zur Verästelung und weiterer, später zu er-
wähnender Eigenthümlichkeiten , kommt es nur selten zu Verschmel-
zungen benachbarter Pseudopodien und niemals zur Entwicklung eines
so reich entfalteten Pseudopodiennetzes, wie wir es bei der grossen
Mehrzahl der Rhizopoden antrafen.
Ein Theil der Heliozoa besitzt dann weiterhin noch einen besonderen
Stützapparat der einzelnen Pseudopodien, eine Einrichtung, die sich bis
jetzt nur noch bei gewissen Radiolarien vorgefunden hat. Durch das be-
sondre Verhalten dieser fadenartigen Axeustützen der Pseudopodien im
Innern des eigentlichen Heliozoenkörpers werden noch eine Reihe besondrer
Organisationseigenthüralichkeiten bedingt. — Ein allmählicher Fortschritt
in der Ausbildung des Heliozoenorganismus zeigt sich ferner durch die
bei den höheren Formen meist deutliche Diiferenzirung in Ecto- und Ento-
sark, wie durch den möglichen Kernmangel gewisser niederer Formen.
Contraktile Vacuolen sind sehr allgemein verbreitet, doch wird ihr gelegent-
liches Fehlen, nach den von uns schon früher entwickelten Principien,
keinen Grund zur Abtrennung dieser Formen bilden können.
Von besondrem Interesse und beachtenswerther Wichtigkeit sind die
Skeletelemente, welche sich bei zahlreichen höheren Formen zum Schutze
des Weichkörpers entwickelt haben. Schon die durchaus kieselige Natur
dieser Skeletelemente verräth einen tieferen Unterschied von den gewöhn-
lichen Hüllbildungen der Rhizopoden, nähere Beziehungen dagegen zu den
Radiolarien. Jedoch ist auch die morphologische Entwicklung dieser Skelet-
gebilde ziemlich verschieden von den Hüllgebilden der Rhizopoden. Ihre
Bildung scheinen diese Skelettheile stets auf der Oberfläche des Thier-
körpers durch Abscheidung des Protoplasmas zu nehmen, dagegen er-
strecken sie sich, soweit bekannt, nicht in das Innere des Protoplasma-
leibes, wie dies bei einer ziemlichen Zahl von Radiolarien gefunden wird.
Meist sind es nur lose zusammenhängende, kleine Skeletgebilde, sehr ver-
schiedenartiger Gestalt, welche eine der Oberfläche des Thierkörpers mehr
oder minder dicht aufliegende, kuglige, lockre Hülle bilden. Andrerseits
kann jedoch auch eine allseitig durchlöcherte, zusammenhängende Kiesel-
hülle zur Entwicklung kommen. Gewissen Heliozoen scheint weiterhin dauernd
oder vorübergehend eine gallertartige Umhüllung eigenthümlich zu sein.
Die Fortpflanzungsverhältnisse verrathen, soweit bekannt, ziemliche
Uebereinstimmung mit denen der Rhizopoden. Einfache oder mehrfach
wiederholte (wahrscheinlich z. Th. auch simultane) Theilung im nackten
oder encystirten Zustand scheint sehr verbreitet zu sein. Daneben findet
sich jedoch auch die, uns schon von den Rhizopoden her bekannte Fort-
pflanzung durch Schwärmerbildung.
Auf Grundlage der vorstehenden Erörterungen können wir am Schlüsse
dieses Abschnittes die in der Folge zu unterscheidenden Hauptgruppen
Weichkörper (Protoplasma, Ecto- und Entosark). 269
kurz charakterisiren. Wir fassen die nackten skeletlosen Formen zunächst
zu einer Gruppe der Aph rotlioraca zusammen, reihen hieran die kleine
und bis jetzt noch wenig sichere Abtheilung der Chlamy dophora, der
mit gallertartiger Hülle versehenen Formen ; hieran schliessen sich dann
die Heliozoen mit aus losen Skeletelementen gebildeter Kieselhülle als
Chalarothoraca und endlich diejenigen mit zusammenhängender kie-
seliger Kugelhülle, als Desmothoraca an.
3. Der Bau des Weichkörpers der Heliozoa.
Ein näheres Eingehen auf die allgemeinen Eigenthümlichkeiten des
Protoplfismas der Heliozoa dürfen wir hier füglich unterlassen. Im Be-
sonderen sei nur bemerkt, dass die Consistenz des Plasmas auch hier
eine ziemlich verschiedenartige zu sein scheint, wenn es erlaubt ist, hier-
auf aus der grösseren oder geringeren Intensität der Strömungserschei-
nungen der Pseudopodien und aus dem allgemeinen optischen Verhalten
einen Schluss zu ziehen.
In den meisten Fällen besitzt das Protoplasma keine specifische
Färbung, sondern zeigt den bläulichen bis grünlichen Schimmer, der dem-
selben überhaupt unter dem Mikroskop eigenthtimlich ist.
Doch gibt GreefF für zwei, bis jetzt im Ganzen wenig genau bekannte Formen (Chondro-
pus viridis und Astrodisculus flavescens) eine mehr oder minder intensiv gelbe Färbung des
Plasmas an, während Acanthocystis flava GrfF. (wahrscheinlich identisch mit A. Pertyana Arch.)
eine gelblichbraune Körperfärbung besitzt. Ebenso zeigen die nackten Vampyrellen sehr ge-
wöhnlich eine verschieden nüancirte, anscheinend diffuse Färbung des Plasmas, die, wie es
nach den Cienkowsky'schen*) Untersuchungen (24, 41) nicht zweifelhaft erscheint, in direktem
Zusammenhange mit der Art der aufgenomuienen Nahrung steht. Die auftretenden Färbungen
sind verschiednes Roth, von Hellroth bis Orange und lebhaftem Ziegelroth ; andrerseits finden
sich dagegen auch mehr bräunliche, bis sogar ins Grünliche gehende Färbungen; seltner
hingegen trifft man ungefärbte Exemplare. Ob in diesen Fällen wirklich eine diffuse
Färbung des Plasmas vorliegt, oder ob es sich nur um sehr fein vertheiltes Pigment,
wie es ja bei den Heliozoen so verbreitet ist, handelt, scheint bis jetzt noch kaum hin-
reichend sichergestellt. Speciell bei dem erwähnten Chondropus ist es sogar fraglich, ob der
gelbe, von Greeff beschriebne und abgebildete Sarkodesaum thatsächlich als ein solcher, oder,
wie Archer (42) auch vermuthet, als eine gallertartige Hüllbildung in Anspruch zu nehmen ist.
Der plasmatische Weichkörper der Heliozoa erscheint entweder durch-
aus gleichartig, ohne Differenzirung in besondre Unterabschnitte oder es
lässt sich ein äusseres Ectosark (Rindenschicht) und ein inneres Entosark
(Markschicht) mehr oder weniger deutlich unterscheiden**).
Was zunächst die ersteren Formen betrifft, so dürfen wir sie ohne Zweifel wegen dieser
gleichartigen Beschaffenheit des Plasmas als die einfacheren und niedriger stehenden betrachten.
Dies stimmt auch damit überein, dass wir die grösste Zahl solcher einfach gebauten Formen
*) Chlorophyllreiche Nahrung scheint hauptsächlich die rothen Färbungen hervorzurufen,
wogegen ausschliessliche Diatomaceennahrung hellere Nüancirung bis Farblosigkeit zu erzeugen
scheint.
**) Die erste sichere Unterscheidung des Ecto- und Entosarks scheint 1848 von Nicolet
(8) bei Actinophrys ausgeführt worden zu sein, worauf dann im folgenden Jahr Kölliker (9)
das Gleiche bei Actinosphaerium zeigte.
270 Hcliozoa.
auch unter den skeletlosen antreffen (von den skeletlosen Formen machen nur die Gattungen
Actinoloi)hus, Actinophrys und Actinosphaerium eine Ausnahme). Unter den Chlamydophora
und Chalarothoraca scheint dagegen die DifFerenzirung dieser beiden Plasmaregionen eine
ziemlich allgemeine Verbreitung zu besitzen, wenn auch, wie natürlich, bei gewissen Formen
noch keine völlige Sicherheit bezüglich dieses Punktes erreicht ist. Auffallend erscheint es
unter diesen Verhältnissen, dass die durch ihre vorzügliche Skeletbildung sich auszeichnenden
Desmothoraca nach den übereinstimmenden Angaben der Forscher einer solchen Differenzirung
völlig ermangeln.
Indem wir die Besprechung der specielleren Bildungsverhältnisse und
der unterscheidenden Momente zwischen Eeto- und Entosark auf später
verschieben, muss jedoch hier hervorgehoben werden, dass in der Aus-
bildung dieser Plasmaregionen bei den Heliozoen eine nicht zu verken-
nende Verschiedenheit gegenüber den von uns schon früherhin erläuterten,
entsprechenden Diiferenzirungsverhältnissen gewisser Rhizopoda sich findet.
Während bei den letzteren das Ectosark sich gewöhnlich durch sehr
homogene, körnerfreie Beschaffenheit gegenüber dem körnigen, die Nah-
rungskörper während der Verdauung einschliessenden Entosark auszeichnet,
finden wir hier sehr häufig, jedoch nicht durchaus, das Umgekehrte.
Ueber die gegenseitigen Lagerungsbeziehungen der beiden Plasmaregionen
ist zu bemerken, dass das Ectosark natürlich als eine mehr oder minder
ansehnliche Rindenschicht das centrale Entosark umscheidet, ohne dass
jedoch die beiden Regionen, wie der homaxone Bau des Heliozoenkörpers
es vermuthen liesse, sich stets völlig concentrisch umfassen.
Das letztere ist jedoch ganz sicher der Fall bei Actinophrys und Actinosphaerium
(T. XIV. 7a, XV. la, Ib), wo das Entosark (M) eine centrale Kugel bildet, die von einer,
je nach dem Alter der Thiere verschieden starken Ectosarkhttlle (K) allseitig umschlossen
wird. Inwiefern sich ein derartiges Verhalten auch bei den skeletführenden Formen findet,
muss noch weiterer Forschung unterzogen werden. Gerade bei den in dieser Hinsicht best-
gekannten Chalarothoraca (Acanthocystis hauptsächlich) und ebenso bei der Gattung Actinolo-
phus unter den Skeletlosen findet sich ein durch E. Hertwig (43) nachgewiesenes, abweichen-
des Verhalten. Hier liegt die den Kern umschliessende, mehr oder minder kuglige Entosark-
masse entschieden exceutrisch zu dem Mittelpunkt des Gesammtkörpers , ja sie reicht sogar
an einer gewissen Stelle bis zur Körperoberfläche heran, so dass hier das Entosark, unbedeckt
von Ectosark, einen Theil der Körperoberfläche formirt (XVI. 8a, M). Durch diese excen-
trische Lagerung des Eutosarks, wodurch gleichzeitig eine ebensolche des Kernes veranlasst
wird , erfährt natürlich auch die streng homaxone Bauweise der betreffenden Heliozoen eine
Beeinträchtigung, wenn dieselbe auch in der äusserlichen Gestaltung nicht in Erschei-
nung tritt.
Die Schärfe der Scheidung zwischen Ento- und Ectosark ist natürlich
Verschiedenheiten unterworfen und obgleich beide Regionen thatsächlich
allmählich in einander übergehen, so ist dieser Uebergang z. Th. doch
ein so rascher, dass eine ziemlich scharfe Grenze zwischen beiden Regionen
hervortritt.
Es wird in solchen Fällen nicht sehr verwunderlich erscheinen, dass im Zusammenhang
mit den früher geschilderten Annäherungsversuchen zwischen Heliozoen und Eadiolarien,
hauptsächlich von Greeff für eine Anzahl von Formen die Ansicht geltend gemacht wurde,
dass das Entosark der Centralkapsel der Eadiolarien zu homologisiren sei (im Speciellen ge-
schah dies z. B. für das Actinosphaerium). Im Hinblick auf eine derartige Auffassung, darf
wohl hier nochmals besonders betont werden, dass bis jetzt in keinem Falle eine wirkliche,
membranartige Grenzschicht zwischen Ento- und Ectosark beobachtet worden ist , also eine
Weichkörper (Ecto- und Entosark, Vacuolisation). 271
Einrichtung, die sich der Centralkapsclmembran der Radiolarien an die Seite stellen liesse,
völlig fehlt*). Auch die mehrfach geäusserte Ansicht, dass die Entosarkmasse der Heliozoen
gleichwohl dem in'rakapsulären Protoplasma der Radiolarien zu homologisiren sei, dass dem-
nach unsre Gruppe gewissermaassen den Kadiolarienbau in sehr unvollständig ausgebildeter
Form vorführe, kann ich keineswegs für wahrscheinlich erachten, doch werden die Gründe
hierfür sich besser erst später bei Besprechung der Radiolarien entwickeln lassen.
Indem wir nun zu der Besprechung der besonderen, im Protoplasma
der Heliozoen sich findenden Einschlüsse übergehen , werden wir gleich-
zeitig Gelegenheit haben, die Unterschiede zwischen den beiden Proto-
plasmaregionen genauer zu entwickeln, da ihre Differenz vorzugs-
weise auf der Natur und Vertheilung dieser Einschlüsse beruht. Zu-
nächst wenden wir unsre Aufmerksamkeit den Flüssigkeitsvacuolen zu,
die gerade bei unseren Heliozoen häufig eine ganz hervorragende Rolle
spielen. Unter diesen sind es dann wieder die nicht contractilen oder
doch wenigstens die nicht rhythmisch an- und abschwellenden, welche an
erster Stelle betrachtet zu werden verdienen. Die Entwickelung derartiger
Flüssigkeitsräume im Plasmaleibe der Heliozoa ist eine ungemein ver-
breitete Erscheinung und es dürfte wohl mit Recht bezweifelt werden, ob
sie irgend einer Form gänzlich fehlen, wenn auch bis jetzt für einzelne
Arten ihre Gegenwart nicht mit Bestimmtheit angegeben wird. Was ihre
Vertheilung im Plasmaleib betrifft, so finden sie sich bei mangelnder
Scheidung von Ecto- und Entosark meist ohne Regel durch den ganzen
Körper vertheilt, wogegen die höher dififerenzirten Formen sehr gewöhn-
lich eine mehr oder minder ausgesprochene Verschiedenheit des Ecto- und
Entosarks in Bezug auf die Vertheilung oder das sonstige Verhalten der
Vacuolen erkennen lassen. Aber auch hinsichtlich der Reichlichkeit ihres
Auftretens macht sich ein recht verschiedenes Verhalten kenntlich; wäh-
rend sie nämlich bei einem Theil der Gattungen nur vereinzelt oder doch
im Ganzen spärlich zu bemerken sind, treten sie bei anderen in so reich-
licher Zahl auf, dass das gesammte Protoplasma die alveoläre oder
vacuolisirte Beschaffenheit annimmt, die uns schon bei einzelnen Rhizo-
poden aufstiess. — Doch ist auch der Vacuolenreichthum bei einem und
demselben Individuum Schwankungen unterworfen und werden wir später
noch zu erwähnen Gelegenheit haben , dass selbst solche Formen , für
welche die Vacuolisation durchaus eigenthümlich und constant erscheint,
dieselbe in gewissen Lebensperioden völlig einbüssen können.
unter den einfacheren, nackten Formen zeigt sich eine reichliche Vacuolisation, ja z. Th.
ein ganz schaumiges Plasma bei der Gatt. Nuclearia und ähnlich auch bei gewissen Formen
oder doch unter gewissen Lebensverhältnissen bei Vampyrella, während andererseits die
Vacuolen hier zuweilen nur sehr spärlich gefunden werden. Ein Beispiel für sehr geringe
*) Greeff (27) hat zwar speciell für Actinosphaerium eine membranartige Protoplasma-
hülle um die Entosarkmasse nachzuweisen versucht, und hierin ein Homologon der Central-
kapsclmembran der Radiolarien erblickt, jedoch haben — abgesehen von der schon an und
für sich wenig bedeutungsvollen Vergleichung einer Protoplasmahülle und einer chitinösen
Membran — die späteren üntersucher, F. E. Schulze wie Hertwig und Lesser, eine derartige
Protoplasmamembran um die Entosarkmasse nicht nachzuweisen vermocht.
L
272 Heliozoa.
Entwickelung der Vacuolen, ja wohl zeitweisen völligen Mangel derselben" bietet unter den
Skeletlosen die Gatt. Actinolophus dar und unter den skeletführenden Formen scheint sich
keine zu finden, bei welcher von einer Vacuolisation des Plasmas die Rede sein könnte,
wenn auch spärliche Vacuolen wohl überall gelegentlich angetroffen werden.
Eiae ganz besondere Entwickelung erreichen die Vacuolen bei zwei
typischen skeletlosen Heliozoenformen , den Gattungen Actinophrys und
Actinosphaerium. Hier ist der Reichthum an Vacuolen so gross, dass
eine völlig alveoläre Bildung des Plasmas, wenigstens in gewissen Regionen,
eingetreten ist, wodurch denn auch gelegentlich mannigfache Missdeutungen
dieser Organisationsverhältnisse hervorgerufen wurden.
Etwas einfachere Verhältnisse bietet die kleinere Actinophrysform
dar, indem sich die Vacuolen hier auf das verhältnissmässig sehr dicke
Ectosark beschränken (XIV, 7 a). Sie liegen darin so dicht gedrängt,
dass die sie scheidenden Plasmamassen zu dünnen Scheidewänden werden.
Die grössten, häufig auch etwas convex über die Oberfläche des Thier-
körpers vorspringenden Vacuolen liegen nach aussen, nach innen nehmen
sie allmählich an Grösse ab ; das wenig umfangreiche Entosark, welches den
central gelegnen Kern umschliesst, und sehr allmählich in das Ectosark
übergeht, ist hier ganz vacuoleufrei. Anders hingegen gestalten sich die
Verhältnisse bei dem grösseren Actinosphaerium (XV. 1 a — 1 b) ; hier er-
scheint das gesammte Plasma, Ectosark (R) sowohl wie Entosark (M),
durchaus vacuolär, jedoch unterscheiden sich beide Regionen durch die
Beschaffenheit und die Anordnung der Vacuolen. Das Entosark ist von
zahlreichen kleineren und ohne besondere Anordnung zusammengelagerten
Vacuolen ganz durchsetzt, auch scheinen dieselben hier im allgemeinen
durch etwas stärkere Plasmazwischenwände geschieden zu sein, wenn sie
auch gewöhnlich so dicht zusammengedrängt sind, dass sie sich gegen-
seitig polygonal abplatten. Die bei erwachsenen Thieren etwa Vio — V»;
des Gesammtdurchmessers erreichende Ectosarkschicht weist grössere
Vacuolen auf, welche hauptsächlich im jugendlichen Zustand, wo sie nur
eine einzige Lage im sehr ansehnlich dicken Ectosark bilden, eine sehr
regelmässig radiäre Anordnung besitzen, sich gegenseitig in radialer Rich-
tung abplattend. Im erwachsenen Zustand liegen gewöhnlich mehrere
Schichten von Rindenvacuolen über einander (XV. Ib, R), womit denn
auch die radiäre Anordnung etwas an Regelmässigkeit verloren hat.
Diese Verschiedenheit der Vacuolen Bildung und -Anordnung im Ecto-
und Entosark des Actinosphaerium ist Ursache, dass hier eine ziemlich
scharfe Grenze zwischen den beiden Plasmaregionen sich findet, obgleich
natürlich die eigentliche Plasmamasse beider unmittelbar in einander
übergeht; die Bestimmtheit dieser Grenze wird noch dadurch erhöht, dass
nach F. E. Schulze (38, I.) die Vacuolen der äussersten Grenzregion des
Entosarks sich durch Kleinheit auszeichnen , wie denn hier auch die
dunkeln Körnchen, welche eine Auszeichnung des Entosarks bilden,- be-
sonders reichlich angehäuft sind. Im Ganzen macht diese Grenzregion
des Entosarks den Eindruck grösserer Dichtigkeit und Festigkeit.
Bau des Weiehkörpers (Vacuolisation). 273
Trotz ihrer grossen Constanz sind diese Vacuolen von Actinophrys
und Actinosphaeriiim dennoch vergängliche Gebilde, wenn sie auch unter
den gewöhnlichen Lebensverhältnissen wohl nur gelegentlich und vereinzelt
schwinden und sich wieder neu bilden. Dagegen ist für beide Gattungen
durch die Untersuchungen Hertwig und Lesser's (39), sowie die Ktihne's*)
bekannt, dass sowohl durch heftige mechanische, wie elektrische Reizung
ein Schwinden der Vacuolen des Ectosarks eintritt. Hertwig und Lesser
sprechen von einem Collabiren derselben, Kühne hingegen lässt dieselben
bei Aetinophrys platzen und sich entleeren. Mir scheint das Letztere
überhaupt mehr Wahrscheinlichkeit für sich zu haben. Das Schwinden
der Vacuolen kann schliesslich bei Actinosphaerium so weit gehen, dass
das Ectosark völlig homogen und vacuolenfrei wird.
Bei beiden Heliozoenformen wird dadurch jedoch die Lebensthätigkeit
nicht im geringsten beeinträchtigt, indem nach einiger Zeit die Neubildung
der Vacuolen beginnt und schliesslich das Thier sich völlig wieder zu
seinem ursprünglichen Zustand restituirt. Die Neubildung der Ectosark-
vacuolen bei Actinosphaerium machte auf Hertwig und Lesser den Ein-
druck, als wenn Flüssigkeit aus den centralen Partien in die homogen
gewordene Rinde eindringe. Aber auch ohne solche Veranlassung durch
äussere Reizung tritt im Leben der beiden genannten Gattungen zuweilen
ein Schwinden der Vacuolen ein, ja noch weitergehend, indem für Actino-
sphaerium dann auch die Entosarkmasse devacuolisirt wird. Dieser Fall
ereignet sich, wie wir später noch genauer zu erörtern haben werden, bei
dem Uebergang in den encystirten Zustand, der hierdurch eingeleitet wird.
Ob sich auch sonst gelegentlich eine völlige Rückbildung der Vacuolen
bei einer der beiden in Frage stehenden Gattungen ereignet, scheint sehr
unwahrscheinlich, denn die Angabe Carter's (23), dass er manchmal Aetino-
phrys sol ganz vacuolenfrei beobachtet habe, kann einmal von der zu-
weilen nicht geringen Schwierigkeit herrühren, welche die Beobachtung
der Vacuolen gerade bei dieser Form nach dem übereinstimmenden Urtheil
der Forscher häufig bereitet, andererseits könnte sie jedoch auch durch
Verwechselung mit einer anderen Heliozoenform hervorgerufen wor-
den sein.
Im Anschluss an die vorstehende Besprechung der Vacuolen verdient
fernerhin Erwähnung, dass auch bei unserer Abtheilung, wie wir solches
schon mehrfach bei den Rhizopoden zu verzeichnen hatten, die aufge-
nommenen Nahrungskörper sehr allgemein von sogen. Nahrungsvacuolen
eingeschlossen und hierin der Assimilation unterzogen werden, lieber die
Bildung dieser Vacuolen herrscht keineswegs hinreichende Sicherheit. Bei
Aetinophrys und Actinosphaerium, wo bis jetzt die eingehendsten Studien
über diese Verhältnisse angestellt worden sind, scheint es nicht, dass es
peripherische Vacuolen des Ectosarks sind, in welche die Nahrung auf-
genommen wird und welche so zu Nahrungsvacuolen würden, wie dies
*) Untersuchungen über das Protoi^Iasma. Leipzig 1864.
Bronn, Klassen des Thier-Eeichs. Protozoa. 18
^74 Heliozoa.
mehrfach vermuthet wurde, sondern es ist wahrscheinlicher, dass sich
solche Nahrungsvacuolen durch Flüssigkeitssekretion um die aufgenom-
mene Nahrung bilden. Weiteres über diese Frage wird sich dann noch
besser bei Besprechung der Nahrungsaufnahme mittheilen lassen.
Wenden wir uns im Verlaufe unserer Darstellung jetzt sogleich zu
den sogenannten contractilen Vacuolen, die wie bei den Süsswasser-
rhizopoden auch hier eine weite Verbreitung besitzen. Dennoch haben
wir auch in dieser Abtheilung eine Reihe von Formen zu verzeich-
nen, welchen solche Einrichtungen völlig zu fehlen scheinen, wenn sie
nicht zum Theil durch sehr unregelmässig schwindende und sich
neubildende Vacuolen der schon beschriebenen Art functionell vertreten
werden.
Speciell bei den skeletlosen Formen scheint der Mangel contractiler Vacuolen z. Th.
ziemlich sicher zu sein. So werden sie für Vampyrella und Myxastrum von den Beobachtern
entschieden in Abrede gestellt; auch bei Actinolophus vermisste F. E. Schulze jegliche
Vacuolenbildung, obgleich das Objekt der Beobachtung günstig scheint. Abweichend verhält
sich dagegen die mit Vampyrella nahe verwandte Gattung Nucicaria, indem ihre gewöhnlich
sehr zahlreichen Vacuolen, die schon oben Gegenstand unserer Besprecliung waren, nach
Cienkowsky langsam schwinden und wieder auftauchen (XIV. 1 a), wogegen F. E. Schulze die
Pulsation dieser Vacuolen etwas mehr in der gewöhnlichen Weise beschreibt, indem er ihre
Contraktion plötzlich (also jedenfalls nicht langsam) vor sich gehen lässt und bei Gegenwart
nur weniger grosser Vacuolen sie auch, im Zustand der Füllung, über die Körperoberfläche
vorspringen sah , wie dies von den echten , contractilen Vacuolen zahlreicher Heliozoen be-
kannt ist*). GreelF schliesslich leugnet die Contractilität der Nucleariavacuolen völlig.
Sehr wohl entwickelt sind die contractilen Vacuolen bei den Gattungen Actinojihrys und
Actinosphaerium und sind weiterhin bei den skeletführenden Formen sehr verbreitet. Immer-
hin konnte ihre Anwesenheit bei diesen letzteren bis jetzt noch nicht allseitig constatirt wer-
den, ja es sind eine Eeihe von Gattungen zu verzeichnen , bei welchen bis jetzt für gewisse
Formen das Vorhandensein der contractilen Vacuolen mit Bestimmtheit angegeben wird, wäh-
rend sie anderen abgesprochen werden (so z. B. Heterophrys , Kaphidiophrys , Pompholyxo-
phrys); inwiefern hier nur Schwierigkeit der Beobachtung die Wahrnehmung verhinderte,
oder thatsächlich verschiedenes Verhalten vorliegt, wird erst durch weitere Untersuchungen
festzustellen sein.
Was die Zahl der vorhandenen contractilen Vacuolen betrifift, so
herrscht hierin grosse Variabilität. Während Actiuophrys für gewöhnlich
eine einzige, jedoch meist recht ansehnliche Vacuole aufweist (XIV.
7a, cv), finden wir bei Actinosphaerium gewöhnlich zwei (XV. la, cv),
jedoch zuweilen auch mehr, bis zu fünf. Eine grössere Zahl contractiler
Vacuolen zeigen gewöhnlich auch die skeletführenden Formen, so sind
z. B. bei Heterophrys bis 4, bei Kaphidiophrys pallida bis 20, bei Acantho-
cystis z. Th. sehr zahlreiche contractile Vacuolen gefunden worden. Es
braucht hiernach kaum besonders hervorgehoben zu werden, dass ihre
Zahl bei bestimmten Formen keineswegs constant ist, wenn auch ge-
wisse Grenzen durchaus eingehalten zu werden scheinen.
Ihre Lage haben die Vacuolen auch hier durchaus, wenigstens im
gefüllten und der Contraction nahen Zustand, dicht unterhalb der Körper-
*) F. E. Schulze blieb jedoch zweifelhaft, ob sämmtlichen Vacuolen, wie dies nach der
Gienkowsky'schen Schilderung erscheint, dieses Contraktionsvermögen zukommt.
Bau des Weichkörpers (Contractile Vacuolcn). 275
Oberfläche, demnach bei denjenigen Formen, welche eine Diiferenzirung
in die beiden bekannten Körperregionen aufweisen, im Ectosark. Je
nach ihrer Annäherung an die Körperoberfläche und dem Grad ihrer An-
schwellung vor der Contraktion, zeigen sie uns ein etwas verschiedenes
Verhalten, Liegen sie etwas tiefer unter der Oberfläche und ist ihre
Füllung eine massige, so machen sie sich während der Diastole nicht
durch eine Hervortreibung der Körperoberfläche merklich, wogegen letz-
teres Verhalten, z. Th. in sehr entwickelter Weise, eintreten kann, wenn
ihre Lagerung eine sehr oberflächliche und ihre Anschwellung eine recht
beträchtliche ist. Für das erstere Verhalten bietet uns die Gattung Acantho-
cystis (XVL) ein gutes Beispiel, auch Raphidiophrys (XVL 2) zeigt nur
geringes Vorspringen der Vacuolen, und zwar erst zu Beginn der Con-
traktion. Recht verbreitet erscheint dagegen das zweite Verhalten ; es
lässt sich unter den skeletführenden Formen z. B. gut beobachten bei
Heterophrys und Sphaerastrum (= Heterophrys Fockii Arch.), sowie
Clathrulina; als trefi'lichste Beispiele dieses Verhaltens bieten sich jedoch
die beiden skeletlosen Gattungen Actinophrys und Actinosphaerium dar.
Hier springen die contractilen Vacuolen im Zustand der Diastole weit,
halbkuglig über die Oberfläche des Thierkörpers, zwischen den Basen der
Pseudopodien vor; bei Actinosphaerium, wo die in Mehrzahl vorhandenen
Vacuolen relativ kleiner bleiben, sind sie weniger augenfällig (XV. 1 a, cv) ;
bei Actinophrys hingegen (XIV. 7a, cv) erreicht die einfache Vacuole
meist eine sehr beträchtliche Grösse, zuweilen im Moment der höchsten
Füllung ^/g des Körperdurchmessers, ja sogar nahezu die Grösse des
übrigen Körpers.
Jedenfalls zeigen die seither hinsichtlich der contractilen Vacuolen bei den beiden
erwähnten Gattungen angestellten Beobaclitungen, dass dieselben Gebilde besonderer Art
sind und den übrigen Vacuolen nicht direct an die Seite gestellt werden dürfen; dass
z. B. die Ansicht Grenacher's, der bei Actinophrys die Umbildung einer beliebigen
Vacuole der Körperoberfläche zu einer contractilen für möglich und wahrscheinlich hält, jeden-
falls wenig Berechtigung hat. Grenacher führt als Beweis seiner Ansicht eine Beobachtung
an, die aber keine grosse Sicherheit zu besitzen scheint; er sah nämlich einmal bei einer
Actinophrys die Vacuole ihre Thätigkeit einstellen, dafür jedoch an dem gegenüberstehenden
Körperpol' eine neue Vacuole sich entwickeln.
Wie jetzt für die contractilen Vacuolen der einzelligen Organismen
allgemein anerkannt ist: dass sie einfache mit Flüssigkeit erfüllte, jedoch
nicht mit discreter Membran umkleidete Räume im Plasma darstellen, so hat
sich durch die neueren Beobachtungen diese Anschauung auch für die
Heliozoen im Speciellen allseitig bewahrheitet. Gerade für diese Formen
wurde jedoch früherhin häufig die Existenz einer besondern Vacuolen-
merabran vertheidigt; ja Claparede glaubte einst, die contractile Va-
cuole von Actinophrys mit einer Zelle vergleichen zu dürfen.
Etwas besser wie bei den Rhizopoden wurde bei unserer Abtheilung
die functionelle Bedeutung der contractilen Vacuolen aufgeklärt, wenn
auch bis jetzt hierüber noch keine völlige Sicherheit erreicht ist. Ein
Urtheil über die Bedeutung der Vacuolen lässt sich natürlich vor allem
18*
276 Heliozoa.
ans einer genauen Beobachtimg ihres Bildungs- und Contraelionsvorgangs
mit Berücksichtigung der begleitenden Erscheinungen erlangen. Hierzu
jedoch erscheinen wieder die ansehnlichen Vacuolen der Actinophryen
besonders geeignet. Wir sehen hier ab von einer genaueren Besprechung
irrthümlicher, älterer Vermuthungen, wie z. B. derjenigen Stein's, der ein
die Nahrung aufnehmendes Organ in ihnen erkennen wollte.
Ueber die Entstehung der Vacuolen nach ihrer Contraktion liegen
bis jetzt wenige Beobachtungen vor, jedoch scheint die Neubildung hier
gewöhnlich nicht, wie dies bei Rhizopoden und Infusorien vielfach beob-
achtet wurde, durch Zusammenfluss mehrerer kleiner Vacuolen stattzu-
finden, sondern sich, an Stelle der geschwundenen, alten Vacuole eine
von Anfang an einheitliche, neue zu entwickeln, wobei zuweilen ein Rest
der alten Vacuole als Centrum für die neue Anfüllung fungirt*).
Die Contraktion selbst erfolgt sehr plötzlich, ruckartig und hierbei
fällt die hoch emporgewölbte, äussere, dünne Vacuolen wand in sich zu-
sammen, sich zuweilen deutlich faltend, ja auch bruchsackartige Aus-
sackungen erzeugend; nach völligem Schwund der Vacuole ist zu-
weilen au Stelle des früheren Vorsprungs eine deutliche Abflachung
(Actinophrys) oder auch eine concave (Actinosphaerium) bis trichterförmige
(Raphidiophrys pallida) Einsenkung zu beobachten. Mit den Faltungen
der eingesunkenen Vacuolenwand dürfte vielleicht auch der haarähnliche
Besatz in Zusammenhang zu bringen sein, den Wallich (19a) auf der
eingesunkenen Stelle bei Actinosphaerium beobachtet hat**), wogegen
Archer ***) einen solchen Besatz zuweilen bei einer Varietät von
Actinophrys (wahrscheinlich war dieselbe jedoch gleichfalls Actino-
sphaerium) auf der Peripherie der angeschwollenen Vacuolen wahrgenom-
men haben will. Vielleicht lassen sich jedoch diese haarähnlichen Fort-
satzbildungen auch mit denjenigen vergleichen, die, wie wir früher
sahen, häufig das Hinterende der Amöben auszeichnen.
Eine Anschwellung der benachbarten Vacuolen während der Con-
traktion der pulsirenden wurde bis jetzt mit Sicherheit noch nie beob-
achtet. Hinsichtlich der Function der Vacuole glaubt sich nun Zenker
(25) bei Actinosphaerium mit Sicherheit überzeugt zu haben, dass dieselbe
in einer Entleerung der Vacuolenflüssigkeit nach Aussen bestehe, im
Gegensatz zu der früherhin ziemlich verbreiteten und hauptsächlich von
Claparede für Actinophrys (13) vertheidigten Auffassung derselben als
Cirkulationsorgan , wonach also die sich in ihr ansammelnde Flüssigkeit
wieder in den Körper zurückgetrieben würde. Zenker stützt seine Ansicht
auf die directe Beobachtung eines, bei Beginn der Systole, an einer schon
vorher verdünnten Stelle der äusseren Vacuolenwand sich bildenden
Risses, durch welchen die Entleerung stattfinde und dessen Ränder wäh-
*) Nach Hertwig und Lesser bei Actinophrys stets.
**) Spitzige Fortsätze auf der zusammengefallenen Blase beschreibt auch Lieberkiihn ;
dieselbe soll jedoch nach ihm auch im collabirten Zustand noch als Heryortreibung erscheinen.
***) Quarterl. journ. micr. sc. Vol. 16. p. 299.
Bau des Weichkörpers (Contractile Vaciiolen). 277
reud dieses Vorgangs deutlich in flatternder Bewegung gesehen wurden.
Einige Zeit nach dem Zusammenfallen der Blase sollen die Eissräuder
wieder mit einander verschmelzen und hierauf die Wiederanschwellung
der Vacuole beginnen. Spätere Beobachter des Actinosphaerium , wie
Lieberkühn und F. E. Schulze konnten sich jedoch von der Bildung
eines solchen Kisses nicht überzeugen und auch Hertwig und Lesser
stellen das Einreissen der Blasenwand für Actinophrys entschieden in
Abrede. Dennoch hält F. E. Schulze nach seinen Beobachtungen an
Raphidiophrys die Entleerung der Vacuolenflüssigkeit für sehr wahrschein-
lich, während Hertwig und Lesser über diesen Punkt unentschieden ge-
blieben sind. Wenn wir jedoch sehen, dass durch die neueren Unter-
suchungen die Entleerung der contractilen Vacuole der Infusorien wohl
unzweifelhaft bewiesen erscheint, so dürfen wir, glaube ich, die Zenker'-
sche Beobachtung, trotz der bis jetzt noch mangelnden Bestätigung, nicht
mit zu grossem Misstrauen betrachten, da einmal, wenn eine Entleerung,
wie dies ja höchst wahrscheinlich, thatsächlich erfolgt, diese doch
wohl nur vermittels einer solchen Rissbildung stattfinden kann, und
andererseits solche höchst subtilen Wahrnehmungen zu ihrem Gelingen
häufig besonders glücklicher Bedingungen bedürfen, hinsichtlich derer ja
Zenker ausnahmsweise begünstigt gewesen sein mag.
Halten wir aber mit Zenker die Entleerung der Vacuole für das
wahrscheinlichste, so dürfen wir uns auch wohl hinsichtlich ihrer weiteren
Bedeutung seinen Standpunkt aneignen und in ihr ein Organ erkennen,
das zunächst dem energischen Wasserwechsel des Heliozoenkörpers vor-
steht und im Weiteren den Respirationserscheinungen, welche mit diesem
Wasserwechsel Hand in Hand gehen*). Unannehmbar jedoch scheint
die Vorstellung, welche sich F. E. Schulze (38, L) von der Entstehung der
Vacuole bei Actinosphaerium: durch Endosmose aus dem umgebenden
Wasser, gebildet hat. Zwar mag die Beobachtung ganz gegründet sein,
dass die umgebenden Vacuolen während der Diastole der contractilen
keine Volumverminderung erfahren ; jedoch geht auch die Füllung ziem-
lich allmählich vor sich (10 — 80 Sekunden bei Actinophrys nach Weston)
und andererseits spricht auch, wenn wir die Erscheinungen bei den In-
fusorien berücksichtigen, vieles dafür, dass die Füllung der contractilen
Vacuolen gar nicht direct auf Kosten der nichtcontractilen zu erwarten
ist, sondern dass sie aus dem Plasma unmittelbar gespeist werden. Die
durch die Vacuole nach Aussen entleerte Flüssigkeit wird daher wohl als
allseitig in den Körper endosmotisch aufgenommene, nicht jedoch als
von Aussen speciell in die Vacuole diffundirte betrachtet werden
müssen.
Eine kurze Betrachtung müssen wir hier ferner den zahlreichen und
verschiedenartigen, körnigen Einschlüssen, die im Plasmakörper der Helio-
*) Für Actinophrys hat schon Weston 1 856 die contractile Vacuole als ßespirationsorgan
beansprucht, ohne natürlich diese Ansicht näher zu begründen (16).
278 Heliozoa.
zoen vorkommen, widmen. Wir sehen hier ab von jenen feinsten Körnchen,
die auch dem scheinbar homogenen Plasma gewöhnlich ein sehr fein-
granulirtes Aussehen verleihen. Die gröberen, körnigen Einschlüsse sind
theils angefärbt, theils gefärbt und wirken dann gleichzeitig als Pigmente,
welche bei reichlicherem Vorkommen dem ganzen Heliozoenkörper eine be-
stimmte Färbung ertheilen können. Unser besonderes Interesse verdienen
diese Einschlüsse auch noch deshalb, weil ihre Vertheilung gewöhnlich die
Differenzirung von Ecto- und Entosark sehr wesentlich mit bewerkstelligen
hilft. Ueber die chemische Natur dieser körnigen Einschlüsse ist im
Ganzen wenig Sicheres bekannt. Die ungefärbten, von mehr oder weniger
fettglänzendem Aussehen und scharfen Contouren scheinen z. Th. mit
Recht als fettartige Gebilde betrachtet zu werden, doch werden sich
dieselben bei genauerer Untersuchung wohl z. Th. auch als den schon
bei den Rhizopoden erwähnten sogen. Excretkörnchen entsprechend er-
weisen, namentlich dürfen dahin wohl die scharf co"ntourirten, rhombischen
Krystalle gerechnet werden, welche Hertwig und Lesser in dem Ectosark
von Heterophrys myriopoda Arch. (marina H. u. L.) fanden ; auch die fei-
nen Körnchen, welche häufig in Molekularbewegung in den Rindenalveolen
des Actinosphaerium angetroffen werden, dürften wahrscheinlich derselben
Kategorie von Einschlüssen zuzutheilen sein. Mögen diese körnigen Ein-
schlüsse nun von der einen oder anderen Art sein, so wird ihre, speciell
für Actinosphaerium von KöUiker, jedoch auch für andere Formen von
anderer Seite betonte Zunahme mit reichlicher Ernährung verständlich er-
scheinen. Wie schon bemerkt, ist die Vertheilung solcher Einschlüsse
häufig sehr charakteristisch; so finden wir bei Actinosphaerium kleine,
dunkle Körnchen vorzugsweise reichlich in der Marksubstanz (Entosark)
angehäuft, welche vorzüglich hierdurch ihre dunklere Färbung erhält (XV.
1 b, M) *). Hiermit stimmt denn überein, dass hier die Marksubstanz auch
der Sitz der Assimilation ist. Das Umgekehrte scheint bei den übrigen
Heliozoen mit differenzirtem Ecto- und Entosark durchaus der Fall zu
sein. So treffen wir letzteres Verhalten sehr wohl ausgeprägt bei Actino-
phrys, wie schon Stein 1854 (14) sehr wohl beobachtet hat; hier ist die
nur gering entwickelte, centrale Entosark- (oder Mark-)masse sehr fein-
körnig, wogegen sich in dem vacuolirten Ectosark zahlreiche grössere,
jedoch immerhin keine beträchtliche Grösse erreichende, fettglänzende
Körnchen finden (XIV. 7 a). Aehnliches ist ferner bei den Chlamydophora
und Chalarothoraca sehr verbreitet, so z. B. sehr deutlich zu beobachten
bei Heterophrys (XV. 2), Raphidiophrys (XVI. 2), Acanthocystis (XVI. 7),
ähnlich auch bei dem skeletlosen Actinolophus ; jedoch erreichen bei diesen
Formen die dunkeln Körnchen häufig eine relativ weit bedeutendere
Grösse und das Ectosark derart eine weit grobkörnigere Beschaffenheit.
*) Kölliker (9) hält diese Körnchen für fettartiger Natur; F. E. Schulze hat neben ihnen
noch zahlreiche kleinere, blasse Körnchen beobachtet, die jedoch gleichmässig durch das ge-
sammte Plasma verbreitet sich finden.
Bau des Weiclikörpers (Körnige Einschlüsse vcrscIi. Natur). 279
Gleichzeitig- gesellen sich hier zu diesen dunkeln Körnchen nicht selten
noch gefärbte Einschlüsse verschiedener Art. Unter den Letztge-
nannten sind vor allem zu erwähnen die grünen, meist relativ recht
ansehnlichen, kugligen bis ovalen Körper, vs^elche in grösserer oder
geringerer Häufigkeit im Plasma zahlreicher Heliozoen angetroffen und
wohl mit Recht als Chlorophyllkörner beansprucht werden. Es gibt
eine ganze Anzahl von Formen, bei welchen solche Clilorophyllkörner
nahezu constant vorhanden sind, obgleich sie, wie dies uns auch von
anderen Protozoen bekannt ist, keineswegs als Artcbarakter geltend
gemacht werden dürfen, sondern gelegentlich vollständig vermisst werden.
So ist hier zunächst das Actinosphaerium Eichhornii anzuführen,
das häufig in einer ganz grün gefärbten Varietät vorkommt, welche
ihre grüne Färbung eben der Anhäufung zahlreicher Chlorophyllkörner
im Entosark verdankt*). Umgekehrt scheint nun bei den übrigen chloro-
phyllführenden Heliozoen mit differenzirtem Ectosark, letzteres der Sitz
der Chlorophyllkörner zu sein; es ist dies wenigstens mit Sicherheit er-
wiesen für die gewöhnlich chlorophyllhaltigen Acanthocystisarten und
wohl auch die Heterophrys myriopoda Arch., während bei anderen, ähn-
lich chlorophyllreichen Formen, wie der Raphidiophrys viridis, dem Chon-
dropus viridis Greeff und dem Sphaerastrum Fockii Arch. das Lage-
rungsverhältniss der Chlorophyllkörner nicht sicher bekannt ist. — Zu-
weilen werden neben solchen Chlorophyllkörnern auch ähnlich ge-
staltete und in der Grösse mit ihnen übereinstimmende, blasse, farblose
Körner angetroffen, so hauptsächlich bei Acanthocystis turfacea; und bei
der farblosen Varietät dieser Form scheinen derartige Körner allein vor-
handen zu sein. Auch die mattglänzenden Körner der farblosen Raphi.
diophrys pallida glaubt F. E. Schulze als Vertreter der Chlorophyllkörner
der chlorophyllführenden Arten beanspruchen zu dürfen. Ein solcher
Zusammenhang der farblosen und grüngefärbten Körner scheint überhaupt
nicht unwahrscheinlich, wenn man sich erinnert, dass ja die Chlorophyll-
körner der Pflanzen eine farblose, eiweissartige Grundsubstanz be-
sitzen und wir von andern chlorophyllführenden Protozoen (so Ciliaten)
gleichfalls mit Sicherheit wissen, dass die grünen Körner zuweilen durch
blasse, ungefärbte vertreten sein können. Innerhalb der Chlorophyllkörner
sind zuweilen einige körnige Einschlüsse zu beobachten und nach der
Angabe einiger Forscher, so Greeff's und A. Schneider's, soll ihnen auch
eine Membran zukommen; letzterer will sogar einen Kern sammt Kern-
körper in ihnen beobachtet haben. Greeff bezeichnet sie daher zuweilen
auch als grüne, feste Kapseln (so bei Chondropus viridis) und Schneider
als Bläschen. Vereinzelt steht bis jetzt die nicht unwahrscheinliche
Angabe Greeff s, welcher bei Acanthocystis turfacea eine Vermehrung
*) Archer will auch eine chlorophyllführende Varietät von Actinophrys beobachtet haben ;
jedoch scheint es mir nach den weiterhin noch angegebenen Eigenthümlichkeiten dieser Varie-
tät, dass hier eine Verwechslung mit Actinosphaerium vorliegt.
280 Heliozoa.
der Chlorophyllkörner durch Zwei - und Dreitheilung beobachtet
haben will.
Nach diesen Bemerkungen wird es nicht unverständlich erscheinen, dass die Chlorophyll-
körner der Heliozoa verschiedenen Missdeutungen ausgesetzt waren und dass sie im Speciellen
mehrfach den gelben Zellen der Eadiolarien an die Seite gestellt wurden ; namentlich Schneider,
der ja die Chlorophyllkörner für echte Zellen hält, hat ihre Gleichwerthigkeit mit den gelben
Zellen der Eadiolarien zu vertheidigen gesucht.
Was die Bedeutung der Chlorophyllkörner betrifft, so erhebt sich die Frage, die wir
uns schon bei ähnlichem Verhalten gewisser Rhizopoden vorlegen mussten: sind dieselben
Erzeugnisse des Heliozoenkörpers selbst, oder stammen sie nur von der aufgenommenen, chloro-
phyllhaltigen Nahrung her? Letztere Auffassung scheint im allgemeinen die von Hertwig und
Lesser zu sein, wogegen sich jedoch Archer, wenigstens für diejenigen Formen, welchen die-
selben gewöhnlich als charakteristische und häufige Bestandtheile zukommen, mit Eecht erklärt.
Auch Greeff, der, wie oben bemerkt, die selbstständige Vermehrung solcher Chlorophyllkörner
heobachtet haben will, wird ohne Zweifel letzterer Ansicht sein. Weiterhin dürfte dieselbe
auch wegen des muthmaasslichen Zusammenhangs der grünen Körner mit den oben erwähnten
blassen, und fernerhin wegen der gewöhnlich, wie es scheint, nicht zu beobachtenden weiteren
ümwandlungsprodukte derselben durch die Verdauung, viel mehr Wahrscheinlichkeit für sich
haben. Wenn auch natürlich nicht in Abrede gestellt werden kann , dass sich bei zahl-
reichen Heliozoen als Nahning aufgenommene Chlorophyllkörner finden, so wird doch an der
endogenen Natur des Chlorophylls bei einer Anzahl der oben erwähnten Formen festgehalten
werden müssen (so hauptsächlich bei der grünen Varietät des Actinosphaerium , bei Acantho-
cystis turfacea und Eaphidiophrys viridis).
Aber auch anderweitige gefärbte Körner oder grössere derartige
Kugeln sind im Heliozoenorganismus nicht selten anzutreffen und ihre
Natur ist im allgemeinen noch sehr wenig genau erforscht. Zum Theil
werden sie als fettartige Körper, hauptsächlich die gelbgefärbten, bean-
sprucht, z. Th. fehlt jedoch bis jetzt jede genauere Untersuchung ihrer
chemischen Natur. Auch ist ihre Herkunft in gleicher Weise unsicher;
jedoch dürfte ihre mehr oder minder directe Ableitung von der auf-
genommenen Nahrung grosse Wahrscheinlichkeit haben. Hinsichtlich
ihrer Färbung zeigen diese Körper so ziemlich alle Uebergänge von Gelb
bis zu intensivstem Roth und andererseits auch Braun.
Gelbe kuglige Körper, von wahrscheinlich fettartiger Natur, finden sich häufig bei Acantho-
cystis, mit oder ohne Chlorophyllkörner, vor. Bei der Elaeorhanis Greeff's und dem sogen.
Astrddisculus flavo-capsulatus findet sich ein solch gelber bis bräunlicher, ansehnlicher, kugliger
Körper im Centrum des ganzen Organismus; bei der ersteren Form bezeichnet ihn Greeff als
öltropfenartiges Gebilde, bei der letztern hingegen hat er ihn früher sogar als Homologon der
Centralkapsel der Eadiolarien beansprucht, und in ähnlicher Weise auch die intensiv rothe
Centralkugel seines Astrodisculus ruber*) gedeutet. Neben dieser ansehnlichen, rothen Central-
kugel weist diese Form jedoch auch noch zahlreiche kleine, rothe Pigmentkörnchen auf. Eöth-
liche bis bräunliche Körperchen erfüllen auch das Protoplasma der Pompholyxophrys punicea,
das Ectosark der Pinacocystis, den Astrococcns rufus Greeff's und das Entosark (?) der Piua-
cioi>hora. In spärlicherem Vorkommen sind derartige Farbstoffkörnchen jedoch auch bei andern
Formen bald hier, bald da zu treffen.
Endlich sind es noch die Zellkerne, welche als hochwichtige
Bestandtheile des Heliozoenkörpers unsere Aufmerksamkeit ganz be-
sonders in Anspruch nehmen müssen. In vieler Hinsicht treffen wir hier
*^ =
) = Pompholyxophrys exigua? Hertw. u. Less.
Bau des Weiclikörpers (Körnige Einschlüsse, Zellkerne). 281
ganz ähnliche Verhältnisse, wie sie uns schon bei den Rhizopoden be-
gegneten, sowohl in Bezug auf Vorkommen der Kerne überhaupt, ihre
Zahl, wie ihren Bau. Wie bei den Rhizopoden haben wir auch hier eine
Anzahl von Formen zu verzeichnen, welchen die Anwesenheit der Kerne
überhaupt abgesprochen wird und welche daher häufig in die Abtheilung
der Häckel'schen Moneren verwiesen werden.
Namentlich sind solclie Formen unter den Skeletlosen aufgeführt worden. So wurden
bisher die Kerne vermisst bei der Arachnula Cienk. , bei den meisten Formen der Gattung
Vampyrella, die daher auch gewöhnlich als ein Hauptvertreter der Moneren angesehen wird;
während bei eiuer wohl unzweifelhaft hierhergehörigen Form (der sogen. Leptophrys elegans
H. u. L.) Hertwig und Lesser die Anwesenheit von Kernen erwiesen haben, diese Forscher
sich jedoch auch hinsichtlich der Kernlosigkeit der übrigen Vampyrellen mit grosser Vor-
sicht ausdrücken. Weiterhin werden dann als Monerenformen noch aufgeführt das Myxastrum
Häckcls und die neuerdings von Aim. Schneider beschriebene Monobia, während von Litho-
colla F. E. Seh. und Elaeorhanis Greeff dieser Punkt nicht mit Sicherheit entschieden ist.
Bei allen genauer untersuchten, skeletführenden Heliozoen hat sich
das Vorhandensein eines Kernes constatiren lassen, so dass ich nach vor-
stehender Uebersicht wohl zu dem Ausspruch berechtigt zu sein glaube,
dass das Vorkommen kernloser Formen bis jetzt mit Sicherheit unter den
Heliozoen nicht erwiesen ist, da die Fälle, in denen der Kern bis jetzt
vermisst wurde, entweder solche sind, die seiner Beobachtung überhaupt
sehr grosse Schwierigkeit in den Weg stellen, oder bei denen die modernen
Hülfsmittel der Kernnach Weisung, hauptsächlich die Färbemittel, noch
keine ausreichende Verwendung gefunden haben.
Ueberschauen wir nun zunächst die Zahlenverhältnisse, in welchen
die Kerne sich bei den verschiedenen Heliozoen finden, so treffen wir
hier wieder ganz ähnliche Verhältnisse, wie bei den Rhizopoden. Einer
grossen Reihe von Formen kommt, soweit die Beobachtungen bis jetzt
reichen, fast stets ein einziger Kern zu; so gehören hierher von den
nackten Formen die Nuclearia simplex Cienk,, Actinophrys und Actino-
lophus, ferner die skeletführenden durchaus, soweit bekannt. Dagegen
treffen wir aber unter den nackten eine Anzahl Formen, welche wenigstens
im erwachsenen Zustand durchaus eine Mehrzahl von Kernen aufweisen;
hierher ist zu rechnen die Vampyrellaart, bei der es Hertwig und Lesser
gelang, die Kerne zu constatiren und die deren 3 zeigte; ferner die
Nuclearia delicatula Cienk., welche nach den übereinstimmenden Angaben
der Beobachter stets eine grössere Anzahl von Nuclei (bis 5 und 6) be-
sitzt und weiter als besonders hervorstechendes Beispiel das Actinosphae-
rium, das in grossen Exemplaren ganz ungemein ansehnliche Kernmengen
in seinem Entosark einschliesst; so sind 100 — 200 Kerne hier gar nicht
ungewöhnlich und Carter will bei einem 0,85 Mm. Durchmesser zeigenden
Exemplar sogar 300 — 400 gezählt haben.
Wie die Zellkerne der Heliozoa überhaupt, man kann sagen, eigentlich bis zu den
Untersuchungen F. E. Schulze's und Hertwig und Lesser's, vielfach verkannt wurden, so im
Speciellen die schon frühzeitig, zuerst durch KöUiker 1849, aufgefundenen des Actinosphaerium.
Die erste Beobachtung einee Heliozoenkernes darf wohl Mcolet (1848) zugeschrieben werden,
denn das von ihm beschriebene, centrale Ovarium der Actinophrys war sicherlich nichts
282 Heliozoa.
weiter wie der Nucleus. Stein beobachtete ihn 1854 wieder, kam jedoch über die morpho-
logische Auffassung dieses Gebildes auch zu keinem sicheren Anhalt, da es ihm „als eine
kernhaltige Zelle erschien".
Aehnlich erging es auch den Nuclei von Actinosphaerium , deren Zellennatur schon
Kölliker für möglich hielt und die er auch mit der Fortpflanzung im Zusammenhang stehend
glaubte, eine Ansicht, welche späterhin noch bestimmter von Carter ausgesprochen wurde, der
die Kerne geradezu für Fortpflanzungszellen hielt. Auch M. Schnitze und Häckel konnten
sich noch nicht von der Zellennatur dieser Kerne losmachen, dagegen haben denn GreefF und
späterhin F. E. Schulze, wie Hertwig und Lesser, ihre Kernnatur über jeden Zweifel sicher
gestellt.
Für Actinosphaerium ist durch neuere Beobachtungen nachgewiesen
worden, dass die hohe Zahl {der Kerne erwachsener Thiere allmählich,
von einem jugendlichen ein- oder wenigkernigen Zustand ausgehend,
durch Vermehrung der Kerne erreicht wird.
Bei den skeletftihrenden Formen ist bis jetzt nur sehr wenig von
mehrkernigen Zuständen bekannt geworden, jedoch hat R. Hertwig bei
Acanthocystis häufig zweikernige Exemplare getroifen, F. E. Schulze selten
ähnliche Verhältnisse bei Raphidiophrys pallida, während Archer bei Rh.
viridis gelegentlich auch mehrere Kerne gefunden hat. Fügen wir hierzu
noch die zeitweilige Beobachtung zweier Kerne bei Actinolophus durch
F. E. Schulze und Hertwig, so finden wir, dass mehrkernige Zustände
auch bei den gewöhnlich einkernigen Formen der Heliozoen nicht durch-
aus fehlen. Ob jedoch aus der Anwesenheit mehrerer Kerne ein directer
Schluss auf bevorstehende Vermehrung durch Theilung gezogen werden
darf, wie dies natürlich auch hier geschehen ist, müssen wir, ebenso
wie bei den Rhizopoden, als sehr fraglich und die Bedeutung der Mehr-
kernigkeit auch hier noch als unsicher bezeichnen.
Die Lagerung der Kerne im Heliozoenorganismus ist z. Th. eine
recht charakteristische. Bei den Formen ohne deutlich differenzirtes Ecto-
und Entosark tritt zwar eine bestimmte Lagerung nicht hervor, dagegen
sind bei den höher Entwickelten die Nuclei durchaus dem Entosark ein-
gefügt. In letzterem Fall besitzt der einfache Kern z. Th. eine genau
centrale Lage, so dass also durch seine Lagerung die homaxone Bil-
dung des ganzen Organismus noch deutlicher hervorgehoben wird (XIV.
7a — b, n). Mit Sicherheit darf dieses Verhalten für Actinophrys angegeben
werden, doch scheint auch noch einigen weiteren Formen, wie z. B.
Pompholyxophrys, Hedriocystis und wohl auch Clathrulina dieselbe Kern-
lage eigenthümlich zu sein. Häufiger hingegen treffen wir excentrische
Lage des oder der Kerne und scheint dies zunächst mit der, wie ge-
schildert, häufig etwas excentrischen Einlagerung des Entosarks im Zu-
sammenhang zu stehen. Ausgezeichnete Beispiele für letzteres Verhalten
bieten uns die Gattungen Acanthocystis (XVI. 7a — b, n), Raphidiophrys
(XVI. 2, n) und Actinolophus (XIV. 6a, n) dar; der Kern ist hier, wie
es scheint, stets sehr weit vom Centrum abgerückt, so dass er sich
dicht unterhalb der äusseren Oberfläche vorfindet. Wie späterhin, bei
Besprechung der Pseudopodien noch genauer zu erörtern sein wird, steht
Bau des Weiclikörpers (Zellkerne). 283
jedoch diese exceutrische Verlagerung des Kernes bei den erwähnten
Formen noch mit einer besonderen Organisationseinrichtung im Zusammen-
hang, welche im Centrum dieser Heliozocn ihren Sitz hat und wodurch es
verständlich wird, dass hier eine centrale Lage des Kernes gar nicht
möglich ist. Auch bei dem durch seine grosse Kernzahl ausgezeich-
neten Actinosphaerium findet sich eine excentrische Lagerung der Nu-
clei, indem sie in der peripherischen Region des Entosarks angehäuft
sind, wogegen dessen centrale Partie kernfrei bleibt.
Was die specielle Bauweise der Heliozoennuclei betrifft, so finden
wir auch hierin wieder die nächsten Beziehungen zu den Rhizopoden. Am
genauesten in dieser Hinsicht sind wohl die Kerne des Actinosphaerium
und der Actinophrys bekannt. Diese kugelrunden oder ellipsoidischen Kerne
zeigen stets, wie dies für die Heliozoen überhaupt gültig erscheint, den
sogen, bläschenförmigen Bau, d. h. eine äussere Rindenschicht (auch
häufig als Kernmembran bezeichnet) umschliesst einen mit heller Masse
(wahrscheinlich Flüssigkeit) erfüllten Raum, der ein oder zuweilen auch
mehrere, stets jedoch ziemlich ansehnliche Kernkörperchen enthält. Im
lebenden Zustand erscheinen sowohl die Rindenschicht wie das Kern-
körperchen ziemlich homogen, wogegen sie nach Behandlung mit ver-
dünnter Essigsäure oder anderen coagulirenden Reagentien eine mehr oder
minder grobgranulirte bis bröcklige Beschaffenheit annehmen. Während
nun die meisten Heliozoenkerne gewöhnlich nur einen solchen Nucleolus
erkennen lassen, bieten die Kerne von Actinosphaerium recht häufig, wie
dies schon von M. Schnitze beobachtet und späterhin von GreeflP,
F. E. Schulze, sowie Hertwig-Lesser bestätigt worden ist, mehrere,
nach M. Schultze bis zu 20, Kernkörperchen dar (XIV. 8a — b). Bis jetzt
wurde jedoch über die Bedeutung dieses verschiedenen Verhaltens mit
Sicherheit noch nichts ermittelt. Einige weitere Eigenthümlichkeiten
dieser Actinosphaeriumkerne habe ich*) noch angedeutet; zunächst sieht
man häufig recht deutlich zahlreiche zarte, plasmatische Fäden in radialer
Richtung von dem oder den Kernkörperchen nach der Kernrinde aus-
strahlen (XIV. 8 a) und weiterhin wurde es mir sehr wahrscheinlich, dass
diese Kernrinde nochmals von einer sehr zarten Membran umschlossen
wird, die eigentlich den Namen Kernmembran zu erhalten hätte. Auch
Grenacher glaubt sich am Kern der Actinophrys, der in allen wesent-
lichen Eigenthümlichkeiten mit den eben etwas genauer betrachteten des
Actinosphaerium übereinstimmt (XIV. 7a — b, n), von der Gegenwart
einer solchen Membran tiberzeugt zu haben, wogegen Hertwig und Lesser
dieselbe nicht aufzufinden vermochten.
Die feinere Bauweise der Wäsclienförmigen Kerne der übrigen Heliozoen ist im Ganzen
bis jetzt noch wenig genau bekannt; gewöhnlich ist nur der häufig recht ansehnliche Nucleolus
mit der ihn umschliessenden Flüssigkeitshöhle erkannt worden , wogegen genauere Beobach-
tungen über die Eindenschicht und Kernmembran bis jetzt fehlen.
*) Studien über die ersten Entwickelungsvorg. etc. p. 67. Abb. d. Senckenb. naturf.
GeseUsch. Bd. X. 1876.
284 Heliozoa.
Zum Beschluss unserer Betrachtung der Kernverhältnisse der Heliozoa
werfen wir noch einen Blick auf die wenigen Erfahrungen, welche bis jetzt
über die Vorgänge der Kernvermehrung vorliegen. Obgleich in dem
an Kernen so reichen Actinosphaerium , von dem es erwiesen ist, dass
die Zahl seiner Kerne sich, vom einkernigen Zustand ausgehend, mit zu-
nehmender Grösse successive vermehrt, ein sehr geeignetes Objekt für
das Studium der Kernvermehrung vorzuliegen scheint, ist es bis jetzt bei
dieser Form doch nicht geglückt, den Process der Kernvermehrung zu
erforschen.
Die einzigen Beobachtungen über diesen Vorgang wurden von
F. E, Schulze bei Actinolophus und von R. Hertwig bei Acanthocystis
angestellt. Beide Forscher schildern denselben ganz nach dem für
die Kerntheilung früher allgemein acceptirten Schema. Der Kern sammt
Kernkörperchen streckt sich etwas bandförmig in die Länge, schliesslich
wird das langgestreckte Kernkörperchen nach F. E. Schulze bisquitförmig
und zerfällt, noch vor der eigentlichen Kerntheilung, in zwei gesonderte
Nucleoli, um die sich je ein heller Hof bildet (Kernsaft plus Kernmem-
bran) ; schliesslich rücken Jdie beiden neugebildeten Kerne auseinander.
Nach R. Hertwig's Angaben scheint jedoch bei Acanthocystis die
Durchschnürung des eigentlichen Kernes und des Kernkörperchens mehr
gleichzeitig zu erfolgen, ohne dass vorher zwei gesonderte Kernkörper
gebildet worden wären.
4. Die Pseudopodien, die Nahningsaufnahme , sowie die Bewegungs-
erscheinun^en der Heliozoa.
Die allgemeinen Bildungs- und Anordnungsverhältnisse der Pseudo-
podien der Heliozoen waren schon, bei der Vorbesprechung der allge-
meinen morphologischen Bildung dieser Gruppe, Gegenstand unserer
Betrachtung; es zeigen sich aber bei etwas näherem Eingehen auf die
vorliegenden Verhältnisse doch so manche Verschiedenheiten und inter-
essanten Differenzirungen , dass wir noch etwas genauer auf die spe-
ciellen Einrichtungen Rücksicht nehmen müssen.
Charakteristisch sind, wie schon mehrfach bemerkt, für unsere Gruppe
die strahlenförmigen, feinen und meist einen relativ starren Eindruck
machenden Pseudopodien; jedoch finden sich, wenn auch selten, und
z. Th. nur unter gewissen Bedingungen, einige wenige Ausnahmen von
dieser Regel. So entwickelt die Vampyrella Spyrogyrae, wie schon
Cienkowsky beobachtet hat, und Hertwig und Lesser bestätigten,
neben den gewöhnlichen, fadenförmigen, spitzen Pseudopodien zuweilen
einzelne, breitere, stumpf - lappige und hyaline Fortsätze, die rasch
hervortreten und wieder verschwinden. Bei anderen Heliozoen scheint
sich eine regelmässige Entwickelung solcher stumpfer Pseudopodien-
fortsätze kaum zu finden, oder doch nur unter gewissen Verhältnissen
Bau des Weichkörpcrs (Zellkerne, Pseudopodien). 285
einzutreten. Doch konnte Greeff (33) ziemlich häufig bei Acanthocystis
turfacea (vorzugsweise bei jugendlichen Exemplaren) an wechselnden
Stellen der Körperoberfläche das Hervorbrechen breiter, stumpfer, amöboid
beweglicher Plasmafortsätze beobachten. Dieselben waren gewöhnlich
fingerförmig zertheilt und drängten bei ihrem Hervortreten die Skelet-
hüUe auseinander, so dass eine mehr oder minder weite Lücke in der-
selben entstand.
Wie bei Besprechung der Nahrungsaufnahme weiter unten noch
genauer zu erörtern sein wird, scheint hierbei (wenigstens bei Actinophrys)
ein stumpfer, lappiger, wie ein Pseudopodium sich erhebender Fortsatz
eine wichtige Rolle zu spielen und nach Claparede's wie Weston's Beob-
achtungen scheint es, dass sich solche stumpfe Fortsätze gelegentlich
auch vorübergehend, ohne dass es zur Nahrungsaufnahme käme, entwickeln
können.
AVeiterhin kommen eigenthümliche, von der Bildung der gewöhnlichen
sehr abweichende Pseudopodien auch während eines gewissen Lebens-
stadiums des Actinosphaerium vor, wovon wir erst durch A. Brandt in
neuester Zeit Nachricht erhalten haben (44, 45). Vor dem Uebergang in
den encystirten Zustand nämlich, bevor noch die strahligen Pseudopodien
völlig eingezogen worden sind, nimmt das Actinosphaerium vorübergehend
einen eigenthümlichen, amöboiden Zustand an, indem es kurze bis längere
zipfelartige, sehr fein zugespitzte und z. Th. mehrfach gegabelte Pseudo-
podien ausstreckt, mit deren Hülfe es sich langsam kriechend fortbewegt.
Dieser amöboide Zustand ist jedoch von relativ kurzer Dauer, schon
nach höchstens 24 Stunden vergeht er und es tritt die eigentliche En-
cystirung ein.
Ein solch amöboider Zustand ist nun, wie wir schon früher hervor-
zuheben Gelegenheit hatten, bei einem Theil der von uns zu den Helio-
zoen gezogenen, nackten Sarkodinen noch während des grösseren Theils
des Lebens dauernd erhalten: so bei Arachnula, Nuclearia und Vamp}^-
rella. Zwar werden hier, mit Ausnahme der schon erwähnten Vampyrella,
nur feine fadenartige Pseudopodien entwickelt, dagegen ist der ganze
Weichkörper ziemlich lebhaft amöboid gestaltsveränderlich und die Orts-
bewegung erfolgt durch Hinströmen in der uns von früher her bekannten
Art der Amöben. Dabei wird denn entweder eine einfach längsgestreckte
Gestalt angenommen (XHL IIa), oder es zieht sich der Körper auch in
mehrere nach verschiedenen Richtungen sich erstreckende Lappen aus,
während er zu andern Zeiten eine abgerundete, der typischen Heliozoen-
form sich näher anschliessende Gestaltung annimmt.
Auch hinsichtlich der Vertheilung der Pseudopodien über die Körper-
oberfläche zeigen die eben erwähnten , von den typischen Heliozoen am
meisten abweichenden Formen, noch nicht die charakteristischen Verhält-
nisse der letzteren, indem die Pseudopodien hier zuweilen nicht allseitig
von der Körperoberfläche hervortreten, sondern nur auf einem Theil
286 Heliozoa.
derselben entwickelt sind , namentlich randlich oder von den Enden der
Lappen, in welche der Weichkörper, wie erwähnt, gelegentlich ausgezogen
ist. Auch hinsichtlich ihrer Gestaltung zeigen die Pseudopodien dieser
Gattungen noch eine mehr an die Rhizopoden erinnernde Beschaffenheit,
indem sie recht häufig noch zwei- bis dreifach spitzwinklig gegabelt
auslaufen, ohne dass jedoch gewöhnlich die benachbarten Pseudopodien
durch Verschmelzung zur Bildung von Netzen Veranlassung geben würden.
Doch herrscht auch bei den typischen Heliozoen noch eine gewisse
Freiheit in der Pseudopodiengestaltung, so dass sich mancherlei Ab-
weichungen von der einfachen, regulären Strahlen- oder Fadengestalt auch
hier aufführen lassen.
Was die Bildung der Pseudopodien letztrer Formen anlangt, so ist
zunächst der Unterschied in der Gestaltung hervorzuheben, die etwa von
einer sehr langgestreckt kegel- oder stachelartigen Form, wie sie sich bei
Actinosphaerium findet (XV. Ib), bis zur Ausbildung äusserst feiner, zar-
ter, fadenförmiger Bildung hinfuhrt. Hinsichtlich ihrer Längenverhältnisse
zeigen sie ziemliche Verschiedenheiten; relativ kurz bleiben sie bei Actino-
sphaerium (etwa den halben bis den gesammten Durchmesser erreichend) ;
ähnlich kurz sind sie auch bei Pompholyxophrys (XV. 4, und den wenigstens
z. Th. wohl hiermit identischen Astrodisculusformen Greeff's), sind jedoch
hier gleichzeitig sehr fein und zart und in sehr spärlicher Zahl über die
Körperoberfläche vertheilt*). Eine ansehnlichere Länge erreichen die
Pseudopodien schon bei Actinophrys (XIV. 7 a), wo sie gewöhnlich den
Durchmesser des Körpers an Länge übertreffen, noch länger jedoch, bis
zu dem zwei- und dreifachen (ja auch noch mehr) des Körperdurch-
messers, werden sie bei Acanthocystis (XVL 6 a), Raphidiophrys (XVL 2),
Pinacocystis (XVL 4), Pinaciophora, Actinolophus (XIV. 6 a), Clathrulina
(XVII. 1 a) und anderen ; jedoch kann in einer und derselben Gattung
bei verschiedenen Arten die Pseudopodienlänge ziemliche Schwankungen
aufweisen. Wie oben schon angedeutet, ist jedoch auch die Zahl der der
Körperoberfläche entspringenden Pseudopodien recht beträchtlichen Ver-
schiedenheiten unterworfen und scheint im Allgemeinen als Regel auf-
gestellt werden zu können, dass die Pseudopodienzahl mit der Grössen-
zunahme der Formen wächst.
Wichtiger als die eben hervorgehobenen Unterschiede erscheint je-
doch die eigenthümliche innere Differenzirung, welche bei den höheren
Heliozoen zur Bildung eines unter dem Namen des Axenfadens bekannten
Stützapparates des Pseudopodiums geführt hat. Wie weit eine solche
Einrichtung durch die Reihe der Heliozoen verbreitet ist, lässt sich heute
noch nicht mit Sicherheit ermessen, da die Schwierigkeiten der Beobach-
tung solch feiner Verhältnisse sehr gross sind. Unzweifelhaft erwiesen
ist ihr Vorhandensein bei den Gattungen Actinophrys, Actinosphaerium,
*) Aehnlich verhalten sich auch Chondropus und Astrococcus Greeff, von welchen der
letztere wenigstens kaum hinreichend von Astrodisculus unterschieden zu sein scheint.
Bau des Weichkörpers (Pseudopodien, Axenfäden derselben). 287
Actinoloplius, Acanthocystis und Eapliidiophrys; zweifelhaft hingegen, ja
wenig wahrscheinlich, ist sie bei Clathrulina, wo Greeft' die Differenzirung
der Pseudopodien in Axenfäden und Rindenschicht behauptet, während
Hertwig und Lesser dieselbe in Abrede stellen.
Am besten zu beobachten sind diese Verhältnisse bei dem grossen
Actinosphaerium, wo sie auch zuerst durch M. Schnitze 1863 (20) und
kurze Zeit darauf von Carter (21) aufgefunden worden sind. Man sieht
hier sehr deutlich durch die Axe des ziemlich dicken Pseudopodiums
einen homogenen , etwas dunkleren Faden hinziehen , der sich deutlich
von der körnigen Pseudopodien-Rindenschicht unterscheidet (XV. 1 b, ax)
und welcher sich nicht nur durch das ganze Pseudopodium, sondern auch
noch durch die protoplasmatische Masse des Ectosarks, in die Scheide-
wände zwischen den Vacuolen eingesenkt, bis zur Grenze des Entosarks,
ja z. Th. auch noch ein Stück weit in dieses hinein, verfolgen lässt.
Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass diese Axenfäden thatsächlich
eine Art elastischer Stützorgane der relativ starren Pseudopodien dar-
stellen, jedoch gewiss nicht Skeletgebilden direet verglichen werden
dürfen. Sie bestehen aus organischer Substanz, welche sich bei dem Hervor-
strecken eines Pseudopodiums aus dem sich erhebenden Protoplasma
des Ectosarks direet differenzirt oder ausscheidet, wie dies von Brandt
(45) bei der Neubildung der Pseudopodien beobachtet wurde. Hier-
bei sieht man zunächst einen ziemlich breiten , kegelförmigen Proto-
plasmafortsatz als Anlage des künftigen Pseudopodiums sich erheben, in
dessen Axe sich allmählich die erste Spur des Axenfadens als feines,
nadelartiges Gebilde zeigt.
Andererseits kann jedoch auch bei der Zurückziehung des Pseudo-
podiums der Axenfäden wieder völlig rückgebildet, d. h. in dem Körper-
protoplasma aufgelöst werden, was jedenfalls bei der gänzlichen Ein-
ziehung der Pseudopodien Tor Beginn der Encystirung geschieht, jedoch
auch bei sonstiger Rückziehung der Pseudopodien einzutreten scheint,
wenngleich es nicht völlig sichergestellt ist, ob hierbei nicht z. Th. auch
nur eine Zurückziehung des Axenfadens, ohne Auflösung, stattfindet.
Brandt, der diese Verhältnisse einer genaueren Untersuchung unterzog, will beobachtet
haben, dass namentlich das Ectosark eine l)esondere Lösungsfähigkeit für die Axenfäden be-
sitze und dass die Wiederlöslichkeit der Axenfäden eine sehr verschiedene sein könne, indem
die erst kürzlich gebildeten noch eine grosso, die schon vor längerer Zeit entstandenen hin-
gegen nur eine geringe Wiederlöslichkeit besässen. Den Grund hierfür sucht er in der eigen-
thtimlichen chemischen Beschaffenheit dieser Gebilde; während nämlich nach ihm die neu-
gebildeten Axenfäden aus reinem Vitellin bestehen, soll sich diesem späterhin noch eine
andere 'organische Substanz beimischen, welche wohl die geringere Löslichkeit der älteren Axen-
fäden veranlasse. Weiterhin haben jedoch Brandt seine Untersuchungen der Axenfäden noch
gelehrt, dass dieselben, namentlich im jugendlichen Zustand, mit einander verschmelzen können,
wodurch also eine noch flussige oder doch plastische Beschaffenheit derselben angezeigt wird.
Andererseits liess sich jedoch auch selbstthätige Contraktion derselben manchmal nachweisen,
wobei sie entweder in toto sich verkürzten und entsprechend verdickten oder auch lokale,
Spindel- bis knotenförmige Anschwellungen zeigten.
288 Heliozoa.
Viel grössere Schwierigkeiten bietet die Beobachtung der Axenfäden
bei den übrigen genannten Heliozoengattungen; was einmal daher rührt,
dass bei der grösseren Feinheit der Pseudopodien die Verhältnisse über-
haupt viel schwieriger zu eruiren sind, andererseits jedoch auch wohl
damit zusammenhängt, dass hier die aus dünnflüssigerem Ectoplasma ge-
bildete Rindenschicht der Pseudopodien eine viel geringere Dicke besitzt
und daher schwieriger von dem Axenfäden unterschieden werden kann.
Es sind daher vorzüglich die in den Weichkörper selbst eintretenden Enden
der Axenfäden, welche hier zur Wahrnehmung gekommen sind und deren
Verhalten z. Th. ein sehr eigenthümliches und von dem bei Actinosphae-
rium gefundenen, abweichendes ist. Bei letzterer Form sind, wie bemerkt,
die Axenfäden bis an die Grenze oder bis in die äusserste Region des
Entosarks zu verfolgen , indem sie allmählich an Dicke zunehmen ; hier
jedoch enden sie und zwar mit keilförmig abgestutzten Enden, wie zuerst
von Greeff nachgewiesen wurde.
Von diesem eben geschilderten Verhalten weichen, wie bemerkt, die
übrigen Heliozoen, bei welchen Axenfäden mit Sicherheit erkannt worden
sind, in sehr beraerkenswerther und interessanter Weise ab. Hier näm-
lich, bei Actinophrys, Acanthocystis , Raphidiophrys und Actinolophus
lassen sich die Axenfäden viel weiter in die centralen Partien des Kör-
pers und, wo ein Entosark entwickelt, in dieses verfolgen, ja sie treten,
mit Ausnahme von Actinophrys, bis zu dem Centrum selbst heran und
vereinigen sich hier zusammenfliessend in eigenthümlicher Art. Bei Actino-
phrys haben sich bis jetzt die verschiedenen Forscher noch nicht völlig
über das centrale Verhalten der Axenfäden geeinigt. Grenacher (29), der
dieselben zuerst entdeckte, gibt an, sie bis zu der Oberfläche des central
gelegenen Kerns verfolgt zu haben und ich kann, nach eigenen Unter-
suchungen dieses Verhalten bestätigen. Greeff (35) will sie sogar in die
vermeintliche Centralkapsel (ohne Zweifel den Kern) eintreten und in
deren Centrum sich vereinigen gesehen haben. Von solch tiefem Ein-
dringen der Axenfäden konnten sich jedoch Hertwig und Lesser nicht
überzeugen, dagegen glaubt Hertwig (43) durch neue Untersuchungen
gefunden zu haben, dass die Axenfäden in einiger Entfernung vom Kern
rait rundlichen Anschwellungen endigen, sich jedoch jedenfalls nicht bis
zum Centrum erstrecken. Wie schon oben gesagt, muss ich die Grenacher'-
sche Darstellung, nach eigner Erfahrung, für die richtige halten. Bei den
drei anderen, oben genannten Gattungen hat sich dagegen das Verhalten
der Axenfäden im Innern des Heliozoenkörpers durch die Bemühungen
von Grenacher, Greeff, F. E. Schulze und Hertwig allmählich recht sicher
ermitteln lassen. Hier steht einer centralen Vereinigung derselben kein
Hinderniss im Wege, indem der Kern, wie früherhin geschildert wurde,
eine excentrische Lage besitzt. Es lassen sich denn auch die Axenfäden
bis zu dem im Entosark gelegenen Centrum des Körpers verfolgen, wo
sie sich mit einem hier befindlichen, dunklen, kleinen und in Car-
min sich lebhaft färbenden Körperchen vereinigen (XVI. 2, 7 a).
Pseudopodien (Körnchenströmung etc.). 289
Dieses Verhalten ist für Acantliocystis, Eaphidiophrys und Actinolopluis durch F. E.
Schulze und Hertwig erwiesen worden, wovon die Beobachtungen Grenacher's, der zuerst die
centrale Vereinigung der Axenfäden bei Acanthocystis sah (31) und die Greeff's (40) bei der-
selben Gattung etwas abweichen. Letzterer gibt auch für diese Form an, die Axenfäden bis
in das Innere der von ihm beschriebenen, sogen. Centralkapsel, welche nach Beschreibung und
Abbildung ohne Zweifel der Nucleus der übrigen Autoreu ist, verfolgt zu haben, ja er sah
sie auch noch in den Nucleolus eintreten und in diesem an einer central gelegenen, hellen,
bläschenartigen Höhlung endigen (XVI. 6 a). Ein Zweifel an der Identität der von Greeff be-
schriebenen sogen. Centralkapsel mit dem Nucleus dürfte kaum gerechtfertigt sein, so dass
sich vorerst die abweichende Darstellung dieses Forschers wohl nur in der Weise mit der der
obengenannten Autoren ins Einvernehmen setzen lässt, dass Greeff sich durch eine üeberein-
anderlagerung des Nucleus und des centralen Ausstrahlungspunktes der Axenfäden täuschen
Hess. Jedoch sind Greeff's Angaben, bezüglich dieser Verhältnisse, so bestimmt gehalten und
auf den Abbildungen seiner vermeintlichen Centralkapsel tritt die Axenfädenstrahlung so deut-
lich hervor, dass eine nochmalige genaue Aufklärung dieses Punktes durch erneute, exakte
Beobachtungen sehr zu wünschen wäre.
Wie an den feinen Pseudopodien der Rhizopoden tritt auch an denen
der Heliozoen die sogen. Körnchenströmung mehr oder weniger deutlich
hervor. Da wir über das Wesen und die Erscheinung dieses Strömungs-
processes schon früherhin, bei Gelegenheit der Rhizopoda, genaueres mit-
getheilt haben, so können wir uns hier auf einige wenige Bemerkungen
rücksichtlich dieses Phänomens im Heliozoenorganismus beschränken.
Was zunächst den Körnchenreichthura der Pseudopodien oder der sogen.
Rindenschicht der höher differenzirten Pseudopodien angeht, so herrscht
in dieser Hinsicht ziemliche Mannigfaltigkeit; ob wirklich dauernd ganz
körnchenfreie Pseudopodien anzutreffen sind, wie sie Archer z. B. bei
Raphidiophrys viridis und dieser wie Hertwig und Lesser bei Pompho-
lyxophrys beschreiben, scheint mir fraglich. Im Allgemeinen ist die, von
Claparede bei Actinophrys zuerst aufgefundene, Körnchenströmung bei
den Heliozoen langsam, so namentlich bei Actinophrys und Actinosphae-
rium, jedoch finden sich auch Formen mit relativ ziemlich lebhafter Strö-
mung. So soll sie bei Acanthocystis beträchtlich lebhafter sein wie bei
Actinophrys, und weiterhin finden sich auch einige, wiewohl bis jetzt
nicht ausreichend bekannte Formen, welche sich durch sehr lebhafte Be-
wegungen der Pseudopodienkörnchen auszeichnen, wie Greeff solche bei
seinem Chondropus und Astrococcus beobachtet hat. Recht energisch scheint
»ich ferner die Körnchenbewegung bei gewissen Vampyrellen (V. lateritia
Frs. = Spyrogyrae Cienk.) zu vollziehen, da hier nach Cienkowsky's Schil-
derung, welche Hertwig und Lesser bestätigten, die Körnchen stossweise in
die Pseudopodien hineingeworfen werden und sich ebenso rasch wieder
zurückziehen. Dagegen treffen wir auch eine andere Form derselben
Gattung (V. pendula Cienk,), welcher die Körnchenbewegung ganz abgeht.
Schon bei früherer Gelegenheit wurde hervorgehoben, dass sich
auch bei den Heliozoen, wenngleich nicht häufig, Anastomosen und Ver-
schmelzungen benachbarter Pseudopodien zeigen, die aber kaum jemals
zur Bildung eines wahren Pseudopodiennetzes Veranlassung geben. Die
B 1- o n n , Klassen des Thier-Eeichs. Protozoa. 19
290 Heliozoa.
Neigung zur Bildung solcher Verschmelzungen hängt bei den Heliozoen
wohl hauptsächlich von zwei Faktoren ab, nämlich einmal, bei der
strahligen Anordnung der Pseudopodien, von einer ziemlich dichten
Stellung derselben, wodurch die Möglichkeit gegeben wird, dass benach-
barte bei geringer Lageveränderung in Berührung gerathen, weiterhin
jedoch auch von einer gewissen, natürlichen Disposition des Plasmas zur
Verschmelzung. Gelegentliche Zusammenneigung und Verschmelzung
einiger benachharter Pseudopodien sind daher bei Formen mit ziemlich dicht
gestellten Scheinfüsschen gerade keine Seltenheit; so wird derartiges be-
richtet von Actinophrys und Actinosphaerium, in reicherer Ausbildung
noch von Clathrulina und zuweilen auch Actinolophus.
Im Anschluss an die Besprechung der Pseudopodienverhältnisse
dürften weiterhin die Bewegungserscheinungen des Gesammtkörpers
unserer Organismen, soweit dieselben bis jetzt der Erforschung zu-
gänglich gewesen sind, und ebenso die Vorgänge bei der Nahrungsauf-
nahme, welche ja, wie zu erwarten, aufs innigste mit dem Verhalten der
Pseudopodien in Zusammenhang stehen, hier zur Sprache gebracht werden.
Ein Theil der Heliozoa schliesst sich, bezüglich der Bewegungs-
erscheinungen, noch ziemlich innig an die amöbenartigen Formen der
Rhizopoda an; es sind dies, wie schon aus früheren Schilderungen zur
Genüge hervorging, eben diejenigen einfachsten Formen, welche nach ihrem
ganzen Verhalten gewissermaassen Uebergangsstufen von den einfacheren
Rhizopoden zu den Heliozoen darstellen. In solcher Weise verhalten sich
Arachnula, Vampyrella, Nuclearia und Monobia, die eine mehr oder
weniger energische, amöboide Kriechbewegung ihres Gesammtkörpers
zeigen, ohne dass jedoch hierdurch die Bildungsverhältnisse der feinen
Pseudopodien merklich beeinträchtigt würden.
Im Gegensatz zu den genannten Formen sind nun die Bewegungs-
erscheinungen der typischen Heliozoen fast durchaus sehr wenig aus-
giebig und für gewöhnlich mit keinem oder doch nur einem sehr gering-
fügigen Gestaltswechsel verbunden. Uebereinstimmend wird von den ver-
schiedenen Beobachtern die Ortsbewegung dieser Foroien als sehr
langsam beschrieben und nur als seltener Fall hiervon gelegentlich eine
Ausnahme notirt, wie sie sich z. B. bei der Gattung Pompholyxophrys
Arch. findet, deren Angehörige sich durch relativ sehr energische Orts-
bewegung auszeichnen, in Folge deren der Körper „wie eine Kugel über
die Unterlage rollt" (nach der Schilderung von Hertwig und Lesser).
Diese langsame Fortbewegung der meisten Heliozoen, welche sowohl beim
Ruhen auf einer Unterlage als im schwimmenden Zustand erfolgt, blieb
einer ganzen Reihe von Beobachtern, hinsichtlich ihrer Verursachung,
unverständlich, so dass zu ihrer Erklärung z. Th. Vorgänge zu Hülfe
gezogen wurden, welche wohl kaum in einem näheren Zusammenhang
mit diesen Bewegungsvorgängen stehen. So glaubte Stein sich die Be-
wegungen des Actinosphaeriums durch die heftigen Contractionen der con-
Bcwegungsersclieinungen. 291
tractilen Vacuole erklären zu können*). Dagegen haben andere Forseber,
so hauptsäcblicb Cobn (11), wie Claparede und Lacbmann, die in Rede
stebende Fortbewegung auf einer Unterlage durcb die Pseudopodien be-
werkstelligen lassen , die sich anheftend und verkürzend den Körper
weiter ziehen, ein Erklärungsversuch, der mir natürlicher erscheint.
Aehulich sprechen sich auch Hertwig und Lesser aus, wenn auch
ihre Darstellung keineswegs ganz verständlich erscheint; nach ihnen
„balancirt die Heliozoe auf der Spitze der Pseudopodien und bewegt
sich mit Hülfe der Contractionen (?) derselben wie eine Kugel rotirend
vorwärts."
Schwieriger noch wie die Erklärung der Fortbewegung auf einer
Unterlage gestaltet sich die der freien Schwimmbewegungen, welche haupt-
sächlich bei Actinophrys und Actinosphaerium genauer untersucht worden
sind. Diese Schwimmbewegungen vollziehen sich zunächst wieder in ver-
schiedener Weise, einmal durch Aufsteigen und Niedersinken, weiterhin
jedoch auch durch seitliche Ortsveränderungen im schwimmenden Zustand.
Der erstgenannte Bewegungsvorgang wurde schon im vorigen Jahrhundert von
Pastor Eichhorn bei Actinosphaerium beobachtet und wahrscheinlich z. Th.
auch richtig erklärt (4). Es scheint wenigstens nach den neueren Unter-
suchungen von Brandt (45), dass Eichhorn und ähnlich späterhin Kölliker
und Perty insofern das Richtige getroffen haben, als sie die Herabsen-
kung schwimmender Thiere durch Zusammenziehung, also Volumsver-
minderung, ihres Leibes erklärten. Dass zwar das Actinosphaerium eine
Hohlkugel darstelle, wie sich Eichhorn dachte, haben die späteren For-
schungen nicht bestätigt und ebensowenig wird sich das Aufsteigen der
Thiere im Wasser durch eine Ausdehnung des Körpers erklären lassen,
da ja hierbei das specifische Gewicht nicht unter das des Wassers herab-
sinken kann. Dass jedoch, wie bemerkt, die Senkung thatsächlich auf
eine Körpercontraction zurückzuführen ist, hat Brandt zunächst durch die
mittels Messung direct constatirte Volumsverminderung erwiesen, anderer-
seits hierfür jedoch auch das veränderte, milchweisse Aussehen der sin-
kenden Thiere namhaft gemacht, welches gleichfalls eine grössere Dichte
derselben anzeigt.
Ueber die Ursachen des Aufsteigens sind dagegen bis jetzt kaum
sichere Erfahrungen gemacht worden; zwar wurde von Ehrenberg (6)
behauptet, dass dasselbe von einer Luftaufnahme (Actinophrys) her-
rühre; es Hesse sich daher vermuthen, dass hier in gleicher Weise,
wie bei gewissen Rhizopoden, eine innere Gasentwickelung als Ursache
des Aufsteigens vorhanden sei. Dem gegenüber muss aber hervor-
gehoben werden, dass bis jetzt von keinem Beobachter eine solche Gas-
entwickelung bei einem Heliozoon gefunden wurde und Brandt dieselbe
für Actinosphaerium ganz entschieden in Abrede stellt. Unter diesen Ver-
*) Ausgeschlossen ist hierdurch natürlich nicht, dass die heftigen Contractionen der
pulsirenden Vacuolen bei Actinophrys und Actinosphaerium ruckartige Erschütterungen des
Thicrkörpers hervorrufen, was Leidy (50) neuerdings wieder mehrfach liervorhob.
19*
292 Heliozoä.
hältnissen kam Br. zur Vermuthung, dass die Verringerung des specifischen
Gewichtes, welche zur Erklärung des Aufsteigens ja unbedingt erforder-
lich erscheint, wohl auf die reichliche Auflösung von Gas in der Vacuolen-
flüssigkeit zurückfiihrbar sei, wodurch gleichfalls das specif. Gewicht des
Gesammtkörpers sich vermindere. Letzteres ist jedoch äusserst unwahrschein-
lich*). Mir scheint bis jetzt die Möglichkeit, dass auch bei den Heliozoen
eine directe Gasentwickelung, ähnlich der gewisser Rhizopoden , die Ur-
sache des Aufsteigens sei, noch nicht hinreichend widerlegt, da ja die
Wahrscheinlichkeit solcher Gasausscheidung nicht gering ist, wenn wir
uns erinnern, dass z. B. auch gewisse Infusorien nach Engelmann's Be-
obachtungen zuweilen solche Gasentwickelung erkennen lassen.
Grosse Schwierigkeit bereitet weiterhin die Erklärung der seitlichen
Schwimmbewegung gewisser Heliozoen, hauptsächlich des Actinosphaerium.
Wenn wir hier absehen von Zuhülfenahme der contractilen Vacuolen zur
Erklärung dieser Bewegungsvorgänge, so finden wir bis jetzt nur bei
Brandt einen Versuch zur Deutung dieser Erscheinung. Er beobachtete
bei den in Drehung und seitlicher Fortbewegung gefundenen Actino-
sphaerien eine eigenthümliche, abweichende Stellung der Pseudopodien;
der grössere Theil derselben war häufig schief nach einer Seite geneigt und
zwar stets nach der der Drehungs- und Fortbewegungsrichtung entgegen-
gesetzten. Hauptsächlich stark trat diese Schiefstellung an zwei entgegen-
gesetzten Polen der Kugel hervor, wogegen die Aequatorialstrahlen ihre
regelmässig radiäre Anordnung noch zeigten. In dieser Verfassung Hess
sich die Umdrehung eines Thieres etwa in 12 Minuten verfolgen. Ueber
die Ursache der Schiefstellung der Pseudopodien blieb Brandt unsicher,
ebenso ob dieselbe die Bewegung veranlasse oder nur von der Bewegungs-
ursache mitbedingt werde. Es scheint nun wohl erklärlich, dass ein der-
artiges Zusammenneigen der Strahlen nach einer Seite eine Umdrehung
des kugligen Körpers durch Verlagerung des Schwerpunktes zu veranlassen
im Stande ist, jedoch wird hierbei die Drehungsrichtung — wenn ich
anders Brandt recht verstehe — gerade die umgekehrte der beobachteten
sein und sich dadurch weiterhin für die Seitenbewegung schwerlich eine
plausible Vorstellung gewinnen lassen. Im Gesammten scheint daher bis
jetzt das Verständniss dieses Bewegungsvorgangs noch wenig aus-
reichend.
Die Nahrungsaufnahme der Heliozoä geschieht, wie zu erwarten,
hauptsächlich unter Beihülfe der Pseudopodien, jedoch liegen bis jetzt
nur spärliche Angaben über die Natur dieses Vorganges vor. Dass die
Heliozoä sich durch Aufnahme geformter und z. Th. thierischer, ja unter
Umständen recht ansehnlicher Nahrungskörper ernähren, war schon für
*) Einer derartigen Annalime scheinen nämlich die Erfahrungen über das Verhalten der
Flüssigkeiten bei der Absorption von Gasen zu widersprechen ; wenigstens ist bekannt , dass
Wasser durch Sättigung mit Kolilensäure niclit leicliter, sondern dicliter und schwerer wird-
Nach S. von Wroblewski besitzt das mit Kohlensäure gesättigte Wasser (Temp. 9 — 12", mitt-
lerer Barometerstand) eine Dichte von 1,0002 (s. Annalen der Physik und Chemie 1877, p. 500).
Nahrungsaufnahme. 293
Actinosphaerium dem alten Eichborn sehr wohl bekannt und es niuss als
ein entschiedener Rückschritt bezeichnet werden, wenn Diijardin noch
in den dreissiger Jahren die Ernährung der Actinophryen durch Ab-
sorption erklären zu müssen glaubte. Wie natürlich, beziehen sich die
meisten Angaben über die näheren Vorgänge bei der Nahrungsaufnahme
unserer Thiere auf die beiden ansehnlichen und häufigen Formen Actino-
phrys und Actinosphaerium. Wenn nun auch die Erfahrung, dass diese,
sowie die übrigen Heliozoenformen, pflanzliche und thierische Nahrung
in reichlicher Menge zu sich nehmen, heutzutage nicht mehr dem geringsten
Zweifel unterliegt, so ist doch über die Art und Weise, wie sich unsere
Organismen beim Fang und der Aufnahme ihrer Beute verhalten, noch
keineswegs allseitige Uebereinstimmung erzielt worden. — Zunächst dürfen
wir hier absehen von gelegentlich geäusserten Anschauungen, welche ihre
Irrthümlichkeit bald verriethen, so die Steins, der bei Actinosphaerium
die contractilen Vacuolen als nahrungsaufnehmende und abscheidende
Organe beanspruchen zu dürfen glaubte. Die einfacheren, amöboid be-
weglichen Formen zeigen in ihrer Ernährungsweise ebenfalls Anklänge
an die ihnen noch näher verwandten Ehizopoden, wie solches namentlich
von Cienkowsky und Häckel für die Vampyrella nachgewiesen wurde.
Die V. spyrogyrae ernährt sich von dem Zellinhalt der Spyrosyren und zwar legt sie
sich, au den Spyrogyrcufädeu hiukriechend , au eine Zelle derselben an, ihre Pseudopodien
unverändert ausstreckend oder sie einziehend und bohrt nun die Zellwand an , öder löst viel-
mehr dieselbe an einer gewissen Stelle auf, so dass sie sich, durch dass so entstandene Loch
des gesammten Zellinhalts der Spyrogyre zu bemächtigen im Stande ist. Man sieht nun auch
sehr bald, wie der gesammte Inhalt der Zelle, Primordialschlauch sammt Chlorophyllband, in
die Vampyrella hereingezogen wird (XIII, 1 1 b). In dieser Weise geht die Vampyrella plün-
dernd an dem Spyrogyrafaden weiter, bis sie schliesslich einen, später genauer zu erörternden
Ruhezustand annimmt. — In ganz ähnlicher Weise erwirbt sich auch die V. pendula Cienk.
ihre Nahrung aus verschiedenen Algen.
Etwas anders dagegen verhalten sich die V. vorax C. und die V. gomphonematis Häcli. ;
die erstere ernährt sich ganz nach Rhizopodenart durch ümflicssen und Aufnahme von Dia-
tomeen, Desmidiaceen und Euglenen, wogegen die letztere auf festsitzenden Gomphoncmastöck-
chen lebt, hier einzelne Zellen umfliesst und sie derart ihrer assimilirbaren Substanzen beraubt
(XIII. 13 a).
« Nicht unähnlich geschieht auch die Ernährung der Nuclearien, über die uns hauptsäch-
lich auch wieder Cienkowsky Mittheilungen gemacht hat. Die Nuclearia delicatula Cienk.
scheint sich besonders interessant zu verhalten, indem sie die von den Vampyrellen schon
heimgesuchten Cojiferven noch nachträglich ausplündert. Sie streckt hierbei einen oder einige
hyaline Protoplasmafortsätzc tief in die Algenzellen hinein; diese Fortsätze lösen sich an ihrem
Ende in ein vielfach verzweigtes, ausgedehntes Protoplasmageflecht auf und dieses umfliesst
allmählich die noch vorhandenen Reste des Inhalts der Algenzelle, welche durch Zurück-
ziehung der Protoplasmafortsätze dem Nucleariakörpcr zugeführt werden. Jedoch vermag diese
Art auch, wie es für die N. simplex sogar gewöhnlich der Fall zu sein scheint, durch ein-
faches ümfliessen kleinerer oder grösserer Nahrungskörper sich nach Rhizopodenart zu ernähren.
Wie schon hervorgehoben, besitzen auch bei den typischen Heliozoen
die Pseudopodien eine sehr wichtige Bedeutung für die Nahrungsaufnahme
und zwar scheinen dieselben vorzugsweise zum eigentlichen Einfangen
der Beute, die häufig aus raschbeweglicben Infusorien und sonstigen
kleinen Wasserthieren besteht, Verwendung zu finden. Es ist mehrfach
294 Heliozoa.
beobachtet worden, dass kleine derartige Thierehen, welche in den Pseudo-
podienwald einer Actinophrys, Actinosphärie oder Acanthocystide hinein-
geriethen, oder denselben sogar nur berührten, sehr rasch ihre Bewegungen
einstellten und nun in gleich noch näher zu erörternder Weise den Helio-
zoen zur Beute wurden.
Hieraus haben eine Anzahl Forscher, und wohl nicht ohne Recht,
auf eine schnelltödtende oder doch lähmende, giftige Wirkung der Pseudo-
podien geschlossen, so hauptsächlich Ehrenberg, Weston, Hertwig-Lesser
und Leidy. KöUiker dagegen glaubte für Actinosphaerium eine solche
Wirkung der Pseudopodien in Abrede stellen zu müssen, wogegen
Häckel für Myxastrum das Anhaften der Beute an den Pseudopodien
auf eine klebrige Oberflächenbeschaffenheit derselben zurückzuführen
sucht.
In welcher Weise sich nun aber auch der lähmende Einfluss der
Pseudopodien gewisser Heliozoen auf die mit ihnen in Berührung gerathene
Beute geltend machen mag, im Ganzen scheint es sicher, dass die
Scheinfüsschen durch einen solchen Einfluss den Fang der Nahrung
unterstützen, wenn sie auch nicht gerade wie Fangspiesse wirken, wie
Perty (12) seiner Zeit vermuthete, der kleine Infusorien sogar auf den Ten-
takeln der Actinophryen aufgespiesst beobachtet haben wollte.
Hat sich nun derart ein Heliozoon mittels seiner Pseudopodien eines
Nahrungskörpers bemächtigt, so handelt es sich darum, denselben dem
eigentlichen Körper zuzuführen und in diesen aufzunehmen, ein Vorgang,
der von den verschiedenen Beobachtern nicht immer in übereinstimmender
Weise beschrieben worden ist. In manchen Fällen scheint ein einfaches
Herabgleiten des Nahrungskörpers an den Pseudopodien, wohl verbunden
mit theilweisem Umfliessen desselben durch die Rindenschicht der Schein-
füsschen, stattzufinden, in welcher Art sich z. ß. nach H. und L. die
Nahrungszufuhr bei Acanthocystis gestalten soll. Ein solches Umfliessen
der Nahrung, schon durch die Pseudopodien, wird dadurch noch wahr-
scheinlicher, dass bei Clathrnlina nicht selten grössere Nahrungskörper
nicht bis in die Centralmasse des Körpers hineingezogen, sondern an
einem Pseudopodium, welches durch Protoplasmazufluss verstärkt wird,
ausserhalb der Schale verweilen und hier assimilirt werden.
Anders hingegen soll sich nach den Beobachtungen von Kölliker bei
Actinosphaerium und denen Häckels an dem in vieler Hinsicht verwandten
Myxastrum die Aufnahme der Nahrung in das eigentliche Körperproto-
plasma gestalten. Hier wird der betreffende Nahrungskörper allmählich
der Körperoberfläche genähert, indem die ihn umgebenden Pseudopodien
sich allseitig über ihm zusammenneigen und ihn dergestalt zur Körper-
oberfläche hinabdrücken. Im Verlaufe dieses Vorgangs soll sich dann
auf der Körperoberfläche, gegenüber dem sich annähernden Bissen,
eine grubenartige Einsenkung bilden, in die der aufzunehmende Kör-
per einsinkt und indem die Grube sich hierauf über ihm schliesst
wird derselbe in den Heliozoenkörper selbst aufgenommen. Mit dieser
Nahrungsaufnahme. 295
Schilderung- stimmt auch die Beschreibung, welche Wallich von der
Nahrungsaufnahme bei Actinosphaerium gibt, ziemlich wohl überein;
nach ihm soll sich theils durch Verschmelzung der Pseudopodien, welche
die Nahruug gefangen haben, theils in dem Ectosark, dem die Nahrung
genähert wird, eine Cavität bilden, in welche die Beute eingeschlossen
wird. Zweifelhaft erscheint mir nach seiner Beschreibung nur, ob er
diese Cayität sich als eine geschlossene Vacuole vorstellt, in welche die
Nahrung, ähnlich wie bei manchen Flagellaten, eingepresst würde, oder
ob sie, wie KöUiker es beschreibt, eine ursprünglich offene Grube dar-
stellt, die sich erst später über dem Nahrungskörper schliesst.
Nicht unwesentlich verschieden scheint sich dagegen der Process der
Nahrungsaufnahme bei Actinophrys zu gestalten. In ziemlich überein-
stimmender Weise wird nämlich von Claparede und Weston beschrieben,
dass sich hier von der Körperoberfläche ein ziemlich breiter Fort-
satz (der nach Claparede aus einer schleimigen Masse besteht, wäh-
rend Weston ihn als eine zarte Membran beschreibt) dem aufzunehmenden
Nahrungskörper entgegen erhebe, welcher Fortsatz den Nahrungskörper
überziehe und einschliesse. Beide Forscher stimmen schliesslich auch
darin tiberein, dass sich derartige Fortsätze zuweilen auch ohne Nah-
rungsaufnahme plötzlich hervorbilden und wieder eingezogen werden
und Weston glaubt noch beobachtet zu haben , dass dieselben bei dieser
Gelegenheit vor ihrer Zurückziehung eine schleimige Masse entleerten.
Auch Lieberkühn konnte diese Art der Nahrungsaufnahme für Actino-
phrys bestätigen, wogegen Leidy (50) neuerdings die gleiche Art der
Nahrungsaufnahme nicht nur Actinophrys, sondern auch Actinosphaerium,
Acanthocystis und Raphidiophrys zuschreibt. Gelegentlich sah er bei
Actinophrys eine solche Protoplasmamasse von so beträchtlicher Grösse
sich entwickeln, dass sie nahezu die Hälfte der Oberfläche des Thier-
körpers umgriff.
Diese Schilderungen erinnern sehr an die frühere Angabe Ehren-
bergs, welcher den Actinophryen einen zur Nahrungsaufnahme dienenden,
vorstülpbaren Rüssel und eine, am gegenüberliegenden Körperpol befind-
liche Afteröflfnung zuschrieb. Es dürfte also sehr wahrscheinlich sein,
dass jener von Ehrenberg angegebene Rüssel der bei Actinophrys zur
Nahrungsaufnahme sich vorschiebende, breite, pseudopodienartige Fortsatz
war, wenn auch die meisten späteren Beobachter diesem vermeintlichen
Rüssel eine abweichende Deutung geben zu müssen glaubten ; so erklärten
ihn Claparede und Stein für die contractile Vacuole, Kölliker hingegen
glaubte ihn als ein in Entwicklung begriffenes Pseudopodium deuten zu
müssen. Auch den After, Vielehen Ehrenberg beobachtet zu haben an-
gibt, suchte Stein auf die gewöhnlich vorhandene, zweite contractile
Vacuole des Actinosphaerium zu beziehen.
■ Wie bei zahlreichen Rhizopoden und Protozoen überhaupt, wird auch
bei den Heliozoen die dem Körper einverleibte Nahrung meist in sogen.
Nahrungsvacuolen eingeschlossen, deren Entstehung ziemlich allgemein
296 Heliozoa.
durch Sekretion von Flüssigkeit im Umkreis des aufgenommenen Nah-
rungskörpers erklärt wird. Damit dürfte jedoch auch für unsere Orga-
nismen keineswegs ausgeschlossen sein, dass sie gelegentlich durch
gleichzeitig mit dem Bissen eingeschlossenes Wasser erzeugt werden, wie
denn auch z. B. Häckel bei Myxastrum ihnen eine derartige Entstehung
zuschreibt.
Die aufgenommene Nahrung verweilt bei den Heliozoen mit deut-
licher Differenzirung von Ecto- und Entosark fast durchaus in ersterem,
und dringt nicht in das feingranulirte Entosark ein. Eine Ausnahme
bietet in dieser Hinsicht nur das Actinosphaerium dar, wo die Nahrungs-
körper stets durch das Ectosark rasch in das Entosark überwandern,
sich in letzterem ansammeln und hier der Assimilation unterworfen werden.
Für die Ausstossung der unverdauten Nahrungsreste scheint nirgends
(wie dies ja bekanntlich Ehrenberg für die Actinophryen behauptet hatte)
eine bestimmte, vorgebildete Stelle oder gar Oeffnung vorhanden zu sein,
sondern die Entleerung an einem beliebigen Orte der Körperoberfläche
vor sich zu gehen.
4. Skeletbilrtuiigeu der Heliozoa*).
A. Gallertige Hüllbild uugcu.
Wie wir schon bei den Rhizopoden, wenngleich verhältnissmässig sel-
ten, gallertartige Umhüllungen zu erwähnen hatten, finden wir Aehnliches
auch unter den Heliozoa und werden dieser Einrichtung später in viel
ausgebreiteter und entwickelterer Weise bei den Radiolaria wieder be-
gegnen. Solche Umhüllungen treten bei den Heliozoa entweder nur vor-
übergehend, zu gewissen Zeiten, auf oder sind constant vorhanden, müssen
sich dann wenigstens schon auf sehr frühen Entwickelungsstadien her-
vorgebildet haben.
Als Bildungen ersterer Art begegnen wir ihnen bei Nuclearia und
Actinolophus, wenigstens lassen sich die bei jenen Formen zuweilen beob-
achteten, eigenthümlichen Verhältnisse am besten in dieser Weise deuten.
Schon Cienkowsky hat bei seiner Nuclearia delicatula zu Zeiten eine
ziemlich weit abstehende, aus feinen Körnchen gebildete, blasige Um-
hüllung beobachtet, welche von den Pseudopodien durchsetzt wurde;
späterhin haben dann F. E. Schulze (Heterophrys varians) und GreetF
(Heliophrys variabilis ■•^=*) ) diese Erscheinung gleichfalls wieder constatirt
und namentlich ersterer dieselbe auf eine gallertartige, ziemlich dicke
*) Cattaneo (51) sucht neuerdings die Ansicht zu entwickeln, dass die Skeletbildungeu
der Heliozoa als umgebildetes Ectoplasma zu betrachten seien, unser Ectoplasma dagegen als
sogen. Mesoiolasma, so dass demnach auch die skeletophoren Heliozoen die 3 Plasmazonen
besässen, welche Maggi und Cattaneo bei gewissen Ehizopoden nachgewiesen haben wollen
(vergl. hierüber oben p. 99 Anmerk.).
**) Beide Formen sind identisch mit der Nuclearia delicatula Cienk.
Gallertige Hulleu (Chlauiydopliora). 297
(bis zu 7:5 ^GS Körperdurchmessers betragende) Umhüllung zurückzufiibren
versucht, deren äussere Fläche mit sehr kleinen Körnchen dicht besetzt
sei, wodurch, bei völliger Durchsichtigkeit der Gallerthülle, der Anschein
einer Körnchenblase erzeugt werde (XIV. Ib). Ich hatte mehrfach Ge-
legenheit, solche umhüllte Nuclearien zu beobachten und kann mich der
Schulze'schen Deutung nur anschliessen.
Auch bei Actinolophus fand F. E. Schulze zuweilen die Bildung
einer ähnlichen, ganz durchsichtigen Gallerthülle, jedoch bildet dieser
Vorgang hier die Einleitung zu einer wahren Encystirung, die späterhin
noch Gegenstand unserer Besprechung sein wird, und ähnlich werden
wir auch bei Actinosphaerium und Actinophrys den Encystirungsprocess
mit der Ausscheidung einer solchen gallertigen Hülle beginnen sehen.
Nach letztren Erfahrungen erscheint es nicht unwahrscheinlich, dass
auch bei Nuclearia die Entwickelung der Gallerthülle in gleicher
Weise mit dem Encystirungsprocess in Zusammenhang stehen dürfte,
wenngleich solche umhüllte Nuclearien sich gewöhnlich noch einer recht
erheblichen Beweglichkeit erfreuen.
Es gibt nun aber noch eine Anzahl Heliozoen, die sich zeit-
lebens, soweit bekannt, einer ähnlichen Umhüllung ihres Weichkörpers
erfreuen und die daher von Archer zu einer Abtheilung der Chlamydo-
phora zusammengefasst wurden. Als Hauptvertreter dieser Formen ist
die Gattung Heterophrys zu erwähnen, an die sich das sogen. Sphaer-
astrum Greeff's nahe anzuschliessen scheint. Zum Voraus muss jedoch be-
merkt werden, dass sich die Ansichten der verschiedenen Forscher über die
Natur der gleich näher zu beschreibenden Umhüllung (speciell der Hetero-
phrys) keineswegs in Uebereinstimmuug befinden, sondern recht sehr von
einander abweichen. Bei den Angehörigen des erwähnten Genus (XV. 2)
treifen wir eine ziemlich dicke, von den Pseudopodien durchsetzte Hüll-
schicht an, deren centrale, der Körperoberfläche genäherte Zone meist
ganz hyalin und durchsichtig ist, weiter nach aussen jedoch sehr bald
ein eigenthümlich feinpunktirtes und gestricheltes Aussehen annimmt und
von deren Oberfläche sich zwischen den Basen der Pseudopodien zahl-
reiche haar- oder cilienartige Fortsätze, von mehr oder weniger ansehn-
licher Länge erheben.
Archer und GreefF glaubten diese Hülle ursprünglich als eine Sarkode-
schicht betrachten zu dürfen , gegen welche Ansicht Hertwig und Lesser
sich jedenfalls mit Kecht ausgesprochen haben. Letztere Beobachter
wurden durch ihre Untersuchungen zu der sehr abweichenden Auffassung
geführt, dass es sich hier nicht um eine weiche Hüllschicht, sondern um
ein Skelet von sehr eigenthümlicher Bildung handle. Dasselbe stellt nach
ihnen ein feinverfilztes, spongiöses Netzwerk zartester Nadeln dar, welche
sich auf der Oberfläche der Skelethülle frei erheben und so den haar-
artigen Besatz erzeugen. Nach ihrer Bildung lasse sich diese Skelethülle
wohl am ehesten den spongiösen Kieselgerüsten vergleichen, die sich
bei gewissen Radiolarien (den Sponguriden Häckel's) vorfinden. Die
298 Heliozoa.
Gründe, aufweiche sie diese Auffassung stützten, sind hauptsächlich: dass
die Hüllschicht eine beträchtliche Cohärenz zeige, speciell nach dem Ab-
sterben der Thiere nicht zerfalle und ferner, wenigstens bei Heterophrys
spinifera, der Einwirkung concentrirter Mineralsäuren (selbst Schwefel-
säure) widerstehe (wogegen bei H. marina Salzsäure den haarartigen
Stachelbesatz zum Verschwinden bringt und Eisessig das Skelet sehr
durchsichtig macht).
Archer hat sich jedoch nicht mit der Hertwig und Lesser'schen An-
sicht befreunden können; er hält auch in neueren Publikationen seine
frühere Auffassung mehr oder minder fest, indem er die Umhüllung
für weich, mehr oder minder plastisch erklärt, und die haarähnlichen
Fortsätze nur für direkte fransenartige Ausläufer der oberflächlichsten
Lage dieser Hüllschicht, nicht jedoch für isolirbare Stacheln. In dieser
Auffassung der Stacheln wird er namentlich noch durch die Beobachtung,
welche er an einer wahrscheinlich mit der H. marina identischen Form
gemacht hat, besonders bestärkt, da er die Fortsätze derselben bei
Zusatz von Beale'schem Carmin zusammenschmelzen und schwinden sah.
Etwas abweichend stellt sich die jedenfalls homologe Hüllschicht des
Sphaerastrum Greefifs (Heterophrys Fockii Arch.) dar (XV. 3a — b). Hier
zeigt sich die hyaline, durchsichtige Hülle, welche bei der häutigen
Koloniebildung dieser Form eine grössere Zahl von Individuen gemeinsam
vereinigt, eigenthümlich wellig gestrichelt. Die äussere Oberfläche der
Hüllschicht ist gewöhnlich zackig zerschlitzt und zieht sich namentlich an
den Basen der Pseudopodien meist etwas in die Höhe. Ursprünglich
fasste Archer auch hier diese Hüllschicht als Sarkode auf, welcher An-
sicht sich auch Greeff anschloss, späterhin schien sie ihm dagegen mehr
gallertartig, jedenfalls jedoch weich und plastisch. Eine hyaline, structur-
lose Umhtillungsschicht des Weichkörpers beschrieb Greeff weiterhin
noch bei seinem Astrodisculus und Astrococcus, und deutete sie bei der
letzteren Form gleichfalls als Sarkodehülle; da jedoch gegen diese Deu-
tung durch spätere Untersuchungen sehr begründete Zweifel erhoben
wurden, so werden wir dieser Hüllschicht erst weiter unten, bei den
kieseligen Skeletbildungen etwas näher gedenken.
B. Kieseligo Skeletbildungen.
Wie wir wissen, zeichnen sich die Heliozoa, im Gegensatz zu den
Khizopoda, hauptsächlich dadurch aus, dass die zum Schutz des Weich-
körpers gebildeten, äusserlichen Skelettheile aus Kieselsäure bestehen oder
wohl vielmehr durch Verkieselung einer organischen Grundlage hervor-
gegangen sind*). Im Gegensatz zu den Skeletbildungen der Khizopoda
*) Von dieser Eegel würde nur die eigenthümlichc Wagnerella borcalis Mereschkowsky's
eine Ausnahme bilden, wenn dieselbe, wie nach P. Mayer 's Angaben sehr wahrscheinlich,
ihre wahre Stellung bei den Hcliozoen hat. Dieselbe besitzt nämlich nach Mereschkowsky
Skelctnadeln aus kohlensaurem Kalk. Immerhin wird es gcrathen sein, genauere Unter-
Kiescligc Skelete (Chalarothoraca). 299
bieteu sich die der Heliozoa fernerliiu nur in wenigen Fällen als eioheit-
liche, zusamnienbäugende Schutzhülle oder Schale dar, sondern bestehen
meist aus lose zusanimengelagerten, oder doch nur von einem in geringer
Menge vorhandenen, protoplasmatischen, zuweilen vielleicht auch gallertigen
Bindemittel vereinigten Skeletstücken recht verschiedenartiger Gestalt. In-
dem sich derartige Skelettheile zu einer kugeligen, der Oberfläche des
Weichkörpers mehr oder minder dicht aufgelagerten Hülle zusammen-
gruppiren, wird ein Gehäuse gebildet, das dem eingelagerten Weichkörper
mehr oder minder Schutz gewährt und zugleich den Pseudopodien zwischen
den zahlreichen Lücken allseitig den Durchtritt gestattet. Nach der ver-
schiedenen Natur dieser Skelethülle, ob lose oder ob aus einem zusammen-
hängenden Stück gebildet, hat man die hierhergehörigen Heliozoa in
zwei systematische Gruppen zerlegt, die Chalarothoraca und die Desmo-
thoraca.
Wir beschäftigen uns hier zunächst mit der ersteren dieser Abthei-
lungen etwas näher, da sie ohne Zweifel die einfacheren and wohl auch
ursprünglicheren Verhältoisse darbietet. — Wie schon erwähnt wurde,
sind die Formen der lose zusammengehäuften Skeletelemente dieser
Gruppe recht verschieden. Wir treffen hier zunächst bei der Gattung
Pompholyxophrys Arch. (Hyalolampe Greeff) minutiöse Kieselkügel-
chen, die in wenigen oder zahlreicheren Schichten übereinandergelagert,
eine kugelige Schalenhülle, von grösserer oder geringerer Dicke formiren
(XV. 4). Die Grösse dieser Kügelchen ist, wie gesagt, sehr gering; so
beträgt ihr Durchmesser bei der F. exigua H. u. L. nur 0,0006 Mm.,
wogegen sie bei der P. punicea Arch. 0,001—0,004 erreichen. Dieser
Umstand macht es nicht unwahrscheinlich, dass, wie Hertvvig und Lesser
vermuthen, die von Greeff unter dem Namen Astrodisculus beschrie-
benen Formen, welche mit einer nahezu hyalinen, wahrscheinlich fein-
porösen und kieseligen Hülle versehen sein sollen, gleichfalls einen ähn-
lichen Aufbau des Skeletes zeigen, der nur, wegen der Schwierigkeit der
Untersuchung, von Greeff nicht entziffert wurde. Diese Deutung wird noch
wahrscheinlicher, wegen der grossen Aehnlichkeit, welche die Astrodisculus-
formen mit gewissen Pompholyxophryen in ihren übrigen Organisations-
verhältnissen verrathen.
An die soeben besprochenen Formen schliessen sich dann zunächst
solche an, bei welchen die kugelschalige Skelethülle aus einer einfachen
Schicht dicht zusammengelagerter, jedoch lose mit einander vereinigter
Kieselplättchen besteht. Bei der hierhergehörigen Pinacocystis H. u. L.
(XVI. 4) sind diese Plättchen rund und zu einer geschlossenen Kapsel
suchungen 1)ezüglich dieser Form abzuwarten, die namentlich auch darüber Aufschlags zu
geben haben, ob die Skeletgebilde derselben wirklicli, wie zwar nach Mereschkowsky's Schil-
derung kaum zu bezweifeln , von dem Thier selbst erzeugt werden , oder möglicherweise nur
von Aussen aufgenommene Spicula von Kalkschwämmcn sind. Auch durfte die Unterordnung
dieser Form unter die Heliozoa vorerst noch recht fraglich erscheinen, wie im systematischen
Abschnitt zu erörtern sein wird.
300 Heliozoa.
zusamniengelagert; bei der Pinaciophora Grff dagegen (XVI. 5a — c)
besitzen sie eine blattaitige, beiderseits zugespitzte Gestalt iiijd sollen von
zahlreicben feinen Porenkanälen, zum Austritt der Pseudopodien, durch-
bohrt sein.
Die beiden noch restirenden Gattungen der Chalarothoraca zei- hnen
sich durch den Besitz verlängerter, nadel- bis stachelartiger Skeletelemente
aus. Einfachere Verhältnisse treffen wir bei Raphidiophrys (XVI. 2, 3),
hier wird die den ganzen Körper lose umkleidende Skelethülle von zarten
Kieselnadeln gebildet, welche entweder mehr gerade oder bis spangeu-
förmig gebogen und beiderseits zugespitzt erscheinen. Die Verbindung
dieser losen Nadeln geschieht wohl, wie namentlich F. E. Schulze gezeigt
bat, durch eine zarte protoplasmatische Masse, welche von den zwischen
den Skeletelementen hindurch tretenden Pseudopodien entspringt. Dagegen
glaubt Archer, dass auch hier eine mehr gallertige Masse, wie wir sie im
vorhergehenden Abschnitt besprachen, den Zusammenhalt der Skeletnadeln
bewirke. Gewöhnlich lagern sich die Nadeln der Raphidiophrys tangen-
tial zur Oberfläche des Weicbkörpers, zuweilen jedoch erheben sie sich
büschelig um die Basen der Pseudopodien, so dass hierdurch die Skelet-
hülle ein strahliges Aussehen erhält. Bei den häußg sich findenden Kolo-
nien umhüllt eine gemeinsame Skeletmasse sämmtliche Individuen (XVI. 3).
Etwas complicirter gestalten sich die Bauverhältn'sse des Skeletes
bei der Gattung Acanthocystis, wenigstens einem Theil der hierher-
zurechnenden Formen, bei welchen gleichzeitig verschiedenartige Skelet-
elemente vorhanden sind. Die typischen, stets vorhandenen Skeletelemente
dieser Gattung sind gerade Kieselstacheln (XVI, 6, 7, 8), welche in ra-
dialer Richtung der Körperoberfläche aufgesetzt sind und zwar mit einer
plättchenartigen Ausbreitung (oder doch einer etwas angeschwollenen
Basis, A. Pertyana Arch.) ihres centralen Endes, einem sogen. Basal-
plättchen. Diese Basalplättchen bilden demnach durch ihre Zusammen-
lagerung eine losere oder festere Kapsel, ähnlich wie bei Pinacocystis,
und von jedem Basalplättchen erhebt sich ein senkrecht aufstehender,
mehr oder weniger ansehnlicher Stachel. Die Enden der Stacheln sind
entweder einfach zugespitzt oder gabelig gespalten und die grösseren
Stacheln der A. turfacea sollen nach Carter, Grenacher und Greeflf hohl
sein. Diese Form zeigt uns denn auch weiterhin eine complicirtere Bil-
dung des Skeletes durch die gleichzeitige Anwesenheit zweier verschie-
dener Nadelformen : die einen kurz und dünn und am Ende länger ge-
gabelt (XVI. 8, st^), die andern länger und dicker und am Ende kurz
gegabelt (XVI. 8, st). Nach Archer und Greeflf soll sich jedoch bei
unserer Form sogar noch eine dritte Art von Skeletelementen finden,
nämlich tangential zur Oberfläche, zwischen die Basalplättchen eingelagerte
spindelförmige, leicht gekrümmte Stäbchen*). Eine ähnliche Einrichtung
*) Lcidy (50) schreibt der Acanthocystis turfacea noch eine dicke äussere Umhüllung
von durchsichtigem Plasma zu , die sich hauptsächlich durch ihre dichte Bedeckung mit
Kieselig-c Skelete (Clialarothoraca u. Desmotlioraca). 301
Würde sich dann auch noch bei der A. aculeata H. u. L. finden (XVI.
7a— b), wo zwischen die Basalplättchen der gewöhnlichen Htachehi sich
noch tangential zur Oberfläche gelagerte, gekrümmte Stäbchen einschieben,
die durch ihre Zwischenlagerung die regelmässige Anordnung der Basal-
plättchen sehr stören*).
Wenden wir uns nun zu einer kurzen Uebersicht der Skeletverhält-
nisse der Desmothoraca. Hier tritt uns, soweit bis jetzt die Forschungen
reichen, nur ein einziger Typus der Skeletbildung entgegen, der haupt-
sächlich bei der bestgekannten Gattung Clathrulina genauer studirt
worden ist. Wir finden hier eine einheitliche, kugelige Kieselschale, die
von zahlreichen, ziemlich ansehnlichen Löchern zum Durchtritt der Pseudo-
podien durchbohrt wird (XVIL la, Ic). Die Löcher sind bald mehr
rundlich, bald, bei dichterer Zusammenstellung, mehr polygonal, so dass
das sie trennende Kieselgerüst wie ein Maschenwerk erscheint. Diese
die Löcher scheidenden Kieselbälkchen scheinen auf ihrer äussern
Fläche etwas rinneuförmig ausgehöhlt zu sein (XVIL 1 b) und sich bei
der Gl. Cienkowskyi nach Mereschkowsky (47) in den Knotenpunkten
zwischen den Löchern zu kurzen Dörnchen zu erheben. Im Gegensatz
zu sämmtlichen bis jetzt betrachteten Skelettheilen der Heliozoa nimmt
das Kieselskelet der Clathrulina elegans im Alter eine mehr oder weniger
intensiv braune Färbung an. Ein weiterer bis jetzt noch nicht hervor-
gehobener Charakter des Clathrulinaskeletes liegt in seiner Befestigung
auf einem gleichfalls kieseligen, hohlen Stiel, der sich mit seinem basalen
Ende durch kurze, wurzelartige Ausläufer an fremde Gegenstände
anheftet.
Nachträglich müssen wir an dieser Stelle noch eines zweiten Bei-
spiels der Stielbildung und Befestigung bei den Heliozoen gedenken. Es
bietet dies der Actinolophus F. E. Schulze's dar, der ohne eigentliches
Skelet des Weichkörpers auf einem ziemlich langen, wahrscheinlich gleich-
falls röhrenförmig hohlen Stiel aufgewachsen ist (XIV. 6a — b). Kieselig
scheint die Wand des Stieles hier nicht zu sein, sondern chitinös. Durch
feinsten, linearen Partikelchen bemerkbar machen soll und gewöhnlich die kleineren Radiär-
stacheln völlig einschliesse. Wenn es sich hier nicht etwa um ein plasmatisches Verbindungs-
gerüste der Stacheln handelt, wie es oben nach Schulze für liaphidiophrys erwähnt wurde,
so erinnerte mich dieser äussere Mantel namentlich an eine Gallertlage. Auch Clathrulina soll
nach Leidy im jugendlichen Zustand einen dicken derartigen Mantel aufweisen , der von den
Pseudopodien durchsetzt wird.
*) Nach der morphologischen Entwickelung ihres Skeletes würde sich liier auch die
noch zweifelhafte Wagnerella borealis anschliessen. Der kugelige, auf einem Stiel befestigte
Körper derselben besitzt nämlich nach Mereschkowsky ein Skelet, das von zweierlei verschie-
denen Arten von Kalknadeln gebildet wird. Zunächst kleineren, kurzen, bogenartig gekrümmten
Nadeln, die der Körperoberfläche tangential dicht aufliegen und in eine organische Hüllhaut
eingelagert sein sollen und weiterhin lange, sehr feine und beiderseits zugespitzte, gerade bis
unregelmässig wellig gekrümmte Nadeln, die radial von der Körperoberfläche sich erheben und
nur mit ihrem proximalen Ende in die organische Hüllhaut eingepflanzt sind. Hinsichtlich
dieser Skeletgebilde der Wagnerella müssen wir jedoch nochmals an die schon früher (p. 298
Anmerkung) betonten, noch nicht gelösten Zweifel erinnern.
302 Hcliozoa.
die helle Binnenraasse des Stiels sieht man einige zarte, parallele Längs-
linien ziehen, die sich zuweilen sogar bis in den Sarkodekorper des
Actinolophas verfolgen lassen. Es scheint daher nicht unmöglich, dass
diese Längslinien den optischen Ausdruck einiger zarter, pseudopodien-
artiger, den Stiel durchziehender Fortsätze des Thierkörpers darstellen*).
Aehnliche Skeletbildungen , wie sie Clathrulina aufweist; finden wir
noch bei einigen weiteren Formen; hierher gehört zunächst die sogen.
Hedriocystis H. u. L. (XVIL 2); diese kleine Form hat eine ovale
bis rundliche Schale, welche wie die von Clathrulina auf einem hohlen
Stiel befestigt ist; sie wird von zahlreichen Löchern zum Durchtritt der
Pseudopodien durchbrochen und diese Löcher stehen auf hervorragenden
Buckeln, scheinen auch kleiner und weiter von einander getrennt zu sein,
wie bei Clathrulina**).
Zwei weitere wohl hierhergehörige Formen, Orbulinella Entz und
die sehr zweifelhafte Elaster Griram's, besitzen eine Clathrulina sehr
ähnliche kugelige bis ellipsoidische Kieselgitterschale , die jedoch
frei, nicht durch einen Stiel befestigt ist. Bei Orbulinella füllt der
Weichkörper die Schale nur zum Theil aus und ist ähnlich wie bei
Clathrulina im Centrum derselben mit Hülfe der Pseudopodien aufgehängt,
wogegen bei Elaster die Schale völlig vom Thierleib erfüllt zu sein
scheint.
Wie gelegentlich schon angedeutet wurde, treffen wir bei einer Eeihe
von Heliozoen die Entwickelung temporärer Skelethüllen während des
ruhenden oder encystirten Zustandes, und auch diese Hüllen sind hier
vielfach verkieselt. Das Genauere bezüglich derselben wird dann später-
hin bei der Besprechung des Encystirungsvorganges mitzutheilen sein.
C. Aus Fremdkörpern aufgebaute Skelethüllen.
Skeletbildungen, wie sie die Ueberschrift dieses Abschnittes bezeich-
net, sind bis jetzt nur bei zwei wahrscheinlich zu unserer Gruppe ge-
hörigen Formen beobachtet worden. Die eine derselben ist die marine
Lithocolla F. E. Schulze's (XIV. 4), die sich mit einer losen, der
Oberfläche des Weichkörpers dicht aufliegenden Hülle aus Sandkörnchen
*) Eine dritte gestielte Hcliozoünform wäre nach den Untersuchungen von P. Mayer
wahrscheinlich die von Mereschkowsky beschriebene und zu den Kalkschwämmen verwiesene
Wagnerella borealis. Dieselbe besitzt einen langen, hohlen, von einer membranösen Wandung
(aus organischer Masse) gebildeten Stiel, dessen Basis sich zu einem ziemlich scharf abge-
setzten Kegel verbreitert, mittels welchen der Organismus festgeheftet ist. Es ist jedoch dieser
Stiel hier kein Ausscheidungsprodukt des Thierkörpers, sondern bildet, wie aus der Angabc
Mayers, dass der Kern in der kegelförmigen Stielbasis eingelagert ist, hervorgeht, eine direkte
Verlängerung des Thierkörpers. Besonders eigenthümlich erscheint dieser Stiel jedoch noch
deshalb , weil in seine Wand zahlreiche kurze und schwach bogenförmig gekrümmte Kalk-
spicula, wie sie sich auch am eigentlichen Thierkörper finden, in dichter Stellung eingelagert
sind. Alle diese Spicula sind regelmässig quer zur Stielaxe geordnet.
**) Die Berechtigung zur Trennung dieser Hedriocystis von der eigentlichen Clathrulina
scheint nur selir gering zu sein.
Skeletbildungcn u. ForfpÜanzung (Einfache Theilung). 303
umkleidet; gewöhnlich sind dieselben so dicht zusammengefügt, dass das
umhüllte Wesen einem Sandklümpchen gleicht; zuweilen wurden jedoch
auch Formen getroffen, deren Oberfläche nur vereinzelte Sandkörnchen,
in einem Fall auch Diatomeenschalen anhafteten oder eigentlich in die
Sarkodefläche halb eingesenkt waren. Aehnlich verhält sich auch die
Greeff'sche Elaeorhanis, deren kugeliger Körper von einer mehr oder
minder zusammenhängenden Hülle aus Sandkörnchen und Diatomeen-
schalen umkleidet wird (XIV. 5).
5. Fortpflaiizuiigseischeinuiigeii der Ileliozoa.
Die Fortpflanzungsverhältnisse der Heliozoa scldiessen sich auf das
innigste an die der Rhizopoda an, wir treffen hier alle die Modifikationen
wieder an, welche dort schon Gegenstand unserer Betrachtung waren:
also zunächst die Vermehrung durch einfache Theilung und hieran sich
anschliessend häufig auch Koloniebildung, weiterhin die Entwickelung
einer grösseren Zahl, durch Theilung oder Sprossung hervorgehender
Keime, welche sich zuweilen in Gestalt flagellatenartiger Schwärmer ausbrei-
ten und hierauf erst wieder zur Heliozoengestalt zurückkehren, schliesslich
Encystirungsvorgänge verbunden mit Theilungserscheinungen. Auch hier
ist endlich Copulation und Conjugation anzutreffen und steht möglicher-
weise mit den Vermehrungserscheinungen in einem gewissen, bis jetzt
jedoch noch nicht hinreichend sicher ermittelten Zusammenhang.
A. Einfaclie Theilung im nackten Zustand und Kolonicbil düng.
Der einfache Zweitheilungsprocess wurde bis jetzt nur bei einer
kleinen Zahl von Heliozoen constatirt, vorzugsweise für die, ja auch mit
besonderem Fleisse untersuchten Actinophryen. Schon der erste genaue
Beobachter des Actinosphaerium, Eichhorn, hat die Vermehrung desselben
durch Quertheilung mit aller wünschenswerthen Sicherheit festgestellt.
Auch Ehrenberg gibt an , die Selbsttheilung der Actinophryen vielfach
beobachtet zu haben und die neueren Beobachter konnten denselben Vor-
gang meist gleichfalls nachweisen*).
Der äussere Vorgang der Theilung verläuft bei den beiden erwähnten
Gattungen ohne irgend welche besonders bemerkenswerthen Erscheinungen;
es tritt an dem kugeligen Körper eine äquatoriale Einschnürung auf, die
allmählich tiefer und tiefer greift, gleichzeitig rücken die beiden Spröss-
linge mehr und mehr auseinander, so dass die sie noch vereinigende Ver-
bindungsbrücke sich mehr und mehr verlängert und verdünnt, bis sie
schliesslich einreisst und ihre Reste in die Leiber der beiden Sprösslinge
zurückgezogen werden**). Bei Actinosphaerium scheint die Trennung
*) Vergl. haupts. Claparcde (13, p. 410), Weston (16), GreefF (27, 35), Brandt (44).
**) Ganz entsprechend verläuft aucli der von Aim. Schneider hei der Monohia confluens
beobachtete Zweitheilungsprocess, wovon unten bei der Koloniebildung noch uielir zu be-
richten ist.
304 Heliozoa.
stets vollständig zu erfolgen, wogegen bei Actinopbrys der Theilungsvor-
gang vielleicht zuweilen nicht völlig bis zu Ende geführt wird, wodurch
dann Kolonien entstehen können, denen wir im Verlaufe dieser Darstellung
noch unsere Aufmerksamkeit zuzuwenden haben.
Bezüglich der Theilungserscheinung des ActinosiAaerium durfte hier noch auf einige
Besonderheiten aufmerksam gemacht werden. In der Beschreibung, welche Eichhorn von dem
Theilungsvorgang entwirft, hebt er besonders hervor (und gibt auch eine entsi^rechende Ab-
bildung), dass bei den zur Theilung sich anschickenden Thieren, schon im noch kugelförmigen
Zustand, die künftige Theilungsgrenze sich deutlich als eine dunkle Linie markire. Bei den
späteren Beobachtern finde ich ein solches Verhalten nicht erwähnt; jedenfalls verdiente je-
doch diese bcbtimmte Angabe Eichhorns bei einer nochmaligen Prüfung einige Berücksichti-
gung. Eine weitere Eigenthümlichkeit im Theilungsvorgang dieser Gattung hat Greeff (35)
angeführt. Bei Störung des Theüungsprocesses sollen sich nämlich die noch zusammen-
hängenden Sprösslinge wieder durch Verschmelzung vereinigen, eine Beobachtung, welche
auch Wallich (19 a) von der gleichen Form berichtet. Bei Actinophrys soll sich nach Greeff
dieses Verhalten nicht zeigen. So interessant dieser Wiederverschmelzungsprocess des in Thei-
lung begriffenen Actinosphaerium auch erscheint, so kann derselbe doch das später zu erwäh-
nende Vorkommen wirklicher Copulation nicht zweifelhaft machen, wie dies Greeff seiner Zeit
darzustellen suchte.
Leider ist jedoch bis jetzt über die inneren Vorgänge bei der Thei-
lung so gut wie nichts bekannt und namentlich durchaus zweifelhaft, wie
sich hierbei der eine Kern der Actinophrys oder die zahlreichen des
Actinosphaerium verhalten.
Von der Theilung der übrigen Heliozoa ist bis zur Stunde nur wenig
bekannt, hauptsächlich bei den Desmothoraca ist hierüber noch einiges
ermittelt worden. So hat schon Cienkowsky die einfache Theilung der
Clathrulina innerhalb der kieseligen Gitterschale constatirt; das betreffende
Thier theilt sich hierbei, wie die Actinophryen , ohne die Pseudopodien
einzuziehen. Nach einiger Zeit jedoch werden die Pseudopodien retrahirt,
die beiden Sprösslinge ziehen sich kugelig zusammen und verlassen
schliesslich die Schale. Nachdem sie sich hierauf, nach Wiederentwick-
lung der Pseudopodien , eine Zeit lang in einem actinophrysartigen Zu-
stand umherbewegt haben, siedeln sie sich wieder an einem passenden
Platz an, scheiden zunächst einen neuen Stiel aus und bilden hierauf
auch wieder eine neue Schale. Nach den Beobachtungen Greeflf's scheint
es, dass zuweilen auch nur der eine der Theilsprösslinge die Mutterschale
verlässt, während der andere dieselbe weiter bewohnt. Auch bei der
naheverwandten Hedriocystis konnten Hertwig und Lesser häufig
Zweitheilung in der Schale beobachten, ja sie sahen sogar ein noch
scbalenloses, junges Thier sich quer zur Stielaxe theilen. So wahrschein-
lich nun auch die weitere Verbreitung der Fortpflanzung durch einfache
Theilung bei den beschälten Heliozoen erscheint, so sind doch bis jetzt
hierüber nur sehr wenige gesicherte Beobachtungen vorhanden. Greeff
(33) und Hertwig (43) haben die Theilung der Acanthocystis turfacea
mehrfach verfolgt, die in der gewöhnlichen Weise verlief. Das in ovale
Gestalt übergegangene Thier nahm eine Bisquitform an und schnürte sich
allmählich völlig durch. Die lose Skelethülle vermag hierbei natürlich
Koloniebilduhg (Actinoplirys). 305
den Gestaltsverilndeningen zu folgen*). Bei Pompholyxophrys punicea
Arch. beobachteten schliesslich Hertwig und Lesser mehrere Male bisciuit-
förmige Einschnürung des Körpers, die bei einem zweikernigen Exemplar
nahezu bis zu völliger Trennung führte. Hierauf erfolgte jedoch Wieder-
vereinigung der Theilhälften, wie es ja in ähnlicher Weise auch bei Actino-
sphaerium gelegentlich beobachtet wurde.
Dass es verhältnissmässig leicht gelingt, das relativ grosse Actino-
sphaerium durch künstliche Theilung (Zerschneidung) zu vermehren,
war schon Eichhorn im vorigen Jahrhundert bekannt und wurde von
Häckel wie Greeff (27) neu bestätigt. Auch für Myxastrum gelang es
Häckel, in dieser Weise künstliche Vermehrung zu erzielen.
Wir reihen hier an die Besprechung des Theilungsprocesses gleich
die Betrachtung der Koloniebildung in ähnlicher Weise an, wie wir das
bei den Rhizopoden thaten, ohne jedoch damit auch aussprechen zu
wollen, dass die kolonialen Verbände der Heliozoa stets das Erzeugniss
fortgesetzter, einfacher Theilung seien, da gerade bei einem unserer
Thiere die Entstehung solcher Kolonien durch Zusammentritt ursprüng-
lich getrennter Individuen sicher erwiesen ist. Eben bei der Form,
welche dieses Verhalten zeigt (Actinophrys sol), sind auch am frühesten
solche koloniale Verbände beobachtet worden. Schon Ehrenberg hatte
derartige Individuenverbände beobachtet, jedoch irrthümlicherweise für
eine besondere Art (A. difformis) gehalten. Später haben nament-
lich Perty, Cohn, Stein, Lieberkühn, Weston, Carter, Claparede und
zahlreiche andere Forscher sich mit der Untersuchung dieser Erschei-
nung beschäftigt. Die Zahl der zu einem Verbände vereinigten Indi-
viduen ist hier eine sehr verschiedene; es sind gelegentlich bis zu
9 Einzelthiere in der gleich zu schildernden Weise vereinigt gesehen
worden. Wenn einerseits der vielfach constatirte Hervorgang dieser Ver-
bände, durch Vereinigung ursprünglich getrennter Individuen, der ganzen
Erscheinung schon grosse Aehnlichkeit mit der Conjugation verleiht, so
wird dieselbe dadurch noch erhöht, dass die Verbindung der Einzelindivi-
duen eine sehr innige ist (XIV. 7 b). Breite, hyaline Protoplasmabrücken
verbinden dieselben so innig untereinander, dass die den einzelnen Indi-
viduen angehörigen Protoplasmapartien sich häufig ziemlich schwierig
abgrenzen lassen und der ganze Verband einem Haufen zusammen-
geballter Kletten gleicht. Durch den Nachweis eines Kernes in jedem
der Individuen lässt sich dennoch die Natur des Verbandes sicher eruiren.
Besondere Eigenthümlichkeiten zeigten z. Th. noch die breiten Protoplasma-
brücken , welche in der erwähnten Weise die Individuen vereinigen. In
denselben bemerkt man nämlich einmal häufig ansehnliche Flttssigkeits-
vacuolen (XIV. 7 b, v) und andererseits grosse Nahrungskörper (7 b, N),
*) Aus der Zweikeriiigkeit der Individuen allein darf jedoch nicht ohne weiteres auf
bevorstehende Theilung geschlossen werden, da ja die Bedeutung der Mehrkernigkeit noch
keineswegs sicher ist.
Bronn, Klassen des Tliier-Eoichs. Piotozoa. 20
306 Heliozoä.
die, wie es scheint, von den vereinigten Thieren aufgenommen werden*).
Solche Nahruugskörper wurden sogar einst von Cohn für besondere
Keime gehalten, welche sich in Folge der Conjugation bildeten, —
Bis jetzt hat sich jedoch eine Beziehung dieser Vereinigungsvorgänge
der Actinophrys sol zu Fortpflauzungserscheiuungen nicht constatiren
lassen und die von Cienkowsky ausgesprochene Ansicht: dass die
Conjugations- und Copulationserscheinungeu zahlreicher Protozoa in
keiner directen Beziehung zur Fortpflanzung stünden, sondern eine Er-
leichterung der Ernährung, speciell wohl der Nahrungsaufnahme, be-
zweckten, dürfte gerade für die Vereinigungszustäude unserer Form,
mit Rücksicht auf das erwähnte, gewöhnliche Vorkommen grosser Nah-
rungskörper, eine gewisse Berechtigung besitzen. Auch Hertwig und Lesser
schliessen sich, speciell für Actinophrys, der Cienkowsky'schen Ansicht an.
Nach den zahlreichen Beobachtungen, die über das thatsächliche
Hervorgehen der Actinophrysgruppen durch Verschmelzung von Einzel-
individuen angestellt worden sind, darf dieser Vorgang ohne Zweifel als
die gewöhnliche Entstehungsweise derselben bezeichnet werden. Ob sich
daneben derartige Verbände auch noch durch unvollständige Theilung zu
bilden vermögen, erscheint fraglich, wenngleich Greefl" diese Ansicht
vertrat und die Verschmelzungserscheinungen leugnete. Sehr häufig hat
man Gelegenheit, die Wiedertrennung der Gruppenverbände der Actino-
phrys zu beobachten und zwar kann sich hierbei die Gruppe in Einzel-
individuen auflösen, oder, wenn sehr individuenreiche Verbände vor-
liegen, können diese zunächst wieder in Untergruppen zerlegt werden.
Bei den übrigen Heliozoen begegnen wir der Koloniebildung bei
der nackten Monobia und den skeletführenden Gattungen Raphi-
diophrys und Sphaerastrum. Die kolonialen Verbände erscheinen
bei diesen 3 Gattungen von sehr übereinstimmender Bildung (XIV. 3,
XV. 3 a, XVI. 3). Die in sehr verschiedener Zahl zur Bildung solcher
Kolonien zusammengetretenen Individuen — die höchstbeobachtete Zahl
betraf die Raphidiophrys elegans H. u. L., von der Leidy**) einst
nicht weniger wie 38 Individuen in einer Kolonie vereinigt fand — be-
halten ihre regelmässig kugelige Gestalt bei. Ihre Vereinigung unter ein-
ander ist weit lockerer als dies bei den Kolonien der Actinophrys zu
verzeichnen war, indem die Einzelindividuen in mehr oder weniger be-
trächtlichen Abständen von einander verbleiben und nur durch ziemlich
schmale Protoplasmabrücken unter einander in organischer Verbindung
stehen. In dieser Art steht dann gewöhnlich ein Individuum gleichzeitig
mit mehreren benachbarten in Verbindung, jedoch kann natürlich, nament-
*) Lieberkülin (34) beobachtete die Nahrungsaufnahme bei einer solchen, aus Ver-
einigung zweier Individuen hervorgegangenen Gruppe und sali liierbei von jedem der Indivi-
duen einen diaphanen, ziemlich starken Fortsatz sich entwickeln, welche Fortsätze zusammen
den aufzunehmenden Nahrungskörper (ein kleines Glaucoma) umhüllten und in die gemeinsame
Körpersubstanz zurückzogen.
**) Proceed. Acad. Philad. 1874. p. 219 u. Nr. 50.
Koloiiiebilching- (ßaijliidioplirys, Si)liacrastrum), KiiospUng (Acantliocystis). 307
lieh bei individuenarmen, kleinen Kolonien, auch nur je eine solche
Plasmabrücke sich zwischen einem Individuum und seinem nächsten
Nachbar ausspannen. Speciell bei der Monobia confluens wurde beob-
achtet (49), dass die gegenseitige Anordnung der Individuen der Kolonie
eine sehr wechselnde ist, und dass mit diesem Wechsel der Gruppirung
sich auch die Verbindungsbrücken zwischen den Mitgliedern der Kolonie
vielfach verändern. Neue bilden sich durch eintretende Verschmelzung
zwischen zwei Pseudopodien benachbarter Individuen und durch Plasma-
zufluss zur Verstärkung dieser ursprünglich sehr zarten Brücken; da-
gegen verschwinden alte Brücken durch Zerreissen und Zurückziehung.
In dieser Art bieten denn auch die Kolonien der Monobia ein stets wech-
selndes Aussehen dar. Eine ähnliche Veränderlichkeit im Aufbau der
Kolonien hat Leidy (50) auch bei Raphidiophrys gefunden. Das Ver-
halten der Skelethülle ist bei den beiden koloniebildenden Skeletophora
eigenthümlich. Die SkelethüUen der Einzelthiere sind zu einer gemein-
samen Hülle für die ganze Kolonie verschmolzen. Es zeigt diese ge-
meinsame Skelethülle daher, je nach der Zusammengruppirung der In-
dividuen, eine etwas wechselnde und meist ziemlich unregelmässige
Gestaltung, jedoch bei beiden Gattungen das Bestreben, sich um die
Basen der Pseudopodien zackig zu erheben, noch ausgeprägter, als
dies schon bei den Einzelthieren hervortritt. Es scheint natürlich, dass
auch die letztgeschilderten Kolonien, wie die der Actinophrys meist keinen
dauernden Bestand aufweisen, sondern sich durch Loslösung einzelner
Individuen oder auch Individuengruppen verändern , vielleicht zuweilen
auch gänzlich zerfallen. So sah z. B. Leidy, dass eine aus 38 Indivi-
duen zusammengesetzte Kolonie der Raphidiophrys elegans in 3 Gruppen
von je 10, 13 und 15 Individuen zerfiel. Dieselbe Ablösung einzelner In-
dividuen oder Gruppen ist weiterhin namentlich bei Monobia beobachtet
worden.
Die Entstehung der soeben geschilderten Kolonien wurde bis jetzt nur
bei Monobia verfolgt, wo Schneider ihre Bildung durch fortgesetzte Zwei-
theilung beobachten konnte. Andererseits erscheint es ihm jedoch
möglich, dass auch Vereinigung vorher getrennter Individuen, also ähn-
lich wie bei Actinophrys, zum Aufbau der Kolonie beitragen könne. Bei
Raphidiophrys und Sphaerastrum fehlen, wie bemerkt, Beobachtungen
über die Bildungsvorgänge der Kolonien.
B. Fortpflanzung- durch Knospung und durch S chw ärmer bild u ng.
Bis jetzt deutet hauptsächlich eine bei Acanthocystis (spinifera H. u. L.)
angestellte Beobachtung Hertwigs (43) auf die Existenz einer sich nach Art der
Knospung repräsentirenden Fortpflanzungs weise hin. Hier fand sich ein Exem-
plar, welches in einer kugeligen Ausbuchtung seiner Skelethülle einen proto-
plasmatischen, anscheinend kernlosen Körper einschloss, der in seinem Durch-
messer nur wenig hinter dem kernhaltigen und pseudopodienaussendenden
Thierkörper zurückblieb. Die Ausbuchtung der Skelethülle, welche den
20*
3Ö8 Helio^oä.
erwähnten Körper uiuschloss, bestand vorzugsweise aus den früher er-
wähnten, tangential gelagerten Stäbchen, und der von ihr eingeschlossene
Protoplasmakörper entsandte keine Pseudopodien, Fortgesetzte Beobach-
tung lehrte, dass der erwähnte Körper sieh allmählich nahezu völlig von
der Acanthocystis isolirte, indem der ihn umgebende Theil der Skelethülle
sich kugelig um ihn abschloss und nur noch durch einige zwischenge-
schobene Skeletstäbchen mit dem Mutterthier in Verbindung blieb. Nun
aber trat nach einiger Zeit ein Zerfall des in der so gebildeten
Brutkapsel eingeschlossenen Protoplasmakörpers ein, wodurch dieser in
6 Theilstücke zerlegt wurde. Diese Theilstücke verliessen nach einander
allmählich die Skelethülle der Brutkapsel an einer bestimmten Stelle und
entwickelten sich im Freien, durch Bildung zahlreicher spitzer, langer
Pseudopodien zu actinophrysartigen, lebhaft beweglichen Körpern. Wahr-
scheinlich besassen dieselben auch schon einige contractile Vacuolen und
einen Kern. Leider glückte jedoch bis jetzt die weitere Verfolgung der-
selben nicht. Nach Abstossung der entleerten Brutkapsel bildete das
Mutterthier eine neue, deren Entstehung nicht genauer verfolgt wurde, die
jedoch, wie mir scheint, nicht wohl anders als durch Abschnürung eines
Theils des Protoplasmaleibes, sammt entsprechender Skelethülle gebildet
werden konnte.
Dass wir hier einen echten, zwar etwas eigenthümlich verlaufenden
Fortpflanzungsakt der Acanthocystis vor uns haben, erscheint mir nicht
fraglich und ich habe ihn an dieser Stelle erörtert, da er durch die Bil-
dung zahlreicher kleiner Sprösslinge sich den Knospungserscheinungen
bis zu gewissem Grade anzuschliessen scheint. Auch bei der Acanthocystis
viridis Ehbg. gelang es neuerdings Korotneff*) denselben FortpHanzungs-
process zu beobachten. Unter der Skelethülle fand sich hier eine kleine,
vom Mutterleib schon völlig losgelöste Knospe mit Nucleus und contractiler
Vacuole, die bald aus der Skelethülle hervortrat und sich zu einem klei-
nen, actinophrysartigen Wesen umgestaltete.
Noch mehr nähert sich jedoch der bei der erstgenannten Form gleich-
falls von Hertwig beschriebene weitere Fortpflanzungsmodus den eigentlichen
Knospungserscheinungen und speciell der von uns bei den Rhizopoden
besprochenen Knospungserscheinung der Arcella. Aus letzterem Grunde
glaube ich denn, dass wohl auch dieser Vorgang mit grosser Wahr-
scheinlichkeit als wirklicher Fortpflanzungsakt beansprucht werden darf
und dass eine Täuschung durch Entwickelung einer parasitischen Pro-
tozoe — welche Hertwig nach den zahlreichen Irrthümern , die auf dem
Gebiet der Protozoenfortpflanzung durch solche parasitische Eindringlinge
hervorgerufen wurden, nicht für ausgeschlossen hält — in unserem Fall
wohl nicht zu befürchten ist.
Die hier erwähnte Fortpflanzungsart ist kurz folgende. Unterhalb
der Skelethülle der Acanthocystis beobachtete man zuweilen bis zu (3 proto-
'') Korotneff, Etiulcs sur les Ehizopodos. Arcli. zoolog. expcrim. VIII.
Schwärmerbildung- (Acanthocystis, Clathrulina etc.). 309
plasmatische, kernhaltige, rundliche Körper, welche der Oberfläche
des Weicbkörpers dicht aiiflagen oder sogar wie in einem Ausschnitt
desselben eingebettet waren und ca. Vi—Vs des Durchmessers der Acantho-
cystis besassen (XVI. 7 b). Nach dem häufig zu beobachtenden Austritt
derselben aus der Schale gingen sie meist keine weiteren Veränderungen
ein, nur einige Male konnte die Entwickelung zweier Geissein an einem
Körperende constatirt werden (XVI. 7 c), welche jedoch so schwach arbei-
teten, dass sie den Körper nur hin- und herrollten, ohne ihn wirklich
fortzubewegen. Eine Weiterbildung zu actinophrysartigen Gebilden Hess
sich nicht nachweisen. Das häufige Auftreten solcher Körper, sowie die
anscheinend volle Lebensthätigkeit, welche die sie entwickelnden Acantho-
cystiden zeigten, macht es, wie oben schon bemerkt, wahrscheinlich,
dass wir es wirklich mit einem Fortpflanzungsvorgang zu thun haben*).
Das Auftreten von Schwärmsprösslingen im Entwickelungsgang eines
Heliozoen ist weiterhin von Cienkowsky, Greeflf, sowie Hertwig und
Lesser bei Clathrulina mit Sicherheit constatirt worden. Hier verläuft dieser
Process sogar in zweierlei verschiedener Weise. Die eine Art der
Schwärmerbildung vollzieht sich durch Vermittelung eines Encystitungs-
processes und wird daher besser erst späterhin, bei der Besprechung der
Encystirungsvorgänge, betrachtet werden. Die zweite Art der Schwärmer-
entwickelung wurde bei Clathrulinen beobachtet, deren Weichkörper
innerhalb der Schale, wahrscheinlich durch fortgesetzte Zweitheilung, in
3 Theilstücke, zwei kleinere und ein grösseres, zerfallen war. Von diesen
3 Theilstticken verliessen die beiden kleineren die Schale und bildeten
sich zu einem zweigeisseligen, ovalen Schwärmer, mit Kern und einigen
contractilen Vacuolen am Hinterende um (XVII. 1 d). Nach verhältniss-
mässig nur kurzer Umherbewegung (ca. V2 Stunde) hefteten sich die
Schwärmer fest und entwickelten Pseudopodien. Gleichzeitig bildete sich
auch der Stiel aus, als ein protoplasmatischer Fortsatz, der sich erst
nachträglich mit einer die Stielröhre formirenden Skelethülle umkleidete
und rasch weiterwuchs (XVII. If). Relativ erst spät scheint sich das
eigentliche Gitterskelet zu bilden. Ob das in der Schale zurückgebliebene
grössere Theilstück noch weiter zerfällt und vielleicht gleichfalls Schwär-
mer erzeugt, Hess sich bis jetzt mit Sicherheit noch nicht entscheiden.
Hiermit durfte denn auch alles aufgezählt sein, was mit einiger Sicherheit das Auftreten
von Schwärmern im Entwickelungsgang der Heliozoün zu erweisen scheint. Es liegen zwar
noch eine Anzahl von Beobachtungen vor, die Schwärmerbildung bei gewissen Formen nach-
gewiesen haben wollen, jedoch scheinen dieselben durchaus nicht für die Einreihung der be-
treffenden Schwärmer in den Entwickelungsgang- der Heliozoen beweisend zu sein. Wenn wir
hier absehen von gewissen Beobachtungen, welche ganz unsicher erscheinen, wie der Angabe
von Waller**): dass Actinophrys sol in Folge der Conjugation Schwärme von Embryonal-
*) Fortpflanzung durch Knospung soll sich nach P. Mayer auch hei der Wagnerella
borealis finden, und zwar sollen sich hier acht Knospen entwickeln, nachdem der Kern sich
zuvor gleichfalls achtgetheilt hat. Der Kern wandert vor dieser Theilung aus der angeschwol-
lenen Stielbasis in das kugelige Köpfchen, wo seine Theilung erfolgt,
**) Journ. of the Queckett Club H.
310 Heliozoa.
keimen entwickele und ausstosse (auch Lang*) berichtet von einer Ausstossung- feiner Körper-
chen bei dieser Form, die er mit der Fortpflanzung in Zusammenhang bringt), so bleiben uns
nur einige Beobachtungen von Greeff, Archer und Hertwig zu erwähnen übrig. Greefl' (85)
sah aus einem abgestorbenen Actinosphaerium zahlreiche kleine Amöben hervorkricclien, die
sich nach einiger Zeit zu Schwärmern umbildeten und vermuthete (wohl unter dem directen
Einfluss der von Carter über die Fortpflanzung der Ehizopoda geäusserten Ansichten), dass
diese Schwärmer, welche er für Embryonen des Actinosphaerium hält, aus den Kernen des-
selben hervorgegangen seien. Auch Archer**) gibt an, bei Actinosphaerium***) die Bildung
zahlreicher, birnförmiger Schwärmer direct aus der Körpersubstanz beobachtet zu haben; die-
selben besassen zwei Geissein von verschiedener Länge; ihr weiteres Schicksal konnte jedoch
nicht verfolgt werden. Schliesslich reiht sich dann hier noch eine Beobachtung R. Hertwigs
an, der in einer sehr grossen Actinophrys sol zahlreiche sehr kleine, zweigeisselige Schwärmer
beobachtete, die schliesslich hervorbrachen und sich zerstreuten. Hertwig selbst sucht diese
Beobachtung, wie die Greeffs, auf die Entwickelung eines parasitischen Organismus zurück-
zuführen, worin ich seiner Meinung nur beizupflichten vermag, wie ich denn dasselbe auch
bezüglich der Beobachtung von Archer für sehr wahrscheinlich erachten muss.
Im Aüscliluss an die Schilderung dieser Vorgänge wäre hier am
geeignetsten noch zu erwähnen, dass Cattaneo (51) in neuester Zeit bei
der sogen. Acanthocystis flava Greeff eine Bildung von Keimkörnern durch
Zerfall des Niicleus beobachtet haben will. Da jedoch ein solcher, an
und für sich schon sehr unwahrscheinlicher Fortpflanzungsact durch die
Beobachtungen C.'s keineswegs hinreichend sicher erwiesen ist, so unter-
lassen wir hier eine eingehendere Darstellung dieser Beobachtungen.
C. Fortpflan Zungserscheinungen im Gefolge der Encystirung und die
Encystirungsvorgänge überhaupt.
Die Encystirung ist bei den Heliozoen, wie bei den Süsswasser
protozoen überhaupt, eine sehr verbreitete Erscheinung, für deren all-
gemeine Beurtheilung hier so ziemhch dasselbe gilt, was bei den Rhizo-
poden schon angeführt werden durfte. Es vollzieht sich daher auch hier der
Encystirungsprocess theils ohne gleichzeitige Vermehrung des umhüllten
Weichkörpers, zum Schutz während einer Ruhepause im Leben des Or-
ganismus oder zur Abwehr äusserer Fährlichkeiten, theils aber mit Zerfall
des encystirten Körpers in eine Anzahl Theilsprösslinge. Auch hier be-
gegnen wir fernerhin einer ziemlichen Verschiedenheit in der Bil-
dung der Cystenhüllen , indem dieselben einmal einfach oder mehrfach
vorhanden sein können, weiterhin jedoch auch aus recht verschiedenem
Material, sowie morphologisch recht different gebildet sein können. Da
sich nun die mit und ohne Vermehrung verlaufenden Encystirungsvorgänge
bis jetzt nicht scharf auseinander halten lassen, wahrscheinlich auch in
der Natur keine scharfe Grenze zwischen denselben existirt, so be-
sprechen wir dieselben hier gleichzeitig.
Was zunächst das Material, aus welchen die Cystenhüllen aufgebaut
sind, betrifft, so besteht dasselbe hier, in Uebereinstimmung mit der aus-
*) Monthly microscop. journ. IV. p. 334.
**) Quart, j. micr. sc. N. s. X. p. 306.
***) Angeblich chlorophyllführeiide Varietät von Actinophrys sol.
Eiicybtiruiijj (VampyroUa, Nucloaria). 311
gesprochenen Neigung der Heliozocn zur Kieselsäiireabscheidung, sehr
häiilig aus einer verkieselteu organischen Grundinasse, ähnlich wie die
Skeletthcilc. Dies tritt uns sowohl bei skeletliihrenden wie skeletlosen
Formen entgegen, andererseits finden wir jedoch auch Celhüose- und
Chitinbüllen bei einigen Formen vor und zuweilen treten zu Beginn des
Encystirungsprocesses auch gallertige Umhüllungen auf, wie wir sie schon
früher besprochen haben, unter denen jedoch im weiteren Verlauf noch
festere Hüllen zur Ausbildung gelangen. Beim Uebergaug in den en-
cystirten Zustand werden natürlich zunächst die Pseudopodien eingezogen ;
zuweilen gehen jedoch auch noch weitere Veränderungen im Weichkörper
vor; so Rückbildung und Verschwinden der Vacuolisation des Proto-
plasmas, Veränderung der Kernverhältnisse etc.
AVir glauben hier einen Ueberblick über die Encystirungsprocesse
der Heliozocn am besten in der Weise geben zu können, dass wir die
Verhältnisse bei einer Anzahl in dieser Richtung besser bekannter Formen
etwas genauer erläutern, und daran einige Bemerkungen hinsichtlich der
übrigen knüpfen. Verhältnissmässig genau ist der Encystirungsprocess
unter den nackten Formen bei der Gattung Vampyrella durch die
Untersuchungen Cienkowsky's (24) bekannt. Hier ist der Verlauf desselben
ein etwas variabler, weshalb Cienkowsky zwischen einem sogen.
Zell- und einem Ruhezustand unterschied. Der erstere tritt nach reich-
licher Nahrungsaufnahme ein und steht mit einem Vermehrungsprocess
durcb Theilung in Zusammenhang. Die Vampyrella nimmt, nach Ein-
ziehung ihrer Pseudopodien, gewöhnlich an einen Confervenfaden an-
geheftet, eine kugelige bis birnförmige oder auch langgestreckte Gestalt an
(je nach den verschiedenen Arten) und scheidet zunächst meist eine
zarte, stickstoffhaltige (gallertige?) Hüllhaut aus (sogen. Schleier Cienk.),
unter deren Schutz sich der eingeschlossene Weichkörper noch weiter
zusammenzieht und nun eine ihn dicht umschliesscnde Cellulosehaut (Zell-
haut, Cienk.) (XHI. 11c — d, z) ausbildet. Innerhalb dieser erfolgt dann
der Zerfall des Körpers in 2 bis 4 Theilstücke (XUI. 11c— d), unter
gleichzeitiger Ausscheidung der unverdauten Nahrungsreste (N). Die
Theilstücke verlassen hierauf die Cyste durch eine oder mehrere von
ihnen gebildete Oeflfnungen (XHI. 11c — d).
Der sogen. Ruhezustand unterscheidet sich nach Cienkowsky haupt-
sächlich dadurch von dem eben besprochenen Zeilzustand, dass es hier-
bei noch zur Bildung einer dritten Cystenhülle (sogen. Cystenhaut Cienk., c)
innerhalb der sogen. Zellhaut kommt und dass weiterhin keine Theilung
des dreifach umhüllten Weichkörpers beobachtet wurde (XIII. 11 e, 12 a).
Die Cystenhaut (c) besitzt bei diesen Ruhezuständen zuweilen eine war-
zige Oberfläche, zuweilen ist auch die Zellhaut mit Stachelchen besetzt.
Auch bei diesem Encystirungsvorgang erfolgt innerhalb der Zellhaut eine
Ausscheidung der unverdauten Nahrungsreste (N).
Ob die Cienkowsky'scbe Unterscheidung zwischen Zell- und Ruhe-
zustand völlig durchführbar sei, wird von Hertwig und Besser bezweifelt.
312 Heliozoa.
die bei der V. Spyrogyrae nur einfach umhüllte Cysten mit oder ohne
Vermehrung durch Theilung auffinden konnten. Auch Häckel hat bei
seiner V. Gomphonematis (XIII. 13 b) die Bildung einer einfachen, structur-
losen Hülle von grosser Dicke beobachtet, die eine mehr chitinartige
Natur besass. Der Weichkörper zerfällt in diesen Cysten in 4 Tbeil-
stücke (sogen. Telrasporen), die durch simultane Viertheilang zu ent-
stehen scheinen. Dieselben schlüpfen nach einiger Zeit alle aus einer
und derselben Oeffnung aus, welche der erst-hervorbrechende Sprössling,
gegenüber der Befestigungsstelle der kugeligen Cyste an dem Ende eines
Gomphonemastielchens, erzeugt.
Aehnlich wie Vampyrella verhält sich hinsichtlich der Encystirung
auch Nuclearia. Der von Cienkowsky bei N. simplex aufgefundene
Ruhezustand wurde auch von mir vielfach beobachtet (XIV. 2 a). Er
weist zwei Hüllen auf, eine äussere etwas dünnere (z) und eine innere
etwas dickere und auf ihrer Innenfläche schwach warzige (c). Nach
Bildung der äusseren Hülle muss sich der Weichkörper unter Ausstossung
der Nahrungsreste und Excretkörnchen (N) stark contrahiren, da der
Durchmesser der Binnencyste etwa nur die Hälfte des der äusseren
Hülle beträgt. Cienkowsky sah nach Austrocknung der Cysten bei der
Befeuchtung die Nuclearia wieder ausschlüpfen. Ich beobachtete ge-
legentlich auch 4 kleine Specialcysten gleichzeitig in der Aussenhülle
(XIV. 2 b), woraus ohne Zweifel hervorgeht, dass zuweilen auch Theilung
des Weichkörpers in der Aussenhülle mit darauf folgender Bildung von
Specialcysten um die Theilprodukte erfolgt.
Eine gewisse Aehnlichkeit mit diesem Verhalten bietet unter den
skeletführenden Formen die Clathrulina dar. Hier kann sich der in der
Gitterhtille kugelig zusammengeballte Körper mit einer CystenhüUe um-
kleiden, die nach Greeflf, wegen ihrer Resistenz, wahrscheinlich auch aus
Kieselsäure gebildet ist und deren Oberfläche von feinen Stachelchen be-
deckt ist. Gewöhnlich theilt sich jedoch der Weichkörper zuvor in meh-
rere Stücke, 2 — 10, die sich sämmtlich mit einer solchen kugeligen Cysten-
hüUe umkleiden (XVII. Ic). Erst nach längerer Zeit, nach Verlauf
einiger Monate, und wie Cienkowsky vermuthet in der freien Natur wahr-
scheinlich erst nachdem die Cysten den Winter über geruht haben, tritt
aus ihnen ein ovaler Schwärmsprössling hervor. Derselbe verlässt die Gitter-
schale der Mutter und schwärmt einige Stunden umher, um sich hierauf
festzusetzen und sich wie die früher beschriebenen Schwärmsprösslinge
zur ausgebildeten Clathrulina zu entwickeln. Bis jetzt ist es nicht mög-
lich gewesen, die Bewegungsorgane dieser Schwärmer mit Sicherheit
zu beobachten; Cienkowsky konnte nicht entscheiden, ob derselbe eine oder
mehrere Cilien besitze ; Greeff gibt einfach an, „dass er vermittelst Wimper-
bewegung umherschwärme." Es dürfte jedoch wohl zu vermuthen sein,
dass der Schwärmer dieselben beiden Geissein besitze, wie der von
Hertwig und Lesser beschriebene, da er im übrigen Bau diesem ganz zu
entsprechen scheint.
Encystii'uiig u. Forlpflauzunjj (Myxastruiu u. Actinosi^haeriuin), 313
Mit VermebrungserscbeinuDgen verbundene Encystirungsvorgänge sind
feiner nocb bei Myxastrum und Actinospbaerium nachgewiesen worden.
Besonders eigentbiimlicb und coniplicirt gestalten sich diese Vorgänge bei
der letzteren Gattung, wiewohl auch das VerbaUen von Myxastrum recht
interessant und nicht ohne Aehnlicbkeit mit dem des Actinospbaerium ist.
Nach den Beobachtungen Häckels (30) umhüllt sich das zusammengekugelte
Myxastrum mit einer ziemlich resistenten Cystenbiille. Dieselbe ist an-
fänglich dünn, verdickt sich jedoch bald beträchtlich, durch Zuwachs
neuer Schichten (bis zu Vs des Cystendurchmessers) und liegt dem Weich-
körper dicht auf. Nach einiger Zeit sieht man den Weichkörper in ca.
50 radial geordnete, kegelförmige Protoplasmatheile zerfallen, die sich
sämmtlich im Centrum der Kugel berühren und welche wahrscheinlich
durch simultanen Zerfall des Plasmakörpers entstanden sind. Diese Theil-
produkte nehmen nach einiger Zeit eine spindelförmige Gestalt an und
entwickeln sämmtlich eine dünne, kieselige Specialcystenhaut (XIII, 14 a).
In solcher Verfassung scheint die von Specialcysten (Sporen) erfüllte
Cyste längere Zeit zn verweilen, da es Häckel, trotz mehrwöchentlicher
Beobachtung, nicht gelang, eine Veränderung derselben wahrzunehmen.
Wurde jedoch die Cyste künstlich gesprengt, so dass die Sporen ins
Freie traten, so konnte nach einigen Tagen der Austritt des protoplasma-
tischen Inhalts beobachtet werden. Derselbe vollzog sich durch eine an
dem einen Pol der Kieselspindel befindliche Oeffnung, über deren Ent-
stehung oder schon früheres Vorhandensein nichts Sicheres ermittelt werden
konnte. Der ausgetretene Sprössling verharrte zunächst einige Zeit
im zasämmengekugelten Zustand ruhend, um hierauf allmählich allseitig
zahlreiche Pseudopodien zu entwickeln (XIII. 14b).
Es dürfte wohl kaum fraglich erscheinen, dass auch der natürliche
Entwickelungsgang dieser Myxastrumcysten in ähnlicher Weise verlaufen
wird, ohne Zweifel jedoch erst, nachdem eine längere Ruheperiode vor-
hergegangen ist.
Ueber den Encystirungsprocess des Actinospbaerium haben eine
Reihe Forscher Beobachtungen angestellt, die jedoch in manchen
Punkten von einander abweichen. Die ersten, jedoch nicht sehr ein-
gehenden Mittheilungen rühren von Cienkowsky (24) her, der den En-
cystirungsprocess an Actinosphärien verfolgte, welche durch Verschmelzung
aus künstlich erzeugten Theilstücken hervorgegangen waren. Schon diese
Beobachtung musste es wahrscheinlich machen, dass die Encystirung
unserer Form sich hauptsächlich nach vorausgegangener Copulation zeige.
In der Folge hat sich jedoch diese Vermuthung nicht allgemein bestätigen
lassen, wenn es auch wahrscheinlich ist, dass der Encystirung zuweilen
ein solcher Copulationsakt vorausgeht. Wir werden weiter unten die
Beobachtungen über die Copulation genauer betrachten und hierbei Ge-
legenheit haben, diese Frage eingebender zu behandeln. Nach den tiber-
einstimmenden Beobachtungen Cienkowsky's, Ant. Schneider's (36), Greeff' s
(37), F. E. Schulze's (38, I.) und Brandt's (44) zieht das zur Encystirung
314 Hcliozoa.
sich anschickende Actinosphaeriiim seine Pseudopodien ein, scheidet eine
ziemlich dicke, geschichtete Gallerthülle um sich ab und bildet die Va-
cuolisation seines Plasmas allmählich mehr und mehr zurück. Dabei
zeigt sich, nach den Erfahrungen Brandts, nach der Einziehung der
Pseudopodien, nicht selten für einige Zeit ein eigenthümlicher, amöboider
Zustand. Als nächste Veränderung im encystirten Plasmakörper bemerkt
man nach Schulze und Brandt eine Abnahme der Zahl der Kerne (nach
Schulze von etwa 100 und mehr bis auf 20 — 30). Ueber die Art und
Weise, in welcher sich dieser Process vollzieht, ist jedoch bis jetzt nichts
Sicheres bekannt. Entweder können hier Kernverschmelzungen statt-
finden, was hauptsächlich Schneider vermuthet und wofür mancherlei
Wahrscheinlichkeitsgründe aufgeführt werden könnten (namentlich aber
die Beobachtung Brandts, dass die Grösse der Kerne beträchtlicher wird
wie früher [ca. 0,014 : 0,027]), oder aber einfacher Untergang (Auflösung,
resp. Ausstossung) einer Anzahl von Kernen. Uebrigens lässt Schneider
die Kern Verminderung durch Verschmelzung nicht schon auf diesem
Stadium des Encystirungsprocesses sich vollziehen, sondern erst in den
Theilstücken, die, wie gleich zu beschreiben sein wird, durch Zerfall des
Plasmakörpers innerhalb der Gallertcyste ihre Entstehung nehmen. Es
theilt sich nämlich der Plasmakörper in eine, je nach dem Fall, sehr ver-
schiedene Zahl von kugeligen Partien (2 — 35 nach Brandt) (sogen. Keim-
kugeln), von welchen jede einen der Kerne einschliesst (XV. Ic). Nach
Schulze und Greeff erfolgt dieser Theilungsprocess successive, ganz ähn-
lich wie eine Furchung; dagegen soll nach Brandt der Zerfall in die
definitive Zahl von Kugeln gewöhnlich simultan vor sich gehen*). Während
nun Schulze jede dieser Kugeln sich einfach mit einer kieseligen Haut
umhüllen lässt, haben dagegen Greeff und Brandt noch weitere eigen-
thümliche, dieser Umhüllung vorhergehende Processe beobachtet. Greeff
berichtet, dass je zwei benachbarte Kugeln mit einander verschmölzen, so
dass bei ungerader Zahl derselben eine derselben unverschmolzen zurück-
bleibe und sich die Zahl der Kugeln derart auf die Hälfte reducire. Etwas
anders lauten die Angaben Brandt's. Derselbe sah jede der Kugeln sich
mit einer dünnen, membranartigen Hülle umkleiden, sich hierauf inner-
halb dieser zweitheilen und nach einiger Zeit die beiden Theilhälften
wieder mit einander verschmelzen. Hierauf scheint die membranartige
Hülle zu verseh winden. Erst die so entstandenen Plasmakugeln um-
kleiden sich mit einer kugeligen bis sechseckigen, ziemlich dicken Kiesel-
hülle (XV. 1 c, z), welche nach Schneider und Brandt aus kleinen Kiesel-
stückchen zusammengesetzt sein soll, wogegen sie auf Schulze mehr den
Eindruck einer „Membran mit Lücken oder dellenartigen Depressionen'"'
machte*'").
Der ganze Vorgang bis zur Bildung der Kieselcysten nimmt nach
*) Aelinlich spricht sich auch Greeff aus.
**) Nach Greeft' sollen sich um jede Kugel successive 2 Kieselhüllen bilden.
Eiicystii'ung u. Fortpllaiizuujj,- (Actiaospliaorium u. Actiiioijhryti}. 315
Brandt etwa 2—3 Tage in Anspruch. Die so gebildeten Cysten ver-
harren nun den Winter über auf dem Boden der Gewässer im ruhenden
Zustand. Erst im folgenden Frühjahr schlüpfen aus ihnen juDgc Actiuo-
sphärien hervor, die nach Schulze einkernig sind, wogegen Schneider
und Brandt übereinstimmend ihre Mehrkernigkeit hervorheben*).
Hiermit hätten wir das Thatsächliche des interessanten Encystirungs-
proccsses des Actinosphaeriums erschöpft und zur Ergänzung möge nur
noch beigefügt werden, dass sich bei sehr kleinen Actinosphärien nach
Brandt auch nur eine einfache Kieselcyste bildet, jedoch auch der Bil-
dung dieser eine Zweitheilung und Wiederverschmelzung vorangeht.
Gelegentlich tritt auch im Beginn des Encystirungsprocesses eine Zwei-
theilung der Actinosphärie auf, worauf beide Hälften innerhalb der ur-
sprünglichen Gallertcyste sich mit einer Specialgallerthülle umkleiden,
und jede Theilhälfte für sich die weiteren Vorgänge durchschreitet.
Anknüpfend an die ebengeschilderten Vorgänge bei Actinosphaeriura
erwähnen wir noch kurz die bis jetzt weniger vollständig erkannten Er-
scheinungen bei Actinophrys, die von Cienkowsky (24) und Lieberkühu**)
verfolgt worden sind. Hier verläuft der Process wahrscheinlich sehr
ähnlich wie bei Actinosphaerium. Die Ausscheidung einer sehr ansehn-
lich dicken Gallerthülle und die völlige Rückbildung der Vacuolisation
finden sich auch hier. Hierauf bildet sich jedoch nach Cienkowsky
eine zarte, sogen. Zellhaut um das von Gallerte umhüllte Thier, und
dessen centrale Partie verdichtet sich zu einer dunklen, kugeligen Masse.
Diese dunklere Binnenmasse soll sich nun allein zweitheilen, was mir
jedoch wenig wahrscheinlich dünkt. Hierauf verschwinde die Zellhaut
sowie die helle peripherische Plasmamasse und jede der beiden Theilkugeln
umhüllt sich successive mit zwei ziemlich dicken Cystenhäuten (XIV, 7 c),
von welchen die innere glatt (c), die äussere, braune dagegen auf der
Innenfläche eigenthümlich warzig ist (z). Ueber die chemische Beschaffen-
heit dieser Cystenhäute ist nichts bekannt. Etwas hiervon abweichend
ist die kurze Darstellung, welche Lieberkühu von der Encystirung der
Actinophrys gibt. Nach ihm umkleidet sich der ganze Körper mit einer
kugeligen Hülle, die nach Beschreibung und Abbilducg ohne Zweifel
identisch ist mit der warzigen, äusseren CystenhüUe Cienkowsky's; auch
die glatte, innere CystenhüUe hat L, beobachtet, jedoch als eine festere
Rindenschicht des encystirten Weichkörpers gedeutet. Innerhalb dieser
Cyste soll der Körper ungetheilt bleiben oder sich durch Weitere Thei-
lung vermehren. Interessant ist die Angabe Lieberkühns, dass die con-
*) GreefF hat sehr eigenthUmliche Vorstellungen tiher die Entstehung des jungen Actino-
sphaeriums aus dem Plasma der Kieselcysten ausgesprochen. Es scheint ihm nämlich wahr-
scheinlich, dass dasselbe sich im Innern des Plasmas entwiclde und dass der als Kern der
Keiuikugel betrachtete centrale helle Körper als das in Entwickelung begriilene Actinosphae-
rium aufzufassen sei.
**) Siehe Lieberkühn, Zusätze zur Entwickelungsgesch. der Spongillen. Arch. f. Anat.
u. Physiol. 1856, p. .505—7 und Nr. 84.
316 Ileliozoa.
tractile Vacuole sich während der ganzen Dauer des encysthten Zu-
standes erhalte und weiter pulsire, wogegen Cienkowsky die contractile
Vacuole nach Bildung der sogen. Zellhaut und vor der Entwickeluog der
beiden eigentlichen Cystenhiillen schwinden lässt. Das Hervortreten des
protoplasraatischen Körpers aus der Cyste haben beide Forscher verfolgt.
Nach Cienkowsky reisst zunächst die äussere Cystenhülle ein, indem sich
der Plasmakörper sammt der inneren Hülle sehr ausdehnt (XIV. 7d).
Hierauf tritt eine Scheidung zwischen einer helleren, centralen und einer
dunkleren, peripherischen Partie im Plasmakörper auf und es zeigt sich
die randständige contractile Vacuole (cv). Indem sich der Plasmakörper nun
von der inneren Cystenhülle, in die eingeschlossen er hervorgetreten ist,
zurückzieht, entwickelt er Pseudopodien, welche die „jetzt schon sehr
zarte, umfangreiche Cystenwand (innere) vor sich her drängen, bis sich
dieselbe schliesslich auflöst." Nach Lieberkühn tritt die junge Actino-
phrys als kugeliger, nicht weiter umhtillter Körper hervor und entwickelt
erst nach dem Austritt allmählich Pseudopodien und Vacuolen.
Besonderes Interesse bietet noch die von F. E. Schulze bei seinem
Actinolophus beobachtete Bildung eines Ruhezustandes dar. Die Aus-
bildung desselben wird durch ein Deutlicherwerden der, wie früher schon
erwähnt, wahrscheinlich stets vorhandenen Gallertumhüllung eingeleitet.
Hierauf tritt auf der Aussenfläche dieser Gallerthülle eine Lage sechs-
eckiger Kieselplättchen auf (XIV. 6b), die eine allseitige Hülle formiren,
welche sich auch noch als ein röhrenförmiger Ueberzug über den Stiel
fortsetzt. Die Kieselplättchen stossen mit ihren Seiten nicht unmittelbar
zusammen, sondern sind entweder durch Lücken getrennt oder vielleicht
durch eine gemeinsame Membran zusammengehalten. Weiterhin werden
dann die Pseudopodien eingezogen und der Kern zeigt eine Vermehrung
zu zweien. Das Centralkorn wie auch wohl die Axenfäden schwinden
gleichfalls, worauf die Kerne ihre sonst excentrische Lage nicht mehr
beibehalten und sich beliebig im Plasma zerstreuen. Weiter konnte jedoch
bis jetzt das Verhalten dieser Ruhezustände nicht verfolgt werden.
Mit wenigen Worten müssen wir noch der bei anderen Heliozoen
gelegentlich beobachteten Encystirungsvorgänge gedenken, die jedoch
bis jetzt nur sehr unvollständig erforscht sind. Einkugelung mit Ent-
wickelung einer äusserst dünnen Cystenmembran wurde von Hertwig
und Lesser bei Hedriocystis beobachtet. Bei Pompholyxophry s
punicea sah Greeff den Weichkörper in der Schale sich stark zu-
sammenziehen und mit einer dicht aufliegenden, anscheinend fein-
porösen Kieselhaut umhüllen. Auch Archer beobachtete die Entwicke-
lung einer dicken Hüllschicht unterhalb der normalen Hülle bei Sphaer-
astrum Fockii. Die äussere Hülle machte alsdann den Eindruck einer
vielfach gefalteten und verschrumpften, hyalinen Haut. — Schliesslich
hat noch Greeff (33, 40) einen nicht uninteressanten Encystirungsprocess
der Acanthocystis turfacea beschrieben. Nachdem der Weichkörper
sich innerhalb der Skelethülle beträchtlich contrahirt hat, entwickelt er
Copulation (Acünosphaeriuin). 317
auf seiner AussenflUcbe eine kieselige Cystenbaut, die eine Gitterkugel,
ähnlieh der der Clathrulina darstellt. Die Chlorophyllköruer sind im
Centrum des eneystirten Weicbkörpers zusammengedrängt. In seiner
ersten Arbeit (33) erwähnt jedoch Greeff an den eneystirten Exemplaren
noch einer äusseren kugeligen Kieselschicht, welche die Fussplättchen der
Stacheln unter einander verbinde, oder etwas ausserhalb dieser sich ent-
wickele. Da das Skelet der eneystirten Acantbocystis ganz gut erbalten
zu bleiben scheint, so dürfte wahrscheinlich auch eine solche Hülle die
isolirten Skelettbeile verbinden, da diese sonst wohl auseinanderfallen
müssten. Auch Leidy (50) und Korotuefl" (I. s. c, s. p. 308) machten
neuerdings einige, jedoch nur wenig eingehende Mittheilungen über die
Encystirung von Acantbocystiden.
D. Conjugations- und Copulation sv orgängc der Holiozoa.
Die Besprechung der Koloniebildung der Actinophrys hat uns schon
Gelegenheit gegeben, das Vorkommen von Verscbmelzungserscheinungen
bei dieser Form zu schildern. Dass dieser Vorgang auch als Conjugations-
akt (da totale Verschmelzung, wie es scheint, bis jetzt noch nicht beob-
achtet wurde) aufgefasst werden darf, unterliegt wohl keinem Zweifel,
man müsste denn diesen Begriff auf die Fälle beschränken, wo bis jetzt
eine Vermehrung in Folge dieser Erscheinung thatsächlich beobachtet
worden ist.
Weitere Beobachtungen von Verschmelzungserscheinungen sind bis
jetzt nur noch bei Actinosphaerium gemacht worden. Hier berichtete
schon Kölliker (9), dass er zwei völlig getrennte Individuen mit einander
verschmelzen sah und es ist jedenfalls ungerechtfertigt gewesen , diese
Beobachtung, wie mehrfach geschehen, in Zweifel zu ziehen. Brandt
hat die Copulation dieser Form in neuerer Zeit vielfach constatirt. Z. Tb.
war die Verschmelzung hierbei eine ganz vollständige, z. Tb. erstreckte
sie sich jedoch nur auf die Rindensubstanz, so dass bisquitförmige Ver-
schmelzungsformen entstanden. An der Verschmelzungsstelle war der
scharfe Unterschied zwischen Ecto- und Entoplasma verwischt. Von
Interesse ist ferner, dass die versuchsweise zusammengebrachten Thiere
sich häufig zunächst theilten und dass dann die Verschmelzungen sich
ebensowohl unter den Theilhälften eines wie verschiedener Individuen
vollziehen konnten.
Die Trennung vereinigter Thiere (im Falle völliger Copulation also
wohl Theilung), erfolgt gewöhnlich im Verlauf einiger Stunden. Cien-
kowsky gelang es auch, künstlich entsprechende Verschmelzungserschei-
nungen hervorzurufen. Indem er durch Abtrennung eines Körperstückchens
gewissermaassen eine Wundfläche erzeugte und die in solcher Weise
vorbereiteten Individuen mittelst dieser Wundflächen in Berührung brachte,
gelang es, die Copulation zu bewirken, ja successive nicht weniger wie
fünf Individuen in dieser Weise zu vereinigen. Gewöhnlich erfolgte
nach einiger Zeit wieder ein Zerfall des so erzeugten Verschmelzungs-
318 Hcliozoa.
Produktes in mehrere Individuen. Zuweilen jedoch trat Eucystirung und
der ohen geschilderte Fortpflanzungsprocess ein. Dieser letztere Umstand
bringt uns auf die Frage nach dem möglichen Zusammenhang des Copu-
lationsprocesses und der Fortpflanzung, speciell der Vermehrung im en-
cystirten Zustand. Cienkowsky selbst ist nicht geneigt, eine solche Be-
ziehung anzuerkennen. Dagegen hat Ant. Schneider einen solchen Con-
jugatious- oder Copulationsakt als steten Vorläufer (sogen. Begattung)
der Vermehrung des Actinosphaerium angenommen; die wahre Befruch-
tung jedoch vollzieht sich nach ihm erst im encystirten Zustand selbst
und zwar mittels der obenerwähnten, von ihm wahrscheinlich gemachten
Verschmelzung der Kerne. In dieser Hinsicht hebt er noch besonders
hervor, dass ja die Kerne der copulirten und conjugirten Thiere wohl
ausgetauscht würden. Greeff, der früherhin die Copulationserscheinungen
der Actinophryineu überhaupt in Abrede stellte, gibt dagegen neuer-
dings zu, dass eine Copulation wohl fakultativ dem Encystirungsprocess
vorausgehen könne, aber jedenfalls nicht ausschliessliche Bedingung des-
selben sei. Brandt endlich konnte keinerlei Zusammenhang zwischen den
von ihm beobachteten Copulationserscheinungen und der Fortpflanzung
auffinden.
Wie diese Angelegenheit jetzt liegt, kann wohl von einem thatsäch-
lichen Nachweis eines Zusammenhanges zwischen Copulation und Fort-
pflanzung nicht die Rede sein. Dagegen scheint mir jedoch auch der
Beweis des Gegentheils keineswegs erbracht, da die Encystirung und
Fortpflanzung der Copulation nicht direkt zu folgen braucht. Eine völlige
Bedeutungslosigkeit des Copulationsaktes für die Fortpflanzung, die ja,
nach Erfahrungen bei andern Protozoen, nicht gerade wahrscheinlich ist,
würde sich doch wohl nur dadurch sicher erweisen lassen, dass man
Individuen während ihrer gesammten Lebenszeit an der Copulation hinderte
und dennoch keine Beeinträchtigung der Vermehrungsfähigkeit bei ihnen
beobachtete.
6. System der Heliozoa und Ueberskht der Gattiiii«eii.
A. Allgemeine syst cuiatisclie Auffassung der Hcliozoa.
Schon bei Gelegenheit des historischen Ueberblicks mussten wir
mehrfach der irrthümlichen Anschauungen älterer Forscher über die
systematische Verwandtschaft der Heliozoa (speciell der damals fast allein
näher bekannten Actinophryen) berichten. Ehreuberg entwickelte 1838 noch
sehr falsche Vorstellungen über diesen Gegenstand, indem er die Actino-
phryen mit den Podophryen (Acinetinen) in seine Familie der Euchelyna
unter die Polygastrica aufnahm. Hierin folgte ihm noch v. Siebold
1848*) (der jedoch in seinem System die Acinetinen gar nicht erwähnt)
*) Lehrbuch der vergleich. Anatomie.
System. 319
und später Perty 1852, der seine Familie der Actinopbryinen (mit Ein-
sebluss der Gattungen Podoplnya und Acineta) als 11. Sektion der Ciliata
(Wimperinfusorien) aufführt.
Dagegen hatte schon 1841 Dujardin seine Familie der Actinophryens
(jedoch mit Eiuschluss der Gattungen Acineta und Dendrosoma) neben die
Kbizopoden in seine II. Ordnung der „Infusoires non symmctriques ou
asymmetriques, pourvues d'expausions variables" gestellt. M. Schnitze
glaubte, nach einer irrthümlichen Beobachtuug von Stein, die Gattung
Actinophrys nicht als eine selbständige betrachten zu dürfen und berück-
sichtigte sie daher in seinem System nicht weiter.*)
In der Folgezeit wurde die widernatürliche Vereinigung der Heliozoen
und Acinetinen auf Grund besseren Verständnisses der betreffenden Orga-
nismen aufgegeben. Job. Müller**) vereinigte Actinophrys 1858 mit
Araoeba und den monothalamen Süsswasserrhizopoden in seiner Gruppe
der „Infusoria rhizopoda'' und hierin folgten ihm Claparcde und Lach-
mann, die in ihrer Familie der Actinophryina neben den eigentlichen
Heliozoen noch die mit reticulären Pseudopodien versehenen Süsswasser-
monothalamien einschlössen, wogegen Stein 1861***) seine Familie der
Actinophryina (die nur die eigentlichen, damals bekannten Heliozoen um-
lasst) als 2. neben den Amoebiua in seiner Unterordnung der Gymnica
aufführt.
Carpentery) vereinigte dann 1862 die Familie der Actinophryina
(mit Einschluss der Rhizopodengattungen Plagiophrys und Euglypha) mit
den Radiolaria, wogegen Häckel 1866 ff) mit glücklichem Griff die Ab-
theilung der Heliozoa errichtete und sie, als 2. der ßhizopoda, zwischen
die Acyttaria und Radiolaria stellte. Seither ist denn diese Abtheilung
zu ziemlich allgemeiner Anerkennung gelangt und es bleiben nur noch
Zweifel über ihre nähere Beziehung zu den Radiolarien. Während Hertwig
und Lesser sich 1874 gegen eine Zusammenfassung mit diesen letzteren
sehr entschieden aussprachen , zeigt sich Hertwig in seinen neueren
Arbeiten dem Anschluss der Heliozoa an die Radiolaria nicht abgeneigt,
wenigstens hält er die Vereinigung der beiden Abtheilungen zu einer
grösseren, im Gegensatz zu den Rhizopoda, für ebenso berechtigt, wie die
selbständige Mittelstellung der Heliozoa zwischen Rhizopoda und Radio-
laria. Wir glauben, dass sich mancherlei Gründe anführen lassen, welche
die letztere Auffassung unterstützen und ihr vor der ersteren einen Vor-
zug verleihen, werden jedoch hierauf geeigneter bei der Betrachtung der
verwandtschaftlichen Beziehungen der Radiolaria zurückkommen.
Was die systematische Untertheilung unserer Gruppe betrifft, so
*) Organismus der Polytlialamien. Leipzig 1854.
**) AWiandl. der Berliner Akad. 1858.
***) Sitzb. der Wiener Al<ad. Bd. 44. 1861.
f) Introduction to tlie study of Foramiiiifera. London 18G
tt)" Generelle Morjjhologie. 1SG6.
320 Helio^oä.
schliessen wir uns in dieser Hinsicht an R. Hertvvig und Archer an und
unterscheiden die 4 schon früher charakterisirteu Unterabtheilungen des
Aphrothoraca, Chlamydophora, Clialarothoraca und Desmothoraca.
Die Zahl der Gattungen und Arten ist nicht erheblich, wir kennen
bis jetzt ca. 24 Gattungen mit 36 Arten, von ersteren sind jedoch 7 etwas
unsicher.
Von einer so ausgedehnten Variationsfähigkeit, wie sie den Rhizo-
poden von einer Anzahl Beobachtern zugeschrieben wird, lassen die
Heliozoeu, wenigstens nach den bis jetzt vorliegenden Untersuchungen,
nichts erkennen.
B. Uebersiclit der Gattungen.
1. Ordnung Aphrothoraca Hertw. 1879.
Skeletlose (nur temporär zuweilen mit einer Gallerthülle ausgerüstete)
Heliozoa von mehr amöbenartig veränderlicher oder constant kugliger
Gestaltung, jedoch feinen, meist allseitig ausstrahlenden Pseudopodien.
Mit oder ohne Kerne und contractilen Vacuolen.
Vampyrella Cienkowsky 1865 (24, 41), Häckel (30), Hertw. u. Lesser (39).
Synon. Amoeba pr. p. Fresenius (Abh. d. Senckenb. Ges. II.), Leptophrys Hertw.
u. L. (39).
(XIII. 11—13).
Unregelmässig rundlich bis mannigfaltig wechselnd, da amöboid ver-
änderlich. Zuweilen langgestreckt, bis in Fortsätze ausgezogen. Schei-
dung in verschieden gefärbtes Entoplasma und zartes, hyalines Ectoplasma
mehr oder weniger deutlich. Ersteres spärlich bis ganz vacuolär. Pseudo-
podien sehr fein strahlenartig, mehr oder weniger von der gesammten
Körperoberfläche entspringend, selten verästelt. Körnchenströmung z. Th.
sehr deutlich. Contractile Vacuolen soweit bekannt fehlend. Kerne bis
jetzt nur bei einer Form erwiesen. Zweierlei Cystenzustände (ob stets ?),
sogen. Zellzustand (mit Vermehrung) und Ruhezustand.
Artzahl 4 — 5. Süsswasser und Meer.
Nuclearia Cienkowsky 1865 (24). Maggi, Eendic. d. E. istit. Lombardo
s. n, xni.
Synon. ? Trichodiscus Ehrbg. (6)'; Clap. u. Lacbm. (17); ? Actinoplirys p. p. Duj.
[digitata] (7), Lachm. p. p. [fissipes] (19); Heteroplirys F. E. Scliulze (38, IL),
Heliophrys Greeff (40), '? Trichamoeba From. p. p. (radiata), Etudes s. 1. micro-
zoaires; Hcterophrys p. p. Leidy (50).
(XIV. 1~2).
Körpergestalt amöboid veränderlich, kuglig oder scheibenförmig, bis
langgestreckt und lappig. Keine Scheidung in Ecto- und Entosark.
Protoplasma häufig vacuolisirt. Pseudopodien allseitig oder nur von
einem Theil der Körperoberfläche entspringend, zuweilen mit spitzwinklig
verästelten Enden. — Kerne in Ein- oder Mehrzahl vorhanden. Contractile
Vacuolen in massiger Zahl, träge. Zuweilen mit dicker, von den Pseudo-
System. 321
podien dufcbbobrter Gallerthlille. Encystirung in doppelter Hülle; zu-
weilen mit gleichzeitiger Vermehrung. Artzahl 2. Stisswasser. *)
? Arachnula Cienk. 1876 (41).
Körpergcstalt amöboid verändorlicli, meist strangartig ausgezogen und z. Th. verzweigt.
Strangenden plattenartig verbreitert und mit zalilrciclien, feinen Pseudopodien besetzt. Letz-
tere wenig verästelt und massig anastomosirend, jedocli häufig energisch hin- und herbewegt.
Farblos. Einige contractile Vacuolen. Kerne ?. Fortpflanzung V. Bildung unregelmässiger
Verdaungscyste beobachtet. Artzahl 1. Süss- und Brackwasser.
(Die Hierherziehung dieser noch etwas unsicheren Form lässt sich wohl nur auf ürund
ihrer Beziehungen zu den zwei vorhergehenden rechtfertigen.)
Monobia Aim. Schneider (49) 1879.
(XIV. 3).
Aebnlicb Nuclearia und Varapyrella, farblos, Kern und contractile
Vacuolen nicht beobachtet. Im ruhenden Zustand kuglig (Grösse ?) mit
allseitig entspringenden, sehr langen und zarten Pseudopodien (die hier
und da zarte, spindelförmige Anschwellungen zeigen). In der Bewegung
meist etwas längsgestreckt bisquitförmig, bis dreieckig und unregelmässig.
Fortpflanzung durch einfache Zweitheilung. Häufig jedoch die Theil-
sprösslinge sieb nicht trennend, sondern durch ziemlich lange Plasma-
brücke in kolonialem Verband verbleibend. Bildung sekundärer Ver-
bindungsbrücken durch Verschmelzung zwischen den Pseudopodien. Die
Zahl der zu Kolonien vereinigten Individuen kann durch weitere Theilung
(vielleicht auch durch Zutritt anderer Individuen) bis zu 8 wachsen.
Gegenseitige Stellung der Individuen durch fortdauernden Wechsel in der
Bildung der Verbindungsbrücken sehr veränderlich. Süsswasser und viel-
leicht auch feuchte Erde. Artzahl 1.
Myxastrum Hack. 1870 (30).
(XIII. 14).
Körpergestalt (bis 0,5 Mm. Durchm.) kuglig mit zahlreichen, allseitig
ausstrahlenden Pseudopodien, die sich selten spitzwinklig verästeln und
anastomosiren. Keine Scheidung in Ecto- und Entosark. Ohne Kerne
und Vacuolenbildung. Fortpflanzung durch Bildung zahlreicher kiesel-
schaliger Sporen innerhalb der Primärcyste. Artzahl 1. Marin. (Cana-
rische Inseln.)
Actinophrys Ehrbg. 1830 (Abhandl. Berl. Akad.) und 6, Duj. (7),
Nicolet (8), Perty (12), Colin (10, 11), Clap. (13), Stein (14), Lieberkühn (15 u. 34), Weston
(16), Clap. u. Lachm. (17), Lachm. (19), Carter (21 u. 2^^), Cienkowsky (24), Grenacher (29),
Greeff (35), Hertw. u. L. (39), Leidy (50).
Synon.**) Trichoda 0. F. Müller u. Schrank p. p., Peritricha Bor. d. St. Vinc. p. p.
(XIV. 7.)
*) In sehr inniger Beziehung zu Nuclearia scheint auch die höchst merkwürdige Cilio-
phrys Cienk. zu stehen, die bald in einem ganz nuclearia-artigen , bald dagegen in einem
völlig flagellatenartigen Zustand sich zeigt und in dieser Weise eine ganz unentschiedene Mittel-
form zwischen Sarkodinen und Flagellaten bildet. Wir ziehen es vor , das Nähere über diese
Form erst bei Gelegenheit der Flagellaten mitzutheilen.
**) unter diesen Synon. ist auch Actinosphaerium mit begriffen, da die Scheidung
zwischen diesem und Actinophrys erst spät durchgeführt wurde.
Bronn, Klassen des Thieneichs Protozoa, 21
322 Heliozoa.
Körpergestalt kuglig, mit allseitig ausstrahlenden Pseudopodien (mit
Axenfäden). Scheidung zwischen Ecto- und Entosark nicht sehr scharf;
ersteres alveolär, letzteres feinkörnig. Centraler Nucleus, bis zu welchem
die Axenfäden zu verfolgen sind. Meist ganz farblos. Gewöhnlich eine
stark über die Oberfläche vorspringende contractile Vacuole. Häufig kolo-
niale Verbände. Fortpflanzung durch einfache Zweitheilung oder auch
Theilung im encystirten Zustand mit Bildung doppeltumhiillter Sporen.
Artzahl mit Sicherheit nur 1 (A. sol Ehrbg.), weitere, namentlich
auch von Lachmann (19) beschriebene Arten sind unsicher. Süsswasser
und Meer.
Actinosphaerium Stein 1857 (18).
Synon. s. b. ActinoiJlirys , „Der Stern" Eichhorn (1), Actinophrys aut. p. p.,
Kölliker (9), Perty (12), Stein (14), Wallich (19a), M. Schultzc (20), Carter (21, 23),
Cienliowsky (24), Zenker (25), Greefl^ (27, 35 xind 37), Ant. Schneider (36\
F. E. Schulze (38, I.), Hertwig u. Lesser (39), Brandt (44 u. 45) *j, Leidy (50).
(XV. la-c.)
*) Vergl. auch Brandt, K., üeber Actinosphaerium Eichhornii. Inaugur.-Dissert. Halle
1S77. Leider habe ich diese wichtige Arbeit früherhin, bei der Abfassung des Manuscriptes,
übersehen; sie ist mir erst neuerdings durch die Güte des Verfassers zu Gesicht gekommen.
Der Vollständigkeit wegen trage ich aus ihr hier noch einige wichtige Punkte nach. Die
jugendlichsten Actinosphaerien besitzen nach Brandt nur eine einzige contractile Vacuole,
bei den grossen erwachsenen E.xemplaren wurden dagegen bis 14 beobachtet; es scheint je-
doch aus des Verfs. Darstellung hervorzugehen, dass jene grosse Vacuolenzahl bei aus der
Copulation liervorgegangnen Verschmelzungsproducten beobachtet wurde. Sauerstoffmangel
scheint auch hier, wie nach Rossbach's Erfahrungen bei den Infusorien, das Volum der con-
tractilen Vacuole zu Tergrösseru und die Zeit zwischen Diastole und Systole zu verlängern.
Schliesslich tritt bei zunehmendem Sauerstoffmangel eine völlige Lähmung der Vacuole in der
Diastole ein und bald hierauf der Tod und Zerfall des Thieres. Bei solchen durch Sauer-
stoffmangel erweiterten und in der Energie ihrer Contraction geschwächten Vacuolen lässt sich
die Zeukcr'sche Beobachtung über die Bildung einer Eissstelle in der peripherischen Vacuolen-
wand leicht bestätigen. Die Rissstelle erweitert sich excentrisch , „wobei die eingerissne
Blasenwand sich knittrig faltet, dem Rand immer näher rückt und schliesslich mit demselben
verschmilzt". Die Contractionen der mehrfachen Vacuolen eines und desselben Individuums
sind im allgemeinen ganz unabhängig von einander; auch steht die Häufigkeit der Contraction
in keinem directen Abhängigkeitsverhältniss von dem Volum der Vacuolen.
Bei Reizung der Pseudopodien durch ein vorbeischwimmendes Thier werden ihre Enden
umgeknickt und hängen „welk" neben dem basalen, starr gebliebenen Theil herab, bald jedoch
richtet sich ihr Endstuck wieder auf und nimmt seine frühere Steifheit wieder an.
Die Nahrungsaufnahme wird in der von Kölliker zuerst geschilderten Weise beschrieben.
Interessante jSIittheilungen bringt die Arbeit Aveiterhin über gewisse Beziehungen der
äusseren Lebensbedingungen zum Eintritt der Theilung. Dieselbe soheint nämlich in reinem,
klarem Wasser bei einer geringeren Körpergrösse (ca. 0,3 -0,5 Min.), dagegen in fauligem
Wasser erst bei beträchtlicherer Grösse (bis 1,1 Mm.) einzutreten. Versetzt man grosse Indi-
viduen aus fauligem Wasser in klares, so tritt sofort die Theilung ein, wogegen die umge-
kehrte üebertragung keine Theilung hervorruft. Aehnlich wirken wahrscheinlich auch Tem-
peraturunterschiede; höhere Temperaturen veranlassen Theilung, bei geringerer Körpergrösse,
niedere erst bei beträchtlicherem Körpervolum.
Ausführlich bespricht Brandt in dieser Arbeit auch den Encystirungsprocess , über
welchen wir jedoch oben im Text, nach einer anderen Abhandlung Verfs.. schon das Wich-
tigste hervorgehoben haben.
System. 323
Körpergestalt kuglig (bis 1 Mm. Diirchm.) mit allseitig ausstrahlen-
deu , sehr lauggestreckt kegelförmigen Pseudopodien, mit Axentäden, die
bis etwa zur Grenze des Ectosarks oder noch etwas in dieses eindringen
und hier frei endigen. Scheidung in Ecto- und Entosark sehr deutlich,
beide durchaus vacuolär; ersteres jedoch grossblasiger, letzteres klein-
blasiger und körniger. Contractile Vacuolen (2—14) über die Oberfläche
vorspringend. Kerne sehr zahlreich im Entosark. Fortpflanzung durch
einfache Zweitheiliing oder Bildung meist zahlreicher kieselschaliger
Sporen innerhalb einer gallertigen Primärcyste.
Artzahl mit Sicheiheit nur 1 (A. Eichhornii Ehrbg.). Süsswasser.
Actinolophus F. E. Schulze 1874 (38, IL), r. Hertwig (43).
(XIV. 6a-b.)
Körper meist birnförmig (Länge bis 0,03), auf gewöhnlich langem
(bis 0,1), wahrscheinlich röhrenförmigem Stiel aufgewachsen. Pseudo-
podien sehr lang und fein, wahrscheinlich mit Axenfäden, die sich
mit einem sehr deutlichen Centralkorn vereinigen werden. Entosark ex-
centrisch, bis zur Körperoberfläche reichend, mit meist einem sehr excen-
trisch gelagerten Kern. Vacuolen fehlen. Der Körper wahrscheinlich
stets von sehr schwer sichtbarer, dicker Gallerthülle umgeben. Ruhe-
zustand mit Bildung einer Lage Kieselplättchen auf der Oberfläche der
Gallerthülle und Theilung des Kernes. Artzahl 1. Marin.
Anhang zur Gattung Actinolophus: Von Str. Wright*) wurde 1862 eine marine,
hierhergehörige Form, Zooteira religata, beschrieben, welche in vieler Hinsicht mit
Actinolophus übereinzustimmen scheint, jedoch durch eine Anzahl Charaktere abweicht. Es
ist daher vorerst nicht möglich , über ihr Verhältniss zu Actinolophus ganz Sicheres anzu-
geben. Der ovale, allseitig sehr lange Pseudopodien aussendende Körper ist auf langem,
röhrenförmigem Stiel befestigt und lässt deutlich dunkles, starkkörniges Entosark und helleres
Ectosark unterscheiden. Sehr abweichend von Actinolophus erscheint die Contractilität des
Stiels, die dem Thier erlaubt, sich in eine die Basis des Stieles umgebende, kurze, schleimige
Röhre zurückzuziehen. Diese Contractionsfähigkeit des Stieles soll von einem denselben
durchziehenden Muskelfaden herrühren , welcher noch von einem Netzwerk weicher Fasern
umsponnen werde.
Wie gesagt, wird erst oine genauere Untersuchung das richtige Verständniss dieser
Form bewirken können.
Haeckelina Mereschkowsky 1879 (47). Sehr ähnlich Actinolophus.
Kugliger bis etwas birnförmiger Körper (0,021) auf solidem, farblosem
Stiel (bis 0,15). Pseudopodien allseitig, unverzweigt, nicht anastomosirend.
Vacuolen und angeblich auch Kern fehlend. Keine Dififerenzirung in Ecto-
und Entosark. Marin (weisses Meer). 1 Art. (Bis jetzt scheint mir die
Kenntniss dieser Form noch zu gering, um ihre näheren oder entfernteren
Beziehungen zu Actinolophus beurtheilen zu können.)
''i Quart, iourn. micr, sc. n. s. Vol. II. p. 217,
21*
324 Heliozoa.
Anhang zur Abtheiluug der Aphrothoraca.
(Wir reihen hier eine Anzahl rücksichtlich ihrer Stellung noch unsicherer Formen an,
die wir anderweitig nicht schicklich unterzubringen wissen.)
Lithocolla F. E. Schulze 1874 (38, II.).
(XIV. 4.)
Körpergestalt kuglig i^Durchm. 0,04) , mit allseitig entspringenden, feinen Pseudopodien.
Farblos bis kirschroth. Oberfläche mit losem üeberzug von Sandkörnchen bekleidet. Kern
und Vacuole ?.
1 Art. Ostsee.
Elaeorhanis Greeff 1873 (40), Archer (Quart, j. micr. sc. n. s. p. 323 — 324).
(XIV. 5.)
Körpergestalt kuglig, klein (0,02 — 0,03), mit allseitig ausstrahlenden, massig zahlreichen
Pseudopodien, Körperoberfläche mit loser, aus Diatomeen und Sandkörnchen aufgebauter
Hülle. Farblose Sarkode enthält einen ansehnlichen gelben bis braunen Fettkörper (o), ähn-
lich Diploplirys. Kern und Vacuole ?.
1 Art. Süsswasser.
Chondropus Greeff' 1873 (40), Archer (42).
Kuglig (0,05), Pseudopodien allseitig entwickelt, massig zahlreich, mit sehr rascher
Körnchenbewegung. Sarkode gelb, in der Aussenregion mit eigen thümlichen Körnchen und
Stäbchen, die centrale Partie mit grünen Körpern (Kapseln ? Greefl) erfüllt, Contractile Va-
cuole und Kern ?.
1 Art. Süsswasser.
(Archer hält es für möglich, dass der äussere gelbe sogen. Sarkodesaum dieser Form
eine Hülle, ähnlich der von Astrodisculus oder Heterophrys darstelle und dass die vorliegende
Gattung daher vielleicht besser zu den Chlamydophora zu rechnen sei.)
2. Ordnung Chlamydophora Archer 1876 (42).
Typische Heliozoeuformen mit weicher gallertartiger oder eigenthtim-
lich verworren faseriger bis punktirter, kugliger Hülle.
Diese nach dem Vorgang Archer 's hier aufgestellte Gruppe besitzt vorerst noch einen
provisorischen Charakter, da hinsichtlich der wahren Beschaff'enheit der Skelethülle noch
keineswegs eine übereinstimmende Auffassung erzielt wurde (vergl. hierüber die frühere Dar-
stellung p. 297), Immerhin glaube ich, dass die Zusammenfassung der wenigen hierherge-
rechneten Formen wegen ihrer Besonderheiten vorerst gerechtfertigt erscheint.
Heterophrys Archer 1869 (32 n. 42), Hertwig u. l. (38), Greefl' (40),
non F. E. Schulze (37, II,).
(XV. 2.)
Körpergestalt kuglig, Pseudopodien allseitig ausstrahlend, zart und
körnchenführend. Scheidung in Ecto- und Entosark z. Th. deutlich. Kern
im Entosark. Contractile Vacuole z. Th. vorhanden, über die Körper-
oberfläche vorspringend. Allseitige, kuglige, ziemlich dicke Hülle, deren
Innenregion hyalin ist und die nach aussen ein eigenthümlich körneliges
bis gestricheltes Wesen annimmt. Ihre Oberfläche ist dicht mit haar- bis
fransenartigen Fortsätzen bedeckt, die sich radiär zwischen den Basen
der Pseudopodien erheben. Fortpflanzung ?. Artzahl 2. Süsswasser
und marin.
System. 325
Sphaerastrum Greeff 1873 (40), Archer (42).
Sy 11011. Heteroiilirys p. i). (Fockii) Arch. (32), Süsswasserradiolarie Nr. I. Focke (28).
(XV. 3a— b).
Kuglig, einzellebend oder koloniebildend, wobei die Individuen durch
lange Sarkodebrücken vereinigt werden. Kern vorhanden, sowie vor-
springende contractile Vacuole (nach Archer). Farblos oder chlorophyll-
führend. Hülle von eigenthümlicheni, undeutlich wellig gestricheltem Aus-
sehen und meist zackig gelappter und eingeschnittener Oberfläche; um
die Basen der Pseudopodien häufig festonartig erhoben. Bei den Kolonien
umschliesst eine zusammenhängende Hüllschicht sämmtliche Individuen.
Artzahl 1. Süsswasser.
Zflreifelhaftti Formen:
Astrodisculus (Greeff 1869, 33) emeiid. Arclier (42).
Kuglig-, klein mit allseitig ausstrahlenden zarten Pseudopodien in massiger Zahl. Meist
roth bis braun pigmentirt. Kuglige gallertige, structurlose Hüllschicht. Süsswasser.
(Die von Greeff beschriebeneu Formen seines Genus Astrodisculus sind von Hertwig und
Lesser mit grosser Wahrscheinlichkeit auf die Gattung Pompholyxophrys zurückgeführt worden ;
dagegen hat jedocli Archer Formen beobachtet, die sich wegen ihrer structurlosen und wohl
gallertigen Hülle nicht der Gattung Pompholyxophrys unterordnen lassen und auch H. und L.
schildern eine solche Form. Da letztere nun in ihren Charakteren der ursprünglich von Greeff
aufgestellten Diagnose des Genus Astrodisculus nahezu entsprechen, so dürfte dasselbe, wie
Archer meint, auf solche Formen beschränkt werden.)
? Astrococcus Greeff 18T3 (40), Archer (42).
Die bis jetzt nur sehr unvollkommen beschriebne Form Astr. rufus scheint sich so
sehr dem eben erwähnten Astrodisculus zu nähern , dass mir (wie auch Archer) ihre Selbst-
ständigkeit sehr fraglich erscheint.
3. Ordnung Chalarothoraca Hertw. u. L. 1874.
Typische Heliozoen mit loser, aus isolirten, kieseligen Skelettheilen
bestehender Hülle.
Pompholyxophrys Archer 1869 (32 u. 42).
Synon. Hyalolampe Greeff (33 u. 40), Hertw. u. L. (39), Leidy (5), Astrodis-
culus Greeff (33) p. p.?
(XV. 4.)
Kuglig, klein (bis 0,05), mit wenigen von der Oberfläche all-
seitig entspringenden feinen Pseudopodien. Kuglige SkelethüUe aus meh-
reren Schichten aufeinandergelagerter Kieselkügelchen gebildet. Difife-
renzirung in Ecto- und Entosark meist deutlich. — Centraler Kern vor-
handen. Contractile Vacuole vorhanden oder nicht. Meist erfüllt von
reichlichem gelbem bis rothem und braunem Pigment. Bewegung lebhaft.
Sichere Arten 2. Süsswasser.
(Hertwig und Lesser halten es für sehr wahrscheinlich, dass die 4 von Greeff beschrie-
benen Astrodisculus-Arten Angehörige des liier bcsprochnen Genus seien und wahrscheinlich
sämmtlicli als Varietäten ihrer Art P. exigua betrachtet werden dürften. Archer glaubt da-
gegen, wie oben schon bemerkt, die Bezeichnung Astrodisculus für gewisse Formen aufrecht
erhalten zu müssen und erachtet den Astrod. radians Greeff's als wahrscheinlich zu Acantho-
cystis gehörig.)
32j6 . Heliozoä.
Kaphidiophry s Archer 1867 (Quart, j. ra. sc. u. s. VII. u. 32),
F. E. Schulze (38, IL), Uevtw. u. L. (39), Leidy (50).
(XVI. 2.)
Kuglig; isolirte Individuen oder Kolonien. Pseudopodien allseitig
ausstrahlend, sehr zart und b. Th. sicher mit Axenfaden. Scheidung
in Ecto- und Entosark nicht deutlich, dagegen centrale Vereinigung der
Axenfaden beobachtet. Kern in Ein- oder Mehrzahl. Contractile Vacuolen
vorhanden oder fehlend (?). Skelethülle aus losen, meist tangential zur
Körperoberfläche gelagerten Kieselnadeln von gerader oder etwas gebogner
Gestalt gebildet. Zuweilen erheben sich die Skeletnadeln büschelförmig
um die Basen der Pseudopodien , so dass die Skelethülle ein strahlen-
förmiges Aussehen erhält, Kolonien von gemeinsamer Skelethülle um-
geben. Häutig zahlreiche Chlorophyllkörner in der peripherischen Region
des Weichkörpers. Fortpflanzung '?.
Artzahl 3. Süsswasser.
Pinacocystis Hertw. u. L. 1874 (39), Archer (42).
(XVI. 4.)
Scheidung in Ecto- und Entosark deutlich. Kern vorhanden. Con-
tractile Vacuole '?. Ectosark enthält gewöhnlich zahlreiche Pigmentkörner.
Skelethülle kuglig, aus zahlreichen, in einer Schicht zusammengeordneten
runden Plättchen gebildet. Artzahl 1. Marin (Aquarium).
Pinaciophora Greetf 1873 (40), Archer (42).
(XVI. 5a— c.)
Sehr ähnlich der vorhergehenden Gattung, Schalenplättchen jedoch
von nahezu blattförmiger, beiderseits zugespitzter Gestalt, wahrscheinlich
feinporös. Centraler Kern vorhanden. Differenzirung in Ecto- und Ento-
sark ?. Zahlreiche braune Pigmentkörner. Artzahl 1. Süsswasser.
Acanthocystis Carter 1863 (A. m. n. h. 3. XII. u. 21), ArcLer(,32u.42),
Greeff (33 u. 40), Grenacher (31), Hertwig u. Lesser (39), Schneider (36), Hertwig (43), Leidy (50).
Syüon, ? Actinojjhrj's Ehrbg. (viridis), Perty (brevicirrhis) , Clap. u. Lachm.,
? Focke, Süsswasserradiolarie Nr. 11. (28).
■ (XVI. 6—7).
Körpergestalt kuglig (Durchm. ca. 0,02 — 0,1), Pseudopodien sehr fein
und dünn , meist körnchenreich. Differenzirung in Ecto- und Entosark
deutlich. Letzteres sammt Kern excentrisch, körnig und mit mehr oder
weniger zahlreichen, nicht vorspringenden Vacuolen. Centralkorn und
Axenfaden vorhanden. Hauptskeletgebilde : radiale Stacheln mit Fuss-
plättchen, Länge verschieden, Ende fein zugespitzt oder gabiig gespalten.
Zuweilen zweierlei derartige Stacheln gleichzeitig, längere und kürzere;
zuweilen noch tangential gelagerte Spicula. Fortpflanzung durch ein-
fache Theilung, Knospung und wahrscheinlich auch Schwärmerbildung.
Encystirung nachgewiesen.
Artzahl ca. 4. Süsswasser. Marin ?.
System. 327
Wagiierella Mereschkowsky (46 b und Ann. mag. nat. hist. (V.) 8. I88l).
Mayer (4S) und Zoolog. Anzeiger JSSl.
Körper knglig (Diirchm. bis 0,18 Milliiu.), in einen cylindrischen Stiel
verlängert (bis 1,1 Millini. lang), der mit kegelförmig augescliwollner Basis
befestigt ist, Körper und Stiel mit membrauöser Hülle bekleidet, in die
zahlreiche kurze, bogenförmig gekrümmte Kieselspicula eingelagert sind.
Vom Köpfchen strahlen weiterhin radiär zahlreiche feine, längere Kiesel-
spicula allseitig aus. Der Kern nach Mayer in der kegelförmigen Stiel-
basis. Fortpflanzung durch Kuospung. Marin (weisses und Mittelmeer).
Seit dem Erscheinen der letzten Lieferungen dieses Werkes berichtigte Mereschkowsky
seine frühere irrthümliche Angabe, dass die Spicula der Wagnerella aus kohlensaurem Kalk
beständen und überzeugte sich wie Mayer von deren Kieselnatur. Damit wird es auch wohl
unzweifelhaft, ilass die Sjiicula von dem Organismus selbst erzeugt werden. Diese neueu Auf-
klärungen macheu es denn jetzt auch , gegenüber den früher von mir angedeuteten Zweifeln,
sehr wahrscheinlich, wenn nicht sicher, dass die Wagnerella ihre richtige Stellung bei den
Heliozoa findet.
Anhang zu den Chalarothoraca.
Stich 0 Ion che K. Hertwig 1877 (43). Unter diesem Namen wurde
von K. Hertwig ein sehr interessanter, heliozoenartiger, mariner Organis-
mus beschrieben, welcher jedoch in seiner Stellung bis jetzt noch etwas
unsicher geblieben ist. Im Allgemeinen scheint mir jedoch seine Zurech-
nung zu den Heliozoen das natürlichste und so mag er denn hier eine
kurze Darstellung finden. Der Plasmakörper der pelagischen Sticholonche
besitzt eine etwas längliche, nahezu bohnenförmige Gestalt (Länge bis
0,15 Mm.), und schliesst ein relativ sehr ansehnliches, kernartiges Gebilde
ein von ähnlicher bohnenartiger Gestaltung. Letzteres Gebilde, für dessen
Kernnatur sich Hertwig neuerdings (Der Organismus der ßadiolarien p. 48)
ausspricht, zeichnet sich durch eine sehr resistente Membran aus, welche
äusserlich allseitig und dicht mit kleineu ringförmigen Erhebungen besetzt
ist. Auf der convexen Fläche der Kernmembran entspringen von den
ringförmigen Erhebungen mehrere Reihen cylindrischer und wahrscheinlich
röhrenförmig hohler Fortsätze, welche auf der Mittelregion des Kernes
am höchsten sind und nach seinen beiden Enden rasch abnehmen. Mit
diesen röhrigen Fortsätzen stehen die starren , äusserst wenig zur Ver-
schmelzung geneigten und unverzweigten Pseudopodien der Sticholonche
in Verbindung, indem sie sich, ohne Zweifel in Gestalt von Axenfäden,
durch das sehr körnige Plasma hindurch bis zu jenen Fortsätzen ver-
folgen lassen. Wie diese Fortsätze stehen auch die Pseudododien in meh-
reren Längsreihen über den Körper hin. Ein sehr eigenthümliches Skelet
zeichnet weiterhin unsre Form aus. Einmal wird der gesammte Körper
von einer ziemlich weit abstehenden, membranartigen Hülle umkleidet,
welche sich in bis jetzt wenig erforschter Weise aus einzelnen, ziemlich
unregelmässig gelagerten, spangenartigen Stücken zusammensetzt, zweitens
gesellen sich hierzu noch eine Anzahl Stachelbüsche, welche, von einander
getrennt, auf buckelartig hervorgevvölbten Stellen der membranartigen
328 Heliozoa.
Hülle aufgesetzt sind. Jeder Stachelbusch besteht etwa aus 20 hohlen
geraden Stacheln, die büschelig von einem Centrum ausstrahlen. Die
Stacheln besitzen ein stärker angeschwoUnes Basalende und ein ziemlich
stumpfes peripherisches Ende; ihre Oberfläche ist fein quergestreift, d. h.
wahrscheinlich geringelt. In der Mitte der Stachelbüsche findet sich häufig
ein längerer und gegen sein peripherisches Ende nochmals angeschwollner
Hauptstachel. Aus welchem Material die Stacheln sowie die erstbeschriebne
Hülle bestehen, ist bis jetzt noch unbekannt.
Höchst merkwürdig sind die Bewegungen der Sticholonche , welche
ruckweise geschehen, indem sich gleichzeitig sämmtliche Pseudopodien
ruderartig nach einer Richtung senken, Nahrungsaufnahme und Fort-
pflanzung konnten bis jetzt nicht ermittelt werden.
3. Ordnung Desmothoraca Hertw. u. L. 1874.
Skelethülle eine kuglige oder nahezu kuglige, von zahlreichen
Löchern durchbrochne , einheitliche Gitterschale. Ungestielt oder gestielt.
Orbulinella Entz 1877 (Naturhistor. Hefte des Nat. Mus. in Buda-
pest 1. H.),
Schale etwas oval bis nierenförmig, wahrscheinlich kieselig, von
zahlreichen nach Aussen trichterförmig sich erweiternden, kreisrunden
Oeffnuugen durchbrochen, grünlich gefärbt. Stiellos. Weichkörper die
Schale nur z. Th. erfüllend. Mit 1 Kern und 1 — 2 Vacuolen (ob con-
tractu ?). Pseudopodien fadenförmig, unverzweigt.
1 Art. Salzteich bei Klausenburg.
? Elast er Grimm 1872 (Arcli. f. mikr. Anat. VÜI.)
Zweifelhafte Form. Kieselgitterschale ähnlich Clathruliiia, jedoch stiellos (Durchm. 0,02).
Weichkörper scheint die Schale gänzlich auszufüllen. Pseudoijodieu sehr zahlreich und fein,
mit Köruchenströmung. Centraler kernartiger Körper vorhanden.
Artzahl 1. Süsswasser.
Clathrulina Cienk. 1867 (26), (Archer Qu. j. micr. sc. n. s. VII.), Greeff
(33), Hertwig u. L. (39), Mereschkowsky (47), Leidy (50),
Synon. Podosphaera Archer (Qu. j. micr, sc. n. s. VIII. p. 66).
(XVII. la— f).
Kieselige, von zahlreichen rundlichen bis polygonalen Löchern durch-
brochne Gitterschale, im Alter farblos oder tief braun. Auf röhrenförmigem
Stiel, der am basalen Ende durch wurzeiförmige Ausläufer befestigt ist,
aufgewachsen. Weichkörper ohne DiflTerenzirung in Ecto- und Entosark,
meist mit zahlreichen, z. Th. contractilen Vacuolen, derselbe füllt
die Schale nur z. Th. aus. Pseudopodien nach Greefif mit Axenfäden,
ziemlich häufig verästelt und anastomosirend. Centraler Nucleus. —
Fortpflanzung durch einfache oder wiederholte Th eilung in der Schale
und Hervortreten der Theilstticke mit oder ohne Schwärmerbildung; oder
Encystirung nach vorhergehender Theilung in der Schale und schliess-
liches Hervorbrechen der Theilstücke als Schwärmer. Artzahl 2. Süss-
wasser.
System. 329
? Hedriocystis Hertw. u. L. 1874 (39), Archer (42\
(XVII. 2.)
Gestielte Schale kuglig bis oval, von zahlreichen, zu zugespitzten Buckeln ausgezogenen
Löchern durchbrochen. Klein (Durchni. 0,02—0,0.3). ^^'eichl^örl^cr füllt die Schale nur
z. Th. aus. Pseudopodien nicht verästelt und verschmelzend. Fortpflanzung durch einfache
ThciluDg. Encystirung beobachtet. Artzahl 1. Süsswasser.
(Archer hält die generische Trennung dieser Form von Glatlirulina nicht für angezeigt
und ich glaube, dass er hierin nicht Unrecht hat, doch wollte ich ohne eigne Kenntniss der
betreffenden Formen die Vereinigung nicht vornehmen.)
7. Yorkoinmeii, geograpliische Verbreitung' und biologische Verliältnisse
der Heliozoa.
Die Heliozoa scheinen ganz vorzugsweise auf die süssen Gewässer
angewiesen zu sein, wie dies selion aus dem Früliereu iiervorgeht. Wenn
wir die diesbezüglichen Verhältnisse noch einmal zusammenfassend über-
schauen, so finden wir, dass nur 8 von den 27 Gattungen bis jetzt aus-
schliesslich marin getroffen wurden (einbezogen ist die in einem Salzteich
gefundne Gattung Orbulinella); dass weiterhin noch 4 Gattungen gleich-
zeitig im süssen Wasser und Meer (oder doch Brackwasser) vertreten
sind: nämlich Arachuula, Vampyrella, Actinophrys und Heterophrys.
Letztere Gattungen scheinen sogar, mit Ausnahme von Vampyrella, sämmt-
lich mit identischen Arten an beiden Fundorten vorhanden zu sein. Was
schliesslich die Zahlenverhältnisse der Arten betrifft, so kommen auf
30 Süsswasserspecies , von welchen 3 gleichzeitig marin sind, nur 9 bis
jetzt ausschliesslich marin angetroffne.
Unter den verschiedenartigen süssen Gewässern scheinen die Helio-
zoen vorzugsweise frische, nicht verdorbne, zu lieben und sich nament-
lich gern, wie zahlreiche andere Protozoen, in Torfgruben und ähnlichen,
reichliche Nahrung bietenden stehenden Gewässern vorzufinden. In eigent-
lichen Infusionen sind sie dagegen, mit Ausnahme vielleicht der Gattung
Nuclearia, kaum anzutreffen. Aus feuchter Erde sind bis jetzt keine
Heliozoen bekannt geworden.
Bis jetzt ist keine Heliozoenform aufgefunden worden, die sich dem
parasitischen Leben angepasst hätte. Dagegen fällt auch der Orga-
nismus unsrer Formen zuweilen Parasiten zum Opfer. Schon bei
der Besprechung der Fortpfianzungserscheinungen haben wir hervor-
gehoben, dass die angeblichen Schwärmer von Actinosphaerium und
Actinophrys höchst wahrscheinlich in das Bereich solcher parasitischer
Vorkommnisse gehören. Dies wird nahezu gewiss durch neuere Beob-
achtungen Brandt's*). Derselbe konnte zunächst, wie Greeff, das Hervor-
brechen von Amöben und Flagellaten aus der Leibessubstanz abgestorb-
ner Actinosphaerien mehrfach bestätigen. Weiterhin fand er jedoch, dass
*) Brandt, K. , üeber Actinosphaerium Eichhornii. Inaug.-Dissert. Halle 1S77, und:
Untersuchungen an Radiolarien. Monatsber. der Berl. Akad. f. 1881, p. 388. 1 Taf,
330 Heliozoa.
sich in den NahruDgsvacuolen dieses Heliozoon sehr häufig und in sehr
reichlicher Menge kleine einzellige pflanzliche Schmarotzer vorfinden, welche
sehr wahrscheinlich den erwähnten Flageliaten den Ursprung geben. Brandt
glaubt diese Schmarotzer am nächsten der Saprolegnaceengattung Py thium
verwandt. Dieselben stellen kleine, 0,005—0,013 Mm, Durchmesser er-
reichende kuglige Zellen dar, mit deutlicher derber Membran und hellem
Plasma, welches einen centralen Nucleus und eine verschiedne Anzahl
stark glänzender Körner einschliesst. Diese Pilzzellen sitzen den Nah-
rungseinschlüssen der Vacuolen auf und scheinen sich auch hauptsächlich
von diesen zu ernähren. Werden sie mit den unverdauten Resten der
Nahrung aus dem Leib des Actinosphaerium ausgestossen, so gehen sie
allmählich zur Fortpflanzung über. Die Einleitung hierzu besteht darin,
dass die erwähnten glänzenden Körner sich zu zahlreichen feinen Gra-
nulationen umbilden, wodurch das Plasma sehr feinkörnig wird.
Schliesslich tritt das Plasma in Gestalt eines schlauchartigen Fortsatzes
allmählich aus der Zellmembran aus , ballt sich hierauf kuglig zusam-
men und zerfällt schliesslich in eine grosse Zahl kleiner, zweigeissliger
Schwärmer.
In seiner ersten Mittheiluug über diese Parasiten hebt Brandt noch
hervor, dass er einen Ballen solcher einzelliger Schmarotzer häufig im
Centrum gewisser Sonneuthierchen beobachtet habe, welcher Ballen die
Vacuole, die ihn einschloss, nahezu ausfüllte (wenigstens scheint dies der
Sinn der etwas schwer verständlichen Beschreibung zu sein). Auch diese
Schmarotzer zeigten nach ihrer Entleerung denselben Forlpflanzungs-
process, jedoch wurde derselbe, wenigstens das Auftreten von Schwär-
mern, auch gelegentlich im Innern des Actinosphaerium, nachdem das-
selbe abgestorben war, beobachtet. Nicht unähnliche einzellige Schma-
rotzer beobachtete Brandt jedoch auch inmitten des Plasmas freilebender
wie encystirter Actinosphaerien, jedoch auch in grosser Menge in der
Nähe absterbender Exemplare. Eigenthümlich war diese Schmarotzerform
durch die Gegenwart zweier pulsirender Vacuolen. Letzterwähnte Schma-
rotzer zeigten entweder ,, ruckartige" Bewegungen oder zuweilen auch
deutlich amöboide. Ein Theil der amöboiden Körperchen liess weiter-
hin eine lange Geissei erkennen.
Nach diesen Erfahrungen Brandt'« erscheint es sehr wahrscheinlich,
dass die Amöben und Flageliaten, welche Greeft' für die Embryonen des
Actinosphärium anzusehen geneigt war, in den Entwicklungskreis der
eben erwähnten oder ähnlicher pflanzlicher Schmarotzer gehören.
Wir müssen weiterhin eines interessanten, von Archer*) nach-
gewiesenen Falles von Parasitismus gedenken. Derselbe bemerkte
häufig Exemplare der Acanthocystis turfacea, deren grüne Weich-
körpermasse zum Theil zerstört war und an deren Stelle sich i bis
3 kleine Rotatorieneier vorfanden. Bei der Anwesenheit dreier Eier war.
>=) Nr. 32 (Vol. IX.l
System. 331
der Acanthocystiskörper gewöhnlich gänzlich der Vernichtung anheim-
gefallen. Die Eier des kleinen Räderthieres entwickelten sich unter
dem Schutz der SkelethüUe der Acanthocystis und die aus ihnen hervor-
gegangnen Jungen (einigermassen ähnlich der Gattung Monolabis) durch-
brachen schliesslich diese Hülle und entfernten sich. Wie gesagt, scheint
die Acanthocystis nur bei Anwesenheit mehrerer solcher parasitischer
Eier völlig zu Grunde gerichtet zu werden. Leider ist bis jetzt Näheres,
namentlich die Art des Importes dieser parasitischen Eier, nicht ermittelt
worden.
Was die geographische Verbreitung betrifft, die bei unsrer, erst in
neuerer Zeit einem eingehenderen Studium unterworfnen Abtheilung natür-
lich nur wenig bekannt ist, so dürfte dieselbe für die Stisswasserformen
wenigstens eine ähnlich weite sein, wie bei den Ehizopoden. Die zum
Beleg hierfür beizubringenden Daten sind, wie gesagt, wenige; Actino-
phrys ist bekannt aus Europa, Nordamerika und Ostindien, Actinosphae-
rium, Raphidiophrys, Acanthocystis und Clathrulina sind ferner von Leidy
auch in Nordamerika nachgewiesen worden, und zwar sämmtlich in mit
europäischen identischen Arten.
lieber die Eruährungsverhältnisse der Heliozoa braucht hier kaum
noch etwas Genaueres mitgetheilt zu werden, da die Art der Nahrungs-
aufnahme schon bei früherer Gelegenheit besprochen und die Natur
der Nahrungsstoffe z. Th. gleichfalls schon früher angedeutet wurde, im
Ganzen jedoch auch kein besonderes Interesse darbietet. Die Nahrung
wird sowohl dem thierischen wie pflanzlichen Reich entnommen und zwar
scheint die eine Form sich mit Vorliebe oder ausschliesslich von thieri-
schen, die andere von pflanzlichen Organismen zu ernähren, dritte hin-
gegen ihren Bedarf aus beiden Gebieten zu decken. Es sind nicht immer
die allerniedersten und kleinsten thierischen Organismen, welche den
Heliozoen zum Opfer fallen; schon Eichhorn sah das Actinosphaerium
mehrere Wasserflöhe fDaphniden) und einen Chaetonotus verschlingen
und ich kann mir nicht versagen, die Worte, mit welchen er die Raub-
gier dieser Heliozoe schildert, anzuführen; er sah in einem Actinosphae-
rium „wie in einer Mördergrube, die Todten-Gebeine von 2 bis 3 Wasser-
flöhen liegen". Leidy (50) fand gleichfalls Actinosphaerium sehr gefrässig
und zwar ernährt sich nach ihm diese Form wie Actinophrys hauptsäch-
lich von einzelligen Algen (Diatomeen, kleineren Desmidiaceen etc.), Zoo-
sporen, Ciliaten, Flagellaten und Rotatorien.
Für zahlreiche Formen fehlen jedoch bis jetzt noch Beobachtungen
über die Natur ihrer Nahrung.
Dass von fossilen Heliozoen bis jetzt durchaus nichts bekannt ist,
bedarf keiner weiteren Erörterung.
332 Eadiolana.
III. Unterabtheilung (Unterklasse).
Radiolaria.
1. tebei'sicht der historischen Entwicklung unsrer Kenntnisse von den
Radiolarien.
Während die Abtheilung der Rhizopoda schon in verhältnissmässig
sehr früher Zeit die Aufmerksamkeit zahlreicher Forscher, wenn auch nur
durch ihre todten Schalenreste, beschäftigte, blieben dagegen die nun zu
betrachtenden Radiolarien bis in unser Jahrhundert völlig unbekannt.
Dennoch stehen sie an Reichthum und Mannigfaltigkeit der Entwicklung
durchaus nicht hinter den Rhizopoden zurück; die Untersuchungen der
neuesten Zeit scheinen im Gegentheil zu beweisen, dass die Radiolarien
die umfangreichste und mannigfaltigste, daher auch in vieler Hinsicht die
interessanteste Abtheilung der Sarkodinen bilden. Die geringe Beachtung,
welche die Angehörigen unsrer Abtheilung bis in verhältnissmässig neue
Zeit gefunden haben, erklärt sich z. Th. wenigstens aus ihrer entweder
pelagischen oder profunden Lebensweise und ihrer Kleinheit. Die küsten-
bewohnenden Rhizopoden erfreuten sich viel früher der Theilnahme der
Beobachter. Aus den ersten Decennien unsres Jahrhunderts liegen einige
Beobachtungen über kleine leuchtende Thierchen vor, welche unter den
Tropen an der Oberfläche der hohen See in grosser Menge von Tilesius
(1803—1806) und Baird*) (ca. 1830) neben andern Leuchtthieren an-
*j Vergl. hierüber Tilesius, Atlas zu Krusenstern's Eeise um die Welt, ausgef. in
dcu Jahren 1S03— 6, Taf. XXI. Fig. H3a — b und Fig. 20a— c, weiter auch: Tilesius.
üeber das nächtliche Leuchten des Meerwassers, in Annalcn der wetterauischen Gesellschaft
III. Bd. 1814 und in Gilbert's Annalen der Physik, 61. Bd. 1819 Leuchtende Mcer-Infusions-
thierrhen. Die hier in Frage kommenden Wesen wurden von Tilesius als Infusionsthierchcn
bezeichnet und wohl für die damalige Zeit nicht schlecht abgebildet (speciell in dem Atlas
zu Krusenstern's Keise). Den als Leucophrys echinoides bezeichneten Organismus halte ich
mit Häckel wohl für eine zweifellose Acanthometride , wogegen mir die Mammaria adspersa
ganz den Eindruck einer Thalassicolla nucleata macht; nicht nur die Grössenverhältnisse und
die innere Pigmentanhäufung stimmen damit gut überein, sondern er zeichnet auch auf den ver-
grösserten Darstellungen derselben eine Structur der äusseren Region, welche sich recht wohl
auf die concentrisch geschichtete Anordnung der extrakapsulären Vacuolen zurückführen lässt.
Ehrenberg wollte, in wohl jedenfalls irriger Weise, die Mammaria des Tilesius mit dem
1
Geschichte. 333
getroffen wurden und welche spätere Forseber wohl mit Recht auf Radio-
larien (Colliden, Sphaerozoeeu und auch Acanthometreen) bezogen.
Grössere Sicherheit bieten die Beobachtungen über Radiolarien,
welche Meyen auf einer Reise um die Erde 1832—34 (Nr. 1) anstellte.
Er beschrieb drei Formen, von welchen die als Sphaerozoum bezeich-
nete eine sichere Sphaerozoide ist, deren Skeletgebilde er nach Form und
chemischer Natur (Kiesel) schon richtig erkannte. Zweifelhafter dagegen
sind die zwei unter dem Gattungsnamen Physematium geschilderten For-
men. Ob sich unter ihnen wirklich Angehörige der Familie der Colliden
und speciell solche der Gattung Physematium im heutigen Sinne finden,
scheint um so zweifelhafter, als einzelne der abgebildeten Exemplare wohl
ohne Bedenken auf Collozoum, eine Form der Sphaerozoeen, zu beziehen
sind. Merkwürdig ist, dass Meyen diesen Wesen eine energische Beweg-
lichkeit zuschreibt. Hinsichtlich der allgemeinen Auffassung der beobach-
teten Organismen kam unser Forscher zu dem Schluss: dass sie den
Thieren zuzurechnen seien und eine besondere Familie bildeten, welche
er wegen ihrer Aehnlichkeit mit den Nostochinen unter den Pflanzen
(Algen) als Palme Ilaria bezeichnete und mit einer weiteren Familie in
eine besondere Thierklasse der Agastrica einreihte.
Der weitere Fortschritt der Radiolarienforschung knüpft sich, wie wir
Aehnliches auch schon bei den Rhizopoda gefunden haben, an das Studium
der Skeletreste an, welche an einigen Orten der Erdoberfläche in grosser
Menge in Tertiärschichten angehäuft getroffen werden. Die Erforschung
dieser fossilen Radiolarienreste verdanken wir fast ausschliesslich den
unermüdlichen Bemühungen Ehrenberg's, der seit 1838 auch diesen Proto-
zoen seine Aufmerksamkeit zuwandte. Ausser den fossilen Radiolarien
verschiedener Fundorte, welche er allmählich beschrieb und abbildete,
zog er bald auch die am Grunde der Tiefsee abgelagerten kieseligen
Skelete in den Kreis seiner Forschungen. Wenn sich Ehrenberg nun
auch derart um die Kenntniss der Skeletbildungen der Radiolarien sehr
grosse Verdienste erworben hat — grössere vielleicht noch hinsichtlich
unsrer Kenntnisse von der Verbreitung der Radiolarienreste in den Erd-
schichten und dem Tiefseeschlamm — so vermochte er doch auch auf
diesem Felde nicht durch seine Forschungen zu einem annähernd richtigen
Verständniss der Organisation und der allgemeinen Auffassung der Gruppe
zu gelangen. Lebende Radiolarien hat er nur einmal in der Nordsee
(1839 Nr. 3) und ganz unvollständig beobachtet. Was er daher gelegentlich
Physematium von Meyen identificiren und hielt beide ebenso irrtliümlich für Medusen. Der
ohige Exkurs rechtfertigt sich wohl dadurch, dass es sich hier um die erstmaligen Beobach-
tungen von Kadiolarien handelt. — Baird, W., London Magaz. of nat. hist. Vol. III. 1830
und Vol. IV. 1831, auch Ehrenberg, Das Leuchten des Meeres. Abh. d. Berl. Ak. a. d. J.
1834. Eigenthümlich ist, dass kein späterer Forscher, mit Ausnahme von Macdonald, etwas
von dem Leuchtvermögen der Eadiolarien berichtet, während die eben erwähnten ersten Beob-
achter, Tilesius und Baird, wie auch Meyen, dasselbe bestimmt behaupten, wenn anders die
Beziehung der von ihnen beschriebnen Organismen auf Kadiolarien richtig ist.
334 Radiolaria.
über die Natur uud systematische Stellung unsrer Wesen äussert, ist sehr
mangelhaft und besserer Einsicht, welche von anderer Seite beigebracht
wurde, verschluss er sich auch auf diesem Gebiet gleich hartnäckig wie
auf anderen.
Ueberschauen wir nun ganz fltichtig die Thätigkeit, welche Ehreu-
berg auf dem bezeichneten Gebiete im Laufe der Jahre 1838 — 1875 ent-
faltete. Die ersten Funde hierhergehöriger Organismen machte er bei
Gelegenheit seiner Untersuchungen über die Kreide uud verwandte Ge-
steinsbildungen. In den fälschlich zur Kreideformation gerechneten Mergeln
von Caltanisetta (Sicilien), Zante (Griechenland) und Oran (Nordafrika)
traf er 4 hierhergehörige Gattungen , welche er 1838 (Nr. 2) beschrieb.
Eine Reihe weiterer Fundstätten fossiler Radiolarien in Nordamerika
(Richmond, Petersburg in Virginien und Piscataway in Maryland) wurden
1844 von ihm kurz beschrieben (Nr. 4, 1844), wodurch, wie durch das
genauere Studium der schon früher erwähnten Fundorte, sowie eines wei-
teren Vorkommens auf den Bermuda-Inseln, die Zahl der bekannten Arten
und auch Gattungen (6) ziemlich vermehrt wurde.
Eine ungeahnte Bereicherung fand jedoch die Zahl der Formen plötz-
lich im Jahre 1846 durch die Untersuchung eines von R, Schomburgk auf
Barbados entdeckten, veritablen Radiolariengesteins, dessen Studium Ehren-
berg mit grossem Eifer unternahm, so dass er schon nach wenigen Mo-
naten 282 Arten und 44 Genera der Radiolarien unterschied, welche er
auf 7 Familien vertheilte (Nr. 4; 1846 u. 47). Die genauere Charakte-
ristik der Barbadosformen und die bildliche Darstellung derselben (ab-
gesehen von einer Anzahl Formen, welche in der gleich zu erwähnenden
Mikrogeologie bildlich dargestellt wurden) verzögerte sich jedoch bis zu
dem Jahre 1873, resp. 1875 (Nr. 4, 1873 u. Nr. 26).
Ein an das Barbadosgesteiu an Reichthum erinnerndes Vorkommen
auf den Nikobareninseln erörterte Ehrenberg kurz 1850 (Nr. 4), jedoch
wurde eine genauere Beschreibung der hier neugefundenen Arten nicht
gegeben und nur ein Theil derselben fand in der Mikrogeologie eine bild-
liche Erläuterung. Nur sehr unwesentlich vermehrt wurden unsre Kennt-
nisse der fossilen Radiolarien durch zwei von Ehrenberg 1855 und 56
ermittelte neue Fundstätten zu Simbirsk (bei Kasan) und Morro de Mi-
jellones auf der Grenze zwischen Chile und Bolivia.
In der 1854 erschienenen Mikrogeologie wurden eine Reihe der fos-
silen Radiolarienreste (72 Arten) bildlich dargestellt, ohne jedoch durch
Beschreibungen genauer erläutert zu werden. Ueberhaupt ist dies nur für
die Radiolarienfauna des Barbadosgesteins, wie erwähnt, späterhin 1873
(Nr. 4) ausgeführt worden, die denn auch 1875 (Nr. 2Q) in Abbildungen
ausreichend dargestellt wurde. In der letzterwähnten Abhandlung zog
Ehren berg schliesslich das Facit seiner Studien über fossile Radiolarien,
als deren Ergebniss er nicht weniger wie 326 Formen aufzählen konnte
(oder vielmehr 362, wenn wir die von Ehrenberg unrichtiger "Weise unter
Geschichte. 335
die Diatomaceeu verwieseuen Gattungen Mesocaena und Dyctiocha an
ihre richtige Stelle, d. h. zu den Radiolarien, bringen).
Schon seit 1844 beschäftigte sich Ehrenberg auch mit den Radio-
larienresten der heutigen Meere, weniger den an der Oberfläche des
Meeres, so im sog. Pancake-Eis des Siidpolarmeeres eingeschlossenen,
sowie anderen aus Chaetocerosflocken und dem Magen von Salpen, vor-
wiegend vielmehr mit den Resten der tiefen Meeresgründe.
Im Laufe der Jahre wurden so untersucht: Grundproben des atlan-
tischen Oceans (4; 1854 u. 1857), solche des ägäischen Meeres (1854)
und weiterer Punkte des Mittelmeeres (1857 u. 1858), des stillen Oceans
(Kamtschatka 1856)*), ferner des indischen Oceans östlich von Zanzibar
(1859), des stillen Oceans zwischen Californien und den Sandwichinseln,
sowie eine Probe aus grosser Tiefe zwischen den Philippinen und Ma-
rianen (1860), des mexikanischen Golfes (1861) und des arktischen
Meeres (1869). Eine Zusammenfassung und Vervollständigung erfuhren
diese Tiefseeuntersuchungen Ehrenberg's 1873 (Nr. 25), nachdem schon
1872 (4, 1872) 113 neue Arten aus der Tiefsee diagnosticirt worden
waren. In der tabellarischen Uebersicht, welche Ehrenberg dieser
Zusammenfassung beigibt, führt er 278 Formen auf, welche sich unter
Einreihung der gleichzeitig zusammengestellten Dictyocha- und Mesocaena-
formen auf 315 vermehren. Von diesen Formen, wie von den früher er-
wähnten fossilen sind jedoch Ehrenberg selbst eine ziemliche Zahl zweifel-
haft geblieben und eine nicht unbeträchtliche Zahl wurde weder durch
Abbildungen noch durch Beschreibungen erläutert.
Um zu einer richtigen Beurtheilung der Leistungen Ehrenberg's auf
dem Gebiet der Radiolarien zu gelangen, müssen wir hier schliesslich
noch seiner Ansichten über die Organisation und die systematische Stellung
unsrer Gruppe gedenken.
Seine ursprüngliche Auffassung unsrer Formen, welcher er 1838 (Nr. 2),
wenngleich nur auf die Kenntniss der Skelete weniger Formen gestützt,
Ausdruck verlieh, ging dahin, sie seiner Abtheilung der Polygastrica
(etwa Infusorien + Diatomaceen im heutigen Sinne) als eine neue Familie
der Polycystina (oder Arcellina composita) einzureihen und sie nament-
lich von seinen Polythalamia, welche er bekanntlich den Bryozoa zurech-
nen wollte (vergl. hier. p. 6 — ^7), scharf zu scheiden. Nach ausgedehnterem
Studium ihrer Skelettheile (hauptsächlich der Barbadosformen) gelangte
er jedoch 1847 (4) zu einer ziemlich abweichenden Auffassung, indem er
sie jetzt gerade den Polythalamien wieder zu nähern sucht, ihnen einen
einfachen, schlauchartigen Darm zuschreibt, sie daher aus der Gruppe der
Polygastrica entfernt und seinen Schlauchthieren (Tubulata) als besondere
Klasse neben Bryozoen, Rotatorien, Nematoiden, Echinoiden und Holo-
thurien einreihte.
*) Bezieht sich auf die Untersuchungen des amerikanischen Forschers Bailey (Nr. 7),
welcher eine Anzahl Radiolarien aus Grnndproben des kamtschatkäische^ii Meeres beschrieb.
336 Eadiolaria.
Im wesentlichen beharrte Ehrenberg auch in seinen späteien Mit-
theilungen über die Polycystinen (1873, 25 u. 1875, 26) auf seiner letzt-
besprochenen Anschauung über die Verwandtschaftsbeziehungen und die
systematische Stellung der Abtheilung; jedoch herrscht in seinen Aus-
sprüchen eine so grosse Unklarheit, dass sich ein zufriedenstellendes Bild
derselben kaum skizziren lässt. 1872 bezweifelt er, ob sich die ganze
seitdem als Radiolarien charakterisirte Gruppe zu den thierischen Orga-
nismen rechnen lasse. 1875 muss er „Anstand nehmen'', auf die neuer-
dings an der Oberfläche der Meere von Anderen „angeblich lebend"
beobachteten Radiolarien weiter einzugehen und hebt hervor, dass es nach
seinen früheren Kenntnissen nöthig geworden war, die Klasse der Poly-
cystinen in die Nähe der Holothurien systematisch einzuordnen. Die bis-
her beobachteten gallertartigen Erfüllungen der Polycystinen hält er für
zu wenig organisirt gegen den vielfach zusammengesetzten, künstlichen
Bau des zierlichen Kieselgerttstes. Auch die grosse Mannigfaltigkeit der
Formen spräche gegen einen so einfachen Bau. Die Pseudopodien (nach
ihm Fäden) scheinen ihm nicht contractu, daher nicht vergleichbar denen
der Polythalamien, noch denen der Amöben und Arcellinen; sie besässen
aber manche Aehnlichkeit mit den Oscillarien. Dagegen spricht er
auf der folgenden Seite doch wieder von dem „beraerkenswerthen Anklang"
zwischen den Skeletbildungen der Polycystinen und Arcellinen. So sehen
wir denn, dass Ehrenberg, trotz seiner sehr erheblichen Verdienste um
die Erkenntniss der grossen Mannigfaltigkeit der Skeletverhältnisse und
das Vorkommen unsrer Abtheilung im fossilen und lebenden Zustand,
durchaus nichts beigetragen hat zu einer wirklichen Aufklärung der
Organisation und systematischen Position unsrer Gruppe. Seine Ansichten
über die systematische Gruppirung der ihm bekannt gewordenen Radio-
larien (worunter jedoch sehr wichtige Gruppen ganz fehlen) werden wir
erst später im systematischen Abschnitt kurz erörtern können; auch wer-
den erst später seine Anschauungen über Vorkommen und Lebensweise
der Radiolarien in unseren heutigen Meeren ihre Besprechung finden.
Erst vom Jahre 1851 können wir die eigentliche Erforschung der
Organisation der Radiolarien datiren und zwar wurde dieselbe durch die
trefflichen Untersuchungen eines auf zahlreichen Gebieten der zoologi-
schen Forschung hervorragenden englischen Naturforschers, Huxley, in-
augurirt, welcher auf einer Reise um die Erde Gelegenheit hatte, Vertreter
dreier Geschlechter der Sphaerozoea (CoUozoum, Sphaerozoum und CoUo-
sphaera), sowie einen Repräsentanten der Collida (Thalassicolla nucleata)
zu untersuchen (Nr. 5). In Anbetracht des damaligen Standes der Proto-
zoenkunde und der Zellenlehre dürfen wir die Leistungen Huxley's recht
hoch anschlagen. Er zog auf Grund seiner Untersuchungen die beob-
achteten Formen zu den Protozoen Siebold's und verglich schon sehr
richtig die Thalassicolla nucleata mit dem durch Kölliker's Untersuchungen
genauer bekannt gewordenen Actinosphaeriam. Sein Vergleich der mono-
zoen ThallasicoUa nucleata mit den polyzoen Spharozoen traf schon im
(icschiclite. 337
Wesentlichen das Richtige, wenn er auch darin fehlte, dass er beide in
(iirecten, durch die Fortpflanzung bedingten Zusammenhang bringen wolUe.
Im Speciellen klärte er die wichtigsten organisatorischen Hestandtheile in
meist zutreftender Weise auf, so die Centralkapsel, deren Membran er
nachwies und die er bei den Sphaerozoen als Zelle bezeichnete, als
(leren Niicleus er die centrale Oelkugel ansprach. In der Centralkapsel
(vesicle) der Thalassicolla beobachtete er das Binnenbläschen, dessen
Kernnatur er vermuthete, sowie die Oelkugelu und Eiweisskugeln,
welch beide als Zellen aufgefasst wurden. Die Gallerte und ihre Vacuolen,
welch letztere richtig im Sinne Diijardin's gedeutet wurden, die gelben
Zellen und schliesslich auch das die Gallerte durchsetzende Protoplasma-
netz beobachtete er und nahm sogar schon bei Thalassicolla dessen
Körnchenströmung wahr. Dagegen blieben ihm die eigentlichen Pseudo-
podien unbekannt.
Eine wissenschaftliche Begründung auf breiterer Grundlage wurde
jedoch nnsrer Abtheilung erst durch die höchst wichtigen Untersuchungen
Job. Müllers zu Theil, welche er in einer Reihe von Mittheilungen, die 1855
begannen (Nr. 8 — 11) und ihren Abschluss in der, erst 1858 nach Müller's
Tode erschienenen Abhandlung „Ueber die Thalassicolleen , Polycystinen
und Acanthometreen des Mittelmeers" (Nr. 12) fanden, worin auch zuerst die
erläuternden Abbildungen zur Veröffentlichung kamen, niederlegte. Müller's
Verdienste um die Erforschung und namentlich auch die richtige Umgren-
zung unsrer Abtheilung sind sehr gross, so dass der beschränkte Raum uns
hier nur die Andeutung des Wichtigsten gestattet. Ihm zuerst gelang es,
lebende Vertreter der Ehreftberg'schen Polycystinen zu studiren und ihren
im Wesentlichen mit den Huxley'schen Thalassicollen und dem Meyen'schen
Sphaerozoum übereinstimmenden Bau zu erweisen. Weiterhin entdeckte
er zuerst eine bis dahin unbekannte grosse Abtheilung hierhergehöriger
Wesen, die Acanthometreen, deren ßauverhältnisse er schon sehr trefflich
aufklärte. Wenngleich er sich anfänglich noch zweifelnd über die Zu-
sammengehörigkeit der Thalassicolleen, Polycystinen und Acanthometreen
aussprach, führten ihn seine weiteren Studien doch bald zu der richtigen
Erkenntniss der nahen Verwandtschaft dieser 3 Gruppen und damit zur
Begründung der umfassenderen Abtheilung der Radiolarien, deren ver-
wandtschaftliche Beziehungen er gleichfalls zuerst näher und richtig be-
gründete. Zu diesem Fortschritt führte ihn namentlich die Entdeckung,
dass die Oberfläche unsrer Wesen im Leben mit ähnlichen fadenförmigen
Ausläufern ausgerüstet sei, wie solche bei den Rhizopoden (speciell den
damals bekannten Heliozoen und den sogen. Polythalamien) sich finden.
Die völlige Gleichwerthigkeit dieser fadenförmigen Ausläufer mit den
Pseudopodien der Rhizopoden erwiesen jedoch erst 1856 zwei Schüler
Müller's, Claparede und Lachmann (Nr. 10 u. Nr. 14), welche den Nach-
weis führten , dass die Fäden der Acanthometreen dieselbe Körnchen-
strömung wie die der Polythalamien und der Actinophrys zeigen und dass
sie weiterhin befähigt sind durch Verästelungen Anastomosen und Netze
Bronn, Klassen rtos Tliier-Keiclis. Pvotozon, 22
b
338 Kiuliolaria.
ZU bilden, wie solches ja durch M. Schultze tür die Polythalamien so
überzeugend nachgewiesen worden war. Müller konnte in der Folge diese
Beobachtung für alle Gruppen seiner Radiolarien bestätigen. Er stand
dann auch nicht mehr an, die ganze Abtheilung zu den Rhizopoda zu ziehen
und sie neben den durch M. Schultze's Untersuchungen so wohl bekannten
Polythalamia oder Rhizopoda polythalamia als Radiolaria oder Rhizopoda
radiaria einzureihen, indem er auch schon die radiäre Anlage des Baues
als bedeutungsvoll für die gesammte Gruppe erkannte. Unsicher blieb er
dagegen über die Beziehungen seiner Rhizopoda radiaria zu Actinophrj's
und den Süsswasserrhizopodeu, wobei ihn namentlich die contractilen
Vacuolen letzterwähnter Formen genirten, welche ihm eine nähere Ver-
wandtschaft zu den Infusorien zu verrathen schienen; er trennte die-
selben denn auch als „rhizopode Infusorien^' von den eigentlichen Rhi-
zopodeu.
Auch weitere specielle Organisationseigenthümlichkeiten wurden durch
die Forschungen MüUer's wesentlich aufgeklärt; so einmal die Verbreitung
und Wichtigkeit einer häutigen Umhüllung des centralen Körpers (Central-
kapsel), jedoch scheint ihm die grosse Bedeutung dieser Einrichtung im
Gegensatz zu den übrigen Sarkodinen nicht hinreichend klar geworden
zu sein, wie er auch im Speciellen bei den Acanthometreen die Central-
kapsel nicht richtig erkannt hat. AVesentlich erscheint weiterhin noch der
Nachweis der wirklichen Zellennatur der sogen, gelben Zellen und ihrer
selbstthätigen Vermehrung und die erste, wenn auch noch unsichere Beob-
achtung über die Fortpflanzung einer Acanthometree. Rechnen wir hierzu
noch die beträchtliche Vermehrung, welche die Zahl lebend bekannter
Radiolarien durch die Müller'schen Untersuchungen erfahren hat und die
nicht unwichtigen Aufklärungen über den Skeletbau, so verschwinden
gegen diese wichtigen Förderungen uusres Wissens die Missgrifife MüUer's
in der Deutung der Radiolarienorganisation. Dass Müller noch nicht zu
einer richtigen Abwägung der morphologischen Werthigkeit einzelner
Theile des Radiolarienorganismus gelangte, scheint uns bei dem damaligen
Stand histologischer Forschungen leicht begreiflich, ist ihm darin doch
auch sein Nachfolger E. Häckel noch wesentlich treu geblieben, speciell
in der Unsicherheit der Auffassung der sogen. Alveolen (Vacuolen Hux-
ley's) und der Auffassung einer Reihe von Bestandtheilen als Zellen,
welche später als nicht zellig erkannt wurden. Auch die Verkennung der
umhüllenden Gallerte des Radiolarienkörpers durch Müller erscheint von
geringem Gewicht, wenn wir sehen, dass Häckel sich ihm auch hierin
vollständig anschloss.
Waren in dieser Weise die Radiolarien durch J. Müller zu einer ziem-
lich wohlerforschten Protozoengruppe geworden, so erhoben sie die aus-
gedehnten Untersuchungen eines seiner hervorragendsten Schüler, E. Häckel,
schon nach wenigen Jahren (1862) zu einer der besterforschten damaliger Zeit.
Häckel vereinigte in seiner umfangreichen Monographie dieser Gruppe
(Nr. 16) nicht nur seine eigenen , tiefgehenden Untersuchungen über die
Geschichte. 339
reiche Radiolarienfauna des Mittelraeers , sondern suchte auch weiterhin
das gesammte damalige Wissen über diese Grup])e zusammenzustellen;
so namentlich die zahlreichen und sehr zerstreuten Arbeiten Ehrenberg's.
Auf Grundlage dieser Studien gab er dann eine vollständige systematische
üebersicht der bekannten Radiolarien, die nur deshalb z. Th. etwas un-
sicher erscheint, weil zahlreiche der von Ehreuberg namhaft gemachten
und kurz beschriebenen Gattungen und Arten sehr mangelhaft bekannt
waren, und sich daher einer gesicherten Beurtheilung entzogen.
Die directe Vermehrung unsrer Kenntniss der Radiolarienformen,
welche wir der Häckel'schen Monographie verdanken, ist sehr beträcht-
lich, nicht weniger wie 144 neue Formen wurden darin, meist nach Beob-
achtungen im lebenden Zustande, beschrieben , so dass die Zahl der
lebend beobachteten Radiolarien sich hierdurch auf etwa das vierfache
der 1858 bekannt gewesenen erhob. Ein tiefgehendes Studium der Bau-
verhältnisse des Weichkörpers befähigte Häckel denn auch, die charakte-
ristischen Eigenthümlichkeiten der Radiolarien gegenüber den übrigen
Sarkodinen schärfer zu betonen. Namentlich erkannte er die volle Wich-
tigkeit der Centralkapsel, welche er denn auch überall nachwies. Weiter-
hin erhalten wir durch seine Forschungen zum ersten Mal ein gesichertes
Bild des eigentlichen Aufbaues des Radiolarienkörpers, indem er die den Kör-
per zusammensetzende Sarkode zuerst genauer studirte und sie in extra- und
und intrakapsuläre unterschied. Dagegen gelang es auch ihm nicht,
so wenig wie seinem Vorgänger Müller, über die morphologische
Werthigkeit der in der Sarkode sich vorfindenden verschiedenen Bestand-
theile zu hinreichender Klarheit zu gelangen. Die unzweifelhafte Zellen-
natur der bei den Radiolarien so verbreiteten gelben Zellen gab wohl
Veranlassung, auch manches für Zellen zu erklären, was durch bessere
Erkenntniss als nichtzellig erkannt wurde, so die iutrakapsulären Alveolen,
die wasserhellen Bläschen und wohl auch mancherlei sogen. Pigmentzellen
der intra- und extrakapsulären Sarkode. Andrerseits blieb ihm jedoch
auch die morphologische Bedeutung wichtiger Theile unklar, so die des
Binnenbläschens, dessen Kernnatur er nicht erkannte, wie er denn über-
haupt die Kernverhältnisse unsrer Wesen sehr unsicher Hess. Alle diese
Umstände vereint, mussten die morphologische Bedeutung, welche Häckel
dem Radiolarienorganismus zuschrieb, wesentlich anders gestalten, wie die
jetzt geläufige, indem er in ihm nicht einen ein-, sondern einen mehr-
zelligen Organismus sah, dessen gemeinsamer Sarkodekörper einestheils
als das Produkt der Verschmelzung zahlreicher Zellenleiber zu betrachten
sei, andrerseits jedoch noch eine ganze Anzahl verschiedenartiger, selbst-
ständiger Zellen umschliesseu könne.
Nicht sehr erhebUch waren die Fortschritte, welche Häckel auf dem
schwierig zu erforschenden Gebiet der Fortpflanzungserscheinungen der
Radiolarien machte, doch erweiterte er auch in dieser Richtung unsre
Kenntnisse etwas und suchte in seiner Monographie namentlich auch die übri-
gen Lebenserscheinungen, soweit möglich, nach allen Richtungen aufzuklären.
22*
340 Eadiolaria.
Eine Keihe kleinerer Arbeiten verschiedner Forscher, die in den
Jahren 1862 — 70 erschienen (Nr. 15 — 22), trugen nur wenig zu dem tie-
feren Verständniss unsrer Organismen bei und sollen daher hier nicht
specieller erwähnt werden; z. Tb. blieben sie sogar hinter dem schon
Erreichten zurück. Kurz erwähnen wollen wir nur 2 Arbeiten Schneider's
(13 u. 19, von welchen die eine schon vor das Erscheinen der Häckel'-
schen Monographie fällt), durch welche einige Punkte von Wichtigkeit
ermittelt wurden; auch Häckel erweiterte durch zwei kleinere Arbeiten
der Jahre 1865 uud 1870 unsere Kenntnisse der Radiolarien noch etwas,
ohne jedoch in der Gesammtauffassung derselben seinen früheren Stand-
punkt wesentlich zu ändern.
Im Jahre 1871 machte Cienkowsky einen wichtigen Schritt vor-
wärts, da er zuerst die schon von Job. Müller, Schneider und Häckel un-
vollständig und daher unsicher beobachtete P'ortpflanzungsweise der Radio-
larien durch SchwärmerbilduDg des Centralkapselinhalts bei zwei Sphaero-
zoeen überzeugend nachwies (23).
Diese Untersuchungen Cienkowsky's wurden dann im Jahre 1876
vertieft und vervollständigt durch die wichtigen Forschungen ß. Hert-
wig's (28), der einmal die Entstehungsweise dieser Schwärmer, und im
Zusammenhang damit die Beschaffenheit des Centralkapselinhalts sehr
genau untersuchte, andrerseits dieselbe Fortpflanzungsweise auch noch bei
andern Radiolarien ermittelte. Weitere Vervollständigungen auf diesem
Gebiet brachte in der neuesten Zeit noch eine Arbeit von K. Brandt (36),
was an dieser Stelle gleich bemerkt werden mag. Namentlich wurde
Hertwig durch seine Beobachtungen, im Zusammenhange mit den fort-
geschrittenen Erfahrungen der histologischen Forschung überhaupt, zu
einer genaueren Ermittelung der Kernverhältnisse und des morphologi-
schen Werthes der verschiedenen Inhaltskörper der Radiolariensarkode
geführt. Als Resultat dieser Beobachtungen ergab sich denn für ihn eine
gegenüber Häckel wesentlich modificirte Auffassung des Radiolarienorga-
nismus, welche jedoch erst in der zweiten, grösseren Arbeit Hertwig's
(1878, Nr. 33) zu völliger Geltung kam. — Schon Cienkowsky hatte es
sehr wahrscheinlich gemacht, dass die bei den Radiolarien in der extra-
kapsulären Sarkode so verbreiteten gelben Zellen nicht dem Organismus
dieser Geschöpfe selbst angehörten, sondern fremde, pflanzliche Eindring,
linge seien. R. Hertwig führte dann in seiner ersten und in viel weiter
ausgedehntem Maassstabe in seiner zweiten Arbeit den Nachweis, dass
fast sämmtliche der von Joh. Müller und Häckel als Zellen aufgefassten
Inhaltsgebilde der Radiolariensarkode kein Anrecht auf diese Bezeichnung
hätten, sondern Inhaltskörper seien, wie sie bei echten Zellen getroffen
werden. Wenn nun auch von Hertwig das Vorkommen echter, selbst-
ständiger Zellen im Protoplasma der Radiolarien nicht durchaus in Abrede
gestellt werden konnte, wie später noch ausführlich zu begründen sein
wird, so musste er als Gesammtresultat seiner Studien doch den Schluss
ziehen, dass der Organismus der Radiolarien sich wie der der übrigen
Geschichte. 341 '
Protozoen seinem innersten Wesen nach als ein einzelliger erweise. Hier-
mit war denn auch für die letzte Protozoenabtheilung, bei welcher noch
Zweifel über eine solche Auffassung zulässig waren, dieser Nachweis
erbracht.
Aber auch für zahlreiche morphologische und biologische Special-
fragen waren die Arbeiten Hertwig's von tiefgehender Bedeutung. So
wurde von ihm zuerst die allgemeine Verbreitung und hohe Bedeutung
der gallertigen Umhüllung des Radiolarienkörpers ermittelt, welche Joh.
Müller und Häckel für eine Leichenerscheinung erklärt hatten. Besonders
fruchtbringend waren die Hertwig'schen Arbeiten weiterhin für die ge-
nauere Erkenntniss des Baues der Centralkapsel und, theils im Zusammen-
hang damit, die Vertiefung und natürlichere Gestaltung unserer Anschau-
ungen über das genealogische System der zahlreichen Formen, wobei
auch die Skeletverhältnisse eine eingehende und meist zutreffende Wür-
digung erfuhren.
Wir dürfen daher in den Hertwig'schen Arbeiten ohne Zweifel die
bedeutsamste Förderung unsrer Radiolarienkenntnisse seit dem Erscheinen
der Häckel'schen Monographie erblicken.
Die neueste Zeit hat uns jedoch gelehrt, dass das, was wir bis jetzt
von der Mannigfaltigkeit der Radiolarienforraen kannten, nur einen
kleinen Bruchtheil des unsre Meere bevölkernden Formenreichthums
dieser Abtheilung darstellt. Hierüber haben uns zuerst die über die ge-
sammten Meere hin ausgedehnten Forschungen der Challengerexpedition
unerwartete Aufschlüsse gebracht. Obgleich die Untersuchungen Häckel's
über die Radiolarienmaterialien dieser Expedition bis jetzt noch nicht
in ausführlicher Publikation vorliegen, erhellt aus seinen vorläufigen
Mittheilungen (Nr. 34 und 37), dass mehr wie 2000 neue Formen
in jenen Materialien enthalten sind. Natürlich, dass diese Vermehrung
der Radiolarienformen auf etwa das Vierfache der seither bekannten
einen wesentlich umgestaltenden Einfluss auf unsre Ansichten von
der systematisch - genealogischen Entwicklung der gesammten Reihe
äussern niuss, sind darunter doch ganze Mengen von Formen aus
Gruppen, welche bis jetzt nur durch einige wenige Vertreter reprä-
sentirt waren. Häckel hat denn auch auf Grund seiner Ergebnisse
ein neues System entworfen , welches nicht weniger wie 630 Gat-
tungen umschliesst. Leider entzieht sich jedoch dieser Systement-
wurf bis jetzt in vielen Punkten einer eingehenden Würdigung, da
es nicht möglich ist, nach deii vorliegenden kurzen Charakteristiken
zu einem vollen Verständniss zahlreicher neuer Formen zu gelangen.
Ueber biologische und einige andere die Radiolarien betreffende Re-
sultate der Challengerexpedition liegen auch einige kurze Mittheilungen
zweier Mitglieder derselben, Murray und W. Thomson vor, namentlich
ergibt sich daraus, dass unsre Gruppe keineswegs als eine vorwiegend
pelagische zu betrachten ist, sondern bis in die tiefsten Abgründe der
Oceane hinabtaucht (27, 31).
342 Radiolaria.
Auch der Verfasser dieses Buches hat sich im Anschhiss an Häckel
und Hertwig mit Untersuchungen über den Skeletbau einer Reihe von
Kadiolarien beschäftigt und dadurch zur Aufklärung systematisch-genea-
logischer Fragen beigetragen.
Geringe Fortschritte hat bis jetzt im Allgemeinen die Erforschung der
fossilen Radiolarien gemacht, welche Ehrenberg einst so eifrig inaugurirte.
ünsre Kenntnisse beschränken sich auch heutzutage noch fast ausschliess-
lich auf die tertiären Radiolarienreste, obgleich es keinem Zweifel unter-
liegen kann, dass unsre Abtheilung auch schon in früherer Zeit eine
reiche Entwicklung besessen hat, worauf denn auch einige Befunde von
Gümbel, Waagen, Zittel und Anderen hinweisen.
Einen w^esentlicheu Beitrag zur Kenntniss der tertiären Radiolarien-
reste verdanken wir neuerdings noch E. Stöhr, welcher eine sicilianische
Fundstätte genauer durchforschte. Eine Reihe kleinerer Mittheilungen der
nach-chrenberg'schen Zeit trugen zur Kenntniss der weiteren Verbreitang
der Radiolarienreste in der Tertiärformation Einiges bei.
Im Allgemeinen dürfen wir am Schlüsse unsrer historischen Ueber-
sicht wohl aussprechen, dass unser Wissen von der umfangreichen Gruppe
der Radiolarien sich im Laufe der Zeit zu einem ziemlich vollständigen
gestaltet hat, dessen Lücken durch fortgesetzte, eifrige Untersuchungen
und namentlich auch durch das von Häckel unternommene Studium des
reichen Challengermaterials wohl bald noch mehr ausgefüllt werden
dürften.
L i t e r a t u r ü b e r s i c h t.
J. Meyen, F. Z. F., Beiträge zur Zoologie, ges. auf einer Reise um die Erde. Nov. Act.
acad. C. L. C. u. cur. Yol. XVI., Suppl. 1834, p. 160—164.
2. Ehrenberg, Ch. G., üeber die Bildung der Kreidefelsen und des Kreideinergels durch
unsichtbare Organismen. Abh. d. Berl. Akad. a. d. J. 1838. p. 59 (s. auch Monatsber.
1838. p. 19S).
3. ■ Uel)er noch jetzt lebende Thicrarten der Kreidebildung luid den Organismus der
Polythalamien. Abb. d. Berl. Akad. a. d. J. 1839.
4. Monatsber. der Berliner Akademie 1844—73; 1844 p. .57 (Nordamerika-
nische fossile^ Vorkommnisse [Eichmond, Petersburg, Piscataway], Charakteristik der Arten
von Aegina, Zante, Caltanisetta und Nordamerika); p. 182 (Südpolareis, Meeresgrund
und Meerwasser. Charakterist. neuer Arten); p. 257 (Tripel von Bermuda, Charakterist.
neuer Arten dess.); 1846 u. 1847 p. 40—60 1. Taf. (Radiolarien von Barbados, üeber-
sicbt des Polycystinensystems von Ehrenberg bis zur Charakterist. der Gattungen) ; 1848,
1850 pag. 476 (fossile Vorkommnisse der Nikobaren); 1854 pag. 54 (Meeresgrund
atlant. Ocean), p. 236 (2 neue Genera und 51 neue Arten), p. 205 (Aegäisches Meer);
1855 p. 292 (Simbirsk, fossile Vorkommnisse); 1856 p. 197 (Tiefsee, kamtschatkaisches
Meer, p. 425 (Polirschiefer von Chile); 1857 p. 538 (Tiefsee, Mittelmeer), p. 142 (Tief-
see, atlant. Ocean); 1858 p. 10 (Pylosphaera) u. p. 30 (neue Arten aus Mittelmeer);
1860 p. 765 (Tiefsee, stiller Ocean), p. 819 (Tiefsee, stiller Ocean, mit Charakterist.
neuer Genera); 1861 p. 222 (Tiefsee, mexik. Golf); 1869 p. 253 (Tiefproben der Nordpol-
expedit, d. Germania 75 — 80*^ n. Br.); 1872 p. 300 — 321 (Diagnosen von 113 neuen Arten
der Tiefsee); 1S73 p. 214 — 63 (Diagnosen der Arten von Barbados).
5. Hxixley, Th., Zoological notes and observations made on board H. M. S. Rattlcsnake.
III.: üpon Thalassicolla . a new Zoophyte. Ann. mag. n. bist, IL Vol. A^III. 1851.
p. 433-442. PI. XVI.
6. Ehrenberg, Ch. G., IMikrogeologie. Leipzig 1854. Fol.
7. Bailey, J. W. , Notice of Microscopic forms found in the soundings of the Sea of
Kamtschatka. Amer, j. of sc. a. arts. 1856. Vol. XXII. p. 1. T. I.
Literatur. 343
S. Müller, Job., Uebcr Spliacrozoiiui iiiul Tlialassioolla. INIonatsber. il. Berl. Akad. 1S55.
p. 229.
9. üeber die im Hafen von ]Mcssina beobachteten Polycystincn. Monats)), d. Beil.
Akad. 1855. p. ü71.
10. üeber die Tlialassicollen, Polycystiuen nnd Acanthometren des Mittelmeers. Mon.
d. Berl. Akad. 1856. p. 474.
1 1. Erläuterung einiger bei St. Tropez am Mittelmeer beobachteter Polycystincn und
Acanthometren. Mon. d. Berl. Akad. 1858. p. 154 — 55.
12. üeber die Thalassicollcn, Polycystincn und Acanthometren des Mittelmeers. x\.bh.
d. Berl. Akad. a. d. J. 1858. p. 1— 62. Taf. 1—11.
13. Sehneider, Ant., üeber zwei neue Thalassicollcn von Messina. Arch. i". An. u. Physiol.
IS5S. p. HS— 41. T. III. B.
14. Claparede ii. Lachmann, Etudes sur les infusoires et les rhizopodes. Genevc 1858 — 59.
(Siehe früheren Bericht in Monatsb. Berl. Akad. 1855. p. 674.)
15. Btiryas, P. S. Mrs. , Polycystins, remark. forms from the Barbados Chalk deposit.
1. odit. (12 Taf. 1 p. Text) 1860/61. 2. edit. by M. C. Cooke. London 1868. 4«. 25 PI.
(Nicht vollständig erschienen, scheint sehr unbedeutend und war mir unzugänglich.)
16. Häekel, E., Die Radiolaricu (Rhizopoda radiaria). Berlin 1862. (Vorläufige Mittheilung
s. Monatsb. d. Berl. Akad. 1860. p. 794 u. 835.)
17. Wallieh, G. C, On the structure and affinities of the Polycystina. Transact. of the
microscop. soc. London (N. s.). VoL Xlll. 1865. p. 57 — 84.
18. Häekel, E., üeber den Sarkodekörper der Rhizopoden. Zeitschr. f. wiss. Zoologie Bd. XV.
186.5. p. 342—70.
19. Schneider, A. , Zur Kenntniss des Baues der Radiolarien. Arch. f. Anat. u. Physiol.
1867. p. 509—511.
20. Häekel, E., Beiträge zur Piastidentheorie: 3. Myxobrachia von Lanzerote. 5. Amylum
in den gelben Zellen der Radiolarien. Jenaische Zeitschr. f. Nat. u. Med. Bd. V. 1870.
p. 519.
21. Stuart, A., Neapolitanische Studien. Göttiuger Nachrichten 1870. p. 99 — 101. (S .dieselbe
\otiz auch Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. XXII. p. 290.)
22. Doenitz , W. , Beobachtungen über Radiolarien. Arch. f. Anat. u. Physiol. 1871.
p. 71—82. T, IL
23. Cienkowsky, L., üeber Schwärmerbildung bei Radiolarien. Arch. f. mikrosk. Anat,
Bd. VIL 1871. p. 372—381. T. 29.
24. Wagner, N., Myxobrachia Cienkowski. Bullet. Acad. impör. de St. Petersbourg. T. XVII.
1872. p. 140—142.
25. . Ehrenberg, Chr. G-., Mikrogeolog. Studien über das kleinste Leben der Meeres-Tief-
gründe aller Zonen und dessen geolog. Einfluss. Abhandl. der k. Akad. Berlin a. d. J.
1872. p. 131—397. T. I— XIL
25a. Das unsichtbar wirkende Leben der Nordpolarzone; in: ,,Die zweite deutsche
Nordpolarfahrt" Bd. II. Wissenschaftl. Ergebnisse. Leipzig 1874.
26. Fortsetzung der mikrogeologischen Studien als Gesammt-Üe))ers. der mikroskop,
Paläontol. gleichartig analys. Gebirgsarten d. Erde, mit spec. Rucks, auf d. Polycystinen-
Mergel von Barbados. Abh. d. Berl. Akad. a. d. J. 1875. p. 1—226. 30 Taf.
27. Murray, J. , Preliminary report to Prof. W. Thomson on work done on board the
r'hallenger. Proc. roy. soc. Bd. 24. 1876. p. 471. p. 532.
28. Hertwig, R., Zur Histologie der Radiolarien. Leipzig 1876. 4". 5 Taf. 91 pp.
29. Zittel, K. A. , Üeber fossile Radiolarien der oberen Kreide. Zeitschr. der deutsch,
geolog. Gesellsch. Bd. XXVIIL 1876. p. 75—96. T. IL
30. Mivart, St. George, Notes touching recent researches on the Radiolaria. Journ. Linn.
soc. Zoolog. Vol. XIV. 1877. p. 136—86.
31. Thomson, Wyw., Voyage of the Challenger. The Atlantic. London 1877. 2 Vol.
32. Häekel, E., Das Protistenreich. Leipzig 1878.
33. Hertwig, R., Der Organismus der Radiolarien. Jenaische Denkschriften Bd. II, 1879.
Taf. VI— XVL p. 129—277.
34. Häekel, E., üeber die Phaeodarien, eine neue Gruppe kieselschaligcr, mariner Rhizo-
poden. Sitzungsber. der Jen. Ges. f. Med. u. Naturw. 1879.
35. Stöhr, E. , Die Radiolarienfauna der Tripoli von Grotte, Prov. Girgenti in Sicilien.
i^, Palaeontographica. Bd. 26. 1880. p. 71—124. T, XVII— XXIII. (Früheren Ber. hierüber
s. Amtl. Bericht über die Naturf.-Vers. zu München 1877 u. Bellet, d. R. comit. geolog.
■d'Italia 1878, fasc. 11 u. 42.)
344 Eadiolaria.
.S(i. Brandt, K,, Untersucliungeu au Kadiolarieii. Moiiatsber. d. Beil. AKad. ls'>l. \>. 38S —
4U4. 1 Taf.
Hl. Häckel, E., Entwurf ciues Eadiolarien-Systeiiis auf Grund von Studien der Ohalleng'er-
Eadiolarien. Jen. Zeitsclir. für Naturwiss. Bd. XV. jx 418—472. ISSl.
88. Bütsclili, O., Beiträge zur Kenntniss der Kadiolarienskelete. insbesondre der der Gyrtida.
Zeitsclir. f. wiss. Zoologie Bd. XXXVI- p. 485—540. T. XXXI— XXXIII. 1881.
HQ. Geddes, P. , Furtlier researclies on Animals containing cliloropliyll. Naturc. Vol. '2b.
Nr. 639. 1882. p. 303—305.
2. Kurzer teberblick der iiiori)liolo»isclieii Auflassiui«' und tlestaltunu
des Riidioliu ienkörpers , sowie der Hauptgrupueu dieser Abtlieilung.
Wie schon früherhiii (p. 1 und 2) und am Schlüsse unsres histori-
schen Ueberblicks hervorgehoben wurde, haben wir den Körper eines
mouozoen Radiolars morphologisch als eine einfache Zelle aufzufassen,
eine Zelle, welche theils einkernig, wie im jugendlichsten Zustand wohl
durchaus, theils mehr- bis vielkernig erscheint. Als die ursprüngliche und
auch bei zahlreichen ßadiolarien noch dauernd erhaltene Gestaltung des
Körpers erscheint uns wie bei den Heliozoen die kuglige oder homaxone,
welche auch, wie bei den meisten Heliozoen, dadurch noch schärfer aus-
geprägt wird, dass die stets feineu, strahlenartigen Pseudopodien allseitig
von der Körperoberfläche entspringen und nach allen Richtungen gleich-
massig entwickelt erscheinen. Im Gegensatz zu denen der meisten Helio-
zoa verrathen die Pseudopodien der Radiolarien nicht selten eine grössere
Neigung zu Verästelungen und Anastomosen , nähern sich also in dieser
Hinsicht etwas mehr denen vieler Rhizopoda, ohne dass jedoch so reich
verzweigte Pseudopodiennetze gebildet würden, wie sie einem grossen
Theil der Rhizopoda eigenthümlich sind. Gewisse später zu besprechende
Eigenthümlichkeiten der Pseudopodien einer Anzahl Radiolarien erweisen
noch innigere Beziehungen zu denen der Heliozoa.
Wenn nun auch durch die allgemeine Körpergestaltung und weitere,
im Verlaufe uusrer Darstellung zu berührende Eigenthümlichkeiten sich
recht innige Beziehungen zu den Heliozoen aussprechen, so scheiden die Ra-
diolarien sich doch von diesen durch die stete Anwesenheit einer sehr wichtigen
und interessanten Skelet- oder Hüllbildung im Allgemeinen recht scharf*).
Dieses Hüllgebilde umschliesst in Form einer ursprünglich kugligen (ent-
sprechend der homaxonen Grundgestalt), meist sehr dünnwandigen Kapsel
(sogen. Centralkapsel) den grössten Theil des protoplasmatischen Weich-
körpers, gestattet dem Protoplasma jedoch den Austritt, indem die Kapsel-
*) Eine Anzahl Erfahrungen der neueren Zeit, welche erst später eingehender besprochen
werden liönnen. erwecken Zweifel über die ganz allgemeine Verbreitung der sogen. Central-
Icapselhülle bei den Eadiolarien oder scheinen doch dafür zu sprechen , dass es häiilig erst
sehr spät im Leben der Eadiolarien zur deutlichen Ausbildung einer solchen Hülle kommt.
Diese Angelegenheit besitzt eine sehr grosse Bedeutung für die morphologische Vergleichung
unsrer Abtheilung mit den beiden früher besprochnen der Sarkodinen ; im Allgemeinen scheint
mir die liier vorgetragne Ansicht bis jetzt noch die grössere ^^'ahrscheinlichkeit für sich zu
haben. Genaueres folgt siiliter bei der speciellen Betrachtung der Centralkapsel.
Allg. Auffassung- des Radiolarieuorganismus. 345
waucl, in dem uline Zweifel iirs5i)iüiiglichstcii Ziisttuid, von uiigeiiieiu zaljl-
reichen dichtgestellteu, feinsten Porcnkanälchen durchsetzt wird. Hierdurch
wird es denn ermöglicht, dass sich auch auf der Aussenfiäche der Kapsel-
wand stets eine Protoplasmaschicht auflagert, von welcher die Pseudo-
podien ihren Ursprung nehmen. Bei den Heliozocn treffen wir nichts
dieser Centralkapsel vergleichbares au, dagegen lässt sich dieselbe wohl
mit den einfachsten chitinüsen llüllgebilden der Phizopoden parallelisiren,
wenn diese auch gewöhnlich nicht porös, sondern solide erscheinen und
nur äusserst selten (so Microcometes) eine homaxone Gestaltung auf-
weisen. Dagegen dürfen wir jedoch anfuhren, dass auch die höher
entwickelten HüUgebildc der Ehizopoden grossentheils eine poröse und
häufig sehr fein poröse Beschaffenheit besitzen, und dass, wenn dies auch
nur bei kalkschaligen Formen der Fall ist, diese Kalkschale doch
durchaus, wie es scheint, von einem primären chitinigen Hüllhäutchen
ausgekleidet wird. In Uebereinstinmiung mit dem Verhalten der Radio
larien finden wir denn auch zuweilen bei Rhizopoden, dass das Protoplasma,
aus dem Innenraum der Schale hervortretend, auch eine äussere Ueber-
lageruug derselben bildet.
Wenn wir oben die homaxone Gestaltung des Radiolarienkörpers
sammt seiner Centralkapsel als den ursprünglichen Zustand bezeichneten,
so gründet sich dies, wie im Verlaufe unsrer Darstellung noch ausführ-
licher zu zeigen sein wird, auf die Thatsache, dass diese Bauweise den
einfachsten Formen im Allgemeinen eigenthümlich ist, und dass sich die
abweichenden Gestalten am besten von einer solchen Grundform ableiten
lassen. Alle die Formen aber, welche diese ursprüngliche Beschaffenheit
im Bau ihres Körpers und speciell ihrer Centralkapsel noch verrathen,
wollen wir nach dem Vorgange R. Hertwig's*) als Peripylea (oder Peri-
pylaria Hck. 1881, wegen der zahlreichen und allseitigen Durchbohrungen
ihrer Centralkapselwand) bezeichnen und als eine Unterabtheilung zu-
sammenfassen. I^Jchon unter diesen Formen machen sich jedoch zum Theil
Modificationeu der Körpergestalt geltend, welche sich hauptsächlich in der
Form der Centralkapsel und dem Bau des erst später zu erörternden
Skelets aussprechen. Durch Auswachsen der Centralkapsel in einer be-
stimmten Richtung oder durch Abplattung derselben bilden sich monaxone,
gleichpolige Gestalten aus, ja es kann die Centralkapsel in dieser Ab-
theilung im Zusammenhang mit Eigenthümlichkeiten der Skeletentwick-
lung noch tiefergehende Modificationen aufweisen.
Tiefergehende Umgestaltung der Centralkapsel führt uns jedoch zu
einer zweiten Unterabtheilung (Ordnung) der Radiolarien , den sogen.
*) Hertwig (33) und nach ihm Häckel (37) beschränken diesen Namen nur auf einen
Theil unsrer Peripylaria. nämlich die von uns als reguläre und irreguläre Sphaeridea zusam-
mengefassten Formen. Häckel verwendet für unsre Peripylaria auch den Gesammtnamen
Holotrypasta, schliesst jedoch die koloniebildcnden Sphaerozoen Hertw. (■= Polycyttaria Hck.)
von diesen aus, eine Ansicht, welche ich nicht fiir gerechtfertigt halte.
S4P> Radiolaria.
31uüopylea Hertwig s ■•^). Hier hat die Kapsel nicht nur häufig durch
Auswachsen in einer bestimmten Richtung eine ellipsoidische Gestalt ange-
nommen, sondern es ist auch die gleichmässige Perforirung verloren ge-
gangen. Die Poren haben sich auf ein Feld des einen Pols lokalisirt,
während die übrige Kapselwand solid, undurchbohrt erscheint. Bei diesen
Formen ist demnach die Kapsel monaxon und ungleichpolig umgestaltet
worden und dieser Gestaltungscharakter prägt sich bei dieser Abtheilung
auch in der Skeletentwicklung durchgängig aus, ja es zeigen die Skelete
meist sogar einen deutlich bilateral-symmetrischen Entwicklungstypus.
Nach einer andern, leider bis jetzt noch nicht ausreichend bekannten
Richtung hat sich die Kapsel bei einer dritten Unterabtheilung der Radio-
larien modificirt, bei den sogen. Phaeodaria Häckel's (den Tripylea
Hertwig's). Festzustehen scheint, dass sich die Kapselwand dieser Formen
stets aus zwei Membranen zusammensetzt und dass statt der dichten, feineu
Poren der Peripyleen sich eine verschiedene Anzahl grösserer, eigenthüm-
lich gebauter Oeffnungen in der Kapselwand vorfindet, welche bis zur
Drei-, Zwei- und Einzahl herabsinken können. In Zusammenhang damit
nimmt dann die ursprünglich kuglige Kapsel auch hier z. Th. eine mon-
axone, z. Th. eine dipleurische (bilateral-symmetrische) Gestalt an.
Wie manche Rhizopoden und Heliozoen zeigen auch die Radiolarien,
im Gegensatz zu den früher besprochnen Abtheilungen jedoch ganz allgemein,
eine gallertige Umhüllung ihres Körpers, welche manchmal noch besondere
Modificationen aufweist und häutig eine sehr mächtige Entwicklung erreicht.
Eine besondere Wichtigkeit und hohes Interesse beanspruchen weiterhin
die Skeletbildungen, welche bei den meisten Radiolarien entwickelt sind
und welche sich wenigstens z. Th. denen der Heliozoen am nächsten an-
schliessen lassen.
Was für die Skeletbildungen unsrer Gruppe zunächst eigenthümlich
erscheint, ist, dass sie sich durchaus nicht stets an der Oberfläche des
Weichkörpers hervorbilden , sondern sehr häufig zum grösseren Theil in
den protoplasmatischen Weichkörper selbst eingelagert sind. Ihrer chemi-
schen Natur nach weisen sie zweierlei Modificationen auf, indem sie bei
einem Theil der Peripylaria (den Acanthometreen) ganz allgemein aus
einer organischen Substanz bestehen, bei den übrigen, an Zahl überwie-
genden Radiolarien dagegen wesentlich aus Kieselsäure aufgebaut sind.
Auch die morphologische Entwicklung der Skelete ist eine so verschieden-
artige, dass eine Ableitung aller von gemeinsamer Grundlage sicher aus-
geschlossen erscheint. Diese Ansicht wird denn auch noch weiterhin
dadurch bestätigt, dass sich sowohl unter den Peripylaria wie Monopylaria
und Phaeodaria skeletlose Formen finden , was eine selbstständige Ent-
*) Monopylaria Hck. 1881. DieseDjeu werden mit den gleich zu erwäbneiiden Phaeo-
daria im Gegensatz zu den sogen. Holotrypasta als Merotrypasta zusammengefasst, so dass also
Häckel drei grosse ünterabtheilungcn unterscheidet: 1. Holotrypasta. 2. Merotrypasta und
fi. Polycyttaria (== Sphaerozoöa Hertw.).
ÄUtr. AiiffassuDii- ilei* Radiolaricn. Skeletbau. 347
stehiiiig der SkeletbilduDgen dieser Untergruppen sehr walirsclieiiilieli
macht. Innerhalb der Peripylaria in nnserm Sinne lassen sich dann
weiterhin noch zum mindesten zwei Skelettypen unterscheiden , welche
selbstständig' neben einander hergehen.
lieber den allgemeinen morphologischen Aufbau der Skelete sei
hier nur soviel bemerkt, dass dieselben seltner aus losen, nadel- oder
stachelartigen Elementen, ähnlich denen der Heliozoen bestehen, meist
dagegen als zusammenhängende, gitterförmig durchlöcherte Skelethüllen
erscheinen , deren specielle Gestaltung die allergrösste Mannigfaltigkeit
aufweist.
Die Morphologie der Radiolarienskelete verräth eine reiche, nach
verschiedenen Richtungen hin zur Geltung kommende Umgestaltungs-
tahigkeit der auch für die Skeletbildungen meist ursprünglichen, hom-
axonen Grundform. Dieselbe kann in eine monaxone, gleich- oder un-
gleichpolige, in eine zwei- oder mehrstrahlige und endlich auch eine
mehr oder minder deutlich bilateral-symmetrische übergehen, wobei dann
noch zahlreiche specielle Ausbildungsverhältnisse zu verzeichnen sind.
Hinsichtlich ihrer Fortpflanzungserscheinungen zeigen die Radiolarien
einen ziemlich innigen Anschluss an die seither schon betrachteten Ab-
theilungen der Sarkodinen, trotz einer recht eigenartigen Gestaltung des
Hauptfortpflanzungsactes. Abgesehen von dem Vorkommen eines ein-
fachen Theilungsprocesses, der sich vielleicht dem der einfacheren Rhizo-
poden- anreihen lässt, indem auch hier die Wandung der Centralkapsel
mit in den Theilungsprocess hereingezogen wird, finden wir bei den Ra-
diolarien, wie es scheint allgemein verbreitet, eine Schwärmerbildung, der
wir auch schon bei den beiden vorhergehenden Abtheilungeu gelegentlich
begegneten. Diese Schwärmerbildung ist jedoch hier dadurch besonders
interessant, dass der Gesammtkörper in eine grosse Zahl solcher Schwär-
mer zerfällt, was jedoch nicht ohne Analogie mit gewissen Fortpflanzungs-
vorgängen der beiden schon besprochnen Klassen der Sarkodinen ist.
Gewisse Besonderheiten in der Schwärmerbildung weisen vielleicht auch
auf geschlechtliche Copulationsvorgänge hin, welche aber bis jetzt nicht
näher erforscht sind. Leider gilt dies auch von der Entwicklung der
Schwärmsprösslinge zur definitiven Radiolariengestalt, was sehr zu be-
dauern ist, da wohl allein die thatsächliche Feststellung dieses Vorganges
eine Anzahl wichtiger morphologischer Fragen über die Auffassung des
Radiolarienkörpers und seiner Theile endgültig entscheiden wird.
3. Der Skeletbau der RRdioIarieii,
Wie schon bei den Rhizopoden halten wir es auch bei dieser Ab-
theilung für angerathen, der Betrachtung des Weichkörpers diejenige des
Skeletbaues voranzuschicken, da dieselbe bei den allermeisten Formen
die Gestaltung und äussere Erscheinung wesentlichst bedingt. Schon bei
früherer Gelegenheit wurde jedoch hervorgehoben, dass es eine Anzahl
348 Radiolaria.
Formeu gibt, welche sich durch völligen Skeletmaugel auszeichuen iiud
wohl ohne Zweifel verrathen, dass die Gmndziige der Radiolarienorgani-
sation schon vor der Entwicklung von Skeletelementen zur Ausprägung
gekommen sind, d. h. dass die Urformen der Radiolarien skeletlos ge-
wesen sind. Die Richtigkeit dieser Vermuthung wird auch noch weiter-
hin dadurch belegt, dass wir in verschiedenen Radiolarienabtheilungen
solche skeletlose Formen antreffen, so in der Abtheilung der Peripylaria
gewisse CoUiden (Thalassicolla und Thalassolampe) und Sphaerozoeeu
(Collozoum), in der Abtheilung der Phaeodariae die skeletlosen Phaeodi-
nidae Häckel's und unter den Monopylaria die zwar nicht ganz sichere
Gattung Cystidium Hertwig's. Diese Thatsacheu scheinen es denn auch
weiterhin sicherzustellen, dass die phylogenetische Hervorbildung dieser
drei Unterabtheilungen schon zu einer Zeit stattgefunden hat, wo das
Ökelet noch fehlte , worauf andrerseits auch der grundverschiedne Typus
der Skeletbildung in diesen 3 Abtheilungen hinweist.
A. Natur der Skeletsubstau z.
Auch im Hinblick auf die chemische Natur der Skeletsubstanz ver-
halten sich die Radiolarien, wie erwähnt, nicht gleich, so dass sich zwei
durch Verschiedenheit • der Skeletsubstanz ausgezeichnete Gruppen unter-
scheiden lassen. Die erste derselben umfasst nach den neueren Erfah-
rungen die Ordnung der Acanthometrea Hertw. *), unter den Peripylaria, die
zweite dagegen sämmtliche übrigen skeletführenden Radiolarien der ver-
schiedenen Unterabtheilungen. Bei den Acanthometreen bestehen die
Skeletelemente, welche J. Müller für durchaus kieselig hielt, aus einer
organischen Substanz, wie zuerst Häckel (16) für einen Theil derselben
nachwies und Hertwig (33) hierauf für die gesammte Gruppe ziemlich
ausreichend erwies. Es geht dies aus dem Verhalten der Skeletelemente
beim Glühen und bei der Behandlung mit Säuren oder Alkalien hervor.
Durch Glühen werden sie zerstört, wie dies wenigstens für eine Anzahl
Acanthometreen durch Häckel erwiesen ist, durch Behandlung mit Säuren,
Schwefel-, Salz- und Salpetersäure, jedoch auch schon Osmium- und Essig-
säure, ebenso wie durch kaustisches Kali werden sie rascher oder lang-
samer gelöst. Die Lösung ist eine sehr vollständige, so dass nach den
Erfahrungen Hertwig's schliesslich nur ein äusserst feines Häutchen als
Rest eines ganzen Skeletstachels zurückbleibt, das jedoch mögli<}herweise
nicht einmal wirklich als Theil des Stachels zu betrachten ist, sondern nur
von einem äusseren Plasma- oder Gallerteüberzug herrühren mag. Brandt
(36) hat neuerdings weiterhin festgestellt, dass auch schon 1 7o Soda-
und 10—20% Kochsalzlösung die Skeletelemente der Acanthometreen
nach längerer Einwirkung lösen und detinirt daher die organische Substanz,
das sogen. Acanthin Häckel's, als einen Eiweisskörper (Vitellin), aus
welchem nach ihm auch die Axenfäden der Pseudopodien bei Heliozoen
*) = Acantharia Hck. 1881.
Clieiii. Natur der Skclcte, 349
und Radiolarien (speciell Acantbome(reeu) bestehen. Ei' schliesst denn
auch hieraus, dass die Skeletelemente der Acanthometreen Weiterbil-
dungen der Pseudopodienaxenfäden darstellen*). In Uebereinstimnuing
mit der geschilderten Natur der Skeletsubstanz der Acanthometreen steht
dann auch die Erscheinung, class bis jetzt weder in Kadiolarienablage-
rungen unsrer Meere, noch denen aus früheren Epochen, Acanthometreen-
reste angetroffen worden sind. Es ist dies ja auch nach den neueren
Ermittlungen nicht anders zu erwarten.
Fraglich erscheint, ob auch noch anderwärts in der Reihe der
Radiolarien eine organische Substanz in ähnlicher Weise das Skelet-
material bilden kann. Bis jetzt spricht hierfür nur eine einzige Beobach-
tung Häckel's (16), der bei einem Exemplar der Collide Thalassosphaera
Morum J. M. eine Lösung der eigenthtimlichen Skeletgebilde durch
Schwefelsäure beobachtete, während die eines zweiten Exemplars sich
sowohl bei der Behandlung mit Schwefelsäure wie beim Glühen erhielten.
Immerhin dürfte es sich empfehlen, die chemische Natur der Acantho-
metreenskelete in der Zukunft noch etwas schärfer ins Auge zu fassen.
Häckel (16) wollte die organische Natur der Skeletgebilde nur für einen
Theil der Acanthometreen gelten lassen und neigte sich auch der An-
nahme zu, dass zum Theil eine spätere Verkieselung stattfinde. Auch
in seiner neuesten Publikation über Radiolarien (37) betont Häckel, dass
die Acanthometreenskelete in seltenen Fällen verkieselt seien. Hertwig
dagegen glaubt, aus seinen ziemlich ausgedehnten Erfahrungen den
Schluss ziehen zu müssen, dass die Acanthometreen durchweg unver-
~ kieselte Acanthinskelete besässen. Eigenthümlich erscheint es, wie Joh.
Müller sieb unter solchen Umständen seiner Zeit überzeugen konnte
(8, p. 249), dass die Stacheln der Acanthometreen nach der Verbrennung
erhalten bleiben.
Im Anschluss an vorstehende Besprechung der sogen. Acanthinskelete
bemerken wir gleich einige Worte über die einzige bis jetzt vorliegende
Beobachtung kalkiger Skeletgebilde bei Radiolarien. Eine von der
Challengerexpedition im pacifischen Ocean sehr häufig gefundene Form,
welche von Wyw. Thomson (31, II. p. 233) Calcaromma calcarea genannt
wird, soll Sporenrädchen gleichende, kalkige Skeletgebilde besitzen. Es
mag schon hier bemerkt werden , dass diese Calcaromma sich meiner
Meinung nach zunächst an die Thalassosphaera Morum anschliesst, viel-
leicht sogar damit identisch ist, was um so interessanter erscheint, als,
wie bemerkt, schon Häckel seiner Zeit bei einer Thalassosphaera die
Löslichkeit der drusenartigen Skeletgebilde in Schwefelsäure beobachtet
bat**).
*) Yergl. hierüber die Besprecliung der Axenfädeii der Heliozocn pag. 287 und weiter
unten die der Radiolarien. Aucli in ihrem Liehtbrechungsvermögen unterscheiden sich die
sogen. Acanthinskelete von den Kieselskeleten, da die ersteren nach Hertwig in Glycerin deut-
lich sichtbar bleiben, die letzteren dagegen darin nahezu verschwinden.
**) Häckel scheint von der Eichtigkeit der Thomsonschen Beobachtung kalldger Skelet-
350 - Uadiolaria.
Alle übrigen Radiolarien besitzen kieselige Skelete, welche daher so-
wohl starken Mineralsäuren wie der Glühhitze Widerstand leisten. Ge-
naueres über die chemische Zusammensetzung der Kieselskelete wurde
jedoch bis jetzt nicht ermittelt. Häckel bezeichnet sie als reine Kiesel-
säure, jedoch wäre es ja immerhin möglich, dass noch eine sehr
spärliche Beimischung organischer Substanz vorhanden wäre, wie
solches ja für Kieselgebilde anderer Organismen zum Theil erwiesen ist.
Brandt spricht sich denn auch neuerdings (36) für die Gegenwart einer
solchen organischen Grundlage der Kieselskelete aus, da er ein Wachsthum
derselben durch Intussusception aus seinen Beobachtungen folgern musste*).
Sowohl die Acanthin- wie die Kieselskeletgebilde sind fast stets völlig
homogen, durchsichtig und farblos ; nur in den seltensten Fällen zeigt sich
eine innere Structur oder eine Färbung. Eine Art krystalliuischer Structur
ist bis jetzt nur bei der sehr dickschaligen SkelethttUe einer Acantho-
metree, also einem Acanthinskelet, beobachtet worden, gefärbte stahlblaue
Skeletgebilde dagegen bei der schon obenerwähnten Thalassosphaera
morum, bei der eigenthümlichen Acanthometride Lithophyllium (Xipha-
cantha Hck.) foliosum Müll, weisen die Stacheln an den Enden eine
violette Färbung auf.
Hinsichtlich ihrer Festigkeit zeigen sowohl die Acanthin- wie die
Kieselskelete ziemliche Verschiedenheiten. Wir treffen darunter sowohl
sehr spröde, leichtzerbrechliche, wie recht biegsame und in hohem Grade
elastische an.
B. Morpholpgisclier Aufbau der Eadiolarienskelete.
Schon mehrfach mussten wir hervorheben, dass die Untersuchung der
Morphologie der Radiolarienskelete uns eine Reihe verschiedenartiger,
wahrscheinlich überhaupt nicht aufeinander zurückführbarer Skelettypen
kennen lehrt, nämlich 1) die Acanthin- oder Acanthometreenskelete, 2) die
Sphaeroidskelete der übrigen Peripylaria, 3) die Skelete der Phaeodaria
oder die Hohlskelete, wie man sie vielleicht auch bezeichnen dürfte, und
4) die Skelete der Monopylaria oder die Cricioidskelete. Wir halten es
am passendsten, die Skeletgebilde in der erwähnten Reihenfolge zu be-
trachten. Indem wir hierbei nach Möglichkeit einen genetischen Weg
einzuschlagen versuchen, wird uns diese Uebersicht der Morphologie des
Skeletes gleichzeitig einen ziemlich vollständigen Ueberblick der gesamm-
ten Radiolariengruppe und der Grundzüge ihrer natürlichen Systematik
darbieten.
gebilde überzeugt zu sein, da er (37") auch von sehr seltenen, kalkigen Skeletgebilden spricht,
ohne jedoch die Calcaromma Thomson's in seinem Systementwurf aufzuführen. Wahrscheinlich
hält er sie demnach ebenfalls für identisch mit Thalassosphaera J. M.
*) Die zweite Möglichkeit, welche er gleiclifalls ins Auge fasst, dass nämlich die sogen.
Kieselskelete möglicherweise aus einer organischen Silicium Verbindung beständen, halte ich für
sehr unwahrscheinlirli.
Skelete der Acaiithoüictrccii. 351
f^ Die Acanthometreen- oder Acanthiuskelete.
Nicht nur die bemerlienswerthe chemische Zusammensetzung, sondern
auch der morphologische Aufbau charakterisirt die Skeletbildungen der
Acanthometreen (oder Acantharia Hck. 1881) als eigenthümliche oder
selbststäudige, welche denen der übrigen Radiolarien gegenübergestellt zu
werden verdienen. Zunächst zeichnen sich die Skeletbildungen dieser
Gruppe dadurch aus, dass sie wenigstens ursprünglich aus isolirten, nadel-
oder stachelartigen Elementen bestehen , welche zwar bei nicht wenigen
Formen fest untereinander verschmolzen sind; doch dürfte wohl sicher
anzunehmen sein: dass diese Verschmelzung ein secundärer Bildungs-
zustand des Acanthometreenskeletes ist, welcher sich in selbstständiger
Weise aus dem ursprünglichen Verhalten in verschiedenen Unterabthei-
lungen entwickelt hat. Weiterhin ist jedoch für diese Skeletformen noch
besonders charakteristisch, dass sie stets zum grossen Theil im proto-
plasmatischen Weichkörper eingelagert sind und, stets in das intra-
kapsuläre Protoplasma eindringend, sich strahlenartig um das Centrum
der Kapsel gruppiren, das selbst von den centralen Stacheltheilen gebildet
oder eingenommen wird.
Schwieriger erscheint es, auf Grund unsrer heutigen Kenntnisse zu
ermitteln, welche der zahlreichen Acanthometreenformen uns wohl den
primitivsten Skeletbau vorführt. Es ist daher auch mehr der Gang der
Darstellung, als sichere Ueberzeugung der Ursprünglichkeit, welcher uns
veranlasst, den Skeletbau der Gattung Actinelias Hck.*) hier zunächst zu
besprechen.
Bei einer solchen Form besteht das Skelet aus einer schwankenden
(vielleicht mit dem Alter zunehmenden) Zahl von cylindrischen oder vier-
kantigen und an ihrem peripherischen Ende zugespitzten Stacheln, welche
sämmtlich im Centrum der Centralkapsel zusammengestemmt, jedoch nicht
mit einander verwachsen sind. Diese Zusammenstemmung im Centrum
wird dadurch ermöglicht, dass das centrale Ende der Stacheln vierseitig
zugespitzt ist. Irgend eine Regelmässigkeit in der Anordnung der bis
zur Zahl 40 vorhandenen Stacheln existirt nicht, was dieser und einer
verwandten Form**) vielleicht ein Anrecht gibt, zu den primitivsten
Acanthometreen gerechnet zu werden.
Die Stacheln der eben besprochnen Form sind, wie die der Acantho
*) Im neuen Systementwurf HäckeFs von J881 fehlt der Name Actinelius, er ist in
Astrolophxis umgewandelt, welch letztere Gattung- daher unrichtig als „neu" bezeichnet wird.
Ich werde mich im Folgenden möglichst an die alten Namen, wie sie sich in Häckel's Mono-
graphie finden, halten, und nur für wirklich neue Formen auch die neue;i Bezeichnungen an-
wenden.
**) Diese sehr eigenthümlich modificirte'^Form ist die Gattung Litholophus Hck. (XX'V III. 1),
welche in der Weise aus Actinelius herzuleiten ist, dass die allseitig vom Centriim ausstrahlenden
Stacheln dieses letzteren nur in einem Quadranten zur Ausbildung gelangt sind , demnach zu-
sammen ein kegelförmiges Stachelbiischel formircn.
352 Radiolaiia.
metreen überhaupt, durchaus solide, was vielleicht einer besonderen Be-
tonung bedarf, da die Ötachelgebilde der Acanthometreen längere Zeit
auf Grund der Angaben Clapaiede's und Joh. MüUer's für hohl gehalten
worden sind. Durch Hackers Untersuchungen, welche in der Folge
Wallich (17) und Hertwig bestätigten, hat sich ergeben, dass der ver-
meintliche Stachelkanal, durch welchen ein an der Stachel basis eintreten-
des Pseudopodium hindurchlaufen und au der Stachelspitze wieder aus-
treten sollte, auf einer Täuschung beruhte, hervorgerufen durch die häufig
blattartig vorspringenden Kanten der Stacheln.
Bei allen übrigen Acanthometreen herrscht in Bezug auf Zahl und
Stellung der Skeletstacheln , welche im Uebrigen nach dem allgemeinen
Typus des Actinelius zusammengestellt sind, eine sehr interessante Gesetz-
mässigkeit, welche zwar einige Modificationen erfahren kann, jedoch im
Grunde durchaus herrschend erscheint. Diese Gesetzmässigkeit wurde,
wie bemerkt, schon von Joh. Müller in einigen Fällen sicher beobachtet
und scharf formulirt; den Nachweis ihrer Gültigkeit durch die ganze
Reihe der Acanthometreen (mit Ausnahme der schon besprochuen Litho-
lophida) verdanken wir jedoch Häckel. Das Gesetz selbst, welches wohl
nach seinem Entdecker mit Recht das Müller'sche genannt wird , lässt
sich etwa folgendermaassen formulireu. Es sind stets 20 Stacheln vor-
handen, welche vom Centrum der Centralkapsel ausstrahlen und diese 20
Stacheln ordnen sich so zusammen, dass fünf Kränze von je vier Stacheln
um eine, durch keine Einlagerung von Stacheln bezeichnete Hauptaxe, in
verschiedner Neigung zu letzterer, herumgestellt sind. Diese fünf Kränze
aber von je vier Stacheln ordnen sich in folgender Weise um die ideale
Hauptaxe (s. T. XXVH. Fig. 8 b). Ein mittlerer Kranz von vier in einer
Ebene gelegenen Stacheln geht durch den Mittelpunkt der Hauptaxe, so
dass die vier ihm angehörigen Stacheln senkrecht zu letzterer und auch
aufeinander senkrecht stehen. Da diese Kranzebeue also die Aequatorial-
ebene des ganzen Skelets und Thierleibes bezeichnet, so sind die vier ihr
angehörigen Stacheln wohl als Aequatorialstacheln zu bezeichnen. Polar-
wärts von diesem Aequatorialstachelkranz lagern sich jederseits zwei
Stachelkränze; zunächst je einer, dessen Stacheln etwa einen Winkel von
30*^ mit der Aequatorialebne bilden und so geordnet sind, dass sie zwischen
den vier Aequatorialstacheln liegen, ihre Projection auf die Aequatorialebene
also je einen Winkel von 45^ mit den zwei benachbarten Aequatorial-
stacheln bildet. Diese Stacheln kann man mit Müller und Häckel die
Tropenstacheln nennen, da sie ihrer Lage nach etwa Radien entsprechen,
welche vom Centrum der Erdkugel zu den Wendekreisen gehen.
Die beiden letzten Stachelkränze, welche am meisten von der Aequa-
torialebene abgewandt sind, bilden mit dieser Winkel von circa 60^
und liegen gleichsinnig mit den Aequatorialstacheln, so dass also ihre
Projectionen auf die Aequatorialebene mit den Aequatorialstacheln zu-
sammenfallen. Der Vergleich mit der Erdkugel lässt diese Stacheln als
Polarstacheln bezeichnen, d. h. solche, welche zu den Polarkreisen gehen.
Skeleto der Acantliometreen. 353
Durch eine Anordnung der Stacheln , wie sie im vorstehenden be-
schrieben wurde, wird nun das Skelet derartig gebauter Acanthometreen
entschieden monaxon, ein bernerkenswerther Fortschritt gegenüber der
Monaxonie oder wohl eher Unregelnoässigkeit des Actinelius. Die 20
Stacheln sind meist im Centrum der Centralkapsel nur zusanimengestemmt,
jedoch nicht untereinander vereinigt und dies bezeichnet wohl die ur-
sprüngliche Bildung; eine Vereinigung der Stacheln durch Verschmelzung
hat sich aber bei einer Anzahl Untergruppen hergestellt, jedoch in verschie-
dener Durchführung. Die Acanthochiasmidae zunächst besitzen zehn
unter einander nicht Verbundne, an beiden Enden zugespitzte Stacheln,
welche durch die gesammte Centralkapsel hindurchgehen, sich demnach im
Centrum derselben kreuzen (XXVIIT. 4). Morphologisch dürfen wir uns die-
selben mit Häckel wohl dadurch entstanden denken, dass je zwei gegen-
überstehende der 20 gewöhnlichen Acanthometridenstacheln mit einander
zur Erzeugung eines Acanthochiasmastachels verschmolzen. Bei den
Astrolithidae and einer Reihesich ähnlich verhaltender, neuerdings durch
Häckel kurz erwähnter Untergruppen sind dagegen die 20 Stacheln im Cen-
trum der Centralkapsel wirklich zu einem kugligenCentralstück verschmolzen
(XXVIII. 2). Eine von Hertwig beobachtete Acanthometraform (33, p. 7)
scheint eine Uebergangsstufe zu den eigentlichen Astrolithida zu bilden,
so dass an der Ableitung dieser wie der Acanthochiasmida von Formen
mit getrennten Stacheln nicht wohl zu zweifeln ist; es hat sich
diese Verschmelzung gewiss selbstständig bei einer ganzen Anzahl
der gleich zu erwähnenden morphologischen Gruppen hervorgebildet.
Auch bei den merkwürdigen Diploconida verschmelzen die Skeletelemente
im Centrum, jedoch ist das Genauere über die Art der Vereinigung
noch nicht hinreichend ermittelt.
K Ursprünglich waren die 20 Stacheln der Acanthometreen jedenfalls
■ durchaus gleich, ein Zustand, welcher sich unter den heutigen Vertretern
K dieser Gruppe noch bei einer ziemlichen Reihe von Gattungen mit ein-
■; fachen Stachelskeleten (die Häckel neuerdings zu einer Unterfamilie der
m Acanthometrida zusammenfasst), sowie den später zu besprechenden
t Dorataspida vorfindet. Auch Acanthochiasma leitet sich jedenfalls von
Beinern solchen Zustand ab. Die monaxone Beschaffenheit des Acantho-
metreenskelets tritt daher hier noch wenig deutlich hervor, wird jedoch
sofort sehr kenntlich, wenn eine Ungleichheit in der Ausbildung der fünf
Stachelkränze eintritt.
Bevor wir jedoch in die Besprechung dieser Verhältnisse eintreten,
dürfte es sich empfehlen, einen Blick auf die Gestaltungsverhältnisse der
das Skelet aufbauenden Einzelstacheln zu werfen.
Die Mannigfaltigkeit der Stachelgestaltung ist eine sehr reiche. Die
einfachsten Stacheln sind lange, an dem peripherischen Ende allmäh-
lich zugespitzte Nadeln von kreisrundem Querschnitt. Das centrale Ende
dagegen erweist sich kurz vierseitig pyramidal zugespitzt (XXVIT. 6).
Diese vierseitige Bildung des Centralendcs, welche ohne Zweifel darauf
B V 0 11 II , Klassio.n iIp.s 'I'hii'r-Reichs, l'rolüzua, 23
354 Kadiolaria.
beruht, dass jeder Stachel im Centrum mit vier benachbarten in directe
Zusammenlagerung tritt, setzt sich jedoch sehr gewöhnlich noch aul
den freien Theil des Stachels und zwar entweder nur dessen centrale
Partie oder über seine gesammte Länge fort (XXVII, 6). Derart
wird dann der Stachel vierkantig, oder indem sich diese Kanten zu Blät-
tern oder Rippen erheben, welche der Länge nach am Stachel herab-
laufen, auch sehr häufig vier-rippig oder -flügelig. Dieselbe Erscheinung
kann sich auch an dem centralen, vierseitig zugespitzten Stachelende aus-
prägen, welches sich dann zu einer vierrippigen Pyramide umgestaltet. Die
vier Blattkanten des Stachels sind theils einfach und glatt, theils gezähnt
oder gesägt und entwickeln bei einer Reihe von Gattungen dornige oder
stachelartige bis verästelte, senkrecht zur Stachelaxe gestellte Fortsätze.
Theils treten an jedem Stachel zwei opponirte derartige Fortsätze hervor,
theils dagegen vier kreuzförmig zusammengestellte, indem sämmtliche vier
Rippen zur Bildung eines solchen Forlsatzes schreiten, selten dagegen mehr
(XXVII. y). Aus verästelten derartigen Fortsätzen können sich schliess-
lich sogar gitterförmig durchbrochne hervorbilden. Diese Stachelfortsätze
sind deshalb noch von besondrem Interesse, weil, wie wir später sehen
werden, in der Familie der Dorataspidae Hck. (Acanthophractidae Hertw.)
solche Fortsatzbildungen zu einer wichtigen Weiterbildung des Acantho-
metreenskelets führen.
Das peripherische Stachelende erweist sich nicht selten in verschied-
nem Grade zweigabelig gespalten, ja bei dem Acanthostaurus Forceps Hck.
setzt sich diese Spaltung bis zu der Centralpyramide der Stacheln fort;
jedoch sind die beiden langen Gabelzinken jedes Stachels etwa in
ihrer Mitte durch eine Querbrücke vereinigt*). Weiterhin erwähnt
jedoch Häckel neuerdings auch Formen mit drei- und viergespaltenen
Stacheln (auch als drei- oder vierlappige bezeichnet).
Einige Worte verdient noch die Art der Zusammenfügung der Central-
enden der Stacheln bei denjenigen Geschlechtern, wo keine Verschmel-
zung derselben eingetreten ist.
Die Art dieser Zusammenfügung ist bis jetzt nicht ganz ausreichend
erforscht. Häckel gibt an, dass sich die Stacheln mit einfach pyramidal
zugespitzten Centralenden so zusammenfügen, dass sich jede Stachelpyra-
mide mit vier benachbarten mit je einer ibrer dreieckigen Seitenflächen
berühre. Eine derartige Zusammenlagerung ist nun auch, wie ein Con-
structionsversuch ergibt (siehe den Holzschnitt Fig. 1) wohl mög-
lich, setzt jedoch voraus, dass die Stachelpyramiden der verschiednen
Kränze nicht ganz gleichgebildet sind und auch selbst keine regulär qua-
dratischen Pyramiden , sondern theils solche mit rhomboidischer (Aequa-
torialstacheln), theils solche mit deltoidischer Basis (unter der Voraus-
*) Hertwig (33) vermuthct, dass die gabclige Spaltung der Staclicleiulcu z. Tb. auf theil-
weisc Auflösung nach dem Tode zuriiclzufüliren sei, was jedoch in den meisten Fällen uazu-
treüend sein durfte.
Skelete der Acantliooietreen.
355
Setzung, dass die Tropenstacheln unter GO", die Polstacheln unter 30^ zur
Hauptaxe geneigt sind). Die Figur 1 zeigt die ungefähre Anordnung
der zehn Stachelhasen einer Hemisphäre in der Ansicht von dem Pol ;
Erklärung- von Holzsclin. Fig. 1.
Scliematische Construction des ro» den un-
gerippten Staclielpyramiden einer regulären
Acantliometrr'c gebildeten Skeletcentruins.
Ansiclit in der Hauptaxe , die vier Polar-
stachelii p und die vier Tropenstacheln t
bind an der Basis ihrer Pyramiden abge-
sclinittcn gedacht, dagegen von den Aequa-
torialstaclicln a ein Stück gezeichnet, da
dieselben sonst nicht sichtbar hervorträten.
Fig. 1.
die Basen der Stachelpyramiden sind so gezeichnet, als wenn sie sämmt-
lich auf einer Kugeloberfläche lägen.
Auch die mit vier flügelartigen Kantenrippen versehenen Stachel-
basen könnten in der gleichen Weise zusamraengeordnet sein, nur
bliebe dann zynischen je zv^^ei sich aneinanderlegenden Pyramidenseiten ein
radialer Lückenraum frei. Thatsächlich jedoch scheinen diese Stacheln
eine andre Anordnungsweise zu zeigen, indem Häckel bemerkt, dass bei
solchem Bau des Centralendes der Stacheln je vier benachbarte Stacheln
sich so mit den Flügelkanten ihrer Basalpyramiden zusammenlegen, dass
sie zwischen sich einen vierseitig pyramidalen Hohlraum freilassen. Dies
ist aber nur dann möglich, wenn je zwei benachbarte Flügelkanten einer
Pyramide sich an zwei Flügelkanten zweier benachbarten Pyramiden an-
lehnen und diese zwei Pyramiden sich in entsprechender Weise mit
einer vierten verbinden. Häckel gab an, dass in diesem Fall die
Flügelkanten der Stachelpyramiden in Hinsicht auf das Gesammtskelet
immer so geordnet seien, dass zwei gegenüberstehende in einen Meridian
fielen. Mit Recht hat jedoch Hertwig (33) darauf aufmerksam gemacht,
dass eine solche Anordnung unmöglich vorhanden sein könne, wenn die
erstgenannte Bedingung erfüllt werden solle, sondern dass die Flügel-
kanten dann immer so geordnet sein müssten, dass sie die Meridiane
unter halben rechten Winkeln schnitten. Sucht man sich durch Construc-
tion von einer derartigen Anordnung Rechenschaft zu geben (siehe den
Holzschnitt Fig. 2), so erscheint diese Angabe Hertwig's wohl begrün-
det, jedoch ergibt sich gleichzeitig, dass nicht stets vier Stacheln
mit ihren Flügelkanten zusammeustossen können , wie dies zwar für die
23*
356
Radiolaria.
Polstacheln (p) unter sich und in ihrer gleicbzeitigen Verbindung- mit
Tropen- (t) und Aequatorialstacheln (a) gültig ist, sondern dass auf jeder
Hemisphäre vier Lückenräume (E) .vorhanden sein müssen, welche nur
Erklärung von Holzsclin. Fig. 2. Schema
tische ('onstruction der Anordnung der Basen der vier-
rippigen Stachelpyramiden einer regulären Acautho-
metröe, unter Voraussetzung der von Häckel angegebnen
Zusammenfilgung der benachbarten Pyramiden. Ansicht
in der Hauptaxe. p die Basen der Pyramiden der
Polstaclieln, t die der Tropen- und a die der Ae(|ua-
torialstachcln.
durch Zusammenstossen dreier Stacheln, nämlich eines Tropen- und zweier
Polstacheln gebildet werden, welche Lückenräume denn auch nur von
sechs Flügelkanten umgrenzt werden. Zu bemerken wäre jedoch noch,
dass die von Häckel angegebne meridionale Lage je zweier Flilgelkanten
einer Pyramide bei dem erstbesprochnen Anordnungstypus zur Ausbildung
kommen würde.
Wir gehen jetzt über zur Betrachtung derjenigen Modificationen des
Acanthometridenskelets, welche durch besondre AusbildungsverhäUnisse
gewisser Stacheln hervorgerufen werden. Hierbei zeigt sich, dass
die Aequatorialstacheln im Allgemeinen eine Neigung haben, sich zu be-
sondrer Grösse und Ausbildung zu entwickeln, Avodurch der monaxone
Typus zunächst noch deutlicher hervortritt. Bei einer Reihe Gattungen
(Acanthostaurida Hck. 1881), als deren typische Repräsentanten wir hier
Acanthostaurus und Stauiolithium hervorheben dürfen, entwickeln sich in
dieser Weise die vier Aequatorialstacheln zu besondrer Grösse und zum
Theil auch eigenthümlicher Bildung (XXVH. 8 b). Noch mehr ausgezeich-
net sind die vier Aequatorialstacheln der Gattung Lithoptera (XXVH. 10),
indem hier das Ende eines jeden beiderseits zu einem in der Aequatorial-
ebene gelegeneu, ansehnlichen gegitterten Flügel auswächst, entsprechend
den Gitteranhängen , welche wir schon oben im Allgemeinen von den
Stacheln der Acanthometreen erwähnten. Eine weitere Modification ent-
steht dadurch, dass sich nur zwei gegenständige Aequatorialstacheln zu
hervorragender Grösse und theil weise auch eigenthümlicher Gestalt ent-
wickeln (Unterfamilie Acantholonchida Hck.); hierdurch wird bei der
Gattung Amphilonche Hck. (XXVH. 7) das Skelet von dem monaxouen
zum zweistrahligen Typus übergeführt, mit einer Symmetrieebene, weide
durch die äijuatorialen Hauptstacheln geht. Eine weitere Modification
dieser Form tritt noch bei den Gattungen Acantholonche und Amphibelone
dadurch auf, dass die beiden besonders ausgezeichneten Aequatorialf<tacheln
Skeletc rlor Acauthoin. (Doratsasjäila. riiractopclinida). 357
unglcicli sind. Der allgemeinen morpliologischen Gestaltung nach scliliesst
sich hier auch die merkwürdige Gattung Diploconus Hck. an (XX VII. 11),
welche gleichfalls eine mächtige Entwicklung zweier gegenüberstehender
Aequatorialstacheln zeigt, gleichzeitig jedoch auch noch eine sehr merk-
würdige Entwicklung der Tropenstacheln, indem die vier, je um die beiden
llauptstacheln gruppirten Tropenstacheln zu je einer längsgestreiften, die
Hauptstacheln in Gestalt einer Röhre umscheidenden dünnen Lamelle
verschmolzen sind. Die beiden so gebildeten Röhren gehen central in
einander über. Die Polarstacheln und die zwei kleinen Aequatorialstacheln
sind kurze, cylindrischc Stümpfe.
Ihre höchste Entwicklungsstufe erreichen die Acanthomctreenskcletc
in der Familie der Dorataspida Hck. (einschliesslich Sphaeracapsida
llck. 1881). Es lassen sich diese Gruppen im Allgemeinen von schon er-
wähnten, durch die seitlichen Fortsatzbildungen ihrer 20 Stacheln aus-
gezeichneten Formen ableiten. Bei den zahlreichen bierhergehörigen Gat-
tungen entwickeln sich nämlich an den Stacheln, in gewisser Entfernung
von den Centralenden, zwei oder vier seitliche Fortsätze, welche sich wie-
der dichotomisch oder ästig zertheilen können und bei einer Untergruppe
auch zu einer weitlöcherigen (Dorataspis, XXVIII. 5) oder engmaschigen
(Haliommatidium, XXVIII. 6) Gitterplatte zusammenfliessen , welche also
vom Stachel durchsetzt wird. Diese Fortsatzbildungen treten im ausgewach-
senen Zustand zur Bildung einer die Centralkapsel einschliessenden Gitter-
kugel zusammen, indem entweder die benachbarten unter Nahtverbindung
zusammenstossen, jedoch nicht verschmelzen, oder eine wirkliche Ver-
wachsung der benachbarten Platten zu einer einheitlichen Gitterkugel im
Alter eintritt.
Zu den 20 Hauptstacheln, von welchen die Gitterkugel der seither
besprochnen Dorataspiden ihre Entstehung nahm, können sich noch ac-
cessorische, von der Oberfläche der Stachelfortsätze centrifugal ent-
springende Stachelgebilde hinzugesellen, welche sich demnach nicht in das
Innre der Gitterschale fortsetzen. Bei gewissen Formen gehen diese ac-
cessorischen Stachelgebilde eine eigenthümliche Weiterentwicklung ein,
indem sie sich blattförmig entwickeln und um die Basis jedes der 20
Stacheln zu einem diese umscheidenden Röhrchen zusammenschmelzen.
Bei der Gattung Aspidorama Hck. (1881, wie es scheint, in „Tessa-
ropelma'^ umgetauft) schliesslich ist die Fortsatzbildung an zwei ver-
schiedneu Stellen der 20 Stacheln eingetreten, einmal innerhalb und ein
zweites Mal ausserhalb der Centralkapsel, so dass sich zwei ineinander
geschachtelte Gitterkugeln entwickelt haben (XXVIII. 7), eine intrakapsuläre
oder Markschale, und eine extrakapsuläre oder Rindenschale, welche Schalen
wahrscheinlich ähnlich wie bei gewissen Einschaligen im Alter durch
Verwachsung zu ganz einheitlichen geworden sind. In neuester Zeit hat
Häckel im Material des Challenger noch drei weitere Gattungen doppel-
scbaliger Dorataspiden aufgefunden und für diese Formen eine besondre
Unterfamilie der Phractopelmiden gegründet.
358 EaJiolaria.
ß. Die sogen. Spliaeroidskelete, oder die Skelete der übrigen Peripylaria.
Es ist sehr wahrsclieiDlich, dass die hier, nach dem Vorgang Hert-
wig's, als Sphaeroidskelete bezeichneten Skeletbildungen der übrigen
Peripylaria*) eine einheitliche Gruppe darstellen. AVenn in dieser
Hinsicht noch ein Zweifel herrschen kann, so betrifft derselbe nur
den Zusammenhang der einfachsten , aus losen Elementen aufgebauten
Skelete, welche wir einstweilen hierherziehen, mit den höher entwickel-
ten, deren Grundtypus die zusammenhängende Gitterkugel ist.
Die soeben erwähnte, einfachste Ausbildungsform der hierhergerech-
ueten Skelete treffen wir theils bei den sogen. Colliden (Collidaria Hck.
1881), theils bei den koloniebildenden Sphaerozoiden (^= Syncollaria Hck.
1881) an. In beiden Abtheilungen finden sich jedoch auch ganz skelet-
lose Formen, was auch die Ansicht unterstutzt, dass die Skelete dieser
Abtheilungen sehr ursprünglicher Natur sind. Ein solch einfachstes
Skelet wird gebildet von einer grösseren Anzahl isolirter und solider,
meist nadeiförmiger Kieselgebilde, welche gewöhnlich in tangentialer
Lagerung die Centralkapsel umhüllen und sich bei den koloniebil-
denden Formen zuweilen auch durch die gemeinsame Gallerte zerstreuen
(XVm. 3—5, 7, XIX. 1—3). Wie gesagt, ist die Gestalt dieser Kiesel-
gebilde fast stets eine nadeiförmige, mit beiderseits zugespitzten Enden,
so dass sie auch gewöhnlich als Spicula bezeichnet werden. Sie sind
geradegestreckt oder gebogen bis geschlängelt und entweder glatt oder
mit zahlreichen Dörnchen oder seitlichen Aestchen besetzt.. Statt einfacher
Nadeln finden sich zum Theil auch vierstrahlige oder vierschenkligc
(sowohl unter den Colliden wie den Sphaerozoiden), sehr ähnlich den-
jenigen gewisser Spongien und solche, welche an beiden Enden in je
zwei oder drei (nach Brandt auch zuweilen vier) divergirende Gabel-
zinken auslaufen**); diese Spicula stellen sich also etwa dar, wie zwei Drei-
oder Vierstrahler, welche je einen Strahl gemeinsam haben. Meist sind die
Skeletelemente bei einer und derselben Form durchaus gleich, seltner da-
gegen kommen gleichzeitig verschiedenartig gebaute Elemente vor.
Von der Nadelgestalt abweichende Elemente finden sich nur bei der
Collide Thalassosphaera Morum J. M. sp. und der wegen ihrer angeb-
lich kalkigen Skeletelemente schon erwähnten Calcaromma calcarea W.
Thoms. Bei der ersterwähnten Form sind die Elemente kuglige Körper
mit zackiger Oberfläche (XVIII. 3) ; bei der letzterwähnten dagegen kreis-
runde Scheibchen mit gezacktem Rand, einem Sporenrädchen sehr ähnlich.
*) = Peripylaria Hck. mit den Familien der Spliaerida + Discida -j- Zygartida +
Lithelida Hck. und hierzu noch die Ordn. Collodaria, Symbelaria und Syncollaria Hck. 1881
(Nr. 37).
**) Im ersteren Fall, bei der sogen. Thalassosphaera bifurca Hck. (zweifelhafte Collide)
iindet sich eine nochmalige Gabelung dieser Zinken.
Sphacroidskeletc (Collida, Spliaerozoea). 359
Es ist leicht denkbar, dtiss sich durch Verwachsung isolirter iSkelet-
elemeutc, wie sie im Vorstehenden besprochen wurden, eine mehr oder
minder regehnässige Gitterschale bilden konnte und da wir unter den
öphaerozoeeu einige Formen antretifen, deren Ekelet von einer oder
auch zwei ineinander geschachtelten, zusammenhängenden Gitterkugcln
gebildet wird (Collosphaerida Hck. 1862, neuerdings von ihm zu be-
sondrer Ordnung der Symbelaria neben den seither besprochuen Sphaero-
zoeen, seiner Ordnung Syncollaria erhoben), so scheint auch eine solche
Ableitung der Gitterkugelskelete nicht ganz unwahrscheinlich. Die Gitter-
schale dieser Collosphaerida oder Symbelaria ist wenigstens bei der bis
jetzt allein genauer bekannten Gattung Collosphaera (XIX. 5a u. b) ziem-
lich unregelmässig, namentlich was die Grösse und die Gestalt der Gitter-
löcher betrifft. Die beiden ineinandergeschachtelten Gitterkugeln gewisser
hierhergehöriger Geschlechter (s. Häckel 37) sind durch radiale Kiesel-
stäbe unter einander verbunden, zeigen daher ganz dieselbe Bildung,
welche wir im Folgenden eingehender bei den mehrschaligen Sphaeroidcen
besprechen werden. Die Oberfläche der einfachen Gitterkugel oder der
äusseren Kugel der zweischaligen Formen ist entweder glatt oder mit
stachligen Auswücbsen bedeckt, ja es können solche auch auf der Innen-
fläche der einfachen Schale centripetal zur Ausbildung gelangen.
Eine interessante Modification zeigt die Gattung Öiphonosphaera
IIxl., indem hier ein Theil der Poren der einfachen Gitterschale zu ge-
gitterten Köhrchen centrifugal auswächst (XIX. 7),
Eine einfache Gitterkugel von extra- oder intrakapsulärer Lagerung '^•)
zeichnet nun weiterhin eine ziemliche Zahl der Sphaeroideae aus, welche
wir wohl als Monosphaerida (oder Monosphaeria Hck. 1881) zusammen-
zufassen berechtigt sind. Im Allgemeinen ist bei diesen Formen der Bau
der Gitterkugel ein sehr regelmässiger, nur die Gattung Cyrtidosphaera
(XIX. 15, welche jedoch hinsichtlich ihrer Selbstständigkeit gegenüber
Collosphaera nicht ganz sicher ist), sowie einige neuerdings von Häckel
gefundne Formen zeigen noch eine ähnliche Unregelmässigkeit der Gitter-
maschen wie die Collosphaera und Verwandte. Bei den übrigen Mono-
sphaeriden ist die Gitterkugel durchweg sehr regelmässig gebaut, sowohl
in Bezug auf die Regularität der Kugelgestalt, wie die übereinstimmende
Grösse der kreisrunden oder hexagonalen Gitterlöcher. Die Wandstärke
der Gitterschale ist gewöhnlich nicht sehr beträchtlich, so dass, bei gleich-
zeitiger sehr dichter Zusammendrängung der Gitterlöcher, die Schalenwand
aus einem ziemlich zarten und regelmässigen Netzwerk von Kieselfädcn
gebildet wird (XX. 1, hauptsächlich Heliosphaera, Diplosphaera und
*) Während früher namentlich Häckel der Lageljeziehung der Skelettheile und speciell
der Gitterkugeln der Sphaeroidea zu der Centralkapsel eine hervorragende Bedeutung in syste-
matischer Hinsicht zuschrich , ergaben dagegen die Untersuchungen Hertwig's , dass diesen
Verhältnissen durchaus keine solche Bedeutung beizulegen ist, da das eine Verhalten leicht
aus dem andern liervorgeht. Später wird es am Platze sein , (ieiiaueres hiorulier zu be-
richten.
360 Eadiolaiia.
AiacliDüspbaeni). Zuweilen erheben sich die Puren in Gestalt abgestutzter
Kegel etwas über die äussere (Etmosphaera) oder die innere Obertiäche
der Schale (Ccriosphaera Hck. 1881); im ersteren Fall sind sie nach
aussen, im letzteren nach innen konisch zulaufend. Mannigfaltiger ge-
staltet sich das Skelet durch die häufige Entwicklung radialer Stacheln,
welche sich von der Schalenoberfläche iu centrifugaler Richtung zu sehr
verschiedner und häufig sehr beträchtlicher Länge erheben. Die Zahl
dieser Stacheln ist sehr verschieden, schwankt zwischen zwei und sehr
hohen Zahlen. Im letzteren Fall sind die Stacheln entweder alle gleich
und gleichmässig, ohne besondre Ordnung, über die Schalenoberfläcbe
zerstreut, oder es zeichnen sich unter ihnen 20 durch besondre Länge
und Stärke vor den übrigen aus, und diese 20 entsprechen in ihren
Stellungsverhältnissen dem bei den Acanthometreen besprochnen Müller'-
schen Gesetz. Ein solches Verhalten findet sich nach Häckel sowohl bei
Heliosphaera wie Diplosphaera.
In neuester Zeit haben uns die Untersuchungen Häckel's noch eine
ganze Reihe eigenthündicher Zahl- und Stellungsverhältnisse der Stacheln
seither unbekannter Formen der Mouosphaerida kennen gelehrt, welche unser
besondres Interesse dadurch erregen, weil sie sich in ganz ähnlicher
Weise bei den später zu besprechenden mehrschaligen Formen wieder-
holen. So finden wir namentlich eine Anzahl sechsstachliger Formen,
deren sechs Stacheln nach den drei Richtungen des Raumes, also wie die
Axen eines Octaeders orientirt sind. Bei einer folgenden Gruppe sinkt
die Zahl der Stacheln auf vier herab, indem zwei gegenüberstehende der
vorhergehenden Gruppe ausgefallen sind und schliesslich reducirt sich die
Stachclzahl bei einer dritten Gruppe auf zwei, durch weiteren Ausfall
zweier zusammengehöriger Stacheln, in welchem Fall demnach die beiden
einzigen Stacheln eine Hauptaxe bezeichnen. Eine solche tritt jedoch
auch zum Theil schon bei vierstachligen Formen hervor, indem sich
zwei zusammengehörige Stacheln durch besondre Grösse vor den zwei
andern auszeichnen, ja diese Hauptaxe kann sich sogar ungleich-
polig , sowohl bei vier- wie zweistachligen gestalten , indem ihre beiden
Stacheln in Länge oder Bildung Verschiedenheiten aufweisen.
Die Stacheln sind entweder drehrund oder dreikantig; letzteres be-
ruht, wie wir bei den Stachelgebildeu der Sphaeroideen noch häufig finden
werden, darauf, dass sie sich in solchen Fällen über den Knotenpunkten
der bexagonalen Maschen erheben, also Punkten, wo drei Maschenbälk-
chen zusammenstossen , um sich dann als Kanten auf die Stacheln fort-
zusetzen.
Bei einer Anzahl Formen entwickeln sich an den Kanten der
Stacheln einfache, zahn- bis stachelartige oder verästelte Seiten-
sprossen. Zu solchen Seitensprossen oder Aestchen gesellen sich bei
Diplosphaera noch zarte, verästelte oder un verästelte Kieselfäden hinzu,
welche in übereinstimmender Höhe von den 20 Hauptstacheln entspringen
und sich mit denen der benachbarten Stacheln verschmelzend vereinigen.
Siiliaoroidsliclctc (^Moiiosphacrida). 361
SU (lass die Gcsauimtbcit dieser Fildcu eine spinnvvcbiuügc, zarte, äussere
KiigelbüUe bildet (XX. 5 c). Bei der Gattiiug Aracbiiospbaera wicderbolt
sich eine eutsprecbende Bildung verzweigter Fortsätze, welcbe zu sulchen
zarten und unregelniässigen äussern Hüllen zusammentreten, an den
llauptstacbeln in regelmässigen Abständen 4—6 Mal, so dass also
die Hauptgitterscbale von 4—6 äussern, unregelmässigen, zarten Kicsel-
kugeln eingebüUt wird (XX. 6).
Selten begegnen wir einer fortgesetzten dicho- oder tricbotomiselicn
Zertbeilung der Stacbeln.
Bei den Skeletbildungen aller jetzt uocb zu besprecbenden Si)baeroi-
deeu wiederholen sich die gitterigen Kugelschalen in mehrfacher, zwei-
bis vielfacher Zahl. Es sind mehrere solcher Kugelschalen concentrisch
ineinander geschachtelt und stehen durch Kadialstäbe, welche im allge-
meinen den Stacheln der Monosphaeriden zu parallelisiren sind, in Ver-
bindung. Diese Radialstäbe setzen sich jedoch nie in den Innenrauni der
innersten Kugel (der sogen. Markschale) fort, sondern die innersten neh-
men stets von der Oberfläche dieser Markschale ihren Ursprung. So un-
zweifelhaft es nun auch erscheint, dass diese mehrschaligen Formen sich
von den Monosphaeriden herleiten, so ist doch bis jetzt nur wenig Ge-
naueres über den Gang dieser Entwicklung bekannt geworden. Ueber-
haupt ist ja die Entwicklungsgeschichte der ßadiolarienskelete bis jetzt
sehr wenig erforscht und nur sie wird im Staude sein, uns über die Ablei-
tung der mehrschaligen Formen von den eiuschaligen sicher aufzuklären.
Die grössere Wahrscheinlichkeit scheint mir, in Uebereinstimmuug
mit der Ansicht Häckel's (16) und im Gegensatz zu der Hertwig's (33),
dafür zu sprechen, dass die innerste Gitterkugel der Polysphaeriden der
einfachen Kugel der Monosphaeriden entspricht und dass sich daher die
Skelete der ersteren centrifugal entwickelten, indem es durch Vermittlung
der Stachelfortsätze zur Bildung weiterer, äusserer Gitterkugelu kam,
denen also wenigstens uraufänglich eine ähnliche Entstehungs^v^Bise zu-
kam, wie den zarten äusseren Kugeln der Diplo- und Arachnosphaera.
Mit dieser Anschauungsweise stimmt auch das Wenige übereiu, was wir
von der Entwicklung der Polysphaeriden wirklich kennen, denn ein-
mal hat schon J. Müller (12) den Nachweis geführt, dass sich die äussere
Schale der Gattung Heliodiscus thatsächlich durch Zusammenfluss seit-
licher Fortsätze der Stachelbildungen der inneren Schale successive ent-
wickelt und weiterhin hat Hertwig selbst gezeigt, dass die Entwicklung
des eigenthümlichen Skelets der Tetrapyle und seiner übrigen sogen.
Dysphaerida im Princip denselben Gang einschlägt*). Das centrifugale
*) Ausserdeia hat jedoch Hertwig' Qi'ö) auch eine jugendliche Sijhaeridee beobachtet,
welche er zu der zweischaligen Haliomma ziehen zu dürfen glaubt. Dieselbe besass nur eine
Gitterkugel, welche sich durch ihre Grösse,, sowie ihre Einlagerung in den Kern entscliieden
als die innerste oder Markschale der Haliomuia darstellt. Eine äussere zweite Schale fehlte
hier noch völlig ; es spricht diese BeoV»achtung also gleichfalls gegen die Ansicht Hertwig's
und für die Entwicklung der mehrschaligen Sphacrideen in centrifiigaler Kichtung.
362 Kadiolaria.
Wachsthum tritt dann weiterhin bei den sehr vielschaligcn Formen der
Polysphaeriden so unzweifelhaft und deutlich und zwar durch Vermittlung
der Stachelfortsätze hervor, dass hieraus wohl ein Rückschluss auf die
Entwicklung der primitiven Formen gestattet sein dürfte.
Wir halten es daher für das Wahrscheinlichste, dass sich die Poly-
sphaeriden aus Monosphaeriden in der angegebnen Weise entsvickelt
haben und' diese Anschauung findet, wie es scheint, namentlich darin noch
eine wesentliche Stütze, dass die vielschaligen Formen hinsichtlich der
Bestachelung und andrer Charaktere ganz ähnliche Bildungsverhältnisse
darbieten wie die Monosphaeriden. Ich neige daher auch zu der Ansicht,
dass die vielschaligen Formen keineswegs als einheitliche Gruppe den
einschaligen gegenübergestellt werden können, sondern dass die Bildung
polysphäroider Formen von verschiednen Monosphaeriden aus stattfand.
Zahlreiche Formen haben zwei, drei, vier, nicht wenige jedoch auch
fünf und mehr ineinandergeschachtelter Gitterkugeln aufzuweisen. Wäh-
rend bei den Formen mit geringerer Schalenzahl eine ziemliche Constanz
dieser Zahl zu herrschen scheint, dürften dagegen die sehr vielschaligen
Formen, wie mir scheint, eine geringere Constanz darbieten. Ich
schliesse dies namentlich aus dem Verhalten einer Reihe sehr viel-
schaliger Formen, die in manchen Stücken von den hier zunächst zu
betrachtenden Polysphaeriden abweichen und die wir erst später als
Lithelida, Discida und Zygartida kennen lernen werden.
Wir betrachten hier zunächst die ursprünglicheren Formen mit regu-
lär sphärischen Gitterschalen, welche sich zu zweien bis fünfen und auch
mehr*) concentrisch umscheiden und alle stets ganz vollständig ausge-
bildet sind, d. h. keine Neigung zu unvollständiger Ausbildung der
äusseren Kugelschalen besitzen. Eine gesonderte Betrachtung dieser For-
men nach der Zahl ihrer Kugelschalen halte ich für überflüssig, da sich
ganz dieselben Typen bei den zwei-, drei- bis fünf- und mehrschaligen
wiederholen.
Die innerste oder mehrere der innersten Schalen sind bei diesen
Polysphaeriden in die Centralkapsel eingeschlossen. — Bei dieser Gelegen-
heit erscheint es von Werth, gleich darauf hinzuweisen, dass nach den
Untersuchungen Hertwig's die ursprüngliche Lage der Gitterkugeln der
Sphaeroideen entschieden eine extrakapsuläre ist, dass die EinSchliessung
der einfachen Gitterkugel oder mehrerer der innersten in die Central-
kapsel ohne Zweifel eine Erscheinung ist, welche sich durch nachträg-
liche Urawachsung der innersten Kugeln durch die Centralkapsel erklärt.
Namentlich bei dem einschaligen Cladococcus, sowie bei den Gat-
tungen Diplosphaera und Rhizosphaera gelang es Hertwig, hierfür
*) Icli möclite glauben , dass die Zahl der Kugelsclialcu solclier Formen sich nicht viel ]
über fünf erhebt; genauere Angaben Häckel's der solche Formen bis jetzt allein in grösserer
Zahl beobachtete, liegen noch niclit vor; ich studirte eine hierhergehörige Form von Barbados,
bei der ich bis zu sechs Kugelschalen beobachtete.
Sphaeroidskelete (Eegul. Polysphaerida). 363
entscheidende Beobachtungen anzustellen. Der Einschluss einer ursprüng-
lich extrakapsulären Gitterkugel vollzieht sich in der AVcise, dass die
Centralkapsel zunächst bruchsackartige Fortsätze durch die Maschenlöcher
der Gitterschale hervortreibt '='), welche schliesslich ausserhalb der Schale
unter einander verschmelzen (XX. 5 a). Auch bei den sehr vielschaligen
Disciden und Litheliden, welche erst später genauer zu erörtern sind und
bei welchen die Centralkapsel nahezu die gesammte Schale einschliesst,
ist dies Verhalten jedenfalls in gleicher Weise entstanden, worauf die
Hertwig'schen Untersuchungen gleichfalls hinweisen.
Sehr selten tritt eine geringe Abweichung der Concentricität der sich
umfassenden Schalen auf; so fand ich bei Actinomma und einer Caryo-
sphaera Hck. (?) von Barbados (XXIII. 12) eine etwas excentrische Lage-
rung der innersten oder Mark-Schale. Die Gitterstructur der Schalen
unterliegt auch bei den Polysphaeriden zahlreichen Modificationen , je
nach Zahl, Grösse und Gestalt der Gitterlöcher, der Wandstärke der
einzelnen Schalen u. s. w. und namentlich verrathen auch die aufeinander-
folgenden Schalen einer und derselben Form sehr häufig mehr oder min-
der beträchtliche Verschiedenheiten in der Gitterstructur. Im Allgemeinen
nehmen die Gitterkugeln nach aussen nicht nur an Grösse, sondern auch
au Zahl und Grösse ihrer Löcher, sowie an Wandstärke zu. Doch zeigt
sich nicht selten, so bei der dreischaligen Gattung Actinomma, eine relativ
viel weitere Gitterung der Markschale (XXI. 3 a u. b), welche z. Th. eine
ganz weitmaschige Zusammensetzung aus dünnen Kieselbälkchen zeigt,
wie wir sie bei gewissen Mouosphaeriden antrafen.
Unter einander sind die Schalen durch radiale Kieselstäbe verbunden,
deren ursprüngliche Bedeutung als Stacheln sich gewöhnlich noch daraus
deutlich ergibt, dass sie sich wenigstens z. Th. noch als freie Stachel-
gebilde über die Oberfläche der äussersten Rindenschale erheben. Auch
zeigen sie die gleiche Beschaffenheit, wie die freien Stacheln der Mono-
sphaeriden, sie sind theils drehrund, theils jedoch sehr deutlich dreikantig
bis dreiblätterig.
Wenn wir zuvörderst einen Blick auf die specielle Ausbildung der
äusseren Eindenschale unsrer Formen werfen, so begegnen wir zu-
nächst solchen mit stachelloser oder doch nur dorniger bis zackiger
Oberfläche der Aussenschalo; bei solchen Formen setzen sich dem-
nach die zu der äusseren Rindenschale tretenden Radialstäbe nicht als
freie Stachelgebilde fort.
Bei einer Reihe weiterer Formen dagegen erheben sich zahlreiche
(acht und mehr) freie Stacheln von der Rindenschale (XXI. 5), und wie bei
den entsprechenden Mouosphaeriden, gewöhnlich ohne eine besondre Regel-
mässigkeit ihrer Stellung. Ob diese Stacheln auch hier zuweilen noch in
der Zahl 20 vorhanden und dann nach dem Müller 'sehen Stellungsgesetz
*) Nur dieses Stadium des Durchwaclisungsproccsses wurde jedoch bis jetzt bei Diplo-
sphaera und den Disciden direct beobaclitet.
364 Eadiolaria,
orlentiit sind, scheint bis jetzt nicht ausreichend ermittelt, dagegen sollen
sich, wie schon hier bemerkt werden mag, die zu der äusseren Rinden-
schale tretenden Radialstäbe nach Häckel z. Th, noch in dieser Zahl und
nach diesem Gesetz geordnet finden (Haliomma und Actinomma Hck. z. Th.
s, 16), Bei einer grossen Anzahl Polysphaeriden reduciren sich jedoch
die freien Stacheln der äusseren Rindenschale auf sechs (XXI. oa), vier
oder zwei (XXI. 4) und zwar ganz in derselben Weise, wie wir solche Reduction
schon unter den Monosphaeriden antrafen. Die soeben betonten verschied-
uen Bestachelungsverhältnisse wiederholen sich in ganz entsprechender
Weise bei zwei-, drei-, vier- und mehrschaligen Polysphaeriden, so dass
wir unter den Polysphaeriden nach diesen Bestachelungsverhältnissen
Reihen zu unterscheiden vermögen, welche an die entsprechenden ]\Iono-
sphaeriden anknüpfen und welchen ich mehr Natürlichkeit zuschreiben
möchte, als den Gruppen, in welche Häckel die Polysphaeriden auf Grund
der Schalenzahl sondert. Bei den vier-, wie bei den zweistacheligen For-
men kann sich weiterhin auch hier die Stacheldiflferenzirung geltend
machen, welche wir schon bei den entsprechenden Monosphaerida an-
trafen , d. h. die beiden Stacheln der zweistacheligen können ungleich
entwickelt sein*), oder bei den vierstacheligen eine ungleiche Entwick-
lung der Stacheln der zwei Kreuzaxeu sich geltend machen.
Neben den erwähnten Hauptstacheln der äusseren Riudenschale treten
jedoch z. Th. noch schwächer entwickelte accessorische Stacheln ver-
schiedner Beschaffenheit auf, welche sich weiterhin auch dadurch im All-
gemeinen auszeichnen werden, dass sie sich nicht als Radialstäbe in das
Innere der Aussenschale fortsetzen. Viel unsicherer wie die Zahl- und
und Stellungsverhältnisse der äusseren Stacheln der Riudenschale sind bis
jetzt die der Radialstäbe aufgeklärt. Es ist dies erklärlich, weil dieselben
viel schwieriger zu beobachten sind. Zur richtigen Beurtlieilung der Ver-
wandtschaftsbeziehungen sind jedoch auch diese Verhältnisse sehr wichtig.
Dies erscheint ziemlich einleuchtend, wenn wir einen Blick auf die erst-
erwähnten Formen mit uubestachelter Rindenschale werfen. Die in dieser
Hinsicht bis jetzt genauer bekannt gewordnen dreischaligen Formen,
welche mau seither unter der Gattung Actinomma aufführte, und die
Häckel neuerdings (37) in nicht weniger wie drei besondre Gattungen
zerlegt, zeigen recht verschiedne Zahlenverhältnisse der Radialstäbe,
welche die innere und äussere Rindenschale verbinden. Die meisten be-
sitzen zahlreiche derartige Stäbe, 8 — 20 und mehr, gewisse jedoch auch
nur 4 und 6, welche ohne Zweifel demselben Stellungsgesetz folgen, wie
die 4 oder 6 Stacheln auf der freien Oberfläche der einzigen Rindenschale
zweischaliger Formen. Es fragt sich daher wohl, ob diese letzteren
*) Lei ein- und zweischaligen zweistacLcligeu Formen gesellt sicli zum Thcil ein iiicrk-
würdiger accessorisclier Skclettlicil zu den beideu StacLclii, indem deren Endsi^itzen duroli
einen die Schale umla'eisendeu Kieselriiig verbunden erscheinen. '\''on einschaligen Formen
gehören hierher die Gattungen Satunialis Hck. und Satunialium Hck. . von zweisclialigen
Saturnulus Hck.
Spliacroidskelete (Regiil. Polysphaerida). 365
Formen nicht richtiger mit solclien vier- und sechsstacheligen zvveischali-
gen zusammengestellt, als wie z. B. Häckel will, mit den erstgenannten
vielstäbigen vereinigt werden.
Bei den bestachelten Formen scheinen im Allgemeinen die schon be-
schriebnen freien Hauptstacheln als Radialstäbe nach innen fortzusetzen,
jedoch ist bis jetzt nicht wohl möglich zu sagen, ob sie im Allgemeinen
auch alle bis zur Markschale zu verfolgen sind. Für eine dreischalige
Form, die Häckel'sche Actiuomma trinacria mit 20 Hauptstacheln und
20 äusseren Radialstäben ist dies entschieden nicht der Fall, indem hier
nur sechs innere Radialstäbe zwischen Mark- und erster Rindenschale
vorhanden sind. Bei den stachelarmen Formen, so z. B. den zweige-
gestachelten, dreischaligen Stylosphaeren Ehrenberg's (die Häckel jetzt als
Amphisphaera und Amphistylus bezeichnet), finde ich ausser den zwei
Radialstäben, welche aus der Fortsetzung der beiden freien Stacheln
hervorgehen, noch etwa acht weitere, ebenso beträgt die Zahl der Innern
Radialstäbe jedenfalls mehr wie zwei (siehe XXI. 4); es lassen sich hier
diese secundären Radialstäbe etwa als accessorische Htachelbildungen der
inneren Schalen betrachten.
Die freien Stachelbildungen der meisten hierhergehörigen Formen
sind einfache, doch fehlen auch dornige und ästige, ja gegen das Ende
schwammartig ausgebildete Stachelformen nicht. Seitenästchen der Stacheln
sind zuweilen auch in \yirteln zusammengeordnet ; alles dies sind Bil-
dungen, welche wir auch schon bei Mouosphaeriden getrotfen haben.
Recht merkwürdig ist die Umbildung, welche der Skeletbau bei einer
Anzahl Formen zeigt, die sich an die zweischalige Haliomma , z. Th.
jedoch auch vielleicht an die dreischalige Actinomma anschliessen*). Bei
diesen entwickelt sich die Rindenschale zu einer ungemeinen Wandstärke,
so dass ihre Gitterlöcher zu engen, ganz dicht zusammengedrängten Röh-
ren werden. Der Hohlraum zwischen Rinden- und Markschale (oder
äusserer und innerer Rindenschale) wird sehr minimal. Stachelbildungen
fehlen meist (Haliomma ovatum E. (XXI. 7) und radians E.), oder es fin-
den sich zwei grosse Hauptstacheln (Rhabdolithis Pipa Eh. XXI. 8),
welche eigenthtimlicher Weise rechtwinklig zu einander gestellt sind und
gegen welche die eigentliche Kugelschale so zurücktritt, dass sie wie der
verdickte Vereinigungspunkt dieser Stacheln erscheint.
Von regulären sehr vielschaligen Polysphaeriden, bei welchen die
zahlreichen Schalen sich sehr dicht umhüllen und durch viele, jedoch
dünne Radialstäbe verbunden sind (und solche Formen scheinen zu exi-
stiren, lassen sich jedoch nur schwierig von den erst später zu besprechen-
den Litheliden mit einiger Schärfe trennen), leiten sich wohl eine Reihe
kugliger Skeletbildungen von schwammiger Strnctur her. Stellen wir uns
nämlich vor, dass die sich dicht umhüllenden concentrischen Schalen, so-
*■) Einen ücLcrgaiig vcrratlicn jedoch schon ge\visse Actinomma (s. T. XXI. (>), l"'i
welclien die Aussenschalc eine sehr beträchtliche Dicke erreicht.
366 Kadiolaria.
wie die sie verbindenden Radialstäbe, uuregelmässiger wurden, so muss
sich die bei einer Reilie hierhergehöriger Formen noch sehr deutliche
concentrische Schichtung der sich umhüllenden gegitterten Skeletlagen
schliesslich in ein aus unregelmässig durcheinander gewöhnen Kiesel-
bälkchen gebildetes spongiöses Gewebe verwandeln. Wir vermögen in
dieser Weise etwa von den seither besprochnen regulären Polysphaeridae
eine Gruppe von Formen herzuleiten, welche wir nach dem Vorgaog Häckel's
als Spongosphaerien bezeichnen können und die sich eben durch
eine solche spongiose Umbildung oder Entwicklung der peripherischen
Skeletregion oder des gesammten Skelets auszeichneu. Die Beziehung
dieser Skelete zu den regulären Polysphaerida ergibt sich auch dadurch,
dass, wie bemerkt, der Centraltheil der Schale vielfach noch aus deut-
lichen, coucentrisch sich umgreifenden Gitterkugeln der gewöhnlichen Bil-
dung besteht, welche in ein- bis dreifacher Zahl als sogen. Markschalen
vorhanden sein können und dann erst peripherisch von der spongiös ent-
wickelten Rinde eingehüllt werden. Diese Schwammrinde umhüllt ent-
weder direct die Markschalen oder wird durch einen von Radialstäben
durchsetzten Zwischenraum von denselben getrennt.
Bei einer Reihe weiterer hierhergehöriger Formen sind keine Mark-
schalen mehr erhalten, sondern das kuglige bis elliptische Skelet erscheint
durchaus spongiös. In vielen Fällen dürfte es jedoch ziemlich schwierig
sein, sich von dem Mangel einer oder mehrerer kleiner Markschalen mit
Sicherheit zu überzeugen, da die Schwammkugeln gewöhnhch sehr an-
sehnlich anwachsen und die Beschaffenheit des Centrums dann natürlich
recht schwierig zu erforschen ist.
Bei einer Anzahl dieser Spongosphaerien ist das Schwammgewebe
durchaus gleichmässig, d. h. es entwickeln sich keine stärkeren, die
Schwammmasse in radialer Richtung durchsetzenden Kieselbalken, welche
als freie Stacheln über die Oberfläche der Schwammmasse hervorragen.
Bei andern Formen dagegen treten solche stärkere Radialbalken hervor,
die sich bei mehrschaligen Formen bis zu den Markschalen verfolgen
lassen , und ursprünglich nichts weiter sind als stärker entwickelte
Stacheln dieser Markschalen. Die Zahl solcher starken Radialstäbe, re-
spective ihrer freien stachelförmigen Verlängerungen, ist auch hier sehr
schwankend und es wiederholen sich dieselben Verhältnisse der Be-
stachelung, welche wir schon bei den Mono- und Polysphaeriden
zu verzeichnen hatten. — Wir finden daher sowohl Formen mit zahlreichen,
acht und mehr Stacheln, die meist ohne besondre Regelmässigkeit ihrer
Stellung aus der Oberfläche des Schwammskelets hervorschiessen (XXII. 1),
als andrerseits solche mit vier rechtwinklig gekreuzten und schliesslich
nur zwei gegenüberstehenden Stacheln (XXIV. 1). Auch für diese For-
men scheint es mir möglich, dass sie sich direct von ähnlich gebauten
Polysphaeriden ableiten, oder mit andern Worten, dass die Abtheilung der
Spongosphaeria keine natürliche ist, was auch noch dadurch unterstützt
Sphaeroidskclete (Spongosphaeria, Discida). 367
wird, dass spongiöse Umhüllungen und Umbildungen sich auch noch
anderweitig wiederholen und ohne Zweifel mehrfach selbstständig und
unabhängig von einander entstanden sind.
Von regulären Polysphaeriden leitet sich eine sehr reichentwickelte
Formenreihe ab, welche von Hackel zuerst unter der Bezeichnung Discida
(Farn, der Ordn. Peripylaria 1881) zusammengefasst wurde. Dieselben
bilden jedoch nach meiner Auffassung sehr wahrscheinlich keine phylo-
genetisch zusammenhängende Gruppe, sondern umschliessen zwei selbst-
ständig entstandne Abtheilungen, von welchen die eine die Phacodiscida und
Coccodiscida Häckel's (1881), die andere dagegen die Porodiscida und
Spongodiscida (ob alle ?) dieses Forschers umfasst. Charakteristisch für alle
Discida erscheint, dass die sich concentrisch umfassenden Gitterschalen
früher oder später ihre reguläre Kugelgestalt aufgeben und eine abge-
plattet linsenförmige mit kreisrunder Peripherie annehmen, demnach eine
Hauptaxe ausbilden, welche die beiden Pole der äusseren, linsen- oder
scheibenförmig abgeplatteten Schalen verbindet. Gewöhnlich gelangen
jedoch diese äusseren, monaxonen Gitterkugeln nicht mehr zu völliger Aus-
bildung.
Die erste der oben erwähnten beiden Reihen beginnt mit Formen,
welche sich direct von zwei- oder dreischaligen regulären Polysphaeriden
ableiten lassen, bei welchen die einzige oder die äussere der beiden
Rindenschalen linsenförmig umgestaltet ist, während die Markschale,
oder die Markschale und die innere Rindenschale ihre reguläre Kugel-
gestalt bewahrt haben.
Solche Formen bilden die Gruppe (Unterfamilie) der Phacodiscida
Häckel's. — Die linsenförmige, äussere Schale derselben ist theils ganz
glatt und stachellos, theils aber ist ihr äquatorialer Rand mit einer sehr
verschiednen Anzahl mehr oder minder ansehnlicher radialer Stacheln be-
setzt (XXII. 5 a). Zwei bis fünf und mehr Stacheln sind in dieser Weise
entwickelt und zwar meist einfache, wiewohl zuweilen auch verästelte.
Bei gewissen Formen fliessen diese Stacheln mit ihren Basen zu einem
zarten vorspringenden Aequatorialsaum der Schale zusammen ; bei anderen
schliesslich ist dieser Aequatorialsaum allein ausgebildet (XXII. 6 a u. b)
und erhebt sich zwischen zwei ansehnlichen Porenreihen des Aequatorial-
randes. Ausser den äquatorialen Hauptstacheln kann jedoch die Schalen-
oberfläche noch secundäre, schwächer entwickelte Stacheln aufweisen
(XXII. 3).
Die äquatorialen Hauptstacheln setzen sich entweder als Radialstäbc
(jedoch nicht immer sämratliche) bis zur eingeschlossnen Schale fort
(XXII. 3 b) oder, und dies scheint der häufigere Fall zu sein, sie gehen
nicht in Radialstäbe über.
Die Verbindung der linsenförmigen äussersten Schale mit der nächst-
folgenden inneren wird in diesem Fall allein durch ziemlich zahlreiche
Radialstäbe vermittelt, welche von der inneren Schale nach den Polfeideru
368 . Kadiülaria.
der Linsenschale hinstreben und die sich auch dann finden, wenn gleich-
zeitig äquatoriale Stäbe vorhanden sind (XXII. 8 b, 5 b). Die peripheri-
schen Enden letzterwähnter Radialstäbe sind gewöhnlich etwas verästelt.
Auch die beiden inneren Schalen der dreischaligen Formen stehen natürlich
durch eine Anzahl Radialstäbe in Verbindung.
Von diesen Phacodiscida leitet sich nun die sehr reichhaltige Gruppe
der Coccodiscida Hack. (Unterfarailie 1881) dadurch ab, dass sich zu der
äusseren linsenförmigen Gitterschale noch zahlreiche weitere hinzugeselleu,
welche jedoch nur mit ihren äquatorialen Theilen zur Ausbildung ge-
langen. Man kann sich diese eigenthümliche Entwicklungsweise der
Coccodiscida, welche sich in ganz entsprechender Art auch bei den Poro-
discida Häckel's wiederholt, etwa folgendermaassen verständlich machen.
Die linsenförmige Abplattung der äusseren, vollständigen Schale eines
Phacodisciden erhöht sich bei der folgenden Gitterschale bis zu solchem
Grade, dass dieselbe nicht mehr im Stande ist, die nächstältere und voll-
ständige Linsenschale allseitig einzuschliessen, sondern, da sie stärker
abgeplattet ist, wie diese ältere Schale, mit ihren Seitenflächen an die
äquatoriale Zone derselben anstösst und verwächst; es bildet dem-
nach diese unvollständige Schale nur einen äquatorialen Ring um die
Peripherie der Linsenschale und in dieser Weise folgen nun bei den
Coccodiscida noch eine verschiedne Zahl weiterer, jüngerer und immer
umfassenderer Ringe aufeinander, lauter unvollständige, successive zur
Ausbildung gelangende Gitterkugeln (XXIII. 5, 6). Alle diese sich um-
fassenden Ringe bilden um den aus zwei oder drei vollständigen Gitter-
schalen bestehenden, ganz phacodiscidenartigen Kern eine Scheibe, welche
sich gegen die Peripherie gewöhnlich etwas verdickt und in deren Cen-
trum der phacodiscidenartige Kern beiderseits nabelartig etwas vorspringt
(XXIII. 6). Die Scheibe lässt sich, wenn wir von ihrer Ableitung aus
successiven, unvollständigen Gitterkugeln absehen, auch so beschreiben,
wie dies von Häckel geschehen ist (16), nämlich als gebildet von zwei
ihre Oberflächen bildenden, durchlöcherten Gitterplatten, deren Lumen von
sich concentrisch umfassenden, durchlöcherten Ringbalken in die einzelnen
Ringe zerfällt wird. Zwischen den aufeinanderfolgenden Ringbalken spannen
sich zahlreiche radiale Kieselbälkchen aus, welche jedoch nicht etwa eine
wirkliche Kammerung der Ringe hervorrufen, wie Häckel früher annahm,
es sind dieselben vielmehr nichts weiter als die uns bekannten Radial-
stäbe zwischen den unvollständigen Schalen der Scheibe. Diese Radial-
stäbe vermitteln auch das Wachsthum der Scheibe in einer uns schon von
den regulären Polysphaeriden bekannten Weise, welche sich hier durch
Beobachtung leicht sicher stellen lässt. Durch stärkere Entwicklung
einiger solcher Radialstäbe, welche dann durch die gesammte Scheibe
hindurchgehen, und wohl gewöhnlich auch als Radialstäbe in den phaco-
discidenähnlichen Kern zu verfolgen sind, bilden sich bestachelte Cocco-
disciden aus, indem solche Radialstäbe sich als freie Stacheln über den
Skeletc (Coccodiscida, Porodiscida\ 369
peripherischen Rand der Scheibe fortsetzen. Dies geschieht in recht ver-
schiedner Zahl, zwei, drei, vier, fünf und mehr*).
Viel interessaoter wie diese Bestachelung ist eine nicht selten
vorhandne unvollständige Entwicklung der Scheibe, durch welche die
Häckel'sche Unterabtheilung der Astracturida (1881, 37) unter den Cocco-
discida gekennzeichnet wird. Bei diesen Formen entwickeln sich
die Scheibenringe, mit Ausnahme vielleicht des innersten oder weniger
innerer, nur längs gewisser Radien , so dass also nicht eine zusammen-
hängende Scheibe, sondern eine verschiedne Zahl sich nach der Peripherie
etwas verbreitender Arme zur Ausbildung gelangen, welche aus den ent-
sprechenden Ringtheilen zusammengesetzt sind (XXIII. 10). Die Zahl
dieser Arme ist, wie gesagt, ziemlich verschieden, so finden sich zwei
entgegenstehende, drei unter Winkeln von 120*^ zusammenstehende, vier
rechtwinklig gekreuzte, fünf oder sechs entwickelt. Nicht selten ent-
wickelt sich ein Radialstab der Arme ansehnlicher und springt als
ein Stachel frei über das Armende vor. Bei einem Theil der For-
men entwickeln sich zwischen den benachbarten Armen, dieselben
verbindend, accessorische Scheibentheile, welche bei der bis jetzt allein
durch eine Abbildung genauer bekannten Gattung Hymenastrum Ebb.
(= Hymenactura Hck. 1881) ganz ähnlich gebaut zu sein scheinen, wie
die Arme (XXIII. 11). Die sie zusammensetzenden Ringstücke sind nur
viel weniger gekrümmt wie die der Arme, so dass sie sich deutlich von
denen der letzteren absetzen. Häckel bezeichnet diese accessorischen Ver-
bindungstheile der Arme als „gekammertes Flechtwerk" („vimentum
cameratum").
Im Princip übereinstimmend mit den Coccodiscidae ist der Bau der
sehr reichhaltigen Gruppe (Unterfamilie) der Porodiscidae Häckel's (früher,
1862, Trematodiscidae), doch scheinen sie sich, in Hinblick auf den Bau
des Scheibencentrums als eine selbstständig entwickelte Gruppe zu er-
weisen. Während nämlich das Centrum der Coccodiscidenscheibe stets
von einem sehr deutlich phacodiscidenähnlichen Kern gebildet wird, wird
das der Porodisciden von einer, zwei oder drei sehr kleinen, im letz-
teren Falle sich concentrisch umscheidenden, vollständigen Gitterkugeln
dargestellt. Der Abstand dieser Gitterkugeln von einander ist ziemlich
gleich, es fehlt namentlich der für alle Coccodisciden, wie es scheint, sehr
charakteristische, weite Abstand zwischen der linsenförmig abgeplatteten
äussersten, vollständigen Schale und der oder den inneren kugligen
Schalen. Ich neige daher zu der Ansicht, dass die Porodisciden sich in
selbstständiger Weise von regulären Polysphaeriden ableiten, während die
Coccodisciden ohne jeden Zweifel aus Phacodisciden hervorgegangen sind.
*) Eine hierliergeliörige Form von Barbados zeigt die nicht uninteressante Eigenthiim-
lichlieit, dass das oberfläcliliche Gewebe der peripherischen Scheibenregiou sich dicht scliwam-
mig umbildet; nur in der Medianeben e der Scheibe verbleiben noch zwei Lagen regelmässiger
Kämmerchen, welche beiderseits von einer dicken Schwammlage bedeckt werden (s. XXIII, 7).
Broun, Klassen des Tliieneiclis. Protozoii. 24
370 Radiolaria.
Um die erwähüten 1 — 3 kugligen Markschalen legen sich nun wie
bei den Coccodisciden mehr oder minder zahlreiche unvollständige Schalen
als äquatoriale Ringe herum und bilden wie bei ersteren eine kreisrunde
Scheibe (s. z. B. XXIV. 3). Die relative Dicke dieser Scheibe hängt
natürlich im Allgemeinen von der Zahl der Markkugeln ab, ist diese be-
trächtlich (drei), so ist die Dicke, welche meist den Durchmesser der äusser-
sten Kugel, selten weniger beträgt, ansehnlicher. Nach der Peripherie
zu verdickt sich die Scheibe jedoch gewöhnlich etwas, so dass die Schei-
benflächen schwach konisch ausgehöhlt sind (XXIV. 4, 5 b). Seltner da-
gegen nimmt die Dicke peripherisch ab. Die Markschalen springen nur
sehr selten im Centrum der Scheibenflächen nabelartig vor, wie dies bei
den Coccodisciden so ansehnlich hervortrat. Die Zahl der Radialstäbe,
welche die successiven Ringbalken der Scheibe verbinden, steht in Zu-
sammenhang mit der Scheibendicke. Ist dieselbe, wie gewöhnlich, sehr
unbeträchtlich, so findet man in der Dickenrichtung der Scheibe nur eine
Lage solcher Radialstäbe, welche im optischen Radialschnitt der Scheibe sehr
deutlich hervortreten und in der Aequatorialebene gelagert sind (XXIV. 4).
Ist die Scheibendicke beträchtlicher, so sind neben diesen in der Dicken-
richtung noch weitere, über und unter der Aequatorialebne gelagerte, vor-
handen (XXIV. 5 b). Die Zahl dieser Radialstäbe wächst weiterhin suc-
cessive mit der Umfangszunahme der aufeinanderfolgenden Ringe wie bei
den Coccodisciden ; ein einmal aufgetretner Radialstab setzt sich gewöhn-
lich nach der Peripherie durch sämmtliche folgende Ringe fort. Wie bei
den Coccodiscida können sich diese Radialstäbe z. Th. oder auch sämmt-
lich stärker entwickeln und als freie Stacheln in sehr verschiedner Zahl
(zwei bis zahlreiche) über die Scheibenperipherie hervorragen (XXIV. 8, 9).
Viel interessanter als diese Bestachelungsverhältnisse erscheint
eine sehr merkwürdige Modilication der Scheibenringe, welche bei
einer nicht geringen Zahl der Porodisciden zur Ausbildung gelangt. Bei
den ohne Zweifel ursprünglichsten Formen bilden die Ringbalken, welche
die successiven Ringe von einander trennen, völlig geschlossne, reguläre
Kreise. Daneben finden sich jedoch zunächst einige Formen, bei
welchen die Ringe nicht mehr einheitlich , sondern dadurch in zwei
Hälften zerfallen sind, dass die Ringbalken in zwei gegenüberstehenden
Radien gebrochen erscheinen. Thatsächlich ist jedoch das Verhalten ein
etwas anderes, und lässt sich etwa folgendermaassen beschreiben. Jeder
Ring ist in zwei Hälften zerfallen, die sich nicht genau gegenüberstehen,
sondern sämmtliche Ringhälften der einen Scheibenhälfte sind um et-
was gegen die der anderen verschoben (s. den Holzschnitt Fig. 3, A.
und XXIV. 7). Dabei können natürlich die gegeneinander verschobenen
Hälften der Ringbalken nicht mehr zusammenstossen ; statt dessen finden
wir, dass sich die Enden der Ringbalkenhälften centralwärts bis zur
Verwachsung mit dem nächstinneren etwas verschobnen Ringbalken
der entgegengesetzten Scheibenhälfte einkrümmen. Die nebenstehende
Figur wird dieses Verhalten , welches sich schwer mit Worten gut be-
Skeletc (Porodiscida). 371.
schreiben lässt, noch besser versinnlichen. Der eben geschilderte Bau
tritt jedoch nur bei vollkommen senkrechter Aufsicht auf die Skeletscheibe
deutlich hervor ; wird diese dagegen ein wenig schief gestellt, so verlaufen
B. ^ A.
Erklärung des Holzschii. Fig. 3. Scliematische Constructiou des Baues eines
scheinbar doppelspiraligen Porodisciden. A. Ansicht genau senkrecht auf die Scheibe. Im Cen-
trum die vollständige Kugel, darum die gegen einander verschobenen Hälften der Ringbalken.
1 — la, 2— 2a, 3 — 3a, 4 — 4a die zusammengehörigen Hälften dieser Ringbalken. B. Ansicht in
etwas schiefer Richtung auf die Scheibe. Hierbei erscheinen die in Fig. A. mit x und x'
bezeichneten Stellen stark verkürzt und fliessen daher die benachbarten Enden der Ringbalken-
hälften zusammen, wodurch zwei scheinbare Doppelspiralen in der gezeichneten Weise hervorgehen.
die Ringbalken, von der centralen kugligen Markschale beginnend, in
Gestalt zweier ineinandergeschachtelter Spiralen umeinander (s. die neben-
stehende Figur B). Dies erklärt sich nun, wie ich glaube, nicht schwer;
bei etwas schiefer Betrachtung der Scheibe verkürzen sich die eingekrltrani-
ten Stellen x und x' der Ringbalkenhälften stark und als Folge hiervon
fliessen die gegeneinander verschobnen Riogbalkenhälften scheinbar zu einer
Linie zusammen, und zwar geschieht dies abwechselnd an beiden Seiten so,
dass zwei ineinandergeschachtelte Spiralen entstehen, von welchen sich die
eine aus den punktirt angedeuteten Ringbalkenhälften, die andere dagegen
aus den nichtpunktirten zusammensetzt. Ehrenberg (26 u. 35) und Stöhr
haben solch anscheinend doppelspiralige Formen beschrieben, welche ich
zum Theil nachuntersuchte und in der beschriebnen Weise gebaut fand.
Noch weiter geht jedoch die Modification der Scheibenringe bei einer
Reihe verwandter Formen, deren Ringe in ähnlicher Weise nicht in zwei,
sondern in vier kreuzförmig gegenübergestellte Theile zerlegt erscheinen
(XXIV. 10). Schon Ehrenberg hat derartige Formen beschrieben und ich
habe mich von der allgemeinen Richtigkeit seiner Darstellung überzeugt.
Die vier Einknickungsradien dieser Formen sind, wie es scheint, gewöhn-
lich durch vier stärkere, als freie Stacheln über den Scheibenrand fort-
gesetzte Radialstäbe ausgezeichnet.
Ehreuberg und Häckel haben nun auch hierhergehörige Formen
beschrieben, bei welchen, von der kugligen Centralschale ausgehend,
ein einfacher Spiralbalken die Scheibe durchzieht (XXIV. 6); Hert-
wig (33) hat schon für eine derartige Form (seine Stylospyra arach-
nia) hervorgehoben , dass ein solch spiraliger Verlauf des Balkens
24*
372
Eadiolaria.
nur bei einer etwas schiefen Ansieht hervortritt. Dies bestärkt mich in
der Vermuthimg, dass sich thatsächlich auch bei diesen Formen kein
durchgehender Spiralbalken findet, sondern der Anschein eines solchen,
bei etwas schiefer Ansicht der Scheibe, aus derselben Ursache herzuleiten
ist, wie die scheinbar doppelspiralige Bildung der schon geschilderten
Formen. Es findet sich nämlich hier, wie dies auch die Flächenansicht
der Heitwig'schen Stylospyra araehnia erweist, eine Verschiebung und
Unterbrechung der concentrischen Ringbalken nur in einem Radius
(siehe die Figur 4) und daher geht bei schiefer Ansicht aus denselben
Fig.
4.
A ß Erklärung- des Holz-
schnitts Fig. 4. Schema-
tiscbc Construction eines
scheinbar einfach spiraligen
Porodisciden. A. Ansicht
senkrecht auf die Scheibe.
Im Centrum die vollständige
Kugel , darum eine Anzalil
Kingbalken, welche in einem
Kadius in den Stellen x unter-
brochen sind. B. Ansicht in
etwas schieferEichtung ; hier-
bei erscheinen die Stellen x,
wo die gebrochnen Enden der
Ringbalken genähert sind, stark verkürzt und fliessen die sich deckenden Enden der successiven
Kingbalken sclieinbar zusammen, so dass nun statt getrennter Kingbalken eine zusammenhän-
gende Spirale erscheint.
Gründen eine einfache Spirale hervor, wie bei der Unterbrechung
in zwei entgegenstehenden Radien die Doppelspirale. Die Erklärung,
welche Hertwig (33) von dem Bau seiner Stylospyra araehnia gibt, halte
ich für unzutreffend. Hertwig hatte sich überhaupt irrthümliche Vorstel-
lungen von den Porodisciden gebildet, da er allen einen spiraligen Bau
zuschrieb. Wie Häckel (37) bin auch ich zu der sicheren Ueberzeu-
gung gelangt, dass diese Ansicht ganz unhaltbar ist; ja ich kann sogar
keinem Disciden mit Sicherheit einen echt spiraligen Bau zuschreiben.
Eine interessante morphologische Eigenthümlichkeit zeigt unter den
Porodisciden noch die Gattung Perichlamydium Ehrbg. , indem ihr
Scheibenrand in einen breiten, hyalinen und porösen Saum auswächst
(XXV. 1). Derselbe bildet sich meiner Ansicht nach in der Weise, dass
die Scheibenperipherie sehr dünn wird, indem sich die beiden porösen
Deckplatten schliesslich dicht nähern und zu dem hyalinen Saum aus-
breiten.
Von hohem Interesse erscheint es, dass sich von den seither geschil-
derten Porodiscida eine Formgruppe herleitet (die Farn, der Euchitonida
Hck. 1881), bei welcher sich durch Unvollständigwerden der Scheibe ganz
die Verhältnisse der Astracturidae unter den Coccodiscida wiederholen.
Eine genauere Schilderung des Bildungsmodus der in eine sehr ver.
schiedne Anzahl Arme zertheilten Scheibe dieser Formen scheint nicht
nöthig, da derselbe, wie gesagt, ganz dem schon bei den Astracturida
besprochnen entspricht. Die Zahl der Arme schwankt auch hier zwischen
Skeicte (PorocUscida, Spoiigodiscida). 37
o
zwei und sechs (XXV. 2 — 5). Jedoch bildet die zuweilen auftre-
tende Dichotomie oder Verästelung der Arme ein neues morphologi-
sches Moment*). Ganz wie bei gewissen Astracturidae wiederholt
sich aber die Erscheinung, dass sich bei einem Theil der Formen die
Scheibe wieder vervollständigt durch Bildung secundären ykeletwerks
(eines sogen. Pataginm, Häckel) zwischen den benachbarten Armen.
Seinem feineren Bau nach nähert sich dieses Patagium dem der Arme
(XXV. 5, h). Seine Ringbalken besitzen jedoch einen abweichenden, zum
Theil sogar sehr unregelmässigen Verlauf. Ein solches Patagium spannt
sich theils nur zwischen den Basen der Arme aus und kann dann zu-
weilen auch seinerseits armartig auswachsen (Euchitonia cruciata Stöhr)
oder erstreckt sich bis zu den Enden der Arme.
Einen etwas eigenthümlichen Bau zeigt die am besten hier anzu-
schliessende Gratt. Stephanastrum Ehrb. (XXV. 4). Von einem centralen
discidenartigen Skelettheil, der aus drei vollständigen, ineinandergeschach-
telten Kugeln und einer vierten unvollständigen, einen äquatorialen Ring
bildenden besteht (4 a, 4 b), erheben sich vier unter rechten Winkeln ge-
kreuzte Arme (4 a), welche jedoch in ihrem Bau sehr von dem der Euchi-
tonida abweichen. Die Grundlage jedes Armes bildet ein axialer Stachel,
der sich auch noch eine Strecke weit frei über das Armende erhebt
(4 c und d, st). Das diesen Stachel umschliessende Armgewebe be-
steht aus zahlreichen, allseitig von dem Armstachel ausstrahlenden Stäben,
deren Enden eine, ohne Zweifel von ihnen aus gebildete, durchlöcherte
Kieselmembran stützen, welche wie ein Mantel den Axenstachel umhüllt
und die Armoberfiäche bildet. Als sehr eigenthümliche Bildung gesellen
sich hierzu noch vier, hinsichtlich ihrer Bauweise bis jetzt noch nicht
näher erforschte, bandartige Skeletstreifen , welche sich zwischen den
Enden der benachbarten Arme ausspannen und demnach zusammen eine
rhombische Figur bilden (4 a).
Wie Häckel neuerdings ohne Zweifel richtig erkannte, leitet sich von
den Porodiscida höchst wahj-scheinlich eine reiche Gruppe scheiben-
förmig abgeflachter Formen mit schwammartigem Gewebe (Spongodis-
cida Hck.), ganz ähnlich dem der Spongosphaerida, her, eine Abtheilung,
welche Häckel früherhin auch in näheren Zusammenhang mit diesen letz-
teren gebracht hatte. Der Uebergang des Scheibengewebes der Porodis-
cida in solches Schwammgewebe vollzieht sich ohne Zweifel in derselben
Weise, wie wir dies auch schon bei einer Form der Coccodiseida beob-
achtet haben. Höchst wahrscheinlich trat die schwammige Umbildung der
Porodiscidenscheibe zunächst peripherisch auf, es bildeten sich Formen
*) Nicht uninteressant ist es, dass sich dreiarmige Euchitonida liäulig so entwickeln
(Euiliitonia^, dass sich zwei Arme durch Grösse und Bauweise von dem dritten Arm merklich-
unterscheiden, wodurch also eine zweistrahlige Gestalt des Skelets bedingt wird. Diese Zwei-
strahligkcit wird am lebenden Thier dadurch noch deutlicher, dass die unpaare sogen. Sar--
kodegeissel, im Grunde zwischen den beiden, gleichen Armen . also gegenüber dem unpaaren;
ihren Ursprung nimmt.
374 Eadiolaria.
mit peripherischer spougiöser IScheibenzoue (XXVI. 3 — 6), wovon Häckel
neuerdings auch einige unter seinen Porodiscida aufführt*). Auch Stöhr
beschreibt eine hierhergehörige Form mit spiraliger Bildung des cen-
tralen Scheibentheils, welche sich daher entsprechend den sogen, spiraligen
Porodisciden verhält. Bei den übrigen Formen greift die spongiöse Um-
formung der Scheibe bis zum Centrum und es bleibt central nur noch
eine einfache oder doppelte Markschale erhalten oder es hat die Schwamm-
bildung auch noch diese innersten Skelettheile ergriffen (XXV. 7, 8).
Häckel hebt zwar ausdrücklich hervor, dass eine Ausbildung concen-
trischer Ringbalken diesen ganz schwammigen Spongodisciden stets fehle;
ich möchte dies jedoch für einen Theil bezweifeln, da ich Spongodiscus-
formen mit recht deutlich concentrischer Anordnung von Ringbalken in
der Medianebene der Scheibe sah, während die Scheibenflächen aus
schwammigem Gewebe gebildet wurden. Die Schwammscheiben der
Spongodisciden sind theils unbestachelt , theils mit randlichen Stacheln
ausgerüstet, ja es können sich solche Stacheln auch von den Scheiben-
flächen erheben.
Auch unter den Spongodisciden wiederholt sich nun die Armbildung
der Seheibe, welche wir schon bei den Phaco- und Porodiscida zu be-
sprechen Gelegenheit hatten. Die Zahl dieser Arme schwankt auch hier
zwischen zwei und vier. Im ersteren Fall bilden die beiden entgegen-
stehenden Arme einen stabartigen, cylindrischen Schwammkörper (XXVI. 8,
XXVII. 3). Auch hier sind weiterhin die Arme zuweilen durch heterogen
gebildetes, weitmaschiges Schwammwerk wieder vereinigt (XXVII. 2), so
dass auch in dieser Beziehung die Parallele mit den Phaco- und Poro-
discida eine vollständige wird.
Unsre Betrachtung führt uns jetzt zu einer neuen Reihe von Formen,
welche sich, ähnlich wie die Coccodiscida von den Phacodiscida, von ge-
wissen, monaxon umgestalteten Sphaerideen ableiten. Häckel, welcher
diese Reihe neuerdings (37) durch eine beträchtliche Anzahl neuer Formen
vermehrt hat, fasst dieselben jetzt zu jeiner besondern Familie der
Zygartida zusammen und ich schliesse mich dieser Auffassung um so
lieber an, als ich selbstständig zu einer gleichen Anschauung gelangt bin.
Die monaxone Umgestaltung, welche zu der Reihe der Zygartida
führt, ist gewissermaasseu der entgegengesetzt, welche zu den Coccodis-
cida durch die Phacodiscida führt. Der Beginn der Reihe hebt nämlich
an mit einschaligen Formen, welche nicht in einer Axe abgeplattet, son-
dern verlängert sind und in der Aequatorialebne eine ringförmige Ein-
schnürung aufweisen (Subfam. der Artiscida Hck. 1881). Zu dieser
ellipsoidischen Schale können sich jedoch noch eine oder zwei kuglige
Innenschalen hinzugesellen, von welchen die äussere oder die eine, über-
*) Häckel hat derartige Formen früher als besondre Gruppe der Spongocyclida zusammen-
gefasst, jetzt scheint er dieselben z. Th. unter den Porodiscida mit veränderten Gattungsnamen
aufzuführen, dagegen hat er die ganz entsprechend gebaute Gattung Spongasteriscus noch unter
den Spongodiscida behalten.
Skelcte (Spoiigodiscida, Zygartida, Pylonida). 375
haiipt ausgebildete, diircb eine Anzahl äquatorialer Radialstäbc mit der
cllipsoidischen Rindenscbale verbunden ist (XXII. 7 u. XXIII. 1)*).
Diese Formen entwickeln sich nun durch successive Bildung neuer,
jedoch unvollständiger ellipsoidischer Schalen weiter, entsprechend dem
Vorgang, welcher zur Bildung der Coccodiscida aus den Phacodiscida
führte. Die nächstfolgende ellipsoidische Schale, die dritte oder vierte,
ist noch ansehnlicher längsgestreckt und noch stärker äquatorial einge-
schnürt, so dass sie die ältere ellipsoidische Schale nicht mehr vollständig
zu umfassen vermag. Nur ihre beiden Polregionen gelangen zur Ausbil-
dung, die äquatoriale Region jedoch fehlt, indem die Wandungen der
beiden gesonderten Polregionen dieser unvollständigen Schale sich
direct an die Wand der älteren, vollständigen Schale anlegen und mit
dieser verwachsen. Die beiden getrennten Theile der unvollständigen
Schale bedecken also wie zwei Kappen oder Kammern die Polregionen
der nächstälteren, vollständigen. Durch fortgesetzte Entwicklung neuer,
unvollständiger Schalen wächst das Skelet natürlich in zwei entgegen-
stehende Arme aus, welche sich aus den zusammengehörigen, jedoch ge-
trennten Abschnitten successiver Schalen zusammensetzen, also gekam-
mert erscheinen (XXV. 10). Die Zahl dieser Kammern ist, wie zu
erwarten, bei den verschiedenen Formen ziemlich verschieden. — Bei
einer der einfacheren, sowie einer der complicirten der hierhergehörigen
Formen gesellt sich als accessorischer Skeletbestandtheil noch eine spon-
giöse mantelartige Umhüllung hinzu, welche auch als doppelte Hülle auf-
treten kann und ohne Zweifel aus der Weiterentwicklung der die Schalen-
oberfläche der nichtumhüllteu Formen häufig verzierenden Bedoruung
hervorgeht (XXV. 10).
Eine sehr eigenthümliche Entwicklung schlägt das Sphaerideenskelet
in der von Häckel neuerdings, auf Grund reicher Befunde aus den Samm-
lungen des Challenger, errichteten Familie der Pylonidae ein. Von der
ganzen Gruppe war bis in die neueste Zeit mit Sicherheit nur eine Gat-
tung, Tetrapyle J. M., bekannt.
Der Hauptcharakter dieser Formen, welche mit einer einschaligen
Gruppe beginnen, besteht darin, dass sich an der länglich gewordnen
Sphaeridecnschale grössere spaltartige Oeffnungen in verschiedner Zahl
bilden. Es lassen sich gewöhnlich drei Axen an dem Skelet unter-
scheiden, die schon erwähnte Längsaxe, eine hierauf senkrechte Breiten-
uud. eine kleinste Tiefenaxe. Gewöhnlich gesellen sich zu der einen
oder den mehrfachen mit Spaltöffnungen versehenen Schalen noch eine
oder zwei elliptische Innenschalen gewöhnlichen Baues hinzu, welche
sich durch Radialstäbe mit der Gitterwand der äusseren Schale, die sich
'^) Es kann Ms jetzt wohl nocli niclit für ausgeuiaclit gelten , ob die mit ein und zwei
Innenschalen versehenen Formen, welche Häckel in der Suhfam. der Cyphijiida zusammen-
fasst, sich wirklich von cinschaligen Formen herleiten oder selbs^ständiger Entstehung- sind;
wäre das erstere der Fall, so läge hier wohl ein Beispiel nachträglicher Bildung innerer
Schalen vor.
376
Kadiolaria.
zwischen den Spaltlöcliern ausspannt, verbinden. Zahl und Anordnung
der Spaltöffnungen der einfachen oder doppelten (und auch bei Telrapyle
nach Hertwig mehrfachen) äusseren Schale ist verschieden*). Bei einigen
Formen finden sich nur zwei solcher Spaltöffnungen (s. den Holzschnitt
Fig. 5, 1, 2, 4, X, x) und zwar an den beiden Polen der Längsaxe; bei
Fig. 5.
h'
Erklärung des Holzschn. Fig. 5. Schematische Construction einer Anzahl A^er-
treter der Pylonida nach den Charakteristiken von Häckel (37 , mit Ausnahme der Tetrapyle
Nr. 6, welche nach der Darstellung Hertwig's gezeichnet ist). Nr. 1 Pylosiihaera (Ehbg.) Hck.,
Nr. 2 Amphipyle Hck. 1881, Nr. 3 Pylocapsa Hck. IS'Sl, Nr. 4 Amphipylonium Hck. 1881,
Nr. .5 Triopyie Hck. 1S81, Nr. 6 Tetrapyle J. M. — x, x bezeichnet in allen Figuren die
spaltartigeu Oellhungen der Schale, welche stets dadurch entstanden gedacht sind, dass die
benachbarten Theile der Schale, wegen verchieden starker Krümmung, nicht zusammentreffen
und so eine Unterbrechung in der Schalenwand zu Stande kommt.
anderen treten hierzu noch zwei weitere an den Enden der Breitenaxe
(Holzschnitt, 3). Auch drei in gleichen Abständen gestellte Spaltlöcher
treten zuweilen auf (Holzschnitt, 5). Vier Löcher finden sich andrerseits
auch so gestellt, dass je zwei symmetrisch auf den abgeplatteten Seiten-
flächen liegen, je eines zwischen dem Mittelpunkt der Seitenfläche und
den Polen der Längsaxe (so Tetrapyle [Holzschnitt 6j etc.). Durch
*) Die Entstehung dieser Spaltlöcher lässt sich, nach meiner Vermuthung, wahrscheinlich
ähnlich auffassen, wie die Entstehung der üuterbrechungsstelle in den Riiigbalken gcAvisser
Porodisciden uud, wie Hertwig (33) schon hervorgehoben hat, darauf zurückführen,
dass die ursprünglich reguläre Sphaeroidschale an gewissen benachbarten Stellen verschieden-
artige Stärke der Krümmung annimmt, so dass diese Stellen nicht mehr aufeinanderstossen,
sondern eine SpaltöflTnung erzeugen. Auf (irund dieser Voraussetzung sind die Schemata des
obigen Holzschnittes entworfen, da nur für Tetrapyle bis jetzt genauere Abbildungen und Be-
schreibungen vorliegen.
Skelete, (Pylouida, LithelidaV 377
weitere Venuehrmig- erhebt sich die Zahl der Spaltöllimiigeii auf sechs
und acht symmetrisch angeordnete, um schliesslich bei einer Gattung auf
zehn und mehr zu steigen.
Von allen diesen Formen ist, wie gesagt, bis jetzt allein Tetrapyle
durch Hertwig's genaue Untersuchungen näher bekannt, während die
übrigen nur in kurzen lateinischen Gattungsdiagnosen geschildert wurden.
Es wird sich daher verlohnen, die Gattung Tetrapyle als Beispiel etwas
genauer zu besprechen.
Um die etwas ellipsoide, kleine Markschale der Tetrapyle (s. Holz-
schnitt 6, u. XXIII. 4) legt sich eine langgestreckte und in einer Queraxc
etw^as abgeplattete Rindenschale so herum, dass die Längsaxe der ellip-
soiden Markschale mit dem Dicken- oder kleinsten Durchmesser der
Kindenschale zusammenfällt. Vier weite, etwa ovale Löcher (x) durch-
brechen die Rindenschale in schon geschilderter Lagerung, so dass auf
jeder Seitenfläche der Rindenschale zwei dieser Löcher durch eine Gitter-
brücke (b) getrennt erscheinen, welche Gitterbrttcke parallel der Breitenaxe
läuft. Von den zusammen eine Art Ring bildenden Gitterbrücken der
beiden Seitenflächen erhebt sich dann nach jedem Pol zu eine bogige
Gitterspange (c), welche beiden Spangen die zwei nach jedem der Pole
zu gelegnen Spaltöffnungen der beiden Seitenflächen trennen. Im Dicken-
durchmesser (b b) tritt die Rindenschale sehr dicht an die Markschale heran.
Sehr bemerkenswerth ist nun, dass das Wachsthum des Tetrapylen-
skelets hiermit nicht abgeschlossen ist, sondern sich nach Hertwig in
eigenthümlicher Weise weiter fortsetzt. Die äusseren (nach den Polen
der Längsaxe gelegnen) Ränder der Spaltöflnungen nämlich wachsen,
sich über die Löcher dachartig erhebend, zu Gitterplatten aus; indem
diese Gitterplatten jeder Seitenfläche einander entgegenwachsen und
schliesslich mit einander verwachsen, bilden sie über jeder Seitenfläche
eine bogige Gitterspange (b'j, so dass das Skelet nun bei Betrachtung in
der Richtung des Breitendurchmessers (siehe den Holzschnitt) ganz die
Ansicht der früheren Seitenfläche bietet, indem zwischen diesen neuge-
bildeten Spangen und dem am Ende des Breitendurchmessers gelegnen
Antheil des ursprünglichen Skelets jederseits zwei neue Löcher frei blei-
ben (bb^). Von den äusseren Räudern dieser Löcher aus vermag sich
diese Spangenbilduug nochmals zu wiederholen und es bilden sich sodann
zwei neue oder dritte Löcherpaare, die sich in der durch Breite- und
Längsdurchmesser zu legenden Ebne symmetrisch gruppiren.
Ob sich auch bei anderen Pyloniden dergleichen merkwürdige, von den
Spaltöffnungen ausgehende Wachsthumserscheinungen finden , lässt sich
bis jetzt aus der kurzen Charakteristik, welche Häckel von denselben
gegeben hat, nicht ersehen.
Mit wenig Worten sei zum Schluss noch eine letzte Gruppe der
Sphaerideenskelete besprochen, welche Häckel zu der Familie der Lithelida
erhob (1881, 37). Es scheint mir jedoch etwas unsicher, ob sämmtliche
hierhergestellten Formen wirklich eine einheitliche, genetische Gruppe bil-
378 Eadiolaria.
den ; es sind aber bis jetzt nur wenige davon genauer bekannt. Alle
hierbergehörigen Skelete besitzen eine kuglige bis elliptische Markschale
gewöhnlicher Art und darum im einfachsten Fall eine ziemlich unregel-
mässig gebildete Riudenschale. Genauer bekannt ist von solch einfachen
Formen bis jetzt nur Echinosphaera Hertw. durch die Untersuchungen
Hertwig's (33). Die ziemlich unregelmässig kuglige Rindenschale zeichnet
sich auch meist durch sehr unregelmässige Form und Grösse der Gitter-
löcher aus (XXIII. 3 a-— b). Indem weiterhin einige grössere Löcher in
dieser Kiudenschale auftreten, nähert sie sich in ihrer Bildung sehr den
Pvlonidae, namentlich der vorhin genauer besprochnen Gattung Tetrapyle.
Mir scheint daher auch Hertwig mehr im Recht zu sein, wenn er diese
Form in nähere Verbindung mit Tetrapyle bringt.
Sehr eigenthümlich ist der Bau der Gattung Lithelius Hck., welche
sich wohl von Echinosphaera oder Pyloniden ähnlichen Formen herleiten
kann. Nach Hertwig, dem sich neuerdings auch Häckel angeschlossen
hat, entwickelt sich das Skelet des Lithelius in folgender Weise. Um
die nahezu kuglige Markschale bildet sich eine Rindenschale, welche sich
aber nicht schliesst, sondern eine grössere Spaltöffnung besitzt, die da-
durch zu Stande kommt, dass die sie begrenzenden Wandtheile der
Rindenschale ungleich weit von der Markschale abstehen und daher auch
in verschiednem Grade gekrümmt sind. Auch bei den Pylonida ist wahr-
scheinlich der Grund der Bildung der Spaltöffnungen im wesentlichen
stets der gleiche, wie schon angedeutet. Hiermit ist jedoch das AVachs-
thum der Schale nicht abgeschlossen , sondern setzt sich dadurch fort,
dass der weiter abstehende oder schwächer gekrümmte Rand der Spalt-
öffnung zu einem sich spiralig um die Rindenschale aufrollenden Gitter-
blatt fortwächst, dessen successive Windungen sich vollständig umschliessen
(involut) (XXV. 7 u. 6). Es entsteht so ein kugliger bis ellipsoidischer
Skeletkörper, der einen ganz ähnlichen Bau besitzt, wie die Gattung
Alveolina unter den Rhizopoda. Unter sich stehen die successiven Win-
dungen der spiraligen Gitterschale durch Radialstäbe in Verbindung, welche
ursprünglich als feine Stachelgebildc von ihrer Oberfläche entsprangen und
das AVeiterwachsthum der Gitterschale vermitteln halfen.
Obgleich ich nun durchaus nicht in der Lage bin, die Möglichkeit
einer solchen Bauweise des Lithelius zu bezweifeln, so erheben sich mir
durch das Studium einer fossilen Form, welche ohne Zweifel hierhergehört,
doch einige Bedenklichkeiten.
Wie es nämlich scheinbar doppelspiralige Porodisciden gibt, so finden
wir auch doppelspiralige Litheliusformen und eine solche ist es, welche
ich hier noch näher zur Sprache bringen will (XXV. 8). Betrachten wir
diese nahezu kuglige Form in einer gewissen Richtung, so bietet ihr
optischer Durchschnitt genau das Bild einer doppelspiraligen Porodiscide
dar, wie wir es oben eingehender besprachen. Drehen wir jedoch nur
wenig, so verliert sich auch hier die Spiralität und es tritt dasselbe Bild
auf wie bei den Porodisciden, nämlich das sich umfassender Ringe, deren
Skelete (Lithulida, Phaeodaria). 379
Hälften gcgeuemiiudcr etwas verscliobcu sind (8 a). Dass diese« Bild
schon bei schwacher Drehung in die Doi)peIspiraIe übergeht, erklärt
sich aus denselben Gründen, wie bei den Porodisciden. Betrachten wir
die optischen Durchschnitte in den beiden Ebnen senkrecht zur Ebne der
scheinbaren Spiralität, von welcher die eine durch den Durchmesser der
Bruchstellen der Hinge, die zweite hierzu senkrecht gelagert ist, so beob-
achten wir Bilder, welche denen regulärer, vielschaliger Sphaerideen ent-
sprechen, indem sich zahlreiche Schalenlagen concentrisch umfassen. Ich
erkläre mir diesen Bau wie den der doppelspiraligen Porodiscidae. In
der ersten Kindenschale traten aus denselben Gründen, welche oben schon
bei dem einfachspiraligen Lithelius hervorgehoben wurden, zwei Löcher
auf, die jedoch nachträglich wieder durch eingekrümmtes Weiterwachs-
thum der Ränder geschlossen wurden. Successive bildeten sich nun neue
derartige Schalen aus, alle von dem gleichen Verhalten. Es lässt sich
daher unsre Form wohl von Pyloniden mit zwei Spaltöffnungen an den
Enden der Hauptaxe ableiten.
Die Frage erhebt sich nun, ob nicht auch die einfachspiraligen Lithe-
liden in ähnlicher Weise, wie mir dies ja fiw die einfachspiraligen Poro-
disciden sicher zu sein scheint, nur scheinbar spiralig sind und sich wie
die erstem durch nur einseitiges Auftreten einer Unterbrechung der Schalen
erklären.
y. Die Skelete der Phaeodaria.
Eine in sich geschlossene, selbstständig entwickelte Gruppe von
Skeletbildungen repräsentiren ohne Zweifel die der sogen. Phaeodaria.
Es geht dies einerseits daraus hervor, dass sich auch skeletlose, wohl
sicher zu den ursprünglichsten gehörige Phaeodarien linden. Weiterhin
zeigen die Skeletbildungen fast durchgehend einen Charakter, welcher
denen der übrigen Kadiolarien gänzlich fremd ist; sie sind nämlich hohl
oder doch häufig mit hohlen, röhrenförmigen, stachelartigen Fortsatzgebil-
den ausgerüstet.
Hinsichtlich ihrer morphologischen Gestaltung verrathen die Phaeo-
darienskelete eine gewisse Uebereinstimmuug mit denen der Sphaerideen,
weshalb denn früherhin auch manche Phaeodarienformen unter die Sphae-
rideen eingereiht wurden.
So treffen wir gleich zunächst eine wohl recht ursprüngliche Form-
reihe (Unterfam. Cannoraphida und Aulacanthida Hck. 1879, Nr. 34), bei
welcher das Skelet aus zahlreichen isolirten, hohlen Kieselelementen be-
steht, welche in die Gallerte eingelagert, die Centralkapsel mantelartig um-
hüllen; Skeletbildungen also, welche den früher besprochnen gewisser
Colliden und Sphaerozoiden vergleichbar sind. Wie gesagt, sind die
Skeletelemente dieser Formen hohl, wie schon Häckel bei einem Theil
derselben richtig erkannte. Wallich (17) und Hertwig (33) weiterhin für
Dictyocha fanden. Nie jedoch ist ihr Lumen nach aussen geöffnet, was
besondre Erwähnung verdient, da es Häckel für einzelne Formen früherhin
380 Kadiolaria,
behauptete. Zunächst sind es auch hier nadelförniige Kieselgebilde,
welchen wir begegnen. Dieselben umlagern entweder tangential die
Centralkapsel (Thalassoplancta Hck. , XXXI. 18) oder es gesellen sich
zu einem dichten Lager solch feiner tangentialer Nadeln noch grössere,
welche radial von der Oberfläche der Centralkapsel ausstrahlen (Aula-
cantha, XXXI. 19). Das peripherische Ende dieser grösseren Radialstacheln
kann mit kurzen Dörnchen besetzt sein.
Sehr eigenthümlich gestalten sich die hohlen, isolirten Skeletgebilde
der Gattungen Mesocena und Dictyocha Ehrenberg's, von welchen die
erstere bis jetzt nur fossil aufgefunden wurde. Sie besitzt Skeletgebilde
von Gestalt hohler, in sich geschlossner Ringe von regulärer, bis ellipti-
scher und stumpf dreieckiger Gestaltung (XXXII. 1 — 2). Die äussere
Peripherie dieser Ringe wird durch eine sehr verschiedne Zahl kurzer
Dörnchen geziert, so finden sich zwei entgegenstehende, vier kreuzförmig
orientirte, drei stärkere in den stumpfen Ecken der dreiseitigen Ringe,
wozu sich noch zahlreiche schwächere gesellen, oder zahlreichere im Um-
fang des Ringes vertheilt. Bei einigen bis jetzt nicht ganz sicheren For-
men gesellen sich zu den centrifugalen Dörnchen auch centripetale hinzu,
welche von der inneren Peripherie des Ringes nach dem Centrum zu streben
und in den Zwischenräumen zwischen den äusseren Dörnchen entspringen.
Durch Weiterentwicklung solcher centripetaler Dörnchen entstehen wohl
sicher die Skeletgebilde der Gattung Dictyocha (XXXII. 3 — 6), indem
sich die Dörnchen stärker entwickeln, sich nach der einen Seite über
die Ebne des Ringes erheben und sich brückenartig unter einander ver-
binden. In etwas abweichender "Weise entwickelt sich so bei zwei For-
men nur eine Brücke, welche den ovalen Ring halbirt. Bei einer Reihe
weiterer Formen ist der Ring vierseitig geworden, mit vier centrifugalen
Dörnchen der Ecken ; zwischen diesen entspringen aus den vier Seiten
des Ringes vier centripetale Stacheln, welche sich dachartig über die
Ebne des Ringes erheben und sich je zu zweien zu Brücken vereinigen,
deren Gipfelpunkte wieder durch eine Querbrücke verbunden sind. Von
dem Gipfel dieser letzteren erhebt sich häufig ein Stachel, oder es können
sich auch zwei solcher Gipfelbrücken ausbilden, welche dann ein Scheitel-
loch _un)schliessen. Bei einer weiteren Reihe von Dictyochen wird der
Ring sechsseitig, mit sechs centrifugalen und sechs centripetalen Dornen,
deren Gipfel sich unter einander durch Seitenfortsätze vereinigen und so
ein hexagonales oder rundes Scheitelloch umschliesseu. Weiterhin sind
jedoch auch sieben- und mehrstachelige Formen zur Ausbildung gelaugt
und nicht selten scheinen gewisse Unregelmässigkeiten in der Entwick-
lung Platz zu greifen. ,
Eine interessante Weiterbildung zeigen schliesslich die Skeletbildungen
der Dictyochen bei den Stöhr'schen Distephanusformen (XXXII. 7), in-
dem hier die Ausbildung der dachartigen Brücken auf beiden Seiten des ur-
sprünglichen Ringes stattgefunden hat und so eine kleine polyedrische
Gitterkugel mit hexagonalen Maschen entstanden ist.
Skelete (Pliaeodaria). 381
Hinsicbtlich ihrer Skeletbildimg reiht sich an die seither besprochnen
Formen wahrscheinlich die Gruppe (Familie) der Phaeosphaeria Häckel's.
zunächst an , bei welchen es zur Bildung- zusammenhängender, kugliger
Gitterschalen gekommen ist, die sich ähnlich zu den mit losen, nadelfür-
migen Skeletgebilden Versehenen verhalten dürften, wie die entsprechen-
den Formen unter den Peripyleen zu einander. Bei den einfacheren dieser
Phaeosphaerien, von welchen die Gattung Aulosphaera bis jetzt allein
näher bekannt ist (XXXII. 8 a— e), findet sich eine aus meist deutlich
hohlen Röhren aufgebaute, weitmaschige Gitterkugel oder ein polyedrischer
Gitterkörper. Bei Aulosphaera sind die Maschen gewöhnlich sehr regulär
dreieckig und in den Knotenpunkten stossen fast stets sechs Röhren zu-
sammen (XXXII. 8 b, c). In diesen Knotenpunkten findet jedoch keine
Communication der Rölirenlumina statt, sondern sechs zarte Scheidewände
trennen die Lumina der zusammenstossenden Röhren von einander. Auch
communicirt das Hohlraumsystem des Skelets durchaus nicht durch Oefif-
nungen mit der Aussenwelt. Von den Knotenpunkten des Maschenwerks
erheben sich gewöhnlich centrifugale, hohle Stacheln, deren Lumen jedoch
gleichfalls gegen das der Röhren, welche durch ihr Zusammenstossen den
Knotenpunkt erzeugen, abgeschlossen ist (8c). Interessant ist, dass bei
Aulosphaera elegantissima die Axe dieser Stachelröhren von einem feinen
Kieselfaden durchzogen wird, der sich auch noch ein Stück weit centd-
petalwärts frei über den Knotenpunkt hinaus verlängert. Auch in den
Kieselröhren der Kugel ist dieser Faden zu verfolgen, liegt jedoch hier
der Röhrenwand an.
Bei den complicirteren Phaeosphaerien gesellt sich zu der aulosphaera-
artigen äusseren Gitterkugel noch eine innere, die Centralkapsel dicht
umschliessende, zweite oder Mark-Schale (nach Häckel [34] „einaxig, kug-
lig oder eiförmig") hinzu, die vielleicht gleichfalls aus hohlem GitterAverk
besteht und wenigstens bei Coelacantha, der einzigen bis jetzt genauer
bekannten hierhergehörigen Form, recht unregelmässig gegittert ist.
Aeussere und innere Kugel stehen durch hohle Radialstäbe in Verbindung,
deren Lumen sich bei Coelacantha möglicherweise in den Hohlraum der
Markschale öffnet (vergl. hier. Hertwig 33). Von den Knotenpunkten der
weitmaschigen, äusseren Kugel entspringen hohle, einfache oder verästelte
Radialstacheln, die jedoch (Coelacantha) nicht Fortsetzungen der Radial-
stäbe sind, da die letzteren sich mit den Kieselröhren der äusseren Kugel
mitten zwischen den Knotenpunkten vereinigen. Coelacantha zeichnet
sich weiterhin noch dadurch aus, dass in der Axe aller Hohlröhren des
Skelets ein feiner Kieselfaden hinzieht, ähnlich wie er auch schon bei
Aulosphaera erwähnt wurde und ferner dadurch, dass die Lumina der
Hohlröhren in gewissen Abständen durch Quersepten untergetheilt sind.
Eigenthümlich ist weiterhin, dass die Skeletröhren an allen den Stellen,
wo sie von Septen durchzogen sind, mit Wirtein zarter Kieselfäden be-
setzt sind, die an ihren Enden ankerartig in drei Widerhaken auslaufen.
Am nächsten verwandt mit den Skeleten der Phaeosphaerideu sind
382 Eadiolaria.
wohl die der Phaeoconchia Häckel's, welche aber bis jetzt gleichfalls mir
zum kleineren Theil durch genauere Schilderung bekannt sind. Statt der
Gitterkugel der Phaeosphaeriden treffen wir bei diesen Formen zwei halb-
kuglige bis linsenförmige, getrennte Schalen -Hälften oder -Klappen, die
wenigstens bei der Unterfamilie der Coelodendridae durch sehr feine und
ziemlich unregelmässige Gitterung sich auszeichnen und sich zur Bildung
einer kugligen oder linsenförmigen Gitterschale zusammenlegen, jedoch
nur selten, wie es scheint, mit den Rändern secundär zu einer einheit-
lichen Schale verwachsen (XXXII. 13, 14 c).
Von der einfacheren Unterfamilie der Concharida liegt bis jetzt nur
eine ganz kurze Beschreibung Häckel's vor, aus welcher hervorgeht, dass
die beiden Gitterklappen derselben ohne stachelartige Anhänge sind, da-
gegen häufig an den Rändern eine Reihe Zähnchen tragen, mittels welcher
die beiden Klappen ineinandergreifen.
In der Gruppe der Coelodendrida dagegen erlangt das Skelet eine
viel beträchtlichere Entwicklung, indem von den Polgegenden der beiden
Klappen aus sich stachelartige, hohle, meist vielfach verzweigte Anhänge
entwickeln, welche zum Theil eine sehr beträchtliche Länge erreichen
(XXXII. 12, 13, 14 c).
Diese Stachelröhren entspringen jedoch nicht direct von den halb-
kugligen bis linsenförmigen Schalenklappen, sondern wenigstens in den
allein genauer bekannten Geschlechtern Coelodendrum Hack, und Coelo-
thamnus Hck. von einem mehr oder weniger ansehnlichen, dreiseitigen
und ziemlich niederen, kästchenartigen Aufsatz, welcher die Polregion der
beiden Klappen krönt (XXXII. 13, 14 c). Dieser Aufsatz besitzt solide
nichtgegitterte Wände*), mit Ausnahme der Bodenwand, die von der Pol-
region der Gitterklappe selbst gebildet wird und welche bei Coelodendrum
von einigen Gitterlöchern, bei Coelothamnus dagegen von einer grösseren
Oeffnung durchbrochen wird.
Von jeder Ecke des geschilderten, dreiseitigen Aufsatzes entspringt
nun gewöhnlich eine stachelartige Kieselröhre, bei Coelodendrum zu-
weilen jedoch auch von einer der Ecken gleichzeitig zwei**). Gegen den
Hohlraum des Aufsatzes ist das Lumen dieser Röhren durch eine Quer-
scheidewand abgesetzt. Bei Coelodendrum verästeln sich diese hohlen
Radialstacheln fortgesetzt dichotomisch, indem sie gleichzeitig immer feiner
werden, zu einem mehr oder minder reich verzweigten Baum. Die Ver-
zweigung kann so weit getrieben sein, dass die peripherischen Zweige
einen dichten Wald um den centralen Theil des Skeletes bilden. Auch
*) Oder dieselben sind docli mir von wenigen grösseren OefFnnngen bei Coelodendrum
durclibohrt.
■**) Häckel gibt für Coelodendrum jedoch auch noch eine Eeihe weiterer Verschieden-
heiten in Zahl und Stellung dieser Stacheln an. So sollen z. Th, auch ein oder zwei Staclieln
aus dem Gipfel des Aufsatzes hervortreten oder es sollen auch zuweilen von jeder der Ecken
gleichzeitig zwei Stacheln entspringen. Gelegentlich ist auch bei Anwesenheit von Gipfel-
stacheln die eine Ecke des Aufsatzes stachellos.
Skelete (Phaeodaria). 3§3
sollen sich nach Häckel zuweilen Anastomosen benachbarter Zweige aus-
bilden. Die letzten Zweigenden sind stets geschlossen und zuweilen mit
einigen Ankerhäkchen besetzt.
Bei Coelothamnus (Davidoflfii Btschli, 14 a — d) geht die Verzweigung
der drei Stachelröbren jedes Aufsatzes nicht gleicbnülssig vor sich; die
eine derselben entwickelt sich durch regelmässig fortgesetzte Gablung
zu einem Bäumchen, dessen feine Endzweige durch Entwicklung von zwei
l)is vier Ankerhäkchen zu Ankerfäden werden (14 d). Die beiden anderen
Röhren dagegen theilen sich zunächst regulär zu vier, alsdann wird aber
die weitere dichotomische Spaltung irregulär, indem bei der nächsten
Gablung einer der Gabeläste stärker bleibt, während der andere, dünnere
zu einem kleinen Bäumchen sich weiter theilt; der stärkere Ast gabelt
sich in gleicher Weise weiter und so fort. Alle die stärkeren Gabeläste
bilden zusammen einen langen Röhrenstamm oder Strahl (14 a, 14 b), der
seitlich dicht mit den kleineren verzweigten Bäumchen besetzt ist, welche
aus den kleineren Gabelästen hervorgingen. In solcher Weise strahlen
demnach von den beiden Gitterklappen dieses Coelothamnus 16 lange
Strahlen nach allen Seiten aus. Erwähnenswerth ist noch, dass bei der
beschriebnen Form die beiden Klappen sich nicht gleichsinnig, sondern
um 180'- gegeneinander verdreht zusammenlegen.
Von der letzten Familie der Phaeodaria, den sogen. Phaeogromia
Häckel's haben wir bis jetzt nur ungenügende Kenntniss, welche sich auf
einige Abbildungen Murray 's (27) und kurze Charakteristiken Häckel's (34)
gründet. Hiernach besitzen diese Formen eine durch Entwicklung einer
grossen Hauptöflfnung stets einaxig gewordne, kuglige bis eiförmige
Schale, welche aber auch zweistrahlig und bilateral symmetrisch werden
kann. Dieselbe besitzt wie die Klappen der Phaeoconchia eine solide,
nicht hohle Kieselwand. Neben der grossen Hauptöffnung scheinen
Durchbrechungen (Poren) z. Th., so bei den kugligen Castanellidae Hck.
(Unterfam.) ganz zu fehlen, dagegen ist die Schale derselben meist mit
hohlen oder soliden Stacheln bedeckt und auch die Mündung oft von be-
sonderen Fortsätzen umgeben. Bei den mit eiförmiger oder länglich-
runder, häufig auch coraprimirter und gekielter bis bilateral-symmetrischer
Schale versehenen Challengeridae (emend. Hack., XXXH. 16—18) sind
sehr feine Poren über die Schale zerstreut, von welchen jeder gewöhnlich
in einem sechseckigen Feldchen liegt. Die den einen Pol einnehmende
Mündung ist selten eine einfache Oeffnung, sondern ihr Rand wächst ge-
wöhnlich in einen zahnartigen, hohlen oder in ein bis mehrere, häufig ver-
ästelte Fortsätze von röhrenartiger Gestalt aus.
„Subsphärisch" oder polyedrisch gestaltet sich die Schale der letzten
Abtheilung der Phaeogromia (C er ioporidae Hck., XXXH. 19 — 20). Von
der Oberfläche derselben erheben sich nach verschiednen Richtungen bohle
Radialstacheln, welche einfach oder verästelt auftreten. Die Schalenwand
wird von Poren durchbrochen , welche gewöhnlich in Kränzen um die
Basen der Stacheln angeordnet sind.
384 Eadiolaiia.
S, Skelete der Monopylaria.
Die reichhaltigste Gruppe der Radiolarien bilden die sogen. Mono-
pylaria; doch lässt sich ein genetischer Zusammenhang und eine succes-
sive Entwicklung der Skeletbildungen durch die gesammte grosse Menge
der Formen auch hier verfolgen, wenngleich die Ableitung gewisser Unter-
gruppen bis jetzt noch Schwierigkeiten bereitet und namentlich zwei sehr
ditferente Ansichten über den Ausgangspunkt der gesammten Gruppe aul-
gestellt worden sind. Mit Sicherheit scheint festzustehen, dass die Skelet-
bildungen unsrer Abtheiluug, wie zuerst Hertwig betonte, selbstständig and
ohfle Zusammenhang mit denen der anderen grossen Unterabtheilungen ent-
standejh sind. Bis jetzt hat nur letsiterwähnter Forscher eine hierhergehörige,
wahrscheinlich skeletlose Form beobachtet (XXVIII. 8), doch darf diesem
Befund kein zu grosser AVerth beigelegt Averden, da die Möglichkeit nicht
ganz ausgeschlossen erscheint, dass sein Cystidium nur ein skeletloses
Jugendstadium einer einfacheren, skeletführenden Monopylarienform dar-
stellt.
Bezüglich der ursprünglichsten Ausgangsformen der Monopylarien-
skelete sind, wie bemerkt, zwei sehr verschiedne Ansichten entwickelt
worden. Zuerst hat Hertwig (33) nachzuweisen gesucht, dass sich die
grosse Mehrzahl derselben von einer sehr einfachen Urform, welche sich
als ein solider Kieselring repräsentirt, herleiten lässt und dieser An-
schauutig habe ich mich durchaus angeschlossen, indem ich es versuchte,
den Gang dieser Entwicklung noch genauer zu ermitteln und womöglich
sämmtliche Monopylarienskelete von einer solchen Grundform herzuleiten
(38). Dem gegenüber hat neuerdings Häckel (37) eine gewissermaassen
diametral entgegengesetzte Ansicht ausgesprochen, welche die von Hertwig
und mir an den Anfangspunkt der Reihe gestellten Formen als die End-
glieder des gesammten Entwicklungsganges der Monopylarien, d. h. die
am meisten um-, resp. rückgebildeten Formen schildert. Als Ausgangs-
punkt der ganzen Reihe betrachtet Häckel die sogen. Plagiacanthida
Hertw. 1879 (= Plectida Hck. 1881), welche ich mit Hertwig nicht in
solcher Weise auffassen kann, sondern für eine Gruppe halten muss, die
sich zwar von einfacheren Monopylarien ableitet, jedoch wahrscheinlich
durch eine sehr wesentliche Umbildung des ursprünglichen Skeletes her-
vorgegangen ist. Leider ist bis jetzt nur eine Gattung (Plagiacantha)
der, nach den neueren Untersuchungen Häckel's, sehr reich entfalteten
Gruppe der Plagiacanthiden genauer bekannt, so dass nur schwierig ein
sicheres Urtheil über die genaueren Beziehungen dieser Gruppe zu den
übrigen Monopylarien zu fällen ist. In meiner Ansicht jedoch: dass sich
die Plagiacanthidae nicht als die ursprünglichsten Monopyleen auffassen
lassen, werde ich nicht unwesentlich durch den Umstand bestärkt, dass
bis jetzt nicht ein Vertreter dieser in der Jetztwelt ziemlich reich ent-
wickelten Gruppe fossil gefunden wurde, obgleich ihrer Erhaltung im fos-
silen Zustande nichts im Wege zu stehen scheint. Es scheint daher.
Skeletc der Moiiopylaria (Stcphida). 385
wenn man tiberliaupt den Ergebnissen der paUiontologisehen Forschung'
nicht jeden Werth abspricht, wenig wahrscheinlich, dass die Gruppe
der Plagiacauthidae die jugendlichste der Monopylaria ist. Wir halten
deshalb daran lest, dass die ursprünglichsten Monopyleenskelete in
Gestalt einfacher Kieselringe auftraten, wie sie auch fossil schon vielfach
gefunden wurden, und in der Jetztwelt noch ziemlich reichlich ver-
treten sind.
Ein solch einfacher Kieselring von ovaler bis polygonaler Gestaltung
umschliesst bei diesen einfachsten Formen (Monostephida Hck. 1881) die
Centralkapsel und besitzt, entsprechend den verschieden gebildeten beiden
Kapselpolen, gleichfalls zwei differente Pole, welche entweder durch eine
verschiedne Anordnung der Stachelfortsätze, die meist vom Ring ent-
springen, zur Ausbildung gelangen (XXVIII. 9 a), oder gewöhnlicher
durch eine etwa eiförmige Gestaltung des Ringes. Es erscheint dann der
eine Pol, welchem das Porenfeld der Centralkapsel zugewendet ist, mehr
zugespitzt (XXVIII. 9), Wir bezeichnen ihn als den basalen. — Bei
einem Theil dieser Ringskelete tritt eine stärkere Ausbauchung der einen
Ringhälfte auf, wodurch dann die Bildung des Ringes eine entschieden
bilateral-symmetrische wird (XXVIII. 9), indem wir eine vordre, weniger
ausgebauchte von einer hinteren, stärker ausgebauchten Hälfte unter-
scheiden können. Wie erwähnt, ist ein solcher Skeletring selten ganz
glatt, ungestachelt; meist trägt er paarweis entspringende, seitlich gerich-
tete Stachelfortsätze, die am Basalpol zuweilen etwas stärker entwickelt
sind und sich auch bei gewissen Formen ästig verzweigen. Nach Häckel
(37) sollen bei gewissen Formen die Zweige solcher Aestchen auch unter
einander zu einem Geflecht verschmelzen, ja selbst zur Bildung einer
Gitterkugel zusammentreten, welche also äquatorial von dem Ring halbirt
würde. Da aber bis jetzt die genauere Beschreibung letzterer Form fehlt,
so bleiben Zweifel, ob dieselbe nicht doch nähere Beziehungen zu später
zu besprechenden Formen mit Gitterkugelentwicklung besitzt.
Aus solch einfachen Ringskeleten entwickelte sich nun eine reiche
Fülle von Formen durch stärkere Hervorbildung gewisser Stachelfortsätze.
Es ist aber bis jetzt kaum zu bewerkstelligen, die von Häckel kurz charak-
terisirten Formen hinsichtlich ihrer Ableitung zu verfolgea, da es sehr leicht
möglich ist, dass Häckel, der ja über die genetische Herleitung derselben
eine ganz abweichende Ansicht besitzt, gerade solche Momente ihres
Baues nicht betont, welche für unsre Auffassung von Wichtigkeit er-
scheinen. AVir werden daher die uns genauer bekannten Formen ein-
gehender besprechen und kurz über die durch Häckel bekannt gewordnen
abweichenden berichten.
Bei allen bis jetzt genauer bekannten Formen, welche sich von dem
einfachen Ring herleiten, erhält sich dessen bilateral-symmetrische Gestal-
tung, ob auch bei allen Häckel'schen scheint fraglich. — Ein sehr wich-
tiger Formkreis leitet sich von dem einfachen bilateral -symmetrischen
Ring zunächst dadurch her, dass sich an seinem Basalabschnitt jederseits
liroun, Klassen des 'i'Uier-liTjiulis). Protozoii. 25
386 Eadiolavia.
zwei Stachelfortsätze, welche etwa in einer senkrecht zur Ringaxe gelegnen
Ebne verlaufen, stärker entwickeln (XXVIII. 10, e u. e^). Da sich die beiden
Fortsätze jeder Seite etwa unter einem Winkel von 60^ zusammenneigeu,
verschmelzen sie mit ihren peripherischen Enden. Auf diese Weise wird
an der Basis des Ringes eine Art Basalscheibe gebildet, welche jeder-
seits von einem Loch durchbrochen ist; beide Löcher sind durch den
Basalschnitt des Ringes von einander geschieden. Häckel drückt sich
hinsichtlich dieser Formen (seiner sogen. Dyostephanida und Eucoronida,
fraglich ist jedoch, ob alle diese Formen hierhergehören) folgenderraaassen
aus: es hat sich zu dem primären Ring noch ein zweiter horizontaler
Basalring (gebildet aus den vier erwähnten Fortsätzen) hinzugesellt, dessen
Lumen also, durch den Basaltheil des Primärrings in zwei Theile, die
zwei erwähnten Basallöcher, geschieden wird (s. Holzschn. Fig. (5, 1).
Nach den Mittheilungen Häckel's scheinen zahlreiche Formen diese Bau-
weise zu zeigen. Von der Peripherie der zweilöcherigen Basalscheibe ent-
wickeln sich häufig ansehnlichere Stachelfortsätze in verschiedner Zahl,
zwei, drei, vier, fünf und mehr.
Aus den geschilderten Formen leiten sich weiterhin solche ab, bei
welchen sich zu den zwei Paar Basalfortsätzen ein weiteres, weiter nach
vorn, am Ursprung des aufsteigenden vorderen Ringabschnitts gelegnes
drittes Paar hinzugesellt, welches sich nach vorn und aussen entwickelt
(XXVIII. 11, e'^) und zwischen dessen Enden und den verschmolznen Enden
der beiden schon geschilderten Fortsatzpaare je eine brückenartige Verbin-
dung hergestellt wird. Auf diese Weise hat sich also die Basalscheibe
beträchtlich vergrössert und ist vierlöcherig geworden, weist nämlich zwei
Paare von Löchern auf, die erstgebildeten (I), welche stets kleiner sind
und die neu hinzugetretenen (II), die grösseren. Formen solcher Art
finde ich bei Häckel nicht erwähnt, wenn sie nicht z. Th. unter seinen
Eucoronida eiugeschlossen sind. Höchst bedeutungsvoll ist die bei solchen
Formen zuerst auftretende vierlöcherige Bildung der Basalscheibe, denn
diese kehrt bei allen jetzt noch zu besprechenden, so überaus zahlreichen
WeiterentwickluDgsformen unsrer Ringskelete wieder.
Durch starke Entwicklung eines von der Basalscheibe jederseits aus-
gehenden Fortsatzes, welcher sich (in der Frontalebne gelegen) nach dem
Apicalpol des Primärringes aufwärts krümmt und mit diesem schliesslich
verschmilzt, wahrscheinlich unter Mithülfe eines ihm vom Apicalpol ent-
gegenwachsenden Fortsatzes, bildet sich jederseits des Primärringes eine
halbringförmige Spange aus. Beide Spangen formiren zusammen einen zwei-
ten Ring, der senkrecht auf dem Primärring aufgesetzt ist und mit diesem
die Hauptaxe gemeinsam hat (XXVIII. 12). Diese Axe ist jedoch die
kleinere des secundären Rings, da derselbe, senkrecht zu ihr, sehr lang-
gestreckt ist, also eine langelliptische Gestalt besitzt. (Solche Formen
bezeichnet Häckel jetzt als Trissocylidae.)
An die eben geschilderten Skeletbildungen schliessen sich nun zwei
weitere, durch Häckel bekannt gewnrdne an, indem sich auch bei ihnen zu
Skelete der Monopylaria (Stephida).
387
dem Primürring ein secimdärer hinzugesellte. Bei den Zygostephanidae
soll sich ein Primär- und ein Secundärring finden, jedoch ohne Ausbil-
dung einer vierlöcherigen Basalscheibe (s. Holzschn. Fig. 6, 4). Dieser Fall
Hesse sich entweder durch directe Ableitung von dem Ursprungsstadium
des einfachen Primärrings durch Entwicklung eines Secundärrings erklären,
oder wie mir wahrscheinlicher ist, durch sehr starke Reduction der Basal-
scheibe, vielleicht sogar völlige Rückbildung derselben.
Schwieriger gestaltet sich die Ableitung der zweiten Gruppe hierher-
gehöriger Formen, der sog. Acantho desmida Hck. (1881,37, non 1862).
Wenn die Schilderung, welche Häckel von diesen Formen entwirft,
richtig ist, so müssten wir sie uns wahrscheinlich so entstanden denken,
dass sich zu einer Form mit einfacher, zweilöcheriger Basalscheibe ein
Secundärring hinzugesellt hätte, und nachträglich eine Reduction des die
beiden Löcher der Basalscheibe scheidenden Basalabschnittes des Primär-
ringes eingetreten sei. Es ist jedoch wohl bei der Beurtheilung dieser
Formen nicht ganz ausser Acht zu lassen, dass die Schilderung, welche
Hertwig (33) von der ohne Zweifel von Häckel hierhergezognen Acanthodes-
mia vinculata J. M. entwirft, nicht mit der Beschreibung, welche Häckel
Fig-. 6.
Erklärung- von Holz-
schnitt Fig. 1. Schematische
Constructionen einiger Vertreter
der Stephida nach den Charak-
teristiken Häckel's (ßl). p der
Primär- , sr der Secundär- und
tr der Tertiär-Ring. Nr. 1 Ver-
treter des Tribus Dycstephanida
(Subf. Dyostephida) ; Nr. 2 Ver-
treter des Tribus Eucoronida
(Subf. Triostylida); Nr. 3 Ver-
treter des Tribus Trissocyclida
(Subf. Triostephida) ; Nr. 4 Ver-
treter des Tribus Zygostephanida
(Subf. Dyostephida).
von den Acanthodesmiden gibt, übereinstimmt, indem Hertwig das Vor-
handensein des Basalabschnittes des Priraärrings und demnach die Schei-
dung der beiden Basallöcher angibt (vergl. Holzschn. Fig. 6, 3).
Häckel reiht unter die seither besprochnen, einfachsten Monopylarien-
skelete auch die Gruppe der Parastephida (1881, 37) ein, von welchen
bis jetzt nur die Gattung Prismatium etwas genauer bekannt ist. Wäh-
rend ich früher (38) selbst eine derartige Ableitung der Paraste-
phida für wahrscheinlich hielt, bin ich jetzt durch die zahlreichen neuen
Modificationen, welche Häckel auffand und kurz charakterisirte, sehr
zweifelhaft geworden, ob wirklich eine nähere Beziehung der Parastephida
zu den seither besprochnen Formen existirt und ziehe es daher einstweilen
25-
388 Eadiolaria.
vor, dieselben am Schlüsse unsrer Betrachtung der Monopyleenskelete ge-
sondert zu besprechen.
In sehr einfacher Weise leitet sich aus den bis jetzt besprochnen
einfachen Monopylaria (Stephida Hck. 1881) eine zweite recht umfang-
reiche Gruppe ab, nämlich die der sogen. Zygocyrtida Hck. 1862 oder
Spyrida Hck. 1881.
Die Herleitung geschieht leicht von dem einfachen Primärring mit
der vierlöcherigen Basalscheibe, wie wir ihn schon früher kennen gelernt
haben, vielleicht jedoch auch z. Th. oder gänzlich von solchen Formen,
bei welchen sich noch ein Secundärring hinzugesellt hat. Seitliche Stachel-
fortsätze, wie sie diese Ringe sehr gewöhnlich zieren, zu welchen sich
weiterhin noch von dem Rande der Basalscheibe entspringende Stachel-
fortsätze gesellten, verästelten sich und verwuchsen unter einander zu
einer gegitterten Schale. Eigenthiimlich erscheint das Verhalten des Primär-
rings bei der Bildung dieser Schale; die von ihm entspringenden Stachel-
fortsätze sind entweder in der Ringebne selbst gelegne, centrifugale Fort-
sätze (demnach in diesem Fall unpaar) oder paarige, welche sich zu bei-
den Seiten der Ringebne erheben und mit dieser einen ziemlich spitzen Winkel
bilden. Diese stark nach aussen strebenden Stacheln des Primärrings
werden nicht einfach in das Gitterwerk der sich bildenden Schale einbe-
zogen, sondern seitliche Fortsätze derselben gehen in die Wandbildung
der Schale ein, so dass die gegitterte Schalenwand demnach etwas nach
aussen über den Ring hinzieht und dieser, an den ersterwähnten Stachel-
fortsätzeu gleichsam aufgehängt, sich im Inneren der Schale vorfindet
(XXIX. ], 4 b). Entsprechend diesem Primärring zeigen jedoch die Schalen
der Zygocyrtida fast durchweg, jedoch nicht immer, eine ringförmige Ein-
schnürung, welche also der Sagittalebne angehört und die Schale in zwei
symmetrische Hälften zerlegt. Es finden sich aber, wie bemerkt, auch
Formen, welchen eine solche Einschnürung ganz fehlt; in diesem Fall
hebt sich die Schalenwand viel weiter von dem Primärring ab; derselbe
erscheint viel tiefer ins Innere der Schale verlegt.
Anders dagegen verhält sich der secundäre Ring zur Bildung der
Schalenwand, wenn sich überhaupt ein solcher an dem Aufbau derselben
betheiligt. Die von ihm entspringenden^ gewöhnlich paarweis geordneten
Stachelfortsätze gehen direct in die gegitterte Schalenwand ein, so dass
also der secundäre Ring nicht als solcher bestehen bleibt, sondern
in die Schalenwand aufgenommen wird und daher eingeht. Wie jedoch
der secundäre Ring sich durch die starke Entwicklung in der Frontalaxe
auszeichnete, so gilt dies auch gewöhnlich für die gegitterte Schalenwand
der Zygocyrtida, deren längste Axe ebenfalls fast durchaus die Frontal-
axe ist. Nur wenige Formen finden sich, bei welchen Sagittal- und
Frontalaxe der Schale nahezu oder völlig gleich sind und bei denen der
Horizontalschnitt der Schale ziemlich kreisförmig erscheint.
Der Primärring der Zygocyrtida besitzt durchaus die uns schon be-
kannte bilaterale Gestaltung. Die weniger eingebauchte, bis nahezu gerade
Skcictc ilcr Moiuipylaiia (Zygocyriida). 3^9
^'ül•(lcl•hälfte='•) steigt daher ancli im Schaleninneren directer anf und setzt
sich häutig- in ein vom Ring zur Hchalenwand aufsteigendes Aestchen
fort, das sich in sehr zahh-eichen Fällen über die Apicalwand der Schale
als ein Apicalstachel von sehr wechselnder Länge erhebt (XXIX. 4 b).
Da diese vordere Ringhälfte fast stets mit der Schalenhauptaxe nicht zu-
sammenfällt, sondern, wie natürlich, vor derselben gelegen ist, so ziert
auch dieser Stachel wohl stets nicht den eigentlichen Apicalpol, sondern
entspringt etwas vor demselben. Sehr deutlich treten stets die vier Basal-
löcher der ursprünglichen Basalscheibe hervor (XXVIII. 14, XXIX. 4 a, 6 b).
Dreilöcherige Formen, wie sie von Ehrenberg (26) beschrieben wurden,
beruhen wohl fast durchaus auf mangelhafter Beobachtung. Häckel gibt
zwar auch neuerdings die Existenz solcher Formen an, jedoch gründet
er sich hierbei vielleicht nur auf die fehlerhaften Beobachtungen Ehren-
berg's. Grosse Verschiedenheit herrscht in der Ausbildung des Gitter-
werkes der Schalenwand. Ein Theil der Formen, und dies sind wohl die
ursprünglicheren, besitzen sehr weite Gittermaschen (XXVIII. 13), bei
anderen dagegen werden dieselben kleiner und zahlreicher, häufig auch
etwas unregelmässig; schliesslich können die Poren auch sehr klein und
spärlich werden , so dass die Wand der Schale eine sehr solide Be-
schaffenheit annimmt.
Eine ziemliche Anzahl der Zygocyrtida besitzt eine ganz glatte, un-
bcstachelte Schalenoberfläche; andre dagegen entwickeln ein uuregel-
mässiges, schwaches Stachelkleid der Oberfläche und bei einigen Formen
tritt jederseits des Apicalstachels ein ziemlich ansehnlicher nach aussen
und oben gerichteter Stachel hervor. Gelegentlich (Ferispyris Hck. 1881)
scheint auch dnrch Weiterentwicklung der Oberflächenstacheln eine spon-
giöse oder spinnwebartige Mantelumhüllung der Schale gebildet zu
werden.
Viel grössere Wichtigkeit beanspruchen jedoch die Stachelbildungen,
welche sehr gewöhnlich im Umkreis der vier Basallöcher zur Entwicklung ge-
langen und schon in ähnlicher Weise bei einem Theil der Stephida (den Euco-
ronida Hck. 1881) hervortraten. Die Ursprünglichkeit dieser Stachelbildungen
spricht sich auch darin aus, dass sie sich, in z. Th. sehr gesetzmässiger Weise,
von sehr ursprünglichen Theilen der Cricoidskelete herleiten. Einen der ge-
wöhnlichsten Fälle bildet zunächst die Entwicklung dreier solcher Basal-
stacheln, von welchen einer vorn und median gelagert ist, seineu Ursprung
von der Uebergangsstelle der aufsteigenden vordem Ringhälfte in die Basal-
scheibe nimmt, während die zwei seitlichen als Fortsatzbildungen der beiden
wichtigen und primitiven Stäbe (e) erscheinen , welche die zwei Paare
von Basallöchern jederseits scheiden (XXIX 5). Unter sich bilden diese
drei Stacheln gewöhnlich ziemlich regelmässig Winkel von 120''. Zuweilen
*) Häckel liat in seiner neuesten ]Mittlieilung gerade die umgekelirte Bezeicliniuig für
vorn nnd hinten der Zygocyrtida und Cyrtida gewählt; ich verbleibe hier bei der Bezeich-
nung, welche ich in meinen Beiträgen (,SS) zuerst eingehender durchznfiiliren suchte.
390 Kadiolaria.
unterbleibt jedoch auch die Bildung des vorderen Stachels, wodurch zwei-
stachelige Formen entstehen. Zu den erwähnten drei Stacheln gesellt sich
häutig noch ein vierter, hinterer hinzu, der seinen Ursprung von der Basis
der hinteren Kinghälfte nimmt.
Durch Hinzutreten zweier neuer, seitlicher Stacheln, welche die Winkel
zwischen den ersterwähnten seitlichen Stacheln und dem Vorderstachel
halbiren , erhöht sich die Zahl der Basalstacheln auf sechs , von ganz
regelmässiger Anordnung. Bleibt, wie dies häufig der Fall zu sein scheint,
bei der Entwicklung dieses Paares neuer seitlicher Stacheln der hintere
Medianstachel aus, so haben wir Itinfstachelige Formen.
Eine grosse Reihe weiterer Formen schliesslich bildet noch zahl-
reichere Basalstacheln aus, welche die vier Mündungslöcher umstehen und
mehr oder minder dicht zusammengedrängt sind (XXIX. 6).
Die Längenentwicklung der Basalstacheln ist sehr verschieden,
auch sind sie durchaus nicht stets sämmtlich von gleicher Länge, sondern
z. Th. recht verschieden ; jedoch scheinen die paarweis zusammengehöri-
gen Seitenstacheln stets eine übereinstimmende Entwicklung zu besitzen.
Bei manchen Formen erreicht die Längenentwicklung der Basalstacheln
den mehrfachen Betrag der Schalenhöhe.
Hinsichtlich ihrer Gestalt bieten sie noch beträchtlichere Verschieden-
heiten dar.
Theils sind sie ganz gerade gestreckt, theils bogenförmig nach unten
gekrümmt; theils drehrund im Querschnitt, theils jedoch mehr oder weni-
ger blattförmig von aussen nach innen abgeplattet. Letzteres ist nament-
lich bei Formen mit sehr zahlreichen Mündungsstacheln der Fall. Nicht
selten gehen die Stacheln auch Verästelungen ein und dies gibt bei den
letzterwähnten Formen mit zahlreichen Mündungsstacheln zuweilen Veran-
lassung zur Verschmelzung der Mündungsstacheln zu einer gegitterten
Membran, welche gewöhnlich nur die Basis der Stacheln unter einander ver-
einigt, sich jedoch auch auf die gesammte Länge der Mündungsstacheln aus-
dehnen kann (XXIX. 7). Hiermit ist aber schon die erste Anlage eines neuen
Schalentheiles gegeben, der bei der Gruppe der Cyrtida zu einer hohen
morphologischen Ausbildung gelangt ist; es hat sich nämlich durch diesen
Zusammentritt der Mündungsstacheln ein sogen, erstes Glied neben der
nun als Köpfchen zu bezeichnenden, ursprünglichen Zygocyrtidenschale
angelegt.
Auch die Apicalstacheln verzweigen sich zum Theil in ähnlicher
Weise wie die Basalstacheln und können durch Verwachsung ihrer Aeste
sogar einem gitterwandigen Kuppelaufsatz Entstehung geben, welcher auf
die Apicalregion aufgesetzt erscheint. Ein ähnlicher Aufsatz bildet sich
auch bei der Spiridobotrys trinacria (Hack. 1862, non Spiridobotrys 1881)
aus (XXIX. 2), jedoch in andrer Weise, wie es scheint, indem sich näm-
lich die Apicalregion der Schale selbst kuppeiförmig aufwölbt.
Die von Häckel neuerdings (37) kurz charakterisirte Gruppe der
Perispyridae soll wenigstens z. Th. einen Kuppelaufsatz der ersterwähnten
Skelete der Moiiopylaria (Zygocyrtida u. Cyrtida). 391
BilduDg besitzen, in der Unterabtheilung- der Circospyrida weiterbin noch
ein aus der Verscbmelzung der Basalstaeheläste bervorgegaugnes blumen-
korbäbnlicbes erstes Schaleuglied. Die bis jetzt allein vorliegende knappe
Bescbreibiing dieser Perispyrida gestattet jedocb nicbt, sieb ein einiger-
niaassen ausreicbendes Bild derselben , namentlicb aucb im Hinblick auf
die gleicb zu besprecbenden Cyrtida zu macbeu.
Wie schon angedeutet, leiten wir die unifangreicbc dritte Abtbeiluug
(Familie llck, 1881) der Cyrtida in der Weise von den Zygocyrtida her,
dass sich durch Vermittlung der Mündungsstacheln dieser letzteren, vom
Rande der vierlöcberigen Basalscheibe aus, ein im Allgemeinen tricbter-
bis röhrenförmiger, gegitterter Anhang gebildet hat. Die Axe dieses An-
baugs fällt zusammen mit der Hauptaxe der ursprünglichen Zygocyrtiden-
schale. Letztere setzt sich meist köpfchenartig von dem neugebildeten
Anbang deutlich ab. Die Schale erscheint daher durch eine senkrecht
zur Hauptaxe verlaufende Strictur in zwei Glieder geschieden (s. T. XXX.),
von welchen wir das apicale oder die ursprüngliche Zygocyrtidenschale als
das Köpfeben, das neu entstandne Basalglied hingegen als das erste
iScbalenglied bezeichnen. Dieses letztere ist natürlich an seiner Basis ur-
sprünglich stets mit einer mehr oder minder weiten Mündung versehen,
welche sich jedoch häufig sehr verengt bis vollständig schliesst, wie später
noch genauer zu erörtern sein wird. Die Lumina des Köpfchens und
ersten Glieds werden natürlich durch die vierlöcherige Basalscheibe
von einander geschieden, welche eine Art querer Scheidewand bildet und
sieb aus vier im Scheidewandcentrum zusammenstossenden Stäben bildet,
von welchen die zwei medianen nichts weiter wie den Basaltheil des Primär-
rings darstellen, die beiden seitlichen dagegen die uns bekannten Stäbe,
welche die beiden Löcherpaare jederseits scheiden (XXX. 1 b).
Sehr gewöhnlich umfasst jedoch der apicale Theil des ersten Gliedes
noch einen Theil der im Umkreis der vier Basallöcher sich ausbreitenden
Köpfchenbasis, so dass die sogen. Scheidewand zwischen Köpfchen und
erstem Glied noch von einer Anzahl kleinerer Porenlöcher im Umkreis
der vier Basallöcher durchbrochen wird. In der Medianebne des Köpfchens
linden wir den Primärring häufig noch vollständig erhalten wie bei den Zygo-
cyrtiden (XXXI. 10 a), zuweilen ist jedoch auch sein apicaler Theil in die
Schalenwand selbst aufgenommen und diese Aufnahme dehnt sich auch
noch auf die hintere Ringhälfte mehr oder minder aus, so dass dann nur
deren basaler Theil erhalten bleibt, welcher zur Sonderung des hinteren
Löcherpaares beiträgt. Fast stets erhält sich dagegen die vordere Hälfte
des Primärrings und erscbeint wie ein ziemlich gerader Stab, welcher
zum Apicalpol aufsteigt und sehr gewöhnlich die Bildung eines Apical-
stachels veranlasst, in gleicher Weise wie bei den Zygocyrtida. Nur
wenn das Köpfchen sehr stark verkümmert, werden freie Theile des Pri-
märrings und schliesslich auch die Scheidewand gänzlich vernicbtet; es
kann jedoch keinem Zweifel unterliegen , dass es sich in diesen
Fällen um eine Reduction handelt, da das Köpfchen hierbei zu einem
392 Kadiolaria.
verschwindenden, und früher auch ganz übersehenen, Anhang riickgebildet
worden ist (XXXI. 16, 17).
Aus dieser Darstellung der Ableitung der Cyrtida dürfte sich ergeben,
dass es sogen, einkammerige Cyrtida oder Monocyrtida Häckel's über-
haupt nicht gibt, denn der Schalenhoblraum ist stets durch die Basal-
scheibe des Köpfchens in zwei Abschnitte getheilt, auch wenn äusserlich
die Scheidung in Köpfchen und erstes Glied verwischt ist. Wenigstens
lässt sich dies Verhalten für eine Anzahl der sogen. Monocyrtiden Häckel's
sicher erweisen und es erscheint daher die Annahme Häckel's, dass das
Küi)fchen der deutlich mehrgliedrigen Cyrtida der einfachen Schale seiner
Monocyrtida homolog sei, wenigstens für zahlreiche Fälle unrichtig. Bei
solch scheinbaren Monocyrtiden ist nämlich, wie schon hervorgehoben,
die Grenze zwischen Köpfchen und erstem Glied äusserlich verwischt und
das Köpfchen sehr flach gedrückt, wie überhaupt wenig entwickelt (s. z. B.
XXXI. 13 c). Ganz deutlich ist jedoch die Scheidewand zwischen Köpf-
chen und erstem Glied noch in charakteristischer Weise erhalten, ebenso
auch der Primärring noch in verschiedenem Erhaltungsgrade. Andrerseits
können jedoch, wie schon erwähnt, solch scheinbare Monocyrtidenformen
auch durch sehr weitgehende Grössenreductiou des Köpfchens entstehen,
welches schliesslich zu einem kleinen knopfförmigen Anhang der Schale
wird (XXXI. 15 — 17). Damit geht denn auch endlich, wie erwähnt, die
Scheidewand verloren (17) und wenn schliesslich auch die noch schwach
erhaltne Absetzung eines solchen Köpfchenrestes schwindet, so entsteht
zuletzt eine scheinbar echt monocyrtide Schale. Die Verfolgung ihrer
allmählichen Entstehung lehrt jedoch sehr sicher, dass sie durch weit-
gehende Umbildung aus einer zweigliedrigen Form hervorging.
Ich möchte es daher für sehr wahrscheinlich halten, dass die grosse
Mehrzahl der zahlreichen sogen. Monocyrtidenformen, welche Häckel
neuerdings kurz geschildert hat (37), in dieser Weise sich erklären und
herleiten. Ob dies jedoch für sämmtliche gilt, lässt sich, aus Mangel ge-
nauerer Beschreibung und Abbildung der meisten, bis jetzt nicht entschei-
den , da es nämlich nicht unmöglich erscheint und auch , wie wir noch
sehen werden, thatsächlich sich ereignet hat, dass monocyrtidenartige
Skelete eine ganz andre Art der Entstehung genommen haben. Solche
Formen können aber dann auch nicht mit den hier besprochnen vereinigt
werden.
Aus den bis jetzt zur Sprache gekommnen einfachen, d. h. aus Köpf-
chen und einem ersten Gliede aufgebauten Cyrtiden haben sich nun eine
grosse Anzahl complicirterer Formen hervorgebildet, indem sich, nach Aus-
bildung des ersten Gliedes, dessen Mündung dann stets etAvas zusammen-
gezogen oder verengt erscheint, um diese Mündung ein neues, zweites
Glied angelegt hat. Dasselbe scheint in vielen Fällen aus deutlichen Stachel-
fortsätzen des Mündungsrandes des ersten hervorgegangen zu sein, ähnlich
also wie die ursprüngliche Bildung des ersten Gliedes sieh vollzog. Auch
dieses zweite Glied bildete dann eine Mündung aus, wenn nicht Verenge-
Skelctc der !\IiMiii|iylaii;i (Oyrtirla). 393
lung oder Vciischliiss derselben eintrat. Bei zablrcielien Formen ist die
Gliederbilduug- bierniit nicbt abgescblossen , sondern setzt sieb weiter
fort zu sebr verscbiedner Gliederzabi, bis zu neun und mebr. Im All-
gemeinen erinnert diese wiederbolte Gliederbildung in vieler Hin-
siebt an die Kamnierbildung zablreicber kalkscbaliger, mariner Rbi-
zopoden, namentlicb an die der Nodosarien unter den Perforata. In
der Regel ist nämlicb aucb bei den mehrgliedrigen Cyrtiden jedes fol-
gende Glied die morpbologiscbc Wiederholung des ersten, wenn dieser Satz
bier aucb durebaus nicht strikte Gültigkeit besitzt. Die allgemeine morpholo-
giscbe Beurtbeilung der Mehrgliedrigkeit muss demnacb aucb ungetabr äbn-
licb ausfallen, wie die der KamraerbilduDg der Rbizopoden (vergl. p. 146).
Zwischen je zwei aufeinanderfolgenden Gliedern findet sich eine sehr
schwach ausgeprägte Sclieidewandbildung, welche sich folgendermaassen
erklärt. Jedes ältere Glied bildet durch Zusammenziehung seines basalen
Endes eine gewöhnlich ziemlich weite Mündung aus, in deren Umkreis
sich der Apicaltheil des nächstjüugeren Gliedes anheftet. Der von jener
Anheftungs- oder Ursprungsstelle des jüngeren Gliedes einspringende
Theil der Mtindungsfläche des älteren bildet nun die schwach vorsprin-
gende Scheidewand, welche central von einer weiten Oeffnung durchsetzt
wird, der Mündungsöffnung des älteren Gliedes. Im Umkreis dieser Oefl-
nung wird die Scheidewand jedoch häufig noch von einem Kranz gewöhn-
licher Poren durchsetzt. Das letzte oder jüngste Glied der vielgliedrigen
Cyrtida zeichnet sich häufig durch einige besondre, den Abschluss des
Schalenwachsthums andeutende Charaktere aus, namentlicb zieht sich seine
Mündung häufig mehr oder minder eng zusammen, ja schwindet nicht selten
gänzlich, die Formen haben sich geschlossen, wie man sich ausdrückt
(XXX. 8, 22).
Wie schon angedeutet, ist die Gliederzahl der mehrgliedrigen Cyrtida
eine sehr verschiedne und Häckel hat hiernach eine Reihe von Gruppen
unterschieden. Dyocyrtida mit einem Glied (im Gegensatz zu seinen ver-
meintlichen Monocyrtida), Triocyrtida, Tetracyrtida und Stichocyrtida mit
mehr wie drei Gliedern. Ich halte diese Gruppen nicht für natürliche,
schon deshalb nicbt, weil ich nicht einsehie, warum die Zahl der Glieder
in der Gruppe der Stichocyrtida auf einmal unwesentlich werden soll,
während sie bei den übrigen Gruppen das wesentliche Moment der Zu-
sammengehörigkeit bildet. Im Allgemeinen zeigt sich sowohl bei den ein-
gliedrigen wie mehrgliedrigen Cyrtiden eine gewisse Wechselbeziehung
zwischen der Grösse des Köpfchens und der der Glieder ; je ansehnlicher
die Glieder sich entwickeln, desto mehr tritt das Köpfchen nicht nur re-
lativ, sondern auch absolut an Grösse zurück und bei solchen I'ormen,
wo das Köpfchen ein ganz verkümmerter Anbang des einzigen Gliedes
ist, ist dies sehr ansehnlich entwickelt. Im Allgemeinen lässt sich eine
fortschreitende Grössenabnahme des Primärringes und entsprechend natür-
lich auch des Köpfchens, welches sich in seiner Grösse ja genau nach
dem Primärring modelt, von den Stephida ausgehend durch die Zygo-
394 Eadiolaria.
cyrticla zu den Cyrticla verfolgen und iii der grossen Reihe dieser letz-
teren, wie schon hervorgehoben, eine weitere Reduction desselben mit der
CTrössenzunahnie der Glieder nachweisen. Natürlich gilt eine derartige
Kegel immer nur im Grossen und Ganzen und schliesst besondre Ab-
weichungen im Einzelnen nicht aus.
Nachdem wir so die wichtigsten allgemeinen Charaktere der Cyrtida
einer Besprechung unterzogen haben, bleiben noch eine Anzahl unter-
geordneter, jedoch nicht unwichtiger Eigenthümlichkeiten zur weitereu
Betrachtung übrig.
Ein Theil der Cyrtida leitet sich sonder Zweifel von zygocyrtideu-
artigen Formen mit drei ansehnlichen Mündungsstacheln her. Zwischen
diesen ist es zur Ausbildung eines Gitterwerks gekommen, welches die
Wand des ersten Gliedes bildet. Diese AVand kann bei dergleichen For-
men sogar noch unvollständig entwickelt sein, indem sie sich nur wie ein
Gitterband zwischen den peripherischen Enden der drei Stacheln aus-
spannt (XXIX. 8); oder sie wird vollständig und die drei Stacheln er-
scheinen dann wie drei stärkere Rippen der Gitterwand (XXIX. loa).
Bei einer Reihe hierhergehöriger eingliedriger Formen verlängern sich
diese drei ursprünglichen Stacheln mehr oder weniger über den ba-
salen Rand des ersten Gliedes, ragen also als freie Münduugs-
stacheln dieses Gliedes hervor (XXIX. 9). Die Mündung selbst bleibt
dann entweder weit geöffnet oder verengert sich etwas, so dass die Mün-
dangsstacheln dann etwas ausserhalb des eigentlichen Mündungsrandes
ihren Ursprung nehmen. Bei einer Reihe weiterer Formen entwickelt sich
die Wand des ersten Gliedes in der Weise, dass die drei von der Basal-
scheibe des Köpfchens entspringenden Stacheln nicht in sie einbezogen
werden, sondern diese Wand meist ziemlich dicht unterhalb der Grenze
zwischen Köpfchen und erstem Glied durchbrechen und über sie mehr
oder weniger weit frei nach aussen hervorragen (XXX. 1 — 2).
Wie sich die eben erwähnten Formen von dreistacheligen zygo-
cyrtidenartigen Formen herleiten, so ergibt sich für weitere eingliedrige
Cyrtiden eine Ableitung von mehrstacheligen bis vielstacheligen zygocyr-
tidenartigen Formen, indem sich zwischen den Mündungsstacheln eine
Gitterwand ausgebildet hat. Diese Deutung dürfen wir wenigstens
einer Anzahl eingliedriger Formen geben, bei welchen in der Gitter-
wand des ersten Gliedes noch deutlich eine Anzahl stärkerer Rip-
pen hervortreten; vier, fünf, sechs und mehr solcher Rippen werden
zuweilen noch deutlich beobachtet und setzen sich nicht selten stachel-
artig über den Rand des ersten Gliedes fort.
Schliesslich treffen wir auf eine Reihe eingliedriger Typen, welche
sich leicht von solchen zygocyrtidenartigen Formen herleiten, die einen
dichten Kranz zahlreicher Stacheln um die vier Basallöcher aufweisen.
Schon früher mussten wir betonen, dass die Basaltheile der Stacheln dieses
Kranzes zuweilen zu einer gegitterten Lamelle zusammenfliessen. Durch
ein etwas weiter fortgesetztes Verwachsen der Stacheln entsteht dann auch
Skelete der Moiiopylaria (CyrtidaV 395
• in diesem Falle ein erstes Glied, dessen Eulsleliuüg- sich gewülinlicli noch
darin ausspricht, dass seine Mündung von einem reichen Kranz abgeplat-
teter Stacheln umgeben ist, den Fortsetzungen der Stacheln, welche die
Wand des ersten Gliedes erzeugten (XXXI. 5, 6). Weiterhin zeichnen
sich diese Formen uaturgemäss noch durch das Fehlen stärkerer Kippen
in der AVand des ersten Gliedes aus. Solchen Formen schliessen wir nun
weiterhin am besten diejenigen an, bei welchen sowohl Rippenbildung
wie Stachelbildung der Mündung fehlt, da sich eine zienüiche Anzahl
Uebergangsstufen zwischen den ersterwähnten und diesen letzteren findet;
letztere lassen sich ja auch so auffassen, dass die ursprünglichen Bildungs-
stacheln hier bis zu ihren Enden in die Wandbildung aufgegangen seien.
Wie schon aus dem vorstehend Bemerkten hervorgeht, ist die Mannig-
faltigkeit der Gestaltung des einzigen Gliedes der sogen. Dyocyrtida eine
ungemein reiche, wozu sich als Modilication der Gesammtgestalt der Schale
noch die sehr wechselnde Grösse des Köpfchens gesellt. Dasselbe be-
sitzt bei einfachen und ursprünglichen Formen dieser Abtheilung noch
etwa oder nahezu die Grösse des sich anschliessenden Gliedes und sinkt
mit stärkerer Entwicklung dieses letzteren successive bis zu einem ganz
rudimentären, ja schliesslich nicht mehr unterscheid baren Anhang herab.
Sehr mannigfaltig ist auch die Gestaltung des Gliedes der ein-
gliedrigen Formen. Die ursprünglichste Gestaltung ist wohl eine
etwa trichter- bis eiförmige. Nach zwei Richtungen hin verändert
sich diese Gestalt, entweder geht sie durch starke Abflachung und Aus-
breitung in eine sehr flach kegel- bis scheibenförmige über oder durch
starkes Auswachsen in der Längsaxe in eine sehr lauggestreckt kegel-
förmige bis cylindrische. Bei extremer Entwicklung nach der einen oder
der anderen Richtung tritt eine sehr erhebliche Reduction des Köpf-
chens ein.
Einige Worte nun noch über die Entwicklung mehrgliedriger Formen
aus solch eingliedrigen. Meiner Ueberzeugung nach leiten sich die mehr-
gliedrigen Formen von verschiednen Ausgangspunkten aus eingliedrigen
ab, bilden daher in ihrer Gesammtheit keine natürliche Gruppe. So ent-
wickelten sie sich einmal, wie recht deuthch zu erkennen ist, aus ein-
gliedrigen Formen mit dreistacheliger Mündung des ersten Gliedes, indem
sich zwischen den Stachelbasen eine Gitterwand, die Anlage eines zweiten
Gliedes bildete. Dieses zweite Glied kann die drei Stacheln in seine
Wand aufnehmen, so dass dieselben erst an seiner Mündung frei werden
und als Mündungsstacheln mehr oder weniger ansehnlich hervorragen, wie
dies bei zahlreichen hierhergehörigen Formen der Fall ist (XXX. 6, 7, 8,
11—13), oder es wird nur der basale Theil der Stacheln in die Wand
des zweiten Gliedes einbezogen, so dass dieselben also am apicalen Theil
des zweiten frei hervorragen (XXX. 9). In letzteren Fällen ist das zweite
Glied basal wärts mehr oder weniger verengt bis geschlossen. Auch kann
sich dann an dieses zweite Glied noch ein drittes anschliessen (XXX. 10).
Es mag sich weiterhin auch der Fall flnden, worauf einige Formen hin-
396 Radiolaria.
deuten, dass sich ein zweites Glied ohne jede Betheiliguug der drei
Stacheln bildet, wenn diese nämlich schon etwas oberhalb der Mündung
des ersten Gliedes frei werden (XXXI. 2).
In gleicher AVeise scheinen sich nun auch, wie aus den neueren For-
schungen Häckel's hervorgehen dürfte (37), noch mehrgliedrige Formen ent-
wickelt zu haben (drei- und mehrgliedrig), welche theils noch an der
Mündung des letzten Glieds die drei Stacheln aufweisen, theils dieselben
schon von einem der früheren Glieder frei entsenden. Bei einer recht be-
trächtlichen Anzahl vielgliedriger Formen ist jedoch eine Stachelbildung der
Mündung nicht vorhanden, auch fehlt eine solche überhaupt, mit Ausnahme
der Apicalbestachelung des Köpfchens oder einer unregelmässigen, mehr
oder minder gleichmässigen Bedornung der gesammten Oberfläche der Schale
oder gewisser Glieder (XXX. 17—24). Hierher gehören gerade die viel-
gliedrigsten Formen mit Vorliebe. Eine Ableitung dieser Formen lässt
sich in recht verschiedner Weise versuchen und wollen wir es hier nicht
unternehmen, die sich ergebenden Möglichkeiten und Wahrscheinlichkeiten
zu discutiren (vergl. hierüber 38).
Mehrgliedrige Formen leiten sich dann auch in bekannter Weise von
den früher geschilderten eingliedrigen mit vielbestachelter Mündung her
und es verräth sich diese Ableitung wenigstens in einer Reihe von Fällen
noch deutlich dadurch, dass auch die Mündung des Endgliedes solch viel-
gliedriger Cyrtiden noch die ursprüngliche Bestachelung aufweist (XXX. 15,
XXXI. 8).
Eine besondre kurze Besprechung erfordern die sogen. Polycyrtida
Hack. 1862 (= Botrida Hack. 1881), welche Häckel als eine besondre
Familie neben der Familie der eigentlichen Cyrtiden betrachtet und von
seinen Monocyrtida, z. Tb. jedoch vielleicht auch den Zygocyrtida
(= Spyrida Hck. 1881) abzuleiten sucht (37). Eine solche Bedeutung
kann ich den Polycyrtida nicht beilegen; sie bilden, wie ich nachzuweisen
versuchte (38), eine Gruppe, welche sich nicht aus Monocyrtida, die ja
überhaupt nach unsrer Auffassung nicht existiren, auch nicht direct aus
Zygocyrtida, sondern aus gewissen eingliedrigen, dreistacheligen Cyrtiden
in ziemlich einfacher Weise entwickelt haben. Das Eigenthümliche dieser
Polycyrtida, soweit dieselben bis jetzt durch genauere Untersuchungen
verständlich sind, beruht zunächst in einer interessanten Umgestaltung
des Köpfchens. Dasselbe ist in zwei, an Grösse meist etwas verschiedne
Abschnitte, einen vorderen und einen hinteren getheilt, welche auch
äusserlich gewöhnlich durch eine von der Basis des Köpfchens etwas
schief nach hinten aufsteigende, schwache Strictur geschieden erscheinen
(XXX. 3). Die Entstehung dieser beiden Köpfchenabschnitte ist nicht
schwierig zu verfolgen, sie beruht wesentlich auf dem eigenthümlichen
Verhalten der vorderen, zum Apex aufsteigenden Hälfte des Primärringes,
welche sich hier eigenthümlicher Weise etwas schief nach hinten neigt
und weiterhin etwas basalwärts von ihrer Mitte zwei ansehnliche, seit-
liche Fortsätze aussendet, die sich zu den Seitenwandungen des Köpfchens
Skelete der Monopylaria (Cyrtida). 397
begeben uud sich hier verbreitert ansetzen *). Weiterhin falten sich jedoch
die liinterwand des Köpfchens und wohl auch die Seitenwandungen längs
der das Köpfchen umgreifenden Ötrictur etwas ein und die dadurch ent-
standene, einspringende Lamelle verbindet sich mit der geschilderten vor-
deren Ringhälfte und ihren zwei seitlichen Fortsätzen, Durch diese Ver-
einigung der Lamelle mit der vorderen Ringhälfte und ihren seitlichen
Fortsätzen wird nun eine von vier ansehnlichen Löchern durchbrochne
Scheidewand gebildet, welche schief nach hinten geneigt in dem Köpfchen
aufsteigt und dessen vorderen und hinteren Abschnitt scheidet. Der vor-
dere Abschnitt ist grösser wie der hintere und wölbt sich namentlich
apicalwärts über den hinteren empor und trägt hier den häufig vorhand-
nen Apicalstachel. In solcher Weise entstanden die Polycyrtiden mit
zweitheiligem Köpfchen. Bei einigen Formen treten jedoch noch einige
kleine, bruchsackartige Ausbuchtungen der Köpfchenwand an der Grenze
gegen das erste Glied auf (XXX. 5). Die meisten Polycyrtidenformeu
entwickeln nur ein erstes Glied, das offen oder geschlossen erscheint und
zuweilen an seiner oberen Region noch die drei kurzen Stacheln, Basal-
stachelu des Köpfchens, frei hervortretend zeigt. Einige andere dagegen
gesellen hierzu noch ein kleines zweites Glied (XXX. 5).
Den ßeschluss unsrer Betrachtung der Cyrtida möge die Besprechung
einiger morphologischer Eigenthümlichkeiten von untergeordneter Bedeu-
tung bilden. Es wurde schon hervorgehoben, dass sehr häufig ein Apical-
stachel des Köpfchens über der aufsteigenden vorderen Ringhälfte zur
Ausbildung gelangt. Zu diesem gesellt sich jedoch nicht selten noch ein
schief aufsteigender hinterer hinzu, der sich von der Stelle erhebt, wo bei
unvollständiger Ausbildung des Primärrings die basale hintere Hälfte des-
selben in die Hinterwand des Köpfchens übergeht. Zu diesen beiden
Stacheln treten jedoch weiterhin bei einzelnen Formen noch eine grössere
oder geringere Zahl secundärer hinzu oder entwickeln sich wohl auch
zuweilen allein, solche nämlich, die nichts mit dem ursprünglichen Primär-
ring zu thun haben. Auch eine ziemlich gleichmässige Bestachelung oder
Bedoruung des Köpfchens ist zuweilen ausgebildet und ähnlich auch auf
den übrigen Schalengliedern gelegentlick entwickelt. Eine solche Oberflächen-
bestachelung kann durch den Mittelzustand verzweigter Stachelbildungen
oder dadurch, dass sich Kieselfäden zwischen den Stacheln ausspannen,
schliesslich auch zur Bildung eines spongiösen oder spinnwebartigen
Mantels um die eigentliche Schale Veranlassung geben. Eine eigenthüm-
liche Auszeichnung kann das Köpfchen gelegentlich nach Häckel auch
dadurch erhalten, dass sich ein seitlicher Porus rohrenartig verlängert.
Bei einer Anzahl Polycyrtiden soll die Schale dagegen mit ein bis drei
porösen Röhrchen ausgerüstet sein („instructa").
*) Diese beiden seitlichen Fortsätze der vorderen Kinghälfte sind keineswegs besondre,
nur den Polycyrtiden zukommende Bildungen, sondern finden sich sehr ausgciirägt auch bei
den verwandten eingliedrigen, gewöhnlichen Cyrtidformen i^so Litliomelissa z. B.), es tritt je-
doch hier zu ihnen noch ein ahuliclicr dritter, vorderer Fortsat/, hinzu.
39g Radiolaria.
Eine besondre Entwicklung schlagen z. Th. auch die wichtigen
Stachelbildungen ein, welche in Drei- oder Mehrzahl die Mündung um-
stehen, oder sich schon von der AVand eines der Glieder frei erheben.
Gewöhnlich sind dieselben ganz solide und einfach zugespitzt, auch häufig
dreikantig bis dreiblätterig. Doch verzweigen sie sich auch zuweilen
mehr oder weniger reichlich und sind gelegentlich, wie auch der Apical-
stachel, mit zahlreichen Dörnchen besetzt. Merkwürdiger ist, dass ihre
Basis nicht selten eine gegitterte Beschaffenheit annimmt, ja es treten
statt ihrer um die Mündung zuweilen gänzlich gegitterte Anhänge auf,
von welchen es mir jedoch sebr zweifelhaft erscheint, ob sie sämmtlich
auf Umbildungen eigentlicher Stachelanhänge zurückzuführen sind.
Auch die frei von den Gliedern sich erhebenden Stachelanhänge zeigen
bei gewissen Formen eine solch gittrige Umbildung, sie werden dann zu
flügelähnlichen , gegitterten Anhängen der Schale, deren Entstehung aus
den ursprünglich soliden Stacheln in etwas verschiedner, jedoch im allge-
meinen leicht vorstellbarer Weise denkbar ist.
Bemerkenswerth erscheint noch die eigenthümliche Entwicklung,
welche das Endglied gewisser mehrgliedriger Formen nimmt, namentlich
streckt es sich zuweilen stark in die Länge, wird umgekehrt kegelförmig
(XXX. 9), ja wächst zuweilen zu einer langen und engen gegitterten Röhre
aus, welche einer besonderen grösseren Mündung wohl entbehrt (XXXI. 3).
Am Schlüsse unsrer Betrachtung der Monopyleenskelete werfen wir noch
einen Blick auf eine Gruppe, welche erst in neuester Zeit in ihrer Mannig-
faltigkeit erkannt wurde; sie war seither nur durch die einzige Gattung
Plagiacantha Clp. repräsentirt, hat jetzt aber aus der Challengersammlung
reichlichen Zuwachs erhalten (37). Ueber die genetische Beziehung der
Skelete dieser Plagiacanthiden Hertw. (Plectida Hck. 1881) zu denen
der übrigen Monopylaria kann wohl kein Zweifel sein, dagegen ist, wie
schon erwähnt, die Beurtheilung dieser Beziehungen eine sehr verschiedne
gewesen.
Das Plagiacanthidenskelet ist sehr einfach gebaut, besteht aus einer
verschiednen Zahl, ein bis fünf und mehr (bis 20 nach Häckel), meist
ansehnlicher, gerader Kieselstacheln, welche sämmtlich mit ihren centralen
Enden verschmolzen sind und von diesem Centrum so ausstrahlen , dass
sie zusammen den Mantel einer flachen Pyramide bilden (wenigstens ist
dies nach Analogie mit den bis jetzt allein näher bekannten dreistache-
ligen Formen anzunehmen), deren Apex eben der Verschmelzungs- und Aus-
strahlungspunkt der Stacheln ist (XXXI. 17a). Im Apicaltheil dieser Stachel-
pyramide ist die Centralkapsel eingelagert und zwar so, dass ihr Porenfeld
nach dem Apex der Pyramide schaut, resp. demselben dicht angelagert
ist. Die Stacheln sind theils einfach, unverzweigt, theils mit Seitenstacheln
besetzt (ramos. Hack.), welche entweder regelmässig in Längsreihen
(series. Hack.) und häufig auch zu Wirteln auf den Hauptstacheln zu-
sammengestellt sind oder unregelmässiger über dieselben zerstreut stehen.
Die Seitenstacheln nehmen nach der Peripherie der Hauptstaehein an
Skeletc der Monopylaria (Plagiacanthida). 399
Grösse ab. Durcli Verwachsung der Seitenstacheln benachbarter Haupt-
stachehi oder durch Entwickhing sie vereinigender Kieselbrücken kommt es
l)ci einem Theil der Plectiden zur Bildung unregelmässig gegitterter La-
mellen zwischen den Hauptstacheln, so dass eine gegitterte, flach pyra-
midenförmige Schale entsteht, welche einige Aehnlichkeit mit manchen
C} rtidsehaleu besitzt, jedoch im Princip sehr wesentlich von denselben
abweicht und daher auch nicht als Urtypus einer sogen. Monocyrtidschale
betrachtet werden darf. Bei den Cyrtidschalen ist, wie hinreichend her-
vorgehoben wurde, die Köpfchenbildung stets nachweisbar und die charak-
teristische Scheidewandbildung zwischen Köpfchen und erstem Glied stets
ausgeprägt. Weiterhin liegt jedoch auch eine pyramidenförmige eigent-
liche Cyrtidschale stets umgekehrt zur Centralkapsel , d. h. diese wendet
ihr Porenfeld der Mündung oder Basis der Pyramide zu, während dies
bei den Plagiacanthiden umgekehrt nach dem Apex der Schale gerich-
tet ist.
Ich halte aus diesen Gründen , im Verein mit den schon früher gel-
tend gemachten paläontologischen, die Ansicht Häckel's, dass die
Plagiacanthiden die ursprünglichsten Monopyleen seien, für nicht zu-
treffend. Will man von ihnen die Cyrtida, wie Häckel versucht, direct
ableiten, so bereitet die Erklärung der" Hervorbildung des für Cyrtida,
wie die übrigen Monopylaria so charakteristischen Primärrings grosse
Schwierigkeit, ganz abgesehen von einer Reihe weiterer Schwierigkeiten.
Viel natürlicher erscheint es mir daher, die Plagiacanthiden umgekehrt
als eine sehr aberrante Gruppe zu betrachten, welche sich aus einfachen
Stephida durch Rückbildung des eigentlichen Ringes herleiten lässt. Der
Annahme einer solchen Rückbildung dürften um so weniger Bedenken
entgegenstehen, da ja auch die Cyrtiden weitgehende Rückbildungs-
erscheinungen des Köpfchens aufweisen, dessen Grundlage ja ebenfalls
der Ring bildet. Eine einfache dreistachelige Plagiacanthaform würde sich
nach dieser Anschauung etwa von einer einfachen Stephidenform her-
leiten, welche schon die beiden charakteristischen Stabfortsätze e, die
Stäbe nämlich, welche die beiden Basallöcherpaare scheiden, sowie einen
vorderen Stachel als Verlängerung der vorderen basalen Ringhälfte aus-
gebildet hätte. Es sind dies ja die uns bekannten drei charakteristischen
Urstacheln der einfachsten Zygocyrtida und Cyrtida. Durch Rückbildung
des Ringes bis auf seine vordere, basale Hälfte würde sich aus diesem
Skelet das dreistachelige Skelet einer einfachsten Plagiacanthide herleiten,
indem Hand in Hand mit der Verkümmerung des Ringes die drei Stachel-
fortsätze sich ansehnlicher entwickelten.
Geringere Wahrscheinlichkeit scheint mir dagegen die gleichfalls
mögliche Auffassung zu besitzen: eine solche dreistachelige Plagiacau-
thidenform zum Ausgangspunkt der einfachen Ringskelete (Stephida) zu
machen, und den Primärring nachträglich entstehen zu lassen. Die ein-
fachsten Stephidenformen wären dann durch Verkümmerung der drei
Stachelfortsätze des Primärrings entstanden zu denken.
400 KaiUolaria.
Schwierigkeiten bereitet unsrer Auffassung jedoch die Herleitung der
mehr- bis vielstacheligen Plagiacanthidae. Leicht zu erklären sind nur
die vierstacheligen Formen, denn diese lassen sich ohne Schwierigkeiten
durch die Annahme ableiten, dass sich auch noch die hintere basale
Hälfte des Priraärricgs als vierter Stachel erhält und auswächst, ja diese
Formen würden sich daher noch als primitiver wie die dreistacheligen
ergebeu. Die Schwierigkeit erhebt sich aber bei den mehrstacheligen. Wir
wissen ja zwar, dass auch die Zygocyrtida und die Cyrtida sehr häufig
zahlreichere Stacheln um die vier Basallöcher entwickeln, jedoch setzen
sich bekanntlich stets nur die vier primären Stacheln bis zur Vereiniguug
im Centrum der vier Basallöcher, d. h, am Basalpol des Frimärringes
fort, nie dagegen die secundäreu, welche ihren Ursprung von dem Rand
der vierlöcherigen Basalscheibe nehmen.
Um nun die vielstacheligen, bis jetzt noch nicht genauer beschrie-
benen Plagiacanthiden unsrer Auffassung gemäss zu erklären, bieten sich
zwei Wege. Entweder leiten sich die Plagiacanthiden überhaupt doch
vielleicht von etwas höher entwickelten Stephida mit vierlöcheriger Basal-
scheibe, welche jedoch sehr verkümmerte und zusammenschrumpfte, ab,
oder die vielstacheligen Formen entstanden in der Weise, dass sich ein-
zelne oder sämmtliche der drei oder vier ursprünglichen Stacheln dicht
an ihrem Ursprung verzweigten.
Welche dieser Möglichkeiten grössere Wahrscheinlichkeit für sich hat
und ob überhaupt eine derselben zulässig erscheint, wird sich wohl ent-
scheiden lassen, wenn die genauere Beschreibung dieser Plagiacanthiden
vorliegt; vielleicht bieten einige derselben noch Merkmale dar, auf welche
bis jetzt weniger geachtet wurde und die gerade für ihre AbleituDg von
Wichtigkeit sind.
Wir reihen hier endlich noch die Besprechung einer kleinen Gruppe
der Monopyleen an, welche gleichfalls erst neuerdings in ihrer Mannig-
faltigkeit erkannt wurde (37), während seither nur die einzige Gattung
Prismatium Hck. dieselbe repräsentirte. Jetzt hat sich Häckel auch wohl
von der Zugehörigkeit derselben zu den Monopyleen durch Untersuchung
der Cenlralkapsel überzeugt, da dieser Punkt seither noch unerledigt ge-
blieben war. Häckel reiht diese Gruppe als Parastephida unter seine
Stephida ein, sucht sie daher genetisch von den einfacheren Ringskeleten
abzuleiten. Auch ich habe es versucht (38), die Gattung Prismatium in
solcher Weise zu deuten, muss jedoch jetzt gestehen, dass mir nach un-
gefährer Bekanntschaft mit den Charakteren der zahlreichen, von Häckel
neugefundnen Formen dieser Parastephida jener Versuch nicht mehr ge-
rechtfertigt erscheint, ja dass mir die Möglichkeit der Ableitung der
Parastephidenskelete von jenen der Stephida sehr zweifelhaft geworden
ist. Eine kurze Schilderung der typischen Eigenthümlichkeiten dieser
Skelete wird dies wohl erläutern. Ich muss mich hierbei der Darstellungs-
weise Häckel's anschliessen , da, wie bemerkt, nur Prismatium bis jetzt
durch Abbildungen erläutert ist; ich hebe dies ausdrücklich hervor, weil
fiau der Skelcto (Pal-astephicla').
401
mir die Möglichkeit einer etwas abweichenden Auffassung und damit
auch Darstellung nicht ausgeschlossen erscheint. Zuvor sei bemerkt, dass
das Skelet der Parastephida wie ein aus meist wenigen Kieselbälkchen
aufgebautes Gerüst, die in ihm aufgehängte Centralkapsel dicht umgibt.
Nach Häckel's Darstellung setzt sich dieses Skelet nun stets aus
zwei (wohl an Grösse gleichen) Kieselringen zusammen , welche sieh in
paralleler Lagerung gegenüberstehen und durch eine sehr verschiedne
Fig. 7.
Erlvläning des Holzschn. Fig. 7.
Schematisclie Constructionen einiger Ver-
treter der Subfamilie der Parastephida
Kok. (,37) nach den Charakteristiken
Häckel's. Nr. 1-4 Vertreter der wich-
tigsten Typen der Tribus der Paraste-
phanida (1 entspricht etwa Parastepha-
nus Hck., 2 Prismatidium Hck., 3 Litho-
ciibus Hck. und 4 Protympanium Hck.);
Nr. 5 Vertreter der Tribus der Para-
tyinpanida (entspriclit etwa Paratyinpa-
niuni Hck.).
Zahl zwischen ihnen ausgespannter, auf den Ringebenen senkrecht stehen-
der Kieselbalken unter einander vereinigt sind (Holzschn. Fig. 7). Zwei,
drei, vier bis fünf und mehr solcher Kieselbalken spannen sich der Art
in regelmässiger Anordnung zwischen den beiden Ringen aus, so dass die
Abstände ihrer Ursprungsstellen von den Ringen unter sich gleich sind und
sämmtliche Balken natürlich unter einander parallel. Das gesammte Skelet
der Parastephida erweist sich hiernach ziemlich deutlich prismatisch, da
namentlich auch die beiden Ringe, wie es scheint, eine etwas stumpf-
eckige Bildung annehmen, indem die Ursprungsstellen der Kieselbalken
etwas eckig hervorgezogen erscheinen. Die beiden Ringe sind theils
glatt, unbestachelt, theils mit einfachen oder verzweigten Dornen be-
deckt. Schliesslich tritt bei einigen Formen noch die Weiterbildung
hinzu, dass das Lumen der beiden Ringe durch eine Gitterbildung ge-
schlossen wird (Holzchn. Fig. 7, 5).
Wie gesagt, scheint es mir bis jetzt nicht wohl möglich, die sehr
eigenthümlich gebauten Skelete der Parastephiden mit denen der Ste-
phida und den sich nach unsrer Auffassung von ihnen ableitenden For-
men in genetischen Zusammenhang zu bringen. Vielleicht wird jedoch
die zu erwartende genaue Schilderung Häckel's auch für diese Gruppe
den erwünschten Aufschluss geben.
|i i' I) II II , Klassen des 'riiier-Reiclis. Protozoa,
26
402 liadiolaiia.
4. Der Bau des Weichköipers der Radiolaiieii.
Wir eröffnen die Betrachtung des Weichkörpers der Radiolarien mit
der Besprechung eines Organisationsbestandtheils , welcher nach seiner
schon früher erläuterten morphologischen Bedeutung eigentlich unter die
Hüll- oder Skeletgebilde gerechnet werden müsste. Seine innige Verbin-
dung mit dem eigentlichen Weichkörper, ja seine Einlagerung in den-
selben im ausgebildeten Zustand rechtfertigt seine Besprechung an dieser
Stelle.
A. Die (Jen t ralliapsel.
Die allgemeine Verbreitung und Bedeutung der Centralkapsel wurde
schon im Vorhergehenden mehrfach betont. Doch sind in neuerer Zeit
einige Wahrnehmungen gemacht worden, welche, wenn sie sich bestätigen,
die allgemeine Bedeutung der Centralkapsel für den Radiolarienorganis-
mus, wie sie Häckel seiner Zeit betonte, nicht unbeträchtlich ein-
schränken dürften.
Zunächst bemühte sich Hertwig (33) bei einer erwachsenen Acantho-
metree, dem Acanthochiasma rubescens Hck., vergeblich, etwas von einer
Centralkapselmembran zu entdecken und im Anschlüsse hieran bemerkt neuer-
dings Brandt (36), dass bei vielen Acanthometreen eine Centralkapsel nicht
nachweisbar sei. Auch bei einer Anzahl Sphaerozoeen hat Brandt vergeblich
nach einer Centralkapselmembran gesucht und ist der Ansicht, dass sich
dieselbe bei diesen Formen erst mit Beginn der Schwärmerfortpflanzung
hervorbilde. Bis jetzt scheint mir diese Angelegenheit noch nicht hin-
reichend erforscht zu sein. Wie weiter unten noch eingehender erörtert
werden wird, neige ich mich der Ansicht zu, dass eine deutliche Schei-
dung des Plasmas der Radiolarien in zwei ineinander geschachtelte Re-
gionen, welche gewöhnlich durch die Ceutralkapselwand geschieden sind,
höchst wahrscheinlich nur bei Vorhandensein einer solchen Membran zu
Stande kommt. Ich bin daher auch sehr geneigt anzunehmen, dass
wenigstens bei den erwachsenen Sphaerozoeen, wo die beiden Plasma-
regionen stets deutlich zu erkennen sind, auch eine, wenn auch sehr
zarte Centralkapselhaut vorhanden sein dürfte*). Natürlich besprechen
*) Mit dem Mangel oder der Dünne der Kapselwand der Siihaerozoen während ihrer
Jugendzeit steht ohne Zweifel die häufig- recht unregclmässige und mannigfaltig wechselnde
Gestalt der Centralkapseln ihrer Kolonien in Zusammenhang. Schon Häckel (Ki) hat hierauf
hingewiesen und blieb zweifelliaft. ob er die Ursache dieser Erscheimiug einer Con-
tractilität der Kapseln oder der Wirkung des umgebenden Plasmas zuschreiben sollte.
Später haben Cienkowsky und namentlich Brandt dieses Verhalten wieder betont und letzterer
erblickt iu der sehr unregelmässigeu , z. Th. sogar in spitzige oder zackige Fortsätze ausge-
zogenen Gestalt der Centralkapseln einen Beweis ihrer Membranlosigkeit. Ich glaul)e, dass
eine solche Gestaltsveränderlichkeit auch bei Gegenwart einer zarten Membran bis zu gewis-
sem Grade nicht ausgeschlossen sein dürfte. Wie Brandt möchte auch ich die wechselnden
Gestaltsverhäitnisse der Kapseln einer Actirität ihres Plasmas zuschreiben, nicht dagegen einer
directen Wirkung ihrer Umgebung.
Centralkapsel (Allgoinoiner Bau). 403
wir in diesem Abschuitt nur die Kapsel in engerem Sinne, nicht dagegen
ihren Inhalt. Morphologisch betrachten wir mit Hertwig die Centralkapsel
als ein der Rhizopodenschale entsprechendes Schalenliäutchen, das jedoch
in seinem feineren Aufbau wesentliche Eigenthümliclikeiten verräth, wenn
auch nicht so abweichende, um die betoute Homologisirung unmöglich zu
machen. Auch Hiickel nähert sich neuerdings dieser Auffassung der
Centralkapselhaut (34, 37), indem er sie als Zellmembran bezeichnet,
eine Anschauung, mit der die unsrige im Wesentlichen übereinstimmt.
Die Centralkapsel der Eadiolarien wird von einer einfachen oder doj)-
pelten Haut gebildet, deren chemische Natur sich ohne Zweifel der Reihe
stickstoffhaltiger, resistenter, thierischer Abscheidungsprodukte anschliesst,
welche sich um das sogen. Chitin gruppiren. Es zeichnet sich daher auch
die Centralkapselwand durch ihre verhältnissmässige Resistenz gegen
chemische Reagentien, stärkere Säuren und Alkalien, aus und lässt sich
mit deren Hülfe z. Th. auch deutlicher zur Ansicht bringen.
Diese Centralkapselwand umschliesst allseitig einen centralen Theil
des protoplasmatischen Weichkörpers, jedoch erleidet die im jugendlichen
Zustand ohne Zweifel ganz allgemeine centrale Lagerung der Kapsel im
Alter zuweilen eine gewisse Verschiebung durch einseitiges Weiterwachs-
thum des Körpers. Hinsichtlich ihrer Beziehung zu den eigentlichen
Skelettheilen ist hervorzuheben, dass letztere theils ganz ausserhalb der
Kapsel, sie umschliessend, ihre Lage finden, theils jedoch auch mit ihren
centralen Partien in dieselbe eingelagert sind, ja dass bei einer Anzahl
Radiolarien die Centralkapsel sogar die Hauptmasse des Skelets in sich
aufnimmt.
Die Grösse der Kapsel richtet sich natürlich im Allgemeinen 'nach
der Grösse der Thiere, doch zeigen sich auch bedeutende Schwankungen
ihres Volums im Vergleich zu dem des Thierkörpers. Bei solchen Formen
wie den Disciden und Spongodisciden, wo die Kapsel nahezu das ge-
sanimte Skelet einschliesst, ist sie auch relativ sehr gross. Bei anderen
hingegen, wo sie nur einen kleinen Theil des centralen Skelets umhüllt
oder letzteres sich ganz nach aussen von ihr entwickelt, tritt sie im All-
o-emeinen mehr zurück. Am meisten ist dies vielleicht der Fall bei
grossen Phaeodarien (Coelothamnus z. B.). Die bedeutendste absolute
Grösse erreicht die Kapsel bei den CoUiden, 2 Mm. Durchmesser bei
Thalassolampe, 5 Mm. sogar bei Physematium.
Wie schon früher erörtert wurde, betrachten wir mit Hertwig die
homaxone oder kugelförmige Gestaltung der Centralkapsel als die ur-
sprünglichste. Dieselbe ist denn auch noch bei zahlreichen Peripylarien
erhalten, so bei Colliden und Sphaerozoeen, wie regulären Acanthometreen
und regulären Sphaerideen. Hand in Hand mit den Modificationen der
Skeletbildung modificirt sich jedoch auch die Gestalt der Kapsel, in-
dem dieselbe im Allgemeinen die Grundgestalt des Skelets nachahmt.
Welches Moment hierbei das maassgebende ist, ob die Kapsel sich nach
dem Skelet richtet, oder letzteres nach dieser, oder ob ein gemeinsames
26*
404 ßadiolaiia.
Drittes auf beide bestimmend einwirkt, lässt sich zur Stunde wolil noch
nicht sicher entscheiden.
Unter den Acanthometreen wird die reguläre Kugelgestalt der Kapsel
durch die stärkere Entwickhing gewisser Stacheln modificirt; durch Aus-
wachsen der vier Aequatorialstacheln entwickelt auch sie sich in der
Aequatorialebne stärker und plattet sich daher etwas ab, wächst auch
entsprechend den vier Aequatorialstacheln stärker aus und nimmt einen
(quadratischen bis rhombischen Umriss an (Acanthostaurus z. Th.) oder
bildet vier den Stacheln entsprechende Lappen (Acanthostaurus z. Th.,
Lithoptera, XXVII. 10). Besondre Verlängerung zweier gegenständiger
Aequatorialstacheln ruft auch eine entsprechende Längsstreckung der
Kapsel hervor , die zunächst elliptisch , schliesslich sogar walzenförmig
wird (Amphilonche, XXVIL 7) und entweder eine mittlere Anschwellung
oder eine entsprechende Einschnürung aufweist (Amphilonche z. Th. und
Diploconus, XXVII. 11). Bei Amphilonche wird die langgestreckte Kapsel
gelegentlich auch längskantig, in Zusammenhang mit der kantigen Bil-
dung der beiden Hauptstachcln. Wie zu erwarten, ist bei dem merkAvür-
digen Litholophus Rhipidium Hck. (XXVIII. 1) auch die Centralkapsel
dem Skelet entsprechend modificirt.
Bei den gitterkugligen Dorataspiden unter den Acanthometreen und
bei den Sphaerideen stimmt die Gestalt der Kapsel überein mit der all-
gemeinen Skeletgestalt, wird demnach auch bei gewissen Dorataspiden
mit ellipsoidischer Gitterschale ellipsoidisch (XXVIII. 6) und macht alle
die Wandlungen der Skeletgestalt mit, welche die irregulären Sphaerideen
darbieten. Bei den Phacodisciden nimmt die Centralkapsel daher eine
linsenförmig abgeplattete Gestalt an. Bei den Disciden und Spongodis-
ciden dagegen, wo das Skelet, wie erwähnt, nahezu völlig in der Central-
kapsel eingeschlossen ist, wird sie scheibenförmig und geht natürlich auch
in die Bildung der armartigen Fortsätze der Cocco-, Poro- und Spongo-
discidae ein. Auch bei den Zygartida richtet sich die Centralkapselbildung
nach der Skeletgestalt, jedoch ist über diese Gruppe bis jetzt nur wenig
bekannt und dies gilt noch mehr von den Pylonidae und Lithelida.
Bei allen besprochnen Abtheilungen der Peripylaria , deren Central-
kapselbildung sich auf einen ursprünglich homaxonen Grundtypus zu-
rückführen lässt, prägt sich dieser auch in der feineren Beschaffenheit
der Centralkapselwand aus. Dieselbe entbehrt nämlich durchaus grösserer
Durchbrechungen oder Oeffnungen , sondern ist wohl allgemein von sehr
zahlreichen, dicht stehenden und sehr feinen Porenkanälchen durchsetzt.
Doch sind bis jetzt solche Porenkanälchen nur bei wenigen Peripylaria
direct beobachtet worden, solchen nämlich, bei welchen die Centralkapsel-
wand eine beträchtlichere Dicke erreicht, wie bei einem Theil der
Colliden und der Sphaerozoeen. Nur bei den ebengenannten er-
reicht nämlich die Kapselwand eine solche Dicke, dass sie deutlich
doppelt contourirt erscheint (bei Thalassicolla bis 0,003 Mm,), während
Centralkapsel (Peripylaria, Monopylaria). 405
sie bei den librigen Peripylaiien fast durchaus einfach eontouiirt ist.
Bei Flächeubetrachtuiig erscheint die Centralkapselmembran der ersterwähn-
ten Formen häutig deutlicli fein pnnktirt; im optischen oder wirklichen
Schnitt dagegen lein radiär gestrichelt (XVII. 4c — d). Dieses Aussehen der
Centralkapselwand, im Verein mit der Erfahrung, dass das Hervortreten
von Protoplasma durch die Kapselwand bei ThalassicoUa thatsächlich zu
constatiren ist, lässt wohl keine andre Deutung wie die gegebne zu.
Nach diesen Erfahrungen erscheint es nicht ungerechtfertigt, eine
entsprechende, allseitig gleichmässige, jedoch sehr feine Porosität den
Peripylarien überhaupt zuzuschreiben, was noch dadurch unterstützt wird,
dass Hertwig (33) bei den Acanthometriden thatsächlich feine, in Strö-
mung begriffne Protoplasmakörnchen durch die Centralkapselmembran
hindurchtreten sah.
Wir erwähnen an dieser Stelle gleich, dass die dicke Kapselmembran
der ThalassicoUa nucleata eine polygonal -gefelderte Zeichnung darbietet,
welche nach Hertwig (28) von leistenförmigen Erhebungen auf der Innen-
fläche der Membran herrührt (XVII. 4 c).
Durchaus monaxon umgestaltet erscheint die Centralkapsel der Mono-
pylaria, in Zusammenhang mit der Skeletentwicklung dieser Formen.
Dies spricht sich einerseits darin aus, dass die Gestaltung der Kapsel bei
den einfacheren Formen häufig eine deutlich ellipsoidische wird (auch
schon bei Cystidium, der einzigen bis jetzt bekannten skeletlosen Form)
und eine derartige Gestaltung ist bei den Monopylaria wohl sicherlich die
ursprüngliche, an welcher sich jedoch eine Reihe wesentlicher Modifica-
tionen mit der Weiterentwicklung des Skelets einstellen.
Der monaxone Typus der Monopylarien- Centralkapsel gelangt je-
doch speciell noch dadurch zur Ausprägung, dass die Communieations-
öifnungen oder Poren hier auf den basalen Pol beschränkt sind, welchen
sie in Gestalt eines sogen. Porenfeldes bedecken, wie dies zuerst von
Hertwig (33) nachgewiesen wurde.
So sicher es nun einerseits auch erscheint, dass die Communications-
öffnungen in der Centralkapselwand der Monopylaria auf dieses basale,
sogen. Porenfeld beschränkt sind, so ist dessen Bau doch noch keines-
wegs hinreichend aufgeklärt. Bei den einfacher gestalteten, kugligen
bis ellipsoidischen Kapseln der Stephida und Zygocyrtida ist der basale,
vom Porenfeld eingenommene Pol der Kapsel gewöhnlich etwas flach ab-
gestutzt und das so gebildete Poreufeld zeichnet sich nun namentlich da-
durch aus, dass sich in seiner Ausdehnung eine bei den verschiednen
Formen wechselnde Anzahl kleiner, stäbchenartiger, dunkler Gebilde an-
scheinend iu die Wand der Kapsel eingelagert finden (XXVIII. 8, 9, 9 a,
XXIX. 9). Diese Stäbchen stehen stets senkrecht zur Porenfeldfläche
und lärben sich ganz allgemein mit Carmin sehr intensiv. Ihre An-
ordnung im Porenfeld ist verschieden, theils sind sie über die gesammte
Fläche desselben zerstreut, theils dagegen bilden sie nur einen ein-
fachen Kranz in dessen Peripherie; bei einer Form Hess sich auch die
406 Eadiolaria.
eigeuthümliche Anordnung zu drei sich central berührenden Kränzen nach-
weisen. Besonders ansehnlich sind diese Stäbchen bei der eigenthiimlichen
Gatt. Trictyopus ausgebildet, ragen hier zäpfchenartig über die Fläche
des Porenfeldes äusserlich ein wenig hervor und ihr peripherisches Ende
nimmt bei erwachsenen Thieren eine etwas dreizackige Beschaöenheit an.
"^ Hertwig fasst diese Stäbchen als verdickte Partien der Kapselniem-
bran auf, welche von einem feinen Kanal, dem eigentlichen Porus durch-
bohrt würden. Für letztere Annahme spricht namentlich die Beobachtung,
dass bei gewissen Formen feine extrakapsuläre Protoplasmaströmchen
von den einzelnen Stäbchen entspringen. Dagegen finden sich jedoch
auch einige Thatsachen, welche nach meiner Ansicht einer solchen
Auffassung Schwierigkeiten bereiten, so namentlich die im Verhalten
gegen Färbemittel sich aussprechende, eigenthtimliche chemische Be-
schatfenheit der Stäbchen und weiterhin das von Hertwig bei Eucyrtidium
beobachtete Verhalten derselben zur extrakapsulären Sarkode. Wurde
nämlich letztere von der Centralkapsel abgelöst, so blieben die Stäbchen
an ihr haften.
Zu diesem sogen. Porenfeld gesellt sich jedoch noch ein weiteres
sehr eigenthümliches Structurelement hinzu, welches wir nach Hertwig
ebenfalls als Bestandtheil der Kapselwand zu betrachten hätten. Dies ist
der sogen. Pseudopodienkegel; ein heller, kegelförmig zugespitzter Auf-
satz, welcher sich über dem Poreufeld als Basis mehr oder weniger tief
in das Innre der Centralkapsel hinein erhebt. Dieser Pseudopodienkegel
reicht theils bis etwa zum Centrum der Kapsel, theils jedoch noch be-
trächtlich über dasselbe hinaus bis zum Apicalpol der Kapsel heran. Ge-
wöhnlich besitzt er die Gestalt eines geraden, regulären Kegels, zuweilen
wird er jedoch auch zu einem schiefen. In seiner Substanz bemerkt
man zarte Linien, welche von der Spitze zu den Stäbchen des
Porenfelds ziehen und die Kegelspitze tritt z. Th. sehr deutlich als ein
aus homogener Masse gebildetes, besonderes Stück hervor, theils je-
doch gibt sie sich durch ihre intensive Färbung in Carmin, ähnlich wie
die Stäbchen des Porenfeldes, als etwas Besonderes zu erkennen. Hertwig,
der erste Beobachter aller dieser Verhältnisse, sucht für dieselben folgende
Deutung geltend zu macheu, welche er hauptsächlich darauf stützt, dass
sich der Pseudopodienkegel, ebenso wie die Stäbchen des Porenfeldes,
gegen die Einwirkung von Alkalien widerstandsfähig erweisen und daher
wohl ähnlicher Natur seien wie die Kapselmembran. Der Pseudopodien-
kegel wäre nach ihm aufzufassen als eine von zarten Kanälen, den
Fortsetzungen der Porenkanäle der Stäbchen, durcbzogne Erhebung der
Kapselwand; durch die erwähnten Kanäle, welche auf der Kegelspitze
sich öffnen sollen, würde das intrakapsuläre Protoplasma seinen Aus-
gang finden und schliesslich aus den Poren der Stäbchen hervortreten.
Ich möchte schon bei dieser Gelegenheit andeuten, dass mir diese
Auffassung des Pseudopodienkegels bis jetzt noch ziemUch unsicher er-
Ceutralkapscl iMonopylaria). 407
scheint; ich halte es nämlich nicht für unmöglich, dass der gesammte
Pseudopodienkegel doch vielleicht eine rein plasmatische Bildung ist und
mit einer eigenthümlichen Axent'ädenbilduug der Pseudopodien in Zu-
sammenhang steht, wie sie ja auch die Kadiolarien z. Th. besitzen. Doch
darüber wird erst bei der Besprechung der Pseudoi)odien Näheres zu be-
merken sein, nur dürfte hier noch hervorgehoben werden, dass der Pseudo-
podienkegel nach Hertwig's Beobachtungen thatsächlich einen innigeren.
Zusammenhang mit dem intrakapsulären Plasma als mit der Kapselwand
zeigt, da er nämlich mit dem ersteren in Zusammenhang bleibt, wenn es
sich durch Einwirkung von Keagentien von der Kapselwand zurückzieht.
Eine Reihe sehr interessanter Umgestaltungen erleidet die Central-
kapsel bei den Zygocyrtida und namentlich bei den Cyrtida. Bei ersteren
füllt sie, wie zu erwarten war, den Hohlraum der Schale nahezu völlig
aus und nimmt daher auch gewöhnlich, entsprechend deren Form, eine
querovale Gestaltung an, z, Th. mit mittlerer, durch den Primärring be-
dingter Einschnürung. In entsprechender Weise erfüllt die Centralkapsel
der Cyrtida ursprünglich allein das der Zygocyrtidenschale entsprechende
sogen. Köpfchen. Ein solches Verhalten bleibt denn auch bei einer Reihe
eingliedriger Cyrtidenformen mit ansehnlichem Köpfchen und gering ent-
wickeltem erstem Gliede noch erhalten und findet sich in gleicher Weise
auch bei den Jugendformen der übrigen, ja ohne Zweifel denen sämmtlicher
Cyrtida realisirt (XXIX. 19). Bei den höher entwickelten Formen dagegen
mit geringer ausgebildetem Köpfchen und stärker entwickelten Gliedern ver-
grössert sich die im Köpfchen anfänglich hinreichenden Platz findende
Centralkapsel beim Weiterwachsthum sehr ansehnlich und wächst, da ja
das Lumen des Köpfchens selbst nicht an Grösse zunimmt, durch
dessen Basallöcher in das folgende erste Glied oder bei den mehr-
gliedrigen Formen auch noch in weitere Glieder hinein. Dieses Durch-
wachsen geschieht gewöhnlich nur durch die vier ansehnlichen Basal-
löcher der sogen. Scheidewand zwischen Köpfchen und erstem Glied, indem
sich durch jedes Loch ein mehr oder minder ansehnlicher, zipfel- bis bruch-
sackartiger Auswuchs der Kapsel verschieden tief in das erste oder bis in fol-
gende Glieder hinein erstreckt (XXIX. 11, 13b, 14a; XXX. 19). Bei einigen
Formen gelangen jedoch nur drei solcher Bruchsäcke zur Ausbildung, was
einigermaassen überraschend ist, da alle diese dreigelappten Formen ohne
Zweifel vier Basallöcher besitzen ; für einige ist dies ganz direct constatirt.
Die Ursache dieser Dreilappigkeit der Centralkapsel könnte unter solchen
Umständen eine verschiedene sein; entweder unterbleibt der Durchtritt
durch eines der Löcher und kommt so ein Lappen weniger zur Ausbildung,
oder es findet eine nachträgliche Verschmelzung zweier Lappen statt,
was nach den Erfahrungen bei den Sphaerideen nicht unmöglich erscheinen
dürfte. Mir scheint letztere Annahme mehr für sich zu haben, und ich
bin geneigt, bei den dreilappigen Formen eine nachträgliche Verschmel-
zung der beiden durch das hintere Löcherpaar (1) hervorgetretnen Lappen
anzunehmen, da der Stab c, welcher diese beiden Löcher scheidet, häufig
4Qg Eadiolaria.
sehr zart ist und daher eine solche Verschmelzung- wohl begünstigt.
Immerhin bedürfen diese Verhältnisse noch eingehenderer Untersuchung.
Unter Umständen wird jedoch die Lapjjenzahl auch grösser wie vier ;
es treten dann nämlich (Carpocanium, XXX. 13 a, b) im Umkreis der vier
Hauptlappen noch einige secundäre, kleinere auf. Dies erklärt sich leicht
dadurch, dass die Köpfchenbasis (die Scheidewand zwischen Köpfchen und
erstem Glied) im Umkreis der vier Basallöcher häufig noch eine Anzahl
kleinerer Poren aufweist, welche demnach zuweilen ebenfalls zu Fortsatz-
bilduugen der Centralkapsel Veranlassung geben.
Auch die bis jetzt genauer untersuchten sogen. Monocyrtiden Häckel's
besitzen fast durchaus eine deutlich gelappte Centralkapsel, was beweist,
dass auch sie eine Scheidewand haben, und die von Hertwig und mir
versuchte Ableitung dieser Formen bestätigt. Bei sehr starker Verküm-
merung des Köpfchens, wie sie eine Reihe solcher Formen, so Litharach-
nium Hck. und Cornutella, aufweisen, kann natürlich nur ein äusserst
kleiner Theil der Centralkapsel in dem Köpfchen eingelagert sein. Auch
ist es zweifelhaft, ob sich hier die Lappenbildung der Centralkapsel noch
erhält. Bei Litharachnium blieb Häckel zweifelhaft, ob die tiet ins erste
Glied herabreichende birnförmige Centralkapsel gelappt ist oder nicht.
Das letztere wäre nicht sehr erstaunlich, da bei dieser und verwandten
Formen mit sehr minutiöser Scheidewand eine nachträgliche Verschmel-
zung der Lappen leicht eintreten könnte. Bei Cornutella*) ist die Scheide-
wand dagegen z. Th. ganz rückgebildet worden und der Grund zur
Lappenbildung der Centralkapsel also weggefallen. Bis jetzt sind keine
solche Cornutellaformen oder Verwandte mit Centralkapsel beschrieben
worden, doch lässt sich wohl auch so schon behaupten, dass dieselben
wieder eine einfache, ungelappte Centralkapsel aufweisen werden. Es
liegt bis jetzt überhaupt nur die Beschreibung einer einzigen, wohl siche-
ren Cyrtidenform mit ovaler, ansehnlicher, ungelappter Centralkapsel vor,
nämlich die des Trictyopus elegans von Hertwig (33), doch fehlt für die Beur-
theilung dieser Form gerade der wichtigste Anhaltepunkt, indem der apicale
Theil des Skelets bei den beobachteten Exemplaren abgebrochen war.
Das lappige Auswachsen des Basaltheils der Cyrtidenkapsel muss
naturgemäss auf die Entwicklung des am Basalpol gelegenen Poren-
felds einen sehr wesentlich umgestaltenden Einfluss ausüben. Dies tritt
denn auch deutlich hervor, nur ist die Beobachtung dieser Verhältnisse
damit auch schwieriger geworden. Es sind wesentlich die geschilderten
Stäbchen des Porenfeldes, welche zur Beobachtung gelangten und z. Th.
recht interessante Stellungsverhältnisse aufwiesen (Hertwig 33).
Bei schwächerer Entwicklung der drei oder vier Lappen behaupten
diese Stäbchen noch ihren ursprünglichen Platz an der Basis der Central-
kapsel zwischen den Ursprüngen der Lappen. Bei stärkerer Lappen-
entwicklung rücken die Stäbchen jedoch auf die Lappen selbst und zwar
^) Diese Gattung in der ihr von mir gegebnen Umgrenzung (s. Nr. 38).
Centralkapsel (Moiiopylaria, Phaeodaria). 409
uatürlich die iixialen einander zugekelirten Lappeniiäclieu, indem sie sich
bald mehr in Form einer Gruppe am apicalen oder basalen Theil der
Lappen zusammengestellt linden, oder bei sehr ansehnlich langen Lappen
in Gestalt eines Stäbchenbandes längs der Innenfläche jedes Lappens herab-
ziehen (XXX. 19). Von einem deutlichen Pseudopodienkegel war bei diesen
Ausbilduugszuständen der Kapsel nichts mehr zu sehen ; jedoch traten zu-
weilen noch ziemlich deutlich zarte I.,inien hervor, welche von den Stäb-
chen entsprangen und nach dem Apex der Centralkapsel hinzogen.
Die Centralkapselwand der Monopylaria ist bisweilen ziemlich derb
und deutlich doppelt contourirt.
Ein dritter sehr bemerkenswerther Typus der Centralkapselbildung ist
den sogen. Phaeodaria (Tripylea Hertwig's) eigenthümlich und wurde
gleichfalls zuerst durch die Untersuchungen Hertwig's (33) bekannt.
Zunächst zeichnen sich die Centralkapseln dieser Abtheilung vor den-
jenigen sämmtlicher übriger Kadiolarien dadurch aus, dass ihre Wand aus
zwei trennbaren Häuten besteht, einer ziemlich dicken und deutlich doppelt
contourirteu äusseren und einer zarten inneren (XXXII. 9). Beide Häute sind
im lebenden Zustand dicht aufeinandergelagert und daher nicht leicht zu
unterscheiden ; durch Anwendung von Reagentien jedoch, welche das intra-
kapsuläre Plasma zur Gerinnung und Schrumpfung bringen , löst sich
auch die innere Haut von der äusseren ab und zieht sich, dem Plasma
anhaftend, von der äusseren zurück. Erstere erscheint dann als ein zar-
tes zerknittertes Häutchen, welches die Oberfläche des Plasmas tiberkleidet
und gewöhnlich mit der äusseren Haut nur noch an den gleich zu schil-
dernden Oeffnungen in Zusammenhang steht.
Ein weiterer eigenthümlicher Charakter der Centralkapseln der Phaeo-
darien liegt darin, dass nicht zahlreiche feine Poren ihr Lumen mit der Aussen-
welt in Verbindung setzen, sondern dass sich zu diesem Behufe grössere
Oeffnungen in verschiedner Zahl vorfinden. Bei den meisten Phaeodarien
scheinen drei solcher Oeffnungen vorhanden zu sein, was auch ihren Ent-
decker Hertwig veranlasste, der zuerst von ihm richtig unterschiednen
Gruppe den Namen Tripyleae zu geben. Da ferner nur der Central-
kapselbau solch tripyler Formen bis jetzt genauer erforscht ist, so
machen wir deren Schilderung zur Grundlage nnsrer Darstellung und
schliessen derselben nur wenige Worte über die abweichenden Formen an.
Die tripyle Centralkapsel erscheint wie die der Phaeodarien über-
haupt nahezu kuglig, jedoch gewöhnlich schwach längsgestreckt bis linsen-
förmig. Ihre drei Oeffnungen sind nicht gleich gebaut, sondern wir unter-
scheiden eine Haupt- und zwei Nebenöönungen. Die Hauptöfifnung (o^) nimmt
den Mittelpunkt einer der etwas abgeplatteten Flächen ein, während die
beiden Nebenöffnungen (o) sich auf der entgegenstehenden Abplattungsfläche
in gleichen Entfernungen von deren Centrum befinden. Die tripyle Cen-
tralkapsel zeigt demnach eine deutlich monaxone Ausbildung, mit einer
Hauptaxe, welche durch die Hauptöfifnung geht. Diese Hauptöffnung er-
hebt sich als eine kürzere oder längere Röhre auf einem uhrglasförmig
410 Kadiolaria.
(»der briistwarzenartig hervorgevvölbtem Feld der Centralkapselwand. Die
Röhre selbst wird nur von der äusseren Haut gebildet, während die innere
Membran unterhalb der beschriebenen Hervorwölbung, welche die Röhre
trägt, eine radiärstreifige Beschaffenheit zeigt.
Die beiden Nebenöffnungen (XXXH. 8 d) werden zunächst gebildet von
einer niedrigen, röhrigen Erhebung der äusseren Haut, etwa von Gestalt eines
kurzen Flaschenhalses. Vom Mündungsrand dieses Aufsatzes schlägt sich
die ihn bildende äussere Haut wieder nach innen zurück und verwächst
am Boden des Aufsatzes mit der inneren Haut. Dieser Verwachsungs-
ring erhebt sich nun als hohler Kegel in den Aufsatz empor und seine
geöftnete Spitze bildet die eigentliche OefiPnuug. Nach innen von der Basis
dieses Kegels lagert sich eine halbkuglig ins Lumen der Kapsel vorsprin-
gende, homogene und in Carmin sich meist stark färbende Masse an,
welche gegen das intrakapsuläre Protoplasma scharf abgegrenzt erscheint,
lieber die Bedeutung der letzterwähnten Masse liegen bis jetzt noch keine
Daten vor.
Die neueren Untersuchungen Häckel's über die Phaeodarien des
Challenger (34) haben jedoch ergeben, dass, wie schon erwähnt, die tri-
pyle Beschaffenheit der Centralkapsel bei dieser Gruppe nicht durchaus
herrschend ist. Häckel fand Formen mit nur einer Oeftuung (wahrschein-
lich der Hauptöffnung der Tripylea entsprechend), weiterhin solche mit
zwei gegenständigen Oeffnungen und schliesslich auch zahlreicheren Oefl-
nungen in regelmässigerer oder unregelmässiger Vertheilung. Wie sich
bei letzteren das Verhältniss zwischen Haupt- und Nebenöffhungen ge-
staltet, und ob sich solche überhaupt unterscheiden lassen, geht aus der
kurzen Mittheilung nicht hervor.
Die monaxone Gestaltung der Centralkapsel, welche natürlich auch
bei den Formen mit einer oder zwei Oeffnungen sehr deutlich ist, soll
nach Häckel zuweilen auch in eine bilateral symmetrische übergehen,
doch fehlt bis jetzt Genaueres über das Zustandekommen dieser Bi-
lateralität.
B. Das intrakapsuläre Plasma mit seinen Einschlüssen.
Die allgemeine Beschaffenheit des Radiolarienplasmas bietet keine
besondern betraehtens-werthen Eigenthümlichkeiten dar. Auch hier ist
dasselbe eine zähschleimige Masse, welche gewöhnlich durchaus feinkörnig
erscheint. Die Natur dieser feinen Körneluug, welche sich z. Th. wenig-
stens sicher auf feinste Fett- oder Eiweisskörnchen zurückführen lässt,
bedarf, wie dies für das Plasma überhaupt der Fall ist, noch weiterer
Aufklärung.
Obgleich das Plasma der Radiolarien in seiner Gesammtheit eine
einheitliche Masse darstellt, da nach unsrer Auffassung der extrakapsuläre
Antheil desselben mit dem intrakapsulären in innigem, directem Zusammen-
hange steht, nur als ein aus der Centralkapsel hervorgedrungner Theil
des letzteren zu betrachten ist, so dürfte es sich doch im Interesse der
I
liitra!>a)isiil. Plasma (l\ai1iitn' Stroifiiiij;'). 411
Darstelluüg- euipfehleu, die beiden durch die Ceiitralkapselwand gescliied-
nen Tlieile des Weiebkörpers gesondert zu besprecbcn. Ein Vcrgleicb
der Radiolarieu mit den Abtheiliingen der Rbizopoden und Heliozoen kann
leicht die Anschauung- erwecken, dass extrakapsuläres und intrakapsu-
läres Plasma dem Ecto- und Entosark, welches bei einem Theil der letz-
tere nunterscheidbar sind, bomologisirt werden dürften. (Wallich |17| suchte
eine solche Unterscheidung von Ecto- und Entosark auch für seine un-
haltbare, einen Theil der ßadiolarien eiuschliessende Gruppe der Protoder-
mata durchzuführen. Sein Entosark scheint mir der Centralkai)selinhalt
zu sein, sein Ectosark dagegen hauptsächlich die Centralkapselwand-)
Eine derartige Honiologisirung scheint jedoch wenig gerechtfertigt, da
ja auch das aus der Schale hervorgedrungne Plasma gewisser mariner
Rhizopoda keinen Anspruch auf die Bezeichnung Ectosark besitzt. Wie
bei den marinen Rhizopoda ist auch bei den Radiolaria im Allgemeinen
keine Ditferenzirung solcher Plasmazonen entwickelt, wenn wir nicht in
gewissen Ausbildungsverhältnissen des plasmatischen Kapselinhalts bei
einigen Formen eine Andeutung zweier derartiger Plasmaregionen erkennen
wollen ■■•').
a. Das iiitrakapsulärc Plasma.
Dasselbe zeigt seiner allgemeinen Beschaffenheit nach keine Ver-
schiedenheiten von dem extrakapsulären und füllt fast durchweg die Kap-
sel vollständig aus. Nur von den Acanthometriden hebt Hertwig hervor,
dass das intrakapsuläre Plasma häufig durch einen schmalen, wahrschein-
lich mit Flüssigkeit erfüllten Spaltraum von der Kapselwand getrennt sei,
wonach also in diesem Fall die Erfüllung keine vollständige wäre.
Die Quantität des intrakapsulären Plasmas steht natürlich in um-
gekehrten Verhältniss zu der Menge seiner Einschlüsse, sind diese sehr
zahlreich und ansehnlich, so erscheint es nur wie eine sie verbindende
Matrix.
Bei den Peripylarieu zeigt dieser Theil des Plasmakörpers sehr ge-
wöhnlich eine vom Centrum der Kapsel ausstrahlende Radiärstreifung,
welche schon Häckel vielfach beobachtete und die später von Hertwig (33)
genauer studirt worden ist. Zum Theil mag diese Radiärstreifuug nur
auf einer radiären Anordnung der feinen Plasmakörnchen beruhen, ver-
gleichbar also mit dem sogen. Strahlungsphänomen sich theilender Zellen.
Gewöhnlich zeigt sich jedoch noch eine weitergehende Ditferenzirung des
Plasmas, welche sich etwa in folgender Weise beschreiben lässt. Das-
selbe hat sich in eine grössere oder kleinere Zahl radiärer, parallelopipe-
discher, peripherisch sich verbreiternder Stücke von feinkörniger Beschaffen-
heit gesondert, welche durch zarte, nichtkörnige Zwischensubstanz geschieden
werden (XVII. 4d, XX. 5 b). Die Körnchen der keilförmigen Plasmastücke
zeigen auch häufig eine deutlich radiärstrahlige Anordnung. Da die keil-
*) Vergl. hierüber jedoch auch weiter nuten in dem Abschuitt liber das extrakapsuläre
Plasma.
412 Kadiolaha.
förniigen, feinkörnigeu Plasmastücke im Querschnitt einen polygonalen
Umiiss besitzen, so bietet der Centralkapselinhalt in der Flächenansicht
oder ein tangentialer Schnitt desselben ein zellgewebartiges Bild dar.
Durch Zerzupfen gelingt es sogar nicht selten, die geschilderten Plasma-
stücke zu isoliren.
Die soeben hervorgehobne Beschaffenheit des Centralkapselplasmas
der Peripylarien lässt sich am besten bei gewissen Colliden und den ein-
facheren Sphaeroideen wahrnehmen und wurde auch hauptsächlich bei
diesen Formen studirt*). Hinsichtlich der Deutung der Erscheinung hat wohl
ohne Zweifel schon Hertwig das Richtige getroifen. Aus dem Vergleich
mit ähnlichen Strahlungserscheinimgen gewisser Gewebezellen höherer
Thiere, wie auch dem Strahlenphänomen bei der Zelltheilung**) dür-
fen wir die Annahme für sehr gerechtfertigt halten, dass das Phänomen
der optische Ausdruck \o\i Flüssigkeitsbewegung im Plasma im Austausch
mit der Umgebung ist, welche sich bei der allseitig gleichmässig perfo-
rirten Wand der Centralkapsel der Peripylarien, auch gleichmässig ra-
diär vom Centrum der Kapsel nach deren gesammter Peripherie ent-
wickeln muss.
Mit dieser Auffassung der strahligen Differenzirung harmouirt denn
auch die Erfahrung, dass sowohl bei den Monopylarien wie Phaeodarien
(Tripylarien) eine solche centroradiale Strahlung des Centralkapselplasmas
vermisst wird. Bei den Monopylarien zeigt sich überhaupt nichts von
einem derartigen Strahlungsphänomen, wenn man nicht etwa die strahlige
Zeichnung des schon früher geschilderten Pseudopodienkegels hierher-
ziehen möchte, was ich jedoch nicht für zulässig halte. Bei den tripylen
Phaeodarien dagegen beobachtet man in dem Plasma unter jeder der drei
Oeflfnungen eine zarte, der Oeffnung zustrahlende fibrilläre Differenzirung,
welche sich gegen die centrale Partie der Kapsel, die meist von zahl-
reichen später zu besprechenden Einschlüssen erfüllt wird, verliert. In
der Oeffnung selbst verschwindet die fibrilläre Beschaffenheit, so dass das
Plasma als ein homogen erscheinender Faden aus ihr hervortritt und sich
in die extrakapsuläre Sarkode zertheilt.
*) Auch in den Centralkapseln jug-endliclicr. noch einkerniger Sphaerozocen tritt die
radiäre Streifung sehr deutlich hervor: mit der Ausbildung der Mehrkernigkeit geht sie, wie
nicht unverständlich, verloren.
**") Zum Vergleich bieten sich namentlicli die von Haideiihain zuerst beobachteten, ähn-
lichen Differenzirungen der Epithelzellen gewisser Abschnitte der Nierenkanälchen dar, weiter
ähnlich gebaute Zellen der Abscheidungsorgane und der Kiemen gewisser Crustaceen, wie sie
von Claus, Weismann, E. Hertwig, Grobben etc. aufgefunden wurden. Gewisse Infusorien, so
Bursaria truncatella (Bütschli), Schwärmsporen von Algen (so Yaucheria) zeigen eine ganz ähn-
liche Differenzirung ihres Ectosarks oder ihrer sogen. Hautschicht und auch bei genuinen
rHanzenzellen wurde die gleiche Structur der Hautschicht gelegentlich beobachtet (,s. Stras-
burger, Studien über das Protoplasma. Jenaische Zeitschr. 1876"). Siehe auch Engelmann:
lieber Flimmerzellon, Pllüger's Archiv f. Physiologie Bd. XXHI. und dortselbst weitere Lite-
ratur. Hinsichtlich der Strahlungserscheinungen im Plasma sich theilender Zellen vergl. bei
I)'itschli, Studien lAbh. d. Senckenberg. Gesellsch. Bd. X) p. "201 des Separatabdrucks.
Iiitrakaps. riasina (iJad. Stfoifiiiig-, Vacuoloii). 413
Im Piincip scbeiut auch dieses Verhalten mit dem der Peripylarieu
Übereinzustimmen, nur durch die abweichende Beschaffenheit der Kapsel-
öffnungen modificirt zu sein. Wie bei den tripylen Phaeodarien,
so wird jedoch auch bei den Peripylarien die Ausbildung der Strah-
lungserscheinung durch reichliche Einlagerung von Einschlüssen in das
Centralkapselplasma modificirt oder undeutlich gemacht; so tritt das
Phänomen recht deutlich nur bei einkernigen Exemplaren hervor, und
beschränkt sich bei solchen Formen, wie den CoUiden, welche reich-
lich Vacuolen oder Eiweisskugeln in ihrem Centralkapselplasma entwickeln,
auf eine peripherische, von Einschlüssen freie Zone. Solche Fälle wie der
zuletzt geschilderte könnten vielleicht mit einigem Recht eine Unterschei-
dung von zwei Plasmaregionen der Centralkapsel, einem strahlig differen-
zirten Ectosark und einem vacuolisirten Entosark befürworten, da jedoch
nur selten eine so deutliche Abgrenzung zweier derartiger Eegionen anzu-
treffen ist, so scheint kein ausreichender Grund zur Einführung derartiger
Zonenunterscheidung vorzuliegen.
ß. Einsclilusse des in t rakapsulärcu Plasmas mit Ausnahme der Niiclei.
1. Nichtcontractile Vacuolen (sogen, intrakapsuläre Alveolen
oder Alveolarzellen). Contractile Vacuolen, welche uns bei Rhizopoden
und Heliozoen nicht selten begegneten, scheinen den Radiolarien durch-
aus zu fehlen. Dieselben schliessen sich auch in dieser Hinsicht den ma-
rinen Rhizopoden an. Auch nichtcontractile Flüssigkeitstropfen sind im
Allgemeinen keine sehr häufigen Vorkommnisse im intrakapsulären Plasma,
wenigstens treten sie nur in wenigen Abtheilungen in reichlicher Menge
auf. Es ist dies der Fall bei gewissen Colliden sowie einer Anzahl
ansehnlicher Phaeodarien und es scheint fast, als entwickelten sie sich
namentlich bei grösseren Formen reichlich.
Häckel (16) betrachtete die z. Th. recht ansehnlichen intrakapsulären
Vacuolen gewisser Collideen (Thalassolampe und Physeraatium, XVIII. 5, v)
als wirkliche Zellen und schrieb ihnen eine besondre Membran , sowie ein
dieser au- oder einliegendes, kernartiges Gebilde zu. Für Thalassolampe
wenigstens hat Hertwig (28) gezeigt, dass eine solche Membran nicht
vorhanden ist und dass die kernartigen Gebilde zwar wirkliche Zellkerne
sind, jedoch solche, welche sich im intrakapsulären Plasma zerstreut fin-
den und den Vacuolen nur äusserlich ankleben. Aehnlich wird es sich
wohl ohne Zweifel auch bei dem Physematium verhalten*). Es scheint
jedoch auch weiterhin sehr wahrscheinlich, dass ein Theil der von Häckel
*) Doch ist es sehr zweifelhaft , ob die spindel- bis stäbchenförmigen , den Vacuolen
anliegenden, z. Th. jedosh auch frei im Plasma vorhandnen (iebilde auch hier als Kerne zu
beanspruchen sind. Abbildung und Beschreibung spricht hierfür sehr wenig. Man könnte
höchstens an eigenthümlich modificirte TheUungsstadien denken. Im Allgemeinen glaube
ich jedoch , dass nach der allgemeinen Sachlage kaum ein Zweifel an der Deutung der
sogen, Alveolenzellen des Physematium als einfache Vacuolen erhoben werden kann.
4X4 iJadiolaria.
als constaute Einschlüsse des Centralkapselplasmas erwähnten, sogen.
wasserhellen Bläsehen, welche ihrer Hauptmenge nach als Kerne oder in
der Entwicklung hegriflfene Schwärmsporen zu betrachten sind, auf Va-
fuolenbildungen zurückgeführt werden darf. Im Speciellen gilt das
Letztere für die 'Phaeodarien.
Bei den CoUiden (Thalassolampe, ThalassicoUa z. Th., Physematium)
sind die Vacuolen zahlreicher entwickelt und gewöhnlich auch ansehn-
licher wie bei den Phaeodarien (Aulacantha, Aulosphaera, Coelacantbn,
Dictyocha und Coelodendron). Die Grösse und Menge derselben wird bei
ersteren z. Th. so beträchtlich, dass zwischen ihnen nur ein Maschenwerk
der intrakapsulären Sarkode verbleibt und der centrale, ansehnliche Kern
(das sogen. Binnenbläschen) von einer ganzen Anzahl Vacuolenlagen um-
hüllt wird. Daneben zeigen aber die Vacuolen häufig auch noch eine
ziemlich ausgesprochen radiäre Anordnung, wobei sie peripherisch an
Grösse zunehmen.
Unter der Centralkapselwand verbleibt jedoch gewöhnlich die schon
oben erwähnte, vacuolenfreie, radiärstreifige Schicht*).
Bei den erwähnten Phaeodarien tritt, wie gesagt, die Vacuolisation
des Centralkapselplasmas etwas zurück, sowohl an Grösse wie Zahl der
Vacuolen, welche sich meist nur in wenigen Lagen um den centralen Kern
linden (XXXIL 9, 9 a, 11). Unterhalb der drei Oeffnungen der Centralkapsel-
wand findet sich gewöhnlich die schon bei früherer Gelegenheit beschriebene,
ziemlich vacuolenfreie, radiärstreifige (oder fibrilläre) Plasmaanhäufung.
Eigenthümlich erscheint die reiche Flüssigkeitsansammlung in der Cen-
tralkapsel einer Acanthometride (Acanthometra elastica, XXVIL4), während
die Vertreter dieser Abtheilung sonst nur selten Vacuolen aufweisen ; bei der
erwähnten Form aber ist dieCentralkapsel eigentlich eine ansehnliche mit
heller Flüssigkeit erfüllte Blase, welche das sehr spärliche Plasma in
Gestalt von Netzen durchzieht, es concentrirt sich hauptsächlich um die
Stacheln nnd in einer netzförmigen Lage dicht unter der Kapselwand.
Während bei den Monopylarien im Allgemeinen intrakapsuläre Va-
cuolen kaum zur Ausbildung kommen, findet sich eigenthümlicher Weise
bei der interessanten Plagiacantha eine sehr ansehnliche Vacuole im
apicalen Theil der Kapsel, welche das intrakapsuläre Plasma nach
dem basalen Pol zusammendrängt, so dass nur eine dünne Plasma-
schicht die Apicalwand der Kapsel überzieht (XXXI. 17 a). Schon Clapa-
rede erkannte dieses Verhalten der Plagiacanthakapsel und Hertwig
verfolgte es genauer.
*) Nicht ohne Interesse ist es, ilass das intrakai^suläre Plasma jugendlicher Thalasso-
lainpen von Hertwig ganz vacuolenfrci gefunden wurde, woraus wohl mit Sicherheit auf die
allmähliche, successive Hervorhildung der Vacuolisation im Laufe des VVachsthums geschlossen
werden darf. Dieselbe allmähliche Hervorbild luig ergibt sich auch , wie au dieser Stelle be-
merkt werden mag, für die s^jäter zu erwähnenden intrakapsulären Oelkugeln der Sphaerozoeen,
auch sie werden bei jugendlichen Exemplaren noch vermisst.
Iiitrakapsul. Plasma (Vacuolcn, Kiwcisskug-clnl. 415
Nur selten scheinen die intrakapsuläien Vacuolen ihrerseits wieder
Einschlüsse zu enthalten. Häckel (16) beobachtete einen solchen Fall
bei einem Physematiuni, wo die grösseren Alveolen eine verschiedene Zahl
kleiner, vacuolenartiger Gebilde, häufig aber noch eine orangerothe
Oelkugel einschlössen; auch die einfachen Vacuolen enthielten häufig
eine solche Oelkugel. Dunkle, fettähnliche Körnchen finden sich sehr
gewöhnlich in den Vacuolen der ThalassicoUa pelagica und denen der
Phaeodarien. Bei den letzteren sind sie auch bisweilen zu einem Häuf-
chen zusammengeballt und verrathen durch ihre Molekularbewegung,
dass sie frei in der Vacuolenflüssigkeit suspendirt sind. Hertwig (38)
hält diese Vacuolenkörnchen durchaus für Fett, ich möchte fast glauben,
dass sie auch z, Th. Excretstofife darstellen. Bei den untersuchten Phaeo-
darien findet mau die gleichen Körnchen aber auch in dem Ceutral-
kapselplasma selbst.
2. Ei weiss kugeln. In mancher Beziehung schliessen sich den
beschriebnen Vacuolen auch die sogen. Eiwe isskugeln an, welche bis
jetzt vorzüglich bei der ThalassicoUa nucleata und den Cyrtiden ge-
funden wurden, vielleicht jedoch ein verbreiteteres Vorkommen besitzen.
Der Name Eiweisskugeln wurde diesen Einschlüssen zuerst bei Thalassi-
coUa von A. Schneider (13) gegeben. Es sind mehr oder minder ansehn-
liche, durchsichtige, hyaline Kugeln, z. Th. von mattglänzendem Aussehen
(XVIII. lb,ld,vc). Nach dem Ausfliessen des Plasmas vergehen sie leicht,
besitzen keine besondre Hülle und bestehen ohne Zweifel aus einer ziemlich
flüssigen Substanz, welche nur einen geringen Procentsatz gelöster oder
gequollener fester Stoffe enthält. Bei der Einwirkung Gerinnung hervor-
rufender Agentien findet man nämlich häufig ein deutliches peripherisches
Gerinnungsprodukt in Gestalt eines Bläschens an Stelle der früheren Ei-
weisskugel vor (ThalassicoUa, Hertwig 28).
Meist finden sich die Eiweisskugeln, wenn sie überhaupt vorhanden,
recht reichlich vor, so dass sowohl bei ThalassicoUa nucleata wie ge-
wissen Cyrtiden das Protoplasma zwischen ihnen spärlich vorhanden ist.
Bei den letztgenannten Formen wurden in den Eiweisskugeln bis jetzt
keine Einschlüsse getroffen; bei der ThalassicoUa dagegen enthalten sie
gewöhnUch verschiedenartige Einschlüsse, doch finden sich die gleichen
Einschlüsse meist auch frei im Protoplasma. Zunächst begegnen wir
auch hier wieder ungefärbten Oelkugeln (XXVIII, Id, oe), welche in Ein-
bis Dreizahl in den Eiweisskugeln anzutreffen sind. Weiterhin jedoch
auch sehr eigenthümlichen und ziemlich verschiedenartig gestalteten Con-
cretionen. Die chemische Natur derselben ist bis jetzt nicht sicher ermittelt,
doch dürfte es sich wahrscheinlich um Concretionen eines Kalksalzes,
welche unter dem Einfluss eiweissartiger Substanz gebUdet wurden, han-
deln. Es scheint dies namentlich deshalb wahrscheinlich, weil dieselben
durchaus mit den verschiedenen Kalkconcretionen übereinstimmen, welche
416 t?adioiaria.
HartiDg*) unter dem Einfluss eiweissartiger, thieriscber Substanzen künst-
lich dargestellt hat (s. Taf. I. Fig. 5 a— d). Kohlensaure Verbindungen
gehen jedoch nicht in ihre Bildung ein, da sie mit Säuren nicht brausen^
sich jedoch lösen (z. Tb. sogar schon in Essigsäure), auch in Alkalien
sind sie löslieh.
Ihrer Bildung nach erscheinen diese Concretionen als platte oder bi-
convexe kreisrunde oder ovale Scheiben mit deutlicher concentrischer
Schichtung. Häufig tritft man jedoch auch bisquitförmige mit entsprechend
gestalteter Schichtung um zwei dicht zusammenliegende Centralpunkte.
Auch vierfache, kreuzförmige finden sich, sowie sechsstrahlige und mannig-
fache weitere Modificationen, deren eingehendere Besprechung ohne Inter-
esse erscheint. Ihr Aussehen ist bald mehr weisslicb, bald dagegen bläu-
lich-schwarz.
Zuweilen, jedoch selten wie es scheint, treten auch langgestreckte
spiessige Krystalle in den Eiweisskugeln auf, welche drusenartig um ein
Centrum gruppirt sind, meist mit deutlich doppelbüscheliger Anordnung.
Häufiger als solche Krystalle sind dagegen als letzte Form von Ein-
schlüssen noch feine, dunkle Körnchen vorhanden, welche sich entweder
J)eripherisch wie ein feiner Niederschlag finden oder aber im Innern der
Eiweisskugel ein Häufchen bilden.
Hervorzuheben dürfte noch sein, dass bei ThalassicoIIa die innersten,
um das sogen. Binnenbläschen gelegnen Eiweisskugeln gewöhnlich frei
von Einschlüssen sind. Erst in einiger Entfernung vom Centrum begin-
nen die Kugeln mit Einschlüssen (XVIII. 1 b). Gewisse Wahrnehmungen
legen die Vermuthung nahe, dass die Eiweisskugeln in ziemlich naher
Beziehung zu den nächstfolgend zu besprechenden Einschlüssen des Cen-
tralkapselplasmas stehen, nämlich den
3. Oel kugeln. Feinere Fett -Körnchen oder -Tröpfchen sind im
Centralkapselplasma sehr verbreitet, wie schon bei verschiedenen Gelegen-
heiten betont wurde. Daneben treffen wir jedoch bei zahlreichen Formen
auch ansehnlichere Fetttropfeu oder Oelkugeln an, welche noch einige
Aufmerksamkeit beanspruchen.
Meist sind diese Oelkugeln ungefärbt, doch finden sie sich aiich7
wie bei Heliozoen und Rhizopoden, gelegentlich in verschiedner Fär-
bung vor. Rosarothe bis dunkelrothe sowie gelbe Kugeln kommen
manchmal vor. Hinsichtlich ihrer Verbreitung herrschen natürlich vieler-
lei Verschiedenheiten, doch werden sie wohl bei keiner Abtheilung gänz-
lich vermisst. Besonders häufig begegnet man aber grösseren Oelkugeln
bei gewissen Abtheilungen. So gewöhnlich den Colliden, bei welchen sie
z. Th. schon früher erwähnt wurden, weiterhin jedoch ganz constant,
wenigstens bei erwachsenen Exemplaren, unter den Sphaerozoeen (XVIII.
6, oe); den Acanthometreen kommen sie gleichfalls nicht selten zu und
*)'Harting, Rech, de morphöl. synthet. Natuii. Verh. d. Kon. Akad. Deel XIV.
Intrakapsuläi'c Oelkugeln. 417
fehlen auch den Sphaeroideen nicht, besonders reichlich sind sie häufig
bei den Disciden und namentlich auch den spougiösen Sphaeroideen, den
Spongosphaeriden und -disciden. Auch die Monopylaria, namentlich die
Cyrtida, enthalten fast stets grössere Oelkugeln, wogegen sie bei den
bis jetzt genauer erforschten Phaeodarien nicht häufig zu sein scheinen.
Meist sind gleichzeitig eine grössere Anzahl Oelkugeln durch die
intrakapsuläre Sarkode zerstreut. Bei gewissen Colliden (Thalassi-
colla zum Theil) beschränken sie sich jedoch auf eine Zone dicht
unter der Centralkapselwand. Bei manchen Disciden (Euchitonia,
Stylodyctia zum Theil) findet sich in jedem Ringabschuitt der Scheibe
eine Einlagerung zahlreicher Oelkugeln , so dass dieselben , nament-
lich wenn sie lebhaft gefärbt sind, als ringförmige Bänder her-
vorleuchten. Bei gewissen Radiolarien ist jedoch die Zahl der Kugeln
beschränkt. So zeichnet sich die erwachsene Thalassolampe prim-
ordialis Hertw. durch den Besitz einer einzigen ansehnlichen stroh-
gelben Oelkugel aus und ebenso finden wir bei den Sphaerozoeen
meist nur eine einzige centrale und gewöhnlich sehr ansehnliche (bis
die Hälfte des Kapseldurchmessers erreichende) Kugel, seltner dagegen
mehrere.
Auch bei den Monopylaria ist ihre Zahl gewöhnlich nicht sehr er-
heblich; bei einfacheren Formen (Lithocircus) findet sich z. Th. nur eine;
zwei, auf beide Hälften der Kapsel vertheilt, bei den Zygocyrtida z. Th.,
zahlreicher sind sie gewöhnlich bei den Cyrtida. Bei letzteren sind sie
meist in die früher geschilderten Lappen der Centralkapsel einge-
lagert. Nicht selten enthält jeder der drei oder vier Lappen eine ansehn-
liche Oelkugel, zuweilen jedoch auch mehrere, zwei, drei, bis ziemlich
zahlreiche.
Nicht immer scheint die Substanz der Oelkugeln ausschliesslich Fett zu
sein, wenigstens deuten die Beobachtungen Hertwig's (28), an denen der
Sphaerozoeen darauf hin, dass sich noch ein eiweissartiges Substrat der
Kugel findet. Wenn nämlich, wie dies späterhin genauer zu schildern
sein wird, ein allmählicher Verbrauch der Oelkugeln bei der Fortpflan-
zung eintritt, bleiben an ihrer Stelle durchsichtige, eiweissartige Kugeln zu-
rück, welche den schon beschriebnen Eiweisskugeln ähnlich sind. Hertwig
vermuthet daher auch, dass wenigstens die Oelkugeln der Sphaerozoeen.
durch reichlichere Fettbildung aus Eiweisskugeln hervorgegangen sind.
Inwiefern sich eine solche Auffassung auf sämmtliche Oelkugeln ausdehnen
lässt, bedarf zuvörderst noch weiterer Aufklärung.
Job. Müller und Häckel glaubten, dass die functionelle Bedeutung
der Oelkugeln vorwiegend eine hydrostatische sei, welche auf Ver-
ringerung des specifischen Gewichtes und deshalb auf erhöhte Schwimm-
fähigkeit hinziele. Im Gegensatz hierzu betrachtet sie Hertwig vor-
zugsweise als aufgespeichertes Nährmaterial, welches hauptsächlich
bei der Fortpflanzung zur Verwerthung gelange. Die Gründe hier-
für werden sich späterhin, bei Betrachtung der Fortpflauzungs-
Bruuu, Klasseu des Tliierreiolis. l'i'otozoa. 27
418 Badiolaria.
erscheinuDgen ergeben. Natürlich schliesst jedoch diese Hauptfnnctiou
der Oelkugehi die ersterwähnte nicht aus, indem diese ja eine noth-
wendige Folge ist, wenn überhaupt die Oelkugeln, wie sehr wahr-
scheinlich, ein niederes specitisches Gewicht besitzen.
4. Pigmente gehören zu den häufigsten Einschlüssen des Central-
kapselplasraas, so dass im Allgemeinen relativ selten ganz farblose Ka])-
seln angetroffen werden. Kurz sei nochmals betont, dass auch bei den
Radiolarien die Färbung der Kapseln niemals dem Protoplasma selbst
anzugehören scheint, sondern stets von eingelagerten Pigmenten herrührt.
Diese reichliche Pigmentirung erinnert an die gleichen Verhältnisse bei den
marinen Rhizopoden und auch in Bezug auf den Farbenton der Pigmente,
sowie darin, dass dieselben vorzüglich in dem Centraltheil des Weich-
körpers ihren Sitz haben, verräth sich eine gewisse Uebereinstimmung
mit den marinen Rhizopoden. Abgesehen von dem seltnen Vorkommniss
gefärbter Oelkugeln, sind es feinkörnige Pigmente oder auch kleine Pig-
mentbläschen, welche nach Häckel (16) die Färbung der Centralkapsel
bedingen. Hinsichtlich des Baues dieser sogen. Pigmentbläschen kann
ich jedoch keine rechte Aufklärung aus den seitherigen Untersuchungen
entnehmen. Es scheint mir nicht unwahrscheinlich, dass ein beträcht-
licher Theil der Pigmente fein vertheiltes, gefärbtes Fett sein dürfte,
da eigene Untersuchungen mariner Rhizopoden mich seither belehrt haben,
dass die rothen und braunen Pigmente derselben diese Natur besitzen.
Auch dürfte sich vielleicht für die röthlichen und braunen Pigmente der
Radiolarien dieselbe Uebereinstimmung mit Diatomin ergeben, welche wir
schon bei den Rhizopoden zu constatiren hatten.
Der Farbenton der Pigmente bewegt sich auch hier vorzugsweise in
Nuancen von gelb , roth und braun , welche in grösster Mannigfaltigkeit
vertreten sind, namentlich das Roth. Dies geht jedoch zuweilen auch ins
Orangerothe und Violettrothe über. Von hier aus finden sich denn auch
Uebergänge zu blau, selten sind dagegen tiefblaue bis schwarzblau pig-
mentirte Kapseln. Weiter schliessen sich hieran grünlichblaue bis rein
grasgrüne und olivengrüne Pigmentirungen. Auch die braunen Töne wer-
den zuweilen sehr dunkel, ja im durchfallenden Licht schwärzlich, im
auffallenden dagegen weisslich.
Nicht immer ist die Kapsel durchaus gleichmässig pigmentirt; so
häuft sich bei den Acanthometriden das Pigment hauptsächlich im Cen-
trum der Kapsel an, so dass dieselbe peripherisch lichter bis ganz un-
gefärbt erscheint.
Auch Combinationen zweier Farbentöne sind anzutreffen, jedoch nur
selten, namentlich zuweilen gleichzeitig rothe und gelbe Pigmentirung in
verschiedenartiger Vertheilung durch den Kapselinhalt.
Gewöhnlich findet sich das feinkörnige Pigment gleichmässig im
Plasma vertlieilt. Bei den Acanthometriden jedoch gruppiren sich die
Körnchen zum Theil zu kleinen Häufchen zusammen und an solche Vor-
kommnisse sollen sich weiterhin genuine, von gelblichem bis bräunlichem
Iiitrakai)s. Pigmente und Zellen. 419
Pigment erfüllte Zellen anscliliessen, welche sehr gewöhnlich in der Cen-
tralkapsel der Acanthometriden angetroffen werden.
Es sind dies kleine, von einer plasmatischen Grundmasse gebildete,
kreisrunde bis ovale und häutig abgeplattete Gebilde, deren Contour
nicht selten so scharf ist, dass Hertwig (33) bei einem Theil derselben
die Existenz einer Membran vermuthet (XXVIl. 5 a, gz). Der Leib dieser
sogen. Zellen ist entweder gleichmässig von dem feinkörnigen Pigment
durchsetzt oder dasselbe ist hauptsächlich in der Rindenzone angehäuft.
Besonders wichtig erscheint, dass Hertwig in ihnen gewöhnlich einen
tingirbaren kernartigen Körper beobachtete, und sich deshalb, wie schon
früher Häckel, für die Zellennatur dieser Gebilde erklärte. Häckel (16)
gibt an , dass er zuweilen auch Theilungsformen mit zwei Kernen beob-
achtet habe. Hertwig ist der Ansicht, dass sich diese Pigmentzellen in
der Centralkapsel selbst entwickelten , also nicht etwa wie die gewöhn-
lichen extrakapsulären, gelben Zellen als parasitische Eindringlinge be-
trachtet werden könnten ; auch will er zuweilen Entwicklungsstufen beob-
achtet haben, welche aus einem Kern mit umgebendem, schmalem Plasma-
hof, dem wenige Pigmentkörnchen eingelagert waren, bestanden.
Echte Zellen, welche in der Centralkapsel der Radiolarien, auf endo-
genem Weg gebildet werden , sind jedenfalls eine sehr auffallende Er-
scheinung, namentlich wenn wir berücksichtigen, dass Aehnliches von
anderweitigen Protozoen durchaus nicht bekannt ist. Ohne daher an der
Richtigkeit der Beobachtungen über diese Pigmentzellen der Acanthome-
triden zu zweifeln, müssen wir es doch für nicht unwahrscheinlich halten,
dass weitere Forschung über diese merkwürdige Anomalie befriedigendere
Aufklärung ertheilen wird, sei es in dem Sinne, dass es sich vielleicht
doch nicht um wirkliche Zellen handelt, sei es dagegen, dass die frag-
lichen Gebilde ebenso wie die extrakapsulären gelben Zellen^ dem Radio-
larienorganismus ursprünglich fremd sind, oder in irgend einer anderen
Weise.
Das Gleiche gilt wohl auch unzweifelhaft von gewissen anderen an-
geblichen Zellengebilden, welche sich in der intrakapsulären Sarkode einer
Collide, dem Physematium, finden, den sogen, centripetalen Zell-
gruppen.
Wir werden aus diesem Grunde gleich hier über diese zuerst von
A. Schneider (13), später von Häckel studirten Gebilde kurz berichten.
Schneider hielt diese eigenthümlichen Gruppen zellähnlicher Gebilde,
welche sich in der peripherischen Zone der Centralkapsel, dicht unter
deren Wand finden, für Theile, welche den sogen. Nestern, d. h. den Central-
kapseln der koloniebildenden Sphaerozoeen vergleichbar seien (XVHI. 5, z).
Häckel (16) suchte dagegen festzustellen, dass jedes der drei bis neun
keilförmig sich nach aussen erweiternden Stücke eines solchen Nestes
oder einer solchen Gruppe eine echte Zelle sei, deren Zellnatur sich schon
„auf den ersten Blick" deutlichst ergebe. Die zahlreichen Gruppen dieser
Zellen sind in regelmässigen Abständen in der äusseren Region der
27*
420 Endiolaria.
Centralkapsel vertbeilt und genau radial geordnet. Die sie zusammen-
setzenden hellen Zellen, welche dicht zusammengelagert sind, spitzen sich
centralwärts zu, wie natürlich auch die ganze Gruppe, besitzen je einen
deutlichen Zellkern und eine deutliche Membran. Peripherisch fassen die
Zellen einer Gruppe gewöhnlich eine gefärbte oder ungefärbte Oelkugel
zwischen sich. Die centralen Enden der Zellen sollen wahrscheinlich
nicht geschlossen sein, sondern ihr hier zu einem Strang zusammenflies-
sendes Protoplasma soll direct in das zwischen den zahlreichen Vacuolen
des Physematium sich ausbreitende, intrakapsuläre Protoplasma übergehen.
Auch vermuthet Häckel eine peripherische Communication des Plasmas
der centripetalen Zellen durch die Centralkapselwand mit der extra-
kapsulären Sarkode, weil letztere über jeder Zellgruppe hügelartig an-
gehäuft ist.
Ohne "erneute Untersuchungen dürfte es sehr schwer sein, über die
Bedeutung dieser sogen, centripetalen Zellen des Physematium eine Mei-
nung zu äussern. Allgemeine Ueberlegungen machen es mir wenig wahr-
scheinlich, dass es sich um wirkliche Zellen handelt. Vielleicht Hesse
sich vermuthen , dass es ähnliche radiäre Differenzirungen der äusseren
Plasmaregion der Centralkapsel sind, wie wir sie ja bei den Peripylarien
so häufig trafen, hiermit würde auch in Einklang stehen, dass ihr Plasma
centralwärts in das der Centralkapsel übergeht. Vielleicht beschränkt
sich bei Physematium die Bildung keilförmiger Radialstücke auf gewisse,
regelmässig vertheilte Stellen der peripherischen Zone, über welchen ja
auch schon Häckel Communication mit der extrakapsulären Sarkode ver-
muthet*).
5. Concretionen und Kry stalle. Beiderlei Arten von Ein-
schlüssen begegneten wir schon früher in den Eiweisskugeln der Tha-
lassicolla nucleata, sie fanden sich bei dieser Form jedoch z. Th. auch
frei in dem Plasma vor und hier findet man sie zuweilen auch bei
anderen Radiolarien. Concretionen sind im Ganzen recht selten, doch
bei einzelnen Formen aus verschiedenen Abtheilungen getroifen worden.
Meist sind sie länglich bis bisquitförmig und gewöhnlich in geringer
Zahl vorhanden (XIX. 1, c). Ihre chemische Natur ist nicht weiter er-
forscht; worauf sich die Angabe Mivart's (30, p. 142), dass die Con-
cretionen der Radiolarien (auch die von Thalassicolla nucleata) aus
Leucin und Tyrosin beständen, gründet, ist mir unklar; er hält es auch
für möglich, dass sie unverdaute Reste der Nahrung seien.
Freie Krystalle in dem Centralkapselplasma sind recht häufig
bei den Sphaerozoeen, jedoch keine constanten Vorkommnisse be-
stimmter Gattungen oder Arten , sondern scheinen ziemlich bei allen
Formen mehr oder minder häufig aufzutreten. Meist erfüllen sie das
Centralkapselplasma dann in sehr reichlicher Menge. Am deutlichsten
ausgebildet und grössten sind die der Collosphaera Huxleyi, wo sie
*) Nacli Häckel (16, p. 257) lässt die Ceiitralkapselmembran keine Porenkanäle erkennen.
Intrakaps. Concretioiien u. Krystallc. Nuclci. 421
namentlich J. Müller schon sehr genau studirte. An Zahl und Grösse wechseln
sie hier sehr, sind deutliche rhombische Prismen mit zwei Paar Domen-
flächen als Zuspitzung- der Enden und sollen sich in der Krystallform
schwefelsaurem Strontium oder Baryum sehr nähern (XIX. 5b, 5d). Hiermit
stimmt auch ihre SchwerliJslichkeit in starken Mineralsäuren und Alkalien
überein. Dennoch fehlt bis jetzt ein sicherer Anhalt zur Beurtheilung ihrer
chemischen Natur. Bei den übrigen Sphaerozoeen sind, wie gesagt, Kryställ-
chen ebenfalls nicht selten anzutreffen, jedoch stets kleiner und weniger
deutlich ausgebildet, Stäbchen- bis wetzsteinförmig, d. h. etwa spindel-
förmig mit zwei parallelen planen Flächen parallel der Längsaxe (XVIII,
6k, 61). Die letzterwähnte Krystallbildung erlangt aber ein besonderes Inter-
esse dadurch, weil sie mit der Fortpflanzung in Zusammenhang steht; wie
wir später sehen werden, entwickeln sich die Kryställchen bei der Vorbe-
reitung zur Fortpflanzung ungefähr in Zahl der späteren Schwärmer (d. h.
auch der Kerne der Centralkapsel) und je ein solches Kryställchen wird
in den Leib eines Schwärmers aufgenommen*). Dies gilt jedoch nicht
für die erst geschilderten, ansehnlicheren Krystalle der Collosphaera, viel-
mehr sind es auch hier kleine Kryställchen, ähnlich denen der übrigen
Sphaerozoeen, welche in die Schwärmerbildung eingehen. Die ersteren
dagegen bleiben in der entleerten Centralkapsel zurück.
y. Die Nuclei.
1. Lagerung im Radiolarienkörper und Zahl der Nuclei.
Alle sicheren Beobachtungen weisen darauf hin, dass die Kerne des
Radiolarienkörpers ihre Lage ausschliesslich im Centralkapselplasma fin-
den. Nur bei einem später zu besprechenden, jedoch noch zweifelhaften
Fortpflanzungsact scheint es, dass in irgend einer Weise Kerne auch in
die extrakapsuläre Sarkode gelangen. Diese Erscheinung bestätigt dann
von Neuem die schon mehrfach hervorgehobne Ansicht, dass die Central-
kapsel mit ihrem Inhalt den Haupttheil oder den eigentlichen Grundstock
des Radiolarienkörpers bilde.
Häckel (16) wollte zwar bei gewissen (namentlich jugendlichen) Col-
liden auch im extrakapsulären Protoplasma zahlreiche Kerne gefunden
haben, doch wurde dies durch die späteren, genaueren Untersuchungen
nicht bestätigt, so dass wir, da die Untersuchungen Häckel's bezüglich
der Kernverhältnisse der Radiolarien überhaupt grosse Unsicherheit dar-
bieten, an dem oben ausgesprochnen Satze festzuhalten berechtigt sind.
Erst die Beobachtungen Hertwigs klärten die Kernverhältnisse unsrer
Protozoen in erwünschter Weise auf. Danach waren schon den frühesten
Beobachtern die z. Th. recht grossen Kerne gewisser Radiolarien auf-
*) Nach Hertwig sind diese wetzsteinförmigen Kryställchen unlöslich in Säuren und
Alkalien, erhalten jedoch durch deren Einwirkung runzlige Contouren. Kanten und Ecken
seien überhaupt nie scharf, sondern abgerundet. Hertwig neigt sich der Ansicht zu, dass diese
Krystalle aus einer organischen Substanz bestehen.
422 Eadiolaria.
gefallen, so Huxley, wie später J. Müller uud Häckel. Das sogen. Binnen-
bläschen der beiden letzterwähnten Forscher, welches Huxley seiner Zeit
schon als „Kern" bezeichnete, ergab sich nach den neueren Erfahrungen
als ein echter Zellkern. Auch die zahlreichen kleinen Kerne gewisser
Formen blieben nicht unbekannt, schon J. Müller beobachtete sie ge-
legentlich, bezeichnete sie jedoch als kleine Zellen, wogegen sie Häckel
weit verbreitet auffand und gewöhnlich wasserhelle Bläschen nannte,
doch z. Th. wohl auch richtig als sogen. Sarkodekerne in Anspruch
nahm. Schon früher wurde jedoch hervorgehoben, dass unter der Be-
zeichnung „wasserhelle Bläschen" von Häckel auch noch anderweitige Ein-
schlüsse des Centralkapselplasmas begriffen wurden.
Deutlicher als wir dies bei den schon besprochnen beiden Abthei-
luugen der Sarkodinen nachzuweisen vermochten, zeigen uns die Radio-
larien eine mit dem Alter fortschreitende Kernvermehrung. Wir hatten
bei den Khizopoden und Heliozoen gleichfalls Gelegenheit, auf das häu-
fige Vorkommen mehr- bis vielkerniger Zustände hinzuweisen und ver-
mochten namentlich bei den Heliozoen das Hervorgehen dieser Zustände
aus ursprünglich einkernigen zu verfolgen. Aehnlich einzelnen Formen
der letzterwähnten Abtheilung- (z. B. Actinosphaerium) verhalten sich nun
auch zahlreiche Radiolarien und auch viele ßhizopoden dürften ähn-
liches bieten, doch ist auf letzterem Gebiet die Untersuchung noch sehr
zurück.
Aus der gewöhnlichen Fortpflanzungsweise der Radiolarien durch
Zerfall des Gesammtkörpers in eine grosse Anzahl einkerniger Schwärm-
sprösslinge dürfen wir schliessen, dass ein einkerniger Jugendzustand der
Ausgangspunkt für sämmtliche Angehörige uusrer Gruppe ist. Dieser ein-
kernige Zustand erhält sich bei der Mehrzahl der Radiolarien die grösste
Zeit des Lebens hindurch und macht erst mit Beginn der Fortpflanzungs-
periode einem mehrkernigen Platz; so ist es bei den Colliden, den Sphae-
rideen, den Monopylarien und Phaeodarien. Bei den Sphaerozoeen und
Acanthometreen hingegen entwickelt sich die Mehrkernigkeit sehr früh-
zeitig, wovon nur gewisse Gattungen der letzteren eine Ausnahme bilden,
so dass also der mehr- oder vielkernige Zustand bei den beiden letztge-
nannten Abtheilungen als gewöhnlicher Befund erscheint, dagegen ein-
kernige Jugendzustände relativ selten angetroffen werden.
Natürlich zeichnet sich der einfache Kern der ersterwähnten Abthei-
lungen oder der Jugendformen der letzterwähnten durch seine relativ und
meist auch absolut sehr ansehnliche Grösse aus. Dieser einfache Kern,
das sogen. Binnenbläschen der Autoren vor Hertwig, erreicht sehr häufig
die Hälfte des Kapseldurchmessers, ja nicht selten mehr; namentlich die
Phaeodarien besitzen gewöhnlich einen besonders ansehnlichen Nucleus,
der bis ^/g, ja ^/^ des Kapseldurchmessers erreicht. Auch der noch ein-
fache Kern jugendlicher Acanthometriden erreicht z. Th. eine ähnliche
Grösse. Bei der früher oder später eintretenden Kernvermehrung scheint
im Allgemeinen die Regel Gültigkeit zu besitzen, dass die zahlreichen
Nuclei (Zahl, Lagerung). 423
Kerne kleiner sind wie der ursprüngliclie einfache und dass Zahl und
Grösse der Kerne in umgekehrtem Verhältniss stehen. Dies schliesst je-
doch nicht aus, dass die Gesammtmasse der zahlreichen Kerne die des
ursprünglichen beträchtlich tibertrifft, indem nicht nur eine einfache
Zerlegung des letzteren in zahlreiche Sprösslinge eintritt, sondern
diese letzteren auch bis zu gewissem Grade weiter wachsen. Doch können
wir diese Vermehrungserscheinungen erst später genauer verfolgen.
Zahlreiche kleine Kerne sind in der Regel ziemlich gleichmässig
durch den Inhalt der Centralkapsel zerstreut ; bei Acauthometriden finden
sie sich jedoch, wenn noch in geringerer Anzahl vorhanden, gewöhnlich
in einer peripherischen Zone gelagert.
Der in Einzahl vorhandne, grosse Kern oder das sogen, Binnenbläs-
chen liegt im Centrum der Kapsel. Bei den Acanthometriden, wo dieses
Centrum von dem Stachelkreuz des Skeletes eingenommen wird, beein-
trächtigt dies natürlich Lage und Form des einfachen Kernes der Jugend-
formen. Derselbe schiebt sich hier zwischen die centralen Ursprünge der
Stacheln hinein und nimmt dabei gewöhnlich eine mehr oder minder un-
regelmässig gelappte Form an.
Bei allen übrigen einkernigen Radiolarien wird natürlich der Kern
in seiner centralen Lage durch die Skeletbildung nicht gehindert. Da-
gegen tritt der fast stets einfache, centrale Kern der Sphaerideen häufig
in eine nähere Beziehung zu den innersten Gitterkugeln des Skelets, in-
dem er eine oder mehrere derselben in sich aufnimmt. Ohne Zweifel ist
dies eine erst secundär zur Ausbildung gelangte Erscheinung, welche ähnlich
wie die Umschliessung innerer Skeletschalen durch die Kapsel dadurch
entstand, dass der ursprünglich innerliche Kern durch die Maschen
der Markschale hervorwuchs und sich schliesslich durch Zusammen-
fliessen dieser Auswüchse wieder zu einem einheitlichen Kern gestal-
tete, der nun die Markschale einschloss. In gleicher Weise kann dieser
Durchwachsungsprocess sich dann noch auf weitere äussere Schalen
erstrecken.
Ein Stadium dieses Durchwachsungsprocesses wurde bei gewissen
Formen beobachtet; so tritt bei Tetrapyle und Lithelius der Kern mit
lappigen Fortsätzen durch die Markschale hindurch. Ob dies Verhalten
jedoch wirklich einen dauernden Zustand repräsentirt, scheint mir
speciell für die letztgenannte Form zweifelhaft*).
Bei dreikugligen Ommatiden, wie Haliomma und Actinomma umschliesst
der Kern so die innerste oder Markschale (XXI. 1, 2) ; bei Spongosphaera
umwächst er bei älteren Thieren auch noch die folgende Gitterkugel.
Auch bei den Disciden geht die Umwachsung der inneren Schalen
durch den Kern noch weiter, er kann hier noch die zweite und dritte
*) Dies geht auch sicher aus der Schilderung, welche Hertwig von den Kernveihältnissen
seiner Stylodyctia arachnia entwirft, liervor, da diese sicher keine Stylodyctia und überhaupt
keine Discide, sondern ein Lithelius ist.
424 Eadiolaria.
Schale voUstäudig erfüllen (XXIV. U) und man findet häufig Mittelstadien
dieses Durchwachsungsprocesses. Im Ganzen sind jedoch bis jetzt die
Kernverhältnisse dieser Abtheilung nur sehr ungenügend studirt.
Bei den einfacheren Monopyleen liegt der einzige Kern meist etwas
excentrisch in der Ceotralkapsel, was hauptsächlich auf die Entwicklung
des ansehnlichen Pseudopodienkegels zurückzuführen ist, der ihn aus dem
Centrum verdrängt (XXVIII. 8, 9 a). Noch mehr tritt jedoch die excentrische
Lage zum Theil bei den Cyrtiden hervor, indem der Kern hier im Apicaltheil
der Centralkapsel, welcher bekanntlich im Köpfchen eingeschlossen bleibt,
eingelagert ist und entweder gar nicht in die basalen Lappen der Kapsel
eintritt oder kurze lappenförmige Auswüchse in die Kapsellappen treibt
(XXIX. 12b, 13 b). Bei Carpocanium Hck. sendet er derartige Auswüchse
nicht in die drei Hauptlappen, sondern in die schon früher erwähnten peri-
pherischen, kleineren Seitenlappen (XXXI. 13 b).
2. Bauweise der Kerne und ihre Vermehrungsvorgänge.
Hinsichtlich seiner Bauweise bietet der zuweilen sehr ansehnliche ein-
fache Kern der aufgezählten Abtheilungen z. Th. sehr interessante Ver-
hältnisse dar; wir werden daher zunächst einen Blick auf die Ausbildung
dieses einfachen Kernes oder Binnenbläschens werfen und betonen zuvor,
dass er bei einer und derselben Form durchaus nicht stets die gleiche
Bildung aufweist, sondern nicht selten merkwürdige Umwandlungen durch-
macht, welche wohl theilweise mit der schliesslicheu Kernvermehrung in
Zusammenhang stehen.
Eine deutliche Membran scheint dieser Kern stets aufzuweisen. Wenn
dieselbe auch bis jetzt in einigen Fällen nicht sicher erwiesen werden
konnte, so tritt sie doch meist sehr deutlich hervor, ja weist bei gewissen
Formen Moditicationen auf, welche für Kerne recht ungewöhnlich erscheinen.
Bei grösseren einfachen Kernen (so denen einer Anzahl Collideu) ist die
Kernmembran zuweilen ziemlich dick und derb, so dass sie deutlich dop-
pelt contourirt erscheint und erweist sich sogar ähnlich wie die Kapsel-
membran von dichtstehenden feinen Poreokanälen durchbohrt, wenn es
erlaubt ist, die feine Punktirung der Membran in der Flächenansicht und
ihre zarte radiäre Strichelung auf dem optischen Schnitt in dieser Weise
zu deuten. Letzterwähnte Structurverhältnisse sind namentlich bei Physe-
matiura (Schneider, Häckel), sowie bei Thalassolampe (Häckel, Hertwig)
deutlich zu beobachten, weniger sicher dagegen bei Thalassicolla nu-
cleata (Hertwig).
Durch derbe Beschaffenheit zeichnet sich auch die Kernmembran
der Etmosphaerida unter den einfacheren Sphaerideen aus, und erweist
sich namentlich noch dadurch eigenthümlich, dass ihre Oberfläche dicht
mit höckerartigen Erhebungen bedeckt ist, welche eine ziemlich regel-
mässig alternirende Anordnung besitzen (XIX. 16, n).
Die merkwürdigsten Verhältnisse bietet die Kernmembran bei ge-
wissen Entwicklungsstadien einfacher Kerne jugendlicher Acanthometriden
dar, jedoch sind die von Hertwig hier beobachteten Erscheinungen bis jetzt
Bauweise der Niiclei (Membran, Inhalt). 425
uoeh nicht ganz überzeugend aufgeklärt (XXVIl. 4. a—b). Als wahrschein-
lichste Deutung der eigenthüralichen Befunde ergibt sich folgende. Die Kern-
menibrau hat sich an einem gewissen Punkt der Kernoberfläche, welcher
stets an dem von dem Stachelkreuz des Skeletes abgewendeten, periphe
rischen Umfang des Kernes liegt, zu einem sackförmigen Gebilde in das
Kerninnerc eingestülpt und legt sich dem auf diesem Stadium vorhandnen
einfachen, ansehnlichen Nucleolus dicht an. An der Einstülpungsstellc
zeigt dieser Sack radial um die Einstiilpungsstelle gestellte Faltungen,
weiter nach Innen dagegen bildet er zahlreiche circuläre Falten bis zum
Nucleolus hin, welche ihm ein sehr merkwürdiges Aussehen verleihen.
Die Beobachtung gewisser Entwicklungsstadien macht es wahrschein-
lich, dass die obige Erklärung der eigenthümlichen Erscheinung wirklich
begründet ist. Wie jedoch schon bemerkt, ist diese eigenthümliche Modi-
lication der Membran eine vorübergehende, welche sich aus der einfachen
Membran jugendlicher Kerne hervorbildet und später wieder verloren geht.
Nachdem wir im Vorstehenden die Eigenthümlichkeiten der Kern-
nierabran kurz betrachtet haben, wollen wir jetzt ebenso den Inhalt der
einfachen Kerne näher verfolgen. Da dieser jedoch bei einer und der-
selben Form auf verschiednen Entwicklungsstufen recht verschieden er-
scheint, so dürfte es sich im Allgemeinen empfehlen, die Verhältnisse bei
den einzelnen Typen speciell zu schildern. Zuvor überblicken wir jedoch
kurz die wichtigsten bis jetzt beobachteten Kernformen. Wie schon er-
wähnt, ist der homogene Kern die ursprünglichste Entwicklungsstufe,
welche sich auch bei einer Reihe Formen dauernd oder doch die längste
Zeit des Lebens hindurch erhält. Der Inhalt des Kernes wird in solchen
Fällen von einer ganz homogen erscheinenden oder auch feinkörnigen,
stärker wie das umgebende Plasma tingirbaren Substanz gebildet (XX. 5 b,
XXI. 1 u. 2). In dieser treten nun aber häufig stärker verdichtete und intensiver
tingirbare Inhaltskörper oder Nucleoli auf, und zwar in sehr verschiedner
Zahl, Grösse und Gestaltung. Weiterhin bildet sich jedoch auch nicht selten
der bei Rhizopoden und Heliozoen schon mehrfach besprochne bläschen-
förmige Zustand des Kernes aus und zwar wohl in der Weise, dass sich
die ursprünglich gleichmässig durch das Innere des Kernes vertheilte Sub-
stanz der homogenen Kerne in einen centralen, häufig beträchtlich ver-
dichteten Theil oder Nucleolus und eine peripherische Zone oder die
Kernrinde sondert, zwischen welchen sich eine helle Zone von sogen.
Kernsaft ausbildet. Solche bläschenförmigen Kerne sind bis jetzt nament-
lich bei den einfacheren Monopylarien , sowie bei Jugendzuständen der
Acanthometriden beobachtet worden (XXVIL 8 a, XXVIIl. 8, 9, 9 a). Bei
den ersteren sind sie den schon früher besprochnen bläschenförmigen
Kernen der Rhizopoden und Heliozoen am ähnlichsten, da von einer
Kernrindenschicht nichts deutliches zu beobachten ist.
Schliesslich tritt bei einem Theil der Phaeodarien auch die netzförmige
Ausbildung des Kerninhalts mit eingelagerten Kernkörpern hervor, welche
ja bei Gewebezellen so weit verbreitet ist (XXXII). Nicht ohne Berechtigung
426 Eadiolaria.
dürfte angesichts dieser Erfahrung die Frage erscheinen, ob nicht auch
die sogen, homogenen Kerne, speciell die mit feinkörniger Kernsiibstanz,
zum Theil eine solch netzförmige Structur besitzen, welche wegen ihrer
Feinheit oder wegen ungeeigneter Untersuchungsmethode nicht deutlich
wurde.
Bei den Sphaeroideen wurden bis jetzt, wenn überhaupt, nur relativ
wenige, dagegen ziemlich ansehnliche Nucleoli in der feinkörnigen Kern-
substanz gefunden, von gewöhnlich rundlicher Gestalt. Meist waren die-
selben ganz homogen, zuweilen jedoch enthielten sie einige kleine Va-
cuolen in ihrem Inneren. Nicht ohne Interesse erscheint, dass bei einigen
hierhergehörigen Formen eine radiärstreifige Beschaffenheit des peripheri-
schen Theiles des Keininhalts ziemlich deutlich hervortrat. Bei den Phaeo-
darien fanden sich gewöhnlich recht zahlreiche, jedoch ziemlich kleine
und z. Tb. recht unregelmässig gestaltete Nucleoli, welche bei netzför-
miger Ausbildung des Kerninhalts in den Knoten der Netzmaschen ein-
gelagert sind. Die unregelmässige Gestaltung mancher Nucleoli brachte
Hertwig auf die Vermuthung, dass dieselben vielleicht amöboid beweg-
lich seien.
Merkwürdig wechselnde Verhältnisse bieten die Nucleoli gewisser
Colliden, speciell der in dieser Hinsicht ziemlich eingehend studirteu
Thalassicolla nucleata dar. Die verschiednen beobachteten Zustände
stehen ohne Zweifel in einem gewissen Zusammenhang, den Hertwig fest-
zustellen suchte (28). Der ganze Entwicklungsprocess zielt nach ihm auf
die Erzeugung zahlreicher kleiner Kerne hin , welche bestimmt sind, zu
den Kernen der Schwärmsprösslinge zu werden. Der einfache Kern der
Thalassicolla nucleata, neben welchem sich noch keine kleinen Spröss-
lingskerne im Kapselplasma gebildet haben, ist entweder ganz frei von
Nucleoli oder enthält einen ansehnlichen strangförmigen und unregel-
mässig verästelten Nucleolus, dessen Masse nicht ganz homogen, sondern
äusserlich feinkörnig ist. Einen ähnlichen strangförmigen Nucleolus beob-
achtete Hertwig auch bei der Thalassicolla pelagica Hck. , nur ist der-
selbe hier viel länger und durchzieht in zahlreichen Schlangenwindungeu
namentlich die peripherische Zone des Kernes, wie es scheint (XVII. 3b).
Dabei erhebt sich die Membran des Kernes zu zahlreichen bruchsack-
artigen Ausstülpungen, von welchen jede eine Kernwindung enthält.
Fraglich musste jedoch bleiben, ob der Nucleolusstrang ein ganz einheit
lieber ist, da er sich nicht durchaus in Zusammenhang verfolgen Hess.
Eine ähnliche Bruchsackbildung der Kernoberfläche zeigt sich auch
bei der Thalassicolla sanguinolenta; nur erheben sich bei dieser die Aus-
sackungen als zugespitzte Fortsätze von der Kernoberfläche. Ein ansehn-
licher Nucleolus wurde hier ganz vermisst, dagegen fanden sich zahlreiche
sehr kleine, peripherisch gelagerte Nucleoli vor.
Indem wir wieder zu den Zuständen der Kerne von Thalassicolla
nucleata zurückkehren, begegnen wir zunächst Kernformen, bei welchen
sich statt eines einheitlichen strangförmigen Nucleolus mehrere sträng-
Bauweise u. Vermehrung der "Nuclei (Colliden. AcautliometridenV " 427
förmige Stücke vorfiutlen, deren Entstehung durch Zerfall des einheit-
lichen Nucleolus sehr wahrscheinlich ist (XVIII. Ib). Dies erscheint um so
mehr dem Thatsächlichen zu entsprechen , als auch diese Bruchstücke
noch deutlich weitere Zerfallserscheinungen verrathen. Meist sind sie
an vielen Stellen deutlich eingeschnürt, ja bis zur Bildung feiner Ver-
bindungsfädchen , und wegen der grossen Zahl solcher Einschnürungen
gewöhnlich ganz perlschnurartig gestaltet. Das Auftreten zahlreicherer
kleinerer Bruchstücke und schliesslich kleiner ovaler bis rundlicher
Stückchen, welche in ihrer Grösse etwa den einzelnen Gliedern
der perlschnurartigen Bruchstücke entsprechen, scheint sehr dafür zu
sprechen, dass schliesslich der gesammte Nucleolus in zahlreiche kleine
Bruchstücke zerfällt (XVIII. la, ic). So trifft man denn auch thatsächlich
Kerne, deren Inhalt nur zahlreiche derartige kleine Körperchen enthält.
Hertwig ist nun der Ansicht, dass diese Körperchen schliesslich suc-
cessive aus dem Kern in das Centralkapselplasma austreten und hier die
kleinen homogenen Kerne darstellen, welche sowohl in ihrer Grösse wie
ihrem Aussehen mit jenen kleinen Binnenkörperchen des Kernes sehr
übereinstimmen. Zur Unterstützung dieser Ansicht führt Hertwig noch
einige weitere Gründe auf, worunter namentlich der von Wichtigkeit er-
scheint, welcher sich auf die schwankenden Grössenverhältuisse des ein-
fachen Kernes oder Binnenbläschens stützt. Dasselbe besitzt nämlich
nicht nur relativ, sondern auch absolut eine geringere Grösse bei den-
jenigen Thalassicollen, welche schon kleine Kerne in ihrem Kapselplasma
aufweisen und scheint sich auch mit der Vermehrung dieser kleinen
Kerne noch mehr zu verkleinern. Diese Grössenabnahme des ursprüng-
lichen Kernes, sowohl, wie ein auf den späteren Entwicklungsstufen
(d. h., wenn kleine Kerne daneben schon vorhanden sind) hervortretende
Neigung der Kernmembran zur Schrumpfung scheint darauf hinzuweisen,
dass gewisse Theile aus dem Kern austreten und derselbe deshalb sein
Volum vermindert.
Höchst merkwürdige Wandlungen erfährt auch im Laufe der Ent-
wicklung der Nucleolus sowie der gesammte Kern der Acanthomctreen.
Wie früher erwähnt, wird bei dieser Abtheilung der vielkernige Zustand
sehr frühzeitig erreicht, so dass nur jugendliche Formen noch Einkernig-
keit zeigen. Der ursprünglich höchst wahrscheinlich homogene Kern
dififerenzirt sich bald in einen ansehnlichen Binnenkörper (Nucleolus) und
eine ebenfalls ziemlich ansehnliche Rindenschicht, er wird bläschenförmig
(XXVII. 8a). — Neben dem ansehnlichen Nucleolus finden sich zuweilen noch
einige kleine Binnenkörperchen vor. Der Kern wächst nun weiter heran, der
helle Kernsaftraum vergrössert sich namenthch auch mehr und es kommt
nun zur Entwicklung der seltsamen Einstülpung der Kernniembran, welche
schon früher Gegenstand unsrer Betrachtung war (siehe p. 424). Gleich-
zeitig damit tritt jedoch auch eine merkwürdige Dififerenzirung (oder Neubil-
dung) am Nucleolus auf (XXVII. 4 a). An dem Nucleolus-Pol, welcher der
Einstülpungsstelle der Kernraembran zugewendet ist, bildet sich eine belle
428 ' Eadiolaria.
homogene Masse aus, welche den dunkleren Haupttheil des Nucleolus
wie eine Kappe bedeckt oder auch wie in eine Vertiefung desselben ein-
gesenkt erscheint. Der Nucleolus erscheint demnach jetzt von zwei ver-
schiednen Substanzen zusammengesetzt. Auf die von der helleren Masse
gebildete Kappe setzt sich, wie schon früher beschrieben, der eingestülpte
JSack der Kernmembran auf.
An diese letztgeschilderten Kernformen schliessen sich nun weiterhin
solche an, die sich noch mehr vergrössert und dabei die schon erwähnte
gelappte Beschaifenheit angenommen haben (XXVII. 4c).
Bei derartigen Kernformen verschwindet die Einstülpung der Kern-
membran wieder und auch der Nucleolus geht vollständig ein. Gleich-
zeitig hiermit verdickt sich jedoch die Kernrindenschicht hauptsächlich in
den lappenförmigen Auswüchsen der Kerne und in ihr treten zahlreiche
kleine, dichtere Binnenkörperchen auf. Es scheint daher nicht unzulässig,
die Rückbildung des Nucleolus und das Auftreten der letzterwähnten klei-
nen Binnenkörperchen in causalen Zusammenhang zu bringen.
An die zuletzt geschilderten Zustände lassen sich schliesslich Kern-
verhältnisse anreihen , welche zuweilen beobachtet wurden , wo sich eine
Anzahl wurstförmig gestalteter Kerne mit zahlreichen kleinen Binnen-
körperchen fanden. Es lassen sich diese wohl aus einem Zerfall der
letzterwähnten Form herleiten bei gleichzeitiger Rückbildung des Kern-
saftes. Weniger wahrscheinlich dünkt mich die Hertwig'sche Ansicht,
wonach diese wurstförmigen Kerne sich dadurch bildeten, dass sich die
verdickten Rindenpartien der einzelnen Kernlappen ablösten und die
eigentliche Kernblase aufgelöst werde.
Neben diesen wurstförmigen Kernen treten gewöhnlich noch kleine
ovale Kernchen mit einem einzigen Binnenkörperchen auf, welche sich
anscheinend leicht aus dem weiteren Zerfall der wurstförmigen Kerne her-
leiten lassen (XXVII. 5 b). Diese letzteren Kerne stimmen nun in ihrer
Beschaffenheit sehr überein mit den bei erwachsenen Acanthometriden fast
durchaus vorhandnen zahlreichen kleinen Kernen. Es erscheint hiernach
sehr wahrscheinlich, dass letztere sich durch vollständigen Zerfall des ur-
sprünglich einfachen Kernes der jugendlichen Formen in der geschilderten
Weise ableiten.
Im Vorstehenden wurde die Kernmetamorphose und schliesslichc
Kernvermehrung derjenigen zwei Gruppen geschildert, von welchen bis
jetzt Näheres durch die schönen Untersuchungen Hertwig's bekannt ist
und zwar im Wesentlichen auf Grund der Deutung, welche Hertwig seinen
Beobachtungen gegeben hat. Es darf nun aber nicht ausser Acht gelassen
werden, dass die supponirten Vorgänge dieser Kernvermehrung bei Tha-
lassicolla wie den Acanthometriden sehr wenig mit dem Modus der Kern-
vermehrung übereinstimmen , welcher in neuerer Zeit mehr und mehr in
allgemeiner Verbreitung erwiesen wurde. Namentlich die Auswanderung
der kleinen Binnenkörperchen aus dem Nucleus der Thalassicolla in Ge-
stalt zahlreicher kleiner Kerne der späteren Schwärmsprösslinge ist ein
Bauw. u. ycrmelir. d. Nuclei (Acantlioiii., Sphaerozoea). Kleine lioinog. Kerne. 429
Modus der Kernverraebrung, welchem sieb bis jetzt nicbts Aebnlicbes an
die Seite setzen lässt. Der Zerfall des Kernes bei den Acantbometriden
dagegen lässt sieb mit Zerfallserscbeiaungen niancber Infusorienkerne,
sowie gewisser Gewebezellen eber vergleicben, nur führen letzterwähnte
Zerfallserscbeinungen gewöbnlicb nicbt zur Vermehrung des Organismus,
sondern scheinen eber mit dem Untergang des Kernes verknüpfte Vor-
gänge zu sein.
Unter solchen Umständen darf daher nicbt ausser Acht gelassen
werden, dass die Deutung der geschilderten Befunde bis jetzt durchaus
hypothetisch ist und dass weitere Forschungen uns vielleicht doch noch
zeigen werden, dass sich die Entwicklung des mebrkernigen aus dem
einkernigen Zustand unter Verhältnissen vollzieht, welche sich den ge-
wöhnlichen Vermehrungsweisen der Kerne näher anscbliessen. Immerbin
darf jedoch auch nicht unbeachtet bleiben, dass die sogen. Reifungs-
erscheinungen des Kernes der Eizelle vielleicht eine gewisse Analogie mit
den Umbildungsverbältnissen des einfachen Radiolarienkernes, speciell des
der Tbalassicolla nucleata, darbieten.
Früber wurde schon erwähnt, dass auch die Sphaerozoeen ähnlich
wie die Acantbometriden das einkernige, mehrfach beobacbtete Jugend-
stadium sehr frühzeitig mit einem vielkernigen vertauschen ; ein solcb viel-
kerniger Zustand ist wenigstens einmal auch bei einer Monopyleenform,
dem Trictyopus Hertwig's beobachtet worden; schliesslich liegen auch
sichere Anzeichen vor , dass sich auch bei den Spbaerideen der viel-
kernige Zustand zur Zeit der Fortpflanzung einstellt, wenigstens wurde
eine Rbizosphaera mit sehr verkleinertem centralen Kern und dicbter
Erfüllung des Centralkapselplasmas mit kleinen hellen Kerneben beob-
achtet; auch eine noch jugendliche (!) Haliomma entbleit neben dem
grossen centralen, die Markscbale einscbliessenden Kern noch kleinere
in grösserer Zahl, und Aebnlicbes fand sich auch bei einer Litbeliusform
(= Stylospira arachnia Hertwig).
In den letzterwähnten Fällen gelang es jedoch nicht, etwas über den
Entstebungs Vorgang der kleinen Kerne zu ermitteln.
Die Bauweise der kleinen Kerne vielkerniger Zustände bedarf nocb
einiger erläuternder Worte. Eine Membran wurde bei denselben bis jetzt
vermisst. Ihre Gestalt ist gewöhnlich eine kuglige bis ellipsoidiscbe
(XXVII. 5a, n); bei den Sphaerozoiden zeigen die ganz homogenen
Kernchen nach Brandt (36) z. Tb. jedoch auch sehr unregelmässige Ge-
stalten, man trifft zuweilen solche, die ganz das Ausseben einer viel-
zackigen Amöbe besitzen (XIX. 4 a — b).
Meist erscheinen sie ganz bomogen ; im lebenden Zustand häufig sehr
hell und durchsichtig, so dass sie von Job. Müller als farblose Zellen und
von Häckel als wasserhelle Bläschen bezeichnet werden konnten. Bei den
Acantbometriden entbalten sie gewöhnlich ein bis zwei kleine Nucleoli
und auch bei den Sphaerozoiden sind sie nach Brandt nicht stets homo-
gen, wie Hertwig angab, sondern entwickeln mit Beginn der Schwärmer-
430 - Radiolaria.
bildung dunkle Körnchen oder Fädcbeu in ihrem Innern, eine Art Kern-
netz oder Gerüstwerk (XIX. 4e — g).
Diese kleineren Kerne vermehren sich, wie dies aus dem Vergleich
ihrer Zahl und Grösse bei jüngeren und älteren Thieren geschlossen wer-
den darf und sich auch bei den Sphaerozoiden direct hat beobachten
lassen. Hertwig (33) glaubt auch Theilungsstadien der kleinen Kerne
der Acanthometriden gesehen zu haben und beschreibt sie als bisquit-
förmig mit zwei auseinandergerückten Nucleoli, also ganz entsprechend
dem früher allgemein adoptirten Schema der Kerntheilung. Die Beobach-
tungen Brandt's (36) haben dagegen ergeben, dass die oben erwähnten
kleinen Kerne der Sphaerozoiden (mit Fädchen- und Körnchengerüst) sieh
unter spindelförmiger Umbildung theilen (XIX. 4 h — k).
Ausserdem will jedoch Brandt auch Theilungen der ganz homogenen
Sphaerozoidenkerne noch vor Beginn der Schwärmerbildung beobachtet
haben, welche ohne weitere Differenzirung der homogenen Kernsubstanz
durch einfachen Zerfall vor sich gingen (XIX. 4 c — d).
Mit diesen wenigen Beobachtungen ist zugleich Alles erschöpft, was
bis jetzt über Theilungsvorgänge der Kerne bei den Radiolarien beob-
achtet wurde; im Allgemeinen sind demnach diese Vorgänge noch wenig
erforscht.
C. Das extrakapsuläre Plasma, seine Einschlüsse und Erzeugnisse.
1. Das extrakapsuläre Plasma und die Gallerte im All-
gemeinen. Wir haben schon bei früherer Gelegenheit unsre Auffassung
des extrakapsulären Plasmas mehrfach betont und namentlich dargestellt,
dass wir es nicht für angezeigt halten, es als ein Ectoplasma im Gegensatz
zu dem intrakapsulären, als Entoplasma, zu bringen. Die Eigenthümlich-
keiten des extrakapsulären Plasmas finden ihre Erklärung, wie mir scheint,
besser auf Grundlage unserer Auffassung. Nicht selten weicht ja auch das
aus der Schale eines Rhizopoden in Gestalt von Pseudopodien oder eines
üeberzuges hervorgedrungne Plasma wesentlich von dem in der Schale
verbliebenen durch hyaline Beschaffenheit oder durch Mangel der Ein-
schlüsse ab.
Eine sichere Entscheidung zwischen den beiden entgegenstehenden
Ansichten wird sich jedoch erst durch die Feststellung der Entwicklungs-
geschichte ergeben. Entwickelt sich, wie Brandt (36) anzunehmen ge-
neigt ist, die Centralkapselwand als eine innerliche Membran auf der
Grenze zwischen den zwei zuvor schon differenzirten Plasmazonen, so
scheint die Frage gegen uns entschieden zu sein; ist dagegen, wie ich
anzunehmen geneigt bin, die Centralkapselmembran ursprünglich eine
oberflächliche Ausscheidung, homolog dem Schalenhäutchen der Rhizo-
poden, so besteht die zweite Auffassung zu Recht. Schon früher wurde
betont, dass wir den Beobachtungen über centralkapsellose Radiolarien
vorerst in dieser Frage keine entscheidende Bedeutung zuschreiben dür-
fen, da einerseits eine sehr zarte Centralkapselwand bei diesen doch
Extraluips. Plasma ii. Gallerte. 431
z. Th. vorhanden sein kann, andrerseits dagegen nicht hinreichend fest-
gestellt scheint, ob bei diesen Formen überhaupt immer ein scharfer
Unterschied zwischen zwei Protoplasniaregionen existirt*).
Unsre Ansicht erhält, wie mir scheint, eine sehr wesentliche Stütze,
wenn wir uns die Beschaffenheit des extrakapsulären Weichkörpers etwas
näher ansehen.
Wie zu erwarten, ist die Centralkapsel der peripyleen Radiolarien
äusserlich von einer gleichmässigen Plasmalage überzogen, die von Häckel
seiner Zeit (16) den Namen des Pseudo podienmutter bodens er-
halten hat, wie der entsprechende Plasmaüberzug der Radiolarienkapsel
überhaupt. Bei sämmtlichen Radiolarien gesellt sich jedoch noch eine
diesen Matterboden äusserlich umhüllende- Gallertzone von sehr ver-
schieduer, häufig sehr ansehnlicher Mächtigkeit hinzu, welche wie
ähnliche Gallerthüllen, die wir dauernd oder temporär bei den Rhizo-
poden und Heliozoen trafen, als ein directes Erzeugniss der extrakapsu-
lären Sarkode aufzufassen ist. Der innige Zusammenhang der extrakap
sulären Sarkode mit dieser Gallerte macht es erforderlich, dass wir beide
gleichzeitig befrachten.
Wenn wir, wie geschildert, bei den Peripylarien einen gleichmässigen
Ueberzug von extrakapsulärem Plasma schon aus dem Grunde zu finden
berechtigt waren, dass ja dem intrakapsulären Plasma hier allseitig gleich-
massiger Durchtritt durch die zahlreichen Poren der Centralkapselwand
gewährt ist, so dürfen wir auch schon die Vermuthung hegen , dass bei
den Phaeodarien und Monopylarien eine solch gleichmässige Vertheilung
der extrakapsulären Sarkode fehle. Dies ist denn auch thatsäch-
lich der Fall. Bei den ersteren häuft sie sich namentlich reichlich
um die Hauptöffnung der tripylen Formen an , wogegen der Theil der
Kapselwand, welcher die beiden Nebenöffnungen enthält, nur einen dünnen
Plasmatiberzug besitzt. Noch auffallender wird dagegen diese ungleich-
massige Vertheilung des extrakapsulären Plasmas bei den Monopylarien.
Hier begegnen wir Formen wie Cystidium (XXVHI. 8) und Plagiacantha,
bei welchen sich extrakapsuläres Plasma überhaupt nur um das Poren-
feld des einen Pols der Kapsel angehäuft findet, also von einem gleich-
mässigen Ueberzug der Centralkapselwand nicht mehr die Rede sein kann
und daher auch gewiss nicht von einem Ectoplasma in der gewöhnlichen
*) Nicht ohne Berechtigung erscheint jedoch vielleicht auch eine Axt Ausgleich zwischen
den beiden besprochnen Ansichten, d. li. die Annahme der Bildung der Centralkapselwand als
ein oberflächliclies Schalenhäutchen mit nachträglichem Hervortreten der extrakapsulären
Sarkode und eine Homologisirung dieser extrakapsulären Sarkode mit dem Ectosark der Rhizo-
poden und Heliozoen. Es ergibt sich dann nur als Consequenz, dass auch das aus der Schale
hervorgedrungne Plasma mancher retikulärer Khizopodcn als Ectosark zu beanspruchen ist,
was auch nicht sehr schwierig vorstellbar sein dürfte, da ectosarkartige Pseudopodien ja
die lobosen Rhizopoden mit nicht dauernd differenzirtem Ectosark auszeichnen und z. B.
bei Pelomyxa eine ectosarkartige hyaline äussere Region häufig streckenweis auf der Oberfläche
hervortritt.
432 Etuliolaria.
Bedeutung dieses Begriffes. Bei den übrigen Monopylarien dagegen fin-
det sich, soweit bekannt, ausser der ansehnlichen Anhäufung von Plasma
am Porenfeld auch noch ein dünner Ueberzug der übrigen Central-
kapselwand.
Unter allen Umständen geht jedoch aus diesen Vertheilungsverhält-
nissen des ertrakapsulären Plasmas hervor, dass es da besonders reich-
lich angehäuft ist, wo die Communication mit dem intrakapsulären sich
findet und die Annahme erscheint wohl berechtigt, dass es einem Her-
vordringen des letzteren auf die Aussenfläche der Kapsel seinen Ur-
sprung verdankt.
Von dem sogen. Pseudopodienrautterboden entspringen netzartig ver-
zweigte und unter einander anastomosirende Plasmafortsätze, welche die
Gallerte durchsetzen und schliesslich, auf deren Oberfläche augelangt, den
frei hervorragenden Pseudopodien den Ursprung geben (XVIII. 6e — f, XIX.
3, XXVII. 4). Ausserdem geht von dem Pseudopodienmutterboden jedoch
auch eine dünne plasmatische Umhüllung frei hervorragender Stachelgebilde
des Skeletes wahrscheinlich überall aus, wo solche Stachelgebilde entwickelt
sind. Bei den Acanthometriden wenigstens lässt sich ein solcher Plasmaüber-
zug der Skeletstacheln sicher nachweisen; andrerseits erscheint derselbe als
eine wohl unerlässliche Bedingung des Weiterwachsthums der Skeletanhänge.
Zunächst muss es jedoch unsre Aufgabe sein, die Ausbildungsver-
hältnisse des Pseudopodienmutterbodens und der Gallerte noch etwas
eingehender zu verfolgen. Der erstere ist in recht wechselnder Mächtig-
keit entwickelt. Z. Th. sehr spärlich, als eine nur sehr dünne Lage aus-
gebildet, wie bei den Acanthometriden, erlangt er bei den übrigen Peri-
pylarien gewöhnlich eine ansehnlichere Entwicklung, so namentlich bei
den Colliden, zahlreichen regulären Sphaerideen und auch den Disciden.
Relativ die beträchtlichste Entwicklung bietet er jedoch bei den Phaeo-
darien nach den übereinstimmenden Angaben Hertwig's und Häckel's dar.
Auch bei den Monopylarien begegnen wir ihm in recht verschiednem
Ausbildungsgrade.
Noch viel grössere Differenzen in Hinsicht auf die Reichlichkeit ihrer
Entwicklung bietet die Gallerthülle dar. Diese schon von Meyen und
Huxley bei den Sphaerozoiden recht wohl erkannte und auch als
Gallerte bezeichnete Körperschicht w^urde später von J. Müller und Häckel
irrthUmlicher Weise für eine Bildung gehalten , welche dem lebenden
Radiolarienkörper fremd sei und sich erst nach dem Tode (Müller) oder
auch unter ungünstigen Lebensbedingungen (Häckel) entwickele; nach
Müller als eine Ausschwitzung der extrakapsulären Sarkode und ihrer
Pseudopodien, nach Häckel dagegen durch eine reichliche Wasseraufnahme
der Sarkode eine Art Verquellung derselben. Veranlasst wurde diese
irrthümliche Auffassung wohl im Allgemeinen dadurch, dass die Gallert-
hülle im lebenden Zustand so wasserklar durchsichtig erscheint und sich
in ihren Brechungsverhältnissen von dem umgebenden Wasser so wenig
unterscheidet, dass sie äusserst schwer oder nur bei Anwendung gewisser
Gallerte (Gallertscheideii der Acanthometreoii). 433
Hiilfsmittel wabrzunehmen ist. Dagegen tritt ihre äussere Grenze bei
abgestorbnen Tbiereu oder solchen, welche die Pseudopodien eingezogen
haben, nicht selten deutlich hervor, indem entweder die /Airückgezognen
Pseudopodien nun einen zarten Plasniaüberzug der Oberfläche bilden
oder zahlreiche kleine Fremdkörper der klebrigen Gallertoberlläche an-
haften und dieselbe kenntlich machen.
Erst die Untersuchungen R. Hertwig's haben daher die Thatsacbe ganz
sichergestellt, dass ein solcher Gallertmantel ein Organisationsbestandtheil
ist, welcher aucb den lebenden Radiolarien ganz allgemein zukommt.
Wie erwähnt, ist derselbe jedoch in sehr verscbiednem Grad entwickelt.
Bei einem Theil der Peripylarien bleibt er gering, so bei der Mehrzahl
der regulären Sphaerideen, wo häufig die einzige Gitterschale der Mono-
spbaeriden oder die äussere Rindenscbale der Polysphaeriden nicht in
den Gallertmantel eingeschlossen ist.
Zuweilen wird jedoch auch hier die Entwicklung der Gallerte an-
sehnlicher, so nacb Häckel bei den Cladococciden, und bei den irregulären
Sphaerideen scheint sie im Allgemeinen sehr mächtig zu sein, so dass bei
Heliodiscus, den Porodisciden und Spongodisciden das gesammte Skelet
von der Gallerte umschlossen wird. Sehr reichlich ist die Gallerte
zum Theil auch bei den Acanthometriden , Colliden und den kolonie-
bildenden Sphaerozoeen entwickelt, so dass sie bei den Colliden eine
Dicke zu erreichen vermag, welche den Durchmesser der ansehn-
lichen Centralkapsel übertrifft. Ebenso ansehnlich erscheint sie im All-
gemeinen auch bei den Phaeodarien, wo sie auch nicht selten das gesammte
Skelet umhüllt, und ein solch völliger Einschluss des Skeletes durch die
Gallerte gilt endlich ebenso allgemein für die Monopylarien.
Im Allgemeinen schliesst sich die Gestaltung des Gallertraantels
natürlich der des Skeletes an, ist demnach bei den kugligen Formen eine
kuglige, bei den monaxonen eine ebensolche. Bei gewissen Phaeodarien
(Coelothamnus) mit ansehnlich langen, strahligen Skeletfortsätzen, erhebt
sich die Gallerte um, jeden Strahl, ihn vollständig eiuschliessend, zu einem
Fortsatz ; ähnliches findet sich auch bei den Acanthometrida, wo sich die
Gallerte gewöhnlich um jeden der Skeletstacheln, der aus ihr mit seinem
peripheren Ende hervorragt, als eine sogen. Stachelscheide, wie sie schon
J. Müller beschrieb, erhebt. Der Grad der Erhebung und Ausbildung
solcher Stachelscheiden ist jedoch ein recht variabler, was von ver-
schiednen Umständen abhängt. Sehr geringe wie sehr ansehnliche Entwick-
lung der Gallerte scheinen eine schwache Ausprägung der Stachelscheiden zu
bedingen ; gleichzeitig sind dieselben jedoch bei einer und derselben Form
veränderlich, was ohne Zweifel wesentlich von dem Vorhandensein sehr
eigenthümlicher, contractiler, fadenartiger Elemente bedingt wird, welche
sich zwischen den Enden der Gallertscheide und dem Stachel ausspannen
und durch ihre Contraction die Scheiden nach dem Stachelende ziehen
(XXVII. 4, ge). Es sind dies die sogen. Gallertcilien , welche besser erst
später ihre genauere Besprechung finden werden.
r. i'oiiii, Klassen iIps 'l'liier-lfoiclis. Pmtozoa. ZO
434 Eadiolaria,
Die Consistenz der Gallerte scheint häufig eine nicht unerhebliche zu
sein, so wird sie von Häckel und Hertwig z, Th. mit der der Medusen-
gallerte verglichen, für gewisse Formen sogar als eine knorplige bezeich-
net. Trotzdem scheint die Gallerte eine nicht unerhebliche Klebrigkeit zu
besitzen, worauf eben die schon früher betonte Erscheinung zurückzuführen
ist, dass der Oberfläche der Gallerte abgestorbner oder doch nicht sehr
lebensfrischer Exemplare gewöhnlich zahlreiche kleine Schmutztheilchen
und sonstige Fremdkörper ankleben.
Fast überall ist die Gallerte ganz homogen und structurlos, nur
Häckel gibt an, bei einigen wenigen Formen eine radiärstreifige oder
concentrisch geschichtete Gallerte beobachtet zu haben.
Eine eigenthümliche Ditferenzirung zeigt sie nur an der Ober-
fläche gewisser Acanthometriden. Bei Xiphacantha serrata Hck. beobach-
tete Hertwig fein fadenförmige Dififerenzirungen , welche von -der Spitze
der Stachelscheiden nach deren Basis in regelmässiger Anordnung ziehen
und zwischen den Basen der benachbarten Stachelscheiden so mit den
Fäden der umgebenden Stachelscheiden zusammenstossend sich vereinigen,
dass alle diese Vereinigungspunkte um jede Scheidenbasis eine polygonale
Figur bilden. Diese polygonalen Zeichnungen um die Basen der Stachel-
scheiden sind deshalb noch von besondrer Wichtigkeit, weil in ihnen die
Ursprünge der Pseudopodien liegen. Etwas anders gestaltet sich eine
ähnliche fadenförmige Differenzirung auf der Gallertoberfläche des Acantho-
chiasma rubescens Hck. (XXVUI. 3). Hier bilden eine Anzahl feiner, dicht
zusammenstehender Fäden ein polygonales Band um jeden nur wenig über
die Oberfläche der Gallerte vorspringenden Stachel, so dass die gesammte
Gallertoberfläche von einer polygonalen Felderuug bedeckt wird. Auch
bei dieser Form zeigen die später zu besprechenden Hauptpseudo-
podien eine bestimmte Beziehung zu der Fadendiflferenzirung, sie ent-
springen nämlich von dem streifigen Band, Mit Hertwig dürfen wir es
für wahrscheinlich halten, dass diese fibrillären Bildungen der Gallertober-
fläche eine Bedeutung als Stützapparate besitzen. Mit der extrakapsulären
Sarkode und ihren Ausläufern stehen sie namentlich in keinem directen
Zusammenhange.
2. Einschlüsse der extrakapsulären Sarkode. Verschiedne
Einschlüsse, welche wir schon in der intrakapsulären Sarkode kennen
lernten, begegnen wir auch hier wieder, jedoch sind darunter nur zweier-
lei, welche gelegentlich eine wesentlichere Rolle spielen, nämlich die Va-
cuolen oder Alveolen, wie sie in der extrakapsulären Sarkode gewöhnlich
genannt werden und weiterhin das Pigment. Gelegentlich wird auch das
Vorkommen von farblosen Oelkugeln (so bei Thalassicolla sanguinolenta,
uucleata und Sphaerozoeen), sowie von Eiweisskugeln berichtet (Tha-
lassolampe primordialis und Collozoum nach Hertwig), doch sind dies
anscheinend seltne Vorkommnisse; Concremente und Krystalle fehlen
völlig, wenn man nicht etwa zu der sehr unwahrscheinlichen Annahme
hinneigt, dass die zahlreichen Coccolithengebilde, welche sich in der extra-
I
Gallertc ; Extrakapsul. Vacuolcn (Alveolen). 435
kapsulären Sarkode der als Myxobrachia beschriebnen, deformirten Exem-
plare von Thalassicolla sanguinolenta finden, concrementäre Erzeugnisse
des Radiolarienkörpers selbst seien*).
Dagegen treffen wir bei einer Reihe ansehnlicher Radiolarien ans den
Gruppen der Colliden und Phaeodarien, sowie durchgängig bei den Kolo-
nien der Sphaerozoeen zahlreiche und z, Th. sehr ansehnliche Vacuolen
an, welche nicht in dem Pseudopodienrautterboden selbst ihren Sitz haben,
sondern sich in den Maschenladen des Plasraanetzes der Gallerte bilden.
Sie erscheinen daher gewissermaassen in die Gallerte eingelagert**).
Schon Huxley (5) fasste sie als Flüssigkeitsräume im Sinne der Vacuolen,
welche Dujardin in seiner Sarkode beschrieb, auf. J. Müller dagegen
und ähnlich Häckel, wenn auch für die extrakapsulären Alveolen weniger
entschieden , vermutheten in ihnen Zellen , da sie von einer besonderen
Membran umschlossen seien. Dagegen neigten sich Schneider (19) und
Dönitz (22) mehr der Huxley'schen Auffassung zu und R. Hertwig (28, 33)
erbrachte auch für diese extrakapsulären Vacuolen den sicheren Nach-
weis, dass sie gewöhnlich nichts weiter wie wandungslose Flüssigkeitstropfen
im Plasma sind, Sie bilden sich durch Auftreten von Flüssigkeitstropfen in
den Maschenfäden des Plasmanetzes der Gallerte; indem eine solche Va-
caole ansehnlich heranwächst, verdünnt sich die sie umhüllende zarte
Plasmalage sehr und sie ist es ohne Zweifel, welche Müller und Häckel
für die Alveolenraembran gehalten haben. Natürlich erscheint es, dass
sich gleichzeitig Vacuolen sehr verschiedner Grösse finden. Treten sie
sehr zahlreich auf, so pressen sie sich häufig gegenseitig polyedrisch.
Bei den grossen Colliden und Phaeodarien (XXXI. 19, alv), wo die Al-
veolen in sehr reichlicher Zahl auftreten, bilden sie einen dicken Mantel um
die Centralkapsel , der aus mehreren concentriscb umeinander gelagerten
Vacuolenschichten besteht. Gewöhnlich, sehr ausgesprochen z. B. bei Tha-
lassicolla, nehmen diese Vacuolen peripherisch an Grösse zu (XVII. 3 a).
Bei Thalassicolla nucleata (XVII. 4 a) findet sich zunächst um die Cen-
tralkapsel eine Zone mit kleinen Vacuolen und auf diese folgt dann die
äussere, in welcher die Vacuolen sich rasch vergrössern. Auch zeigen nach
Hertwig diese beiden Zonen hier ein sehr verschiednes Verhalten, indem die
Vacuolen der äusseren Zone bei mechanischer Reizung des Thieres von aussen
nach innen successive collabiren, wodurch schliesslich eine vacuolenfreie
äussere Gallertzone resultirt. Bei Aufhören der Reizung tritt allmählich
eine Neubildung der Alveolen der äusseren Zone auf, bis schliess-
lich der ursprüngliche Zustand wieder hergestellt ist. Dieses Verhalten
beweist denn auch ganz unzweifelhaft, dass die sogen. Alveolen einfache
Flüssigkeitsansammlungen sind, von derselben Natur wie die der Heliozoen,
*) Vergl. hierüljer weiter unten.
**) Eigcntliümlich ist, dass iinter den Monopylarien nur eine einzige Gattung-, näuilicli
das selialenlose Cystidium Hertw. extrakapsuläre Vacuolen besitzt, welche sich hier mit dem
extialiaiisnlärcn Plasma um das Porcnfeld des basalen Kapselpols lagern.
436 liadiolaria.
sahen wir doch (p. 273), dass sich die Vacuolen grösserer Heliozoen in
ganz entsprechender Weise gegen mechanische Reizung verhalten.
Erst später, bei der Schilderung der Koloniebildung können wir die
Anordnung und die genaueren Verhältnisse der Vacuolen der Sphaero-
zoeen (s. T. XVIII u. XIX) eingehender darstellen, doch verdient schon an
dieser Stelle hervorgehoben zu werden, dass nach Hertwig's Erfahrungen,
welchen ich mich auch anschliessen kann, die grosse centrale Vacuole, welche
die Kolonien dieser Radiolarien z. Th. besitzen, thatsächlich von einer zarten
Membran umhüllt zu sein scheint, ja es gelang Hertwig, diese grosse Vacuole
zu isoliren. Jedenfalls ist ihre Membran ein secundäres Erzeugniss, welches
sich z. Th. dadurch erklärt, dass die grosse centrale Vacuole gewisser-
maassen einen Stützapparat der gesammten Kolonie bildet, um welchen
sich die Einzelthiere in später zu besprechender Weise herumlagern.
In zweiter Linie tritt uns Pigment als ziemlich wesentlicher Bestand-
theil des Ectosarks einer Reihe von Radiolarien entgegen. Nur in der
interessanten Abtheilung der Phaeodarien ist dieses Pigment jedoch ein
ganz charakteristischer, soweit bekannt, nie fehlender Bestandtheil, welcher
demnach zu den bezeichnendsten Eigenthümlichkeiten der Abtheilung ge-
hört. Dieses stets sehr dunkle Pigment ist im Mutterboden der Pseudo-
podien angehäuft, besonders reichlich meist in dessen stärker ent-
wickelter Partie, welche bei den tripylen Formen bekanntlich die Haupt-
öffnung umgibt, weshalb denn häufig die dunkle Pigmentmasse nur die
eine Seite der Centralkapsel umhüllt, nicht selten jedoch auch den gröss-
ten Theil der Kapsel einschliesst, ja diese sogar gelegentlich völlig um-
hüllt (XXXI. 18). Dies Pigment, welches Häckel in seiner Gesammtheit als
das Phaeodium bezeichnet, ist theils ein sehr feinkörniges, staubartiges, theils
dagegen aus gröberen Körnern, sogen. Phaeodellen Häckel's gebildet.
Frtiherhin (16) sprach Häckel auch von Pigmentbläschen, welche bei
Coelodendrum sogar echte Zellen sein sollten.
Der Farbenton zeigt gleichfalls einige Wandelbarkeit, doch ist er
stets ziemlich dunkel. Meist herrscht ein dunkel- bis schwarzbrauner
Ton vor, nicht selten jedoch geht derselbe ins Grünliche bis Dunkelgrüne
über, ja es treten auch zuweilen röthliche bis violette Farbentöne auf.
Auf Hertwig machte dieses Pigment der Phaeodarien z. Th. den Ein-
druck halbverdauter Nahrung.
Ein ähnliches schwarzes Pigment findet sich unter den Colliden stets
bei der interessanten Thalassicolla nucleata und erfüllt hier den Mutter-
boden der Pseudopodien gewöhnlich so dicht, dass die Centralkapsel ganz
verdeckt wird. Unter Umständen, so bei heftiger mechanischer Reizung
der Thiere, verbreitet sich das Pigment auch nach aussen durch die
Gallerte, so dass die sonst sehr scharf gezeichnete schwarze Umrahmung
der Centralkapsel nun ziemlich verwaschen erscheint. Braunes Pigment
findet sich gewöhnlich ziemlich reichlich bei Disciden und vertheilt sich
hier zuweilen auf bestimmte Stellen der Peripherie, so zum Theil bei
Stylodyctia nach Hertwig. Auch sonst sind Pigmentkörnchen bei den
Extrakapsiil. Piguicut ; Aiiuidiiung der rscudoi)odieii. 437
Sphaerideen keine seltne Erscheinung. Gelbe Pignientkörnchen und
Häufchen solcher trifft man gewöhnlich bei Thalassolampe und gewisse
Acanthometriden zeichnen sich durch sehr reichliches feinkörniges, lebhaft
rothes Pigment aus (so Acanthostaurus purpurascens Hck., Actinelius pur-
pureus Hck.), welches sich hier jedoch durch die gesammte Sarkode,
intra- wie extrakapsulär verbreitet und auch bis auf die Pseudopodien
hinauswaudert. Braunes extrakapsuläres Pigment wurde bei einigen
Monopylarien (Cystidium und Trictyopus) von Hertwig beobachtet.
Im Allgemeinen dürfen wir also hervorheben, dass die Pigmentent-
wicklung der extrakapsulären Sarkode weniger reichlich ist, wie die der
intrakapsulären.
ü. Die Pseudopodien der Kadiolarien und einige anderweitige besondere
Difforenzirungen des extrakapsulären Plasmas, sowie die Nahrungsauf-
nahme und die Bewegungserscheinungen.
1. Die Pseudopodien der Kadiolarien entspringen anscheinend
stets von der Obertläche der Gallerthülle als sehr feine, strahlenartige
Fäden, welche sich meist allseitig erheben. Ihre Länge sowohl wie ihre
Zahl ist grossen Schwankungen unterworfen und in ihrer Ausbildung
nähern sie sich theils mehr denen der reticulären Khizopoden, theils mehr
denjenigen der HeUozoa. Sehr zahlreich strahlen sie gewöhnlich allseitig
bei den Sphaerideen und CoUiden aus, so dass sich ein dichter Wald oder
Samuit von Pseudopodienfäden von der Oberfläche der Gallerte erhebt.
Häckel schätzt ihre Zahl bei ThalassicoUa auf weit über Tausend. Auch
die Monopylarien und Phaeodarien scheinen im Allgemeinen keine geringe
Zahl von Pseudopodien zu bilden, nur bei den einfacheren Formen der
Monopylaria sind sie meist spärlich, doch hängt natürlich die Pseudo-
podienzahl in gewissem Grade von der Grösse des Organismus überhaupt
ab. Spärlich sind die Pseudopodien nach den übereinstimmenden An-
gaben der Beobachter eigentlich nur bei den Acanthometriden entwickelt.
Dagegen zeigen sie hier z. Th, sehr eigenthümliche Stellungsverhältnisse
und treten weiterhin in zweierlei verschiednen Ausbildungsformen auf.
Bevor wir jedoch die bei letzterer Abtheilung sich findenden Verhältnisse
genauer ins Auge fassen, erscheint es gerathener, zunächst die Stellungs-
verhältnisse der Pseudopodien bei den übrigen Abtheilungen kurz zu ver-
folgen. Es erscheint natürlich, dass bei den Peripylarien eine gleich-
massige, allseitige Vertheilung der Pseudopodien herrscht. Ebenso
weiterhin, dass bei den Monopylarien im Allgemeinen eine reichlichere
Entwicklung derselben von der um das Porenfeld ansehnlicher angehäuften
extrakapsulären Sarkode ausgeht, so dass also bei den Cyrtida ein
ansehnlicherer Pseudopodienbüschel aus der Schalenmündung hervortritt,
doch strahlen auch nach allen übrigen Richtungen des Raumes hier zahl-
reiche Pseudopodien aus.
Die Länge, welche die Pseudopodien erreichen, ist gleichfalls recht
verschieden; so erlangen sie bei einer Reihe von Abtheilungen den
438 Eadiolaria.
mehrfachen Durchmesser des Körpers, sinken dagegen hei anderen his
zur Hälfte desselben herab.
Die Gestaltung der Pseudopodien ist, wie bemerkt, theils mehr eine
heliozoenartige, d. h. die starrer, strahlenartiger Fäden, welche sich ver-
hältnissmässig selten verästeln und daher auch keine oder nur sehr spär-
liche Anastomosenbildungen zeigen oder eine mehr verästelte, mit Neigung
zur Netzbildung. Im Allgemeinen scheinen hauptsächlich die Peripylarien
starre Pseudopodien der erstgeschilderten Ausbildungsweise zu entwickeln,
wogegen bei den Monopylarien und auch den Phaeodarien häufig eine
reichlichere Anastomosen- und Netzbildung zu Stande kommt. Häckel
(16) hebt hervor, dass die starren Pseudopodien sich gewöhnlich auch
durch Armuth an Körnchen auszeichnen , während diese den verästelten
reichlicher zukommen. Für einen Theil der starren Pseudopodien, näm-
lich diejenigen der Acanthometriden, konnte Hertwig nachweisen, dass
sie dieselbe Zusammensetzung aus Axenfaden und körnchenführender
Rindenschicht aufweisen, wie die der Heliozoa z. Th. Es gilt dies jedoch
nicht für sämmtliche Pseudopodien, welche eine solche Acanthometride
entwickelt. Unregelmässig über die Oberfläche der Gallerte vertheilt oder
an den Stacheln entspringend finden sich auch feine Pseudopodien,
welchen eine solche Difierenzirung fehlt. Die differenzirten Pseudopodien
zeichnen sich einmal durch ihren streng radialen Verlauf aus und weiter-
hin gewöhnlich durch sehr regelmässige Vertheilung über die Oberfläche des
Organismus, was schon J. Müller hervorhob. Bei Acanthometra (XXVII.4)
steht nach Hertwig ein solches Pseudopodium meist regelmässig in der Mitte
zwischen zwei benachbarten Stacheln ; bei anderen dagegen, so bei Xiph-
acantha umstehen zahlreiche (50 — 60) derartige Pseudopodien den peri-
pherischen Theil jedes Stachels und zwar so geordnet, dass sich je ein
Pseudopodium aus dem Zusammenstossungspunkt zweier der früher^ge-
schilderten Stützfäden benachbarter Stachelscheiden erhebt. Es bilden
daher auch die Basen der um jeden Stachel eingepflanzten Pseudo-
podien keinen Kreis, sondern, wie schon früher für die Vereinigungspunkte
der Stützfäden geschildert wurde, eine polygonale Figur.
Die Axenfaden der ebengeschilderten Pseudopodien lassen sich nun,
ähnlich wie bei den Heliozoen, ins Innere des Körpers verfolgen, und
zwar verlaufen sie streng radial durch die Gallerte und die Centralkapsel
hindurch bis zum Stachelkreuz, wo sie sich den BHcken entziehen, da
das intrakapsuläre Plasma um das Stachelkreuz gewöhnlich stärker körnig
oder pigmentirt erscheint. In ihrem Verlauf durch die Gallerte sind die
Axenfaden von Protoplasma überkleidet und bei der Acanthometra elastica
(welche sich wegen ihrer Durchsichtigkeit besonders zur Beobachtung
eignet), wo nur ein Plasmanetz die Centralkapsel durchzieht, überkleidet
das feinkörnige Plasma die Axenfaden auch in ihrem Verlaufe durch die
Centralkapsel durchaus. Schon Claparede (14) hatte sich bei Acanthometriden
von dem Eindringen der Pseudopodien in den Weichkörper überzeugt und
Greeif, hierauf gestützt, das Vorhandensein von Axenfaden vermuthet.
BcscluiUbulicit der rsuudopodicii (^Axcnfüdcu , Könicliciiströuiung). 439
Leider gelang es bis jetzt nur bei den Acanthometriden mit Siclier-
beit die Gegenwart der Axenfäden zu beobacbten; mit Hertwig dürfen
wir es jedocb für wabrscbeinlicb balten, dass auch noch die starren
Pseudopodien andrer Abtbeilungen, so namentlich die der Sphaeridecn
Axenfäden besitzen, Hertwig gelang es bei zwei hierhergehörigen For-
men, einer Diplosphaera und einer x^rachnosphaera, am isolirten
Nucleus zahlreiche der Kernmerabran äusserlich anhängende Fäden
wahrzunehmen, welche er vermuthungsweise und nicht ohne Recht als ver-
kürzte Axenfäden betrachtet*). Wir sahen ja auch bei Actinophrys unter
den Heliozoen die Axenfäden bis zur Oberfläche des centralen Kernes
verlaufen. Für die übrigen Abtheilungen der Radiolarien dagegen
glaubt Hertwig das Vorkommen der Axenfäden bestimmt in Abrede stellen
zu müssen. Jedoch scheint mir ein Punkt in der Organisation der Mono-
pylaria möglicherweise für die Anwesenheit von Axenfäden bei einem
Theil der Pseudopodien zu sprechen. Es ist dies nämlich der eigenthüm-
liche, früher geschilderte Pseudopodienkegel, dessen radiäre, zum Poren-
feld ziehende Streifen und ihre Vereinigung im Centrum der Centralkapsel
eventuell einen Vergleich mit Axenfäden erlaubt. Doch ist eine solche
Vermuthung einstweilen nicht weiter zu begründen. Brandt (36) hat sich
überzeugt, dass die Axenfäden der Acanthometriden in 10 — 20 7o Kochsalz-
lösung löslich sind und hält sie deshalb wie die der Heliozoa für Vitellin.
Es wurde schon oben hervorgehoben, dass die Pseudopodien in sehr
verschiednem Grade körnchenführend sind und Häckel betont, dass auch
Formen mit gewöhnlich sehr körnchenreichen Pseudopodien zuweilen ganz
körnchenfreie zeigen.
Natürlich fehlt die Körnchenbewegung nicht und ist gewöhnlich eine
ziemlich langsame, doch habe ich mich wenigstens bei iSphaerozoeen
überzeugt, dass sie die vieler Rhizopoden an Energie übertrifft. Wie
schon erwähnt, wandern z. Th. auch die rothen Pigmentkörnchen der
extrakapsulären Sarkode gewisser Formen auf die Pseudopodien hinaus
und geben dann einen unzweifelhaften Beweis für die richtige Deutung
der Körnchenbewegung. Auch die bei den Rhizopoden schon geschilder-
ten Gegenströme an einem Pseudopodium treffen wir wieder an. Dieselbe
Körnchenströmung lässt sich jedoch auch leicht an den die Gallerte
durchsetzenden Plasmanetzen constatiren und Strömungserscheinungen
treten auch zuweilen in der Centralkapsel deutlich hervor. Hertwig ge-
lang es sogar, wie schon angedeutet, bei durchsichtigen Acanthometren
den sicheren Nachweis zu führen, dass Körnchen die Centralkapsel-
wand passiren , womit also auch Strömungen zwischen dem intra- und
extrakapsulären Plasma sichergestellt erscheinen.
Zuweilen zeigen sich auch an den Pseudopodien der Radiolarien
spindelförmige Anschwellungen , sogen. Varicositäten, welche ähnlich den
Körnchen eine Verschiebung längs des Pseudopodienfadens erfahren.
*") Brandt spricht auch von den Axenfäden der SiJongosphacra.
440 Kadiolaiia.
Theils scheint diese eine wirkliche Wanderung der Verdickung, theils
jedoch nur eine scheinbare zu sein, hervorgerufen durch Verlängerung
oder Verkürzung des Scheinfüsschens.
Die Angabe Claparede's, dass die Acanthometriden die Enden der
Pseudopodien peitschen- oder geisselartig zu bewegen vermögen, wurde
von den späteren Beobachtern nicht bestätigt; dagegen beobachtete Häckel
träge und langsame pendelartige Bewegungen einzelner gestreckter Pseudo-
podienfäden nicht selten, auch sah er zuweilen einzelne Fäden bei fest-
stehender Basis fortdauernd in der Mantelfläche eines Kegels langsam
rotiren, wobei also das Pseudopodienende einen Kreis beschrieb*).
2. Sogen. Sarkodegeissel und contra etile Fäden. Bei
wenigen Radiolarien treffen wir eigenthümliche Organisationseinrichtungen
an, welche am ehesten von umgebildeten Pseudopodien herleitbar erschei-
nen. Hierher ist zunächst die sogen. Sarkodegeissel zu rechnen, welche
Häckel und Krohn zuerst bei gewissen Disciden (Euchitouia) und Spongo-
disciden (Spongocyclia z. Th. und Spongasteriscus) beobachteten (XXV. 3;
XXVI. 6). Nach den neueren Untersuchungen Hertwig's (33) ist dieselbe kein
geisselartiges Gebilde, wie Häckel wohl vermuthete, sondern hervorgegangen
aus einem Büschel sehr dicht stehender Pseudopodien, welche peripherisch
mit einander verschmolzen sind.
Die mit solcher Sarkodegeissel ausgerüsteten Disciden und Spongo-
disciden zeigen übereinstimmend eine schon früher geschilderte zweiseitige
Gestaltung und durch das Auftreten der Sarkodegeissel wird diese Zwei-
seitigkeit noch erhöht, da dieselbe sich in der Medianebne an einem
Körperende entwickelt; bei Euchitonia in dem Ausschnitt zwischen zwei
häufig eigenthümlich ausgebildeten Armen und in ähnlicher Stellung auch
bei den beiden Spongodiscidengattungen.
Die langgestreckt kegelförmige Geissei ist nicht ganz homogen, wie
Häckel angab, sondern ihr basaler Abschnitt fein längsstreifig, da die zu-
sammengetretnen Pseudopodien hier nicht völlig verschmolzen sind; auch
feine Körnchen bemerkt man in ihr und kann deren Circulation beobachten.
Dass wirklich eine solche Verschmelzung von Pseudopodien der Sar-
kodegeissel den Ursprung gab, geht wohl sicher daraus hervor, dass
Hertwig einmal ein nachträgliches Hinzutreten und Verschmelzen eines
weiteren Pseudopodiums beobachtete. Spontane Bewegungen führt dieser
Anhang nicht aus, dagegen schlängelt und krümmt er sich bei Keizung,
so dass er häufig in solcher Gestalt zur Beobachtung kommt. Dieses
Verhalten spricht jedenfalls dafür, dass die Pseudopodien, welche die
Sarkodegeissel aufbauen, doch eine etwas aussergewöhnliche Natur be-
sitzen. Von besonderem Interesse ist schliesslich die Beobachtung Hert-
wig's , dass die Geissei sich bis zum Nucleus in. den Weichkörper des
Thieres hinein verfolgen lässt; die Geisselpseudopodien müssen daher
*) Ich l<ann diesem zufügen, dass ich schwache, schwingende, pendclartige Be-
wegungen einzelner Pseudopodien auch hei marinen Khizopoden (so z. B. Lagena) beob-
achtet habe.
So""- Sarkode2'ci.sscl ii. (lallcrtcilicii. 441
■ö IJ"»"""^&
wohl in die Kategorie der Axenfäden flilirenden eingereiht werden , doch
erfordert die genaue Feststelhmg dieses Verhaltens erneute Untersuchungen.
Als Gebilde, welche einer besondren Diflferenzirung pseudopodien-
artiger Fortsätze der extrakapsulären Sarkode ihren Ursprung verdanken,
müssen auch die sogen. Gallertcilien der Aeanthometriden betrachtet wer-
den. Diese, von J. Müller schon beobachteten und auch von Häckel ein-
gehend studirten Gebilde erheben sich in sehr verschiedner Zahl (5—80)
in einein Kranz von der Höhe der sogen. Gallertscheiden um die aus der
Gallerte hervorschauenden Enden der Skeletstacheln (XXVII. 4, gc). In
einer gewissen Entfernung von ihrem Ursprung legen sie sich an
einem Punkt des Stachels an. Müller und Häckel glaubten in ihnen irr-
thümlich die gallertig veränderten Pseudopodien zu erblicken, ähnlich wie
sie ja auch die Gallerte auf eine gallertige Umbildung oder Ausschwitzung
des extrakapsulären Plasmas und der Pseudopodien zurückführten.
Hertwig (33) hat dagegen diese Gallertcilien als Gebilde sehr eigen-
thümlicher Natur erkannt, welche durchaus nichts mit der Gallerte gemein
haben, sondern sehr contractile Fäden sind, die ohne Zweifel eigenthüm-
lich differenzirte Theile des Plasmas vorstellen. Ihre Substanz ist ganz
homogen, nicht fibrillär ditferenzirt. In normalem, ungestörtem Zu-
stand sind die Cilien scharf umschriebne Fäden, welche nach ihrem
peripherischen Ende sehr fein auslaufen. Bei schwacher mechani-
scher Reizung contrahiren sie sich etwas und ziehen die Gallertscheide,
da die Anheftungsstelle der Fäden am Stachel intact bleibt, etwas nach
der Stachelspitze empor; gleichzeitig führen sie auch schlängelnde und
wurmartige Bewegungen aus. Bei länger dauernder oder stärkerer Rei-
zung verkürzen sie sich sehr, bis zu V4 ihrer ursprünglichen Länge und
lösen sich von dem Stachel ab, behalten jedoch ihre Verbindung mit der
Gallertscheide; nur in diesem Zustand wurden sie von Müller und Häckel
beobachtet, welche deshalb auch ibre wahre Natur verkannten. Beim
Nachlass des Reizes stellt sich allmählich der ursprüngliche Zustand wieder
her. Einwirkung tödtender Reagentien (Osmiumsäure) ruft die Maximal-
contraction momentan hervor. Aus diesem Verhalten der contractilen
Fäden geht hervor, dass sich ihre Masse der contractilen Substanz des
Muskels näher anschliesst, wie dem gewöhnlichen Plasma,
Interessant ist, dass sich bei Acanthochiasma, wie gleichfalls Hertwig
feststellte, statt gesonderter contractiler Fäden, eine zusammenhängende
trichterförmige, contractile Membran um das peripherische Ende der
Stacheln findet (XXVII. 12), Diese längsstreifige Membran ist im Ruhe-
zustand sehr in die Länge gezogen, so dass sie sich dem Stachel, an
welchem ihr verschmälertes Ende befestigt ist, recht dicht anschmiegt
(12 b). Rings ist sie von der Gallerte eingeschlossen. Im contrahirten
Zustand verkürzt sie sich, bleibt jedoch am Stachel festgeheftet, nur
hebt sich ihr centrales Ende vom Stachel mehr ab (12 a).
Die wahrscheinliche physiologische Bedeutung der contractilen Fäden
wurde schon vorhin kurz betont; sie haben wohl die Gallerte an den
442 liadiolaria.
Stacheln empor zu ziehen und rufen daher nach Ilertwig's Vcrmuthung
eigenthch die Gallertscheiden hervor. Welche Bedeutung dagegen wiederum
die Gestaltsveränderungen der Gallerte besitzen mögen, ist bis jetzt nicht
recht ermittelt, wiewohl mir die Ansicht Hertwig's nicht unplausibel er-
scheint, welcher diesen Gestaltsveränderungen der Gallerte einen Einfluss
auf das Ab- und Aufsteigen unsrer Organismen im Wasser zuschreiben
möchte. Es scheint mir dies um so annehmbarer, als die Gallertentwick-
lung der Kadiolarien, welche wir ähnlich auch bei den pelagischen Rhi-
zopoden antrafen, wohl überhaupt zur Schwimmfähigkeit in inniger Be-
ziehung steht.
3. Bewegungserscheinungen. Ueber die Bewegungsvorgänge
der Radiolarien ist im Allgemeinen ebensov^enig Sicheres bekannt, wie
über die der Heliozoen, welchen sie sich in diesen Beziehungen ohne
Zweifel am meisten nähern. Die directe Beobachtung hat ergeben, dass
Radiolarien auf einer festen Unterlage mit Hülfe ihrer Pseudopodien
schwache, wälzende oder drehende Körperbewegungen ähnlich wie die
Rhizopoden und Heliozoen auszuführen im Stande sind, jedoch sind diese
Bewegungen im Allgemeinen weniger energisch wie die der Rhizopoden
und kommen auch wohl in der Natur seltner zu Stande, da die meisten
Radiolarien Avohl sicher eine schwimmende Lebensweise führen. Hier-
auf weist wenigstens ebenso die directe Beobachtung wie ihre ge-
sammte Organisation hin. Bei diesen schwankenden und wälzenden,
zuweilen ruckweise erfolgenden Bewegungen dienen den bestachelten For-
men die Stacheln gewissermaassen als Stützen, auf welchen sie sich hin-
und herbewegen.
Unerklärt ist bis jetzt auch für die Radiolarien der Vorgang des
Schwimmens geblieben. Zum Theil mag dieses Schwimmen, wie Häckel
vermuthet, wenn es an der Oberfläche des Wassers statthat, gar kein
eigentliches Schwimmen sein , sondern ein Anheften an dem Oberflächen-
häutchen des Wasserspiegels vermittels der Pseudopodien. Doch bemerken
wir auch wirkliches, unzweifelhaftes Schwimmen unter der Oberfläche und
wissen ja namentlich durch die neueren Forschungen, dass die Radiolarien-
welt durchaus nicht auf die Oberfläche beschränkt ist. Eine einfache
Ueberlegung verbietet jedoch die Annahme, dass diese unter der Ober-
fläche weilenden Formen etwa in fortdauerndem langsamen Sinken be-
grilfen seien.
An und für sich ist es ja sehr begreiflich, dass solch kleine Wesen,
deren specifisches Körpergewicht sich im Ganzen nur sehr wenig über
das des umgebenden Wassers erheben wird, lange Zeit im Wasser
suspendirt bleiben und nur sehr langsam sinken werden. Die Langsam-
keit des Sinkens wird noch dadurch verstärkt werden, dass der meist
ansehnliche Gallertmantel, dessen specifisches Gewicht das des Seewassers
kaum übertreffen dürfte, das Volum des Organismus beträchtlich ver-
mehrt und daher durch Vergrösserung der Oberfläche, bei gleichzeitiger
Herabsetzung des specifischen Gewichtes des Gesammtkörpers, den Wider-
Uewoguugscrscliciiiuiigeii. 443
stand des Wassers sehr erhöht. Eine derartige Erhöhung des Wasser-
widerstandes wird jedoch noch vveiterbin durch die reicliliche Alveolen-
biklung, welche namentlich bei grösseren Formen und den Kolonien die
Gallerte noch mehr aufbläht, sowie durch die allseitig ausstrahlenden
feinen Pseudopodien eintreten. Auch die Oelkugeln werden bei reich-
lichem Vorkommen oder bei umfangreicher Ausbildung gleichfalls zur
Verringerung des specifischen Gewichtes und dadurch zur Erhöhung des
Schwimmvermögens beitragen. Im Hinblick auf die Verhältnisse gewisser
Rhizopoden verdient es jedoch wohl besonderer Erwähnung, dass Gas-
entwicklung bis jetzt bei Radiolarien noch niemals beobachtet wurde.
Alle im Obigen aufgeführten Verhältnisse zusammengefasst, sind
dennoch nicht im Stande, uns das dauernde Schwimmen der Radiolarien in
einer bestimmten Wasserzone zu erklären, so dass die Wahrscheinlichkeit
dafür spricht, dass, wie J. Müller und Häckel vermuthen, schwache activc
Bewegungen, wahrscheinlich solche der Pseudopodien, das Schwimmen
unterstützen.
Gar nicht erklärbar durch die oben zusammengestellten thatsäch-
lichen Verhältnisse sind jedoch die auch bei den Radiolarien mit ziem-
licher Sicherheit constatirten aufsteigenden Bewegungen im Wasser.
Für die Erscheinung des Sinkens können wir wie bei den Heliozoen
vielleicht eine Vergrösserung des specifischen Gewichtes direct heran-
ziehen, indem mancherlei Anzeichen dafür sprechen, dass der Wasser-
gehalt der Gallerte ein veränderlicher ist und eine Verringerung desselben
wird demnach durch eine Erhöhung des specifischen Gewichtes des
Gesammtorganismus zum Sinken beitragen. Ausserdem kann dies jedoch
auch vielleicht noch unterstützt werden durch Verringerung des Wasser-
widerstandes, hervorgerufen durch Einziehung der Pseudopodien oder
durch GestaltsveränderuDg der Gallerthülle, wie wir sie bei den Acantho-
metriden durch die sogen. Gallertcilien ermöglicht fanden. Ein Zurück-
ziehen der Gallertscheiden von den Stacheln durch Nachlassen der Con-
traction der Gallertcilien wird eine Abrundung der gesammten Gallerthülle
und damit eine Verringerung des Wasserwiderstandes zur Folge haben.
Die mehrfach hervorgehobne Erscheinung, dass frisch eingefangene
Radiolarien nicht mehr an der Oberfläche des Wassers schwimmen, son-
" dern zu Boden sinken, spricht im Allgemeinen für die Wahrscheinlichkeit
der angegebnen Ursachen des Sinkens, da bekanntermaassen wenigstens
ein Theil derselben bei mechanischer Reizung, wie sie beim Einfangen
unvermeidlich ist, hervorgerufen wird.
Für die aufsteigenden Bewegungen, wie sie von Häckel bei einge-
fangenen Radiolarien anscheinend ziemlich sicher constatirt wurden, und
Avie sie sich auch aus dem wechselnden Erscheinen und Verschwinden
der pelagischen Radiolarienfauna an der Meeresoberfläche im Zusammen-
hang mit der Witterung ergeben, besitzen wir, wie bemerkt, bis jetzt
keine befriedigende Erklärung, ebenso wenig wie bei den Heliozoen.
444 Kadiolaria.
Die Annahme activer Thätigkeit der Pseudopodien zur Vermittelung
dieses Aufsteigens scheint mir im Allgemeinen nicht sehr viel Wahrschein-
lichkeit für sich zu hahen , bedarf jedoch im Hinblick auf die innigen
Beziehungen zwischen gewöhnlichen Pseudopodienbildungen und den
geisselnden Bewegungsorganen der höheren Protozoen immerhin weiterer
Verfolgung durch erneute Beobachtungen. Im Allgemeinen ist jedoch bis
dato diese Erscheinung noch so wenig aufgeklärt, dass es selbst nicht
ausgeschlossen erscheint, dass es sich hierbei nur um passive Strömungs-
erscheinungen oder durch Zunahme des specifischen Gewichts des um-
gebenden Wassers bedingte Bewegungen handelt.
4. Nahrungsaufnahme und Ernährung der Radiolarien
überhaupt. Auch über diesen Vorgang sind unsere Erfahrungen sehr
unvollständig; nur bei Häckel finden wir eingehendere, doch im Ganzen
wenig ausführliche Mittheilungen hierüber. Hiernach soll die Nahrungs-
aufnahme sich genau in der früher für die reticulären Rhizopoden
geschilderten Weise mit Hülfe der Pseudopodien vollziehen. Auch sollen
die Pseudopodien , wie wir das Gleiche schon bei Rhizopoden und Helio-
zoen anzuführen hatten, einen rasch lähmenden Einfluss auf kleinere In-
fusorien ausüben. Ist die aufzunehmende Nahrung von einem oder einigen
Pseudopodien ergriffen, so strömt gewöhnlich das Plasma durch die
Pseudopodien reichlich zu ihr hin, sie wird völlig von Plasma umhüllt
und schliesslich durch Rückfluss der Pseudopodien bis in den sogen.
Mutterboden herabgeführt. In diesem hat Häckel vielfach die mannig-
faltigsten Nahrungskörper, theils ganze einzellige Thiere oder Pflänzchen,
theils dagegen Bruchstücke derselben und anderer Organismen beobachtet.
Als solche Nahrungskörper fanden sich namentlich häufig Diatomeen
und Infusorien, speciell die au der Oberfläche des Meeres so häufigen
Tintinnoiden. Auffallend erscheint es, dass K. Brandt*) dagegen neuer-
dings entschieden leugnet, dass die Sphaerozoeen feste Nahrung zu
sich nehmen, sondern ihre Ernährung auf die Gegenwart der später zu
besprechenden, ohne Zweifel parasitischen, gelben Zellen zurückzuführen
sucht. Es mag deshalb hier noch besonders betont werden, dass sich
auch Cienkowsky (23) von der Aufnahme von Tintinnoiden in das extra-
kapsuläre Plasma überzeugte und sich direct über deren Assimilation
versicherte, da er das gelbe Pigment der Tintinnoiden das umgebende
Radiolarienplasma gelb färben sah. Angesichts dieser Angabe kann ich
daher vorerst nicht zweifeln, dass auch die Radiolarien mit gelben Zellen
feste organische Nahrung in sich aufnehmen. Eine Bildung von Nahrungs-
vacuolen scheint nie stattzufinden.
In die Centralkapsel dringt, wie begreiflich, die Nahrung nie ein,
wie es andrerseits auch natürlich erscheint, dass bei Radiolarien mit fein-
maschiger, allseitig geschlossener Skeletschale grössere Nahrungspartikel
*) K. Brandt, üeber das Zusauimeiilebca von Thieren und Algen. Verli. der physiol.
Gesellsch. zu Berlin Jahrg. 1881 -82 p. 22—26.
Nalirungsaufnaliuic. Tlieilung'. 445
nicht ins Schaleuinnere aufgenommen werden können, sondern ausser-
halb derselben ihrer assimilirbaren Bestandtheile beraubt werden, ähn-
lich wie dies bei zahlreichen marinen Rhizopoden ebenfalls statthat.
Wie aus dem vorstehend Bemerkten hervorgeht, ist unsre Kenntniss
der Ernährnngsverhältnisse der Radiolarien bis jetzt eine recht beschränkte,
ja es sind hier noch tiefgehende Widersprüche zu lösen.
). Die Fortpflanzuiig* der Radiolarien.
A. Vermelining durcli einfache Theilung und Koloniebildung.
Beweisende Beobachtungen über einfache Theilungserscheinungen
der Radiolarien liegen bis jetzt nur in sehr spärlicher Zahl vor, so dass
der ganze Vorgang noch eine gewisse Unsicherheit darbietet. Ob wir
hieraus zu schliessen berechtigt sind, dass der Vermehrungsvorgang
durch einfache Theilung, welchen wir bei den beiden schon besprochnen
Abtheilungen der Sarkodinen eine wesentliche Rolle spielen sahen, in
dieser Abtheilung überhaupt nur eine sehr untergeordnete Bedeutung be-
sitzt, ist wohl schwer mit Sicherheit zu entscheiden.
Im Wesentlichen stützt sich die Annahme von Theilungsvorgängen
der Radiolarien auf Beobachtungen gewisser Zustände der Centralkapsel,
welche es in hohem Grad wahrscheinlich machen, dass sich eine derartige
Vermehrung findet; dagegen liegt bis jetzt keine directe Beobachtung
eines wirklichen Theilungsactes des ganzen Radiolarienorganismus vor.
Schon Häckel beobachtete in den Kolonien der Sphaerozoeen sehr
häufig ellipsoidisch verlängerte und bisquitförmig eingeschnürte Central-
kapseln, welche in sehr verschiednen Stadien zu verfolgen waren. Die
weitere häufige Beobachtung zweier dicht neben einander gelagerter klei-
ner Kapseln, welche ungezwungen aus der Theilung einer bisquitförmig
eingeschnürten hergeleitet werden konnten, Hess Häckel die geschil-
derte Erscheinung mit Recht auf Vermehrung durch Theilung zurück-
führen. Bei der mit gitterförmiger kugliger Kieselschale versehenen
Collosphaera beobachtete Häckel solche Theilungsvorgänge nur an den noch
unbeschalten, jüngeren Kapseln im centralen Theil der Kolonie (XIX. 5 a).
Auch Cienkowsky (23) konnte diese Beobachtung bei Collosphaera be-
stätigen und sprach sich entschieden für die Vermehrung der Kapseln
durch Theilung aus. Bei Collozoum hat er sogar wurmförmig verlängerte
jugendliche Kapseln beobachtet, welche durch mehrere Einschnürungen in
eine grössere Anzahl Theilstücke zerfielen. Auch Hertwig (28) schliesst
sich der Häckel'schen Ansicht von der Theilung der Centralkapseln der
Sphaerozoeen an und findet einen weiteren Beleg für deren Richtigkeit
in seiner Beobachtung, dass bei bisquitförmigen Kapseln die zahlreichen
Kerne des Kapselinhalts in zwei Haufen zusammengelagert sind, welche
sich auf die beiden Lappen der Kapsel vertheilen (XVIII. ße).
446 Eadiolaria.
Die Richtigkeit der HäckeFsclien Ansicht von der Theilung der
Centralkapsel der Sphaerozoeen erhielt eine weitere Bestätigung durch
die Beobachtungen Hertwig's an Phaeodarien. Bei tripylen Formen dieser
Abtheilung (Aulacantha, Aulosphaera und Coelacantha) traf der genannte
Forscher, ähnlich wie Häckel schon früher einmal bei der ebenfalls hier-
hergehörigen Thalassoplancta, Exemplare mit zwei Centralkapseln; weiter-
hin jedoch auch solche, bei welchen die Centralkapsel bisquitförmig ein-
geschnürt bis nahezu durcbgeschnüit war (XXXII. 11, 9a). Die Einschntt-
rungsebne wai die Medianebne der zweiseitigen Kapsel, ging demnach durch
die Hauptöifnung und mitten zwischen den beiden Nebenöfifnungen hindurch.
Statt der einfachen Hauptöffnung fanden sich bei diesen Kapseln jedoch zwei
dicht bei einander stehende vor, noch umgeben von einem gemeinsamen, je-
doch mehr oder minder durchgeschnürten Strahlenhof, der, wie früher ge-
schildert wurde, von der inneren Kapselhaut gebildet wird. Besonders wichtig
erscheint jedoch, dass derartige Kapseln auch zwei Kerne enthielten, in
jeder Hälfte einen , ähnlich wie bei den bisquitförmig eingeschnürten
Kapseln der Sphaerozoeen sich gewöhnlich statt der einen ansehnlichen
centralen Oelkugel deren zwei in regulärer Vertheilung auf die beiden
Hälften vorfinden. Die gesammte Erscheinung dieser Kapseln ist entschieden
die von Theilungszuständen. Auch Hertwig hält die Vermuthung, dass die-
selben etwa durch Copalation hervorgegangne, unvollständige Verschmel-
zungszustände zweier ursprünglich getrennter Kapseln seien , für wenig
wahrscheinlich. Dies ist namentlich auch deshalb sehr unwahrscheinlich,
weil die Skeletverhältnisse derartiger Thiere, soweit bekannt, durchaus
nichts Anomales darboten, was doch wohl sicherlich der Fall sein müsste,
wenn sich zwei skeletführende Thiere durch einen Copulationsact vereinigt
hätten. Die Annahme aber, dass sich der erwähnte Zustand der Kapsel von
einem Copulationsact im jugendlichen, skeletlosen Zustand herschreibe,
lässt sich gleichfalls durch nichts begründen. Immerhin ist es bis jetzt noch
nicht geglückt, das weitere Verhalten dieser Kapseln zu verfolgen.
B. Ivoloiiiebildung der Eadiolarien.
Die bis jetzt noch bei keiner der besprochnen Abtheilungen vermisste
koloniale Vereinigung zahlreicher Einzelthiere ist auch unter den Radio-
larien bei einer Abtheilung, den sogen. Sphaerozoeen (oder Symbelaria
+ S^mcollaria, wie sie Häckel neuerdings zu nennen vorschlägt)
sehr ausgeprägt. Auch diese kolonialen Verbände nehmen ihre Ent-
stehung wohl sicher durch wiederholte Theilung eines ursprünglich ein-
fachen Individuums, wofür die Belege schon in dem vorhergehenden
Abschnitt gegeben worden sind. Solitäre, einzeln lebende Individuen dieser
Formen, welche man gelegentlich findet, lassen sich entweder als direct
aus einem der später zu besprechenden Schwärmsprösslinge hervor-
gegangen betrachten oder auch als losgelöste Individuen einer Kolonie.
Jedenfalls können sich solche Einzelthiere, durch Vermehrung der Central-
kapsel zu kolonialen Verbänden entwickeln.
Thciliing-. Koloniebildiing. 447
Die Kolonien der Sphaerozoeen zeichnen sich, wie zu erwarten, durch
nicht unbeträchtliche Grösse ans; dieser Umstand, sowie die Häufigkeit
gewisser Sphaerozoeen macht, dass sie zu den am frühesten entdeckten
und genauer studirten Radiolarien gehören. Schon Meyen beurtheilte
sie richtig als koloniale Verbände und verglich sie den Aggregaten der
als Palniellen bekannten , einzelHgen Algen. Auch erkannte er schon
richtig die Bedeutung, welche die Gallertentwicklung für den Zusammen-
halt der ganzen Kolonie besitzt. Ebenso sprach sich auch J. Müller mit
Bestimmtheit für die koloniale Natur der Sphaerozoeen aus, wogegen
Häckel (16) zwar die Berechtigung einer solchen Auffassung, namentlich
bei speciell morphologischer Betrachtung, anerkannte, aber doch die physio-
logische Einheit der Kolonien sehr betonte, welche gestatte, dieselben
auch als Einzelindividuen zu betrachten, die eine Vermehrung gewisser
Orgaue, d. h. der Centralkapseln, erfahren haben. Häckel wurde dabei
wesentlich durch seine Auffassung der Centralkapsel als Fortpflanzungs-
organ geleitet. Ohne nun die physiologische Einheit der Sphaerozocen-
kolonien zu leugnen, welche Einheit ja überhaupt den Charakter der
Kolonie gegenüber blossen Aggregationen von Individuen bedingt, müssen
wir uns doch mit den übrigen Forschern dafür aussprechen, dass allein
die Auffassung dieser Zustände als kolonialer Verbände, ähnlich den-
jenigen anderer Sarkodinen, zulässig erscheint, da wir eben, wie schon
mehrfach betont, den wesentlichsten Theil des Körpers eines Radiolarien-
individuums in seiner Centralkapsel erkennen; viele mit einander durch
die extrakapsuläre Sarkode vereinigte Centralkapseln erscheinen uns daher
auch entschieden als koloniale Vereinigungen zahlreicher Individuen.
Der allgemeine Bau solcher Kolonien lässt sich mit wenig Worten
schildern. Mehr oder minder zahlreiche, häufig sehr viele, hunderte von
Centralkapseln sind dadurch in eine innige Vereinigung getreten, dass
die Gallerte aller zu einer geraeinsamen Masse, in welche die einzelnen
Centralkapseln eiugebettet sind, verschmolzen ist (XVIII. 6d; XIX. 3). Von
der dünnen Schicht extrakapsulären Plasmas, welche jede Centralkapsel um-
hüllt, entspringen auch hier zarte Plasmanetze, welche die gemeinsame
Gallerte durchsetzen, und sich unter einander vielfach anastomosirend
vereinigen. In solcher Weise stehen demnach sämmtliche Einzelindivi-
duen durch ihre extrakapsuläre Sarkode unter einander in lebendiger
Verbindung. Von der Oberfläche der Kolonie erhebt sich an lebeusfrischen
Exemplaren ein dichter, allseitiger Wald feiner Pseudopodien. Weiterhin
gesellt sich als sehr wichtige Organisationseigenthümlichkeit aller dieser
Kolonien noch die reichliche Entwicklung extrakapsulärer, die gesammtc
Gallerte dicht durchsetzender Vacuolen oder Alveolen hinzu.
Die Gestalt und Grösse solcher Kolonien zeigt vielfachen Wechsel;
kleinere besitzen gewöhnlich eine ziemlich sphärische Gestaltung und er-
reichen etwa eine Grösse von 5 Mm. im Durchmesser. Grössere dagegen
nehmen meist eine etwas längsgestreckte, ellipsoidische bis vui'stförmige
Gestalt an, ja werden schliesslich lang cylindrisch und können eine Länge
448 Radiolaria.
von 50 Mm. erreichen (XVIII. 6 a). Hiermit ist jedoch die Mannigfaltigkeit dei
Gestaltung nicht erschöpft; die langgestreckten Kolonien zeigen nicht selten
zahlreiche quere Einschnürungen, so dass das Gesammtbild etwa das
einer Perlschnur wird (6 b). Sehr merkwürdig ist die von Häckel zwar nur
einmal bei Collozoum inerme beobachtete Form, wo eine solche Kolonie
einen ziemlich ansehnlichen schmalen, geschlossnen Ring bildete, welcher
aus zahlreichen kleinen keilförmigen Stücken zusammengesetzt war (6 c).
Einige Verschiedenheit weist auch die Vertheilung und Anordnung
der einzelnen Individuen in der gemeinsamen Gallerte auf. Der gewöhn-
liche Zustand möglichst intacter Kolonien ist der, dass die einzelnen
Centralkapseln oder Nester, wie sie von J. Müller bezeichnet wurden,
sich in einer peripherischen Zone dicht unter der Oberfläche vorfinden.
Das Innere der Kolonie wird dann entweder von Gallerte, welche von
zahlreichen Vacuolen durchsetzt ist, gebildet, oder es findet sich eine
sehr grosse, centrale Vacuole vor, welche das Innere der Kolonie ein-
nimmt und um welche die Zone von Centralkapseln lagert.
Diese grosse centrale Vacuole, welche hauptsächlich bei Collosphaera
beobachtet wurde (XIX. 5 a, alv), die jedoch auch bei anderen Sphaero-
zoeen anzutreffen ist, besitzt nach den Beobachtungen Hertwig's eine
wirkliche Membran und dürfte daher gewissermaassen als ein Stützapparat
der Kolonien beansprucht werden*). Eine Hinneigung zur Ausbildung
einer solchen Vacuole dürfte vielleicht auch darin gefunden werden,
dass bei Gegenwart zahlreicher zuweilen eine Vergrösserung derselben
nach dem Centrum der Kolonie zu stattfindet.
In Kolonien, welche beim Fang gestört worden und daher ihre volle
Lebensfrische nicht mehr besitzen, ziehen sich die Centralkapseln gewöhn-
lich mehr von der Oberfläche zurück, ja rücken bis gegen das Centrum
der ganzen Kolonie zusammen.
Hieraus scheint hervorzugehen, dass die Centralkapseln eine gewisse
Beweglichkeit in der Gallerte der Kolonie besitzen, eine Beweglichkeit,
welche ohne Zweifel auf die Thätigkeit der extrakapsulären Sarkode zu-
rückzuführen ist.
Dieselben Anordnungsverhältnisse der Centralkapseln, über welche
wir soeben berichteten, namentlich die gelegentliche Ausbildung einer an-
sehnlichen, centralen Vacuole, kehren auch bei den einzelnen Gliedern der
perlschnurförmigen Kolonien von Collozoum wieder. Die perlschnur-
förmige Gestaltung beruht überhaupt darauf, dass jedes Glied eine an-
sehnliche centrale Vacuole einschliesst, welche seine Hervorwölbung be-
dingt. Alle diese Vacuolen bilden in ihrer Aneinanderreihung gleichsam
eine Axe der Kolonie.
Bei Besprechung dieser Verhältnisse müssen wir gleichzeitig einen
Blick auf die mögliche Bedeutung der perlschnurförmigen Kolonien
*) Die centrale, sehr weiche und fiiissigkeitsreiche Gallertkugel, von welcher Brandt (36)
bei Collosphaeta spinosa und Collozoum coeruleum spricht, ist wohl ohnn Zweifel identisch
mit der geschilderten grossen Vacuole fridierer Forscher.
Fortijflanzung durch Schwärmer. 449
werfen. Häckel und Hertwig sind geneigt, in ihnen die Vorbereitungsstadien
zu einem Vermebrungsvorgang der Kolonie zu erkennen. Sie glauben, dass
sich die einzelnen Glieder später von einander ablösen ; jedoch ist bis
jetzt durch directe Beobachtung eine solche Vermehrung der Kolonien noch
nicht constatirt worden und Brandt (36) glaubt dieselbe zurückweisen zu
müssen, da er bei lang fortgesetzter Beobachtung derartiger Kolonien
keinerlei Veränderung derselben wahrnehmen konnte.
Wir haben bei den Heliozoen erfahren, dass individuenreiche Ko-
lonien in mehrere individuenärmere zu zerfallen im Stande sind und
dürfen einen solchen Vorgang daher an und für sich nicht für unwahr-
scheinlich halten. Eine solche Vermehrung der Kolonien durch Zerfall
besitzt ein ziemlich hohes allgemeines Interesse, weil dadurch eine mit
dem Organismus der höheren, vielzelligen Thiere vergleichbare, indivi-
duelle Einheitlichkeit der Kolonie gegeben wird.
C. Fortpflanzung der Eadiolarien durch Schwärmerbildung-,
Schon den ersten genaueren Beobachtern unsrer Abtheilung fiel es
auf, dass die Centralkapsel gewisser Individuen zuweilen von sehr klei-
nen, sich lebhaft bewegenden, infusorienartigen Körperchen dicht erfüllt
war. So hatte schon J. Müller eine solche Beobachtung bei einer Acantho-
metra gemacht, Schneider (13) fand Aehnliches bei ThalassicoUa nucleata
und Häckel (16) bei dem Sphaerozoum punctatum. Da jedoch genauere
Untersuchungen über die Entstehung dieser Körperchen der Centralkapsel
fehlten, so konnten dieselben nur vermuthungsweise mit der Fortpflanzung
in Zusammenhang gebracht werden, indem es ja leicht nur parasitäre Orga-
nismen sein konnten, wie sie bei der Untersuchung der Fortpflanzungs-
vorgänge anderer Protozoen vielfach irregeleitet haben. Erst die inter-
essanten Untersuchungen Cienkowsky's (23) brachten den Nachweis, dass
diese flagellatenartigen Körperchen bei gewissen Sphaerozoeen thatsäch-
lich aus einem Zerfall des Centralkapselplasmas hervorgehen und jeden-
falls mit Recht als Schwärmer zu betrachten sind, welche in den
Entwicklungskreis der betreffenden Radiolarien gehörten. In der Folge
wurden diese Untersuchungen von Hertwig (28) bestätigt und erweitert;
auch K. Brandt (36) trug neuerdings zu ihrer weiteren Vervollkommnung bei.
Leider sind aber bis jetzt alle Versuche missglückt, welche darauf
gerichtet waren, die Weiterentwicklung der flagellatenartigen Schwärmer
zur typischen Radiolariengestalt zu verfolgen, so dass also noch eine
störende Lücke in der Fortpflanzungs - und Entwicklungsgeschichte der
Radiolarien auszufüllen bleibt. Stets starben die freigewordnen Schwärmer
nach kurzer Frist (höchstens 1 — 2 Stunden) ab, ohne einen Fortschritt in
der Entwicklung zu verrathen.
Die koloniebildenden Sphaerozoeen haben nicht nur anfänglich, son-
dern auch in der Folge das wesentlichste Material zu genaueren Ermitt-
lungen über diesen Fortpflanzungsact geliefert, wozu die Häufigkeit ihres
Vorkommens wohl hauptsächlich beitrug; was wir über diese Vorgänge
B V o n u , Klassen des Thier-Eeielis. Protozoa. 29
450 Eadiolaria.
bei anderen Radiolarienabtheilungen wissen , ist im Ganzen wenig mehr
wie ihre Existenz bei einigen und einiges Genauere bei einer Collide,
der häufigen Thalassicolla nucleata.
Unsere Darstellung wird daher auch zunächst die Verhältnisse bei
den Sphaerozoeen ins Auge fassen müssen.
Wie schon früher bemerkt, unterliegt es keinem Zweifel, dass bei
den Radiolarien die frühere oder spätere Ausbildung des mehr- bis viel-
kernigen Zustandes auf den zu beschreibenden Fortpflanzungsact durch
Schwärmerbildung hinzielt, so dass sich hieraus schon entnehmen lässt,
dass das gelegentliche Auftreten zahlreicher kleiner Kerne in der Central-
kapsel gewisser, für gewöhnlich einkerniger Formen ein vorbereitendes
Stadium der Schwärraerbildung darstellt.
Bei den Sphaerozoeen tritt jedoch, wie uns schon bekannt, der viel-
kernige Zustand sehr frühzeitig im Leben des Individuums auf, so dass
wir nur selten einkernigen Zuständen begegnen.
Sehr eigenthümlich erscheint es jedoch und verdient im Voraus einige
Beachtung, dass der Vorgang der Schwärmerentwicklung bei den Sphae-
rozoeen nicht immer den gleichen Verlauf nimmt, sondern dass bei ge-
wissen Formen sicher, vielleicht jedoch bei allen, zwei verschiedne Modi
der Schwärmerentwicklung auftreten, welche auch zu einem verschiednen
Endresultat, d. h. zu zwei verschieden gebauten Schwärmerformen hin-
führen.
Die Hervorbildung der Schwärmer scheint bei den Sphaerozoeen sehr
allmählich zu geschehen, wenigstens gehen die vorbereitenden Stadien
der reichlichen Kernvermehrung sehr allmählich vor sich. Für beide
Modi der Schwärmerbildung bilden Kolonien den Ausgangspunkt,
deren Centralkapseln einen massigen, centralen Kernhaufen einschliessen.
Bei dem ersten und einfacheren Modus der Schwärmerbildung, der Bil-
dung der sogen. Krystallschwärmer, tritt unter gleichzeitigem Wachsthum
der Centralkapsel eine lebhafte successive Vermehrung der Kerne ein,
welche schliesslich zu einer dichten Erfüllung des Centralkapselplasmas
mit kleinen, wie schon früher bemerkt, völlig oder nahezu homogenen
Kernen führt. Das Genauere über die Art dieser Kernvermehrung ist schon
früher von uns besprochen worden. Im spärlichen Plasma, welches die
dicht gedrängten Kerne unter einander verkittet, bilden sich im weiteren
Verlauf kleine, etwa wetzsteinförmige Kryställchen aus, welche allmählich
aus minutiösen Anfängen hervorwachsen und sich in gleicher Zahl wie
die Kerne einstellen. Zu jedem der Kerne gesellt sich in dieser Weise ein
Kryställchen hinzu (XVIII. 6k). Ausserdem fanden sich schon früher im Plasma
zahlreiche feine Fettkörnchen vertheilt, welche sich gleichfalls so grup-
piren, dass jedem Kern einige wenige Fettkörnchen anliegen. Hand in
Hand mit dem Anwachsen der sogen, wetzsteinförmigen Kryställchen ver-
mehren sich auch die Fettkörnchen in der Umgebung jedes Kernes.
Das Auftreten aller dieser zahlreichen, sehr verschieden lichtbrechenden
Elemente bewirkt, dass die Durchsichtigkeit der Kapseln sich successive
Fortpflanzung durch Scliwärmo.r (Krystallscliwilrmer). 451
vermindert, bis sie schliesslich ganz undurchsichtig, schwarz oder im auf-
fallenden Lichte weisslich erscheinen.
Auf dieses Entwicklungsstadium vollzieht sich nun eine tiefgehende
Umbildung der gesammten Kolonie, welche sich vielleicht am ehesten den
Vorgängen vergleichen lässt, die den Encystirungs- und Fortpflanzungs-
process gewisser Heliozoen (vergl. Actinosphaeriuni p, 313) einleiten.
Die Pseudopodien werden eingezogen, die extrakapsulären Vacuolen
versehwinden und indem die Kapseln sich allmählich zu einem Haufen
im Centrum der Kolonie zusammenziehen, hört deren Schwimmbefähigung
auf und sie sinkt zu Boden (wenigstens trat diese Erscheinung bei der
Züchtung in Versuchsgläsern stets ein).
Eigenthümlich ist weiterhin , dass die gewöhnlich in Ein- oder Mehr-
zahl vorhandnen intrakapsulären Oelkugelu nach den Erfahrungen Hertwig's
um diese Zeit allmählich einer Eückbildung unterliegen. Schon früher
wurde darauf hingewiesen, dass Hertwig aus den Erscheinungen dieser
Rückbildung schliesst, dass ein eiweissartiges Substrat diese Oelkugeln
imprägnire. Es stellen sich diese Rückbildungszustände nämlich als helle
blasenartige, einige Fettkörnchen einschliessende Körper dar, welche bei
Zusatz von Reagentien gerinnen. Aus diesen Vorgängen lässt sich mit
grosser Wahrscheinlichkeit schliessen, dass die Resorption der Oelkugeln
mit der Entstehung der Fettkörnchen um die Kerne in ursächlichem Zu-
sammenhange steht, wie zuerst Hertwig aussprach, d. h. dass die Oel-
kugeln Reservenahrung repräsentiren, welche bei der Schwärmerfortpflan-
zung auf die einzelnen Sprösslinge vertheilt wird*). Auch die später erst
zu besprechenden sogen, extrakapsulären gelben Zellen zerfallen nach
Hertwig allmählich ; doch hat Brandt neuerdings hervorgehoben, dass eine
solche Zerstörung der gelben Zellen durchaus nicht bei sämmtlichen
Sphaerozoeen eintrete, speciell dem Sphaerozoum punctatum J. M. sp.
und einer weiteren Art fehle, dagegen wohl bei dem von Hertwig haupt-
sächlich untersuchten CoUozoum inerme Hck. und dem Sphaerozoum nea-
politanum Brdt. zu beobachten sei. Diese Erfahrungen stehen denn auch
im Allgemeinen besser im Einklang mit der jetzt ziemlich zur Geltung
gelangten Auffassung der gelben Zellen als parasitäre Algen. Später
werden wir diese Angelegenheit im Zusammenhang zu erörtern haben.
Die definitive Bildung der Schwärmsprösslinge im Innern der Kapsel
vollzieht sich nun, soweit erforscht, einfach in folgender Weise. Nachdem
sich das extrakapsuläre Plasma völlig in die Centralkapsel zurückgezogen
hat, zerfällt deren Inhalt durch simultane Zelltheilung in eine der Zahl
der Kerne entsprechende grosse Menge von Sprösslingen, von welchen
jeder das dem Kern anliegende wetzsteinförmige Kryställchen und eine An-
zahl Fettkörnchen einschliesst (XVIII. 6 b). Schon innerhalb der Central-
kapsel entwickeln diese Schwärmer je eine Geissei und man erblickt sie
*) Cienkowsky (23) dagegen gibt sowohl für CoUosphaera wie Collozouni an, dass die
Oelkugeln keine Veränderung erleiden und sich an der Bildung der Schwärmer nicht be-
theiligen.
29*
452 Kadiülaria.
aueb häufig schon in der Kapsel in tumultuarischer Bewegung. Schliesslich
platzt die Kapselmembran und entlässt den Schwärm der Sprösslinge. Die
Gestalt der ausgebildeten Schwärmer ist eine ungefähr ovale (XVIII. 6n) ; das
eine etwas zugespitzte Ende trägt die nach Hertwig und Brandt einfache
Geissei, wogegen Cienkowsky die Schwärmer, wahrscheinlich irrthümlich,
als zweigeisselig beschrieb. Dicht hinter der Geisseibasis findet sich im
vorderen Körperabschnitt der runde Kern, während hinten das Kryställ-
chen und die Fettkörnchen ihre Lage finden. Solche Krystallschwärmer
sind nun ausser bei Collozoum inerme auch bei CoUosphaera von Cien-
kowsky und Hertwig und bei einigen Sphaerozoeenarten von Brandt beob-
achtet worden.
Der zweite Modus der Schwärmerbildung, welcher bis jetzt nur von
Collozoum inerme durch Hertwig genauer geschildert wurde, der jedoch
nach Brandt auch beiSphaerozoum punctatum neben derKrystallschwärmer-
bildung vorkommt und weiterhin von letztgenanntem Forscher auch bei
Sphaerozoum acuferum beobachtet wurde, verläuft etwas complicirter. Wie
früher bemerkt, geht auch dieser Process von einem ähnlichen Zustand
aus, wie der erstbeschriebene. Bei der Vermehrung der Centralkapsel-
kerne zeigt sich jedoch die Eigeuthümlichkeit, dass die durch successive
Vermehrung eines Kernes entstehenden zahlreichen neuen und kleineren
zu einem dicht zusammengedrängten Kernhäufchen vereinigt bleiben , so
dass, wie schon Cienkowsky fand und Hertwig später genauer darstellte,
der Inhalt der Centralkapsel aus einer beträchtlichen Zahl dicht zusammen-
gepackter und daher gegeneinander polygonal abgeplatteter Kernhaufen
besteht, welche sich um die centrale Oelkugel vertheilt finden. Zuweilen
finden sich im Umkreis der centralen Oelkugel einige kleinere, um welche
sich die Kernhaufen rosettenförmig gruppiren (XVIII.. Gi) Letztere Zustände
sind es wahrscheinlich, welche Häckel einst (16) veranlassten, eine endogene
Vermehrung der Centralkapsel bei den Sphaerozoeen anzunehmen, indem
er je eine der kleineren Oelkugelu mit den sie umgebenden Kernhaufen
für die Anlage einer jungen Centralkapsel hielt.
Jedem dieser Kernhaufen angelagert, bildet sich früher oder später
ein Häufchen Fettkörner aus und diese Fettkörnchenbildung schreitet
weiter fort, während gleichzeitig eine allmähliche Eesorption der grossen
und kleineren Oelkugeln stattfindet, bis diese schliesslich völlig schwin-
den. Damit geht denn auch hier ein ündurchsichtigwerden der gesammten
Centralkapsel Hand in Hand, während gleichzeitig dieselben Rückbildungs-
erscheinungen der gesammten Kolonie eintreten, welche wir schon bei
dem erstbesprochnen Modus antrafen.
Die schliessliche definitive Ausbildung der Schwärmer vollzieht sich
in der Weise, dass jeder der Kernhaufen mit dem ihm zugehörigen Plasma
von seiner Oberfläche aus allmählich in zahlreiche Zellen oder Schwärmer-
anlagen zerfällt, von welchen jede einen der Kerne und ein Häufchen
Fettkörner einschliesst (Gh, 6i). Hierbei zeigt sich nun aber die auch schon
in einer differenten Bildung der Kernhaufen angedeutete Verschiedenheit,
Fortpflanzung durch Schwärmer (Makro- u. Mikrosporen). 453
dass zweierlei in ihrer Grösse sich unterscheidende Spnisslinge, sogen.
Makro- und Mikrosporen zur Ausbildung gelangen. Die ersteren gehen
aus Kernhaufen mit ansehnlicheren und an Zahl geringeren Kernen hervor,
welche durch eine beträchtlichere Plasmaraenge mit einander vereinigt
sind ; die letzteren dagegen aus solchen, in welchen die kleineren Kerne so
dicht gehäuft sind, dass das sie verbindende Plasma nahezu verschwindet.
Ausser durch den Mangel des krystallinischen Stäbchens unterscheiden
sich diese Makro- und Mikrosporen (6 m) auch in ihrer Gesammtgestalt nicht
unbeträchtlich von den sogen. Krystallschwärmern ; sie sind nämlich im
Allgemeinen plumper, mehr oval bis nieren- oder bohnenförmig, indem
sich über ihre eine Seite, welche auch die etwas von dem Pol abge-
rückte Geissei trägt, eine schiefe Furche hinzieht. Mit dieser Verlagerung
des Geisseiursprungs steht weiterhin auch im Zusammenhang, dass das
geisseltragende Vorderende nicht so zugespitzt ist, wie bei den Krystall-
schwärmern. Wie bei diesen letzteren ist auch der Kern im Vorderende
gelagert und weiter nach hinten liegt das hier ansehnlichere Häufchen
von Fettkörnchen, welches schon früher erwähnt wurde.
Der Grössenunterschied zwischen den sonst sehr ähnlich gebauten
Makro- und Mikrosporen ist recht beträchtlich, die ersteren erreichen etwa
die doppelte bis dreifache Länge der letzteren.
Es empfiehlt sich, gleich an dieser Stelle die wahrscheinliche Bedeu-
tung der drei Arten von Schwärmsprösslingen zu erörtern. Schon früher
wurde betont, dass bis jetzt über das weitere Schicksal derselben durch
directe Beobachtung keinerlei Aufschluss gewonnen werden konnte.
Hertwig hielt es für nicht unwahrscheinlich, dass die Krystall-
schwärmer und die Krystallosen überhaupt nicht in den Entwicklnngs-
kreis einer und derselben Art gehörten, sondern dass wahrscheinlich zwei
verschiedne, im Uebrigen sehr ähnliche Arten unter der Bezeichnung
Collozoum inerme seither vermischt worden seien, welche sich wesentlich
nur durch die Verschiedenheit der Schwärmerbildung unterschieden. Die
neueren Untersuchungen Brandt's machen es dagegen sehr wahrschein-
lich, dass diese beiden Schwärmerformen thatsächlich in den Entwicklungs-
cyclus derselben Art gehören und dass, wie schon früher erwähnt wurde,
die zweierlei Sprösslingsformen nicht nur bei dem Collozoum inerme,
sondern auch noch bei einer Reihe weiterer Sphaerozoeen, vielleicht sogar
bei allen, auftreten. Brandt suchte es daher wahrscheinlich zu machen,
dass sich nach Analogie mit den Fortpflanzungsverhältnissen gewisser
Algen, bei den Sphaerozoeen ein Generationswechsel finde, d. h. dass die
Krystallschwärmer eine ohne Copulation sich weiter entwickelnde Gene-
ration darstellten, während die krystallfreien Makro- und Mikrosporen
zu ihrer weiteren Entwicklung wahrscheinlich zunächst einen Copulations-
act zu vollziehen hätten, d. h. die geschlechtlich differenzirte Generation
repräsentirten. Die letztere Vermuthung hatte hinsichtlich der Makro- und
Mikrosporen auch schon Hertwig geäussert. So interessant sich nun auch
auf Grund dieser Vermuthungen die Fortpflanzung gewisser und vielleicht
454 Kadiolaria.
aller Radiolarien gestalten würde, so darf doch nicht vergessen werden,
dass es sich zunächst um blosse Vermuthungen handelt, welche ihre
Stützen nur in Analogien finden. Mit diesem nicht unwahrscheinlichen
Copulationsact zwischen Makro- und Mikrosporen ist denn auch Alles ge-
geben, was wir bis jetzt von dem Auftreten einer solchen Erscheinung
im Leben der Radiolarien wissen. Schon früher wurde die grosse Un-
wahrscheinlichkeit betont, welche ein etwaiger Versuch, die erwähnten
Theilungserscheinungen der Phaeodarien und eventuell auch der Sphaero-
zoeen auf Copulationsvorgänge zu beziehen, haben würde.
Wie schon bemerkt, ist bezüglich der Schwärmerbildung der übrigen
Radiolarien bis jetzt nur sehr wenig bekannt. Hauptsächlich bei einer
Collide, der Thalassicolla nucleata, sind hierüber noch einige Beobach-
tungen von Hertwig angestellt worden, welche jedoch keine besonderen
Aufschlüsse über den allgemeinen Vorgang eröffneten. Im Ganzen scheint
sich der Verlauf der Schwärmerbildung der Thalassicolla ziemlich nahe
an den zweitbesproclmen Modus der Sphaerozoeen anzuschliessen.
Wie schon früher ausführlich geschildert wurde, treten unter wahr-
scheinlicher gleichzeitiger Rückbildung des ursprünglichen centralen an-
sehnlichen Kernes (Binnenbläschen) im Centralkapselplasma der Thalassi-
colla zahlreiche kleine Kerne auf, welche sich zu zahlreichen grösseren
und kleineren Haufen dicht zusamniengruppiren. Die Haufen werden nur
durch sehr spärliches Plasma von einander geschieden. Der eigentliche
Entwicklungsact der Schwärmer scheint auch im Weiteren ganz ähnlich
dem zweiten Modus der Sphaerozoeen zu verlaufen. Der gesammte
CentralkapseHnhalt scheint zunächst in eine der Zahl der Kernhaufen ent-
sprechende Anzahl Stücke zu zerfallen und jedes dieser sich wieder der
Kernzahl entsprechend weiter in zahlreiche einzelne Schwärmsprösslinge
zu zerlegen. Man stösst dabei auf Gruppen von Schwärmern in dem In-
halt schon ziemlich reifer Centralkapseln, welche ohne Zweifel aus dem
Zerfall der geschilderten Kernhaufen hervorgegangen sind. In solchen
Gruppen erscheinen die einzelnen Schwärmer noch mit ihren centralen
Enden verschmolzen, d. h. ihre Sonderung ist noch eine unvollständige.
Ob sich bei dieser Schwärmerbildung das sogen. Binnenbläschen, d. h.
der ursprüngliche, centrale Nucleus, schliesslich völlig zurückbildet, ist
bis jetzt noch nicht sicher festgestellt; zur Beobachtung gelangte er
wenigstens bei so weit fortgeschrittnen Stadien bis jetzt noch nicht. Sicher
erscheint dagegen wohl, dass auch bei Thalassicolla die früher beschrieb-
nen Oelkugeln und Concremente der intrakapsulären Eiweisskugeln im
Verlaufe der Schwärmerentwicklung zurückgebildet werden. Der nahezu
reifen Centralkapsel fehlten die Oelkugeln ganz, die Concremente dagegen
boten ein halbzerstörtes Aussehen dar, welches sich nur als eine allmäh-
liche Auflösung derselben erklären Hess. Die reifen Schwärmsprösslinge
der Thalassicolla (XVII. 4 b) gleichen den krystalllosen Schwärmern der
Sphaerozoeen sehr, namentlich ist die auch hier einfache Geissei ganz ebenso
angebracht wie bei diesen. Die noch unreifen Schwärmer besitzen dagegen
B'ortpflaiiz. d. Schwärmer (Tlialass. iiucl.). Extrakaps. Körper. 455
ein zugespitztes geisselloses Ende (4b rechts), was sich ohne Zweifel aus ihrer
ursprünglichen Zusammendrängung zu Ballen erklärt, in welchen sich die
zahlreichen Sprösslinge radial um ein Centrum gruppiren, Alle »Schwär-
mer einer Kapsel besassen die gleiche Grösse, so dass sich demnach bei
Thalassicolla eine Erzeugung von Makro- und Mikrosporen entweder nicht
findet, oder auf verschiedne Individuen vertheilt erscheint.
Am Schlüsse unserer Darstellung der Fortpflanzungsverhältnisse der
Radiolarien werfen wir noch einen Blick auf eine bei den koloniebildenden
Sphaerozoeen, speciell dem Collozoum inerme Hck.*) zuweilen beobachtete
Erscheinung, welche sonder Zweifel mit Fortpflanzungsvorgängen in Zu-
sammenhang steht, hinsichtlich deren Deutung jedoch noch keine Eini-
gung unter den verschiednen Forschern erzielt wurde. Ich zweifle nicht,
dass A. Stuart (21) dieselbe zuerst bei Collozoum beobachtete; er be-
schreibt nämlich, dass eine Neubildung von Centralkapseln auch in
der AYeise geschehe, dass sich im extrakapsulären Plasma, oder
auch zwischen den Pseudopodien, Klümpchen verdichteten Protoplasmas
bildeten, in welchen kleine Fetttröpfchen auftreten. Letztere sollen sich
später zu einem centralen Tropfen vereinigen. Hierauf vollziehe sich eine
Diflferenzirung der Protoplasmaklümpchen in eine helle Aussenschicht und
eine dunkle Centralmasse, welch letztere die Centralkapsel des neuent-
standnen Individuums darstelle.
Identisch mit diesen Protoplasmaklümpchen Stuart's sind nun ohne
Zweifel die eigenthümlichen Plasmakörper, welche Cienkowsky (23jf und
nach ihm Hertwig (28), zuweilen in grosser Zahl um die Centralkapseln
gewisser CoUozoen beobachteten und die Hertwig als extrakapsuläre Körper
bezeichnete (XVII. 6 o). Es sind stark lichtbrechende, membranlose plasma-
tische Körper, im Allgemeinen von rundlicher Gestalt, welche einige wenige
Fetttröpfchen (Cienkowsky) oder ein maulbeerartig zusammengruppirtes,
centrales Häufchen von Fetttröpfchen (Hertwig) einschliessen.
Besonders wichtig ist jedoch der zuerst von Hertwig erbrachte Nach-
weis, dass diese Körper auch eine verschiedne Zahl echter Nuclei ent-
halten, bald wenige grössere, bald zahlreichere kleinere (6 p). Diese Kerne
bilden sogar die Hauptmasse der Körper. Eigenthümlich ist weiterhin die
Unregelmässigkeit der Gestalt der extrakapsulären Körper; zuweilen er-
scheinen sie eingeschnürt bisquitförmig, meist sind sie ziemlich unregelmässig
und verschiedenartig ausgebuchtet bis gelappt. Cienkowsky beobachtete
auch nicht selten die Bildung spitziger Fortsätze bei ihnen. Derselbe
Forscher glaubt sich auch überzeugt zu haben, dass sie sich durch Thei-
luug rege vermehren und seine Ansicht über ihre Bedeutung ist ungefähr
identisch mit der Stuart's; auch er glaubt, dass sie sich zu jungen Kap-
seln entwickeln und leitet ihre Entstehung aus dem extrakapsulären
Plasma ab. An Kapseln, welche von solchen extrakapsulären Körpern
umhüllt waren, Hess sich überhaupt nur noch ein Rest des extrakapsulären
*) Nach Brandt (36) auch Collozoum pclagicuin Hck.
456 Radiolaria.
Plasmas als eine dünne Schleimschicht erkennen. Gegen diese x\nsicht
verhält sich Hertwig abiebnend ; er führt verscbiedne Gründe auf, welche
es wenig wahrscheinlich machen, dass sich die fraglichen Körper zu
jugendlichen Centralkapseln entwickeln und sucht die Vermuthung zu
begründen, dass sie aus dem intrakapsulären Plasma hervorgegangen
seien. Ihm dünkt es wahrscheinlich, dass sie den Kernhäufchen, sammt
umgebendem Plasma, entsprechen, welche sich, wie früher geschildert, bei
dem zweiten Modus der Schwärmerbildung, d. h. dem der kry stallfreien
Schwärmer, in der Centralkapsel entwickeln.
In mancher Beziehung besitzen denn auch die extrakapsulären Kör-
per eine ziemliche Aehnlichkeit mit den früher geschilderten Kernhäufchen
der Centralkapsel und diese Aehnlichkeit wird noch dadurch vermehrt,
dass Hertwig gelegentlich Zustände der extrakapsulären Körper beobach-
tete, deren dicht traubenförmig gelappte Oberfläche den bevorstehenden
Zerfall in zahlreiche kleine Stücke anzudeuten schien. Statt der grösseren
Fetttröpfchen fand sich bei solchen Körpern ein centrales Häufchen sehr
kleiner Fettkörnchen. Als weitere Consequenz dieser Hertwig'schen Auf-
fassung der extrakapsulären Körper würde sich ergeben, dass dieselben
schliesslich in krystallfreie Schwärmer zerfielen.
Brandt spricht sich in seiner schon öfters citirten Arbeit (36) in einer
zwischen den beiden entgegenstehenden Ansichten vermittelnden Weise
aus, indem er sowohl die Weiterentwicklung der extrakapsulären Körper zu
jungen Centralkapseln wie auch zu Schwärmern für wahrscheinlich hält.
Die fraglichen Körper selbst gehen nach ihm durch Abschnürung aus der
jugendlichen, noch membranlosen Centralkapselmasse hervor.
Wie sich aus der obigen, wegen Unsicherheit der thatsächlichen Er-
mittlungen naturgemäss etwas breiten Darstellung ergibt, sind unsere Er-
fahrungen bis jetzt zu aphoristisch , um die jedenfalls sehr interessante
und morphologisch wichtige Natur der extrakapsulären Körper einiger-
maassen sicher zu begründen.
6. Biologisehe Verliältnisse der Radiolarien, insofern dieselben in Vor-
stehendem noch keine ausreichende Besclireibung fanden.
A. Parasiten der Radiolarien.
Bis jetzt hat die Forschung nur eine Form wahrscheinlich parasiti-
scher Organismen im Körper der Radiolarien aufgefunden, dafür besitzt
dieselbe jedoch auch eine Verbreitung und Bedeutung, welche Parasiten
sonst gewöhnlich nicht zukommt. Es sind dies die sogen, extrakapsulären
gelben Zellen, welche schon vielfach Gegenstand der Erörterung waren,
bis es erst vor verhältnissmässig kurzer Zeit gelang, ihre parasitische*)
*) unter der Bezeichnung Parasitismus soll jedoch hier nur der Aufenthalt dieser pflanz-
lichen Eindringlinge in der Leibessubstanz der Eadiolarien gekennzeichnet werden, nicht
Gelbe Zellen (Vorkommen, Baxi)_ 457
uod pflanzliche Natur wohl ganz sicherzustellen. Das Eigenthüraliche
dieser parasitischen Gebilde liegt wesentlich in ihrer grossen Häutigkeit,
:Verbreitung und Zahl, so dass den früheren Beobachtern ein Zweifel über
.ihre Zugehörigkeit zum Organismus der Radiolarien und zwar als iute-
grirende Bestandtheile desselben nicht leicht auftauchen konnte. Schon
Huxlev beobachtete sie und durch J. Müller und Häckel wurde ihre
weite Verbreitung bei den verschiedensten Radiolarienabtheilungen nach-
gewiesen. Häckel vermissle sie überhaupt nur bei einer einzigen Ab-
theilung, nämlich den Acanthometriden, was auch im Allgemeinen von
den späteren Beobachtern bestätigt wurde. Dennoch sind sie auch bei
den übrigen Radiolarien nicht so constant anzutretfen, wie Häckel ver-
rauthete; so vermisste sie Hertwig (33) bei Heliosphaera, einigen Cyrtiden
und den Disciden überhaupt. Auch Brandt (36) fand, dass sie recht an-
sehnlichen Kolonien von Collosphaera noch vollständig fehlen können.
Diese Inconstanz ihres Auftretens bei Formen, denen sie gewöhnlich
zukommen oder deren nächsten Verwandten sie nicht fehlen, steht wohl
in Zusammenhang mit der Erscheinung, dass nicht nur ihre Zahl bei ver-
schiednen Formen eine äusserst wechselnde ist, sondern dass auch bei
einer und derselben Form der Reichthum an gelben Zellen grossen
Schwankungen unterliegt.
Zunächst dürfte jedoch eine kurze Schilderung ihrer morphologischen
Eigenthümlichkeiten am Platze sein.
Die gelben Zellen sind meist sphärische, seltner ellipsoidische bis abge-
plattete, entschieden einzellige Wesen (XIX. 6a). Siebesitzen eine deutliche,
scharf contourirte Membran, welche eine ziemlich resistente Beschatfenheit
besitzt und nach Brandt und Geddes (39) aus Cellulose bestehen soll.
Ihr protoplasmatischer Körper ist mehr oder minder körnig und enthält
einen rundlichen, hellen, unzweifelhaften Nucleus. Die Färbung des
Plasmaleibes ist gelb in ziemlich wechselnden Nuancen, bald heller, bald
dunkler. Früher (16) schrieb Häckel diese Färbung einem körnigen Pig-
ment zu, welches das Plasma erfülle, später (18) dagegen gelangte er zu
der Ansicht, dass die gelbe Färbung dem Plasma selbst eigenthümlich
sei, resp. sich von einem in demselben gelösten Farbstoff herschreibe.
Hertwig scheint dagegen die ersterwähnte Auffassung für richtig zu halten.
lieber die Natur des gelben Farbstoffs erfahren wir in neuester
Zeit von Geddes, dass seine Uebereinstimmung mit dem der Diatoma-
ceen nicht zu bezweifeln , dass er auch wie dieser nach Behandlung mit
Alkohol ein grünes Residuum hinterlasse. Im Plasma finden sich nun
weiterhin mehr odei* weniger reichlich körnige Einschlüsse, welche Häckel
(18) als Stärke ansprechen zu dürfen glaubte, da sie sich mit Jod deutlich
jedoch, dass dieselben im Sinne echter Schmarotzer ihre Ernährung auf Kosten der Radio-
larien vollziehen; die neueren Untersuchungen weisen umgekehrt darauf hin, dass die Ernäh-
rung und der Stoffwechsel der Radiolarien von ihren pflanzlichen Gästen wesentlichen Nutzen
-zieht, wie unten genauer darzustellen sein wird.
458 Radiolaria.
blau färbten. Auch der erfahreue Cienkowsky (23) schloss sich dieser
Ansicht an, wogegen sich Hertwig (33) weniger sicher bezüglich der
Stärkenatur dieser Körnchen aussprach; er erzielte mit Jod eine violette
Färbung derselben. Brandt (36) kommt zu der Ansicht, dass es sich um
eine Modification des Amylums handle, da er an lebenden gelben Zellen
weder eine deutliche Blaufärbung der Körnchen mit Jod beobachten konnte,
noch sie doppeltbrechend fand; dagegen gelang Geddes die Jodreaction
bei Beobachtung gewisser Vorsichtsmaassregeln sehr wohl, so dass er
mit Entschiedenheit für den Stärkemehlgehalt der gelben Zellen eintritt.
Aus allen diesen Erfahrungen scheint doch hervorzugehen, dass sich
wirklich ein amylumartiger Körper, vielleicht auch zuweilen echtes Amy-
lum, im Plasma der gelben Zellen findet. Hertwig bemerkte zuweilen
ausserdem auch einige Oelkügelchen in ihnen.
Schon J. Müller konnte nachzuweisen, dass diese Zellen selbst-
ständiger Vermehrung durch Theilnng fähig sind. Häckel constatirte dies
und untersuchte den Theilungsvorgang näher. Nach seiner Darstellung
(16, 18) zerfällt der plasmatische Leib der Zellen, nach vorhergegangner
Theilung des Kernes, durch eine mittlere Einschnürung in zwei junge
Zellen, welche sich hierauf noch innerhalb der Membran der ehemaligen
Mutterzelle mit einer neuen Membran umkleiden (6b, c). Durch nochmalige
Wiederholung desselben Theilungsvorgangs sollen sich auch Zustände
hervorbilden, bei welchen sich in der Membran der Mutterzelle vier junge
Zellen eingeschlossen finden (6d). Späterhin treten diese Tochterzellen hervor
und werden frei. Hertwig vervollständigte diese Darstellung des Theilungs-
processes der gelben Zellen noch durch den Nachweis, dass der Kern
sich durch einfache (?) bisquitförmige Einschnürung vermehre.
Die Grösse der gelben Zellen ist ziemlich variabel. Häckel fand
ihren Durchmesser gewöhnlich zwischen 0,008 und 0,012 Mm., jedoch
schliessen sich hieran nach beiden Seiten Extreme bis zu 0,005 und
0,015 Mm. Ebenso schwankend ist, wie schon hervorgehoben, ihre Zahl.
Am reichlichsten trifft man sie im Allgemeinen bei gewissen grossen Col-
liden, wie Thalassicolla und den Sphaerozoeen , was jedoch nicht aus-
schliesst, dass sie bei einzelnen Gattungen dieser Abtheilungen sehr spär-
lich sind oder geradezu fehlen. So unter den Colliden bei Thalassolampe
nach Hertwig; unter den Sphaerozoeen zuweilen bei Collosphaera, bei welcher
sie überhaupt stets spärlich sind. Bei Thalassicolla erhebt sich die Zahl
der gelben Zellen häufig auf Hunderte, ja bis über 1000. Bei den
Sphaerozoeen sind sie, wenn reichlich, häufig zu mehr wie 100 um jede
Kapsel vorhanden, jedoch ist, wie bemerkt, ihre Zahl bei einer und der-
selben Art sehr variabel, sinkt unter Umständen auf einige wenige Exem-
plare herab. Auch bei gewissen Sphaerideeu sind sie in grosser Zahl
vorhanden. Bei den Mouopylaria trifft man sie im Allgemeinen nicht
sehr reichlich, 5 — ^15 gelbe Zellen sind hier das gewöhnliche Vorkomm-
niss, und ähnlich verhalten sich auch zahlreiche Sphaerideen, welchen
sie, wie schon früher bemerkt, auch z. TJi. gänzlich fehlen können. Ihre
Gelbe Zellen JJaii, Bedeutung). 459
Lage finden sie gewöhnlich in dem sogen. Mutterboden der Pseudopodien,
wandern jedoch von hier aus nicht selten auch mit dem Plasma in die
Gallerte hinein, ja zuweilen sogar bis auf die Pseudopodien hinaus. Ihre
Lagerung in Beziehung zu dem Gesammtorganismus lässt sich hiernach
schon im Allgemeinen beurtheilen. Bei den koloniebildeuden Sphaero-
zoeen umlagern sie die einzelnen Centralkapseln ; bei den mehrschaligen
Sphaerideen hängt ihre Lage zum Skelet natürlich von dessen Beziehungen
zur Centralkapsel ab und liegen sie daher gewohnlich unter der äusseren
Kindenschale. Ist die den Mutterboden sammt den gelben Zellen um-
schliessende Gitterschale sehr engmaschig, so treten sie meist nicht durch
die Maschen derselben nach aussen hervor und bleiben demnach stets in
die umschliessende Gitterschale eingesperrt; ist dagegen diese weitmaschig,
so steht ihrer Auswanderung kein Hinderniss entgegen. Bei den Mouo-
pylarien häufen sie sich natürlich mit dem extrakapsulären Plasma haupt-
sächlich um das sogen. Porenfeld an und finden sich demnach bei den
Cjrtida namentlich in dem Hohlraum der Schalenglieder zusammengehäuft.
Erst durch die Beobachtungen und Reflexionen Cienkowsky's wurde
die wahrscheinliche Bedeutung der gelben Zellen als parasitischer Ein-
dringlinge zur Sprache gebracht und ziemlich sicher erwiesen. Die frühe-
ren Beobachter und auch anfänglich noch Hertwig zweifelten nicht, dass
die gelben Zellen auf endogenem Weg im Organismus der Kadiolarien
erzeugt werden und Hertwig wollte sogar einige Stadien ihrer allmäh-
lichen Entwicklung im extrakapsulären Plasma verfolgt haben, eine
Beobachtung, welche hier nicht näher zu erörtern ist, da Hertwig jetzt
selbst die parasitische Natur der gelben Zellen befürwortet. Häckel
erblickte in ihnen wichtige Bestandtheile des Kadiolarienorganismus
und war geneigt, ihnen eine wichtige Rolle bei der Ernährung zuzu-
schreiben, als Elementen, welche wahrscheinlich ein zur Verdauung der
aufgenommenen Nahrung dienendes Secret lieferten. Mit dem Nachweis
reichlicher stärkemehlartiger Einschlüsse der gelben Zellen musste er diese
Auffassung natürlich bis zu gewissem Grade modificiren, es wurden die
gelben Zellen hierdurch naturgemäss auch zu einer Art Erzeuger von
Reservenahruug, als welche eben das Amylum zu betrachten wäre.
Cienkowsky fand nun, dass das Leben der gelben Zellen durchaus
nicht an das der sie einschliessenden Radiolarien gebunden ist, sondern
dass sie auch nach der Isolation oder nach dem Absterben der Radio-
larien weiterleben und weiterwachsen, ja sich durch Theilung vermehren.
Diese Befunde, zusammengenommen mit der immerhin in manchen Fällen
sehr eigenthümlichen Inconstanz ihres Auftretens, Hessen es sehr wahr-
scheinlich erscheinen, dass sie nichts weiter als parasitische, einzellige,
pflanzliche Organismen seien. Brandt (36) bestätigte neuerdings die
Angaben Cienkowsky's über das Weiterleben der gelben Zellen nach
dem Tode ihrer ursprünglichen Träger in ganzem Umfang und ge-
langte noch zu einigen weitergehenden Schlüssen bezüglich ihrer
Bedeutung. Nach der Isolation verändern sich die gelben Zellen
460 Kadiolaria.
insofern, als ihre früher feste, resistente Membran sich in eine schleimige
ziemlich dicke Hülle verwandelt (6f ). Nach Brandt soll diese Schleim- oder
Gallerthtille durch eine einfache Quellung der ursprünglichen Cellulose-
membran entstehen. Die gelben Zellen wachsen nun weiter fort und
treten schliesslich aus der SchleimhUUe allmählich hervor, nehmen un-
regelmässige , gelappte Gestalten an , indem sie amöboid veränderlich
geworden sind, umhüllen sich wieder von Neuem mit einem Schleim-
mantel und können die eben beschriebne Häutung noch mehrfach wieder-
holen (6 h, i). Während des amöboiden Zustandes können sich unsre
Zellen, wie schon Cienkowski beobachtete und Brandt bestätigte, durch
Theilung vermittels einfacher Durchschntirung vermehren (Qg).
Nach diesen Erfahrungen über die grosse Selbstständigkeit der
gelben Zellen kann es kaum mehr einem Zweifel unterliegen, dass
sie thatsächlich parasitische Eindringlinge pflanzlicher Natur sind,
deren Lebensgeschichte jedoch bis jetzt nur unvollkommen bekannt ist
und welche wegen ihrer häufigen und in den meisten Fällen so regel-
mässigen Vergesellschaftung mit der grossen Mehrzahl der Radiolarien
ein ganz besondres Interesse erregen. Brandt hat neuerdings vorge-
schlagen, diesen einzelligen Parasiten den Namen Zooxanthella zu geben
'^nd hält es für wahrscheinlich, dass nur eine Species dieser Zooxan-
thella in den Radiolarien vorkomme, welche er Z. nutricola nennt*).
Schon früher hatten die Gebrüder Hertwig gefunden, dass die Entoderra-
zellen zahlreicher Actinien gelbe Zellen einschliessen, welche sich denen
der Radiolarien ganz entsprechend verhalten und welche sie gleichfalls
als parasitische einzellige Algen in Anspruch nahmen**).
Durch Geddes' neue Untersuchungen wird die Uebereinstimmung
der gelben Zellen der Radiolarien mit denen der Anthozoen gleich-
falls bestätigt und erscheint daher jetzt wohl fest begründet. Unsre
Kenntniss von der Verbreitung dieser eigenthümlichen Algengäste in der
Thierwelt erfährt eine Bereicherung durch den Nachweis, dass dieselben
auch im Entoderm gewisser Medusen und Siphonophoren (Velella) an-
getroffen werden.
Die sogen, gelben Leberzellen der Velella und Porpita hatte schon
Häckel seiner Zeit mit den gelben Zellen der Radiolarien verglichen und
auf diesen Vergleich namentlich seine Ansicht über die physiologische
Bedeutung der gelben Zellen gegründet.
Die Untersuchungen von Geddes erweitern jedoch unsere Kenntnisse
dieser parasitären Organismen auch noch nach anderer Richtung. Durch
Versuche gelang ihm der Nachweis, dass die mit jenen einzelligen Algen
reichlich ausgerüsteten Coelenteraten im Sonnenlichte ein Gas entwickeln,
welches einen sehr ansehnlichen Sauerstoflfgehalt (24 — 38%) besitzt. Bei
*) Brandt, K., Ueber das Zusammenleben von Thieren und Algen. Verhandl. der
physiolog. Gescllsch. zu Berlin. Jahrg. 1881—82. Sitz, vom 25. Nov. 1881 p. 22—26. Wenig
später hat Geddes in ünkenntniss der Brandt'schen Arbeit für die einzelligen gelben Algen-
parasiten der Eadiolarien und Coelenteraten den Namen Philozoon in Vorschlag gebracht.
**) Hertwig, 0. u. R., Die Actinien, Jenaische Ztschr. f. Naturwiss. Bd. XII u. XIII 187&.
Gelbe ZeUen (Bedeutung). 4()1
den Radiolarien liess sich gleichfalls eine Gasentwicklung im directen
Sonnenlichte constatiren, jedoch gelang es nicht, die chemische Zusammen-
setzung des Gases zu ermitteln. Jedenfalls scheint jedoch durch Geddes
der Nachweis erbracht zu sein, dass unsere gelben einzelligen Ein-
dringlinge in echt pflanzlicher Weise im Lichte Kohlensäure reduciren
und Sauerstoif aushauchen, wodurch ihre schon auf Grund anderweitiger
Erfahrungen sehr wahrscheinliche Pflanzennatur in erwünschtester Weise
eine weitere und sehr wichtige Bestätigung erhält.
Wenn nun auch die neueren Untersuchungen, wie mir scheint, keinen
Zweifel mehr über die Natur der gelben Zellen lassen, so scheint mir
andrerseits Brandt doch zu weit zu gehen, wenn er dieselben gewisser-
maassen zum Range der eigentlichen Ernährer und Erhalter der mit gelben
Zellen reichlich versehenen Radiolarien erhebt. Er spricht nämlich den
koloniebildenden, von ihm untersuchten Radiolarien die Aufnahme fester,
geformter Nahrung ab und betrachtet die gelben Zellen als die eigent-
lichen Ernährer derselben, welche nach Pflanzenart assimilirten und mit
ihren Ueberschüssen den Radiolarienorganismus ernährten. Es ständen
hiernach die sogen. Zooxanthellen in einem ähnlichen symbiotischen Ver-
hältniss zu dem Radiolarienorganismus , wie die sogen. Gonidien oder
Algenbestandtheile der Flechten zu deren Hyphen oder dem Pilzbestand-
theil dieser merkwürdig zusammengesetzten Pflanzen. Mir scheint zu-
nächst, soweit wenigstens die seitherigen Darstellungen auf Glaubwürdig-
keit Anspruch machen dürfen, die mehrfach behauptete Thatsache, dass
auch Radiolarien mit gelben Zellen geformte Nahrung aufnehmen*), gegen
die Braudt'sche Ansicht oder doch gegen deren Verallgemeinerung zu
sprechen. Auch die Inconstanz des Vorhandenseins der gelben Zellen,
sowie die so beträchtlichen Schwankungen ihrer Zahl sprechen gegen
eine allgemeinere Bedeutung derselben im Sinne der Brandt'schen Hypo-
these, womit jedoch nicht ausgeschlossen ist, dass sich die sogen. Zoo-
xanthellen oder Philozoen bis zu einem gewissen Grad an der Ernährung
der sie beherbergenden Organismen betheiligen**).
*) Geddes macht auch darauf aufmerksam , dass die reichlich mit gelbea Zellen ausge-
rüsteten Anthozoen, Medusen- und Siphonophorenformen ebenso energisch fressen wie die-
jenigen, welche der gelben Zellen entbehren.
**) Brandt gründet sich bei seiner Auffassung der Zooxanthellen namentlich auch auf
seine Untersuchungen über die Chlorophyllkörner der verschiednen Thiere, darunter auch
zahlreicher Protozoen. Durch den Nachweis einer übrigens auch früherhin nicht unbekannten
Plasmagrundlage dieser Körner und eines Zellkerns in denselben, gelangte er zu dem Schluss,
dass auch die sogen. Chlorophyllkörner der Thiere stets einzelligen Organismen angehörten,
welche in morphologischer Hinsicht als Parasiten dieser Thiere zu betrachten , physiologiscli
dagegen als ihre Ernährer in Anspruch zu nehmen seien. Für uns hat diese Mit-
theilung auch noch dadurch besonderes Interesse, weil wir sowohl bei Rhizopoden wie
Heliozoen solche Chlorophyllkörner vielfach antrafen, welche daher in gleicher Weise als
einzellige parasitische Algen, sogen. Zoochlorella nach Brandt, anzuspreche.i wären. Auch
G. Ent2 hat schon früher (Bericht über die 2. Sitzung des naturhist. medic. Vereins zu
Klausenburg 1876, übersetzt im Biolog. Centralblatt 1. Jahrg. 1881. p. 646-50) die selbst-
ständige pflanzliche Natur der Chlorophyllkörnchen der Infusorien auf Grund seiner Unter-
suchungen betont. Er betrachtet jedoch diese Chlorophyllkörnchen nicht wie Brandt als eine
besondere einzellige Algenart, sondern lässt sie aus sehr verschiednen, von den betreffenden
Infusorien aufgenommenen einzelligen Algen (Palmella, Tetraspora, Gloeocystis, Pleurococcus,
Raphidium, Scenedesmus), sowie Euglenen und Chlamydomouaden hervorgehen. Einzelne dieser
chlorophyllhaltigen einzelligen Organismen sollen sich nach der Aufnahme durch das Infusor
4G2 Eadiolaria.
Denn mit Brandt und Geddes wird man wolil sicherlich annehmen
müssen, dass der von jenen pflanzlichen Mitbewohnern der Radiolarien
entwickelte Sauerstoff direct dem thierischen Stoffwechsel der Radiolarien
zu Gute kommt, wie andrerseits die dem thierischen Stoffwechsel ent-
stammende Kohlensäure sammt stickstoffhaltigen Endjiroducten die pflanz-
lichen Miethbewohner begünstigt. Auch erscheint es unter diesen Um-
ständen denkbar, dass die reichliche Ernährung der pflanzlichen Glieder
des Verbandes zu einem Ueberschuss an erzeugten Nährmaterialien, spe-
ciell Stärke, führt, welcher dem thierischen Gliede zu Gute kommt. Letz-
tere Annahme ist jedoch durchaus nicht eine directe Folge dieser Ver-
gesellschaftung und bedürfte jedenfalls zunächst eines genaueren Nach-
weises, wenn auch der Ernährungsvorgang pflanzlicher Parasiten durch
andere Pflanzen, sowie der wirkliche Parasitismus einzelliger Organismen
in Gewebezellen oder Protozoen eine ähnliche Uebertragung der Zell-
erzeugnisse einer Form auf eine andere zu unterstützen scheint. Mit
Brandt und Geddes können wir daher das Zusammenleben der gelben
Zellen und der Radiolarien mit einem ziemlichen Grad von Berechtigung
der Symbiose der Flechten vergleichen, wenn wir auch die Annahme
einer völligen Ernährung der Radiolarien durch die sogen. Zooxanthellen
weder für zutreffend noch an und für sich wahrscheinlich halten.
Anderweitige parasitische Organismen sind bis jetzt bei den Radio-
larien noch nicht aufgefunden worden.
der Verdauung entziehen, indem sie in das Ectosark desselben gelangen. Hier vermehren sie
sich lebhaft durch Theilung zu den sogen. Chlorophyllkörnchen , welche nach ihrer Be-
freiung aus dem Infusorienträger wieder zu der ursprünglichen Algenform , resp. den er-
wähnten Blagellaten auswachscn. Auch Eutz will sich überzeugt haben, dass Infusorien, welche
reichlich mit diesen Chlorophyllkörnchen ausgerüstet sind, keine feste Nahrung aufnehmen und
hat auch die gegenseitigen physiologischen Beziehungen dieser thierischen und pflanzlichen Orga-
nismen schon in gleicher Weise wie Brandt im Sinne einer Symbiose aufgefasst, wobei beiderlei
Theilnchmer wechselseitig aus den Stoffwechselerzeugnissen ihrer Genossen erheblichen Vortheil
für ihre Ernährung zögen. Obgleich kein Grund vorliegt, die Richtigkeit der Beobachtungen oben-
genannter Forscher über die Natur der sogen. Chlorophyllkörner der thierischen Organismen zu
bezweifeln, so scheint mir doch der Schluss, welchen Brandt hieraus zieht, dass die Zoo-
chlorellen die eigentlichen Ernährer der sie beherbergenden Thiere seien, viel zu weitgehend.
Dass solche Thiere keine feste, geformte Nahrung aufnehmen, entspricht unseren Erfahrungen
durchaus nicht, worin auch Geddes (siehe oben) mir beistimmt. Jedermann weiss , wie raub-
gierig die grünen Hydren sind und ebenso ist es bekannt, dass chlorophyllhaltige Infusorien
geformte Nahrung zu sich nehmen.
Nachträglicher Zusatz. Erst nach dem Druck dieses Bogens erschien die ausführ-
liche Arbeit Brandt's „üeber die morphologische und physiologische Bedeutung des Chloro-
phylls bei Thieren (Arch. f. Anat. u. Phys. 1SS2. Physiol. Abtheilung p. 125—151 Taf. 1).
Wir heben aus derselben nachträglich hervor, dass Brandt jetzt seine frühere Behauptung: es
nähmen die Chlorophyll führenden Thiere keine feste Nahrung zu sich, corrigirt bat und an-
erkennt, dass sowohl Hydra viridis wie chlorophyllführende Infusorien noch feste Nahrung ge-
messen. Auch für die Sphaerozoeen mit gelben Zellen beschränkt er die Nichtaufnahme von
Nahrung jetzt auf den erwachsenen Zustand ansehnlicher Kolonien. Wir fügen weiter noch
zu, dass Verf. sich überzeugt hat, dass die Kolonien der Sphaerozoeen am längsten in filtrirtem
Seewasser am Leben erhalten werden und hieraus schliesst, dass sie dann von ihren gelben
Zellen ernährt werden. Da er jedoch selbst angibt, dass die in nichtfiltrirtem Wasser gehal-
tenen Kolonien an der Verderbniss des Wassers (wegen Absterben zahlreicher kleiner pelagi-
scher Organismen) zu (irunde gehen, so scheint mir obiger Schluss noch etwas unsicher, indem
ja das längere Ausdauern im filtrirten Wasser auch nur darauf beruhen kann, dass sich letztres
eben rein und unverdorben erhält. Wie lange die Radiolarien zu hungern im Stande sind,
wissen wir bis jetzt nicht. R. Lankester spricht sich nenestens (Qu. j. micr. sc. 1882. Apr.)
gegen die Algennatur der Chlorophyllkörner von Hydra und Spongilla aus; dieselben seien
•identisch mit denen der Pflanzen.
Gelbe Zellen. — Regeneration, Deformation (Myxobrachia). 4G3
B. E egenerationsfähigkeit.
Eine einzige in dieses Kapitel gehörige, jedoch in mancher Hinsicht
sehr wichtige Thatsache hat zuerst Ant. Schneider (19) festgestellt. Er
bewies nämlich, dass die isolirte, aus der Hülle von extrakapsulärem
Plasma und Gallerte herausgeschälte Centralkapsel von Thalassicolla nucleata
die Fähigkeit besitzt, den gesammten verlornen Theil des Weichkörpers wieder
zu erzeugen. Diese Beobachtung haben Cienkowsky (23) und Hertwig (28)
bestätigt. Letztgenannten Forschern gelang es zwar nur, die Neuentwicklung
von Pseudopodien und einer Lage extrakapsulären Plasmas zu beobachten,
jedoch dürfte es keinem Zweifel unterliegen, dass die Schneider'sche An-
gabe völliger Regeneration ihre Richtigkeit besitzt. Sogar die gelben
Zellen sollen sich nach Schneider wieder einstellen, was Cienkowsky nicht
zu bestätigen vermochte. Es gelang Schneider die Ausschälung der
Centralkapsel mit nachfolgender Regeneration an einem und demselben
Thiere dreimal hintereinander vorzunehmen.
Ziemlich natürlich erscheint es, dass die Kolonien der Sphaerozoeen
ohne Schaden in Stücke zerschnitten werden können, wovon sich Schneider
gleichfalls überzeugte. Interessanter ist dagegen, dass es auch ge-
lang, zwei aneinander gelegte Kolonien nach ca. 12 Stunden zu völliger
Vereinigung zu bringen.
C. Missbildung und Deformation.
Bis jetzt ist nur ein hierhergehöriges, jedoch recht interessantes Bei-
spiel bekannt, welches eine zu den CoUiden gehörige Form, die sogen.
Thalassicolla sanguinolenta Hck. betrifft. Häckel fand zuerst 1867 (18)
bei den canarischen Inseln ein eigenthümliches Radiolar, welches er für
eine besondere Form hielt und unter dem Namen Myxobrachia in zwei
verschiednen Arten beschrieb. Später machte Nicol. Wagner (24) noch
eine dritte vermeintliche Myxobrachia -Art von Neapel bekannt und Hert-
wig erkannte schliesslich 1879 (33), dass die sogen. Myxobrachiaformen
keine selbstständigen Radiolarien sind, sondern einer eigenthümlichen
Deformation der Thalassicolla sanguinolenta ihren Ursprung verdanken,
eine Ansicht, welcher sich auch Häckel angeschlossen zu haben scheint.
Diese Deformation der Thalassicolla sanguinolenta scheint durch die
Aufnahme zahlreicher Fremdkörper in die extrakapsuläre Sarkode hervor-
gerufen zu werden. Ihrer Hauptmenge nach bestehen diese Fremdkörper
aus den uns schon von früher bekannten Coccolithen und Coccosphaeren,
zu deren Aufnahme ja die pelagische Thalassicolla reichliche Gelegenheit
haben muss. N. Wagner beobachtete bei seiner Form neben diesen Ein-
schlüssen jedoch auch noch „Reste junger Muscheln, sehr kleine Spirulina^'
(Rhizopodenschalen) „und Dentalium '?". Die Anhäufung solcher Fremd-
körper an einer gewissen Stelle der extrakapsulären Sarkode der ursprüng-
lich kugligen Thalassicolla scheint nun Veranlassung zu geben, dass dieser
Tbeil des extrakapsulären Weichkörpers sich durch den Zug, welchen
464 Eadiolaria.
das Gewicht der Einschlüsse ausübt, zu einem mehr oder minder
langen, armartigen Fortsatz auszieht, welcher seiner Hauptmasse nach
aus Gallerte gebildet ist. Die Axe dieses Armes wird durchsetzt von
einem Strang der extrakapsulären Sarkode und diese umschliesst in
dem knopfförmig angeschwollnen Armende das Häufchen der Fremd-
körper. In solcher Weise gestaltet sich die von Häckel Mjxobrachia rhopa-
lum genannte Form. Bei der sogen. M. pluteus (XVHI. 2) dagegen und der
M. Cienkowskii Wagner's kommt es zur Bildung mehrerer solcher arm-
artiger Fortsätze, welche wohl dadurch entstehen, dass sich Häufchen
von Fremdkörpern an mehreren Stellen bilden, welche sich dann zu
armartigen Fortsätzen ausziehen. Häckel beobachtete bei seiner Form
16 Arme, welche in eigenthUmlicher Weise angeordnet waren. Zwei
ansehnliche Arme hingen ziemlich gerade in der Axe des etwa pyra-
midenförmigen oder medusenähnlichen Wesens herab und über diesen
entsprangen die 14 weiteren Arme in zwei Kränzen, von welchen der
untere sechs, der obere acht Arme zählte. Aehnlich war auch die Bil-
dung der von Wagner beobachteten Form, nur fand sich hier ein einziger
centraler oder axialer Hauptarm , über welchen in zwei Kränzen noch
resp. vier und drei Arme angebracht waren. AYagner fand weiterhin,
dass diese acht Arme sich successive entwickeln, indem bei den jugend-
lichsten Exemplaren nur der centrale Hauptarm vorhanden war, zu
welchem sich allmählich noch die zwei Armkränze hinzugesellten.
Recht interessant ist der von Häckel bei seiner Myxobrachia rhopalum
beobachtete Gestaltswechsel; im Laufe eines Tages veränderte sich die
Form mehrfach, wurde bald länger und schmäler, bald kürzer und breiter.
Es ist diese Erscheinung um so interessanter, als bis jetzt von einem
Gestaltswechsel der übrigen Radiolarien durchaus nichts bekannt ist.
Wagner glaubt die Endknöpfe der Arme mit ihren Einschlüssen als
eine Art Verdauungsapparate beanspruchen zu dürfen ; doch hat diese
Ansicht wohl nur wenig für sich, wie denn überhaupt die Bedeutung
der zahlreichen Fremdkörper, welche die Deformation der Thalassicolla
zur Myxobrachia hervorrufen, ganz unaufgeklärt ist. Dass sie als Nah-
rung aufgenommen werden, scheint im Ganzen sehr unwahrscheinlich.
D. Verhalten der Radiolarien gegen mechanische und anderweitige
K e i z u n g.
Es sind nur wenige Punkte, auf welche hier speciell noch die Auf-
merksamkeit gelenkt werden soll, da das allgemeine Verhalten der Radio-
larien bei mechanischer und chemischer Reizung: die Rückziehnng der
Pseudopodien, das Collablren der extrakapsulären Vacuolen, wahrschein-
liche Verdichtung der Gallerte, das Verhalten der Gallertcilien und
der Sarkodegeissel theils schon früher ausreichend erörtert wurde,
theils dagegen keiner weiteren Erörterung bedarf, wenigstens im Hinblick
auf den Stand unserer augenblicklichen Kenntnisse. Dagegen verdient
noch eine Frage, welche von den versehiednen Beobachtern mehrfach
Lcbeiisz;ilüglvoit, Eiiillubs vuii Liclit und Wärme etc. 465
erörtert wurde, nämlich die nach der Widerstandsfähigkeit unserer Wesen
gegen äussere Reize und Störungen eine kurze Besprechung. J. Müller
und Häckel hoben übereinstimmend die geringe Widerstandsfähigkeit der
Radiolarien gegen mechanische Reize, wie Druck und Reibung am Netz
beim Einfangen, hervor. Häckel fügte hinzu, dass unsere Wesen auch
gegen chemische Veränderungen des umgebenden Wassers sehr em-
pfindlich seien und schnell abstürben, während sich die marinen Rhizo-
poden nach den Erfahrungen M. Schultze's (s. Rhizopoda 53) gerade
durch sehr weitgehende Resistenz gegen solche Einflüsse auszeichnen. Im
Specielleu sei jedoch die Lebenszähigkeit der einzelnen Abtheilungen recht
verschieden, so dass Häckel (16) eine Art Skala aufstellen konnte, an
deren einem Endpunkt, als besonders empfindliche Formen, die Acantho-
metreen und Sphaerozoeen stehen, während am anderen die Sphaerideen
Platz finden, unter welchen sich wieder die Disciden durch besondere
Lebenszähigkeit auszeichnen. Gegenüber diesen Erfahrungen hob je-
doch schon Ant. Schneider (19) hervor, dass die Lebenszähigkeit ge-
wisser Radiolarien (Thalassicolla und Sphaerozoum) viel grösser sei;
Kolonien letztrer Gattung konnte er bei gehöriger Vorsicht 5 — 7 Tage
lang gesund erhalten und ebenso überzeugte sich Hertwig (33), dass
die Radiolarien im Allgemeinen keineswegs so zarter und empfindlicher
Natur sind, wie Müller und Häckel annahmen. Die letzteren Forscher
hielten eben im Allgemeinen alle Individuen für abgestorben oder doch
sehr alterirt, welche mit eingezogneu Pseudopodien und deutlicher
Gallertschicht zur Beobachtung kamen, wie dies schon früher bei der
Schilderung der Gallerte angedeutet wurde. Hertwig überzeugte sich
aber durch directe Beobachtung vielfach, dass solche zu Boden gesun-
kenen Thiere sich allmählich wieder erholen und noch ganz lebens-
kräftig sind. Er zögerte sogar nicht, die Radiolarien auf Grund seiner
Erfahrungen zu den widerstandsfähigsten unter den pelagischen Thieren
zu rechnen.
Der Einfluss von Licht und Wärme auf unsre Organismen ist bis
jetzt kaum erforscht. Häckel glaubt zwar beobachtet zu haben, dass
einige Formen, welche er in seinen Zuchtgläsern hielt, mit VorUebe die
Lichtseite aufsuchten, ist jedoch selbst unsicher, ob diese Erscheinung
eine directe Wirkung des Lichtes gewesen sei. Weiterhin fand er
auch, dass sich die pelagischen Radiolarien bei heisser Jahreszeit oder
an besonders heissen Tagen in tiefere Regionen herabsenken, wie dies
für die pelagische Thierwelt überhaupt gültig zu sein scheint.
Bei einer früheren Gelegenheit mnssten wir darauf hinweisen,
dass Meyen das Leuchten gewisser pelagischer Radiolarien mit grosser
Bestimmtheit beobachtet haben wollte ; spätere Forscher berichten
hiervon im Allgemeinen nichts, mit Ausnahme Macdonald's'^), welcher
das Phosphoresciren der Thalassicolla nucleata wiederholt, sogar
*) Quart, journ. microsc. science N. S. Vol IX. p. 147.
Dl- nun, Kliisseii ilu-; Tliipvieiflis. Pidtozoii. 30
466 TJadiolaria.
auf dem Objectträger, beobachtet haben will. Es scheint mir fast, als
wenn die Frage nach dem Leuchtvermögen der Radiolarien von den
übrigen Forschern etwas vernachlässigt worden sei, denn dieselbe
wurde meist gar nicht besprochen. An und für sich liegt ja durchaus
nichts vor, was gegen das Leuchtvermögen gewisser Radiolarien spräche.
E. Wohnortsverliältnisse der Kadiolarien.
Eine kurze Betrachtung verdienen noch unsre Erfahrungen über
das Vorkommen und die speciellen Lebensverhältnisse der Radiolarien,
welche durch die Untersuchungen der neuesten Zeit beträchtlich ver-
tieft worden sind. Es bedarf keiner besonderen Betonung mehr, dass
sich bis jetzt die Meere als ausschliessliche Heimath der Radiolarien er-
wiesen haben. Was gelegentlich über Süsswasserradiolarien bemerkt
wurde, bezog sich stets auf Heliozoen, die ja, wie wir wissen, von einigen
Forschern den eigentlichen Radiolarien untergeordnet werden.
Bis in die neueste Zeit, d. h. bis zu den ausgedehnten Untersuchungen
der englischen Naturforscher der Challengerexpedition, kannte man lebende
Radiolarien nur von der Meeresoberfläche, denn die zahlreichen Ra-
diolarienreste, welche Ehrenberg aus den Tiefgründen der verschieden-
sten Meere aufgezählt und beschrieben hatte, boten durchaus keine Ge-
währ für die Annahme, dass sie Thieren zugehörten, welche in jenen
Tiefen lebten. Es konnte sich so wohl die Ansicht als die natürlichste
ergeben , dass die Radiolarien überhaupt als pelagische Organismen zu
betrachten seien, welche nur bis zu einer beschränkten Meerestiefe hinab-
reichten, denn die vom Meeresboden heraufgeholten Skeletreste Hessen
sich leicht als niedergesunkne erklären. Es ist aber recht bemerkens-
werth, dass sowohl J. Müller wie Häckel schon die Ansicht hegten, dass
die Radiolarien nicht nur oberflächlich, pelagisch lebten, sondern sich auch
in tiefere Regionen hinaberstreckten, jedoch fehlte es bis in die neueste
Zeit durchaus au directen Beobachtungen über diese Verhältnisse. Erst
während der Reise des Challenger versuchten es W. Thomson und Murray,
durch directe Beobachtung Aufschluss über die Fauna schwimmender
Thiere in verschiedenen Tiefenregionen der Oceane zu gewinnen, indem
sie mit feinen Netzen in verschiednen Tiefen fischten, auch solche Netze
an verschiednen Stellen des Taues der Dredge befestigten und sich so
gleichzeitig Kenntniss des Lebens der verschiednen Wasserschichten zu
verschaffen suchten.
Doch war es leider bei diesen Versuchen noch nicht möglich, ein
reines Bild des Lebens in verschiednen Tiefen zu erhalten, da es sich
nicht bewerkstelligen Hess, dass die feinen Netze in bestimmter, zu unter-
suchender Tiefe sich öffneten und vor dem Heraufholen wieder geschlossen
wurden. Das Bild, welches daher ein solcher Fischzug mit dem feinen
Netz in bestimmter Tiefe darbot, wurde getrübt durch die Beimischungen
aus geringeren Tiefen, welche das Netz bei seinem Niedergang, nament-
lich jedoch hei seinem Wiederaufsteigen aufnahm. Schon früher hatte
Vorkomincii in den liciit. Meeren. 467
J. Müller versucht, sieb in ähnlicher Weise über das Leben unter der
Meeresoberfläche zu unterrichten, jedoch konnte er seine Untersuchungen
nur auf sehr geringe Tiefen ausdehnen.
Trotz der erheblichen Fehlerquellen, welche, wie bemerkt, der aui
der Challengerexpedition augewendeten Methode anhaften, ergab dieselbe
doch das ziemlich überzeugende Resultat, dass die Radiolarien nicht wie
die pelagischen Rhizopodeu nur eine beschränkte, oberflächliche Region
des Meeres bewohnen, sondern wahrscheinlich in sämratlichen Tiefen,
bis zu den grössten hinab, vertreten sind. Diese Ueberzeugung
konnte hauptsächlich darauf basirt werden, dass aus grösseren Tie-
L fen Formen heraufgeholt wurden, welche den oberflächlicheren Regionen
' durchaus fehlten. Ja, es stellte sich heraus, dass eine Abtheilung der
Radiolarien mit Vorliebe in grösseren und grössten Tiefen einheimisch zu
sein scheint, nämlich die Phaeodarien und unter diesen speciell die Fa-
milie der Challengeridae*). Es erscheint nach unsern heutigen Kennt-
nissen also ziemlich sicher, dass die Radiolarien alle Tiefen der Oceane
bevölkern und die verschiednen Abtheilungen und Formen sich z. Th. in
gewissen Tiefenregionen mit Vorliebe finden.
Häckel unterscheidet daher in seiner neuesten Publikation pelagi-
sche, zonare, d. h. in bestimmten Zonen der Meerestiefe (bis über
20,000' hinab) schwebende und profunde, auf dem Boden des tiefen
(Meeres lebende Radiolarien**). Die Formen mit zierlichsten und zartesten
Skeleten sollen sich hauptsächlich pelagisch, die schwerfälligsten und
massivsten dagegen in den grössten Tiefen finden.
Nichts scheint mir jedoch bis jetzt mit Sicherheit dafür zu sprechen,
dass sich die Radiolarieufauna mit der Tiefe überhaupt reicher gestalte,
oder anders ausgedrückt, dass die Radiolarien vorzugsweise Tiefseethiere
seien, wofür sich Hertwig (33) und Stöhr (35) aussprachen. Bekanntlich
hatte Ehrenberg diesen Standpunkt vertreten, jedoch von der ganz irr-
I. thümlichen Voraussetzung ausgehend, dass die Radiolarien ausschliess-
1 lieh auf dem Meeresboden lebten und daher die mit Bodenproben
P aus verschiedner Tiefe heraufgeholten Radiolarienreste auch in den
betreffenden Tiefen am Boden gelebt hätten, Ehrenberg suchte die
Vermehrung der Radiolarien in der Tiefe aus den Ergebnissen seiner
Untersuchungen zahlreicher Grundproben zu erweisen , welche eine ent-
schiedne Zunahme der Artzahl mit zunehmender Tiefe darboten. Schon
Häckel (16) hat jedoch in sehr trefl'ender Kritik der Ehrenberg'schen
Untersuchungen gezeigt, dass ein solcher Schluss keineswegs so unzweifel-
haft und sicher aus den empirischen Daten Ehrenberg's zu ziehen ist,
*) Dieselben sollen der Oberfläche gänzlich fehlen, in 300—400 Faden Tiefe selten, am
reichlichsten in viel grösseren Tiefen getrofien werden.
**) Ob thatsächlich Radiolarien auf dem Meeresboden kriechend leben, scheint mir durch
die bis jetzt vorliegenden üntersnchungcn noch nicht bewiesen zu sein. Die Organisation der
meisten Formen scheint einer solclien Annahme selir wenig zu entsprechen ; docli mag die-
selbe wohl fiir die Challengeridae und vielieielit einen Theil der Cyrtida znllissig erscheinen.
30 ''■
468
Eadiolaiia.
indem eine Reibe von Zufälligkeiten hierbei störend gewirkt haben kön
nen, und wir werden im Verlaufe unserer Darstellung sehen, dass sich
die Resultate der Ehrenberg'schen Beobachtungen wohl auch in anderer
Weise auf Grund unsrer neueren Erfahrungen erklären lassen.
Zunächst möchte ich jedoch kurz zeigen, dass meiner Ansicht nach
aus den Ehrenberg'schen Befunden nicht geschlossen werden kann, dass
das Radiolarienleben in der Tiefe reicher sei, wie das in oberflächlichen
Regionen. In der zusammenfassenden Darstellung seiner Tiefseeunter-
suchungen gibt Ehrenberg 1872 (25) nachfolgende Aufstellung über die
Vertheilung der von ihm gefundnen Radiolarienarten nach verschiedneu
Tiefen.
Tiefe: 0 bis 100'
100
bis
500'
500
bis
1000'
1000 5000
bis bis
5000' 10,000'
10,000
bis
15,000'
15,000
bis
20,000'
Zahl d. Arten : 31
7
12
m \ Dil
1
lUi
i;!2
Aus dieser Zusammenstellung scheint eine solche Zunahme ziem-
lich sicher hervorzugehen. Betrachten wir aber die Zahl der bis jetzt
oberflächlich, in einem so beschränkten Gebiet wie das Mittelmeer
von J. Müller, Häckel und Hertwig aufgefundnen Arten und zwar natür-
lich nur derjenigen, deren kieselige Skelete einer Erhaltung im Boden-
schlamm nach dem Niedersinken fähig sind, so finden wir nicht weniger
wie 130 Arten, also fast genau ebensoviel wie Ehrenberg in den grössten
Tiefen zwischen 15,000 und 20,000' fand, nach ihm überhaupt die reichste
Region.
Hieraus scheint mir nun zu folgen, dass wenigstens bis jetzt ein
grösserer Reichthum der Radiolarien in tieferen Regionen der Oceane
durchaus nicht erwiesen ist. Es darf erwartet werden, dass die genauere
Untersuchung des Challengermaterials auch diese Frage aufklären wird.
Es wäre verfrüht, eine entscheidende Aeusserung zu wagen, da der Zu-
wachs an neuen Arten, welche dies Material enthält (über 2000 nach
Häckel), ein so enormer ist, dass sich daneben Schlüsse, welche man
auf Grund der seither bekannten , sehr beschränkten Zahl von Arten zu
ziehen versucht, ganz hinfällig erweisen können.
Ein Leben der Radiolarien am Boden der Meere, wie es Ehren-
berg aus seinen Erfahrungen herleiten wollte und wie es Häckel
neuerdings für grosse Tiefen gleichfalls behauptet, scheint mir jedoch
auch durch die neueren Erfahrungen noch unerwiesen geblieben zu sein.
Häckel (16) hat seiner Zeit in Messina durch directe Untersuchung des
Meeresbodens mit der sogen. Saugsonde durchaus negative Resultate in
dieser Beziehung erzielt und auch in den Beobachtungen, welche bis jetzt
von der Challengerexpedition zur Veröffentlichung kamen, findet sich
nichts, was für eine solche Lebensweise der Radiolarien spricht. Ebenso
\'(ii'kmiimL'n in «Icu licii(. .Miurrn; liadiulariciisrlilamiii 469
scheint mir die Organisation nnsrer Wesen, soweit es erlaubt ist, aus ihr
einen Sehlass zu ziehen, für eine freischwimmende Lebensweise der
allermeisten zu sprechen.
Wie die Schalen der pelagischen Rhizopoden müssen auch die
kieseligen Skelete der schwimmenden Radiolarien nach dem Tode
ihrer Träger allmählich sinken und schliesslich auf dem Meeresboden
zur Ablagerung gelangen. Es finden sich denn auch Radiolarien-
reste auf dem Meeresboden aller Tiefen vor, wie dies schon aus den
obigen Tabellen Ehrenberg's hervorgeht. Durchaus vermisst werden nur
die Skelete der Acanthometreen, was sich aus ihrer leichten Zerstörbarkeit
hinreichend erklärt.
Welche Verhältnisse es bedingen, dass Radiolarienreste unter Um-
ständen im Schlamm des Meeresbodens völlig vermisst werden, während sie
anderwärts ziemlich reichlich auftreten, ist bis jetzt nicht sicher eruirt*).
Nur in den beträchtlichsten Tiefen jedoch und auch hier nur an ge-
wissen beschränkten Stelleu, ist die Ablagerung von Radiolarien-
resten eine so massenhafte, dass von einem Radiolarienschlamm, ent-
sprechend dem bei Betrachtung der Rhizopoden erwähnten Globigerinen-
schlamm die Rede sein kann. Schon Ehrenberg hatte Gelegenheit zwei
Bodenproben zu untersuchen, welche fast ausschliesslich aus Radiolarien-
resten bestanden und ganz kalkfrei zu sein schienen. Die eine dieser
Proben stammt aus 3300 Faden Tiefe im stillen Ocean, etwa 8 bis
10 Längengrade östlich von den Philippinen; die zweite dagegen aus
2200 Faden Tiefe im indischen Ocean, etwa 20 Längengrade östlich
von Zanzibar. In beiden Ablagerungen war gleichzeitig der Reichthum
an Formen ein sehr erheblicher, in ersterer Hessen sich nicht weniger
Avie 83, in letzterer dagegen 47 Arten nachweisen. Ganz ähnliche Ver-
hältnisse fand die Challengerexpedition dann weiterhin noch an einigen
Stellen des stillen Oceans. So einmal nicht weit von der schon durch
Ehrenberg untersuchten Bodenprobe, 14 Längengrade weiter östlich und
ca. 7 Grad südlicher in der grössten überhaupt untersuchten Tiefe von
4500 Faden; weiterhin fanden sich jedoch noch zwei Gebiete solchen
Radiolarienschlamms in etwa 150 Grad östlicher Länge (von Greenwich)
und einige Breitengrade nördlich und südlich des Aequators. Jede dieser
Ablagerungen erstreckte sich über ca. 4 — 5 Breitengrade in wechselnden
Tiefen von 2350 bis 2900 Faden.
Aus diesen Untersuchungen scheint hervorzugehen, dass sich wahr-
scheinlich ein solches Radiolarienschlammgebiet von den Philippinen in
*) Hinsichtlich der Verbreitung der Eadiolarienreste in den Bodenablagerungen der
]\[cere finden sich unverstandliche Widersprüche in den Mittheilungen von Murray (27) über
die Ergebnisse der Challengerexpedition; während es p. 525 heisst: „The skeletons of these
organisms are found in all, or almost all, the sea bottoms" , heisst es dagegen p. 535 von
den Eadiolarien im Allgemeinen : ,.ln vcry many places they appear to be ncarly or quite
absent in the bottoms''.
470 Kadiohuia.
südöstlicher Richtung bis gegen die Maiijuesasinseln ausdehnt, dass sich
jedoch auch noch anderwärts solche AblageruDgen finden. So hob der
Challenger auch östlich von Japan noch einige Grundproben, welche
bis zu Vy ^i^s Radiolarienresten bestanden.
Eine Erklärung für die Bildung fast reinen Radiolarienschlamms in
so beträchtlichen Tiefen lässt sich zwar ungefähr, jedoch bis jetzt noch
nicht ganz ausreichend geben. Zunächst scheinen in den Meeresregionen,
wo solche Ablagerungen bis jetzt beobachtet wurden, Radiolarien be-
sonders reichlich zu sein; dies wird wenigstens von Thomson und Murray
für die wärmeren Theile des stillen Oceans gegenüber dem atlantischen
angegeben. Hauptsächlich im südwestlichen Theil des stillen Oceans und
um die Inseln des malayischen Archipels herrscht ein grosser Radiolarien-
reichthum. Weiterhin muss die Masse der am Boden zur Ablagerung
gelangenden Radiolarienreste proportional mit der Tiefe des darüber
stehenden Meeres wachsen, da ja die Radiolarien, wie wir gesehen, bis
zu sehr grossen Tiefen hinab leben. Demnach muss die Masse der zur
Ablagerung gelaugenden Radiolarienreste in solch tiefen Regionen absolut
gegenüber den sich gleichfalls niederseukeuden Resten der pelagischen
Organismen anderer Gruppen wachsen, speciell gegenüber den Schalen-
resten pelagischer Rhizopoden, da diese nur eine beschränkte Ober-
flächenzone bewohnen. Weiterhin haben aber die Challengerunter-
suchungen wohl unzweifelhaft ergeben, dass die Kalkschalen pelagischer
Thiere, speciell die der Rhizopoden und der gleichfalls sehr häufigen
Pteropoden, gewöhnlich nicht über eine gewisse Tiefe unversehrt hinab-
gelangen, vielmehr in Tiefen über 2000 Faden allmählich durch
chemische Einflüsse, wohl ohne Zweifel durch auflösende Wirkung der
Kohlensäure, zerstört werden, bis sie schliesslich am Boden nahezu
oder gänzlich verschwinden. Statt des Globigerinenschlammes stellt
sich dann ein Thonschlamm von rother oder grauer Farbe ein, in
welchem sich gewöhnlich noch einige Reste kalkiger Schalen, weiterhin
jedoch fast stets Mangansuperoxydhydrat als verschiedengestaltige Con-
cretionen, sowie Partikel verschiedner Mineralien, Quarz, Glimmer, und
namentlich sehr weit verbreitet Bimssteinstückchen finden. Auch Radio
larienreste gesellen sich diesen Thonen häufig zu.
Thomson ist der Ansicht, dass diese Thone im Wesentlichen die un-
löslichen Rückstände der zerstörten Kalkschalen pelagischer Organismen dar-
stellen. Murray hebt hervor, dass auch vulkanische, über weite Strecken
des Meeresbodens zur Ablagerung kommende Producte (Beweis hierfür ist
der so verbreitete Bimsstein), ebenso wie Meteoriten und kosmischer Staub
zur Bildung der Thone beigetragen haben mögen.
In derselben Weise erklärt sich nun auch das Fehlen oder die grosse
Armutb der kalkigen Schalen, speciell der der Rhizopoden in den
Radiolarienschlammlagern, welche ihrer Tiefe nach säramtlich in die
K';iiliul;(nciisclilaiiiiii ; V'i'rlii'i'itiing' in dm Ihuil. Meeren. 471
Region der Thoiie gehiU'en *). Eigeiithünilieli ist jedoch , dass thonige
lieimischungen dem eigentlichen Radiolarienschlamm nicht in erheb-
lichem Grade zuzukommen scheinen, dagegen finden sich darin Braun-
steinconcremente, Bimssteinstückchen und andere Mineralpartikel (Ehren-
berg und Challengerexpedition), ähnlich wie in den Thonen.
Oben wurde schon auf gewisse Erscheinungen in der Verbreitung der
Radiolarien hingewiesen, auf den grösseren Reichthum des stillen Oceans
nämlich gegenüber dem atlantischen. Thomson (31) hebt speciell hervor,
dass sie am reichlichsten zu sein scheinen, wo das Seewasser ein niederes
specifisches Gewicht besitzt. Jedenfalls scheinen sieb die Radiolarien
in gemässigt warmen und den wärmeren Meeren besonders reichlich zu
entwickeln, spärlicher dagegen in den kalten Meeren. So erklärt z. B.
auch Thomson die Radiolarienarmuth der Nordsee und der britischen
Küsten aus dem Vorhandensein eines kalten Stroms, welcher sich,
von der arktischen See kommend, gegen Nordschottland wendet und,
sich hier theilend, einerseits die Nordsee wesentlich abkühlt, andererseits
in einem 60 — 80 Seemeilen breiten Arm die Westküste der britischen
Inseln umzieht. Jenseits dieses kalten Stromes sind Radiolarien im at-
lantiseben Ocean reichlich anzutreffen. Immerhin fehlen aber auch in
diesem kalten Gebiete die Radiolarien nicht völlig-, denn schon Claparede
fand 3 Formen bei Bergen, Stockes**) zwischen den Orkney- und Shet-
landsinseln in den ßodenablagerungen 1> Arten. Dass jedoch Radiolarien
selbst arktischen Meeren nicht fehlen, dürfte wohl mit Sicherheit aus den
Ergebnissen der englischen Nordpolexpedition des Jahres 1875/76 ge-
schlossen werden, welche auf ihrer nördlichsten Station (83** 19' n. Br.)
die radiolarien -reichste Grundprobe traf. Ueberhaupt fanden sich in
den Grundproben, welche diese Expedition aus dem arktischen pacifischen
Ocean mitbrachte, nicht weniger wie 10 Genera kieselschaliger Formen
nach Häckel's Untersuchung***). Auch fand die Challengerexpedition
in den Grundproben aus dem südlichen indischen Ocean (50 — 65*^ s. Br.)
z. Th. recht viele Radiolarienrestef).
Die Radiolarien erscheinen unter günstigen Bedingungen in grosser
Menge an der Meeresoberfläche, so dass sie, wie Thomson angibt, das
*) Auch Ehreiiberg nalim schon zu einer solchen Auflösung der Kalkschalen seine Zu-
flucht, nui sicli deren Fehlen in den Radiolarienablagerungen zu erklären.
**) Quart, journ. of microscop. science N. S. Vol. II. p. 307. Auch abgeschlossnen
Meeren fehlen nach Ehrenberg's Untersuchungen (25) Radiolarien nicht völlig, so fand er
1 Stylosphaera im Asow'scheu und 4 Mesocaena- Arten im schwarzen Meer, im Casjnsee
dagegen 2 Haliommen. Ich beobachtete in Ascidia canina aus der Ostsee hautig eine
Dictyocha.
***) siehe bei Brady. Ann. mag. nat. hist. 4. S. T. XVII. 1878.
t) Zu einer eingehenderen Besprechung der geograpliischen Verbreitung der Radiolarien
ist bis jetzt noch keine Möglichkeit vorhanden, wir werden daher auch die vereinzelten That-
sachen, welche sich in dieser Hinsicht verwerthen Hessen, nicht weiter ausfuhren. Es ist zu
hoffen, dass auch ein einigermaassen befriedigender üeberblick über diese Verhältnisse sicIi
gewinnen lassen wird,, wenn die Resultate der Challengerexpedition vorliegen.
472 Kadiolaria.
Wasser zuweilen cleutlicb färben. Jedoch herrscht, wie es scheint, eine
deutliche Abstufung- der verschiednen Abtheilungen hinsichtlich der Massen-
haftigkeit ihres Vorkommens. Nach Häckel und Thomson sind meist die
Acanthometriden besonders reich vertreten und mit ihnen wetteifern die
Sphaerozoöen. Sehr häufig sind auch gewisse Sphaerideen , Colliden
und Phaeodarien , wogegen die Monopylarieu im Ganzen nicht zu den
häufigsten Formen gehören (jedoch beschränken sich letztere Angaben
nur auf die Verhältnisse des Mittelmeers und speciell Messina's)*).
7. Paläontologisches Vorkomiueu der Radiolarien*').
Ich habe absichtlich in dem Titel dieses letzten Abschnittes nicht
von der paläoutologischen Entwicklung der Radiolarien gesprochen, denn
unsere Kenntnisse der Eeste dieser Gruppe aus untergegangnen Erd-
epochen sind so wenig umfangreich, dass aus ihnen bis jetzt durchaus
nichts Sicheres über die phylogenetische Entwicklung zu schöpfen ist.
Hierzu gesellt sich nun weiterhin noch dieselbe Schwierigkeit, welche
*) Im Verlaiife des von uns seither eiiigebaltenen Ganges der Schilderung liätte nun
die Besprechung des Systemes und die Charakteristik der Gattungen zu folgen. Ich sehe mich
jedoch leider genöthigt, diesen Abschnitt, zu dessen Bewältigung ich ziemlich ausgedehnte
Vorstudien gemacht habe, im Hinblick auf die augenblickliche Lage der Kadiolaricnsystematik
einstweilen nicht auszuarbeiten. Während der Abfassung des Textes erschien das vor-
läuiige neue Eadiolariensystem von Häckel, welches durch eine grosse Zahl neuer (iattungen
so umgestaltet und verändert ist, dass ohne genauere Beschreibung derselben eine Orientirung
nicht möglich erscheint, zumal Angaben über Synonymie ganz fehlen, frühere Namen z. Th.
unterdrückt scheinen u. s. f. Es unterliegt keinem Zweifel , dass die mehr wie 2000 neuen
Arten des Challengermaterials — gegenüber den etwa 300 seither lebend genauer bekannten
— eine ganz neue Gestaltung des Systems erfordern. Es wäre daher ein ephemeres, ziem-
lich werthloses Bemühen, wollte ich es versuchen, unter diesen Verhältnisseh das System
der Kadiolarien darzustellen. Die Besprechung der Eadiolarien jedoch überhaupt zu vertagen,
war nicht möglich, wenn nicht die Fortsetzung der Protozoen auf unbestimmte Zeit verschoben
werden sollte; ich weiss mir daher nicht anders zu helfen, als dass ich einstweilen den syste-
matischen Abschnitt bis nach Erscheinen der Challengerradiolarien aufschiebe . was ja auch
kein zu grosser Nachtheil ist, da die allgemeine Schilderung auch so verwerthba'' sein
dürfte. — Es wird dann späterhin möglich sein , dem Werk durch eingehende Berück-
sichtigung der neueren Ergebnisse einen um so vollständigeren und dauernder nutzbaren
Charakter zu verleihen.
**) Ausser den schon im allgemeinen Literaturverzeichniss namhaft gemachten Schriften
von Ehrenberg, Häckel, Zittel, Stöhr und Bütschli sind bezüglich fossiler Eadiolarien noch zu
vergleichen :
1. Carruthers, W., British Assoc. Keports 1872, p. 12G und Quart, journ. microsc. sc.
N. S. Vol. XII. p. .'i97.
2. Gümbel, C. W. , üeber Foraminiferen , Ostracoden und mikroskopische Thierreste in
den St. cassianer Schichten. Jahrb. d. k. k. geolog. Kcichsanst. 1S<')9. Bd. XIX. p. 175
—186. T. V— VI.
'j. Sauvage, Annales des sciences g6ologi(iues 1873.
4. D'Achiardi, Sul gabbro rosso e rocce diasprine che vi si conettono. Atti soc. tose. sc.
nat. Proc. verb. 1880. p. 57—58.
Allg'(Mii. Vorkoiiiiiicii Inssilrr lÄadiulMricii. 473
uns schon nöthigte, von einer Darstellung des Systems Abstand zu
nehmen, die Ueberzeiigung nämlich, dass die bis jetzt genauer be-
kannten lebenden Radiolarien gleichfalls nur einen kleinen Theil der
überhaupt in unsrer Epoche existirenden Vertreter dieser umfangreichen
Gruppe darstellen, so dass etwaige Schlüsse, welche wir aus den so un-
vollständigen Erfahrungen über fossile und lebende Ixadiolarien hinsicht-
lich der paläontologischen Entwicklung ziehen wollten, sich wahrscheinlich
als sehr trügerisch erweisen dürften.
Auch die von Ehrenberg betonte geringe Uebereinstimmung fos.
siler und lebender Formen stellte sich nach den neueren Untersuchungen
►Stöhr's (35) und Häckel's (37) als nicht stichhaltig heraus; beide fanden,
dass eine ziemliche Zahl tertiärer Radiolarien mit noch jetzt lebenden
identisch ist, wie dies auch zu vermuthen war.
Die soeben hervorgehobnen Umstände zwingen uns zur Beschränkung
auf einige allgemeine Bemerkungen und die Schilderung des geologischen
Vorkommens fossiler Radiolarien.
Bis jetzt sind fast sämmtliche umfangreicheren und erhaltungsfähigen
Untergruppen der Radiolarien auch fossil angetroffen worden. Dass wir
unter den fossilen Vorkommnissen die Colliden, Sphaerozoeen und Acantho-
metreen vermissen, wird uns nicht erstaunen, da die Angehörigen dieser
Abtheilungen entweder überhaupt keine erhaltungsfähigen Skelettheile be-
sitzen , oder wie ein Theil der Colliden und Sphaerozoeen solche,
die im isolirten Zustand kaum oder nicht sicher zu erkennen sind.
Einzelne Skeletspicula gewisser Colliden und Sphaerozoeen werden
sicher zunächst auf Spongien bezogen werden, wogegen die Collosphaera
ähnlichen Gitterkugeln gewisser Sphaerozoeen sich im isolirten Zustand
nicht mehr mit Sicherheit von den ähnlichen Gitterkugeln einschaliger
Sphaerideen unterscheiden lassen. Gewisse von Ehrenberg und andern
Forschern beschriebne einfache Gitterkugeln, so Cenosphaera Ehrbg. und
Acanthosphaera Ehrbg. lassen sich denn auch ebensowohl auf Sphaero-
zoeen wie Monosphaerideen beziehen.
Als weitere Stütze der eben gegebnen Erklärung des scheinbaren
oder thatsächlichen Fehlens jener Gruppen im fossilen Zustande darf
weiterhin hervorgehoben werden, dass auch in recenten Ablagerungen
bis jetzt noch keine Vertreter derselben nachgewiesen worden sind.
Wichtiger dagegen erscheint der Mangel einiger kieselschaliger, wohl
erhaltungsfähiger Gruppen. So ist bis jetzt von der nach Häckel's neuen
Forschungen in der Jetztzeit recht reich entfalteten Gruppe der sogen.
Plectida (Plagiacanthida Hertw.) fossil noch nichts beobachtet worden.
Auch die umfangreiche Abtheilung der Phaeodaria fehlt in den Verzeich-
5. Pantanelli, D., Eadiolari dci üiaspri. Atti soc. tose. sc. iiat. Proc. vi;rb. 1880. p. 5S,
auch Bollet. E. com. geol. d'Ital. 1880.
6. Pantanelli e De Stefani, Kadiolari di Santa Barbera in Calabha. Atti soc. tose.
Proc. verb. 1880. p. 59— üO.
7. Zittel, K., Handbuch der Paläontologie Bd. 1.
474 Ivailiiilana.
iiisseu fossiler Radiolarien so zu sagen völlig, ausser reichlich ^■el•tl•etnen
Dictyocha- und Mesoeaenaformen führen nur Pantanelli und Htefani aus
rniocänem italienischen Tripel eine Aulacantha auf, bezüglich welcher
jedoch, wegen Fehlen der Beschreibung und Abbildung, nicht wohl zu ent-
scheiden ist, ob sie sicher begründet wurde. Dass auch die Abtheilung
der Lithelidae schon zur Tertiärzeit vertreten war und nicht auf die
Jetztwelt beschränkt ist, wie Häckel noch anzunehmen berechtigt war,
ergibt sich aus meinen Untersuchungen der Barbadosradiolarien ; Ehren-
berg hatte zu dieser Abtheilung gehörige Formen irrthümlich zu der
Gattung Stylodictya gezogen*).
Alle übrigen grösseren Untergruppen kieselschaliger Radiolarien sind
auch schon zur Tertiärzeit vertreten gewesen.
Nur über diese geologische Epoche liegen bis jetzt eingehendere
Forschungen vor, begünstigt durch die Erscheinung, dass diese Formation
an gewissen Orten sehr reichhaltige Radiolarienlager einschliesst, wie sie
in älteren Formationen bis jetzt nicht zur Beobachtung kamen. Es wäre
jedoch gewiss durchaus verfehlt, die Radiolarien überhaupt für eine
jugendliche Abtlieilung zu halten , wenn auch die Anzeichen ihres Vor-
kommens in älteren Formationen zur IStunde nur sehr spärlich vorliegen.
Die ältesten Spuren von Radiolarien sind bis jetzt in der Kohlen-
formation aufgefunden worden, zwar haben sich die von Carruthers einst
aus der englischen Kohlenformation unter dem Namen Traquairia be-
schriebenen vermeintlichen Radiolarienreste nicht als solche erwiesen,
sondern als pflanzliche, sporenartige Gebilde, ähnlich den Macrosporen
der Rhizocarpeeu ergeben ; dagegen gibt ein genauer englischer Forscher
Sollas**) neuerdings an, in den „carboniferous beds'' von North -Wales
Radiolarienreste beobachtet zu haben , welche jedoch in kohlensauren
Kalk umgewandelt waren. Aus der Triasformation (von St. Cassian in
Tyrol) beschrieb Gümbel die Reste zweier Arten dictyocha -ähnlicher Ge-
bilde, welche mir jedoch nur wenig sicher erscheinen. Aus der oberen
Juraformation von Muggendorf ist eine grosse sogen. Cenosphaera durch
Waagen bekannt geworden und Steinmann wies neuerdings auf reich-
liches Vorkommen von Radiolarien in der tithonischen Facies des Jura
sowie in der Kreide hin ***). Schon früher hatte Zittel das Vorkommen
der Radiolarien in der Kreideformation erwiesen, indem er in der oberen
Kreide von Haldem in Westfalen und Vordorf in Braunschweig zwei
sogen. Cenosphaera-Arten, eine Dictyocha, eine Stylodictya und vier Ver-
*) Die Stylodictya hispida Ehrbg. ist nämlich meinen Beobachtungen zu Folge eine
Lithelinsform.
**) Ann. m. n. h. (V) VI. p. 439.
''■■**) Jalirbuch f. Mineral, u. Geologie 1SS1 (nach Untersuchungen von ihm und von
V. Hantlien\ Die Beobachtungen von Waagen hat Zittel (29) mitgetheilt. Durch eine gef.
hrieflicho Benachrichtigung Zittel's kann ich hier nachträglich noch mittheilen, dass v. Duni-
knwsky Kadiolfirien im unteren Lias von Schafberg in Obe^-Oe^terreich gefunden hat.
m
AllgL'iu \'iirlvuiiimcii lossilrr Uadiolaiicii 475
treter der Cyrtida (säuimtlich z« der Häckerscheii Gattung IJthocanipe
von 1862 = Dictyomitra Zitt. 1876 gehörig)*) fand.
Eine genauere Durchforschung der älteren Formationen wird, wovon
ich fest überzeugt bin, zahlreiche Hadiolarienreste zu Tage fördern, ebenso
wie dies auch für die Rhizopoda schon der Fall gewesen ist.
Die Tertiärformation hat dagegen, wie bemerkt, schon eine recht
ansehnliche Menge Radiohirienreste geliefert. Stöhr (35) rechnet 454 Arten
zusammen, eine Zahl, die gewiss nicht zu niedrig gegriffen ist, wenn
man berücksichtigt, wie viele neue Formen allein das Barbadosgestein
bei gründlicherer Durchsuchung noch liefern wird**).
Spärlichere Reste von Radiolarien scheinen weithin durch die Tertiär-
formation verbreitet zu sein, nur drei Fundstätten sind aber bis jetzt be-
kannt geworden , wo es sich um wirkliche Radiolarienablagerungen aus
der Tertiärzeit handelt, ähnlich den recenten der ISüdsee. Ehrenberg hat
spärlichere Reste von Radiolarien beobachtet in den Mergeln oder Polir-
schiefern von Aegina und Zante in Griechenland, sowie Oran in Afrika,
in einer Reihe sogen. Polirschiefer Nordamerikas (Richmond und Peters-
burg in Virginien, Piscataway in Maryland), ferner im Tripel von den
Bermudasirsein, und in einem sogen. Polirschiefer von Morro de Mijellones
(Westküste von Südamerika an der Grenze zwischen Bolivia und Chile),
schliesslich im Tripel von Sirabirsk bei Kasan. Zu den drei Fundorten
wirklicher tertiärer Radiolarienlager gehört zunächst Sicilien (speciell der
durch Stöhr's Untersuchungen genauer bekannt gewordene Punkt Grotte),
weiterhin scheinen jedoch noch einige andere Ablagerungen der italieni-
schen Halbinsel sehr reich an Radiolarienresten zu sein, so gewisse Tripel
Calabriens und die sogen. Diasprogesteine Toscanas nach den neueren
Untersuchungen von Pantanelli , Stefani und D'Achiardi. Das reichste
Radiolarienlager ist das der westindischen Insel Barbados, hinter welcher
der dritte Fundort, die Nikobareninseln, beträchtlich zurücksteht.
Die Tripel Siciliens, welche nach Stöhr dem obersten Tortonien an-
gehören, sind weisse blätterige, meist leicht zerreibliche Ablagerungen,
nur selten von grösserer Festigkeit. Ihr Kieselsäuregehalt geht ziemlich
parallel dem schwankenden Gehalt an Radiolarienresten und erhebt sich
von 30 bis auf 68%. Sie enthalten wie alle Radiolarienablagerungen
noch mehr oder weniger Reste mariner Diatomeen und Spongien, sowie
Kalkschalen von Rhizopoden beigemischt. Merkwürdiger Weise schliessen
jedoch diese sicilischen Tripel auch ziemlich zahlreiche Fischreste,
*) Drei dieser sogen. Dietyomitren gehören nach Häckel's neuester Classification zur
Unterfamilie der Stichocyrtida und zur Gattung Lithocampe; die vierte nur dreigliedrige ge-
hört zur üutcrfam. der Triocyrtida und zwar zur Gattung Tricolocanipc Hack. ISSl.
**) Ich hahe zunächst eine genaue Zusamnienrechnung und Yergleichung der Tertiär-
t'ormen nicht vorgenommen, weil eine kritische Revision derselben auf Grundlage der Challenger-
radiolarien späterhin doch zur Nothwendigkeit wird. Das später zu publicirende System soll
auch die fossilen Formen genau berücksichtigen und wird ebenso Nachweise über die Zahl
b
der fossilen Arten und ihr Vorkommen geben.
476 Racliolaria
darimter nicht selten Süsswasserfische und weiterhin Laudpflauzen ein.
Sie geben uns demnach ein hübsches Beispiel der Vermischung einer
Tiefseeablagerung mit durch Süsswasser vom Festland zugeführten
Resten. Stöhr konnte in dem reichsten Tripel, dem von Grotte, nicht
weniger wie 118 Radiolarienarten auffinden*).
Auf Barbados bilden die Radiolariengesteine einen ansehnlichen Theil
des bis zu 1147 Fuss aufsteigenden Gebirgsstocks der Insel. Bedeckt
werden sie z. Th. von einem Korallenkalk. Ehrenberg beschreibt diese
Gesteine als eisenschüssigen Sandstein , sandigen Kalkstein und erdige
Mergel. Ihr Radiolarienreichthum ist übrigens ziemlich wechselnd,
wie sich aus den Untersuchungen verschiedner Proben durch Ehreu-
berg ergibt. Die besonders reichen scheinen eine tripel- oder mergel-
artige Beschaffenheit zu besitzen**). Auch bituminöse Radiolarienmergel
finden sich vor. Die von Ehrenberg mitgetheilte Analyse eines solchen
Polycystinenmergels (ausgeführt, von Rammeisberg) weist gar keine freie
Kieselsäure auf, sondern 34^0 Thonerdesilikat und nicht weniger wie
59 °/y kohlensauren Kalk , ein Ergebniss , welches sich schwer mit der
mikroskopischen Untersuchung vereinigen lässt und der Vermuthung
Raum gibt, dass irgend etwas in der Analyse nicht stimmt.
Den auffallenden Kalkreichthum der Barbadosgesteine erklärt sich
Ehrenberg durch Beimischung von Rhizopodenschalen (nur fünf Formen
Hessen sich jedoch auffinden) und coccolithen- ähnlichen Gebilden, sowie
eines z. Th. kalkigen Mulms, Diese Mulmbeimischung beträgt überhaupt
zuweilen bis zur Hälfte des Gesteinsvölumens. Vielleicht dürfte sich je-
doch der ansehnliche und im Hinblick auf die recenten Radiolarien-
schlamme auffallende Kalkgehalt durch nachträgliche Infiltration erklären,
in welcher Hinsicht die Ueberlagerung durch Korallenkalk beachtenswerth
erscheint. Interessant erscheint die häufige Beimischung von Bimsstein-
stückchen eben im Hinblick auf die recenten Tiefseeablagerungen.
Das Barbadosgestein lieferte Ehrenberg nicht weniger wie 278 Arten
Radiolarien, womit jedoch die Zahl der vorhandnen nicht erschöpft ist,
da ich bei kurzer Untersuchung noch eine ziemliche Zahl weiterer
fand; daneben enthält es noch einige Diatomeen (18 Arten) und Spon-
giennadeln.
Recht abweichend von den soeben geschilderten sind die Radiolarien-
ablagerungen der Nikobareninseln beschaffen, welche hauptsächlich auf
den Inseln Gar Nikobar und Camorta angetroffen wurden. Ihrer petro-
graphischen Beschaffenheit nach erinnern dieselben viel mehr an die Tief-
seeablagerungen der Jetztwelt. Es sind nämlich Thone etwas verschiedner
*) Die Speciessouderung- ist jedoch von ihm. wie auch schon Steinmann (Neues Jahrb. f.
Mineralogie 1881) lieiTorhebt, etwas weit getrieben worden.
**) Inwiefern die von Ehrenberg für einen Theil dieser Gesteine gebrauchte Bezeichnung
Sandsteine gerechtfertigt werden Icann, will mir nicht recht einleuchten. Ehrenberg, der auch
alle unorganischen Beimischungen aufzählt, erwähnt wenigstens durchaus nichts von Sand.
Das Stückchen Gestein, welches ich in Händen hatte, enthielt sicherlich keinen Sand.
'l'ertiiirroiiiiMtidii ( IJaihados. Niliul)aii'ii. Sicilicii). 477
Beschaffenheit, graue auf Car Nikobar, weisse, meerschauniartige, sowie
eisenhaltige rothe und bunte auf Camorta. Diese radiolarienhaltigcn
Thone bilden mit Mergeln und kalkhaltigen Sandsteinen den bis zu 2000'
sich erhebenden Gebirgsstock dieser Inseln.
Während Ehrenberg ursprünglich (4, ISnO) die Zahl der Radiolarien-
arten dieser Ablagerungen auf mehr wie 100 schätzte, gab er in seinem
späteren Verzeichniss (26) nur 31) an, welche sich bei Zurechnung der
gleichfalls zn den Radiolaiien gehörigen vier Dictyochen und einer Stc-
phanolithis auf 44 erheben *).
Die Radiolarienfauna von Barbados besitzt einen sehr eigenthiimlichen
Charakter, wegen der ungemein reichen Vertretung, welche in ihr die
Monopylarien finden. Von den 292 bekannten Formen sind nicht weniger
wie 234 Monopylarien, darunter 188 Cyrtiden, 41 Zygocyrtiden (= Spy-
rida Hck. 1881) und 5 Acanthodesmiden (= Stephida Hck. 1881). Sphae-
rideen (= Peripylaria Hack. 1881) finderi sich dagegen nur 58 (darunter
reguläre Sphaerideen und Disciden zusammen 56, eine Zygartide Hack. 1881
und eine Lithelide). Auch in den Ablagerungen der Nikobaren überstiegen
die Monopylarien; unter 43 Formen sind 26 Monopylarien (20 Cyrtida,
5 Zj^gocyrtida und 1 Acanthodesmide), 13 reguläre Sphaerideen und
Disciden und 4 Phaeodarien (Dictyochen).
Abweichend gestaltet sich dagegen die Fauna der sicilischen Tripoli
von Grotte nach Stöhr; hier überwiegen entschieden die regulären Sphae-
rideen und Disciden, welche zusammen 69 der 118 bekannten Arten aus-
machen. Hierzu gesellen sich als weitere Feripylarien noch 1 Pylonide
und 3 Zygartiden , während die Monopylaria bis jetzt nur in 39 Ver-
tretern beobachtet wurden (33 Cyrtida und 6 Zj^gocyrtida) ; hierzu schliess-
lich noch 6 Phaeodarien.
Es wäre nun jedenfalls wenig zutreffend, wenn man, wie dies zu-
weilen geschehen, aus dem Vorherrschen der Cyrtida und Zygocyrtida in
den tertiären Faunen von Barbados und den Nikobaren den Schluss
ziehen wollte, dass diese Abtheilungen w^ährend der Tertiärzeit eine be-
sonders hervorragende Entwicklung erreicht hätten. Hiergegen spricht
einmal schon die Beschaffenheit der sicilianischeu Tertiärfauna, weiterhin
jedoch auch die Zusammensetzung recenter Radiolarienablagerungen der
Tiefsee. Betrachten wir die zwei reichhaltigsten der von Ehrenberg ana-
lysirten Radiolarienablagerungen aus grossen Tiefen, die aus dem indi-
schen und die aus dem stillen Ocean, so finden wir, dass die erstere
unter 43 beobachteten Formen 29 Monopylarien (26 Cyrtiden und 3 Zygo-
cyrtiden) gegenüber 13 Sphaerideen (11 reguläre Sphaerideen und Dis-
ciden, 1 Zygartide und 1 Pylonide) und 1 Phaeodarie aufweist. In der
*) Wie mir Prof. Zittel während des Drucks dieses Bogens mittheilt, hat Dr. P. Keinsch
kürzlich auf Cypern eine salzhaltige Ablagerung entdeckt, welche zu .50 "/o aus Radiolarien
besteht. Die kurze Abhandlung des Entdeckers über seinen Fund konnte ich nicht mehr
dnrchselien.
478 Radiolaiia.
AblageruDg- aus dem stillen Ocean tritt das Ueberwiegen der Mooopylarien
weniger deutlich hervor, doch ist es immerhin wohl ausgesprochen. Auf
40 Monopylarien (35 Cyrtida und 5 Zygocyrtida) finden wir hier 31 Peri-
pylaria (27 reguläre Sphaerideen -f- Disciden, 3 Zygartiden, 1 Pylonide)
und schliesslich 4 Phaeodarien.
Aus diesen Vergleichungen ergibt sich, dass auch unsere jetzigen
Tiefseeablagerungen ein starkes Ueberwiegen der Monopylaria zeigen,
wenn auch nicht so auffallend, wie das Rarbadosgestein. Es scheint
hieraus wohl sicher hervorzugehen, dass die Monopylaria vorzugsweise
Tiefseebewohner sind, was auch ihre relative Spärlichkeit an der Meeres-
oberfläche schon einigermaassen erkennen lässt und dass ihr starkes
Ueberwiegen in den tertiären Ablagerungen von Barbados und den
Nikobaren wohl hauptsächlich auf die beträchtliche Tiefe zurückzuführen
ist, in welcher jene Ablagerungen ursprünglich entstanden.
Auch Häckel fand durch seine Untersuchungen des Challengermate-
rials, dass die Kadiolarienfauna der tiefsten Regionen der heutigen Meere
am meisten der fossilen Fauna von Barbados gleicht (37).
Andrerseits müssen wir dagegen schliessen, dass die Tripoli Siciliens
ihre Entstehung in geringerer Tiefe fanden, welcher Schluss auch wohl
in dem Vorkommen ziemlich wohlerhaltner, eingeschwemmter Keste
pflanzlicher und thierischer Organismen des Festlandes eine Bestätigung
findet *J.
*) Dem Literatur\rerzeicliniss iiljer Kadiolarien bitte ich nacliträglicli noch zuziifug-en :
Wallieh, G. C, Ou some undeseribed Testaceous Rhizopods from the North- Atlantic Deposits.
Monthly microscop. journ. I. p. 104—110. PI. III. 1869 (beschreibt die Schalen einiger
Ghallengeridae'i.
B. Abtheilnng (Klasse, Subph-ylum)
Sporozoa.
(Lcuckart 1879.)
Den Grundstock dieser Klasse, deren hier adoptirte Bezeichnung 1879
von R. Leuckart in Vorschlag gebracht wurde, bildet eine Gruppe para-
sitischer einzelliger AVesen, die sogen. Gregariniden, welche vorzüglich
durch ihre eigenthümlichen Fortpflanzungsverhältnisse charakterisirt werden.
Das Wesen letztrer besteht darin, dass der einzellige Organismus, mit
oder ohne vorhergehende copulative Verschmelzung mit einem Ge-
nossen und nach Einschluss in eine Cystenhülle, eine verschiedne z. Th.
sehr ansehnliche Zahl beschälter Fortpflanzungskörper (sogen. Sporen)
durch Theilung oder Knospung erzeugt. Der plasmatische Kör-
per dieser kann selbst wieder in eine verschiedene Anzahl Keime zer-
fallen. Zu den Fortpflanzungserscheinungen gesellen sich weiterhin
eine Reihe morphologischer und physiologischer Eigenthümlichkeiten der
reifen Formen , welche diese Gruppe ziemlich scharf charakterisiren. So
eine membranöse Umhüllung des Körpers, welche echte Plasmabewegung
wenigstens im erwachsenen Zustand verbietet. Weiterhin als physiologische
Eigenthümlichkeit die parasitische Lebensweise, welche die Nichtaufnahme
fester Nahrung erklärlich macht. Zahlreiche Formen sind sogar als
Schmarotzer in Zellen höherer Thiere erkannt worden und es spricht
nicht wenig dafür, dass dieser Zellenparasitismus ursprünglich der ganzen
Abtheilung eigenthümlich war.
Ein Vergleich der Fortpflanziingserscheinungen unsrer Formen mit
denen andrer Protozoen weist vielleicht zunächst auf die Vorgänge bei
gewissen einfachen Rhizopoden hin, namentlich lässt sich das auf Grund
einiger neuer Untersuchungen über die Fortpflanzung gewisser amöben-
artiger Organismen noch bestimmter behaupten. Da andrerseits kein zu
grosses Hinderniss zu bestehen scheint, sich die Gestaltung eines grega-
rinidenartigen Organismus sowohl nach morphologischer wie physiologi-
scher Seite hin aus einem einfachen rhizopodenartigen Wesen entstanden
zu denken, so glauben wir, dass die Gregarinida hier die geeignetste
480 Sporüzoa.
Stelle finden. Man bat in früherer und neuerer Zeit mehrfacli die Ver-
muthung- ausgesprochen, dass die Gregarinideu überhaupt nicht den tbie-
riscben einzelligen Wesen zuzurechnen seien, sondern ins Pflanzenreich
überwiesen werden müssteu. Doch batt uur Gabriel diese Ansicht ein-
gebender zu begründen versucht; er findet die nächsten Beziehungen der
Gregarinideu bei den Myxomyceten. Unsre genauere Darstellung wird
jedoch zeigen, dass jedenfalls bis jetzt eine solche Zusammenstellung
beider Gruppen nicbt berechtigt erscheint. Dies schliesst aber nicht
aus, dass aucb gewisse Aehnlichkeiten zwischen Gregarinideu (und
namentlich Sporozoen im weiteren Sinne) und den Myxomyceten auf-
zufinden sind, denn schliesslich werden doch wohl auch die Myxomy-
ceten mit den einfacheren Rhizopoden in stammverwandtschaftliche Be-
ziehung gesetzt werden müssen.
Neben den Gregarinida besprechen wir in der Klasse der Sporozoa
noch zwei weitere Gruppen, die Myxosporidia und Sarcosporidia, deren
Einreibung in diese Klasse einen mehr provisorischen Charakter besitzt.
Weniger gilt dies hinsichtlich der Myxosporidia, für deren Zugehörigkeit
zu den Sporozoa eine Anzahl wesentlicher Gründe spricht. Unsicherer
dagegen ist die Stellung der Sarcosporidia. Beide Gruppen sind eben-
falls parasitische, die letztere sogar gleichfalls cellularparasitisch. Beide
haben ferner mit zahlreichen eigentlichen Gregarinida die Erzeugung
grosser Mengen von Sporen gemeinsam.
Indem wir bei der noch unsicheren Verfassung unsrer jetzigen Kennt-
nisse der beiden letzterwähnten Abtheikingen darauf verzichten, hier eine
kurze diagnostische Charakteristik der unter der Bezeichnung Sporozoa
zusammengefassten drei Abtheilungen vorauszuschicken , werden wir zu-
nächst die eingehender erforschte Gruppe der Gregarinida specieller be-
trachten und hierauf mehr anhangsweise die Abtheiluugen der Myxospo-
ridia und Sarcosporidia schildern.
1. Uebeisicht der historischen Entwicklung unsrer Kenntnisse der
Sporozoa,
Die erste Entdeckung der uns hier beschäftigenden Protozoenabthei-
lung wird von Diesing (25) schon ins 17. Jahrhundert verlegt und Redi
(1, p. 183) zugeschrieben. Es scheinen mir jedoch die Gebilde, welche
Redi in grösserer Zahl (16) in einem nussgrossen Bläschen, das am
Ovarium eines Cancer pagurus befestigt war*), auffand, in ihrer Bedeu-
tung zu zweifelhaft, als dass wir dem berühmten italienischen Forscher
auch die Entdeckung der Gregarinen zuweisen dürften.
Sehr kenntlich dagegen ist die von einer kurzen Beschreibung be-
gleitete Abbildung, welche Cavolini 1787 (2, p. 169. T. 2, Fig. 22) von
*) Dieselben Bläschen sammt Iiilialt hat er jedocli aiicli bei einer „Locusta" am Ovarium
unil dem Magen befestigt angetrotfen.
Geschichte (eigeiitl. (ireg'aiiiien). 481
einer Gregarine gab. Er fand dieselbe in grosser Menge in den beiden
eigenthünilichen AnhangsdrUsen des Magens von Cancer depressus. Cavo-
lini hielt die paarweise zusammenhangenden Thiere für zweigliedrige
Bandwürmer und entwarf auch ein ganz anschauliches Bild ihrer Be-
wegungen. Sehr deutlich beobachtete er weiterhin schon den Zellkern
als helle Stelle in dem hinteren Abschnitt seiner Cregarinen, hielt ihn
Jedoch für eine Oeftnung, welche er der z. Th. ähnlich gelagerten Ge-
schlechtsötfnung der Bandwürmer vergleicht.
Sehr zweifelhaft erscheinen mir wieder die Angaben Hamdohr's(3)
über Schmarotzergebilde der Insecten, welche vielfach auf Gregarinen
bezogen worden sind. Dies gilt ebensowohl von den unter dem Namen
,,Netzkörperchen'' (nicht Schwielen, wie Diesing angibt) aus dem sogen.
Netz (Fettkörper) der Larve von Dermestes lardarius beschriebnen Ge-
bilden (T. XL Fig. 8), wie auch von dem Eingeweidewurm aus dem
Magen des Reduvius personatus (T. XXIL Fig. 9 u. 11), welchen er
,, Vibrio Reduvii" nannte.
Dagegen dürften die Würmchen, welche Gaede (4, p. 17) 1815 im
Mitteldarm von Blaps mortisaga fand, mit Recht auf Gregarinen bezogen
werden*).
Ein tieferes Interesse erhielten die Gregarinen zum ersten Mal
durch die Untersuchungen von Leon Dufour (;> — 8), welcher mit Recht
als der erste wissenschaftliche Entdecker derselben zu bezeichnen ist und
auch den Namen Gregarina schuf (6). Bei seinen eingehenden Unter-
suchungen der Insectenanatomie konnten ihm die zahlreichen Gre-
garinenformen dieser Arthropoden nicht verborgen bleiben. Schon um
1811 hatte er dieselben bei Blaps gigas zum ersten Mal gesehen, doch
veröffentlichte er erst im Jahre 1826 seine Beobachtungen über die Gre-
garinen mehrerer Käfer. Es erschien zu damaliger Zeit gewiss gerecht-
fertigt, diese Parasiten zu den Eingeweidewürmern zu ziehen; speciell
in die Gruppe der Vers parenchymateux Cuvier's und in die Fami-
lie der Trematoden glaubte sie Dufour einreihen zu sollen. Die nächste
Beziehung zu ihnen schien ihm die Gattung Caryophyllaeus darzu-
bieten. Zum Theil erklärt sich diese Auffassung Dufour's auch aus
der irrthümlichen Annahme, dass das Vorderende der Gregarinen mit
einem saugnapfartigen Mund ausgerüstet sei. Darmkanal und After wur-
den dagegen vermisst.
Fast zwei Jahre später (1828, 6) glaubte er sicher zu sein, dass es
sich thatsächlich um eine ganz neue Gattung von Eingeweidewürmern
handle, für welche er dann auch den neuen Namen Gregarina einführte
und zwei Arten unterschied. Nicht allein bei Coleopteren, sondern auch
bei Orthopteren (Forficula) hatte sich die Gegenwart der Gregarinen jetzt
nachweisen lassen; hierzu gesellten sich 1833 (7) auch ein Beispiel aus
*) Es ist ohne Zweifel eine Verwechslung der Namen, wenn A Schneider (40) angibt,
dass Diijardin die Entdeckung der (iregarincMi Goctzc zusclireibe. Es ist Gaede genKsint.
I! roll II, KlassPii ili?s Tliipr-Ro'n'.lis. Piotozoa. 31
482 Sporozoa.
der Ordnung der Hemipteren und 1837 (8) noch weitere Formen aus ver-
schiednen Orthopteren. In letzterwähntem Jahr fasste Dufour seine Beob-
aehtungen über die Gregarinen, und die Eingeweidewürmer der Insecten
überhaupt, nochmals zusammen.
Seine Ansichten über Bau und Verwandtschaftsverhältnisse unsrer
Organismen hatten sich gegen früher nicht Avesentlich geändert, nur
glaubte er die Entdeckung einer zweifachen Hautbekleidung gemacht zu
haben. Von dem Kern hat er bei seinen Untersuchungen nichts wahr-
genommen.
Wie bemerkt, waren Dufour's Kenntnisse auf die Gregarinen der In-
secten beschränkt. Auch seine nächsten Nachfolger Hammerschmidt (11)
und V. vSiebold (12) untersuchten nur solche Formen. Ersterer erweiterte
die Kenntnis^ derselben durch die Beschreibung einer Anzahl neuer Arten,
machte auch den sehr missglückten Versuch, einige Geschlechter zu
unterscheiden und suchte den Nachweis zu führen , dass die Gregarinen
einen Darmkanal besässen. Von grössrer Wichtigkeit ist dagegen , dass
er den Kern im auffallenden Lichte wieder deutlich beobachtete und ab-
bildete. Hinter Dufour blieb er hauptsächlich darin zurück, dass er das
von dem ersteren schon häutig gesehene und richtig gedeutete Zusammen-
hängen zweier Gregarinen ganz missverstand und die Paare als ein.
heitliche Organismen deutete. Siebold's (8) Forschungen (1839) über
die Insectengregarinen waren in mancher Beziehung von grosser Be-
deutung. Abgesehen von zahlreichen Einzelheiten und der Erweiterung
der Artkenntniss, welche sie darboten, verdanken wir ihm hauptsächlich
die erste genauere Kenntniss desNucleus*) und einer mit sehr entwickel-
tem Haftapparat versehenen Form , sowie vor allem den ersten Hinweis
auf die Fortpflanzungsverhältnisse.
Siebold entdeckte nämlich in der Larve einer Mücke (Sciara nitidi-
collis), welche von einer Gregarine heimgesucht wird, encystirte Grega-
rinen auf verschiednen Entwicklungsstufen, darunter namentlich auch zahl-
reiche mit Pseudonavicellen (Sporen) gefüllte, reife Cysten. Obgleich ihm der
Zusammenhang zwischen Gregarinen und Pseudonavicellenbehältern noch
verborgen blieb, so lenkten seine Beobachtungen doch zuerst wieder
die Aufmerksamkeit auf frühere Erfahrungen über ähnliche Pseudonavi-
cellenbebälter der Regenwürmer und gaben damit der Anstoss zur Er-
kenntniss der Regenwurmgregarinen in ihren Beziehungen zu denen
der Insecten.
Schon 1835 hatte nämlich Henle**) solche Pseudonavicellenbehälter
in den Hoden des Regenwurms beobachtet, ohne aber zu irgend einer
gesicherten Vorstellung über ihre Bedeutung zu gelangen. Nur ihre
*) Die eigentliche Bedeutung des Nucleusbläschens alinte v. Siebold jedoch nicht, wie er
denn die Gregarinen gleicli seinen Vorgängern zu den Eingeweidewürmern und zwar zu den
Oystica stellen wollte.
••*■•*) Arch. f. Anaf. u. Pliysiol. 1S35. p. .J91 Anm.
(icschiclitc (cig-eatl. (ii'cgariiuMi). 483
Beziehung zu den Eiern des Regenwurms, die wohl früher wie später
mehrfach vermuthet wurde, glaubte er sicher zurückweisen zu dürfen.
Nichtsdestoweniger war schon in demselben Jahr 1835 eine Gregarine
aus der Leibeshöhle des Regenwurms von Dujardin (9) unter dem Namen
Proteus tenax recht gut beschrieben worden und im folgenden Jahr schil-
derte Suriray (10) auch eine der gewöhnlichsten Gregarinen aus dem
Hoden des Regenwurms und lieferte sehr kenntliche Abbildungen
derselben. Auch Pseudonavicellen scheint er frei im Inhalt des Hodens
gefunden zu haben, ohne jedoch ihren Zusammenhang mit der von ihm
unter dem Namen ,,sablier protciforme" beschriebnen Gregarinenform
zu ahnen. Ebenso hatte Henle Regenwurmgregarinen in den Jahren
1836 und 37 mehrfach beobachtet, worüber er jedoch erst 1845 eine Mit-
theilung machte (13). Bemerkenswerth erscheint, dass er bei ihnen zuerst
einen haarartigen Besatz gelegentlich beobachtete. Die Beziehung der
Pseudonavicellenbehälter zu den Gregarinen hielt er jetzt für ziemlich
sicher, doch ohne hierfür neue Belege beizubringen. Irrthümliche Beob-
achtungen H. Meckel's*) aus dem Jahr 1844 über die Pseudonavicellen-
behälter des Regenwurms übergehen wir an dieser Stelle.
Von hervorragendster Bedeutung für die Erkenntniss der uns hier
beschäftigenden Wesen wurden jedoch die Untersuchungen Kölliker's.
Obgleich er dieselben erst im Jahre 1848 ausführlich veröffentlichte (17),
hatte er doch schon 1845 (14) seine in jeder Hinsicht bahnbrechenden
Ansichten über die Natur unsrer Organismen mitgetheilt. Hier zuerst
wird die Ansicht ausgesprochen und zu begründen versucht, dass die
Gregarinen einzellige Wesen seien — dass das von Hammerschmidt und von
Siebold beschriebne Bläschen der Zellkern sei. Hierdurch und durch den
gleichfalls versuchten Nachweis, dass es sich um ausgebildete Tbierformen
handle, nicht etwa um Larven oder Keime höherstehender Thiere, wurde
denn auch die den Gregarinen seither allgemein zugewiesene Stellung-
unter den Eingeweidewürmern berichtigt. Weiterhin erscheinen jedoch die
Kölliker'schen Untersuchungen dadurch noch besonders werthvoll, weil
sie zuerst die weite Verbreitung unsrer Organismen bei Würmern, Tuni-
caten und Arthropoden darlegten. Nicht nur bei verschiedenen Anneliden,
sondern auch bei Gephyreen und Nemertinen wies er Gregarinen nach ;
durch Beiträge von v. Siebold und Ecker konnte er ferner das Vorhanden-
sein solcher Parasiten auch bei gewissen Tunicaten, Crustaceen und
Myriopoden feststellen. Bei letzteren beiden Arthropodenabtheilungen
waren ziemlich gleichzeitig auch von v. Frantziiis und Stein Gregarinen
nachgewiesen worden.
Etwas beeinträchtigt wurden die Kölliker'schen Ansichten über die
Natur und das Wesen der Gregarinen durch den Mangel klarer Beob-
achtungen und Vorstellungen über ihre Fortpflanzungs - und Entwick-
lungsvorgänge. — Die auf Grund missverstandner Beobachtungen
*) Meckel, IL. Arcli. f. Anat. u. Pliys. J844,
31*
484 Sporozoa.
anfänglich angenommene Vermehrung durch Zweitheilung (endogene Zell-
bildung), betrachtete er späterhin selbst wieder als zweifelhaft. Auch
das Verhältniss der Pseudonavicellencysten zu den Gregarinen blieb ihm,
obgleich er hierüber eigne werthvolle Beobachtungen angestellt hatte,
noch unklar. Wenn er auch keine ernstlichen Zweifel mehr hegen
konnte, dass diese Gebilde in den Entwicklungskreis der Gregarinen ge
hörten, so war doch der Entwicklungsgang, welchen er den Pseudo-
navicellencysten zuschrieb, nicht der natürliche, wenn er auch den letz-
teren vermuthuDgsweise als gleichfalls möglich besprach.
Die von Kölliker so entschieden betonte Einzelligkeitslehre der Gre-
garinen hatte bis zu ihrer definitiven Anerkennung noch viele Kämpfe zu
bestehen, wie wir ja Aehnlichem bei sämmtlichen Protozoenabtheilur.gen
begegnen. Auf dem Gebiet der Gregarinen wurden jedoch der allgemeinen
Anerkennung dieser Lehre noch grössere Schwierigkeiten bereitet, weil
sich der Auffassung der Gregarinen als entwickelte, selbstständige Organis-
men noch zahlreiche Hindernisse in den Weg stellten.
Schon 1845 hatte Henle einige Bedenklichkeiten gegen die Köliiker'-
sche Auffassung der Gregarinen als einzellige, thierische Wesen ge-
äussert und gleichzeitig der Vermuthung Ausdruck verliehen, dass die-
selben möglicherweise unentwickelte Formen, thierische oder sogar pflanz-
liche Keime seien. In beiden Punkten sciiloss sich ihm v. Frantzius
1846 (15) in seiner Inauguraldissertation an. Dieselbe brachte jedoch
gleichzeitig eine Reihe werthvoller Beobachtungen über die Gregarinen
zahlreicher Insecten — namentlich auch über die Häutigkeit des gleich-
zeitigen Vorhandenseins von Gregarinen und Pseudonavicellenbehältern.
Dass die Bedenklichkeiten, welche Frantzius gegen die Kölliker'sche Auf-
fassung der Gregarinen hatte, nicht sehr erhebliche waren, geht schon
daraus hervor, dass er dieselben, nach dem Erscheinen der gleich zu er-
v^ähnenden wichtigen Arbeit Stein's, fallen Hess (1848) und sich Kölliker
völlig anschloss.
Die Stein'sche, 1848 erschienene Arbeit besitzt ihre hohe Bedeutung
hauptsächlich deshalb, weil in ihr zuerst mit Sicherheit nachgewiesen
vi'urde, dass die Pseudonavicellenbehälter, sowohl die der Monocysti-
den des Regenwurms wie die der Polycystideen der Insecten, that-
sächlich in den Entwicklungskreis der Gregarinen gehören. Gleichzeitig
suchte jedoch Stein den Beweis zu liefern, dass nicht die einzelnen
Gregarinen durch Encystirung und weitere Umbildung die Pseudonavi-
cellenbehälter, welche er jetzt Cysten nennt, hervorbringen, sondern, dass
sich zwei Thiere gleichzeitig in eine Cyste einhüllen , um schliesslich zu
verschmelzen. Hiermit war denn zuerst die Wichtigkeit der Copulation
im Leben der Gregarinen erkannt. Gleichzeitig wurde jedoch dadurch
auch Licht auf eine schon Dufour wohlbekannte Eigenthümlichkeit zahl-
reicher Gregarinen geworfen , die Erscheinung nämlich , dass viele
Formen während ihres erwachsenen Zustandes paarweise zusammen-
hängen. Die Stein'schen Untersuchungen deuteten diese Eigenthümlichkeit
I
Geschiclitc (eigontl. (ircgarinen). 485
nun als ein Vorspiel zu der nach Vollzug der Encystirung eintretenden
Copulation, weil sich eben die beiden zusammenhängenden Thiere gleich-
zeitig in die Cyste einschliessen. Das weitere Verhalten der Cysten und
die Bildung der Pseudonavicellen wurde, soweit möglich, eingehend ver-
folgt und die Pseudonavicellen schliesslich als Keimkörner angesprochen,
aus welchen nach der Wiederaufnahme in den Darmkanal (resp. andere
Theile) eines passenden Wirthes die junge Gregarine hervorschlüpfe. In
dieser Weise schien also der Entwicklungscyclus der Gregarinen völlig
aufgeklärt.
Eine weitere Analyse der Stein'schen Arbeit kann hier nicht unsre
Aufgabe sein, nur soviel sei bemerkt, dass Stein die gregarinenartigen
Thiere zu einer besonderen Abiheilung des Thierreichs unter dem Namen
„Symphyten'' zu erheben vorschlug, welche er vorläufig in die Siebold'-
sche Klasse der Protozoa einordnen wollte. Dagegen konnte sich auch
►Stein mit der Kölliker'schen Auffassung der Gregarinen als einzelliger
Wesen nicht befreunden. Ihm erregten namentlich die Scheidewand
zwischen sogenanntem Kopf und Rumpf der Polycystideen und gar
die zwei Scheidewände seiner vermeintlichen Didymophyiden Bedenken,
da er solche Bildungen nicht mit dem Bau einer Zelle zu verein-
baren vermochte. Ausserdem schienen ihm auch die Haftapparate
gewisser Gregarinen, welche er selbst genauer studirte, mit dieser Ansicht
nicht zu harmoniren.
Die durch Kölliker's und Stein's Untersuchungen anscheinend so
sicher begründete Auffassung unsrer Wesen, als vollentwickelte, selbst-
ständige Organismen, sollte doch in den folgenden Jahren eine Reihe
ziemlich unerwarteter Angriffe erfahren, welche ihren Grund wohl haupt-
sächlich in der in vieler Hinsicht merkwürdigen und vereinzelten Stellung
unsrer Organismen hatten. Anschliessend an eine schon im Jahre 1845
von Henle*) geäusserte Ansicht, dass die Regenwurmgregarinen wohl
zu den in den Geweben dieser Oligochaeten meist massenhaft schma-
rotzenden Nematodenlarven in Beziehung ständen-^*), glaubte Bruch
1841) (19) nachweisen zu können, dass sich die sogen. Gregarina
Lumbiici aus diesen Nematodenlarven hervorbilde — dass sie nichts sei,
wie eine „stillgewordene Filaria'' **'"). Er bezeichnete diese Angabe als eine
„nackte Thatsache". Die Henle-Bruch'sche Auffassung der Gregarinen
fand dann einen warmen Vertheidiger in Leydig, der 1851 (20) durch
directe Beobachtung den Uebergang einer im Darm von Terebella sich
findenden Gregarine in einen filariaartigen Rund wurm nachgewiesen zu
haben glaubte. Auch R. Leuckart (21) hielt 1852 die Lehre von der
Degeneration der Rundwürmer zu Gregarinen für erwiesen und suchte
*) Henle, Jahresbericht für Histoloj^ic 1S45.
**'» Von Khabditis pellio Schnei.
*''^*J Diese Ansicht erscheint jedem um so wunderbarer, der einmal die lebhaften Be-
wegungen der Kegcnwiirmgregarinen, wenigstens der Monocystis agilis und der Monoc. magna,
beobachtet hat. ,
486 Sporozoa.
dieses Verbältniss durch den Vergleich mit den Acei)balocysten der
Echiuococcen, welche ja auch als degenerirte Bandwürmer zu betrachten
seien, plausibler zu machen. Die Fortpflanzungserscheinungen der
Gregarinen glaubte er nicht als Hinderniss für diese Ansicht betrachten
zu dürfen, da ja auch die degenerirten Blasenwürmer noch Fortpflanzungs-
erscheinungen zeigten*).
Gegen diesen merkwürdigen Versuch der Verknüpfung von Grega-
rinen und Nematoden erhoben jedoch die besten Gregarinenkenner der
damaligen Zeit, Kölliker (19) und Stein, ihre Stimme und es scheint, dass
die von ihnen vorgebrachten Argumente ibren Eindruck nicht verfehlten,
indem in der Folgezeit die erwähnte Anschauung keine Vertreter mehr
aufzuweisen hatte**), nur Leidy (22), der sich in Nordamerika mit der
Erforschung der Arthropodengregarinen beschäftigte, glaubte denselben
ebenfalls eine höhere Stelle in der Reihe der thierischen Wesen zu-
schreiben zu sollen. Da er bei gewissen Gregarinen eine Längsmuskel-
faserschicht entdeckt zu haben glaubte, vermiithete auch er nähere Be-
ziehungen der Gregarinen zu den Würmern.
Bei dieser Gelegenheit sei denn auch kurz der sehr irrthüm-
lichen Anschauungen Diesing's (25, 26) gedacht, welcher durch ganz
missverstandne äussere Formähnlichkeit verleitet, die Gregarinen für die
nächsten Verwandten der Acanthocephalen unter den Würmern erklärte
und diese beiden Abtheilungen, sammt den Gephyreen, zu einer Ordnung
der Rhyngoden vereinigte. Eine gewisse Bestätigung dieser irrthümlichen
Yergleichung fand er weiterhin in den von Zenker***) entdeckten
jugendlichen Echinorhynchen der Leibeshöhle gewisser Süsswasser-
crustaceen , welche Diesing einfach in die Gattung Gregarina auf-
nahm. Späterhin suchte er die Gregarinen sogar direct als Larvenformen
der Acanthocephalen darzustellen. So wenig auch diese Ansichten ein
Hecht auf ernstliche Berücksichtigung beanspruchen durften, so hat doch.
*) Icli glaube hier noch einige Bemerkungen zufügen zu sollen , welche auf die
heutzutage schwerverständliche Möglichkeit der Entstehung derartiger Ansichten einiges
Licht werfen. In Leydig's Darstellung fehlt jeder Beweis, dass der angeblich durch Um-
bildung einer Gregarine entstandne Rundwurm thatsächlich ein solcher gewesen sei; mit
Ausnahme der Thatsache, dass er eine rundwurmartige Gestalt besass und sich nematoden-
artig bewegte. Nun haben jedoch schon die Kölliker'schen Untersuchungen, sowie spätere von
Lieberkühn (l'Institut 1S58), Claparede etc. gezeigt, dass es Gregarinen gibt, welche mit sehr
ncmatodenartiger Gestalt auch uematodenähnlii-he Bewegungserscheinungen verbinden. Speciell
für Terebella hat Lieberkvihn das Vorkommen einer solchen Gregarine erwiesen. Da nun nach
Analogie mit den gleichfalls nematodenäbnlich gestalteten und sich bewegenden sichelförmigen
Keimen, wie sie im Entwicklungsgang eines Theils der eigentlichen Gregarinen und der sogen,
eiförmigen Psorospermien (Coccidien) auftreten, zu schliesscn ist. dass wohl auch diese nema-
todenähnlichen Gregarinen zuweilen andere Gestaltungen annehmen, so Hesse sich auf Grund
dieser Erfahrungen wohl die vermeintliche Beobachtung des Uebergangs einer (jregarine iu
einen Eundwurm und umgekehrt begreifen.
**) Durch die Arbeiten von Lieberkühn und A. Schmidt wurde dieser Irrtlium dann de-
finitiv beseitigt.
*■■'■'*) De Gamari pulicis hist. nat. 3enae lb32. ,
Geschichte (eigciitl. (iregarinen). 487
wohl im Anschluss au sie, die Einreihiuij;- der Gregarinen unter die
Würmer noch bis in die neueste Zeit in gewissen Lehrbüchern Eingang-
gefunden.
Das Interesse, welches die eigenthümliclien, hauptsächlich durch
Stein nachgewiesenen Furtpflanzungsprocessc der Gregarinen erregten,
gab bald Veranlassung zu weiteren Forschungen. Ziemlich gleich-
zeitig wurde dieser Gegenstand von N. Lieberkühn und A. Schmidt
in Angriff genommen, ohne jedoch durch die Untersuchungen dieser
Forscher zu einem befriedigenden Abschluss geführt zu werden. Beide
beschränkten ihre Beobachtungen auf die Gregarinen der Kegen-
würmer und Hessen die so zahlreichen und sehr wichtigen Insecten-
bewohner ausser Betracht. Diese Vernachlässigung hat wohl auch einen
nachtheiligen Einfluss auf ihre Arbeiten geäussert; denn es unterliegt
keinem Zweifel, dass die Lebensverhältnisse der Regenwurmschmarotzer
der Untersuchung weit grössere Schwierigkeiten bereiten, als dies bei
denen der Insecten der Fall ist.
Schon die gleichzeitige Anwesenheit mehrerer, in ihren Bezieh-
ungen bis jetzt noch nicht hinreichend aufgeklärter Gregarinenfor-
men bei den Regenwürmern hätte dieses Untersuchungsobject gegen-
über zahlreichen Insectengregarinen als sehr unzuverlässig und schwierig
charakterisiren müssen, das jedenfalls nicht ohne gleichzeitige Controle
durch ein Object, bei welchem die Verhältnisse weniger verwickelt
lagen, hätte verwerthet werden dürfen.
Unsere historische Uebersicht gewährt nicht Raum zu einer genaueren
Analyse der Lieberkühn'schen Arbeit, deren Charakteristik auch noch
weiterhin der Gegenstand unsrer Betrachtung sein wird. Es genüge hier
die Bemerkung, dass Lieberkühn die Stein'sche Lehre von der Conjuga-
tion der Gregarinen für unrichtig erklärte und der Schwerpunkt seiner
Arbeit weiterhin darin gipfelt, dass sich der Entwicklungscyclus der Gre-
garinen vollende, indem der Inhalt der Pseudonavicellen in Gestalt kleiner
Amöben hervortrete, welche sich allmählich zu Gregarinen ausbilden. —
Der gesammte Entwicklungsprocess sollte nach ihm im Innern der Regen-
würmer stattfinden, ja die Umbildung der Pseudonavicellen in Amöben
schon innerhalb der Cysten geschehen.
«
Seit Lieberkühn in dieser Weise zuerst ein amöbenartiges Stadium
in den Entwicklungsgang der Gregarinen einführte, hat sich diese Vor-
stellung mehr oder weniger in Ansehen erhalten, obgleich sie in der
Folge nur noch durch bald zu erwähnende Untersuchungen E. van Beneden's
und die Erfahrung über den Entwicklungsgang der den eigentlichen Gre-
garinen zunächst verwandten eiförmigen Psorospermien eine Stütze
erhielt. Durch Lieberkühn's Arbeit selbst wurde jedoch der postulirte
Entwicklungsprocess der Regenwiirmgregarinen keineswegs sicher erwiesen;
schon eine einfache, vorurtheilsfreie Kritik seiner Mittheilungen führt un-
488 SiJorozoa.
widerle^lich zu diesem tsehluss, wäbreud die Forschuugen späterer Zeit
zui- Genüge zeigten, dass die Entwicklungsvorgänge der Regenwurm-
pseudonnvicellen in ganz anderer Weise verlaufen, als Lieberkülin an-
nehmen zu dürfen glaubte.
Auch A. Schmidt (23) glaubte auf Grund seiner mit Lieberkühu
ziemlich gleichzeitig angestellten Beobachtungen über die Regenwurm-
gregarinen die Conjugationslehre Stein's (wenigstens für die Monocystis
agilis) zurückweisen zu dürfen. Einen wichtigen Fortschritt in der
Erkenntniss der eigenthümlichen Lebensverhältnisse der Monocystideen
verdanken wir jedoch diesem Beobachter. Er erkannte, dass die erwähnte
Monocystide sich innerhalb der kugligen Gruppen von Sperniatozoenkeim-
zellen des Regenwurms aus sehr kleinen Anfängen entwickele und wurde
dadurch zu der interessanten Anschauung geführt, dass das häufig
beobachtete eigenthümliche Haarkleid derselben nichts weiter sei wie
ein Ueberzug verkümmerter Regenwurmspermatozoen. Auch Lieber-
kühn (30) gelangte später und, wie es scheint, unabhängig zu derselben
Vorstellung. Die Frage nach dem Schicksal der Pseudonavicellen und
deren Zusammenhang mit den jungen Gregarinen vermochte auch Schmidt
nicht zu lösen , doch gelangte er durch eigne Untersuchungen zu dem
Schluss, dass die von Lieberkühn als Entwicklungsformen der Gregarinen
angesprochnen amöbenartigen Körperchen aus der Leibeshöhle der Regen-
würmer sich nicht zu Gregarinen umbildeten und überhaupt nicht in den
Entwicklungskreis dieser Wesen gehörten. Schmidt schliesst seine Arbeit
sehr richtig mit den Worten, dass er sich dem Ausspruch, welchen P. van
Beneden in seinem Referat über die preisgekrönte LieberkUhn'sche Arbeit
that: dass nämlich die Entwicklungsgeschichte der Gregarinen durch die-
selbe abgeschlossen worden sei, nicht anzuschliessen vermöchte.
Obgleich nun, wie bemerkt, durch die letztbesprochnen Arbeiten die
Fortpfianzungsgeschichte der Gregarinen noch fragmentarisch genug
gelassen wurde, so trat doch, wohl vorzüglich durch die Lieber-
kUhn'sche Arbeit veranlasst, für eine ziemliche Reihe von Jahren ein
Stillstand auf diesem Forschungsgebiet ein. Man glaubte sich wohl
zunächst mit der Lieberkühn'schen Annahme über den Entwicklungs-
vorgang der Gregarinen beruhigen zu dürfen. Erst im Jahre 1871
rief eine Untersuchung E. van Beneden's (34), welche sich an die
zufällige Entdeckung einer interessanten Gregarinenform anschloss, die
Frage nach der Entwicklungsgeschichte wieder in den Vordergrund.
In der Zwischenzeit wurde durch Untersuchungen verschiedner Forscher,
wie Claparede, R. Lankester, Ant. Schneider, Lieberkühn,
A. Stuart die Kenntniss der Gregarinenformen und ihrer Verbreitung,
wenn auch nicht gerade sehr erheblich , so doch immerhin in mancher
Hinsicht vermehrt (27 — 33). Durch die erwähnte Untersuchung E. van
Beneden's erhielt nun aber die Lieberkühn'sche Annahme von dem
Gcscliiclitc (eig'ciitl. Gregarinen, Psorospermion). 489
ainübeuarligen Stadium im Entwicklungsgang der Gregarinen eine Be-
stätigung und gleichzeitig suchte van Beneden eine höchst eigenthiim-
liche Weiterentwicklung dieser amöbenartigen Jugendformen zu erweisen.
Im Anschluss an diese Forschungen über die Entwicklungsgeschichte
seiner Gregarina gigantea gelangte van Beneden weiterbin noch zur Er-
kenntnis« eines wichtigen, seither übersehenen Structurelementes, der cir-
culären Fibrillenschicht nämlich, w-elche sich bei zahlreichen Polycystideen
im Ectosark vorfindet. Auch R. Lankester (37) theilte dann 1872 noch
Beobachtungen über die Entwicklungsgeschichte einer Grcgarine mit,
welche sich in mancher Hinsicht an die van Beneden's anschlössen.
Eine recht bedeutungsvolle Beobachtung verdanken wir noch aus
demselben Jahr A. Giard (36), dem es nämlich zum ersten Mal glückte,
den Conjugations- und Encystirungsprocess einer Monocystidee durch fort-
laufende Beobachtung unter dem Mikroskop zu verfolgen.
Mit dem Jahre 1873 beginnt eine neue Phase der Gregarinenforschung,
welche durch eine Reihe wichtiger und ausgedehnter Untersuchungen
Aimc Schneider's (vorzugsweise über die Gregarinen der Insecten) er-
öffnet wurde. Da diese, bezüglich des Baues wie der Fortpüanzungsge-
schichte in gleicher Weise hochwichtigen Forschungen in vieler Hinsicht den
augenblicklichen Stand unsres Wissens von den Gregarinen bezeichnen,
so ist hier nicht mehr der Ort, ihren Inhalt näher zu beleuchten,
da dies ja wesentlich die Aufgabe der folgenden Abschnitte bilden wird.
In Deutschland bemühte sich B. Gabriel seit 1875 in einer Reihe von
Mittheilungen die Entwicklungsverhältnisse der Regenwurmgregarinen
näher aufzuklären ; seine Untersuchungen führten ihn zu Vorstellungen
über die Entwicklungsgeschichte und die verwandtschaftlichen Beziehungen
der Gregarinen, die, wenn sie sieh als gegründet erwiesen, eine völlige
Revolution unsrer seitherigen Auffassung dieser Organismen hervorzurufen
im Stande wären. Leider war es Gabriel nicht mehr gegönnt, die Resul-
tate seiner Forschungen ausführlich darzustellen, es liegen hierüber nur
kurze und schwer verständliche, vorläufige Berichte vor, welche wir später-
hin, soweit dies möglich, an geeignetem Ort noch berücksichtigen werden.
Auch Verfasser dieses Handbuches beschäftigte sich im Anschluss an
A. Schneider mit der Fortpflanzuugsgeschichte der Gregarinen, worüber
gleichfalls später genauer zu berichten sein wird.
Nachdem wir im Vorstehenden versucht haben, die geschichtliche Ent-
wicklang unsrer Kenntnisse derjenigen Sporozoen, welche man bis vor nicht
langer Zeit allein als Gregariniden bezeichnete, wenn auch nur mit Be-
rücksichtigung der Hauptpunkte ihrer Lebensgeschichte, kurz zu schildern,
bleibt uns jetzt noch die Aufgabe, in ähnlicher Weise auch die Geschichte
der unter dem allgemeinen Namen Psorospermien seither zusammen-
gefassten Gebilde kurz zu betrachten. Wenn wir dies hier gesondert von
490 Sporozoa.
der Schilderung des EntvvickluDg-sganges der Gregariuenfürschung thun,
obgleich die neuere Forschung wenigstens für einen Theil der sogen. Psoro-
spermien unwiderleglich gezeigt hat, dass sie in die Abtheilung der eigent-
lichen Gregarineu gehören, so bestimmt uns hierzu der Umstand, dass
die geschichtliche Entwicklung der Psorospermienlbrschungen bis in
die neueste Zeit einen ziemlich eignen Weg verfolgt hat und es
weiterhin bis jetzt doch nur für einen Theil der seither als Psorosper-
mien bezeichneten Gebilde geglückt ist, nahe Beziehungen zu den Grega-
rinen zu erweisen.
Die sogen, psorospermienartigen Gebilde wurden zuerst bei einem
Säugethier, dem Kaninchen, gefunden, welches auch einer der gewöhn-
lichsten Träger dieser parasitischen Organismen ist. Schon Carswell
waren in der Leber dieses Nagers tuberkelartige Gebilde aufgefallen,
welche als weisse, eine käsige Masse enthaltende Knoten jenes Organ
häufig in grosser Menge durchsetzen. Es lag nahe, diese Knoten den
anderweitig bekannten, tuberkelartigen pathologischen Erzeugnissen direct
an die Seite zu stellen. Hake (48) untersuchte sie 1839 näher und fand
darin massenhaft eiterkörperchenartige Gebilde, welche er denn auch für
eine Art Eiterkörperchen erklärte und aus den varikösen Venencapillaren
hervorgehen liess. Die Tuberkel selbst hielt er für Krebsgeschwülste,
welche durch Entartung der Gallengänge entstanden seien*).
Zwei Jahre später theilte Joh. Müller (99) mit, dass er bei verschied-
nen Flussfischen, sowohl in inneren Organen (wie in der Augenwand und
den Augenmuskeln des Hechtes), verbreiteter jedoch in ausschlagartigen
Pusteln der äusseren Haut und der Kiemen grosse Mengen eigentbüm-
licher, in Cysten eingeschlossner Körperchen getroffen habe. Er nannte
dieselben Psorosperraien, im Hinblick auf ihre zuweilen zu einem Schwanz-
anhang ausgezogene Hülle, wodurch ihre Gestalt etwas spermatozoeu artig
wurde. Auch seine keineswegs recht klaren Anschauungen über die Natur
und Bedeutung dieser Gebilde hatten ohne Zweifel Einfluss auf die Namen-
gebung, da er in ihnen ein „belebtes Seminium morbi, eine Art Samen-
körperchen'' erkannt haben wollte, eine Anschauung, welche ja auch, bei
der damaligen Unsicherheit über Bedeutung und Natur der eigentlichen
Samenkörperchen, nichts so auffallendes darbot. Immerhin scheint mir
aus den damaligen und namentlich auch aus den ein Jahr später von
J. Müller (100) gethanen Aeusserungen hervorzugehen, dass er sich der
Ansicht entschieden zuneigt: es lägen hier specifische, selbstständige
Wesen, nicht aber pathologische Bildungen vor. 1842 hatte nämlich
Müller in Gemeinschaft mit Retzius ganz entsprechende Gebilde auch
in der Schwimmblase des Dorsches nachgewiesen und hierbei weiter-
bin einige Beobachtungen über ihre wahrscheinliche Entwicklungs-
*) Da ich die Arbeit Haket- iiiclit erhalten koii|itc . berichte ich über diesellie nach
Nasse (49) und Leuckart (92).
Gescliichtc (Myxosporidicii). 491
geschichte gemacht, auf welche hier einzugeben nicht der Ort ist.
Zum besseren Verständniss des Folgenden sei jedoch hier gleich
bemerkt, dass sich die Müller'scheu Psorospermien der Fische nicht
nur durch die Gestalts- und sonstigen Bauverhältnisse ihrer Hülle
von den schon erwähnten Körperchen der Kaninchenleber beträchtlich
unterschieden, sondern sich auch durch den Besitz von meist zwei eigen-
thümlichen , dem einen Pol der Hülle innerlich anliegenden Körperchen,
die sogen. Polkörper, auszeichneten.
In der Folge hat man sich denn auch gewöhnt, auf Grund dieser
Unterschiede die Körperehen des Kaninchens und die sich an dieselben
näher anschliessenden Gebilde als ei- oder kugelförmige Psorospermien
von jenen Müller'schen zu unterscheiden. Während nun die erstgenannte
Form der Psorospermien durch fortgesetzte Untersuchungen zahlreicher
Forscher im Laufe der Zeit eine recht befriedigende Aufklärung hinsicht-
lich ihrer Lebensgeschichte und ihrer nahen Beziehungen zu den eigentlichen
Gregarinen erfahren hat, war dies keineswegs in gleichem Maasse für die
Müller'schen Psorospermien der Fall. Hier ist sehr vieles noch zu thun.
Wir ziehen es daher hier vor, zunächst die Weiterentwicklung unsrer
Kenntnisse von jenen Müller'schen Psorospermien (oder Myxosporidien)
kurz zu verfolgen. Zur Vervollständigung sei noch bemerkt, dass
Mayer*) nachträglich angab, die Psorospermien der Fische schon vor
J. Müller 1838 in der Retina eines Cyprinus und 1840 an den Kiemen
von Perca beobachtet zu haben.
Creplin beschrieb 1842**) die Psorospermien von Aceriua und Leu-
ciscus rutilus und will dieselben gleichfalls schon vor Müller, seit 1835,
beobachtet haben. Er wies zum ersten Male auf die Möglichkeit hin,
dass hier etwas den sogen. Navicellenbebältern Analoges vorliegen könne,
wie sie Siebold bei Sciara aufgefunden habe. Dies scheint überhaupt der
erste Hinweis auf die Beziehung der Psorospermien (im weiteren Sinne)
zu den eigentlichen Gregarinen zu sein. Auch Dujardin sprach 1845***)
den Gedanken aus, dass sich die Psorospermien der Fische vielleicht zu-
sammenstellen Hessen mit den sogen. Pseudonavicellencysten der Regen-
würmer, über deren Bedeutung er jedoch nichts weiter wusste. Jedoch
gelang es Dujardin, noch eine nicht unwichtige Beobachtung über das
Vorkommen der Fischpsorosperniien zu machen ; er traf dieselben nämlich
auf den Kiemen von Leuciscus erytrophthalmus nicht in Cysten, sondern
in eine verästelte, sarkodeartige Masse eingeschlossen , .welche er der
Leibessubstanz der Amöben vergleichen zu dürfen glaubte.
Der bis jetzt nur andeutungsweise ausgesprochene Zusammenhang
der Myxosporidien mit gregarinenartigen Wesen wurde zuerst von
*) Arcliiv f. Aiiat. ii. Pliysiol. |S(U. ji. 2(1].
■•*■•*) Ai-dm f. Naturguschiclitc Is-I2. I. p. (i! i;i;,
***) Histoire iiat. des helmintlies.
492 Sporozoa.
Leydig (1851) näher zu begTünden versucht (20). Leydig's Untersuchungen
zeigten zunächst, dass die Verbreitung dieser parasitischen Organismen
im Fischkörper eine viel weitere sei, als dies nach den vorhergehenden
Beobachtungen zu vermuthen war; er fand sie nicht nur im Herz und
dem Herzblut, der Zunge und der Leibeshöhle gewisser Süsswasserfische,
sondern auch namentlich sehr reichlich in der Gallenblase zahlreicher
Seefische aus der Abtheilung der Chondropterygier. Für die Psorosper-
mien der letzteren glaubte er nun nachweisen zu können, dass sie
in gregarinenartigen , unbeweglichen und kernlosen Schläuchen ent-
stehen und zögerte daher nicht, sie der Reihe der gregarinenartigen
Wesen direct beizuordnen, um so mehr, als er eine völlige Analogie
zwischen den Pseudonavicellen der Regenwürmer, deren Zusammenhang
mit den Gregarinen dieser Thiere zur damaligen Zeit ja wohl als fest-
gestellt erachtet werden durfte, und den Psorospermien annehmen zu dürfen
glaubte. Diese wichtigen Untersuchungen und Deutungen Leydig's er-
hielten sehr bald eine wesentliche Stütze durch Beobachtungen Lieber-
kühn's (101, 1854). Derselbe konnte die Entstehung der Psorospermien
in ähnlichen protoplasmatischen, körnerreichen, hüllen- und kernlosen
Schläuchen, welche er zahlreich auf der Schleimhaut der Hechtharnblase
antraf, gleichfalls beobachten. Auch gelang es ihm, an diesen gregarinen-
artigen Plasmaschläuchen Bewegungserscheinungen wahrzunehmen. Da er
nun weiterhin die Beobachtung gemacht hatte, dass sich die Hülle der
Psorospermien zuweilen durch Platzen ötfnet — eine Wahrnehmung, die
auch früheren Beobachtern schon gelungen war ■ — und der Inhalt
hierauf in Gestalt eines kleinen , amöbenartig beweglichen Körperchens
hervortrat, so schien ihm auch dadurch die Beziehung der Myxosporidien
zu den Gregarinen, für welche er ja einen ähnlichen Entwicklungsgang
festzustellen versucht hatte, nur noch mehr gegründet.
Einige Bedenklichkeiten musste aber natürlich die Beschaffenheit der
protoplasmatischen, schlauchartigen Gebilde im Vergleich mit den Grega-
rinen hervorrufen, da ihre Kern- und Hüllenlosigkeit mit letzteren nicht
recht in Einklang zu bringen war. Doch glaubten weder Leydig noch
Lieberkühn wegen dieser Unterschiede die versuchte Zusammenreibung
aufgeben zu sollen.
Allseitig überzeugend vermochten unter diesen Umständen die oben
erwähnten Beobachtungen der beiden deutschen Forscher nicht zu wirken.
Schon 1853 (5S) hatte sich Robin für die pflanzliche Natur der fraglichen
Gebilde ausgesprochen, ohne jedoch seine Ansicht durch genügende Belege
zu erhärten. Ihm schloss sich ein zweiter französischer Forscher an,
welchem wir wichtige Beobachtungen über die Verbreitung und Bau-
weise der Fischpsorospermien verdanken, Balbiani nämlich. Ohne hier
specieller auf die Resultate der Balbiani'schen Untersuchungen einzugehen,
deuten wir nur an, dass dieselben zum ersten Mal ein ganz neues Structur-
element im Bau unsrer Psorospermien nachwiesen. Balbiani entdeckte
(jlescliiclito (Myxosporidirii, Coccidicn). 493
nämlich, dass die scliüii erwähnten sogen. Polkörperchen einen spiralig
aufgerollten Faden enthalten, der unter gewissen Bedingungen hervor-
geschnellt werden kann. Aueh das von Lieherkithn nachgewiesene Aus-
treten des Protoplasniainhalts der Psorospermien , die er als Sporen be-
zeichnet, in Aniöbengestalt wurde von Balbiani bestätigt. Einen über-
zeugenden Beleg für die pflanzliche Natur der Psorospermien blieb jedoch
Balbiani schuldig. Spätere Forscher wie E. Bessels (103) und Aime
Schneider (40) konnten die Balbiani'sche Beobachtung über das Aus-
schnellen von Fäden aus den Polkörperchen bestätigen, jedoch wurde
dadurch diese merkwürdige Erscheinung nicht klarer. In neuester Zeit
versuchte dann auch B. Gabriel (104, 1878) die pflanzliche Natur der
Myxosporidien der Hechtharnblase, auf welche gerade Lieberkühn seinen
Hauptbeweis gründete, zu erweisen. Gabriel will dieselben als Myxo-
mycetenplasmodien deuten. Da dieser Forscher jedoch auch den eigent-
lichen Gregarinen nähere Beziehungen zu den Myxomyceten zuschrHbt,
so wurde hierdurch zunächst die Verwandtschaft der Psorospermien mit
den Gregarinen nicht in Abrede gestellt. Schon im Jahre 1876 hatte je-
doch auch A. Giard, gelegentlich der Beschreibung eines psorospermien-
artigen Parasiten aus der Leibeshöhle eines Seeigels*), seiner Ueberzeu-
gung Ausdruck verliehen, dass die Myxosporidien pflanzliche Gebilde, und
zwar den Myxomyceten oder Chytridieen nächstverwandt seien. Schliess-
lich befasste sich auch Verf. (105) dieses Buches mit dem Studium einiger
Myxosporidien, erkannte namentlich, dass die Polkörperchen den Nessel-
kapseln vergleichbare Gebilde seien und klärte auch die Entstehuog der
Sporen näher auf. Seine Ansicht über die Natur und die Verwandt-
schaftsbeziehungen der Myxosporidien wird im Laufe der weiteren Dar-
stellung noch eingehender zu schildern sein.
Wie aus dem Gesagten erhellen wird, konnte die eigentliche Natur
der Fischpsorospermien bis jetzt nur sehr unzureichend aufgeklärt werden,
bei weitem besser dagegen ist dies für die sogen, ei- oder kugelförmigen
Psorospermien gelungen, deren Geschichte wir jetzt einer kurzen Be-
trachtung unterziehen wollen.
Die Deutungen , welche diesen Gebilden im Laufe der Zeiten von
mehr oder weniger competenten Forschern gegeben wurden , sind sehr
mannigfaltig. Wir ziehen es hier vor, diese verschiednen Ansichten im
Zusammenhang zu besprechen, statt einer chronologischen Uebersicht der
einzelnen Fortschritte. Zuvor wollen wir aber einen Blick auf die all-
mählich wachsende Kenntniss von der Verbreitung dieser Schmarotzer
durch die Thierreihe werfen. Wie schon erwähnt, waren es die Leber-
psorospermien des Kaninchens, welche die Aufmerksamkeit der Forscher
zunächst auf sich lenkten.
'"') Es ist jcdocli unsicher, olj diese von (Jinrd Kiiiv. besrliriohne Psorospermienform sich
den Fischpsorospermien zunäclist anreiht.
494 Sijorozoa.
Remak (50) gelang- es zuerst 1845, diese Gebilde nicht nui- in der
Leber, sondern auch in der Wand des Dünndarms und den Peyer'schen
Kapseln des wurraförmigen Fortsatzes beim Kaninchen aufzufinden und
er hegte schon die Vermiithung, dass sie im Epithel der Lieberkühn'schen
Drüsen und der Gallengänge ihre Entstehung nehmen. Die Infection der
Darmwände des Kaninchens mit Psorospermien wurde auch von Li eber-
kühn (24) bestätigt, in seinem Fall war es der Dickdarm, welcher
dieselben in grosser Zahl beherbergte und wo sie in Cysten ein-
geschlossen sein sollten. Beträchtlich weiter geführt wurden diese
Beobachtungen jedoch durch Klebs (61, 1859), der die Psorosper-
mien in den Darmepithelzellen selbst zahlreich auffand , ebenso jedoch
auch im unterliegenden Bindegewebe und im Parenchym der Zotten.
1854 hatte aber auch schon Finck (57) die fraglichen Organismen sehr
zahlreich in dem Epithel der Darmzotten der Katze angetroffen. In dem-
selben Jahr machte ferner Lieberkühn (58) die interessante Entdeckung,
dass auch die Niere der Frösche zuweilen von unseren Schmarotzern
heimgesucht wird, die hier in Cysten eingeschlossen in grösserer Menge
zusammengebettet sich finden. Um ein Jahr später erhalten wir die wich-
tige Nachricht, dass unsre Psorospermiengebilde sich auch bei wirbellosen
Thieren finden; Kloss (59) fand solche nämlich sehr häufig in der Niere
von Helix. Wenn er auch die von ihm gefundene Form nicht direct
mit den schon bekannten Psorospermien auf eine Stufe stellte, so sprach
er dieselben doch als gregarinenartige und auch den Psorospermien ver-
gleichbare Orgauismen an. A. Schmidt (23) sprach sich gleichzeitig noch
dahin aus , dass diese Schmarotzer in den Nierenzellen selbst zur Ent-
wicklung gelangten.
Das Jahr 1858 brachte die interessante und schmerzliche Botschaft,
dass unsre Parasiten auch den Menschen anfallen, hier konnte sie Gubler
(60) zuerst ähnlich wie beim Kaninchen in der Leber nachweisen, welche
Erfahrung dann in der Folgezeit durch Dressler, Virchow (62) und
Leuckart (92) mehrfach bestätigt wurde. Dass jedoch auch der Darm
des Menschen Sitz dieser Gebilde ist, wurde schon 1860 durch Kjell-
berg (62) nachgewiesen und durch Eimer mehrfach bestätigt. Auch der
Darm des Hundes wurde schon 1860 durch Virchow als Träger unsrer
Parasiten erkannt, was auch Leuckart bestätigt fand. Auch gelang es
Virchow (1860), dieselben in der Niere*) der Fledermaus nachzuweisen.
1862 fand Eberth (66) entsprechende Organismen in zahlreichen inneren
*) Bei dieser Gelegenheit sei auch kurz erwähnt, dass Lindemann (siehe Leuckart, Para-
siten 1. Aufl. Bd. L p. 743 und Bullet, soc. imp. Moscou 1863. Nr. 4. p. 425) auch in der
Niere und dem Herzen des Menschen unsre Psorospermien beobachtet haben will. Jedoch
gestatten die Mittheilungen sehr bedenkliche Zweifel über die richtige Deutung des Gesehenen.
Mit Sicherheit darf jedoch die gleichfalls von Lindemann ausgehende Behauptung, dass sich
häufig PsoTOspermienmassen, ja sogar freie, bewegliche Gregarincn an den Haaren des Men-
schen finden (siehe auch Bull. soc. Moscou 1865. p. 282) zurückgewiesen werden. Auch
Knoch will diese Haarpsorospermien des Menschen beobachtet haben (Journ. des russ. Kriegs-
departem. Bd. 95. 1866).
(»cschiililu (Ooccidien). 495
Organen gewisser Cephalopoden, eine Erfahrung, welche später von
Aime Schneider (80) olinc Kenntniss der Arbeit seines Vorgängers
bestätigt wurde.
Dass auch die Viigel von unsren Psorospermien heimgesucht werden,
erliannte zuerst Rivolta (72, 1869) beim »Sperling und Huhn. Die eiför-
migen Psorospermien des Mäusedarms wurden 1870 von Eimer*) einem
eingehenden Studium unterworfen und die Verbreitung unter den Vögeln
durch Plana und Rivolta noch eingehender studirt.
Dass auch den Reptilien unsre Parasiten nicht fehlen, geht aus
einer kurzen Nachricht von Solger und Gabriel**) hervor, welche die-
selben zahlreich in der Darmwand eines Krokodils gefunden haben. Auch
Grassi beschrieb nenerdings Ooccidien von Reptilien. Bei Fischen con-
statirte sie Eimer. Durch Bütschli und Schneider wurden sie in neuester
Zeit auch bei Myriopoden aufgefunden.
Ueberschauen wir nun die sehr verschiednen Auffassungen , welche
die Ooccidien im Laufe der Zeit erfahren haben. Zunächst bot sich
die Möglichkeit dar, sie als pathologische Erzeugnisse der inficirten
Organe selbst zu betrachten. Wir haben diese Auffassung schon oben
als die ihres ersten Beschieibers, Hake, kennen gelernt. Ihm folgte 1843
Nasse (49), der sie am meisten den Knorpelzellen nähern wollte und
glaubte, dass sie von der Wand der Gallengänge als ein abnormes Epi-
thelium ihren Ursprung nähmen. Handfield (51) dagegen wollte sie 1846
durch Umbildung der Leberparenchymzellen selbst hervorgehen lassen.
Auch Kauffmann (54) war 1847 geneigt, sie für Bildungen des Wirths-
organismus selbst zu halten, während Vulpiau sie durch abnorme
Entwicklung der Kerne der Leberzellen entstanden dachte. Noch 1863
schien es auch Leuckart (112) das wahrscheinlichste, in ihnen pathologi-
sche Gewebselemente zu erblicken. Trotz zahlreicher Versuche, diese
irrthümlichen Anschauungen zurückzuweisen, fanden dieselben doch noch
1868 in Roloff (70) und G. Lang (71) Vertreter, von welchen der erstere
sie wie Handfield auf Leberzellen zurückzuführen suchte, der letztere da-
gegen sie für die Endglieder eines eigenthümlichen pathologischen Pro-
cesses, ,, regelmässig gestaltete Schollen" einer organischen Masse, erklärte.
Ganz besonders eigenthümlich klingt die von Finck (1854) entwickelte
Ansicht, der vermuthete, dass sie bei der Fettresorption der Darmzotten
betheiligt seien, da sie angeblich nur in solchen Zotten vorhanden wären,
welche in Fettaufnahme begriffen sind.
Sehr lange Zeit hielt sich weiterhin die Vermuthung aufrecht, es
seien die Psorospermien Eier von Helminthen.
Zuerst scheint dieselbe von Vogel (52) 1845 ausgesprochen worden
zu sein, welcher sie für Eier eines Bandwurms erklärte. Rayer (53) und
*) Auch im Maulwurf hat sie derselbe Beobachter häufig- gesehen und nach Leuckart
soll auch das Schaf und Meerschweinclien zuweilen als Träger der Darmpsorospermien auf-
geführt werden.
'*"*) Berichte der schles. Ges. f. vaterländ. Cultur 1876.
496 Sporozoa.
Diijardiii vennntheten (1846) in ihnen die Eier von Distomnm laneeo-
latnm. Für ihre Natur als Helmintheneier sprach sieh weiterhin Brown-
Sequard*) 1849 aus. Küchenmeister zeigte 1852 (55), dass die Psoro-
spermien des Kaninchens nicht Distomeneier sein kihinten und dass auch
ihre Auffassung als Bandvvurmeier wenig für sich habe, dagegen schien
ihm das richtigste, sie für Eier eines noch unbekannten Nematoden zu
erklären. Virchow war zu dieser Zeit zweifelhaft, ob er sich dieser An-
schauung anschliessen sollte, dagegen trat Davaine 1860 (65) derselben
bei, während Gubler 1859 die menschlichen Leberpsorospermien wieder
als Distomeneier deuten wollte. Auch Keferstein **) vertritt 1862 noch
die Küchenmeister'sche Ansicht.
Sehr frühzeitig jedoch hatten sich auch Stimmet hören lassen, welche
ihnen nähere Beziehungen zu den Tsorospermien der Fische und den
Pseudonavicellen der Gregarinen zuschrieben. So hatte schon Remak
1845 in ihnen parasitische Organismen ähnlich den Miiller'schen Psoro-
spermien zu erblicken geglaubt und ihre Beziehungen zu diesen hebt auch
Kauffmann (1847) hervor. Erst die Lieberkühn'schen Arbeiten (24, 58)
über die eiförmigen Psorospermien des Kaninchendickdarms suchten je-
doch ihre Beziehungen zu den Gregarinen stricte zu erweisen und dadurch
die völlige Gleichstellung der sogen. Psorospermien mit den Pseudonavi-
cellen der Kegenwurnigregarinen darzuthun. Lieberkühn glaubte das
allmähliche Entstehen seiner Psorospermiencysten aus gregarinenartigen
Wesen, ganz in der Weise wie sieh die Pseudonavicellencysten aus Regen-
Avurmgiegarinen entwickeln , nachweisen zu können. Wir dürfen aber
wohl aus unsrer jetzigen besseren Kenntniss der Entwicklungsvorgänge
dieser Organismen schliessen, dass diese Lieberkühn'schen Darstellungen
zum grösseren Theil irrige waren.
Die erste Spur, welche zu dem richtigen Verständniss der Entwick-
lungsvorgänge der eiförmigen Psorospermien und damit auch zu der de-
fi|)itiven Feststellung ihrer Gregarinennatur hinleitete, war schon 1847 von
Kauffmann (54) gefunden worden. Es war die Thatsache, dass sich der
Inhalt der Lebercoccidien des Kaninchens nach längerem Aufenthalt in
Wasser zu 3—4 Körperchen zeitheile, die er für eine zweite Generation
von Psorospermien hielt. Dasselbe beobachtete auch Lieberkühn an den
Kaninchenpsorospermien, bei weitem vollständiger jedoch an denen der
Froschniere (1854). Bei letzteren sah er den Inhalt zu 3 — 4 stäbchen-
artigen Körperchen zerfallen , welche sich bewegten und schliesslich aus
der Psorospermienhülle hervortraten. Die Annahme, dass diese hervor-
getretnen Körperchen wieder zu den Mutterorganismen auswüchseu, aus
welchen die Psorospermien hervorgehen , war natürlich und hat sich als
begründet erwiesen. Dagegen blieb Lieberkühn die Beziehung dieser Vor-
gänge im Innern der Psorospermien zu den ganz in gleicher Weise im Innern
gewisser Pseudonavicellen (Sporen echter Gregarinen) verlaufenden noch
*) Compt. rend. soc. biolog. Paris 184!). I. p. 4(3.
**) Göttinger gelehrte. Anzeigen III. Bd. auf d. ,1. ]s(i2. p. IGOS.
Gesell ichtc (Gocciilia). 497
unklar, obgleich er ähülichos auch in letzteren andeutungsweise beob-
achtet hatte.
Schon im nilchstfolgenden Jahr 1855 lieferte jedoch Kloss eine sehr
vollständige und mit den neueren Erfahrungen gut übereinstimmende
Lebensgeschichte der in der Helixniere schmarotzenden Coccidienform,
welche hier näher zu verfolgen nicht der Ort ist und die nur darin
unvollständig blieb, dass das Wiedereindringen der aus den Psorosper-
raien freigewordenen stäbchenförmigen, beweglichen Köiperehen nicht
beobachtet wurde.
Aebnliche, wenn auch nicht gleich vollständig erkannte Entwicklungs-
vorgänge der Cephalopodenpsorospermien lehrten ferner die Unter-
suchungen Eberth's 1862 kennen, welche durch spätere Erfahrungen
A. Schneider's Bestätigung und z. Tb. auch Erweiterung fanden.
Die durch Kauffmann's Untersuchungen zuerst angebahnte Kenntniss
der Entwicklungsprocesse der Leberpsorospermien des Kaninchens wurde,
z. Th. gleichzeitig mit der Untersuchung der Darmpsorospermien desselben
Thieies, durch zahlreiche Beobachtungen weiter gefördert und dadurch
die Uebereinstimmung der Entwicklungsvorgänge dieser Formen mit denen
der eben erwähnten immer sicherer erwiesen.
Um diese Erforschung der Leber- und Darmpsorospermien des Ka-
ninchens, welche im Wesentlichen den nämlichen Entwicklungsprocess
erkennen Hessen, erwarben sich hauptsächlich noch Waidenburg, Stieda,
Reincke und schliesslich R. Leuckart Verdienste. Hierdurch wurde
denn auch in diesen Psorospermien die p]ntstehung stäbchenförmiger
Gebilde sichergestellt und diese Stäbchen als die eigentlichen Keime er-
kannt, aus welchen die Mutterorganismen wieder hervorgehen.
Sehr wesentlich vervollständigt wurde das Bild von den Entwicklungs-
vorgängen und der gesammten Lebensgeschichte der Psorospermien durch
die schönen Untersuchungen Eimer's (73) über die Darmpsorospermien
der Maus; seine Forschungen trugen sehr wesentlich zu einer richtigen
Erkenntniss des Zusammenhangs zwischen Gregariniden und Psorospermien
bei. Auch die meisten der letzthin genannten, um die Erforschung der
Entwickhingsvorgänge verdienten Forscher huldigten der Ansicht von
der Gregarinenuatur der Psorospermien ; speciell betont haben dies, wie
z. Th. schon erwähnt, Lieberktihn, Kloss, Waidenburg, Eimer und nament-
lich A. Schneider (81, 94), welcher durch seine gleichzeitigen Unter-
suchungen der Entwicklungsprocesse der Psorospermien und der Vorgänge
in den Pseudonavicellen der Monocystideen die Uebereinstimmung der-
selben klar zu zeigen vermochte. Dieser Auffassung schloss sich denn
auch R. Leuckart neuerdings völlig an.
Doch sind auch gelegentlich Ansichten geäussert worden, welche eine
Beziehung der Psorospermien zu den Infusorien behaupteten. So glaubte
sie Reincke (68, 1866) mit den Infusorien vergleichen zu dürfen, wegen
ihrer Fortpflanzung in Kapseln; noch weiter ging 1869 Rivolta (72),
?. 111)1 II, Klassen rifls Tliier-ReicTis. Vrotozoa. o'2
498 S[)oro/,oa.
welcher sie aus bewimperten Infusorien hervorgehen liess, die nach Ab-
streifung ihres Wimperi^leids in die Epithelzellen eindrängen und sieh
hier zu den Psorospermien entwickelten.
Wie bemerkt, werden den Psorospermien gewöhnlich noch gewisse
sehr eigenthUmliche parasitische Bildungen angeschlossen, welche Miescher
1843 zuerst in den Muskeln einer Maus auffand und die später in weiter
Verbreitung bei den Säugethieren und auch den Vögeln nachgewiesen wer-
den konnten. Wir unterlassen es an dieser Stelle die geschichtliche Ent-
wicklung unsrer Kenntnisse dieser immer noch sehr unsichern Organismen
zu verfolgen und werden dieselbe späterhin bei der genaueren Betrachtung
der Sarcosporidien eingehender berücksichtigen.
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122. Manz, W. , Beitrag zur Kenntniss der Miescher'schen Schläuche. Arch. f. uiikroskop.
Anat. Bd. III. 1867. p. 345—366. Taf. XX.
123. Ratzel, F., in Archiv f. Naturgesch. 1868. I. p. 154—155.
124. Siedamgrotzky, O., Psorospermienschläuche in der Muskulatur der Pferde. W ocheJi-
schrift f. Thierheilkunde u. Viehzucht von Adam. XVL 1872. p. 97—101.
125. Paulicki, in Gurlt und Hertwig's Magazin. Bd. 38. 1872.
126. V. Niederhäusern, in Zeitschr. f. prakt. Veterinärwiss. 1873. p. 79.
127. Cobbold, T. Sp., On worm-like organisms in the mitral valve of a horse. „Veterina-
rian" Sept. 1877.
128. Beale, L., Entozoon-like bodics in Muscles, in „Microscope in Medicine" 4. ed. 1878.
p. 485.
129. Cobbold, T. Sp. , Parasitcs, a treatise on the Entozoa of man and animals. London
1879. p. 270 u. f. (Siehe auch Früheres in Transact. of pathol. soc. XVII. 1866, und
„Lancet" Jan. 1866.)
Grcgariuicia. 503
III. Eiste UnterabtheiliiDg- (Unterklasse).
Gregarinida.
1, Kurzer Uebcrblick der sillo-emeiiieii niorphologischeii Ci!estrtltuii«' und
der übrio'eu bezeiclnieiiden Charaktere der Grei>arinida.
Die Gregarinida sind durchaus parasitische Protozoen von einzelligem
Bau, welche im erwachsenen Zustand nur selten eine annähernd kuglige
Gestalt besitzen, sondern gewöhnlich ansehnlich in die Länge gestreckt
erscheinen. Häutig gesellt sich jedoch zu dieser Längsstreckung noch
eine mehr oder weniger deutliche Abplattung in einer zu der Längsaxe
senkrechten Richtung , so dass sich die Körpergestalt der bandförmigen
nähert und ferner ein mehr oder weniger scharf hervortretender Unter-
schied in dem Bau der beiden Körperenden. Wir können daher, wenn
wir von den einfachsten kugel- bis eiförmigen Gregariniden ausgehen,
eine allmähliche Dififerenziriing der Körpergestalt von dem Horaaxonen
ins Monaxone und schliesslich Zweistrahlige verfolgen, ja indem die
Hauptaxe sich krümmt oder das eine Körperende sich etwas asymmetrisch
gestaltet, kann auch vorübergehend oder bleibend eine bilaterale (dipleu-
rische) Gestaltung zur Entwicklung gelangen.
Der Gregarinenkörper besitzt jedoch zeitweise oder dauernder die
Fähigkeit der Gestaltsveränderung, welche Veränderlichkeit jedoch nur
selten und dann nur im jugendlichsten Zustand den Charakter der
amöboiden Bewegung zu besitzen scheint, sonst jedoch den Eindruck eines
auf Contractionen der äusseren Körperschicht beruhenden Phänomens
macht. Hand in Hand mit diesen Gestaltsveränderungen, aber auch noch
in andrer eigenthümlicher Weise, kann auch Ortsveränderung zu Stande
kommen. Eigentliche Pseudopodienentwicklung kommt den Gregarini-
den nie zu. Dies ist schon dadurch unmöglich, dass bei allen einiger-
maassen ansehnlichen Formen eine scharf umschriebne äussere Membran
(Zellhaut, Cuticula, Epicyt) vorhanden ist. Bei diesen Formen ist auch
gewöhnlich die deutliche Differenzirung eines Ectosarks zu beobachten.
Die Gegenwart eines Zellkerns und zwar mit wenigen, kaum hinreichend
sicheren Ausnahmen nur eines einzigen, darf als constant und durchaus
charakteristisch bezeichnet werden.
504 Gregarinida, j
Der Körper einer Ahtheiliing der Gregariniden ist jedoch Doch da-
durch ausgezeichnet, dass er durch eigenthüniliche Dittereozirungsvor-
gänge, die bei allen übrigen Protozoen kein rechtes Analogon haben , in
eine Anzahl verschiedenartiger, segmentartig in der Längsaxe aufeinander-
folgender Abschnitte gegliedert erscheint. Solcher Abschnitte sind bei
jenen Formen entweder zwei, ein vorderer, kleinerer (Protomerit) und ein
hinterer, grösserer (Deutomerit) zu unterscheiden, oder es tritt hierzu
häutig noch ein vorderster (Epimerit), der die Bedeutung eines temporären
Haftapparates besitzt, welcher im Alter verloren geht.
Ungemein bezeichnend sind die Fortpflanzungserscheinungen unsrer
Wesen. Dieselben vollziehen sich, soweit mit Sicherheit bekannt, nie
durch einfache Tbeilungsprocesse im erwachsenen Zustand. Der Fort-
pflanzungsact wird stets durch eine Encystirung eingeleitet, welche hier
niemals nur zum Schut/< eintritt. Sehr häufig geht diese Encystirung
Hand in Hand mit einer Copulation zweier Einzelindividuen. Der
Leib der encystirten Thiere zerfällt vollständig oder nur zum Theil
in eine mehr oder minder grosse Anzahl umhtillter, sporenartiger
Fortpflanzungskörper (Pseudonavicellen, Psorospermien z. Th.), zu deren
Ausstreuung aus den Cysten zuweilen noch sehr eigenthümliclie accesso-
rische Einrichtungen entwickelt werden. Der Plasmainhalt der Sporen zeigt
bei einem Theil der Formen noch einen weiteren Vermehrungsprocess
innerhalb der Sporenhülle, in Folge dessen eine Anzahl Stäbchen- bis
sichelförmiger Plasmakörperchen auftreten, welche mit grosser Wahrschein-
lichkeit als die jugendlichen Gregarinidenformen zu betrachten sind und
sich unter geeigneten Umständen zu erwachsenen Formen , häuflg viel-
leicht mit Einschiebung eines durch amöbenartige Beweglichkeit aus-
gezeichneten Stadiums entwickeln.
Die oben geschilderte, bei einem Theil der Gregarinida eingetretue
Diflferenzirung in eine Anzahl Körperabschnitte dürfte bei dem heu-
tigen Stande unsres Wissens die geeignetste Handhabe zu einer Sonde-
rung unsrer Abtheilung in zwei grössere Gruppen bieten, nämlich in die
Abtheilung der Monocy stideen, welcher eine derartige Differenzirung
fehlt und die zweite Gruppe, die der Polycystideen, bei welchen eine
solche Difterenzirung mehr oder minder deutlich ausgesprochen ist. Diese
Gruppirung dürfte sich noch deshalb empfehlen, weil auch das Vor-
kommen der beiden Abtheilungen damit in gewissem Grade harmonirt.
Die sogen, ei- und kugelförmigen Psorospermien (Coccidien) werden dabei
naturgemäss der Abtheilung der Monocystideen eingereiht.
3. Oeiiauere Schildeiuii«' der Gestaltuiigsverhältnisse der Gregarinida.
Die einfachsten Gestalten zeigen, wie schon erwähnt, die kleinen
Formen der Monocystideen, welche die Gruppe der ei- oder kugelförmigen
Psorospermien (Coccidien) bilden. Im erwachsnen Zustand sind dies
kugel- bis eiförmige, einfache Zellen, welche in dieser Lebensperiode auch
(icötaltsvei'hältiiisse i^Moiiocystidccni. 505
durchaus bewegungslos sind und keine Gcstaltsveiänderungen dar-
bieten (T. XXXVII. 10; XXXVIII. la, 2 a).
Sehr klein scheiticu durchaus die Leber- und Darmcoccidiea /.n lilcibcn, welche im
gröristen Durchmesser nur ca. 0,025 Mm. erreichen. Andre Foniieu lüngcgen. wie die der
Tulmonatenniere, erreichen bis 0,12 Mm. Länge und die der Gepiialopodeu sollen nach Ebertli
und Aim6 Schneider sogar bis zu 1 Mm. heranwachsen.
Aehnliche rundliche bis ovale Gestalten tretten wir jedoch nicht allzu-
selten auch bei den frei im Darme verschiedner wirbelloser Thiere leben-
den Monocystideen, so bei der kleinen Adelea Schueidcr's (T. XXXV. 12a),
der Urospora Hipunculi Kölliker's, jedoch ist bei der letzteren und bei den
meisten noch zu erwähnenden Formen die Gestalt wegen der Leibescontrac-
tionen einem mehr oder minder energischen AVechsel unterworfen. Hieran
reihen sich dann mehr oder minder längsgestreckte bis spindelförmige
Monocystideen, nicht selten mit deutlich ausgesprochner Unterscheidung
der beiden Körperenden , indem das hintere häutig mehr verschmälert
bis zugespitzt ist, während das vordere abgerundet und mehr ver-
breitert erscheint. Die Längsstreckung des Körpers führt dann schliess-
lich zu ausgesprochen schlauchförmigen Gestalten, bei denen jedoch
ebenfalls das Hinterende gewöhnlich etwas zugeschärft ausläuft. Gelegent-
lich weist auch das Vorderende noch eine polare Zuspitzung oder einen
knopfartigen Fortsatz auf, der sich selten, so bei der von R. Lankester (29)
beschriebuen Monocystis Aphroditae, zu einem rüsselartigen Anhang zu ent-
wickeln vermag (T. XXXV. 1). Eine höchst merkwürdige Gestalt zeigt das
Vorderende einer von Claparcde (28) bei Capitella gefundnen Monocystidee, in-
dem dasselbe in zwei grosse seitliche, zugespitzte Fortsätze ausgezogen
ist, wodurch die Gesammtgestalt der Gregarine eine ankerähnliche wird
(T. XXXIV. 11).
Eine besondere Erwähnung verdienen vielleicht noch die Ideinen, beiderseits scharf zu-
gespitzten und in ihrer Gestalt ungemein neniatodenahnlicheu ]\lonocystideen, die aus ver-
schiednen Anneliden beschrieben worden sind, so die Monoc. Enchytraei und Terebellae
Kölliker's (17, auch 20, ;J0), eine von Claparcde (28) aus Phyllodoce beschriebne Monocystis
und andre (T. XXXIV. 9, 10). Diese Formen scheinen mir einer besondern Beachtung haupt-
sächlich deshalb werth zu sein, weil sie sich in ihrer Gestalt den sogen, sichelförmigen Keimen,
die, wie wir wissen, in der Fortpflanzungsgeschichte zahlreicher Gregariniden eine wichtige
Rolle spielen, sehr innig anschliessen.
Sehr eigenthümlich gestaltet ist eine neuerdings von Greeff (45) be-
schriebne Monocystidee (Conorhynchus), indem ihre gesammte Ober-
fläche im erwachsenen Zustand mit kurzen , zottenartigen Fortsätzen be-
deckt ist (T. XXXIV. 3)*).
Wenden wir uns nun zu einer kurzen Betrachtung der hauptsäch-
lichsten Gestaltseigenthümlichkeiten der Poly cy stideen. Wir wissen,
dass an dem fast stets ziemlich langgestreckten und häutig bandförmig
abge}»latteten Körper dieser Formen zum mindesten die DifFerenzirung
zweier, hintereinanderliegender Abschnitte eingetreten ist. Es scheint
*) Ueber das Haar- oder Borstenklcid gewisser Monocystideen wird später noch ein-
gehender berichtet werden.
506 Gregariiiida.
nämlich sicher zu sein, dass eine Anzahl von Formen ihr ganzes Leben
hindurch nur zwei Abschnitte aufweisen, während die Mehrzahl, wie
schon erwähnt , in ihrer Jugendzeit noch einen dritten , vordersten Ab-
schnitt erkennen lässt. Da dieser vorderste Abschnitt, wie später noch
genauer zu erörtern sein wird, vergänglicher Natur ist, so erscheint
es nicht unverständlich, dass man über sein Auftreten bei gewissen
Formen bis jetzt noch unsicher blieb. Die Bedeutung des dritten
vordersten Abschnitts (Epiraerit) ist, wie gesagt, die eines vergänglichen
Haftapparats. In dem Entwicklungskreis der dreigliedrigen Polycysti-
deen lassen sich also zweierlei Formen unterscheiden, die jugendlichen
mit Epimerit versehenen und die ganz erwachsenen , zur Fortpflanzung
sich anschickenden, welche diesen Körperabschnitt verloren haben.
Schneider bezeichnet die ersteren Formen als die „Cephalins", die
letzteren hingegen als die „Sporadins"; wir können diese Namen etwa in
der Weise umschreiben, dass wir die ersteren als Kopfform (Cephalonta),
die letzteren dagegen als Fortpflanzungsform (Sporonta) bezeichnen. In
ihrer allgemeinen Bildung stimmen also die Sporouten mit denjenigen
Formen übereiu, welche nur aus zwei Abschnitten zusammengesetzt sind.
Der vordere dieser Abschnitte oder das Protomerit ist stets der kleinere
und unterscheidet sich entweder von dem Deutomerit wesentlich nur durch
seine Kürze, wo dann der Körper in zwei mehr oder minder ungleich-
lange Glieder getheilt scheint, von welchen das vordre kopfartig dem
eigentlichen Leib aufsitzt, oder es bleibt das Protomerit auch in der Breite
beträchtlich hinter dem Deutomerit zurück und erscheint dann mehr oder
weniger in Gestalt eines dem letzteren angefügten knopfartigen Fortsatzes;
Aeusserlich ist die Grenze der beiden Abschnitte fast stets durch eine
Einschnürung ziemlich scharf bezeichnet, und die auch innerlich stets
völlig durchgeführte Sonderung werden wir noch späterhin genauer zu
betrachten haben (vergl. T. XXXV— XXXVII).
Die eigenthümlichste Gestaltung des Protomerits findet sich viclleiclit bei der Gattung
Bothriopsis Sehn., einer derjenigen, welche wahrscheinlich überhaupt niemals ein Epimerit be-
sitzen (T. XXXVI. 11). Hier hat das sehr gestaltsveränderliche und ansehnliche Protomerit im
gewöhnlichen Znstand eine nach vorn verhreiterte, etwa keulenförmige Gestaltung, sein Vorder-
ende vermag sich jedoch derart zurückzuziehen, dass es sich saugnajifartig gestaltet und auch
zur Festheftung in Art eines Saugnapfes thatsächlich Verwendung finden kann. Auch bei der
Gattung Dufouria findet sich eine Annäherung an die eben geschilderte eigenthümliche Gestal-
tung des Protomerits.
Bei den Cephalonten finden wir nun, dass sich das Vorderende des
Protomerits noch in einen besondern, kleinen Abschnitt fortsetzt, der stets
zur Anheftung der Gregarinen an die Darmwände dient und hinsichtlich
seiner Ausbildung eine ziemlich grosse Mannigfaltigkeit darbietet. Wie
später noch genauer besprochen werden wird , scheint das sogen. Epi-
merit nur selten so scharf von dem Protomerit geschieden, wie letz-
teres von dem Deutomerit; auch äusserlich ist die Scheidung häufig nur
wenig scharf ausgeprägt, so dass sich das Epimerit dann als eine di-
recte Fortsetzung oder wie ein Anhang des Protomerits darstellt.
\
Gcstaltsverhaltnissc (^Polycyätideeii). 507
In den ciiifaehstcii ballen tritt ilas Eiiimciit in (icbtalt eines disni vorderen l'ol des Prute-
mcrits angefügten, Knöipfelienartigen kleinen Anhangs auf, der sich ziemlich scharf gegen das
Protouierit absetzt (Olepsidrina*), Pileoccphalus, T. XXXV. '.I ; XXXVI. 10 a, ep). Sehr cigen-
thiindich gestaltet sich dieses wenig entwickelte Epimerit bei der Gattung EchinocephaUis dadurch,
dass CS eine asymmetrische, schief konische Form besitzt und mit kleinen lingcr- bis stiletförmigen
Anhängen ziemlich dicht, jedoch unrcgclmässig besetzt ist [T. XXXVI. 14a, cp). Ziemlich kurz
und knopfartig bleibt das Epimerit weiterhin auch bei der Gatt. Actinoccphalus, ist jcdocli hier noch
vorzüglicher als Haftapparat eingerichtet, indem sein vordres Ende sich zu einer Scheibe verbrei-
tert, deren Händer in eine Anzahl zahn- oder hakenförmiger Fortsätze ausgezogen sind (XXXVI.
1 .'la). (iegcn das Protomcrit ist das Epimerit des Actinocephalns durch eine Einschnürung, die
zuweilen auch etwas halsförmig ausgezogen ist, ziemlich scharf abgesetzt. Eine ähnliche Haken-
kroue findet sich auch am Ende des kurzen Epimerits von Pyxinia, hier entspringt jedoch
vom Centrum dieser Krone noch ein fadenartiger Anliang (XXXVI. 12b\
Im Princip ziemlich übereinstimmend mit der beschriebneu Bildung bei Actinoccphalus
verhält sich das Epimerit bei den Gattungen Hoploihynchus und Geneiorhynchus, hier hat
sich aber der bei ActinoceiJhalus sehr kurze Hals ansehnlich rüsselförmig verlängert, so dass
das Epimerit einen langen , an seiner Basis häufig noch etwas angeschwollnen Anhang dar-
stellt. Bei Hoplorhynchus trägt das Ende des Epimerits eine ähnliche Hakenkrone wie bei
Actinoccphalus, bei Geneiorhynchus dagegen ist das angeschwollne Ende mit einer grossen
Zahl feiner, borstenähnlicher Zähnchen besetzt. Bei Stylorhynchus schliesslich finden wir
ganz dieselbe Bauweise des Epimerits wie bei der letzterwähnten Gattung, jedoch mangelt
der Zähnchenbesatz (vergl. T. XXXVII. 2 a, 8 a, 9 a)
Eine besondre Gruppe errichtete Stein (IS) seiner Zeit für eine Anzahl Gregariniden-
formen, welche von den seither erw^ähnten dadurch abweichen sollten, dass der Kör()er
aus drei aufeinanderfolgenden Abschnitten zusammengesetzt sei. Die beiden hinteren Abschnitte
sind an Grösse gleich und nach ihrem Bau, namentlich wegen des Vorhandenseins eines Zell-
kerns in jedem derselben, zwei Deutomeriten der gewöhnlichen Polycystideen zu vergleichen.
Es schienen ihm diese Formen, wie gesagt, so abweichend von den gewöhnlichen, dass er zu
ihrer Aufnahme eine besondre Abtheilung der Didymophyidae errichtete. Schon KöUiker**)
wies jedoch darauf hin, dass diese Didymophyiden wohl sicherlich nicht als besondre Formen,
sondern als zusammenhängende Paare gewöhnlicher Polycystideen (jedenfalls im Sporonten-
zustand) zu betrachten seien, bei welchen das Protomerit des hinteren Thieres in das
Hinterende des vorderen Individuums so eingepresst ist, dass es übersehen und seine
Grenze gegen das Deutomerit des vorhergehenden Individuums für eine Scheidewand
zwischen den beiden kernführenden ansehnlichen hinteren Leibesabschnitten der vermeint-
lichen Didymophyiden gehalten wurde. Diese Auffassung, der auch A. Schneider völlig
zustimmt, ist ohne Zweifel berechtigt und damit sind die Stein'schen Didymophyiden als Ver-
treter einer besonderen morphologischen Ausbildungsform der Gregariniden zu streichen.
Die Grössenverhältnisse der freien Mono- wie Polycystideen sind sehr
verschiedene. Die untere Grenze für die Grössenentwicklung ist schwierig
mit Sicherheit festzustellen, da bei den häufig nur auf Grund weniger
Exemplare gegebnen Beschreibungen leicht nur unerwachsne Formen zu
Gesicht gekommen sein mögen. Eine der kleinsten Formen der freien
Monocystideen scheint die Adelea Schneider's zu sein, jedoch fehlen nähere
Maassangaben. Immerhin sclieinen Mono- und Polycystideen, welche
0,01 — 0,02 Mm. nicht viel überschreiten, nicht sehr selten zu sein.
Andrerseits treten jedoch in beiden Abtheilungeu auch wahrhafte Riesen
*) Es wird später noch zu erwähnen sein, dass Schneider bei der Gatt. Clepsidrina einen
Theil des äusserlich als Protomerit erscheinenden Abschnitts zu dem Epimerit rechnet. Der
Einfachheit wegen haben wir hier nur den Knopf als Epimerit beansprucht.
**) Kölliker, Icones zootomicae. I. Abtiieil. 18(34.
508 Gre.gariinda.
auf, welche sich gleichzeitig durch eine sehr langgestreckte Gestaltung
kennzeichnen. So erreicht die Monocystis magna des Regenwurms bis
5 Mm. Länge und die von van Beneden entdeckte Porospora gigantea
aus dem Hummer übertritft diese noch, da sie bis 16 Mm, Körperlänge
aufweist.
3. (lienauere Darstelliiii»- des Verhaltens der eiiizeliieu Or«auisatioiis-
elemente der CJregariiiifla.
A. Die sogen. Cuticula (^Zellhaut, äussere HiiUe, Epicyt Schiieider's).
Die sehr kleinen Coccidien des Darmepithels und der Leber zeigen
vor ihrer Encystirung nichts von einer Zellhaut oder Cuticula, da-
gegen scheint es nach den Mittheilungen von Kloss und Eberth, dass die
zu ansehnlicherer Grösse heranwachsenden Formen der Pulmonaten und
Cephalopoden , wenigstens in ihrem erwachsenen Zustand , eine zarte,
structurlose Hülle besitzen.
Hämmtliche freien Mono- und Polycystidecu dagegen besitzen im er-
wachsenen Zustand eine meist recht deutliche äussere Cuticula, welche
entweder nur schwach entwickelt ist und dann als eine einfach contou-
rirte feine Hülle erscheint, oder stärker entwickelt ist und dann deutlich
doppelte Contouren zeigt. Schwach ausgebildet und daher nur einfach
contourirt ist die Cuticula häufig, jedoch keineswegs immer, bei den
Monocystideen ; deutlich doppelt contourirt dagegen gewöhnlich bei den
Polycystideen , namentlich den ansehnlicheren. Die Cuticula überzieht
den Zellkörper ununterbrochen und erscheint durchsichtig, glashell (die
schwach bläuliche oder grünliche Färbung im durchfallenden Licht ist
wohl nur eine mikroskopische Erscheinung).
Die Hülle besteht ohne Zweifel aus einer stickstoffhahigen organi-
schen Substanz, jedenfalls hat ihre Natur namentlich nichts cellulose-
artiges. Nach Schneider (40) soll sie in Essigsäure und Ammoniak
leicht löslich sein*); Kölliker (17) bemerkte gleichfalls ihre Löslichkeit in
Essigsäure bei einer Anzahl der von ihm untersuchten Gregariniden.
Bei der Mehrzahl der Gregariniden, hauptsächlich aber den kleineren
Formen, konnten keine besonderen Structurverhältnisse dieser Cuticula
wahrgenommen werden; dieselbe erscheint dann durchaus homogen, ohne
Sculpturen, Anhänge oder dergleichen. Dagegen zeigt sie bei gewissen
Monocystideen und Polycystideen eine, wenn auch sehr feine und dichte,
so doch bei aufmerksamer Betrachtung sehr deutliche Längsstreifung.
Recht deutlich ist dieselbe z. B. bei den Angehörigen des Geschlech-
tes Clepsidrina, so bei der Cl. Blattarum der Schabe und der Cl.
polymorpha der Mehlkäferlarve. Bei letztrer Form konnte ich bei
*') üeber den Concentrationsgrad der angewandten Reagentien fehlen genauere Angaben.
Cuticula (^Strciiung). 509
der Betrachtung des optischen Querschnitts deutlich erkennen, dass die
Streifung- thatsächlich der Cuticula angehört: die Streifen traten hier
schwach über die äussere Fläche der Cuticula hervor und es scheint so-
gar, dass dieselben sich durch die Dicke der Cuticula fortsetzen, da die-
selbe im Querschnitt zart radiär gestrichelt erscheint. Sehr deutlich er-
scheint die Streifung weiterhin bei Stenocephalus Juli Sehn., bei welcher
(oder doch einer sehr nahe verwandten Form) sie auch zuerst von Leidy
, 1853 (22) beobachtet wurde. Eine ganz entsprechende, zarte Streifung
findet sich jedoch auch bei gewissen Mouocystidcen, so bemerkte ich sie
(wie schon früher Lieberkühn und A. Schmidt) sehr deutlich bei der Mono-
cystis magna des Regenwurms ; hier tritt sie namentlich an dem etwas
zugespitzten Vorderende sehr kräfrig hervor, ja die Streifen scheinen sich
am äussersten Ende, wo sie zusammenlaufen, zuweilen etwas rippen- oder
zähnchenartig zu erheben (T. XXXIII. Ib). Diese Einrichtung des vorderen
Pols mag in ähnlicher Weise die Anheftung dieser, mit ihrem Vorderende ge-
wöhnlieh in eine Zelle der Hodentrichterwand eingesenkten Form begünsti-
gen, wie die Anhänge des Epimerits bei den Polycystideen. Auch die Mono-
C}stis agilis der Regenwürmer zeigt dieselbe zarte Cuticularstreifung häufig
recht deutlich, was auch schon Schmidt beobachtete. Eine ähnliche
Längsstreifung wurde weiterhin noch von einer ziemlichen Anzahl Mono-
cystideen beschrieben, so zuerst von Kölliker (16) bei seiner Grega-
rina Terebellae, welche äusserlich constant von sechs Längsrippen über-
zogen sein soll, ferner von Claparede (28) bei einigen Monocystisformen
der Phyllodoce, von welchen eine nematodenähnlich gestaltete, neben
dieser Längsstreil'ung auch noch eine ringförmige aufweisen soll (T. XXXIV.
10). Auch R. Lankester (29) hat die Längsstreifung namentlich bei seinen
Monocystis Serpulae und Sabellae beschrieben.
Ob alle diese Streifunge» wirklich in die Kategorie der Cuticularstreifen eingercilit werden
dürfen, scheint etwas zweifelhaft. Man Icann nämlich leicht beobachten , dass nicht selten bei
den Clepsidrinen noch eine Längsstreifung andrer Natur auftritt, nämlich eine diircli Faltung
der Körperwand hervorgerufne, welche als eine Folge besondrer Contractionszustände hetrachtet
werden darf. Diese Längsfaltung der Körperwand ist bedeutend leichter bemerlibar. wie die
viel zartere Cuticularstreifung; die Falten stehen sehr viel weiter auseinander wie die feinen
Cuticularstreifen und lassen sicli auch gewöhnlich nur über einen Theil der Körperobertläche
verfolgen. Es gelingt leicht, sich an einem und demselben Thier von der gleichzeitigen
Gegenwart der Falten und Streifen zu überzeugen. Dass diese Längsfaltnng sich am lebenden
Thier nie zeige, wie Schneider angibt, sondern nur an durch Keagentien (Glycerin z. B.) ge-
tödteten, ist meinei'Erfalirung nach, wenigstens für die Clcphidrina polymorpha und Blattarum,
unrichtig.
Wie gesagt, erscheint es schwer, die von früheren Beobachtern beschriebnen Fälle von
Längsstreifung immer sicher nach ihrer Natur zu klassificiren. Eigenthümlich abweichend soll
sich nach Schneider die Gattung Echinocephalus riicksichtlich der Cuticularstreifung verhalten,
indem statt der Längsstreifen hier zwei Systeme schief verlaufender, nahezu querer, sich
kreuzender Cuticularstreifen vorhanden sind.
Anderweitige Sculpturirungen der Cuticula scheinen kaum vorzukom-
men, jedoch ist nach Lankester (35) die Cuticula der Urosj)ora Sipuü-
culi dicht mit zarten Tuberkeln bedeckt. Als Gebilde von cntirularer
510 Grogariiiitln.
Beschaffenheit müssen auch die Fortsatzbildungen betrachtet werden,
welche bei einer Anzahl Polycystideengeschlechter an dem Epimerit an-
gebracht sind. Die Zähnchen oder Haken der Epinieritkrone des Actino-
cephalus und Hoplorhynchus, die feinen ßürstchen des Geneiorhynchus,
die fingerförmigen Fortsätze des Echinocephalus u. s. w. In dieselbe
Kategorie muss weiterhin der Haarbüschel gerechnet werden, in welchen
das Hinterende der eigeuthümlichen Zygocystisform des Regenwurmhodens
gewöhnlich ausläuft, da sich derselbe deutlich als eine Fortsatzbildung der
Cuticula erkennen lässt (T. XXXIV. 1). Fraglich erscheint es jedoch, ob
diese Fortsätze jener Form constant zukommen. Ein feinerer Haarbesatz
an einem Körperende findet sich noch bei einer weiteren Monocystisform
des Regenwurmhodens (Monoc. cristata A. Schra.), jedoch scheint dessen
Natur und Bedeutung, namentlich im Hinblick auf den gleich zu erwäh-
nenden Haarbesatz der Monoc. agilis, etwas zweifelhaft.
Es scheint nämlich kaum einem Zweifel zu unterliegen , dass das bei der Monocystis
agilis des Eegenwurmhodens sehr häufig vorhandne Haarkleid — ein entweder nur lokaler
oder vollständiger üeberzug von strahlenförmig abstehenden, bewegungslosen borsten- bis
haarförmigen Anhängen, die an ihrer Basis meist etwas angeschwollen sind — nicht der Gre-
garine selbst angehört, sondern eine ganz andre Entstehung besitzt {T. XXXIII. 3c — g). Wie
schon angedeutet wurde, haben die Untersuchungen von A. Schmidt (23), welche Lieberkuhn (30)
späterhin bestätigte, mit ziemlicher Sicherheit nacligewiesen, dass das Haarkleid der Mon. agilis
seine Entstehung den verkümmerten ßegcnwurmspermatozoen verdankt, welche, nach der Entwick-
lung der Monocystis im Innern der Spermatoblastosphaeren , schliesslich noch wie ein haar-
artiger Üeberzug die Oberfläche der Gregarine überziehen. Endlich wird diese Hülle ver-
kümmerter Spermatozoon abgestreift und diese Erscheinung gab Veranlassung zu der Annahme
einer Häutung der haarigen Monocysten, in welchem Sinn zuerst Lieberkühn (24) seine ein-
schlägigen Beobaclitungen deutete. A. Schneider hält es für möglich, dass bei seiner Clepsi-
drina macrocephala etwas einer Häutung , einer Erneuerung der Cuticula Aehnliches vor-
komme, wobei die alte Cuticula vollständig in Körnchen zerfalle, welche durch eine klebrige
Masse noch zu einer Art Haut zusammengehalten würden. Da jedoch eine genauere Schilde-
rung dieses Vorgangs bis jetzt fehlt, so müssen wir uns mit dieser kurzen Andeutung begnügen.
E. Das Ectoplasma (Corticalschicht Lieberk.) und seine Differenzirungcn.
An dem von der Cuticula umhüllten Plasmakörper der erwachsenen
Gregariniden lassen sich häufig, jedoch keineswegs immer, zwei Zonen
unterscheiden, welche wir wegen ihrer Aehnlichkeit mit den als Ecto- und
Entoplasma unterschiednen Zonen des Rhizopodenkörpers , in gleicher
Weise bezeichnen dürfen. Im Allgemeinen zeichnet sich das Entoplasma,
welches die centrale Hauptmasse des Körpers formirt, durch die Massen-
haftigkeit seiner körnigen Einschlüsse aus, während das die äussere Zone
bildende Ectoplasma ziemlich körnerfrei oder doch nur feinkörnig erscheint.
Wie jedoch diese Differenzirung zweier Plasmazonen am Leibe der Gre-
gariniden sich erst im Laufe des Wachsthums allmählich ausbildet, so
scheint sie auch den kleineren und einfacheren Formen, den als Coccidien
bezeichneten Monocystideen durchaus zu fehlen.
Bei den grösseren freien Monocystideen aber, ebenso wie bei den
Polycystideen scheint dagegen die Differenzirung der beiden Plasmazonen
Cuticula (Kort,satzbiIiliiiig'«ii), Ectoplasma. 511
ziemlich allgemein verbreitet zu sein , doch lässt sieh dies nicht mit Be-
stimmtheit behaupten, da die Beschreibungen und Abbildungen der ver-
schiednen Beobachter häufig nicht genau genug sind, um eine sichere
Orientirung über diesen Punkt zu gestatten.
Das Ectoplasma bildet eine meist nur wenig dicke Lage unterhalb
der Cuticula, bestehend aus einem nahezu homogenen oder doch nur fein-
granulirten und daher recht hellen Plasma. Eine scharte Grenze gegen
das von ihm umschlossne starkkörnige Entoplasma ist auch hier nicht
vorhanden ; dies ergibt einmal die directe Beobachtung des allmählichen
Uebergangs in das Entoplasma, weiterhin bemerkt man auch nicht
selten, dass einzelne der gröberen Entoplasmakörnchen in das hellere
Ectoplasma eindringen, ja dass zuweilen bei einzelnen Individuen ein
deutliches Entoplasma ganz verschwindet, indem auch in die Ectoplasma-
zone zahlreiche Entoplasmakörner treten und damit der Gegensatz
zwischen beiden Regionen erlischt.
Meist besitzt die Ectoplasmazone keine ganz iibereinstim.mende Dicke
über den ganzen Körper hin ; namentlich am Vorder- und Hinterende fin-
det sich, sowohl bei Mono- wie Polycystideen gewöhnlich eine etwas be-
trächtlichere Anhäufung von Ectoplasma.
Auch die Enden der Fortsätze, welche sich bei Conorhynchus aus
der Mittelregion des Leibes entwickeln, zeigen gewöhnlich eine etwas
stärkere Anhäufung von Ectoplasma. Bei den Polycystideen findet sich
die vordere Verdickung des Ectoplasmas natürlich im Protomerit und
auch das vergängliche sogen. Epimerit ist gewöhnlich zum grössten Theil
aus einem sehr hellen, nur wenig körnigen Plasma gebildet, wenn-
gleich sich durch dasselbe meist auch eine körnige axiale Plasmapaitie
hindurchzieht.
Verschiedne Forscher, namentlich Lankester (35) und E. van Beneden,
(37) haben wohl mit Recht betont, dass das Ectoplasma dichter sei wie
das Entoplasma, oder wenigstens eine bedeutendere Consistenz und Zähig-
keit besitze. Namentlich Beneden hat gezeigt, dass das Entoplasma beim
Durchschneiden der sehr langgestreckten Porospora gigautea sofort aus-
strömt, während sich das Ectoplasma sammt der Cuticula in Gestalt eines
hohlen Schlauches erhält. Auch ich möchte mich dieser Ansicht an-
schliessen, da ich unter gewissen Bedingungen das Entoplasma in sehr
lebhafter Strömung sah, während das umgebende Ectoplasma keine Spur
einer Verschiebung zeigte. Angesichts des ganz allmählichen Uebergangs
der beiden Plasmaregionen, müssen wir dann weiterhin mit Beneden
annehmen, dass sich die Consistenz des Ectoplasmas nach Innen mehr
und mehr verringert, bis sie allmählich in die relativ flüssige des Ento-
plasmas übergeht. Aime Schneider schliesst sich der eben entwickelten
Ansicht von der Beschaffenheit des Ectoplasmas nicht an. Ihm zufolge
ist dasselbe nichts weiter wie eine äussere Ansammlung der „Flüssigkeit"
(seines sogen. Metaplasmas), welche die Körner des Entoplasmas suspendirt
512 (iregariüida.
eothält, also den wesentlichsten Bestandtheil dieses Entoplasraas bildet.
Demnach miisste denn auch das Ectoplasma ebenso flüssig erscheinen wie
das Entoplasnia, womit die oben angedeuteten Erfahrungen nur wenig
übereinstimmen.
Bei einem Theil der Polycystideen und einer Monocystidee (wahr-
scheinlich jedoch auch noch anderen) findet sich eine höchst interessante
Differenzirung der äussersten Ectoplasmaregion, welche zuerst von E. van
Beneden bei der Porospora gigantea aufgefunden wurde. Zwischen Cuti-
cula und dem eigentlichen Ectoplasma hat sich eine auch nach dem letz-
teren durch eine scharfe Contour abgegrenzte helle und homogene, dünne
Lage gebildet, welcher Schneider den Namen Sarcocyt gegeben hat. Wie
gesagt, ist dieses Sarcocyt nach Schneider's Angaben nur bei einem Theil
der Polycystideen ausgebildet. So soll es den Gattungen Actinocephalus,
Bothriopsis und Pileocephalus fehlen, während es bei anderen im erwach-
senen Zustand nur im Protomerit deutlich zu beobachten ist (Stylorhyn-
chus, Euspora, Echinocephalus). Bei einer dritten Reihe von Formen
schliesslich ist im erwachsenen Zustand ein Sarcocyt sowohl im Proto-
wie Deutomerit gut zu beobachten (einzelne Clepsidrinen , Porospora,
Geneiorhynchus, Hyalospora). Bei Porospora soll sich aber nach
van Beneden das Sarcocyt nur auf den hinteren Theil des Protomerits
ausdehnen.
Seltsam erscheint, dass diese gegen das Ectoplasma so deutlich ab-
gegrenzte Sarcocytschicht nach Schneider's Beobachtungen nicht selten
eine recht vergängliche Bildung zu sein scheint. Bei zahlreichen Formen
soll das im jugendlichen Zustand auch im Deutomerit gut ausgeprägte Sarco-
cyt später dortselbst verschwinden, ja bei der Gatt. Hoplorhynchus (von uns
zu Actinocephalus gezogen) soll das Sarcocyt, welches bei den Cepha-
lonten sehr ausgeprägt war, bei den Sporonten vollständig „resorbirt"
werden. Wenn diese Beobachtungen gegründet sind, so dürfte sich viel-
leicht auch der gänzliche Mangel des Sarcocyts bei anderen Gattungen
aus einer nachträglichen Rückbildung erklären. Jedenfalls möchten wir
jedoch aus diesem Verhalten des Sarcocyts schliessen, dass dasselbe ein
einfaches Diflferenzirungsproduct des Ectoplasmas ist.
Im Sarcocyt tritt nun nicht selten noch eine weitere Differenzirung
auf, welche gleichfalls zuerst von E. van Beneden bei seiner Porospora
gigantea ermittelt wurde, nämlich eine Schicht sehr feiner quer zu
dem Körper verlaufender Fibrillen. Diese feinen Fibrillen sind sehr
dicht zusammengestellt und erscheinen bei der Fiächenbetrachtung wie
eine sehr zarte Querstreifung. Auf dem optischen Querschnitt des Sarco-
cyts bemerkt man dagegen sehr deutlich die Querschnitte der Fasern
als eine Reihe dunkler Pünctchen und kann sich leicht davon überzeugen,
dass es sich thatsächlich um Fasern im Sarcocyt, nicht etwa um eine
Streifung ähnlich der Längsstreifung der Cuticula handelt. Die Fibrillen
scheinen zuweilen einen ringförmigen Verlauf zu besitzen, jedoch lässt
I
Fibrillen des Sarcocyts. ' 513
sich wegen ihrer sehr dichten Zusammenstellung nicht wohl entscheiden,
ob nicht auch ein spiraliger Verlauf vorhanden sein kann. Bei Clepsi-
drina Munieri fand Schneider eine netzförmige Anordnung, indem die
([ueren Fibrillen durch etwas schief zur Körperaxe ziehende Anastomosen
vielfach verbunden waren (T. 35. 10). Wie gesagt, findet man fast durchaus
nur eine einfache Lage solcher Öarcocytfasern, nur bei Porospora gigantea
beobachtete Beneden, dass da, wo die Scheidewand zwischen den beiden
Körperabschnitten aus dem äusseren Sarcocyt ihren Ursprung nimmt, zu-
weilen mehrere Fasern übereinander gelagert waren (T. 36. 7). Stets scheint
sich diese Fibrillenschicht über die beiden Körperabschnitte der Polycystideen
zu verbreiten, doch konnte sie Beneden, ebenso wie das Sarcocyt, bei Poro-
spora gigantea nur in der Hinterregion des Protomerits auffinden. Wie
bemerkt, ist bis jetzt nur eine Monocystidee (Gamocystis) bekannt, bei
welcher Schneider eine solche Fibrillenschicht im wohlausgeprägten Sarco-
cyt constatirte.
Zahlreichen Gattungen und Arten der Poly- und Monocystideen soll
nach Schneider's Untersuchungen die Fibrillenschicht fehlen, doch
möchte ich eine weitere Verbreitung derselben vermuthen , als dieser
Forscher anzunehmen geneigt ist, wenigstens beobachtete ich sie deutlichst
bei einigen Clepsidrinen (polymorpha, ovata und Blattarum), bei welchen
sie Schneider theils vermisste, theils (polymorpha) zweifelhaft Hess. Ein
weiterer Punkt scheint mir bis jetzt gleichfalls etwas unsicher, ob
nämlich die Ausbildung einer solchen Fibrillenschicht auch stets ein
scharf abgegrenztes Sarcocyt voraussetzt, wenigstens gelang es mir bei
der Clepsidrina Blattarum nicht, im Deutomerit ein scharf begrenztes
Sarcocyt nachzuweisen, obgleich die Deutlichkeit der Fibrillenschicht
nichts zu wünschen übrig lässt.
Die Fibrillen selbst fand Schneider stets ganz homogen, und auch
die von mir untersuchten Clepsidrinen zeigten dasselbe; die Fasern er-
scheinen dunkler und stärker lichtbrechend wie das umschliessende Sarco-
cyt, resp. die äusserste Zone des Ectoplasmas. Beneden dagegen sah die
Fibrillen der Porospora gigantea aus aneinandergereihten feinen Körperchen
zusammengesetzt (T. 36. 8).
Bezüglich der Frage nach der Bedeutung der Fibrillenschicht ist bis
jetzt keine Uebereinstimmung erzielt worden. Ihr Entdecker Beneden
fasste die Fibrillen als contractile, muskelfaserähnliche Elemente auf, ver-
gleichbar den contractilen Fibrillen gewisser Infusorien, ohne dabei jedoch
genauer auseinanderzusetzen, welchen Antheil er dieser Schicht contrac-
tiler Fasern an den Bewegungserscheinungen der Gregarinen zuschrieb.
Schneider kann sich mit dieser Auffassung der Faserschicht nicht be-
freunden (doch bringt er für sie mit ? den Namen Myocyt in Vorschlag).
Seine Gründe können wir jedoch erst weiter unten bei der Betrachtung
der Bewegungsvorgänge der Gregariniden eingehender würdigen. Im All-
Bronn, Klassen des Tliipvveichs. Protozoa. 33
514 Greg-arinida.
gemeinen seheint er mehr geneigt, der Faserschicht eine BedeutUDg als
Stützapparat zuzuschreiben.
Bei dieser Gelegenheit müssen wir kurz noch einiger früherer An-
sichten über die Existenz einer contractilen Faserschicht bei den Grega-
riniden gedenken. Schon bei Besprechung der Cuticula wurde dargelegt,
dass deren Längsstreifung gelegentlich fälschlich in einem solchen Sinne
gedeutet wurde. Aber auch eine Längsstreifung andrer Art wurde zu-
weilen als eine besondre Muskelfaserschicht betrachtet. Nicht selten
scheint sich nämlich bei gewissen Gregariniden die Grenzregion zwischen
Ecto- und Entoplasma in Längsfalten zu legen, indem das Ectoplasma
längsfaltig in das Entoplasma vorspringt. Es hat dann den Anschein,
als wenn über den Gregarinenkörper ein System abwechselnder hellerer
und dunklerer Längsstreifen hinziehe. Die meisten Beobachter, Leuckart*),
Lankester (31), van Beneden (37), bringen diese Erscheinung in Zusammen-
hang mit der Contractilität des Ectoplasmas, was auch wohl richtig
erscheint.
Diese Streifung, welche immer viel gröber erscheint wie die Cuticula-
streifung (ähnlich wie die schon früher geschilderten Längsfaltungen der
gesammten Körperwand) ist es ohne Zweifel, welche Stuart (33) als eine
besondere Muskelhaut deutete, die ihren Sitz zwischen Ecto- und Ento-
plasma habe. Aus seinen Abbildungen geht deutlich hervor, dass der
Sitz der Faltung hier nicht die äussere Körperoberfläche, sondern die
Grenze zwischen Ecto- und Entoplasma ist; Lieberkühn (30) beschreibt
diese Art der Längs faltung von einer Monocystide der Regenwürmer und
Beneden (37) bei seiner Porospora, scheint sie jedoch früher (34) vorüber-
gebend für eine Längsmuskelfibrillenlage gehalten zu haben.
Die Scheidewände der Polycystideen sind Organisations-
bestandtheile, welche sich erst im Laufe des allmählichen Wachsthums
hervorbilden, wie dies durch Beneden's (34) und Bütschli's (47) Unter-
suchungen erwiesen wurde. Die erste genauere Schilderung der Scheide-
wand gab KöUiker bei seiner Gregarina (Clepsidrina?) Heerii (17), jedoch
hielt er sie irrthümlich für ein aus flüssiger Substanz bestehendes Dia-
phragma. Frantzius (15) und Stein (18) zeigten dagegen, dass die
Scheidewand zwischen Deuto - und Protomerit eine relativ beträchtliche
Festigkeit besitzt, so dass einmal durchaus keine directe Communication
zwischen dem Entoplasma der beiden Körperabschnitte durch das Dia-
phragma hindurch statthat und weiterhin beim Platzen des Deutomerits
nur dessen Inhalt ausfliesst, ja die Scheidewand einem sehr beträchtlichen
Druck widersteht, ohne zu zerreissen. Beide erklärten dieselbe daher
für eine ziemlich feste Membran.
In neuerer Zeit konnten Beneden und Schneider feststellen, dass die
Scheidewand bei den mit Sarcocyt versehenen Polycystideen durch eine
'') Arch. f. Naturgeschichte 1S55. II. p. 108.
Diaphragma der Polycystideen. 515
Einfaltiing desselben gebildet wird. Ist das Sarcocyt nur in dem Proto-
raerit entwickelt, so schlägt es sich auf dessen hinterer Grenze einfach
nach Innen um zur Bildung der Scheidewand; sind dagegen beide Körper-
abschnitte mit Sarcocyt versehen, so geht dasselbe auf der Grenze zwischen
Proto- und Deutomerit gleichmässig in die Bildung der Scheidewand ein.
Dieselbe ist in diesen Fällen eine dünne, sowohl nach dem Ento-
plasma des Deuto- wie Protomerits scharf begrenzte homogene, helle
Schicht von, wie bemerkt, grosser Festigkeit. (Bei Clepsidrina Blattarnm
glaubte ich einmal deutliche Anzeigen einer Zweischichtigkeit der Scheide-
wand zu beobachten.)
Bei den sarcocytlosen Formen erscheint die Scheidewand nach
Schneider als einfache, sehr dünne Membran, welche sich äusserlich der
Cuticula anheftet. In solcher Gestalt sah ich auch ein Diaphragma bei
der Entwicklung der Clepsidrina zuerst auftreten*), wogegen Beneden
bei Porospora die Scheidewand als eine ziemlich breite, helle Plasma-
schicht auftreten sah, welche mit dem hyalinen Ectosark in Verbin-
dung stand.
Die relativ beträchtliche Festigkeit der Scheidewand gestattet uns
wohl auch einen Rückschluss auf die Consistenz des Sarcocyts, mit
welchem ja die Scheidewand eins und dasselbe ist, auch diesem haben
wir daher eine ähnliche Festigkeit zuzuschreiben.
Meist spannt sich die Scheidewand zwischen Deuto- und Protomerit
senkrecht zur Körperaxe eben aus, doch weicht sie bei heftigeren Be-
wegungserscheinungen der Thiere nach vorn oder hinten aus und springt
dann gewölbt in das Proto- oder Deutomerit vor. Andrerseits findet sich
iedoch bei einigen Formen im Ruhezustand constant eine starke Vor-
wölbung der Scheidewand in das Protomerit. Am auffallendsten ist dies
hei Bothriopsis, wo die membranöse Scheidewand handschuhfingerartig bis
in die Mittelregion des Protomerits vorspringt; auch bei Dufouria findet
sich ein ähnliches, wenn auch nicht so starkes Vorspringen (T. 3G. 11).
Ob auch zwischen dem Epi- und Protomerit stets eine ähnliche
Scheidewandbildung statthat, scheint mir aus Schneider's Beschreibungen
und Abbildungen nicht genügend hervorzugehen. Bei einigen Formen mit
ansehnlichem Epimerit (Stylorhynchus, Geneiorhynchus, Echinocephalus)
bildet Schneider eine solche Scheidewand sehr deutlich ab (vergl. T. 36.
14 a; 37. 8 a etc.).
Gabriel (46) erwähnte in neuester Zeit eine Gregarinide aus Typton
spongicola (einer Garneele), welche in der Jugend der Septen ganz ent-
behre, später dagegen zahlreiche Quersepten entwickele. Aehnliches ist
bis jetzt nicht weiter bekannt geworden, auch scheint die Bedeutung dieser
Septenbildung bis jetzt noch nicht genügend aufgeklärt, da Gabriel darin
*) Wenn auch sehr wahrscheinlich, so ist es doch nicht ganz sicher, oh dieses Dia-
phragma die Sclieidewand zwischen Proto- xmd Deutomerit ist. Hierüber folgt das Näliere in
dem Kapitel über die Fortpflanzung.
33*
51(5 Gregarinida.
einen Vermehrungsact erkennen wollte, die septirte Form als eine Kolonie
oder Strobila auffasst und angibt, dass jedes der Glieder selbstständiger
Fortpflanzung fähig sei.
C. Das Entoplasina.
Die Fortpflanzungs- und Entwicklungsgeschichte der Gregarinida
lehrt, dass die Keime und Jugendforraen aus einem noch unditferenzirteu,
meist fast körnchenfreien , hellen Plasma bestehen. Erst im Laufe des
AVachsthums tritt allmählich eine Diflferenzirung in Ecto- und Entoplasma
auf, namentlich dadurch kenntlich, dass das Entoplasma immer körniger
wird, bis es im erwachsenen Zustand meist dicht von dunklen, stark licht-
brechenden Körnern erfüllt ist, welche die gesammte Gregarinide sehr
dunkel und undurchsichtig machen.
Das eigentliche Entoplasma, in welchem diese Körnchen suspeudirt
sind, besitzt nach den übereinstimmenden Angaben der Beobachter eine
ziemlich flüssige Consistenz, wenigstens zeigt es bei den Bewegungen der
Gregariniden eine so leichte Verschiebbarkeit seiner Theilchen, dass es
von den meisten Forschern geradezu als flüssig bezeichnet wird. Das
Gleiche ergibt sich auch aus der häufig zu machenden Wahrnehmung,
dass die Entoplasmakörnchen ganz lebeusfrischer, sehr beweglicher Gre-
gariniden eine wimmelnde Durcheinanderbeweguug zeigen, welche nicht
selten ganz den Charakter der Molekularbewegung besitzt. Schon KöUiker
hat eine solche Molekularbewegung bei seiner Greg. Saenuridis ((Jrospora
Sehn.) beobaclrtet, auch Schmidt berichtet dasselbe von der Monocystis
agilis. Bei einigen Clepsidrinen konnte ich die Molekularbewegung sehr
sicher beobachten.
Die Körnchen des Entoplasraas treten nach Stein (18) ursprünglich
als ein feiner nebelartiger Niederschlag auf und wachsen allmählich
heran, indem sich gleichzeitig fortdauernd neue Granulationen hinzu-
gesellen. Auch findet man bei den noch schwachkörnigen Jugendformen
häufig keine ganz gleichmässige Vertheilung der Körnchen durch das
Entoplasma, seltner Aehnliches auch bei erwachsenen Formen. Es sind
dann die Körnchen in unregelmässigen Gruppen oder Flecken zusammen-
gehäuft. Auch bei gleichmässiger Erfüllung des Entoplasmas findet zu
weilen eine dichtere Körnchenanhäufung an gewissen Stellen statt. So
tritt bei der Porospora gigantea schon sehr frühzeitig in der Entwicklung,
schon bevor eine Scheidewand zwischen Proto- und Deutomerit gebildet
wurde, die Anlage des ersteren sehr deutlich hervor, indem in ihm die
Körnchen in grosser Menge dicht zusammengehäuft sind. Bei Actino-
cephalus u. A. findet sich eine sehr dunkle, wohl ohne Zweifel auch durch
dichtere Zusammenhäufung der Körnchen gebildete Zone am Vorderende
des Protomerits.
Bei den erwachsenen Gregariniden trifft man gewöhnlich Körnchen
der verschiedensten Grössen an, von eben sichtbarer Grösse bis zu 0,01 Mm.
Entoi)lasma. 517
Durchmesser und wohl auch noch mehr. Bei den vcrschiednen Formen
herrschen jedoch Unterschiede in der Maximalgrösse der Körnchen ; wäh-
rend die einen ziemlich grobkörnig erscheinen, besitzen andre zwar ein
recht dunkles, jedoch sehr feinkörniges Entoplasma.
Auch die Gestaltung der Körnchen ist recht verschieden ; es finden
sich gewöhnlich durcheinander kuglige, ovale, längliche bis unregel-
mässige. Wie gesagt, sind sie stark lichtbrechend und von dunkelgriin-
liehem Aussehen, bei scharfer Einstellung tritt eine lichtere Contour
hervor. Ihre chemische Natur scheint sich aus ihren Reactionen mit ziem-
licher Sicherheit zu ergeben *). In concentrirter Essigsäure and schwachen
Mineralsäuren sind sie unlöslich, ebenso selbst in kochendem Alkohol
und Aether, dagegen werden sie von verdünntem Kali und concentrirten
Mineralsäuren rasch gelöst. Jodtinctur färbt sie braunroth bis braun-
violett, wie schon Leidy beobachtete, und durch Zusatz von starker
Schwefelsäure geht diese Färbung in eine weinrothe bis veilchenblaue
über, was zuerst Kloss (59) feststellte. Aus diesen Reactionen schloss
Bütschli , dass die Körnchen aus einer dem Amyloid zunächst ver-
wandten Substanz bestehen. Früher wurden sie irrthümlicher Weise
häufig für Fett (Stein etc.) oder sogar für ein Kalksalz (Henle, 13)
gehalten.
Ihre allgemeine physiologische Bedeutung ist etwas schwierig zu be-
urtheilen, am natürlichsten möchte es erscheinen, sie mit Leuckart**) als
aufgestapelte Reservenahrung zu betrachten, jedoch ist bis jetzt nicht recht
abzusehen , wenn dieser Nahrungsvorrath zur Verwendung kommen soll.
Wir wissen wenigstens , dass zahlreiche Gregariniden die Hauptmenge
der Körner bei der Fortpflanzung ganz unverbraucht zurücklassen.
Jedenfalls erscheint daher diese Auffassung der Amyloidkörner nur in be-
schränktem Sinne zulässig.
Ausser den soeben genauer geschilderten Amyloidkörnern des Ento-
plasmas fand ich bei der Clepsidrina Blattarum noch anders beschaffne,
sehr feine Körnchen, welche deutlich hervortraten, wenn die Amyloidkörner
durch Kali zerstört wurden. Ihre chemische Natur blieb unsicher.
Hat man durch Kali die Amyloidkörner zerstört (Clepsidrina Blatta-
rum), so erscheint das restirende Plasma sehr deutlich netzförmig angeordnet.
Leider gelang es am lebenden Thier nicht, diese netzförmige Structur zu
beobachten und festzustellen, ob dieselbe ein reelles Structurverhältniss
ist, was mir nach später zu schildernden Beobachtungen an den
Cysten nicht unwahrscheinlich dünkt. Liessen sich wirklich netz-
förmige festere Structurelemente und flüssigere Erfüllungen dieses Netz-
werks, in welche die Körner eingebettet sind, unterscheiden, so wäre die
Molekularbewegung der Körnchen etwas weniger auffallend.
*) Vergl. hierüber: Bütschli, Archiv f. Aiiat. u. Physiol. 1871. p. 362.
**^ Arch. f. Naturgesch. 1855. IL p. 108. '
51Ö Grcgarinida.
Sehr seltne Erzeugnisse des Entoplasmas scheinen Fliissigkeitsvacuolen
zu sein, bis jetzt wenigstens sind nur einige wenige Beispiele hierfür be-
kannt. Bei jugendlichen Exemplaren der Clepsidrina Blattarum fand ich
nicht selten das Protomerit ziemlich vacuolär. Bei der eigenthümlichen
Monocystis aus Cyclops beobachtete Stein*) am Vorderende häufig einen
runden lichten Hohlraum, ähnlich einem contractilen Behälter und Rehberg
spricht sogar von einer contractilen Blase am Vorderende dieser Form**).
Höchst interessant ist durch die Reichlichkeit ihrer Vacuolisation die
Monocystide Conorhynchus Greeff. Bei dieser Form tritt im Laufe des
Wachsthums eine nahezu vollständige Vacuolisation des Entoplasmas ein,
so dass zwischen den sich polyedrisch zusammenpressenden Vacuolen nur
zarte Plasmascheidewände restiren. Bei den Syzygien beobachtet man
in jedem Individuum eine sehr grosse Vacuole der Paarungsfläche dicht
anliegend (T. 34. Sc).
Nur sehr selten weist das Entoplasma eine entschiedene Färbung
auf. Schneider wurden drei solche Fälle bei Polycystideen be-
kannt. Da keine weiteren Angaben über die Natur dieser Färbung
vorliegen, so dürfen wir wohl annehmen, dass das Plasma selbst gefärbt
ist. Die Färbung ist eine gelblich -orangeartige oder rothe. Schneider
kommt zu dem Schlüsse, dass es sich hierbei nicht um einen von den
Gregariniden selbst erzeugten, specifischen Farbstoff des Entoplasmas
handle, sondern dass die Pigmeutirung durch den Parasitenträger bedingt sei.
Bei den Wirtben der drei gefärbten Formen findet man nämlich auch den
Darmkanal, welcher die Gregariniden beherbergt, in entsprechender Weise
gefärbt, z. Th. auch die Färbung noch durch weitere Gewebe des
Wirthes verbreitet. Mit dieser Auffassung stimmt sehr wohl überein, dass
sich bei der Clepsidrina Munieri (der Timarcha tenebricosa) die Färbung
der freien und encystirten Gregarinen z. Th. verliert, wenn man ihre
Wirthe lange hungern lässt, ebenso dass die Färbung des Stenocephalus
Juli in Julus sabulosus viel intensiver erscheint wie im Julus terrestris,
in Harmonie mit der intensiveren Färbung des Darmes bei der ersteren
Julusart.
D. Bewegungsvorg-äiige und Eriiiihrungsverliältiiisse der Gregarinida.
Die freien Monocystideen und Polycystideen zeigen häufig ziemlich
energische Bewegungserscheinungen, doch verrathen viele Formen eine
*) Organismus dei' Infusioiistliiere II. y. 6 — 7.
•'■*) Abhandl. des naturwissenscli. Vereins zu Bremen VII. Bd. p. 68. (Nach der Abbil-
dung macht mir der helle Eaum, in dem sich bei der Bewegung riisselartig vorschiebenden
Vorderende dieser Monocystide , mehr den Eindruck einer Ansammlung hellen , körnerfreieii
Ectoplasmas. Die angebliche Contractilität -dieses hellen Raumes halte ich für sehr zweifel-
haft. Merkwürdig ist, dass sich an der Spitze des Vorderendes häufig zwei Ms mehr
schwarze Pünktchen (Protoplasmakörnchen Eehherg) finden.
Bewegungsvorgänge. 519
gewisse Launenhaftigkeit in ihren Bewegungen. Häufig kann man
zahlreiche Individuen anhaltend beobachten, ohne eine Spur activer Be-
wegungen wahrzunehmen, während andre oder die Individuen eines ande-
ren Wirthes anhaltende und ausgiebige Bewegungen ausführen. Die
näheren Bedingungen des Eintritts der Bewegung oder Ruhe sind bis
jetzt noch ganz unaufgeklärt. Die zellenschmarotzendeu Coccidien haben
bis jetzt im erwachsenen Zustand noch keinerlei Bewegungen erkennen
lassen, dagegen sind ihre Keime häufig recht beweglich, wie später zu
schildern sein wird.
Die Bewegungserscheinungen der erwachsenen freien Monocystideen
und Polycystideen sind etwas verschiedner Natur. Namentlich bei den
Polycystideen , jedoch auch nicht selten bei den Monocystideen beobach-
tete man zunächst einen Bewegungsvorgang, welchen Kölliker zuerst ge-
nauer beschrieb, wobei die Gregarinide ohne irgendwelche Gestaltsver-
änderung sich langsam in Richtung ihrer Körperaxe gerade fortschiebt,
Bei den Polycystideen gebt hierbei das Vorderende voran. Nicht selten
sistirt die Bewegung plötzlich ohne ersichtlichen äusseren Grund, um nach
einiger Zeit wieder zu beginnen. Stösst die Gregarinide bei ihrer Vor-
wärtsbewegung auf ein unnachgiebiges Hinderniss, so knickt sich das
Vorderende nach rechts oder links um und sie setzt nun ihre Bewegung
in einer zu der ursprünglichen senkrechten Richtung fort.
Ina Allgemeinen erinnert mich diese Vorwärtsbewegung am meisten
an die der Bacillariaceen , nur zeigen die Gregariniden nicht das eigen-
thümliche Hin- und Herwackeln wie jene. Eine zureichende Erklärung
dieser Bewegungserscheinung hat bis jetzt noch Niemand gegeben ; die
meisten Beobachter haben überhaupt keine Erklärung versucht, nur
Lankester glaubt sich bei der Monocystis (Urospora) Sipunculi tiber-
zeugt zu haben, dass diese Bewegung durch leichte, jedoch beständige
Ondulationen der Körperränder bewirkt werde. Mir scheint es jedoch
bis jetzt nicht recht verständlich, wie durch einen solchen Vorgang eine
Ortsbewegung hervorgehen soll, abgesehen davon, dass von den zahl-
reichen Polycystideen, welche bis jetzt in dieser Fortbewegung untersucht
wurden, eine ähnliche Beobachtung fehlt.
Eine zweite Reihe von Bewegungsvorgängen vollzieht sich unter den
Erscheinungen von partiellen Contractionen und Gestaltsveränderungen des
Gregarinidenkörpers, und zwar mit oder ohne Ortsveränderung. Am
schönsten sieht man diese Gestaltsveränderungen und Bewegungen zu-
nächst bei langgestreckten Monocystideen, wo sie schon von Du-
jardin (9) und Suriray (10) beobachtet worden sind. Auch die spä-
teren Beobachter, namentlich Kölliker, Stein und Schmidt geben
recht eingehende Beschreibungen dieser Bewegungsvorgänge. Im All-
gemeinen scheint das Wesen derselben (wenn wir einstweilen von
ihren Ursachen absehen) in einem mehr oder weniger energischen
Hin- und Herströmen des flüssigeren Entoplasmas zu bestehen. Sehr
520 Gregariuida.
schön zeigt sich dies z. B. bei der Monocystis agilis und andern Mono-
cystideen des Regenwurms, namentlich aber auch bei der Monocystis
tenax von Cyclops.
Bei der ersteren, und ähnlich verhält sich auch die letztere, sieht
man das körnige Eutoplasma einem Körperende zuströmen, welches dem
entsprechend keulig anschwillt, während das andre Ende sich verschmä-
lert, worauf dann eine Strömung in umgekehrter Richtung einsetzt und die
Gestalt sich entsprechend ändert (T. 33. 2 b). Gleichzeitig treten häufig auch
Beugungen und Krümmungen des Körpers in sehr verschiedner Weise ein.
Dieses Hin- und Herströmen dauert nicht selten lange Zeit in gleicher
Weise an. Auch beginnt der Rückstrom zuweilen schon zu einer Zeit,
wo der vom anderen Körperende herkommende Strom noch nicht zur
Ruhe gekommen ist; es treffen dann die beiden Ströme in der Mittel-
region der Monocystis zusammen , so dass dieselbe bauchig anschwillt.
Wie bemerkt, sind die Gestaltsändernngen und Bewegungsvorgänge der
Monocystis tenax und zahlreicher weiterer Monocystideen sehr ähnliche,
nur zeigen die erstgenannte Form und zahlreiche weitere gleichzeitig
auch mehr oder minder energische Ortsbewegungen im Gefolge dieses
Gestaltswechsels. Der Eindruck, welchen eine in dieser Weise sich fort-
bewegende Mouocystide macht, erinnert, wie auch schon Stein hervorhebt,
sehr an die Bewegungserscheinungen der einfacheren Rhizopoden, nur
modificirt durch die Anwesenheit einer den Körper äusserlich umschliessen-
den Cuticula. Die grösste Aehnlichkeit zeigen diese Bewegungen mit
denen geisselloser Euglenen, Astasien und verwandter ;Flagellaten , bei
welchen ja wohl gleichfalls eine durch die Gegenwart einer Hüllhaut
modificirte amöboide Beweglichkeit vorliegt.
Bei sehr langgestreckten Monocystideen (z. B. der Monocystis magna)
bemerkt man auch häufig etwas andere Bewegungserscheinungen. Es
treten hier ringförmige Einschnürungen des schlauchförmigen Körpers auf,
welche wellenförmig nach vorn oder nach hinten an dem Körper hin-
ziehen , natürlich unter gleichzeitiger lebhafter Strömung des Ento-
plasmas.
Nicht unähnliche Bewegungsvorgänge zeigen zu Zeiten auch die
Polycystideen. Schon v. Siebold (12) beschreibt die Bewegungen der-
selben (specieller der Clepsidrina Blattarum) als träge, wurmförmige Zu-
sammenziehungen. Meist beobachtet man einseitig auftretende Ein-
schnürungen des Deutomerits, in Folge deren die Gregarine auf der
eingeschnürten Seite zusammenknickt. Solche Einbiegungen oder -knickun-
gen treten häufig ziemlich plötzlich und mit ansehnlicher Energie auf.
Auch sieht man derartige Einschnürungen wellenförmig über den Rand des
Deutomerits hinziehen, häufig eine Anzahl hinter einander. Sehner sind
hier ringförmige, den Körper völlig umziehende Einschnürungen, jedoch
konnte ich gelegentlich auch solche beobachten, wobei das Entoplasma
langsam aus dem einen Abschnitt durch die Einschnürungsstelle hindurch
Beweguiin-svorgäng-e. 521
in den anderen strömte. Bei zahlreichen Formen «ollen sich diese
Bewegiingsvorgänge nach Schneider aiil' das Deiitomerit beschränken,
seltner dagegen soll auch das Protoroerit entsprechende Bewegungen
zeigen.
Gelegentlich beobachtet man aber auch viel energischere Gestalts-
vcränderungen mancher Polycystideen (so z. B. Clepsidrina polymorpha
und Blattarum), wobei sich gleichzeitig eine lebhafte Ortsveränderung
vollzieht. Hierbei krümmt und windet sich das Thier nach den verschie-
densten Richtungen, die Gestalt wird sehr unregelmässig und veränderlich
und das Entoplasma strömt energisch bald nach dieser, bald nach jener
Ausbuchtung des Körpers hin. Im Ganzen macht auch dieser Bewegungs-
vorgang ganz den Eindruck einer im Hinfiiesseu begriffnen Amöbe, deren
Strömungsvorgänge durch die Gegenwart einer festeren Hüllhaut ein-
geengt sind.
Eigeuthümliche Bewegungserscheinungen zeigen ferner gewisse kleine
Monocystideen von ganz oder theilweise spindelförmiger Gestalt (Mono-
cystis Enchytraei Köll.). Hier krümmt sich der Körper ruckweise bogen-
förmig zusammen, um sich hierauf wieder zu strecken (T.34.9b). Anch Clapa-
rede beschreibt die Bewegungen kleiner Monocystideen aus Phyllodoce in
ähnlicher Weise. — Diese Art der Bewegung ist derjenigen sehr ähnlich,
welche die sogen, sichelförmigen Keime der Gregariniden zeigen und die
wir später noch eingehender zu betrachten haben werden. Es scheint
mir jedoch auch nicht ganz sicher, ob diese kleinen Monocystideen wirk-
lich reife Formen sind, wenngleich ihre Länge die der sichelförmigen
Keime beträchtlich übertriift.
Einige Worte nun noch über die versuchten Erklärungen dieser Be-
wegungsvorgänge der Gregariniden.
Die verschiednen Beobachter sind darüber einig, sie den Contractions-
erscheinungen zuzurechnen. Es lassen sich nun auch eine Reihe der im
Vorstehenden geschilderten Bewegungsphänomene nicht wohl anders als
in solcher Weise beurtheilen. Die plötzlichen Knickungen , ruckweisen
Zusammenbiegungen und ringförmigen Einschnürungen erklären sich jeden-
falls in dieser Weise am einfachsten. Doch darf nicht unberücksichtigt
bleiben, dass die Bewegungserscheinungen häufig auch eine grosse Aehn-
lichkeit mit der amöboiden Bewegung einfacherer Rhizopoden besitzen.
Wir wissen ja auch, dass die Jugendformen gewisser Gregarinen (Poro-
spora nach Beneden) wohl sicher echte amöboide Beweglichkeit zeigen.
Es will mir daher scheinen , dass die Gregariniden mit der Fähigkeit
amöboider Plasmaströmung, an welcher speciell das Entoplasma activen
Antheil nimmt, gleichzeitig wirkliche Contractionsfähigkeit verbinden.
Ueber den Sitz dieser Contractionsfähigkeit sind die Beobachter gleich-
falls ziemlich einig. Dass wir nicht die Cuticula, wie Kölliker (17),
Stein (18) u. A. ursprünglich annahmen, als contractu betrachten dürfen,
kann wohl keinem Zweifel unterliegen. Dagegen scheint Vieles dafür zu
522 Gregarinida.
sprechen, dass das Ectoplasma, wo es ausgebildet, der Sitz der Contracti-
lität ist. Hierfür spricht namentlich die Beobachtung, dass dasselbe sich
an contrahirten, eingefalteten Stellen nicht unbeträchtlich verdickt, worauf
schon Lieberkühn (30) hinwies und was auch Schneider hervorhebt.
Lankester und Beneden sprechen sich entschieden für die Contractilität
des Ectoplasmas aus.
Mit Schneider müssen wir es dagegen als fraglich betrachten , in-
wiefern die von Beneden als Muskelfibrillenschicht bezeichnete Differen-
zirung des Ectoplasmas wirklich bei den Contractionsvorgängen der Gre-
gariniden betheiligt ist. Das Bedenken, welches sich gegen eine solche,
anfänglich sehr natürlich scheinende Auffassung der Querfaserschicht er-
hebt, ist, dass es nicht wohl gelingen will, die Contractionsvorgänge der
Gregariniden aus der nothwendigen Wirkungsweise einer solchen Ring-
oder Querfaserschicht herzuleiten.
Nur die ringförmigen, bei den Polycystideen im Allgemeinen nicht
sehr häufigen Einschnürungen würden sich ungezwungen durch die Con-
traction einer derartigen Faserlage erklären lassen, wogegen die übrigen
Bewegungserscheinungen, wie Schneider mit Recht betont, nicht wohl
auf die Wirksamkeit einer solchen Schicht zurückführbar erscheinen.
Immerhin wird nicht ausser Acht zu lassen sein, dass sowohl die Be-
wegungserscheinungen der Gregariniden, wie die Verhältnisse der Fibrillen-
schicht des Ectoplasmas noch weiterer genauerer Untersuchung bedürfen,
um mit ausreichender Sicherheit über die eventuelle active Theilnahme
der Fibrillenschicht an den Bewegungsvorgäugen urtheilen zu können.
Am Schlüsse dieses Abschnittes genügen zwei Worte, um den Stand-
punkt unsrer heutigen Kenntnisse von der Ernährungsweise der Grega-
rinida darzulegen.
Nach Allem, was wir über Bau und Verhalten dieser Wesen wissen,
müssen wir die alte Auffassung, dass die Ernährung durch Aufsaugung
mittels der Körperoberfläche stattfinde, für richtig erachten. Irgend etwas
Genaueres über die Ernährungs- und Stoffwechselvorgänge ist nicht be-
kannt. Betonenswerth erscheint vielleicht nur noch, dass keinerlei Wahr-
nehmungen für einen mehr pflanzlichen Verlauf des Stoffwechsels sprechen,
so dass auch die eigenthümliche Art der Ernährung, welche übrigens
zahlreiche Analoga unter protozoen wie metazoen Schmarotzern besitzt,
nicht wohl gegen die Herleitung unsrer Formen von einzelligen Wesen
mit echt-thierischer Ernährung ins Feld geführt werden kann.
E. Der Nucleuä.
Der Zellkern der erwachsenen Gregariniden ist meist ein relativ so
ansehnliches Gebilde, dass er schon bei oberflächlicher Betrachtung sofort
als ein heller Fleck in der dunklen Entoplasmamasse auffällt. Wir fanden
denn auch schon früher, dass er selbst Cavolini im vorigen Jahrhundert
nicht entgangen war. Das Vorhandensein eines Zellkerns bei den er-
Bcwcg'uugsvorgängc. Nuclcus. 523
wacbsenen Gregariuiden darf weiterhin mit Recht als ein constantes be-
zeichnet werden.
Die wenigen Angaben neuerer Forscher, welche von einem gelegentlichen Fehlen des-
selben bei gewisseil Gregarinen berichten — so vermisste Stein (IS) den Nuclcus bei seiner
(iregarina (Didymopbyes) paradoxa, Lankester (29) konnte gelegentlich keinen Nucleus bei der
Monocystis agilis des Eegenwurms auffinden — beruhen wohl ohne Zweifel auf mangelhafter
Beobachtung.
Nicht mit derselben Sicherlieit liess sich bis jetzt der Nachweis des Zellkerns bei den
sogen. Coccidien führen. Immerliin ist die Gegenwart eines deutlichen und ziemlich ansehn-
liclien Zellkerns im nichtencystirten, jedoch erwaclisenen Zustand dieser Gregariniden von einer
grossen Zahl von Forschern so häufig constatirt worden , so Klebs , Kloss , Eberth , Stieda,
Waidenburg, Eimer, Neumann, Leuckart, Biitsclili uud Aim. Schneider, dass wir auch für die
Coccidien den Kern als einen durchaus constanten Organisationsbestandtheil im erwachsenen
und nicht encystirten Zustand aufführen dürfen. Dass eine ziemliche Anzahl der erwähnten
Beobachter neben den kernhaltigen Individuen gelegentlich auch kernlose auffanden , dürfte
bei Objecten, deren Kleinheit der Beobachtung häufig grosse Schwierigkeiten bereitet,
nicht gegen die Annahme einer allgemeinen Verbreitung des Nucleus sprechen.
^^■ährend nun, wie aus dem eben Erwähnten hervorgeht, nur noch wenige Zweifel darüber
bestehen können, dass die erwachsenen Gregariniden eines Kernes nie entbehren, hat sich da-
gegen in neuerer Zeit die Ansicht ziemlich allgemeine Geltung erworben, dass die jugendlich-
sten Entwicklungsstufen meist kernlose Cytoden darstellen. Obgleich wir erst im Kapitel über
Fortpflanzung und Entwicklung unsrcr Organismen genauer auf diese Frage eingehen werden,
wollen wir doch nicht unterlassen, an dieser Stelle gleich unsrer üeberzeugung Ausdruck zu
verleihen, dass auch im jugendlichsten Zustand den Gregariniden der Kern nicht fehlt und dass
sehr wahrscheinlich auch bei unsrer Abtheilung die tiefer eindringende Forschung den Nach-
weis wird führen können, dass überhaupt keinem Lebensstadium der Kern gänzlich fehlt.
Gegenüber anderen Protozoen zeichnen sich die Gregarinen haupt-
sächlich dadurch aus, dass sich fast durchaus nur ein einziger Kern findet.
Die Beobachtung mehrerer und dann höchstens zweier Kerne ist so selten
gemacht worden, dass die Einkernigkeit sicher als der normale Zustand
bezeichnet werden muss. Zwei Kerne wurden gelegentlich von KöUiker
(17) bei seiner Gregarina Terebellae, von Leidy (22) bei Greg. Polydesmi
und Juli, von d'üdekem*) bei der Monocystis magna des Regenwurms
und von A. Schneider (40) bei Porospora gigantea v, Bened. wahrgenom-
men. Jedoch beziehen sich diese Beobachtungen durchaus auf Arten, bei
welchen die Einkernigkeit das normale Verhalten ist.
Der Kern ist dem Entosark eingelagert und zwar schwebt er frei in
demselben, so dass er bei den Contractionen des Gregarinenkörpers mit
dem Entosarkstrom bald hier- bald dorthin verschoben wird, was jedoch
nicht ausschliesst, dass er bei der Mehrzahl der Individuen im ruhigeren
Zustand auch eine annähernd constante Lage besitzt. Seine Lage
kann jedoch bei den verschiednen Formen sehr verschieden sein. Bei
den Polycystideen liegt der Kern stets im Entosark des Deutomerits.
Der Bau des Gregarinidenkernes ist ein exquisit bläschenförmiger.
*) M6m. cour. et mcm. d. sav. 6trang. de l'Acad. roy, de Belgique. T. XXII. 1S56.
p. Ki— IT. Taf. I. Fig. 17.
524 Gregarinida.
Diese Thatsache haben schon v. Siebold und KöUiker hervorgehoben, sie wurde je-
doch von V. Frantzius und Stein in Abrede gestellt. Nach beiden letztgenannten Forschern
sollte der Kern sich nicht wie ein mit Flüssigkeit gefülltes Bläschen, sondern wie ein solider,
zäher und gallertartiger Körper verhalten. Beide schliessen dies aus seinem Verhalten gegen
Druck, wobei er nicht zerplatze, sondern entweder in Stücke zerbreche oder sich beliebig breit
quetschen lasse. Die neueren Beobachter, wie Beneden und Schneider, bestätigten dagegen
wieder seine Bläschennatur, und zwar gerade dadurch, dass heftiger Druck das Platzen der
Hülle und Ausfliessen des Inhalts hervorrufe. Jedenfalls besitzt die zarte, jedoch scharf und
deutlich erscheinende Kernmembran eine relativ beträchtliche Festigkeit und Elasticität, so dass
sie einem recht starken Druck widersteht und bei Nachlassen desselben der Kern wieder zu
seiner ursprünglichen Form zurückkehrt.
Die Gestalt des Kernes ist meist eine kuglige, seltner ellipsoidische
oder eiförmige, gelegentlich ist er noch etwas mehr in die Länge ge-
streckt. Der Kerninhalt besteht aus einer hellen, sonder Zweifel mehr
oder minder flüssigen Masse, die bei der Betrachtung im lebenden Zustand
keine weiteren Structurverhältnisse wahrnehmen lässt. — Diese Kern-
flüssigkeit bildet nun nach der Darstellung Schneider's entweder allein
den Inhalt oder sie enthält noch sogen. Nucleoli in verschiedner Zahl
und Beschaffenheit. Die Angabe Schneider's, dass sich bei einer ziem-
lichen Zahl von Geschlechtern der Kern bald ohne, bald mit Nucleoli
zeigen soll, bedarf noch einer genaueren Prüfung.
Die Binnenkörper oder Nucleoli bieten, wie bemerkt, ziemliche
Verschiedenheiten dar. Sie bestehen aus einer ziemlich stark licht-
brechenden, meist homogen und ziemlich dicht erscheinenden Masse.
Entweder findet sich nur ein einziger und dann meist ziemlich an-
sehnlicher Nucleolus, so nach Schneider (40) durchaus bei den Geschlech-
tern Clepsidrina, Euspora und Gamocystis. Bei zahlreichen anderen Ge-
schlechtern dagegen tritt neben einem grössern eine sehr verschiedne Zahl
kleinrer Nucleoli auf, welche meist unregelmässig durch den Binnenraum
des Kernes zerstreut sind, oder sich zuweilen auch zu einem Häufchen
zusammengruppiren. Ein solches Häufchen dicht zusammengepackter
kleiner Nucleoli , wie es z. B. Kölliker schon von seiner Gregarina Sie-
boldii beschrieben hat, kann leicht mit einem einfachen grösseren Nucleo-
lus verwechselt werden. So besitzt z. B. die Clepsidrina Blattarum nach
meinen Beobachtungen im erwachsenen Zustand statt eines einfachen
Nucleolus stets einen solchen Haufen von Nucleoli, so dass hiernach die
oben erwähnte Schneider'sche Angabe zu berichtigen ist.
Bei dieser Form lässt sich ferner leicht constatiren, dass die Zahl der Nucleoli, welche
das Häufchen bilden, mit dem Alter der Thiere zunimmt. In sehr jugendlichem Zustand
tindet sich nur ein einziger Nucleolus vor, successive vermehrt sich ihre Zahl mit der Grössen-
zunahme des Thieres*). Ein derartiges Verhalten vermuthete schon Kölliker auf Grund der
verschiednen Zahl der Nucleoli bei einer und derselben Form; ob sich jedoch, wie er gleich-
falls anzunehmen geneigt ist, die Nucleoli durch allmählichen Zerfall des ursprünglich ein-
zigen vermehren, scheint mir bis jetzt noch nicht hinreichend erwiesen. Man bemerkt zwar
*) Auch die Jugendformen der Porospora gigautea v. B,ened. weisen stets nur einen ein-
zigen Nucleolus auf; die erwachsenen dagegen gewöhnlich zahlreiche.
Nucleus (Bau). . 52')
nicht selten eingeschnürte oder gelappte Nucleolusformen, welche sich auf solchen Zerfall be-
zichen Hessen , jedoch könnten dieselben auch durch nachträgliche Verschmelzung hervorge-
gangen sein; hierüber uiuss die Entscheidung durch directe Beobachtung abgewartet
werden.
In den grösseren Nueleoli beobachtet man zuweilen eine oder mehrere
ziemlich ansehnliche Vacuolen , welche vielleicht schon Siebold wahrge-
nommen hat, da er die Nueleoli als Bläschen bezeichnet; KöUiker be-
schrieb einen solchen Fall schon sehr kenntlich bei Hoplorhynchus oliga-
canthus. Diese Erscheinung ist jedoch nach den Abbildungen Lieberkühn's,
ßeneden's, Schneiders etc. auch sonst noch recht verbreitet. Gewöhnlich
scheinen die Nueleoli frei in der Kernfliissigkeit zu schweben; bei Mono-
cystis magna schien mir jedoch der Nucleolus an der Kernhülle angeheftet
zu sein, eine Erscheinung, welche vielleicht noch weiter verbreitet ist. In
anderen Fällen mag er an einem zarten Kernnetz befestigt sein , denn
obgleich ein solches am lebenden Kern nicht deutlich zu sehen ist, lässt
es sich doch bei der Clepsidrina ovata nach Essigsäurebehandlung recht
wohl wahrnehmen; bei anderen Formen dagegen gerann die Kernflüssig-
keit nach Zusatz von Essigsäure feingranulär, ohne dass ein Kernfaden-
netz hervortrat.
Ein ganz eigenthümliches Verhalten sollen nach van Beneden (32)
die Nueleoli der Porospora gigantca zeigen. Dieselben besitzen im All-
gemeinen ganz dasselbe Aussehen, wie die der übrigen Gregarinen, sollen
aber in raschem Wechsel verschwinden und wieder auftauchen. Während
z. B. der ursprünglich einfache Nucleolus schnell an Grösse abnimmt und
schliesslich ganz schwindet, tauchen zahlreiche neue, zuerst ganz kleine
hervor, welche rasch anwachsen, wieder verschwinden und so fort.
Zuweilen soll auch jede Spur der Nueleoli gänzlich verschwunden
sein. Dieser Wechsel vollziehe sich ungemein rasch, manchmal nahezu
momentan (vergl. T. 36. 9 a — f).
Bei anderen Gregarinen ist bis jetzt von einer solchen Wandelbarkeit der Nueleoli kaum
etwas bekannt; zwar theilt Schneider (;58) mit, dass er dieselbe Erscheinung bei gewissen
Gregarinen gefunden habe, in seiner grösseren Arbeit (40) geht er jedoch auf dies merkwür-
dige Phänomen nicht näher ein, wenn nicht vielleicht seine Angabe: dass man im Kern von
Actinocephalus (ähnlich auch Hoplorhynchus, Stylorhynchus und Bothriopsis) häufig zahlreiche
feine Granulationen, wie eine Wolke erscheinen sehe, die sich zu einem centralen Haufen
verdichten könne, auf diese Vorgänge zu beziehen ist. Ist dies wirklich der Fall, wie zu ver-
muthen , da Schneider dieser Erscheinung direct im Zusammenhang mit den Beneden'schen
Beobachtungen gedenkt, so dürfte hieraus wohl geschlossen werden, dass er geneigt ist, die
Wandelbarkeit der Nueleoli durch bald hier , bald dort stattfindende Anhäufung der feinen
Granulationen und Wiedervertheilung derselben zu erklären.
Ueber Theilungsvorgänge des Kerns der Gregarinen ist bis jetzt
durchaus nichts bekannt und sein Verbalten bei der Encystirung, Copu-
lation und der Fortpflanzung überhaupt wird späterhin noch genauer zu
betrachten sein.
526 Gregarinida.
i. Fortpflanzuiigserscheinungeii der fwiegariiiida.
Wie schon früher betont wurde, ist eine Vermehrung der Gregariniden
durch einfache Theilung nie sicher beobachtet worden*). Selbst die zusam-
menhängenden Gregarinen (Syz^'gien), welche leicht für Tbeihingszustände
hätten gehalten werden können, sind bis jetzt nie ernstlich in dieser Weise
gedeutet worden. Die einzig bekannte und auch wohl sicher allein existi-
rende Fortpflanzungsweise geschieht durch Encystirung und Sporenbildung.
Da wir schon in der allgemeinen historischen Einleitung die allmähliche
Entwicklung unsres Wissens von der Fortpflanzung der Gregarinen etwas
näher betrachteten, verzichten wir hier auf eine Wiederholung dieses
Gegenstandes und werden nur im Verlaufe der Darstelhing auf einzelne
historische Daten von Wichtigkeit Rücksicht nehmen.
I. Fortpflanzungserscheinungen der freien, d. b. nicht
intracellulär schmarotzenden Gregariniden.
A. V orbereitende Erscheinungen , Conjugation.
Bei einer ansehnlichen Zahl von Gregarinen, hauptsächlich jedoch
den Polycystideen, scheinen die Vorbereitungen zur Fortpflanzung schon
sehr frühzeitig im Leben einzutreten, schon lange bevor die volle Wachs-
thumsgrösse erreicht ist. Als derartige vorbereitende Erscheinungen dür-
fen einmal die schon so lange bekannten Vereinigungen zweier und meh-
rerer Thiere (sowohl bei den Monocystideen wie den Polycystideen) in
Anspruch genommen werden , als auch wohl die bei zahlreichen Poly-
cystideen zu beobachtende Verstümmlung : das heisst das Abwerfen des
Haftapparates, des Epimerits, womit die Gregarine ihre Befestigung an
der Wand des Darmkanales aufgibt und frei wird. Da diese Loslösung
nothwendig erscheint, einmal zur Einleitung des Conjugationsprocesses,
andrerseits zur Entleerung der Cysten in die Aussenwelt, so kann der
Vorgang, obgleich er meist schon sehr frühzeitig im Leben der Poly-
cystideen auftritt, doch auch unter die Vorbereitungen zur Fortpflanzung
gerechnet werden. Grossen Werth lege ich natürhch nicht auf diese Auf-
fassung, doch ist hier wohl die geeignetste Stelle zur Besprechung dieser
Vorgänge. Betrachten wir also zunächst diesen Process der Lösung und
des Verlustes des Haftapparates bei den Polycystideen.
Schon V. Siebold (12) machte die Erfahrung, dass der rüsselartige Haftapparat seiner
Gregarina oligacantha sehr leicht abreisse; dieselbe Erscheinung wurde von Kölliker (13) bei
der nämlichen und ähnlich ausgerüsteten Formen mehrfach beobachtet, beide Forscher hielten
diesen Vorgang jedoch für einen anormalen. Dagegen vermuthete schon v. Frantzius (15),
*) Kölliker (14, 16, 17) hielt eine Zeit lang die Zweitheilung (endogene Zellbildung)
der Gregarinen für wahrscheinlich. Er stützte sich dabei auf gewisse Beobachtungen an seiner
Monocystis (ürospora) Sipunculi, welche jedoch sicherlich auf Copulations- , nicht aber auf
Theilungserscheinungen bezogen werden müssen. Einige weitere Angaben über gelegentliche
Vermehrung gewisser Mono- und Polycystideen durch einfache Theilung, werden wir weiter
unten noch berühren; dieselben erscheinen aber theils sehr unsicher, theils können wir sie
ohne anderweitige Bestätigung nicht ohne Bedenken acceptiren.
Forlpflanz, d. IVci^'n Gregarinidcn (Vorher. Erscheinungen). 527
dass dieser Verlust des Haftapparates auch als ein normaler Vorgang im Lehen der Poly-
cystideen auftrete, ohne diese Annahme ahcr durch genügende Beweise zu erhärten. Stein (18)
liob zuerst hervor, dass „alle mit einem Haftapparat versehenen Gregarinen im reifsten Lebens-
alter stets ohne denselben getroffen werden" und dass sie alsdann zur Conjugation schritten.
Durch die neueren Untersuchungen von Schneider wurde diese Erscheinung ganz sicher ge-
stellt und namentlich auch noch constatirt, dass sich dieselbe keineswegs, wie früher vermuthet
wurde, nur im erwachsenen Lebensalter vollziehe, sondern sie bei nicht wenigen Formen
schon sehr frühzeitig eintritt. Letzteres scheint sich hauptsächlich bei denjenigen zu finden,
deren Haftapparat nur eine geringe Entwicklung besitzt, z. B. der so häufigen Gattung Clepsi-
drina. Hier geht der Haftapparat schon zu einer Zeit verloren , wo die Thiere noch nicht
den fünften Theil ihrer definitiven Länge erreicht haben. Es ist daher auch natürlich, dass
hier die Beohachtung des Haftapparates, sowie des Ueberganges der Cephalonten in die
Sporonten erst in neuester Zeit gelang. Sehr frühzeitig tritt nach Schneider der Verlust des
Haftapparats auch hei Stylorhynchus ein.
In den meisten Fällen geht das ganze sogen. Epimerit verloren ; eine
Ausnahme von diesem Verhalten machen nm- die Gattungen Clepsidrina
und Echinocephalus, bei der ersteren w^ird nur das in die Darmzelle ein-
gesenkte Knöpfchen abgevs^orfen, wogegen der grössere Theil des Schneider'-
schen Epimerits als vordrer Theil des Protomerits erhalten bleibt. Bei
Echinocephalus dagegen bleibt das asymmetrische Epimerit dauernd er-
halten und es gehen nur seine finger- bis stiletförmigen Anhänge, welche
die eigentlichen Befestigungsorgane darstellen, sehr frühzeitig verloren.
Das Abwerfen der Haftapparate scheint stets in der Weise vor sich
zu gehen, dass dieselben thatsächlich von dem Protomerit oder dem noch
persistirenden Theil des Epimerits abgeschnürt und losgelöst werden und
hierauf sehr rasch in definitiven Zerfall tibergehen (T. 36. 13a — b). Bei der
Clepsidrina Blattarum bemerkt man an dem vorderen Pol des Protomerits der
Cephalonten, an der Stelle, wo sich das Kopfzäpfchen gelöst hat (namentlich
bei jugendlichen Cephalonten) sehr deutlich eine Art strahliger Einziehung
der Cuticula. Diese Erscheinung lässt sich vielleicht auf die bei Lösung
des Kopfzäpfchens stattfindende Einschnürung der Cuticula und den Ver-
schluss der hierbei erzeugten Wunde zurückführen.
Bei den befestigten Monocystideen , von welchen bis jetzt nur eine
Form, die Monocystis magna, bekannt ist, geht die Lösung ohne Zweifel
ohne Verlust eines Körpertheils vor sich, tritt jedoch auch hier sicherlich
vor der Fortpflanzung ein.
Als weitere, vorbereitende Erscheinung der Fortpflanzung haben wir
noch die Conjugation ins Auge zu fassen, die Erscheinung nämlich, dass
zahlreiche Gregarinenformen (und zwar sowohl Mono- wie Polycystideen)
sich mehr oder weniger frühzeitig während ihres Lebenslaufs zu zweien
oder zuweilen auch zu mehreren zusammenhängen und in diesem Zustand
lange Zeit verharren, ohne dass sich wesentliche Veränderungen an ihnen
beobachten Hessen oder dass eine innigere Vereinigung durch theilweise
Verschmelzung zu Stande käme. Obgleich diese Erscheinung schon so
lange bekannt ist, hat sie doch bis in die neueste Zeit noch keine allge-
mein angenommne Erklärung gefunden, ja ihre Bedeutung bei den Poly-
cystideen wurde gerade neuerdings wieder als ganz zweifelhaft bezeichnet.
528 Gregarinida.
Schon Dufour, welcher gepaarte Formen bei den Polycystideen der Insecten viel-
fach beobachtete, deutete sie in richtiger Weise als zwei zusammenhängende Thiere. Kölliker
sprach dagegen 1S4S die Vermuthung aus, dass dieselben sich vielleicht durch sehr frühzeitig
auftretende Theilung erklären Hessen. Er musste, um sich die vorliegenden Thatsachen durch
die Annahme von Theilung verständlich zu machen, nicht nur für gewöhnlich Quer-, sondern
auch für die Erklärung des zeitweiligen Anhängens zweier kleinerer Thiere an einem grösse-
ren, gelegentliche Längs-Theilung annehmen. Die ünzulässigkeit dieses Erklärungsversuches
ergab sich jedoch daraus, dass eben bis heute noch durchaus nichts von einem solchen
Theilungsprocess auf irgend einer Wachsthumsstufe der Gregarinen beobachtet werden konnte
und weiterhin sicher dadurch, dass die mit Ilaftapparat versehenen Polycystideen stets un-
gepaart sind, so lange sie diesen Apparat noch besitzen, dass sich dagegen an den ihres
Haftapparats beraubten, gepaarten Thieren z. Th. noch der Nacliweis führen lässt, dass beide
aus den jugendlichen, isolirten Thieren hervorgegangen sind. Eine directe Beobachtung des
Conjugationsactes liegt jedoch bis jetzt noch nicht vor, dürfte auch wohl grosse Schwierig-
keiten haben.
Wie bekannt, fasste Stein zuerst diese Vereinigung der Gregarinen
als einen Conjugationsact auf und glaubte durch seine Beobachtungen so-
wohl für die Monocystideen wie die Polycystideen festgestellt zu haben,
dass die Syzygien sich schliesslich gemeinschaftlich encystirten und nun
durch Verschmelzung ihrer Leibesmassen zur Copulation und Fortpflan-
zung schritten. Spätere Beobachter, wie Lieberktihn, Schmidt, van Beneden
und Andre, welche sich auf Grund ihrer Untersuchungen gegen die all-
gemeine Zulässigkeit der Conjugationslehre Stein's aussprachen, haben es
nicht versucht, eine Erklärung der Syzygien zu geben. Zum Theil mögen
sie für gewisse Formen die Annahme Stein's stillschweigend als gültig
erachtet haben, z. Th. sahen sie wohl in der Syzygienbildung eine räthsel-
hafte Erscheinung, für deren Verständniss der Schlüssel noch fehle. Auch
der neueste und treffliche Beobachter der Gregarinen, A. Schneider, sieht
in der Vereinigung keine Beziehungen zur Fortpflanzung. Ihm waren
zwar zwei sichere Fälle von Copulation bekannt, welche weiter unten
noch näher erörtert werden, dagegen scheint er für die zusammenhängen-
den Paare die Stein'sche Lehre durchaus zurückzuweisen. Nach ihm
sollen sich die Syzygien entweder kurz vor der Encystirung und Fort-
pflanzung wieder trennen, um sich solitär zu encystiren, oder aber bei
gemeinsamer Encystirung nicht verschmelzen, sondern Doppelcysten bilden,
ein Vorgang, welchen er als Pseudoconjugation bezeichnet. Ich muss je-
doch gestehen, dass mir die Schneider'schen Untersuchungen und Deu-
tungen bezüglich dieses Punktes nicht das grosse Zutrauen zu ver-
dienen scheinen, welches seiner Arbeit sonst zu zollen ist. Ich bin im
Gegentheil geneigt, der Stein'schen Deutung im Allgemeinen zuzustimmen,
da ich mich bei zwei Polycystideen persönlich von ihrer Richtigkeit tiber-
zeugt habe, ohne damit jedoch die Möglichkeit gänzlich zurückweisen
zu wollen, dass in gewissen Ausnahmefällen nicht auch nachträg-
liche Trennung und gesonderte Encystirung der Einzelindividuen der
Paare eintrete. Die Belege für die eben ausgesprochne Ansicht
werden wir weiter unten bei der Betrachtung der Encystirung noch
kennen lernen.
Fortpfl. d. fr. Gregarinidcii (Syzygicnbiklung). 529
Zunächst noch einige Worte über die Art der Syzygienbildung und
das Verhalten der Einzelthiere hierbei.
Die Syzygien bilden sich in etwas verschiedner Weise bei den Mono-
und Polycystideen. Schon Henle (13), welcher zuerst eine gepaarte
Eegeuwurnimouocystis beobachtete, fand, dass sich die Individuen mit
den gleichnamigen Körperenden aneinander geheftet hatten. Diese Er-
fahrung wurde später von Kölliker für seine Monocystis Saenuridis be-
stätigt (T. 34. 8 a), das Gleiche fanden Stein und spätere Forscher bei der
sogen. Zygocystis des Regenwurmhodens (T.34. la), Schneider bei der ver-
wandten Gamocystis (T.34. 2a) und Greeff bei seinem Conorhynchus (34.3c);
auch Giard sah die Monocystiden des Darmes von Amauroecien sich gewöhn-
lich mit den breiten Enden copuliren. Nur Lachmann*) berichtet von seiner
Zygocystis puteana, dass die Individuen der Paare mit den ungleichnamigen
Enden zusammengefügt seien, indem das Vorderende des hinteren etwas
in das Hinterende des vorderen eingesenkt sei.
Nach dem Bemerkten scheint es, dass die erstgeschilderte Ver-
einigungsweise der Monocystiden wohl allgemeine Gültigkeit besitzt; ja
ich möchte wohl vermuthen, dass die Lachmann'sche Angabe auf irr-
thtimlicher Beobachtung beruhe.
Schneider bezeichnet die beschriebne Verbindungsweise der Mono-
cystideen, im Gegensatz zu der gleich zu schildernden der Polycystideen,
als Apposition und hebt hervor, dass die in solcher Weise vereinigten
Monocystideen ganz bewegungslos seien. Soweit die Ortsbewegung in
Frage kommt, dürfte dieser Ausspruch wohl gerechtfertigt sein, dagegen
scheint derselbe nicht gültig, wenn wir auch die Gestaltsveränderungen
der Thiere dem Begriff der Bewegung unterordnen. Zwar sind gewisse
in dieser Weise gepaarte Monocystideen, wie die Zygocystis cometa
Stein's und die Gamocystis tenax Schneider's stets ganz regungslos an-
getroffen worden, dagegen hat Kölliker an den Syzygien seiner Monocystis
Saenuridis sehr schwache und träge Gestaltsveränderungen beobachtet.
Dass auch drei Individuen sich zuweilen in gleicher Weise verbinden
können, wissen wir durch die Beobachtungen Stein's an der Zygocystis
cometa (T. 34. Ib).
Im Gegensatz zu den Vereinigungen der Monocystideen bilden sich
die der Polycystideen, soweit bekannt, fast durchaus so, dass sich die
Einzelindividuen mit den ungleichnamigen Enden zusammenhängen. Es
ist also das Protomerit des hinteren Thieres dem Deutomerit des vorderen
angefügt (35. 7). Gewöhnlich sind zwei Sporonten von nahezu gleicher Grösse
in dieser Weise vereinigt. Nicht selten ist jedoch das hintere Individuum
kleiner, ja zuweilen bleibt es hinter dem vorderen sehr beträchtlich an
Grösse zurück. Stein erklärt sich den letzteren Fall durch die Annahme,
dass ein Paar erwachsener Individuen durch Zufall getrennt worden sei,
und nun nachträglich eine Verbindung mit einem jüngeren, kleineren
*) Sitzungsberichte der niederrhein. Gescllsch. zu Bonn 1859. p. tm.
Itiiiiiii, KlassPii (Ifs 'l'liior-Roii'.lis. riotozoii, 31
530 Gregaiinida.
Exemplar stattgefunden habe. Inwiefern diese Erklärung gerechtfertigt
erscheint, soll hier nicht näher untersucht werden.
Das Protomerit des hinteren Individuums einer solchen Syzygie unter-
scheidet sich gewöhnlich in seiner Gestalt etwas von dem des vorderen.
Es umfasst nämlich das Hinterende des vorderen Paarlings mehr oder
weniger innig, wenigstens bei solchen Paaren, wo die beiden Exemplare
von ähnlicher Grösse sind. Wenn eine Lösung der Syzygie eingetreten
ist, erkennt man die hinteren Exemplare gewöhnlich leicht, da ihr Proto-
merit noch eine deutliche Einsenkung besitzt, in welche das Hinterende
des vorderen Thiers eingepflanzt war. Wie schon früher angedeutet
wurde, scheint namentlich bei den von Stein als Didymophyiden be-
zeichneten Polycystideen die Verbindung eine sehr innige zu sein, da hier
wahrscheinlich das ganze Protomerit des hinteren Individuums in das
Hinterende des vorderen eingesenkt ist.
Zuweilen wird auch bei den Polycystideen beobachtet, dass sich mehr wie
zwei Individuen mit einander vereinigen ; dies kann entweder so geschehen,
dass dem Hinterende eines grossen Individuums zwei, ja auch drei bis vier
kleine angefügt sind, oder aber sehr selten, wie es scheint, derart, dass
drei gleichgrosse Individuen in einer Keihe zusammenhängen, ein Fall,
welcher bis jetzt nur von v. Siebold bei der Gregarina longissima (PorosporaVj
einmal beobachtet wurde*). Die Pewegungsfähigkeit der Polycystideen-
syzygien hat keine Eiubusse erfahren, sie bewegen sich gewöhnlich ebenso
energisch durch einfache Translation oder durch Contractionen, wie die
einfachen Thiere. Mehrfach fand ich nur das vordere Thier in Bewegung,
das hintere wurde dann einfach nachgezogen.
Die gegenseitige Verbindung der Individuen scheint bei den seither
beschriebnen Syzygien der Polycystideen und Mouocystideen im Allge-
meinen keine allzufeste zu sein, da, wie bemerkt, durch mecha-
nische Eingriffe eine Lösung der verbunduen Individuen ziemlich leicht
eintritt. Doch beobachtete KöUiker bei der Monocystis Saenuridis
häufig sehr fest vereinigte Paare, welche sich durch kein Mittel mehr
trennen Hessen. Er vermuthet, dass eine Verschmelzung der Cuticula der
beiden Thiere an der Vereinigungsstelle eingetreten ist. Ich halte es für
sehr wahrscheinlich, dass eine solch innigere Vereinigung gewöhnlich
beim Uebergang in den encystirten Zustand eintritt.
Bei den Syzygien, welche wir im Vorhergehenden betrachtet haben,
findet die Vereinigung fast stets sehr frühzeitig statt, so dass in der Regel
nur sehr kleine Individuen unvereinigt gefunden werden. Bei den Mono.
cystideen scheint eine solche frühzeitige Vereinigung im Ganzen nicht
gerade sehr häufig zu sein; bei der Mehrzahl der bis jetzt beobachteten
Formen wurden Syzygien überhaupt noch nicht gesehen. Bei den Poly-
cystideen ist die frühzeitige Vereinigung sehr charakteristisch für die
Gattung Clepsidrina, der sich in dieser Hinsicht die nahe verwandten
*) Siehe bei Köiliker (13) p. 25 und 34
Fortpfl. d. fr. Gregarinidcn (Syzygicabilduiig. Encystirung). 531
Geschlechter Euspora und Hyalospora anschliessen, weiterhin findet man
dieselbe Erscheinung noch bei einer Anzahl in ihrer systematischen Stel-
lung unsicheren Arten, welche sich jedoch wohl den oben erwähnten
Gattungen zunächst anschliessen werden.
Die mit ansehnlich entwickelten Haftapparaten versehenen Polycysti-
deen, wie die Gatt. Stylorhynchus, Geneiorhynchus, Hoplorhynchus und
Actinocephalus scheinen keine Syzygien zu bilden, ebenso wurden auch
die Gattungen Stenocephalus, Botbriopsis, Dufouria, Pileocephalus und
Echinocephalus bis jetzt nicht in dauernden Vereinigungen beobachtet.
Das Gleiche gilt dann weiterhin noch von zahlreichen unsicheren Arten.
Dass diesen Formen die Copulation völlig fehle und die Encystirung stets
in solitärem Zustand erfolge, hat die Beobachtung als nicht zutreffend er-
wiesen, da für einige derselben bekannt ist, dass sie sich copulirend
encystiren; doch tritt in diesem Falle, wie es scheint, die Vereinigung
erst kurz vor der Encystirung ein. Wie werden diese Fälle daher im
folgenden Abschnitt, welcher vom Encystirangsprocess handelt, näher
betrachten.
B. Die Encystirung.
Während Stein lehrte, dass die Encystirung der Gregarinen durchaus
mit Copulation Hand in Hand gehe, d. h. dass sich stets zwei zur
Verschmelzung bestimmte Individuen gleichzeitig in eine gemeinsame
Cyste einhüllten, suchten seine Nachfolger zu erweisen, dass sich häufig
auch ein Einzehhier encystire.
Sclion 1849 suchte Bruch (19) dies für die sogen. Monocystis lumbrici (wahrscheinlich
M. agilis) zu ervpeiscn und etwas später erklärte auch Lieberkahn (24), dass sich die Eegen-
wurmgregarincn auch solitär zu encystiren vermögen. Den sicheren Nachweis dieser Angabe
wird man jedoch in seiner Arbeit vergeblich suchen. A. Schmidt (23) hat bei der von ihm spe-
ciell untersuchten Monocystis agilis gleichfalls nichts von einer Encystirung mit Copulation
beobachtet. Seine Mittheilungen über die Bildung der Cysten sind sehr eigenthümlich und
scheinen in hohem Grade verdächtig. Es soll sich nämlich nicht eine ganze Gregarine en-
cystiren, sondern nur ein Theil des Gregarinenleibes, welcher sich als eine körnige Kugel ab-
schnüre. Eine solche Abschnürung wurde einmal beobachtet und, wie Schmidt hervorhebt,
bei Wasserzusatz ; es scheint mir daher gar nicht unwahrscheinlich, dass das ganze Phänomen
ein anormales war, hervorgerufen durch die zerstörende Einwirkung des Wassers. Auch Eay
Lankcster theilte 1863 mit, dass sich gelegentlich auch ein Einzelthier der Monocystis agilis
encystire. In neuerer Zeit will sich dann weiterhin E. van Beneden überzeugt haben, dass
sich die Porospora gigantea stets isolirt encystire. Alle diese Angaben stützten sich je-
doch keineswegs auf thatsächliche Beobachtungen des Encystirungsprocesses und man kann
gegen sie mit Eecht einwenden, dass sie nur die einzelnen beobachteten Stadien in geeigneter
Weise zu deuten versuchen. Dieser Einwand erscheint um so mehr berechtigt , als keiner
dieser Beobachter anscheinend eine so vollständige Reihe von Stadien des Encystirungsprocesses
dargestellt hat, wie dies Stein zum Beleg seiner Ansicht thun konnte.
Erst A. Schneider zeigte durch directe Beobachtung der Encystirung
von Actinocephalus Dujardini, dass hier unzweifelhaft eine solitäre En-
cystirung statthat, auch für seine Gattung Adelea scheint er denselben
Vora-ans sieherg'cstellt zu haben. Letztere Gattung schliesst sieh aber
34=^
532 Gregarinida.
allem Anschein nach schon recht innig an die sogen. Coccidieu an und
bei diesen dürfte nach allen Erfahrungen die solitäre Encystirung
die Regel bilden, da bis jetzt in ihrer LebeusgeschicLte kein An-
zeichen eines Conjugations- oder Copulationsprocesses aufgefunden wer-
den konnte. Damit soll jedoch nicht gesagt sein, dass ein Copuiations-
vorgang im Leben der Coccidien überhaupt niemals auftrete. Was wir
bis jetzt von der Lebeusgeschichte dieser Formen wissen, ist keineswegs
vollständig genug, um das event. Auftreten eines derartigen Vorgangs
gänzlich auszuschliesseu.
Werfen wir nun zunächst einen Blick auf den Vorgang der solitären
Encystirung, wie er von Schneider bei Actinocephalus Dujardini mit
Sicherheit verfolgt wurde. Die Encystirung beginnt hier mit einer Ver-
kürzung und Abrundung des Thierkörpers, namentlich wird das Hinter-
ende eingezogen und das Protomerit abgeflacht, bis schliesslich die reine
Kugelgestalt angenommen wird und die Abscheidung der Cystenhülle er-
folgt (T. 36. b — d). Die Trennungsgrenze zwischen Protomerit und
Deutomerit schwindet am zusammengekugelten Thier bald und ebenso
ist von dem Kern bald nichts mehr zu erkennen.
Zahlreicher sind nun aber die sicher beobachteten Fälle, wo sich zwei
copulirende Thiere gleichzeitig encystirten. Stein hat diesen Vorgang
hauptsächlich bei zwei Syzygien bildenden Arten genauer dargestellt,
einer Monocystide, der Zygocystis coraeta, und einer Polycystide, der
Clepsidrina polymorpha (Greg, cuneata St.). Beide Fälle halte ich für
durchaus sicher; für den letzteren kann ich die Angaben Stein's bestätigen.
Die zusammenhängenden Thiere der Zygocystispaare rücken immer
inniger aneinander und ziehen sich halbkuglig zusammen, indem gleich-
zeitig der eigenthümliche Haarschopf eingezogen wird. Das mit breiter
Fläche zusammengelagerte Paar nimmt schliesslich Kugelgestalt an
und nun bildet sich eine beide Individuen gemeinsam umhüllende
Cystenhaut.
Dass dieser Encystirungsprocess von Zygocystis cometa eine sogen. Pseudoconjugatioa
darstelle, wie Schneider angibt, dass nämlich in seinem weitereu Verlaufe keine Verschmel-
zung der beiden Gregarinenkörper eintrete, sondern beide, durch eine Scheidewand getrennt,
gesondert zur Sporulation schritten, halte ich für ganz unbewiesen. Wenigstens bieten die
Stein'schen Angaben hierfür durchaus keinen Anhaltepunkt dar. Ich bin zwar keineswegs
überzeugt, dass die von Stein als weitre Entwicklungszustände seiner Zygocystiscysten be-
schriebnen Cystenbildungen thatsächlich in den Entwicklungskreis dieser Art gehören, indem
ich nämlich bis jetzt kein Mittel kenne, die Cysten des Eegeuwurmhodens specifisch zu unter-
scheiden und man bei ihrer Untersuchung geradezu in ein Labyrinth zu gerathen glaubt. Da-
gegen sind aber aus den ßegenwurmhoden solche Pseudoconjugationsformen bis jetzt gar
nicht bekannt.
Wie schon früher angedeutet wurde, liegen jedoch aus neuerer Zeit
einige directe Beobachtungen über die mit Copulation sich vollziehende
Encystirung gewisser Monocystideen vor. Giard (36) hat diesen Vorgang
direct unter dem Mikroskop (bei allmählicher Eintrocknung des Präparats)
an einer Monocystis aus dem Darm von Amauroecium beobachtet. Im
I
I
l'ortpfl. (1. fr. (ircg'ariiiideii (Kiicystiiiin.^'.svorg'äagii). 5o3
Allgemeinen verlief derselbe ganz so, wie ihn Stein schon für die Zygo-
cystis erschlossen hatte, nur erfolgte liier die Vereinigung der beiden sich
encystirenden Thiere erst kurz vor Eintritt der Encystirung. Hierbei
zeigte sieh jedoch noch eine eigenthiimliche Erscheinung, welche wir
auch bei der Encystirung gewisser Polycystideen wiederfinden werden.
Die copulirenden und sich zusammenkugelnden Thiere begannen nämlich
bald anhaltend von links nach rechts zu rotiren. Dies dauerte etwa eine
Stunde, worauf die Abkuglung sich völlig vollzogen hatte und die Aus-
scheidung der CystenhUlle erfolgte. In letzterer trat nach Schwinden der
Kerne bald völlige Verschmelzung der beiden Individuen ein. Auch
Hallez*) hat eine ähnliche Beobachtung bei der Monocystis der Planaria
fusca gemacht; hier schienen jedoch die beiden conjugirten Thiere der
Länge nach zusammengelagert und rotirten gleichfalls in einer bestimmten
Richtung. Die Encystirung selbst wurde nicht beobachtet.
Bei den frühzeitiger Syzygien bildenden Polycystideen wurde die ge-
meinsame Encystirung der Paare gleichfalls in zwei Fällen ganz sicher
beobachtet. Zunächst bei der schon von Stein verfolgten Clepsidrina poly-
morpha. Hier Hess sich zwar dieEncystirung nicht direct unter dem Mikro-
skop Schritt für Schritt verfolgen, da man jedoch in geeigneten Fällen
sämmtliche Uebergangsstufen von den zusammenhängenden Paaren bis
zur ausgebildeten Cyste antrifft, so kann dennoch der Nachweis als
sicher erbracht bezeichnet werden. Die beiden Thiere eines Paares ver-
kürzen sich allmählich mehr und mehr, werden oval und schliesslich
kuglig; die Protomerite flachen sich dabei natürlich ganz ab und die
Grenze zwischen ihnen und den Deutomeriten scheint bald zu schwinden.
Hierauf pressen sich beide Individuen dicht zusammen, so dass sie zusammen
einen kugligen bis ellipsoidischen Körper bilden, um welchen nun die Aus-
scheidung der Cystenmembran erfolgt. Da sämmtliche jugendlichen, im Mittel-
darm befindlichen Cysten die beiden Individuen noch deutlich gesondert
wahrnehmen lassen, so darf hierin eine weitere Bestätigung der richtigen
Deutung dieses Vorgangs erblickt werden.
Schritt für Schritt unter dem Mikroskop wurde jedoch derselbe Vor-
gang bei der Clepsidrina Blattarum verfolgt (T. 35. 2a~d). Hier verkürzen
sich zunächst die beiden Individuen des sich zur Encystirung anschickenden
Paares gleichfalls und werden etwas oval. Gleichzeitig ist die Syzygie
sehr beweglich und kriecht lebhaft umher. Allmählich nehmen die Indi-
viduen eine etwas schiefe Stellung zu einander an und beginnen nun be-
ständig in einem Kreis herumzukriechen, dessen Krümmung durch den
Grad der Schiefstellung der beiden Individuen bestimmt wird (2a). Die Schief-
stellung der beiden Individuen gegeneinander nimmt mehr und mehr zu
und in dem Maasse, wie dies geschieht, legen sie sich mit den dadurch
zur Berührung gebrachten gleichnamigen Längsseiten mehr und mehr an-
einander (2 b), bis sich schliesslich beide der Länge nach völlig zusanimen-
*") Contrib. ä l'liist. nat. des Turbellaries. 1879.
534 Gregariuida.
gelegt ba))en iiud uiui einen nahezu kugligen Körper hildcn, der noch
beständig die frühere Drehbewegung ausführt und daher naeh einer con-
stauten Richtung rotirt.
Die zusammengekugelten Thiere sind nun so gelagert, dass ibre Proto-
merite, welche noch deutlich, wiewohl ganz abgeflacht sind, die entgegen-
stehenden Pole der Kugel einnehmen (2c). Jetzt beginnt die Ausscheidung
der Cystenhülle innerhalb welcher die Rotation der conjugirten Individuen
noch ziemlich lange fortdauert. Auch bei dieser Art spricht die Wahr-
nehmung, dass in sämmtlichen Cysten des Mitteldarms die beiden Thiere
mit ihren Protomeriten noch deutlich beobachtet werden, dafür, dass hier
die copulative Encystirung Regel ist.
Wie schon früher erwähnt wurde, hat man jedoch auch bei den-
jenigen Polycystideen , welche nicht frühzeitige Syzygien bilden, die En-
cystirung mit Copulation z. Th. beobachtet. Schon Stein führt ein solches
Beispiel auf, nämlich seinen Stylorhynchus ovalis*). Hier sollen aber die
beiden copulirenden Individuen ziemlich gleich gerichtet nebeneinander
gelagert sein, sich allmählich abrunden und. schliesslich gemeinsam en-
cystiren. An einer andern Stelle hebt er jedoch hervor, dass sich die mit
Haftapparat versehenen Gregarinen, nachdem sie diesen abgeworfen, ge-
wöhnlich in der Weise conjugirten, dass sich zwei Individuen mittels der
Köpfe innig aneinander schmiegten. Eine entsprechende Beobachtung
will auch Schneider bei dem Stylorhynchus oblongatus gemacht haben,
wo er nämlich häufig zwei mit den Protomeriten vereinigte Thiere traf
und nicht zweifelt, dass die Cysten durch Copulation zweier Individuen
ihren Ursprung nähmen. Diese Beobachtung, sowie die schon erwähnten
Wahrnehmungen bei der Conjugation der Monocystideen mögen auch
Schneider zu dem Ausspruch veranlasst haben: es sei ein Gesetz, dass
die Copulation der Gregarinen stets mit den Vorderenden geschehe. Eine
solche Regel lässt sich keineswegs als allgemein verbreitet erweisen und
es scheint, dass Schneider wesentlich dieser vermeintlichen Regel zu Liebe,
die gewöhnliche Syzygienbildung der Polycystideen nicht als solche gelten
lassen wollte. Ein Gegenstück zu der Copulation des Stylorhynchus
ovalis, die wir soeben auf Grund der Stein'schen Beobachtungen erwähn-
ten, hat Schneider noch bei seiner Dufouria agilis auf dem Objectträger
verfolgt. Hierbei legen sich die Thiere in gleichnamiger Richtung neben
einander und kugeln sich ab (T. 35. Ha); es liegen also die beiden Proto-
merite, abweichend von dem, was wir bei der Clepsidrina Blattarum sahen,
an einem Pol der Kugel nebeneinander. Ich bemerke noch nachträglich,
dass ich einmal auch eine Cyste der letzteren Form beobachtet habe,
welche dasselbe Verhalten zeigte, ich konnte jedoch die Entstehungsart
derselben, im Gegensatz zu den gewöhnlichen, nicht sicher stellen.
*) Schneider hält den Stylorhynchus ovalis für eine Varietät der Clepsidrina polymorpha ;
ich glaube, dass diese Auffassung nicht begründet ist, sondern dass er sich von dieser, gleich-
falls den Darm der Mehlkäferlarve bewohnenden Form specifisch wohi unterscheidet.
Fort2ifl. d. freien (jregarinideii (Enrysliningsvorgiinge. JJau der Cysten). 535
Indem wir nun nochmals einen Blick auf das seither ilhcr die Copu-
lation und Encystiiung der Gregarinen Mitgctheilte werfen, dürfen wir als
Resultat unsrer Betrachtung zusammenfassend hervorhehen : dass einmal
die solitäre Eucystirung sowohl für gewisse Mono- wie Polycystideen er-
wiesen ist, dass jedoch weiterhin eine ziemliche Zahl von Gregarinidcn
aus heiden Abtheilungen copulative Encystirung aufweist. Für gewisse
Polycystideen scheint letztere nach nnsern heutigen Erfahrungen geradezu
Kegel zu sein. Inwiefern sich solitäre und copulative Encystirung bei
einer und derselben Form gleichzeitig findet, ist eine heutzutage noch
kaum näher berührte Frage. Die copulative Encystirung selbst verläuft
aber entweder in der Weise, dass 1) die beiden Individuen sich mit ihren
gleichnamigen Enden vereinigen und kuglig abrunden, oder 2) sich mit
ihren Längsseiten zusammenlegen und ähnlich abrunden , wobei dann
wieder entweder die beiden Exemplare sich in gleichgerichteter oder aber
in umgekehrter Stellung befinden können.
Wie schon früher erwähnt wurde, schreibt van Beneden (32, 34) auch
seiner Porospora gigantea solitäre Encystirung zu und erklärt sich die
Entstehung der häufig zu beobachtenden Cysten, deren Inhalt aus zwei
kugligen, anscheinend kernlosen Körpern besteht, wie frühere Forscher
und Schneider durch eine nachträgliche Theilung der encystirten Grega-
rina. Seine Angaben über diesen Theilnngsvorgang lauten so bestimmt,
dass sich kaum ein Zweifel dagegen erheben lässt. Höchst merkwürdig
erscheint jedoch nach Beneden's Schilderung das weitere Verhalten dieser
Cysten mit getheiltem Inhalt und findet bis jetzt kein Analogen bei einer
anderen Form. Nach ihm zerfällt allmählich die dicke ursprüngliche
Cystenhülle und jedes Theilstück bildet eine neue Cystenhaut. Hiermit
ist jedoch die Vermehrung der Cysten nicht abgeschlossen, es kann in
gleicher Weise eine nochmalige Theilung der beiden Cysten zweiter Gene-
ration zu vier Cysten dritter Generation stattfinden (T. 36. 4b — d). Aus
dem Zerfall der früheren Cystenhüllen soll eine durchsichtige Masse her-
vorgehen, welche sämmtliche, durch Theilung einer primären Cyste her-
vorgegangnen secundären einschliesse.
C. Gestalt der Cysten und Beschaffenheit der Cystenhtillen.
Die Gestalt der Cysten ist meist eine völlig kuglige, seltner, jedoch
bei gewissen Formen regelmässig, eine ellipsoidische bis eiförmige. Die
Grösse der Cysten ist selbst bei derselben Art ansehnlichen Schwankungen
unterworfen, was hauptsächlich daher zu rühren scheint, dass die En-
cystirung auf ziemlich verschiedner Wachsthumsstufe einzutreten vermag.
Wie auch schon Schneider hervorhebt, scheint die Cystenhülle fast
immer eine Neubildung durch Ausscheidung zu sein und sich nicht etwa,
wie dies früherhin von Stein und auch noch von Giard für die Mono-
cystideen dargestellt wurde, aus der ursprünglichen Cuticula herzuleiten.
Mir machte es sogar den Eindruck, als wenn die Cuticula der sich
encystirenden Paare von Clepsidrina Blattarum schon bei der Zusammen-
536 Gregariiiula.
kugliing nicht mehr deutlich bemerkbar wäre, wogegen sich jedoch »Stein
bei der Gl. polymorpha noch nach vollzogner Encystirung von der Gegen-
wart der Cuticula an den beiden eingeschlossnen Individuen überzeugen
konnte. Weiterhin lässt sich jedoch die allmähliche Ausscheidung der
CystenhüUe unter dem Mikroskop direct verfolgen und für die besondre
Natur der CystenhüUe spricht auch der Umstand, dass sie zuweilen durch
eigenthümliche Sculpturverhältnisse ausgezeichnet ist. Bei der kleinen
Adelea soll nach Schneider die Cystenhaut unterhalb der Cuticula ab-
geschieden werden.
Soweit bis jetzt bekannt, scheint die Cystenhaut der Monocystideen
gewöhnlich eine einfache, nicht sehr dicke Membran zu sein. Doch lässt
sich aus einigen Beobachtungen Lieberkühn's schliessen, dass sich bei
den Monocystideen des Regenwurms unterhalb dieser ersten Hülle zu-
weilen noch eine zweite ausbilden kann*). Eine gallertige, äusserste Hüll-
schicht, wie sie sich bei zahlreichen Polycystideen findet, scheint bis jetzt
unter den Monocystideen nur bei der Gattung Gamocystis beobachtet
worden zu sein (34. 2b, g). Dagegen ist, wie gesagt, eine solche äussere
gallertartige Hülle bei den Cysten der Polycystideen recht verbreitet und
sie tritt, wie zu erwarten, und auch die Beobachtungen an Clepsi-
drina Blattarum direct erweisen, bei der Ausscheidung der Cystenhüllen
zuerst auf. Diese Gallerthülle ist so durchsichtig, dass ihre äussere
Grenze nur durch die anklebenden Fremdkörperchen bezeichnet wird.
Besonders ansehnlich ist sie bei den Angehörigen der Gattungen Clepsi-
drina (35. 4), Bothriopsis, Dufouria und, wie schon erwähnt, auch bei der
monocystiden Gamocystis. Jedoch bietet die Dicke dieser Schicht bei einer
und derselben Art vielfache Variationen ; so erreicht sie z. B. bei der Clepsi-
drina Blattarum häufig eine dem Durchmesser der Cyste entsprechende Dicke,
ja z. Th. noch mehr, bleibt dagegen andrerseits zuweilen wieder sehr schmäch-
tig, ja kann sogar gelegentlich gar nicht zur Ausbildung kommen. Bei einer
Reihe von Polycystideen ist die Gallerthülle nach Schneider's Angaben
stets sehr wenig entwickelt, so z. B. Actinocephalus und Pileocephalus,
bei Stylorhynchus fehlt sie völlig. — Nach den Beobachtungen dieses
Forschers zeigt sie zuweilen eine zarte, concentrische Streifung, also einen
geschichteten Bau.
Ohne das eigentlich zu bezweifeln, glaube ich doch aus weiter unten noch genauer aus-
zuführenden Gründen, dass hier zum Theil ein Irrthum vorwaltet, indem die Gallert-
schicht mit der gleich zu besprechenden eigentlichen CystenhüUe verwechselt wurde. Dies
scheint mir z. B. sehr wahrscheinlich für die Cysten der Gatt. Echinocephalus , wo sich auf
der Abbildung um die sogen, gestreifte Gallertschicht noch eine schwache durchsichtige
Schicht dargestellt findet, welche ganz den Eindruck der eigentlichen Gallertschicht macht.
Auch die bei Euspora erwähnte, gestreifte Gallertschicht scheint mir in ihrer Bedeutung etwas
zweifelhaft.
*) Auch Waidenburg spricht von doppelten Hüllen der Eegenwurmcysten , jedoch sind
die Beobachtungen sehr wenig vertrauenerweckend. Die innre Hülle soll zuweilen kernhaltig
sein, die äussre aus Zellen zusammengesetzt. (Siehe Nr. 63.)
l''uit|ill. d. rreiuii (ircgiiriiiidcii (Bau d. l'ystuu; aoguii. Pbciidocoiijugatioii). 537
Unterila Ib dieser Gallertscbicht, oder wo eine solche fehlt ohne weitere
Bedeckung, kommt bei den Polycystideen die eigentliche Cystenhaut zur Aus-
bildung, eine mehr oder weniger dicke, scharf contourirte Membran, welche
sich geAvöhnlich durch starke Elasticität auszeichnet, indem sie sich bei Ver-
letzungen häufig sehr stark contrahirt und durch diese Fähigkeit späterhin
auch zur Entleerung des Cysteninhalts beiträgt (ch der Figg., vergl, T. 35.
2d, 3,4 etc.). Gegen das Eindringen von Wasser bietet diese Hülle den Cysten
Schutz, da die Entwicklung im Wasser ungestört weiter schreitet. Ist diese
eigentliche Cystenhülle dicker, so scheint sie gewöhnlich einen deutlich ge-
schichteten Bau aufzuweisen, wie z. B. bei der Porospora gigantea (36.4) und
wahrscheinlich auch den oben erwähnten Gattungen Euspora und Echinoce-
pbalus. Bleibt sie dagegen dünner, wie meist bei den Cysten der Clepsi-
drina, so zeigt sie an den intacten Cysten von einem geschichteten Bau ge-
wöhnlich nichts deutliches. Wird aber die Cystenhaut angerissen, so zieht sie
sich unter Verdickung stark zusammen und der geschichtete Bau tritt nun
auch hier sehr deutlich hervor (35. 4).
Aus den Angaben Schneider's scheint, wie ljemer](t, hervorzugehen, dass er diese Verhält-
nisse nicht richtig aufgefasst hat; er betrachtet nämlich die zusammcngczogne und nun stark ver-
dickte, concentrisch gestreifte eigentliche Cystenhülle als die contrahirte Gallertschicht auf; dass
letztere Auffassung jedoch nicht zutrifft, ergibt sich sofort daraus, dass diese Umbildung der
eigentlichen Cystenhülle durch Zusanimenziehung auch dann eintritt, wenn eine Gallerthülle,
wie dies zuweilen der Fall ist, völlig fehlt.
Besondre Sculpturverhältnisse der eigentlichen Cystenhülle sind bis
jetzt nur von der Gattung Stylorhynchus bekannt; hier ist die Aussen-
fiäche derselben entweder mit kleinen Tuberkeln besetzt oder zeigt eine
retikuläre Zeichnung, welche von dicht gedrängten kleinen und vertieften
Areolen hervorgerufen wird (37. 4 u. 5).
Ausser der eben näher beschriebnen Cystenhülle soll nach Schneider
bei Clepsidrina und zahlreichen weiteren Geschlechtern noch eine zweite,
innere existiren. Bei Clepsidrina findet sich thatsächlich noch eine solche
innerste zarte Hülle, welche die später zu betrachtenden Sporoducte trägt
und daher erst bei deren Besprechung genauer geschildert werden soll.
Eine genauere Darstellung dieser zweiten Hülle fehlt bei Schneider, so
dass sich auch 'nicht näher angeben lässt, wie sie sich bei denjenigen
Geschlechtern verhalten mag, die keine Sporoducte erzeugen.
Nur bei der Clepsidrina ovata hat Schneider (38) die Bildung einer zweiten Hülle
genauer geschildert, welche hier jedoch nichts mit den Si^oroducten zu thun haben soll. Nach
Bildung dieser zweiten Hülle soll sich die erstentwickelte auflösen oder doch sehr undeutlich
werden. Im Verlaufe der weiteren Entwickhing der Cyste nimmt diese neue Hülle ein eigenthüm-
lich retikulcäres Aussehen an und soll schliesslich gewöhnlich auch zu Grunde gehen. Die
Sporoducte sollen hier von einer dritten innersten nachträglich gebildeten Hülle ausgehen. Ich
möchte veruiuthen, dass diese Darstellung nicht dem wahren Sachverhalt entspricht, da Schneider
über diese Verhältnisse zu damaliger Zeit (so z. B. über die Bildung der Sporoducte) noch
sehr im Unklaren war.
Die soeben besprochnen Encystirungsprocesse verliefen sicher oder
doch sehr wahrscheinlich mit Copulation. Interessanter Weise liegen je-
doch einige Beobachtungen vor, welche es sehr wahrscheinlich machen,
538 Gregariuida.
dass die beiden Individuen einer Syzygie trotz genieinsanier Encystiiiiiig
der letzteren, zuweilen nicht mit einander verschmelzen, sondern getrennt
sporuliren. Man begegnet nämlich zuweilen Cysten von Monocystideen
mit zwei eingescblossnen Gregarinenindividuen, die sonder Zweifel aus
der Encystirung einer Syzygie hervorgegangen sind, in welchen die bei-
den Individnen durch eine die Cyste mitten durchziehende Scheidewand
getrennt sind (T. 34. 8a— e).
Jedes der beiden Individuen l)ildet hierauf seine Sporen gesondert
von denen des andern, nur gegen Ende des Sporenbildungsprocesses soll
nach Schneider die Scheidewand zuweilen einreissen, worauf sich die
Sporen beider Individuen vermischen. Einen hierhergehörigen Fall hat
schon Kölliker bei seiner Monocystis Saenuridis geschildert und abgebildet
(s. T. 34. 8).
Schneider, welcher gleichfalls solche Cysten beobachtet zu haben
scheint, bezeichnet den Vorgang als Pseudoconjugation, Auch von
Vedjovsky (Beiträge zur vergl. Morphologie der Anneliden, Prag 1871))
wurde ein Fall von Pseudoconjugation bei seiner Gonospora Pachydrili
beschrieben.
Jedenfalls besitzt diese Erscheinung ein hohes Interesse, wenn mir
auch zur Zeit nicht ausgemacht erscheint, ob zwischen den beiden Indi-
viduen der sich encystirenden Syzygie nicht doch ein vorübergehender
conjugativer Zusammenhang und Austausch stattfindet, welcher für die
Sporulation von Bedeutung ist.
D. Die Sporulation (Bildung der Sporen).
Sporenbildung wurde bis jetzt mit Sicherheit nur bei encystirten Gre-
gariniden beobachtet. Es liegen zwar einige Angaben vor über gelegent-
liche Sporulation im Innern nicht encystirter Formen; bis jetzt genügen
dieselben jedoch meiner Ansicht nach nicht, um diesen Vorgang ausser
Zweifel zu stellen. So will Claparede (28) in einer nicht encystirten Mono-
cystis aus Phyllodoce zahlreiche Sporen beobachtet haben, doch halte ich
es bis jetzt für nicht hinreichend erwiesen, dass die im Entoplasma dieser
Gregarine beobachteten länglichen Körperchen mit einseitiger mittlerer An-
schwellung wirklich Sporen waren (T,34.12au.b). Lieberkühn (30) fand 1865
in Eegenwürmern Ballen von nicht in Cysten eingescblossnen Sporen und
kam deshalb gleichfalls zur Ansicht, dass die Sporulation auch im nicht
encystirten Zustand geschehen könne; endlich glaubte sich Gabriel (46)
überzeugt zu haben, dass die Sporenbildung einer Gregarine aus Julus
sabulosus (■? Stenocephalus Juli Schnd.) ohne Encystirung vor sich gehe.
Bei den Monocystideen vollzieht sich die Weiterentwicklung der Cysten
häufig im Innern des Parasitenkörpers, am Orte ihrer Bildung. So im
Hoden oder in der Leibeshöhle bei den Monocystideen der Regenwürmer,
dasselbe gilt für die Cysten des Tubifexhodens, die Gattung Adelea und
zahlreiche Coccidien. Andrerseits dürfte jedoch auch bei zahlreichen
Fiii1|itl;iii/.iiii!j, drv IVcirii (irr;-iri:iiili'ii (SiMuulatiMii). 539
Monucysüdccu der Vcrdamingsorganc, ähnlich wie dies für die meisten
l'ülycystidcen der Fall zu sein scheint, die Wcitcrcntwicklurig der Cyste
erst nach ihrer Entleerung mit dem Kothe des Tarasitenträgers erfolgen.
Es kommt jedoch, wenn auch mir selten, bei den Polycystideen der Insecten vor, dass
die Cysten ihre Weitereutwicklunjy bis zur Keife im Darm des Parasiteuträgers durchlaufen ;
V. Siebold beschrieb diesen Fall von der Gregarine einer Sciaralarvc, Stein von der Gregarina
Iveduvii des Keduvius personatus. Im erstercu Fall wurden sogar freie Pseudonavicelleu
(Sporen) massenhaft in dem Darm angetroffen. Da sich die entleerten Cysten in feuchtem
Koth oder im Wasser weiterentwickeln, so wird auch wohl ihrer Keifung und schliesslichen
Entleerung im Insectendarm nichts im Wege stehen, wenn ihre Abfuhr durch irgendwelche
Umstände verzögert wurde. Eine normale Weiterentwicklung der Polycystideencysten im Darm
ihres Parasitenträgers wird möglicherweise bei der Porospora gigantea des Hummers gefunden,
da sich die Cysten hier unterhalb der Darmcuticula linden ; ihre Weiterentwicklung an diesem
Ort ist jedoch bis jetzt noch nicht verfolgt worden.
Die Vorgänge der Sporenbildung in den Gregarinencysten bieten
trotz zahlreicher einschlägiger Untersuchungen noch so viel des Unklaren
dar, dass es schwer fällt, davon ein kurzes und präcises Bild zu ent-
werfen. Solitäre oder copulative Encystirung scheint hierbei keine wesent-
lichen Unterschiede hervorzurufen, jedoch dürften hierüber erst genauere
Aufschlüsse von zukünftigen Untersuchungen zu erwarten sein.
Allgemein sicher gestellt erscheint zunächst, dass kurze Zeit nach
voUzogner Encystirung (und dies bei beiden Arten dieses Vorgangs), der
Kern (resp. die beiden Kerne der Copulanten) sehr undeutlich wird, sich
schliesslich dem beobachtenden Auge ganz entzieht, und nach Zerquet-
schen der Cysten in dem ausgebreiteten Cysteninhalt nicht mehr auf-
gefunden wurde. Wesentliche Umbildungen lassen sich nach der En-
cystirung schon an den noch vorhanduen Kernen z. Th. constatiren,
da dieselben bei Clepsidrina Blattarum die Nucleoli ganz verloren haben
und auch an Grösse reducirt erscheinen.
Aus diesen Wahrnelimungen ist seither allgemein der Schluss gezogen worden, dass die
Kerne nach der Encystirung durch Auflösung völlig zu Grunde gehen. Inwiefern jedoch diese
Ansicht nach den heutigen Ansichten über die Nuclei und ihre Bedeutung noch gerechtfertigt
erscheint, werden erst erneute Untersuchungen der undurchsichtigen Gregarinencysten lehren
können. Die Möglichkeit einer Fortexistenz der Kerne liegt um so näher, da es wenigstens
bei einer Form bis jetzt geglückt ist, auf späteren Entwicklungsstufen der Cysten zahlreiche
Kerne im Cysteninhalt aufzufinden.
Hinsichtlich der Entwicklungsprocesse der Sporen oder Pseudonavi-
celleu sind nicht weniger wie drei verschiedne Modi allmählich nach-
zuweisen versucht worden, ja diese drei Bildungsweisen sollten sich so-
gar bei einer und derselben Form gleichzeitig vorfinden.
Zunächst muss hervorgehoben werden, dass alle Beobachter der sogen,
copulativen Encystirung die Ansicht aussprachen, dass die beiden zu-
sammen encystirten Gregarinenleiber sehr frühzeitig, schon kurze Zeit
nach vollzogner Encystirung und bevor die Bildung der Sporen einge-
treten sei, mit einander völlig verschmölzen. Dieses ist nun keineswegs
immer der Fall, sondern die Sporenbildung tritt z. Th. schon zu einer
Zeit ein , wo die beiden Individuen noch nicht verschmolzen sind. Die
540 (ili'cgarinicla.
früheste Ansicht über die Hervorbildiing der Sporen ans dem encystirten
Gregarinenleib wurde wohl von Kölliker ausgesprochen, welcher auf Grund
seiner Beobachtungen an den Cysten von Monocystis Saenuridis ver-
niuthete , dass sie wohl durch einen der Eifurchung ähnlichen Vorgang
entstünden. Dieselbe Ansicht hat dann Bruch für die Cysten des Regen-
wurmhodens geltend zu machen versucht.
Kölliker's Beobachtung ist für unsre Frage wenig beweisend, er sah nur bei gewissen
Cysten den früher ungetheilten Inhalt zu einer grösseren Anzahl körniger Kugeln zerfallen
(34. Sc), während bei andern eine noch grössere Zahl runder jugendlicher Pseudonavicellen vor-
handen war (Sd). Wie jedoch dieser Zerfall sich vollziehe, ob durch successive oder durch simul-
tane Theilung und ob namentlich zwischen den jugendlichen Pseudonavicellen sich nicht viel-
leicht noch ein Rest unzcrfallenen Cysteninhalts befand, lässt sich aus seinen Beobachtun-
gen durchaus nicht entnehmen. Nach Bruch soll sich ein etwas unregelmässiger Furchungs-
process am Inhalt der Monocystiscyste, der nach ihm, da er aus einem einfachen Thier her-
vorging, zunächst einheitlich ist, vollziehen. Man treffe zunächst Cysten mit zweigetheiltem
Inhalt, dann solche mit mehrgetheiltem und schliesslich solche mit 30 und mehr kugligcn
und isolirten Körnerhaufen. Wenn diese Zerfallsproducte eine gewisse Kleinheit erreicht
haben, soll das Ganze wieder ziemlich „homogen" aussehen, sich an den Eändeni aufhellen
und nun eine Menge runder, feinkörniger Bläschen in sich entwickeln, welche sich schliesslich
auf Kosten der Körnermasse zu den Sporen entwickeln.
Auch Lieberktihn glaubt diesen Modus der Sporulation bei derselben
Form bestätigt zu haben, seine Ausdrucksweise ist jedoch zu charakte-
ristisch, als dass wir dieselbe hier nicht wörtlich anführen sollten ; er be-
merkt nämlich, nachdem er diesen Process mit wenig Worten erwähnt
hat: „ainsi il n'y a rien ä dire contre l'opinion que par la division con-
tinue des Grcgarines se forment finalement les psorospermies/' Vergeb-
lich sucht man jedoch sowohl bei Bruch wie bei Lieberkühn nach einem
sichern Nachweis dieses Furchungsprocesses. Ganz abgesehen davon,
dass nicht einmal ein Theilungsact direct beobachtet wurde, ist nament-
lich beim Studium der Lieberkühn'schen Abbildungen sehr auffallend,
dass nicht eine derselben einen Zustand darstellt, wo mehr wie zwei
Zerfallskugeln vorhanden wären, ohne dass gleichzeitig schon jugendliche
oder auch ausgebildete Pseudonavicellen anwesend sind. Solche Zustände
müssten doch recht häufig sein, wenn sich die Entwicklung in der be-
schriebnen Weise vollziehen würde.
Die so bestimmten Angaben Bruch's lassen sich jedoch vielleicht in
der Weise erklären, dass er, bei schwachen Vergrösserungen unter-
suchend , die in den Cysten schon anwesenden Pseudonavicellen über-
sehen hat.
Einen zweiten Modus der Pseudonavicellenbildung scheint sich Lieber-
kühn in der Weise vorzustellen, dass sich einzelne der körnigen Zerfalls-
haufen durch Verlust ihrer Körner aufhellen und nun in ihrem Innern
Pseudonavicellen zur Entwicklung bringen. Ich muss gestehen, dass mir
dieser Modus höchst unwahrscheinlich und unbewiesen erscheint.
Wir gelangen nun zu dem dritten Modus, welcher zuerst von Lieber-
kühn sicher erwiesen wurde, der sich jedoch auch mit den Stein'schen
Fortpfl. d. freien Gregariniden (Sporulation b. Monocystis). 541
Angaben über die Entwicklung der Rcgenwuimcysten in Einklang bringen
lässt. Dieser Modus besteht uänjlich darin, dass an der Oberfläche der
beiden Körnerkugeln, welche gewöhnlich in den jugendlichen Cysten ge-
troffen werden, allseitig helle protoplasmatische Tropfen hervorsprosseu
(sogen. Sporoblasten Sehn.), die sich schliesslich ablösen und nun kleine
kuglige Plasmakörper darstellen, welche sich weiterhin zu den Pseudo-
navicellen entwickeln (33. 4b— c). Eine solche Knospung jugendlicher Pseudo-
navicellen kann entweder gleichzeitig an beiden Kugeln vor sich gehen
oder zuerst an der einen, später erst an der anderen. Nach Lieberkühn
sollen sich nun die so gebildeten Sporoblasten auf Kosten der körnigen
Binnenkugeln noch vermehren können und schliesslich soll man auch
Cysten finden, in welchen die Reste des körnigen Gregarinenkörpers gänz-
lich geschwunden sind. Der letzterwähnte Bildungsvorgang der Sporo-
blasten, welcher auch durch die Beobachtungen von A. Schmidt und
R. Lankester bestätigt wurde, scheint mir nun bis jetzt allein für die
Monocystiden des Regenwurms wirkUch sichergestellt zu sein.
Hierbei erhebt sicli jedoch noch die Frage nach der Herkunft jener zwei körnigen
Kugeln , welche sich so gewöhnlich in den jugendlichen Cysten finden. Nach Bruch und
Lieberkühn sollen dieselben wahrscheinlich durch eine erstmalige Theilung des encystirten
(iregarinenleibs entstanden sein. Mit Stcin's Angaben harmoniren sie auch niclit recht, da er
die sich copulirenden Thiere noch vor der Erzeugung der Pseudonavicellen verschmelzen lässt.
Ohne hier entscheiden zu wollen , ob diese Kugeln durch Theilung einer solitär encystirten
Gregarine oder eines copulirten Paares hervorgegangen sind, oder ob sie endlich zwei noch
nicht verschmolzne, copulirte Thiere darstellen, glaube ich doch hervorheben zu müssen, dass
ich die letztere Ansicht für die wahrscheinlichste halte und dies hauptsächlich deshalb , weil
ein wirklicher Theilungsact noch gar nie beobachtet wurde. Weiterhin jedoch auch deshalb,
weil wir auch bei den Polycystideen z. Th. die Pseudonavicellen vor vollendeter Copulation
hervorknospen sehen werden.
Nach dem soeben Erörterten dürfen wir uns von dem wahrschein-
lichen Verlauf der Sporulation bei den Monocystideen des Regenwurms
etwa folgende Vorstellung machen. Die Sporulation geschieht dadurch,
dass auf der Oberfläche des solitär encystirten oder der beiden noch nicht
verschmolznen copulativ encystirten Thiere helle plasmatische Zellen her-
vorknospen , welche sich schliesslich ablösen und frei werden und nun
gewöhnlich in einer Schicht peripherisch unterhalb der CystenhüUe an-
geordnet sind. Der bei der Sporulation unverbrauchte körnige Rest des
oder der Gregarinenkörper zerfällt nun in eine wechselnde Zahl ver-
schieden grosser kugliger oder unregelmässig gestalteter Körper, vielleicht
nachdem vorher eine Verschmelzung der beiden Körper (bei copulativer En-
cystirung) stattgefunden hat (33. 4d — e). Diese Reste der ursprünglichen
Gregarinenkörper haben keine weitere Bedeutung, wie es scheint. In ihrem
Innern treten gewöhnlich mehr oder minder ansehnliche Vacuolen auf und
häufig sieht man von ihrer Oberfläche protoplasmatische Fadennetze ent-
springen, welche das Innere der Cyste bis zu deren Wänden durchsetzen (33.4f).
Da diese Körper im Allgemeinen den Eindruck machen, als seien sie zum
allmählichen Untergang bestimmt, so scheint es auch nicht unwahrschein-
lich, dass sie zuweilen vollständig zerstört werden.
542 Gregarinida.
Wie im Obigen schon mehrfach angedeutet wurde, soll durch diese
Schilderung keineswegs der letztbeschriebne Modus, als der bei den
Monocysten der Regenwiirmer alleinherrschende, hingestellt werden.
Möglich, dass auch ein Sporulationsprocess durch fortgesetzte oder simul-
tane Theiluug des ganzen Cysteninbalts sich findet, was nicht unglaub-
lich erscheint, da man auf Cysten trifft, die dicht und gänzlich mit Pseudo-
navicellen angefüllt scheinen; bis jetzt kann ich jedoch nur den letzt-
geschilderten Modus als einigermaassen sichergestellt anerkennen. Es
darf jedoch andrerseits auch als sicher betrathtet werden, dass bei einer
ziemlichen Zahl Gregarinengeschlechter, und zwar sowohl Monocystideen
wie Polycystideen , der ganze Cysteninhalt zur Bildung der Sporen ver-
braucht wird , sich also ein vollständiger Zerfall zu Sporoblasten findet.
Schneider wenigstens schreibt eine solche „complete Sporulation'^, wie er
sich ausdrückt, nicht weniger als neun der von ihm beschriebnen Ge-
schlechter zu (zwei Monocystideen und sieben Polycystideen), weiterbin
scheint aber dieser Process der Sporulation auch bei den Coccidien
durchaus zu herrschen. Es ist daher sehr zu bedauern, dass wir bis
jetzt nicht von einer einzigen Form mit completer Sporulation über das
Nähere des Sporenbildungsprocesses unterrichtet sind. Schneider erwähnt
diesen Vorgang der completen Sporulation in seiner allgemeinen Dar-
stellung mit keinem Wort und gibt ebensowenig bei der Specialbeschrei-
bung ein Bild davon. Auch diejenigen Sporulationsprocesse, welche seine
Untersuchungen genauer kennen gelehrt haben, sind durchaus Knospungs-
processe, bei welchen der grössre Theil des encystirten Leibes nicht in
den Sporenbildungsprocess eingeht. Es sind die Gattungen Stylorhynchus,
Clepsidrina, Gamocystis und Euspora, von denen wir etwas Näheres über
diesen Vorgang erfahren haben. Bei diesen Formen (speciell Stylorhyn-
chus und Clepsidrina) soll sich nach Schneider der Cysteninhalt zunächst
in zwei gleich grosse Halbkugeln theilen, welche nach einiger Zeit wieder
mit einander verschmelzen, worauf die Sporulation beginne. Diesen Vor-
gang halte ich für unwahrscheinlich. Einmal hat Schneider, wie mir
scheint, den Theilungsact selbst nie gesehen, sondern nur erschlossen,
andrerseits muss ich mit Bestimmtheit behaupten, dass wenigstens für
Clepsidrina polymorpha und Blattarum beide HaUbkugeln nicht einem
Theilungsact ihre Entstehung verdanken , sondern die beiden copulativ
encystirten Individuen eines Paares sind. Die genaue Verfolgung des
Entwicklungsgangs der Cysten von Clepsidrina Blattarum lässt durchaus
nichts von einem solchen Theilungsact wahrnehmen. Da Schneider weiter-
hin auch für Stylorhynchus die copulative Encystiruug sehr wahrschein-
lich gemacht hat, möchte ich auch bei dieser Form die beiden Halbkugeln
in gleicher AVeise deuten.
Wie gesagt, erfolgt nach Schneider die Knospuug der Sporen bei den
obenerwähnten Gattungen nach der Verschmelzung beider Halbkugcln,
also wie wir es auffassen, nach vollzogner Copulation. Auch dieser Vor-
gang ist wenigstens für die Clepsidrina Blattarum nicht richtig, da bei
Fortpfl. il. freien (Jregariiiideu (Siionilatiuii I). rolycystidcea). 543
dieser die Knospung schon an der Oberfliiclie der noch nicht vcrschmolz-
nen beiden Individuen eintritt, wobei wir es 'zunächst unentschieden hissen
müssen, inwiefern vielleicht schon eine theilweise Vereinigung auf der
Berührungsfläche derselben stattgefunden hat. Jedenfalls ist bei dieser
Form die Trennungslinie der beiden Individuen während des Sporu-
lationsactes noch deutlich sichtbar.
Die Knospung geschieht bei Stylorhynchus ähnlich wie bei der Mono-
cystis des Regenwurms, indem die jugendlichen Sporen als helle durchsich-
tige Plasmaperlen von der Oberfläche hervorsprossen (37.3b). Bei Clepsidrina,
Euspora und Gamocystis dagegen scheinen die Sporoblasten von Anfang
an dicht gedrängt hervorzusprossen, so dass sie eine cylinderepithelartige
Schicht auf der Oberfläche des Cysteninhalts bilden (35. 3). Von der Fläche
betrachtet erscheint diese Sporoblastenschicht mosaikartig (nach Schneider),
oder etwa wie ein aus sehr kleinen Zellen bestehendes Blastoderm. Jeden-
falls dürfte sich auch der ganze Process der Sporenbildung dem der
Blastodermbildung bei den Insecten am nächsten vergleichen lassen. Ob
sich hierbei, wie Schneider will, ursprünglich eine Protoplasmaschicht auf
der Oberfläche findet, welche gleichzeitig in ihrer ganzen Ausdehnung in
die Sporoblasten zerfällt, oder ob diese mehr allmählich entstehen und
sich erat später mehr zusammendrängen, halte ich noch für unentschieden.
— Von grössrer Wichtigkeit ist aber, dass sich bei Clepsidrina Blattarum
im oberflächlichen Plasma des Cysteninhalts, kurz vor Eintritt der Sporu-
lation, eine grosse Anzabl kleiner Kerne nachweisen lässt und dass auch
die Sporoblasten dieser Form einen deutlichen kleinen Zellkern besitzen.
Ein sehr eigenthümliches Verhalten zeigt sich bei der Gattung Stylo-
rhynchus nach dem Hervorsprossen der Sporoblasten. Diese letzteren
sind ursprünglich kleine, sphärische Plasmakörper; sehr bald strecken sie
sich jedoch in die Länge, werden spindelförmig und beginnen nun leb-
hafte Contractionsbewegungen auszuführen, indem sie sich abwechselnd
verkürzen und wieder strecken, gleichzeitig bewegen sie sich aber auch
oscillirend, indem ihr inneres Ende sich auf die Oberfläche des Cysten-
inhalts stützt, das nach aussen gerichtete dagegen frei hin und her-
schwingt (37. 3c). Dies Verhalten der Sporen ruft das Bild einer wimmelnden
Durcheinanderbewegung derselben hervor. Nur bei der erwähnten Gattung
ist diese Erscheinung bis jetzt beobachtet worden.
Kurz nach Entwicklung der Sporoblasten erfolgt bei Clepsidrina
(wenigstens Cl. Blattarum) die völlige Verschmelzung der beiden bei der
Sporulation nicht verbrauchten Reste der copulirenden Individuen und
nun tritt eine Wanderung der Sporen ein, welche in dieser Gat-
tung allgemein vorzukommen scheint, da sie auch Schneider bei den
von ihm untersuchten Clepsidrineu beobachtete. Die Sporen ziehen sich
nämlich von der Oberfläche in das Innre des bei der Verschmelzung ent-
standnen körnigen Cysteninhalts zurück, in dessen Centrum sie sich zu
einem Haufen ansammeln (35. 2e). Damit klärt sich denn auch das Centrum
beträchtlich auf, da die Sporen ja aus ganz durchsichtigem Protoplasma
544 Gregarinida.
bestehen. In welcher Weise diese Wanderung sich vollzieht, ob
namentlich die Sporen hierbei durch active Beweglichkeit mitwirken,
konnte bis jetzt noch nicht festgestellt werden.
Bevor wir jaw Betrachtung der weiteren Ausbildung und des Baues
der reifen Sporen oder Pseudonavicellen übergehen , empfiehlt es sich,
zunächst die eigentliiimlichen Einrichtungen kennen zu lernen, welche
sich bei gewissen Formen entwickeln, um die Oeffnuug der reifen Cysten
und die Ausstreuung der Sporen zu bewirken oder doch zu unterstützen.
Derartige Einrichtungen zur Ausstreuung der Sporen sind bis jetzt nur
bei einer Monocystidee und zwei Polycystideengattungen aufgefunden
worden. Bei den übrigen Formen geschieht die Eröffnung der Cysten
durch einfache Sprengung der Hüllen und Hervortritt des Inhalts. Bei
einigen Gattungen wenigstens wird hierbei ohne Zweifel die sehr elastische
und stark gedehnte, eigentliche Cystenhülle durch ihre nach dem Ein-
reissen erfolgende starke Contraction zur Austreibung des Inhahs bei-
tragen.
Schneider glaubt das Aufspringen der Cysten in diesen Fällen auf eine allmäliliclie
Volumzunahine des Gysteninhalts zurückführen zu müssen und bezieht sich dabei auch auf
Stein, welcher schon vor langer Zeit angab, dass das Aufspringen durch die Auflösung des
bei der Sporulation nicht verwendeten Gysteninhalts unterstützt werde; dabei ist jedoch nur
nicht recht abzusehen, wie ein solcher Vorgang bei den Formen mit sogen, completer Sporu-
lation zu Stande kommen soll, da sich ja hier, wenn wir anders Schneider recht verstehen,
kein auflösbarer Kückstand des Gysteninhalts mehr findet. Schneider glaubt ferner, dass die
durchsiclitige Gallertschicht zahlreicher Cysten bei der Eröffnung und der Austreibung des
Inhalts vielleicht betheiligt sei. Bringe man diese Gallertschicht in Berührung mit etwas
Essigsäure, so spränge die Cyste stets auf. Die Gallertschicht ziehe sich hierauf stark zu-
sammen, verdichte sich zu einer concentrisch gestreiften Hülle und helfe derart den
Cystcninhalt austreiben. Wir mussten schon bei früherer Gelegenheit hervorheben, dass nach
unsrer Ansicht diese concentrisch gestreifte Hülle nicht durch Zusammenziehung der Gallert-
schicht, sondern der eigentlichen Cystenhülle hervorgehe.
In zahlreichen Fällen mag jedoch auch keinerlei besondre Einrich-
tung zur Eröffnung der Cysten vorhanden sein , sondern die Oeffnung
mehr zufällig, manchmal vielleicht erst nach Wiederaufnahme der Cyste
durch einen andern Parasitenträger erfolgen. Bei den Monocystideencysten
des Regenwurms wenigstens scheinen die Cysten keine Neigung zum
Aufspringen zu besitzen.
Die eigenthümlichen Einrichtungen nun aber, welche bei gewissen
Geschlechtern zur Eröffnung der Cysten und zur Ausstreuung der Sporen
dienen, sind von zweierlei Art. Bei der Gattung Stylorhynchus umhüllt
sich der nicht zur Sporulation verwendete Cysteninhalt mit einer zarten,
allseitig geschlossnen Membran und wird so zu einer inneren sogen.
Pseudocyste, zwischen welcher und der eigentlichen Cystenwand sich die
Sporen angehäuft finden (37. 3d, pc). Indem diese Pseudocyste allmählich
an Volum wächst, sprengt sie schliesslich die eigentliche Cystenhülle und
dient so zur Eröffnung und Ausstreuung der Sporen.
Bei weitem interessanter ist die Bildung der sogen. Sporoduete, welche
bei den Gattungen Clepsidrina und Gamocystis vorkommen. Schon im Jahre
[''üitpll. d. ficicu Grcganiiidcii (Sjiorulatioii ; Eiiuicht. zur Ausstreuung der Sporen). 545
1818 scheiut Stein diese Sporoducte an geöffneten Cysten der Clepsi-
drina polymorpba beobachtet zu haben; sehr kenntlich bildete er sie je-
doch 1857*) ab und beschrieb sie als strangförmige Fortsätze des Cysten-
inhalts, welche die Cystenhaut durchbohrt hätten und durch welche die
Sporen nach Aussen träten. Erst im Jahre 1873 wurde jedoch dieser
eigenthüraliche Apparat von A. Schneider bei der Clepsidrina ovata wieder-
entdeckt und genauer studlrt, später dann noch bei weiteren Arten ver-
folgt und auch bei einer Monocystide, dem Gamocystis, in ganz ent-
sprechender Ausbildung angetroffen. Indem wir zur genaueren Schilde-
rung dieser Sporoducte und ihrer Bildung tibergehen, wollen wir die Ver-
hältnisse bei Clepsidrina Blattarum zu Grunde legen, welche ich selbst
zu Studiren Gelegenheit hatte.
Sehr frühzeitig, schon vor dem Hervorknospen der Sporen und vor dem
Verschmelzen der beiden copulirenden Individuen erkennt mau unter der
eigentlichen Cystenhülle das Vorhandensein einer innersten, dem Cysten-
inhalt, wie es scheint, dicht aufliegenden, zarten Hülle, welche deshalb
von besondrer Wichtigkeit ist, weil die sich später bildenden Sporoducte
mit ihr in Verbindung treten und dann als Anhänge, resp. Fortsätze der-
selben erscheinen.
Die ersten Spuren der Sporoducte selbst finden sich einige Zeit nach
der Verschmelzung des Cysteninhalts zu einer einheitlichen Masse und
nachdem sich die Sporoblasten in das Centrum dieser Masse zurückgezogen
haben. Man erblickt dann in der peripherischen körnigen Masse des
Cysteninhalts eine, je nach der Grösse der Cysten verschiedne Zahl heller
rundlicher Flecke, welche von reinem, nichtkörnigem Plasma gebildet wer-
den (35. 2e). Diese Flecke sind aber nicht nur oberflächliche Gebilde, sondern
jeder entspricht einer radial gerichteten Portion hellen Plasmas, die sich
von dem centralen Sporenhaufen bis zur Oberfläche des Cysteninhalts
erstreckt. In der Axe jedes dieser hellen Plasmastreifen tritt nun schon
deutlich ein zartes Röhrchen hervor, über dessen erste Entstehung sich
nichts Näheres ermitteln Hess. Das peripherische Ende dieses Röhrchens,
des Sporoducts, ist von einer feinkörnigen plasmatischen Masse umlagert,
von der aus sich ein plasmatisches Fadennetz in die umgebende körnige
Masse verfolgen lässt, und derartige Plasmanetze treten auch im weiteren
Verlauf des jugendlichen Sporoducts an ihn heran und umspinnen ihn mit
einem zarten Plasmaschlauch, der ohne Zweifel die Abscheidung oder
Bildung des Sporoducts bewerkstelligt. Schon sehr frühzeitig tritt der
Sporoduct mit der Sporoductenhaut in Verbindung und erscheint dann
wie eine röhrenförmige Einstülpung desselben ins Innre des Cysteninhalts.
Ursprünglich noch weniger resistent, erlangen die Sporoducte bald eine
grössre Resistenz, so dass sie wie die Sporoductenhaut der Einwirkung
von Kalilauge widerstehen und mit Hülfe dieses Reagens sehr deutlich ge-
macht werden können, da dasselbe die Körner des Cysteninhalts auflöst.
■"*) .T. V. Carus. Icones zootomicae 1857. Taf. I. Fisr. .5
&•
l'-riiiiii, Klüs^iMi (Itis 'riiii^v-Ri'ii-lis. ri-iiluzna. 35
546 Gregarinida. -
Die Zahl der sich bikleuden Sporoducte ist sehr verschieden und
scheint mit der Grösse der Cysten ziemlich regelmässig zuzunehmen. Bei
der Clepsidrina Blattarum schwankt ihre Zahl etwa zwischen 4—12.
Die Art und Weise, wie diese Sporoductc nun bei der Emission der
Sporen in Wirksamkeit treten, ist die, dass sich, an Stelle eines Aufreissens
der Cystenhülle, die Sporodncte plötzlich nach Aussen umstülpen, indem sie
die eigentliche Cystenhülle und die Gallertschicht durchbohren (34.2b; 35.4).
Je nach der sehr verschiednen Dicke, welche diese letztere erreicht, sind sie
nach ihrer Ausstülpung in die Gallertschicht eingeschlossen oder ragen
über dieselbe noch frei hinaus. Länge und Zahl der Sporodncte scheint
bei den verschiednen Arten gewissen Verschiedenheiten unterworfen zu
sein. Au den hervorgestülpten Sporoducten der Clepsidrina Blattarum
erkennt man noch eine eigenthümliche Bildung recht deutlich, welche in
unausgestülptem Zustand nicht wohl zu bemerken war (35.6). Ihr basaler Ab
schnitt ist nämlich anscheinend verdickt und zu einem besonderen Basal-
glied angeschwollen, auf welches ein langes, röhrenförmiges Endglied
folgt. Genauere Beobachtung lehrt jedoch, dass diese scheinbare An-
schwellung aus einer mehr oder weniger unregelmässigen Anhäufung einer
grobkörnig -fasrigen Masse um den basalen Abschnitt des Sporoducts
besteht. Bei andern Clepsidrina- Arten soll dieses scheinbare Basalglied
noch viel deutlicher sein und namentlich auch schon an dem unausgestülp-
ten Sporoduct sehr bemerkbar hervortreten. Speciell bei Clepsidrina
Munieri ist es sehr kenntlich, da es noch durch eine rothe bis braune
Färbung hervorsticht. Ueber die Entstehungsweise dieses scheinbaren
Basalgliedes bei Clepsidrina Blattarum dürfte schwer etwas Sicheres an-
zugeben sein. Wahrscheinlich wird es von einer Masse gebildet, die bei
der Hervorstülpung der Sporoducte zunächst ausgepresst wird, einer
Masse, welche sich vielleicht schon innerhalb der unausgestülpten Sporo-
ducte vorfand.
Nachdem durch die Hervorstülpung einiger oder sämmtlicher Sporo-
ducte (häufig geschieht dieselbe nämlich nur theilweise) ein Weg zum
Austritt der Sporenmasse geschaffen wurde, scheint deren Austreten nun
einfach durch den Druck der sich contrahirenden eigentlichen Cystenhülle
stattzufinden. Dabei kommt jedoch (wenigstens bei der Clepsidrina Blat-
tarum) noch eine eigenthümliche Einrichtung zur Geltung, welche ver-
mittelt, dass die central angehäuften Sporen zu den Sporoducten hinge-
leitet werden. Als solche Leitbahnen functioniren nämlich die schon oben
erwähnten plasmatischen Schläuche, in deren Innerem die Sporoducte sich
bildeten (35. 4, s).
Zuweilen verläuft aber auch die Eröffnung der Clepsidrinencysteu
(Cl. Blattarum) etwas anders. Es reisst nämlich nicht selten die eigent-
liche Cystenhülle ein und treibt durch ihre Zusammenziehung den ge-
sammten Cysteninhalt, in der Sporoductenhaut eingeschlossen, heraus,
wobei dann gleichzeitig die Sporoducte theilweis oder vollständig zur
Ausstülpung gelangen. Ausser bei Clepsidrina fand sich, wie bemerkt,
Fortpfl. d. freien Gregarinidcu (Eiiuicht. zur Ausstreuung d. S2)orcii ; Bau d. reifen Sporen). 547
diese Sporoductenbildung bis jetzt nur bei der zu den Monoeystideen ge-
hörigen Gattung Gamoeystis; eine jedenfalls vorerst sehr merkwürdige
Vertheilung dieser Einrichtung.
E. Weitere Ausbildung und Bau der reifen Sporen.
Als reif bezeichnen wir diejenige Ausbildungsstufe der Sporen, auf
welcher sie eine wohlentwickelte Hülle von charakteristischer Gestalt be-
sitzen , der plasmatische Sporenkörper jedoch noch keinerlei tiefere Um-
bildung, mit Ausnahme etwa einer Condensation, erfahren hat. Wir ver-
liesscn die jugendlichen Sporen im vorigen Abschnitt als hüllenlose
kuglige, sehr durchsichtige Plasmakörperchen, welche zuweilen auch einen
Kern erkennen Hessen. In welcher Weise die weitere Entwicklung, spe-
ciell zunächst die Bildung der Sporenhülle sich vollzieht, ist durch neuere
Untersuchungen nur wenig aufgeklärt worden. Ohne Zweifel wird man
wenig fehlgehen , wenn man sich die Hülle als einfaches Ausscheidungs.
resp. Umbildungsproduct auf der Oberfläche des nackten Sporoblasten
entstehen denkt. Da die Sporenhüllen z, Th. sehr eigenthümliche und
charakteristische Formen besitzen, so ist natürlich erforderlich, dass
auch die Sporoblasten zunächst derartige Formen annehmen, über
welche sich die Hülle alsdann wie ein Abguss bildet. Bei den Mono-
cystideensporen der Regenwürmer lässt sich dies auch wohl beobachten;
die Sporoblasten nehmen hier zunächst eine spindelförmige Gestalt an, worauf
die Ausbildung einer zarten Membran auf ihrer Oberfläche beginnt (33, 5a);
diese Membran verdickt sich allmählich, während die Plasmamasse sich con-
densirt und sich dabei aus den Polen der spindelförmigen Hülle zurück-
zieht. Diese etwas zugespitzten Pole werden durch eine besonders reich-
liche Ausscheidung von Hüllsubstanz knopfartig verdickt (5b). Die Sporen-
hülle der eigentlichen Gregarinen ist, soweit bekannt, stets eine einfache
und allseitig geschlossene. Sie ist weiterhin fast durchaus homogen und
solide, nur bei der Gattung Porospora wird die sehr dicke Hülle von
zarten, radialen Porenkanälchen dicht durchsetzt und zerfällt leicht in feine
Stäbchen (36. 5), Die Dicke der Hüllmembran bietet grosse Verschieden-
heiten dar; im Gegensatz zu den Verhältnissen bei der eben erwähnten
Porospora, sinkt sie bei andern Geschlechtern bis zur einfach con-
tourirten, zartesten Hüllhaut herab. Gewöhnlich ist sie durchaus farb-
los, nur bei Stylorhynchus zeigt sie eine intensiv braune Färbung.
Ueber ihre chemische Natur ist nicht viel bekannt; sie ist sehr
widerstandsfähig gegen die Einwirkung verschiedner Reagentien; dass
sie jedoch nicht aus Kieselsäure besteht, wie sich aus der früheren Ver-
gleichung mit den Navicellen vielleicht hätte vermuthen lassen, hat schon
Frantzius aus ihrer Zerstörung beim Glühen bewiesen.
Von grosser Mannigfaltigkeit sind die Gestalts- und Grössenverhält-
nisse der Sporen. Zuweilen bewahren auch die reifen Sporen noch eine
nahezu sphärische Gestalt, so bei Stylorhynchus (37, 7) und Porospora, bei
letztrer Form jedoch auch häufig ins Ovale übergehend (36, 5), Es finden sich
35*
548 Gregariiiida.
daon weiterhin elliptische Formen (wie bei Hoplorbynchus), welche durch
Zuspitzung ihrer Enden in die spindelförmige, navicellenartige Form über-
gehen, die für die Regenwurmmonocysten so charakteristisch ist, jedoch
auch bei Polycystideen z. Tb. auftritt. Bei Stenocephalus sind die spindel-
förmigen Sporen noch durch eine dunkle Aequatoriallinie ausgezeichnet,
während bei Dufouria eine Linie zwischen den Polen der navicellenartigen
Sporen hinzieht, welche vielleicht auf eine Zusammensetzung der Sporen-
schale aus zwei Hälften hindeutet (35.11b). Auch die scheibenförmigen
Sporen von Adelea sind zweiklappig (35. 12c).
Bei Actinocephalus nehmen die Sporen eine doppeikegelförmige Ge-
stalt an (36. 13c), während sie bei Echinocephalus und Gamocystis zu cylin-
drischen, mit abgerundeten Enden versehenen Gebilden werden (36. 14c).
Aehulich erscheinen im Allgemeinen auch die von Clepsidrina, sind jedoch
an den Enden quer abgestutzt und in der Aequatorialgegeud mehr oder weniger
bauchig aufgetrieben, so dass die Gesammtgestalt tonuenformig wird (35.5).
Die im Allgemeinen ähnlich gestalteten Pseudonavicellen von Euspora sind
nicht mehr cylindrisch, sondern fünfseitig prismatisch (36. 2).
Von besonderem Interesse ist das Vorhandensein eines schwauzartigen
Anhangs an dem einen Pol der ziemlich spindelförmigen Sporen von Uro-
spora (34 6), eine Eigenthümlichkeit, die namentlich deshalb unsre Be-
achtung verdient, weil ein solcher Anhang ja auch einem Theil der Myxo-
sporidiensporen eigenthümlich ist.
Beraerkenswerth erscheinen weiterhin eine Reihe von Missbildungen
und eigenthümlicher Doppelbildungen, welche hauptsächlich bei den Sporen
der Regenwurmmonocystideen, zuerst durch Lieberkühu, beobachtet worden
sind. Einmal sind dies Abweichungen von der spindelförmigen Normal-
gestalt, welche dieselbe in eine mehr birnförmige oder häufig auch dreiseitige,
mit Ausprägung dreier kuopfförmiger Pole, überführen (33.6—8); anderseits
jedoch sehr eigenthümliche Doppelbildungen, welche man sich etwa durch
theilweise Verwachsung zweier oder auch dreier, mit ihren Längsaxen
gekreuzter Sporen der Normalform hervorgegangen denken kann (33. 10).
Wahrscheinlicher ist jedoch, dass diese Missbiidungen umgekehrt durch
unvollständige Theilung jugendlicher Sporen entstanden sind. Auch die
schon erwähnten dreipoligen, missgebildeten Sporenformen können in ähn-
licher Weise miteinander verwachsen sein (33.9), und weiterhin lässt sich
denken, dass sehr complicirte, mit zahlreichen stachelartigen Fortsätzen
versehene Sporeugestalten der Art entstanden, dass die einfacher gebauten
Doppel- oder Tripeisporen nochmals unter einander in Verbindung traten
(33. 11). Auch bei Pileocephalus hat Schneider Doppelsporen beobachtet,
welche sich wie eine Einzelspore repräsentiren, die in halber Länge getheilt
ist (36. lOf ). Wie gesagt, soll jedoch durch diese Schilderungsweise der Viel-
fachsporen (oder concretionären Sporen nach Schneider) keineswegs ausge-
sprochen werden, dass dieselben thatsächlich das Resultat von Ver-
wachsungsprocessen der Einzelsporen seien. Der plasmatische Inhalt der
niissgebikleten Sporen zeigt, soweit bekannt, niemnls Anzeigen einer
Foi'fiiHau/.. (I. rrcicii (ircgarinidi'n [V,d[\ ilcr ivifcn Spuren). 549
conii>liciitcren Znsammensetzung-, sondern ist einfach gebildet, wie der der
gewöhnlichen.
Den protoplasmatischen Inhalt dieser letzteren müssen wir noch etwas
näher betrachten. Derselbe ist entweder fast ganz körnerfrei und da-
her sehr durchsichtig oder enthält mehr oder weniger Körnchen, welche
sich bei der reifen Spore zuweilen mehr im Centrum des Plasmakörpers
zusammenhäufen. Wahrscheinlich vermehren sich diese Körnchen des
Sporenplasmas zuweilen allmählich, wie es mir wenigstens bei Clepsidrina
Blattarum schien und vielleicht auch nach Lieberkühn's Untersuchungen
für die Sporen der Regenwurmmonocystideen angenommen werden darf.
Wie schon oben hervorgehoben wurde, zieht sich das Protoplasma in den
reifen Sporen häufig durch Condensation etwas zusammen.
Bei den Sporen einiger Geschlechter erwies zuerst A. Schneider die
Gegenwart eines Zellkerns, so bei Pileocephalus, Echinocephalus, Hoplo-
rhynchus und Adelea; hierzu gesellen sich nach meinen Erfahrungen noch
die Gattung Clepsidrina, wo ich wenigstens in den Sporoblasten den Kern
deutlich sah und weiterhin die Monocysliden der Regenwürmer, bei
welchen der Kern in grossen Sporen sehr deutlich hervortritt. Der
Nucleus dieser letzteren zeichnet sich durch relativ beträchtliche Grösse
aus und ist auf den verschiednen Ausbildungsstufen der Sporen ziemlich
leicht zu beobachten (33.5 b). Schneider ist der Ansicht, dass die
Sporen theils Cytoden, also kernlos, theils kernhaltige Zellen seien;
ich muss gestehen, dass ich diese Ansicht nicht für wahrscheinlich halte,
sondern sämmtliche Sporen für kernhaltig, also für Zellen im Häckel'schen
Sinn erachten möchte. Dass sich bis jetzt nur in wenigen der Kern nach-
weisen Hess, ist bei der Kleinheit der Objecte unschwer verständlich und
der thatsächliche Nachweis des Kernes bei einer Anzahl Geschlechter in
dieser Hinsicht gewiss höher anzuschlagen, als die negativen Befunde.
In den Sporen von Adelea fand Schneider noch zwei längliche Kör-
perchen von unbekannter Bedeutung, welche an einem Pol in der Weise
divergirend zusammengelagert sind, dass sie den Nucleus zwischen sich
nehmen (35. 12c, k). Wenn auch die Bedeutung dieser Körperchen bis
jetzt noch keineswegs aufgeklärt ist, so beanspruchen sie doch ein ziem-
liches Interesse, da die Vermuthung erlaubt ist, dass sie den eigenthüm-
Hchen Polkörperchen der Myxosporidien entsprechen.
Mit einigen Worten wäre noch der Grössenverhältnisse der Sporen
zu gedenken. Hierüber lässt sich jedoch bei dem heutigen Stand unsrer
Kenntnisse schwer etwas Umfassendes mittheilen, da derjenige Forscher,
welcher bis jetzt die Sporen einer grösseren Zahl von Gregarinen genauer
studirt hat, A. Schneider, über ihre Dimensionen gar nichts raittheilt. Bei
den Regenwurmmonocystiden schwankt die Länge der Sporen etwa zwischen
0,014 und 0,026 Mm., bei Clepsidrina Blattarum besitzen die tonnenför-
migen Sporen nur eine Länge von ca. 0,011 Mm.
Die Erwähnung der Grössenverhältnisse der Sporen gibt uns Anlass,
noch auf eine eigenthümliche Erscheinung aufmerksam zu machen, welche
550 Gregaiiuida.
Schneider bei einigen Gregarinen aufgefunden hat, nämlich das Vor-
kommen von zweierlei, in der Grösse diöerirenden Sporen, sogen. Mikro-
und Makrosporen bei einer und derselben Art.
Dies, von ihm zunächst bei der Clepsidrina ovata aufgefundne Verhalten sucht er Aveiter-
hin auch für die sehr verschieden grossen Sporen der Monocystiden des Kegcnwurms gel-
tend zu inachen. Auch hier glaubt er Mikro- und Makrosporen, welche sich nur durch ihre
Grösse unterscheiden, auseinanderhalten zu sollen. Die sehr verschiedne Grösse dieser Sporen
haben wir schon oben betont , jedoch will mir scheinen , als ob sich dieselben nicht einfach
in Mikro- und Makrosporen scheiden Hessen, sondern dass sich auch Uebergangsstufen zwischen
ihnen finden. Wie es scheint, geht Schneider von der Licberkuhn'schen Ansicht aus: dass
die Monocystiden des Regenwurmhodens sämmtlich eine einzige Art bildeten, eine Idee, welche
ich mit Stein und Schmidt für irrig oder doch wenigstens für ganz unbewiesen halten muss.
Die sogen. Mikro- und Makrosporen der Eegenwurmmonocystiden könnten daher sehr wohl
auch specifisch verschieden sein.
Wie gesagt, hat Schneider solche Mikro- und Makrosporen zunächst bei der Clepsidrina
ovata aus der Larve des Tenebrio molitor getroffen, auch hier, wie bei den Monocystiden des
Eegenwurms, enthielten die einzelnen Cysten stets entweder nur die eine oder die andre
Sporensortc. Die Makrosporen übertreffen die Mikrosporen etwa um das zwei- bis dreifache
an Länge. Aeusserlich zeigten die nach ihrem Inhalt verschiednen Cysten keine Differenz;
jedoch unterschieden sie sich in dem Kaliber ihrer Sporoducte, indem diejenigen mit Makro-
sporen auch entsprechend weitere Sporoducte zum Durchtritt der grösseren Sporen aufwiesen.
Nicht selten beobachtet man, dass die reifen Sporen gewisser Monocystideen (so die der
Kegenwürmer zuweilen) wie Polycystideen (namentlich charakteristisch bei Clepsidrina und
Stylorhynchus) in eigenthümlicher Weise aneinanderhängen. Gewöhnlich hängen sich dann
eine grosse Menge Sporen, in einfacher Eeihe hinter einander gereiht, zu einer Kette zusam-
men (T. 37. 3d). Die länglichen und spindelförmigen Sporen heften sich, wie zu erwarten,
mit den Polen aneinander. Selten beobachtet man, dass sich eine Sporenkette in ihrem Ver-
laufe zu zweien spaltet. Bei den angeführten Polycystideengeschlechtern treten die Sporen
aus den Cysten in solcher Kettenvercinigung in die Aussenwelt, und diese Ketten können sich
nach Schneider mehrere Tage unzerfallen erhalten. Nach Gabriel (43) soll das Zusammen-
hängen der Sporen bei den Monocystiden der Eegenwürnier durch eine Kittsubstanz bewirkt
werden, welche entweder in Gestalt eines Tröpfchens an den Polen der spindelförmigen Sporen
hervortrete oder die Sporen gänzlich umhülle.
F. Weiterentwicklung des Sporeninhalts, Ausbildung sogen, sichelförmiger
Keime.
Bei der grösseren Mehrzahl der Gregarinidenformen wurde bis jetzt
eine Veränderung und Weiterbildung des Sporeninhalts nicht beobachtet;
dagegen Hess sich namentlich bei gewissen Monocystideen eine sehr inter-
essante Weiterentwicklung desselben bemerken, und da derselbe Vor-
gang auch bei einer Polycystidee gefunden wurde und weiterhin bei den
Coccidien allgemein verbreitet ist, so dürfte die Vermuthung nicht so un-
gerechtfertigt erscheinen, dass eine solche Weiterentwicklung des Sporeu-
inhalts möglicherweise den Gregarinen allgemein zukommt.
üeber die Weiterentwicklung der Sporen der Eegenwurmmonocystiden hatte bekanntlich
Lieberkühn eine eigenthümliche Ansicht entwickelt, dass nämlich der Sporeninhalt (der sogen.
Nucleus Lieberkühn's) nach Ablauf gewisser, hier nicht näher zu erörternder Umbildungen,
noch innerhalb der Cysten durch Zerstörung und Auflösung der Sporenhülle frei werde und
sich hierauf, nach Verlassen der Cyste , in der Leibesflüssigkeit des Eegenwurms zu einer
Amöbe nmbilde, welche sich schliesslich allmählich zur Gregarinenform entwickle. Die ün-
I''üi'(2'fl. d. fr. (ircg-ariiüdcii (Bau u. W'citcrciitwickl. d. reifen Sporen). 551
riclitiglicit dieser Lieberkülm'schen, auf sehr schwacher Thatsacheiibasis beruhenden Ansicht
wurde dann namentlicli von A. Schneider erwiesen.
Nach iinsein heutigen Erfahrungen erleidet de? Inhalt der Monocystis-
sporen der Regenwürmer, und ähnlich verhalten sich auch die Sporen
von Urospora, Gonospora und Dufonria, eine Art von Furchung-, welche
entweder schon eintritt, so lange die Cysten noch in den Parasitenträgern
verweilen, oder auch erst nach ihrer Entleerung ins umgebende Wasser etc.
Bei den Monocystissporen verläuft dieser Vorgang etwa in folgender
Weise. Der ziemlich körnige Plasmakörper der Sporen nimmt allmählich
wieder an Volum zu, so dass er die Sporenhülle wieder nahezu völlig
erfüllt. Die Körner sammeln sich mehr im Centrum oder auch am einen
Ende des Plasmakörpers an. Wahrscheinlich findet jetzt auch schon eine
Vermehrung des Kernes statt, indem man nun mehrere, 3 — 4 helle, kern-
artige Flecke im Plasma bemerkt. Hierauf theilt sich der Plasmakörper
der Länge nach in 4 — 8 stäbchenförmige, beiderseits zugespitzte und aus
körnertreiem hellen Plasma bestehende Körperchen, die sog. sichelförmigen
Körperchen (33. 5c). Höchst wahrscheinlich erfolgt diese Längstheilung
simultan, nicht successive, da man successive Theilungsstadien nicht beob-
achtet. Jedoch ist die Theilung selbst sehr regelmässig und erfolgt nach
radial gerichteten Längsebnen , welche sich sämmtlich in der Längsaxe
der Spore schneiden, so dass die sichelförmigen Keime ganz regelmässig,
etwa wie die Schnitze einer Orange zusammengeordnet sind (33. 5d) *).
Unregelmässige Lagerung der Körperchen, wie sie sehr gewöhnlich
au den Sporen mit völlig ausgebildeten Keimen zu beobachten ist, dürfte
wohl auf nachträgliche Verschiebungen zurückzuführen sein. Die im Cen-
trum oder am einen Ende des sich theilenden Plasmakörpers angesam-
melte Körnermasse wird bei der Theilung als eine axial gelagerte Masse
ausgeschieden, welche sich nach völliger Ausbildung der Keime meist
mehr abrundet und nun den sogen. ,,nucleus de reliquaf' (A. Schneider's)
bildet, ein Ausscheidungsproduct, welches ohne Zweifel keine Bedeutung
mehr für die Entwicklung der Gregarine besitzt (5c, r). Vergleichen lässt
sich diese Ausscheidung des Nucleus de reliquat oder Restkörpers vielleicht
am besten mit dem Reinigungsprocess, der sich auch bei der Encystirung
gewisser Rhizopoden, Heliozoen und Flagellaten vollzieht, indem inner-
halb der Cyste die Nahrungsreste und Excretkörnchen ausgestossen werden.
Es erscheint auch nicht unwahrscheinlich, dass sich bei näherer Unter-
suchung die Körnermassen des Restkörpers als chemisch ditferent von
den gewöhnlichen Gregarinenkörnern und zwar als Excretionsproduct
ergeben möchten.
Die Entstehungsgeschichte der sichelförmigen Keime ist bei den übrigen
Geschlechtern bis jetzt noch wenig ausreichend erforscht, jedoch dürfte
*) Gabriel (43) leugnete die Entstehung sichelförmiger Keime in den Sporen der
Eegenwurmmonocystideen und gab eine Darstellung der Weiterentwicklung dieser Sporen, auf
welche jedoch hier nicht näher eingegangen werden soll, da ich sie für unrichtig halte und
Gabriel selbst späterhin (44) die sichelförmigen Keime häufig beobachtet zu haben scheint.
552 öregariiiiJa.
bei der allgemeiocn Ucbereinstimmnng* der Verhältnisse auch eine analoge
Entstehung sehr wahrscheinlich sein. Der sogen. Restkörper besitzt eine
allgemeine Verbreitung.
Die sichelförmigen Keime der Regenwurrasporen lassen einen deut-
lichen Nucleus wahrnehmen; bei denen der übrigen Geschlechter (Uro-
spora, Gonospora und Dufouria, 34. 5 u. 6, 35. IIb) glückte der Nachweis
eines Kernes bis jetzt noch nicht, jedoch dürfte derselbe wohl auch hier
nicht fehlen. Beweguugserscheinungen Hessen sich bis jetzt an den Kei-
men der erwähnten Gregarinengeschlechter noch nicht sicher beobachten,
da aber die ganz entsprechenden der Coccidien deutliche Bewegungs-
erscheinuugen zeigen, so ist ihr Auftreten unter geeigneten Bedingungen
auch hier zu erwarten*).
Schon oben wurde hervorgehoben, dass ziemlich viel für ein verbrei-
teteres Auftreten der sichelförmigen Keime im Entwicklungskreis der
Gregarinen spricht, jedoch fehlen hierfür bis jetzt positive Nachweise.
Was die Bedeutung der Keime betrifft, so ist bei dem Mangel that-
sächlicher Erfahrungen über ihr weiteres Schicksal bis jetzt nur die An-
nahme vermuthungsweise zulässig, dass sie sich unter geeigneten Bedin-
gungen direct zu den Gregarinenformen entwickeln. Näheres über diese
Frage wird der folgende Abschnitt bringen.
G. Die Wiederentwicklung der Gregariniden aus den Sporen.
Wir betreten hier den bis jetzt noch dunkelsten Abschnitt in der
Fortpflanzungsgeschichte der Gregariniden. Bis heute ist noch nicht in
einem einzigen Fall die Entwicklung der Gregarine aus den Sporen zu-
sammenhängend verfolgt worden.
Ganz flüchtig wollen wir liier nur einige AnsicLten berüliren, welclie im Laufe der Zeit
über diese schwierige Frage mit mehr oder weniger Berechtigung ausgesprochen worden sind.
KöUiker vermuthete einst, dass die Entwicklung der Gregarinen einfach durch Auswachsen
der Sporen unter geeigneten Bedingungen geschehe; dass also die Hülle der Spore sich direct
in die der Gregarine umwandle und so fort. Stein dagegen, welcher sich zuerst auch die
Ermittlung der Neuinfection der Parasitenträger mit Gregarinen zur Aufgabe machte, wollte
sich, speciell bei Clepsidrina Blattarum, überzeugt haben, dass der Sporeninhalt nach Aufnahme
der Sporen in den Darmkanal der Schaben — ein Fall, der sich ja beim Fressen des mit
Sporen geschwängerten Kothes sehr leicht ereigne — in der Form einer jungen Gregarine
hervorschlüpfe. Der Ansicht Lieberkühn's wurde oben schon mehrfach gedacht; nach ihm
sollten sich die Eegcnwürmer fortdauernd selbst mit Gregarinen inficiren, indem die als kleine,
kernlose Amöben frei gewordnen Sporenkörper sich allmählich wieder zu Gregarinen ent-
wickelten. Es ist aber auch schon genügend gezeigt worden, dass die Herleitung eines Theils
der amöboiden Körperchen der perivisceralen Flüssigkeit der Eegenwürmer von den Mono-
cystissporen durchaus nicht erwiesen und andererseits auch der üebergang dieser Amöben in
die Gregarinen nicht mit Sicherheit dargelegt wurde.
*) Nach einer Mittheilung Gabriel 's (44) möchte es jedocli scheinen, dass er freie
bewegliche sichelförmige Keime in den Hoden und der Leibeshöhlenflüssigkeit der Regen-
würmer vielfach beobachtet hat.
E-'orllill. d. l'r. (ircganuicluii (Sicliclföim. Keime u. Wicilerontwickl. ^]. (irogar. aus d. Sporen). 553
Leider besitzen wir für diejenigen Gregarinen, welche bis jetzt die
Entwicklung sichelförmiger Keime erkennen Hessen, gar keine Erfahrungen
über die eventuelle Entstehungsweise der ausgebildeten Gregarinen aus
jenen Keimen. Ja es ist sogar in diesen Fällen, und speciell für die so
vielfach untersuchten Monocj'stiden der Regenwürmer, bis jetzt ganz
zweifelhaft, auf welchem Wege die Infection mit jugendlichen Gregarinen,
resp., wie ja sehr wahrscheinHch , mit den sichelförmigen Keime enthal-
tenden Sporen geschieht. Denn dass sich die Sporen dieser Monocysti-
den, wie Lieberkühn annahm und neuerdings wieder Gabriel behauptete,
direct in ihrem Parasitenträger wieder zu Gregarinen entwickelten, dürfte
kaum zulässig erscheinen. Man braucht nur die kolossale Masse der
Cysten, welche die Hoden gewöhnlich erfüllt, mit der meist nicht sehr
erheblichen Zahl ausgebildeter Gregarinen zu vergleichen, um diese An-
nahme sehr unwahrscheinlich zu finden. Würde sich der Entwicklungs-
gang in der erwähnten Weise vollziehen, so wäre nicht recht einzusehen,
warum die Hoden der Regenwürmer nicht stets strotzend von Gregarinen
erfüllt gefunden werden.
Weiterhin wissen wir jedoch bestimmt, dass sich die Sporen der
Arthropodenpolycystiden nicht in ihrem ursprünglichen Wirth weiter-
entwickeln, sondern durch Uebertragung in den Darm eines zweiten
AVirths verpflanzt werden müssen, um zur Entwicklung zu gelangen.
Bis jetzt sind es gerade die Entwicklungsprocesse gewisser Polycysti-
den, welche, obgleich in nur lückenhafter Weise, etwas genauer erkannt
wurden. Zunächst gelang es E. van Beneden (34), den wahrscheinlichen
Entwicklungsgang seiner Porospora gigantea näher zu ermitteln und dieser
bietet, vorausgesetzt, dass der Verlauf thatsächlich in jeder Hinsicht rich-
tig geschildert wurde, sehr interessante Verhältnisse dar. Einmal dadurch,
dass hier zum ersten Mal ein amöboides Ausgangsstadium wirklich mit
genügender Sicherheit constatirt zu sein scheint. Als Ausgangspunkt der Ent-
wicklung fand E. van Beneden nämlich im Darme des Hummers kleine amöben-
ähnliehe kernlose Plasmagebilde, welche ziemlich lebhafte Gestaltsverände-
rungen zeigten, jedoch niemals eigentliche Pseudopodien entwickelten (36. 6a),
wie wir denn auch bei den amöbenähnlichen Umbildungszuständen der
sichelförmigen Keime der Coccidien mehr contractiven Formänderungen
wie eigentlichen Pseudopodien begegnen werden. Leider blieb jedoch die
Plerkunft dieser Plasmagebilde unbekannt und die Annahme, dass sie
direct aus den Sporen hervorgegangen seien, ist bis jetzt durchaus nicht
zu erweisen. Nach Beneden's Darstellung, welche auf Combination
verschiedner beobachteter Zustände, nicht jedoch auf directe Verfolgung
der Fortentwicklung gegründet ist, soll sich die Weiterbildung dieser kern-
losen Plasmakörper folgendermaassen gestalten.
Zunächst erlischt die Bewegung, worauf der Plasmakörper zwei finger-
artige Fortsätze entwickelt, welche sich einmal durch ihre Plasmabeschaflfen-
heit, indem nämlich der eine körnig, der andre fast körnerfrei ist, andrer-
554 (ircgai'inida.
seits jedoch auch dadurch unterscheideD,dass der kölnerfreie keiue Beweglich-
keit zeigt, der audre dagegen sich lebhaft bewegt (6b — d). Seine Bewegungen
bestehen hauptsächlich in knieformigen Einknickungen und in Strömungs-
erseheinungen des Plasmas nach dem freien Ende des Fortsatzes hin.
Allmählich verlängert sich der Fortsatz mehr und mehr und wächst
schliesslich zu einem scblauchartigen Gebilde aus. Seine Zusammenhaugs-
stelle mit dem Plasmakörper, welcher ihm den Ursprung gab, schnürt
sich allmählich ein und soll schliesslich einreissen, so dass der Fortsatz
frei wird. Derselbe besitzt nun etwa die Gestalt eines kleinen Nematoden,
zeigt auffallender Weise auch eine ganz nematodenähnliche lebhafte Beweg-
lichkeit und wird daher von van Beneden als Pseudofilarie bezeichnet (6h).
Der Rest des Plasmakörpers mit dem unbeweglichen Fortsatz wandelt
sich nun schliesslich in seiner Totalität in eine ähnliche Pseudofilarie um,
indem der unbewegliche Fortsatz allmählich beweglich wird und der Kest
des Plasmakörpers in ihm aufgeht (6f — h). In solcher Weise sind
demnach aus einem Plasmakörper zwei kernlose Pseudofilarien hervor-
gegangen, welche sich allmählich direct zu jugendlichen Gregarinen ent-
wickeln werden. Letzteres geschieht in der AVeise, dass die Pseudofilarie
allmäblich ihre Beweglichkeit verliert und sich mebr und mehr ver-
kürzt. Gleichzeitig tritt in ihr ein dunkler Nucleolus auf, um welchen
sich bald eine helle Zone entwickelt, der eigentliche Körper des
Kernes (6i— 1).
Unter weiterer Verkürzung nimmt die jugendliche Gregariue schliess-
lich eine ovale bis birnförmige Gestalt an. Bald tritt an ihrem einen
Ende ein knopfartiger Fortsatz auf, der sich durch eine Anhäufung zahl-
reicher dunkler Körnchen noch weiterhin auszeichnet und sich in der Folge
zu dem Protomerit hervorbildet (6m— n). Beim weiteren Wachsthum ist das
Deutomerit bevorzugt, welches sich rasch verlängert. Erst relativ spät
lässt sich die Cuticula deutlich unterscheiden, wogegen sehr frühzeitig,
schon an dem bewegungslos gewordnen, ursprünglichen Plasmakörper ein
Ectosark angedeutet war.
Soweit die Darstellung Beneden's, über die einige Worte zu bemerken
hier gestattet sein möge.
Sehr zweifelhaft dürfte die auf Grund dieser Beobachtungen ent-
wickelte Ansicht erscheinen, dass sich der Nucleus erst im Laufe der
Entwicklung hervorbilde und der ursprüngliche Ausgangspunkt eine
kernlose Cytode sei, da wir positiv wissen, dass die Sporen einer Reihe
von Gregarinen kernhaltig sind. Ein schwacher Punkt ist weiterhin die
Unsicherheit über die Herkunft der ursprünglichen amöboiden Plasma-
körper — die Lücke, welche zwischen deren Auftreten und den reifen
Sporen noch blieb. Diese Lücke dürfte vielleicht auch noch einige Zweifel
über die richtige Gruppirung der einzeln beobachteten Entwicklungs-
zustände gestatten. Ich erlaube mir diese leisen Zweifel anzudeuten in
der Hoffnung, dass hierdurch vielleicht zur weheren Aufklärung dieses
l'oiliiH. (1, freien (ircg-. i^Kutwirkl. d. l'uius|K)ra g'igaiitca u. d. l'ru.siioi'a Sipiiiiciili). 555
interessanten Falls einige Veranlassung- gegeben werde. Hchon Schneider
hat hervorgehoben, dass der sogen. Pseudofilariazustaud eine grosse Aehn-
lichkeit mit den sichelförmigen Keimen andrer Gregarinen besitze und ist
daher geneigt, den Entwicklungsgang der Porospora gigantea so aufzu-
fassen, dass bei ihr die Erzeugung der sichelförmigen Keime nicht in den
Sporen, sondern erst nach dem Ausschlüpfen des Sporeninhalts erfolge.
Immerhin wäre es jedoch möglich, dass die Uebereinstimmung zwischen
der Entwicklung der Porospora und der übrigen Gregarinen noch weiter-
gehe, wenn wir nämlich die Möglichkeit berücksichtigen, dass der von
van Beneden postulirte Zusammenhang der gesehenen Entwicklungszustände
nicht völlig dem Thatsächlichen entspreche. Mir scheint die Annahme
nicht ganz unzulässig, dass es auch hier die Pseudofilarien (oder sichel-
förmigen Körperchen) sind , welche aus den Sporen hervorschlüpfen und
in diesen schon gebildet worden sind. Bei einer solchen Auffassung wäre
dann der Zusammenhang zwischen den sogen. Pseudofilarien und den
amöboiden Plasmakörperchen in umgekehrter Reihenfolge zu deuten und
durch Umgestaltung dieser letzteren Hessen sich vielleicht die jugendlichen
Gregarinen entstanden denken. Es lässt sich zwar nicht verkennen, dass
dem Versuch einer solchen Deutung des Beobachteten sehr erhebliche
Schwierigkeiten entgegenstehen, jedoch könnte immerhin ein etwas andrer
als der von E. van Beneden aus seinen Beobachtungen gefolgerte
Entwicklungsgang möglich erscheinen, worauf hinzuweisen vorzüglich der
Zweck der obigen Bemerkungen sein sollte.
Gewisse Aehnlichkeiten mit dem eben geschilderten Entwicklungsgang
der Porospora gigantea glaubt R. Lankester (35) auch bei einer Monocystide,
der Urospora Sipunculi gefunden zu haben. Das jüngste Ausgangsstadium
bilde hier eine pseudotilarienartige, kleine kernlose Form, welche häufig
in theilweis aufgebrochnen Cysten der Leibeshöhle des Sipunculus und
dem Divertikel des hintern Darmabschnittes angetroifen wurde. Diese
pseudofilarienartige Form war sehr beweglich und zwar waren auch hier
ihre Bewegungen ganz nematodenähulich. An sie schien sich als weiter-
entwickeltes Stadium zunächst eine kernhaltige Form anzuschliessen, bei
welcher sich ein hintrer Leibesabschnitt durch eine Einschnürung wie eine
Art Schwanzanhang von dem vorderen, kernhaltigen abgesetzt hatte, so
dass die Gestalt sehr an eine Cercarie erinnerte und dies um so mehr,
als die Beweglichkeit nur auf den Scliwanzabschnitt beschränkt war.
Nach Lankester's Vermuthung soll sich dieser Schwanzabschnitt nun von
dem kernhaltigen vorderen Leibesabschnitt loslösen , der erstere sich zu
einer jugendlichen Monocystide hervorbilden, während das Schicksal des
Schwanzes nicht zu ermitteln war. Weiterhin glaubt jedoch L., dass die
in solcher Weise entstaudnen jugendlichen Monocystideen sich durch Längs-
theilung vermehrten, da er sie häufig zu zweien der Länge nach zusammen-
gelagert traf und auch gelegentlich statt eines Kernes in einem Einzel-
thier deren zwei traf, was er als erste Vorbereitung zur Längsthei-
556 Gregariiiida.
luug cleuleu möclite. So interessante Momente auch durch diese Miüliei-
hingen aus dem wahrscheinhcben Entwicklungsgang der M. Sipunculi zu
unsrer Kenntniss gekommen sind, so seheinen mir die Lankester'schen
Untersuchungen doch noch zu unvollständig, um einen eingehenderen Ver-
gleich mit der Entwicklung der Gregarina gigantea zu gestatten.
Genauere Ermittelungen über die Entwicklung einer zweiten Poly-
cystidee aus den Sporen liegen noch aus neuester Zeit vor. Es gelang
nämlich Bütschli (47), die Schaben durch Fütterung mit reifen Sporen der
Clepsidrina Blattarum zu inticiren und in dieser Weise die jugendlichsten
bis jetzt gesehenen Entwicklungsstufen dieser Polycystidee zu beobachten.
Leider glückte es bis jetzt auch hier nicht, den Sporeninhalt, welcher bei
dieser Form bekanntlich bisher noch nichts von einem Zerfall in sichel-
förmige Keime gezeigt hat, beim Herausschlüpfen aus der Sporenhülle im
Darmkanal der Schabe zu beobachten. Damit ist denn auch hier die
Frage noch offen geblieben, ob und welche Umbildungen dieser Inhalt
vor seinem Hervortreten eventuell noch erfahren kann. Die jugendlich-
sten Gregarinenformen, welche drei Tage nach der Infection einer Schabe
mit Sporen massenhaft im Mitteldarm gefunden wurden, zeigten jedoch
eine Reihe sehr interessanter Verhältnisse. Sie fanden sich keineswegs
frei im Darminhalt, sondern w^aren sämmtlich mit einem Theil ihres Körpers
in die freien inneren Enden der Darmepithelzellen eingesenkt (35.8). Die
jugendlichsten Gregarinen war^ kleine, ovale bis etwas birnförmige Zellen,
welche an Grösse die Sporen nicht übertrafen und einen sehr deutlichen
Kern mit grossem Nucleolus, sowie sehr feinkörniges Protoplasma (nach
Behandlung mit Essigsäure) aufwiesen. Sie fanden sich, wie gesagt, bis
zur Hälfte, oder auch über die Hälfte in die Epithelzellen eingesenkt und
zwar so, dass der Kern stets in der freigebliebenen Aussenhälfte einge-
bettet war. Bei den weiteren Entwicklungsstufen zeigte namentlich diese
Aussenhälfte ein rascheres Wachsthum, wurde mehr kugelförmig und
setzte sich bald durch eine scharfe Grenzlinie von dem eingesenkten
Theil ab, womit dann der Zustand einer kleinen Polycystidee deutlich
erreicht war.
Weitere Entwicklungsstadien sind bis jetzt noch nicht bekannt ge-
worden, so dass namentlich die Frage noch unerledigt bleiben muss, ob
die zunächst zur Differenzirung gelangenden beiden Körperabschnitte der
jugendlichen Clepsidrina dem Protomerit und Deutomerit entsprechen und ob
das bei etwas ausgebildeteren Zuständen (35. 9) auftretende und dann allein
noch in die Zelle eingesenkte Epimerit als eine Differenzirung des Proto-
merits auftritt, oder aber ob der zur Differenzirung gelangte vordere Ab-
schnitt allein dem Epimerit entspricht. Erstere Ansicht wird wohl der
Wahrheit näher kommen.
An diesem lückenhaften Entwicklungsgang einer Polycystidee inter-
essirt uns namentlich die Erfahrung, dass die jugendlichsten Zustände
thatsächlich als eine Art Zellenschmarotzer aufzufassen sind ; und dass
Foitiill. d. fr. (jlrcgarinideii (Entwickl. d. Clci>si(lniia, der Monocystis agilis etc.). 557
zalilreiclie rolycystidecn sieh in ähnlicher Weise verhalten werden, wissen
wir daraus, dass die grosse Mehrzahl derselben in ihrer Jugend mit Hafl-
apparaten ausgerüstet ist, welche sie an die Darmepithelien befestigen.
Wir wissen jedoch, dass auch Monocystideen in ihrer Jugend eine solche
zellenschmarotzende Lebensweise führen; wir schliessen dies einmal aus
der Thatsache, dass sich die Monocystis magna bis zu ihrer Reife mit ihrem
Vorderende in Zellen eingesenkt findet (33. la), andrerseits aus dem von
A. Schmidt und Lieberkühn ermittelten Entwicklungsgang der Monocystis
agilis. Schmidt hat hiervon eine Darstellung gegeben, welche, wie mir
scheint, grosses Vertrauen verdient. Bei dieser Form dürfen die jugend-
lichen Zustände geradezu als intracelluläre Schmarotzer beansprucht wer-
den, denn wenn auch die centrale Piasmakugel der Spermatoblastosphären,
innerhalb welcher sie sich entwickeln, sich durch den Mangel eines Zell-
kerns aus der Reihe der lebendigen Zellgebilde wahrscheinlich entfernt,
so ist dies doch ziemlich irrelevant für die Auffassung des Schmarotzer-
thums dieser jugendlichen Gregarinen. Schmidt traf sie zunächst als äusserst
kleine, kuglige Gebilde mit wohlausgebildetem Zellkern an (33. 3a). Unter
Waehsthura der ganzen Spermatoblastosphäre wächst auch die eingeschlossne
Gregarine rasch heran und zeigt bald deutliche Bewegungserscheinungeu
(3b). Die Gestalt der Spermatoblastosphäre wird oval und die Sper-
matoblasten beginnen sich zu entwickeln und kurze Schwanzfortsätze zu
treiben, wodurch die ovale, gregarinenhaltige Blase ein eigenthümliches
Aussehen erhält (3 c — d); schliesslich wächst die Gregarine so heran,
dass sie das Innre der Spermatoblastenblase völlig ausfüllt. Die verküm-
merten, zu kurzen, haarartigen Fädchen ausgewachsenen Spermatozoon
bilden den schon früher erwähnten haarartigen Ueberzug der ziemlich
ausgewachsenen Monocystis (3ej. Die schliessliche Abstreifung dieser Hülle
wurde dann früherhin gleichfalls schon erwähnt (3f — g)*).
Einen weiteren Fall intracellulären Parasitismus der Jugendformen
einer Monocystis theilt R. Lankester (97) in neuester Zeit mit; derselbe
traf nämlich die Jugendzustände der Monocystis Thalassemae als Schma-
rotzer in den Darmepithelzellen der Thalassema, einmal auch in grosser
Anzahl in den Eiern dieser Gephyree.
Mit einigen Worten müssen wir am Abschluss uusrer Betrachtung
über die Entwicklungsvorgänge der Gregarinen noch der neuerdings von
Gabriel (41 — 44) entwickelten, sehr eigenthümlichen und von dem seither
*) Nach einer soeljen erschienenen Mittheilung- von Dietr. Nasse (Beiträge zur Anatomie
der Tubificiden. Inaug.-Diss. Bonn 1882) über einige Entwicklungszustände der Urospora
Saenuridis K. Lank. aus dem Hoden von Tubifex, scheint es mir nicht unwahrscheinlich, dass
diese Form einen ähnlichen Entwicklungsgang besitzt wie Monocystis agilis. Da N. nämlicli
mit einem sogen. Wimperkranz versehene Cysten beschreibt und abbildet, liegt die Vermuthung
nahe , dass auch hier die Cilienbeklcidung verkümmerten Spermatozoon ihre Entstehung ver-
dankt. Wenn diese Vermuthung richtig ist, so wäre weiterhin von Interesse, dass die Urospora
Saenuridis noch unter der schützenden Decke verkümmerter Samenfäden zur Encystirung
schritte.
558 Gregarinida.
Bekannten durchaus abweichenden Vorstelhingeu über die Entwicklungs-
vorgünge der Regenwurmmonocystiden gedenken. Es dürften seine An-
gaben an dieser Stelle um so eher eine kurze Erwähnung finden, als sie
sich z. Th. höchst wahrscheinlich auf ähnliche Entwicklungszustände
gründen, wie die, welche wir soeben nach Schmidt und Lieberkühn's
Forschungen aus der Lebensgeschichte der Monocystis agilis kennen lern-
ten. Gabriel ist zunächst mit Lieberkühn überzeugt, dass die kernlosen
Amöben der perivisceralen Flüssigkeit der Regenwürmer thatsächlich in
den Entwicklungskreis der Monocystiden gehören ; neue Nachweise hier-
für werden aber kaum beigebracht. Die Entwicklung der Gregarinen aus
diesen Amöben soll sich aber nicht durch einfaches Hervorwachsen voll-
ziehen, wie sich Lieberkühn diesen Vorgang etwa vorstellte, sondern auf
sehr eigenthümlichen Umwegen. Die Amöben sollen z. Th, durch Con-
crescenz zu sogen. Synamöben sich umbilden und nur aus diesen, nicht
jedoch den einzeln gebliebnen Amöben gingen die Gregarinen hervor.
Aber auch nur ein Theil dieser Synamöben erzeugt Gregarinen, ein andrer
Theil dagegen entwickelt sich zu myxomyeetenähnlichen Plasmodien,
welche auch schon Hering beobachtet, jedoch unrichtig gedeutet habe.
Auf diese Erfahrung gründet Gabriel seine Ueberzeugung von der Ver-
wandtschaft der Gregarinen mit den Myxomyceten.
Die ersterwähnte Form der Synamöben erzeugt nun die Gregarinen in drei
bis vier sehr verschiednen V/eisen, jedoch entwickeln sich die Gregarinen
stets nur aus einzelnen Amöbenindividuen dieser Svnamöben. Die Entwick-
lungsprocesse sollen sich im Grossen und Ganzen den Knospungs- und Sporen-
bild uugsprocessen anreihen lassen. Genauer geschildert wird nur der
Entwicklungsprocess der Monocystis agilis, aus dessen Darstellung mit
ziemlicher Sicherheit hervorgeht, dass Gabriel's Beobachtungen sich auf
ähnliche Entwicklungszustände gründen, wie wir sie nach Schmidt und
Lieberkühn oben geschildert haben. Dass wir nicht geneigt sein können,
die Spermatozoenkeimblasen mit Gabriel für Synamöben zu halten,
dürfte natürlich erscheinen und sind wir daher naturgemäss auch bezüg-
lich der übrigen geschilderten Vorgäiage sehr im Zweifel. Uebrigens liegen
die Gabrierschen Mittheilungen nur in so kurzer und schwerverständlicher
Form vor, dass eine eingehendere Beurtheilung derselben unmöglich
erscheint.
H. Fortpflanzungs- und Entwicklungsgeschichte der sog.
ei- oder kugelförmigen Psorospermien (Coccidien Lck.).
Da die Lebensgeschichte und die Fortpflauzungsverhältnisse der seit-
her besprochnen freien Gregariniden in mancher Hinsicht, obgleich
keineswegs principiell, von den entsprechenden Vorgängen bei den als
Coccidien bezeichneten Monocystideen abw^eichen und weiterhin unsre
Kenntnisse bei beiderlei Formen noch in vieler Hinsicht weiterer Auf-
klärung bedürfen, erscheint es zur Zeit, im Interesse einer möglichst klaren
FortpH. il. fr. (ircgariiiidcii ((jtabricl üb. Eiitwickl. von INtoiioeytitis). L''ui1iiil. d. lyoccidion. 559
Darstellung, von Vortbeil, die Entwicklungs- und Fortpflan/ungsvorgänge
der Coccidien gesondert von jenen der übrigen Gregariniden zu be-
handeln.
Wir haben die Coccidien als meist kleine kuglige oder eiförmige
Zellen kennen gelernt, welche in ihrer Jugend gewöhnlich hüllenlos er-
scheinen und stets in die Gewebe ihrer Wohnthiere selbst eingelagert
sind. Unsre seitherigen Erfahrungen lehren, dass sie meist das Innere
einzelner Zellen bewohnen, jedoch liegen auch eine Reihe von Angaben
vor, welche die Wohnstätte gewisser Coccidien in das Bindegewebe ver-
legen, wobei es denn zweifelhaft bleibt, ob sie sich auch an diesem
Ort als Zellenschmarotzer vorfinden. Wir werden die Frage nach dem
Wohnort uusrer Schmarotzer späterhin noch eingehender zu betrachten
haben. Sehr zweifelhaft muss es heutzutage erscheinen, ob, wie einzelne
Forscher, so z. B. Waldeuburg und Eimer vermuthen, die Entwicklung der
Darmcoccidien auch ganz frei im Darmschleim verlaufen könne; die That-
sache, dass man den verschiedenartigsten Entwicklungszuständen auch
frei im Darmschleim begegnet, dürfte doch wohl eher durch leichtes
Herausfallen aus den Epithelzellen zu erklären sein.
Eine Erscheinung, welche sich der Conjugation und Copulation der
seither besprochnen Gregariniden vergleichen liesse, wurde bis jetzt bei
den Coccidien noch nie beobachtet. Dagegen gaben einige Forscher, so
Waidenburg, Rivolta und Eimer an, dass sich die jugendlichen, hüllenlosen
Coccidien (speciell die des Darms) durch Theilung vermehrten; die beiden
erstgenannten Beobachter erklären sich hierdurch das gleichzeitige Vor-
kommen mehrerer Coccidien in einer Zelle; Eimer will die Theilung im
nichtencystirten Zustand bei den Darmcoccidien sehr verschiedner Wirbel-
thiere gesehen haben, scheint diesem Vorgang jedoch eine ähnliche Be-
deutung beizulegen, wie der gleich zu betrachtenden Theilung nach der
Encystirung. Nach erlangter Reife encystiren sich nämlich unsre Cocci-
dien allgemein. Derartige Encystirungszustände waren es, welche früh-
zeitig bekannt und daher auch ursprünglich als Psorospermien bezeichnet
wurden.
lieber die Bildung der Cystenhaut bei den durch ihre beträchtliche
Grösse sich auszeichnenden Coccidien der Pulmonatenniere und der
Cephalopoden ist wenig bekannt. Nach den Beobachtungen Eberth's an
der letzteren Form möchte es scheinen, dass die Cystenhaut hier unter-
halb einer zarten Cuticula, welche die erwachsne Coccidie aufweist, zur
Ausbildung gelangt; nach den in dieser Hinsicht jedoch auch sehr un-
sichern Mittheilungen von Kloss über die erstere Form liesse sich dagegen
vielleicht umgekehrt auf die Bildung der Cystenhülle ausserhalb einer
ebenfalls vorhandnen feinen Cuticula schliessen. Nach den neueren Er-
fahrungen von Aime Schneider scheint überhaupt die Bildung einer dop-
pelten Cystenhülle bei den Coccidien nahezu regelmässig zu sein. Schneider
gibt zwar an, dass einige Geschlechter nur eine einfache Cystenhaut be-
sässen, ich kann jedoch nach seinen eignen Mittheilungen nur die Gattung
560 Gregai'iiiida.
Orthospora als solche namhaft macheo. Gewöhnlich ist die äussere Cysten-
haut dicker und resistenter, häufig jedoch nicht immer deutlich doppelt
contourirt, während die innere sehr zart und daher meist schwer nach-
weisbar ist.
Es ist jedenfalls nicht ohne Interesse, dass wir die bei den Coccidien
so gew^öhnlichen doppelten Cystenhüllen auch bei den früher besprochnen
freien Gregariniden mehrfach in gleicher Ausbildung trafen.
Bei einer Form, der Schneider'schen Cyclospora, ist es sicher, dass
die innere Cystenhaut erst nach der äusseren entsteht, indem sie hier
erst gebildet wird , wenn sich der Cysteninhalt durch Coudensation be-
trächtlich aus den Polen der äusseren, länglichen Hülle zurückgezogen hat.
In diesem Fall ist also die innere Cystenhülle viel kürzer wie die äussere
und wenn sich die Condensation des Cysteninhalts noch weiter fortgesetzt
hat, scheinen die polaren Theile der inneren Hülle wie zwei Scheide-
wände den Hohlraum der äusseren Cystenhülle jederseits zu durchsetzen, in-
dem nämlich in der äquatorialen Region die beiden Hüllen dicht aufeinander
lagern und daher hier nicht zu unterscheiden sind (39,2). Eigenthümlich schei-
nen sich die Hüllen bei dem Coccidium oviforme zu verhalten, daesLeuckart
für sehr wahrscheinlich hält, dass sich hier zunächst eine sehr zarte Um-
hüllungshaut bilde, unter welcher dann erst die eigentliche, dickere und in ihrer
Gestalt etwas verschiedene Cystenhaut entsteht (37. IIa). Die erstgebildete
zarte Hülle geht bald verloren (Hb). An der einfachen Cystenhaut oder der
äusseren dickeren der beiden Häute finden sich zuweilen noch besondere
Auszeichnungen. Bei den Leber- und Darmcoccidien der Säugethiere
wurde vielfach (zuerst von Waidenburg) eine feine Oeffnung (sogen. Mikro-
pyle) an einem Pol der eiförmigen Cystenhaut beobachtet. Eimer will
an den Darmcoccidien der Maus (Eimeria falciformis) häufig sogar an
beiden Polen solche Mikropylöfifnungen gesehen haben (38.2b). Auch Aime
Schneider beobachtete an dem einen Pol der einfachschaligen Orthospora
eine eigenthümliche Marke („stigma") der Cystenhaut, vielleicht ein der
sog. Mikropyle der andern Beobachter entsprechendes Gebilde (39.1); jeden-
falls hält es Schneider aber nicht für eine Oeffnung. Bei der Conden-
sation bleibt der Cysteninhalt dieser Form anfänglich und regelmässig durch
einen feinen Plasmafaden an dieser Marke der Schalenhaut befestigt,
später löst sich jedoch der Faden und zieht sich in das übrige Plasma
zurück. Die einfache Cystenhaut der Orthospora scheint weiterhin noch
in ihrer äquatorialen Region von feinen Porenkanälchen durchsetzt
zu sein, bis jetzt das einzig bekannte Vorkommen solcher Gebilde bei
den Cystenhüllen der Sporozoen.
Ueber die chemische Natur der Cystenhäute liegen keine genaueren
Angaben vor, jedoch betonen eine Reihe Forscher ihre grosse Widerstands-
fähigkeit gegen Reagentien (CIH, NO3H, KHO). Kauflfmann behauptete
sogar, dass die Cystenhaut des Coccidium oviforme von Schwefelsäure
nicht zerstört werde.
Fortpfl. d. Cocciclicii (Eucystirung, Sporulatioii). 561
Wie bemerkt, richtet sich die Gestalt der Cysten nach der der reiten
Coccidien, wir begegnen daher kugligen, eiförmigen bis etwas cyliudri-
schen, aber auch zuweilen birnförmigen. (Vergl. T. 37 — 39.)
Die Weiterentwicklung der Cysten beginnt häufig mit einer schon
mehrfach erwähnten Condensation ihres Inhalts, welcher sich in den
länglichen Cysten aus den Polen zurückzieht und im Centrum kuglig
zusammenballt. Bei birnförmig gestalteten Cysten ballt sich der Inhalt
im breiteren Cystentheil zusammen. Dagegen scheinen Formen mit kug-
ligen Cysten häufig keine oder doch nur eine sehr schwache Condensation
aufzuweisen.
In ziemlicher Uebereinstimmung berichten die Untersucher, dass einige
Zeit nach vollzogner Encystirung der Kern verschwinde, was ja auch
für die entsprechende Entwicklungsstufe der eigentlichen Gregarinen all-
gemein betont wird. Leuckart fand zwar im Cysteninhalt des Coccidium
oviforme stets, sogar nach der Vermehrung noch in jedem der Theil
producte (Sporoblasten), einen centralen hellen Fleck, er bestreitet jedoch
dessen Kernnatur, da er sich nicht färben Hess. Wie bei den eigentlichen
Gregarinen möchten wir auch bei den Coccidien das gänzliche Schwinden
des Kernes bezweifeln, denn wir werden finden, dass in den Entwicklungs-
producten des Cysteninhalts, den sichelförmigen Keimen, Zellkerne nicht
selten deutlich nachweisbar sind.
Neuerdings konnte Aime Schneider (94) bei einer Coccidie (Cyclospora
glomericola) die sehr interessante Beobachtung machen, dass man kurz
vor oder nach dem Verschwinden des Zellkerns in den von Flüssigkeit
erfüllten beiden Polen der Cyste je ein kleines glänzendes Körperchen auf-
treten sieht (39 .2b). Der ursprünglich im Centrum des Cysteninhalts gelegne
Kern war vor seinem Verschwinden ganz dicht unter die Oberfläche in
der Aequatorialregion gertickt. Mit grosser Berechtigung hebt Schneider
ohne Zweifel die Aehnlichkeit der beiden glänzenden Körperchen mit den
sogen. „Richtungskörperchen" der sich entwickelnden Eizelle hervor.
Diese Beobachtung eröffnet eine verlockende Aussicht auf weitere Fort-
schritte in der Erkenntniss der Beziehungen der Fortpflanzungsvorgänge
bei Proto- und Metazoen.
Die weitere Entwicklung der encystirten Coccidien vollzieht sich ähn-
lich wie bei den freien Gregariniden entweder an dem Bildungsort der Cysten
oder aber nachdem diese auf irgend welchem Weg in die Aussenwelt
gelangt sind. Die Cysten zahlreicher Coccidien scheinen jedoch vor ihrer
weiteren Entwicklung wenigstens aus den Zellen, in welchen sie ursprüng-
lich schmarotzten, in die Körperhöhlen ihrer Wirthe entleert zu werden,
wenngleich auch häufig bei gewissen Formen Cysten mit ausgereiften
Sporen in den Zellen angetroffen werden.
Die Weiterentwicklung im Wirthsthier scheint sich bei vielen Coccidien
der Wirbellosen und der kaltblütigen Wirbelthiere zu finden, jedoch nicht
stets, zum mindesten hat Schneider bei seiner Cyclospora aus dem Darm
ITioiiii, Klassen des Tliier-Reiclis. l*i-oto'/,o;i. 30
562 Gregarinitla.
von Glomeris (Myriopode) constatirt, dass die WeiterentwickluDg der Cysten
erst in den Fäces des Wirthes eintritt. Dasselbe findet sich wenigstens
bei einem Theil der Coccidien der Warmblüter, sicher bei dem sogen.
Coccidium oviforme und den Darmcoccidien der Vögel (nach Eivolta's
Untersuchungen). Die Darmcoccidien der Säugethiere scheinen dagegen,
wenn auch nicht stets, so doch häufig am Encystirungsort ihre weitere
Entwicklung zu durchlaufen. Rivolta hält den Unterschied in Bezug auf
den Ort der Weiterentwicklung sogar für so wichtig, dass er hauptsäch-
lich hiernach die Coccidien in zwei Gattungen sondert, die mit externer
Entwicklung als Cytospermium, die anderen dagegen als Psorospermium
bezeichnet. Fraglich dürfte wohl erscheinen, ob diejenigen Coccidien,
welche für gewöhnlich ihre weitere Entwicklung erst ausserhalb des Wohn-
thieres beginnen, nicht auch in der Entwicklung weiter fortschreiten wür-
den, wenn sie nur hinreichend lange im Organismus des Wohntliieres
zurückgehalten würden.
Der weitere Entwicklungsprocess der encystirten Coccidien besteht
nun wie bei den eigentlichen Gregarinen darin, dass sich aus ihrem proto-
plasmatischen Leib eine verschiedne Anzahl von Sporen oder Pseudonavi-
cellen hervorbildet. Die Sporulatiou scheint fast durchaus eine complete
zu sein, d. h. der Inhalt des Protoplasmaleibes sich gänzlich ohne Rück-
stand in Sporen umzubilden. Die Nierencoccidien des Frosches scheinen
nach Lieberkühn's Angaben hiervon z. Tb. eine Ausnahme zu machen,
indem deren Cysten häufig neben den Sporen noch körnige Masse auf-
weisen; ebenso bleibt auch nach Schueider's Untersuchungen bei der
Sporulation der Klossia soror zuweilen ein centraler Rest des Cysteninhalts
unverbraucht.
Die Sporulation der Coccidien führt zur Bildung einer sehr verschied-
nen Zahl von Sporen, und zwar wächst die Sporenzahl im Allgemeinen
mit der Grösse der Coccidienformeu. Das einfachste Verhalten treflfen wir
in dieser Hinsicht bei den Gattungen Eimeria Sehn, und Orthospora Sehn.
(Unterabtheil. Monosporea Sehn.). Hier bildet sich nämlich der Inhalt der
encystirten Coccidie in seiner Gesammtheit zu einer einzigen Spore um,
indem er sich im Centrum der Cystenhaut zu einer kugligen Spore zu-
sammenzieht, welche entweder nackt bleibt (Orthospora, T. oU. 1) oder
sich in eine sehr zarte Sporenhaut hüllt (T. 38. 2).
Bei den übrigen Coccidien bildet der Cysteninhalt eine grössere An-
zahl von Sporen aus ; eine Reihe von Formen (Unterabtheilung der Oligo-
spora Sehn.) erzeugt eine geringe und, wie es scheint, für eine und die-
selbe Form in der Regel constante Sporenzahl. Die Sporen entstehen in
diesem Fall durch einen Theilungsprocess des Cysteninhalts.
Bei den hierhergehörigen Gattungen Cyclospora Sehn, und Isospora
Sehn, zerfällt der Inhalt durch einfache Theilung in zwei kuglige oder
ovale Sporoblasten , welche allmählich eine spindelförmige (Cyclospora,
T. 39. 2) oder birnförmige (Isospora) Gestalt annehmen und sich durch
Fortptl. der (Joccidieii (Sporulatioii). 5G3
Ausbildung einer einfachen Sporenbülle zu zwei spinclel- oder birnförmigen
Sporen entwickeln.
Auch bei gewissen Darmcoccidien der Vögel (Psorosperniiura Avium
Rivolta) soll die Sporenbildung nach Rivolta eine äbnlicbe sein , indem
der Inhalt gleicbfalls nur in zwei Sporoblasten zerfalle. Dasselbe gibt
Rivolta auch für gewisse Coccidieu der Darmzotten des Hundes an.
Bei der Gattung Coccidium (oviforme Lck. der Kaninchenleber) zer-
fällt der im Centrum der Cyste kuglig condensirte Protoplasmaleib durch
eine wahrscheinlich ziemlich simultan geschehende Theilung in vier
Sporoblasten (37. 11c), welche sich zu ovalen Körperchen umformen und
eine ihrer Oberfläche dicht aufliegende, sehr zarte Sporenhülle ausscheiden
(lld). An dem einen, etwas mehr zugespitzten Pol der Sporenhülle dieser
Form findet sich ein zuerst von Stieda beobachtetes kleines, dunkles
Knöpfchen.
Gegenüber diesen meist kleineren Formen mit sehr wenigen Sporen,
finden wir bei den grösseren (ünterabtheilung Polysporea Sehn.) einen
Zerfall des Cysteninhalts in zahlreiche Sporen, ähnlich wie bei den ge-
wöhnlichen Gregariniden. Eine grosse Menge von Sporen wird in den
häufig stecknadelkopfgrossen Cysten der Froschniere erzeugt, ganz ähn-
lich ist dies auch bei den ansehnlichen Coccidiencysten der Cephalo-
poden (38. le), etwas geringer dagegen bei den auch kleineren der Gastro-
podenniere (37.10d; beide Molluskenformen zur Gatt. Klossia Sehn, gehörig).
Der Vorgang der Sporulation ist bei diesen Polysporeen bis jetzt nur noch
wenig ausreichend aufgeklärt. Nach den Beobachtungen von Kloss an
der Klossia helicina möchte es scheinen, dass hier der Sporulationsact in
etwas verschiedner Weise geschehen könnte, entweder durch einen ziem-
lich unregelmässig verlaufenden Zerfallsprocess des condensirten Cysten-
inhalts in eine Anzahl uuregelmässiger bis rundlicher und an Grösse ziem-
lich verschiedner Kugeln (37. lOe) oder aber durch simultanen Zerfall in zahl-
reichere (bis über 60) gleichgrosse kuglige Sporoblasten. Ob der erst-
erwähnte Entwickluugsprocess durch weiteren Zerfall der unregelmässigen
grösseren Theilproducte ebenfalls zur Bildung kleiner Sporoblasten führt,
scheint bis jetzt unsicher.
Auch Eberth hat in den Cysten der Cephalopodencoccidie z. Th. uu-
regelmässigen Zerfall in eine Anzahl Theilstücke beobachtet, die eigent-
liche Bildung der zahlreichen Sporen der reifen Cysten jedoch nicht
ausreichend zu ermitteln vermocht. Vi^ahrscheinlich wird jedoch die
Sporulation bei diesen Angehörigen der Gattung Klossia allgemein in der
neuerdings von Schneider von der Klossia soror berichteten AVeise vor
sich gehen. Hier knospen die Sporoblasten von der Oberfläche des Cysten-
inhalts genau in derselben Weise wie bei zahlreichen echten Gregarinen
hervor (39.4); gleichzeitig soll aber der eucystirte Plasmakörper zuweilen
eine Art Fragmentation erfahren. Meist zerfällt der Cysteninhalt dieser Form
36*
564 Gregariuida.
durch fortgesetzte Knospimg vollstäudig in Sporoblasteu oder es bleibt
doch nur ein geringer unverbrauchter Rückstand übrig.
Die Sporen der Polysporea sind meist einfach kuglige Gebilde , so
bei den bekannten Klossien durchaus. An den Sporen der Cephalo-
poden-Klossia will Eberth z. Th. eine zweifache Umhüllung gefunden
haben, von welchen die äussere gewöhnlich stärker und fester war und
zuweilen auch einen mikropyleartigen , kleinen Aufsatz besass. Durch
Druck soll die Sporenhaut in zwei Hälften auseinanderbersten. Schneider,
welcher diese Form späterhin gleichfalls beobachtete, schreibt ihren Sporen
nur eine einfache, ziemlich dicke Schale zu (38. Id — f). Im plasmatischen
Sporeninhalt fand Eberth gewöhnlich einen, zuweilen jedoch bis zu vier sog.
Nuclei; nach den Abbildungen sind es helle Flecke, welche hinsichtlich
ihrer Nucleusnatur weiterer Aufklärung bedürfen. In den Sporen der
übrigen Coccidien ist ein Nucleus bis jetzt noch nicht beobachtet worden.
Die Sporen der Gastropodenklossien sind kuglig mit einfacher, zarter
Membran (37.10e — f); dagegen besitzen die der Froschniere-Coccidien nach
Lieberkühn eine spindelförmige Gestalt, ähnlich den Sporen der Regen-
wurm-Monocystiden.
Die vorstehende Uebersicbt der Sporulationsverhältnisse der Cocci-
dien lässt uns erkennen , dass dieselben principiell mit denen der freien
Gregariniden tibereinstimmen. Die Sporulatiou der Polysporeen ist that-
sächlich dieselbe wie die zahlreicher echter Monocystiden und die Vor-
gänge der Oligo- und Monosporeen lassen sich ohne Schwierigkeit von diesem
Verhalten ableiten. Auf Grund der Sporenbildung lässt sich daher eine
Sonderung der Coccidien von den Monocystiden nicht rechtfertigen.
Ebensowenig jedoch auch auf Grund der weiteren Entwicklung der Sporen,
wie wir gleich sehen werden.
Wie die Sporen einer Anzahl freier Gregariniden zeigen auch
die der Coccidien eine weitere Entwicklung, mit Bildung einer sehr ver-
schiednen Zahl sogen, sichelförmiger Keime. Diese Erscheinung beschrieb
zum ersten Mal Lieberkühn von der Coccidie der Froschniere und kurze
Zeit darauf schilderte sie Kloss sehr vollständig für die von ihm entdeckte
Klossia helicina. Bei dem Coccidium oviforme der Kaninchenleber hat
zunächst Stieda diesen Process richtig erkannt. Gerade letztere Form bietet
auch den einfachsten Entwicklungsgang der Sporen dar, indem sich hier
in jeder Spore nur ein einziges sichelförmiges Keimcheu ausbildet.
Spätere Forscher, namentlich Leuckart, haben die Richtigkeit der Stieda'-
schen Schilderung bestätigt. Der Sporeninhalt des Coccidium sondert sich
bei der Weiterentwicklung in einen hellen, durchsichtigen und einen
körnigen Theil. Der erstere liegt als ein C förmig gekrümmtes Stäbchen
der Sporenhülle dicht an und seine beiden etwas zurückgekrümmten
Enden, welche ihre Lagerung in den Polen der Spore finden, sind knopf-
förmig angeschwollen (37. lle — h). Der körnige Rest, den wir auch hier wie
FortpH. il. Goccidieu (S|Joi'ulatioii ; EiitwicU. äichclföiuiigcr Keime). 565
bei den Sporen der Gregarlnen als Restkörper (Nuclens de rcliqnat) bezeichnen
dürfen , liegt der Concavseite des Stäbchens au und füllt den Zwischen-
raum zwischen den knopfförmigen Enden ziendich aus, so dass er bei
gewisser Lage der Spore das Mittelstück des Stäbchens völlig verdeckt
und nur die beiden Endknöpfe sichtbar hervortreten.
Kivolta hat aus den Uarmzottcn des Hundes Psorospermicn beschrieben, die nach ihrer
Bikliing-, sowie weg-eu ihrer Kleinheit (Länge = 0,008 — 0,012 Mm.) es sehr wahrscheinlich
maclien . dass sie aus der Cystenhülle befreite isolirtc Sporen mit einem sichelförmigen Kör-
jicrchen und dem Nucleus de reli(iuat darstellen; sollte diese Auffassung unrichtig sein,
und diese Gebilde thatsächlich Coccidiencysten mit einem einzigen sichelförmigen Kör-
porchen darstellen, so müssten wir annehmen, dass sich auch monospore Coccidien, bei
welchen die Spore nur ein einziges sichelförmiges Körperchen ausbildet, linden. Er will jedoch
auch einzelne dieser Gebilde beobachtet haben, welche statt des einzigen sichelförmigen Keimes
drei längliche oder vier etwas unregelmässige helle Körperchen neben einer körnigen Masse
(dem Kestkörper) aufwiesen. Die Erklärung hierfür findet sich vielleicht weiter unten bei der
Besprechung der von Rivolta und Anderen den Sporen zugeschriebncn Entwicklungsprocesse.
Bei den Gattungen Cyclo- und Orthospora entstehen in jeder Spore
einige sichelförmige Keime und zwar bei Cyclospora nur zwei, bei Ortho-
spora dagegen vier. In beiden Fällen, sicher jedenfalls bei Orthospora,
entstehen die sichelförmigen Keime durch einen Knospungsprocess des
Sporenplasmas in ganz ähnlicher Weise wie die Sporoblasten zahlreicher
eigentlicher Gregarinen und gewisser Coccidien aus der Oberfläche des
Cysteninhalts hervorknospten. Man sieht hier die sichelförmigen Keime
als perlartige Auswüchse allmählich aus der Oberfläche des körnigen
Sporenplasmas hervorwachsen (39. Ib). Der unverbrauchte Rest des körnigen
Plasmas bleibt schliesslich als ein sogen. Restkörper zwischen den ent-
wickelten Keimen liegen. Es erscheint nicht zweifelhaft, dass auch der
einzige Keim der Coccidiumspore seine Entstehung einem entsprechen-
den Knospungsprocess des Sporenplasmas verdankt. Wie Schneider be-
tont, ist es interessant, dass bei den drei Geschlechtern Orthospora, Cyclo-
spora und Coccidium die definitive Zahl der Keime vier beträgt, obgleich
ihre Sporenzahl resp. eins, zwei und vier ist. Die grössere Zahl der ge-
bildeten Keime compensirt also die geringere Sporenzahl.
Bei den übrigen genauer untersuchten Coccidien kommt ähnlich den
freien Gregariniden in einer Spore eine grössere und, wie es scheint, meist
unconstante Zahl von Keimen zur Ausbildung und neben ihnen findet sich
wohl stets ein sogen. Restkörper. Der Entwicklungsgang der Keime aus
dem Sporenplasma ist bis jetzt nur sehr unzulänglich ermittelt. Am ein-
gehendsten hat sich hiermit Eimer bei der Darmcoccidie der Maus
(Eimeria Schnd.) beschäftigt, jedoch halte ich den von ihm geschilderten
Entwicklungsgang nicht gerade für sehr wahrscheinlich, da er mit dem,
was wir von der Bildung der entsprechenden Keime in den Monocystis-
sporen der Regenwürmer und den übrigen Coccidiensporen wissen, nicht
recht harmonirt. Nach Eimer sollen nämlich im Inhalt der Spore ge-
wöhnlich eine Anzahl glänzender Körperchen (nach der Abbildung helle
Flecke) auftreten (38. 2d), welche sich auf Kosten des körnigen Sporenplasmas
566 Gregariiiida.
vergrösserten ; das letztere schwinde schliesslich gänzlich und die frei-
gewordnen Körperchen bilden sich zu den sichelförmigen Keimen aus (2e).
Diese Bildungsweise scheint mir, wie gesagt, um so weniger wahrschein-
lich, da sie keinen Aufschluss über die Herkunft des auch von Eimer
fast stets zwischen den sichelförmigen Keimen gefundnen Restkörpers (r)
gibt. Eimer glaubt aber, dass sich auch noch ein weiterer Bildungsmodus
finde, bei welchem der Sporeninhalt durch fortgesetzte Theiluug in eine
Anzahl rundlicher Körperchen zerfalle, die sich nachträglich zu den
sichelförmigen Keimen umgestalteten.
Der wahrscheinlichste Bildungsgang scheint mir auch hier der schon
früher für die Monocystiden betonte zu sein. Der Sporeninhalt zerfällt durch
Längstheilung*) zu einem Bündel sichelförmiger Körperchen, zwischen wel-
chen, gewöhnlich dem einen Ende des Bündels genähert, der ziemlich kuglige,
körnige Restkörper sich findet, mit welchem der grössere Theil der Körner-
masse des ursprünglichen Sporenplasmas als unverwerthbarer Bestandtheil
abgeschieden zu werden scheint. Hiermit stimmt denn auch überein, dass die
sichelförmigen Keime gewöhnlich in der erwähnten Weise zu einem Bündel der
Länge nach zusammengeordnet sind, indem sie sich sämmtlich mit ihren
beiden Enden berühren, oder doch sehr nähern (.38. 2g). Dass sich häufig
Abweichungen von dieser Anordnung finden, ist leicht verständlich, da sich
die Keime unserer Coccidien gewöhnlich schon in der Hülle bewegen
und damit die ursprüngliche Anordnung schwindet. — Eigenthümlichen
Lagerungsverhältnissen der Keime begegnet man bei der Benedenia
der Cephalopoden, sie liegen hier nämlich häufig nach zwei zu ein-
ander senkrechten Richtungen gekreuzt oder spiralig -concentrisch um-
einander (38. le — f).
Eine etwas genauere Betrachtung verdient noch der Bau der ausge-
bildeten sichelförmigen Keime, da derselbe zuweilen einige Besonderheiten
verräth. Ihre Gestalt ist meist eine länglich stäbchenartige mit schwach
bogeuartiger Krümmung im Ruhezustand, so dass sich eine convexe und
concave Seite unterscheiden lassen (38.4a). Die Bezeichnung ,, sichelförmige
Körperchen oder Keime" st demnach im Ganzen wenig zutreffend, nur bei
starker Einkrümmung tritt eine sichelförmige Gestalt vorübergehend her-
vor. Die Enden der Stäbchen sind meist etwas zugespitzt, jedoch herrscht
auch in dem Grad dieser Zuspitzung eine recht erhebliche Verschiedenheit,
namentlich ist das eine Ende zuweilen breiter und abgerundet, so dass
die Gesammtgestalt dann lang birnförmig wird. Wie erwähnt, besitzen
die Keime des Coccidium oviforme eine etwas abweichende Form, da ihre
Enden kuglig verdickt sind, ihre Gestalt ist daher etwa hanteiförmig.
*) Streng genommen, wäre es jedoch auch hier richtiger, von einer Knosi3ung zu
sprechen, da auch hier ein Antheil des Sporenplasmas bei der Bildung der Keime unver-
braucht als Eestkörper zurückbleibt, also kein völliger Zerfall des Sporenplasmas in Theilstücke
statthat. Der nicht getheilte Eest ist jedoch so geringfügig, dass die Bezeichnung des Vor-
gangs als Tlieilung nicht ganz ungerechtfertigt erscheint.
Fortijfl. d. Coccidicii (^Bildung- u. Bau der sicLclförmigcii Kuimu). 567
Häufig ist das Plasma der Keime, wie es scheint, ganz hyalin,
oder doch nur sehr feingranulirt , bei einigen Formen dagegen lassen
sich verschieden beschaffene Theile am Keime unterscheiden. Zuvor
sei jedoch bemerkt, dass es bei einigen Formen gelungen ist, einen
central gelegnen Zellkern mit Sicherheit nachzuweisen, ßütschli beob-
achtete ihn sehr deutlich, mit ansehnlichem Nucleolus, bei Eimeria
Scbneideri (38. 4), Schneider bei Eimeria nova und Klossia soror. Ich
halte es demnach auch für sicher, dass den Keimen ein Nuclcus über-
haupt zukommt.
Die erwähnte Zusammensetzung des sichelförmigen Keimes aus ver-
schieden gebildeten Plasmaregionen beobachtete Schneider sehr deutlich bei
einem Theil der Keime der Orthospora propria des Triton (39. Id — e). Hier
setzen sich die Stäbchen nicht selten recht deutlich aus drei segmentartigen
Abschnitten zusammen; einem mittleren feingianulirten und zwei endstän-
digen ziemlich hyalinen. Die Grenzen dieser scheinbaren Segmente ziehen
schief von der Convexseite der Keime bis zum Mittelpunkt der Concav-
seite herab, so dass sich hier die beiden hyalinen Endsegmente berühren,
während sie auf der Convexseite weit von einander abstehen. Doch
scheinen auch Abweichungen und Unregelmässigkeiten in der Vertheilung
des hyalinen und körnigen Plasmas vorzukommen. Ein Theil der Keime
zeigt das körnige Plasma an einem, dem mehr zugespitzten Ende ange-
häuft. Eine ähnliche Unterscheidung dreier Abschnitte beobachtete Schneider
auch bei der Isospora rara, hier bemerkt man ein mittleres schwächer
lichtbrechendes und zwei endständige starklichtbrechende und daher bläu-
lich erscheinende Segmente (T. 39. 3).
Aehnlich scheinen sich gewöhnlich die sichelförmigen Körperchen zu
verhalten, welche in neuester Zeit in den Blutkörperchen, Milzzellen und
verschiednen anderen Gewebezellen des Frosches und anderer Amphibien
von Gaule (93, 95) beobachtet wurden und denen Lankester (97) den Namen
Drepanidium Ranarum gab. Auch diese, ibrer Natur und Herkunft nach bis
jetzt noch nicht hinreichend aufgeklärten Keime, lassen gewöhnlich drei Ab-
schnitte unterscheiden, einen mittleren hellen und zwei endständige dunk-
lere (39. 5). Nach den Angaben Lankester's soll diese Dififerenzirung hier
davon herrühren , dass in jedem der Endabschnitte ein rundlicher stark-
lichtbrechender Körper eingelagert ist, welcher nach Behandlung mit
Jodlösung deutlich hervortritt. Auch Gaule zeichnete zwei entsprechende
dunkle Körper in seinen Abbildungen mehrfach ein, häufiger jedoch
zwei bis drei helle durchsichtige Körperchen, welche er für Tröpf-
chen oder Bläschen halten möchte und die nach ihm den Anschein heller
Querstreifen hervorrufen, die über das Drepanidium hinziehen. (Auch
auf Lankester's Abbildung erscheinen übrigens die zwei angeblich stärker
lichtbrechenden Körperchen als zwei ganz helle durchsichtige Flecken.)
Wie schon bemerkt wurde, zeigen die sichelförmigen Keime der Coc-
cidien z. Th. sehr deutliche Bewegungserscheinungen , zuweilen schon
568 Grcgaiiuiaa.
innerbalb der Spore; viel energischer gewöliülieli nach ihrem Austritt aus
der Sporenhiille, Ein spontanes Austreten der Keime wurde mehrfach
beobachtet , so von Kloss bei Klossia (helicina) ; meist lässt sich das
Hervortreten der Keime durch künstliche Zersprengung der Sporenhülle
leicht erzielen. Die Bewegungserscheinungen der Stäbchen sind entweder
nematodenartige, wie wir sie auch an kleinen, ähnlich gestalteten Grega-
rinen gefunden haben, d. h. recht energische Zusammenkrümmungen nach
der concaven Seite (38.4b) und Wiederausstreckung, z. Tb. jedoch auch Zu-
sammenziehungen, wobei eine tiefere Gestaltsveränderung eintritt, so Zu-
sammenziehung zu nahezu birnförmiger Gestalt (4c), welcher jedoch eine
Wiederausstreckung zur gewöhnlichen Form folgt.
Auch wirkliche Ortsbewegung tritt zuweilen auf, welche nach den
Beobachtungen von Kloss bei der Klossia in der Art geschieht, dass die
kleinen Wesen in euglenen- oder blutegelähnlicher Weise umherkriechen,
wogegen Eimer von Eimeria eine mehr amöboide BewegHchkeit beschreibt ;
doch tritt letztere erst ein, wenn das Keimchen seine sichelförmige Gestalt
durch Zusammenziehung dauernd in eine kuglige verändert ist (37. 13a — e).
Jedoch scheinen diese amöboiden Bewegungen nie sehr energisch zu sein und
die dadurch hervorgeriifnen Gestaltsveränderungen nur gering. Zu eigent-
licher Pseudopodienentwicklung scheint es kaum zu kommen*). Eigen-
thümlich ist schliesslich noch eine schwimmende oder rotirende Bewegung,
welche Kloss zuweilen bei der Klossia und ich bei der Eimeria Schneideri
beobachtet habe. Hierbei schwimmt das Keimchen längere Zeit in einem
Kreise herum, dessen Mittelpunkt in einiger Entfernung von der ihm stets
zugekehrten Concavseite des Keimes liegt. Es ist dies also eine Kreis-
bewegung ähnlich der, welche wir auch schon an den sich zur Encysti-
rung anschickenden, conjugirten Clepsidrinen etc. beobachtet haben. Es
gibt aber auch unter den Coccidien gewisse Formen, bei welchen bis jetzt
noch keine Beweglichkeit der sichelförmigen Keime beobachtet werden
konnte, dies gilt namentlich für das recht eingehend studirte Coccidium
oviforme.
Wie bei den freien Gregariniden spricht auch hier alles dafür,
dass sich die sichelförmigen Körperchen nach ihrer Befreiung aus der
Sporenhülle unter geeigneten Bedingungen direct zu den reifen Gregarinen,
resp. Coccidien entwickeln. Gerade für die letzteren ist dieser Entwick-
lungsgang als nahezu sichergestellt zu betrachten. Bevor wir jedoch zu
einer genaueren Verfolgung der in dieser Hinsicht maassgebenden
Beobachtungen übergehen, wollen wir noch einen Blick auf gewisse For-
schungen werfen, welche eine von der seither gegebnen Darstellung ab-
*) Aime Schneider (94) glaubt von Weinen Amöben (von 0,04 Mm. Durchmesser), welche
er in der Niere von Neritina fluviatilis gefunden hat, die Klossia soror der Nierenzellen dieser
Prosobranchiate ableiten zu dürfen. Er beobachtete den Beginn einer Encystirung dieser
Amöben. Doch scheint ein sicherer Zusammenhang zwischen diesen Amöben und der Coccidie
bis jetzt noch nicht festgestellt.
Fortpfi. (1. Goccidicii (Bewegung- il. sidiell'. K(;iuic, Kciinhilfl. iiacli Waldeiiburg u. UivoKaX 569
weicLendc und eigenartige Weiterentwicklung der Coccidiensporen zu er-
weisen suchten. Diese Beobaclitungcn beziehen sich fast ausschliesslich
auf das Coccidium oviforme oder die demselben in ihrer Entwicklung-
ganz ähnlichen Darmcoccidien gewisser Säugethiere. Schon Reincke
glaubte 1866 innerhalb der in den Sporen befindlichen Stäbchen dieser
Coccidien noch weitere Bildungen zu beobachten. Er fand in ihnen näm-
lich stets 3 — 4 scharf umschriebne bläuliche Körper, von wachsartigem
Glanz, von welchen zwei die äussersten Enden der Stäbchen einnahmen,
der andre oder die beiden andern dagegen in gleichen Abständen zwischen
diesen endständigen vertheilt waren.
Eine gewisse Beziehung zu diesen Beobachtungen haben jedenfalls die
späteren Mittheilungen von Waidenburg und Rivolta. Ersterer erkannte die
Bildung von sichelförmigen Keimen in den Sporen gar nicht an, sondern
findet in letzteren zwei helle Kerne*), welche in den Polen der ovalen Sporen
liegen (ohne Zweifel sind dies die kuglig angeschw^ollnen Enden des Keimes).
Im Verlauf der weiteren Entwicklung soll die Zahl der Kerne sich verdoppeln
(37. 12a) und der Sporeninhalt schliesslich, entsprechend den vier Kernen,
zu vier kleinen kernhaltigen Zellen zerfallen, welche nach Waidenburg die
wahren Keime des Coccidium oviforme darstellten (12b). In ähnlicher Weise
lässt Rivolta innerhalb der Sporen die eigentlichen Keime, welche er
„Micrococci psorospermici" nennt, in Vierzahl entstehen, jedoch nicht durch
einen Theilungsprocess, sondern in dem Innern des Sporenplasmas durch
eine Art endogener Bildung. Die Keime sind nach ihm sehr kleine glän-
zende Körperchen. Nach der Uebertragung solch reifer Coccidiencysten
in den Leib eines andern Parasitenträgers sollen diese Micrococci psoro-
spermici hervorschlüpfen, sich amöboid bewegen, wachsen und sich
durch Theilung vermehre\i , um hierauf nach Eindringen in eine Epithel-
zelle ihrer weiteren Entwicklung entgegenzugehen. Friiherhin (1869) da-
gegen glaubte Rivolta, dass sich die Micrococci nach ihrem Hervor-
schlüpfen in bewimperte Infusorien umwandelten, welche er im Darm und
auch der Leber der mit Coccidien inficirten Kaninchen gefunden haben
will und welche in die Epithelialzellen eindringend ihr Wimperkleid ab-
streifen und sich zu den Coccidien entwickeln sollten. Auch Waidenburg
will in der Flüssigkeit der Leberknoten der Kaninchen kleine, meist kern-
haltige Körperchen gefunden haben , welche er für die ausgeschlüpften
und übertragnen Keime hält, und deren amöboide Beweglichkeit ihm auch
sehr wahrscheinlich wurde**).
*) Diesem Stadium geht jedoch nach Waldenburg nocli ein einkerniges zuvor, während
die jugendlichen Sporoblasten kernlos seien. Waidenburg Hess die Entwicklung der von ihm
untersuchten Coccidiencysten entweder in Lösungen von ChromScäure oder doppeltchromsaurem
Kali vor sich gehen. Es ist nicht recht einzusehen, weshalb er solche, jedenfalls sehr unnatür-
liche Entwicklungsbedingungen auswählte, wenn dieselben auch im Allgemeinen den Ent-
wicklungsgang nicht wesentlich zu beeinflussen scheinen, was übrigens nach einer Beobachtung
Eimers bei den Darmcoccidien der j\Iaus nicht immer so zu sein scheint.
**) Waidenburg hatte jedoch sehr eigenthümliche Vorstellungen von der amöboiden Beweg-
lichkeit, was z. B. daraus hervorgeht, dass er dieselbe auch an den mit Chromsäurelösung
behandelten Lebern noch beobachtet haben will.
570 Gregariilicki.
Die Ausbildung der Micrococci psorospermici will Rivolta auch bei
gewissen Darmcoccidien der Vögel (Psorospermium avium Rivolta) beob-
achtet haben; hier sollen sich jedoch in den nur in Zweizahl, wie oben
bemerkt wurde, gebildeten Furchungskugeln (Sporoblasten?) nicht weniger
wie 10 — 15 solcher Micrococcen entwickeln; ja nach Plana soll diese
Micrococcenentwicklung hier auch ohne vorhergehende Zweitheilung im
Cysteninhalt auftreten können.
Gegen die Berechtigung der Waidenburg- Rivolta'schen Auffassung
des Entwicklungsgangs des Coccidium oviforme spricht sich Leuckart (92)
neuerdings aus. Nach ihm lassen sich ähnliche Zerfallserscheinungen,
wie sie Waidenburg für die Sporen dieser Coccidie schildert, wirklich
beobachten, jedoch sind es keine normalen Entwicklungserscheinungen,
sondern Vorgänge, welche das Zugrundegehen und die Zerstörung der
Coccidiencysten bei langer Aufbewahrung in Wasser etc. begleiten. So
wahrscheinlich mir selbst diese Deutung der Waidenburg -Rivolta'schen
Angaben, namentlich in Anbetracht des von den übrigen Coccidien be-
kannten Entwicklungsganges erscheint, so frappirt doch die grosse Regel-
mässigkeit, welche nach Waldenburg's Schilderung und Abbildungen bei
dem Zerfall des Sporenplasmas herrschen soll und lässt eine weitere Auf-
klärung dieser Angelegenheit wünschensw^erth erscheinen.
lieber das definitive Schicksal der sichelförmigen Keime, ihre Wieder-
entwicklung zu der reifen Coccidie liegen bis jetzt ganz directe Beob-
achtungen nicht vor. Wir wissen aus den Beobachtungen von Kloss und
Eimer, dass die Keime sich schliesslich durch Zusammenziehung
kuglig gestalten und dass die jugendlichsten in den Zellen schmarotzend
angetroffnen Coccidien in Bezug auf Grösse und Bau kaum oder nicht
von diesen kuglig umgestalteten Keimen abweichen. Dies macht es natür-
lich höchst wahrscheinlich, dass die sichelförmigen Keime vor oder nach
ihrer Gestaltsmetamorphose mit Hülfe ihrer Bewegungen in die Epithel-
zellen eindringen und sich hier direct weiterentwickeln, dagegen ist dieser
Einwanderungsvorgang bis jetzt noch kaum Gegenstand directer Wahr-
nehmung gewesen.
Ein eigenthümliches Licht werfen aber die interessanten Beobachtungen
Gaule's auf die Frage nach den Wanderungen und dem weiteren Ver-
halten der sichelförmigen Keime. Wie schon erwähnt, hat dieser Forscher
zuerst in den rothen Blutkörperchen des Frosches, später in den Milz-
zellen und anderen Gewebezellen dieses und anderer Vertreter der Amphi-
bien Organismen angetroffen , welche wohl unzweifelhaft sichelförmige
Keime einer Coccidie sind, wenn es auch bis jetzt noch sehr unsicher
erscheint, welcher Coccidienform sie zugehören (39. 6). Gaule beur-
theilt seine Befunde ohne Zweifel sehr irrthümlich , da er die Ansicht zu
vertheidigen sucht, dass diese sichelförmigen Keime in den betreöenden
Zellen entständen, sei es aus deren Plasma oder, wie es ihm später wahr-
scheinlicher schien, aus ihrem Kern.
I
Foitpil. (1. Coccidicii (Eiitwickl. d. Cüccidicn aus d. Keimen). 571
Wie gesagt, weist die gesammte Natur und speciell der schon früher
kurz geschilderte Bau dieser Gebilde mit einem hohen Grad von Sicher-
heit darauf hin , dass sie Keime von Coccidien darstellen. R. Lankester
berichtigte zuerst die irrthiimliche Ansicht Gaule's und ich muss ihm
hierin ganz zustimmen. Bei dieser Auffassung der sogen. Würmchen oder
Cytozoen Gaule's erhalten aber die Beobachtungen dieses Forschers ein
besonderes Interesse, da er mancherlei Merkwürdiges von dem Verhalten
dieser Keime berichtet.
Unter geeigneten Bedingungen sieht man nämlich die in den Zellen
(speciell den rothen Blutkörperchen) ruhenden Keime wieder beweglich
werden und kann schliesslich ihr Auswandern beobachten. Sie bewegen
sich dann lebhaft in der schon geschilderten Weise in der umgebenden
Flüssigkeit umher und wandern namentlich auch gelegentlich wieder in
andre Zellen ein. Die Gaule'sche Beobachtung ist demnach gleichzeitig
bis jetzt die einzige, welche ein Einwandern der sichelförmigen Keime
direct constatirt und sie weist gleichzeitig nach, dass die Einwanderung
im gewöhnlichen Zustand des Keims statthaben kann, dass eine Umfor-
mung desselben zu einer kleinen Amöbe keineswegs eine Bedingung der
Einwanderung und Weiterentwicklung zu sein scheint. Gleichzeitig erregen
die Gaule'schen Befunde unser Interesse namentlich noch deshalb, weil
aus der weiten Verbreitung der sichelförmigen Keime in den Gewebezellen
der Frösche hervorzugehen scheint, dass auch im normalen Entwicklungs-
gang der Keime Wanderungen aus einer Zelle in die andere statthaben
können. Bis jetzt wenigstens sind entwickelte Coccidien bei den Fröschen
nur in der Niere und dem Darmepithel constatirt worden und jedenfalls
scheint es kaum möglich, dass die in den rothen Blutkörperchen dieser
Thiere so häufigen Keime hier ihrer Weiterentwicklung entgegengehen,
da reife Coccidien in den Blutkörperchen der Frösche kaum zu tibersehen
gewesen wären.
Unter diesen Umständen erscheint es daher wahrscheinlich , voraus-
gesetzt, dass die beschriebnen Organismen wirklich Keime von Coccidien
und nicht etwa entwickelte Formen sind, dass sie im Verlaufe des nor-
malen Entwicklungsgangs die Blutkörperchen verlassen und in andern
Zellen (Lankester vermuthet in der Niere) ihrer definitiven Ausbildung
entgegengehen. Die Eventualität, dass die Coccidienkeime der Blutkör-
perchen, Milzzellen etc. nur verirrte Einwanderer seien, welche eine
weitere Entwicklung nicht erfahren , scheint mir recht wenig an-
nehmbar.
Nach den früher schon gemachten Angaben dürfte es kaum nöthig
sein, hervorzuheben, dass in einer Reihe von Fällen, so z. B. bei
fast sämmtlichen bis jetzt bekannten Coccidien der Wirbellosen, jedoch
auch den Formen zahlreicher Wirbelthiere der gesammte Entvvicklungs-
vorgang sich in einem und demselben Wirth abspielt, und auch die sichel-
572 Gregiiriiiida.
förmigen Keime sehr wahrscheinlich direct wieder iu die Gewebe des-
selben Wirthes eindringen; während in andern Fällen (wie bei dem Coc-
cidiiim oviforme, den Darmcoccidien des Kaninchens und der Vögel, so-
wie der Cyclospora aus Glomeris) die Keilung der Keime im Freien ge-
schiebt und letztere dann wahrscheinlich in anderen Individuen ihre Weiter-
entwicklung vollziehen. Wie jedoch einerseits im letzteren Fall eine
Wiederaufnahme durch denselben Wirth nicht ausgeschlossen ist, so wird
sich andrerseits auch im erstereu Fall die gelegentliche Uebertragung der
encystirten Coccidieu (die der isolirten sichelförmigen Körperchen scheint
unwahrscheinlich) in die Aussenwelt und damit Gelegenheit zu einer Aus-
breitung dieser Coccidien auch auf andre Individuen finden.
5, .System der Gregaiiiiiclu.
Im Verlaufe uusrer seitherigen Darstellung mussten wir schon mehr-
fach hervorheben, dass die systematische Durchforschung der zahlreichen
Gregarinidenformen noch eine sehr mangelhafte ist, was hauptsächlich
darauf beruht, dass die für die systematische Verarbeitung jedenfalls sehr
wichtigen Fortpflanzungserscheinungen, die Bauverhältnisse der Sporen etc.
nur von einer beschränkten Zahl bekannt geworden sind. Was daher bis
jetzt auf systematischem Gebiet geleistet wurde, kann zunächst nur als
Vorarbeit für spätere, auf ausreichenderer Basis zu unternehmende Ver-
suche beurtheilt werden.
Den ersten Versuch einer systematischen Gruppirung der Gregariniden
unternahm Stein (18); er unterschied 1848 drei Unterabtheilungen: die
Monocystidea, Gregarinaria und Didymophyida und vertheilte die
ihm bekannten Formen in sieben Geschlechter : Monocystis, Zygocystis, Gre-
garina, Sporadina, Stylorhynchus, Actinocephalus und Didymophyes. Dass
die Abtheilung der Didymophyida eine wenig naturgemässe war, wurde
schon früher hervorgehoben, sie ist von Stein's Gregarinaria nicht zu
trennen und es empfiehlt sich, wie wir seither schon mit Schneider gethan,
die dementsprechend erweiterte Abtheilung der Gregarinaria, im Gegen-
satz zu den Monocystidea. als Polycystidea zu bezeichnen. Diese beiden
Untergruppen (Ordnungen) dürfen bis auf Weiteres auf eine gewisse
Natürlichkeit Anspruch machen, was im Grossen und Ganzen auch durch
ihre Verbreitungseigenthümlichkeiten bestätigt zu werden scheint.
Gewisse Forscher haben auf eine Unterscheidung von Genera ganz
Verzieht geleistet, so Diesing (25, 26), welcher alle Formen unter die
einzige Gattung Gregarina einreihte, oder doch nur die beiden Gattungen
Monocystis und Gregarina unterschieden, welche dann natürlich zusammen-
fielen mit den beiden Untergruppen, wie z. B. R. Lankester (29). Es
scheint aber ohne Zweifel gerechtfertigt, in der grossen Reihe der Grega-
rinidenformen nach dem Vorgang Stein's generische Typen zu unterscheiden,
System. 573
wenn auch die Stein'schen Genera nicht sämnitlieh festgehalten werden
können. Einen Versuch zur Feststellung einer Anzahl solcher generischer
Gruppen machte 1875 A. Schneider (40), welcher zuerst die Fortpflan-
zungsverhältnisse, namentlich auch den Bau der Sporen zu einer genaueren
Charakteristik der Genera heranzog. Gleichzeitig wurde aher auch die
Bauweise der reifen Formen berücksichtigt, wogegen Unterscheidungs-
merkmale, wie sie Stein z. Th. verwerthete: z. B. ob die betreffenden
Formen frühzeitig Syzygien bilden (Gregarina St.) oder nicht (Spora-
dina St.), zurückgewiesen wurden.
Ob sich jedoch die Schneider'schen Klassifikationsprincipien, nament-
lich die vorwiegende Berücksichtigung der Sporengestalt, dauernd bewähren
werden, kann erst die Zukunft lehren.
Wir werden seine generischen Gruppen, welche jedoch bis jetzt nur eine
beschränkte Zahl der bekannten Formen umfassen, hier acceptiren, die
zahlreichen übrigen Firmen können nur auf Grund neuer Untersuchungen
in das System eingereiht werden.
In neuester Zeit hat Gabriel (46), auf Grund seiner früher schon
z. Th. kurz angedeuteten Beobachtungen über die Fortpflanzung und die
Natur der Gregarinen überhaupt, eine Neugestaltung des Systems ver-
sucht, welche jedoch, wie seine übrigen Gregarinenforschungen , nur
in ganz kurzem Abriss vorliegt und daher hier eine eingehendere
Analyse und Verwerthung nicht finden kann. Gabriel's System gründet
sich "ausschliesslich auf die in seinem Sinne aufgefassten und gedeu-
teten Fortpflanzungserscheinungen. Da diese nun zum Theil für die
Mono- und Polycystiden ganz identische seien, andrerseits nach Gabriel's
Forschungen die Monocystideen in der Jugend zuweilen die Anlage eines
Septums, ähnlich dem der Polycystideen, zeigen sollen, sowie wegen einer
Reihe weiterer, weniger wichtiger Gründe, glaubt er die Unterschei-
dung der Untergruppen der Mono- und Polycystideen verwerfen zu müssen.
An Stelle dieser setzt er die Eintheilung in Acystoplasta, d. h. „Gregarinen,
welche ohne vorhergehende Encystirung die Keime bilden" und Cysto-
plasta: „Gregarinen mit, die Zeugung und Entwicklungsvorgänge ein-
leitender Encystirung". „Ein weiterer Unterschied zwischen beiden Haupt-
untergruppeu sei durch das Auftreten eines nur einfachen Myxomyceten-
plasmodiums (bei den Acystoplasta) und andrerseits mannigfacher Myxo-
mycetenumbildungeu (Cystoplasta), als quellenden Protoplasmas, Bildung
von Kalkkörperchen, verschieden nüancirten gelben Pigments, Mycetozole
(?) u. a. m. gesetzt."
Eine weitere Untertheilung der Acystoplasta soll nicht angezeigt
sein, dagegen werden die Cystoplasta in drei Untergruppen zerfällt.
a. Isoplast a: „Myxomycetenreihe und Gregarinenkeime entstehen zu
gleicher Zeit und innerhalb eines und desselben mütterlichen Organismus".
b. Proteroplasta: „Myxoraycetenformen treten vor Bildung der Grega-
rinenkeime auf", c. Hysteroplasta: ,,Myxomycetenformen erscheinen
574 Grcgariiiida.
stets nach volleudeter Entwicklung der Giegarinenkeime (Pseudonavi-
cellen, Psorospeimien)".
Der Leser wird aus dieser, mit den eignen Worten Gabriel's wieder-
gegebnen Uebersicht seines Systems entnehmen, dass eine Beurtheilung
desselben auf Grund der vorliegenden Mittheilungen nicht möglich er-
scheint und es daher erklärlich finden, dass wir im Nachfolgenden auf
diesen Versuch keine Eücksicht nehmen konnten.
Hinsichtlich der sogen. Coccidien betouten wir schon bei früherer
Gelegenheit und suchten durch Mittheilung der einschlägigen Verhältnisse
nachzuweisen, dass dieselben mit den eigentlichen Gregariniden zu ver-
einigen und demgemäss in der Abtheilung der Monocystidea unterzu-
bringen sind.
Die Zahl der bis jetzt bekannten Gregarinidenformen ist bei der auf
diesem Gebiet herrschenden Unsicherheit natürlich nicht einmal annähernd
mit einiger Bestimmtheit anzugeben. Von den bpi kritischer Sichtung
etwa in Betracht zu ziehenden 80 — 90 beschriebnen Formen (darunter
etwas mehr Polycystideen wie Monocystideen) dürften bis jetzt zwischen
30 und 40 als einer systematischen Sichtung zugänglich bezeichnet
werden. Die übrigen dagegen erwarten ihre genauere Aufklärung von
der Zukunft.
üeb ersieht der Gattungen.
I. Ordn. Monocystidea.
Synon. Monocystidea Stein und der übrigen Autoren -\- Icugel- und eiförmige
Psorosi)eruiien.
Char. Ohne Differenzirung des Körpers in zwei oder mehr durch
Scheidewände getrennte Abschnitte.
a. Coccidiidae,
Provisorische Abtheilung, welche sich von den übrigen Monoc3'Stidea
mit Sicherheit zunächst nur auf Grund ihrer Lebenseigenthümlichkeitcn
sondern lässt, da die hierhergehörigen Monocystidea stets interne Schma-
rotzer der Gewebe ihrer Wohnthiere, vielleicht sogar stets bis nach voll-
zogner Encystirung Zellenschmarotzer sind. Zu einer völligen Einreihung
dieser Formen zwischen die Geschlechter der freischmarotzenden Mono-
cystideen , scheinen mir unsre Erfahrungen bis jetzt noch nicht aus-
reichend zu sein. Die systematische Gruppirung der Coccidien in Ge-
schlechter, wozu Versuche von Schneider, Rivolta und Leuckart vorliegen,
ist bis jetzt nur eine provisorische. Schneider hat neuerdings (94) eine
Vertheilung der Coccidien in eine Anzahl Untergruppen versucht, die wir
hier acceptiren.
1. Tribus Monosporea. Der gesammte Inhalt der Cyste bildet
sich zu einer Spore um.
System. 575
Orthospora A. Sehn. 1881 (94). (T. 39. 1.)
Der Inhalt der kleinen länglicbovalen Cyste (Länge bis 0,03G) con- •
densirt sich zu einer kugllgen, nackten oder iimhiillten Spore, ans
welcher vier sicheltorinige Keime hervorknospen. Ein Restkörper oder
ein Häufchen Fett-(?)körnchen bleibt neben den Keimen erhalten,
Artzahl 1. Darmepitbel vcrschiedner Tritonarten.
Eimeria Schneider 1875 (81), Bütschli (47), Schneider (94). (T. 38.
2, 4, 13.)
Synon. Gregarina (falciformis) Eimer (73).
Cysten kugel- bis eiförmig, mit oder ohne 1—2 Mikropylen, klein
(bis gegen 0,04 Mm. Durchmesser). Der Cysteninhalt entwickelt sich nur
zu einer Spore und in dieser bilden sich zahlreiche sichelförmige Keime.
Sichere Arten bis jetzt drei. Eimeria falciformis Eim. aus Darmepithel
der Maus. (Eimer will jedoch entsprechende Formen auch im Darm-
epithel des Sperlings, des Frosches und bei Fischen beobachtet haben.)
Eimeria Schneideri Btschli. im Darmepithel einer Myriopode (Lithobius)
und Ei. nova Sehn, in den Zellen der Malpighi'schen Gefässe von Glomeris.
2. Tribus Oligosporea. Der Cysteninhalt entwickelt sich zu
einer bestimmten und constanten geringen Anzahl von Sporen.
Cyclospora Schnd. 1881 (94) emeud. Btschli. (T. 39. 2.)
Synon. Cocciclium Eivolta, Grassi (9S).
Durch Theilung des Cysteninhalts entstehen zwei kuglige ovale,
ellipsoide oder birnförmige Sporen, in welchen sich nur wenige, 2 — 4,
sichelförmige Keime bilden. Daneben ein Restkörper.
Arten zwei. Darmepithel von Glomeris (C. glomericola Sehn.) und
der Katze (Coccid. Rivolta Grassi). Vielleicht gehört auch noch hierher
das sogen. Psorospermium Avium Rivolta (76) aus dem Darmepithel vcr-
schiedner kleiner Vögel, da dasselbe gleichfalls durch Theilung nur zwei
Sporen bildet; in jeder derselben sollen sich jedoch hierauf 10 — 15 „mi-
crococchi psorospermici" hervorbilden. Auch bei einer gewissen Coccidien-
form aus den Darmzotten des Hundes hat Rivolta nur die Bildung zweier
Sporen beobachtet.
Isospora A. Sehn. 1881 (94). (T. 39. 3.)
Cysten kuglig (Grösse? scheinen jedoch ziemlich gross); durch Thei-
lung des Inhalts bilden sich zwei birnförmige Sporen, in jeder von
welchen eine grössere Anzahl sichelförmiger Keime entstehen. Restkörper?
1 Art. Limax (Organ?).
Coccidium Leuck. 1879 (92). Vgl. haupts. noch Kauffmann (54),
Waldeuburg (63 u. 69), Stieda(67), Reincke (68) und Rivolta (72 etc.)
(T. 37. 11, 12.)
Synon. Psorospermium p. p. Eivolta 1877, Cytospermium Eivolta 1877 p. p.
Klein. Cysten bis zu 0,04 Mm. Länge, eiförmig, meist mit Mikro-
pyle. Zerfall des Inhalts der Cyste in vier Sporen, in jeder von welchen
sich nur ein sichelförmiges Körperchen entwickelt.
Die Zahl der event. zu unterscheidenden Arten ist unsicher.
576 Gregarinida.
Vorkommen: Gallengangepithel und Darmepithel von Kaninchen, je-
doch nach Rivolta auch verschiedner Vögel. Identisch wahrscheinlich
auch die Lebercoccidien des Menschen.
3. Tribus Polysporea. Der Cysteninhalt entwickelt sich zu
einer grossen Anzahl Sporen.
Klossia Schneider 1875 (81, 94), Kloss (59). (T. 37. 10 u. 39.3.)
Grösser, bis zu 0,12 Mm. Längsdurchmesser der gewöhnlich eiförmigen
Cysten. Completer Zerfall des Cysteninhalts in bis . 60 kugelförmige
Sporen (ohne Mikropyle). In jeder Spore entwickeln sich 4 — 6 sichel-
förmige Keime. Artzahl 3 (Unterschiede jedoch unsicher).
Niere der Helix hortensis, der Succinea amphibia (selten) und Neritina
fluviatilis.
?Benedenia Schneider 1875 (81, 94), Eberth (QQ). (T. 38. 1.)
Ansehnlich gross, bis 1 Mm. Durchmesser. Cysten meist kuglig. Zer-
fall des Inhalts in sehr zahlreiche kuglige Sporen , in denen sich ca. 15
sichelförmige Keime entwickeln.
Octopus und Sepia in verschiednen Organen verbreitet (Darmwände,
unter äussrer Haut, Muskulatur, Geschlechtsorgane, Venenanhänge)-
(Schneider spricht sich neuerdings (94) wieder für Zusammenziehung dieser
Gattung mit der vorhergehenden aus.)
Dieser Form schliessen sich vielleicht auch die von Lieberkühn in
der Froschniere beobachteten Coccidien (Cysten bis 0,67 Mm. Durch-
messer) zunächst an, jedoch sind hier die zahlreichen Sporen spindel-
förmig und entwickeln nur wenige (3 — 4) sichelförmige Keime*).
b. Mouocystidae s. str.
Im erwachsenen, nichtencystirten Zustand freie, die Körperhohlräume
ihrer Wirthe bewohnende Monocystideen.
Adelea Schneider 1875 (40). (T. 35. 12.)
Klein, sphärisch bis oval, meist unbeweglich; Cystenhülle bildet sich
unterhalb der Cuticula der Gregarine. Sporulation complet. Sporen an-
sehnlich gross, scheibenförmig, mit zweiklappiger Hülle und relativ grossem
Zellkern sowie zwei eigenthtimlichen, an die der Fischpsorospermien erinnern-
den Polkörperchen. Bildung sichelförmiger Körperchen nicht beobachtet.
(Diese Gattung nähert sich jedenfalls in vieler Hinsicht den Coccidien,
so dass wir sie hier die Reihe der Monocystideen im engeren Sinne er-
öffnen lassen.) 1 Art bis jetzt, aus Darm von Lithobius (Myriopode).
Monocystis Stein 1848 (18). Vergl. hauptsächlich noch Kölliker
(16), Schmidt (23), Lieberktihn (24), Claparede (28), Lankester (29, 31, 35),
Schneider (40) etc. (T. 33.)
Körpergestalt schlauchförmig, massig bis sehr lang gestreckt, im be-
weglichem Zustand durch Einschnürungen , welche über den Körper hin-
*) Diu Beobaclitiingeii Lieberkülin's über die Coccidie der Froschniere konnte Solger
neiiei'dinsis bustiifigen, was er mir giltig'st iiiitfliuilfe.
System. 577
laufen, etwas veränderlich. Das eine Körperende zuweilen mit haar-
artigem Cuticularbesatz. Syzygien nicht beobachtet. Copulation wahr-
scheinlich. Sporulation gewöhnlich incomplet. Ohne besondre Einrichtung
zur Eröffnung der Cysten und Ausstreuung der Sporen. Sporen spindel-
förmig mit verdickten, knöpfchenartigen Polen. Entwickeln 4—8 sichel-
förmige Körperchen.
(Die Gattung Monocystis wird vorerst, wie im Vorstehenden geschehen,
auf die lange bekannten Monocystideen der Regenwürmer als typische
Vertreter beschränkt werden müssen. Die Zahl der hier zu unterscheiden-
den Arten ist Sache künftiger Untersuchungen.) Vorkommen in Leibes-
höhle, Darm und namentlich Hoden der Regenwürmer.
Fraglich ob von Monocystis zu unterscheiden, ist die Zygocystis St.,
die bcw^egungslos, conjugirt getroffen wird, deren Cysten und Sporen sich
jedoch ohne Zweifel nicht von denen der eigentlichen Monocystis unter-
scheiden. Hoden des Regenwurms (L. terrestris L.). (T. 34. 1.)
Gamocystis Sehn. 1875 (40) und 1882. (T. 34. 2.)
Synon. wahrsch. Zygocystis Epliemerae v. Fraiitz. (15) u. wohl = Gamocystis
Francisi Sehn. 1SS2.
Solitär oder mit gleichnamigen Enden conjugirt und dann unbeweg-
lich. Cyste mit ansehnlicher Gallerthülle und partieller Sporulation. Sporo-
ducte zur Ausstreuung der Sporen ganz wie bei Clepsidrina. Sporen
länglich cylindrisch mit abgerundeten Enden. Bildung sichelförmiger
Körperchen nicht beobachtet. Sicher zwei Arten; aus Darm von Blatta
lapponica und Ephemerenlarve.
[Aus Arthropoden ist noch eine in Bezug auf Gestalt und Conju-
gation wohl vergleichbare Monocystide unter der Bezeichnung Zygo-
cystis puteanus Lachmann (Sitzungsber, der niederrhein. Gesellsch. zu
Bonn 1859) aus Darm des Gammarus puteanus beschrieben w^orden.
Es wäre nicht unmöglich, dass dieselbe gleichfalls dem eigenthüm-
lichen Geschlecht Gamocystis näher anzuschliessen wäre.]
Conorhynchus Greeff 1879 (45).
Synon. Gregarina Greeff 1877.
Fast stets in Syzygien, ähnlich Zygocystis und Gamocystis. Einzel-
thiere der Paare meist halbkuglig. Oberfläche allseitig mit zahlreichen
zottenähnlichen Fortsätzen bedeckt. Im erwachsenen Zustand das Ento-
plasma grossblasig vacuolär. Jugendlichste Thiere ohne Fortsätze wie ein-
fache Monocystis. Cyste und Sporen unbekannt,
1 Art. Darm von Echiurus.
Gonospora Sehn. 1875 (40). (T. 34. 5.)
Synon. Gregarina (Terebellae) Köll. (17).
Sehr ähnlich Monocystis. Sporen jedoch oval bis birnförmig, ent-
wickeln zahlreiche sichelförmige Körperchen. Anneliden (Audouinia,
Terebella). 1 Art.
Zahlreiche unsichre, seither beschriebne Monocystisarten mögen dieser
Gattung zuzurechnen sein.
Bronn, Klassen des Thier-ReicUs. Protozüa. 37
578 Greg-arinida.
Urospora Schneider 1875 (40). (T. 34. 6, ? 7.)
Syiion, Greganna (Nemertis) Köll. (Sipunculi) Köll. (17), R. Lankester (31);
(Saenuridis Köll.) Lankester (35), ü. Nasse s. oben p. 557 Anm. ; ? Gregarina vir-
gula P. V. Bencd. (M6m. Ac. roy. Belg. T. XXXII.).
Bau ganz wie Monocystis, isolirt oder in Syzygien. Sporen wie
Gonospora oder mehr länglich, der eine Pol der Hülle mit unbeweg-
lichem schwanzartigen Anhang. Bildung zahlreicher sichelförmiger Körper-
chen in der Spore beobachtet.
Bekannte Arten vielleicht drei. Darm von Nemertinen (Nemertes,
Valenciennia, Ommatoplea, ? Borlasia, Tetrastemma), Leibeshöhle von
Sipunculus; Tuhilex (Hoden). Wahrscheinlich hierher noch ziemliche An-
zahl der unsichern Monoeystiden.
Die zahlreichen sonst noch kurz in den Arbeiten verschiedner
Forscher erwähnten Monocystideen sind, wie hinreichend hervorgehoben
wurde, einer systematischen Gruppirung zunächst unzugänglich. Unter
denselben heben sich durch ihre besonderen Gestaltsverhältnisse nur zwei
Formen etwas hervor, welche vielleicht auf Grund dieses Verhaltens ein-
mal als besondere Gattungstypen aufgestellt werden dürften. Es sind
dies die Monoc. Aphroditae Lank. (29) mit ansehnlichem rüsselförmigen
Anhang (35. 1) und die Monoc. (Gregarina) sagittata Leuck. (s. bei Clapa-
rede Nr. 28) von pfeil- bis ankerartiger Gestaltung, aus Capitella (34. 11).
II. Ordn. Polycystidea Schneid. 1872.
Gregarinen mit ausgesprochner Diiferenzirung von Deuto- und Proto-
merit, z. Th. auch Epimerit.
Eine weitere Untertheilung der Polycystidea ist bis jetzt noch nicht
möglich (der Vorschlag Schneider's [1873, Nr. 38], sie in zwei Grup-
pen, die Cytodo und die Cytosporeen zu zerlegen, auf welchen er je-
doch später nicht mehr zurückkommt, dürfte nach dem, was früher über
die Sporen und ihre Kernverhältnisse bemerkt wurde, gewiss keine Nach
ahmung verdienen). Das Genus Gregarina hat Schneider mit Recht ganz
eliminirt, es mag einstweilen weiter zur Aufnahme der zahlreichen, in ihrer
systematischen Stelking unsicheren Formen dienen.
Dufouria Schneid. 1875 (40). (T. 35. 11.)
Nur freie Sporonten bekannt, Cephalonten überhaupt zweifelhaft.
Protonierit ansehnlich, zarte Scheidewand springt convex in das Proto-
meiit vor. Sarcocyt fehlt. Copulative Encystirung beobachtet. Cysten
kuglig mit dicker Gallerthülle. Sporulation complet und Cysten einfach
aufplatzend. Sporen dickschalig, mit spindelförmig zugespitzten Polen.
Einzige Polycystidee, bei der bis jetzt die Bildung sichelförmiger Keime
in der Spore beobachtet wurde. 1 Art. Darm von Colymbeteslarve
(Coleopt. F. Dyticidae).
Bothriopsis Schneid. 1875 (40). (T. 36. 11.)
Aehnlich Dufouria, jedoch das Protomerit viel ansehnlicher, nach
vorn kolbig angeschwollen und Vorderende sich häufig saugnapfartig
System. 579
vertiefend und in solcher Weise zur Anheftung dienend. Conjugation oder
Copulation nicht beobachtet. Cyste einfach aufplatzend. Sporen ? 1 Art.
Im Darm verschiedner Dyticiden.
Porospora Schneid. 1875 (40), Beneden (32, 34, 37). (T.36.3— 8.)
Nur Sporonten beobachtet. (Ob überhaupt je Epimerit?) Sehr lang
(bis 16 Mm.) schlauchförmig; Protomerit sehr klein. Sarcocyt mit ring-
förmigen Fibrillen. Conjugation oder Copulation nicht beobachtet. Cysten
kuglig; angeblich sich durch Theilung vermehrend. Sporulation complet.
Sporen kuglig bis eUipsoidisch, mit sehr dicker und von Porenkanälchen
durchsetzter Schale. 1 Art. Homarus vulgaris (Darm).
Stenocephalus Schneid. 1875 (40).
Epimerit fehlt wohl stets. Protomerit klein. Gesammtgestalt massig
langgestreckt. Sporulation complet. Cysten einfach aufplatzend. Sporen
spindelförmig, angeschwollen, mit einer dunklen Aequatoriallinie ausge-
zeichnet. 1 Art. Julusarten (Darm).
Hyalospora Schneid. 1875 (40) und 1882. (T. 36. 1.)
Sehr ähnlich Stenocephalus. Epimerit klein, knopfförmig. Häufig con-
jngirt. Sarcocyt mit Fibrillenschicht. Cyste durch einfaches Aufplatzen sich
öffnend. Sporen eUipsoidisch mit mehr oder weniger zugespitzten Polen.
2 Arten. Petrobius und Machilus (Thysanura). Hierher vielleicht noch
weitere Formen, so die Sporadiua Reduvii Stein's (18) etc.
Euspora Schneid. 1875 (40). (T. 36. 2.)
Bau der Thiere wie bei der folgenden Gattung Clepsidrina, jedoch
Epimerit noch nicht beobachtet. Häufig in Syzygien. Keine Sporoducte.
Sporen prismatisch. 1 Art (Larve einer Melolonthide).
(Diese Gattung ist jedenfalls sehr wenig unterschieden von der fol-
genden.)
Clepsidrina (Hammerschm.) Schneid. 1875. (T. 35. 2—10.)
Synon. Gregarina p. p. Autor.
Massig lang, Protomerit massig gross. Epimerit meist mit knopfförmigem,
selten sehr grossem cylindrischem Haftfoitsatz in der Jugend. Sarcocyt
wohl entwickelt, mit Ringfibrillen. Häufig conjugirt und copulirend. Cysten
mit ansehnlichen Gallerthüllen und fast stets zahlreichen Sporoducten.
Sporulation incomplet. Sporen tönnchenförmig, bei der Ausstreuung ge-
wöhnlich kettenförmig zusammenhängend.
6 Arten aus Darm verschiedner Insecten.
Pileocephalus Schneid. 1875 (40). (T. 36. 10.)
Bauverhältnisse wie bei Clepsidrina; Epimerit der Cephalonten ein
kegelförmiger Knopf. Cysten ohne Sporoducte, einfach aufplatzend.
Sporen halbmondförmig.
1 Art (Mystacideslarve).
37*
580 * Grcgaririida.
Echinocephalus Schneid. 1875 (40). (T. 36. 14.) *
Gestalt oval; Protomerit klein; Epimerit klein, konisch und asym-
metrisch, in der Jugend mit zahlreichen finger- bis stiletförmigen Haftfort-
sätzen besetzt. Sarcocyt wohl entwickelt mit schiefen gekreuzten Fibrillen.
Syzygien oder Copulation nicht beobachtet. Cysten sphärisch mit Gallert-
hiille. Sporulation complet. Keine Sporoducte. Sporen cylindrisch mit abge-
rundeten Enden, häufig zu Ketten vereinigt.
1 Art (Darm von Lithobius).
Stylorhynchus (Stein 1848, 18) emend. Schneid. 1875 (40).
(T. 37. 2—7.)
Massig langgestreckt; Protomerit massig mit langem, rUsselförmigem
Epimerit, dessen knopfförmiges Ende mit basalem Wulst. Sporonten mit
einfach abgerundetem Protomerit. Copulation beobachtet. Cysten sphärisch
mit sculpturirter Hülle, aufspringend durch Anschwellung einer Pseudo-
cyste. Sporulation incomplet. Sporen sphärisch bis tetraedrisch (geld-
täschchenförmig), zu Ketten vereinigt.
2 Arten (Darm von Opatrum, Asida und Blaps).
Geneiorhynchus Schneid. 1875 (40). (T. 37. 8.)
Gestalt und Bau ganz ähnhch Stylorhynchus, jedoch der basale Wulst
am Endknopfe des rüsselförmigen Epimerits mit feinen, borstenartigen
Zähnchen dicht besetzt. Syzygien oder Copulation nicht beobachtet. Spo-
rulation complet; Cysten einfach aufplatzend. Sporen „subnaviculär (avec
corpuscules figures)''.
1 Art (Darm von Libellennymphen).
Actinocephalus (Stein 1848, 18), Schneider (40). (T. 36. 13;
T. 37. 1 u. 9.)
Synon. Gregarina Autor, p. p., Siebold (12), Leidy (22, ? Greg. Locustae). — Hoplo-
rhyiichus J. V. Carus (Gar. u. Gerst., Handb. der Zool. 2. Bd.), Schueider (40).
Massig langge§trecht; Protomerit der Cephalonten mit kurzem knopf-
förmigen bis langem rüsselförmigen Epimerit, dessen Ende scheibenförmig
abgeplattet ist und die Ränder dieser Scheibe sind zu einem Kranze von
Zahnfortsätzen ausgezogen. Syzygien oder Copulation nicht beobachtet.
Sporulation complet. Cysten einfach aufplatzend. Sporen doppelkegel-
förmig bis ellipsoidisch.
Circa 7 Arten (Coleoptera, Orthoptera [Locusta, Callopteryxlarve],
Dipteren [Larve von Sciara]).
Pyxinia Hammerschm. 1838 (11), Schneider (40). (T. 36. 12.)
Synon. Gregarina rubecula Frantz. (15).
Allgemeiner Bau der Cephalonten sehr ähnlich Actinocephalus, von
dem sie sich jedoch durch den Besitz eines aus dem Centrum der ge-
zähnten Scheibe des Protomerits entspringenden fadenförmigen Anhang
unterschieden. 1 Art. Larve von Dermestesarten.
Bemerkungen über einige neue, von Schneider 1882 beschriebene Polycystideen-
gcsclilechter siehe am Schlusse des Abschnitts über die Gregarinida.
I
Verbreitung' (freie MonocystidcaV 581
it. Allüemeiiie VerbreUiiii«' iiiid Wolinoitsverliiiltiiisse der (plicpirinideii.
Die VeibreituDg der freien Poly- und Monocystideen bei den
wirbellosen Tbieren ist eine sebr weite. Gänzlicb verniisst wurden
sie bis jetzt bei den Protozoen selbst und den Coelenteraten, wäbrend
sie in den übrigen Pliylen mehr oder minder häufig angetrotfen worden
sind. Unter den Echinodermen sind bis jetzt nur bei zwei Holo-
thurien (Holotbnria [27J und Synapta [40]) Monocystideen gefunden worden.
Auch den Mollusken scheinen die freien Gregariniden fast zu fehlen;
nur bei einer Heteropode (Pterotrachea) wurde bis jetzt (Stuart, 33) eine Form
von zweifelhafter Stellung beobachtet. In reicher Menge treffen wir Mono-
cystideen bei den Würmern, doch ist ihr Aufreten bei den verschiednen
Abtheilungen derselben ein ziemlich variables. Vermisst wurden sie bis jetzt
bei den schmarotzenden Plathelminthen, den Trematoden und Cestoden,
wogegen sie sowohl im Darm von Turbellarien, und zwar Rhabdocoelen*),
wie Dendrocoelen**), als Nemertinen***), nicht selten nachgewiesen wur-
den. Ihr Vorkommen bei den Räderthieren wurde bis jetzt nur durch
eine zweifelhafte Beobachtung wahrscheinlich gemacht f) und dasselbe gilt
für die Nematoden ft). Bei den Acanthocephalen werden sie vermisst.
In grosser Mannigfaltigkeit dagegen bewohnen sie die. Anneliden
und diese Abtheilung darf neben den Arthropoden als die Hauptentwicklungs-
stätte unsrer Schmarotzer bezeichnet werden. Von besondrem Interesse er-
scheint es weiterhin, dass die freien Gregariniden der Anneliden, wie diejenigen
der überhaupt bis jetzt erwähnten Abtheilungen der Wirbellosen, durchaus
Monocystideen sind und dass, um es gleich hervorzuheben, die Polycystideen
fast durchaus auf die Arthropoden beschränkt erscheinen. Das einzige Bei-
spiel einer typischen Polycystidee einer anderen Abtheilung bildet die
Form, welche Ecker im Darm einer Tunicate, der Phallusia mammillaris,
gefunden hat (s. bei KöUiker, 16). Da die sonst noch bei den Tunicaten
nachgewiesnen Gregariniden durchaus Monocystideen sind, so kann ich
einige Zweifel nicht unterdrücken, ob hier nicht der Zufall eine Täu-
schung verursachte.
Die Verbreitung unter den Anneliden erstreckt sich in gleicher Weise
auf die Oligo- wie Polychaeten und es herrscht auch kein Unterschied
*) M. Scbultze b. Mesostomeil d. Ostsee (Beitr. zur Naturgesch. der Turbellarien 1851).
**) Monoc. Planariae M. Schultze, Beiträge zur Naturgescb. der Turbellarien.
(ireifsvrald 1881; Kel'erstein, Beiträge zur Anatomie u. Entw. der Seeplanarien (Abb. der kön.
Ges. der Wiss. Göttingen Bd. XIV. 1866); Hallez, Contrib. ä l'bist. nat. des Turbellari6s.
Lille 1879; Lankester (31) Convoluta.
**"") Kölliker (16), Frey u. Leuckart, Beiträge zur Kenntniss wirbelloser Tbiere,
1847, p. 76; van Beneden, P., Rccb. sur la faune littor. de Belgique (^M6m. Acad. roy. de
Belgique T. XXXII.; Lankester, E. (31); Mac Intosb, Transact. roy. sog. Edinburgh
T. XXV. P. 2; On the gregariniform parasits of Borlasia (Transact. roy. mlcrosc. soc. 1S67).
t) ? Monocystis Leydigii, Stein Org. der Infusionstbiere IL p. 9 Anm. ; Leydig, Arcb.
f. Anat. u. Pbysiol. 1857 p. 415.
tt) Walter, Zeitscbr. f. wiss. Zoologie Bd. IX. p. 490, Leibesböble von Oxyuris or-
nata. Nach Scbneider (40): in freilebenden Nematoden.
582 Gregariuida.
zwischen den Land und Wasser bewohnenden Formen der Oligochaeten,
Bei nicht weniger wie fünf Gattungen der Oligochaeten und zwölf
der Polyebaeten sind Monocystideen nachgewiesen worden und diese
letzteren vertheilen sich in ziemlich gleicher Weise auf die Errantiae und
Tubicolae*). Auch den Gephyreen fehlen die Monocystideen nicht,
wenn sie auch bis jetzt nur bei drei Gattungen gefunden wurden**).
Wie jedoch schon bemerkt, bieten die Arthropoden neben den Anne-
liden das reichste Verbreitungsgebiet dar, und zwar dürfte keine der
grösseren Abtheilungen dieses Phylums unsrer Schmarotzer völlig entbeh-
ren. Es sind, wie gesagt, die Polycystideen, welche hier ihre wahre Hei-
math finden und gegenüber den spärlichen Monocystideen, welche bis
jetzt bei den Arthropoden angetroffen wurden, besonders hervorstechen.
Am spärlichsten scheinen unsre Schmarotzer bei den Arachnoideen
vertreten zu sein, da in dieser Abtheilung bis jetzt nur bei wenigen Milben
Polycystideen beobachtet wurden***). Reichlicher dagegen finden wir sie
bei den verschiedensten Ordnungen der Crustaceen und hier sowohl Mono-
wie Polycystideen. Die Copepodenf) haben bis jetzt nur einige Mono-
cystideen geliefert, die Cirripediaff) dagegen eine Polycystidee. Aus der
Abtheiluug der Phyllopoden sind Gregarinen bis jetzt nicht bekannt ge-
worden. Dagegen finden wir eine Monocystidee und mehrere Polycysti-
deen bei den Amphipodenfff) und die Decapoden haben gleichfalls
eine Anzahl Polycystideen*!) geliefert. Auch im Darm von Peripatus
fand Moseley encystirte Gregariniden *tt).
*) S. haupts. Kölliker (16), Stein (18), Schmidt (23), Lieberlmhn (24, 30), Claparede (28).
Stuart (33), Lankestcr (29, 31), Schneider (40), Vedjowsky, Monographie d. Enchytraeiden. 1879,
Oligochaeta Lumbricus. Enchytraeiis, Pachydrilus, Tubifex, Euaxcs.
Polychaeta: Nereis, Aphrodite, Eunice, Capitella, Phyllodoce, Clymene, Cirra-
tulus, Spio, Serpula, Terebella, Sabella, Telepsavus.
**) Sipunculus, Kölliker (16), Lankester(35); Echiiirus, GreefF(45),ThalassemaLankester(97).
***) Leydig, Arch. f. Anat. ii. Physiol. 1855. p. 447 Anm. ; nach Schneider (40)
bei Gamasiden und Acariden.
t) In Cyclops fand Stein eine Monocystidee, welche dadurch besonders bemerkensvrerth
erscheint, dass sie nach der Herausnahme aus ihrem Wirth im Wasser lange Zeit fortlebt.
(Organismus der Infusionsthiere IT. p. 6 — 8.) In neuester Zeit beschrieb Rehberg diese Mono-
cystis (?) tenax St. aus dem Darm und der Leibeshöhle von Cyclops ohne Kenntniss der
Arbeiten seines Vorgängers als eine neue Form unter dem Namen Lagenella nobilis (Abhandl.
herausgeg. vom naturwiss. Verein zu Bremen VII. Bd. 1880). Aus Copepoden kennen wir
ferner drei Monocystisformen aus dem Darmkanal von Sapphirinen (Häckel, in Jenaische
Zeitschr. Bd. I. 1864).
ff) Gregarina Balani Kölliker (16) aus Baianus.
ttt) In Gammarus pulex Gregar. longissima Sieb, und Gammari Dies. (s. b. Kölliker 16);
Zygocystis puteana Lachmann im Darm von Gammarus puteana (Sitzungsbcr. der nicderrhein.
Ges. zu Bonn 1859); Gregarine aus Phronima und Phronimella nach Claus (Organismus der
Phronimiden, Arbeiten des zool. Inst. Wien. 2. Bd.).
*'t) Porospora gigantea v. Bened. sp. (32); Gregarina conformis Dies, nach Cavolini (2)
aus Cancer depressus. Zweifelhaft, wie früher bemerkt, die Eedi'sche Form (von Diesing
Greg, praemorsa genannt) aus Cancer pagurus.
*tt) Philososoph. Transact. roy. Soc. Vol. 164. p. 762.
Verbreitung- (Polycystiilea\ 583
Die reichste Verbreitung besitzen die Gregariiiiden bei den Myriapoda
und Insecta. Bei nicht weniger wie sieben Myriapodengeschlechtern
sind bis jetzt eine ganze Anzahl Polycystideen und eine Monocystidee
(Adelea) nachgewiesen worden*).
Unter die verschiednen Insectenordnnngen vertheilen sich die bei
dieser Klasse so zahlreich gefundnen Gregarinen in sehr verschiedner
Weise. Obenan stehen vor Allem die Coleoptera, von welchen bis jetzt
gegen 25 Geschlechter als Gregarinen wirthe bekannt sind, theils im
Larven-, theils im Imagoziistand, theils in beiden gleichzeitig. Häufig
sind die Polycystideen ferner bei den Orthoptera, wo die Zahl der als
Gregarinenwirthe bekannten Geschlechter ca. 15 beträgt, welche sich
ziemlich gleichmässig über die verschiednen Familien vertheilen. Nur die
Plasmodea und Mantodea haben bis jetzt keine Gregarinen geliefert, was
jedoch vielleicht auf ungenügende Untersuchung dieser vorzugsweise ausser-
europäischen Familien zurückzuführen ist.
Das Gleiche lässt sich aber nicht bezüglich der Vertheilung der
Gregarinen in der grossen Ordnung der Käfer behaupten. Hier beherbergen
namentlich die Angehörigen der im Wasser, der Erde oder an dunkeln
feuchten Orten lebenden Familien, oder derjenigen, welche sich durch
räuberische Lebensweise auszeichnen, zahlreiche Gregarinen. Die erwähnten
Familien sind eben solche, welche durch ihre Lebensweise Gelegenheit
zur Infection mit Sporen bieten, worauf seiner Zeit schon Stein (18)
aufmerksam machte. In gleicher Weise wird aber auch das von
Schneider (40) bei der Beurtheilung der Verbreitung der Gregariniden
unter den Insecten (und speciell den Coleopteren) hervoigehobne Moment
berücksichtigt werden müssen, dass nämlich die Lebensverhältnisse solche
sein müssen, dass die mit dem Koth in die Aussenwelt beförderten Grega-
rinencysten günstige Bedingungen zu ihrer Entwicklung finden, also haupt-
sächlich genügende Feuchtigkeit, Schutz vor der Vernichtung durch Aus-
trocknung. Deragemäss sehen wir eine sehr reiche Gregarinenentwicklung
bei den Familien der Derraestini, Dyticidae, Lamellicornia und Melasoma.
Immerhin werden wir, bei Berücksichtigung der betonten Mo-
mente, noch eine ganze Anzahl Coleopterenfamilien finden, welche bis
jetzt keine Gregarinen geliefert haben, obgleich sie keine ungünstigen
Bedingungen zur Entwicklung dieser Schmarotzer darzubieten scheinen.
Inwieweit nun hierbei noch besondere, bis jetzt unerkannte Verhältnisse eine
Rolle spielen oder unsre, ja im Ganzen noch nicht sehr ausgebreitete Er-
fahrung Lücken aufweist, soll hier nicht näher untersucht werden. Dass
auch die T h y s a n u r a **) und N e u r o p t e r a , die letzteren im Larvenzustand,
als Gregarinenwirthe sich erweisen, kann nach dem angeführten nicht ver-
wundern und dasselbe gilt für eine Anzahl Rhynchota, unter denen unsre
Schmarotzer jedoch bis jetzt nur bei drei Gattungen beobachtet wurden ***).
*) Lithobius, Scolopendra, Cryptops, Scutigera, Julus, Polydcsmus, Polyxenus, Glomeris.
**) Gefunden h. Petrobius maritimus u. Macliilus Schnd. (40) u. 1882, b. Lepisma nach Stein [1 8).
***) Phyinata (s. Dufour 7 und Ann. sc. n. 2. VII.), Reduvius, Nepa (Stein 18).
5g4 (iregaiiiiida.
Aeusserst arm au Gregariuiden sind ferner die Diptera; die Lebens-
weise der ausgebildeten Formen erklärt dies wohl , es sind daher auch
nur drei Larvenformen, bei welchen Gregarinen getroffen wurden*),
doch möchte die Lebensweise zahlreicher Dipterenlarven die Verrauthung
nahe legen, dass die Verbreitung der Gregarinen unter ihnen noch eine
ausgedehntere sein dürfte. Dagegen wurden die Gregarinen bis jetzt
durchaus vermisst bei den Hymenoptera und Lepidoptera, was mit
der Lebensweise der hierhergehörigen Insecten recht wohl in Einklang steht.
Wie bemerkt, sind es fast ausschliesslich Polycystideen, welche die
Insecten bewohnen, das Vorkommen von Monocystideen ist bis jetzt
nur in zwei Fällen constatirt worden, in beiden waren es wahrscheinlich
Angehörige des Monocystideengeschlechts Gamocystis.
Zum Schlüsse unsrer Betrachtung der Verbreitung der freien Grega-
riuiden haben wir noch zweier Abtheilungen wirbelloser Thiere zu ge-
denken, bei welchen das Vorkommen unsrer Schmarotzer constatirt wurde.
Leuckart erwähnt Gregarinen aus dem Darm der Sagitten und verschiedne
Beobachter wiesen ihr nicht seltnes Vorkommen im Darm der Tunicaten
nach**).
Werfen wir nun in ähnlicher Weise einen Blick auf die Verbreitung
der Coccidien, so finden wir dieselben bis jetzt häufiger bei den Verte-
brata nachgewiesen , was aber wohl hauptsächlich auf die geringe Be-
achtung, die dieselben bis jetzt bei den Wirbellosen gefunden haben,
zurückzuführen ist. Unter diesen letzteren vertreten sie wie bei den
Vertebrata die freien Gregariuiden bei den Mollusken***); ihr Vor-
kommen ist weiter bekannt von den Myriapoda (Lithobius und Glomeris).
Eine coccidienartige, zahlreiche sporenähnliche Körperchen elnschliessende
Cyste wurde von Hallez bei einer Planarie beobachtet f).
Spärlich ist im Ganzen ihre Verbreitung bis jetzt bei den kaltblütigen
Wirbelthieren constatirt worden; wir sind jedoch unterrichtet von ihrem Vor-
kommen bei Fischen, den Anuren (Frosch und Kröte [9ö]), Triton (94), der
Coronella (98), dem Krokodil und wahrscheinlich auch der Schildkröte (96).
Reichlicher treffen wir dagegen Coccidien bei den Warmblütern, so
bei einer ganzen Reihe von Vögeln, den Hausvögeln: Hühnern, Gänsen,
Enten, Tauben, jedoch auch freilebenden, wie dem Sperling, Zeisig (luche-
rino, Fringilla spinus), Schwärzblättchen (Sylvia atricapilla), Pfau (Pavo),
(s. Rivolta 88).
Sehr verbreitet ist ihr Vorkommen bei den Säugethieren ; sie sind
jetzt nachgewiesen bei zahlreichen Hausthieren wie Hund, Katze, Schaf,
*) Sciara {Siebold 12), Tipula (Hammerschmidt 11); Flohlarven nach R. Leuckart
(Jahresber. f. 1859, Arch. f. Naturgcsch. 26. Jahrg. IL p. 161).
**) Clarellina, Phallusia (s. Kölliker 16), Ascidia? (Laiikester 35), Amauroecium
(Giard 36), Salpea (.Leuckart (Jahresber. f. 1S59, Arch. f. Naturgesch. 26. Jahrg. IL p. 161).
***) Cephalopoden, Limax, Helix, Succinea, Neritina.
t) Contrib. ä l'hist. nat. des Turbellaries. 1879. Moniez hat Psorospermiancysteu bei
Echinorhynchus proteus beobachtet (Bullet, scientif. dep. du Nord T. II. p. 6), ebenso nach
Balbiani auch Henneguy. Ich konnte die Arbeit des Letzteren leider nicht durchsehen.
Verbreitung- (Coccidia). Wohnortsverhältnisse. 585
Kalb, IScbweii), Kaumchen, Meerschweinchen, weiter jedocli auch in der
Maus, Fledermaus, Maulwurf und beim Menseben. Die bis jetzt von Aflen
beschriebnen Coccidien sind sehr zweifelhafter Natur*).
Eine kurze Besprechung- erfordern noch die speciellen Wohnortsver-
hältnisse der Gregariniden innerhalb der von ihnen heimgesuchten Thiere.
In dieser Hinsicht zeigen die freien Monocjstideen — wir verschieben
auch hier die Betrachtung der Coccidien bis ans Ende — eine grössere
Mannigfaltigkeit. Sie bewohnen sowohl den Darmkanal, wie die Leibes-
höhle, bei den Oligochaeten häufig auch die Hoden. Noch wenig aufge-
klärt erscheint es jedoch, ob eine und dieselbe Art gleichzeitig in Leibes-
höhle und Darm anzutreifen ist, wenn auch für die Monocystideen der
Regenwüimer häufig das gleichzeitige Vorhandensein einer und derselben
Form in Hode und Leibeshöhle hervorgehoben wurde. In sehr verschied-
nen Organen wird nach Anton Schneider die in ihrer Stellung etwas un-
sichere Gregarina Holothuriae (der Holothuria tubulosa) angetroffen, da
dieselbe gleichzeitig den Darm, die Blutgefässe und die Leibeshöhle be-
wohnen soll. In die letztere gelangt sie wahrscheinlich in der Weise,
dass sich an den Blutgefässen bruchsackartige Ausbuchtungen bilden,
welche wahrscheinlich zwei copulirte Thiere einschliessen , wie sich aus
dem Vorhandensein zweier Kerne vermuthen lässt und diese Aussackungen
sich schliesslich sammt den umschlossnen Gregarinen, loslösen und
in die Leibeshöhle hineinfallen. Vielleicht dürfte sich auf eine ähn-
liche Weise das von mehreren Forschern erwähnte Vorkommen von
Gregarinen in Kapseln in der Leibeshöhle erklären. So fand Kölliker
(16) seine Urospora Sipunculi, welche R. Lankester (35) auch frei
in der Leibeshöhle des Sipunculus angetroffen hat, in zahlreichen Indi-
viduen in einer „dicht vor den Zurückzlehern des Schlundes gelegnen
Kapsel". R. Lankester klärt dieses eigenthümliche Vorkommen dahin
auf, dass die Kapseiwan d von der flimmernden Peritonealhaut gebildet
wird ; doch scheint letztrer Forscher stets nur ein Individuum in einer
solchen Kapsel getroffen zu haben.
Auch von seiner Gregarina clavata berichtet Kölliker, dass er sie zu
zehn in einer Kapsel im Hinterleib einer Ephemerenlarve gefunden habe,
und dieser Fall erlangt noch dadurch ein besondres Interesse, weil die
Polycystideen bekanntlich fast ausschliesslich auf das Leben im Darme
angewiesen sind. Einige Ausnahmen von letztrer Regel finden sich zwar in
der Literatur verzeichnet, doch dürfte es sich in diesen Fällen wohl stets um
verirrte Individuen von Arten handeln, welche eigentlich den Darmkanal be-
wohnen. Ich schliesse dies daraus, dass ich mehrfach vereinzelte Clepsidrinen
in der Leibeshöhle der Blatta orientalis traf, wie dies auch früher schon
*) Nach Paulicki (Gurlt u. Hartwig, Magaz. f. Thierheilk. Bd. 35) sollen sich chloro-
phyllhaltige Coccidien bei Cebus und Macacus in den Lungen, nach Piana (82) solche in den
Ganglien (?) von Cynocephalus gefunden haben. In den erstgenannten chlorophyllhaltigen
grünen Körperchen vermag ich ebensowenig wie Leuckart Psorospermien zu erkennen. Auch
die von Piana erwähnten erscheinen noch unsicher.
586 Gregarinida.
Frantzius (15) aufgefalleu war, und dass diese stets regungslos sowie un-
gemein blasig aufgeschwollen erschienen. Hammerscbmidt (11) hat solche
blasenförmig aufgetriebne und bewegungslose Polyc^^stiden schon in der
Leibeshöhle einer Tipulalarve beobachtet und darauf sogar sein Geschlecht
BuUulina gegründet. Auch Leidy (22) berichtet, seine Greg. Achetae ge-
legentlich in der Leibeshöhle gefunden zu haben*).
Ueber die Wohnortsverhältnisse der monocystiden Coccidien wurde
schon friiherhin Manches berichtet, so dass wir uns hier kurz zu fassen
vermögen. Es dürfte vieles dafür sprechen, dass diese stets in Geweben
schmarotzenden Formen auch stets in den Zellen selbst ihre Wobnstätte
aufschlagen und dass sie da, wo sie frei im Binde- oder Muskelgewebe etc.
beobachtet wurden, vielleicht erst späterhin, nach ihrer Encystirung, abge-
lagertworden sind. Doch bedarf diese Angelegenheit noch weiterer Aufklärung.
Ungemein häufig treffen wir sie in den Epithelzellen des Verdauungs-
kanals und zwar des Mitteldarms und seiner Lieberkühn'schen Drüsen.
Bei reichlicher Anwesenheit können sie hier arge Verwüstungen am Epi-
thel hervorrufen. Wie bekannt, finden sie jedoch auch den Weg in das
Epithel der Gallengänge der Leber (Kaninchen, Mensch) und erzeugen
hier die sogen. Coccidienknoten. Die Bindegewebswandungen der inficir-
ten Gallengänge verdicken sich und diese Wucherung bringt allmählich
das benachbarte Leberparenchym zum Schwund. Hand in Hand mit der
Ansammlung einer käsigen oder rahmartigen Masse, welche aus Flüssig-
keit mit zahh-eichen degenerirten Epithelzellen und encystirten Coccidien
besteht, erw^eitern sich die inficirten Stellen der Gallengänge; die Binde-
gewebswandungen, welche die benachbarten Gänge scheiden, werden mehr
und mehr verdünnt und schliesslich fliessen die benachbarten Knötchen zur
Bildung eines grösseren Knotens zusammen. Knötchenartige grössere An-
häufungen von Coccidien in der Darmschleimhaut mögen z. Tb. durch
eine massenhaftere Ansammlung derselben in den inficirten Lieberkühn'-
schen Drüsen, z. Th. jedoch durch eine ähnliche Inficirung der Peyer'-
schen , wie der solitären Follikel hervorgerufen werden, da auch in diesen
Coccidien nachgewiesen worden sind.
Die neueren Untersuchungen haben jedoch erwiesen , dass nicht nur
die eigentlichen Darmepithelien in dieser Weise dem Anfall der Coccidien
ausgesetzt sind, sondern dass dieselben sowohl beim Kaninchen, nach den
Untersuchungen Zürn's (91), wie den Hühnern, nach denen Silvestrini's
und Rivolta's (75 u. 76), ein viel ausgedehnteres Verbreitungsgebiet be-
sitzen. So bewohnen sie sehr häufig die Nasenschleimhaut dieser Thiere
und verursachen eine Entzündung derselben, verbreiten sich aber von hier
auch auf die Schleimhaut des Mauls und inficiren sogar den Kehlkopf;
dagegen ist es bis jetzt noch nicht hinreichend sicher, ob sie sich bei
dem Kaninchen auch noch tiefer in die Luftwege hinab ausdehnen und
*) Claus schreibt, dass er die Gregarinen von Phronima und Phronimella „am Magen-
darm" beobachtet habe; liegt hier nicht etwa nur ein Schreibfehler vor, so wäre dies viel-
eicbt ein Beispiel einer Polycystidee, die wirklich die Leibeshöhle bewohnt.
Wohnortsverhältnisse (Coccidia) 587
schliesslich sogar die Lunge zu afficiren vermögen, wie Zürn anzunehmen
geneigt ist (wahrend sie bei den Hühnern auch in den Anfang der
Trachea und des Oesophagus herabsteigen). Andrerseits soll sich jedoch
nach Zürn das Coccidienleiden der Kaninchen zuweilen aus der Rachen-
schleimhaut auch auf die Eustachischen Tuben ausdehnen, die Pauken-
höhle in Mitleidenschaft ziehen und schliesslich von hier aus sogar auf
das Labyrinth und den äusseren Gehörgang übergreifen. Sowohl bei den
Huhnern wie bei dem Kaninchen stellt sich das Psorospermienleiden auch
zuweilen an der Conjunctiva ein und ruft hier eine Conjunctivitis hervor,
soll sich jedoch bei den Hühnern auch auf das äussere Epithel ausdehnen
und den Kamm und Bart heimsuchen. Rivolta (88) sucht ferner nach-
zuweisen, dass eine in Italien unter dem Namen „vajuolo" schon lange
bekannte Hautkrankheit der Hühner und Tauben, welche sich haupt-
sächlich in Knötchenbildungen an der Haut des Kopfes und Halses,
jedoch auch andrer Körperstellen äussert, gleichfalls durch Coccidien her-
vorgerufen werde , welche sich in dem hyperplastischen Rete Malpighii
dieser Knötchen ansammeln. Es scheint, dass er diese Hautcoccidien für
identisch hält mit den Darmcoccidien der erwähnten Vögel und demnach
auch wohl dem Coccidium oviforme.
Wie schon angedeutet, liegen auch einige Beobachtungen über das
Vorkommen der Coccidien in noch anderen Geweben vor. So fand sie
schon Klebs im Parenchym der Darmzotten und im Bindegewebe
zwischen den Lieberkühn'schen Drüsen beim Kaninchen; ähnlich beob-
achtete auch Rivolta die Coccidien der Zotten des Hunde- und Katzen-
darms im Parenchym. Bei den Cephalopoden muss sich nach den An-
gaben von Eberth Aehnliches finden. Bei Octopus beobachtete er eine
sehr weite Verbreitung der Benedenia. Er fand sie ,, unter der äusseren
Haut, in der Muskulatur des Körpers wie der Arme, unter der Serosa
des Darms, der Geschlechtsorgane, in den Venenkörpern (anhängen!) und
in der Darmschleimhaut''. Im Mesenterium des Kaninchens und dessen
Mesenterialdrüsen hat Reincke die Coccidien gleichfalls constatirt, sie
waren hier in Knötchen zusammengehäuft, welche dem Verlauf der Ge-
lasse folgten. Wir kennen ferner die gelegentliche Infection der Niere
durch Coccidien, welche Lieberkühn für den Frosch sichergestellt hat*)
und die unter den Gastropoden mehrfach angetroffen wurde.
Aus dem Vorstehenden dürfte zur Genüge erhellen, wie der gesammte
Körper, möchte man nahezu sagen, den Angriffen der Coccidien ausge-
setzt sein kann, dagegen auch, dass in zahlreichen Fällen noch nähere
Aufklärungen über den eigentlichen Sitz dieser Schmarotzer in den von
ihnen befallenen Geweben nothwendig sind.
Noch zwei Fragen mögen hier zum Schluss unsrer Betrachtung über
die Verbreitungs- und Wohnortsverhältnisse der Gregariniden kurz berührt
*) Wo hier der eigentliche und primäre Sitz der Coccidien ist, wurde bis jetzt noch nicht
aufgelilärt.
58Ö Gregarinida.
werden, iiäinlicb die nach der VerbreitUDg einer und derselben Art auf
einen oder mehrere Wirthe, sowie im Auschluss hieran die Frage nach
dem gleichzeitigen Vorkommen mehrerer Gregarinidenarten bei einem und
demselben Wirth. Die Beantwortung dieser Fragen bietet heutzutage noch
mancherlei Schwierigkeiten, da sich die systematischen Forschungen auf
unserem Gebiet noch in den Anfängen befinden und nicht wenige Grega-
rinenformen nur in Hinblick auf ihr Vorkommen zu besonderen Arten
erhoben worden sein mögen , obgleich es auch andrerseits an dem Ver-
such nicht gefehlt hat, Formen von höchst wahrscheinlich specifischer
Verschiedenheit auf Grund ihres Vorkommens bei demselben Wohnthier
zu einer Art zu verschmelzen. Diese Schwierigkeiten illastriren wohl am
geeignetsten die Gregariniden des gemeinen Regenwurms (Lumbricus ter-
restris L.). Während Lieberkühn und wie es scheint auch A. Schneider
die verschiednen Gregarinenformen dieses Wurmes sämmtlich als ver-
schiedne Zustände einer und derselben Art auffassen, unterschied Stein
nicht weniger wie vier Arten, welche in zwei Gattungen eingereiht wur-
den, und ähnlich sprach sich auch A. Schmidt aus. Ebenso neige ich mich
auf Grund eigner Erfahrungen der Stein'schen Auffassung zu. Auch die
von Stein unterschiednen drei Gregarinenarten der Mehlkäferlarve (Tene-
brio) sollen nach Schneider nur eine einzige Art bilden, eine An-
sicht, welche ich wenigstens in Bezug auf eine Form (den Stylo-
rhynchus ovalis St.) nicht zu theilen vermag. Wir heben hier jedoch
noch einige gesicherte Beispiele gleichzeitigen Vorkommens verschiedner
Arten , ja Gattungen , bei einem und demselben Wirth hervor. So be-
herbergt nach Schneider die Audouinia Lamarcki zwei verschiedne Mono-
cystideen, die eine im Darm, die andre in der Leibeshöhle. Das auf-
fallendste Beispiel bietet bis jetzt aber der Lithobius forficatus L.,
welcher in seinem Mitteldarm nicht weniger wie vier Gregarinenarten,
nicht selten mehreren gleichzeitig, Wohnung gewährt, vier Arten, welche
mit Recht zu vier verschiednen Gattungen: Actinocephalus, Echinocephalus,
Adelea und Eimeria (eine Coccidie) gestellt werden. Im Darm derMyctacides-
larven trifft man gewöhnlich zwei Gregarinen der Gattungen Pileocephalus
und Clepsidrina an. Durch Schneider haben wir neuerdings auch von
dem gleichzeitigen Vorkommen zweier Coccidien bei einer Thierart Nach-
richt erhalten. Die Myriapodenform Glomeris nämlich beherbergt zwei
Coccidienarten (eine Cyclospora und eine Eimeria), die eine im Mittel-
darm, die andre in den Malpighischen Gefässen.
Im Ganzen scheint die Verbreitung der einzelnen Arten eine ziemlich
fest umgrenzte und beschränkte zu sein, was namentlich von Schneider (40)
durch Hinweis auf einige interessante Beispiele näher erörtert wurde, bei
welchen gewisse Gregarinenformen constant ihre bestimmten Wohnthiere
aufsuchen, obgleich letztere unter ganz entsprechenden Lebensbedingungen
gleichzeitig dieselben Orte bewohnen , eine Uebertraguug von einem auf
den anderen Wirth daher wohl zu erwarten wäre. Andrerseits kennt
man jedoch auch einige Beispiele ausgedehnterer Verbreitung bestimmter
Verbreitimgseigenthümlichkeiteii. 589
Arten. So findet sich die Bothriopsis Histiio Aim. Sehn, bei drei
Gattungen von Wasserkäfern, der Actinocepbalus stelliformis bei drei
Käferarten versebiedner Familien (Carabus^ Stapbylinus und Rbizotrogus)
und dürfte daher wohl auch noch Nveiter verbreitet sein. Auch unter den
Monocystideen der Anneliden werden sich wohl Beispiele einer derartigen
breitung finden, wenn nur die systematische Durchforschung der zahl-
reichen hierhergehörigen Formen erst weiter gediehen sein wird.
Nachträgliclier Zusatz: Im Bcg-riüe die zweite Correctur dieses Bogeiis zu lesen,
erhalte ich eine soeben erschienene , sehr interessante Fortsetzung der Untersuchungen
A. Schneider's über die Gregariniden (Archives de Zoologie experim. T. X. 1S82. p. 423—50.
Taf. 13). Da es leider zu spat ist, die wichtigsten Kesultate derselben noch dem Text ein-
zuverleiben, will ich hier nachträglich auf das Bemerkenswertheste hinweisen. Schneider hat
jetzt bei einer ganzen Anzahl Polycystideengeschlechter (Clepsidrina , Loporhynchus , Stylo-
rhynchus, Trichorhynchus und Cnemidospora) die Erzeugung sichelförmiger Keime festgestellt
und konnte sich ferner in fast allen Fällen versichern, dass die Keime einen deutlichen, zu-
weilen sogar recht ansehnlichen Zellkern enthalten. Ebenso gelang es ihm, in den noch
hüllenlosen jugendlichen Sporoblasten, sowie in den noch nicht weiter entwickelten Sporen des
Stylorhynchus den ansehnlichen Nucleus zu beobachten.
Bringt man die mit sichelförmigen Keimen erfüllten, reifen Sporenketten des Stylorhynchus
longicoUis in etwas Darmsaft des Blaps mortisaga (des Wohnthiers dieser Polycystidee) , so
springen die Sporenschalen auf und die sichelförmigen Keime treten hervor. Dieselben be-
wegen sich mehr oder weniger lebhaft in der bekannten Weise und diese Beweglichkeit der
Keime dauert in gleicher Weise mehrere Stunden fort. Amöboide Beweglichkeit oder Schwimm-
bewegung der Keime wurde nie wahrgenommen. Die nach dem Hervortreten aus der Spore
etwa langgestreckt rübenförmigen Keime tragen an ihrem dickeren Ende einen massig langen,
schmalen, stiftförmigen Fortsatz, welcher besonders beweglich erscheint, indem er sich lebhaft
hin- und herbiegt.
Zu diesen interessanten Mittheilungen gesellt Schneider die weitere, dass man in den
Darmepithelzeilen des Blaps mortisaga sehr häufig einen oder mehrere kernhaltige Körper
treffe, welche mit grosser Wahrscheinlichkeit als die erste Weiterentwicklungsstufe der in die
Epithelzellen eingedrungnen Keime von Stylorhynchus longicollis zu betrachten seien. Es
scheint demnach, dass auch die Polycystideen ihre erste Entwicklung als intracelluläre Schma-
rotzer beginnen.
Schneider's Arbeit beschreibt ferner eine Eeihe neuer Polycystideengeschlechter, wobei gleich-
zeitig eine Anzahl wichtiger Bemerkungen über Bau und Fortpflanzung derselben mitgetheilt werden.
Wir versuchen es hier noch eine kurze Charakteristik dieser neuen Geschlechter beizufügen.
Loporhynchus Sehn, 1882. Epimerit hat Aehnlichkeit mit dem von Actinocephalus
und Echinocephalus ; kurz und dick, längs gestreift, Vorderende breit abgestutzt und etwas
saugnapfartig ausgeliöhlt, mit membranösem vorspringendem Eand, unterhalb dessen ein ein-
reihiger Kranz von birnförmigen blasigen Anhängen entspringt. Cystenhaut ähnlich wie bei
Stylorhynchus mit Wärzchen bedeckt. Sporen wie die von Stylorhynchus gestaltet und Ketten
bildend. 1 Art, Darm von Helops.
Trichorhynchus Sehn. 1882. Unterscheidet sich von Stylorhynchus wesentlich nur
durch die elliptisch bis cylindrisch gestalteten Sporen. 1 Art. Darm von Scutigcra (Myrio-
pode). Cyste sehr interessant. Etwas abgeplattet; die Cystenhaut mit einem scharf hervor-
tretenden, dunklen und ziemlich breiten Aequatorialband, längs dessen Mittellinie die ausge-
reifte Cyste in zwei Hälften aufspringt. Oberfläche der Cystenhaut mit regelmässig gestellten
Wärzchen bedeckt und dazwischen fein punktirt.
Cnemidospora Sehn. 1882. Bis jetzt nur Sporonten bekannt, welche wie die beiden
vorhergehenden Gattungen keine Syzygien bilden. Hauptauszeichnung bildet die Anhäufung
einer homogen und fettartig erscheinenden Masse im Yorderende des Protomerits. Sporen
elliptisch. 1 Art, Darm von Glomeris (Myriop.).
590 Myxosporidia.
II. Myxosporidia.
Butsclili 1881 (sogen. Fischpsorospermien).
T. 38. Figg. 5—24.
Schon bei Gelegenheit der historischen Uebersicht unsrer Kenntnisse
der Sporozoa wurde erläutert, dass gerade die von Joh. Müller (1841)
zuerst unter der Bezeichnung Psorospermien beschriebnen parasitiscben
Gebilde der Fische, hinsichtlich ihrer wahren Natur und Bedeutung, bis
jetzt viel zweifelhafter geblieben sind, als die erst später genauer bekannt
gewordnen ei- und kugelförmigen Psorospermien. Da die Fischpsoro-
spermien, wegen ihrer in vieler Hinsicht eigenthümlichen Bau- und
Lebensverhältnisse, ohne Zweifel eine besondere Abtheilung bilden und
der Name Psorospermien wegen seiner heterogenen Verwendung heutzu-
tage hinfällig geworden ist, so habe ich für die hierhergehörigen Orga-
nismen die Bezeichnung Myxosporidia vorgeschlagen (105). Bis jetzt
sind diese Gebilde, welche sich sehr wesentlich von den Coccidien unter-
scheiden , fast ausschliesslich bei den Fischen angetroffen worden. Die
einzige sichere Ausnahme dieser Regel beobachtete Lieberkühn, welcher
Mjxosporidiensporeu in Nais (Oligochaete) auffand*). Auch Balbiani**)
hat in der Leibeshöhle eines Schmetterlings (Pyralis viridiana) Cysten
beobachtet, welche mit Körperchen, von einem den Myxosporidien-Sporen
ähnlichen Bau, erfüllt waren; die Beobachtung ist jedoch nicht aus-
reichend, um ihre Zugehörigkeit zu unserer Abtheilung zu erweisen. Zweifel-
haft erscheint der von Giard unter dem Namen Lithocystis Schueideri
beschriebne Organismus, welcher bei einem Seeigel (Echinocardium
cordatum) gefunden wurde. Aehnlich wie die Coccidien zeigen aber
auch die Myxospoiidien eine ungemein weite Verbreitung im Fiseh-
körper. Wenn sie auch J. Müller ursprünglich (99) ■ — ausser in Theilen
des Auges, wie den Augenmuskeln, der Sklerotika, zwischen dieser und
der Chorioidea — fast ausschliesslich und sehr häufig an der Haut der
Fische und zwar in Form kleiner Pusteln, welche einen Hautausschlag
zu bilden schienen, auffand, so glaubte er doch, in Gemeinschaft mit
*) Diese wie eine Anzahl weiterer, seither unpublicirter Beobachtungen verdanke ich der
Liebenswürdigkeit des um die Myxusporidien so verdienten Prof. N. Lieberkiihn, welcher mir
eine grosse Anzahl vorzüglicher, bis jetzt unpublicirter Zeichnungen, von der Künstlerhaud
G. Wagner's ausgeführt, zur Benutzung überliess. Meinen aufrichtigsten Dank, bitte ich ihn,
auch an dieser Stelle entgegennehmen zu wollen.
**) Balbiani in Journ. anatomic et physiologie T. III. p. 599 u. T. IV. p. 263.
Verbreitung unter d. Fischen u. im Fischkörper. 591
Eetzius (100) auch schon das gelegentliche Auftreten ähnlicher Körperchen
in inneren Organen und zwar in der Schwimmblase des Dorsches con-
statiren zu können*). Leydig (20), Lieberkühn (24,58,101) und nament-
lich Balbiani (102) erwiesen dann, dass sie noch in vielen inneren Or-
ganen vorkommen.
Der Hauptsitz der Hautmyxosporidien scheint die Kopfgegend zu sein
imd zwar entweder die äussere Fläche des Kopfes, häutig die des Kiemen-
deckels, namentlich aber auch die Kiemenhöhle, wo die Innenseite des
Kiemendeckels, die Kiemenhaut, die Kiemenbogen und schliesslich häufig
auch die Kiemenblättchen selbst ihren Sitz bilden. Auch auf den Flossen
sind die Psorospermiencysten gelegentlich beobachtet worden.
Die Verbreitung der Myxosporidien in den inneren Theilen des Fisch-
körpers ist, wie schon bemerkt, eine so weite, dass nur wenige Organe
und Organsysteme von ihnen verschont zu bleiben scheinen. So vermisste
sie Balbiani nur in der Stammesmuskulatnr und dem centralen Nerven-
system durchaus, wogegen neuerdings Ryder**) bei einem Aphrododerus
zahlreiche Myxosporidiencysten in der Seitenmuskulatur auffand. Ihre
besonderen Lieblingssitze sind nach Balbiani die Niereu und die Milz,
doch trifft man sie nach den Untersuchungen Leydig's und Lieberkühn's
namentlich auch in der Gallen- und Harnblase von Süsswasser- und
Meeresfischen recht häufig. Da sie sich gelegentlich auch in dem Gefäss-
apparat, so den Herzklappen ansiedeln, so ist ihr von Leydig beob-
achtetes Vorkommen im Herzl)lut erklärlich (Leuciscus). Fernerhin ver-
mochten sie Leydig und Lieberkühn bei Gobius auch in der Leibeshöhle
zu coustatiren. Aus obigen Bemerkungen geht die weite Verbreitung
dieser Schmarotzer im Fischkörper zur Genüge hervor. Ebenso besitzen
sie aber auch eine weite Verbreitung durch die Klasse der Fische. Schon
J. Müller hatte bei einer ziemlichen Zahl einheimischer wie ausländischer
SUsswasserfische Myxosporidien aufgefunden. Leydig dagegen erwies ihr
häufiges Vorkommen bei nicht wenigen Plagiostomenarten. Die übrigen
Meeresfische sind dagegen bis jetzt noch wenig ausreichend nach unsern
Schmarotzern durchforscht, obgleich es kaum zweifelhaft sein kann,
dass die Myxosporidien auch unter den marinen Fischen eine weite Ver-
breitung besitzen.
Die kleinen sporenartigen Körperchen, welche J. Müller ursprünglich
als Psorospermien bezeichnete, sind nun natürlich keine erwachsenen
selbstständigen Organismen, sondern die Fortpflanzuugskörper oder Sporen
einfacher, plasmatischer, bis zu einem gewissen Grade amöben ähnlicher
Organismen. Wir finden nämlich nach den gewöhnlichen Angaben der
''■■) Es scheint mir jedoch recht fraglich, ob diese psorospermienartigen Körperchen der
Dorschschwimmblase zu den eigentlichen Myxosporidien und nicht vielmehr zu den Coccidien
zu rechnen sind. Ihr Bau scheint sich nämlich eher den letzteren anzuschliessen ; namentlich
spricht dafür auch das Fehlen der für die Sporen der Myxosporidien so charakteristischen
Polliörperchen.
**) Amcric. naturalist Vol. XIV.
592 Myxosporidia.
Beobachter die Psorospermien der Haut, seltner dagegen die innerer Or
gane, in grosser. Menge in einer sehr zarthäntigen Blase oder Cyste ein-
geschlossen und es sind eben diese Myxosporidiencysten oder Psoro-
spermienblasen, welche — auf der Haut befestigt oder in dieselbe ein-
gelagert — die ausschlagartigen Pusteln darstellen, deren schon oben
gedacht wurde. Obgleich es nach den Mittheilungen einiger Beobachter
wahrscheinlich ist, dass diese Myxosporidiencysten zuweilen auch ganz
frei auf der Haut oder den Kiemenblättchen gefunden werden, halte ich
dies Vorkommen einstweilen doch für ein seltenes und vermuthe, dass
sie gewöhnlich in die Haut selbst eingebettet sind. Die genauere Unter-
suchung der Myxosporidiencysten der Kiemenblättchen unsrer Süsswasser-
fische hat mich wenigstens belehrt, dass dieselben in das Gewebe der
Kiemenblättchen eingebettet sind (115). Ihr Sitz ist die Bindegewebs-
schicht des Kiemenblättchen, ja sie liegen sogar innerlich von dessen Capil-
laren, von welchen sie gewissermaassen umgürtet werden (T. 38. 6a).
Ist die Myxosporidiencyste ansehnlich herangewachsen, so drängt
sich ihre Masse bruchsackartig zwischen den umgürtenden Capillaren
hervor und dadurch wird die Gestalt der Cyste eine ziemlich unregel-
mässige. Kleinere Cysten dieser Art erscheinen dagegen einfach kuglig
bis ellipsoidisch. Bei starkem Anwachsen scheint die Cyste schliesslich
die Capillaren zu zerreissen und da auch das Epithel des Kiemenblättchens
leicht verloren geht, so kann wohl bei flüchtiger Untersuchung leicht die
falsche Vorstellung entstehen, dass die Cyste dem Kiemenblättchen äusser-
lich aufsitze.
Bei genauer Untersuchung, namentlich bei Isolirung der sogen. Cysten
der Kiemen, gelingt es, sich von der Gegenwart einer umkleidenden Cysten-
haut zu überzeugen. Doch besitzt diese Umhüllungsmembran nicht die
Charaktere gewöhnlicher Cystenhüllen , wie sie uns die übrigen Proto-
zoen und speciell die Sporozoen so häufig zeigen. Sie ist keine structur-
lose, resistente Abscheidungshaut, sondern, ein deutlich plasmatisches
Gebilde, bestehend aus einem hellen, schwach körnigen Plasma, in
welches zahlreiche, etwas unregelmässig gestaltete Zellkerne eingelagert
sind. Leider lässt sich bis jetzt eine sichere Auskunft über die Abstam-
mung dieser Haut nicht geben. Es muss zunächst unsicher bleiben,
ob dieselbe von der Myxosporidie selbst oder von dem Gewebe des
Kiemenblättchens ihre Entstehung nimmt.
Nach diesen Erfahrungen an den Kiemenmyxosporidien erscheint es
also etwas zweifelhaft, ob sich bei unseren Organismen überhaupt cysten-
artige Sporeublasen mit einfacher Cystenhaut vorfinden, wie dies nach den An-
gaben mancher Beobachter scheint. Es ist dies um so zweifelhafter, da wir
sehen werden, dass die Sporulation der Myxosporidien , welche innere
Körperhöhlen bewohnen, wenigstens häufig sicher im nackten, unencystirten
Zustand stattfindet. Mir ist es daher wahrscheinlicher, dass die Sporen-
bildung bei unseren Formen überhaupt nicht an eine vorherige Encysti-
rung geknüpft ist und dass daher auch die eben beschriebne eigenthümliche
Allgem. Bau d. Kiemeumyxosporidieu u. der d. Hochtharnblase. 593
Umhiilliingshaut der Kiemenmyxosporidien wahrscheiDÜch nicht als eine
Cysteuhaut aufzuiassen, sondern als ein Erzeiiguiss des inficirten Gewebes
zu betrachten ist. Die geschilderten Myxosporidien der Kiemen und der
Haut bestehen jedoch nicht ausschliesslich aus einer Anhäufung der sogen.
Psorosperniien oder Sporen, sondern zwischen diesen, sie einbettend und
umhüllend, d. h. den eigentlichen Organismus der Myxosporidie consti-
tuirend, findet sich eine körnerreiche plasmatische Masse.
Die Grösse solcher Myxosporidien der Haut und Kiemen ist z. Th.
gar nicht unbeträchtlich, so beobachtete schon J. Müller an den Kiemen
von Catostomus tuberculatus Myxosporidien von 1 — 2 Linien Länge. Auch
Lieberkühn fand bei Gasterosteus Psorospermienblasen von 1 Linie Länge.
Gewöhnlich bleiben sie aber kleiner, doch fehlen bis jetzt genauere
Angaben über die durchschnittliche Grössenentwicklung der Myxosporidien
der Fischhaut.
Auch im Körperinnereu sind zuweilen Myxosporidien gefunden worden,
welche auf die Beobachter mehr den Eindruck einer mit Sporen gefüllten
Cystenblase machten, so sind hierher wohl die frei in der Leibeshöhle
gefundnen Psorospermienblasen zu rechnen; gewöhnlicher finden sich da-
gegen die Psorospermienanhäufungen der inneren Organe in eine plasma-
tische, amöbenartige Masse eingeschlossen, welche eine mehr oder minder
uuregelmässige Gestalt besitzt.
Von solchen frei in gewissen Körperhöhlen lebenden Myxosporidien
wurden am eingehendsten studirt die der Gallenblase der Plagiostomen
von Leydig und die der Harnblase des Hechtes und der Quappe (Lota
vulgaris) von Lieberkühn. Die Form der Hechtharnblase untersuchten
späterhin noch Gabriel und Bütschli. Diese Myxosporidien sind, wie be-
merkt, amöben- oder plasmodienartige Körper von sehr verschiedner
Grösse und ebenso verschiedner Gestaltung. Im Allgemeinen erscheinen
sie kuglig bis langgestreckt band- und schlauchförmig, zuweilen auch
etwas keulig angeschwollen. Wie Lieberkühn schon bemerkte, sind es
nackte, hüllenlose und amöboid veränderliche Plasmakörper. Leydig da-
gegen will bei denen der Plagiostomen-Gallenblase eine membranartige
Verhärtung der Oberfläche beobachtet haben, was schon daraus hervorgeht,
dass er sie als Blasen bezeichnet; doch hebt er selbst hervor, dass es häufig
den Eindruck mache, als sei eine Membran noch nicht vorhanden.
Während die kleineren Myxosporidien der Hechtharublase aus
einem einheitlichen körnigen Plasma bestehen, bemerkt man an den
grösseren gewöhnlich sehr deutlich eine Zusammensetzung aus zwei
Plasmazonen, einem sehr körnigen Entosark und einem sehr durchsich-
tigen, feingranulirten Ectosark. In letzteres treten die gleich zu beschrei-
benden charakteristischen Einschlüsse des Entosarks nie ein. Wie früher
bemerkt wurde, gelang es schon Lieberkühn, schwache amöboide Beweg-
lichkeit der Myxosporidien des Hechtes wahrzunehmen, wogegen Gabriel
(104) das Vorkommen wirklicher amöboider Beweglichkeit leugnete —
zwar die Bildung pseudopodienartiger Fortsätze zugab, jedoch die
nrunii, Klassen des Tliier-Koiclis. riulo'zoa. 38
594 Myxospoiiclia.
Möglichkeit ihrer Wiedereiuziehung in Abrede stellte. Bütschli fand
jedoch , dass sich unsre Myxosporidien unter güustigen Bedingungen
langsam amöbenaftig hinfliessend bewegen und beobachtete gelegentlich
auch das Auftreten bruchsackartiger plumper Pseudopodien, an deren
Erzeugung zunächst das Ectosark betheiligt ist, in welche jedoch bei an-
sehnlicherer Entwicklung auch das Entosark eintritt. Hieraus darf man
denn auch entnehmen, dass die wechselnden Gestaltsverhältnisse dieser
Myxosporidien, ihre z, Tb. lappigen bis zuweilen in mehrere Fortsätze
ausgezogneu Formen , auf amöboide Beweglichkeit zurückzuführen sind
(T. 38. 12).
Von besonderem Interesse erscheint es aber, dass das Ectoplasma der
Hecht-Myxosporidien sehr gewöhnlich noch eine zweite Kategorie pseudo-
podienartiger Fortsätze entwickelt, nämlich zarte haar- bis borstenförmige,
welche in mancher Hinsicht den haarartigen feinen und rigiden Fort-
sätzen gewisser Amöben und amöbenartiger Organismen gleichen. Solche
Fortsätze bedecken recht häufig die gesammte Oberfläche der Myxospo-
ridien (T. 38. 13), beschränken sich jedoch auch nicht selten auf einen
Theil derselben und kommen gelegentlich, wie bei gewissen Amöben, nur
an dem einen Körpereude vor.
Die fraglichen Fortsätze sind auch zum Theil verzweigt; zuweilen
sind es auch nicht mehr einfache Fortsätze, sondern quer über den Körper
hinziehende Falten, deren optischer Durchschnitt am Körperrand den An-
schein haarartiger Fortsätze erweckt. AVie bemerkt, machen diese Aus-
wüchse des Ectosarks einen sehr rigiden Eindruck und zeigen gewöhn-
lich keine Veränderungen und Bewegungen. Dennoch gelang es mir zu-
weilen, eine Veränderung derselben zu constatireu und ein langsames
Zurückfliessen, sowie eine Neuentstehung einiger Fortsätze wahrzunehmen.
Es scheint nicht unwahrscheinlich, dass sich die Myxosporidien der
Hechtharnblase zuweilen mit einigen stumpfen gelappten Pseudopodien
eines Körperendes auf der Schleimhaut der Harnblase befestigen, ja die
Jugendformen scheinen sich sogar an einzelnen Zellen des Harnblasen-
epithels festzusetzen ; wenigstens deutet darauf die Beobachtung hin, dass
man zuweilen kleinen Myxosporidien begegnet, welche eine losgelöste
Epithelzelle zum Theil umfassen.
Das Entoplasma ist, wie schon bemerkt, dicht mit in Alkohol lös-
lichen gelblichen Körnern, von wahrscheinlich fettartiger Natur, erfüllt
und diese Fettkörner enthalten häufig einen oder mehrere braunrothe
Krystalle, welche schon Meissner und Lieberkühn beobachteten und wohl
richtig als Hämatoidinkrystalle deuteten. Auch die Myxosporidien der Gallen-
blase besitzen nach Leydig eine gelbe Färbung, welche sich wohl von
der Färbung der Galle herleiten dürfte, wie Leydig schon vermuthete.
Ausserdem enthält jedoch das Entosark der Myxosporidien des Hechtes
eine ungemein grosse Anzahl sehr kleiner Zellkerne, welche zuerst Bütschli
auffand; da nun auch das Plasma der Kiemenmyxosporidien einen ent-
sprechenden Reichthum an kleinen Zellkernen aufweist, so dürfte diese
Bau, Bewegung etc. Sporulation. 595
Eigenthümliclikeit wobl für die MyxosporicUeii überhaupt charakte-
ristisch sein.
Hinsichtlich der Grössenverhältnisse der geschilderten freien Myxo-
sporidien der inneren Körperhöhlen wurde schon erwähnt, dass bei dem
Hecht gewöhnlicb Individuen der allerverschiedensten Grössen gleichzeitig
angetroffen werden, bis zu einer Länge von 0,3 Mm. Kleiner seheinen
dagegen die Myxosporidien aus der Harnblase von Lota (bis 0,075 Mm.
Lieberk.) und der Gallenblase der Plagiostomen (bis 0,067 Mm. Leydig)
zu bleiben.
Bevor wir zur Betrachtung der .Sporenbildung übergehen, empfiehlt
es sich noch, einen Blick auf gewisse Beobachtungen zu werfen, welche
auch für die Kiemen- und Hautmyxosporidien das Vorhandensein eines
freien, beweglichen Stadiums wahrscheinlich zu machen suchten. Schon
Dujardin*) fand 1845 baumförmig verzweigte, plasmodienartige Gebilde
und Lieberkühn fand derartige Plasmakörper auf der Haut und den Kiemen
verschiedner Fische, namentlich des Barsches (Perca fluviatiiis). Dieselben
erreichten einen Durchmesser von 0,46 Mm. (T. 38. 5). Lnmerhin erscheint
es mir noch nicht erwiesen, ja eher unwahrscheinlich, dass die im Inneren
der Kiemenblättchen sich findenden Myxosporidien aus solchen freien
amöbenartigen Körpern hervorgehen.
Wir haben uns jetzt mit dem Vorgang der Sporulation bei unseren
Myxosporidien zu beschäftigen. Eigenthümlich erscheint zunächst, dass
die Sporenbildung nicht als Abschluss des Lebenscyclus aufzutreten
scheint, sondern dass man schon bei sehr kleinen und allem An-
schein nach jugendlichen Formen entwickelte Sporen findet. Dies ist
sowohl bei den Formen der Hechtharnblase wie bei denjenigen der
Kiemen der Fall. Bei ersteren traf ich in relativ recht kleinen Indivi-
duen sehr gewöhnlich einige Sporen an, während die gleichzeitig in Menge
vorhandnen grossen zuweilen gar keine gebildet hatten, oder aber unge-
heure Mengen derselben enthielten.
Auch die Kiemenmyxosporidien sind gewöhnlich auf den verschieden-
sten Grössenziiständen dicht mit Sporen erfüllt, wie dies ja aus unserer
früheren Beschreibung schon hervorging. Im Allgemeinen wird unter
solchen Umständen die Zahl der in einer Myxosporidie erzeugten Sporen
von der Grösse des Mutterorganismus abhängig sein, jedoch scheint es
auch, dass die in Sporulation begriffnen Myxosporidien ihr Wachsthum
weiter fortzusetzen und fortdauernd neue Sporen zu erzeugen im Stande
sind. Die Zahl der in den kleinen Myxosporidien des Hechts vorhan-
denen Sporen beträgt nicht selten nur ein Paar, die geringste Zahl näm-
lich, welche überhaupt zur Entwicklung kommen kann, wie wir gleich
sehen werden. Auch bei den von Leydig beobachteten Formen der
Gallenblase fanden sich die Sporen stets in sehr massiger Zahl vor, wo-
gegen sie wie gesagt in den grösseren Myxosporidien des Hechtes, der
*) Histoire nat. des helmiathes p. 644.
38^-=
596 Myxosporidia.
Kiemeu imd der Haut gewöhnlich iu ganz erstaunlichen Mengen an-
getroffen werden.
Die Bildung der Sporen ist eine endogene. Bis jetzt wurde sie nur
bei der Hechtform von Bütschli genauer verfolgt, jedoch liegen einige
Beobachtungen vor, welche auch für die Kiemenformen einen entsprechen-
den Sporulationsprocess wahrscheinlich machen. Die früheren Beobachter,
einschliesslich Gabriel, gelangten nicht zu einer richtigen Vorstellung von der
Bildung der Sporen. Nach ihrer Schilderung sollten im Plasma der Myxo-
sporidie zunächst eine geringere oder ansehnlichere Menge heller vacuolen-
artiger Bläschen entstehen, sogen. Tochterblasen, wie sie Leydig bezeich-
nete. In jeder dieser Tochterblasen bildeten sich dann allmählich ein
oder mehrere Sporen (je nach den verschiednen Formen), in einer von
den früheren Beobachtern durchaus nicht hinreichend aufgeklärten Weise.
Bütschli's Beobachtungen an der Hechtmyxosporidie zeigen zunächst, dass
es nicht Vacuolen oder Bläschen sind, welche anfänglich entstehen, son-
dern dass sich zuerst kleine kuglige, helle Plasmakörper differenziren,
welche eine grössere Anzahl der kleinen Kerne des Entoplasmas ein-
schliessen.
Da aus diesen Plasmakugeln die Sporen entstehen, so dürfen wir sie
wohl als Sporoblasten bezeichnen. Welches der specielle Bildungsact
dieser Sporoblasten ist, konnte bis jetzt noch nicht näher verfolgt werden ;
die nächstliegende Vermuthung ist, dass sie sich völlig endogen im Innern des
Entoplasmas ditferenziren. Man könnte jedoch auch die Vermuthung auf-
stellen, dass sie ursprünglich auf der Oberfläche knospenartig erzeugt und
erst nachträglich in das Plasma der Myxosporidie aufgenommen würden,
da wir ja etwas ähnliches bei der Sporulation gewisser Gregariniden ge-
funden haben (vergl. oben p. 543). Unter- diesen Plasmakugeln begegnet
man zahlreichen, welche sechs Zellkerne einschliessen und diese sind es,
welche sich direct zu Sporen weiterbilden (T.38.14a). Wie es sich mit den mehr-
kernigen Kugeln verhält, ist bis jetzt nicht ermittelt. Auf der Oberfläche
der sechskernigen Sporoblasten kommt es zunächst zur Ausbildung einer
zarten Membran und da sich das Plasma der Sporoblasten innerhalb dieser
Membran etwas condensirt, so erscheint er jetzt in Gestalt eines hellen
Tochterbläschens mit einem centralen, blassen Inhalt (14b). Hierauf wird eine
Theilung dieses condensirten Inhalts in zwei dreikernige Kugeln vor sich
gehen, da man häufig solchen Zuständen begegnet und eine ziemliche Reihe
Umbildungsstufen dieser letzteren zu reifen Sporoblasten wahrnimmt (14c).
Aus jeder der dreikernigen Kugeln geht eine Spore hervor und zwar in
unserem Fall in der Weise, dass sich die Kugeln in die Länge strecken
und allmählich eine spindelförmige Gestalt annehmen (14d). Dabei ordnen
sich die drei Zellkerne so, dass sie der Länge nach in einer Reihe hinter-
einander liegen. Während nun allmählich auf der Oberfläche der so vor-
gebildeten Spore die Sporenhülle zur Abscheidung gelangt, bilden sich die
beiden endständigen Kerne successive zurück. Neben jedem derselben
tritt jedoch ein dunkler kleiner Körper auf, welcher allmählich heranwächst,
SiJorulation. Bau clor reifen Sporen. 597
eine läiiglieli ovale Gestalt aniiinmit und sich zu einem sogen. Polkörper-
chen entwickelt, von welchen sich, wie wir sehen werden, in jedem Pol
der spindelförmigen Spore eines vorfindet (14e). Schliesslich verschwinden die
beiden endständigen Kerne ganz, der mittlere dagegen erhält sich als
der bleibende Kern der Spore (15).
Dieser Entstehungsgang der Sporen der Hechtmyxosporidien erklärt
gleichzeitig die Erscheinung, dass die Sporen dieser wie andrer Myxo-
sporidien stets paarweise in einem Sporoblastbläschen vereinigt sind.
Dagegen beobachtete Leydig bei den Myxosporidien der Gallenblase stets
nur eine Spore in einem Bläschen und auch die von mir untersuchten
Kiemen-Myxosporidien zeigten nie eine paarweise Vereinigung ihrer Sporen,
welche ich hier auch nie in Bläschen eingeschlossen, sondern direct in
das Plasma eingebettet traf. Dennoch verriethen auch diese Sporen An-
zeichen eines ähnlichen Entstehungsprocesses wie die erstgeschilderten ; es
wurde wenigstens sehr wahrscheinlich, dass sie gleichfalls aus dreikernigen
Plasmakugeln hervorgehen (10a), von deren Kernen sich nur der eine als
Sporenkern erhält; nur hatte es den Anschein, als wenn hier die beiden
Polkörperchen direct aus den beiden anderen Kernen hervorgingen (10b).
Gelegentlich scheinen sich jedoch in einem Sporenbläschen auch drei
Sporen entwickeln zu können, wenigstens fand J. Müller bei der Myxo-
sporidie des Lucioperca Sandra zuweilen auch drei Sporen in einem
solchen Bläschen.
Die Bauweise der ausgebildeten Myxosporidiensporen erinnert in
einigen Beziehungen an die der Gregariniden und Coccidien, weist da-
gegen auch einige sehr wesentliche Verschiedenheiten auf Ihre Grösse
ist stets sehr gering; der Längsdurchmesser beträgt durchschnittlich
0,008—0,02 Mm.; die letzterwähnte Grösse erreichen die sehr lang spindel-
förmigen Sporen der Hechtmyxosporidie. Auch ihre Gestaltung ist ziem-
lich verschieden; häufig sind sie abgeplattet linsenförmig mit nahezu
kreisrundem Umriss, stets jedoch einem mehr oder weniger zugespitzten
Pol (6b, 18a, 23 etc.). Der Band der linsenförmigen Spore ist wulstig verdickt.
Die Sporenschale ist keine einheitliche, sondern setzt sich aus zwei klappen-
artigen Hälften zusammen, welche mit ihren etwas verdickten Rändern aufein-
andergepasst sind und wodurch eben der erwähnte Randwulst gebildet wird (7).
Diese zweiklappige Beschaffenheit scheint den Myxosporidiensporen fast
durchaus eigenthümlich zu sein; jedoch konnte ich sie bei denen der
Hechtharnblase nicht nachweisen.
An die ebengeschilderten Formen schliessen sich dann länger
gestreckte, ellipsoidische bis eiförmige an, stets mit ausgeprägter
Zuspitzung des einen Pols. Selten findet sich eine doppelpolige Zu-
spitzung solch länglicher Formen, wodurch die Gestalt eine spindelförmige
wird (5 a). Balbiani beobachtete sogar cylindrische Sporen. — Fast stets
seheint eine Myxosporidienform nur ein und dieselbe Form von Sporen
zu erzeugen, abgesehen von geringfügigen Gestaltsverschiedenheiten. Zu-
Aveilen begegnet man jedoch in einer und derselben Cyste die gleich zu
598
Myxospoiidia.
erwähnenden geschwänzten und iingeschwäuzten Sporent'ormen durch-
einander an, während die letzteren sonst für gewisse Myxosporidienformen
charakteristisch sind. Diese geschwänzten Sporen (Figg. 16a — c, 21) besitzen
ähnlich, wie die Sporen gewisser Monocystideen (ürospora) einen von der
Sporenschale entspringenden, mehr oder weniger ansehnlichen schwanz-
artigen, soliden Fortsatz, dessen Ende jedoch häufig gabiig gespalten ist.
Zuweilen erstreckt sich die Gablung sogar bis zum Grunde des Schwanz-
fortsatzes, so dass sich zwei Anhänge finden. Der Ursprung der
Schwanzanhänge liegt stets dem zugespitzten Pol der etwa ovalen linsen-
förmigen Sporenschale gegenüber, also ebenfalls polstäudig. — Ueber die
Natur und die Bedeutung dieser Schwänze entwickelte Balbiani eine sehr
eigenthümliche und schwer verständliche Ansicht. Nach ihm „ist der Rand
jeder Schalenklappe in seinem Umkreis von einem elastischen Ring (wahr-
scheinlich der schon oben erwähnte Wulst) gebildet, welcher Ring sich
aus zwei Stücken zusammensetze, die in der Mittellinie mit einander arti-
culiren und sich in fadenförmigen , mehr oder weniger zahlreichen Fort-
sätzen endigen'^ Unter gewöhnlichen Umständen sollen diese Filamente
wenig sichtbar sein , da sie sich dem Rand der Klappen dicht anlegen.
Zu gewissen Zeiten dagegen sollen sie sich davon abheben , sich ver-
längern und in verschiednen Richtungen abstehen. — Bei manchen Sporen
nun legten sich diese Filamente nicht um den Rand der Schale herum,
sondern streckten sich in der Axe der Spore aus, vereinigten sich in
variabler Länge und bildeten so den einfachen oder getheilten Schwanz-
faden. Ich habe diese Darstellung Balbiani's möglichst mit seinen eig-
nen Worten wiedergegeben, da sie mir in vielen Punkten unklar ge-
blieben ist, ganz abgesehen von der höchst merkwürdigen Bedeutung,
welche Balbiani den Filamenten bei der von ihm angeblich festgestellten
Fortpflanzung der Psorospermien zuschreibt.
Die Sporenschale ist stets ziemlich dick und daher deutlich doppelt
contourirt. Sie wird von einem sehr widerstandsfähigen Stoff gebildet,
da nach Balbiani selbst heisse Alkalien und Mineralsäuren sie nicht an-
greifen. Dagegen wird sie nach meinen Erfahrungen von erhitzter, cou-
centrirter Schwefelsäure zerstört. Die Einwirkung der erwähnten Reagen-
tien löst den Zusammenhang der beiden Schalenklappen, die alsdann aus-
einanderfallen (Fig. 8). Auch längere Aufbewahrung in Wasser scheint den-
selben Effect auszuüben, wie Creplin schon 1846 hervorhob; doch erfolgt
das Aufspringen der Schale, wie wir noch sehen werden, auch wohl auf
natürlichem Weg bei der Weiterentwicklung.
Am zugespitzten Pol der linsenförmigen Sporen findet sich eine Oeff-
nung, auf welche schon J. Müller hinwies. Dieselbe wird wohl einfach
dadurch zu Stande kommen, dass hier die beiden Schalenklappen etwas
auseinanderweichen. Es ist zu vermuthen, dass bei den beiderseits zugespitz-
ten Sporen der Hechtmyxosporidie beide Pole eine feine Oeffnung besitzen.
Ganz constant findet man nun innerhalb der Sporenschale noch eigen-
thümliche, ziemlich dunkle und scharf umschriebne bläschenförmige Ge-
iiau dur ioifoii Spuruii iSog'cii. rulliapsflii). • 599
bilde in verschieduer Zahl, die stets dem einen oder bei doppelter
Zuspitzung- den beiden Polen genähert liegen und welche daher als Pol-
körperchen bezeichnet wurden. Schon J. Müller beschrieb dieselben
recht gut. Gewöhnlich finden sie sich nur in dem einen zugespitzten
Pol. der Psorospermie, wo sie in Zwei-, Drei-, seltner Vier- und nach
Balbiani sogar zuweilen in Achtzahl liegen (vergl. die Figg.).
Ihre Gestalt ist gewöhnlich eine ovale mit einem etwas zugespitzten
Pol; ihre Lagerung eine solche, dass die zugespitzten Pole dem ver-
schmälerten Pol der Sporenschale, resp. der hier vorhandnen Oeffnung
dicht genähert sind. Als ein seltner Fall ist zu verzeichnen , dass bei
beiderseits zugespitzten Sporen auch jeder Pol mit ein oder zwei solchen
Polkörperchen ausgerüstet sein kann , wie dies von Leydig bei gewissen
Sporen aus dem Gallengang des Raja batis, von Lieberkühn u. A. bei
denen der Hechtharnblase aufgefunden wurde (15). Sehr interessant ist nun
der feinere Bau dieser Polkörperchen, welchen zuerst Balbiani kennen
lehrte. Er entdeckte in jedem der bläschenförmigen Polkörperchen einen
spiralförmig aufgerollten Faden, welcher das Innere des Bläschens voll-
ständig durchzog. Bei Einwirkung verschiedner Reagentien, wie kaustische
Alkalien und Glycerin, wird der Spiralfaden plötzlich hervorgeschnellt;
er tritt dann, sich aufrollend, als ein ansehnlicher Faden (bis zur 8-, ja
lOfachen Länge des Psorosperms) aus der erwähnten Oeffnung der
Schalenhaut hervor (9).
Diese Beobachtung Balbiani's haben später Bessels, Aime Schneider
und schliesslich Btitschli bestätigt; letzterer fügte noch zu, dass die
Ausschnellung der Fäden auch durch Druck hervorgerufen wird, dann je-
doch häufig etwas unregelmässig erfolgt. Auf Grund dieser Bauweise
und des VerhaUens der sogen. Polkapseln ergibt sich denn, dass dieselben
sich in jeder Hinsicht den Nesselkapseln der Coelenteraten anreihen und
daher füglich auch nur als solche betrachtet werden können. Die Richtig-
keit dieser Auffassung wird auch noch durch die Entwicklung, welche
die Polkapselu der Sporen zeigen, bestätigt. Bütschli hat hiervon einiges
beobachtet, woraus hervorzugehen scheint, dass der Faden zunächst
im ausgestülpten Zustand angelegt wird und sich erst nachträglich
ins Innere der Kapsel zurückzieht. Obgleich ich früher aus meinen
Beobachtungen diesen Schluss nicht zog, scheint derselbe jetzt gerecht-
fertigt, da mittlerweile Jickeli*) einen solchen Entwicklungsgang für die
Nesselkapseln der Hydra sehr wahrscheinlich gemacht hat. . Auf die eigen-
thümliche Bedeutung, welche Balbiani diesen Fäden zuschreibt, werden wir
weiter unten noch zurückkommen, heben jedoch hier noch hervor, dass ihr
Hervortreten unter natürlichen Bedingungen bis jetzt noch nicht beobachtet
wurde.
Das übrige Sporeniunere wird von einem meist sehr hellen, durch-
sichtigen, wenig körnigen Protoplasma erfüllt, von welchem die früheren
*) Siehe dessen Arbeit im „Morpliolog. Jahrbucli" Bd. 8. p. 373.
(500 Myxosporidia. *
Beobachter meist gar uicbts wahrgenommen haben, das jedoch Balbiani
durch die Einwirkung gerinnenmacbender Reagentien nachwies.
Bei genauer Untersuchung der Sporen bemerkt man häufig sehr deut-
liche Anzeigen, dass auch die Polkapseln noch von einem zarten Ueber-
zug des plasmatischen Sporeninhalts theilweis überkleidet werden, wo-
durch sehr wahrscheinlich wird, dass sie nicht neben, sondern in dem
plasmatischen Sporeninhalt liegen, was übrigens auch schon nach ihrer
Entstehungsgeschichte zu erwarten war.
Wie schon bei der Betrachtung der Bilduugsgeschichte der Sporen
angedeutet wurde, umschliesst der Sporeninhalt einen Zellkern, welchen
Bütschli zuerst beobachtete.
lieber die weitereu Schicksale der Sporen haben sich bis jetzt nur
zwei Beobachter, Lieberkühn und Balbiani, jedoch in tibereinstimmender
Weise ausgesprochen. Beide geben an, dass die Sporenschale schliess-
lich in die beiden Klappen aufspränge und der Protoplasmainhalt in Gestalt
eines kleinen, araöbenartig beweglichen Körperchens hervortrete (18b— c),
über dessen weitere Schicksale und seine eventuelle Entwicklung zur
ausgebildeten Myxosporidie bis jetzt noch nichts Sicheres ermittelt wurde,
wenn auch natürlich die Annahme sehr nahe liegt, dass dies einfach
durch Auswachsen der kleinen hervorgeschlüpften Amöbe geschehe. Nach
Lieberkühn soll das Ausschlüpfen des Sporeninhalts sogar schon inner-
halb der sogen. M3^xosporidiencysten vor sich gehen, eine Erscheinung,
welcher ich nicht allgemeine Gültigkeit zuschreiben möchte.
Ueberhaupt kann ich einige Zweifel bezüglich eines so einfachen
Entwicklungsganges der Sporen nicht unterdrücken. Sporen, welche ich
lange Zeit in Wasser aufbewahrte, zeigten keine wesentliche Verände-
rung, namentlich auch kein Austreten des Inhalts in Amöbengestalt.
Weiterhin erscheint mir jedoch eine so einfache Weiterentwicklung der
Sporen namentlich deshalb etwas zweifelhaft, weil ich annehmen muss,
dass den eigenthümlichen Nesselkapseln doch irgend eine bis jetzt
noch unbekannte wichtige Bedeutung zukommen muss, wogegen sie
bei der Annahme eines so einfachen Entwicklungsganges wie eine Art
Luxus erscheinen. Man könnte eventuell daran denken, dass die hervor-
schnellenden Fäden der Kapseln den Sporen zur Befestigung an anderen
Fischen oder auch an der Nahrung derselben dienten.
Hiermit wäre das Wichtigste unsres thatsächlichen Wissens von den
Myxosporidien erschöpft; es mögen sich hieran nun noch einige Bemer-
kungen über die Bedeutung, welche diesen Organismen von Seiten der
verschiednen Beobachter zugeschrieben wird, anreiben.
Bekanntlich hat zuerst Leydig eingehender auf ihre Beziehungen zu
den Gregariniden aufmerksam gemacht, gestützt auf die zuerst von ibm
etwas aufgeklärte Entstehungsgeschichte der Sporen in den plasmodien-
artigen Zuständen. Dieser Ansicht schloss sich dann später Lieberkühn
vollständig an und dieselbe blieb bis zur heutigen Zeit so ziemlich die
System. Stellung- u. Yerwundtschartibczieluing-en. 601
verhreitetstc. Es kann nun ancli nicht geleugnet werden, dass mancherlei
für sie spricht, namentlich die Uebereinstimmungen , welche in der Bau-
weise der Sporen der Myxosporidien und derjenigen der Gregariniden zu
beobachten sind. Gestalt und Grössenverhältnisse, die Zweiklappigkeit,
welche auch bei gewissen Gregarinensporen (Adelea) gefunden wird,
weiterhin die eigenthüralichen Schwanzfäden, die sich ähnlich bei der
Mouocystideen Gattung Urospora wiederfinden, sind in dieser Hinsicht zu
erw^ähnen. Dagegen lässt sich auch ein tiefgehender Unterschied zwischen
den beiderlei Sporen nicht verkennen, welcher durch die allgemeine An-
wesenheit der Nesselkapseln bei den Myxosporidien bedingt wird. Be-
kanntlich hat sich in den Sporen der Gregarinidae bis jetzt nichts auf-
finden lassen, was mit Sicherheit diesen Polkapseln verglichen werden
könnte. Nur in den Sporen der Gattung Adelea beobachtete Schneider
zwei Körpercheu, welche eine gewisse Aehnlichkeit mit den Polkapseln
zeigen, doch konnte bis jetzt eine wirkliche Uebereinstimmung mit den
letzteren keineswegs festgestellt werden. Auch die Entwicklung sichel-
förmiger Körperchen, die ja sonder Zweifel, speciell für die Mouocystideen,
sehr charakteristisch erscheint, Hess sich bis jetzt bei den Myxosporidien-
sporen nirgends beobachten; doch glaube ich, dass hierauf vorerst nicht
zu viel Werth gelegt werden darf, da ja die bisherigen Untersuchungen
über das weitere Schicksal der Sporen gerade nicht sehr ausgedehnte
gewiesen sind. Schwierigkeiten für die Begründung einer näheren Ver-
wandtschaft zwischen Gregariniden und Myxosporidien erwachsen weiter
noch daraus, dass sich auch der reife Zustand der letzteren, wegen mancherlei
Verschiedenheiten den ausgebildeten Gregariniden nicht ohne Weiteres
vergleichen lässt. Ein hüllenloser, deutlich amöboider, ja zuweilen baum-
förniig verästelter Protoplasmakörper bietet in der That keine rechten
Vergleichspunkte mit den echten Gregarinen dar, wozu sich dann weiter-
hin noch das Vorkommen zahlloser kleiner Zellkerne bei den Myxospori-
dien gesellt. Dennoch glaube ich, darf selbst diesen nicht unbeträcht-
lichen Abweichungen im Bau der erwachsenen Zustände der Myxosporidien
kein zu grosses Gewicht bei der Beurtheilung ihrer Beziehungen zu den
Gregariniden beigelegt werden. Die Charaktere derartiger einzelliger
Organismen sind im Ganzen so geringfügig, dass durch gewisse Ab-
weichungen in denselben die Uebereinstimmung, welche in den Fort-
pflanzungsverhältnissen sich finden, nicht in den Hintergrund gedrängt
werden kann. — Das Fehlen eines dem Encystirungsprocess der Grega-
riniden vergleichbaren Vorgangs im Entwicklungskreis der Myxosporidien
besitzt vielleicht nicht die Bedeutung, welche man anfänglich darin wohl
erblicken möchte, da es nach neueren Erfahrungen wahrscheinlich geworden
ist, dass auch gewisse Gregariniden ohne Encystirung sporuliren. Auch
die Verschiedenheit in den Kernverhältnissen ist vielleicht mehr eine
scheinbare, da ja auch die Gregariniden, welche zahlreiche Sporen er-
zeugen, ohne Zweifel kurz vor dem Hervorknospen dieser Sporen eine
ungeheure Menge kleiner Kerne enthalten und es darf nicht vergessen
(302 Myxosporitlia.
werden, dass wir die Myxospoiidien bis jetzt eigentlich nur während des
Sporulationsprocesses beobachtet haben.
Fernerhin ist jedoch heutzutage das Auftreten jugendlicher aniöbeu-
ähnlicher Zustände bei den Gregariniden nicht wohl zu bezweifeln , so
dass sich hieraus die Möglichkeit der Existenz verwandtschaftlicher Be-
ziehungen auch der erwachsenen plasmodienartigen Myxosporidien zu den
eigentlichen Gregariniden ergibt. Beide könnten sich wohl von gemeinsamen
Ursprungsforraen aus, die schon durch gewisse charakteristische Fort-
pflanzungserscheinungeu gekennzeichnet waren, entwickelt haben. Wäh-
rend die eigentlichen Gregariniden dann im Laufe ihrer phylogenetischen
Hervorbildung allmählich die sie jetzt bezeichnenden, bestimmteren Cha-
raktere entwickelten , verharrten dagegen die Myxosporidien auf einer
niederen, dem ursprünglichen Ausgangspunkt ähnlichen Entwicklungsstufe.
Es wäre sogar möglich, dass ein bis jetzt leider nur flüchtig von
Giard (83) beschriebner Organismus , seine sogen. Lithocystis Schneideri,
eine Art Mittelstufe zwischen Gregariniden und Myxosporidien einnimmt, da
er das plasmodienartige Wesen mit Erzeugung ähnlicher Sporen wie die
Myxosporidien, sowie der Hervorbildung sichelförmiger Keime in diesen
Sporen vereinigt. Leider ist jedoch, wie gesagt, die Lithocystis noch nicht ein-
gehend beschrieben, so dass ihre Beurtheilung bis jetzt etwas schwer fällt*).
Aus dieser Erörterung dürfte schon hervorgehen, dass ich, bei dem
heutigen Stand unsrer Kenntnisse, nähere Beziehungen der Myxosporidien
zu den Gregarinen für nicht unwahrscheinlich halten muss, und in ihrer
Anreihung an die Gregarinida einstweilen die geeignetste Stellung er-
kenne, welche wir dieser Gruppe geben können. Im Gegensatz zu einer
*) Es durfte wohl hier die Gelegenheit sein, über diese Lithocystis, welche sich bis
jetzt weder den Coccidien noch den Myxosporidien mit Sicherheit anschlicssen lässt, sondern
eine Art Mittelglied zwischen beiden zu sein scheint, kurz etwas näher zu berichten. Wie bei
den letzteren sind die Erzeuger der sogen. Psorospermiencysten der Lithocystis relativ an-
sehnliche, plasmodienartige Sarkodemassen, welche sich hauptsächlich auf der Oberfläche der
Schale in der Leibeshöhle des Echinocardium cordatum finden. Ihre Sarkode schliesst so grosse
Menge dunklen, körnigen Pigments ein , dass sie ganz schwarz erscheinen. Auf ihrer Ober-
fläche finden sich mehr oder weniger zahlreiche kuglige Cysten sehr verschiedner Grösse (bis
zu 2 Mm. Durchm.), welche in ihrem Innern einen hellen Fleck, der aus Krystallen besteht,
sowie zahlreiche Psorospermien (Sporen) wahrnehmen lassen. Die Sporen sind regelmässig
radial um das Centrum gestellt und besitzen eine spindelförmige Gestalt mit zwei ansehnlich
langen nach dem Centrum gerichteten Schwanzfäden. Sämmtliche Fäden vereinigen sich im
Centrum der Cyste. In gewissen Cysten finden sich Mikro-, in anderen Makrosporen, Avelche
beide sich nur durch ihre Grössenverhältnisse von den normalen Sporen unterscheiden. Später
ordnen sich die Sporen zu zahlreichen kleinen Gruppen an, und die beiden Schwanzfäden jeder
Spore legen sich zur Bildung eines einfachen Fadens zusammen. Das Vorhandensein von
Polkörperchen wird nicht angegeben. Der Inhalt der Spore entwickelt 3 — 6 sichelförmige
Körperchen und einen Nucleus de reliquat. Der Krystallhaufen der Cysten zerfällt bei
ihrer Keife und soll zur Ausstreuung der Sporen beitragen, ähnlich wie das sogen. Capillitium
der Myxomycetensporangien. Die zahlreichen amöbenartigen Körperchen, welche man in der
Leibeshöhlenfliissigkeit des Echinocardium triff"t, sollen wahrscheinlich in den Entwicklungs-
kreis der Lithocystis gehören. Durch ihre Verschmelzung bildeten sich die Plasmodien hervor),
sie selbst jedoch lassen sich ableiten von den ausgeschlüpften sichelförmigen Körperchen.
Systoinat. Stolhing- ii. vcnvandtsdi. l^czicliiiiii;-cn. 603
derartigen Aiisehaunng haben sich zwei französische Forscher, Kobin und
Balbiani, dafür ausgesprochen : dass die Myxosporidien keine Beziehungen
/u den Gregariniden besässen und überhaupt nicht zu den thierischen
Wesen zu stellen seien, dass ihre Natur sie vielmehr entschieden in das
Pflanzenreich verweise. Wir haben an dieser Stelle nicht nochmals auf
die Beurtheilung der pflanzlichen oder thierischen Natur der Gregariniden
überhaupt zurückzukommen, da wir dieser Frage schon früher einige
Worte gewidmet haben, dagegen müssen wir einige der Punkte, welche
jedenfalls bei Balbianis Deutung der Myxosporidien sehr ins Gewicht
flelen, hier kurz hervorheben. Balbiani entwickelte nämlich auf Grund
seiner Beobachtungen eine sehr eigenthümliche Ansiebt über den Fort-
pflanzungsvorgang der sogen. Psorospermien, welchen er, sowie ihre Ent-
wicklungsgeschichte genauer darzustellen versprach; doch hat er meines
Wissens hierüber keine ausführlichere Mittheilung veröffentlicht, so dass
wir seine Ideen nur aus den kurzen, schwer verständlichen Andeutungen,
welche er in seiner Arbeit macht, kennen lernten. Aus diesen scheint nun
hervorzugehen, dass er die Sporen unsrer Myxosporidien nicht etwa für
Fortpflanzungskörper eines sarkodinenartigen Organismus, sondern für
voll-entwickelte, selbstständige Wesen pflanzlicher Natur hält. Nach ihm
sollen sich die Psorospermien durch einen Conjugationsact fortpflanzen,
und zwar seien zu dessen Einleitung die früher beschriebnen Filamente
der Schalenklappen -Ränder bestimmt. Mittels derselben sollen sich
nämlich zwei Psorospermien aneinanderheften und während des ge-
sammten Fortpflanzungsactes in Berührung verweilen. Andrerseits scheint
er jedoch den Fortpflanzungsprocess der Psorospermien sogar als einen
geschlechtlichen anzusprechen, da er die oben näher beschriebnen, aus-
schuellbaren Fäden der Polkapseln den Antherozoidien der Cryptogamen
zu vergleichen sucht.
So interessant nun auch die Balbiani'schen Beobachtungen über die
Bauverhältnisse der Myxosporidiensporen sind, so wenig können wir uns da-
gegen entschliessen, seinen Angaben über solch eigenthümliche Fortpflanzungs-
verhältnisse derselben ohne genauere Darstellungen Vertrauen zu schenken.
Andre Gründe finden wir aber bei Balbiani nicht, mitweichen sich die Be-
hauptung der pflanzlichen Natur der Psorospermien unterstützen Hesse.
In neuester Zeit hat sich R. Gabriel, dessen Ansicht über die Fort-
pflanzung und die verwandtschaftlichen Beziehungen der Gregariniden
schon früher besprochen wurden, dahin geäussert, dass die erwachsenen
Myxosporidien „höhere Phasen der Entwicklung von Myxomycetenplas-
raodien repräsentirten'^ Es steht diese Anschauung natürlich ganz im
Einklang mit seiner allgemeinen Auffassung der Gregariniden. Auch Giard
kam schon früher (1876) auf Grund seiner Beobachtungen über die Litho-
cystis Schneideri zu einer ähnlichen Vermuthung und erkennt gleichfalls
die nächsten Verwandten der Psorospermien in den Myxomyceten und
den Chytrideen.
6Ü4 Sarcosiioridia.
III. Sarcosporidia.
(Balbiani 1SS2.)*)
(Micscher'sclie oder Eaincy'sclie Schläuclie [Sarcocystis] **) und die parasitischen Schläuche
der Süsswassercrustaceeii [Amöbidium Cieukowsky]).
T. 38. Yigg. 25—29.
Noch unsicherer in ihrer Stellung und ihren möglichen Beziehungen
zu den Gregarinida erscheinen die sogen, parasitischen Schläuche, welche
Miescher (106) im Jahre 1843 zuerst in den quergestreiften Muskeln der
Hausmaus (Mus musculus) entdeckte. In der Folge wurden sie bald als
sehr häufige Schmarotzer der Säugethiere und gelegentlich auch der Vögel
erkannt. Da eine sichere Bestimmung der Natur dieser Organismen,
sowie gewisser, in mancher Hinsicht ähnlicher schlauchartiger Schma-
rotzer auf der äusseren Körperoberfläche kleiner Süsswasserarthro-
poden bis jetzt noch fehlt und da ihre Eigenthümlichkeiten noch am
meisten für ihre Einreibung in die Abtheilung der Sporozoa zu sprechen
scheinen, müssen wir hier noch eine kurze Darstellung dieser Sarcospo-
ridia anreihen.
Die parasitischen Schläuche der quergestreiften Säugethiermuskeln
(Sarcocystis^ schmarotzen in den Muskelzellen (den sogen. Primitivbündeln)
selbst, sind also umschlossen von dem Sarcolemma, häufig sogar noch
von einer dünnen Hülle quergestreifter coutractiler Substanz, welch letztere
je nach Grösse und Ausdehnung des Schlauches mehr oder minder zer-
stört ist (Fig. 28). Die Schläuche besitzen eine ziemlich dicke Cuticula und
schliessen grosse Massen sporenartiger, kleiner Körperchen ein. Bevor
wir den Bau der Schläuche etwas näher ins Auge fassen, wollen wir uns
über ihr Vorkommen und ihre Verbreitung eingehender unterrichten. Am
häufigsten und wohl auch massenhaftesten findet man sie beim Haus-
schwein (jedoch auch dem wilden Schwein [Cohnheim] und dem Masken-
schwein [Pagenstecher, 115]), ja sie werden hier geradezu, so z. B. von
Ripping (114), als constaut vorhandne Schmarotzer bezeichnet. Sie finden
sich beim Schwein zuweilen so massenhaft, dass die von ihnen dicht
durchsetzten Muskeln weiss gestrichelt erscheinen, ja Virchow (120) be-
*) Der Name „Sarcosporidia" wurde von Balbiani in einer allgemeinen Darstellung der
Sporozoa, deren erste Abschnitte, während des Drucks unsrcr Bearbeitung dieser Gruppe, im
Journal de Micrographie, herausgeg. von Pelletan T. VI. 1882, erschienen, aufgestellt.
'■'*) Der Name „Sarcocystis" wird zuerst von K. Lankestcr (97) gebraucht.
Sarcocystis (Vorkomuicu und Verbreitung). 605
richtet: einmal isolclies Schweinefleisch gesehen zu haben, dessen Masse
fast zur Hälfte aus parasitischen Schläuchen bestand.
Wie gesagt, sind die Sarcosporidien unter den Säugethieren noch
sehr weit verbreitet, und zwar sowohl bei domesticirten wie freilebenden.
Wie schon erwähnt, kennt man sie von der Maus und ebenso von der Ratte,
wo sie zahlreiche Beobachter häufig gefunden haben ■••); bei den dome-
sticirten Wiederkäuern, wie dem Rindvieh, Schafen, Ziegen sind sie häutig,
fehlen jedoch auch dem Pferd nicht (Perroncito 110, Siedamgrotzky 123)**).
Mehrfach beobachtet wurden sie weiterhin auch beim Reh (Hessliog
[107], Manz [122]) und bei einem Affen (Inuus) von Ratzel (123). Beim
Menschen wurden dagegen unsre Schmarotzer bis jetzt durchaus vermisst.
Klihn (116) fand sie auch bei Hühnern und Rivolta (76, 88) hat auf das
Vorkommen ähnlicher Parasiten in der Submucosa des Darmes mehrerer
Vögel (der Haushühner, Schwarzamsel [Turdus merula], des Raben etc.)
aufmerksam gemacht und es scheint auch, dass dieselben mit Recht den
parasitischen Schläuchen der Säugethiere an die Seite gesetzt werden.
Sämmtliche quergestreifte Muskeln des Körpers scheinen unter Um-
ständen von den Schläuchen inücirt werden zu können, jedoch lässt sich
nicht verkennen, dass gewisse Muskelpartien mit Vorliebe heimgesucht
werden. Manz fand sie hauptsächlich im Zwerchfell und den muskulösen
Bauchwandungen, dem Psoas und den Adductores femoris, recht häufig
sind sie weiterhin in den Augenmuskeln , der Zunge und den Thorax-
wänden. Auch das Herz wird vielfach von ihnen heimgesucht. Zürn (74)
hebt noch hervor, dass auch die quergestreifte Muskulatur des Schlundes,
des Larynx und Pharynx mit Vorliebe von ihnen befallen wird und
dass sie namentlich an diesen Orten für den Parasitenträger gefährlich
werden können, indem nach den Beobachtungen von Leisering, Dammann
und Niederhäusern (119, 121, 126) durch reichliche Inficirung dieser Par-
tien Respirationsbeschwerden, ja Erstickungsanfälle hervorgerufen werden
können. Sonst scheinen sie ziemlich harmloser Natur zu sein und ihre
Wohnthiere nicht besonders zu belästigen***).
Die Grösse, welche unsre Gebilde erreichen, ist häufig eine recht
beträchtliche, so dass sie gewöhnlich schon mit blossem Auge wahr-
genommen werden können. Es finden sich jedoch meist Schläuche
sehr verschiedner Grösse gleichzeitig vor, da sie in den Muskelzellen all-
mählich heranwachsen. Durchschnittlich beträgt ihre Länge etwa 1 — 2 Mm.,
was jedoch nicht ausschliesst, dass sie an gewissen Orten auch unter
*) Beim Hasen soll sie v. Hardenberg gefunden haben (nach Rii^ping).
**) Auch Cobbokl (127, 129) will ähnliche Parasiten in den MitralJdappen eines Pferde-
herzens beobachtet haben, jedoch scheint aus seiner Mittheilung die Sarcosporidiennatur dieser
Gebilde nicht mit hinreichender Sicherheit hervorzugehen.
***) Cobbokl (129) hat beträchtliche Quantitäten inficirten Kindfleisches ohne Nachtheil
genossen und spricht sich daher auch für die Harmlosigkeit dieser Parasiten aus, jedoch gibt
er nicht an, in welcher Zubereitung oder Form das l'^loiscli gegessen wurde.
606 Sarcosporidia. ^
1 Mm zurückbleibeD. Andrerseits wird jedoch auch vielfach von einer
noch beträchtlicheren Länge berichtet, so messen die des Affenmuskels
nach Ratzel bis 3 Mm. , Vlrchow berichtet sogar von V2 Zoll langen bei
der Ratte und Manz von zwei Zoll langen bei dem Reh.
Die Gestalt der Schläuche ist entweder eine sehr lang gestreckte mit
beiderseits zugespitzten Enden, wobei ihre Breite gewöhnlich so gering
bleibt, dass die sie einschliessenden Muskelzellen nicht aufgetrieben
erscheinen (Fig. 28); oder sie sind kürzer und dicker, von mehr
ovaler Gestalt (Fig. 2-5), und dann tibertrifft ihre Breite gewöhn-
lich die der normalen Muskelfasern , so dass letztere von den ein-
gescblossnen Schläuchen bauchig aufgetrieben erscheinen. Letztre Bildung
sollen nach Beobachtungen Hessliug's und Rainey's namentlich die
Schläuche der Herzmuskulatur und der Zunge zeigen. Nach Leuckart
sollen auch die nicht aufgetriebnen Muskelzellen mit schlanken Schläuchen
bei der Lösung ihrer Insertionen bauchig zusammenschnurren. — Die
Hüllmembran (Cuticula? CystenhüUe?) der Schläuche zeigt eine Reihe
eigenthümlicher Verhältnisse. Bei den kleinsten Schläuchen vermissten
Hessliug und Rainey eine solche Hüllmembran, Rainey will sogar beob-
achtet haben, dass sich die Hülle zuerst in der Mittelregion des jungen
Schlauches bilde und erst nachträglich über die zugespitzten Enden aus-
dehne. Die Beschaffenheit der Membran wird von den verschiednen
Beobachtern etwas verschieden dargestellt. Zum Theil wird sie als eine
ganz einfache, structurlose Haut beschrieben (speciell auch bei den eben-
erwähnten jugendlichsten Schläuchen), andre Beobachter, so Pagenstecher
(beim Maskenschwein), schildern eine gerippte Beschaffenheit der Hüll-
haut durch schräg verlaufende Linien hervorgerufen und eine deutliche
Zähnelung des Randes; gewöhnlich wird jedoch angegeben, dass die
Aussenfläche der Haut dicht mit feinen borsten- oder haarartigen Gebilden
besetzt sei, welche einen, wenigstens äusserst häufig vorhandnen, allseitigen
Ueberzug bilden. Nach den Beobachtungen von Manz scheint es, dass
namentlich jugendliche, kleinere Schläuche diesen Borstenbesatz aufweisen,
während er bei den völlig erwachsenen seltner zur Beobachtung kommt,
— sei es, dass er bei diesen thatsächlich verloren geht — oder dass er
nur leichter abgestreift wird. Nach Manz soll nämlich der Besatz leicht
abgestreift werden. Aus dieser Angabe geht gleichzeitig hervor, dass
Manz unterhalb des Borstenbesatzes noch eine besondre, continuirliche,
zarte Haut annimmt, was in seiner Schilderung auch direct erwähnt wird.
Zuweilen tritt eine besondre Anordnungsweise dieses Borstenbesatzes her-
vor, wenigstens wird eine solche von Rainey, dem ersten Beobachter der
Borsten, mit grosser Bestimmtheit beschrieben. Während nämlich die
Börstchen der Mittelregion senkrecht auf der Oberfläche des Schlauches
stehen, nehmen sie nach den Schlauchenden zu mehr und mehr eine
schiefe, der Mittelregion zugewendete Stellung an und die der äussersten
Enden laufen schliesslich der Schlauchaxe nahezu parallel. Jedenfalls
findet sich aber eine solche Anordnung nicht allgemein, wenigstens
Sarcocystis (Bau). 607
zeichnet Mauz die Borsten allseitig deutlich senkrecht zur Oberfläche des
Schlauchkörpers.
lieber die Natur und die Bedeutung des Borstenbesatzes sind sehr
verschiedne Ansichten geäussert worden. Rainey, welcher sich über seine
Natur keine rechten Vorstellungen machen konnte , erblickt in ihm ein
Bewegungsorgan, das den Schläuchen einmal bei ihrem Längeuwachs-
thum innerhalb der Muskelzelle von Yortbeil sei, andrerseits jedoch auch
bei ihrem von ihm angenommenen Auswandern aus den Muskel-
zellen eine Hauptrolle spiele. Rivolta (72) erkannte darin sogar
die starrgewordnen Cilien eines bewimperten Infusors, aus welchen die
Schläuche ursprünglich hervorgegangen seien. Als verfehlt muss auch die
von Virchow vertretne Ansieht betrachtet werden, welche den Borsten-
oder Stäbchenbesatz auf Reste der zu Grunde gegauguen coutractilen
Substanz der Muskelzelle zurückzuführen suchte. Auch Kühn hat sich
dieser Auffassung angeschlossen. Gegen letztere Deutung sprachen sich
namentlich Kraus, Leuckart und Manz aus, und die von Leuckart ver-
suchte Erklärung dürfte augenblicklich wohl als die natürlichste erscheinen.
Nach ihm soll die ziemlich dicke Scblauchhaut von zahlreichen, dicbt-
stehenden Porenkanäleu durchbohrt sein; er will solche intacte, poröse
Häute zuweilen beobachtet haben. Sehr gewöhnlich zerfalle jedoch die
Haut durch Rissbildungen zwischen den benachbarten Porenkanälchen —
ähnlich wie bei den bekannten Cuticularsäumen der Darmepithelzellen
der Säugethiere — in einen solchen Stäbchen- oder Borstenbesatz. Wie
gesagt, scheint mir diese Deutung, welcher sich auch Manz im AYesent-
lichen angeschlossen hat, sehr wahrscheinlich, nur möchte ich vermuthen,
dass sich unterhalb der porösen und gewöhnlich in den Borstenbesatz
zerfallenden Haut noch eine contiuuirliche zusammenhängende Membran
oder doch eine nicht zerfallende Hautschicht finde, da das von Manz be-
schriebne Abstreifen des Borstenbesatzes doch wohl nur bei einer solchen
Annahme erklärt werden kann.
Der Inhalt der Schläuche ist auf jeder Grössenstufe ihrer Entwick-
lung im Wesentlichen stets derselbe. Er besteht aus einer schleimigen,
z. Th. auch als gallertig beschriebnen, wahrscheinlich also protoplasma-
tischen Grundmasse, in welche eine ungemein grosse Zahl sehr kleiner
protoplasmatischer Körperchen eingebettet sind, die wir hier als Keime
bezeichnen wollen. In die protoplasmatische Grundmasse sind meist noch
zahlreiche stark lichtbrechende, fettähnliche Körnchen eingebettet. Bei den
kleinsten, jugendlichsten Schläuchen fand Hessliug die Keime ohne be-
sondere Gruppirung der Grundsubstanz eingelagert. Bei den grösseren
Schläuchen dagegen beobachtet man stets, dass die Keime zu Ballen oder
Gruppen, welche von einer sehr zarten Haut umschlossen werden, zu-
sammengelagert sind (Fig. 25). Da diese Keimballen (vielleicht als Sporen
zu bezeichnen) dicht zusammengepresst, das Schlauchinnre meist völlig er-
füllen (nur die beiden äussersten Schlauchspitzen bleiben zuweilen frei), so
(508 Sarcosi^oridia.
platten sie sich gegenseitig polygonal ab. Beim Hervortreteu aus dem
zerrissnen Schlauch nehmen sie dagegen kuglige Gestalt an.
Ueber die Entstehuug der Keime hat man bis jetzt nur Weniges er-
mittelt. Dass die Bildung der Ballen oder Sporen der Entwicklung der
eigentlichen Keime vorhergehe, wie Leuckart anzunehmen geneigt scheint,
ist wenigstens vorerst, nach der angeführten Beobachtung von Hessling,
nicht sehr wahrscheinlich; das Einzige, was hinsichtlich der Sporen,
bildungsgeschichte bis jetzt mit Sicherheit ermittelt zu sein scheint, ist,
dass die jugendlichen Schläuche neben den ausgebildeten Keimen meist
zahlreiche rundliche, plasmatische, schwach granulirte Körperchen (welche
nach Manz auch einen Kern enthalten sollen) einschliessen. Diese rund-
lichen Körpercheu sind ohne Zweifel die jugendlichen Keime, wenn sich
auch ihre Umbildung zu den entwickelten wahrscheinlich nicht in der Weise
vollzieht, welche Manz geschildert hat. Nach ihm besitzen diese Körper-
chen nämlich auch eine sehr zarte Membran, innerhalb welcher sich nun
der protoplasmatische Inhalt zu einem niereuförmig gekrümmten Körper-
chen zusammenzieht, das schliesslich aus der Hülle hervorbreche und den
eigentlichen Keim darstelle. Ich vermuthe, wie angedeutet, dass diese
Darstellung nicht dem thatsächlichen Vorgang entspricht, sondern dass
Manz wahrscheinlich durch Einwirkung quellender Zusatzflüssigkeiten,
speciell Wasser, irregeleitet wurde.
Es unterliegt nun keiner Frage, dass der Keimbildungsprocess ge-
wissermaassen ein contiuuirlicher sein muss, da ja schon die kleinsten
Schläuche Keime einschliessen und sich deren Zahl mit dem Wachsthum
des Schlauches stetig vermehrt. Ueber diese Neubildung von Keimen
sind die Beobachter gleichfalls wenig sicher; Rainey vermuthete, dass
die zugespitzten Schlauchenden der Sitz der Keimbildung seien; in der
diese erfüllenden plasmatischen Grundsubstanz sollen zuerst fettähnliche
runde Körperchen hervortreten, welche sich hierauf in die nierenförmigen
Sporen umbildeten. Hessling und Manz dagegen versuchten eine Ver-
mehrung der Sporen durch Theilung wahrscheinlich zu machen, auf
welchen Vorgang wir weiter unten noch zurückkommen werden. Dass
auch die Zahl der Keimballen in den heranwachsenden Schläuchen sich
vermehrt, bedarf hier kaum noch eines besonderen Hinweises. Die aus-
gebildeten Keime sind hüllenlose, plasmatische, etwas dunkle Körperchen,
deren Gestalt ziemlich verschieden, am häufigsten jedoch eine nieren- bis
halbmondförmige ist (Fig. 27). Daneben finden sich jedoch auch ovale bis
längliche, sogar mehr oder weniger unregelmässige Keime, zuweilen sollen
auch einzelne wie tortirt erscheinen (Pagenstecher). Ihr Leibesprotoplasma
ist ziemlich homogen, enthält nur einige dunkle Körnchen, welche meist
in die Enden eingebettet sind. Gewöhnlich beobachtet man jedoch ein
bis zwei vacuolenartige helle Stellen in ihnen, die theils mehr in der
Mitte, theils den Enden genähert liegen und die von den meisten Beob-
achtern als Flüssigkeitstropfen beansprucht werden, wogegen sie Manz,
Sarcocysüs (Entstehung- u. Bau der Keime). 609
jedoch wahrscheinlich irrthümlich , für Kerne erklärt. Leuckart hebt so-
gar hervor, dass diese Vacuolen sich erst nachträglich bilden, in ganz
frischen Keimen dagegen fehlen. Die Vermuthung liegt nahe, dass diese
vacuolenartigen Gebilde der Sarcocystiskeime den lichtbrechenden Körpern
entsprechen, welche in den sichelförmigen Keimen gewisser Coccidien beob-
achtet wurden. In diesem Sinne sprach sich denn auch U. Lankester
neuerdings aus (97).
Die meisten Beobachter konnten keine Bewegung der Keime wahr-
nehmen, nur Virchow will sich überzeugt haben, „dass sie sich anfänglich
in der Flüssigkeit bewegen und ihre Gestalt durch Bildung von Hervor-
ragungen und Ausstülpungen ändern", später jedoch sollen sie ruhig und
etwas runzelig werden. Auch Pagenstecher will träge Formverändeiungen
derselben beobachtet haben. Es scheint aber active Beweglichkeit der
Keime bis jetzt kaum sichergestellt zu sein, womit jedoch nicht aus-
geschlossen sein soll, dass dieselben sich auf gewissen Lebensstadien
doch activ bewegen.
Nur ein einziger Beobachter, Pagenstecher, will beim Maskenschwein
neben den geschilderten Inhaltsgebilden der Schläuche noch anderweitige,
sehr eigenthümliche Körperchen beobachtet haben. Dieselben zeigten
einen spermatozoenartigen Bau mit Köpfchen und Schwanzfaden , von
welchen das erstere höchstens Vio des Durchmessers der Keime maass.
Sie bewegten sich lebhaft spermatozoenartig und klebten häufig haufen-
weise mit den Köpfen zusammen. Es schien Pagenstecher möglich, dass
sie aus Zellen, welche sich zwischen den Keimen zerstreut fanden, ihren
Ursprung nähmen. Da von keinem der übrigen Beobachter etwas Aehn-
liches berichtet wird, scheint mir die Natur dieser Gebilde und ihre Zu-
gehörigkeit zu den Schläuchen sehr zweifelhaft*).
Ueber das weitere Schicksal der Keime ist bis jetzt durchaus nichts
bekannt. Nur wird, wie angedeutet, von Hessling und Manz behauptet,
dass sie sich innerhalb der Schläuche durch Theilung vermehrten. Diese
Angabe gründet sich auf die Beobachtung von Körperchen, welche eine
mittlere Einschnürung aufwiesen (Hessling) oder auf das Vorkommen von
Keimen, die paarweise noch mit ihren Enden zusammenhingen und sich ihre
concaven Seiten zukehrten (Manz, Fig. 26). Auch Andeutung von Theilung
der vermeintlichen Kerne will Manz gesehen haben. Mir scheinen diese
Beobachtungen jedoch keineswegs hinreichend, um eine Theilung wirk-
lich ausser Zweifel zu stellen.
Versuche, welche hinsichtlich der Infection und Uebertragbarkeit der
parasitischen Schläuche durch Verfütterung inficirten Fleisches von Leuckart
*) Es sei jedoch hier noch bemerkt, dass Dammann (121) bei dem Schaf einzelne Keime
mit fadenartigen Anhängen beobachtet haben will. Auch möchte ich noch nachtragen, dass
nach den Erfahrungen von Leisering und Danimann die reifen Schläuche in der Schlundmus-
kulatur des Schafes gewöhnlich zu ansehnlichen, bis Haselnussgrösse erreichenden Knoten zu-
sammenzufliessen scheinen , in welchen sich neben Unmassen von Keimen nur zuweilen noch
eine grössere oder kleinere Zahl erhaltener Schläuche finden.
Broun, Klassen des Tliier-Keiclis. Protozoa. o9
610 Sarcosporidia.
und Manz angestellt wurden, haben ein fast durchaus negatives Resultat
ergeben *). Manz sah sogar die Schläuche unter dem Einfluss des Magen-
saftes der Zerstörung anheimfallen. Auch Virchow spricht sich gegen ihre
directe Uebertragbarkeit aus und hiermit harmonirt denn auch die That-
sache, dass sich das inficirte Fleisch für den Menschen ganz unschäd-
lich erweist.
Manz versuchte die Keime auch unter anderen Bedingungen (so in
feuchter Erde, Zuckerwasser etc.) einer weiteren Entwicklung entgegen-
zuführen, aber ohne jeden Erfolg. Wir sind demnach bis jetzt über die
eigentUche Entwicklungsgeschichte unsrer parasitischen Gebilde und die
Art der Infection gänzlich im Unklaren und es erscheint deshalb auch
erklärlich, dass nicht nur frühere Beobachter zu sehr irrthümlichen Vor-
stellungen über die Natur und die Bedeutung der Schläuche gelangen
konnten , sondern dass auch ihre verwandtschaftlichen Beziehungen bis
jetzt noch durchaus dunkel blieben. Miescher schwankte hinsichtlich
ihrer Auffassung als parasitische oder durch pathologische Umbildung
des Muskelgewebes entstandne Gebilde, während sich Hessling auf Grund
seiner Beobachtung über die allmähliche Entwicklung der Schläuche der
letzteren Ansicht zuneigte**). Siebold (bei Hessling, 107) sprach sich
gleicbzeitig für ihre parasitische Natur aus und glaubt sie speciell den
schimmelartigen Endophyten zurechnen zu sollen. Ganz eigenthümlich
waren die irrthümlichen Vorstellungen, welche sich Rainey von der Be-
deutung unsrer Organismen bildete. Da er ihnen bei seinen Unter-
suchungen über die Entwicklung der Cjsticerken im Schweinefleisch
häufig begegnete, glaubte er, wie dies in ähnlichen Fällen ja schon häufig
geschah, sie in den Entwicklungskreis der Finnen ziehen zu müssen.
Nach ihm sollten die Schläuche die ersten Entwicklungsstufen der Cysti-
cerken darstellen, welche später aus den Muskelzellen hervorbrächen und
sich zwischen denselben zu den Blasenwürmern weiterbildeten. Es ist
hauptsächlich das Verdienst Leuckart's (113), diese falsche Auffassung
widerlegt zu haben. Mit mehr oder weniger Bestimmtheit haben sich für
die pflanzliche Natur der Sarcocystis noch ausgesprochen: Virchow (117),
Pagenstecher (115), gelegentlich auch Leuckart***) und namentlich Kühn
(116). Letztrer Beobachter findet eine grosse Uebereinstimmung zwischen
ihnen und den Chytrideen, hauptsächlich der Gattung Synchytrium
(de Bary), und will sie daher als Synchytrium Miescherianum direct den
Chytrideen zurechnen. Auch Zürn (74) hat sich für ihre Chytrideenähn-
lichkeit ausgesprochen.
*) Ein angeblich gelungner V'ersuch der üebertragung auf das Schwein, welchen Leuckart
(113) früher aufführte, kann, wie er auch jetzt (92) hervorhebt, wohl auf andrem Wege, schon
durch die ungemeine Häufigkeit der Schläuche beim Schwein, erklärt werden.
**) Der eigenthümlichen Ansicht Eoloff's, welcher die Schläuche als Ansammlungen aus-
gewanderter weisser Blutkörperchen betrachtet, die sich mit einer Hülle umkleidet hätten, soll
hier nur kurz gedacht werden.
***) Jahresber. über niedere Thiere f. d. J. li>63, Arch. f. Naturgesch. 1S65. lid. IL
Sarcocytitis (V'crwandscliaftl. JJc/ieliungciu. Amöbiduiin. ßl[
Voo den Vertheidigern ihrer thierischen Natur erwähnen wir hier zu-
nächst Rivolta (72), der sie früher, wie die Coeeidien, von eingewanderten
ciliaten Infusorien ableitete, deren Keirakörner die geschilderten Keime
seien. Endlich haben wir die für uns wichtigste Auffassung derselben
als den Gregariniden verwandte Organismen kurz zu betrachten. Diese
Ansicht wurde wohl zuerst von Leuckart 1852 (21) ausgesprochen und
seither vielfach adoptirt; von den speciellen Beobachtern der Schläuche
hat sich ihr namentlich Rippiog (114) angeschlossen.
Es ist nicht zu leugnen, dass die Keime der Sarcocystis eine gewisse
Aehnlichkeit mit den sichel- oder stäbchenförmigen Keimen der Gregari-
nida besitzen, jedoch dürfte dies allein nicht ausreichen, eine nähere Be-
ziehung fest zu begründen und müssen wir daher einstweilen die Frage
nach dem systematischen Anschluss der besprochnen Organismen als eine
noch oflPne bezeichnen, welche nur auf Grund einer genaueren Bekanntschaft
mit ihren Entwicklungserscheinungen gelöst werden dürfte.
Durch die Besprechung der Sarcocystis an diesem Orte haben wir
übrigens schon genügend angedeutet, dass wir eine nähere Verwandtschaft
derselben mit den Sporozoen nicht für unwahrscheinlich erachten.
Zum Schluss nun noch einige Worte über die sogen, parasitischen
Schläuche der Crustaceen. Es sind dies mikroskopische Gebilde, welche
sich auf kleinen Süsswassercrustaceen (Gammarus, Asellus) und Insecten-
larven (Phryganeen, Mücken), jedoch auch wohl anderen Objecten (so
z. B. Epistylisstöckchen nach Lieberkühn) befestigt finden*). Zuerst hat
sie Lieberkühu 1856 (108) genauer studirt**) und seine Angaben wurden
dann von Schenk (HO) und Cienkowsky (112) z. Th. bestätigt, z. Th.
erweitert, so dass die Naturgeschichte dieser Organismen, welchen Cien-
kowsky den Namen Amoebidium parasiticum gab, jetzt ziemlich er-
mittelt scheint.
Die Amöbidien sind bis zu 0,05 Mm. lange, schlanke schlauchförmige
Gebilde, welche meist mit einer etwas stielförmig abgesetzten, verschmä-
lerten Basis, die sich jedoch an der Anheftungsstelle wieder etwas scheiben-
förmig verbreitert, befestigt sind (29a — c). Ihre Gestalt bietet ziemliche Varia-
tionen dar, von rein schlauchförmiger, cylindrischer, mit abgerundetem freien
Ende bis zu mehr spindelförmiger, mit beiderseits zugespitzten Enden;
auch treten keulenförmige Gestalten auf, indem das basale Ende sich
verschmälert; das freie Ende dagegen ist zuweilen hakenförmig einge-
krümmt. Die Schlauchmembran ist sehr dünn und zart und zeigt nach
Schenk nicht die Reactionen der Cellulose. Der Inhalt besteht aus einem
*) Namentlich die Kiemen von Gammarus, Asellus und der Pliryganidenlarven, andrer-
seits aber aucli die Schwimmborsteu der Beine von Gammarus sind von ihnen besetzt. Es
scheint daher, dass sie Orte regen Wasserwechsels vorzugsweise aufsuchen.
**) Ob die von Lachmann 1859 auf den Beinen von Gammarus gefundnen schlauchför-
migen Gebilde, welche er nnr sehr flüclitig beschrieb, hierherzurechnen sind, scheint mir sehr
unsicher.
39
ßl2 Sarcosporidia.
ziemlich lichten Protoplasma, das feine, dunkle Körnchen in massiger
Zahl einschliesst und wenigstens in den erwachsenen Schläuchen zahl-
reiche, in ziemlich regelmässigen Abständen aufeinanderfolgende, kleine
Zellkerne enthält (29a). Die Zahl dieser Kerne vermehrt sich mit dem all-
mählichen Wachsthura des Schlauches, wie schon daraus hervorgeht, dass
die jugendlichsten Amöbidien, deren Entwicklung gleich zu schildern sein
wird, gewöhnlich nur einen einzigen Kern enthalten. Grosse, erwachsene
Schläuche zeigen nach Cienkowsky meist auch eine reichliche Vacuoli-
sirung, so dass ihr Plasma eine schaumige Beschaffenheit annimmt. Auf
sehr verschiednen Stufen des Wachsthums, wie es scheint, tritt ein Fort-
pflanzungsprocess in der Weise ein, dass der plasmatische Inhalt in
eine je nach der Grösse des Schlauches sehr verschiedne Zahl spindel-
bis schlauchförmiger Körper zerfällt (29b), welche aus den Mutterschläuchen
hervortreten und nun entweder direct wieder zu neuen Amöbidien aus-
wachsen oder eine Zertheilung ihres Plasmainhalts zu kleinen Amöben
erfahren, wie sie auch die Mutterschläuche zu andern Zeiten zeigen. Da
häufig nur ein Theil dieser jugendlichen Schläuche aus dem Amöbidium
völlig heraustritt, ein Theil derselben dagegen mit ihrem einen Ende
in dem zusammengeschrumpften Mutterschlauch sitzend zu reifen Amöbi-
dien aus wächst, so trifft man auch zuweilen auf federbuschartige Gebilde,
welche eben dadurch entstanden sind, dass aus einem entleerten Mutter-
schlauch eine ganze Anzahl Schläuche hervorwachsen.
Der angedeutete Zerfall des Plasmainhalts der spindelförmigen Jugend-
formen zu kleinen Amöben findet entweder erst nach dem Austritt aus
dem Mutterschlauch statt oder aber auch zuweilen schon vor der Ent-
leerung. Der Inhalt der Spindeln theilt sich, nachdem die Zahl der Kerne
sich entsprechend vermehrt hat, in zwei oder vier Portionen, welche
schliesslich in Form kleiner Amöben die Spindelhülle verlassen und im
Falle diese noch von dem Mutterschlauch umschlossen sein sollte, auch
diesen. Jedoch kann zuweilen auch der Inhalt einer Spindel ungetheilt
in Amöbengestalt hervortreten.
Zu gewissen Zeiten zeigen nun, wie erwähnt, auch die Mutterschläuche
direct einen Zerfall ihres Plasmas in zahlreiche ähnliche kleine Amöben
(Zoosporen, Cienkowsky) (29c). Ihrer Bildung geht nach Cienkowsky eine
Kernvermehrung voraus, worauf der Inhalt des Amöbidiums entweder
durch simultane Quertheilungen oder Theiluugen nach allen Richtungen
des Raumes , in zahlreiche kleine Stücke zerfällt, von welchen jedes
einen Kern und einen Antheil der dunklen Körnchenpartien des Mutter-
plasmas umschliesst. Schon innerhalb des Mutterschlauches beginnen diese
kleinen Theilstücke ihre amöboiden BeAvegungen und treten schliesslich
an beliebigen Stellen aus dessen Hülle hervor. Ihre Bewegungen ver-
laufen ziemlich einfach, mit Bildung eines oder weniger stumpfabgerundeter
Fortsätze (29d). Eine contractile Vacuole fehlt ihnen, auch Hessen sie sich
nicht zur Nahrungsaufnahme bewegen. Schon nach wenigen Stunden
gehen sie in Ruhezustände über, die nach Cienkowsky's Erfahrung zweier-
Aiaöbidiiun iFortiillaiizun}>- u. verwandtschaftl. Bezieliuugen). 613
lei Art sein können. Entweder bilden sich rundliche bis ovale, von einer
sehr zarten Hüllhaut nmschlossne Cysten (29e), welche in wenigen Tagen einen
Zerfall ihres Protoplasma-Inhalts in eine ziemliche Zahl spindelförmiger Kör-
perchen aufweisen, welche ganz den früher beschriebnen, im Mutterschlauch
direct entwickelten, jugendlichen Amöbidien gleichen (29f — g), oder die beweg-
liche Zoospore kugelt sich unter Ausscheidung einer dickeren Hülle ein und
geht in einen längere Zeit ruhenden Znstand über (29h), Auch diese Ruhe-
zustände jedoch machen nach einiger Zeit gewöhnlich denselben Ent-
wicklungsprocess durch, wie die zuerst erwähnten, indem unter allmählicher
Verdünnung und Ausdehnung der Hülle der Inhalt in zahlreiche jugendliche
Amöbidien zerfällt (29i). Andrerseits kann aber auch der Inhalt zunächst
umschlossen von einer zarten Hülle, aus der dicken Cystenmembran aus-
treten und der Zerfall in jugendliche Amöbidien erst nachträglich statt-
tinden. In der kurz geschilderten Entwicklungsgeschichte unsrer Schläuche
bleibt bis jetzt namentlich noch ein Punkt ziemlich unklar, nämlich die Art
und Weise, wie sich die jugendlichen, aus den sogen. Zoosporen (Amöben)
heivorgehenden Amöbidien (29k— 1) wieder auf den Wohnthieren an-
siedeln. Es ist zwar wahrscheinlich, dass dies einfach durch Festheftung
und weiteres Wachsthum geschieht, was deshalb noch natürlicher er-
scheinen dürfte, weil die amöboid beweglichen sogen. Zoosporen sich
unter natürlichen Bedingungen wohl kaum von ihren Wohnthieren ent-
fernen — oder doch vor dem Uebergang in den Ruhezustand ein neues
Wohnthier aufsuchen werden.
Was schliesslich die allgemeine Bedeutung und Auffassung der Amö-
bidien betrifft, so betonte Lieberkühn, ihr Entdecker, ihre Beziehungen
zu den sogen. Psorospermien , indem er die im Mutterschlauch gebil-
deten Spindeln direct den Psorospermien (d. h. den Sporen der Coc-
cidien) verglich, womit denn nach seiner Auffassung auch das Hervor-
gehen von kleinen Amöben aus diesen Psorospermien aufs Beste harmo-
nirte. Gegen diese Auffassung der Schläuche sprach sich namentlich Cien-
kowsky aus, während Schenk über ihre Natur, speciell ob thierisch oder
pflanzlich, kein bestimmtes Urtheil zu fällen wagte. Cienkowsky dagegen
betont ihre pflanzliche Natur mit grosser Entschiedenheit und spricht sich
für ihre Zurechnung „zur Klasse der niederen Algen oder Pilze" aus.
Wenn wir jedoch auch mit dem russischen Forscher darin völlig harmo-
niren, dass bewegliche Zustände im Entwicklungskreis eines Organismus
durchaus nicht seine thierische Natur zu erweisen vermögen, sondern auch
recht häufig bei pflanzlichen Organismen anzutreffen sind, so ist doch
durch dieses Zugeständniss noch nichts Bestimmtes über die specielle
Stellung der Amöbidien bei dem einen oder dem andern der beiden grossen
Reiche ermittelt und weitere Gründe vermissen wir bei Cienkowsky völlig.
Durch seinen unbestimmten Ausspruch, dass die Amöbidien der Klasse (!|
der niederen Algen oder Pilze zugerechnet werden müssen, scheint er
uns zu verrathen, dass er nicht in der Lage ist, die Amöbidien nach Bau
und Entwicklung direct einer der bekannten pflanzlichen Formen näher
614 Sarcosporidia.
anzuscblicsseu und daher erscbeiut uus deu"n auch der sehr bestimnit ge-
haltene Ausspruch über die verwandtschaftlichen Beziehungen unsrer For-
men durchaus nicht so sehr überzeugend.
Unsrer Auffassung nach lässt sich , soweit die jetzigen Erfahrungen
reichen, eine gewisse Aehnlichkeit der Entwicklungserscheinungen der
Amöbidien mit den Gregariniden nicht wohl leugnen. In dieser Hinsicht
sind namentlich die sich entwickelnden encystirten Zoosporen von Inter-
esse. Dieselben gleichen mit den in ihnen sich entwickelnden jugendlichen
Spindeln recht auffallend den Sporen der Gregariniden, in welchen sichel-
oder stäbchenförmige Keime zur Ausbildung gelangten. Auch ist die
Aehnlichkeit der jungen Amöbidienspindeln mit den sichelförmigen Keimen
der Gregariniden nicht gering, abgesehen von dem Mangel der Bewegungs-
erscheinungen bei ersteren, welche jedoch bis jetzt auch nur bei einem
Theil der sichelförmigen Keime constatirt werden konnten. Wenn daher
diese Vergleichuug einigen Anspruch auf Richtigkeit besitzt, so hätten
wir die encystirten Ruhezustände der Amöbidienzoosporen den Sporen der
Gregariniden zu vergleichen und die wesentlichste Abweichung der beiderlei
Organismen läge darin, dass die Sporoblasten der Gregariniden sich schon
innerhalb der Muttercyste encystiren und weiterentwickeln, während die
Amöbidiensporen zunächst im nackten , amöbenförmigen Zustand aus-
wandern und sich hierauf einzeln encystiren und weiter entwickeln. Es
darf jedoch andrerseits nicht verkannt werden, dass die Amöbidien in Bau
und Entwicklung auch nicht unwichtige Differenzen von den Gregariniden
aufweisen, ganz abgesehen von ihrer ectoparasitischen Lebensweise, die
eine Ernährung auf Kosten des VVohnthieres (welche übrigens Cienkowsky
anzunehmen scheint) sehr unwahrscheinlich macht. Namentlich ist die
Vermehrung der Amöbidien durch einfache Theiliing des Schlauchinhalts
eine Erscheinung, welche bis jetzt bei den Gregariniden kein Analogon
besitzt. Wir sehen uns daher für jetzt noch ausser Stand, eine sichere
Entscheidung über die wahre Stellung der Amöbidien in der Organismen-
welt zu fällen.
Anbau g- zu den Sarcosporidia.
Von einigen Forschern, namentlich Leydig und Balbiani, werden zu den Sporozoön noch
gewisse parasitische Organismen gezogen, welche hauptsächlich bei den Arthropoden eine zu-
weilen sehr verheerende Entwicklung erlangen*).
*) Die Zahl der Schriften, welche sich indirect mit unseren Organismen, d. h. der ohne
Zweifel von ihnen erzeugten Krankheit der Seidenraupe, beschäftigt, ist eine sehr grosse. Ver-
hältnissmässig nur wenige behandeln jedoch die uns hier interessirenden Organismen selber.
Die wichtigsten derselben dürften folgende sein, in welchen man den Hinweis auf weitere
finden wird:
' Lebert, H., lieber die gegenwärtig herrschende Krankheit des Insects der Seide, in: Jahres-
bericht über die Wirksamk. des Vereins zur Beförderung des Seidenbaues f. die Pro-
vinz Brandenburg i. J. 1856 — 57 p. 16 fiV; zum grössten Theil abgedruckt in: Berliner
entomologische Zeitschrift 2. Jahrg. 1858. p. J48 — 186. 6 Taf. (darin auch die An-
Aiiliaiig'. 615
Am bekanntesten sind dieselben von dem Seidenspinner (Bouibyx Mori) und erzeugen
liier die unter dem Namen Gattine (Italien) oder Pcprine (Frankreicli) bekannte Krankheit,
welche die Seidenkultur in erschreckendem Maasse heimgesucht hat. Balbiani stellt diese
Organismen unter dem Namen „Psorospermien der Articulaten" oder „Peprinekörperclien" zu
den Sporozoen. Die bis jetzt vorliegenden Ermittlungen über ihre Natur, scheinen mir abe^
keineswegs ausreichend zur BegTlindung ihrer Verwandtschaft mit den Sporozoen, vielmehr
lialte ich es mit einer Reihe anderer Beobachter ftir wahrscheinlicher, dass sie pflanzlicher
Natur sind. Sclion Nägeli erklärte sie seiner Zeit ftir Schizomyceten und nannte sie Nosema
Bombycis; später stellte Lebert, welchem dieser Name nicht bezeichnend genug schien, den
neuen „Panhystophyton ovatum" auf. Nach den allgemeinen Kegeln der Namengebung wäre
natürlich der Nägeli'sche Name festzuhalten. Es hat übrigens nicht an Beobachtern gefehlt,
welche den Peprinekörperchen die Organismennatur absprachen und sie für pathologische Er-
zeugnisse des kranken Thierkörpers erklärten.
Wir wollen uns daher hier nur ganz kurz über ihre Natur orientiren. Die Pebrine-
körperchen sind sehr kleine*), gewöhnlich etwas ovale bis spindelförmige Gebilde, von meist
ganz homogenem Aussehen und ziemlich starker Lichtbrechung Der Nachweis einer beson-
deren Hülle ist den Beobachtern bis jetzt nicht hinreichend sicher gelungen , wiewohl einige,
so Leydig, bei den Körperchen der Seidenraupe eine Hülle gesehen haben wollen. Bei
diesen sieht man gewöhnlich eine zarte Längslinie zwischen den beiden Polen hinziehen, eine
Eigenthümlichkeit, welche Balbiani ohne Zweifel von der Anwesenheit einer zweiklappigen
Hülle, ähnlich der der Sporen der Myxosporidien , herzuleiten sucht. Gegen schwache
Säuren oder kaustische Alkalien erweisen sich die Körperchen recht widerstandsfähig; von
concentrirten Säuren werden sie dagegen zerstört, üeber ihr Vorkommen können wir kurz
Folgendes berichten. Sie scheinen unter umständen im gesammten Körper der befallnen
Thiere aufzutreten und ebenso auf jeder Altersstufe, so bei der Seidenraupe schon im Ei. —
Man findet sie entweder frei in der Leibeshöhlenflüssigkeit, im Darminhalt wie auch den
Lumina andrer Organe (Geschlechtsorgane, Drüsen etc.) oder aber in den Geweben und zwar
scheinen sie hier stets (oder doch vorwiegend) im Innern der Zellen ihren Sitz zu haben.
So begegnet man ihnen in den Epithelzellen des Darms, wie der Drüsen (Malpighi'sche
Gefässe, Spinndrüsen etc.), in den Muslielzellen , Fettkörperzellen, im Bauchmark, den
Nerven etc. Ebenso ist ihre Verbreitung unter den Arthropoden eine sehr weite. Am
häufigsten studirt wurden sie, wie bemerkt, bei Bombyx , finden sich jedoch auch bei anderen
Schmetterlingen, resp. deren Kaupen (so Gastropacha nach Balbiani, Zygaena nach Leydig
und es scheint, dass die Peprinekrankheit auch sonst unter den Raupen verbreitet ist). Bei
einem Käfer (Emus) beobachtete sie Lebert. Bei Tipula, Apis und Coccus fand sie Leydig.
Derselbe Forscher konnte sie weiterhin bei Araneinen und Daphnidcn häufig nachweisen,
welche Erfahrung Balbiani bestätigte. Leydig rechnet weiter die von Munk in den Ge-
schlechtsorganen von Ascaris mystax beobachteten Körperchen hierher.
sichten Nägeli's); siehe auch Früheres von Frey und Lebert in: Vierteljalirsschrift der
naturforsch. Gesellsch. in Zürich. IV. Heft. 1856.
Leydig, Fr., Der Parasit in der neuen Krankheit der Seidenraupe noch einmal. Müllers
Arch. f. Anatomie u. Pliys. 1863. p. 186—192.
Balbiani, Recherches sur les corpuscules de la pebrine. Journ. anat. et physiol. T. IIL Paris
1866. p. 599 — GOT; Etudes sur la maladie psorospermique des vers ä soie. Ibid. T. IV.
1867, p. 263 — 276. T. XII. und Note aditionelle au M6m. s. la maladie psorospermique,
ibid. p. 329—336.
Pasteur, in: Compt. rend. Acad. sc. Paris. T. 64. p. 835, 1109 u, 1113. 1867.
Die grossen Arbeiten von A deQuatrefages, Etudes sur les maladies actuelles du
ver ä soie, Mem. Acad. sciences instit. imp6r. d. France. T. XXX. 1860. p. 1 — 382. 6 Taf.
und Nouvelles recherches s. les maladies act. etc. ibid. p. 521 — 640 enthalten sehr wenig über
unsre Organismen.
*) Die Länge der Körperchen der Seidenraupe beträgt gewöhnlich 0,004 Mm. , andere,
so z. B. die von Coccus, werden etwas grösser (bis O.OOS, LeydigX
016 Sarcosporidia.
Von besonderer Wichtigkeit für die Beurtheilung- der Natur der Peprinekörperchen muss
)iatilrlich ihre Fortpflanzungs- und Entwicklungsgeschichte erscheinen, üeher diese haben sich
nun die verschiednen Beobachter nicht zu einigen vermocht. Während die einen, wie Lebert
und Frey, Nägeli und Pasteur, ihre Vermehrung durch Quertheilung ähnlich den Schizomyceten
beobachtet haben wollen, erklären dagegen die anderen theils, dass sie eine Theilung nicht
beobachten konnten, so Chavannes, Genzke, Balbiani, theils dass sich eine ganz besondere
Vermehrungsart finde. Letztere Ansicht hat Balbiani aus seinen Beobachtungen abgeleitet ;
nach ihm sollen die Körperchen einen Vermehrungsprocess darbieten, welcher sich dem der
Myxosporidien am nächsten anschliesse. Der Verlauf dieses Fortpflanzungsactes sei folgender.
Das Körperchen verliert sein starkes Lichtbrechungsvermögen, wächst und in seinem
Innern tritt ein vacuolenartiges Gebilde auf. Das Wachsthum dauert fort, so dass das Kör-
perchen schliesslich zu einem aus homogener durchsichtiger Substanz bestehenden Kügelchen
oder länglichen Klumpchen wird, in dessen Inneren zunächst feine Granulationen, hierauf
blasse runde , kernähnliche Körperchen in grosser Zahl auftreten , welche sich schliesslich zu
zu gewöhnlichen Pebrinekörperchen umgestalten. In dieser Weise sollen also bei diesem Fort-
pflanzungsprocess aus einem Körperchen eine sehr grosse Zahl neuer hervorgehen.
In den noch nicht ausgereiften Körperchen findet man gewöhnlich einen oder zwei
vacuolenartige, helle Flecken, über deren Kernnatur Balbiani zweifelhaft ist. Andre Forscher,
wie z. B. Pasteur, hielten sie für sichere Zellkerne. Auf diesem Stadium ihrer Entwicklung
bieten die Körperchen, wie ich glaube, eine gewisse Aehnlichkeit mit den Keimen der Sarco-
cystis dar, überhaupt scheinen mir viel eher Beziehungen zu den Sarcosporidien wie zu den
Myxosporidien möglich, wenn man an der Verwandtschaft der Pebrinekörperchen mit den
Sporozoa festhalten möchte.
Wie gesagt, scheinen mir jedoch die vorliegenden Beobachtungen keineswegs ausreichend
zur Begründung einer solchen Verwandtschaft; ich halte es für wohl möglich, dass die
Nägeli'sche Ansicht, welche die Pebrinekörperchen zu den Schizomyceten verwies, das rich-
tige getroffen hat.
D" H. G. BRONN'S
Klassen und Ordnungen
des
THIER-REICHS
wissenschaftlich dargestellt
ö'-
i n Wo r t u n d B i 1 d.
ERSTER BAND. PROTOZOA.
Von
Dr. 0. Bütschli,
Professor der Zoologie in Heidelberg.
Mit einem Beitrag:
Palaeontologjsche Entwicklung der Rhizopoda von C. Schwager
II. Abtheilimg:
Mastigophora.
Mit Tafel XXXIX — LV und mehreren Holzschnitten.
Leipzig und Heidelberg.
C. F. Winter'sche Verlagshandlung.
1883 — 87.
(1883 p. 617 — 784; 1884 p. 785 -864; 1885 p. 865 — 1088; 1887 p. 1089 — 1097
[schon 1885 fertiggestellt]).
Inhalt.
Pag:.
C. Klasse Mastig'ophora 6J7
I. Ordnung- Flagellata 620
1. Historisclie Entwicklung- unserer Kenntnisse 620
2. Literatur 650
3. Allgemeine Morpholog-ic und Untergrupi)en 658
4. Gestaltungsverliältnisse und M orpliologie der Geissein . . . 659
5. Feinerer Bau des Weiclikörpers 671
A Protoplasma 671
B. Geissein . . 672
C. Undulirende Membranen 674
D. Cuticula und Schalen 676
1. Cuticula 677
2. Stiele und Gehäuse 681
E. Einrichtungen zur Nalirungsaufnahme und Defäcaiion . . (»94
a. Ohne wirklichen Mund und Schlund 694
b. Mund- und Schlundbildungen 699
c. Defäcation. A'ermeintlicher Darm 705
F. Inhaltslvörper mit Ausnahme der Nuclei ........ "07
a. Nahrungsvacuole und nichtcontractile Vacuolen 707
b. Contractile Vacuolen 708
c. Chrom atopboren 716
d Pyrenoide und Amylum 722
Paramylum 727
e. Eothes Pigment "30
f Stigmata 734
g. Trichocysten 7'37
li. Verschiedenartig-e Einschlüsse 739
1. Fett 739
2. Excretkörnchen 739
G. Nuclei 740
6. Fortpflanzung T44
a. Theilung im beweglichen Zustand 745
1. Einfache Zweitheilung und feinere Vorgänge überhaupt . . . 745
2. Fortgesetzte Zweitheilung mit Zerstreuung der Sprösslinge . . 754
b. Vermehrung im Ruhezustand 757
c. Familien- und Kolonicbildung 766
d. Copulationserseheinungen "78
e. Dauerzustände ohne Mitwirkung der Copulation .... 794
7. System der Flagellata 799
A. Historisches 799
B. Verwandtschaftliche Beziehungen der Fl&gellata . . . 803
C. Darstellung des Systems bis zu den Gattungen 810
Inhalt.
Pag.
S. Pliysiolog- iscli -Biologisch es 846
A. Bcweguiigserscheinungen 846
1. Contractionen (Metabolie) 846
2. Durch Geissein 849
8. Protoplasmaströmung-eii 858
B. Verhalten gegen Wärme, Licht ctc 859
1. Gegen Wärme 859
2. Gegen Licht (Phototaxie) 861
'■i. Einfliiss der Schwere 864
4. Ein fluss chemischer Reize auf die Bewegungsrichtung (Chemotaxie) 865
C. Wohnorts- und Ernährungsverhältnissc 865
D. Absonderung riechender Stoffe 870
E. Geographische Verbreitung 871
F. Parasiten der Flagellaten 872
IL Ordnung Choanoflagellata 877
1. Historische Entwicklung unserer Kenntnisse 877
2. Allgemeine Schilderung 880
Gestaltsverhältnissc 880
K/agen und Geissei 881
Function derselben . . 885
Plasma 887
Con tra etile Vacu ölen .' 888
Stiele und Gehäuse 889
Fortpflanzung und Encystirung 895
Theilung 895
Copulation und Encystirung 899
3. System 901
III. Ordnung Diiioflag-ellata 906
1. Historische Entwicklung unserer Kenntnisse 906
2. Literatur 915
3. Allgemeine Morpliologie und Untergruppen 917
4. Gestaltsverhältnisse, Anordnung der Geissein und Morpho-
logie der Schale '■ 919
5. Chemische Natur und feinere St ructur der Schale 946
6. Specielle Morphologie und Physiologie der Geissein und die
Bewegung 956
7. Bau des übrigen Weiclikürpers 963
A. Plasma 963
B. Inhaltskörper 965
a. Chromatophoreii 965
b. Amylum 968
c. Fett, rothes Pigment und Stigmata 968
d. Nesselkapseln 970
e. Vacuolen 971
f. Nuclei 974
8 Fortpflanzung 978
A. Theilung im beweglichen Zustand 981
B. Theilung im Ruhezustand und Encystirung überhaupt . 984
G. Unvollständige Theilung 992
9. Copulation und Conjugation 993
10. Kettenbildung 995
11. System 997
Inhalt.
A. Historisches 997
B. Yerwandtschaftlichc Beziehungen 999
C. Darstellung: des Systems bis zu den Gattungen .... 1001
D. Bemerkungen über Phylogenese in der Abtheilung . . 1012
12. Physiologisch-Biologisches lOlG
A. Ernährungsverhältnisse 1010
B. Häutungserscheinungen 1018
C. Verhalten zu Licht und Lichtpro duction 1021
D. Wohnortsverhältnissc 1022
E. Parasiten der Dinoflagellaten 1025
13. Vorkommen im fossilen Zustand 1028
IV. Ordnung Cystoflagellata 1030
1. Historische Entwicklung unserer Kenntnisse lO.SO
2. Literatur 1038
3. Allgemeine Schilderung des Baues 1040
A. Grösse und Gestalt 1040
B. Einzelne Ees tan dthoile 1043
1. Membran 1043
2. Anordnung und Structur des Plasmas 104.5
3. Plasmafärbung 1051
4. Einschlüsse 1052
5. Nucleus 1053
6. Peristom und seine Organe 1055
4. Fortpflanzung 1063
A. Theilung 1063
B. Knospung und Copulation 1067
5. Systematisches und Verwandtschaftsbeziehungen 1079
6. Biologisch-Physiologisches 1084
A. Vorkomme n und Lebensver hält nisse 1084
B. Ernährungsverhältnisse 1085
, C. Contraction und Schwimmen 1085
D. Lebenszähigkeit, Einfluss verschiedener Agentien . . 1087
E. Leuchten 1088
F. Regeneration und künstliche Theilung 1095
G. Parasiten der Oystoflagellaten 1097
Hi»ih-
C. A b t b e i 1 n n g (Klasse, S u b p b y 1 u m)
Mastigophora.
Die hochinteressante Klasse, welche wir hier unter dem Diesing'schen
Namen Mastigophoren aufführen, begreift diejenigen Protozoenformen,
welche während der beweglichen Periode ihres Lebens mit einer
oder mehreren sogen. Geis sein (Flagella) ausgerüstet sind, die ebenso-
wohl zur Bewegung (wenn auch nicht selten noch durch anderweitige
Bewegungsvorgänge unterstüzt), wie zur Nahrungsaufnahme beitragen,
wenn nämlich eine Aufnahme fester Nahrungskörper in thierischer Weise
überhaupt stattfindet. Um jedoch unsere Abtheilung einigermaassen
von ähnlichen einzelligen Formen, wie sie uns schon bei der Fortpflanzung
der Sarkodinen als Schwärmsprösslinge begegneten, wie andrerseits von
den in der Fortpflanzungsgeschichte zahlreicher niederer pflanzlicher Orga-
nismen auftretenden sogen. Schwärm- oder Zoosporen zu unterscheiden,
müssen wir der oben gegebenen Charakteristik noch Folgendes zufügen.
Der durch Geissein ausgezeichnete bewegliche Zustand bildet die
Hauptepoche im Leben der hierherzurechnenden Organismen. Die Haupt-
epoche, welche sich nicht allein durch eine relativ ansehnliche Dauer als
solche kennzeichnet, sondern auch namentlich noch dadurch, dass wäh-
rend ihres Verlaufes (wenn auch nicht immer ausschliesslich) die Haupt-
ernährungs- und Wachsthumsthätigkeit des Organismus stattfindet.
Trotz der eben gegebenen Verschärfung der Charakteristik, wird
es nicht immer möglich sein, eine scharfe Grenze zwischen unsrer Ab-
theilung und gewissen einfacheren Sarkodinen einerseits, sowie gewissen
einfacheren pflanzlichen Organismen , speciell der Ordnung der Proto-
coccoidea der Algen, sowie den Myxomyceten und den Chytridieen zu
ziehen.
Diese Erscheinung kann uns jedoch wohl vor der Errichtung unsrer
Klasse nicht zurückschrecken, denn ihr Grund liegt sicherlich darin,
dass alle erwähnten Abtheilungen einem gemeinsamen Ursprung ent-
sprossen sind, einem Ursprung, den wir uns wohl am ehesten von Formen
gebildet denken müssen, welche eine gewisse Mittelstufe zwischen den ein-
P. r 0 11 n , Klassen des Thier-Keichs. l'rotozoa. 39*
618 Mastigophora.
fachsten Sarkodinen und den einfachsten Mastigoplioren einnahmen. Wir
werden später noch genauer zu erörtern haben, dass auch jetzt noch eine
Anzahl Formen existiren, deren Bau den Anforderungen solcher Aus-
gangstypen im Wesentlichen genügt.
Die Ernährungsweise unserer Mastigophoren ist wesentlich mannig-
faltiger, als wir dies in früheren Gruppen trafen. Während ein Theil sich
in entschiedenst thierischer Weise durch Aufnahme geformter organischer
Körper ernährt, bezieht ein weiterer Theil seine Nahrung sicher in pflanz-
licher Weise, indem gleichzeitig mit dem Mangel der Aufnahme fester
Nahrung alle Bedingungen erfüllt scheinen, um eine Assimilation in pflanz-
licher Weise zu garantiren.
Auf diese Ersclicinung, sowie auf die schon betonten, auch in morphologischer und ent-
wickhingsgeschichtliclier Hinsicht nahen Beziehungen letzterwähnter Mastigopliorenformen zu
einzelligen Algen gestützt, hat die Botanik schon seit längerer Zeit eine nicht unbeträchtliche
Anzahl derselben zu den Algen gezogen und von ihrem Standpunkt aus gewiss mit völliger
Berechtigung. Indem wir diese Beziehungen zahlreicher Mastigophoren zu den Pflanzen voll-
ständig anerkennen, halten wir es dennoch für angezeigt, dieselben nicht von unserer Betrach-
tung der Protozoen, der thierischen einzelligen Organismen, auszuschliessen, denn es sind
Formen, welche sowohl für den Botaniker wie den Zoologen ein hervorragendes Interesse be-
sitzen und die Abtheilung der Mastigophoren ist jedenfalls diejenige, in welcher sich die thie-
rischen und pflanzlichen Organismen am innigsten berühren , und von welcher höchst wahr-
scheinlich die höher entwickelten Formen beider Keiche uranfänglich ihren Ausgang ge-
nommen haben.
Die Fortpflanzungserscheinungen der Mastigophoren sind von der
allergrössten Bedeutung. — Neben Vermehrung durch einfache Theilung
während der beweglichen Epoche des Lebens, begegnen wir, äusserst
verbreitet, der Theilung im ruhenden Zustand unter dem Schutze einer
Cystenhülle und zwar einer Theilung, die bald nur zur Erzeugung weniger,
bald sehr zahlreicher Sprössliuge führt, ja nach gewissen Angaben zur
Bildung einer Unzahl kleinster Keime Veranlassung geben soll. Von her-
vorragender Wichtigkeit ist, dass dem letzterwähnten Fortpflanzungsact
durch Encystirung häufig, jedoch keineswegs immer, ein Copulations-
process vorangeht, eine Erscheinung, welche in unserer Gruppe wahr-
scheinlich eine ebenso bedeutungsvolle Rolle spielt, wie in der der Spo-
rozoa. Diese Copulationserscheinungen der Mastigophoren erlangen jedoch
eine erhöhte Wichtigkeit, da sie bei nicht wenigen Formen nachweislich
zwischen gewissen, sich durch besondre Merkmale auszeichnenden Gene-
rationen stattfinden. Weiterhin aber noch dadurch, dass bei einigen eine
morphologische Differenzirung der copulirenden Individuen eingetreten ist,
wodurch dieselben sicher als männliche und weibliche, nach Analogie
mit den Fortpflanzungskörpern der mehrzelligen Thiere und Pflanzen zu
unterscheiden sind. Ein kleiner Schritt weiter führt uns schliesslich bei
koloniebildeuden Formen zu einer Fortpflanzung, welche in jeder Hinsicht
der geschlechtlichen Fortpflanzung der höheren Thiere und Pflanzen ent-
spricht, indem diese Kolonien nicht nur eine Differenzirung der Copulations-
individuen, in männliche und weibliche aufweisen, sondern auch die gewöhn-
liehen Zcllcnindividuen der Kolonien eine Differenzirung dahin erfahren haben,
Charakteristik, Ordnungen. 619
dass nur gewisse derselben die Copulationsindividucn zu erzeugen fähig
sind. Eine strenge Kritik kann derartigen Organismen (Volvox) eigentlich
nicht mehr die Natur kolonialer Verbände zugestehen, sondern muss sie
als einheitliche, einfachste mehrzellige Organismen betrachten.
Die Mastigophoren lassen sich ziemlich natürlich in 4 Unterabthei-
luugen oder Ordnungen sondern, nämlich:
T. Ordu. Flagellata.
Umfasst diejenigen Formen, welche während ihres thätigen Lebens
ausschliesslich mit Geissein ausgerüstet sind und neben diesen weder
Cilien noch einen sogen. Kragen besitzen*). Diese Gruppe ist die grösste
und mannigfaltigste.
II, Ordn. Choanoflagellata.
Besitzen neben einer einfachen Geissei noch einen deren Basis
trichterförmig umscheidenden protoplasmatischen Kragen, ähnlich den
sogen. Entodermzellen der Spongien.
III. Ordn. Cystoflagellata.
Sind charakterisirt einerseits durch die eigenthümliche Beschaffenheit
ihres Plasmaleibes, der abweichend von dem der 3 übrigen Abtheilungen
die netzförmige Structur des Pflanzenzellenplasmas etwa darbietet. Andrer-
seits durch besondre Gestaltsverhältnisse und wahrscheinlich auch Fort-
pflanzungserscheinungen.
IV. Ordn. Cilioflagellata.
Umfassen diejenigen Geisseiträger, welche neben einer Geissei noch
Cilien aufweisen.
Die Cilioflagellaten bilden, wie wir später sehen werden, eine sehr einlieitlichc und
wohlumschriebene Gruppe; auch wenn sich die neuestens von Klebs (214) gemachte Angabe
bestätigen sollte, dass die von sämmtliclien früheren Forschern gesehenen Cilien eigentlich auf
eine besonders gelagerte Geissei zurückzuführen seien. Doch sind gelegentlich noch einige mit
Cilien versehene Geisseiträger beschrieben worden, die sich den eigentlichen Cilioflagellaten
nur unter Beraubung ihres einheitlichen Charakters zuordnen liessen, wir werden es daher
vorziehen, diese unsicheren Formen einstweilen bei den Flagellaten aufzuführen.
*) Wir werden später sehen, dass sich in seltnen Fällen, welche wir von den eigentlichen
Flagellaten zu sondern nicht berechtigt sind, wahrscheinlich noch Cilien finden können.
*
I. IJnterabtlieilung (Ordnung) Flagellata.
1. Lebei'sicht der historischen Eiitwickluii« imserer Kenntnisse der
Fla«ellata.
Die erste mit grosser Wahrscbeinlichkeit auf ein hierhergehöriges
Wesen zu beziehende Mittheilung stammt aus dem Jahre 1696, und rührt
von dem englischen Beobachter Harris her (1). Derselbe fand an der
Oberfläche einer Wasserpfiitze zahlreiche grüne Thierchen, deren Be-
wegungen er beschrieb. Hieraus und aus den übrigen Angaben lässt
sich mit ziemlicher Sicherheit entnehmen , dass er eine Euglena
beobachtete. Im Hinblick auf das Alter dieser Beobachtung erscheint
es nicht ohne Interesse, dass schon Harris die grünen Körner seiner
Animalcula als Eier betrachtete, eine Anschauung, welche bekanntlich
später Ehreuberg zu der seinigen machte und lauge Zeit vertheidigte.
Wahrscheinlich beobachtete jedoch Harris gleichzeitig auch einen Chla-
mydomonas oder Haematococcus, obgleich dies aus seiner Mittheilung
weniger sieher hervorgeht.
Wenn wir hier de» berühmten Altmeisters der Mikroskopie, des Holländers
Leeuwenhoek, nicht an erster Stelle gedachten, so mag dies weniger
als Beweis dafür erachtet werden, dass er erst nach Harris Repräsentanten
unsrer Gruppe sah, sondern dem Umstand zuzuschreiben sein, dass er
erst später gewisse Formen so eingehend charakterisirte, dass sie jetzt
noch deutbar sind.
Leeuwenhoek erwähnte, soviel mir bekannt wurde, in seinen zahl-
reichen Schriften drei sicher deutbare Flagellaten. Im Jahre 1698 (2)
beobachtete er zuerst Volvox, welchen er schon treffiich studirte, i-eine
Fortpflanzung ermittelte, ja schon die Keime der Volvoxkugeln dritter
Generation in der noch in ihren Mutterthieren eingeschlossnen zweiten
Generation erkannte. Auch die Zellen der Volvoxkugel unterschied er
als grüne Wärzchen schon deutlich und berechnete ihre Zahl auf etwa
2000. In Berücksichtigung der Fortpflanzungsweise entschied er sich für
die pflanzliche Natur des Organismus. Im Jahre 1701 machte er weiter
höchst bemerkeuswerthe Untersuchungen über grüne bis rothe Thierchen,
welche sich in der Dachrinne seines Hauses eingestellt hatten. Bei Be-
(iescliichtc. (321
rücksiclitigung der gesammteu Beschreibung und gewisser gleich zu be-
rührender Punlite aus der Lebensgeschichte dieser Wesen ergiebt sich
mit sehr grosser Wahrscheinlichkeit der Schluss, dass dieselben auf
Haematococcus lacustris zu beziehen sind. Ja, es lassen sich gewisse
Angaben der Mittheilung kaum anders als durch die Annahme deuten,
dass Leeuweuhoek nicht nur die pseudopodienartigen Fortsätze, welche
den Plasmakörper dieser Flagellate häufig strahlenförmig mit der weit-
abstehenden Schalenhiille verbinden, schon gesehen, sondern zuweilen
auch eine Andeutung der beiden Geissein beobachtet habe.
An diesen Organismen machte Leeuwenhoek nun die sehr bedeutsame
Beobachtung , dass sie nach der Eintrocknung lange Zeit (bis 5 Monate)
lebenskräftig bleiben und bei Uebergiessen mit gekochtem (!) Regen-
wasser von neuem auflebten.
Letztere wichtige Beobachtung, welche der Deutung der beobachteten
Thierchen als Haematococcus einen hoben Grad von Sicherheit verleiht,
gab ihm Anlass, sich energisch gegen die Lehre der generatio aequivoca
der mikroskopischen Thierchen auszusprechen und ihre Verbreitung in
einer Weise zu erklären, deren Richtigkeit die neuere Forschung nur zu
bestätigen vermochte.
Die dritte Flagellate, welche wir schon durch Leeuwenhoek kennen
lernten, ist eine sehr verbreitete Form der Infusionen, welche jetzt als
Polytoma uvella Ehrb. bezeichnet wird. Auch dieser begegnete L. in dem
Wasser seines Bleidaches. Die von ihm angegebne Grösse stimmt sehr
gut mit der später genauer gemessenen tiberein. Wir dürfen aber diese
Form namentlich deswegen mit grosser Sicherheit auf Polytoma beziehen,
da Leeuwenhoek schon eine Darstellung ihrer Fortpflanzung gab. Er sah
nämlich, dass die Wesen sich nach 30—36 Stunden an den Glaswänden
festsetzten und bewegungslos wurden, worauf aus jedem Mutterthierchen
8 Junge. hervorgingen. Diese Deutung wird noch unterstützt durch seine
Angabe, dass die umherschwimmenden Thierchen 4 KUgelchen enthielten,
was sich sonder Zweifel auf die Viertheilungszustände bezieht. Ehrenberg
(32) bezog die letzterwähnte Beobachtung sicher irrthümlich auf Chlamydo-
monas und die über Haematococcus ebenso irrthümlich auf Euglena.
Auch unter den von Leeuwenhoek in den Därmen verschiedener
Thiere beobachteten mikroskopischen Wesen , mögen sich schon parasi-
tische Flagellaten befunden haben, da solche in den untersuchten Thieren
später z. Th. häufig beobachtet wurden. Doch ist darunter keine Form,
welche sich mit Sicherheit auf eine der jetzt schärfer erkannten zurück-
führen Hesse.
Im Allgemeinen waren die Fortschritte der Flagellatenkunde von
Leeuwenhoek bis zu den epochemachenden Untersuchungen 0. F. Müller's
über die Infusorienwelt sehr gering. Doch ragen aus der Zahl der wenig
bedeutenden Arbeiten einige hervor, welche gewisse wichtige, wenn
auch zur damaligen Zeit nicht in ihrer wahren Bedeutung gewürdigte,
Ergebnisse darboten.
622 Flagellata.
Namentlich der von Leeuwenhoek entdeckte und 1758 von Linne
als Volvox globator bezeichnete Organismus erregte die Theilnahme zahl-
reicher Beobachter. Unter diesen dürfte jedoch allein H. Baker (3), der
erste Wiederentdecker des Volvox, eine wichtige neue Erfahrung dem
schon seit Leeuwenhoek Bekannten hinzugefügt haben, indem er 1752
die Geissein sicher beobachtete und ihre Bedeutung als Bewegungs-
organe ermittelte. Ihm schien daher auch die thierische Natur des Volvox
nicht zweifelhaft. Erst durch Ehrenberg fand diese Baker'sche Entdeckung
ihre Bestätigung.
Zahlreiche andere Beobachter unsres Organismus, so Rösel (1755),
de Geer (1761), Göze (1773), 0. F. Müller (1773 und später 1786),
Schrank (1776 und später 1803), Spallauzani (1777), Eichhorn (1781)
fanden kaum etwas Neues; es waren hauptsächlich die eigenthümlichen
Fortptlauzungsverhältnisse, welche diese Beobachter anzogen und die ge-
legentlich für die seltsame Einschachtelungslehre Bonnet's und Haller's
verwerthet wurden.
Noch mancherlei Flagellaten, hauptsächlich solche der Infusionen, waren
jedoch theils von den obengenannten Beobachtern, theils von andern, so
Joblot (1754), Ledermüller (1763), Wrisberg (1765) und Gleichen (1778)
beobachtet worden; doch lässt sich im Allgemeinen aus deren Unter-
suchungen nicbt mehr wie die Ueberzeugung gewinnen, dass sie hierher-
gehörige Wesen gesehen haben. Nur Wrisberg (5) hat vielleicht bei
einem derselben etwas von den Geissein gesehen und der hervorragende
Forscher Spallanzani (9) studirte die schon von Leeuwenhoek ermit-
telte Fortpflanzung der Polytoma uvella genauer. Er verfolgte diese Form
in der Zwei , Vier- und Mehrtheilung und sah schliesslich die Theilproducte
sich trennen. Auch gelang es ihm, einzelne Individuen zu isoliren und
ihre Weiterentwicklung zu verfolgen, ein Unternehmen, das erst in neuester
Zeit wieder bei so kleinen Wesen gewagt wurde. Es scheint möglich,
dass er auch noch eine andre Flagellate in ihrer Fortpflanzung verfolgte,
und dabei einen Sporulationsprocess mit Erzeugung sehr zahlreicher junger
Brut ermittelte, doch lässt sich letztere Beobachtung nicht so sicher deuten
wie die über Polytoma.
Wie bekannt, verdanken wir dem berühmten Dänen Otto Friedrich
Müller den ersten umfassenden Versuch einer Gesaramtdarstellung der
mikroskopischen Thierwelt — die kühne Unternehmung, diese Welt, welche
bei Linne sehr wenig Berücksichtigung gefunden hatte, im Geiste des
Letzteren systematisch zu piäcisiren.
In dem 1773 erschienenen 1. Band der Historia vermium werden nur
wenige heutzutage noch sicher zu ermittelnde Flagellaten beschrieben,
etwas grösser dagegen ist deren Zahl in dem 1786 erschienenen Haupt-
werk „Animalcula infusnria". Schon 1773 beschrieb Müller eine zweite
Form der Volvocineen, das Gonium pectorale, dem er 1782 (?) eine be-
sondere Abhandlung widmete, worin schon die Fortpflanzung sehr gut
dargestellt wurde. Auch Göze (7) und Schrank (8) trugen zur Keuntniss
I
GescMclite. 623
dieser Form durch eigene Untersuchungen hei, der erstgenannte suchte
namentlich schon die iioioniale Natur im Gegensatz zu Müller, der es als
einheitliches Thier betrachtete, zu vertheidigen.
In Müller's Hauptwerk von 1786 tinde ich, abgesehen von den fast
durchaus zweifelhaften zahh-eichen Monaden, etwa 15 einigermaassen
sicher deutbare Flagellaten, darunter die heutigen Genera Polytoma, Vol-
vox, Pandorina und Eudorina (nicht unterschieden), Goniura, ?Synura,
Euglena, Phacus, Chilo- oder Cryptomonas, Anthophysa, Petalomonas,
Astasia (Stein) und ? Tiepomonas. Ausserdem beschreibt er jedoch noch
zahlreiche Formen, die wohl zu den Flagellaten gehören können, je-
doch nicht wiedererkennbar sind. Seine Ermittlungen über die Organi-
sation dieser Wesen sind im Ganzen gering. In keinem einzigen Falle
lässt sich mit Sicherheit nachweisen, dass er die Geissein gesehen habe
und ebensowenig den Kern und die contractilen Vacuolen. Dagegen sah
er das rothe Stigma gewisser Formen und bei Phacus schon den Para-
mylonkörper. Vermehrung durch Theilung will er hier und da beobachtet
haben, doch lässt sich kein sicherer Fall derselben aus den Abbildungen
coustatiren.
Das System, in welchem diese Formen im Werk von 1786 unter-
gebracht sind, dürfte selbst für die damalige Zeit zu schwach sein ; doch
lässt sich nicht wohl entscheiden , was hierbei Müller's Antheil und was
der seines Herausgebers Fabricius ist, da das Hauptwerk bekanntlich erst
nach Müller's Tode an die Oeffentlichkeit gelangte.
Zwischen Müller's Werk und den mit dem Jahre 1830 beginnenden
ausgedehnten Forschungen Ehreuberg's erschienen kaum Unter-
suchungen von einigem Belang. Nur die gute Darstellung, welche
Turpin im Jahre 1828 (15) von dem Bau des Gonium pectorale gab,
möge hier noch Erwähnung finden*). Obgleich er zuerst eine Verbindung
zwischen den 16 Kügelchen des Gonium auffand, bezeichnete er dasselbe
doch schon treffend als eine zusammengesetzte Individualität, ganz im
Sinne der heutigen Vorstellungen über Kolonien oder Synobien.
Indem wir jetzt zu einer kurzen Darstellung der Untersuchungen
Ehrenberg 's übergehen, müssen wir zunächst hervorheben, dass die all-
gemeinen Vorstellungen , welche dieser für die Protozoenwelt epoche-
machende Forscher über die Organisation der Flagellaten entwickelte,
so innig mit seinen Ansichten über den Bau der ciliaten Infusorien
zusammenhängen, dass es für ein tieferes Verständniss seines Stand-
punktes nöthig wäre, auch diese Abtheiluug gleichzeitig in Betracht zu
ziehen. Dennoch wollen wir es hier versuchen, seine Flagellatenkennt-
niss möglichst für sich zu schildern.
*) Der Vollständigkeit wegen erwälinen wir hier, dass Girod de Chantrans 1797 und
1 802 (1 3) den Haematococcus lacustris unter dem Namen Volvox lacustris beschrieb und auch
die schon Leeuwenhoek bekannte Wiederbelebung nach vierjährigem Ausgetrocknetsein con-
statiite. Girod sclicint die pflanzlichen Beziehungen dieses Organismus liauptsächlich betont
zu haben.
624 Flagellata.
Wenn man seine verschiedenen, seit dem Jahre 1830 erschienenen
Abhandlungen durchgeht, so erhellt, wie er sich allmählich in dem Ver-
ständniss unsrer Wesen vervollkommnete. Wir wissen, dass die früheren
Beobachter so zu sagen nichts von den Bewegungsorganen derselben
kannten. Ehrenberg erw^arb sich zuerst allmählich recht ausgebreitete
Kenntnisse derselben, wenn sich auch nicht leugnen lässt, dass er nament-
lich die Verhältnisse bei den kleineren Formen vielfach unsicher lassen
niusste und auch in seiner allgemeinen Vorstellung von der Natur der
Geissein eine gewisse Unsicherheit verrieth. Schon im Jahre 1828 wollte
er etwas von Wimpern bei einer Monade gesehen haben und im Jahre
1830 (18) schrieb er den Monaden einen Kranz von 10—20 Wimpern um
den Mund zu , so dass er es damals auch nicht für unwahrscheinlich
hielt, dass die Gattung Monas nur Jugendfurmen der Ciliaten umschliesse.
Auch 1838 (32) wurde er noch nicht ganz klar über die Bewegungs-
organe zahlreicher sogen. Monaden, wenn er auch die stete Exi-
stenz einer einfachen Geissei für das wahrscheinlichste hielt. Im Jahre
1831 (19) schilderte er die Bewimperung von Volvox und Eudorina,
jedoch finden wir hier diese beiden Gattungen noch unter den behaarten
Polygastrica, d. h. wegen ihrer Oberflächenbcwimperung mit den Ciliaten
vereinigt. Die heutige Auffassung des Volvox und seiner Verwandten als
kolonialer Verbände erkannte Ehrenberg erst 1833 (20) richtig, worauf
er denn auch die Wimpern dieser Formen als „Rüssel" bezeich-
nete, da er die Geissein der Flagellaten überhaupt mit diesem Namen
belegte, ohne damit auch die Vorstellung eines nahrungsaufnehmen-
den Organs zu verbinden; ja 1835 (21) erklärt er sogar direct: „Wimpern
seien viele Rüssel"; es ist daher jedenfalls unrichtig, wenn, wie dies seit
Dujardin vielfach geschehen, Ehrenberg ein schwerer Vorwurf wegen
dieser Bezeichnung der Geissein gemacht wurde.
Im Jahre 1833 finden wir denn auch zum ersten Mal eine gute Dar-
stellung der einfachen Geissei einiger Arten von Trachelomonas. Zwei
Jahre später (21) hatte Ehrenberg in der Erkenntnis« der Geissein wesent-
liche Fortschritte gemacht, wir finden sie jetzt gut dargestellt bei Eugle-
ninen, Chlorogonium, Coelomonas, Monas und Cryptoraonas, während im
Jahre 1831 den Euglenen noch einige kurze Wimpern am Munde zu-
getheilt worden waren.
Die Schilderung, welche Ehrenberg in seinem grossen Werk (1838,
Nr. 32) von den Geissein der Flagellaten entwirft, ist zwar, wie nur zu
natürlich , in zahlreichen Fällen unzureichend , jedoch Hess sich aus ihr
schon ein allgemeiner Ueberblick über die Mannigfaltigkeit dieser Ein-
richtungen in dieser Abtheilung gewinnen. Dabei darf jedoch nicht
ganz übersehen werden, dass Dujardin schon seit 1835 durch seine
Untersuchungen zum richtigen Verständniss der Bewegungsorgane der
Flagellaten sehr wesentlich beigetragen hatte.
Einen weitern sehr wichtigen Punkt in der Lebensgeschichte der
Flagellaten konnte Ehrenberg gleichfalls zuerst feststellen, die Thatsache
Geschichte. 625
nämlich, dass eine ganze Anzahl hierhergehörig-cr Organismen feste
Nahrung aufnimmt. Schon im Jahre 1830 (18) gelang es ihm, Monaden
künstlich zu füttern und in seinem Hauptwerk konnte er diese Erfahrung
auch noch für eine Reihe weiterer Formen bestätigen. Auch beobachtete
er bei einigen Formen schon anderweitige verschluckte Nahrung im
Körperinnern. Auf Grund dieser Befunde konnte E. dann nicht zweifeln,
dass den Flagellaten im Allgemeinen ein Mund eigenthümlich sei und bei
einer ganzen Anzahl Formen stellte er auch die Lage dieser Mundstelle
an der Basis der Geissein richtig dar. Im Zusammenhange mit seiner
bekannten Auffassung von dem Bau des Ernährungsapparates der Proto-
zoen konnte sich Ehrenberg jedoch mit diesen Nachweisen über Mund-
stelle und Nahrungsaufnahme nicht begnügen, sondern er baute darauf
seine Ansicht über die Existenz eines Darmapparats, der bei unsern Fla-
gellaten und zahlreichen mit ihnen nicht zusammengehörigen, einzelligen
thierischen und pflanzlichen Organismen eine übereinstimmende Beschaffen-
heit besitzen sollte, welche deren Zusammenfassung zu einer grossen Ab-
theilung der An enter a (im Gegensatz zu seinen Enterodela) rechtfertigte.
Bei jenen Anentera sollten nämlich die als Magen gedeuteten Vacuolen
verschiedener Art*) direct mit dem Mund, ohne Vermittlung eines Darmes
zusammenhängen, auch sollte diesen Formen ein After durchaus fehlen.
Es bedarf hier keiner besondern Erwähnung, dass es Ehrenberg unter
den Flagellaten nur in wenigen Fällen gelang, seine Vorstellung von dem
anenterischen Bau des Darmapparats einigermaassen durch thatsächliche
Wahrnehmungen zu belegen ; die Thatsache der Nahrungsaufnahme selbst
war ja nur für eine beschränkte Anzahl sichergestellt.
Im Jahre 1835 eröffnete sich unserm Forscher zuerst das Verständniss
für die Verschiedenheit der sogen, contractilen Blasen oder Vacuolen von
den Magenblasen oder -zellen und er constatirte denn auch gleichzeitig
ihr Vorkommen bei einer Anzahl Flagellaten (so will er sie beobachtet
haben bei seinen Astasiaeen, Cryptomonadinen , Cyclidinen und Vol-
vocinen); auf den Abbildungen sind sie jedoch nur bei Monas vivipara,
Phacus und Coelomonas dargestellt. Im Jahre 1838 wurden diese Beobach-
tungen im Ganzen wenig vermehrt und sicher ist, dass E. mehrfach Irr-
tbümer hinsichtlich der Lage der contractilen Vacuole, resp. der als solcher
gedeuteten helleren Stelle beging. Wie bekannt, war jedoch die Vor-
stellung, welche E. von der Bedeutung der contractilen Vacuolen sich ge-
bildet hatte, eine durchweg irrige, indem er sie als erweiterte, contractile
Abschnitte des einfachen oder mehrfachen Samenleiters anffasste und dies
führt uns zu der Besprechung seiner Ansichten über die Ausrüstung
unsrer Organismen mit einem sehr entwickelten hermaphroditischen Ge-
schlechtsapparat. Bekanntlich war Ehrenberg nicht sehr wählerisch in
der Deutung der verschiedenartigsten Inhaltskörper als Theile des
Geschlechtsapparates seiner Polygastrica und in diesem Theil seiner Vor-
*) Bei Chilomonas hielt er sogar die Stürkekörner für Magenzellen.
Bi-iHiii, Klassen dos Tliien-eiclis. Proto'/.oa. 40
626 Flag-ellata.
stellimgen offenbart sich am klarsten die Herrschaft, welche gewisse all-
gemeine Vorstellungen über den Bau der Thiere auf seinen Geist ausübten;
denn man wird sich vergeblich nach bedeutsamen Gründen umsehen,
welche seine Auffassung der verschiedenen Inhaltstheile in dem beliebten
Sinne zu rechtfertigen im Stande gewesen wären.
Als männliche Drüse (Hoden) betrachtete er zunächst den Nucleus,
in den verhältnissmässig wenigen Fällen, w^o er ihn auffand. Häufiger
jedoch sind es die bei zahlreichen Formen vorhandenen Amylon- oder
Paramylonkörner, welche er als Hoden deuten wollte. Gelegentlich nahm
er auch seine Zuflucht zu beliebigen Inhaltskörnchen, um seine Ansicht
von der allgemeinen Gegenwart eines männlichen Geschlechtsapparates zu
realisiren. Als weibliche Geschlechtsproducte, Eier (resp. Eierstock) galten
ihm im Allgemeinen die gefärbten Inhaltskörper, Chlorophyllkörner, auch
bisweilen die bräunlichen Endochromplatten, wogegen er die letzteren
z. Th. auch für einen papierartigen Panzer hielt (Cryptomonas, Syncrypta).
Natürlich war es ihm nicht möglich, die Weiterentwicklung der vermeint-
lichen Eier zu verfolgen ; bei der Monas vivipara dagegen glaubte er sogar
schon die beweglichen Embryonen im Leibe des Mutteithieres beobachtet
zu haben (schon 1835), eine Beobachtung, die jedoch gleichfalls auf will-
kürlicher Deutung gewisser in zitternder Bewegung begriffener Inhalts-
körperchen beruhte.
Wenn es nun Ehrenberg auch nicht gelang, seine irrigen Ansichten
über die geschlechtliche Fortpflanzung unsrer Wesen zu erweisen , so
konnte er doch in nicht wenigen Fällen die wirkliche Fortpflanzung durch
Theilung sicher beobachten. Nicht nur die Beobachtungen früherer Forscher
über die Fortpflanzung von Volvox, Gonium und Polytoma vermochte er
zu bestätigen und z. Th. weiter auszuführen, sondern auch für eine ziem-
liche Zahl andrer Formen die Theilung nachzuweisen. So studirte er
namentlich die Vermehrung der Pandorina zuerst ziemlich eingehend,
ebenso die von Chlorogonium und fand die Längs- oder auch angebliche
Quertheilung bei einer nicht kleinen Zahl seiner Monadinen. Auch über
den feineren Vorgang des Theilungsprocesses machte er einige sehr wich-
tige Beobachtungen, indem er zuerst (1835) bei gewissen Monadinen fand,
dass sich die einfache Geissei vor der Theilung zu zweien vermehre, ja
er will selbst eine entsprechende Vermehrung des Kerns (seiner Samen-
drüse) vor der Theilung schon beobachtet haben.
Nachdem wir im Vorstehenden einen Blick auf die allgemeine Vor-
stellung, welche sich Ehrenberg, auf Grund seiner Studien von der Orga-
nisation der Flagellaten gebildet hatte, warfen, geziemt es sich noch,
die Vermehrung der Formkenntniss zu betrachten, welche wir den
unermüdlichen Bestrebungen unsres Altmeisters verdanken. Es wurde
schon früher betont, wie gering die Zahl der Formen ist, welche sich bei
0. F. Müller wiedererkennen lassen. Bei Ehrenberg gestaltet sich dies
Verhältniss doch schon sehr wesentlich anders. Zwar sind die Arten,
die Ehrenberg früherhin auf seinen Keisen beobachtet hatte, fast durch-
Geschichte. 627
weg so unsicher, dass eine Identificirung derselben meist unmöglich er-
scheint. Umgelvehit dagegen ist dies mit den später in Berlin genauer
studirten Formen ; nur die Angehörigen der Gattung Monas entziehen sich
meist einer schärferen Beurtheilung. Von den IIG Flagellatenarten, welche
ich in dem Ehrenberg'schen Werk von 1838 gezählt habe, lassen sich
nicht weniger wie 49 mit heute genauer studirten Formen sicher identi-
ficiren; einige weitere mögen wohl noch in Zukunft zu ermitteln sein.
Von besondrer Bedeutung erscheint es für uns noch, bevor wir
von Ehrenberg einstweilen Abschied nehaien, zu ermitteln, wie er sich
der Gruppe der Flagellaten in ihrer Gesammtheit gegenüberstellte. In
dieser Hinsicht war er keineswegs glücklich, es blieb ihm durchaus ver-
schlossen, dass die Flagellaten als eine einheitliche Gruppe aufzufassen
seien ; er vertheilte sie vielmehr auf eine Anzahl Familien , die er durch
kein näheres Band vereinigte, zwischen welche er sogar ganz heterogene
Familien wie die Closterien und die Amoeben einschob.
In dem eben erwähnten Punkt wurde er weit übertrofifen durch seinen
genialen Rivalen Duj ardin, der wie erwähnt, schon im Jahre 1835 (23
und 24) seine erste Mittheilung über unsre Wesen veröffentlichte, auf die
eine Reihe weiterer folgten, bis er schliesslich im Jahre 1841 (39) sein
zusammenfassendes Werk über die Infusorien publicirte. Dem offenen
Blicke Dujardin's blieb es nicht verborgen, dass alle diese Formen eben
durch die eigenthümliche Natur ihrer Bewegungsorgane in näherem Zu-
sammenhange ständen ; er vereinigte sie dann auch zuerst in einer beson-
deren Ordnung, für deren Charakteristik der Besitz von Geissein maass-
gebend war und die etwa unsern heutigen Mastigophoren entspricht.
Aber auch die allgemeine Auffassung der Bauweise unsrer Organis-
men, wie die der Protozoen überhaupt, verdankt Dujardin die wichtigste
Förderung, wenn auch gerade auf dem Gebiet der Flagellaten seine Be-
strebungen nach Vereinfachung des von Ehrenberg so übertriebenen
„Organisationsgehaltes'^ in mancher Hinsicht zu weit gingen. Die Sarkode-
lehre, wie sie Dujardin hauptsächlich durch das genauere Studium der
Rhizopoden entwickelt hatte, musste in ihrer Anwendung auf unsre Orga-
nismen natürlich zu einer Reihe wichtiger Ergebnisse führen. Zunächst
machte sich Dujardin sehr verdient durch eine klarere Auffassung der
Geissein, die wie wir wissen bei Ehrenberg unter der etwas verwirrenden
Bezeichnung ,, Rüssel'' fungirten. Mit staunenswerthem Scharfblick er-
kannte er schon seit 1835 die innigen Beziehungen zwischen den sogen.
Pseudopodien der Rhizopoden und den Geissein der Flagellaten, wie den
Cilien der Infusorien und verglich namentlich auch schon damals die
Geissein mit den Schwänzen der Spermatozoen. Diese Auffassung der
Geissein suchte er durch seine späteren Arbeiten noch mehr zu befestigen,
namentlich ihre Natur als ausschliessliche Bewegungsorgane klar zu legen
und nachzuweisen, dass ihre Bewegung eine ihnen selbst einwohnende,
nicht durch einen besondern Muskelapparat hervorgerufene sei. Die Con-
traction einer Muskelfaser erklärt er für ein Phänomen gleicher Ordnung
628 Flagellata.
wie die CoDtraction der Geissclfäden. Auch will er später (1841) wirk-
liche Uebergänge zwisclien Pöeudopodien und Geissein beobachtet haben.
Seine Beobachtungen über den Gcisselapparat der von ihm untersuchten
Flagellaten sind überhaupt nicht zu unterschätzen, wie dies namentlich
aus seinen Untersuchungen über einige mehrgeisselige Formen (Tetra-
und Hexamitus) hervorgeht, was jedoch nicht ausschliesst, dass er sich
auch bei einigen Formen in der Geisseizahl irrte.
Etwas zu skeptisch beurtheilte Dujardin die Angaben Ehrenberg's
über das Vorhandensein eines Mundes bei gewissen Flagellaten. Es war
ihm wohl bewusst, dass zahlreiche dieser Organismen keine feste Nah-
rung aufnehmen, ein Punkt, über den sich Ehrenberg ziemlich leicht hin-
weggesetzt hatte , als er allen unsern Wesen einen übereinstimmenden
Bau des Darmapparates zuschrieb. Andrerseits hatte Dujardin recht wohl
erkannt, dass die Annahme eines derartigen Darmapparates nicht nur für
die ciliaten Infusorien, sondern auch für die Flagellaten unzulässig sei,
indem er die angeblichen Magenblasen Ehrenberg's zuerst in ihrer wahren
Bedeutung, als mit wässriger Flüssigkeit erfüllte vergängliche Vacuolen,
richtig erkannte.
Wie gesagt, verfuhr jedoch der französische Forscher zu rasch, wenn
er nun auch die Existenz einer besondern Mundstelle der Flagellaten
durchaus leugnen wolhe. Die Nahrungsaufnahme erkannte er für die
Monaden wenigstens an, jedoch glaubte er ihnen durchaus die Art der
Nahrungsaufnahme zuschreiben zu sollen, welche er anfänglich (1835—36)
auch bei den Ciliaten allein vertreten dachte : indem die Nahrurgskörper
nämlich durch an der Körperoberfläche sich bildende Vacuolen aufge-
nommen würden. Es ist nicht ohne Interesse, dass eine solche Nahrungs-
aufnahme in neuerer Zeit wirklich bei gewissen Flagellaten erwiesen
wurde, wenngleich hieraus keineswegs ?a\ folgern ist, dass sich Du-
jardin schon eine richtige Vorstellung des Processes bei diesen Formen
erworben hatte. Die überaus grosse Bedeutung, welche Dujardin den
Vacuolen bei seiner Sarkodelehre zuschrieb, war auch die Veranlassung,
dass er zu keiner hinreichend scharfen Unterscheidung der gewöhnlichen
Vacuolen und der contractileii gelangte. Wenn er diese letzteren auch
selbst bei den Flagellaten nicht völlig übersah, so schenkte er ihnen doch
ohne Zweifel nicht die genügende Aufmerksamkeit, da sie ihm eben von
den so verbreiteten gewöhnlichen Vacuolen nicht wesentlich verschieden
erschienen.
Ganz ablehnend verhielt er sich gegen die Ehrenberg'sche Lehre von
dem complicirten Generationsapparat unsrer Organismen, doch gelang es
ihm meist nicht, die verschiednen Inhaltskörper, welche Ehrenberg als männ-
liche Drüsen beansprucht hatte , in ihrem Wesen richtig zu erkennen,
namentlich erwarb er sich noch keine Vorstellung über die Wichtigkeit
und die allgemeine Verbreitung des Kernes. Auch den Farbstoflfkörpern,
welche Ehrenberg gewöhnlich als Eierstöcke beansprucht hatte, sprach
er diese Bedeutung ab und Hess sie nur als färbende Substanzen gelten,
Geschichfe. 629
ohne jedoch schon auf ihre Aualogic mit denen zahlreicher Pflanzen
aufmerksam geworden zu sein. Immerhin war Dujardin nicht geneigt,
eine Vermehrung unsrer Organismen durch innere Keime ganz zu leugnen ;
er hielt es für möglich, dass ein Theil der Inhaltskörperchen der Sarkode
solche Keime seien, die jedoch durchaus nicht den Namen Eier im 8inne
der höheren thierischen Organismen verdienten. Während er einerseits
die Geueratio spontauea unsrer Organismen , im Sinne einer wirklichen
Neubildung organisirter Substanz bekämpfte, hielt er dagegen eine Ent-
stehung derselben aus sehr widerstandsfähigen Keimen im Anschluss an
die alten Untersuchungen Spallanzani's nicht für unwahrscheinlich. Sehr
unerheblich sind im allgemeinen seine Erfahrungen über die Vermehrung
unsrer Wesen durch Theilung.
Zwei wichtige Momente in der allgemeinen Auffassung, auf welche
Dujardin bei dem Studium geisseltragender Infusorien aufmerksam ge-
worden war, möchten wir hier noch andeuten. Einmal erkannte er schon
sehr richtig die nahen Beziehungen, welche zwischen den einfachsten
Flagellaten, den sogen. Monaden und den einfachen Rhizopoden, den
amöbenartigen Organismen, existiren und andrerseits wies er zuerst darauf
hin, dass die Spongien gleichfalls Beziehungen zu den sogen. Infusorien
besässeu und zwar zu Formen, welche etwa zwischen den Amöben und
Flagellaten die Mitte hielten (1841).
Die Formkenntniss der Flagellaten hat auch Dujardin nicht un-
wesentlich gefördert, wenngleich die Ausbreitung seiner Studien nicht
diejenige der Ehrenberg'schen erreichte.
Nach der durch die bedeutsamen Werke Ehrenberg's und Dujardin's
bezeichneten Epoche trat eine gewisse liuheperiode in der Entwicklung
der Flagellatenforschung ein, denn erst im Jahre 1852 erschien wieder
ein grösseres zusammenfassendes, unsern Organismen gewidmetes Werk
von Ferty. Zwar herrschte auch in jener Zwiscbenperiode ein reges
Interesse für die Flagellaten, deren Kenntnisse von nicht wenigen
Beobachtern bald mehr im Sinne Ehrenberg's , bald mehr in dem Du-
jardin's gefördert wurden, ja es entspann sich sogar gerade in dieser
Periode zuerst der lang dauernde und heutzutage noch fortgeführte Streit
über die thierische und pflanzliche Natur unsrer Wesen. Abgesehen von
dieser fundamentalen Frage tritt jedoch während dieser Epoche kein
Interesse hervor, die Kenntnisse unsrer Gruppe in allgemeiner Hinsicht
zu vertiefen,
Ehrenberg selbst beschäftigte sich gelegentlich mit der weiteren Er-
forschung der Flagellaten, so beschrieb er 1840 (36) einige neue Formen
und berichtete 1841 (38) über die Untersuchungen eines Salzburger Arztes
Wer neck, welcher ihm seine Studienresultate zur Verfügung gestellt
hatte. Mit Recht rügt Stein (176), dass jene nicht unwichtigen und
von zahlreichen Abbildungen begleiteten Untersuchungen Werneck's nur
durch den sehr unzureichenden Bericht Ehrenberg's bekannt, im Uebrigen
in den Acten der Berliner Akademie vergraben wurden. Wir heben hier
630 Flagcllata.
nur bervor, dass Werneck bei zwei Flagellaten (Antopbysa und Anisonema)
eine AfterspaUe beobacbtet baben will, dass er sieb gegen die Bedeutung
der sogen. Augenflecke als Augen erklärte und eine Anzabl neuer Formen
auffand, die sieb jedocb wegen der unzureicbenden Besebreibung kaum
sieber ermitteln lassen, wenn icb es aucb mit Stein für wabrscbeinlicb
balte, dass sieb bierunter scbon so wiebtige Gattungen wie Pbalansterium
und Stepbanospbaera finden. Im Jabre 1848 (59) beschrieb dann Ehren-
berg noch zwei neue interessante Gattungen (Cbloraster und Spon-
dylomorum) und aus dieser Mittheilung erbellt zur Geniige, dass er aucb
auf dem Gebiet der Flagellaten seinen allgemeinen Standpunkt von 1838
Hiebt wesentlicb geändert batte.
Im Anfange der 40er Jabre wurde zuerst durcb Valentin die Auf-
merksamkeit auf das Vorkommen eigentbiimlicber parasitischer Organis-
men im Blute gewisser Fische gelenkt, des flagellatenartigen Wesens, das
im folgenden Jahr von Gluge im Blute der Frösche aufgefunden
und 1843 von Grub 3^ Trypanosoma genannt wurde. Aucb Mayer
batte dasselbe scbon 1843 im Blute der Rochen beobachtet und Amoeba
rotatoria benannt. Später 1850 beschäftigte sich Wedl ziemlicb eingebend
mit diesen und ähnlichen Organismen aus dem Blute verscbiedner AVirbel-
tbiere und Leydig machte 1851 und später 1857, wie hier gleich be-
merkt w^erden mag, auf das Vorkommen äbnlicber Schmarotzer in ver-
schiedenen Wirbellosen aufmerksam.
Aucb andere parasitische Monaden hatten das Interesse der Forscher
erregt. Schon 1837 fand Donne die beim Menschen schmarotzende Tricho-
monas vaginalis; Gruby und Delafond beobachteten 1843 parasitische
Monaden im Darm einiger Säugetbiere und Hammers cbmidt 1844 eine
Form in den Exerementen der Ringelnatter. Auch in Nord- Amerika hatten
die parasitischen Flagellaten das Interesse zweier Beobachter erweckt.
Leidy bescbrieb seit 1846 einige Formen aus Wirbellosen und Wirbel-
thieren, jedocb im Ganzen wenig genau und ohne tiefer in ibre Organi-
sation einzudringen. Burnett (1851) beschäftigte sieb namentlich mit der
im Darm der gemeinen Fliege häufigen Monadine und sprach sieb bei
dieser Gelegenheit sehr entschieden für die Einzelligkeit der von ihm
beobacbteten Formen aus.
Um die Vermebrung unsrer Kenntnisse von der Verbreitung der
Flagellatenformen erwarben sieb in den 40 er Jahren namentlich zwei
russische Beobachter Eiebwald und Weisse nicht unwesentliche Ver-
dienste. Wenn aucb im Allgemeinen das Studium, das sie denselben
widmeten, nicbt ein sehr tiefgehendes war, so wurden durcb sie doch
einige neue Formen ans Licht gezogen und Weisse förderte aucb durch
seine Studien über die Fortpflanzung des Cblorogonium und seine Dar-
stellung der Tbeilung der Perauema unser Wissen von der Vermebrung
dieser Wesen nicht unwesentlich. In ähnlicher Richtung trat 1846
aucb Scbmarda auf, der später 1850 und 1854 noch zwei weitere Bei-
träge lieferte. Abgesehen von dem . Interesse, welches namentlicb die
Geschichte. 631
letzte Arbeit, die die in Egypteu angestellten Beobachtungen bespricht,
in geographischer Hinsicht besitzt, sind es nur einige neue Formen, welche
diesen Mittheilungen eine gewisse Wichtigkeit geben und unter diesen
namentlich die 1850 beschriebne neue Gattung Pyramimonas. In ähn-
licher AVeise beschüftigte sich etwa um dieselbe Zeit Bailey in
Nord- Amerika mit der Erforschung der Flagellatenverbreitung, und wenn
seine Untersuchungen auch (mit Ausnahme der Entdeckung des Gehäuses
einer sehr interessanten Spougomonadine, das jedoch in seiner Bedeutung
nicht erkannt wurde), zu keinen neuen Ergebnissen führten, so besitzt
seine Arbeit selbst heute noch ihre Bedeutung, da sie die einzige um-
fassende Untersuchung über die Verbreitung unsrer Gruppe in Nord-
Amerika ist.
Indem wir jetzt zur Besprechung der schon früher augedeuteten, in
der Periode zwischen 1841 bis 1852 zuerst mit grosser Entschiedenheit
hervortretenden Strömung: einen grossen Theil der von Ehrenberg und
Dujardin den thierischen Organismen zugewiesenen Flagellaten als niedere
Pflanzen oder gewisse Zustände solcher zu erweisen, übergehen, können
wir diese Betrachtung wohl am besten mit einem Blick auf die Forschungen
über gewisse Formen eröffnen , die schon in sehr früher Zeit ein
strittiges Object für Botaniker und Zoologen bildeten. Zunächst sei jedoch
bemerkt, dass weder Ehrenberg noch Dujardin die Frage nach der thie-
rischen oder pflanzlichen Natur der Flagellaten ernstlich discutirten, beide
hatten eben, wenn sie die Flagellaten ohne weiteres zu den sogen. In-
fusionsthieren zogen, keine ernstlichen Einwände zu bekämpfen , es war
gewissermaassen historisch berechtigtes Herkommen, die sich bewegenden
kleinen Organismen ohne weiteres als Thiere zu betrachten. Speciell
Ebrenberg, der sich nicht scheute, einzelne bewegungslose einzellige Algen
den thierischen Infusorien zuzugesellen, hatte keine Veranlassung, die
Thiernatur der Flagelhiten zu bezweifeln und Dujardin folgte ihm in dieser
Auffassung ohne Zögern.
Wir haben früher erfahren , dass schon im vorigen Jahrhundert die
Gattung Haematococcus als Pflanze betrachtet worden war und gerade
diese und ihr nahe verwandte Formen beschäftigten in der jetzt zu
besprechenden Epoche eine ganze Anzahl Beobachter und erfuhren sehr
verschiedene Beurtheilungen.
Die zuerst Ende des vorigen Jahrhunderts in den Alpen und im An-
fange unsres Jahrhunderts auch im Polargebiet beobachtete Rothfärbung
des Schnees interessirte schon in den ersten Decennien unsres Jahrhunderts
nicht wenige Beobachter*) und wurde ziemlich allgemein auf einen
mikroskopischen pflanzlichen Organismus zurückgeführt, der gewöhn-
lich den Algen beigesellt wurde. Agardh stellte ihn 1824**) in eine
besondre Gattung Protococcus neben eine grüne Form aus dem süssen
*) Siehe hierüber bei Stein (176).
**) Systema Algaruin. Lundae 1824.
632 Flagellata.
Wasser; auch hatte er zuerst bewegliehe Formen vereinzelt ge-
sehen. 1835 entschied er sich dafür, eine neue Gattung Haematococcus
für diese Form, sowie einige weitere ihm hierhergehörig erscheinende zu
errichten. Martins machte dann schon 1839 die ersten Erfahrungen
über die Vermehrung unsrer Form im ruhenden Zustand und erklärte die
rothen und grünen Organismen des Schnees für identisch*).
Ein Jabr früher hatte Dunal (33) in den zur Salzgewinnung dienenden
Salzbecken der französischen Mittelmeerküste einen rotben Organismus
entdeckt und richtig zu der Gattung Haematococcus gezogen. Dieselbe
Form untersuchte 1840 Joly (34) und nannte sie Monas Dunalii, da er
ihre beiden Geisselu schon sehr gut beobachtete. Dujardin hob dann in
seinem Infusorienbuch die nahe Verwandtschaft dieser Monas Dunalii mit
seiner Gattung Diselmis (= Cblamydomonas Ehrbg.) hervor.
Die Untersucbungen, welche Shuttleworth 1839 (37) über die Orga-
nismen des rothen Alpenschnees anstellte, führten namentlich zu genaueren
Erfahrungen über das Vorkommen eines infusorienartig beweglichen rothen
Organismus neben den früher fast ausschliesslich beobachteten unbeweg-
lichen rothen Kügelchen. Im übrigen sind die Resultate wenig erheblich,
da Shuttleworth die beweglichen und unbeweglichen Formen für specifisch
verschiedene Organismen hielt und überhaupt nicht weniger wie 5 ver-
schiedene Gattungen von Organismen im rothen Schnee beobachtet haben
wollte, von welchen nur die Haematococcusform sich als ein bestimmt
charakterisirter hat wiedererkennen lassen. Meyen (35) glaubte 1840
die Haematococcen des Schnees irrthümlich mit ruhenden encystirten
Euglenen identificiren zu können, deren ruhenden Zustand er zuerst ge-
nauer studirt und auch die damit verknüpfte Vermehrung ermittelt hatte.
C. Vogt berichtigte 1844 (48) die Irrthümer von Shuttleworth, indem er nach-
wies, dass die ruhenden und beweglichen rothen Kugeln nur verschiedene
Zustände einer und derselben Form sind. Auch lehrte er zuerst die Vermeh-
rungsweise durch Theilung des Inhalts der ruhenden Form kennen. Ein wei-
terer Fortpflanzungsprocess durch Knospung, welchen er gleichzeitig noch
beobachtet haben wollte, dürfte sehr wahrscheinlich das Resultat einer Täu-
schung gewesen sein. Den Organismus des rothen Schnees aber glaubte
er zu der einige Jahre früher von Morren beschriebnen Gattung Disceraea
ziehen zu sollen, die jedoch, wie gleich zu berichten sein wird, identisch
mit Haematococcus ist. Diese Disceraea purpurea (den Haematococcus
lacustris) hatte Aug. Morren 1841 im Wasser aufgefunden und recht gut
beschrieben. Geissein, Hülle, Farbenwandlung und Vermehrung im
ruhenden Zustand, sowie die Lebenszähigkeit beim Austrocknen werden
hier schon richtig dargestellt. Auch war der belgische Beobachter ur-
sprünglich sogar auf dem richtigen Weg zur Aufklärung der Verwandt-
schaftsverhältnisse, indem er sie anfänglich dem Haematococcus nivalis
nähern wollte. Ch. Morren fügte den Untersuchungen seines Bruders
Da microscoiDc et d. soa applic. etc. Paris 1839.
(icschiclitc. i)'do
nichts AVesentlicbes zu, sondern richtete einige Verwirrung- an, indem er,
auf irrthüniliehe Beobachtungen gestützt, die Disceraea der Gattung
Trachelomonas anznschliessen suchte. Doch enthält seine Arbeit noch
einige nicht unwichtige Beobachtungen über die FAiglenen.
Drei Jahre später wurde unser Organismus wiederum zum Gegenstand
einer ausgedehnten Untersuchung, indem v. Flotow ihn unter dem Namen
Haematococcus pkivialis in einer sehr umfangreichen Monographie be-
schrieb (50). Dieselbe blieb jedoch in vieler Hinsicht hinter den Leistungen
Morren's zurück. Die Bauverhältnisse blieben ihm vielfach unklar; da-
gegen erweiterte er in gewisser Hinsicht das Wissen über die Fort-
pflanzungserscheinungen des Haematococcus. Einmal beobachtete er zuerst
seine Vermehriuig im beweglichen Zustand und lehrte weiterhin eine
eigenthümliche kleine und hüllenlose Moditication kennen, die sich auch
durch besondre Befähigung zu Gestaltsveränderungen auszeichnete. Doch
verfiel Flotow auch auf dem Gebiet der Fortpflanzung des Haematococcus
in eine Anzahl Irrthümer, indem er ihm eine Vermehrung durch Sporen
und Gonidien zuschrieb, welche durchaus nicht vorhanden ist. Flotow's
allgemeines Urtheil über den studirten Organismus interessirt uns bier
namentlich deshalb, weil er sich sehr entschieden für seine vegetabilische
Natur aussprach, indem er die ruhende und sich vermehrende Generation
für den eigentlich maassgebenden Repräsentanten beanspruchte und auch
in der Austrocknungsfähigkeit eine Bestätigung seiner Ansicht erblickte.
Einen gewissen Abschluss erhielten die mannigfachen Untersuchungen
über den Haematococcus durch die im Jahre 1850 publicirten Beobach-
tungen Cohn's (66). Seine umfassende Bearbeitung dieses Organismus
schloss sich im allgemeinen an die Flotow'sche Darstellung an, ja ging
meines Erachtens von einer übertriebenen Schätzung derselben aus. Im
Gesamratresultat, d. h. der allgemeinen Beurtheilung der Stellung des
Organismus in der Stufenleiter der organischen Welt, gelangt Cohn zu
dem gleichen Resultat wie Flotow, indem er ihn für eine einzellige
Alge erklärte. Wenn wir hier diese Deutung als einzellige Alge beson-
ders betonen, so geschieht dies deshalb, weil Cohn zuerst mit Gründlich-
keit den Versuch machte, die einzellige Natur unsrer Form durch Ver-
gleich ihrer Bauweise mit der der pflanzlichen Zelle zu erweisen und da-
durch auch für das morphologische Verständniss ähnlich gebauter Orga-
nismen, d. h. der gesammteu Flagellatengruppe, einen wesentlichen Bei-
trag lieferte. Auch darf wohl behauptet werden, dass es ihm gelang, die
einzellige Natur des Haematococcus sicher zu stellen, wenngleich seine ganze
Darstellung und Beweisführung wegen der damals noch unvollkommnen Ver-
fassung der Zellenlehre heutzutage nicht mehr ganz einleuchtend erscheint.
Nicht nur der Bau des Haematococcus in seinen verschiedneu Zuständen,
auch seine Vermehrungsweise war ein Gegenstand anhaltender Forschung
für Cohn und so gelang es ihm denn auch, die wichtigsten Punkte der-
selben aufzuklären, namentlich das Auftreten grosser und kleiner beweg-
licher Formen zu ermitteln. Wenn Cohn nun auch auf Grund seiner Ergeh-
634 ElagcUata.
nisse die vegetabilische Natur des Ilaematococcus bejahte, so verschloss
er sich doch nicht der Einsicht, dass dieser Organismus auch sehr nahe
Beziehungen zu andern zeigte, an deren thierischer, infasorieller Natur er
nicht zweifelte, speciell zu der Gattung Euglena. Letztere schien ihm wegen
ihrer lebhaften Körpercontraetionen allen Anspruch auf Zugehörigkeit
zu den Thieren zu besitzen. So sehen wir denn, dass Cohn schon da-
mals durch seine Stellungnahme in dieser Frage andeutete, dass eine
innige Verknüpfung zwischen thierischen und pflanzlichen Organismen
auf ihrer tieferen Ausbildungsstufe anzutreffen sei und dass es gerade
das Gebiet der flagellatenartigen Organismen sei, wo diese Beziehungen
deutlich und unabweisbar hervorträten.
Auch AI. Braun (70) hatte um dieselbe Zeit seine Aufmerksamkeit
dem vielbesprochnen Organismus und einigen seiner Verwandten zuge-
wendet und ihre Kenntniss nicht nur durch sehr bemerkenswerthe Beob-
achtungen über ihre Fortpflanzung, sondern auch durch die Entdeckung
einer Anzahl neuer Chlamydomonasformen gefördert. Auch dieser hervor-
ragende Botaniker zweifelte nicht an der Algennatur unsrer Organismen,
worin ihn namentlich seine Beobachtung, dass der Haematococcus im
ruhenden Zustand unter gewissen Bedingungen eine lang fortdauernde
Vermehrung, „ein durchaus vegetabilisches Verhalten" zeige, bestärkte.
Diese Besprechung der Schwierigkeiten der Auffassung eines flagel-
latenartigen Organismus führt uns zu der schon angedeuteten Streit-
frage, welche sich während der dreissiger und vierziger Jahre unsres
Jahrhunderts über die Natur zahlreicher verwandter Formen erhob.
Dieselbe fand ihre Nahrung wesentlich in wichtigen Beobachtungen
der Botaniker, welche allmählich g-ezeigt hatten, dass im Leben zahl-
reicher niederer pflanzlicher Organismen (aus den Abtheilungen der
Algen und Pilze) Vermehrungskörper, sogen. Schwärmsporen (Zoosporen)
auftreten, die den früher als Flagellaten beschriebnen Infusorien ungemein
ähnlich sind. Es kann hier nicht unsre Aufgabe sein, die Beobachtungen
über die pflanzlichen Schwärmsporen eingehender zu verfolgen. Erst im
Jahre 1842 gelang es Unger, die schon seit Beginn unsres Jahrhunderts
über diesen Gegenstand gelegentlich gemachten Untersuchungen durch die
wichtige Beobachtung zu vervollständigen, dass die Schwärmsporen der
Algengattung Vaucheria mit einem Wimperkleid versehen seien, das dem
der ciliaten Infusorien in jeder Beziehung gliche.
Es ist viel darüber gelächelt worden, dass Unger unter dem ersten
Eindruck dieser wichtigen Beobachtung in der Schwärmspore der Vaucheria
einen wirklich thierisch organisirten Lebenskörper sehen wollte, und den
ganzen Vorgang als einen Uebergang der Pflanze ins Thierreich auffasste.
Im Ganzen glaube ich, hat man jedoch wenig Grund diese Darstellung
Unger's , wenn man sie im Lichte seiner Zeit beurtheilt, zu verspotten,
denn die Uebereinstimmung zahlreicher Schwärmsporen mit Flagellaten ist
jedenfalls so gross, dass man, wenn man nicht jeden Zusammenhang
zwischen Flagellaten und höheren thierischen Organismen leugnet, im
(leschichtc. 635
Auftreten dieser Scliwärnisporcn eine sehr bedeutungsvolle Annäherung
an das Thierreich erblicken muss. Erst nach Unger wurde jedoch diese
grosse Uebereiustimmnng der Algenschwärmsporen mit den Flagellaten
erwiesen, namentlich die umfassenden Untersuchungen T huret 's (67)
wurden in dieser Beziehung aussclilaggebend. Dieser Beobachter hatte
denn auch schon ein im allgemeinen sehr richtiges Urtheil über die Be-
ziehungen der Algenschwärmsporen zu den ihnen so ähnlichen Flagellaten.
Eine directe genetische Beziehung beider wies er entschieden zurück und.
seine Berechtigung zu einem solchen Ausspruch erscheint um so grösser,
da er es nicht unterliess, eines der flagelliferen Infusorien, dessen Aehn-
lichkeit mit zahlreichen Schwärmsporen besonders gross ist, selbst zu
untersuchen, den Chlamydomonas pulvisculus nämlich. Mit Scharfblick
hob er namentlich als unterscheidendes Merkmal dieser Form von den
Schwärmsporen der Algen den Umstand hervor, dass der Chlamydomonas
wegen seiner Vermehrung durch Theilung eine Selbstständigkeit verrathe,
welche den Algenschwärmsporen, die nur vorübergehende Entwicklungs-
zustände darstellten, durchaus fehle. Diese scharfe Unterscheidung, welche
Thuret zwischen den Schwärmsporen der Algen und den ähnlichen Fla-
gellaten festzustellen sich bemühte, hatte in damaliger Zeit ihre grosse
Bedeutung, indem sie sich direct gegen die von andrer Seite ausgegangnen
Bemühungen wendete, einen Theil der Flagellaten direct mit den Schwärm-
sporen gewisser Algen zu identificiren, resp. zu erweisen, dass gewisse
Flagellaten im Stande seien, sich zu Algen zu entwickeln. Mit dem Nach-
weis derartiger Beziehungen hatte sich nämlich schon 1844 Kütz in g (49)
beschäftigt, der auf Grund irriger Beobachtungen und einer Kette von
Verwechslungen behauptete, dass der Chlamydomonas pulvisculus zu einer
ganzen Anzahl verschiedner niederer Algen auszuwachsen im Stande sei.
Auch wollte er sich überzeugt haben, dass die Schwärmsporen der Algen-
gattung Ulothrix identisch seien mit der von Ehrenberg beschriebnen
Flagellate Microglena monadina.
Gegenüber derartigen irrigen Behauptungen erschien natürlich die
scharfe Betonung der Unterschiede zwischen Flagellaten und Schwärm-
sporen, wie sie der gediegene Kenner der letzteren, Thuret, entwickelte,
als ein wesenthcher Fortschritt. Dabei dürfen wir jedoch ny3ht übersehen,
dass Thuret andrerseits die innigen Beziehungen, welche sich speciell in
der Erscheinung der Schwärmsporenbildung zwischen den niederen pflanz-
lichen Organismen und den von ihm in der Ehrenberg -Dujardin'schen
Umgrenzung als thierische Organismen beanspruchten Infusorien finden,
nicht verkannte. Im Gegentheil war seine Ansicht sehr richtig die, dass
die Trennung beider Reiche keine absolute sei, sondern, dass in den untern
Regionen derselben die scharfe Grenzbestimmung aufhöre, indem sich ge-
wisse Gruppen von Organismen vorfänden, deren Beziehungen nach beiden
Seiten hinwiesen , und deren Stellung daher naturgemäss eine schwan-
kende sei.
636 Flagcllata.
Die Untersuchungen der Botaniker über die Schwärmsporen mussten
natürlich auch auf die Auffassung der Flagellatenwelt seitens der Zoologen
einen wesentlichen Einfluss ausüben, und von dieser Zeit datirt denn auch
die geringe Berücksichtigung unsrer Abtheilung in den allgemeinen Dar-
stellungen des zoologischen Lehrgebäudes; sie wurden bis in die neueste
Zeit gerade in den besten Lehrbüchern so stiefmütterlich abgefertigt, dass
die Gruppe der Flagellaten allmählich als solche aus dem Bereich der
Protozoen zu schwinden drohte. Zunächst war es vornehmlich v. Sie-
bold (63), der es unternahm, die neueren Ergebnisse der botanischen
Forschung zu einer Keformation der Ehrenberg'schen Infusorien zu ver-
werthen. Während er mit richtigem Takt die auch jetzt allgemein aus-
geschiednen einzelligen pflanzlichen Organismen an ihre richtigere Stelle
wies, sprach er gleichzeitig die Vermuthung aus, dass wohl eine ziemliche
Zahl der mit AVimpern oder Geissein versehenen sogen. Infusionsthiere
Ehrenberg's richtiger zu den pflanzlichen Organismen, speciell den nie-
deren Algen zu ziehen seien, und auf die Flagellaten bezieht sich sonder
Zweifel dieser Ausspruch Siebold's im Besondern. Eine Anzahl dieser
Formen glaubt Siebold direct den Algen zuweisen zu dürfen, nämlich die
Ehrenberg'sche Familie der Volvocina. Wesentlich ausschlaggebend in
der Entscheidung, ob thierischer und pflanzlicher Organismus, erschien ihm
der Besitz oder Mangel der Contractionsfähigkeit, ein Umstand, der heut-
zutage durchaus nicht mehr in der ihm von Siebold vindicirten Bedeutung-
erscheint. In dieser Auffassung der Volvocina begegnete sich Siebold
also mit der Anschauung zahlreicher Botaniker, die ja, wie wir gesehen,
auch schon den Haematococcus als Alge beansprucht haben. Siebold
hatte zuerst (1844)*) auch die koloniebildenden Formen der Yolvocineen,
die Gattung Volvox und ihre nächsten Verwandten, als Algen bezeichnet
und damit den Grund gelegt zu der immer mehr in Aufnahme gekommnen
Einreihung dieser Formen in das Pflanzenreich. Im Allgemeinen zog
auch Nägeli 1849**) die Volvocina zu seinen einzelligen Algen und suchte
auch nach einer schärferen Unterscheidung zwischen die.«en einzelligen
vegetabilischen Formen und den entsprechenden Thierchen ; doch konnten
auch die von ihm aufgestellten Unterschiede durchaus keinen Anspruch
auf eine tiefere Bedeutung erheben ; sie beziehen sich hauptsächlich auf
die Anwesenheit gewisser Stoffe in der pflanzlichen Zelle, welche der
thierischen fehlen sollen, so der Cellulose, des Chlorophylls in seinen ver-
schiednen Modificationen und des Stärkemehls. Als bedeutungslos wurde
weiterhin sehr bald der Unterschied erkannt, welchen Nägeli zwischen
den Wimpern und Geissein der Infusorien und denen der schwärmenden
Algenzellen gefunden haben wollte. Während sich die ersteren activer
Beweglichkeit erfreuen sollten, betrachtete er die Geissein der letzteren
*) Disseit. de iinibus inter regii. aniui. et vegetab. consitueiidis. Erlangae 1844.
**) Gattuuäcii eiiizcllig-er Algen.
Gescliichte. 637
als passiv bewegte Anhänge und glaubte die Bewegungen der Algenzcllen
durchaus auf endosniotische Vorgänge zurückführen zu dürfen. Obgleich
sich in der erwähnten Weise eine wichtige Umwälzung der allgemeinen
Auffassung der Volvocina vollzog, machte die genauere Kenntniss der
interessanten koloniebildendeu Formen dieser Familie in dieser Epoche
keine erheblichen Fortschritte. Nur Laurent (62) verbesserte unsre Kennt-
nisse des Volvox in den Jahren 1848 — 49 durch den Nachweis, dass
Ehrenberg fälschlich aus den Formen mit Parthenogonidien und Oosporen
zwei verschiedne Arten gemacht habe und verglich die Oosporen schon
richtig mit Eiern.
Wir müssen unsre Aufmerksamkeit jetzt einem Forscher zuwenden,
der zuerst wieder den Versuch machte, das Gesammtgebiet der Flagellaten
darzustellen. Im Jahre 1852 veröffentlichte Perty (76) seine Beobachtungen
über die Infusorien und berücksichtigte dabei besonders die Flagellaten,
welche er mit den Schwärmsporen der Algen (seinen Sporozoidia) und den
Schizomyceten (seinen Lampozoidia) zu einer besonderen 2. Abtheilung
der Infusorien unter der Bezeichnung Phytozoidia zusammenstellte. Die
erste Abtheilung bildeten die Ciliata und Suctoria. Schon im Jahre 1848
(60) hatte er über die Geisseiverhältnisse einer ziemlichen Anzahl der von
ihm untersuchten Formen berichtet.
Wenn wir zuerst einen Blick auf die allgemeine Stellung werfen, die
Perty den Flagellaten, namentlich im Hinblick auf die Streitfrage über
ihre pflanzliche oder thierische Natur anwies, so erhellt schon aus der
soeben angedeuteten systematischen Vereinigung derselben mit den
Schwärmsporen der Algen und den Spaltpilzen, dass Perty hierüber sehr
besondre Ansichten besass. Nicht ohne Berechtigung wies er, nach unsrer
Ansicht, jede scharfe Grenze zwischen dem thierischen und dem pflanzlichen
Keich zurück und beurtheilte die Versuche einer derartigen Trennung als
einen der Natur imputirten Zwang.
Auch in den Lebenscyclus echt thierischer Wesen schöben sich Perioden
pflanzlicher Beschaffenheit ein, wie er denn zuerst die späterhin häufig
wiederholte Ansicht sehr bestimmt aussprach, dass die Encystirungen ge-
wisser Flagellaten (so Euglena) echt vegetabilische Zustände dieser sonst
thierischen Wesen darstellten. Trotz dieser nach den heutigen Anschauungen
nicht unberechtigten Vorstellungen, muss es doch Verwunderang erregen,
dass Perty sich entschliessen konnte, auch die Schwärmsporen der Algen
direct den Infusorien einzuverleiben, was ja, wie Stein richtig bemerkt,
nothwendig auch die zugehörigen Algen selbst in die Reihe der Infusorien
gezogen hätte. Die schon mehrfach erwähnten eigenthümlichen Flagellaten,
der Chlamydomonas und Haematococcus, galten Perty als die nächsten
Verwandten der eigentlichen Algensporen und er trennte sie deshalb auch
von den eigentlichen Flagellaten (seiner Gruppe der Filigera) ab, um sie
den Sporozoidia zu überweisen. Die sogen. Zoosporen der Algen aber
galten ihm als wirklich thierische Entwicklungszustände der betreffenden
638 Flagcllata.
Algen, die nach Art eines Generationswechsels mit dem vegetabilischen
Zustand verknüpft seien.
Während Perty damals nicht nur die thierische Natur der Flagellaten,
sondern auch die der Zoosporen verfocht, trat er nach Verlauf eines De-
cenniums gerade in entgegengesetzter Richtung auf, wie bei dieser Ge-
legenheit gleich bemerkt werden mag. 1864 (114) nämlich wölbe er
überhaupt seine sämmtlichcn Phytozoidia für pflanzliche Wesen erklären.
Dieser völlige Wechsel der Anschauung ist jedenfalls ein Beweis dafür,
dass auch die Gründe, welche Perty zu seiner früheren Ansicht bestimmt
hatten, keine sehr tieferwogenen waren.
In der Beurtheilung der Organisation und der Lebensverhältnisse
seiner Filigera schwankte Perty (1852) zwischen den Anschauungen seiner
beiden hervorragenden Vorgänger, Ehrenberg und Dujardin, hin und her.
Im gesammten zeichnen sich jedoch seine Untersuchungen überhaupt
nicht durch besondre Originalität und Genauigkeit aus. Dujardin schloss
er sich sehr innig in der Beurtheilung der Organisation an und gelangte
über die Vorstellungen dieses Vorgängers in keinem Punkt wesentlich
hinaus. Wie letzterer leugnete er das Vorkommen einer besonderen
Mundöfifnung auf das entschiedenste, ja im Grossen und Ganzen auch die
Aufnahme fester Nahrung. Die wenigen von ihm beobachteten wider-
sprechenden Fälle suchte er durch zufälliges Eindringen von Fremdkörpern
zu erklären. Von der Bedeutung und der allgemeinen Verbreitung des
Nucleus hatte er keinen ßegriflf, wie er denn auch die Frage nach der
Bedeutung unsrer Organismen im Hinblick auf die Zellenlehre nirgends
erörtert. Ebensowenig ist ihm die contractile Vacuole in ihrer allgemeinern
Morphologie bekannt; wenn er sie auch bei einigen wenigen Formen beob-
achtete, so spricht er doch im allgemeinen Abschnitt seines Werkes gar
nicht von ihr.
An Ehrenberg schloss Perty sich dagegen auffallend nahe in der
Beurtheilung der Fortpflanzuugserscheinungen unsrer Wesen au. Die Kennt-
niss der Theilungs Vorgänge einer ziemlichen Anzahl Formen wurden durch
seine Bemühungen nicht unwesentlich gefördert. Daneben wollte er jedoch
wie Ehrenberg noch einen andern Vermehrungsprocess statuiren, welcher sich
durch die Weiterentwicklung innerer Keime vollziehe. Diese Keime nannte
Perty ,,Blastien'', und sie sind nichts weiter als die verschiedenartigen
körnigen Einschlüsse, welche schon Ehrenberg, auf ungenügendste
Gründe hin, als Eier beansprucht hatte. Perty's Begründung der Keim-
natur dieser Blastien ist nicht um ein Haar gesicherter wie die frühere
Ehrenberg's. Seine ganze Darstellung dieses Fortpflanzungsprocesses ist,
wie gesagt, überhaupt nur eine Umschreibung der von Ehrenberg be-
haupteten geschlechtlichen Fortpflanzung , aus welcher das männliche
Element elimiuirt worden war. Gegenüber Ehrenberg suchte aber Perty
die generatio spontanea wieder in einem gewissen Umfange zu retten,
indem er sie wenigstens für zahlreiche Monaden annahm. Andrerseits
Gescliiclitc. 639
hielt er es aucli nicht für iiiimöglicli , dass Monaden diircli Umwandhing
der Zellen höherer Organismen entstünden.
Die systematischen Bestrebungen Perty's können nicht sehr hoch ver-
anschlagt werden. Viel unsichere Formen und zahlreiche unnöthige neue
Namen wurden von ihm einzuführen versucht. Wirklich neue interessante
Formen fand er dagegen nur wenige.
Wir müssen nun mit einigen Worten die Leistungen eines Beob
achters, W. Focke, besprechen, welcher schon vor Perty im Jahre 1847
(58, 1) einige seiner Erfahrungen über die Flagellaten mitgetheilt hat,
während die Avichtigere Fortsetzung seiner Studien erst im Jahre 1854
erschien. Focke's Forschungen über unsre Gruppe waren gerade keine
sehr ausgedehnten, doch widmete er einigen Formen ein ziemlich ein-
gehendes Studium. Obgleich er sich in seiner allgemeinen Auffassung
unsrer Wesen innigst an Ehrenberg anschlosfs, richtete er doch eine nicht
ungerechtfertigte Kritik gegen die systematische Unsicherheit der Mona^
dinenfamilie Ehrenberg's und speciell gegen die zahlreichen Ehrenberg'-
schen Arten der Gattung Monas. Auch wies er die Unhaltbarkeit einiger
weiterer Gattungen Ehrenberg's nach. Durch eigene Untersuchungen för-
derte er hauptsächlich das bessere Verständniss einiger Volvocineen (spe-
ciell der Gattungen Gonium und Pandorinaj und verschärfte in mancher
Hinsicht die Vorstellungen über die Organisation der Gattung Euglena
und der nächstverwandten Phacus. Bei Chlamydomonas beobachtete er
zuerst die contractilen Vacuolen. Schwer verständlich sind seine seltsamen
und irrthümlichen Ansichten über die grosse Veränderungsfähigkeit, welche
er den Euglenen zuschrieb, indem er eine ganze Anzahl verschiedener
Arten dieses Geschlechts als Modificationen einer und derselben Grund-
form nachzuweisen suchte.
In den drei Decennien, welche auf das Erscheinen des Perty 'sehen Buches folgten,
blieb die Flagellatenforschuiig im Allgemeinen sehr zurück. Nur die Kenntniss der Volvocineen
und Verwandten, deren sich ja die Botaniker mit Eifer bemächtigt hatten, erfahr unter deren
Händen sehr wesentliche Förderung. Ausserdem waren es im Allgemeinen nur gewisse, durch
besondre Eigenthümlichkeiten , wie Parasitismus etc. interessante Formen, welchen die Auf-
merksamkeit sich zulenkte. Es hing dies jedenfalls innigst zusammen mit der Unsicherheit
der Stellung, welche unsre Formen zwischen den beiden organischen Kelchen allmählich er-
langt hatten und weiterhin mit der falschen Annahme, dass die grössre Mehrzahl derselben
wohl gar keine sclbstständigen Formen, sondern nur vorübergehende Entwicklungsstadien niederer
Pflanzen seien. Erst gegen die zweite Hälfte der 70 er Jahre machte sich allmählich das
Bedürfniss geltend, die grosse Zahl der meist sehr unsicher erkannten Formen erneuter ünter-
sucimng zu unterwerfen und dieses Bedürfniss fand dann seinen würdigen Ausdruck in dem
grossen und umfassenden Werk Friedrichs von Stein , das auf immer einen Markstein in der
Geschichte unsrer Abtheilung bilden wird.
Ueberschauen Avir in gedrängter Kürze die hauptsächlichsten Leistungen
zwischen Perty und Stein, so dürften wir zunächst unsre Aufmerksamkeit
den Fortschritten auf dem Gebiet der Volvocinen zuzulenken haben. Mit
der Gattung Volvox selbst beschäftigten sich zunächst in ziemlich eingehen-
der Weise zwei englische Beobachter, Williamson (1851 u. 54, Nr. 71, u. 78)
und Busk (1853, 77), welche beide die schon früher ausgesprochne An-
640 Flagcllata.
siebt über ibre vegetabiliscbe Natur zu der ibrigen macbten. "Weiterbiii
schritten sie auf dem von Laurent eröffneten Weg fort, indem sie sämmt-
licbe von Ebrenberg unterscbiednen Volvoxarten für Modificatiouen einer
und derselben Species erkläreu wollten, worin sie eutscbieden zu weit
gingen. Sehr wicbtig war dagegen der von B u s k gelieferte Nachweis,
dass Ebrenberg's Gattung Sphaerosira gleichfalls zu Volvox gehöre. Zwar
blieb ihm noch die wahre Beziehung dieser Sphaerosira zu Volvox ver-
borgen: dass dieselben nämlich die männlichen Individuen einer gewissen
Volvoxart darstellte; dagegen beobachtete er zuerst die Entwicklung
der Spermatozoidienhaufen näher, hielt sie aber für Tochterstöcke und
den ganzen Vorgang also der gewöhnlichen Fortpflanzung des Volvox
vergleichbar. Bemerkenswerth erscheint, dass ßusk zuerst die contractile
Vacuole der Volvoxzellen sicher nachwies, welche Beobachtung dann
zuerst Claparede und Lachmann bestätigten (104).
VVilliamson's Hauptverdienst besteht in einer genaueren Unter-
suchung der Zusammensetzung der Volvoxkugeln. Er wies zuerst nach,
dass jede Zelle in eine besondere weitabstehende und dicke Hülle ein-
gelagert sei, und dass alle diese Hüllen in ihrer Zusammenlagerung eine
sehr charakteristische hexagonale Zeichnung auf der Volvoxkugel her-
vorrufen.
Knüpfen wir an diese Untersuchungen der beiden englischen Forscher
gleich die Bemerkung an, dass sich auch Fr. Stein etwa um dieselbe
Zeit mit Untersuchungen über Volvox beschäftigte und als Frucht seiner
Bemühungen 1854 (83) die wichtige Mittheilung machen konnte, dass sieb,
im Gegensatz zu den Resultaten der englischen Forscher, zwei sichere
Arten unterscheiden Hessen, In der gleichen Arbeit konnte Stein auch
noch über die Fortpflanzung einiger verwandter Flagellaten (Chloro-
gonium und Spondylomorum) berichten.
Wie wir von früher wissen, hatte Cohn durch seine Arbeit über
Haematococcus schon mit Erfolg das Gebiet der Flagellaten betreten;
jetzt wandte auch er sich der Erforschung der eigentlichen Volvocineen
zu und eröffnete die Reihe seiner wichtigen Arbeiten mit der Schilderung
einer neuen und sehr interessanten Form, der Stephanosphaera pluvialis
(1853, 81). Vier Jahre später (101) konnte er in Gemeinschaft mit
Wichura die Kenutniss dieser Gattung weiter vervollständigen.
Von viel grösserer Bedeutung jedoch erscheint es, dass Cohn im
Jahre 1856 (91) zuerst das richtige Verstäudniss für die Fortpflanzungs-
erscheiuungen der Gattung Volvox eröffnete. Zwar lagen die thatsäch-
lichen Materialien zur Feststellung der geschlechtlichen Fortpflanzung des
Volvox ziemlich ausreichend vor, wie wir schon gesehen, es bedurfte je-
doch zu ihrer richtigen Würdigung eines genialen verbindenden Blicks
und diesen besass Cohn. Doch waren auch eigene Untersuchungen nöthig,
um die Bedeutung der Spermatozoon etc. festzustellen. Als Resultat der
Cohn 'sehen Bestrebungen ging hervor, dass sich Volvox gewöhnlich
parthogenetisch fortpflanze, dass jedoch hierauf geschlechtliche Vermehrung
/ Geschichte. 641
eintrete und zwar Hessen sich zwei Spccies unterscheiden, eine getrennt
geschlechtliche und eine hermaphroditische, welche beide mit den schon
von Stein unterschiednen zusammenfielen. Dagegen gelang es damals
noch nicht, die Weiterentwicklung der befruchteten Eier festzustellen.
Carter (106) bestätigte im Jahre 1859 die Erfahrungen über die
geschlechtliche Fortpflanzung des Volvox im Allgemeinen und konnte auch
in Bombay eine monöcische und eine diöcische Art nachweisen. Nur in
einem Punkt gelangte er erheblich weiter wie Cohn, indem er zuerst
die Entstehung der geschlechtlichen Generation in der ungeschlechtlichen
genauer ermittelte.
Verhältuissmässig spät nach seiner Begründung der Fortpflanzungs-
lehre des Volvox schritt Cohn 1875 (147) nochmals zu einer Zusammen-
fassung eigner und fremder Erfahrungen über diesen Gegenstand, ohne
dieselben jedoch in irgend welchen principiell wichtigen Theilen zu
verändern.
Auch die Kenntniss nächstverwandter Volvocineen hatte in der
Zwischenzeit von verschiedner Seite nicht unerhebliche Förderung erfahren.
Zunächst beschäftigte sich Cohn 1854 (86) mit einer sehr gründlichen
Erforschung der Gattung Gonium, ohne dass jedoch das Studium dieser
Form zu ähnlichen, allgemein wichtigen Resultaten geführt hätte, wie das
von Volvox. Natürlich zweifelte Cohn nicht an der vegetabilischen Natur
dieser Gattung, worin ihn auch ihre contractilen Vacuolen, die er ent-
deckte, nicht irre machten. Auch Fresenius beschäftigte sich im Jahre
1856 (98) mit dieser Gattung und der verwandten Pandorina, deren Orga-
nisation er genauer ermittelte als dies vor ihm geschehen war. Wir ver-
vollständigen unsre historischen Bemerkungen über die Gattung Gonium
gleich durch die Notiz , dass Warming und Cohn gleichzeitig im Jahre
1876 (156 und 162) die schon von Dujardin beobachtete vierzellige Gonium-
art (G. sociale) wiederfanden und eingehend studirten.
Besonders wichtige Aufschlüsse über die mit Volvox zunächst ver-
wandte Gattung Eudorina konnte Carter im Jahre 1858 (105) veröffent-
lichen und darin nachweisen, dass sich bei dieser Gattung eine geschlecht-
liche Fortpflanzung findet, welche der von Volvox direct vergleichbar ist.
Im Jahre 1859 (106) vervollständigte er seine Beobachtungen noch weiter,
ohne jedoch eine ziemliche Zahl zweifelhafter Punkte vollständig zu lösen,
welche theils durch Vermischung der beiden Gattungen Pandorina und
Eudorina, theils durch eine Anzahl nicht sicher aufgeklärter Beobachtungen
hervorgerufen wurden. Erst 1875 gelang es dann Goroshankin (154),
die geschlechtliche Fortpflanzung der Eudorina wieder eingehend zu stu-
diren und unsre Kenntniss wesentlich zu vervollständigen.
Einen besonders wichtigen Beitrag zur Fortpflanzungsgeschichte der
Volvocineen verdanken wir Pringsheim, welcher im Jahre 1869 nach-
wies, dass auch im Leben der Pandorina geschlechtliche Fortpflanzung
auftrete, jedoch in viel primitiverer Weise als bei den Gattungen Volvox
und Eudorina, indem die sich copulirenden Zellen der Pandorina noch
Bronn, Klassen des TLier-Reiclis. Protozoa. 41
ß42 Flagellata.
nicht die scharfe Diiferenzirung in Spermatozoen und Eizellen zeigen,
sondern im wesentlichen freigewordne, übereinstimmend gestaltete Schwärm-
zellen darstellen. Auch die allgemeine Organisation, sowie die unge-
schlechtliche Vermehrung von Pandorina studirte Pringsheim genauer.
Der Vorgang der geschlechtlichen Fortpflanzung der Pandorina vermittelte
dann die Verknüpfung mit den entsprechenden Erscheinungen verwandter,
nicht koloniebildender Formen, welche theils schon früher, theils später
aufgefunden wurden, derjenigen Formen nämlich, welche sich um die
Gattungen Chlamydomonas und Haematococcus gruppiren. Die Vermeh-
rung, welche unsre Kenntniss dieser Formen in der Zwischenzeit erfahren
hatte, muss uns jetzt noch kurze Zeit beschäftigen.
Die mit Chlamydomonas sehr nahe verwandte Gattung Polytoma
untersuchte Ant. Schneider im Jahre 1854 (84) genauer; auch Cohn (86)
beschäftigte sich gleichzeitig mit diesem Wesen und wollte es sogar direct
zu Chlamydomonas ziehen. In ähnlicher Weise förderte Schneider
auch die Kenntniss der Gattung Chilomonas und lieferte Beiträge zur
Fortpflanzungsgeschichte des Chlorogonium, dessen Kuhezustände er zuerst
auffand.
Mit der Vermehrung des Chlamydomonas im ruhenden Zustand
beschäftigte sich Fresenius in den Jahren 1856 und 1858 (98, 102). Die
ersten Erfahrungen über einen geschlechtlichen Fortpflanzungspro-
cess bei einem nahe verwandten Organismus machte im Jahre 1858 (105) der
unermüdliche Carter, welcher gleichzeitig auch die Vermehrung von Chla-
mydomonas einer erneuten Untersuchung unterwarf. Die Form, bei welcher
Carter eine geschlechtliche Fortpflanzung sehr wahrscheinlich machte,
war der schon Ehrenberg bekannte Phacotus lenticularis. Es gelang
Carter hier die Bildung zahlreicher sehr kleiner Sprösslinge, sogen. Mikro-
gonidien, zu beobachten, deren copulative Vereinigung mit weiblichen
Sprösslingen, welche durch Zerfall andrer Individuen in eine geringe Zahl
von Theilproducten entstanden, sehr wahrscheinlich gemacht wurde.
Auf Grund dieser Erfahrung, sowie bei Berücksichtigung der Ergeb-
nisse über die geschlechtliche Fortpflanzung von Volvox, musste sich
natürlich die Vermuthung aufdrängen, dass auch die bei Haematococcus
beobachtete Mikrogonidienbildung eine Bildung männlicher Schwärmzellen
darstelle. Diese einst von Pringsheim geäusserte Ansicht Hess sich nicht
feststellen, dagegen zeigte es sich in den 70er Jahren, dass wenigstens
bei Chlamydomonas und der nahe verwandten Gattung Carteria (Tetraselmis)
Mikrogonidienbildung die geschlechtliche Fortpflanzung einleite, indem
dieselbe durch Copulation solcher Mikrogonidien geschehe. Für die
Gattung Carteria vermochte dies Eostafinski im Jahre 1871 (137) zu
zeigen, später 1873, 1876 (157) erwies Reinhardt dieselbe Fortpflanzungs-
erscheinung bei dem Chlamydomonas pulvisculus und Goroshankin
(154) untersuchte bei dieser wie verwandten Form denselben Vorgang sehr
eingehend.
Geschichte. 643
Auch noch von anderer Seite hatte man sicli bemüht, das Vorkommen von Cojnilations-
erscheinungcn bei den Gattungen Chlamydomonas und Ilaematococcus nachzuweisen. Für die
letztere Gattung versuchte dies schon Veiten im Jahre 1S71 (136), für die erstcre Ant. Schneider
187S (164\ doch sind die Beobachtungen beider Forscher nicht gut mit denen der früher er-
wähnten in Einklang zu setzen, und die Velten's bezogen sich wohl sicher nicht auf wirkliche
Copulationszustände.
Zur Vervollständigung unserer historischen üebersicht über diese Vor-
gänge fügen wir hier gleich zu, dass in neuester Zeit (1882, 195 — 96) die
geschlechtliche Fortpflanzung gleichfalls durch einen russischen Forscher,
Krassilstsch ik, für die nahe verwandten Gattungen Polytoma und
Chlorogonium erwiesen wurde. Nach einer andern Richtung verfolgte
Cienkowsky im Jahre 1865 (118) die Gattungen Chlamydomonas und
Haematococcus, indem er sich darzulegen bemühte, dass dieselben durch
eigenthümliche Modificationen ihrer Theilung im ruhenden Zustand Ent-
wicklungsformen darzubieten vermöchten, welche sich gewissen Palmella-
ceen aufs innigste anschlössen, so dass es nicht nur gerechtfertigt er-
scheine, sie zu dieser Gruppe der Algen zu ziehen, sondern sie seien auch
geradezu mit gewissen Gattungen derselben zu vereinigen. Auch durch
eingehenderes Studium einiger hierhergehöriger Formen brachte diese
Arbeit Vermehrung unsres Wissens. Im Jahre 1870 (134) suchte Cien-
kowsky dieselben Beziehungen auch noch bei zwei weiteren Flagellaten-
formen nachzuweisen, einer Cryptomonas und der Chlamydomonade Va-
cuolaria, indem er auch bei ihnen den Palmellaceen ähnliche Entwicklungs-
stadien auffand. Auch die Entwicklungsgeschichte des von Ehrenberg
zuerst gefundnen sogen. Colacium stentorinum (= Chlorangium St.) stu-
dirte er näher und suchte auch diesem eine Stellung bei der erwähnten
Algengruppe zuzuertheilen.
Wenden wir uns nun zu einer kurzen Aufzählung der Fortschritte
auf andern Flagellatengebieten , so müssen wir wieder zurückgreifen in
den Anfang der fünfziger Jahre. Cohn beschäftigte sich nämlich in seiner
im Jahre 1854 erschienenen Arbeit (86) auch eingehend mit der Flagellaten-
gattung Antophysa.
Auch die parasitischen Flagellaten erregten das Interesse einer Reihe
von Beobachtern. Scanzoni und Kölliker studirten 1855 (89) die Tricho-
monas vaginalis des Menschen näher, welcher später auch Hausmann
(1870, 130) und Hennig (1870, 133) ihre Aufmerksamkeit zuwandten.
Davaine (1854, 88) hatte zuerst auf das Vorkommen von Monaden im
Darmkanal des Menschen aufmerksam gemacht, denen sich 1855 und 59
auch Mittheilungen von Hassal*) über das Vorkommen von Flagellaten
im Urin zugesellten. Namentlich die Flagellaten des menschlichen Darm-
kanals nahmen weiterhin die Aufmerksamkeit zahlreicher Forscher in An-
spruch; so beschäftigte sich mit diesem Gegenstand im Jahre 1859 und
60 Lambl (108-9), der auch noch späterhin im Jahre 1875 (155) neue
*) General Board of healths. London 185.5, p. 293. The Lancet Novb. 1859.
41*
644 Fiagellata.
BeobachtuDgcD liinzulügte. lieber ähuliclie Fälle berichteten Eckekrantz
(1869), Tham (1870), Marchand (1875) und Zeucker (1878).
Auch das schon früher erwähnte parasitische flagellatenartige Try-
panosonia fand neue Beobachter, Zunächst konnte Eberth 1861(110)
nachweisen, dass auch im Darm gewisser Vögel ein ähnlicher Organismus
häufig vorkomme. Später 1871 (135) widmete Ray Lankester dem
Trypanosoma des Froschblutes seine Aufmerksamkeit; auch Rättig stu-
dirte 1875 (150) diese Form, ohne ihre Kenntniss wesentlich zu fördern.
In neuester Zeit (1883, 201) erhielten wir, wie hier gleich bemerkt werden
mag, durch Mitrophanow genauere Mittlieilungen über die Trypanosomen
gewisser Fische und Certes (1882, 189) vermochte eine hierhergehörige
Form im Darm der Auster nachzuweisen. Parasitische Flagellaten aus
Insecten erwähnte Leydig 1859. Einen Versuch das über die parasitischen
Flagellaten bekannte zusammenzufassen, machte Davaine 1875 (152). Um
den historischen Ueberblick über dieses Gebiet der Flagellateuforschung
zu beschliessen, sei hier gleich bemerkt, dass auch Stein in seinem grossen
Flagellatenwerk deren Kenntniss erheblich förderte und später 1879 (172)
Lewis, 1880 Cuningham (183) und 1882 namentlich Grassi (193)
zu deren Kenntniss beitrugen ; der letztere studirte eine ziemliche
Anzahl der bei Thieren wie Menschen sich findenden Formen ein-
gehender.
Indem wir wieder zu den freilebenden Flagellatenformen zurück-
kehren, wollen wir zunächst einen Blick auf bis jetzt noch nicht be-
sprochene Leistungen des schon mehrfach erwähnten englischen Forschers
Carter werfen. Gelegentlich seiner Studien der Infusorienwelt Bombay's
untersuchte derselbe 1856 und 57 (100) namentlich die Eugleneu und
ihre nächsten Verwandten genauer. Aus diesen Studien zog er zunächst
das Resultat, dass diese Formen in das Pflanzenreich zu verweisen seien.
Ihre Organisation erkannte er in mancher Hinsicht besser, namentlich er-
mittelte er zuerst sicher die Existenz einer contractilen Vacuole und suchte
das Vorkommen eines Copulationsprocesses wahrscheinlich zu machen.
Viel Mühe verwendete er auf den Nachweis einer Fortpflanzung durch
innere Keime oder Eier, ohne jedoch zu einem tiberzeugenden Resultat
zu gelangen und indem er entschiedene Missgrifife beging, da er wenig-
stens bei einem Theil der Euglenen die Paramylonkörnchen für Eier er-
klärte. Andrerseits liess er sich auch sicher durch parasitische Eindring-
linge irre führen. Weitere Beiträge zur Kenntniss der Euglenen lieferte
unser Beobachter noch im Jahre 1869 (130) , wo er eine Form mit sehr
interessanter Cystenbildung beschrieb und sich auch mit Spondylomorum
näher beschäftigte, dem er in sehr irriger Weise nähere Beziehungen zu
Euglena und Pandorina zuschrieb. Sehr gut studirte Carter 1856 die
Peranema trichophorum (seine Astasia limpida), deren Schlund, Kern und
contractile Vacuole er wohl erkannte. Nach diesen Befunden beurtheilte
er denn diese Form als ein entschieden thierisches Infusor. Auf ver-
schiedene neuo Formen, mit welchen Carter im Laufe seiner Untersuchungen
I
Geschichte. (345
die Zahl der Flagellaten bcreicbeite, ist hier nicht der Ort näher ein-
zugehen.
Auch Fresenius war noch weiterhin auf unsrem Gebiet thätig, in-
dem er 1858 (102) einige Formen, worunter sehr wahrscheinlich die
also von ihm zuerst gesehene Gattung Spongomonas, studirte und später
1865 (110) noch die interessante marine Gattung Oxyrrhis wiederfand,
welche auch Cohn (122) ein Jahr später beschrieb.
Die bekannten Infusorienforscher Claparede und Lacbmann
wendeten in ihrem grossen Werk (1858—61, 104) nur vorübergehend
ihre Aufmerksamkeit den Flagellaten zu, doch überzeugten sie sich von
der Nahrungsaufnahme gewisser Formen und sahen den Schlund bei
Peranema.
Ganz besondere Verdienste erwarb sich der schon früher erwähnte
Cienkowsky um die Erforschung der Lebens- und Fortpflanzungs-
geschichte einer Reihe einfacherer Flagellatenformen. Er eröffnete seine
Untersuchungen im Jahre 1856 (95) mit Studien über eine sehr inter-
essante Form, welche er später Monas Amyli nannte (die ich jedoch für
wahrscheinlich identisch mit dem Bodo angustatus Duj. sp. |= Bodo gra-
cilis St.J halte). Cienkowsky sah diese Form unter so eigenthümlichen
Verhältnissen sich entwickeln, dass er zu der Ansicht gelangte, sie ent-
stehe durch generatio primaria aus den Stärkekörnern der Kartoffelzellen.
Noch in demselben Jahr beschäftigte sich auch Regel (106) mit diesem
Gegenstand, ohne jedoch wesentlich weiter zu kommen, indem auch er
noch daran festhielt, dass unsre Flagellate direct durch Umwandlung der
Stärkekörner ihren Ursprung nähme. Erst 1859 (107) gelang es Cien-
kowsky, die Irrigkeit seiner ursprünglichen Ansicht zu erweisen, und die
Lebens- und Fortpflanzungsgeschichte des Bodo angustatus damit sicher
festzustellen; endlich führte er im Jahre 1865 (115) diese Untersuchung
noch weiter aus und berichtete gleichzeitig über die Lebens- und Fort-
pflanzungsgeschichte einiger weiterer Formen. Darunter erregte nament-
lich eine grösseres Interesse, die C. jetzt zu einer besondern Gattung
Pseudospora erhob und welche er schon früher 1858 (103) und 59 (107)
eingehender studirt hatte. Dieselbe dringt in die Zellen verschiedener
Fadenalgen ein und lebt hier parasitisch. Schon früher hatten sie ver-
schiedene Beobachter parasitirend in Algen beobachtet, so Pringsheim
1852, Carter 1856 (99), Cohn 1856 (92) und gewöhnlich irrthümlich
als eine Art Schwärmsporenbildung (sogen. Pseudogonidien Pringsheim's)
beschrieben. Cienkowsky schilderte gleichzeitig noch zwei ähnliche para-
sitirende Formen seines Geschlechtes Pseudospora. Eine derselben
hatte schon früher Hicks (1862, 111) in ihrem amöbenartigen Zustand im
Volvox aufgefunden , jedoch ihre parasitische Natur nicht erkannt. Be-
sonders eingehend stellte C. 1865 noch die Lebens- und Fortpflanzungs-
geschichte des Bodo caudatus Duj. sp. (seiner Colpodella pugnax) dar
und theilte gleichzeitig noch Erfahrungen über mehrere andere Formen
mit. Als Resultat dieser Untersuchungen ergab sich, dass die erwähnten
046 Flagellata.
Flagellateu häufig iu einen geissellosen amöboiden Zustand übergeben,
dass sie z. Tb. in diesem Zustand copulirend verscbmelzeu können und
zweierlei rubende Zustände zu bilden im Stande sind; einen sogen. Zell-
zustand, der zur Vermebrung der Art durcb Inbaltstheihmg fübrt und
einen sogen. Cystenzustand (Dauerzustand), der zu einer längeren Ruhe
bestimmt scheint. Cienkowsky zog weiterhin aus seinen Untersuchungen
den Schluss, dass seine Monadinen, zu welchen er jedoch auch gewisse
Heliozoen (wie Vampyrella und Nuclearia) rechnete, tbierischer Natur
seien und da sie einerseits zu den Myxomyceten, andrerseits zu den Rhizo-
poden hinneigten, den Uebergang zwischen den beiden Reichen ver-
mittelten.
Im Jahre 1870 konnte er unser Wissen von den Flagellaten durch
die genaue Schilderung einer zuerst von Fresenius entdeckten Form der
Spongomonadinen, der Gattung Spongomonas (Phalansterium Cienk.pr.p.)
ansehnlich erweitern. Sehr wichtig war weiterhin die gleichzeitig gegebene
genaue Schilderung der Monas guttula Ehrbg. (seine Spumella vulgaris),
deren Nahrungsaufnahme und Encystirung er vorzüglich darstellte; einen
ähnlichen Encystirungsprocess entdeckte er auch bei der neubeschriebnen
Gattung Chromulina.
Im Jahre 1876 (159) berichtete Cienkowsky noch über eine jener
interessanten Mittelformen zwischen Sarkodinen und Flagellaten, wodurch
seine soeben mitgetheilte Ansicht über die nahen verwandtschaftlichen Be-
ziehungen dieser Abtbeilungen eine erneute Bestätigung erhielt. Die
Kenntniss dieser für die Beziehung der beiden Protozoengruppen so wich-
tigen Mittelformen war jedoch schon durch frühere Untersuchungen an-
gebahnt worden. Schon Dujardin hatte auf die amöboiden Gestalts-
änderungen gewisser Monadinen hingewiesen. Eine mit einer Geissei
ausgerüstete Amöbe hatte Carter 1864 (117a) beschrieben; eine sehr ähn-
liche schilderte dann F. E. Schulze im Jahre 1875 (149) näher, und schon
18&9 (129) hatte auch Tätern auf die Existenz derartiger Formen auf-
merksam gemacht, suchte sie jedoch in den Entwicklungskreis der ge-
wöhnlichen Amöben zu ziehen. Eine der Cienkowsky'schen sehr ähn-
liche, wenn nicht damit identische Form hatte derselbe englische Forscher
schon 1872 (140) beobachtet, doch für einen Schwärmzustand der Actino-
phrys gebalten. Beiträge zur weiteren Kenntniss dieser Rhizomastigoda
finden wir weiterhin in den Arbeiten von Frommentel (1874), Bütschli
(1878), Stein (1878), S. Kent (1880) und Gruber (1881).
Einige vorzügliche Beiträge zur genaueren Kenntniss gewisser Fla-
gellatenformen verdanken wir dem amerikanischen Forscher James-Clark,
dessen im Jahre 1867 (125) erschienene wichtige Arbeit zwar ihren
Schwerpunkt in der Schilderung der Choanoflagellata findet. Doch unter-
suchte er auch einige Flagellaten sehr genau, so die Gattungen Oiko-
monas, Anthophysa, Peranema und Anisonema, zu welchen er noch die
zwei neuen, sehr interessanten Gattungen Bicosocea und Codonoeca, so-
wie die in ihrer Stellung etwas unsichere, jedoch höchst interessante
Gebchichtc. (347
Heteromastix hinziifilgeu konnte. Die Untersuchiing-en von James Clark
gehören zu den besten, welche auf diesem Gebiet ausgeführt worden sind,
und die in späterer Zeit zu erneuter Thätigkeit erwachte Flagellaten-
forschung verdankt jedenfalls im erheblichen Maasse seinen Arbeiten ihre
Anregung.
Auch der bekannte Protozoenforscher Archer beschäftigte sich ge-
legentlich mit einigen Flagellaten, so verdanken wir ihm Beiträge zur
Kenntniss der Gattungen Anthophysa (120), Anisonema (1872, 141), einer
chlamydomonasähnlichen Form (1872, 142), Vacuolaria (1880) und Trachelo-
monas (1880).
Vor dem grossen Stein'schen Flagellatenwerk wurden, wie schon er-
wähnt, kaum Versuche einer umfassenderen Behandlung unsrer Gruppe
gemacht; dennoch dürfen wir hier zwei derartige Unternehmen nicht über-
gehen, welche aber beide wenig erfolgreich waren. Im Jahre 1866
suchte Diesing in seiner Revision der Prothelminthen auch das Sj^stem
der Flagellaten zusammenzufassen und zu revidiren. Da jedoch eigene
Anschauung der Formen dem Verfasser sonder Zweifel ganz abging, so
erhob sich seine Arbeit nicht über den Werth einer Compilation von zum
Theil sehr geringem Verständniss. Im Jahre 1874 schilderte Frommentel
in seiner ausgedehnten Arbeit über die „Microzoaires" auch die zahl-
reichen von ihm beobachteten Flagellaten ; doch sind seine Untersuchungen
und Darstellungen so wenig auf der Höhe seiner Zeit, dass wir hier auf
eine genauere Erörterung derselben verzichten dürfen. Wenn er auch
einiges Neue sah, so kann doch seine Arbeit nicht als eine Förderung
unsres Gegenstands bezeichnet werden.
Noch in die Zeit vor Stein fallen im wesentlichen auch die bemerkens-
werthen Arbeiten zweier englischer Mikroskopiker Dallinger und
Drysdale (1873—1875, 1878 u. 1880). Dieselben hatten sich die Auf-
gabe gestellt, die Lebensgeschichte einiger Flagellaten fauliger Infusionen
möglichst genau zu erforschen. Obwohl die erzielten Resultate nicht mehr
in unsern historischen Bericht gehören, scheint es doch ratbsam, an dieser
Stelle gleich einige Bemerkungen über den Charakter ihrer Arbeiten bei-
zufügen. Die von ihnen gegebnen Lebens- und Fortpflanzungsgeschichten
zeichnen sich durch grosse Vollständigkeit und Bestimmtheit der Dar-
stellung aus. Die gefundenen Fortpflanzungserscheinungen lassen sich im
Allgemeinen denen anreihen, welche schon Cienkowsky früher kennen
lehrte. Bei gewissen Formen gehen jedoch unsre Forscher bis zur An-
nahme so kleiner Keime oder Sporen, dass die heutigen optischen Hülfs-
mittel zu deren Wahrnehmung nicht mehr ausreichen.
Da nun aber mancherlei in ihren Darstellungen sich auf Grund ander-
weitiger Erfahrungen als positiv unrichtig nachweisen lässt, wie wir später
sehen werden , und andrerseits auch die beiden englischen Forscher in
der Deutung mancher Organisationsverhältnisse der untersuchten Formen
eine merkwürdige Unkenntniss verrathen, sowie es verschmäht haben, die
Arbeiten andrer Beobachter auf diesem Gebiet auch nur im Geringsten zu
648 Flagellata.
berücksicbtigeu, so scheint es geboten, manche der so positiven Angaben
unsrer beiden Forscher zunächst mit einer gewissen Reserve zu betrach-
ten, bis eine genauere Nachuntersuchung ihre Berechtigung aufge-
klärt hat.
Unter den biologischen Erfahrungen unsrer Forscher sind namentlich
diejenigen über die Widerstandsfähigkeit der Keime gegen die Wirkung
erhöhter Temperatur von besondrem Interesse, worüber Dallinger im Jahre
1880 noch eine besondre, eingehende Arbeit verötfentlichte, deren Resultate
mir jedoch aus den schon oben namhaft gemachten Gründen einer Con-
trole bedürftig erscheinen.
Um unsre Uebersicbt der vorstein'schen Epoche der Flagellatenfor-
schung zu vervollständigen, wäre hier noch nachzutragen, dass Häckel im
Jahre 1870 einen eigenthümlichen marinen Organismus, die sogen. Mago-
sphaera entdeckte*), der er nahe Beziebungen zu den Volvocineen zuschrieb,
obgleich er es vorzog, eine besondre Gruppe der Catallacten seiner Pro-
tisten zur Aufnahme dieser Form zu errichten. Dieser in seiner Stellung
bis jetzt noch zweifelhafte Organismus gab dann später mehrfach Veran-
lassung, echte und sichere Flagellaten, wie die Gattungen Synura und
Uroglena zu dieser Gruppe hinzuziehen zu wollen, namentlich suchte
dies Grimm 1872 und 73 durchzuführen, indem er einen der Mago-
sphaera ähnlichen Entwicklungsgang auch hei diesen beiden Gattungen
nachweisen wollte.
Kurz vor das Erscheinen der Stein'schen Flagellaten fällt eine Arbeit
Bütschli's über eine Reihe hierhergehöriger Formen (1878, 171). Das
Bedürfniss nach einem genaueren Verständniss der Organisation unsrer
Gruppe hatte diese Arbeit, welche noch weiter ausgedehnt werden sollte,
hervorgerufen. Sie sucht daher auch wesentlich die Bauverhältnisse der
studirten Formen genauer zu ermitteln.
Ende des Jahres 1878 publicirte Stein den 1. Band seines umfassen-
den Flagellaten Werkes, an dem er mehrere Jahre andauernd gearbeitet
hatte. Leider liegt auch bis heute nur dieser 1. Band vor, der die äusserst
eingehende geschichtliche Einleitung (jedoch ebenfalls nur deren erste Hälfte
etwa) und die Tafeln brachte. Aus diesen und den zahlreichen in die
historische Besprechung eingestreuten Bemerkungen ergibt sich jedoch
auch schon Vieles über des Verfassers Ansichten. Das Werk wird wegen
des Reichthums der geschilderten und vorzüglich illustrirten Formen, wie
wegen der anerkannten Genauigkeit der Stein'schen Untersuchungen stets
als ein grundlegendes bezeichnet werden müssen. Wir dürfen daher wohl
mit Recht eine neue Epoche der Flagellatenforschung mit seinem Erscheinen
beginnen lassen, eine Epoche, deren weitere Entwicklung erst die Zukunft
bringen soll. Der reiche Inhalt des Stein'schen Werkes wird später-
hin seine Darstellung finden; hier wollen wir nur weniges über den Um-
*) Jenaische Zeitschr. f. Med. ii. Nat. VI. 1871.
(icbcliiclitc. 649
fang, welchen Stein seinen Flngellaten gibt, bemerken. Für Stein gelten
alle diejenigen Formen als thieriscbe Flagellaten, die mit dem Besitz von
Geissein das Vorbandensein eines Kernes und contractiler Vacuolen ver-
binden. Daher sind ihm auch alle Volvocineen, welche, wie früher ge-
zeigt wurde, die Botaniker seit längerer Zeit für sich beanspruchten, echt
thieriscbe Formen. Die Gegenwart dieser beiden Organisationsbestand-
theile glaubt er als entscheidende Kriterien der thieriscben Natur, gegen-
über den nächststehenden einzelligen Pflanzen und den Schwärmsporen
der Algen, auffassen zu dürfen. Dabei hatte er übersehen, dass gerade
bei den Schwärmsporen gewisser Algen contractile Vacuole wie Kern
schon früher beobachtet worden waren, womit diese künstliche Grenze der
beiden organischen Reihen eigentlich hinfällig war, bevor sie aufgestellt
wurde. Auf diesen schwachen Punkt der Stein'schen Flagellatenbegren-
zuug wiesen dann auch schon 1879 Maupas (175) und G. Entz hin.
In der kurzen Zeit, welche seit dem Erscheinen des 1. Bandes der
Stein'schen Flagellaten verflossen ist, sind nichtsdestoweniger einige
wichtige Arbeiten über unsre Gruppe publicirt worden. Meresch-
kowsky studirte 1879 (174) eine Reihe Formen des nördlichen Russ-
lands und im Jahre 1880 begann S. Kent die Publication seines umfang-
reichen Werkes „A manual of infusoria". Dasselbe stellte sich die Auf-
gabe, eine umfassende Darstellung sämmtlicher beschriebner Mastigophoren
und Infusorien zu geben. Obgleich daher vielfach nur Compilation, hat
der Verfasser doch seit einer Reihe von Jahren die Flagellaten auch
selbst studirt und daher umschliesst seine Arbeit auch eine reiche Fülle
eigner Studien und Beobachtungen.
Da dieselben im speciellen Theil zur Betrachtung gelangen müssen,
so sei hier nur unser Urtheil über die Gesammtbedeutung des Werkes
hervorgehoben. Kent's werthvolle Bestrebungen werden leider z. Th.
etwas beeinträchtigt durch einen Mangel an Kritik der zu verwerthenden
Arbeiten. Dieser Mangel an kritischer Beurtheilung seiner Vorgänger
lässt der Vermuthung Raum, dass er auch z. Th. gegen seine eignen
Untersuchungen nicht so kritisch vorgegangen ist, wie wünschenswerth
gewesen wäre.
Der neuesten Zeit gehören einige Arbeiten von J. Künstler an (190
— 92), dessen Untersuchungen über einige Flagellaten ihn zu Vorstellungen
über die Bauweise derselben führten, die von denen der übrigen Forscher
sehr abweichen. Nach Künstler's Untersuchungen, deren Hauptergebnisse
späterer Darstellung vorbehalten bleiben müssen, wäre die Organisation
unsrer Wesen bei weitem nicht so einfach, wie sie seither gefunden
wurde; auch Aväre es hiernach nicht wohl möglich, den Bau derselben
auf das Schema einer einfachen Zelle zurückzuführen, wie dies seit langer
Zeit gerade für die Flagellaten erwiesen und festgehalten worden ist.
Eine zusammenfassende Uebersicht über die Fortpflanzungs- und
Entwicklungserscheinungen der Mastigophoren überhaupt veröffentlichte
650 Flagellata.
e^
neuerdings Balbiani (199). G. Klebs (206) erforschte die umfangreiche
Gruppe der Eugleninen sehr eingehend und seine Untersuchungen werden
uns daher im Folgenden vielfach beschäftigen*).
Unsre heutigen Kenntnisse der Gruppe der Flagellaten sind, wie aus
der leider sehr angeschwollnen historischen Uebersicht hervorgeht, ziem-
lich umfangreiche geworden ; dennoch lassen noch sehr zahlreiche Orga-
nisations- und namentlich Fortpflanzungsverhältnisse eine genauere Auf-
klärung dringend wünschen. Dies ist um so mehr der Fall, da die Ab-
theilung der Flagellaten und die gesammte Klasse der Mastigophora
überhaupt, hinsichtlich der nahen Beziehungen zwischen den beiden orga-
nischen Reihen, wie rücksichtlich der Verwandtschaftsverhältnisse der
Protozoenklassen unter einander, ohne Zweifel eine ganz besondere Be-
deutung besitzen.
2. Literatur**).
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9. Spallanzani, L., Opuscules physiologiques anim. et vegct., tr. de l'ital. p. J. Senebier
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10. Eichhorn, J. C, Beiträge zur Naturgesch. der kleinst. Wasserthiere. Berlin und Stettin
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Eecherches chimiques et microscopiques s. les Conferves , Bisses, Tremelles etc.
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*) Da die wichtige Arbeit von Klelis erst erschien , als die grössere Hälfte des Manu-
scriptes schon niedergeschrieben war, so habe ich Manches nicht so eingreifend zu ändern
versucht, als dies wohl geschehen, wenn mir diese Arbeit zuvor bekannt gewesen wäre. Hierzu
bestimmte mich weiterhin noch der Umstand, dass ich durch eigene, aus dem Jahre 1877
datirende Beobaclitungen , sowie durch üeberlegungen in manchen Punkten selbstständig zu
mit den seinigen übereinstimmenden Ansichten gelangt war.
**) Einschliesslich der über die Craspedomonadina. (Die Werke, welche auch diese
behandeln , sind mit * bezeichnet.) Ueber weitere ältere Literatur bis auf Ehrenberg siehe
bei diesem Nr. 32.
Literatur. 651
14. Schrank, Fr. Paula von, Fauna boica Bd. lll. Isoy. p. 7().
15. Tiirpin, P. J. F., Aperru organograpliique sur le iiombrc ücux. Mein, du Mus. XVI.
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u. W. Asien, in: Abh. der Berliner Aliademie a. d. J. 1829. p. 1—20.
17. Neue Beobachtungen über blutartige Erscheinungen in Aegypten, Arabien und
Sibirien etc. Poggendorfl's Annalen Bd. 94. 18,H0. p. 477—514.
IS. Beitrag zur Kenntn. der Infusorien u. ihrer geogr. Verbreit., besonders in Sibirien.
Abh. d. Berl. Akad. a. d. J. ISSO.p. 1— 8'>. 8 Tfln.
19. Ueber die Entwiclil. u. die Lebensdauer d. Infusionsthierc etc. Abli. d. Berl. Akad.
a. d. J. 1831. p. 1—154. 4 Tfln.
20. . Dritter Beitrag zur Erkcnntniss grosser Organisation in der Eichtung des kleinsten
Kaumes. Abh. d. Berl. Akad. a. d. J. 1833. p. 145-336. 11 Tf.
21. Zusätze zur Erkenntn. grosser organ. Ausbildung in den kleinsten thier. Organis-
men. Abh. d. Berl. Akad. a. d. J. 1835. p. 151—180. 1 Tf.
22. Donne, A., Rech, microsc. sur la nature du mucus, Paris 1837 (Trichomonas).
(Auch: Cours de microscopie. Paris 1844. p. 157 — 61. fig. 33.)
23. Dujardin, F., Obserrations s. les rhizopodes et les infusoires. Compt. rend. Ac. sc.
Paris 1835. p. 338—40.
24. ßech. s. 1. organism. inf. Ann. sc. nat. 2. s6r. Zoologie (l — III). Tome 4. 1835.
p. 343—377. Tf. 9—11 und IV. Tome V. 1S3G. p. 193—205. Tf. 9.
25. Note s. les infusoires. Compt. rendus Ac. sc. T. 2. 1836, p. 104 — 107.
26. Sur les infus, munis d'un double filament locomoteur. Ann. sc. nat. 2. ser. Zool. T. 8.
1837. p. 305—9.
27. Sur le Volvox vegetant de Müller. (Antophysa Bory). Ann. sc. nat. (2) T. 10.
p. 13—16. Tf. 1, fig. 6.
28. - Sur les Monades ä filament multiple ibid. T. 10. 1838. p. 17—20.
29. Memoire sur l'organisation des infusoires. Ann. sc. nat (2). Zool. T. 8. p. 230 —
315. pl. 14—15.
30. Sur les infusoires proprem, dits. Ann. franc;.. et etraug. d'Anat. T. 3. 1839.
31." M6m. sur une Classification des infusoires etc. Compt. rend. Acad. sc. Paris T. 11.
1840. p. 281—286.
32. * Ehrenberg, Chr. G,, Die Infusionsthiere als voUkommne Organismen. Berlin und
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33. Dnnal, F., Sur les Alges qui colorent en rouge certaines eaux des marais salans medi-
terraneens. Ann. des sc. nat. II. s6r. Botanique. T. IX. p. 172 — 175. 1838 (Haemato-
coccus).
34. Joly, N. , Histoire d'un iictit crustace (Artemia salina Leach.), amiuel on a faussem.
attrib. la colorat. en rouge des marais etc. Ann. des sc. nat. Zoologie (2). T. XIII 1840.
p. 225 — 90. pl. 7 — 8 (Haematococcus).
35. Meyen, J., Noch einige Mittheilungen über rothen und grünen Schnee. Arch. f. Natur-
geschichte 1840. 1. p. 166—71 (Euglena).
36. Ehrenberg, Ch. G., Beobachtungen von 274 Infusorienarten. Monatsber. d. Berl.
Akad. 1840. p. 1*)7— 219.
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38. Werneek, Untersuchungen über mikroskop. Organismen in der Umgebung von Salzburg
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39. Dujardin, F., Histoire naturelle des Zoophytes Infusoires, Paris 1841.
40. Morren, Aug. et Charl., Kecherch. phys. sur les Hydrophytes de Belgi(iue. 3. Mem.
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p. 104—107. Tf. 1. B.
652 FlagcUata.
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50. riotow, J. V., üeher Haematococcus pluvialis. Nova Act. Ac. C. L. C. N. C. Vol. XX.
P. n. 1844. p. 413—606. Tf. 24-26.
51. Eichwald, v.. Zur Infusorienkunde Russlands. Bullet, soc. imp. des natur. de Moscou.
T. XVII. 1844 p. 480—635 u. p. 702-706.
52. Erster Nachtrag zur Infusorienkunde Russlands. Bullet, soc. natur. de Moscou.
T. XX. 1847. p. 285—366. Tf. VHI— IX.
53. Zweiter Nachtrag. Ibid. T. XXII. 1849. p. 400—548. Tf.
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51. p. 100; Amer. philos. soc. Transact. X. 1853. p. 241— 44; Proc. Ac. Philadelph. VIII.
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60. Perty, M. , Die Bewegung durch schwingende mikroskopische Organe im Thier- und
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Brunn, Klassen des Tliier-lfeii"lis. Protnzoa. 42
658 Flagellata.
:1. Kurzer l'eberbliek der all«*emeiiieii Morphologie des Flagellateiikörpers
sowie der luteroruppeii der Abtheil uiig'.
Der Besitz besondrer Locomotionsorgane, der Geisselii, weichein
einfacher oder mehrfacher Zahl vorhanden, sich schon zur Erzieliing eines
Bewegungseffectes in oder um einen gewissen Körperpunkt gruppiren
müssen, bewirkt im Allgemeinen eine einaxige Körpergestalt. Es tritt
denn auch fast stets eine deutliche Hauptaxe hervor. Bei nicht wenigen
Formen ist die reguläre Monaxonie, abgesehen von untergeordneten Ab-
weichungen in der Lagerung innerer Theile, streng durchgeführt.
Ebenso häutig oder vielleicht noch häufiger geht die Körpergestalt
jedoch in eine zweistrahlige über, wesentlich bedingt durch die Anord-
nungsverhältnisse der dann in mehrfacher Zahl vorhandenen Geissein. —
Nicht selten leitet aber die monaxone Gestalt auch direet in eine mehi
oder weniger deutlich bilateral symmetrische über, sei es nun, dass die-
selbe sich nur in der Anordnung gewisser Organisationsbestandtheile, wie
namentlich des Mundes und Schlundes ausspricht, oder durch verschieden-
artige Ausbildung der in mehrfacher Zahl vorhandnen Geissein bedingt
wird, oder sei es, dass die Gesammtgestalt des Körpers eine deutliche
Bilateralität verräth.
Wie bei den Ciliaten so allgemein finden wir jedoch auch bei
den Flagellaten nicht selten eine asymmetrische Modification der im
Allgemeinen bilateralen Gestaltung, indem sich wichtige Organisations-
bestandtheile aus der Mittelebene verschieben oder überhaupt eine asym-
metrische Lagerung einnehmen, welcher auch die Gesammtgestalt des
Körpers zuweilen bis zu gewissem Grade folgen kann. Die Beurthei-
hing aller dieser Gestaltungserscheinungen ist jedoch auch hier eine
etwas schwankende, da sie von dem Werthe abhängig erscheint, welchen
man einem oder dem andern Körpcrtheil bei der Bestimmung der Grund-
gestalt beilegt.
Bei zahlreichen Formen ist aber die Körpergestalt überhaupt nicht
beständig, wenn auch eine Grundform gewahrt bleibt, indem viele einer
activen Veränderlichkeit derselben fähig sind, sei es durch amöboide
Beweglichkeit, sei es durch Contractionsvorgänge des Plasmaleibes, die
sich im Allgemeinen denen der Gregariniden am meisten nähern.
Bestimmend auf die äussere Gestalt zahlreicher Flagellaten wirkt
die Ausbildung einer schalenartigen Hülle, die wir auch hier als einer
Zellhaut entsprechend betrachten und den Schalenbildungen einfacher
Rhizopoden vergleichen. Wie meist bei diesen besteht die Schale auch
hier stets aus organischer Substanz und verräth den monaxonen
Typus fast immer aufs deutlichste (selbst bei solchen Formen, welche
eine Hinneigung zur Bilateralität oder Asymmetrie zeigen). Im Allgemeinen
müssen wir hier noch hervorheben, dass die Schalenbildungen ohne
Zweifel in verschiednen Gruppen der Flagellaten selbstständig ent-
standen sind.
Allgem. Morpliologie (Rhizomastigina). 659
Bei dem aiTgeablicklichen Stande iinsrer Kenntnisse liat die Sonde-
rung- der zahlieichen Flagellaten in eine Anzahl von Gruppen noch mit
grossen Schwierigkeiten zu kämpfen. Indem die speciellerc Begründung
unsrer Ansicht über diesen Punkt auf den systematischen Theil ver-
schoben werden muss, möge hier nur bemerkt werden, dass im Allge-
meinen die Ausbildungsverhältnisse des Geisseiapparates von besondrer
Wichtigkeit erscheinen, wenn auch nicht allein maassgebeud, und dass
wir hiernach die Flagellaten einstweilen in vier Untergruppen zerlegen,
unbeschadet natürlich einer Anzahl zweifelhafter Formen, deren Einreihung
ohne eine gewisse Willkür nicht auszuführen ist. Wir unterscheiden daher:
1) Monadina. Formen von sehr einfachem Bau und geringer
Grösse, entweder nur im Besitz einer einzigen Geissei oder daneben noch
1 — 2 kleine unansehnliche. Besondre Mundstelle entweder fehlend oder
doch in sehr einfacher Weise gebildet und nicht in einen wohlentwickelten
Schlund fortgesetzt.
2) Euglenoidina. Höher entwickelte Formen von meist ansehn-
licherer Grösse und fast stets nur mit einer ansehnlichen Geissei, neben
der selten noch eine zweite kleinere oder eine der ursprünglichen gleiche
zur Ausbildung gelangt. Eine sogen. Mundöflfnung an der Geisseibasis
stets vorhanden, welche sich gewöhnlich in ein deutliches Schlundrohr fort-
setzt, das jedoch keineswegs immer zur Aufnahme fester Nahrung dient.
3) Is 0 mas tigoda. Mit zwei, seltener vier bis fünf an dem einen
Körperende entspringenden Geissein von fast stets gleicher Beschaffenheit.
Besondere Mundstelle im Ganzen selten ausgebildet, zuweilen jedoch mit
Schlund versehen. Ernährung überhaupt sehr gewöhnlich in vegetabili-
scher Weise.
4) Heteromastigoda. Kleine Gruppe mit zwei am Vorderende
entspringenden meist ansehnlichen Geissein von ähnlicher oder ungleicher
Grösse und sehr verschiedenem Verhalten, indem die eine stets nach vorn
gerichtet ist, wogegen die andere, nach hinten gerichtete, nachgeschleppt
wird. Mundstelle stets vorhanden und zuweilen in einen ansehnlichen
Schlund fortgesetzt.
i, Speeielle Schildeniii»' der fiestiiltuiio'sverhältnisse und der Morpho-
lo«'ie der fileisselbewalfiiuiig'.
In der Abtheihing der Monadina, welche nur verhältnissmässig kleine
Formen umschliesst, schwankt die Gestalt vom Monaxonen bis Bilateralen.
Zunächst begegnen wir hier einer Familie, welche wegen der rhizopoden-
ähnlichen Gestaltsveränderlichkeit ihrer Angehörigen wohl den Namen
Rhizomastigina führen kann. Die hierhergehörigen Formen senden
theils (Mastigamoeba T. 39, Figg. 9, 10) in amöbenartiger Weise aus
der gesammten Oberfläche ihres Körpers fingerförmige unverästelte bis
mehr oder weniger verästelte Pseudopodien aus, theils nähern sie sich in
\hrer Pseudopodienentwicklung den einfacheren Heliozoen (wie Nuclearia
42*
660 Flagellata.
imd Actiuophrys). Im letzteren Fall entwickeln sie deuinacb allseitig feine
strahlenartige Pseudopodien (Cilioplnys, Diniorpha, Actinomonas, T. 39,
Figg. 7b, 8). Die einfache, selten doppelte (Diniorpha) Geissei, welche
die fraglichen Formen zum grösseren Theil dauernd neben den Pseudo-
podien aufweisen, entspringt, wenn der Körper für gewöhnlich eine
Längsstreckung zeigt, am einen Körperpol (39, 7). Der amöboide Gestalts-
wechsel letzterer Formen führt es jedoch mit sich, dass die ürsprnngs-
stelle der Geissei während dieses Wechsels zuweilen gewisse Ver-
schiebungen erleidet. Bei denjenigen Formen (wie Diniorpha, Actino-
monas), deren Körpergestalt, bei voller Entwicklung der Pseudopodien,
eine heliozoenartig kuglige ist, ist die Ursprungsstelle der Geissei nicht
besonders gekennzeichnet, doch besitzt Diniorpha die Eigenthümlichkeit,
dass ihre beiden Geissein im heliozoenartigen Zustand des Organismus
auf der Unterseite, d. h. der, mit welcher derselbe aufruht, befestigt, und
daher schwer zu bemerken sind.
Unsere Wesen zeigen jedoch z. Th, noch eine Gestaltsveränderung
in anderer Eichtang. So gehen Mastigamoeba und Dimoipha aus dem
sarkodinenartigen Zustand häutig sehr rasch völlig oder nahezu völlig in
einen Flagellatenzustand über, indem die Pseudopodien nahezu (Mastig-
amoeba T. 39, 10 b) oder gänzlich (Dimorpha) eingezogen werden und
die Gesammtgestalt entschieden länglich einaxig wird. Die Geissein
treten dann stets ans Vorderende, und der Organismus bewegt sich
schwimmend mit ihnen vorwärts, wie eine typische Flagellate. Ein solcher
Geslaltswechsel ist auch bei dem mit Dimorpha nächstverwandten Cilio-
phrys häufig zu beobachten , jedoch geben hier die übereinstimmenden
Beobachtungen Cienkowsky's und ßütschli's an, dass die Geissei des
flagellatenartigen Zustandes bei dem Uebergang in den heliozoenartigen
schwindet und neu entsteht, wenn der Organismus sich wieder zu einem
flagellatenartigen umgestaltet (T. 39, 7).
Auch bei den sich hier zunächst anreihenden Monadin n, speciell der
Gattung Cercomonas (T. 39, Fig. 11) beobachten wir noch deutlich
die Befähigung zu amöboider Gestaltsänderung, wenn auch nicht mehr so
entwickelt und mehr localisirt. Die charakteristische morphologische Aus-
zeichnung dieser monaxonen Gattung besteht in dem Besitz eines hinteren,
ansehnlichen sehwanzartigen Körperfortsatzes, der etwa eine Mittelstufe
zwischen einem Pseudopodium und einer Geissei einnimmt, während das
Vorderende eine einfache Geissei aufweist. Sowohl die Gesammtgestalt
der bierhergehörigen Formen kann bis zu gewissem Grade in amöboider
Weise veränderlich sein, wie auch namentlich das Hinterende zuweilen
der Sitz wirklicher Pseudopodienentwicklung ist, in welche dann der
Schwanzfortsatz hereingezogen wird.
Bei einer Reihe verwandter, ovaler bis stabförmig- gestreckter ein-
geisscliger Formen tritt eine amöboide Beweglichkeit wenigstens im ge-
wöhnlichen Zustand nicht auffallend hervor.
Allgeiii. Mor2Jlioloj;,ie (Moiiadiiia). 0(31
Um iiiclit später uocliinals auf die amöboide Gestaltsveränderliclikcit zahlreicher cuticula-
loscr FlagcHatcii zurückkommen zu müssen, reihen wir hier gleich einige Bemerkungen
iibcr die weitere Verbreitung dieser Erscheinung an. Eecht häufig wird dieselbe bei ver-
schicdnen Angehörigen der MonadinengruiDpe wahrgenommen; so nicht selten bei Vertretern
der Gattung Oikomonas (Stein und Kent), bei Monas, wo sich gelegentlich stumpfe Pseudo-
podien an selir verschiednen Körperstellen erheben (Stein und Bütschli). Isolirte Individuen
der zu der Familie der Dendromonadinen gehörigen Anthophysa sah Stein zuweilen zahlreiche
sehr fein zugespitzte und ziemlich lange Pseudopodien aussenden, wogegen Kent bei dem
nächst verwandten Cephalothamnium gelegentlich stumpf fingerförmige Pseudopodien die ge-
sauimte Körperoberfläche geisselloser Individuen bedecken sah. (Doch scheint mir letztere
Beobachtung etwas unsicher.)
Dass auch unter den Isomastigoda die amöboide Beweglichkeit nicht völlig fehlt, erweist
die Entwicklung verästelter spitziger Pseudopodien bei der sogen. Pseudospora volvocis. Bei
den meisten hierhergehörigen Formen tritt eine Schalenhülle der Aeusserung der amöboiden
Beweglichkeit hindernd entgegen, doch verräth sich die erhaltene Fähigkeit zu solcher zu-
weilen noch , wie bei Haematococcus und Stephanosphaera durch Hervorbildung von Pseudo-
podien unter der Hülle.
Ebensowenig fehlt diese Befähigung den kleinen Formen der Heteromastigoda und findet
sich bei manchen Angehörigen der Gattung Bodo sogar sehr entwickelt. Wir werden später,
bei der Besprechung der Nahrungsaufnahme und der Fortpflanzung hierauf noch specieller
einzugehen haben, wobei auch über die amöboiden Erscheinungen mancher Formen der übrigen
Gruppen noch genaueres zu berichten sein wird.
Eine gewisse Weiterentwicklung der primitiven , etwa ovalen Gestal-
tung tritt uns bei einigen Arten der Gattung Oikomonas S. K. klar
entgegen, indem sich hier auf der einen Seite der Geisseibasis ein lippen-
artiger Fortsatz mehr oder minder deutlich erhebt, der zur Nahrungsauf-
nahme dient (T. 40, Fig. 2). Noch schärfer hat sich diese Bilateralität
in der Familie der ßikoecidae entwickelt, deren Angehörige an Stelle
des bei Oikomonas wenig hervortretenden Fortsatzes einen ziemlich an-
sehnlichen und etwas schief von dem Vorderende aufsteigenden seitlich
gerückten Fortsatz aufweisen, der von Stein als Peristom bezeichnet wird.
Dieser auch hier bei der Nahrungsaufnahme ohne Zweifel betheiligte Fort-
satz ist bald mehr zungenförmig bis lippenartig (Bicosocea T. 40, Fig. 11),
bald (so bei Poteriodendron, T. 40, Fig. 10) scheint er sogar eine etwas
trichterförmige Beschaffenheit zu zeigen, welche Stein veranlasst, ihn einem
Kragen zu vergleichen. Im Zusammenhang mit der ansehnlichen Geissei*),
welche etwa an der Basis dieses Fortsatzes entspringt, wird demnach die
Gestalt unsrer Wesen ausgeprägt bilateral symmetrisch und auch die
Mundstelle, welche, nach Clark's, meinen und Stein's Erfahrungen, im
Grunde zwischen der Geisseibasis und dem sogen. Peristomfortsatz liegt,
fällt in die Mittelebene herein. Mit Stein können wir daher hier von
einer Bauchseite, welche durch den Peristomfortsatz und einer Rückseite,
welche durch die Geissei bezeichnet wird, reden.
Eine ziemlich ähnliche Gestaltung bieten auch die Angehörigen der
Familie der Den dromo nadinen (in unsrem Sinne) dar. Alle hierher-
*) S. Kent (1S2) schreibt den hierhergehörigen Gattungen noch eine zweite kleinere
Geissei zu, entsprechend den Dendromonadinen , jedoch haben weder Clark, Stein, noch ich
von dieser zweiten Geissei etwas bemerkt.
662 Flagcllata.
gehörigen Formen zeichnen sich dadurch aus, dass zunächst an ihrem
im Allgemeinen ovalen bis länglichen Körper eine Mittelebene dadurch
deutlich bezeichnet ist, dass sich am Vorderende dicht neben der Basis
der ansehnlichen Hauptgeissel noch eine oder zwei kleine Geissein (letz-
teres ausschliesslich bei Monas, emend. St.)*) inseriren, so dass schon
allein durch diese Geisseiverhältnisse hier theils eine Zweistrahligkeit
(Monas), theils ein deutlich bilateraler Bau erzeugt wird. Doch auch bei
Monas (T. 40, 12 , 13) deutet die einseitig zur Basis der Hauptgeissel
(ähnlich Oikomonas) verlagerte Mundstelle eine Bilateralität an. Noch
viel deutlicher tritt dies bei den übrigen Formen (mit Ausnahme von
Dinobryon und Uroglena) hervor, indem sich bei diesen (Anthophysa,
Dendromonas und Cephalothamnium , T. 41, 5—8) einseitig neben der
Hauptgeisselbasis und zwar in der Mittelebene ein ähnlicher Fort-
satz erhebt, wie bei den Bikoecidae. Es scheint jedoch fast, als ent-
spräche derselbe nicht dem sogen. Peristomt'ortsatz der letzteren, da nach
den genauen Angaben Stein's die Mundstelle bei Anthophysa nicht in dem
Grund zwischen der Basis der Hauptgeissel und dem Fortsatz liegt, son-
dern auf der entgegengesetzten Seite der Hauptgeissel. Wenn wir daher
die Lage der Hauptgeissel zum Mund als entscheidend für die Bestim-
mung der Bauch- und Rückseite maassgebend erachten, so fände der be-
sprochene Körperfortsatz bei den Dendromonadinen seine Lage an der
Rückseite, nicht an der Bauchseite, wie der der Bikoecidae.
Von den Dinobryinen weist nur Epipyxis den Fortsatz nach
Stein noch deutlich, wiewohl sehr zart auf (T. 42, Fig. 2), während
Dinobryon und Uroglena ein einfach abgerundetes Vorderende be-
sitzen (T. 41, 1 und 3).
Ungemein einförmig ist im Allgemeinen die Gestaltung bei den so
zahlreichen zweigeisseligen Isomastigoda, Der Bau dieser mit zwei
gleichgestalteten und fast stets gleich functionirenden Geissein des
Vorderendes ausgerüsteten Formen ist bei der grossen Mehrzahl ein
regulär zweistrahliger, indem die beiden gleichen Geissein an dem fast
stets ziemlich genau ovalen, selten mehr kugligen bis langgestreckt
spindelförmigen Körper so eingepflanzt sind, dass sie zwei Seiten mar-
kiren, also eine Mittelebene, zwischen sie hindurch gelegt, den Körper
in zwei congruente Hälften theilt. Es scheint daher gerechtfertigt, solch
reguläre Formen zu einer Gruppe der Regularia zu vereinigen, welcher
eine zweite der L-regularia gegenüberstehen würde, von der es jedoch
bis jetzt etwas unsicher erscheint, ob sie sich aus der ersteren direct
ableiten lässt.
Die beiden Geissein der Regularia entspringen fast stets sehr dicht
bei einander am vorderen Pol, selten rücken sie etwas mehr auseinander,
oder es ist der vordere Körperpol sogar in zwei Lappen ausgezogen, von
*) Cienkowsky und Stein fanden bei dieser Gattung gewöhnlich zwei, ich dagegen meist
nur eine einzige Nebengeissel.
Allg-eui. Morpliologic (Isoinastigoda). (3(33
welchen jeder eine Geissei trügt (so bei der Gattung Deltomouas Kent,
T. 42, 5).
Wie schon früher erwähnt, erhöht sich jedoch die Zahl der Geissein
zuweilen auf 4 , welche dann gleichfalls gewöhnlich sehr dicht bei ein-
ander vom vordem Pol entspringen (so bei der mit der zweigeisscligen
Chlamydomonas nächstverwandten Gattung Carteria Dies. = Tetraselmis
St. ; Spondylomorum und ähnlich auch bei Collodyction Carter [Tetramitus
St. p. p.] und Pyramimonas Schmarda, vergl. T, 45). Doch scheinen
auch bei einer naheverwandten Form, welche Archer (142) beschrieb, die
vier Geissein von vier weit von einander getrennten Punkten zu entspringen.
Seltsam abweichende Geisseiverhältnisse zeigt die merkwürdige, noch
etwas unsichere Gattung Chloraster, indem dieselbe nach den über-
einstimmenden Angaben Stein's und Keut's 5 Geissein des Vorderendes
besitzt, welche so geordnet sind, dass eine die Mitte einnimmt und die
4 anderen sich kranzförmig um dieselbe stellen (T. 45, Fig. 4 — 6).
Die meist so deutlich ausgeprägte Zweistrahligkeit der regulären
Isomastigoden erstreckt sich häufig auch auf die Anordnung innerer
Organisationsbestandtheile, indem in Einzahl vorhandene Theile, wie der
Kern, das sogen. Pyrenoid etc. sich gewöhnlich in die Axe lagern, wäh-
rend zweifach vorhandne Theile, so häufig die contractilen Vacuolen und
die nicht selten in Zweizahl vorhandenen Chromatophoreu sich regel-
mässig zu beiden Seiten der Hauptaxe lagern. Nur der sogen. Augen-
fleck scheint sich wie anderwärts, so auch hier, fast stets sehr asym-
metrisch zu lagern.
Nur selten treten besondre Gestaltungsverhältuisse des Körpers bei
den Regularia auf und die zu verzeichnenden Fälle betreffen bis jetzt
eigentlich ausschliesslich solche Gattungen, deren verwandtschaftliche Be-
ziehungen zu den typischen Formen noch etwas unsicher sind. Bei den
Gattungen Chlor aste r und Pyramimonas (T. 45, 5—7) bildet sich,
wohl im Zusammenhang mit den schon geschilderten besonderen Geissei-
verhältnissen eine vierstrahlige Gestaltung aus, indem der Körper eine
vierkantige bis vierlappige Form annimmt. Bei der Gattung Collo-
dictyon Cart. dagegen wird die Gestalt deutlich bilateral, indem eine
ziemlich breite Längsfurche über die eine Seite des gesammten Körpers
hinzieht, so dass sich Rücken- und Bauchseite wohl unterscheiden lassen
(T. 45, 3).
Wir reihen der Betrachtung der regulären Isomastigoda hier die
Schilderung eines Formtypus an, dessen directe Beziehungen zu der be-
sprochnen Gruppe zur Zeit sehr zweifelhaft erscheinen. Da wir jedoch
die verwandtschaftlichen Beziehungen der Gattung Hexamitus und der
damit wahrscheinlich nahe verwandten Megastoma (Grassi) augen-
blicklich nicht sicher zu beurtheilen im Stande sind, so glauben wir
sie hier am geeignetsten besprechen zu dürfen. Genauer bekannt
ist allein Hexamitus, Megastoma dagegen noch ziemlich unsicher.
Der deutlich zweistrahlige Körper der ersteren (T. 46, 2), von ovaler bis
664 Flagellata.
spindelförmiger Gestalt trägt am Vorderende 4 gleicblange Geisselo, die
entweder paarweis etwas auf die Seite gerückt erscheinen oder aber
nahezu aus einem gemeinsamen Ursprungspunkt am vordem Körperpol
sich erheben können. Im Hinblick auf diese vordem Geissein Hesse sich
wohl eine Ableitung von den Isomastigoda versuchen. Zu ihnen ge-
sellen sich jedoch stets noch zwei Geissein des Hinterendes, welche ent-
weder jederseits aus dem breit abgestutzten Hinterende entspringen oder
so, dass sich das schwanzartig zugespitzte Hinterende gleichsam in
diese beiden Geissein zu spaltet. Nicht uninteressant ist, dass auch
bei dieser Gattung zuweilen (so namentlich bei H. intestinalis) einige
Längskanten über den Körper hinziehen.
Die Gattung Megastoma (46,3) schliesst sich zunächst durch die
zwei Geissein, in welche sich das zugespitzte Schwanzende fortsetzt, innig
au Hexamitus an, weist jedoch eine deutlich bilateral symmetrische Um-
gestaltung des Körpers auf, indem sich eine Bauchfläche dadurch aus-
gebildet hat, dass die vordere Körperhälfte eine peristomartige Aus-
höhlung besitzt. Leider sind bis jetzt ihre weiteren Geisseiverhältnisse
nicht ganz aufgeklärt, doch spricht das Bekannte gleichfalls für
den Anschluss an Hexamitus. Sicher scheint nämlicb, dass jederseits
von dem hinteren Rande des Peristomausschnitts ein Paar gleichlanger
Geissein entspringen, doch glaubte Grassi häufig noch hinter diesen jeder
seits eine etwas kleinere Geissei an den Seitenwänden des Körpers zu
beobachten. Unsere Form würde also, die Richtigkeit dieser Beobachtung
vorausgesetzt, nicht weniger als acht Geissein besitzen. Im Hinblick auf
dieses Verhalten der Megastoma erscheint es nicht ohne Interesse, dass
ich bei meiner Untersuchung des Hexamitus inflatus gleichfalls acht
Geissein gesehen zu liaben glaube, nämlich ausser den paarweis stehenden
am Vorderende noch zwei weitere, die in eine zu der Ebene der paar-
weisen Geisselu senkrechten Ebene gestellt waren.
Hinsichtlich der Megastoma sei hier noch bemerkt, dass sich bei ihr
auch eine Längsrippe findet, welche sich von der Schwanzspitze über die
Mittellinie der Bauchseite bis zu dem Hinterrand des Peristomausschnittes
erstreckt und hier in einem Knöpfchen zu endigen scheint.
Am deutlichsten bilateral, mit mehr oder weniger Hinneigung zur
Asymmetrie entwickelt sich der Körper der Irregularia. Die typischen
Vertreter dieser Abtheihing, die Gattungen Chilo- und Cryptomonas ver-
rathen diese Bilateralität beim ersten Anblick (45, 9 — 10). Der im All-
gemeinen länglich ovale Körper ist seitlich etwas comprimirt und besitzt
eine etwas stärker convexe Rückseite. Hierzu gesellt sich eine schief
zur Rückseite aufsteigende Abstutzung des Vorderendes und häufig eine
schwanzartige Krümmung des Hinterendes nach der Rückseite. Eine
Reihe Eigenthümlichkeiten beweisen jedoch, dass, wie bemerkt, eine asym-
metrische Bildung vorhanden ist. Das schief abgestutzte Vorderende
ist in eigenthümlicher Weise zu einem Peristom ausgehöhlt, das sich
nach hinten, als sogen. Schlund, in den Körper hinein fortsetzt. Dieses
Alldem. Mui|iliuluj;ic ( l.suiuabliguihi und vurw. l'unuoii). 6()5
erst später genauer zu Ijcspreclieiide Pcristom ist min ganz entschieden
asymmetrisch gebildet, indem die es seitlich begrenzenden beiden Ränder
oder Lippen sich verschieden hoch erheben, und hierzu gesellt sich
weiterhin noch , dass die beiden Geissein sich etwas einseitig an der
höheren Lippe des Peristoms inseriren.
Noch deutlicher tritt diese asymmetrische Bildung des Peristoms bei
der interessanten Gattung Oxyrrhis hervor, wenn diese, wie höchst wahr-
scheinlich, hier ihre richtige Stellung findet. Wir finden hier nämlich
eine im Allgemeinen entsprechende Peristombildung, wenngleich sich von
dem für die ersterwähnten Gattungen so charakteristischen Schlund nichts
beobachten lässt (T. 45, 12). Das Peristom nimmt einen viel grössern
Theil des Körpers in Anspruch indem es sich etwa über dessen vordere
Hälfte ausdehnt. Auch die einseitige Einpflanzung der beiden Geissein
treffen wir hier wieder, jedoch finden wir sie hier entschieden an der
linken Lippe inserirt im Gegensatz zu den erstgenannten Gattungen.
Im Anschluss au die letztbesprochene Familie der Cryptomonadina
schildern wir hier noch kurz den morphologischen Aufbau der Gattung
Tetramitus, welche vielleicht in einer ähnlichen Beziehung zu der erwähn-
ten Familie steht, wie die viergeisseligen Formen der regulären Iso-
mastigoda zu den zweigeisseligen. Aus der ebengemachten Bemerkung
geht schon hervor, dass unsre Form sich durch den Besitz von vier aus
einem gemeinsamen Punkt des Vorderendes entspringenden ziemlich gleich-
langen Geissein auszeichnet (T. 45, 13). Was aber die Beziehungen zu
den Cryptomonadinae namentlich möglich zu machen scheint', ist, dass
das Vorderende bei Tetramitus rostratus mit einer eigenthümlich gebauten
Peristomaushöhlung versehen ist, deren Asymmetrie und allgemeine Bil-
dung lebhaft an das beschriebne Peristom von Cryptomonas erinnern. Bei
Tetramitus descissus hingegen tritt an Stelle dieses Peristoms eine ein-
fache bis nahe zur Körpermitte hinabreichende schiefe und etwas aus-
gehöhlte Abstutzung des Vorderendes auf.
Ohne mit Bestimmtheit einen genetischen Zusammenhang mit der
Gattung Tetramitus behaupten zu wollen, schliessen wir derselben doch
einige Formen an, über deren richtige Stellung sich zur Zeit schwierig
urtheilen lässt. Diese Formen, die Gattungen Trichomastix (T. 46, 11c),
Trichomonas (T. 46, IIa— b) und Polymastix nähern sich in ihrer
allgemeinen Gestaltung dem Tetramitus descissus, indem ihr Hinterende
gleichfalls durchgängig in einen feinzugespitzten längereu oder kürzeren
und ziemlich starren Fortsatz ausgezogen ist, der zuweilen wie ein
Schwauzstachel erscheint, während der Körper selbst gewöhnlich eine
nahezu spindelförmige Gestalt besitzt und zuweilen (Polymastix) etwas
abgeplattet ist. Eine Peristombildung wie sie Tetramitus eigenthümlich
ist, scheint aber durchaus zu fehlen. Das etwas zugespitzte bis abgerun-
dete Vorderende weist stets eine beträchtliche Anzahl von Geissein auf.
In der Ausbildung der Geisseiverhältnisse unterscheiden sich die Gat-.
666 Flagcllata.
tungen jedoch recht wesentlich. Die höchste Geisseizahl scheint Polymastix
aufzuweisen, der Grassi (193) zwar nur 3 — 4, Künstler (192) dagegen
6 vordere Geissein zuschreibt, welche gleich lang und sänimtlich nach
vorn gerichtet sind. Dagegen besitzt die Gattung Trichomastix sicher
nur 4 Geissehi, die aber interessanter Weise ähnlich den Heteromastigoda
dilferent gebildet sind. Drei kürzere gleich lange sind nach vorn gerichtet,
eine vierte viel längere dagegen ist stets nach hinten gewendet und ragt
daher hinten etwa um die Hälfte der Körperlänge über die Schwanzspitze
hervor.
Die Gattung Trichomonas schliesslich besitzt nur die drei kleineren
vorderen Geissein der Trichomastix, an Stelle der hinteren längeren findet
sich dagegen ein über den Körper hinziehender nndulirender Saum, der
sich von der Basis der Geissein etwa bis in oder ein wenig über die Mitte
des Körpers verfolgen lässt. Dass dieser Saum morphologisch mit der
hinteren Geissei der Trichomastix verglichen werden darf, scheint
sehr wahrscheinlich, da sich einerseits bei der Trichomonas Batrachorum
sein hinteres Ende in eine massig lange feine, nach hinten gerichtete
Geissei fortsetzt und anderseits die allgemeinen Bauverhältnisse der beiden
Gattungen so übereinstimmende sind, dass ihre nahe Verwandtschaft nicht
bezweifelt werden kann. Dies erhellt namentlich aus einer weitern Eigen-
thümlichkeit der Gestaltung, welche bei Trichomastix und Trichomonas
Batrachorum gleichmässig vorhanden ist. Bei beiden nämlich zieht über
den Körper von der Basis des Schwanzfortsatzes ein feiner Längskiel (rl)
bis gegen das Vorderende, wogegen die Trichomonas vaginalis hier-
von nichts deutliches erkennen lässt. Wie gesagt, ist ein abschliessen-
des Urtheil über die morphologische Anreihung der geschilderten drei
Gattungen zur Zeit kaum möglich, genauere Aufschlüsse über diese
und verwandte Formen, welche sich parasitisch noch weit verbreitet zu
finden scheinen, werden unser Urtheil vielleicht modificiren.
Im Anschluss an die seither besprochnen Isomastigoda sei hier
noch einer Form gedacht, über deren verwandtschaftliche Beziehungen
sich zur Zeit schwierig eine zuverlässige Ansicht aufstellen lässt, Trepo-
monas nämlich. Um so interessanter sind aber deren Gestaltsverhält-
nisse (T. 45, 14). Dieselbe besitzt wenigstens gewöhnlich zwei gleiche
und ansehnliche Geissein, welche bis zu gewissem Grade eine Ableitung
von den Isomastigoda wahrscheinlich machen. Die Einpflanzung der-
selben ist jedoch ganz abweichend von den seither besprochnen Formen,
indem sie, weit von einander getrennt, von den Seiten des Körpers ent-
springen. Höchst seltsam gestaltet sich der Körper, welcher eine ganz
asymmetrische Bildung aufweist. Dieselbe kommt dadurch zu Stande, dass
sich die hinteren Hälften der Seitenränder des etwas abgeplatteten Kör-
pers, der vorn eine grössere Breite besitzt, jederseits in eine flügelartige
Fortsetzung verlängern, welche beiden Flügel sich in entgegengesetzter
Weise einkrümmen. Die Körpergestaltung nähert sich dadurch gewisser-
maassen dem Bau einer zweiflügeligen Schiffsschraube. Die beiden
Allgeui. JMüriilioloyio (^TriL-liuiiioiuis etc., Eujjleiioidiua). ßg7
Geissein ciitspringeu zu den Seiten des Körpers an der vorderen Ur-
sprungsstelle der Flügel*).
Vielleicht darf auch die Gattung D allinger ia S Knt. hier angereiht
werden. Das etwas zugespitzte Vorderende derselben (T. 46, Fig. 12)
ist n)it einer kleineren nach vorn gerichteten Geissei ausgerüstet, während
sich zwei weitere und ansehnlichere nach hinten gerichtete Geissein etwas
vor der Mitte an den Seiten des Körpers inseriren. Wie die kurze Schil-
derung besagt, ist der Körperbau ein regulär zweistrahliger.
In der umfangreichen Abtheilung der Euglenoidina herrscht im
Grunde ein einaxiger Bau, der jedoch sehr gewöhnlich zu einem ziemlich
deutlich bilateral symmetrischen wird durch die ein wenig einseitige Lagerung
der Mundöffnung am vorderen Pol, wozu sich jedoch zuweilen eine deut-
lich bilaterale Gestaltung des gesammten Körpers gesellt. Doch finden
sich auch in dieser Gruppe Uebergänge zur Asymmetrie vor. Während
ein Theil der Formen keiner Gestaltsveränderung fähig ist, besitzen nicht
wenige das Vermögen ausgiebiger Gestaltsveräuderiing durch Körper-
contractionen, wobei lauggestreckte Formen sich bis zur Kugelgestalt zu-
sammenzuziehen vermögen. Immerhin tritt auch bei diesen metabolen
Formen eine gewisse Grundgestalt im gestreckten , schwimmenden Zu-
stand deutlich hervor. Im Speciellen verrathen jedoch die Euglenoidinen
eine ziemHche Mannigfaltigkeit der Gestaltung. Wir finden auch hier
alle möglichen Uebergänge von der ellipsoidischen und eiförmigen, zu-
weilen sogar nahezu hügligen Gestalt, bis zu längergestreckten, mehr
spindelförmigen, ja nahezu nadel- und wurmförmigen Organismen. Bei
den längergestreckten tritt sehr gewöhnlich eine schwanzartige Zuspitzung
des hinteren Körperendes deutlich hervor, die jedoch auch bei den gestalt-
veränderlichen während der Contraction völlig eingehen kann.
Die häufig sehr ansehnliche Geissei entspringt stets vom vorderen
Körperpol und an ihrem Grunde befindet sich die Mundöffnung, welche
zwar nicht durchweg mehr als eine wirkliche Mundöflfnung zu func-
tioniren scheint. Wie gesagt ist dieselbe immer etwas einseitig
gelagert, bei der grossen Mehrzahl der Formen jedoch so wenig,
dass die Geissei vom Rande der Oeffnung oder sogar etwas inner-
halb derselben ihre Insertion findet. Letztrer Fall tritt bei der Fa-
milie der eigentlichen Eugleninen auf. Zwar gibt Stein auch hier
den Rand der trichterförmigen Mundöffnung als Ursprungsstelle der
Geissei au und ich glaube gleichfalls eine solche Insertion der Geissei
gewöhnlich beobachtet zu haben; dem gegenüber fand jedoch zuerst Kent
(182), dass die Geissei der Euglenen aus dem Grunde des Mundtrichters
entspringe und dasselbe gaben unabhängig von ihm etwas später auch
Schmitz (194) und Klebs (206) an. Es scheint mir daher sehr wahr-
*) Stein hat bei dieser Form zuweilen noch zwei hintere Geissehi beobachtet, die ich
nie sah, und ich möchte vermuthen, dass diese hinteren Geisseln eine Vorbereitung zur Längs-
theilung anzeigen.
66i<^ I-Jagolluta.
scbeinlich, dass das letztere der Wirklichkeit entspricbt. Bei den
Petalomonadinae und Peraiieminae dagegen ist die Mundüffnung etwas
mehr von der Geisseibasis nach hinten gerückt und es prägt sich dann
noch deutlicher eine Bauchseite als diejenige aus, welche die Mundöffnung
trägt. Immerhin tritt auch bei den ersterwähnten Formen eine bilaterale
Bildung häufig dadurch noch kenntlicher hervor, dass das Vorderende etwas
schief abgestutzt ist und die Mundöffnung sich der abgestutzten Seite zu-
wendet.
Einer besondern Einrichtung des Vorderendes begegnen wir in der
Gattung Urceolus Mereschk. (Phialonema St.), da dasselbe hier zu einem
trichterförmigen Peristom erweitert ist, in dessen Grund die eigentliche
Mundöffnung liegt, an deren Rand sich die Geissei inserirt (T. 47, 5).
Eine deutlich bilaterale äussere Gestaltung tritt bei denjenigen Formen
hervor, welche einen entschieden abgeplatteten Körper besitzen (Petalo-
monas, Phacus), so dass wir eine Bauch- und Rückseite gut zu unter-
scheiden vermögen. Doch geht bei letztrer Gattung sowohl dadurch, dass
sich die Mundöffuung schief dem einen Seitenrand zuwendet, sowie durch
eine Reihe Gestaltungseigenthümlichkeiten, wie die häufige Schiefstellung
der Schwanzspitze, oder durch schraubenförmige Windung des Körpers
um die Längsaxe (Phacus longicauda, T. 47, 10), die Gestalt auch
häufig in eine ziemlich asymmetrische über.
Eine bilaterale Gestaltung wird andrerseits auch gewöhnlich bei den
Gattungen Menoidiura und Rhabdomonas durch eine halbmondförmige
Krümmung des Körpers erzeugt (T. 47, 17).
Interessant ist weiterhin, dass bei einer Anzahl Gattungen die Gestalts-
verhältnisse eigenthümliche werden, indem sich am Körper eine Anzahl
Längskanten entwickeln. So finden sich auf der Rückseite der Petalo-
monas häufig ein mittlerer oder zwei seitliche Längskiele, während über
die Bauchseite häufig eine Längsfurche hinzieht (T. 47, 2). Aehnliches
zeigt sich auch bei Phacus, wo einige Arten einen mittleren Längskiel
des'[gewölbten Rückens besitzen, so dass bei Phacus triqueter der Quer-
schnitt des Körpers eine deutlich dreieckige Bildung zeigt.
Die Ausbildung von 4 stark hervortretenden Längskanten gibt dem
Körper des Sphenoraonas St. (T. 48, 9) ein vierstrahliges Aussehen
mit nahezu quadratischem Querschnitt. Die Zahl solcher Längskanten
ist bei dem sonder Zweifel nahe verwandten Tropidoscyphus auf
acht erhöht, welche entweder regulär in der Längsrichtung den Körper
überziehen, um sich im hinteren zugespitzten Pol zu vereinigen, oder
etwas schraubig gedreht den Körper umziehen (T. 48, 10). Solche Zu-
stände mit beträchtlicher Vermehrung der Längskanten scheinen zu er-
weisen, dass letztere allmählich in die längs- oder schraubig verlaufende
Cuticularstreifung übergehen , die sich bei nicht wenigen Gattungen
der Englenoidina findet, und die wir späterhin bei Betrachtung der Cuti-
cula noch eingehender besprechen werden.
Allgem. Morphologie (Euglenoidina und Hetcroniastigoda). 669
Wie früher erwähnt, müssen wir zn den Euglenoidina eine An/.ahl
Formen (Asta^iii.a 8t.) ziehen , welche neben der llauptgcissel noch eine
zweite kleinere Nehengeissel ciitwiekelt haben, die sich auch hier meist
dicht neben der Hauptgeissel ebenfalls direct bei der Miindölfunng findet.
Nur bei lleteronema (T. 48, 7) ist diese Nehengeissel etwas mehr von
der Basis der Hauptgeissel nach hinten abgerückt und nähert sich auch
in ihrem sonstigen Verhalten der hinteren Geissei der Ordnung der Hetero-
mastigoda sehr, da sie für gewöhnlich nach hinten gerichtet ist. Doch
bleibt die hintere Geissei hier noch beträchthch kleiner wie die vordere.
Immerhin bezeichnet die Einpflanzung der hintern Geissei auch bei
Heteronema, wie bei den Heteromastigoden sehr deutlich eine Bauchseite.
Eine seltsame Anomalie bildet unter den übrigen Euglenoidina die
Gattung Eutreptia (Perty), welche nach den neuerdings von Kent und
Klebs bestätigten Angaben Perty's mit einem durchaus eugleninenartigen
Bau den Besitz zweier gleichlanger, ansehnlicher Geissein des Vorder-
endes vereinigt, sich also hinsichtlich ihrer Geisseiverhältnisse durchaus
wie eine isomastigode Form verhält.
Wie schon oben bemerkt, schliesst sich unsere Gruppe der Hetero-
mastigoda an gewisse zweigeisselige Formen der Euglenoidina so nahe
an, dass an dem Zusammenhang zwischen beiden Gruppen schwer zu
zweifeln ist; es sind die höher entwickelten und grösseren Formen der
Heteromastigoda, welche diesen Zusammenhang vermitteln, so dass man
vermuthen darf, dass sich die einfacheren Formen dieser Gruppe durch
Verkümmerung aus den höheren ableiten, wenn sie nicht überhaupt ohne
direete Verwandtschaft mit den letzteren sind. Den gemeinsamen Cha-
rakter der Gruppe bildet, wie früher bemerkt, die Geisselbeschaffenheit.
Die stets vorhandenen zwei Geissein sind sowohl in Länge wie Einpflan-
zung und Verhalten sehr ungleich. Eine kleinere, nach vorn gerichtete
ist auf dem vorderen, bei den Bodoninen gewöhnlich deutlich zugespitzten
Körperpol eingepflanzt, und ist das Hanptbewegungsorgan; eine zweite
längere Geissei entspringt etwas hinter dieser und wird nach hinten
gerichtet getragen; sie dient häufig zu vorübergehender Anheftung, nimmt
jedoch auch in später zu besprechender Weise an den Bewegungserschei-
nungen gelegentlich activen Antheil. Schon durch die Einpflanzung, wie
die verschiedene Ausbildung dieser beiden Geissein wird bei den hierher-
gehörigen Formen eine deutlich bilateral-symmetrische Körperbildung her-
vorgerufen, welche dann auch bei den einfacheren Formen, speciell der
Gattung Bodo (em. Stein^ recht deutlich hervortritt (T. 46, 4—6); deren
Gestalt zwischen dem ovalen bis spindelförmig gestreckten schwankt.
Ein Theil der hierbergehörigen Formen wenigstens ist jedoch durch
amöboide Beweglichkeit zeitweise sehr gestaltveränderlich. Wahrschein-
lich schliesst sich die seltsame Gattung Phyllomitus St. (T. 46, 7)
zunächst an Bodo an, und zeichnet sich hauptsächlich dadurch aus, dass
die beiden Geissein an ihrer Basis auf eine gewisse Länge miteinander
verwachsen sind. Weiterhin scheint sich bei dieser Form jedoch gleich-
ß70 Flagellata.
zeitig eiue asymmetrische Gestaltung deutlich anzubahuen, indem sich
am Vorderende eine etwas einseitig gelagerte Aushöhlung (sogen. Peristom
Stein's) gebildet hat.
Wir schalten hier einige Worte über eine von S. Kent beschriebene Form , die Gattung
Trimastix ein, deren Stelhmg sehr unsicher erscheint, die sicli jedoch allenfalls von den Bodo-
ninen ableiten Hesse durch Verdoppelung der nach hinten gerichteten Geissei derselben. Am
etwas zugespitzten Vorderende dieser Form (T. 46, 13) befestigen sich demnach drei Geissein,
von welchen sich zwei nach hinten zurücklegen, und zwar die eine in eine Furche der Bauch-
seite hinein, welche dadurch gebildet wird, dass sich der rechte Seitenrand zu einer membran-
artigen Falte längs des Körpers erhebt. Diese Geissei wird weiterhin gewöhnlich in schwin-
gender Bewegung getroffen, soweit sie sich an dem Körper herabzieht, und erinnert daher
auffallend an den undulirenden Saum und seine Fortsetzung in eine hintere Geissei bei Tricho-
monas.
Die asymmetrische Gestaltung finden wir sehr ausgeprägt bei den
höher entwickelten Heteromastigodcu der Familie der Scytomona-
dina Stein's.
Die Gestalt ist hier deutlich abgeplattet und bei den Gattungen Ani-
sonema und Entosiphon etwa oval, doch zeigt bei beiden der allgemeine
Körperumriss eine etwas asymmetrische Bildung. Eine abgeplattete Bauch-
seite unterscheidet sich deutlich von einer massig gewölbten Rückseite
und die Muudöifnung ist auf dieser Bauchseite dicht hinter dem vordem
Körperrand gelagert. Bei Anisonema (T. 46, 8) nimmt auch die hintere
Geissei einen etwas asymmetrischen Verlauf, da sie wie bei Entosiphon
etwas links von dem Vorderende der Schlundröhre (nach Klebs aus dem
Grunde der Mundeinsenkung) entspringend sich bogenförmig vor derselben
auf die rechte Körperseite begibt und hier längs einer Art seichter
Rinne, welche durch eine Hervorwölbung des rechten Randes der Bauch-
fläche erzeugt wird, nach hinten verläuft. Auch in dieser Familie treffen
wir die schon mehrfach erwähnte Längskantenbildung bei der Gattung
Entosiphon wieder an, deren Bauch- und Rückseite von einer Anzahl
solcher Längskanten wie gerippt erscheinen (T. 46, 9)*).
Seltsam abweichend und in ihren Verwandtschaftsverhältnissen zu
den übrigen Formen etwas zweifelhaft erscheint die Gattung Colponema
Stein (T. 46, 10), deren sehr asymmetrische Gestalt sich am besten aus
der Abbildung ergibt. Eine tiefe, vorn etwas erweiterte Längsfurche zieht
hier über die Bauchseite, und die hintere Geissei entspringt, abweichend
von den seither beschriebnen Formen, weit entfernt von der vorderen,
etwa in der Mitte des Körpers aus dieser Bauchfurche.
*) In einer Anmerkung glauben wir hier am besten einige Worte über ein sehr selt-
sames , mit Anisonema viel Aehnlichkeit bietendes Wesen berichten zu sollen , das James-
Clark (125) unter dem Namen Heteromastix beschrieb. Dasselbe hesitzt die beiden
Geissein der typischen Anisonemen und eine nicht unähnliche, jedoch durch lebhafte Con-
tractionen veränderliche Gestalt. Mit dieser Bauweise vereinigt es jedoch den Besitz einer
Ciliengruppe, die aus einer auf der vordem Hälfte der Bauchfläche etwas schief nach hinten
ziehenden, breiten Grube entspringt. Sicheres über die Cilienanordnung ist leider nicht be-
kannt. Zunächst scheinen mir die morphologischen Eigenthümlichkeitcn dieser seltsamen Form
einen Zusammenhang mit den Heteroniastigoda anzudeuten und ihren Anscliluss an die typi-
schen Cilioflagellaten nicht zu rechtfertigen.
AUgem. Morphologie (Heteromastigoda). Protoplasmaregioncn. 671
5. Die feineren Bauverliiiltnisse des Weielikörpers der Flii!>ellata.
A. Das Protoplasma und seine Differenzinnig in liegioncn.
Im Allgemeiuen zeigt das Plasma der Flagellaten keinerlei besondere
Eigenthümliehkeiten, die hier einer gesonderten Besprechung bedürften.
Eine diffuse Färbung des Plasmas, wie sie bis in die neueste Zeit von zablreiclien Beob-
achtern für viele grüne Isomastigoda (hauptsächlich der Familien der Chlamydomonadina und
Volvocina), jedoch theilwcise auch für die Euglenoidina angegeben wurde, existirt sicherlich
nicht. Die Farbstoffe sind vielmehr stets an besondere geformte Inhaltsicörper, die sogen.
Chromatophoren, gebunden, worauf hauptsächlich Schmitz neuerdings aufmerksam gemacht hat
und womit meine Erfahrungen ganz übereinstimmen.
Eine relativ seltene Erscheinung ist bei den Flagellaten auch die
Differenzirung des Plasmas zu verschiedenen Regionen, was vielleicht
im Allgemeinen mit der Kleinheit der Formen in gewissem Zusammen
hang steht.
Der Ausbildung eines deutlichen und ziemlich dicken Ectoplasmas
begegnen wir in ganz amöbenartiger Weise bei der interessanten Rhizo-
mastigode Mastigamoeba aspera und aus diesem Ectoplasma bilden
sich hier auch fast ausschliesslich die Pseudopodien (T. 39, 9).
Das Ectoplasma dieser Form besitzt noch eine besondere Eigenthümlichlieit, indem seine
gesammte Oberfläche, und natürlich auch die der Pseudopodien, dicht mit sehr Ideinen,
bactcricnartigen Stäbchen bedeckt ist. Gewöhnlicli liegen diese Stäbchen der Plasmaobcrfläclia
parallel auf, seltner stehen sie schief oder senkrecht davon ab. Es ist fraglich, ob wir diesen
Stübclienbesatz der Mastigamoeba aspera mit dem Börstchenbesatz, welchen wie früher (p. 122)
erwähnt, gewisse nackte Khizopoden zeigen (Chaetoproteus und Dactylosphaeria), vergleichen
dürfen. Es scheint nämlich nicht unmöglich, dass der Stäbchenbesatz der Mastigamoeba
wirklich von anhängenden Bacterien herrührt, da wir später sehen werden, dass sich bei ge-
wissen Choanollagellaten zuweilen ein dichter oberflächlicher Besatz von Bacterien ausbildet.
Dagegen ist es sicher, dass unsere Mastigamoeba an ihrem Hinterende häufig die haar-
artigen Fortsätze entwickelt, welche bei den amöbenartigen Ehizopodcn so verbreitet sind
(vergl. p. 101).
Auf die Gegenwart einer Ectoplasmalage (Rindenschicht) liesse sich
für die grünen Formen der Euglenoidina daraus schliessen, dass sich
die Chlorophyllkörner gewöhnlich in einer Lage dicht unterhalb der Cuti-
cula vorfinden. Doch ist auch hier eine einigermaassen scharfe Abgren-
zung dieser Rindenschicht gegen das innere Körperplasma nicht ausge-
sprochen und Klebs spricht sich gegen die Existenz einer ruhenden
äusseren Rindenschicht dieser Formen aus, da er unter gewissen Bedin-
gungen das Plasma sammt seinen sämmtlichen Einschlüssen bis unter die
Cuticula in strömender Bewegung sah. Dennoch dürfte eine relativ ruhende
Rindenschicht der grünen Euglenoidinen anzunehmen sein, wegen der
Constanz der Lagerung der Chromatophoren und weil sie gewöhnlich
durch die Bewegungsvorgänge keinerlei Verschiebung erleiden. Eine selt-
same Entwicklung erlangt eine ectoplasmaartige Lage am Vorderende der
hierhergehörigen Gattung Colacium (wenigstens deutlich bei dem
grossen C. calvum). Dieselbe krönt als eine dicke chlorophyllfreie Lage,
gewissermaassen wie eine Haube das Vorderende und zeigt gleich-
672 Flagellata.
zeitig- eine längsslreifige Beschaffenheit (T. 47, 14). Aus den bis jetzt
vorliegenden Mittheiiungen Ötein's lässt sieb leider nicht entnehmen , ob
diese Längsstreifung eine rein äusserliche oder ob sie eine innere ist.
Ich erwähne dies hauptsächlich deshalb, weil ich eine zarte, senk-
recht zur Oberfläche des Körjiers gestrichelte ectoplasmatische Lage bei
der Pseudospora Cienk. (T. 42, 7a) deutlich beobachtete, eine Lage,
welche jedenfalls der ähnlich beschatfenen Hautschiebt der Scbwärmsporen
von Vaucheria entspricht, die Strasburger*) beschrieb.
Bei den Clilamydoinoiiadiiiea und Yolvociiieii koinijit es nicht selten vor, dass der die
beiden Gcisseln tragende , häufig etwas zugespitzte Pol aus ungefärbtem, hellem Plasma be-
steht. Es hat jedoch dieser farblose Scheitel , der ja eine gewisse Aehnlichlveit mit der ge-
schilderten Einrichtung bei Colacium besitzt, nichts mit einer besondern Ectoplasmaregion zu
thun, sondern beruht einfach darauf, dass das grUue Chromatophor nicht bis in das Vorder-
ende hereinragt.
B. Der feinere Bau der Geis sein.
Mit einem gewissen Recht könnte man die charakteristischen Be-
wegungsorgane der Flagellaten als ectoplasmatische Bildungen bezeichnen,
da sie einerseits stets aus einem ganz homogenen und durchsichtigen
Plasma gebildet sind und andrerseits jedenfalls direct von der äussersten
Plasmascliicht des Körpers entspringen. Es ist wenigstens bis jetzt in
keinem Fall wahrgenommen worden, dass ein Flagellum sich tiefer in
den Körper fortgesetzt hätte. Da jedoch nur bei wenigen Flagellaten und
selbst da meist nur mit einer gewissen Reserve von einem deutlichen
Ectoplasma die Rede sein kann, so hat diese Betrachtung, wie mir scheint,
keinen besondern Werth.
Wie schon von verschiednen Seiten hervorgehoben wurde, lassen sich
gewisse Beziehungen zwischen den Pseudopodien und den Geisseifäden
constatiren, obgleich es auch keineswegs geleugnet werden kann, dass
zwischen einer wohl entwickelten Geissei und einem fadenförmigen
Pseudopodium ein tiefer innerer Unterschied bestehen muss, w^enn der-
selbe auch für uns zunächst nur in den Bewegungserscheinungen fühlbar
erscheint. Dies schliesst jedoch nicht aus, dass auch Uebergänge existi-
ren und wir haben ja früher schon erfahren, dass die Pseudopodien der
sogen. Amoeba radiosa und namentlich die der Podostoma ähnliche Be-
wegungserscheinungen zeigen können, wie echte Geissein (s. p. 123). Bei
den typischen Flagellaten und den Mastigophoreu überhaupt scheint jedoch
bis jetzt nicht ein Fall beobachtet zu sein, wo eine wohlentwickelte Geissei
umgekehrt eine pseudopodienartige Beschaffenheit angenommen hätte, ob-
gleich ja bei zahlreichen Formen die amöboide Beweglichkeit des Plasmas
noch sehr lebhaft ist. Nur in einem Fall, bei der Gattung Cercomonas
nämlich, scheint sich ein geisselartiges Gebilde zu finden, Avelches eine
Art Mittelstufe zwischen einer wahren Geissei und einem Pseudopodium
einhält. Dies ist der hintere geisselartige Schwanzanhang, der für diese
*) Jcnaisclie Zeitschr. f. Med. u. Nat. 1870).
Feinerer Bau der Gcisselu. 673
Gattung cbarakteristisch ist und der sich nach den Angaben 8tein's
wenigstens bei Cercomonas crassicauda zuweilen ganz pseudopodienartig
verändern soll, während er anderseits auch schlängelnde geisselnde Be-
wegungen auszuführen im Stande ist (s. T. 39, IIa— b). Wie wir später
genauer sehen werden, kommt im Leben unsrer Organismen nicht selten
ein Verlust der Geissein vor; wo dieser Vorgang jedoch bis jetzt genauer
beobachtet wurde, scheinen die Geissein hierbei meist einfach abgeworfen
zu werden. Nur selten wird dagegen eine Einziehung derselben nach
Art der Pseudopodien beobachtet.
Einen derartigen Fall beschreibt Dallinger bei der sogen. Daliingeria , wo in Vorberei-
tung zur Copulation die beiden seitlichen Geissein gewisser Thicre allmählich zusammen-
schrumpfen und schliesslich ganz eingezogen werden sollen (T. 46, Fig. 12d). Wir erwähnen
hier gleich, dass ein ähnlicher Vorgang der Geisseieinziehung zuerst von Clark bei einer Choano-
flagellate beobachtet wurde (T. 48, Fig. 12).
Inwiefern sich die Neuentstehung der Geissein mit der Entstehung
eines Pseudopodiums parallehsiren lässt, ist bis jetzt gleichfalls durch
Beobachtungen nur wenig sicher ermittelt. Das Wenige, was über diesen
Vorgang bekannt ist, wird später am geeigneten Ort mitgetheilt werden.
Die Längen- und Dickenverhältnisse der Geissein bieten die weit-
gehendsten Unterschiede dar. Die längsten Geissein treffen wir bei ge-
wissen Euglenoidinen (so z. B. Peranema und Zygoselmis), andrerseits bei
gewissen Heteromastigoden aus der Familie der Scytomonadinae an; bei
ersteren erreicht die grosse Geissei des Vorderendes zuweilen eine Länge
von etwa 0,09—0,12 Mm. und mehr; die grosse hintere Schleppgeissel
der letzteren bleibt häufig nicht viel unter dieser Länge. Auch die
Geissei gewisser Mastigamöben wird sehr lang, ja tibertrifft (0,16 Mm.
und mehr) zuweilen noch die der ersterwähnten Formen. Solch lange
Geissein sind gleichzeitig meist auch die dicksten, doch erreicht ihre
Dicke im Allgemeinen nicht viel über 0,0005 Mm. und die kleinen
Geissein erscheinen selbst bei den stärksten Vergrösserungen gewöhnlich
als eben bemerkbare zarteste Fädchen.
Die winzigsten Flagellen sind jene kleinen Nebengeisseln, welche in
der Familie der Dendromonadinae verbreitet sind und im Allgemeinen
die Länge von etwa 0,006 Mm. nicht übertreffen.
Gewöhnlich werden die Geissein als sehr zarte, nach ihrem freien
Ende ganz fein auslaufende Fäden dargestellt. Dieser Darstellung be-
gegnen wir z. B. noch ganz allgemein in dem Werk Stein's und bei
den meisten andern Autoren. Obgleich sich nun das Vorkommen der-
artiger Geissein nicht in Abrede stellen lässt, scheinen sie doch häufiger
in ihrer gesammten Länge gleichmässig dick zu sein oder sich gegen das
Ende doch nur sehr wenig zu verfeinern.
Schon Clark (125) wies auf diese Beschaffenheit der Geissein bei einer ziemlichen Zahl
von Formen hin und Batschli hat dasselbe später mehrfach bestätigt gefunden. Natürlich ist
es bei kleinen Geissein sehr schwierig, dieses Verhalten ausreichend zu ermitteln.
Wie bemerkt , bestehen die Geissein stets aus einem sehr durchsichtigen und körnchen-
freien Plasma, an welchem besondre Structur Verhältnisse einzig von Kiln stier (190) be-
Bronn, Klassen des Thierreichs. Protozoa. 43
674 Flagellata.
schrieben wurden. Alle früheren Forscher stimmten darin überein, dass das Geisselplasma
ein ganz homogenes Aussehen besitze. Künstler will sich nun hei einer ziemlichen Anzahl
Flagellaten überzeugt haben, dass die Gcisseln, welche er stets recht fein auslaufend darstellt,
eine sehr zarte Querstreifung, ähnlich den quergestreiften Muskelfibrillen, besitzen. Er beob-
achtete bei sehr starken Vergrösserungen und bei Behandlung mit Färbungsmitteln eine ziem-
lich rigide Membran der Geissein*) und eine regelmässige Abwechslung heller schmälerer
■und dunkler breiterer Querstreifen im Geisselplasma. Die dunkeln Querstreifen sollen, wie
genauere Beobachtung ergab, daher rühren , dass in regelmässiger Aufeinanderfolge dunklere,
etwa elliptische Plasmapartien, welche die Dicke des Flagellums nicht ganz erreichen, in ein
helleres Plasma eingelagert sind.
Wie schon Künstler hervorhebt, besitzen die Flagellen im Gegensatz
zu dem gewöhnlichen Plasma eine sehr geringe Tingirbarkeit. Diese
Eigenthümlichkeit finde ich ebenfalls, glaube sie jedoch nicht wie Künstler
einer wenig durchdringlichen Geisselmenibran zuschreiben zu müssen,
sondern betrachte sie als eine besondre Eigenthümlichkeit des Geissei-
protoplasmas.
Die Erscheinung, dass gewisse Flagellaten befähigt sind, sich mit
ihren Geissein (resp. einer derselben) vorübergehend festzuheften, deutet
darauf hin, dass das Plasma der Geisselu nicht selten eine etwas klebrige
Beschaffenheit besitzen oder doch anzunehmen im Stande sein muss.
C. ündulirende Membranen.
Einige wenige Flagellaten (und seltsamer Weise nur parasitische
Formen) besitzen neben Geissein noch eine oder zwei sogen, ündulirende
Membranen oder Säume. Für die seltsame Gattung Trypanosoma
wenigstens ist dies seit lange anerkannt. Es verdienen daher ihre Ver-
hältnisse zunächst eine etwas genauere Berücksichtigung. Die Resultate
der zahlreichen Beobachter erscheinen zu ergeben, dass die Gestalt der
Trypanosoma in ziemlich hohem Grade veränderlich ist (wenigstens gilt
dies für die häufigst untersuchte Form des Frosches). Letztere erscheint
bald mehr birnförmig bis sackartig, bald dagegen nahezu kuglig, wäh-
rend sie sich andrerseits sehr in die Länge zu strecken vermag, so dass
ihre Form eine wurmförmige werden kann (s. T. 39). Es unterliegt
keinem Zweifel, dass die verschiednen Gestaltungen von einem und dem-
selben Individuum durchlaufen werden; die Organismen scheinen sich
namentlich beim Uebergaug von der Bewegung zur Ruhe, oder bei ein-
tretender Ermattung aus der länglichen Bewegungsform zu den kürzeren
Gestalten zusammenzuziehen. Andere Formen der Trypanosoma scheinen
dagegen eine langgestreckte Gestalt dauernder zu bewahren, wenngleich
eine eindricglichere Uttersuchung vielleicht auch hier eiüe grössere Ver-
änderlichkeit nachweisen wird.
Das eine Körperende trägt bei den genauest untersuchten Formen
des Frosches und der Fische eine ziemlich ansehnliche Geissei, und diese
*) Auch Carter (100 a) glaubte s.Z. den Geissein einen cuticularen üeberzug zuschreiben
zu dürfen.
Undulirende Membranen. 675
geht, wie bei den meisten übrigen Flagellaten bei der Bewegung
voran, so dass auch hier das Geisselende als das vordere bezeichnet
werden darf. Nicht unwahrscheinlich ist es, dass auch diejenigen
Formen, bei welchen eine Geissei bis jetzt noch nicht beobachtet wurde,
wenigstens zeitweise mit einer solchen ausgerüstet sein dürften. Als wei-
teres Bewegungsorgan functionirt nun neben dieser Geissei die undulirende
Membran — eine hautartige, homogene, zarte Ausbreitung des Körper-
plasmas, die bei Tryp sanguinis längs der convexen Seite des Körpers
hinabzieht und zwar gewöhnlich in seiner ganzen Ausdehnung. Während
der Bewegung sieht man an dieser Membran eine grössere oder geringere
Anzahl wellenförmiger Ausbuchtungen hinziehen und zwar sollen dieselben
nach Ray Lankester zeitweise nach der einen, zeitweise nach der ent-
gegengesetzten .Richtung laufen. Diese Ausbuchtungen geben der Mem-
bran bei flüchtiger Betrachtung ein ausgezacktes Ansehen, wie sie denn
auch von den früheren Beobachtern (speciell Gruby, T. 39, 5f) dargestellt
wurde, ja diese Auszackungen konnten sogar für Cilien gehalten werden
(Wedl und neuerdings wohl auch Rättig). Der Verlauf der Membran längs
des Trypanosomakörpers scheint zuweilen ein etwas schraubiger zu sein
(Certes, Mitrophanow, T. 39, 6 a), jedoch scheint es mir schwierig zu
entscheiden, ob dies nicht nur darauf beruht, dass der Körper unsrer
Form (namentlich im längsgestreckten, wurmförmigen Zustand) gewöhu-
lich selbst eine Anzahl schraubenförmiger Windungen macht. Wo diese
Windungen nicht ausgebildet sind, scheint auch die Membran nahezu un-
gewunden an dem Körper hinabzuziehen.
Eine Reihe von Beobachtungen (Gaule, Mitrophanow) weisen darauf
hin, dass die geschilderte Membran nicht eine bleibende, unvergängliche
Einrichtung ist. Zunächst zeigt sich ihr Ausbildungsgrad (speciell bei
der Trypanosoma sanguinis und der Form aus Cobitis fossilis) ziem-
lich variabel. Während sie bei schwächerer Entwicklung von der Geissei
scharf getrennt erscheint, fliesst sie bei ansehnUcher Ausbildung mit
derselben gewissermaassen zusammen, so dass die Geissei dann gleich-
sam eine Art Anhang der Membran vorstellt. Andrerseits scheint die
Membran aber auch gänzlich eingezogen werden zu können , ja es
ist nicht unwahrscheinlich, dass unsre Organismen unter Rückbildung
der Geissei wie andre primitive Flagellaten in einen amöboiden Zu-
stand überzugehen vermögen. — Im Hinblick auf das ähnliche Verhalten
der Geissein scheint es interessant, dass sich nach Certes (189) auch die
undulirende Membran sehr schwierig färbt.
Wie früher bemerkt, finden wir noch bei zwei weitern Geschlechtern pa-
rasitischer Flagellaten (Trichomonas und Hexamitus) ähnliche Einrichtungen,
wenngleich Stein denselben nicht den Charakter wirklicher schwingender
Säume zuschreiben zu dürfen glaubt. Schon früher wurde auf die Contro-
verse hinsichtlich der undulirenden Membran der Trichomonas hingewiesen.
Wie gesagt, ist es nach Stein keine eigentliche undulirende Membran,
welche das früher auf eine Cilienreihe bezogene Bewegungsphänomen auf
43*
676 Flagellata.
der Bauchseite der Trichomonas hervorruft, sondern dies würde da-
durch bewirkt, „dass der überaus weiche Körper auf der einen Seite
schnell hinter einander spitzzähnige oder abgerundete Fortsätze hervor-
treibt, welche zusammen den Eindruck hervorbringen, als verlaufe unauf-
hörlich eine Welle nach der andern von vorn nach hinten über den be-
treffenden Körperrand/' Eigene in Gemeinschaft mit Blochmann vorge-
nommene Untersuchungen ergaben jedoch bei Trichom. vaginalis und
Batrachorum , dass das Phänomen auch hier durch eine deutliche undu-
lireude Membran verursacht wird. Der etwas verdickte freie Rand dieser
Membran kann sich beim Abtödten der Trich. Batrachorum zuweilen ab-
lösen und hierauf beruht es wohl, dass Grassi (193) statt der Membran eine
wellige Geissei annahm. Bei Trich, Batrachorum dehnt sich die Membran
bis gegen das hintere Körperende aus und setzt sich in eine zarte freie
Geissei fort. Dieser directe Uebergang der Membran in eine Geissei
dürfte beweisen, dass zwischen beiderlei Gebilden eine innige Verwandt-
schaft existirt und diese Erfahrung wird, wie wir früher gesehen haben,
auch noch dadurch besonders unterstützt, dass die ohne Zweifel mit
Trichomonas sehr nahe verwandte Trichomastix an Stelle der Membran
eine durchaus freie hintere Geissei besitzt.
Letztere Gattung zeigt noch eine hochinteressante Erscheinung, welche
für das Verständniss der undulirenden Membran überhaupt sehr bedeutungs-
voll erscheint. Wird sie durch Druck stark abgeplattet, so gehen die
vier Geissein ganz verloren, dagegen beginnen nun die Körperränder an-
dauernd wellige Bewegungen auszuführen, die sich in jeder Hinsicht der
Wellenbewegung der geschilderten undulirenden Membranen an die Seite
stellen lassen. Diese Erscheinung findet vielleicht auch darin ein Ana-
logon, dass Stein in der vorderen Körperhälfte des Hexamitus intestinalis
zuweilen jederseits einen ähnlichen Saum undulirender Fortsätze wahr-
genommen hat.
D. Die Cuticular- und Schalenbildungen der Flagellata.
Einer grossen Anzahl unsrer Organismen fehlt eine häutige Um-
hüllung des plasmatischen Körpers gänzlich. Besonders deutlich tritt dies
ja bei denjenigen einfacheren Formen der drei Abtheilungen der Mo-
nadina, Iso- und Heteromastigoda hervor, welche entweder dauernd oder
doch während gewisser Lebensepochen amöboide Bevvegungserscheinungen
zeigen. Bei zahlreichen kleineren Formen mit gestalts beständigem Körper
ist sicherlich keine wahre Zellmembran einigermaassen scharf difierenzirt.
Dennoch müssen wir der oberflächlichsten Körperschicht derselben eine
grössere Starrheit, also in gewisser Hinsicht die Eigenschaften einer Mem-
bran zuschreiben, ohne dass sich dieselbe jedoch von dem unterliegendem
Plasma, in das sie ganz allmählich übergeht, sondern Hesse. Diese Be-
schaffenheit dürfen wir, meiner Ansicht nach, durchweg den formbestän-
digen Gliedern der Monadinen, einer nicht geringen Anzahl der Isomasti-
goden, sowie den kleineren Heteromastigoden zuschreiben.
Cuticularbilduugeii der Euglcuoidiiia. 677
Von dem eben geschilderten Zustand führen ohne Zweifel gewisse
Uebergangszustände zu den Formen mit wohl differenzirter sogen. Cuti-
cula, d. h. einer dem Plasmakörper dicht und innigst aufliegenden Zell-
haut. Wahrscheinlich werden wir in der Gruppe der Euglenoidina, von
welcher zahlreiche Angehörige eine gut entwickelte Cuticula besitzen,
solchen üebergangsformen begegnen.
Von den Cuticularbildungen unterscheiden wir auch hier die Schalen-
oder Gehäusebildungen wesentlich nur dadurch, dass diese Umhüllungs-
gebilde dem Körper nicht mehr dicht aufliegen, sondern ihm nur lose
verbunden sind, also der Körper sich mehr oder minder frei in der ihn
uraschliessenden Schale befindet. Natürlich konnte dieser Zustand nur
aus einem solchen hervorgehen, wo die sogen. Schale ähnlich einer Cuti-
cula oder eigentlichen Zellhaut dem Plasmakörper, von dem sie gebildet
wurde, dicht auflag. Wir haUen es daher für wohlberechtigt, die Gehäuse-
oder Schalenbildungen im Allgemeinen gleichfalls in die Kategorie der
Zellmembranen einzureihen, wenngleich sich Stein (167) sehr entschieden
gegen eine solche Auffassung ausgesprochen hat.
Dass ein in einer solchen Schale eingeschlossner Flagellatenkörper zuweilen ausserdem noch
eine besondre Cuticula besitzt, kann jedenfalls nicht gegen unsere Auffassung sprechen und
selbst der Fall, dass bei gewissen Euglenoidinen die Schalenhülle erst nachträglich als eine
äussere Abscheidung ausserhalb einer bereits existirenden Cuticula gebildet wird, kann meiner
Ansicht nach die Einreihung der Schalenhildungen in die Reihe der Zellmembranen nicht
beeinträchtigen. Gerechtfertigter würde eine schärfere Scheidung der Cviticular- und Schalen-
bildungen dann erscheinen, wenn sich nachweisen Hesse, dass ilire Entstehung eine wesent-
lich verschiedene ist. Für die ersteren ist sicherlich eine Entstehung durch Differenzirung der
äussersten Plasmaschicht des Körpers anzunehmen, für die letzteren dagegen scheint es in einer
Reihe Fälle sehr wahrscheinlich, dass ihre Bildung durch Secretion geschieht. Dennoch
scheint es zur Zeit nicht möglich , auf diese Unterschiede gestützt beiderlei Gebilde schärfer
zu sondern.
1) Cuticularbildungen. Wie bemerkt, treten dieselben in der
Abtheilung der Euglenoidina sehr allgemein verbreitet und am besten
ausgebildet hervor. Wir wollen daher zunächst auf die Verhältnisse bei
dieser Gruppe einen Blick werfen*). Der stärksten Entwicklung der
Cuticula begegnen wir hier, wie zu erwarten, bei jenen ganz starren und
gestahsbeständigen Formen, welche Stein zur Familie der Chloropelti-
deae zusammenfasste (Lepocinclis und Phacus). Die sehr resistente und
ziemlich dicke Cuticula dieser Formen ist dann am besten zu studiren,
wenn nach dem Absterben der Organismen das gesammte Plasma im
Lauf der Zeit zerstört wurde und die Cuticula nun als eine glasartig
durchsichtige und homogene Haut rein und isolirt vorliegt. Dieselbe um-
kleidet hier wie bei den übrigen Euglenoidina den Körper allseitig und
erleidet nur am Grunde des kurzen sogen. Schlundes, den sie sich ein-
senkend bildet, eine Unterbrechung. Eine stete Auszeichnung dieser Cuti-
*) Die Auffassung der Cuticularbildungen als Ectoplasma, welche Kent einzuführen
sucht, scheint mir mit dem allgemeinen Begriff des Ectoplasmas, wie er sich namentlich auf
Grund der Verhältnisse bei den Sarkodinen allmählich entwickelte, nicht vereinbar.
678 Flagellata.
cula ist ihre Streifung, die wie die Formen mit gröberen Streifen erweisen,
auf äusseren, schwach leistenartigen Erhebungen oder Verdickungen der
Haut beruht. Diese Streifung ist entweder eine längs gerichtete (beide
Gattungen z. Th.) oder umzieht den Körper mehr oder weniger deutlich
schraubenförmig. — Die Streifen sind theils in geringer Anzahl vorhanden
und dann durch ziemlich weite Abstände getrennt (so namentlich bei
Phacus Pyrum und Lepocinclis hispidula) oder sie stehen dichter bis sehr
dicht zusammen (letzteres namentlich bei Lepocinclis Ovum). Selten tritt
noch eine besondere Verzierung der Streifen hervor, so sind sie bei Lepo-
cinclis hispidula sehr deutlich gezackt, so dass die Cuticula hier äusserlich
mit Längsreihen von Dornen verziert erscheint, bei Phacus longicauda
dagegen erscheinen die Streifen bei sehr starker Vergrösserung aus einer
Längsreihe sehr dicht zusammengestellter feiner Knötchen gebildet, wäh-
rend die die Streifen trennenden Cuticularbänder eine sehr zarte Quer-
strichelung aufweisen*).
Dünner, jedoch im Allgemeinen von entsprechender Bildung erscheint die
Cuticula bei der Gattung Euglena, wo sie zuweilen gleichfalls noch
hinreichend dick und resistent ist, um sich nach dem Absterben isolirt
erhalten zu können, was zuerst Focke beobachtete. Immerhin ist die Cuti-
cula der Euglenen biegsam und elastisch genug, um die energischen
Gestaltsveränderungen des Körpers zu gestatten. Wie schon erwähnt, ist
auch die Cuticula dieser Formen stets deutlich schraubig gestreift, doch
ist die Streifung hier fast stets sehr zart und dicht, so dass sie erst
bei ziemlicher Vergrösserung deutlich wird. Bei Euglena Ehrenbergii Kl.
sah Klebs noch ein zweites zarteres Streifensystem das ersterwähnte
kreuzen. Nur bei Euglena spyrogyra ist die Streifung weniger dicht
und tritt auch dadurch noch deutlicher hervor, dass auf den Streifen
Reihen knöpfchenartig über die Oberfläche etwas vorspringender Knötchen
(trapezoidische Höckerchen nach Klebs) aufsitzen, ähnlich also wie es
oben von dem Phacus longicauda geschildert wurde. Nach Klebs sollen
sich bei Anwendung von Druck oder bei Behandlung mit Pepsin von den
eigentlichen Cuticularstreifen zarte farblose Fäden abheben, auf welchen
erst die Höckerchen sitzen. Auch zeichnet sich die Cuticula dieser Art
nach ihm dadurch aus, dass sie durch Eisenoxydhydrat gelb bis braun,
ja bei einer Varietät bis schwarz gefärbt ist. Besonders die Höcker
treten durch intensive Färbung hervor. Schliesslich will Klebs beobachtet
haben, dass die Höcker manchmal zum Theil abgestossen werden und sich
hierauf wieder neu bilden. Doch gelang es nicht, die Bildungsgeschichte
sicher zu ermitteln; gewisse Beobachtungen wiesen darauf hin, dass sich
zuerst die erwähnten Fäden erzeugen, welche die Höcker tragen.
Dass die schraubige Streifung des Euglenenkörpers der Cuticula an-
gehört, also sicherlich nicht eine plasmatische Ditferenzirung des Ecto-
*) Diese Querstreifuiig ist es jedenfalls, welche Klebs (206) neuestens als ein zweites
bisher übersehenes spiraliges Streifen system bei dieser Form und Ph. i)leuronectes be-
schrieb.
Cuticularbilduiigeu der Euglenoidina etc. 679
sarks darstellt, welche, wie Stein annimmt, nach Analogie mit der Körper-
streifung der Ciliaten mit den Contractionsvorgängen der Euglenen im
Zusammenhang stehe, scheint sicher daraus hervorzugehen, dass die
isolirte Cuticula die Streifung noch deutlich zeigt. Auch Klchs spricht
sich neuestens entschieden gegen die Stein'sche Ansicht aus. Ebenso
spricht die Uebereinstimmung der Streifen mit denjenigen der ganz
starren Chloropehidea, wo sie sicher cuticular sind, auf das ent-
schiedenste gegen die Ansicht Stein's. — Mir scheint im Gegentheil die
von Stein bekämpfte Ansicht Carter's (100), welche schon früher Perty
äusserte: dass die Spiralstreifung der Euglenencuticula eine gewisse Ver-
gleichbarkeit mit den Spiralverdickungen gewisser Pflanzenzellhäute zeige,
nicht unplausibel.
Focke (58, 2) und später Carter (100)*) konnten zeigen, dass die
isolirte Cuticula der Euglenen dem Verlaufe der Streifen entsprechend
leicht einreisst, ja Carter sah dieselbe sogar in schraubenförmige Fasern
zerfallen.
Hinsichtlich ihrer chemischen Beschaffenheit zeigt die Cuticula der
seither geschilderten Eugleninen eine Reihe gradueller Verschiedenheiten,
indem sie ziemlich Hand in Hand mit ihrer Dickenentwicklung auch mehr
und mehr Resistenz erlangt, bis sie bei den Chloropeltidien sogar
der Einwirkung concentrirter Schwefelsäure viele Stunden hindurch wider-
steht. Namentlich Klebs hat sich neuestens um die genauere Unter-
suchung derselben verdient gemacht und festgestellt, dass die Cuticula
zahlreicher Euglenen schon durch concentrirte Essigsäure bis zur Un-
kenntlichkeit aufquillt, ebenso auch durch Kali. Eine eigentliche Auf-
lösung erfolgt jedoch nicht, wie gewisse Versuche zeigen. Von diesem
Verhalten führen ziemlich allmähliche Uebergänge zu der grossen Re-
sistenz der entwickelteren Cuticularbildungen.
In keinem Fall gelang die Reaction auf Cellulose imd ich kann dies
nach zahlreichen Versuchen an den Chloropeltidien bestätigen. Mit Jod
und Schwefelsäure tritt Braunfärbung ein. Im Allgemeinen nimmt die Tingir-
barkeit der Cuticula in gleichem Grade, wie ihre Resistenzfähigkeit zu-
nimmt, ab; als bestes Färbemittel erwies sich noch Hämatoxylin, doch
färbt auch dieses bei Fhacus nur schwach.
Durch Verdauungsversuche mit Pepsin, sowie durch Untersuchung
der Wirkung der Fäulnissbaeterien gelangte Klebs zu dem Resultat,
dass diese Membran allgemein aus zwei verschiednen Stoffen besteht,
einem der sich bei dieser Behandlung entfeinen lässt und welcher daher
wohl eiweissartiger Natur ist und einem zweiten, welcher hierbei als zu-
sammenhängende oder in bandartige Streifen zerfallne, die Streifung noch
zeigende Membran zurückbleibt, sich mit Jod nicht mehr tärbt und sehr
wenig in Kali quillt. Letzteren Stotf bezeichnet er als Zellhautstoff und
*) Docli verlegt auch Carter die Streifung irriger Weise in eine besondere Schicht unter
die Cuticula.
680 , Flagellata.
seine chemische Natur ist zur Zeit noch unbestimmt. Auch die Höcker-
fäden der Euglena spyrogyra widerstehen der Behandlung mit Pepsin.
Im Allgemeinen scheint sich hieraus zu ergeben, dass die Resistenz
zunimmt je mehr in der Cuticula der Zellhautstoff sich ausbildet und
dass dieser in den so widerstandsfähigen Membranen der Chloropeltidien
sehr überwiegt.
Mit Euglena stimmen nach Klebs bezüglich der Cuticula überein die
nahe verwandten Geschlechter Ascoglena, Trachelomonas, Menoidium und
Eutreptia und auch die Cyclidiumformen, welche Klebs unter dem Namen
Astasia beschreibt.
Auch bei einigen weiteren mit Euglena verwandten Geschlechtern
findet sich eine ähnliche zarte schraubige Streifung, wenngleich eine
deutliche Cuticula hier nicht immer mit Sicherheit nachgewiesen ist
(Astasia, Peranema, Urceolus, Zygoselmis und Heteronema. Auch die zu
den Heteromastigoden gehörige Anisonema zeigt nach Klebs die Spiral-
streifung). Bei Peranema hat sich jedoch Klebs von der in coucentiirter
Essigsäure verquellenden Cuticula überzeugt und die Gegenwart der
Spiralstreifung scheint im Allgemeinen das Vorhandensein einer ent
sprechenden Cuticula sehr wahrscheinlich zu machen.
Für diese Auffassung spricht weiterhin ein Zustand des interessanten Urceolus, den ich
einmal zu beobachten Gelegenheit hatte; hier hatte sich der Weichkörper in seinem vorderen
Theil von einer nun deutlich gestreiften zarten Cuticula ganz zurückgezogen und sich kuglig
zusammengeballt, während die vorne freie Cuticula noch die eigenthümliche kelchartige Be-
schaffenheit des Peristoms darbot. Die Geissei fehlte. Mit Kali verquillt die Cuticula jedoch
bis zur Unkenntlichkeit.
Aus dem Vorbemerkten geht wohl sicher hervor, dass die Cuticular-
bildung unter den echten Euglenoidinen ganz allgemein verbreitete zu
sein scheint, so dass wir sie auch den übrigen, bis jetzt noch nicht
genauer studirten Formen wohl zuschreiben müssen.
In der umfangreichen Abtbeilung der Isomas tigoda scheint es nur
sehr selten zur Entwicklung einer wahren Cuticula zu kommen. Mit
einiger Sicherheit dürfen Avir eine solche wohl nur der interessanten Gattung
Synura zuschreiben (T. 43, 1). Die Synura- Individuen zeigen ent-
weder eine etwas unregelmässig körnelige, zarte Hüllschicht, oder häufiger
ist dieselbe über die gesammte Körperoberfläche zu einem etwas unregel-
mässigen Stachelkleid ausgewachsen, dessen Stacheln entweder nur kurz
sind oder zu recht beträchtlichen Anhängen heranwachsen, lieber die che-
mische Beschaffenheit dieser Cuticula und ihrer Stacheln ist zur Zeit
nichts Sicheres bekannt, jedoch scheint dieselbe aus keinem sehr resi-
stenten Stoffe zu bestehen. Dieselbe Hülle sammt Stachelkleid zeichnet
auch die zweifelhafte Gattung Mallomonas Perty's aus, welche Stein
überhaupt nicht für eine selbstständige Form gelten lässt, sondern auf
abgelöste, isolirte Individuen der koloniebildenden Synura zurückführt.
Da aber sicher auch eingeisselige Formen existiren , welche der Beschreibung Perty's
entsprechen, während die Individuen der Gattung Synura stets zweigeisselig sind, so scheint
es noch unsicher, ob nicht doch eine besondere Gattung Mallomonas festzuhalten ist,
Cuticularbildungen. Stielgerüste der Deridromoiiadinae. 681
welche Ansicht Keiit vertritt. Die Bestaclielung des Mallonionas zeigt nun eine gewisse,
jedenfalls aber passive Beweglichkeit, welche schon Fres enius (93) beobachtete; die Stacheln
legen sich nämlich bei der Bewegung unsrcr Wesen dem Körper mehr an, d. h. sie werden
ohne Zweifel durch den Widerstand des Wassers zurückgebogen. Auch beobachtete Fresenius
öfter, dass die Richtung, in welcher die Stacheln vom Körper abstehen, langsam verändert
wird. Wie gesagt, ist aber diese Bewegliclikeit der Stacheln jedenfalls eine durchaus pas-
sive, und es scheint in hohem Maasse irrthümlich, wenn Kent die Stacheln des Mallomonas
für Cüien erklärt und unsere Form demgemäss unter die Cilioflagellaten stellt.
Ganz kurz möchten wir an dieser Stelle noch der von der gewöhnlichen Auffassung
sehr abweichenden Vorstellungen Künstler's (190) über den Bau der Körperhülle der Gatt.
Cryptomonas hauptsächlich gedenken. Gegenüber der auch von mir gethcilten Ansicht, dass
diese Form nur eine äussere verdichtete Hautschicht besitzt, was auch bei der nächstverwandten
Gatt. Chilomonas durch das leicht eintretende Zerfliessen des Körpers bewiesen wird, gelangte
K. zu dem Resultat, dass das sogen. Integument der Cryptomonas aus nicht weniger wie vier
Schichten zusammengesetzt sei. Die äusserste dieser Schichten, welche er speciell als Cuticula
bezeichnet, sei farblos, die drei inneren dagegen grün pigmentirt. Aus diesen Angaben geht
zunächst hervor, dass K. in jedenfalls irriger Weise die später zu besprechenden Entochrom-
platten (Chromatophoren) zu dem Integument hinzuzog. (Vergl. daher auch weiter unten im
Kapitel über die Chromatophoren.) Der äussersten Integumentalschicht, seiner sogen. Cuticula,
schreibt K. eine zarte, oberüächliche Spiralstreifung , ferner eine verdichtete und ge-
schichtete äussere Kegion und eine tiefe Lage zu, welch' letztere durch Einlagerung zahl-
reicher von flüssigkeitsreichem Plasma gebildeter Vacuolen in der Flächenansicht eine netz-
artige Zeichnung darbieten soll. Eine ähnliche Zeichnung findet er auch im Integument der
sogen. Euglena oxyuris (der Abbildung nach jedenfalls E. spyrogyra), jedoch gründet sich
diese Angabe sicher nur auf irrthümliche Auffassung der oben beschriebnen Cuticularzeich-
nung dieser Euglejia. Auch für letztere Gattung, wie für Phacus macht K. den seltsamen
Missgriff, die unter der eigentlichen Cuticula liegenden Chromatophoren als eine tiefe Integu-
mentschicht zu beschreiben , wobei er denn natürlich auch in den Irrthum verfallen musste,
dass die Euglenen eine zusammenhängende , gefärbte subcuticulare Lage besässen , an Stelle
der thatsächlich vorhandenen discreten Chromatophoren. Wir begnügen uns hier mit diesem
Hinweis auf die Künstler'schen Darstellungen und brauchen kaum eingehender zu betonen,
dass uns dieselben grösstentheils irrig erscheinen. Die angeblich durch vacuoläre Einlage-
rungen hervorgerufene netzförmige Zeichnung, welche Künstler nicht nur dem Integument,
sondern auch, wie wir noch sehen werden, zahlreichen weiteren Körpertheilen zuschreibt,
lässt sich möglicherweise z. Th. auf die falsch gedeutete Beobachtung einer netzförmigen
Plasmastructur zurückführen, welche ja auch bei den Flagellaten nicht fehlen wird.
2. Stiel- und Gehäusebildungen.
a) ötielbilduDgen. Bei einigen Flagellaten kommt es in ähnlicher
Weise, wie wir dies schon bei gewissen Sarkodinen fanden, zur Bildung von
stielartigen Trägern des Körpers, welche sich als Abscheidungen aus der
hinteren, seltner dagegen der vordem Körperregion entwickeln. Besonders
schön entwickelt begegnen wir solchen Gebilden zunächst bei der Familie der
Dendromonadinae, wo die Koloniebildung gleichzeitig zur Entwick-
lung verästelter, baumförmiger Stiele führt. Hier ist es stets das hintere
Körperende, welches durch seine Abscheidung den Stiel erzeugt und sein
Weiterwachsthum bewirkt. Die Stiele von Dendromonas und Cephalo-
thamnium (T. 41; 6, 8) werden von einer ziemlich steifen, durchsichtigen,
homogenen und farblosen Masse gebildet, deren Verhalten gegen Reagen-
tien zur Zeit nicht genauer bekannt ist. Sie scheinen weiter durchaus
solid, nicht röhrig zu sein. Einer ganz entsprechenden Stielbildung be-
682 Flagellata.
gegnen wir unter den Isoniastigoda auch bei der Gattung Cbrysalis
(T. 44, 6), jedoch führt dieselbe hier nicht zur Entwickhing von Kolonien.
Aehnlich erscheint weiterhin der meist kurze Stiel, welchen die sich fest-
setzenden Formen der Gattung Ohio rang i um (T. 44, 2) ausscheiden.
Stein bezeichnet ihn als starr, Cienkowsky (134) dagegen als einen
Schleimstiel. Dieser Chlorangiumstiel kommt jedoch nicht am Hinter-
ende des Organismus zur Entwicklung, sondern da sich die freischwim-
mende Form mit ihrem geisseltragenden Vorderende festheftet, ist es
dieses, welches die Ausscheidung des Stieles bewirkt. Sehr interessant
erscheint es, dass wir eine zweite, jedoch den Euglenoidinen angehörige
Form kennen, welche in einer ganz mit Chlorangium übereinstimmenden
Weise Stiele bildet. Dies ist die Gattung Colacium (T. 47, 14). Auch
sie geht unter Verlust der Geissei durch Festheftung mit dem Vorder-
ende in einen gestielten Zustand über, doch unterscheidet sich derselbe
von Chlorangium dadurch, dass bei der nun beginnenden Vermehrung
durch fortgesetzte Zweitheilung allmählich verzweigte, bauraförmige Stiele
ähnlich wie bei den Dendromonadinen gebildet werden.
Durch eine Reihe besondrer Eigenthümlichkeiten zeichnet sich das
Stielgerüst der zu den Dendromonadinen gehörigen , so vielfach unter-
suchten Anthophysa aus, weshalb wir erst an dieser Stelle etwas
näher auf dieselbe eingehen. Die Stiele der Anthophysa werden
wie die der übrigen Dendromonadinen von dem Hinterende der Indivi-
duen ausgeschieden; da jedoch hier, wie bei dem nahe verwandten Cephalo-
thamnium die Individuen zu etwa halbkugligen Kolonien vereinigt sind,
welche je einem Stiel (oder Zweig des Stielgerüstes) aufsitzen, so wird
jeder Stiel gleichzeitig durch die Ausscheidung aller zu einer solchen
halbkugligen Gruppe vereinigten Individuen erzeugt (T. 41, 5). Wie
schon angedeutet, entwickeln sich auch die Stiele der Anthophysa zu
dichotomisch verzweigten und häufig sehr ansehnlichen Gerüsten, indem
die Individuengruppen der Stielenden sich zweitheilen und jede der so
erzeugten Gruppen einen neuen Stielzweig bildet.
Die jugendlichen Stiele unsrer Anthophysa erscheinen wie die der
seither besprochnen Formen farblos , ältere dagegen (oder die altern
Theile der Gerüste) nehmen allmählich eine gelbliche bis gelbbraune
Färbung*) und nach Stein gleichzeitig auch eine starre, unbiegsame Be-
schaffenheit an, wogegen die noch farblosen Gerüste (oder die peripherischen
Zweigenden älterer Gerüste) weich und biegsam sind. Ueber den feineren
Bau der Stiele herrschen noch gewisse Zweifel ; James-Clark (124) beschreibt
dieselben als hohle Röhren und auch Stein bezeichnet sie als ,,solide
Röhren''; gegenüber dieser Auffassung betonte ich seiner Zeit ihre solide
Beschaffenheit und auch Kent, welcher dem Bau der Stiele viel Aufmerk-
*) Ob diese Färbung iiiclit auch durch eine Beimischung von Eisenoxydhydrat verur-
sacht ist, wie dies Klebs für ähnliche Färbungen der Schalen gewisser Euglenoidinen erwies,
bleibt zu untersuchen.
Stielgerüste der Autophysa. 683
saiukeit gewidmet hat, schliesst sich letztrer Ansicht an. Dagegen glaubt
sich Balbiani (199) neuerdings wieder von der rührigen Beschaffenheit
jugendlicher Stiele sicher überzeugt zu haben und beobachtete gleichzeitig
in deren Axe einen dunkleren Axenfaden. Das Material , welches den
Anthophysenstiel zusammensetzt, ist nicht homogen, wie das der seither
erwähnten Formen , sondern schon die jugendlichen und weichen Stiele
oder Stieltheile besitzen stets eine etwas unregelmässig granuläre Be-
schaffenheit, welche in den älteren, bräunlichen Theilen einer feinen Längs-
bis Spiralstreifung Platz macht. Nach Stein's Darstellung wird diese
Streifung durch die Einlagerung zahlreicher feiner stäbchenförmiger
Skeletgebilde hervorgerufen, welche denn auch die Starrheit dieser
älteren Stieltheile bedingen sollen. Dagegen sprechen meine Beob-
achtungen wie die Kent's für eine zusammenhängende, etwas un-
regelmässige Streifung, resp. Faserung. Die granulöse Beschaffenheit der
jugendlichen Stieltheile schreibt sich wahrscheinlich von der etwas seltsamen
Entstehungsgeschichte des Stieles, welche zuerst durch Kent's Unter-
suchungen aufgeklärt wurde, her. Schon Ehrenberg machte die interessante
Beobachtung, dass bei Fütterung der Anthophysakolonien mit Indigo die
Farbstoffpartikel sich allmählich in grosser Menge an den obersten, jüng-
sten Stieltheilen ansammeln, so dass diese nach einiger Zeit ganz blau
erscheinen. Kent verfolgte den Vorgang näher und fand, dass die von
den Thieren aufgenommenen Farbstoffpartikelchen sehr bald wieder von
deren Hinterenden ausgeschieden und so in die gleichzeitig secernirte
weiche Stielmasse eingelagert werden. Diese interessante Beobachtung
scheint nun den Schluss sehr wahrscheinlich zu machen, dass die Granu-
lationen, welche die noch jugendlichen Stieltheile zeigen, auf Excretions-
producte zurückzuführen sind, welche, ähnlich wie die unverdaulichen
Farbstoffpartikelchen , an den Hinterenden der Anthophysathiere ausge-
schieden werden. Wie sich jedoch aus dieser granulären Beschaffenheit
der jüngeren Stieltheile die streifige der älteren hervorbildet, scheint etwas
zweifelhaft. Kent sucht dies so zu erklären, dass die Streifen den An-
theil bezeichnen, welchen jedes Individuum einer Thiergruppe am Aufbau
des Gesammtstiels genommen habe, eine Ansicht, welche schon früher
James-Clark in ähnlicher Weise aufgestellt hatte. Hierfür spreche nament-
lich die Erscheinung, dass sich die Zahl der Streifen gegen das Ende
des Stiels, resp. Stielzweiges, vermehre, entsprechend der Vermehrung der
Individuenzahl der Gruppen durch fortdauernde Theilung.
Das Wachsthum des Antophysastiels scheint im Allgemeinen ein ziem-
lich rasches zu sein ; bei Karminfütterung sah Kent den Stiel einer Gruppe
in einer halben Stunde um etwa 0,034 Mm. wachsen, jedoch geschieht die
Zunahme unter gewöhnlichen Verhältnissen gewiss beträchtlich langsamer.
Jedenfalls scheint die seiner Zeit von James-Clark geäusserte Ansicht,
dass das Stielgerüste unsrer Autbophysa ein eignes actives Wachsthum
besitze, nicht zutreffend, wenngleich gewisse eigenthümliche Verhältnisse
in seiner Dickenzunahme eine solche Ansicht scheinbar unterstützen.
684 ■ Flagellata.
unter normalen Wachsthumsverhältnissen, d. li. bei regelmässig fortdauernder Vermehrung
der Einzelthiere der Gruppen ist a priori anzunehmen , dass die Dicke des Stiels (resp. der
Stielzweige) nach den Enden zu etwas wächst. Dies tritt denn auch, wie es scheint, an den
Stöcken mit indinduenreichen Gruppen ziemlich deutlich hervor. Namentlich ist an solchen
Stöcken, wie Stein ausfuhrlich darstellt, das Ende der Stielgerüstzweige nahezu kuglig an-
geschwollen (T. 41, 5i). Dagegen finden wir auch Stöcke, deren Gruppen sich durch Indi-
viduenarmuth gewöhnlich als schwächlich entwickelte verrathen, bei welchen sich das Stiel-
gerüst von der Basis aus mehr und mehr verdünnt, bis schliesslich die freien Zweigenden
ganz fein zugespitzt auslaufen (T. 41, 5 b), also genau das umgekehrte Verhalten wie im erst-
geschilderten Fall darbieten. Derartige Stielgerüste könnten nun wirklich die Vermuthung
hervorrufen, es fände ein nachträgliches actives Dickenwachsthum der Stiele statt. Dieser sehr
unwahrscheinlichen Annahme dürfte jedoch die vorzuziehen sein, welche die abnorme Ver-
dünnung der Stielzweige theils auf ungenügende Ernährungsverhältnisse der sie erzeugenden
Gruppen, theils namentlich darauf zurückzuführen sucht, dass die Gruppen solcher Stöcke nicht
eine fortdauernde Vermehrung ihrer Individuen, sondern wahrscheinlich eine allmähliche Ver-
minderung derselben dadurch erfahren, dass sich fortdauernd Einzelthiere aus den Gruppen los-
lösen und diese so allmählich verarmen.
Ueber die chemische Natur der braunen, verhärteten Stielgerüste ist
bekannt, dass sie selbst in kochender Kalilauge unlöslich sind, dagegen
von concentrirter Schwefelsäure zerstört werden. Ob man ihre Substanz
daher dem Chitin vergleichen will oder es mit Kent vorzieht, sie lieber
dem Keratin zu nähern , scheint auf Grund unserer geringfügigen Kennt-
nisse zunächst ziemlich bedeutungslos.
b) Hüllen bild un gen. a. Gallerthüllen. Zu den Hüllenbildungen
im weitern Sinne rechnen wir auch die gallertigen Umhüllungen , welche
gewisse Flagellaten, ähnlich wie früher besprochene Sarkodinen, besitzen.
Wir sind hierzu um so mehr berechtigt, als eine Vergallertung häutiger
Umhüllungen zu gewissen Zeiten auch bei Flagellaten beobachtet wird und
sich bei pflanzlichen Organismen, wie bekannt, sehr häufig findet, andrer-
seits solche gallertige Umhüllungen den Charakter von Schalengebilden
zuweilen ziemlich deutlich darbieten und durch Erhärtung allmählich in
häutige Schalengebilde überführen können.
Schon unter den Rhizomastigoda treffen wir gelegentlich eine solche
Gallerthülle an. Die Mastigamoeba (Rhizomonas) verrucosa Kent hüllt
sich zuweilen, auf einer Unterlage aufliegend, in einen halbkugligen
Gallertmantel, aus welchem allein die Geissei hervorragt. Besonders cha-
racteristisch werden jedoch derartige Gallerthüllen in der zu den Isomasti-
goden gehörigen Familie der Spongomonadinen, wo sich durch gleich-
zeitige Aggregation zahlreicher Individuen zu Gesellschaften oder Kolonien,
wobei die Gallerthüllen der Einzelthiere zu einem gemeinsamen Mantel zu-
sammenfliessen, grössere Gallertmassen bilden, welche dicht mit Individuen
durchsetzt sind. In der Gattung Spongomonas bilden sich so auf einer
Unterlage ruhende Scheiben- oder bandförmige Gallertmassen, in welchen
die kleinen Einzelthiere dicht unter der Oberfläche, ziemlich gleichmässig
vertheilt, eingelagert sind (T. 42, 12 und 13). Jedes Thier liegt in einer
engen , von Flüssigkeit erfüllten Höhle. Bei Spongomonas Uvella Kent
dagegen sind die Gallerthüllen der Einzelindividuen etwas mehr gesondert.
Gallerthüllen der Spongomonadinac. (385
indem sie sieh beeren fürmig zusammeu gruppiren und nur an der Basis
des Stockes zu einem gemeinsamen kurzen Stiel zusammenschmelzen.
Eine im allgemeinen ähnliche Gestaltung zeigen auch die grossen Stöcke
der Spongomonas Sacculus Keut, welche gewöhnlich frei von der Wasser-
oberfläche herabhängen (T. 42, 10). Die gesammte Gallertmasse besitzt
hier eine etwa bentelförmige Gestalt, sackt sich jedoch im Laufe des
Wachsthums in zahlreiche secundäre Beutel aus. Die Stöcke dieser Art
erreichen eine Länge von nahezu 15 Mm.
Gewöhnlich scheint die Gallertniasse der Spongomonasstöcke eine ganz
gleichmässige zu sein, nur in dem bandförmigen Gallertstock der Spon-
gomonas Intestinum sah Stein (jedoch nur bei abgestorbnen Exemplaren)
häufig einen medianen Längskanal (T. 42, 12).
Einen etwas anderen Habitus besitzen die gleichfalls gallertigen
Gesellschaftsgehäuse der Gattungen Rhipidodendron (T. 42, 9) und
Cladomonas (11), indem hier einmal jedes Individuum keine geschlossene
Hülle, sondern eine an ihrem oberen Ende weit geöffnete Gallertröhre er-
zeugt und diese Röhren der Einzelindividuen grössere Selbständigkeit be-
wahren. Bei Rhipidodendron geht das prächtige, in einer Ebene fächer-
förmig sich ausbreitende Gesellschaftsgehäuse in der Weise hervor, dass
die an ihrem hinteren Ende aufgewachsene Anfangsröhre sich, bei der
fortdauernden Vermehrung der Einzelthiere durch Theilung, fortgesetzt
dichotomisch gabelt. Alle Eiuzelröhren liegen, wie gesagt, in einer Ebene
neben einander und verwachsen seitlich zu einem zusammenhängenden
Fächer. Indem diese Verwachsung jedoch bei fortdauerndem Wachsthum
zeitweilig unterbleibt, spaltet sich der Fächer fortgesetzt in eine Anzahl,
je aus einer gewissen Zahl von Röhren bestehender, secundärer Strahlen.
Wie bemerkt, liegen die Röhren gewöhnlich einschichtig in einer Ebene
neben einander, doch kommt es auch nicht selten durch leicht verständ-
liche Abänderung des Wachsthums zur Bildung von Fächerstrahlen, welche
aus zwei Röhrenlägen bestehen.
Das Gesellschaftsgehäuse von Cladomonas (T. 42, 11) unterscheidet
sich wesentlich dadurch von dem eben beschriebenen, dass die sich fort-
gesetzt dichotomisch verästelnden Gallertröhre mit ihren Zweigen nicht
zur Bildung eines Fächers zusammentritt, also einen frei verästelten Baum
bildet. Eine besondere Eigentbümlichkeit zeigen die Gerüste dieser
Form nach Stein zuweilen, indem sich an jeder Verzweigungsstelle der
Röhre ein braunes Band bildet, die Gesammtröhre also wie gegliedert
erscheint.
Ohne Zweifel besitzen die im allgemeinen gallertigen Gehäuse der
letztbeschriebenen beiden Gattungen eine etwas grössere Festigkeit, wie
die der Spongomonas, da sie sich frei im Wasser erheben. Kent sucht
dies darauf zurückzuführen, dass bei ihnen die innerste Röhrenschicht
eine grössere Dichte und Festigkeit erlange.
Wie schon aus der Entwicklungsgeschichte der Röhrengehäuse her-
vorgeht, müssen die sie erzeugenden Thiere stets die äussersten Röhren-
686 Flagellata.
enden bewohnen, ja sie ragen häufig mit ihren geisseltragenclen Vorder-
enden noch etwas frei über die Röhrenränder hervor.
Noch eine andere Isomastigode aus der Familie der Chrysomona-
dinae, Syncrypta nämlich (T. 43, 3a), bildet eine Gallerthülle um ihren
Kolonialstock, die sich im allgemeinen der von Spongomouas nahe an-
schliesst. Um die freischwimmende kuglige Kolonie bildet sich eine zu-
sammenhäugende, kuglige Gallerthülle aus, welche eine „scharf abgegrenzte,
lichtere Höhle umschliesst" (Stein). Wahrscheinlich dürfte darnach hier,
wie bei der gleich zu erwähnenden Uroglena der centrale Theil der
Gallerte aus weicher, wenn nicht flüssiger Masse bestehen. Bei letzterer,
von uns zu den Dinobryina gezogenen Gattung findet sich eine ent-
sprechende, gemeinschaftliche, kuglige Gallertmasse, in welche die sehr
zahlreichen Individuen peripherisch, dicht unter der Kugeloberfläche ein-
gelagert sind. Auch hier scheint die Gallertkugel in ihrem centralen
Theil eine flüssigere Beschaffenheit zu besitzen, da ich mehrfach lebhaft
bewegliche Bacillariaceen in ihr beobachtete.
Eine gemeinsame Eigenthümlichkeit zeigen die Gallerthüllen sämmt-
licher beschriebener Flagellaten darin, dass sie niemals homogen, sondern
stets von zahlreichen feineren oder gröberen Körnchen dicht durchsetzt
sind. Diese Körnchen sind gewöhnlich farblos, seiteuer braun wie bei
Rhipididendron und Spongomonas Sacculus, wo sie dann dem ge-
sammten Gehäuse eine braune bis rothbraune Färbung ertbeilen*).
Die Natur der Grauulatioiieu glaubt Kent ähnlich beurtheilea zu dürfen, wie die der
körnigen Einlagerungen des Anthophysastiels, er erblickt in ihnen nämlich Excretionsprodukte.
Dass die Körnchen der Gallerte von den Flagellaten ausgeschieden werden, unterliegt
wohl keiner Frage und demgemäss dürfen wir sie auch wohl als Excretionsprodukte gelten
lassen. Weniger sicher scheint mir dagegen, ob dieselben, wie Kent für Anthophysa anzu-
nehmen scheint, als unverdaute Nahrungsreste zu betrachten sind. Die, wie es scheint, im
allgemeinen ziemlich gleichmässige Beschaü'enheit der Granulationen, wie andrerseits die
charakteristische Färbung der Körnchen gewisser Formen macht letztere Auffassung im
Ganzen wenig wahrscheinlich. Auch die Entwicklung ähnlicher körniger Gallerte während des
ruhenden Zustandes gewisser Formen (so Chrysomonas flavicans) scheint unsere Ansicht zu
unterstützen, da es wenig wahrscheinlich ist, dass auch im geissellosen, ruhenden Zustand eine
fortgesetzte Nahrungsaufnahme statthat.
Zum Beschlüsse unsrer Betrachtung der Gallerthüllen müssen wir hier
noch kurz der Erscheinung gedenken, dass gewisse Flagellaten vorüber-
gehend unter besonderen Verhältnissen eine meist dünne, dem Körper dicht
aufliegende Gallerthülle bilden. Eine solche tritt zuweilen bei der
Monas vivipara auf (Bütschli, T. 40, 13a); nach James-Clark bekleidet
sich auch die in Theilung eingehende Anthophysa mit einer Gallert-
hülle. Die genauesten Mittheilungen über eine derartige gelegentliche
Einhüllung des Körpers machte neuerdings Klebs, welcher nachwies,
dass gewisse Euglenaarten (hauptsächlich E. velata und sanguinea)
unter ungünstigen äusseren Verhältnissen sehr rasch eine Schleimschicht
abscheiden. Dabei gelang es nun weiter nachzuweisen, dass diese Schleim-
*") üb durch Eisenoxydliydrat?
(iallertliülleu ; Gchiiusebilcliingeii. 687
Schicht ursprüuglich keine homogeue ist, sondern durch Ausscheidung
zahh-eicher, aufäuglich gesonderter Schleimtaden entsteht. Dieselben
wachsen allseilig und dichtgestellt über die Cuticula hervor und scheinen
einen rührigen Bau zu besitzen. Allmählich vereinigen sie sich jedoch
mit einander zu einem netzigen Fadeuwerk, das schliesslich durch weitere
Aufquellung zu einer anscheinend homogenen Schleimhülle wird. Der
Ursprung der Schleimfaden lässt sich bis unter die Cuticula verfolgen und
mit Sicherheit feststellen, dass es die äusserste Plasniaschicht des Körpers
ist, wo die Bildung derselben geschieht. Es sind kleine, stärker tingirbare
Körperchen, lesp. Partien dieser äussersten Plasmaschicht, von welcher die
Schleimfäden ausgehen.
Bei den festsitzenden, koloniebildenden Eugleninen der Gattung Cola-
cium scheint es stets und dauernd zur Bildung einer solchen Gallert-
hUlle zu kommen, während die freibeweglicheu Individuen derselben ent-
behren (T. 47, 16).
c) Häutige Schalen- und Gehäusebildungen. Wie bemerkt,
scheint eine scharfe Grenze zwischen den jetzt zu beschreibenden Hüllen
und den gallertigen kaum zu existiren. So scheinen einerseits gewisse
Dendromonadinen, andrerseits die noch zu besprechende Gehäusebildung
der Gattung Codonoeca einen Uebergang zu bilden.
Als Gehäusebildungen dürfen wir zunächst diejenigen hierher-
gehörigen Schutzhüllen bezeichnen, welche dem eingeschlossenen Weich-
körper einen freien Spielraum gewähren und eine weite Oeffnung besitzen,
sowie meist auch befestigt sind. Als Schalenbildungen dagegen die-
jenigen , welche den Körper allseitig und enger umschliessen und meist
unbefestigt sind. Natürlich giebt es jedoch keine scharfe Grenze zwischen
diesen beiden Kategorien.
Für die hier zu besprechenden Schutzhüllen gilt ganz allgemein, dass
sie einen entschieden einaxigen Bau aufweisen, der theils ein ganz dreh-
runder theils ein zweistrahliger ist.
Beginnen wir unsere Betrachtung mit den Gehäusebildungen, weil
diese sich in ihrem Bau den letztbetrachteten Gallertröhren zum Theil
näher anschliessen. Derartige Gehäuse sind am verbreitetsten bei den
Monadinen, sie bezeichnen hier die Familien der Codonoeciden, Bikoe-
ciden, sowie die Gattungen Epipyxis und Dinobryon der Dinobryoninen.
Ganz ähnliche Gehäuse kehren dann wieder unter den Isomastigoda bei
den Gattungen Diplomita Kent und Chrysopyxis St. und interessanter
Weise auch bei einer Euglenoidine der Gattung Ascoglena St.
Mit Ausnahme der Gattung Dinobryon, welche stets frei schwimmend
gefunden wird, gehören alle erwähnten, gehäusebildenden Formen izu
den aufgewachsenen und zwar geschieht die Befestigung gewöhnlich
durch einen soliden, längeren oder kürzeren Stiel, welcher das eigent-
liche Gehäuse trägt, selten dagegen (Epipyxis T. 42, 2) durch das
stielförmig ausgezogene Hinterende des eigentlichen Gehäuses. Direct
auf der Unterlage aufgewachsen sind nur die Gehäuse der etwas
688 Flagellata.
zweifelhaften Gattung Platytheca (T. 40, 8) und der Gattung Chryso-
pyxis (T. 43, 2). Die Gestalt der Gehäuse bietet im allgemeinen keine
sehr erbeblichen Variationen dar. Sie schwankt etwa zwischen ballonföimig
mit etwas verengter Mündung (Platythea und Chrysopyxis), beuteiförmig
(Bikosoeca, T. 40, 11), fingerhutförmig mit weiter Mündung (Poterioden-
dron, Codonoeca, Diplomita, T. 40; 10, 9), bis mehr oder minder gestreckt
vasenförmig (Dinobryon, Epipyxis, T. 42, 1 — 2) und dann gewöhnlich
mit schön auswärts geschwungenem Mündungsrand. Als besondere Aus-
zeichnung findet sich selten eine Längsrippung des Mündungstheils (so
Codonoeca costata), oder die Bildung zweier stachelartiger Fortsätze am
aboralen Ende des ungestielten Gehäuses zur Befestigung an der Unter-
lage (Chrysopyxis).
Die Substanz der Gehäuse ist fast immer eine ganz homogene, glas-
artig durchsichtige und auch meist ganz farblos. Bei der Euglenine Asco-
glena (T. 47, 19) jedoch ist das Gehäuse feinkörnig und bis auf den weichen
farblosen Mündungsrand durch Eisenoxydhydrat braun gefärbt (Klebs).
Braun bis umbrafarbig ist auch meist das Gehäuse der Diplomita. Nur
selten treffen wir besondere Einrichtungen zur Befestigung der Fla-
gellaten in ihren Gehäusen. Dies ist der Fall bei der Familie der Bikoe-
ciden (T. 40; 10a und IIa) sowie den Gattungen Dinobryon und Epipyxis
(T. 41, 10, st und 42; 1 — 2). Bei diesen Formen ist es ein hinterer
fadenartiger, gegen sein Ende zugespitzter Körperfortsatz, welcher
die Befestigung im Grunde oder an der Seite des Gehäuses bewerk-
stelligt. Dieser Faden zeichnet sich weiter durch eine meist recht
energische Contractilität aus und vermag daher den Körper zum Schutze
mehr oder weniger tief in die Schale hinabzuziehen (T. 40, 11c).
Schalenbildungen. Unter diesen schliessen sich zunächst die
Schalen gewisser Euglenoidina, nämlich die der gestaltenreichen Gattung
Trachelomonas, vermittelnd an die besprochnen Gehäusebildungen
an. Diese stets deutlich einaxigen Schalen sind stets mit einer den
vorderen Pol auszeichnenden, relativ engen und kreisrunden Mündung
versehen, aus welcher die Geissei hervorragt. Der Thierkörper füllt die
Schale häufig ganz vollständig aus, häufig jedoch auch nur theilweis, und
da er wie der der naheverwandten Euglenen contractu ist, so kann er im
letztern Fall seine Lage in der Schale verändern. Die Schalenwand ist
stets relativ dick und ihre Substanz gewöhnlich recht starr und spröde,
so dass die Schale durch Druck in scharfkantige Bruchstücke zer-
sprengt wird.
Nicht ganz sicher scheint mir entschieden, ob die Trachelomonasschale nur aus einer ein-
lieitlichen Substanzlage besteht, oder ob sich z. Th. zwei Schichten unterscheiden lassen. Bei
gewisser Einstellung erscheint nämlich bei der gemeinen Trachelomonas volvocina ein ziem-
lich dicker innerer, roth bis rothbraun gefärbter Saum der Schale, was schon Ehrenberg beob-
achtete und sich nicht recht zu deuten getraute; da jedoch bei etwas tieferer Einstellung
dieser Saum ganz schwindet und die Schale dann ein bläulich glänzendes Aussehen -bietet,
glaube ich, dass es sich nur um ein optisches Phänomen handelt.
Schalen von Trachelouionas. 689
Die Gestalt der Traehelomonasschalen Ut etwas variabel und schwankt
bei den veiscbiednen Arten zwischen reiner Kiigelform bis zum EUipsoi-
dischen und Eiförmigen, ja Cylindrischen (T. 47; 20, 21, T. 48; 1, 2).
Letztere Schalengebilde erlangen sogar z. Tb. einen etwas viereckigen
Umriss, indem sich vorn und hinten eine Abplattung einstellt. Bei einigen
Formen ist der aborale Schalenpol in ein Schwanzspitzchen ausgezogen,
welches eine hohle Verlängerung der Schale zu sein scheint und bei
zahlreichen tritt eine Bestachelung der Schalenoberfläche auf. Be-
trachten wir jedoch zunächst die Beschaffenheit der Scbalenmündung et-
was genauer, da auch diese eine Reihe von Variationen darbietet. Die-
selbe ist entweder eine einfache kreisrunde Oeifnung, deren Rand
etwas verdickt ist, so dass er sie wie ein Ringwulst umschliesst
(T. 47, 21). Häufig wächst jedoch der Mündungsrand zu einem der
Schale aufgesetzten Hälschen aus, das sich mehr oder weniger erhebt
und dessen Ende bei gewissen Formen etwas gezackt oder in eine
Anzahl deutlicher Zähne ausgezogen sein kann (T. 47, 20). Gewöhn-
lich ist jedoch sein Mündungsrand einfach glatt abgeschnitten. Die Ent-
wicklung eines solchen Mündungshälschens scheint ziemlich zu variiren,
da es bei gewissen Arten bald vorhanden ist, bald fehlt (Stein). Merk-
würdig erscheint, dass als Abnormität auch gelegentlich (Tr, volvocina)
ein Einwärtswachsen des Mündungsrandes beobachtet wurde, wodurch ein
in das Schaleninnere hinabreichendes Mündungsrohr entsteht, eine ähn-
liche Abweichung, wie wir sie früher bei der Rhizopodengattung Lagena
antrafen.
Die Schalenbestachelung findet sich in sehr verschiedenen Ausbil-
dungsgraden. Schon bei Trachelomonas volvocina, welche gewöhnlich
ganz glatte Schalen besitzt, tritt zuweilen auf der Schalenoberfläche eine
Zeichnung dichtgestellter Punkte hervor, die eine Anordnung besitzen,
welche an die Zeichnung der Arcellaschale erinnert. Schon Perty hat
jedenfalls derartige Formen beobachtet und zeichnet bei ihnen eine den
Punkten entsprechende deutliche Radiärstreifung des optischen Durch-
schnitts der Schalenwand. Eine solche Bildung beobachtete ich sehr deut-
lich bei Formen, die nach ihrer allgemeinen Gestalt entschieden als Varie-
tät oder noch etwas unentwickelte Exemplare von Trachelomonas hispida
zu betrachten sind (T. 48, 3). Hier trat auf der Schalenoberfläche die
Zeichnung dichtstehender Punkte ebenfalls sehr deutlich hervor und zwar
ist jeder der Punkte ein feines Knöpfchen, das sich nur wenig über die
Schalenoberfläche erhebt. Im optischen Durchschnitt der Schalenwand
erkennt man sehr deutlich, dass jedes Knöpfchen als ein etwas dunkleres
Säulchen die gesammte Wanddicke durchsetzt, worauf eben die radiär-
streifige Beschaffenheit der Schalenwand beruht*).
*) Diese Schalenstructur erinnert vielleicht an die Entstehung der Gallerthüllen der ver-
wandten Euglenen aus Schleimfäden, wie sie frülier (s. pag. 085) nach Kleljs geschildert
wurde.
Brüim, Klassen des Thier-Eeichs. Protozoa. 4:4
690 Flagellata.
Es scheint nun unzweifelhaft, dass die gleichmässige iiurze Bestache-
lung, welche die Oberfläche der Schale bei den typischen Formen der
Trachelomonas hispida gewöhnlich darbietet, aus einem stärkern Aus-
wachsen dieser Knöpfchen hervorgegangen ist. Stein lässt zwar auf
seinen Abbildungen die Stacheln direct aus der Schalenoberfläche entspringen.
Noch bei anderen Formen findet sich ein derartig gleichmässiges
kurzes Stachelkleid, wogegen bei Tr. armata theils nur ein Kranz an-
sehnlicher hinterer Stacheln (T. 48, 1), theils auch um die Mündung eine
kürzere Bestachelung auftritt.
Eigenthümlicher Weise will Stein bei Tr. hispida um die eigentliche
Schale gelegentlich noch einen zarten Gallertbelag gefunden haben, doch
scheint es etwas zweifelhaft, ob die Deutung dieser Beobachtung richtig
ist. Andrerseits beobachtete er bei dieser Form gelegentlich auch eine
zarte Spiralstreifung der Innern Schalenfläche. Wie schon Perty bekannt
war, ist die neuentstandne Schale der Trachelomonasformen ganz farblos
und wie Klebs später fand, auch weich. Erst allmählich tritt ihre Er-
härtung und Färbung auf, was beides nach Klebs' Erfahrungen auch hier
auf der Imprägnirung mit Eisenoxydhydrat beruht*). Durch Behandlung
der Schalen mit Salzsäure kann man ihnen daher sowohl ihre Farbe wie
ihre Sprödigkeit entzieben ; die rückbleibende Haut erweist sich quellbar
und den gewöhnlichen Schleimhüllen der Euglenen ähnlich.
Die Schalenbildungen der Phytomastigoda unter den Isomasti-
goda, zu deren Besprechung wir jetzt übergehen, schliessen sich innigst
an die gewöhnlichen Cuticular- oder Zellhautbildungen an und zeigen
daher am besten , dass eine scharfe Scheidung zwischen Schale und
Cuticula (resp. Zellhaut), die Stein durchzuführen sucht, nicht existirt. So
bezeichnet Stein z. B. die Schalenhaut bei Polytoma und Chlamydomonas
als Hülse, die derselben in jeder Beziehung entsprechende Hülle bei
Chlorogonium und Spondylomorum dagegen als Cuticula. Wenn wir über-
haupt eine Berechtigung suchen, die Hülle der Phytomastigoda an dieser
Stelle unter den Schalengebilden aufzuführen, so finden wir dieselbe ein-
mal darin, dass sich der Plasmakörper häufig mehr oder minder von
der Hülle zurückzieht, oder die letztere sich von ersterem abhebt und
dass die Hülle an der Vermehrung durch Tbeilung gewöhnlich keinen
Antheil nimmt, sondern der Weichkörper sich innerhalb der Hülle theilt.
Wie schon aus dem eben Bemerkten hervorgeht, ist die Schalenhaut
dieser Formen fast stets eine sehr dünne und daher meist auch nach-
giebige, welche im Allgemeinen die Gestalt des weichen Plasmakörpers
besitzt, diesen nicht selten dicht umschliesst (wie stets bei Chlorogonium
[T. 44, 1] und sehr gewöhnlich bei der Polytoma Uvella), oder sich doch
nur stellenweise vom Weichkörper abhebt. Eine solche Zurückziehung des
Weichkörpers tritt bei schlecht genährten Individuen der Polytoma Uvella ge-
*) Bezüglich der Sprödigkeit scheint mir dies nicht ganz allgemein gültig, da auch
Schalen ohne gelblichen Ton dieselbe aufweisen.
Schalen der Phytomastigoda. 691
wohnlich ein und erfolgt bald am Hinter- bald am Voiderende (T.43,4a — b);
im letzteren Fall bleibt der Weichkörper vorn nur an der Durchtritts-
stelle der Geissein an der Hülle halten und zieht sich daher strangförmig
aus. Bei Polytoma spicatum Krass. zieht sich der Weichkörper stets aus
der hintern schvvanzartigen Zuspitzung der Hülle zurück und dasselbe
ist auch bei dem ähnlich gestalteten Spondylomorum der Fall (T. 45, 4).
Bei den verschiedenen Arten des Chlamydomonas und ebenso auch
bei Carteria hebt sich die Schalenhaut allseitig etwas, jedoch nur wenig
von dem Weichkörper ab (T. 43, 6, 8; 45, 2), sei es, dass eine Gallert-
bildung sich zwischenschiebt, oder Flüssigkeit die Abhebung bewirkt.
Ganz entsprechend verhalten sich die Schalenhüllen der Einzelindividuen
der Volvocineen : Gonium, Pandorina und Eudorina.
Viel ansehnlicher ist dagegen die Abhebung der Schalenhülle bei
Haematococcus, so dass letztere den Plasmakörper hier wie ein weiter,
von Flüssigkeit erfüllter Mantel umgibt und der Körper häufig nur durch das
etwas schnabelartig ausgezogne Vorderende noch an der Hülle befestigt ist
(T. 43, 9). Die Schalenhülle besitzt hier entweder noch dieselbe Gestal-
tung wie der Weichkörper oder nimmt bei der Abhebung eine ab-
weichende viereckige bis herzförmige Gestalt an (Haem. alatus St.).
Aehnlich wie bei Haematococcus scheint mir auch das Verhalten der
Schalenhüllen der Einzelindividuen der Volvoxkolonien zu sein (T. 44,
10b — c). Auch diese haben sich von den sie erzeugenden Plasmakörpern
weit abgehoben, sich jedoch bei der dichten, flächenhaften Zusammen-
lagerung der Individuen gegenseitig zu hexagonaler Form gepresst (10 b).
Ferner ist jedenfalls eine Verschmelzung der sich berührenden Hüllen der
Individuen zu einer einfachen Haut eingetreten.
Etwas abweichend von dieser Darstellung der Schalenhiillen der Volvoxzellen lautet die,
welche gewöhnlich die Botaniker, so speciell Cohn , von denselben geben. Hiernach ist jede
Volvoxzelle von einer dicken Gallerthülle umschlossen, die sich peripherisch hautartig ver-
dichtet und nach innen „weich, fast flüssig" wird. Mir scheint die erstbesprochne Auffassung
im Allgemeinen wahrscheinlicher zu sein; sie ist die Stein's. Immerhin scheint die
sichere Feststellung dieser Verhältnisse noch genauerer, namentlich durch Färbungsmittel unter-
stützter Versuche zu bedürfen. Hierzu gesellt sich noch ein weiterer zweifelhafter Punkt
Stein scheint nämlich den einzelnen Volvoxzellen ausser der beschriehenen weitabstehenden
Schalenhülle noch eine zweite , dem eigentlichen Zellkörper dichtaufliegende Hülle oder Cuti-
cula zuzuschreiben, die sich mit einer flaschenhalsförmig ausgezognen, die Basen der beiden
Geissein umschliessenden Verlängerung an die peripherische Wand der äusseren Schalenhülle
befestige und hier sollen dann die beiden Geissein austreten. Schon Busk behauptete seiner
Zeit die Existenz einer solchen besondern Hüllhaut der Zellen, ohne jedoch ganz sicher über
diesen „quasi cell wall" zu sein, wie er sie auch nannte. Mir scheint das Vorhandensein
einer derartigen zweiten Hülle sehr unwahrscheinlich, da hiermit das Verhalten der später zu
besprechenden plasmatischen Verbindungsfäden der Volvoxzellen nicht harmonirt. Es wird
jedoch später im Kapitel über die Flagellatenkolonien auf diese Verhältnisse bei Volvox noch-
mals zurückzukommen sein.
Wie früher erwähnt, sind die bis jetzt beschriebenen Schalenhüllen der
Phytomastigoda allseitig geschlossen, ohne besondere Mündung. Nur zum
Durchtritt der beiden (resp. vier) Geissein existiren zwei (oder vier?)
ganz feine Poren, welche gewöhnlich sehr dicht zusammen, seltner etwas
44*
692 Flagellata.
weiter von eioander abstehen. Eine besondere Ausbildung dieser Geissei-
poren weist nur die Gattung Haematocoecus auf, indem hier, wie zuerst
Cohn zeigte, die Poren ins Schaleninnere hinein zu zwei sehr zarten
Röhrchen auswachsen können (T. 43, 9 b).
Einige mit den bisher besprochenen nahe verwandte Formen besitzen
etwas abweichende Schalenhüllen, die noch zu betrachten sind. So
finden wir zunächst bei der Gattung Hymen omonas (T. 44, 5) eine
dem Körper dicht aufliegende, weiche und feingekerbte, ziemlich dicke
Hülle, welche sich vielleicht der früher bei der nahe verwandten Gattung
Synura beschriebenen Cuticula zunächst anschliesst.
Einen ganz besonderen Bau besitzt die feste und relativ dicke Schale
der Gattung Phacotus. Dieselbe ist bei Ph. lenticularis (T. 44, 3) re-
gulär linsenförmig und wird von dem Plasmakörper fast stets nur theil-
weise erfüllt. Das Bemerkenswertheste ist ihre Zusammensetzung aus
zwei Klappen, die im Aequator der Linse zusammengefügt sind. Der
Rand jeder Klappe ist etwas wulstförmig verdickt, wodurch ein äquato-
rialer Wulst um die Linsenschale erzeugt wird. Bei der Fortpflanzung
oder auch nach dem Absterben des Phacotus löst sich der Zusammenhang
beider Klappen und dieselben fallen auseinander. Stein gibt bei den von
ihm beobachteten Exemplaren eine im Aequator gelegene feine Oeffnung
zum Durchtritt der beiden Geissein an, während ich die beiden Geissein
nicht gemeinsam durch eine besondre Oeffnung, sondern ziemlich weit von
einander austreten sah, indem sie ohne Zweifel zwischen den beiden
Klappen hervortraten. Die Oberfläche der Schalenklappe weist eine be-
sondre Zeichnung auf, welche Stein als körnig- schuppige Sculptur be-
schreibt, während ich eine Zeichnung sich kreuzender Kreise ähnlich wie
auf der Arcellaschale beobachtete.
Nahe verwandt mit der Gattung Phacotus (wenn nicht zu ihr gehörig)
ist eine von Carter (106) unter dem Namen Cryptoglena angulosa be-
schriebene Form (T. 44, 4), deren sehr abgeplattete Schale gleichfalls bei
der Fortpflanzung in zwei Klappen zerfällt. Die Gestalt der Schale und
ihrer Klappen ist jedoch nahezu herzförmig und in dem herzförmigen
Ausschnitt erhebt sich, wohl durch beide Klappen gebildet, ein kurzer
Fortsatz, welcher zum Durchtritt der beiden Geissein dient. In der
Profilansicht erscheint die Schale eigenthümlich S förmig gebogen und
zeigt sich , dass jede der Klappen noch mit zwei vorspringenden Quer-
reifen ausgerüstet ist. — Hier scheint sich schliesslich auch die Gat-
tung Coccomonas Stein's anzureihen, deren kuglige bis ovale, ziem-
lich dicke und spröde Schale im Allgemeinen den Schalenbildungen
von Tracheloraonas sehr gleicht, und auch wie diese vorn eine deut-
liche runde Oeffnung zum Geisseldurchtritt besitzt. Von der des Pha-
cotus unterscheidet sich diese Schale durch ihre gelbe bis braune
Färbung. Bei der Fortpflanzung zerspringt sie jedoch gleichfalls in zwei
Hälften, welche aber, wie ihre zerrissnen Ränder beweisen, hier nicht
als zwei Klappen präformirt waren.
Schalen ilcr Phytomastigocia. (j9o
Die interessante zvveiklappige Zusammensetzung der »Schale von
Phacotus erinnert einerseits an die zweiklappigen Sporen der Myxo-
sporidien, andrerseits an die Schalen Verhältnisse der Bacillariaceen.
Was wir durch Stein über die Entstehungsgeschichte der Schale
des Phacotus lenticularis erfahren haben, ist sehr interessant. Dieselbe
tritt nämlich nicht in Gestalt eines zusammenhängenden Häutchens
auf, sondern erscheint aus kleinen blassen Kügelchen zusammengesetzt,
welche sich erst später zur zusammenhängenden Schale vereinigen
müssen. Diese Entstehung der Phacotusschale ist um so interessanter,
als sie eine gewisse Uebereinstimmung mit der früher (p. 685) geschil-
derten Entstehung der Schleimhülle gewisser Euglenen aus ursprünglich
gesonderten Schleimläden aufweist.
Die chemische Natur des Stoffes, aus welchem die Gehäuse und
Schalenbildungen der Flagellaten bestehen, ist bis jetzt meist unbekannt.
Dies gilt ganz allgemein für die Gehäuse und Stielbildungen, wir wissen
nur, dass sie jedenfalls wesentlich aus einer organischen Substanz be-
stehen. Bei wenigen Schalengebilden ist Genaueres über diesen Punkt
ermittelt worden. So ist es schon verhältnissmässig lange bekannt, dass
die Schalenhüllen von Chlamydomonas und Haematococcus die Reactionen
der Cellulose zeigen ; bei ersterer Form bewies dies zuerst Caspary für
die letztere dagegen Cohn 1854.
Bei den nahe verwandten Volvocinen scheinen dagegen die Hüllen
keine sichere Cellulosereaction zu zeigen; nur bei Eudorina glaubte Carter
(1858) die Cellulosenatur der Hüllen mit einiger Sicherheit nachgewiesen zu
haben. Bei Gonium dagegen gelang dies Cohn nicht und auch Goroshankiu
konnte die Cellulosereaction bei den Volvocineen nicht erhalten. Ebenso-
wenig gelang sie Cohn bei der mit Chlamydomonas so nahe verwandten
Polytoma, was auch Schneider bestätigte.
Aus welchem Material die gewöhnlich so spröde und dicke Schalen-
hülle der Gattungen Trachelomonas und Phacotus besteht, ist noch nicht
festgeste lt. Sicher scheint nach dem schon früher Bemerkten nur, dass
Ehrenberg und eine Anzahl weiterer Forscher sich irrten , wenn sie dem
Trachelomonas eine kieselige Schale zuschrieben. Bei Trach. volvocina
löst sich die Schale in concentrirter Schwefelsäure sofort auf, ja bei Tr.
hispida schwindet oder verquillt sie schon in concentrirter Essigsäure
vollständig.
Bei vielen Phytomastigoden zeigt die zarte Schalenhülle überhaupt
eine sehr leichte Vergänglichkeit, d. h. sie löst sich unter gewissen um-
ständen von selbst im umgebenden Wasser auf oder verschleimt, wie die
Botaniker sich ausdrücken. So vollzieht sich eine derartige Auflösung
der Schale sehr rasch bei den Gattungen Polytoma und Chloro-
gonium nach geschehener Vermehrung des Weichkörpers, um die ent-
standne Brut zu befreien, und der gleiche Vorgang tritt überhaupt bei der
Vermehrung der Phytomastigoden häufig auf, wie wir später noch sehen
694 Flagellata.
werden. Bei Chlorogonium will Stein auch zuweilen eine Auflösung der
Schalenhülle beobachtet haben, nachdem zunächst eine neue Hülle zur
Ausbildung gelangte. Dieser Vorgang wäre daher als eine Art Häu-
tung zu bezeichnen.
E. Einrichtungen zur Aufnahme fester Nahrung und zur Ausscheidung der
Nahrungsreste.
Wenn wir die grosse Reihe der Flagellaten tiberschauen, so finden
wir eine allmähliche Vervollkommnung der Einrichtungen zur Nahrungs-
aufnahme, welche sich bis zu einer Stufe der Ausbildung erheben, die hinter
der der Ciliaten nicht wesentlich zurückbleibt.
a) Nahrungsaufnahme ohne wirklichen Mund und Schlund.
Die Reihe beginnt mit solchen Formen wie die Rhizomastigoda, welche
sich der Nahrung in amöben- oder heliozoenartiger Weise bemächtigen.
Doch sind unsere Erfahrungen über diese Formen noch zu gering, um
zu entscheiden, ob nicht z. Th. bei ihnen schon eine gewisse Localisation
der Nahrungsaufnahme stattgefunden hat, so z. B. eine Stelle an der
Geisseibasis hierzu besonders geschickt sei. Wir wissen ja, dass bei
den höheren Ausbildungszuständen die Mundstelle fast stets an der
Geisseibasis ihre Lage hat. Durch die Beobachtungen Kent's ist bekannt,
dass sich gewisse Rhizomastigoden (so die sogen. Mastigamoeba simplex
und die Gattung Actinomonas) ihrer Geissei bei der Nahrungsaufnahme
bedienen, indem sie kleine Nahrungskörper mit derselben rückwärts gegen
die Körperoberfläche schleudern, wo sie dann an beliebiger Stelle durch
die Pseudopodien aufgenommen werden. Wir haben ferner schon früher
erfahren, dass gewisse Flagellaten vorübergehend oder für längere Zeit
die Gestalt nackter Sarkodinen annehmen können, wobei sie die Geissein
beibehalten oder verlieren können. Auch solche Formen sind in diesem
Zustand natürlich meist befähigt, ihre Nahrung in sarkodinenartiger Weise
aufzunehmen. Namentlich die Untersuchungen Cienkowsky's haben uns
einige sehr interessante hierhergehörige Fälle kennen gelehrt. Der eigen-
thümlichste findet sich ohne Zweifel bei dem Bodo angustatus Dj. sp.
(Cienkowsky's Monas amyli). — Diese zweigeisselige Form, welche Cien-
kowsky hauptsächlich in den Zellen faulender Kartoffeln antraf (die sich
jedoch auch häufig frei im Wasser beobachten lässt), geht leicht in einen
sarkodinenartigen Zustand über, der mit einer Anzahl .langer fadenför-
miger, sehr feiner Pseudopodien ausgerüstet ist (T. 46, 6d — e). Ob die
Geissein bei dieser Verwandlung stets schwinden, scheint aus gleich zu
erwähnenden Gründen fraglich. In diesem Zustand frisst nun der Orga-
nismus und zwar in dem beobachteten Fall die ansehnlichen Stärkekörner
der Kartoffelzelle. Er schmiegt sich an ein Stärkekorn (selten gleich-
zeitig mehrere) an und umfliesst dasselbe allmählich mit seinem Plasma-
leib völlig (T. 46, f — h). Natürlich muss sich hierbei der Plasmakörper
über das ihn an Grösse meist weit übertreflfende Stärkekorn zu einer so
zarten Schicht ausbreiten , dass dieselbe kaum sichtbar zu machen ist.
Einricht. zur Nahrungsaufnahme. 695
Andrerseits kaun sich Jedoch auch ein unveränderter Bodo einem Stärke-
koru anlegen und dasselbe in entsprechender Weise unifliessen. Man
sieht daher häufig an den umflossnen Htärkekörnern noch eine oder zwei,
zuweilen sogar mehr thätige Geissein entspringen und die Stärkeköruer
umherbewegen. Aus diesem Grund halte ich für wahrscheinlich, dass
häufig auch im sarkodinenartigen Zustand die Geissein noch existiren. Das
gleichzeitige Vorkommen mehrerer Geissein an einem umflossnen Stärkekorn
erklärt sich ungezwungen theils dadurch, dass gleichzeitig mehrere Bodonen
ein Korn umfliessen, theils durch das von Cienkowsky constatirte, häufige
Zusammenfliessen mehrerer Individuen im sarkodinenartigen Zustand. Die
Betrachtung des weitern Verhaltens unserer Form nach der Nahrungsauf-
nahme gehört ins Gebiet der Fortpflanzung und wird daher erst später
geschehen.
Als weiteres hierhergehöriges Beispiel kennen wir durch die Unter-
suchungen Cienkowsky's noch die zu den Isomastigoden gehörige sogen.
Pseudospora Volvocis, welche in sarkodinenartigem Zustand in Volvox-
kolonien eindringt und deren Zellen oder ganze junge Kolonien frisst.
Die sogenannten Pseudospora parasitica (eine eingeissehge, in die Nähe
von Oikomonas gehörige Form), dringt in faulende Spyrogyrazellen ein
und frisst in Amöbengestalt das Chlorophyll der Spyrogyrazellen auf.
Bei zahlreichen Monadinen finden wir eine Localisirung der Nahrungs-
aufnahme auf eine bestimmte Mundstelle, welche fast stets an der Geissei-
basis gelegen ist.
Wenn vir auch an dieser Thatsache, welche durch zahlreiche Beobachter, seit Claparede
und Lachmann, festgestellt wurde , nicht zu zweifeln berechtigt sind , so lässt sich andrer-
seits nicht iu Abrede stellen, dass gewisse hierhergehörige Formen, bei welchen der gelegent-
liche üebergang in einen sarkodinenartigen Zustand beobachtet wurde , während dieses ihre
Nahrung auch an andern Körperstellen aufzunehmen vermögen.
Eine besondre Mundöfifnung jedoch, welche ins Innre des Plasma-
körpers führt, scheint bei diesen Formen durchaus noch nicht zu existiren,
sondern die Nahrungsaufnahme geschieht bei den am genauest bekannten
hierhergehörigen Beispielen in einer sehr seltsamen, zuerst von Cien-
kowsky festgestellten Weise. Am besten wurde dieser Vorgang bei der
Gattung Monas durch den eben erwähnten Forscher (134)beobachtet, später
studirte Bütschli (171) diesen Vorgang bei derselben Gattung und bei
Oikomonas. Bei Monas sieht man von Zeit zu Zeit dicht neben der Basis
der Geissein und zwar da, wo die schiefe sogen. Mundleiste hinweist,
einen sehr hellen, abgerundeten Fortsatz über die Körperoberfläcbe vor-
springen, der zuweilen eine nicht unansehnliche Länge erreichen kann
(T. 40, 12 b). Gleichzeitig schleudert die ansehnliche Hauptgeissel fort-
während kleine Körper der verschiedensten Art, welche in ihren Bereich
gelangen , rückwärts diesem Fortsatz zu. Zahlreiche dieser Körper-
chen, welche dem Thier nicht zu conveniren scheinen, werden an dem
Fortsatz vorbei geschleudert, plötzlich dagegen sieht man, wie ein
passender Nahrungskörper auf denselben aufstösst und momentan in ihn
6y6 Flagellata.
aufgenommen wird. Ei- liegt dann deutlichst in einer meist ansehnlichen
Nahrungsvacuole in demselben eingebettet. Nach kurzer Zeit sieht man
die Vacuole sammt dem eingeschlossnen Nahrungskörper sich in Bewegung
setzen und an dem Seitenraud langsam hinabgleiten, bis sie schliesslich,
gegen das Hinterende gelangt, allmählich in das centrale Plasma der
Monas tritt und sich zu den schon vorhandnen Nahrungsvacuolen ge-
sellt. Aus dem geschilderten Verhalten des Fortsatzes bei der Nahrungs-
aufnahme scheint mir sicher hervorzugehen, dass Cienkowsky recht hat,
wenn er ihn als eine von einer sehr dünnen Piasmaschicht um-
schlossne Vacuole betrachtet, in welche sich der Nahrungskörper hinein-
senkt und die über ihm sofort wieder geschlossen wird. Die Richtigkeit
dieser Auffassung ergibt sich ferner wohl sicher daraus, dass ich häufig
eine solche Mund vacuole, wie wir sie nennen wollen, sich erheben
sah, die, ohne Nahrung aufgenommen zu haben, nach hinten abgeführt
und zu einer gewöhnlichen Plasmavacuole wurde. Häufig scheint es je-
doch auch vorzukommen, dass die Mundvacuole sich erst in dem Moment
bildet, wo der aufzunehmende Nahrungskörper die Mundstelle berührt.
Auch richtet sich die Grösse der Vacuole nach der Grösse des aufzu-
nehmenden Nahrungskörpers; ist dieser sehr ansehnlich, z. B. ein langes
Spirillum oder gar eine kleine Bacillariacee, so sieht man die Vacuole
sich über die gesammte Seitenfläche der Monas ausdehnen, um die üm-
fliessung bewerkstelligen zu können (T. 40, 12 a).
Ganz in derselben Weise geschieht nun die Nahrungsaufnahme auch
bei der Oikomonas termo nach Bütschli's Untersuchungen und zwar ent-
steht hier die Mundvacuole stets in dem etwas lippenförmig vorspringen-
den Fortsatz neben der Geisseibasis (T. 40, 2b— d).
Wie die Schilderung zeigt, ist keine Berechtigung vorhanden, unsern
Formen eine bestimmte Mundötfnung zuzuschreiben, wie dies z. B. James-
Clark noch that, aber eine bestimmte Mundstelle ist jedenfalls vorhanden.
Nach den Beobachtungen Stein's und Anderer scheint es ziemlich
sicher, dass die gleiche Art der Nahrungsaufnahme bei den Monadinen
und kleinen Formen anderer Abtheilungen noch weiter verbreitet ist. Bei
Cercomonas crassicauda, und Bodo ovatus bildet Stein eine bläschenförmige
Mundstelle an der Geisseibasis ab und Kent gibt an, dass bei der ersteren
Form die Nahrung durch eine an der Geisseibasis hervorquellende Plasma-
masse aufgenommen werde.
Für sehr wahrscheinlich halte ich es, dass auch bei den mit Monas
nahe verwandten Dendromonadinen die Nahrungsaufnahme wesentlich
in derselben Weise geschieht. Dass dieselbe hier gleichfalls an der Basis
der Geissein stattfindet, beobachtete schon James-Clark und Stein bestätigte
*) Wir hefeen unsere üetereinstimmung mit Cienkowsky's Auffassung der nahrungs-
aufnehmenden Vacuole dieser und verwandter Formen besonders hervor, da Kent die Vacuole
nicht als solche gelten lässt, sondern einfach als hervorgedrungnes Plasma auffasst; daher
Avird es denn auch wohl möglich, dass bei einigen weiteren Formen, denen Kent eine ent-
sprechende Nahrungsaufnahme zuschreibt, sich gleichfalls eine Mundvacuole findet.
Eiiu'icht. zur Naliriiiigsaufiiahme (Muiidvacuole etc.). 697
dies. Die iMundstelie liegt hier auf der dem zungenförmigeu Fortsatz
des vorderen Körperendes entgegengesetzten Seite. Eine vorgebildete
Mundvacuole scheint sich nicht zu finden; da jedoch die Nahrang gleich-
falls von Vacuolen umschlossen vpird, so glaube ich, dass dieselben sich
auch hier im Moment der Nahrungsaufnahme bilden. Nach Stein's Ab-
bildungen (s. T. 41, 5g) scheint es, dass sich der vordere Körperrand
bei der Aufnahme grösserer Nahrungskörper stark ausbreitet, womit auch
die Angabe Clark's übereinstimmt, dass Anthophysa einen sehr erweiterungs-
fähigen Mund besitze. Hierauf würde denn nach Stein (bei Antho-
physa) der Nahrungskörper ins Körperplasma " gedrängt werden, indem
sich der vordere Körperrand über ihm zusammenlegt. Nach Clark da-
gegen soll die grosse Hauptgeissel die Nahrung in die Mundöffnung hinab-
drücken, die kleine Nebengeissel dagegen sie herbeistrudeln.
Bei der Familie der Bicoecida liegt die Mundstelle in ähnlicher Weise
zwischen der Geisseibasis und dem zungenförmigen sogen. Peristomfort-
satz. Eine eigentliche Mundöfifnung findet sich hier sicher nicht und ich
beobachtete bei Bicosoeca die Nahrungsaufnahme mit Hülfe einer sich an
dieser Stelle bildenden Mundvacuole, ähnlich wie seither beschrieben.
Da wir im Allgemeinen von der Nahrungsaufnahme der Isomastigoda
sehr wenig wissen, so verdient jedenfalls an dieser Stelle noch besonders
hervorgehoben zu werden, dass nach Carter's Angaben (117) die wahr-
scheinlich viergeisselige Collodictyon in amöboider Weise ihre z. Th. sehr
ansehnlichen Nahrungskörper aufnehmen soll*). Wenn wir es auch nicht
für wahrscheinlich halten, dass diese Form sich ihrer Nahrung wie eine
wahre Amöbe bemächtige, so scheint aus diesen Mittheilungen doch her-
vorzugehen, dass sie sich in ihrer Nahrungsaufnahme den seither be-
sprochnen Flagellaten nahe anschliesst. Hiermit stimmt denn weiter über-
ein, dass auch Stein bei seinem Tetramitus sulcatus, welcher wahrschein-
lich zu der Gattung Collodictyon gehört, keine besondere Mundeinrichtung
beschreibt, obgleich er reichlich Nahrung aufnimmt.
Bei einer Reihe weiterer einfacher Flagellatenformen scheint die Ver-
vollkommnung der Einrichtungen zur Nahrungsaufnahme schon etwas weiter
gediehen zu sein, wenn wir die Stein'schen Angaben, welche ja bis jetzt
nur sehr unvollständig vorliegen, richtig verstehen. Nach Stein ist näm-
lich bei gewissen Formen die Mundstelle zu einem in den Körper etwas
eindringenden Ausschnitt geworden, wodurch eine Andeutung der Schlund-
bildung gegeben scheint, wie sie sich bei grösseren Formen entwickelter
vorfindet. Bei Bodo saltans zeichnet Stein die Mundöffnung als einen
Ausschnitt zwischen den Basen der beiden Geissein, der bald geöffnet,
bald geschlossen erscheint; bei dem Bodo caudatus (T. 46, 4a) eine an
gleicher Stelle gelegne kleine Mundöfinung, die sich als ein feines Röhrchen
*) Das Collodictyon frisst nach Carter gelegentlich so lange Bruchstücke von Oscillarien-
fädeii, dass dieselben vorn und hinten über den Körper hinausragen, wie ähnliches allerdings
gewöhnlich nur bei wirklichen Amöben beobachtet wurde.
698 Flagellata.
(Schlund) ein Stück weit ins Innere des Körpers verfolgen lässt. Mittels
dieser Mundöffnung vermag der Bodo caudatus ansehnliche Nahrungs-
körper aufzunehmen, die wie es scheint nicht in Nahrungsvacuolen ein-
geschlossen werden, weshalb ihre Aufnahme wahrscheinlich auch ohne
Vacuolenbildung stattfindet. Sehr seltsam ist, dass diese Form sich je-
doch auch ihrer Mundöfinung in sehr abweichender Weise zur Aussaugung
andrer Protozoen (Chlamydomonas und sogar Ciliaten) bedienen kann,
wie zuerst Cienkowsky (seine sogen. Colpodella pugnax) und später
wieder Stein beobachtete. Man sieht dann, wie ein oder mehrere dieser
ßodonen sich mit ihren 'etwas spitz ausgezogenen Mundstellen an das
auszusaugende Wesen festsetzen, wobei zugleich in die Schalenhülle des
Chlamydomonas, wenn es sich um einen solchen handelt, ein feines Loch
gebohrt oder durch Auflösung erzeugt wird. Hierauf wird die Körper-
substanz des Opfers allmählich in den Leib des Bodo herübergesogen.
Einen feinen Ausschnitt an der Basis der vordem Geissei deutet
Stein auch bei Trichomonas als Mundöffnung, eigne Untersuchungen
konnten dies jedoch nicht bestätigen.
Bevor wir zur Besprechung der höherentwickelten Einrichtungen zur Nahrungsaufnahme
bei den Euglenoidina und Heteromastigoda übergehen , müssen wir noch einige Worte über
die Vorstellungen Kent's hinsichtlich der Nahrungsaufnahme der seither besprochnen ein-
facheren Formen zufügen. Kent sucht darzulegen, dass bei denselben überhaupt keine be-
stimmte Mundstelle vorhanden sei, sondern die Nahrung an ganz beliebigen Stellen der Körper-
oberfläche aufgenommen werden könne. Diese Eigenthümliehkeit scheint ihm so wichtig, dass
er hierauf eine besondre grosse systematische Gruppe, seine Flagellata-Pantostomata gründet.
Schon 1871 (138) hat er gegen James-Clark diese Ansicht für Oikomonas und AnthoiAysa
zu vertheidigen gesucht. Was nun diese Gruppe der Flagellata-Pantostomata betrifft, so be-
steht sie zu einem grossen Theil aus Formen, über deren Nahrungsaufnahme nichts oder doch
nichts Sicheres bekannt ist; ja es finden sich darunter sogar solche, wie die sogen. Ophido-
monas, Polytoma und Carteria (Tetraselmis), die sicherlich niemals feste Nahrung aufnehmen.
Genauere, von Abbildungen begleitete Angaben über den Vorgang der Nahrungsaufnahme
erhalten wir jedoch von Kent nur für wenige Formen seiner pantostomen Flagellaten , fast
sämmtliche den Gattungen angehörig, deren Nahrungsaufnahme wir schon oben genauer be-
sprochen haben : so Oikomonas, Monas (einschliesslich der sogen. Physomonas Kent's), Dendro-
monas (sogen. Cladonema Kent's) und Amphimonas. Seine Abbildungen zeigen nicht die
Nahrungsaufnahme an beliebigen Stellen der Körperoberfläche, sondern nur, dass die Nahrungs-
vacuole mit eingeschlossener Nahrung an sehr verschiedenen Stellen der Körperseiten beob-
achtet wurde. Dagegen fehlt, wie bemerkt, der Nachweis, dass auch die Aufnahme der Nah-
rung selbst an der betreffenden Stelle geschehen sei. Alle die zum Beweis vorgebrachten
Abbildungen lassen sich auch leicht auf Grund der von uns geschilderten Nahrungsaufnahme
an der Geisseibasis erklären, wenn wir uns erinnern, dass die Mundvacuole, nachdem sie die
Nahrung umschlossen hat, allmählich au der Seite des Körpers nach hinten rückt und so leicht
den irrigen Anschein erwecken kann, als sei die Nahrung auch da aufgenommen worden, wo
gerade die Vacuole zur Zeit der Beobachtung bemerkt wurde. Etwas grösseres Bedenken kann
die Angabe Kent's erregen, dass er bei Monas vivipara die Nahrungsaufnahme an sich gerade
gegenüberstehenden Körperstellen beobachtet habe, da selbst, wenn wir annehmen, dass es sich
hier nur um vorspringende, nach hinten gerückte Nahrungsvacuolen gehandelt hat, deren Auf-
treten an gegenüberliegenden Körperstellen mit unsrer Auffassung nicht recht harmonirt. Jeden-
falls scheint mir jedoch aus dieser Besprechung der Kent'schen Angaben hervorzugehen, dass
sie nicht im Stande sind, die behauptete allseitige Aufnahme der Nahrung bei den sogen,
pantostomen Flagellaten zu erweisen und dass daher auch die gesammte Gruppe nicht als eine
Einricht. zur Nahrungsaufiiahine (^Euglenoidina). 699
natürliche zu betrachten ist. In ähnlichein Sinne hat sich auch schon Balbiani (201) neuer-
dings ausgesprochen. Immerhin ist der Process der Nahrungsaufnahme mit Hilfe der Mund-
vacuole ein so einfacher, dass sich von vorn herein nicht leugnen lässt, dass bei gewissen
Formen gelegentlich eine solche Nahrungsaufnahme auch an anderen Körperstellen auftreten
könne, jedoch scheinen, wie bemerkt, die übereinstimmenden Angaben der übrigen Forscher,
Clark, Cienkowsky, Stein und Bütschli, siclier darauf hinzuweisen, dass sich die gewöhnliche
Stelle für die Nahrungsaufnahme an der Geisseibasis findet. Nur Cienkowsky theilte in früherer
Zeit (124) mit, dass er bei zwei kleinen Flagellaten die Nahrungsaufnahme mittels Mundvacuole
am Hinterende beobachtet hat. Die eine derselben scheint sich Oikomonas nahe anzuschliessen,
die andere, als Bodo bezeichnete, ist eine zweifelhafte Form (vielleicht eher eine Cercomonas).
Doch auch diese sehr knappe Mittheilung des genauen russischen Beobachters scheint mir
etwas unsicher, da auch sie nicht stricte den Beweis führt, dass die am Hinterende, in einer
vorspringenden Vacuole beobachtete Nahrung wirklich an dieser Stelle aufgenommen wurde.
b) Echte Mund- und Schlundbildungen der Euglenoidina und
Heteromastigoda. Wie schon bemerkt, erblicken wir in den jetzt zu be-
sprechenden Einriebtungen der grossem Flagellaten Weiterbildungen der
Mundstelle der seither besprochnen. Dies ergiebt sich auch schon aus
der Lage des Mundes, welche sich stets dicht bei der Geisseibasis findet.
Im Allgemeinen müssen wir uns die Entstehung eines solchen Mundes
und Schlundes in der Weise vorstellen, dass sich die ursprünglich an der
Körperoberfläche gelegene Mundstelle tiefer ins Innere des Plasmakörpers
einsenkte, wodurch ein trichter- bis röhrenförmiger sogen. Schlund ent-
stand, dessen äussere Eingangsöffnung nun gewöhnlich als Mundöffnung
bezeichnet wird. Da dieser Schlund durch Einsenkung des oberflächlichen
Körperplasmas entstand, so ist er auch wie dieses von einer dichteren
Hautschicht ausgekleidet, respective setzt sich die Cuticula in den Schlund
fort. Zuweilen ist auch die Hautschicht des Plasmas, welche den Schlund
auskleidet, in besonderer Weise diflferenzirt.
Betrachten wir uns zuerst die Verhältnisse bei den Euglenoidina. Die
Mundöffnung liegt bei den hieher gehörigen Familien der Petalomonadina,
Astasiina und Peranemina stets direct an, respective mehr um die Geissei-
basis, so dass schon durch ihre Lage gewöhnlich eine Bauchseite ange-
deutet wird. Bei den abgeplatteten Formen ist denn auch die Oeflfnung
auf die beim Hingleiten untere und flache Bauchseite gerückt. Diejenige
Form, welche eine solche Gestaltung am deutlichsten darbietet, die Gattung
Petalomonas (T. 47, 2), zeigt gleichzeitig auch ziemlich die einfachsten
Verhältnisse des Mundapparates, so dass nach meiner Auffassung hier
von einem Schlund eigentlich nicht die Rede sein kann. Ich finde bei der
häufigen P. abscyssa Dj. am Vorderende der abgeflachten Bauchseite eine etwas
schiefdreieckige, hellere, sehr flache Einsenkung, an deren hinterer Spitze die
Geissei ihren Ursprung nimmt. Diese helle Einsenkung muss als die
hier sehr wenig deutliche Mundstelle betrachtet werden, die sich noch
nicht zu einem Schlund vertieft hat. Die Nahrungsaufnahme geht so
vor sich, dass kleine Nahrungskörper (Bacterien und kleine Körnchen
unbestimmter Natur) — und nur solche scheinen unsere Formen aufzu-
nehmen — durch die Geissei zu der Mundstelle geschleudert werden, wo
sie sich anhäufen und schliesslich eindringen, ja zuweilen sieht man sogar
700 Flagellata.
kleine Körnchen so heftig gegen den Mund geschleudert werden, dass sie,
sofort eindringend, in gerader Richtung durch den gesammten Plasmaleib
bis ins Hinterende der Petalomonas fahren. Eigenthümlich zuckende Be-
wegungen, welche das Plasma hinter der Mundstelle häufig macht, scheinen
die Aufnahme der Nahrung zu unterstützen. — Stein schildert den Mund
der Petalomonas etwas anders, er zeichnet zwar auch die Mundstelle, wie
ich, lässt jedoch die Geissei am vorderen Körperrand entspringen und bildet
eine kurze, schief nach rechts in das Körperplasma sich einsenkende
Schlundröhre in Verbindung mit der Mundöffnung ab. Ganz die gleiche
Mund- und Schlundbildung besitzt nach ihm auch Zygoselmis nebulosa
Dj. (T. 48, 8); hier setzt sich die deutlich spaltartige, etwa ovale Mund-
öffnung in einen schief nach rechts herabsteigenden, kurzen dünnwandigen
Schlund fort, der sammt dem Mund eine beträchtliche Erweiterungsfähig-
keit besitzen muss, da diese Flagellate sehr grosse Nahrungskörper
(Bacillariaceen etc.) verschlingt.
In dieselbe Kategorie der Mundbildungen gehört wohl auch die relativ
sehr frühzeitig, schon von Carter, Claparede, James-Clark etc. erkannte Ein-
richtung der Gattung Peranema. Hier ist die Mundöftnung ein von zwei
etwas gebogenen zarten Linien begrenzter Spalt, der auf der Bauchseite von
der Geisseibasis eine kurze Strecke weit nach hinten zieht. An diese bei
der Nahrungsaufnahme sich stark erweiternde Mundspalte schliesst sich
jedoch eine scharf abgeschnitten beginnende, enge gerade Schlundröhre an,die
in ziemlich medianem oder etwas schiefem Verlauf bis etwa zum Beginn
des zweiten Körperdrittheils herablaufeu kann. Die Schlundwandung er-
scheint hier ziemlich verdichtet und dunkel und beginnt au der Mund-
spalte wie scharf abgeschnitten mit einer deutlichen kleinen kreisrunden
Oeffnung, um sich gegen das Hinterende allmählich zu verdünnen und
ohne scharfe Grenze aufzuhören.
Peranema nimmt recht ansehnliche Nahrungskörper auf, wobei man
das Vorderende zwischen Geisseibasis und bis über die kreisrunde Schlund-
öffnung hinaus sich trichterförmig erweitern sieht, und diese Erweiterung
scheint sich dann direct in den röhrenförmigen Schlund fortzusetzen.
Etwas anders beurtheilt Klebs neuerdings die eben geschilderte Ein-
richtung, er hält den Schlund nicht für eine Röhre, sondern für zwei der
Cuticula der Bauchseite anliegende Stäbe, die vorn in einander übergirigen.
Bei der Nahrungsaufnahme soll dieser Stabapparat behend hin und her-
gestossen werden*) und dabei die gewöhnlich zur Nahrung dienenden
Euglenen, in welche sich die Peranema hineinbohrt, gewissermassen zer-
reissen, worauf ihre Theile in die erweiterte Mundspalte hineingleiten.
Wir besprechen hier weiter die Gattung U r c e o 1 u s , die uns Einrich-
tungen bietet, welche wohl die für Peranema entwickelte Deutung zu
unterstützen vermögen; denken wir uns nämlich die trichterförmig er-
weiterte Mundspalte, welche letztere Gattung bei der Nahrungsaufnahme
*) Auch Stein schreibt dem Schlmid der Peranema eine gewisse Be\reglichkeit zu.
Einricht. zur Nalirungsaufnahme (Eiiglenoidina). 701
zeigt, zu einer constanten Einrichtung geworden, so haben wir im Wesent-
lichen die Verhältnisse des Urceolus (T. 47, 5 a). Im Grunde seines so-
genannten Peristomtrichters und zwar etwas einseitig, dicht neben der
Basis der ziemlich tief, an einer Stelle des Trichterrandes entspringenden
Geissei liegt die eigentliche Mundöffnung, welche in einen sehr langen
röhrenförmigen Schlund führt; derselbe zeigt nach meinen Beobachtungen
in seinem Verlaufe eine Knickung und zwar ist der vor der Knickungs-
stelle gelegene Theil beträchtlich weiter wie der hintere, der sich als
feiner Spalt bis ins hintere Körperdritttheil verfolgen lässt. Bei der
Nahrungsaufnahme scheint sich nach Stein's Darstellung ähnlich wie bei
vielen Ciliaten am Ende des Schlundes eine Nahrungsvacuole zu bilden,
in welche die Nahrung eingeschlossen und dann in den Körper über-
geführt wird.
Etwas abweichend von den bis jetzt besprochenen Einrichtungen
scheinen die der um Astasia (Stein) sich gruppirenden Formen zu sein.
Die primitivsten Verhältnisse finden sich hier bei der Gattung Cyclidium
(Dj.) Bütschli (T. 47, 4 b). Das zugespitzte Vorderende ist abgestutzt und
die Ränder (Cuticula?) dieses Endes deutlich dunkel und verdichtet; auf
einer Stelle des Randes sitzt die Geissei auf und die Mundöffnung nimmt
sonder Zweifel eben das Vorderende ein, ohne dass sie sich jedoch in
einen deutlichen Schlund fortsetzt. Besonders deutlich tritt die starre Be-
schaffenheit dieser Mundspitze dadurch hervor, dass sie sich als solche
vorragend erhält, wenn sich der sehr contractile Körper kuglig zusammen-
gezogen hat (T. 47, 4 a).
Sehr ähnlich gestaltet erscheint nun das Vorderende bei Astasia,
Heteronema und namentlich auch den starren Formen Atractonema, Men-
oidium und Sphenomonas (T. 47, 18; T. 48, 7 und 9), nur fehlt hier
die Verdichtung der Cuticula des Vorderendes. Dagegen setzt sich bei
diesen Formen die am abgestutzten Vorderende gelegene Mundöffnung
nach Stein in einen zarten röhrenförmigen Schlund fort, der sich gerade
nach hinten verlaufend auf eine verhältnissmässig kurze Strecke in den
Körper verfolgen lässt.
Aufs innigste an die soeben geschilderten Gattungen schliessen sich
weiter die Euglenen an und zwar vermittelt die Euglena acus den Ueber-
gang, deren Mund- und Schlundverhältnisse ganz den oben besprochenen
analog sind (T. 47, 8). Bei den übrigen Euglenen dagegen, mit weniger
zugespitztem Vorderende ist das Verhalten etwas anders; hier erscheint
das Vorderende meist etwas schief abgeschnitten und die kreisrunde
Mundöffnung etwa in der Mitte dieser schiefen Abstutzung. Der röhren-
förmige, von der Cuticula ausgekleidete Schlund (Membrantrichter von
Klebs) ist äusserst deutlich und lässt sich mehr oder weniger tief, zu-
weilen bis in die Gegend des Stigma verfolgen.
Wie bei den Euglenen schildert Stein auch die Mund- und Schlund-
verhältnisse des Colacium und auch bei Trachelomonas beobachtete er
702 Flagellata.
dieselben Einrichtungen, wenn auch nur in Andeutung. Eine dem Mund der
seither besprochenen Formen entsprechende Oeifnung findet sich ferner
auch bei den von den typischen Euglenen etwas abweichenden Gattungen
Coelomonas, Merotricha (RaphidomonasSt.) undMicroglena. Jedoch
scheint denselben ein Schlund sicher zu fehlen. Wir werden jedoch hierüber
erst später bei der Besprechung der contractilen Vacuolen genauer verhandeln
können. In jeder Beziehung stimmen die Mundeinrichtungen in der Familie
der Chlor opeltina mit denen der Euglenina überein. Wir finden hier
durchaus die an der Basis der Geissei gelegene kleine Muudöffnung , die
sich bei der regulär gestalteten Gattung Lepocinclis (Perty) am vorderen
Körperpole befindet und nach Stein's Darstellung etwas röhrenförmig
vorspringt. Gewöhnlich ist jedoch ein solches Vorspringen der Mund-
öffnung nicht vorhanden, wie schon die früheren Beobachter Perty und
Carter und neuerdings auch Klebs fanden und auch unsere Abbil-
dungen zeigen. Die Wand der Öchlundröhre dieser Form zeigt häufig
einige ringförmige Verdickungen (Bütschli, T. 47, 15 a). Bei der sehr
nahe verwandten Gattung Pbacus weist Mund und Schlund wegen
der etwas asymmetrischen Körpergestalt gleichfalls eine gewisse Asym-
metrie auf. Am besten ist mir die Mundeinrichtung bei Phacus Pleu-
ronectes bekannt und daher will ich deren Verhältnisse hier zu Grunde
legen. Das Charakteristische in der Bildung des Vorderendes dieser Form
(wie auch der sehr nahe verwandten Phacus triqueter und longicauda)
ist, dass die beiden Seitenränder des Körpers am Vorderende nicht
in einander übergehen, sondern sich der linke dorsalwärts über
den rechten schiebt und dann bei den beiden ersterwähnten Formen
in den über die Mittellinie des Rückens ziehenden Kiel übergeht
(T. 47, 11). Bei Ph. longicauda fehlt dieser Kiel und daher kreuzen sich
die Ränder nur auf eine kurze Strecke (T. 47, 10). Durch diesen Ver-
lauf der Ränder wird am Vorderende zwischen ihnen ein ziemlich nach
vorn schauendes schmales Feld erzeugt, das bei Phac. Pleuronectes und
triqueter etwas von dem weiter vorspringenden rechten Körperrand, welcher
die vordere Körperspitze bildet, überragt wird und daher etwas auf die
Dorsalseite verschoben erscheint. In diesem Feld liegt die Mundöffnung
und zwar in einer etwas nach rechts gewendeten, ziemlich weiten trichter-
förmigen Einsenkung, in der, am Rand der eigentlichen Mundöffnung die
Geissei entspringt. Der Schlund, welcher sich an den Mund anschliesst,
läuft schief nach links gewendet hinab. Bei Ph. longicauda, wo sich die
Körperränder nur auf eine sehr kurze Strecke kreuzen, wird daher das
zwischen der Kreuzung gelegene Mundfeld ganz von der Mundöffnung aus-
gefüllt und der Schlund läuft hier meist ziemlich gerade nach hinten.
Auf diesen Verhältnissen beruht es denn, dass bei den beiden zuerst
genannten Arten die Geissei in der seitlichen Ansicht auf der Rückseite
zu entspringen scheint und zwar aus einer grubenförmigen Einsenkung,
d. h. dem eben erwähnten Trichter, in dem sich die Mundöffnung be-
findet (T. 47, 12).
Einriebt, zur Nahrungsaufn. (Euglenoidina u. Heteromastigoda). 703
Nicht ganz klar sind bis jetzt die Verhältnisse bei dem sogenannten
Phacus Pyrum (T. 47, 16). Stein schreibt diesem ein am vordem Körper-
ende beginnendes und schraubig, entsprechend den Schraubenkanten am
Körper herablaufendes sogen. Peristomfeld zu. Ich finde davon nichts,
sondern den vorderen Körperrand ziemlich quer abgestutzt und zu einer
queren Grube eingesenkt, die in der Profilansicht deutlich hervortrat.*)
An der einen etwas stärker vorspringenden Wand dieser Grube, die vrohl
dem Peristomfeld Stein's entspricht, erhob sich die Geissei. Ein eigent-
licher Mund und Schlund wurde nicht bemerkt; auch Stein deutet davon
nichts an. —
Im Vorstehenden wurden die Muodeinrichtungen der Euglenoidinen
ohne jede genauere liücksicht auf ihre physiologische Bedeutung geschil-
dert, weil es in hohem Grade wahrscheinlich ist, dass dieselben mor-
phologisch alle zusammengehören. Dagegen ist nur für eine verbält-
nissmässig kleine Zahl dieser Formeu der Nachweis erbracht, dass die
geschilderten Einrichtungen auch physiologisch als Apparate zur Nahrungs-
aufnahme thätig sind. Im Gegentheil scheint es für viele Euglenoidinen
durchaus sicher, dass sie niemals ihre Mundeinrichtungen zur Auf-
nahme geformter Nahrung benutzen, sondern sich in pflanzlicher Weise
ernähren. Wir ziehen es vor, erst an späterer Stelle die Frage genauer
zu discutiren, welcher functionelle Werth dem sogenannten Mund und
Schlund letzterwähnter Formen zuzuschreiben sein dürfte.
Es erübrigt nur noch einen Blick auf den Mundapparat der beiden hoch-
entwickelten Heteromastigoden Anisonema und Entosiphon zu werfen.
Die Verhältnisse derselben scheinen sich denen von Peranema am nächsten
anzureihen. Bei beiden findet sich ein röhrenförmiger Schlund, der eine
starkverdichtete, dunkle und ziemlich dicke Wand besitzt, die sich nach
hinten allmählich verdünnt und ohne scharfe Grenze aufhört. Bei Aniso-
nema ist derselbe meist verhältnissmässig kurz, erreicht kaum die Körper-
mitte, ja Stein zeichnet ihn stets noch viel kürzer**), wogegen der Schlund
des Entosiphou ungemein lang wird, so dass er bis ins hintere Körper-
drittheil hinabreicht. Die Mundöffnung, mit welcher der Schlund beginnt,
liegt stets nahe der Geisseibasis; bei Entosiphon dicht hinter dem
vordem Körperrand und Stein zeichnet eine schwach trichterförmige Ein-
senkung dieses Randes auf der Bauchseite, in deren Grunde der scharf
abgeschnittene Schlund beginnt. Bei Anisonema beginnt der Schlund
scharf abgeschnitten weiter rückwärts auf der Bauchseite und zwar in dem
früher beschriebenen von der hinteren Geissei umschriebenen Bogen. Die
eigentliche Mundöffnung ist Dach Stein und Klebs eine ziemlich weite
trichterförmige Einsenkung zwischen der Basis der vordem Geissei und
dem vordem Schlundende, aus welcher nach Klebs die hintere Schlepp-
*) Auch Klebs erwähnt dieses Peristomfeld nicht und gibt an , der vordere Eand sei
auf der einen Seite etwas ausgehöhlt.
**) Klebs dagegen sah ihn Körperlänge erreichen.
704 Flagellata.
geissei entspringt. In gleicher Weise wie für Peranema hält dieser For-
scher auch bei unsern beiden Formen die Schlundröhre für einen Stabappa-
rat, der bei Anisonema ebenfalls der Cuticula der Bauchseite anhaften soll.
Eine besondere Eigentbümlichkeit besitzt der Schlund des Entosiphon.
Derselbe ist nämlich, wie Archer (150) zuerst beobachtete und später
Stein genauer ausführte, ein bewegliches Gebilde; die Entosiphen ver-
mögen denselben ziemlich weit über den vordem Körperrand vorzustossen
und wieder zurückzuziehen. Bei dem Vorschieben soll sich der Apparat
nach Klebs auch verbreitern und umgekehrt dann wieder verengern.
Obgleich sich nun aus den Erfahrungen zahlreicher Beobachter, seit
Dujardin, ergiebt, dass uusre beiden Wesen selbst ansehnlich grosse
Nahrungskörper aufnehmen, liegt doch bis jetzt eine Beobachtung über
den Act der Nahrungsaufnahme nicht vor.
Zum Beschlüsse unsrer Betrachtung der Mundeinrichtungen haben wir
noch der sehr interessanten Verhältnisse bei der Familie der Cryptomo-
nadinen (zu den Isomastigoda gehörig) zu gedenken. Bei den kaum ge-
sonderten Gattungen Chilo- und Cryptomonas finden wir ganz tiberein-
stimmende Einrichtungen, doch konnte bei ihnen eine Aufnahme geformter
Nahrung bis jetzt nicht erwiesen werden und ich halte eine solche auch
für sehr unwahrscheinlich. Nur Künstler (199) will sich neuerdings über-
zeugt haben, dass Cryptomonas „Schizomyceten und andre kleine Orga-
nismen'' fresse. Dagegen vermissen wir bei der Gattung Oxyrrhis (T. 45, 12)
einen deutlichen Mund und gar Schlund, aber hier steht die Nahrungs-
aufnahme nach den Erfahrungen Kent's und Blochmann's ausser Zweifel
und zwar liegt die Mundstelle, welche Kent als sehr erweiterungsfähig be-
zeichnet, an der Basis der beiden Geissein. Die ansehnlich weite sogen.
Mundöffnung der beiden ersterwähnten Gattungen (T. 45, 9 und 10) hat
etwa die gleiche Lage wie bei Oxyrrhis und zwar liegt sie nach den Er-
fahrungen Künstler's, welche ich durch erneute Untersuchungen an Chilo-
monas bestätigen kann, am vorderen Körperrande der Bauchseite zuge-
wendet, in dem früher schon beschriebenen Ausschnitt zwischen der ver-
schieden hohen rechten und linken Lippe.
Stein zeichnet ein auf der linken Körperseite (Bauchseite Stein's) herabsteigendes, als
eine flache, sehr breite Einne erscheinendes sogen. Peristom, an dessen Hinterende sich die
eigentliche Mundöffnung finden soll (T. 45, 10 a). Dasselbe existirt aber nach ineinen Er-
fahrungen wenigstens bei Chilomouas sicher nicht. Auch für Cryptomonas muss ich nach
meinen eigenen früheren Untersuchungen und denen Künstler's die gleichen Einrichtungen wie
bei Chilomonas behaupten und bezweifle daher gleichfalls die Gegenwart des vermeintlichen
Peristoms.
Die Mundöffnung führt bei beiden Galtungen in einen relativ sehr
weiten Schlund, den Ant. Schneider (84) zuerst sah, jedoch nicht richtig
erkannte. Derselbe hat etwa röhren- bis beuteiförmige Gestalt und läuft
gerade oder etwas schief zur Rückseite gerichtet bis zur Körpermitte, oder
noch etwas über dieselbe herab.
Eine ganz besondere Beschaffenheit besitzt die Schlundwandung
unsrer Formen. Dieselbe erscheint zunächst relativ dick und dunkel und
Eiuriclitunscii zur Ausscheid, der Naliruagsäroste. 705
bei starker Vergrösserung wie aus einer grossen Zahl dunkler Körner
zusammengesetzt, die entweder dicht und ohne Ordnung zusammengestellt
sind, oder deutliche Quer- und Längsreihen bilden. Strasburger (170)
beschreibt daher die Schlund wandung der Cryptomonas curvata aus dicht-
stehenden und senkrecht zur Wandnngsfläche gestellten Stäbchen zusammen-
gesetzt. Doch scheint die Dicke der Schlundwandung gewöhnlich zu ge.
ring, um ihre dunklen Elemente als Stäbchen zu bezeichnen. Auffallend
ist die intensive Färbung, welche die Schlundwandung bei Behandlung
unsrer Flagellaten mit verschiednen Färbungsmitteln annimmt.
Künstler hat den Schlund unsrer Wesen eingehend studirt, und ist zu recht ab-
■weichenden Anschauungen gekommen. Ihm gilt derselbe zunächst nicht als Schlund, son-
dern als Magen, da er sich überzeugt haben will, dass die aufgenommue Nahrung in ihm ver-
daut werde. Die Schlundwandung bestehe aus einer Plasmaschicht, in der sich zahlreiche
kleine, dicht aneinander gereihte Vacuolen vorfänden, welche sich jedoch durch intensive
Färbungsfähigkeit auszeichneten. In jeder dieser Vacuolen bilde sich fernerhin gewöhnlich
ein Stärkekörnchen aus und diese, sowie die Vacuolenbildung selbst, erzeugten die körnige
Zeichnung des Schlundes. Indem wir eine Kritik dieser Auffassung des Schlundbaues künf-
tiger Forschung überlassen, heben wir nur hervor, dass wir bei häufiger Behandlung der Chilo-
monas mit Jod nie eine Blaufärbung der Schlundwandung beobachtet haben.
c) Einrichtungen zur Ausstossung unverdauter Nahrungs-
reste. Sogen. Afterbildung und Besprechung der Ansichten
über die Existenz eines Darmkanals der Flagellaten.
Dass die zahlreichen Flagellaten, welche geformte Nahrung aufnehmen,
auch befähigt sind, deren unverdaute Reste wieder auszustossen, ist natür-
lich, dagegen ist bis jetzt nur Weniges über den Vorgang der Defäcation
beobachtet. Schon Ehrenberg glaubte sich bei der zweifelhaften Monas
socialis von der Ausstossung des aufgenommnen Indigo am Hinterende
überzeugt zu haben. Dass es nun das Hinterende ist, wo die Ausstossung
meist stattfindet, scheint durch die Erfahrungen verschiedener Forscher
belegt zu werden. So beobachtete F. E. Schulze mehrfach die Entleerung
o
von Nahrungsresten am Hinterende der Mastigamoeba. Stein zeichnet
bei einer ziemlichen Zahl von einfachen und höher entwickelten Formen
eine sogen. Afterstelle am Hinterende, so bei Bodo globosus, Phyllomitus,
Tetramitus descissus, bei Heteronema globuliferum und Anisonema. Bei
letzterer Form wollte sich auch schon Clark von der Existenz einer solchen
Stelle am Hinterende überzeugt haben, doch lauteten seine Mittheilungen
wenig sicher. Bei Peranema sah Stein schon früher (Org. der Inf.th. I.
p. 77) die Ausscheidung von Excrementen am Hinterende. Hierzu ge-
sellen sich weiterhin noch einige Beobachtungen Kent's, der bei seiner
Oikomonas obliquus und Anthophysa die Ausstossung des aufgenommnen
Carmins am Hinterende beobachtete. Wir haben schon früher geschildert,
wie rasch bei der letzteren Gattung beträchtliche Carminmengen ausge-
schieden werden. Aehnlich verhält sich auch die ersterwähnte Form, bei
welcher Kent im Verlauf einer halben Stunde eine dem Volum des
Wesens gleiche Carminmenge ausscheiden sah.
Tiionu, Klassen des Thier-Reichs. Protozoa. 45
706 Flagellata.
Die von Stein bei den obengenannten Flagellaten abgebildete sogen.
Afterstelle erscheint auf seinen Zeichnungen als ein recht kleines Bläschen
mit sehr dunkler Contur und liegt stets dicht am hinteren Körperrand.
In gleicher Weise zeichnet Stein auch die sogen, bläschenförmige Mund-
stelle bei den früher erwähnten Monadinen. Man dürfte deshalb daran
denken, dass diese Afterstelle vielleicht eine kleine Vacuole darstellt,
welche die auszuscheidenden Nahrungsreste aufnimmt, um sich dann nach
Aussen zu öffnen und sie in dieser Weise zu entleeren. Einen solchen
Vorgang der Ausscheidung beobachtete wenigstens ßütschli bei einer mit
Oikomonas Termo nächstverwandten, wenn nicht identischen Form. Hier
bildeten sich in der Mitte der Lippenseite des Körpers von Zeit zu Zeit
einige unregelmässige Vacuolen, welche die Nahrungsreste umschlossen und
hierauf ihren Inhalt nach Aussen entleerten , oder sammt diesem vom
Körper abgeschnürt wurden. Auch bei Tetramitus descissus beobachtete
Bütschli einmal die Ausstossung eines Kornes etwas hinter dem Peristom-
ausschnitt auf der Bauchseite*). Noch abweichender ist die Lage der After-
stelle nach Clark bei ßicosoeca, der die Ausscheidung an dem lippen-
förmigen Fortsatz dieser Form wahrgenommen haben will, etwas oberhalb
der früher beschriebenen Mundstelle. Hieran würde sich Oxyrrhis schliessen,
bei welcher die Ausstossung der Nahrungsreste sicher an dem dorsalen
lippenförmigen Peristomfortsatz geschieht (ßlochmann; T. 45, 12). Wie
früher bemerkt, bezeichnet derselbe nach unsrer Auffassung das morplro-
logische Vorderende, thatsächlich ist er jedoch bei der Bewegung nach
hinten gerichtet. Es scheint daher, dass nicht ausschliesslich nur das
hinterste Körperende bei der Ausstossung thätig ist, doch lässt sich bis
jetzt nicht wohl sagen, ob bei gewissen Formen die Ausstossung noch
unlokalisirt ist (wie dies ja wohl für die Rhizomastigoda im allgemeinen
gelten wird), während bei andern eine Lokalisirung dieser Function blei-
bend durchgeführt ist. Bei den höher entwickelten Formen (so Peranema,
Anisonema etc.) dürfte letzterer Fall wohl sicher eingetreten sein.
Schliesslicli hätten wir noch der Beobachtungen Kiinstler's (190) zu gedenken, der auch
Cryptomonas und Chilomonas einen After zuschreibt. Derselbe soll sich hier etwas dorsalwärts
am hinteren Körperende finden und nicht etwa eine einfache Afterstelle sein , wie sie die
früheren Beobachter bei Flagellaten ausschliesslich beschrieben, sondern die Ausmündungsstelle
eines wahren Darmes, welcher sich als sehr schwer sichtbare, zarte Eöhre zwischen dem Ende des
früher beschriebenen Schlundes (des Magens nach Künstler) und dem After ausspanne. Das
Lumen dieses Darmes soll namentlich dann deutlich hervortreten, wenn es durch Nahrungs-
körper, welche Künstler häufig darin beobachtet haben will, ausgedehnt werde. Den Nachweis
eines vollständigen mit Mund und After verselienen Darmapparats glaubt unser Forscher auch
noch für eine Anzahl weiterer Flagellaten führen zu können, so namentlich für eine als Astasia
costata bezeichnete Form (wahrscheinlicli = Ehabdomonas incurva Fres.), wo gleichfalls ein
den Körper gestreckt durclilaufender Darm beschrieben wird, der sich in Schlund, erweiterten
Magen und engen Darm gliedere. Selbst dem zu den Euglenoidinen gehörigen Phacus Pleuro-
nectes, welchem bis jetzt noch Niemand die Aufnahme geformter Nahrung zugetraut hat, schreibt
*) Ob die von Dallinger und Drysdale (145, VI, p. 191) bei Tetramitus rostratus beob-
achtete Ausstossung körniger Masse ein Defäcationsprocess war, erscheint zweifelhaft.
Vcrmoiiitl. Darmkanal; iiichtcoutraetile Vacuol(Mi. 707
unser Forscher entsprechende Darmeinrichtungen zu und verniisst auch bei Chlamydomouas
(in Wahrheit ist die untersuchte Form jedoch wohl sicher Carteria gewesen) einen Magen
nicht, wenn derselbe hier auch nur flüssige Nahrung aufnehme. Wir können erst später ge-
nauer darlegen, welche Deutung wir den angeblichen Mägen bei Phacus und Carteria geben
dürfen. Dagegen ist sclion hier zu betonen, dass wir die Beobachtungen über den sogen.
Darm der Cryptomonadinen für ganz unzuverlässig lialten. Kein anderer Beobachter hat frülier
eine Spur dieser Einrichtung gesehen. Schwierig ist es jedoch anzugeben, durch welche Ver-
hältnisse Künstler zu der vermeintlichen Beobachtung eines solchen Darmes geführt werden
konnte. Ich habe die Vermuthung , dass unser Forscher, da er keine richtigen Vorstellungen
über die Natur und Vertheilung der Chromatophoren der Cryptomonas liat, sicli verleiten
liess, den hellen ungefärbten schmalen Zwischenraum, welcher zwischen den beiden Endo-
chromplatten hervortritt, für einen Darm zu halten. Diese Vermuthung scheint mir um so
gerechtfertigter, als er auch über den Schlund eine Längsfurche hinziehen lässt, über welclier
die Integumente ungefärbt sein sollen, und diese Längsfurche in ilirem Verlauf eine Fort-
setzung des weiter hinten gelegenen Darmes darstellt. Man vergleiche hinsichtlich dieser
Verliältnisse den Abschnitt über die Chromatophoren.
E. Inhaltskörper des Plasmas mit Ausnahme der Nuclei.
a) Nah rungsvacu ölen und nichtcontractile Vacuolen.
Schon bei Gelegenheit der Nahrungsaufnahme wurde betont, dass solche
Formen, welche sieh ihrer Nahrung vermittels einer sogen. Mund-
vacuole bemächtigen, auch Nahrungsvacuolen besitzen, indem die ersteren
einfach als Nahrungsvacuolen in den Körper geschoben werden. Doch
findet man bei diesen Formen auch häufig frei ins Plasma eingebettete
Nahrungskörper, woraus wohl mit Sicherheit hervorgeht, dass die Flüssig-
keit der Nahrungsvacuolen häufig rasch resorbirt wird. Bei zahlreichen
kleineren Formen, deren Nahrungsaufnahme noch nicht direct beobachtet
wurde, finden wir ebenfalls Nahrungsvacuolen nicht selten, so bei Cyatho-
monas (= Goniomonas St.), Tetramitus, Collodyction uod anderen.
Dagegen scheinen die mit höher entwickelten Mund- und Schlund-
einrichtungen versehenen Formen der Euglenoidinen und Heteromastigodeu,
welche feste Nahrung aufnehmen, sehr selten Nahrungsvacuolen zu bilden,
wenigstens sind kaum sichere Fälle dieser Art zu meiner Kenntniss ge-
langt. Wie schon früher erwähnt, scheint Urceolus nach Stein's Dar-
stellung solche Vacuolen zu erzeugen; auch bildet Stein bei Zygoselmis
und vielleicht auch Anisonema Nahrungsvacuolen ab. Gewöhnlich scheinen
jedoch auch bei letzterwähnten Formen grössere Nahrungskörper direct
in das Plasma eingebettet zu sein.
Nichtcontractile Vacuolen treten sehr häufig im Plasma auf, gewöhn-
lich jedoch vereinzelt. Nur selten, und wie es scheint,. unter besonderen,
wahrscheinlich ungünstigen Lebensverhältnissen finden wir eine reichliche
Ansammlung solcher Vacuolen und damit eine blasig vacuoläre Beschaffen-
heit des Plasmas. Dies beobachtete z. B. Carter bei den von ihm stu-
dirten Exemplaren des Collodyction, Bütschli zuweilen bei Chilomonas
unter jedenfalls abnormen Lebensverhältnissen und Cohn gelegentlich bei
Haematococcus lacustris und Gonium. Bei den Volvoxzellen dagegen
45*
708 Flagcllata.
findet Cohn zuweilen einen mittleren Saftraum. Grössere Vacuolen sind
nach Klebs auch häufig bei den Trachelomonasarten , selten dagegen im
Allgemeinen bei den Euglenen. Im Ganzen scheint, wie gesagt, die reich-
lichere Vacuolisation eine mehr abnorme Erscheinung unter den Flagel-
laten zu sein.
b) Contractile Vacuolen sind ganz allgemein verbreitet, sodass
zur Zeit kaum eine Form namhaft zu machen wäre, welcher mit Sicher-
heit dieses Organisationselement fehlte. Natürlich haben die Vacuolen
auch hier ihren Sitz stets direct unter der Körperoberfläche, wie es die
jetzt wohl fast allgemein adoptirte Ansicht über ihre physiologische
Thätigkeit verlangt. Wo sich die Vacuolen tiefer im Körper lagern,
werden wir auch Einrichtungen zu ihrer Communication mit der Aussen-
welt finden oder doch derartige Einrichtungen sehr wahrscheinlich zu
machen vermögen.
Obgleich für viele Flagellaten die Zahl der contractilen Vacuolen
sicher ermittelt ist, bleibt doch noch eine nicht kleine Zahl solcher, bei
welchen in dieser Hinsicht noch Zweifel herrschen. Es hat daher augen-
blicklich gewisse Schwierigkeiten, die Frage nach der Vacuolenzahl mit
Schärfe zu beantworten. Einige Forscher, darunter namentlich Kent,
geben sogar für gewisse Arten eine wechselnde Zahl von Vacuolen an ;
was ja auch für einzelne wohl zutreffend sein mag. Dagegen herrscht
doch bei der grossen Mehrzahl unsrer Formen sicher eine bemerkens-
werthe Constanz der Vacuolenzahl. Nicht wenige besitzen nur eine ein-
zige Vacuole; so gilt dies durchaus in den Familien der Dendromonadineo,
der Spougomonadineu, der Cryptomonadinen und der Scytomouadinen.
Auch weitere Angehörige der Monadinen zeigen dieses Verhältniss, ob-
wohl gerade hier häufig die Angaben ziemlich schwankend lauten. So
finden wir z. B. bei Cercomonas ein bis mehrere verzeichnet, ebenso lauten
auch die Angaben Kent's für die zahlreichen Formen seiner Gattung
Oikomonas und das Gleiche wird von den Bodonina berichtet. Bei
den Bikoecida fand ich wie Stein nur eine Vacuole, Kent dagegen
2—3, und so lauten denn die Angaben noch für manche andere Monadine
bis jetzt etwas unsicher. Eine grosse Reihe von Formen besitzt sicher
zwei gleiche Vacuolen, welche nahezu als specifischer Charakter für die
Familien der Chlamydomonadiua und Volvocina gelten dürfen. Die
meisten ihrer Angehörigen zeigen dieses Verhalten und es fällt auf,
dass dennoch bei gewissen eine Abweichung von der Regel zu be-
merken ist. So scheinen namentlich Haematococcus und Chlorangium
nach Stein's Untersuchungen nur eine einzige zu besitzen und in der
Familie der Volvocina macht die Gattung Volvox wohl eine sichere Aus-
nahme, da sie nach den übereinstimmenden Untersuchungen ^^on Stein
und mir nur eine contractile Vacuole besitzt. Auch ihr Entdecker Busk
sah gewöhnlich nur eine eiüzige, wogegen Cohn (147) deren zwei angibt,
jedoch auch stets nur eine zeichnet. Die seltsamste Ausnahme unter den
Chlamydomonadinen bietet jedoch die Gattung Chlorogonium dar.
Coiitr. Vacuolou (Zahl, La.ür). 70D
Krassilötschik fand nämlich, im Gegensatz zu Stein, welcher auch dieser
Form die zwei gewöhnlichen Vacuolen zuschreibt, 12 — IG sehr kleine
Vacuolen über den ganzen Körper unregelmässig vertheilt und Klebs
bestätigte diese Angabe selbstständig. Schon früher hatte Reinhardt eine
grössere Vacuolenzahl dieser Form behauptet, indem er ihr 4 Paar in
leiterförmiger Anordnung über den Körper vertheilt zuschrieb und auch
Ant. Schneider (84) scheint die zahlreichen Vacuolen schon gesehen zu
haben*). Auch in der nahe verwandten Familie der Chrysomonadi na
finden wir im Allgemeinen mehrere Vacuolen , jedoch scheint keine so
grosse Constanz bezüglich der Zahl zu herrschen; 2—4 werden nament-
lich bei der genauest erforschten Synura angegeben.
Bei manchen der schwankenden Angaben dürfte vielleicht nicht
ganz unbeachtet bleiben, dass bei der Theilung häufig schon früh-
zeitig eine Vermehrung der Vacuolen geschieht, was unberücksichtigt
leicht zu irrthümlichen Zählungen Veranlassung gibt.
Besondre Verhältnisse zeigen die contractilen Vacuolen der meisten
Euglenoidina, weshalb wir es vorziehen, hier keine eingehenderen An-
gaben über die Zahl derselben zu machen, sondern auf die genauere Be-
sprechung der Vacuolen dieser Formen verweisen.
Ebenso verschieden wie die Zahlen Verhältnisse sind auch die Lage-
rungsverhältnisse der contractilen Vacuolen im Körper der Flagellaten.
Mit Ausnahme der Euglenoidinen scheinen sie jedoch, wie bemerkt, stets
dicht unter der Körperoberfläche ihren Sitz zu haben, wenn auch
natürlich unterhalb der dichteren Hautschicht oder Cuticula, insofern solche
überhaupt ausgebildet sind. Dieses Verhalten erleidet wohl nur bei den
wenigen Formen eine Ausnahme, bei welchen überhaupt eine feststehende
Lagerung der Vacuole fehlt. So scheint wenigstens bei einem Theil
der Rhizomastigoda im sarkodinenartigen Zustand eine ähnliche Ver-
schiebbarkeit der Vacuole im Körper zu existiren, wie sie die Amöben etc.
besitzen. Bei anderen dagegen (so Mastigamoeba aspera) sollen die Va-
cuolen dauernd ihre Lage im Hinterende behaupten. — Bei den heliozoen-
artigen Rhizomastigoden springen die Vacuolen z. Th. auch über die
Körperoberfläche blasenartig vor, wie bei vielen typischen Heliozoen.
Interessant erscheint, dass im flagellatenartigen Zustand dieser Formen
(Ciliophrys, Dimorpha) die Lage der Vacuolen eine constante ist, wie bei
den übrigen Flagellaten gewöhnlich.
Nur bei wenigen typischen Flagellaten wurde bis jetzt eine Ver-
schiebbarkeit der contractilen Vacuolen beobachtet, ein Zustand, der ge-
wiss als ein relativ ursprünglicher bezeichnet werden muss. Bütschli beob-
achtete bei Trepomonas, dass die Vacuole hier inmitten des in Circulation
begriffenen Plasmas entsteht, durch welches sie wie gewöhnliche Vacuolen
*) Audi bei Carteria will Carter (130) zuweilen sehr zahlreiche coiitractile Vacuolen
beobachtet haben.
710 Flagcllata.
umhergeführt wird. Dann sieht man, wie die Vaciiole an das Hinterende
geschoben wird und sich nur hier contrahirt. Auch bei Hexamitus in-
fiatus beobachtete derselbe Forscher ein ähnliches Verhalten; die Con-
traction der Vacuole erfolgt auch hier im Hiuterende, wo dann auch die
neue entsteht, welche jedoch, bevor sie sich contrahirt, langsam durch
den Körper nach vorn geschoben wird, bald aber umkehrt und sich, wenn
sie das Hintereude wieder erreicht hat, contrahirt. Dagegen zeichnet
Stein die Vacuole dieser Form stets in das Vorderende, dagegen bei den
zwei anderen Arten der Gattung mehr in das Hinterende.
Bei constanter Lagerung der Vacuole finden sich die mannigfachsten
Lagerungsverhältnisse realisirt, so dass im Allgemeinen wohl behauptet
werden kann, dass jede beliebige Stelle unter der Körperoberfläche zum
Sitz der Vacuole werden kann. Dennoch sind besonders häufig die beiden
Körperenden ihr Sitz, am häufigsten jedoch das vordere, und zwar finden
sich die Vacuolen dann meist sehr dicht an der Geisseibasis. Weiterhin
tritt jedoch als sehr allgemein verbreitete Regel hervor, dass bei Gegen-
wart von 2 oder mehr Vacuolen diese sich fast immer dicht bei einander
finden.
Dicht au der Geisseibasis im Vorderende treffen wir die einzige
oder die mehrfachen Vacuolen nicht selten bei den Monadinen (so z. B.
Cercomonas z. Th., Herpetomouas) und ähnlich auch bei den Bodonina,
doch finden sich in denselben Gattungen gewöhnlich auch Formen, welche
einen abweichenden Sitz der Vacuolen in der Mittelregion des Körpers
aufweisen. Auch die Scytomonadina zeigen ihre ansehnliche einfache
Vacuole stets ziemlich nahe der Geisseibasis, doch ist im Zusammenhang
mit der allgemeinen Asymmetrie ihres Körpers die Vacuole asymmetrisch
an den einen Seitenrand verschoben (T, 46, 8 — 9).
Ganz exquisit vorderständig sind namentlich die beiden Vacuolen
der Chlamydomonadina und Volvocina und zwar ordnen sich dieselben
hier stets in ganz symmetrischer Weise dicht neben die Basen der beiden
Geissein. Nur die Gattung Volvox bildet auch in der Lagerung ihrer
einfachen Vacuole eine Ausnahme, indem sich diese nahezu in der Mitte
des einen Seitenrandes findet (T. 44, 16b — c), ja nach Busk, wie Clapa-
rede und Lachmann zuweilen sogar in die Verbindungsfäden, welche die
Volvoxzellen bekanntlich vereinigen, gerückt ist.
Eine ausgesprochen vorderständige Vacuole ist ferner bezeichnend für
die typischen Vertreter der Cryptomonadina (Crypto- und Chilomonas,
T. 45, 9 — 10), wo sie sich in dem Rückentheil des Vorderendes findet.
Dagegen findet sich die Vacuole bei Oxyrrhis (T. 45, 12) nach Kent
scheinbar mehr in der Mitte des Körpers, was sich jedoch darauf zurück-
fuhren lässt, dass hier der Rückentheil des vorderen Körperrandes viel
stärker verlängert ist, wie bei den erstgenannten Formen*).
*) Es ist jedoch fraglich, ob bei dieser Gattung wirklich eine Vacuole vorhanden,
Blochuianii konnte wenigstens keine auffinden.
Conti'. Vacuok'ii (Laue; Specicllcs tibiu' Euglcuoidiua). 711
Wir bemerken hier gleichzeitig, dass auch die Euglenoidina ihre con-
tractilen Vacuolen gewöhnlich im Vordereude besitzen, doch folgt das
Nähere hierüber erst später. Häufig ist weiterhin die Lage der Vacuolen
an einem Seitenrand des Körpers, der Mitte mehr oder weniger genähert.
Auf einige diesbezügliche Beispiele wurde schon hingewiesen. Bezeich-
nend ist diese Lagerung der einzigen Vacuole für die gesammten Fami-
lien der Dendromonadina und Dinobryina, und findet sich ähnlich auch
bei den Spongomonadina unter den Isomastigoda allgemein verbreitet.
Betrachten wir schliesslich noch einige Beispiele der entschieden
hinterständigeu Vacuolen. Auch diese können wir wieder verschiedenen
grösseren Gruppen entnehmen. Charakteristisch ist diese Lagerung unter
den Monadina für die Familie der Bikoecida, unter den Isomastigoda
für die der Chrysomonadina, welche sich sonst so nahe an die verwandten
Formen mit vorderständigen Vacuolen anschliesst ; weiterhin noch für eine
Anzahl in ihrer Stellung weniger sicherer Formen, die theils schon nam-
haft gemacht wurden, namentlich auch noch für Trichomonas*) und
Hexamitus (z. Th. ?) nach Stein.
Wir haben absichtlich bis jetzt die Vacuolenverhältnisse der umfang-
reichen Gruppe der Euglenoidina noch nicht berücksichtigt, da sich bei
ihr schwierig zu beurtheilende Verhältnisse finden, die erst neuerdings
etwas mehr aufgeklärt wurden Wie schon bemerkt finden sich die
Vacuolen dieser Formen dem Vorderende des Körpers eingelagert und in
verschiedener Zahl. Bei einem Theil derselben, so bei Petalomonas und
Peranema, vielleicht auch einem Theil der Astasiina (Stein's) scheint sich
die einfache Vacuole in ihrem Verhalten denen der seither besprochenen
Flagellaten innig anzuschliessen , indem sie hier keine Beziehungen zu
dem Schlund zu besitzen scheint und sich dicht unter der Körperoberfläche,
theils näher der Geisseibasis, theils etwas weiter nach hinten findet.
Bei den eigentlichen Euglenina, den Coelomonadina und gewissen
Astasiina dagegen besitzt die sogen, contractile Vacuole Stein's und der
früheren Forscher entschieden sehr innige Beziehungen zu dem mehr oder
weniger entwickelten Schlundrohr.
Betrachten wir zunächst die typischen Euglenina, für welche die eingehendsten Beob-
aciitungen über diesen Gegenstand vorliegen. Die sogen, contractile Vacuole dieser Kormeu
liegt nicht unter der äusseren Körperoberfiäche, sondern dicht hinter dem innern Ende des
sogen. Schlundrohrs (T. 47, 8 — 14). Stein zeichnet sie sogar recht häufig in directer Verbin-
dung mit dem Schlundrohr, indem sie dann wie ein beuteiförmiger Anhang desselben er-
scheint. (Jbgleich ich ein solches Bild nie gesehen habe, möchte ich nicht an seiner Eichtig-
keit zweifeln. Die sogen. Vacuole zeigt nun die auffallende Erscheinung, dass sie häufig
recht uiiregelmässige Umrisse besitzt, wie sie für eine contractile Vacuole ungewöhnlich sind;
namentlich bei den Phacusformeu (T. 47, 11) tritt diese unregelmässige Gestalt meist sehr gut
hervor und wurde hier auch von Stein mehrfach angedeutet. Gerade bei Phacus konnte
ich mich nun mit Sicherheit überzeugen, dass diese ansehnliche unregelmässige Vacuole nicht
eine contractile ist, sondern dass neben ihr zwei, zuweilen auch drei kleine sich finden, welche
sich in gewöhnlicher Weise contrahiren (T. 47, 11). Auch bei Euglena acus beobachtete ich
*) Biochmann konnte diese Vacuole jedoch nicht finden.
712 ' Flagellata.
mehrfach eine ganze Anzahl kleiner, dicht zusammeiigelagerfer Vacuolen, die sich successivc
contrahirten , jedoch fand sich in diesem Falle nichts deutliches von einer grösseren mit dem
Schlund in Beziehung stehenden Vacuole vor, so dass ich nicht sicher entscheiden kann, oh
sich diese deutlich contractilen kleinen Vacuolen hier ähnlich zu der grösseren, gewöhnlich
sichtbaren verhalten wie bei Phacus. Dass dies jedoch auch hier der Fall ist, wird schon durch
alte Beobachtungen Carter's sehr wahrscheinlich gemacht (100 b). Derselbe beobachtete neben
der sogen, contractilen Vacuole von Euglena noch eine zweite (seinen sogen. Sinus), die sich
nach der Füllung contrahirte und ihren Inhalt in die erste ergoss , hierauf bei erneuter
Füllung einen Druck auf die eigentliche Vacuole ausüben sollte, wodurch letztere sehr all-
mählich entleert werde; hieraus erkläre sich denn, dass die contractile Vacuole der Euglenen
sich nie rasch und plötzlich zusammenziehe *). Auch Stein trat denn neuerdings von seiner frü-
heren Ansicht bezüglich der Bedeutung der sogen, contractilen Vacuole der Euglena zurück und
stellte eine neue auf, welche sich im Thatsächlichen der Carter 'sehen nahe anschliesst, jedoch
in der Deutung fundamental abweicht. Stein betrachtet die sogen, contractile Vacuole jetzt
als einen Behälter, in welchem sich die durch den Schlund aufgenommene flüssige Nahrung
ansammle. Man sehe dann zu Zeiten einen Sinus sich von diesem Behälter abschnüren,
sich plötzlich zusammenziehen und verschwinden. Diese Auffassung Stein's halte ich nun für
entschieden unrichtig, indem ich einmal überzeugt bin, dass die Ernährung der Euglenen
eine entschieden pflanzliche ist und weiterhin meine Beobachtungen bei Phacus dieser Ansicht
direct widersprechen.
Unsere Auffassung von den Verhältnissen der contractilen Vacuolen
der Eugleninen lässt sich auf Grund des Vorhergehenden etwa folgender-
maassen wiedergeben. Die in Ein- bis Mehrzahl vorhandenen contractilen
Vacuolen finden sich in der Nähe des inneren Schlundendes und contra-
hiren sich, wenn mehrfach vorhanden, successive, ergiessen jedoch ihren
Inhalt nicht direct nach aussen, sondern in eine Art Behälter (die frühere
sogen, contractile Vacuole), der zeitweilig oder stets mit dem Hinterende
des Schlundes in Verbindung steht und seinen Inhalt allmählich durch
diesen entleert. Ob dieser Behälter in deutlicher Verbindung mit dem
Schlund gesehen wird oder nicht, hängt vielleicht nur von dem Grad
seiner Füllung ab.
Mit dieser Darstellung des Vacuoleusystems stimmt denn auch die
auf eingehenden Untersuchungen basirende Schilderung überein , welche
Klebs neuerdings von demselben entwarf**). Eine directe Communication
unsres sogen. Behälters (seiner Hauptvacuole) mit dem Schlund nimmt
Klebs nicht an , obgleich er die allmähliche Entleerung desselben durch
den Schlund für wahrscheinlich hält, jedoch im Allgemeinen nur eine
grössere Durchlässigkeit des Plasmas am Grunde des Schlundes anzu-
nehmen geneigt ist. Dass sich die Entleerung thatsächlich durch den
*) Auch Claparede und Lachmann (p. 60) unterscheiden schon die eigentliche con-
tractilen Vacuole bei Euglena und Phacus deutlich von dem Behälter, Ehrenberg's Maik-
knoten.
**) Man verzeihe, dass ich die im Vorstehenden gegebene Schilderung des Vacuolen-
systems nicht auf Grund der Klebs'schen Mittheilung änderte und kürzte. Da jedoch meine
selbsiständige Darstellung, die ich ziemlich mühsam auf das Bekannte aufbaute, schon meh-
rere Monate vor dem Erscheinen der Klebs'schen Arbeit in obiger Gestalt niedergeschrieben
wurde und meine wenigen eignen, jedoch entscheidenden Beobachtungen schon aus dem
Jahre 1877 herrühren, glaubte ich mir diese kleine Genugthuung gestatten zu dürfen.
Conti'. Yaciiolcii (Six'cidli'S libcr Eu^lcnoidiiia). 713
sog. Schlund vollzieht, scheint mir durch eine Reihe Klebs'scher Versuche
sehr wahrscheinlich gemacht zu werden. Unter gewissen Bedingungen,
so bei Behandlung der Euglenen mit verdünnten Salzlösungen (speciell
NaCl, nicht über wenige Procent), jedoch auch durch Druck und höhere
Temperatur kann man den Behälter zu ansehnlicher Erweiterung über
sein normales Maass bringen. Diese Dilatation beruht sicher darauf, dass
unter diesen Bedingungen die Entleerung des Behälters gestört, resp. auf-
gehoben ist, während die Vacuolen weiter functioniren und ihre Flüssig-
keit in den Behälter ergiessen.
Aus dem ganzen Verhalten des Behälters scheint mir jedoch hervor-
zugehen, dass wir ihn nicht einer contractilen Vacuole im gewöhnlichen
Sinne zu vergleichen haben, sondern eher dem Reservoir, das ich bei den
Vorticellen in Verbindung mit den contractilen Vacuolen schilderte*), eine
Vermuthung, auf die auch Kent schon hinwies.
Aus dem Geschilderten, in Zusammenhang mit dem über die Ernäh-
rungsweise der Eugleninen Bekannten müssen wir nun schliessen , dass
der sogen. Schlund dieser Formen seine wesentliche Function in der Aus-
leitung der Vacuolenflüssigkeit findet, und die vielleicht bei den Ur-
formen bestandene Beziehung zur Nahrungsaufnahme gänzlich einge-
büsst hat.
Aus den Abbildungen Stein's geht nun hervor, dass auch bei zwei
weiteren Familien der Euglenoidina die Verhältnisse der contractilen Va-
cuolen ähnliche sein werden. Unter den Astasiina zeichnet wenigstens
Stein die sogen, contractile Vacuole von Astasia, Heteronema und Spheno-
monas ebenfalls in Verbindung mit dem hinteren Schlundende, ganz wie
bei den Eugleninen. Wahrscheinlich entspricht dieselbe demnach auch
dem Behälter der Eugleninen.
Etwas unsicher bleiben auch die Verhältnisse bei Peranema. Hier liegt die con-
tractile Vacuole, deren Contractionen ich häufig beobachtete, neben dem Schlund, etwas von
dem vordem Körperende entfernt (T. 47, 1).
Stein bemerkt über dieselbe: „Der contractile Behälter tritt direct mit dem Mund in
Verhindung." Da nun Stein denselben auch stets weit hinter den Mund zeichnet, so scheint
sich diese Bemerkung wohl nur auf das Verhalten der Vacuole hei der Contraction zu be-
ziehen und dabei sah ich zuweilen eine Erscheinung, die sich sowohl mit dieser Angabe als
auch mit den Einrichtungen der Eugleninen in Zusammenhang bringen Hesse. Direct nach
der Contraction der A'acuole trat ein länglich-gestreckter, schmaler und etwas unregelmässiger
Flüssigkeitsraum auf, der sich vom Ort der früheren Vacuole bis gegen die Mundöffnung er-
streckte und hierauf allmählich schwand, während sich neben seinem Hinterende 1 — 2 neue
kleine Vacuolen bildeten. Früher (1S78) deutete ich diesen länglichen Raum als eine Flüssig-
keitsansammlung, welche die neuentstehenden Vacuolen speise; jetzt neige ich mich dagegen
der Ansicht zu , dass derselbe wohl dem sogen. Behälter der Eugleninen entsprechen möge
und dass sein Verschwinden als eine Entleerung nach Aussen, wahrscheinlich durch die Mund-
öfi'nung, aufzufassen sei. Klebs spricht auch bei Peranema von einer Haupt- und einer Neben-
vacuole , ich glaube jedoch, dass diese nichts anderes sind wie die zar Bildung der Vacuole
zusammenfliessenden zwei neuentstehenden, die sogen. Hauptvacuole sich daher dem Behälter
*) Zeitschr. f. w. Zoologie Bd. 28, p. 62.
714 Flagellata.
der Eugleuijieii niclit vergleichen lässt; dies geht auch wohl sicher aus seiner Bemerkung
licrvor, dass hier die Zusammenziehung der Haujitvacuole sehr deutlich zu beobachten sei.
Schliesslich halte ich es für sicher, dass dieselben Einrichtungen wie
bei den Eugleninen auch bei der Familie der Coelomonadinen existiren,
ja hier noch viel deutlicher hervortreten und daher auch von Stein richtig
beobachtet, jedoch falsch aufgefasst worden sind. Mit der sogen. Mund-
öffnung, welche auch hier an der Basis der Geissei liegt, steht ein weiter,
von heller Flüssigkeit erfüllter Raum in Verbindung, der bald mehr kuglig,
bald mehr beutel- bis kegelförmig erscheint. Stein bezeichnet ihn als die
Leibeshöhle. Wir halten ihn jedoch für nichts Anderes wie den Be-
hälter, welchen wir schon bei den Eugleninen besprachen. Der kurze
Kanal, durch welchen sich nach Stein dieser Behälter häufig, jedoch nicht
immer, in der sogen. Mundöffnung nach aussen öffnet, scheint kein
Schlund zu sein , sondern ein zeitweise sich bildender Ausfuhrkanal.
Diesem Behälter liegen auch hier, was Stein richtiger wie bei den Eugle-
ninen erkannte, die contractilen Vacuolen an, und zwar entweder nur
eine (Merotricha und Coelomonas) oder 4 — 6 im Kranze darum (Micro-
glena) und ergiessen ihren Inhalt jedenfalls in den Behälter (oder die
sogen. Leibeshöhle Stein's). Letzterer wird sich dann wie bei den
Eugleninen langsam entleeren.
Nach der Schilderung, welche Cienkowsky (134) von dem Vacuolensystem seiner Vacuo-
laria entwirft, ist es nicht iin wahrscheinlich, dass sich hier ähnliche Verhältnisse wie bei
den Coelomonadina finden, so dass diese zweigeisselige Form doch vielleicht nähere Be-
ziehungen zu diesen wie zu den Chlamydomonadinen besitzt.
Mit Ausnahme der im Vorstehenden bei den Euglenoidinen geschil-
derten Einrichtungen zur Entleerung der Vacuolen nach aussen, sind bis
jetzt bei den Flagellaten kaum Einrichtungen, Oeffnungen oder der-
gleichen nachgewiesen worden, durch welche die Entleerung der Vacuolen
vor sich gehen könnte.
Nur Künstler beschrieb neuerdings an der contractilen Vacuole von Cryptomonas einen
kurzen Kanal , welcher sich in die MundöfFnung ergiesse. Auch an den beiden contractilen
Vacuolen von Carteria will er je einen kurzen Kanal beobachtet haben, der sich in die
helle farblose Stelle hinter der Geisseibasis öffne (welche Stelle Künstler mit Stein als Leibes-
höhle auffasst). Wir werden erst sjjäter sehen , dass diese sogen. Leibeshöhle ohne Zweifel
kein Flüssigkeitsraum ist, wie der Behälter der Euglenen und es daher sehr unwahrscheinlich
klingt, dass die contractilen Vacuolen der Chlamydomonadinen sich in dieselbe ergiessen.
Der Vorgang der Contraction verläuft ziemlich verschieden, indem
er theils sehr rasch und plötzlich, theils dagegen langsamer bis recht all-
mählich geschehen kann, ohne dass man bis jetzt einen Grund für diese
Verschiedenheit anzuführen wüsste.
Wenige Beobachtungen liegen bis jetzt über die Häufigkeit der Con-
tractionen vor. Einige Mittheilungen von James -Clark (124) ergeben
ziemliche Verschiedenheit in der Aufeinanderfolge der Contractionen für
verschiedene Formen; so in der Minute bei Peranema 4 — 5 Mal, bei Bi-
cosoeca 5—6 Mal, bei Oikomonas Termo 6 Mal und einer sehr nahe ver-
wandten Form 12 Mal. Aus den umfangreichen Beobachtungen Cohn's
Coutr. \'acuoloii (Coiitraction, Nciientstehiiii!»-). , 715
(86) über das Spiel der coutractilen Vaciiolen von Goniiirn i)cctoralc geht
hervor, dass sich bei verschiedenen Kolonien eine ziemliche Variabilität
in der Zeitdauer zwischen zwei Contractionen der beiden Vacuolen findet.
Die beobachteten Extreme bewegen sich zwischen 26 und 60 Sekunden *).
Dagegen scheinen die Individuen einer und derselben Familie gewöhnlich
dieselben Werthe zu ergeben. Meist contrahiren sich hier die beiden
Vacuolen genau abwechselnd, d. h. die Contraction einer jeden erfolgt
genau in der Mitte des Zeitraums zwischen zwei Contractionen der andern.
Entsprechend scheinen sich auch die anderen Formen mit zwei und mehr
Vacuolen zu verhalten. Zuweilen beobachtete aber Cohn auch Ausnahmen
von dieser Regel, indem der Zeitraum zwischen den Contractionen der beiden
Vacuolen a und b sich so verhielt, dass die Dauer zwischen den Contrac-
tionen von a und b halb so gross war, wie die zwischen den Contractionen
von b und a. Cohn sucht diese Abweichung durch die Annahme zu erklären,
dass hier drei statt zwei Vacuolen vorhanden gewesen seien, welche sich
in gleichen Zeiträumen abwechselnd contrahirten. Jedoch gelang es ihm
nie, die dritte Vacuole zu sehen. Da nun auch andre Beobachter des
Gonium nie eine solche dritte Vacuole auffanden, so scheint es ziemlich
zweifelhaft, ob die Cohn'sche Erklärung das Richtige getroffen hat. Auf-
fallend ist zwar die Regelmässigkeit in den Zeiträumen zwischen den ab-
wechselnden Contractionen, welche schwer in anderer Weise zu verstehen ist.
Auch bei den Eugleninen findet Klebs ziemlich constante Zeiträume zwischen
den aufeinanderfolgenden Contractionen der Vacuolen. Bei einer mittleren
Temperatur von 18 — 20*^ C. beträgt dieser Zeitraum durchschnittlich
30 Sekunden. Bei Erhöhung der Temperatur (Euglena deses) folgen die
Contractionen zunächst rascher aufeinander, bis zu einem Maximum, das
etwa bei 32** C. liegt und wo die Zeit zwischen zwei aufeinanderfolgenden
Contractionen 22 Sekunden betrug. Hierauf sank die Contractionsfre-
quenz und erreichte bei 42^ C. wieder 30 Sekunden Zwischenzeit. Bei
48" verlangsamten sich die Pulsationen sehr und hörten bei 50'' auf. Bei
Abkühlung soll die Euglene nicht mehr zum Leben zurückgekehrt, da-
gegen noch geringe Pulsationen der Vacuolen aufgetreten sein.
Die Forschungen über den Vorgang der Neubildung der Vacuolen
nach der Systole sind noch wenig ausgedehnte. Während bei einigen
Formen einfach eine kleine neue, allmählich hervorwachsende Vacuole an
Stelle der verschwundenen entsteht, bildet sich bei einer Reihe anderer
die Vacuole durch Zusammenfluss einiger kleiner neu entstandener. Der-
artiges beobachtete Bütschli bei Peranema und Tetramitus, Cienkowsky
bei seiner Vacuolaria, Stein bei Mastigamoeba, Anisonema, Entosiphon
und Petalomonas. Ferner erkannte Klebs, dass auch die Vacuolen der
Eugleninen sich durch Verschmelzung zahlreicher kleiner bilden, die wie
bei den von Stein beobachteten Fällen schon vor der Systole in einem
*) Bei Yolvox beobachtete Eusk etwa alle 40 Sekunden eine Contraction, fand jedoch ge-
legentlich auch das doppelte Intervall.
71(3 Flagellata.
Kranz um die alte Vacuole entstehen *) und es scheint nicht zweiielbaft, dass
dieser Vorgang auch sonst sehr verbreitet ist. Bei Hexamitus infiatus
sah Bütschli die neue Vacuole nicht in abgerundeter Gestalt, sondern als
einen länglichen Flüssigkeitsraum entstehen, der erst nachträglich kuglige
Gestalt annahm.
Die Entstehung der Vacuole durch Zusammenfiuss beweist für die
Flagellaten wohl ebenso sicher, wie dies schon häufig für die Ciliateu
geltend gemacht wurde , dass von einer besonderen Wandung der con-
tractileu Vacuolen nicht die Rede sein kann.
Ich kann daher auch die neueren üntersucliungen Künstlers, welcher der Vacuole von
Cryptomonas eine ziemlich dicke und scharf contourirte Membran zuschreibt, nicht für zu-
(rell'end erachten. Die Structur dieser Membran beschreibt er ähnlich vacuolös wie die
Schlundwand und die Integumentschichten und hält sie für muskulös. Weiterhin glaubt aber
Künstler auch noch Kanäle beobachtet zu haben, welche von der Vacuole ausgehend, sich im
KöriJer nach vorn und hinten verbreiteten, ja der hintere verzweige sich und sei wahrschein-
lich selbst contractu. Gelegentlich sah er auch zahlreiche Kanäle von der Vacuole stern-
förmig ausstrahlen. Obgleich an und für sich kein Grund vorliegt, die Existenz solcher Kanäle
zu leugnen, indem ja ähnliches von gewissen Infusorien bekannt ist, so ist doch sehr zu be-
achten, dass andere und genaue Forscher bei Cryptomonas nie etwas derartiges sahen.
c) Die Chromatophoren. Bei sehr zahlreichen Flagellaten finden
sich dem Plasma gefärbte Körper sehr verschiedener Grösse und
Gestalt eingelagert, welche nach ihrem morphologischen und physio-
logischen Verhalten- den sogen. Chromatophoren der Pflanzenzellen ent-
sprechen. Nichts spricht für die Annahme, dass sich unter diesen ge-
färbten Körpern der Flagellaten vielleicht auch parasitische Eindringlinge
pflanzlicher Natur befinden , wie dies bekanntlich in neuerer Zeit für die
früher als Chromatophoren beanspruchten grünen, gelben und braunen
Körper der Radiolarien, Infusorien und Zellen zahlreicher Metazoen nach-
gewiesen wurde. Alles spricht dafür, dass die Chromatophoren unserer
Flagellaten dieselbe physiologische Bedeutung haben, wie die der echten
Pflanzen. Sie sind Assimilationsorgane und bilden nachweislich ebenso
Amylum wie die der Pflanzen. Es ist deshalb auch natürlich, dass wir bei
den mit ihnen ausgerüsteten Flagellaten die Aufnahme geformter Nalirung
vermissen.
Nur eine einzige sichere Ausnahme von dieser Eegel ist mir bekannt, nämlich die von
Stein erwiesene Aufnahme geformter Nahrung bei der mit ansehnlichen Chromatophoren ver-
sehenen Chrysomonas (Chromulina) flavicans. Die sonstigen gelegentlichen Angaben über die
Nahrungsaufnahme grüner oder brauner Flagellaten halte ich für unsicher, dieselben sollen
jedoch erst später einer Discussion unterworfen werden.
Der Bau der Chromatophoren ist übereinstimmend mit dem der
pflanzlichen, doch erscheint es natürlich, dass gerade unsere kleinen Fla-
gellaten bis jetzt nicht als besonders geeignete Objecte zum speciellen
Studium der feineren Bauverhältnisse dienen konnten. Die Chromatophoren
sind aus einem festweichen Plasma bestehende Körper, die, soweit bekannt,
*) Wie bei Peranema scheint es mir auch für Anisonema und Entosii^hon unrichtig
wenn Klcbs bei diesen Formen von einer Haupt- und Nebenvacuole spricht.
Chroinatoi)liorcii (Bau, Färb., Verbrcit., Lasi'c), 717
sich stets scharf gegen das sie einschliessende Körperplasma abgrenzen. Eine
feinpnnktirte bis reticuläre Ötruetur, wie sie an dem Plasmakörper der
Chromatophoren der Pflanzen mehrfach beobachtet wurde , Hess sich bis
jetzt bei denen der Flagellaten noch nicht nachweisen. Dagegen konnte
Klebs zeigen, dass die Chromatophoren der Eugleninen bei der Quellung
häufig eine radiärstreifige Beschaffenheit annehmen und ist geneigt, hieraus
auf eine feinere Zusammensetzung aus stärker und schwächer quellbaren
radiären Streifen zu schliessen.
Die Färbung der Chromatophoren beruht auf einem ihren Plasma-
körper gleichmässig durchtränkenden Farbstoff oder einem Gemisch meh-
rerer Farbstoffe. Dies ergibt sich leicht daraus, dass diese Farbstoffe mit
Alkohol ausgezogen werden können, worauf die ungefärbte Grundsubstanz
zurückbleibt.
Wie die pflanzlichen Chromatophoren zeigen auch die der Flagellaten
eine ziemlich reiche Mannigfaltigkeit der Färbung, die vom reinen lichten
Chlorophyllgrün, Dunkelgrün, Span- und Braungrün in reines Braun,
Braungelb und schliesslich reines Gelb übergeht. Wahrscheinlich beruhen
auch bei unsern Flagellaten die so mannigfach abgestuften Farbentöne
auf der Vermischung verschiedener Farbstoffe, eines grünen, der sich dem
eigentlichen Chlorophyll zunächst anschliesst und eines gelben bis braunen,
der sich dem sogen. Diatomin der Bacillariaceen am meisten nähern dürfte.
Wie bekannt, besitzen jedoch diese beiden Farbstoffe selbst wieder eine
nahe Verwandtschaft unter einander. Dass eine solche Mischung zweier
Farbstoffe in den braungrünen bis gelben Chromatophoren, ähnlich wie
in denen der Bacillariaceen, die ihnen auch morphologisch häufig sehr
ähnlich sind, vorliegt, ergibt sich wie bei den letzteren daraus, dass bei
Behandlung mit Alkohol die rein grüne Chlorophyllfärbung hervortritt.
Wahrscheinlich wird also wie bei den Bacillariaceen durch den Alkohol
zunächst ein brauner bis gelber Farbstoff entfernt, worauf die Chlorophyll-
färbung, die durch ihn verdeckt wurde, sichtbar wird.
Rein grüne Chlorophyllfärbung ist stets charakteristisch für die in
grosser Zahl vorhandenen, meist kleinen Chromatophoren oder Chlorophyll-
körner, wie sie sich ausschliesslich in der Gruppe der Euglenoidina
(Fam. Coelomonadina, Euglenina und Chloropeltina) finden. Als Selten-
heit begegnen wir in der Familie der Coelomonadina auch wenigen
Formen mit grösseren braunen Chromatophoren (Chrysomonas). Ebenso
ausschliesslich herrscht die reine Chlorophyllfarbe in den Familien
der Chlamydomonadina und Volvocina, dagegen wird dieselbe hier nicht
durch kleine, sondern relativ sehr ansehnliche und meist nur in Einzahl
vorhandene Chromatophoren bewirkt. Die gelbe, braune bis braungrüne
Färbung fand sich bis jetzt nur bei relativ grösseren plattenförmigen
Chromatophoren. Wir begegnen ihr unter den Monadinen in der Familie
der Dinobryina, unter den Isomastigoda in den Familien der Chrysomona-
dina und Cryptomonadina.
718 Flagellata.
Wie schon ans dieser Aufzälilung hervorgeht, scheint die Verbreitung
der Chromatophoren durchaus keine durchgreifende systematische Bedeu-
tung zu besitzen und diese Erfahrung wird durch die nicht seltene Er-
scheinung bestätigt, dass bei uächstverwandten Formen die Chromatophoren
theils vorhanden sind, theils fehlen, ja dass sogar zuweilen eine gefärbte
Art gelegentlich farblos getroffen wird, «wenngleich es in diesem Falle
bis jetzt unsicher ist, ob die Chromatophoren hier immer wirklich
fehlen oder nur des Farbstoffs entbehren. Bei den ungefärbten Varietäten
der Eugleniuen (Euglena, Phacus, Trachelomouas) scheint nach Klebs
eine völlige Degeneration der Chromatophoren eingetreten zu sein.
Die Lage der Chromatophoren im Plasma scheint stets den Anforde-
rungen ihrer Function, welche ja unter Mitwirkung des Lichtes ein-
tritt, zu entsprechen. Das heisst, sie liegen stets peripherisch, dicht
unter der Körperoberfläche. Dies tritt nur in solchen Fällen nicht
deutlich hervor, wo ein grosses Chromatophor gewissermaassen den
ansehnlichsten Theil des Körpers bildet. Im Allgemeinen scheint weiter-
hin ihre Lage im Körper eine ziemlich feste zu sein, was sich, wie dies
seiner Zeit schon für die Eugleninen und Verwandte angedeutet wurde,
wohl dadurch erklären lässt, dass die peripherischen Chromatophoren in
eine etwas festere, ectoplasmatische Rindenschicht eingeschlossen sind.
Für die übrigen Formen tritt dies nicht deutlich hervor und es ist auch bis
jetzt wohl kaum genauer darauf geachtet worden, ob nicht gelegentlich
Verschiebungen der Chromatophoren stattfinden.
Wenden wir uns jetzt zu einer etwas genaueren Darstellung der Ge-
staltungsverhältnisse der Chromatophoren. Wie schon bemerkt, finden
wir fast stets zahlreiche kleine bei den Familien der Eugleninen, Chloro-
peltinen und den Coelomonadiuen. Die Chromatophoren sind hier ge-
wöhnlich kleine meist kreisrunde, seltner etwas ovale Scheibchen, welche
sich in einfacher Schicht, meist dicht nebeneinandergelagert unter der
Cuticula finden. Gegen das Innere des Körpers springen sie häufig etwas
lialbkuglig vor, während ihre äussere Fläche mehr eben ist. In ihren
Grössenveihältnissen schwanken die Scheibchen ziemlich, die grössten von
ca. 0,004 Mm. Durchmesser besitzt die Gattung Colacium (ähnlich auch
Englena deses nach Stein).
Dennoch finden sich bei einigen Euglenen auch Gestaltungsverhält-
nisse der Chromatophoren, die zu denjenigen der übrigen Flagellaten über-
leiten. Bei gewissen Formen werden sie nach Klebs' Untersuchungen mehr
Stäbchen- bis bandförmig, so speciell bei der Euglena sanguinea, deren
zahlreiche kurz stäbchenförmige Chromatophoren radiär in dichter Lage
unter der Oberfläche zusammengeordnet sind. Länger bandförmig ge-
streckt erscheinen sie bei der von Klebs als typische Euglena viridis
aufgefassten Form und zeigen gleichzeitig eine sehr seltsame Gruppirung,
indem sie von einem im Centrum des Körpers gelegnen Häufchen der
später zu schildernden Paramylonkörner in der peripherischen Schicht
des Körperplasmas nach vorn und hinten ausstrahlen, sich jedoch schliess-
Chroinatoplioren (Gestalt u. Lagerung). 719
lieh bogenförmig unikrümmen und bis zu dem Körnerhau teil wieder zu-
rückbiegen. Wenigstens verstehe ich so die etwas unkhire Beschreibung
und Abbildung von Klebs. Nicht selten sind jedoch die Chromatophoren
dieser Form auch etwas unregelmässig gestaltet, erscheinen geschlitzt und
gelappt, ja es vermögen sich einzelne Lappen abzuschnüren und rundliche
Scheibchen zu bilden, woraus vielleicht zu schliessen ist, dass solche Ge-
staltungen überhaupt mit der Vermehrung der Chromatophoren zusammen-
hängen.
Eine irrige Auffassung vom Bau der Chromatophoren dieser Eugl. viridis entwickelte
dagegen Schmitz (194), der die ganze Chromatophorengruppe derselben als ein einheit-
liches sternförmiges Chromatophor auffasst. Seltsamer Weise schreibt Schmitz auch der grossen
E. oxyuris zwei solche sternförmige Chromatophoren zu, die sich um die später zu erwähnen-
den zwei grossen Paramylonliörper derselben gruppiren sollen; mit Stein und Klebs muss icli
jedoch diese Auffassung als ganz irrig zurückweisen , da diese Art wie die Mehrzahl ihrer
Verwandten einfach scheibenförmige kleine Chromatophoren besitzt.
Die grösste Annäherung an die Verhältnisse der übrigen Flagellaten
zeigt jedoch die E. pisciformis KL, welche nur zwei bis vier relativ sehr
grosse, langgestreckt band- bis plattenförmige Chromatophoren be-
sitzt, die im peripherischen Plasma, ganz wenig schief zur Längsaxe den
Körper von vorn nach hinten durchziehen.
Hieran reihen sich nun, wie bemerkt, die übrigen chromatophoren-
haltigen Flagellaten, bei welchen stets nur 1 — 2 relativ sehr ansehnliche
Chromatophoren vorhanden sind.
Häufig ist zunächst die Zweizahl. Ihr begegnen wir einmal bei den
Dinobryinen (T. 42, 1—2), bei welchen die beiden grünen bis braunen
Farbstotfkörper meist eine etwas unregelmässige bis bandförmig ver-
längerte und abgeplattete Gestalt besitzen und an entgegengesetzte Seiten
des Körpers sich lagern. Doch ist ihre Stellung keine so regelmässige
wie dies gewöhnlich bei den folgenden Abtheilungen zu beobachten ist,
ja sie sind zuweilen sogar so verschoben, dass sie sich in das Vorder-
und Hinterende einlagern.
Zwei solch plattenförmige Chromatophoren zeichnen auch die Chryso-
monadinen aus (T. 43, 1 — 3), bei denen sie sich jedoch regelmässig über
die gesammte Länge der Körperseiten erstrecken und sich mit ihren
Längsrändern so nähern (indem sie je eine Seitenhälfte des Körpers
mantelartig umgreifen), dass nur ein schmaler ungefärbter Zwischenraum
zwischen ihnen bleibt. Es ist natürlich schwierig, diese Längsränder der
Platten scharf zu beobachten , da ihre Färbung sehr schwach ist. Am
deutlichsten treten stets die optischen Durchschnitte der Platten längs der
Seitenränder hervor, und Stein's Abbildungen zeigen auch gewöhnlich
nur diese.
Ganz gleiche Verhältnisse treffen wir ferner bei der Gattung Crypto-
monas (T, 45, 10a), wo die beiden Platten gewöhnlich die Seitenflächen
so völlig überdecken, dass nur auf der Bauch- und Rückseite eine zarte
ungefärbte Zwischenlinie bleibt.
720 ■ Flagellata.
Stein's Abbildungen zeigen jedoch auch z. Th. eine etwas unregelmässigere Gestaltung
der beiden Platten; auch scheint es etwas zweifelhaft, ob unsere Form nicht zuweilen auch
nur eine einzige Platte besitzt.
Alis den oben schon hervorgehobnen" Gründen ist es nämlich häufig etwas schwierig zu
entscheiden, ob eine oder zwei Platten vorhanden sind ; wenn nämlich, wie sich dies auch findet,
eine einfache Platte den grösseren Theil des Körpers umzieht, so gibt sie gleichfalls zwei
optische Durchschnitte, welche leicht für zwei getrennte Platten gehalten werden können. So
scheint es denn nach Stein's Abbildungen zweifelhaft, ob sich z. B. bei Microglena puncti-
fera (T. 48, 5) -wirklich zwei Platten finden und bei der Chromulina (Chrysomonas) flavicans
(T. 40, Oa), wo er von zwei braunen Längsbändern spricht, glaube ich nach den Abbildungen
fast sicher, dass sich nur eine Platte findet, deren optische Durchschnitte die beiden hraunen
Längsbänder darstellen.
Wie schon bemerkt, wird das einfache Chromatophor nicht selten so
gross, dass es in Plattengestalt nahezu die gesammte Oberfläche des
Körpers unterlagert und nur einseitig ein Zwischenraum zwischen den
sich entgegenstehenden freien Rändern der Platte bleibt. Solche Chro-
matophoren bieten der Entzifferung ihrer Gestalt erhebliche Schwierig-
keiten dar und da derartige Flagellaten allseitig gefärbt erscheinen, so
veranlassen sie leicht die irrige Vermuthung, dass die Färbung ihrem ge-
sammten Plasma inhärire. Diese Ansicht war denn auch bis in die neueste
Zeit für die Chlamydomonadina und Volvocina allgemein adoptirt, bis zuerst
Schmitz (194) darauf hinwies, dass auch diese Formen ihre Färbung
sicherlich einem Chromatophor verdanken, welches jedoch relativ so an-
sehnlich ist, dass es die Hauptmasse des Körpers bildet. Auch ich hatte
mir selbstständig die gleiche Ansicht gebildet, zu der ich zuerst durch
die Untersuchung des Chlamydomonas viridis St. geführt wurde. Bei
dieser Form (T. 43, 8) existirt nämlich etwa die oben schon geschilderte
Gestalt des einfachen Chromatophors, welche bewirkt, dass der Körper
auf den Seiten zwei dunkelgrüne Läogsbänder aufweist, während die
mittlere Region lichtgrün gefärbt ist, da hier das Licht nur eine geringere
Dicke des Chromatophors passirt. Der optische Querschnitt zeigt hier
jedoch deutlich das einfache zusammengekrümmte Chromatophor.
Etwas anders ist dagegen der Bau und die Lagerung des einfachen
Chromatophors des Chlamydomonas pulvisculus und der ganz entsprechen-
den Carteria und Gonium sociale (Dj. sp.). Hier (T. 43, 6a; 45, 2)
besitzt dasselbe nahezu die Gestalt und Grösse des Körpers, den es fast
vollständig erfüllt. Nur in der Vorderregion, hinter der Geisseibasis ist
das Chromatophor etwa kuglig ausgehöhlt und in dieser Aushöhlung finden
wir überhaujit die einzige grössere Ansammlung des Körperplasmas und
darin denn auch natürlich den Kern, sowie die contractilen Vacuolen. Es
dürfte zwar keiner Frage unterliegen, dass auch äusserlich das Chroma-
tophor von einer sehr zarten Plasmalage umschlossen wird, doch wurde
bis jetzt der Nachweis derselben kaum mit Sicherheit geführt; jedenfalls
ist sie nur äusserst dünn.
Die helle Aushöhlung im Chromatophor der geschilderten Formen war den früheren
Beobachtern, nameuflich Colin und Stein nicht entgangen; Cohn bezeichnet sie als einen
Chvomatophorcn (Form u. Bau ; gelegentl. Fehlen). 72 1
wasscrhellen Hohlraum, Stein dagegen als Leibeshöhle, eine Auffassung, welche in keiner
Beziehung gerechtfertigt erscheint.
Bei den übrigen Chlamydomonadinen und Volvocinen fehlt es bis
jetzt an einer eingehenden Untersuchung der Vertheilung des Farbstoffes,
weshalb sich nicht mit gleicher Sicherheit erweisen lässt, dass auch sie
in analoger Weise ein sehr ansehnliches Chromatophor besitzen, und die
scheinbar gleichmässige Färbung nicht existire. Mit Schmitz halte ich dies
jedoch für unzweifelhaft.
Hierfür spricht denn auch, dass sich bei vielen hierhergehörigen Formen die Grün
färhung nicht ganz gleichmässig über das gesammte Plasma ausdehnt, sondern das vordere
Körperende häufig, wenn nicht vielleicht regelmässig aus ungefärbtem Plasma besteht. So
findet sich ein ungefärbtes, sogen. Schnabclspitzchen , welches die Geissein trägt, regelmässig
bei Haematococcus. Gelegentliche Betrachtung des H. lacustris zeigte mir aufs deutlichste die
Gegenwart eines einfachen peripherischen Chromatophors , das wahrscheinlich einen vorn und
hinten geöffneten breiten Ring darstellt. Die hintere Oeffnung blieb etwas zweifelhaft, so dass
das Chromatophor vielleicht auch zuweilen oder immer eine tief ausgehöhlte Becherform besitzt.
Bei Volvox dehnt sich die griine Färbung gewöhnlich nicht auf die Vorderregion der Zellen
aus. Bei den aus dem Ruhezustand hervorgegangenen nackten Schwärmzellcn der Stephano-
sphaera zeichnen Cohn und Wichura im Vorderende einen hellen Raum, welcher verräth, dass
der Bau des Chromatophors hier ganz den Verhältnissen bei Chlamydomonas pulvisculus ent-
spricht, wogegen die umhüllten Schwärmzellen das hyaline Schnabclspitzchen des Haemato-
coccus aufweisen. Aus diesen Daten und mancherlei ähnlichen, nur unbestimmteren scheint
mir die Richtigkeit unserer Annahme mit hinreichender Gewissheit hervorzugehen.
Eine recht interessante Erscheinung ist, dass bei sehr nahe ver-
wandten Formen Chromatophoren theils vorhanden sind, theils fehlen, ja
dass sogar eine gewöhnlich gefärbte Art zuweilen ganz farblos ange-
troffen wird. Letzterer Fall wurde speciell bei der Gattung Euglena durch
zahlreiche Forscher constatirt; schon Ehrenberg beschrieb eine farblose
Euglena viridis als besondere Art (E. hyalina) und namentlich bei Engl,
acus gibt es häufig farblose Individuen ; Stein erblickt in diesen letzteren
irriger Weise sogar eine geschlechtliche Generation. In entsprechender
Weise treten auch gewisse Phacus- und Trachelomonasarten chlorophyll-
frei auf, was z. Th. schon Perty beobachtete und Klebs genauer er-
mittelte.
Weiterhin begegnen wir in der Familie der Chlamydomonadina der
stets farblosen Gattung Polytoma, die nur Schneider (84) zuweilen
grün getroffen haben will, was jedoch möglicherweise nur auf Verwechs-
lung mit Chlamydomonas beruhte, welcher Gattung Cohn die Polytoma
sogar einreihen wollte. Aehnliches bietet auch die Familie der Crypto-
monadjnen dar, deren Gattung Chilomonas nur durch ihre Farblosigkeit
von der gefärbten Cryptomonas unterschieden ist.
In den beiden letzterwähnten Fällen hängt die Farblosigkeit aufs
Entschiedenste mit der Lebensweise zusammen, denn sowohl Polytoma
wie Chilomonas leben in faulenden Flüssigkeiten und ihre Ungefärbt-
heit erklärt sich daher wie die zahlreicher Pflanzen durch saprophy-
tische Ernährung. Neuerdings konnte denn Klebs zeigen, dass auch
andere Chlamydomonadinen unter entsprechenden Bedingungen ganz
Bronn, Klassen dos Thiei-Reiphs. Protozoa. ^Q
722 Flagellata.
chloropbyllfrei und farblos auftreten können, so Chlorogonium und Carteria,
ja es hat den Anschein, dass diese farblosen Vertreter der beiden Gat-
tungen nur Varietäten der gefärbten Arten sind. AVeiterhin behauptete
auch scbon Perty, dass der gewöhnliche Haematococcus gelegentlich
chlorophyllfrei vorkomme. Ebenso hat Klebs für die farblosen Eugleninen
ziemlich sicher nachgewiesen, dass sie vorwiegend in faulenden Flüssig-
keiten auftreten und sich daher jedenfalls in entsprechender Weise
ernähren.
Wie schon früher bemerkt wurde, scheint bei diesen ungefärbten
Repräsentanten gefärbter Flagellaten eine völlige Rückbildung der Chro-
matophoren eingetreten zu sein. Immerhin dürften jedoch vielleicht auch
Fälle getroffen werden, wo die Chromatophoren noch erhalten, aber ihres
Farbstoffes beraubt sind, da derartiges bei gewissen Pflanzen nicht selten
beobachtet wurde.
Wie bei den echten Pflanzen , finden wir auch bei den gefärbten
Flagellaten eine Vermehrung der Chromatophoren durch Theilung. Des-
halb dürfen wir auch für diese die neuere Erfahrung der Botaniker accep-
tiren : dass niemals Neubildung der Chromatophoren , sondern nur eine
Vermehrung durch Theilung sich finde. Das Nähere über den Theilungs-
vorgang der Chromatophoren, soweit derselbe bei unseren Flagellaten
bis jetzt verfolgt wurde, lässt sich besser erst bei der Fortpflanzung
besprechen.
d) Pyrenoide und Amylumeinschlüsse der Chromatophoren.
In den grünen Chromatophoren der Chlamydomonadinen und Volvocinen
beobachtet man gewöhnlich ein oder auch mehrere stärker lichtbrechende
Körperchen. Diese schon sehr frühe beobachteten Einschlüsse wurden
ursprünglich als Chlorophyllbläschen (Nägeli) bezeichnet, da sie schein-
bar intensiver grün gefärbt sind, eine Erscheinung, welche jedoch sicher
nur daher rührt, dass sie dunkler wie die umgebende Chromatophormasse
aussehen , nicht jedoch auf eigener Färbung. Später, als man erkannte,
dass sich diese Körperchen mit Jod bläuen und also Stärkeeinschlüsse
sind, bezeichnete man sie als Amylumkerne (de Bary). Manchmal wurden
sie auch als Zellkerne beansprucht, so ursprünglich von Carter, Fresenius
und anderen. In neuerer Zeit erhielt diese Ansicht noch die Unter-
stützung weiterer Forscher, auf Grund besonderer Bauverhältnisse dieser
Einschlüsse. Erst in neuester Zeit aber wurde ihr Bau genauer erforscht;
zwar hatte man schon lange beobachtet, dass sie aus einer dunklereu
und meist nicht sehr dicken Aussenzone bestehen, die einen helleren
Inhalt umschliesst, also einen bläschenförmigen Bau zeigen, doch erst
durch Cohn (162) und später Schmitz (192) wurde sicher festgestellt, dass
nur die äussere Zone aus Amylum bestehe, der Inhalt dagegen aus einer
Substanz von plasmatischem Charakter, die sich gewöhnlich durch ihre
intensive Tingirbarkeit auszeichnet.
Derartige Einschlüsse sind, wie bekannt, in den Chromatophoren
der Algen sehr verbreitet und finden sich hier auch, wie Schmitz gezeigt
Chromatophoren ; Pyrenoido u. ihre Amylumeinscliliisse. 723
hat, häiilig ohne eine Amylumhülle. Letztere ist nämlich sicher ein Pro-
ducta weh^hes erst nachträglich und wahrscheinlich unter dem directen
Einfluss des tingirbaren Centralkörpers zur Entwicklung kommt, Schmitz
bezeichnet diesen Centralkörper daher als das Pyrenoid, welches dem-
nach sehr gewöhnlich durch Ablagerung von Amylum auf seiner Ober-
fläche zu einem sogen. Amyluraherd wird.
Soweit die Erfahrungen bei den Chlamydomonadinen und Volvocinen
reichen , scheinen bei ihnen nackte Pyrenoide ohne Amylumhülle noch
nicht beobachtet zu sein. Fast stets besitzt das homogen und matt
erscheinende Pyrenoid eine zusammenhängende, gewöhnlich nur massig
dicke Amylumhülle. Nur bei Haematococcus lacustris beobachtete ich eine
deutliche Zusammensetzung der Hülle aus kleinen Körnchen , wie bei
den Algen gewöhnlich. Obgleich nun nicht zu verkennen ist, dass die
Kleinheit unserer Wesen die Erkennung eines solchen Aufbaus der
Amylumhülle sehr erschwert, halte ich es doch für wahrscheinlicher, dass
die Stärkeschicht hier gewöhnlich eine zusammenhängende ist. Wahr-
scheinlich dürfte sie jedoch ursprünglich auch durch Verschmelzung ge-
sonderter, sehr kleiner Amylumkörnchen entstanden sein, wofür die Er-
fahrungen bei den Algen sprechen.
Bei den grünen Eugleninen finden sich Pyrenoide verhältnissmässig
selten. Doch scheint zuerst Stein ihr Vorkommen bei der Gattung Cola-
cium festgestellt zu haben, wo sie nach seinen Abbildungen in jeder
Hinsicht den seither besprochnen gleichen und sogar eine Hülle aus ge-
wöhnlichem Amylum besitzen sollen, was, wie wir sehen werden, für eine
Euglenine sehr wenig wahrscheinlich ist.
Bei gewissen Euglenenarten sowie den Angehörigen der Gattung
Trachelomonas hat Klebs die Existenz der Pyrenoide neuerdings erwiesen.
Stets findet sich hier nur ein Pyrenoid in einem Chromatophor, jedoch in
etwas eigenthümlicher Lagerung. Während es bei den seither besprochenen
Formen wie bei den Algen ganz in die Masse des Chromatophors ein-
gebettet ist, bleibt es hier auf den beiden Flächen des Scheiben- resp.
bandförmigen Chromatophors unbedeckt und springt halbkuglig über diese
Flächen empor. Klebs schien es sogar, dass diese Pyrenoide eigentlich
aus zwei Hälften zusammengesetzt seien, indem die Chromatophorenmasse
in einer dünnen Lage die Mitte des kugligen Pyrenoids durchsetze.
Selten ist das Pyrenoid der Eugleninen nackt (Eugl. deses), ge-
wöhnlich besitzt es auch hier eine Hülle, welche jedoch aus dem später ge-
nauer zu erörternden Paramylum besteht. Entsprechend der Bau- und Lage-
rungsweise der Pyrenoide ist diese Paramylumhülle jedoch keine kugel-
schalig zusammenhängende, sondern besteht aus zwei halbkugligen Schalen,
welche den beiden halbkugligen Vorsprüngen des Pyrenoids so dicht auf-
sitzen, dass nur ein schmaler heller Zwischenraum zwischen der Pyrenoid-
oberfläche und der Schale bemerkbar ist.
Die meist intensive Tingirbarkeit der Pyrenoide Hess auch Cohn
1878 vermuthen, dass sie die Zellkerne seien, eine Ansicht, welche
46 *
724 Flag-ellata.
Reinhardt (157) schon zwei Jahre früher für Chlamydomonas entwickelt
hatte. Schmitz dagegen, dem nicht unbekannt ist, dass unsre Formen
stets einen echten Zellkern besitzen, hat die Ansicht, dass die Pyrenoide
den Nucleoli vergleichbar seien und scheint daher auch geneigt, die
Chromatophoren sammt ihren Pyrenoiden den Zellkernen an die Seite zu
stellen.
Inwiefern eine solche Auffassung, die ganz neue Gesichtspunkte für
die Zellenlehre einschliesst, gerechtfertigt erscheint, ist hier zu untersuchen
nicht der Ort, jedenfalls ist die selbstständige Vermehrungsfähigkeit der
Chromatophoren für diese P'rage recht bemerkenswerth.
Wie bei den Algen schwankt auch die Zahl der Pyrenoide in den
Chromatophoren unserer Flagellaten. Häufig begegnen wir nur einem ein-
zigen, so bei den meisten Formen von Chlamydomonas, Carteria, Pha-
cotus, bei Gonium, Pandorina, Eudorina (häutig), Volvox und den Eugle-
ninen durchaus. Dennoch ist diese Regel keine durchgreifende, wenigstens
fanden Carter (1858), Stein und ich bei Eudorina vier und mehr gleichzeitig
vor und ähnlich verhält sich auch Carteria. Andre Formen besitzen da-
gegen gewöhnlich zwei bis mehrere Amylumherde. So finden sich in den
Zellen der Stephanosphaera regelmässig zwei, welche sich symmetrisch
vor und hinter den Kern lagern. Auch die interessante Chlamydomonas
obtusa A. Braun sp. (= grandis St.) besitzt zuweilen zwei entsprechend
gelagerte Amylumherde, häufig dagegen eine grössere Zahl (bis zu sieben
etwa), welche sich dann unregelmässig vertheilen (T. 43, 10) und ganz ähn-
lich verhält sich auch Chlorogonium. Interessant ist jedoch, dass Chlamyd.
obtusa gelegentlich auch nur einen einzigen Amylumherd besitzt, welcher
dann wie bei den oben angeführten Formen hinter dem Kern liegt. Auch
Haematococcus lacustris enthält gewöhnlich eine grössere Anzahl Pyre-
noide (T. 43, 9 b) (weshalb auch die oben geschilderte Chlamydomonas
häufig mit der Gattung Haematococcus vereinigt wurde).
Die aufgezählten Vorkommnisse zahlreicher Pyrenoide machen es
von vornherein wahrscheinlich , dass dieselben vermehrungsfähig sind,
was durch directe Beobachtung vielfach bestätigt wurde. Schon Cohn
hatte 1854 gezeigt, dass sich das einfache Pyrenoid von Gonium vor
jeder Zweitheihmg dieser Flagellate selbst durch Theilung verdopple.
Carter bestätigte dies 1858 und 59 für Chlamydomonas und dies ver-
anlasste ihn ursprünglich, die Pyrenoide für Zellkerne zu halten, bis
er sich von ihrer Amylumhülle überzeugte. Eine rasche Vermehrung der
Stärkekügelchen hatte übrigens schon Busk 1852 in den sich entwickeln-
den Parthenogonidien des Volvox beobachtet, ohne jedoch festzustellen,
ob dieselbe durch Theilung der schon vorhandenen geschehe. Cohn er-
wies 1875 das Gleiche für Volvox, 1878 für Gonium sociale und Tetra-
selmis, und fand jetzt, dass die Theilung der Zelle und des Pyrenoids
ganz gleichzeitig geschehe, d. h. das letztere gewissermaassen durch Ein-
schnürung des Zellplasmas in zwei Hälften durchschnitten werde. Dagegen
zeichnet Stein die Vermehrung der Amylumherde bei Chlamydomonas
Pyreiiüidc (Zalil ii. Lagu; Vcnneliruiig). 725
pulvisciilus und Eudoriua wie Carter vor der eigeutliclicu Thcilunj;-
der Zelle.
Die neueren Beobachtungen über die Pyrenoide der Algen ergeben
nun, dass deren Vermehrung auch hier sehr gewöhnlich durch Theilung
geschieht und dass dieser Theilungsprocess bald mehr der Schilderung
Carter's, bald mehr der Cohn's entsprechend verläuft. Gewöhnlich streckt
sich das kuglige Pyrenoid hierbei etwas in die Länge und zerfällt als-
dann durch eine mittlere Einschnürung in zwei Theile. Dabei folgt auch
die Stärkehülle der Längsstreckung und wird gleichfalls in zwei Hälften
auseinander gezogen, welche nun, nach den Beobachtungen von Schmitz
als halbkuglige, also ungeschlossene Kappen die beiden neuen Pyrenoide
bedecken. Rasch vollzieht sich dann aber ihre Vervollständigung zu ge-
schlossenen Hüllen, indem neue Amylumköruchen an den unbedeckten
Stellen der Pyrenoide entstehen und die Lücke in der Hülle ausfüllen.
Bei unseren Flagellaten ist bis jetzt über das genauere Verhalten der
AmylumhüUe bei der Theilung der Pyrenoide nichts Sicheres ermittelt
worden. Dagegen wurden namentlich von Stein mehrfach Pyrenoide beob-
achtet, welche statt der gewöhnlichen kugligen eine längsgestreckte, ovale
bis sogar bandförmige Gestalt besassen. Wir finden Derartiges abgebildet
bei Tetraselmis und Eudorina, deren Pyrenoide gewöhnlich eine kuglige
Gestalt besitzen, und es dürfte kaum einem Zweifel unterliegen, dass diese
länglichen Pyrenoide Theilungszustände waren.
Zweifelhafter ist dies für die sogen. Chlamydomonas monadina Ehrb.
sp. , welcher sieh nach Stein wesentlich dadurch von der gewöhnlichen
Chlam. pulvisculus unterscheidet, dass sie ein bandförmig ausgezogenes
Pyrenoid besitzt, welches etwa im Aequator gelegen, sich parallel der
Körperoberfläche zusammenkrümmt, so dass seine Enden nahezu zu-
sammenstossen.
Aehnliclie Formen, welche ich beobachtete, zeigten keine Krümmung des Bandes, da-
gegen in den beiden etwas angeschwollnen Enden deutlich ein helleres Pyrenoid, so dass ich
dieses Band auch als einen in Theilung begriffenen Amylumherd beurtheilen möchte, in
welchem das eigentliche Pyrenoid schon in zwei neue zerfallen ist, die noch durch einen band-
artig ausgezogenen Amylumstreif in Verbindung stehen. Ich neige mich dieser Ansicht um
so mehr zu, da sich gleichzeitig mit diesen Formen andere fanden, welche theils einen ein-
fachen runden Amylumherd, theils deren zwei enthielten. Nicht ganz sicher erscheint es da-
her auch, ob die Chlamydomonas monadina wirklich specifisch von der gewöhnlichen Chlam.
pulvisculus geschieden ist.
Eine selbstständige Neubildung von Pyrenoiden, wie sie neben der
Vermehrung durch Theilung bei den Algen von Schmitz behauptet wird,
entbehrt für die Flagellaten bis jetzt noch des Nachweises , jedoch liegt
auch kein Grund vor, ähnliche Verhältnisse bei denselben zu leugnen.
An die im Vorhergehenden besprochene Amylumerzeugung in den
Chromatophoren, schliesst sich die Frage an, ob die Stärkebildung
nicht auch unabhängig von Pyrenoiden in oder ausserhalb der Chro-
matophoren vorkommt, wofür ja bei pflanzlichen Organismen zahl-
reiche Beweise sprechen. Leider ist für die genaue Feststellung dieser
726 Flagellata,
Frage bis jetzt wenig geschehen. Mancherlei Angaben Hessen sich zwar
anführen, welche das Vorkommen kleiner Stärkekörnchen in den Chro-
matophoren, resp. dem UDgefärbten Plasma zu erweisen scheinen, doch
lassen es diese aus früherer Zeit stammenden Angaben unentschieden,
ob Amylumherde oder einfache Stärkekörnchen vorlagen.
So will Cohü in den Volvoxzellen gewöhnlich ein einziges Stärkekörnchen beobachtet
haben; auch mancherlei Beobachtungen am Haematococcus könnten dafür angeführt werden,
dass hier kleine Stärkekörnchen zuweilen neben den Amylumherden vorhanden sind.
Stärkekörner gewöhnlicher Beschaffenheit finden wir meist reichlich bei
der Gattung Cryptomonas, doch ist deren Sitz bis jetzt noch etwas fraglich.
Sowohl aus eigener Anschauung, wie aus den Angaben Strasburger's (170) und den
Zeichnungen Stein's schien hervorzugehen, dass die Stärkekörner hier nicht den beiden Chro-
matophorenplatten , sondern dem inneren farblosen Plasma eingelagert sind. Dem steht jedoch
die Angabe Künstler's gegenüber, dass die Amylumkörner der tiefsten der drei von ihm
unterschiednen Schichten der FarbstofFplatten eingelagert seien. Ich glaube jedoch kaum, dass
diese Angabe richtig ist, da sowohl Stein wie Strasburger die Körner häufig dicht neben dem
Schlund sahen, was nicht mit ihrer Lage in den Chromatophoren zu vereinigen ist. Auch
findet sich kaum eine einzige Zeichnung, auf der ein Korn im optischen Schnitt einer Chro-
matophorc erschiene.
Sowohl die Zahl wie die Grösse der Amylumkörner ist bei unserer
Gattung sehr verschieden; häufig finden sich nur einige wenige ziemlich
ansehnliche, nicht selten dagegen auch sehr zahlreiche kleine, so dass
das Innere ganz grobkörnig erscheint. Derartige Zustände scheint Künstler
allein gesehen zu haben und er lässt diese Körner, wie gesagt, in einer
einfachen Schicht dicht neben einander gelagert die gesammte innere
Lage der Chromatophoren durchsetzen.
Von besonderem Interesse ist die Erfahrung, dass sich echtes Amylum
auch bei gewissen, farblosen Flagellaten in reichlicher Menge vorfindet
und zwar sicher als ein Stoflfwechselproduct, nicht etwa als aufge-
nommene Nahrung. Interessanter Weise sind die Formen, welche dies
zeigen, saprophytische nächste Verwandte gefärbter Flagellaten. Zu-
nächst wäre Chilomonas zu erwähnen, die, wie schon früher be-
merkt, mit Ausnahme ihrer Farblosigkeit mit Cryptomonas nahezu iden-
tisch ist. Bei einigermaassen günstiger Ernährung, d. h. in gehaltreichen
Infusionen, finden wir eine dichte Lage ziemlich ansehnlicher Amylum-
körner direct unter der Hautschicht unsrer Wesen. Nicht selten sind je-
doch die Körner spärlicher vorhanden, ja bei schlechter Ernährung,
in alten Infusionen, kann schliesslich die Stärke auch völlig schwinden,
weil ohne Zweifel die Bedingungen für ihre Neuerzeugung fehlen und die
als eine Art Reservenahrung aufgehäufte, verbraucht wurde.
Ganz entsprechende Verhältnisse zeigt die Gattung Polytoma, eine
saprophytisch lebende Chlamydomonadine. Auch sie speichert unter
günstigen Ernährungsbedingungen , wie Ant. Schneider zuerst nach-
wies, grosse Mengen Stärkekörner in ihrem Körper auf. Zunächst
häufen sich dieselben im Hinterende an (T. 43, 4a), erfüllen jedoch
schliesslich bei recht reichlicher Ernährung den gesammten Körper-
Amyluui im Protoplasma; raramylum (Vorkommen). 727
Ferner lUsst sich auch hier wie bei Chilomonas beobachten, dass unter
ungünstigen Ernährungsbedingungen die Aniyhimkörnchen allmählich
schwinden und die Polytomen endlich zu Grunde gehen.
Neuerdings gehang es denn auch Klebs in den von ihm beobachteten
saprophytischen farblosen Vertretern der Gattungen Cblorogonium und
Carteria zahlreiche echte Amylumkörnchen nachzuweisen. Bei der Carteria
ünden diese sich ganz wie bei Chilomonas in einer peripherischen Schicht
unter der gesammten Körperoberfläche.
Paramylum. |In der umfangreichen Abtheilung der Euglenoidinen
konnte bis jetzt trotz der häutigen Gegenwart des Chlorophylls meist
keine echte Stärke aufgefunden werden. Eine Ausnahme könnte nur die
Gattung Colacium (wahrscheinlich nur das C. calvuni) bilden, wo sich nach
Stein, wie früher erwähnt, ein Amylumherd in jedem Chromatophor findet*).
Künstler will auch bei Phacus in den Chromatophoren je ein kleines
Amylumkorn beohachtet haben, was ich jedoch nach eignen Erfahrungen
für unrichtig halte.
Dagegen findet sich nun in unserer Abtheilung weit verbreitet ein
anderes Kohlehydrat, welches zwar die gleiche empirische Zusammen-
setzung CgH^o^ö wie Amylum besitzt, jedoch im Uebrigen sehr wesentlich
von dem gewöhnlichen Amylum abweicht und sich in manchen Be-
ziehungen der Cellulose nähert. Gottlieb, welcher schon 1851 diesen
Körper bei der Euglena viridis eingehender chemisch studirte, nannte ihn
Paramylon und diese Bezeichnung hat sich allmählich eingebürgert, wenn-
gleich den meisten späteren Beobachtern die Herkunft dieses Namens
unbekannt blieb. Wie das Amylum findet sich auch das Paramylum
sowohl bei grünen wie ungefärbten Euglenoidinen vor und zwar ist
es bei den ersteren (mit eventueller Ausnahme der oben namhaft ge-
machten Fälle) durchaus verbreitet**), wogegen die farblosen es nicht immer
aufweisen. Doch ist es sicher constatirt bei farblosen Varietäten von
Euglena, bei der gewöhnlich farblosen oder doch sehr chlorophyllarmen
Gattung Menoidium (wahrscheinlich auch der verwandten Atractonema),
Rhabdomonas und gewissen farblosen sogen. Astasiaformen von Klebs.
Auch bei der farblosen Peranema haben Stein und Klebs häufig Par-
amylonkörnchen constatirt. Es ist jedoch fraglich, ob dasselbe von ihr
erzeugt oder nur als Nahrung aufgenommen wurde. — Ausserhalb der
Gruppe der Euglenoidina wurde, wie bemerkt, das Paramylum noch nie
sicher aufgefunden, nur Cohn (1850) beobachtete in den schwärmenden
Haematococcuszellen zuweilen glänzende Körperchen, die er wahrschein-
lich richtig mit den Paramylumkörnern der Euglenen verglich.
Chemisch unterscheiden sich, wie gesagt, die Paramylum körner sehr
wesentlich von dem Amylum, zunächst durch ihre gänzliche Untingirbar-
*) Klebs leugnet dagegen ausdrücklich die Anwesenheit von Pyrenoiden bei dieser Gat-
tung und will Paramylonscheiben im Körperislasma beobachtet haben-.
**) Unter den grünen Coelomonadiueii hat bis jetzt nur Meresclikowsky bei der Gattung
Merotricha das Paramylon constatirt.
728 Flagellata.
keit mit Jod, was schon Gottlieb beobachtete und sämmtliche spätere
Forscher bestätigten. Weiterhin fällt ihre grosse Widerstandsfähigkeit
gegen Reagentien auf, eine Erscheinung, die schon Dujardin, Focke,
Carter und Andere hervorgehoben haben. Speciell den Säuren wider-
stehen sie sehr, nur in concentrirter Schwefelsäure (ßtitschli, Klebs) und
beim Kochen in rauchender Salzsäure (Gottlieb) lösen sie sich und bilden
im letzteren Fall gährungsfähigen Zucker (Gottlieb). Auch Diastase übt
nach Gottlieb keine sichtliche Wirkung aus. In Ammoniak unlöslich ^
wird das Paramylum dagegen in verdünnter Kalilauge (nicht unter 6^/0?
Klebs) rasch gelöst und lässt sich durch Salzsäure aus der Lösung un-
verändert wieder niederschlagen. Natürlich sind alle alkoholischen und
verwandten Lösungsmittel wirkungslos. Die grosse Widerstandsfähigkeit
der Paramylumkörner macht, dass dieselben sich auch in abgestorbnen
und ganz verfaulten Euglenen etc. wohl erhalten und dann häufig sehr
gut zu Studiren sind.
Ihre Bildung geschieht nie in den Chromatophoren , stets liegen sie
ausserhalb derselben im Plasma, wenngleich häufig dicht unter der peri-
pherischen Chromatophorenschicht, so dass hierdurch eine Beziehung
zu dieser angedeutet wird. Sehr kenntlich wird diese Beziehung, wie schon
bemerkt, bei den mit Pyrenoid versehenen Chromatophoren gewisser
Eugleninen, da sich hier fast stets um jedes Pyrenoid eine zweiklappige
Paramylumhülle bildet (Klebs). Nur anzudeuten wäre noch, dass, wie
schon früher hervorgehoben, unsre Körner häufig für Fortpflanzungsorgane,
resp. Keime der Euglenen etc. gehalten wurden, so schon von Ehrenberg,
später namentlich von Carter, selbst Claparede und Lachmann hielten
diese Ansicht noch für wahrscheinHch.
Morphologisch bieten die Paramylumkörper ein nicht geringes
Interesse und recht grosse Verschiedeoheiten dar. Bei den Euglenen
zeigen sie fast stets eine Neigung zu länglicher, ovaler bis stäbchenförmiger
Gestaltung, sind jedoch nach Klebs zuweilen auch kreisrunde Scheiben.
Ihre Grösse schwankt ungemein. Bei gewissen Arten bleiben sie sehr klein
und erfüllen in grosser Menge als stark lichtbrechende Gebilde das Plasma.
Bei der E. viridis (Kl. emend.) häufen sich die Körnchen im Centrum
des Körpers um eine etwas dichtere Plasmapartie zusammen, welche
Schmitz als ein Pyrenoid betrachtet (Schmitz, Klebs). Entsprechend
kleine Körnchen fand ich auch stets bei der Gattung Trachelomonas und
ähnlich schildert auch Mereschkowsky die der Merotricha.
Bei gewissen langgestreckten Euglenen wachsen die Paramylumgebilde
zu längeren stabartigen, schmäleren bis dickeren Körpern heran, welche
dann meist in geringerer, immerhin jedoch häufig noch recht beträcht-
licher Zahl vorhanden sind. Solche Verhältnisse beobachten wir nament-
lich bei der Euglena acus (T. 47, 8) und Ehrenbergii (Kl.), zuweilen je-
doch auch bei Euglena oxyuris. Gewöhnlich trifft man neben diesen
grossen Paramylumstäben auch noch eine Anzahl kleinerer bis kleinster,
welche es illustriren, dass auch die grossen Stäbe allmählich aus kleineren
Paramylum i^Chemiachc Eigeiiscli., uiorpholog. Bau der Köriier). 729
hervorgewachsen sind. Eigenthtimlich erscheinen gewisse grosse und meist
etwas mehr ovale Paramylumgebilde, welche sich in Zweizahl bei
Euglena Spirogyra (T. 47, 0) und zuweilen auch bei Euglena oxyuris
finden. Eines derselben liegt stets vor, das andere hinter dem in der
Körpermitte befindlichen Kerne, eine Lagerung, welche etwas an die der
beiden Amylumherde gewisser Chlamydomonadinen erinnert. Diese Ge-
bilde erscheinen nun nicht solide, sondern bestehen anscheinend aus einer
stärker lichtbrecheuden dicken Hülle, welche jedenfalls allein Paramylum
ist und einem helleren Kern.
Stein erklärt diesen lielleren Kern für eine weichere Substanz, die das Innere erfülle.
Aehnlich deutete auch schon Carter im Jahre 1856 ihren Bau; er schrieb der Innenmassc
eine fettartige, flüssige Bcschalfenheit zu. Neuestens hat nun Schmitz eine ganz besondere
Ansicht über diese Körper der Euglena oxyuris ausgesprochen. Ihm gilt die Innenmasse als
ein Pyrenoid, das jedoch nicht etwa iu eine Paramylonhülle eingeschlossen sei , sondern im
Centrum eines sternförmigen Chromatophors liege. Die scheinbare Kapsel soll dadurch ent-
stehen, dass sich zahlreiche isolirtc kleine Paramylonkörnchcn um dieses Pyrenoid , jedoch
natürlich ausserhalb des Chromatophors herumlagern. Ebensowenig wie die sternförmigen
Chromatophoren halte ich jedoch diese Deutung der Paramylonkörper für zulässig und auch
Klebs gelangte zu diesem Schluss.
Unsre Auffassung der besprochnen Körper soll sofort im Zusammen-
hang mit der Besprechung der Paramylonkörper der Chloropeltinen er-
läutert werden. Bei den hierhergehörigen Gattungen Phacus und Lepo-
cinclis finden sich gewöhnlich neben zahlreichen kleineren, rundlichen
bis stäbchenförmigen Paramylumkörperchen ein oder wenige grössere,
runde und abgeplattet scheibenförmige Körper vor. Diese grossen,
häufig jedoch auch die kleineren rundlichen zeigen einen ähnlichen Bau,
wie die vorher besprochnen länglichen gewisser Euglenen. Eine mehr
oder weniger dicke Paramylumkapsel scheint einen helleren Inhalt zu
umschliessen und in letzterem liegt zuweilen noch ein zweiter ähnlicher
Körper eingeschlossen (T. 47, 13) Genaue Betrachtung der kleineren
Körper von Phacus scheint mir nun zu ergeben, dass die Deutung in
Kapsel und Inhalt eine irrige ist, und sich die Sache einfacher und wahr-
scheinlicher so erklärt, dass es sich um Paramylumscheiben handelt, welche
im Centrum eine Durchbrechung besitzen, d. h. also um ringförmige Par-
amylumkörper. Auch der Ring selbst zeigt zuweilen noch eine dunklere
concentrische Linie, bald dem inneren, bald dem äusseren Rand genähert.
Die Einlagerung eines zweiten kleineren Körpers in einen grösseren
erklärt sich auf diese Weise auch leicht, da ja einer solchen an einem
geöffneten Ring kein Hinderniss im Wege steht. Weiterhin scheint mir
diese Auffassung noch deshalb den Vorzug zu verdienen, weil sie in ein-
facher Weise zu dem sonst sehr merkwürdigen Bau der beiden ansehn-
lichen Paramylumkörper des Lepocinclis Ovum überleitet. Diese Form
(T. 47, 15b) besitzt häufig, wie zuerst Carter (1859) beobachtete, zwei
sehr grosse Paramylumkörper, welche sich gegenüberstehend dicht unter
der Cuticula lagern. Diese Körper, welche Carter gleichfalls als „nucleated
cells'' beschrieb, sind bei ihrer Grösse aufs sicherste als weit geöffnete
73.0 Flagellata.
Ringe, oder in sich zurückkehrende Bänder von Paramylum zu erkennen.
Sie dehnen sich gewöhnlich um den Körper so weit ans, dass sie sich
nahezu berühren. Dennoch finden sich auch hier neben ihnen stets noch
eine Anzahl kleiner rundlicher Paramylumkörnchen vor, welche sämmtlich
die Ringform meist deutlich zeigen. Doch ist es bei so kleinen Gebilden
schwierig zu entscheiden, ob wirklich eine Durchbrechung und nicht etwa
nur eine grubenförmige Aushöhlung die Ringform hervorruft; ich möchte
sogar vermuthen, dass sich die durchbrochene Ringform erst allmählich
aus anfänglich soliden Scheibchen entwickelt. Auf Grund der soeben
mitgetheilten Erfahrungen dürfen wir jedoch auch den Bau der länglichen
Körper der Euglena oxyuris und Spirogyra mit grosser Wahrschein-
lichkeit als einen ringförmigen betrachten und auch Klebs haben
seine Untersuchungen zn derselben Ansicht geführt. Dieser Forscher
spricht sich um so entschiedener für eine solche Auffassung aus, da er
unter gewissen Bedingungen beobachtete, dass die Euglena Spyrogyra im
Dauerzustand die Durchbrechungen ihrer grossen Paramylumkörper durch
nachträgliche Bildung von Paramylum ausfüllte und dieselben so zu ,, an-
scheinend homogenen Cylindern'' wurden.
Während die früheren Beobachter meist nichts von einer feineren
Structur der Paramylumkörner sahen, machte zuerst Schmitz darauf
aufmerksam, dass dieselben stets einen weniger dichten centralen Theil
besitzen und Klebs erkannte weiter, dass ihnen auch eine concentrische
Schichtung ähnlich den Amylumkörnern nicht fehlt*). Diese Schichtung
tritt bei Quellung der Körner durch ihre Lösungsmittel (Kali oder Schwefel-
säure) oder auch durch mechanischen Druck deutlicher hervor. Hierbei
zeigten aber die scheibenförmigen Körner nicht nur eine concentrische
Schichtung der Flächenansicht, sondern auch eine streifige Differenz irung
in der Seitenansicht, woraus geschlossen werden muss, dass sie sich aus
einer grösseren Zahl dünnerer, concentrisch geschichteter Scheibchen zu-
sammensetzen. Der Wassergehalt der Schichten nimmt von der Peripherie
nach dem Centrum der Scheibe successive zu. Die gequollnen Schichten
zeigen kurz vor ihrer deßnitiven Auflösung noch eine feinere Zusammen-
setzung aus dunkleren dichteren und zwischengeschobnen helleren und
weniger dichten Theilchen. Vielleicht deutet diese Erfahrung darauf hin,
dass auch die Paramylumonkörner ursprünglich aus der Vereinigung sehr
kleiner Körnchen hervorgehen, ähnlich wie Schmitz die Amylumherde
aus sehr kleinen Körnchen zusammengesetzt fand, die in gewissen Fällen
gleichfalls zu zusammenhängenden Amylumschalen verwachsen.
e) Roth es Pigment. Schon Ehrenberg beobachtete einige Flagel-
laten von entschieden rother Färbung, die er zu besonderen Arten erhob,
so seine Euglena sanguinea und die sog. Astasia haematodes. Erst spätere
*) Carter (109b) ist der einzige frühere Beobachter, welcher diese Schichtung sah, er
hielt sie jedioch für eine spiralige Zeichnung und deutete sie als eine Entwicklungserscheinung
der vermeintlichen Eier der Euglena viridis.
rarainyluin (Morijlioloy,ic); llaouiatoclirom (Vorkouiincu). 731
Beobachter erkannten allmählicb, dass die grüne Färbung mancher Flagel-
laten unter Umständen in eine rothe tibergeht und daher die Rothfärbung
allein keinen specitischen Charakter bildet. Zu dieser Erkenntniss führten
namentlich die früher schon geschilderten Untersuchungen über Haemato-
coccus. Namentlich die Arbeiten von Morren, von Flotow und die späteren
Cohn's stellten es sicher, dass sich bei Haematococcus ein häufiger Wech-
sel zwischen grüner und rother Färbung finde. In ähnlicher Weise zeigte
namentlich Focke, dass die rothe Euglena sanguinea nur als Varietät
einer grünen Form zu betrachten sei, w^ozu sich denn noch die von
Schmarda 1848 beschriebene Euglena chlorophoenicea gesellt, welche
nur eine theils mehr grüne, theils rothe Uebergangsstufe darstellt*).
Auch Cohn schloss sich 1850 dieser Deutung der Euglena sanguinea an;
Perty dagegen blieb unsicher.
Während bei den erwähnten zwei Formen die rothe Färbung an
beweglichen Zuständen auftritt, zeigte der weitere Verlauf der Forschungen
über die Fortpflanzung der grünen Isomastigoda immer deutlicher, dass
eine solche Rothfärbung in sehr weiter Verbreitung bei den ruhenden
Zuständen eintritt, seien dieselben nun auf ungeschlechtlichem oder ge-
schlechtlichem Wege entstanden. Da nun auch die ruhenden Zustände
des Haematococcus sich gewöhnlich röthen, so könnte man vermuthen,
dass die ganze Erscheinung überhaupt als eine Folge vorhergegangener
Ruhezustände aufzufassen sei, da, wie bekannt, die aus letzterem hervor-
gehenden beweglichen Formen erst sehr allmählich ergrünen. Immerhin
lässt sich auf Grund unserer heutigen Erfahrungen nicht ausschliessen,
dass sich auch bewegliche grüne Formen unter gewissen Bedingungen
roth färben.
Wie schon der allmähliche Uebergang zwischen grünen und rothen
Formen es bedingt, tritt die rothe Farbe bei Haematococcus wie bei
Euglena in sehr verschiednem Grad der Entwicklung auf. Da das rothe
Pigment seinen Sitz im ungefärbten Plasma hat, so erhellt hieraus schon,
dass es sich sowohl bei Euglena wie bei Haematococcus zunächst central
um den Kern ablagern muss und, da ja peripherisch die Chromatophoren
sich finden. Bei beiden Formen sehen wir denn auch häufig Zustände,
welche nur eine centrale Rothfärbung aufweisen, von sehr geringer bis
ansehnlicherer Ausdehnung.
Dabei ist jedoch zu beachten, dass die gleichen Zustände auch um-
gekehrt dadurch entstehen, dass ganz rothgefärbte Individuen allmählich
ergrünen , was naturgemäss zuerst peripherisch anhebt und allmählich
gegen das Centrum fortschreitet.
*) Während Focke und die meisten neueren Forscher (so auch Stein) in der Ehrenberg'-
schen E. sanguinea nur eine Varietät der sogen. E. viridis erkennen wollten , zeigte Klebs
neuestens, dass diese Form als besondere Art aufzufassen ist. Die erstgenannten Beobachter
hatten zwar in der Sache jedenfalls Recht, da wie Klebs zeigte, eine Reihe verschiedener Arten
unter der vulgären Bezeichnung E. viridis sich verbergen.
732 Flagellata.
Wie gesagt, sehwinclet bei stärkerer Ausbreitung des rotbeu Pigments
die grüne Chlorophyllfarbe vollständig. Hierbei erhebt sich nun die Frage,
ob diese ganz rotheu Formen ihr Chlorophyll verloren haben, oder ob
dies noch existirt und nur so verdeckt wird, dass es sich seither der Beob-
achtung entzog. Für Euglena sanguinea geht letzteres aus den Angaben
von Klebs sicher hervor und auch schon Stein's Abbildungen dieser
Form lassen das Gleiche erschliessen. Da wir jedoch wissen, dass die
Euglenen zuweilen auch ganz farblos auftreten können, so scheint nicht
ausgeschlossen, dass das Chlorophyll der rothen Eugl. sanguinea zuweilen
auch ganz schwinde.
Schwieriger liegt diese Frage bei Haematococcus und den rothen
Dauerzuständen der Phytomastigoden. Auf den zahlreichen Abbildungen
solcher ganz rothen Zustände ist gewöhnlich nicht mehr die geringste
Andeutung von Grün zu sehen, und doch müsste sich gerade hier das
peripherische grüne Chromatophor, wenn es nicht völlig schwindet, als
grüner Saum häufig bemerklich machen. Welche Umstände es sind, die
hier die grüne Farbe ganz verschwinden lassen, scheint bis jetzt noch
unsicher. Wahrscheinlich dürfte sich eine theilweise bis gänzliche Ent-
färbung des Chromatophors , vielleicht gleichzeitig mit einer Zusamraen-
ziehung desselben finden, wie Schmitz Aehnliches von den Chromatophoren
der Dauerzellen der Algen berichtet. Wir dürfen um so mehr annehmen,
dass die Chromatophoren auch bei den rothen Zuständen dieser Formen
nicht fehlen, da letzterwähnter Beobachter sie in den Ruhezuständen der
Eudorina und verschiedener Algen noch beobachtet haben will und weiter-
hin Engelmann*) in neuester Zeit den Nachweis führte, dass die rothen
ruhenden Haematococcuszellen noch Sauerstoff zu entwickeln vermögen,
also wohl sicher noch Chlorophyll enthalten, was gleichzeitig durch ihr
spectroskopisches Verhalten sehr wahrscheinlich gemacht wird.
Das Pigment, welches die geschilderte Rothfärbung hervorruft, Cohn's
Haematochrom, bildet sich, wie bemerkt, im Plasma und erscheint
gewöhnlich sehr feinkörnig, seltner dagegen in Gestalt grösserer Tröpf-
chen. Eine directe Beziehung der Chromatophoren zur Bildung desselben
lässt sich nicht erweisen, so dass die früher sehr verbreitete Annahme,
es bilde sich der grüne Farbstoff der Chromatophoren direct in Haemato-
chrom um, vorerst nicht gesichert erscheint.
Der Farbenton ist etwas verschieden und schwankt zwischen ziegel-
und Orangeroth bis zinnober- und blutroth. Ueber die chemische Natur
des Farbstoffes ist wenig bekannt. Gewöhnlich wird derselbe nicht als
ein reines Pigment, sondern als ein mit aufgelöstem Farbstoffe impräg-
nirtes Fett betrachtet (Cohn, A. Braun, Wittich etc.). Hierfür spricht
einerseits sein optisches Verhalten, seine Löslichkeit in Aether und die
Erscheinung, dass der fein vertheilte Farbstoff unter verschiedenen Be-
dingungen häufig zu grösseren Tröpfchen zusammenfliesst.
>^) Botanische Zeitung- 1882, Nr. b'd.
Haematoclirom (Vorkommen, chemische Eig-cnschaften, Bedeutung). 733
Einwirkung von Reagentien ist wenig studirt. Nach Colin soll der
rothe Farbstoff des Haematocoecus Säuren und Alkalien widerstehen, da-
gegen sah Braun ihn bei Zusatz von Schwefelsäure schmutzig violett werden
und Cohn selbst gibt wiederum an, dass Salzsäure ihn wenigstens vor-
übergehend entfärbe. Mit Jod hat Cohn eine schwarzblaue Färbung der
vothen Körnehen erzielt und auch Perty bestätigte dies. Rostafinski *)
unterscheidet auf Grund der Löslichkeitsverhältnisse in Alkohol zwei
Farbstoffe in dem Haematochrom, einen gelben, der sich in kaltem Alkohol
leicht und einen rothen, der sich darin schwer oder nicht löst.
lieber den jedenfalls identischen Farbstoff der Euglena sanguinea
haben wir dagegen durch Wittich**) einiges Genauere erfahren. Der-
selbe lässt sich sowohl aus der ätherischen, wie alkoholischen Lösung in
krystallinischer Gestalt (Octaedern) erhalten. Diese Krystalle werden
durch Schwefelsäure blau gefärbt, durch Chlor gebleicht, durch Kali da-
gegen nicht zerstört. Ihr verhältnissmässig hoher Schmelzpunkt Hess sich
nicht constant erhalten, sondern schwankte zwischen 79 und 120" C.
Auch Wittich schliesst aus seinen Versuchen, dass der rothe Farbstoff an
ein verseifbares Fett gebunden sei. Aus allem diesem geht nun sicher
hervor, dass das Haematochrom in die Reihe der sogen. Fettfarbstoffe (Chro-
mophane Kühne's)***) gehört, die sowohl im Thier- wie Pflanzenreich
weit verbreitet sind, ^o gehören hierher z. B. die Farbstoffe der sogen.
Zapfenkugeln der Netzhäute zahlreicher Wirbelthiere, das Lutein der Cor-
pora lutea etc. ; von Pflanzenfarbstoffen z. B. das sogen. Carotin der Wur-
zel von Daucus Carota und das Elaeochrin des Palmöls.
Sehr unsicher erscheint bis jetzt noch die physiologische Bedeutung
der Rothfärbung, ebenso wie ihre nächste Verursachung. Ueber die letz-
tere sind schon mannigfache Ansichten geäussert worden, doch trifft keine
wohl die eigentliche Ursache, welche zweifellos eine innerliche sein dürfte,
sondern nur Bedingungen des leichteren und schnelleren Eintritts der
Verfärbung — Bedingungen, welche ihrer Natur nach nicht immer gleich-
massig wirksam erscheinen.
So äusserte schon Focke hinsichtlich der Euglena sanguinea, dass
die Röthung hauptsächlich im Frühling und Herbst auftrete und es
erhellt aus seinem Gedankengang, dass er die Verfärbung wesentlich dem
Einfluss niederer Temperatur zuschreibt. Andererseits wurde im Hinblick
auf das Verhalten der Ruhezustände häufig die Ansicht entwickelt,
dass Austrocknung die Rothfärbung begünstige (so speciell für Hae-
*) Botanische Zeitung 1881 p. 463.
**) Archiv f. patholog-. Anat. Bd. 27. 1863. p. 573 — 75. Nach soeben angestellten Ver-
suchen an dem Haematochrom der Eugl sanguinea kann ich die Angaben Witticli's bestätigen.
Nur von der Octacderform der Krystalle überzeugte ich mich bis jetzt nicht und finde, dass
concentr. Salpetersäure dieselben grün färbt.
***) Kühne, W., Untersuch, des physiolog. Instit. d. Univ. Heidelberg I. p. 341 und IV.
p. 1611. Für diese FettfarbstofFe wird neuerdings auch der Name „Lipochrome" häufig gel)raucht.
734 Flagellata,
matococcus durch Colin), Doch verfärben sich auch zahheiche Ruhe-
zustände ohne Austrocknung. Cobn glaubte femer beobachtet zu haben,
dass intensives Sonnenlicht die Röthung begünstige, wofür er auch eine
Beobachtung Morren's anführt.
Welche Vortheile die Erzeugung des Haematochroms darbietet, ist
ebenso zweifelhaft; vielleicht möchte doch die gelegentlich geäusserte
Ansicht, dass dasselbe eine Art Schutzmittel gegen gewisse äussere Ein-
flüsse darstelle. Vieles für sich haben.
f) Stigmata (Augenflecke). Nahe verwandt, wenn nicht identisch,
mit dem besprochnen rothen Pigment scheinen die sogen. Stigmabildungen
zu sein. Dieselben finden sich besonders häufig bei gefärbten Flagel-
laten, ohne jedoch den ungefärbten durchaus zu fehlen. Die Stigmen
sind im Allgemeinen ähnliche rothe Kürperchen wie die rothen Pigment-
körnchen, doch scheint es mir unzweifelhaft zu sein, dass ihre Substanz
eine festweiche ist, da sie gewöhnlich bestimmte Gestaltungen darbieten,
welche eine flüssige ölige Substanz nicht wohl anzunehmen im Stande
wäre. Die Uebereinstimmung des Pigments der Stigmata mit dem Hae-
matochrom zeigt das Verhalten gegen Reagentien. Alkohol wie Aether
bringen sie durch Lösung des Pigments zum Verschwinden. Durch Jod
oder Eisenchlorid wird das Stigma nach Cohn, Perty und Klebs bei
Eugleuen schwarzblau, auch Schwefelsäure färbt dasselbe schwarz bis
schwarzblau (Klebs, Bütschli), Salpetersäure himmelblau (Klebs), wogegen
es durch Kali (Dujardin, Klebs), Ammoniak und Essigsäure (Klebs) nicht
verändert wird.
Werfen wir zunächst einen Blick auf das Vorkommen der Stigmen.
Nahezu allgemein verbreitet finden wir sie bei den gefärbten Isomasti-
goden. Zunächst sämmtlichen Chlamydomonadinen (mit einziger Aus-
nahme des Haematococcus lacustris), sämmtlichen Volvocinen und häufig
bei den Chrysomouadinen, doch ist ihr Vorkommen hier ein etwas un-
regelmässiges. Dagegen fehlen die Stigmen stets auch bei den gefärbten
Cryptomonadinen. Immer vorhanden sind sie dagegen bei den gefärbten
Dinobryinen und fast stets bei den chromatophorenhaltigen Euglenoidinen.
Eine Ausnahme machen hier nur die Gattungen Merotricha und Coelomonas.
Einige Befunde weisen aber darauf hin, dass ihre Anwesenheit nicht
ganz constant ist. Speciell belehrend ist in dieser Hinsicht die Synura
Uvella, da sie der Stigmen zuweilen ganz entbehrt, theils zwei, zu-
weilen sogar eine sehr ansehnhche Zahl besitzt. Dasselbe lehren auch
gewisse farblose Formen, welche nur zuweilen Augenflecke besitzen.
Ueberhaupt bietet das Vorkommen dieser Gebilde bei letzteren ein ziem-
liches Interesse, da nicht zu verkennen ist, dass im Allgemeinen eine Be-
ziehung zwischen Ohromatophoren und Augenflecken existirt, was nament-
lich auch dadurch erwiesen wird, dass den farblosen Varietäten gewisser
Eugleninen (E. acus, Phacus) auch der Augenfleck häufig abgeht (Klebs).
Stein beobachtete gewöhnlich einen Augenfleck bei der farblosen Monas
vivipara; ebenso auch ich bei einer damit wohl identischen Form, häufig
Stig-mata (chcin. Natur, Vorlioimiiftii, Zalil, Stellung). 735
aber auch sicher hierhergehörige Flagellaten ohne denselben. Gelegent-
lich tritt ein Stigma nach Stein auch bei Antophysa vegetans auf. Con-
stant fand ich eines bei der farblosen Folytoma spicatum Krass., wo-
gegen die gewöhnliche Folytoma Uvella nach Stein sowohl im vorderen
wie hinteren Körperende häufig ein einzelnes bis ganze Häufchen kleiner
blassr(>thlicher Körperchen führt. Doch scheint mir die Zugehörigkeit
dieser Körperchen zu den gewöhnlichen Stigmen etwas fraglich. Auch
bei der farblosen Diplomita socialis gibt Kent einen Augenfleck an. Bei
der zu den Euglenoidinen gehörigen farblosen Peranema trichophorum will
Perty zuweilen, Clark dagegen gewöhnlich ein sehr blass-röthliches Stigma
gesehen haben, die übrigen Beobachter fanden dieselbe stets stigmafrei.
Sehr wechselnd ist ferner die Zahl der Stigmen und zeigt zuweilen
bei einer und derselben Art Inconstanz. Am häutigsten finden wir nur
eines entwickelt, selten dagegen zwei (Microglena, Synura zuweilen, Syn-
crypta). Die gewöhnlich mit einem Augenfleck ausgerüstete Uroglena
soll nach Ehreuberg zuweilen auch 2 — 3 besitzen*) und wie schon er-
wähnt, zeigt die Synura Uvella nach Fresenius und Stein zuweilen eine
sehr erhebliche Zahl (bis etwa 10).
Als eine Regel scheint jedoch hervorgehoben werden zu dürfen, dass
die in Mehrzahl vorhandenen Stigmata stets in nächster Nähe zusammen-
gestellt sind.
Die Stellung der Stigmen hm Körper ist überhaupt eine constaute.
Am häufigsten finden wir sie am Vorderende, dicht bei der Geisseibasis;
nur die Chlamydomonadinen und Volvocinen machen hiervon eine Aus-
nahme, indem ihr einfaches Stigma fast stets weiter nach hinten gerückt
ist, zuweilen bis in die Mitte des Körpers. Bei den mit wenigen grösseren
Chromatophoren ausgerüsteten Formen lässt sich eine Beziehung des
Stigmas zu denselben meist nicht verkennen, indem es gewöhnlich so
gelagert ist, dass es einer resp. bei mehrzähligen Stigmen den beiden
Chromatophoren aufliegt oder ihnen doch sehr genähert ist. Gleichzeitig
lagert sich jedoch das Stigma dieser Formen stets peripherisch, direct
unter die Körperoberfläche, niemals tiefer ins Köiperinnere. Diese Er-
scheinung tritt am auffallendsten bei den mit grossem einheitlichem Chro-
matophor ausgerüsteten Chlamydomonadinen und Volvocinen hervor, wo
eine nur äusserst zarte Plasmalage das Chromatophor äusserlich überzieht.
In dieser findet sich nun das Stigma dem Chromatophor aufliegend und
springt sogar nicht selten etwas über die Körperoberfläche vor.
Nur die Euglenoidinen machen eine scheinbare Ausnahme von dieser
oberflächlichen Stigmenlage, da bei ihnen der Augenfleck stets deutlich
tiefer im Plasma des Vorderendes liegt. Wie angedeutet, scheint mir
dieses Verhalten doch nur eine scheinbare Ausnahme zu bilden, denn
*) Auch bei den gewölinlicli nur ein Stigma besitzenden Voh'oxzellen will Ehrenberg
zuweilen deren zwei gesehen haben, betrachtet dies jedoch als Vorbereitung zur Theilung.
Auch Perty bestätigte dies und sah auch bei Chlamydomonas gelegentlich eine Verdopplung,
was jedoch gleichfalls auf Theilung beruhen konnte.
736 Flagcllata.
das Stigma lagert sich hier stets diiect dem früher geschilderten Reservoir
oder Behälter der contractileu Vacuolen auf. Da es nun vielleicht erlaubt
ist, dieses Reservoir als eine mit Flüssigkeit erfüllte Einsenkung zu be-
trachten, die durch den Schlund mit dem äusseren Medium communicirt
oder doch zeitweilig zu communiciren vermag, so zeigt sich, dass das
Stigma auch hier wahrscheinlich an einer Stelle liegt, welche ähnliche
Bedingungen darbietet wie die äussere Körperoberfläche, also die schein-
bare Ausnahme eher die Regel bestätigt.
Schon früher wurde angedeutet, dass die Stigmen häufig eine be-
stimmte Gestaltung besitzen. Zwar erscheinen sie bei den kleineren
Formen meist einfach rundlich bis etwas unregelmässig, bei den grösseren
dagegen, namentlich den Chlamydomonadinen und Volvocinen, tritt ge-
wöhnlich eine stäbcheuartige Gestalt recht deutlich hervor.
Etwas anders dagegen erscheinen die der grösseren Euglenoidinen.
Bei diesen ist der Stigmakörper häufig eine mehr abgeplattete Scheibe
von ziemlich unregelmässigem, nicht selten etwas viereckigem Umrisse
und etwas eingekrümmt. Letzteres Verhalten scheint davon herzurühren,
dass sich der Stigmakörper in seiner Gestalt der Oberfläche des Reservoirs,
dem er aufliegt, anpasst.
Gewöhnlich erscheint das Stigma als ein homogenes einheitliches
Gebilde. Die grösseren der Euglenen zeigen dagegen eine Zusammen-
setzung aus kleineren Körnchen, was schon Dujardin und Perty (1864)
zuweilen beobachteten. Klebs fasst daher den Bau dieser Stigmen
neuerdings als einen zusammengesetzten auf, bestehend aus einer plas-
matischen, netzigen Grundmasse, in deren Maschen das Pigment in Form
kleiner Tröpfchen eingelagert sei. Auch Künstler will sich überzeugt
haben , dass der Augenfleck bei Phacus und Trachelomonas aus zahl-
reichen in einer Schicht zu dem gekrümmten Stigmenkörper zusammen-
gefügten Körnern bestehe, die jedoch nur in ihren äusseren Theilen ge-
färbt seien.
Keine sichere Antwort lässt sich bis jetzt auf die Frage nach der
physiologischen Bedeutung der Stigmen geben. Gegen die alte Ehren-
berg'sche Deutung derselben als lichtempfindlicher Augenapparate, haben
sich die meisten späteren Beobachter seit Dujardin mit Entschiedenheit
ausgesprochen. Nur Carter, James-Clark und neuerdings wieder Künstler
suchten diese Ansicht zu stützen und letzterer glaubt dieselbe auf Grund
der geschilderten Zusammensetzung des Stigmas aus Körnchen, sowie wegen
eines linsenartigen lichtbrechenden Körpers, den er bei Phacus dem Stigma
angelagert fand, erwiesen zu haben. Auch führt er zu Gunsten dieser
Ansicht an, dass die Stigmen bei den in Dunkelheit gehaltenen Flagellaten
schwinden, eine Angabe, für welche weitere Belege in der Literatur nicht
vorhanden zu sein scheinen.
Was man jedoch über das Verhalten der stigmenführenden Flagellaten
und Zoosporen gegen das Licht weiss, spricht keineswegs für eine der-
artige Auffassung, da die Untersuchungen ergeben haben, dass die Stigmen-
Stigmata (feinerer Bau, physiol. Bedeutung) ; Tricbocysten. 737
freien und die mit Augeufieck versehcueu Formen in dieser Hinsicht ganz
übereinstimmen.
Dazu gesellt sich ferner der neuesten« von Engelmann (200) direct er-
brachte experimentelle Nachweis, dass nicht das Stigma der Euglenen die
lichtempfindliche Stelle ist, sondern dass dieselbe etwas vor demselben in der
farblosen Körperspitze ihren Sitz hat. Auch die interessante Thatsache,
auf welche Klebs hinwies, dass das sogen. Haematochrom der Augenflecke
in seinen Reactiouen mit den ähnlich gefärbten Pigmenten der Augen
mancher Metazoen (so Rotatorien und Copepoden, wie auch den gelben
bis rothen Oelkugeln in den Retinaelementen zahlreicher Wirbelthiere) nahe
übereinstimme, deutet in der gleichen Richtung. Da nun aber diese
Pigmente wohl sicherlich eine wesentliche Bedeutung im lichtempfind-
lichen Apparat der Metazoen besitzen, so liegt es nicht fern, mit Engel-
mann und Klebs auch dem Augenfleck der Flagellaten eine Bedeutung
bei dem Zustandekommen der Lichtempfindlichkeit zu vindiciren. Jeden-
falls jedoch nicht die eines selbst empfindlichen Theils, so wenig wie dies
für die entsprechenden Pigmente im Auge der höheren Thiere gewöhnlich
angenommen wird ; sondern am ehesten die eines mit der Erhaltung der
Lichtempfindlichkeit zusammenhängenden Bestandtheils.
Immerhin ist die weit nach hinten gerückte Lage des Stigmas ge-
wisser Chlamydomonaden eine so eigenthümliche, dass es schwer ist, sie
selbst mit einer solchen Auffassung in Einklang zu setzen.
Im Anschluss an die besprochenen echten Stigmabildungen erwähnen
wir noch gewisser Einrichtungen ungefärbter Flagellaten, die sich viel-
leicht den Stigmen anschliessen lassen. Es sind dies ähnlich gestaltete
und gelagerte kleine Gebilde, die ziemlich stark lichtbrechend, jedoch
ungefärbt erscheinen. Bei der Gattung Monas findet sich ein solcher
strich- bis leistenartig erscheinender Körper (sogen. Mundleiste Stein's),
der schief auf die Basis der Geissein gerichtet ist (T. 40, 13). Auch
Cyathomonas (T. 45, 8 a) besitzt einen ähnlichen, parallel dem Vorderrand
hinziehenden Körper, der jedoch nach Bütschli aus einer Reihe Körnchen
zusammengesetzt ist. Nicht mit Unrecht scheint Kent auch die beiden
dunklen Körperchen, welche sich häufig bei der Astasia Proteus (T. 48,
9b, o) dicht hinter der Geisseibasis finden, hierher zu beziehen. Wie
gesagt ist es wahrscheinlich, dass die geschilderten Gebilde pigmentlosen
Augenflecken entsprechen und für diese Auffassung lässt sich weiter an-
führen, dass Pelletan (204) bei Dinobryon nicht selten ungefärbte Augen-
fleckbildungen beobachtete.
g) Tricbocysten. Es ist von hohem Interesse, dass sich die
eigenthümlichen, bei den Infusorien ziemlich verbreiteten Tricbocysten bis
jetzt wenigstens in einem Fall auch unter den Flagellaten sicher nach-
weisen Hessen, bei der Merotricha semen Ehrbg. sp. Hier entdeckte sie
Ehrenberg schon im Jahre 1853. Erst 1879 wurden sie dann von Meresch-
kowsky wieder aufgefunden, der auch zuerst ihre von Ehrenberg zweifel-
haft gelassene Natur erkannte und Stein bestätigte diese Beobachtung in
Bi'onn, Klassen des Thierreiehs. Protozoa. 47
738 Flagellata.
seinem bekannten Werk. Auch hier finden sich diese Trichocysten ent-
sprechend ihrer physiologischen Leistung in der peripherischen Plasma-
lage des Körpers, die ja, wie schon früher erwähnt, wohl die Bedeutung
eines Ectoplasmas besitzt (T. 48, 4). — Specielleres über ihren Bau und
Verhalten ist nicht bekannt; dass sie jedoch auch hier die Fähigkeit
besitzen, zu massig langen feinen Fäden auszuschuellen, geht aus einer
Abbildung Stein's deutlich hervor, welche zahlreiche Trichocysten in
feine, über die Oberfläche des Thieres frei hervorragende Fädchen
verlängert zeigt. Ihre Zahl und Vertheilung über den Körper der Mero-
tricha schwankt nach Stein sehr; zuweilen scheinen sie sich auf das
Vorderendc zu beschräukcu, gewöhnlich jedoch sind sie auch über
den übrigen Körper unregelmässig und vereinzelt vertheilt. Treten sie
hier reichlicher auf, so zeigen sie zuweilen eine Tendenz, sieh in Zügen
zu ordnen, um schliesslich bei besonders reichlicher Anwesenheit
ziemlich gleichmässig über die gesammte Oberfläche verbreitet zu sein.
Aus den Zeichnungen Stein's scheint mir jedoch hervorzugehen, dass sich
nur die des Vordereudes regelmässig zu einer dichten Lage senkrecht
zur Oberfläche gruppircn, während sie am übrigen Körper stets der Ober-
fläche parallel gelagert sind. Hieraus darf vielleicht geschlossen werden,
dass nur die ersteren zur Fuuctiouirung bereit sind, während die der
übrigen Körperoberfläche als Ersatz für die des Vorderendes dienen.
Ob die von Bütsclili beobachtete Erscheinung, dass sich von der Köri^eroberiiäche
der mit Essigsäure getödtcten Chilomonas Paramaccium zahlreiche feine trichocystenartige
Fäden allseitig erheben, gleichfalls auf Trichocysten hinweist, scheint bis jetzt etwas zweifel-
haft, da im lebenden Thier nie etwas von dergleichen Gebilden beobachtet wurde. Dasselbe
Phänomen tritt nach Künstler unter den gleichen Bedingungen auch bei Cryptomonas auf und
die hervorgeschossenen Fäden erreichen hier zum Theil die zehnfache Körperlänge. Auch
Künstler ist geneigt, den Fäden die Bedeutung von Trichocysten zuzuschreiben. Obgleich er
sich sehr dagegen verwahrt, dass die von ihm beschriebenen zarten Geissein, welche sich
neben den beiden früher geschilderten au dem Peristom unserer beiden Gattungen finden
sollen, etwa derartige Fäden gewesen seien, so möchte ich dies dennoch für sehr wahrschein-
lich halten. Diese accessorischen Geissein, welche Künstler als nahrungsergreifende betrachtet,
lionnte er bis jetzt nur nach Einwirkung von Eeagentien , dagegen nie im lebenden Zustand
wahrnehmen und, wie es scheint, stammt die Künstler 'sehe Beschreibung derselben aus einer
Zeit, wo er das eben beschriebene Phänomen der Filameutentwicklung noch nicht kannte.
Zweifelhaft erscheinen auch bis jetzt noch die feinen stäbchen-
artigen Gebilde, welche Grassi (192) in sehr verschiedener Zahl in der
l)eripberischen Körperschicht der von ihm entdeckten Polymastix melo-
lonthae auffand. Dieselben liegen stets parallel der Längsaxe der Flagel-
late. Künstler (191) erklärt dieselben neuerdings für Rippen der Körper-
oberfläche, welche unter einander mehr oder weniger anastomosiren sollen,
doch war ihm die Auffassung Grassi's unbekannt. Dass es sich hier
gleichfalls um trichocystenartige Gebilde handeln dürfte, wie Grassi ver-
muthete, scheint nicht so unwahrscheinlich, da man häufig von den ver-
schiedensten Stellen der Oberfläche der Polymastix feine faden- bis
stäbchenartige Gebilde frei und in sehr verschiedener Zahl entspringen
siebt, welche möglicherweise als ausgeschnellte Trichocysten betrachtet
Ti'ichocysten ; Fetteinschlusse ; Excretkörnchen. 739
werden könuteu. KüusÜcr gibt zwar au, dass diese Fädeu eiue bestän-
dige zitternde lieweguug besitzen , scheint dieselbe jedoch selbst nicht
für eine wirklich active zu halten.
h) Verschiedenartige weitere Einschlüsse des Plasmas.
1) Fett. Abgesehen von den pigmentirten Fetteinschlüssen des
Plasmas wurde bis jetzt auf das Vorkommen ungefärbten Fettes nur
wenig geachtet j obgleich ja auch der Flagellatenkörper solches gewiss
häufig enthalten wird. Einen grösseren scheibenförmigen, ungefärbten
Körper von fettartigem Aussehen beobachtete Stein häufig im Hinterende
von Dinobryon und Uroglena*). Zahlreiche bläulichweisse Fettkügelchen
fand er zuweilen bei Zygoselmis und die marine Gattung Oxyrrhis ent-
hält bei günstigen Ernährungsverhältnissen gewöhnlich eine beträchtliche
Anzahl Fetttropfen. Die beweglichen Euglenen scheinen nach den
Erfahrungen von Klebs im Allgemeinen sehr wenig Fett zu führen.
Reichlicher tritt dasselbe in den encystirten Dauerzuständen auf. Wie
gesagt, dürften sich noch bei zahlreichen Formen unter den mannigfachen
Granulationen des Plasmas Fettpartikel finden, doch fehlen bis jetzt
sichere Angaben hierüber.
2) Excretkörnchen und Einschlüsse zweifelhafter Natur. Excret-
körnchen finden sich ebenfalls zuweilen sicher vor, doch ist auch auf
sie bis jetzt zu wenig geachtet worden, um ihre wahrscheinlich sehr
allgemeine Verbreitung erweisen zu können. Bei grösseren Formen, wie
Peranema, Anisonema und Entosiphon hat Bütschli ihre Gegenwart con-
statirt; namentlich im Hinterende häufen sie sich gewöhnlich an**). Auch
bei Chilomonas beobachtete derselbe häufig einige grössere längliche Körn-
chen von ähnlichem Aussehen in der Schhmdgegend und vielleicht gehören
auch die bräunlichen kleinen Körnchen hierher, welche man bei dieser
Gattung nach Zerstörung der Amylumkörner durch Schwefelsäure beob-
achtet. Vermuthungsweise möchte ich weiterhin auch die zahlreichen kleinen
Körnchen hierherziehen, welche sich so reichlich in der äussersten Plasma-
schicht der Monas vivipara finden und zuweilen deutlich etwas über die
Oberfläche vorspringen. Es sind dies jene Körnchen, welche Ehrenberg
seiner Zeit wegen ihrer „zitternden und langsam hin- und hergleitenden
Bewegung" (Stein) für Embryonen hielt Kent beschreibt sie als hellröth-
lich und möchte sie daher den Augenfleckbildungen zurechnen. Auch der
von Klebs bei der Euglena sanguinea zuweilen beobachteten kleinen Kry-
stalle von oblonger bis quadratischer Tafelforra, die sich in Kali, Essig-,
Salz- und Schwefelsäure nicht lösen, sei hier einstweilen gedacht.
■■''■) Anderer Natur dagegen scheint der blasse scheibenförmige Körper im Hinterende von
Atractonema zu sein und ebenso der zuweilen bei Sphenomonas beobachtete ansehnliche,
blasse, gallertartige Körper.
**) Klebs hält die von mir ))ei Peranema beschriebnen Excretkörnchen grossentheils
für Zersetzungsproducte der chlorophyllhaltigen Nahrung, wogegen ich betonen uiiiss, dass
dies für die von mir beschriebnen Körnclieu sicher nicht zulässig ist.
47*
740 Flagellata.
F. Die Nuclei.
Nach meiner Ansicht kann es keiner Frage mehr unterliegen, dass
ein Zellkern den Flagellaten ganz allgemein zukommt. Sogen. Moneren
finden sich hier nicht, und wenn auch für einige wenige Formen der
Nachweis des Zellkerns noch fehlt, so sind dies entweder solche, deren
Untersuchung überhaupt bis jetzt mangelhaft blieb, oder deren Kleinheit
die Beobachtung erschwerte. Wir wollen daher auch nicht auf eine spe-
ciellere Aufzählung derselben eingehen.
Bezüglich der Zahl der Nuclei fällt zunächst auf, dass dieselbe
fast nie die Einzahl übersteigt. Der einzige sichere Ausnahmefall wurde
von Bütschli bei Trepomonas beobachtet, wo sich gelegentlich zwei Kerne
fanden.
Kecht verschieden ist die Lagerung des Kernes im Körper. Zunächst
ist zu betonen , dass dieselbe fast immer eine ganz constante zu sein
scheint. Nur bei einem Theil der Rhizomastigodeu wird wohl der Kern
ähnlich wie bei vielen Amöben mit den Plasmaströmen umhergeführt. Die
Ursache dieser coustanten Lage des Kernes, welche selbst da manchmal
beobachtet werden kann, wo der Körper amöboid ist (Mastigamoeba aspera)
oder wo wie bei Trepomonas eine deutliche Plasraacirculation stattfindet,
lässt sich für unsere kleinen Flagellaten durch directe Beobachtung nur
schwierig erklären. Jedenfalls müssen wir annehmen , dass der Kern
häufig durch eine etwas festere Plasmapartie in seiner Lage erhalten wird,
resp. dass er mit dem festeren Ectoplasma, wo ein solches vorhanden, in
Verbindung steht Anderseits dürfte sich jedoch auch die constante Lage
des Kernes bei nicht wenigen Flagellaten einfach dadurch erklären, dass
überhaupt keine Verschiebungen im Plasmaleib stattfinden. Im Speciellen
finden wir Beispiele für alle möglichen Lagerungsverhältuisse des Kerns.
Bei zahlreichen Formen treffen wir ihn ziemlich im Mittelpunkt des Kör-
pers oder diesem doch sehr genähert ; häutig rückt er jedoch auch in die
vordere Körperhälfte, ja zuweilen ziemlich dicht an die Basis der Geissein
heran. Etwas weniger häufig dagegen lagert er sich in die hintere
Körperhälfte ein. Bei Formen mit einer Neigung zu asymmetrischer Bil-
dung nimmt häufig auch der Kern eine asymmetrische Stellung an , in-
dem er aus der Mittellinie heraus und einer Körperseite näher rückt.
Sehr einförmig sind im Ganzen die Bauverhältnisse der Kerne. Die
meisten Formen und speciell die kleineren besitzen fast stets einen exquisit
bläschenförmigen, kugligen Nucleus, welcher nach Behandlung mit Reagen-
tien eine deutliche und meist ziemlich dicke, dunkle Kernhülle zeigt, in
deren hellem Inhalt sich ein mehr oder minder ansehnlicher, dunkler
kugliger Nucleolus findet. Eine besondre Structur verräth dieser Nucleolus
fast nie. Nur bei der grossen Mastigamoeba aspera (T. 39 , 9) beob-
achtete F. E. Schulze in dem ansehnlichen Kernkörper zahlreiche helle
Flecke und konnte auch deutliche , wenngleich wenig energische
Gestaltsveränderungen desselben wahrnehmen. Die helle Zone, welche
Niiclci (Zahl, Lage ii. Hau). 741
diesen Kcrnkörper umgibt und die wohl der mit Kernsai't gefüllten
Höhle der übrigen bläschenförmigen Kerne entsprechen dih-ftc, zeigt hier
seltsamer Weise eine zAigespitzte Verlängerung, welche sich bis zur Geissei-
basis erstreckt, hinter welcher der Kern stets in geringer Entfernimg lagert.
Bei einigen kleinen Formen (Trichomonas, Hexamitus und Trepo-
monas) zeichnet Stein den Kern als ein kleines rundes dunkles Körper-
chen, also etwa wie den Nucleolus des gewöhnlichen bläschenförmigen
Kernes und Blochmann bestätigte dies für Trichomonas. Auch ich sah
bei Trepomonas gewöhnlich einen solchen Kern , da aber zuweilen den-
noch ein schmaler heller Hof ihn umzieht, so vermuthe ich, dass der
Kernbau im Wesentlichen auch hier ein bläschenförmiger ist, nur mit
relativ sehr ansehnlichem Nucleolus, resp. sehr spärlicher Kernsaftzone.
Aehnlich fand ich auch den Bau des Kernes bei Hexamitus inflatus.
Gewöhnlich zeigt die helle Kernsaftzone der erwähnten bläschen-
förmigen Nuclei auch bei Behandlung mit Reagentien nichts von feineren
Structurverhältuissen. Die einzige Ausnahme bildet bis jetzt die Monas
vivipara (T. 40, 13 c). Hier sah ich den Nucleolus von einer etwas kno-
tigen und wahrscheinlich netzigen Hülle umschlossen, von welcher feine
Fädchen zur Kernhülle ausstrahlten.
Eine Weiterbildung dieses Zustandes mit rudimentärem Kernnetz
stellen wohl gewisse Kernbildungen dar, welche unter den Euglenoidinen
sehr verbreitet sind und die sich dem Hauptkerne mancher Ciliaten anreihen.
Der Charakter dieser Kerne, welche gewöhnlich eine mehr ovale Ge-
stalt besitzen, besteht zunächst dario , dass der Nucleolus im Verhältniss
zu dem gesammten Kernvolum relativ viel kleiner ist, ferner namentlich
darin, dass zwischen ihm und der Kernhülle, nach Anwendung von Ge-
rinnungsmitteln eine meist sehr fein granulirte, seltner etwas grobkörnigere
und gut tingirbare Substanz auftritt. Auch im frischen Zustand zeigen
diese Kerne häufig schon ziemlich deutliche Spuren dieser Substanz.
Klebs gelang es dann neuerdings, eine verschlungen -fadige oder
netzige Structur dieser Gerüstsubstanz der Euglenen nachzuweisen. Nach
Behandlung mit Reagentien sieht man auch bei diesen Kernen um
den Nucleolus gewöhnlich noch eine lichte Zone, worauf erst die granu-
lirte Gerüstsubstanz beginnt, deren Grenze gegen diese Zone häufig-
etwas dichter und dunkler erscheint. Der Nucleolus erscheint zwar
auch hier gewöhnlich ganz homogen, zuweilen tritt jedoch in ihm
auch ein heller vacuolenartiger Fleck auf (Urceolus, Astasiopsis jBütschli]*)
T. 47, 5 a und 4 b). Als seltner Fall ist schliesslich noch zu erwäh-
nen, dass Klebs bei der Euglena sanguinea im Kern 4 — 5. dich-
tere, nucleolusartige Massen beobachtete. Wie gesagt, ist es sehr wahr-
scheinlich, dass die soeben geschilderten Kernformen nur weitere Ent-
wicklungszustände der gewöhnlichen bläschenförmigen Kerne sind. Dies
*) Ich habe oben p. 701 für diese Formen den ursprünglich für eine derselben von
Dujardin gebrauchten Namen „Cyclidium" verwerthet, derselbe ist jedoch von Elirenberg schon
einer Ciliate gegeben worden.
742 Flagellata.
scheint namentlich auch daraus hervorzugehen, dass bei gewissen Formen
(Petalomonas abscyssa) zuweilen Kerne der ersten, zuweilen solche der
zweiten Art angetroffen werden. Auch Anisonema grande zeigt vielleicht
einen solchen Wechsel, da ihr Stein deutlich einen bläschenförmigen
Kern zeichnet, wogegen ich einen granulirten, nucleolusfreien beobachtete.
Es scheint nämlich sicher, dass schliesslich noch bei manchen Formen
Kerne vorkommen, welchen ein Nucleolus ganz fehlt und deren Substanz
durchaus von der geschilderten granulirten, resp. netzigen Masse gebildet
wird. So fand ich wenigstens die Kerne gewöhnlich bei Phacus und Aniso-
nema, Klebs neuestens bei Euglena Ehrenbergii. Auch die interessante Oxyr- .
rhis besitzt nach den Untersuchungen Blochmann's einen derartigen Nucleus.
Hiermit hätten wir das Wenige, was bis jetzt über den feineren Bau
der Flagellatenkerne bekannt ist, erschöpft und reihen hieran gleich einige
Bemerkungen über ihren Theilungsvorgang. Wie zu erwarten , ist hier-
über bis jetzt noch weniger bekannt, immerhin jedoch soviel, dass dieser
Vorgang sich im AVesentlichen den genauer erforschten Kerntheilungs-
processen anreihen lässt. Wenn wir die heute ziemlich allgemein adoptirte
Unterscheidung der Kerntheilungsvorgänge in directe und indirecte auf
unsere Flagellaten anzuwenden versuchen, so gerathen wir in einige
Schwierigkeit, welcher der beiden Kategorien wir die Vorgänge
unterordnen dürfen. Gesicherte Beobachtungen der Kerntheilung mach-
ten bis jetzt hauptsächlich Bütschli und Stein. Der letztere stellt
die Theilung für eine ganze Reihe bläschenförmiger Kerne in einer
Weise dar, die sich ganz dem früher adoptirten Schema der directen
Kerntheilung anschliessf. Kern sammt Nucleolus strecken sich in die
Länge, werden zuerst oval, hierauf bandförmig, schliesslich durch eine
mittlere Einschnürung bisquitförmig, worauf sich der Zerfall in zwei Kerne
vollzieht, dessen nähere Details jedoch aus den Abbildungen nicht zu
entnehmen sind. Das was Bütschli über die Theilung der bläschenför-
migen Kerne bei Entosiphou beobachtete, schliesst sich im Allgemeinen
innig an die Darstellung Stein's an, lässt jedoch erkennen, dass der
Theilungsact deutliche Anklänge an die indirecte Kerntheilung dar-
bietet. Hiernach zeigt sich nämlich der Nucleolus auf dem bandförmigen
Stadium deutlich aufgelöst in eine Anzahl der Kernaxe paralleler feiner
Fasern, deren Enden dunkler und verdickt erscheinen, also wahr-
scheinlich den Chroraatinelementen einer schon getheilten und in die
beiden Kernpole gerückten Kernplatte entsprechen dürften. Aehn-
liches wurde später auch auf dem entsprechenden Theilungsstadium von
Chilomonas beobachtet. Auf dem nächsten Stadium, das schon eine
bisquitförmige Einschnürung zeigte, war dagegen die streifige Diffe-
renzirung nicht mehr deutlich (T. 46, 9), Neuere Beobachtungen an
Chilomonas lehrten, dass auf dieses Stadium, ähnlich wie bei der Theilung
der Nebenkerne der Ciliaten ein weiteres folgt, wo die beiden neuen Kerne
sich schon deutlich abgerundet und bläschenförmig, sowie weit getrennt
vorfinden, jedoch noch durch einen feinen dunklen Verbindungsfaden, der
Nuclci (Bau u. Tliciluiig)_ 74o
zwischen den Kernhülien ausgespannt ist, vereinigt sind*). Schliesslich
wird auch dieser einreissen und schwinden. Erwähn enswerth ist noch,
dass die Kernhülle während dieser Theilungsvorgänge stets deut-
lich sichtbar ist. Gelegentliche neue Beobachtungen an Euglena viri-
dis zeigten mir, dass bei der Kerntheilung eine deutliche Spindel mit
zarter Kernplatte auftritt und Blochmann's Beobachtungen über die
Theilungsvorgänge der Oxja-rhis erweisen gleichfalls eine Kerntheilung
mit längsstreifiger Differenzirung. Aus diesen Erfahrungen dürfen wir
daher schliessen, dass die Kerntheilung unserer Flagellaten sich der
sogen, indirecten Kerntheilung im Allgemeinen anschliesst.
Weiterliin scheint mir jedoch aus diesen Beobachtungen sicher licrvorzugchen, dass die
Darstellungen, welche Dallinger und Drysdale von der Kerntheilung gewisser Flagellaten
gaben, irrthümliche sind. Bei Tetramitus und der eigcnthiinilichcn Dallingeria wollen sie
eine einfache Durchschnürung des Kernes, ohne vorhergehende Längsstreckung desselben
beobachtet liaben , wobei die Durchschnürung des Zclli^Iasmas nahezu gleichzeitig mit der
des Kernes geschehe. Bei der sogen, „springing nionad" dagegen (wahrscheinlich == Bodo
saltans [Ehrbg.] Stein) soll der neue Kern überhaupt nicht durch Theilung des alten ent-
stehen, sondern dicht neben diesem als ein sehr kleines, allmählich zu der Grösse des
alten Kernes heranwachsendes Körperchen auftreten , das jedoch seltsamer Weise mit
dem alten Kerne durch ein feines Fädchcn verbunden sei. Wie gesagt, halten wir diese
Beobachtungen nicht für gesichert und werden darin noch durch den Umstand bestärkt,
dass die Darstellungen . welche die englischen Forscher von dem Bau des Kernes geben,
mehrfach sehr ungenau sind und dass sie ihn andrerseits auch bei einigen Formen gar
nicht beobachteten. Auch bei S. Kent finden wir keine genaueren Beobachtungen über die
Kerntheilung, nur bei einer Oikomonas wird dieselbe (T. 1;!, Fig. Ol) dargestellt, doch in
einer Weise, die ich nicht für richtig halten kann, wenngleich sie sich unseren obigen Schil-
derungen näher anschliesst als die Angaben Dallinger 's und Drysdale 's.
Zum Beschlüsse unserer Besprechung der Kernverhältnisse müssen wir noch kurz der
eigenthümlichen und sehr abweichenden Ansichten gedenken, welche Künstler (190) neuestens
über den Bau und die Bedeutung des Nuclcus der Cryptomonas entwickelte. Derselbe besitzt
nach ihm nicht einen einfachen ansehnlichen Nucleolus, wie dies frühere Forscher allgemein
fanden, sondern zahlreiche kleine, welche in eine feinvacuoläre plasmatische Masse, die eigent-
liche Kernsubstanz eingebettet sind. Diese Nucleoli seien weiter dadurch ausgezeichnet,
dass sie sich durch Theilung vermehren. Als ganz besondere Einenthümlichkeit, von
welcher bis jetzt kein anderer Forscher bei irgend einem Flagellaten etwas sah, beschreibt K.
einen Kanal , der von dem Kern entspringend bis zum sogen. Peristom der Cryptomonas zu
verfolgen sei und hier etwas dorsalwärts von der Mundötfnung ausmünde. Etwa in der
Mitte seines Verlaufes besitze dieser Ausführungsiiang eine Anschwellung, welche bei
der gleich zu erwähnenden, vom Kern ausgehenden Fortpflanzung als eine Art Uterus func-
tionire. Ausserdem glaubt sich unser Forscher noch von der Gegenwart eines zweiten
kernartigen plasmatischen Körpers überzeugt zu haben , der dicht neben und etwas nach hin-
ten von dem ersteren liege und gleichfalls einen ähnlichen Ausführgang besitze, der direct
neben dem des eigentlichen Kernes münde.
Künstler ist nun überzeugt, dass der Kern das Fortpflanzungsorgan der Cryptomonas sei,
und zwar functionire er hierbei in der Weise, dass sich von seiner Masse kleine Knospen, die
je einen Nucleolus enthielten, abschnürten und in den Ausführgang gelangten. In dessen er-
weitertem sogen. Uterus finde man häufig bis vier solcher Jungen. Dieselben entwickelten sich
hier weiter, indem sie wüchsen und allmählich die Organisationsbestandtheile der Cryptomonas
*) Einen solchen Zustand scheinen auch schon Dallinger und Drysdale bei ihrer sogen,
„springing monad" (wahrscheinl. = Bodo saltans) gesehen zu haben (145, T. 41, Fig. 8).
744 Flagellata.
erlangten. Der Nucleolus werde zu dem ihres Kernes, indem er sich mit einer Plasmalage
umhülle, der eigentlichen Kernsubstanz. Wenn diese Sprösslinge eine gewisse Entwicklungs-
stufe erreicht haben, werden sie durch die Mündung dieses Kernkanals ins P'reie geboren, als
noch farblose, jedoch schon mit den beiden Geissein versehene Junge.
In dem zweiten kernartigen Köri^er glaubt K. entweder ein Excretionsorgau oder, was
ihm wahrscheinlicher dünkt, ein männliches Organ im Gegensatz zu dem weiblichen Kern er-
blicken zu dürfen, worin ihn namentlich bestärkt, dass er zuweilen zwei Individuen mit ihren
Mundenden vereinigt herumschwimmen sah , worin er denn Begattungszustände vermuthet.
Dieselben Fortpflanzungserscheinungen will Künstler auch, wenngleich nicht so ausführlich, ))ei
dem Chilomonas Paramaecium beobachtet haben.
Eine eingehende Kritik dieser von allem Bekannten so total abweichenden Darstellungen
wird sich nur an der Hand controlirender neuer Beobachtungen ausführen lassen, dennoch
dürfen wir hier unsere üeberzeugung aussprechen, dass erneute Untersuchungen sicherlich die
ünhaltbarkeit der meisten Angaben Künstler's darlegen werden und dass weiterhin auch in
der Abtheilung der Flagellaten der Kern nicht das Fortpflanzungsorgan ist, wozu ihn Stein
auf Grund irrthümlicher Beobachtungen gleichfalls stempeln wollte. Auch Balbiani (199) hat
sich schon sehr zweifelnd über die Künstler'schen Untersuchungen geäussert und wir schliessen
uns ihm darin vollständig an.
G. Fortpflanzung.
Der bis jetzt allein mit Sicherheit erwiesene Vermehrungsvorgang der
Flagellaten ist stets ein Theilnngsprocess, wie dies ja für die Protozoen
fast durchaus gültig ist. Die später zu besprechenden Mittheilungen über
innere Keimbildung gewisser Formen erscheinen bis jetzt theils noch un-
sicher, theils entschieden unrichtig. Auch die Erzeugung sehr zahlreicher
kleiner sporenartiger Körperchen, wie sie von einigen Beobachtern bei
wenigen Flagellaten beschrieben wird, dürfte sich, wenn wirklich begrün-
det, auf Theilungsprocesse zurückführen lassen, da üebergangsstufen
zwischen Theilung in eine geringere Zahl von Sprösslingen und in sehr
zahlreiche kleine, welche zu derartigen Sporen überzuleiten scheinen,
beobachtet worden sind.
Der Theilungsact kann jedoch bei den Flagellaten in recht verschie-
denen Weisen verlaufen und zwar können wir zunächst unterscheiden
zwischen 1) der Theilung im freibeweglichen Zustand und 2) der Thei-
lung im ruhenden Zustand, wobei gewöhnlich eine Encystirung die
Ruhe bedingt. — Diese beiden Theilungsarten sind jedoch keineswegs
etwa auf verschiedene Formen beschränkt, sondern finden sich häufig bei
denselben Formen vor, d. h. nachdem dieselben sich eine gewisse Zeit
lang durch Theilung im beweglichen Zustand vermehrten, tritt unter ge-
wissen Bedingungen ein Ruhezustand auf, welcher nicht selten ebenfalls mit
Vermehrung verbunden ist. Häufig, jedoch nicht immer, wird dieser Ruhe-
zustand durch einen Copulationsact zweier (selten mehrerer) Individuen
eingeleitet, doch scheint vielfach, wenigstens bei den niederen Formen
die Copulation nur eine facultative zu sein, während sie allmählich
bei höheren Gruppen zu einem mit Regelmässigkeit in den Ver-
mehrungsvorgang eingeschalteten Act wird und schliesslich durch Diffe-
renzirung der sich copulirenden, besonders ausgezeichneten Individuen in
FortiJtianzung- (Zweitheilun;;- im bewcgl. Zustand). 745
spermoide uud ovoide*) sich zu einer directen Vorstufe der geschlecht-
lichen Fortpflanzung- der höheren Cryptogamen und der Metazoen erhebt.
Diese besondere Bedeutung der Copulationserscheinungen unter den Fla-
gellaten macht erforderlich, dass wir ihnen später einen besonderen Ab-
schnitt widmen und hier zunächst die einfachen Veruiehrungsprocessc
durch Theilung betrachten, indem wir einstweilen von der Frage absehen,
inwiefern dieselben etwa durch vorhergegangene Copulation bedingt, resj).
unterstützt worden sind.
Naturgemäss beginnen wir unsere Betrachtung mit den
a) Theilnngsvorgängen im beweglichen Zustand,
1) Einfache Zweitheilung und feinere Vorgänge bei der Thei-
lung überhaupt. Da der bewegliche Zustand unserer Flagellaten selbst ein
etwas verschiedener sein kann, so muss auch der Theilungsprocess hierdurch
beeiuflusst werden und wir könnten hiernach unterscheiden 1) Theilung im
normalen durch Geissein bewegten Zustand, 2) im geissellosen Zustand,
welcher durch Verlust der Geissein entstand, ohne Rücksicht darauf, ob
die betreffende Form dann noch beweglich oder bei mangelnder Con-
tractilität unbeweglich ist und 3) Theilung im amöboiden geissellosen Zu-
stand, welchen ja gewisse Formen häufig annehmen.
Unter diesen Theilungsmodi ist der ersterwähnte der gewöhnliche,
der zweite dagegen selten beobachtet worden ; die Euglenen, welche ja
ihre Geissei leicht abwerfen, Hessen ihn gelegentlich wahrnehmen,
weiterhin die nahe verwandte Gattung Colacium, welche sich regelmässig
im geissellosen Zustand vermehrt, und ähnlich verhält sich die zu den
Chlamydomonadinen gehörige Gattung Chlorangium. Dagegen wurde die
Theilung im amöboiden geissellosen Zustand bis jetzt nur von Cieukowsky
bei Ciliophrys constatirt, wobei die beiden Theilsprösslinge in den Fla-
gellatenzustand übergehen. Bei dieser Gelegenheit bemerken wir gleich,
dass diese Erfahrung das Einzige ist, was wir bis jetzt von dem Fort-
pflanzungsprocess der Rhizomastigoda kennen.
Da die Theilungserscheinungen im normalen und die im geissellosen
Zustande keine tiefergreifenden Unterschiede zeigen, so können wir die-
selben gemeinsam erörtern.
Die Theilung ist entweder eine einfache Längs- oder Quertheilung,
zwischen welcher sich jedoch auch Uebergänge . finden , bei welchen die
Theilungsebene mehr oder minder schief zur Körperaxe verläuft. Da-
gegen scheint es in hohem Maasse zweifelhaft, ob sich im nichtencystirten
Zustande gelegentlich auch eine simultane Theilung in eine grössere Zahl
von Sprösslingen finde.
*) Wir wollen uns dieser Ausdrücke für die ditlierenzirten Copulationsindividuen bedienen,
dagegen die Bezeichnungen weiblicbe und männliche Individuen vermeiden, da die Copulations-
individuen der Protozoen weder morphologisch noch physiologisch den weiblichen und männ-
lichen Individuen der Metazoen vergleichbar sind, sondern den Geschlechtsproducten derselben.
Wir verwerthen für zur Copulation bestimmte Individuen gelegentlich auch die Bezeichnung
..Gameten", deren sich die Botaniker gewöhnlich bedienen.
746 Flagellata.
Im Allgemeinen herrscht ganz entschieden die Längstheilung vor,
doch wurden anch ganz sichere Fälle von Quertheilung beobachtet, wenn-
gleich eine Anzahl der angeblichen Quertheilungszustände sicherlich auf
irriger Beobachtung basiren.
Gleichzeitiges Vorkommen der Längs- und Quertheilung bei einer
und derselben Form scheint dagegen bis jetzt nur bei gewissen Chlamydo-
monadinen constatirt zu sein und die spätere genauere Betrachtung dieser
Fälle wird zeigen, dass die scheinbare Quertheilung vielleicht doch auf
eine Modificatiou der Längstheilung zuriickführbar ist.
Schon Ehrenberg behauptete bei einigen Monadinen Längs- und Quertheilung gleich-
zeitig l)eobachtet zu haben und diese Angaben wiederholen Dailingcr und Drysdale für ihre
,,springing monad" (= Bodo saltans Ehrbg. , St.). Doch werde ich gleich zu zeigen ver-
suchen, dass die vermeintliche Quertheilung wohl nur ein Endstadium der Längstheilung war.
Orientiren wir uns zunächst über das Vorkommen der beiden Theilungs-
modi. Unter den Monadinen herrscht die Längstheilung durchaus, mit
Ausnahme der Familie der Bicoecidae und der Gattung Epipyxis (der Dino-
bryoninae), bei welchen sich nach Stein und Kent sicher Quertheilung findet*).
Abweichend würde sich weiterhin eine Cercomonas nach den Untersuchungen Dallinger's
und Drysdale's verhalten (145, I). Dieselbe (wahrscheinlich identisch mit C. longicauda Duj., St.)
soll sich quertheilen, doch scheint mir dieser Vorgang hier um so zweifelhafter, als Stein
gerade bei dieser Form die Längstheilung sicher erwiesen hat (T. 39, 11 c). Auch hierlassen
sich die angeblichen Quertheilungszustände wahrscheinlich auf spätere Stadien des Längs-
theiiungsprocesses zurückführen, unsicher scheint mir ferner der etwas schiefe Quertheilungs-
process, welchen Kent seiner Ancyromonas zuschreibt, obgleich die Abbildungen (s. T. 40, 7 h)
denselben anscheinend sicher erweisen. Der Umstand jedoch, dass bei der Quertheilung dieser
Form das Hinterende des ursprünglichen Individuums durch Entwicklung einer neuen Geissei
zu dem Vorderende des hinteren Sprösslings werden soll, ruft Zweifel an der Kichtigkeit dieses
Vorgangs wach, da ein solcher unter allen übrigen Theilungsprocessen der Flagellaten ganz
isolirt stände. Für ganz unsicher halte ich auch die von Kent (p. 273) bei Cephalothamnium
beschriebene Quertheilung.
Ebenso allgemein verbreitet ist die Längstheilung unter den Isoma-
stigoda, doch finden sich auch hier einzelne Ausnahmen, so nach Stein
sicher bei Stylochrysalis (T. 44, 6) und bei gewissen Chlamydomonadinen
ist, wie erwähnt, ein Wechsel in den Theilungsrichtungen scheinbar vor-
vorhanden. Ebenso erscheint ein vorzügliches Beispiel der Quertheilung
unter den Cryptomonadinen, wo sich nämlich die Gattung Oxyrrhis
(T. 45, 12c), im Gegensatz zu den übrigen, nach übereinstimmenden
Angaben von Fresenius, Cohn und Kent, sowie den Untersuchungen
Blochmann's, quertheilt.
*) Für sehr unwahrscheinlich halte ich die Angabe Cienkowsky's (134), dass die Monas
(juttula sich gleichzeitig in eine grössere Anzahl von Individuen theilcn könne; die ohne
nähere Beschreibung gegebene Abbildung (T. 40, 12 c) zeigt eine jedenfalls in vorgeschrittener
Längstheilung begriffene Form, mit einer Anzahl sehr unregelmässiger mittlerer Einschnü-
rungen. Ebenso zweifelhaft erscheint die weitere Angabe, dass sich auch durch Hervor-
wachsen eines Zweiges, der sich später individualisire , also durch eine Art Knospung. neue
Individuen bilden sollen. Wahrscheinlich handelte es sich hierbei nur um energische amöboide
Vorgänge, wie sie sich ja bei Monas häufig finden.
Zwcitlieil. im bewegl. Zust. (VorKoiiiinoii, Vcruielir. d. Gcisselii). 747
Entgeg-en Stein nniss ich aber die Theilung seiner Nepliroselmis (T. 44, 7 b) niclit für
Quer- sondern Längstlieihing halten; die Ansicht Stein's hasirt darauf, dass er die Längsaxe
der Nephroselmis irriger Weise der Längsaxe der übrigen Isomastigoda verglich, während sie
jedenfalls einer Queraxe dieser letzteren entspricht.
Unter den Eiiglenoidinen ist kein Beispiel der Quertlieilung bekannt
und dies gilt auch wohl sicher für die Heteromastigoda.
Nur hei zwei Bodoarten (Bodo saltans und Bodo uncinatus Kent =? Bodo caudatus
[Duj.] Stein) wollen Dallinger und Drysdalc Quertheihing gefunden haben. Für die erstgenannte
Form soll dieselbe gemeinsam mit Längstheilung auftreten. Mir scheinen jedoch auch diese
Angaben sehr zweifelhaft, da eine Verwechselung später Längstheilungszustände mit Quer-
theilung leicht möglich ist.
Bei genauerer Betrachtung des Theilungsprocesses halten wir uns
naturgemäss zunächst an die auch eingehender studirte Längstheihing.
Der eigentlichen Durchschnürung des Körpers geht stets eine Vermehrung
seiner Hauptorgane zuvor. Der Kern beginnt seine Vorbereitungen zur
Theihing schon bevor sich eine Andeutung der Einschnürung zeigt, ebenso
tritt schon zuvor die Vermehrung der Geissein und contractilen Vacuolen
ein, wie sich denn auch frühzeitig ein neuer Mund- und Schiandapparat
bildet, insofern das sich theilende Wesen einen solchen besitzt.
Da wir das Speziellere über den Theihingsprocess des Kernes schon
früher berichteten, so fügen wir hier nur bei, dass derselbe sich stets
senkrecht zur späteren Theilungsebene verlängert.
Zunächst bedarf der Vermehrungsact der Geissein einige Worte der
Erläuterung.
Dass bei der Längstheihing geisseltragender Flagellaten zuvörderst
eine Verdoppelung der Geissein eintritt, war schon Ehrenberg bekannt
und wurde später namentlich von Perty für eine ziemliche Anzahl
von Formen genauer dargestellt. Die in verdoppelter Anzahl vorhan-
denen Geissein sind, wie bemerkt, schon vorhanden, bevor sich die
Einschnürung des Körpers selbst bemerklich macht und stehen immer
ganz dicht zusammen an denselben Orten, wo sich zuvor die unver-
doppelten Geissein fanden. Die Frage nach dem näheren Vorgang der
Geisseiverdoppelung ist bis jetzt controvers. Jedenfalls vollzieht sich
dieser Vorgang gewöhnlich sehr rasch, da die meisten Beobachter, so
namentlich Stein, der viele Theilungszustände beobachtete, fast gar nichts
davon gesehen haben. Nur JamesClark, sowie Dallinger und Drysdale
wollen in einigen Fällen beobachtet haben, dass die Geissein sich durch
eine Spaltung in ihrer ganzen Länge vermehren.
James-Clark schildert diesen Process für Anthojjhysa, Dallinger und Drysdale dagegen
wollen Entsprechendes bei dem Bodo saltans, der sogen. Daliingeria und dem Tetramitus
rostratus beobachtet haben. Doch hat James -Glark den Spaltungsprocess der grossen Haupt-
geissel der Anthophysa nicht direct beobachtet, sie wurde mir etwas undeutlich und dann
waren plötzlich zwei neue da, welche zu beiden Seiten der nun etwas verdickten und noch
nicht verdoppelten kleinen Nebengeissel standen. Auch die Angaben Dallinger's und Drys-
dale's scheinen mir nicht hinreichend beweisend zu sein. Die Behauptung Dallinger's, dass
sich die vordere Geissei der eigenthümlichen Daliingeria (T. 46, 12) durch Spaltung ver-
doppele, wird durch die beigegebenen Figuren durchaus nicht erwiesen, welche sämmtlich
748 Flagcllata.
schon ganz getrennte Geisscln zeigen. Bei Tetramitus rostratus schildern die englischen For-
scher einen Längstheilungsvorgang, der mit dem sonst allgemein beobachteten durchaus nicht
harmonirt. Hier soll zunächst keine Verdoi)pelung der vier Geissein zu acht statthaben, son-
dern die vier Geissein paarweise auseinanderrücken nnd der Körper hierauf durch Längsdurch-
schnürung in zwei zweigeisselige Individuen zerfallen. Erst an diesen soll nun die Verdop-
pelung der Geissein zu vier geschehen, indem jede durch eine an ihrem freien Ende begin-
nende Spaltung, welche sich schliesslich bis zur Basis fortsetzte, in zwei zerfalle. Diesem
durch Abbildungen eingehend erläuterten Process stehen nun aber die Beobachtungen Perty's
und Stein's direct entgegen , welche Beide schon vor der Durchschnürung eine Verdoppe-
lung der Geisseizahl deutlich beobachtet haben (T. 45, 13 c). Entweder müssten wir also
annehmen, dass bei unserer Form der Längstheilungsprocess in zwei ganz verschiedenen
Weisen verlaufe oder die Beobachtungen Dallinger's und Drysdale's für irrthümliche halten.
Ich glaube, dass die letztere Alternative die wahrscheinlichere ist, da der beschriebene Thei-
lungsvorgang ganz isolirt stände.
Wie bemerkt, geben die beiden englischen Forscher dieselbe Vermehrungsart auch für
die hintere Geissei einer wahrscheinlich mit Bodo saltans identischen Form an und zwar wollen
sie diesen Vorgang sowohl bei der Längs- wie Quertheilung dieser Flagellate wahrgenommen
haben. Hier soll sich jedoch die Geissei successive mit dem Fortschreiten der Körpertheilung
spalten und zwar beginne die Spaltung nicht am freien Ende wie bei Tetramitus, sondern an
der Geisseibasis und schreite von hier allmählich peripherisch fort. Möglich erscheint es zwar,
dass sich hier wirklich eine solche Vermehrungsart der Geissein findet, dennoch glaube ich,
dass wir uns vorerst nicht völlig auf diese Beobachtung stützen dürfen, da wir aus Früherem
wissen, dass die Mittheilungen unsrer beiden Forscher nicht immer ganz zutrefi'end sind und
z. B. gerade für die letztbesprochene Form das behauptete gleichzeitige Vorkommen der
Längs- und Quertheilung sehr zweifelhaft erscheint.
Wenn wir es im Gegensatz zu der vorstehend besprochenen Ansicht
mit Balbiani (199) nnd Klebs für wahrscheinlich halten, dass die Verdoppe-
lung der Geissein in den meisten, ja vielleicht sämmtlicheu Fällen durch Neu-
bildung eines zweiten Geisseisystems geschieht, so stützen wir uns hierbei
zunächst auf die erwiesene Mangelhaftigkeit der Beweise für die Spal-
tungslehre. Weiterhin auf die auch von den Anhängern der letzteren zu-
gegebene Thatsache, dass sehr häufig Geissein durch Neubildung aus dem
Körperplasma entstehen. Dies gilt zunächst für sämmtliche sichere Fälle
der Quertheilung, bei welcher der hintere Theilsprössling ein neues
Geisseisystem bildet, das wegen seiner beträchtlichen Entfernung von dem
alten ganz ohne Beziehung zu demselben sein muss. Weiterhin besitzen
wir jedoch eine grosse Anzahl der deutlichsten Beweise für die Geissei-
neubildung bei der Vermehrung der Chlamydomonadinen und Volvocinen
und bei allen denjenigen Vermehrungsvorgängen, die sich während eines
geissellosen Ruhezustandes vollziehen u. s. f. Directe Beobachtung eines
solchen Frocesses der Geisseineubildung gelang bis jetzt nur in ganz
wenigen Fällen. Bei der Längstheilung des Dinobryon stipitatum St.
sah Felletan zunächst dicht neben der Basis der beiden alten Geissein
eine kleine zarte Erhebung sich bilden, welche sich bald in zwei
spitzige Fransen sonderte, die Anlagen der beiden Geissein. Die-
selben zeigten von Anfang an einen Grössenunterschied und wuchsen all-
mählich zu der Länge der alten Geissein aus, indem gleichzeitig das neue
Geisseisystem etwas von dem alten wegrückte. Bei der Theiluug der
Euglenen sah Klebs die neuen Geissein sehr langsam hervorwachseu,
Zweitlieihiiig (Veruielir. d. (icisselii). 749
„zuerst als ein steifes bald gekrümmtes und dann lebhaft hin und her
zitterndes Stäbchea". Stein bemerkt, dass die sich neubildcnden Geissein
der Eugleuoidinen zuerst sehr fein und kurz seien. Als Unterstützung-
unserer Ansicht lässt sich vielleicht auch der von Stein beobachtete Längs-
theiluiigszustand von Anisonema grande anführen , bei welchem eine der
beiden hinteren Schleppgeisseln eine sehr geringe Grösse besitzt und
daher als die neuentstandenc, im Hervorwachsen begriffene aufzufassen
sein dürfte (T. 46, 8 b).
Nicht unerwähnt darf jedoch an dieser Stelle die bis jetzt nicht
abzustreitende Möglichkeit bleiben, dass die Verdoppelung des Geissel-
systeras vor der Längstheilung zuweilen mit dem völligen Unter-
gang der alten Geissein verknüpft sein könnte und dann also die
beiden Geisseisysteme der Sprösslingc gleicher Weise als Neubildungen
entständen. So unwahrscheinlich dieser Vorgang auch erscheint, so lässt
sich seine Möglichkeit doch erst dann sicher bestreiten, wenn reichere
Beobachtungen über die Geisseivermehrung vorliegen, und ausserdem zeigen
uns die Eugleninen thatsächlich einen solchen Vorgang, wenn auch unter
gewissen Modificationen des gewöhnlichen Längstheilungsprocesses.
Aehnlich wie das Geisseisystem sich vor jeder Längstheilung verdop-
pelt, thun dies jedoch auch andere Organisationsbestandtheile. So ver-
doppelt sich bei Cercomonas nach den Erfahrungen Stein's der hintere
Schwanzfaden , der ja auch im allgemeinen einer Geissei sehr nahe
kommt, schon vor der Theilung wie eine solche*). Auch der hintere
contractile Schwanzanhang des Dinobryon stipitatum entsteht schon vor der
eigentlichen Theilung nach Pelletan, indem dicht neben der Basis des alten
ein zweiter allmählich hervorsprosst. Dass die Verdoppelung des sogenannten
Augen flecks eine regelmässige Erscheinung bei der einfachen Läugsthei-
lung der Chlamydomonadinen, Eugleninen und anderer Formen ist, wurde
namentlich durch die Beobachtungen Stein's und neuestens für die
Eugleninen durch Klebs überzeugend nachgewiesen. Ueber den Vorgang
der Verdoppelung selbst spricht sich nur der Letztere aus, indem er
denselben als eine einfache Theilung darstellt. Obgleich nun die Beob-
achtungen von Klebs in dieser Hinsicht nicht ganz einwurfsfrei zu sein
scheinen, so liegt doch zunächst kein zwingender Grund vor, eine der-
artige Vermehrung des Augenfiecks (speciell bei den Eugleninen) zu be-
zweifeln. Doch darf hieraus sicher nicht geschlossen werdeu, dass die
Vermehrung jenes Organs stets in dieser Weise geschehe. Dies folgt
ganz bestimmt aus der Erfahrung Bütschli's und Pelletan's , dass bei
Dinobryon überhaupt keine Verdoppelung des Augenflecks der Theilung
vorangeht, sondern derselbe bald dem einen, bald dem andern Sprössling
*) Bei der schon früher als sehr zweifelhaft bezeichneten Querthcilung einer Cerco-
monas, welche Dallinger und Drysdale beschreiben, soll der Schwanzfaden nicht vorgebildet
werden, sondern aus dem zwischen den beiden Sprösslingen sich ausspannenden Plasmafaden
hervorgehen, indem derselbe in zwei Hälften für die beiden Sprösslinge zerrcisse. Ich halte
dies natürlich fiir sehr unsicher.
750 Flagellata.
verbleibt. Da nun auch der Sprössliug-, welcher ohne Augenfleck aus der
TheiluDg- hervorging, später sicher einen solchen erhält, so scheint dies
gewiss nur durch Neubildung geschehen zu können.
Gegen die Ansicht von Klebs sjjricht auch mit Bestimmtheit die wohlbegründete Er-
fahrung, dass in vielen Fällen die Augenflecke als Neubildungen in Zellen entstehen, die ihrer
früher entbehrten. Wir werden später bei den Cldamydouionadinen und Volvocinen dieser Er-
scheinung sehr häutig begegnen und andererseits kann es ja auch keiner Frage unterliegen, dass
die Augenflecke zahlreicher Algenzoosporen erst bei der Entwicklung der Sporen in ihren Mutter-
zellen entstehen. Auch dürfte sich zur Zeit sicher kein Grund dafür beibringen lassen, dass
diese neu gebildeten Augenflecke etwa schon früher im unpigmentirten Zustand vorhanden ge-
wesen wären. Bei der Quertheilung von Epipyxis zeigt der hintere Theilsprössling schon
frühzeitig seinen Augenfleck, hier dürfte es denn gleichfalls sehr unwahrscheinlich sein , dass
dieser neue Augenfleck ein Theilproduct des alten, weit von ihm, an der Geisseibasis des vor-
deren Sprösslings gelegenen, sei (T. 42, 2 b).
Wir besprechen nun die Verdoppelung der contractilen Va-
cuolen vor Beginn der eigentlichen Längstheilung. Dieselbe geschieht
hier in gleicher Weise wie bei den Infusorien, und dürfte es daher auch
wie bei diesen keiner Frage unterliegen, dass die neue Vacuole
nicht ein Theilungsproduct der alten ist, sondern einer wirklichen
Neubildung ihre Entstehung verdankt. Dass hierüber Zweifel entstehen
konnten , lässt sich dadurch erklären, dass bei der gewöhnlichen Längs-
theilung der Flagellaten die alten und neuen Vacuolen einander ursprüng-
lich sehr nahe liegen, so dass die Idee ihrer Entstehung durch Theilung
auftauchen konnte. Diese Ansicht wurde neuestens von Klebs für die
Eugeleninen ausgesprochen, der mittheilt, dass das Vacuolensystem sich
hier kurz vor Beginn der Einschnürung durch Theilung verdoppele. Im
Grunde genommen bezieht sich jedoch seine Beobachtung eigentlich nur
auf das früher beschriebene Reservoir (seine sog. Hauptvacuole) , nur
deren Theilung glaubt er gesehen zu haben, ohne jedoch den Vor-
gang näher ergründen zu können. Die eigentlichen Vacuolen hin-
gegen, welche dieses Reservoir umlagern, werden in seiner Beschreibung
nicht berücksichtigt. Es scheint mir nun auch, wie bemerkt, für diese,
wie für alle wahren contractilen Vacuolen eine Vermehrung durch
Theilung durchaus unglaublich und ihrer Natur entgegenstehend. Anders
liegt dagegen die Frage für das sogen. Reservoir; dasselbe ist aber, wie
wir früher gesehen haben, nicht als eine gewöhnliche contractile Vacuole
zu betrachten, sondern als ein besonderes Organ, dessen Vermehrung
durch Theilung nicht unmöglich erscheint.
Jedenfalls knüpft sich die Frage nach der Verdoppelung dieses Re-
servoirs der Eugleninen innigst an die nach der Vermehrung der
Mund- und Schlundeinrichtungen an, mit welch letzteren das Reser-
voir der Eugleninen bekanntlich in sehr naher Beziehung steht. Leider
ist nun bis jetzt weder bei dieser Abtheilung, noch bei einer an-
deren etwas über diese Frage ermittelt worden, nur so viel dürfen wir,
gestützt auf die Analogie mit den Infusorien behaupten, dass es in hohem
Grade unwahrscheinlich ist, dass die Verdoppelung dieser Organisations-
Zweitheil. (Vermehr, d. (icisscliK cuiitr. Va-uoloii, Muiideiiiricht. u. Chromatoplioren), 751
bestandtheilc auf einer Theilung der alten beruhe, auch hier dürfte der
neue Mund und Schlund eine Neubildung sein. Zweifelhaft erscheint
auch dieser Umstand wesentlich nur wegen der durch die Längsthei-
lung bedingten nahen Zusamnienlagerung der verdoppelten Einrichtungen
und wegen der Kleinheit der Wesen. Dagegen lässt sich bei der Querthei-
lung der Oxyrrhis auf das sicherste constatiren, dass das Peristom des
hinteren Sprösslings ganz neu gebildet wird, genau wie bei der Quer-
theilung der Infusorien und damit also sicher auch die in jenem Peristom
gelegene Mundstelle.
Eine stetige Vermehrung durch wahre Theilung erfahren dagegen
die Chromat ophoren bei dem Theilungsprocess unserer Flagellaten. Bei
Gegenwart zahlreicher kleiner, wie bei den meisten Eugleninen, ist beim
Theilungsact selbst keine Vermehrung der Chromatophoren zu constatiren ;
dieselben werden etwa hälftig auf die Theilsprösslinge vertheilt. Die
Vermehrung der Chromatophoren vollzieht sich hier, wie es scheint, fort-
dauernd und zwar nach Klebs entweder durch allmähliche Durchschnürung
in zwei Theile oder aber und häufiger durch Auftreten einer Tren-
nungsebene in der gesammten Ausdehnung des Chromatophors, also ohne
Einschnürung.
Bei Gegenwart weniger grösserer Chromatophoren vollzieht sich deren
Vermehrung dagegen entweder erst kurz vor dem eigentlichen Theilungs-
act der Flagellaten oder wie es für einige Formen scheint, ziemlich
Schritt für Schritt mit der Durchschnürung des Körpers. Das Letzt-
erwähnte scheint wenigstens bei den Chlamydomonadinen mit grossem
einfachem Chromatophor stattzufinden, da bis jetzt keine Beobachtung
dafür spricht, dass schon vor Beginn der eigentlichen Theilung das
Chromatophor eine Vermehrung erfahren habe. Aehnlich scheint auch
bei der Quertheilung der Epipyxis und Stylochrysalis die Theilung der
beiden Chromatophoren ziemlich gleichzeitig mit der Durchschnürung
des Körpers zu geschehen, so dass jeder Sprössling schon von An-
fang an seine zwei Chromatophoren in gehöriger Lage aufweist (Stein).
Immerhin geben diese Beispiele keine genügende Sicherheit, dass die
Durchschnürung der Chromatophoren sich nicht schon kurz vor der
eigentlichen Körpertheilung vollzogen habe. Hierfür haben wir nämlich
gleichfalls einige deutliche Beispiele. Zunächst die zu den Chlamydo-
monadinen gehörige Gattung Nephroselmis , wo Stein diesen Vorgang
deutlich abbildet (T. 44, 7 b); weiterhin hat Bütschli nachgewiesen, dass
bei Synura (T. 43, 1 a) die Vermehrung der beiden Chromatophorenplatten
vor der eigentlichen Theilung geschieht und wohl sicher durch eine Längs-
theilung derselben.
Nur bei Dinobryon ist erwiesen , dass der Theilung keine Ver-
mehrung der Chromatophoren vorangeht (Bütschli, Pelletan). Hier ver-
theilen sich die zwei Chromatophoren einfach auf die beiden Spröss-
linge, so dass jeder derselben nur mit einer einzigen aus der Theilung
hervorgeht. In diesem Falle folgt also die Vermehrung der Chromato-
752 Flagellata.
phoren der Theilung- nach. Möglich, jedoch nicht sicher erkennbar
scheint derselbe Vorgang auch nach Stein's Abbildungen bei Chrysopyxis
zu sein.
Ist im Chromatophor ein Pyrenoid mit oder ohne Amylumschale
vorhanden, so geht dessen Theilung der des Chromatophors voraus, wie
schon seit verhäitnissmässig langer Zeit für die sogen. Amylumkerne der
Chlamydomonadinen und gewisser Volvocinen bekannt ist. Auch Stein
hat diesen Process für Chlamydomonas und Nephroselmis genauer dar-
gestellt und Klebs neuestens nachgewiesen , dass er auch bei dem mit
Pyrenoid versehenen Chromatophoren gewisser Euglenen nicht fehlt.
Nachdem nun in der geschilderten Weise die Verdoppelung der
Geissein, der contractilen Vacuolen, des Augenflecks etc. sich vollzogen
hat und der Kern in die längsgestreckte Form übergegangen ist, beginnt
gewöhnlich die eigentliche Längsdurchschnürting des Flagellatenköipers.
Zuvor dehnt sich der Körper meist etwas in die Breite, wobei dann auch
die beiden Geisselsysteme etwas mehr auseinander rücken.
Der Vorgang der Durchschnürung selbst weist jedoch eine ziemliche
Reihe Modalitäten auf Zunächst kann die Einschnürung gleichzeitig in
der gesammten Medianebene beginnen und so zu einer ziemlich gleich-
massigen Durchschneidung des Körpers führen. Im Ganzen scheint dieser
Modus jedoch nicht gerade häufig zu sein; nach meiner Erfahrung begegnen
wir ihm bei der kleinen Oikomonas Termo (doch schildert Kent von der-
selben Gattung auch einseitige Durchschnürung); auch bei der Gattung
Monas ist die Durchschnürung wahrscheinlich eine ziemlich gleichmässige
und ähnlich bei der eigenthUmlichen Dallingeria.
Bei weitem häufiger beginnt dagegen die Einschnürung zunächst ein-
seitig an einem Körperende und schreitet erst allmählich auf das ent-
gegenstehende fort oder geschieht überhaupt durchaus einseitig, so dass
das entgegenstehende Körperende erst ganz zuletzt von der Einschnü-
rung erreicht und durchschnitten wird. Den ersteren Fall sehen wir
ziemlich wohl ausgeprägt bei den Gattungen Chilo- und Cryptomonas
(T. 45, 9 d). Hier scheint zwar die Einschnürung noch ziemlich gleich-
zeitig in der gesammten Medianebene zu beginnen, do-ih schreitet sie nach
meinen Erfahrungen am Hinterende rascher fort, so dass die hintere Ein-
schnürung die vordere überholt und die schliessliche Durchschnürung sich
in der vorderen Körperhälfte vollzieht. Stein dagegen zeichnet um-
gekehrt die Verbindung am längsten in der hinteren Körperhälfte ; es
wäre daher möglich, dass der Theilungsprocess in etwas verschiedener
Weise verlaufen könnte.
Bei anderen Formen, so namentlich bei Cyathomonas, beginnt der
Theilungsact entschieden zuerst am Vorderende und erst relativ spät greift
die Einschnürung auf das Hinterende über (T. 45 , 8 b). Dieser Process
leitet nun direct über zu dem sehr häufigen, wo die Einschnürung am Vorder-
ende beginnend, successiv bis zum Hinterende durchschneidet, so dass die
beiden Sprösslinge schliesslich nur noch am äussersten Hinterende zu-
Zweitlieil. (Vermehr, d. Chromatophoren ; Vorgang- d. Durchschnürung d. Körpers). 753
samnieubäDgeu. Ein solcher Tbeiluugsact scheint nach den Erfahrungen von
Stein und Klebs ganz allgemein in der grossen Gruppe der Euglenoidinen
verbreitet zu sein, und sich weiterbin auch bei den Heteromastigoda ge-
wübnlicb zu finden (Bodo nach Dallinger und Drysdale, Entosiphon nach
Bütscbli und Stein). Auch bei den mit ihrem Hinterende festgehefteten
üendromonadinen und bei den koloniebildeuden mit ihren Hinterenden
vereinigten Syuuren dürfen wir sicherlich den gleichen Tbeilungsvorgang
annehmen. Clark's Darstellung bei Anthopbysa spricht zwar nicht deut-
lich dafür, schildert jedoch auch einen nicht ganz normalen Theilungsact.
Selten scheint dagegen der Modus zu sein, dass die Einschnürung
zuerst am Hinterende beginnt und hierauf allmählich gegen das Vorder-
ende durchschneidet. Dergestalt schildern Dallinger und Drysdale den
Tbeilungsvorgang bei Tetramitus und Stein denjenigen von Cblamydo-
coccus rostratus Cienk. sp. (= fluviatilis St.).
Seltsam erscheint es, dass die sogen. Herpetoraonas Muscae Burn. sp.
anscheinend eine sehr grosse Mannigfaltigkeit des Tbeilungsvorgang»
darbietet. Nach Stein soll die Einschnürung ihres langgestreckten Körpers
in der Mitte beginnen (T. 40, le) und nun bald nach vorn (lg), bald
nach hinten fortscbreiten (If), wobei dann die beiden Theilsprösslinge
bald nur noch am hintern, bald dagegen am vorderen Körperende zu-
sammenhängend getroflfen werden, und zwar im letzteren Fall schliesslich
nur noch durch die ihnen gemeinsame Geissei. Gerade letzterer Umstand
jedoch, dass keine Vermehrung der Geissei diesem Theilungsprocess vor-
hergehen soll, macht ihn etwas verdächtig und legt die Vermuthung nahe,
dass gewisse vermeintliche Stadien desselben vielleicht Copulationszu-
stände waren.
Nicht wohl lösbar scheint mir augenblicklich die Frage, ob zwischen
den Besonderheiten des Durchschnürungsvorgangs und der Lagerung des
Kernes eine Beziehung existirt. Eine solche Frage erscheint ja nicht
müssig, da bei dem einseitigen Theilungsprocess vieler Furchungskugeln
der Kern stets der Stelle, wo die Einschnürung beginnt, genähert liegt.
Wenngleich diese Frage bei unseren Flagellaten sich nicht bestimmt
beantworten lässti,. scheint doch von Interesse, dass nach den Beobach-
tungen von Klebs der Kern der Euglenen vor Beginn der einseitigen
Thellung stets aus der centralen Lage ins Vorderende vorgeschoben wird.
Mag nun die Längstheilung verlaufen wie sie will, stets schreitet sie
'schliesslich so weit fort, dass die beiden Sprösslinge nur noch durch einen
immer feiner werdenden Verbindungsfaden zusammengehalten werden,
dessen Lage zu den beiden Sprösslingen natürlich von dem Verlauf der
Einschnürung abhängt. Selbst die mit einer wohl ausgebildeten Cuticula
versehenen Euglenen entwickeln einen massig lang ausgesponnenen
Verbindungsfaden recht deutlich. Fraglich scheint mir aber doch, wie
sich in dieser Hinsicht die mit einer relativ so dicken und festen Cuticula
ausgerüsteten Phacus- und Lepocinclisarten verhalten werden. Klebs, der
ihre Längstheilung bis jetzt allein beobachtet haben will, gibt keinerlei
Bronn, Klassen des Thier-Eeichs. Protozoa,. 48
754 Flagellata.
uähere Beschreibung des Vorgangs, der, meiner Ansicht nach, wegen der
besondern Verhältnisse der Cuticula gewiss besonderes Interesse verdiente.
Bei den cuticulalosen oder doch nur mit einer Hautschicht versehenen
Formen zieht sich der Verbindungsfaden zwischen den Sprösslingen
häufig sehr lang aus, indem dieselben sich mehr und mehr von einander
entfernen, bis er schliesslich einreisst und allmählich in die Körper der
Sprösslinge zurückgezogen wird. Dabei zeigt sich nun häufig schon vor
gänzlicher Durchschnürung ein Bestreben der Sprösslinge, ihre ursprüng-
lich parallel gelagerten Längsaxen in gleiche Linie zn stellen, so dass
gegen das Ende des Theilungsprocesses zwei scheinbar durch eine Quer-
theilung entstandene Sprösslinge mit ihrem Hinterende zusammenhängen.
Sehr deutlich tritt dies bei kleineren Formen, so Monas, Oikomonas,
Bodo etc. hervor, jedoch auch zuweilen bei der Theilung der Euglenen
(Bütschli). Früher wurde schon darauf aufmerksam gemacht, dass der-
artige Zustände gewiss häufig für Quertheilungen gehalten wurden und
speciell die von Dallinger und Drysdale beschriebenen Quertheilungen
des Bodo in dieser Weise gedeutet.
Das Wenige, was wir bis jetzt über Quertheilungsprocesse einiger
Flagellaten wissen, lässt nur erkennen, dass die Einschnürung wahrschein-
lich stets ringförmig in der Körpermitte beginnt und gleichmässig bis
zur Durchschneidung weitergeht.
2) Vermehrung durch fortgesetzte Zweitheilung mit
Zerstreuung der Sprösslinge nach Abschluss des Theilungs-
processes.
Bei einigen Chlamydomonadinen findet sich eine sehr interessante
Modifikation der gewöhnlichen Vermehrung durch Zweitheilung. Typisch
tritt dieselbe bei den Gattungen Polytoma und Chlorogonium auf*), scheint
sich jedoch unter Umständen , wenngleich selten , auch bei Haematococcus
einzustellen. Wie schon der historische Theil zeigte, wurde dieser Ver-
mehrungsact bei Polytoma seit Leeuwenhoek vielfach beobachtet. Die ge-
nauesten Untersuchungen lieferten Ant. Schneider (1854), Stein (1878)
und Krassilstschik (1882); auch Dallinger und Drysdale zogen diesen
Organismus in den Kreis ihrer Beobachtungen. Ueber Chlorogonium
gab Ehrenberg (1838) die ersten Nachrichten, welche 1848 durch Weisse's
Entdeckung der Mikrogonidien (Gameten) vermehrt wurden. Später ver-
vollständigten Schneider (1854), Stein (1854 und 1878), Krassilstschik
(1882) und schliesslich Klebs (1883) unsere Kenntnisse.
Das charakteristische des zu erörternden Vorgangs besteht darin,
dass die Theilung des Körpers unter dem Schutz der früher beschrie-
benen Schalenhülle im freibeweglichen Zustande geschieht, jedoch nicht
bei der Zweitheilung anhält, sondern successive weiter schreitet
bis zu verschiedener Sprösslingszahl. Bei diesem gewissermassen ver-
■*) Ebenso aucli bei Clilorangium , hier jedoch durch die Festheftung und Koloniebil-
dung dieser Gattung modificirt (vergl. daher das Kähere hierüber in dem Kapitel über die
i\oIoniebiIdungen).
Vermelir. durch fortges. Zweitlieiliing- (Polytoina ii. Chlorogonium). 755
kürzten, resp. beschleunigten Zweitheiluugsprocess tritt dann als weitere
Modification hinzu, dass die in rascher Folge erzeugten Sprüsslinge zu-
nächst keine Geissein erhalten, eine Geisselverdoppelung vor der Thei-
lung also unterbleibt. Die Sprüsslinge entwickeln ihre Geissein erst kurz
vor ihrer Trennung, wenn sie sich unter Zerieissung, resp. Auflösung der
Mutterhülle isoliren. Dennoch bleiben die Theilungszustände bis kurz vor
den Trennungsact der Sprösslinge dauernd beweglich, indem die beiden
Geissein der Mutteizelle sich bis dahin tbätig erhalten. Diese auf den
ersten Blick sehr sonderbare Erscheinung erklärt sich, wie ich mit Stein
glaube, einfach dadurch, dass die beiden Geissein stets mit einem der
Sprösslinge im Zusammenhange bleiben , wie dies ja auch a priori nicht
wohl anders denkbar ist.
Die Zahl der successiven Theilungsschritte und demnach auch die
Zahl der gebildeten Sprösslinge ist in beiden Gattungen eine variable. —
Bei Polytoma schwankt letztere zwischen 4 und 8, nur Dallinger und
Drysdale wollen gelegentlich auch 16 Sprösslinge beobachtet haben. Im
Allgemeinen scheint die Theilung gewöhnlich nur bis zur Vierzahl der
Sprösslinge fortzuschreiten und Krassilstschik sucht nachzuweisen, dass sich
bei P. spicatum gewöhnlich nur die erste, d. h. die aus dem Dauerzustand
(Zygote) hervorgehende freie Generation achttheile, alle folgenden dagegen
nur 4 Sprösslinge lieferten. Meine Beobachtungen an der gleichen Form
zeigten mir jedoch eine ganze Anzahl Achttheilungen hinter einander,
so dass ich diese Kegel nicht für allgemein gültig erachte.
Auch bei Chlorogonium beschreibt Krassilstschik eine ähnliche Regel-
mässigkeit. Die erste freie Generation soll sich gleichfalls achttheilen,
die folgenden dagegen gewöhnlich nur vier- seltner achttheilen. Chloro-
gonium besitzt aber die interessante Eigenthümlichkeit, dass nach einiger
Zeit (nach Krassilstschik, etwa am 10. Tag der Infusion) eine erhöhte
Theilbarkeit eintritt, welche gewöhnlich zur Bildung von 32 (seltner
nur 1()) kleineren, jedoch gleichfalls umhüllten Sprösslingen , den sogen.
Mikrogonidien oder Gameten führt. Wie wir später sehen werden,
sind diese kleinen Gameten zur Copulation bestimmt, sie schliessen daher
den Generationscyclus des Chlorogonium ab. Auch bei dem nahe ver-
wandten Chlorangium wurde diese Mikrogonidienbildung von Cienkowsky
uud Stein beobachtet.
Bezüglich der feineren Vorgänge bei dem Theilungsprocesse der beiden
Gattungen sei bemerkt, dass bei beiden die erste Theilung fast immer eine
deutliche Quertheilung ist (T. 43, 4 c). Doch will Stein bei Polytoma die
erste Theilungsebene gelegentlich auch schief zur Längsaxe gefunden
haben und beschreibt diesen Vorgang als den gewöhnlichen bei der
Vier- und Achttheilung der Chlorogonien. Da jedoch nach Stein
und Klebs bei der Gametenbildung dieser Gattung die Theilungen ent-
schieden quer geschehen, so dürfen wir mit Letzterem wohl überhaupt an
der angeblich schiefen Theilung der Chlorogonien zweifeln. Dieselbe wird
wahrscheinlich dadurch vorgetäuscht, dass sich die Sprösslinge nach jeder
48*
756 Flagellata.
Theilung in die Länge*) strecken und schief neben einander legen,
wie solches^ auch bei Polytoma häufig eintritt. Auf die erste Querthei-
lung folgt bei letzterer Gattung Längstheilung der beiden Sprösslinge
(T. 43, 4 c), d. h. die Einschnürung verläuft ziemlich parallel zu der Axe
des Mutterthieres und zwar nach Schneider gewöhnlich so, dass die Thei-
hmgsebenen der beiden Sprösslinge senkrecht zu einander stehen. In
Bezug auf die Sprösslinge selbst scheinen mir jedoch nach Steins Abbil-
dungen die J'urchungsebenen quer orientirt zu sein. Dies hängt damit
zusammen , dass schon vor der ersten Quertheilung sich eine Art völliger
Verlagerung der Regionen des Polytomakörpers zu vollziehen scheint. Dabei
wird nämlich die Seite des Körpers, wo die Einschnürung zuerst beginnt,
zur' Vorderregion der beiden Sprösslinge , so dass also im Hinblick auf
die Regionen der letzteren die Theilungsebene eigentlich eine Längsebene
darstellt, wodurch also ein gewisser Anschluss an die gewöhnliche Läogs-
theilung der übrigen Chlamydomonadinen vermittelt wird**). Zuweilen
schieben sich nun auch die beiden ersten Sprösslinge nach der Theilung
schief neben einander, indem sie sich etwas in die Länge strecken, und
theilen sich nun quer (Schneider) (seltener längs ?, Dallinger und Drysdale).
Diese Quertheilung wird jedoch ebenso zu beurtheilen seio, wie die vorher-
gegangene. Das Genauere über die gelegentliche Achttheilung ist unbekannt.
Wie gesagt, entwickeln die Sprösslinge bei Polytoma und Chloro-
gonium erst kurz vor ihrer Trennung neue Geissein. Nur Mereschkowsky
sowie Dallinger und Drysdale wollen zuweilen schon an nocb zusammen-
hängenden Theilzuständen der Polytoma Geissein der Sprösslinge wahrge-
nommen haben, welche frei aus der Mutterhülle hervorragten. Jedenfalls
ist dies kein gewöhnliches Vorkommniss. — Der Austritt der Spröss-
linge geschieht bei beiden Gattungen gewöhnlich so, dass das Theilungs-
product zunächst zur Ruhe gelangt, indem die ursprünglichen Geissein
des Mutterwescüs entweder rückgebildet werden oder ihre Bewegungen
einstellen. Hierauf durchbrechen die Sprösslinge die Mutterhülle oder diese
verschleimt und löst sich auf, was wenigstens bei Chlorogonium auch die
entleerte Mutterhülle rasch thut. Zuweilen lassen sich an der entleerten
Hülle sowohl bei Polytoma (Dallinger und Drysdale) wie Chlorogonium
(Weisse, Stein) die ursprünglichen Geissein noch deutlich erhalten beobachten.
Die eben genauer erörterten Vermehrungsvorgänge erhalten dadurch
eine weittragende Bedeutung, weil die Koloniebildungen der Volvocinen
ohne Zweifel von denselben herzuleiten sind, wie wir später sehen werden.
Sowohl bei Chlorogonium (Krassilstschik) wie bei Polytoma (Bütschli) findet man nicht selten
sogen. Zwillingssprösslinge, d. li. unvollständig getheilte Sprösslinge, die aus unbekannten
Gründen nicht zu völliger üurchschnürung gelangten. Ihre Hintcrenden sind mehr oder min-
*) Auch bei dem entsprechenden Vermehrungsprocess des Chlorangium geschieht die
Theilung nach Cienkowsky quer.
**) Bei der wahren Quertheilung der Flagellaten , so bei Oxyrrhis, ist dies Verhalten
der Sprösslinge, wie geschildert, ein ganz anderes, da dieselben hier hintereinandergestellt
sind, wie bei der Quertheilung der Ciliaten.
Veriiielir. von Polytoiiia u. Chloroi>-oiiiuiii : \"criaclir. im JvuliozustaiKl (Euf^leiiiiien). 757
(l(;r iiiigctreiiüt, wäliicml die Vordcrcndcii gesoiulcrt un<] jedes deräclbeii mit dem zuge-
liörigcn (ieisselsystem ausgerüstet ist. Derartige Zwilliiigsformeii zeigen gar keine Neigung
zu weiterer Durchschnürung , aber auch keine zu Verschmelzung. Stein hielt sie bei Chloro-
gonium irrtliiimlich für Copulationszustcände und es scheint mir nicht unwahrscheinlich, dass
aucli die von ihm beschriebenen Copulationszustände eines Chlamydomonas j^ulvisculus
(T. 43, Gh) solche Zwillingssprösslinge waren. Auch die ]\Iikrogonidicn des Ilaematococcus
bieten zuweilen entsprechende Abnormitäten dar, wie aus Cohn's Mittheilungen (,101) her-
vorgeht.
b) Vernielirung" durch einfache oder fortgesetzte Thei-
lung im Ruhezustand.
Schon im Vorhergehenden hatten wir mehrfach Gelegenheit, auf die
im ruhenden Zustand, d. h. zum mindesten nach Verhist der Geissei ge-
schehende Theilung der Euglenineo hinzuweisen.
Die feineren Vorgänge dieses LäcgstheiluDgsprocesses haben wir
schon früher geschildert, da sie sich in nichts von den gewöhnlichen unter-
scheiden, daher ist nur noch einiges über die von dem Ruhezustaüd bedingten
Besonderheiten zu bemerken. Der Ausdruck Ruhezustand ist hier zu-
nächst nicht so zu verstehen, dass die Eugleninen nach Verlust der
Geissei und während des Theiluiigsvorgaugs in absoluter Ruhe verharren,
im Gegentheil zeigen gewisse metabolische Formen während des eigent-
lichen Durchschnürungsvorgangs recht lebhafte Contractionen der schon
gesonderten Vordertheile der Sprösslinge und wie Klebs mehrfach beob-
achtete (namentiich Euglena deses und E. Spirogyra), wogt häufig das
Plasma der beiden noch zusammenhängenden Sprösslinge hin und her,
d. h. es findet eine wechselnde Strömung desselben aus dem einen in
den anderen Sprössling statt.
Während nun bei gewissen Euglenaarten (so E. Spirogyra, varia-
bilis Kl, tripteris Duj., acus 0. F. M.), ferner bei Ascoglena, Phacus, Chloro-
peltis und wahrscheinlich auch Trachelomonas der Ruhezustand sich nur
im Verlust der Geissei ausspricht, bildet sich bei den übrigen Euglena-
arten (wenigstens gewöhnlich), vielleicht aber uoter gewissen Um-
ständen auch bei den übrigen Gattungen, vor der Theilung eine den Körper
einschliesseude Hülle aus, d. h. nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch,
es encystirt sich die Euglene.
Diese Hülle ist entweder eine schleimige, häufig etwas köruelige,
welche je nach den Arten von äusserster Dünne bis zu massiger Dicke
schwankt, oder sie ist zu einer festeren und meist ziemlich dünnen Haut
erhärtet. Bei dem Uebergang in diesen umhüllten Ruhezustand verändert
die Euglene entweder ihre gewöhnliche Form nicht, d. h. langgestreckte
Formen (wie z. B. Euglena deses), bleiben auch in diesem Zustande lang-
ausgestreckt oder es geschieht zuvor, wie dies ja bei Encystirungs-
processen gewöhnlich der Fall ist, eine Zusammenziehung zu eiförmiger
bis kugeliger Gestalt. Innerhalb dieser Hülle nun vollzieht sich die Längs-
theilung in gewöhnlicher Weise.
Sehr eigenthümlich soll die Gallerthülle nach Carter's Beobachtungen bei der sogen,
Euglena Tuba gestaltet sein, indem sie sich hier in eine ansehnliche röhrenförmige und an
758 Flagellata.
ihrem Ende geöffnete Verläng-emng fortsetzt. Es scheint mir möglich, dass diese Röhre,
welche sich am vorderen Ende der Cyste finden soll, dem Gallertstiel der mit Eugleua so
nahe verwandten Gattung Colacium entspricht*).
Der Vermehiungsprocess der Euglenen im umhüllten Zustande wurde
schon von Dujardin richtig beobachtet und später von zahlreichen For-
schern (Meyen, Thuret, Cohn, Perty, Focke, Stein, Carter, Cienkowsky
und Klebs) geschildert. Auch Ehrenberg hatte diese Ruhezustände jeden-
falls schon beobachtet, hielt sie jedoch für abgestorben. Gewöhnlich
tritt unter dem Schutze der Hülle nur eine einfache Zweitheilung ein,
worauf die beiden Sprösslinge entweder nach Ausbildung ihrer Geissein
die Hülle verlassen oder in Ruhe weiter verweilen, indem sich um jeden
eine Specialhülle ausbildet.
Nicht ganz selten scheint es jedoch auch vorzuliommen, dass die nocli zusammenhängen-
den Sprösslinge iliro Cysten verlassen, wenigstens erklären sich so am einfachsten die bei
Euglena viridis und anderen hüllenbildenden Formen gelegentlich beobachteten freien, mit
oder ohne Geissein angetroffenen Längstheihingszustände. Schon Carter (109 b) hat solche hei
der Euglena deses, viridis und der fraglichen E. agilis beobachtet, jedoch nur bei letzterer
als Theilungen gedeutet, die der beiden erstgenannten Formen dagegen als Conjugationen.
Hierin folgte ihm später bezüglich der E. viridis Stein und erst Klebs wies sehr richtig dar-
auf hin, dass diese angeblichen Conjugationen sicherlich nichts weiter wie unvollendete Längs-
theilungen waren.
Wie bemerkt, scheidet beim weiteren Verharren im Ruhezustande jeder
Sprössling meist bald seine eigene Specialhülle aus. Nun kann jedoch
das Wachsthum und die Vermehrung dieser ruhenden Sprösslinge durch
weitere Zweitheilungen sich ungehindert fortsetzen, ohne dass sich
zunächst ein beweglicher Zustand einschiebt. Hierbei erweitert sich
natürlich die alte Hülle, je mehr neue Sprösslinge durch Theilung ent-
stehen, mehr und mehr und umschliesst ein System ineinander geschach-
telter SpecialhUllen der Sprösslinge. Auf diese Weise bilden sich Zu-
stände, welche zuerst Cienkowsky (118) genauer gekennzeichnet hat
und richtig mit ähnlichen gewisser Protococcaceen (so Pleurococ-
cus etc.) verglich. Da nun, speciell bei Euglena viridis häufig sehr
grosse Mengen solcher in fortdauernder Vermehrung begriffener Ruhe-
zustände dicht zusammengedrängt an der Oberfläche des Wassers oder
auf dem Boden etc. sich finden, so schmelzen die Schleimhtillen be-
nachbarter allmählich zusammen und so entstehen ansehnliche zusammen-
hängende Häute, welche in dichter Zusammendrängung Massen ruhender
Euglenen umschliessen. Seit Ehrenberg sind solche Zustände häufig
beobachtet worden und namentlich Cohn (1850) hat auf ihre Bilduugs-
geschichte eingehender hingewiesen.
Fraglich erscheint es, ob die gewöhnliche Eegel, dass vor jeder neuen Theilung eine
Specialhülle um die Sprösslinge entsteht, ganz durchgreifend ist. Die älteren Beobachter
*) Fjaglich könnte es ersclieinen, ob die sogen. Cysten der Euglena Tuba nicht eigent-
lich Dauerzustände sind; da jedoch Carter ausdrücklich ihre Vermehrung durch Theilung be-
tont, so scheint dies ausgeschlossen. Nach der Carter'schen Darstellung und seinen Abbil-
dungen scheint es jedoch wahrsclieinlich, dass bei der Vermehrung der ruhenden Engl. Tuba
die Gallerthülle älinlich wie bei Colacium mitgetheilt wird; was die üebereinstimmung mit
letzterwähnter Gattung noch vermehren würde.
Vermehr, im Kuhczust. (Eiig-leiiiueu, Clirouiuliua. Cluotiiopliyton). 759
wenigstens, wie Colin (1S50 und 1S54), Perty (1852) und Carter (ISöO"! I)eliaui)tcn üljcrcin-
stiininend, dass die Theilung auch bis zu 4, S, IG, ja 32 Sprösslingo fortschreiten könne,
ohne dass hierbei der Bildung von SiJccialhüllen gedacht würde. Obgleich man nun im All-
gemeinen mit Kecht geneigt sein wird, diese Angaben auf mangelhafte Beobachtung zurück-
zuführen, so scheint doch auch die Möglichkeit derartiger Tlieilprocessc zunächst noch
beachtenswerth. Nur Perty behauptet übrigens gesehen zu haben, dass durch fortgesetzte
Theilung aus einer grossen Euglena viridis 20 bis mehr kleine hervorgingen, also eine Art
Mikrogonidienbildung*); bei der gewöhnlichen Vermehrungsart dagegen geht das Wachsthum
ununterbrochen weiter, so dass eine erhe))liche Verkleinerung der Sprösslinge meist nicht ein-
zutreten scheint.
Auch Trachelomonas zeigt unter Umständen eine ähnliche Ver-
mehrung im umhüllten ßuhezustande. Schon Perty beobachtete bei Tr.
volvocina Theilung bis zu vier Sprössliugen in der Schale; ich fand bei
Trach. hispida drei Sprösslinge, welche innerhalb der Schale noch in eine
kugelige zartere Hülle eingeschlossen waren. Carter (1858) will bei
einem grossen Trachelomonas sogar Sechzehntheilung in der Schale beob-
achtet haben, also möglicherweise eine Art Mikrogonidienbildung, doch
bleibt unser Urtheil über diese Beobachtung unsicher, da Abbildungen
fehlen.
An die geschilderten Vermehrungszustände der Euglenen schliessen
sich die von Stein bei der Chromulina ochracea aufgefundenen nahe an.
Auch hier geschieht die Vermehrung durch fortgesetzte Längstheilung
unter dem Schutz einer kugeligen, sich dauernd erweiternden Schleim-
hülle bis zur Achttheilung (das letzte Stadium, welches beobachtet wurde).
Dasselbe gilt ferner für die Chr. flavicans, wenn die von Stein beobachteten
ruhenden Zustände sicher hierher gehören. Doch ist hier die Schleim-
hülle sehr dick und stark von Körnchen durchsetzt (T. 40, 6 b). Bei
der Vermehrung in dieser sich successive vergrössernden Schleimhülle,
welche wahrscheinlich die Gestalt einer etwas abgeplatteten Kugel be-
sitzt, ordnen sich die Theilsprösslinge von der dritten Generation an
zu einem peripherischen Ringe zusammen. Die Vermehrung wurde hier bis
zur vierten Generation verfolgt.
Etwas modificirt, im Ganzen jedoch in entsprechender Weise verläuft
auch die Fortpflanzung des von Woronin beschriebenen Chromophyton
Rosanoffii, das überhaupt mit Chromulina nächstverwandt, wenn nicht
identisch ist. Beim Uebergang in den Ruhezustand treten die in
Torfmooren lebenden beweglichen Formen au die Wasseroberfläche,
indem sie nach Woronin's Beschreibung deren Oberflächenhäutchen ge-
*) Auch ich sah bei der fortgesetzten Theilung der Euglena viridis eine successive Ver-
kleinerung der Sprösslinge eintreten, eine Erscheinung, die einer genaueren Untersuchung be-
dürftig erscheint. Auch die angeblichen Cysten mit Zerfall des Inhalts in zahlreiche Sporen,
welche Kent von Euglena viridis beschreibt, halte ich nur für mangelhaft beobachtete der-
artige Theilungszustände. Die Sporen sollen schliesslich in Gestalt kleiner grüner Amöben
ohne Geissei und Augenfleck austreten. Ganz unsicher scheint mir dagegen vorerst die von
dem gleichen Forscher erwähnte Fortpflanzung der Eutreptia durch Encystirung und Zerfall
des Cysteuinhalts in „unzählige" Sporen, welche schliesslich auch als geissellose Amöben
hervortreten und hierauf erst eine, später die zweite Geissei entwickeln sollfen.
760 Flagellata.
wissermaasseu durchbohren, ähnlich wie manche parasitische Monadinen
die Haut der Algenzellen, in welche sie eindringen, durchbohren. Hier-
auf wird auch hier eine kugelige , jedoch nicht sehr dicke Schleimhülle
gebildet, die als besondere Auszeichnung an ihrem, der Wasseroberfläche
aufliegenden unteren Pole ein geöffnetes, festes, kurzes Röhrchen trägt.
Unter allmählicher Erweiterung der Schleimhülle wurde die Vermehrung
des ruhenden Chromophyton durch successive Zweitheilung (wahrschein-
lich längsverlaufend) bis zur Achtzahl beobachtet. Häufig ereignet es sich
auch hier, dass die benachbarten Ruhezustände mit ihren Schleimhiillen zu
rundlichen oder unregelmässigen Massen zusammenschmelzen, deren Ab-
stammung sich nicht selten noch deutlich constatiren lässt, indem
sich die erwähnten Röhrchen der einzelnen Ruhezustände auch noch
nach der Verschmelzung erhalten , so dass ihre Zahl die Menge der ver-
einigten einzelnen Cysten anzeigt. Der Wiederaustritt der erzeugten
Sprösslinge geschieht, wenn dieselben wieder in Wasser untergetaucht
werden, eine Erscheinung, die, wie wir später sehen werden, bei den
Ruhezuständen zahlreicher Flagellaten hervortritt.
Fortpflanzung im Ruhezustand ist ferner für einer Anzahl Chlamy do-
monadinen die Regel und hier schon seit verhältnissmässig langer Zeit
von vielen Forschein genauer untersucht worden. Die Gattungen Chla-
mydomonas, Haematococcus und Carteria werden, im Gegensatz zu den
früher geschilderten Polytoma und Chlorogonium durch einen derartigen
Fortpflanzungsprocess cbarakterisirt.
üeber Chlamydoinonas haben uns hauptsächlieh die Untersuclmngen von A. Braun (1851),
Perty (1852), Fresenius (ISöü und 5S), Carter (1858), Cienkowsky (1865), Reinhardt (187G),
Goroshaukin (,1870) und Stein (187S) Aufschlüsse gegeben. Sehr zalilreich sind bekanntlich
die Untersuchungen über die Fortpflanzung des Haematococcus, von welchen wir namentlich
die von v. Flotow, Vogt, Cohn (1850 und 1854), A. Braun (1851), Perty (1852), Cienkowsky
(1856), Rostafinski (1S75), Goroshankiu (1876) und Stein hervorheben, üeber die entsjjreclende
^Fortpflanzung der Carteria haben Fresenius (1856), Carter (1858 und 1809) und schliesslich
Rostafinski (1871) gearbeitet.
Beschäftigen wir uns zunächst etwas eingehender mit den Erschei-
nungen bei Chlamydomonas und speziell dem gewöhnlichen Chlamydo-
monas pulvisculus. Derselbe geht in den ruhenden Zustand über, indem
die Geissein sich rückbilden und die Schalenhülle sich mehr oder weniger
weit von dem Körper abhebt. Letzterer umkleidet sich nun sofort mit
einer neuen dichtaufliegenden Hülle und vermehrt sich unter dem Schutze
der Mutterhülle durch successive Längstheilung, die bis zur Acbtzahl,
vielleicht jedoch zuweilen auch noch etwas weiter (Carter), fortschreiten kann
(T. 43, 6 k). Bei anderen Formen, so Chi. albovlridis und obtusa scheint
diese Vermehrung gewöhnlich nicht über die Viertheilung hinauszugehen,
hierauf befreien sich die Sprösslinge, was oft auch schon nach der
Zweitheilung zu geschehen scheint (A. Braun). Auch bei Chi. pulvisculus
scheint letzteres häufig zu sein, wenigstens gibt Reinhardt an, dass die
gewöhnliche Vermehrung durch wiederholte Zweitheilung geschehe.
Verniuhr. im Uuliezustumi (Clilauiydomouiis). 761
Das Wahrscheinlichste wird also sein, dass diese Vermehrung unter
dem Schutz der Mutterhülle früher oder später durch das Freiwerden der
Sprösslinge unterbrochen wird, so dass deren Zahl in einer Mutterhüllc
sehr verschieden sein kann. Hierauf deutet auch hin, dass die Spröss-
linge häufig schon sehr frühzeitig ihre Geissein wieder erlangen (Carter,
Fresenius, Stein), schon nach der ersten Zweitheilung, und sich nun wie ge-
wöhnliche Flagellaten unter vorheriger Vermehrung ihrer Geissein weiter
längstheilen. In anderen Fällen unterbleibt dagegen die Neubildung der
Geissein und tritt jedenfalls erst kurz vor dem Wiederaustritt der ruhenden
Sprösslinge auf. Schreitet der Vermehrungsprocess unter dem Schutz der
Mutterhülle bis zu höheren Sprösslingszahlen fort, so erweitert sich die-
selbe auch hier entsprechend, was z. Th. dadurch bedingt wird, dass die
Sprösslinge auch im ruhenden Zustande fortgesetzt wachsen, wenn sie
auch die Grösse des Mutterwesens gewöhnlich nicht vollständig erreichen.
Eine weitere Moditication dieses Fortpfianzungsprocesses kann da
durch entstehen, dass sich die neugebildeten Specialhüllen der Spröss-
linge bei der fortschreitenden Vermehrung ähnlich verhalten wie die
ursprüngliche Mutterhülle, das heisst sich abheben und an der Thei-
lung nicht participiren. Durch in dieser Weise fortgesetzte Vermehrung
können sich nun pleurococcusartige Zustände bilden, wie wir sie ähnlich
schon bei den Euglenen antrafen. Hierauf hat zuerst Cienkowsky
1865 die Aufmerksamkeit gelenkt, nachdem zwar schon früher A. Braun
(1851) die Bildung ähnlicher vegetirender Zustände bei Haematococcus
beschrieben hatte. Dieselbe Erscheinung beobachtete Cienkowsky (134) auch
bei der mit Chlamydomonas wohl nahe verwandten sogen. Vacuolaria,
dieselbe geht in einer kugeligen Gallerthtille in den Ruhestand über, um
dann durch successive Zweitheilung pleurococcusartige Zustände zu bilden.
Zu gewissen Zeiten nun geschieht die successive Theilung im ruhen-
den Zustande rascher und ohne dass den Sprösslingen Zeit bleibt, während
des Theilungsprocesses heranzuwachsen ; das Resultat dieses Vermehrungs-
vorgangs, der bis zur Acht- und Sechzehntheilung fortschreiten kann
(Reinhardt), sich nicht selten jedoch auch bis zur Bildung von 32 kleinen
Sprösslingen ausdehnt (Carter für Chi. pulvisculus, A. Braun für Chi.
obtusa und tingens), ist demnach die Erzeugung einer Brut kleiner Spröss-
linge, ähnlich wie wir das schon früher bei dem Chlorogonium sahen.
Auch haben diese Mikrogonidien nach Reinhardt gleichfalls die Bedeutung
zur Copulation bestimmter Gameten. Ob diese Gameten, deren Grösse
nach Reinhardt stets unter der der kleinsten gewöhnlichen Individuen
zurückbleibt, immer eine Schalenhülle (Zellhaut) besitzen, scheint etwas
fraglich. Nach der Ar gäbe des erwähnten Forschers und Goroshankin's
haben sie eine solche, die jedoch dem Plasmakörper dicht aufliegt, da-
gegen bildet Stein im Freien gefundene mikrogonidienartige Sprösslinge
ab, die jedenfalls dm-chaus nackt waren, da sie von ihrer gesammten
Oberfläche fingerförmige Pseudopodien entwickelten. Wie die Beobach-
tungen Carter's (1858) sicher zu lehren scheinen, geht die Mikrogonidien
762 Flag-ellata.
bilduug, auch zuweilen vou ruheuden Theilsprösslingen der gewöhnlichen
Art, welche noch von ihrer Mutterhtille umschlossen sind, aus.
Die Beobachtungen von Fresenius (1856), Carter (1869), Rosta-
finski (1871) und Cohn (1877) lehren, dass die Vermehrungserschei-
nungen der viergeisseligen Carteria im allgemeinen ganz mit denen der
gewöhnlichen Chlamj^domonasformen übereinstimmen. Die gewöhnliche
Vermehrung vollzieht sich hier durch 2 — 4 Theihmg im ruhenden Zu-
stande, dazu gesellt sich Jedoch nach Rostafinski auch eine Mikrogouidien-
(Gameten-)bildung, welche durch Achttheilung geschieht. Die freigewor-
denen Mikrogonidien schildert letzterer Beobachter als hüllenlos. Eine
nicht ganz sichere Beobachtung Carter's deutet übrigens daraufhin, dass
auch Sechzehntheilung bei der Mikrogonidienbildung zuweilen vorkommen
dürfte. Bei der gewöhnlichen Viertheilung werden die vier tetraedrisch
geordneten Sprösslinge nach Cohn durch Auflösung der Mutterhülle frei,
bei der Mikrogonidienbildung vollzieht sich die Befreiung der Sprösslinge
nach Rostafinski durch seitliche Auflösung der Mutterhülle.
Einige Schwierigkeit bereitet die Beurtheilung der zahlreichen Beob-
achtungen über die Vermehrung des Haematocoecus, speciell des so ver-
breiteten H. lacustris. Diese Schwierigkeiten werden hauptsächlich dadurch
bedingt, dass die Beobachter, wie es scheint, häufig nicht hinreichend
scharf zwischen der gewöhnlichen Vermehrung im ruhenden Zustande und
derjenigen unterschieden, welche sich hier und anderwärts im Gefolge des
sogen, Dauerzustandes einstellt. Die Betrachtung der Dauerzustände
sparen wir auf ein späteres Kapitel auf und beschränken uns hier auf
die Besprechung der der gewöhnlichen Vermehrung von Chlamydomonas
analogen Fortpflanzungserscheinungen. Die Beobachtungen von Cohn,
Braun und Stein über den gewöhnlichen H. lacustris und diejenigen Cien-
kowsky's, Stein's und Goroshankin's über den sogen. H. rostratus (welcher
eine entschiedene Mittelform zwischen Chlamydomonas und Haematocoecus
darstellt), lassen mit Sicherheit erkennen, dass auch hier die gewöhnliche
Vermehrung im ruhenden Zustande in der wenig erweiterten Mutterhülle
sich findet und dass dieselbe meist mit der Viertheilung sistirt. Doch
findet sich nach Braun gelegentlich auch Zwei- und andrerseits auch selten
Achttheilung. Auch hier bilden die Sprösslinge häufig ihre Geissein
schon recht frühzeitig aus. Schon früher wurde darauf aufmerksam ge-
macht, dass H. lacustris nach den Beobachtungen von Perty und Cohn
zuweilen auch schon im beweglichen Zustande seine Theilungen beginnt,
ähnlich Polytoma und Chlorogoliium und dieselben mehr oder weniger
durchführt, bevor Ruhe eintritt, welche durch den Verlust der Mutter-
geissein bedingt wird.
Zu gewissen Zeiten tritt nun auch bei H. lacustris eine Mikrogoni-
dienbildung ein, wie schon Cohn und Braun sicher erkannten und später
Rostafinski bestätigte, während Goroshankin diesen Vorgang beiH. rostratus
nachwies. Nach den übereinstimmenden Angaben der drei erstgenannten
Beobachter ist die Zahl der Mikrogonidien, welche bei H. lacustris aus
Vermehr, im Riiliezust. i^Ciirtoria, Haematococcus, Phacutus u. Coccoinonas). 763
einer Mutterzelle entsteheD, ziemlich hoch, gewöhnlich scheinen es 32 zu
sein, seltener dagegen 16, und Cohn gibt an, sogar 64 gelegentlich beob-
achtet zu haben. Nach allem, was wir von der Mikrogonidienbildung der
verwandten Chlamydoraonadina und Volvocina wissen, scheint es in
hohem Grade wahrscheinlich, dass dieselbe auch bei dem Haem. lacustris
durch successive Zweitheilung vor sich geht und dass die Angaben Cohn's,
es geschehe dieser Vorgang durch simultane Theiluug, auf ungenauer
Beobachtung beruhen.
Bezüglich der Bauweise dieser Mikrogonidien weichen die Angaben
der Beobachter etwas von einander ab , namentlich herrschen Zweifel
darüber, ob dieselben mit einer Hüllhaut, ähnlich wie die Makrogonidien,
versehen sind. Cohn will sich überzeugt haben, dass die Mikrogonidien
häutig ganz nackt sind und ich sah sie ebenfalls leicht zerfliessen, ohne
dass eine Hülle sich zeigte; Stein dagegen zieht ihre Hülleolosigkeit in
Zweifel. Jedenfalls ist sicher, dass sie nie eine abstehende Membran be-
sitzen, was auch Braun besonders betont. Auch Strasburger gibt an, dass
die freiwerdenden Sprösslinge des H. lacustris zunächst stets nackt seien,
doch scheint sich seine Angabe nur auf die aus den Dauerzuständen hervor-
tretenden Sprösslinge zu beziehe d, für die sie jedenfalls keine allgemeine
Gültigkeit beanspruchen kann.
Später erst können wir genauer auf die Bedeutung der Mikrogoni-
dienbildung des Haematococcus lacustris eingehen, die im Gegensatz zu
Chlamydomonas und Carteria noch keine Copulation erkennen Hessen.
Die mit den seither beschriebenen Gattungen so innig verwandten
Genera Phacotus und Coccomonas zeigen auch eine im allgemeinen
übereinstimmende Vermehrung im ruhenden Zustande, wie die Beobachtungen
Carter's (1858 und 1859) und Stein's (1878) gelehrt haben. Bei sämmt-
lichcn bekannten Formen geschieht dieselbe innerhalb der Schale des
Mutterorganismus durch successive Zweitheilung, welche gewöhnlich mit
der Bildung von vier Sprösslingen sistirt, bei Phacotus unter Umständen
auch schon mit der Zweitheilung. Die vier Sprösslinge bilden nun entweder
schon in der Mutterschale eine eigene Schale, entwickeln ihre Geissein und
werden dadurch frei, dass die Mutterschale in zwei Hälften auseinander-
bricht (Coccomonas orbicularis nach Stein, T. 43, IIb), oder die Schalen-
bildung geschieht erst etwas später. Bei Phacotus lenticularis treten
nämlich die Sprösslinge, zunächst in eine Gallertblase eingehüllt, durch Aus-
einanderklappeu der beiden Mutterschalenhälften hervor und erst in diesem
Zustande bilden sie ihre Schale (auch bei Phacotus angulosus Cart. sp.
dürfte der Vorgang ähnlich sein). Dagegen scheinen sich die Geissein der
Sprösslinge schon sehr frühzeitig zu bilden, wenigstens sind sie stets
schon deutlich vorhanden, wenn die Schalenhälften aufklappen. Au der
Gallertblase bleiben die beiden Scbalenklappen gewöhnlich kleben. Etwas
fraglich ist die Herkunft dieser Gallertblase, wahrscheinlich dürfen wir
sie als eine vor der Theilung ausgeschiedene Specialhülle des Organismus
betrachten, ähnlich wie die Schleimhüllen der sich tbeilenden Euglenen;
764 Flagellata.
dies halte ich vveuigsteus für wahrscheinlicher, als die Annahme, dass sie
eine innerste, verschleimte Schicht der Mutterschale sei.
Aus Carter's Beobachtungen geht nun weiter hervor, dass Phacotus
lenticularis auch Mikrogonidien bildet, deren Entstehung im w^esentlichen
wie die gewöhnliche Vermehrung verläuft, jedoch zur Erzeugung von G4
kleinen Theilsprösslingen führt, die wie die zuerst geschilderten in der
Gallertblase eingeschlossen, aus der Mutterschale hervortreten (T. 44, 3 e).
Wir werden später sehen, dass diese Mikrogonidien als spermoide In-
dividuen functioniren. Uebrigens sah Carter auch Theilungen zu 8,
IG und 32 in der Gallertblase frei werden, woraus hervorzugehen
scheint, dass die Mikrogonidienbildung nicht immer bis zur 64-Theilung
fortschreitet. Die kleinen kugligen Mikrogonidien, welche mit zwei Geissein
und einem Augenfleck versehen sind, werden sehr wahrscheinlich im
nackten Zustande frei.
Auch in der Familie der Cryptomonadinen findet sich nach Cien-
kowsky (134) eine ähnliche Vermehrung im Ruhezustande, wie bei den
Chlamydomonadinen. Beim Uebergang in den Ruhezustand scheidet
die Cryptomonas eine mehrschichtige, dicke Gallerthülle aus, unter deren
Schutz sie sich durch fortgesetzte Zweitheilung (in der Längsrichtung) ver-
mehrt, und da die Sprösslinge fortdauernd Specialhüllen bilden und weiter-
wachsen, führt dieser Vermehrungsprocess, ähnlich wie bei Chlamydomonas
zur Entwicklung pleurococcusartiger Familien (T. 45, 11). Cienkowsky
neigt der Annahme zu, dass diese ruhenden Zustände ihre Geissein noch
besitzen, da sie sich nach dem Hervorquetschen aus der Gallertmasse sofort
bewegen. Wahrscheinlich wird jedoch auch hier bei dem Uebergang in
den Ruhezustand zunächst eine Rückbildung der Geissein eintreten, die
sich jedoch bei den Sprösslingen früher oder später neu erzeugen.
Eine Reihe von Beobachtungen erweist, dass auch bei den farblosen
kleinen Flagellaten aus den Abtheilungen der Monadina und Hetero-
mastigoda eine Vermehrung im Ruhezustande nicht selten ist. Nur lassen
es die Beobachtungen bis jetzt häufig unentschieden, ob diese Vermeh-
rungsprocesse mit einer vorherigen Copulation in Beziehung stehen. Wo
letzteres mit Sicherheit erwiesen ist, werden wir erst später die bezüg-
lichen Vorgänge darstellen und hier nur derjenigen gedenken, wo dies
nicht der Fall oder doch nicht erwiesen ist.
Ziemlich genau sind diese Processe bei einigen Arten der Gattung
Bodo bekannt. Bei Bodo caudatus (Dj.) St. (= Colpodella pugnax Cienk.)
erwies zuerst Cienkowsky (1865) das Vorkommen eines Ruhezustandes
mit Vermehrung. Später bestätigten Stein und Keut diese Beobachtung.
Diese Form bildet einen kugligen Ruhezustand mit zarter einfacher Hüll-
haut und theilt sich hierauf in eine massige An/ahl (St. zeichnet 6)
Sprösslinge, welche die Hülle schliesslich durchbrechen (T. 46, 4c). Vor
der Theilung, deren Modus hier nicht genauer erforscht ist, beobachtete
Cienkowsky die Ausstossung der unverdauten Nahrungsreste, ähnlich wie
wir dies früher bei der entsprechenden Fortpflanzung gewisser Sarkodiuen
Vermehr, im Ruhezustand (C'iyptomonadiaeu, Mouadinen). 765
schilderteu (s. p. 311). Stein lässt die Spiösslinge einzeln und schon
mit Geisselu versehen aus der Cystenhülle austreten, wogegen sie Cien-
kowsky zunächst von einer sehr zarten Haut umschlossen aus der
Cyste hervortreten sah, die sie dann erst durchbrachen. Einen ent-
sprechenden FortptlanzuDgsprocess schildert Kent bei einer anderen
Bodoart (seiner Heteromita lens, vv^elche dem Bodo globosus [Duj.] St. sehr
nahe verwandt scheint). Die Zahl der Theilsprösslinge betrug hier bis
16 und dieselben befreiten sich durch einfaches Zerreissen der Cysten-
haut. Entsprechendes berichtet derselbe Beobachter auch von seiner
Ancyromonas. Die ähnlichen Fortpflanzungserscheinungen des Bodo
angustatus Duj. werden wir erst später besprechen, weil dieselben häufig
mit Copulation verknüpft sind.
Bei einigen Monadinen konnte Cienkowsky zuerst einen analogen
Vermehrungsvorgang nachweisen. Bei seiner sogen. Pseudospora parasitica,
die sich in faulende Spyrogyren einbohrt und wohl eine mit Oikomonas
verwandte Form ist, bildet sich eine kuglige Cyste, in welcher sich der
Körper, nach Ausscheidung der Nahrungsreste, in ca. 6 — 9 Sprösslinge
zertheilt (T. 40, 4 c). Ob diese Theiluug, wie Cienkowsky es wenigstens
1858 darzustellen scheint, simultan geschieht, dürfte doch noch eines be-
stimmteren Nachweises bedürfen. Auch bei seiner Oikomonas mutabilis
will Kent Encystirung und Zerfall des Inhalts der Cyste in zahlreiche
Theilsprösslinge beobachtet haben. Doch zeigt der abgebildete Haufen
von Theilsprösslingen durchaus nichts von einer umschliessenden Haut
(s. T. 40, 3 c), v/as die Schilderung etwas zweifelhaft macht.
Zu den eben geschilderten Vermehrungsvorgängen glauben wir auch
den von Dallinger und Drysdale bei einer eingeisseligen kleinen Form
(die Kent Monas Dallingeri taufte) geschilderten Fortpflanzuogsprocess
ziehen zu dürfen. Unter Verlust der Geissei rundet sich dieselbe zu einer
Kugel ab, an der plötzlich zwei sich senkrecht kreuzende helle Furchen
auftreten (T. 40, 5 e) ; diese Furchen vermehren sich im weiteren Verlauf
des Processes auf 4 (5 f.) und zeigen dann eine eigenthümliche radiäre
Anordnung, indem sie gleichzeitig einen etwas geschwungenen Verlauf
annehmen. Schliesslich zerfällt der Organismus, wohl unter weiterer Ver-
mehrung der Furchen in einen Haufen kleiner Sprösslinge (5 g), die sich
bald von einander trennen und dann dieselbe Beschaffenheit wie der
Mutterorganismus besitzen. Es scheint demnach hier wirklich ein zu
simultaner Theilung hinneigender Process stattzufinden, indem die suc-
cessiven Theilungsfurchen zwar nach der Regel fortschreitender Zwei-
theilung auftreten , jedoch anfänglich nicht zu wirklicher Durchschnürung
führen. Etwas zweifelhaft scheint es bis jetzt noch, ob dieser Theilungs-
vorgang wirklich im unumhüllten Zustande geschieht und nicht eine zarte
Hülle übersehen wurde.
Etwas unsicher ist auch die Bedeutung der ansehnlichen Cysten, welche
Ecker (1852) in Menge in todten Limnaeuseiern fand und die theils
einen noch unzerfallenen Inhalt, theils einen in eine grosse Menge rund-
7ßg Flagellata.
lieber kleiner Körperchen zerfallenen enthielten. Beim Zerdrücken derCj^sten
nahmen die befreiten Sprösslinge die Form von Cercomouaden an (der
CercDmonas longicauda am ähnlichsten). Wenn es auch nicht unwahr-
scheinlich ist, dass diese Cysten thatsächlich in den Entwickhmgskreis
einer Cercomonas gehörten, so lässt sich dies zur Zeit doch nicht scharf
heweisen , weshalb wir uns mit diesem Hinweis begnügen.
Nur kurz berichten wir weiter über einige bierhergehörige Angaben
Kent's, da dieselben vorerst auch nicht ganz gesichert erscheinen.
Encystirung mit folgender Bildung von Theilsprösslingen fand er noch
bei seiner Physomonas (fraglich ob von Monas Stein verschieden). Hier
bildet sich die Cyste auf dem plasmatischen Stiele, mittels welchen das
Wesen befestigt ist aus und erscheint daher gleichfalls gestielt (T. 41, 2 b).
Der Stiel soll sich nämlich gleichzeitig verdicken und erhärten. Selt-
.sam erscheint, dass die austretenden Sprösslinge zunächst eingeisselig
sind (41, 2 b), während die ausgebildete Physomonas stets zwei Geissein
besitzt.
Encystirung und sog. Sporenbildung gibt Kent weiter für die Bikoecida
(Bicosoeca und Poteriodendron) an; die Encystirung geschehe hier in der
Schale, in welcher dann auch die Sporen beobachtet wurden, doch
scheint es mir wenig sicher, ob die losen, in sonst leeren Schalen ge-
sehenen kleinen Körperchen (T. 40, 10b) wirklich Abkömmlinge der
früheren Bewohner derselben (Theilspriisslinge oder Sporen) gewesen sind.
Der von Kent für Anthophysa geschilderte Encystirungs- und Ver-
mehrungsprocess scheint gleichfalls unsicher, da einmal die Abstammung
der beoachteten, mit einem flaschenartigeu Hals sich öffnenden Cyste (T. 41,
5 d — e) von Anthophysaindividuen nicht erwiesen wurde und andrerseits
auch der Uebergang der in diesen Cysten entstandenen zahlreichen ein-
geisseligen Sprösslinge in Anthophysen nicht mit ausreichender Sicherheit
festzustellen war. Hierzu gesellt sich noch, dass Balbiani neuerdings kleine
kuglige Cysten der isolirten Anthophysaindividuen beschrieb, die sich in
ihrer Bildung nicht unwesentlich von denen Kent's unterscheiden.
Schliesslich erscheint mir auch die gestielte und befestigte Cyste mit
zahlreichen Sprösslingen oder Sporen, welche Kent von seiner Deltomonas
beschreibt (T. 42, 5 c), nach der Abbildung etwas zweifelhaft.
c) Familien- und Koloniebildungen als Folgeerschei-
nung der Vermehrung durch Theilung. Eine Unterscheidung
zwischen Kolonial- und Familienverbänden Hesse sich, ähnlich wie dies
mehrfach bei den Sarkodinen versucht wurde, auf den Umstand basiren,
dass bei den letzteren nur eine Zusammengruppirung zahlreicher Einzel-
individuen zu einem Verbände stattfinde, bei den ersteren dagegen eine
wirkliche organische Vereinigung der Einzelindividuen durch Zusammen-
hang ihrer Plasmakörper geschehe. Gerade die Verbände der Flagel-
laten zeigen jedoch, dass eine derartige Unterscheidung etwas ge-
zwungenes hat und dadurch nahe verwandte Kolonialverbände unnatür-
Vermehr, im Kuliczust. (Monadinen etc.); Koloniebildung- (Synma u. Syncrypta). 767
lieh gesondert würden. Wir ziehen es daher vor, die sUmnithchen Ge-
sellschaftsverbindungen der Flagellateu gemeinsam abzuhandeln.
Alle diese Verbände entstehen durch fortgesetzte Zweitheilung, und
zwar, so weit sich feststellen lässt, fast stets durch succcssive Längsthei-
lung, indem die Sprösslinge in verschiedener Weise mit einander zu
einer Kolonie verbunden bleiben *). Da wir schon früher bei Besprechung
der Gehäuse und Stielbildungen die Bauweise einer Anzahl Kolonien berück-
sichtigen mussten so gehen wir auf diese hier nur kurz ein.
Die Bildung der Kolonien geht einmal von freischwimmenden Flagel-
laten aus und führt dann auch zu freischwimmenden Verbänden. Derartigen
Kolonien begegnen wir bei einigen Isomastigoden, den Gattungen Synura
und Syncrypta. Bei beiden gruppiren sich die Einzelthiere radial um ein
Centrum dicht zusammen, so dass die ganze Kolonie eine Kugel darstellt. Bei
Synura (T. 43, la) stehen meinen Beobachtungen zufolge die Einzelthiere
thatsächlich im Centrum in organischem Zusammenhang, indem die stiel-
förmig ausgezogenen Hintertheile hier verschmelzen. Dagegen bemerkt Stein,
dass die Individuen nur lose zusammenhängen. Bei Syncrypta (43, 3 a)
ist bekanntlich noch ein dicker, die kuglige Kolonie umhüllender Gallert-
mantel vorhanden. Die Zahl der vereinigten Individuen ist sehr schwan-
kend, da dieselbe sich ja fortgesetzt durch Zweitheilung vermehrt. Bei
Synura wird dieselbe griisser wie bei Syncrypta und steigt nach Ehren-
berg bis auf 90, scheint jedoch gewöhnlich nur gegen 40 zu betragen.
üeber die Entstehung- der Kolonien von Synura und Syncrypta machte Ose. Grimm
(143) interessante, jedoch wegen einiger irriger Bestimmungen nicht ganz zuverlässig er-
scheinende Beobachtungen. Seine Haüptuntersuchungen bezichen sich auf eine Form, welche er
mit üroglena Yolvox identificirt, die jedoch mit dieser sicher gar nichts zu thun hat, sondern
wahrscheinlich eine Syncrypta war. (irimm sah nun zunächst die Kolonien beider Formen
gelegentlich in ihre Einzelindividuen zerfallen und diese unter Verlust der Geissein in einen
amöboiden Zustand übergehen, in welchem sie auch weiter wachsen sollen. Schliesslich gehen
diese Amöben in einen Euhezustand über, welcher als Cyste bezeichnet wird, jedoch scheint
die Abbildung einer solchen Cyste der Syncrypta sicher zu lehren, dass nur eine Icörnige
(iallerthülle abgeschieden wird. Bei Syncrypta gelang es nun, die successive Theilung des
ruhenden Einzelindivicluums in dieser Gallerthülle unter fortdauerndem Wachsthum zu verfolgen
und in dieser Weise sollen Kolonien von 2 — 300 Individuen entstehen, welche schliesslicli ihre
Geisseln durch die gemeinsame Gallertiiülle hindurch entwickeln, so dass die Kolonie jetzt
ganz denen der Syncrypta Volvox gleicht, von welcher sie sich jedoch durch die hohe Indi-
viduenzahl wesentlich unterscheidet. Endlich sollen diese Kolonien sich von ilirer Gallerthiille
befreien. Wie schon bemerkt, erscheint es schwierig die Grimm'schen Beobachtungen mit
den über die erwähnten Formen anderweitig bekannten in einen befriedigenden Zusammonhang
zu bringen , da namentlich auch die Angaben Grimm's über die Organisation der Syncrypta
und Synura eine gewisse Unsicherheit der Beobachtung verrathen; so sah er stets nur eine
Geisscl und die Endochromplatten gar nicht deutlich. Immerhin scheint der geschilderte Ent-
wicklungsgang im Allgemeinen nicht unplausibel , und sollte sich das Abstreifen der Gallert-
hülle der vermuthlichen Syncrypta bestätigen, so läge die Möglichkeit vor, dass auch der
Gallertmantel der Syncrypta Volvox eine vergängliche Hrdle ist, wodurch dann andererseits die
*) Ehrenberg glaubte noch, dass eine Anzahl der Flagellatenkolonien (Anthophysa, Synura)
durch Vereinigung ursprünglich getrennter Individuen entstunden, durch einen geselligen Trieb,
der sie beseele, ja ur findet darin sogar eine Poesie ihres Lebens, die andern Formen fehle.
768 Flagellata.
DifFerenzeu zwischen den Gattuugeu Syiiura und Syncrypta ziemlicli elimiuirt erscheinen
würden.
Sehr eigenthümliche Koloüien einer, wie es scheint, mit Synura nahe
verwandten Form (Chlorodesmos hispidaPhill.) beschrieb neuerdings Phillips
(198). Die mit einer stacheligen, dreieckigen Hülle versehenen Einzel-
thiere sind hier nicht um ein Centrum zusammengruppirt, sondern reihen
sich zu ungetähr dreissig in einer Kette aneinander. Die Art der Verbindung
der Individuen untereinander wurde nicht sicher ermittelt, doch vermuthet
Phillips wegen der eigenthümlichen Bewegungserscheinungen der Kolonien,
dass ein sehr zartes, hyalines und contractiles Band die Verbindung
herstelle. Die Kolonien zeigen nämlich rhythmische Bewegungen in der
Weise, dass während das eine Ende der Kette irgendwo festgeheftet ist,
die Kette sich abwechselnd verlängert und wieder bis auf ein Fünftel
der grössten Länge zusammenzieht. Ausserdem sollen jedoch die Indi-
viduen der Kette noch eine zw^eite, mir nicht ganz verständlich ge-
wordene Bewegung zeigen, indem die benachbarten, rasch dicht zusammen-
rücken — zusammenklappen. Letzterer Vorgang erfolgt unregelmässig,
nicht rhythmisch wie der zuerst beschriebene.
Hier reihen sich weiter die Kolonien der Gattung üroglena (T.42,3a)
an, deren sehr zahlreiche Individuen in der oberflächlichen Schicht einer
gemeinsamen Gallertkugel radial eingebettet sind, sich jedoch nach meinen
und Stein's Untersuchungen nicht bis zum Centrum der Kolonie erstrecken,
wogegen ihnen Kent einen langen contractilen Schwanz zuschreibt, mittels
dessen alle Thiere im Centrum zusammenhängen sollen, ähnlich wie bei
Synura. Die Zahl der Einzelthiere wird hier häufig sehr gross, beträgt
gewiss bis zu mehreren Hunderten, ebenso ist auch die Grösse der
Kolonien recht beträchtlich (etwa 0,2 bis 0,3 mm). Ihre Gestalt ist häufig
nicht rein kuglig, sondern mehr oder weniger unregelmässig eingeschnürt
bis gelappt, üeber die Vermehrung der Individuen der Uroglenakolonien
hat bis jetzt nur Kent etwas ermittelt. Nach ihm geschieht dieselbe derart,
dass einzelne Individuen nach Einziehung ihrer Geissei sich successive in
zwei, vier bis acht Sprösslinge theilen, welche sich hierauf zwischen die Kolo-
nialindividuen einordnen. Etwas Genaueres über die Theilungsvorgänge
wurde nicht ermittelt. Derselbe Beobachter glaubt jedoch auch, die Neu-
entstehung junger Kolonien in den alten beobachtet zu haben, die sich
ähnlich repräsentirten , wie die Tochterstöcke des Volvox. Seine nicht
ausführlicher mitgetheilten Wahrnehmungen machen jedoch einen um so
zweifelhafteren Eindruck, weil er gleichzeitig sehr merkwürdige und ganz
irrige Ansichten über die Entstehung der jungen Volvoxkolonien äussert.
Häufiger wie die freischwimmenden Kolonien sind die befestigten, die
sich, wie früher bemerkt, bei gestielten oder ungestielten Formen unter Mit-
wirkung der Hüllen oder Stiele entwickeln. Schon früher (p. 680) haben wir
diese Kolonien der Spongomonaden und Dendromonaden besprochen und
da ihre Bauart meist auch den Gang ihrer Bildung hinreichend andeutet,
so kommen wir hierauf nicht nochmals zurück. Nur die gleichfalls hier-
Koloniebilduiiü, (Diiiobryou, Poteriodeudrou, Colacium, Clilorangium). • 769
her zu stellenden Kolonien der Gattungen Poteriodendron und Dino-
bryon seien noch kurz erwähnt. Dieselben (T, 40, 10a und T. 42, 1)
bilden sich dadurch, dass nach jeder im Gehäuse des Einzelthiers ge-
schehenen Zweitheilung der eine Sj)rössling auf den Mündungsrand der
Schale wandert und sich auf deren Innenseite befestigend , ein neues
Gehäuse ausscheidet. Demnach bauen sich die Kolonien in der Weise auf,
dass sich die Gehäuse der Einzelthiere successive in den Mündungsrändern
ihrer Vorgänger befestigen und die ganze Kolonie so zu einem fächer-
artig verzweigten Stock auswächst. Da sich nun die Theilung des im
alten Gehäuse zurückgebliebenen Sprösslings noch weiter wiederholen kann,
so befestigen sich häutig nicht nur ein, sondern mehrere jüngere Gehäuse im
Mündungsrand eines älteren, was die Mannigfaltigkeit des Aufbaues er-
höht. Die Kolonien von Dinobryon sind gewöhnlich unbefestigt, die von
Poteriodendron dagegen aufgewachsen.
Ein Theil der seither besprochenen Kolonien ist einer Fortpflanzung
im Kolonialzustand fähig — eine Erscheinung, welche für eine An-
näherung derselben an individuelle Selbstständigkeit spricht. Mit Sicher-
heit constatirte zuerst Stein diese Selbsttheilung der Kolonien bei Synura
und den ähnlichen Kolonialtrauben der Anthophysa, doch wollte schon
Ehrenberg diesen Vermehrungsact bei losgelösten , freischwimmenden
Kolonien der letzteren (seiner Uvella Chamaemorum) beobachtet haben und
auch Dnjardin vermuthete ihn schon für die gewöhnlichen Anthophysenkolo-
nien. Die Theilung geschieht durch Längsstreckung der kugligen Kolonie,
worauf dieselbe durch eine mittlere Einschnürung in zwei gleiche Tochter-
kolonien zerfällt (T. 41, 5 e, k).
Interessanter Weise findet sich auch unter den Eugleninen eine ge-
stielte, festgewachsene, koloniebildende Form, die Gattung Colacium,
deren Kolonien auch wegen ihrer allgemeinen Bildungsgeschichte ein
besonderes Interesse verdienen. Sie gehen aus freischwimmenden
Einzelthieren hervor, welche sich unter Verlust der Geissei mit
ihrem Vor der ende festheften und indem sie sich mit einer dünnen
Gallerthülle umkleiden gleichzeitig an dem festgehefteten Vorderende
einen längeren oder kürzeren GalJertstiel ausscheiden, auf dem sie
sich erheben. Indem nun das die Kolonie gründende Einzelthier sich
durch fortgesetzte Längstheilung (sammt der Gallerthtille) unter Aus-
scheidung neuer Gallertstiele für die gebildeten Sprösslinge vermehrt, ent-
stehen allmählich Kolonien zahlreicher Individuen, welche auf den
Enden der Zweige eines fortgesetzt dichotomisch verästelten Gallertstiels
angebracht sind (T. 47, 16 b).
Wiederholt wird diese Bildungsgeschichte der Colacienkolonie von einer
zu den Chlamydomonadinen gehörigen Form, der Gattung Chlorangium
St., Welche deshalb auch irrthtimlicher Weise lange zu Colacium gezogen
wurde. Auch die Kolonien des Chlorangium werden durch freischwim-
mende Einzelthiere gegründet (T. 44, 2 a), die sich mit ihrem Vorderende
unter Ausscheidung eines Gallertstiels und Verlust der Geissein festsetzen.
Bronn, Klassen des Thiei-Reichs. Piotozoa. 49
770 Flagcliata.
Der weitere Verlauf der Koloniebildung wird jedoch durch die eigenthüm-
lichen Vermehrungserscheinungen der Chlorangien modificirt, welche
mit denen übereinstimmen, die wir bei dem nächstverwandten Chloro-
gonium gefunden haben. In seiner Schalenhülle theilt sich der
Chlorangienkörper successive in 2 oder 4 Sprösslinge (T. 44, 2 b), welche
schliesslich durch Auflösung des distalen Endes der Schalenhülle des Mutter-
individuums frei werden und sich nun ihrerseits neue Schleimstiele aus-
scheiden, die im Grunde des noch erhaltenen Restes der Mutterschale
befestigt sind (T. 44, 2 c). Schliesslich sollen Jedoch die Reste dieser
Schalenbülle gänzlich schwinden. Indem sich der gleiche Vermehrungs-
process an den Sprösslingen wiederholt, können sich etwas unregelmässige
Kolonien bilden, da namentlich auch die Gallertstiele gleichzeitig entstan-
dener Sprösslinge häufig von sehr verschieder er Länge sind.
Wie bei Colacium werden auch bei der letzterwähnten Gattung nicht
selten einzelne Kolonialindividuen unter Neubildung von Geissein wieder
beweglich und treten aus dem Verbände aus, um zu Gründern neuer Kolo-
nien zu werden.
Eine besondere Darstellung verdienen die Koloniebildungen der Vol-
vo einen, da dieselben sich sowohl durch Bauweise wie Entstehungs-
und Vermehrungsgeschichte als eigen geartete und streng zusammen-
gehörige ergeben.
Wie schon früher bemerkt wurde, entstanden diese Kolonien jeden-
falls dadurch, dass Theilungsverbände, wie wir sie bei gewissen
Chlamydomonadinen (Polytoma und Chlorogonium) gefunden haben,
zusammenhängend blieben und nach der Entwicklung der Geissein als
Kolonie weiter lebten. Dass dem so sein muss, ergiebt sich mit
grosser Sicherheit aus der Entstehung dieser Kolonien, welche stets durch
rasche successive Zweitheilung eines Einzeliodividuums unter dem Schutze
seiner Schalenhülle (Zellhaut) geschieht, ganz wie die früher geschilderte
Vermehrung der Polytoma. Die Kolonie tritt denn auch hier gleich in
ihrer Totalität in die Aussenwelt und bildet sich nie durch langsame,
successive Zweitheilung eines ursprünglichen Individuums, wie wir das
bei den seither besprochenen fanden. Auch eine Vermehrung der Kolonien
durch Zweitheilung findet sich hier nicht.
Sehr primitive Verhältnisse begegnen wir bei der Gattung Spondy-
lomorum (T. 45, 4), Die aus 16 Individuen bestehende Kolonie bildet
einen ungefähr ovalen Körper, indem sich sämmtliche gleich gerichteten
Individuen in vier hintereinander gestellten, alteruirenden Kränzen von
je vier Individuen um die koloniale Längsaxe gruppiren. Der Zusammen-
halt der Kolonien ist ein sehr loser und eine gemeinsame Umhtillungs-
haut fehlt vollständig. Die Entstehung dieser Kolonien hat schon Ehren
berg (1848) richtig erkannt und später verfolgten Stein (1854 und 1878), so-
wie Carter (1879) dieselbe genauer. Sie geschieht durch successive Theilung
der Einzelindividuen in ihrer Hülle zu Tochterkolonien und zwar voll-
Koloniebilduuji- tl. Volvocineu (Spoiidylomoruiii, (ioiiiuin). 771
zieht sich dieser Vermehrungsprocess ziemlich gleichzeitig an sämmtlichen
Kolonialindividuell*). Der genauere Verlauf des Theilungsprocesses ist
nicht bekannt, nur geht aus Stein's Abbildungen hervor, dass der erste
Theilungsschritt hier sicher der Länge nach geschieht.
Genauer erkannt sind die Kolonialverhältnisse der Gattung Goniuni.
Hier besteht jede Kolonie aus vier (G. sociale DJ. sp.), oder 16 (G. pecto-
rale 0. F. IVI.) Einzelindividuen, die in einfacher Schicht zu einer tafelförmigen
viereckigen Gruppe zusammengefügt sind (T. 44, 9 a— b). Sämmtliche In-
dividuen sind auch hier gleichgerichtet und ziemlich parallel der kürzesten
Axe der Tafel, so dass sich alle Geissein auf der einen Tafelseite
finden. Bei der sechzehnzelligen Form divergiren die äusseren Zellen
etwas, wodurch die Parallelität der Individuen ein wenig gestört
ist. Bei dem vierzelligen G. sociale stehen die vier Individuen einfach
so, dass sie die vier Ecken eines Quadrates bilden und die Schalenhülle
jedes Individuums hängt mit der der Individuen der Nachbarecken in
einer kurzen Strecke seitlich zusammen. Bei G. pectorale wird das Centrum
der Tafel aus vier entsprechend geordneten Individuen gebildet, um die sich
ein peripherischer Ring von zwölf äusseren legt und zwar so, dass je eines
sich an die Mitte der Seiten des inneren Quadrats anreiht, je zwei dagegen
sich an seine Ecken anlegen. — Zwischen den einzelnen Individuen
finden auch hier ähnliche Membranverbindungen statt, doch erhellt deren
Anordnung besser aus der Figur v^ie durch Beschreibung.
Etwas verschieden lauten die Angaben der Beobachter über eine
äussere Gallerthülle der Kolonien; während die älteren und ebenso Cohn
dieselbe als einen ziemlich weit abstehenden Mantel beschreiben, leugnen
Stein und andere ihre Existenz; doch möchte ich eher glauben, dass sich in
dieser Beziehung Verschiedenheiten finden.
Besonderes Interesse verdient die Entstehungsgeschichte der Kolo-
nien, resp. die Fortpflanzungsgeschichte unserer Gonien. Schon 0. F.
Müller (11) ermittelte dieselbe bei Gon. pectorale recht genau und zahl-
reiche spätere Beobachter (namentlich Turpin, Ehrenberg, Cohn, Goros-
hankin, A. Braun und Stein) vervollständigten unsere Kenntnisse derselben.
Die Bildung neuer Kolonien geschieht auch hier durch ziemlich gleich-
zeitigen Zerfall der sämmtlichen Zellen der Mutterkolonie mittels successiver
Zweitheilung. Das letztere stellte Cohn zuerst fest. Sicher ist weiterhin
nachgewiesen, dass sämmtliche Theilungsschritte in der Längsrichtung
geschehen und da dies auch für andere Volvocinen festgestellt ist, so
gilt es wahrscheinlich in der ganzen Gruppe. Dies deutet aber wieder
auf den nahen Zusammenhang dieser Formen mit den übrigen Flagellaten
hin. Sehr einfach vollzieht sich natürlich die Bildung der vierzelligen
Kolonie des G. sociale durch zwei successive sich senkrecht kreuzende
Längstheilungen.
'*) Doch beobachtete Carter (1869) auch Zerfall der Zellen in 32 Weine Sprösslinge,
also wahrscheiidirh eine Mikroffonidieu- resp. Gametenbildung-.
49*
772
Flaftellata.
Erklärung' von Fis,-. 1. Dar-
stellung der aufeinanderfolgenden
Theilungsschritte (I — V) der Gonium-
zelle nach der Schilderung- Goroshan-
kin's.
Complicirter verläuft der in vier Theilungsschritten stattfindende Ent-
vi^icklungsprocess der sechzehnzelligen Kolonie des G. pectoraie. Die
genauesten Beobachtungen hierüber machte Goroshankin und der neben-
stehende Holzschnitt versinnlicht besser wie
eine Beschreibung die Aufeinanderfolge
der Theilungeuj welche zu dem sechzehn-
zelligen Zustand führen. Auch Cohn hatte
schon früher eine entsprechende Aufein-
anderfolge der Theilungen mehr erschlossen
wie beobachtet. Das Resultat des Thei-
lungsactes ist nun ein sechzehnzelliges
Täfelchen, in dem die Anordnung der Zellen
jedoch etwas von der der erwachsenen
Kolonien abweicht, da sie in vier vierzel-
ligen parallelen Reihen dicht nebeneinander
liegen. Indem die Zellen sich mehr ab-
runden und etwas auseinander weichen,
tritt erst die für die erwachsenen Kolonien
charakteristische Anordnung durch eine
geringe gegenseitige Verschiebung derselben
hervor. Hierauf verschleimt nach Goroshankin die Schalenhülle der Mutter-
zelle und bildet den gemeinsamen Gallertmantel der jungen Kolonie, die,
wenn sie sich befreit, schon die Hüllmembranen ihrer Individuen deutlich
erkennen lässt.
Gegen diese Thcilungsfolge der Goniumzelle erklärte sich A. Braun (153), indem er auch
hier dieselbe Theilfolge annimmt, welche wir gleich bei Eudorina und Volvox kennen lernen
werden. Obgleich sich der sichere Nachweis nicht erbringen lässt, dass Braun hierin Recht
hat, so ist doch beachtenswerth, dass Stein einen Thcilungszustand abbildet, welchen er zwar
nur mit Zweifel zu Goiiium pectoraie stellt, der jedoch nicht wohl etwas anderes sein kann,
und der auf dem achtzelligen Stadium genau die charakteristische Anordnung der Zellen
zeigt, die wir bei Eudorina und Volvox finden werden. Es scheint daher zur Zeit noch etwas
unsicher, ob die von Goroshankin und Cohn angegebene Theilfolge ganz richtig und die üeber-
einstimmung mit den übrigen Volvocinen nicht doch eine innigere ist.
Die nächste Verwandtschaft mit Gonium besitzt die interessante
Stephanosphaera. Ihre Kolonien bestehen nur aus acht Indi-
viduen, welche ähnlich wie bei Gonium in einer Ebene zusammengestellt
sind, jedoch nicht zu einer Platte, sondern zu einem kreisförmigen Ring.
Dieser Individuenring hat sich jedoch mit einer sehr deutlichen gemein-
samen Kolonialhülle umkleidet, welche aus Cellulose besteht. Dieselbe ist
weit und kuglig und der Ring der acht Individuen liegt dicht unter ihr,
im Aequator der Kugel. Die Gestalt der Individuen ist entweder eine mehr
kuglige bis ovale und ihr Vorderende dann der Kolonialhülle, durch welche
die beiden Geissein austreten, dicht angelegt, oder es dehnen sich die Indi-
viduen parallel der Kugelaxe spindelförmig in die Länge aus und ihre bei-
den Enden entsenden eine Anzahl verzweigter Pseudopodien, die sich an
die Polarregionen der Kolonialhülle befestigen. Letztere Eigenthümlichkeit
Kolonien d. Volvociiien (Goniuui, Stcphanosphacra, Pandoriaa, Eudorina). 773
verräth jedeofalls sicher, dass bei Stephanosphaera keine Scbalenhüllen der
Eiiizelindividuen existiren. Die Vermehrung- und Entstehung der Kolonien ge-
scliieht wie bei den seither besprochnen Formen durch successive Zweithei-
lung der Individuen. Die Theilungsfolge schildert Cohn so, dass der vierzellige
Zustand durch Auftreten zweier neuer Theilebenen, welche die beiden früheren
unter 45*^ halbiren, regulär in acht strahlig geordnete Zellen zerfalle, doch
vermuthet A. Braun wohl nicht mit Unrecht, dass der Vorgang der Acht-
theilung sich dem der Eudorina näher anschliesse. Die acht Sprösslingc
rücken hierauf zu einem jungen Ring auseinander, welcher bald eine
ihm zuerst dicht aufliegende und also zunächst tafelförmige Kolonialhüllc
ausscheidet, die sich später durch Wasseraufnahme kuglig aufbläht.
Hinsichtlich ihrer Bauweise stehen sich die Kolonien der beiden im
Folgenden zu beschreibenden Gattungen Pandorina (T.44,8a) und Eudo-
rina sehr nahe. Beide bilden kuglige bis ellipsoidische Stöcke, weichein
einer gemeinsamen und meist ziemlich derben Kolonialhülle 16 — 32 über
die ganze Kugeloberfläche vertheilte Individuen einschliessen.
Pandorina besitzt meist nur 16 Individuen , welche wie die von
Synura gewöhnlich im Centrum der Kolonie zusammenstossen und
sich seitlich dicht berühren. Die Zellen scheinen von Specialhüllen um-
kleidet zu sein, wenn auch der nach Aussen gerichtete Theil der
letzteren häufig mit der gemeinsamen Kolonialhülle zusammenzu-
schmelzen scheint. Bei älteren Kolonien hebt sich nach Stein die
Kolonialhülle häufig weiter ab und unter ihr treten secundäre Ver-
dickungsschichten auf. Neue Kolonien bilden sich auch hier durch fort-
gesetzte Zweitheilung sämmtlicher Kolonialindividuen und werden durch
gallertige Aufquellung der Kolonialhülle und der Specialhüllen der Mutter-
individuen frei. Noch etwas unsicher erscheint bis jetzt, ob sich die
kuglige Pandorinakolonie wie die der Eudorina aus einem goniumför-
migen Stadium hervorbildet, doch halte ich dies mit A. Braun für sehr
wahrscheinlich.
Eudorina unterscheidet sich von Pandorina wesentlich dadurch, dass
ihre Kolonien gewöhnlich 32 zellig sind (doch finden sich auch 16 zellige,
welche sich durch spätere Zweitheilung ihrer Individuen zur 32 zelligen
Form entwickeln können). Weiterhin ist besonders charakteristisch, dass
die Zellen sich weder im Centrum noch seitlich berühren, sondern in
massigen und gleichen Abständen über die Oberfläche der Kolonie ver-
theilt sind, lieber ihre Anordnung machte Henfrey (1856) die nicht un-
wahrscheinliche Angabe, dass sie stets in Parallelkreisen um die häufig
auch durch Längsstreckung bezeichnete Axe der Kolonie gestellt sind und
zwar bei 16 zelligen Kolonien in zwei vierzelligen Polar- und einem acht-
zolligen Aequatorialkranz, bei 32 zelligen Kolonien dagegen in zwei vier-
zelligen Polar- und drei achtzelligen Aequatorialkränzen.
Von besonderem Interesse ist nun die Neuentstehung der Kolonien
durch ziemlich gleichzeitige Theilung der sämmtlichen Kolonialindividuen.
Dieser Vorgang wurde ziemlich gleichzeitig von A. Braun und Goroshankin
774
Flagellata.
Ficj. 2.
Erklärung dur Fig. 2. Dar-
stellung der aufciuanderfolgeuden
drei ersten Theilungsscliritte (l — Illi
der Eudorinazelle, die zum 8 zelligen
Stadium fuhren. (Nach Braun und
(jürObhauKin.)
studiit und übereinstirameud geschildert. Auch hier siud e« successive
LäügstheihiDgen, welche nach dem vierzelligen Stadium einen interessanten
Verlauf nehmen. Die vier ersten Theil-
zellen furchen sich nämlich nicht durch
gleich gerichtete Theilebenen, sondern in
den beiden sich gegenüberstehenden Paaren
laufen die beiden Theilebenen senkrecht
zu einander. Als Resultat dieser Theilung
entsteht ein achtzelliger Körper von neben-
gezeichneter Beschaffenheit (s. Fig. 2 u. 3)*),
der aus vier im Centrum sich berührenden
Zellen und vier äusseren besteht, welche
nicht bis zum Centrum reichen. Die Thei-
lung zu IG Zellen geschieht nach Goro-
shankin derart, dass zuerst die vier inne-
ren Kreuzzellen in je eine centrale und
eine peripherische Zelle zerfallen und hier-
auf die vier peripherischen Zellen, wobei
deren Theilebenen gleichgerichtet sind mit
den Theilebenen der benachbarten Kreuzzellen. Die nebenstehende Figur 3
gibt genaueren Aufschluss über diese Vorgänge. Das Resultat dieses Thei-
lungsprocesses ist eine IGzellige Platte, welche in ihrem Bau ganz der
Goniumplatte entspricht. Wie bei den Theilungser-
scheinungen der Polytoma etc. haben sich die bei-
den Geissein der Mutterzelle während dieses Ver.
mehrungsprocesses thätig erhalten und schwinden
erst während der jetzt folgenden Processe. Der
Uebergang einer solchen Platte in eine kuglige
IGzellige Eudorinakolonie vollzieht sich nun nach
Braun und Goroshankin dadurch, dass sich ihre
Ränder über die Fläche zu krümmen beginnen
und endlich sehr rasch, nach Goroshankin „fast
momentan" zur Kugel zusammenschliessen.
Eine 32 zellige Kolonie geht nach Goroshankin
aus der eben beschriebenen IG zelligen Platte da-
durch hervor, dass die vier centralen Zellen sich
unverändert erhalten, dagegen die vier Eckzellen
der viereckigen Platte in drei Zellen und ihre beiden
Nachbarn in je zwei Zellen zerfallen, wie dies in
nebenstehender Figur 4 durch punktirte Linien
angedeutet ist. Durch Einkrümmung dieser
32 zelligen viereckigen Platte bildet sich dann in
Fuf .0.
n
Erklärung von Fig. '6.
SchcuiatisclieDarstellung der
Entstehung des 1(3 zelligen
Zubtandes aus dem 8 zelligen
der Eudorina durch das Auf-
treten der IV. und V. Thei-
lungsscliritte. Die Figur
zeigt gleichzeitig die eigen-
thümliclie Anordnung der
Zellen des 8 zelligen Sta-
diums; die Theilfurche IV'
spaltet zunächst die cen-
tralen Kreuzzellen in 2 neue,
die Furche V die äusseren
Zellen. (Nach Goroshankin.)
*) Letztere Figur zeigt die definitive Anordnung der acht Zellen, wie sie sich durch
gewisse Verschiebungen wälirend des Tiicilunu^processes erzeugt.
Kolonien d, Volvocineu (Eudorina, Volvox).
775
Fv^A.
derselben Weise die kuglige 32 zellige Kolonie. Die Zellen der kuglig
gewordeneu Kolonie wachsen rasch und platten sich gegenseitig polygonal
ab, scheiden die gemeinsame Kolonialhülle aus und bilden ihre Spccial-
hiillen. Nach Ausbildung der Geissein durchbricht die junge Kolonie
schliesslich die bis jetzt noch erhaltene, jedoch sehr verdünnte Mem-
bran der Mutterzelle, sowie die Kolonialhülle der Mutter und wird frei.
Viel Uebereinstimmung mit Eudorina bietet
schliesslich die Gattung Volvox dar, deren sogen.
Kolonien jedoch diesen Namen eigentlich nicht mehr
verdienen, sondern vielzellige Individuen einfachster
Art geworden sind, wie ich mit Goroshaukin behaup-
ten muss. Dies spricht sich darin aus, dass die
Fähigkeit, neue Kolonien zu erzeugen, auf einzelne
Individuen oder Zellen beschränkt ist, die sich schon
sehr frühzeitig durch energisches Wachsthum von den
übrigen unterscheiden. Die Gattung Volvox gehört
daher streng genommen nicht mehr in den Bereich
unserer Betrachtung; da dieselbe jedoch auf das
allerinnigste mit den seither besprochenen Volvocinen
verbunden ist und ihr auch eine isolirte Stellung vor-
erst nicht angewiesen werden kann, müssen wir sie
doch etwas genauer besprechen. Wie gesagt, ist der
allgemeine Bau eudorinenartig. Das ansehnliche kugel-
förmige Wesen wird aus sehr zahlreichen Zellen ge-
bildet, die peripherisch, dicht unter einer gemeinsamen
äusseren Mantelhülle in gleichen regelmässigen Ab-
ständen liegen (44, lOa-b). Jede Zelle besitzt eine
weitabstehende Speziallmlle , deren peripherischer Theil jedoch mit der
allgemeinen Kugelhülle und deren seitliche Theile mit denen der sechs
in regelmässiger Weise jede Zelle umstehenden Nachbarzellen un-
trennbar verwachsen erscheinen. Bei der Ansicht auf die Kugelfläche
(10 b) erscheinen daher die Zellhüllen als regelmässig sechsseitige waben-
artige Figuren um sämmtliche Zellenleiber. Besonders charakteristisch
für Volvox ist weiterhin, dass das Plasma sämmtlicher Zellen in
organischer Verbindung steht, indem von jedem Zellleib sechs Plasma-
fäden gegen die Mitte der sechs Seiten der Zellhülle ausstrahlen und
diese durchbrechend in die entsprechenden Fäden der sechs Nachbar-
zellen übergehen.
Wie bemerkt, ist die Zahl der Zellen eine ungemein grosse, bleibt
jedoch bei dem überhaupt kleineren Volvox minor St. geringer, bei Volvox
Globator dagegen steigt sie nach Cohn bis gegen 12,000. Unter
den gewöhnlichen Zellen finden sich jedoch noch andere in geringerer
Zahl vertheilt, welche sich durch besondere Grösse und Geissellosig-
keit auszeichnen und bei den ungeschlechtlich sich fortpflanzenden
Generationen als sogen. Parthenogonidien die neuen Kolonien hervor-
Erlvlär. von Fig. \.
Schemat. Darstellung- der
Entstehung- d. 32zelligen
Zustandes der Eudorina
aus der 16zelligen Platte
der Fig. 3. Die aus den
4 centralen Kreuzzellen
der Fig. 2 u. 3 entstan-
denen S Zellen sind durch
Schraffiruiig bezeichnet.
Die äussere derselben
wird durch die punktirte
Furche in 2 zerlegt, die
4 Eckzellen in je 3 und die
4 übrigen Seitenzellen in
je 2, wie die punktirten
Linien zeigen. (Nach
Goroshankiu.)
'jjg Flagellata.
briogen, bei den geschlechtliehen Generationen dagegen entweder als
Eier oder als Samenmutterzellen functioniren. Zunächst interessiren uns
hier nur die Parthenogonidien der ungeschlechtlichen Generation.
Dieselben sind rundliche Zellen, welche zwischen den gewöhn-
lichen Zellen vertheilt sind und sie schon frühzeitig an Grösse sehr
übertreffen. Doch schwankt einerseits die Zahl derselben wie ihre Grösse
bei den verschiedenen Volvoxarten. Während bei Volvox Globator und
Carteri sehr regelmässig acht Parthenogonidien vorhanden sind, ist ihre
Zahl bei V. minor nach Stein ziemlich schwankend, meist finden sich
vier, doch gelegentlich auch zwischen einer bis acht. Die Parthenogonidien
der letzteren Form, wie des V. Carteri übertreffen die des V. Globator
an Grösse sehr, bei V. minor erreichen sie etwa den fünffachen Durchmesser
der gewöhnlichen Zellen, bei V. Globator dagegen nicht viel mehr wie den
doppelten. Die ansehnliche Grösse der Parthenogonidien bedingt, dass
sie tiefer wie die übrigen Zellen ins Innere des Centralraums der Kolonie
hineinhängen.
Hinsichtlich der Vertheilung dieser Parthenogonidien über die Ober-
fläche des Volvox finden sich einige interessante Angaben von Cohn und
Carter. Der erstere berichtete 1856, dass die Parthenogonidien stets
auf eine Hemisphäre der Volvoxkugel beschränkt seien. Carter dagegen
fand bei Volvox Globator und Carteri stets ein Viertel der Kugeloberfläche
frei von denselben. Die meisten Beobachter schweigen über diesen Punkt
und scheinen daher eine gleicbmässige Vertheilung über die gesammte
Oberfläche anzunehmen.
Die Entwicklung junger Volvoxindividuen aus den Parthenogonidien
hebt gewöhnlich schon sehr frühzeitig, bei Volvox Globator schon kurz
nach der Geburt des Individuums an und geschieht auch hier, was schon
Ehrenberg constatirte, durch fortgesetzte Zweitheilung. Dabei wächst
jedoch der junge sich entwickelnde Volvox rüstig weiter, so dass gegen
das Ende der Entwicklung sein Durchmesser '/i (V. Globator) bis
2/5 (V. minor) desjenigen des Mutterorganismus beträgt.
Je mehr die sich entwickelnden jungen Individuen heranwachsen,
desto tiefer hängen sie in den Centralraum der Mutter hinein, noch um-
schlossen von der Hülle der Parthenogonidien. Gegen das Ende der
Entwicklung hebt sich dieselbe von dem jungen Volvox mehr ab und
derselbe durchbricht sie schliesslich, nachdem seine Zellen Geissein ent-
wickelt haben und gelangt in die Centralhöhle der Mutter. Endlich wird
die Wand der Mutterkugel gesprengt und die Töchter treten aus*).
*) Wills (Midland Naturalist Septbr.— Octbr. 1880) gibt an, dass die Oeffnung zum
Austritt der Tocliterindividuen sich stets an einer bestimmten Stelle der Mutterkugel bilde und
zwar au demjenigen Pol derselben, welcher bei der Bewegung das hintere Ende darstellt. Der
Durchmesser der Oeffnung sei bei Volvox Globator kleiner wie der der Tochterkugcln und
die e würden mit einer ziemlichen Gewalt aus der Geburtsöffnung herausgeschleudert. Erst
nach einigen Minuten der Kühe begännen sie dann ihre Bewegung.
Kolonien von Volvox (Entwicklung). 777
Der TheiliiDgs- oder Fiirchiingsprocess der Parthenogonidien nimmt
auch hier unsere Aufmerksamkeit noch in Anspruch. Es lässt sich nämlich
sehr wahrscheinlich machen , dass derselbe ganz dem der Eudorina ent-
spricht. Demnach sind die Theilungen zunächst säramtlich Längsthei-
lungen, was gegenüber der Darstellung Cohn's (1876) bemerkenswerlh
ist. Die beste Schilderung der Furcbung verdanken wir auch hier Goro-
shankin, dessen Beobachtungen ich durch einige eigene zu ergänzen in
der Lage bin. Weiterhin wird jedoch der Process noch aufgeklärt durch
die Beobachtungen Kirchner's über die Theilungsfolge bei der Entwicklung
des befruchteten Volvoxeis, da letzterer Vorgang wesentlich derselbe ist,
wie der erstere. Auf die Viertheilung folgt auch hier der charakteristische
bei Eudorina beschriebene achtzellige Zustand mit den kreuzförmig geord-
neten vier inneren Zellen (T. 45, 1 h). Schon auf diesem Zustand tritt aber
bei Volvox die Zusammenkrümmung zur Kugelgestalt auf, indem sich die
vier peripherischen Zellen etwas unter die Kreuzzellen schieben, doch
bleibt zwischen ihnen stets eine centrale ziemlich weite Lücke. Im sech-
zehnzelligen Zustande (45 , 1 i) ist die kuglige Bildung schon weit deut-
licher ausgesprochen, wir finden vier obere centrale Zellen, welche den
vier Centralzellen der secbzehnzelligen Eudorinaplatte entsprechen, hierauf
einen aequatorialen Ring von acht Zellen, die den vier Paar Eckzellen
(s. Fig. 4 p.775) des Eudorinaplättchens entsprechen dürften und vier untere
Zellen, die mit den oberen alterniren und daher die vier Seitenzellen der Eudo-
rinatafel repräsentiren. Das Loch zwischen den letztgenannten vier Zellen
ist deutlich vorhanden und eine Centralhöhle der Kugel schon ausgebildet.
Die weitere Theilungsfolge wurde bis jetzt nicht genauer verfolgt; durch
weitere Längstheilungen der sechzehn Zellen (ob sämmtlicher erscheint etwas
fraglich) erhöht sich die Zellenzahl. Die Zellen schliessen sich mehr und
mehr zur Kugelwand zusammen und deren Centralhöhle erweitert sich
stetig. Die untere Oeflfnung der Kugel erhält sich jedoch bis zum Ende
der Entwicklung (T. 45, Ik) und schliesst sich erst kurz vor der Bil-
dung der Cilien; ja bei der Entwicklung des Volvox aus dem Ei, sah
Kirchner zuweilen die Oetfnung noch an jungen freigewordenen Individuen
nicht gänzlich geschlossen.
Die Oeffnung scheint stets gegen die Oberfläche der Mutter gekehrt
zu sein und schon Ehrenberg bemerkte sie. Nach Schluss der Kugel
scheidet dieselbe auf ihrer Oberfläche die Mantelhülle aus und gleichzeitig
scheinen sich auch die Hüllen der Zellen zu bilden. Erst nach der Be-
freiung der jungen Volvoxindividuen rücken jedoch die bis jetzt noch
dicht zusammengelagerten Zellen auseinander. Schon zuvor haben sich
aber die Parthenogonidien differenzirt, indem gewisse Zellen stark hervor-
wuchsen. Es lassen sich dieselben daher schon vor der Geburt deut-
lich erkennen.
Stein zeichnet in der Entwicklung der Parthenogonidien des Volvox
minor deutlich ein achtzelliges, ringförmiges Stadium, dessen reelle Existenz
jedoch nach dem früher Gesagten sehr zweifelhaft scheint. Nicht immer
778 Flagdlata.
scheint die freigewordene Volvoxkiigel ihre definitive Zeilenzahl schon
erreicht zu haben, wenigstens beobachtete Stein selbst beim erwachsenen
Volvox miDor zuweilen noch Vermehrung einzelner Zellen durch Längs-
theilung.
Die im Vorstehenden versuchte Schilderung der Kolonien der Volvo-
cinen zeigt, dass dieselben eine deutlich ausgesprochene phyletische Ent-
wicklungsreihe darstellen, welche von relativ einfachen Anfängen zu
hoher Ausbildung führt.
Zum Beschluss unserer Besprechung der Volvocinenkolonien betonen
wir noch, dass wenigstens bei Gonium pectorale häufig einzelne Individuen
die Kolonie verlassen und als Chlamydomonas ähnliche Wesen frei
umherschwärmen. Auf solche Weise können sich ganze Goniumkolonien
auflösen. Obgleich a priori nicht unwahrscheinlich, ist doch bis jetzt nicht
erwiesen, dass solche isolirten Individuen durch Theilung wieder neue
Kolonien zu erzeugen vermögen, vielmehr scheint es nach den Unter-
suchungen Cohn's, dass sie zunächst in einen encystirten Dauerzustand
übergehen. Auch bei Pandorina schildert Stein isolirte Individuen, welche
im beweglichen Zustande durch successive Theilungen wieder zu Kolonien
werden sollen, doch liegt die Möglichkeit vor, dass dieselben aus Zygoten
hervorgingen ; auch scheint mir ihre Zagehörigkeit zu Pandorina überhaupt
nicht ganz sicher erwiesen.
d) Copulationserscheinungen (geschlechtliche Fortpflan-
zung) und ihre Folgen. In keiner Abtheilung der Protozoa tritt die
grosse Bedeutung der copulativen Processe bis jetzt klarer hervor und
zeigen dieselben eine so auffallende Annäherung au die Befruchtungs-
erscheinungen der Metazoen und zahlreicher niederer Pflanzen, wie in
der Klasse der Flagellaten; dennoch ist es bis jetzt nur bei einer be-
schränkten Zahl derselben möglich gewesen, die Copulation zu er-
weisen. Bei der grossen Abtheilung der Euglenoidinen fehlt bis jetzt
jede Nachricht über Copulation*), dagegen ist dieselbe äusserst ver-
breitet unter den Chlamydomonadiuen und Volvocinen und wurde in meh-
reren Fällen auch unter den Monadinen und Bodoninen coustatirt. Es hängt
von allgemeinen Vorstellungen über die Bedeutung der Copulationserschei-
nung ab, welchen Werth man heutzutage dem mangelnden Nachweis der-
selben bei zahlreichen Formen und speciell bei den so häufig und eingehend
untersuchten Euglenoidinen zuschreiben will. Ich persönlich neige mich
der Ansicht zu, dass die Bedeutung dieser Vorgänge im Leben der Or-
ganismen eine so allgemeine und tiefgreifende ist, dass zur Zeit aus ihrer
Nichtbeobachtung bei gewissen Abtheilungen noch kein Schluss auf ihren
völligen Mangel gezogen werden darf.
Die genauesten Aufschlüsse über diese Vorgänge besitzen wir bei den
*) Auch die neuerdings wieder von Kent angegebene Copulation der Euglena viridis er-
sclieiut gegenüber den negativen Erfalirungen von Klebs ganz zweifelhatt.
Copulationsvorgänge (Bodoiieii u. Monaden). 779
erwähnten Pbytomastigodeu, wogegen die Untersuchungen über die Mona-
dinen und Bodoninen häutig noch viel Unsicheres enthalten.
Da jedoch die hierher gehörigen Erscheinungen der letzteren im
Ganzen eine gewisse Einfachheit darbieten, so beginnen wir unsere Be-
trachtung mit denselben.
Bei gewissen kleineu Bodonen und Monaden finden sich Copulations-
erscheinungen im geissellosen amöboiden Zustande. Dieses Verhalten
constatirte zuerst Cienkowsky (95, 107, 115) bei dem hinsichtlich seiner
Ernährungsweise schon früher geschilderten Bodo angustatus Duj. Im
Amöbenzustand fliessen häufig mehrere Individuen desselben zu einer Art
Plasmodium zusammen, welches hierauf in einen mit einfacher Cystenhaut
versehenen Ruhezustand übergeht. Nach Ausscheidung der unverdauten
Nahrungsreste zerfällt hierauf der encystirte Körper, wie es scheint
simultan, in sehr zahlreiche kleine Sprösslinge (T. 46, 6k), die sich in
Gestalt des Mutterorganismus wieder befreien (T. 46, 6i).
Die Coimlatiou ist jedoch liier, wie bei zaLIreiclien Sporozoen eine facultative, d. h. es
können auch die Einzelwesen in diesen Kulie- und Verniehrungszustand übergehen. Dennoch
dürfen wir auch hier die Bedeutung der Copulation nicht unterschätzen, angesichts der nahen
Beziehungen zu den besser ausgesprochenen Formen derselben. Auch Kent bestätigte die
Copulation und Sprösslingbildung des Bodo angustatus. Bei der solitärcn Kuhezustandsbildung
sollen sich nach ihm jedoch nur vier Sprösslinge entwickeln.
Copulation will Kent auch bei zwei weiteren Bodonen beobachtet
haben, zunächst seiner Heteromita Lens (= V Bodo globosus St.). Auch
hier soll die Zygote zu einer kugligen, dünnschaligen Cyste werden, in
der sich sehr zahlreiche kleine Sprösslinge entwickeln. Die letzteren
gehen nach ihm ursprünglich e in geis selig aus der Zygote hervor und
entwickeln sich erst, allmählich heranwachsend, zu der zweigeisseligen
Form. Auch bei Bodo caudatus will unser Forscher Copulation gesehen
haben, und deutet auch das von Stein geschilderte Fressen eines Indivi-
duums durch ein anderes als Copulation, was mir jedoch entschieden
unrichtig erscheint.
Eine gewisse Uebereinstimmung mit den ebengeschilderten Vorgängen
besitzen die Copulationserscheinuugen, welche Dallinger und Drysdale von
einer Cercomonas (wahrscheinlich C. longicauda Duj.) schildern (145).
Nachdem diese Form sich zwei bis vier Tage durch Zweitheilung ver-
mehrt hat, treten zuerst Copulationserscheinungen auf. Die Flagellaten
gingen, ohne den Schwanztaden und die Geissein zu verlieren, in einen
amöboiden Zustand über und copuHrteu schliesslich paarweise (T. 39, 12 b).
Dabei bilden sich die Körperanhänge zurück und eigenthümlicher Weise
sollen zuerst die lappenförmigen Pseudopodien zu einer) einheitlichen
Masse verschmelzen, in welcher die beiden Körper noch deutlich zu er-
kennen sind (12 c). Schliesslich verschmelzen auch die Körper völlig und
das Copulationsproduct bildet sich zu einer dünnhäutigen kugligen Cyste
um (12 d). Dieselbe bricht nach einiger Zeit auf und entlässt eine un-
geheuere Menge feinster Körnchen (12 e), d. h. die Sporen nach der An-
sicht der Verfasser. Die Entwickehmg dieser Sporen zur ausgebildeten
780 Flagellata.
Form, wollen D. und Dr. Schritt für Schritt verfolgt haben. Die Körnchen
beginnen zu wachsen und zeigen nach neun Stunden die erste Spur der
Geissei und des Schwanzfadens, um nach weiteren drei Stunden auf dem
reifen, iheilungsfähigen Stadium angelangt zu sein.
Dallinger und Drjsdale (145 u. 168) haben nun den Copulationsprocess
noch bei folgenden Formen studirt : dem Tetramitus rostratus, zwei Bodonen
(der sogen. Häkchenmonade, sehr ähnlich dem Bodo caudatus, und der sogen,
springenden Monade, sehr ähnlich dem Bodo saltans)', ferner der sogen.
Monas Dallingeri und der eigenthümlichen dreigeisseligen Daliingeria Drys-
dali. Bei den Copulationsprocessen dieser Formen zeigt sich nun meist
die Eigenthümlichkeit, dass die beiden verschmelzenden Individuen in
gewisser Hinsicht ungleich sind, d. h. dass sie entweder in der Grösse
differiren oder eine verschiedene Herkunft besitzen. Nur bei Tetramitus
rostratus Hess sich keinerlei Differenz der copulirenden Individuen nach-
weisen. Im anderen Falle dagegen liegt es natürlich nahe, die Unter
schiede der copulirenden Gameten auf eine geschlechtliche Differenzirung in
ovoide und spermoide Individuen zu beziehen, wozu wir um so mehr
Berechtigung besitzen, da bei den später zu betrachtenden Phytomasti-
goden eine solche Diflferenziruog zuweilen ganz zweifellos hervortritt.
Vor der Copulation tritt bei dem Tetramitus rostratus deutlich eine halb-
amöboide Beschaflfenheit der Individuen auf, so dass deren hintere Körper-
hälften eine Art papillöse Beschaffenheit annehmen. Auch sollen sich die
Nuclei beträchtlich vergrössern sowie die Pulsationen der contractilen Va-
cuolen viel energischer werden; gleichzeitig trete eine autfalleude Gefrässig-
keit dieser Individuen ein. Dann copuliren die beiden Individuen zunächst
mit den Hinterenden (T. 45, 13 e) und verschmelzen hierauf successive von
hinten nach vorn völlig. Auch die beiden Nuclei vereinigen sich und
die contractilen Vacuolen sollen zu einer zusammentreten, was auf Grund
der Erfahrungen bei anderen Flagellaten sehr zweifelhaft erscheint. Die
Copulation der Nuclei dagegen ist jedenfalls ein allgemein verbreiteter
Vorgang, da D. und Dr. sie auch bei Bodo (?) saltans und bei Dallingeria
Drysdali beobachten konnten und dieselbe ebenso bei der Copulation der
Phytomastigoden mehrfach beobachtet wurde. Das Resultat des Copulations-
actes des Tetramitus rostratus ist die Bildung einer ruhenden kugligen
encystirten Zygote.
Die Vereinigung der Gameten mit dem Hinterende constatirten unsere
Forscher auch bei Bodo (?) saltans. Doch herrscht nach ihnen hier
eine Differenz der beiden Individuen, indem das eine eines der gewöhn-
lichen, mit der Schleppgeissel festgehefteten und durch Längstheilung ent-
standenen sei, wogegen das andere durch eigenthümliche Quertheilung aus
einem freischwimmenden Thier hervorgegangen sein soll. Nach völliger
Verschmelzung der beiden Körper bildet die noch mit den vier Geissein
versehene Zygote einen stumpfdreieckigen Körper; hierauf schwinden
die Geissein und die Zygote geht durch Ausscheidung einer zarten Cysten-
haut in einen ruhenden Zustand über, dessen weitere Entwicklung später
Copulationsvorg. (Beobaclit. von Dallinger u. Drysdale). 781
besprochen wird. Bei Bodo (?) caudatus, Monas Dallirgeri (40, 5 b) und
Daliingeria Drysdali (46, 12 e) legen sich die copulircnden Individuen
seitlich an einander und schwimmen in dieser Weise noch längere Zeit
umber; bis sieb dann die Verschmelzung allmählich vollzieht. Bei den
beiden ersterwähnten Formen sind die copulircnden Individuen jedoch
von ungleicher Grösse und daher tritt, wie dies unter solchen Umständen
gewöhnlich, ein allmähliches Zusammenfliessen des Körpers des kleinereu
(spermoiden ?) Individuums mit dem grösseren (ovoiden?) ein*). Wenn-
gleich nun auch bei der Dallingeria Drysdali die beiden Gameten dieselbe
Grösse besitzen, sollen sie doch sonst sehr ungleich sein (T. 46, 12c).
Die eine derselben ist nur eingeisselig, während die andere die gewöhn-
lichen drei Geissein besitzt. Die ersterwähnte Gamete entstand aus einem
gewöhnHcheu Individuum in der Weise, dass dessen beide hinteren
Geissein allmählich zusammenschrumpften und schliesslich ganz eingezogen
wurden (T. 46, 12 d). Gleichzeitig bildete sich ein feingranuläres Band
in der Aequatorialregion des Körpers aus. Auch soll sich der Nucleus
des so umgestalteten Thieres ungemein vergrössern. Nachdem nun
die copulirten Gameten etwa V2 bis ^U stunden zusammen umher-
geschwommen sind, zieht auch die dreigeisselige ihre beiden seit-
lichen Geissein ein und die Verschmelzung geschieht. Dabei sollen sogar
die beiden vorderen Geissein miteinander, verschmelzen. Schliesslich
schwindet die Geissei der Zygote und letztere geht in einen etwa spindel-
förmigen encystirten Ruhezustand über (46, 12 f).
Das Resultat des Copulationsprocesses des Bodo (?) caudatus und
der Monas Dallingeri ist eine ruhende zarthäutige kuglige Zygote (T. 46,
56; 40, 5i) und bei der ersteren Form werden die Geissein bei dem
Uebergang in diesen Zustand jedenfalls abgeworfen, nicht eingezogen.
Die Weiterentwicklung der ruhenden Zygoten schildern die Verf.
sehr tibereinstimmend und nur bei Bodo caudatus in einer Weise, welche
sich dem anschliesst, was wir von anderen Protozoen und von den
Phytomastigoden kennen. Bei dieser Form (T. 46, 56— e) zerfällt nämlich
der Inhalt der Zygote durch regelmässig fortschreitende Zweitheilung in
eine sehr grosse Zahl kleiner ovaler Sprösslinge, die sich sehr bald in
der Zygotenhülle lebhaft bewegen und dieselbe schHesslich durchbrechen
und frei werden. Zunächst sollen sie nur die hintere grössere Geissei be-
sitzen, nach weiterem Wachsthum gesellt sich hiezu auch die vordere
hakenförmige Geissei und bald ist die Bildung der reifen Form erreicht.
Bei sämmtlichen übrigen beobachteten Formen fanden die Beob-
*) Auch bei Monas Guttula sucht Stein eine Copulation zwischen Ideinen und grossen
Individuen wahrscheinlich zu machen, jedoch ist die Deutung der gesehenen Zustände bis jetzt
sehr unsicher. Bei seiner mit Monas jedenfalls identischen Gattung Physomonas schliesst da-
gegen Kent auf Copulation gleich grosser festsitzender Thiere daraus, dass er zuweilen en-
cystirte Dauerzustände fand (T. 41, 2 c), die auf zwei Stielen befestigt waren, d. li. den beiden
Stielen der wahrscheinlicli copulirten Individuen (vergl. hierüber auch bei der Besprechung
der Dauerzustände).
782 Flag-ollata.
achter durcbans nichts von einem Theilung.spiocess des Zygotenin-
halts, dagegen öffnete sich auch hier nach Verlauf einiger Stunden die
Zygotenhülle an einer oder mehreren Stellen und eine eiweissartige
schleimige Masse trat aus, die gewöhnlich eine ungeheure Menge äusserst
feiner Körnchen enthielt. Bei der dreieckigen Zygote des Bodo sal-
taus öffnen sich gewöhnlich die drei Ecken, bei der spindelförmigen
der Dallingeria Drysdali die beiden Enden. Die kugligen Zygoten der
übrigen reissen an einer Stelle unregelmässig auf (T. 40, 5 k). Bei
der Zygote des Tetram itus dagegen wurde keine deutliche Oeffnung in
der Cyste beobachtet, wenngleich auch hier aus derselben unzählige kleine
Körnchen hervortraten. Diese minutiösen Körnchen betrachten unsere Beob-
achter nun als Sporen, wie dies schon oben bei der Cercomonas ange-
geben wurde. Dieselben sollen unter Umständen so klein sein , dass sie
für unsere besten optischen Hilfsmittel unerreichbar sind, denn bei der
Monas Dallingeri trat aus der Zygote eine nichtgranuläre eiweissartige
Masse aus, die unsichtbare Sporen enthalten soll, da Verf. die Ent-
wicklung junger Wesen aus derselben beobachtet haben wollen.
Bei allen beobachteten Formen wollen nämlich Dallinger und Drysdale
die Weiterentwicklung dieser Sporen genau verfolgt haben und dieselbe
umfasste gewöhnlich einen Zeitraum von mehreren Stunden. Zunächst be-
ginnen die Sporen zu wachsen und nehmen allmähHch eine Gestalt an,
welche sich der des Mutterorganismus nähert. Dann machen sich die
Geissein bemerklich , die manchmal zunächst unbeweglich sind und auch
bei raehrgeisseligen Formen successive auftreten kimnen. So bildet sich
bei dem Bodo (?) saltans zuerst die hintere Geissei, bei Tetramitus ros-
tratus sieht man zunächst zwei bis drei Geissein, später erst die volle
Vierzahl. Ebenso treten auch Kern und contractile Vacuole erst im
weiteren Verlauf der Sporenentwicklung hervor. Bei der Entwicklung der
schleimigen Masse, welche aus der Zygote der Monas Dallingeri entleert
wird, sollen zuerst feinste Pünktchen auftreten, die früher unsichtbaren,
jetzt durch Wachsthum sichtbar gewordenen Sporen und diese sich dann
weiter entwickeln.
Obgleich min diese Angaben unserer Forscher über die Sporenentwicldung ungemein
bestimmt lauten und die successiven Entwickliingsschritte durch zahlreiche Abbildungen illu-
strirt sind, halte ich dieselben doch noch für sehr bestätigungsbedürftig. Directe Einwände
lassen sich zur Zeit kaum gegen dieselben erheben, da es an anderweitigen gesicherten Beob-
achtungen mangelt. Dagegen können wir indirect wohl einige Zweifel erheben, wenn
wir zu zeigen vermögen, dass bei einer anderen Form, welcher die englischen Forscher eine
ähnliche Sporenentwicklung zuschreiben, sicher ein Irrthum vorliegt. Diese Form ist die viel-
verbreitete Chlamydomonadine Polytoma. Auch bei dieser beobachteten Dallinger und Drys-
dale die Bildung umhüllter ruhender Zygoten , in welchen nach einiger Zeit eine vibrirende
oder wogende Bewegung auftreten soll. Hierauf breche die Hülle auf und aus der Zygote
trete eine wolkige Masse aus, die zahlreiche iranktförmige Sporen enthalte. Auch diese Sporen
sollen sich nun wieder zu Polytomen entwickeln.
Wir werden nun aber gleich sehen, dass dieser angebliclie Entwicklungsgang der
Polytomazygote sicherlich irrig ist, da wir über denselben neue gründliche Untersuchungen
Copulationsvorg-. (Beohaclit. von Dalliiigvr u. Diysdalc 11. Erschein. l)ci Glilamydomonail.). 783
besitzen, deren Richtigkeit auch daraus erliellt, dass sie mit den zahlreichen Erfahrungen bei
den iihrigen Chlamydomonadinen aufs Beste harmoniren. Sind wir einerseits durch diese
jedenfalls unrichtigen Beobachtungen iibcr die angebliche Sporenentwicklung der Polytonia
berechtigt, auch die ähnlichen Angaben nnserer Forscher für andere Formen etwas zu be-
zweifeln, so wird diese Empfindung noch bestärkt durch die kritische Betrachtung eines wei-
teren I'Virtpflanzungsprocesses, den sie Polytonia ausserdem zuschreiben. Wie wir früher er-
fahren haben, enthält diese FJagellate gewöiinlich ansehnliche Mengen Stärkekörner, die im
11 infercnde meist besonders reichlich angehäuft sind. D. und Dr. wollen nun beobachtet haben,
dass die Polytomen zuweilen diese Körner (deren Amylumnatur sie nicht kennen) am Hinter-
endc entleeren. In den ausgestossenen Körnern sollen nach einiger Zeit sehr kleine Punkte
oder Flecken (bis 70) auftreten, die sich allmählich vergrösser ten. Hiei'auf beginnen diese
Punkte eine schwingende Bewegung und schlüpfen schliesslich aus, um sich als bacterien-
artige Körperchen weiter zu bewegen. Letztere vorgrössern sich rasch und seien in 4 — 5 Stun-
den zu normalen Polytomen herangewachsen.
Es dürfte nun kaum einem Zweifel unterworfen sein, dass dieser angebliclie Fort-
pflanzungsprocess durchaus irrig ist, was neuerdings auch Balbiani hervorhob (199), und dies
erhöht naturgemäss unsere Zweifel an der Zuverlässigkeit der übrigen mit ähnlicher Bestimmt-
heit vorgetragenen und abgebildeten Beobachtungen Dallinger's und Drysdale's.
Zu den noch zweifelhaften Copulationsvorgängen müssen wir auch
den von Kent bei den Uroglenakolonien beschriebenen Sporenfoitpflan-
zungsproeess rechnen. Zwischen den gewöhnlichen Individuen der Kolonien
beobachtete Kent zuweilen runde, sehr hartschalige Cysten, welche er
deshalb mit einigem Recht als Zygoten beansprucht, weil ihre Grösse die
der gewöhnlichen Individuen mehrfach übertraf. Der Inhalt dieser Cysten
'bestand bald aus grösseren (T. 42, 5 c) bald aus kleineren sporenartigen
Körperchen (Makro- oder Mikrosporen Kent's). Kent vermuthet, dass diese
Cysten beim Absterben der Kolonien frei würden. Da jedoch bis jetzt
die Weiterentwicklung der sporenartigen Elemente dieser Cysten nicht ver-
folgt wurde, so bleibt es vorerst noch zweifelhaft, ob sie in den Entwick-
lungskieis der Uroglena gehören.
Copulationserscheinungen der Chlamydomonadinen.
Bei sämmtlichen hierher gehörigen Formen (mit Ausnahme der Gattung
Haematococcus und der bis jetzt sehr wenig untersuchten Coccomonas)
kennt man Copulation. Es scheint mir daher recht wahrscheinlich, dass
auch Haematococcus entsprechende Vorgänge zeigt. Vielleicht deuten sogar
die von Cohn und Wichura (1857) beobachteten viergeisseligen Mikrogo-
nidien dieser Form auf Copulation hin, obwohl dies nicht ganz sicher ist,
da gleichzeitig auch entschiedene Zwillingszustände beobachtet wurden
und die viergeisseligen Formen daher auch auf unvollständiger Theilung
beruhen könnten*).
Bei fast sämmtlichen Vertretern unserer Familie vollziehen sogen.
Mikrogonidien die Copulation, sei es, dass dieselben sich unter einander
*) Die von Veiten (136) ))cschriebene Copulation der Haematococcussch wärmer
mittels der Hinterenden halte ich mit Rostafinski (137) für irrthümlich, hervorgerufen durch
Beobachtung von Haematococcuszcllen, welche von dem Bodo angustatus ausgesaugt wurden
(s. p. 697). Yelten hielt den Bodo für die weibliche Gamete, in welclie das Plasma dm-
männlichen (d. li. der Kaematococcuszelle) allmählich herübertrete.
784 Flagcllata.
copuliren oder sei es, dass sie sich mit grösseren, den gewöbnlicben äiin-
licheren Individuen vereinigen. Im letzteren Falle ist denn schon eine
Annäherung an die Diflferenzirung ovoider und spermoider Individuen ge-
geben, wie sie die höheren Volvocinen so deutlich zeigen, doch scheint
bei keiner Chlamydomonadine eine sehr ausgesprochene Differenz der
Gameten vorhanden zu sein.
Nur bei der Gattung Polytoma scheint es nach den Untersuchungen
von Krassilstschik nie zur Bildung von Mikrogonidien zu kommen, sondern
die Gameten sind Sprösslinge, welche durch gewöhnliche Viertheilung ent-
stehen, nachdem die Vermehrung durch Theilung in der früher beschrie-
benen Weise etwa 4 — 6 Tage seit dem Hervorgehen der Polytomen aus
dem ruhenden Zygotenzustand fortgesetzt stattgefunden hat. Da jedoch
die Paarung dieser Gameten , welche sich durch keinerlei wesentliche
Merkmale von den gewöhnlichen Polytomen unterscheiden, meist schon
wenige Stunden nach ihrem Austritt aus der Mutterhtille geschieht, so
sind sie, wenngleich etwas herangewachsen, doch meist kleiner wie
die erwachsenen Formen. Trotzdem ereignet es sich auch, dass die
Gameten vor der Copnlation zu völliger Grösse auswachsen und sich nun
erst unter einander oder auch mit nicht ausgewachsenen kleineren Gameten
copuliren. Im Anschluss an Krassilstschik dürfen wir in letzterem Fall
gewiss nicht eine Vereinigung ovoider und spermoider Individuen sehen,
sondern müssen auf Grund der dargelegten Verhältnisse zugeben, dass
bei Polytoma eine solche Differenzirung noch nicht eingetreten ist.
Für die geringe Diflferenzirung der Gameten der Polytoma spricht
weiterhin die durch den russischen Forscher gleichfalls festgestellte Er-
scheinung, dass dieselben unter Umständen auch wieder zur gewöhnlichen
Vermehrung durch Theilung übergehen können und dass dann erst ihre
Nachkommen zur Copulation schreiten.
Bei den übrigen Chlamydomonadinen sind es (soweit die Unter-
suchungen jetzt reichen) stets Mikrogonidien, welche sich copuliren oder
es ist doch die eine der Gameten eine Mikrogouidie, welche dann ge-
wöhnlich gegenüber der andern grösseren als die männliche oder sper-
moide betrachtet wird. Trotz dieses Grössenunterschiedes der copulirenden
Gameten ist es aber manchmal sehr wenig sicher, ob man berechtigt ist,
eine wirkliche geschlechtliche Differenz derselben anzunehmen, ja die
Grössenunterschiede mögen nicht selten auf ähnlicher Ursache beruhen
wie bei der Polytoma. So gibt z. B. Rostafinski an, dass die copulirenden
Mikrogonidien der Carteria häufig sehr verschiedener Grösse seien, doch
lasse sich durchaus kein weiterer Unterschied und damit auch keine ge-
schlechtliche Differenz feststellen.
Bei Chlorogonium copuliren ebenfalls nur gleiche Mikrogonidien und
dies gilt sicher auch für gewisse C hlam yd omonas formen, so den Chi.
rostratus nach Goroshankin. Etwas widersprechend lauten in dieser Be-
ziehung die Angaben der Beobachter über den gewöhnlichen Chi. pulvis-
culus. Nach Goroshankin sollen sich hier spermoide Mikrogonidien (welche
Copulatioii der Chlaiiiydomonadincu. 785
durch Acbttheiluiig entstehen) und grössere ovoide Gonidien (die durch
Zwei- bis Viertheilung entstanden) copuliren. Dagegen behauptet Rein-
hardt, dass sich nur Mikrogonidieu copuliren, bemerkt jedoch nichtsdesto-
weniger ebenfalls gewöhnlich einen recht ansehnlichen Grössenunterschied
zwischen den sich vereinigenden Gameten. Auch fasst er wieGoroshankindie
grösseren als weibliche, die kleineren als männliche auf, zwischen welchen
jedoch alle möglichen Grössenübergänge zu beobachten seien. Es ist mir
daher nicht wohl möglich eine so grosse Differenz zwischen den Beob-
achtungen Goroshankin's und Reinhardt's zu erkennen, wie Letzterer
meint, und wir dürfen es für sicher halten, dass sich bei Chi. pulvis-
culus im Allgemeinen ein ziemlicher Grössenunterschied der Gameten findet.
(Nur einmal beobachtete Goroshankin jedoch auch die Copulation zweier
kleiner Mikrogonidien.)
Eine ähnliche, aber noch ausgesprochenere Grössendifferenz der Ga-
meten beobachtete Carter (1858) bei Phacotus lenticularis, gleich-
zeitig die erste Nachricht über die Copulationserscheinungen unserer
Familie. Die grössern ovoiden Individuen (T. 44, 3f) entstehen hier durch
Zwei- bis Viertheilung in der früher beschriebenen Weise, die kleinen
spermoiden dagegen durch 64theilung.
Der Copulationsact selbst gestaltet sich bei allen Formen, wo er ein-
gehender verfolgt wurde, in übereinstimmender Weise. Die Gameten ver-
einigen sich nämlich mit ihren Vorderenden.
Die einzige Ausnahme von dieser Regel will Schneider (1878) bei
Chlamydomonas pulvisculus beobachtet haben und ähnliche Zustände bildet
auch Stein ab. Schneider sah gleich grosse Individuen zuerst mit den
Hinterenden sich vereinigen und allmählich vollständig verschmelzen. Auch
Stein bildet eine ganze Reihe ähnlicher Stadien successiver Verschmelzung
ab. Doch ist es zunächst schwierig, dieselben ohne Beschreibung richtig
zu beurtheilen, und Stein hat anderseits mehrfach Theilungs- resp. Zwil-
lingszustände irrig als Conjugationszustände beansprucht. Gegenüber den
bestimmten Angaben Schneider's ist es kaum möglich, das. Vorkommen
solcher Copulation zu leugnen, doch bedarf die Angelegenheit immerhin
erneuter Untersuchung.
Die Vereinigung der Gameten mit den ungefärbten Stellen der Vorder-
enden muss jedenfalls unter stellenweiser Auflösung der Hüllen stattfinden,
da nach der übereinstimmenden Angabe fast sämmtlicher Beobachter auch
die Gameten mit Hüllen versehen sind. Dabei legen sich die Gameten
entweder ziemlich gleich gerichtet dicht neben einander, so bei Chloro-
gonium (T. 44, 1 d) und vielleicht auch noch anderen Formen, oder sie stellen
sich gegeneinander, so dass ihre Axen in eine Linie fallen und das be-
ginnende Copulationsprodukt eine etwa bisquitförmige Gestalt besitzt
(T. 43, 7 a). Allmählich schreitet nun die Verschmelzung weiter fort,
wobei wieder eine wenigstens theilweise Auflösung der Hüllen stattfinden
muss, bis schliesslich eine einheitliche Zygote (oder Zygospore) gebildet
Bi-üun, Klas.seii des Tliier-Reiclis. Frotozou,. 50
786 Flagellata.
ist. Die letztere ist fast stets an den noch erhaltenen vier Geissein, den
beiden Augenflecken und den noch erhaltenen contractilen Vacuolen der
beiden Gameten leicht kenntlich.
Nur bei Chlnmydomonas pulvisculus verläuft die Copulation nach
Goroshankin's Beobachtungen, welche durch Stein'sche Abbildungen be-
stätigt werden, häufig etwas anders. Wir sagen häufig, da später
Reinhardt den Copulationsprocess dieser Form wieder mehr in der ge-
wöhnlichen Weise schilderte, woraus dann hervorzugehen scheint, dass
hier wahrscheinlich ein etwas wechselndes Verhalten herrscht. Wie früher
bemerkt, sind die copulirenden Gameten von Chi. pulvisc. in ihrer Grösse
stets wesentlich verscbieden und die kleine oder spermoide, wie wir sie
ja mit gewissem Recht schon bezeichnen dürfen, verhält sich nun auch nach
Goroshankin's Darstellung einem Spermatozoid ähnlich. Nach ihrer Ver-
einigung mit der grössern ovoiden Gamete in der früher geschilderten
Weise (T. 43, 7a — b) kriecht ihr Plasmakörper allmählich aus seiner Hülle
in die der ovoiden Gamete herüber, deren Plasma sich in den
Grund der Hülle zurückgezogen hat. Hierauf fliesst das Plasma der
kleinen Gamete unter deutlichen amöboiden Bewegungen zu dem der
grösseren hin und verschmilzt damit allmählich, wobei an der Vereinigungs-
stelle lebhafte „Ghtschbewegungen^' stattfinden. Nach Vereinigung der
Plasmamassen beginnt die Zygote lebhafte drehende Bewegungen auszu-
führen. Schon einige Zeit vor der eigentlichen Verschmelzung fallen die
Geissein der Gameten ab, was auch Stein angibt, doch beobachtete der
Letztere nicht die Zurückziehung des Plasmas der ovoiden Gamete
in den Schalengrund. Wie bemerkt, weicht Reinhardt's Darstellung
etwas von der eben gegebenen ab ; er sah die Geissein häufig noch bis
nach völliger Verschmelzung der Gameten zu einer abgerundeten Zygote
erhalten, so dass letztere noch beweglich blieb. Doch beobachtete er auch
nicht selten früheren Verlust der Geissein. Weiterhin scheint seine
Darstellung namentlich darin von der Goroshankin's abzuweichen, dass
er ein gleichmässiges Zusammenschmelzen der beiden Gameten behauptet,
nicht das geschilderte Uebertreten der kleineren.
Nur bei Polytoma Hess sich bis jetzt nachweisen, dass die Nuclei
der Gameten verschmelzen; dagegen bleiben, wie schon angedeutet, die Augen-
flecke und ebenso auch die Pyrenoide allgemein unvereinigt. Wie nun die
Geissein der Zygote früher oder später schwinden, häufig erst, nachdem
dieselbe sich im viergeisseligen Zustand noch einige Zeit umher bewegt
hat, so schwinden auch die Augenflecke. Schliesslich rundet sich die
Zygote ab und geht unter Ausscheidung einer Cystenhaut in den Dauer-
zustand über. Bei den chlorophyllführenden Formen tritt stets eine all-
mähliche Röthung bis Bräunung des Inhalts dieser ruhenden Zygote ein,
indem sich das früher geschilderte Hämatochrom entwickelt.
Soweit bekannt, ist die Weiterentwicklung der Zygote gewöhnlich
an ein vorheriges Austrocknen geknüpft und beginnt erst, wenn dieselbe
Copulatioii d. Chlamydoinonad. u. Volvocinen. 787
wieder unter Wasser gesetzt wird. Jedenfalls können alle diese Zygoten
die Austrocknung ertragen und dieselbe ist für ihre Weiterentwicklung
günstig. Bei Polytoma genügt jedoch auch die Uebertragung der Zygoten
in eine an organischen Substanzen reiche Infusion zu ihrer Weiterent-
wicklung. Wo die letztere genauer bekannt ist (Chlorogonium und Poly-
toma nach Krassilstschik, Chlamydomonas pulvisculus nach Reinhardt,
Carteria nach Rostafinski) fand sich stets eine Zwei- bis Viertheilung
des wieder ergrünenden Inhalts, und dann treten die Sprösslinge meist in
Gestalt gewöhnlicher Individuen hervor, um einem neuen Cyclus von
Generationen das Leben zu geben. Nur selten scheint eine Modification
dieses Entwicklungsganges einzutreten; wenigstens beobachtete Rostafinski
bei Carteria, dass der zweigetheilte Zygoteninhalt nicht in Gestalt ge-
wöhnlicher Individuen austrat, sondern durch fortgesetzte Vermehrung im
ruhenden Zustand in einen pleurococcus- ähnlichen Zustand überging, wie
er früher nach Cienkowsky's Untersuchungen für einige Chlamydomona-
dinen geschildert wurde.
Die Copulationserscheinungen der Volvocinen schliessen sich,
wie zu erwarten, auf innigste denen der Chlamydomonadinen an, erreichen
jedoch, wohl im Zusammenhang mit der höheren morphologischen Aus-
bildung dieser Gruppe, auch eine höhere Entwicklungsstufe. Für einige
Genera fehlen bis jetzt Nachrichten über hierhergehörige Processe oder
dieselben sind unsicher. Letzteres gilt speciell für Gonium. Bei
dieser Gattung wollen Hieronymus und Rostafinski (148) beobachtet
haben, dass einzelne, aus dem Kolonialverbande gelöste Individuen im
ruhenden Zustande acht zweigeisselige Mikrogonidien erzeugten , die so-
fort nach ihrem Austritt paarweise copulirten. Wenn diese Beobachtung
richtig ist, was nicht ganz zweifellos erscheint, da die Abstammung der
Mikrogonidien bildenden Flagellaten von Gonium nicht hinreichend sicher
bewiesen wurde, so fehlte bei Gonium noch jede Differenzirung der Gameten.
Bei Stephanosphaera wurde bis jetzt ein Copulatiousact vermisst, da-
gegen findet sich bei dieser Gattung, wie wir früher sahen, eine sehr ausge-
sprochene Mikrogonidienbildung. Die ausschwärmenden Mikrogonidien sollen
nun nach der Darstellung von Cohn und Wichura nicht zwei Geissein
wie die gewöhnlichen Individuen, sondern deren vier besitzen. Diese
Abweichung ist sehr auffallend, da etwas ähnliches bei keiner verwandten
Form beobachtet wurde, und gibt der Vermuthung Raum, dass diese vier-
geisseligen Mikrogonidien möglicherweise Zygoten sind, welche durch
sehr frühzeitige Copulation zweigeisseliger Mikrogonidien, noch vor deren
Ausschwärmen, entstehen. Hiermit stimmt denn auch ihr weiteres Ver-
halten gut überein, da sie weder wachsen, noch sich durch Theilung fort-
pflanzen, sondern sofort durch Ausscheidung einer dicken CystenhüUe in
einen ruhenden Dauerzustand übergehen, der sich röthet. Auch ohne
Ausschwärmen können diese Mikrogonidien in der Hülle der Mutterkolonie
diesen Dauerzustand bilden.
50*
788 Flagellata.
Öebr einfache Verhältnisse bietet Pandorina Morum dar, und
schliesst sich deshalb in ihrem Copiüationsprocesse aufs innigste an die
einfacheren Chlamydomonadinen an.
Es ist auch hier eine bestimmte Generation, welche nach länger fort-
gesetzter Vermehrung auftritt, deren Individuen zur Copulation schreiten und
man kann diese Generation daher auch als eine geschlechtliche bezeichnen.
Dieselbe entsteht in gewöhnlicher Weise dadurch, dass sich die sämmt-
lichen sechzehn Individuen einer Pandorinakolonie zu kleinen Kolonien
von Gameten entwickeln. Diese Gametenkolonien sind jedoch häufiger
nur 8 zellig; eine Mikrogonidienbildung, im engeren Sinne, liegt also
dabei nicht vor. Eine Ditferenzirung dieser Gametenkolonien in männliche
und weibliche ist schwierig festzustellen, wenngleich Pringsheim sich der
Ansicht zuneigt, dass die grössten Kolonien weibliche, die mittleren
und kleinsten dagegen theils weibliche, theils männliche seien. Die
Pandorineo, welche solche Gametenkolonien entwickeln, fallen allmählich
zu Boden, da ihre Geissein verloren gehen und ihre Kolonialhülle, sowie
die Spezialhüllen der ursprünglichen Individuen verschleimen. Doch geht
diese Verschleimung langsamer vor sich, wie bei der gewöhnlichen Fort-
pflanzung, weshalb die geschlechtlichen Kolonien längere Zeit in Gruppen ver-
einigt bleiben. Hierauf bilden die Gametenkolonien ihre Geissein und Kolonial-
hüllen aus, letztere lösen sieb jedoch bald wieder auf, die einzelnen Ga-
meten werden frei. Nun erfolgt die Copulation der Gameten ganz in der
Weise mit den Vorderenden, wie dies schon für gewisse Chlamydomona-
dinen geschildert wurde (T. 44, 8b — c). Eine Diöerenzirung der Gameten
ist, abgesehen von ihren ziemlich verschiedenen Grössenverhältnissen, nicht
wahrnehmbar. Dennoch vermuthet Pringsheim, dass eine innere Differenz
angedeutet sei und stützt diese Ansicht darauf, dass sich die grösseren
nie unter einander paaren, dagegen die mittleren und kleineren sowohl be-
liebig unter sich, wie mit den grösseren. Daher hält er, wie auch schon
oben für die grösseren Gametenkolonien angedeutet, die grösseren Gameten
für weiblich, die mittleren und kleineren dagegen theils für weiblich, theils
für männlich.
Die durch Copulation entstandene viergeisselige Zygote (T. 44, 8d)
geht in bekannter Weise in einen umhüllten Dauerzustand über, der sich
roth verfärbt (8 e). Erst nach der Austrocknung entwickelt derselbe sich
weiter, indem die eingeschlossene Zygote die Cystenhülle an einer Stelle
unter starker Verdünnung bruchsackartig hervortreibt (8f) und dann als
nacktes Individuum austritt. Selten theilt sich die Zygote in ihrer Hülle
in zwei bis drei Sprösslinge , welche sich dann in ähnlicher Weise be-
freien. Die freigewordene Zygote resp. ihre Sprösslinge, theilen sich
hierauf im freischwimmenden Zustande zu einer sechzehnzelligen Kolonie,
die sich dann mit einer Kolonialhülle umkleidet.
Auf viel höherer Ausbildungsstufe sind die Copulationsvorgänge bei
Endo r in a und Volvox angelangt. Hier sind nicht nur die Gameten auch
morphologisch so sehr diflferent, dass ihre Unterscheidung in spermoide
Copulation der Volvociiien (Paiidorina, Eudorina). 789
und ovoide klar vor Augen liegt, sondern zuweilen auch die Kolonien,
welche diese Gameten erzeugen, schon in männliche und weibliche diffe-
renzirt, indem die ersteren nur spermoide, die letzteren dagegen
nur ovoide hervorbringen. Letzterer Fall, d. h. ein Diöcie der Ge-
schlechtskolouien findet sich jedoch sicher nur bei Eudorina, und auch
hier ist es fraglich, ob immer. Die sogen. Diöcie des Volvox minor
dagegen hat durch Kirchner neuerdings eine andere Erklärung gefunden,
und damit ist es auch zweifelhaft geworden, ob diejenige des sogen.
Volvox Carteri St. nicht gleichfalls nur scheinbar ist. Wie zu erwarten,
steht jedoch die allgemeine Ausbildung der geschlechtlichen Fortpflanzung
bei der einfachen Eudorina auch auf primitiverer Stufe, indem die Ent-
wicklung spermoider und ovoider Gameten hier nicht auf besondere In-
dividuen der Kolonie beschränkt, sondern sämmtliche Individuen hierzu
gleichmässig befähigt sind. Die genauesten Mittheilungen über Eudorina ver-
danken wir Goroshankin (1876), nachdem schon im Jahre 1856 Cohn auf das
Vorkommen von Spermatozoen bei dieser Gattung aufmerksam gemacht hatte
und Carter (1858) ihre geschlechtlichen Vorgänge zuerst genauer geschildert
hatte. Doch weichen die Angaben Carter's und Goroshankin's in einigen
Hauptpunkten so wesentlich von einander ab, dass man fast zu der Ansicht
gedrängt wird, es haben diesen beiden Forschern zwei verschiedene Arten
vorgelegen, AVir wollen uns zunächst die Resultate Goroshankin's et-
was genauer betrachten, da dieselben viel ausführlicher sind, wie die
Carter's. Hiernach sind die geschlechtlichen Kolonien der Eudorina streng
in weibliche und männliche gesondert. Die ersteren gleichen den ge-
wöhnlichen Kolonien durchaus, nur sind ihre Individuen (die ovoiden)
etwas grösser. Die männlichen Kolonien (d. h. diejenigen, welche die sper-
moiden Gameten erzeugen) sind ganz wie die gewöhnlichen beschaffen.
Sie unterscheiden sich jedoch durch ihre weitere Entwicklung. Jedes ihrer
Individuen theilt sich wie bei der gewöhnlichen Vermehrung zu einer 16- bis
32- (nach Carter auch 64-) zelligen Platte. Diese wächst jedoch nur lang-
sam und ihre Zellen veriärben sich allmählich gelb. Dann runden sie
sich ab und scheiden eine äussere schleimige gemeinsame Hülle um
die Platte ab. Nie jedoch zeigt sich eine Neigung der Platte zu kugliger
Einkrümmung. Allmählich strecken sich ihre Zellen senkrecht zur Platten-
axe mehr spindelförmig, und entwickeln je zwei Geissein an ihrem zu-
gespitzten einen Ende, welche Enden wie bei Gonium sämmtlich gleich-
gerichtet sind , und ursprünglich nach dem Geisselende der Mutterzelle
schauen. Jetzt geräth dieser Complex spermoider Individuen in Bewegung
und zerreisst schliesslich die Mutterzellhaut, sowie die Kolonialhülle und
wird frei.
Mittlerweile ist mit den weiblichen Kolonien auch eine Veränderung
vorgegangen; ihre Kolonialhülle verschleimte und damit gelangte die
Kolonie zur Ruhe, wenngleich die Geissein der Individuen noch erhalten
sind und sich bewegen. Trifft nun ein freischwimmender Complex sper-
moider kleiner Gameten auf eine derartig vorbereitete weibliche Ko-
790 Flagellata.
lonie, so bleibt er an derselben haften und löst sich bald in einzelne
Individuen auf. Dieselben sind längliche, anfangs sichelförmig gekrümmte
Gebilde, welche einen Augenfleck, zwei sehr kleine contractile Vacuolen
und am Vorderende zwei Geissein besitzen. Bald strecken sie sich ziem-
lich gerade. Man beobachtet nun, wie diese Spermatozoen in den Schleim
der weiblichen Kolonie eindringen und zu den ovoiden Individuen treten.
Einmal konnte Goroshankin auch den Copulationsact selbst wahr-
nehmen, wobei sich zeigte, dass sich auch hier zunächst das Vorder-
ende des Spermatozoon mit dem Vorderende der Eizelle vereinigt. Doch
schied letztere schon eine Cystenhaut aus, ehe noch die völlige Ver-
schmelzung eingetreten war. Es scheint sehr unwahrscheinlich, dass
Goroshankin Recht hat, wenn er hieraus schliesst, dass die Verschmel-
zung von Eizelle und Spermatozoid bei Eudorina eine unvollständige sei-
Die Zygotenhaut wird bald doppelschichtig und ihr Inhalt allmählich
ziegelroth. Die Weiterentwicklung der Zygote wurde bis jetzt leider noch
nicht verfolgt.
Von dieser Schilderung weicht die ältere Carter 's dadurch fundamen-
tal ab, dass er gewöhnlich eine Monöcie der Geschlechtskolonien beob-
achtete. Nur vier an einem Pol der ovalen Kolonie gelegene Individuen
entwickelten sich zu den Spermatozoencomplexen , die übrigen 28 Zellen
dagegen waren ovoide und wurden durch die Spermatozoen befruchtet,
indem dieselben austretend in der wohl etwas verschleimten Kolonialhülle
zu den Eizellen hinwandern. Obgleich nun Carter durch verschiedene
Gründe, die nicht direct beobachtete Copulation dieser Eizellen mit den
Spermatozoen wahrscheinlich macht, halte ich es doch noch für etwas
unsicher, ob sich erstere wirklich als solche verhielten. Namentlich folgt
aus seinen Angaben nicht, dass die befruchteten Eizellen in umhüllte
Zygoten übergingen. Gelegentlich sah Carter jedoch auch Kolonien, deren
Individuen sämmtlich in Spermatozoenbildung eingingen und zwar je nur
16 bis 32 derselben bildeten.
Einstweilen scheint es, wie bemerkt, etwas fraglich, ob die Differenz
zwischen Goroshankin und Carter auf die Beobachtung verschiedener
Arten oder auf Variationen derselben Species beruht.
Die höhere Entwicklungsstufe der geschlechtlichen Fortpflanzung von
. Volvox steht wiederum im Connex mit der höheren Entwicklung der
Kolonien dieser Gattung zu mehrzelligen Individuen. Auch die Entwickelung
der Gameten (Geschlechtsproducte) ist hier beschränkt auf gewisse, sich
schon sehr frühzeitig durch besondere Grösse auszeichnende Zellen, welche
morphologisch in jeder Hinsicht den Parthenogonidien entsprechen. Auch
bei Volvox gibt es besondere Geschlechtskolonien (oder besser Individuen
nach unserer Auffassung), welche zu gewissen Zeiten wie gewöhnliche aus
Parthenogonidien entstehen. Bis vor kurzem war die Ansicht allgemein
adoptirt, dass die Geschlechtsindividuen des Volvox je nach den Arten
monöcisch oder diöcisch seien. NachCohn und Stein galt Volvox Globator für
monöcisch, Volvox minor und ebenso nach Carter Volvox Carteri für diöcisch.
Copulatioa der Volvociiicii (Volvox). 791
Wenn sich nun die neuerdings von Kirchner bei V. minor gefundenen Er-
scheinungen bestätigen, so ergibt sich, dass letztere Form nicht diöcisch,
sondern eigentlich monöcisch ist, jedoch mit der Modification , welche bei
hermaphroditischen Metazoen sehr gewöhnlich ist, dass sich die Ge-
schlechtsproducte nicht gleichzeitig entwickeln. V. minor bildet nach
Kirchner's Beobachtungen zuerst die Eier aus und später, nachdem diese
befruchtet wurden, entwickelt er Spermatozoon. Demnach zeigt sich
bei dieser Art Kreuzung der Geschlechtsindividuen , wie wenn sie
diöcisch wäre. Auch die Diöcie des V. Carteri wird dadurch etwas
zweifelhaft. Doch kann hier nicht unbemerkt bleiben, dass Kirchner auch
gelegentlich rein männliche Individuen des V. minor sah. Dass solche
nun thatsächlich vorkommen, scheint auch, nach den Mittheilungen Car-
ter's für den Volvox Carteri und denen Stein's für V. minor, unzweifel-
haft, denn beide geben an, dass sie die männlichen Individuen schon
deutlich in den sie erzeugenden Müttern beobachtet haben, in welchem
Fall also wohl von einer vorherigen Eiproduction derselben keine Rede
sein konnte. Daraus müssen wir demnach schliessen, dass die Geschlechts-
verhältnisse des V. minor wohl noch etwas complicirter sind, wie Kirchner
sich dachte.
Characteristisch für Volvox ist nun, dass die Geschlechtsindividuen
sich schon von vornherein durch ihren Bau wesentlich von den unge-
schlechtlichen unterscheiden. Sie besitzen nämlich eine sehr viel grössere
jZahl von Geschlechtszellen, als sich Parthenogonidien bei den ungeschlecht-
ichen Individuen finden. Bei Volvox Globator steigt die Zahl der Ge-
schlechtszellen auf etwa 50, bei dem Volvox Carteri dagegen finden sich in
den weiblichen Kolonien etwa 30 bis 50, in den männlichen dagegen
über 100. Nur die weiblichen Zellen des Volvox minor sind au Zahl
gering, nie mehr wie acht, gewöhnlich nur drei bis sechs, wogegen die
männlichen Individuen, resp. die männlich gewordenen dieser Art eben-
falls bis über 100 Geschlechtszellen aufweisen. (Kirchner macht leider
keine Mittheilung über die Zahl der sich bei seinen Formen nachträglich
entwickelnden männlichen Geschlechtszellen).
Die weiblichen Geschlechtszellen oder Eier, wie wir sie direct be-
zeichnen dürfen, schliessen sich in ihrer Bauweise den sogen. Partheno-
gonidien innig an. Auch sie übertreffen schon früh die gewöhnlichen
Zellen an Grösse und hängen daher auch, sobald sie etwas heran-
gewachsen sind, beuteiförmig in die Centralhöhle hinein (T. 44; 10 a, ov).
Gewöhnlich erreichen sie einen beträchtlicheren Durchmesser, wie die
noch ungetheilten Parthenogonidien. Wie letztere, besitzen auch sie keine
Geissein. Bei Volvox Globator ist ihr Plasma anfänglich etwas vacuolär,
doch verliert sich dies später und allgemein scheinen sie sich durch ihre
sehr intensiv dunkelgrüne Färbung besonders auszuzeichnen.
Die Entwicklung der männlichen Geschlechtszellen (Androgonidien
Cohn's, Antheridien der Botaniker) zu Spermatozoen beginnt häufig
schon sehr frühzeitig, so nach Stein bei den rein männlichen Individuen
792 Flagellata.
des Volvox minor sogar schon vor der Geburt dieser Männchen. Der
Theihingsprocess der männlichen Zelle ist bis zum 16zelligen Zustand
ganz derselbe wie bei der gewöhnlichen Vermehrung der Eudorina, was
zuerst Goroshankin für Volvox Globator betonte und auch Kirchner für
den Volvox minor abbildete. Letztere Form soll nach Kirchner gewöhn-
lich überhaupt nicht mehr wie 16 Spermatozoon aus einer Geschlechts-
zelle entwickeln. Viel grösser wird dagegen deren Zahl bei V. Carteri
und Globator. Bei dem ersteren schätzt Carter die aus einer Mutterzelle ent-
stehenden Spermatozoidien auf 128, Cohn für V. Globator auf 64—128,
wogegen Goroshankin nur 32 — 64 angibt. Auch Stein zeichnet bei Volvox
Globator sicher mehr wie 64. Jedenfalls geht aus diesen Angaben
hervor, dass die Zahl der Spermatozoon einer Mutterzelle bei einer
und derselben Art schwanken kann. Wie bei Eudorina sind die Sperma-
tozoen zu einem plattenförmigen Bündel vereinigt (T. 44; 10 a, sp.) und
ihre Geissein entstehen auch sämmtlich auf der einen Seite dieser Platte.
Bei Volvox Globator zerfallen nun die Bündel schon in der Mutterzell-
haut in die einzelnen Spermatozoen , wogegen sie bei V. minor nach
den Erfahrungen Stein's als Ganzes durch Platzen der männlichen Kolonien
sich befreien und umherschwimmen. Kirchner dagegen sah die Mutter-
• zellblase mit dem eingeschlossenen Spermatozoenbündel sich von der
männlichen Kolonie isoliren, und hierauf zerfiel erst das letztere im Innern
der Blase in seine ßestandtheile. Schliesslich befreien sich die Spermato-
zoidien aus der Blase und treten bei Volvox Globator in die Centralhöhle
der monöcischen Kolonie ein, bei V. minor dagegen ins umgebende Wasser,
um die Individuen mit befruchtungsfähigen Eiern aufzusuchen. Bei beiden
Formen sieht man sie zu den Eiern hinzutreten und heftige Anstrengungen
machen, um sich durch deren Zellhaut durchzubohren. Bei V. Globator
sah sie Cohn auch unter die Eihaut dringen und sich der Eioberfiäche
dicht auflegen, doch gelang es bis jetzt bei Volvox noch nicht die wirkliche
Verschmelzung der Eizelle mit einem Samenfaden sicher zu beobachten.
Der Bau der Spermatozoen ist wesentlich der schon bei Eudorina be-
schriebene (T. 45 , 1 a), Sie besitzen einen etwa spindelförmigen gelb-
lichen Körper, da auch bei Volvox während der Entwicklung der männ-
lichen Zelle die grüne Farbe einer gelben Platz macht. — Ihr Vordertheil
ist zu einem ungefärbten schwanenhalsartigen Schnabel ausgezogen, an
dessen Ende bei Volvox minor die beiden Geissein stehen (Fig. la rechts),
wogegen letztere bei V. Globator fast stets am Grunde dieses Schnabels
entspringen (Fig. 1 a, links). Ausserdem findet sich an der Basis des
Schnabels ein kleiner Augenfleck; dagegen Hessen sich contractile Va-
cuolen noch nicht beobachten. Diese ohne Zweifel nackten Spermatozoen
sind äusserst contractu und namentlich zeichnet sich der Schnabel oder
Hals durch besondere Beweglichkeit aus.
Beyor wir das Schicksal der befruchteten Eizellen besprechen , sind hier noch einige
Worte über die morphologische Auffassung der Seprmatozoenbündel des Volvox zu bemerken.
Es unterliegt jedenfalls keiner Frage, dass die männlichen und weiblichen Eizellen des Volvox
Copulatioii von Vulvox. 793
durchaus homologe (iebildo sind und daraus folgt, dass wir morphologisch die einzelnen Sper-
matozoon nicht mit der Eizelle liomologisiren können. Andrerseits ersclieint jedoch auch sehr
plausibel, dass das Spermatozocnbündel, welches aus einer männliclien Geschlechtszelle ent-
steht, morphologisch einer Volvoxkolonie entspricht und daher, wenn wir namentlich auch die
Erscheinungen bei Pandorina vergleichen, die Spermatozoi'dien als spcrmoide Individuen einer
folgenden Generation aufgefasst werden dürfen. Aus diesen Vergleichungen ergibt sich denn
auch naturgemäss weiter, dass wir bei Eudorina nicht mit Goroshankin die Spermatozoenkolonie
als männliche der weiblichen Kolonie homologisiren dürfen, denn auch hier ist jedenfalls das
Homologen der weiblichen Kolonie die männliche mit noch nicht zu Spermatozoidien ent-
wickelten Geschlechtszellen. Beim Vergleich mit Pandorina wird sich demnach ergeben.
dass deren Geschlechtskolonien wohl nur den weiblichen und unentwickelten männlichen der
Eudorinen, resp. des Volvox direct, zu homologisiren sind, dagegen bei den letzteren Gattungen
erst eine zweite aus der männlichen hervorgehende Generation die copulationsfähigen spermoiden
(lameten liefert.
Das weitere Verbalten der befruchteten Eizellen des Volvox entspricht
dem der früher besprochenen Formen. Dieselben gehen in den umhüllten
Dauerzustand über, indem sie zwei in einander geschachtelte Cystenhäute
erzeugen, ein äusseres sogen. Exosporium und ein inneres Endosporium
(T. 45, Ic). Beide zeigen nach Kirchner wenigstens bei V. minor keine
Cellulosereaction. Die Bildungsgeschichte dieser doppelten Hülle ist nur
wenig verfolgt. Nach Kirchner sollen die beiden Häute durch Spaltung
einer ursprünglich einfachen Membran entstehen, doch ist dies wegen der
besonderen Gestaltnngsverhältnisse des Exosporium bei V. Globator wenig
wahrscheinlich. Bei letzterem erhebt sich nämlich das Exospor zu zahl-
reichen hohlen stachelartigen Auswüchsen auf der gesammten Oberfläche
der umhüllten Eizelle und zwar entstehen dieselben nach Cohn derart,
dass sich ursprünglich das Plasma der Eizelle in entsprechende Aus-
wüchse erhob, sich dann nach Abscheiduug des Exospors condensirte und
abrundete und hierauf erst das ihm dicht aufliegende kuglige und nach
Cohn gallertige Endospor bildete. Bei V, minor dagegen ist das dickere
Exospor glatt und rein kuglig und steht ziemlich weit von dem Endospor
ab, das auch hier der Oberfläche der stark condensirten Eizelle dicht auf-
liegt. Volvox Carteri zeigt in der Bildung des Exospors etwa eine Mittel-
stufe zwischen den beiden anderen Formen, da dasselbe nur in sehr
niedrige, wellige Fortsätze sich erhebt.
Weiterhin tritt in dem condensirten Plasma der befruchteten Eizelle
eine ansehnliche Vermehrung der Stärke auf und bald, noch bevor die
Eier durch Zerfall der Geschlechtsindividuen auf dem Boden der Gewässer
abgesetzt werden, bildet sich die uns bekannte Verfärbung ins Rothe bis
Braune aus.
Die Weiterentwicklung der ruhenden Eizellen erfolgt erst nach einer
längeren Ruheperiode. Es scheint, dass dieselben gewöhnlich nach Zerfall*)
der sie erzeugenden Volvoxindividuen den Winter über ruhen und erst im
nächsten Frühjahr ihre Entwicklung (Keimung der Botaniker) beginnen;
wenigstens wurde dies für den V. minor durch Kirchner und Henneguy
*) Bei diesem Zerfall sah Cohn zuweilen einzelne Volvoxzellen sich loslösen und isolirt
■weiterleben, doch blieb deren weiteres Schicksal unaufgeklärt.
794 Flagellata.
festgestellt. Nur bei dieser Art ist denn auch der Entwicklungsprocess
durch die genannten Forscher (namentlich Kirchner) ermittelt worden.
Hierbei ergab sich, dass derselbe im Wesentlichen genau so verläuft wie
die Entwicklung der Parthenogonidien zu jungen Volvoxindividuen, so
dass wir also wohl berechtigt sind, diese Parthenogonidien auch als par-
thenogenetisch sich entwickelnde Eizellen zu betrachten und die gesammte
Fortpflanzungsgeschichte des Volvox etwa mit der der Daphniden oder
der Blattläuse zu vergleichen. Wir können daher auch bezüglich dieses
Entwicklungsprocesses auf die früher gegebene Schilderung der Partheno-
gonidienentwicklung und die Abbildungen auf T. 45, Fig. le — g verweisen.
Bevor der Furchungsprocess beginnt, zeigt sich das erste Zeichen
der Weiterentwicklung des Volvoxeies darin , dass das Endospor
stark aufquillt und das Exospor zum Platzen bringt. Hierauf tritt die
Eizelle in das Endospor gehüllt aus dem Exospor hervor (45, 1 d) und
beginnt die eigentliche Entwicklung. Schon nach der Zweitheilung
soll sich nach Kirchner die innerste Schicht des Endosporiuras zu
der künftigen Kolonialhülle des jungen Volvox verdichten. Nach Ent-
wicklung der Geissein und nach eingetretener Vergrünung befreit sich
schliesslich das junge Individuum (das etwa aus 500 Zellen besteht)
durch Auflösung des Endospors. Schon zuvor haben sich jedoch die
geissellosen zukünftigen Parthenogonidien ditferenzirt. Wahrscheinlich
umhüllt eine sehr schwer sichtbare Gallertmasse den frei gewordenen
jungen Volvox noch einige Zeit. Sein Auswachsen zum reifen un-
geschlechtlichen Individuum geschieht jedenfalls genau so, wie bei der
parthenogenetischen Fortpflanzung.
H, Bildung sogen, ruhender Dauerzustände ohne Mitwirkung der
Copulation.
Unter gewissen Umständen gehen auch die Flagellaten in encystirte
Dauerzustände über, welche sich von den früher bei der Vermehrung be-
sprochenen Ruhezuständen dadurch unterscheiden, dass ihre Hüllen dicker
und derber, nicht selten auch mehrfache sind und dass gewöhnlich zu-
nächst keine Vermehrung des ruhenden Organismus eintritt. Wie aus
dem eben Bemerkten hervorgeht, zeigen diese Dauerzustände vielfache
Uebereinstimmung mit den ruhenden Zygoten und diese Aehnlichkeit ist
bei manchen Formen ganz auffallend.
Wir dürfen daher wohl schliessen, dass sich in Folge der Copulation
ähnliche Verhältnisse wie bei dem Uebergang in den Dauerzustand geltend
machen; die grosse Aehnlichkeit der beiden Zustände macht es vorerst
auch häufig schwierig, zu entscheiden, ob manche sogen. Dauerzustände
nicht doch durch vorherige Copulationsprocesse bedingt wurden. Jeden-
falls ist aber sicher, dass der Dauerzustand nicht selten auch ohne Copu-
lation eintritt. Ursachen seines Entstehens sind im Allgemeinen nach-
theilige äussere Einflüsse, welchen der Organismus durch den Dauerzustand
widersteht, so Austrocknung, faulige Verderbniss des Wassers, oder um-
Dauerzustände (Allgeineiucs, Bau der Cysten). 795
gekehrt bei Bewohnern von Infusionen auch Aufhören der Fäulniss und
dadurch entstandener Nahrungsmangel und schliesslich spielt auch viel-
leicht die Jahreszeit bei gewissen Formen eine Rolle. So wird z. B. für
Stephanosphaera angegeben, dass der Uebergang in den Dauerzustand
namentlich im Herbst eintritt. Bei den Eugleninen scheint endlich auch
eine andauernde Behinderung der freien Bewegung, wie sie z. B. bei fort-
gesetzter Cultur auf feuchtem Torf stattfindet, den Uebergang in den
Dauerzustand zu veranlassen, wie neuerdings Klebs gezeigt hat.
Da die Entstehung und die Bauweise der Dauerzustände uns nicht
viel Neues bietet, was sich schon aus dem oben Bemerkten ergibt, so
berichten wir nur kurz über dieselben. Gewöhnlich bilden sie sich durch
Abrundung des Organismus unter Verlust der Geissein und Entwicklung
einer Hüllmembran auf der Körperoberfläche. Dieselbe besitzt gewöhnlich
eine ziemlich derbe Beschaffenheit und massige Dicke und zeigt dann keine
weiteren Structureigenthümlichkeiten. Wenn der Flagellatenkörper selbst
schon eine Schalenhülle besitzt, dann bildet sich die Cyste gewöhnlich in dieser.
Dies ist namentlich bei den Chlamydomonadinen sehr deutlich zu beob-
achten und schon frühzeitig von Cohn bei den häufigen Dauerzuständen
des Haematococcus festgestellt worden (T. 43, 9 c). Das Gleiche gilt
ohne Zweifel auch für die übrigen Gattungen dieser Familie, welche
Dauerzustände aufweisen ; für Carteria zeichnet Carter (1858) den Dauer-
zustand in der Schalenhaut. Bei Chlamydomonas scheint mir der von
Cienkowsky (1865) beschriebene Dauerzustand etwas unsicher, da er
möglicherweise eine Zygote war und dasselbe gilt auch von dem gleichfalls
von Cienkowsky beschriebenen Dauerzustand des nahe verwandten Chloran-
gium. Dagegen wird sonder Zweifel der, seit Anton Schneider (1854) häufig
beobachtete Dauerzustand der Polytoma in entsprechender Weise entstehen.
Bald nach der Bildung des Dauerzustandes löst sich jedoch die Schalen-
haut der Chlamydomonadinen auf, so dass man ihre Dauerzustände ge-
wöhnlich nur in einfacher Cystenhaut antrifft. In entsprechender Weise
bilden sich ohne Zweifel auch die Dauerzustände der Volvocinen, doch
wurde das Nähere hier noch nicht verfolgt. Immerhin scheint hier der
Ort zu der Bemerkung zu sein, dass, wie natürlich, sämmtliche Individuen
der Volvocinenkolonien sich gleichzeitig encystiren. Dies zeigte Cohn
(1876) für Gonium sociale, für Stephanosphaera Cohn und Wichura (1857)
und für Eudorina Cohn (1855) und Henfrey (1856). Dagegen wurde bis
jetzt bei Volvox nichts sicheres von einem Dauerzustande wahrgenommen
und ich halte sein Vorkommen überhaupt für unwahrscheinlich.
Auch bei Synura soll nach Stein die Encystirung im Innern der
früher beschriebenen Cuticularhülle geschehen , indem sich der Körper
innerhalb derselben kuglig contrahirt und eine eigentliche Cystenhaut
bildet (T. 43, 1 d).
Auch nach Bütschli's Beobachtungen zeigt der Dauerzustand der Synura eine dop-
pelte Cystenhülle, eine sehr zarte äussere und eine derbe innere, doch scheint mir noch
et\vas unsicher, ob die ersterc wirklicli der Cuticularhülle der Synura entspricht. Jedenfalls
erhält sich jedoch die äussere Hülle hier dauernd.
796 Flagcllata.
Wenn die Cystenhiille eine ansehnliche Dicke erreicht, wie dies nament-
lich bei Euglena viridis und anderen Arten dieser Gattung beobachtet
wird, so zeigt sich eine meist deutliche, concentrische Schichtung derselben.
Das Gleiche beobachtete Cienkowsky (1870) auch bei einer Cryptomonas
(T. 45, 10b), wogegen Stein und Strasburger bei dieser Gattung eine
einfache ungeschichtete Cystenhaut sahen und ich das Gleiche bei
Chilomonas fand (45, 9 c). Bei Strasburger's Form war dieselbe bräun-
lich gefärbt und zeigte Cellulosereaction, Dass solche Verschiedenheiten
beinahe verwandten Formen vorkommen, zeigen jedoch auch die Euglenen,
so bildet nach Klebs die E. Ehrenbergii (= Amblyophis viridis Ehrbg.)
eine dünne, aber feste Cystenhaut, in welcher sie zusammengefaltet liegt.
Einige Formen sollen sogar in einen austrocknuugsfähigen Dauerzustand
ohne jegliche Hüllenbildung tibergehen (so Eugl. Spirogyra, sowie die
mit dicker Cuticula versehenen Phacusarten), während Eugl. viridis auch
derart einen Dauerzustand zu bilden vermag, dass sie sich mit einer
lockeren Schleinihülle umkleidet, in welche Sand und Lehmtheilcheu ver-
klebt werden.
Die Bildung mehrerer ineinander geschachtelter Cystenhüllen konnte
Cienkowsky bei einigen kleinen Flagellaten (Bodo angustatus, Pseudospora
Volvocis, sogen. Pseudospora parasitica (Oikomonas?) und Nitellarum
(Cercomonas?) constatiren. Hierbei scheidet die Flagellate, wie bei dem
gewöhnlichen Ruhezustand eine meist dünne Hülle (Zeilbaut Cienkowsky's)
aus, um sich hierauf unter Ausstossung der Nahrungsreste stark zu con-
densiren und eine Specialcystenhaut (Cystenhaut Cienk.) zu entwickeln
Bei Bodo angustatus (46, 6n) zeigt die äussere Haut knopfartige Ver-
dickungen auf ihrer Innenfläche. Doppelte Cystenhüllen bildet nach
Büschli's Erfahrungen auch Dinobryon (T. 41, 9 b — c) und bei der Ency-
stirung scheinen die Individuen dieser Gattung gewöhnlich ihre Gehäuse
zu verlassen , da man die Dauerzustände theils äusserlich an der Mün-
dung der leeren Gehäuse befestigt, theils frei im Wasser trifft. (Bütschli
und Stein). Zuweilen scheint auch vor der Bildung der äusseren Haut
eine Schleimhülle abgeschieden zu werden, welche den bei der sogen.
Pseudospora Volvocis beobachteten Schleier bilden dürfte (42 ; 7 c, s).
Bei den grünen Chlamydomonadinen und Volvocinen tritt im Gefolge;
des Dauerzustandes eine Röthung auf, wie in der Zygote und auch bei
Euglena scheint diese Veriärbung zuweilen einzutreten. Wenigstens gibt
Carter es von seiner E. Tuba an. Klebs dagegen hat bei den von ihm
studirten Euglenen nichts derartiges beobachtet.
Ausser einer Verdichtung, welche mit der Verringerung des Körper-
volums im Zusammenhang steht, scheint bei den grünen Formen häufig
eine reichere Entwicklung körniger Einschlüsse beim Uebergang in den
Dauerzustand einzutreten. Schon Cohn hob dies (1850) für Haematococcus
hervor und auch den Dauerzustand von Carteria schildert er (1876) als
besonders stärkereich. Neuerdings zeigte Klebs, dass auch die Euglenen
beim Uebergang in den Dauerzustand sehr reichlich Paramylon bilden,
Dauerzustände (Verhalt d. enc. Körpers, cudoi;'. Cysten, Wiederaustritt, Vermeli r. im Dauerzust.). 797
indem sie tlieils neue Körner erzeugen, theils die alten verdicken. So
werden z, ß. im Dauerzustand der Euglena Spirogyra die ringförmig
durclibrocbenen grossen Paramylonkörper ausgefüllt und sehr vergrössert
und Aebnliclies geschieht bei anderen Formen.
Seltsam abweichend von dem gewöhnlichen Bildungsgang der Dauer-
zustände gestaltete sich derselbe bei zwei von Cienkowsky untersuchten
Flagellaten, der Monas Guttula und der sogen. Chromulina nebulosa Cienk.
Bei beiden bildet sich der Dauerzustand endogen, d. h. durch Umhüllung
eines Theils des Körperplasmas. Sehr deutlich tritt dies bei der Monas
Guttula hervor, wo sich eine runde Cyste im Hinterende des mit Geissein
versehenen Körpers ausbildet (T. 40, 12 d) und ein beträchtlicher Theil
des Plasma samt der contractilen Vacuole ausgeschlossen bleibt. Durch
Zerfall dieses nicht encystirten Körpertheils wird die Cyste schliesslich frei.
Weniger deutlich endogen ist der Vorgang bei Chromulina, hier scheint
sich vielmehr die Hauptmasse des Körpers mit Ausnahme seines vorder-
sten Theils mit der Cystenhaut zu umhüllen. Auch hier enthält jedoch
dieser schliesslich zerfallende vordere Körpertbeil die contractilen Vacuolen.
Die Dauerzustände beider Formen besitzen eine kuglige Bildung, mit
ziemlich dicker, einfacher CystenhüUe, welche einen kurzen halsartigen
Fortsatz zeigt (40, 12 e). Bei Chromulina ist die Oberfläche der Cysten-
hüUe noch durch einige meridionale, schwach erhabene Eeifen, die ge-
wöhnlich den Hals schneiden, verziert.
Für die Dauerzustände der Chlamydomonadinen und Volvocinen wurde
häuflg constatirt, dass sie wachsthumsfähig sind, namentlich betont dies
Cienkowsky für die zwar etwas zweifelhaften Dauerzustände von Chla-
mydomonas, Cohn, Braun und Perty (1851) für Haematococcus, Cohu und
Wichura für Stephauosphaera.
Unter geeigneten Bedingungen geht der Dauerzustand wieder in den
freibeweglichen über und zwar entweder, indem der eingeschlossene Fla-
gellatenkörper einfach austritt oder zunächst einen Theilungsprocess ein-
geht und sich erst die gebildeten Sprösslinge früher oder später befreien.
Der Uebergang in den beweglichen Zustand tritt namentlich dann ein,
wenn die Dauerzustände nach einiger Austrocknung von neuem in Wasser
gebracht, resp. aus verdorbenem Wasser in frisches versetzt werden. Für
die Infusionsbewohner wirkt auch wohl die Erneuerung der verbrauchten
Infusion in gleicher Richtung. Der bewegliche Zustand stellt sich dann
z. Tb. sehr schnell und sicher wieder her, wovon sich Klebs bei den
Eugleuen neuerdings überzeugt hat.
Unter entsprechenden Bedingungen tritt bei denjenigen Formen, wo
zunächst eine Sprösslingsbilduug in der Dauercyste geschieht, diese Ver-
mehrung ein. Speciell bei Haematococcus bildet dieser Vorgang eine sehr
häufige und seit langer Zeit bekannte Erscheinung. Auch Stephauosphaera
zeigt eine ähnliche Sprösslingsbildung. Bei Haematococcus theilt sich
der Cysteninhalt (durch fortgesetzte Zweitheilung) in eine sehr ver-
798 Flagellata.
schiedene Anzahl Sprösslinge; Cohn sah gewöhnlich sechs, A. Braun
zwei bis vier, Stein ,vier bis acht. Strasburger (1878) zwei, vier, neun,
16 und 32 Sprösslinge. Dass durch langfortgesetzte Theilung in der
Dauercyste thatsächlich eine derartige Mikrogonidienbildung zuweilen
stattfindet, zeigten auch schon die älteren Beobachtungen Cohn's
(1850), der sogar circa 64 kleine Sprösslinge in einer Cyste beob-
achtete. Zum Theil beruhen diese sehr verschiedenen Sprösslings-
zahlen auch wohl nur darauf, dass der Austritt aus der Cyste recht ver-
schieden früh eintreten kann. Derselbe vollzieht sich nun gewöhnlich in
der Weise, dass sich die Cyste an einer Stelle öffnet und die Sprösslinge
in eine sich hervorstülpeude zarte Haut eingeschlossen, hervordringen.
(Stein und Strasburger [43, 9e — f]). Mit Strasburger dürfen wir diese
Haut wohl für eine innerste aufquellende und ausgedehnte Schicht der
Cystenhülle erklären, wogegen sie Stein für eine besondere Membran
hält, welche der encystirte Haematococcus ausschied. Endlich durch-
brechen die Sprösslinge noch diese Hülle, entwickeln Geissein und
werden beweglich. Die meisten Beobachter (Cohn, Perty und Strasburger)
erklären die ausgetretenen Sprösslinge für nackt und lassen dieselben erst
während ihres beweglichen Zustandes die bekannte Schalenhülle ent-
wickeln. Dagegen sah Stein die Sprösslinge gewöhnlich schon innerhalb
der Dauercyste eine dicht aufliegende SchalenhüUe ausbilden. Wahrschein-
lich finden sich also in dieser Beziehung Verschiedenheiten. Auch die Geissein
der Sprösslinge sah Stein zuweilen schon in der Dauercyste auftreten.
Manchmal scheinen jedoch nach den Beobachtungen Cohn's und
Braun's die ausgetretenen Sprösslinge keine Geissein auszubilden, sondern
direct wieder in Dauerzustände überzugehen, welche weiterwachsen und
sich in entsprechender Weise vermehren. Nach Braun tritt dieser Zustand
ein, wenn die Dauerzustände nicht untergetaucht, sondern nur in feuchter
Luft vegetiren (so z. B. am Rande des Wassers). In dieser Weise ent-
stehen dann ganze Krusten oder Häute von Dauerzelleu , welche den
früher schon von anderen Chlamydomonadinen, Euglenen etc. geschilderten
Pleurococcuszuständen an die Seite zu stellen sind. Durch dichte Zu-
sammenlagrung platten sich die Dauerzellen solcher Häute gegenseitig
polyedrisch ab.
Einfacher gestalten sich die Verhältnisse, soweit bekannt, bei Stepha-
nosphaera. Ihre Dauerzustände theileu sich unter allmählicher Ergrünung
zu vier (zuweilen wahrscheinlich auch acht) Sprösslingen , welche durch
Auflösung der Cystenhülle frei werden und nach Entwicklung der Geissein
zunächst noch vereinigt umherschwimmen. Schliesslich trennen sie sich
von einander und sind anfänglich nackt. Während ihres Umherschwimmens
entwickeln sie eine sich allmählich weit abhebende Schalenhülle und er-
scheinen dann ganz wie eine Haematococcuszelle, da sie namentlich auch
häufig wie diese Pseudopodien zur SchalenhüUe aussenden. Schliesslich
gehen diese Sprösslinge durch successive Zweitheilung, unter Erhaltung
ihrer Geissein in polytomaähnlicher Weise in junge achtzellige Kolonien
System (Historisches). 799
Über, welche sich nach Entwickhing einer Kolonialhülle und der Geissein
unter Auflösung der Schalenhülle des Mutterorganismus befreien und aus-
wachsen.
7. System der Flagellateii. *)
A. Historisches.
Da schon in der geschichtlichen Einleitung hinreichend betont wurde,
dass Ehrenberg und seine Vorläufer noch nicht erkannt hatten, dass die
Flagellaten eine zusammengehörige, natürliche Gruppe bildeten, so ver-
weilen wir hierbei nicht länger und heben nur hervor, dass auch die fünf
Familien, in welche Ehrenberg die Flagellaten einreihte, z. Th. noch
wenig natürlich waren. Unter denselben sind etwa die Volvocina,
Dinobryina und Astasiaea als natürliche Gruppen auch später fest-
gehalten worden, wobei jedoch die letztere mehr der Gesammtheit unserer
Unterordnung der Euglenoidina entspricht. Sehr unnatürlich waren da-
gegen die Ehrenberg'schen Familien der Monadina und Cryptomonadina
und schon früher zeigten wir, dass Ehrenberg sogar gewisse Flagellaten
den Ciliaten beigesellt hatte.
Wie bekannt, datirt die Zusammenfassung unserer Gruppe von
Duj ardin (1841) her, der in seiner III. Ordnung der Infusorien, d. h.
den „infusoires pourvus d'un ou de plusieurs filaments flagelliformes servant
d' Organs locomoteurs — sans bouche'', eine Abtheilung schuf, welche sich mit
unseren Mastigophoren deckt, da er auch die Cilioflagellaten zu derselben
zog. In der Unterscheidung natürlicher Untergruppen dagegen kam
Dujardin nicht über Ehrenberg hinaus; seine 5 Familien sind im Wesent-
lichen die Ehrenberg's, wenn er auch die Astasiaea in Euglenina und
die Cryptomonadina in Thecomonadina umtaufte. Ausserdem führte er
einige Verschiebungen der Gattungen in den Familien aus und er-
kannte die Flagellatennatur der von Ehrenberg noch bei den Ciliaten
gelassenen Gattungen.
C. von Siebold suchte dann 1848**) die Bezeichnung Astoma
für die von Dujardin errichtete Abtheilung der Geisseiinfusorien einzu-
führen, zu der er irriger Weise auch die Opalinen gesellte; doch hat
sich dieser Name keine Anerkennung erworben, wohl wegen der Un-
sicherheit über die Ernährungsverhältnisse der hierhergehörigeu Formen,
die es verfrüht erscheinen liess, eine solche Bezeichnung zu wählen.
Auch Perty's System (1852) brachte keinen wesentlichen Fortschritt.
Bei ihm fand die Hauptmenge der Flagellaten in der 1. Section: Filigera
seiner Phytozoidia Aufnahme; gewisse Flagellatenformen, wie Chlamy-
domonas und Haematococcus stellte er dagegen zu der zweiten Phyto-
*) Irrthümlicher Weise wurde der Abschnitt über die Fortpflanzung unter G. rubricirt,
wogegen derselbe als der 6. Abschnitt einzureihen ist.
**) Siebold und Stannius, Lehrbucb>.d. vergl. Anatomie, Bd. I.
gOO Flagellata.
zoidiensection, seinen Sporozoidia, die wesentlich auf die pflanzlichen
Zoosporeu gegründet war. Eine dritte Section der Phytozoidia bil-
deten schliesslich unter der Bezeichnung Lampozoidia die heutigen
Schizomyceteu. In der speciellen systematischen Eintheilung der Filigera
kehren in der Hauptsache die Ehrenberg'schen Familien wieder, nur
trennte Perty einen Tbeil der Cryptoraonadinen unter der Dujardin'schen
Bezeichnung Thecomonadina zu einer besonderen Familie ab, ohne je-
doch deren natürliche Beziehungen richtig zu erkennen.
Im Jahre 1853 (79) schlug Cohn zuerst die Bezeichnung Flagellata
für die Dujardin'schen Geisseiinfusorien vor, die sich dann allmählich
einbürgerte.
Einen recht mangelhaften Versuch systematischer Eintheilung der
Flagellaten veröffentlichte 1866 Diesing. Er führte zuerst den Namen Masti-
gophora für die geisseltragenden Protozoen ein und zerlegte dieselben in
zwei Untergruppen, die M. atrichosomata, unsere Flagellaten und die
M. trichosomata, die Cilioflagellaten, zu welchen jedoch auch in ganz
irriger Weise das Genus Mallomonas gezogen wurde. Diesing selbst
hatte keine eignen Erfahrungen auf dem Felde der Flagellatenkunde
und ebensowenig einen scharfen Blick für die Aehnlichkeiten und Diffe-
renzen der zahlreichen Formen, so dass sein Versuch kein besonders
glücklicher werden konnte. Nur die ziemlich intact beibehaltene Fa-
milie der Volvocina Ehrbg erscheint in seinem System als eine natür-
liche Gruppe, alle übrigen Flagellaten zog er in eine ganz unförmliche
Familie der Monadinea zusammen, eine Lösung der Schwierigkeit, welche
gerade die Umgrenzung dieser Familie stets bereitet hatte, die lebhaft
an die Entwirrung des gordischen Knotens erinnert.
Auch die weitere Unterabtheilung dieser grossen Mouadinenfamilie
war ganz künstlich; dieselbe wurde nämlich in zwei Gruppen ge-
theilt, eine der Unbeschalten und eine zweite der Beschälten, welche
Gruppen, abgesehen von der Künstlichkeit des Eintheilungsgrundes, auch
noch desshalb sehr mangelhaft waren, weil unter den Beschälten eine
ganze Menge Uubeschalter, unter den Unbeschalten sich dagegen auch
in Wirklichkeit Beschalte fanden. Um diese Bemerkung mit einigen
Beispielen zu erläutern : so finden wir Cryptomonas unter den Beschälten,
die nächstverwandte Chilomonas dagegen unter den Unbeschalten;
andererseits die mit Hülle versehene Polytoma unter den Unbeschalten,
dagegen Carteria bei den Beschälten und schliesslich Chlamydomonas gar
wieder in der zweiten Familie unter den Volvocinen. Ebenso sind z. B.
Euglena und Phacus auf verschiedene Abtheilungen vertheilt.
Indem wir die weiteren Eintheilungsprincipieu jener beiden Haupt-
gruppen: der Aloricata und Loricata als unwichtig übergehen, da die-
selben ebenso künstlich sind wie die Bildung dieser beiden Gruppen
selbst, heben wir nur noch hervor, dass Diesing schliesslich in
jeder Gruppe eine Anzahl Abtheilungen auf Grund der Geisseizahl er-
richtet und damit dieses Eintheilungsprincip zuerst in das Flagellaten-
System (Historisches, Perty. Diosing-, Promciitel, Stein, Kent). 801
System eiulübrte, ein Princip, welches später namentlich H. Kent in
seinem System verwerthet hat. Nach dem vorstehend Bemerkten braucht
kaum besonders betont zu werden, dass auch die auf die Zahl der
Geissein gegründeten Abtheiluugen Diesing's im Allgemeinen wenig
natürliche sind , da auch dieses Eintheilungspriucip bei rücksichtsloser
Anwendung zu unnatürlichen Gruppirungen führt, wie wir später noch
specieller zu besprechen haben werden.
Fromentel's System von 1874 (146) kann in keiner Weise als
eine Förderung betrachtet werden, im Gegentheil bietet es sowohl
hinsichtlich der Familien- wie der Gattungsbildung sehr Unvollkomm-
nes dar. Nur drei grosse Familien , Euglenina, Monadina und Vol-
vocina werden aufgestellt und die Gattungen häufig in sehr unrichtiger
Weise auf dieselben vertheilt; so finden wir z. B. Phacus nicht bei den
Euglenina, sondern bei den Monadina, dagegen Anthophysa, Dinobryon etc.
bei den Volvocina. Auch in den einzelnen Gattungen sind nicht selten
sehr heterogene Formen vereinigt, so unter Zygoselmis augenscheinlich
ein Chilomonas und eine Eutreptia, während sich die eigentliche Zygo-
selmis unter Astasia findet und Aehnliches mehr. Ebenso ist auch nur
ein Theil der neu aufgestellten Gattungen gut begründet, so ist z. B. die
Gattung Diplomita nichts weiter wie ein Theilungszustand von Anisonema.
In vieler Hinsicht bezeichnete das Stein'sche Flagellatensystem vom
Jahre 1878 einen wesentlichen Fortschritt. Die Zahl der Familien ist
hier auf 14 erhöht, und von diesen sind nach unserer Auffassung 10
wohl begründet. Die vier übrigen, darunter die drei gattungsreichsten,
sind dagegen wenig natürlich und daher von uns z. Theil ganz auf-
gelöst, z. Th. dagegen in andrer Weise umgrenzt worden. Die Geissei-
verhältnisse zog Stein bei der Eintheilung nur wenig zu Hülfe, wie dies
namentlich seine Familie der Monadina zeigt, in welcher Formen von der
verschiedenartigsten Geisseibewaffnung zusammengestellt sind. Grössere
Untergruppen als Familien hat Stein in seinem System nicht unterschieden.
Schliesslich hätten wir noch einen Blick auf das jüngste Flagel-
latensystem von Kent zu werfen. Derselbe unterscheidet innerhalb seiner
Flagellaten 7 Ordnungen, von denen wir die Cilio- und Choanoflagcl-
lata, sowie die sogen, Radioflagellata ausscheiden; die letzteren wurden
in ganz irriger Weise auf die mit einer sogen, Sarkodegeissel ausge-
rüsteten Radiolarien gegründet, welche, wie wir früher sahen, keine nähere
Verwandtschaft mit den Mastigophoren besitzen, ja die nicht einmal inner-
halb der Radiolarien eine gemeinsame Gruppe bilden. Seine erste Ord-
nung der eigentlichen Flagellaten (in unserem Sinne), die der Trypano-
somata gründet sich auf die einzige Gattung Trypanosoma, welche wir
auf Grund unserer immer noch mangelhaften Kenntnisse wohl kaum zum
Repräsentanten einer eigenen Ordnung erheben können. Die zweite
Ordnung, die der Rhizoflagellata, ist von uns zu einer Familie der Ordn.
Monadina degradirt worden. Die beiden letzten Ordnungen schliesslich
umfassen die grosse Mehrzahl der Flagellaten und ihre Unterscheidung
Brunn, Klassen des Thiev-Keichs. rrntuzoa. 51
802 Flag-ellata.
basirt auf Verschiedenheiten in der Nahrungsaufnahme. In der Ordnung der
Flagellata-Pantostomata sollen nämlich alle diejenigen Gattungen
Platz finden, welche keine besondere Mundötfnung besitzen, sondern ihre
Nahrung mit der gesammten Körperoberfläche aufnehmen, wogegen die
mit Mund versehenen Formen die Ordnung der Flagellata-Eusto-
mata bilden. Wir haben schon bei der Besprechung der Nahrungs-
aufnahme (p. 698) hervorgehoben, dass wir diese beiden Ordnungen für
unnatürliche halten und diese Ansicht wohl auch schon hinreichend
begründet.
Zur Unterscheidung der Familien zieht Kent, ähnlich wie zuerst
Diesing, die Modalitäten der Geisseiausrüstung schärfer heran, wird aber da-
durch zuweilen auch zu Unnatürlichkeiten verleitet, wie wir denn im Spe-
ciellen vielfach von seiner Gruppirung der Gattungen abweichen müssen.
Einige allgemeine Bemerkungen über die Umgrenzung, welche Kent
den Flagellaten gibt, sind hier noch anzuschliessen. Wie Diesing
zieht er die Gattung Mallomonas zu den Cilioflagellata, dieselbe ge-
hört jedoch zu den Flagellata. Die Volvocinen und Chlamydomona-
dinen schliesst er als nichtthierische Formen von den Flagellaten
aus, nimmt aber dennoch zwei typische Chlamydomonadinen, näm-
lich die Gattungen Polytoma und Carteria, sowie zahlreiche nächst-
verwandte Formen unter seine Chrysomonadinae auf, die in jeder Be-
ziehung gleich pflanzlich sind wie die Volvocina. Auch ihm gilt nämlich
wie Stein die An- oder Abwesenheit der contractilen Vacuolen für sehr
wesentlich zur Unterscheidung thierischer und pflanzlicher Formen, und
nach seinen Untersuchungen glaubt er den Volvocinen die contractilen
Vacuolen absprechen zu dürfen.
Unsere systematische Eintheilung der Flagellata gibt der folgende
Abschnitt im Detail; hier möge zunächst noch der Umfang der ge-
sammten Gruppe eine kurze Erörterung finden.
Wenn nur die einigermassen gesicherten Arten in Betracht gezogen
werden, so erscheint die Zahl der jetzt bekannten Flagellatenformen im
Allgemeinen nicht sehr ansehnlich. Ich berechne dieselbe auf ca. 185
bis 200 Arten, welche sich auf ca. 110 Gattungen vertheilen. Hieraus
dürfte hervorgehen , dass die Sonderung in Gattungen etwas zu weit
getrieben wurde, da im Durchschnitt noch nicht zwei Arten auf eine
Gattung kommen. Eine Veringerung der Gattungszahl dürfte sich dem-
nach in der Zukunft wohl empfehlen. Unter der angegebenen Zahl von
Arten finden sich ca. 18 marine und etwa 20 parasitische. Es kann
wohl als sicher angenommen werden, dass unsere derzeitige Bekannt-
schaft mit den Flagellaten eine sehr unzureichende ist und daher die
Zukunft noch eine beträchtliche Vermehrung derselben erwarten lässt.
System. Allgem. Vcrwandtschaftsbezieluing-en. 803
B. Verwandtschaftliche Beziehungen der Flagellaten zu den früher be-
sprochenen Protozoüaklassen und zu den einzelligen pflanzlichen Organismen.
Die zum Theil schon früher angedeuteten verwandtschaftlichen Be-
ziehungen der Flagellaten, welche nach sehr verschiedenen Richtungen
gehen, erfordern, dass wir diesem Gegenstand noch einige Worte
widmen, einmal, um die Ausdehnung, die der Flagellatengruppe hier ge-
geben wurde, zu rechtfertigen, und ferner um die systematische Stellung
der Gruppe als solche genauer zu präcisiren. Das Historische bezüglich
des Streites über die Stellung zahlreicher Flagellaten bei den thierischen
oder pflanzlichen Organismen wurde früher schon hinreichend erörtert
und es ist schon genügend bekannt, dass namentlich die Familien der
Chlamydomonadinen und Volvocinen von den Botanikern sehr allgemein
unter die Algen aufgenommen und in die Ordnung der Protococcoideae
eingereiht werden, in welcher beide Familien gewöhnlich zu einer ein-
zigen verschmolzen erscheinen. Dass meist nur die beiden erwähnten
Familien aufgeführt wurden, zahlreiche nächstverwandte Formen dagegen
keine Aufnahme fanden, beruhte wohl nur auf der geringen Kenntniss
derselben und bei einer Revision des Systemes würde wohl kein Bota-
niker Anstand nehmen, unsere gesammte Abtheilung der Phytomastigoda,
und auch wohl die Familie der Cryptomonadina den Protococcoideae
zuzurechnen.
In gleicher Weise wurde häufig versucht, die grünen Eugleninen
den einzelligen Algen beizugesellen; in diesem Sinne sprachen sich z. B.
schon Bergmann und Leuckart 1852*) aus und später betonte hauptsäch-
lich Cienkowsky (118), auf seine Beobachtungen über die Fortpflan-
zung der Euglenen im ruhenden Zustand gestützt, ihre Algennatur-
Diese Ansicht hat sich aber nie allgemeinere Verbreitung errungen,
hauptsächlich wegen der besonderen Bewegungserscheinungen zahl-
reicher Eugleninen, wiewohl ich hierin gerade am wenigsten einen
Grund für ihre Thierheit erblicken möchte. Speciell Cohn , der
durch seine zahlreichen Arbeiten auf dem Grenzgebiet der beiden
Reiche zu einem Urtheil in dieser Frage besonders berufen war,
vertheidigte die animalische Natur der Euglenen und Verwandten, ob-
gleich er mit Entschiedenheit für die Pflanzeunatur der Chlamydomona-
dinen und Volvocinen eintrat. Auch der neueste gründliche Erforscher
der Eugleninen, Klebs, gelangte im Wesentlichen zu demselben Resultat,
indem er einmal die nicht geringen Differenzen der Organisation zwischen
den beiden in Frage stehenden Gruppen besonders betonte und sich
weiter namentlich darauf stüzte, dass die Euglenen die nächsten Ver-
*) Anatom, physiol. Üehers. d. Thierreichs. Stuttgart 1852, p. 132.
51
804 Flagellata.
wandten echt thierischer Flagellaten seien, d. h. solcher Formen, welche,
mit Mund versehen, sich in thierischer Weise ernähren. Gerade diese
grosse Verschiedenheit der Ernährung in der zweifellos natürlichen
Gruppe der Euglenoidinen zeigt jedoch, dass wir berechtigt sind, auch
Flagellaten von thierischer Ernährungsweise nicht aus der Reihe der
Isomastigoden zu entfernen, wenn dieselben in ihrer Organisation die
nöthige Uebereiustimmung mit denselben besitzen. So sehen wir denn
auch in dieser Gruppe Formen, deren Verwandtschaft mit den Phyto-
mastigoda jedenfalls keine geringe ist, sich thierisch ernähren, wenn-
gleich so entwickelte Mundeinrichtungen, wie sie bei den Euglenoidinen
gefunden werden, hier nicht vorkommen, oder doch nicht mehr als
solche zu functioniren scheinen (Cryptomonadina). Hieraus dürfen wir
aber folgern, dass die Phytomastigoda ebensowohl wie die Eugleninen
zu der Flagellatengruppe in weiterem Sinne gerechnet werden müssen.
Auch für die Botaniker kann kein Zweifel darüber bestehen , dass die
Phytomastigoda die nächsten Verwandten der übrigen Flagellaten sind
und sich mit diesen aus gemeinsamer Grundlage entwickelt haben,
andererseits führen sie aber unzweifelhaft und direct zu denjenigen
einzelligen Wesen über, welche auf die Bezeichnung pflanzliche ein
bestimmtes Anrecht haben, nämlich zu den Palmellaceen und Proto-
coccaceen, die nicht nur morphologisch, sondern auch vielfach in ihren
Fortptlanzungserscheinungen , die innigsten Beziehungen zu den Phyto-
mastigoda besitzen. Ein Character jedoch ist es, welcher diese beiden
Abtheilungen im Grossen und Ganzen scheidet und mich bestimmt, die
Phytomastigoden den übrigen Flagellaten inniger anzuschliessen. Bei
den Phytomastigoden nämlich ist der Schwerpunct des Lebens in dem
beweglichen Zustand concentrirt, in diesem wachsen sie und pflanzen
sich gewöhnlich auch fort, wie die übrigen Flagellaten, wogegen in der
Reihe der Palmellaceen etc. das eigentliche Leben sich umgekehrt mehr
auf die ruhenden, vegetativen Epochen concentrirt. Im Verlaufe dieser
geschieht hauptsächlich oder ausschliesslich die Assimilation sowie das
Wachsthum und die beweglichen Zustände gehen verhältnissmässig rasch
vorüber, d. h. sie sind zu einem blossen Mittel der Fortpflanzung und
Ausbreitung herabgesunken (Zoosporen). Kaum brauchen wir zu betonen,
dass auch diese Gegensätze keine scharfen sind, da sie ja nur auf
einem mehr oder weniger beruhen, und beide Abtheilungen, wie be-
merkt, in einander übergehen, was natürlich ein allmähliches Ineinander-
fliessen der Gegensätze voraussetzt.
Wir müssen demnach voll anerkennen, dass die Zusammenziehung der
Phytomastigoden mit den einzelligen Algen vom Standpunct der Botanik
aus gerechtfertigt erscheint, denn sie sind sicher durch genetische
Bande mit denselben verknüpft; dagegen gehören sie in einem höhe-
ren Sinne auch der Flagellatengruppe an und auf diese hat die
Protozoenkunde volles Anrecht, da zahlreiche ihrer Vertreter physiologisch
echte Thiere sind und sich andererseits die höhere Thierwelt sonder
All.u'^111. ViTwaiidtscliafthuzii'li. zu cinzell. A1l;cii. Oliytridioeii ii. ISIyxoiJiycctcii. 805
Zweifel aus der Flagellatengriippc hervorgebildet bat. Gleicherweise
kann jedoch auch die Botanik die Betrachtung der Gesammtgruppe nicht
entbehren, da die Phytomastigoda, isolirt von den tibngen Flagellaten,
nur ein sehr unvollständiges Bild der Gesammtentwicklung der Gruppe
geben würden. Wenn daher eine Organismengruppe wegen ihrer Be-
ziehung zu den zwei grossen Reihen die Bezeichnung Protisten verdiente,
so wäre es wohl entschieden die der Flagellaten , und dies wird denn
auch noch weiter dadurch belegt, dass die verwandtschaftlichen Be-
ziehungen der Flagellaten wohl nicht nur auf die Protococcoidea und
durch diese auch auf die mehrzelligen Algen und schliesslich höheren
Pflanzen hinweisen, sondern auch wohl noch auf andere Gruppen ein-
zelliger, den Pflanzen gewöhnlich zugerechneter Organismen. Zunächst
meine ich hier die Bacillariaceen, w^elche namentlich in der Beschaffen-
heit ihrer Chromatophoren sehr lebhaft an zahlreiche Flagellaten
erinnern, so dass ich bei der im Uebrigen sehr isolirten Stellung dieser
Gruppe ihr directes Hervorgehen aus flagellatenartigen Wesen nicht für
unwahrscheinlich halte.
Weitere Gruppen einzelliger, pflanzlicher Wesen, welche gleichfalls
ihren Ursprung direct aus flagellatenartigen herleiten dürften, sind
die schmarotzenden Chytridieen und die Myxomyceten. Für die
ersteren ist diese Ansicht wohl ziemlich plausibel, denn sie bieten in ihrer
Ableitung von farblosen einfacheren Flagellaten ebenso wenig Schwierigkeit
wie die Protococcoidea von gefärbten. Etwas schwieriger gestaltet sich dies
vielleicht für die Myxomyceten und zu diesem Zwecke wollen wir zunächst
einen Blick auf die Beziehungen zwischen den Flagellaten und Sarkodinen
werfen. Schon früher wurde hinreichend betont, dass die innigsten Be-
ziehungen zwischen diesen beiden Abtheilungen existiren, d. h. die ein-
fachsten Formen der Flagellaten, die Familie der Rhizomastigina, bildet
wegen ihrer zwischen den beiden Abtheilungen schwankenden Organi-
sation geradezu ein Verbindungsglied. Es spricht denn auch Vieles
dafür, dass derartige Formen den Ausgangspunct beider Klassen bildeten.
Als eine solche Ausgangsform dürfen wir uns etwa eine solche vorstellen,
welche ähnlich wie Ciliophrys abwechselnd eine sarkodinenartige und
eine flagellatenartige Beschaffenheit anzunehmen im Stande war. In der
Reihe der Flagellaten, welche sich aus einer solchen Grundform entwickelte,
trat nun der sarkodinenartige Zustand mehr und mehr zurück und der
flagellatenartige wurde allmählich der bleibende, wiewohl sich noch viel-
fach das Vermögen erhalten hat, den sarkodinenartigen Zustand vorüber-
gehend anzunehmen. Das Umgekehrte machte sich dagegen in der Ent-
wicklung der Sarkodinenreihe geltend. Hier trat der Flagellatenzustand
mehr und mehr zurück und der sarkodinenartige bildete allmählich die
Dauerform, dagegen blieb auch hier die Fähigkeit den Flagellatenzustand
anzunehmen , noch vielfach erhalten, beschränkte sich jedoch ähnlich wie
bei den Protococcacea auf eine kurze Zeit in Zusammenhang mit der
Forlpflanzung. So erklärt sich denn wohl am einfachsten die bei
806 Flagellata.
den SarkodineD so verbreitete Erscheinung der Schwärmerbildung*). Zu-
gleich fällt durch diese Ableitungsweise der beiden Gruppen die Schwie-
rigkeit weg, welche sich erhebt, wenn man in den Schwärmern der
Sarkodinen etwa ähnlich den Vorgängen bei der Entwicklung der
Metazoen phylogenetische Vorstufen erblicken will, denn wie ich zuerst
gezeigt habe, kann das sogen, biogenetische Grundgesetz auf die Proto-
zoen keine Anwendung finden**).
Es kann nun meiner Ansicht nach keiner Frage uuterliegen, dass
die sogen. Schleimpilze in inniger genetischer Verwandtschaft zu den
einfacheren Sarkodinen (speciell Rhizopoden) stehen. Diese Anschauung
hat sowohl in früherer wie in neuerer Zeit eine ganze Anzahl Anhänger
gefunden, unter denen ich hier nur de Bary***), Claus f), S. Kent (182),
Klein tt) erwähnen will. Ist es doch für gewisse Formen bis jetzt
zweifelhaft geblieben, ob sie besser den Sarkodinen oder den Schleim-
pilzen anzuschliessen sind. Ein besserer Beleg für die Beziehungen
beider Abtheilungen dürfte wohl schwerlich beizubringen sein und
die Ableitung der Myxomyceten von rhizomastiginen- artigen Wesen
scheint mir sehr einleuchtend aus ihrem gesammten Lebens- und Ent-
*) Wie aus Obigem heri^orgeht, acceptire ich, beziiglicli der Frage nach der Stellung
der Flagellaten unter den Protozoen, in vieler Hinsicht die zuerst von K. S. Bcrgh ausge-
sprochene Ansicht (Morphol. Jahrbuch, Bd. 7, „üeber den Organismus der Cilioflagellaten'-).
Das Besondere meiner Meinung ist nur, dass ich die vermittelnden Rhizomastigina als Aus-
gangspunct der Flagellaten- und Sarkodinenreihe nehme.
**) Jenaische Zeitschr. f. Naturwissensch. 1876, p. 287.
***) de Bary, die Mycetozoen, Zeitschr. f. wissensch. Zoologie, Bd. X. 1864,
t) Claus, Lehrbuch der Zoologie,
tt) Klein, Vampyrella, ihre Entwicklung und systematische Stellung, Botan. Centralblatt,
Bd. Xr, 1882.
Durch das Studium verschiedener Yampyrellaformen gelangte Klein zu der Ansicht, dass
diese von uns zu den Heliozoen gezogenen Formen eine nahe Verwandtschaft mit pflanzlichen
Organismen , speciell den Myxomyceten und den Chytrydieen besässen und daher diesen
zuzurechnen seien , wenngleich er auch ihre Beziehungen zu den Protozoen und vor Allem
den Heliozoen nicht in Abrede stellt. Wir vermögen uns dieser Ansicht nicht unbedingt
anzuschliessen, obgleich es ja keiner Frage unterliegt, dass alle diese Formen unter einander
nahe verwandt sind. Der Anschluss der Vampyrella an die Heliozoen erscheint uns auch
jetzt noch am natürlichsten, wogegen sich die Myxomyceten und die Chytrydieen natürlicher
von einfachsten Flagellaten, speciell den Ehizomastiginen ableiten lassen. In dieser Hinsicht
stimmt meine Auffassung mit der von Kent überein , welche wenigstens die Myxomyceten in
dieser Weise abzuleiten sucht. Dass die Myxomyceten eine besondere eigenthümlich ent-
wickelte Gruppe bilden, unterliegt keiner Frage, und mir ist es nicht unwahrscheinlich, dass
sich eine Reihe ihrer Eigenthümlichkeiten durch Anpassung an das Leben in der Luft ent-
wickelt haben. Ihre unbedingte Einreihung unter die pflanzlichen Organismen erscheint unter
diesen Umständen überhaupt etwas zweifelhaft, da aus ihnen entschieden keine weitere Ent-
wicklung zu höheren pflanzlichen Organismen stattgefunden Etwas anders verhalten sich
in dieser Hinsicht die Chytrydieen, welche nach der Ansicht mancher Botaniker zu höher
entwickelten Pilzen überleiten. Die grosse Schwierigkeit, welche die systematische Abgrenzung
der Protozoen und Protophytcn darbietet, Hesse sich ja durch Adoption der Häckel'schen
Protistengruppe leicht heben, wenn sich nur dann nicht die doijpelte Schwierigkeit einstellte,
diese Protisten von den Pflanzen und Thieren abzugrenzen.
Allgeui. Ver\vaudtbcliartsbu<i. /.u My.voiiiycL'tcii u. (irogariiiideii. 807
wickluugsgaug zu folgen, wenn man sich nur von den Vorurtbeilen
emancipirt, welche durch die lange Zurechnung dieser Formen zu
den Pilzen hervorgerufen wurden.
So sehen wir denn, dass auch diese Abtheilung in einem genetischen Zu-
sammenhang mit den Ausgangsformen der Sarkodinen-u.Flagellatenreihe steht.
Noch eine weitere Gruppe protozootischer Wesen, welche wir in
diesem Buche schon besprochen haben, dürfte mit ziemlicher Wahr-
scheinlichkeit gleichfalls von flagellaten artigen Vorläufern abstammen, die
Sporozoen nämlich, d. h. speziell die Gregarinida. Seither zog man
es vor, diese Gruppe mehr den Sarkodinen zu nähern und ihren Aus-
gangspunct etwa unter den einfacheren Rhizopoden zu suchen. Doch
hatte diese Ansicht ihre grossen Schwierigkeiten, welche auch schon
früher angedeutet wurden. Wie gesagt, scheint es mir naturgemässer,
die Gregarinida von Flagellaten abzuleiten und zwar nicht von den ein-
fachsten, sondern von höher entwickelten mit Cuticula. versehenen Flagel-
laten, die in ihrer Anpassung an das parasitische und zunächst wohl
allgemein intracellulär- parasitische Leben die Geissein gänzlich und
dauernd verloren haben, ähnlich wie wir solches auch wohl für zahl-
reiche Angehörige der Rhizopoden und für viele einzellige Algen an-
nehmen müssen, die keine Schwärmerbildung mehr aufweisen. Eine
solche Beziehung der Gregariniden zu den Flagellaten ergiebt sich nach
meiner Ansicht aus der grossen morphologischen Uebereinstimmung
zwischen gewissen Monocystideen und manchen Flagellaten. Manche
langgestreckte Monocystideen verhalten sich geissellosen Astasien und
Verwandten so ähnlich, namentlich auch hinsichtlich der ganz überein-
stimmenden peristaltischen Bewegungen, dass bei oberflächlicher Betrach-
tung eine Verwechslung leicht möglich erscheint und Stein sich seiner
Zeit für berechtigt hielt, den Proteus tenax 0. F. Müller's (= Astasia
tenax) für eine zufällig aus ihrem Wirthsthier ins umgebende Wasser
gerathene Monocystis zu erklären. Dass die eventuell bei den Vorfahren
der Gregariniden vorhanden gewesenen Einrichtungen zur Nahrungsauf-
nahme verloren gingen, scheint in Anbetracht ihres parasitischen Lebens
sehr erklärlich. Etwas mehr Schwierigkeit dürfte der stetige Mangel
einer contractilen Vacuole bei den Gregariniden bereiten, doch können
wir hierauf wohl keinen zu hohen Werth legen , da diese Einrichtung
auch vielen Sarkodinen fehlt, andern dagegen sehr entwickelt zukommt
und gerade parasitische Flagellaten der contractilen Vacuole zuweilen zu
entbehren scheinen. Sehr grosse Uebereinstimmung verrathen dagegen
die Kernverhältnisse bei den Gregariniden und Flagellaten sowohl hin-
sichtlich der Bauweise des Kernes, wie der bei beiden Abtheiluugen fast
durchgängigen Einzahl dieses Organs. Schwierigkeiten dagegen bereiten
zunächst noch die eigenthümlichen Fortpflanzungserscheinungen der
Gregarinida, doch erheben sich diese in gleichem Maasse bei einer
Vergleichung dieser Formen mit den Sarkodinen und lassen sich zu-
nächst ebenso leicht oder schwer von denen der Flagellaten ableiten
808 FlagcUata.
In Erwägung dieser Gründe halte ich daher eine Ableitung der
Gregarinida von flagellatenartigen Wesen dem Stande unserer heutigen
Kenntnisse am entsprechendsten.
Noch blieb eine Richtung der verwandtschaftlichen Beziehungen der
Flagellaten unerörtert, welche hier gleichfalls einiger Worte bedarf, nämlich
die zu den sogen. Schizomyceten, welche von den älteren Forschern
unbedenklich in näheren Zusammenhang mit den Flagellaten gebracht,
ja in einzelnen Formen denselben sogar eingereiht wurden, in neuerer
Zeit dagegen gewöhnlich den Pflanzen zugerechnet und in einen näheren Zu-
sammenhang mit den Pilzen gebracht wurden. Nun dürfte es wohl keiner
Frage unterliegen, dass dieselben mit denjenigen pflanzlichen Organismen,
welche als die typischen Abtheilungen der im Ganzen ja überhaupt noch
wenig natürlichen Gruppe der Pilze zu betrachten sind, keine näheren
Verwandtschaftsverhältnisse besitzen , im Gegentheil sind die Botaniker
geneigt, sie einer Algengruppe, den sogen. Schiz osporeae näher
anzuschliessen, d. h, etwa als die sapropbytisch lebende Parallelgruppe
dieser Spaltalgen zu betrachten und, wie ich glaube, mit Recht. Dennoch
lässt eine Betrachtung der Organisation und Entwicklnngsverhältnisse der
einfacheren Schizomyceten kaum verkennen, dass auch zu den ein-
facheren Flagellaten Beziehungen existiren, die sich hauptsächlich daraus
ergeben, dass zahlreiche dieser Spaltpilze in ihrem Entwicklungsgang
Schwärmzustände besitzen, welche sich durch den Besitz einer bis zahl-
reicher Geissein den Flagellaten nähern. Wir haben volles Eecht, das
Auftreten solcher Schwärmzustände bei den grünen Algen im Allgemeinen
auf ihre Abstammung von flagellatenartigen Organismen zurückzuführen,
und wir dürfen daher auch eine Ausdehnung derselben Anschauungsweise
auf die Schizomyceten nicht als unnatürlich betrachten. Dazu gesellt
sich noch, dass sich diese Schwärmzustände der Schizomyceten kaum
als so rasch vorübergehende, mit der Fortpflanzung und Ausbreitung der
Art in Beziehung stehende Lebensstadien darstellen , als welche sie sich
z. B. bei den eigentlichen Algen präsentiren. Bei den Schizomyceten
sind die Schwärmzustände vielmehr gewöhnlich als den nichtschwär-
menden ziemlich gleichberechtigte Phasen in der Lebensgeschichte des
Organismus aufzufassen, deren Eintritt im Allgemeinen von besonderen
äusseren Bedingungen abhängig ist, also vergleichbar etwa mit der Ab-
wechslung ruhender und beweglicher Phasen in dem Lebensgang der
Chlamydomonadinen. Dieser Satz gilt zum mindesten wohl für die ein-
facheren Spaltpilze, weniger dagegen für manche entwickeltere, mit
complicirteren und grösseren Vegetationsformen (Chladothrix, Beggi-
atoa etc.), wo die Schwärmerbildung wohl mehr denselben Character wie
bei den Algen annimmt. Dass sich die Schwärmzustände während der
Bewegung häufig theilen und auch zur Bildung von Dauersporen zu
schreiten vermögen, sind Erscheinungen, die gleichfalls für ihre Be-
ziehungen zu den Flagellaten sprechen. Weiterhin sind die Orga-
nisationsverhältnisse zahlreicher Schizomycetenschwärmer im Ganzen
Allgein. Venvaiicltscliaftbezicli. zu Scliizoinyccti'n. 800
SO wenig abweichend von denjenigen einfacher Flagellaten, dass, eine
der Kleinheit und sapropbytischen Lebensweise entsprechende Verein-
fachung derselben bei den Schizomyceten zugegeben, eine scharfe Schei-
dung zwischen beiden häufig schwer genug durchführbar sein wird. Der
stetige Mangel eines Zellkerns bei den Schizomyceten wäre wohl im All-
gemeinen als ein wichtiger Unterschied zu betrachten, doch empfiehlt
es sich gewiss, das Urtheil gerade hierüber noch etwas zurückzu-
halten und die Aufschlüsse der Zukunft über die Kernfrage in den Ab-
theilungen der Schizomyceten und Schizosporeen abzuwarten. Auf den
stetigen Mangel contractiler Vacuolen bei den Schizomyceten dürfte aus
denselben Gründen, welche oben schon bezüglich der Gregariniden an-
geführt wurden, kein besonderer Werth gelegt werden.
Dagegen möchte ich noch auf einige specielle Vergleichspuncte
zwischen den beiden Gruppen hinweisen. Einmal ist es auffallend, dass
sich auch unter den Flagellaten häufig eine Tendenz zu schraubiger
Aufrollung bemerklich macht, die ja bei den Schizomyceten vielfach so
characteristisch hervortritt. Nicht nur einfachere Flagellaten, wie z. B.
Bodo angustatus, verrathen diese Neigung häufig recht deutlich, son-
dern auch höher ausgebildete Formen, so gewisse Euglenoidinen (Phacus,
Astasiopsis). Bezüglich der Fortpflanzung ist kaum ein wesentlicher
Unterschied zwischen beiden Abtheilungen zu constatiren ; auch die
Flagellaten zeigen ja nicht selten Quertheihing, die bei den Schizo-
myceten die Haupttheihnigsform bildet und mit dieser wechselt doch auch
hier nicht selten Längstheilung ab. Die sogen. Dauersporenbildung
der Spaltpilze ist eine sehr eigenthümliche und steht einstweilen auch
auf pflanzlichem Gebiet ziemlich unvermittelt da. Wenn jedoch diese
endogene Sporenbildung überhaupt mit ähnlichen Erscheinungen ver-
glichen werden soll, so dürften sich gerade die endogen entstehenden
Dauerzustände gewisser Flagellaten (Monas, Chromulina) zunächst dar-
bieten, ja mir scheint, dass sie recht wohl mit der Sporenbildung der
Schizomyceten homologisirt werden können.
Auf Grund vorstehender Erwägungen möchte ich daher schliessen,
dass die Schizomyceten in einem ähnlichen genetischen Verhältniss zu
ungefärbten sapropbytischen Flagellaten stehen, wie die Palmellaceen zu
den Phytomastigoden. Wie bei den Palmellaceen und Protococcaceen
die vegetative Phase des Daseins mehr und mehr die Oberhand gewinnt
und damit verknüpft auch morphologisch der vegetative Ausbau sich
allmählich complicirter gestaltet, so tritt Aehnliches wohl auch unter den
Schizomyceten hervor, deren höhere Formen dies in der Entwicklung an-
sehnlicherer fädiger bis verzweigter Vegetationsformen zum Ausdruck
bringen.
Ein Festhalten der Beziehungen der Schizomyceten zu den Flagel-
laten schliesst nun aber keineswegs aus, dass deren Zusammenhang mit
den Schizosporeae unter den Algen ein recht inniger ist. Vielmehr scheint
mir dies nur darauf hinzuweisen, dass auch diese Schizosporeae, obgleich
ÖIO Flagollata.
in ihrer Lebensgeschichte, soweit dies bis jetzt bekannt ist, der flagel-
latenartige Schwärmzustand fehlt, dennoch in ähnlichen Beziehungen zu
den Flagellaten stehen wie die übrigen einzelligen Algen. Speciellere
Vermuthungen über die Ableitung der beiden Gruppen der Schizosporeae
und -mycetes von flagellatenartigen Vorläufern dürften zur Zeit noch wenig
Aussicht auf Erfolg haben , da es zunächst kaum feststellbar sein wird,
welche derselben als die genetisch ältere aufzufassen ist. In dieser
Hinsicht ist die Lösung der Frage, welche Lebensweise wohl die ältesten
Organismen besassen, nämlich eine saprophytische oder eine holophytische,
von besonderer Wichtigkeit. Ich glaube zwar, dass die Wahrscheinlich-
keit für das erstere spricht, da die holophytische Lebensweise einen höheren
Organisationsgrad voraussetzt und demnach als die später entwickelte
betrachtet werden muss, doch bleibt dies zunächst nur aprioristische
Vermuthung.
C. Specielle Darstellung des Systems bis auf die Gattungen herab.
1. Unterordnung Monadina Bütschli.
Kleine, bis kleinste Formen von einfachem Bau; nackt und sehr
häufig mehr oder weniger amöboid; jedoch z. Th. mit Gehäusen. Meist
farblos, selten mit Chromatophoren. Mit 1 vorderen ansehnlichen Geissei
oder daneben noch 1 — 2 kleinen Nebengeisseln. Besondere Mundstelle
theils fehlend, theils an Geisseibasis vorhanden und nie in einen wohl
entwickelten Schlund fortgesetzt.
1. Familie ßhizomastigina (= Ordn. Rhizoflagellata p. p.
S. Kent 1880).
Einfache, mundlose Formen mit 1 — 2 Geissein; entweder ständig eine
theils mehr rhizopoden-, theils mehr heliozoenartige Pseudopodienentwick-
lung darbietend, oder leicht aus einem flagellatenartigen, pseudopodien-
losen Zustand in einen sarkodinenartigen übergehend. Dabei bleiben die
Geissein entweder erhalten oder gehen ein. Nahrungsaufnahme mit Hülfe
der Pseudopodien.
Mastigamoeba F. E. Schulze 1875 (149); Kent (182).
Synon. Amoeba Carter (117^, Tatem (129); Astasia p. p. Fromentel (146) und
Mereschkowsky (174); geisseltragender Rhizopode Bütschli (171); Cercomonas
Stein p. p. (167); Rhizomonas Kent (182), Monas p. p. Kent (183).
T. 39, Fig. 9—10.
Gestalt im Allgemeinen oval (L. 0,02 — 0,1 Mm.) , jedoch durch
Entwicklung mehr oder weniger zahlreicher fingerförmiger bis verästel-
ter Pseudopodien amöboid veränderlich. 1 meist ansehnliche Geissei.
Differenzirung von Feto- und Entoplasma z. Th. recht deutlich, z. Th. feh-
lend. Eine bis mehrere contractile Vacuolen. Aus dem kriechenden amö-
boiden Zustand zuweilen unter Einziehung des grösseren Theils der Pseudo-
Uehcrsicilt des System (L'.-O. Monailina). 811
podieii in einen flagellateuartig schwimmenden übergeliend. Selten (sog.
Rhizomonas verrucosa S, K.) Abscheidung einer Gallerthülle.
Fortpflanzung?
Süsswasser. Europa und Ostindien. Artzahl ca. 5 — 6.
Ciliophrys Cienk. 1876 (159); Tätern (140); Bütschli (171).
Sy n on. Sterrouionas p. p. Kent (182') u. EntwicMungszustaiid d. Actiiioplirys sol, ihid.
T. 39, Fig. 7.
Im sarkodinenartigeii Zustand der Geissein entbehrend und etwa
von Gestalt einer Nuclearia oder Actinophrys. Mit 1 — 3 kleinen con-
tractilen Vacuolen. Im Flagellatenzustand (Länge 0,025 — 0,03 Mm.)
mit 1 — 2 Geissein, welche am vorderen Pol des etwa ovalen Körpers
stehen. Uebergang aus dem einen in den anderen Zustand häufig be-
obachtet. Vermehrung durch Theilung im heliozoenartigen Zustand con-
statirt, wobei die Sprösslinge Flagellatengestalt annehmen. Auch Ver-
einigung mehrerer Individuen im heliozoenartigen Zustand ähnlich wie
bei Actinophrys.
Süsswasser. Europa. Artzahl 1.
Dimorpha Gruber (188) 1881.
Unterscheidet sich von Ciliophrys wesentlich nur durch steten Besitz
zweier gleicher Geissein, die auch im heliozoenartigen Zustand erhalten
bleiben. (Durchmesser im Heliozoenzustand 0,015 Mm.)
Süsswasser. Europa. 1 Art.
Die Mögliclilveit der Zusammengehörigkeit mit Cilioplirys ist bis jetzt noch nicht als
ausgeschlossen zu betrachten.
Actinomonas Kent (182) 1880.
T. 39, Fig. 8.
Bis jetzt nur im heliozenartigen Zustand (Durchm. 0,008—0,013 Mm.)
beobachtet, der ähnlich dem von Ciliophrys und Dimorpha erscheint und
1 Geissei besitzt. Unterschieden von den zwei vorhergehenden Gattungen
wesentlich durch Befestigung mittels eines verschieden langen Stiels, der
pseudopodienartiger Natur zu sein scheint.
Marin. Europa. 2 Arten.
Anhang zu der Familie der Khizomastigina.
TrypanOSOma Gruby 1843 (45) ; Valentin (42), Gluge (43), Remak (Canu-
statt's Jahresh. 1842, p. 10); Berg (Arch. skandin. Beitr. z. Naturgesch., Th. I. 1845); Creplin
(ibid.); Siebold (Z. f. wiss. Zool. IL); Wedl (68); Leydig (73); Eberth (110); Rättig (150);
Gaule (179); Kent (182); Certes (189).
Synon. Amoeba Mayer (44), Monas Lieberkühn (Bewegungsersch. der Zellen).
? Globularia Wedl (68), ündulina R. Lankcstcr (185), Paramecioides Grassi (193),
Haematomouas Mitrophanow (202).
T. 39, Fig. 5—6.
Kleine bis mittelgrosse Formen (im gestreckten Zustand bis
0,08 Mm. Länge). Körpergestalt meist veränderlich, indem Streckung
und Verkürzung abwechseln können. Gestalt daher theils lang faden-
812 Fla"cllata
b^
l'öimig mit beiderseits zugespitzten Enden, theiis kürzer, bis birn , sack-
oder blattförmig, ja zuweilen bei starker Contraction sogar kuglig. Lang-
gestreckte Formen oder Zustände zeigen , wie es scheint , häufig auch
mehrere schraubige, spirillenartige Zusammendrehungen des Körpers.
Längs des Körpers, gewöhnlich in seiner gesammten Ausdehnung, zieht
eine zarte undulirende Membran hinab, welche die meist raschen,
gewissermassen flatternden Bewegungen bedingt. Bei ansehnlicher Ent-
wicklung setzt sich das eine Ende dieser Membran bei einem Theil der
Formen in eine feine Geissei fort, doch ist es zweifelhaft, ja unwahr-
scheinlich, dass sich eine solche Geissei bei allen Formen entwickelt.
Sowohl Geissei wie Membran können völlig eingezogen werden und
dann scheint ein amöboider Zustand einzutreten. Nucleus z. Th. nach-
gewiesen (Lankester), nach Certes soll er bei Tr. Balbianii sicher fehlen.
Contractile Vacuole fehlt wohl sicher. Aufnahme fester Nahrung sehr
unwahrscheinlich. Vermehrung durch Theilung (Certes).
Parasitisch. Blut von Fröschen (Rana, Hyla) und Fischen (Salmo,
Cobitis, Carassius, Rochen); Schildkröten (Leydig und Künstler, Compt.
rend. Oct. 83). Daher auch zuweilen im Darm wirbelloser Thiere, die
sich von dem Blut der oben erwähnten ernähren (so Piscicola, Pontob-
della, Ixodes testudinis). Als Darmschmarotzer im Magen von
Ostrea edulis; in den Coeca und dem Ileum der Hühner, Feldhühner,
Gänse und Enten, hauptsächlich in den Lieberktthn'schen Drüsen. Eine
wahrscheinlich gleichfalls hiehergehörige Form fand Leydig gelegentlich
in der Leibeshöhle eines Räderthieres (Lacinularia).
2. Familie Cercomonadina Kent eraend.
Kleine bis sehr kleine Formen von ovaler bis langgestreckter Gestalt,
die häufig durch amöboide Bewegungen etwas veränderlich ist; speciell
das Hinterende ist durch amöboide Beweglichkeit nicht selten ausge-
zeichnet. Im Allgemeinen ist jedoch der Flagellatenzustand der
herrschende. 1 ansehnliches, nach vorn gerichtetes Flagellum am
vorderen Pol. Nahrungsaufnahme, soweit bekannt, wohl gewöhnlich
mit Hülfe einer nahrungsaufnehmenden Vacuole an der Geisseibasis,
vielleicht auch zuweilen in amöboider Weise. Fortpflanzung durch Zwei-
theilung im beweglichen Zustand und durch Sprösslingsbildung im en-
cystirten Ruhezustand.
Cercomonas Dujardin 1841 (39) emend.; Stein (167) p. p.;
Dallinger und Drysdale (143, I.); Kent (182).
Synon. Beptomonas S. Kent (182).
T. 39, Fig. 10—12.
Klein (Länge einschliesslich des Schwanzes bis 0,06 Mm.), farblos.
Gestalt kuglig bis oval. Vorderende mit mächtiger Geissei; Hinterende
in einen langen, geissei- bis pseudopodienartigen Schwanzfaden ausge-
Uebersicht des Systems (U.-O. Monadina). 813
zogen. Zuweilen auch Entwicklung spitziger Pseudopodien am Hiuter-
ende. Nucleus in vorderer Körperhälfte; 1 bis mehrere contractile Vacuolen
vorn oder seitlich. Mundstelle an der Geisseibasis (Stein). Vermehrung
durch Längstbeilung; V Quertheilung (Dali. u. Drysd.). Copulation und
Sporulation (Dali. u. Drysd.). Öüsswasser und Infusionen, wahrscheinhch
auch parasitisch.
Europa. Artzabl ca. 3.
Parasitische, zu Oercomouas gerechnete Formen wurden schon seit langer Zeit eine
ganze Anzahl beschrieben (s. hierüber hauptsächlich bei Davaine 152). Doch haben es die
neueren Untersuchungen für viele dieser Fälle zweifelhaft gemacht, ob die gesehenen Flagel-
laten wirklich Cercomonadinen waren. Unter der speciell beim Menschen beschriebenen Gerco-
monas hominis oder intestinalis haben sich sicher häuiig nicht zu dieser Gattung gehörige
Formen (s. später bei Megastoma und Monocercomonas) befunden; dennoch halte ich es für
wahrscheinlich, dass auch zuweilen echte Cercomonaden im Darm etc. der Menschen beob-
achtet wurden, wenigstens weisen die wohl genauen Beobachtungen von Eckekrantz (128),
sowie die von Leuckart (Parasiten des Menschen, 2. Aufl.; Original 155) mifgetheilten
Befunde Lambl's über Flagellaten aus der Umgebung einer Echinococcusblase der mensch-
lichen Leber, einstweilen hierauf hin.
Wie eine Cercomonas erscheint amh der jüngst von Künstler*) wieder aufgefundene
sogen. Bodo urinarius Hassal's aus dem menschlichen Urin gewisser Kranken. Derselbe be-
sitzt jedoch zwei vordere Geissein und daher ist es zur Zeit fraglich, ob er sich mehr
an Cercomonas oder die Amphimonadinen anschliesst.
Herpetomonas Kent (182) 1880, Bütschli (171), Lewis (172).
Synon. Bodo Burnett (75); Leidy (1857); Leptomonas Kent (182); Cercomonas
p. p. Stein (167); Monomita Grassi (193).
T. 40, Fig. 1.
Erwachsen langgestreckt, nahezu stabförmig (L. = 0,03— 0,05 Mm.);
mit mehr verschmälertem Hinter und zugespitztem Vorderende. Letzteres
mit einer Geissei; dicht hinter deren Basis eine contractile Vacuole.
Nucleus unsicher (1 — 3 nucleusartige Köiperchen nach Grassi). Im er-
wachsenen Zustand der Körper ziemlich starr, im jugendlichen dagegen
weniger langgestreckt und sowohl schlängelnder, wie krümmender bis ein-
rollender Bewegung fähig. Vermehrung durch Längstheilung (und gleich-
zeitig ? Quertheilung nach Grassi).
Parasitisch , Darm von Musca (Europa und Nordamerika) , Trilobus
(freilebender Nematode), Blut von Mus. decumanus und rufescens (Ostindien),
Cricetus frumentarius. Artzahl ca. 2.
Oikomonas Kent (182) 1880.
Synon. Monas James-Clark p. p. (124), ? Cienkowsky p. p. (M. irregularis) ;
Kent (182) p. p.; Spumella p. p. Bütschli (171); Cercomonas Stein p. p. (167);
? Pseudospora Cienkowsky p. p. (parasitica und Nitellarum).
T. 40, Fig. 1—5.
Klein bis sehr klein (L. bis etwa 0,015 Mm.); Gestalt im frei-
schwimmenden Zustand etwa oval bis länglich, häufig mit etwas zuge-
*) Communicat. ä la socirtr d'aiiatomie et de physiologie de Bordeaux. 27. Novbr. 1883.
814 Flagellata.
spitzten] Hiiiteiende. Mehr oder minder durch amöboide Bewegungen
zeitweise gestaltveränderlich, hauptsächlich das Hintereude, mit dem
sich ein Theil der hiehergehörigen Formen häufig vorübergehend fest-
heftet, wobei es sich stielförmig auszieht. Neben der Geisseibasis
häufig eine etwas vorspringende Lippe, in welcher die Nahrungsaufnahme
mittels einer Vacuole geschieht. Eine bis mehrere contractile Vacuolen,
gewöhnlich in der Mittelregion, daselbst auch ein bläschenförmiger
Nucleus. Vermehrung durch Längstheilung, sowie durch Sprösslings-
bilduug im encystirten Ruhezustand.
Mehrere Arten. Süsswasser. Infusionen und wohl auch marin.
Europa und Nordamerika.
Kent (1S2) stellt neben Oikomonas noch eine Gattung Monas, welche sich wesent-
lich nur dadurch von der ersteren unterscheidet , dass sich die zu ihr gezogenen Formen
nicht vorübergehend anheften, sondern stets schwimmend gefunden werden. Da ich diese
Eigenthümlichkeit vorerst nicht für hinreichend wichtig erachte, um darauf eine Trennung
der beiden Gattungen zu basireu , bemerke ich noch , dass die meisten der zahlreichen von
Kent unter Monas aufgeführten Arten auf ganz unzureichenden Aufstellungen älterer Beob-
achter basireu. Die einzige Form, welche etwas genauer bekannt ist und deren Eigenthüm-
lichkeiten vielleicht auch die Errichtung einer besonderen Gattung rechtfertigen würde, ist
die sog. „eiförmige Monade" Dallinger und Drysdale's (145, III.), welche Kent als Monas
Dallingeri an die Spitze seiner Gattung stellt.
Ancyromonas Kent 1880 (182).
T, 40, Fig. 7.
Klein (L. = 0,006 Mm.), farblos; Gestalt etwa fragezeichenartig.
Geissei nach rückwärts gewendet und geschlängelt. Zeitweise Festheftung
mittels des Geisselendes. Nahrungsaufnahme ?. Nucleus in Körper-
mitte. Vermehrung durch schiefe Quertheilung (?), Encystirung und
Sporulation. Marin; 1 Art. Europa.
3. Familie Codonoeeina Kent.
Kleine farblose Monaden von oikomonasähnlichem Bau, welche ein
festgeheftetes gallertiges oder häutiges Gehäuse abscheiden.
Codonoeca James-Clark (124) 1866, Kent (182).
T. 40, Fig. 9.
Gehäuse (L. bis 0,014 Mm.) oval bis pokalförmig, farblos und wahr-
scheinlich gallertig, mit ziemlich weiter Mündung, auf verschieden langem
Stiel befestigt. Die Monade füllt das Gehäuse nur z. Th. aus. 1 hintere
contractile Vacuole. Nucleus ?. Nahrungsaufnahme ?. Fortpflanzung ?.
Süss- und Salzwasser. 2 Arten; Europa und N.- Amerika.
? Platytheca Stein 1878 (167).
T. 40, Fig. 8.
Gehäuse oval (L. ca. 0,018 Mm,), gelbbraun und häutig, ziemlich ab-
geplattet und mit einer Seite flach aufgewachsen. Die polare Mündung
sehr klein. Thier mit' geisselartigem aus der Mündung hervorschauendem,
jedoch bis jetzt nur unbeweglich beobachtetem Anhang. Nucleus im
üebersicht des Systemes (Ü.-O. Monadina). 815
Hinterende; 1 bis mehrere contractile Vacuolen im Vorderende. Vermeh-
rung durch Theilung im Gehäuse.
Süsswasser. 1 Art. Europa.
4. Familie Bikoecina Stein.
Geliäusebildende Monaden von eigenthümlichem Bau. Gestalt etwa
oval, mit meist breiterem Hinter- und etwas verschmälertem Vorderende.
Letzteres trägt eine ansehnliche Geissei*) und daneben einen etwas ver-
schieden beschaffenen Peristomfortsatz , auf welchem, oder zwischen
welchem und der Geisseibasis die Mundstelle liegt. Nahrungsaufnahme
sicher. Hinterende mit einem zarten sehr contractilen fadenartigen Fort-
satz im Grunde des Gehäuses befestigt. Letzteres vasen- bis fingerhut-
förmig und gewöhnlich auf einem zarten Stiel befestigt. Z. Th. Kolonie-
bildung. Nucleus etwa in Körpermitte; 1 contract. Vacuole**) im Hinter-
ende. Vermehrung durch Quertheilung in dem Gehäuse.
Bicosoeca James-Clark (124) 1867: Kent (138 u. 182); Bütschli
(171); Stein (167).
T. 40, Fig. 10.
Unterscheidet sich von der folgenden Gattung hauptsächlich durch
den gewöhnlichen Maugel der Koloniebildung und durch weniger ent-
wickelten zungenförmigen Peristomfortsatz. Gehäusestiel von massiger
Länge.
Süss- und Salzwasser. Europa und N.-Amerika. Artzahl unsicher.
Kent beschreibt nicht weniger wie 5 Species, die mir jedoch grosscntheils unsicher
erscheinen.
V HedraeojJhysa Kent (182.) soll sich nur dadurch von Bicosoeca unterscheiden, dass
das Gehäuse ohne Stiel direct aufgewachsen ist ; mir scheint daher die Berechtigung zu gene-
rischer Sonderung unsicher.
1 marine Art. Europa.
Poteriodendron Stein (167) 1878.
Synon. ? Stylobryon J. Frommentel (146), Kent (182); Bicosoeca Bütschli
(171) p. p.
Monaden mit einem breiteren, mehr rüsselartigen Peristomfortsatz;
koloniebildend, indem sich die jungen Individuen auf dem Mündungsrand
der Gehäuse der älteren ansiedeln. Stiele gewöhnlich lang.
Süsswasser. Artzahl 1. Europa.
Unsicher in ihrer Hierhergehörigkeit scheint mir die sogen. Stylobryon epistyloides von
Kent (T. 41. Fig. 3), da hier mehrere Individuen auf dem Ende eines Stieles stehen sollen;
ebenso auch die Stylobryon iusignis From., deren Einzelindividuen auf den Enden eines ver-
zweigten Stieles befestigt sind.
5. Familie Heteromonadina Bütschli.
Kleine, farblose Monaden, ausgezeichnet durch Besitz einer vorderen
Hauptgeissel, welche von ein bis zwei dicht neben ihr stehenden kleinen,
*) Kent behauptet dagegen noch das Vorliaudensein einer kleineren Nebeugeissel.
**) Nach Kent 2—3.
816 Flagcllata.
wellig bewegten Nebeogeisseln begleitet wird. Häufig kolouiebildend imd
dann mit vom Hintereude ausgescbiedei
der Einzelmonaden durch Längstlieilung.
dann mit vom Hintereude ausgescbiedenem Stiel versehen. Vermehrung
a. Unterfamilie Monomonades Bütschli.
Charakterisirt durch Mangel der Koloniebilduog und eines Peristom-
fortsatzes, sowie durch häufige Vermehrung der Nebengeisseln auf zwei.
Monas (Ehrbg.) emend. Stein 1878 (167).
Synon. Spumella Cienk. (134), Bütschli (171), Keiit (182); ? Pliysoinonas Kent
(182); ? Paramonas Kent (182).
T. 40, Fig. 12—13; 41, Fig. 1-2.
Gestalt kuglig bis länglich oval (L. = 0,03 Mm.). Freischwimmend
oder vorübergehend durch massig langen zarten, pseudopodienartigen
Faden des Hinterendes befestigt. Körper zuweilen etwas amöboid, kurze
pseudopodienartige Fortsätze aussendend. Vorderende neben der Haupt-
geissel mit 1 — 2 kleinen Nebengeisseln und häufig einer sogen. Mund-
leiste, sowie zuweilen einem Augenfleck. Kern in vorderer Körperhälfte;
1 — 2 contractiie Vacuolen am einen Seitenrand. Nahrungsaufnabme
durch Mundvacuole neben der Geisseibasis gewöhnlich,
Süsswasser (Salzwasser Kent ?). Sichere Arten 2. Europa.
?Sterroinonas Kent (182) 1880.
Diese von Kent aufgestellte Gattung (L == 0,014 — 0,021 Mm.) scheint mir, obgleich er
sie zu den mit Mund versehenen Formen zieht, kaum hinreichend von Monas unterschieden
(in der Gattungsdiagnose heisst es ,,oral aj^erture indistincf). Die hauptsächlichsten Diffe-
renzen wären einmal die ziemlich starre Körperbeschäffenheit und zweitens der Umstand,
dass die grössere Geissei meist bewegungslos und gestreckt umhergetragen wird. Die kleine
Geissei dagegen vibrirt gewöhnlich lebhaft. Nicht festgeheftet. 1 Art. Infusionen.
b. Unterfamilie Dendromonades Stein (Farn.)/,
Charakterisirt durch Koloniebildung, einen Peristomfortsatz und stets
nur eine Nebengeisse].
Dendromonas Stein 1878 (167), Kent (182).
Synon. Epistylis Weisse (55), Schmarda p. p. (G5); Anthophysa Kent (138);
Cladonema Kent (182).
T. 41, Fig. 6—7.
Monaden von ähnlichem Bau wie Anthophysa, doch kürzer und ge-
drungener. Ansehnliche Kolonien bildend, indem die Einzelwesen auf den
Enden eines dichotomisch verästelten, ziemlich dünnen und farblosen, aber
festen StielgerUstes befestigt sind, so dass sie sämmtlich auf ziemlich
gleicher Höhe stehen und das gesamrate Stielgerüst eine Dolde bildet.
1 contractiie Vacuole nach Stein dicht hinter der Geisseibasis (nach Kent
2 im Hinterende).
Süsswasser. Artenzahl ca. 2. Europa.
üebersicht des Systems (Ü.-O. Monadina). 817
Cepbalothamnium Stein 1878 (167), Kent (182).
Synon. Antliophysa Kent 187T (Proc. of Linuean soc).
T. 41, Fig. 8.
Monaden ähnlich Anthophysa. Stielgerüst solid, steif, farblos, kurz
und höchstens ein bis zweimal dichotomisch verästelt. Auf den Stielenden
Gruppen von Monaden in sehr verschiedener Zahl. (Auch hier gibt Kent
im Gegensatz zu Stein die Lage der contractilen Vacuole im Hinter-
ende an.)
Süsswasser, auf Cyclops aufgewachsen. Arten 1 — 2, Europa.
Anthophysa Bory d. Vinc. 1824 (Dict. class. d'hist. nat.),
Diijardin (27, 39), Perty (76), Cohn (86); Archer (120); James-Clark (124); Bütschli (171),
Stein (IC) 7). Kent (182).
Synon. Voli^ox p. p. 0. F. Müll. (12), Vorticella p. p. öclirank (14), Epistylis
Elirbg. p. p. (32). üvella (uva, chamaemorus , glaucoma, ? atomus) Eiirbg. (32),
Bodo (socialis) Elirbg. (32), Sterreonema Kiitzing, Cercomonas (vorticellaris) Perty
(76), Dimastix Dies. (121)
T. 41, Fig. 5.
Monaden klein (L. bis 0,03 Mm.), Gestalt gewöhnlich etwas länglich
kegelförmig mit verbreitertem und massig schief abgestutztem Vorderende,
das sich einerseits in einen schnabelartig zugespitzten Peristonifortsatz
auszieht. Am Grunde desselben entspringt die ansehnliche Hauptgeissel
und dicht daneben, auf der dem Schnabel abgewendeten Seite, die kleine
Nebengeissel. Neben dieser die Mundstelle. 1 contractile Vacuole in der
vorderen Körperhälfte und in gleicher Höhe der Nucleus.
Einzehnonaden bis zu 50 und 60 in kugligen Gruppen auf den Enden
eines dichotomisch verzweigten dicken Stielgerüstes zusammengestellt.
Jugendliche Stieltheile farblos und weich, ältere gelbbraun und steif. Ver-
mehrung der Monadengruppen durch Zweitheilung; häufig lösen sich die
Gruppen von ihren Stielen und zerfallen in die einzelnen Individuen.
Süsswasser. Europa und N.- Amerika. 1 Art.
c. Unterfamilie Dinobryinae Ehrbg. (Fam.).
Monaden hauptsächlich durch Besitz zweier grünlicher bis bräunlicher
Chromatophorenplatten ausgezeichnet, 1 Haupt- und 1 Nebengeissel.
Häutige Gehäuse ähnlich den Bikoecinen, mit welchen sie auch die Be-
festigung im Gehäusegrund und die Contractions- und Rückziehungsfähig-
keit theilen. Ernährung wahrscheinlich holophytisch.
Dinobryon Ehrbg. 1838 (32), Dujardin (39), Perty (76), Clapa-
rede u. Lachm. (154), Bütschli (171), Stein (167), Kent (182), Pelletan (204).
T. 41, Fig. 9 und T. 42, Fig. 1.
Gestalt der Gehäuse becher- bis vasenförmig (L. bis 0,1 Mm.); mit
zugespitztem bis stielförmig ausgezogenem Hinterende. Freischwimmend.
Koloniebildung ähnlich Poteriodendron, indem sich die jugendlichen Indi-
viduen in dem Mündungsrand der älteren Gehäuse, seltener dagegen auf
deren Aussenrand ansiedeln. In solcher Weise entstehen freischwimmende,
buschförmige Kolonien. Vorderende der Monaden ohne Peristonifortsatz,
H roiiii, Kla<fseii des Tliieneiolis. Prutozoa. 52
81g Flagellata.
mit Augenfleck ; Nucleus central , 1^ — 2 contractile Vacuoleu in der vor-
deren Körperhälfte. Vermehrung- durch Längstheilung im Gehäuse. En-
cystirung ausserhalb der Gehäuse.
Sttsswasser. Europa und N.- Amerika Sichere Arten 2, daneben
noch einige unsichere.
Epipyxis Ehrbg. (32) 1838, Stein (167), Kent (182).
T. 42, Fig. 2.
Unterscheidet sich von Dinohryon wesentlich nur durch den Mangel
der Koloniebildung und die gewöhnhche Festheftung der Gehäuse (Länge
ca. 0,045 Mm.). Auf der der Nebengeissel entgegengesetzten Seite gewöhn-
lich ein zugespitzter Peristomfortsatz. Vermehrung durch schiefe Quer-
theilung im Gehäuse.
Süsswasser. Europa. 1 Art.
d. Unterfamilie Urogleninae Bütschli.
Monaden sehr ähnlich Dinohryon (L. == 0,01 — 0,015 Mm.); kolonie-
bildend durch Vereinigung sehr zahlreicher Individuen in einer Gallert-
kugel, der sie dicht unter der gesammien Oberfläche radial eingelagert
sind. Hinterende der Einzelmonaden zugespitzt bis abgerundet. (Ver-
einigung der Schwanzfäden im Centrum der Kolonie, wie Kent mit Ehren-
berg annimmt, unwahrscheinlich.) Vermehrung der Einzelmonaden durch
Theilung. Vermehrung der Kolonien durch Theilung nicht unwahrschein-
lich. Nahrungsaufnahme nicht beobachtet, wahrscheinlich holophyt.
Uroglena Ehrbg. 1833 (Abb. d. Berl. Ak.) (32), Bütschh (171),
Stein (167), Kent (182).
T. 42, Fig. 3.
Charaktere der Unterfamilie. Durchm. der Kolonien bis über 0,1 Mm.
Süsswasser. Europa. 1 Art.
2. Unterordnung Euglenoidina.
Im Allgemeinen grössere und höher entwickelte eingeisselige Formen,
von monaxonem oder ein wenig asymmetrischem Bau. Cuticula gewöhn-
lich vorhanden, daher amöboide Bewegung ausgeschlossen , dafür jedoch
sehr häufig energisches Contractionsvermögen ; doch gibt es auch zahl-
reiche starre Formen. Farblos oder gefärbt und dementsprechende Unter-
schiede in der Ernährungsweise. Um die Geisseibasis oder dicht hinter
derselben fast stets eine feine oder weitere Mundöffnung, welche in einen
wenig bis sehr ansehnlich entwickelten Schlund führt ; contractile Vacuolen
stets in der Nähe dieses Schlundes und häufig mit Keservoir. Selten tritt
eine Vermehrung der Geisselu zu zwei ein, die entweder gleich gross
oder in Länge verschieden sind ; Formen von letzterer Ausbildung zeigen
eine Annäherung an die Heteromastigoda, indem die eine der beiden
Geissein gewöhnlich nach hinten gerichtet getragen wird, doch erreicht
diese hintere Geissei hier niemals eine so ansehnliche Länge wie die der
Uebei-siclit des Systems (ü.- 0. Euglenoidina). 819
Heteromastigodeu. Wenngleich die Abtheilung der Euglenoidina im Ganzen
eine sehr natürliche ist, lässt sich doch, wie zu erwarten, keine scharfe
Grenze zwischen ihr und den Monadina ziehen, da die einfacheren Formen
der ersteren (speciell gewisse Coelomonadinen) allmählich in die letzteren
übergehen. Ebenso ist, wie bemerkt, auch die Abgrenzung der Eugle-
noidina gegen die Heteromastigoda keine scharfe.
6. Familie Coelomonadina Btitschli.
Gefärbte Euglenoidina mit zahlreichen kleinen chlorophyllführenden
oder 1 — 2 grösseren plattenartigen, grünen bis braunen Chromatophoren.
Nackt oder mit wenig entwickelter Cuticularschicht, die wahrscheinlich
stets ungestreift. Mehr oder weniger contractu, selten starr. Etwas hinter
der Geisseibasis Reservoir der contractilen Vacuolen, das zuweilen deut-
lich durch schlundartigen Kanal mit Oeffnung (sog. Mund) an Geissei-
basis in Verbindung getroffen wird. Eigentlicher Schlund jedoch meist
nicht. Stigmen vorhanden oder fehlend. Nahrungsaufnahme selten er-
wiesen, meist wohl sicher holophytisch.
Coelomonas Stein 1878 (167).
Synon. Monas (grandis) Ehbg. p. p. (32), (excavata) Perty (76).
T. 48, Fig. 3.
Mittelgross (L. = 0,06 Mm.), sehr contractu ; in gestrecktem Zustand
oval bis länglich oval; Geissei massig lang; auf sog. Bauchseite zieht
hinter Geissei basis eine peristomartige Längsfalte nach hinten. Reservoir
ansehnlich, kuglig; contractile Vacuole dicht hinter Geisseibasis. Nucleus
ziemlich central. Ectoplasma dicht von Chlorophyllkörnern erfüllt.
Wahrscheinlich holophytisch.
Süsswasser. 1 Art.
Gonyostomum Diesing 1866 (121).
Synon. Monas (^Semen) Elirbg. (80), Merotricha MerescLkowsky (174), ßaphido-
monas Stein (167).
T. 48, Fig. 4.
Bau und Grösse sehr ähnlich Coelomonas, unterscheidet sich haupt-
sächlich durch die Anwesenheit zahlreicher Trichocysten im Ectoplasma.
Wenig contractu. Reservoir deutlich, quer halbmondförmig.
Süsswasser. Europa. 1 Art.
? Vacuolaria Cieukowsky 1870 (134).
Scheint sich in der allgemeinen Bauweise des Körpers (L. = 0,14 Mm.), speciell der
Gegenwart zahlreicher kleiner Chlorophyllkörperchen und den Verhältnissen der contractilen
Vacuolen, die zu 1 — 3 vorhanden sind, jedoch zuweilen verschwinden, worauf ein heller, drei-
eckiger Eaum, augenscheinlich dem Behälter der Eugleninen entsprechend, erscheint, nahe an
die Gattung Coelomonas anzuschliessen.
Der Besitz zweier gleich langer Geissein des Vorderendes unterscheidet sie jedoch sehr
wesentlich. Dennoch lässt sich die Möglichkeit ihrer Hichergehörigkeit niclit abweisen , da
auch die sicher zu den Eugleninen gehörige Eutreptia eine entsprechende Vermehrung der
(ieisseln aufweist.
l'leurococcusartige Ruliezuständo. 1 Art. Süsswasser. Europa.
52*
820 Flagellata.
Microglena Ehbg. 1831 (19) und 32, Stein (167).
T. 48, Fig. 5.
Mittelgross (L. = 0,05 Mm.); langgestreckt und etwas gestaltsver-
änderlich. Geissei massig lang; Mundöfifnung und Reservoir vorhanden,
in welches die zahlreichen darum gelagerten contractilen Vacuolen ein-
münden. Zwei seitliche, langgestreckte Chrom atophoren und zwei Augen-
flecke an Geisseibasis. Nahrungsaufnahme?
Süsswasser. Europa. 1 Art.
Chromulina Cienkowsky 1870 (134).
Syuoii. Monas (ochracea) Ehbg. p. p. (32), Chrysomonas Stein (167), Chromo-
phytoji Woroiiiu (ISl), Wille (Sitz. her. des Botan. Vereins der Prov. Brandenburg-
1882, April).
T. 40, Fig. 6.
Klein bis sehr klein (0,037 — 0,012 Mm.)-, nackt, oval bis länglich
gestreckt und bis ziemlich unregelmässig, ja wahrscheinlich zuweilen
amöboid. Geissei ansehnlich. 1 — 2 seitliche, gelbbraune Chromatophoren-
platten. An Geisseibasis gewöbnlich Augenfieck, nicht weit dahinter eine
bis mehrere contractile Vacuolen. Nucleus etwa central. Aufnahme fester
Nahrung bei einer Art sicher, bei anderen unwahrscheinlich. Vermeh-
rung durch successive Zweitheilung in gallertumhüllten Ruhezuständen
Dauerzustand.
Süsswasser. Europa. 2 — 3 Arten.
Wille (siehe oben unter Syuon. und wahrscheinlich auch No. 197) sucht nachzuweisen,
dass gewisse Chroinulinaforuien, so die von Woronin als Chromophyton Eosanoflii beschriebene,
ferner die Chromul. ochracea Ehbg. sp. nur Entwiclilungszustände der Gattungen Epipyxis und
Clirysopyxis seien. Ich halte dies für sehr unwahrscheinlich.
Cryptoglena Ehbg. 1831 (19 und 32), Stein (167).
Klein (L. bis 0,03 Mm.), starr, oval, mit hinterer Zuspitzung, abge-
plattet. Zwei grüne Chromatophorenplatten in den Seiten des Körpers,
von welchen die eine vorn einen Augenfleck trägt. Nucleus im Hinter-
ende. Reservoir, Mundöff'nung und Schlund ähnlich wie bei den übrigen
Formen. Wahrscheinlich holophyt. Fortpflanzung?
1 sichere Art. Süsswasser. Europa.
7. Familie Euglenina Stein 1878.
Körper einaxig, gewöhnlich mit einer Neigung zur Bilateralität, da
die am vorderen Pol gelegene Mundöffnung meist ganz wenig ver-
schoben und dadurch eine Bauchseite angedeutet ist. Langgestreckt
und Hiuterende meist scharf zugespitzt; Vorderende dagegen weniger.
Spiralgestreifte Cuticula stets deutlich , von sehr verschiedener Stärke
und Resistenz. Metabolie gut ausgebildet. Feine Mundöffnung füht in einen
zarten, röhrenförmigen Schlund, aus dem die gewöhnlich einfache, selten
doppelte Geissei entspringt. (Die Geissein werden häufig abgeworfen.)
Dicht hinter dem Ende des Schlundes findet sich das sogen. Reservoir,
dem gewöhnlich mehrere contractile Vacuolen anliegen. Dem Reservoir
ücbersiclit ilcs Systems (I'.-ü. EuglcnoicUiKi). 821
liegt das einfache, nur selten riickgebildete Stigma gewöhnlich dicht auf.
Chromatophoren fast immer anwesend, gewöhnlich rein grün sowie meist
in grosser Zahl und entsprechend klein. Ziemlich ansehnlicher Nucleus in
Körpermitte. Vermehrung durch Längstheilnng im ruhenden Zustand.
Dauerzustände z. Th. beobachtet. Copulation fraglich.
a. ün beschalte Formen.
Euglena Ehbg. 1830 (17—18), (32); Dujardin (39), Focke (58, 2), Perty
(76), Schmarda (56, 85), Carter (100, 129). Fromeutel (146), Stein (167), Kent (182),
Klebs (206).
Synon. Cercaria p. p. (). F. Müller (12), Vibrio p, p. U. F. Müller (12),
V Enchelys p. p. 0. F. Müller (12, dto. Schrank (14), Furcocerca Lam. (Änim.
s. vert.) , Enchelys und Closterium (aciis) Nitzsch , Lacrimatoria Bory Enc. ineth. ;
Aiiiblyophis Ehbg. etc. (32), Phacus p. p. Dnjardin (■■!*)), Crnnieniila Dujardin (39),
? Microcystis Kützing, Micrög-leiia Schmarda (85).
T. 47, Fig. 6—11.
Gestalt spindelförmig bis langgestreckt nadeiförmig und dann mit zu-
gespitztem Hinterende, oder auch langgestreckt cylindrisch bis bandförmig.
Meist sehr metabolisch. Mittelgross bis gross (0,03—0,2 Mm.). Zuweilen
tordirt. Spiralstreifung der Ciiticula meist fein. Chromatophoren nur
selten fehlend, meist zahlreich und klein, scheibenförmig, seltner in ge-
ringerer Zahl und dann gewöhnlich bandförmig; selten mit Pyrenoid;
zuweilen verdeckt durch Haematochroni. Mund und Schlund fast stets
sehr gut entwickelt und der Ursprung der Geissei gewöhnlich im vSchlund.
Fortpflanzung durch Längstheilung im geissellosen Ruhezustand, der um-
hüllt oder nicht umhüllt ist. Dauerzustände beobachtet.
Artenzahl gross (ca. 12 nach Klebs). Süsswasser und Brackwasser.
Europa, Ostindien, Nordamerika, Nordafrika.
Colacium Ehbg. 1833 (20, 32) emend. Stein (i67). Kent (182),
Klebs (206).
T. 47, Fig. 16.
Mittelgross bis ziemlich gross (L. = 0,02 — 0,07 Mm.). Bau ganz
entsprechend dem von Euglena, von welcher sich diese Gattung haupt-
sächlich dadurch unterscheidet, dass sich die freischwimmenden Indivi-
duen auf kleinen Wasserthieren (hauptsächlich Copepoden und Räder-
thieren) mit dem Vorderende festheften und, indem sie meist die Geissei
abwerfen, einen Gallertstiel, sowie eine massig dicke Gallerthülle aus-
scheiden. Indem sie sich hierauf durch fortgesetzte Längstheilung ver-
mehren, bilden sie veraweigte Kolonien. Dauerzustände beobachtet.
Süsswasser. Ca. 3 Arten. Europa.
Eutreptia Perty 1852 (76), Kent (182), Klebs (206).
Synon. Zygoselmis p. p. Fromentel (145).
Allgemeiner Körperbau wie bei Euglena (L. bis 0,05 Mm.) ; sehr
metabolisch. Hauptcharacter : der Besitz zweier gleichlanger Geissein, die
sich in derselben Weise wie bei Euglena zu inseriren scheinen.
1 Art. Süsswasser. Europa.
822 Flagellata.
b. Beschalte Formen.
Ascog-lena St. 1878 (167), Klebs (206).
T. 47, Fig. 19.
Klein; Bau im Wesentlichen wie der von Euglena. Haupteharacter
die Abscheidung eines aufgewachsenen braunen, becher- bis röhren-
förmigen Gehäuses. Fortpflanzung durch Theilung in dem Gehäuse.
1 Art. Stisswasser. Europa.
Trachelomonas Ehbg. 1833 (20), (32), Fromentel (146), stein (igt),
Keilt (182), Klebs (206).
Synon. Lageiiclla p. p. , Chaetoglena p. p., Chaetophlya Ehbg. (32), Lagenclla
Schmarda (65) und Chaetoglena derselbe (85) , Cryptomonas Dujardin p. p. (39),
Chonemonas und Trypemonas Perty (76), Cryptoglena Clap. und Lachm. (104).
T. 47, Fig;. 11 und T. 48, Fig. 1—2.
Klein bis mittelgross (Gehäuselänge bis 0,06 Mm.). Bau im Wesent-
lichen ganz wie bei Euglena. Haupteharacter: die Abscheiduug einer
unbefestigten, spröden, farblosen bis braunen Schale, deren Gestalt etwa
zwischen der Kugel- und länglichen Eiform schwankt. Dieselbe besitzt
eine kleine runde vordere Oeffnung zum Austritt der Geissei und ist häufig
auf ihrer Oberfläche durch besondere Sculpturen oder Bestachelung verziert.
Fortpflanzung durch Theilung im Gehäuse, worauf der eine Spröss-
ling dasselbe verlässt; auch durch Theilung im umhüllten Ruhezustand
innerhalb des Gehäuses. Artenzahl gross (ca. 11); Stisswasser und marin
(Parona in Bollet. scientifico 1882) Europa und Nordafrika.
17. Familie Chloropeltina Stein 1878*.
Allgemeine Bauweise wie bei den Eugleninen, von denen sich diese
Gruppe hauptsächlich durch die besondere Stärke und Resistenz der
Cnticula und daher auch durch gäuzlichen oder fast gänzlichen Mangel
der Metabolie unterscheidet. Schwanzspitze stets deutlich. Häufig 1 bis
mehrere sehr ansehnliche Scheiben-, bis ringförmige Paramylonkörper
vorhanden. Fortpflanzung durch Längstheilung, gewöhnlich im nicht um-
hüllten Ruhezustand.
Lepocinclis Perty 1849 (Mittheil, der Berner Naturf. Vers,
und 76).
Synon. Euglena p. p. Ehbg. (32), Eichvald (52), Carter (106), Chloropeltis Stein
(167), Phacus p, p. Klebs (206).
T. 47, Fig. 17.
Monaxon bis zweiseitig, da die Mundöifnung regulär am vorderen
Körperpol ihre Lage hat und sich theils etwas röhrig vorspringend erhebt,
theils sich in einen kurzen röhrenförmigen Schlund fortsetzt, der in der
Körperaxe nach hinten zieht. Gestalt entweder regulär ellipsoidisch
oder etwas parallel der Längsaxe abgeplattet. Durchaus starr und starke
Cuticula theils längs- theils spiralgestreift, die Streifen zuweilen be-
üebersicht des Systems (Ü.-O. Euglenoiclina). 823
stachelt. Paramyloiikörper 7Aiweilen sehr gross und schliDgenförmig
gestaltet.
2 Arten. Siisswasser. Europa imd Ostindien.
Phacus Nitzsch 1816 (Beitr. zur Infusorienkunde), Dujardm (.^9),
Stein (169), Klebs p. p. (206).
Synon. Cercaria p. p. Ü. K. Milllei' (12), Virgulina Bory de Viuc. Euc. m6th.,
Euglona p. p. Elibg-. (32) und andere Autoren, ? Orcula Weisse (112, T. V), Lepo-
cinclis p. p. Perty (76).
T. 47, Fig. 12—15.
Gestalt mehr oder minder deutlich asymmetrisch, abgeplattet, ellipso-
idisch bis birnförmig mit mehr oder minder ansehnlicher hinterer Schwanz-
spitze, welche durch ihre manchmal schiefe Stellung die Asymmetrie zuweilen
noch vermehrt (L. bis 0,09 Mm.). Mundöffnung bei den meisten Formen
rückenständig und asymmetrisch, Schlund schief gerichtet. Cuticula
längs oder spiralig gestreift, zuweilen auch der Gesammtkörper nochmals
schraubig tordirt. Meist ein sehr ansehnlicher Paramylonkörper in der
Körpermitte, dahinter der Kern.
Artenzahl ca. 6. Süsswasser. Europa und Nordamerika.
9. Familie Menoidina Bütschli.
Unterscheiden sich von den Euglenina, denen sie in Gestalt und all-
gemeiner Bauweise sehr nahe stehen durch Chlorophyllmangel, der hier
in Verbindung mit der saprophytischen Lebensweise, normal ist;
ebenso fehlt ein Stigma stets. In den übrigen Characteren herrscht, wie
gesagt, wohl eine weitgehende Uebereinstimmung mit den Eugleninen.
Körper metabolisch oder starr.
a. Metabolische Formen.
Astasiopsis n. g.
Synon. Cyclidium p. p. (distortum) Dujardin (39), Euglena p. p. (curvata)
Klebs (206).
T. 47, Fig. 4.
Gestalt im schwimmenden Zustand sehr langgestreckt, spindel- bis
nadeiförmig, ähnlich gewissen Euglenen, jedoch häufig auch sehr abge-
plattet und mehr oder weniger schraubig tordirt. Sehr metabolisch.
Mundöffnung nimmt die vordere Körperspitze ein und ragt als ein etwas
knopfartiges Spitzchen auch im stark contrahirten Zustand deutlich her-
vor. Fortpflanzung?
1 Art. Süsswasser und Infusionen. Europa.
? Astasiodes n. g.
Synon. Astasia Klebs (206) und frühere Autoren p. p.
Unterscheidet sich, soweit zu beurtheilen, von der vorigen Gattung
hauptsächlich dadurch, dass die Mundöffnung mehr nach Art der Euglenen
gelagert und gebaut ist und sich auch in einen ähnlich wie bei diesen
beschaffenen Schlund fortsetzt.
Ca. 2 Arten. Süsswasser.
^21: Flagellata.
b. Nichtmetabolisclic Formen.
Menoidium Perty 1852 (76), stein (167), Kent (182), Klehs (206).
T. 48, Fig. 7.
Gestalt (L. bis 0,06 Mm.) länglich halbmondförmig; das Hinterende
abgerundet, das Vorderende trägt auf einer etwas halsartigen Verlänge-
rung (ähnlich Astasiopsis) die Mundötfnuug. Schlund ziemlich deutlich.
Coucave Bauchseite zu einer Kante verschmälert, die gegenüberstehende
Rückseite breit abgerundet. Enthält zuweilen einige Chromatophoren.
1 Art. Süsswasser. Europa.
Atractonema Stein 1878 (167).
T. 48, Fig. 8.
Unterscheidet sich von der vorhergehenden Gatlung wesentlich nur
durch eine geradgestreckte, spindelförmige Gestalt (L. bis 0,032 Mm.), mit
zugespitztem Hinterende. Grosser scheibenförmiger Paramylon(?)körper
häufig vorhanden.
1 Art. Süsswasser. Europa.
Rhabdomonas Fresenius 1858 (102), Klebs (206).
Syuon. Astasia Stein, Jiigendform (167), ? Astasia (costata) Künstler (190).
Klein (L. = 0,020 Mm.), cylindrisch, meist etwas halbmondförmig
gekrümmt und beide Enden unverschmälert und breit abgerundet. Cuti-
cula breit längsgestreift. Schlundröhre deutlich (Klebs). Längstheilung
beobachtet (Künstler). (Künstler gibt bei seiner wahrscheinlich hieher-
gehörigen Astasia costata neben der Hauptgeissel noch eine kleine Neben-
geissel an.)
1 Art. Süsswasser, Europa.
10. Familie Peranemina.
Sehr metabolische ungefärbte Euglenoidinen von ziemlicher Grösse
mit einer sehr ansebnlichen Geissei des Vorderendes, die dicht vor der
etwas zurückgerückten ziemlich weiten Mundöfifnung entspringt. Zuweilen
sammt dieser in einem erweiterten Peristom gelegen. Die Mundöffnung
führt in einen ansehnlichen röhrenförmigen Schlund. Cuticula zart;
spiralgestreift. Nucleus central. 1 contractile Vacuole im Vorderende.
Nahrungsaufnahme sicher.
Peranema Dujardin 1841, Perty (76), Stein (167), Klebs (206).
Synon. Traclielius p. p. (tricliopliorus) Ehrenberg (32 und früher), Astasia Clap.
und Lachmann, Carter (lOOa), James-Clark (125), Fromentel (146) p. p., Kent (182).
T. 47, Fig. 1.
Ziemlich gross (L. bis 0,08 Mm.), etwa oval, Hinterende meist breit
abgerundet, seltner etwas zugespitzt; Vorderende massig zugespitzt. Auf
diesem sehr ansehnliche Geissei; dicht dahinter auf der Bauchseite eine
wahrscheinlich im geschlossenen Zustand spaltförmige Mundöffnung, die
in einen ziemlich langen, röhrenförmigen, geraden Schlund führt (nach
Klebs soll derselbe ein vorstossbarer Stabapparat sein). Sehr metabolisch.
Uebcrsiclit ilus Systciiis (L'.-O. iMig'lcimidiiia). 825
Cuticula fein spiralgestreift. 1 contractile Vacuole im Vorderende, Nucleus
ziemlich central. Fortpflanzung durch Längstheilung.
1 sichere Art, doch zeigen noch zahlreiche unzureichend beschriebene
Formen vielleicht nähere Beziehungen zu dieser Gattung. Süsswasser.
Europa, Ostindien, Nordamerika und Nordafrika.
Urceolus Mereschkowsky 1877 (Arbeiten der Gesellschaft der
Naturforscher zu Petersburg Vol. VIII. und 174).
Synon. Phialonema Stein (167).
T. 47, Fig. 5.
Mittelgross (L. bis 0,05 Mm.), Gestalt im gestreckten Zustand etwa
flaschenförmig, mit flaschenhalsartig erweitertem Vorderende und abge-
rundetem bis massig zugespitztem Hinterende. Cuticula fein bis grob
schraubig gestreift. Sehr metabolisch. Vorderende zu einem etwa trichter-
förmigen Peristom vertieft, in dessen Grund die ansehnliche Geissei ent-
springt und das in den tief hinabsteigenden, engen Schlund führt. 1 con-
tractile Vacuole im vorderen Körperdrittel.
1 Art. Süsswasser. Europa.
11. Familie Petalomonadina.
Ungefärbte formbeständige Formen von etwa ovaler abgeplatteter
Gestalt, mit grosser Geissei des Vorderendes und dicht dahinter, auf
Bauchseite einer Mundöff"nung mit sehr wenig entwickeltem Schlund.
Nahrungsaufnahme sicher.
Petalomonas Stein 1859 (Organismus der Infusionsthiere I. p. 76).
Synon. ? Gonium (rectaug, und obtusang.) 0. F. Müller (12), ? Traclielius (lati-
ceps) Ehrenb. (36), Cyclidium (abscissa) p. p. Dujardin (39), ? Monas (pilcat.)
p. p. Perty (76) ? Peranema (protr. u. giobul.) Fromentel (146).
T. 47, Fig. 2.
Mittelgross (bis 0,045 Mm. L.), formbestäüdig ; etwa oval, stark abge-
plattet, mit platter oder durch eine mittlere Längsfurche vertiefter Bauchseite,
gewölbter und zum Theil mit einigen Längskielen ausgerüsteter Rück-
seite. Sehr lange Geissei des Vorderendes, die gewöhnlich nur am Ende
bewegt wird. Mundöffnung au der Geisseibasis auf Bauchseite, ohne
oder doch nur mit sehr kurzer Schlundeinsenkung. 1 contractile Vacuole
in vorderer Körperhälfte, dem linken Seitenrand genähert. Kern dem
rechten genähert. Nahrungsaufnahme sicher.
Süsswasser. Europa, 4 Arten.
Anhang zu der Familie der Petalomonadina.
Scytomonas Stein 1878 (167).
Klein (L. = 0,615 Mm.), nackt (?). formbeständig, etwa oval; 1 vordere Geiysel.
Contractile Vacuole etwas vor der Mitte. Nucleus? Nahrungsaufnahme?
Süsswasser. Europa. J Art.
Die Stellung dieser Form ist, insofern sich nach dem bis jetzt bekannten urtheilen lässt,
noch unsicher. Stein zieht sie zu seiner Familie der Scytomonadina, wogegen sie Kent(182)
in die Nähe von Oikomonas bringt, der sie ja auch ziemlich gleicht. Ich glaube, dass
826 Flagellata.
vielleiclit gewisse Beziehungen zu Pctalomonas vorhanden sind, doch ist, wie bemerkt, die
Sachlage sehr un]<lar.
12. Familie Astasiina Btitsclili (vielleiclit besser als Heteronemina
zu bezeichnen).
Ungefärbte, metabolische oder starre Formen, deren Hauptauszeich-
nung- gegenüber den übrigen Euglenoidinen im Besitz einer dicht neben
der Hauptgeissel entspringenden , kleinen bis massig langen Neben-
geissel besteht. Ernährung wahrscheinlich z. Th. saprophytisch , z. Th.
animal.
a. Metabolische Formen.
Astasia (Ehrenberg 1830) emend. Stein 1878 (167), non Kent
und Klebs.
Synon. Proteus p.p. (tenax) (J. F. Müller (12), Distigma p. p. Ehbg., Kent (182)
T. 48, Fig. 9.
Gross (L. bis 0,1 Mm.); langgestreckt cylindrisch, Vorder- und
Hinterende zugespitzt. Vorderende trägt dicht neben der Hauptgeissel
eine zarte, nach vorn gerichtete Nebengeissel (die Geissein gehen jedoch
häufig verloren). Cuticula zart spiralstreifig. Metabolie sehr energisch,
auch während des Schwimmens. Dicht hinter der Geisseibasis zuweilen
zwei schwärzliche stigmaartige Puncte. Mund und Schlundröhre wahr-
scheinlich ähnlich denen der Eugleninen. Ernährung?
1 Art. Süsswasser. Europa und Nordamerika.
Heteronema Dujardin 1841 (39), emend. Stein (167).
Synon. Trachelius p. p. (globulifer) Ehbg., Astasia p. p. (acus) Ehbg. (36),
? Peranema p. p. (globulifer), Dujardin (39), '? Dinema Perty (76), Astasia p. p.
(fusiformis) Fromentel (146).
T. 48, Fig. 10.
Die Unterschiede dieser Gattung von Astasia sind sehr geringfügig,
so dass es überhaupt fraglich erscheint, ob beide nicht besser zusammen-
zuziehen wären. Die hauptsächlichste Differenz scheint darin zu bestehen,
dass die Nebengeissel hier ansehnlicher wird und ihre Insertion etwas
auf die Bauchseite nach hinten gerückt ist. Ernährung?
3 — 4 Arten. Süsswasser und marin. Europa.
Zygoselmis Dujardin 1841 (39), Perty (76), Stein (167).
Synon. Astasia (inflata und crassa) Fromentel (146) p. p.
T. 48, Fig. 11.
Gross (L. bis 0,1 Mm.). Gestalt oval bis länglich, jedoch durch
active oder passive Gestaltsänderung sehr wechselnd. Cuticularschicht
spiralgestreift. Vorderende meist etwas zugespit/t, Hinterende abgerundet.
Beweguügsgeissel sehr ansehnlich, dicht dabei die kleine Schleppgeissel.
Dahinter eine etwa schlitzförmige Mundöflfnung, die in kurzen und weiten
röhrigen Schlund führt. Daneben die contractile Vacuole. Grosser
Nuclens etwa central. Nimmt ansehnliche Nahrungskörper auf. Längs-
theilung.
Süsswasser. Europa. 1 Art.
Uebersiclit des Systems (U.-Ü. Eugleuoirliiia u. Ilcterouiastigoda). 827
1). Nichtmetabolischc Formen.
Sphenomonas Stein 1878 (167).
T. 48, Fig. 12.
MittelgTOSS (L. = 0,032 Mm.), formbeständig. Gestalt etwa oval,
beiderseits zugespitzt, mit 4 hervorragenden Längskielen, so dass Quer-
schnitt ziemlich quadratisch. Hinterende enthält häutig einen sogen.
Gallertkorper. Längstheilung. Nahrungsaufnahme?
Siisswasser. Europa. 1 Art.
Tropidoscyphus Stein 1878 (167).
Syuon. Sphenomonas jj. p. Kent (182).
T. 48, Fig. 13.
Mittelgross (L. = 0,04 Mm.), formbeständig. Gestalt etvra oval,
Hinterende scharf zugespitzt, Vorderende schief abgestutzt bis ausge-
schnitten. Regelmässig vertheilte Längsrippen des Körpers, die häutig
etwas schraubenförmig verlaufen. Mund im ausgeschnittenen Vorderende,
im Anschluss hieran ein sehr erweiterungsfähiger Schlund, an dessen
Ende die contractile Vacuole. Nucleus central. Nahrungsaufnahme sicher.
Siisswasser. Europa. 1 Art.
3. Unterordnung Heteromastigoda.
Kleine Abtheilung, zu welcher Formen von geringer bis ziemlich be-
trächtlicher Grösse gehören. Nackt und dann zuweilen auch amöboid
werdend, oder starr und dann häufig mit ähnlicher Cuticula wie die
Eugleninen etc. versehen. Hauptauszeichnung der Besitz zweier, in ihrem
Verhalten wesentlich verschiedener Geissein des Vorderendes, die auch
gewöhnlich an Grösse recht dififeriren. Die eine Geissei ist nach vorn
gerichtet und bewirkt die gewöhnliche Vorwärtsbewegung, die andere und
meist grössere wird nach hinten gerichtet nachgeschleppt. Doch müssen
wir einstweilen hier auch zwei Formen anschliessen, bei welchen die
Zahl der hinteren Geissein auf zwei vermehrt ist. Ernährung stets ani-
malisch und daher zum mindesten immer eine Mundstelle vorhanden,
welche bei den grösseren Formen zu einem deutlichen Mund wird, der
mit ansehnlichem Schlund in Verbindung steht. Stets ungefärbt.
Wie schon aus Früherem hervorgeht, existirt keine scharfe Grenze zwischen den Eugle-
noidina und der jetzt zu besprechenden Unterordnung (speciell der Familie der Anisonemina),
auch scheint es überhaupt noch etwas unsicher, ob die Verwandtschaft der beiden unter-
schiednen Familien der Heteromastigoden eine so innige ist, wie hier angenommen wurde.
13. Familie Bodonina Bütschli (Heteromitidae Kent 1880).
Kleine, nackte Heteromastigoda, bei welchen der Grössenunterschied
der beiden Geissein zuweilen nur wenig hervortritt. Schlund höchstens
angedeutet.
Bodo (Ehbg. 1830), Stein 1878, non Kent (182).
Synon. Heteromita Dujardin p. p. (39), Perty (76) p. p., Fromentel (14(5)
p. p., Kent (182), Grassi p. p. (193), Künstler (Compt. rend. 1S83, October),
Amphimonas Dujardin (39) p.p., Spiromonas (Perty) Kent p. p. (182), Pleuro-
^2S Flagollata.
monas Pcrty (7G). Colpodella Cicnkowsky (115), Piplomastix Kcut (1S2), V Aiii-
soncma (ludibund. und intermed.) Kent (182), Isomita Dicsing (121), Protomonas
Haeck. (Moiiogr. d. Monereu 1870)*), the hooked Monad und tlie springing Monad
Dallinger and Drysdale (145).
T. 46, Fig. 4—6.
Klein (L. bis 0,03 Mm.), nackt, oval bis länglich gestreckt. Das meist
zugespitzte Vorderende mit zwei gewöhnlich recht ungleichlangen Geissein.
Die kleinere nach vorn gerichtet und schlängelnd , die grössere nach
hinten gerichtete wird nachgeschleppt und dient auch häufig zur Befesti-
gung. Mundstelle am Vorderende, sich zuweilen in schlundartiges kurzes
Röhrchen fortsetzend. Nucleus meist in Körpermitte ; 1 bis mehrere con-
tractile Vacuolen von verschiedener Lagerung. Mit oder ohne Verlust
der Geissein gehen gewisse Formen häufig in amöboiden Zustand über.
Vermehrung durch Längstheilung und Sporulation nach Copulation.
Süss- und Salzwasser (Parona) und Infusionen. Europa und Aegypten.
[Pruner bei Davaine (152)] ; auch parasitische Formen von entsprechendem
Bau finden sich, so z. B. im Darm von Lacerta (Grassi, Künstler). Ebenso
gehört die sog. Plagiomonas (früher 1879 Retortomonas) Gryllotalpae (Grassi,
193), aus dem Darm der Gryllotalpalarve wahrscheinlich hieher.
Artzahl ca. 5 — 6.
Phyllomitus Stein 1878 (167).
T. 4Q, Fig. 7.
Klein (L, bis 0,021 Mm.); Gestalt oval bis länglich oval, Hinterende
häufig zugespitzt, seltner abgerundet. Vorderende mit schiefem Ausschnitt
(Peristom St.'s) und einer dicken blattartigen Geissei, die sich bald in
zwei gewöhnlich ungleich lange spaltet. Nucleus im Vorderende. Nah-
rungsaufnahme wohl sicher.
Süsswasser. Europa. 1 Art.
Colponema Stein 1878 (167).
T. 46, Fig. 10.
Klein (L. = 0,03 Mm.), formbeständig; Gestalt breit S förmig;
massig abgeplattet; Bauchseite durch Längsrinne, welche sich in vorderer
Hälfte stark erweitert, tief ausgehöhlt. Kleinere Bewegungsgeissel an
vorderer Körperspitze, hintere Schleppgeissel in der Mitte der Bauchrinne.
1 — 2 contractile Vacuolen in Körpermitte. Nahrungsaufnahme?
Süsswasser. Europa. 1 Art.
Anhang zu der Familie der Bodouina.
Dallingeria Kent 1880 (1882) nach Dallinger (168).
T. 45, Fig. 12.
Klein (L. = 0,007 Mm.); Göstalt länglich, in der Mittelregion etwas
eingeschnürt; Vorderende zugespitzt, mit einer nach vorn gerichteten
Geissei. Jederseits, etwa in Körpermitte, entspringt eine nach hinten ge-
richtete Geissei, mit welchen die Wesen sich häufig festheften und dann
*) Die in den Nachträgen zur Monogr. der ]Moneren beschriebene Protomon^ Huxleyi
ist eine ganz unsicliere, walirschcinlich überhaupt nicht zu den Flagellaten gehörige' Form.
Ue1)ersicht des Systems (U.-O. Heteroinastigoda). 829
mittels der CoDtractionen dieser Geisselu Schnelibewegungen ausführeu,
ähnlich gewissen Bodonen. Nucleus in hinterer Hälfte. Contractile
Vacuole? Längstheihmg, Copulation.
Infusion. Europa. 1 Art.
Ein gesichertes ürtlieil über die Stellung- dieser Form scheint mir zur Zeit unmöglich,
ich reihe sie daher nur provisorisch hier an.
Trimastix Kent 1880 (182).
T. 45, Fig. 13.
Klein (L. = 0,015 Mm.); oval bis birnförmig, mit etwas zugespitztem
Vorderende , dies trägt drei Geissein , von welchen eine nach vorn ge-
richtet ist, die beiden andern dagegen nachgeschleppt werden. Der
rechtsseitige Körperrand in eine Art Membran ausgewachsen , längs
deren Basis sich die eine der nach hinten gerichteten Geissein in
schlangenförmigen Biegungen anlegt und erst ihre über das Körperendc
sich fortsetzende Verlängerung wird frei. 1 contractile Vacuole nahe der
Geisseibasis, Nucleus im Hintereude. Nahrungsaufnahme?
Faulendes Seewasser. Europa. 1 Art.
Leider fühle ich mich ausser Stand, dieser interessanten Form eine gesicherte Stellung
anzuweisen; daher ist ihre Einreihung eine ganz provisorische. Wie schon früher angedeutet,
halte ich auch Beziehungen zu Trichomonas nicht für unmöglich. Mit Trimastix hat viel-
leicht auch das dreigeisselige Wesen, welches Henneguy neuerdings (201) unter dem Namen
Bodo necator beschrieb und das zuweilen in sehr grossen Mengen auf der Haut junger
Forellen schmarotzt, nähere Beziehungen. Ein Bodo ist es wohl sicher nicht.
14. Familie Anisonemina Kent 1880. (Scytomonadinae p.p. St.*.)
Grössere Formen (L. 0,04 — 0,05 Mm.); formbeständig, mit Cuticula.
Körper abgeplattet; im Allgemeinen oval und etwas asymmetrisch.
Grössendifferenz der beiden Geissein erheblich. Deutliche Mundötfnung
hinter der Basis der Bewegungsgeissel auf Bauchseite in Verbindung mit
verschieden langem röhrigem Schlundapparat. Aufnahme ansehnlicher
Nahrungskörper. Vermehrung durch Längstheilung.
Anisonema Dujardin 1841 (39), james-Clark (125), Bütschli p. p. (171),
Stein (16T), Kent p. p. (182), Klelos (206).
Synon. Bodo (grandis) p. p. Ehrenberg (32), Heteromita (ovata) Dujardin (39)
und Perty (76), p. p. Fromentel (146), Diplomita Fromentel (146), ? Ploeotia
Dujardin (39).
T. 46, Fig. 8.
Mittelgross (L. bis 0,04 Mm.); oval, stark abgeplattet und deutlich
asymmetrisch, der rechte Seitenrand auf der Bauchseite etwas stärker
wulstig vorspringend. Zarte, sehr fein spiralgestreifte Cuticula (Klebs).
Dicht hinter der Basis der Bewegungsgeissel die Mundöffnung, welche
sich etwas schief nach links hinein senkt und mit einem dunkeln, massig-
langen, röhrigen Schlundapparat in Verbindung tritt. Schleppgeissel ent-
springt aus der Mundeinsenkiing (Klebs), zieht im Bogen um den vorderen
*) Bei der allgemeinen Schilderung des Baues etc. der Flagellata, wurde für diese
Familie gewöhnlich die Bezeichnung Scytomonadina gebraucht, da jedoch die Gattung- Scyto-
monas sicher nicht hieher gehört, so "'inpfinhlt sicli der Kent'scho Mame.
830 Flagellata.
Körperiand nach rechts und läuft an dem aufgewulsteten rechten Körper-
rand nach hinten herab, 1 contractile Vacuole im Vorderende am linken
Seitenrand. Nucleus randlich, etwas hinter der Körpermitte. Nahrungs-
aufnahme sicher; sog. Afterstelle am Hinterende (Stein). Vermehrung
durch Längstheilung.
Süsswasser und wahrscheinlich auch marin; Europa und Nordamerika.
Artzahl 2—3.
Entosiphon Stein 1878 (167).
Synon. ? Cyclidium (margaritac.) Ehrenberg (32), Cyclidium (liiieata) Weisse
(1851), Anisonema p. p. Diijardin (39), Bütschli (171), Heteromita (sulcata und
V cylindrica) Mereschkowsky (174), Ploeotia (Dj.) Fromentel (146).
T. 46, Fig. 9.
Unterscheidet sich hauptsächlich von Anisonema dadurch, dass sich
die Schleppgeissel dicht hinter der Bewegungsgeissel inserirt und keinen
Bogen beschreibt. Vorderende ziemlich breit und meist etwas schief ab-
gestutzt. Bauch- und Rückseite grob längsgerippt.
Süsswasser und marin (Parona). Europa. 1 Art.
Anhang zur Familie der Anisonemina.
Heteromastix James- Clark 1867 (124), früher in „Mind in naturc". p. 146.
Mittelgross (Länge im gestreckten Zustand = 0,05 Mm.); Körperbau im Allgemeinen
sehr ähnlich Anisonema; dagegen sehr contractu, ähnlich Euglena und Peranema. Auf vor-
derer Fläche der Bauchseite eine etwas schief nach hinten ziehende breite Grube oder ein
Eindruck, der sich über die Hälfte des Körpers liinzieht. Daraus entspringen eine grosse
Anzalil feiner Cilien, welche die Hauptbeweguugsorgane sind, über deren Stellung und An-
ordnung jedoch keine Sicherheit herrscht. Stigma im Vorderende.
Fundstätte? Nordamerika. 1 Art.
4. Unterordnung Isomastigoda Bütschli.
Kleine bis mittelgrosse Formen von monaxoner, seltener bilateraler
bis asymmetrischer Gestalt. Vorderende mit 2, 4 oder selten 5 gleichen
Geissein, die gewöhnlich dicht bei einander entspringen, selten mehr aus-
einander gerückt sind. Theils gefärbt, theils ungefärbt. Nackt oder mit
Schalenhülle oder Gehäuse. Mundöffnung und Schlund selten; Ernährung
meist holophytisch, z. Th. jedoch animalisch.
15. Familie Amphimonadina Kent emend.
Kleine, farblose reguläre zweigeisselige Isomastigoden, nackt und
gewöhnlich mit Neigung zur Metabolie oder Pseudopodienentwicklung. Er-
nährung thierisch.
Amphimonas Duj. (39), Kent (182) 1880, Perty (76).
Synon. Deltomonas Kent (182),
T. 42, Fig. 4-5.
Klein (L. bis 0,012 Mm.); meist oval oder knglig bis unregelmässig,
da metabolisch. Häufig mit Hinterende festgeheftet. Die Geissein des
Vorderendes entweder dicht zusammenstehend oder etwas von einander
Uebersicht des Systems (Ü.-O. Isomastig-oda). 831
gerückt. 1 — 2 contractile Vacuolen, 1 Nucleus. Nahrungsaufnahme
sicher, angeblich durch gesammte Körperoberfläche. Vermehrung durch
Längstheilung (Quertheiluug ?).
Süssvvasser und marin. Ca. 3 — 4 Arten. Europa.
?Pseudospora [Cienkowsky (115)j emend. — Keiit (182).
T. 42, Fig-. 7.
Fraglich ob von Amphimonas xmterschieden. Hauptdifferenz bestände darin, dass sie
keine Neigung hat sich anzuheften. Entsendet häufig spitzwinklig verästelte Pseudopodien
und geht auch in den amöboiden Zustand über, während dessen sie namentlich ihre Nahrung
aufnimmt.
Süss Wasser. Europa. Dringt hauptsächlich in Volvoxstöcke ein und verzehrt deren
Zellen.
■pDinomonas Kent 1880.
T. 42, Fig. 6.
Gestalt oval bis birnförmig (L. = 0,01—0,015 Mm.); Körper plastisch, jedoch nicht
amöboid. Vorderende mit zwei gleichen oder nahezu gleichen Geissein, an deren Basis eine
sehr ausdehnbare Mundöflhung, die jedoch nur während der Nahrungsaufnahme sichtbar ist.
Sehr gefrässig. 1 bläschenförmiger Kern und eine im Hinterende gelegene contractile Ya-
cuole. Infusionen. Europa. 2 Arten.
Diese Gattung scheint mir sowohl bezüglich ihrer Selbstständigkeit, als ihrer systema-
tischen Stellung nach etwas zweifelhaft; einerseits dürfte sie sich der Gattung Amphimonas
anreihen, andrerseits besitzt sie jedoch vielleicht Beziehungen zu den kleinen Heteromastigoden,
speciell Bodo, worauf auch die Art der Nahrungsaufnahme hindeutet.
16. Familie Spongomonadina Stein.
Kleine (L. bis ca. 0,02 Mm.), farblose, ovale Flagellaten mit zwei
dicht zusammenstehenden Geissein, einem Nucleus und einer contractilen
Vacuole, beide etwa in Körpermitte. Hauptauszeichnuug Stockbildung durch
Vereinigung zahlreicher Individuen in gemeinsamer Gallerte oder durch
Entwicklung verzweigter Gallertröhren, deren Enden die Einzelwesen be-
wohnen. Gallerte dieser Hüllen stets stark körnig und dadurch häufig
braun gefärbt. Vermehrung durch Längstheilung der Einzelwesen, Quer-
theilung (Kent) ?. Ernährung wahrscheinlich thierisch.
Spongomonas Stein (167) 1878, Kent (182), Gruber (in Ztschr, f. wiss.
Zool. 38, p. 56).
Synon. ? Monas consociatum Fresenius (102), Phalansterium Cienk. (134) p. p.
T. 42, Fig. 12—13.
Flagellaten in gallertiger Kolonialmasse meist dicht zusammengebettet,
so dass nur die Geissein hervorschauen. Kolonien z. Th. sehr ansehnlich
(bis zu 3 Centim. Länge). Gestaltung sehr verschieden, z. Th. platt auf-
gewachsen und dann Scheiben- oder wurmförmig, z. Th. von Unterlage
sich buschig erhebend oder schliesslich frei herabhängend und dann kuglig
oder sackartig bis gelappt.
Süsswasser. Europa. 4 Arten.
Cladomonas Stein (167) 1878, Kent (182).
T. 42, Fig. 21.
Einzelflagelhitcn bewohnen die Enden einer dichotomisch verzweigten
832 Flagellata.
Gallertröhre, deren kurze Aeste sich frei, nicht zusammenwachsend er-
heben. Grösse der Stöcke massig (Höhe ca. 0,075 Mm.).
Süsswasser. Europa. Artzahl 1.
Rhipidodendron Stein 1878 (167), Kent (182), Ryder (Americ. natur.
Vol. 14).
Synon. Aporea Bailey (64).
T. 42, Fig. 9.
Stöcke ansehnlich (Höhe bis ca. 0,3 Mm.). Beginn durch eine
Gallertröhre, die sich fortgesetzt dicbotomisch in einer Ebene theilt; die
iieuentstandnen Röhrenzweige bleiben zunächst eine Strecke weit zu einem
Fächer vereinigt, der sich hierauf in eine Anzahl secundärer Fächer theilt
und diese Zerspaltung setzt sich noch weiter fort.
Süsswasser. Europa und N.-Amerika. 2 Arten.
Anhang zu Spongomonadina.
Diplomita Kent (182).
Synon. Bicosoeca Kent (138).
T. 42, Fig. 8.
Klein, farblos, oval, dicht bei der Geisseibasis meist rother Augen-
fleck. Braunes Gehäuse (H. ohne Stiel = 0,013 Mm.), ganz ähnlich dem
der Bicosoeca; ebenso Befestigung des Thieres im Gehäusegrund und
Rlickziehfähigkeit. Nahrungsaufnahme ?.
Süsswasser, Europa. 1 Art.
Nach den vorliegenden Mittheilungen ist es schwer, die Beziehungen dieser Gattung zu
heurtheilen, daher ist die ihr hier angewiesene Stellung durchaus provisorisch.
Gruppe der Phy tomastigoda Bütschli.
Die folgenden 3 Familien der Chrysomonadina, Chlamydomonadina und Volvocina zeigen
eine so innige Verwandtschaft, dass sicli ihre Vereinigung zu einer Untergruppe empfiehlt. Die-
selbe wäre einmal ausgezeicluiet durch den regulär isomastigoden, meist zwei-, selten viergeisseligen
Bau und weiterhin namentlich durch die holophytische Ernährungsweise der hierhergehörigen
Formen. Wie im früheren schon mehrfacli erörtert wurde, sind es diese Phytomastigoda, welche
die innigsten Beziehungen zu einer Reihe einzelliger Algen darbieten , so dass sie von den
Botanikern gewöhnlicli mit denselben zu der Abtheilung der Protococcoideae vereinigt werden.
Auch diesen Beziehungen soll durch den Namen Phytomastigoda Ausdruck gegeben werden.
17. Familie Chrysomonadina (Stein) emend. Bütschli.
Einzellebende oder koloniebildende Individuen, meist länglich und
formbeständig, SchalenhUlle ähnlich der der Chlamydomonadina fehlt
gewöhnlich; selten in Gehäuse oder gestielt. Mit zwei, selten nur einer
braunen bis grünlichbraunen Chromatophore, die den beiden Seiten-
rändern anliegen. Meist mit Augenflecken an der Geisseibasis.
Die Geissein fast stets ganz gleich , und selten vielleicht durch ge-
legentliche Reductiou einer (Mallomonas) auf Einzahl vermindert. Die
freischwimmenden Kolonien durch kuglige Gruppiruug zahlreicher Indi-
viduen um ein Centrum gebildet.
üebersicht des Systems (Ü.-O. Isomastigoilu). 833
Stylochrysalis Stein (167) 1878.
T. 44, Fig. 6.
Klein (L. ca. 0,009 Mm.); einzellebend, auf ansehnlichem secernirtem
Stiel befestigt. Vermehriiug durch Quertheilung.
Süsswasser. Europa. 1 Art, auf Eudorina befestigt.
Chrysopyxis Stein 1878 (162), Wille (197).
T. 43, Fig. 2.
Einzellebend in ziemlich dickwandigem Gehäuse (Höhe = 0,012 Mm.),
von birnförmiger Gestalt und ziemlich stark verengter Mündung. Das-
selbe ist durch zv^ei hintere gegenständige, zugespitzte Fortsätze auf
Algenfäden befestigt. Vermehrung durch Längstheilung im Gehäuse.
Süsswasser. Europa. 1 Art.
Nephroselmis Stein 1878 (167).
T. 44, Fig. 7.
Klein, von etwa bohnenförmiger Gestalt, Bieitenaxe (0,018 Mm.) über-
trifft dieHauptaxe an Länge. Stark abgeplattet. In vorderer schwach concaver
Einsenkung die zwei nahezu gleich langen Geissein. Dicht dabei die contr.
Vacuole und der Nucleus wahrscheinlich dicht dahinter. Längs des ganzen
Körperrandes zieht ein bandförmiges Chromatophor hin. Bewegung in
der Richtung der Breiten axe. Vermehrung durch LäDgstheilung.
Süsswasser. Europa. 1 Art.
Stein zieht diese Form zu seinen Cryptomonadina , indem er die Breitenaxe für die
Hauptaxe nimmt. Ich glaube dagegen, dass die Gattung hier ihren richtigen Anschluss findet,
wenn sie auch in manchen Punkten nicht unwesentliche Abweichungen von den typischen
Chrysomonadinen zeigt.
Synura Ehrbg. 1833 (20, 32), Stein (167).
Synon. Volvox p. p. 0. F. Müller (12), üvella (drescens) Ehrbg. (32), Dujardin
(39), Perty (76), Schmarda (85), Fromentel (146), Bütschli (171), Grimm (143);
Glenouvella Diesing (121).
T. 43, Fig. 1.
Koloniebildend; Einzelwesen massig gross (L. bis ca. 0,035 Mm.),
oval bis länglich mit zarter cuticulaier Hülle, die häufig zu einem all-
seitigen feinen Stachelbesatz auswächst. Dicht hinter Geisseibasis ge-
wöhnlich eine wechselnde Zahl Augenflecke. Im Hinterende einige con-
tractile Vacuolen. Nucleus central.
Kuglige Kolonien aus verschiedner Zahl (bis 60 etwa) radiär um das
Centrum gestellter Einzelwesen zusammengesetzt, die entweder im Cen-
trum organisch zusammenhängen oder nur durch die Hüllen lose vereinigt
sind. Vermehrung der Individuen durch Längstheilung, der Kolonien
ebenfalls durch Theilung. Häufig Zerfall der Kolonie in die Individuen.
Süsswasser. Europa, Aegypten, N.-Amerika. 1 Art.
?Mallomonas Perty (76) 1852, Fresenius (102), Kent (182).
Synon. ? Chaetophlya p. p. Ehrbg. (32), ? Trichonema hirsuta p. p. From-
mentel (146).
Sehr unsichere Gattung, die sich nur dadurch von den freigewordenen einzellebenden
Individuen der Synura unterschiede, dass sie nur 1 Geissei besitzt. Stets mit ansehnlichem
Broun, Klassen des Tliier-Eeichs. Piotozoa. 53
834 Flagellata.
Stachelkleid. Stein (167) bezieht daher auch Mallomonas auf isolirte Individuen der Synura;
da jedoch die Beobachtungen von Perty, Fresenius und Kent tibereinstimmend nur 1 Geissei
angeben und ich gleichfalls eingcisselige Formen beobachtet habe, so scheint diese Auffassung
noch etwas fraglich, obgleich dieselbe bei der sonstigen üebereinstimmuug gewiss viel für sicli hat.
Süsswasser. 1 Art. Europa.
Syncrypta Ehrbg. (20) 1833 u. 32; stein (167).
Synon. ? üvella Fromentel (146) p. p.
T. 43, Fig. 3.
Unterscheidet sieb wesentlicb nur dadurch von Synura, dass die Be-
stacbelung- der Cuticularhülle den Eiuzelindividuen fehlt und die ent-
sprechend gebaute Kolonie von einer körnigen Gallerthülle (Durchm.
ca. 0,045) umschlossen wird, aus der nur die Enden der Geissein her-
vorragen.
Süsswasser. Europa. 1 Art.
Chlorodesmos Phillips 1882 (198).
Noch etwas unsicher ; koloniebildend ; scheint sich in Bezug auf den Bau der Einzel-
wesen an Synura anzureihen , da dieselben mit einer dreieckigen stachligen Hülle versehen
sind. Augenfleck fehlt. 1 contractile Vacuole am Hintereude. Kolonie durch Aneinander-
reihung der Individuen (bis 30) zu einer Kette gebildet; die Kolonien zeigen Bewegungs-
erscheinungen , indem die Kette sich rhythmisch verlängert und wieder zusammenzieht und
ferner die benachbarten Individuen zuweilen noch zusammenklappende Bewegungen innerhalb
der Kette ausführen.
1 Art. Süsswasser. Europa.
18. Familie Chlamydomonadina.
Körpergestalt ziemlich verschieden, kuglig bis langgestreckt spindel-
förmig. Vorderende mit 2 oder 4 (selten 5) Geissein. Fast stets grün
durch ansehnliches und, wie es scheint, gewöhnlich einheitliches Chroma-
tophor. Meist zarte Schalenhülle, welche dem Körper gewöhnlich dicht
aufliegt, sich jedoch auch sehr weit abzuheben vermag, seltener dick-
wandige Schale. Grössere Oeffnung der Schale fehlt meist. 1 — 2 con-
tractile Vacuolen an der Geisseibasis. 1 Augenfleck gewöhnlich. Ver-
mehrung, soweit verfolgt, durch fortgesetzte Theilung innerhalb der Schalen-
hülle, während des freischwimmenden Zustandes oder ruhend nach Ver-
lust der Geissein. Meist Makro- und Mikrogonidieubildung und häufig
Copulation.
a. Unterfamilie Chlamydomonadinae s. str.
Ausgezeichnet durch stets sehr zarte Schalenhülle, die keine grössere
Oeffnung, sondern nur Poren zum Durchtritt der Geissein, keine Nei-
gung zum Zerfall in zwei Klappen besitzt.
Hymenomonas St. 1878.
T. 44, Fig. 5.
Einzellebend und freischwimmend. Gestalt oval bis etwas unregel-
mässig (L. ca. 0,04 Mm.); zwei seitliche gelbbraune Chromatophoren-
platten. Eine „weiche, feingekerbte", massig dicke Hülle liegt der Körper-
obertläche dicht und allseitig auf. Zwei contractile Vacuolen dicht au
üebersicht des Systems (Ü.-O. Isomastigodca). 835
der Geisseibasis und zwischen ihnen ein heller vacuolenaitlger Raum, der
au den Behälter der Eiigleninen erinnert. Im Hinterende gewöhnlich ein
kugliger gallertiger Körper. 1 Art. Süsswasser. Europa.
Die Lage der contractilen Vacuolen im Vorderende gibt dieser Form
nähere Beziehungen zu den Chlamydomonadina als zu den Chrysomona-
dina, zu welchen sie Stein ziehen will.
Chlorangium Stein 1878 (167).
Synon. Colacium Ehrbg. (32) p.p., Cienkowsky (134), Dinobryon p. p. Duj. (39)
T. 44, Fig. 2.
Klein spindelförmig (L. ca. 0,03 Mm.), mit sehr zarter, dicht auf-
liegender Schalenhülle. Hinter Geisseibasis eine contractile Vacuole,
längs der Körperseiten 2 chlorophyllgrüne Chromatophorenbänder (viel-
leicht auch nur eines). Augenfleck fehlt. Nucleus central. Zunächst frei-
schwimmend, hierauf sich mit Vorderende festheftend und unter Verlust
der Geissein einen kurzen Stiel ausscheidend. Vermehrung in diesem
festsitzenden Zustand bis zu 4 Sprösslingen, welche durch Aufbrechen der
Hülle frei werden und ihrerseits Stiele ausscheiden, so dass sich buschige
Kolonien bilden. Häufig Loslösung von den Stielen und Uebergang in
den freischwimmenden Zustand. Mikrogonidienbildung und Encystirung
beobachtet.
Süsswasser. Europa. 1 Art.
Chlorogonium Ehrbg. 1835 (21) und [32; Weisse (61), Perty (76),
Schneider (84), Stein (83 und 167), KrassilstscMk (196), Klebs (206).
Synon. Glenomorura Ehrbg. (32\ Dyas Ehrbg. (80).
T. 44, Fig. 1.
Gestalt spindelförmig bis langgestreckt spindelförmig (L. bis 0,12 Mm.).
Schalenhülle sehr zart und dicht aufliegend. Chromatophor nicht deut-
lich erkannt, wahrscheinlich einheitlich. Selten auch farblos. Zahlreiche
kleine contractile Vacuolen über den gesammten Körper vertheilt. Augen-
fleck vorhanden. Nucleus central. Vermehrung im freischwimmenden
Zustand durch fortgesetzte Quertheilung in der Hülle zu wenigen grösseren
Makrogonidien oder sehr zahlreichen Mikrogonidien. Letztere copuliren
und bilden Dauerzygote.
Süsswasser. Europa, Aegypten und N.-Amerika. 1 Art.
Polytoma Ehrbg. 1838 (32), Perty (Hß), Schneider (84), Dallinger und
Drysdale (145), Stein (176), Kent (182), Krassilstschik (195 ii. Hauptarbeit in Schriften des
neuruss. Naturf.vereins Bd. VIII).
Synon. Monas p.p. 0. F. Müller (12), Chlamydomonas Cohn (86), Glenopolytouia
Diesing (121).
T. 43, Fig. 4—5.
Grösse massig, Gestalt rein oval oder mit zugespitztem Hinterende.
Schalenhülle zart und meist vom Weichkörper ganz erfüllt. Keine Chro-
raatophoren, dagegen fast stets zahlreiche Amylumkörnchen. Augenfleck
zuweilen. Zwei contractile Vacuolen dicht bei der Geisseibasis. Nucleus
in hinterer Körperhälfte. Saprophyt. Vermehrung durch fortgesetzte
Theilung zu 4 — 8 Sprösslingen in der Hülle. Hierauf Freiwerden der-
53*
836 Flagellata.
selben. Nach gewisser Zeit Copulation der Sprösslinge mit Bildung einer
Dauerzygote.
Süsswasser und Infusionen. Europa. Artzahl 2.
Chlamydomonas Ehrbg. 1833 (20) u. 32, a. Biaun (7ü), Tluuet ((5G).
Perty (76), Colin (86 u. 162j, Fresenius (102), Cienkowsky (118), Reinhardt (157), Goroslianlän
(154), Schneider (164). Stein (167).
Synon. Diselmis Duj. (26 u. 39), Microglena (monadina) p. p, Ehrbg. (32)
Glenomonim (aegyptiac.) p. p. Sclimarda (85), Zygoselmis angusta u. Allodorina
Fromentel (146).
T. 43, Fig. 6—8.
Mittelgross (L. bis 0,045 Mm.); Gestalt kuglig, oval bis nahezu
cylindrisch. Schalenhülle zart, dem Körper dicht aufliegend. Einfaches
sehr ansehnliches Chromatophor, das theils schalenartig unter der Körper-
oberfläche liegt, oder den grössten Theil des Körpers einnimmt und nur
vorn eine Aushöhlung besitzt, in w^elcher sich die Hauptmasse des un-
gefärbten Körperplasmas findet. Kernlage hiernach verschieden. Chro-
matophor mit 1 bis mehreren kugligen, selten bandartig gestreckten Pyre-
noiden. Zwei contractile Vacuolen dicht hinter der Geisseibasis. Gewöhnlich
ein rother Augenfleck in der vorderen Körperhälfte.
Vermehrung durch fortgesetzte Theilung, gewöhnlich nach Verlust der
Geissein. Zu Zeiten Copulation zwischen Makro- und Mikrogonidien und
Bildung von Dauerzygote.
Süsswasser u. marin? (Parona). Europa, Aegypten, Ostindien. Artz. ca. G.
Haematococcus Agardh 1828 (Icones Algar. europ.), Dunal (33),
Flotow (50), Kostafinski (148 u. 187), Goroshaukin (154).
Synon. ? Volvox lacustris Girod (13), Monas Joly (34), Disceraea Morren (40 u. 41),
K. Vogt (48), Chlamydococcus A. Braun (70), Stein (167), Protococcus Cohn (66),
Chlamydomonas p. p. Cienkowsky (118), Schneider (164), Zygoselmis (leucoa) Parona
(Arch. sc. ph. nat. 3. 3. T. X) *).
T. 43, Fig. 9.
Unterscheidet sich wesentlich dadurch von der vorhergehenden Gat-
tung, dass sich die zarte Schalenhülle der frei beweglichen gewöhnlichen
Formen weit von dem Körper abhebt**). Gestalt der Hülle theils oval,
theils sogar viereckig bis herzförmig. Körper daher nur noch an der
Durchtrittsstelle der Geissein durch schnabelartigen Fortsatz an die Schale
geheftet. Grün durch einfaches, wahrscheinlich mantelartiges Chromato--
phor, das ein bis mehrere runde Pyrenoide enthält. Augenfleck fehlt. Da-
gegen häufig theilweise bis totale Rothfärbung durch Auftreten von Haemato-
I
*) Bezüglich weiterer Synonymie vergleiche bei Cohn (66). Cohn (Jahresber. der schles.
Ges. für vaterl. Cultur 1881, p. 318) scheint mit Recht anzunehmen, dass der Volvox lacustris
von Girod wegen seines Vorkommens in Seen nicht mit dem Haematococcus pluviaiis Fl. iden-
ti:><:li sein könne. Ich habe diese Notiz früher übersehen und auf Rostafinski's Autorität diese
Identität angenommen, da mir das Werk von Girod nicht zugänglich war.
**) Eine scharfe Grenze zwischen Chlamydomonas und Haematococcus scheint sich
wenigstens zur Zeit niclit zielien zu lassen. Mit Stein möcht-e.ich die der Schalenhülle ent-
nommenen Charaktere für die zur Unterscheidung besten halten. Andre Forscher, wie
A. Braun . Cohn , legten mehr Gewicht auf die Zahl der Pyrenoide und beschränken dalier
Chlamydomonas auf die Formen mit 1 Pyrenoid, während sie die mit mehreren zu Haemato-
coccus ziehen.
üebei'siclit des Systems (Ü.-O. Isoinasti.ujoda). .837
cln-oni. Vermehrung gewöhnlich im ruhenden Zustand durch fortgesetzte
Zweitheilung. Mikrogonidienbildung. Copulation nicht beobachtet.
Siisswasser und Seewasser, Schnee des Hochgebirges und der Polar-
regionen. Europa bis Japan (nach Cohn). Arten zahl 3 — 4.
Carteria Diesing 1866 (121).
Synon. ? Polysclmis Duj. (41), Sporozoidic Perty (76, T. XI, 9), Cryptogieiia
Carter (105), Chlamydomonas Fresenius (102), Eostafiiiski (137). Schneider (104).
T. 45, Fig. 2.
Zeigt alle wesentlichen Charaktere von Chlamydomonas, besitzt jedoch
4 Geissein. Mikrogonidienbildung und Copulation beobachtet.
Siisswasser. Europa und Ostindien. 1 Art.
Spondylomorum Ehrbg. 1848 (59), Stein (167).
Synon. Uvella p. p. (Bodo) Ehrbg. (32), Carter (130), Phacelomonas Stein (83).
T. 45, Fig. 4.
Koloniebildend, Einzelthiere sehr ähnlich Carteria. Die Kolonien be-
stehen aus 16 gleich gerichteten Individuen, die in 4 alternirendeu Kränzen
von je 4 Individuen um die Längsaxe der Kolonie zusammengestellt sind.
Der Zusammenhang der Individuen relativ locker. Fortpflanzung durch
ziemlich gleichzeitigen Zerfall sämmtlicher Kolonialindividuen durch suc-
cessive Theilung in neue Kolonien, die sich hierauf aus der Schalenhülle
ihrer Mütter befreien.
1 Art. Süss Wasser. Europa, Ostindien.
b. Unterfamilie Phacotina.
Flagellatenkörper entsprechend den Chlamydomonas- oder Haemato-
coccusformen gebaut, von fester dicker Schalenhülle umkleidet, welche
der Weichkörper gewöhnlich nur zum Theil erfüllt. Die Schale zeigt
entweder eine Zusammensetzung aus zwei hälftigen Klappen oder doch
eine Neigung, unter gewissen Umständen in die beiden Hälften zu zer-
reissen.
Coccomonas Stein 1878 (167).
Synon. '? Trachelomonas (acuminata) Schulz (Beitr. zur Kenntniss der Infus.
Nassau (Jahrb. d. nass. Ver. f. Naturk. XI).
T. 43, Fig. 11.
Im Allgemeinen sehr ähnlich Haematococcus, jedoch Schale dick,
fest und spröde und vorn mit einfacher, kleiner, rundtr Oeffnung zum
Durchtritt der beiden Geissein. Schalengestalt oval bis viereckig. Frag-
lich, ob der Weichkörper noch mit einer zweiten dicht aufliegenden Hülle
umkleidet ist? Vermehrung durch fortgesetzte Theilung in der Schale,
welche hierauf in zwei Hälften zerreisst zum Austritt der Sprösslinge.
Süsswasser. Europa. 1 Art.
Phacotus Perty 1852 (76), Stein (167).
Synon. Cryptomonas p. p. Ehrbg. (32), Cryptoglena p. p. Carter (105 u. 106),
Kent p. p.
T. 44, Fig. 3-4.
Schale linsen- bis mehr herzförmig (Durchm. bei Ph. lenticul. bis
838- Flagellata.
0,02 Mm.) aus zwei gleichen Klappen zusammengesetzt, die im Aequator
zusammengefügt, jedoch nicht verwachsen sind, daher können dieselben
sich nach dem Tod etc. aus ihrem Zusammenhalt lösen. Schalenober-
fläche sculpturirt. Flagellat füllt die Schale gewöhnlich nur theilweise
aus. Vermehrung durch fortgesetzte Theilung innerhalb der Schale ; Copu-
lation zwischen Makro- und Mikrogonidien beobachtet.
Süsswasser. Europa, Aegypten und Ostindien. 2 Arten.
Auliang- zu der Familie der Chlamydomonadina.
? Tetratoma n. g. Bütschli.
Synoii. Chlauiydomonasform Archer (142).
Allgemeiner Bau ähnlich Carteria, doch entspringen die vier Geissein
des Vorderendes nicht aus einem Punkt, sondern aus vier weit getrennten,
von welchen jeder farblos ist. Doch scheint Vorderende nicht etwa ge-
lappt zu sein. Elliptisch. Ein weit nach hinten gerückter Augenfleck.
Zarte SchalenhtiUe.
Süsswasser. Europa. 1 Art.
Pyramimonas Schmarda 1850 (65).
Syuon. Pyramidomonas Stein (167), Chloraster p. 13. Kent (182).
T. 45, Fig. 7.
Klein (L. bis 0,037 Mm.), Gestalt umgekehrt kegelförmig, durch
vier Längsfurchen vierrippig. Vorderende mit vier gleichlangen Geissein.
Grün. Contractiie Vacuole an der Geisseibasis. SchalenhtiUe ?. Ver-
mehrung durch Längstheilung. Sehr unvollständig bekannt und spc-
ciell in ihren möglichen Beziehungen zur folgenden Gattung unsicher.
Süsswasser. Europa. 1 Art.
Chlor aster Ehrbg. 1848 (59), Stein (167), Kent (182).
T. 45, Fig. 5-6.
Klein (L. bis 0,035 Mm.), Gestalt spindelförmig bis umgekehrt kegel-
förmig, vierkantig bis vierlappig. Grtin. Schalenhülle ?. Vorderende mit
einer mittleren und vier kranzförmig darum stehenden Geissein, 1 Augen-
fleck vorn. Nucleus (?) hinten. Contractiie Vacuole '?.
Süss- und Salzwasser. Europa. 2 Arten.
19. Familie Volvocina Ehrbg. emend.
Koloniebildende Phytomastigoda, deren Einzelindividuen bezüglich
ihres Baues im Allgemeinen zwischen Chlamydoraonas und Haematococcus
stehen und stets nur zweigeisselig sind. Zahl der zu Kolonien vereinigten
Individuen in den verschiedenen Gattungen sehr verschieden, ebenso wie
der Aufbau der Kolonien. Fortpflanzung durch fortgesetzte Theilung
sämmtlicher oder nur gewisser Individuen der Kolonie zu Tochterkolonien.
Bei einigen (wahrscheinlich wohl allen) tritt zeitweilig Copulation der
Individuen bestimmter geschlechtlicher Kolonien auf, ohne oder mit Diff'e-
renzirung der Kolonien und Gameten in männliche und weibliche. Das
ücbcrsicht tlcs Systems (Ü.-O. [soiiiastig'oda). 83i*
Kosultat der Copulation ist eine ruhende Zygote, welche sich später zu
einer oder mehreren neuen Kolonien entwickelt.
Gonium 0. F. Müller 1773 (6, 11) emend., Ehrbg-. (32), Turpiu (15),
Dujard. (39), Perty (76), Cohn (86) u. (162), Warmiiig (156), Goroshankiii (154), Stein (167).
Syuon. Volvox j). p. Schrank (8), Pectoralina Bory de Vincent 1824 (Encycl.
incthod.), Cryptomonas (Tetrabaena) Dujard. (39), Gleno.nonium Dies. (121).
T. 44, Fig. 9.
Kolonien aus 4 oder 16, zu einer quadratischen tafelförmigen Gruppe
(Seitenlange bis 0,09 Mm.) zusammengestellten, gleichgerichteten Individuen
bestehend. Die Geissein daher sämmtlich auf einer Seite der Tafel Mit
oder ohne eine gallertige Mantelhülle der Kolonien. Fortpflanzung durch
gleichzeitigen Zerfall sämmtlicher Kolonialindividuen zu Tochterkolonien-
Geschlechtliche Fortpflanzung noch nicht sichergestellt. Dauerzustände
der Einzelindividuen beobachtet; zuweilen auch Auflösung der Kolonien
in die Einzelindividuen.
2 Arten. Süsswasser. Europa, Nord- Amerika, Nord-Afrika.
Stephanosphaera Cohn 1853 (81), Cohn und Wichura (101).
Synon. Stephonoma Werneck (38).
Kolonien aus 8 Individuen bestehend, die zu einem Ring zusammen-
geordnet sind. Dieser wird von ansehnlicher kugliger Kolonialhülle
(Durchm. = 0,03 — 0,06 Mm.) umschlossen, so dass er den Aequator der-
selben bezeichnet. Die Geissein der Individuen treten in diesem Aequator
hervor. Gewöhnliche Vermehrung wie bei Gonium. Dauerzustände beob-
achtet. Zuweilen Mikrogouidienbildung und in deren Gefolge vielleicht
Copulation. Die Mikrogonidien zerstreuen sich und gehen schliesslich in
Dauerzustände über.
1 Art. Süsswasser, meist in Regenlachen. Deutschland und Lappland.
Pandorina (Bory de Vincent 1824, Encyclop. method.), Ehrbg.
1838 (32), Perty (76), Focke (58), Henfrey p. p. (93), Pringsheim (127),
Fromentel (146), Stein (167).
Synon. Volvox 0. F. Müller p. p. (12), dto. Schrank p. p. (14), Synaphia Perty
(76), Dijjlodorina Fromentel (146), dto. Parona (Arch. sc. phys. et natur. Bibl.
univers. 3. s. T. X).
T. 44, Fig. 8.
Kolonien kuglig bis oval (Durchm. = 0,06 — 0,09 Mm.), aus meist
16 (seltner 32) Individuen zusammengesetzt, die zu einer kugligen Gruppe,
ähnlich Synura, um ein Centrum, sich dicht berührend vereinigt sind.
Jedes Individuum besitzt eine besondere Schalenhaut und ausserdem findet
sich eine gemeinsame, mehr oder weniger dicke, bis ziemlich starke und
dann geschichtete Mantelhülle. Fortpflanzung in gewöhnlicher Weise.
Zu gewissen Zeiten Erzeugung geschlechtlicher Kolonien , die sich von
den gewöhnlichen nur wenig unterscheiden und deren Individuen nach
ihrer Zerstreuung zur Copulation schreiten. Geschlechtliche Differenz der
840 Flagellata.
Gameten kaum angedeutet. Aus der ruhenden Zygote gehen 1 bis meh-
rere neue Kolonien hervor.
1 sichere Art. Siisswasser. Europa, Nord-Amerika, Ostindien und
Nord-Afrika.
Eudorina Ehrbg. 1831 (19) und (32), Carter (105), Pringsheim
(127), Goroshankin (154), Bütschli (171), Stein (167).
Syiion. Volvox p. p. 0. F. Müller (12), Pandorina Henfrey p. p. (93).
Kolonien kuglig bis oval (Durchm. = 0,1—0,15 Mm.), gewöhnlieh
aus 32, seltner nur aus 16 kugligen bis ovalen beschälten Individuen
zusammengesetzt, die sich in regelmässigen und ziemlich weiten Abständen
von einander auf der Innenfläche der massig dicken Kolonialhülle ver-
theilen und nicht bis ins Centrum der Kolonie reichen. Gewöhnliche
Fortpflanzung in bekannter Weise. Zuweilen Auftreten weiblicher und
männlicher Kolonien , von welchen die ersteren den gewöhnlichen ent-
sprechend gebaut sind, die letzteren dagegen durch successive Theilung
ihrer Zellen Spermatozoenplatten erzeugen, welche die ovoiden Gameten
befruchten. Aus der ruhenden Zygote, dem befruchteten Ei, geht eine
neue Kolonie hervor.
1 sichere Art. Siisswasser. Europa und Ostindien.
Volvox (L. 1788) emend. Ehrbg. (32), Focke (58), Perty (TG), Laurent
(62), Williamson (71 u. 78), Busk (77), Colin (91 u. 147), Carter (106), Kirchner (177),
Goroshankin (154), Stein (167\
Synon. Sphaerosira Ehrbg. (32), dto. Perty etc.
T. 45, Fig. 2; T. 46, Fig. 1.
Kolonien kuglig und gross (zwischen 0,2—0,7 Mm.). Zahl der sie
zusammensetzenden Zellen gross bis sehr gross (bis 12,000). Dieselben
vertheilen sich ähnlich wie bei Eudorina in gleichen Abständen auf der
Innenfläche der gemeinsamen, massig dicken Kolonialhtille und liegen in
weitabstehenden besonderen Schalenhüllen , die sich gegenseitig zu hexa-
gonalen Umrissen comprimiren und mit denen der benachbarten Zellen
verwachsen. Alle Zellen der Kolonie stehen durch plasmatische Ver-
bindungsfäden in directem Zusammenhang. Die gewöhnliche Fortpflanzung
ist auf gewisse Zellen, die sogen. Parthenogonidien , beschränkt, welche
durch fortgesetzte Theilung Tochterkolonien erzeugen, die schliesslich aus
der Mutter hervorbrechen. Die geschlechtliche Fortpflanzung geschieht
durch besondere, zu gewissen Zeiten entstehende Geschlechtskolonien,
welche, je nach den Arten entweder getrennt geschlechtlich oder herma-
phroditisch sind. Die weiblichen Kolonien und die hermaphroditischen
entwickeln eine Anzahl Eizellen, homolog den Parthenogonidien; die
männlichen dagegen und ebenso die hermaphroditischen eine Anzahl
SpermatozoenbUndel. Aus dem befruchteten Ei, der ruhenden Zygote,
geht nur ein einziger junger Volvox hervor.
3 Arten. Siisswasser. Europa, Ostindien, Nord-Amerika.
Ueljeraicht dua Syatcuis (U.-O. Isomastigoda). ^41
20. Familie Tetramitina Bütsclili (non Kent).
Kleine monaxone, zweistrahlige oder etwas asymmetrische Formen
von meist länglicher Gestalt und mit fein zugespitztem Schwänzende. Nackt
und daher zuweilen auch etwas amöboid. Vorderende entweder mit vier
gleichen Geissein oder von diesen eine beträchtlich länger und nach
hinten gerichtet; selten statt dieser binteren Geissei ein undulirender
Saum. Nucleus dicht hinter der Geisseibasis. Ernährung wohl durchaus
animalisch, doch deutliche Mundstelle nur selten nachgewiesen.
Collodictyon Carter 1865 (17b).
Syiion. Tetramitus p. p. (sulcatus) Stein (167).
T. 45, Fig. 3.
Massig gross (L. bis 0,035 Mm.), Gestalt vorn etwas verbreitert und
quer abgestutzt, nach hinten wenig verschmälert und abgerundet. Wahr-
scheinlich etwas abgeplattet; über die eine Fläche zieht eine breite
Längsfurche hinab. Vordereude mit vier gleich langen aus einem Punkt
entspringenden Geissein (Carter gibt nur drei an). Nucleus und con-
tractile Vacuole im Vorderende. Nahrungsaufnahme sicher. Vermehrung
durch Längstheilung.
Süsswasser. Europa und Ostindien. 1 Art.
Tetramitus Perty 1852 (76), Stein (167) p. p., Kent (182).
Synon. ? Chilomonas (Volvox) Ehrbg. (32) , Pyramimonas Bütschli (171), Caly-
cine Monad Dallinger und Drysdale (145).
T. 45, Fig. 13.
Klein (L. bis 0,046 Mm.), nackt, farblos. Gestalt etwa oval mit
hinterer zugespitzter schwanzartiger Verlängerung. Vorderende quer ab-
gestutzt und mit peristomartiger, an Chilomonas erinnernder Aushöhlung
oder mit schiefer bis etwa zur Körpermitte nach hinten ziehender Ab-
stutzung. Vorderende mit vier ziemlich gleichlangen, aus einem Punkt
entspringenden Geissein. Nucleus im Vorderende, contractile Vacuolen
gleichfalls; Nahrungsaufnahme sicher, Mundstelle ?. Vermehrung durch
Längstheilung. Sporulation ? (Dallinger und Drysdale).
Süsswasser und marin (Bütschli). Europa. 2 Arten.
Monocercomonas Grassi 1882 (siehe auch Künstler 182 und
Compt. rend. October 1883).
Synon. ? Cercomonas (hominis) Dapainc (88) und andere Autoren, 'PCercomonas
(colubrorum) Hammerschuiidt (47), Trichomonas (intestinalis) Leuckart (Parasiten
des Menschen), Schedoacercomonas Grassi 1879, Bodo p. p. Kent (182), Protomyxo-
myces Cunningham (183).
Klein (L. bis 0,015 Mm.). Gestalt und Bau sehr ähnlich Tetramitus,
von dem sie sich wesentlich nur dadurch unterscheidet, dass ein Peristom
nicht ausgebildet, sondern das Vorderende einfach abgerundet ist. Bei
einigen Formen wurde jedoch eine Einkerbung dicht neben der Geissei-
basis beobachtet, welche vielleicht auf eine hiergelegene Mundöflfnung
hindeutet. Zugespitzter Schwanz wie bei Trichomonas und Trichomastix,
842 Flagellata.
von welch letzterer sich die hiehergehörigen Formen nur dadurch unter-
scheiden, dass die vier Geissein gleich lang sind (die Angaben der Beob-
achter über die Zahl der Geissein lauten jedoch etwas schwankend
zwischen 1^ — 4, doch scheint alles darauf hinzuweisen, dass die Vierzahl
auch hier die normale ist). Nucleus dicht hinter Geisseibasis wie bei
den Verwandten gewöhnlich. Contractile Vacuole? Nahrungsaufnahme
wahrscheinlich. Zuweilen amöboid werdend und wahrscheinlich zuweilen
unter Geisselverlust in ganz sarkodinenartigen Zustand übergehend.
Parasitisch. Mehrere, sehr wenig verschiedene Arten. Darm des
Menschen (bei Diarrhoen), der Reptilien (Lacerta [Künstler], Coronella
[GrassiJ, ? Tropidonotus [Hammerschmidt]), verschiedener Insecten (Larven
von Gryllotalpa [Grassi] , Melolontha [Grassi und Künstler] , Hydrophilus
[Künstler]).
Trichomonas Donue 1837 (22), Dujardin (39), Perty (76), Scanzoni und
Koelliker (89a— b), Hausmann (131), Hennig (133), Stein (167), Kent (182), Grassi (193),
Blochmann (Z. f. wiss. Zoologie 40), Künstler (ComiJt. rend. Ac. sc. 1883, 1, October).
Synon. Cimaenomonas Grassi (193).
T. 46, IIa und c.
Klein (L. bis 0,04), farblos, nackt, Gestalt ziemlich breit spindel-
förmig, Hinterende gewöhnlich in stachelartigen zugespitzten Schwanz-
fortsatz ausgezogen. Auch das Vorderende meist etwas zugespitzt. Am
Vorderende 3 gleichlange massige Geissein und von deren Basis aus zieht
ein undulirender Saum verschieden weit über die Bauchseite nach hinten,
um sich zuweilen in ein freies Flagellum fortzusetzen. Ueber die Rück-
seite zieht z. Th. ein zarter Kiel hin. Nucleus dicht hinter der Geissei-
basis; contractile Vacule wahrscheinlich fehlend. Nahrungsaufnahme?
Parasitisch. Darm der anuren Amphibien, wahrscheinlich auch im
Darm der Mäuse, Ratten, Katzen, Cavia cobaja und Enten (Grassi), Darm
von Limax. Scheide der Frauen. Ca. 3 Arten.
Trichomastix Blochmann (Zeitschr. f. wiss. Zoologie 40).
T. 46, Fig. IIb.
Unterscheidet sich wesentlich dadurch von Trichomonas, dass an
Stelle des undulirenden Saumes eine ansehnlich lange freie Geissei tritt.
Parasitisch. Europa. Darm von Lacerta.
Hielier gehört vielleicht auch die von Grassi (193) unter dem Namen Heteromita Caviae
aus dem Darm von Cavia beschriebene Flagellate.
21. Familie Polymastigina.
Kleine farblose Formen von zweistrahligem oder bilateralem Bau.
Gestalt etwa oval mit breiterem oder zugespitztem Hinterende, das sich
bei den typischen Formen in zwei Geisselu fortsetzt. Am Vorderende
oder den Seiten des Körpers jederseits zwei bis drei Geissein von
gleicher Beschaffenheit. Ernährung animalisch oder vielleicht zum Theil
saprophy tisch, doch noch wenig festgestellt.
Uebersiclit des Systeuiä (U.-D. Isoinastigodn). 843
Hexamitus Dujardin 1838 (28) und 39; Btuschli (171), Stein (167),
Kent (1S2), Certes (189).
Syiiou. ? Chaetomonas (consfr.) Ehbg. (32); Heteromita piisilla Perty (76), Am-
phimonas Diesing (121) p. p., ? Künstler (192) No. 3. Dicercomonas Grassi (193).
T. 46, Fig. 2.
Klein (L. bis 0,03 Mm.), farblos ; nackt und bäiifig ziemlich metabolisch
bis nahezu amöboid. Gestalt oval bis länglich ; Vorderende abgerundet
oder zugespitzt, trägt jederseits zwei dicht zusammenstehende, gleichlauge,
ansehnliche Geissein. Hinterende quer abgestutzt oder schwanzartig aus-
gezogen, trägt zwei lange Geissein, die gewöhnlich nachgeschleppt werden
und häufig zu vorübergehender Befestigung dienen. Nucleus im Vorder-
ende. Contractile Vacuole am Hinterende sich contrahirend. Nahrungs-
aufnahme am Vorderende. Vermehrung durch Längstheilung.
Süss Wasser, Infusionen und parasitisch (Darm von Fröschen und
Tritonen, sowie der Auster). Europa. Artenzahl ca. 3.
MegaStoma Grassi 1881 und 1882 (193).
Synon. Cercomonas (intestinalis) Lainbl (108 u. 109), Dimorphus Grassi (1879,
Gazz. med. ital. Louib.).
T. 46, Fig. 3.
Aehnlich Hexamitus. Gestalt entschieden bilateral, mit hinterem
Schwanzanhang, der sich in zwei Geissein verlängert (L. bis 0,01 Mm.).
Vorderhälfte der Bauchseite schief abgestutzt bis ausgehöhlt, ähnlich ge-
wissen Tetramitus. Cuticula? Auf hinterer Hälfte der Bauchseite ein
zarter Kiel. Jederseits in Mittelregion des Körpers entspringen mehrere
(wahrscheinlich 3) Geissein. Nucleus und contractile Vacuole?
Parasitisch. Dünndarm verschiedener Mäuse, der Katze und des
Menschen.
? Polymastix n. g. Bütschli.
Synon. Trichomonas Grassi (193), s. auch Künstler (192).
Klein (L. bis 0,014 Mm.), oval, mit zugespitztem oder zwei- bis dreilappigem Schwanz-
ende. Das abgerundete Vorderende mit 4 (Grassi) oder 6 (Künstler) ansehnlichen und gleichen
Geissein. Auf der Körperoberliäche bemerkt man eine verschiedene Anzahl dunkler und ver-
schieden langer Striche, die Grassi für trichocystenartige Gebilde zu halten geneigt ist, während
sie Künstler für Eippen der Oberfläche erklärt. Bei gewissen Individuen finden sich weiter-
hin eine verschiedene Zahl geisselartiger Fäden in verschiedener Anordnung auf dem ge-
sammten Körper vertheilt, die nach Künstler eine zitternde Bewegung besitzen sollen, während
sie Grassi mit den trichocystenartigen Gebilden in Zusammenhang zu bringen sucht. Künstler
dagegen ist zweifelhaft, ob sie nicht etwa nur fremde, dem Körper zufällig anhaftende Ge-
bilde sind. MundöfFnung nach K. dicht hinter der Geisseibasis. Nucleus im vorderen Körper-
ende. Contractile Vacuole? Vermehrung durch Quertheilung wahrscheinlich. 1 Art. Darm
der Larve von Melolontha vulgaris, sehr häufig.
22. Familie Trepomonadina Kent.
Farblose, kleine Formen, hauptsächlich dadurch ausgezeichnet, dass
die beiden nach vorn gerichteten Geissein weit von einander getrennt an
den Seiten des Körpers entspringen. Siehe die Characteristik der
einzigen Gattung.
844 Flagellata.
Treponionas Dujardiu (39), Perty (TO), Fromeutel (146), Biitschli (171),
Stein (167), Kent (182).
Synon. ? Gonium (corrugat.) p. p. 0. F. Müller (12), Grymaea Fresenius (102).
T. 45, B^ig. 14; T. 46, Fig. 1.
Klein, nackt, farblos (L. bis 0,03 Mm.). Gestalt etwa umgekehrt
kegelförmig, Hinterende viel dicker wie das Vorderende. Parallel der
Längsaxe abgeplattet. Die beiden Seitenkanten der hinteren Körperhälfte
in nach hinten sich erhöhende Flügel ausgewachsen, welche nach ent-
gegengesetzten Seiten gekrümmt sind, so dass die Gesammtgestalt etwa
einer Schiffsschraube ähnlich sieht. Vom Vorderende jedes Seitenflügels
entspringt eine nach vorn gerichtete Geissei*). Nucleus im Vorderende,
contractile Vacuole im Hinterende contrahirt. Vermehrung durch Längs-
theilung. Nahrungsaufnahme sicher.
Süsswasser und Infusionen. Europa. 1 Art.
23. Familie Cryptomonadina.
Gefärbte oder ungefärbte zweiseitige bis asymmetrische Formen von
Mittelgrösse. Ohne eigentliche Cuticula. Meist seitlich comprimirt.
2 massig lange Geissein des Vorderendes, dasselbe mehr oder weniger
schief abgestutzt, gewöhnlich mit peristomartiger Einsenkung, die sich
auf der linke Seite weiter nach hinten hinabzieht und entweder in einen
Schlund führt oder dieser fehlend, Theils thierische Ernährung, theils
hob-, theils saprophytisch.
Cyathomonas Fromentel 1874 (146) emend., Kent (182).
Synon. '? Monas (urceol.) Perty (76), Monas (truncata) Fresenius (102), Spu-
uiella (?) Bütsclili (171) p. p. Goniomonas St. (167).
T. 45, Fig. 8.
Klein (L. bis 0,023 Mm.), farblos. Gestalt oval mit schief abge-
stutztem Vorderende, sehr abgeplattet. Zwei ziemlich gleichlange Geissein
an der vorderen Körperspitze; Nucleus an der längeren Körperseite;
ncotractile Vacuole gegenüber im Vorderende. Eine Reihe stark licht-
brechender Körnchen dicht bei und parallel dem vorderen Körperrand.
Vermehrung durch Längstheilung.
Infusionen. Europa. 1. Art.
Chilomonas Ehrenberg 1831 (19) und 32, Dujardiu (39), Perty (76),
Schneider (84), Bütscbli (171), Kent (182), Künstler (190).
Synon. '? Cyclidium (nigi-ic.) 0. F. Müller (12) p. p., Plagiomastix Dies. (121)
p. p., Zygoselmis (nebulosa) Fromentel p. p. (146).
T. 45, Fig. 9.
Gestalt etwa oval (L. bis 0,03 Mm.), von der Seite etwas comprimirt ;
Vorderende schief abgestutzt und peristomartig ausgehöhlt. An der
höheren rechten Lippe der Peristomaushöhlung befestigen sich innen die
*) Stein zeichnet zuweilen noch je eine weitere, am Hinterende jedes Flügels.
üebersicht des Systems (U.-O. Isomastigoda). 845
beiden massig langen und gleichen Geissein. Das Peristom führt in den
Mund, der in einen röhrigen, nach hinten etwa bis zur Körpermitte hin-
absteigenden Schlund überführt. 1 contractile Vacuole in vorderer
Körperspitze dorsalwärts, Kern im hinteren Körperdrittel. Chromato-
phoren fehlend, dagegen gewöhnlich zahlreiche Amykimkörner dicht unter
der Körperoberfläche. Saprophyt.
Infusionen und marin? (Parona). Europa. 1 — 2 Arten.
Cryptomonas Ehbg. 1831 (19), Perty (76), Fresenius (119), Cicnkowsky
(134), Strasbiirger (170), Stein (167), Kent (182), Künstler (190).
Synon. Chilomonas Bütschli (171) p. p., Kent p. p. (182).
T. 45, Fig. 10—11.
Unterscheidet sich von der vorhergehenden Gattung vi^esentlich nur
durch Vorhandensein zweier, die Seitenflächen einnehmender, brauner bis
grüner Chromatophorenplatten. Daher lässt sich sogar die generische
Trennung von Chilomonas in Frage ziehen. Holophyt.
Süss- und Seewasser. Europa und Aegypten. 1 — 2 Arten.
Sehr ähnlicli Cryptomonas (nicht jedoch Chromulina, wie Brandt meint) sclieinen auch
die im Meeresauftrieb der Bucht von Neapel häufigen zweigeisseligen Schwärmzellen zu sein,
welche Brandt*) geneigt ist, für die beweglichen Zustände der sogenannten gelljen Zellen, der
bei den Kadiolarien (p. 456) besprochnen Zooxanthellen zu halten. Sollte sich diese inte-
ressante Beobachtung bestätigen, so würde sich hieraus ergeben, dass parasitische Flagellaten
eine sehr wichtige EoUe bei den verschiedensten Meeresthieren spielen, denn die neuerdings
sehr erweiterten Beobachtungen haben das Vorkommen solcher Zooxanthellen in früher un-
geahnter Verbreitung dargelegt.
Aus Brandt's Mittheilung entnehme ich weiterhin, dass auch die von Cienkowsky**) vor
einiger Zeit beschriebne neue Flagellaten form Exuviaella marina, welche er im weissen
wie schwarzen Meer häufig beobachtete, der von Brandt beobachteten Form sehr ähnlich ist.
Leider hatte ich keine Gelegenheit die Cienkowsky'sche Arbeit selbst zu sehen und bin daher
auch ausser Stand, die darin noch weiter beschriebenen zwei neuen marinen Gattungen
Daphnidium und Multicilia im System aufzuführen.
Oxyrrhis Dujardin 1841 (39), Kent (182), Blochmann (Zeitschr. f. wiss.
Zoologie 40).
Synon. Glyphidium Fresenius (119), Cohn (122).
T. 45, Fig. 12.
Mittelgross (L. bis 0,03 Mm.); Gestalt etwa oval, Hinterende abge-
rundet; Vorderende in einen rückenständigen, etwas zugespitzten Fortsalz
verlängert; an der Basis desselben linksseitig eine ziemlich weit nach,
hinten ausgedehnte Grube, an deren dorsalem Rand, und zwar an einem
zahnartigen Vorsprung die beiden ziemlich gleich langeh Geissein ent-
springen. In der Ruhelage biegen sich die Geissein nach hinten durch
die Grube zurück und treten vorn aus derselben wieder hervor. Nucleus
*) üeber die morph. und physiol. Bedeutung des Chlorophylls bei Thiercn. Mittheil,
der zoolog. Station zu Neapel. 4. Bd. p. 192.
**) Bericht über die Excursion nach dem weissen Meer. Arbeit, der Petcrsb. Naturf.
Gesellsch. 12. Bd. 1881.
846 Flagellata.
etwa in der Körpermitte; contractile Vacuole walirscheinlich fehlend.
Bewegung stets mit dem Hinterende voran. Mundstelle an der Geissei-
basis. Nahrungsaufnahme sicher. Vermehrung durch Quertheilung.
Marin. 1 Art.
8. Physiolo«1sch - Biologisches.
A. Bewegungsersclieiüungen.
Die bei den Flagellaten zu beobachtenden Bewegungsvorgänge sind
dreierlei Art : 1) die amöboide Bewegung, 2) die Bewegung durch Geissein,
3) die Contractionsbewegungen des Körpers oder die Metabolie, an
welche sich auch diejenigen Fälle anscbliessen, wo die Contractions-
erscheinungeu nur auf gewisse Körpertheile oder Regionen beschränkt
sind und 4) Strömungsbewegungen des Körperplasmas. Wie wir aus
Früherem schon zur Genüge wissen, treten diese Bewegungsformen
nicht selten bei einer und derselben Flagellate combinirt oder ab-
wechselnd auf, wie dies ja auch schon daraus hervorgeht, dass die
Geisseibewegung sämmtlichen in gewissen Lebensepochen eigen ist und,
wie wir früher schon betont haben, gerade die Hauptepoche des Lebens be-
zeichnet. Sebr zahlreiche Formen zeigen ausser der Geisseibewegung keine
andere, während nicht wenige der einfacheren auch dauernd oder doch
zu gewissen Zeiten amöboid beweglich sind. Da diese Fälle schon
(p. 659 ff.) etwas genauer besprochen wurden und die allgemeine Natur
dieser Bewegungsvorgänge ja aus früheren Abschnitten hinreichend be-
kannt ist, brauchen wir sie an dieser Stelle nicht nochmals zu er-
läutern. Zahlreiche Euglenoidiuen, speciell die Eugleninen, sowie
ein Theil der Astasiineu und Menoidinen, endlich die beiden zu den
Monadinen gehörigen Gattungen Bicosoeca und Dinobryou besitzen neben
der Geisseibewegung noch das Vermögen contractiver Gestaltsverände-
rungen, welche, wenn hinreichend energisch, auch einen Ortswechsel her-
vorrufen können, der sich dann gewöhnlich in kriechender Weise vollzieht.
Da diese Formen auch häufig ihre Geissein abwerfen, so begeg-
net man ihnen zeitweise ausschliesslich in solcher Bewegung.
1) Contractionsbewegung des Körpers oder sog. Metabolie.
Aus der schon oben angedeuteten Verbreitung dieser Bewegungsform
ergibt sich, dass dieselbe in besonderer Entwicklung denjenigen Fla-
gellaten zukommt, welche eine deutliche Cuticula besitzen oder bei
welchen das Vorhandensein einer solchen doch sehr wahrschein-
lich, wenn auch zur Zeit noch nicht erwiesen ist. Wir dürfen da-
her auch wohl einen Zusammenhang zwischen dieser Bewegungsform
und der Anwesenheit einer Cuticula vermuthen und diese Annahme
wird noch dadurch bestärkt, dass die Protozoen, welche hinsichtlich
ihrer Bewegungserscheinungen die grösste Analogie mit der Metabolie
der Flagellaten zeigen , die Gregariniden nämlich , auch eine wohl ent-
wickelte Cuticula besitzen.
Bewegun^serscheiiningeii (Contraction eder Metabolie). 847
Die biehergehöiigen Beweguiigserscheinimgen sind nun im Wesent-
lichen Körpercontractiouen, welche viel Aehnlichkeit mit der Contraction
der Muskelzellen zeigen. Entweder kann sich nämlich der gesammte
Körper in seiner Llingsaxe mehr oder weniger energisch zusammenziehen
und verkürzen , wie sich z. B. eine langgestreckt nadeltormige Astasiopsis
(T. 47, Fig. 4b— c) zu einem nahezu kugligen Körper zusammenzieht —
ein weniger langer Urceolus (T. 47, Fig. 5 a — b) dagegen zu einem
flachen kreis eiförmigen Gebilde wird — oder der Contractionsvorgang
erstreckt sich zunächst nur über einen Theil der Körperlänge , so dass
dieser sich verkürzt und entsprechend verbreitert und der Körper dann
zu einem ringförmigen Querwulst aufgeschwollen erscheint (T. 48,
Fig. 10 b und 9a — b). Ein derartiger Contractionsprocess schreitet
nun aber gewöhnlich über den Körper nach dem Vorder- oder
Hinterende zu fort, wie solches ja auch bei den Muskelzellen hin-
reichend bekannt ist, und zuweilen erhebt sich schon wieder eine neue Con-
tractiouswelle, bevor die erste das Körperende erreichte. Dass sich auch
hierbei der Gesammtkörper mehr oder weniger erheblich verkürzt, ist
klar. Hiermit ist denn das Wesen dieser Contractionen oder dieser
Metabolie in der Hauptsache geschildert; es bedarf nur noch einiger er-
gänzender Worte, um gewisse Modalitäten zu erläutern. Nicht immer
umgreifen die lokalen Contractionen den Körper so regelmässig ring-
förmig, sondern sie geschehen manchmal nur einseitig, woraus natürlich
eine Biegung oder Krümmung des Körpers nach dieser Seite folgt
(speciell die eigentlichen Euglenen zeigen in ihren beweglicheren Formen
solche Biegungen nicht selten). Da sich nun auch mehrere lokale
Contractionen in verschiedener Weise zu combiniren vermögen, so resultirt
hieraus zuweilen eine ziemlich unregelmässige Configuration des Kör-
pers, welche jedoch gewöhnlich rasch wechselt, da ja die lokalen
Contractionen selbst nicht dauernd sind, sondern weiter schreiten.
Wie bemerkt, ist der Ausbildungsgrad dieses Contractionsvermögens
sehr verschieden, ja wir finden sogar bei einer und derselben Gattung
(Euglena) sehr erhebliche Unterschiede in dieser Hinsicht. Während
gewisse Formen recht energische Contractionen in der geschilder-
ten Weise ausführen, beschränken sich andere auf halbmondförmige
oder schlängelnde Krümmungen (E. Spirogyra), ja bei einigen ist nur
das Vorder- und Hinterende zu solchen Krümmungen geneigt (E. oxyuris
und tripteris), und endlich gibt es auch Arten, welche lange Zeit gar
keine Contractionen ausführen und dann ganz starr erscheinen (E. acus
häufig).
Viele der Formen jedoch, welche lange Zeit nur schwache Krümmungs-
contractionen zeigen, vermögen sich dennoch zu gewissen Zeiten gänzlich
zusammenzuziehen.
Eigenthümlich erscheinen noch zwei Arten der Contraction, welche
speciell bei gewissen Euglenen nicht selten zu beobachten sind und die
nur unter besonderen Modificationen des Contractionsprocesses zu Stande
§48 Flag'ellata.
kommen können. Die eine besteht in einer Abplattung des für gewöhn-
lich meist drehruuden Körpers parallel der Längsaxe zu bandförmiger
Gestalt und ist besonders bei Euglena deses, jedoch auch bei Astasiopsis
contorta beobachtet worden. Eine solche Abplattung setzt Contractions-
vorgänge voraus, die senkrecht zu der Richtung der seither betrachteten
geschehen; vielleicht lässt sie sich jedoch auch so erklären, dass die
Contraction in der Längsrichtung geschieht, sich jedoch nur auf eine
Mittelebene des Körpers beschränkt, denn der Erfolg eines solchen Vor-
ganges wäre eine Verbreiterung und Verkürzung des Körpers, ohne Dicken-
zunahme in den übrigen Radialebnen, also die Annahme einer abgeplat-
teten Form.
Noch seltsamer erscheint die spiralige Contraction oder, richtiger
gesagt, die schraubige, wie sie sich nicht selten bei gewissen Eugknen
(oxyuris und Spirogyra namentlich), jedoch auch bei der Astasiopsis con-
torta findet (T. 47, 4a). Der Körper wird hierbei schraubig tordirt;
die Schlaubenumgänge sind natürlich meist recht steil und verlaufen
in nur wenigen Windungen über den Körper. Seltsamer Weise findet
sich eine solche Körpertorsion gelegentlich auch bei Bodo angustatus
(T. 46, 6 b). Stets scheint aber diese Torsion Licht rasch einzu-
treten und zu schwinden, wie die übrigen Contractionserscheinungen,
sondern längere Zeit zu beharren. Bei gewissen, sehr wenig metabolischen
Formen, wie Euglena tripteris ist sie sogar zur bleibenden Gestal-
tung geworden und dasselbe gilt von Phacus longicauda, für welchen
Stein wohl irrig annimmt, dass die Zusammendrehung gelegentlich wieder
rückgebildet werden könne. Eine schraubige Contraction kann nun
meiner Ansicht nach nur derart zu Stande kommen, dass eine einseitige
Contraction in der gesammten Ausdehnung des Körpers stattfindet, jedoch
nicht längs einer geraden Linie, wie diejenige, welche einfache Ein-
krümm ung verursacht, sondern längs einer die Körperaxe umziehenden
Schraubenlinie. Wir werden gleich sehen, dass ein solcher Vorgang
der Contraction höchst wahrscheinlich auch bei dem Zustandekommen
der Geisseibewegungen eine sehr wichtige Rolle spielt und daher seine
directe Wahrnehmung an dem Körper gewisser Flagellaten recht bedeut-
sam erscheint.
Es fragt sich noch, wie mit Hülfe der geschilderten Contractions-
vorgänge eine Ortsbewegung zu Stande kommen kann, wie sie thatsäch-
lich bei kriechenden geissellosen Euglenen etc. häufig beobachtet wird.
Da nun ein Ortswechsel unter solchen Umständen nur auf einer Unterlage
geschieht, so dürfen wir hieraus wohl schliessen, dass er einfach darauf
beruht, dass bei der wechselnden Streckung und Verkürzung des Körpers
eine abwechselnde leichte Anheftung oder Anstemiuung des Hinter- und
Vorderendes eintritt und der Körper so nach Art der Spannerraupe den
Ort wechselt.
Noch ist die Frage kurz zu beantworten, wann hauptsächlich diese
Contractionsbewegungen der Euglcnoidinen eintreten ; hierauf lässt sich
Bevregungserschein. (Coutraction oder Metabolie). " 849
zunächst erwidern , hauptsächlich dann , wenn Bewegung- mittels der
Geissei unmöglicb ist, sei es, dass dieselbe verloren gegangen oder durch
Znsatz schädlicher Substanzen unwirksam gemacht wurde, oder dass
Druck , Wassermangel etc. ein freies Schwimmen verhindern. Während
des freien Schwimmens dagegen unterbleiben solche Contractionen ge-
wöhnlich, der Körper verharrt im gestreckten Zustand. Nur wenige
Formen, so z. B. Eutreptia, zeigen auch dann häufig lebhafte Contrac-
tionen ; im Allgemeinen müssen wir solche Contractionen als unvortheil-
liaft für die freie Schwimmbewegung erachten. Bei Formen wie Per-
anema dagegen , welche sich auch mit Hülfe der Geisseibewegung nur
auf einer Unterlage gleitend vorwärts schieben, treten auch während
dieser Bewegung nicht selten Contractionen ein und dienen dann manch-
mal zur Aenderung der Bewegungsrichtuug.
Schliesslich wäre die Frage noch zu lösen, wo wir den eigentlichen Sitz
der besprochenen Contractionserscheinungen zu suchen haben. Schon
früher bemerkte ich (p. 678 — 679), es sei sehr unwahrscheinlich, dass
etwa die Cuticula, wie dies früher und noch von Stein geschah, der
Sitz der Contractilität sei. Speciell die spiralige Streifung derselben,
welche Stein mit den sogen. Muskelstreifen der Ciliata vergleicht,
kann nicht in dieser Weise gedeutet werden. Auch Klebs ist ge-
neigt, der Cuticula der Euglenoidinen Contractilität zuzuschreiben. Wie
gesagt, halte ich dies für sehr unwahrscheinlich, hauptsächlich desshalb,
weil die Contractilität in dieser Gruppe im Allgemeinen mit der stärkeren
Ausbildung der Cuticula abnimmt. Es stände nun zunächst nichts im
Wege, das gesammte Plasma als Sitz der Contractilität zu betrachten,
doch spricht dagegen die Erfahrung, dass sowohl bei anderen Protozoen
wie bei zahlreichen contractilen Zellen der Metazoen die Contracti-
lität gewöhnlich auf eine peripherische, mehr oder weniger modificirte
Plasmaschicht lokalisirt ist, und weiter, dass mit der Voraussetzung
einer ähnlichen Beschaffenheit bei den Flagellaten die besonderen Vor-
gänge ihres Contractionsprocesses besser harmoniren. Bis jetzt mangelt
jedoch bei den Flagellaten der sichere Nachweis einer derartigen Schicht.
Doch halte ich ihre Nichtexistenz noch für unbewiesen, da die Beob-
achtung bei diesen kleinen Wesen mit grossen Schwierigkeiten zu
kämpfen hat.
Ich vermuthe daher, dass auch bei den durch Metabolie ausge-
zeichneten Flagellaten eine peripherische Plasmaschicht existirt, die
sich durch einen besonderen, regelmässigen Bau ihres Plasmanetzwerkes
auszeichnet, wie wir dies auch bei dem contractilen Noctilucatentakel
finden werden. Eine besondere Anordnung des Plasmanetzwerkes ist
ferner das Bedingende für die sog. Muskelstreifen der Infusorien und
schliesslich ebenso für die contractile Substanz der Muskelzellen, worin
ich Heitzmann beistimme.
2) Die Bewegung durch Geissein. Bei der Besprechung
dieser Erscheinungen sind zunächst auseinander zu halten, die Be-
Brniiu Klassen des Tliier-Keielis. Tvotozoo. 54
850 Flagellata.
wegungsvorgänge der Geissein an und für sich und dann die durch die-
selben bewirkten Ortsbewegungen der Flagellaten.
Hinsichtlich der Eigenbewegungen der Geissein ist zu betonen, dass
dieselben ziemlich mannigfaltig sind, wenn auch ihre schärfere Ver-
folgung wohl eine principielle üebereinstimmung verrathen wird. Im All-
gemeinen ergibt sich, dass die Geissein durchaus nicht stets in Bewegung
sind, sondern dass sie auch Ruheperioden verschiedener Länge zeigen
können. Das Verhalten der verschiedenen Flagellaten ist in dieser Hin-
sicht wesentlich differeut; während die einen durch die nur selten pausi-
renden Geisseibewegungen in rastloser Ortsveränderung erscheinen, stehen
andere häufig längere Zeit still. Während der Ruhe zeigen die Geissein
häufig eine ziemlich gestreckte, nieht selten jedoch etwas gebogene Ge-
stalt und erscheinen ziemlich steif. Plötzlich beginnt dann wiederum ihre
Bewegung*). Einmal sind es peitschenformige Schlag -Bewegungen der
Geissei in ihrer ganzen Länge, welche speciell an längeren Geissein nicht
selten zu beobachten sind. Dabei bleibt die Geissei entweder ziemlich
gestreckt, oder krümmt sich doch nur wenig, oder es treten mehr
oder minder unregelmässige schlängelnde Biegungen auf, welche sich
wieder mehr ausgleichen, wenn sich die Geissei nach dem Schlag
wieder streckt. Wahrscheinlich ist es , dass auch diese Schlänge-
lungen peitschender Geissein häufig auf unregelmässiger schraubiger
Zusammenziehung beruhen, d. h. dass die Schlängelung nicht in
einer Ebene geschieht. Wenn solche Schläge mit einiger Energie
erfolgen, bringen sie natürlich auch eine Ortsveränderung des Kör-
pers zuwege, derselbe wird ruckweise durch den Widerstand, welchen
die schlagende Geissei am umgebenden Wasser findet, auf die
Seite geschleudert, oder doch die Richtung seiner Längsaxe geändert.
Gleichzeitig können derartige Schlagbewegungen natürlich auch dazu
beitragen, einen Nahrungskörper der Mundstelle zuzuführen. Eine
wirkliche Schwimmbewegung wird jedoch durch solche Geisselscbläge
gewöhnlich nicht hervorgebracht, sie erfolgen daher auch gewöhnlich
während der Ruhe der Flagellaten, und namentlich bei festgehefteten
Formen beobachtet man sie häufig, wo sie dann mit der Nahrungsauf-
nahme speciell in Beziehung stehen. Auch schwimmende Formen
bedienen sich der Schläge zuweilen , um eine Veränderung der
Schwimmrichtung herbeizuführen und unter Umständen sind bei mehr-
*) Pfeffer (Unters, aus d. botau. Instit. Tübingen I. p. 444) macht darauf aufmerksam,
dass die Geissein von Ciilamydomonas in verscliiedner Weise gereizt werden können. Auf
mechanischen Eeiz, so )3eim Anstossen der Geissein an einen festen Köri^er, erfolgt ein plötz-
liches Strecken derselben, wodurch ein Eückprallen der Flagellate erzeugt wird, das häufig
auch mit einer Veränderung der Richtung der Hauptaxe verbunden ist, welche bewirken
kann, dass die Flagellate das Hinderniss allmählich umgeht. In gleicher Weise, wie ein
mechanischer Eeiz wirkt jedoch auch eine Berührung der Geissein mit concentrirteren Lösungen
und die Beobachtung lehrt ferner, dass ähnliche Streckungen der Geissein auch ohne äussere
Veranlassung, also durch innere Eeize veranlasst, eintreten können.
I
Hewegiingserschein. (Bcwofi'. der Geisseln). 851
geisseligeu Formen gewisse Geiseln, wie es scheint, speciell mit dieser
Aufgabe betraut und haben dann auch vorzugsweise oder ausschliesslich
diese Bewegungsform.
Eine solche Aufgabe besitzt nämlich die hintere sogen. Schlepp-
geissel der Heteromastigoda, das sog. Gubernaculum James-Clark's. Die-
selbe wird während des Schwimmens gewöhnlich einfach nachgeschleppt,
bis sie plötzlich einmal in Wirksamkeit tritt und durch schlagende Be-
wegungen die Schwimmrichtung ändert, oder sich mit ihrem Ende fcst-
hefet und nun ähnliche schlagende Bewegungen ausführt, wobei natürlich
der Körper unregelmässig hin- und hergeschleudert, respect. auch zurück-
gezogen wird, wenn sich die Geissei hierbei gleichzeitig in Schlängelungen
legt. In letzterem Falle machen die Bewegungen der Schleppgeissel
ganz den Eindruck der Contraction , ähnlich der des Vorticellen-Stiel-
muskels und ohne es ganz allgemein beweisen zu können, halte ich
es doch für sehr wahrscheinhch , dass sich eine solche Schleppgeissel
bei ihrer Contraction auch nicht etwa einfach schlängelt, sondern in
Schraubenwindungen zusammenzieht, welche nur wegen ihres geringen
Durchmessers für Schlängelungen in einer Ebene gehalten werden.
Dass sich dies wirklich so verhält, lässt sich durch gewisse Erfah-
rungen und Betrachtungen sehr wahrscheinlich machen. Einmal fällt
es auf, dass die Schleppgeissel auch im Ruhezustand nicht einfach
gerade gestreckt erscheint, sondern gewöhnlich einige sehr flache Bie-
gungen aufweist, ähnlich wie der Stielmuskel der Vorticellen sehr flach
schraubig gewunden ist. Daher ist es wahrscheinlich, dass sich
auch im ruhenden Zustand gewöhnlich schon eine schwachscbraubige
Drehung der Geissei findet, welche während der Contraction deutlicher
hervortritt. Dass dem so sei, d. h. dass die Geissei sich bei der Con-
traction schraubig rollt, ist in einigen Fällen direct zu beobachten. So
an den beiden nach hinten gerichteten Geissein von Dallingeria
(T. 46, Fig. 12a — b), die sich wie das sogen. Gubernaculum der
Heteromastigoda verhalten und sich bei ihrer Contraction deutlich zu
einer Schraubenlinie zusammenziehen. Dallingeria setzt sich nämlich
häufig mit diesen beiden Geissein fest und macht nun mittels ihrer Con-
traction Schnellbewegungen. Entsprechend verhält sich auch Bodo saltans,
der sich häufig mit der Schleppgeissel anheftet und nun durch deren
Contractionen hin- und hergeschnellt wird. Dass sich auch hierbei die
hintere Geissei schraubig contrahirt, geht aus den Beobachtungen Dal-
linger's und Drysdale's hervor und ich vermag dies zu bestätigen. Weiter
unten wird zu zeigen sein, dass schraubige Contractionen nicht auf
die Schleppgeisseln beschränkt, sondern wohl allgemein verbreitet sind.
Was nun die feineren Vorgänge bei der peitschenden Bewegung der
Geissein betrifft, so haben wir daran festzuhalten, dass der Sitz der
Geisseibewegung jedenfalls in diesen Bewegungsorganen selbst zu suchen
ist und weiter, dass es Contractionen des Geisseiplasmas sind, welche
diese Erscheinung hervorrufen. Erfolgt eine solche Contraction einseitig
54:!:
852 Flagellata.
längs einer der Geisselaxe parallelen oberfläcblichen Linie, so krümmt
sich die Geissei natürlich nach dieser Seite, erfolgt eine ähnliche Con-
traction im basalen Abschnitt der Geissei und ist gleichzeitig der übrige
Theil der Geissei schlaff, so wird derselbe hierbei mehr oder minder un-
regelmässige peitschenartige Schlängehmgen ausführen können. Wahrschein-
licher ist es jedoch vielfach und für die oben speciell angeführten Fälle
sicher, dass diese scheinbaren Schlängelungen einer schraubigen Contraction
der Geissei den Ursprung verdanken. Eine schraubige Contraction
aber kann nur dadurch zu Stande kommen, dass die Contractionslinie
der Geissei selbst einen schraubenförmigen Verlauf nimmt, werde dies
nun dadurch bewirkt, dass auch die scheinbar gestreckte Geissei ganz
flach schraubig tordirt ist, oder dass au der nicht tordirten Geissei
die Contractionslinie schraubig verläuft. Jedenfalls scheint es nämlich
sicher, dass wir diesen Geissein nicht eine scharf vorgezeichnete und
con^tante Contractionslinie zuschreiben dürfen, denn die Erfahrung lehrt,
dass sie sich zuweilen in wenige und längere, andere Male dagegen
auch wieder in zahlreichere und demnach auch kürzere Wellen oder
Schraubenwindungen zu contrahiren vermögen, was eben nur möglich ist,
wenn die Coutractionslinie einen wechselnden Verlauf nimmt.
Wir gelangen nun zu der eigentlichen Schwini mbe wegu ng der
Flagellaten mit Hülfe der Geissein. Es dürfte sich empfehlen, die
Betrachtung mit der Besprechung der Totalbewegung schwimmender
Flagellaten zu beginnen und dieser erst eine Analyse der Geissei-
bewegungen folgen zu lassen, da die letzteren gewöhnlich so rasch ge-
schehen, dass ihre directe Beobachtung bis jetzt kaum glückte und im
Allgemeinen nur von einer welligen oder schraubigen, zuweilen auch
rasch pendelnden Bewegung die Rede ist. Die durch die Geissein
verursachten Schwimmbevvegungen geschehen fast durchaus so, dass
das die Geissein tragende Ende vorausgeht. Nur eine einzige Aus-
nahme von dieser Regel ist bekannt, die Gattung Oxynhis näm-
lich, bei welcher zwar die Geissein nahe der Körpermitte entspringen,
deren Bewegungen aber sicher so erfolgen, dass die Geissein nach hinten
gerichtet sind, während sonst die Haltung der Geissein bei der Bewegung
stets eine nach vorn gerichtete ist.
Durch diese Eigenthümlichkeit unterscheiden sich die Bewegungen
der Flagellaten sehr wesentlich von denen der ebenfalls mit Geissein
ausgerüsteten thierischen Spermatozoon, bei welchen die Geissei stets
nach hinten gerichtet ist. Nur wenige Beobachter wollen gelegentlich
auch ein Rückwärtsschwimnien gewisser Flagellaten wahrgenommen
haben und es ist auch keineswegs unwahrscheinlich, dass solches, ähn-
lich wie bei den pflanzlichen Zoosporen, unter gewissen Umständen
geschieht, namentlich dann, wenn sich der Vorwärtsbewegung ein
Hinderniss in den Weg stellt. Immerhin kann dieser Fall jedoch nur
sehr selten eintreten, da er nur wenige Male speciell erwähnt wird. So
bezeichnet Perty Cryptomonas als eine Form, welche sich häufig nach
Bcwegiiiig-sersch. (Schwiuiui beweg-, mit Hülfe dw Geiöscln). 853
rückwärts bewege und Cohu (1850) findet, dass Haematoeuceus sich
ebensowohl vor- wie rückwärts zu bewegen vermöge, doch ist auch bei
dieser Gattung die Vorwärtsbewegung der gewöhnliche Vorgang.
Seltsam abweichend verhält sich nach Stein in ihren Schwinim-
bewegungen noch die Gattung Nephroselmis ; der Körper dieser zu den
Zweigeisseligen Isomastigoden gehörigen Form besitzt bekanntlich eine
die Längsaxe übertreffende Breitenaxe und bewegt sich dementsprechend
auch in der Richtung dieser längeren Axe, also senkrecht zu der gewöhn
liehen Richtung der Isomastigoden. Es steht dies jedenfalls im Zusammen-
hang mit der auffallenden Form jenes Wesens, welche diese Bewegungs-
richtung zu der vortheilhafteren macht, da in ihr der Körper dem ge-
ringsten Widerstand begegnet.
Die Schwirambewegungen geschehen nun entweder ganz frei im Wasser
und sind dann stets mit Rotation um die Längsaxe verknüpft, oder sie sind
mehr Gleitbewegungen auf einer Unterlage, wie sie speciell gewisse
Euglenoidinen (Peraneraa, Petalomonas , auch die Astasiinen z. Th ) dar-
bieten und dann fehlt die Rotation um die Axe. Ganz scharf dürften
sich diese beiden Bewegungsarten nicht trennen lassen, da auch Formen
mit erst erwähnter Bewegungs weise, bei gelegentlichem Fortgleiten auf
einer Unterlage Avohl die zweite Bewegungsart annehmen können und
das Umgekehrte wohl auch gelegentlich für die gleitenden Formen gilt.
Immerhin ist bei den Letzteren die Körpergestaltung der Bewegungs-
art fast stets mehr oder weniger angepasst, indem eine abgeflachte
Kriech- oder Bauchfläche ausgebildet und der Körper überhaupt ab-
geplattet ist. Sehr gewöhnlich sind derartige Formen auch mit dem
schon geschildertem Steuerapparat in Gestalt einer Schleppgeissel ver-
sehen. Wie schon angedeutet wurde, geschehen solche Gleitbewegungen
relativ langsamer wie die freien Schwimmbewegungen.
Letztere erfolgen entweder in ziemlich geraden oder auch in mehr
oder weniger gebogenen Linien, ja gewisse Formen beschreiben sogar
zuweilen ziemlich enge Kreise (Chilomonas, Cjathomonas); jedenfalls
herrscht jedoch in dieser Hinsicht sogar bei einer und derselben Form
keine völlige Constanz. Natürlich erfolgt die Vorwärtsbewegung in der be-
schriebenen Weise nicht gleichmässig fortdauernd, sondern es wechselt die
Bewegungsrichtung früher oder später, sei dies nun durch eine äussere
Ursache, ein Hinderniss oder dergleichen verursacht, oder durch eine
innere Ursache bedingt. Die Mannigfaltigkeit in den Schwimmbewegungen
wird durch die geringere oder grössere Häufigkeit, mit welcher ein solcher
Wechsel eintritt, hervorgerufen. Nicht wenige Formen beharren ziemlich
lange in der einmal eingeschlagenen Bahn, speciell gilt dies für zahlreiche
Chlamydomonadineu und verwandte Isomastigoden, auch die Eugleninen
im Allgemeinen; wogegen bei Anderen ein häufiger Wechsel stattfindet
und die Bewegung dadurch eine unstete hin- und herschiessende bis
flatternde wird.
854 Flagellata.
Wie bemerkt, erfolgen die freien Schwimm bewegungen stets unter
Rotation des Körpers um seine Längsaxe, doch ist bei den Fla-
gellaten der genauere Vorgang dieser Rotation leider noch wenig
erforscht worden. Sowohl die Beobachtungen an den pflanzlichen Zoo-
sporen jedoch, wie allgemein theoretische Betrachtungen über das Zu-
standekommen der Schwimmbewegung machen es unabweisbar, dass
diese Rotation für eine bestimmte Art gewöhnlich constant in einer Rich-
tung geschieht, und dass sie in umgekehrter Richtung erfolgt, wenn die
Bewegung nach rückwärts stattfindet. Cohn gibt zwar für Haematococcus
an, dass die Drehung auch abwechselnd nach rechts und links erfolgen
könne*). Auch Klebs bemerkt, dass die Rotationsrichtung bei den Euglenen
nicht immer constant sei; selbst wenn dies so zu verstehen wäre, was
aus dem Satz nicht folgt, dass bei einem und demselben Wesen die
Drehuugsrichtung wechsle, so lässt sich dies doch durch die später zu
erwähnende theoretische Darstellung begreifen, wenn nur die Rotations-
richtung nicht plötzlich wechselt, was gegen unsere und wohl jede Er-
klärung der Schwimmbewegung mittels der Geissein spräche.
Wir besprachen seither nur solche Fälle, bei welchen die Rotations-
axe mit der Körperaxe und gleichzeitig auch der Bewegungslinie zu-
sammenfällt. Nun gibt es jedoch auch Beispiele, wo dies nicht der Fall
ist. So geschieht die Rotation nach Klebs bei den Euglenen so, dass
der Körper hierbei um die Axe der Bewegungsbahn kreist und hierbei
das vordere Körpereude einen weitereu, das hintere einen engeren Kreis,
oder, streng genommen, jedes eine entsprechende Schraubenlinie beschreibt.
Demnach bewegt sich also die Euglena in einer Schraubenlinie um die
ideale Axe ihrer Bahn. Dasselbe gilt sicherlich auch noch für weitere
Flagellaten und wurde auch schon von Perty im Allgemeinen für die-
selben angegeben ; auch Cohn schilderte für Haematococcus eine solche
schraubige Bewegung um die Idealaxe der Bahn, wenngleich die von
ihm gegebene Analyse der Bewegungen dieser Flagellate etwas unver-
ständlich ist.
Wenn wir es nun versuchen, uns eine Vorstellung von den wirk-
samen Geisseibewegungen zu machen, welche jene geschilderten Schwimm-
bewegungen hervorzurufen im Stande sind, so wenden wir uns vielleicht
zunächst am Besten zu den ersterwähnten Gleitbewegungen, da sich bei
diesen noch am ehesten die Thätigkeit der Geissei selbst beobachten
lässt. Bei den grösseren Heteromastigoden , sowie den Gattungen Pera-
nema und Petalomonas beobachtet man nun, dass während des Gleitens
gewöhnlich nur ein veihältnissmässig kleiner Theil der Geissei bewegt
wird, nämlich nur deren Ende und zwar sieht man dieses anscheinend
in rascher Schlängelung begriffen. Genauere Beobachtung lehrt, dass
diese Schlängelung dadurch hervorgerufen wird, dass ziemlich kurze Wellen
'*) A. Braun dagegen (70) will hm Haematococcus stets Linksdrehung Ijeobachtet
haben.
Beweg-uiigcrsch. (Schwimiul)c\v. mit Hülfe der Geisselii). 855
rasch über das Ende der Geissei verlaufen. Dieselben Bewegungs-
vorgänge vollziehen sich nun sicherlich auch an den Geissein der frei-
schwimmenden, in rascher Bewegung begriffenen Formen. Wenngleich
dies meist nicht direct zu beobachten ist, so folgt es doch wohl
sicher daraus, dass bei verlangsamter Bewegung häufig genug die über
die Geissein hinziehenden Wellen wahrzunehmen sind und weiterhin
daraus, dass bei rascher Tödtung der Flagellaten die Geissein sehr ge-
wöhnlich in wellig geschlängelter Beschaffenheit absterben. Zum Unter-
schied von den ersterwähnten Gleitbewegungen ist in diesen häu-
figeren Fällen jedoch zu beobachten, dass die Geissein in ihrer ge-
sammten Länge in Wellenbewegung begritfen sind. Es tritt zuweilen
statt der Wellenbewegung auch ein rasches Hin- und Herschwingen
der Geissein auf, eine Bewegungsform, welche aber meiner Ansicht
nach, nur als eine besondere Art der erstgedachten betrachtet werden
muss und zwar als deren einfachste Art, wo nämlich die Länge der
Wellen die der Geissei übertrifft, so dass letztere stets nur einen Theil
einer Wellenlinie beschreibt. Die wichtigste Frage bei der Erklärung
der Ortsbewegung unserer Flagellaten durch die Wirkung der Geissein
ist nun aber die, ob die geschilderte Wellenbewegung wirklich eine
solche ist, oder nur eine scheinbare, d. h. ob sie nicht in Wahrheit
darauf beruhe, dass die Geissei sich in einer Schraubenlinie bewegt, d. h.
successive die aufeinanderfolgenden Stellungen einnimmt, welche eine in
Rotation um ihrer Axe befindliche Schraubenlinie einnehmen würde.
Es ist klar, dass die optische Erscheinung einer solchen rotirenden
Schraubenlinie sich unter dem Bild von über die Geissei fortschreitenden
Wellen darstellen würde, so dass also in der scheinbaren Wellenbewegung
der Geissein an'sich kein Widerspruch gegen eine derartige Auffassung liegt.
Mancherlei spricht jedoch dafür, dass die Sache sich thatsächlich so ver-
hält. Zunächst ist hervorzuheben, dass ich häufig bei der Beobachtung
direct den Eindruck hatte, dass die Bewegung eine schraubenförmige sei
und dies auch schon 1878 gelegentlich aussprach. Auch bei anderen Be-
obachtern rief die Sache wohl die gleiche Vorstellung hervor; so sagt
Hofmeister*) direct, dass die pflanzlichen Zoosporen sich durch schrauben-
linige Bewegungen ihrer Geissein bewegten. Auch Hensen**) gibt zu,
dass die durch vorderständige Geissein bewirkte Vorwärtsbewegung wohl
auf schraubige Bewegungen der Geissein zurückzuführen sei. Weiterhin
können wir zur Unterstützung unserer Ansicht auf die schon oben aufge-
führten Fälle hinweisen, welche zeigten, dass sich die Geissein bei
energischer Contraction gewöhnlich in einer Schraubenlinie zusammen-
ziehen und ich betone bei dieser Gelegenheit nochmals, dass mir der
eigenthümlich schwach bogig geschlungene Verlauf, welchen zahlreiche
Geissein im Ruhezustand zeigen, ganz den Eindruck einer sehr flachen
*) Handbuch der physiologischen Botanik, Bd. I, p. 29.
**) Physioloirie der Zeugung-
856 Flag-cllata.
Scbraubenlinie macht. Zu diesen Belegen gesellt sich mm noch ein
weiterer, der mir ganz besonders wichtig erscheint. Wie schon bei
früherer Gelegenheit (p. 123) raitgetheilt wurde, zeigt die sog. Amoeba
radiosa häufig schwach schwingende Bewegungen ihrer Pseudopodien-
enden. Diese Bewegungen geschehen hier so langsam , dass eine
genauere Beobachtung ihres Verlaufes möglich ist, und diese zeigt dann
auch ganz deutlich, dass es sich nicht um einfach pendelnde, son-
dern um schraubig rotirende Bewegungen der Pseudopodien handelt. Dass
solche vorliegen, geht z. B. sicher aus dem Fall hervor, wo das Ende
des Pseudopodiums schlingenförmig umgebogen war und nun bei den
Bewegungen der Geissei deutlichst rotirte.
Fragen wir uns nun, wie eine schraubige Rotationsbewegung
der Geissei zu Stande kommen kann, so ergibt sich, wenn wir die
morphologische Natur der Geissei berücksichtigen , dass diese Bewegung
nicht wohl anders geschehen kann, als dass die an der Geissei schraubig
verlaufende Contractionslinie eine veränderliche ist, d. h. dass sie sich
im Verlauf einer Rotationsbewegung der Geissei einmal um dieselbe
herumbewegt. Eine Ueberlegung dessen, was geschehen muss, wenn
die Contraction der Geissei längs einer Schraubenlinie geschieht, die in
fortdauernder Rotation um die Geisselaxe begriffen ist, ergibt leicht, dass
die Geissei dann successive alle die Lagen einnehmen muss, welche eine
entsprechend rotirende Schraubenlinie allmählich einnimmt. Ein schein-
bares Hin- und Herpendeln der Geissei wird unter diesen Umständen
dann eintreten, wenn dieselbe bei dieser Contraction etwa nur die
Hälfte einer Schraubenwindung darstellt — das Bild mehr oder minder
zahlreicher Wellen dagegen, welche über die Geissei hineilen, wenn die
contrahirte Geissei sich in mehrere Schraubenwindungen legt. Unter
Voraussetzung solcher rotirender Schraubenbewegungen der Geissein
erklären sich nun die Bewegungen des Flagellatenkörpers ziemlich
einfach. Eine Ueberlegung der Wirkungsweise einer am Vorderende
eines freischwimmenden Körpers angebrachten rotirenden Schraube ergibt,
dass der betreffende Körper sich vorwärts bewegt, wenn die Schraube
eine linksgewundene (im Sinne der Botaniker) ist und dabei so rotirt,
dass sie, bei nördlich gerichtetem Vorderende des Körpers, westlich aufsteigt
und östlich sich senkt, oder wenn die Verhältnisse gerade umgekehrt liegen,
d. h. wenn eine rechtsgewundene Schraube von Ost nach West rotirt.
Da nun die schraubig rotirende Geissei der Flagellaten ein mit dem
Körper fest zusammenhängendes Gebilde ist, nicht etwa ein demselben
gelenkig verbundenes, so folgt hieraus, dass die zweite Componente, in
welche sich die bei den Rotationsbewegungen einer Schraube ergebende
Widerstandskraft des umgebenden Wassers zerlegen lässt, d. h. diejenige
Componente, welche senkrecht zur Vorwärtsbewegung wirkt, eine Rota-
tion des Körpers um seine Axe veranlassen muss, welche der Schrauben-
rotation stets entgegengesetzt verläuft. Rotirt daher die schraubige Geissei
von Ost nach West, so rotirt der Körper von West nach Ost und um
Bewiguiigöorsoli. (Schwiuiiiibcw. mit Hülfe clor (jeissclii).
857
gekehrt. Die Stärke der Rotation steht unter sonst gleichen Bedingungen
im geraden Verhältniss zu der Höhe der Schraubengänge.*)
Bei Gegenwart zweier oder mehrerer gleicher Bewegungsgeissein des
Vorderendes ist jedenfalls anzunehmen , dass dieselben in ganz gleicher
Weise wirken, und dabei wird natürlich der gleiche Effect in verstärkter
Weise erzielt. Interessant ist, dass sich bei gewissen Flagellaten sogar
eine VorkehruDg findet, wodurch die Rotation des Körpers nochmals
z. Th. für die Vorwärtsbewegung nutzbar gemacht wird. Wenigstens
können wir den Sinn der dauernden oder vorübergehenden Schrauben-
gestalt gewisser Formen nicht wohl anders auffassen. Natürlich ist es
noth wendig, dass die Schraube des Körpers entgegengesetzt derjenigen
gewunden ist, welche die Geissei bei der Vorwärtsbewegung darstellt,
da ja der Körper in entgegengesetzter Rotation wie die Geissei ist. Nur
dann wird durch die Schraubengestalt des Körpers ein neuer Antheil
zur Vorwärtsbewegung zugefügt, im umgekehrten Fall dagegen dieselbe
verzögert.
Noch bleibt ein Punct der Besprechung übrig, nämlich die Eigen-
thümlichkeit zahlreicher Formen nicht um ihre Längsaxe zu rotiren,
sondern um die ideale Axe der Bewegungsbahn. Die Erklärung biefür
hat wohl schon Nägeli**) richtig gegeben, indem er darauf hinwies, dass
dieselbe Erscheinung bei den pflanzlichen Zoosporen auf deren z. Th.
asymmetrischen Bauweise beruhe und dies gilt noch mehr für zahlreiche
Flagellaten, welche ja ziemlich stark asymmetrisch sind. Jede solche
Asymmetrie jedoch muss eine Störung des geradlinigen Fortschreitens
bewirken, welche sich in Verbindung mit der Rotation des Körpers in
der erwähnten Weise aussprechen muss.
*) Es dürfte sich empfehlen, die durch die Eotation einer
schraubenförmigen Geissei hervorgerufene Bevv^egung noch etwas
genauer darzustellen. Sei xy auf nebenstehendem Holzschnitt
eine Windung einer linksgewundenen schraubenförmigen Geissei,
welche in der Richtung des Pfeiles von links nach rechts rotirt,
so wird ein beliebiger Punct a dieser Geissei bei seiner Be-
wegung an dem umgebenden Wasser einen Widerstand erfahren,
welcher durch die Kraftlinie a b ausgedrückt werden kann ; diese
Kraftlinie lässt sich zerlegen in die beiden Componenten ac
und ad, von welchen die erste eine Vorwärtsbewegung hervor-
ruft, die zweite dagegen die Rotation des Flagellatenkörpers um
seine Axe bewirken wird und zwar, wie aus der Figur ersicht-
lich ist, in umgekehrter Richtung der Eotation der Geissei.
Eine kleine Ueberlegung ergibt, dass in gleicher Weise Vor-
wärtsbewegung zu Stande kommt , wenn die V^erhältnisse gerade
umgekehrt liegen, d. h. wenn eine rechtsgewundene Geissei von
rechts nach links rotirt, wobei natürlich auch die Rotation des
Flagellatenkörpers in umgekehrter Richtung, nämlich von links
nach rechts geschieht.
**) Beiträge zur wissensch. Botanik. 2. Heft. p. 97.
858 Flagellata.
Zum Abschluss unserer Besprechung der Bewegungserscheinungen
haben wir noch der Bewegungen der freischwimmenden Kolonien zu
gedenken. Auch diese ähneln im Allgemeinen denen der Einzel-
wesen und geschehen namentlich auch unter fortwährender Rotation.
Bei den tafelförmigen Kolonien des Gonium pectorale geschieht die Ro-
tation um die kürzere Axe und die Drehung selbst erfolgt bei den ver-
schiedenen Individuen bald nach rechts, bald nach links*). Die ellipsoiden
Kolonien der Pandorina und Eudorina rotiren um die längere Axe und
zwar die .der ersten Gattung nach A. Braun (70) stets im Sinne des Uhr-
zeigers (wenn die Kolonie auf den Beobachter zueilt) oder südwestlich, wie
sich Nägeli**) ausdrückt, der jedoch bei Pandorina zuweilen auch die ent-
gegengesetzte Rotation beobachtete. Interessanter Weise scheint auch der
ganz kuglig gebaute Volvox Globator nach den Beobachtungen von Wills***)
dieselbe Rotationsrichtung zu besitzen, doch kehrt sich die Rotation auch
gelegentlich auf kurze Zeit um. Inwiefern jedoch hier die Rotationsaxe
selbst constant ist, lässt sich aus der Mittheilung nicht sicher entnehmen,
wiewohl die Angabe, dass die Geburt der Tochterstöcke gewöhnlich an
dem vorangehenden Pol geschehe, vielleicht auf eine solche Constanz
hindeutet.
Bei den übrigen freischwimmenden Kolonien ist nichts Bestimmtes
hinsichtlich der Drehungsrichtung bekannt. Die kugligen Kolonien der
Uroglena, Syncrypta und Synura sind in beständigem Umherkugeln be-
griffen.
4) Protoplasmaströmungen im Innern des Flagellaten-
körpers. Strömungserscbeinungen des Plasmas, ähnlich wie sie bei den
Ciliaten so häu% angetroffen werden, sind bis jetzt nur bei wenigen
Flagellaten beobachtet worden. Zuerst machte Bütschli (171) darauf auf-
merksam, dass bei Trepomonas eine Circuhition des Plasmas am
ruhenden Organismus leicht wahrzunehmen ist und dass diese Strömung
bald nach der einen, bald nach der anderen Richtung stattfindet und
ebenso in ihrer Schnelligkeit sehr wechselt. Eine ähnliche Circulation
Hess sich auch bei Hexamitus inflatus aus der allmählichen Verschiebung
der contractilen Vacuole im Körper erschliessen.
Klebs wies hierauf nach, dass auch bei den metabolischen Euglenen
Strömungen des Protoplasmas wahrzunehmen sind, nur scheinen dieselben
hier nie zu einer wirklichen Circulation zu werden, sondern sich auf un-
regelmässiges Hin- und Herwallen des Plasmas und seiner Einschlüsse zu
beschränken. Diese Strömungen erstrecken sich bei den Euglenen
bis dicht unter die Cuticula, woraus Klebs schliesst, dass hier eine ruhende
*) Pfeffer dagegen (Untersuchungen aus dem botanischen Institut zu Tübingen, I. p. 433)
sah die Kolonien von Gonium pectorale während der fortschreitenden Bewegung alDwechsehid
rechts und links drehen.
**) Beiträge zur wissensch. Botanik. 2. Hft. p. 97 — 08.
***) Mitlaud Naturalist. Sept.-Üct. 1880.
Bewegungscrsch. (Ströuiiiiiäcn «les Plasma. \'cilKilteii m Wanne). 859
Hautschiclit (einem Ectoplasiiiu vergleichbar) völlig fehle. Obgleich die
Ötrömiuigserscheiniiugen bis jetzt nur bei den erwähnten wenigen Formen
beobachtet wurden ^ dürfte es doch sehr wahrscheinlich sein, dass sie
eine viel weitere Verbreitung besitzen.
B. Verhalten gegen Wärme und Licht etc.
1. Einfluss der Wärme. Dass die Lebensvorgänge der Fla-
gellateu sich innerhalb ziemlich weiter Temperaturgrenzen abzuspielen
vermögen, geht zum Theil schon aus früher Bemerktem hervor. Wir
brauchen uns nur des Haematococcus der Hochgebirge und Polar-
regioneu zu erinnern, um zu begreifen, dass gewisse Formen noch
bei sehr niederer mittlerer Temperatur zu gedeihen vermögen und
namentlich im Stande sind, tief unter Null gelegene Temperatur-
grade ohne Nachtheil zu ertragen. Auf Letzteres weisen auch die
häutig geschilderten Beobachtungen hin, dass sich zahlreiche Flagellaten
noch munter unter der Eisdecke gefrorener Gewässer bewegen, ja sich
noch theileu (Klebs für Euglena). Derartige Angaben finden sich zahl-
reich bei Ehrenberg, Perty, Weisse und Anderen. Auch wiederholtes
Einfrieren wird von gewissen Formen ertragen , wie die Versuche von
Klebs an Euglena viridis erw^eisen, wogegen Strasburger (170) die ein-
gefrorenen Schv^ärmzustände des Haematococcus lacustris und der Crypto-
monas stets abgestorben fand. Die ruhenden Zustände der ersteren Form
werden hingegen nach Cohn's Beobachtungen (66) durch Frost nicht ge-
tödtet, wie dies ja auch durch die Formen des rothen Schnees erwiesen
wird. Davaine (152) sah die Monaden der Infusionen beim Einfrieren
zu Grunde gehen.
Bei verhältnissmässig nicht sehr niederen Temperaturgraden scheinen
dagegen die in warmblütigen Thieren schmarotzenden Formen abzusterben,
wenigstens gibt Zunker an, dass die Flagellaten des menschlichen Darmes
schon bei 12 ^ C absterben. Doch stehen diesen Angaben die Cunuing-
ham's (183) entgegen, welcher die Flagellaten aus dem Darm verschie-
dener Säugethiere auch ausserhalb des Körpers bei gewöhnlichen Tempe-
raturen weiter gezüchtet haben will. Auch die Herpetomonas aus dem
Blut der Ratten bleibt nach Lewis' Erfahrungen häufig mehrere Tage
nach der Herausnahme aus dem Wirthsthier lebendig.
Im Allgemeinen übt die Steigerung der Temperatur auch auf die
Flagellaten einen belebenden Einfluss aus, sie erhöht, wenn sie eine ge-
wisse Grenze nicht überschreitet, die Energie der Bewegungen und
sicherlich auch die des Stoffwechsel, womit sich dann andererseits wieder
eine raschere Fortpflanzung verknüpft. So geschehen z. B. nach Stras-
burger's Angaben die Bewegungen des Haematococcus lacustris zwischen
30 — 40*^ C am raschesten. Bei fortgesetzter Temperatursteigerung tritt
jedoch eine allmähliche Verlangsamung der Bewegungen ein und damit
gewöhnlich auch ein Niedersinken der schwimmenden Wesen, bis die
860 Flagellata.
Bewegungen schliesslich völlig aufhören, ohne dass jedoch der Tod sich
gemeldet hätte. Der Eintritt dieser sog. „Wärmestarre" erfolgt natürlich
bei den verschiedenen Formen bei etwas verschiedenen Temperaturen
und scheint, soweit die wenigen Beobachtungen hierüber berichten, ge-
wöhnlich zwischen 40 — 50^ C stattzufinden. Für Haematococcus lacustris
liegt diese Temperatur bei 50 '^ C, niedriger dagegen jedenfalls bei Crypto-
monas, die schon bei 45 *^ C zu Grunde geht, wogegen bei dieser Tempe-
ratur nach Klebs die Wärmestarre der meisten Euglenen eintritt. Bei Ab-
kühlung werden die wärmestarren Formen allmählich wieder beweglich
und erlangen ihre gesammte Lebensfähigkeit wieder. Nur wenig höher
wie die Temperatur der Wärmestarre liegt jedoch der Wärmegrad, welcher
die Flagellaten, wenigstens in ihren beweglichen Zuständen dauernd ver-
nichtet. Natürlich ist auch dieser je nach den Formen etwas schwankend,
wie die hierüber etwas vollständigeren Angaben verschiedener Beobachter
beweisen. So will Davaine (152) schon bei 40 •^ C das Absterben der
Monaden gewisser Infusionen beobachtet haben, doch halte ich es in An-
betracht der übrigen Erfahrungen wahrscheinlich, dass er diese Temperatur
zu nieder setzt. Bei 45** tritt, wie erwähnt, der Tod der Cryptomonas
ein, indem der Körper gewissermaassen explodirt (Strasburger 170), bei
dieser Temperatur erfolgt denn auch nach Zunker (169) das Absterben
der Flagellaten des menschlichen Darmkanals. Etwas höher liegt nach
den Erfahrungen von Klebs diese Grenze für die Eugleninen, welche
etwa zwischen 45 — 50** definitiv absterben. Haematococcus lacustris
dagegen wird erst bei öS** getödtet, und noch höher liegt nach
Dallinger (178) der Todespunkt für gewisse Flagellaten der Infusionen
(Bodo, Polytoma, Cercomonas etc.), welche erst bei 60** C. vernichtet
werden sollen.
Welche Temperaturen die Ruhe- und Dauerzustände, letztere speciell
im ausgetrockneten Zustand aushalten können, ist bis jetzt nicht weiter
erforscht; dagegen haben Dallinger und Drysdale und später der erstere
allein eine Reihe von Experimenten über die Widerstandsfähigkeit der
von ihnen bei einer Anzahl Infusionsbewohner beschriebenen Keime oder
Sporen angestellt. Indem wir hier nicht nochmals die Frage nach der
Sicherheit dieser Beobachtungen, speciell der Sporennatur der beschriebe-
nen Körperchen discutiren, welche ja zunächst bejaht werden muss, wenn
man den zu berichtenden Angaben Vertrauen schenken will, geben wir
hier nur eine kurze Mittheilung der gefundenen Resultate. Zunächst
wurde ein sehr wesentlicher Unterschied in der Widerstandsfähigkeit der
in Flüssigkeit befindlichen und der getrockneten Sporen gefunden. Die
ersteren gehen früher zu Grunde, ertragen jedoch z. Th. noch weit
über 100** steigende Temperaturen ; die getrockneten dagegen halten noch
höhere Temperaturen aus. Die Widerstandsfähigkeit der Sporen steht im
Allgemeinen mit ihrer Grösse im umgekehrten Verhältniss , die ansehn-
lichsten starben am frühesten ab. Die nachfolgende kleine Tabelle gibt
Verhalten zu Licht.
861
eine Uebersiclit der erzielten Resultate und bedarf keiner besonderen
Erläuterung.
Temperaturgrenze
im beweglichen
Zustand
als Sporen in Fliis-
sigkeit
alti trockne Sporen
Bodo ? saltans . . .
60—61« G.
122« C.
149« C.
Bodo ■? caudatus . . .
(iO«
65,5«
82«
Oikomonas sp. ...
(iO— 61"
131«
149«
Cerconionas ....
CO«
114«
126«
Polytoma üvella . . .
60"
111«
121"
Tetramitus rostratus . .
58,8«
100«
121«
Daliingeria
•
105"
121«
2. Einfluss des Lichtes. Wie bekannt, bedürfen die gefärbten
Flagellaten wie die grünen Pflanzen des Lichtes zur Assimilation und
entwickeln auch wäe letztere unter der Einwirkung des directen
Sonnenlichtes Sauerstoff, was zahlreiche Beobachter hauptsächlich bei
Euglenen und ChLamydomonadinen, die sich wegen ihres häufig sehr
reichlichen Vorkommens zu solchen Beobachtungen besonders eignen,
vielfach constatirten. Bis zu welchem Grade das Gedeihen und die
Existenz der gefärbten Flagellaten an die Lichtwirkung geknüpft ist,
lässt sich zur Zeit noch nicht wohl beantworten, da es an Versuchen
über den Einfluss langdauernder Verdunkelung auf unsere Wesen sehr
fehlt. Immerhin scheint z. B. aus gewissen Experimenten von Klebs an
Euglena viridis hervorzugehen, dass dieselbe Wochen lang in völliger
Dunkelheit beweglich bleibt und wohl auch sicher keine sichtliche Chloro-
phylleinbusse erleidet, weshalb die Vermuthung nicht abzuweisen ist, dass
dieselbe sich auch, wenngleich nur nothdürftig, in saprophytischer Weise
ernähren kann , wenn dauernde Lichtentziehung sie hierzu zwingt. Da-
gegen scheinen die beweglichen Zustände des Haematococcus lacustris
nach Cohn und Strasburger viel stärker unter anhaltender Lichtentziehung
zu leiden, sie werden blässer, blasslichtgrün nach Cohn, und auch der
rothe Farbstoff, das Haematochrom , nimmt allmählich etwas ab ; gleich-
zeitig magern sie mehr und mehr ab, um schliesslich zu sterben. Doch
bleiben auch die Haematococcen in der Dunkelheit dauernd beweglich
wie die Euglenen und gehen ebensowenig wie diese in den Ruhezustand
über. Auch bei Stephanosphaera konnte Cohn beobachten , dass die in
wenig durchsichtigen Gläsern gehahenen Kolonien nur kleine Zellindivi-
duen entwickelten , die in hellen Gläsern dagegen sehr ansehnliche mit
zahlreichen verzweigten Plasmafortsätzen.
Noch in anderer Hinsicht hat jedoch das Licht auf die gefärbten
Flagellaten einen sehr wesentlichen Einfluss, indem es näuilich, ähnlich
wie bei den Zoosporen der Algen, ihre Bewegungen beeinflusst, es sind
daher die farbigen Flagellaten im Allgemeinen phototactisch , nach der
Bezeichnung Strasburger's (170). Ob diese Regel ganz ausnahmslos für
8(52 Flagellata.
sämmtliclie ^ilt, lässt sich, wegen der Maugelbaftigkelt der Untersuchungen,
bis jetzt nicht angeben. Wenngleich eine solche Uebereinstinimung sehr
wahrscheinlich ist, wäre eine Ausnahme doch nicht unmöglich, da sich
auch gewisse gefärbte Algenzoosporen indiflferent verhalten. Ungelöst
scheint bis jetzt die Frage, ob es auch phototactische farblose Flagellaten
gibt; jedenfalls können solche Formen nicht allzu häufig sein, da die
Beobachtung sonst darauf schon aufmerksam gemacht haben müsste. Da-
gegen lässt sich die Möglichkeit solcher Formen nicht leugnen, da an
farblosen Zoosporen gewisser Chytridieen die Lichtwirkung hervortritt
und auch anderweitige farblose Plasmakörper (Pelomyxa und Plasmodien
der Myxomyceten) deutlich auf Licht reagiren.
Der Einfluss des Lichtes auf die Bewegiingsvorgänge spricht sich nun
im Allgemeinen in der Weise aus, dass die Bewegung unter dem Ein-
fluss des Lichtes parallel zu der Richtung des Lichteinfalls wird, indem
die Axe der Formen im Allgemeinen die Tendenz hat, sich dem
Lichteinfall parallel zu stellen und damit denn auch die Fortbewegung in
entsprechender Richtung geschieht. Wenn wir nun die Erfahrungen
Strasburger's *) über die nächstverwandten Erscheinungen bei den Zoo-
sporen berücksichtigen , so lässt sich auf Grund derselben zunächst fol-
gendes Speciellere über die Bewegungen der phototaktischen Flagellaten
unter dem Einflüsse des Lichtes angeben. P^ntweder erfolgt die Be-
wegung stets dem Lichteinfall zu ohne Rücksicht darauf, ob in dieser
Richtung die Lichtintensität steigt oder fällt. Solche Formen nennt
Strasburger „aphoto'metris che". Oder aber die Bewegung geschieht
in der Richtung des Lichteinfalls, jedoch nach der Natur des Wesens
oder dessen augenblicklicher Disposition (Lichtstimmung) entweder dem
Lichte zu oder umgekehrt von diesem weg, in letzterem Fall flieht
also die Form das Licht, ist lichtscheu oder photophob, die erstere
dagegen photophil. Letzterwähnte Modification der Phototaxie bezeichnet
Strasburger als die photometrische. Mit Stahl (Verh. d. phys. medic.
Gesellsch. zu Würzburg N. F. Bd. 14) und Pfeß'er (Pflanzenphysiologie
p. 367) halte ich es jedoch für zweifelhaft, ob wirklich aphotometrische
Formen im Sinne Strasburger's existiren. Einmal konnte Stahl nach-
weisen , dass sich gewisse von Strasburger für aphotometrisch gehaltene
Zoosporen photometrisch verhalten und weiterhin scheinen mir wie Pfeffer
die Strasburger'schen Experimente, welche beweisen sollen, dass gewisse
aphotometrische Schwärmer dem Licht zuwandern , auch wenn dessen
Intensität in der Richtung zur Lichtquelle abnimmt, nicht überzeugend.
Im Grunde genommen unterscheiden sich die beiden Arten photo-
metrischer Flagellaten nicht priucipiell, sondern nur quantitativ von
einander, d. h. beide bewegen sich einem Licht bestimmter Intensität zu,
welches sie aufsuchen und für das sie abgestimmt sind, wie man sich
*) Eine ansführlicbe Zusammenstellung der liifrauf bezüglichen Literatur siehe bei
Strasburger (170).
Verhalten zu Licht. 863
ausdrücken kann. Wählend aber die pbotophilen ein Licht sehr hoher
oder doch höherer Intensität aufsuchen und daher für gewöhnlich der
Lichtquelle zueilen, sind die photophoben auf Licht niederer Intensität ge-
stimmt, demnach fliehen sie das Licht mittlerer Intensität und sammeln
sich an der der Lichtquelle abgewendeten Seite der Beobachtungsgefässe
an. Wird jedoch die Intensität des zutretenden Lichtes allmählich ver-
ringert, so gelingt es wohl, die photophoben Formen zu pbotophilen zu
machen, sobald nämlich die Intensität des zutretenden Lichtes unter die
Grenze, auf welche die betreffenden Formen abgestimmt sind, sinkt, eilen
sie der Lichtquelle zu; d. h. sie suchen die ihnen zusagende Lichtinten-
sität auf. Aehnlich ist es ohne Zweifel mit den pbotophilen, es handelt
sich hier nur darum die Intensität des zutretenden Lichtes über diejenige,
welche den betreffenden Formen noch zusagt, zu steigern, damit sie photo-
phob werden. Es scheint jedoch, dass zahlreiche dieser pbotophilen For-
men auf so hohe Lichtintensitäten abgestimmt sind, dass sie schwierig
zur Photophobie gebracht werden können, namentlich auch noch deshalb,
weil bedeutende Steigerung der Intensität zuweilen ein Festheften mittels
der Geissein hervorruft (Haematococcus).
Diese Lichtstimmung ist nun nicht nur für verschiedene Arten eine
recht verschiedene, so dass dieselben sich theils als photophil, theils als
l)hotophob erweisen, sondern sie kann auch bei einer und derselben
Art wechseln, so dass diese in verschiedenen Lebensepochen oder ab-
hängig von anderweitigen, vielfach noch unbekannten Ursachen bald photo-
phil, bald photophob erscheint. Hierauf beruht denn auch die vielfach,
speciell bei den gefärbten Flagellaten gemachte Erfahrung, dass sich unter
dem Einfluss des Lichtes die Flagellaten eines Gefässes und zwar auch
die derselben Art häufig sehr verschieden verhalten, d. h. dass die einen
sich an dem dem Licht zugewendeten Rande des Gefässes, die anderen
dagegen an dem entgegengesetzten ansammeln. Manche Erfahrungen
sprechen dafür, dass die Photophilie, d. h. also eine Stimmung auf hohe
Lichtintensität während der jugendlichen Zeit vorherrscht, dagegen im
erwachsenen Zustand die Photophobie mehr zur Entwicklung gelangt. So
hat Cohn schon 1850 für Haematococcus angegeben, dass die für gewöhn-
lich pbotophilen beweglichen Zustände bei der Fortpflanzung und wenn
sie im Begriff sind sich zur Ruhe zu begeben, das Licht fliehen. Bei
Volvox dagegen will Cienkowsky umgekehrt die Jugendformen das Licht
fliehend gefunden haben. Wie gesagt, sind zahlreiche Einflüsse, welche
einen solchen Stimmungswechsel erzeugen können, uns jedenfalls noch
unbekannt. Strasburger's Vermuthung, dass in dieser Beziehung eine ge-
wisse Anpassung an die mittlere Helligkeit der speciellen Wohnorte vor-
liege, hat jedenfalls vieles für sich. Andrerseits gelang es diesem Beob-
achter auch, experimentell einige Ursachen ausfindig zu machen, welche
einen Einfluss auf die Lichtstimmung ausüben. Zunächst steigert höhere
Temperatur im Allgemeinen die Photophilie und umgekehrt, andrer-
seits steigert aber auch Sauerstoffmangel die Photophilie speciell bei
864 Flagellata.
Haematococcus , eine Eischeinung , welche, wie die Erfahrungen Cohn's
(1850), der die beweglichen Zustände dieser Form bei Luftabscbluss
schon in zwei Stunden absterben sab, darauf hinweist, dass ihr Sauer-
stofifbediiifniss ein recht erhebliches ist. Dagegen scbeint Eugelmann (200)
bei den Euglenen nichts Aehnlicbes gefunden zu haben, denn er berichtet,
dass dieselben sich in ihrer Lichtreaction sehr unabhängig von der Sauer-
stoffspannung des Mediums zeigten. Doch folgt hieraus zwar an und für
sich nichts für die Frage nach der Photophobie oder -philie, immerhin
scheint Engelmann aber doch keine Veränderung in dieser Hinsicht ge-
funden zu haben.
Während wir sehen, dass die Bewegungsrichtung der phototactischen
Flagellaten durch das Licht so wesentlich beeinflusst wird, ist dagegen
ihre ßewegungsintensität ganz unabhängig von dem Licht, wie zuerst
Nägeli und dann Strasburger zeigten.
Die Lichtwirkung geht, wie Versuche Cohn's (HG), Strasburger's (170)
und Engelmann's (200) zeigten, von den starkbrechenden Theilen des
Spectrums aus, die blauen, indigofarbenen und violetten Strahlen sind
nach Strasburger allein wirksam und das Maximum der Wirkung liegt
im Indigo. Engelmann sah bei Untersuchungen im Mikrospectrum die
Euglenen sich hauptsächlich in der Gegend der Linie F anhäufen.
Schliesslich haben wir hier noch einiges über den Sitz der Licht-
empfindlichkeit unserer Wesen zuzufügen, insofern die einzig darüber vor-
liegenden Versuche Engelmann's uns Aufschluss gewähren. Derselbe fand
bei Euglena, dass der Sitz der Lichtempfindlichkeit in der farblosen vor-
dersten Körperspitze, dicht vor dem Stigma zu suchen ist, denn setzte
man Euglenen partiell in Schatten, so trat die Wirkung auf die Bewegung
immer dann ein , wenn der Schatten diese Stelle traf, nie jedoch wenn
dieselbe unbeeinflusst blieb. Hieraus, wie aus anderen Erwägungen lässt
sich der Schluss ziehen , dass die Chromatophoren direct nichts mit der
Lichtwirkung zu thun haben und dass ebenso auch das Stigma selbst
nicht lichtempfindlich ist,
3) Einfluss der Schwerkraft auf die Bewegungsrichtung
gewisser Flagellaten. Aus in jüngster Zeit publicirten, interessanten
Beobachtungen von F. S. Schwarz (Ber. d. deutschen bot. Gesellsch. II,
p. 51) scheint hervorzugehen, dass die Bewegungen von Chlamydomonas
und Euglena in der That durch den Einfluss der Schwerkraft in gewissem
Grade bestimmt werden. Diese Untersuchungen zeigen zunächst, dass di^
dem Einfluss des Lichtes entzognen Flagellaten stets der Richtung der
Schwere entgegen streben und sich deshalb an der Oberfläche des Sub-
strates, in welchem sie sich befinden, ansammeln. Den Einwand, dass
das Sauerstoffbedürfniss bei dieser Ansammlung mitwirke, konnte der
Beobachter durch besondere Experimente ausschliessen. Auch das spec.
Gewicht vermag diesen Bewegungsdrang nicht zu erklären, da die unter-
suchten Formen entschieden schwerer als Wasser sind. AVurden die-
selben Flagellaten unter ähnlichen Bedingungen der Wirkung von Centri-
Einfl. d. Lichtes, der Schwerkraft und cliem. ßeize auf die Bewegung. 865
fugalkräften ausgesetzt, indem die Gläser in radialer Richtung an einer
horizontalen Axe rotirt wurden, so zeigte sich, dass unter dem Einfluss
einer massigen Ceutrifugalkraft eine Bewegung der Flagellaten nach der
Axe zu stattfand, also in ähnlichem Sinne wie unter der Wirkung der
Schwere. Ueberstieg die von der Centrifugalkraft hervorgerufene Be-
schleunigung dagegen etwa 8 — 9 Mal die durch die Schwere bewirkte,
so erfolgte Bewegung von der Rotationsaxe weg und die Flagellaten
sammelten sich also an dem von der Axe entferntesten Theil des rotir-
ten Gefässes an. Letzteren Vorgang glaubt Schwarz als eine einfache
Wirkung der Centrifugalkraft betrachten zu müssen, doch ist diese Er-
klärung bis jetzt nicht als ganz gesichert zu erachten, da getödtete Fla-
gellaten oder Lycopodiumsporen unter denselben Umständen keine ent-
sprechende Ansammlung ergaben.
Dass aber die erstgeschilderten Ansammlungen der Flagellaten unter
dem Einfluss der Schwere oder der Centrifugalkraft wirklich auf einem
bestimmenden Einfluss dieser Kräfte auf ihre Bewegungen beruhen, dürfte
mit Sicherheit daraus zu entnehmen sein, dass diese Ansammlungen
unterbleiben, wenn die Flagellaten zuvor getödtet waren oder wenn die
Versuche bei niederer Temperatur (5 — 6^ C.) vorgenommen wurden.
4) Einfluss chemischer Reiz e auf die Bewegungsrich-
tung. In einer vor Kurzem erschienenen Arbeit von W. Pfeffer (Arbeiten
aus dem Botanischen Institut zu Tübingen I , p. 363) wird der höchst
interessante Nachweis geführt, dass, wie der Lichtreiz auf die Bewegungs-
richtung der Zoosporen und Flagellaten einen bestimmenden Einfluss aus-
übt, auch chemische Reize auf die Spermatozoidieu der Cryptogamen, die
schwärmenden Schizomyceten und gewisse Flagellaten ähnlich wirken.
Für Chlamydomouas gelang es nicht, einen Stoff ausfindig zu machen,
welcher einen Einfluss in dem betonten Sinne ausübt. Anders verhielten
sich dagegen gewisse farblose Flagellaten, unter denen Trepomonas deut-
lich von einer Fleischextractlösung angezogen wurde, während bei Chilo-
monas eine solche Wirkung nur sehr schwach hervortrat.
Eine solche Anziehung seitens chemischer Reize wird dadurch be-
wirkt, dass ähnlich wie durch den Einfluss des Lichtes die Körperaxe
nach der Reizquelle gerichtet wird und daher die Bewegung in der Rich-
tung auf dieselbe geschieht.
C. Wohnorts- und Ernährungsver hiiltnisse der Flagellaten.
Eine gemeinsame Erörterung der in der Ueberschrift dieses Abschnitts
erwähnten Verhältnisse empfiehlt sich aus dem Grunde, weil beide sich gegen-
seitig mehr oder weniger bedingen. Wie schon mehrfach erwähnt wurde,
ist der Modus der Ernährung im Wesentlichen ein dreifach verschiedener,
d. h. entweder 1) ein echt thierischer durch Aufnahme geformter organi.
scher Nahrung, oder 2) ein pflanzlicher durch Assimilationsvorgänge, ent-
sprechend denjenigen der grünen Pflanzen, oder 3) ein saprophytischer,
d. h. die Ernährung geschieht ähnlich der zahlreicher chlorophyllfreier
Bronn, Klassen des Thier-Eeichs. Protozoa. 55
866 • Flagellata.
Pflanzen durch Aufsaugung gelöster organischer Substanzen, ist also in
chemischer Hinsicht mehr thierisch, im Hinblick auf die Art der Nahrungs-
aufnahme mehr pflanzlich. Wir haben im systematischen Abschnitt diese
drei Ernährungsformen als die animalische, die holophytische und die
saprophytische bezeichnet. Natürlich werden dieselben einander nicht
unvermittelt gegenüberstehen, sondern es ist wahrscheinlich, dass viele
Formen mit animalischer Ernährung auch noch mehr oder weniger
saprophytisch Nahrung zu sich nehmen , und das Gleiche gilt wohl
häufig auch für holophytisch sich ernährende, da wir ja schon er-
fahren haben , dass dieselben nicht selten in nächstverwandten Formen
oder sogar nur Varietäten zu rein saprophytischer Ernährungsweise
übergehen.
Die holophytische Ernährung setzt natürlich die Existenz von Chroma-
tophoren voraus und so finden wir denn auch, dass die gefärbten
Flagellaten fast ausschliesslich reine Holophyten sind. Nur ein siche-
res Beispiel der Verknüpfung pflanzlicher und thierischer Ernährung
liegt meines Wissens vor, nämlich die von Stein constatirte Auf-
nahme geformter Nahrung (Diatomeen und Chlamydomonaden) bei der
von uns zu den Euglenoidinen gezogenen Chromulina (Chrysomonas St.)
flavicans. Auch für einige anderweite gefärbte Flagellaten wurde ge-
legentlich behauptet, dass sie geformte Nahrung aufnehmen, doch halte
ich die bezüglichen Angaben für unsicher und in hohem Grade unwahr-
scheinlich. So wollte schon Perty (76) einmal in einer Euglena eine
Pflanzenfaser beobachtet haben; in neuester Zeit trat Kent (182) mit der
Angabe auf, dass sich Euglena viridis mit Karmin füttern lasse und
der sogen. Mund der Euglenen thatsächlich zur Aufnahme fester Nahrungs-
stoffe diene, wogegen Stein demselben nur die Aufsaugung flüssiger Nah-
rung zuschrieb. Die vielen andern Beobachter, welche sich mit Euglenen
beschäftigten , konnten nie etwas von der Aufnahme geformter Nah-
rung wahrnehmen, weshalb die vereinzelt stehenden Angaben Perty's
und Kent's wenig Vertrauen verdienen.
Wie schon früher augedeutet wurde, scheint sogar die von Stein den
sogen, Mundeinrichtungen der Eugleninen und Chloropeltinen zugeschriebne
Aufnahme flüssiger Nahrung sehr zweifelhaft und dies gilt in gleicher
Weise für zahlreiche Coelomonadinen, Menoidinen und Astasiinen. Wahr-
scheinlich hat sich bei diesen theils holo- theils saprophytisch lebenden
Formen Mund und Schlund nur als Ausleitungsapparat des Systems der
contractilen Vacuolen erhalten, dagegen jede Beziehung zur Nahrungs-
aufnahme verloren. Die von der holo- resp. saprophytischen Ernährungs-
weise bedingte Aufsaugung flüssiger Nahrung dürfte wie bei vielen anderen
Flagellaten auch hier durch die gesammte Oberfläche geschehen.
Einige Zweifel herrschen auch noch bezüglich der Ernährungsweise
der gefärbten Cryptomonas, bei welcher Künstler (190) in dem von
ihm beschriebenen complicirten Darmapparat Nahrung (Bacterien) beob-
I
Ernährungsverhiiltnisse. 867
achtet haben will. Hinsichtlich dieser Form ist ein Zweifel leicht erklär-
lich, da dieselbe ähnlich wie die farblose Chilomonas mit einem ansehn-
lichen Mund und Schlund versehen ist. Ich halte jedoch die Nahrungs-
aufnahme der Cryptomonas für um so zweifelhafter, da die nächstver-
wandte Chilomonas Paramaecium sicher keine Nahrung aufnimmt, son-
dern echt saprophytisch lebt. Zwar gibt Kent (182) an, dass seine
Chilomonas Amygdalum Vibrionen und kleine Monaden fresse, jedoch
ist die Stellung dieser Form bei Chilomonas ziemlich zweifelhaft.
Wir erkennen hieraus, dass nur der einzige Fall der Chromulina
flavicans die Vereinigung der animalischen und holophytischen Ernährungs-
weise sicher darbietet.
Die rein saprophytische Ernährungsweise erfordert besondre Lebens-
bedingungen, d. h. eine an aufgelösten organischen Substanzen reiche
Wohnstätte, wie sie am besten von Infusionen dargeboten wird. Dies
schliesst nicht aus, dass derartige Formen auch in natürlichen Gewässern,
die nicht gerade die Bezeichnung Infusionen verdienen, gelegentlich ge-
troffen werden, denn auch hier werden sie in der Nähe faulender
und zerfallender Organismen die Bedingungen ihrer Ernährung finden.
Doch treten solche Formen erst dann in grösserer Menge auf, wenn
durch natürliche oder künstlich erzeugte Vorgänge die Wohnstätte
mehr den Charakter einer wirklichen Infusion annimmt. Rein sapro-
phytische Formen nun scheinen häufig aus solchen mit holophytischer
Ernährungsweise hervorgegangen zu sein, worauf ihre nahen verwandt-
schaftlichen Beziehungen zu denselben hinweisen. Dies zeigen Polytoma
und Chilomonas in ihren Beziehungen zu Chlamydomouas und Crypto-
monas und die farblosen Varietäten gefärbter Formen aus der Gruppe
der Euglenoidinen, auf die wir schon früher hinwiesen. Auch unter den
Menoidinen und Astasiinen finden sich wahrscheinlich zahlreich solche
Saprophyten. Dieselbe Art der Ernährung mag sich denn auch nicht selten
bei parasitischen Flagellaten finden, denn für nicht wenige derselben
blieb die Aufnahme fester Nahrung zweifelhaft oder ist unwahrscheinlich
(doch sind die Untersuchungen hier noch wenig ausreichend).
Zu den echt animalischen Formen gehören natürlich nur farblose
Flagellaten und zwar wohl sicher die grosse Mehrzahl der Monadinen,
dagegen relativ wenige Isomastigoden , darunter sicher die Amphi- und
Spongomonadinen und weiter die Trepomonadina und die Tetramitina
z. Th. oder gänzlich. Unter den irregulären Formen ist nur die marine
Oxyrrhis hieherzurechnen.
Unter den Euglenoidinen sind sicher animalisch die Peranemina,
Petalomonadina und ein Theil der Astasiina; für zahlreiche farblose Eu-
glenoidinen ist jedoch die Ernährungsweise noch zweifelhaft. Bei den
Heteromastigoda ist die animalische Lebensweise wenigstens für
Bodo und die Anisonemina sicher erwiesen. Von den hier aufgezählten
animalischen Formen sind die kleineren gewöhnlich sehr ausgesprochene
55*
868 Flagellata.
Infiisionsbewobner, wiewohl auch die grösseren in Infusionen gedeihen.
Die ersteren Formen ernähren sich dann auch vorzugsweise von den in
den Infusionen nie fehlenden Schizoniyceten. Micrococcen, ßacterien,
Vibrionen etc. bilden, soweit erwiesen, ihre Hauptnahrung, wozu sich je-
doch auch noch mancherlei organische Körper gesellen, wenn sie nur die
Kleinheit besitzen, um von den minimalen Wesen bewältigt zu werden.
So frisst ein Bodo (angustatus) hauptsächlich gern Stärkemehl; auch
parasitische Formen nehmen dies zuweilen auf (Hexamitus intlatus).
Manche Formen fressen den Inhalt von Algenzellen (Spirogyra, Oedo-
gonium, Diatomeen) aus, so Bodo globosus St., die sog. Pseudospora
parasitica und Nitellarum Cienkowsky's; die Pseudospora Volvocis dagegen
Volvoxzellen. Grössere Formen vermögen auch grössere Nahrungs-
körper zu bewältigen, so hauptsächlich kleinere Flagellaten anderer oder
sogar zuweilen derselben Art, Coufervenbruchstücke, Diatomeen,
Schwärmsporen von Algen und wohl überhaupt die verschiedenartigsten
kleinen Bewohner der Gewässer.
Wir reihen hier gleich noch einige Bemerkungen über die Ver-
breitung der Flagellaten an den verschiedenen Wohnorten an. Die
Hauptmenge der früher aufgezählten 190— 200 Arten tindet sich mit etwa
155 — 165 im süssen Wasser der verschiedensten Form, etwa 16 Arten
sind seither marin gefunden worden und ca. 20 — 21 als Parasiten in
den mannigfaltigsten AVirthen aus dem Thierreich. Ausschliesslich
marin beobachtet wurden bis jetzt nur 4 Gattungen *), sowohl in süssem
Wasser wie im Meer dagegen 8 — 9. Jedenfalls geht aus dieser Zu-
sammenstellung hervor, dass die marine Fauna bis jetzt überhaupt nur
wenig Beachtung gefunden hat. Verschiedenartige Mittheilungen der
neueren Zeit deuten darauf hin , dass auch die parasitischen Flagel-
laten an Zahl wie Verbreitung bedeutend reicher sind, als seither ver-
muthet wurde, ßein parasitisch leben 7 Gattungen, doch sind darunter
noch einige ziemlich unsicher; freilebend und parasitisch gefunden
wurden dagegen 2 — 3 Gattungen. Zweifelhaft erscheint bis jetzt noch,
ob ein und dieselbe Art gelegentlich parasitisch und freilebend existiren
kann, was bei unseren Wesen nicht ganz unwahrscheinlich ist. Die
Verbreitung der Parasiten erstreckt sich über die Wirbelthiere, wo sie
in sämmtlichen Unterabtheilungen getroffen wurden, die Arthropoden
(namentlich Insecten , weiter Myriopoden), einige Mollusken und einen
Nematoden, doch hängt dies wohl wesentlich damit zusammen, dass sich
die Aufmerksamkeit bis jetzt vorzugsweise auf diese AVirthe gerichtet hat.
Den Hauptsitz parasitischer Flagellaten bildet der Darmkanal in seineu
verschiedenen Abschnitten, doch treten dieselben gelegentlich auch noch
anderweitig auf, so im Blut (Trypanosoma und Herpetomonas), in dem
Schleim der menschlichen Scheide (Trichomonas), den Beceptacula seminis
*■•) Hierzu kilmcu jedoch noch die drei auf p. 845 erwähnten von Cienlowsky besrlirii'-
benen üattungcu, libur die ich nicht urtheilen liann.
WnlmorlsviTlKiltnissu. 869
gewisser Helicinen (Leidy, 56a, T. V.), sowie in den llarnweg-en, da
im Urin des Menschen gelegentlich Flagellaten beobachtet wurden (Hassal,
the Lancet 1859 und Künstler*) 1883). Auch in der Mundhöhle wurden
gelegentlich fiagellatenartige Organismen beobachtet. Aus einer Unter-
suchung Kannenberg's**) geht weiter hervor, dass kleine Flagellaten
zuweilen im menschlichen Sputum bei Lungengangrän zu finden sind
und die Beobachtungen machen es sehr wahrscheinlich, dass die
monadenartigen Wesen schon in dem fauligen Secret der Lunge
selbst leben. Auch in abgeschlossenen Räumen fanden sich gelegentlich
Flagellaten , so gehört hieher der von Lambl mitgetheilte Fall massen-
hafter Flagellaten (wahrscheinlich Cercomonas) in der äusseren Cysten-
fiüssigkeit um einen Echinococcus der Leber eines Menschen. Da jedoch
diese Cj^ste sehr wahrscheinlich aus einem Gallengang entstanden
war, so erklärt sich das Eindringen von Flagellaten an diesen Ort
unschwer.
Eine und dieselbe Gattung der Parasiten bewohnt häutig recht ver-
schiedene Orte nnd sehr verschiedenartige Wirfhe; als Beispiel möge
Trypanosoma dienen, welche nicht nur im Blut zahlreicher Wirbelthiere,
sondern auch im Darm gewisser Vögel und Mollusken (Ostrea) ge-
limden wird.
Einige, vielleicht zahlreiche gefärbte Formen des süssen Wassers
besitzen die Fähigkeit, auch auf feuchter Unterlage und in feuchter
Atmosphäre zu vegetiren ; natürlich gehen sie hierbei in den Ruhe-
zustand über. So gelingt nach Klebs (206) die Kultur zahl-
reicher Eugleneu und Chlamydomonadinen auf feuchtem Torf sehr gut
und schon A. Braun (70) berichtete Aehnliches für Haematococcus
lacustris. Letzterwähnte Form verdient unser besonderes Interesse , da
sie oder doch eine ganz nahe Verwandte auch im Schnee der Hoch-
gebirge und der Folargegenden gedeiht und hier die Erscheinung des
rothen Schnees hervorruft. Es sind natürlich wie in jenen Kulturen in
feuchter Atmosphäre die vegetirenden Ruhezustände, welche sich vor-
zugsweise im Schnee finden, w^ogegen die beweglichen Formen nur
dann auftreten , wenn eine Wasseransammlung ihre Ausbildung möglich
macht. Neuere Erfahrungen von Rostafinski (187) ergaben, dass der
eigentliche Haematococcus lacustris (s. nivalis) in der Tatra hauptsäch-
lich auf den Eisgraupen entstehender Gletscher lebt, und dass sich
gleichzeitig noch eine wahrscheinlich zu Chlamydomonas (flavovirens)
*) Commimication k la sociote (rAnatomie et de Physiologie de Bordeaux 27. Nov. 1883.
**) Kannenberg- (Arch. f. patliol. Anatomie, 75, 1879) beobachtete zwei verschiedene
Formen, deren Natur auf Grund der Befunde bis jetzt nicht sicher zu stellen ist. Die eine
erscheint etwa wie eine kleine Oikomonas, die zweite hat merkwürdiger Weise eine gewisse
Aehnlichkeit mit Chilomonas. Natürlich lässt sich, wie bei noch manchen anderen der un-
genau bekannten parasitischen Flagellaten zur Zeit nicht einmal bestimmt sagen, ob dieselben
nicht gar in den Entwicklungskreis verwandter Gruppen gehören.
870 * B'lagellata.
gehörige Form auf deui Schnee der Tatra findet, welche demselben bei
reichlicher Entwickelung eine grünlichgelbe Farbe verleiht*).
Wir schliessen an diese Bemerkungen über den rothen Schnee gleich
einige Worte über die von Flagellaten häufig hervorgerufenen Färbungen
der Gewässer an. Grüne Färbungen können natürlich durch reichliche
Entwicklung sehr verschiedenartiger Formen hervorgerufen werden, be-
sonders häufig sind es jedoch Euglena viridis und Chlamydomonasformen,
welche dies bewirken; gelbliche bis bräunliche Färbungen verdanken
gleichfalls häufig Flagellaten ihre Entstehung und namentlich die rothe
oder blutartige Färbung hat die Aufmerksamkeit besonders erweckt.
Dieselbe beruht in grösseren Wasseransammlungen (Teichen etc.) gewöhn-
lich auf massenhafter Entwicklung der Euglena sanguinea, in kleineren
Pfützen , Lachen etc. dagegen meist auf der Entwicklung des Haemato-
"toccus lacustris.
Da nun letztere Form oder eine sehr ähnliche auch im Salz-
wasser, und zwar recht concentrirter Soole, wie sie sich bei der Salz-
gewinnung an den Küsten des Mittelmeers in den Bassins bildet,
oft in grosser Menge vorkommt, so nimmt auch diese Soole manchmal
eine rothe Farbe an, ja diese theilt sich durch Einschluss zahlreicher
Haematococcen zuweilen dem gewonnenen Salz mit (Dunal, Joly, 33 — 34).
Diese Erfahrungen machen es dann auch nicht unwahrscheinlich, dass
gelegentlich beobachtete Rothfärbungen des Meeres auf der massenhaften
Entwicklung eines Haematococcus beruhen. So wurde im Jahre 1845
eine solche Färbung des Seewassers an der portugiesischen Küste weit
verbreitet beobachtet und Montagne entdeckte als Ursache derselben einen
dem Haematococcus nivalis sehr ähnlichen Organismus, welchen er Proto-
coccus atlanticus nannte (s. bei Dareste Ann. sc. nat. 4. Zool. T. 3, 1855).
D. Absonderung riechender Stoffe.
Eigenthümlicher Weise besitzen gewisse gefärbte Flagellaten einen
specifischen Geruch, der deutlich hervortritt, wenn sie ein Wasser in
grossen Mengen erfüllen. Schon Ehrenberg machte darauf aufmerksam,
dass Chlamydomonas pulvisculus und Chlorogonium einen spermatischen
Geruch besitzen und spätere Beobachter bestätigten dies. Die einst von
Cohn (1850) ausgesprochene Vermuthung, dass diese Erscheinung von Ozon
herrühre, konnten, wie derselbe Beobachter später mittheilte (1856),
genauere Untersuchungen von Löwig nicht bestätigen. Die mit den
erwähnten nahe verwandte Haematococcus -Form, welche, wie früher
gezeigt wurde, die Salzbassins der Mittelmeerküste häufig röthet, gibt
dem Salzwasser gleichfalls einen besonderen Geruch, welcher jedoch
*) Dieser Chlaüiydomonas flavovirens, oder doch eine sehr nahe verwandte Form, wurde
neuerdings während der Nordenslijöld'schen Expedition auch im Schnee Grönlands beobachte^
(s. Om Snöns och Isens Flora etc. von V. B. Wittrock). Nach Eeferat im Bot. Centralblatt
14. 1883.
Geographisclie Verbreitung,
871
nach Dunal und Joly deiUlicü veilcbenartig ist und sieb auch dem aus
solchen Bassins gewonnenen Salze mittheilt. Ich selbst fand in jüngster
Zeit, dass ein von zahllosen Euglena sanguinea tief roth gefärbtes Wasser
einen recht ausgesprochenen Fischgeruch besass. Da die Euglcnen schon
abgestorben waren, ist es nicht unmöglich, dass dieser Geruch erst
bei ihrer allmählichen Zersetzung entstand, jedoch war er durchaus
nicht faulig.
E. Geog-rapliische Yerbreituiig.
Eine geographische Lokalisation dürfte den Süsswasserfiagellaten
ebensowenig zukommen , wie den früher besprochenen Süsswasser-
protozoen. Obgleich sich unser Urtheil rücksichtlich dieser Ordnung nur
auf wenige thatsächliche Erfahrungen stützen kann, so scheinen diese
doch genügend, um dasselbe zu begründen, wenn wir die Resultate aut
den verwandten Gebieten berücksichtigen.
Von den ca. 110 Gattungen wurden bis jetzt 29 auch ausserhalb
Europas beobachtet und zwar, soweit sich feststellen lässt, fast durch-
gängig in mit den europäischen identischen Arten. Zum Beleg der
weiten uud daher wohl allgemeinen Verbreitung zahlreicher Gattungen
Europa
Nord - Afrika
(Aegypteii)
Nord - Amerika
Süd - Asien
(Bombay)
Mastigamoeba .
Oikomonas . , .
Codonoeca . .
Bicosoeca . .
AnthoiJhysa
Dinobryon . .
Rhipidodendron
Synura . . .
Chlamydomonas
Chlorogonium .
Haematococcus
Carteria . . .
Spoiidylomorum
Pliacotus . .
Goiiium . . .
Eudorina . .
Volvox . . .
Paadoiina . .
CoIIodictyon
Ciyptomonas .
Euglena . . .
Trachclomonas
Lepocinclis . .
Pliacus . . .
Peranema . .
Astasia . . .
Bodo . . . .
Anisonema . .
872 Flagellata.
diene die vorstehende tabellarische Uebersicht, deren Unvollständigkeit
allein auf der Mangelhaftigkeit der Untersuchungen beruht und durchaus
nicht etwa den Schluss gestattet, dass andere Gattungen nicht eine ähn-
lich weite Verbreitung besässen.*)
Auch die vertikale Verbreitung der Süsswasserflagellateu dürfte keine
bestimmten Differenzen zeigen, doch liegen hier die Erfahrungen noch
spärlicher vor , wie rücksichtlich der horizontalen Ausbreitung. Dass
gewisse Formen sehr hoch in den Gebirgen emporsteigen , ist bekannt,
so geht nach Perty die Euglena viridis in den Alpen bis zu 9000' hoch,
und wir wissen ja, dass selbst die Schneeregion manchen Formen keine
Grenze setzt, und dass es sehr fraglich ist, ob der gewöhnliche Haema-
tococcus lacustris der Ebene von dem jener hohen Regionen ver-
schieden ist.
F. Parasiten der Flagellaten.
Es ist keineswegs selten, dass die Flagellaten trotz ihrer Kleinheit
gewissen Parasiten zum Opfer fallen und die hierdurch bewirkten Ver-
hältnisse gaben sogar, wie es bei den Protozoen so häufig geschah,
zur Aufstellung irriger Anschauungen über ihre Fortpflanzung Veran-
lassung. Natürlich werden es gewöhnlich selbst wieder kleinste, mikro-
skopische Schmarotzer sein, welche sich den Flagellaten aufdrängen, nur
in gewissen kolouiebildenden Formen können auch etwas grössere
thierische Schmarotzer ihre Wohnstätte suchen. So ist seit Ehrenberg
bekannt, dass in die Volvoxkugeln gelegentlich zwei Räderthierarten der
Gattung Notommata eindringen und sich von dem Volvox ernähren,
sowie ihre Eier in demselben ablegen.
Wir haben schon früher erfahren, dass die sogen. Pseudospora Vol-
vocis gewissermassen als Parasit in Volvox eindringt und sich von ihm
nährt; das Gleiche thut nach Stein (Iß?) auch die früher beschriebene
Vampyrella, welche ebenfalls grosse Verwüstungen in den Volvoxkugeln
hervorrufen kann und auch in denselben zur Fortpflanzung schreitet.
Am häufigsten suchen jedoch die sog. Chytridieen unsere Flagellaten
heim und diese sind es auch, welche durch ihren Parisitismus die er-
wähnten Irrthümer über| die Fortpflanzung der Flagellaten erzeugten.
Dieselben heften sich theils als äussere Schmarotzer an die frei-
schwimmenden oder ruhenden Flagellaten fest, beziehen jedoch entschieden
ihre Nahrung aus denselben, theils dringen sie mit besonderen Aus-
wüchsen ihres Körpers in den Flagellatenleib selbst ein, oder treten
endlich auch als völlig endoparasitische Schmarotzer auf, welche dem
Plasma der Flagellatenzelle eingelagert sind.
Während nun die zu den beiden ersterwähnten Kategorien gehörigen
Schmarotzer in jeder Hinsicht echte Chytridieen darstellen, sind die
Endoparasiten rücksichtlich ihrer systematischen Stellung noch ein wenig
*) In dieser üebersicht sind die i)arasitischen Gattungen nicht •beTücksichtigt.
Parasiten (Polypliagus Eugleiiac). 873
UDsicher, obgleich kein Zweifel bestehen kann, dass sie thatsäcblich ein-
gedrungene Schmarotzer sind. Immerhin deutet das, was wir von ihrer
Lebensgeschichte bis jetzt wissen, mit ziemlicher Bestimmtheit darauf
hin, dass sie ihre nächsten Verwandten unter den einfacheren Chytridien
finden. Wie aber im systematischen Abschnitt zu zeigen versucht wurde,
schliessen sich die Chytridien ziemlich nahe an die einfacheren Flagellaten
an und daher ist es wohl erklärlich , dass uns unter jenen Flagellaten-
parasiten auch Wesen begegnen können, bei welchen die Charactere der
eigentlichen Chj^tridieen noch nicht scharf ausgeprägt sind , die viel-
mehr in mancher Hinsicht an die niederen Flagellaten und Sarko-
dinen erinnern.
Werfen wir zunächst einen Blick auf die eigentlichen ectoparasitischen
Chytridien der Flagellaten. Der Begründer der Gattung Chytridium
und der Chytridiengruppe überhaupt, A.Braun*), beobachtete auch schon,
dass einige Arten derselben Flagellaten angreifen, sich häufig auf
Chlamydomonas und Haematococcus festsetzen und dieselben schliesslich
zu Grunde richten. Man bemerkt dann auf dem Körper dieser Fla-
gellaten ein bis mehrere helle bläschenförmige Gebilde von spindelförmiger
bis kugliger oder auch bauchig flaschenförmiger Gestalt, Schon früher
hatte Vogt (48) bei seiner Untersuchung des Haematococcus des rothen
Schnees diese Parasiten beobachtet, jedoch unrichtiger Weise auf eine
Fortpflanzung durch Sprossung bezogen. Auch Perty (76) beobachtete
sie wahrscheinlich auf einer Carteria und deutete sie ebenso.
Gestützt auf Untersuchungen von v. Siebold und Meissner wies
A. Braun ferner schon 1855 nach, dass auch die Ruhezustände der
Euglenen häufig einem hiehergehörigen Schmarotzer zum Opfer fallen
und zeigte gleichzeitig, dass es diese Parasiten waren, welche s. Z.
Gros**) zu so merkwürdigen und irrthümlichen Ansichten über die Um-
wandlung der Euglenen in Monaden etc. verleiteten. Auch Th. Bail***)
untersuchte um die gleiche Zeit dieses Chytridium und 2 Jahre später
verfolgte es A, Schenk, f) Die genaueste Darstellung seiner Lebens-
geschichte etc. gab jedoch 1877 L. Nowakowski.ff) Der Parasit,
welchen Nowakowski als Polyphagus Euglenae bezeichnet, gehört zu der
zweiten Kategorie unserer Schmarotzer, d. h. zu denen, welche nicht
eigentlich endoparasitisch in die Euglenen eindringen, jedoch wurzelartig
verästelte und meist sehr fein auslaufende Fortsätze, sogen. Haustorien,
treiben, welche in die ruhenden Euglenen eindringen, ja dieselben sogar
zuweilen durchwachsen und aussaugen. In dieser Weise überfällt ein
solcher Polyphagus mit seinen zahlreichen verzweigten Haustorien häufig
gleichzeitig eine ganze Menge encystirter Euglenen und tödtet sie.
*) Abbandlungen der Berliner Akademie aus d. J. 1855, p. 21.
**) Bullet. SOG. imp. de naturalistes de Moscou. 1851.
***) Botanische Zeitung 1855.
t) Verhandl. d. physikal-medicin. Gesellscli. zu Würzburg,Bd. VITI. 1857.
tt) Cohn's Beiträge zur Biologie der Pflanzen, Bd. II.
874 Flagellata.
Schliesslich schreitet der Schmarotzer zur Vermehrung, indem sich sein
gesammtes Plasma im Centralkörper zusammenzieht und endlich an einer
Stelle desselben in Form eines Schlauches hervorvvächsl (sog. Zoospo-
rangium). Der Plasmainhalt des Schlauches zerfällt dann simultan in
eine grosse Menge kleiner Zoosporen, von welchen jede eine hin-
tere Geissei erhält und einen ansehnlichen gelblichen Oeltropfen ein-
-schliesst. Die Zoosporen treten endlich aus der Spitze des schlauchför-
migen Zoosporangiums aus. Nach kurzer Schwärmzeit setzen sie sich
nieder, verlieren die Geissei und treiben Haustorien, welche in neue
Euglenen eindringen. Weiterhin gelang es Nowakowski zu zeigen , dass
Polyphagus - Individuen etwas verschiedener Bauweise gelegentlich copu-
liren, indem ihr Plasma zusammenfliesst und sich zu einer doppelbeschalten
Dauerzygote umgestaltet. Nach einer längeren Ruhe geht auch diese
Dauerz3'gote zur Vermehrung über, indem sie in schon geschilderter
Weise ein schlauchförmiges Zoosporangium treibt, dessen Plasma in
Zoosporen zerfällt.
Dies sind die wesentlichen Grundzüge der Lebensgeschichte des
interessanten Schmarotzers, dem sich jedoch nach den Erfahrungen
Strasburger's (170) ein ähnlicher zugesellt (Chytridium vorax Strasb.),
welcher in ganz entsprechender Weise die Dauerzustände von Haemato-
coccus und Cryptomonas überfällt und sich wesentlich nur dadurch von
Polyphagus unterscheidet, dass er bei der Vermehrung kein besonderes
Zoosporangium treibt, sondern das kuglig zusammengezogene Plasma ein-
fach in Zoosporen zerfällt.
Die dritte Kategorie hiehergehöriger Schmarotzer lebt, wie bemerkt,
endoparasitisch in sehr verschiedenen Flagellaten und gab Stein , der sie
bis jetzt fast ausschliesslich beobachtete, Veranlassung zur Aufstellung
einer jedenfalls ganz irrthümlichen Ansicht über die geschlechtliche Fort-
pflanzung der Flagellaten. Im Innern gewisser Formen nämlich (Antho-
physa, Chlamydomonas, Phacotus, Cryptomonas, Euglena, Phacus, Trachelo-
monas, Atractonema, Tropidoscyphus, Anisonema und Entosiphon) fand
Stein häufig ein oder mehrere kuglige bis ovale, mehr oder weniger an-
sehnliche Plasmakörper. Es ist wahrscheinlich, wiewohl aus den Figuren
nicht ganz sicher zu entnehmen, dass diese Körper, die sog. Keim-
kugeln Stein's, eine zarte Membraji besitzen. Gewöhnlich enthalten sie
ein centrales bläschenförmiges Gebilde, wahrscheinlich eine Vacuole, in
welcher sich häufig ein bis mehrere dunkle Körperchen vorfinden*). Das
Plasma dieser sog. Keimkugeln nun zerfällt schliesslich, wenn dieselben
bis zu einer gewissen Grösse herangewachsen sind, in eine Anzahl kleiner
Schwärmer oder Zoosporen, die sich, soweit bekannt, dadurch befreien,
dass der Fiagellatenkörper unter dem Druck der Keimkugeln auf-
platzt. Die Bildung der Schwärmer scheint bei den Parasiten der ver-
*) Eine solche Vacuole findet sich auch iu echten Chytridien zuweilen. Ich halte sie
für ein Excretionsi)roduct.
Parasiten (sog. Keimkugeln Stein"« luul seine Tiieorie der gesclilechtl. Fortpfl.)- 875
schiedeiien genannten Flagellaten etwas verschieden zu ^el•Iaufen. Stets
scheint das Keimkugelplasma vollständig in Schwärmer zu zerfallen, da-
gegen bleibt das Centralbläschen dabei deutlich intact erhalten, es nimmt
an der Schwärmerbildung gar keinen Antheil. Der Zerfall des Plasmas
geschieht sicherlich simultan und zwar entweder, indem der Körper
des Parasiten in zahlreiche radiär zu dem Centralbläschen geordnete
Stücke, oder indem er zuerst in einige grössere polygonale Portionen
zerfällt, welche sich hierauf erst in eine grössere Zahl kleinster
Zellen theilen. Die letzterwähnte Art der Sprösslingsbildung erinnert
an die entsprechenden Vorgänge bei Synchytrium , wie sie de Bary
schilderte.
Der Bau der 'reifen, künstlich oder natürlich entleerten Zoosporen ist
etwas verschieden; bei den Parasiten des Chlamydomonas haben sie eine
etwa ovale Gestalt und zwei Geissein; die des Parasiten der Euglena
viridis dagegen besitzen etwa die Gestalt einer sehr kleinen Cercomonade,
das eine Ende des ziemlich lang spindelförmigen Körpers trägt eine
Geissei, das andere Ende ist in einen ziemlich ansehnlichen Schwanz-
fortsatz verlängert. Wie schon bemerkt, deutet Stein diese Zoosporen als
Embryonen, welche in einer besonderen geschlechtlichen Generation der
Flagellaten entstünden. Der Erzeugung der Embryonen soll stets eine
Copulation zweier Individuen der geschlechtlichen Generation vorausgehen.
Die sog. Keimsäcke sollen aus den bei der Copulation verschmelzenden
Nuclei durch Auswachsen, resp. unter Umständen nach einem vorherigen
Zerfall der verschmolzenen Nuclei zu mehreren Keimsackanlagen, ent-
stehen. Wie wir schon früher darzulegen Gelegenheit hatten, sind jedoch
die von Stein bei Chlamydomonas und Euglena beschriebenen und mit
der Embryonenbildung in Zusammenhang gebrachten Copulationszustände
keine solchen, sondern bei Chlamydomonas Zwillingsbildungen, bei
Euglena dagegen Längstheilungsstadien. Für letztere Gattung wies dies
Klebs speciell nach, welcher auch feststellte, dass die Keimsäcke nicht
aus dem Kern hervorgehen können, da derselbe auch bei den mit Keim-
säcken inficirten Euglenen noch deutlich vorhanden ist. Klebs konnte weiter
feststellen, dass die mit den Parasiten behafteten Euglenen in ihrem
Wohlbefinden wesentlich beeinfiusst sind. Ihre Chlorophyllkörner gehen
allmählich zu Grunde, so dass sie schliesslich ganz farblos werden;
Stein hat solche farblos gewordenen Individuen der Euglena acus
sogar als besondere Geschlechtsgeneration betrachtet. Auch die Par-
amylonkörper verschwinden allmählich und ölartige rothe Tröpfchen
treten auf, doch bleibt die Euglene beweglich bis sie schliesslich zerplatzt
und die Schwärmer des Parasiten frei werden. Auf diese Erfahrungen
gestützt, erwies denn Klebs für die Euglenen die Irrigkeit der Stein 'sehen
Embryonenlehre; auch Askenasy*) hatte bei Gelegenheit einer Besprechung
des Stein'schen Buches schon' die wohlbegründete Vermuthung ausge-
•*) Bot. Jahresbericlit 1878. p. 478.
876 Flagellata.
Sprüchen, dass die von Stein vorgetragene Lehre der geschlechtlichen
Fortpflanzung der Flagellaten auf parasitischen Erscheinungen beruhe.
Der erste Beobachter solcher Keimsäcke oder parasitischer Chytridieen
in Euglena scheint Carter (99) gewesen zu sein, auch wollte derselbe
schon wie Stein den Keinisack aus dem Nucleus hervorgehen lassen.
Sehr wahrscheinlich ist ferner, dass auch die von Weisse (87) in
encystirten Euglenen beobachtete Bildung zahlreicher monadenförmiger
Keime von ähnlichen Parasiten hervorgerufen wurde. Diese Deutung ist
um so wahrscheinlicher, als Stein die Weisse'sche Beobachtung auf die
von ihm geschilderte Embryonenbildung bezieht. Kent acceptirt die
Stein'sche Lehre ohne weitere Bemerkung und Avill seinerseits gelegent-
lich in beweglichen Euglena viridis einen Zerfall des Plasmas zu einer
grösseren Anzahl Keime beobachtet haben, einen Vorgang, welchen
er mit der Theilung von Polytoma vergleicht. Die frei gewordenen
Keime sollen spindelförmig, sowie mit einem Augenfleck und einer
Geissei versehen gewesen sein. Es kann wohl ohne Bedenken ange-
nommen werden , dass auch diese vermeintlichen Keime parasitische
Wesen waren.
Aus der im Vorstehenden versuchten Schilderung unserer augenblick-
lichen Erfahrungen über jene einzelligen endogenen Schmarotzer der
Flagellaten ergibt sich, dass dieselben gewiss den Chytridieen am
nächsten verwandt sind, wiewohl es vielleicht noch nicht erlaubt ist, sie
diesen direct einzureihen.
II. Unterabtheilung (Ordnung) Clioanoflagellata S. Kent.
(= Craspedomonadina Stein = Cylico mastig es ßütschli.)
1. lebersicht der liistoristheii Entwickliin«- unserer Kenntnisse der
Choanoflagellata.
Die erste sichere Nachricht über ein zu unserer Abtheihuig gehöriges
Wesen verdanken wir Ehreuberg, welcher im Jahre 1838 (32), die kolonie-
bildende Codosiga Botrytis autfand, jedoch ihre wahre Natur verkannte
und sie zu der Vorticellinen - Gattung Epistylis verwies.
Zwar waren sicher schon vor Ehreuberg hiehergehörige Formen gelegentlich heobaclitet
worden. So durften wohl die sog. Squamulae pellucidae, welche 0. F. Müller (12) auf
den Stielen verschiedener Vorticellinen und Bacillariaceen fand, hiehergehören. Müller
scheint in diesen Squamulae eine Art Knospen der besagten Vorticellinen erblickt zu haben
und beruft sich bei dieser Deutung auch auf eine Beobachtung von Trembley*) über die
Fortpflanzung gewisser Vorticellen durch sich ablösende Brutknospen , doch beziehen sich die
Beobachtungen des Letzteren keineswegs auf den Squamulae pellucidae Müllcr's entsprechende
Gebilde**). Auch die von Bory de Vincent***) 1824 kurz beschriebene Form Anthophysis
solitaria wurde mehrfach auf die schon erwähnte Codosiga Botrytis zurückzuführen versuclit,
(loch olme genügende Sicherheit.
Aehnlich wie Ehrenberg beurtheilte noch Stein in den Jahren
1849 t) und 1854 (92) gewisse von ihm studirte und abgebildete Choano-
fiagellaten, die wie Kent (191) hervorhob, wohl z. Th. ebenfalls dem
Geschlecht Codosiga angehören. Stein deutete sie als wahrscheinliche
Jugendformen gewisser Vorticellinen (Epistylis und Zoothamnium). Auch
die Epistylis Botrytis Ehrenberg's rechnete er 1849 als Jugendform zu
Epistylis. Dagegen hatte Alex. Braun 1855 ft) zuerst eine beschalte
*) Philosophical Trausact. roy. soc. London, T. 44, P. IL 174T, p. 644 ff.
**) Irrthümlich ist, soweit ich finden kann, die Angabe 0. F. Müllcr's, dass schon Leeuweu-
hoek eine solche Knospenforipflanzung der Vorticellen beschrieben habe; die betreffende Be-
merkung L.'s in dem 96. Brief der Arcana naturae bezieht sich nicht hierauf, sondern
beschreibt die Losung der Yorticellenindividuen einer Kolonie von ihren Stielen.
***) Encyclop. m6th. Hist, nat. des Zoophytes 1824, p. üT.
t) Archiv für Naturgeschichte 1849, Bd. I. p. 12G— 127, T. II ff. 36 und \il.
ff) Ueber die Gattung Ghytridium Abhandlungen der Berliner Akademie u. d. J. 1855.
878 Ghoanoflagellata.
Choanoflagellate der Gattung Salpingoeca beobachtet, jedoch als ein
Chytridium gedeutet, mit welcher Gattung er sich damals gerade be-
schäftigte.
Viel besser schilderte Fresenius im Jahre 1858 (111) die Codosiga
Botrytis, welche er als Anthophysa solitaria (Bory) bezeichnete. Er
erkannte zuerst die einfache Geissei der Thiere deutlich und bezeichnete
den Kragen als einen „zarten, abgestutzten Anhang".
Erst im Jahre 1867 erhielten wir neue Nachrichten über diese
Wesen, jetzt aber gleich so vorzügliche und umfassende, dass deren Ver-
fasser, James -Clark, ohne Zweifel als der eigentliche Entdecker und
Begründer der Abtheilung bezeichnet werden muss. James-Clark (133)
studirte vier Choauoflagellaten so eingehend, dass er nicht nur sämmtliche
Organisationsbestandtheile richtig feststellte, sondern auch die Fortpflan-
zung durch Theilung bei einer derselben auf das Genaueste verfolgte.
Namentlich die Morphologie des für die Gruppe characteristischen
Kragens erörterte er gründlich und richtig.
Damit ist jedoch die hervorragende Bedeutung der Clark'schen Arbeit
nicht erschöpft, denn einer der bedeutsamsten Puncte, welche darin zum
ersten Mal festgestellt wurden, ist der Nachweis, dass sich bei den
Spongien Zellen finden, welche mit den Choauoflagellaten nahe überein-
stimmen. Diesen Fund machte James-Clark zunächst bei einem Kalk-
schwamm (der sogen. Leucosolenia botryoides Bowrbk.). Schon damals
bekannte er sich zu der Ansicht, dass die Spongien als Flagellaten-
kolonien aufzufassen seien, d. h. als Kolonien der Choauoflagellaten in
unserem Sinne. Dieselbe Ansicht suchte er 1871 (148) durch das
Studium eines Kieselschwammes (einer Spongilla) noch eingehender zu
begründen.
1868 beschrieb Tatem nochmals eine in die Nähe der Gattung Codosiga gehörige neue
Form als eine Epistylisart.
Einige wenige Angaben über hiehergehörige Formen finden wir weiter in der Arbeit
Greeff's über Vorticellen aus den Jahren 1870 und 1871*), sowie in dem Werk Fromentel's
über die Microzoün, jedoch hatten beide Beobachter keine richtigen Vorstellungen von dem
Bau unserer Organismen, so dass ihre Mittheilungen ohne tiefereu Werth sind.
Cienkowsky beschrieb im Jahre 1870 (143) einen neuen, sehr inter-
essanten, koloniebildenden Organismus, das Phalansterium consociatum,
welches eine wichtige Bereicherung unserer Gruppe bildete, wenn auch
sein Entdecker die Beziehungen zu den von James-Clark so genau
eharacterisirten Formen nicht erkannte.
Das durch James-Clark so vorzüglich inaugurirte Studium der Choauo-
flagellaten fand in England einen eifrigen Förderer in Saville Kent,
welcher auch die Ansichten seines Vorgängers über die nahen Be-
ziehungen der Spongien zu unserer Abtheilung völlig acceptirte und
durch eigene Untersuchungen fester zu begründen suchte. Seit dem
Jahre 1871 (147), in welchem Kent seine ersten kurzen Mittheilungen
*) Archiv für Naturgeschichte 1870 nnd 1871 (T. VII. %. 18 und 19).
Geschichte. 879
über einige Choanoflngellaten publicirte, widmete er ihrem Studium
besondere Aufmerksamkeit und veröffentlichte auch im Laufe der sieb-
ziger Jahre eine Anzahl seiner Beobachtungen; so im Jahre 1878 zwei
Arbeiten, von welchen sich die erste (172) gegen die Haeckel'sche
Auffassung der sog. „Physemarien'' wendet und deren Spongiennatur zu
erweisen sucht. Die zweite wichtigere Arbeit (178) dagegen sucht
nachzuweisen, dass die Spongien sich in allen ihren Beziehungen
als Kolonien von Choanoflagellaten betrachten lassen. Dabei stützt sich
der Verfasser auf eine ziemliche Reihe eigener Untersuchungen über den
Bau und die Fortpflanzung der Schwämme. Wir halten uns hier nicht
für berechtigt, ein Urtheil über die positiven Leistungen Kent's auf dem
Gebiet der Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Spongien zu
äussern, da die übrigen Bearbeiter der Schwämme seltsamer Weise die
Arbeit Kent's bis jetzt ganz unberücksichtigt gelassen haben.
Eine weitere Mittheilung über unseren Gegenstand, die ich jedoch
nicht Gelegenheit hatte zu sehen , veröffentlichte Kent noch im gleichen
Jahr (174). Eine vollständige Zusammenstellung fremder wie eigener
Erfahrungen über unsere Gruppe bot schliesslich sein schon erwähntes
umfangreiches Handbuch der Infusorien (191). Bau und Fortpflanzung,
sowie die allgemeine Forraenkenntniss der Choanoflagellata erfahren darin
in gleicher Weise eine sehr bedeutsame Bereicherung. Unter den
zahlreichen von Kent entdeckten neuen Formen finden sich eine Reihe
sehr interessanter und für die allgemeine Beurtheilung der Gruppe wich-
tiger, doch dürfte die Artsonderung im Allgemeinen wohl zu weit ge-
trieben sein.
Ohne hier Weiteres über das Kent'sche Werk zu berichten, dessen
Ergebnisse der speciellen Darstellung vorbehalten bleiben müssen, er-
innern wir nur nochmals an die schon bei Gelegenheit der Flagellaten
bemerkten Worte über die Beurtheilung der Kent'schen Leistungen.
Das Jahr 1878 bot jedoch noch vor dem Erscheinen der Kent'schen
Bearbeitung der Choanoflagellata auch zwei deutsche Leistungen auf
unserem Gebiet. Im Beginn desselben erschienen Bütschli's Beiträge
(180), welche zwar nur einen beschränkten Kreis von Formen behandelten,
jedoch als selbständige Bestätigung der bis dahin in Deutschland ziem-
lich unberücksichtigt gebliebenen Befunde Clark's immerhin einigen Werth
beanspruchen durften. Viel umfangreichere Studien über unsere Gruppe
konnte Stein in seinem Flagellatenwerk (176) mittheilen. Obgleich daher
unsere Gruppe verhältnissmässig erst seit kurzer Zeit wirklich be-
kannt wurde, ist -unser Wissen von derselben doch schon zu einem
ziemlich ausgedehnten herangewachsen. In jüngster Zeit ist den schon
hervorgehobenen Leistungen kaum etwas Bemerkenswerthes zugefügt
worden*).
*) Literatur schon bei Flag-ellata p. (i.")0 ff. aufgeführt. Die betreffenden Nummern
sind mit einem * bezeichnet.
880 Choanoflagellata.
2, Allgemeine Schilderiing der fhoanoflRoellata.
Schon bei früherer Gelegenheit wurde des charakteristischen Kenn-
zeichens der Gruppe , nämlich des die Geisseibasis umgebenden proto-
plasmatischen Kragens mehrfach gedacht. In allen sonstigen Verhältnissen
des Baues, der Fortpflanzung und der Lebensweise schliessen sich die
Choanoflagellaten den früher besprochenen eigentlichen Flagellaten so
innig an, dass es gerechtfertigt sein wird, wenn wir uns bei ihrer
Schilderung möglichst kurz fassen und hauptsächlich die Differenzen
betonen. Wie die gesammte Gruppe nur einen geringen Umfang besitzt,
ist auch die Manichfaltigkeit der organisatorischen Entfaltung innerhalb
derselben nicht gross und wird vorzüglich durch Gehäuse- und Kolonie-
bildungen bedingt, wogegen der eigentliche Thierkörper ein recht ein-
förmiges Gepräge darbietet. Es scheint daher auch die Aufstellung
von Untergruppen fast unnöthig; dennoch möge gleich hier betont werden,
dass sich, so weit unsere Kenntnisse zur Zeit reichen, zwei Abtheflungen
formiren lassen, von welchen sich die der Phalansterinen durch
rudimentäre Entwicklung des Kragens von der zweiten, den Cräspedo-
m 0 n a d i n e n unterscheidet , in welch' letztrer Abtheilung der Kragen
stets seine charakteristische Entfaltung darbietet.
Die, wie betont, im Ganzen auf niederer Stufe verharrende Organi-
sation, welche sich namentlich auch darin ausspricht, dass nie mehr wie
eine Geissei existirt, rechtfertigt auch die Ableitung unserer Gruppe von
einfacheren Formen der Monadinenreihe, mit welchen denn auch die
Choanoflagellaten in vieler Hinsicht tibereinstimmen, wenn wir von dem
eigenthümliehen Kragen absehen.
Gestaltsverhältnisse. AVenn auch die Choanoflagellaten zahl-
reichen einfachen Monadinen darin gleichen, dass ihre Gestalt sowohl,
durch Contractionen als auch durch amöboide Bewegungen veränder-
lich sein kann, so lässt sich doch ein Grundtypus der Gestaltung nicht
verkennen. Derselbe ist ein recht ausgesprochen monaxoner. Stets
existirt eine Hauptaxe des Körpers , von deren vorderem Ende die
Geissei entspringt und welche, über das Vorderende hinaus verlängert,
zu der Kragenaxe würde. Fast ausnahmslos ist ferner diese Haupt-
axe auch die Längsaxe, indem der Körper in ihrer Richtung mehr
oder minder gestreckt ist. Nicht sehr verlängerte Formen können sich
wohl bis zur Kugelgestalt contrahiren, selten erscheint dagegen die
kuglige Gestalt als die normale. Am häufigsten begegnen wir einer
mehr oder weniger regelmässig ellipsoidischen Gestaltung von massiger
Längsstreckung (49,1), welche jedoch bei einzelnen Formen der Gattung
Salpingoeca langellipsoidisch , ja fast cylindrisch werden kann (49,6).
Meist wird aber die rein ellipsoidische Form dadurch aufgehoben,
dass das den Kragen und die Geissei tragende Vorderende mehr oder
minder verschmälert, ja nicht selten halsartig verlängert ist (49,4).
Das Hinlerende erscheint entweder einfach abgerundet oder läuft, sich
Gestaltsverhältiiisse ; Kragenbildung-. gg]^
verschmälernd , mehr oder weniger zugespitzt aus. Letzteres ist speciell
bei den auf Stielen befestigten Formen eine gewöhnliche Erscheinung
(T. 48, 16).
Die von der Kragenbasis eingeschlossene Area des Vorderendes,
aus deren Centrum die Geissei entspringt, erscheint meist schwach ge-
wölbt bis etwas kegelig erhoben und ist nicht selten durch eine
schwache Einschnürung an der Kragenbasis von dem übrigen Körper
abgesetzt. — Eine Abweichung von der regelmässig monaxonen
Gestalt wird, wie gesagt, selten beobachtet, doch findet man solches
nicht selten bei den koloniebildenden Codosiga und Codonocladium, wo
sich eine grössere Anzahl von Individuen auf dem Ende eines Stieles
dicht zusamraengruppirt, mehr oder minder angedeutet, indem hier die
Krümmung der Aussenseite des Körpers etwas stärker ist wie der nach
dem Centrum der Individuengruppe schauenden Seite. Es rührt diese
Asymmetrie hier wohl sicher daher, dass sich die Individuen in ihrer
central^ Entwicklung gegenseitig hemmen.
Morphologie und Physiologie des Kragens und der
Geis sei. Der Kragen, dieses für die ganze Abtheilung bezeichnendste
Organ, wurde zuerst von James -Clark (125) richtig erkannt. Er wird
stets von einer so dünnen Plasmahaut gebildet, dass seine Beobachtung
auch mit guten Systemen und Beleuchtungsvorrichtungen eine schwierige
ist. Es ist daher natürlich, dass die früheren Forscher, mit einziger
Ausnahme von Fresenius (102), den Kragen nur unvollständig wahr-
nahmen und darstellten, so nämlich, wie er auch einem besser orientirten
Beobachter beim ersten Anblick stets erscheint. Am schärfsten und
dunkelsten muss sich nämlich der optische Durchschnitt der Kragenwand
in Gestalt zweier, zu den Seiten der Geisseibasis entspringender und ge-
wöhnlich divergirender Linien darstellen (T. 48, 16 a und b), während der
freie Kragenrand wegen seiner Feinheit und Blässe meist nur sehr
schwierig wahrzunehmen ist. Auf den Abbildungen der verschiedenen
Forscher ist derselbe, wo er gezeichnet wurde, denn auch gewöhnlich
in schematischer Weise zu scharf und dunkel gehalten (T. 48, 16c etc.).
Auf die Beobachtung des optischen Durchschnittes beschränkten sich
also die Wahrnehmungen der früheren Beobachter , nur Fresenius
schilderte den Kragen bei Codosiga Botrytis als einen „zarten abgestutzten
Anhang, aus welchem die Geissei hervorrage". Wie bekannt, ist der
Kragen, wenigstens bei den Craspedomonadinen, ein gestaltsveränderliches
Organ, ja er kann auch unter Umständen ganz eingezogen und wiederum
neu gebildet werden. Auf diese Beobachtung, welche noch durch das
Verhalten des Kragens bei der Theihing und der Nahrungsaufnahme
unterstützt wird, gründet sich denn auch die Ueberzeugung, dass das
fragliche Organ aus eigentlichem, sehr hellem und, soweit die Beobach-
tungen bis jetzt reichen , homogenem Plasma gebildet wird. Nur Kent
(182) beschreibt die Kragenhaut als sehr fein granulirt, auf seinen Ab-
bildungen ist jedoch nichts davon zu sehen.
Hronn, Klassen des Thier-Keii'lis. Protozoa. 56
882 Choanoflagellata.
Etwas anders verhält sich nach den Beobachtungen Cienkowsky's
und Stein' s der Kragen der Phalansterinen, auf dessen Vergleich-
barkeit mit dem der Craspedomonadinen Bütschli zuerst hinwies (171).
Einmal bleibt der Kragen bei dieser Gruppe immer verhältnissmässig
klein, so dass er wie eine kurze und enge, um die Geisseibasis sieh
erhebende Scheide erscheint, als welche ihn auch Stein bezeichnet
(T. 48, 14 a). Letzterer leugnet denn auch die nähere Verwandtschaft
der beiden Abtheilungeu und zieht die Phalansterinen zu der Familie
der Spongomonadinen (Flagellaten). Eine active Gestalts- oder Grössen-
veränderung scheint an dem Kragen der Phalansterinen nie wahrgenommen
worden zu sein; Stein bezeichnet ihn sogar als „resistent". Immerhin
scheint die Beobachtung Cienkowsky's, dass der Kragen bei der
Encystirung des Phalansterium consociatum „eingeht", dafür zu sprechen,
dass er auch hier protoplasmatischer Natur und daher, wie Kent und
ich annehmen, dem der Craspedomonadinen zu homologisiren ist. —
Schliessen wir hier gleich einige Bemerkungen über die specielleren
Formverhältnisse dieses Phalansteriuenkragens an. Wie bemerkt, ist
derselbe verhältnissmässig kurz, indem seine Länge etwa ein Fünftel bis
ein Drittel der Körperlänge erreicht. Ebenso ist er auch eng, besitzt
aber, wie es scheint stets, an der Basis einen etwas grösseren Durch-
messer wie an dem distalen Ende, so dass er eine enge, distalwärts
sich schwach konisch zuspitzende ßöhre darstellt. Da die Gestalt des
Phalansteriumkörpers selbst eine etwas veränderliche ist, so erscheint der
Kragen bald von dem mehr verbreiterten Vorderende des Körpers deut-
lich abgesetzt oder bald, wenn das letztere verschmälert ausgezogen ist,
gewissermassen als Verlängerung desselben.
Bei weitem umfänglicher ist nun der Kragen im normalen Zustand
bei den Craspedomonadinen und weicht auch im uncontrabirten
Normalzustand stets darin von dem der Phalansterinen ab, dass er sich
umgekehrt wie der letztere distalwärts erweitert, also eine umgekehrt
kegelförmige Gestalt besitzt.
Eine solche trichterförmige Erweiterung nimmt der Kragen der
Craspedomonadinen im ungestört functionirenden Zustand wohl durchaus
an, doch ist die Erweiterungsfähigkeit bei den verschiedenen Formen in
etwas verschiedenem Grade vorhanden. Während manche nackte Formen
nie mehr als eine schwach trichterförmige Erweiterung zeigen, können
gewisse Salpingoecaarten ihren Kragen weit schüsseiförmig ausbreiten.
Natürlich ändert sich unter sonst gleichen Verhältnissen die relative
Höhe des Kragens mit dem Maasse der Ausbreitung. Je stärker die
letztere wird, desto mehr nimmt die Höhe ab, wie auch directe Beob-
achtung lehrt. Ganz streng wird diese Beziehung jedoch wohl nicht ein-
gehalten werden, da der Kragen sicher auch durch neue Zufuhr von
Plasma wachsen kann.
Zur allgemeinen Orientirung über die Grössenentwicklung des
Kragens bemerken wir hier, dass derselbe bei sehr langgestreckten
Bau und Verhalten des Kragens. 883
Thiereu etwa ein Drittel der Körperlänge erreicht , gewöhnlich aber im
voll entwickelten Zustand eine Höhe von etwa zwei Drittel bis völliger
Körperlänge besitzt. Doch linden sich auch Fälle, wo die Kragenhöhe
die Körperlänge ansehnlich übertrifft; so kann der Kragen der Monosiga
gracilis nach Kent die doppelte Körperlänge erreichen.
Bei mittlerer Ausbreitung übertrifft der distale Durchmesser des
Kragens den grössten Breitedurchmesser des Körpers meist noch etwas;
bei sehr ausgebreiteten Kragen kann der distale Durchmesser aber
mehr wie die dreifache Körperbreite betragen.
Gewöhnlich scheint die Gestalt des Kragens eine rein kegelförmige
zu sein, wenigstens sprechen hiefttr die Erlahrungen von James - Clark,
Stein und mir; seltener ist dagegen die Kragenwand nach aussen
schwach convex gewölbt, vrie es James-Clark und Stein z. Tb. bei
Salpingoecen angeben. Kent bildet letzteres Verhalten fast bei sämmt-
lichen Craspedomonadinen ab ; ich muss jedoch eine solch' allgemeine
Verbreitung dieser Kragenform bestreiten.
Wie bemerkt, besitzt der Kragen der Craspedomonadinen vv^ie auch
deren Körper, ein sehr ausgesprochenes Contractionsvermögen. Z. Th.
ohne besondere Veranlassung, meist jedoch bei Beunruhigung der Wesen
durch heranschwimmende andere Organismen, lässt sich die Contraction
des normal ausgebreiteten Kragens deutlich beobachten. Sehr rascb,
z. Th. plötzlich, sieht man dann den erweiterten distalen Rand des
Kragens sich verengern und auf einen Durchmesser herabsinken, welcher
gew^öhnlich geringer wie der der Kragenbasis ist, so dass die Gestalt
des Kragens nun eine aufrecht kegelförmige wie bei den Phalansterinen
wird. Bei dieser Contraction wird sich natürlich gewöhnlich die Höhe
eines sehr ausgebreiteten Kragens vergrössern. Dieselbe Contraction des
Kragens wird auch eintreten, wenn sich, wie es oft geschieht, die
Thiere der gehäusebewohnenden Salpingoeca plötzlich in das Gehäuse
zurückziehen, wobei sich der Kragen natürlich verengern muss. Bei
der Contraction des Kragens von Salpingoeca konnte nun Jaraes-Clark
beobachten, dass die Kragenhaut in eigenthümliche schwingende Be-
wegungen gerieth, die ihn an den Anblick einer schwingenden Stimm-
gabel erinnerten. Von anderer Seite liegen keine Beobachtungen über
ein solches Phänomen vor. — Es bedari kaum besonderer Erwähnung,
dass sich ein in der geschilderten Weise contrahirter Kragen auch
wieder zu erweitern vermag. — Bei heftigerer Beunruhigung — wie
später zu schildern sein wird, jedoch auch noch unter anderen, mit
der Encystirung und Fortpflanzung in Verbindung stehenden Verhältnissen
— kann die besprochene Contraction des Kragens zu einer theil-
weisen bis völligen Einziehung desselben führen. Hierbei verkürzt
sich der Kragen, wie es scheint rasch, mehr und mehr, indem sein
Plasma in den Körper zurücktritt, und schliesslich kann dieser Rückfluss
so weit gehen, dass der Kragen völlig schwindet. In umgekehrter
Richtung kann jedoch auch ein Wiederhervorwachsen des theilweise oder
5G*
384 Choanoflagellata.
gänzlich eingezogenen Kragens stattfinden, wobei nach den Beobachtungen
von James -Clark der wiederhervorwachsende, »noch niedere Kragen
zunächst eine grössere Dicke zu besitzen scheint und erst allmählich bei
weiterer Höhenzunahme die Zartheit des entwickelten Kragens erlangt.
Das geschilderte Einziehen und Hervorwachsen des Kragens dürfte nicht
mehr als ein Contractionsphänomen zu betrachten sein, sondern als eine
Protoplasmabewegung nach Analogie der Pseudopodienbewegung.
Die von Kent dem Plasma des Kragens zugeschriebenen Strömungs-
erscheinungen werden wir besser erst bei Gelegenheit der Erörterung der
Kragenfunction betrachten. Ebenso kommen wir auf die Darstellung,
welche Entz*) von dem Bau unseres Organes gibt, geeigneter bei dieser
Gelegenheit zurück.
Eine etwas eigenthümliche Modification des Kragens will Robin
(185) bei einer Codosiga, welche er nur als Varietät der gewöhnlichen
C. Botrytis betrachtet, beobachtet haben. An Stelle des Kragens sollen
sich hier in gleichen Abständen um die Geisseibasis 4 rigide und un-
bewegliche Girren finden , welche im allgemeinen eine solche Stellung
einnehmen, dass sie in der Kragenmembran verliefen, wenn eine solche
vorhanden wäre. Robin will denn auch gelegentlich die 4 Girren durch
eine feine Kragenmembran verbunden gesehen haben. Ich kann gewisse
Zweifel an der Richtigkeit dieser Beobachtung nicht unterdrücken, um so
mehr, als Robin selbst bemerkt, dass man alle 4 Girren nur schwierig
bemerken könne und zunächst gewöhnlich nur zwei derselben zu sehen
seien. — Seltsamer Weise soll diese Godosiga noch eine weitere Besonder-
heit zeigen, wie sie bei keiner anderen Ghoanoflagellate bis jetzt wahr-
genommen wurde. Direct um die Geisseibasis soll sich eine kurze und
enge, kragenartige Scheide erheben, von homogener oder längsgestreifter
Beschaffenheit, also gewissermassen ein zweiter innerer Kragen. Der-
selbe soll sich abwechselnd erweitern und verengern. Kent glaubt die
Robin'sche Beobachtung der 4 Girren an Stelle des Kragens als eine
theilweise Reduction dieses Organs unter Zurücklassung einiger pseudo-
podienartiger Gebilde betrachten zu können, und bringt damit gewisse
von ihm bei Salpingoeca Amphoridium beobachtete Stadien in Verbindung,
wo sich an Stelle des Kragens ein reicher Kranz feiner Pseudopodien
erhob (T. 49, 8 d). Mir scheint dieser Deutungsversuch schon auf Grund der
Beschreibung Robiu's unzulässig, da letzterer die rigide Beschaffenheit
der Girren bestimmt betont.
lieber die stets einfache Geissei unserer Organismen ist weniges
zu bemerken. Entsprechend der Kleinheit der Ghoanoflagellaten ist sie
gewöhnlich recht fein und wie wir dies im Allgemeinen auch bei den
Flagellaten fanden, von durchaus gleicher Dicke in ihrer ganzen Länge.
Meist entspringt sie scharf abgesetzt von dem Gentrum der Kragen-
basis, nur bei gewissen Salpingoecen geht ihr basales Ende unter
*) Termeszetrjzi Füzetek. Vol. VII. 1883.
Bau und Function von Kragen und Geissei. 885
konischer VerdickuDg in den Körper über. Ihre Länge ist im Ganzen
keine besonders beträchtliche und erreicht im Minimalfall etwa die
anderthalbfache Körperlänge, um sich unter Umständen bis zu der vier-
fachen zu erheben. Gewöhnlich finden wir eine Geissei von zwei- bis
dreifacher Körperlänge. — Hinsichtlich der Geisselbeweguugen begegnen
wir ähnlichen Erscheinungen wie bei manchen Flagellaten. Bei den fast
stets festsitzenden Choanoflagellaten hat die Geissei wesentlich die Bedeu-
tung, durch Erregung von Wasserströmungen dem Körper Nahrungspartikel
zuzuführen. Unter diesen Umständen scheint es auch begreiflich, dass
gerade bei unseren Wesen die Geissei häufig längere Zeit ganz be-
wegungslos und anscheinend rigid gefunden wird. In diesem Zustand
besitzt sie meist einen flach bogig geschwungenen Verlauf, worauf zuerst
James -Clark aufmerksam machte. Sehr gewöhnlich ist, dass die Geissei
sich erst schwach nach der einen und dann in ihrer distalen Hälfte
nach der anderen Seite ausbiegt. Ich halte es für sehr wahrschein-
lich, dass diese Biegungen der Geissei in ähnlicher Weise, wie es
schon früher für die Flagellaten erörtert wurde, auf eine sehr steile
Schraubenkrümmung der ruhenden Geissei zurückzuführen sind. Kent
ist wenigstens für Salpingoeca Amphoridium der Ansicht, dass auch
die scheinbar ruhende Geissei in sehr rapider Wirbelbewegung begriffen
sei; ich kann jedoch nicht verstehen, dass das Bild einer ruhenden
Geissei, wie er meint, bei solchen Wirbelbewegungen zu Stande kom-
men soll.
Tritt die Geissei in Action, so finden wir bei nicht wenigen Formen,
dass bei schwächeren Graden der Bewegung, ähnlich wie dies bei vielen
Flagellaten beobachtet wird, nur ihr Endstück in Wellenbewegung ge-
räth. Es kann sich aber bei denselben Formen diese Bewegung auch
über die ganze Geissei ausdehnen und bei anderen scheint dies das
Gewöhnliche zu sein. In heftigere Bewegung geräth die Geissei nach
James -Clark gewöhnlich dann, wenn Fremdkörper oder Auswurfsstoffe
aus der Höhlung des Kragens entfernt werden sollen. Auch peltschen-
förmige Bewegungen der gesammten Geissei sind gelegentlich zu beob-
achten
Function des Kragens und der Geissei. Es herrscht Ein-
stimmigkeit unter den Beobachtern, dass der Kragen wenigstens bei den
Craspedomonadinen ein mit der Nahrungsaufnahme in Beziehung stehen-
des Organ ist; dagegen gehen die Ansichten über die Rolle, welche
er dabei spielt, weit auseinander. James -Clark glaubte, dass er etwa
wie ein Trichterapparat functionire, welcher die von der Geissei in ihn
geschleuderten Nahrungspartikel zu der an der Geisseibasis vermutheten
Mundöffnung führe. Dass der Kragen in directerer Weise, als es James-
Clark vermuthete, an der Nahrungsaufnahme betheiligt ist, konnten etwa
zu gleicher Zeit Bütschli und Kent feststellen, doch weichen die Beob-
achtungen derselben in fundamentaler Weise von einander ab. Kent
(163, 182) findet, dass durch die Bewegungen der Geissei im Umkreis
886 Choanoflagellata.
des Thieres ein von dem Hinter- nach dem Vorderende desselben
eilender Strom erzeugt würde , welcher Nahrungspartikel oder dem
Wasser beigemischte Karminkörnchen gegen die äussere Fläche des
Kragens führe, wo sie kleben bleiben. Indem nun das Plasma der
Kragenwand in einer fortdauernden, strömenden Bewegung begriffen sei,
welche auf der Aussenfläche von der Basis nach dem freien Kragenrand
gehe, dann auf die Innenfläche übertrete und auf dieser nach der
Kragenbasis zurückkehre, würden die von der Aussenfläche des Kragens
festgehaltenen Nahrungspartikel den gleichen Weg geführt und gelangten
schliesslich nach der von der Kragenbasis umschlossenen Area um den
Geisseiursprung. Hier würden sie denn von dem Körperplasma auf-
genommen. Eine besondere Mundöffnung finde sich in dieser Area nicht,
sondern jede Stelle derselben sei gleich geschickt die Nahrungskörper
aufzunehmen. Genauere Angaben über den eigentlichen Vorgang der
Incorporirung der Nahrungspartikel theilt jedoch Kent nicht mit.
Wie gesagt, weicht das, was Bütschli (171) bei Codosiga von der
Nahrungsaufnahme beobachtete, von den Kent'schen Angaben ab. Auch
er sah, wie die Nahrungspartikel auf der Aussenfläche des Kragens an-
kleben und dann gegen die Kragenbasis herabrücken, jedoch nicht auf
dessen Innenfläche, sondern direct auf der Aussenseite Dicht hinter der
Kragenbasis wurde nun auf der Aussenfläche des Körpers zeitweise ein
vacuolenartig vorspringendes helles Gebilde beobachtet (T. 48, 16d,no),
welches nach einiger Zeit verschwand, worauf denn nach einem gewissen
Zeitraum ein ähnliches Gebilde auf der entgegengesetzten Körperseite
auftauchte. Es Hess sich nicht sicherstellen, wurde aber wahrscheinlich,
dass dieses Schwinden und Wiederauftauchen des Gebildes von einem
Herumwandern desselben um den Körper herrühre. Schliesslich Hess
sich dann beobachten, dass die an der Aussenfläche des Kragens herab-
gerückten Nabrungspartikel , sobald sie mit dem vacuolenartigen Vor-
sprung in Berührung kamen, von demselben aufgenommen und dem
Körperplasma einverleibt wurden.
Diese Beobachtungen Bütschli's au Codosiga Botrytis wurden in
neuester Zeit von Entz*) an einer als Codonocladium corymbosum be-
zeichneten Form im Wesentlichen bestätigt, jedoch in recht abweichender
Weise gedeutet. Das vacuolenartige, über die Körperoberfläche vor-
springende Gebilde hält Entz für einen losgeschlitzten Theil des basalen
Abschnittes des Kragens, wie er denn, abweichend von allen übrigen
Beobachtern, den Kragen nicht für einen geschlossenen Trichter oder
Köhre, sondern für ,, eine papiertrichterartig gedrehte feine, protoplasma-
tische Membran'' hält, ,, deren unterer Theil sich bei der Nahrungsauf-
nahme vom Trichter losdrehe und das sogen, vacuolenartige Gebilde
darstelle". Mir ist bei dieser Auffassung namentlich nicht recht verständ-
-) 1. p. 884 c.
Vorgang- der Nahrungsaufnahme; Plasma. 887
lieh , wie sich Entz das doch auch von ihm bestätigte Auftreten dieses
Gebildes an wechselnden Körperstellen erklärt. Nur bei der Aufnahme
fester Nahrungstheilchen soll sich übrigens das Gebilde abschlitzen. In
„der Tiefe" der abgeschlitzten Membran soll sich nun eine, während der
Nahrungsaufnahme bemerkbare feine Mundöffnung finden, welche in einen
spaltartigen Schlund führe. Das aufgenommene Wasser sammt den
Nabrungspartikelu sammle sich am inneren Ende dieses Schlundes in
einer sich hier bildenden Vacuole an, einer sogen. Schlingvacuole nach
EntZj welche sich alsdann contrahire und Wasser nebst Nahrung in
das Plasma presse. Wir werden später bei Besprechung der contractilen
Vacuolen auf diese Schilderung nochmals zurückkommen, weil das, was
Entz hier als eine Schlingvacuole mit der Nahrungsaufnahme in Be-
ziehung bringt, seither allgemein als eine gewöhnliche contractile Vacuole
betrachtet wurde.
Wenn nun auch die Kent'sche Schilderung der Nahrungsaufnahme
sehr bestimmt klingt, so kann ich mich doch nicht entschliessen , meine
mit aller Deutlichkeit gemachten Beobachtungen zu bezweifeln, um so
weniger als dieselben, was das Thatsächliche betrifft, in den Mit-
theilungen von Entz eine Bestätigung gefunden haben. Jedenfalls sind
erneute Untersuchungen erforderlich, um die hinsichtlich der Nahrungs-
aufnahme der Craspedomonadinen herrschenden Meinungsverschiedenheiten
aufzuklären. — Fraglich muss es zur Zeit erscheinen, ob auch der
wenig entwickelte Kragen der Phalansterineu eine Rolle bei der Nah-
rungsaufnahme spielt. Wir wissen von diesen Formen durch Cienkowsky
nur so viel, dass sie feste Nahrung aufnehmen; über die Art, wie dies
geschieht, ist jedoch gar nichts bekannt. — Hinsichtlich der Ausstossung
der Nahrungsreste, über die wir hier gleich einige Bemerkungen an-
schliessen wollen, herrscht dagegen erwünschte Uebereinstimmung unter
den Beobachtern. Dieselbe erfolgt bei den Craspedomonadinen, wie
zuerst James -Clark nachwies, und später Bütschli wie Kent bestätigten,
in der von der Kragenbasis umschlossenen Area. Eine Afteröffnung
existirt natürlich nicht. Bütschli sah bei Codosiga, dass sich das Plasma
der Area bei der Ausstossung eines Körnchens keglig erhob (T. 48,16 c),
worauf aus der Spitze des Plasmakegels das auszustossende Körnchen
hervortrat, worauf das Plasma wieder zurücksank.
Ueber die allgemeine Beschaffenheit des Körperplasmas ist
kaum etwas zu bernerken. Die Unterscheidung eines Ectoplasmas ist
nicht möglich. Eine ausgesprochene Färbung besitzt das Plasma jeden-
falls nicht. Gewöhnlich erscheinen die Formen von schwach bläulich- bis
gelblichgrtiner Färbung; James -Clark spricht bei gewissen auch von
gelber Farbe und beschreibt die Salingoeca marina sogar als dunkel-
braun. Ich möchte aber vermuthen, dass diese Färbungen wesentlich
durch die Einrichtung des Mikroskopes bedingt sind. Irgend welche
eigentlichen Pigmente oder Chromatophoren kommen den bekannten
Choanoflagellaten nicht zu. Im Plasma sind feinere oder massig grobe
ggg Choanoflagellata.
dunklere Körnchen mehr oder weniger regelmässig vertheilt, von welchen
sich ein Theil meist als aufgenommene Nahrungspartikel recognosciren
lässt. Ausserdem findet man das Plasma häufig auch von Vacuolen in
grösserer oder geringerer Zahl durchsetzt. Unter diesen begegnet man
gewöhnlich auch solchen, welche sich durch ihren Inhalt als Nahrungs-
vacuolen erweisen. Wie schon bemerkt, finden wir die Nahrungspartikel
aber auch frei im Plasma. Gewöhnlichen Flüssigkeitsvacuolen begegnet
man, wie meine Beobachtungen an Codosiga und die Abbildungen
Stein's erweisen, besonders reichlich bei den gehäuselosen Formen, ob-
gleich auch die Salpingoecen zuweilen eine ziemliche Menge derselben
enthalten. Bei Codosiga Botrytis entwickeln sich nicht selten einige
derartige Vacuolen so ansehnlich, dass sie nur noch durch dünne
Plasmawände geschieden werden und der Körper mehr oder weniger
blasig erscheint (T. 48, 16 a — b).
Contra etile Vacuolen bilden einen regelmässigen Bestandtheil
des Körpers unserer Choanoflagellaten und finden sich gewöhnlich in
dem hinteren Leibesdrittel. Nur wenn ihre Zahl eine beträchtlichere wird,
treten sie zum Theil auch mehr in dem Vorderkörper auf.
Ihre Zahl scheint bei den verschiedenen Formen ziemlichen Schwan-
kungen zu unterliegen und auch bei einer und derselben Art nicht stets
constant zu sein. Während Cienkowsky bei Phalansterium consociatum
1 bis 2 von unregelmässiger Stellung angibt, zeichnet Stein stets nur eine
ziemlich weit nach hinten gelagerte bei den beiden von ihm beobachteten
Arten. Eine contractile Vacuole zeichnet Stein auch constant bei Hirmi-
dium Phalanx (Codonodesmus Stein), während Kent bei seinem, von der
Stein'schen Art wohl schwerlich verschiednen H. moniliformis zwei bis
mehr Vacuolen angibt. Ein ganz ähnlicher Widerspruch findet sich in
den Angaben der beiden Forscher bezüglich der von Stein Salpingoeca
ampullacea genannten Form , welche Kent als S. Amphoridium Clark
aufführt und die auch wohl nicht scharf von der Clark'schen Form zu
trennen ist. Stein bildet bei derselben stets nur eine Vacuole ab, Kent
gibt dagegen deren drei bis vier an, was mit den früheren Angaben von
James-Clark übereinstimmt, welcher in seltenen Fällen sogar 5 beobachtet
haben will. Es kann hier nicht unsere Aufgabe sein, die in mancher
Hinsicht widerspruchsvollen oder unsicheren Angaben über die Zahl der
contractilen Vacuolen eingehender zu erörtern, es genüge darauf hin-
zuweisen , dass eben die Fünfzahl die höchste bis jetzt beobachtete
ist und dass sich recht häufig nur zwei Vacuolen zu finden scheinen,
welche dann im hinteren Körperdrittel an entgegengesetzten Seiten, meist
nicht ganz in derselben Höhe liegen und sich abwechselnd contrahiren.
Tritt noch eine dritte Vacuole auf, so scheint sie gewöhnlich eine
mittlere Lage zwischen diesen beiden an der hinteren Körperspitze ein-
zunehmen. Vier Vacuolen sah James-Clark bei gewissen Salpingoecen
gewöhnlich so gelagert, dass sich an beiden Seiten des Körpers je zwei
hinter einander fanden. — lieber die zeitlichen Verhältnisse der Contrac-
Contiactile Vacuolen ; Stiele und Geliäuse. 889
tionen findet man bei James-Clark und Kent einige Angaben, welche hier
nicht reproducirt werden sollen.
Bezüglich der Neubildung der Vacuolen nach der Systole liegen nur
wenige Angaben von Clark und Bütschli vor. Bei der Salpingoeca vagi-
nicola St. ('? gracilis B.) sah der letztere die Neubildung der Vacuole
in der bekannten Weise durch Zusammenfluss mehrerer kleiner. Bei
Codosiga Botrytis bildet sich an Stelle der verschwundenen Vacuole unter
der Körperoberiläche zunächst ein länglicher Flüssigkeitsraum, dessen
Entstehung nicht genauer zu verfolgen war und erst kurz vor der Systole
erfolgt die Abrundung desselben zu einer gewöhnlichen Vacuole. Es
wurde nun schon oben angedeutet, dass Entz der Ansicht ist, es sei nur
die eine Vacuole der zweivacuoligen Formen eine eigentlich contractile,
die andere dagegen eine zur Nahrungsaufnahme bestimmte sogen.
Schlingvacuole. Er sucht denn auch den von Janies-CIark und Bütschli
bei der Bildung der Vacuole beobachteten länglichen Flüssigkeitsraum
anders zu deuten, und erklärt ihn für den Schlund, welchen er, wie oben
erwähnt wurde, den Choanoflagellaten zuschreibt. Ich muss gestehen,
dass mir diese Deutung recht unwahrscheinlich vorkommt.
Ein einziger und kleiner Nucleus kommt den Choanoflagellaten
regelmässig zu. Derselbe liegt stets im Vorderende des Körpers in ge-
ringer Entfernung hinter der Geisseibasis. Sein Bau ist wie bei den
einfacheren Flagellaten ein ausgesprochen bläschenförmiger. Stets ist er
kuglig und enthält einen relativ ansehnlichen, kugligen Nucleolus, der
von einer hellen Kernsaftzone umgeben ist. Bei Behandlung mit Rea-
gentien tritt um die Kernsaftzone auch eine etwas körnelige dunkle
Hülle deutlich hervor, welche meiner Ansicht nach wahrscheinlich nicht
die eigentliche Kernmembran, sondern eine Kernrindenschicht ist. Von
Theilungserscheinungen dieses Nucleus ist bis jetzt kaum etwas be-
kannt.
Stiel- und Gehäusebildungen. Der Mangel jeglicher Skelet-
bildungen, wenn wir unter dieser Bezeichnung die Stiel- und Gehäuse-
bildungen zusammenfassen, ist eine im Ganzen seltne Erscheinung unter
den Choanoflagellaten , wir finden solche Formen einerseits in der
Kent'schen Gattung Monosiga und zwar sind dies nackte mit dem mehr
abgerundeten oder verschmälert ausgezognen Hinterende direct fest-
geheftete Formen, welche auch als die einfachsten unter den Craspedo-
monadinen zu betrachten sind. Andererseits bestehen auch die eigen-
thümlichen Kolonien der Gattung Hirmidium (Codonodesmus St.) aus ganz
skeletlosen Individuen. Die meisten Codonosoginen besitzen dagegen das
Vermögen, an ihrem Hinterende einen meist ziemlich feinen und drehrunden
Stiel auszuscheiden. Ich bediene mich hier dieses Ausdrucks ohne
damit ausschliessen zu wollen , dass derselbe nicht etwa auch durch
directe Umbildung des Plasmas gebildet werden möge. Im Gegentheil
Hesse sich hierfür sogar einiges anführen, indem einmal die Thiere nicht
selten mit einer stielförmig ausgezognen Partie ihres Hinterendes auf dem
890 Ghoanotiagellata.
Vorderende des eigentlichen Stieles aufsitzen (T. 48, 16 a) und Kent für
seine Monosiga gracilis besonders hervorhebt, dass die vordere Stielhälfte
stets einen weichen, plasmatischen Charakter bewahre.
Im Allgemeinen erinnern die zu schildernden Stielbildungen lebhaft
an die der Dendromonadiuen unter den Flagellaten und auch die im
Zusammenhang damit entwickelnden Kolonien sind ähnliche. Die
Stielsubstanz ist gewöhnlich homogen und glasartig, nur selten (Codo-
siga) bei älteren Stielen etwas gelblichbraun. Sie scheint eine ziemliche
Festigkeit zu besitzen. Erfahrungen über ihre chemische Beschatfenheit
liegen nicht vor. Gewöhnlich werden die Stiele, auch die dickeren der
koloniebildenden Formen, als ganz solid und undiflferenzirt geschildert,
nur Bütschli fand an den dickeren Stielen der Codosiga Botrytis eine
äussere dunklere Stielwand und eine helle Centralmasse, so dass er
diese Stiele in gewissem Sinn als röhrenförmige bezeichnet. Zur Be-
festigung auf der Unterlage scheint sich der Stiel sehr gewöhnlich an
seiner aufgewachsenen Basis etwas scheibenförmig zu verbreitern (T. 48,
16 a); Kent wenigstens bildet ein solches Basalscheibchen ganz allge-
mein ab.
Der morphologische Auibau der Stiele hängt nun wesentlich von den
Kolonialverhältnissen ab. — Bei der monozoen Gattung Monosiga finden
wir einen längeren oder kürzeren meist zarten Stiel, welcher stets nur
ein Thier trägt. — Hieran schliesst sich zunächst die Gattung Codosiga
(T. 48, 16 a), bei welcher es zur Koloniebildung kommt, indem das monosiga-
ai'tige Individuum, welches die Kolonie gründet, sich auf seinem Stiel durch
Theilung fortgesetzt vermehrt und die Sprösslinge als eine Individuen-
dolde, ähnlich wie bei Anthophysa, durch kurze protoplasmatische
Stielchen auf dem Ende des Stieles befestigt bleiben. Man sollte er-
warten, dass sich bei dieser fortgesetzten Vermehrung der Individuenzahl
der Kolonie, welche sich auf über 20 erheben kann, eine allmähliche
Verdickung der jüngeren Stieltheile eintreten werde, wie dies auch bei
gewissen Codonocladien zu beobachten ist, doch zeigt sich im Gegentheil
auch bei individuenreichen Kolonien meist eine geringe Verschmälerung
des Stieles.
Bei der Stein'schen Gattung Codonocladium tritt nun eine
reichere Entfaltung des Stielgerüstes dadurch ein, dass die durch Thei-
lung entstandenen Sprösslinge des monosiga-artigen Koloniegründers fort-
fahren, Stielsubstanz zu bilden, so dass sich der ursprünglich einfache
Stiel allmählich verzweigt. Es sind im Wesentlichen zwei Modi der
Stielverzweigung bei den Formen dieser Gattung bis jetzt gefunden
worden, von welchen der eine (C. umbellatum; T. 49, 5) den Charakter
der wahren Dolde zeigt. Hier bildet sich nämlich wie bei Codosiga
auf dem Ende des primären Stieles eine Dolde von 3 bis 10 Individuen
und erst dann beginnen dieselben ziemlich zu gleicher Zeit, die Er-
zeugung secundärer Stiele. Demnach verzweigt sich der Stiel hier in
einem Punct doldenartig in 3 bis 10 Zweige und jeder derselben kann
Stiel- und GehäusebikUuigeii. gyi
seinerseits nochmals eine entsprechende Verzweigung erfahren. Auf den
letzten Zweigenden sitzen schliesslich die aus mehr oder weniger Indi-
viduen gebildeten Träubchen. Ein zweiter Modus Avird durch das C. cymo-
sum Kent repräsentirt, indem hier die Stielerzeugung nach jeder Zwei-
theilung geschieht und so eine mehr oder weniger unregelmässige dicho-
tomische Verästelung des Stielgerüstes eintritt unter Bildung einer Art
Trugdolde oder Cyma. Bei einer Modification dieser Art scheint von den
beiden bei jeder Zweitheilung entstehenden Sprösslingeo gewöhnlich nur
der eine sich weiter zu vermehren ; eine zweite Modification kommt da-
durch zu Stande, dass der eine der Sprösslinge der ersten Theilung ein
präponderirendes Weiterwachsthum zeigt, welches er auch weiterhin be-
wahrt, so dass alle von dem betreffenden Sprössling und seinen Nach-
folgern gebildeten Stiele eine Art Hauptstamm als directe Fortsetzung
des ursprünglichen Stieles bilden, an welchen die übrigen Zweige dann
einseitig ansitzen. In solcher Weise bildet dann die ganze Kolonie eine
Art einseitigen Wedel.
Kent reiht hier noch eine weitere Modification an, doch scheint es
mir etwas fraglich, ob dieselbe wirklich hierher gehört. Bei dieser
finden wir nämlich keine Stielverzweigungen, sondern die Stiele der
jüngeren Kolonialindividuen befestigen sich successive auf der Seite der
Körper der älteren. Kent glaubt diese Bildung aus einem Knospungs-
process der Individuen herleiten zu können; wir werden jedoch später
sehen, dass eine Fortpflanzung durch Knospung bei den Choanoflagellaten
nicht sicher erwiesen ist.
Hüllen- und Gehäusebildungen. Wir begegnen auch unter
den Choanoflagellaten den beiden Hauptmodificationen der Hüllenbildung,
welche bei den Flagellaten zu verzeichnen waren , nämlich den
schleimigen oder gallertartigen Hüllen und den aus festerer Substanz
gebildeten echten Gehäusen. Eine scharfe Grenze scheint zwischen
diesen beiden Hüllbildungen auch hier nicht zu existiren. Gallertige
Hüllen von grosser Aehnlichkeit mit denen der Spongomonadinen charac-
terisiren die Kolonien der Phalansterinen und die Kent'sche Gattung
Protospongia. Die Gallerthtillen der ersteren namentlich zeigen die
grösste Uebereinstimmung mit denen gewisser Spongomonaden. Die
farblose oder mehr oder weniger braune Gallertmasse ist auch hier
reichlich von ziemlich groben Körnchen durchsetzt (T. 48, 14b), hinsicht-
lich deren Beurtheilung auf das bei den Flagellaten Bemerkte zu ver-
weisen ist. Nach den Beobachtungen Cienkowsky's und Stein's scheint
der Gründer einer Kolonie des Phalansteriums zunächst eine etwa birn-
bis trichterförmige, geschlossene Hülle auszuscheiden, welche bei Ph.
digitatum mit dem zugespitzten Hinterende frei aufgewachsen ist,
während sie bei Ph. consociatum der Unterlage flach aufliegt. Bei der
ersteren Art ist die Weiterbildung der Kolonie leicht verständlich. Das
erste Individuum vermehrt sich durch Quertheilung in der Hülle, worauf
sich die beiden Sprösslinge in dem freien Ende der Hülle neben einander
892 Choanoflagellata.
anordnen und durch weitere Ausscheidung von Hüllsubstanz bald eine
dichotoniische Verästelung der Hülle bewirken. Bald scheinen nun auch
die beiden so erzeugten Aeste der Hülle an ihren freien Enden je eine
weite runde Oeffnung zu erhalteo. Mit der fortgesetzten Vermehrung der
Individuen geht denn auch die dichotomische Verästelung des Stockes in
.gleicher Weise weiter, so dass ein entwickelter Stock (T. 48, 14 b) aus einem
sich dichotomisch verzweigenden Röhrengerüst besteht, das an seinem
Ursprungsende aufgewachsen ist und dessen einzelne nicht sehr lauge
Eöhren fingerartig neben einander stehen, indem sie nach den freien
Enden an Dicke wachsen. Wie gesagt sind die Röhrenenden gewöhnlich
mit weiter runder Oeffnung versehen, aus welchen die Geissein der in
Ein- oder Zweizahl in den Röhren sich findenden Individuen hervor-
ragen.
Schwer verständlich ist dagegen bis jetzt die Bildung der Kolonie
des Ph. consociatura (T. 48, 15). Die Gründung derselben geschieht in
wesentlich gleicher Weise wie bei der erst besprochenen Art. Die aus-
gebildete Kolonie dagegen stellt eine rundliche bis nierenförmige, flach
aufgewachsene Scheibe dar, welche aus mehr oder weniger zahlreichen,
radial gestellten und im Centrum der Kolonie zusammenstossenden, etwa
kegligen Gallertröhren zusammengesetzt wird. Aeltere Kolonien sollen
nach Cienkowsky mehr unregelmässig umgrenzte Aggregate bilden. Die
Lagerung der Individuen in den Gallertröhren ist hier wesentlich dieselbe
wie bei der anderen Art, Wie gesagt, erscheint es noch etwas unklar,
wie durch Vermehrung des Koloniegründers die geschilderten Scheiben
entstehen; das Wahrscheinlichste dürfte sein, dass die ursprüngliche Röhre
mit der Vermehrung ihres Erzeugers in die Breite wächst und durch
Bildung von radialen Zwischenwänden zwischen den Sprösslingen all-
mählich in eine Anzahl von Röhren zerlegt wird.
Sehr einfach ist die Gallerthülle bei den Kolonien der Proto-
spongia Hacke lii (T. 49, 11) nach Kent's Untersuchungen gebaut.
Die mehr oder weniger zahlreichen, monosigaartigen Individuen, welche
eine solche Kolonie aufbauen, sind in ziemlich gleichen Abständen in
eine sehr flache , ganz hyaline oder doch nur sehr schwach-körnige
Gallertscheibe eingebettet, so dass nur ihr Kragen mit der Geissei hervor-
ragt. Diese Gallertscheiben finden sich entweder an der Oberfläche des
Wassers oder überziehen untergetauchte Gegenstände. Um das hervor-
ragende Ende jedes Individuums scheint sich die Gallerte schwach zu
erheben, so dass der Rand der Scheibe ein etwas ausgezacktes Aussehen
erhält. Bis zu 60 und mehr Individuen können in solcher Weise zu einer
Kolonie vereinigt sein.
Ausscheidung einer zarten gallertartigen Hülle kommt zuweilen auch
bei den nackten Codosiginen vor. So beobachtete Bütschli gelegentlich
eine zarte schleimige Hülle um gewisse Individuen der Codosiga Botrytis
(T. 48, 16b), und Kent theilt mit, dass Codonocladium umbellatum bei
heftigem Druck eine ähnliche vergängliche Hülle ausscheide. Als Sarkode,
Gehäusebildungen. 893
wie er will, dürfte jedoch die Substanz dieser Hülle wohl nicht be-
zeichnet werden.
Eine Uebergangsstufe der nackten zu den gehäusebewohnenden
Formen scheint auch das von Entz*) entdeckte Codonocladium corym-
bosum zu bilden. Bei dieser, rücksichtlich ihrer Koloniebildung an
Codonocladium sich anreihenden Form haben die Individuen nur auf dem
hinteren Drittel ihres Körpers eine sehr feine Gehäusemembran abge-
schieden und dann hat sich das Plasma von dieser Membran etwas
zurückgezogen. Nach vorn soll diese Hülle allmählich in die Rinden-
schicht des Körpers übergehen, von welcher jedoch auf Entz' Abbildungen
nichts deutliches zu erkennen ist.
Solche Hüllbildungen führen uns zu den Gehäusen, welche die
Gruppe der Salpingoecinen charakterisiren, über. Das Gehäuse ist hier
ursprünglich ein Abguss der gesammten Körperoberfläche und daher auch
in den allermeisten Fällea von ganz regulär monaxonem Bau. Gewöhn-
lich füllt jedoch der Thierkörper das erwachsene Gehäuse nicht mehr
völlig aus, wenngleich sich in dieser Hinsicht bei einer und derselben
Art Verschiedenheiten darbieten. Die Wand des fast stets glashell
durchsichtigen Gehäuses ist meist recht dünn (s. T. 49) und dann wohl
gewöhnlich aus einer ziemlich festen Substanz gebildet. Wenn die Ge-
häusewand eine beträchtlichere Dicke erreicht, wie bei der Salpingoeca
Convallaria Stein's (T. 49 , 1) , so scheint sie weich zu bleiben ; auch
James-Clark beschreibt die Substanz des Gehäuses bei S. gracilis als
schleimig und Stein's Abbildungen derselben Art zeigen auch ziemliche
dicke Wandungen. Wie Kent's Beobachtungen über die Entwicklung
des Gehäuses der S. Ampulla Kent zeigen und wie es auch von vorn-
herein wahrscheinlich ist, besitzt die erste Anlage des später erhärtenden
Gehäuses eine schleimige weiche Beschaffenheit. Wie bemerkt, ist das
Gehäuse gewöhnlich farblos, nur bei der sog. Lagenoeca cuspidata K.
gibt Kent braune Färbung an.
Mit einer einzigen Ausnahme, der eben erwähnten Lagenoeca cuspidata,
sind die Gehäuse an dem hinteren Ende befestigt. Letztere wurde frei
schwimmend gefunden und deshalb auch von Kent zu einer besonderen
Gattung neben Salpingoeca erhoben. Da jedoch Stein beobachtete, dass
sich festgeheftete Salpingoecen (S. Convallaria) gelegentlich ablösen und
mit dem Gehäuse frei umherschwimmen, so dürfce auf das einzige bis jetzt
beobachtete Exemplar der Lagenoeca cuspidata kein allzugrosser Werth
zu legen sein. — Die befestigten Gehäuse sind nun entweder direct mit
ihrem Hinterende aufgewachsen (2, 8), oder werden von einem verschieden
langen Stiel getragen (9, 15). Im letzteren Fall bildete also das Thier
vor der Erzeugung des Gehäuses zunächst einen Stiel, ging also durch
eio monosiga- artiges Stadium hindurch, was auch durch directe Beob
achtung der Entwicklung des gestielten Gehäuses bei S. Infusionum von
*) S. Entz 1. p. 884 cit.
394 Clioanoflagellata.
Kent festgestellt wurde. Eine ganz scharfe Grenze zwischen einem soliden
Gehäusestiel und einer stielartigeu hohlen Verlängerung des hinteren
Gehäuseendes scheint nicht gezogen werden zu können.
Beschäftigen wir uns nun noch kurz mit den manichfaltigen Gestalten
der Gehäuse. Die Reihe beginnt etwa mit ellipsoidischen bis eiförmigen
oder auch birnförmigen Gehäusen mit enger Oefifnung des Vorderendes.
Hieran schliessen sich andere mit weiter bis sehr weiter Oefifnung, deren
Rand dann auch mehr oder weniger auswärts gebogen ist, so dass die
Gestalt eine vasenförmige wird (12). Andererseits kann sich das
vordere Drittel der Schale auch halsartig verschmälern, so dass die Form
einer mehr oder weniger bauchigen Flasche entsteht (8) oder, bei ge-
ringer Entwicklung des Halses, die einer Amphora. Nicht selten ist
gleichzeitig das Hinterende mehr oder weniger stielartig ausgezogen oder
zugespitzt (2 , 7). Von den ersterwähnten vasenförmigen Gestalten
leiten sich solche ab, welche durch starkes Längswachsthum mehr die
Gestalt eines Champagnerglases annehmen, sitzend oder auf elegantem
Stiel befestigt, und schliesslich treten auch lange hornartig geschwungene
Formen auf (6). Bei der so gebildeten S. cornuta zeigt sich noch
eine weitere interessante Eigenthümlichkeit , indem nämlich eine Gablung
des Gehäuses in Verbindung mit der Theilung des Thieres eintreten kann,
also eine Art Stockbildung, ähnlich wie bei Phalansterium digitatum.
Eine besonders eigenthümliche Gestaltung des Gehäuses findet sich noch
bei den S. Ampulla (10 a) und Campanula. Bei diesen beiden Arten
wird nämlich das Thier sammt dem Kragen für gewöhnlich von dem
Gehäuse ganz umschlossen, während sonst im nicht retrahirten Zustand
stets der Kragen aus dem Gehäuse hervorschaut. Dieser Umstand be-
dingt nun auch bei diesen beiden Formen eine besondere Gestalt des
Gehäuses, indem sich dessen vordere zwei Drittel balloniörmig zur Auf-
nahme des Kragens erweitern. Bei S. Ampulla ist dieser erweiterte Theil
grob längsgerippt. Kent konnte die allmähliche Entwicklung des Ge-
häuses hei der letzteren Form verfolgen und fand, wie erwähnt, dass die
erste Anlage eine einfache, annähernd kuglige Hülle ist (10 b), an welcher
später, nach der Bildung des Kragens, „durch dessen und der Geissei
Thätigkeit" allmählich die vordere Erweiterung hervorgerufen wird;
worauf das Gehäuse erhärtet. Besondere Verzierungen oder dergleichen
finden sich an den Gehäusen fast nie, nur das abgerundete Hinterende
des ungefähr flaschenförmigen Gehäuses der sog. Lagenoeca cuspidata
Kent zeigt einige dornartige Fortsätze, welche etwas an die der Flagel-
late Chrysopyxis bipes St. (T. 43, 2) erinnern.
Nachdem wir eben bei der S. cornuta die Andeutung einer Kolonie-
bildung beschälter Formen gefunden haben, müssen wir ganz kurz der
Gattung Polyoeca gedenken, welche sich hinsichtlich ihrer Koloniebildung
zu den solitären Salpingoecen genau so verhält, wie Poteriodendron zu
Bicosoeca unter den Flagellaten. Die Stockbildung (T. 49, 12) erfolgt
hier nämlich so, dass sich die jüngeren Gehäuse mit ihren ziemlich
Gehäusebildungen. 895
langen Stielen auf den Mündungsrändern der älteren successive befestigen ;
zuweilen geschiebt jedocb aueb die Anheftung auf dem Stiel eines
benachbarten Kolonialgenossen.
Verhalten des Thierkörpers zu dem Gehäuse bei den
Salpingoecen. Es wurde schon erwähnt, dass das Gehäuse im er-
wachsenen Zustand gewöhnlich nur zu einem beschränkten Theil von
dem Thierkörper erfüllt wird, doch ist bei den weniger langgestreckten
Gehäusen, wie bei S. arapullacea, Amphoridium, Pisiformis und Ver-
wandten die Erfüllung der Schale gewöhnlich eine ziemlich vollständige
(1, 4, 8). Auch hier findet sich aber meist eine Flüssig'keitsschicht
zwischen der Oberfläche des Körpers und der Schalenwand, so dass nur
in der Gegend der Gehäusemündung eine Art Aufhängung des Körpers
in der Schale zuweilen zu beobachten ist. In den länger gestreckten
Gehäusen (mit Ausnahme der schon früher besprochnen S. Ampulla und
Campanularia) findet sich der Thierkörper im nicht retrahirten Zustand
im vorderen Theil, so dass der Kragen aus der Mündung herausschaut.
Eine Berührung mit der Gehäusewand scheint meist nirgends stattzu-
finden. In verhältnissmässig wenigen Fällen konnte bis jetzt eine be-
sondere Befestigung an der Gehäusewand nachgewiesen werden. Bei
gewissen Formen entspringt von dem Hinterende ein feines, wahrschein-
lich protoplasmatisches Fädchen, welches sich im Grunde des Gehäuses
befestigt (10a); bei S. cornuta heftet sich ein zuweilen vorhandenes
ähnliches Fädchen weiter vorn an die Seite des Gehäuses an und an
seiner Stelle finden sich manchmal auch mehrere pseudopodienartige Fort-
sätze (6).
Da nun die meisten Formen der Salpingoecen und Verwandten das
Vermögen besitzen, sich bei Beunruhigung plötzlich und rasch in das
Gehäuse völlig zurückzuziehen, so liegt es nahe, hiermit diese in gewissen
Fällen (S. cornuta Kent) nachweisbar contractilen Fädchen des Hinter-
endes in Verbindung zu bringen. Immerhin scheint es mir möglich, dass
bei dieser Retraction auch noch andere Momente ins Spiel kommen.
Manche Salpingoecen wenigstens (so nach Bütschli S. fusiformis) be-
sitzen das Vermögen, bei ihrer Retraction auch die Gehäusemtindung zu
verengern, ähnlich wie die Bicosoecen unter den Flagellaten, welchen sich
ja auch die Gehäusebildungen der Salpingoecen am innigsten anschliessen.
Wie schon früher gelegentlich hervorgehoben wurde , besitzen
wenigstens gewisse Formen der Choanoflagellaten eine recht ausge-
sprochene Contractionstähigkeit. So contrahirt sich Codosiga Botrytis
häu6g zu kugliger Gestalt und auch bei der Retraction der Salpingoecen
wird wohl gewöhnlich eine Contraction des Thierkörpers stattfinden. Auf
die amöboiden Bewegungserscheinungen werden wir gleich bei der
Fortpflanzung noch etwas näher eingehen.
Fortpflanzungserscheinungen und Encystirung.
Theilungse r schein ungen. Die Vermehrung durch Theilung
scheint mir zur Zeit allein als ganz sichergestellte Fortpflanzungsweise
896 Choanoflagellata.
der Choanoflagellateu betrachtet werden zu müssen. Wie bei den Flagel-
laten, begegnen wir sowohl der Quer- wie Längstheilung.
Die Quertheilung wurde von Cienkowsky bei der Gattung
Phalansterium sicher nachgewiesen und durch Stein's Untersuchungen
noch genauer dargestellt. Aus des Letzteren schönen Abbildungen dieses
Vorganges geht hervor, dass sich das in Theilung eingehende Individuum
etwas in die Länge streckt, worauf eine ringförmige Einschnürung in der
Mitte auftritt (T. 48, 14 b I), indem gleichzeitig schon eine wohl sicher
neugebildete contractile Vacuole für den vorderen Sprössling kenntlich
wird. Erst wenn die Durchschnürung ziemlich vollzogen ist, bemerkt
man die Neubildung eines Kragens an dem Vorderende des hinteren
Sprösslings (siehe neben I). Die Verhältnisse bedingen es, dass dieser
neue Kragen etwas schief seitlich aus dem Vorderende des hinteren
Sprösslings hervorwachsen muss. Dass auch dessen Geissei neu entsteht,
unterliegt nach dem Mitgetheilten keiner Frage. Nach geschehener
Sonderung der beiden Sprösslinge rückt der hintere in gleiche Höhe mit
dem vorderen in der Wohnröhre Aus den Mittheilungen Cienkowsky's
ergibt sich weiter, dass die Vorgänge bei der anderen Art im Wesentlichen
dieselben sind. — Letzterer Beobachter sucht es auch wahrscheinlich zu
machen, dass bei der gleichen Art auch Längstheiluug auftrete. Er fand
nämlich nicht selten Individuen mit zwei Kragen und Geissein des
Vorderendes, welche er geneigt ist, für beginnende Längstheilungsstadien
zu halten. Da jedoch weiter fortgeschrittene Theilungszustände nicht
beobachtet wurden, so ist eine andere Deutung dieser Individuen nicht
ausgeschlossen; man darf wenigstens daran denken, sie aus Copulation
abzuleiten.
Für die Craspedomonadinen wurde die Vermehrung durch Längs-
theilung zuerst von James-Clark und später von Stein auf das Sicherste
erwiesen. Kent dagegen will sowohl bei Monosiga wie Salpingoeca
häufig einen Qaertheilungsprocess beobachtet haben, welcher in sehr
eigenthümlicher Weise verlaufen soll. Für die Gattung Monosiga wird
dieser Proeess nicht genauer geschildert, sondern nur kurz erwähnt, dass
das zur Quertheilung tibergehende Individuum zunächst seinen Kragen
und die Geissei einziehe, worauf sich eine vordere Partie des Körpers
abschnüre und nach Ausbildung einer Geissei in Form einer kleinen
Monade wegschwimme, welche sich nach einiger Zeit festhefte und einen
Stiel nebst Kragen ausbilde.
Bei Salpingoeca dagegen wird dieser Quertheilungsprocess in
zweierlei Art beschrieben. Bei S. Amphoridium wird zu Begina des
Vorgangs zunächst Geissei und Kragen eingezogen (T. 49, 8 b) und das
Plasma dringt in Form einer Anzahl fingerartiger Pseudopodien aus der
Gehäuseöffnung hervor (8 c). Diese hervortretende amöboide Plasmamasse
soll sich nun ablösen und in Gestalt einer kleinen sternförmigen Amöbe
(8e) einige Zeit umberbewegen , sich alsdann wieder festheften und zu
einer vollständigen Salpingoeca entwickeln. Statt solcher fingerförmiger
Quer- und l.äiigstlioiluiig'. 897
Pseudopodien sah Kent, wie schon früher erwähnt, zuweilen auch einen
Kranz feiner strahlenartiger Pseudopodien aus der Mündung hervor-
treten. Auch bei S. fusiformis wird ein ähnliches Hervordringen des
Plasmas, jedoch in mehr unregelmässig wurstförmiger Weise, nach Rück-
bildung des Kragens und der Geissei, beschrieben. Das vorgedrungene
Plasma soll sich ablösen und der in dem Gehäuse gebliebene Theil
wie bei S. amphoridium wieder zu einem völligen Individuum resti-
tuiren. Stein bildet bei seiner nahe verwandten S. Clarkii ein Indi-
viduum mit kugelförmig hervorgedrungenem Plasma ab, deutet es
aber als ein nach der Abstossung des Halskragens zerfliesseu-
des Thier.
Zvveitheilungeu im amöboiden geissei- und kragenlosen Zustand führt
Kent auch von den Individuen der Protospongia an.
Die zweite Art der von Kent beobachteten Querth eilung wird am
genauesten von der S. inquillata Kent beschrieben. Hier soll sich das
aus der Gehäusemündung ziemlich hervorgetretene Thier zunächst in der
Mitte nahezu durchschnüreu , ohne dass Geissei und Kragen eingezogen
würden. Dann erfolge die Einziehung des Kragens und erst etwas später
auch die der Geissei. Hierauf würden die beiden, nun von einander
. getrennten Sprösslinge zwischen sich, in der Richtung der Längsaxe eine
cylindrische zarte Plasmamasse entwickeln, einen Kragen, welcher sich
zwischen den beiden Sprösslingen ausspanne. Bei der weiteren Ent-
wicklung verbleibe dieser neugebildete Kragen ausschliesslich mit dem
hinteren Sprössling in Verbindung, während sich der vordere Sprössling
als eine geissellose Plasmakugel ablöse.
Wer die von Kent mitgetheilten Abbildungen der Stadien dieses
Quertheilungsprocesses genauer betrachtet, wird zweifeln müssen, ob
dieselben . in der angegebenen Weise aufeinanderfolgen können. Auch
von S. gracilis werden verschiedene Stadien eines entsprechenden Quer-
theilungsprocesses abgebildet.
Wenn ich nun auch nicht glaube, dass die Darstellung, welche Kent
von der letztgeschilderten Art der Quertheilung bei Salpingoeca gibt,
der Wirklichkeit ganz entspricht, so scheint mir daraus doch zu folgen,
dass hier Quertheilung wirklich vorkommt. Für weniger sicher erachte
ich dagegen den ersterwähnten Modus.
Längstheilung finden wir bei Codosiga und Salpingoeca und, wie
wir aus den Koloniebildungen schliessen dürfen, sicherlich auch bei Co-
donocladium und Hirmidium (Desmarella Kent). Genauer bekannt wurde
der Vorgang der Längstheilung nur für Codosiga Botrytis durch die
schönen Untersuchungen von James -Clark; die Abbildungen, welche
Stein von einigen Theilungsstadien dieser Art gibt, bestätigen die An-
gaben des amerikanischen Forschers auf das Beste. Es sind natürlich
meist relativ grosse Individuen, welche sich theilen. Seltsamer Weise
beginnt der Process damit, dass der Kragen eine ungefähr glocken-
förmige Gestalt annimmt und seine Endöfifnung eine grössere Weite als
Bronn. Klasi?en des Thier -Reichs. Protozoa, 57
898 Choanoflagellata.
gewöhnlich erlangt. Diese Erweiterung ist jedenfalls nur ein Vorspiel seiner
späteren Theilung. Die geschilderte Gestaltänderung wird durch eine Eeihe
Ausdehnungen und Zusammenziehungen des Kragens vermittelt, wobei
er in eine Art vibrirender Bewegung geräth, ähnlich wie dies schon
früher bei Schilderuug der Contraction des Kragens nach James -Clark
erwähnt wurde. Während der Körper sich im weiteren Verlauf des
Frocesses verkürzt und verbreitert (T. 49, 16 h), wird das Flagellum,
Avelches zuvor eine gestreckte Form angenommen hat, rasch eingezogen.
In etwa einer Minute schmilzt es zu einem kurzen und dicken Stumpf
zusammen (16 h, 161), der sehr bald vollständig schwindet. Während dei"
Körper sich weiter verbreitert, beginnt nun die Mündung des Kragens
sich zu verengern, so dass derselbe allmählich eine cylindrische und
schliesslich eine sich mehr und mehr zuspitzende keglige Gestalt annimmt
(16i), Schon wenn der Kragen aber noch als /iemlich weit abgestutzter
Kegel erscheint, beginnt die eigentliche Theilung des Körpers, indem auf
dem Vorderende in der Kragenarea eine mittlere Längsfurche auftritt
(16i), welche nun allmählich bis auf das hintere Ende fortschreitet;
noch bevor sie dieses erreicht, haben sich die Vorderenden der beiden
Sprösslinge schon auf eine kurze Strecke von einander gesondert (16k).
Die Oeflfnung des Kragens hat sich mittlerweile so verengt, dass derselbe
spitzkegelig erscheint (16k). Erst wenn die Separirung der beiden Spröss-
linge etwas über die Hälfte nach hinten fortgeschritten ist (nach Stein's Ab-
bildungen zuweilen aber auch früher [16g, 161]) beginnt der Kragen sich
zu theilen und zwar, wie zu erwarten, von der Basis gegen den freien
Rand fortschreitend. Zuvor hat sich seine Oeffnung jedoch wieder er-
weitert und diese Erweiterung macht während seiner Durchschnürung
noch Fortschritte. Wenn die Theilung des Kragens etwa bis zur Hälfte
geschehen ist, setzt sich die ihn einschnürende Furche schon bis zu seinem
freien Rand fort und dieser erscheint daher von oben betrachtet ungefähr
bisquitförraig (16 g). Das erste Auftreten der neuen Geissein der Spröss-
linge fällt noch vor den Beginn der Krageutheilung. James-Clark sagt
hierüber: „an jedem der abgerundeten Enden (der Sprösslinge) erscheint
eine leichte Bewegung , ähnlich der Molekularbewegung eines Körnchens,
und dann erhebt sich daselbst sehr rasch ein scharfer und deutlich faden-
förmiger Auswuchs, welcher sich in einem Zustand constanter schwacher
(narrow) Vibration oder einer Art Zitterns erhält". Diese Bewegung der
Geissein (161) scheint bis zu ihrer völligen Ausbildung fortzudauern.
Während sie nun weiter heranwachsen, setzt sich die Theilung des Kragens
nach vorn bis zur völligen Trennung fort und nachdem der Körper bis
zum Hiuterende durchgeschnürt ist, geht die Theilung auf das hintere
plasmatische Stielchen über (16 f), welches schliesslich auch längs-
gespalten wird. Etwas unsicher scheint mir noch die Zeit des Auf-
tretens der neuen contractilen Vacuolen der Sprösslinge zu sein. James-
Clark bemerkt zwar, dass dieselben sich wahrscheinlich] schon in dem
Vorbereitungsstadium vermehrten, da er zu dieser Zeit drei Vacuolen
Längstheilung; Copiüatiori iiatl Encystirung 899
beobachtet [haben will. Da nun aber sowohl auf seineu Abbildungen
wie auf denen Stein's die 4 Vacuolen der Sprösslinge erst auf einem
weit vorgerückten Theilungsstadium gezeichnet sind, so halte ich diese
Angabe für etwas unsicher. James hat den ganzen Verlauf der Theilung
an einem Individuum verfolgt; derselbe beanspruchte einen Zeitraum von
40 Minuten.
Bezüglich der Läng-stheilung bei S alpin goeca wissen wir aus den
Abbildungen von Stein nicht viel mehr, als dass dieselbe vorkommt. Er
beobachtete ein sicheres Endstadium derselben bei S. vaginicola. Die in
der flüUe getheilten Sprösslinge hingen nur noch an den Hinterenden
ein wenig zusammen (T. 49, Ib). Das hier weiche Gehäuse hatte sich
verbreitert und war durch eine der Theilungsebene entsprechende
Längsfurche eingeschnürt, so dass der Verdacht entsteht, es möge sich
auch das Gehäuse hier theilen.
Einen etwas seltsamen Zustand, welchen Stein als Längstheilung
deutet, bildet er bei S. oblonga ab. Derselbe ist auf T. 49, 9 b wieder-
gegeben und halte ich es trotz der gegentheiligen Ansicht von Kent,
welcher in ihm eher einen Copulations- oder Quertheilungszustand er-
kennen will, für wahrscheinlich, dass Stein's Ansicht die richtige ist. Die
Entstehung dieses Zustandes müsste dann wohl so gedacht werden, dass
das sich theilende Thier ziemlich weit aus dem Gehäuse hervorgeragt und
sich dann wahrscheinlich etwas schief längsgetheilt hätte.
Wie schon bemerkt, lässt sich das Vorkommen der Längsthejhing
aus der Bildung der Kolonien bei Hirmidium Perty (= Desmarella Kent
= Codonodesmus St.) sicher erschliessen. Es wird deshalb am Platze
sein, auf diese bis jetzt noch nicht besprochenen Kolonien kurz einzu-
gehen. Dieselben (T. 48, 17) sind freischwimmend und bestehen aus
4 — 11 zu einem schwach gebogenen, einreihigen Band, Seite an Seite
zusammengefügten, gehäuselosen Individuen. Es kann, wie gesagt, keinem
Zweifel unterliegen, dass die Bildung dieser Kolonien durch fortgesetzte
Längstheilung geschieht, wobei die Theilungsebenen parallel bleiben. Die
eintretende Krümmung rührt von der die Körperbreite übertreffenden
Weite der Kragenmüudung her. Wie Stein beobachtet hat, kann eine
individuenreiche Kolonie des Hirmidium durch einfache Lösung des
Zusammenhangs an einer gewissen Stelle in zwei zerfallen.
Copulation, Encystirung und damit zusammenhängende
Fortpflanzungserscheinungen.
Von Copulations- oder Conjugationserscheinungen ist bis
jetzt mit Sicherheit fast nichts ermittelt. Wir haben schon früher auf die
Möglichkeit der Copulation bei Phalansterium hingewiesen und hier nur
noch über einen von Stein beobachteten möglichen Copulationszustand
der Codosiga Botrytis zu berichten. Derselbe (T. 48, 16 m) betraf ein
Individuum, aus dessen einer Seite sich ein zweites, etwas kleineres wie
eine Knospe erhob. Auch ich möchte die Stein'sche Deutung-, dass es
( N 57*
900 Choanoflagellata.
sich hier um die Copulation eines frei gewordenen Individuums mit einem
sessilen handele, für recht wahrscheinlich erachten.
Das Vorkommen eines mit Encystirung verbundenen Ruhezustandes
bei Phalansterium consociatum wurde schon von Cienkowsky ent-
deckt. Beim Uebergang in diesen Ruhezustand nehmen die Individuen
Kugelgestalt an, Geissei und Kragen schwinden und das Körper-
volum scheint sich gleichzeitig etwas zu vergrössern. Es wird dann eine,
wie es scheint, ziemlich derbe Cystenmembran abgeschieden, welche an-
fänglich äusserlich ganz glatt ist, später aber eine kielartige Erhebung
längs eines grössten Kreises der Kugel erhält. Zwei gegenüberstehende
Pole dieses Kiels sind noch dadurch ausgezeichnet, dass sich in ihnen
je ein kleines Häkchen erhebt.
Encystirungsprocesse der Craspedomouadinen wurden namentlich von
Kent beschrieben. Ausser ihm hat nur Stein eine wohl unzweifelhafte
Encystirung bei seiner Salpingoeca oblonga beobachtet. Der Körper
des Thieres war innerhalb des Gehäuses zu einer geissei- und kragen-
losen Kugel zusammengezogen (T. 49, 9 a) und die Gehäusemündung
durch ein häutiges Diaphragma geschlossen, ähnlich demjenigen, welches
bei der Encystirung mancher beschälten Rhizopoden gebildet wird.
Kent, der die Encystirung bei einer ganzen Anzahl Salpingoecen
beobachtet haben will, erwähnt nichts von einem solchen Diaphragma.
Die von ihm beschriebenen Encystirungszustände erscheinen gleichfalls
als kuglige bis ovale Plasmakörper innerhalb der Gehäuse, um welche
jedoch auf fast keiner der Abbildungen eine besondere CystenhüUe an-
gegeben wird (T. 49, 8 a). Nur an den kugligen Cysten der Salpingoeca
Infusionum ist eine ziemlich dicke Haut deutlich gezeichnet (T. 49, 13 e);
doch scheint aus der sehr kurzen Darstellung hervorzugehen , dass
diese Cysten nicht in den Gehäusen, sondern frei gefunden wurden, was
ihre Herkunft vielleicht etwas zweifelhaft macht. In mehreren Fällen
beobachtete Kent vor der Encystirung, nachdem Kragen und Geissei ge-
schwunden sind, einen amöboiden Zustand ; genauer beschrieben wird derselbe
bei S. fusiformis und Protospongia (T. 49; 11, a); auch für Codosiga wird
derselbe behauptet, doch sicherlich irrthümlich, da die kurzen, stachel-
artigen Pseudopodien, welche Kent über die ganze Oberfläche dieser
Formen bei kragentragenden wie kragenlosen Individuen sich erheben sah
(T. 48, 16 n)*), sicherlich nichts anderes, wie der von Bütschli und
Stein geschilderte Bacterienbesatz war, eine Ansicht, welche Kent
ursprünglich selbst vertrat.
Die Cysten der Codosiga Botrytis werden als birnförmig, auf den
Stielen befestigt und mit feiner Haut versehen, geschildert (T. 48, 16 o),
Kent sucht nun nachzuweisen, dass der Encystiriingsprocess gewöhn-
lich mit einer Vermehrung verbunden sei, indem der Cysteninhalt in eine
*) Auf flieser von Kent (1S2) genomineneu Abbildung sind die den Besatz bildenden
Stäbchen viel zu dick und plump gezeiclin . Naturgetreuere Darstellungen findet man bei
Bütschli (171) und Stein (167).
, Eiioyötinuig- und ^ii<^. Simrulalinr;. System. iJOl,
grössere oder geringere Anzahl nackter Sporen oder Keime zerfalle.
Am genauesten wurde dieser Vorgang bei S. fusiformis dargestellt (16B
und 182). Die Abbildungen zeigen einen successiven Zerfall des ruhenden
Organismus, erst in 4 und schliesslich in einen kugligen Haufen vieler
kleiner Sprösslinge (T. 49, 7 a). Bei anderen Salpingoecen werden
Stadien eines ähnlichen Vermehrungsprocesses abgebildet, so bei den an-
geblichen Cysten von S. Infusionum (T. 49, 13 e), wo etwa acht
Sprösslinge angegeben sind. In Haufen kleinerer oder grösserer Sporen
sollen auch die ruhenden Zustände bei Protospongia zerfallen (T. 49,
11, Cy), ebenso der Cysteninhalt bei Codosiga Botrytis (T. 48, 16 o),
während bei Codonocladium cymosum bis jetzt nur eine Zweitheiluiig
des Inhalts beobachtet wurde. Die Keime oder Sporen sollen schliesslich
in Gestalt sehr kleiner eingeisseliger Monaden frei werden (T. 49, 7 b,
13f), um sich nach einiger Zeit des Umherschwärmens festzuheften und
sich unter allmählicher Entwicklung der fehlenden Organe zu voll-
ständigen Thieren auszubilden.
Bei der koloniebildenden Protospongia siedeln sich die jungen aus
den Sporen hervorgegangenen Individuen entweder zwischen den Er-
wachsenen an und vergrössern so die Individuenzahl der Kolonie oder
entfernen sich von der Mutterkolonie, um neue zu gründen. Etwas eigen-
thümlich wird die Weiterentwicklung der monadenförmigen Larve des S.
Infusionum geschildert und mag deshalb hier noch speciell erwähnt werden.
Dieselbe bildet einen Stiel und den fehlenden Kragen aus (T. 49 , 13 c);
dann erst entsteht das Gehäuse, während welcher Arbeit jedoch der erst-
gebildete Kragen und die Geissei wieder eingezogen werden sollen (T. 49,
13 d). Das in Entwicklung begriffene Gehäuse wird hier, wie bei S. in-
quillata als eine das ganze Thier umgebende, geschlossene Hülle dar-
gestellt.
3. System der Choanoflagellata. Versuche einer systematischen
Gruppirung der Formen unserer Abtheilung liegen bis jetzt nur von Stein
und Kent vor. Der erstere führt unsere Craspedomonadina als besondere
Familie der Flagellaten auf, vereinigte dagegen, wie bemerkt, die Gattung
Phalansterium wegen ihrer Stockbilduug mit der Flagellatenfamilie der
Spongomonadina. Bei Kent bilden die Choanoflagellaten eine besondere
Ordnung der Flagellata, welche jedoch auch noch die gesammte
umfangreiche Abtheilung der Spongien umfasst. Er unterscheidet daher
in dieser Ordnung zwei Sectionen: 1) die Discostomata-Gymnozoida,
d. h. unsere Choanoflagellata und 2) die Discostomata-Sarcocrypta
oder die Spongida. Ich habe nun schon früher (171) und auch in der
historischen Einleitung dieses Abschnittes ausgeführt, dass ich die gene-
tischen Beziehungen der Spongien zu unseren Choanoflagellaten nicht
verkenne. Dies Anerkenntniss zwingt nun aber nicht, auch die gesammte
Abtheilung der Spongien in den Kreis der Mastigophoren zu ziehen, so
wenig wie wir alle einzelligen und mehrzelligen Algen, welche aus
flagellatenartigen Formen abzuleiten sein dürften , mit den letzteren ver-
902 Choanoflagellata.
einigen können und ebensowenig als mau etwa die Gruppe der
Mollusken mit den Würmern vereinigt, weil man die Ueberzeugung
besitzt, dass dieselbe genetisch mit einfachen Wurmformen zusammen-
hängt. Die Spongiengruppe bietet so viel Eigenthümliches und ist
in sich vorerst so wohl geschlossen , dass wir sie als selbstständige
Gruppe aus dem Kreis der Protozoen ausscheiden müssen. Wir sind ja
in gleicher Weise der Ueberzeugung, dass auch die übrigen Metazoen aus
Protozoen und wahrscheinlich den Flagellaten hervorgegangen sind.
In der Bildung systematischer Untergruppen weichen wir in manchen
Puncten von Kent ab, wie dies aus der speciellen Darstellung hervor-
gehen wird.
1. Familie. Phalansterina Kent (emend. BUtschli).
Individuen oval bis länglich oval. Die Basis der Geissei von einem
kurzen und engen kegelförmigen, gestaltbeständigen Kragen umgeben.
Vermehrung durch Qaertheilung (Längstheilung fraglich). Koloniebildend,
indem jedes Individuum eine stark körnige Schleimröhre um sich aus-
scheidet. Die Schleimröhren bilden entweder eine auf der Unterlage
flach scheibenförmig ausgebreitete Kolonie, in welcher die Einzelröhren
radial um das Centrum geordnet sind, oder einen sich frei erhebenden
dichotoraisch verzweigten Stock, dessen Aeste von je einer Eöhre gebildet
werden. Die Individuen sitzen zu ein bis zweien in jeder Röhre und
meist ziemlich von deren Mündung zurückgezogen. Encystirung beob-
achtet.
Phalansteriura Cienkowsky 1870 (emend. Stein 1878).
Synon.: ? Calia, Werneck (38); Monas (consociata Fresenius 102).
T. 48, Fig. 14—15.
Charactere der Familie. Länge der Individuen bis 0,003 Mm. Sttss-
wasser. 2 Arten. Deutschland und Russland.
2. Familie. Craspedomonadina Stein 1878.
Iidividuen kuglig bis langgestreckt, mit ansehnlichem, gestaltver-
änderlichem und im ausgebreiteten Zustand umgekehrt kegelförmigem
Kragen. Solitär oder stockbildend. Länge der Einzelthiere ohne Kragen
0,005—0,035 Mm.
1. Unterfamilie. Codonosiginae Kent (Familie, Kent).
Individuen nackt, oder nur mit Andeutung eines unvollkommenen
Gehäuses, oder in gallertartige Hülle eingebettet.
Monosiga Kent 1880.
Stets solitär. Individuen mit dem Hinterende direct oder mittels eines
mehr oder weniger ausgebildeten Stiels festgeheftet.
System. 903
Süss- und Salzwasser. Europa. Kent führt 9 Arten auf, doch wird
es schwer sein, dieselben von jugendlichen Formen der folgenden
Gattungen zu unterscheiden.
Co dosig a James-Clark 1867; ßütschli 171; Kent 138 und 182 p. p.;
Robin 185.
S y n 0 11. : Epistylis (Botrytis) Ehrenberg (32) ; Anthophysa (solitaria) Fresenius (102) ;
Codonosiga Stein (167).
T. 48, Fig. 16.
Unterscheidet sich von Monosiga dadurch, dass die durch Längs-
theilung sich vermehrenden Individuen auf dem Ende des einfachen Stieles
in einer Kolonialdolde vereinigt bleiben. ludividuenzahl einer Kolonie bis
20 und mehr, gewöhnlich aber weniger.
Nach Kent Vermehrung durch Encystirung und Sporulation. Süss-
und Salzwasser. Eine sichere Art. Europa und Nordamerika.
? Asterosiga Kent 1880.
Synon. : üvella disjuncta From. (146).
Zweifelhafte Gattung; etwa wie eine von ihrem Stiel losgelöste. freischwimmeiKl(3
Kolonialdolde von Codosiga oder Codonocladium erscheinend. Nur auf die unzuverlässigen
Angaben bei Fromentel gegründet.
Codonocladium Stein 1878; Entz (Termeszetrajzi Füzetek,
Vol. 7, 1883).
Synon.: Epistylis Tätern (126); Codosiga Kent pr. p. (138 und 182).
T. 49, Fig. 5.
Unterscheidet sich dadurch von Codosiga, dass die Individuen nach
der Vermehrung durch Theilung secundäre Stiele ausscheiden , wodurch
ein verästeltes Stielgerüst erzeugt wird, auf dessen Astenden Einzel-
iadividuen oder Dolden von Individuen sitzen. Die Verzweigung des
Stielgerüstes geschieht entweder doldig oder unregelmässig dichotomisch.
Encystirung nach Kent. Etwas abweichend verhält sich das von Entz
beschriebene C. corymbosum, weil dessen Individuen an ihrer hinteren
Hälfte die Anlage eines unvollständigen Gehäuses besitzen, wie früher
geschildert wurde.
Süss- und Salzwasser. Europa. Zahl der sicheren Arten 3—4.
Hirmidium Perty 1852.*)
Synon.: Desmarella Kent (165, 166 und 182); Codonodesmus Stein (167).
T. 48, Fig. 17.
Freischwimmende Kolonien aus bis 11 ungestielten Individuen zu-
sammengesetzt, welche Seite an Seite zu einem schwach bogenförmig
*) Die Identilicirung des Perty 'sehen Hirmidium inane mit den von Stein und Kent be-
schriebenen Formen scheint mir zwar nicht absolut sicher, jedoch so sehr wahrscheinlich, dass
ich den Perty 'sehen Namen gewählt habe. Der einzige ernstliche Zweifel an der Identität
der Perty'schen Form gründet sich auf die grüne Farbe, welche sie besitzen soll. Doch Lann
bei einem so kleinen Objcct das Mikroskop leicht eine solche Farbe vorgetäuscht haben.
904 Choanoflagrllata.
gekrümmten Band vereinigt sind. Zerfall grösserer Kolonien in zwei von
geringerer Individuenzabl beobachtet.
Süss- und Salzwasser. 1 Art. Europa.
Protospongia Kent 1880. Oxley (Journ. roy. micr. soc. [2] VI.)*)
T. 49, Fig. 11.
Individuen ungestielt, bis zu 60 und mehr in ziemlich gleichen Ab-
ständen in eine sehr flach ausgebreitete, mehr oder wenig unregelmässige
Gallertscheibe von fast hyaliner Beschaffenheit vereinigt. Die Thiere
gehen sehr leicht, unter Einziehung des Kragens und der Geissei in
einen amöboiden Zustand über. Encystirnng und Sporulation nach Kent.
Süsswasser. 1 Art. Europa.
2. Unterfamilie. Salpingoecina Kent (Familie, Kent).
Die Individuen bilden ein im Allgemeinen dünnwandiges, meist häutiges
Gehäuse von sehr manigfaltiger Gestalt, Solitär oder stockbildend.
Salpingoeca James -Clark 1867; Kent (138, 163, 165, 166 und
182); Bütschli 170; Stein 167;Vedjowsky(Org. d. Brunnengew. von Prag, 1882).
T. 49, Fig. 1-2, 4—10 und 13.
Gehäuse sehr manigfaltig, im Allgemeinen ei- bis pokalförmig, auch
balloüförmig oder cylindrisch. Mit dem Hinterende direct oder mittels
eines Stieles aufgewachsen. Stets solitär. Vermehrung durch Längs-
theilung; wahrscheinlich auch Quertheilung nach Kent. Encystirung im
Gehäuse; nach Kent mit Sporulation.
Süss- und Salzwasser. Artenzahl ca. 27; doch scheinen sich scharfe
Grenzen zwischen den Arten schwer ziehen zu lassen. Europa und Nord-
amerika.
? Lageiioeca Kent 1880.
Zweifelhafte Gattung, ^yelche sich von Salpingoeca nur durch freies ümherschwimmen
unterscheiden soll. Da al)er Stein beobachtet hat, dass sich auch Salpingoecaformen zuweilen
loslösen , so muss die auf ein einziges beobachtetes Individuum gegründete Gattung zur Zeit
noch unsicher erscheinen. Süsswasser. Europa. 1 Art.
Polyoeca Kent 1880.
T. 49, Fig. 12.
Unterscheidet sich von Salpingoeca nur durch Stockbildung nach
Art des Poteriodendron oder Dinobryon, indem die jüngeren Kolonial-
individuen sich mit ihren Stielen auf der Mündung der Gehäuse der
älteren befestigen.
Marin. Nordsee. 1 Art.
4. Einige Bemerkungen über gewisse Lebensverhält-
nisse der Choanoflagellaten. Choanoflagellaten werden, wie be-
*) Es war mir nicht mehr möglich, diese jüngst erschienene Mittheilung einzusehen^
Dieselbe enthält die Beschreibung einer zweiten Art.
Sybtcm; verschiedene Lobensverbältiüsse. 905
merkt, nicht selten im Siisswasser und Meer gefunden, auch in Aufgüssen
wurden einige beobachtet. Als meist sessile AVesen befestigen sie sich
auf den verschiedensten Gegenständen : Algen , AVasserlinsen , Volvox,
Räderthieren , namentlich gern auch auf den Stielen der Vorticellen und
s. f. Manche Formen findet mau häufig in zahlreichen Gesellschaften
dicht beisammen. Wie erwähnt, wurde auch mehrfach beobachtet, dass
einzelne sessile Individuen sich ablösen und frei uniherschwimmeu,
namentlich für die häufige Codosiga wurde dies verzeichnet und
Stein sah auch Salpingoeca Convallaria mit sammt dem Gehäuse sich
ablösen und frei umherschwimmen. Hierbei zeigt sich nun die inter-
essante Erscheinung, dass die Choanoflagellaten ihr Geisselende beim
Schwimmen nach hinten richten, umgekehrt wie die allermeisten Flagel-
laten und man erkennt leicht, dass diese Bewegungsweise hier auch die
vortheilhaftere ist, weil der nach vorn gerichtete Kragen ein grosses
Hinderniss für die Vorwärtsbewegung bilden würde.
Die Choanoflagellaten ernähren sich auf entschieden thierische Weise
und wegen ihrer Kleinheit kommen natürlich nur recht kleine Nahruugs-
körper in Betracht , vorzugsweise Schizomyceten. Das Vorkommeo
saprophj'tischer Ernährung neben der thierischen dürfte jedoch auch
bei diesen Wesen nicht ausgeschlossen sein. Gewisse Schizomyceten
siedeln sich, wie erwähnt, auch auf der Oberfläche einiger Choano-
flagellaten an, man trifft zuweilen Codosiga- und Codonocladiumindividuen,
deren Körper und Kragen mit kleinen, senkrecht auf die Oberfläche ge-
stellten Bacterieustäbchen dicht besetzt ist.
3. Unterabtheiliing (Ordnung) Dinoflagellata.
(Cilioflagellata früher p. 619, Peridinea Klebs 1883, Arthrodele
Flagellaten Stein 1883).
1. Historische rebersielit der Entwiclieluiig' unserer Kenntnisse dieser
Abtiieiluno'.
•»•
Im Allgemeinen sind es dieselben Forseher, welche wir schon in
der Geschichte der Flagellaten namhaft machten, denen wir auch unsere
Kenntnisse der Dinoflagellaten verdanken; es stimmt daher auch der
Verlauf des allmählichen Fortschrittes unserer Erkenntniss der vorliegen-
den Abtheilung im Wesentlichen mit dem schon geschilderten der
Flagellaten überein und die wechselnden Anschauungen, welche sich
bezüglich letzterer Gruppe im Laufe der Zeit geltend machten, mussten
auch auf die kleinere und nahe verwandte Abtheilung der Dinoflagel-
lata ihren Einfluss ausüben. Wir können uns deshalb in der Dar-
stellung dieses Abschnittes kurz fassen.
Die ersten Mittheilungen über Dinoflagellaten rühren von 0. F. Müller
her, welcher schon im Jahre 1773*) zwei Süsswasserformen als
Bursaria Hirundinella und Vorticella cincta beschrieb. 1777**)
konnte er in dem „Prodromus der Zoologia danica'' eine dritte marine Form
als Cercaria Tripos aufführen. Diese drei Formen wurden dann in
dem Hauptwerk 1786 (1) nochmals verzeichnet und abgebildet. Schon aus
den mitgetheilten Namen geht hervor, dass Müller so ungenügende Vor-
stellungen von den entdeckten Formen hatte, dass ihm nicht einmal ihre
Zusammengehörigkeit klar wurde. Bursaria Hirundinella und Cercaria
Tripos sind Angehörige der Gattung Ceratium, Vorticella cincta dagegen
gehört zu Peridinium und ob darunter, wie Bergh meint, zwei verschiedene
Formen vermischt sind, scheint mir nicht wohl entscheidbar.
Müller's Verständniss der Organisation war bei den einzelnen Formen
ziemlich verschieden. Während er bei Ger. Hirundinella die Hülle bestimmt
*) Historia vermium terrestr. et fluviatil. Hauiiiae 1773. V. I. p. 6 3 — 64 und p. 9S— 99.
**) Zoologiae Danicae prodromus. Hauniae 1777. p. 266.
Geschichte. 907
erwähnt und auch schon den Bauchausschnitt derselben ohne Zweifel sah,
gedenkt er bei den beiden anderen der Hülle nicht. Die Quer-
furche sah er sowohl bei C. Hirundinella wie bei Peridiniuni, dagegen bei
Cer. Tripos nicht. Von der Geisselbewaffnung hat er kaum etwas ge-
sehen. Bei Cer. Hirundinella ist gar keine Rede von Cilien oder Geissein,
bei Cer. Tripos dagegen vermuthete er auf der Unterseite verborgene
Cilien und bei Peridiniuni gelang es ihm jedenfalls, etwas von der Be-
wegung in der Qnerfurche zu sehen, ja er sprach sogar die Vermuthung
aus, dass letztere vielleicht von verschmolznen Cilien gebildet werde.
Doch ist seine Beschreibung, speciell bei Peridinium, recht unklar, so
dass es nicht gelingen will, seine Auffassung völlig zu verstehen. Von
Müller rührt auch die bis in die neueste Zeit herrschend gebliebene irr-
thümliche Orientirung unserer Formen her; während er nämlich bei Cer.
Hirundinella das bei der Bewegung vorangehende Ende richtig als das
vordere bezeichnete, giebt er Cer. Tripos eine umgekehrte Stellung,
worin ihm dann Ehrenberg, Claparede und Lachmann, sowie Andere
folgten.
Im Jahre 1793 beschrieb auch Schrank (2) eine Dinoflagellate
unter dem Namen Ceratium tetraceras und errichtete damit gleichzeitig
die erste noch heute gültige Gattung unserer Abtheilung. 1802 (3) schilderte
er noch eine zweite Art dieser Gattung als Cer. macroceras, welche
wohl mit Müller's Cer. Hirundinella identisch ist. Zur Kenntniss der
Organisationsverhältnisse, namentlich der Bewegungsorgane trug Schrank
nichts bei.
Während Nitzsch 1817*) die Zugehörigkeit von Müller's Cercaria
Tripos zu der Schrank'chen Gattung Ceratium richtig erkannte, glaubte
Bory de Vincent 1824**) diese Form wie die Müller'sche Bursaria
Hirundinella zu Typen zweier neuer Gattungen erheben zu sollen, ohne
dadurch zu ihrem besseren Verständniss etwas beizutragen.
Erst im Jahre 1830 wurde unser Wissen von den Diooflagellaten
in dankenswerther Weise durch die Forschungen , welche der Arzt
Michaelis (4) über das Meeresleuchten in der Kieler Bucht an-
stellte, bereichert. Da diese Beobachtungen nicht von einem Zoologen
ausgingen und auch ihren Schwerpunct in der Ermittelung der Ursachen
und Bedingungen des Meerleuchtens fanden, so ist' es erklärlich, dass
sich ihr Verfasser nicht eingehender mit der Erörterung und Feststellung
der zoologischen Natur der beobachteten Wesen beschäftigte. Dennoch
sind seine Abbildungen so getreu, dass sich einige derselben mit Sicher-
heit deuten lassen. Indem Michaelis sich überzeugte, dass das Leuchten
der Ostsee von thierischen Wesen bewirkt wird, stellte er gleichzeitig fest, dass
die gewöhnlichsten Leuchtwesen dieses Meeres Dinoflagellaten sind. Als
sicher leuchtend beobachtete er eine bis dahin noch nicht bekannte Form,
*) Beitr. z. Iiifusorienkunde oder Naturbesclir. der Zerkarien und Bacillarieu. Neue
Schriften der naturf. Gesellsch. zu Halle. Bd.' III. 1817. p. 4.
**) Encyclopcdie method. Zoophytes 1824. p. 454 und 75o.
908 ■ DinoHa^cllata.
welche er als Volvox bezeichnete und die nach der Abbildung Peridinium
divergens ist; weiterhin führte er, wegen ihrer grossen Häufigkeit im
leuchtenden Seewasser, als leuchtende Formen noch auf: das Ceratium
Tripos Müller's and zwei weitere zuerst von ihm entdeckte Arten, sog.
Cercarien, von welchen die eine Ceratium Fusus, die andere Proro-
centrum micans war. Ausserdem lässt sich auf seinen Abbildungen
noch deutlich eine Dinophysis erkennen, welche er nicht weiter be-
zeichnete. AVie gesagt, sind seine Figuren recht gut, ja es ist auf den-
selben einiges angedeutet, was erst später genauer erkannt wurde; so
finden wir bei nicht wenigen der abgebildeten Cer. Tripos die hintere
Geissei angegeben, wenn auch in der Gestalt mehrerer Fäden, ein Irr-
thum, in welchen bekanntlich auch Ehrenberg bei der Untersuchung der
Flagellaten zuerst verfiel. Noch interessanter erscheint, dass er sowohl
bei Cer. Tripos wie Fusus schon das Zusammenhängen zweier Individuen
abbildete, was erst in neuester Zeit von Murray und Pouchet genauer
erkannt wurde. Die eingehenden Untersuchungen Michaelis' über die
Einflüsse verschiedener Agentien chemischer und anderer Natur auf das
Meerleuchten interessiren uns hier nicht weiter und werden auch später
noch kurz zu erwähnen sein.
Schon vor der Publication der eben geschilderten Untersuchungen von
Michaelis hatte auch Ehrenberg seine Aufmerksamkeit den Dinoflagel-
laten zugewendet und seinen Bestrebungen verdanken wir eine in vieler
Hinsicht verbesserte und erweiterte Kenntniss derselben. 1830*) waren ihm
erst zwei Formen bekannt geworden, welche er mit der Gattung Cyclidium
in einer besonderen Familie der Epitricha unter seinen Anentera ver-
einigte, indem er für sie eine neue Gattung Peridinium errichtete. Da-
mals hielt er sie für nackt und von der Geisselbewaftnung war ihm noch
nicht viel bekannt, da seine Diagnose auf ein allgemeines in queren
Reihen geordnetes Wimperkleid hindeutet. 1831**), wo er noch zwei
weitere Arten aufgefunden hatte, stellte er die Peridinien unter die ge-
panzerten Formen und verblieb auch in der späteren Zeit der Ansicht, dass
alle ihm bekannten Dinoflagellaten mit einer PanzerhUlle versehen seien.
Jetzt wird auch ein doppelter Wimperkranz in der Querfurche beschrieben.
Das Studium der marinen Formen, aufweiche die Forschungen Michaelis"
Ehrenberg hinleiteten, förderte ihn in der Erkenntniss der Dinoflagellaten
beträchtlich. 1833 und 1834***) konnte er daher nicht nur die von Michaelis
abgebildeten Formen als Angehörige seiner Gattung Peridinium deuten,
sondern auch mehrere neue Arten aus der Ostsee beschreiben. Namentlich
gelang es ihm nun, bei einem Theil der marinen wie der Süsswasserformen
einen Rüssel, die hintere Geissei, zu finden, und daher vermuthet er denn auch
an der Basis derselben einen Mund. Den Ursprung dieser Geissei vermochte
*) Abhandl. der Berliner Akad. a. d. J. 1830. p. 38.
'**) ibidem, a. d. J. 1831. p. 74—75.
***) Abhandl. der Berliner Akad. a. d. J. 1833. p. 270 — 272 und p. 307; die Abbil-
dungen hierzu ibidem a. d. J. 1834 auf T. II.
Geschichte. 909
er nicht richtig festzustellen; er lässt sie irriger Weise stets am Hinter-
ende der Längsfurche entspringen. Uebrigens war er hinsichtlich der
Orientirung der Formen etwas unsicher, da er, wie erwähnt, das Cer.
Tripos und Furca verkehrt, dagegen andere, wie Peridinium Michaelis
und Glenodinium fuscum richtig orientirte. Bei letzterer Form, welche
in der gleichen Abhandlung auch beschrieben wurde, beobachtete
er die Längsfurche recht wohl, dagegen nicht die hintere Geissei, sondern
stattete auch die Längsfurche mit zwei Cilienreihen aus. Das Proro-
centrum micans, welches Michaelis als eine Cercarie abgebildet hatte,
wurde gleichzeitig von Ehreuberg genauer studirt, jedoch, dem damaligen
Standpunct der Kenntnisse ganz entsprechend, nicht der Familie der
Peridineen, sondern der der Cryptomonaden, zugesellt, da er die Querfurche
und den Wimperkranz bei demselben vermisste, dagegen schon eine
Geissei beobachtete. Dieses Verfahren kann man bei dem damaligen
Stand der Forschung, wie gesagt, nur billigen. Dass Ehrenberg die
wohl beobachteten Chromatophoren der marinen Formen als Ovarien
deutete und den Kern, welchen er nur bei Cer. Tripos bemerkte, als
Samendrüse auffasste, ist nach seinen schon bei den Flagellaten ge-
schilderten Vorstellungen selbstverständlich. Auch die Deutung von
Vacuolen als Mägen schliesst sich dem an.
Eine Bereicherung aus dem Jahre 1835*) bildet die Entdeckung
eines Augenflecks bei Glenodinium cinctum, welche zur Errichtung dieser
Gattung führte, wenn sich dieselbe auch später, wenigstens in diesem
Sinne, nicht erhalten Hess. Schon im folgenden Jahr**) gelang es,
die Dinoflagellateu auch jim fossilen Zustand in den Feuersteinen der
Kreide aufzufinden und gleichzeitig gewisse von Ehrenberg zu den
Desmidiaceen gestellte Formen, sog. Xanthidien, lebend und an dem
gleichen Ort auch fossil zu beobachten. Formen, welche Stein in neues
ter Zeit gleichfalls den Dinoflagellateu zuzählen möchte. Diese Forschungen
über fossile Dinoflagellateu wurden später in der 1854 erchienenen Mikro-
geologie noch vervollständigt, wo übrigens auch einige lebende Formen
abgebildet sind.
In dem 1838 (5) erschienenen Hauptwerk fasste Ehrenberg seine
Erfahrungen zusammen und berichtete ferner, dass ihm bei gewissen
Formen die Fütterung mit Indigo gelungen sei, was denn auch für sein
Peridinium pulvisculus nicht unwahrscheinlich ist. Hier erfahren wir
auch zuerst einiges über die Fortpflanzung, indem bewegliche angebliche
Längstheilungszustände bei drei Arten geschildert werden. Welche Be-
deutung denselben zukommt, ist leider zur Stunde noch nicht ganz auf-
geklärt, und soll später eingehend erörtert werden.
In der Beurtheilung der allgemeinen Stellung und Verwandtschaft
der Dinoflagellateu war Ehrenberg ebensowenig glücklich wie hinsichtlich
*) Ibid. a. J. J. 1835. p. 174.
**) Ibid. a. d. J. 1S36. p, lOi).
910 DiiioHagcllata.
der Flagelliiteu. 1838 fasste er die bekanuten Formen, mit Ausnahme
des Proroeentruni, das bekanntlich zu den Cryptomonaden gezogen wurde,
in eine Familie der Peridinaea zusammen, reihte in dieselbe aber auch
eine Anzahl Trachelomonasarten ein, indem er ohne Zweifel die Borsten-
bedeckung, welche die Hülle bei dieser Gattung zuweilen zeigt, mit den
Cilien der Dinoflagellaten in eine Reihe stellte. Die Familie der Peridinaea
bildete die letzte unter den Auentera und auf sie folgte gleich als erste
der Enterodela die der Vorticellina, so dass auch Ehrenberg wohl schon
der Ansicht war, es leiteten die Dinoflagellata zu den peritrichen
Ciliaten über.
Wir dürfen hier gleich der späteren Arbeiten Ebrenberg's gedenken,
weil er sich bekanntlich zu einer Aeoderung seines Standpunctes von
1838 nicht entschliessen konnte. Im Jahre 1839 (6) entdeckte er die
wichtige Gattung Dinophysis. Seine verschiedenen späteren Mittheilungen
von 1840 — 1873 beschränken sich lediglich auf die Aufstellung der
Diagnosen neuer oder für neu gehaltener Arten. Nur die Publication von
1859 enthält auch eigene Beobachtungen über das Leuchtvermögen ge-
wisser Formen des Mittelmeeres.
In den von Ehrenberg referirten Mitlheilungen Werncck's (1841 , 8)
finden sich einige Bemerkungen über Angehörige unserer Gruppe.
Zwar will uns die Beobachtung eines Afters bei Proroeentruni und des
Lebendiggebärens bei Peridinium und Glenodinium heutzutage nicht recht
plausibel erscheinen, dagegen beansprucht das hier zuerst mitgetheilte
Vorkommen mariner Formen im süssen Wasser grösseres Interesse, da
sich dieser Angabe später bestätigende von Cohn (1850), Pringsheim
(bei Clapar^de und Lachmann) und Maggi (1880) anschlössen. Wir
werden dieselben übrigens später kritisch zu untersuchen haben.
Wenngleich sich in dem Werk Duj ardin' s (9) keine eigenen Be-
obachtungen über Dinoflagellaten finden, so musste der französische
Forscher doch bei der richtigeren Vorstellung, welche er von seiner Gruppe
der Flagelliferen hatte, auch zu einer natürlicheren Beurtheilung der
Stellung der Peridineen kommen. Zunächst schied er mit richtiger Er-
kenntniss die Trachelomonaden aus der Familie aus und stellte dieselbe
als die letzte in die Abtheilung seiner flagelliferen Infusorien, welche,
wie früher bemerkt, unseren Mastigophoren entspricht.
Zur Vermehrung unserer Erfahrungen über die geographische Ver-
breitung trug Bailey 1850 (18) durch seine Untersuchungen in Nord-
amerika bei und besprach 1855 (17) auch zwei marine Formen. Nur
in geographisch faunistischer Beziehung haben auch die Beobachtungen
Schmarda's über egyptische Formen Interesse, welche deshalb auch
gleich an dieser Stelle erwähnt werden mögen (1854, 16).
Ausgedehntere Untersuchungen über die Süsswasserformen konnte
Perty im Jahre 1852 (12) mittheilen, doch haben dieselben weder in
systematischer noch anatomischer Hinsicht den Stand unserer Kenntnisse
wesentlich gefördert. Die allgemeinen Vorstellungen Perty's über die
Geschichte. 911
Organisation der Diuofiagellateu waren dieselben, welche auch schon
bezüglich der Flagellaten hervorgehoben wurden (vergl. p. 637). Er-
wähnenswerth scheint, dass er zuerst auf das Vorkommen nackter Formen
aufmerksam machte und die richtige Orientirung gegenüber Ehrenberg
betoute. Sog. Längstheilungszustände werden von ihm bei zwei Arten
beschrieben und bei Peridinium tabulatum scheint er auch die Encystirung
schon beobachtet zu haben. Recht verwirrt sind seine systematischen
Bestrebungen und die neu aufgestellten Arten wohl durchaus unhaltbar.
Einer kurzen Notiz von AUmau aus dem Jahre 1855 (19) verdanken
wir einige nennenswerthe Fortschritte, jedoch verbunden mit einer ganz
unverständlichen Angabe. Bei einer zu Glenodinium oder Peridinium
gehörigen (als Per. uberrimum bezeichneten) Süsswasserform konnte der
englische Forscher einmal zuerst die richtige Insertion der Längsfurchen-
geissel am Vordereude der Längsfurche feststellen und weiterhin den
Nachweis des Kernes mit aller Schärfe führen, wobei er auch zuerst etwas
von der bemerkenswerthen Kernstructur der Dinoflagellaten sah. Ferner
gelang es ihm, das häufige Vorkommen von Ruhezuständen zu erweisen.
Unsicherer dagegen erscheint seine Angabe über die Fortpflanzung durch
Quertheilung und ganz unglaublich die Behauptung, dass der ganze Körper
mit Ausnahme der Furchen von einem dichten Wimperkleide überzogen
sei. Es soll erst später versucht werden, diese Angabe zu kritisireu.
In mancher Hinsicht au die eben erwähnten erinnernde Beobach-
tungen theilte Carter lb58 (18) über ein marines Peridinium der Küsten
von Bombay mit. Als wichtigstes Ergebniss seiner Untersuchungen rauss
hier hervorgehoben werden, dass auch er den Uebergang in den ruhen-
den Zustand als regelmässige Erscheinung in dem Entwickelungsgang
seines Per. sanguineum beobachtete und dabei die ursprünglich grüne
Farbe desselben durch reichliche Bildung eines rothen Oeles in tiefes
Roth übergehen sah, so dass dadurch eine Rothfärbung des Seewassers
verursacht wurde. Wichtiger erscheint, dass er zuerst Theilung im
ruhenden Zustand feststellte. Er wies auch schon richtig auf die Be-
ziehungen , welche sich in diesem Entwickelungsgang mit dem gewisser
Flagellaten und einzelliger Algen verrathen, hin, wenn wir ihm auch
darin nicht völlig beistimmen können, dass er die rein pflanzliche Natur
der Peridinien damit für erwiesen erachtete. Besonders wichtig erscheint
vf'eiter, dass er zuerst die Cellulosereaction der Hülle der ruhenden Formen
feststellte. Leider fehlen der Abhandlung Abbildungen, weshalb eine
sichere Vergleichung der beobachteten Form mit anderen nicht wohl
möglich ist. Eine spätere Notiz von Carter (1871, 22) hat nur tür die
geographische Verbreitung Interesse.
Viel hervorragender als alle seither besprochnen, auf Ehrenberg
folgenden Abhandlungen erscheint die Bearbeitung der Dinoflagellaten,
welche Claparede und Lachmann in ihrem bekannten Infusorienwerk
1858 bis 1861 (21) veröffentlichten. In der Erkenntniss der Organisation
zwar kamen sie nicht wesentlich über Ehrenberg hinaus, wenn sie auch
912 DinotJagellata.
manches genauer darstellten. Den Ursprung der hinteren Geissei er-
kannten sie z. Tb. richtig und fanden auch bei Ceratium cornutum
zuweilen zwei Geissein , was im Hinblick auf die neueren Erfahrungen
interessant ist. Die nahe Verwandtschaft des Prorocentrum mit den
übrigen Dinoflagellaten wurde ihnen klar und sie vereinigten diese
Gattung deshalb mit unserer Gruppe, welche sie durch die Entdeckung
der wichtigen Gattung Amphidinium, sowie einer Anzahl neuer mariner
Arten bereicherten. Mit Recht erhoben sie die Gruppe auf Grund der
damaligen Erfahrungen zu einer selbstständigen der Ci Hof lageil ate n ,
welche eine zwischen den Flagellaten und Ciliaten vermittelnde Stellung
einnehmen sollte. Wichtiger als die eben aufgeführten Ergebnisse sind
die, welche die beiden Forscher auf dem Gebiet der Fortpflanzung und
Entwicklung erzielten, worüber sie der Pariser Akademie schon im
Jahre 1857 einen Bericht vorlegen konnten. Sie glaubten die Beobach-
tungen Ehrenberg's und Perty's über Längstheilung bestätigen zu können
und vermehrten namentlich unser Wissen von den Ruhezuständen. Ihnen
verdankt man die erste Bekanntschaft mit den sog. gehörnten Cysten
der Peridinien, welche leider heute noch nicht sicher aufgeklärt sind.
Das Vorkommen nackter, beweglicher wie ruhender Formen wurde von
ihnen bestätigt, doch hielten sie dieselben sämmtlich für vorübergehende
Zustände umhüllter Arten. Im Allgemeinen macht sich bei ihren Studien
über die Entwickelung störend geltend, dass dieselben nicht auf zusammen-
hängenden Beobachtungen basiren, sondern gelegentlich Gefundenes zu-
sammenstellen.
Auf Claparede und Lachmann's Werk folgte ein Zeitraum von fast
20 Jahren, welcher für die Weiterentwickelung der Dinoflagellaten-
kenntnisse fast unfruchtbar war. Nur kurz soll hier angedeutet werden,
dass James-Clark im Jahre 1865*) den Versuch machte, eine Ciliateu-
form, das Urocentrum Turbo Ehrb., von welchem er eine recht gute
Schilderung entwarf, den Cilioflagellaten zuzugesellen und hierdurch die
thierische Natur der letzteren zu erweisen. Der Missgrifif" war hervor-
gerufen worden dureli die unserer Ansicht nach irrthümliche Beschreibung,
welche Allman von dem sog. Peridinium uberrimum gegeben hatte. Das
allgemeine Cilienkleid, welches letzterer Forscher, sonder Zweifel fälsch-
lich, bei seinem Peridinium uberrimum beschrieben hatte, konnte allein
James veranlassen, an einem solchen Vergleich zu denken und R. S.
Bergh, welcher in seiner Arbeit (30) James-Clark wegen dieses Irrthums
verspottet, referirt nichts destoweniger wenige Zeilen vorher die An-
gabe Allman's, dessen Arbeit er eine besondere Wichtigkeit zuschreibt,
ohne jede weitere Bemerkung. Wäre aber die Allman'sche Behauptung
richtig, so könnte man James-Clark bei seinem Vergleich nicht besonders
tadeln und derselbe hat sogar eine gewisse Rechtfertigung dadurch er-
*) Proofs of the animal iiatnre of the cilioflag:ellate infusoria etc. Ann. mag. nat. liist.
(iir.) xvi. p. 270—279. PI, xir,
Gescliiclitc, 913
fahren, dass noch in neuester Zeit ein geübter Inl'usorienforscher, Entz,
(40), gerade das Urocentrum Turbo als nächsten Verwandten der
Dinoflagellaten betrachtet, in directem Gegensatz zu den Anschauungen
Bergh's. Wir verweilen daher auch nicht länger bei der Polemik,
welche sich zwischen Carter und James*) über des letzteren Auffassung
des Urocentrum erhob.
Die aus dem Jahre 1866 datirende Zusammenstellung der Dino-
flagellaten, welche Diesing in seiner Revision der Prothelminthen (23)
gab, trug nicht zu einem besseren Verständniss der Gruppe bei, verwirrte
vielmehr die Systematik durch Aufstellung einer Anzahl ganz unbe-
gründeter Gattungen und durch Zurechnung mehrerer nicht hierher-
gehöriger Formen.
Auch die Beobachtungen über gewisse Dinoflagellaten der Ostsee, welche
Willemoes-Suhm 1871 (25) mittheilte, sind bis jetzt ziemlich unver-
ständlich geblieben, so dass wir an dieser Stelle nicht näher auf die-
selben eingehen wollen.
Im Jahre 1873 wurde zuerst die interessante Gattung Polykrikos
von Bütschli (26) genauer beschrieben und als Protozoe erkannt, da-
gegen erst 1882 von Bergh den Dinoflagellaten zugewiesen, unter welchen
sie eine der auffallendsten Formen darstellt.
Das umfangreiche Protozoenwerk von Fromentel (1874) hat unserer
Abtheilung keinerlei Bereicherung gebracht, dagegen konnte War min g
(1875, 27) auf Grund gelegentlicher Untersuchungen über das Vorkommen
von Cellulose und Stärkemehl bei den Dinoflagellaten berichten, was ihn
veranlasste, dieselben den einzelligen Algen zu überweisen.
Eine neue Epoche eröffneten erst die hervorragenden Untersuchungen
St ein 's, welcher schon 1878 (28) in der historischen Einleitung seines
Flagellatenwerkes eine kurze Darstellung seiner Forschungsergebnisse
mittheilte, welche er von da an noch mehrere Jahre fortsetzte. Die
Frucht dieser Bemühungen bildete ein 1883 (39) veröffentlichter Atlas
zu seinen Dinoflagellatenstudien, welchen leider nur ein ganz kurzer Text
begleitet. Schon 1878 konnte Stein zwei neue Gattungen Gymnodini um
und Hemidinium unterscheiden und denselben 1883 einen ungeahnten
Reichthum neuer mariner Formen, von z. Tb. recht merkwürdiger Gestal-
tung zufügen. Auch die Fortpflanzungsgeschichte verdankt ihm wesent-
liche Bereicherung, namentlich suchte er das Vorkommen der Copulation
und die Entwicklung innerer Keime wie bei den Flagellaten nachzuweisen.
Da es an dieser Stelle nicht unsere Aufgabe sein kann, diese der
Neuzeit angehörigen Forschungen genauer zu besprechen, so beschränken
wir uns darauf, die allgemeine Auffassung, zu welcher Stein bezüglich
der Dinoflagellaten gelangte, kurz anzudeuten. Er rechnet sie zu seiner
Gruppe der Flagellata und stellt sie den übrigen Formen derselben,
wegen der Zusammengesetztheit der Hülle , als a r t h r o d e 1 e F 1 a -
*) Ann. mag. nat. hist. (III.) XVI. p. 399-402 und XVIII. p. 2—6.
Broun, Klassen des Thier-Reichs Piotozoa. 58
914 Dinoflagellata.
gell ata gegenüber. Wie die übrigen Flagellata gelten ihm daher
auch die Dinoflagellata als echt thierische Wesen, welchen er ganz
allgemein eine Mundöffnung zur Aufnahme fester oder flüssiger Nah-
rung und eine oder mehrere contractile Vacuolen zuschreibt. In der
Erkenntniss des Bewegungsapparates kam er nicht wesentlich über Cla-
parede und Lachmann hinaus. Auch für ihn ist die Querfurche der Sitz
eines Wimperkranzes: dennoch zweifelt er in seiner zweiten Abhandlung
nicht an der Hiehergehörigkeit des Prorocentrums und seiner Verwandten,
deren Dinoflagellatennatur er noch 1878 in Frage zog. Die Familie der
Proroceutrinen war schon 1881, wie hier einschaltend berichtet werden
mag, durch Cienkowsky (33) um eine neue Form bereichert worden,
welche jedoch höchst wahrscheinlich mit einer 1858 von Ehrenberg ent-
deckten identisch ist. Cienkowsky beobachtete bei derselben zuerst richtig
die beiden Geissein, wurde jedoch auf die Verwandtschaft mit Prorocentrum
nicht aufmerksam.
Etwas tiefer in die wahre Organisation unserer Gruppe war eine
Arbeit von R. S. Bergh eingedrungen (30), welche 1881, in der Zeit
zwischen den beiden Mittheilungen Stein's erschien. Zunächst constatirte
derselbe, dass sich die Dinoflagellaten wie die Flagellaten in ihren
Ernährungsverhältnisseu bald thierisch, bald pflanzlich verhalten; dann
gelangte er in der Erforschung der Bewegungsorgane etwas weiter,
indem er statt des Cilienkranzes gewöhnlich einen am freien Rande in
Cilien fortgesetzten contractilen Saum annimmt. Immerhin glaubte er in
diesem Verhalten keine Veranlassung zu einer Aenderung der Ansicht
über die vermittelnde Stellung der Gruppe zwischen den Flagellaten und
Ciliaten finden zu sollen, welcher Auffassung er sich vielmehr mit besonderer
Wärme zuwandte.
Durch Beschreibung mehrerer neuer Formen und schärfere Characteri-
sirung anderer trug diese Arbeit wesentlich zu einem besseren Ver-
ständniss der Beziehungen der Gattungen und Arten unter einander bei.
Weniger eingehend und zutreffend sind dagegen seine Angaben über die
einzelnen Organisationsbestandtheile, die daher auch in der neuesten Zeit
eine Reihe von Correcturen erfuhren. Auch über die Fortpflanzungs-
verhältnisse enthält sie nicht viel. Ueber letztere berichtete auch schon
1879 Joseph (29) nach Untersuchungen an einem Peridinium, doch
lassen seine kurzen, von Abbildungen nicht begleiteten Mittheilungen be-
gründete Zweifel zu.
Maggi (31) und Kent (32) entwarfen •ziemlich gleichzeitig eine Zu-
sammenstellung der bekannten Dinoflagellatenformen, ohne durch eigene
Untersuchungen den Gegenstand wesentlich zu fördern. Letzterer ent-
stellte hingegen, ähnlich wie früher Diesing, die so einheitliche Gruppe
durch die Einreihung einer Anzahl nicht hiehergehöriger oder ganz un-
sicherer Formen. Auch der Bericht von Balbiani (43) über unsere Gruppe
in seinen Legons sur les Protozoaires enthält nichts Neues von Bedeutung.
Literatur. 9 1 5
Vielleicht der wichtigste Fortschritt, welcher seit Ehrenberg in der
Erkenntniss der Dinoflagellaten gemacht wurde, war der 1883 von Klebs
(36) geführte Nachweis, dass die " so lange behauptete Existenz eines
Cilienkranzes in der Querfurche ein Irrthum gewesen sei, dass vielmehr
eice einfache Geissei in derselben verlaufe. Diese ursprünglich nur an
Süsswasserformen gemachte Beobachtung konnte Klebs in einer späteren
Arbeit auch für marine bestätigen und auch Bütschli (46) gelang es,
durch im Interesse dieses Werkes unternommene, eigne Untersuchungen
die Klebs'schen Angaben zu bestätigen, indem er gleichzeitig den Kern-
verhältnissen seine Aufmerksamkeit zuwandte.
Dem Jahre 1883 verdanken wir noch zwei Arbeiten französischer
Forscher, Pouch et und Gourret (37 und 38), über marine Dinoflagel-
laten, welche sich hauptsächlich auf systematischem Gebiet bewegen und
abgesehen von der Beschreibung einiger neuer Formen unsere Kenntnisse
nicht erheblich vermehrt haben. Hervorhebenswerth erscheint, dass
Pouchet zuerst wieder auf die schon von Michaelis beobachtete ketten-
förmige Aneinanderreihung der Ceratien einging, welche übrigens schon
vor ihm durch Murray (1881^ — 82; 34) wiederentdeckt worden war.
Eine Anzahl der neueren Beobachter suchten schliesslich der 1872 von
AUraan zuerst geäusserten Ansicht, von der näheren Verwandtschaft der
Dino- und Cystoflagellaten (Noctiluca), Geltung zu verschaffen. Kent,
Pouchet, Stein und schliesslich Bütschli, doch mit wesentlich anderer
Begründung wie seine Vorgänger, verbreiteten sich über diese Frage.
Obwohl nun die neueren Beobachtungen in vielen Richtungen zu
einer bedeutend erweiterten und vertieften Kenntniss unserer Gruppe ge-
führt haben, zeigt dieselbe doch namentlich auf dem Gebiet der Fort-
pflanzungs- und Entwicklungsgeschichte noch grosse Lücken, welche wohl
bei dem frisch belebten Interesse an den Dinoflagellaten in nicht zu langer
Zeit ausgefüllt werden dürften.
3. Literatur.
1. Müller, O. Fr., Animalcula iufusoria fluviat. et mariua. Hauniae 178(5. p. 117, 136,
•256—57, T. XVII, 9—12; XIX, 22; XXV, 5-6, A— B.
2. Schrank, Fr. von Paula, Mikroskopisclie Wahrnelmiungen , in: Der Naturforscher,
herausgeg. von Walcli. 27. Stück 17U3. p. 26—37. Taf. III.
3. Briefe naturhist. , pliysik. und Ökonom. Inhaltes an Herrn B. S. Nau , Erlangen.
1S02. p. 374—76. Taf. II.
4. Michaelis, G. A., üeber das Leuchten der Ostsee nach eigenen Beobachtungen. Mit
2 Tafeln. Hamburg 1S3Ü.
5. Ehrenberg, Chr. G. , Die Infusionsthiere als vollkommne Organismen, Berlin 1S38.
(Früheres siehe in Abhandl. d. Berliner Akademie a. d. J. 1830—31 und 33 — 36.)
6. üeber noch jetzt zahlreich lebende Thierarten der Kreidebildung. Abh. der
Berliner Akademie a. d. J. 1839. p. 81 — 174.
7. Beobachtungen von 274 Infusorienarten. Monatsber. der Berliner Akademie 184Ü.
p. 197—219.
8. Werneek, Untersuchungen über mikroskopische Organismen in der Umgebung von Salz-
burg. Mitgetheilt von Ehrenberg, Monatsber. der Berliner Akademie 1841. p. 1Ü2 — 110
und p. 373 — 77.
9. Dujardin, F., Hist. natur. des Zoophytes. Infusoires. Paris 1841.
58*
916 Dinoflagellata.
10. Bailey, J, W., Microcospical observations madc in Soutli-Caroliiia, Georgia and Florida.
Smitlison. contributions two kuowledge. V. II. 1850. 3 Taf.
11. Cohn, F., Beobachtungen über mikroskop. Organismen. Monatsb. d. Berliner Akademie
1850. Anm. p. 57.
12. Perty, M., Zur Keiintniss kleinster Lebensformen, nach Bau, Functionen, Systematik etc.
Bern 1852.
13. Ehrenberg, Ch. G., üeber neuere Anschauungen des Ideinsten nördlichen Polarlebens.
Monatsber. der Berliner Akademie a. d. J. 1853. p. 522 — 33.
14. Nova genera et- novae species maris profundi. Monatsber. der Berl. Akademie
1854. p. 236—250.
15. Mikrogeologie. Leij^zig 1854.
16. Sehraarda, L. K., Zur Naturgeschichte Acgyptens. Denkschr. der Wiener Akademie
Bd. YII. 1854. 28 p. m. 7 Taf.; s. auch Kl. Beiträge z. Naturgesch. d. Infus. Wien 1846.
17. Bailey, J. W., Notes on new species and localities of microscopic. organisms. Smithso-
nian contributions to knowledgc Vol. VII.
18. Allman, Gr. J., Observations on Aphanizomenon Flos-aquae, and a species of Peridinea.
Quart, journ. micr. sc. Vol. III. 1855. p. 21—25. PI. III.
11). Carter, H. J. , Note on the red colouring matter of the sea round the shores of tho
Island of Bombay. Ann. nat. hist. (III.) I. 1858. p. 258—62.
20. Ehrenberg, Ch. G., Ueber das Leuchten und über neue mikroskopische Leuchtthiere
des Mittelmeeres. Monatsber. der Berliner Akad. 185t). p. 727 und p. 791. Aljbildungcn
hierzu siehe in Festschrift z. Feier des 100jährigen Bestehens d. Gesellsch. naturf. Freunde
zu Berlin. Berlin 1873. S. auch Monatsb. 1861 p. 295.
21. Claparede, E., et Lachmann, J., Etudes s. les infus, et les rhizopodes. M6m. instit.
nation. g6n6vois. T. V— VII. 1858-61.
22. Weisse, J. Fr., Vcrzeichniss aller von mir in einem 30jährigen Zeitraum zu St. Peters-
burg beobachteten Infusorien. Bull. soc. imp. de Moscon. 1863. p. 236. (Siehe die früheren
Verzeichnisse bei Flagellata p. 654.)
23. Diesing, K. M., Revision der Prothelminthen. Sitzber. d. k. Akad. zu Wien. Bd. 52.
p. 287. 1S66.
24. Carter, H. J., Note on a fre'shwater species of Ceratium from the lake of Nynee Tal
in Kumaon. Ann. m. of nat. hist. (IV) VII 1871. p. 229—30.
25. Willemoes-Suhm, R. von. Biologische Beobachtungen über niedere Seethiere. 1) Zur
Entwickl. eines Peridinium. Zeitschr. f. wiss. Zoologie. XXL 1871. p. 380—382. Taf. XXXI.
26. Bütschli, O., Einiges über Infusorien. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. IX. 1873. p. 657
bis 678. Taf. XXV— XXVI.
27. Warming, E., Om nogle ved Danmarks Kyster levende Bacterier. Vidensk. Medd. fra
naturhist. Foren, i Kjöbenhavn f. Aaret 1875. p. 414.
28. Stein, Fr. von. Der (Jrganismus der Infusionsthiere. III. Abth. I. Hälfte. Leipzig 1878.
p. 88—96.
29 Joseph, G., üeber ürotteninfusorien. Zoolog. Anzeiger 1879. IL Jahrg. p. 114 — 18.
30. Bergh, R. S., Der Organismus der Cilioflagellaten. Morpholog. Jahrbucli Bd. VII.
1851. p. 177—288 Taf. XII— XVL
31. Maggi, Ij., a. Intorno al Ceratium furca Gl. e. L. e ad una sua varieta. Bolletino seien-
tifico. Anno L 1880. p. 125—28.
b. Tassonomia e corologiadei Cilioflagellati. Bellet, scientif. Anno II. 1880. p. 7 — 16
c. Intorno ai Cilioflagellati. Nota corologica. Kendic. d. I\. Instit. Lombardo. s. IL
V. 13. 1880. p. 20.
32. Kent, S., A Manual of infusoria. Vol. I. p. 439— 469. London 1880—81.
33. Cienkowsky, L., Bericht über Excursionen ins weisse Meer. Arbeiten der St. Peters-
burger naturf. Gesellsch. Bd. XII. 42 p. 3 Taf. 1881 (russisch).
34. Murray, J., Exploration of the Faroe Channel. Proc. roy. soc. Edinburgh 1881 — 82.
p. 18.
35. Bergh, R. S., üeber die systematische Stellung der Gattung Amphidinium Clap. und •
Lachm. Zool. Anzeiger 1882. p. 693.
36. Klebs, G., üeber die Organisation einiger Flagellatengruppen und ihre Beziehungen
zu Algen und Infusoriengruppen. Unters, aus dem botan. Institut, zu Tübingen. Bd. I.
p. 233—62. Taf. 2—3. 1883.
37. Pouchet, G., Contribution a l'histoire des Cilioflagelles. Journal de l'Anatomie et de
la Physiologie, 1883. p. 399—455, T. 19—22.
Literatur. 917
38. Gourret, P., Sur les Peridiiiicns du golf'c de Marseille Annales du musee d'hist. uat.
de Marseille T. I. 1883. 101 pp. 4 pl.
39. Stein, Fr. von. Der (Organismus der Infusionsthiere III. Abth. II. Hälfte. Die Natur-
o-escli. d. arthrodelen Flagellaten. Einleit. u. Erkl. der Abbildungen. 25 Taf. Leipzig 1883.
40. Bergh, R. S. , Neue Untersuchungen über Cilioflagellaten. Kosmos, herausgcgeb. von
Vetter. 1S84. I. Bd. p. 384—90.
41. Entz, Gr., Beiträo-e zur Kenntniss der Infusorien, Zeitsclir. f. wiss. Zoologie Bd. 38.
p. 167—189. T. VIIL
42. Imhof, O. E. , Resultate meiner Studien über die pelagische Fauna der Süsswas'ser-
beckcn der Schweiz. Zeitsclir. f. wiss. Zoologie Bd. 40. p. 151—178. 1884.
43. Balbiani, G-., Les protozoaires. Leqms faites au College de France. XXI. Les cilio--
flagelles. Journal de micrographie T. VIII. 1884. p. 138—142, p. 249—57 u. p. 367—75.
44. Klebs, G., Ein kleiner Beitrag zur Kenntniss der Peridineen. Botanische Zeitung
Jahrg. 42. 1884. p. 721—33 u. p. 737—45. T. X.
45 Blanc, H., Note sur le Ceratium Hirundinella (0. F. M.) Bullet, soc. vaud. sc. nat.
Vol. XX. 11 p. T. X. 1884.
45 a. Daday, E. von, üeber eine Polythalamie der Kochsalztümpcl bei Deva in Siebenbürgen.
Zeitschrift f. wiss. Zoologie Bd. 40, 1884 Taf. 24. p. 479.
40. Bütsclili, O., Einige Bemerkungen über gewisse Organisationsverhältnisse d. Cilioflagellaten
und der Noctiluca. Morpholog. Jahrbuch Bd. X. 1885. p. 529—77. 3 Taf. Mit einem
Beitrag von E. Askenasy.
47. Poiiehet, G., Sur un P6ridinien parasite. Compt. rend. Ac. sc. Paris. 1884. 26. Mai.
48*). Nouvelle contribution ä l'histoire des Peridiniens marins. Journ. de l'anatomie
et de la physiologie T. XXI 1885, p. 28—88. PI. II— IV.
3. Kurzer üeberblick der allgemeinen Morphologie des Dinotlagellaten-
Rörpers nebst Cliaracteristik der Untergruppen.
Aus dem historischen Abschnitt ist bekannt, dass erst die Forschungen
der letzten Jahre richtigere Vorstellungen von dem Bau der Dinoflagellaten
zu Tage gefordert haben. Wir sind daher jetzt in der glücklichen Lage,
die etwas unbestimmte und mangelhafte Characteristik, welche auf p. 619
gegeben wurde, in erwünschter Weise zu vervollständigen und zu ver-
bessern. Obgleich erst in einem späteren Abschnitt die verwandtschaft-
lichen Beziehungen der Dinoflagellaten eingehender besprochen werden
sollen, müssen wir doch an dieser Stelle schon bemerken, dass nach
unserer Ansicht ihre directe Ableitbarkeit von den Flagellaten nicht
zweifelhaft sein kann, dass sie vielmehr als ein zu eigenthümlicher Ent-
wicklung gelangter Zweig derselben betrachtet werden müssen. Es
sind nicht etwa sehr einfache und primitive Flagellaten, von welchen sich
unsere Gruppe höchstwahrscheinlich ableitet, sondern ziemlich hoch difife-
renzirte, nämlich irreguläre Isomastigoden aus der Familie der Crypto-
monadinen, mit welchen die einfacheren Dinoflagellaten einen be-
merkenswerthen Grad von Uebereinstimmung darbieten.
Aus dem Gesagten ergiebt sich demnach schon, dass wir bei den
Dinoflagellata im Allgemeinen zwei Geissein antreffen werden, welche
bei den primitiven, entsprechend den Verhältnissen der Cryptomonaden,
von einem am vorderen Körperpol gelegenen Punkt entspringen. Wie
bei der erwähnten Flagellatenfarailie besitzt der Körper eine ursprünglich
*) Da diese Arbeit mir erst während der Correctur zur Hand gekommen ist, so kann
ich dieselbe nicht mehr ausreichend berücksichtigen.
918 Diuoflagellata,
zweiseitige Gestaltung, welche durch geringe Differenzen der beiden Seiten
asymmetrisch geworden ist. Doch ist auch bei diesen ursprünglichen
Dinoflagellatenformen schon diejenige Fortbildung gegenüber den Crypto-
monadinen eingetreten, welche für die ganze Ordnung bezeichnend er-
scheint, nämlich die fnnctionelle Diflferenzirung der beiden Geissein, für
welche wir aber in anderen Abtheilungen der Flagellaten Analogien
finden. Die eine Geissei ist nach vorn gerichtet und bewegt sich mehr
schlagend oder in langgestreckten Wellen, die andere nimmt einen queren,
bogigen Verlauf um die Basis der ersteren und ihre Bewegungen erfolgen
derart, dass zahlreiche, sehr kurze ^Wellen ununterbrochen über sie hin-
ziehen.
Da schon bei diesen primitivsten Formen eine aus Cellulose bestehende
Membran oder Hülle (Schale, Panzer) entwickelt ist, welche bei der grossen
Mehrzahl der Uebrigen wiederkehrt, so darf die Ausbildung einer
solchen Umhüllung um so mehr als characteristisches Merkmal der
ganzen Gruppe bezeichnet werden, da es auch recht wahrscheinlich ist,
dass die nackten Formen aus umhüllten hervorgegangen sind.
Indem sich nun alle übrigen Dinoflagellaten von den seither besprochnen
durch bedeutsame Weiterbildungen recht scharf scheiden, so folgt hieraus
die Zusammenfassung der ersteren zu einer besonderen Untergruppe der
Prorocentrinen oder Adinida recht natürlich.
Diesen stehen nun die übrigen, welche die grosse Mehrzahl bilden,
dadurch gegenüber, dass sich, in Zusammenhang mit einer noch schärferen
Ausbildung der Verschiedenheit der beiden Geissein, eine den Körper im
allgemeinen quer umziehende, also gürtelartige Furche gebildet hat, in
welche die querv^erlaufende Geissei eingelagert ist. Eine weitere constante
Abweichung dieser Gruppe der Diniferen bestebt darin, dass die zweite
Geissei nicht nach vorn, sondern nach hinten gerichtet ist, wenn wir das
bei der Bewegung voranschreitende Körperende als das vordere bezeichnen.
Auch diese nach hinten gerichtete Geissei der Diniferen ist längs ihres
Verlaufes über den Körper in eine Furche eingelagert, welche mit der Quer-
furche in Zusammenhang steht. Die Ursprungsstelle beider Geissein
ist im Allgemeinen da zu suchen, wo die beiden Furchen zusammentreffen,
resp. sich kreuzen. Dieser Ursprungspunct der Geissein, und damit
in Verbindung auch der Verlauf der Querfurche an dem Körper, hat bei
den verschiedenen Familien eine recht verschiedene Lage. Die Querfurche
kann dem Vorderende sehr genähert sein wie bei der Familie der
Dinophysiden, welche desshalb von einigen Forschern als die ur-
sprünglichste der Diniferen betrachtet wird, oder sie umzieht, wie es bei
der Familie der Peridinida gewöhnlich der Fall ist, die Mittelregion
des Körpers, und endlich finden sich vielleicht auch Formen, welche eine
weit nach hinten gerückte Stellung der Querfurche und des Ursprungs-
punctes der beiden Geissein zeigen.
Die asymmetrische Bildung, welche schon den Prorocentrinen eigen-
thümlich war, tritt bei den Diniferen noch viel ausgeprägter hervor und
Allgeui. Morphologie; üiitergruppcu, Gestaltsvcrli. etc. (Adiiiida). 919
wird hauptsächlich durch den schraubenförmigen Verlauf der Querlurche
bestimmt, wozu sich jedoch bei den umhüllten Formen häufig noch man-
cherlei äusserliche Abweichungen von der zweiseitigen Symmetrie gesellen.
Als Kepräsentanten einer dritten Familie haben wir wohl eine bis
jetzt vereinzelt dastehende Form anzusprechen , welche gewissermaassen
als eine segmentirte Dinifere betrachtet werden kann, indem sich bei ihr
zahlreiche Querfurchen vorfinden und jede derselben wohl sicher
auch mit einer Geissei ausgerüstet ist. Die hierdurch angezeigte Unter-
gruppe dürfte daher die Bezeichnung Polydinida verdienen.
Im Hinblick auf ihre innere Organisation nähern sich die Dinoflagel-
laten den Flagellaten sehr. Es sei daher nur kurz hervorgehoben, dass
sie wie zahlreiche Flagellaten gewöhnlich Chromatophoren enthalten und
fast stets einen einzigen Nucleus führen. Eine Ausnahme von dieser
Regel bilden nur die Polydinida, bei welchen in Zusammenhang mit der
Vermehrung anderer Organe auch eine solche des Kernes eingetreten ist.
Dagegen scheinen eigentliche contractu e Vacuolen gewöhnlich zu fehlen.
4, Schilderung' der Gestaltsverhältnisse, der Morphologie der Geissein,
sowie der gröberen Morphologie der Schalenhülle.
Wie der vorhergehende Abschnitt schon darlegte, haben wir die Be-
sprechung der Gestaltsverhältnisse naturgemäss mit den primitivsten
Formen, den Prorocentrinen zu beginnen, welche sich in ihrer allge-
meinen Morphologie den früher für die Cryptomonaden geschilderten Ver-
hältnissen nahe anschliessen. Der massig grosse Körper (41, 1, 2) ist
demnach deutlich bilateral und mehr oder weniger stark komprimirt.
Bei der Gattung Exuviaella (2) tritt die bilaterale Bildung weniger
hervor, sehr deutlich dagegen bei Prorocentrum, indem hier die beiden
Schmalseiten des mehr oder weniger länglichen bis bandförmigen Körpers
in verschiedenem Maasse gekrümmt sind, so dass sie sich als Rücken-
und Bauchseite unterscheiden lassen. Was jedoch die bilaterale Bildung
dieser Gattung wesentlich verstärkt, ist das Vorhandensein eines von der
rückwärtigen Hälfte des Vorderendes entspringenden schlanken und an
seinem freien Ende fein zugespitzten Zahn- oder sog. Stirnfortsatzes.
Derselbe scheint zuweilen nur von der Schalenhülle gebildet zu werden;
bei zwei der von Stein abgebildeten Prorocentrumarten ist aber deutlich
zu sehen, dass er hohl und von einem Fortsatz des Weicbkörpers erfüllt
ist. Es scheint nichts im Wege zu stehen, diesen Stirnfortsatz der sog.
Oberlippe bei Cryptomonas zu homologisiren. Dicht vor oder ventral-
wärts von der Basis dieses Fortsatzes entspringen die beiden Geissein
ganz wie bei den Cryptomonaden.
Alle Prorocentrinen sind nun mit einer dem Weichkörper dicht auf-
liegenden Schalenhülle versehen, welche daher die Körpergestalt getreu
nachahmt und nach dem Tode leicht in zwei seitliche Klappen zerfällt.
Die Trennungslinie dieser beiden Klappen ist schon an der unversehrten
Hülle als feine Naht zu erkennen. Erst später, bei der Besprechung der
920 DinoHa,!j,-ullata.
feineren Schalenstructur soll die Frage erörtert werden, was den leichten
Zerfall in die Klappen bedinge.
Etwa in der Mitte des vorderen Randes findet sich zwischen den
beiden Klappen eine feine rundliche Oeffnung, durch welche die Geissein
ihren Austritt nehmen. Gewöhnlich scheint diese Oeffnung etwas auf die
rechte Seite verschoben und die rechte Klappe besitzt dementsprechend
eine muldenförmige Ausbuchtung (Fig. 2 b,), die am deutlichsten bei Exu-
viaella Lima Ehrb. sp. hervortritt, aber auch gewissen Prorocentrumarten
nicht fehlt. Die Klappen sind also nicht völlig symmetrisch. Es Hesse
sich nun die geschilderte muldenförmige Einbuchtung des Vorderrandes
wohl mit dem Peristomausschnitt der Cryptomonas vergleichen, wenn sie
nicht auf der rechten Seite gelegen wäre, da sich der letztere stets links-
seitig vorfindet.
Wie bemerkt, ist der sog. Stirnfortsatz des Prorocentrums zuweilen
hohl und dann, wie Stein gezeigt hat, einfach von zwei hälftigen Fortsätzen
der Schalenklappen gebildet, welche bei dem Auseinanderfallen der Klappen
als Anhänge derselben erscheinen. Anders verhält sich dagegen der
Stirnfortsatz bei dem gemeinen Prorocentrum micans. Hier ist er eine
ausschliesslich der Schale angehörige Bildung, an deren Aufbau der
Weichkörper keinen Antheil mehr nimmt und besteht auch nicht mehr
aus zwei Hälften, sondern scheint nach den Untersuchungen Stein's eine
quergestellte, blattförmige, solide Bildung zu sein. Sie scheint mit beiden
Klappen in directer Verbindung zu stehen, so dass diese nicht völlig
auseinander fallen können, so lange der Stirnfortsatz noch erhalten ist.
Erst wenn der Fortsatz verloren gegangen ist, trennen sich die beiden
Schalenklappen von einander.
Indem wir die schwierige Frage: wie sich die Diniferen aus den
Adiniden entwickelt haben, zunächst bei Seite lassen, betonen wir nur
nochmals, dass als allgemeiner Character der ganzen Gruppe bei allen
die Längsgeissel nach hinten gerichtet und die Quergeissel in eine
den Körper umziehende Querfurche eingelagert ist. Fast überall ndet
sich dann weiter eine Längsfurche, in welcher der proximale Theil der
Längsgeissel verläuft.
Der allgemeine Aufbau des Diniferenkörpers ist ein bilateraler mit
mehr oder weniger ausgesprochener, asymmetrischer Umformung. Diese
Asymmetrie wird hauptsächlich durch das Verhalten der Querfurche be-
dingt, indem dieselbe den Körper im Allgemeinen nicht ring- sondern
schraubenförmig umzieht. Die Gesammtgestalt des Körpers ist überaus
verschieden, da sie theils kuglig bis eiförmig, theils dorso-ventral abgeplattet
oder liusenförmig niedergedrückt, theils dagegen bis zum Nadeiförmigen ver-
längert sein kann, abgesehen von zahlreichen secundären Modificationeu,
die erst später Berücksichtigung finden können.
Wir wollen uns zunächst über die Bezeichnung der Körperregionen
in dieser Gruppe orientireu. Indem der Ursprungspunkt der Geissein
stets von dem Vorderende, wenngleich in sehr verschiedenem Grade, nach
Gestalt, lliillo, Gcisselanordnung (Adinida, Pcridiiiida). 921
hinten verlagert ist, so wird allein hierdurch schon die Unterscheidung
zweier Körperflächen angedeutet, einer Bauchfläche nämHch, welcher die
Geissein angehören und einer dieser entgegenstehenden Rückenfläche.
Die Verhältnisse der Furchenbihlungen der Diniferen tragen zu der Ver-
schiedenheit dieser Flächen gewöhnlich noch wesentlich bei. Die beiden
Enden der Qiierfurche liegen, insofern dieselbe deutlieh schraubig verläuft,
auf der Bauchfläche und sind verbunden durch die die Ventralseite in
der Längsrichtung überziehende Längsfurche, welche sich jedoch bei zahl-
reichen Formen noch über die Querfurche hinaus bis zu dem hinteren
Körperende ausdehnen kann und nicht selten auch auf den vor der Qner-
furche gelegenen Theil der Bauchfläche übergreift. Durch die Entwick-
lung der Querfurche wird weiterhin eine vordere und eine hintere Körper-
region geschieden. Die relativen Grössenverhältnisse dieser beiden Re-
gionen wechseln natürlich sehr, je nach der Lage der Querfurche. Es
finden sich zahlreiche Fälle, wo die beiden Regionen fast oder völlig gleich
sind und andere, wo die vordere mehr und mehr beschränkt erscheint,
bis sie zu einem sehr unbedeutenden Körpertheil geworden ist; doch kann
vielleicht auch das Umgekehrte, wenngleich selten, eingetreten sein.
Wenn auch gewichtige Gründe dafür sprechen, dass die Familie der
Dinophysiden in mancher Hinsicht ursprünglichere Charactere bewahrt
hat, so mag die genauere Betrachtung doch mit der Familie der Peri-
diniden begonnen werden.
Wenn wir einige abweichende Formen bei Seite lassen, so werden
alle Angehörige dieser Familie durch eine ungefähr mittlere Lage der
Querfurche characterisirt, so dass vordere und hintere Körperbälfte nahezu
gleich sind. Die gewöhnlich schmal rinnenförmige, im Querschnitt meist
halbkreisförmige Furche nimmt auch hier fast immer einen deutlich
schraubenförmigen Verlauf. Bei der grossen Mehrzahl der Formen hat
der einfache Schraubenumgang, welchen die Querfurche beschreibt, nur
eine sehr geringe Höhe, so dass die beiden ventralen Enden der Furche
auf der Bauchfläche in geringer Entfernung hinter einander liegen, ver-
bunden durch einen Theil der Längsfurche, welcher sich zwischen den-
selben ausdehnt. Fast immer liegt das rechte ventrale Ende der Quer-
furcbe hinter dem linken, d. h. der Verlauf der Furche entspricht einer
rechts gewundenen Schraube. Die seltenen Fälle eines umgekehrten
Verlaufes finden sich bei einigen Arten der Gattung Peridinium nach
den Forschungen Stein's (so am deutlichsten bei Per. globulus St. [52,7],
ferner bei P. Michaelis und zuweilen auch bei P. tristylum St.). Hier liegt
das rechte Ende der Querfurche vor dem linken und die Schraube ist
also eine linksgewundene. Da sich nun bei manchen Arten von Peridi-
nium, bei Goniodoma, gewissen Arten von Gymnodinium, bei Diplopsalis,
Pyrophacus, sowie einzelnen Formen aus anderen Gattungen eine nur
äusserst geringe Verschiebung der Enden der Querfurche gegeneinander
findet oder aber die Enden direct auf einander stossen, so dass die Quer-
furchc ringförmig wird, so lässt sich vielleicht annehmen, dass die selten
922 Dinoflagellata.
vorkommende Linkswendung der Querfurche durch eine allmähliche Ver-
schiebung der ursprünglich rechts gewundenen, durch das Stadium der
Ringfurche hindurch, entstanden ist.
Nur bei gewissen Arten der Gattung Gymnodinium und bei
Hemidinium finden wir eine recht steile Windung der Querfurche, so
dass ihre beiden Enden weit auseinanderrücken (51, 3). Die letztgenannte
Gattung zeigt ferner die sehr benierkenswerthe Eigenthümlichkeit, dass
nur die linke Hälfte der Querfurche entwickelt ist. Ob sich hierin ein
ursprünglicher Character, wie nicht unmöglich, erbalten hat, lässt sich
zur Zeit kaum mit einiger Bestimmtheit sagen. Bei dem von Bergh
zuerst beschriebenen Gynin. spirale (51, 5), welches ungefähr spindelförmig
gestaltet ist, finden wir das linke Ende der Furche etwa auf der Grenze
der beiden vorderen Körperdrittel, das rechte dagegen auf der Grenze
der hinteren, so dass die Schraubenhöhe ungefähr ein Drittel der Körper-
länge beträgt. Noch seltsamer sind die Verhältnisse bei dem von Pouchet
beschriebenen Gymnodinium Archimedis (51, 9), welches aber auch wohl
als Typus einer besonderen Gattung betrachtet werden kann. Bei dem-
selben beschreibt die Querfurche nicht eine, sondern zwei volle Schrauben-
windungen um den etwas kegelförmigen Körper. Das rechte Ende der
Furche liegt ganz am hinteren Körperpol, das linke dagegen an dem
vorderen, so dass die Höhe der Windungen der halben Körperlänge
gleichkommt.
Um hier gleich zu einem Abschluss der Besprechung der Querfurchen-
verhältnisse in der Familie der Peridiniden zu gelangen, betonen wir noch,
dass bei einigen, auf Grund ihrer allgemeinen Bauweise hierhergehörigen
Formen die Querfurche vermisst wird. Dies sind zunächst die nahe
verwandten Gattungen Blepharocysta (53, 3) und Podolampas (55, 9),
bei denen sich zwar aus der Zusammensetzung der sehr entwickelten
Schalenhülle der Ort, wo die Furche zu verlaufen hätte, angeben lässt,
eine wirkliche Furche sich aber nicht findet. Aehnlich scheint sich
auch der eigenthümliche Ptychodiscus St. zu verhalten. Diese ab-
weichende Form (54, 4a — b), welche wohl durch die Gattung Pyro-
phacus mit den typischen Peridiniden verknüpft wird, zeigt an dem
von vorn nach hinten sehr deprimirten, linsenförmigen Körper nur ein
dünnes, aequatoriales Schalen band, das die dickere vordere und hintere
Schalenhälfte verbindet und wohl der Querfurcbe entspricht. Da die
letzterwähnten Formen mit mangelnder Querfurche bis jetzt im lebenden
Zustand nicht untersucht wurden, so bleibt es fraglich, ob mit der Rück-
bildung der Querfurche auch eine Aenderung der Geisseiverhältnisse ver-
bunden ist, doch halte ich das für unwahrscheinlich.
Es gibt nun einige Formen unter den Peridiniden, welche sich durch
die Verlagerung der Querfurche an das Vorderende in gewissem Sinne
der Familie der Dinophysiden nähern, wenn sie auch wohl sicher sonst
keine nahe Verwandtschaft mit derselben besitzen. Dies sind die von
Stein entdeckten Angehörigen der Gattung Oxytoxum, von welchem
Gestaltsverhältnisse der Peridinida. 923
mir die als Pyrgidium gesonderten Formen kaum gencrisch verschieden
zu sein scheinen.
Bei diesen Peridiniden (53, 5 und 6) ist die sehr flach gewundene,
jedoch deutlich schraubige Querfurche dem einen Körperi)ol sehr genähert,
so dass die beiden von ihr getrennten Körperregionen recht verschieden
gross sind. Nach Stein soll die Furche dem Hinterende genähert, also
die hintere Körperhält'te verkümmert sein. Ich halte diese Ansicht aber
für recht unwahrscheinlich, schliesse vielmehr aus dem Verlauf der Längs-
lurche und der Lage der Austrittsstelle für die Geissein, dass umgekehrt
die vordere Körperhälfte verkümmert ist und Stein die Formen irrig orien-
tirte. Im lebenden Zustand wurden dieselben bis jetzt noch nicht unter-
sucht, so dass über ihre Haltung bei der Bewegung nichts bekannt ist.
Dass sich unter den Peridiniden auch eine Verlagerung der Querfurche
an das Hinterende finden könne, wird von Stein für seine Gattung
Ceratocorys (54, 5) angegeben, wo sich die ungefähr ringförmige
Furche dicht an dem einen Körperende findet. Leider ist diese inter-
essante Form bis jetzt nur einmal von Gourret im lebenden Zustande
beobachtet worden; Stein sah nur conservirte Exemplare ohne Geissein.
Wenn nun Gourret's Beobachtungen über den Ursprung der Längs-
geissel richtig wären, so näherte sich diese Form der Familie der Dino-
physiden (wohin sie auch Gourret und Klebs verweisen) und die Furche
wäre also nicht an das Hinter-, sondern umgekehrt an das Vorderende
gerückt. Doch sind die Angaben Gourret's über die Geisseiursprünge im
Allgemeinen so ungenau, dass ich durch seine Mittheiluugen allein die
Stein'sche Auffassung der Ceratocorys nicht für widerlegt halte. Ich
muss daher zur Zeit die Frage nach der Orientirung und der systematischen
Stellung dieser Gattung noch für eine offne halten.
Die folgenden Zeilen müssen einer Betrachtung der Längs für che
gewidmet werden, denn erst durch das Zusammenwirken dieser mit der
Querfurche werden die wesentlichen morphologischen Eigenthümlichkeiten
der Diniferen bestimmt. Es ist nun zur Zeit schwer zu sagen, welche
Ausbildungsform der Längsfurche unter den Peridiniden wir als die ursprüng-
lichste betrachten dürfen. Vielleicht dürfte es doch diejenige sein, wo
die Furche als eine im Allgemeinen schmale Rinne in grader Richtung
über die hintere Region der Bauchseite verläuft, indem sie, an dem linken
Ende der Querfurche beginnend zunächst zu dem rechten , weiter nach
hinten gelegenen Ende derselben zieht, mit dem sie gleichfalls zusammen-
hängt und sich dann weiter bis an das hintere Körperende fortsetzt. Es
münden demnach die Enden der Querfurche direct in die Längsfurche ein.
Eine solche Ausbildung der Längsfurche ist bei den meisten Ge-
schlechtern der Peridiniden die gewöhnliche, so findet sie sich bei den
meisten Gymnodinien (51, 10a), bei Glenodinium (51, 10a), Peridinium
(53, 1 a) und anderen. Doch ist schon bei einzelnen Formen dieser Gat-
tungen zu beobachten, dass sich das vordere Ende der Längsfurche auf
die vordere Körperregion mehr oder weniger ausdehnt. Dieses Ueber-
924 Diuoflagcllata.
greifen der Längsfurche auf die Vorderregion wird bei gewissen For-
men, welche Stein zu der Gattung Gonyaulax erhoben hat, am stärk-
sten, indem sich die Furche hier bis an das vordere Körperende fortsetzt (52, 4).
Eine andere Modification der Längsfurche ist schon bei einer Reihe
Arten des formreichen Geschlechtes Peiidinium augedeutet, indem die,
wie erwähnt, sonst schmal rinnenförmige Furche sich in der hinteren
Körperregion mehr in die Breite entwickelt (52, 8). Sie nimmt dabei
gewöhnlich eine ungefähr dreieckige Gestalt an, indem sie sich von vorn
nach hinten verbreitert, unter Umständen so ansehnlich, dass ihre hintere
Breite mehr als ein Drittel der gesammten Körperbreite betragen kann.
Von solchen Zuständen leitet sich dann wohl die Ausbildung der
Längsfurche bei Ceratium ab (53, 7a, 9a, 10b; If.). Hier ist sie so an-
sehnlich verbreitert, dass sie die Hälfte der Körperbreite erreichen kann
und sich gleichzeitig beträchtlich auf die vordere Region ausdehnt. Da
nun die Läugsfurche bei diesen umhüllten Formen, wie wir später sehen
werden, nur von einer zarten Membran bekleidet wird, so erscheint sie
an der leeren Hülle gewöhnlich wie ein Ausschnitt und wurde daher auch
nicht ohne Recht als Bauchausschnitt bezeichnet.
Es kann aber die Längsfurche unter den Peridiniden auch Verküm-
merungen aufweisen und dieses Moment bildet einen der wesentlichsten
Charactere der Gattung Oxytoxum, welche wir schon oben wegen der
Verlagerung der Querfurche an das Vorderende kurz betrachteten. Hier
(53, 5 — 6) ist entweder nur noch ein ganz kurzes Stück der Längsfurche
erhalten , welches sich von der Querfurche über einen kleinen Theil des
langen Hinterkörpers erstreckt, oder es ist eine nahezu völlige Verkümme-
rung der Furche eingetreten, deren letzter Rest nur noch als eine schwache
hintere Ausbiegung der Querfurche erscheint.
Auch bei dem merkwürdigen Pyrophacus (54, 3b) ist die Längs-
furche sehr kurz, so dass sie mit ihrem Hinterende weit von dem hinteren
Pol entfernt bleibt.
Bei den Gattungen Blepharocysta und Podolampas, welche
oben wegen der mangelnden Querfurche erwähnt wurden, scheint auch
die Längsfurche nur schwach angedeutet zu sein, höchstens durch eine
sehr seichte Rinne dargestellt zu werden.
Die merkwürdigste Bildung der Längsfurche zeigt das Pouchet'sche
Gymnodinium Archimedis (51, 9). Wie früher bemerkt wurde,
findet sich hier eine Querfurche, welche zwei rechte Schraubenwindungen
beschreibt. Dass dieses Verhalten nun direct aus dem gewöhnlichen ab-
zuleiten ist, ergibt sich sehr hübsch aus dem Verlauf der Längsfurche.
Stellen wir uns nämlich vor, dass das vordere Ende einer einfach schrau-
bigen Querfurche zu einer zweiten Windung ausgewachsen sei, so muss
nun die bei der einfachen Querfurche einfach längsgerichtete Längsfurche,
welche beide Querfurchenenden verbindet, auch einen schraubigen Verlauf
angenommen haben, jedoch wird sie nur einen einfachen Umgang be-
schreiben. Dieses ist nun auch das Verhalten, welches wir bei G. Archi-
Gestaltsverliältuisse, Hüllo u. Geisselanoriliuiiiji- d. Peridinid.a (Gyinnodiii., Glenodin.). 925
raedis kennen gelernt haben. Es ergibt sich daraus aber auch, dass diese
Form, entgegen der Vernnithung Pouchet's, keine näheren Beziehungen zur
Gattung Polykrikos hat, wie wir später noch zu zeigen haben werden.
Allgemeine morphologische Verhältnisse der Hülle und
der Geisseistellung der Peridiniden. Wie schon gelegentlich
erwähnt wurde, finden sich unter den Peridiniden auch nackte, nicht um-
hüllte Formen, wenigstens ist wohl sicher, dass gewisse Formen
der Gattung Gymnodinium in ihrem beweglichen Zustande hüllenlos
sind. Ob dies von allen zu dieser Gattung gerechneten Arten gilt,
bleibt zur Zeit etwas zweifelhaft. Bei Hemidinium, welches Stein
gleichfalls als nackt beschreibt, will Klebs eine zarte Zellhülle beob-
achtet haben.
Er konnte ferner beobachten, dass Gymnodinium fuscum nacli der Behandlung mit ver-
scliiedenartigen Eeagentien eine dicke, radiär gestrichelte, wahrscheinlicli schleimige Um-
hüllung besitzt. Aus der Schilderung scheint zu folgen, dass diese Umhüllung ein durch die
betreffenden Keagentien verursachtes Abscheidungsproduct ist; doch ist nicht bestimmt aus-
gesj^rochen, dass die Hülle für ge^^öhnlich fehlt.
Alle übrigen Gattungen sind mit einer mehr oder weniger starken,
häufig recht dicken Hülle versehen, welche dem Plasma, als Product
desselben, wenigstens ursprünglich dicht aufliegt, wie es sich auch
während des beweglichen Zustandes gewöhnlich findet. Auf Ab-
weichungen von diesem regelmässigen Verhalten werden wir später
hinzuweisen haben. Wenn wir also im Folgenden die Gestalts-
verhältnisse der Hülle etwas genauer beschreiben, so werden damit im
Allgemeinen auch die Formen des Weichkörpers angegeben. Die Hülle
darf, wie bemerkt, im Allgemeinen als eine allseitig geschlossne bezeich-
net werden, doch muss sich an derselben jedenfalls eine Unterbrechung
zum Austritt der Geissein finden. Leider sind nun die Verhältnisse des
Geisseiaustritts noch nicht überall ausreichend erforscht und auch recht
schwierig zu ermitteln. Wir werden übrigens sehen, dass bei zahlreichen
Peridiniden noch eine zweite Oeffnung vorhanden und dass eine poröse
Beschaffenheit der Hülle recht verbreitet ist.
Die einfachste Hülle findet sich, abgesehen von dem schon erwähn-
ten Hemidinium, bei Glenodinium, als eine farblose, zarte, jedoch
deutlich doppelt conturirte Membran (51, 10 — 13). Ich zweifele nicht,
dass wenigstens bei den meisten bekannt gewordenen Glenodinien eine
Differenzirung der Hülle zu einzelnen, leicht auseinanderfallenden tafel-
artigen Partien, wie sie die Hüllen der meisten übrigen Peridiniden
zeigen, fehlt, wenn wir von den durch die Querfurche natürlich auch
hier gegebenen beiden Abschnitten, dem Vorder- und Hinterkörper, ab-
sehen. Feinere Structurverhältnisse mag auch die Schalenhülle der Gleno-
dinien zum Theil schon zeigen, doch versparen wir deren Betrachtung
besser auf später. Natürlich werden auch die beiden Furchen von der
Membran ausgekleidet und längs der beiden Ränder der Querfurche bildet
dieselbe je eine vorspringende Kante, welche eine scharfe Begrenzung der
Furche bewirken. Zu eigentlichen Leisten, wie sie sich bei den grösseren
926 Dinoflagellata.
Peridiniden gewöhnlich finden, scheinen sich die Ränder der Furche jedoch
hier nie zu erheben.
Ueber die Oeffnung zum Geisseiaustritt ist bei dieser Gattung
wenig bekannt: Stein zeichnet bei einigen Arten eine runde bis läng-
liche Oeffnung an der Stelle, wo Längs- und Querfurche zusammenstossen
(51, 13; gs). Da sich nun auch hier die Ursprungsstätte der Geissein
findet, so kann dies wohl der Fall sein. Die Bezeichnung „Mund Öff-
nung", welche Stein für die Austrittsstelle der Geissein bei allen beschälten
Dinofiagellaten gewählt hat, müssen wir fallen lassen und adoptiren dafür
den Ausdruck Geisseispalte. Eine ähnliche Darstellung gab auch
Bergh von der Geisseispalte bei Glen. cinctum und Warmingii.
Es scheint mir aber etwas zweifelhaft, ob die Geisselspalte bei Glenodiiiium stets eine so
beschränkte Ausdehnung besitzt, wie nach den citirten Darstellungen angenommen werden müsste.
Da nämlich bei manchen Formen die Längsgeissel ziemlich weit hinter der Quergeissel aus
der Längsfurche entspringt, so wäre es möglich, dass sich auch bei dieser Gattung die Geissel-
spalte wie bei anderen Peridiniden zuweilen als ein längerer Schlitz durch die Längsfurche
erstreckte.
Soweit unsere Erfahrungen reichen, scheinen alle mit complicirteren
Hüllen versehenen Peridiniden anfänglich eine ähnlich einfache Membran
zu bilden wie Glenodinium, welche erst bei stärkerer Verdickung den
complicirteren Bau entwickelt. Abgesehen von feineren Structureigenthümlich-
keiten spricht sich derselbe nun hauptsächlich darin aus, dass auf der
äusseren Oberfläche der Membran stärker verdickte Leisten gebildet wer-
den, welche im Allgemeinen einen geradlinigen Verlauf besitzen und die,
unter einander in verschiedenster Weise zusammenstossend, eckige Felder
oder Tafeln umschliessen. Es ist Eegel, dass die in solcher Weise
gebildeten Hüllen eine mehr oder weniger grosse Neigung haben, durch
Auflösung des Zusammenhanges der Membran längs dieser Verdickungs-
leisten in einzelne Platten oder Tafeln zu zerfallen. Worauf dieser leichte
Zerfall der stärker ausgebildeten Hüllen eigentlich beruhe, ist bis jetzt
nicht sicher bekannt und soll später discutirt werden.
An Glenodinium reihen sich zunächst einige Formen an (sog. Clathro-
cysta St.), bei welchen die, wie es scheint, massig dicke Hülle von
zahlreichen, zu ziemlich kleinen polygonalen Feldern zusammengeordneten
Verdickungsleisten gleichförmig überzogen wird (52, 2). Bei einer derselben
findet sich als weitere Eigenthümlichkeit eine ziemlich weite Oeffnung
des vorderen Poles, die sog. Apical Öffnung, welche bei fast allen noch
zu besprechenden Peridiniden wiederkehrt. Im Zusammenhang damit ist
der vordere Pol oder Apex zu einer umgekehrt trichterförmigen Röhre
ausgewachsen.
Sehr nahe mit den eben erwähnten Formen sind diejenigen verknüpft,
welche Stein unter der Bezeichnung Heterocapsa zu einer besonderen
Gattung vereinigt, zu welcher aber wohl auch das Glenodinium trochoi-
deum Stein's gerechnet werden muss, das seiner allgemeinen Form nach
hiehergehört und auch nach den Untersuchungen von Klebs keine ganz
structurlose Hülle besitzt. Alle diese Formen (52, 1) sind mit einer
Hülle der Pcndinida (Chlathrocysta, Heterocapso, Goniodoma).
927
Apicalöflfuimg versehen. Die typischen Heterocapsen Stein's nähern sich
den folgenden Gattungen durch die geringere Zahl der Felder, welche
die Verdickungsleisten an ihrer Schalenhülle hervorrufen. Sie zeigen ausser-
dem eine ziemliche Verschiedenheit in der Bildung der Vorder- und Hinter-
hälfte der Hülle.
Unter diesen Heterocapsen, welche Stein nur als provisorisclie Gattung- auffasst, befinden
sich zwei Formen, welche durch grössere Zahl kleinerer, polygonaler Tafeln der vorderen
Hälfte noch an die Verhältnisse hei Clathrocysta erinnern. Diese Tafeln ordnen sich im all-
gemeinen in drei der Querfurclie parallelen Kränzen um den Apicalpol, deren Tafelzahl, ent-
sprechend der Weitezunahme nach dem Aequator zu sich vermehrt. Bei dem H. triquetrum
(52, 1) finden sich dagegen nur zwei Tafelkränze in der Vorderhälfte und die Zahl der Tafeln
der Kränze ist geringer. Damit sind denn Verhältnisse gegeben, welche zu denen der meisten
übrigen Peridinidengattungen überleiten.
Die Verhältnisse der Täfelung bei den übrigen Peridiniden zeigen,
wenn wir von der hinsichtlich ihrer Stellung zweifelhaften Gattung Cera-
tocorys absehen, sehr viel Uebereinstimmendes. Vorder- wie Hinterhälfte
der Hülle weisen je zwei Kränze von Tafeln auf, von welchen sich die
centralen oder polaren um die Pole, die aequatorialen um den Aequator
oder den Rand der Querfurche ordnen. Wir können daher diejenigen
Tafeln (resp. die einzige), welche die polaren Gürtel zusammensetzen,
als die polaren, oder die vorderen, wenn wir den vorderen Pol als den
Apex bezeichnen, auch die apicalen benennen, die hinteren polaren da-
gegen als die antapicalen. Stein bezeichnet die Apicalplatten als „fron-
tale", die Antapicalplatten dagegen als die „Endplatten".
Die Aequatorial platten können ihrerseits wieder in prae- und
postaequatoriale unterschieden werden. Stein nennt dieselben im
Allgemeinen „Basalia" und unterscheidet vordere und hintere.
Orientiren wir uns nun zunächst über die Verhältnisse bei einer
Form, welche, wenn auch vielleicht nicht die ursprünglichste, so doch als
Ausgangspunkt für die Darstellung von Vortheil ist. Bei der Gattung
Goniodoma (T. 52, 5a — c u. Holzschn. Fig. la — b), deren allgemeine
Gestaltung mit Glenodinium wohl übereinstimmt, finden wir in der vorderen
Hälfte einen Gürtel von 7 Aequatorialplatten, welche sich so vertheilen, dass
eine unpaare, die wir als die vierte bezeichnen, dorsal liegt, während ihr
Erklärung der Holzschnitte Fig. 1 a— b. Schema der Tafelordnung der Hülle
von Goniodomata. Die vordere Hälfte in der Ansicht auf den Apex; Ventralseite nach unten.
Die Apicalplatten sind schraffirt. 1 b. Ansicht der Hinterhälfte in gleicher Stellung, man sieht
also von innen auf den Antapex. — Auf sämmtlichen folgenden Holzschnitten zur Erläuterung
der Tafelbildung der Hülle sind entsprechende Ansichten der resp. Schalenhälften dargestellt.
928
Dinoflagellata.
ventialwärts zwei (I u. VII) gegenüber stehen imd den Theil der Längsfurche,
der sich auf die vordere Körperhälfte erstreckt, bedecken. Stein fasst diese
beiden letzteren Platten als eine einzige auf, welche er vordere Mund-
platte nennt; da jedoch eine mediane Verdickungsleiste, welche diese
Mundplatte in zwei Tafeln scheidet, auf den Abbildungen Stein's deutlich
zu sehen ist, und zwei entsprechende Tafeln bei Peridinium wiederkehren,
habe ich mir die oben ausgesprochene Auffassung von der Zusammen-
gesetztheit der sog, Mundplatten gebildet.
Die Plattenpaare II und VI, sowie III und V gruppiren sich symmetrisch
auf den beiden Seiten, wie der beigefügte Holzschnht zeigt. Apical-
platten finden sich drei, eine ventrale und zwei seitliche, welch' letztere
in der Rückenlinie zusammenstossen; alle drei umschliessen das Scheitel-
loch. Die hintere Hälfte der Hülle weist zunächst ähnliche und gleich
geordnete Aequatorialplatten auf, nur mit dem Unterschiede, dass die
dünne Membran, welche die Längsfurche auskleidet, keine mittlere Sonde-
rung zeigt, so dass sich also, wenn wir diese Membran (hintere Mund-
platte Stein's) als Platte rechnen, nur G finden würden. Der polare Ab-
schluss des hinteren Poles wird auch durch drei Antapicalplatten gebildet,
deren Stellung jedoch eine um 180 Grad gegen die Apicalplatten ver-
drehte ist, wie aus dem Holzschnitt (1 b) am besten anerkannt wird. Die
Geisseispalte ist nach Stein's Darstellung eine kleine, länglich ovale Oefif-
nung an der Zusammenstossungsstelle der Längs- und Querfurche.
Von diesen Verhältnissen bei Goniodoma lassen sich nun leicht die
der formenreichen Gattung Peridinium und der mit letzteren nahe ver-
wandten Diplopsalis ableiten. Die Veränderungen, welche die vordere
Schalenhälfte bei Peridinium (T. 52, 6, 7; 53, 1 u.Holzschn. 2 a — b) aufweist,
beruhen wesentlich auf einer Verkürzung des vorderen Theils der Längs-
furche, welche sich nur als ein kleiner Ausschnitt vor die Querfurche
verlängert. Im Zusammenhang damit hat sich die ventrale Apicalplatte
nach der Querfurche zu stark verlängert und ist gleichzeitig durch Auf-
treten zweier neuer meridionaler Verdickungsleisten in drei secundäre
Tafeln zerlegt worden, von welchen wir die längere mittlere wegen ihrer
rautenförmigen Gestalt mit Stein wohl als die Rautenplatte (r) bezeichnen
dürfen.
l
a
Erklärung der Holzschnitte Fig. 2a — b. Schema der Tafelanordnung- der Hülle
von Peridinium. 2 a die Vorderhälfte, 2 b die Hinterhälfte.
Bau der Schalenliiille (Peridinium). 929
Ferner haben sich in der dorsalen Mittellinie zwei hinter einander
geordnete unpaare Tafeln (d und d') zwischen die seitlichen Apicalplatten
eingeschoben, für welche wir nur bei dem später zu betrachtenden
Gonyaulax ein Analogou finden. Uebrigens können diese beiden unpaaren
dorsalen Platten auch durch Nichtsouderung nur als eine einzige ver-
treten sein.
Ic
Erklärung des Holzschnittes Fig. 2c. Tafel-
anordnung- der Vorderhälfte der Hülle von Peridinium cinc-
tum nach Stein ; d die hier einfache dorsale unpaare Apical-
platte, 2 a und 21) die zerfallene Apicalplatte 2, von welcher
Stein die Hälfte 2 a als eine aus ihrer gewöhnlichen Lage
verschobene zweite unpaare dorsale Apicalplatte deutet.
Eine beachtenswerthe Abweichung in der Täfelung des Vorderkörpers
findet sich nach Stein bei Ferid. cinctum (Ehbg.) St., doch deute ich
dieselbe anders wie Stein; meine Ansicht geht am einfachsten aus der
Betrachtung des nebenstehenden Holzschnittes (2 c) hervor. Auf die ab-
weichende Meinung Stein's will ich nicht näher eingehen.
In der Hinterhälfte (s. 2 b) finden sich Verhältnisse, welche ganz denen
von Goniodoma entsprechen, mit dem Unterschiede, dass statt der drei Apical-
platten dieser Gattung zwei seitliche vorhanden sind. Bei einigen Peri-
dinien, am ansehnlichsten bei Per. divergens, verlängern sich diese beiden
Antapicalplatten in je einen hohlen, hornartigen Fortsatz (53, la— b),
welche nach hinten divergirend auseinander weichen. Bei anderen
Formen sind diese hinteren Fortsätze weniger entwickelt und nicht mehr
hohl, sondern solid. Als Beispiel kann Peridinium Michaelis (52, 8) nach
den Untersuchungen Bergh's (Protoperidinium Bergh) und Stein's dienen.
Die Fortsätze sind hier zwei quergestellte dünne Blätter, welche der
Länge nach von einer dickeren Rippe durchzogen werden; letztere sind
eine directe Fortsetzung der die Längsfurche begrenzenden Verdickungs-
oder Randleisten. — Wir werden ähnlichen Fortsatzbildungen auch noch
bei anderen Peridiniden begegnen.
Besonderes Interesse besitzt die Beschaff"enheit der Geisselspalte bei
unserer Gattung. Die Abbildungen Stein's geben hierüber wenigstens so weit
Aufschluss, dass sich unter Berücksichtigung der Verhältnisse bei Cera-
tium, welche principiell übereinstimmend zu sein scheinen, das Wesent-
lichste feststellen lässt. Die Geisselspalte scheint nämlich bei fast allen
Peridinien nicht mehr eine einfache Oeffnung zu sein, sondern ein län-
gerer, spaltartiger Schlitz der Membran, welche die Längsfurche auskleidet
(53, la, gs). Der Spalt liegt nicht in der Mittellinie der Längsfurche,
sondern asymmetrisch längs ihrer linken Randleiste. Seine Längsaus-
dehnung ist ziemlich variabel; während sich bei Per. divergens (53, la, gs)
und anderen der Spalt über die ganze Längsfurche bis an das Hinterende
erstreckt, reicht er nach den Abbildungen Stein's bei Per. tabulatiim und anderen
IJionn, Klassen des Thier-Keiclis. Protozüa. 59
930 Dinoflag-ellata.
nur bis zur Mitte der Längsfurche nach hinten. Sein Beginn liegt in den
eben namhaft gemachten Fällen stets an der Stelle, wo sich das linke
Ende der Querfurche mit der Längsfurche vereinigt.
Der rechte Rand der Spalte scheint gewöhnlich von einem leisten-
artigen Vorsprung der Längsfurchenmembran gebildet zu werden und,
soweit die Abbildungen verständlich sind, scheint die Basis dieser Leiste
durch eine Verdickung ausgezeichnet zu sein, welche bei manchen Formen
einen etwas welligen Verlauf nimmt (52, 6 a). Der linke Rand wird ent-
weder direct von der linken Randleiste der Längsfurche oder von der
Membran der Furche gebildet.
Bei Ferid. divergens und einigen anderen ist der Geisseischlitz jedenfalls
in seiner ganzen Ausdehnung äusserst eng und nur sein hinteres Ende zu
einer ovalen Oeffnung erweitert, aus welcher die Längsgeissel hervortritt ;
Stein bezeichnet diese Oeffnung als den Mund. Bei Per. tabulatum wäre nach
Stein umgekehrt das vordere, an die Querfurche anstossende Ende der
Spalte zu einer rundlichen Oeffnung erweitert, doch zweifle ich, ob diese
Verhältnisse richtig angegeben sind. Jedenfalls bedarf es erneuter Unter-
suchungen, um das Verhalten der Geisseispalte bei dieser und anderen
Gattungen festzustellen.
Sehr abweichend soll nun nach Stein die Spalte bei dem überhaupt
recht eigenthümlichen Peridinium globulus sein, indem dieselbe
hier eine ovale, ganz hinten in der Längsfurche gelegene Oeffnung dar-
stelle (52, 7; gs).
Das gleiche Verhalten der Geisselspalte findet sich nach Bergh und
Stein auch bei der nahe verwandten Gattung Diplopsalis (53, 2).
Ueber deren Hülle sei kurz bemerkt, dass die hintere Hälfte ganz mit
Peridinium übereinstimmt, die vordere dagegen dadurch abweicht, dass
im Aequatorialgürtel die seitlichen Platten 2 und 3,
sowie 5 und 6 nicht gesondert, sondern durch je eine
Platte repräsentirt sind (s. nebenst. Holzschn. Fig. 3).
Ebenso werden in dem Kranz der Apicalplatten die
beiden seitlichen Paare des Peridinium nur von je einer
einzigen repräsentirt und ist auch nur eine unpaare
dorsale Apicalplatte vorhanden. Stein bildet aber
eine sehr bemerkenswerthe Variation der Prääquatorial-
Erklärung des platten eines Individuums ab; die Formel für die
Holzschn. Fig. 3. Hälfte des prääquatorialen Gürtels wäre bei demselben
•Scliema der gewöhn- 1, 2, 3 + 4^0, ähnlich wie bei der später zu er-
lichen Tafelanordnung wähnenden Gattung Gonyaulax.
der Vorderhälfte von rj • .^ . , x /-. x- o^ • > ti i
T.- , ,-, Zwei weitere, interessante Gattungen Steins Ble-
Uiplopsalis. ' ö
pharocysta und Podolampas scheinen recht
innig mit Peridinium und speciell mit dem oben erwähnten Peri-
dinium globulus verwandt zu sein, doch verräth namentlich Podolampas in
der allgemeinen Gestaltung auch Beziehungen zu den um Peridinium Michaelis
sich gruppirenden Formen. Blepharocysta (53, 3) besitzt eine kugel- bis
Bau der SchalenhUlle (Peridinium, Diplopsalis, Blepliarocysta u. Podolampasl. 931
Erklärung der Holzschnitte Fig. 4a — b. Schema der Tafelanordnung von Ble-
pliarocysta. 4a Vorderhälfte; 4b Hinterhälfte.
eiförmige Gestalt, Podolampas (55, 9) dagegen einen den Hinterleib an Länge
beträchtlich übertreffenden Vorderkörper, dessen Apex sich in eine mehr
oder weniger lange , umgekehrt trichterförmige Scheitelröhre fortsetzt. Da-
durch wird die Gestalt dieser Gattung eine umgekehrt kreiseiförmige. Das
hervorstechendste Merkmal beider Gattungen besteht einmal in der Nichtaus-
bildung der Querfurche und eigentlich auch der Längsfurche, indem letztere
zwar durch verdickte Randleisten angedeutet scheint, aber eine Vertiefung
der die Furchenregion tiberziehenden Membran, der hinteren Mund-
platte Stein's, fehlt. Wie bei Peridinium globulus und Diplopsalis, mit
welch' letzterer Gattung in der Täfelung der Hülle gewisse Uebereinstim-
mungen vorhanden sind, liegt die längsovale (Blepharocysta) bis quer-
halbmondförmige Geisselspalte (Podolampas) ganz hinten in der Längs-
furche, Die Täfelung der Hülle verhält sich folgendermaassen (s. Holz-
schnitt 4a — b): Der prääquatoriale Gürtel wird, wie dies bei Di-
plopsalis gewöhnlich, aus 5 Platten gebildet, indem auch hier 2 und 3,
sowie 5 und 6 jederseits als nichtgesondert zu betrachten sind. Die
Prääquatorialplatten sind sehr hoch, indem der polare Gürtel recht wenig
entwickelt ist. Bei Blepharocysta (4aj besteht derselbe
aus drei kleinen Plättchen, welche denen von Diplop-
salis entsprechen, mit Ausnahme der Rautenplatte,
welche beiden Gattungen völlig fehlt. Bei Podolampas
soll dagegen der polare Gürtel, welcher die Scheitel-
röhre bildet, keine weitere Zusammensetzung zeigen.
Auch in der Bildung der hinteren Hälfte ist ein eigen-
thümliches und tibereinstimmendes Verhalten zu
beobachten. Die Platten 2, 3, sowie 4 und 5
sind je zu einer grossen Tafel vereinigt, so dass
sich also nur 3 Aequatorialplatten finden, während
der polare Ring bei Blepharocysta aus den drei Platten
des Goniodoma, bei Podolampas aus den beiden des
Peridinium gebildet wird. Bei der ersteren Gattung
erheben sich die Randleisten der Längsfurche zu beiden Seiten der
Geisselspalte zu zwei kleinen flügel- bis ohrförmigen Fortsätzen, eine
Einricbtung, die entwickelter auch schon bei Diplopsalis vorkommt, indem
59*
Erklärung des Holz-
schnittes Fig.5. Schema
der Tafelanordnung der
Hinterhälfte von Podo-
lampas.
932
Dinoflaffellata.
sich hier diese Flügelleisten nach Bergh in der gesammten Ausdehnung
der beiden Ränder der Längsfurche erheben, wogegen Stein nur
eine liniie gefunden haben will. Dass diese Flügelleisten trotz
ihrer etwas abweichenden Stellung den hinteren Fortsätzen der Peridinien
entsprechen dürften, scheint mir aus dem Verhalten von Podolampas
sicher hervorzugehen. Bei Pod. bipes (55, 9 a) tinden wir auf den Anta-
picaltafeln dieselben beiden queren dreieckigen Fortsätze mit je einer
stärkeren Mittelrippe wie bei Peridinium Michaelis. Von der Mittelrippe
des linken Fortsatzes aber entspringt eine linke Flügelleiste (1), die längs
der linken Seite der Greisseispalte bis etwas vor dieselbe zieht. Wir
dürfen daher annehmen, dass die hinteren Fortsätze und die Flügelleisten
aus gemeinsamer Grundlage hervorgingen, wovon später noch mehr. Bei
Podolampas palmipes (9 b) zeigt sich eine Abweichung darin, dass die beiden
hinteren Fortsätze dorsal hinter der Geisselspalte mit einander verwachsen
sind und der linke länger ist wie der rechte.
In gewisser Hinsicht scheint sich an die ebenerwähnten Gattungen
auch das von Stein errichtete Genus Amphidoma anzuschliessen, doch
bin ich, nach der Lage meiner Kenntnisse, nicht im Stande, zu entscheiden,
ob hier nur Annäherung oder wirkliche Uebereinstimmung vorliegt. Diese
Gattung (53, 4) weist zwei ziemlich gleich entwickelte Körperhälften auf,
mit gut ausgebildeter Quer-, aber nur wenig entwickelter Längsfiircbe,
welche das Hinterende nicht erreicht. Beide Pole spitzen sich ziemlich
zu, so dass die Gestalt eine annähernd doppelkeglige ist. Die Zusammen-
setzung des Vorderkörpers stimmt nun ganz mit Blepharocysta überein.
der Hinterkörper dagegen weicht namhaft ab, indem sich die normalen
5 Tafeln finden, aber nur eine einfache, ansehnliche antapicale Platte
(s. Holzschn. Fig. 6). Auf der linken Seite der Längsfurche findet sich
neben der postäquatorialen Tafel 1 noch eine Platte, welche wir bei den
Erklärung der Holzschnitte Fig. 6 — 7. Fig. 6 Schema der Tafelanordnung der
Hinterhälfte von Amphidoma. Fig. 7 a — b. Schema der Tafelanordnung von Gonyaulax
polyedra. a. Vorderhälfte ; b. Hinterhälfte.
seither besprochenen Gattungen nicht beobachteten und von welcher ich mit
Stein annehmen muss, dass sie aus einem Theil der die Längsfurche be-
kleidenden Membran entstanden ist, indem sich wohl eine Art Rückbildung
der bei den Vorfahren breiteren Längsfurche ausgebildet hat.
Bau der Schalcuhüllc (Aiiiphidoma, Gonyaulax, Ceratiuui). 933
Benierkenswerther Weise treffen wir die gleiche Bildung der Hinter-
hälfte bei der Gattung Gonyaulax (52, 3 u. Holzschn. 7b), welche
desshalb wohl auch Amphidonia nahe steht. Ihre Gestalt ist z. Th. eine
ganz peridiniumartige. Die Vorderhälfte aber weist dieselbe Bildung auf,
wie sie bis jetzt nur bei Diplopsalis als Abnormität beobachtet wurde,
nämlich 6 äquatoriale Platten der Formel 1, 2, 3 + 4V2 (s- Holzschn. 7 a),
Apicalplatteu findet Stein nur drei, ich dagegen bei Gonyaulax po-
lyedra 5, vielleicht variiren sie also. Die bedeutsamste Eigenthümlichkeit
des Gonyaulax ist aber die Ausdehnung der Längsfurche über den ganzen
Vorderkörper bis zum Scheitel.
Bevor wir diejenigen Formen erörtern , welche sich vielleicht an die
letztbesprochenen mit einiger Sicherheit anreihen lassen, wollen wir uns
noch zwei Seitenzweige betrachten, die sich aus ziemlich ursprünglichen,
jedoch in einiger Hinsicht mit Peridinium verwandten Peridiniden hervor-
gebildet haben müssen. Unter diesen verdienen zunächst die Ceratien,
jene reizenden Dinoflagellaten des Meeres und Süsswassers unsere Auf-
merksamkeit.
Ein bezeichnender Character dieser Gattung ist einmal: die grosse
Ausdehnung, welche die Längsfurche in der Breite erlangt (53, 9 a, 10 b;
If.) , so dass sie zu einem breiten Bauchausschnitt oder Feld wird,
welches sich auch ein beträchtliches Stück auf die Vorderregion er-
streckt. Bekleidet wird dieser Bauchausschnitt von einer zarten Fort-
setzung der dicken übrigen Schalenhtille, was zuerst Stein nachwies.
Die früheren Forscher, auch noch Bergh, Klebs, Pouchet und Gourret,
hielten diesen Ausschnitt für nackt. Am linken Rande desselben zieht
eine lange, schmale Spalte hin, welche sich von dem linken Ende
der Querfurche bis an das Hinterende des Bauchausschüittes fort-
setzt, die Geisseispalte. Dieselbe zeigt im Wesentlichen die gleiche Bil-
dung wie bei Peridinium, ist jedoch in ihrer Beschaffenheit, wenigstens
bei Ceratium Tripos, von mir etwas eingehender studirt worden, als dies
bei Peridinium bis jetzt geschah. In der ganzen Ausdehnung dieser
Geisseispalte ist der Weichkörper zu einer schmalen Rinne eingesenkt
(54, 1 b; gs), der Geisseirinne, auf deren Seitenränder die Membran (fm)
des Bauchausschnittes sich fortsetzt und bis an den Grund der Rinne zu
verfolgen ist. Hier aber liegt das Plasma wohl in der ganzen Ausdeh-
nung der Rinne nackt. Der rechte Rand der Rinne erhebt sich stärker
und legt sich nach links dachartig über dieselbe herüber, wodurch sie
in ihrer ganzen Ausdehnung zu einer linksseitig mit einem schmalen
Spalt versehenen Röhre wird, die sich am Hinterende des Bauch-
ausschnittes durch ein ovales, ziemlich ansehnliches Loch öffnet. Aus
diesem Loch tritt die Längsgeissel heraus, die in ihrem proximalen
Verlauf in die Rinne eingelagert ist und am Vorderende derselben, dicht
neben dem linken Ende der Querfurche entspringt. An derselben Stelle
inserirt sich auch die Quergeissel (s. 53, 9a; 54, 1 a— b).
934 Dinoflagellata.
Der Apex ist stets in eine mehr oder weniger lange, bei den meisten
marinen Formen sogar sehr lange, geöffnete Scheiteh-öhre ausgewachsen
und auch der Antapex zu einem hinteren, zugespitzten Hörn (aah) von
recht verschiedener Länge entwickelt.
Bevor wir die durch anderweitige Auswüchse sehr mannichfaltige
Gestaltung der Ceratien eingehender verfolgen, wird es angezeigt sein,
die Täfelung der Hülle etwas genauer zu betrachten.^) Dieselbe lässt
sich zwar auf die allgemeinen Verhältuisse der Peridiniden zurückführen,
scheint aber im Ganzen ziemlich vereinfacht zu sein. Nach Stein's Dar-
stellung finden wir im äquatorialen Gürtel des Vorderkörpers nur 3 Tafeln
(s. den Holzschnitt Fig. 8a), welche nach meiner Auffassung etwa folgender-
&
cu
Erkläniuar des Holzschnittes Fiff. S. Schema der Tafelaiioi'diiujifr von Ceratiuin.
ö
a. Vorderhälfte; b. Hinterhälfte.
maassen auf die 7 von Peridinium zurückzuführen sind: die dorsale Platte
entspricht No. IV, die grosse linke einer Vereinigung von No. I bis HI und
die rechte einer Vereinigung von No. V bis VII; doch ist wohl ein nicht
unansehnlicher Theil der Tafel VII in die Bildung des breiten vorderen
Theils des Bauchausschnittes eingegangen. Apicalplatten finden sich nach
Stein nur drei, welche denen von Goniodoma (s. Fig. 1 a, p. 927) etwa ent-
sprechen, doch erstreckt sich die ventrale Tafel bei Ceratium tetraceros und
Hirundinella bis zu dem linken Ende der Querfurche und erlangt dadurch
einige Uebereinstimmung mit der Rautenplatte der Peridinien ; bei den
übrigen reicht sie jedoch nicht bis zum Aequator. Klebs konnte nun
aber beobachten, dass die Apicalregion (Scheitelröhre) bei Ceratium Tripos
zuweilen auch in 4 (ebenso Pouchet 37, p. 418) und noch mehr Tafeln zer-
fällt, was auch nicht unwahrscheinlich ist ; es werden eben die Linien des
weiteren Zerfalls wohl denen entsprechen, welche bei Peridinium (siehe
Fig. 2a, p. 928) die grössere Zahl der apicalen Tafeln scheiden. Auch an
dem Hinterkörper (8 b) findet sich eine entsprechend geringe Sonderung der
Tafeln, indem derselbe sich ebenfalls nur aus drei postäquatorialen Platten
von der sehr wahrscheinlichen Formel 1 + 2, 4 + 5 und 3 aufbaut.
Am Antapex findet sich nur eine einzige Tafel, welche in das hintere
Hörn (aah) ausgewachsen ist.
') Klebs (44) hat schon die von Brandt (Mitth. zooIog. Stat. Neapel Bd. IV, p. 295)
aufgestellte Ansicht, dass die Hülle der Ceratien aus zwei, nach Analogie der Verhältnisse
bei den Bacillariaceen , längs der Querfurche in einander geschachtelten Hälften bestehe,
zurückgewiesen ; auch ich fand bei meinen Untersuchungen nicht den geringsten Anhalt hierfür.
Bau der Schalenhüllc (Ceratiuui , Pyropliacus). 935
Diese Neigung zur Entwicklung hornartiger Auswüchse ist nun
bei den Ceratien noch an zwei weiteren Körperstellen vorhanden,
nämlich an den beiden postäquatorialen Seitenplatten. Zunächst scheint
ein solches Seitenhorn an der rechten Seitenplatte aufgetreten zu
sein. Es findet sich allein neben dem Hinterhorn bei Ceratium
tetraceros (= cornutum; 53, 7a), Furca, Fusus (54, 2a) und Tri-
pos (53, 10 b) vor. Bei den drei erstgenannten bleibt es im Allgemeinen
klein, bei der letztgenannten Art wird es dagegen sehr lang, hat aber
wie das Hinterhorn eine merkwürdige Veränderung des bei den übrigen
Arten ziemlich nach hinten gerichteten Verlaufes erfahren. Beide Hörner
biegen nämlich nach ihrem Ursprung sofort um und verlaufen in sehr
variabler Krümmung und Länge nach vorn. Ein viertes Hörn, aus
der linken postäquatorialen Seitenplatte hervorwachsend, findet sich
in ziemlich verschiedener Entwickelung bei Ceratium Hirundinella
(53, 9 a) und bleibt gewöhnlich kleiner wie das rechte Seitenhorn. Bei
einer marinen Form endlich, welche Gourret als Cer. quinquecorne be-
schrieb und die der letzterwähnten Art recht ähnlich ist, soll sich auf
der linken Rückseite des Hinterkörpers noch ein iiinftes Hörn finden.
Wie gesagt, bietet die Entwickelung dieser Hörner der Ceratien ein
Feld für die manichfachsten Variationen auch innerhalb der Arten, zwischen
welchen sich die unverkennbarsten Uebergänge finden. Die geringste
Ausbildung eines einzigen Seitenhornes ist bei dem langspindelförmigen
Cer. Fusus (54, 2 a) zu beobachten und bei gewissen Varietäten desselben
ist es ganz reducirt.
Nach einer anderen Richtung leiten sich von peridiniumartigen For-
men zwei interessante, von Stein entdeckte Gattungen ab, welche er in
näheren Zusammenhang mit den Cystoflagellaten (Noctiluca) zu bringen
versuchte und desshalb auch ihre naturgemässen Beziehungen zu den
Feridiniden verkannte. Aus Rücksicht auf diese vermeintlich innige Ver-
wandtschaft mit Noctiluca gab er ihnen eine von den übrigen ganz ab-
weichende Orientirung. Die erste dieser Gattungen, der ansehnliche
Pyrophacus nämlich (54, 3a— b), zeigt auf den ersten Blick die nahen
Beziehungen zu den eigentlichen Peridinien. Sie leitete sich vielleicht
von Formen her, welche Diplopsalis nahe standen; wie die letztere
Gattung besitzt sie nämlich einen sehr niedergedrückten, linsenförmigen
Körper mit wohl ausgeprägter äquatorialer Querfurche und nur kurzer
Längsfurche des Hinterkörpers. Stein bezeichnet den Hinterkörper als
die Rücken-, den Vorderkörper als die Bauchfläche, da er die gleichen
Flächen bei Noctiluca unterscheiden will.
Die ziemlich dicke Hülle weist eine Täfelung auf, die sich der der
Peridinien im Allgemeinen anschliesst, nur wird die Plattenzahl, wohl in
Zusammenhang mit der bedeutenden Körpergrösse, im Alter eine beträcht-
lich höhere. Auf den von Stein abgebildeten verschiedenen Altersstadien
lässt sich verfolgen, dass die Vermehrung der Platten durch die Ausbil-
dung neuer Verdickungsleisten , welche die ursprünglichen Platten in
936 Dinoflagelkta.
secimdäre theilen, zu Stande kommt. Im Vorderkörper fiuden wir einen
äquatorialen Gürtel von 9 bis 14 und einen apicalen von 4 bis 7 Platten,
wozu sich noch eine ventrale, schmale, etwas geschwungen verlaufende
Platte gesellt (r), welche von dem Apex bis zu der Querfurcbe reicht.
Stein bezeichnet sie als Stabplatte, da er sie dem sog. Staborgan der
Noctiluca vergleicht, sie entspricht aber wohl sicher der früher ge-
schilderten Rautenplatte des Peridinium. Eine deutliche Apicalöffnung
ist vorhanden und wird von Stein seltsamer Weise als After bezeichnet.
Am Hinterkörper wurden 10 bis 14 postäquatoriale und 3 bis 13 anta-
picale Platten beobachtet, welch' letztere etwas unregelmässig zusammen-
gruppirt und im Alter so geordnet sind, dass einige, wie es scheint ge-
wöhnlich drei, central stehen und die übrigen einen Kranz um dieselben
formiren. Die kurze Längsfurche wird in ihrer ganzen Ausdehnung von
einer Geisseispalte durchzogen, welche, soweit ich die Stein'sche Schilde-
rung und seine Zeichnungen verstehen kann, dem früher geschilderten
Geisseispalt gewisser Peridinien sehr ähnlich ist. Das Hinterende dieses
Spaltes scheint zu einer runden Oetfnung erweitert zu sein, wie sie bei
Peridinium divergens und Ceratium angetroffen wurde.
Mit der Gattung Pyrophacus stimmt nun der von Stein als Ptycho-
discus (54, 4) bezeichnete Organismus in der allgemeinen Bildung nahe
überein. Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass eine Täfelung,
mit Ausnahme der wie bei Pyrophacus am Vorderkörper deutlich
markirten Rautenplatte (r), fehlt. Eine eigentliche Querfurche ist nur un-
deutlich ausgebildet, an ihrer Stelle findet sich, wie früher erwähnt, eine
dünne Membran, welche die kleinere vordere Hälfte der Hülle mit der
grösseren hinteren verbindet. Dass diese Membran, wenn sie auch keine
deutliche Furche bildet, das Homologon der Querfurche ist, scheint keinem
Zweifel unterworfen zu sein. Die Längsfurche entspricht ganz der des
Pyrophacus und wird auch nach Stein's Angabe von einem feinen Geissei-
spalt durchzogen, welcher keine hintere Erweiterung zeigt. Die im All-
gemeinen grosse Uebereinstimmung zwischen den beiden Gattungen scheint
mir die Möglichkeit zuzulassen , dass unter Umständen auch bei
Ptychodiscus eine Täfelung der Hülle zur Entwickelung gelangen könne ;
vielleicht waren die von Stein beobachteten Exemplare unausge-
wachsene.
Wir wenden uns schliesslich zu zwei letzten Gattungen der Peridiuiden-
gruppc, die sich entschieden als die abweichendsten documentiren, gerade
desshalb aber ein besonderes Interesse beanspruchen, da sie zu der fol-
genden Familie, den Dinophysiden , eine gewisse Hinneigung verrathen.
Es sind dies die Gattungen Oxytoxum St. (einschliesslich Pyrgidium
Stein, dessen Verschiedenheit von der ersteren denn doch gar zu gering-
fügig ist) und Ceratocorys St. Die Abweichungen in dem Bau der
noch wie bei den Peridiniden aus einer grösseren Anzahl von Tafeln zu-
sammengesetzten Hülle sind so erhebliche, dass ich es zur Zeit für ziem-
lich aussichtslos halte, deren Täfelung von den eigentlichen Peridiniden
Bau der Schaleiiliüllo (Ptychodiscus, OxytoxuniV 937
abzuleiten. Der g-ewichtigste Unterschied unserer beiden Gattungen von
den letzteren besteht darin, dass die Anordnung der Tafeln eine ziemlich
ausgesprochen bilateral symmetrische ist, so dass die Medianebene wenig-
stens die Haupttafeln in zwei seitliche, in übereinstimmender Weise zu-
sammengesetzte Hälften scheidet. Dieses Verhalten aber darf wohl als
eine Annäherung an die Dinophysiden betrachtet werden. Eine weitere
recbt bezeichnende Annäherung spricht sich aber bei Oxytoxum
(53, 5 — G) sicher darin aus, dass die vordere Körperhälfte viel kleiner
ist als die hintere, höchstens die halbe Höhe der letzteren erreicht, nicht
selten aber nur ein kleines Köpfchen darstellt. Wie schon frtiher erwähnt
wurde, hatte Stein, der Entdecker dieser Formen, eine andere Auf-
fassung derselben , indem er die kleinere Körperhälfte für die
hintere nahm. Da sich aber die Längsfurclie, wie gleich zu schildern
sein wird, nur auf die grössere Hälfte erstreckt und in ihr auch die
Geisselspalte liegt, welche bei keiner anderen Dinifere bisher auf dem
Vorderkörper gefunden wurde, so kann ich die Stein'sche Ansicht nicht
acceptiren. Lebende Exemplare wurden bis jetzt nicht beobachtet,
ich zweifele jedoch kaum, dass sie meiner Ansicht die thatsächliche Be-
stätigung geben werden. Hinsichtlich der allgemeinen Körpergestalt der
Oxytoxumarten ist zu bemerken, dass sich darunter solche mit ziemlich
ovalem Hinter- und etwa halbkugligem Vorderkörper finden , bei den
meisten jedoch eine ausgesprochene Neigung zur Längsstreckung und zur
Bildung zugespitzter, stachelartig verlängerter Pole auftritt. Die Ab-
setzung der beiden Körperhälften von einander ist eine viel schärfere wie
bei den bis jetzt besprochenen Formen, da die Querfurche sehr breit
wird und ihr Vorderrand, bei stärkerer Reduction des Vorderkörpers,
einen viel geringereu Durchmesser besitzt wie der Hinterrand, so dass
sich der Körper innerhalb der Furche deutlich keglig zuspitzt. Auch
dieses Verhalten erinnert an zahlreiche Dinophysiden.
Leider ist nun die Täfelung der Hülle durch die Stein'schen Beob-
achtungen nicht so genau bekannt geworden, wie dies gerade bei dieser
interessanten Gattung wünschenswerth wäre. Festzustehen scheint, dass
sich der grössere Hinterkörper aus 5 grossen, den Postäquatorialplatten
der übrigen Peridiniden im Allgemeinen entsprechenden Platten zusammen-
setzt, zu welchen sich dann noch eine den hinteren Pol oder Stachel
bildende Antapicalplatte gesellt. Von den 5 erstgenannten Platten liegt
eine ventral und enthält vorn die bei den sogen. Pyrgidien Stein's (53, 5)
noch etwas längere, bei den eigentlichen Oxytoxen dagegen auf eine
kleine hintere Ausbiegung der Querfurche beschränkte Längsfurche mit
der engen, ovalen Geisselspalte. Diese Ventralplatte ist nun bei den
sogen. Pyrgidien weniger entwickelt, sie reicht nämlich nicht ganz bis
an die Antapicalplatte und ist gleichzeitig etwas asymmetrisch. Dadurch
erlangt sie eine gewisse Aehnlichkeit mit der früher geschilderten hinteren
Mundplatte der Amphidoma und des Gonyaulax und dürfte auch wohl
wie diese aus der, die ursprünglich stärker entwickelte Längsfurche über-
938
Dinoflagellata.
ziehenden Membran hervorgegangen sein. Bei den eigentlichen Oxytoxen
dagegen erreicht sie die Länge und symmetrische Beschaffenheit der
übrigen 4 Platten, doch ist bemerkenswerth, dass auf den Abbildungen
von Oxytoxiim sphaeroideum bei Stein überhaupt nur 4 postäquatoriale
Platten erscheinen. Die 4 weiteren Platten ordnen sich nun so, dass
zwei die dorsale, zwei andere die ventrale Hälfte einnehmen.
Auch der Vorderkörper soll nach Stein eine entsprechende Zu-
sammensetzung besitzen, doch tritt dies weder auf seinen Abbildungen
hinreichend deutlich hervor, noch ist der Text in Betreff dieser Verhält-
nisse sehr präcis. Immerhin halte ich es für wahrscheinlich, dass Stein
mit dieser Angabe das Richtige getroffen hat.
Schon oben wurde erwähnt, dass die Geisselspalte in der kurzen
Längsfurche liegt. Stein zeichnet sie als eine mehr oder weniger länglich
ovale Oeffnung, die bei den mit längerer Furche ausgerüsteten sog. Pyr-
gidien dem Hinterende der Furche nahe liegt. In diesem Fall lässt sich
auf den Abbildungen z. Tb. eine spaltartige dunkle Linie erkennen,
welche, von der Oeffnung entspringend, in der Längsfurche nach vorn
zieht, wesshalb ich es für wahrscheinlich halten möchte, dass wenigstens
in diesen Fällen die Geisselspalte ein längerer feiner Spalt, ähnlich wie
bei Peridinium ist, der sich an seinem Hinterende zu der geschilderten
Oeffnung erweitert. Eine Apicalöftnung scheint Oxytoxum zu fehlen.
Indem wir uns zu der merkwürdigen Gattung Ceratocorys (54, 5)
wenden, müssen wir leider nochmals auf die schon früher erwähnten
Zweifel über deren richtige Orientirung hinweisen. Auch sie besitzt
nämlich zwei sehr verschieden grosse Körperhälften , von welchen die
kleinere wie ein flachgewölbter Deckel auf der grösseren, die etwa die
Gestalt eines Topfes hat, aufsitzt. Stein erklärt nun die kleinere Region
für die hintere; Gourret dagegen orientirt umgekehrt, indem er Cerato-
corys direct den Dinophysiden beigesellt. Die Annahme der Gourret'schen
Orientirung hat gewisse Schwierigkeiten, doch halte ich sie für nicht
ganz unwahrscheinlich, weil eben noch anderweitige Analogien mit den
Dinophysiden vorhanden sind. AVir betrachten also die grosse topfförmige
Region als den Hinterkörper und seine Täfelung erinnert auffallend an
1(X.
Erklärung des Holzschnittes Fig. 9. Schema der Tafelanordnung von Cera-
tocorys. a. Hinterhälfte in der Ansicht von aussen auf den Antapex, Ventralseite unten;
b. Vorderhälfte in gleicher Stellung von innen.
Bau der Sclialenhüllc (Cerafocorys, Amphidiuium). 939
die der Oxytoxeu. Er besteht nämlich aus 4 grossen postäqiiatorialen
Platten, zwei rechten und zwei linken und einer schmalen fünften Platte,
die sich zwischen die beiden ventralen grossen Platten einlagert und
desshalb wohl als hintere Mundplatte zu betrachten ist (s. Holzschn, 9 a).
Abgeschlossen wird das Hinterende durch eine vierseitige Antapicalplatte,
deren Ecken mit den Trennungslinieu der 4 grossen Platten zusammen-
fallen. Diese 4 Ecken sind nun in ansehnlich lange, divergirende, platte
Hörner ausgewachsen, welche nach der Beschreibung Ötein's in ihrer
ganzen Länge von einem Centralkanal durchzogen werden, von welchem
nach beiden Seiten fiederartig geordnete Seitenästchen ausgehen. Ein
ähnliches plattes Hörn entwickelt sich aus dem ganzen ventralen Rand
der linken ventralen Postäqiiatorialplatte und gegenüber diesem ein rücken-
ständiges aus dem dorsalen Rand der linken dorsalen Postäquatorialplatte.
Die Hülle des deckeiförmigen Vorderkörpers wird von vier entsprechend
gelagerten Platten gebildet und einer ventralen sog. vorderen Mundplatte,
die sich von dem Apex bis zur Querfurche erstreckt, und also wohl der Rauten-
sammt den Apicalplatten der Peridinien entsprechen dürfte. Diese Platte
nun trägt auf ihrem Scheitel eine Oefifnung, von welcher sich ventralwärts
eine Rinne bis zur Querfurche nach hinten fortsetzt. Letztere Oefifnung deutet
Stein als Geisseispalte und dies veranlasste ihn jedenfalls hauptsächlich,
die kleinere Körperregion für die hintere zu erklären. Es scheint mir
nun aber recht wohl möglich, dass diese Oefifnung der Apicalöffnung der
Peridinien entspreche, da sich diese bei Peridinium zuweilen in eine
deutliche, ventral eine kleine Strecke herablaufende Spalte fortsetzt. Wo
aber bei dieser Deutung die eigentliche Geisseispalte sei, lässt sich zur
Zeit nicht sicher sagen, doch beschreibt Stein eine Läugsrinne auf der
hinteren Mundplatte, welche vielleicht auf den Geisselspalt bezogen wer-
den kann.
Als eine auffallend an die Dinophysiden erinnernde Eigenthümlichkeit
der Ceratocorys ist endlich noch hervorzuheben, dass die Randleisten der
Querfurche in ungemein entwickelte Säume ausgewachsen sind, welche
nahezu die Hälfte der Körperbreite an Höhe erreichen.
Wir müssen unsere Aufmerksamkeit nun der Familie der Dino-
physiden zuwenden und werden finden, dass die Morphologie derselben
recht übereinstimmend ist, so dass wir die Schilderung kurz fassen können.
Den wichtigsten Character der Familie bildet, wie schon gelegentlich
erwähnt wurde, die grosse Verschiedenheit der beiden Körperregionen,
indem die Querfurche dem Vorderende sehr nahe gerückt ist und weiter
das Verhalten der Schalenhülle, welche höchstens einer einzigen Gattung
fehlt. Die Eigenthümlichkeit der im Allgemeinen bilateralen Hülle besteht
darin, dass sie eine durchgehende Trennungslinie in der Medianebene
besitzt, ähnlich wie die der Prorocentriuen, also leicht in zwei seit-
liche Klappen zerfällt. Bei fast allen bekannten Dinophysiden tiber-
trifft der Längsdurchmesser den queren, so dass ihre Gestalt vom
nahezu kugligen oder ellipsoidischen bis zum langgestreckt nadel-
940 Üiuoflagellata.
förmigeü schwankt. Die Qiierfiirche ist stets wohl entwickelt und zeigt
eine Neigung zu mächtiger Erhebung der sie begrenzenden Leisten. Ihre
beiden Enden stossen ventral stets aufeinander, sie ist also ringförmig
geschlossen. Dagegen tritt nun die Längsfurche gewöhnlich stark
zurück und scheint sich nur selten etwas über die vordere Hälfte
des Hioterkörpers nach hinten zu erstrecken; auf den Vorderkörper
dehnt sie sich überhaupt nur ganz selten aus.
Wie bemerkt, kennt man nur eine wahrscheinlich hierhergehörige
Form, der eine Hülle möglicherweise abgeht, Amphidinium nämlich
(54, 6 — 7), doch liegen über dieselbe recht verschiedene Angaben vor.
Während ihre Entdecker, Claparede und Lachmann, eine Hülle erwähnen und auch
Stein eine zarte Hülle beschreibt, erklärt Spengel (35) sie für nackt und möchte sie d ess-
halb mit Bergh den Gymnodiniden zurechnen. Letztere Ansicht scheint mir unhaltbar, auch
wenn eine Hülle wirklich fehlt. Klebs (44) und Pouch et (48), welche das Amphidinium
in jüngster Zeit gleichfalls untersuchten, sprechen sich nicht näher über diese Frage aus; auf
ihren Abbildungen ist von einer Hülle übrigens nichts zu sehen.
Der Vorderkörper unserer Gattung ist namentlich bei dem gewöhn-
lichen Amphid. operculatum nur ein kleiner, knopfförmiger und etwas schief
abgestutzter Anhang und der grosse Hinterkörper bei dieser Art in dorso-
ventraler Richtung stark abgeplattet, lieber die ganze Bauchseite des
Hinterkörpers zieht die Längsfurche, welche sich nach Stein's Dar-
stellung vorn bedeutend verbreitert und mit der Querfurche zusammen-
fliesst. Spengel gibt dagegen an, dass beide Furchen sich nicht
vereinigen. Nach Stein's Darstellung soll übrigens die Längsfurche
veränderlich sein; die Membran reiche nur bis zu den Rändern dieser
Furche, wäre demnach in deren ganzer Ausdehnung auf der Bauch-
seite gespalten und diese Ränder der Hülle sollen sich nähern und
entfernen können, die Furche also entweder verdecken oder öffnen.
Bei dem kleineren Amphidinium lacustre Stein's (54, 7a) ist der Hinter-
körper nahezu kuglig und kaum abgeplattet, .auch ist der Vorderkörper
hier relativ etwas grösser, durch welche Eigenthümlichkeiten diese Form
den Peridiniden viel ähnlicher ist wie die ersterwähnte.
In letzterer Hinsicht reiht sich ihr unter den echten Dinophysiden
die gleichfalls von Stein entdeckte Gattung Phalacroma am nächsten
an und es scheint mir unzweifelhaft, dass dieselbe eine der ursprüng-
lichsten Dinophysiden ist. Dies geht einmal daraus hervor, dass die
Grössendifferenz zwischen den beiden Körperregionen bei einem Theil
der Phalacromen noch eine geringe ist (55, 1), indem sich der Vorder-
körper derselben halbkuglig zu etwa der halben Länge des Hinterkörpers
erhebt und ferner daraus, dass die Randleisten der Querfurche im All-
gemeinen sich wenig mehr erheben wie bei den Peridiniden. Dennoch
macht sich auch schon in dieser Gattung die Tendenz zur Abflachung
der Vorderregion mehr und mehr geltend, ja erreicht bei gewissen Arten
schon einen so hohen Grad, dass man eigentlich kaum mehr von einem
Vorderkörper reden kann (55, 2). Der Hinterkörper ist entweder eiförmig
Bau der Schalenliülle (Phalacroiiia, DinopLysis). 941
oder läuft hinten zugespitzt aus und ist wie bei den übrigen Üinopbysideu
mebr oder weniger comprimirt.
Eine gewisse Ursprünglichkeit zeigt die in Rede stehende Gattung
auch dadurch, dass sich wenigstens bei Phalacroma nasutum die Längs-
furche eine kleine Strecke weit auf den Vorderkörper fortsetzt ; ich kann
nämlich das von Stein bei dieser Art beschriebene Stirnfeldchcn nur in
diesem Sinne deuten. Als Längsfurche des hinteren Körpers haben wir
bei dieser wie bei den übrigen Dinophysiden den schmalen von der Quer-
furche nach hinten ziehenden medianen Streif zu beanspruchen , 'welcher
von den beiden eigenthümlichen, flUgelförmigen Längsleisten begrenzt
wird, deren Ausbildung ein charakteristisches Merkmal aller eigentlichen
Dinophysiden bildet. Diese Leisten, welche zusammen die sog. „Hand-
habe'' Claparedes und Lachmann's darstellen , sind jedenfalls nichts
anderes, wie die zu flügeiförmigen Bildungen ausgewachsenen Randleisten
der Längsfurche und den sog. Flügelleisten homolog, welche wir schon
bei gewissen Peridiniden (Blepharocysta, Diplopsalis) kennen gelernt haben.
Sowohl bei Phalacroma wie fast allen übrigen Dinophysiden ist die linke
Leiste (1) länger und viel stärker ausgewachsen wie die rechte (1'). Beide
Leisten setzen sich vorn durch Umbieguug direct in die hintere Randleiste
der Querfurche fort. Die rechte erstreckt sich nun etwa nur halb soweit
nach hinten wie die grössere linke, die bei Phalacroma etwa bis zur
Körpermitte oder etwas über dieselbe nach hinten reicht. Letztere besitzt
wohl in Verbindung mit ihrer stärkeren Entwicklung drei für die meisten
Dinophysiden charakteristische Verdickungsleisten oder Rippen, welche
in ziemlich gleichen Abständen die blattartig dünne Membran der Leiste
durchziehen (r^ — r=^). Nur bei dem kleinen Phalacroma nasutum scheinen
diese Rippen zu fehlen. Die vordere (1) und hintere Rippe (3) stehen
ganz vorn, resp. hinten in der Leiste und laufen auf die vordere resp.
hintere Ecke derselben zu; die Mittelrippe durchzieht die Mittelregion
der Leiste.
Die Geisseispalte ist bei Phalacroma und allen übrigen Dinophysiden
eine unansehnliche, von der Ventralseite gesehen, rundliche Oetfnung in
der Längsfurche (54, 8c; gs) zwischen den beiden Flügelleisten und
liegt, mit Ausnahme der Gattung Amphisolenia, zwischen der ersten
und zweiten Rippe der linken Flügelleiste. Sie wird vorn und
hinten, sowie auf der linken Seite von dunklen verdickten Rändern um-
zogen und setzt sich nach innen, wie Stein zuerst beobachtete und ich
für Dinophysis bestätigen kann, in ein kurzes aber deutliches Röhrchen
fort (55, 3 a; gs).
In ihrer allgemeinen Morphologie schliesst sich die Gattung Dino-
physis, welche der ganzen Famihe den Namen gegeben hat, recht nahe
an die eben besprochene an (54, 8; 55, 3 a). Der wesentliche Unterschied
besteht darin, dass die Randleisten der Querfurche stärker entwickelt sind
und in grösserer Entfernung von einander entspringen, indem die Quer-
furche im Allgemeinen breiter ist. Der Vorderkörper ist stärker reducirt
942 Dinoflagellata.
und zwar nicht nur au Höhe, sondern auch an Durchmesser, was sich,
in Verbindung mit der Verbreiterung der Querfurche dadurch ausspricht,
dass der Durchmesser der Basis der vorderen Randleiste der Querfurche
bedeutend kleiner ist wie der der hinteren. Indem sich nun die vordere
Randleiste auch ziemlich viel höher erhebt wie die hintere, wächst sie
bei einem Theil der Arten zu einem trichterförmigen Gebilde aus, welches
wir mit Stein der leichteren Orientirung wegen wohl als den Kopf trichter
bezeichnen dürfen; die hintere Randleiste mag dann nach seinem Vorgang
Halskfagen genannt werden. Hiermit sind denn auch die wesentlichsten
Eigenthümlichkeiten der Gattung Dinophysis erschöpft. Die Schwankungen
der Gestalt interessiren uns hier weniger; der Hinterkörper erscheint bald
mehr eiförmig bald länglicher gestreckt, ja zuweilen verschmälert sich
seine hintere Hälfte sogar beträchtlich und spitzt sich zu. Wichtiger er-
scheint, dass das Hinterende bei einigen Arten einen schwanzartigen
zugespitzten Fortsatz besitzt, an dessen Stelle bei Dinophysis acuta auch
mehrere kürzere fingerartige vorhanden sein können. Ich muss diese
Fortsätze auf Grund eigener flüchtiger Untersuchung für ähnliche Ge-
bilde halten wie die Randleisten der Längsfurche. Es sind auch ganz
platte längs der Zusammensetzungslinie der beiden Klappen verlaufende
Leisten; ich blieb aber unsicher, ob sie nur von einer oder von beiden
Klappen entspringen. Bei Dinophysis hastata und bei Phalacroma dory-
phorum wird die Mitte des schwanzartigen Fortsatzes auch von einer
Verdickungsrippe durchzogen , wodurch er der linken Flügelleiste der
Längsfurche noch ähnlicher wird. Bei Dinophysis acuta findet man häufig,
dass die ganze Hülle von dem Ende der linken Randleiste ab in der
Medianlinie von einem leistenartigen Kiele umzogen wird; derselbe ist
nichts anderes, wie eine Ausdehnung der hinteren Fortsätze über die
ganze Zusammensetzuagslinie der Hülle. Eine solche Form mit völlig
ausgebildeter Kielleiste haben schon Claparede und Lachmann als Varietät
ihrer Dinoph. ventricosa beschrieben. Es finden sich auch Varietäten, bei
welchen diese Kielleiste nur auf dem Rücken entwickelt ist und einen
mehr oder weniger unregelmässigen gezackten oder welligen freien Rand
besitzt. Ich habe diese Bildungen aus dem Grunde etwas genauer er-
örtert, weil sie bei einer noch zu betrachtenden Gattung eine viel ansehn-
lichere Entwicklung erreichen.
Bevor wir die Gattung Dinophysis verlassen , müssen wir kurz auf gewisse Differenzen,
zwischen den Darstellungen, die Bergh und Stein von dem Verhalten der Flügelleisten der
Längsfurche gaben, aufmerksam machen, da dieselben für die übrigen Dinophysiden jedenfalls
in gleicher Weise gelten und gerade Bergh diesem Apparat eine besondere Bedeutung für
die Vergleichung der Dinophysiden mit deii Peridiniden und den Prorocentrinen beilegt. Wir
haben uns in unserer Schilderung an die Resultate Stein's angeschlossen, da wir dieselben
für Dinophysis acuta im Allgemeinen durch eigene Untersuchungen zu bestätigen vermögen.
Danach verlaufen also die drei Rippen in der grösseren linken Flügelleiste; die kürzere
rechte, welche in ihrem ganzen Verlauf deutlich von der linken gesondert ist (s. Fig. 8 c
54 und 3a 55) enthält nur da, wo sie vorn in die Querfurchenleiste umbiegt, eine schwache
Rippe (Fig. 3a, 55). Bergh ist nun der Ansicht, dass die dritte Rippe (r^) der linken Flügel-
leiste eigentlich der rechten angehöre und demnach von der rechten Klappe der Hülle ent-
Bau der Schalenhülle (Dinopliysis . Histioncis). 943
springe. Man sollte demnach annehmen, dass die beiden Fliigelleistcu etwa von der zweiten
Kippe ab nach hinten verwachsen wären und Bergh bemerkt auch mehrfach, dass dies so
scheine, versichert aber auch wieder, dass die Leisten eigentlich getrennt seien. Die zwei
vorderen Kippen (r* und r^) der linken Flügelleiste gehören nach ihm der linken Klappe an.
Die Betrachtung von der Ventralseite lehrt nun (Fig. 8 c, 54), dass es wirklich so sclieint, als
wenn die hintere (r^) und vielleicht auch die mittlere Rippe von der rechten Klappe ent-
sprängen und diese AutTassung wird nocli weiter dadurch gestützt, dass man aus-
eiuand ergefallene Klappen findet, wo die beiden hinteren Kippen, sammt dem zwischen ihnen
gelegenen Antheil der linken Flügelleiste in Verbindung mit der rechten Klappe geblieben
sind und nur der vordere Theil der Flügclleistc in Verbindung mit der linken. Stein hat ein
solches Exemplar- abgebildet und ich beobachtete dasselbe.
Die eigentliche Geisselspalte hat Bergh nicht wahrgenommen und verlegt den Ursprung
der Längsgeissel unrichtigerweise zwischen die zweite und dritte Rippe. Ich kann jedoch
nicht umhin zu bemerken, dass die Schilderung, welche Bergh von der Bildung der
Handhabe gibt, so schwer verständlich ist, dass ich nicht weiss , ob ich sie ganz richtig auf-
gefasst habe. Jedenfalls bedarf aber der ganze Apparat noch einiger specieller Studien zu
seiner völligen Aufklärung.
Nahe verwandt mit Dinophysis, doch merkwürdig umgestaltet, er-
scheint die Gattung Histioneis Stein (55, Fig. 6). Das Eigenthümliche
derselben besteht zunächst in fast völliger Reduction des Vorderkörpers,
d. h. des von der Basis des Kopftrichters (vordere Randleiste der Quer-
furche) umschlossenen Feldes. Diese Basis des Kopftrichters ist zu einem
ganz kleinen Kreischen geworden. Dabei hat sieb aber die Basis des
sog. Halskragens (der hinteren Randleiste der Querfurche) nicht verengt,
sondern ist ungefähr an derselben Stelle wie bei Dinophysis geblieben,
woraus also folgt, dass die Querfurche hier eine ungemeine Breite er-
langt. Gleichzeitig aber wurde die Basis des Kopftrichters excentrisch
nach der Ventralseite verschoben, die Querfurche ist also in ihrer
dorsalen Region viel breiter wie in der ventralen.
Sowohl der Kopftrichter wie der Halskragen sind ungemein ausge-
wachsen, der erstere (vr) ist wirklich zu einem hohen, nach der Basis
sich eng verschmälernden Trichter geworden, welcher an der Ventralseite
wie bei Dinophysis durch einen Längsspalt unterbrochen ist.
Der Halskragen (hi) erhebt sich bei erwachsenen Exemplaren meist
nahezu so hoch, wie der Trichter und ist seltsamer Weise und als einziger
Fall in der Familie, nicht nur an der Ventralseite, sondern auch an der
Dorsalseite unterbrochen, so dass er eigentlich aus zwei seitlichen Flügeln
besteht. Den freien Rand beider Halskragenflügel umzieht eine Ver-
dickungsleiste , doch setzt sich das Wachsthum der Flügel bei einigen
Formen noch über diese Verdickungsleiste hinaus fort, wie später bei der
Besprechung der feineren Bauverhältnisse der Hüllen noch genauer zu
betrachten sein wird. Der linke Halskragenfliigel setzt sich direct
in die sehr stark entwickelte linke Randleiste (1) der Längsfurche
fort wie bei Dinophysis; dieselbe ist so ansehnlich entwickelt, dass sie
bis an den hinteren Pol reicht. Bei Histioneis crateriformis (und wohl
auch biremis) weist sie im Uebrigen noch die Verhältnisse von Dino-
physis auf, ist nämlich eine einheitliche Flügelleiste mit den drei Ver-
dickungsrippen, von welchen die hintere (r^) nahe an dem hinteren Pol
944 DinoÜagellata.
entspringt. Bei den übrigen, mehr umgestalteten Arten des Geschlechtes
ist ein Zerfall der Leiste im Bereich der Mittelrippe eingetreten, so dass
sie in einen Vorder- (1) und Hinterflügel (1^) gesondert erscheint. Das
Vorderende des Vorderflügels hat sich dann gewöhnlich von dem linken
Flügel des Halskragens etwas emancipirt, oder ist wohl vielmehr neben dem-
selben in eine freie zugespitzte Verlängerung ausgewachsen (s. Fig. 6 u. 6 a).
Der Hinterflügel (1=') ist sehr stark nach hinten ausgewachsen, sein Hinter-
ende ist entweder zugespitzt oder im erwachsenen Zustande abgerundet,
oder auch zu einem halbkreisförmigen flosseuartigen Anhang verbreitert (6 a).
Die rechte Randleiste der Längsfurche kommt dagegen bei unserer
Gattung überhaupt nicht zur Entwickelung, an ihrer Stelle findet sich nur
eine Verdickungsleiste der Hülle, welche die Grenze der Längsfurche
bildet.
Ein Wort verdient noch die eigenthümliche Gestaltung, welche der
Hinterkörper bei gewissen Histioneisarten erlangt. Bei der ursprüng-
lichsten halbkuglig erscheinend, reducirt sich bei anderen seine Längs-
axe so sehr, dass er etwa kahnförmig wird; durch Bildung eines
dorsalen Auswuchses kann die Gestaltung noch eigenthümlicher werden.
In vieler Hinsicht schliesst sich die Gattung Ornithocercus (55, 7)
nahe au die eben beschriebene an. Sie theilt mit ihr die grosse Breite
der Querfurche und die Excentricität der Basis des Kopftrichters (vr),
doch ist derselbe nicht so hochgradig verengt. Die ungemeine Entwicke-
lung der Randleisten der Querfurche finden wir auch hier, aber die dor-
sale Unterbrechung des Halskragens (hr) fehlt. Kolossal entwickelt
ist die linke Randleiste der Längsfurche, während auch hier die
rechte nicht zur Entwickelung gelangt. Die Sonderung der grossen
linken Randleiste in einen Vorder- und Hinterflügel kommt auch Ornitho-
cercus zu. Der Hinterflügel (1^) aber dehnt sich noch weit über den hin-
teren Pol auf die Dorsalseite aus, indem er gleichsam einen hinteren
Fortsatz, wie er bei gewissen Dinophysisarten vorkommt, in sich aufnimmt.
Wir können nichtsdestoweniger in der grossen linken Randleiste die drei
ursprünglichen Rippen (r^ — r^) unterscheiden, welche etwa die Stellung
wie bei Histioneis haben, dazu gesellt sich noch eine vierte (r^), etwas
dorsal von dem hinteren Pol entspringende, welche wohl derjenigen Rippe
zu vergleichen ist, die sich bei Dinophysis und Phalacroma in dem hin-
teren Fortsatz zuweilen entwickelt. Bei sehr mächtiger Ausbildung der
Randleiste, wie sie erwachsene Exemplare aufweisen, treten aber zwischen
diesen 4 ursprünglichen Rippen noch zahlreiche secundäre auf und die
Rippen erlangen eigenthümliche Weiterbildungen, die wir später noch be-
trachten werden.
In etwas anderer Richtung leitet sich von dinophysisartigen Formen
die Gattung Citharistes ab (55, Fig. 5). Halskragen und Trichter
haben hier etwa die Verhältnisse mancher Dinophysisarten. Der Hinter-
körper ist ungefähr beuteiförmig und in seltsamer Weise auf der
vorderen Region der Dorsalseite mit einer sehr tiefen, von der Seite be-
Bau d. SclialenhüUe i^Oruitliocercus, Citharistcs, Ainpliisoleiiia); Polykrikos (Geissein). 945
trachtet, balbkreislürmigen AushöbluDg veiselieu, über welche sich ueben-
eiuander, von vorn nach hinten, zwei brückeuartige, aus Schalensubstanz
bestehende Stäbe herliberleg-en , gewissermaassen Stützen, welcbe dem
durch die tiefe Aushöhlung in seiner Verbindung mit dem Hinterkörper
sehr geschwächten Vorderkörper mehr Halt verleihen.
Die linke Eandleiste (1) der Längsfurche ist stark entwickelt und
reicht bis fast an den hinteren Pol. Ihre hintere Hälfte wird von
einigen Rippen durchzogen, welche sich nicht gut auf die drei der
übrigen Dinophysiden zurückführen lassen.
Endlich restirt noch die liesprechung der jedenfalls zu den inter-
essantesten Dinophysiden gehörigen Gattung Amphisolenia (55, Fig. 4).
Sie bildet wegen der kolossalen Längsentwickelung gewissermaassen
ein Gegenstück zu Ceratium Fusus unter den Peridiniden. Es liegt
eine echte Dinophyside vor, welche sich so stark verlängert hat,
dass die Gestalt langspindelförmig bis nadelartig geworden ist. Die Zu-
sammensetzung der, wie es scheint, nicht sehr dicken Schalenhülle aus
zwei Klappen ist jedoch ganz deutlich, ebenso die beiden Randleisten
der Querfurche, welche ungefähr die Verhältnisse von Dinophysis zeigen.
Etwas abweichend haben sich dagegen die Flügelleisten der Längsfurche
entwickelt; sie sind nämlich beide gleich ausgebildet, vorn am höchsten,
nach hinten allmählich niedriger werdend und hören an der Stelle auf,
wo sich der Geisselspalt (gs) in der ventralen Mittellinie tindet und die
ungefähr spindelförmige Erweiterung des Mittelleibes beginnt. Eigen-
thUmlich ist auch der hintere Pol gebildet, indem er entweder kuglig
angeschwollen (Fig. 4a) ist, oder in eine quergestellte flossenartige,
mit drei Spitzchen versehene Verbreiterung ausläuft.
Noch bleibt eine der interessantesten Formen der Dinoflagellaten
zur Betrachtung übrig, welche oben, wegen ihrer besonderen Eigen-
thümlichkeiten als Typus einer besonderen Familie beansprucht wurde-,
nämlich die von mir zuerst genauer geschilderte Gattung Polykrikos
(55, 8 a — b). Nachdem wir in den Abiheilungen der Rhizopoden und
Radiolarien schon Bauverhältnisse kennen gelernt haben, die in ge-
wissem Sinne als Segmentirungserscheinungen einer einfachen Zelle zu
deuten waren, tritt uns bei Polykrikos die gleiche Erscheinung in
viel entschiedenerer Ausprägung entgegen. Wir dürfen diese Gattung
wohl von einer nackten , gymnodiniumartig gestalteten Urform ableiten,
deren Körper beträchtlich in die Länge gewachsen ist und dabei eine
Art Segmentirung, d. h. die Wiederholung gewisser Organe in der Längs-
richtung erfahren hat. — Die allgemeine Gestalt ist demnach eine un-
gefähr tonnenförmige, im Querschnitt massig abgeplattete, indem sich
über die ganze Bauchseite, von dem bei der Bewegung vorangehenden
Vorderende bis an das Hinterende eine Längsfurche verfolgen lässt; letzteres
ist, wie zu erwarten, die stark ausgewachsene Längsfurche der Peridiniden.
Statt einer einfachen Querfurche finden wir nun aber viele, welche sich
Bronn, Klassen des Thierreiclis. Protozoa. ßO
946 Dinoflagellata.
in ziemlich gleichen Abständen, wie die Reife einer Tonne, um den Körper
herumlegen. Gewöhnlich scheint die Zahl dieser Querfurcben 8 zu be-
tragen, wie es Bergh bei der von ihm beobachteten Form stets fand,
während ich zwar auch diese Zahl der Furchen meist beobachtete, jedoch
zum Theil auch mehr, wie ich mich sicher zu erinnern glaube, da sich
bei der von mir studirten Form die Zahl der Querfurchen schon vor der
eigentlichen Theilung vermehrte, so dass jeder der beiden Theilsprössliuge
vor der Trennung schon seine 8 Querfurchen besass.
Die ventralen Enden aller Querfurcben fliessen mit der gemeinsamen
Längsfurche zusammen und jede Querfurche verläuft wie bei den Peri-
diniden niedrig schraubenförmig, so dass ihre rechten ventralen Enden
die Längsfurche ein wenig weiter hinten erreichen wie die linken. Es
kann nun wohl keinem Zweifel unterliegen, dass auch die Quergeissein
eine der Zahl der Querfurcben entsprechende Vermehrung erfahren haben,
wenigstens wurde in allen Querfurchen die Wellenbewegung beobachtet,
welche in der einfachen Furche der Peridiniden von der einzigen Quer-
geissel bewirkt wird. Dagegen scheint eine entsprechende Vermehrung
der Längsgeisseln sicher nicht eingetreten zu sein. Bergh fand ge-
wöhnlich nur eine Längsgeissel („selten zwei"), welche eine kleine
Strecke vor dem Hinterende aus der Längsfurche entsprang ; ich dagegen
beobachtete bei der von mir gesehenen Form noch eine zweite Längs-
geissel an dem hinteren Pol, welche sich hier zwischen vier niedrigen
lappigen Fortsätzen, zwei seitlichen und zwei medianen, die das Hinter-
ende krönten, erhob.
5, Chemische Natur und feinere Struetur der Schaleiihülle.
Wie schon in der historischen Einleitung bemerkt wurde, verdanken
wir Warming die Entdeckung, dass die Schalenhülle der Dinoflagellaten
aus einer Cellulose ähnlichen Substanz bestehe, während Carter (19)
das Gleiche für die Cystenhülle einer ruhenden Peridinide schon früher
festgestellt hatte. Die späteren Beobachter: Bergh, Klebs und Bütschli
konnten dies im Allgemeinen bestätigen, wenn auch die bekannten Reac-
tionen auf Cellulose nicht bei allen Formen, welche untersucht wurden,
gleich gut eintreten. Am besten gelingt gewöhnlich die Reaction mit
Jod und Schwefelsäure, wogegen die Behandlung mit Chlorzinkjod meist
keine Bläuung, sondern eine mehr oder weniger intensive Violett- bis
Rothfärbung erzeugt, ja nach Klebs (44) bei den Ceratien überhaupt nur
eine sehr schwache Färbung hervorruft. Nach demselben Beobachter
sollen die von ihm bei Hemidinium und der als Glenodinium (Gymnodinium)
pulvisculus beschriebenen Form beobachteten Membranen von Chlorzink-
jod braun, resp. gelb gefärbt werden, es dürfte daher wohl zu verrauthen
sein, dass dieselben nicht eigentlich in die Kategorie der Cellulose-
hüllen gehören.
Wie eine Cellulosemembran wird denn auch die Schalen hülle der
Dinoflagellaten von schwächeren Mineralsäuren und Kalilauge nicht
I
Chemische Natur der Hülle; Structur derselben. 947
gelöst, leicht dagegen von concentrirter Schwefelsäure. Doch versagt
nach den Untersuchungen, welche Bergh hauptsächlich an Ceratien an-
stellte, auch das bekannte Lösungsmittel der Cellulose: Kupferoxyd-
ammoniak, und diese Abweichung rechtfertigt wohl die Vermuthung, dass
die Substanz der Dinofiagellatenhülle keine vollwerthige Cellulose, sondern
eine irgendwie modificiite sei.
Die verhältnissmässig recht spröde und zerbrechliche Beschaffenheit
der dickeren Hüllen könnte leicht zur Vermuthung führen, dass sie
mit einer anorganischen Substanz imprägnirt seien; so hielt sie War-
nung für kieselhaltig. Doch hatte sich schon Ehrenberg bei Ceratium
Hirundinella überzeugt, dass die Hülle verbrennlich ist, beim Glühen
also keinen bemerkbaren Rückstand hinterlässt. Diese Erfahrung konnte
Bergh speciell für die Ceratien völlig bestätigen. Hiernach scheint es
also wohl sicher, dass wenigstens die Hüllen der lebenden Dinoflagellaten
nicht merklich mit anorganischer Substanz imprägnirt sind, zweifelhaft
bleibt dies aber für die früherer Epochen, da bekanntlich aus der
Kreideformation wohl conservirte kieseiige Hüllen vorliegen, deren gute
Erhaltung sich am leichtesten durch die Annahme erklären Hesse, dass
sie schon im Leben verkieselt gewesen seien. Ich halte aber eine solche
Annahme nicht für zwingend, da die Verkieseiung auch wohl secundär
sein kann.
Die Substanz der Schalenhülle ist stets farblos und glasartig durch-
sichtig; von einer feineren inneren Structur der Masse wurde bis jetzt nichts
bekannt, dieselbe erscheint vielmehr hyalin und homogen. Von der feinen
Membran des Hemidinium zwar bemerkt Klebs, dass sie feinkörnig oder
feinstreifig erscheine, doch ist nicht näher angegeben, ob dieses Structur-
verhältniss wie bei den übrigen Dinoflagellaten nur der Oberfläche an-
gehöre oder der Substanz selbst zukomme.
Bei den allermeisten Dinoflagellaten zeigt die Hülle nun besondere
Structurverhältnisse , die im Allgemeinen von zweierlei Natur sind.
Entweder bestehen sie nämlich in leistenförmigen Verdickungen der Ober-
fläche, die durch ihre verschiedene Zusammengruppirung die manuich-
fachsten Zeichnungen hervorrufen können oder in porenartigen Durch-
brechungen. Meist sind beide Structurverhältnisse an derselben Hülle
vereinigt.
Soweit unsere, in dieser Hinsicht namentlich von Stein und Klebs
geförderten Erfahrungen, die ich bestätigen kann, reicheo, treten jedoch
alle structurirten Hüllen ursprünglich als dünne ganz homogene Mem-
branen auf und die Structurverhältnisse entwickeln sich erst allmählich
im Laufe des Wachsthums; doch scheint mir zweifelbaft, ob dies auch
für die Poren gilt.
Bei früherer Gelegenheit wurde jedoch hervorgehoben , dass es
gewisse Formen gibt, deren zarte Hülle zeitlebens, wenigstens mittels
optischer Mittel keinerlei Structur erkennen lässt (Glenoidinium) ; dennoch
60*
948 Dinoflagellata.
scheint bei diesen zAiweilen schon die Andeutung einer Structur vor
banden zu sein , da nach den Erfahrungen von Klebs und Bergh die
Hüllen einiger Glenodinien (Warmingii Bergh und obliquum Pouchet)
die Neigung haben, in mehrere tafelartige Stücke zu zerfalle^, eine
Erscheinung, welche bei den übrigen Dinoflagellaten mit dem Vor-
handensein gewisser Structureigenthüniliehkeiten verbunden ist, wessbalb
auch bei diesen Glenodinien ähnliches, wenn auch nicht deutlich sichtbar,
anzunehmen sein dürfte.
Schon bei der Besprechung der allgemeinen Morphologie der Schalen-
hUUe mussten wir bis zu einem gewissen Grade auf die Structur
eingehen, weil die für die verschiedenen Formreihen in vieler Hinsicht
characteristische Täfelung der Hülle, auf solchen Structurverhältnissen
beruht. Wie dort schon hervorgehoben wurde, sind es leistenförraige
Verdickungen der Oberfläche der Hülle, welche die Täfelung bewirken.
Nach den oben geschilderten Zerfallerscheinungen der Hüllen gewisser
Glenodinien kann es scheinen, als wenn die Verdickungsleisten, welche
die grösseren Tafeln oder Klappen der Hülle begrenzen, wohl die ersten
Structurverliältnisse gewesen seien, die an der Hülle zur Entwickelung
gelangten. Ich glaube jedoch, dass dies nicht der Fall war, sondern dass
diese stärkeren Verdickungsleisten sich erst allmählich aus den feineren
reticulären Leistchen entwickelten, wie sie fast bei allen Formen als
weitere Verzierung der Tafeln vorkommen. Wir sahen schon früher,
dass es einige einfache Peridiniden gibt (Clathrocysta), deren Hülle von
einem ziemlich gleichmässigen Netzwerk feiner Leisten überzogen wird,
welche weitere oder engere polygonale Feldchen einschliessen. Durch
stärkere Verdickung gewisser in einer Flucht verlaufender Züge von
Leistchen können sich nun die Verdickungsleisten zwischen den T;ifeln
der Peridinidenhülle und ebenso die Verdickungsleiste, welche die beiden
Tafeln oder Klappen der Dinophysiden scheidet, gebildet haben.
Dies lässt sich z. B. bei Exemplaren von Peridinium divergens recht gut bemerken, wo
die Verdickungsleisten zwischen den Tafeln noch wenig entwickelt sind, doch muss ich be-
merken, dass man auch nicht selten Exemplaren dieser Art begegnet, an deren noch dünner
Hülle nur die Verdickungsleisten letzterer Art zu bemerken sind, die feinere Netzzeichnung
dagegen nicht oder doch nur äusserst schwach hervortritt. Diesem Umstände mag jedoch für
unsere Auffassung vielleicht weniger Gewicht beigelegt werden, denn es scheint sicher, dass
bei dieser Form überhaupt bedeutende Abweichungen in der Schalenstructur vorkommen,
wenigstens beobachtete ich auch grosse Individuen mit dicker Hülle, an welcher keine Spur
der Täfelung und der gewöhnlichen Netzzeichnung zu erkennen war.
Aus dem eben Bemerkten geht hervor, dass die Tafeln der Hülle
gewöhnlich noch eine feinere Areolirung aufweisen. Die beiden Klappen
der Dinophysiden scheinen fast stets eine solche Structur zu besitzen,
doch ist sie auf den Abbildungen Stein's zuweilen nicht richtig wieder-
gegeben, da er namentlich bei den eigentlichen Dinophysisarten statt der
polygonalen Areolen häufig zu weit auseinander gezeichnete Kreischen
angibt. Ebenso rauss ich auch die bei Citharistes und Histioneis auf
den Abbildungen dargestellte Structur beurtheilen, wogegen bei Orni-
I
Structur der Hullc (Leistenverzierung). 949
thocercus die Leistchen wircklich so verbreitert zu sein scheinen, dass
die Areolen weiter auseinandergerückt sind. Nur bei Amphisolenia
scheint die Netzzeichnung nach den Abbildungen Stein's zu fehlen oder,
wie ich vermuthen möchte, sehr wenig entwickelt zu sein.
Auch bei einer Reihe Peridiniden findet sich die Areolirung der
Hülle auf Stein's Zeichnungen nicht, doch möchte ich für die meisten
derselben gleichfalls vermuthen, dass sie Stein wegen ihrer Feinheit nur
übersah. Namentlich halte ich dies für die Gattungen Blepharocysta,
Podolampas und Diplopsalis, wo Stein von eigentlicher Netzstructur nichts
angibt, für wahrscheinlich, da ßergh wenigstens bei der letztgenannten
eine sehr feine Netzzeichnung auffinden konnte. Bei der eigenthümlichen
Gattung Ptychodiscus scheint die Hülle nach Stein's Zeichnungen glatt
aber porös zu sein, ähnlich wie es bei den Prorocentrinen wohl allgemein
ist. Eine etwas stärkere Entwickelung der Poren würde aber auch hier
eine Netzstructur ähnlich der der Dinophysiden hervorrufen, wo sich im
Grunde jeder Areole ein Porus findet. Auch bei Pyrophacus wird nur
eine feine, wohl auf Poren zu beziehende Punctirung der Oberfläche
angegeben.
Durch stärkeres Hervortreten gewisser Leisten züge der Tafeln bilden
sich bei einigen Peridiniden auch secundäre Längsleisten aus, so bei
Gonyaulax polygramma und verschiedenen Oxytoxumformen, bei welchen
die Areolen überhaupt eine Neigung haben, sich zu Längszügen auf den
Tafeln zu ordnen. Am schönsten zeigt dies das sog. Pyrgidium tesse-
latum Stein's, dessen Tafeln je mit mehreren Längszügen grosser recht-
eckiger Areolen verziert sind.
Mit der Areolirung verbindet sich bei gewissen Peridiniden, seltener
bei Dinophysiden (Citharistes), eine borstige Bestachelung der Oberfläche,
indem die Knotenpuncte der Netzleistchen in kurze Stacheln oder Borsten
auswachsen. Am deutlichsten ist dies bei einigen Peridinium- (divei-gens,
bipes und tabulatum) und Ceratiumarten (Hirundinella und macroceros),
doch findet sich ähnliches auch schon bei Clathrocysta und Gonyaulax-
formen. Bei Citharistes sind gewöhnlich nur die Ränder des Rücken-
ausschnitts in solcher Weise bestachelt.
Etwas abgeändert erscheint die feinere Schalenstructur bei den
meisten marinen Ceratien, indem die Leistcheu nur selten regelmässig
polygonal geordnet sind (Varietät von Cer. Tripos), gewöhnlich einen
mehr welligen Längsver-lauf nehmen, wobei sie wenig oder reichlich
untereinander anastonrosisen , in letzterem Fall also eine unregelmässige
Netzzeichnung hervorrufend.
Eigenthümliche, besondere Structurverhältnisse treten gewöhnlich bei
fortgesetztem Wachsthum der getäfelten Hüllen an den Grenzen der
Tafeln auf, indem sich hier die sog. Intercalarzonen oder -streifen
Stein's bilden.
Leider ist zur Zeit die Natur und Bildungsgescbichte dieser Streifen
noch wenig aufgeklärt und was ich nachstehend über dieselben bemerke.
950 Diuoflag-ellata.
gründet sich auf einige selbststäudige Beobachtungen, hat aber zunächst
einen mehr hypothetischen Character.
Die Entstehung dieser, je nach dem Alter der Hülle schmälerer oder
breiterer Streifen längs der Tafelgrenzen muss wohl darauf zurückgeführt
werden, dass das Flächenw^Tchsthum an den Tafelrändern, d. b.
eigentlich innerhalb der ursprünglichen Verdickungsleisten, die dabei in
zwei seitliche Streifen auseinander gedrängt werden, geschieht. Ich nehme
also an, dass die Intercalarstreifen den Zuwachs in der Fläche bezeichnen,
welchen die Tafeln nach ihrer Abgrenzung noch erfahren haben. Diese
Zuwachsstreifen sind daran kenntlich, dass ihre feinere Structur eine
etwas andere ist wie die der übrigen Tafelfläche. Sie sind nämlich
fein und dicht quergestreift, d. h. ihre Streifung verläuft senkrecht
zu den Grenzen der Tafeln. Beobachtungen, welche ich an den
Hüllen von Gonyaulax polyedra und Peridinium divergens über die Inter-
calarstreifen anstellen konnte, machen es mir sehr wahrscheinlich, dass
die feine Querstreifung nicht auf der äusseren, sondern der inneren Fläche
der Streifen ihren Sitz hat, wenigstens finde ich bei Peridinium, dass
die äussere Fläche dieselben Netzfeldchen deutlich aufweist, wie die übrige
Tafelfläche; die aufeinander stossenden Feldchen benachbarter Tafeln
zeichnen sich nur dadurch aus, dass sie ziemlich regelmässig senk-
recht zur Grenze der Tafeln gerichtet sind, ein Verhalten, welches sich
übrigens überall da zu finden scheint, wo die Areolen an eine Ver-
dickungsleiste grenzen, also z. B. auch an den Kandleisten der Quer-
furche. Aus den Beobachtungen Stein's an Goniodoma geht ferner
hervor, dass die Intercalarstreifen nicht so dick sind, wie die eigent-
liche Tafelfläche, sondern sich auf der Innenseite gegen den Grenz-
rand allmählich zuschärfen. Auch ich glaube, diese Erfahrung für die
Tafeln von Gonyaulax und Peridinium divergens bestätigen zu können.
Stein glaubt nun, dass die Tafeln sich mittels dieser abgeschrägten inneren
Ränder an der zusammenhängenden Hülle aneinanderlegen, was ich für
unmöglich halte, da dann die benachbarten Tafeln bei der flachen Ab-
schrägung der Ränder unter ganz spitzem Winkel zusammenstossen
mttssten, während sie in Wirklichkeit einen recht stumpfen Winkel mit
einander bilden; letzteres kann aber nur so zu Stande kommen, dass sich
nur die eigentlichen Ränder der abgeschrägten Intercalarstreifen berühren
resp. zusammenhängen, d. h. da wo sie am dünnsten sind. Dies scheint
denn auch mit unseren Vorstellungen über das Dickenwachsthum der
Tafeln am besten zu harmoniren. Wenn wir eine fortdauernde Zu-
nahme der Tafeldicke bei dem Wachsthum voraussetzen, so ergibt sich
als nothwendige Folge, dass die Intercalarstreifen, als die neuhinzutretenden
Randverbreiterungen, nach der Peripherie dünner werden müssen und
dass da, wo die benachbarten Intercalarstreifen der Tafeln zusammen
hängen, die dünnste Stelle sein muss.
Hieraus würde sich dann auch am einfachsten erklären, warum
die Hüllen mit stark entwickelten Intercalarstreifen so leicht in einzelne
Srructur der Iliillc (Iiitercalarstreifea). 951
Tafeln zerfallen, da dieselben an der Grenze der Intercalarstreifen nur
durch sehr dünne Schalensubstanz verbunden sind. Es ist aber be-
kannt, dass auch die Hüllen, welche keine Intercalarstreifen ausgebildet
haben, in die durch die Verdickungsleisten umgrenzten Tafeln zer-
lallen können , wesshalb wohl die obige Erklärung nicht in allen
Fällen zutrifft. Auch die Randleisten der Querfurche verhalten sich in
dieser Hinsicht wie die übrigen Leisten, wie denn auch, im Verlaufe
secundärer Leistchen zuweilen ein Zerfall eintreten kann. Worauf
diese Erscheinung beruhe, lässt sich zur Zeit nicht wolil angeben; da
jedoch sicher scheint, dass im Bereich der Leisten das Weiterwachsthum
geschieht, ja, wenn Intercalarstreifen auftreten, die Leisten gewöhnlich
in zwei Hälften auseinander weichen müssen, so weist dies alles auf eine
Neigung derselben sich zu sondern und auf einen geringeren Zusammen-
bang der Schalensubstanz längs der Verdickungsleisten hin.
Einige Worte verdient noch die Ausbildung der Intercalarstreifen der
üinophjsiden, welche einstweilen nur bei den Gattungen Phalacroma und
Dinophysis von Stein beschrieben wurden. Von beiden Gattungen sind
auf seinen Zeichnungen Exemplare dargestellt, bei welchen massig
breite Intercalarstreifen in ganz derselben Weise wie bei den Peridiniden
zwischen den Schaleuklappen ausgebildet sind, demnach als fein quer-
gestreifte Bänder erscheinen. Bei anderen Individuen dagegen, wo
die Streifen viel breiter sind, werden dieselben entweder ganz glatt, ohne
besondere Structur, oder mit einer der übrigen Hülle entsprechenden,
nur bedeutend feineren Areolirung abgebildet. Für letztere Formen gibt
Stein weiter an, dass die Nahtränder, mittels welcher die beiden Klappen
zusammengefügt sind, von je einer Reihe feiner, alternirend in einander
greifender Zähnchen dicht besetzt seien. Wie weit er diese Verbindungs-
weise der Schalenklappen auch auf die übrigen Dinophysiden ausdehnt,
geht aus seineu Mittheilungen nicht hinreichend hervor. Ich halte es nun
für wahrscheinlich, dass diese Zähnchen auf die quergestreiften Inter-
calarstreifen zu beziehen sind, welche er ja zuweilen fand, dann
möchte ich aber auch annehmen, dass es sich nicht um wirkliche Zähne
handelt. Mir lag leider kein Material zum eigenen Studium dieser Ver-
hältnisse vor.
Einen Augenblick haben wir noch bei den Structurverhältnissen
der Fortsatzgebilde verweilen, welche sich an den Hüllen der Dinoflagel-
laten häufig so ansehnlich entwickeln. Zunächst wären in dieser Hinsicht
die Randleisten der Quer furche kurz zu untersuchen. Wenn die-
selben sich stärker entwickeln, sei es bei den Peridiniden oder den Dino-
physiden, so treten zu ihrer Verstärkung auch Verdickungsleistchen
in sie ein und strahlen von ihrer Basis nach dem freien Rand als
gestreckter oder welliger verlaufende, dunklere Rippen aus (52, 3b, 5,
6; 55). Sie sind bald dichter, bald weiter gestellt und an den wenig
entwickelten Randleisten meist alle gleich , ohne besondere Differen-
zirungen.
952 Dinoflagellata.
In den so ansehnlich ausgewachsenen Leisten der Ceratocorys
und vieler Dinophysiden entwickeln sich die Rippen stärker und
nehmen besondere Verhältnisse an ; so lassen sich bei Ceratocorys
stärkere und dazwischen feinere secundäre Rippen unterscheiden. Zwischen
den Rippen der zum hohen Kopftrichter ausgewachsenen, vorderen Rand-
leiste von Histioneis bilden sich zuweilen quere Verbindungen aus, so
dass eine netzige Structur entsteht, ähnlich der gewöhnlichen der Dino-
physidenhülle. Aus der Abbildung einer Dinophysis acuta bei Stein geht
aber auch hervor, dass unter Umständen die gewöhnliche Areolirung der
Hülle auf die Randleisten der Quer- und Längsfurche ohne Veränderung
übergehen kann. Bei dem schönen und grossen Ornithocercus treten
an den peripherischen Enden der stärkeren Rippen des Kopftrichters
seitliche Verzweigungen auf, zwischen denen Netzbildung stattfindet, da-
zwischen finden sich dann ähnlich wie bei Ceratocorys noch zartere se-
cundäre einfache Rippen (55, 7).
i Aehnliche Structuren wie der Kopftrichter zeigt gewöhnlich auch
die hintere Randleiste der Querfurche oder der Halskragen der Dino-
physiden. Besondere Eigenthümlichkeiten weist derselbe nur bei
Histioneis auf, wo er in zwei seitliche Flügel getheilt ist, wie früher
erwähnt wurde. Jeder dieser Flügel wird längs seines freien Randes
von einer stärkereu Verdickungsleiste begrenzt. V^on dem nach vorn
gerichteten Theil dieser Leiste entwickeln sich bei älteren Individuen
stachelartige Auswüchse, welche sich allmählich verzweigen und, indem
sie unter einander anastomosiren , eine netzige Verlängerung jedes
Halskragenflügels bilden. Wahrscheinlich sind es aber keine freien
Stacheln, die so hervorwachsen, sondern nur die Rippen einer zarten
membranösen Verlängerung der Flügel, wenigstens bestehen die Fort-
sätze der Flügel im erwachsenen Zustand sicherlich aus einer Membran,
nicht aber aus einem durchbrochenen Netzwerk.
Endlich hätten wir noch der besonderen Structurverhältnisse der
bei den Dinophysiden zum Theil so ansehnlich entwickelten linken Flügel-
leiste zu gedenken. Schon früher besprachen wir die drei oder mehr
charakteristischen Hauptrippen, welche als Stützen in diesen Flügel
fast stets eintreten. Die sie verbindende zarte Flügelmembran scheint
gewöhnlich ziemlich structurlos zu sein, dennoch lässt sich nicht selten
erkennen, dass auch sie die netzige Structur der eigentlichen Hülle
mehr oder minder deutlich zeigt. Entweder ist diese Netzstructur
der der Hülle ganz ähnlich oder es bilden sich, indem die Maschen
rechteckig werden und die einzelnen Feldchen sich hintereinander reihen,
aus den aneinander gereihten Maschenleistchen secundäre Rippen, welche
zwischen den Hauptrippen hinziehen und unter einander durch recht-
winklige Anastomosen verbunden sind. Recht eigenthümlich entfaltet
sich das Netzwerk des Flügels bei gewissen Formen von Histioneis und
erhellt besser aus der Abbildung (55, 6 a) als aus einer Beschreibung.
Stiiictiii- der ILiillc (Ivandlcistcii der Furclicii ; l'orosität). 953
Bei dem eigenthiimlichen Ornithocercus gehen auch die peripheren
Enden der Hauptrippen der Flügelleiste, ähnlich wie des Kopitrichters
eine reichliche Verästelung ein, welche im erwachsenen Zustand zur Bil-
dung maschig schwammigen Netzwerkes am Ende der Rippen führen
kann, das sich auch seitlich aus der Flügelfläche erhebt und den
Hippenenden je wie ein länglicher Kn(»pf ansitzt.
Wir haben uns nun noch etwas spezieller mit der Porosität der
Hüllen zu beschäftigen. Schon ältere Beobachter, wie Claparede und
Lachmann, sahen die Poren bei Ceratiiim, gaben aber keine Erklärung
des Bildes. Erst Bergh erwies die Porosität bei den marinen Ceratium-
arten. Unter den übrigen, von ihm untersuchten Formen konnte er
nur noch bei Prorocentrum die Poren constatireu. Neuere Forscher,
wie Pouchet, Gourret und Ivlebs zogen die Richtigkeit dieser Beob-
achtung in Zweifel. Wie sich Klebs eigentlich zu der Frage stellt,
scheint mir nicht recht klar. Bei zwei Formen (Glenodinium trochoi-
deum und Exuviaella) spricht er in seiner zweiten Arbeit (44)
selbst von Poren der Hülle; andererseits scheint er aber die Ansicht zu
hegen, dass die von Bergh beschriebenen Poren der Ceratien nicht
eigentlich solche seien, sondern „gewöhnliche runde, zarte TüpfeP^ Auch
bei Glenodinium obliquum Pouch, spricht er von Tüpfeln der Membran.
Die neueren Erfahrungen der Botaniker scheinen nun aber dafür
zu sprechen, dass die sogenannten Tüpfel der Zellhäute unter den
BegriflF der Poren fallen und damit würde sich wohl die Meinungs-
verschiedenheit zwischen Bergh und Klebs von selbst heben. Pouchet's
Ansicht über die Poren ist so charakteristisch, dass ich dieselbe wört-
lich anführen will. Indem er die Deutung Bergh's als übereilt be-
zeichnet, sagt er: „Der Eindruck, welchen sie (die Poren) auf das Auge
machen, ist vielmehr der schwacher Erhebungen oder rundlicher, scharf
begrenzter Depressionen." Soll diess nun heissen, dass die sog. Poren
theils Erhebungen theils Depressionen seien oder gar, dass sie auf Pouchet
gleichzeitig den Eindruck von Erhebungen und Depressionen machten?
Für Gourret aber gelten die Poren der Ceratien, welche er als Punctua-
tionen beschreibt, als „das Resultat einer Verschiedenheit in der Schalen-
masse'', also keineswegs für Poren. Leider finde ich bei Stein zwar
gute Darstellungen der Poren auf den Abbildungen, jedoch kein Wort
über seine Ansicht in dieser Streitfrage.
Ich glaube nun, dass ein einigermaassen geübter Mikroskopiker über
die Porennatur der kleinen hellen Kreischen, welche in zahlloser Menge
auf der Membran der marinen Ceratien zu bemerken sind, nicht lange
im Zweifel sein kann; zum Ueberfluss hat denn Bergh auch Durchschnitte
der Ceratienhülle gefertigt, welche erweisen, dass die Poren wirklich
völlige Durchbrechungen der Membran bilden. Es ist aber unnöthig,
sich diese Mühe zu machen, denn das aufmerksame Studium des optischen
Durchschnittes der Membran von Ceratium Tripos lehrt das Gleiche in
überzeugender "Weise. Ich betone gleichzeitig, dass die Poren, wie zu
954 Dinoflagellata.
erwarten, auf der Innen- wie Aussenfläche der Membran gleich deutlich
zu sehen sind, wodurch Pouchet's Ansicht hinfällig wird. Bergh be-
tont ferner noch, dass namentlich die Färbung der Membran mit Chlor-
zinkjod oder Jod und Schwefelsäure beweisende Bilder liefere, indem
die Poren dabei immer ungefärbt bleiben, demnach wirkliche Durch-
brechungen seien. Wie gesagt, muss ich die Auffassung Bergh's
nach eigenen Untersuchungen der Ceratien vollinhaltlich bestätigen.
Ebenso sicher lässt sich aber auch bei Dinophysiden die Porosität der
Membran nachweisen.
Eine andere Frage aber ist, wie weit sich die Porosität in der Gruppe
verbreitet. Ein gesichertes Urtheil hierüber ist augenblicklich ein Ding
der Unmöglichkeit; wenn ich aber einerseits bedenke, dass die jedenfalls
sehr primitiven Prorocentrinen poröse Hüllen besitzen und sichere Bei-
spiele aus den beiden anderen beschälten Familien vorliegen, so neige
ich mich zu der Ansicht, dass hier eine ziemlich allgemeine Erscheinung
der Dinoflagellatenhülle vorliegen wird. Ich glaube denn auch, auf Grund
der Stein'schen Abbildungen und eigener Erfahrungen , die Porosität der
Hülle noch bei vielen Formen behaupten zu müssen, wo sie seither nicht
direct erwiesen war.
Für die Prorocentrinen kennen wir sie durch die Untersuchungen
von Bergh und Klebs und auch auf den Abbildungen von Stein sind die
Poren deutlich dargestellt. Sie sind hier sehr fein und bald gleichmässig
und dicht, bald etwas mehr zerstreut und weniger dicht über die
gesammte Hülle ausgebreitet. Bei Prorocentrum micans bilden sich nicht
selten bogige Querreihen solcher Poren aus, welche nur auf einem Theil
oder der gesammten Oberfläche der Schalenklappen entwickelt sein können.
Am nächsten scheinen sich die Verhältnisse der Dinophysiden hier anzu-
reihen. Bei diesen steht nämlich die Areolirung der Schalenoberfläche
in inniger Beziehung zu den Poren; jedes vertiefte Feldchen der Ober-
fläche enthält auf seinem Grunde einen Porus, wovon ich mich bei
Dinophysis acuta auf das deutlichste überzeugte (55, 3a), was aber
auch auf nicht wenigen Figuren grösserer Dinophysiden bei Stein
deutlich zu erkennen ist, wenn er auch nicht angibt, dass die Kreis-
chen in der Mitte der Feldchen Poren seien. Ferner lassen die Stein-
schen Abbildungen erkennen, dass auch die Membran der Querfurche
(Stein's Gürtelband) gewöhnlich zwei randliche Porenreihen besitzt, was
mit der gewöhnlichen Zusammensetzung dieser Membran aus zwei Reihen
von Feldchen übereinstimmt.
Zwei entsprechende Porenreihen kehren aber auch an der Membran
der Querfurche bei vielen Peridiniden deutlich wieder, was Bergh zuerst
für die marinen Ceratien feststellte und wie es auch auf den Abbildungen
Stein's gut zu erkennen ist. Stein's Zeichnungen lassen dasselbe
auch bei einer Anzahl Peridiniden, bei Goniodoma und Gonyaulax
nachweisen; für letztere Gattung kann ich die Existenz der Porenreihen
Structur dor llullcu (Porosität). 955
durch eigene Untersuchungen bestätigen. Wahrscheinlich wird sich aber
diese Bildung bei genaueren Untersuchungen als noch verbreiteter heraus-
stellen.
Etwas abweichend von den Verhältnissen der Dinophysiden ist die
Anordnung der Poren auf der Hülle der Peridiniden. Wenn, wie dies
bei Ceratium Tripos zuweilen der Fall ist, eine grossmaschige poly-
gonale Felderung entwickelt ist, unischliesst jedes der Felder eine
beträchtliche Anzahl von Poren ; bei den übrigen marinen Ceratien
vertheilen sich die Poren mehr oder weniger regelmässig , dichter
oder weniger dicht, auf den von den welligen Verdickungsleistchen
erzeugten unregelmässigen Feldchen. Auf den Hörnern nehmen sie an
Zahl allmählich ab, lassen sich aber bis an die Enden derselben
verfolgen (gegen Gourret und Bergb). Wenn die Reticulation der Ober-
fläche eine sehr enge ist wie bei Gonyaulax polyedra, die ich selbst
untersuchte, finden sich die Poren nicht mehr in den Feld eben, sondern
an den Knotenpunkten derselben und bilden gewissermaassen selbst
kleine eingeschaltete Feldchen. Wahrscheinlich findet sich Aehnliches bei
denfeinnetzigen Arten der Gattungen Peridinium und Ceratium (Hirundinella
und macroceros). Bestimmtes über deren Poren ist zwar bis jetzt nicht
bekannt, doch vermuthe ich, dass sie nur ihrer Kleinheit wegen tibersehen
wurden. Ich halte mich zu dieser Vermuthung um so mehr berechtigt,
als Stein bei einigen Peridiniden (globulus und Michaelis) wie auch bei
der nahe verwandten Diplopsalis deutliche Poren zeichnet; dasselbe gilt
von den Gattungen Blepharocysta und Podolampas. Bei den letzterwähnten
Formen scheinen sie ziemlich zerstreut und meist nicht sehr dicht zu
stehen. In der vorderen Körperhälfte von Podolampas (55,9) werden
die Poren, nach Stein's Abbildungen zu urtheilen, ziemlich schief nach
vorn die Schalenwand durchsetzen, so dass sie als dunklere Striche
(Röhrchen) erscheinen. Sehr dicht und in ziemlich regelmässigen Längs-
und Querreihen sind die Poren bei Goniodoma (52, 5) geordnet; auch
bei Ceratocorys (54, 5) ordnen sie sich in dichte Querreihen, während
bei Amphidoma und Oxytoxum mehr die Tendenz zur Bildung von Längs-
reihen zu herrschen scheint. Dass auch bei nicht weiter structurirten
Schalen schon Poren entwickelt sein können geht aus der oben citirten
Beobachtung von Klebs über die Poren der Hülle von Glenodinium obli-
quum hervor.
Bemerkung über das Wachsthum der Schalenhülle. Die
eigenthümlichen Schalenhüllen der Dinoflagellaten mit ihren merkwürdigen
Leisten und Fortsätzen erwecken natürlich das Verlangen, über die Vor-
gänge, die zu ihrer Bildung führen, etwas zu vernehmen. Leider ist
aber hierüber bis jetzt nichts Genaueres bekannt. Ueber das Weiter-
wachsthum getäfelter Hüllen nach der Ausbildung der Tafeln wurde oben
schon das wenige Bekannte hervorgehoben. Das Dicken wachsthum der
Hülle scheint durch successive Ablagerung neuer Schalenmasse zu ge-
schehen, denn die Durchschnitte der Hülle von Ceratium Tripos zeigen
956 Dinoflagdlata.
eine deutliche zarte Schichtung (Bergh). Mancherlei augenblicklich nich
zu lösende Schwierigkeiten treten aber auf, wenn man sich über das
Wachsthum der Leisten und sonstigen Fortsätze der Hüllen Rechenschaft
geben will. Wie geschieht es, dass in der soliden Flügelleiste der Dino-
physiden, welche ausser directem Contact mit dem Köiperplasma ist,
nachträglich netzförmige Verdickungsleisten zur Entwicklung kommen,
oder dass, wie es nach den Angaben von Stein sicher scheint, der freie
Rand der ebenso soliden hinteren Randleiste der Querfurche bei Histioneis
crateriformis nachträglich noch weiter wächst?
Man wird versucht, auf Grund solcher Erscheinungen an die Möglich-
keit eines äusseren Wachsthums zu glauben, ja man könnte daran denken,
die so verbreitete Porosität der Hüllen damit in Verbindung zu bringen.
Ich muss mich jedoch begnügen, auf diese Fragen hingedeutet zu haben,
deren Lösung von einem eingehenderen Studium der Hüllen zu erwarten ist.
6. Specielle Morphologie und Physiologie der Geissein,
sowie die Bewegungsvorgänge der Dinoflagellaten überhaupt.
Wir haben schon aus der historischen Einleitung erfahren, dass
die Bewegungsorgane der Dinoflagellaten erst in neuester Zeit richtig
erkannt wurden. Wir verdanken die wichtige Entdeckung, dass in
der Querfurche kein Cilienkranz, sondern eine eigenthümliehe Geissei
vorhanden ist, den Bemühungen von Klebs. Obgleich die allmäh-
lichen Fortschritte hinsichtlich dieser Frage in dem geschichtlichen
Ueberblick schon ziemlich eingehend verfolgt wurden, dürfte es doch
angezeigt sein, noch etwas genauer auf die früheren Vorstellungen von
der Cilienbekleidung des Dinoflagellatenkörpers einzugehen.
Dass die Angaben über die Cilien der Querfurche bei den Diniferen nicht ganz gesicherte
waren, hätte man bei einer kritischen Vergleichung des hierüber von den verschiedenen
Beobachtern Bemerkten vielleicht schon daraus entnehmen können, dass dieselben recht ver-
schiedene Angaben über die Stellung der Cilien machten. Während Ehrenberg in seinen
früheren Ahhandlungen mehrfach von einem doppelten Wimperkranz der Querfurche sprach,
berichtet er in seinem Hauptwerk nur im Allgemeinen von dem Wimperkranz und zeichnet
auf den Abbildungen bald einen einfachen, bald einen doppelten. Im letzteren Fall zieht der-
selbe längs der beiden Leisten der Querfurche hin, im ersteren Fall bald längs der vorderen,
bald längs der hinteren und zuweilen auch auf dem Grunde der Furche. Dieser, schon bei
Ehrenberg bemerkbaren Unsicherheit begegnen wir auch bei den späteren Beobachtern. Zwar
stimmen dieselben mit Ausnahme von Bergh ziemlich darin überein, dass nur ein Wimper-
kranz existire, sind aher über dessen Stellung uneinig. Carter und Stein verlegen denselben
an den vorderen Band der Querfurche und auch Gourret schliesst sich für die meisten Formen
dieser Ansicht an. Claparede und Lachmann dagegen fanden den Wimperkranz stets an der
hinteren Leiste der Querfurche. Pouchet war der Ansicht, dass der einfache oder doppelte
Cilienkranz im Grunde der Furche verlaufe, doch will dies mit seiner gleich zu erwähnenden
Vorstellung von der Art des Cilienaustritts aus der Schalenhülle nicht recht harmoniren. Auch
Bergh glaubte, dass der einfache Cilienkranz bei Gymnodinium längs des Furchengrundes
hinziehe ; wenn sich aber zwei Säume fänden , wie bei den meisten Peridiniden , so ent-
sprängen dieselben wahrscheinlich längs der beiden Furchenleisten. üeber die genauere
Stellung des nach ihm einfachen Saumes bei den Dinophysiden macht er keine Angaben.
Geissein (Historisclies). 957
Während die meisten Beobachter bis auf Klcbs von deutlichen, kurzen Cilien der Quer-
t'urche sprachen, ähnlich denen der Ciliaten und dieselben auch auf ihren Abbildungen be-
stimmt wiedergaben , entwickelte Bergh wenigstens für die Dinifcren , eine etwas andere An-
schauung, wenngleich er bei den nackten Formen derselben die einzelnen Cilien ebenso be-
stimmt zeichnete wie die früheren Forscher. Er glaubte sich nämlich überzeugt zu haben,
dass nicht ein oder zwei Kränze gesonderter Cilien , sondern ein oder zwei contractile Säume
vorhanden seien, deren freier Kand sich in regelmässigen geringen Abständen in mehr oder
weniger lange Spitzen erhebe , („Cilien entsprechend", wie er sich ausdrückt). Jedenfalls
hatten ihn seine Beobachtungen darüber belehrt, dass es sich nicht um gesonderte Cilien
handle, doch gelangte er noch nicht zu einer genügenden Erkenntniss der Verhältnisse. Die
gleiche Unsicherheit verrieth sich auch in den Vorstellungen der verschiedenen Beobachter
über die Art, wie diese Cilien bei den beschälten Formen mit dem Plasma des Weichkörpers
in Verbindung ständen. Stein und Gourret machten sich die Sache zwar leicht, indem sie
die Cilien einfach aus der Schalensubstanz ihren Ursprung nehmen Hessen. Stein drückt sich
so aus: .,sie seien appendiculäre Organe des Panzers, könnten jedoch darum immerhin im
Weichkörper wurzeln" (1878 p. 91). Auch die Längsfurchengeissel (Ceratium tetraceros)
Hess er wenigstens 18TS noch „in der Schalensubstanz wurzeln."
Nur bei Bergh und Pouchet finden wir bestimmte Aeusserungen über den Zusammenhang
der Cilien , resp. der contract. Säume , mit dem Weichkörper. Ersterer hat die Vorstellung,
dass sich bei den Peridiniden längs den Leisten der Querfurche je eine feine Spalte in der
Schalensubstanz hinziehen müsse. Letzterer hingegen nahm an, dass die Querfurche von
einem besonderen Band von Schalensubstanz ausgekleidet werde, welches nur an einigen
Punkten mit den Leisten der Furche in Verbindung stünde, eine Autfassung, welche also der
von Bergh recht ähnlich ist. Beide stimmen darin überein, dass die Poren der Querfurche
nicht für den Austritt der Cilien bestimmt seien, Pouchet speciell desshalb, weil er die Deutung
derselben als Poren bestreitet.
Aus unserer früheren Scliilderung der Sclialenhülle geht schon hervor, dass wir das
Vorhandensein solcher Spalten nicht zugestehen können. Wir erblicken überhaupt in dem
Mangel an Einrichtungen zum Durchtritt eines undulirenden Saumes einen weiteren Beweis
für die Richtigkeit der Klebs'schen Auffassung der Querfurchengeissel, da sich, im Hinblick
auf ihre zuweilen bandförmige Gestalt, die Möglichkeit, dass es sich um einen abgelösten un-
dulirenden Saum handeln könne, noch discutiren Hesse.
Ganz kurz sei hier nochmals erwähnt, dass Allman (18) seiner Zeit ein Peridinium
beobachtet haben woHte, welches ein gleiclimässiges Wimperkleid auf der ganzen Oberfläche
besitze, dessen Querfurche dagegen keine Cilien aufweise. Ich habe schon bei früherer Ge-
legenheit (46) bemerkt, dass ich diese Beobaclitung unmöglicli für begründet halten kann und
sie mir nicht anders zu erklären vermag, als dass Allman ein Peridinium mit borstiger Schalen-
hulle beobachtete, deren Borsten er Cilien gleich setzte — ein ähnliches Verfahren, wie es
Ijekanntlich Ehrenberg für seine Gattungen Chaetoglena und Chaetophlya und Kent noch in
neuester Zeit für die Gattung Mallomonas einschlug.
Von der angeblichen Cilienbekleidung der Prorocentrinen hat eigentlich nur Bergh eine
genauere DarsteUung gegeben, indem Claparcde und Lachmann, welche dieselbe zuerst ent-
deckt haben wollten, auf ihren Abbildungen nichts davon andeuteten. Die Cilien sollten nach
Bergh etwa das vordere Körperviertel bis Drittel in einer medianen Längsreihe überziehen,
zwischen den beiden Schalenklaj^pen hervortretend. Dass diese Beobachtung nicht begründet
ist, dürfte aus den Ergebnissen von Stein, Cienkowsky und Klebs an dieser und der verwandten
Gattung Exuviaella wohl sicher folgen. Auch hier ist es eine zweite eigenthümlich verlaufende
Geissei, der Querfurchengeissel der Diniferen sicher entsprechend, die zu der Täuschung Ver-
anlassung gab.
Von früher ist es uns bekannt, dass die Geissein bei den beiden
Uiiterabtheilungen der Dinoflagellaten in sehr verschiedener Weise inserirt
sind und dass sie in ihrem Verlauf und ihrer Functioniruug stets die
958 Dinoflagellata.
charakteristischen Unterschiede zeigen, welche für die Abtheilung über-
haupt bezeichnend sind.
Die Längsgeissel besitzt stets den Bau einer einfachen Geissei,
ist daher ein bis an's Ende gleich dicker Faden, an welchem keine be-
sonderen Structurverhältnisse beobachtet wurden. Bei den Prorocentrinen
ist sie nach vorn gerichtet, bei den übrig-en Dinoflagellaten bekanntlich
nach hinten, indem sie durch die Längsfurche hinzieht und über das
Hinterende frei hervorragt, wenn sie die genügende Länge besitzt. Ihre
Länge im gestreckten Zustand erscheint im Verhältniss zur Körperlänge
etwas verschieden. Bei den nicht sehr langgestreckten Formen schwankt
sie etwa zwischen der einfachen und doppelten Körperlänge; bei sehr
langgestreckten, wie gewissen Ceratien, kann sie dagegen nicht unbe-
trächtlich hinter der Körperlänge zurückbleiben.
Von verschiedenen Beobachtern wurde berichtet, dass sowohl bei
Ceratium tetraceros (corniitum) wie bei Ceratium Tripos zuweilen zwei
Längsgeisseln statt der einfachen zu finden seien. Für die erstge-
nannte Form bemerkten dies schon Claparede und Lachmann, welche
sich auf das Zeugniss von Lieberkühn beriefen. Auf den prächtigen
Originalabbildungen des letzteren Forschers, die mir durch seine Güte
zugänglich waren, ist die zweite Geissei denn auch deutlich wiedergegeben.
Für Cer. Tripos machte zuerst Bergh auf eine gelegentliche Verdoppelung
der Längsgeissel aufmerksam.
Man könnte nun diese Beobachtungen , welche aus einer Zeit stammen , wo die Geissei
der Querfurche noch unbekannt war, wohl mit Klebs für zweifelliaft halten, da die zweite
Geissei eventuell die Quergeissel gewesen sein könnte, welche speciel! bei den Geratien zu-
weilen aus der Querfurche hervorzutreten scheint. Da nun aber Butschli (46) bei Cer. Tripos
gelegentlich neben der Quergeissel zwei deutliche Längsgeisseln auffand, so scheint die Angabe
der früheren Beobachter doch gerechtfertigt.
Die Quergeissel scheint bei einem Theil der Formen den Bau
einer einfachen Geissei zu besitzen, vielleicht ist dieses Verhalten sogar
das gewöhnliche. In einigen Fällen aber wurde constatirt, dass ihr Bau
von dem gewöhnlicher Geissein beträchtlich abweicht. Zunächst war es
Klebs (36), welcher darauf aufmerksam machte, dass die Geissei bei Peri-
dinium tabulatum nicht ein einfacher cylindrischer Faden, sondern „ein
schraubig gewundenes Band sei, welches gegen das Ende sich fadenartig
verschmälere^'. Auch für Ceratium cornutum glaubt er ein ähnliches Ver-
halten festgestellt zu haben. Dann konnte Butschli (46) die bandförmige
Beschaffenheit der Geissei beiPeridinium divergens beobachten. Schrauben-
förmig gewunden erschien zwar das gar nicht so schmale Geisseiband
hier nicht (52, 9 a; fg), vielmehr war es selbst eigentlich nicht gewunden,
sondern nur sein einer Rand in viele schlingenförmige Biegungen gelegt.
Auch Daday (45a) hat jüngst bei Amphidinium operculatum die Quer-
geissel beobachtet, über die er berichtet, „dass sie spiralig gewunden
sei und einen undulireuden Saum besitze, dessen Schwingungen die ver-
meintlichen Cilien vortäuschen"; auch scheint Spengel nach der Mit-
Specielle Morphologie der Geisselii. 959
tbeilung von Bergb die bandförmige Bescbaftenbeit der Quergeissel bei
derselben Art scbon beobacbtet zu baben. Jedenfalls geht aus diesen Be-
merkungen hervor, dass die Quergeissel zuweilen eine Bandform hat;
leider lässt sich aber zur Zeit gar nicht absehen, welche Verbreitung
dieses Verhalten unter den DinoÜagellaten besitzt. Bütscbli vermochte
bei Peridinium divergens gleichzeitig noch zu beobachten, dass das Plasma
des Geisseibandes eine fein-netxförmige Structur zeigt.
Der Verlauf der Quergeissel wird bei den Diniferen im Allgemeinen
durch den der Querfurche gegeben. Entsprechend ihrem gewöhnlichen
Ursprünge an dem linken ventralen Ende der Querfurche, zieht sie von
hier über die linke Seite auf den Rücken und kehrt über die rechte wieder
auf die Ventralfläche zurück, um sich, wie es scheint, gewöhnlich bis zu
dem rechten Ende der Querfurche zu begeben.
Ob letzteres stets der Fall ist, erscheint zur Zeit noch etwas unsicher; da jedocli die
früheren Beobachter die Cilienbekleidung stets in der ganzen Furclie zeichnen, also die
Geisseibewegung in der Gesammtausdelmung derselben gesehen haben, so spricht vieles dafür,
dass ein völliger Umlauf der Quergeissel Ecgel ist.
Bei den furchenlosen Prorocentrinen nimmt die Quergeissel, so-
weit dies bis jetzt bekannt ist, nichtsdestoweniger einen nahezu queren
Verlauf zur Körperaxe, umzieht aber den Körper selbst nicht, sondern
den basalen Theil der nach vorn gerichteten Längsgeissel. Bei Exu-
viaella wenigstens ist dieser Umlauf der Quergeissel nach der Dar-
stellung von Klebs (44) recht kenntlich. Bei Prorocentrum , wo diese
Geissei allein von Stein bis jetzt beobachtet wurde, scheint sich ihr Ende
längs der Rückseite nach hinten zu erstrecken, was auch in gewissem
Sinne mit der Angabe Bergh's übereinstimmt: dass die Cilien auf der
Rückseite (nach Bergh Bauchseite) weiter nach hinten reichten wie auf
der Bauchseite.
In morphologischer Hinsicht wäre es von besonderem Interesse, die
Art des Umlaufes der Quergeissel um die Basis der Längsgeissel bei den
Prorocentrinen zu kennen, da daraus wohl für die Orientirung derselben,
im Vergleich mit den Diniferen, Wichtiges zu folgern wäre.
Bewegungsverhältnisse der Geissein. Das Wenige, was
wir hierüber kennen, beschränkt sich hauptsächlich auf die Verschieden-
heit der Bewegungen der beiden Geisseiarten. Die Längsgeissel scheint
bezüglich ihrer Bewegungen in mancher Hinsicht an die Schleppgeissel
der Heteromastigoden zu erinnern und spielt auch bei den Bewegungen
der Dinoflagellaten wahrscheinlich eine ähnliche Rolle wie letztere bei
der genannten Flagellatenabtheilung. Zunächst scheint die Geissei auch
bei den sich bewegenden Wesen nicht selten im gestreckten Zustande
getragen zu werden (Joseph, Bütscbli) oder doch nur recht schwache
Bewegungen auszuführen. Sie besitzt weiter, wie dies wenigstens für die
Ceratien festgestellt wurde, energisches Contractionsvermögen , indem sie
sich plötzlich verkürzen und schraubig zusammenziehen kann. Schon
960 Dinoflagcllata.
Claparede und Lachmann machten auf diese Erscheinung aufmerksam
und fanden auch schon, dass die Geissei der Ceratien bei der Con-
traction völlig in den Geisselspalt zurückgezogen werden kann, ßergh,
Pouchet, Gourret und Klebs bestätigten dies, nur scheint Gourret seltsamer
Weise zu glauben, dass die Geissei bei der Contraction völlig eingezogen
werde, da er sie dann nicht mehr aufzufinden vermochte.
Speciell für die Ceratien wird jedoch auch von energischen schwin-
genden Bewegungen der Längsgeissel berichtet, während wir von den
übrigen Formen kaum etwas sicheres hierüber erfahren haben. Obgleich
die Beobachter nicht besonders dabei verweilen, scheint es mir doch
zweifellos zu sein, dass die Längsgeissel auch peitschenartige Bewegungen
ausführen kann. Zuweilen aber geräth sie in lebhafte Vibrationen, wobei,
nach den Untersuchungen von Pouchet und Klebs, der proximale,
in der Geisseispalte verlaufende Theil in Kühe bleiben soll. Pouchet ver-
gleicht die lebhaft vibrirende Geissei mit einem schwingenden Eisenstab,
spricht jedoch auch von acbterförmigen Bewegungen derselben. Nicht
unwichtig scheint mir die Angabe von Gourret, dass die bewegte Geissei
einen Kegelmantel beschreibe. Jedenfalls haben wir ihre Bewegungen,
nach den schon bei Gelegenheit der Flagellaten mitgetheilten Erörterungen,
als schraubenförmige zu betrachten.
Die Bewegungen der Quergeissel scheinen recht einförmig zu sein,
indem andauernd kurze Wellen von ihrer Basis nach dem Ende hin-
ziehen, wodurch der Eindruck einer Reihe auf- und abschwingender
Cilien hervorgerufen wird, wie leicht begreiflich ist. Dass die Wellen-
bewegung stets von der Basis nach dem Ende der Geissei fort-
schreitet, folgt namentlich aus der sehr bestimmten Angabe Bergh's, dass
die Bewegung in der Querfurche immer von der linken Bauchseite über
den Rücken nach der rechten Seite geschehe. Bei Amphidinium oper-
culatum sah Klebs (44) die Wellen „abwechselnd schneller und langsamer"
über die Geissei hinlaufen. Ob die Quergeissel auch zuweilen ruht und
welche Form sie dann hat, scheint mir zur Zeit noch etwas unsicher.
Klebs fand bei den von ihm gefundenen Ceratien gewöhnlich „voll-
kommene Ruhe in der Querfurche"; es ist jedoch nicht ganz sicher,
woher dies kam.
Gewöhnlich scheint die Wellenbewegung über die ganze Geissei
fortzuschreiten; Pouchet gibt aber an, dass manchmal in einem Theil
der Furche Ruhe zu herrschen scheine, was übrigens auch darauf be-
ruhen kann, dass sich die Geissei unter Umständen nicht mehr durch die
ganze Furche erstreckt.
Besondere Einwirkungen bewirken auch stärkere Contractionen der
Quergeissel und können ein Hervortreten derselben aus der Quer-
furche veranlassen. So fand Klebs, dass bei Amphidinium neben der
Wellenbewegung auch eine schwache Peitschenbewegung der Geissel zu
beobachten war, indem sich dieselbe bald enger an den Körper anlegte,
Bewegungen der (ieisselii und Ortsbewcgungun. 9G1
bald etwas weiter von deiriselbeii abstand. Hervorschleuderung' der
Geissei aus der Qiierl'nrclie wurde im lebenden Zustande bis jetzt nooli
nicht sicher beobachtet, tritt Jedoch bei der Abtödtung der Diniferen mit
verschiedenen Reagentien (CliromsHure, ChrouK srainmsäure, Chlorzink-Jod)
häulig ein und führte Klebs zuerst zur Entdeckung der Geissei. Dieses
Hervorschleudern ist ohne Zweifel auf eine letzte heltige Contractiou vor
dem Eintritt des Todes zurückzuführen.
Nach einigen Beobachtungen von Klebs an Cerntiuni Tripos scheint
es al)er nicht unmöglich, dass die Geissei zuweilen auch im Leben und,
wie Klebs vermnthet, unter ungünstigen Umständen, hervorgeschlendert
wird; sie lagert dann im Bauchausschnitt.
D i e B e w e g u n g s e r s c h e i u u n g e n der D i n o f I a g e 1 1 a t e n
reihen sich, ihrer allgemeinen Erscheinung nach, innig an die der
Fhiü-ellaten an. Während wir aber bei den letzteren fast ausnahmslos
nur Vorwärtsbewegung in einer bestimmten, durch die allgemeine Mor
phologie des KJh-pers bezeichneten Richtung fanden, sind nach den Mit-
theilungen der verschiedenen Beobachter zahlreiche Dinoilagellaten be-
fähigt, sich abwechselnd mit dem vorderen und hinteren Ende vorwärts-
zubewegen. Die Prorocentrinen zwar scheinen in dieser wie in anderen
Hinsichten noch mit den eigentlichen Flagellaten übereinzustimmen, da
bei ihnen nur Vorwärtsbewegung ])ekannt ist. Auch die Diniferen
scheinen gewöhnlich, oder doch hantiger diese Bewegungsrichtung einzu-
schlagen und bei gewissen Formen, wie Glenodinium cinetum (Bütschli),
gewissen Gymnodinien (Hergh), Polykrikos (Bergh) und anderen, scheint
dieselbe ausschliesslich vorzukommen. Andere können sich gelegentlich,
Jedoch selten , auch rückv^'ärts bewegen , wie die Ceratien ; nur bei der
Gattung Protoceratium Bergh (= Clatbrocystis Stein) gibt Bergh ,, ab-
wechselnde" Bewegung nach vorn und hinten an, es scheint also hier
keine der beiden Richtungen bevorzugt zu werden.*)
Wie bei den Flagellaten und ähnlich gebauten Organismen ist die
Bewegung fast immer mit Rotation um die Längsaxe verbunden, ^'on
Dijjlopsalis , dessen Bewegungen nach Bergh überhaupt recht unregel-
mässig sein sollen, berichtet letzterer, dass gelegentlich auch Rotation
um eine Queraxe statthaben könne, lieber die Richtung der Hotatiou
ist fast nichts bekannt, doch konnte Bütschli (4()) bei Glenodinium cine-
tum feststellen, dass, anders wie bei den Flagellaten gewidmlich, ein
häutiger Wechsel in der Rotationseinrichtung vorkommt. Nach Pouchet
soll der Körper des Peridinium divergens bei der Rotation einen Kegel-
mantel beschreiben, dessen Spitze das Vorderende des Peridinium bilde,
und bei Dinophysis acuta beobachtete Bergh gelegentlich Rotation um
einen ausserhalb des Körpers gelegenen Punkt, ein Verhalten, wie es
bekanntlich auch bei Flagellaten vorkommt.
*) Dasselbe htTiclitete Poiulut (48. p. 4') kiirzlicli. von einem lau egesf reckten marinen
Gymnodinium.
Bronn, Klassen des Thier-Rcifh? Protozna. Q\
962 Diiioflagellata.
Die Bewegung ist entweder eine stetige, nur von kurzen Ruhepansen
an Hindernissen etc. unterbrocliene, oder eine nnregelmässigere. Wie
erwähnt soll sich nach Bergh namentlich Diplopsalis durch solclie lln-
regehnässigkeiten auszeichnen auch Glenodinium Warniingii sich ähn-
lich verhalten. Bei einigen Formen beobachtete Beigh auch ruckweise
Bewegungen, so bei Gyranodinium giacile und „kleine" Bewegungen
dieser Art gelegentlich auch bei Dinophysis acuta.
Wenn auch die Vorwärtsbewegung gewöhnlich mit Rotation verbunden
ist, so scheint dies doch nicht immer der Fall zu sein. Bergh bemerkt
für die Ceratien, dass eine Rotation „sehr oft'' während der Bewegung
vorkomme und auch Pouchet findet, dass man die Dinoflagellaten bald
rotirend, l)ald nicht rotirend sich bewegen sehe. Ich möchte vermuthen,
dass eine Rotation dann fehle, wenn die Bewegungen auf einer Unter-
lage, nicht frei erfolgen.
Noch ist die Frage kaum discutiit worden, welchen Antheil die
beiden verschiedenen Geissein an der Bewegung nehmen und welche
verschiedenen Aufgaben denselben wohl zukommen. Stein sprach
1878 (28) die Vermuthung aus, dass nur die Längsgeissel der Be-
wegung diene, die angeblichen Wimpern der Querfnrche dagegen der
adoralen Spirale der Ciliaten zu vergleichen seien und einen ,,Nahrnngs-
strom'' dem Munde, den Stein überall annimmt, zuzuführen hätten. Wenn
wir nun auch nicht in Abrede stellen wollen, dass die Geissein möglicher-
weise bei der Nahrungsaufnahme der wenigen Formen, welche animalisch
leben, mitwirken können, so erachte ich die Ansicht Stein's doch für un-
begründet. Ich glaube im Gegentheil, dass die Geissei der Qnerfurche
an der Bewegung lebhaft Antheil nimmt und stimme hierin mit l'ouchet
überein, welcher diese Anschauung gegenüber Bergh vertheidigen zu
müssen glaubte; doch hat sich Bergh nirgends über die vorzugsweise
Betheiligung der einen oder der anderen Geissei an der Bewegung aus-
gesprochen, scheint vielmehr die Ansicht zu vertreten, dass sie sich hierbei
beide gleichmässig bethätigen, da er sie stets gemeinsam unter der Auf-
schrift „Bewegnngsapparat" beschreibt. Ich stütze mich bei meiner Ver-
muthung auf die Thatsache, dass man die hintere Geissei bei lebhafter
Bewegung nicht selten in Ruhe findet, dass sie demnach in solchen
Fällen nicht die Bewegung verursachen kann. Ohne daher in Abrede
zu stellen, dass sie unter Umständen auch activen Antheil au der fort-
schreitenden Bewegung nehme, möchte ich doch vermuthen, dass sie
gewöhnlich mehr nach Art der Schleppgeissel der Heteromastigoden
wirkt, also hauptsächlich die Richtung der Bewegung und ihre Aende-
rung beeinflusst. Auch Joseph bemerkte schon, dass die Längs-
geissel seines Peridinium stygium hauptsächlich als „Steuer" zu dienen
scheine.
Wenn wir, auf Grund der schon bei den Flagellaten entwickelten
theoretischen Anschauungen (s. p. 854—57), die Möglichkeit der Be-
wegungen der Dinotlagellalcn mit Hülfe der Querlnrcliengeisscl unter-
Ortübewegiiiigen. Bau des Plasmas. 9G3
siicheu, so werden wir finden, dass diese wohl allein durch dieselbe zu
Stande kommen können. I5ei \'orhandensein einer, wie es sich bei den
Dinoflagcllaten findet, um den KörjiCr herum laufenden und in fort
dauernden schraubenförmigen Bewegungen befindlichen Geissei, wird zu
der Vor- resp. Iliickwärtsbewegung nicht wie bei den Flagellaten die
längs der Schraubenaxe gerichtete Componente des Wasserwiderstaudes
(s, die Fig. auf j). 857), sondern die senkrecht dazu einsetzende zur Vor-
resp. Riickwärtsbewegung verwerthet werden. Wir können uns mit Hülfe
dieser einen Geissei sowohl die Vorwärts- wie Kückwärtsbcweguugen er-
klären und bei beiderlei Bewegungsformen die Rotation in den beiden
verschiedenen Richtungen, wenn wir die 4 verschiedenen Fälle in Betracht
ziehen : dass die Geissei eine rechts oder linksgewundeue Schraube bilden
kann und dass diese jedesmal wieder in den beiden entgegengesetzten
Richtungen rotiren kann.
Es wird später genauer zu betrachten sein, dass auch die üi-
noilagellaten wie andere Mastigophoren nicht selten unter Verlust ihrer
Geissein in den ruhenden Zustand übergehen und dabei die Geissein
gewöhnlich abgeworfen werden. Hier sei nur auf eine Eigenthümlichkeit
aufmerksam gemacht, welche die abgestossene Querfurchengeissel des
Glenodinium cinctum nach den Beobachtungen Bütschli's (46) zeigt.
Nachdem ein solches Glenodinium seine Bewegungen allmählich eingestellt
hat, rollt sich in der Gegend der Querfurche plötzlich eine Geissei zu
einem korkzieherartigen, engen Gewinde dicht auf und wird , indem sie
auf diese Weise natürlich über den Rand des Wesens stark verspringt,
deutlich sichtbar. Kurz darauf löst sie sich plötzlich ab und beginnt
nun gleich, oder erst nach einigen Secunden, sich lebhaft flatternd umher
zu bewegen, wobei sie jedoch fortdauernd im aufgerollten Zustand
verweilt. Nach etwa einer Minute kommt sie dann zur Ruhe und stirbt
definitiv ab. Wenngleich nicht mit absoluter Bestimmtheit, konnte es
Bütschli doch recht wahrscheinlich machen, dass diese Geissei die Quer-
geissel sei, indem er zuvor die Ablösung der Läugsgeissel gelegentlich
beobachtet zu haben glaubte; letztere rollte sich hierbei nicht auf. Auch
Klebs (44) berichtet, dass die Quergeissel der Dinoflagellaten sehr em-
l)findlich ist und leicht zu Grunde gehe, ,, indem knötchenartige Anschwel-
lungen entstehen, die sich rasch vergrössern, schliesslich sich trennen,
rasch ver(|Uellend.'' Mir ist diese Schilderung nicht ganz verständlich.
S. Der Bau des iibrioeii >Veiclik(M pers der Dinofliigelliiteii.
A. All,!;cmeiiies über das Plasma und dessen Diff erenziruiig in Keg'ionen
Auch das Plasma der Dinoflagellaten zeigt die in neuerer Zeit so
häufig beobachtete, netzige Structur (54 8 a), doch fehlen zur Stunde bei
unserer Gruppe noch genauere Untersuchungen über diese Verhältnisse.
Die Differenzirung einer deutlichen peripherischen Ecto plasma-
schichte scheint nach meiner Auflassung höchstens bei einigen nackten
Formen vorzukommen. Bergli ist zwar der Ansicht, dass sich ein Fcto-
61 =i=
9ß4 Dinoflagellata.
plasmia unter den Dinoflagellaten allg-eniein finde, bei den lluihlillten
aber -ganz structurlos nnd homogen sei. Zu dieser Annahme gelangte
er aber, wie es seheint, nur durch die irrthümliche VorsteHung, dnss
der so häutige braune Farbstoff in dem Entoplasma dift'us verl)roitet
sei. Das, was er bei den mit Chromatophoren versehenen Formen
Ectoplasma nennt, ist nämlich weiter nichts wie die äusserste , dünne
Plasmaschichte des Körpers, welche die darunter befindliche Chromato-
phorenlage überzieht und die sich von dem übrigen Plasma in keiner
Weise durch besondere Eigenthümlichkeiten unterscheidet, desshnlb auch
nicht wohl als ein Ectoplasma betrachtet werden kann.
Ungefähr dieselben Ansichten, nur etwas nnldarer, entwickelt auch Gourret. Er unter-
scheidet gleichfalls ein gelbes nnd körniges Centralplasma nnd ein hyalines farbloses äusseres.
Audi spricht er gelegentlich von einem zwischen diesen Ijeiden gelegenen contractilen Plasma.
Wie in vielen anderen Punkten tritt eben auch hier die Schwäche dieser Arbeit hervor, die
kaum über Eiirenberg fortgeschritten ist. — Auch von dem feinen vacuolären Ectoplasma,
welches Blanc (4.")) bei dem C'eratium Hirundiuella beobachtet haben will, vermag ich auf
seinen Abbildungen nichts zu erkennen.
Etwas anders scheinen die Verhältnisse bei einigen nackten Formen
der Gattungen Gymnodinium und Polykrikos zu liegen. Bei diesen
schildert Rergh ein ziemlich dickes farbloses Ectoplasma, welches sich
namentlich bei Gymn. gracile (51, 4) und Polykrikos Auricularia (5.5, Sa)
scharf von dem hier röthlich gefärbten Rnfoplasma unterscheide, auch
scheint er genügende Gründe anzuführen, um diese äussere Schicht von
einer etwaigen Hülle zu unterscheiden. Immerhin scheint dies noch
nicht absolut sicher, da wir durch Klebs die gelegentliche Ahscheidung
einer ziemlich dicken gallertartigen Umhüllung bei Gymnodininni fus-
cum kennen gelernt haben. Nur bei Gymn. gracile tritt übrigens auf
den Abbildungen Bergh's die Grenze dieses Ectoplasmas gegen das Ento-
plasma deutlich hervor, bei Gymn. spirale, wo sie gleichfalls angegeben
wird, ist davon nichts zu erkennen. Bei letzterer Form findet sich aber
eine andere Eigentbümlichkeit dieser äussersten Plasmaschichte. Während
dieselbe bei Gymn. gracile eine unregelmässig faltige bis runzelige äussere
Oberfläche besitzt, erscheint sie bei der erstgenannten Form deutlich
längsstreifig, in einer Weise, welche an die sogen, Muskel streifen des
Ciliaten-Ectoplasmas erinnert. Es sind schmälere körnige Streifen, welche
mit breiteren homogenen abwechseln. Nach Bergh soll diese Streifen-
bildung ihren Sitz in einer tieferen Schichte des Ectoplasmas haben, doch
lässt die Abbildung davon nichts wahrnehmen. Da sich nun gerade dieses
Gymnodinium durch ein recht entwickeltes Contractionsvermögen aus-
zeichnet, so erscheint die Deutung Bergh's wohl gerechtfertigt: dennoch
dürfte im Hinblick auf die Cuticiilarstreifungen der Flagellaten noch
einige Vorsicht geboten sein. Bei seinem Gymnodinium Archimedis
erwähnt schliesslich Pouchet eine Art von Integument, das granulirt sei
nnd kleine zerstreute Bläschen (Vacuolen?) aufweise. Auf der Skizze
zeichnet er eine radiär gestrichelte äussere Schichte, welche wohl dieses
Integument vorstellt (51 , 9). Wahrscheinlich muss dasselbe gleichfalls
DiHereiizirung in Ecto- iiml Kiituphisuia. Chrouiatoplioreu. 965
in die Kategorie der ectuplci.siiititischcn Diflcrcnziriuij;cii gerechnet
werden.*)
Wie eben bemerkt wurde, zeigt das Entoplastna, rcsp. das Tlasnia
üljcrhaiipt, bei gewissen Formen eine rötldicbe Farbe, erseheint dann ge-
wöhnlieh rosafarbig. Es seheint, dass eine solehe Färbung nur bei ehromatu
phoreulosen Formen oder Varietäten vorkommt und auch bei diesen nicht
constant ist. Beobachtet wurde sie zuerst von Sehmarda bei seinem Gleno-
dinium roseolum (vielleicht ein Gymnodinium), tindet sich weiter bei einigen
marinen Gymnodinien (gracile Bergh und Archimedis Pouchet, zuweilen auch
Spirale nach Pouchet), ferner bei Polykrikos von Bergh und Pouchet, während
die von Bütschli beschriebene Polykrikosform keine solehe Färbung be-
sass. Auch das Plasma der Dii)lopsalis lenticula zeigt einen rölhlichen
Ton und ebenso verhält sich nach Bergh und Pouchet meist auch Peri-
dinium divergens. Nach den Angaben des Letzteren scheint auch bei
den marinen Gymnodinien diese Färbung nicht constant zu sein.
Nach den vorliegenden Angaben muss »nan annehmen, dass die ge-
schilderte Pigmcntirung eine diffuse ist; immerhin bedarf dies noch be-
stimmterer Feststellung; auch fehlt zur Zeit jeder Anhalt zur Beurtheilung
der möglichen physiologischen Bedeutung dieser Erscheinung.
]i. Iiihaltskövper dos Plasjiias.
a. Die C hrom atophoren. Nicht nur hinsichtlich der Verbreitung
dieser physiologisch so wichtigen Einschlüsse, sondern auch bezüglich ihrer
allgemeinen Bildung herrscht eine recht grosse Uebereinstimmung zwischen
Flagellaten und Dinotiagellaten. Die Mehrzahl der letzteren führt Cbroma-
tophoren und ernährt sich daher im wesentlichen in holophytischer Weise.
Ihre grosse Verbreitung ergibt sich leicht daraus, dass eigentlich nur eine
Gattung bekannt ist, welcher die Chromatophoren dauernd zu fehlen
scheinen, Polykrikos nämlich. Zwar soll auch Diplopsalis nach Bergh der-
selben immer entbehren ; bei ihrer nahen Verwandtschaft mit gefärbten
Formen, scheint mir aber wohl möglich, dass noch eine gefärbte Varietät
derselben zur Beobachtung kommen mag. In verschiedenen Gattungen
sind ferner einzelne Arten chromato[)horenfrei, so nach Bergh die marinen
Gymnodinien G. spirale und gracile (bei letzterer Art will Pouchet aber
gelegentlieh auch Chromatophoren beobachtet haben), die 8üsswasserform
G Vortieella nach Stein und das sog. Glenodinium pulviseulus (Ehrb.)
St. Auch bei je einer Art der Gattungen Peridinium (Protoperidinium
pellueidum iiergli = Peridinium tristylum Stein) und Dinophysis fand
Bergh nie Chromatophoren.
Wie bei den Flagellaten bemerkt man nicht selten, dass die in
der Kegel gefärbten Arten auch gelegentlich farblos vorkommen. Bei
den marinen Ceratien wurde dies nicht selten beobachtet; ebenso bei
*) In suiiicr neueren Arbeit (48;), p. Hl) schildert fouchet forner eine solche radiär
gestrichelte Ectoplasmaschichte bei seinem Gymnodiniuui crassum und vergleicht sie der sog.
Myopliauschicht der Ciliateu. Üer radiär i'asrige Bau entspricht denn auch dem des Ecto-
plasmas vieler (Jiliaten, tindet sich jedoch auch, wie tiuher erwähnt, schon bei gewissen Flagellaten.
U6(i DiiioHagcllata.
gewissen Peridinien, und das häufige Peridiniuni divergeiis scheint sogar
gewöhnlich chromatophorenl'rei zu sein, enthält aber nach Pouchet doch
zuweilen solche.
Recht mannichtaltig ist die Färbung der Chromatophoren; im All-
gemeinen finden sich dieselben Nuancen, welche auch bei den Flngcllaten
schon verzeichnet wurden. Häufiger sind die braunen Töne, von Gelblich-
braun bis mehr oder weniger tief Braun und Braungrün. Es scheint,
dass wenigstens die marinen Formen ausschliesslich gelbe bis braune
Farben aufweisen, während bei den Süsswasserformen auch eine mehr
oder Aveniger reichliche Beimischung von Grün, sogar reines Grün
auftreten kann. Klebs wollte überhaupt in Abrede stellen, dass sich
grüne Chromatophoren in unserer Gruppe finden, dies lässt sich aber
angesichts der bestimmten Angaben und Abbildungen älterer und neuerer
Forscher nicht aufrecht erhalten. Ob zwar der Farbstoff der Chromato-
phoren zuweilen reines Chlorophyll ist, scheint auch mir zweifelhaft;
es wird sich eben wohl immer um ein Gemisch von Chloroi)hyll und
Diatomin handeln, aber in sehr wechselnden Verhältnissen.
Bergh (Entwickelte die eigenthiimliche Ansicht, dass Chlorophyll und
Diatomin bei den Dinoflagellaten gesondert vorhanden seien ; der letztere
Farbstoff sollte diffus im Plasma verbreitet,*) der erstere demselben in Form
von Körnein eingelagert sein. Die Unhaltbarkeit dieser Ansicht hat schon
Klebs genügend dargelegt. Wie bei den Flagellaten sind eben auch
hier die beiden Farbstoffe immer zusammen in geformten Chromatophoren
vereinigt und der Irrthum Bergh's kann sich nur dadurch erklären,
dass er die nach Alkoholbehandlung auftretende reine Chlorophyllfärbung
deutlicher an geformte Bestandtheile gebunden sah, wie die ursprüng-
liche Farbe.
Wie in der Färbung findet sich auch in der Gestalt und Lage der
Chromatophoren viel Uebereinstimmung mit den Flagellaten, doch scheinen
nocli, häufiger wie bei den letzteren Verschiedenheiten bei einer und
derselben Art vorzukommen. Gewöhnlich liegen auch hier die Chroma-
tophoren peripherisch, dicht unter der Oberfläche, und reichen nur
bei wenigen Formen bis gegen das Centrum. Wir werden aber später
linden, dass sie unter gewissen Lebensverhältnissen aus ihrer peripherischen
Lage in eine mehr centrale übergehen können.
Zwei grosse, dünne Chromatophorenplatten, welche je eine Seite des
comprimirten Körpers einnehmen, finden wir bei der zu den Prorocentriuen
gehörigen Gattung Exuviaella (51, 2c; ehr) und erblicken darin
wiederum eine charakteristische Annäherung an die Cryi)tomonadiuen,
wo das Gleiche früher geschildert wurde. Gleichzeitig scheinen diese
Chromatophoren die einzigen zu sein, bei welchen das Vorkommen
eines Pyrenoids wenigstens wahrscheinlich wurde. Der Mitte der Aussen-
*) Audi Pouchet (48, p. 35) 'hält noch daran fest, dass das Diatomin sich auch zu-
weilen gelöst im Plasma ünde. Eeines Chlorophyll finde sich bei dem soüciianntcn Protö-
peridiuium viride.
Cluoiuatophorcii. 967
llaclic .jcilcr riallc licg't lüiiiilich eine nliri;l;isluniiii!,' gewölbte, diiune
Ainylonschcibe auf; es lässt sich dessluilb hier ein Tyreiioid vcr-
nuitlien, welehes dem der Chromatoplioren mancher Kuglenen nieht un-
ähnlich wäre.
Bei den übrigen Dinotlagellaten begegnen wir gewöhnlich zahlreichen
kleineren Chromatophoren, doch seheint die Möglichkeit nicht ausgeschlussen,
dass auch bei manchen zu gewissen Zeiten grössere vorhanden sind,
welche sich später in zahlreichere kleinere zertheilen.
Etwas besondere Verhältnisse weist jedenfalls die interessante, aber
leider nicht genügend studirte Gattung Pyrophacus auf, die nach
Steiu's Abbildungen wahrscheinlich ein central gelegenes, einheitliches
grosses Chromatophor enthält, von welchem sich zahlreiche strahlenförmig
angeordnete und z. Tb. verzweigte Ausläufer allseitig bis unter die Ober-
iläche erstrecken (54, 3 c). Ein entsprechend gebautes Chromatophor
iindet sich nach Bergh wahrscheinlich bei Glenodinium Warmingii und
nach Klebs bei dem nahe verwandten Gl. obliquum (51, 12). Derselbe
Forscher berichtet ähnliches von den Ceratien; häutiger scheint aber
nach seiner Darstellung der Zustand zu sein, dass ein aus ,,verhältniss
massig dünneu Fäden'' gebildetes netzförmiges Chromatophor vorhanden
ist. Klebs bemerkt jedoch, dass unter „Veränderung der äusseren Be-
dingungen'^ das zusammenhängende Chromatophor der Ceratien leicht in
zahlreiche kleine, scheibenförmige zerfalle. So fand ich die Verhältnisse
stets bei conservirten Ceratium Tripos, welche ich in grösserer Anzahl
untersuchte (54, la) und dasselbe zeigen denn auch schon die Figuren
Ehrenberg's für Cer. Tripos und Furca, wie diejenigen Steins für die
erstgenannte Form und Cer. tetraceros. Auf den Originalabbildungen
Lieberkühn's sind die kleinen scheibenförmigen Chromatophoren der
letzteren Species deutlichst angegeben und ihre Zusammenorduung zu
netzartigen Zügen ist recht kenntlich (53, 7 c).
An ein centrales, sternförmiges Chromatophor erinnern noch die Ver-
hältnisse bei Amphidinium operculatum (54, Gc), wo gewöhnlich eine ziem-
liche Anzahl bandförmiger Chromatophoren um einen centralen hügligen,
nach Stein amylonartigen Körper strahlig angeordnet ist. Wie die stern-
iormigen Chromatophoren überhaupt, erinnern auch die Verhältnisse bei
Amphidinium an die mancher Euglenen nach den Schilderungen von
Schmitz. Stein's Abbildungen lassen aber gut erkennen, dass bei
Amphidinium nicht selten auch viel zahlreichere, kleinere Chromatophoren
vorhanden sind, die dann wohl eine peripherische Schicht bilden und
sich aus dem Zerfall der grösseren herleiten werden.
Dem letzteren Verhalten schliessen sich auch die meisten übrigen
Dinullagellaten an, indem sich deren Chromatophoren in einer ein-
fachen und meist dicht gedrängten Schicht unter der Obertläche an-
ordnen, nur von einer sehr dünnen Plasmalage bedeckt (51, 10). Die
Gestalt der Chromatophoren hängt unter diesen Umständen namentlich
von dem Grad ihrer Ausdehnung nach dem Centrum ab. Sind sie in
968 Diiioflagcllata.
dieser Richtung wenig entwickelt, so erscheinen sie mehr scheibenlormig
bis kiiglig, S])ringen sie stärker gegen das Centruni vor, so werden sie
natürlich kürzer oder länger stäbchenförmig.
Etwas besondere Verhältnisse scheinen sich bei Dinophysis acuta zu
linden, indem Stein hier nur wenige grössere rundliche bis unregel-
niässige oder bandförmige Chromatophoren beobachtete; auch die Schil-
derungen Bergh's stimmen damit ziendich überein.
Am Schlüsse dieses Abschnittes über die Chromatophoren glauben
wir kaum besonders betonen zu müssen, dass sich nicht ein einziger
Anhalt linden lässt, welcher gegen die von Brandt*) in Zweifel ge-
zogene endogene Natur derselben spräche.
b. Amylum scheint wenigstens bei den mit Chromatophoren ver-
seheneu Formen regelmässig vorzukommen; dass es den ungeiärbten
nicht immer ganz fehlt, wie Bergh vermuthete, wurde schon von Klebs
erwiesen, der bei einer farblosen Varietät des Peridinium Michaelis
Stärke fand , wie denn auch die Analogie nut den Flagellaten
hierfür spricht. Die meist kleinen Stärkekörner linden sich stets im
Plasma, nie in den Chromatophoren und liegen bei den mit einer
peripherischen Chromatophorenschicht versehenen Formen nach innen
von dieser (51, 10a; a). Interessant erscheint der von Stein angcge
bene centrale amylonartige Körper des Amphidinium operculatum und
die uhrglasförmigen Amylumscheiben der Exuviaella. Die Beziehungen
letzterer Gebilde zu den Chromatoi)horen wurden schon oben erwähnt.
Einen geschichteten Bau der Amylonkörner beobachtete Bergh bei den
Ccratien (53, 10 e; a), ich konnte denselben bei den von mir untersuchten
Exemplaren nicht deutlich wahrnehmen. Etwas abweichend soll sich
nach Bergh das Amylum der Ceratien gegen Jod verhalten, indem es
sich damit blauviolett färbe, bei den übrigen Formen war die Färbung
eine rein blaue.
c. Fett, rothes Pigment und Stigmata (Augenilecke). Ein
larbloses Fett gehört nach Klebs zu den gewöhnlichen Einschlüssen des
Plasmas ; dasselbe ist in Alkohol leicht löslich und schwärzt sich mit
Osmiumsäure. Mäutig treten auch gelbe, bis in verschiedenen Nuancen
roth gefärbte, ölartige Kugeln oder Tropfen im Plasma auf. Die rothe
Farbe derselben rührt höchst wahrscheinlich von demselben Farbstoff her,
welchen wir bei den Flagellaten in ähnlicher Weise auftreten sahen, dem
Haematochrom. Selten aber seheint sich dieses rothe Fett bei den Dino-
flagellaten in so feiner Vertheilung zu finden, wie dies bei rothen Flagel-
laten gewöhnlich ist. Nur bei einigen rothen, von Schmarda (16)
in Egypten beobachteten Formen von zweifelhafter Stellung, war dies
vielleicht der Fall. Solche rothe Fettkugeln linden sich nicht nur bei
gefärbten, sondern auch bei farblosen Formen; in letzterer Hinsicht erregt
namentlich Peridinium divergens Interesse, welches gewöhnlich viele
'*) Mittheiliingen der zool. Station zu Neaioel Bd. 4, p. 294.
Aniylam; Fett; "Rothes Pijjinent, Stigmata. 969
deiiirtige Fettlroplcn cnlliält, dagegen gcwöhnlicli keine Cliromaloplioien.
Die Tropl'en liegen wie die Stärkekörner in» inncrn Plasma und meist
nnregclniässig zerstreut; hei Teridiniiim divergeus sollen sie nach Pouchet
nicht selten einen Kranz längs der Qnerfurche biklen.
Die Farbe ist etwas verschieden, indem sie zwischen Hjäiinlich
(„chamois'', gemsi'arbig nach Puuchet) und Braunroth bis Zinnober- und
Carminroth schwankt. Klebs (36) versichert, dass sich die gelblichen
Tropfen in rothe umzuwandeln scheinen, indem die rothe Farbe all-
mählich in ihnen auftrete, so dass Tropl'en mit theilweiser Gelb- und
Kothfärbung zuweilen vorkämen. Hiermit verbindet er die weitere An-
gabe, dass aus solchen Tropfen das rothe Pigment mittels Alkohol auszu-
ziehen sei, das gelbe dagegen nicht. Dem widersprechen aber wohl die
Angaben von Bergli, welcher bei Peridininm divergens die rothen Tropfen
in Alkohol völlig löslich fand.
Wie bei den Flagellaten scheint das rothe Fett häutig bei ruhenden
Formen und auch schon während der Vorbereitung zum Ruhezustand
besonders reichlich entwickelt zu werden. Schon Carter fand dies bei
dem in Indien beobachteten, sogenannten Peridininm sauguincum, bei
welchem einige Zeit vor Eintritt der Kühe die ursi)riinglich grüne Farl)e
in eine völlig rothe übergeht. Auch ich beobachtete ähnliches, wenn
auch nicht so ausgeprägt, bei Glenodinium cinctuni. Jedenfalls ist die
physiologische Bedeutung dieser Erscheinung dieselbe wie bei den Fla-
gellaten, wenn sie auch zur Zeit noch nicht scharf präcisirt werden kann.
Ehrenberg und zahlreiche spätere Beobachtern wiesen auf das Vor-
kommen von sogenannten Stigmen oder Au gen flecken bei den
Dinoflagellaten hin. Perty und später Claparede und Lachmann hoben
die Unregelmässigkeit im Auftreten dieser Gebilde bei einer und der-
selben Art hervor, doch halte ich es -für wohl möglich, dass sie dabei
zu weit gingen und nicht hinreichend scharf zwisclien den geschilderten
rothen Fetttropfen und den eigentlichen Stigmen unterschieden. Neuere
Beobachter, wie Bergh und Klebs, berichten nichts über solche Gebilde
und letzterer möchte sogar ihr Vorkommen bestinmit leugnen, oder hält
es doch für sehr zweifelhaft. Dem gegenüber konnte ich (46) darauf
hinweisen, dass bei Glenodinium cinctum ein echter, in allen Beziehungen
mit denen der Flagellaten übereinstimmender Augentleck vorhanden ist
und zweifele daher auch nicht, dass die in ähnlicher characteristiscber
Lage von anderen Dinoflagellaten beschriebenen Gebilde ebenso beurtheilt
werden müssen. Die Stigmen nehmen bei den Diniferen (wo sie bis
jetzt allein gefunden wurden) eine bestimmte Stellung am Körper ein,
sie sind nämlich etwa der Mitte der Längsfurche eingelagert (51, 10 a
und 13; 53, 7c; oc), als ovale, längliche oder zuweilen (Glenodinium
cinctum) hufeisenförmige und lebhaft roth gefärbte Körper.
Am besten ist der Augenfleck des Glenodinium cinctum bekannt,
und da die der übrigen Formen der Lage nach mit demselben gut über-
einstimmen, so lässt sich wohl annehmen, dass sie auch in ihren sonsli-
1)70 Dinolla-cllata.
gen Eigeiilliünilichkeiten nicht wesentlich abweichen. Wie das »Stigma
der Flagellaten liegt auch das von Glenodinium ganz direct unter der
oberflächlichen Plasmascbicht der Längsfurche, als eine verhältnissmässig
dünne Platte und da letztere sich der Längsfurche in ihrer ganzen Breite
anschmiegt, so ist sie natürlich entsprechend dieser gekrümmt und besitzt
ferner einen nach vorn schauenden hufeisenförmigen Ausschnitt.
Wie bei den Euglenen ist das Stigma aus zahlreichen kleinen
Kügelchen oder Körnchen zusammengesetzt, welche sich leicht von ein-
ander trennen. Auch das Verhalten gegen Jod wie Schwefelsäure stimmt
mit dem bei den Flagellaten überein und beweist, dass auch hier die
färbende Substanz Haematochrom ist.*)
Die Verbreitung der Stigmen unter den Dinoflagellateu lässt sich zur
Zeit aus schon angegebenen Gründen nicht ganz sicher beurtheilen.
Sie wurden vorzugsweise bei Süsswasserarten beobachtet, von marinen
scheint nur die Heterocapsa trochoideum St. sp. (= Glenodinium
trochoideum St.) einen Augenfleck zu besitzen. Wir begegnen ihm
.weiter bei den Gattungen Gymnodinium, Glenodinium, gewissen Peri-
dinien und auch zuweilen bei Ceratium (tetraceros nach Lieberkühn's
Originalien.
d. Zu den merkwürdigsten Erzeugnissen des Plasmas einer Dino-
llagellatenform gehören die Nesselkapseln und sind in vieler Hin-
sicht beachtenswerth. Einmal, weil sie unter den zur Zeit bekannten
Formen ganz unvermittelt bei der einzigen Gattung Polykrikos auftreten
und weil sie viel höher entwickelt sind als bei sonstigen Protozoen,
Wohl begegnet man ja bei Flagellaten und Ciliaten nicht selten den in
mancher Hinsicht nesselkapselartigen Trichocysten, nur bei einer einzigen
Ciliatcnform aber (Epistylis flavicans) wurden echte Nesselkapseln beob-
achtet, die wir unter den Protozoen sonst nur noch bei den Myxosporidien
linden. Doch ist die Ausbildung der Kapseln in den letztgenannten Fällen
eine viel einfachere, während diejenigen der Polykrikos denen der Cölen-
teraten selbst in feineren Verhältnissen entsprechen.
Die Kapseln liegen in nicht gerade sehr erheblicher Zahl in der
äusseren Plasmaregfon des Körpers (55 , 8 ; nk) , dem Ectoplasma
Bergh's und treten, wie letzterer nachwies, in verschiedenen Ent-
wicklungsstadien auf, wodurch der Einwand, dass sie nicht genuine
Theile des Organismus seien, widerlegt wird. Ihre Gestalt ergibt
*) Ein seltsam weiterentwickeltes Stig'ma beschreibt Poucliet (48) von einer marineu, mit
Gymnodinium zunächst verwandten Dinoüagellate , deren genauere Beschreibung jedoch leider
zur Zeit noch fehlt. Das Stigma wird hier von einer kugligen Anliäufung schwarzen Pigments
gebildet, welche im Innern des Körj^ers liegt und der ein ziemlich kugliger, linsenartigcr
Körper von glasartig durchsichtiger ]]esclialienheit, meist mittels eines stieltormig ausgezogenen
Theils angefugt ist. Letzterer Körper ist so gelagert, dass er dem bei der Bewegung voran-
gehenden Pol zuschaut. Während Pouchet nun in der Pigmentanliäufung eine Art Chorioidea
vermuthet, sieht er in dem durchsichtigen Körper einen lichtbrechenden Apparat, der sich
nach seinen Beobachtungen noch aus einer äusseren Haut, die er einer Cornea vergleichen
möchte und einer inneren Masse, die der Linse an die Seite zu stellen sei, zusammensetze.
Stiguiata; Nossülkaiisolii. Vaciiolrii. 971
sich am Resten aus der Abbildung (8c), die denn auch weiter ver-
läth, dass, wie bei den grösseren KapseUi der Cölentcratcn, der ein-
gestülpte Theil zunächst zu einer Art Vorhöhle entwickelt ist, in welche
der basale Theil des Fadens hineinragt, während der übrige feinere
Faden in dem hinteren Theil der Kapsel in dicliten Schrauben Windungen
aufgerollt liegt. Durch Druck werden die Kapseln zum Ausschnellcn ge-
bracht. Die Vorhöhle bildet dann scheinbar den vordersten Theil der
Kai)sel, von welcher sich der ausgeschnellte Faden erhebt. Welche spe-
cielle physiologische Leistung die Nesselkapseln unserer Gattung zu er-
füllen haben, lässt sich zur Zeit nicht angeben.
e. Vacuolen. Im Allgemeinen scheint das Plasma der Dinollagel-
latcn nicht besonders zur Vacuolisirung zu neigen; nur bei Klebs (36)
finde ich die Angabe, dass das Plasma der Süsswasserformen zuweilen
netzig-vacuolär sei.*) Dagegen ist das Vorkommen einiger weniger, oder
auch nur einer mehr oder minder ansehnlichen Vacuole eine recht ge-
wöhnliche Erscheinung; aber die Meinungen über die Natur dieser Va-
cuolen sind noch recht getheilte. Stein glaubt sie stets als die contrac-
tilen Behälter bezeichnen zu dürfen, obgleich er ausdrücklich erwähnt (28)
dass er ,, keine Formveränderungen an denselben wahrgenommen habe."
ßergh spricht zwar in der Uebersicht seiner Ergebnisse die Ansicht
aus, dass eine contractile „Blase" nirgends mit Sicherheit nachgewiesen
sei, dennoch versuchte er im speciellen Theil für einige Formen, wie
Prorocentrum und Peridinium tristylum wahrscheinlich zu machen, dass
die sog. Blase sich contrahire, wenngleich sehr langsam. Für die erst-
erwähnte Form betont er sogar, dass die betreffenden Vacuolen wohl den
contractilen der Flagellaten entsprächen. Besondere Verhältnisse dieser
Blase oder Vacuole führten ihn zu der Vermuthung, dass dieselbe nicht
etwa zur Entfernung von Flüssigkeit aus dem Leib des einzelligen Orga-
nismus diene, sondern dass sie zur Einfuhr flüssiger Nahrung bestimmt
sei, eine Vorstellung, welche sich also im wesentlichen mit der Stein's
von dem contractilen Vacuolensystem der Euglenen deckt (s. p. 712). Zu
letzterer Auffassung gelangte aber Bergh wohl hauptsächlich desshalb,
weil er die Vacuole namentlich bei i'arblosen Formen beobachtete,
vvesshalb ihm die Idee nahe lag, dass dieselbe in irgend einer Beziehung
zu der Ernährung derselben stehen werde, welche ja nicht mittels Chroma-
tophoren, aber doch auch nicht auf thierischem Wege vor sich gehe.
Diese Ansicht dürfte jedoch schon dadurch stark erschüttert werden, dass
auch die gefärbten und sich entschieden auf holophytische Weise ernähren-
den Formen solcher Vacuolen sicher nicht entbehren, - Während Klebs
in seiner ersten Mittheilung sich sehr skeptisch bezüglich contractiler
Vacuolen der Dinoflagellaten aussprach und die zuweilen zu beobachtende
Vacuole dem „Zelllumen'' vieler Algen vergleichen wollte, schloss er sich
*) Eine netzig vacuoläre Bcschaflbnlieit beschreibt Ponchet (48) ncuerdinc-s in dem
pcriplierisclien Plasma der vorderen Körpcrhaifte seines Gyninodiniiim crassum.
972 DiiiüflaguUata.
in seiner iiwcilen Arbeit, was das Tliatsäcliliclie angelil, den MiUheihiugen
von Bergli innig an, bemerkte aber doch, dass die Vacuoicn den „Zellsatt-
vacuülen" vieler PHauzenzellen wohl entsprechen dürften. Wir werden
aber gleich sehen, dass gewisse Erfahrungen gegen eine solche Autfassung
sprechen und es nicht unwahrscheinlich macheu, dass die Vacuuleu sich
den coiitracfileu mancher Flagellaten anreihen, wenn sie auch Ver-
schiedenheiten von den gewöhnlichen aufweisen.
Die meist in Ein- bis Zweizahl vorhandenen Vacuolen zeigen
zunächst mit denen vieler Flagellaten darin eine gewisse Uebereinstimmung,
dass sie eine ähnliche Lage haben, öie linden sich nämlich, wie es
scheint, stets in der Nähe der Geisseibasis, also auch in der Nähe der
Geisseispalte. Bei den Prorocentrinen liegen sie also im Vorderende des
Körpers (51, i b, 2 a, v), bei den Üiniferen dagegen mehr in der Mittcl-
region und, wie es scheint, häutiger im Vorder- als Hinterkörper (51,
10a; r). Letztere Lage ist nach der Abbildung Steiu's besonders aus-
gesprochen bei Ceratium tetraceros (5o, 7 a; v), wo die Vacuole etwa am
hinteren Ende des hier bekanntlich sehr langen Geisselspaltes abgebildet
wird, während sie bei den übrigen Arten gleichfalls im Vorderkörper
liegen soll, was aber wohl nicht ganz constant sein dürfte (54, la und
Ib; v). AVo die Geisseispalte ganz hinten liegt, erstreckt sich auch die
Vacuole tief in die Hinterhälfte des Körpers hinein , wie dies für Diplo-
psalis von Bcrgh deutlich geschildert wird, aber wohl auch sicher für ver-
wandte Formen, wie Blepharocysta und Podolampas, gelten dürfte. Natür-
lich findet sich die Vacuolenbildung bei den mit reducirtem Vorderleibe
versehenen Üinophysideu gleichfalls im Hinterkörper (54, 6b undöa; v).
Auch bei denjenigen Formen, welchen Bergh die Vacuole abspricht,
scheint es mir recht wahrscheinlich, dass sie nur übersehen wurde; lür
eine Anzahl derselben ist sie übrigens auch von Stein schon angegeben
worden.
Mehr vvi<i zwei Vacuolen üudeu sich wohl selten, aber es scheint,
dass die Zweizahl für einige Fornjcn eine gewisse Regelmässigkeit besitzt.
Dies gilt namentlich für die Prorocentrinen, bei welchen Bergh, Stein und
Klebs solches berichten. Die beiden Vacuoicn dieser Formen, wie die
gewisser Dinifcren, fliessen aber nicht selten zu einer einzigen zusammen
und die in solcher Weise vereinfachte Vacuole kann zeitweilig durch ein
feines, nach vorn verlaufendes Kanälchen an der Stelle der Geisselinserlion
mit der Aussenwelt in Verbindung stehen. Letzteres Verhalten wurde für
die Prorocentrinen allein von Stein geschildert (51, la), wir haben aber
keine Veranlassung an der Zuverlässigkeit seiner diesbezüglichen An-
gaben zu zweifeln, da Bergh für eine Reihe von Diniferen Aehnlichcs
berichtet hat und Klebs (44) diese Mittheilungen für wohl möglich erklärt.
Bergh will nämlich auch beobachtet haben, dass die Vacuole, wenigstens
zu gewissen Zeiten, durch ein feines Kanälchen, das in der Geisselspahe
münde, mit dem umgebenden Wasser conmuinicire. Besonders klar wurde
ihm dies bei seinem Protoperidinium pellucidum (= Poridinium tristylum
Vacuolen; Kerne. 973
Stein); weiter glaubt er, sich von demselben Verhalten noch bei einer
Anzahl Peridinidcn, wie Diplopsalis und Peridininni divergens, überzeugt zu
haben, selbst bei Ceratiuni Furca schien es iinn recht wahrscheinlich.
Ebenso gelang es, dns KanJllchen bei Dinophysis laevis wahrzunehmen.
Aus diesen Erfahrungen scheint also hervorzugehen, dass das zeitweilige
Vorkommen eines solchen Kanälchens eine weit verbreitete, vielleicht all-
gemeine Erscheinung ist.
Es verdient nun ein besonderes Interesse, dass Stein bei Prorocentruni
micans zuweilen in der Gegend, wo dieses Ausführungskanälchen der
Vacuole erscheint, ein cylindrisches Bündel eigenthiimlicher Stäbchen
wahrgenommen hat (51, Ib; s), das in mancher P>eziehung an die Schlund-
bildung von Cryptomonas erinnert, was auch Stein schon andeutete. Wir
haben vor Kurzem von Fisch*) erfahren, dass die contrnctile Vacuole
von Chilomonas in den Anfang des Schlundes einmündet, wesshalb ich die
Möglichkeit, das von Stein gelegentlich gesehene Gebilde mit dem Schlund
dieser Flagellate zu vergleichen, nicht von der Hand weisen kann. Bei
den in ziemlicher Menge von mir beobachteten, allerdings conservirten
Prorocentrinen konnte ich übrigens nie etwas von dieser Einrichtung
wahrnehmen.
Wenn nun schon die namentlich von Bergh hervorgehobene
Variabilität in der Grösse der Vacuolen auf die Möglichkeit ihrer Con-
tractionsfähigkeit hindeutet, wobei es sich jedoch natürlich nur um sehr
allmähliche und langsame Volumveränderungen handeln kann, so scheint
diese Möglichkeit noch dadurch befestigt zu werden, dass die ganze Ein-
richtung eine nicht zu verkennende Analogie mit dem Vacuolensysteni,
welches wir bei den Euglenoidinen kennen lernten, darbietet, specicll dem
der Coelomonadinen (s. p. 714). Ich möchte daher annehmen, dass_ es
sich bei den Dinotlagellaten um eine oder zwei langsam contractile Va-
cuolen handelt, welch letztere vor der Entleerung gewöhnlich zusammen-
Hiessen und sich dann durch ein feines Kanälchen nach aussen öffnen.
Die temporäre Bildung eines solchen Kanälchens kann uns nicht gerade
überraschen, da wir ja ähnliches bei den contractilen Vacuolen manchei-
Infusorien begegnen, wenn anch die Kanälchen hier die Bedeutung zu-
leitender, nicht ausleitender Apparate haben und Fisch neuerdings auch
bei Peranema trichophorum die vorül)ergehende Bildung eines derartigen
AusfMhrkanälchens bestätigte.
Namentlich die Analogie mit den erwähnten Einrichtungen der Fla
gellaten ist denn auch Ursache, dass ich mich den Anschauungen Bergh's
hinsichtlich der physiologischen Bedeutung der Vacuolen nicht anscliliessen
kann, denn bei den ersteren hat das System meiner AufiCassung nach
sicherlich nichts mit der Aufsaugung flüssiger Nahrung zu thun, wenn
auch Stein diese Ansieht für die Eugleninen entwickelte. Auch scheint
es nach unseren Erfahrungen kein Bedürfniss für chromatophoreufreie
*) Fisch, Zettschr. f. wiss. Zoologie. BJ. 42, p. S5.
974 Dinoflag-ellata.
Formen, einen besonderen Aufsaugnngsapparat auszubilden, da wir
viele pflanzliche und tbierische einzellige Wesen kennen, deren Er-
nährung auf saprophy tische Weise geschieht, obue die Beibüll'e einer
besonderen derartigen Einrichtung.
Die besonderen Verhältnisse des Vacuolenapparates der Dinoflagellaten
machen es aber aucb unmöglich, der Ansicht von Klebs zuzustimmen,
dass derselbe den Safträumen der Algenzellen gleichzusetzen sei. Es
soll aber damit nicbt in Abrede gestellt werden , dass nicht auch bei
den Dinoflagellaten Vacuolen gewöhnlicher Art, die sich jenen Zellsaft-
vacuolen der Pflanzenzellen an die Seite stellen, anzutreffen seien.
f. Die Kerne. Mit den Flagellaten bat unsere Abtheilung gemein-
sam , dass fast ohne Ausnahme nur ein einziger Nucleus vorhanden ist,
während dessen Structur, soweit sie bis jetzt erforscht wurde, von der bei
den Flagellaten gewöhnlichen ziemlich abweicht, aber doch auch An-
schlüsse an den Bau gewisser Flagellatenkerne darbietet, ebenso aber
auch an denjenigen der Infusorien-Hauptkerne.
Eine Ausnahme bezüglich der Zahl der Kerne bildet nur die Gattung
Polykrikos, da sich bei derselben gewöhnlich 4 Nuclei finden, die in
gleichen Abständen in einer Längsreihe hintereinander liegen (55,8a; n).
Diese Ausnahme darf aber wohl als eine Bestätigung der Regel gelten,
da wir ja schon aus anderen Eigenthümlichkeiten dieser Gattung kennen,
dass bei ihr eine Art segmentaler Vermehrung einzelner Organe ein-
getreten ist. Sonst wurde nur ein nicht ganz sicherer Fall von Ver-
doppelung des Kernes bei Ceratium Tripos von Bütschli (46) beobachtet.
Die Lage des Kernes scheint bei den Dinoflagellaten im Wesentlichen
constant zu sein, es ist wenigstens nicht bekannt, dass der Kern Ver-
schiebungen im Plasma erleidet, auch sind die Schwankungen, welche
wir bei den Individuen einer Art in seiner Lage beobachten, geringfügige.*)
Bei den Prorocentrinen liegt er ziemlich in der Mitte (Prorocentrum) oder
im hinteren Drittel des Körpers (Exuviaella), also im Allgemeinen ähnlich
wie bei den nächstverwandten Flagellaten. Bei den Diniferen dagegen
herrscht im Allgemeinen die Lage im Vorderkörper bei weitem vor, dessen
Mitte er dann gewöhnlich einnimmt. Bei gewissen Formen lagert er sich
ziemlich in die Mittelregion des Körpers, also in die Höhe der Querfurche,
so z. B. gewöhnlich bei Peridinium cinctum, Peridinium divergens und
Ceratium Hirundinella (nach Blanc), ebenso bei dem eigenthümlichen
Gyninodinium spirale Bergh. Es finden sich aber auch einige Gattungen,
bei welchen er im Hinterleib liegt. Natürlich ist dies bei den Dino-
physiden der Fall. Bei Dinophysis nimmt er ziemlich die Mitte des
Hinterleibes ein, liegt aber nach Bergh gewöhnlich der Rückseite genähert
(eine solch dorsale Lage soll nach dem gleichen Beobachter meist auch
*) Nur Poucliet (48) liat bei Ceratium eine eigentliümliclie langsame Eotation des Kernes,
jcdocli nur sehr seifen beobachtet. Es schien ihm, dass hierbei der gesammte Kern in Be-
wegung sei. Doch sind die P.eobachtungen nicht hinreichend zu einer wirldiihen Bejirtlw'ilnnü
dos Yortiaiigs.
Kerne (Zahl, Lage, Structur). 975
bei Diplopsalis nncl Glenodinium Wannlngii vorkommen). Aebnlicli wie
bei den Dinopbysiden ist aucb der Kern der Gattung Oxytoxuni unter
den Peridiniden gelagert, wenn unsere morpbologisebe Orientiriing der-
selben ricbtig ist (nacb Stein würde er sich auch hier in der Vorderhälfte
linden). Endlich gehören hierher noch Hemidiuium und Peridinium trist.y-
lum nach Stein, sowie Gymnodinium gracile nach Bergh.
Ziemliche JMannichfaltigkeit zeigt die Gestalt der Nuclei, welche
z. Tb. kugelförmig bis gedrungen ellipsoidiscb, weiterhin aber auch nicht
selten ziemlich langellipsoidisch sein kann. Streckt sieb der Kern noch
mehr in die Länge, so wird er bandförmig, und da solche Kerne
gewöhnlich in die Ebene der Querfurche liegen, so müssen sie sich, wenn
ihre Länge ansehnlicher wird, krümmen und erscheinen dann hufeisen-
iTtrmig (52, 3b; n). Derartige Nuclei erinnern etwas an den Hauptkern
der Vorticellen und mancher anderen Ciliaten. Zuweilen finden sich aber
auch ganz unregelmässig gestaltete Kerne. Am bezeichnendsten in dieser
Hinsicht ist Prorocentrum micans, dessen Kern Bütscbli gewöhnlich unregel-
mässig gelappt und in Fortsätze verlängert fand, doch kommen wohl auch
zuweilen einfache, ovale Nuclei vor; auch bei Peridinium divergens begegnet
man nicht selten unregelmässig gebuchteten Kernen.
Die Stellung der ellipsoidischen Nuclei zum Körper hängt etwas von
der Gestalt desselben ab, indem sich im Allgemeinen die längere Axe
des Nueleus auch dem längeren Durchmesser des Körpers parallel lagert.
Dies ist gut zu bemerken bei den langgestreckten Ceratium Furca
und Fusus, doch auch bei Podolampas und Gymnodinium spirale. Bei
dem dorsoventral stark abgeplatteten Ceratium Tripos stimmt auch der
kürzeste Durchmesser des Kernes gewöhnlich mit dem kleinsten Durch-
messer des Wesens überein.
Von höchstem Interesse ist die feinere Structur der Kerne, welche erst
in neuerer Zeit etwas genauer bekannt wurde. Von den meisten Flagellaten-
keruen und vielen der früher betrachteten Protozoen entfernen sie sich
dadurch sehr, dass der bläschenförmige Bau völlig fehlt, dagegen stets
ein fädig-netziger in ganz besonders schöner und klarer Ausbildung vor-
banden ist. Da nun eine solche Bauweise, wie wir von früher wissen
(s. p. 741), auch bei gewissen Fiagellaten , obgleich nie so deutlich,
vorkommt, so steht die Kernstructur der Dinofiagellaten diesen nicht un-
vermittelt gegenüber und schliesst sich, wie erwähnt, andererseits an die
der Infusorien-Hauptkerne an.
Von der fädigen Structur der Kerne konnte zuerst Allman (18) bei
seinem Peridinium uberrimum etw^as beobachten. Bergh nahm gewöhn-
lich nur eine feinkörnige Structur wahr, doch schien sie ihm bei den
Ceratien zuweilen etwas netzig. Gourret hat die Kernstructur ganz
übersehen , er beschreibt den Nueleus als hyalin und homogen. Erst
Klebs machte auf die eigenthümliche Bescbaftenheit des Kernes auf-
merksam, er beschreibt sie als sehr deutlich fiidig; die Kernfäden
seien relativ dick und gewöhnlich regelmässig ])arallel gelagert, nicht
97(> DinoMagellata.
homogen sondern aus einzelnen Gliedern znsanimengesetzt , welche sich
heim Vcrqnellen in Wasser von einander trennten. Feine stähchenartig,e
Gebilde beschreibt auch Blaue aus dem Nncleus des Ceratium Hirun-
dinella. Viel weniger sicher lauten die Angaben von Pouchet, welcher eine
leine Netzstructur beschrieb, häufiger aber eine durch zahlreiche kleine
Kiigelchen hervorgerufene Granulation, weiche durch ihre Anordnung
|)arallele Linienzüge erzeugen soll, beobachtet haben will.*) Auch Stein
deutete auf wenige Figuren eine parallelstreifige Beschaffenheit des Kernes
an. Zuletzt beschäftigte sich Bütschli (4ß) mit der Kernstructur und die
im Nachfolgenden zu machenden Angaben gründen sich wesentlich auf
diese Untersuchungen.
Von einer Kernmembran wurde bis jetzt kaum etwas beobachtet,
doch scheint mir ihr Fehlen nicht genügend sie hergestellt. Nur Blanc
will eine äusserst feine Membian an dem Kern des Ceratium Ilirun
diuella stets beobachtet haben. Die leichtfärbbare Masse des Kernes wird
in ganz gleichmässiger Weise von einer Gerüstsubstanz gebildet, welche
im Allgemeinen aus ziemlich dicken Fäden zusammengesetzt ist, die auch,
wie es Klebs angibt, nicht gleichmässig sind, sondern in ziemlich regel
massigen Abständen kleine Anschwellungen aufweisen (53, lOd; 54, 2b).
Ob diese Fäden in der von Klebs angegebenen Weise bei der Verquellung
in Wasser zerfallen, habe ich nicht festgestellt. Sehr gewöhnlich, nament-
lich bei den kugligen oder ellipsoidischen Kernen, ziehen nun die Fäden
in recht regelmässigem Verlauf durch den Kern, indem sie parallel, in
ziemlich geringen Abständen, nebeneinander verlaufen und zwar bald so,
dass ihre Erstreckung parallel der Längs-, bald parallel einer kurzen Keiu-
axe geht (53, 10 d). Daneben beobachtet man aber auch Fälle, wo
die Fäden schief zu der Längsaxe des Kernes ziehen und dabei
etwas bogig geschwungen sind (5t, 21)). Bei den bandförmigen und
nnregelmässiger gestalteten Kernen, zuweilen aber auch bei rundlichen,
wird der Verlauf der Fäden gewöhnlich ein uuregelmässigerer; sie ziehen
gewellt, bei gewissen Ansichten zuweilen in einer ziemlich conccntrischeu
Anordnung (52, 9 c) und namentlich in den verschiedenen Ebenen des
Kernes in recht verschiedenen Richtungen und Biegungen. Wenn dieser
Zustand seine höchste Ausbildung erreicht, macht der Kern den Eindruck
eines verworrenen Fadenkuäuels (52, 3b; n). Ich bin nun durchaus nicht
der Ansicht, dass die Structur zu allen Zeiten bei einer und derselben
Art die nändiche ist, im Gegentheil weisen die Erfahrungen über die
ziemlich ähnlichen Hauptkerne der Infusorien darauf hin, dass auch hier
wohl Veränderungen vorkommen werden; auch konnte ich tlirect beob-
achten, dass die Anordnung und die Dicke der Kernfäden bei Ceratium
Tripos ziemlich variabel ist.
*) In seiner neuen ruWikation gibt Pouchet (4S, p. .j5) ilagegen eine etwas genauere
und richtigere Darstellung iler Kernstructur, indem er den fädigen Bau hefünt und auch dessen
Moditicationcn andeutet. Das eigentliche Wesen der Structur erkannte er jedoch nicht,
Feinerer Bau des Kernes; Kerntlieilung ; Nebenkerne. 977
Genauere Untersuchung ergibt nun, dass die geschilderten Kernfäden
nicht ohne Verbindung sind, sondern dass die benachbarten in ihrer
ganzen Länge durch feine Lamellen von Kernsubstanz in Zusammenhang
stehen. Dies ergibt sich am klarsten, wenn man einen einfach gebauten
Kern mit parallel geordneten Kernfäden in einer Ansicht betrachtet, wo
die Kernfäden im optischen Querschnitt erscheinen. Dann bemerkt man
die sie verbindenden Lamellen gleichfalls im optischen Schnitt, als zarte
Linien, welche die punktförmigen Querschnitte der Fäden verbinden; das
Gesammtbild ist also das eines Netzwerkes, dessen Knotenpunkte verdickt
sind (52, 10 c). Dass auch die Kerne mit unregelmässigerem Verlauf der
Fäden dieselbe Beschaifenheit aufweisen, folgt daraus, dass, wenn es nur
gelingt, einen Theil der Fäden im optischen Querschnitt zu sehen, auch
die geschilderte Netzstructur deutlich wird (52, 9d).
Ferner Hess sich aber in manchen Fällen ziemlich klar erkennen,
dass sich auch senkrecht zu dem Verlauf der Fäden zwischen ihnen noch
zarte Verbindungen finden (54, 2 b), welche wohl gleichfalls nicht als
Fäden, sondern als zarte Lamellen aufzufassen sein dürften. Das Gesammt-
ergebniss wäre aber dann, dass die Gerüstsubstanz des Kernes nicht ein
Fadenwerk, sondern ein regelmässiger oder unregelmässiger geordnetes
Wabenwerk darstellt, dessen Längskanten zu fadenartigen Bildungen ver-
dickt sind. Eine solche Structur erweckt unser Interesse namentlich noch
desshalb, weil sie der Plasraastructur in vieler Hinsicht gleicht. .
Innerhalb des Kerngerüstes finden sich zuweilen, wenn auch nicht
gerade häufig, kleine nucleolusartige Einschlüsse; so manchmal bei
Ceratium Tripos und Hirundinella (nach Blanc gewöhnlich), Peridinium
divergens, ebenso nach Stein bei Blepharocysta und gelegentlich bei Di-
plopsalis. Auch Pouchet*) und Gourret machen auf das Vorkommen
solcher Gebilde aufmerksam Wo ich diese Nucleoli genauer untersuchte
(Peridinium divergens und Ceratium Tripos) besassen sie gleichfalls einen
feinnetzigen Bau, also wohl eine ähnliche Structur wie die eigentliche
Kernmasse, von welcher sie jedoch scharf abgegrenzt waren.
Wegen des interessanten Baues der Kerne wäre es von grosser
Wichtigkeit, etwas von ihrem Theilungsvorgange zu wissen, leider ist aber
hierüber noch nichts ermittelt worden. Das wenige, was davon bekannt
ist, macht es wahrscheinlich, dass die Theilung ähnlich verläuft wie bei
den Hauptkernen der Infusorien. Bei Polykrikos wenigstens beobachtete
Bütschli bisquitförmige, in Theilung begriffene Kerne (55, 8 b) und ähnliche
Zustände bildet auch Stein von encystirten Peridinien ab (52, 10 b). —
Schliesslich hat Blanc die Theilung des Kernes von Ceratium Hirundinella
bei der Vermehrung dieser Dinoflagellate im bewegten Zustande in ent-
sprechender Weise geschildert (53, 9 b). Vor Beginn der Theilung ver-
mehre sich der gewöhnlich vorhandene Nucleolus, wahrscheinlich durch
*) In seiner neuesten Publikation betont Pouchet die wahrscheinliche Constanz des Nu-
cleolus ; dies ist jedoch sicher unriclitig.
Bronn, Klassen des Thier-Reiclis. Pvotozoa. ß2
978 Dinoflagellata.
Theilung, zu zweien, die nun die Mittelpunkte der sich trennenden Hälften
des Nucleus einnehmen. Blanc stellt in Abrede, dass die Struetur des
Kernes bei der Theilung irgend welche Veränderungen erleide ; da aber
seine Beobachtungen über die Kernstructur jedenfalls nicht sehr ein-
gehende sind, halte ich es doch für möglich, dass bei der Theilung auch
hier gewisse Veränderungen der Kernstructur auftreten.
Man darf demnach vermuthen, dass der bisquitförmig gewordene
Kern durch allmähliche Verdünnung und schliessliches Durchreissen der
eingeschnürten Stelle seine Theilung vollendet. Ob sich dabei auch wie
in den Hauptkernen der Ciliateu die verworren-fasrige Knäuelstructur
stets ausbildet, lässt sich zur Zeit nicht angeben, scheint mir aber recht
"wahrscheinlich.
Bergh hat bei dem eben erwähnten Polykrikos eine Beobachtung
gemacht, welche, wenn sie sich auch für andere Dinoflagellaten bestätigen
sollte, die schon im Kern bau ausgesprochene Uebereinstimmung mit den
Ciliaten noch vermehren würde. Er sah nämlich der Oberfläche jedes
der 4 Kerne drei bis sechs kleine, glänzendere, also wohl dichtere
Gebilde anliegen (8 a, n'), welche sich in Pikrokarmin lebhafter wie die
Kerne färbten. Bergh hält sie, nach Analogie mit den Verhältnissen
der Ciliaten, für kleine, besonders geartete Kerne, den Nebenkernen der
Infusorien vergleichbar. Da er weiter noch fand, dass an Stelle dieser
Nebenkerne zuweilen deutliche kleine Kernspindeln vorkommen, so liegt
kein Grund vor, an seiner Deutung zu zweifeln. Damit wäre denn zum
ersten Male das Vorkommen differenter Kerne ausserhalb der Abtheilung
der Infusorien coustatirt, hie sichtlich welcher es sich nur fragen würde,
ob sie sich auch bei den Copulationsvorgängen ähnlich verhalten wie
jene der Infusorien. Bei den übrigen Dinoflagellaten wurde bis jetzt
von solchen Nebenkernen nichts sicheres aufgefunden. Es wurden
zwar neben dem Kern, besonders bei den Ceratien, zuweilen kleinere oder
grössere Gebilde wahrgenommen, welche ebenfalls Farbstoffe (Karmin)
stärker wie das Plasma aufnahmen und auch durch ihre netzförmige,
ziemlich grobe Structur an Zellkerne lebhaft erinnerten, ßutschli hat
diese Einschlüsse, welche er auch bei Dinophysis gelegentlich beob-
achtete (54, 8 a), näher beschrieben und abgebildet, zuvor hatten aber
auch schon Pouchet und Klebs auf ähnliche Gebilde aufmerksam gemacht.
Dass sie aber, wie Klebs meint, mit den sog. Keimkugeln, die Stein be-
schrieb und welche wir später specieller zu betrachten haben werden,
identisch sind, halte ich nicht für wahrscheinlich. Hervorzuheben wäre
noch, dass in den fraglichen Körpern zuweilen ein nucleolusartiges Ge-
bilde vorkommt, ganz ähnlich den oben beschriebenen Nucleoli der
Dinoflagellaten kerne.
0. Fortpflanzungserselieinuiioen der Dinoflagellaten,
Wir betreten hier ein Gebiet, welches leider noch nicht so durch
forscht ist, wie es eine zusammenhängende, abgerundete Darstellung er-
Allgemeines über die Theiluiin' (Lage der Theilcbene). 979
forderte. Wir werden uns vielmehr mit einer AufzäbluDg der da und
dort gemachten Einzelbeobachtungen begnügen müssen und können nur
die Hoffnung aussprechen, dass die kommende Zeit umfassendere Unter-
suchungen zu Tage fördern möge. Immerhin glaube ich , dass wir beim
Ueberblick des Bekannten wohl behaupten dürfen , dass sich unsere
Gruppe auch hinsichtlich der Fortpflanzungserscheiuuugen an die Fla-
gellaten anschliesst, wenngleich auch Modificationen zu verzeichnen sein
werden.
So finden wir zunächst, dass der einzige bis jetzt mit Sicherheit fest-
gestellte Fortpflanzungsact einfache Zweitheilung ist, sei es, dass
dieselbe im frei beweglichen oder ruhenden Zustande geschehe; alles,
was von Fortpflanzungserscheinungen sonst noch geschildert wurde , ist
unsicher oder recht unwahrscheinlich.
Da wir nun wissen, dass die Zweitheilung der Flagellaten, und
speciell der den Dinoflagellaten nächstverwandten Formen, fast aus-
nahmslos Längstheilung ist, so lässt sich auch hier als Fundamental-
frage die nach der Theilungsrichtung bezeichnen. Wir wollen daher
an erster Stelle versuchen, diese Frage kurz zu erörtern, da ihr ja
auch eine allgemein morphologische Bedeutung zukommt. Gerade be-
züglich der Lage der Theilungsebene zur Körperaxe stimmen die ver-
schiedenen Forscher nicht überein. Während Stein aus den Resultaten
seiner Untersuchungen schloss, dass die Theilebene quer zur Längs-
axe verlaufe, fasst Klebs die Theilung als längsverlaufende auf, wenn
auch die Richtung der Theilungsebene nicht genau mit der Längsaxe
zusammenfalle, sondern dieselbe gewöhnlich etwas schief, ungefähr unter
einem Winkel von 45 ^ oder weniger schneide. Die übrigen Forscher
haben sich nicht allgemein über diese Frage geäussert, ihre speciellen
Angaben werden bei Gelegenheit noch erwähnt werden. Ich persönlich
bemerkte vor einiger Zeit (46), dass ich die Herleitung der schiefen
Theilebene der Peridiniden aus ursprünglicher Quer- oder Längstheilung
noch für eine offene Frage halte. Durch erneute Ueberlegung dieses
wichtigen Punktes kam ich zu einer etwas anderen Auffassung, die, wie
ich glaube, die widerstreitenden Ansichten zu vereinigen im Stande ist.
Leider wissen wir von der Theilung der Ursprungsgruppe der Dino-
flagellaten, der Prorocentrinen, nur wenig; der Theilungsvorgang dieser
Formen erscheint aber besonders wichtig; ebenso wegen der Vergleichung
mit den Vorgängen bei den Flagellaten, wie zur Aufklärung der Ver-
hältnisse bei den Diniferen. Nur bei Pouchet finden wir eine Nachricht
über die Theilung der Exuviaella (seines Amphidinium operculatum),
welche, obgleich ziemlich kurz gehalten, doch wohl mit Sicherheit ent-
nehmen lässt, dass hier Längstheilung herrscht, wie bei den verwandten
Flagellaten.*) Reguläre Längstheilung findet sich weiter bei Amphidinium
*) Die neiieste Arbeit von Pouchet bringt die Abbildungen einiger Stadien dieses Tlieilungs-
processes und macht die Sache zweifellos.
62*
980 Dinoflag-ellata.
nach den Erfahrungen Stein's und dürfte, wie sich mit ziemlicher Sicher-
heit vermuthen lässt, wohl die Vermehrungsart säramtlicher Dinophysiden
sein. Doch ist kaum zu bezweifeln, dass unter den Dinifereu auch entschiedene
Quertheilung beobachtet wurde, d. h. Theilung quer zur längereu Körperaxe.
Ganz sicher scheint dies nach meinen und Bergh's Untersuchungen für Poly-
krikos und auch die nur durch Abbildungen erläuterten Angaben Stein's
über die Quertheilung bei Hemidinium halte ich für gesichert. Unsicher
scheint dagegen die ältere Angabe von Allman über die Quertheilung seines
Peridinium uberrimum, wenigstens fehlen uns, da die Form selbst zweifelhaft
erscheint, genügende Anhaltspunkte zur Beurtheiluug dieser Nachricht, welche
überhaupt die erste über Quertheilung der Dinoflagellaten ist. Es fragt
sich nun aber, kann man die Längstheilung der Prorocentrinen mit der
schiefen der meisten und der ausgesprochenen Quertheilung gewisser
Peridiuiden vereinigen. Mir scheint dies nicht schwierig, wenn wir
uns über die Axenverhältnisse bei den beiden Abtheilungen etwas genauer
orientireu. Das eine Ende der Längsaxe der Prorocentrinen wird, wie
es auch bei den Flagellaten meist ist, durch die Insertion der beiden
Geissein bezeichnet und die Längstheilungsebene der Flagellaten geht
stets durch den Ursprungspunkt der Geissein. Wir wissen nun aus der
früheren Darstellung, dass bei der wohl zweifellosen Herleitung der Dini-
feren und speciell der Peridiniden von den Prorocentrinen unter allen
Umständen eine Verschiebung des Ursprungspunktes der Geissein statt-
gefunden haben muss; derselbe ging aus seiner endständigen Lage
allmählich in eine solche über, dass er meist die Mittelregion der
sog. Bauchseite einnimmt. Wie wir uns diese Verschiebung im speciellen
entstanden denken müssen, wird erst später besprochen werden können.
Jedenfalls folgt aber hieraus, dass die längere Axe der Peridiniden
nicht der Längsaxe der Prorocentrinen homolog ist, sondern dass
eine Axe, welche von der Geisselinsertion der Peridiniden ausgeht
und senkrecht oder auch vielleicht mehr oder weniger schief zur Rück-
seite hinzieht, der Längsaxe der Prorocentrinen entspricht. Jede Ebene
also, welche bei den Peridiniden durch den Ursprungspunkt der Geissein
geht und auf der Kückenfläche senkrecht steht, dürfen wir daher
einer Längsebene der Prorocentrinen entsprechend betrachten , ja es
wird uns in Zukunft der Verlauf der Theilungsebene wohl noch wichtige
Fingerzeige für die vergleichende Orientirung der verschiedenen Formen
der Dinoflagellaten liefern. Ich kann hier auf einen schon bei den Fla-
gellaten besprochenen ähnlichen Fall hinweisen, nämlich auf die scheinbar
abweichende Stellung der Geissein und die vermeintliche Quertheilung
der Gattung Nephroselmis St., welche sich ganz ebenso zu der Längs-
theilung der verwandten Formen (seien dies nun Chlamydonionadinen,
nach meiner Auffassung, oder Cryptomonadinen, nach der Stein's) verhält,
wie die scheinbare Quer- oder schiefe Läagstheilung zu der echten Längs-
theilung der Prorocentrinen.
Ich glaube, durch diese Erörterungen gezeigt zu haben, dass sich
Thciluii^' im bewcgliclicii Zustauilc (Polykrikos, Ceratiiim). 981
bei den Dinoflagellaten, ebenso wie fast ausnahmslos bei den Flagellaten,
Längstheilung findet, und dass die Ausnahmen nur scheinbare sind, hervor-
gerufen durch die Verlagerung der ursprünglichen Längsebene, die Ver-
änderung in den Grössenverhältnissen der Axen und der Bewegungs-
richtung. Indem ich mich also der Ansicht von Klebs anschliesse,
muss ich doch hervorheben, dass ich in ganz anderer Weise eine Be-
gründung derselben versucht habe.
A. Theilung im „beweglichen Zustande".
Es scheint sicher, dass ein solcher Vermehrungsvorgang bei den
Dinoflagellaten nur selten vorkommt; dass dies aber der Fall, ist ebenso
sicher und bei einzelnen Formen ist er sogar vielleicht der häufigere.
Am bestimmtesten lauten in dieser Hinsicht die Mittheilungen Bütschli's
und Bergh's für Polykrikos, wenn auch in ihren Detailangaben man-
cherlei Differenzen bestehen. Uebereinstimmung herrscht in sofern, als
beide Quertheilung durch eine ringförmige Einschnürung in der Mitte der
längeren Körperaxe beobachteten. Verschieden lauten dagegen die Mit-
theilungen über das Verhalten der wichtigsten Organe des sich theilenden
Körpers. Bütschli fand, dass die sich vermehrenden Individuen schon
die doppelte Anzahl der gewöhnlichen acht Querfurchen besassen (Tf. 55,
8b), dass demnach jeder Theilsprössling mit 8 Querfurchen ins Leben
trat. Bergh beobachtete dagegen bei den Theilungszuständen nie mehr als
die gewöhnlichen 8 Furchen und daher hatten auch die von ihm gesehenen
Theilsprösslinge nur 4 Furchen. Ein ähnlicher, vielleicht mit obigem
zusammenhängender Unterschied fand sich bezüglich der Kerne. Bergh
fand nämlich, dass bei der Theilung einfach zwei der 4 Kerne auf den
vorderen, die beiden anderen auf den hinteren Sprössling übertraten, ohne
dass die Kerne getheilt wurden; die Sprösslinge waren also zweikernig.
Ich dagegen beobachtete, dass die 4 in eben angegebener Weise auf
die noch zusammenhängenden Sprösslinge übertragenen Kerne sich schon
theilten, bevor die Trennung geschah (Tf. 55, 8 b). Alle 4 Kerne wiesen
das gleiche Stadium der Theilung auf. Schon vor der Isolirung der
Sprösslinge vollendete sich die Theilung der Kerne. Ob nun diese Unter-
schiede, welche übrigens bedeutender erscheinen, als sie thatsächlich sind,
da ja die Vermehrung der Organe bei den von Bergh beobachteten Zu-
ständen nur verzögert erscheint, constante sind oder nur gelegentliche,
lässt sich zur Zeit nicht entscheiden.
Hinsichtlich der schon oben erwähnten Quertheilung des Hemidinium
nasutum vermögen wir nach der Abbildung Stein's nur berichten, dass
dieselbe durch einfache Einschnürung in der Mitte der längeren Axe
zu geschehen scheint (Tf. 51, 3 b), und dass die noch zusammenhängen-
den Sprösslinge schon alle Organe besitzen.
Wenn wir von den unsicheren älteren Angaben Ehrenberg's, Perty's,
Claparede's und Anderer über Längstheilung im beweglichen Zustande
absehen, welche erst später nach ihrer wahrscheinlichen Bedeutung
982
Diiioflat'X'llata.
ZU erörtern sein werden, bleibt uns namentlich noch die Betrachtung
gewisser Theilungserscheinungen bei den Ceratien. Obgleich der
Gegenstand nicht in ganz genügender Weise aufgeklärt ist, scheint
aus den vorliegenden Daten doch ziemlich sicher hervorzugehen, dass
auch diese, mit starker, getäfelter Hülle versehenen Dinoflagellaten
theilungsfähig sind. Die ersten Mittheilungen rühren von Bergh her,
welcher bei sämmtlichen von ihm studirten Ceratienarten nicht selten frei-
schwimmende Individuen fand, welchen eine Hälfte der Schalenhülle fehlte
(53, 7b). Auch beobachtete er, dass zuweilen zwei derartige Individuen,
mit den nackten Theilen gewissermaassen verklebt, munter mit ein-
ander umherschwammen. Bergh blieb unsicher über die Deutung seiner
Beobachtungen, namentlich mangelte ihm ein Kriterium, um die erwähnten
Doppeliodividuen als Theil- oder Conjugationszustände zu bestimmen, er
Hess die Frage daher offen, neigte aber doch mehr zu ihrer Auffassung
als Conjugationszustände.
Auch Stein fand die nur halb umhüllten Formen bei Ceratium Furca
und Tripos, erklärte sie aber für verstümmelte Exemplare, welche die
nackten Theile durch Neubildung ergänzt hätten. Dass nun aber diese
Zustände nicht durch Verstümmelung entstanden sein können, folgt wohl
bestimmt daraus, dass bei allen von beiden Beobachtern abgebildeten
die fehlende Schalenhälfte stets ein ganz bestimmter Theil der Hülle ist,
nicht etwa eine zufällig abgebrochene Partie. Das Gleiche besagen end-
lich auch die Beobacbtuagen Blanc's an Ceratium Hirundinella.
Die Hülle erscheint üämlich bei den fraglichen Individuen stets durch
eine schief zur Längsaxe des Körpers verlaufende Linie halbirt und zwar
zieht diese Linie etwa von der Mitte der rechten seitlichen Vorderhälfte
zu der der linken hinteren Seitenhälfte, sowohl auf der Rück- wie der
Erklärung des Holzschnittes Fig. 10. Schema des Zerfalls der Hülle von Ce-
ratium Trii30s bei der schiefen Zweitheilung. Die linke Figur zeigt die Bauchseite, die rechte
die Rückseite, beide Inder Ansicht von der Bauchseite. Die Tafelnäthe, längs welcher der
Zerfall geschieht, sind durch die Schraffirung bezeichnet.
Thciluüjj im beweglielieii Zustande (Ceratiimi). 983
Bauchseite. Ein genaueres Studium der Abbildungen von Stein und Bergh
lässt dann ferner mit genügender Sicherheit, wie mir scheint, erkennen,
dass die Trennung der beiden Schalenhälften längs der Nähte gewisser
Tafeln geschieht und zwar in übereinstimmender Weise bei allen hierauf
genauer untersuchten Ceratien. Um eine weitläufige wörtliche Beschrei-
bung zu ersparen, habe ich auf nebenstehendem Holzschnitt für Ceratium
Tripos die Nähte der Tafeln angegeben, längs welcher, aller Wahr-
scheinlichkeit nach, die Trennung sich vollzieht. Fig. a zeigt die Trennungs-
linie auf der Bauch-, Fig. b auf der Rückseite und zwar die Rückseite
gleichfalls in ventraler Ansicht.
Man begegnet nun in gleicher Weise Individuen, welche noch die
rechte (53, 7 b) und solchen, welche die linke Hälfte der Schale besitzen ;
schon diese Erfahrung scheint mir zu Gunsten der Ansicht zu sprechen,
dass hier Theilzustände vorliegen, bei welchen jedes der Theilindi-
viduen eine Schalenhälfte mit sich nahm. Weiter spricht hierfür der
Umstand, dass die schiefe Trennungslinie der Hülle im Allgemeinen den-
selben Verlauf zu nehmen scheint, wie die Theilebene bei den Peri-
diniden, soweit ich hierüber nach den Erfahrungen Stein's, Klebs' und
eigenen zu urtheilen vermag. Auch hier scheint nämlich die Theilebene
von rechts vorn nach links hinten zu ziehen. Endlich haben wir nun
noch die Beobachtungen Blanc's über Ceratium Hirundinella, welche einen
solchen Theilungsvorgang fast zur Gewissheit erheben. Derselbe fand
bei dieser Art, wie schon früher geschildert wurde, Theilungszustände
des Kernes unter Vermehrung des Nucleolus zu zweien und bisquitförmiger
Einschnürung des Nucleus. Die Anfangsstadien dieses Theilungsprocesses
wurden bei Individuen beobachtet, die äusserlich keine Veränderung
zeigten; der fortgeschrittenste Thcilungszustand des Kernes fand sich
aber in einem Individuum, welches von einer ringförmigen Furche
umzogen war, deren Verlauf recht wohl mit der oben geschilderten
Trennungslinie der beiden Hüllhälften tibereinstimmt (53, 9 b). Leider
scheint gerade die Untersuchung dieses entscheidenden Zustandes nicht
besonders gelungen zu sein. Der Verlauf der Furche auf der vorderen
rechten Seite stimmt genau mit der Trennungslinie der Hülle (bei Stein
und Bergh) überein, auf der linken hinteren Hälfte dagegen wird er etwas
abweichend angegeben. Die Furche soll nämlich hier auf der rechten
Seite der Basis des grossen hinteren Hörn es (aah) verlaufen, so dass
dieses bei der Theilung dem linken Sprössling verbliebe. Letzteres ist
aber wahrscheinlich unrichtig, da dieses Hörn, welches von der Anta-
picalplatte entspringt, nach den Erfahrungen Stein's und Bergh's der
rechten Hüllhälfte verbleibt. Wir sind um so mehr berechtigt, in diesem
Punkt einen Irrthum bei Blanc zu vermuthen, als derselbe gleichfalls In-
dividuen mit hälftiger Hülle beobachtete und sie mit Recht als Sprösslinge
deutet, welche dem beschriebenen Theilungsact entstammen, aber bei einem
solchen Sprössling, welcher die linke vordere Hälfte der Hülle besitzt,
lässt er das hintere Hörn fehlen, dasselbe verbleibt also auch nach seiner
984 Dinoflagellata.
Wahrnehmung dem rechten Theilsprössling. Das eben erwähnte Exemplar
ist noch desshalb interessant, weil ihm das hintere Hörn und das
rechte Öeitenhorn auch als Protoplasmagebilde noch völlig fehlten.
Der nackte, von der verbliebeneu linken vorderen Hüllhälfte nicht bedeckte
Plasmakörper bildete nur eine unregelmässig vorspringende Masse, welche
augenscheinlich im Auswachsen begriffen war. Die Längsfurchengeissel
ist auf der Abbildung angegeben, das Individuum war also beweglich.
Noch ist hervorzuheben, dass auch das Verhalten des Kernes in dem
geschilderten Individuum mit der ringförmigen Furche für den Theilungs-
process sprach ; der tief bisquitförmig eingeschnürte Kern stand nämlich
mit seiner Längsaxe senkrecht zu der vermuthlichen Theilebene, so dass
seine eine Hälfte in die rechte hintere Hälfte, die zum rechten Sprössling
wird, hineinragte, die andere Hälfte in die linke Vorderhälfte, welche
den linken Sprössling erzeugt.
Leider wird über die Geisseiverhältnisse der mit Kerntheilungen
versehenen Individuen nichts berichtet; vielleicht waren die Geissein
rückgebildet und bilden sich für die beiden Sprössliuge neu. Immerhin
dürften wir den Theilungsvorgang auch dann zu den im beweglichen
Zustande erfolgenden rechnen.
Aus dem Mitgetheilten scheint mit ziemlicher Sicherheit hervorzu-
gehen, dass Blaue die richtige Deutung des Vorganges gegeben hat und
demnach bei den Ceratien schiefe Zweitheilung im beweglichen, oder
wenigstens unencystirten Zustand vorkommt, wobei jeder Sprössling die
Hälfte der Schalenhülle mitnimmt und nach erfolgter Isolirung die man-
gelnde Körperhälfte sammt dem zugehörigen Theil der Hülle hervorbildet.
Diese Auffassung wird namentlich auch durch das entsprechende Ver-
halten der Hülle bei der Längstheilung der Exuviaella marina unterstützt.
Nach den Erfahrungen Pouchet's (37 u. 48) nimmt hierbei, ähnlich wie
bei der Theilung der Bacillariaceen , jeder der Sprösslinge eine der
beiden Schalenklappen mit sich; die Theilung scheint jedoch in diesem
Falle stets im geissellosen Zustande stattzufinden, der Vorgang gehörte
also eigentlich unter den folgenden Abschnitt.
Andererseits kann jedoch auch bei gewissen Diuoflagellaten ein
Theilungsprocess im beweglichen Zustande, ohne Betheiligung der Hülle,
analog den Verhältnissen bei Polytoma unter den Flagellaten, vorkommen.
Klebs (45) hat dies für Glenodinium obliquum festgestellt. Der Weich-
körper zerfällt hier durch schiefe Längstheilung innerhalb der Hülle und
ohne Verlust der Geissein in zwei Sprösslinge (51, 12), welche sich
wahrscheinlich später, nach Abstreifung der Hülle und unter Neubildung
besonderer Geisseisysteme isoliren werden.
B. Vermehrung durcl: einfache oder fortgesetzte Zweit h eilung im ruhenden
Zustande einschliesslich der En cys ti rungsvorgänge überhaupt.
Es wurde schon früher bemerkt, dass solche Vermehrungsprocesse
bei den Dinoflagellaten sicher die häufigeren sind. Wie bei den Fla-
Theiliing- iui riihoudeii Zustande (Peridiiiiuin, (iyinuodinium, Glenodinium). 985
gellaten kann der Ruhezustand entweder nur in dem Verlust der
Geissein bestehen und die Thcilung sich dann nur wenig von den im
vorigen Kapitel beschriebenen Vorgängen unterscheiden , oder es umhüllt
sich der ruhende Körper gleichzeitig mit einer besonderen Cystenmembran,
unter deren Schutz die Theilung geschieht. In letzterem Fall geht
die Schalenhülle, insofern eine solche existirte, nach der Encystirung
gewöhnlich verloren. Der Theilungsvorgang selbst ist in den sicher be-
kannten Fällen die schiele Zweitheilung, welche schon im vorigen Kapitel
erörtert wurde. Dieselbe kann sich an den Theilsprösslingen unter Um-
ständen noch mehrfach wiederholen, so dass die Zahl der in einer
Cyste enthaltenen Nachkommen ziemlich beträchtlich werden kann.
Bei manchen Formen wurden auch Cystenbildungen beobachtet, ohne
Nachweis gleichzeitiger Vermehrung; wir können dieselben zur Zeit
nicht scharf von den ersterwähnten trennen und werden sie desshalb
nicht gesondert besprechen. Einen Unterschied zwischen Cysten- und
Dauerzuständen zu machen, wie wir es bei den Flagellaten gehalten
haben, scheint bei den Dinoflagellaten schwierig, doch liegen Beob-
achtungen über Encystirungsprocesse vor, welche wohl auf die Bezeichnung
Dauerzustände Anspruch machen dürfen. Uebrigens besitzt ja die Unter-
scheidung der ßuhe- und Dauerzustände keine grosse Bedeutung.
Ziemlich die einfachsten Theilungsvorgänge im ruhenden Zustande
dürften nach den übereinstimmenden Angaben von Stein und Klebs bei
den Peridiniden vorkommen.
Die Beobachtungen beider Forscher beziehen sich auf Feridinium
tabulatum und cinctum. Nachdem das Feridinium seine Geissein verloren
hat, was zweifellos durch Abwerfen geschieht, gelangt es zur Ruhe,
zieht sich unter Condensation des Plasmas in der Schalenhülle kuglig
zusammen, wobei die Furchen ganz verschwinden sollen und scheidet
hierauf eine gallertige Umhüllung aus , unter deren speciellem Schutz
die Theilung geschieht. Letztere erfolgt als schiefe Längstheilung, wobei
die Theilebene nach den Erfahrungen von Klebs einen ziemlich spitzen
Winkel mit der Längsaxe bildet (52, 6d). Der Kern (n) ist mittlerweile
in die Mitte der Kugel gerückt und theilt sich nun, jedenfalls senkrecht
auf der Theilebene (genaueres über den Vorgang der Kerntheilung ist
unbekannt). Wenn die Tochterkerne etwas auseinandergerückt sind, be-
merkt man nach Klebs längs der späteren Theilebene zwei dicht neben
einander verlaufende dunkle Streifen , die gewöhnlich aus dunklen Körn-
chen zusammengesetzt sind (6d). Die ganze Erscheinung erinnert an
die sogen. Zellplatte (Strassburger) bei der Theilung pflanzlicher Zellen.
Hierauf vollzieht sich die Trennung der Sprösslinge, doch blieb der nähere
Vorgang dabei noch unermittelt. Ich glaube aber annehmen zu dürfen,
dass die Trennung durch eine allseitige ringförmige Einschnürung ge-
schehen wird. Nach der Sonderung der Sprösslinge quillt die un-
getheilt gebliebene Gallerthülle auf und sprengt die Schalenhülle längs
der Querfurche (6 e). Jetzt erst erlangen die ovalen bis kugligen
986 Diuoflasellata.
Spiösslinge allmählich wieder neue (?) Furchen und beginnen wohl
auch die Production einer Schalenhülle, doch ist Näheres über ihre
weitere Entwickelung noch unbekannt. Bei Peridinium cinctum kommt es
nun nicht selten vor, dass der von der Gallerthülle umgebene kugiige
Organismus schon vor der Theilung aus der alten Öchalenhülle hervor-
tritt; dieser Process leitet über zu der Bildung der Cysten mit festerer
Haut. Auch Peridinium divergens zeigt Zweitheiluug des zusammen-
gezogenen Körpers innerhalb der Schalenhülle (Pouchet und Bütschli),
wobei die Theilebene ganz deuselben Verlauf hat wie bei den erstgenannten
Peridinien (Bütschli). Wie Pouchet vermochte auch ich um die getheilten
Körper keine Gallerthülle wahrzunehmen, doch schliessen sich diese Zu-
stände vielleicht näher an die oben (s. p. 984) von Glenodiniura obliquum
geschilderten an.
An die besprochenen Vorgänge reihen sich die bei den Gym-
nodinien wahrgenommenen nahe an. Klebs bemerkte bei Gymnodinium
fuscum Zweitheilung in einer nicht sehr dicken Gallerthülle; auch
Stein bildet ein ruhendes Gymnodinium aeruginosum in einer sehr dicken
Gallerthülle ab (51, 8), wogegen er bei Gymnodinium Vorticella Cysten
mit dicht aufliegender, dünner, membranöser Hülle beobachtete. In
den beiden letztgenannten Fällen besassen die encystirten Wesen, ab-
gesehen von den Geissein, ihre volle Ausbildung; dünnhäutige Cysten
beobachtete auch Pouchet bei seinem Gymnodinium Archimedis.
Auch Glenodinium scheint sich hier anzureihen. Man findet häufig
ruhende Formen desselben in kugliger bis ovaler zarter membranöser
Hülle, welche nach Bütschli's Auffassung die Schalenhülle ist, deren
Querfurche verstrich. Unter dem Schutz dieser Hülle wurde nun von
Stein und Klebs auch Zweitheilung, von ersterem sogar Viertheilung beob-
achtet, wobei eine besondere Gallerthülle nicht zur Ausbildung zu gelangen
scheint. Dagegen fand Bergh ruhende Glenodinium cinctum mit sehr
weit abstehender klebriger, also wohl gallertiger Hülle, und verfolgte
auch innerhalb derselben Zweitheilung (51, 10 d). Mir scheint dass die
letzteren Zustände aus den erstgeschilderten hervorgehen können, indem
die ursprüngliche Schalenhülle unter Entwicklung einer Gallertcyste all-
mählich verloren geht.
Bei nicht wenigen Formen bildet sich um den Körper der ruhenden
Form statt einer Gallertumhüllung eine membranöse festere Cystenhaut,
und derartige Cysten scheinen dann meist die Schalenhülle abzustreifen.
Ein solcher Vorgang wurde von Stein bei Goniodoma acuminatum gut
dargestellt. Die in der Schalenhülle gebildete Cyste mit ziemlich derber
Haut ist kuglig und ihr Inhalt lässt von . den Furchen nichts mehr
erkennen. Derselbe theilt sich nach Abstreifung der Schalenhülle in
zwei oder weiter in 4 Sprösslinge (52, 5d), welche auf Stein's Ab-
bildungen die Querfurche schon deutlich zeigen. — Schon in den fünf-
ziger Jahren, konnte Lieberkühn einen ganz entsprechenden Vorgang
bei Ceratium tetraceros vortrefflich beobachten, leider wurden aber
Theiluii!;- im ruhciuleii Zustande und Cysteubildung (Ceratium). 987
die Beobachtuugen nicht veröffentlicht. Aus seinen mir vorliegenden
Abbildungen geht hervor, dass sich in der Schalenhülle auch hier
eine kuglige Cyste bildet, an deren Inhalt die Furchen deutlich er-
halten bleiben; die weiteren Abbildungen (53, 7c— d) zeigen drei Spröss-
linge (4 ?) mit wohl entwickelten Furchen in der Cyste, die Theilung
schreitet also auch hier mindestens bis zu der Vierzahl fort. — Kuglige,
dünnhäutige Cysten mit Vermehrung des encystirten Körpers durch deut-
lichste Längstheilung bildet Stein auch für Amphidinium opereul. u.
lac. ab; es scheint, dass die Querfurche hierbei immer erhalten bleibt
(54, Fig. 6d). Etwas modificirt erscheint schliesslich ein analoger Vor-
gang bei dem interessanten Pyrophacus, indem sich die Schalenhülle
als weiterer Schutz der ziemlich derbhäutigen Cyste gewöhnlich zu er-
halten scheint; die Zweitheilung wird hier wohl wie bei den nahe ver-
wandten Peridinien schief längs verlaufen (54, 3 c). — Endlich will
Gourret bei Podolampas (seiner Parrocelia) Cysten innerhalb der Schalen-
hülle beobachtet haben, deren Inhalt in eine grössere Anzahl rundlicher
Körper zerfiel. Die Abbildungen lassen übrigens von einer Cystenhülle
um diese Körper nichts erkennen.
Auch Stein konnte bei Ceratium tetraceros Encystirung in der Schalen-
htille beobachten und sah die Cysten später frei werden. Dieselben
waren jedoch, im Gegensatz zu den eben geschilderten immer etwas un-
regelmässig eckig, entsprechend der gehörnten Gestalt des Ceratiums.
Theilung des Inhalts wurde nicht beobachtet. Letztere Cysten scheinen
entschieden mehr die Natur von Dauerzuständen zuhaben, da sie nach
Stein's Angabe den Winter über ohne Vermehrung ruhten. Aus einigen
trat im Frühjahr ein mit noch dünner Hülle versehenes Individuum
wieder hervor. Dieselben Dauerzustände hatte auch Lieberkühn schon
beobachtet und auf seiner Abbildung zeigt die Cystenhülle deutlich die
drei Hörner des Ceratiums als etwas unregelmässige Vorsprünge, aus
welchen sich der Plasmakörper zurückgezogen hat. Die Cystenhülle ist
mehrere Male dicker als die der ersterwähnten Cysten, was mit der Auf-
fassung als Dauerzustände wohl harmoniren würde.
Dem gleichen Vorgange begegnen wir auch bei Ceratium Hirun-
dinella, sowohl nach den alten Beobachtungen Lieberkühn's wie den
neueren Stein's. Hier ahmt aber die dicke Cystenhülle (53 , 9 c)
noch deutlicher die Gestalt des Ceratiums nach, da sie vier lange, den
Hörnern entsprechende Fortsätze besitzt. Der Plasmainhalt der Cyste er-
streckt sich auch hier nicht in diese Fortsätze hinein, dieselben scheinen
vielmehr nach den übereinstimmenden Darstellungen der beiden Forscher
solid zu sein. Die Abbildung Lieberkühn's lässt endlich eine deutliche
Netzzeichnung auf der Oberfläche der Cystenhülle, ähnlich der der ge-
wöhnlichen Scbalenhülle erkennen. Die Bildung solcher Cysten muss
ohne vorherige kuglige Zusammenziehung des Plasmas geschehen; erst
nach der Abscheidung der Hülle zieht sich dasselbe aus den Hörnern
allmählich zurück, wesshalb dieselben an der Cyste angedeutet bleiben.
988 Dinoflagellata.
Es scheint mir nun ziemlich sicher, dass die sog. gehörnten Cysten,
welche zuerst von Claparede und Lachmann beschrieben, gleichzeitig aber
auch von Lieberkühn aufgefunden und vorzüglich abgebildet wurden
(nicht publizirt), den eben erwähnten Dauercysten der Ceratien analog
sind. Leider glückte es bis jetzt noch nicht, die Abstammung dieser
Cysten mit aller Schärfe festzustellen, wenn es auch wenig zweifelhaft
ist, dass die des süssen Wassers zu Peridinium gehören.
Wahrscheinlich reihen sich in dieselbe Kategorie auch die Cysten,
welche Stein bei seinem Peridinium umbonatum beobachtete; ihre Ent-
stehung scheint nicht verfolgt worden zu sein; sie sind dickhäutig und
länglich bohnenförmig; jedenfalls musste daher der Plasmakörper des
Peridinium beim Uebergang in den encystirten Zustand eine Streckung
erfahren, was auch für die gehörnten Cysten gilt. Wie bei letzteren er-
folgt auch in den Cysten des Peridinium umbonatum Vermehrung durch
Zweitheilung, doch blieb das Nähere des Vorganges unermittelt. Aehnlich
gestaltete Cysten fand Klebs im süssen Wasser; ihre Herkunft blieb
unbekannt, sie werden nur im Allgemeinen als ruhende Peridiniden-
formen characterisirt. Als besonders bemerkenswerth bezeichnet er für
sie, dass der eingeschlossene Plasmakörper gewöhnlich eine weite Zell-
safthöhle enthält, die von Plasmasträngen durchsetzt werde. Auch in diesen
Cysten erfolgt Zweitheilung, jedoch bestimmt in querer Richtung zu der
Längsaxe, welche doch sonder Zweifel der Längsaxe des Peridiniums
entspricht. Klebs, welcher bekanntlich entschiedener Vertheidiger der
Längstheilung der Dinoflagellaten ist, äussert sich leider nicht näher, wie
er diesen, von ihm selbst beschriebenen Fall der Quertheilung mit seiner
Ansicht vereinigen will. Ich muss übrigens gestehen, dass ich nach den
Abbildungen dieser Cysten bei Klebs etwas zweifelhaft werden könnte,
ob dieselben wirklich von Dinoflagellaten herrühren.
Die gehörnten Cysten des süssen Wassers, welche von Stein ver-
muthungsweise zu Peridinium cinctum und tabulatum gezogen werden,
haben nun desshalb besonderes Interesse, weil, die Richtigkeit dieser
Vermuthung vorausgesetzt, bei ihrer Erzeugung gewisse Gestaltsverände-
ruugen der Peridinien stattgefunden haben müssen, welche die Bildung
der hornartigen Fortsätze veranlassten, denn die betreffenden Peridinien
besitzen keine solche. Die Cysten sind mehr oder weniger lang spindel-
förmig und entweder (? Peridinium cinctum, 52, 10 a— c) nur an dem einen
Pol in einen hornartigen, zugespitzten Fortsatz verlängert oder an beiden
Polen (? Peridinium tabulatum, 52, 11). Der einfache Fortsatz der erst-
genannten Cysten entspricht dem Hinterende des eingeschlossenen Peri-
dinienkörpers ; dies lässt sich stets deutlich erkennen, da in den meisten
Cysten der Peridinienkörper , abgesehen von dem Mangel der Geissein,
vollständig organisirt ist. Nicht immer scheint es jedoch so zu sein, denn
bei Claparede und Lachmann, wie bei Lieberkühn finden sich Abbildungen
solcher Cysten, deren Inhalt keine Furchen zeigt und bei Lieberkühn
auch solche letzterer Art, wo der Inhalt die Cyste völlig erfüllt und bis
Theilung im ruhenden Zustande nnd Cystenbildung (gehörnte Cysten). 989
•
in die Spitzen der Höruer hineinragt. Wir dürfen wohl annehmen, dass
solche Cysten jugendlicher sind und uns über die Bildung der Hörner
Aufschluss geben. Der Peridinienkörper rauss sich am einen oder an
beiden Enden in solche Fortsätze verlängert haben, als die Cystenmembran
abgeschieden wurde. Später zog er sich dann aus den Hörnern zurück
und nahm wieder eine der normalen entsprechendere Gestalt an, wobei
gleichzeitig, wie wir es auch bei den Ceratiencysten fanden, die ursprüng-
lich hohlen Hörner durch weitere Ausscheidung zu soliden umgebildet
wurden, denn als solche sind die Hörner auf den Abbildungen der drei
erwähnten Forscher in übereinstimmender Weise dargestellt.
Es lässt sich heute kaum eine Vermuthung über die Bedeutung dieser
eigeuthümlichen Hörnerbildung äussern. Nur die Abbildungen Lieber-
kühn's können vielleicht einen Wink in dieser Hinsicht geben, denn sie
zeigen mehrere solche Cysten, die mit dem einen Hörn festgeheftet sind.
Darunter ist namentlich eine mit reticulirter Cystenhaut, deren etwas
abweichende Gestalt auch anzudeuten scheint, dass sie von einer anderen
Art herrühren muss wie die bei Stein beschriebenen. Bemerkenswerth
scheint auf diesen Abbildungen auch eine doppeltgehörnte Cyste, welche
ein völlig organisirtes Wesen enthält, dessen Längsfurchengeissel aus
einer Oefluung des hinteren Hornes hervorragt. Die eben geäusserte An-
sicht über die eventuelle Bedeutung der Fortsätze der gehörnten Cysten
der Peridinien findet eine directe Stütze in der Beschaffenheit der von
Cienkowsky beobachteten Cysten der Exuviaella Lima; dieselben
sind birnförmig, d. h. mit einem spitzig auslaufenden Pol der im All-
gemeinen ovalen, dünnhäutigen Hülle versehen und mittels dieses Fort-
satzes festgeheftet. Weiter unten werden wir noch ganz ähnlich gebaute,
festsitzende Cysten eines Gymnodinium's kennen lernen, die Pouchet auffand.
Auch scheint es nach den Erfahrungen des letzterwähnten Forschers, dass
vorübergehende Festheftung im Leben mancher Dinoflagellaten während des
sogen. Häutungsprocesses vorkommt, welcher manche Uebereinstimmung
mit der Encystirung zeigt und von dem im Kapitel über die Biologie
unserer Abtheilung ausführlicher die Rede sein wird.*)
Claparede und Lachmann beobachteten auch in der Nordsee eine
sehr langgestreckte doppeltgehörnte Cyste. Wenn man annehmen will,
dass nur Peridinien derartige Cysten erzeugen können, müsste man
sie wohl auf Peridinium divergens beziehen. Dies erhält noch dadurch
eine Bestätigung, dass Gourret solche gehörnte Cysten nicht selten im
Mittelmeer fand und gleichfalls auf Peridinium divergens bezog. Er will
*) Auch in der neuesten Arbeit Pouchet's (18) findet sich die Beschreibung einer Er-
scheinung an Exuviaella Lima, welche viel Aehnlichkeit mit einem Encystirungsprocess hat.
Pouchet beobachtete innerhalb der Schalenhülle geisselloser Individuen die Bildung einer
farblosen, meist von einer deutlichen zarten Hülle umgebenen Kugel, neben welcher sich meist
noch das Residuum der Chromatophoren , zu einem Häufchen zusammengeballt, vorfand.
Letzterer Umstand namentlich macht es sehr zweifelhaft, ob hier ein Encystirnngsprocess oder,
was ich für wahrscheinlicher halte, die Entwickelung eines parasitischen Organismus vorlag.
990 Dinoflagellata.
die Bildung dieser Cysten so beobachtet haben, dass der zusammen-
gezogene Peridinienkörper, nur von einer feinen Cystenmembran umkleidet,
aus der Schalenhülle hervortritt und erst nach dem Freiwerden unter Ver-
dickung der Membran die Hörner bildet.*)
Die gehörnten Cysten der Peridinien unterscheiden sich nun von
denen der Ceratien, soweit sich bis jetzt urtheilen lässt, dadurch, dass
unter ihrem Schutz lebhafte Vermehrung stattfindet. In den beiderlei
Cysten des süssen Wassers kann die Vermehrung mindestens bis zur
Vierzahl, nach der Abbildung einer doppeltgehörnten Cyste bei Lieber-
kühn wahrscheinlich zuweilen auch bis zur Achtzahl fortschreiten.
Acht Sprössliuge beobachtete Claparede auch in der langen marinen
Cyste. Aus Stein's und LieberkUhn's Beobachtungen scheint bestimmt hervor-
zugehen, dass die sich theilenden Individuen stets deutliche Furchen
zeigen (52, 10 b, 11). Die Theilung verläuft in der von früher bekannten
Weise schief zur Längsaxe, wie die Figuren Stein's sicher angeben
(s. Fig. 10 b und 11, T. 52).
Was Gourret über die Theilung des Inhaltes der Cysten von Peridinium divergens be-
richtet, scheint zum geringsten Theil auf eigenen Beobachtungen zu beruhen und wird noch
dadurch verwirrt, dass er die an dem ungetheilten Inhalt oder den Sprösslingen nicht
selten zu beobachtende Quer- und Längsfurche für die Andeutung neuer Theilungen hält,
wodurch er zu der seltsamen Vorstellung einer Dreitheilung solcher Sprösslinge gelangt und
glaubt, dass die Zahl derselben in einer Cyste bis auf 24, ja 62 steigen könne, was durchaus
unbewiesen, ja unwahrscheinlich ist. üeberhaupt sind die Begriß'e. welche Gourret von Cysten
und Larven hat, etwas verwirrt; so bezeichnet er die gehörnten Cysten als Larven und die
darin eingeschlossenen Sprösslinge als Cysten. Was er weiterhin von freischwimmenden Larven
formen dieses Peridiniums berichtet, beruht der Hauptsache nach auf irrigen Deutungen,
indem er gewisse Peridinidenformen, ja sogar ein Phalacroma, für solche Larven hielt.
In den gehörnten Cysten, Avie in den Dauercysten der Ceratien tritt
eine eigenthümliche Umlagerung der Chromatophoren ein, auf welche
Stein aufmerksam machte. Die Chromatophoren ziehen sich nämlich von
der Oberfläche, unter welcher sie, wie früher bemerkt, lagern, in das
Centralplasma zurück und sammeln sich bei den Ceratien in einer Zone um
den Kern an. Stein zeichnet bei Ceratium eine angeblich zusammen-
hängende Zone bräunlichen Pigmentes um den Kern (53, 9c, pi), in
welcher einzelne Chromatophoren nicht zu unterscheiden sind. Hieraus
folgern zu wollen, dass sich die Chromatophoren bei dieser Zu-
sammenhänfung vereinigen, scheint mir etwas gewagt. In den gehörnten
Cysten von Peridinium erfolgt diese Concentrirung der Chromatophoren
gleichfalls, und zwar sammeln sie sich entweder zu einem centralen
Haufen oder zu zweien, je einem im Vorder- und Hinterleib. Doch
scheint der Kern dabei nicht als Centrum zu fungiren, da er neben dem
*) Auch Pouchet (48) hat dieselben Cysten neuerdings mehrfach beobachtet, möchte
sie jedoch zu Gymnodinium ziehen, wofür ausreichende Gründe nicht angegeben wer-
den. AVeiterhin fand er eine marine doppeltgehörnte Cyste mit ungetheiltem Inhalt, die er
gleichfalls von einem Gymnodinium (nahe verwandt mit G. spirale B.) abzuleiten versucht. In
letzterem Fall erscheint die Deutung gesicherter, da er die fragliche Form auch im nicht en-
cystirten Zustande auffand.
Ruhezustände. UnvollsUindig-c Tlieiluna:. 991
Chromatopborenhaufen liegt. Stein bildet dann weitere Cysten von Peri-
dinium cinctum (?) ab, an welcbeu Chiomatopboren nicbt mebr erkennbar
sind, dagegen an Stelle des Chroniatopborenbaufens eine oder mebrere
rothe Oelkugeln, welcbe nacb seiner Auffassung durcb Umbildung der
Cbromatopboren entstanden. Letzteres balte icb noeb für unbewiesen
Er bemerkt weiter, dass diese Oelkugeln allmäblicb resorbirt würden.
Scbon bei früberer Gelegenbeit wurde betont, dass die Bildung rothen
Oels im Plasma ruhender Zustände recht häufig ist; auch Klebs bebt dies
hervor und gibt bei dieser Gelegenheit noch an, dass der braune Farb-
stoff unter diesen Umständen mebr und mehr zurücktrete; ob er wirklich
verloren geht oder nur verdeckt wird, wird jedoch nicht gesagt. Die
letzterwähnten Angaben von Klebs beziehen sich im Speciellen auf Dauer-
zustände, welche er bei gewissen Peridinien (tabulatum und cinctum)
beobachtet haben will. Dieselben sollen entstehen, wenn man die Peri-
dinien auf dem Objectträger allmählich eintrocknen lässt; dabei ziehe
sich (Perid. tabulatum) das Plasma in der Schalenhülle zusammen und
scheide eine Cystenhaut aus, welche aus einer dünnen, cuticularen äusseren
und einer dickeren, weicheren inneren Schicht bestehe und keine Ober-
üächenstructur zeige. Aehnlich verhalte es sich auch mit Peridinium
cinctum, doch werde hier die Schalenhülle „von vornherein" abgeworfen.
Im Allgemeinen hätten also diese Cystenzustände ziemliche Aehnlichkeit
mit den gewöhnlichen Theilcysten, doch finde ich bei keinem der anderen
Beobachter eine Angabe über Doppelschichtigkeit der Cystenhülle.
Am Schlüsse dieses Abschnittes wollen wiv noch kurz üher einen eigenthümlichen Yer-
mehrungsprocess berichten, welchen Pouchet (47) in jüngster Zeit von einem marinen Gymno-
dinium beschrieben hat.
Bis jetzt liegt darüber nur ein vorläufiger Bericht vor, der eine ausreichende Beurtheilung
nicht zulässt. Pouchet fand auf den Schwänzen von Appendicularien kleine (0,02 Mm), an-
fänglich ungefärbte, später braune, von einer zarten Membran umhüllte, einkernige Körper,
die mit einem stielförmigen Pol ihres im Allgemeinen birnförmigen Körpers festgeheftet waren
und allmählich bis zu einer Länge von 0,180 Mm. heranwuchsen. Dann lösten sie sich von
dem Stiel ab und wurden nun in grosser Menge an der Meeresoberfläche freischwimmend
gefunden. Letztere Gebilde begannen dann einen Vermehrungsprocess durch fortgesetzte
Zweitheilung. Lnwiefern sich die Membran daran betheiligt, kann icli aus der Darstellung
nicht hinreichend erkennen, doch macht letztere mir den Eindruck, als wenn es sich dabei
um die Bildung pleurococcusartiger Verbände handelte, wie wir sie bei der fortgesetzten Zwei-
theilung gewisser Flagellaten im Ruhezustand (Chlamydomonadinen) fanden. Nachdem durch
reiche Vermehrung der Durchmesser der Sprösslinge bis auf 0,01 Mm. gesunken ist, werden
dieselben in Gestalt kleiner Dinoflagellatcn beweglich Wie diese sich weiter verhalten und
schliesslich wieder auf den Appendicularien zur Ruhe gelangen, wurde nicht festgestellt.*)
*) Aus der mittlerweile veröffentlichten genaueren Schilderung dieser Vorgänge ergibt
sich im Allgemeinen nicht viel mehr, als was wir schon im Text auf Grund der vorläufigen
Mittheilung berichteten. Nachzutragen wäre hauptsächlich, dass die erste Theilung fast stets
eine Längstheilung ist, jedoch zuweilen auch quer zu der Längsaxe der birnförmigen Gebilde
verlaufen soll. Auch wird im Allgemeinen bestätigt, dass unsere Auffassung des Theilungs-
actes, als analog mit dem gewisser ruhender Flagellaten, richtig ist. Jede Theilung scheint
zunächst unter dem Schutz einer dünnen Cystenhülle zu geschehen, die. sich jedoch nach voll-
zogener Sonderung der Sprösslinge rasch auflöst, so dass letztere frei werden. Dann bildet
992 Dinoflagellata.
C. üeber das Vorkommen unvollständiger Theilung.
Schon bei den Flagellaten fanden wir, dass zuweilen unvollendete
Theilzustände auftreten, bei welchen die Theilung auf recht verschiedenen
Stadien sistirt sein konnte und die so entstandenen, seltsamen Doppel-
individuen nun, wie gewöhnliche, frei umherschwärmten. Auch fanden
wir bei jener Gelegenheit, dass solche Doppelindividuen gelegentlich als
Copulationen betrachtet wurden. Letzteres hat nun höchstwahrscheinlich
bei unserer Gruppe gleichfalls stattgefunden. Auch hier begegnet man
solchen Doppelindividuen, sowohl im beweglichen wie ruhenden Zu-
stande. Bewegliche Formen solcher Art fand schon Ehrenberg bei Gym-
nodinium fuscum, Glenodinium pulvisculus und cinctum und hielt sie für
Längstheilungen, worin ihm Perty und Claparede folgten. Stein dagegen
erklärte sie für Copulationen, an welche er dieselbe Hypothese von der
Entwicklung innerer Embryonen aus den vereinigten Kernen anknüpfte,
die wir schon bei den Flagellaten besprachen. Klebs erhob sich
zuerst für die, schon namhaft gemachte Auffassung dieser Vorkomm-
nisse, indem er bei Gymnodinium ihr Hervorgehen aus unvollendeter
Theilung direct beobachtet haben will.*)
Für die letztere Deutung spricht denn auch eine Reihe von Gründen.
Die Doppelindividuen (51, IIa — b) sind immer so mit einander vereinigt,
wie es ihre Entstehung aus unvollständiger Theilung verlangt. Die Ver-
einigungsebene der beiden Individuen liegt nämlich, wenn wir sie als
Theilzustände auffassen, ganz analog der schiefen Längstheilungsebene,
zieht also von vorn rechts nach hinten links. Demnach stehen auch die
beiden Individuen, wie bei der Theilung nicht direct neben einander, son-
dern das linke weiter vor wie das rechte.
Auch das Verhalten der Schalenhülle bei den Doppelindividuen be-
schälter Gattungen spricht gegen ihre Auffassung als Copulationen. Beide
werden nämlich von einer gemeinsamen Hülle umkleidet, welche der
Doppelgestalt des Körpers genau entspricht. Es wäre schwer vorstellbar, wie
bei einer Verschmelzung eine solche schrittweise Vereinigung der Hüllen
eintreten könnte, dennoch möchte ich einen derartigen Vorgang nicht für
ganz unmöglich halten. — Ferner hat Bütschli (46) ruhende Zustände
dieser Art bei Glenodinium cinctum viele Tage verfolgt, ohne die geringste
Veränderung, weder im Sinne der Vollendung der Theilung, noch der
jeder Sprössling eine neue zarte Hülle und so fort. Bei zuweilen eintretender Behinderung
der weiteren Theilung können die Sprösslinge auch successive mehrere in einander geschach-
telte Hüllen ausscheiden. Im Verlaufe der fortgesetzten Vermehrung nimmt der Gehalt an
braunem Farbstoff mehr und mehr ab, so dass die frei werdenden Gymnodinien nahezu farb-
los sind. Ausser den birnförmigen Körpern , deren Herkunft von den gestielten Cysten der
Appendicularien sicher erscheint, finden sich an der Meeresoberfläche noch ähnliche eiförmige,
welche genau dieselbe Weiterentwicklung durchlaufen und die daher auch wohl eine ähnliche
Herkunft haben.
*) Auch Pouchet (4S) beobachtete bei dem auf vorhergehender Seite erwähnten Gym-
nodinium zuweilen bewegliche, durch unvollendete Theilung entstandene Doppelindividuen.
Unvollständige Thcilung. Copulation. 993
weiteren VerschmelzuDg wahrzimehmen. Nach Analogie der Verhältnisse
bei den copulirendeu Flagellaten hätten wir endlich Grund zu der An-
nahme, dass bei der Copulation die Vereinigung mit gleichnamigen Stellen,
wahrscheinlich den Geisselinsertionen , geschehe, welcher Voraussetzung
die Doppelindividuen gleichfalls widersprechen.
Die weiteren Entwicklungsstadien, welche Stein diese angeblichen
Zygoten durchlaufen lässt, dürfen wir aber getrost, wie bei den Flagel-
laten , als irrige betrachten , hervorgerufen durch Entwicklung eines
parasitischen Organismus; denn er schildert sie ganz wie die gewisser
Flagellaten, und letztere verdienen eine solche Beurtheilung sicher-
lich. Nur die Doppelwesen, welche Stein von Amphidinium lacustre ab-
bildet (54, 7 b), erscheinen in dieser Hinsicht etwas zweifelhaft, ich werde
desshalb bei der Besprechung der Copulation nochmals auf sie zurück-
kommen.
Wenn wir nun zugeben, dass die Doppelformen der Peridinien keine
Copulations-, sondern sistirte Theilzustände sind, so sind dieselben viel-
leicht geeignet, einige nähere Aufschlüsse über gewisse Verhältnisse des
Zweitheilungsprocesses zu geben, da sie dann gewisse Stadien fixirt
und eingehenderem Studium zugänglich, vorführen. So konnte Bütschli
an ruhenden Doppelwesen des Glenodinium cinctum beobachten, dass
die, beiden Individuen gemeinsame Querfurche stark in die Länge ge-
zogen war, also nun eine steile, rechts gewundene Schraube darstellte,
ähnlich wie sie bei dem Gymnodinium spirale Bergh (51, 5) dauernd er-
scheint. Die schon durch eine schwache Einschnürung angedeutete Tbeil-
ebene lief in der bekannten Weise, so dass sie die noch gemeinsame
Querfiirche in eine rechte und linke Hälfte zerlegte. Die beiden Halbwesen
hatten stets schon gesonderte Kerne. Aus diesen Ergebnissen scheint
zu folgen, dass bei der schiefen Längstheilung der Peridinien, inso
fern diese bei Individuen stattfindet, welche die Querfurche noch be-
sitzen, letztere so zerlegt wird, dass das eine Individuum die eine,
das andere die andere Hälfte derselben mit sich nimmt, worauf dann an
den getrennten Sprösslingen Ergänzung der Furche eintritt. Dieses Re-
sultat harmonirt denn auch gut mit den Abbildungen Stein's über den
Theilungsvorgang in den gehörnten Cysten von Peridinium (52, 10 b), der
Längstheilung von Amphidinium und den Ergebnissen über die Theilung
im freien, beweglichen Zustande.
10. Copulations- und Conjugations- Erscheinungen.
Obgleich wir annehmen müssen, dass solche Vorgänge auch bei
unserer Abtheilung nicht fehlen, liegen leider keine hinreichend ge-
sicherten Beobachtungen darüber vor. Wir erwähnten schon im vorigen
Abschnitt, dass die von Stein abgebildeten Copulationsformen wohl eine
andere Deutung erhalten müssen und dass nur für Amphidinium la-
custre die Angelegenheit etwas zweifelhafter erscheint. Hier bildet näm-
lich Stein mit einander umher schwimmende, in verschiedenen Stellungen
Bronn, Klassen des Thier-Keiclis. rrotozoa. 63
994 Dinoflagellata.
ZU einander befindliche Paare ab (54, 7 b), welche doch vielleicht die An-
fänge von Copulation gewesen sein könnten.
lieber Copulation bei Glenodinium cinctum berichtet auch
Askenasy (46), welcher gefunden haben will, wie zwei wahrscheinlich
nackte Individuen sich aneinander anlegten, indem sich die hintere Hälfte
des einen an die vordere des anderen heftete, und beide in solcher Weise,
anfänglich nur durch einen Punkt vereinigt, längere Zeit mit einander
umherschwammen, sich unter Umständen auch wieder losrissen und Ver-
bindungen mit anderen Individuen eingingen. Nachdem die Vereinigungs-
stelle etwas umfangreicher geworden war, kamen die Paare plötzlich zur
Ruhe. An der ruhenden Zygote Hess sich aber eine weitere Veränderung
nicht constatiren. Askenasy hält denn auch die ruhenden Doppelindivi-
duen von Glenodinium, welche wir schon oben erwähnten, für Zygoten,
doch kann ich mich zu dieser Annahme noch nicht entschliessen, auch
wenn die von Askenasy beobachteten Vereinigungen wirkliche Copulationen
waren, was ich nicht für zweifellos halte.
Zweifelhaft muss uns auch der Conjugationsakt erscheinen, welchen
Joseph (29) von einem nicht weiter bekannten Peridinium stygium aus
einer der Krainer Grotten beschrieb.
Es soll sich hier um einen wirklichen Conjugationsprocess, wie bei
den Infusorien handeln, indem sich beide Individuen nur eine Zeit lang
vereinigen. Die Vereinigung geschehe in der Weise, dass sich die Wesen in
verwendeter Stellung, das Hinterende des einen nach vorn, das des anderen
nach hinten gerichtet, mit den Geisselspalten (Mundspalte nach Joseph)
aufeinanderlegen und durch hier ausgetretenes Plasma zu verkleben
scheinen. „Die Kerne scheinen aneinander gerückt zu sein und bildeten
eine Bisquitform, während die in ihrer Masse enthaltenen Körnchen in
lebhafter Bewegung ergriffen waren.'' Nach einigen Stunden trennten
sich die Individuen, worauf sie unter Geisseiverlust in einen Ruhezustand
übergingen. Nun sollen weitere Veränderungen an dem Kern dieser Ruhe-
zustände eintreten. Bei den meisten soll derselbe einfach bleiben, zuweilen
aber sich in zwei theilen, von welchen der eine in den Vorderkörper,
der andere in den Hinterkörper rücke. Dann beginne der einfache, resp.
doppelte Kern sich zu vergrössern, indem er das Plasma gewissermaassen
aufzehre und schliesslich erfülle er, resp. die beiden Kerne, den ganzen
Körper. Im letzteren Falle erscheint der Körper dann in zwei Kugeln
(die vergrösserten Kerne) getheilt. Durch Zerfall der Schalenhülle werden
nun die einfache oder die beiden Kugeln frei, nachdem sie eine zarte
Hülle ausgeschieden haben. Die fernere Entwicklung verlaufe ganz
verschieden, je nachdem eine oder zwei Kugeln gebildet wurden. In
letzterem Falle entwickeln sich dieselben einfach zu jugendlichen Peri-
dinien; im ersteren dagegen treten in der Kugel zahlreiche Bläschen
auf, so dass dieselbe schliesslich ganz prall von solchen erfüllt ist; letz-
tere werden endlich durch Bersten der Kugelhülle frei und entwickeln
sich zu jugendlichen Peridinien.
Copulation. Kctteubildung. 995
So, wie die Mittheiluog von Joseph vorliegt, als kurze nicht von Ab-
bildungen begleitete Notiz, lässt sich schwerlich ein bestimmtes Urtheil
über die beschriebenen Vorgänge gewinnen. Ich kann jedoch nicht ver-
hehlen, dass mir die angeblichen Entwicklungsvorgänge im Gefolge der
Conjugation recht zweifelhaft erscheinen.
11. Kettenbildun^.
Schon in der historischen Einleitung erwähnten wir, dass Michaelis
bei marinen Ceratien zuerst eine eigenthümliche Vereinigung zweier
Individuen beobachtete, die er abbildete, im Text aber nicht erwähnte.
Erst viele Jahre später wurden Murray und Pouchet auf diese Erscheinung
wieder aufmerksam, wobei es sich herausstellte, dass viel mehr wie zwei
Individuen in solcher Weise aneinandergereiht sein können , also eine
wirkliche Kettenbildung statthaben kann (Taf. 53, 8 und 10 a).
Nicht allein bei den Ceratien wurde übrigens dieses Phänomen beob-
achtet, sondern auch bei einer von Pouchet als Glenodinium cinctum ge-
deuteten marinen Form, deren Bestimmung aber, wie früher erwähnt,
unsicher scheint. Endlich wurde noch bei einer Dinophysis (acuta var.
geminata Pouchet = Dinophysis Homunculus Stein) das Zusammenhängen
zweier Individuen constatirt, doch muss es zweifelhaft erscheinen, ob es
sich hier um einen entsprechenden Vorgang handelte.
Die Kettenbildung der Ceratien beobachtete Pouchet bei C. Furca
und Tripos; bei der ersteren Art stieg die Zahl der vereinigten Individuen
bis auf acht, bei der letzteren wurden nur Ketten von zwei bis drei
Individuen gefunden; bei Cer. Fusus fand Pouchet keine Ketten, doch bil-
dete schon Michaelis solche von zwei Individuen ab. Die Zusammen-
fügung der Einzelwesen zu einer Kette geschieht bei den Ceratien immer
in einer bestimmten Weise, woraus hervorgeht, dass es sich nicht um
etwas zufälliges handelt. Alle Individuen der Kette sind gleich gestellt
und das vordere Hörn eines jeden heftet sich an die rechte ventrale End-
stelle der Querfurche des Vorgängers (s. die Abbild. Taf. 53). Diese
Art der Zusammenfiigung ist schon auf den Abbildungen von Michaelis
angedeutet; sie dürfte wohl damit zusammenhängen, dass das vordere
Hörn an seinem Ende geöffnet ist, also das hier freie Körperplasma sich
bei der Vereinigung, resp. Festheftung, betheiligen kann. Fraglich ist
es, ob es sich nur um eine Anheftung oder um eine wirkliche Vereini-
gung der Plasmakörper handelt.
Etwas anders sind die Ketten des fraglichen Glenodinium gebildet.
Dieselben enthielten bis 4 Individuen, welche einfach hintereinander ge-
reiht waren, so dass der vordere Pol des hinteren an dem hinteren des
vorhergehenden befestigt war. Diese Kettenbildung erinnert, wie auch Pouchet
bemerkte, an die von Allman beschriebenen Quertheilungszustände seines
Peridinium uberrimum; es liegt daher die Möglichkeit vor, dass letztere
solche Vereinigungen waren, was auch desshalb interessant erschiene,
63*
996 Dinoflagellata.
weil dies der erste Fall von Kettenbildung bei einer Süsswasser-
form wäre.
Bei Dinopbysis Homunculus kamen Vereinigungen zweier Individuen
mittels der Rücken zur [Beobacbtung; sie berührten sich mittels eines
am Rücken dieser Art vorspringenden Fortsatzes der Schalenhülle, wobei
also das eine Individuum seine Bauchseite nach rechts, das andere nach
links wendete. Die Verbindungsweise war demnach eine ganz andere
wie bei den Peridiniden, wesshalb es auch etwas fraglich erscheinen
muss, ob es sich um das gleiche Phänomen handelt.
Ganz unsicher ist zur Zeit die Bedeutung der Kettenbildung.
Der nächstliegende Gedanke wäre der an Conjugation oder Syzygien-
bildung. Ein Fall, wie er dann bei den Ceratieu vorläge, wäre nicht
ganz ohne Analogie, denn auch bei der Syzygienbildung der Grega-
riniden konnte Frenzel neuerdings das Aneinanderhängen einer ganzen
Anzahl Individuen, unter Kettenbildung beobachten*). Klebs spricht sich
sehr bestimmt gegen eine solche Deutung aus, ohne aber seine Gründe
zu entwickeln; er möchte in der Kettenbilduug eine „rein biologische Er-
scheinung" erkennen, „eine Anpassungserscheinuug an das pelagische
Leben, welches sehr verschiedene Organismen zu einer solchen Ketten-
bildung führe." Welche Organismen er dabei im Auge hat, geht aus der
Bemerkung nicht hervor, vielleicht die kettenbildenden Bacillariaceen und
die Ketten der Salpen. In diesen Fällen handelt es sich aber immer um
einen ursprünglichen Zusammenhang von Individuen, welche durch Thei-
lung oder Sprossung aus geraeinsamer Stätte hervorgingen. Gerade letz-
teres scheint nun für die Ketten der Dinoflagellaten wenig wahrscheinlich;
nichts deutet wenigstens darauf hin, dass dieselben durch fortgesetzte
Theilung entstanden seien; man könnte höchstens vermuthen, dass die
zahlreichen, durch fortgesetzte Theilung gebildeten Sprösslinge einer Cyste
in solcher Kettenform ins Freie gelangten. Ich halte es daher für wahr-
scheinlicher, dass die Ketten nachträglich, durch Vereinigung ursprünglich
isolirter Individuen entstehen und kann desshalb auch die Möglichkeit, dass
das Phänomen mit Copulation etwas zu thun habe, einstweilen noch nicht
für ausgeschlossen erachten**).
*) Archiv f. mikroskop. Anatomie, Bd. 24, p. 545.
**) In seiner neuesten Publikation (48) theilt Pouch et noch einige weitere Beobach-
tungen über die Kettenbildung mit, ohne jedoch der Frage nach ihrer Bedeutung wesentlich
näher zu kommen. Er neigt jetzt der oben schon angedeuteten Möglichkeit zu, dass die Ketten
aus den Theilsprösslingen einer Cyste hervorgingen , nennt diese Vereinigungen jedoch auch
häufig „Conjugationen.'" Er beobachtete nun auch eine Kette zweier Gymnodinium
Spirale, deren Vereinigung nach dem bei den Ceratien gewöhnlichen Modus gebildet
war. Dagegen fand er einige Mal Verbindungen zweier Ceratium Fususin ganz ab-
weichender Weise, indem beide Individuen in gleicher Orientirung neben einander lagen und
in der Gegend der Querfurche vereinigt schienen. Hinsichtlich der oben geschilderten Paare
von Dinophysis hebt er jetzt hervor, dass die beiden vereinigten Individuen nicht gleich
gebildet, sondern spiegelbildlich verschieden seien ; das eine ein rechtes, das andere ein linkes
Exemplar. Mir scheint dies etwas zweifelhaft, da solche Verschiedenheiten noch von Nie-
Kcttciibilduiig. System (Historisches). 997
Wie aus den obigen Bemerkungen hervorgeht, sind die bis jetzt vor-
liegenden Untersuchungen noch zu aphoristische, um die Natur der jeden-
falls sehr interessanten Erscheinung näher zu bestimmen.
13. System der Dinoflagellaten,
A. Historisches.
Bezüglich der Ansichten Ehrenberg's und Dujardin's übei- die syste-
matische Stellung unserer Gruppe können wir füglich auf den historischen
Abschnitt verweisen, wo dieselben schon erörtert wurden. Siebold reihte
1848 die Dinoflagellata als Familie der Peridinäen in seine Ordnung der
Astoma ein ; sie fanden hier ihren Platz neben einer Anzahl Flagellaten,
welche die Familie der Astasiaea bildeten. Bei Perty begegnen wir
ihnen als Familie der Peridinida unter seinen Filigera und erst Claparede
und Lachmann trennten sie von den übrigen Flagellaten als besondere
Ordnung der Cilioflagellata ab. Von Diesing wurden sie 1866 zu
einem besonderen Typus der „Trichosomata" unter den Mastigophora
erhoben und in zwei Familien, die der Mallomonadinea und der
Peridinea gesondert. Die erste Familie enthält neben Mallomonas, die,
wie wir schon bei den Flagellaten erfuhren, gewiss nicht hierhergehört,
noch die Gattung Prorocentrum , die zweite Familie alle übrigen Dino-
flagellaten, unter welchen Diesing eine ziemliche Anzahl neuer Genera
errichtete, die aber fast alle unhaltbar erscheinen.
Wie auf anderen Gebieten des Systems schloss sich auch Kent (32)
in seinem systematischen Versuch Diesing darin an, dass er in seine
Ordnung der Cilioflagellata eine Eeihe nicht hierhergehöriger Formen auf-
nahm, welche neben den Geissein noch Cilien besitzen sollen. Alle echten
Dinoflagellaten finden sich bei ihm in der Familie der Peridiniidae,
der er noch 4 weitere Familien anreihte; einmal wie Diesing die Mallo-
monadidae (nur Mallomonas enthaltend), ferner die Heteromastigodae
(auf die Gattung Heteromastix gegründet, deren Nichthierhergehörigkeit wir
schon bei den Jlagellaten p. 830 erörterten), endlich die beiden Familien der
Stephanomonadidae und Trichonemidae, jede derselben mit zwei
Gattungen. Zwei dieser Genera wurden von Fromentel (Flagell. No. 146)
aufgestellt: Stephan omonas und Trichonema, sie sind ganz zweifel-
hafter Natur und unsicher, wie die Beschreibungen dieses Autors gewöhnlich.
Die Gattung Astmathos von Salisbury, eine parasitische Form des Men-
schen, bedarf gleichfalls erneuter Untersuchung; nach den jetzigen Schilde-
rungen gehört sie zu den zweifelhaftesten Protozoen, was in gleichem
mandem sonst bei dieser Gattung wahrgenommen wurden. Schliesslich schildert er noch paar-
weise Vereinigung bei Prorocentrum micans; die beiden Individuen waren mit den ent-
gegengesetzten Seiten in im Allgemeinen gleicher Orientirung vereinigt, doch ihre Längsaxen
unter einem Winkel von etwa 45 " gekreuzt, Speciell der letztgeschilderte Fall scheint auch
mir auf unvollständige Theilung rückfuhrbar und gehörte daher vielleicht besser in ein früheres
Kapitel.
b
998 Dinoflagellata.
Maasse von der Perty'scben Gattung Mitophora gilt, die als die zweite
der Trielionemidae aufgeführt wird. Wir können daher in dem System
Kent's nur einen Rückschritt in der Umgrenzung der recht einheitlichen
Dinoflagellatengruppe erkennen. Auch in der Errichtung der Gattungen
und Arten verfährt Kent ohne scharfe Kritik, so dass sich darunter viel
unhaltbares findet. Die Gattung Polykrikos verwies er schliesslich zu den
Ciliaten.
Das von R. S. Bergh i. J. 1882 errichtete System muss als ein wirklicher
Fortschritt bezeichnet werden. Er unterschied in seiner Ordnung der Cilio-
flagellaten zwei Familien, die der Adinida mit Frorocentrum und die der
Diniferen, welche alle übrigen umschloss. Die grosse Differenz zwischen
diesen beiden Gruppen war ja schon lange aufgefallen, so dass Stein noch
1878 die Gattung Frorocentrum überhaupt von den Dinoflagellaten trennen
wollte. Die Diniferen werden von Bergh in drei Subfamilien zerlegt,
die Dinophysida, Feridinida und Gymnodinida, von welchen
die beiden ersten recht natürliche sind, die letztere dagegen wohl keinen
Anspruch hierauf machen kann. In der Feststellung der Arten verfuhr
Bergh recht exact und die von ihm neu errichteten Gattungen sind meist
acceptabel.
Ein gleiches lässt sich von den beiden im Jahre 1883 erschienenen
Arbeiten von Fouchet (37) und Gourret (38) nicht behaupten. Es finden sich
vielmehr bei ihnen nicht wenige Unsicherheiten und Unrichtigkeiten in
den Bestimmungen, auf die wir im speciellen Theil hinzuweisen haben
werden und bei Gourret eine Tendenz zur Zersplitterung der Arten, welche
in Betracht der grossen Variabilität der Dinoflagellaten entschieden viel zu
weit geht.
Als Grundlage für die systematische Behandlung der Dinoflagellaten,
speciell die Feststellung der Genera, wird die umfassende Bearbeitung
Stein's (38) betrachtet werden müssen, schon desshalb, weil ihm der
grösste Reichthum an Formen zu Gesicht kam und er auch ein gutes
Auge für Erkennung generischer Zusammengehörigkeit hatte, wie sich nicht
leugnen lässt. Aus diesem Grunde, und da ich nicht zur Entscheidung
der Frage berechtigt bin, welche der 1883 erschienenen Arbeiten die
Priorität beanspruchen darf, halte ich mich in zweifelhaften Fällen an
die Namengebung Stein's. Stein unterschied unter seinen arthrodelen
Flagellaten 5 Familien, von welchen die der Prorocentrinen mit den
Adinida Bergh's zusammenfällt, weiterhin die der Noctilucida unhaltbar
erscheint, da zwei der ihr zugeschriebenen Gattungen zu den Peridiniden
gehören, Noctiluca aber wohl richtiger den Typus einer besonderen
Ordnung bildet. Es bleiben ferner noch die Peridiniden (einschliesslich
der Gymnodinidae Bergh's), die Dinophysiden und endlich eine Familie
der Cladopyxiden, welche noch zu unsicher erscheint, um acceptirt
werden zu können und auch einstweilen recht gut mit den Peridiniden
vereinigt werden kann.
Verwandtschaftliclie Bezieliuugeii der Diiioiiagellata. 999
B. Verwandtschaftliche Beziehungen der Dinof lagellaten
zu den übrigen Protozoen und einzelligen pflanzlichen Organismen.
Durch die Einreihiing der Gruppe in die Klasse der Mastigo-
phoren haben wir unsere Ansicht über ihre nächsten Verwandten
schon ausgesprochen. Die Beziehungen zu den Flagellaten wurden auch
seit Ehrenberg selten verkannt und von den neueren Forschern meist
stark betont. Bergh leitete sie von den Flagellaten her und Stein ord-
nete sie seiner Flagellatenabtheilung direct ein. Nur Klebs (36) verhält
sich etwas zweifelnd und zieht es vor die Dinoflagellaten „als eine scharf
gesonderte Familie in die grosse und mannichfaltige Gruppe der Thallo-
phyten zu stellen." Dieselben Gründe, welche uns bei den Flagel-
laten bestimmten, die zu entschiedenen Pflanzen hinneigenden Formen
von den übrigen nicht zu sondern, müssen uns auch veranlassen, die in
ihrer überaus grossen Mehrzahl sich entschieden holophytisch ernährenden
Dinoflagellaten unter den Protozoen zu belassen.
Die Beobachter sind auch ziemlich einig darüber, mit welchen zwei-
geisseligen Flagellaten wohl die nächsten Beziehungen existiren. Schon
Ehrenberg sprach dies dadurch aus, dass er Prorocentrum zu den Crypto-
monadinen zog und Exuviaella marina geradezu als eine Cryptomonas
beschrieb (20, 1872). Auch Klebs (44) erkennt an, dass die Beziehungen
zwischen den Prorocentrinen und den Cryptomouadinen nicht zu leugnen
sind und Bergh, welcher die Flagellatenabstammung unsererer Gruppe
besonders warm vertritt, wollte sie von den Thecomonadinen herleiten
und wies namentlich auf eine von ihm beobachtete Form der letzteren
hin, welche, den kurzen Angaben zufolge, wohl sicher nichts anderes
wie Exuviaella marina war.
Recapituliien wir kurz die Punkte in dem Bau der Prorocentrinen,
welche an die Cryptomouadinen erinnern. Einmal ist dies die Körper-
gestalt, namentlich auch der Zahnfortsatz gewisser Prorocentrumformen,
welcher mit der Oberlippe von Crypto- und Chilomonas identisch zu sein
scheint; weiter die Stellung der beiden Geissein und der in seiner Be-
schaffenheit an das Peristom der Cryptomouadinen erinnernde Geisselspalt
an deren Basis; endlich die beiden Chromatophorenplatten sammt ihrer Fär-
bung bei Exuviaella. Abweichend dagegen ist der Besitz einer Schalenhülle,
welche den Cryptomouadinen, vielleicht mit Ausnahme von Oxyrrhis fehlt ;
ferner der Mangel einer scharf ausgeprägten contractilen Vacuole, wogegen
sich ein Vacuolensystem findet, welches vielleicht an das gewisser Eugle-
ninen erinnert. Wenn wir in letzterem Verhalten einen Anklang an eine
andere Abtheilung der Flagellaten begegnen, so erinnert auch die, aus zwei
leicht auseinanderfallenden Klappen gebildete Schalenhülle an die gewisser
anderer Isomastigoden, der Phacotinen nämlich, so dass, wenn auch die
nächsten Beziehungen zu den Cryptomouadinen nicht zu verkennen sind,
der Ursprung der Dinoflagellaten doch wohl weiter zurückverlegt werden
muss, in Formen, welche eine Mischung von Characteren zeigten, wie sie
bei jetzt lebenden Flagellaten noch nicht beobachtet wurde.
1000 Dinoflagellata.
Wie zu den Flagellaten wurden auch Beziehungen unserer Gruppe
zu der dritten Abtheilung der Mastigophoren, den Cysto flagellaten in
neuerer Zeit festzustellen versucht. Zuerst machte AUman*) auf die Ver-
wandtschaft beider Ordnungen aufmerksam, doch waren die von ihm auf-
geführten Grüode wenig beweisend, wesshalb denn auch seine Ansicht
lange keinen Anklang fand. In neuester Zeit sprachen sich Kent, Pouchet
und Stein für die Verwandtschaft beider Abtheilungen aus und letzterer
reihte Noctiluca sogar direct unter seine arthrodelen Flagellaten ein**).
Auch ich erklärte (46), mich endlich für die Beziehungen zwischen den
beiden Abtheilungen, vermag mich aber der Stein'schen Anschauung
nicht anzuschliessen. Wir werden daher auch die Cystoflagellaten erst
später als eine gesonderte Gruppe betrachten und es wird dort auch
unsere Aufgabe sein, ihre Verwandtschaft mit den Dinofllagellateu speciell
darzulegen.
AVir haben endlich schon früher erfahren, (s. d. historische Einleitung),
dass schon Ehrenberg durch die Stellung , welche er unserer Gruppe
gab, deren Beziehung zu den cihaten Infusorien unzweifelhaft andeuten
wollte. Erst bei Claparede und Lachmann finden wir diesen Gedanken
schärfer formulirt: die Cilioflagellaten galten ihnen als eine Mittelgruppe
zwischen den bewimperten Infusorien und den Flagellaten, obwohl
sie den letzteren viel näher verwandt seien, wie den ersteren. Dass sie
unsere Gruppe hinter den Acineten aufführen, kann nicht, wie Bergh
meint, so gedeutet werden, als schrieben sie den Dinoflagellaten eine
nähere Verwandtschaft mit den Suctoria zu. Später wurden die Be-
ziehungen der Dinoflagellaten zu den Ciliaten namentlich von Bergh
lebhaft betont; derselbe erblickte in den ersteren die Gruppe, von welcher
die Ciliaten phylogenetisch entsprungen seien.
Wie es schon Ehrenberg angedeutet hatte,_ sollten zunächst die peri-
trichen Ciliaten aus den Dinoflagellaten hervorgegangen sein, speciell
die Gattung Mesodinium (Stein), welche Bergh als eine primitive Peritriche
betrachtete, vermittle den Uebergang. Die Unhaltbarkeit einer solchen
Auffassung wurde in zweifacher Weise dargelegt; einerseits durch die
Erfahrung, dass bei den Dinoflagellaten gar kein Ciliensystera vorhanden
ist, aus welchem die Cilienbekleidung der Infusorien hervorgegangen sein
könnte und andererseits durch die genauere Untersuchung der Gattung
Mesodinium, welche wir hauptsächlich Entz verdanken***). Durch Letz-
teren wurde aber festgestellt, dass diese Gattung kaum nähere Beziehungen
zu den Peritrichen besitzt. Unsere heutigen Kenntnisse verwehren uns
also, der Annahme einer näheren Verwandtschaft zwischen Ciliaten und
*) Quarterl. journ. micr. science. N. s. V. XII. p. 326 — 332.
**) Aehiüich spricht sich auch Pouchet in seiner neuesten Arbeit (48) aus, wo er Nocti-
luca sogar zu Gymnodinium ziehen will.
***) Zeitschrift f. wiss. Zoologie Bd. 38, p. 167 und Mitth. der zoolog. Station Neapel
Bd. V. p. 303.
System. 1001
Dinoflagellaten zuziistimmeu und auch der von Entz (1. c.) erneuerte
Versuch, die zuerst von James Clark angedeuteten vermeintlichen Be-
ziehungen zwischen den Dinoflagellaten und der Ciliatengattung Uro-
centrum neu zu befestigen, muss, angesichts der neueren Erfahrungen
über die Bauverhältnisse unserer Gruppe, verv^orfen werden.
Schliesslich noch ein Wort über die möglichen Beziehungen zu ein-
zelligen pflanzlichen Wesen. Wie erwähnt, hat Warnung seiner Zeit
ganz kurz und ohne specielle Begründung geäussert, dass die Dino-
flagellaten ein Mittelglied zwischen den Bacillariaceen und den Des-
midiaceen bildeten. Es lässt sich auch wohl nicht völlig verkennen,
dass einige Eigenthümlichkeiten unserer Gruppe gerade in dieser
Richtung weisen. Wenn wir von den allgemeineren Characteren ab-
sehen, die, wie schon bei den Flagellaten gezeigt wurde, auf Be-
ziehungen der Mastigophoren zu den einzeiligen Pflanzen, speciell den
Bacillariaceen hinweisen, ist es namentlich der eigenthümliche Theilungs-
process mit Neubildung der einen Hälfte der Schalenhülle, welcher uns
an ähnliche Vorgänge bei den erwähnten beiden Abtheilungen der Proto-
phyten erinnert. Die zweiklappige Bildung der Schalenhülle der ursprüng-
licheren Dinoflagellaten erinnert überhaupt an die Verhältnisse bei den
Bacillariaceen und auch in der feineren Structur der Hülle mögen sich
vielleicht gewisse Annäherungen ergeben, wenn erst das Augenmerk
genauer auf diese Verhältnisse bei den Dinoflagellaten gerichtet wird.
Nicht unwichtig erscheint mir in dieser Hinsicht namentlich die eigen-
thümliche Entwickelung der Gürtelbänder gewisser Bacillariaceen (Ach-
nanthes u. zahlr. a.), welche durch ihre Querstreifung lebhaft an die sog.
Intercalarstreifen vieler Dinoflagellaten erinnern.
C. üebersicht der Gattungen,
Die Zahl der bis jetzt mit einiger Sicherheit zu unterscheidenden
Gattungen beträgt etwa 26, wozu sich noch zwei zweifelhafte ge-
sellen; die Zahl der Arten beziffert sich auf nicht mehr als 90 bis 95,
wobei jedoch zu berücksichtigen ist, dass dem Artbegriff von den ver-
schiedenen Beobachtein ein recht verschiedener Umfang gegeben wird,
so dass einzelne, wie z. B. Gourret, eine viel grössere Zahl von Species
annehmen würden.
I. Unterordnung. Adinida Bergh (Prorocentrina Stein).
Längliche, bilateral symmetrische Formen mit Neigung zur Asymmetrie,
bei welchen die beiden Geissein am vorderen Pol entspringen. Querfurche
nicht entwickelt. Mit zweiklappiger poröser Hülle. Zwei Vacuolen im
Vorderende neben einander. Chromatophoren.
1002 Dinoflagcllata.
1. Familie. Prorocen trina Stein.
Charactere der Unterordnung.
Exuviaella Cienkowsky 1882, Klebs (44), Pouchet (48).
Synon. '? Pyxidicula Ehrenb. (Abb. d. Berl. Ak. 1836), Bailey (Smith. Inst.
Vol. II. PI. 2 Fig. 14), Cryptomonas Ehrenb. (Lima, 20); Prorocentrum p. p.
Kent (32); Amphidinium operculatum Pouchet (37); Dinopyxis Stein (39); Post-
prorocentrum Gourret p. p. (38), V Thecomonadine verw. mit Cryptomonas Lima
bei Bergh (30).
Taf. 51, Fig. 2.
Gestalt nahezu kuglig bis eiförmig und länger, zuweilen hinten zu-
gespitzt. Die länglichen Formen meist ziemlich comprimirt (Länge bis
etwa 0,08 ?). Die rechte Schalenhälfte am vorderen Pol mit oder ohne
deutlichen Ausschnitt. Zahnfortsatz fehlend oder je ein zartes Zähnchen
zu den Seiten des Geisselspalts. Zwei seitliche, plattenförmige , grosse
braune Chromatophoren, jede in der Mitte mit einem runden Amylonkörper.
Kern im hinteren Drittel. Vermehrung durch Längstheilung.
Nord. Meere und Mittelmeer. 4 bis 5 Arten.
Prorocentrum Ehrenberg 1833 und (5); ciaparede und Lachm. (21),
Bergh (30), Stein (39), Bütschli (40), Pouchet (48).
Synon. Cercaria spec. Michaelis (4), Postprorocentrum Gourret p. p.
Taf. 51, Fig. 1.
Gestalt ungefähr oval bis recht lang gestreckt; Hinterende stets
deutlich zugespitzt. Länge bis ca. 0,05. Stets ziemlich comprimirt.
Dorsal an der Geisseispalte ein starker Zahnfortsatz, welcher entweder
aus einem Stück besteht oder von je einem Fortsatz der Schalenklappen
zusammeugesetzt wird. Keine grossen plattenförmigen Chromatophoren,
sondern wahrscheinlich zahlreichere kleinere. Gelbbraun.
Marin. Kosmopolit. 3 bis 4 Arten.
IL Unterordnung. Dinifera Bergh.
Dinoflagellaten mit einer oder mehreren deutlichen Querfurchen, in
welche die einfache oder mehrfache Querfurchengeissel eingelagert ist.
Längsgeissel gewöhnlich nach hinten gerichtet.
1. Familie Peridinida.
Mit einer Querfurche in, oder nahezu in der Mitte des Körpers.
Meist mit, zuweilen aber auch ohne Hülle. Selten ist die Querfurche
nicht ausgebildet, jedoch dann die Position, welche sie einnehmen würde,
durch die Bauweise der Hülle angedeutet. Gestalt ziemlich verschieden.
Podolampas Stein 1883.
Synon. Parrocelia Gourret (38).
Taf. 55, Fig. 9 (Holzschn. Fig. 5, p. 931).
Gross. Gestalt birnförmig, langgestreckt bis kürzer; das verschmälerte
Ende ist höchst wahrscheinlich das vordere. Dasselbe ist in eine mehr
1
System. 1003
oder weniger lange, geöffnete Apicalröhre ausgezogen. Keine vertiefte
Quer- und Längsfurche vorhanden, doch ihre Lage durch die Art der
Täfelung der Hülle angedeutet. Die dicke Hülle zeigt 5 grosse vordere
und drei hintere Aequatorialtafeln. Apicaltafel scheint einfach zu sein,
dagegen zwei ansehnliche Antapicaltafeln ; jede derselben bei einer der
Arten mit einem quergestellten, zahn- oder flügelformigen Fortsatz zu der
Seite der dicht am hinteren Pol gelegenen kleinen Geisselspalte. Bei der
anderen Art sind diese Fortsätze dorsal von der Geisselspalte verwachsen
und erinnern dann sehr an den Zahnfortsatz von Prorocentrum, Jeder
der Fortsätze ist mit einer ansehnlichen Verdickungsrippe ausgestattet
und von dem linken zieht eine Randleiste neben der Geisselspalte nach
vorn. Breite Intercalarstreifen. Im lebenden Zustande nicht genauer
untersucht.
Mittelmeer und Stidsee. Zwei Arten.
Blepharocysta. Ehrenb. 1873. Stein (39).
Taf. 53, Fig. 2 (Holzschn. Fig. 4, p. 931).
Synon. Peridinium Ehrenb. (20).
Mittelgross. Gestalt kuglig bis längsellipsoidiscb. Schliesst sich durch
die NichtVertiefung einer Quer- und Längsfurche an die vorhergehende
Gattung nahe an, ebenso in der Bauweise der dicken Hülle. Vorderhälfte
derselben wie bei Podolampas jedoch mit Andeutung von drei kleinen
Apicaltäfelchen, zwischen denen die nicht röhrig verlängerte Apicalöfifnung
liegt. Hinterhälfte dadurch von Podolampas verschieden, dass ihr Pol
von drei kleinen Antapicaltäfelchen geschlossen wird. Zu den Seiten der
ganz hinten gelegenen Geisselspalte je eine kleine längsgerichtete flügei-
förmige Leiste. Intercalarstreifen breit. Chromatophoren vorhanden.
Marin. 1 Art. Wahrscheinlich Kosmopolit.
Dipl op sali s Bergh 1882. Stein (39), Pouchet (48).
Synon. Glenodinium (lenticula) Pouchet (37).
Taf. 53, Fig. 2 (Holzschn. Fig. 3, p. 930).
Klein bis mittelgross. (Länge bis 0,04). Gestalt eine in der Haupt-
axe verkürzte, nahezu linsenförmige Kugel. Quer- und Läugsfurche deut-
lich. Die Querfurche in sich rücklaufend, nicht schraubig. Hülle massig
dick. Vorderhälfte gewöhnlich mit den 5 Aequatorial- und drei Apical-
tafeln der vorhergehenden Gattung, die letzteren aber viel ansehnlicher,
dazu aber noch eine ventrale, mediane sog. ßautenplatte (r), welche von
dem Apex bis zur Querfurche reicht. Variationen in den Aequatorialtafeln
jedoch beobachtet. Der Apex etwas röhrenförmig erhoben. Hinterhälfte
mit 5 Aequatorial- und zwei grossen Antapicaltafeln. Geisselspalte wie
bei Blepharocysta und auch die beiden Flügel der Ränder der Längs-
furche, die hier bis zur Querfurche ziehen (Bergh). Nach Stein soll sich
nur ein linker Flügel finden. Besondere Sculpturen der Hülle fehlen.
Ostsee und Mittelmeer. 1 Art.
1004 Dinoflagellata.
Peridiuium Ebrenberg 1832 (emend. Stein 1883); ciaparede und
Lachmann (21), Bergh (30), Klebs (36), Pouchet (37 u. 48), Gourret (38), Bütschli (46),
Synon. Vorticella (cincta) 0. F. Müller (1); Glenodinium p. p. Ehrb. (5), Gleno-
dinium Perty (12): Ceratopliorus Dies. (Systema helminth.) ; Ceratium p.p. Ciapa-
rede und Lachmann (21), ebenso Kent (32); Protoperidinium Bergh (30), ebenso
Pouchet (37), Larre von Peridinium Gourret (38).
Taf. 52, Figg. 6-11 u. Taf. 53, Fig. 1. (Holzscbn. Fig. 2, p. 928—29).
Klein bis ziemlich gross (L. bis 0,15). Gestalt kuglig bis eiförmig
oder etwas länglich. Apex häufig in deutliches Röhrchen ausgezogen.
Quer- und Längsfurche gut ausgeprägt, die erstere gewöhnlich schwach
rechts schraubig, selten links schraubig oder kreisförmig. Die letztere
massig breit und nach hinten gewöhnlich wenig, selten ansehnlicher ver-
breitert. Die beiden Körperhälften gleich, bis die hintere beträchtlich ver-
kürzt. Hinterhälfte der massig dicken Hülle wie bei Diplopsalis gebaut,
Vorderhälfte dagegen mit 7 Aequatorialplatten, der Rautenplatte, je zwei
seitlichen Apicalplatten und dazwischen zwei hintereinander gereihten
dorsalen, welche aber auch vereinigt sein können. Die zwei Antapical-
platten zuweilen mit je einem zahuartigen Fortsatz wie bei Podolampas
oder auch an deren Stelle zwei hohle Hörner. Randleisten der Längs-
furche wenig erhoben. Geisseispalte z. Th. noch weit hinten, z. Th. jedoch
bis zur Querfurche gerückt, dann scheint sie jedoch stets langspalt-
förmig zu sein. Farblos, grün oder braun. Vermehrung im Ruhezustand.
Bildung gehörnter Cysten zuweilen.
Stisswasser und Meer. Etwa 9 gesicherte Arten.
Goniodoma Stein 1883.
Synon. Peridinium Ehrb. (5); Peridinium polyedricum Pouchet (37).
Taf. 52, Fig. 5 (Holzschn. Fig. 1, p. 927).
Mittelgross. Im Allgemeinen kuglig, doch durch starke Ausprägung
der Täfelung etwas polyedrisch. Die Hälften gleich. Querfurche fast
kreisförmig, Längsfurche massig breit. Die kleine ovale Geisseispalte
bis zur Querfurche vorgerückt. Hülle dick mit breiten Intercalarstreifen.
Vorderhälfte mit 7 Aequatorial- und 3 Apicalplatten, die jedoch anders
orientirt sind wie bei Blepharocysta. Hinterhälfte mit 5 Aequatorial-
platten und 3 ziemlich ansehnlichen Antapicalplatten. Apicalröhrcheu,
Randleisten oder Fortsätze nicht entwickelt; Poren sehr deutlich. Chroma-
tophoren klein, zahlreich.
Ostsee und atlantischer Ocean. 1 Art.
Gonyaulax Diesing 1866, Stein (39).
Synon. Peridinium p.p. Ciaparede und Lachmann (21); Protoperidinium digitale
und pyropliorum Pouchet (37), ? Protoceratium und ? Koulea Gourret (38).
Taf. 52, Fig. 3—4 (Holzschn. Fig. 7, p. 932).
Klein bis mittelgross. Gestalt kuglig - polyedrisch bis ellipsoidisch ;
die beiden Pole zuweilen stachelartig ausgezogen. Hälften gleich. Hülle
massig dick. Vorderhälfte nach Stein mit 5 Aequatorial- und drei
Apicaltafeln (nach mir bei G. polyedra mit 6, resp. 4). Hinterhälfte mit
System. 1005
5 Aequatorialtafeln und einer Apicaltafel; links neben der Längsfurche
noch eine eigenthümliche accessorische Tafel eingeschaltet. Längsfurche
bis zum Apex nach vorn verlängert. Zwei zuweilen schwache Stachel-
fortsätze des Hinterendes. Hülle fein reticulirt oder gestachelt und die
Tafeln zuweilen noch mit secundären Leisten verziert. Geisselspalte klein,
oval, bis an die Querfurche vorgerückt. Chromatophoren klein, zahlreich.
Marin. 4 Arten. Wohl Kosmopolit.
Ceratium Schrank 1793 (Stein emend. 1883); Perty (12), Clapamle
und Lachmann p.p. (21), Carter (24), Bergh (30), Klebs (35), Pouchet (37 u. 48), Gourret (3S),
Blanc (45), Bütschli (40).
Synon. Cercaria p. p. und Bursaria p. p. 0. F. Müller (1); Tripos u. Hirun-
dinella Bory de Vincent (Encyclop. mcthod. 1824); Cercaria Michaelis (4); Peri-
dinium p. p. Ehrenberg- (5 und f. f.); Diesing p. p. (23), Bailey (10 und 17);
Ceratophorus p. p. Diesing (Systema Helminlh.); Dimastigoaulax Diesing (23) und
Kent (32); GIcnodinium Diesing p. p. (23).
Taf. 53, Figg. 7—10 und Taf. 54, Figg. 1—2 (Holzschn. Fig. 8, p. 934).
Mittelgross bis gross (L. bis 0,4). Gestalt durch die Entwickelung
ansehnlicher hornartiger Körperfortsätze eigenthüralich ; im Allgemeinen
von einer dorsoventral abgeplatteten Kugel sich ableitend. Körperhälften
ziemlich gleich. Die Querfurche niedrig schraubig bis nahezu kreisförmig.
Längsfurche meist stark verbreitert und beträchtlich auf die Vorderhälfte
ausgedehnt, so dass sie einen sehr ansehnlichen Theil der Ventralfläche
einnimmt. Hülle dick, reticulirt bis wellig gestreift und zuweilen schwach
bestachelt; sehr deutlich porös. Vorderhälfte aus drei ansehnlichen
Aequatorial- und drei (zuweilen auch mehr) Apicaltafeln gebildet; letztere
setzen sich in ein langes Apicalhorn fort. Hinterhälfte aus drei Aequatorial-
und einer Apicaltafel gebildet. Letztere ist stets in ein hinteres Hörn
verlängert, welches entweder gerade bis schwach schief nach hinten ge-
richtet ist oder sich nach links und vorn umbiegt. Rechte hintere
Aequatorialtafel fast stets in ein ähnliches Hörn ausgewachsen, das rudi-
mentär bleiben oder ansehnlich laug werden kann und das nach hinten
gerichtet ist oder sich nach rechts und vorn umbiegt. Auch die linke
hintere Aequatorialplatte kann ein Hörn bilden, das jedoch gewöhnlich
klein bleibt, ebenso, sehr selten wie es scheint, die hintere Aequatorialplatte
(Cer. quinquecorne nach Gourret). Es finden sich demnach 2, 3, 4 und
5 hörnige Ceratien. Die sehr lange Geisselspalte zieht am linken Rande
der Längsfurche (Bauchausschnitt) hin. Chromatophoren gewöhnlich zahl-
reich, grün- bis gelbbraun.
Süsswasser (Europa, N.-Amerika und S.-Asien) und Meer. Zahl der
Arten sehr unsicher, da dieselben äusserst variabel sind. Gourret hat von
Marseille nicht weniger wie 43 Arten und Varietäten beschrieben, doch
dürften sich die zahlreichen Abänderungen auf höchstens 10 Formenkreise
zurückführen lassen.
Amphidoma. Stein 1883.
Taf. 53, Fig. 4 (Holzschn. Fig. 6, p. 932).
Klein bis mittelgross. Gestalt doppclkegelförmig. Hälften nahezu
1006 Dinoflagellata.
gleich oder die hintere etwas kleiner. Hülle der Vorderhälfte aus den
4 Aequatorialplatten und 3 sehr kleinen Apicalplatten wie bei Blepharo-
cysta gebildet. Hintere Hälfte dagegen ähnlich wie bei Gonyaulax, nur
scheint die accessorische Platte nicht scharf von der die Längsfurche aus-
kleidenden Membran gesondert zu sein. Die Längsfurche nicht deutlich
auf die Vorderhälfte ausgedehnt. Geisseispalte dicht bei der Querfurche.
Lebend nicht beobachtet.
Atlantischer Ocean; 1 sichere Art.
Oxytoxum Stein 1883.
Synon. Pyrgidium Stein (39).
Taf. 53, Fig. 5-6.
Klein bis ziemlich gross. Langgestreckt doppelkegelig bis spindel-
förmig. Die beiden Hälften sehr ungleich ; die vordere sehr verkürzt,
z. Tb. bis auf einen knopiförmigen Anhang rediicirt (Stein orientirt die
Formen umgekehrt und betrachtet die reducirte Hälfte als die hintere).
Die Pole gewöhnlich zugespitzt und zuweilen stachelartig ausgezogen.
Querfurche niedrig schraubig, recht breit und tief, so dass beide Hälften
durch eine beträchtliche Einschnürung von einander geschieden sind.
Längsfurche stark verkürzt (Pyrgidium Fig. 5) oder bis fast ganz redu-
cirt (Fig. 6, Oxytoxum s. Str.). Die kleine Geisseispalte daher stets dicht
an der Querfurche. Hinterhälfte aus 4 ansehnlichen Aequatorialtafeln
und einer sog. Mundtafel zusammengesetzt, letztere entspricht wohl der
Längsfurchenmembran der Verwandten sammt der accessorischen Tafel des
Gonyaulax. Bei dem sog. Pyrgidium bleibt diese Platte kürzer wie die
Aequatorialplatten. Dazu noch eine einfache kleine Antapicaltafel. Vorder-
hälfte wahrscheinlich auch aus 5 (zuweilen auch 4) Tafeln und einer
Apicaltafel gebildet. Doch zeigen die Apical- und Antapicaltafel zuweilen
Spuren von Zusammensetzung. Oberfläche der Hülle zum Theil deutlich
reticulirt und Poren wahrscheinlich nicht selten recht ansehnlich. Inter-
calarstreifen gewöhnlich nicht sehr ausgebildet. Lebend nicht beobachtet.
Marin; wahrscheinlich Kosmopolit. Stein unterscheidet 10 Arten.
Pyrophacus Stein 1883.
Taf. 54, Fig. 3.
Gross. Hauptaxe stark verkürzt, daher linsenförmig. Querfurcbe
wohl ausgebildet; kreisförmig. Längsfurche kurz, hört weit vor dem
Antapex auf. Geisseispalt an ihrem Hinterende, dehnt sich aber
wahrscheinlich wie bei gewissen Peridinien und Ceratium spaltartig bis
zur Querfurche aus. Hülle massig dick. Vorderhälfte derselben aus
bis 14 Aequatorial- und bis 7 Apicaltafeln gebildet, wozu sich noch eine
etwas asymmetrisch gebogene, von der Querfurche bis zum Apex ziehende
Tafel gesellt, die ohne Zweifel der Eautenplatte der Peridinien etc.
entspricht. Hinterhälfte aus bis 14 Aequatorial- und bis 13 Antapical-
tafeln gebildet. Braunes, centrales, strahliges Chromatophor,
Marin. 1 Art. Wahrscheinlich Kosmopolit.
System. 1007
Ptychodiscus. Stein 1883.
Taf. 54, Fig. 4.
Mittelgross. Schliesst sich nahe an Pyrophacus an, von welchem
sie sieh wesentlich dadurch unterscheidet, dass an der Hülle ausser der
Rautenplatte keine Tafeln angedeutet sind und statt der Querfurche ein
dünnhäutiges Band vorhanden ist, welches die grössere Vorderhälfte der
Hülle mit der kleineren Hinterhälfte verbindet. Apicalöffuung und Geissel-
spalte etwas unsicher. Lebend nicht beobachtet.
Atlantischer Ocean. 1 Art.
Protoceratium Bergh 1882.
Synon. Peridinium p. p. (reticulatum) Claparede u. L. (21), Clathrocysta Stein (39).
Taf. 52, Fig. 2.
Klein, kuglig (Dm. ca. 0,035) zuweilen mit etwas röhrig erhobener
Apicalöffnung. Querfurche niedrig schraubig, die Längsfurche ziemlich
schmal und gleich breit, dehnt sich nicht auf die Vorderhälfte aus. Hälften
gleich. Keine deutliche Täfelung der Hülle, dagegen Verzierung mit
engeren oder weiteren reticulären Leisten. Gewöhnlich etwas bestachelt.
Geisselspalt dicht an der Querfurche.
Marin. Zwei Arten. Wahrscheinlich Kosmopolit.
? Heterocapsa Stein 1883.
Taf. 52, Fig. 1.
Synon. Glenodinium p. p. (triquetra) Ehrenb. (5), Glenodinium p. p. (trochoideum)
Stein (39), Klebs (44) und Pouchet (37).
Unsicliere Gattung, die sich von der vorherg'ehenden und der folgenden nicht scharf
trennen lässt. Allgemeine Bildung wie bei Clathrocysta, von -welcher sie sich dadurch unter-
scheidet, dass gewöhnlich nur die Vorderhälfte mit deutlichen Verdickungsleisten geziert ist,
die jedoch viel grössere, in zwei oder drei Cyklen angeordnete, polygonale Felder umgrenzen.
Auf der Hinterhälfte sind nur einige Längsleisten bemerkbar.
Marin. Wahrscheinlich kosmopolitisch. Stein unterscheidet 4 Arten.
Glenodinium Ehrenberg (emend. Stein 1883); Bergh (30), Klebs (36
und 44), Butschli (46), Pouchet p. p. (37), Daday (45 a).
Synon. Peridinium Ehrenb. p. p., dto. Claparede u. L. ; Peridinium und Ceratium
p. p. Perty (12),
Taf. 51, Figg. 10—13.
Klein bis mittelgross (L. bis ca. 0,045). Allgemeine Bildung etwa
wie bei Clathrocysta; nicht selten mit ziemlicher dorsoventraler Abplattung.
Hülle sehr zart und structurlos. Farblos oder grün bis braun. Chroma-
tophoren gewöhnlich klein uud zahlreich.
Süsswasser und Meer. Artenzahl 5 bis 6.
Gymnodiniura Stein 1878 und (39); Bergh (30), Kent(32), Klebs (36),
Pouchet (37 u. 48), Gourret (38), Entz (40).
Syno n. Peridinium Ehrenb. p. p. (5), do. Perty (12), Glenodinium Schmarda p. p. (16).
Taf. 51, Figg. 4—9.
Mittelgross bis klein (L. bis ca. 0,09). Allgemeine Bildung z. Th.
ganz wie bei Glenodinium, doch ohne Hülle. Zuweilen aber auch ziem-
1008 Dinoflagellata.
lieh langgestreckt und die Pole zugespitzt. Auch dorsoventral manchmal
ziemlich abgeplattet. Daran reihen sich Formen, bei welchen die Schraube
der Querfurche steiler wird und eine bei welcher sie zwei Umgänge be-
schreibt. Geisseiursprung gewöhnlich dicht bei der Querfurche, selten
hinten in der Längsfurche. Mit oder ohne Chromatophoren und Ernäh-
rung zuweilen animalisch. Ectoplasma z. Th. kenntlich.
Süsswasser und Meer (Kochsalzteiche Ungarn's; Entz) Artenzahl 7
bis 8.
Wie aus obiger Beschreibung hervorgeht, sind die Charactere dieser Gattung ziemlich
differente, ich halte es denn auch zur Zeit für fraglich, ob dieselbe eine natürliche ist oder
ob sie nicht von verschiedenen Quellen ihren Ursprung genommen hat.
Hemidinium Stein 1878 und (39), Klebs (36). ,
Taf. 51, Fig. 3.
Klein. Wahrscheinlich nackt (Stein) oder doch (Klebs) mit äusserst
zarter Hülle. Hauptcharacter besteht darin, dass nur die linke Hälfte
der Querfurche ausgebildet ist. Gelb mit zahheichen kleinen Chromato-
phoren. Nach Stein Aufnahme fester Nahrung sicher.
Süsswasser (Europa); eine Art.
? Cladopyxis Stein 1883.
Synon. Xanthidium Ehrenberg (Abh. d. Berliner Akad, a. d. J. 1836 u. 15).
Taf. 55, Fig. 10.
Lebend nicht untersucht; überhaupt unsicher, ob eine Dinoflagellate. Hülle etwa der
eines Glenodinium ähnelnd, mit einer etwas vor der Mitte verlaufenden schmalen Zone, welclie
an die Querfurche erinnert, nacli Stein's Schilderung aber dadurch entstehen soll, dass hier
die vordere, kleinere und deckelartigc Hälfte der Hülle über die hintere übergreife. Von
einer Stelle dieser Bildung ziehen zwei Leisten, ursprünglich parallel, bald jedoch divergirend
nach hinten, wodurch eine Art Längsfurche gebildet wird. Ln vorderen Theil derselben findet
sich eine rundliche Oeffnung, welche den Geisseispalt repräsentiren soll. Von beiden Hälften
der Hülle erheben sich hohle, sehr ansehnlich auswachsende Stacheln, die sich bei weiterer
Entwickelung an ihren Enden dichotomisch verzweigen.
Marin. 1 Art.
Obgleich die Bildung der allein bekannten Hülle nach der Darstellung Stein's in
vielen Punkten an diejenige der Peridiniden erinnert, halte ich die Dinoliagellatennatur
der Cladopyxis noch für zweifelhaft. In mancher Hinsicht nämlich (speciell durcli
ihre hohlen Stacheln) erinnert sie an gewisse Phäodarien; sie bedarf also entschieden
weiterer Aufklärung. Wenn sich ihre Hierhergehörigkeit ergeben würde, so scheint mir die
Errichtung einer besonderen Familie der Cladopyxiden, wie Stein will, unnöthig, da sie sich
dann wohl den Peridiniden einreihen liesse.
Ceratocorys Stein 1883,
Synon. Dinophysis p. p. (Jourdani) Gourret (38).
Taf. 54, Fig. 5 (Holzscbn. Fig. 9, p. 938).
Mittelgross bis gross. Hälften sehr ungleich. Wahrscheinlich die
vordere stark reducirt (Stein fasst diese als die hintere auf, vergleiche
hierüber p. 938). Querfurche kreisförmig mit sehr hoch ausgewachse-
nen Leisten. Die etwa hutförmige Hinterhälfte mit 4 ziemlich gleichen
Aequatorialtafeln und einer schmalen ventralen Tafel. Dazu noch eine
vierseitige Antapicaltafel (ap), deren Ecken in 4 hohle Stacheln aus-
System. 1009
gezogen sind. Ferner der ventrale Rand der linken ventralen und der
dorsale Rand der linken dorsalen Aequatorialtafel in je einen Flügelstachel
ausgezogen. Vorderhälfte aus entsprechend geordneten 4 Aequatorial-
tafeln (b') gebildet. Zwischen den beiden ventralen ein ziemlich schmales,
etwas eingesenktes Band (If), wahrscheinlich die Verlängerung der Längs-
furche; darin ein Längsspalt, welcher sich vorn zu einer ovalen Oeffnung
erweitert (gs).
Marin. Wahrscheinlich Kosmopolit. 1 Art.
Vergleiche über die Orientirung dieser Gattung das früher Bemerkte (p. 938). Wie schon
dort angegeben, scheint es mir ziemlich sicher, dass dieselbe zwischen den Peridiniden und
Dinophysiden vermittelt.
2. Familie Dinophysida Bergh und Stein.
Mit Ausnahme der in dieser Hinsicht etwas zweifelhaften Gattung
Amphidinium stets mit Hülle, welche den primitiven Charakter der
Prorocentrinen bewahrt hat, da sie aus zwei seitlichen Klappen, die
sich leicht trennen, besteht. Die immer sehr gut entwickelte kreis-
förmige Querfurche stets beträchtlich vor der Mitte, so dass die Vorder-
hälfte mehr oder weniger, bis sehr bedeutend reducirt ist. Die Randleisten
der Querfurche sind gewöhnlich sehr stark erhoben. Die Längsfurche wenig
ausgebildet, dehnt sich nur selten etwas auf die Vorderhälfte aus und
wird hauptsächlich dadurch bezeichnet, dass ihre Randleisten zu zwei längs-
gerichteten Flügelleisten ausgewachsen sind. Fast stets ist die linke Flügel-
leiste viel ansehnlicher entwickelt wie die rechte und gewöhnlich von drei,
zuweilen aber auch mehr, in ziemlich gleichen Abständen aufeinander-
folgenden Verdickungsrippen durchzogen. Bei gewissen Formen, deren
linke Flügelleiste ganz besonders entwickelt ist, findet sich eine Sonde-
rung der letzteren in zwei hintereinander stehende Leisten. Die kleine,
etwa ovale Geisseispalte liegt in geringer Entfernung hinter der Querfurche
zwischen den erwähnten Leisten und setzt sich nach innen in ein kurzes
Röhrchen fort. Im Alter können sich breite Intercalarstreifen entwickeln.
Oberfläche der Hülle gewöhnlich sehr deutlich reticulirt und jedes Netz-
feldchen mit einem Porus. Gelbe bis braune Chromatophoren wohl stets
vorhanden. Fast ausschliesslich marin.
P h a 1 a c r 0 m a Stein 1883.
Synon. Larve von Peridinium divergens Gourret (38).
Taf. 55, Figg. 1 und 2.
Klein bis ziemlich gross. Gestalt etwa eiförmig bis umgekehrt kegel-
förmig. Die Verschiedenheit der beiden Körperhälften bleibt hier im
ganzen gering, so dass die vordere wie ein gewölbter, selten flacher
Deckel erscheint. Die Leisten der Querfurche horizontal abstehend und
nicht stärker entwickelt wie bei den Peridiniden gewöhnlich. Flügelleisten
der Längsfurche wenig bis gut entwickelt; linke mit den drei Rippen.
Lebend nicht untersucht.
Marin; wohl Kosmopolit. 4 Arten.
Bi-onu, Klassen des Thiev - Reiclis. Piotozoa. 64
1010 DinoflagclLifa.
Dinophysis Ehrenberg 1839; Claparede und L. (21), Bergh (30), Stein
(39). Pouchet (37 ii. 48). Gourret (38), Bütscbli (46).
Taf. 54, Fig. 8 und Taf. 55, Fig. 3.
Klein bis mittel (L. bis ca. 0,08), Gestalt im Allgemeinen in seitlicher
Ansicht eiförmig oder länglicher. Das Hinterende häufig etwas zuge-
spitzt bis stachelartig ausgewachsen. Stark coniprimirt. Schliesst sich
nahe an die vorhergehende Gattung an, von der sie sich hauptsächlich
dadurch unterscheidet, dass die Vorderhälfte sehr reducirt, die Leisten
der Querfurche stärker entwickelt sind und schief nach vorn aufsteigen.
Namentlich ist die vordere stark entwickelt und bildet einen sog. Kopf-
trichter. Flügelleisten ähnlich entwickelt wie bei Phalacroma.
Marin. Kosmopolit. Artunterscheidung schwierig ; 8 bis 10 Species
bekannt.
Amphisolenia Stein 1883.
Taf. 55, Fig. 4.
Gross bis sehr gross. Unterscheidet sich von Dinophysis durch un-
gemeine Längsstreckung des Körpers, welcher laugspindel- bis nadeiförmig
geworden ist. Die beiden Flügelleisten (1 und 1') gut entwickelt und
gleich, doch ohne Kippen. Zwischen ihren hinteren Enden liegt die
Geisselspalte (gs). Hinterende kuglig angeschwollen oder flossenartig
verbreitert. Hülle, wie es scheint, nahezu structurlos.
Südsee und atlantischer Ocean. 2 Arten.
Citharistes Stein 1883.
Taf. 55, Fig. 5.
Mittelgross ; Gestalt von der Seite etwa beuteiförmig. Aehnlich Dino-
physis, von welcher Gattung sie sich hauptsächlich dadurch unterscheidet,
dass die Rückseite einen tiefen, von der Seite gesehenen, halbkreisförmigen
Ausschnitt besitzt, der von zwei längsverlaufenden Balken brückenartig
überwölbt wird. Linke Flügelleiste sehr ansehnlich, reicht bis nahe an
den hinteren Pol, mit 4 bis 5 Rippen. Lebend nicht untersucht.
Atlantischer Ocean und Südsee. 1 Art.
Histioneis Stein 1883.
Taf. 55, Fig. 6.
Mittel- bis ziemlich gross. Gestalt beutel- bis kahnförmig ; die dorso-
ventrale Axe tibertrifft gewöhnlich die Hauptaxe an Länge. Querfurche
so stark verbreitert, dass die Vorderhälfte nahezu völlig reducirt ist und,
da die Verbreiterung an der Dorsalseite stärker ist, gleichzeitig ventral-
wärts verschoben erscheint. Die vordere Randleiste der Querfurche zu
einem abnorm hohen Kopftrichter ausgewachsen ; auch die hintere Rand-
leiste erhebt sich fast zu derselben Höhe und direct nach vorn. Sie ist
in der Dorsallinie unterbrochen, also in zwei seitliche Flügel zerfallen.
Ebenso ist die linke Flügelleiste der Längsfurche abnorm nach hinten
ausgewachsen, so dass sie stets bis an den hinteren Pol reicht und
f
System. 1011
über diesen bis zur Körperlänge nach hinten vorspringen kann. Sie lässt
die drei Rippen deutlicli erkennen, zu welchen sich aber noch secundäre
gesellen können. Gewöhnlich ist sie vor der zweiten Rippe unterbrochen,
so dass sie in eine hintere und eine vordere Leiste gesondert ist. Rechte
Fitigelleiste fast völlig reducirt. Lebend nicht untersucht.
Sudsee. Stein unterscheidet 5 Arten, die sich jedoch theilweise recht
nahe stehen.
Ornithocercus Stein 1883.
Synon. Dinopliysis p. p. Poiichet (37).
Taf. 55, Fig. 7.
Mittelgross bis gross. Körper im Allgemeinen beuteiförmig, seitlich
ziemlich comprimirt. Schliesst sich nahe an die vorhergehende Gattung
an. Querfurche ähnlich wie bei dieser, doch nicht ganz so stark ver-
breitert, so dass die Basis des hohen, excentrischen Kopftrichters nicht
so auffallend verengt ist. Auch die hintere Randleiste der Querfurche
nahezu so hoch wie der Kopftrichter entwickelt und dorsal geschlossen.
Die linke Flügelleiste der Längsfurche ist noch mächtiger entwickelt und
greift über den hinteren Pol auf die Dorsalseite, bis nahe an die Quer-
furche, über. Sie enthält neben den Hauptrippen zahlreiche accessorische
mit Netzverzweigungen. Rechte Randleiste ganz reducirt.
Marin. Kosmopolit. 1 Art.
Amphidinium Claparede und L. 1859; Spengel bei Bergh (35), Stein
(39), Klebs (44). Daday (45 a), Poiicliet (48, non 37).
Taf. 54, Fig. 6—7.
Klein bis sehr klein. Gestalt etwa ei- bis nahezu kugelförmig,
z. Th. stark dorsoventral abgeplattet. Vorderhälfte sehr klein, knopfförmig
oder deckelartig. Längsfurche über die ganze Hinterhälfte ausgedehnt
und, wie es scheint, erweiterungs- und verengerungsfähig. Wahrscheinlich
nackt, nach Stein aber mit sehr dünner in der Längsfurche unterbrochener
Hülle. — Braune bis grüne Chromatophoren von bandförmiger bis kür-
zerer Gestalt vorhanden, die sich gewöhnlich um einen centralen Amylon-
körper strahlig gruppiren. Nucleus in der Hinterhälfte.
Marin, Süsswasser und Salzteiche (Ungarn). 2 Arten.
Die Gattung' Amphidininm tictet liinsiclitlich ilirer Bezicluingen grosse ScLwierigkeiten,
da sie einerseits dircct von Prorocentrinen , andererseits aber auch von peridinidenartigen
Formen entstammen könnte. Ich halte daher ihre Stellung hei den Dinophysiden noch nicht
für gesichert.
3. Familie Folydinida.
Unterscheiden sich von den übrigen Diniferen durch Anwesenheit
mehrerer Querfurchen und demnach auch wohl sicher mehrerer Quergeissein.
Polykrikos Bütschli 1873; Bergh (30), Pouchet (37 xi. 48).
Synon. Turbellarienlarve , Ouljanin, Protokolle der Ks. Gesellschaft der Freunde
der Naturwissenschaften zu Moskau. 1868 p. 61.
Taf. 55, Fig. 8.
Massig gross, ohne Hülle. Gestalt länglich tönnchenförmig. Gewöhn-
64*
1012 Dinoflagellata.
lieh mit acht niedrig schraubigen Querfurchen , die alle in eine ge-
meinsame Längsfurche, welche die gesammte Bauchseite überzieht, ein-
münden (zuweilen in Voibereitung zur Theilung wahrscheinlich auch mit
mehr Querfurchen).
Am Hinterende der Längsfurche eine hintere Geissei und in jeder
Querfurche wohl sicher eine Quergeissel. Zuweilen eine zweite hintere
Geissei vorhanden. 4 rundliche Nuclei in gleichen Abständen hinter-
einander; jedem derselben sind nach Bergh einige Nebenkerne angelagert,
Nesselkapseln im äusseren Plasma. Nahrungsaufnahme und Vermehrung
durch Quertheilung wohl sicher.
Nördliche europäische Meere und Mittelmeer. 1 bis 2 Arten.
D. Bemerivungen über die vermuthliche Phylogenese in der Keilie der
Dinoflagellaten.
Wenn wir hier einem Gegenstande einen besonderen Abschnitt wid-
men, dessen Erörterung wegen unserer noch so lückenhaften Erfahrungen,
wohl Manchem verfrüht erscheinen dürfte, so geschieht dies desshalb,
weil Bergh (30) diese Frage eingehend besprochen hat und wir sie
daher nicht gänzlich umgehen können. Es sind nur wenige Punkte,
über welche eine Einigung der Meinungen unschwer zu erzielen sein wird,
über diese hinaus erheben sich sofort bedenkliche Zweifel und wir
scheitern bald an der Unbestimmtheit unserer Kenntnisse über Fragen,
welche unbedingt der Erledigung bedürfen, bevor mit Ernst an eine einiger-
maassen sichere Begründung des Stammbaumes innerhalb unserer Gruppe
gedacht werden kann.
Ueber den Ausgangspunkt der Gruppe sind wir mit Bergh und Stein
einig, suchen ihn also in prorocentrinenartigen Formen, von welchen
die heutigen Prorocentrinen einen Rest bilden. Hieraus folgt weiter, dass
wir mit Bergh der Ansicht sind: es seien die nackten Formen der Dini-
feren nicht, wie Stein will, die ursprünglichsten, sondern wohl sicher
von Umhüllten herzuleiten. Die Natürlichkeit dieses Schlusses folgt
daraus , dass noch die ganze Familie der Dinophysiden einen Bau der
Schalenhülle bewahrt hat, welcher mit dem der Prorocentrinen principiell
übereinstimmt; da nun, wie wir gleich sehen werden, die Diniferen jeden-
falls mit gemeinsamem Stamm aus prorocentrinenartigen Vorfahren ent-
sprangen, so wäre schwer einzusehen, dass die Dinophysiden die zwei
klappige Hülle der Prorocentrinen selbstständig erworben hätten , wenn
die Diniferen etwa aus nackten Prorocentrinen, die ja wohl existirt
haben könnten, hervorgegangen wären. Dass aber die Diniferen einen
gemeinsamen Ursprung haben mussten, erweist das nie fehlende Merk-
mal derselben, die Querfurche. Es erschiene gezwungen, an deren
selbstständige Entstehung in den beiden Familien zu denken. Sollen
wir uun mit Bergh annehmen, dass aus den Prorocentrinen zunächst
die Dinophysiden und aus letzteren die Peridinideu hervorgingen, oder
Phylogeuie. 1013
sollen wir Stein's Ansicht theilen, dass die Dinophysiden aus peridinien-
artigen Formen durch Verschiebung der Querfurche an das Vorderende
entstanden? Ich glaube, wir können uns weder der einen, noch der
anderen Ansicht anschliessen , sondern müssen uns zunächst die Ent-
stehung einer Urform der Diniferen aus den Prorocentrinen denken,
von welcher dann beide Familien entsprangen. Welchen Bau aber
dürfen wir nun dieser ürdinifere geben? Wenn wir diese Frage über-
legen, so stossen wir zunächst auf eine Schwierigkeit, welche in den
phylogenetischen Speculationen von Bergh umgangen wurde und die nicht
leicht, ja, wie ich glaube, zur Zeit überhaupt nicht bestimmt zu erledigen
ist. Bekanntlich sind die beiden Geissein der Prorocentrinen nach vorn
gerichtet wie bei den meisten Flagellaten und es bewegen sich diese
Wesen auch mit nach vorn gerichteten Geissein. Anders verhalten sich,
wie bekannt, die Diniferen gewöhnlich, deren Längsgeissel bei der Be-
wegung nach hinten gerichtet ist. Wie ist aber diese Richtung der Längs-
geissel bei den Diniferen entstanden? Dies konnte in zweierlei Art ge-
schehen sein, entweder in der Weise, dass die Längsgeissel wie die
öchleppgeissel der Heteromastigoden nach hinten umgeschlagen wurde,
oder so , dass sich bei den Diniferen überhaupt die gewöhnliche Be-
wegungsrichtung gegenüber den Prorocentrinen umkehrte, dass sich also
die Diniferen mit dem dem Hinterende der Prorocentrinen entsprechenden
Pol voran bewegen. Für die Möglichkeit einer solchen Umkehr haben
wir ein interessantes Beispiel in der von uns zu den Cryptomo-
uadinen gezogenen Gattung Oxyrrhis, und es erscheint wichtig, dass
gerade in dieser Flagellatenfamilie ein solches Verhalten eintreten
konnte. Bergh entschied sich nun für die erste Alternative, wenn
er sich auch über die Rückwärtsrichtung der Längsgeissel nicht näher
ausspricht. Er lässt also die Dinophysiden dadurch aus Prorocentrum
hervorgehen, dass der Geisseispalt etwas auf der Rückseite (nach Bergh
die Bauchseite) des Prorocentrum nach hinten verschoben wurde und der
Stachelapparat, welcher dabei natürlich die gleiche Verschiebung erlitt,
zu der Anlage der hinteren Randleiste der Qnerfurche und der Flügel-
leisten der Dinophysis wurde ; die eigentliche Qnerfurche und deren
vordere Randleiste sind demnach völlige Neubildungen,
Wie ich schon in einer früheren Publikation (46) andeutete,
neige ich mich der anderen Auffassung zu und halte es daher für wahr-
scheinlicher, dass wir die Diniferen mit ganz hinten gelegenem Geissei-
spalt, wie sie uns unter den Peridiniden in beträchtlicher Zahl begegnen,
als die ursprünglicheren zu betrachten haben und dieselben nicht, wie
Bergh will, durch die Annahme einer allmählichen Rückwärtsverschiebung
des Geisselspaltes und der Querfurche erklären dürfen. Mich bestimmt
hierzu die Möglichkeit, den Stachelapparat der Prorocentrinen bei dieser
Annahme natürlicher, wie mir scheint, mit Einrichtungen der Diniferen
in Zusammenhang zu bringen. Untersuchen wir auf diese Verhält-
nisse die Peridiniden mit am hinteren Pol gelegenem Geisseispalt, so
]^Q14 Diiioflagellata.
finden wir bei der Gattung Podolampas Stein eine Bildung, welche auffallend
an den Stachelapparat von Prorocentrum erinnert. Bei Podolampas palmipes
(T. 55, 9 b) haben wir einen den Geisselspalt dorsal umgreifenden einfachen
Stachel wie bei Prorocentrum; bei Podolampas bipes (55, 9a) dagegen
ist er ein paariges Gebilde zu den Seiten des Geisseispaltes, doch wissen
wir, dass der Stachelapparat auch bei gewissen Prorocentrumarten noch
eine deutlich paarige Beschaffenheit zeigt, so dass wir wohl berechtigt
sind, die unpaare Bildung von der paarigen abzuleiten. Seltsamer Weise
entbehren die Gattungen Podolampas und die ganz nahe verwandte Ble-
pharocysta auch der Querfurche; man könnte also versucht sein, hierin
eine noch grössere Annäherung an die Prorocentrinen zu erblicken. Dies
scheint mir aber sehr gewagt, denn die Zusammensetzung ihrer Schalen-
hülle reiht sie an die übrigen Peridiniden und ist viel complicirter wie
bei den Dinophysiden und Prorocentrinen. Da nun die Dinophysiden
die Ursprünglichkeit der Schalenhülle bewahrten und stets eine gut
entwickelte Querfurche besitzen, so müssen wir der Urform der Dini-
feren schon die Querfurche zuschreiben und können daher deren
Mangel bei den beiden Gattungen der Peridiniden nicht wohl anders als
eine Rückbildung beurtheilen. Doch mag die Möglichkeit einer solchen
Rückbildung bis zu gewissem Grad als Bestätigung für ihre Ursprüng-
lichkeit dienen; die Formen, aus welchen sie entsprungen sind, mögen
noch eine sehr wenig entwickelte Furche besessen haben. Da sich
ferner bei Podolampas von dem hinteren Stachelapparat schon eine
deutliche, wenn auch noch kurze linke Flügelleiste der Längsfurche
entwickelt hat, bei Blepharocysta aber deren zwei (Bergh) unter Re-
duction der eigentlichen Stacheln, so lassen sich daraus leicht die Ver-
hältnisse bei Diplopsalis und den übrigen Peridiniden ableiten und ebenso
die Flügelleistenbildung der Dinophysiden.
Von der Urform der Diniferen können wir uns nach diesen Betrach-
tungen etwa die Vorstellung machen, dass sie mit zweiklappiger Schalen-
hülle versehen w^ar, mit einem" am hinteren Pol gelegenen Geisselspalt
und zu dessen Seiten, resp. etwas mehr dorsal, mit zwei Stachel-
fortsätzen; dass sie ferner eine wahrscheinlich nur wenig ausgeprägte
Längsfurche besass, welche von dem Geisselspalt eine kleine Strecke weit
auf der Bauchseite nach vorn zog und hier mit einer wenig entwickelten
Querfurche in Zusammenhang stand. Wahrscheinlich kam dieser Aus-
gangsform auch schon eine Apicalöffnung zu.
Die Dinophysiden entwickelten sich aus dieser Urdinifere durch
allmähliche Verlagerung der Querfurche und des Geisseispaltes an das
Vorderende. Für die Annahme einer Reduction des Vorderkörpers
bei dieser Familie spricht auf das entschiedenste die in der Reihe der-
selben deutlich hervortretende Tendenz zu fortschreitender Rückbildung
des Vorderkörpers. Bei den ohne Zweifel ursprünglichsten Formen
(Phalacroma z. B.) finden wir die Vorderhälfte nur wenig kleiner
wie bei manchen Peridiniden; bei den extremsten Formen dagegen schwin-
Phylogenic. 1015
det der Vorderkörper schliesslich so zu sagen völlig. Die phylogenetische
Entwicklung in der Reihe der Dinophysiden bietet in dieser Weise keine
erheblichen Schwierigkeiten dar, zweifelhafter gestaltet sich dagegen ein
.solcher Versuch in der Familie der Peridiniden. Bergh beansprucht als
deren Urform seine Gattung Protoperidinium, welche nach unserer
Ansicht zu Peridinium im Sinne Stein's gehört. Peridinium ist nun eine
Form mit so complieirter [Schalenhülle, dass sie jedenfalls nicht direct
aus der zweiklappigen Urform entstehen konnte, obgleich sich manche
Peridinien in den beiden hinteren Stacheln der Podolampas einen recht
ursprünglichen Besitz bewahrten. Wir müssen uns überhaupt zunächst
fragen, wie die complicirte Zusammensetzung der PeridinienhUUe aus
der zweiklappigen Hülle der Urform entstanden sein kann. Es wird
keiner Frage unterliegen, dass wir die einfachen Verhältnisse der
Hülle bei Glenodinium und Verwandten nicht als die ursprünglichen zu
beanspruchen haben, was sich wohl auch darin ausspricht, dass deren
Geisseispalt weit vom Hinterende nach vorn verschoben ist. Ich glaube
nun, dass sich eine gesicherte Rückführung der Hüllenverhältnisse der
Peridiniden auf die der Urform, und damit auch die Vergleichung der
Verhältnisse der Hüllen der Peridiniden untereinander, erst bewerkstelligen
lassen wird, wenn ein genauer Einblick in die Theilungsverhältnisse er-
langt ist, denn es scheint aller Grund zur Annahme vorzuliegen, dass
die beiden Hälften, in welche die Hülle bei der Theilung (Ceratium)
auseinandergeht, wohl auf die beiden ursprünglichen Klappen der Proro-
centriuen und Dinophysiden zurückgeführt werden dürfen. Lässt sich
dieser Standpunkt festhalten, so würde sich nach dem wenigen, was über
die Theilung von Ceratium bis jetzt bekannt wurde, ergeben, dass die
Apical- und Antapicaltafeln der Peridiniden in der Weise hervorgingen,
dass die ersteren sich aus dem Vorderende der linken Klappe, die
Antapicalplatten dagegen aus dem Hinterende der rechten Klappe
differenzirten. Dann entwickelten sich wohl Zustände, wie sie bei Cera-
tocorys noch bestehen, wo die vorderen und hinteren Hälften jeder
Klappe nur in zwei Aequatorialplatten gesondert erscheinen. Aus sol-
chen Formen mögen sich dann diejenigen Peridiniden entwickelt haben,
welche 5 Aequatorialtafeln in der Vorderbälfte und z. Th. auch der
Hinterhälfte besitzen, wie Amphidoma, Oxytoxum und Diplopsalis. Es
wäre verfrüht und würde den Aufwand an Worten nicht lohnen , wenn
ich meine Ansichten über die Phylogenie in der Reihe der Peridiniden
genauer darlegen wollte; ich beschränke mich daher darauf, denselben
durch die Aufstellung eines graphischen Stammbaumes einen kurzen
Ausdruck zu geben und bitte nur, denselben nicht für etwas anderes
nehmen zu wollen, als was er sein kann, nämlich einen Ausdruck
unserer sehr unvollkommenen Kenntnisse von dem Bau und den Ver-
wandtschaftsverhältnissen der Dinoäagellaten.
1016
Dinoflasellata.
Oriül/merrus
uium ainium
\ Fi/rnp/iacus
Pfifrhodisrus
CysinflagdlatoL
Auch Gourret (38) hat sich in phylogenetischen Speculationen über die Dinotiagellaten
ergangen, welche ich jedoch für durchaus unlialtbar und unbegründet erachten muss und die
ich desshalb auch nur ganz kurz berülire. Er kann weder die Prorocentrinen als die ursprüng-
lichsten Dinofiagellaten anerkennen, noch die Ableitbarkeit der Gruppe von den Flagellaten ;
dagegen stellt er die durch nichts begründete Hypothese auf, dass die Dinoflagellaten sich
aus den Larven der Flagellaten entwickelt hätten , welche nach ihm mit einem vergänglichen
Cilienkleide versehen sein sollen. Worauf sich diese seltsame, gewiss ermaassen als allgemein
bekannt, hingestellte Thatsachc gründen soll, wird leider nicht mitgctheilt. Durch einen
sehr seltsamen und in keiner Weise annehmbaren Gedankengang gelangt er weiter zu
der Vorstellung, dass die Ceratien die ursprünglichsten Dinoflagellaten seien, indem er in den
Hörnern derselben Pseudopodien erkennen will, welche durch die Entwickelung einer Schalen-
hülle unbeweglich geworden seien und deren Vorhandensein einen sehr ursprünglichen
Character dieser Gattung bilde. Aus letzterer lässt er dann alle übrigen Dinoflagellaten, auch
die Prorocentrinen, entspringen; doch glauben wir nach dem Vorbemerkten auf das Nähere
hierüber wohl verzichten zu können.
13. Physiologisch-Biologisches.
A. Ernährungsverhältnisse.
Die Eriiährungsverhältnisse unserer Abtheilung scheineu äholich
schwankende zu sein wie die der Flngellaten, doch dürfen wir nicht ver-
gessen, dass diese Vorgänge noch nicht hinreichend stndirt wurden. Ge-
Phylogenie. Ernährungsverluiltiiisse. 1017
sichert scheint einmal, dass die mit Chromatophoren verseheneu Formen
nie, oder doch höchstens ausnahmsweise, feste Nahrung aufnehmen,
und demnach wie die entsprechenden Flagellaten in holophytischer Weise
assimilireu. Alle vertrauenswerthen Beobachter versichern wenigstens,
dass sie in solchen Formen nie feste Nahrungskörper fanden. Dem
gegenüber will es nicht viel besagen, dass Gourret (38) im Plasma
eines Ceratium Tripos ein etwas zweifelhaftes Algenbruchstück gefunden
haben will und überhaupt versichert, dass der Bauchausschnitt der Ceratien
als Mundöfifnung functionire, da das Plasma hier frei liege, was ja that-
sächlich unrichtig ist. Von einer Mundöffnung der Uinoflagellaten haben
aber auch andere Beobachter häufig gesprochen, so bezeichnet Stein
den Geisseispalt überall als eine solche , doch zeigen seine Abbildungen
und der Text zweifellos, dass er nur bei zwei nackten Formen feste
Nahrungspartikel im Körper beobachtete. Er betrachtete daher die Mund-
öffnung wie diejenige der Euglenen nur als Aufnahmestelle für flüssige
Nahrung (28). Eine ähnliche Ansicht vertrat auch Bergh (30) für ge-
wisse chromatophorenfreie Formen, bei welchen er die in der Nähe
des Geisselspaltes gelegene Vacuole als Anfnahmeapparat flüssiger
Nahrung auffasst. Wir dürfen aber für wahrscheinlich halten, dass diese
saprophytischen Dinoflagellaten ebensowenig wie einzellige Pilze einer
besonderen Oeffnung der Membran zur Aufsaugung bedürfen und er-
kennen die Bedeutung des Geisselspaltes wesentlich als Austrittsöffnung
der Geissein. Uebrigens findet sich ja auch die Vacuoleneinrichtung in
gleicher Weise bei gefärbten Dinoflagellaten.
Nichtsdestoweniger scheint es einige nackte Formen zu geben, welche
feste Nahrung aufnehmen wie Stein's und Bergh's Erfahrungen gelehrt
haben. Bei dem sog. Gymnodinium Vorticella fand Stein nicht selten
Chlamydomonadinen im Plasma (51; 7, N), welche doch nur als auf-
genommene Nahrung beurtheilt werden können, und auch in Hemidi-
nium nasutum versichert er, mehrfach grosse grüne Körper beobachtet
zu haben. Dass er sie aber als ,,gefressene'' bezeichnet, scheint über
das thatsächlich Beobachtete hinauszugehen, wenn es auch wahrscheinlich
sein mag. Mit grosser Bestimmtheit spricht sich auch Bergh über
die Nahrungsaufnahme seines Gymnodinium gracile und spirale aus. In
ersterem fand er Nahrungsballen, ähnlich denen der ciliaten Infusorien
und im Plasma des letzteren beobachtete er „sehr häufig gefressene
Organismen, Monaden u. A.". Noch bestimmter lauten die Angaben
Kent's (32) über die räuberische Lebensweise seines sog. Gymnodinium
marinum, welches Bodonen und andere Monaden mittels einer an der
Insertion der Längsgeissel gelegenen Mundöffnung verschlingen soll,
wobei letztere sich weit öffne. Er fügte auch eine Abbildung des Actes
der Nahrungsaufnahme bei, welche aber die Sache wenig aufklärt.
Ebenso versichert Entz (41), dass er sich bei Gymnodinium pulvisculus
von der Existenz eines deutlichen Mundes und Schlundes überzeugt habe.
Die betreffenden Organe sollen ganz wie die der Ciliate Urocentrum
1018 Diuoflagcllata.
Turbo gelagert sein, welche ja nach der Ansicht von Entz mit
den Dinoflagellaten nahe verwandt wäre. Gegenüber diesen Angaben
müssen wir besonders betonen, dass Bergh bei den erwähnten Gym-
nodinien eine Mimdstelle nicht auffinden konnte. Ganz isolirt steht
bis jetzt eine von Maupas*) leider nur kurz und gelegentlich geschil-
derte Beobachtung über die Nahrungsaufnahme einer kleinen marinen
Peridinide von unbestimmter Natur. Dieselbe soll sich an grosse ciliate
Infusorien anlegen und einen an die Tentakel der Acineten erinnernden
Saugfaden in deren Leibessubstanz einsenken, mit dem sie das Infusor
aussaugt. Maupas vergleicht diese Art der Nahrungsaufnahme auch mit
der p. 698 geschilderten des Bodo caudatus.
Die ältesten Erfahrungen über Nahrungsaufnahme gymnodinienartiger
Wesen rühren von Ehrenberg und Schmarda her; ersterer konnte sein
Peridinium pulvisculus (fraglich ob identisch mit dem Stein'schen Gleno-
dinium pulvisculus) mit Carmin füttern und letzterer fand in seinem Gleno-
dinium roseolum ansehnliche grüne Körper, welche er als aufgenommene
Microglenen deutete (vielleicht war auch diese Form, wie Stein vermuthet,
ein Gymnodinium).
Schliesslich hätten wir noch der Gattung Polykrikos zu gedenken.
Sowohl Bütschli wie Bergh glauben bei derselben Nahrungsballen im
Plasma gefunden zu haben, ohne jedoch über die Art der Nahrungs-
aufnahme etwas ermitteln zu können.
Von Ausstossung unverdauter Nahrungsreste wurde bis jetzt nur ein-
mal etwas gesehen ; Bergh beobachtete nämlich bei Gymnodium spirale
die Ausstossung körniger Massen am Vorderende und deutet den Vorgang
in obigem Sinne.
Nach dem Mitgetheilten kann ich nicht zweifeln, dass bei ge-
wissen Gymnodinien und Verwandten animalische Ernährungsweise vor-
kommt und es ist auch characteristisch , dass diesen Formen fast aus-
nahmslos die Chromatophoren fehlen; nur Hemidinium bildete eine Aus-
nahme, wenn Stein's Beobachtung über dessen Nahrungsaufnahme gerecht-
fertigt ist.
Sollte es sich nun in der Zukunft voll bewähren, dass die animalische
Ernährungsweise den genannten Dinoflagellaten zukommt, so dürfte dies
von erheblichem Interesse sein. Wie schon betont wurde, kann es näm-
lich kaum fraglich sein, dass die chromatophorenlosen und nackten
Formen von gefärbten und beschälten abstammen, welche sich in holo-
phytischer Art ernährten. Es spricht also Vieles dafür, dass die thierische
Ernährungsweise in der Gruppe der Dinoflagellaten aus holophytischer,
resp. unter Vermittelung saprophytischer, entstanden ist.
B. HäutungserscheiiiuiigeD.
Es scheint sicher, dass bei nicht wenigen Dinoflagellaten die alte
*) Archives de Zoologie exp6r. Vol. IX. p. 865.
ErnJihrungsverliältnisse. Ilüutuiig. 1019
Schalenhiille zeitweilig verloren geht und eine neue gebildet wird. Fast
alle hierüber gesammelten Erfahrungen beziehen sich übrigens auf
Peridiniden, so dass es unsicher bleibt, ob die gleiche Erscheinung auch
bei den Dinophysiden angetroffen wird. Auch ist die Sachlage noch
keineswegs so aufgeklärt, um den Vorgang vollständig zu überschauen.
Bei Exuviaella Lima scheint die Häutung nach den Erfahrungen Cien-
kowsky's recht häufig zu sein und sich besonders in alten Culturen bei
demselben Individuum rasch hintereinander mehrere Male zu wiederholen.
Dies Verhalten veranlasste sogar die Wahl des Gattungsnamens. Dabei
fallen die beiden Klappen der Hülle auseinander und das Wesen tritt aus
demselben schon mit einer neuen Hülle bekleidet hervor.
Claparede und Lachmann (21) waren es, die zuerst darauf hinwiesen,
dass in Gesellschaft beschälter Peridiniden nicht selten auch nackte In-
dividuen gefunden werden, welche, ihrer Bauweise nach, von den
ersteren nicht specifisch unterscheidbar sind. Auch Stein will solchen
nackten Individuen bei den Gattungen Gonyaulax, Goniodoma, Peridinium
und Glenodinium begegnet sein (39). Ebenso fand Bergh nackte Indi-
viduen von Peridinium divergens, -Diplopsalis, Glenodinium cinctum und
Prorocentrum micans. Immerhin scheint es mir etwas unsicher, ob die
als nackt beschriebenen Formen jeder Spur einer Hülle entbehrten oder
nicht die noch zarte Anlage einer solchen aufwiesen. Klebs (44)
wenigstens konnte sich von der Existenz nackter Individuen, als Ent-
wickelungszustände der Umhüllten, nicht überzeugen und Stein sprach
sich im I. Band seiner Flagellaten (28) auch etwas reservirt aus , in-
dem er bei den „nackten" Formen von Peridinium tabulatum und Gleno-
dinium von einem feinen Häutchen redet, welches er zwar als eine
„Cuticularschicht" von der eigentlichen Schalenhülle zu unterscheiden suchte,
eine Differenz, die in der Natur nicht begründet sein dürfte.
Solche Zustände nun können in doppelter Weise entstanden gedacht
werden, entweder, indem eine freibewegliche gewöhnliche Form ihre
Hülle abwirft, oder indem eine ruhende Form aus der Schalen- oder
CystenhüUe austritt, bevor eine neue gebildet, oder doch einigermaassen
ansehnlich entwickelt wurde. Der erstgenannte Fall wurde noch nicht
direct beobachtet, der zweite dagegen gelegentlich wahrgenommen. So
konnte Askenasy (46) beobachten, dass aus ruhenden, d. h. geissel-
losen Glenodinium cinctum der Körper austrat, indem die Schalenhülle
an einer Stelle der Querfurche aufriss, der Körper sich aus der Oeffnung
hervorzwängte und mit den Geissein weiter bewegte. Stein konnte
bei dieser Art, sowie Peridinium tabulatum den Austritt aus der Schalen-
hülle nicht direct beobachten und glaubt, dass derselbe im Laufe der
Nacht oder früh am Morgen erfolge; er fand, dass sich der ruhende
Körper, nach Verlust der Geissein, in der Hülle stark kuglig con-
trahire und dann nach erneuter Ausbildung der Querfurche und der
Geissein wahrscheinlich die alte Schalenhülle abwerfe. Wie schon be-
merkt, scheint aus seiner Darstellung hervorzugehen, dass die neue Hülle
1020 Dinoflagellata.
schon vor dem Austritt als schwache Membran angelegt werde. Das
Hervortreten des zusammengezogenen Körpers aus der zerfallenden Schalen-
hülle schilderte er weiterhin für Glenodinium foliacenm, Heterocapsa tri-
quetra, Gonyaulax spinifera und Goniodoma; in den beiden letzten
Fällen war der austretende Körper von einer schon ziemlich dicken und
angeblich „weichen" (gallertartigen) Hülle bekleidet, die eine deutliche
Querfurche besass. Geissein werden an den austretenden Körpern nicht ge-
zeichnet. Wenn es daher auch nicht unwahrscheinlich ist, dass letztere
z. Th. wenigstens wieder zu beweglichen, gewöhnlichen Individuen heran-
wachsen mögen, so bleibt doch nicht ausgeschlossen, dass das Abstreifen
der Schalenhülle z. Th. auch die Encystirung einleiten möge , wofür wir
ja früher Beispiele kennen gelernt haben. Schon Claparede und Lach-
mann beobachteten das Abwerfen der Schalenhülle bei ruhenden Gleno-
dinium cinctum und nahmen an, dass darauf Encystirung folge.
Bezüglich der vorhin erwähnten Gattung Gonyaulax habe ich noch
an eine eigene Beobachtung zu erinnern. Bei zahllosen Individuen der
Gonyaulax polyedra, welche ich im Auftrieb aus der Kieler Bucht sah,
hatte sich der Körper stets stark von der Schalenhülle zurückgezogen und
mit einer zarten, structurlosen Membran umkleidet (52, 3b; h). Die
Schalenhülle zerfiel bei diesen, mit Geissein versehenen Individuen sehr
leicht in die Tafeln. Ich möchte vermuthen, dass es sich auch in diesem
Fall um einen solchen Häutungsprocess handelte. Für die von Bergh (30)
bei einer Reihe von Formen beschriebenen Ruhezustände (Peridinium tabu-
latum, divergens und pellucidum, Protoceratium , Dinophysis laevis und
Prorocentrum) muss es zweifelhaft bleiben, ob sie beginnende Encystirungen
oder Häutungen waren. Nur bei Peridinium tabulatum wird um den
kuglig zusammengezogenen Weichkörper eine neugebildete homogene
Membran erwähnt, bei den übrigen nur eine kuglige Zusammenziehung
des Weichkörpers innerhalb der Schale angegeben.
Aus dem Angeführten ist zu ersehen, dass der Stand der Frage noch
ein ziemlich unsicherer ist. Sollte sich bei weiterer Erforschung derselben
wirklich ergeben, dass die Häutung eine regelmässige Erscheinung
im Leben der Peridiniden und anderer Dinofiagellaten ist, so Hesse
sich mit Stein wohl daran denken, dass dieser Vorgang das Weiterwachs-
thuni ermögliche, auch wenn die alte Schalenhülle demselben nicht mehr
zu folgen im Stande ist.
lu seiner zweiten Arbeit theilte auch Pouchet (48) eine Reihe von Erfahrungen über
die Häutungserscheinungen der Peridiniden mit. Er hebt ihre Häufigkeit hervor, auch dass
sie sich im Leben desselben Individiums in kurzen Fristen mehrfach wiederholen können
(Glenodinium obliquum, Peridinium tabulatum etc.). Unter dem Begriff der Häutung fasst er
jedoch auch diejenigen Theilungserscheinungen zusammen, wo die Theilsprösslinge in der alten
Hülle entstehen und dieselbe später verlassen. Obgleich eine solche Betrachtungsweise nicht
unnaturlich ist, durfte sie doch dem Sprachgebrauch nicht entsprechen. Die gehäuteten Indi-
viduen sollen entweder im nackten Zustand (z. B. Peridinium divergens) die alte Hülle ver-
lassen oder nach Bildung einer neuen , hinsichtlich derer er aber zweifelt, ob sie zur defini-
tiven wird. Sollte dies nicht der Fall sein, so zögen wir vor, den betrefl'enden Vorgang
Häutung-; Leuchten. 1021
unter die Encystirungsprocesse zu reihen und Laben in dem betreuenden Abschnitt auch
schon entsprechendes geschiklert. Nicht unwichtig- ist, dass Pouchet bei der Häutung
der Peridiniden stets eine beträchtliche Condensirung des Plasmas heobaclitete , dass also
bei diesem Vorgange eine Verkleinerung eintritt. Sehr interessant ist ferner, dass die Häutung
nicht selten durch eine Festheftung eingeleitet wird (Peridinium, Diplopsalis, Glenodinium).
Letztere geschieht durch Excretion eines durchsiclitigen Schleims, der gewöhnlich nur an einer
beschränkten Stelle gebildet wird. Bei fortgesetzter Abscheidung solchen Schleims können
sich die festgehefteten Individuen von der Unterlage allmählich erlieben , von einem Schleim-
stiel getragen. Derartige Stielbildung- wurde bei Peridinium und Diplopsalis beobachtet. Bei
letzterer z. B. der interessente Fall, dass das festgelieftete Individium sich innerhalb der Hülle
theilte, die beiden kugligen Sprösslinge hierauf aus der Hülle traten und je einen sehr langen
Schleimstiel bildeten. Letztere zeigten eine Anzahl A'erdickungsringe in ziemlich regulären
Abständen, welche wahrscheinlich Pausen im Wachsthum der Stiele bedeuteten. Da jeder
Sprössling mit einer ziemlich resistenten Hülle versehen war, so dürfte auch dieser Process
nicht den eigentlichen Häutungen angehören, sondern den Euhe- und Encystirungszuständen.
Er erinnert interessanter Weise lebhaft an die Koloniebildung der Flagellatengattungen Cola-
cium und Chlorangium (s. p. 769). Die Entwickelung von Schleimstielen erweckt unser Inter-
esse aber auch durch die Erinnerung an die Desmidiaceen und Bacillariaceen , wo dieselbe
Fähigkeit gleichfalls recht verbreitet ist. Pouchet glaubt übrigens, dass diese Schleimsecretion
gewisser Dinoflagellaten einen krankhaften Zustand anzeige, welcher gewöhnlich zum Tode führe.
C. Verhalten der gefärbten Dinoflagellaten zum Licht und Lichtproduction.
Gegen Lieht verhalten sich die gefärbten Dinoflagellaten analog
den Flagellaten , doch fehlen eingehendere Untersuchungen darüber
bis jetzt gänzlich, so dass speciellere Erörterungen unmöglich sind. Da-
gegen verdienen die Dinoflagellaten unser besonderes Interesse durch eine
andere Beziehung zum Licht, da es für eine Anzahl mariner Formen
ziemlich sicher ist, dass sie activ Licht produciren. Wir erfuhren
schon in der Einleitung, dass Michaelis (4) zuerst auf die Lichtentwicke-
lung einiger Dinoflagellaten aufmerksam machte und nachwies, dass das
diffuse Meerleuchten des Kieler Hafens in der Hauptsache durch die-
selben bewirkt werde. Seine Versuche mittels Filtration bewiesen ein-
mal, dass es die in stark leuchtendem Wasser reichlich vorhandenen be-
weglichen Organismen sein müssen, welche das Leuchten bewirken, denn
das filtrirte Wasser leuchtete nicht mehr, dagegen der auf dem Filter
gebliebene schleimige Rückstand bis zur Austrocknung.
Bei genauerer Betrachtung zeigte sich ferner, dass die Lichtentwicke-
lung von beweglichen kleinen Punkten ausging. Da es nun einigemale
gelang, einen solchen Leuchtpunkt mittels eines Capillarröhrchens zu
fangen und als eine Dinoflagellate zu erkennen (meiner Ansicht nach
Peridinium divergens) und sich ferner einige andere Formen immer
fanden, wenn das Wasser leuchtete (Ceratium Tripos und Fusus, Proro-
centrum micans), so schien der Schluss gesichert, dass die marinen Dino-
flagellaten Leuchtwesen sind.
Ehrenberg*) bestätigte diese Angaben von Michaelis durch eigene
Untersuchungen , indem er die Leuchtpunkte aus Seewasser von Kiel
*) Abh. der Berliner Akademie a. d. J. 1834, p. 537.
1022 Dinoflagellata.
mit der Spitze einer feinen Feder heraushob und isolirt unter das Mi-
kroskop brachte. Mittels dieses Verfahrens will er sich überzeugt haben,
dass Ceratiura Tripos, Fusus und Furca, sowie Prorocentium leuchten.
Auch 1859 (und 1873) constatirte Ehrenberg das Leuchten gewisser
Varietäten der genannten Ceratien und der Gattung Blepharocysta im
Mittelmeer, Hess dagegen das der gleichzeitig entdeckten Exuviaella Lima
(gleich Cryptomonas Lima Ehr.) zweifelhaft.
Es scheint seltsam, dass gegen diese so sicher lautenden Mitthei-
lungen von einigen Seiten Widerspruch erhoben wurde. So konnten sich
Claparede und Lachmann (21) von dem Leuchten der Ceratien nicht über-
zeugen und Gourret (38) sprach sich in neuester Zeit mit grosser Be-
stimmtheit gegen das Leucbtvermögen der marinen Dinoflagellaten über-
haupt aus, doch scheint mir seine Autorität gerade nicht besonders ver-
trauenerweckend. Ich schliesse mich daher um so lieber der Ansicht
Stein's an, welcher den Angaben Michaelis' und Ehrenberg's im Allgemeinen
durchaus beistimmt. Leider scheint aber auch er das Leuchten der Peri-
diniden der Kieler Bucht nicht direct festgestellt zu haben, doch bestätigt
er, dass das Leuchten durchaus an die Gegenwart der Dinoflagellaten
gebunden sei; ähnlich äusserte sich auch Pouchet (37). Noctiluca tritt
bekanntlich im Kieler Hafen nur sehr selten auf und ist dann, wie es scheint,
durch besondere Windverhältnisse aus der Nordsee zugeführt. Es ist be-
dauerlich, dass Bergh und Klebs dieser Frage keine Aufmerksamkeit zu-
wendeten. Nach allem Bemerkten zweifele ich nicht an der Richtigkeit
der älteren Angaben und hoffe, dass diese Zeilen vielleicht Veranlassung
geben werden, die nicht schwierige Frage definitiv zu erledigen.
Ueber das Leuchten von Süsswasserformen berichtete bis jetzt
nur ein einziger Beobachter, Werneck (8). Derselbe will bei Salzburg
angeblich Ceratium Furca, Peridinium Michaelis und ein sog. Peridinium
lucina leuchtend gesehen haben (Vergl. über angebliches Vorkommen
dieser beiden marinen Formen im süssen Wasser weiter unten p. 1024).
Was Michaelis in seiner Schrift weiter über die Art des Leuchtens
und das Verhalten desselben unter dem Einfluss verschiedenartiger
Agentien raittheilt, stimmt im Allgemeinen so wohl mit dem tiberein,
was wir genauer und eingehender über das Leuchten der Noctiluca
erfahren haben, dass ich eine Besprechung an dieser Stelle unterlassen
zu dürfen glaube, indem eine ausführliche Darstellung des Leuchtens im
Abschnitt über die Cystoflagellaten folgen wird.
D. Wobnortsverhältnisse der Dinoflagellaten.
Von den ca. 28 Gattungen der Dinoflagellaten ist nur eine einzige
ausschliesslich im süssen Wasser gefunden worden (Hemidinium); von
den übrigen besitzen 5 auch Vertreter im Süsswasser, der Rest von
22 Gattungen wurde bis jetzt nur marin beobachtet. Von den 90 bis
95 Arten finden sich nur 14 bis 15 im süssen Wasser, die übrigen
sind marin.
Wobnortsvci'liältnisso. 1023
Ueber das Vorkommen der Süsswasserformen ist wenig zu be-
merken ; dieselben scheinen sich am besten in ruhigen und nicht fauligen
Tümpeln, Sümpfen und Teichen zu entwickeln. Besonderes Interesse
verdient es, dass gewisse Formen mit Vorliebe ausgedehntere Gewässer,
grössere Teiche oder Seen zu bevölkern scheinen und dann, wie ihre
Ernährungsverhültnisse es bedingen, Mitglieder der pelagischen Fauna
bilden. Durch die neueren Untersuchungen der pelagischen Fauna
der nördlichen wie südlichen alpinen Seen wurde speciell Ceratium
Hirundinella als eine solche Form erkannt. Die Untersuchungen von
Imhof (42) (dessen Ceratium reticulatum ich mit Blanc nur für die
zweihörnige Varietät des Ceratium Hirundinella halte), Pavesi*) und
Blanc (45) erwiesen dies. Aber auch in Ostindien wurde dasselbe
Ceratium in den Seen von Kumaon (Himalaja), 4- bis GOOO Fuss über
dem Meeresspiegel, so massenhaft beobachtet, dass das Wasser von ihm
braun gefärbt war. Wir besitzen darüber einen Bericht Carter's (24), wel-
cher zwar an die specifische Verschiedenheit der indischen und der euro-
päischen Form glaubte, doch war auch sie wohl nichts weiter wie die
zweihörnige Varietät des Cer. Hirundinella. Sowohl Carter wie Blanc
berichten, dass das Ceratium nicht direct an der Oberfläche, sondern in
einiger Tiefe angetroffen werde, nach Carter in den indischen Seen
hauptsächlich in 10 bis 12 Fuss Tiefe, nach Blanc im Genfer See
am reichsten in 10 Meter Tiefe. Wahrscheinlich dürfte dies, sowie
die Verschiedenheit in der Tiefe, mit der Intensität der Belichtung zu-
sammenhängen.
Als Mitglieder der pelagischen Fauna der Alpenseen werden von
Imhof noch aufgeführt Peridinium tabulatum und ein unbestimmtes Ceratium,
von Blanc Glenodinium cinctum. Als ganz besonders merkwürdiges Vor-
kommen erwähnte endlich Maggi (31, a) das marine Ceratium
Furca aus einigen italienischen Alpenseen. Abbildungen liegen aber
nicht vor, welche entsche^iden Hessen, ob die Bestimmung richtig ist und
ich glaube mit ziemlicher Sicherheit annehmen zu dürfen, dass auch
dieses angebliche Ceratium Furca nur die zweihörnige Varietät von
Hirundinella war. Das Gleiche möchte ich mit Stein für das von
Cohn (11) in einem Graben Breslau's beobachtete Ceratium Furca
festhalten; es erklärt sich diese Verwechselung um so leichter, da
Ehrenberg Ceratium Hirundinella nicht kannte und dasselbe daher
leicht für das in dem grossen Infusorienwerk abgebildete ähnliche
Ceratium Furca gehalten werden konnte. Wir wollen an dieser Stelle
gleich die weiteren Angaben über gelegentliches Vorkommen mariner
Formen im süssen Wasser besprechen, welche stets ein gewisses Auf-
sehen erregten, ja Maggi sogar Veranlassung zu der Ableitung der
Fauna der Binnenseen aus der des Meeres gaben. Diese Angaben
scheinen aber nicht sicherer wie die erwähnten über das Ceratium Furca.
*) Altra Serie di ricerclie e studi sulla fauna pelag. d. laglii italiani. Padova. 1883.
1024 Dinoflagellata.
Zunächst soll nach Claparede und Lachmann (21) das Ceratium Tripos
von Pringsheim zu Berlin beobachtet worden sein, doch fehlt gleichfalls
der genauere Nachweis und ich neige mich daher der Annahme zu,
dass es sich ebenfalls um eine Verwechselung mit Ceratium Hirundinella
handelte. Wem eck (8) will sogar drei marine Formen zu Salz-
burg gefunden haben: Peridinium Michaelis, Ceratium Furca
und Prorocentl'um micans. Die Angabe über die zweite Form er-
klärt sich nach dem oben Bemerkten von selbst; hinsichtlich der zwei
anderen wird es schwer sein, zu einer sicheren Entscheidung zu gelangen,
so lange nicht die Originalabbildungen Werneck's zugänglich gemacht
werden. Ich für meine Person hege keinen Zweifel, dass Werneck's An-
gaben auf irrthümlichen Deutungen beruhen, denn Niemand anders fand
diese Formen im süssen Wasser. Endlich hätten wir noch anzuführen,
dass Poucbet (37) das in süssem Wasser so verbreitete Glenodinium cinctum
auch aus dem Mittelmeer beschrieb, doch ist seine Darstellung nicht ge-
nügend um die Richtigkeit der Bestimmung sicher beurtheilen zu können.
Ich halte jedoch gerade diesen Fall für wohl möglich, da dieses Gleno-
dinium auch von Entz in einem Salzteich Ungarns beobachtet wurde.
Wir erkennen aus diesen Bemerkungen , dass die Angaben über das
Vorkommen von Meeresformen im süssen Wasser auf sehr schwachen
Füssen stehen, ja dass es recht wahrscheinlich ist, dass sie sämmtlich
keine Begründung besitzen. Es liegt mir zwar ferne, das gleichzeitige
Vorkommen einer und der-selben Form an beiden Orten überhaupt be-
streiten zu wollen, durch die augenblicklich bekannten Thatsachen lässt
sich dasselbe aber gewiss nicht sicher beweisen.
Ihren grössten Reichthum entfalten aber die Dinoflagellaten, wie be-
kannt, im Meer, wo sie gleichfalls der pelagischeu Fauna angehören und
einen nicht unansehnlichen Theil derselben bilden. Genaueres über ihr
Verhalten ist kaum bekannt, doch scheint aus den Beobachtungen der
Challengerexpedition zu folgen*), dass sie wie Noctiluca ihre Haupt-
verbreitung längs der Küsten finden, im offenen Ocean dagegen nicht
oder doch nur wenig entwickelt sind. Aus den Beobachtungen von
Michaelis haben wir erfahren, dass der Reichthum des Kieler Hafens an
Dinoflagellaten im Laufe des Sommers allmählich wächst und sein Maxi-
mum im Juli und August erreicht, doch fehlen dieselben auch in den
Wintermonaten nicht gänzlich, das Leuchten des Seewassers wurde sogar
unter der Eisdecke wahrgenommen.
Es ist natürlich, dass die pelagischen Dinoflagellaten des Meeres
zahlreichen Thieren, welche eine ähnliche Lebensweise führen zur Nah-
rung dienen. Ihre widerstandsfähigen Schalenhüllen füllen desshalb oft
in grosser Menge den Darm gewisser Seethiere. Stein hat hiervon
grossen Vortheil gezogen und eine ansehnliche Zahl der von ihm ent-
deckten Formen stammt aus dem Darminhalt von Salpen, Ascidien, Glieder-
*) S. den Bericht von Murray in Proc. roy. soc. London, Bd 24, p. 533.
Wolinortsverliältiiissc. P;irasik'ii. 1025
Würmern und Comateln, welche Abtheilungen, namentlich aber die Salpen,
besonders reich an Dinoflagellateuresten sind.
Interessant erscheint, dass Joseph (29) sein Peridinium stygium in
der feuchten Erde einer Krainer Höhle gefunden hat; die beweglichen
Zustände desselben dürften sich aber wohl nur in kleinen Wasserlachen
entwickeln.
Eine Aeusserung über die geographische Verbreitung der Dino-
flagellateu lassen unsere mangelhaften Erfahrungen bis jetzt noch nicht
zu, doch wissen wir, dass gewisse marine Avie Süsswasserformen in
grösstmöglichen Entfernungen auf der Erdoberfläche vorkommen, wess-
halb es wenig zweifelhaft erscheint; dass sich auch unsere Gruppe hin-
sichtlich der geographischen V^erbreitung ähnlich wie die übrigen Protozoen-
abtheiluugen verhalten wird.
Parasitische Dinoflagellaten sind bis jetzt nicht gefunden worden. Das, was
Pouchet (47) neuerdings als eine parasitische, auf den Schwänzen gewisser Appendicülarien
befestigte Form beschrieb , kann nur als ein ruhender Zustand betrachtet werden , der
hier Befestigung suchte, aber sicherlich nicht als wahrer Parasit lebt. Maggi (31c) will
aus einer Notiz hei Perty (12), welche die Beobachtung eines Gymnodinium fuscum in einer
Planarie schildert, auf das parasitische A^orkommen dieser Dinofiagellate schliessen, doch fehlt
hierzu jede Berechtigung.
Dass auch die Dinoflagellaten im süssen Wassers zuweilen reich-
lich genug auftreten, um eine deutliche Färbung des Wassers zu er-
zeugen, wurde mehrfach beobachtet. Die Färbung ist natürlich meist
eine bräunliche. Dass unter Umständen auch rothe Färbungen vorkommen
können, beweisen die Mittheilungen Carter's (19), der eine solche in
den Seewassersümpfen an den Küsten von Bombay beobachtete, die von
einem marinen Peridinium (sanguineum Cart.) erzeugt wurde. Derselbe
Beobachter sucht es wahrscheinlich zu machen, dass Rothfärbungen
der See, die zu verschiedenen Zeiten und an verschiedeneu Orten beob-
achtet wurden , auf der massenhaften Entwicklung von Dinoflagellaten
beruhen können, doch lässt sich nach den vorliegenden Angaben darüber
kaum etwas sicheres sagen.
E. Parasiten der Dinoflagellaten.
Es wurde schon früher gezeigt, dass wir die von Stein beschriebene
Fortpflanzung der Dinoflagellaten durch innerlich auftretende Embryonen
unter die parasitären Erscheinungen rechnen müssen. Die Gründe hier-
für sind: dass wir einerseits die von Stein als Copulationen gedeuteten
Zustände anders beurtheilen mussteu, ferner die fast völlige Uebereinstim-
mung des Vorgangs (nach der Schilderung Stein's) mit der Entwicklung
der vermeintlichen Embryonen der Flagellaten und schliesslich der Um-
stand, dass die Weiterentwickelung der angeblichen Keime zu zweifel-
losen Dinoflagellaten bis jetzt von Niemand erwiesen wurde. Das
Thatsächliche , welches Stein feststellte, beschränkt sich auf Folgendes.
Derselbe fand bei einer Anzahl Süsswasser- und Meeresformen (einigen
Gymnodinien, Glenodiniuni pulvisculus, Heterocapsa triquetra, Exuviaella,
r. lonii, Klasseu dos Tliieneiclis. PiMtozoa. ()5
1026 Biiiofiag-ollata.
sowie AmpLidiiiium operciilatiim) im Plasma eine oder zwei ziemlich
lichte, „farblose oder bläulich weisse Kugeln'', mit zarter Hülle, neben
welchen er keinen Nucleus mehr beobachten konnte. Im Centrum dieser
sog. „Keimkugeln" (51, 11c; K) fand sich stets ein helles Bläschen, das
gewöhnlich auch ein dunkles Körperchen enthielt, ganz wie in den
Keimkugeln der Flagellaten. Die Kugeln wachsen entschieden im Inneren
der Dinoflagellaten heran, so dass sie endlich deren Körper zur Hälfte
oder mehr erfüllen, wobei auch die Chromatophoren grossentheils zer-
stört zu werden scheinen. Schliesslich zerfällt ihr Plasma in zahl-
reiche kleine „Kügelchen", wobei jedoch das centrale Bläschen keine
Veränderung erleidet. Der Austritt dieser Kügelchen oder Keime („Em-
bryonen'' nach Stein) wurde nicht beobachtet, dieselben konnten nur durch
künstliche Sprengung der Dinoflagellate und der Keimkugel entleert
werden; dann besassen sie noch keine Geissein. Stein lässt diese Keim-
kugeln nun wie jene der Flagellaten aus den verschmolzenen isTuclei eines
copulirten Paares hervorgehen ; finden sich gleichzeitig zwei Keimkugeln
vor, so sollen diese durch nachträgliche Theilung des copulirten Nucleus
entstanden sein. Der Beweis für diese Entstehung der Keimkugeln wird
aber vermisst.
Aus obiger Schilderung geht die grosse Analogie dieser Gebilde
mit den bei den Flagellaten erwähnten deutlich hervor, so dass wir sie
wie jene auffassen müssen, wenn auch die Entstehung der Keime nicht
ganz wie bei den Flagellaten zu verlaufen scheint; doch zeigten sich
schon bei diesen hierin Verschiedenheiten.
Klebs (36) hat zuerst die Bedeutung, welche Stein den Keimkugeln
gab, angegriffen und hervorgehoben, dass bei Gymnodinium und Hemidinium
wo er diese Einschlüsse vielfach beobachtet habe, der Zellkern stets vor-
handen sei. Er schildert sie als „weissliche, stark lichtbrechende Körper",
während Stein sie „als lichter wie der Nucleus" bezeichnet, also gewiss
nicht stark lichtbrechend. Ich hege dessbalb Zweifel , ob die von Klebs
gesehenen Körper mit den Stein'schen Keimkugeln identisch waren. Klebs
enthält sich für die genannten Formen übrigens eines Urtheils über ihre
eigentliche Bedeutung. Der eben ausgesprochene Zweifel wird noch ver-
stärkt durch die späteren Beobachtungen von Klebs (44) über Einschlüsse
in marinen Ceratieu, welche er gleichfalls den Keimkugeln an die Seite
stellt, die aber ebenso von denselben verschieden sein dürften. Diese
Körper sollen bei marinen Dinoflagellaten, besonders den Ceratien, nicht
selten sein und sich in verschiedener Zahl neben dem Kern finden. Auch
sie werden als stark hchtbrechend , anscheinend homogen und von sehr
verschiedener Grösse und Form beschrieben. Sie lassen sich, wenn auch
langsamer wie der Kern, färben, und Klebs nennt sie auch „kernartig."
Aehnliche Körper hatte auch schon Pouchet (38) aus Ceratien beschrieben
(bis zu drei und vier in einem Individuum) und darin häufig ein nucleolus-
artiges Gebilde gesehen.
Parasiten (Eigeiitliümliclie Einschlüsse der Oeratien). 1027
Endlich konnte ich (46) in Ceratium Tripos und Fusiis analoge Ein-
schlüsse beobachten. Bei der ersteren Form besassen sie ein net/Jges Plasma
und zuweilen ein centrales nucleolusartiges Gebilde; sie fanden sich nur
in Einzahl neben dem Kern und waren entweder viel kleiner wie derselbe
oder bis von Kerngrösse. Anders erschienen die des Cer. Fusus; ihre Masse
war homogener, die Gestalt etwas länglich und jedem Ende ein stark
gefärbter Nucleus eingelagert; war das Gebilde ansehnlich gross, so
erschien der Kern des Ceratiums an Grösse sehr reducirt.
Ich halte alle diese Einschlüsse der Ceratieu namentlich desshalb
nicht für vergleichbar mit den Keimkugeln Ötein's, weil ihnen das cen-
trale Bläschen fehlt, das Stein bei letzteren stets deutlich abbildet.
Klebs fand nun, dass die von ihm bei den Ceratien beob-
achteten Einschlüsse öfters eine mittlere ringförmige Einschnürung be-
sassen und beobachtete ein Gerat. Fusus, aus dessen Bauchausschnitt ein
solcher Körper hervorragte, welcher sich nach einiger Zeit plötzlich losriss
und mittels einer in der Querfurche befindlichen Geissei bewegte, jedoch
bald zu Grunde ging. Die Aehnlichkeit des ausgetretenen Körpers mit
einer Dinoflagellate ist auffallend und schwer anders zu deuten, als dass
es sich um eine parasitische Dinoflagellate oder um einen Fortpflanzungs-
process des Ceratiums handle. Ich glaube auch, dass die von mir in
Ceratium Fusus beobachteten Körper wohl mit diesen von Klebs gesehenen
identisch waren.
Es bleibt demnach zur Zeit nichts anderes übrig, wie die Angelegenheit
auf sich beruhen zu lassen und genauere Erfahrungen abzuwarten.
Wir wollen an dieser Stelle noch über die Entwicklung eines
merkwürdigen grossen Körpers, welchen Bütschli in Ceratium
Tripos aus dem Kieler Hafen beobachtete, berichten, da seine Natur
gleichfalls noch zweifelhaft ist und derselbe möglicherweise auch als ein
parasitisches Gebilde, eventuell sogar als identisch mit Stein's Keim-
kugeln betrachtet werden darf.
Wenn dieser Körper sich vorfand, so nahm er stets die Stelle des
Kernes ein und übertraf auch in seinen Anfangsstadien den Kern
nur wenig an Grösse (54, Ic). Ganz sicher konnte festgestellt
werden, dass neben ihm kein Kern mehr vorhanden war. Der
Körper färbte sich deutlich, wenn auch etwas schwächer wie der Kern
und zeigte eine Structur, die sich mit der Nucleusstructur ver-
gleichen Hess, obgleich sie damit nicht identisch war. Er baute sich
nämlich aus concentrisch angeordneten, dunkleren Fäden auf, welche
varicöse Anschwellungen zeigten , zwischen denen sich noch feinere
Verbindnngsfädchen bemerken Hessen. Mehr im Innern konnte eine
netzige Structur wahrgenommen werden. Weitere Stadien zeigten nun
deutlich , dass der Körper in den Ceratien allmählich heranwächst
(Id) und schliesslich so gross wird, dass er deren eigentlichen Leib
ganz erfüllt (1 e). Er ist dann nur noch von einer sehr dünnen
Plasmaschichte umgeben, nur in den Hörnern des Ceratiums fand sich
1028 Dinoflas-ellata.
das Plasma uoch reichlicher vor. Nun machte sich auch eine Verände-
rung an den Fäden des Körpers geltend ; die Varicositäten derselben ver-
grösserten sich zu kleinen kernartigen Gebilden und die letztere ver-
bindenden Fadentheile schwanden. Auf den entwickeltsten Stufen (1 e)
Hess sich schliesslich um jene kleinen kernartigeu Gebilde die Andeutung
von Zellgrenzen sicher beobachten. Eine netzige Masse im Innern des
Körpers war auf diesen Endstadien der Entwicklung nicht mehr zu be-
merken, vielmehr erschien derselbe jetzt blasenartig hohl. Hiermit fanden
die Beobachtungen ihren Abschluss, namentlich wurde nichts von einem
Austritt der kleinen Zellen wahrgenommen. Wie gesagt, lässt sich zur
Zeit auch diese Beobachtung nicht mit Bestimmtheit deuten, speciell nicht
entscheiden, ob es sich dabei um eine parasitäre Entwicklung oder um
einen Fortpflanzungsprocess handelte. Ich neige mich mehr der ersteren
Autfassung zu, und manches in dem Entwicklungsgang des fraglichen
Körpers erinnert ja an die Keimkugeln Stein's, obgleich auch hier das
centrale Bläschen der letzteren vermisst wurde.
14. Vorkommen im fossilen Zustand.
Nachdem wir schon in der historischen Einleitung auf F^hrenberg's
Beobachtungen einiger fossiler Dinoflagellaten aufmerksam machten, er-
übrigt uns noch, diese Funde etwas näher zu erläutern.
Zu den 1836*) aus den Feuersteinen der Kreide von Delitzsch
(Provinz Sachsen) beschriebenen Formen gesellte Ehrenberg in der Mikro-
geologie, 1854, noch einige weitere, welche der Blätter kohle des Wester-
waids, der sog. Steinkohle von Pottschappel und dem Hörn-
st ein des Coralrag von Krakau entstammen. Sämmtliche letzt-
erwähnten Formen scheinen mir aber zu undeutlich erhalten oder abge-
bildet zu sein, um als zweifellose Dinoflagellaten beansprucht werden zu
dürfen. Dagegen scheint dies für die als P e r i d i n i u m p y r o p h o r u m
aus den Feuersteinen von Delitzsch beschriebene Form ganz sicher und
auch für das Peridinium delitiense vom gleichen Fundort recht
wahrscheinlich. Das erstgenannte Fossil möchte ich weiter für ein sicheres
Peridinium halten, nächstverwandt, wenn nicht gar identisch, mit Peri-
dinium divergens, womit auch harmonirt, dass sich in diesem Feuer-
stein eine Textularia, also eine sicher marine Form fand. Wie schon
bemerkt wurde, ist das sogen. Peridinium delitiense etwas weniger kennt-
lich , doch möchte ich seine Dinoflagellatennatur nicht ernstlich be-
zweifeln. Da Ehrenberg eine ziemlich grobe Reticulirung der Hülle
zeichnet und bei einigen Exemplaren einen hornartigen Fortsatz in der
Querfurchengegend, so liegt die Vermuthung nahe, dass diese Form der
Gattung Ceratium angehöre, wenn sich dies auch auf Grund des
Bekannten nicht bestimmt ermitteln lässt. In dem gleichen Feuerstein
*) Abhandl. der Berliner Akademie a. d. ,1. 1836. Die Abbildungen sind liier besser
wie in der Mikrog'eologie.
Fossile Diiioflaü-cUatcii. 1021)
finden sich endlich sehr reichlieh die sog. Xanthidien, von welchen
Stein (39) zwei, das X. ramosum und furcatum für möglicherweise
identisch mit seiner Cladopyxis bra'chiolata hält. Es könnte das wohl
der Fall sein , doch ist die Natur der Cladopyxis selbst zu zweifelhaft,
um bei der Betrachtung obiger Xanthidien länger zu verweilen*). End-
lich hält es Stein auch für möglich, dass das Gebilde, welches Ehrenberg
als Pyxidicula prisca von demselben Fundort beschrieb, mit der Exu-
viaella compressa ßailey (= Dinopyxis compressa Stein) identisch sei.
Bei Vergleichung der Abbildungen Ehrenberg's kann ich aber keine ge-
nügenden Anhaltspuncte finden, welche eine solche Annahme rechtfertigten.
*) Vergl. über fossile Xanthidien ans den Feuersteinen der Kreide weiterhin die Arbeiten
von White, H. H., in Transactions of the r. micr. soc. London Vol. Lp. TT u. 87; Deane.
H„ ibid. Vol. IL p. 77; Wilkinson, S. J., ibid. Vol. IL p. 89; Reade, J. B., Ann. mag.
iiat. bist. Vol. 2. 1839. p. 19L Die eigentliclie Natur dieser Gebilde, welche in zahlreichen
Arten beschrieben wurden, scheint noch sehr fraglich, da namentlich auch ihre Rückfuhrang
auf Desmidiaceen ziemliche Schwierigkeiten bietet. Es ist ferner wahrscheinlich genug, dass
sich unter den Xanthidien der Feuerstteine verschiedenartige Organismen oder deren Erzeug-
nisse verbergen.
IV. Unterabtheilmig (Ordnung) Cystoflagellata Häckel.
(Noctilucidae Autor.).
1. Lebersieht der liisfonseheu Kiitwiekluii« unserer Keuutiiisse der
Cystoflsi«ellatii.
Schun seit alter Zeit hat das prachtvolle Schauspiel des allgemeinen
Meerleuchtens das Interesse der Menschen, namentlich des griiheluden
und forschenden Theils derselben, in Anspruch genommen. Es muss daher
eher wunderbar erscheinen , dass das kleine Protozoon , welches wenig-
stens im Bereich der Küsten die Ursache dieser Erscheinung ist, erst
verhältnissmässig spät bekannt wurde. Mit einiger Sicherheit lässt sich
nämlich die erste Beobachtung der Noctiluca etwas vor die Mitte
des vorigen Jahrhunderts (1742) zurück datiren. Ich halte es nicht
für zweifelhaft, dass die von J. Sparshall beobachteten leuchtenden Meeres-
thierchen echte Noctiluccn waren. Was uns Baker (1) über diese Beob
achtung Sparshall's berichtet, lässt mich vermuthen, dass dieser erste
Beobachter sogar schon den sog. 'Tentakel wahrnahm. Seine Bemerkungen
über die Ansammlung der Organismen an der Wasseroberfläche, sowie
ihr Aufleuchten bei Erschütterungen, dürften unsere Deutung energisch
unterstützen*).
Kigault's Beobachtungen über das Meerleuchten (1768; 2) ergaben
bei weitem nicht ein so bestimmtes Resultat. Obgleich auch er das Leuchten
auf eine Unmasse kleiner leuchtender Thierchen (Insecten) zurückzuführen
sucht, lässt sich aus seiner Mittheilung doch nicht entnehmen, ob er die
Noctiluca wirklich genauer erkannte. Dagegen experimentirte er über
den Einfluss von Säuren und Alkalien auf das Leuchten und gründete
auch hauptsächlich auf die Resultate dieser Versuche seine Ansicht.
Um so besser beobachtete dagegen der Holländer Slabber (3) in
demselben Jahre 1768 unser Thier, das er als eine Medusa beschrieb
und sehr gut abbildete. Sowohl die allgemeine Gestalt, wie die strahlige
Ausbreitung der Plasmafäden des Innern stellte er schon recht gut dar,
dagegen erwähnte er den Tentakel nicht, wohl aber den Mund, den er
an der richtigen Stelle angibt; auch die Nahrungsaufnahmen scheint er
schon beobachtet zu haben. Als ein besonderer Zufall ist hervorzuheben.
*) Ich musste dies etwas octoiieii. da Ehrciibcr^ (lO^i die von Sparshall beobachteten
Thiere auf Vorticellen zurückfüliren wollte. B
(iuscliichtc. 1031
dass Slahbcr das rjcuchtvcnnögcn unseres Wesens nicht bemerkte,
wcsshalb wohl die Identität des von ihm beschriebenen Organismus
mit dem gewöhnlichsten Lenchtthicr des Meeres verhältnissmässig lange
verborgen blieb. Oken (Lehrb. d, Naturgesch. Zool. l. p. 828) errichtete
1815 für das von Slabber geschilderte Thier eine Gattung ölabberia
unter den Quallen.
Geringe F)edeutung besitzen die Angaben Newland's, der ein unter
den Tropen beobachtetes Meerleuchten auf Fischlaich oder Animalcula
zurückführte jedoch keine genauere Beschreibung derselben gab (1772; 4).
Um so sicherer lässt sich dagegen das prachtvolle Meeresleuchten,
welches J. R. und Georg Forst er (6) auf ihrer Weltumsegelung am
- Cap der guten Hoffnung beobachteten, auf Noctiluca beziehen. Dass die
von ihnen als Ursache des Leuchtens erkannten und kurz beschriebenen
Thierchen echte Noctilucen waren, beweist die Abbildung, welche zwar
erst im Jahre 1810 von Macartnay (7) publicirt wurde.
Die ersfc scharfe Darstellung des Tentakels finden wir in der Schrift
des Abbe Dicquemare (1775, 5), welcher das Meeileuchten zu Havre an-
haltend untersuchte. Fir beobachtete (1778) eine solche Menge der Leucht-
thierchen an der Meeresoberfläche, dass dieselbe mit einer dicken öligen
Schicht überzogen schien. Durch Filtriren führt er den Nachweis, dass
(das Wasser selbst nicht leuchte*).
Zwei Abbildungen ßruguiere's in der Encyclopedie mcthodique
(Tableau encycloped. cont. rilelminthologic, oules vers infusoires etc. 1791,
PI. 81), Fig. 2 u. 3) beziehen sich ohne jeden Zweifel auf Noctiluca. Sic
wurden hier mit den von Forskjll unter dem Namen Gleba beschriebenen
Organismen (im wesentlichen Schwimmglocken von Hippopodius) zusammen-
gestellt. Eine Beschreibung scheint nicht publicirt worden zu sein**).
Im Jahre 1810 veröffentlichte Macartnay (7) eine ausgedehntere
Untersuchung über das Meerleuchten, als dessen allgemeinste und ver-
breitetste Ursache er gleichfalls unsere Noctiluca erkannte. Auch die An-
gaben früherer Beobachter über das Meerleuchten suchte er z. Th. auf
dieses, von ihm Medusa scintillans genannte Wesen zu beziehen.
Seine eigenen Untersuchungen über die Organisation der Noctiluca sind
jedoch recht dürftig und erreichen kaum die seiner Vorgänger, so fand
er z. B. den Tentakel nicht.
Beträchtlichere Fortschritte in der Erkenntniss des Baues machte
dagegen in demselben Jahre der Arzt Suriray in Havre, welcher seine
erst im Jahre 1836 publicirte Abhandlung schon 1811 der Pariser Akademie
*)- Es würde zu weit fülireu, alle Angaben von ßeiseiiden und Seefuhrern Über das
Leuchten Jes Meeres, welche sich eventuell auf Noctiluca beziehen lassen, liier zu verzeichnen;
wer sich für eine ansführliche Zusammenstellung- hierilber interessirt, findet dieselbe bei
Ehrenbcrg- (10).
*) Kachträglich komme ich auf die Vermuthung, dass diese Abbildungen Bruguiere's
wahrscheinlich nur CJopien der Slabber'schcn Figuren sein diirften ; ich bin leider ausser Stand
diese Vermuthung zu prüfen, da mir das Werk Slabber's nicht mehr zur Disposition steht.
] 032 Cystofiag-cllata.
vorlegte, die sie jedoch, wie es scheint, des Druckes nicht würdigte.
Seine Abbildungen übertretfen die der Vorgänger entschieden. An dem
gut dargestellten Tentakel tritt die Querstreifung schon deutlich hervor;
der Mund wird in seiner Lage richtig angegeben und auch eine Art Oeso-
phagus beschrieben, welcher wohl sicher das sog. Peristom (oder Atrium)
war. Derselbe sollte in eine Magenhöhle führen, von der eine Anzahl
Gefässe ausstrahlten, ein Theil der strahligen Plasmafortsätze; einen
anderen Theil derselben verlegte er als Nerven in die äussere Haut
und deutete sie z. Th. auch als ein verästeltes Ovarium. Zu letzterer
Meinung verleitete ihn wohl die irrige Auffassung der Nahrungsvacuolen,
sammt ihrem Inhalt, als Eier. Im Allgemeinen ist jedoch die Beschreibung-
weiche er vom Bau der Noctiluca milaris (die ihm ihren Namen verdankt)
entwirft, etwas knapp und verräth seine Unsicherheit in der Deutung
des Gesehenen vielfach. Hinsichtlich der zoologischen Stellung des
Wesens sprach er sich nicht eingehender aus, bezeichnete es jedoch als
Polyp. Von den früheren Erfahrungen über Noctiluca kannte Suriray so
gut wie nichts.
Lamarck nahm 1816*) die ihm durch Suriray 's noch ungedrucktc
Schrift bekannt gewordene Noctiluca neben Beroe in sein System auf;
hierin folgte ihm Blainville 1825 (9); 1833 dagegen zog letzterer sie mit
Zweifel zu den Diphyiden. Bei Blainville .(1825) finde ich jedoch auch
die interessante Notiz, dass Bosc Noctiluca für eine Monade erklärt hat.
Auch Ehrenberg, der sich 1834 (10) eingehend mit der Ge-
schichte der Frage vom Leuchten der Thiere beschäftigte und dabei
auch das Noctiluca betreffende Material aufs genaueste zusammenstellte,
hielt unser Thier für eine Verwandte der Medusen. Er deutete die Plasma-
fäden gleichfalls als Ernährungskanäle, die strahlig geordnet seien wie jene
der Medusen. Den Tentakel bezeichnete er als Küssel, und findet inter-
essanter Weise eine Analogie in seiner Wirkungsweise mit dem sogen.
Monadenrüssel. Auch ein Ovarium glaubte er im Innern des Körpers
beobachtet zu haben.
Seit jenen Arbeiten Suriray's und Ehrenberg's ist die Noctiluca mi-
liaris in ihrer Bedeutung als Ursache des allgemeinen Meerleuchtens ein-
stimmig anerkannt worden, so dass wir in der Fortsetzung unserer histo-
rischen Uebersicht wesentlich die Fortschritte in der Erforschung ihres
Baues und Lebens zu besprechen haben.
Nachträglich sei noch bemerkt, dass auch L. Woodward (8) im
Jahre 1831 eine ziemlich gute Abbildung mittheilte und den Tentakel für
eine Röhre erklärte, eine Ansicht, welche schon Suriray angeregt hatte,
da er im Tentakel die Andeutung eines Kanals beobachtet haben wollte.
Erst im Jahre 1846 traten neue Untersuchungen hervor, die zu
werthvollen Ergebnissen hinsichtlich der allgemeinen zoologischen Stellung
der Noctiluca führten. Zunächst sind hier die wichtigen Beobachtungen
'■) Anim. saus vcrtrbrcs T. II, \t. 470.
I
Geschichte. 10o3
Vcrhaeglie's zu erwähnen, dessen Arbeit erst 1848 veröffentlicht, jedoch
schon 1846 durch einen Bericht von P. van Beneden bekannt wurde.
Verhaeg'he's (14) Beobachtungen sind sehr gut, wie sich aus seinen treff-
lichen Abbildungen ergibt; nicht auf gleicher Höhe dagegen stehen die
Deutungen des Wahrgenommenen. So beobachtete er zuerst den Kern,
erkannte zuerst die abgeplattete Gestalt des Tentakels und bildete das
sogen. Staborgan sehr kenntlich ab. In seiner Gesammtauffassung des
Organismus blieb er jedoch noch gänzlich im Banne der früheren An-
schauungen. Auch ihm galten die Plasmafortsätze noch als Gefässe und
die Nahrungsvacuolen als verdauende Erweiterungen derselben. Zu einer
bestimmten Ansicht über die zoologische Stellung gelangte er daher nicht,
sondern fragt zweifelnd, wohin unter den Coelenteraten diese Form wohl
zu bringen sei.
Dagegen eröffneten die gleichfalls im Jahre 1846 publicirten Unter-
suchungen Doyere's (13) einen neuen Gesichtspunkt in der Beurtheilung
der Noctiluca, indem sie auf ihre Zugehörigkeit zu den Dujardin-
schen Sarkodethiereu deutlich hinwiesen. Doyere ermittelte zuerst richtig,
dass die innere Leibesmasse eine in ihrer Gestalt und Anordnung ver-
änderliche Sarkodemasse sei, welche er der Dujardin'schen Sarkode auch in
ihren Bewegungen sehr richtig verglich. Die sog. „Magen'"^ seien nichts
weiter wie in der Sarkode auftretende Vacuolen , welche die Nahrung
einschlössen. Die einzigen beständigen Theile des Noctilucakörpers bil-
deten die Hülle, der als Rüssel bezeichnete Tentakel, welcher ein Er-
zeugniss der Hülle sei, und die Mundöffnung. Ueber die systematische
Stellung der Noctiluca, auf Grund dieser neuen Anschauungsweise, sprach
sich Doyere nicht weiter aus, dennoch müssen wir seine Arbeit als den
ersten Schritt zur Erlösung der Noctiluca aus ihrer unnatürlichen Ver-
bindung mit den Coelenteraten und zur Erkenntniss ihrer Protozoen-
natur bezeichnen. Noch entschiedener erhob sich ebenfalls im Jahre
1846 P. van Beneden (12) für diese Auffassung; in seinem Be-
richt über Verhaeghe's Untersuchung sprach er seine eigene Ansicht
über die verwandtschaftlichen Beziehungen der Noctiluca aus und glaubte
dieselbe als eine „nackte Foramioilere oder Rhizopode" betrachten zu
dürfen, welche an die Spitze der Dujardin'schen Rhizopoden zu stellen
sei. Mit dieser Ansicht contrastirt zwar die wenige Zeilen später sich
lindende Bemerkung, dass die Noctiluca eine „regelmässige Schale'' be-
sitze, in merkwürdiger Weise. Immerhin war jetzt der richtige Weg zur
weiteren Beurtheilung der Noctiluca eröffnet.
Bald wurden denn auch die Untersuchungen von Quatrefages fort-
gesetzt; bevor wir jedoch dessen Forschungen betrachten, sei erwähnt,
dass im Jahre 1849 auch die merkwürdigste physiologische Leistung der
Noctiluca, ihr Leuchtvermögen, durch Bring (15) der experimentellen
Beobachtung unterzogen wurde. Zwar hatten schon die älteren Beobachter
mancherlei hierüber mitgetheilt, auch gelegentlich einige Experimente
über, die Beeinflussung des Leuchtens durch verschiedene Agentien ange-
1034 GystoflagcUata.
stellt; doch dürfen wir mit Recht die erste systematische Bearbeituug
dieses Gegenstandes Pring zuschreiben. Derselbe studirte die Wirkung
verschiedener chemischer Agentien auf das Leuchtvermögen, ebenso die
der Electricität und seine Erfahrungen sollen später an geeigneter Stelle
im Zusammenhang mit den neueren Beobachtungen besprochen werden.
Wenn er auch durch seine Experimente nicht zu einer Erklärung des
Leuchtens gelangen konnte, so glaubte er doch wenigstens die That-
sache mit Sicherheit festzustellen, dass das Leuchten unseres Thieres
nicht unter die Kategorie der Verbrennungserscheinungen zu rechnen
sei, ein Resultat, welches zu einer Zeit, wo die Selbstverbrennung
thierischer Körper noch in manchen Köpfen spukte, von Bedeutung
erschien.
Die von Doyere und van Beneden angebahnte Erforschung der Organi-
sation wurde, wie erwähnt, von A. de Quatrefages fortgesetzt, dessen
Arbeiten (16 und 17) wesentlich zur Befestigung der Ansicht über die
Sarkodenatur der verzweigten inneren Leibesmasse beitrugen. Er schloss
sich daher auch der Beneden'schen Ansicht von der Stellung der Nocti-
lucen bei den Rhizopoden an. — So werthvoll diese Untersuchungen auch
in vieler Hinsicht für die Sicherung der Protozoennatur der Noctiluca
erscheinen, so führten sie doch nicht zu wesentlichen Erweiternngen
unserer Kenntnisse von dem Bau dieser Thiere. Dagegen suchte Quatre-
fages zuerst dieuVermehrung durch Theiluug wahrscheinlich zu machen.
In ähnlicher Weise wie Pring experimentirte er ferner über das
Leuchtvermögen, ohne jedoch hierbei namhaft über seinen Vorgänger
hinauszukommen.
Eine wichtige Vermehrung erfuhr dagegen unser Wissen durch zwei
deutsche Forscherin den Jahren 1851 und 52. Busch's (18) Beobachtungen
vertieften zwar nicht wesentlich unsere Kenntnisse von der Organisation
der Noctiluca, welcher er eigenthümlicher Weise eine scheibenförmige
Gestalt zuschrieb und deren wohl beobachtetes Staborgan er ins Innere
verlegte; dagegen bezeichnete er zuerst den Tentakel als eine Geissei.
Wichtig ist ferner die Beobachtung eines sogenannten Doppelmonstrums
der Noctiluca, obgleich dessen Bedeutung sich heutzutage nicht mehr
sicher aufklären lässt. Weiterhin sah er zuerst Stadien der Knospung,
hielt dieselben jedoch nicht für Noctiluca angehörig und glaubte schliess-
lich noch eine Fortpflanzung durch innere Keimen beobachtet zu haben.
Wenn er auch in der Deutung der Thatsachen, welche dieser angeblichen
Fortpflanzung zu Grunde lagen, irrte, so wurde er dadurch doch zum
ersten Beobachter der interessanten und bis jetzt noch nicht hinreichend
verstandenen Regenerationserscheinungen im Leben unserer Protozoe.
Krohu (19) bereicherte unsere Erfahrung sehr wesentlich durch den
Nachweis der sogen. Cilie, deren Lage er richtig angab, obgleich er die
Muudöffnung irrig darstellte. Gegenüber Quatrefages verbesserte er die
Kenutniss des Tentakels und betonte namentlich zuerst scharf und be-
(ioscili.iiic. 10;-i5
stimmt die Existenz des Keines, welchen er den Kernen der Infusorien
und Amöben verglich. Als Fortpflanzung konstatirte er nur Theilung.
Der Bau der Noctiluca erinnerte ihn schliesslich sehr an das von Kölliker
beschriebene Actinosphaerium.
Ziemlich werthlos erscheinen Gosse 's Beobachtungen von 1853,
der in der Beurtheilung der Noctilucaorganisation etwa noch auf dem
Standpunkt Suriray's steht; dagegen förderten Huxley's Untersuchungen
(21, 1854) unser AVissen in mancher Beziehung nicht unwesentlich. Er ent-
deckte zuerst den merkwürdigen Zahn an der Mundötfnung und be-
stätigte die Existenz der Cilie. Dagegen war er in seiner allgemeinen
Beurtheilung der Organisation unseres Tbicres nicht sehr glücklich.
Es gelang ihm nicht, sich von der Existenz der Sarkodeströmung im
Plasmanetz zu tiberzeugen, desshalb glaubte er denn auch die Vacuolen
nicht als solche, anerkennen zu dürfen, sondern erklärte sie von neuem
als besondere Mägen, die mit einem Darmlumen in der centralen Sarkode-
masse zusammenhingen. Auch einen After glaubte er im Verlaufe des
sogenannten Staborgans, das er nur mangelhaft erkannte, wahrgenommen
zu haben. Nach dieser Darstellung wäre denn die Noctiluca ein den
Ehrenberg'schen Polygastrica recht ähnliches Wesen geworden ; Huxley
zögerte auch nicht diese Consequenz wirklich zu ziehen und ihre nächsten
Verwandten in den ciliaten Infusorien zu suchen. Nicht unerwähnt darf
bleiben, dass Huxley die Querstreifung des Tentakels schon mit der Quer-
streifung der Muskelfasern verglich.
Sehr ähnlich sprach sich im allgemeinen auch Webb (23) im An-
schluss an Huxley über den Bau der Noctiluca aus, er bestätigte den
Zahn und den After und scheint auch das Staborgan etwas richtiger
beurtheilt zu haben. Am meisten Interesse erregt wohl sein kurzer, jedoch
deutlicher Hinweis auf die häufige Regeneration der Noctiluca, sowie die
Beobachtung zusammenhängender Paare, obgleich er sich gegen deren
Auffassung als Conjugirte erklärte.
In demselben Jahre 1854 wies ferner J. Müller daraufhin, dass man
häufig geissellose, sog. encystirte Noctilucen finde, ohne jedoch die Be-
deutung dieser Zustände zu erörtern.
Eine interessante Bereicherung brachten die von Brightwell mitgetheilten
Untersuchungen Baddeley's über die Fortpflanzung durch Theilung. Es
war dies die erste genauere Darstellung eines der Fortpflanzungsprocesse
unseres Wesens. Da über diese Untersuchungen später noch eingehender
zu berichten sein wird, so möge an dieser Stelle ein Hinweis genügen.
Ohne Erfolg waren die von zwei deutschen Forschern Engel mann
(25) und V. Gar US (29) ausgehenden Bestrebungen einen mehrzelligen Bau
der Noctiluca nachzuweisen. Indem sich Doenitz (1867 — 68; 28) mit
Recht gegen diese Bestrebungen aussprach, verharrte er selbst bei einer
in vieler Hinsicht veralteten Auffassung unseres Wesens. Er suchte ge-
wisseimassen die alte Ansicht einer verdauenden Cavität mit ausstrahlen-
1036 Gystoliagellata.
den Gefässen (hohlen Plasmafäden) mit den neueren Ansichten über
die Bauverhältnisse der Protozoen zu vereinigen, wobei ihn die Reichert'scbe
Ansicht von dem Bau der Khizopoden, der er sich anschloss, nicht gerade
förderte. Wie gesagt, gelten ihm die Plasmafäden der Noctilnca als hohle,
gefässartige Geljilde, welche sich daher den Pseudopodien der Rhizopoden
nicht direct vergleichen Hessen, sondern denen der Amöben, Gromien und
wohl auch den Tentakeln der Acineteu. Auch der Tentakel sei hohl.
Interessant erscheinen die Mittheilungen über das Staborgan , auf dessen
Bau er ausführlicher eingeht, wie frühere Beobachter, ohne jedoch zu
einer klaren V^orstellung desselben zu gelangen. Die wichtigsten Resul-
tate seiner Beobachtungen sind jedoch ohne Zweifel die über die Regene-
ration , deren Verlauf er zum ersten Male genauer verfolgte und durch
Abbildungen erläuterte.
Wenig später eröffnete jedoch der auf dem Gebiete der Protozoeu-
kunde so vielfach verdiente Cieukowsky eine neue Epoche in den
Forschungen über Noctiluca. 1871 (31) veröffentlichte er zunächst
Untersuchungen über die sogenannte Schwärmerbildung der Noctiluca,
durch welche nicht nur die zuerst von Busch, jedoch ohne Ver-
ständniss und ganz unvollständig beobachtete Knospenfortpflanzung
festgestellt und in fast allen wesentlichen Punkten richtig erkannt
wurde, sondern auch schon die Copulation experimentell nachgewiesen
wurde. In der späteren Arbeit von 1873 (33) führte er diese
Untersuchungen beträchtlich weiter aus und glaubte namentlich auch
zwischen Copulation und Knospung einen Zusammenhang statuiren zu
dürfen.
Gleichzeitig klärte Cienkowsky aber auch die Bauverhältnisse der
Noctilucen in vieler Hinsicht genauer auf, indem er namentlich die feineren
Verhältnisse der mannichfachen, um die Mundöffnung gruppirten Organe
theils bestätigte, theils berichtigte. Auch die Regenerationserscheinungen
zog er in den Kreis seiner Untersuchungen und schilderte ihren Verlauf
im Anschluss an Dönitz näher. Diese Beobachtungen führten ihn dann
auch zu dem interessanten Ergebniss, dass die seiner Zeit von Busch
beobachteten inneren Keime, sowie dessen vermeintlichen jugendlichen
Thiere, nichts weiter wie solche Regeuerationszustände waren.
Alle diese Ergebnisse, speciell jedoch die Bauverhältnisse der sogen.
Schwärmer, d. h. der abgelösten Knospen, befähigten Cienkowsky zu einem
gesicherten Urtheil über die verwandtschaftlichen Beziehungen der Nocti-
luca. Er erklärte sie daher zuerst für eine Angehörige der Mastigophora,
unter welchen sie wegen ihrer quergestreiften Geissei (Tentakel) eine be-
sondere Gruppe bilden müsse.
Die hervorragende Bedeutung der Cienkowsky 'sehen Arbeiten dürfte
auch aus obigen kurzen Angaben genügend hervorgehen, die folgende
Darstellung der Bau- und Fortpflanzungsverhältnisse wird dies ein-
gehender darlegen.
Geschichte. 1037
Mancherlei Funkte in der Organisation der Noctiluca wurden
durch eine 1872 erschienene Arbeit A lim an 's gefördert, so namentlich
die Bildung der Einsenkung, welche zum Munde führt und gewisse mit
dem Staborgan zusammenhängende Einrichtungen, Andererseits enthält
die Arbeit jedoch auch eine Reihe entschiedener Irrthümer. Hinsicht-
lich der systematischen Stellung kam AUman zu dem für die damalige
Zeit kühnen Schluss, welchen er auch keineswegs tiefer begründete,
dass die nächsten Verwandten der Noctiluca in den Cilioflagellaten
zu suchen seien. Wir werden gleich sehen, dass diese Ansicht später
allgemeinere Anerkennung fand.
Im Anschluss an Cienkowsky studirte Robin {S6) im Jahre 1878 so-
wohl Bau wie Fortpflanzung sehr eingehend und vermochte auch in einer
Reihe von Punkten die Untersuchungen seines Vorgängers zu vervollständi-
gen. Unter diesen sei nur speciell betont, dass es ihm glückte, das Ver-
halten des Kernes bei der Knospung zu verfolgen. Die Arbeit Robin's
darf in jeder Hinsicht als eine wichtige Förderung unseres Wissens be-
zeichnet werden, deren Ergebnisse sich jedoch dem Rahmen unserer
historischen Darstellung entziehen. Auch die seit Quatrefages nicht ein-
gehender studirte Physiologie des Leuchtvermögens fand in dieser Schrift
wieder einige Würdigung, im Anschluss an frühere Untersuchungen,
welche Robin, in Gemeinschaft mit Legros (27) über die Einwirkungen
der Electricität auf das Leuchten angestellt hatte.
Mit dem gleichen Gegenstand beschäftigte sich um dieselbe Zeit
auch Vignal (35), dessen Ergebnisse jedoch von denen Robin's und
Legros' ziemlich abweichen. Vignal studirte aber auch die Bauverhält-
nisse der Noctiluca von neuem, doch dürfen wir ^ine Resultate nicht als
sehr gelungen bezeichnen, da ihm manche der schon durch frühere
Beobachter sicher constatirten Organe, wie Zahn, Wimper etc. ganz un-
bekannt blieben.
Von höchstem Interesse für die Beurtheilung der Gruppe der Cysto-
flagellaten wurde schliesslich eine Entdeckung R. Hertwig's (1877; 34),
die zuerst einen zweiten, entschieden zu dieser Gruppe gehörigen Or-
ganismus kennen lehrte. Diese Beobachtung gibt der Vermuthung Raum,
dass unsere Gruppe vielleicht noch andere, bis jetzt unbekannte Ange-
hörige besitzt.
Wie schon angedeutet wurde und auch aus dem Abschnitt über
die Dinoflagellaten bekannt ist, haben eine Anzahl neuester Autoren
den von Allmau geäusserten Gedanken von der Verwandtschaft der Noc-
tiluca mit den Dinoflagellata weiterzuführen gesucht. Darunter sind jedoch
nur zwei. Stein (39) und Bütschli (40), welche dies auf Grund eigener,
diesem Organismus gewidmeter Studien thun. Des ersteren Beobachtungen
verdanken wir keine Bereicherungen und seine Zusammenziehung der
Noctiluca mit echten Pcridiniden in einer Familie der Dinoflagellaten ist
1038 Cystoflag-ellata.
wohl ein entschiedener Missgriff. Bütschli gab genauere Darstellungen von
dem Peristom und dem sog. Staborgan und suchte auch die Beziehungen zu
den Dinoflagellaten in besonderer Weise zu begründen. Als weitere Ver-
treter dieser Ansicht traten schon früher Kent (37) und Pouchet (38)
auf, doch wie gesagt, ursprünglich ohne selbstständige Studien über
Noctiluca und ohne genügende Begründung dieser Zusammenstellung.
Eist in einer zweiten Arbeit (41) suchte der Letztere diese Ver-
gleichung naturgeraässer zu begründen und glaubte auch gewisse
Organismen beobachtet zu haben, die eine Mittelstufe zwischen den beiden
Abtheilungen einnehmen. Er geht diesen Betrachtungen und Beobach-
tungen zu lieb, sogar so weit, Noctiluca in die Gattung Gymnodinium
einzureihen.
Am Schlüsse dieser historischen Uebersicht dürfen wir wohl den
Ausspruch wagen, dass unsere Kenntnisse der Cystoflagellata (wenigstens
was Noctiluca betrifft) ziemlich umfassende geworden sind, wenn auch der
mögliche Umfang der Gesammtgruppe sich bis jetzt noch nicht mit
Sicherheit überschauen lässt.
:Z. Literatur.
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1040 Cystoflagellata.
3, Allgeineiiie Sthilderuno- des Baues der Cystoflagellata .
Wie in der historischen Einleitung mitgetbeilt wurde, kennt man bis
jetzt nur zwei Gattungen unserer Abtbeilung, so dass ein Bedürfniss zur
Aufstelhmg von Untergruppen zur Zeit nicht vorliegt, obgleich die Ver-
schiedenheiten beider Gattungen so bedeutend sind, dass man wohl für
jede eine besondere Familie errichten könnte.
A. Grössen- und Gestaltsveiiiältnisse.
Die eben erwähnte Verschiedenheit in dem Bau der beiden Gat-
tungen tritt schon in ihren sehr abweichenden allgemeinen Gestalts-
verhältnissen so auflfallend hervor, dass es genauerer Vergleichung be-
darf, um die verwandtschaftlichen Beziehungen beider nicht zu verkennen.
Die Gattung Noctiluca besitzt gewöhnlich einen regelmässig kugligen
Körper, welcher nur selten durch geringes Ueberwiegen der gleich genauer
festzustellenden, dorsoventralen Axe etwas länglich erscheint. In dem
später specieller zu betrachtenden Ruhezustand ist die Kugelgestalt eine
ganz vollkommene, allseitig ausgebildete, im gewöhnlichen Zustand da-
gegen erscheint sie durch die Anwesenheit und Stellung gewisser Organe
ein wenig modificirt. Die Ausbildung dieser Organe bewirkt gleichzeitig,
dass der Körper einen ausgesprochen bilateral symmetrischen Bau er-
langt, welcher etwas zum Assymmetrischen neigt, da gewisse, gering ent-
faltete Organe einseitig angebracht sind. Wir können demnach eine
Medianebene gut unterscheiden.
In einer gewissen Strecke dieser Medianebene, welche etwa ein
Sechstel bis ein Viertel des Kugelumfanges erreicht, ist die Oberfläche
nämlich mehr oder weniger tief eingesenkt; doch besitzt diese Einsenkuug
nur eine geringe Breiteausdehnuug, wesshalb der Gesammtkörper an
die Bildung eines Pfirsichs erinnert und ein Querschnitt, welcher
durch die Mitte der Einsenkung geführt wird, nierenförmig eingebuchtet
erscheint. Wir wollen diese Einsenkung, deren genauere Beschreibung
später folgen wird, das Peristom nennen (Atrium, Allman; Infundibulum,
Robin), da die Mundöffnung auf ihrem Grunde angebracht ist. Wie wir
noch sehen werden, ist diese Peristomeinsenkung etwas veränderlich, sie
kann sich abflachen und wieder vertiefen. Betrachtet man sie von der
Seite (T. 49, 14 b, vst), so ergibt sich leicht, dass ihr eines Ende, welches
wir das hintere nennen wollen, am tiefsten in den Körper hineinreicht,
indem es von einer etwas geschwungenen, ungefähr in der Richtung eines
Radius absteigenden Hinterwand begrenzt wird, während der Boden der
Einsenkung von hier aus nach vorn ganz allmählich ansteigt, d. h.,
das Peristom nimmt nach vorn successive an Tiefe ab und biegt endlich
ganz allmählich in die Kugeloberfläche über. Sein Vorderende scheint
überhaupt nur l)ei starker Einziehung scharf markirt zu sein; auch die
Seitenränder biegen ganz allmählich, ohne scharfe Absetzung in die
Kugeloberfläche über, doch nähern sich die Seitenwandungen rasch, so
AlJgoiiieiue (jcstaltsverliiütnisse. lUil
dass der tiefere Tlieil des Peristonis, wenigstens im einigermaasseu ein-
gezogeneu Zustand, schmal spaltförmig ist; doch kann es sich auch mehr
ausbreiten, ja es scheint dies im Leben meist der Fall zu sein.
Ganz vorn im Peristom, also wenig tiefer wie die Kugeloberfläche, ent-
springt der sog. Tentakel (t) oder die Bandgeissel, wie man das Ge-
bilde aus später zu eröiterudeu Gründen auch nennen kann ; nicht weit
dahinter erheben sich von der rechten Seitenwand des Peristoms zwei
Organe, der Zahn (z) und die Lippe (1), deren einseitige Lage die gering-
fügige Asymmetrie des Noctilucakörpers hervorruft. Von der Lippe ent-
springt, nach vorn gerichtet, die Geissei oder Cilie (f), welche meist ganz
in dem Peristom eingelagert und daher schwer erkennbar ist.
Zu beiden Seiten des Hinterendes der Peristomeinsenkung erheben
sich auf der Kugeloberfläcbe zwei schwache, ganz schmale Falten, nahezu
parallel den Seitenrändern des Peristoms (st) ; die beiden Falten, zwischen
welchen die Oberfläche etwas concav eingesenkt ist, verlaufen nach hinten,
sich rasch nähernd, so dass sie schon in geringer Entfernung von dem
Peristom dicht zusammengerückt sind ; nun verlaufen sie nahezu parallel,
aber sich doch fortgesetzt nähernd, in der Medianebene soweit nach
hinten (Fig. 14 b), dass ihr Endpunkt, wo sie zusammenfliessen , dem
Vorderrand des Peristoms ungefähr gerade gegenüber liegt.
Vom Vorderrande des Peristoms bis zur Spitze dieses sogen. Stab-
organs haben wir also die eine Hälfte der Kugeloberfläche durchmessen.
Wir bezeichnen dieselbe als die ventrale, die gegenüberliegende, welche
keinerlei besondere Organe trägt, als die dorsale und eine Axe, welche
von dem Vorderrande des Peristoms, oder ein wenig vor demselben, ent-
springt und nach dem Hinterende des Staborgans zieht, als die Haupt-
oder Längsaxe.
Wir können gleich hinzufügen , dass der bilaterale Bau der Nocti-
luca durch die Vertheilung des Plasmas im Kiirperinnern noch vermehrt
wird. Die Haupt- oder Centralmasse des Plasmas liegt nämlich ventral,
als ein etwas länglicher Plasmazug am Grunde der Peristomeinsenkung
(14 a — b) und von dieser Centralmasse strahlen allseitig verzweigte und
veränderliche Plasmazüge gegen die Kugeloberfläche aus, die grosse Zell-
safthöhle durchspannend.
Noctiluca gehört zu den ansehnlichsten Protozoen, indem sie nicht
selten bis 1 Millimeter Durchmesser erreicht, wenn sie auch gewöhnlich
ein wenig hinter dieser Grösse zurückbleibt; es finden sich aber auch
Nachrichten über Noctilucen, welche 2 Millimeter Durchmesser besassen
(Giglioli 30).
Wenden wir uns nun zu einer Betrachtung der auffallend verschie-
denen Gestaltsverhältnisse des Leptodiscus, indem wir sie mit denen
der besser bekannten Noctiluca vergleichen. Leptodiscus (Taf. 50, Fig.
10c — d) erreicht eine ähnliche Grösse, da sein scheibenförmiger Körper
im Durchschnitt etwa 1,2 Mm. misst (0,(3 — 1,5). Seine Gestalt ist, wie
angedeutet, eine abgeflacht scheibenförmige, mit convexer Krümmung der
Bronn, Klassen Jt- Ihiei-Reichs Protnzoa. (Jß
1042 Cystofla.nellata.
eiuen und concaver der anderen Scheibenseite, so dass, je nach dem
Contractionszustand, der Körper bald flach glocl^en- bis schirmlormig^
bald hoch glocken- bis miltzent'örmig erscheint. Wir bemerken gleich,
dass sich dieser Organismus, im Gegensatz zu Noctiluca, durch eine gauz
besondere Contractionsialiigkeit und Beweglichkeit auszeichnet. Lepto-
discus erinnert daher autfallend an kleine Medusen, eine Aehnlicld<eit,
welche durch die analogen Bewegungserscheinungen noch vermehrt wird.
Die Centralpartie der Scheibe scheint zuweilen etwas verdickt zu sein
(Fig. 10 e), ihre Peripherie verdünnt sich sehr. Wenn wir die Anordnung
der Organe untersuchen, so lässt sich auch hier eine bilaterale Bildung
feststellen, obgleich eine so deutliche und grosse, bilaterale Peristom-
einsenkung wie bei Noctiluca nicht vorhanden ist. Die Bilateralität wird
hervorgerufen durch eine ziemlich weite röhrentormige Einstülpung der
convexen Scheibenseite (vst) ; dieselbe hat ihre äussere Mündung etwa mitten
zwischen Centrum und Peripherie der Scheibe und läuft von hier aus,
schief centralwärts gerichtet, gegen die concave Scheibenfläche, welche sie
ungefähr in der Entfernungeines Viertel Scheibendurchmessers vom Centrum
nahezu erreicht, indem sie endet. Zu diesem Ende der Einstülpung trilt
nun ein starker Strang paralleler Plasmafäden (p), welche in radialer Rich-
tung von dem im Centrum der concaven Seite gelegenen Centralplasma
entspringen. Durch die Längsstreckung des geschilderten Organes wird
eine Mittelebene bezeichnet, welche der Mittelebene der Noctiluca ent-
sprechen dürfte, indem ich vermuthe, dnss das Organ dem Staborgan der
Noctiluca zu vergleichen ist, obgleich diese Deutung noch nicht als ganz
gesichert betrachtet werden kann.
Ein zweites Organ macht aber auch den Leptodiscuskörper etwas
asymmetrisch. Auf der anderen Hälfte der convexen Scheibenseite, welche
wir als die vordere bezeichnen wollen, findet sich nämlich noch eine
zweite, aber sehr eng röhrenförmige Einsenkung (f), die gleichfalls
schief centralwärts absteigend , bis zum Centralplasma zieht. Aus
dieser Röhre erhebt sich eine feine, ziemlich lange Geissei, deren
Homologie mit der Noctilucageissel wohl nicht zweifelhaft sein kann.
Die äussere Mündung dieser Geisseiröhre tällt nun aber nicht in die
früher festgestellte Mittelebene, sondern liegt neben derselben, etwa
in ein Drittel des Durchmessers vom Centrum. Da sich die Geissei aus
dieser Einsenkung erhebt, so halte ich ihre Homologisirung mit dem Pe-
ristom der Noctiluca für noth wendig. Desshalb und wegen der Stellung
der Geissei auf der convexen Scheibenseite müssen wir w^eiter folgern,
dass letztere der Bauchfläche der Noctiluca entspricht, die Concavseite
dagegen deren Rückseite. Der für letztere Gattung so charakteristische
Tentakel konnte bei keinem der untersuchten Leptodiscen gefunden wer-
den; ob er dieser Gattung aber zu allen Zeiten fehlt, scheint mir doch
noch nicht ganz ausgemacht zu sein.
Allgemeine Gestaltsverhältnisse. Membran. 1043
R. Bcsclireitju ng- der einzelnen Organisationsbestandtbeile.
1, Membran, Die älteren Beobachter bescbrieben zicnilicb überein-
stimmend eine den Noctilucakörper allseitig umhüllende, feine Membran.
Vor den Untersuchungen Quatrefages' wurde eben die Körperwand einfach
als eine solche Hüllmembran bezeichnet. Erst nachdem letzterer in der
KTuperwand ein feines Protoplasmanetz entdeckt hatte, wurde noch ausser-
halb desselben eine eigentliche Membran unterschieden. Quatrefages selbst
wollte sogar eine doppelte äussere Membran gefunden haben, eine An-
gabe, die ich mir nicht recht zu erklären vermag. Die übrigen neueren
Beobachter, so namentlich Huxley, Dönitz, AUman, Vignal und auch Robin
finden eine äusserst zarte oberflächliche Membran (ungefähre Dicke 0,001
bis 0,002 Mm.), welche gewiJhnlich als vollkommen homogen und structur-
los, nur von Robin als sehr feinkörnig („grenu") geschildert wird ; Dönitz
bezeichnet sie sogar als Schale der Noctiluca. Viel weniger bestimmt
spricht sich ein so genauer Beobachter wie Cienkowsky über die
Existenz einer besonderen Hüllmembran aus; nach ihm besitzt die Wand
der Noctilucablase „eine viel festere Consistenz als der Inhalt, scheint
aber von ihm nicht scharf geschieden zusein"; bei schädlichen Einflüssen
hebt sich von ihrer Oberfläche eine äusserst feine Contour ab." Auch
au den Schwärmeranlagen, -welche doch direct aus der Oberfläche der
Noctiluca hervorgehen, findet er nur eine dichtere Hautschicht, welche
aber ohne scharfe Grenze in das innere Protoplasma übergeht. Gegen
die Existenz einer besonderen Membran sprach sich auch Klebs*)
kurz aus und meine Erfahrungen zeigen dasselbe. Ich konnte eine solche
Membran weder von dem die Köri)erwand bildenden Plasmanetz optisch
unterscheiden, noch mit Hülfe von Reagentien isoliren und zweifele daher
auch nicht, dass eine vom Plasma chemisch wesentlich verschiedene Haut
nicht vorhanden ist, sondern dass es sich höchstens um eine dichtere,
feine, im optischen Durchschnitt sehr feinkiWnig erscheinende Haut-
schicht handeln kann, welche die Grenze des Noctilucakörpers gegen das
umgebende Medium bildet. Diese Hautschicht gehJirt dem Plasmakörper
ebenso unmittelbar an wie die sog. Cuticula der Infusorien. Mit dieser
Auffassung stimmt denn auch das Verhalten der Noctiluca bei der Thei-
luug und Copulation ü herein, deren Verlauf gleichfalls erweist, dass eine
eigentliche Membran nicht vorhanden sein kann. Dass es durch Ein-
wirkung gewisser Reagentien auf lei)ende Noctilucen gelingt die Haupt-
masse des Plasmas innerhalb dieser Hautschicht zur Zusammenziehung
und zur Ablösung von derselben zu bringen, beweist meiner Ansicht nach
ebensowenig wie bei den Ciliaten die Existenz einer von dem Plasma
differenten Membran.
An gewissen Organen des Noctilucakörpers, wie dem Tentakel und
dem sogen. Zahn, ist jedoch eine etwas dickere und ziemlich deutlich
doppelt contourirte äussere Hautschicht zu erkennen, wie bei der spe-
*) Botanische Zeitung 42, p. 9.
66*
I(j44 Cystoflagellata.
ciellen Betrachtung dieser Thcile erörtert werden wird. Für diese Organe
liesse sieh daher die Existenz einer Membran eher vt-rtheidigen , doch
glaube ich, dass es sich auch hier nur um eine sogen. Cuticular- oder
Hautschicht handelt, weil diese Orgaue unter Umständen ganz eingezogen
werden können, was wohl gegen die Existenz einer von dem Plasma
chemisch stark differenten Membran spricht. Es ist jedoch immerhin mög-
lich, ja an und für sich nicht unwahrscheinlich, dass diese Mautschicht,
ähnlich wie sie sich physikalisch durch grössere Festigkeit von dem
Binnenplasma unterscheidet, auch chemisch von demselben etwas differirt.
So scheint wenigstens aus den Mittheilungen Robin's hervorzugehen, dass
sie in Ammoniak viel weniger quillt wie das innere Plasma. Ich brauche
übrigens, indem ich auf das bei Gelegenheit der Cuticularbildungen der
Flagellaten (p. 677) Bemerkte, verweise, nicht besonders zu betonen, dass
ich zwischen Hautschicht und bestimmter diffeienzirter Ciiticularmembran
Uebergänge anerkenne.
Die vorstehenden Erörterungen sprechen denn auch gegen die Be-
zeichnung der Hautschicht der Noctiluca als Zellmembran, da man mit
dieser doch gewöhnlich den Begriff einer von dem unterliegenden Plasma
physikalisch und chemisch wohl geschiedenen Membran verbindet.
Wie diese Verhältnisse bei Lci)todiscus liegen , lässt sich zur Zeit
nicht mit Sicherheit angeben. Hertwig schreibt demselben eine all-
seitige dünne Membran zu, welche nur auf der convexen Fläche
(Ventralseite) an den beiden früher erwähnten Einsenkungen unter-
brochen sei. Die jene Seite überziehende Partie der Membran er-
scheine etwas dicker und im optischen Schnitt deutlich doppelt con-
tourirt, auch besitze sie, im Gegensatz zu der Membran der Concavseite,
eine besondere Structur. Von der Fläche betrachtet zeige sie nämlich eine
sehr feine chagrinartige Zeichnung, gebildet von sich dicht berührenden
helleren Kreischen, in deren Centrum je ein dunkleres Pünktchen sichtbar
ist. Hertwig möchte diese Zeichnung auf hügelige Hervorragungen der
Membranoberfläche zurückführen (die hellen Kreischen) , welche auf
ihrem Seheitel eine Vertiefung (den centralen dunklen Punkt) besässen.
Auch vermuthet er weiter, dass diese Vertiefungen vielleicht in feine, die
Membran durchsetzende Poren führten, da es ihm manchmal schien, als
entsprängen auf der convexen Seite des Körpers feine Pseudopodien,
welche aus diesen Poren hervorgetreten sein könnten. Da nun aber
auf dem abgebildeten optischen Schnitt dieses Theils der Membran
weder von solchen hügeligen Hervorragungen noch von Poren etwas
zu sehen ist, so halte ich diese Deutung für zweifelhaft und bin viel-
mehr geneigt, die chagrinartige Zeichnung auf eine feine Netzstructur
im Inneren der wahrscheinlich plasmatischen Membran zurückzuführen, wie
wir sie später auch von der Hautschicht der Noctiluca kennen lernen
werden. Da keinerlei Angaben über die chemische Natur der Lepto-
discusmembran vorliegen, so lässt sich nicht sagen, ob dieselbe von dem
Membran (Hautscliicht), Aiiordiuinn- und Stimtur des Plasmas. 1045
Plasma wirklich verscliicdcu ist; ich möchte sie wie die an^cl)lichc Mem-
bran der Nüctiluca für eine plasmatische llautschicht halten,
2. i\. n 0 r d u u n g und S t r u c t u r des Pias m a s. Da wir schon in
der historischen Einleitung die mannigfachen Deutungen, welche das
Plasmanetz der Noctiluca im Laufe der Zeiten erfahren hat , ziemlich
eingehend besprachen, so dürfen wir in dieser Beziehung auf den ge-
nannten Abschnitt verweisen. Wir wissen, dass die Anordnung des Plasmas
im Innern des Noctilucakörpers eine recht eigenthümliche ist, die jbei
den früher besprochenen Mastigophoren nicht bemerkt wurde und unter
den übrigen Protozoen namentlich bei den Ciliaten Analogien findet. Wie
uns die Entwickelungsgeschichte später zeigen wird und auch die Regene-
rationserscheinungen verrathen, geht die eigenthümliche Anordnung ur-
sprünglich aus einem gleichmässig zusammenhängenden, nach der ge-
wöhnlichen Ausdrncksweise homogenen Plasmakörper hervor, indem der-
selbe bei der weiteren Entwickelung durch reichliche Vacuolisation bald
schaumig oder alveolär wird und wie wir annehmen müssen, denn direct
wurde die AVeiterentwickelung noch nicht verfolgt, schliesslich durch fort-
gesetztes Anwachsen und theilweises Zusammenfliessen dieser Vacuolen
ein Plasmanetzwerk entwickelt, wie es in Pflanzenzelleu so gewöhnlich
angetroffen wird. Stets erhält sich jedoch ein mehr oder minder
ansehnlicher Centraltheil des Plasmas als eine zusammenhängende
Masse, von welcher zahlreiche verästelte Plasmazüge nach der Oberfläche
der Blase ausstrahlen. Dieses Centralplasma findet seine Lage, wie be-
merkt, längs des Peristomgrundes, so dass die hier befindliche Mund-
öffnung direct in dasselbe führt. Nach meinen Erfahrungen erstreckt es
sich als eine gewöhnlich etwas längliche Masse, von unregelmässigen
und wechselnden Umrissen von der Gegend der Lippe bis zum Hinter-
ende des Peristoms; ins Innere des Körpers springt es nur wenig mehr
als die Dicke des Kernes, der ihm eingelagert ist, vor. Uebrigens deuten
die Beobachtungen der verschiedenen Forscher an, dass das Volum
des Centralplasmas etwas variabel ist, was ja auch nicht überrascht.
Nach Vignal soll es „ein Viertel bis ein Elftel des Körpers einnehmen
können." Ersteres scheint mir aber für erwachsene Individuen ent-
schieden übertrieben, das Centralplasma beträgt hier sicherlich meist noch
nicht den 11. Theil des Körpervolums. Von der inneren, wie bemerkt,
unregelmässig gebuchteten Oberfläche dieses Centralplasmas entspringen
allseitig strahlig angeordnete Plasmazüge verschiedener Dicke, die sich
zur Körperwand begeben, indem sie auf ihrem Verlauf fortdauernd Ver-
ästelungen erfahren, also immer feiner werden. Die Zweige benach-
barter Plasmazüge anastomosiren reichlich untereinander und bilden so
ein unregelmässiges Netzwerk, welches die durchaus klare und ungefärbte
Flüssigkeit (Zellsaft), die den ansehnlichsten Theil des Körpervolumens
bildet, durchsetzt. Die feinsten peripherischen Fadenverzweigungeu, welche
sich an der Körperwand befestigen, sind etwa auf 0,001 Mm Dicke
herabgesunken. An den Verzweigungsstellen der Plasmazüge bemerkt
1046 Cystofiagellata.
man gewöhnlich dreieckige oder uniegelmässige Ausbreitungen wie an
den Pseudopodiennetzen der Rhizopoden und wie bei den letzteren treten
auch im Verlauf der feineren Fäden häutig varicöse Anschwellungen auf.
Die peripherischen, feinen Verzweigungen, welche sich an die Körperwand
anheften, gehen schliesslich in ein diese constituirendes, aus polygonalen
bis unregeimässigen Maschen, von durchschnittlich Ü,U3 bis 0,04 Mm.
Weite, gebildetes Plasmanetzwerk über, das bekanntlich zuerst von Quatre-
fages wahrgenommen wurde und jedenfalls zu der von V. Carus geäusserten
irrthümlichen Ansicht führte, dass die Körperwand eine Zellenschicht auf-
weise. Wie gesagt, sind die Maschen dieses Netzes mehr oder minder
uuregelmässig und, wie die Anordnung des Plasmas überhaupt, veränder-
lich; auch begegnet man nach den Angaben Vignal's Stellen der Körper-
wand, wo sich grössere, zusammenhängende Plasmapartien gebildet
haben, welche nur von kleinen Löchern durchbrochen sind, also Partien,
wo das Maschenwerk noch nicht zur Ausbildung gelangte, oder durch
Vereinigung rückgcbildet wurde. Wir werden übrigens gleich sehen, dass
in der nächsten Umgebung des Peristoms und an dessen Wand die
Maschenbildung fehlt.
Auch Engelmaiiu's Angaben (25) über das Vorkouimca zahlreicher kleiner Kerne
und die Allman's über das Vorhandensein zellähnlicher Körper in der Wandschicht der Nocti-
luca beruhen jedenfalls auf einer Missdeulung des Plasmanetzes der Wand. Wahrscheinlich
gaben solche Stellen hierzu Veranlassung, wo, wie ohen bemerkt, die Maschenbildung unvoll-
kommen ist. Engelmann hat übrigens, wie es scheint, seine Angaben hauiJtsächlich auf ab-
gestorbene und daher veränderte Exemplare gegründet. AUman wollte die vermeintlichen
zellähnlichen Körper mit der Fortpflanzung in Zusammenhang bringen, was natürlich ohne
jede Berechtigung ist.
Genauere Untersuchung lehrt nun aber (Bütschli), dass mit dem eben
beschriebenen Maschenwerk die Structur der Körperwand nicht erschöpft
ist, sondern dass sich im Innern der einzelnen Maschenräume noch ein
äusserst zartes, feinstes Netzwerk ausspannt, das von den die Maschen
umgrenzenden Plasmafäden entspringt. Ich habe daher die Vorstellung,
dass die Körperwand von einer zusammenhängenden zarten Plasmamembran
gebildet wird, welche durchaus von kleinsten Vacuolen durchsetzt ist,
also einen feinschwammigen (oder wabigen) J3au zeigt — hierauf beruht
das feinste Netzwerk, — welches letztere dann wieder durch die Aus-
bildung etwas stärkerer Plasmazüge in gröbere Maschen zertheilt wird.
Eine genauere Untersuchung der verästelten Plasmazügc des Körper-
innern lehrt aber auch, dass die beschriebene feinnetzige, resp. wabige
Structur der Plasmawand nicht auf diese beschränkt ist, sondern dass
alle etwas dickeren Plasmastränge dieselbe besitzen, gewöhnlich aber in
der Weise moditicirt, dass sich durch Streckung der feinen Netzmaschen
in der Richtung der Plasmastränge gleichzeitig ein tibrillärer Structur-
charakter entwickelt hat.
Wie eben bemerkt wurde, ändert sich die Stiuctur der äusseren
Körperwand in der nächsten Umgebung des Peristoms, indem die gröbe-
ren Maschen hier aufhören und nur das äusserst feine Plasmanetzwerk
Noctiluca. Anordnung- und Struchir des Plasmas. Staborgan. 1047
verbleibt. Bei schwächerer Ver^rosscriiiij;- erscheint daher die Wand
in dieser Gegend dicht g-ranulirt; vielleicht ist sie auch etwas dicker,
wie dies Robin angibt, welcher ihr verändertes Aussehen schon beobachtete.
Zuweilen soll sie nach letztgenanntem Forscher auch etwas gelblich er-
scheinen. Die gleiche Structur weist denn auch der zur Bildung der
Peristoniwandungeii eingesenkte Theil der Körjjerwand auf.
Ausser den oben beschriebenen Plasniastrahlen, die von der Central-
masse ausgehen, entspringen von letzterer einige sehr deutlich lein-tibrillärc
Plasmazüge, welche sich zu besonderen Organen begeben und zu deren
Bildung beitragen. Vom Vorderende des Centralplasmas verläuft zunächst
ein starker librillärer Strang zur Basis des Tentakels, und tritt z. Th. wenig-
stens mit dessen Protoplasma in Verbindung (Taf. 49, 14a, bei f); nach
Vignal soll dieser Strang zuweilen doppelt auftreten. Auch zu der Basis
des Zahnes begibt sich ein ähnlicher Strang, welcher wahrscheinlich
nur eine Abzweigung des ersterwähnten ist und geht in das Plasma des
Zahns über.
Noch interessanter erscheinen aber Plasmastränge, welche von dem
Hinlerende der Centralmassc und von der schmalen Hinterwand des Pc-
ristoms entspringen, da sie das viel besprochene und gewöhnlich falsch
gedeutete Staborgan bilden. Von dem Hinterende des Centralplasmas
entspringt nämlich ein dickes Büschel feiner Plasmafäden, welches zu der
hinteren Hälfte des sog. Staborgans zieht, indem es sich auf seinem Wege
fächerartig ausbreitet (14 b u. a); schliesslich heften sich seine Fäden längs
der beiden etwas. erhabenen Falten oder Kanten, welche das Staborgau
äusserlich formiren, an der Körperwand an und ihre Anheftung bewirkt
denn auch wohl das Vorspringen dieser Falten. In ähnlicher Weise
werden auch die Fortsetzungen der beiden Falten, welche die vordere
Hälfte des Staborganes bilden , von zahlreichen ähnlichen Plasmafäden
gewissermaassen gestützt. Letztere entspringen aber nicht aus dem ge-
schilderten Busch, sondern in zwei dicht neben einander hinziehenden Reihen
längs der ganzen schmalen Hinterwand des Peristoms. Da die beiden
Falten, welche die Rinne des Staborgans begrenzen , in dessen vorderer
Hälfte allmählich beträchtlich divergiren, so müssen auch die beiden
flächenartigen Züge feiner Plasmafäden in ihrem Verlauf divergiren,
was am besten in der Ansicht auf die Vcntralseite (14 a) wahrgenommen
wird. Da sich nun weder an den Falten des sog. Staborg;anes, noch in
der von ihnen eingeschlossenen Rinne eine Veränderung der Körperwand,
etwa eine membranöse Verdickung oder dergleichen nachweisen lässt, so
ergibt sich aus vorstehender Schilderung, dass das Staborgan ausschliess-
lich durch die Anheftung der geschilderten Plasmafäden gebildet wird
und seine Auffassung als ein festerer, durch eine Verstärkung der Mem-
bran entstandener Stab oder eine Platte (worauf auch der Name hindeutet)
unzulässig ist. Dass es sich als eine festere Region in der Wand der
Noctiluca darstellt, ist gewiss nur die Folge der in so reicher Zahl heran-
retenden Plasmafäden.
1(148 Cystoflagellata.
Da das Staborgau so verschiedenartige und z. Th. seltsame Deutungen erfuhr, scheint
es nöthig, die früheren Ansichten eingehender zu erörtern, um so mehr, als die oben gegebene
Schilderung von den früheren wesentlich abweicht. Bekanntlich wurde das Organ schon von
Verhaeghe ganz gut abgebildet, aber erst von Busch geschildert, welcher es als einen
„scharfkantigen Stab" auffasste, der in das Innere der Noctiluca hineinrage. Die beigegebene
Abbildung ist übrigens recht charakteristisch und viel besser als manche spätere, Quatrc-
fages scheint es ganz übersehen zu haben.
Huxley unterschied das Staborgan, welches er als „dreieckige Grube oder Spalte" be-
zeichnete, nicht genügend von dem Peristom. Für ein besonderes stabartiges Gebilde hielt
er es jedenfalls nicht. Dagegen glaubte er, etwa in der Mitte seines Verlaufes eine kleine
trichterförmige Einsenkung gefunden zu haben, die in Verbindung mit dem Centralplasma
stehe (,,Magen" nach ihm) und vermuthet, dass sie die Afteröftnung sei. Es scheint mir sehr
wahrscheinlich, dass er etwas von dem grossen Büschel von Plasmafäden wahrnahm und dass
sich die Schilderung der trichterförmigen Einsenkung hierauf bezieht. Webb scheint etwas
schärfer zwischen dem Peristom und der Kinne des Staborganes unterschieden zu liaben. Dem
Staborgan selbst schrieb er eine feste, hornige Natur zu; auch er hat wohl etwas von den
Plasmazügen, die sich zu ihm begeben, beobachtet, doch ist seine Beschreibung zu unklar
und nicht genügend von Abbildungen unterstützt, um vollkommen verstanden zu werden, was
übrigens für die meisten Schilderungen des Staborganes mehr oder weniger gilt. — Zu einer
recht seltsamen AulTassung des fraglichen Gebildes kam Dönitz, welcher dem „Stab oder
pfriemenförmigen Körper" die Gestalt einer sehr langgestreckten dreiseitigen Pyramide zu-
schreibt (also etwa wie eine dreischneidige Dolchklinge), deren eine Seitenfläche im Niveau
der , äusseren Kugelfiäche liege, während die anderen ins Innere hineinragen. Dieser Stab
„fülle eine Kinne in der Schale aus" oder, was ihm noch wahrscheinlicher dünkt, „er über-
decke einen Spalt in derselben." Möglicherweise hat Dönitz demnach etwas von den zutreten-
den Plasmazügen gesehen und diese auf die inneren Seitenflächen eines pyramidenförmigen
Stabes bezogen. Vignal dagegen unterschied wieder gar nicht zwischen dem Peristom und
der Kinne des Staborganes und scheint der Ansicht zu sein, dass das ganze Staborgan bis zu
seinem Ende eine Fortsetzung der tiefen Peristomeinsenkung sei ; in der ganzen Einrichtung
will er einen Stützapparat für das Centralplasma erkennen. In mancher Hinsicht mit der
Dönitz'schen Auffassung übereinstimmend, ist die Stein's, welcher das Organ für eine festere
leistenartige Platte hält, welche in die Continuität der Membran eingelagert sei und es daher
als „Stabplatte" bezeichnet. Eigenthümlicher Weise findet er es hinten abgestutzt und
glaubt, dass sein Vorderende bei der Einführung der Nahrung mitwirke. Von dem Peristom
scheint Stein gar keine Vorstellung gehabt zu haben, wesshalb er seine Beziehungen
zu dem Staborgan nicht erörterte. Auch bei Cienkowsky und Kobin vermissen
wir eine genauere Darstellung des Organes, sie scheinen beide nicht hinreichend zwischen
Peristom und Staborgan zu unterscheiden, speciell Robin scheint sich das Organ als eine Art
schwächerer Fortsetzung der Peristomeinsenkung zu denken, eine Auffassung, welche übrigens,
wie wir später sehen werden, auch eine gewisse Berechtigung besitzt; beide bemerkten aber
die Beziehungen des Organes zum Centralplasma nicht.
Letztere Verhältnisse hat allein A lim an ziemlich richtig beobachtet, das Gesehene
aber theüweisc falsch gedeutet. Seltsamer Weise beschrieb er die äussere Beschaffenheit des
(3rganes als die einer schwach erhobenen Leiste, dagegen erkannte er zuerst den Busch
von Plasmafäden richtig, der sich vom Centralplasma zur Hinterhälfte des Organes begibt und
sah auch die beiden Züge von Fäden, welche zu der vorderen Hälfte gehen, deutete sie aber
als Streifen einer nach innen vorspringenden „Duplicatur", welche die Körperwand hier l)ilde.
Er nahm weiter an, dass im Staborgan ein Kanal hinziehe, der in der erwähnten Dupli-
catur ausmünde. Diese Einsenkung und den Kanal, folgert er weiter, könne man als die
Afteröffnung betrachten, zu welcher die Excremente durch den Busch von Plasmafäden, dessen
feinere Structur er übrigens niclit erkannte, zugeleitet würden. Wir bemerken bei dieser Ge-
legenheit noch, dass auch Webb (23) seiner Zeit einen After beobachtet zu haben glaubte,
den er jedoch als eine feine, etwas hinter dem Zahn in dem Peristom gelegene Oeffnuug
abbildet.
Noctihaa. Stabojj^aiic (llibtui'ibchcsX Plasuiaslrömung'. 1049
Naclideiu wir uns im Vorstehenden über die Anordnung des Plasmas
im Noctiluceukörper orientirt haben, bemerken wir nur noch, dass das-
selbe, wie schon öfters bemerkt wurde, in beständiger strömender
Bewegung und Veränderung begriffen ist; wenigstens gilt dies sicher
für das zur Körperoberfläche strahlende Plasmanetzwerk und seine Aus-
breitung in der Körperwand. Man verfolgt dies deutlich an den Ver-
schiebungen der Einschlüsse des Plasmas und an fortwährenden Verände-
rungen in der Anordnung des Netzes; auch sieht man, wie die varicösen
Anschwellungen der feineren Plasmazüge an diesen hingleiten, was
auch von den Pseudopodien der Sarkodiueu bekannt ist. Wie wir
wissen, hat zuerst Doyere diese Verhältnisse gut erkannt und richtig ge-
deutet. Seine Darstellung wurde dann bald von Quatrefages bestätigt
und die späteren Beobachter hatten nur einen Punkt in des letzleren
Hehildernng zu verbessern. Quatrefages (und ähnlich später auch West
bei Brightwell [24]) glaubte nämlich eine völlige Uebereinstimmung des
Plasmanetzes mit der Pseudopodienbildung der Rhizopoden zu finden und
schilderte daher auch frei durch den Zellsaft ragende und ohne An-
heftung endende Fortsätze des Centralplasmas, ebenso wollte er auch in
Zurückziehung begriffene Fortsätze mit freien Enden in der Zwischen-
flüssigkeit beobachtet haben. Diese Angaben scheinen nach den über-
einstimmenden Beobachtungen von Dönitz, AUman und Robin unrichtig
zu sein, da letztere nie frei endende Plasmafäden fanden; nur beim
Zurückziehen absterbender Fäden soll dies als pathologische Erscheinung
nach Robin wahrzunehmen sein. Die Bildung neuer Verzweigungen der
Plasmastrahlen erfolgt demnach auch nicht nach Art des Hervorwachsens
von Pseudopodien, sondern, der allgemeinen Entstehung des Plasmanetzes
gemäss, jedenfalls dadurch, dass sich an gewissen Stellen Flüssigkeits-
vacuolen in demselben bilden , welche schliesslich in den allgemeinen
Zellsaft durchbrechen und dadurch einen Netzfaden vom benachbarten
Plasma abtrennen, welch' letzterer nun durch Verschiebung und Zufluss
sich verlängern und in der mannichfaltigsten Weise verändern kann,
Dass sich auch die Centralmasse des Plasmas an den Strömungen
betheiligt, wird direct erwähnt, indem auch ihr Aussehen sich ändert
und namentlich der Kern Verschiebungen erfahren kann. Sehr energisch
scheinen übrigens die Strömungen des Plasmas nicht zu verlaufen, denn
Allman bemerkt, dass sie viel schwächer seien als in den Pflanzenzellen
gewöhnlich.
Wie sich bezüglich der Strömungserscheinungen die oben geschilderten
Züge von Plasmatibrillen verhalten, welche zum Tentakel, Zahn und Stab-
organ ziehen, ist noch kaum erforscht; nur Vignal berichtet, dass der zum
Tentakel ziehende Strang ganz starr und bewegungslos sei.
Wir können jetzt versuchen, auch die Verhältnisse bei Leptodiscus
einer kurzen Betrachtung zu unterziehen. Wie schon bemerkt wurde,
findet sich auch bei diesem eine centrale Plasmaanhäufung, welche im
Centrum der concaven, dorsalen Scheibenfläche liegt, deren Membran
1050 - Cystoflagellata.
dicht angeschmiegt, oder nach unserer AuflTa.s.sung einen Theil dieser Wand
selbst bildend (T. 50, 10 e — d). Der Durchmesser dieser scheibenförmigen
Plasmaanhäiil'nng ist nicht sehr beträchtlich; in der Dicke erreicht sie
höchstens ein Fünftel der Öcheibendicke Sie iiraschlicsst wie bei Noctiluca
den Kern und sendet radienartig zahlreiche, an ihrem Beginn ziemlich
dicke Phismastrablen ans, welche längs der cuncaven Körperwand ver-
laufen und, indem sie sich fortgesetzt verästeln und anastomosiren, über
diese ganze Wand hin ein Piasmamaschenwerk bilden, dessen centrale
Maschen etwas länglich gestreckt sind, während sie nach der Peripherie
allmählich kürzer und breiter werden (lOd). Hertwig bemerkt ausdrücklich,
dass sich innerhalb der grösseren Maschen noch ein feineres Netzwerk
finde. Im Allgemeinen begegnen wir also in der concaven Körperwand
des Leplodiscus einem Bau, wie ihn die gesammte Körperwand der Nocti-
luca darbietet. Anders verhält sich aber die convexe, ventrale Körper-
wand. Sowohl von dem Centralplasma wie von den stärkeren radialen
Balken des dorsalen Netzwerkes erheben sich ungemein zahlreiche Plasma-
fäden, oder von der Centralmasse auch dickere Züge, welche gerade durch
die Scheibe hindurch zu der Ventralseite aufsteigen (10 e). Im peripheren Theil
der Leptodiscusscheibe sind sie unverästelt ; die centraleren dagegen ver-
ästeln sich in ihrem Verlauf. Alle Endästchen heften sich schliesslich an
die ventrale Körperwand. Die Fäden durchsetzen die glashell durchsichtige
Zwischenmasse, welche sich auch hier findet, aber nach Hertwig, im Gegen-
satz zu den Verhältnissen bei Noctiluca, nicht flüssig, sondern von gallert-
artiger Consistenz sein soll. Jedes Plasmafädchen soll an seiner Be-
festigungsstelle an der Ventralvvand eine etwas merkwürdige Beschaffen-
heit aufweisen. Es scheint sich nämlich nicht direct an die sog. Mem-
bran derselben zu heften, sondern je an ein kleines stäbchenförmiges
Körperchen, das senkrecht zur Körperwand nach innen vorspringt.
Da Hertwig jene Körperchen, die in der Ansicht auf die Fläche
als kleine, hellleuchtende Kreise erscheinen, bei der Schilderung der
Membran erwähnt, so scheint er sie als Theile derselben zu betrachten.
Ich muss gestehen, dass ich mir zunächst keine rechte Vorstellung von
der Natur dieser Gebilde machen kann.
Von einem Plasmanetzwerk der ventralen Körperwand soll sich nach
Hertwig nichts finden, doch hob ich schon bei der Besprechung der
Membran hervor, dass deren angebliche Structur möglicherweise auf
ein sehr feines Plasmanetzwerk zurückzuführen sei. Sollte sich
dies bestätigen, so verhielte sich also die ganze Ventralseite des Lepto-
discus ähnlich, wie bei Noctiluca die Gegend um den Eingang des Pe-
ristoms und dessen Wand.
In der centralen Hälfte der concaven Körperwand beobachtete Hert-
wig noch eine weitere Structureigenthündichkeit, über welche er aber
nicht hinreichend klar wurde. Etwa in der Entfernung des halben Radius
vom Centrum nimmt man an dieser Wand eine Kreislinie wahr, welche von
feinen Körnchen gebildet werden soll (10 d). An günstigen Präparaten ge-
Leptodiscus. Anordn. u. Structur des Plasmas. — Noctiluca. Färbung. 1051
lang es mm vini dieser Linie nach dem Centriini (eine, sehr dicht neben
einander radiär vcrlaul'ende Plasmafibrillcu in der Körperwand zu ver-
folgen. Hertwig verniuthot, dass dieselben vielleicht contractilc Fibrillen
seien, wie sie im Ectoplasma anderer Protozoen gefunden wurden, doch
blieb er unsicher, ob die Fibrillen nicht etwa nur die schon beschrie-
benen, bei Contrahirten Exemplaren sehr dicht zusammengerückten ra-
dialen Plasmazügc der Ventralseite seien. Letztere Ansicht scheint mir
zwar beim Vergleich seiner, bei derselben Vergrijsserung gezeichneten Fi-
guren der Züge und Fibrillen wenig wahrscheinlich , doch lässt sich
schwer sagen, wie sich die Fibrillen zu den Plasmamaschen verhalten
sollen, wenn beide verschieden von einander sind. Wie bemerkt, bean-
sprucht Hertwig diese Fibrillen, möge ihre morphologische Deutung
nun sein, wie sie wolle, als contractile Elemente, durch welche die Zu-
sammenziehung und Wölbung der medusenförmigen Leptodiscusscheibe
bewirkt werde. In diesem Punkt können wir aber seiner Auffassung
wohl schwerlich beistimmen, denn so, wie die Fibrillen liegen und ver-
laufen, können sie bei der Contraction unmöglich eine Zusammenziehung,
sondern müssen vielmehr eine Ausbreitung des Schirmes bewirken, üass
sie nun letzteres thatsächlich thun, scheint nicht unmöglich.
Endlich haben wir noch einer vom Centralplasma ausgehenden
Bildung zu gedenken, welche am meisten au den Fibrillenbusch erinnert,
der sich bei Noctiluca zu dem hinteren Theil des Staborganes begibt.
Es ist dies ein breiter, platter Strang feiner plasmatiscber Fibrillen, wel-
cher vom Centralplasma geraden Wegs zum Grunde der Einstülpung
zieht, die wir schon früher auf das Staborgan der Noctiluca bezogen
haben (10 d, p). Hertwig lässt es etwas zweifelhaft, ob die Fibrillen
dieses Stranges wirklich plasmatiscber Natur sind, doch glaube ich, dass
wir dies, nach den Erfahrungen bei Noctiluca, getrost annehmen dürfen.
3. Färbung des Plasmas. Bei mikroskopischer Betrachtung
scheint das Plasma der Noctiluca ganz farblos, namentlich sind die Plasma-
strahlcn, wie die verschiedenen Autoren versichern, ganz durchsichtig und
farblos. Die zahlreichen Einschlüsse, welche im Plasma vorkommen können,
verleihen der Centralpartie gewöhnlich eine gelbliche bis bräunliche Fär-
bung. Dennoch scheint es mir möglich, dass das Plasma selbst eine
sehr schwache Färbung besitze. Zahlreiche Beobachter (Suriray, Ma-
cartney, Byerly [bei Webb], Dönitz, Vignal und Pouchet) versichern näm-
lich, dass eine dickere Schicht von Noctilucen, wie sie an der Meeres-
oberfläche häutig gefunden wird, röthlich gefärbt erscheine. Man könnte
zwar annehmen, dass diese Färbung ganz auf Rechnung der Plasma-
eiuschlüsse zu setzen wäre, was auch Robin behauptet, doch linden sich unter
diesen, soweit bekannt, keine von röthlicher Farbe. Ich halte es daher
für möglich, dass das Plasma eine sehr zarte röthliche Färbung besitzt,
welche erst in dickerer Schicht deutlich erkennbar wird ; wir lernten ja
eine ganze Anzahl mariner Dinotlagellaten kennen, welche eine solche
Plasmafärbung zeigen.
1052 Cystoflagcllata.
Der Körper des Leptooliscus ist ganz durchsichtig, wasserldar, nur
das Centralplasnia erscheint als ein wcisslicher Punkt. Anf der eonvexen
Scheibenseite ist ein irisirender Schimmer bcmerlibar, der möglicherweise
auf den erwähnten besonderen Striicturverhältnissen der Wand dieser
Seite beruht.
4. Plasmaeinschlüsse. Unter diesen treten uns fett- und eiweiss-
artige entgegen, doch sind die Untersuchungen über dieselben bis jetzt
noch wenig ausführlich.
Sowohl im Centralplasma der Noctiluca wie in den Plasmastrahlen
und namentlich in dem Netz der Körperwand trifft man zahlreiche stark
lichtbrechende und nach Robin gelbliche bis orangegelbliche Körnchen
on rundlicher bis länglicher Gestalt; auf ihnen beruht die gelbliche bis
bräunliche Färbung des Centralplasmas. Sie finden sich stets in den
Plasmaiäden oder sind denselben scheinbar angefügt; wenn man sie
anscheinend frei in den Maschen der Körperwand beobachtet, so ist dies
nur eine Täuschung, sie liegen dann in dem feinen Netzwerk, welches,
wie bemerkt, diese Maschen noch erfüllt. Leider wurde die Natur dieser
Einschlüsse noch nicht sicher gestellt. Mittels Karminfärbung konnte
Vignal zwei Arten von körnigen Einschlüssen unterscheiden , indem
sich die einen färbten, die anderen ungetärbt blieben. Erstere vergleicht
er den Dotterplättchen niederer Wirbelthiere und hält sie demnach auch
wohl für eiweisshaltig. Ich kann hierzu bemerken, dass ich im Central-
plasma conservirter Noctilucen häufig polyedrische, blättchenartige Körper-
chen fand, welche sich also dieser Auffassung anschliessen würden. Leider
vässt nun aber Vignal zweifelhaft, welche Art dieser Einschlüsse den erst
geschilderten, im lebenden Wesen zu beobachtenden Granulationen ent-
spreche. — Ausserdem findet man nun aber im Plasma recht häufig auch
grössere Fetttropfen (bis 0,01 Mm. Durchm.), wie durch ihre Osmium-
säurereaction und Färbung mit Quinolein sicher gestellt wurde (Vignal).
Robin hat derartige Fetttropfen manchmal so reichlich im Centralplasma
gefunden, dass dasselbe viel umfangreicher wie gewöhnlich erschien.
Reich mit solchen Tropfen versehene Noctilucen sollen nach diesem For-
scher den von Busch zu einer besonderen Art, Noctiluca punctata, er-
hobenen Individuen zu Grunde gelegen haben. Von einer besonderen
Färbung der Fetttropfen wird nichts berichtet, wogegen Allman zu-
weilen zahlreiche ,, gelbbraune ölähnliche Tropfen'^ in der peripherischen
Schicht des Centralplasmas gefunden haben will.
Entsprechenden Einschlüssen begegnen wir nach Hertwig auch
bei Leptodiscus. Fettkügelchen finden sich spärlich in dem „nahezu
homogenen Plasma^'; eine zweite Art von Einschlüssen, welche auch
Hertwig den Dotterplättchen vergleicht, findet sich nur an der Innen-
seite der eonvexen Körperwand, und zwar reichlicher gegen die Peri-
pherie hin, sowie um den Eingang der von uns auf das Staborgan
bezogenen Einsenkung. Es sind mattglänzende Kugeln von etwa
0,003 Durchra., welche sich weder mit Karmin lärben noch bei Essig-
Plasmaoinschlussc. Nuclcus. 1053
sänrezusatz geriniieu. llertwig liiilt sie für Eiwcisskiigelii mit ge-
ringem Fettgehalt, was ich nach den angegebenen Reactioneu nicht
recht verstehe.
Vacuolen bilden sich sehr häufig im Plasma der Noctiluca und
treten auch zeitweilig in dem des Leptodiscus auf. Dieselben scheinen
durchaus gewöhnliche Flüssigkeitsvacuolen von nicht contractiler Natur
zu sein. Sie kommen eben sowohl im Centralplasma wie in den Plasma-
strahlen und dem peripherischen Maschenwerk der Noctiluca vor; an
letzterem Ort sind sie natürlich klein. Mit den Strömungen des Plasmas
werden die Vacuolen gleichfalls umher geführt. Vignal will auch beob-
achtet haben, dass gelegentlich mehrere Vacuolen zu einer grösseren
zusammenfliessen und umgekehrt auch eine Vacuole zuweilen in kleinere
zerfalle.
Nahrungsvacuolen. Alle durch den Mund in das Centralplasma
der Noctiluca aufgenommenen Nahrungskörper werden darin von
Nahrungsvacuolen umschlossen, über deren Entstehung noch nichts
bekannt ist. Es bleibt also zweifelhaft, ob die meist nicht sehr ansehn-
liche Flüssigkeitsmenge, welche den Nahrungskörper umgibt, vom Plasma
ausgeschieden wird, was ich in diesem Fall für wahrscheinlicher halte,
oder ob sie gleichzeitig mit der Nahrung von aussen aufgenommen wird.
Jedenfalls bilden sich die Nahrungsvacuolen ursprünglich im Centralplasma
und treten erst, wie es sehr gewöhnlich geschieht, aus diesem auf die
Plasmastrahlen über. Je nach der Grösse der verschlungenen Nahrungs-
körper schwankt auch das Volum der Vacuolen und da nicht selten Körper
verschlungen werden, die den Durchmesser der Noctiluca nahezu erreichen,
so können sich unter Umständen Vacuolen bilden, welche die Noctiluca-
blase fast erfüllen. Nur Vignal will beobachtet haben, dass diese Vacuolen
von einer deutlich doppelt contourirten Membran umschlossen seien , ob-
gleich auch er an ihrem Entstehen und Entleertwerden mit der Ausstossung
der unverdauten Nahrungsreste nicht zweifelt. Mag es sich nun bei dieser
Beobachtung nur um ein gegen die Flüssigkeit der Vacuole verdichtetes
Oberflächenhäutchen des Plasmas gehandelt haben oder um ein optisches
Phänomen, jedenfalls können wir für die Nahrungsvacuolen der Noctiluca,
so wenig wie für die anderer Protozoen die Existenz einer besonderen
Membran zugeben.
Bei Leptodiscus wurde die Bildung besonderer Nahrungsvacuolen
nicht beobachtet.
5. Nu eleu s. Die Cystoflagellaten wurden bis jetzt, wie die Masti-
gophoren gewöhnlich , nur einkernig gefunden. Der im Verhältniss zu
der Grösse der Wesen nicht sehr ansehnliche Kern liegt, wie bemerkt,
stets im Centralplasma und ist von kugliger bis ellipsoidischer Gestalt.
Nach den Angaben Vignal's und Robin's nimmt seine Grösse meist ziemlich
entsprechend den Grössenverhältnissen der Noctiluca zu und wächst bis
O.df) heran. Eine deutliche Kernmembran (nach Hertwig bei Lepto-
discus relativ dick und dopi^elt contourirt) ist vorhanden.
1054 Cystoflagellata.
Die Structur des Noctilucakernes ist leider noch nicht genügend er-
forscht. Die Beobachter stimmen darin üherein, dass der lebende Kern
ganz hell, diirohsichtig und liomogen erscheine. Vignal behauptet sogar,
dass der Nucleus im lebenden Zustand gar. nicht sichtbar sei, eine jeden-
falls irrthümliche Angabe. Die meisten Forscher wollen nun auch nach
der Behandlung mit Reagentien eine feinere Kernstructur vermisst haben,
und nehmen also au, dass der Nucleus aus einer ganz homogenen Sub-
stanz bestehe, so noch Vignal und Robin. Schon M. Schultze berichtete
jedoch, dass der Kern aus zahlreichen zart contourirten, kugligen Gebilden
zusammengesetzt sei, wogegen Cienkowsky diese Erscheinung in folgender
Weise zu erklären versuchte. Gewöhnlich werde der Kern von einem
gleichmässigen „protoplasmatischen Inhalt'' erfüllt; „beobachte man diesen
aber anhaltend, so werde man bald gewahr, dass er mitunter Form-
veränderungen zeige. Oft ziehe er sich von der Nucleuswand zurück,
bilde Stränge und verzweigte Strahlen, die nach einer Weile wieder ein-
gezogen würden (49, 14 d). Diese protoplasmatischen Fortsätze erschienen
nun, wenn sie senkrecht zum Beobachter zu stehen kämen, wie KJirpcrchen
von verschiedenen Umrissen und Grössen." Wir dürfen uns, wie gesagt,
nach diesen, bis jetzt vorliegenden Mittheilungen keiner genügenden
Kenntniss des Noctilucakernes rühmen.
Bei Leptodiscus hat Hertwig die Kernstructur etwas genauer
untersucht. Die Kerusubstanz, welche die Membran ganz erfüllt, ist
gewöhnlich deutlich in zwei ungleich grosse, durch eine ziemlich scharfe
quere Linie begrenzte l^artien gesondert, von welchen die kleinere eine
homogene, die grössere eine fein granulirte Beschaffenheit besitzt (50, lOf);
die homogene Partie imbibirt sich rascher mit Carmin wie die granulirte.
Aehnliche Structurverhältnisse sind uns schon am Kern gewisser llhizo-
poden begegnet und finden sich auch am Keimbläschen mancher Eier.
Ich vermuthe, dass sich bei genauerer Untersuchung diese Structur-
verschiedenheit der Kernsubstanz in der Art erklären wird, dass die an-
scheinend homogene Partie einen sehr feinnetzigen, die granulirte einen
gröber netzigen Bau besitzt. Hertwig beobachtete jedoch auch einige
Male einen etwas abweichenden Bau, der nach seiner Vermuthuug viel-
leicht mit Theilungsvorgängen der Kerne zusammenhängt. In einem Fall
waren in der granulirten Substanz eine Anzahl dichterer nucleolusartiger
Körpercheu vorhanden, in einem anderen flOg) war die gewöhnliche Kern-
structur ganz verschwunden : in einem reichlich vorhandenen Keinsaft fand
sich ein grösseres kugliges Körperchen, aus einer dichteren Hiiidensubstanz
und einem kleinen nucleolusartigen Gebilde in der inneren Saftli(»hle be-
stehend und daneben in dem Kerusaft noch einige verschieden grosse
nucleolusartige Gebilde.
Bei Noctiluca ergaben nun die Untersuchungen Robin's, dass die
Tlieilung des Kernes sehr gut mit dem Schema der indirecten Theilung
tibereinstimmt, wir glauben jedoch die hierüber vorliegenden Erfahrungen
i
i
Nuclmis. Perisfoinorgaiiü Ijoi Noctiliua. 105f)
besser erst bei der Bcspicclinng der Fortpflanzungserscbeiming-en er(trtern
zu sollen.
G. Das Peristora und die in ihm befindlicb en Organe,
Von der allgemeinen Lage und Gestalt des Peristoms gaben wir schon
früher eine Schilderung, die wohl geniigen wird; dagegen müssen wir die
in ibm befindlichen wichtigen Organe noch etwas genauer nach ihrer
Lage und Beschaffenheit betrachten.
Nach meinen Erfahrungen erstreckt sich die langspaltförmige, ganz
schmale Mund Öffnung über den ganzen Boden des Peristoms hin, so-
weit derselbe mit dem eigentlichen Centralplasma in Berührung steht, also
etwa von der hinteren Grenze der sog. Lippe bis an die hintere Peristom-
wand (49, 14 a, m). Hier geben eben die Wände des Peristoms direct in das
undiflferenzirte Centralplasma über, welches an dieser Stelle nackt und offen
liegt. Man kann diese spaltförmige Mundöffnung bei günstigem Einblick
in das Peristom ganz gut sehen. Zwischen der Basis der Bandgeissel
und der Lippe, wohin fast alle früheren Beobachter das Cytostom ver-
legen, konnte ich nie etwas von einer Oefifnung wahrnehmen. Gegen
eine solche Lage spricht auch der Umstand , dass das Centralplasma in
diese Gegend gewöhnlich nicht mehr reicht, vielmehr zieht hier am Boden
des Peristoms der Fibrillenstrang hin, welcher sich zu der Basis der Band-
geissel und dem Zahn begibt.
Ein Mund wurde zum ersten Male von Krolin genauer gescliildert, als eine grosse rund-
liche Oeifnung, welche sich zwischen der Basis der Bandgeissel und dem Ursprung der Iiiiiteren
(ieissel erstrecke. Ihm schloss sich Huxley innig an und zeichnete eine womöglieli noch
weitere und grössere Oetf'uung an der gleichen Stelle. Auch die späteren Beobacliter, mit
Ausnahme von Cienkowsky, verlegen das Cytostom an diesen Ort, doch ist es nach Eobin
nicht eine weite rundliche Oeflnung, sondern ein schmaler Längsspalt. Eigenthümlich ist die
Darstellung Allman's; nach ihm ist das Cytostom eine rundliche Oeffnung dicht hinter der
Basis der Bandgeissel und diese führe in einen ziemlich langen röhrenförmigc^n Schlund, auf
dessen Grund die hintere Geissei entspringe, welche der Mundöffnung zu gerichtet sei. Von
der äusseren Wand dieses Schlundes entspringe der Zahn und rage in ihn hinein. Ich
kann mir diese Schilderung nur so erklären, dass Alhnan die Leiste, von welcher sich der
Zahn erhebt, in der seitlichen Ansicht des Peristoms für die äussere Grenzwand eines Schlund-
rohres gehalten hat und dadurch auch zu der Vorstellung von der Lage der Mundöllhiing
hinter der Basis der Bandgeissel kam. Als scheinbare Umgrenzungen dieser MundöHiiung
deutete er wohl z. Th. die Basalleisten der Bandgeissel. Für ganz unrichtig lialte ich auch
die Angaben Stein's über das Cytostom. Was er als solches beschreibt, kann nur das Falten-
oder Leistensystem sein, welches sich mehr oder weniger kenntlich von der Basis der Band-
geissel zu dem Zahn hinzieht.
Auch bei Cienkowsky vermissen wir eine genauere Beschreibung des Cytostonis, nament-
lich ist es auf seinen Abbildungen gar nicht dargestellt, doch deutet die Bemerkung, dass es
sich auf dem Grunde der trichterförmigen Einsenkung (des Peristoms) linde und die Thatsaclie,
dass es auf den Abbildungen, welclie die Kegion vor dem eigentlichen Mund darstellen, nicht
angegeben ist, darauf hin, dass C. wohl richtig beobachtet hat.
Die sog. Bandgeissel oder der Tentakel ist das am weite-
sten vorn, etwa mitten zwischen dem Vorderrand des Peristoms und dem
Vorderendo der Mundöffnung entspringende Organ (49, 14 a— b, t). Im
nicht retr.^hirten Znstande ragt es weit aus dem Peristom heraus, indem es
1056 Cystoflagellata.
eiue Lauge vou duicbsclmittlich dem halben Köipeidiuebniesser erreicht.
Es soll zwar nach den Angaben und den Abbildungen einiger. Autoren
auch bis zum Durchmesser des Körpers und mehr heranwachsen, doch
halte ich das für ungewöhnlich, wenn überhaupt vorkommend.
Die Bandgeissel ist ein contractiles Organ, daher in ihrer Gestalt
wechselnd, bald gestreckt, bald mehr oder minder eingerollt. An ihrer
Basis erreicht sie eine Breite von 0,04 und verschmälert sich allmählich
nach dem Ende zu, welches aber doch noch ziemlich stumpf ist. Sie ist
im Querschnitt nicht cylindrisch, sondern mehr oder weniger bandförmig
abgeplattet (50; ll,d) und so befestigt, dass der grössere Querdurchmesser
quer zum Peristom gerichtet ist. Dabei sind aber ihre beiden Breitseiten nicht
gleich gebildet, sondern die nach dem Mund schauende ist rinnenförmig
vertieft oder ausgehöhlt, die abgewendete dagegen schwach vorgewölbt.
Allman will auch bemerkt haben, dass die rinnenförmige Aushöhlung ver-
änderlich ist, dass sich nämlich die beiden Ränder soweit nähern kJhmen,
indem sich die Rinne vertieft, bis sie einen fast geschlossenen Kanal
herstellen. Es ist ja nicht unmöglich , dass die Bandgeissel auch
in der Qnerrichtung eine solche Contractilität besitzt wie in der Längs-
ansdehnung. Nach dem Ende zu soll sich die Abplattung allmählich ver-
lieren, der Querschnitt also mehr rund werden.
Das gesammte Organ ist ein Auswuchs des Körperplasmas und seine
Verbindung mit der Centralmasse desselben haben wir schon früher kennen
gelernt. Doch zeigt das Plasma, welches die Bandgeissel bildet, beson-
dere Differenzirungen, die jedenfalls mit ihrer Function in Zusammen-
hang stehen. Zunächst ist an ihr eine membranartige äussere Umhüllung
recht wohl zu erkennen und an günstigen Präparaten konnte ich mich
überzeugen, dass diese Llülle eine zwar äusserst feine, doch ganz deut-
liche Querringelung besitzt (50, 11, cut). Das innere Plasma grenzt sich
wenigstens an Osmiumsäurepräparaten ziemlich scharf durch einen kleineu
Zwischenraum von der Membran ab und erfüllt das Organ völlig; das-
selbe ist also nicht hohl, wie verschiedene ältere Beobachter angaben.
Dies Plasma erweist sich nun auch von netziger Structur, doch mit ver-
schiedener Beschaffenheit der ausgehöhlten und der convexen Seite. Auf
der ersteren (cnc) ordnen sich die Plasmafäden so, dass sie in geringen
Abständen regelmässig quer und parallel zu einander ziehen, worauf die
Qnerstreifung des Organs beruht. Jedes quere Fädchen besitzt in regu-
lären Abständen eine Anzahl varicöser knötchenartiger Verdickungen und
alle entsprechenden Verdickungen sind in der Längsrichtung durch feinere
Fädchen mit einander verbunden. Die Dififerenzirung der concavcn Seite
ist also im Allgemeinen derart, dass sich die im gewöhnlichen Plasma
unregelmässige Netzstructur zu einer regelmässigen, mit viereckigen
Maschen umgestaltet hat. Auf der convexen Seite findet sich dagegen ein
Netzwerk von unregelmässigerer Bildung (cov), so dass hier keine Querstrei-
fung hervortritt. Betrachtet man den optischen Durchschnitt des Tentakels (d),
so bemerkt mau, dass das Netzwerk der beiden Seiten nicht unverbunden
Noctiliica (Bau der Bandgeissel). - 1057
ist, sondeiu dass die Knotenpunkte beider Netzwerke durch Fädchen,
welche in der Dickeurichtung- der Geissei ziehen, unter einander ver-
bunden shid.
Die älteren Beobachter (namentlich Quatrefages) verlegten die Quorstreifung in die Mem-
bran der Bandgeissel und Blainville wollte sie auf quere Muskelfasern beziehen. Krohn be-
tonte dagegen zuerst, dass die Streifung ihren Sitz im Innern ]ial)e. Schon frühzeitig wurde
der Gedanke ausgesprochen, dass diese Structur mit der der qnergestreifter Muskelfasern
vergleichbar sei; namentlich Vignal versuchte durch seine Beobachtungen über den feineren
Bau der Bandgeissel eine solche Auffassung zu befestigen. Nach ihm soll die Streifung
daranf beruhen , dass an der Concavseite der Bandgeissel eine Längsreihe von rechteckigen,
stärker färbbaren Querstreifen oder Kästclien hinziehe, welche durch sclimälere, nicht gefärbte
Zwischenräume von einander getrennt werden. Auf der convexen Seite findet er eine Lage
von Granulationen. Ich muss gestehen, dass ich ausser Stande bin, den von mir beobachteten
Bau mit den Angaben Vignal's in Einklang zu bringen , doch habe ich keinen Grund
desshalb, an den selir deutlich gescbtinen Verhältnissen zu zweifeln. Die Bauweise, welche
sich aus meinen L'ntersucliungen ergibt, scheint zu beweisen, dass sich die Querstreifung
der Bandgeissel nicht mit den complicirteren Einrichtungen des quergestreiften Muskels , son-
dern der Anordnung des Plasmanetzwerkes in den gewöhnlichen, glatten Muskelfasern ver-
gleichen lässt , welche nach meinen Erfahrungen häufig dieselbe ist wie die der Concavseite
der Bandgeissel. Dies Eesultat harmonirt denn auch besser mit der allgemeinen Ürganisations-
stufe, welche die Noctiluca erreicht.
Erst Huxley beobachtete deutlich, dass sich an der Basis der Band-
geissel, wo dieselbe in die Wände und den Boden des Peristoms über-
geht, eigenthüniliche Verhältnisse finden, von welchen auch schon Krohn
etwas bemerkt halte. Namentlich entdeckte ersterer den sogen. Zahn
(14 a— c, Z), welcher in einem gewissen Zusammenhang mit der Tentakel-
basis steht und schilderte denselben schon recht gut. Cienkowsky aber
gab zuerst in seiner zweiten Abhandlung eine genauere Darstellung der
ganzen Einrichtung, von welcher Robin's Schilderung nicht wesentlich
abweicht. Zunächst bemerkt man, dass die beiden seitlichen Ränder der
Bandgeissel, da wo sie die Klirperwand erreichen, je in eine ziemlich
rechtwinklig zu der Längsaxe des Peristoms verlaufende, schwache
leistenartige Verdickung der Körperwand übergehen, die einen etwas ge-
schwungenen Verlauf nehmen und sich endlich verschmälernd verlieren
(14a, 14 c, a u. bc). Weiter sieht man aber gewöhnlich von dem
linken Basalrand der Bandgeissel noch eine zweite ähnliche Leiste ent-
springen (14 e, b), welche ihren Verlauf nach der rechten Peristomwand
nimmt und längs dieser hinzieht, um in den freien nach dem Peristom-
iuneren schauenden Rand der Zahnlamelle überzugehen. Eine ähnlich
verlaufende Leiste wird zuweilen beschrieben, welche von der rechten
Basis der Bandgeissel ausgeht, und parallel der ersteren verlaufend, sich
gleichfalls zu der Zahnleiste begibt, um, wie es mir scheint, in die Basis
derselben überzugehen. Alle geschilderten Leisten erscheinen etwas
gelblich und wurden von Cienkowsky sehr unglücklich als Borsten be-
zeichnet. Robin hält sie für Verdickungen der Membran; ich glaube,
da>ss sie wie die beiden Falten oder Leisten des Staborganes im wesent-
lichen auf einer Verdickung und schwachen Erhebung der protoplasma-
lischen Kürperwand beruhen. Ob die nach dem Zahn sich begebenden
Bronn, Klassen des Thier-Reichs. Protozoa, 67
1058 Cystoflagellata.
Leisten immer deutlich zu bemerken sind, scheint mir fraglich; an den
conservirten Exemplaren, die ich untersuchte, war gewöhnlich nur sehr
wenig von ihnen zw sehen und auch auf Cienkowsky's Abbildungen
sind sie bald gezeichnet, bald dagegen nicht. Vielleicht sind es auch
zeitweilige Faltenbildungen in der rechten Peristomwand, die das stärkere
Hervortreten dieser Leisten bewirken.
Die schon erwähnte Zahnlamelle (z) wird durch eine protoplasmatische,
lamellenartige Einwachsung der rechten Wand des Peristoms, etwa mitten
zwischen der Basis der Bandgeissel und dem Vorderrand der Mundöffnung
gebildet. Diese Lamelle läuft dem Peristomboden etwa parallel und un-
gefähr in halber Höhe zwischen Boden und äusserer Mündung. Sie er-
scheint, wenn man von oben in das Peristom blickt (14a u. c), gewöhn-
lich deutlich trapezförmig, mit längerer Basis und kürzerer freier Schneide,
sowie zwei schief aufsteigenden Rändern, einem vorderen und einem
hinteren. Die Ecken, welche die freie innere Schneide mit den beiden
schiefen Rändern bildet, sind in zahnartige Spitzen ausgezogen und häufig
erhebt sich zwischen diesen beiden Spitzen aus der Schneide noch ein
mittlerer, etwas grösserer, an seinem Ende zweispitziger Vorsprung. Wie
schon Huxley beobachtete, kann sich unter Umständen noch eine
vierte Spitze des Zahnes entwickeln. Betrachtet man die Zahnlamelle
im optischen Querschnitt, so ist zu sehen, dass sie ziemlich dick und
etwas gegen den Boden des Peristoms gekrümmt ist. Der Zahn besteht,
wie bemerkt, aus Protoplasma; ob sich an ihm eine Membran deutlicher
wie an dem übrigen Körper unterscheiden lässt, lasse ich dahin gestellt.
Die Streifung, welche Robin an ihm bemerkte, ist nichts weiter wie die
fibrilläre Diiferenzirung seines Plasma, welche manchmal recht kenntlich
hervortritt.
Dicht hinter dem Zahn und etwas tiefer wie derselbe entspringt eine
ähnliche protoplasmatische leistenartige Hervorragung, die sogenannte
Lippe (14a, 1; 14c), welche Cienkowsky entdeckte; doch sah auch
wohl Allman schon etwas von derselben. Das, was Krohn als Lippe
bezeichnete, war wohl die Zahnleiste. Der Vorderrand der Lippe
schliesst sich dicht an das Hinterende des Zahnes an. Wenn man von
oben in das Peristom blickt, so erscheint sie als eine meist ziemlich
halbkreisförmige Hervorragung, deren Hinterende die Mundspalte ge-
wöhnlich etwas überdeckt. Nicht selten fand ich aber ihre Umrisse
etwas unregelmässiger. Am Vorderrande der Lippe entspringt nun die
kleine hintere Geis sei oder Cilie (f), jedoch vermag ich ihre genaue
Insertion nicht anzugeben und kann dieselbe auch nicht aus der, leider
in vieler Hinsicht sehr unbestimmten Darstellung Cienkowsky's entnehmen.
Jedenfalls liegt ihr Ursprung dicht bei oder an der Lippe, also auch
dicht am Vorderrande der Mundspalte. Diese Geissei ist, wenn man ihre
Lage einmal kennt, selbst bei gut conservirtem Material nicht schwer auf-
zufinden, doch bedurfte Krohn, wie Huxley und Cienkowsky mit
Recht bemerken, einer sehr guten Beobachtungsgabe, um sie zum
Noctiluca (Zahn, Lippe, hintere Geissei; Bewegung-eii der (ieisseln). 1059
ersten Mal wabrzuuehmen. Dass sie Vignal und Stein vermissteu, lag
jedenfalls nicht an ihrem Material, sondern an ihnen selbst ; beide haben
übrigens auch weder den Zahn noch die Lippe erkannt und sind daher
hinter den Forschern alterer Zeit weit zurückgeblieben.
Das Organ ist nach Art der gewöhnlichen Mastigophorengeisseln ein
in der ganzen Länge gleich dicker Faden und reicht im gestreckten Zu-
stand wohl etwas über das Vorderende des Peristoms hinaus. Ein solcher
Verlauf nach der Basis der Bandgeissel ist ihr, wie es scheint, auch
immer eigen, und da sie gewöhnlich nicht gestreckt, sondern in viele
Wellen gelegt ist, so ragt sie aus dem Peristom nicht hervor, wodurch
ihre Wahrnehmung erschwert wird.
Wir glauben am besten schon an dieser Stelle auf die Bewegungs-
erscheinuugen der beschriebenen Peristomorgane eingehen zu sollen.
Die zuletzt beschriebene kleine oder hintere Geissei macht, ihrer Bil-
dung entsprechend, Bewegungen gleich denen gewöhnlicher Geissein;
sie bestehen nach den Schilderungen der verschiedenen Autoren in Wellen,
welche mehr oder weniger rasch, unter Umständen rapid, über sie hin-
eilen — bald sehr zahlreiche kleine, bald wenigere und grössere Wellen.
Es scheint, dass die Geissei abwechselnd thätig ist und ruht, denn einige
Beobachter (Webb und AVest) betonen das Intermittiren der Bewegung
besonders. Peitschenförmige Bewegungen scheinen gleichfalls vorzu-
kommen, auch kann sich die Geissei unter Contraction zurückziehen und
plötzlich wieder vorschnellen. Wie die Wellen über die Geissei ver-
laufen, ist aus den Schilderungen nicht bestimmt zu entnehmen; aus einer
Bemerkung Cienkowsky's scheint hervorzugehen , dass sie von der In-
sertionsstelle nach dem freien Ende ziehen.
Die meisten Beobachter sind der Ansicht, dass die Geisselbeweguugeu
die Zuführung von Nahrungskörpern zu der Mundöffnung bewirken. Be-
wegungen des Noctilucakörpers vermag die Geissei sicher nicht hervor-
zubringen. Dass sie mit der Athmung etwas zu thun habe, wie West
auf Grund irrthümlicher Vergleiche anzunehmen geneigt war, entbehrt
jeder Begründung.
Die Bewegungen, welche die Bandgeissel ausführt, werden von
allen Beobachtern seit Suriray als sehr träge geschildert. Sie soll sich
langsam nach den verschiedensten Richtungen biegen und wieder auf-
richten, ohne dass der Körper eine Ortsveränderung erleide, sondern
höchstens in ein Hin- und Herschwanken gerathe. Vignal zählte in der
Minute etwa 5 Bewegungen. Mit der Angabe der meisten Forscher, dass
Bewegungen nach den verschiedensten Richtungen ausgeführt weiden
können, harmonirt die Bemerkung Vignal's, dass die Contraction und Ein-
biegung stets nach der gestreiften Concavseite geschehe, nicht recht, den-
noch mag dem so sein, da sich ja diese Seite durch eine besondere
Plasmadifferenzirung auszeichnet und die Bandgeissel der getödteten Thiere
stets nach dieser Seite eingerollt ist. Langsamer noch wie Contraction
und Biegung soll nach Vignal die Streckung vor sich gehen, wobei noch
67*
lOBO Cystoflagcllata
das Eigenthümliche beobachtet werde, dass sich zunächst das Ende der
Geissei der Basis nähere, worauf erst die Ausstreckung erfolge. Unter
Umständen kann sich auch die Bandgeissel so stark contrahiren und
zusammenrollen, dass sie ganz in das Peiistom tritt und scheinbar ver-
schwindet. Selbst der restirende Stumpf einer abgebrochenen Band-
geissel soll sich nach Webb noch bewegen, sich jedoch rasch an der
Basis ablösen. Dieser Beobachter findet die Bandgeissel überhaupt sebr
zerbrechlich.
Da auch die Bandgeissel, wie bemerkt, ohne erheblichen Einfluss auf
die Körperbewegungen ist, so vermuthen einige Beobachter (Krohn, Vigual),
dass sie ebenfalls bei der Zufuhr grösserer Nahrungskörper zum Munde
mitwirke, was auch möglich sein kann.
Nur Webb (23) will auch active Bewegungen des Zahns beobachtet
haben; soweit ich die Mittheilung verstehe, soll sich derselbe abwechselnd
gegen den Boden des Peristoms zu krümmen und wieder aufrichten. West
(bei Brightwell 24) leugnet dagegen die selbstständige Bewegungsfähigkeit
dieses Organes, doch sah er es wiederholt bei den Biegungen der Band-
geissel in passiver Bewegung. Es scheint mir übrigens nicht unmöglich,
dass der Zahn gelegentlich auch activ bewegt wird, sein Bau wenigstens
spricht eher für als gegen eine solche Thätigkeit.
Nachdem die Verhältnisse bei Noctiluca im Vorstehenden erörtert
wurden, haben wir noch diejenigen von Leptodiscus zu betrachten.
Wie früher bemerkt, wurde hier ein der Bandgeissel vergleichbares
Organ nicht gefunden, dagegen der Repräsentant der hinteren Geissei,
als ein in seiner ganzen Länge gleich dicker Geisselfaden (Taf. 50,
Fig. 10 d, f), der etwa die doppelte Länge der grössten Dicke der Lepto-
discusscheibe erreicht. Diese Geissei entspringt auf der Ventralseite aus
der engen röhrigen Ein Senkung, welche Hertwig als Geisseischeide be-
zeichnete und die wir für das eigentliche Peristom halten möchten. Wo
sie jedoch innerhalb desselben ihre Insertion findet, wurde bis jetzt noch
nicht sicher ermittelt. Hertwig weist die Deutung dieser Röhre als Pe-
ristom hauptsächlich desshalb zurück, weil er sie zu eng für den Durchtritt
von Nahrungskörpern hält. Da jedoch nur sehr kleine Nahrungskörper
im Plasma beobachtet wurden und auch die hintere Geissei der Noctiluca
in directer Beziehung zur Mundöflfnung zu stehen scheint, muss ich einst-
weilen die hier gegebene Auffassung für wahrscheinlicher halten.
Rückbildung des Peristoms und seiner 0 )• g a n e beim
Uebergang in den sog. Ruhezustand. Mit zahh-eichen anderen
Mastigophoren stimmt Noctiluca darin überein, dass ihre Bewegungsorgane
nicht selten rückgebildet werden, resp. verloren gehen, wodurch ein Zu-
stand hervorgerufen wird, den wir auch hier mit einigem Recht als
einen ruhenden bezeichnen können. Ein wirklicher Ruhezustand, unter
Bildung einer schützenden C^^stenmembran, wurde aber bis jetzt bei Cysto-
flagellaten noch nie sicher beobachtet.
Nocüluca (Beweg. d.Geibs. u.d. Zahns). Leptodi3cus(Geiss.u. Perist.). Ruhezust. v.Noctil. 1061
Die Vereinfachung der Organisation erstreckt sich bei der Bildung
des Ruhezustandes nicht allein auf die Geissein, sondern ergreift auch das
gesammte Peristom und seine Organe, sowie das iStaborgan. Indem sich
alle diese Theilc rückbilden, wird die Noctiluca zu einer regulär kugligen
Blase ohne Andeutung der früheren Peristomeinsenkung; ihre Stelle wird
nur noch durch das Centralplasnia an der Wand der Blase bezeichnet.
Das von letzterem ausstrahlende Plasraanetz erhält sich intact, wie natür-
lich auch der Nucleus.
Der genauere Vorgang bei der Ausbildung des Ruhezustandes wurde
zuerst von Cienkowsky, dann auch von Robin etwas näher verfolgt,
doch bleibt noch manches weiterer Aufklärung vorbehalten. Zunächst
geht die Bandgeissel verloren. Robin scheint zu glauben, dass dieselbe
abgeworfen werde, wie dies mit den Geissein der Mastigophoren unter
derartigen Verhältnissen gewöhnlich geschieht. Cienkowsky hat zwar einen
solchen Vorgang bei der Bildung ruhender Zygoten durch Copulation
zweier Individuen selbst beobachtet, wie später noch specieller dargelegt
werden wird, dagegen bei dem üebergange gewöhnlicher Individuen in den
Ruhezustand die Einziehung der Geissei wahrgenommen. Dabei trat meist
zunächst an einer Stelle der Bandgeissel eine Anschwellung auf, in deren
Plasma die Querstreifung schwand, darauf verkürzte sich die Geissei all-
mählich und schrumpfte schliesslich zu einer Warze zusammen, welche
endlich eingezogen wurde. Es liegt kein Grund vor, an dieser Darstellung
Cienkowsky's zu zweifeln, so dass also sich bei den Cystoflagellaten zwei
verschiedene Modi des Geisseiverlustes finden.
Die Rückbildung des Peristoms geschieht, soweit bekannt, in der
Weise, dass sich dessen Wände dicht zusammenlegen, worauf ihr Plasma
verschmilzt; natürlich müssen dabei auch die übrigen Organe des Peristoms,
der Zahn, die Basalleisten der Bandgeissel, die Lippe und die hintere
Geissei wieder mit dem Centralplasnia zusammenfliessen. Nur für die
hintere Geissei könnte man auch an einen Verlust durch directes Abwerfen
denken; specielle Angaben hierüber liegen nicht vor. Nach den Be-
merkungen Robin's soll auch das Staborgan ganz eingehen, was wohl
durch Einziehung der zu ihm tretenden Plasmafäden geschehen dürfte.
Cienkowsky spricht sich darüber weniger bestimmt aus, dennoch bemerkt
er, dass das Staborgan ganz „unmerklich" werde.
Ruhende Noctiluceu beobachtete zuerst Joh. Müller in Menge im Mittelmeer, docli
sprach er mit grosser Bestimmtheit von einer glashellen Hillle , welche den eigentlichen
Thierkörper umgebe. Er fasste sie dementsprechend auch als encystirte Formen auf. Kurz
hierauf erwähnte auch Baddeley (24) das häutige Fehlen der Bandgeissel. Cienkowsky nimmt
mit Bestimmtheit an, dass sich Müller's Beobachtung auf die geschilderten ruhenden Formen
beziehe; ich muss dies zwar auch für das wahrscheinlichste halten, dennoch habe ich, wegen
der so bestimmt angegeheucn CystenhüUe, einige Zweifel, ob die von Müller gesehenen Zu-
stände nicht einige Besonderheiten darboten.
Auf der Challengerexpedition wurden im oftenen Ocean, in der Region der Passatwinde,
grosse Mengen leuchtender Organismen beobachtet, welche Why wille Thomson u. Murray*)
*) Proceed. roy. soc. London. Bd. 24. 1876. p. 533.
1062 Cystoflagellata.
für Diatomeen hielten und unter dem provisorischen Namen Pyrocystis kurz beschrieben,
sowie z. Th. abbildeten. Eine Form derselben erhielt wegen ihrer grossen Aehnlichkeit mit
Noctiluca den Speciesnamen „Pseudonoctiluca". Schon S. Kent (38) sprach die Vermuthung
aus, dass dieses Wesen eine „encystirte Noctiluca" und identisch mit den von Müller be-
schriebenen Cysten sei. Auch ich muss mich dieser Ansicht anschliessen und kann noch
bemerken, dass die Untersuchung einiger dieser angeblichen Pyrocysten , welche ich Murray
verdanke, ergab, dass eine besondere Cystenmembran nicht vorhanden ist. Murray und
Thomson wollten eine sehr zarte „kieselige'' Hülle beobachtet haben, welche aber sicherlich
fehlt, denn sie lässt sich weder direct sehen, noch bleibt bei der Behandlung mit concentrirter
Schwefelsäure die geringste Spur einer solchen zurück. Ich halte demnach Pyrocystis pseudo-
noctiluca für ruhende Noctilucen, wie sie oben beschrieben wurden. Auf der Abbildung,
welche Murray's Mittheilung begleitet, ist übrigens auch eine Peristomeinsenkung zu sehen,
woraus ich fast schliessen möchte, dass die Rückbildung der Organe bei den vermeintlichen
Pyrocysten z. Th. noch nicht so weit gegangen war, wie gewöhnlich. Eine zweite lang-
spindelförmige Pyrocystisart, welche gleichfalls leuchtete (P. fusiformis), möchte Kent als den
encystirten Zustand von Leptodiscus deuten; ich kann mich mit dieser Auflassung nicht be-
freunden; eher wäre es möglich, dass diese Pyrocystis fusiformis die Cyste einer besonderen,
bis jetzt noch unbekannten Cystoflagellate ist, vielleicht einer zwischen den Dinoflagellaten und
den Cystoflagellaten vermittelnden Form , denn das langspindelförmige Gebilde , welches mit
einer deutlichen Hülle versehen zu sein scheint, erinnert an die gehörnten Cysten der Dino-
flagellaten.
Es scheint nicht zweifelhaft zu sein und stimmt auch mit den Er-
fahrungen an anderen Mastigophoren gut überein, dass die ruhenden
Noctilucen unter Neuentwicklung der eingegangenen Organe wieder in
den vollausgebildeten Zustand übergehen können. Robin hat die Neu-
bildung der fehlenden Organe wenigstens ihrem Verlauf nach geschildert,
hegt jedoch die Vorstellung, dass die blasigen Noctilucen, an welchen er
dieselbe beobachtete, nicht ruhende rückgebildete Formen gewesen seien,
sondern Entwicklungszustände von Schwärmern, welche ihre volle Aus-
bildung noch nicht erreicht hätten. Nach seiner Angabe schwankten die
Durchmesser der fraglichen Noctilucen zwischen 0,15 und 0,9 Mm. ; es
waren also darunter solche, welche die Maximalgrösse der Noctiluca er-
reichten; dazu gesellt sich weiter der Umstand, dass zwischen diesen
geissellosen Individuen auch solche aller Grössen vorhanden waren , die
ihre volle Ausrüstung besassen; schliesslich werden wir später erfahren,
dass die Schwärmer wahrscheinlich sehr frühzeitig ihre Bandgeissel ent-
wickeln. Alle diese Punkte scheinen mir aber dafür zu sprechen, dass
die Noctilucen, an welchen Robin die Neubildung der Theile verfolgte,
nicht Jugendformen, sondern Ruhezustände waren.
Die Neubildung soll nun so verlaufen, dass zuerst ein neuer Mund
entstehe, da wo das Centralplasma der Wand anliegt. Derselbe soll sich
anfänglich als eine lineare Runzelung („froncement lineaire") dieser Wand-
stelle zeigen, erst später treten die beiden den Mund begrenzenden Längs-
falten (Lippen nach Robin) mehr auseinander. Die Mundbildung nehme
ungefähr dreiviertel Stunden in Anspruch. Es wurde schon früher er-
wähnt, dass wir den Mund an einer anderen Stelle suchen wie Robin,
desshalb halte ich es auch für etwas zweifelhaft, ob die eben kurz an-
gedeutete Entwickeliing des Mundes mit der Wirklichkeit harmonirt. Nach-
Noctiluca (Ruhezustand und Umbildung desselben in den normalen; Theilung). 1063
dem die Bildung des Cytostoms soweit fortg-eschritteu sei, folge gleich
die Eiüsenkimg des Peristoms, sowie die Bildung des Staborganes und
der Bandgeissel, welch' letztere in derselben Weise hervorsprosst, wie bei
den aus der Theilung hervorgegangenen Sprösslingeu. Wir werden dess-
halb den Bildungsvorgang der Bandgeissel erst bei der Besprechung der
Theilung, wo er von Robin genauer beschrieben wurde, darstellen. Die
letzterwähnten Entwickelungsvorgänge sollen sich in nicht ganz einer
Stunde vollenden.
4. Foitpflauzungsersclieinuiigeii.
Die in neuerer Zeit ausgeführten Untersuchungen haben zwei Fort-
pflanzungsweisen bei Noctiluca sicher gestellt, während die Vermehrung
des Leptodiscus leider noch ganz im Dunkeln liegt. Dereine der Pro-
cesse ist die einfache Zweitheilung, der andere ein Knospungsvorgang
zahlreicher kleiner Schwärmer, welcher sich leicht auf rasch verlaufende,
fortgesetzte und unvollständige Zweitheilung zurückführen lässt und der
vielleicht mit vorhergehender Copulatiou in Verbindung steht.
A. Fortpflanzung- durch Theilung.
Schon Quatrefages vermuthete eine solche Fortpflanzungsweise, da
er eingeschnürte, anscheinend in Theilung begriffene Noctilucen fand. Da
nun solche Zustände auch durch Copulatiou entstanden sein können, so
lässt sich nicht mit Sicherheit behaupten, dass er thatsächlich schon Thei-
lungen beobachtete. Sicherer scheint dies für die Beobachtungen Krohn's.
Derselbe beschreibt zwar die Theilung, welche er öfter gesehen haben
will, nicht näher, führt aber an, dass er schon vor der Verdoppelung des
Peristoms und seiner Organe zwei Kerne gefunden habe, was wohl nur
bei Theilzuständen beobachtet werden dürfte. Etwas genauere Darstel-
lungen und Abbildungen verdanken wir Baddeley (mitgetheilt von
ßrightwell), doch haben die neueren Beobachtungen Robin's ziemlich sicher
erwiesen, dass nicht alle von Baddeley abgebildeten angeblichen Theilungs-
stadien als solche betrachtet werden können , dass vielmehr die geschil-
derten Anfangsstadien (speciell Fig. 5) wahrscheinlich eine Art eigen-
thttmlicher Doppelthiere waren, wie sie nach Robin's Erfahrungen auch
bei Noctiluca vorkommen. Baddeley wollte die Theilung sowohl bei ge-
wöhnlichen, mit allen Organen ausgerüsteten, wie bei der Bandgeissel
entbehrenden Noctilucen gefunden haben, und wenn seine Darstellung der
Anfangsstadien richtig wäre, so müsste die Theilung der Noctiluca als
eine quere aufgefasst werden. Nun wies aber Robin tiberzeugend nach,
dass die Theilung in der Längsrichtung geschieht, welcher Umstand wohl
seine Deutung der von Baddeley beobachteten Anfangsstadien bestärkt.
Auch Cienkowsky konnte Theilung beobachten, gab davon aber leider
nur eine so kurze Notiz, dass aus derselben wenig mehr als eine Bestäti-
gung der Angaben Baddeley's zu entnehmen ist. Auch er will die Thei-
lung bei normalen und bei ruhenden Exemplaren gefunden haben;
1064 Cystoflagellata.
bei den letzteren sollen die beiden Bandgeissein der Sprössliage schon
vor „dem Schlüsse der Theilung*^ gebildet werden. Letztere Theilzustände
waren demnach wohl identisch mit den gleich zu erwähnenden , welche
Kobin genauer schildert. Bei den sich theilenden gewöhnlichen Individuen
will Cienkowsky dagegen schon ,, gleich am Beginne der Einschnürung
eine doppelte Zahl der erwähnten Organe" gefunden haben. Leider ver-
missen wir auch bei ihm eine Angabe über die Lage der Theilebene zu
den Körperregionen.
Wie bemerkt, veröifentlichte Robin die genauesten Mittheilungen über
die Theilung, doch lassen sich seine Angaben nicht ganz mit denen
der früheren Beobachter vereinigen. Nach ihm soll die Theilung
stets im geissellosen Zustand geschehen, da der Vorgang durch ein
Verschwinden des Peristoms eingeleitet würde („effacement, d. h. also
wohl durch eine Ausebenung desselben, so dass seine Wände nun einen
Theil der ganz kuglig gewordenen Körperoberfläche bilden). Ebenso ver-
schwindet die hintere Geissei und nach einiger Zeit auch die Bandgeissel
sammt ihren Leisten und der Zahn, doch scheint sich der Verlust der
ersteren zuweilen etwas zu verzögern. In welcher AVeise die Bandgeissel
schwindet, blieb unklar, doch vermuthet Robin, dass sie abgeworfen werde.
Der Mund aber soll sich erhalten und dieser Umstand aliein würde
einen Unterschied gegen den ruhenden Zustand bilden. Gleichzeitig
strecken sich die so zur Theilung vorbereiteten Tbiere in der Quer-
axe etwas in die Länge. Obgleich nun Robin mit grosser Bestimmt-
heit versichert, dass nur in dieser Weise rückgebildete Individuen in
Theilung eingingen, möchte ich es, in Anbetracht der Angaben Cien-
kowsky's, doch für möglich halten, dass auch Theilungen bei Individuen
vorkommen, welche die Bandgeissel besitzen; wir wissen ja, dass auch
bei den übrigen Mastigophoren Theilungen im ruhenden und im beweg-
lichen Zustande bei einer und derselben Form statttinden können.
Der weitere Fortschritt zeigt sich zunächst durch eine Theilung
des Kernes innerhalb des Centralplasmas. Die Kerntheilung verläuft nach
dem bei der Kuospenfortpflanzung zu schildernden, indirecteu Schema.
Nachdem sich die beiden Tochterkerne getrennt haben, rücken sie quer
zur Längsaxe der Noctiluca auseinander und gleichzeitig beginnt auch
das Centralplasma sich in die Quere zu strecken und trennt sich schliess-
lich durch Ein- und Durchschnürung in zwei, nur noch durch einige Fila-
mente verbundene Antheile, die beiden Centralplasmapartien der Töchter.
Letztere entfernen sich aber in der Querrichtung nicht weit von einander,
so dass sie auch an den schon weit gesonderten Sprösslingen am einen
Ende der Theilebene dicht gegenüber stehen (Taf. 49, 14f u. Taf. 50, 1 c).
Die Theilung des Centralplasmas erfordert ungefähr eine Stunde. Ziem-
lich gleichzeitig mit der Kerntheilung beginnt die Einschnürung des
Noctilucakörpers, welche sich nach Robin zuerst in einer Depression auf
der Rückseite, gegenüber dem früheren Peristom, bemerkbar machen soll.
Hierauf tritt eine ringförmige Furche auf; wie es scheint, gleichzeitig in
Noctiluca (theilung). 1065
der ganzen Medianebene und dringt allmählich tiefer und tiefer (Taf. 49,
14 f — g, u. Tal. 50, Ic), so dass die Durchschniirimg des Körpers nach
Verlauf von ein bis anderthalb Stunden vollendet ist. Während des
Durchschniirungsprocesses sollen sich die beiden Sprösslinge abwechselnd
etwas von einander entfernen und wieder zusaramcndiängen.
Die Lage der Theilebene ist, wie bemerkt, eine solche, dass sie den
Mund, wenn sich derselbe nach Kobin's Angabe wirklich dauernd er-
hält, der Länge nach durchschneiden muss, demnach der eine Seiten-
rand des Mundes dem einen, der andere dem anderen Individuun) ver-
bleibt, wie auch Robiu direct angibt. Die eigentliche Trennung beider
Sprössüuge verläuft etwas verschieden, indem entweder zuerst im Cen-
trum der Theilebene ein stärkeres Auseinanderweichen derselben eintritt
und nach der Peripherie fortschreitet oder die Trennung von der Peripherie
nach dem Centrum vor sich geht.
Wir haben nun noch die Neubildung des Peristoms und seiner Or-
gane an den Sprösslingen zu verfolgen. Nachdem die Durchschnürung
des Körpers zum mindesten zu dreiviertel vollendet ist, bildet sich zu-
nächst an jedem der Sprösslinge die Anlage einer neuen Bandgeissel.
Zuerst erhebt sich aus dem Centralplasma jedes Sprösslings, etwas vor
der neuen Mundspalte, ein Fortsatz, welcher über die Oberfläche als ein
etwas länglicher, fersenähnlicher Vorspruug emporragt. Ein wenig „unter-
halb" dieses Vorsprunges, doch mit ihm in directem Zusanmienhang,
wächst nun ein zweiter, erst kegelförmiger und dann an seinem freien
Ende abgerundeter Fortsatz hervor (s. Taf. 50, la u. b), durch dessen
Mitte sich eine dunkle Linie erstreckt, welche, wie die weitere Entwicke-
lung zeigt, darauf beruht, dass der Fortsatz etwa die Bildung einer Oese
hat, deren beide Enden in dem erstgenannten Vorsprung (ba, f. 16)
wurzeln. Die dunkele Linie ist eben der Ausdruck der Oesenöffnung.
Indem der oesen- oder schleifenartig zusammengekrümmte Fortsatz sich
durch Auswachsen immer mehr erhebt, sondern sich seine beiden
Schleifenhälften mehr und mehr von einander und es ist bald zu
erkennen, dass die eine Hälfte dicker ist wie die andere. Endlich
verliert das Basalende der dünneren Hälfte seinen Zusammenhang mit
dem fersenartigen Vorsprung (ba) ; die so als zusammengekrümmte Schleife
entstandene Bandgeissel streckt sich und geräth bald in langsame Be-
wegungen. Noch mehrere Stunden bewahrt ihr Plasma den undifferen-
zirten Zustand des Centralplasmas, aus dem es hervorging; dann erst tritt
allmählich die Querstreifung hervor, indem sie zunächst an der Geissei-
basis bemerkbar wird und allmählich gegen das freie Ende fortschreitet.
Aus dem fersenartigen Vorsprung (ba), der sich zu dieser Zeit gleich-
falls verändert, da er fast farblos wird, scheint der basale Stützapparat
der Bandgeissel und wohl auch der Zahn hervorzugehen, doch konnte
die Bildung dieser Einrichtungen nicht genauer verfolgt werden, da sich
jetzt auch das Peristom einsenkt und diesen Theil mit in die Tiefe nimmt.
Das Auswachsen der Bandgeissel zur definitiven Länge scheint dem
1066 Cystoflagellata.- •
Berichteten zufolge stets erst nach der Isolirung der Sprösslinge zu ge-
schehen, zuweilen besitzen die sich trennenden Sprösslinge sogar nur die
Anlagen der Bandgeissein.
Wie schon oben bemerkt wurde, beschreibt Robin auch Doppel-
individuen der Noctiluca, wie sie uns ähnlich schon bei den anderen Ab-
theilungen der Mastigophoren begegneten. Auf 1000 gewöhnliche Indi-
viduen fand er ein solches Doppelwesen. Da jedoch nicht bemerkt wird,
ob diese Doppelindividuen längere Zeit unverändert verfolgt wurden, so
halte ich ihre Deutung für noch nicht unbedingt gesichert, obgleich
ich nicht verkenne, dass mir Robin's Ansicht als die natürlichste
erscheint. Diese Individuen übertreffen die gewöhnlichen an Grösse
nicht, sind jedoch etwas in die Länge gezogen, ungefähr eiförmig. Der
Körper selbst ist ganz einheitlich ohne Andeutung einer Sonderung in
zwei Individuen; seine Doppelnatur spricht sich nur durch die Gegenwart
zweier Centralplasmapartien, sowie zweier Peristome und der damit zu-
sammenhängenden Organe aus. Diese Organe sind so orientirt, dass die
beiden durch sie angedeuteten Noctilucenindividuen eine gemeinsame
Medianebene besitzen, und zwar geht letztere durch die Längsaxe des
eiförmigen Körpers. An jedem Pole des Körpers findet sich ungefähr die
Mitte eines Peristoms und beide Peristome etc. sind gleich gelagert, so
dass also das Staborgan jedes Peristoms nach der Bandgeissel des be-
nachbarten zieht. Bei diesen Lagerungsverhältnissen erscheint es natür-
lich, dass sich die beiden Tentakel auf entgegenstehenden Hälften des
ovoiden Körpers finden.
Aus vorstehender Schilderung, die, wie ich hoffe, der Natur entspricht
— die Beschreibung Robin's ist leider etwas kurz und auch die Abbil-
dung lässt einige Zweifel zu — ergibt sich , dass ein solches Doppel-
individuum nicht wohl durch gewöhnliche Längstheilung entstanden
sein kann; die Anordnung der Organe lässt sich allein bei der Voraus-
setzung eines Quertheilungsprocesses verstehen. Da nun ein solcher weder
bei reifen Noctilucen noch bei den Knospen und Schwärmern con-
statirt wurde, so sind einige Zweifel hinsichtlich der Deutung dieser
Doppelwesen vielleicht nicht ganz ungerechtfertigt. Wie bemerkt, sucht
Robin auch die Mehrzahl der von Baddeley abgebildeten Theilungszustände
als solche Doppelwesen zu deuten, doch stimmen B.'s Figuren 6 und 8
im Allgemeinen so wenig mit dem Bau des von Robin abgebildeten
Doppelindividuums überein, dass ich es vorziehen möchte, hinsichtlich
derselben bei der Deutung Baddeley's zu beharren, wenn diese Zustände
auch mit wohlausgebildeten Bandgeissein dargestellt sind.
Robin glaubt die geschilderten Doppelwesen aus Knospen herleiten
zu dürfen, welche ihre letzte Theilung nicht erfahren hätten, betont jedocli
selbst, dass er derartige Knospen nicht beobachtet habe. Obgleich ich
es noch für fraglich halte, ob die Doppelnatur dieser Formen schon im
Knospenzustand angelegt wird, glaube ich doch hervorheben zu müssen,
dass nach unseren Erfahrungen über ähnliche Bildungen ihre Entstehung
Koctiluca (Theilung und Knospung). 1067
jedenfalls nicht auf eine unterbliebene, sondern auf eine nicht vollendete
Theilung zurückzuführen sein dürfte.
R. Knospenfortpflanzung und Gopulatiou bei Noctiluca.
Ein Stadium des jetzt zu betrachtenden Knospungsprocesses wurde
schon im Jahre 1851 von Busch beobachtet, doch blieb ihm dessen Be-
deutung unklar; er hegte sogar noch Zweifel an seiner Zugehörigkeit zu
Noctiluca. Es war ein Exemplar mit entwickelter Scheibe von Schwärraer-
anlagen.
Ganz unrichtiger Weise wird gewöhnlich Gosse (20) die erste Beob-
achtung der Knospung zugeschrieben; was derselbe sah, hat jedenfalls
nichts damit zu thun. Er beobachtete im Innern der Noctilucen zuweilen
gelbliche Kugeln mit einem röthlichen Kern und sah einmal, dass eine
solche Kugel aus dem Peristom entleert wurde. Desshalb erklärte er die
Kugeln für Keime oder Eier; sicherlich waren sie aber nur Nahrungs-
körper.
Erst Cieukowsky erkannte im Jahre 1871 den Knospungsprocess
genauer, ermittelte gleichzeitig das Vorkommen von Copulation und machte
es recht wahrscheinlich, dass letztere mit dem Knospungsprocess in Zu-
sammenhang stehe. Einige Jahre später konnte er diese Vorgänge durch
fortgesetzte Untersuchungen erheblich besser darstellen, und die wichti-
gen Beobachtungen Robin' s klärten den Process noch in vielen Punkten
genauer auf. Da Cienkowsky, wie bemerkt, der Ansicht ist, dass die
Schwärmerbildung „in hohem Grade von der vorangehenden Copulation
abhängig zu sein scheine", so wird es am Platze sein, wenn wir zunächst
einen Blick auf den Copulationsvorgang werfen.
Schon Webb (23) fand nicht selten zwei aneinanderhängende Nocti-
lucen ; wie er sich ausdrückt, in „Apposition", doch wollte er an denselben
keine Anzeigen von „Conjunction" beobachtet haben, was wohl heissen
soll, dass er keine Verschmelzung derselben wahrnahm und den Vorgang
nicht für eine Copulation hielt. Cienkowsky verfolgte aber die Copu-
lation zweier Individuen direct unter dem Mikroskop und fand, dass so-
wohl gewöhnliche wie ruhende Exemplare verschmelzen können. Dabei
legen sich beide Individuen in Gegenstellung mit den beiden Peristomen
aufeinander, oder, wenn es sich um ruhende handelt, mit den dem ehe-
maligen Peristom entsprechenden Stellen der Körperwände, also denjenigen,
wo sich das Centralplasma findet. Die Berührungsstelle scheint nament-
lich im letzteren Fall, eine recht kleine zu sein, was auch bei der voll-
kommenen Kugelgestalt ruhender Individuen erkärlich ist. Es bildet sich
dann bei solchen Paaren zunächst eine ganz kleine Communicationsstelle
zwischen den beiden Centralplasmen, indem sich ein schmaler Plasma-
strang zwischen letzteren ausspannt. Von einer Auflösung der Wand
(Cienkowsky) wird nach unserer Vorstellung vom Bau derselben
nicht die Rede sein können. Auch mehrere solche Communicationen
können sich gleichzeitig bilden. Die Verschmelzung der Wände schreitet
1068 Cystoflagellata.
nun von dieser Stelle aus nach der Peripherie der einander zugewendeten
Kugelhälften weiter fort, so dass bisquitförmige Copulationsproducte ent-
stehen ; schliesslich verbinden sich beide Individuen zu einer einfachen
Kugel, indem sich ihre Centralplasmen vereinigen und auch die beiden
Kerne, wie es scheint, immer zu einem einzigen zusammentreten. Der
Vorgang der Verschmelzung scheint bei den mit den Peristomen anein-
andergehefteten , normalen Individuen im Allgemeinen derselbe zu sein,
nur ist die Berührung hier von Anfang an eine ausgedehntere (Taf. 50,
f. 1 d). Dabei ebnen sich die beiden Peristome aus und die Bandgeissein
gehen ebenso wie die übrigen Peristomorgane verloren ; die ersteren
scheinen entweder eingezogen oder abgeworfen zu werden; hinsichtlich
der übrigen Organe ist Näheres unbekannt. Die weitere Verschmelzung
verläuft in der schon bei der Copulation ruhender Individuen geschilderten
Weise. Nicht selten vollzieht sich der Verschmelzungsprocess auch etwas
unregelmässig, so dass auf gewissen Stadien desselben nicht bisquitförraige
sondern unregelmässig gelappte Verschmelzungsproducte beobachtet wer-
den. Der ganze Vorgang nimmt einen Zeitraum von 5 bis 6 Stunden
in Anspruch.
Robin vermochte die Copulation nicht zu verfolgen, er sah zwar
einige Male Anfangsstadien derselben, konnte jedoch eine weitere Ver-
schmelzung nicht nachweisen ; er enthielt sich daher auch eines Urtheils
über die Beziehung der Copulation zum Knospungsprocess.
Folgende Gründe sprechen nun dafür, dass die Knospung haupt-
sächlich an den Copulatiousproducten (Zygoten) eintritt. Einmal zeigt
sieh dieser Fortpflanzuugspröcess nur an ganz kugligen Individuen
von der Beschaffenheit der ruhenden und auch die Zygote besitzt
ja diese Bildung; ferner sind die knospenden Individuen gewöhnlich be-
sonders gross (nach Robin sehr selten unter 0,5 Mm.) und wenigstens
nach Cienkowsky's Erfahrungen häutig etwas eingekerbt oder gelappt,
was, wie die Grösse, auf ihr Hervorgehen aus Copulation hinweist. Bei
directer Verfolgung der Zygoten konnte Cienkowsky jedoch während dreier
Tage keine Veränderungen beobachten, welche auf Knospuug hindeuteten.
Wenn demnach auch manches dafür spricht, dass eine Beziehung
zwischen Copulation und Knospung besteht, so sind die Untersuchungen
doch bis jetzt noch ungenügend, um solches direct zu erweisen und jeden-
falls werden wohl auch gewöhnliche ruhende Individuen Knospen hervor-
bringen können.
Nach Robin's Versicherung soll der Knospungsprocess die häufigste
Fortpflanzungsweise der Noctiluca sein , und zwar zählte er ein knos-
l)endes Individuum auf ungefähr 200 — 300 gewöhnliche. Diese An-
gaben harmoniren aber nicht recht mit der späteren, dass man unter
1 — 200 gewöhnlichen Thieren meist einem in Theilung begriffenen be-
gegne. Wenn ich diese Bemerkungen richtig verstehe, so wäre doch die
Theilung etwas häufiger wie die Knospung.
I
Noctiluca (Copulatioii ; Knospung: Anfangssfadien uiul Allgemeines). 1069
Der Vorgang" der Knospung- verläuft nun, wenn wir die Er
fabrungen der. beiden Beobaobter, welcbe denselben verfolgten, hiög-
licbst zusammenfassen, in folgender Weise. Das Centralplasma, welcbes
einer beschränkten Stelle der Ktn-perwand anliegt, wölbt sich etwas
empor, so dass es wie ein niederer ?Iiigel auf der Kugelobertläcbe
vorspringt. Hierauf theilt sich der Kern und ziemlich gleichzeitig damit
sondert sich auch das Centralplasma in zwei Hügel, die etwas aus-
einander rücken. Die Theilung des Zellkörpers schreitet aber nicht über
dieses Stadium fort, sondern die beiden Hügel bleiben, ebenso wie die
weiteren Theilproducte derselben, durch den übrigen, nicht getheilten Kugel-
körper mit einander veieinigt. Der ganze Vorgang bietet also die grösste
Analogie mit der Erscheinung der partiellen und speciell der discoidalen
Furchung eines Metazoeneies, wie die weitere Darstellung deutlich ergeben
wird. Bezüglich dieser Herleitung des Knospungsprocesses von unvoll-
ständiger Theilung ist es noch von besonderem Interesse, dass Cienkowsky
in seiner ersten Arbeit einige Stadien mit 2 und 4 Hügeln abbildet, wo
die Einsenkungen zwischen den Hügeln sich in Gestalt ringförmiger Fur-
chen über den gesammten Körper des knospenden Thieres fortsetzen.
Auch auf dem Fig. 7 unserer Taf. 50 nach Cienkowsky abgebildeten In-
dividuum ist eine viertheilige Beschaffenheit des Körpers noch zu er-
kennen, obgleich schon 16 Hügel gebildet sind. Es scheint mir hiernach,
dass wenigstens in den Anfangsstadien die Theilung zuweilen auch auf
den gesammten Körper etwas übergreift, doch scheinen sich die Furchen
bald wieder zu verlieren. Robin ewähnt nichts von einer derartigen Er-
scheinung.
Nach Sonderung zweier Hügel beginnen dieselben bald unter erneuter
Kerntheilung je in zwei neue zu zerfallen, wobei ihre Theilebene sicher
senkrecht zu der ersten steht (Taf. 50, Fig. 3). Hierauf erfolgt die Thei-
lung der Hügel in 8, dann in 16, 32 und durch fortschreitende Zwei-
theilung schliesslich in eine sehr grosse Zahl kleiner Hügel oder Knospen,
welche, wenn keine Unregelmässigkeit in der Entwickelung stattgefunden
hat, als eine ai)gerundet vierseitige Scheibe über die Oberfläche der Nocti-
luca hervorragen (50, Fig. 6). Diese Scheibe soll etwa ein Drittel bis
ein Viertel der Kugeloberfläche einnehmen, was mir aber nach den Ab-
bildungen zu hoch gegriffen erscheint, wahrscheinlich bezieht sich diese
Angabe auf die sichtbare Kugeloberfläche, also nur die Hälfte der ge-
sammten. Die Scheibe bedeckt demnach einen viel ansehnlicheren Theil
der Oberfläche als das Centralplasma ursprünglich einnahm, was auf Ver-
hältnissen beruhen dürfte, die gleich zur Sprache gebracht werden sollen.
Die Zahl der durch fortgesetzte Theilung gebildeten Knospen soll
nach Robin gewöhnlich auf 512, seltener nur 256 anwachsen, diese Zahlen-
angaben scheinen aber nur auf Grund der Annahme regelmässig fort-
schreitender Zweitheilung berechnet zu sein. 256 ist die Zahl, welche
bei der 8., 512 diejenige, welche bei der 9, Theilstufe erreicht wäre. Da
nun aber sowohl aus Cienkowsky 's wie Robin's Angaben hervorgeht, dass
1070 Cystoflag-ellata.
die Theilungen, wenn die Zahl der Knospen eine höhere geworden ist,
ziemlich unregehnässig' und durchaus nicht mehr simultan fortschreiten,
so werden wohl auch keine so regelmässigen Knospenzahleu gebildet
werden. Ungefähr mögen dieselben richtig sein, da die reifen Knospen
keine sehr beträchtlichen Grössenunterschiede zeigen.
Namentlich aus Cienkowsky's Darstellung scheint hervorzugehen, dass
das durch den Körper verbreitete Plasma im Laufe der Knospung
allmählich mehr und mehr mit dem Ceutralplasma zusammentritt, denn
er betont speciell, dass die knospenden Noctilucen sehr inhaltsleer er-
schienen, was wohl nur in dieser Weise zu deuten ist. Bei Robin tindet
sich keine dahin zielende Angabe; doch scheint mir der beträchtliche
Umfang, welchen die Knospenscheibe erreicht, gleichfalls dafür zu sprechen.
Jedenfalls bleibt aber das Plasmanetz der Körperwand intact.
Jeder Theilvorgang nimmt nach Robin etwa 1 — IV2 •''Stunden in An-
spruch und der gesammte Process bis zur Reifung der Knospen ca. 11
bis 12 Stunden. Indem wir auf die Einzelheiten des Theilungsvorganges
etwas näher eingehen, beansprucht zunächst die von Robin genauer
verfolgte Kerntheilung unser Interesse. Cienkowsky glaubte noch,
dass der Kern vor Beginn der Knospung verschwinde. Die Kerntheilung
verläuft, wie es scheint, stets in derselben Weise, wurde aber nur bei
den Anfangsstadien genauer erkannt. Der Vorgang ist dem der indirecten
Theilung im wesentlichen analog. Der Kern streckt sich zunächst zu
einem kurzen Cylinder mit abgerundeten Enden in die Länge und nimmt
eine gleichmässig feinkörnige Beschaffenheit an. Wie diese Structur aus
der des ruhenden Kernes hervorgeht, blieb unermittelt; Robin hält ja
den ruhenden Kern bekanntlich für strncturlos. Hierauf wird die Mittel-
region des Cylinders sehr fein längsstreifig (Taf. 50, Fig. 2 a), was jeden-
falls, wie auch Robin bemerkt, von feinen, längsgerichteten Fibrillen
(Spindelfasern) verursacht wird; die beiden abgerundeten Enden behalten
aber ihren feinkörnigen Character. Von Verdickungen oder ähnlichen Er-
scheinungen an den Spindelfasern, welche auf die so allgemein verbreitete
Kernplatte bezogen werden könnten, wurde nichts beobachtet, doch möchte
ich glauben, dass das Stadium, welches eine solche zeigt, übersehen wurde
und dass alle von Robin abgebildeten Kerne schon weiter fortgeschrittene
Zustände repräsentiren, wo nämlich die Kernplattenelemente schon an die Pole
der Kernspindel gerückt und zur Anlage der Tochterkerne zusammen-
getreten sind.
Die körnigen Enden des Kerncylinders, die Anlagen der Tochter-
kerne, setzen sich nun bald kuglig von dem sie verbindenden Faserband
ab (Fig. 2 b) und letzteres verschmälert sich in der Mitte schon etwas.
Während diese Verschmälerung allmählich noch weitere Fortschritte macht,
verlängert sich das Band der Spindelfasern noch mehr und krümmt sich
endlich ziemlich beträchtlich bogenförmig (2 c— 2 d).. An einem der
schon ziemlich scharf kuglig abgegrenzten Tochterkerne ist mittlerweile
eine eigenthümliehe Erscheinung hervorgetreten , indem derselbe an
Noctiluca (Knospung-; Kerntheiluugsvorgilnge hierbei). 1071
der nach dem anderen Kern schanenden Hälfte, also da, wo er mit den
Spindelfasern zusammenhängt, einen ziemlich tief gehenden Einschnitt
zeigt, d. h. die Anlage dieses Kernes weist eine stark nierenförmige Ein-
krümmung auf (2 b). Bald verschmelzen nun die sich berührenden zu-
sammengekrlimraten Enden dieser Kernanlage mit einander, wobei der
Einschnitt natürlich verschwindet, indem sich nur ein Rest desselben als
eine helle Cavität im Centriim dieses Kernes noch längere Zeit erhält
(2 c — e). Während nun die beiden Tochterkerne an Volum zunehmen,
nimmt das Band der Spindelfasern ab, indem seine Masse wahrscheinlich
allmählich in die Kerne aufgenommen wird. Schliesslich wird seine
Continuität in der Mitte unterbrochen ; seine Reste hängen noch wie
Schwänze den Tochterkernen an (2e) und schwinden endlich völlig.
Diese Darstellung- wird es rechtfertigen, den beschriebenen Kernthcilungsvorgang in die
Kategorie der indirecten einzureihen. Interessanter Weise zeigt er manche Anklänge an die
Kerntheilung eines anderen Protozoon, welche R. Hertwig*) neuerdings beschrieb, des Acti-
nosphaerium Eichhorni nämlich.
Einmal ist hier der Vorgang der äusseren Umgestaltung des Kernes während der Thei-
lung im wesentlichen derselbe, worauf zwar kein grosser Werth zu legen ist, namentlich
wiederholt sich aber hier die beschriebene Entstehung der Tochterkerne durch nierenförmige
Zusammenkrümmung und schliessliche Verschmelzung ihrer Anlagen, Die Anlage der Tochter-
kerne geht bei Actinosphaerium aus den auseinandergerückten Hälften der ursprünglich einheitlichen
Kernplatte hervor, welche sich mit je einer der an den Polen der Sjnndel entstandenen sog.
Polplatten vereinigen. Die Natur dieser Polplatten wurde bis jetzt noch nicht genügend auf-
geklärt. Auf dieser Bildung der Tochterkerne beruht die wesentliche Analogie mit dem
Vorgang bei Noctiluca, denn ausser bei den beiden genannten Protozoen wurde ein solcher
bis jetzt nirgends beobachtet. Wegen dieser Analogie möchte ich aber annehmen,
dass sich jener Bildungsvorgang auch bei Noctiluca nicht auf den einen Tochterkern be-
schränkt, was von vornherein recht unwahrscheinlich ist; die oben ausgesprochene Ver-
muthung tlber das wahrscheinliche Auftreten einer Kernplatte bei der Theilung der Noctiluca-
kerne, stützt sich gleichfalls auf die geschilderten Analogien.
Robin beschreibt ferner ein eigenthümliches Verhalten des den Kern
umschliessenden Centralplasmas bei der Theilung, doch bin ich unsicher,
ob ich seine Darstellung desselben ganz verstanden habe. Um den
cylindrisch gewordenen Kern soll das Plasma anfänglich eine nicht
sehr dicke ovale Umhüllung bilden (Fig. 2a), welche den vorspringenden
Hügel formirt. Um dieses Plasma breitet sich in der Wand der Nocti-
luca eine ziemlich breite Zone feiner Plasmanetzmaschen aus, von welchen
sich die centralen allmählich mehr zusammendrängen und mit dem den
Kern einschliessenden centralen Plasma zusammenschmelzen.
Dieses centrale Plasma macht bei der Theilung im Allgemeinen die-
selben Gestaltsveränderungen durch wie der Kern und wird endlich bisquit-
förmig (2 b), so dass es die Spindelfasern nur noch als eine sehr dünne
Schicht umgibt. Wenn dieser Zustand eingetreten ist, bildet sich in einer
gewissen Entfernung vom centralen Plasma durch Zusammenfluss der
engen Netzmaschen eine Zone dichten Plasmas (2c^ — d), welche sich bei
*) Die Kerntheilung bei Actinosphaerium Eichhorni, Jena 1884 (Unters, z Morjjhol. und
Physiol. der Zelle von 0. und R. Hertwig, 1. Hft.).
1072 Gystoflagellata.
dem Fortscliieilen der Keriitbeilung ebenfalls bisquitförmig einscbnüit.
Indern sich also die drei genannten Plasmazonen mit dem Kern tbeilen,
ist jeder Tocbterkern kurz nach seiner Isolirung (etwa Fig. 2d) zu-
nächst von einer Lage dichten Centralplasmas umgeben , worauf eine
Zone von Netzmaschen folgt und schliesslich wieder eine ringförmige
schmale Zone dichten Plasmas. Nun zieht sich aber bald die Zone der
Netzmascheu mehr und mehr zusammen, so dass endlich eine voll-
ständige Vereinigung der drei Zonen zu einem den Tochterkern umgeben-
den Centralplasma erfolgt (2e); letzteres bildet dann den Tochterhügel.
Dieser Vorgang soll sich bei jeder Theilung, also sicher wenigstens den
anfänglichen, wo die Verhältnisse besser zu beobachten sind, wiederholen.
Das Wesen des ganzen Prozesses scheint mir aber darin zu bestehen,
dass successive neues Plasma ans der Umgebung den Tochterhügeln zu-
geführt wird, was im Allgemeinen schon oben angedeutet wurde.
Die entstandenen Tochterhügel besitzen in den jüngeren Stadien eiue
eigenthUmlich gefurchte Oberfläche (Fig. 3). Die ziemlich tief einschnei-
denden und durch rippenartige Erhebungen gesonderten Furchen haben
einen etwas unregelmässigen Verlauf und sind an zwei aus der Theilung
hervorgegangenen Schwesterhügeln schief zu einander gestellt, „wie wenn
die Segmentation das Resultat einer Torsion wäre" (Robin). Die Furchen-
bildung tritt nach Robin von der Viertheilung au deutlich hervor und
schwindet etwa bei der Theilung von 64 zu 128 Knospen.
Selbst bei Gegenwart zahlreicher Knospen bemerkt man häutig noch
eine Zusammengruppirung derselben in Vierzahl, in (Iruppen, welche aus
der Theilung eines ursprünglichen Hügels hervorgingen (50, Fig. 7), doch
wurden auch gelegentlich Gruppen von 16 Hügeln beobachtet.
Wenn die Theilung bis zu 32 Knospen gelangt ist, tritt zuerst eine
Abschnürung derselben gegen den unterliegenden ]\Iutterkörper auf, doch
kommt es zunächst noch nicht zur Bildung eines verengten Stielchens.
Bei der ferneren Vermehrung der Knospen schreitet die Abschnürung
weiter fort und die reifen Knospen sind nur noch durch ein sehr zartes,
angeblich aus „amorpher Substanz" bestehendes Stielchen an der Mutter-
blasenwand befestigt (Robin).
Nach der Bildung von 64 oder mehr Knospen treten die zuge-
hörigen Kerne ins Innere des Knospenplasmas völlig ein; es mag dies
wohl mit der Abschnürung der Knospen zusammenhängen, denn dass
letztere unter nochmaliger radiär gerichteter Theilung des Kernes ver-
laufe, scheint in den Beobachtungen keine Stütze zu tinden. In den früheren
Stadien des Knospungsprocesses dagegen liegt der Kern , resp. seine
Theilproducte stets in der innersten Schicht des Centralplasmas, von dem
Zelllumen nur durch eine dünne Plasmaschicht geschieden (Robin). Sind
die Knospen einmal von der Wand des Mutterkörpers etwas abgeschnürt,
so sieht man bei ihrer weiteren Theilung eine Furche auf ihrer distalen
Fläche entstehen, welche allmählich gegen die Basis durchschneidet. Die
Noctiluca (Knospiing). 1073
zwei aus der Theilnng entstandenen Knospen liegen zunächst, zwei Kaffee-
bohnen ähnlich, mit ihren abgeplatteten Flächen dicht aneinander.
Nach Bildung der fertigen Zahl von Knospen erhalten dieselben ihre
definitive Gestalt, indem sich ihr distales Ende zuspitzt, während das noch
am Stielchen befestigte , proximale abgerundet erscheint (Figg. 4 — 6).
Die eine Seitenfläche ist etwas concav ausgehöhlt, die andere convex
vorgewölbt. In jeder Knospe bemerkt man deutlich den Kern als einen
runden hellen Fleck.
Bevor wir die specielle Ausbildung der reifen und der abgelösten
Knospen oder Schwärmer schildern, haben wir noch gewisse Unregel-
mässigkeiten im Entwicklungsgange kurz zu betrachten. Cienkowsky will
nämlich bei der Bildung sehr grosser und individuenreicher Knospen-
scheiben einen etwas anderen Vorgang beobachtet haben. Soweit ich
seine wenig klare Schilderung zu verstehen vermag, wäre der Process
etwa folgender. Die Knospen entstehen nicht durch fortgesetzte Theiluug
weniger Hügel, sondern es bildet sich zuerst ein centraler „Hügelkranz'' der
Scheibe (wie, ist nicht genauer angegeben); hierauf „scheidet" sich das
umgebende Plasma in eine Anzahl ,, Klumpen, '' welche, indem sie sieh
,, ausstülpen/' einen zweiten, den centralen umgebenden Hligelkranz bilden.
Durch Fortsetzung dieses Processes bilden sich successive neue und immer
umfangreichere Kränze von Hügeln. Dabei sammelt sich das übrige Plasma
der Noctiluea allmählich an der in Entwicklung begriffenen Scheibe an
und tritt, wie es scheint, endlich völlig in deren Bildung ein. Bei dieser
Gelegenheit bemerkt C. endlich noch: „Bei häufig vorkommendem abnormen
Laufe der Entwicklung entstehen entweder wurmartige Wucherungen,
welche durch Abschnürung und Theilung normal gebaute Zoosporen geben,
oder die Hügel werden in einem gedrängten Haufen angesetzt". Robin
hat von solchen Unregelmässigkeiten nichts bemerkt.
Auch die Gestalt der ausgebildeten Scheibe ist recht variabel. Wie
schon bemerkt wurde, besitzt sie gewöhnlich einen vierseitigen Umriss
mit abgerundeten Ecken (Fig. 6); nicht selten finden sich aber auch
ovale, herzförmige und unregelmässigere. Cienkowsky fand auch Scheiben,
welche den Mutterkörper gürtelförmig umzogen (Fig.5); Robin beobachtete
solche nicht.
Die definitive Reifung der Knospen vollzieht sich hauptsächlich
dadurch, dass sie die noch fehlende Geissei entwickeln. Letztere wächst
aus der concaven Knospenseite hervor und bleibt unbeweglich, bis
sie etwa die doppelte Länge des Körpers erreicht (Fig. 4). Sie wächst
dann allmählich zur definitiven Länge, welche die des Körpers 6 bis
7 fach übertrifft, aus. Das Hervorwachsen der Geissei nimmt etwas weniger
wie eine Stunde in Anspruch. Cienkowsky glaubt beobachtet zu haben,
dass die centralen Knospen der Scheibe zuerst Geissein bilden , während
die peripherischen noch in Theilung begriffen sind und folgert hieraus,
dass die Reifung überhaupt von dem Centrum nach der Peripherie der
Scheibe fortschreite. Robin leugnet dies und lässt alle Knospen gleich
ßvonn, Klassen des Thier - Reichs. Protozoa. ߧ
1074 Cystoflagellata.
zeitig diese Entwicklungsstufe erreichen. Au der ausgebildeten Scheibe
sind alle Geissein in lebhafter Thätigkeit, ohne aber den Mutterkörper in
Bewegung zu setzen.
Nach völliger Ausbildung der Geissei lösen sich die Knospen als
Sehwärmer ab und zwar gewöhnlich einzeln, successive da und dort, so
dass die Scheibe allmählich unregelmässige Lücken aufweist, bis die
Ablösung vollständig geworden ist. Doch scheinen sich nach Robin's
Erfahrungen einige Knospen gewöhnlich nicht abzutrennen, welche dann
bald zu Grunde gehen. Unter dem Einfluss ungünstiger Verhältnisse
kommt es auch vor, dass sich die ganze Knospeuscheibe im Zusammen-
hang vom Mutterkörper abtrennt (Cienkowsky und Robin). Nach ihrer
Lösung ballt sich die Scheibe zu einem rundlichen Körper zusammen,
welcher trotz der energischen Geisseischwingungen der Knospen nicht
in Bewegung geräth; schliesslich lösen sich letztere aber aus ihrem Zu-
sammenhang und werden frei.
Leider blieb die Frage, was aus dem restirenden Mutterkörper wird
noch unerledigt. Derselbe ist seines Plasmas nicht ganz beraubt,
weist vielmehr nach Robin an der Stelle der früheren Scheibe eine sehr
dünne Lage vofa solchem auf, von welcher auch einige zarte Fäden durch
die Zellsafthölile ausstrahlen. Kerne sollen ihm ganz fehlen und wenn
dies richtig ist, so dürfte er wohl sicher bald zu Grunde gehen, was ja
auch als das natürlichste erscheint.
Der Bau der isolirten Schwärmer. Die Länge der Schwär-
mer schwankt von 0,016 bis 0,020 Mm.; ihre allgemeine Gestalt ist deut-
lich bilateral, also verschieden nach der Richtung, in welcher man sie
betrachtet. In seitlicher Lage (8 b, 8d) erscheint der Schwärmer etwa
bobnenförmig mit ziemlich zugespitztem Hinterende, während das Vorder-
ende breit abgerundet ist. Die Rückseite ist gleichmässig gewölbt, die
Bauchseite dagegen in den hinteren zwei Dritteln schwach löffelförmig aus-
gehöhlt, ihr vorderes Drittel wie die Rückseite convex vorgewölbt (8d).
Der concave Theil der Bauchseite wird seitlich je von einem ziemlich scharfen
Rand begrenzt; diese beiden Ränder stehen vorn, am Beginn der Aushöhlung,
etwa um die ganze Körperbreite von einander ab und convergiren nach
hinten allmählich, um am Hinterende spitz zusammenzulaufen (s. den Holzschn.
auf pag. 1083). Die gesammte Aushöhlung erscheint daher in gewissen
Ansichten wie ein dreieckiges, eigenthümliches Organ der Bauchseite, wel-
ches von Cienkowsky wohl nicht ganz richtig aufgefasst wurde, da er es
als Stachel bezeichnete (s. Figg. 8 a— b u. e, s) und gewöhnlich nicht aus-
gehöhlt, sondern etwas convex vorgewölbt abbildete; auch springt es auf
seinen Abbildungen mehrfach am Hinterende frei und spitzig vor (8 a u. e),
was vielleicht gelegentlich der Fall sein kann, da sich bekanntlich das
Staborgan der ausgebildeten Noctiluca, welches jedenfalls mit dem sogen.
Stachel identisch ist, manchmal ähnlich verhält. In Bauch- oder
Rückenansicht erscheint der Schwärmer nach Robin breit eiförmig (8 c)
mit hinterem breiterem und vorderem mehr verschmälertem Ende. Cieu-
Noctiluca (Knospung; Bau der Schwärmer). 1075
kowsky gibt dagegen eine beträchtliche Verbreiterung des Hiuterendes
nicht an, dasselbe erscheint auf seinen Abbildungen sogar manchmal ver-
schmälert. Die vordere Grenze der ventralen Aushöhlung wird durch eine
quere Furche bezeichnet, welche nach Kobin von der etwas stärkeren Vor-
wölbuug des davor gelegenen Theils der Bauchseite verursacht wird (8d
und Holzschnitt). Nach diesem Forscher soll jene Furche auf die Bauch-
seite beschränkt sein, während sie auf Cienkowsky's Abbildungen z. Th.
auch auf den Rücken tibergreift, also den Körper mehr oder weniger
vollständig umzieht. In der Querfurche entspringt auf der Bauchseite die
sehr ansehnliche Geissei; nach Robin ziemlich in der Mittellinie der Bauch-
seite, nach Cieukowsky gewöhnlich auf der rechten Seite, an dem vorderen
Rande der Aushöhlung.
Hinsichtlich der inneren Verhältnisse des Schwärmers ist zunächst
hervorzuheben, dass derselbe aus einem gleichmässigen gelblichen, nicht
vacuolisirten Plasma besteht. In der hinteren Hälfte findet sich der helle,
schwach granulirte (Robin) und relativ ansehnliche Kern (n), der in der
Bauch- oder Rückenansicht kreisrund, in der Seitenansicht nieren-
förmig gekrümmt erscheint, mit concaver Bauchseite. Der Ventralseite
des Kernes soll nach Robin eine nicht sehr ansehnliche contractu e
Vacuole (8e, cv; auch 8d) angelagert sein, deren Zusammenziehun^en
sehr langsam erfolgen; Cienkowsky hat von einer solchen nichts wahr-
genommen.
Eudlich hätten wir noch eines Organes zu gedenken, das Cien-
kowsky nicht immer, aber doch nicht gar selten an den Schwärmern
beobachtete. Es ist ein dicht "neben der Geissei entspringender, ziemlich
dicker und, wie es scheint, drehrunder Faden (8b, a), welcher von der
vorderen Körperhälfte ausgehen soll. Er erreichte häufig eine dem Schwär-
mer etwa gleichkommende Länge und hatte zuweilen ein knöpfchenartig
angeschwollenes Ende. Ich versuchte schon früher (40) diesen Anhang
als die Bandgeissel zu deuten und werde darauf gleich zurückkommen.
Robin hat nie etwas von ihm gesehen.
Die Bewegungen erfolgen stets mit dem sog. Vorderende voran, ent-
weder mehr gleitend auf der Unterlage oder freischwimmend; die Geissei
ist also bei den Bewegungen nach hinten gerichtet.
Leider gelaug es noch nicht, die Entwickelung der Schwärmer
zur ausgebildeten Noctiluca direct zu verfolgen. Es dürfte jedoch
wenig zweifelhaft sein, dass dieselben ohne weitere Complicationeu, wie
etwa Copulation , ihre Entwickelung durchlaufen. Robin vermuthet in
kleinen Noctilucen von 0,15 Durchmesser, welche im Allgemeinen die
Organisation ruhender Formen darboten, solche Entwickelungszustände,
woraus er weiter schliessen will, dass die Geissei der Schwärmer
nicht direct in die ihr ähnliche hintere Geissei der Noctiluca über-
gehe und dass ebensowenig der von Cienkowsky beobachtete Anhang
die Bandgeissel sein könne. Beides erachte ich für unbegründet, da
nicht der geringste Beweis vorliegt, dass diese kleinen Noctilucen
68*
107G Cystoflagellata.
einfache Weiterentwiekeliingsziistäiule und nicht, was viel wahrschcinlichcv
ist, kleine ruhende Formen waren.
Das Einzige, was uns einen gewissen Anhalt zur Reurtheilung der
weiteren Entwickelung gibt, ist Cieukowsky's Beohaehtung, dnss die
Schwärmer, noch bevor sie die Mutterseheibe verlassen, zuweilen Ver-
änderungen erleiden, welche jedenfalls, mögen sie nun normal oder anor-
mal sein, denen ähnlich sein dürften, die sie bei der Entwickelung zur
ausgebildeten Noctiluca durchmachen.
Zunächst sind diese ovalen bis kuüligeu oder auch unreirelmässiirer
aufgeblähten Schwärmer grösser wie die gewöhnlichen, was z. Tli. auf
der Entwickelung einer noch wenig umfänglichen Zellsafthöhle beruht,
CT* O O 7
durch die häutig schon eine Anzahl riasmazüge strahlen, von der
als Centralplasma an einer Wandstelle verbliebenen Hauptmasse des
Plasmas ausgehend. Das stabartige Organ auf der Bauchseite des
Schv^ärmers hat sich viel deutlicher zu einem dem Stabore-an der Nocti-
luca ähnlichen Gebilde umgestaltet, es erscheint relativ schmäler und wird
auch von Cienkowsky z. Th. bestimmt als Einne dargestellt. Die
Querfiirche ist bei der Aufblähung des Körpers geschwunden; die In-
sertion der Geissei findet sich an der Stelle, wo das Centralplasma der
Wand anliegt und in der früheren Beziehung zum Vorderende des Stab-
organs, dagegen ist der Ursprung der Bandgeissel nun beträchtlich vor
den der Geissei gerückt, was mit den Verhältnissen bei der ausgebildeten
Xoctiluca übereinstimmt. Aus dem Angeführten möchte ich daher sehliessen,
dass uns diese abnormen Bildungen einiges von dem weiteren Ent-
wicklungsgang der Schwärmer verrathen und dass wir hiernach zu folgen-
den Annahmen über die Beziehungen zwischen den Verhältnissen des
Schwärmers und denen der ausgebildeten Noctilnca berechtigt sind. Die
Aushöhlung auf der Bauchseite des Schwärmers, der sog. Stachel Cieu-
kowsky's, entspricht dem Staborgan plus der Peristomeinsenkung , die
Querfurche schwindet zum grössten Tbeil und erhält sich vielleicht nur
noch in Andeutung als der vordere quere Rand der Peristomeinsenkung.
Die Geissei , des Schwärmers entspricht der hinteren der ausgebildeten
Noctiluca und der sog. Anhang deren Bandgeissel.
F 0 r t p 11 a n z u n g von L e p t o d i s c u s. Leider wurde bis Jet /t
nichts genaueres über die Vermehrung dieser interessanten Form bekannt,
doch gelang es Hertwig gleichzeitig mit den Leptodiscen einige Orga-
uismeu zu finden, die er mit ziemlicher Berechtigung als Entwicklungs-
formeu derselben beansprucht. Dass sie auf Theilzustände von Lepto-
discus zurückzuführen seien, wie er vermuthet, halte ich für unwahr-
scheinlich , möchte vielmehr annehmen , dass sie Uebergangsstufen von
Schwärmern zu entwickelten Formen darstellen. Gewisse in neuester Zeit
von Pouchet (41) gemachte Beobachtungen vermögen diese Absiebt viel-
leicht zu unterstützen, doch wollen wir zunächst die von Hertwig ent-
deckten Organismen betrachten.
Noctiluca (Eutvvickl. der Sclnv;iiiüur zur reif. Form), Leptodiscuhi (^Fortpflanzung). 1077
Es waren dies eiförmige bis etwas vierseitige, zuweilen in der Mittel-
region stundenglasförmig eingeschnürte Kör])er (T. 50, 10h), über deren
Grösse leider keine Angaben vorliegen. Auch wurden gelegentlich ähn-
liche Gebilde beobachtet, bei welchen ein Theil des Körpers schon
scheibenförmig war, also auch in der Gestalt eine Annäherung an Lepto-
discus verrieth. Ungefähr im Ccntruni liegt ein ovaler, gleichmässig
fein-granulirter Kern, dessen Körnehen bei gewissen Formen eine eigen-
thüraliche Anordnung in verschiedenartig verlaufenden Zügen zeigten,
wesshalb ich es für wahrscheinlich halte, dass der eigentliche Bau des
Kernes sich dem der Dinoflagellatenkerne nahe anschliesst. Um diesen
Nucleus findet sich ein centrales Plasma, von welchem zählreiche verästelte
und anastomosirende Plasmazüge ausstrahlen, die durch den Zellsaft zur
Wand treten. Letztere soll nach Hertwig wie bei Leptodiscus von einer
besonderen Men)bran gebildet werden. Bei einem der Körper besass das
Centralplasma die Gestalt eines etwas fibrillären Stranges, der sich in der
stundenglasförniigen Einschnürung zwischen den Körperwänden aus-
spannte (Fig. loh).
Die Plasmaeinschlüsse bestanden zunächst bei allen beobachteten
Varietäten aus homogenen farblosen Körperchen, die mit denen überein-
stimmten, weh;he früher bei Leptodiscus erwähnt und den Dotterplättchen
der Fische verglichen wurden. Diese Körperchen waren theils durch das
ganze Plasma verbreitet, tlieils dagegen in der einen Hälfte des stunden-
glasförniigen blasigen Körpers zu _dnem von einer doppelten Körnchen-
reihe gebildeten Piing unter der Körperwand aneinandergereiht; bei einem
Exemplar zeigte sich die wichtige Erscheinung, dass statt dieses Ringes
eine deutliche schmale Querfurche den Körper äusserlich umgürtete,
an deren beiden Rändern die Körnchen hinzogen. Weiter enthielt
nun das Plasma bei einigen Formen rundliche und ovale Körper-
chen, „deren Farbe von dem eigenthüralichen Gemisch von gelb, grün und
braun gebildet wird, das bei vielen Diatomeen vorkommt", also sehr wahr-
scheinlich Chromatophoren ; andere dagegen enthielten zahlreiche schwefel-
gelbe Kugeln, welche den gelben Zellen der Radiolarien sehr glichen,
sich aber durch ihre Kernlosigkeit von denselben unterschieden ; end-
lich fanden sich auch Exemplare, welche gar keine gefärbten Körper
besassen.
Während nun ein Theil dieser Organismen ganz starr und gestalts-
beständig war, zeigten die chromatophorenführenden sehr eigenthümliche
Bewegungen. In der einen Hälfte des eingeschnürten Körpers verkürzten
sich die Plasmazüge allmählich und strömten in die andere Hälfte über;
die erstere wurde daher kleiner und ihre Körperwand schrumpfte zu
einem gefalteten oder zerknitterten Anhang an der stark aufgeblähten
anderen Hälfte zusammen. Hierauf trat eine umgekehrte Strömung ein,
mit Aufblähung der geschrumpften Hälfte und Zusammenfall der anderen.
Dies wechselnde Hin- und Herströmen des, Plasmas wiederholte sich
mehrfach.
1078 Cystoflagellata.
Ich halte es nun für möglich, dass ein neuerdings von Pouche! (41)
beobachteter Organismus in naher Beziehung zu den eben geschilderten
steht. Pouchet fand denselben bei Concarneau im atlantischen Ocean
und nannte ihn, da er einerseits Beziehungen zu den Cystoflagellaten,
andererseits auf einem gewissen Stadium grosse Uebereinstimmung mit
der Dinoflagellatengattung Gymnodinium aufweist, Gymnodinium
pseudonoctiluca. Dass derselbe mit Noctiluca zusammenhängt,
scheint ausgeschlossen, weil letztere während der ganzen Beobachtungs-
zeit nicht vorkam, ferner aber auch desshalb, weil seine ursprüng-
lichsten Zustände, die mit den Schwärmern von Noctiluca verglichen
werden könnten, viel grösser wie die letzteren sind, nämlich eine
Länge von 0,1 Mm. erreichen. Der ursprünglichste Zustand des sogen.
Gymnodinium pseudonoctiluca ist nun auch einem gewöhnlichen Gymno-
dinium äusserst ähnlich. Ein im Allgemeinen länglich cylindrischer Kör-
per wird durch eine schmale Querfurche in eine beträchtlich kleinere
Vorder- und eine grössere Hinterhälfte getheilt; erstere ist kegelförmig
zugespitzt, die hintere abgerundet. Die beiden ventralen Enden der Quer-
furche sind stark nach hinten gebogen und gehen in eine sehr wenig
ausgeprägte Längsfurche über, in welcher ganz hinten ein recht ansehn-
liches Flagellum entspringt. In der Querfurche soll sich eine Quergeissel
finden, von welcher aber auf den Abbildungen nichts zu sehen ist. In
der hinteren Körperhälfte findet sich der runde und angeblich ganz homo-
gene, structurlose Kern, von welchem das Plasma in strahligen Zügen zu
der Körperwand ziehe. Es scheint aber auf diesem Stadium eine solche
Anordnung des Plasmas noch wenig hervorzutreten, sie ist übrigens auch
auf den weiteren Entwicklungsstadien nur äusserst mangelhaft angedeutet.
Im Plasma finden sich braungrünliche Granulationen, von wohl chromato-
phorenartiger Beschaffenheit, gelbe bis orangefarbige Bläschen und grüne
spindelförmige Körperchen.
Die nächste Weiterbildung dieses Organismus besteht darin, dass er
sich unter Zunahme des Zellsaftes mehr aufbläht, wobei die kegel-
förmige Bildung des Vorderendes in eine abgerundete übergeht und auch
die Längsfurche zu verstreichen scheint. Gleichzeitig kommt letzteren For-
men eine gewisse Beweglichkeit zu, welche an die der fraglichen Lepto-
discuszustände erinnert. Namentlich kann die Vorderhälfte mehr oder
weniger eingezogen werden, doch auch an dem übrigen Körper treten
lokale Retractionen auf, wodurch derselbe unregelmässig faltig werden
kann. Dieser Zustand leitet in einen folgenden über, der sich durch
ziemlich vollständige Einziehung der Vorderhälfte characterisirt, wobei
die Querfurche erhalten bleibt. In letzterer Ausbildungsform erinnern
die fraglichen Gebilde recht lebhaft an gewisse Formen der von Hertwig
beobachteten Organismen, speciell an solche mit einer deutlichen Querfurche;
auch die Anordnung des Plasmas und die Einschlüsse sind ja sehr ähn-
lich. Das eigenthümlichste des letzterwähnten Stadiums ist aber die Ent-
wicklung eines an die Bandgeissel der Noctiluca erinnernden Orgaues,
Leptodiscus (Forfpliaiizung, sog. Gymnodiiüum i)seudonoctiluca Pouch.). 1079
das sich aus der Gegend der Läugsl'iirche, ein wenig hinter deren Zu-
sammentritt mit der Querfurche erhebt. Nur einmal wurde dieses un-
bewegliche Organ, welches aus granulirtem Plasma bestand, in ansehn-
licherer Entfaltung, von etwa Körperlänge gesehen, gewöhnlich erschien
es als ein verkümmerter Anbang, der nach der Meinung Pouchet's wohl
wieder zu Grunde geht. In der Querfurche soll neben dieser Bandgeissel
die Quergeissel noch vorhanden gewesen sein. Die ursprüngliche Längs-
geissel wird übrigens auf keinem der späteren Stadien mehr abgebildet,
ich halte es desshalb auch für sehr unwahrscheinlich, dass die Bandgeissel
wie Pouchet eventuell annehmen möchte, auf die Längsgeissel zurückzu-
führen sei. Wäre die Bandgeissel wirklich neben der Quergeissel vor-
handen und gibt man die Homologie der ersteren mit der der Noctiluca
zu, so könnte man daraus folgern, dass meine Homölogisirung der ersteren
mit der Quergeissel der Dinoflagellaten falsch sein müsse. Doch können
mich Pouchet's Abbildungen zunächst noch nicht von der Richtigkeit seiner
Angabe überzeugen ; auch wäre es ja möglich , dass die Bandgeissel als
Ersatz einer ursprünglichen Quergeissel auftritt und daher unter Umständen
einige Zeit mit letzterer zusammen vorhanden sein kann, da wir ja
wissen, dass Geissein im Leben mehrfach rück- und wieder 'neugebildet
werden können.
Wenn nun unsere Vermuthung, dass das von Pouchet beschriebene
Gymnodinium pseudonoctiluca eventuell als Schwärmer in den Entwicklungs-
gang des Leptodiscus oder doch einer vielleicht noch unbekannten Cysto-
flagellate gehört, richtig ist, so würden sich hieraus zwei wichtige
Folgerungen ergeben : einmal, dass die Ableitung der Cystoflagellaten von
Dinoflagellaten ganz gesichert erschiene und zweitens, dass wahrscheinlich
auch bei Leptodiscus vorübergehend ein der Bandgeissel entsprechendes
Gebilde auftrete.
5. Systematisches und Verwandtscliaftsbezieliungen.
Obgleich es kaum nöthig erscheint, glaube ich doch hier kurze Diag-
nosen der beiden Gattungen beifügen zu sollen, indem dieselben Manchem
vielleicht nicht unerwünscht sind.
Noctiluca Suriray 1816 (bei Laraarck Aminaux s. vertebres Bd. IL
pag. 470).
Synon. : Medusa sp. Slabber (3), Macartnay (7); Slabberia Oken,
Gestalt kuglig oder nahezu kuglig (bis 1 Mm. und etwas mehr Durch-
messer). Peristom lang und schmal, ziemlich tief eingesenkt und auf
seinem Grunde eine langspaltenförmige Mundöffnung, welche direct in das
dem Peristomgrund anliegende Centralplasma führt. Letzteres wenig ent-
wickelt, von ihm strahlen zahlreiche, sich in ihrem Verlauf zur Körper-
wand verästelnde und anastomosirende Plasmazüge aus, welche durch
den klaren und ungefärbten Zellsaft treten. Hinter dem Peristom erstreckt
sich in der Medianebene das sogen. Staborgan ; im Vorderende des Pe-
1080 Cystoflagellata.
ristoms findet sich die Bandgeissel und etwas dahinter au der rechten
Peristomwand der Zahn und die Lippe. In der Gegend der letzteren ent-
springt die hintere oder Ideinere Geissei. Bewegungen sehr schwach.
Fortpflanzung durch Längstheilung und einen eigeuthümlichen Knospungs-
process.
Wahrscheinlich nur 1 Art. Kosmopolit.
Gelegentlich wurden neben der gewöhnlichen N. miliaris unserer
Meere noch andere Species beschrieben, die jedoch vorerst sämmtlich
keinen Anspruch auf Anerkennung erheben können. Es wurde schon
früher angegeben (p. 1052), dass die von Busch unterschiedene Nocti-
luca punctata nicht von der gewöhnlichen zu trennen ist. Giglioli
unterschied neben miliaris zwei weitere Arten, homogenea und pacifica,
welche nicht nur in der Farbe ihres Lichtes, sondern auch im anatomischen
Bau und in der Grösse von der ersteren merklich differirten. Da jedoch
Abbildungen derselben fehlen und die kurzen Beschreibungen kein be-
sonderes Vertrauen erwecken, so halte ich es für mehr als zweifelhaft,
ob diese Arten begründet sind.
Leptodiscus R. Hertwig 1877 (34).
Gestalt scheibenförmig, einer flachen kleinen Meduse sehr ähnlich
(Durchmesser bis 1,5 Mm.). Centraltheil des Plasmas im Centrum der
concaven Scheibeufläche (Dorsalseite); von demselben breitet sich ein
feines Netzwerk von Plasmafäden an der concaven Scheibenwand bis zur
Peripherie aus. Von diesem Netz steigen nach der convexen Öcheiben-
seite zahlreiche, gewöhnlich verästelte Plasmafäden auf. Die klare, un-
gefärbte Zwischenmasse zwischen diesen Fäden ist gallertartig. Auf der
convexen Scheibenseite findet sich excentrisch eine tiefe, schief zum Central-
plasma absteigende Einsenkung (Cytostom Hertwig; Homologon des Stab-
organs nach mir). Auf der gegenüberliegenden Hälfte dieser Scheiben-
seite liegt eine zweite, eng- röhrige Einsenkung, die gleichfalls bis zum
Centralplasma reicht und aus welcher eine massig lange feine Geissei
hervortritt (Homologon der hinteren Geissei der Noctiluca). Eine Band-
geissel fehlt (ob immer?). Bewegung sehr energisch. Fortpflanzung un-
sicher. 1 Art. Mittelmeer.
Nur andeutungsweise glauben wir hier bemerken zu sollen, dass die vor einigen Jahren
von Künstler*) als naher Verwandter der Noctiluca aus süssem Wasser beschriebene
Künkelia gyrans nicht hierhergehört, ja kein Protozoon ist, wie Künstler mittlerweile selbst
zugegeben hat. Dies zu erwähnen , zwingt mich nur der Umstand , dass die Künkelia schon
in Darstellungen der Protozoenkunde Aufnahme gefunden hat**).
Da wir schon in der historischen Einleitung die Anschauungen der
älteren Forscher über die Verwandtschaftsverhältnisse und die systematische
Position unserer Gruppe berücksichtigten, so können wir hinsichtlich
derselben auf jenen Abschnitt verweisen. Ich bemerke nur noch, dass
*) Bullet, soc. zoologique de France 1882, vergl. hierüber auch Bütschli, Zoolog. Anzeiger
1S82. p. 679 und Klmstler ibid. 1883. p. 168.
**) So z. B. in Lanessan, Traite de Zoologie. T. I. Protozoaires.
Systematik Verwandtscliaftsbezieliung'en. 1081
V. Caius für Noctiliica eine bcsüiiderc Klasse ciTichlele (Myxocystodea),"
welche er an die Spitze der Protozoa stellte und Häckel zum ersten
Male unsere Formen unter der Bezeichnung Cystofla gell ata als be-
sondere Ordnung seiner Flagellata (Mastigophora) aufführt, dass schliess-
lich Robin geneigt scheint, Noctiluca in eine besondere Abtheilung der
Infusorien (Infusoria tentaculata) zu reihen, wohin er auch noch gewisse
Suctoria zieht. Bestimmend ist für ihn der Tentakel (Bandgeissel),
den er als etwas ganz besonderes auffasst und, wie es scheint, mit den
Tentakelbilduugen mancher Suctorien (Acinetina) vergleichen möchte*).
Unsere Aufgabe wird es in diesen Zeilen noch sein, die in neuerer
Zeit von verschiedenen Seiten betonten Beziehungen unserer Gruppe zu
den Dinoflagellaten etwas eingebender zu erläutern, als dies schon in
früheren Kapiteln geschehen ist.
Wie bemerkt, wies zuerst All man auf die Beziehungen der Dino-
Ihigellaten zu Noctiluca hin, doch hob ich schon anderwärts (40) hervor,
dass sich der von ihm gezogene Vergleich im Wesentlichen nur auf das
Vorkommen einer Längsfurche und einer aus ihr entspringenden Geissei
bei beiden Formen stützte. Unter diesen Umständen ist es leicht ver-
ständlich, dass die Idee Aliman's keine grosse Verbreitung fand, um so
mehr, als er speciell sein Peridinium uberrimum zum Vergleich heranzog,
das mit einem allseitigen Cilien kleide versehen sein sollte, wie wir früher
sahen (p. 957). Kent (37) äusserte sich ähnlich wie Allman und betonte
namentlich auch die Uebereinstimmung beider Abtheilungen im Leucht-
vermögen; jedenfalls hat er aus Allman geschöpft. In seinem System
aber gab er diesen Beziehungen keinen Ausdruck, denn er stellte unsere
Abtheilung als Familie der Noctilucidae zwischen die Familien der
Euglenidae und Chrysomonadidae in seine Ordnung der mundführenden
Flagellaten.
Im Jahre 1883 sprachen sich Pouchet und Stein energisch für
eine nahe Verwandtschaft der beiden Abtheilungen aus. Ersterer be-
mühte sich namentlich Beziehungen zwischen Peridinium divergens und
Noctiluca nachzuweisen und vermuthete, dass die Noctiluceu ein peridinium-
artiges, mit Hülle versehenes Jugendstadium durchliefen. Folgende Gründe
schienen ihm namentlich für die Verwandtschaft beider Abtheilungen zu
sprechen. Bei beiden fänden sich „dieselben physikalisch -chemischen
Charactere der lebenden Substanz, dieselbe Gegenwart einer „lacune
aqueuse'' und von carminrothen bis gemsfarbigen Tröpfchen; dieselbe
Asymmetrie, durch Torsion bewirkt, dasselbe Hervorragen einer Lippe,
die Existenz eines Flagellums und Leuchtvermögen.'' Ausserdem wies
er noch auf eine gewisse Uebereinstimmung in der Gestaltung der
seit Busch bekannten, in Regeneration begriffenen Noctilucen mit Peri-
dinium divergens hin, Beziehungen, welche wir nicht für begründet er-
achten können, da man um sie anzunehmen, die Noctilucen in eine
") S. Journ. anat. et physiologie 15. Ann. 1879, p, 536,
1082
Cystoflagellata.
Stellung bringen muss, welche nach unserer Auffassung gerade um 180
Grad gegen die übereinstimmende Orientirung mit den Diuoflagellaten
verdreht ist. Dass ich die übrigen im Vorstehenden von Pouchet nam-
haft gemachten Vergleichspunkte nicht für beweisend erachten kann, habe
ich schon hervorgehoben (40) und will hier nicht weiter darauf ein-
gehen, da sie der Leser selbst beurtheilen wird.
Stein wollte, wie schon bei früherer Gelegenheit bemerkt wurde,
Noctiluca mit einigen echten Dinoflagellaten (Pyrophacus und Ptychodiscus)
zu der Familie der Noctilucidae vereinigen, welche er unter die Dino-
flagellaten (seine arthrodele Flagellaten) aufnahm. Mit Klebs (s. Dinofl. 44)
musste ich schon betonen (vergl. pag. 935), dass ich diese Vereinigung
von Pyrophacus und Ptychodiscus mit Noctiluca für unrichtig halte, doch
kann ich mit ersterem nicht so weit gehen, die Beziehungen der Dino-
flagellaten zu Noctiluca überhaupt in Abrede zu stellen, halte dieselben
im Gegentheil für begründet.
In seiner neuesten Publikation gelangte Pouchet (41) zu einer etwas
veränderten Auffassung der Beziehungen unserer beiden Abtheilungen,
wesentlich auf Grund des von ihm entdeckten sogen. Gymnodinium
pseudonoctiluca, das wir oben beschrieben (s. p. 1078) und mit
Pouchet für den Jugendzustand einer Cystoflagellate, wenn auch sicher
nicht den der Noctiluca beanspruchen. Jetzt möchte Pouchet die Ver-
wandtschaft zwischen Noctiluca und Peridinium divergens fallen lassen
und an deren Stelle eine solche mit Gymnodinium setzen. Doch geht er
4t...
ti'-
Erklärung des Holzschnittes. Links Schema eines Schwärmers (Ventralansicht)
nach den Darstellungen von Cienkowsky und ßohin; rechts Schema der ausgebildeten Nocti-
luca in gleicher Orientirung, so dass die Beziehungen der Organe beider Zustände zu einander
sich von selbst ergeben.
Vcrwandtschaftsbczicliungen. 1083
auch hier meines EraehteDS wieder zu weit, iudeni er Noctiluca direct in
die Gattung Gymnodinium einreihen will, wenn diese Beziehungen sich
bestätigen sollten.
Etwa gleichzeitig mit der neuesten Arbeit Pouchet's habe auch ich
eine ähnliche Ansicht zu erweisen gesucht, indem ich mich darzulegen
bemühte, dass die Schwärmer von Noctiluca, wie sie uns durch die Unter-
suchungen Cienkowsky's und Robin's bekannt geworden sind, einen dino-
liagellatenartigen Bau besässen.
Der nebenstehende Holzschnitt wird diese Vergleichung rechtfertigen.
AVir erinnern uns aus der früher gegebenen Beschreibung des Schwärmers,
dass derselbe eine Querfurche (qf) besitzt, ähnlich der der Dinoflagellaten
und eine über die Bauchseite der hinteren Körperhälfte hinziehende, nach
hinten sich verschmälernde Aushöhlung (st), welche der Längsfurche der
Dinoflagellaten gleich zu setzen sein dürfte. Auf der Bauchseite ent-
springen an der Querfurche die nach hinten gerichtete Geissei (g) und
zuweilen das von uns als Anlage der Bandgeissel gedeutete Organ (t).
Dass die ersterwähnte Geissei der Längsfurchengeissel der Dinoflagellaten
entspricht, kann keinem Zweifel unterliegen und ebenso halte ich es, wie
früher bemerkt, für wahrscheinlich, dass dieselbe in die hintere Geissei
der ausgebildeten Noctiluca übergeht. Dann spräche aber manches dafür,
dass die Bandgeissel der Querfurchengeissel der Dinoflagellaten zu homolo-
gisiren sei, worauf auch die bandförmige Structur der ersteren bei manchen
Dinoflagellaten hinweist. Pouchet ist hinsichtlich dieser Vergleichung der
Geissein anderer Meinung. Da er neben dem rudimentären Tentakel
seines Gymnodinium pseudonoctiluca noch eine Quergeissel beobachtet
haben will, so möchte er den Tentakel oder die Bandgeissel auf die
Längsgeissel der Dinoflagellaten zurückführen. Ich bemerkte schon
(p. 1079), dass ich einstweilen bei meiner Anschauung verbleiben muss.
Wir haben auch erfahren, dass Robin bei den Noctiluca - Schwärmern
eine contractile Vacuole beobachtete, welche sich sehr langsam zusammen-
zieht. In letzterer Hinsicht sowohl, wie in ihrer Lage stimmt dieselbe
mit der Vacuole der Dinoflagellaten gut überein.
Auf die angedeutete Vergleichung der Noctiluca mit den Dinoflagellaten
gründet sich auch die Orientirung, welche wir den Cystoflagellaten ge-
geben haben und welche von der früherer Autoren wesentlich abweicht.
Dass wir in dieser Beziehung das richtige trafen, ergibt sich viel-
leicht aus einem Umstände, auf welchen ich erst später aufmerksam
wurde. Bei seinem Amphidinium lacustre beschrieb Stein vorn, an
dem rechten Rand der Längsfurche einen leistenartigen Vorsprung, wel-
cher wohl ein Aequivalent des Zahnes der Noctiluca sein könnte und
dessen Lage nach unserer Orientirung der Noctiluca genau mit der des
Zahns derselben übereinstimmt. Ueberhaupt hat diese kleine Dinoflagellate
vielleicht die grösste Aebnlichkeit mit den Schwärmern der Noctiluca, so
dass es möglich wäre, dass sie und die Gattung Amphidinium überhaupt
1084 Cystoflag-ellata.
mit den Formen näher verwandt war, aus welchen sich die Cysto-
flagellaten entwickelten.
Aus dem Mitgetheilten geht also hervor, dass wir die Ableitung der
Cystoflagellaten von den DiaoHagellaten für angezeigt halten, aber eine
Unterordnung der ersteren unter die Dinoflagellaten nicht befürworten
können, da die Cystoflagellaten sowohl im Bau wie in der Fortpflanzung
zu tiefgehende Unterschiede, respect. Weiterbildungen aufweisen.
0. Biolo}»iscli-Physiolooisclies.
A. Vorkommen und Lebensverhältnisse.
Während Leptodiscus bis jetzt nur bei Messina beobachtet wurde,
darf Noctiluca als ein kosmopolitisches Wesen bezeichnet werden , wie
einige Angaben über ihr Vorkommen ergeben werden. Sie ist sehr häufig
in der Nordsee, tritt dagegen nur gelegentlich in die Ostsee ein, verbreitet
sich an den Küsten des atlantischen Oceans sowohl auf der nördlichen
wie südlichen Halbkugel (Rio de Janeiro, Giglioli). An den Küsten des
Mittelmeeres ist sie weit verbreitet, ebenso im schwarzen, bis in das
Asow'sche Meer hinein. Am Cap der guten Hoffnung wurde sie mehrfach
beobachtet (Forster und Dartet de Tessan bei Beneden), scheint im rothen
Meer nicht zu fehlen (Ehrenberg) und auch das südwestlich vom Cap
Aden durch Newland beobachtete Leuchtwesen war wohl Noctihica. Gi-
glioh fand sie weiter in der Bangkastrasse, zu Singapore, an der Küste
von Cochinchina, zu Hongkong und Batavia; derselbe Beobachter consta-
tirte ihr Vorkommen im stillen Ocean sowohl bei Sidney wie an der west-
lichen Küste bei Valparaiso. Ich habe manche ältere Beobachtung, welche
sich mit mehr oder weniger Gewissheit hierher beziehen Hesse, absichtlich
nicht erwähnt. Nach dem Mitgetheilten lässt sich also an der kosmo-
politischen Verbreitung der Gattung nicht zweifeln.
Schon Giglioli betonte aber, dass sie wesentlich längs der Küsten
verbreitet sei, dem offenen Ocean hingegen fehle; zu demselben Resultat
gelangte auch die Challengerexpedition*), doch constatirte dieselbe auch
die oben erwähnte Verbreitung der sog. Pyrocystis noctiluca im offenen
Ocean. Da nun diese Pyrocystis wohl sicher zu Noctiluca gehört, so
dürfte die Beschränkung auf die Küsten keine völlige sein.
Wie weit sich die Noctilucen in die Tiefe erstrecken, wurde noch
nicht erforscht; da sie aber keine activen Schwimmbewegungeu ausführen
und durch ihre specifische Leichtigkeit im Seewasser aufsteigen, dürfte an-
zunehmen sein, dass sie nicht tief unter die Oberfläche hinab gehen.
Es ist lange bekannt, in welcher Massenhaftigkeit Noctiluca miliaris
zuweilen auftritt. Schon Suriray sah sie bei Havre zuweilen eine dicke
klebrige Schicht an gewissen Stellen der Meeresoberfläche bilden. Drei
bis vier Zoll dick, wie er solche Schichten beobachtet haben will, scheint
*) Proceed. roy. soc. London. Bd. 24. p. 533.
A'oiiomnicn. Ernalninig-, 1085
vielleicht etwas zu viel, doch gibt auch Döiiitz dasselbe au. Auch
Verhaeg'he fand zu Ostende bei stark leuchtendem Meer eine Schicht
von 2 — 3 Mm. Dicke. Aehnlicbes beobachtete Busch zu Helgoland und
Giglioli zu Gibraltar; ersterer beschreibt eine solche Noctilucenschicht der
Meeresoberfläche als gelblich und ölartig, letzterer vergleicht sie gelatin-
artigem Rahm.
Wie für die Dinoflagellaten scheint wenigstens in den nördlicheren
Meeren das massenhafte Auftreten der Noctilncen in die Sommer- und Herbst-
monate zu fallen, obgleich sie im Winter nicht fehlen (Verhaeghe, Webb),
aber doch spärlicher auftreten , wie schon aus der Erfahrung hervor-
geht, dass das Meerleuchten in den Sommer- und Herbstmonaten am
stärksten ist. Cienkowsky hat dieselbe Erfahrung auch zu Odessa gemacht.
B. Ernälirungsverli illtnissc.
Noctiluca gehört zu den sich entschieden animalisch ernährenden und
recht gefrässigen Protozoen. Sie scheint ziemlich ohne Auswahl alle nicht
zu grossen pelagischen Organismen zu fressen, seien dies nun pflanzliche
oder thierische. Besonders dienen ihr pelagische Bacillariaceen als Nah-
rung, doch auch Oscillatorien und Bruchstücke verschiedener Algen. Ver-
schiedenen pelagischen Protozoen w^ie Dinoflagellaten, Tintinnoiden etc.
begegnet man häufig in ihr; aber auch höherstehende thierische Organismen,
wie kleine Copepoden, manchmal nahezu so lang wie ihr eigener Durch-
messer, bewältigt sie, ebenso wie Copepoden- und Gastropodeneier und
deren pelagische Larven (Robin). Nach letzterem Beobachter verschlingt
sie aber auch sehr verschiedenartige Körper, welche durch Zufall auf
die Meeresoberfläche gerathen, wie Pollen von Pinus maritima, Pflanzen-
haare, Fäden von Stoflfen, ja auch Oeltropfen und schliesslich, was be-
sonders eigenthümlich erscheint, sogar Luftblasen. Ob letzteres direct
beobachtet wurde, ist nicht angegeben. Auch untereinander sollen sie sich
nach Robin auffressen, doch wird dies wohl nicht häufig sein, da kein
anderer Beobachter etwas davon berichtet.
Leptodiscus ernährt sich gleichfalls wohl sicher thierisch, wieHertwig
versichert, der nur sehr kleine und wie mir scheint nicht ganz sichere
Nahrungskörper im Innern gefunden hat, nämlich Algensporen, sowie rothe
und braune Pigmentkörner; speciell die letzteren scheinen in ihrer Be-
deutung als Nahrung etwas zweifelhaft.
0. Oon tractioiien des Körpers und Scliwiin men.
Noctiluca scheint nur selten stärkere Contractionen auszuführen;
die meisten Beobachter berichten gar nichts von solchen, doch erwähnen
schon Verhaeghe, Krohn und West einiges über Gestaltsveränderungen,
die von Contractionen herrührten. Nach Robin äussert sich die Contrac-
tion gewöhnlich darin, dass das Peristom vertieft, der Mund also tiefer
in das Körperinnere hineingezogen wird, wobei natürlich auch die
Peristomorgane weiter in das Innere hinabsinken. Mancherlei Falten
1086 Cystoflagellata,
der Körperwand mögen vielleicht auch von localen Confractioneu der
Plasmazüge herrühren.
Ganz anders verhält sich Leptodiscus, deon dieser contrahirt
sich ungemein energisch und führt so seine raschen Bewegungen aus.
Die Contractionen rufen Verengerung der Schirrahöhle ganz wie bei einer
Meduse hervor und durch rasche Wiederholung solcher V8rengerungen
und Erweiterungen der Höhle, unter Ausstossung des Wassers, bewegt
sich Leptodiscus qnallenähnlich, in manchmal „pfeilschnellen" Stössen
durch das Wasser, Die Contraetion kann aber auch nur Partien des
Schirmrandes ergreifen, so dass ein Lappen desselben eingeschlagen
w^ird oder zwei gegenüberstehende Lappen sich zusammenlegen, indem
sie gleichsam eine Rinne auf der concaven Schirmseite erzeugen (T. 50,
Fig. 10 a — c). .
Leptodiscus ist also ein energischer activer Schwimmer ; ganz anders
verhält sich Noctiluca. Das Schwimmen derselben an der Ober-
fläche beruht jedenfalls, wie schon die älteren Beobachter vermutheten,
auf geringerem specifischem Gewicht wie das umgebende Seewasser.
Die geissellosen ruhenden Exemplare halten sich ebenso gut an der
Oberfläche wie normale. Werden Noctilucen unter den Wasserspiegel
gebracht, so steigen sie langsam immer wieder empor; erst einige Zeit
nach dem Tode sinken sie dauernd zu Bodea. V i g n a 1 versuchte
sie unter höheren Druck zu versetzen und will gefunden haben,
dass sie bei einem den mittleren Barometerstand nur um 18 Millimeter
übersteigenden Druck sinken, um sich bei Nachlassen desselben allmäh-
lich wieder zu heben. Er vermuthet daher im Körper eine compressiblere
Substanz. Ich muss jedoch gestehen, dass mir der Versuch nicht ganz
einwurfsfrei erscheint, da das Sinken schon bei einem so geringen Ueber-
druck eintrat. Verhielte sich das in der That so, so müssten die Nocti-
lucen bei einem Barometerstand von 778, wie er gelegentlich vorkommt,
unter die Meeresoberfläche sinken.
Dass bei der schwimmenden Noctiluca das Peristom mit der Band-
geissel nach unten gerichtet ist, wie es hauptsächlich Dönitz betonte,
folgt wohl aus der excentrischen Lage des Centialplasmas am Peristom,
wodurch der Schwerpunkt letzterem jedenfalls genähert liegt. Die Ur-
sache des niederen specifischen Gewichts gegenüber dem Seewasser suchen
Vignal und Robin im Zellsaft, welcher nach dem ersteren sehr wenig
gelöste Substanz enthält. Da die todte Noctiluca untersinkt, so scheint
dies auch ziemlich plausibel; andererseits scheint aber dieser Zellsaft
doch wohl etwas schwerer wie süsses Wasser zu sein, da Noctilucen in
demselben stark aufschwellen. Die activen Schwimmbeweguugen, wenn
man überhaupt von solchen reden darf, beschränken sich, wie früher
bemerkt wurde, auf ein leises Hin- und Herschwauken, das auf die Be-
wegungen der Bandgeissel zurückzuführen ist.
Körpercontractionen. Schwimmen. Lebenszäliigkeit etc. 1087
D. Lötens Zähigkeit, Ein flu ss verschiedener Agcntien.
Während Leptodiscus nach Hertwig's Erfahrungen zu den zarte-
sten pelagischen Organismen gehört, da er in kleinen Glasgefässen
schon nach einer halben Stunde zu Grunde geht, besitzt Noctiluca eine
relativ beträchtliche Lebens/ähigkeit, die es gestattet, sie 14 Tage bis
drei Wochen in kleinen Glasschalen zu halten, namentlich, wenn durch
zugefügte Algen für Erneuerung des Sauerstoffs gesorgt wird. In
kleinen Wassermengen unter dem Mikroskop oder im hängenden Tropfen
kann man sie nach den Erfahrungen von Cienkowsky und ßobin etwa
12 bis 18 Stunden erhalten. Der beginnende Tod macht sich durch Auf-
treten zahlreicher Vacuolen bemerkbar, welche auf der äusseren Oberfläche
faltige Hervorragungen verursachen und die Abhebung einer besonderen
Membran vortäuschen. Die Plasmazüge ziehen sich schliesslich in die
Centralmasse zurück und endlich tritt eine mehr oder weniger intensive
Zerstörung des Plasmas unter Auflösung ein. Dabei schrumpfen die
Noctilucen, häufig unter Platzen, unregelmässig zusammen. Eine solche
Schrumpfung tritt überhaupt bei Verletzungen ungemein leicht ein; schon
die Berührung mit einer Nadel genügt gewöhnlich, um eine solche hervor-
zurufen. Wir werden aber sehen, dass sogar stark verletzte Noctilucen
weiterzuleben und sich zu restituiren im Stande sind.
Wie schon bemerkt wurde, leiden die Noctilucen wohl kaum unter
der Winterkälte, doch will Verhaeghe gefanden haben, dass sie beim
Frieren des Wassers zu Grunde gehen. Bei Temperaturerhöhung sterben
sie, wie schon Quatrefages fand und Vignal bestätigte, bei etwa 39 Grad
C. (39,7 Vignal).
Ueber den Einfliiss electrischer Ströme wurden ziemlich wider-
sprechende Mittheilungen gemacht. Indem wir zunächst von der Wirkung
derselben auf das Leuchten absehen, betonen wir, dass Vignal gefunden
haben will, dass sich die Bandgeissel unter dem Einfluss gewöhnlicher
und Inductionsströme wie eine Muskel verhält, da sie sich beim Oeflfnen
und Schliessen contrahirt und durch einen rasch unterbrochenen In-
ductionsstrom in tetanische, andauernde Contraction versetzt wird. Letz-
tere erhält sich aber nur etwa 3 bis 4 Minuten, um hierauf unter dem
Einfluss der Ermüdung nachzulassen. Bei Einwirkung einer Anzahl Ent-
ladungen des Inductionsstromes soll sich das gesammte Plasma langsam
auf das centrale zusammenziehen, indem die Noctiluca allmählich abstirbt.
Vignal will sich ferner bei Vergiftung mit Curare überzeugt haben,
dass die Bandgeissel ihre Contractionsfähigkeit nicht einbüsst, indem sie
durch Electricität erregbar bleibe; da sie sich aber nach solcher Vergiftung
nicht mehr von selbst contrahirt, so möchte er annehmen, dass der Fi-
brillenstrang, der vom Centralplasma zu ihrer Basis zieht, die Rolle eines
Nerven spielt, der durch Curare ausser Action gesetzt wird. Leider
bemerkt er aber selbst, dass seine Versuche nicht vollständig zufrieden
stellend gewesen seien, so dass wir diese Erfahrung, welche, ihre Be-
1088 Gystoflagellata.
stätigUDg- vorausgesetzt, gewiss ein hohes Interesse beanspruchen muss,
noch nicht zu den sicheren rechnen dürfen. In directem Gegensatz
zu vorstehenden Angaben VigoaPs wollen sich nun aber Robin und
Cadiat tiberzeugt haben, dass electrische Ströme jeder Art nicht den
geringsten Einfluss auf die Contractionen der Bandgeissel und die Be-
wegungen des Plasmas haben. Wie diese Widerspruche zu lösen sind,
muss einstweilen dahin gestellt bleiben.
E. Leucliten.
Wohl das grösste Interesse erregte Noctiluca stets als eines der
wichtigsten marinen Leuchtwesen, das wegen der Massenhaftigkeit
seines Vorkommens, bei gleichzeitiger Kleinheit des Körpers, vorzugsweise
das gleichmässige oder diffuse Leuchten der Meeresoberfläche bewirkt.
Wie früher bemerkt wurde, findet sie nur in den Dinoflagellaten Rivalen,
deren Leuchtvermögen jedoch beträchtlich geringer bleibt, so dass sie
selbst bei grosser Anhäufung nicht die Intensität der Erscheinung bewirken
wie Noctiluca. Was aber die Untersuchungen Michaelis' von dem
Verhalten der leuchtenden Dinoflagellaten gegen mechanische und ander-
weitige Reizung lehrten, zeigt, dass sie darin in jeder Hinsicht mit
Noctiluca übereinstimmen, wesshalb auch die Ursache des Phänomens
bei beiden Abtheilungen die gleiche sein dürfte. Auch das Leuchten
vieler anderer mariner Thiere zeigt sowohl in seiner allgemeinen Er-
scheinung, wie in seinem Verhalten bei verschiedenartigem Experimen-
tiren so viel Uebereinstimmendes, dass vielleicht bei allen diesen Wesen
dieselbe Leuchtursache anzunehmen ist. Leider blieb die Frage nach dem
Leuchtvermögen des Leptodiscus bis jetzt unerledigt, wenn es auch mehr
wie wahrscheinlich ist, dass auch diese Cystoflagellate leuchten wird.
Zunächst müssen wir uns einigermaassen mit der allgemeinen Er-
scheinung des Leuchtens vertraut macheu , um später dasjenige zu be-
trachten, was die experimentellen Untersuchungen ergaben.
Bei ruhigem Schwimmen in unbewegtem Wasser ist keine, oder doch
nur eine äusserst schwache und dann weissliche Lichtentwickclung der
Noctiluca zu beobachten. Die verschiedenen Beobachter stimmen übrigens
in dieser Hinsicht nicht ganz überein; während die meisten keine Licht-
entwickelung der ungereizten Noctilucen gefunden haben wollen, berichten
andere (speciell Vignal) von einem schwachen weisslichen Leuchten. Wie
wir sehen werden, scheint es auch möglieb, dass beide Auffassungen
Berechtigung haben, da unter Umständen ein andauerndes, schwaches
Leuchten eintreten kann.
Schon eine äusserst geringe Bewegung des Wassers, eine leichte Er-
schütterung des Gefässes oder eine sonst wie erzeugte Bewegung des
Wassers, ruft sofort ein lebhaftes Aufleuchten der Noctilucen hervor, wobei
(las ganze Wasser auf sehr kurze Zeit, höchstens einige Secunden, ein
))läuliches bis grünliches Licht ausstrahlt, wenn es viele Noctilucen ent-
hält und dieselben nicht schon stark afficirt sind.
Leuchten (Farbe, Intensität etc.). 1080
Dass die verschiedenen Beobachter über die Farbe des Lichtes diffe-
rirende Angaben machen, kann nicht Wunder nehmen, da die Färbung
keine intensive ist und schwaches Grün und Blau, um das es sich dabei
handelt, besonders schwer unterschieden wird. Bald wird das Licht
daher mehr als bläulich, bald mehr als grünlich bezeichnet; ich persön-
lich habe mehr den Eindruck des Blauen. Giglioli findet bei den drei,
von ihm unterschiedenen Noctilucaarten verschiedenfarbiges Licht. Bei
N. miliaris sei dasselbe milchartig grünlich und azurblau gefärbt,
bei N. homogenea grünlich (verdognola) und bei N. pacifica weisslich
(biancastra). Fortgesetzte mechanische oder anderweitige, zur Lichtent-
wickelung führende Keizung ruft nicht nur eine baldige Abschwächung
des Lichtes hervor, sondern nach Quatrefages auch eine Veränderung seiner
Farbe, indem dieselbe mehr und mehr ins Weisse übergeht. Dabei tritt
die Erscheinung auf, welche nach Panceri auch bei anderen marinen
Leuchtthieren z. Th. beobachtet wird; das Leuchten verliert den Charakter
des spontanen, auf Reiz plötzlich und kurz eintretenden und wird zu
einem fixen, länger andauernden, schwach weisslichen Licht.
Bleiben die Noctilucen einige Zeit in Ruhe, so stellt sich die Fähig-
keit der Lichtentwicklung in ursprünglicher Intensität wieder ein. Nach
einer einmaligen Erschütterung und Lichtentwicklung genügt nach Allman
eine Minute Ruhe, um die Erscheinung wieder in gleicher Vollendung
hervorzurufen.
Eine spectroskopische Prüfung des Lichtes fehlt bis jetzt noch, doch
dürfte wohl unbedenklich anzunehmen sein, dass es wie das anderer
mariner und terrestrischer Thiere ein continuirliches schwaches Spectrum
besitzt.
Obgleich die Erscheinung bei voller Entwicklung, in einer dunklen
Nacht einen überwältigenden Eindruck macht, von dessen Anblick man
sich nur schwer trennt, ergibt eine genauere Ermittelung doch, dass die
Intensität des ausgestrahlten Lichtes keine sehr erhebliche ist. Die Mit-
theilung einiger Versuche von Quatrefages mag dies darlegen. In einer
15 Millim. weiten Röhre befand sich Wasser, das eine 20 Millim. dicke
Schicht Noctilucen enthielt; bei heftigem Schütteln der Röhre konnten die
ziemlich feinen Ziffern einer Uhr nur dann gelesen werden, wenn die
Röhre direct auf das Zifferblatt gelegt wurde. Wurden vier bis fünt
Kaffeelöffel Noctilucen auf ein Filter gebracht und dieses nach dem Ab-
laufen des Wassers entfaltet, so war das Licht intensiv genug, um die
Ziffern derselben Uhr in einer Entfernung von einem Fuss zu lesen.
Nur Quatrefages suchte durch Versuche zu ermitteln, ob mit der
Lichterscheinung auch Wärmeentwicklung verbunden sei; obgleich nun
seine Versuche jedenfalls nicht mit genügend feinen Instrumenten ausge-
führt wurden, um sehr geringe Temperaturunterschiede festzustellen, und
auch die allgemeinen Versuchsbedingungen durchaus nicht einwurfsfrei
waren, so folgt aus denselben doch, dass bemerkenswerthe Wärmequan-
titäten beim Leuchten jedenfalls nicht frei werden und wenn wir die
Broun, Klassen des Thier-Reichs. Protosjoa. (Jf)
1090 Cystoflag-ellata.
viel genaueren Untersuclmngen Panceri's an anderen marinen Leuelittliieren
berücksichtigen, so dürfen wir mit Recht vermuthen, dass ancli beim
Leuchten der Noctilucen keine, oder doch so geringe Wärmemengen ge-
bildet werden, dass sie selbst mit den empfindlichsten thermoelektrischen
Instrumenten unbemerkbar bleiben.
Eine mikroskopische Prüfung über den Sitz der Lichtentwicklung er-
gibt sofort, dass nicht ein bestimmter KöipertheiL, oder ein besonderes
Organ mit dieser Fähigkeit ausgerüstet ist, dass vielmehr bei lebhafter
Lichtentwicklung die gesammte Noctiluca wie eine gleichmässig leuchtende
Kugel erscheint. Doch versichert Quatrefages , dass nicht selten nur
einzelne Theile des Körpers leuchten und an einem und demselben Indi-
viduum gelegentlich abwechselnde Partien. Quatrefages scheint der An-
sicht zu sein, dass die Körperoberfläche den Sitz der Lichtentwicklung
bilde und auch Allman spricht sich bestimmt in diesem Sinne aus. Als
Beweis führt letzterer namentlich an, dass, vs^enn man das allmähliche
Erlöschen einer Noctiluca unter dem Mikroskop verfolge, zuletzt noch ein
leuchtender peripherischer King übrig bleibe; derselbe entstehe aber derart,
dass bei sehr geschwächter Leuchtintensität nur noch an der Peripherie,
wo man durch eine grössere Dielte der leuchtenden Schicht hindurchsehe,
eine Lichterscheinung wahrnehmbar bleibe, also ein leuchtender peri-
pherischer Ring erscheinen müsse.
Anderer Ansicht über den Sitz des Leuciitens ist dagegen Vignal,
indem er nicht nur das oberflächliche Wandplasma, sondern das Plasma
überhaupt als leuchtend erkennt. Den Beweis hierfür sucht er darin,
dass, wenn man durch eine Verletzung die Einziehung der Plasmastrahlen
in die Centralmasse veranlasse, alle Theile des Körpers, aus welchen
die Plasmazüge zurückgetreten seien, dunkel würden und schliesslich
nur noch das centrale Plasma leuchte. Ich kann nicht leugnen, dass ich
gegen diese Auffassung und die Richtigkeit der Beobachtung einige Be-
denken habe, denn verhielte sich die Sache in der angegebnen Weise,
so müsste bei einer kräftigen Noctiluca wohl das ganze Plasnianetz-
werk deutlich leuchtend hervortreten und davon bericliten die früheren
Beobachter nichts und auch Vignal selbst gibt keine solche Schilde-
rung der leuchtenden Noctiluca. Im allgemeinen scheint mir daher die
Angabe wahrscheinlicher, dass die Wand vornehmlich leuchte wenn
ich auch dem inneren Plasma das Leuchtvermögen nicht ganz absprechen
möchte.
Mit eingehenderer Untersuchung der Leuchterscheinung bei stärkerer
Vergrösserung hat sich meines Wissens nur Quatrefages beschäftigt
und dabei die bemerkenswerthc Thatsache festgestellt, dass es sich
nicht um eine continuirlich zusammenhängende Lichtfläche handelt,
sondern das anscheinend gleichmässige Licht schon bei LöOfacher Ver-
grösserung in eine Unzahl kleiner leuchtender Punkte aufgehest wird.
Grössere und kleinere derartige Leuchtpunkte stehen durcheinander wie
in einem Nebelfleck. An einer bcgron/ten leuchtenden Partie des Nocti-
Leuchten (Sitz, median, u. clieiii. Reize etc.). 1091
Incakörpers besteht der centrale Tbeil aus einer dichten Zusfinimcnhäufung
solcher Leuchtpunkte, welche gegen die Peripherie allmählich spärlicher
werden und weiter auseinander stehen, um endlich ganz aufzuhören. Wie
unten noch näher auseinandergesetzt werden soll, scheint diese Beobachtung
wichtig und lässt in Verbindung mit anderweitigen Erfahrungen vielleicht
eine Vermuthuug über die leuchtenden Theile des Plasmas zu.
Nach dem über den Einfluss der Erschütterung auf das Leuchten
Bemerkten wird es natürlich erscheinen, dass auch dirccte mechanische
Reizung durch Druck oder Berührung Lichtentwicklung hervorruft. Bei
leiser Ikrührnng mit der Nadelspitze machten Robin und Legros die
interessante Erfahrung, dass nur die gereizte Stelle des Noctilucenkörpers
leuchte, eine Erscheinung, welche im Hinblick auf die rasche Ausbreitung
des Reizes bei gewissen leuchtenden Anthozoen (so Pennatula nach Panceri)
etwas befremdend erscheint.
Wie mechanische Reize wirken auch diejenigen chemischen,
welche durch ihren Einfluss auf das Plasma, indem sie es zur Con-
traction veranlassen , resp. sein Leben vernichten , eine innere Erschütte-
rung des Körpers hervorrufen.
Wahrnehmungen dieser Art wurden schon im vorigen Jahrhundert
(Rigault) gemacht und später von vielen Beobachtern bestätigt und er-
weitert (namentlich Verhaeghe, Pring und Quatrefages). Mineralsäuren,
Alkalien, Alkohol, starke Salzlösung, jedoch auch Süsswasser wirken
in dieser Weise, indem sie ein mehr oder minder intensives Aufleuchten
hervorrufen, dem das erwähnte weissliche Licht folgt, wenn die zugesetzten
Stoffe den Tod nicht zu rasch herbeiführen. Natürlich bewirken aber
alle diese Stoffe endlich das Absterben der Noctilucen und damit auch
das Erlöschen des Leuchtvermögens; denn über den Tod hinaus scheint
sich das Leuchten der Noctilucen nicht zu erhalten. Zwar senden auch
kleine Bruchstücke noch lange Zeit ein schwaches Licht aus (Quatrefages);
dem feinen Netz anhängende oder auf dem Filter befindliche Noctilucen
leuchten noch so lange bei Erschütterung, als das Netz oder Filter ein
wenig Feuchtigkeit zurückhält (Allman sah ein Netz noch nach 31 Stunden
leuchten, ähnliches berichtete auch schon Suriray). Dennoch scheinen alle
Erfahrungen darauf hinzuweisen , dass der Tod dem Leuchten ein Ziel
setzt. Vorherige Belichtung ist keine Bedingung des Leuchtens, wie
Pring versichert, der hierüber Versuche angestellt haben will, die er
aber nicht specieller schildert. Andererseits ist aber auch die Leucht-
fähigkeit ständig vorhanden, nicht etwa nur auf die Zeit der Dunkelheit
beschränkt, wie jederzeit, bei Ueberführung in einen dunklen Raum zu
constatiren ist (Allman, Robin etc.). Allman hebt letzteres speciell im
Gegensatz zu Beroe hervor, welche nach seiner Erfahrung erst einige
Zeit im Dunkeln verweilen muss, bevor sie leuchtet. Wie die Unter-
suchungen zur Zeit liegen, scheint aber doch keine Nöthigung zu be-
stehen , das Leuchtvermögen als Ausfluss des eigentlichen , lebendigen
Plasmas zu betrachten, sondern die Möglichkeit vorhanden zu sein, dass
1092 Gystoflagellata.
es von einem im Plasma erzeugten und daher auch über dessen Leben
hinaus erhaltungslahigen Stoff ausgeht, wovon später noch mehr.
Damit dürfte die auch von anderen Leuchtthieren beliannte Erschei-
nung kaum im Widerspruch stehen, dass wenn man die Noctilucen zwischen
den Fingern zerreibt, die an letzteren haftende Substanz noch lange
leuchtet. Nach Quatrefages soll die zerquetschte Substanz das geschilderte
weissliche, fixe Licht entwickeln; nach Kobin sollen die Finger, zwischen
denen man Noctilucen zerrieb, bei jeder Reibung leuchten, so lange noch
etwas von der Substanz zurückblieb. Jedenfalls stirbt die zerquetschte
Substanz nicht momentan ab; genauere Untersuchungen wären sehr
wünschenswerth.
lieber den Einfluss der Wärme weiss man kaum etwas bestimmtes.
Pring fand keine Verstärkung des Leuchtens, wenn er ein Gefäss mit
Noctilucen in Wasser von etwa 25*^ C. stellte. Quatrefages beobachtete
dagegen Aufleuchten beim Erwärmen einer langen Glasröhre mit Nocti-
lucen; doch mag dies, wie Vignal bemerkt, eine Folge der Strömungen
in der Röhre gewesen sein. Letzterer glaubt selbst einen gewissen
Einfluss der Erwärmung auf das Leuchten gefunden zu haben , da er
beobachtete, dass eine Portion Noctilucen, welche einige Zeit auf 37^ C.
erhitzt worden war, nach dem Erkalten intensiver leuchtete, als eine
andere, nicht erwärmte Portion der gleichen Wesen.
Eine noch grössere Unsicherheit herrscht hinsichtlich der Wirkung
der Elektricität , da sich die Angaben der verschiedenen Beobachter
geradezu widersprechen.
Beim Ueberspringen des Funkens einer Leydener Flasche in ein Ge-
fäss mit Noctilucen erhielt Quatrefages regelmässig ein Aufleuchten
und nach drei Entladungen waren die Noctilucen in den dauernd
schwach leuchtenden Zustand übergegangen. Pring konnte mit dem
durch zwei Smee'sche Elemente erzeugten Strom keine Leuchtwirkung
erzielen. Mit einem kleinen Element (pile a äuge) fand Quatrefages
namentlich reichliches Leuchten am Zinkpol; doch bemerkt er selbst, dass
diese Erscheinung wohl als Wirkung der beim Durchleiten des Stromes frei-
gewordeuen Säulen gedeutet werden müsse. Robiu und Legros wollen
bei Anwendung eines kleinen elektro-medicinischen Apparats („au bisul-
fate de mercure") sofort um jeden der eingetauchten Pole einen lebhaften
Lichtring gesehen haben und zwischen den beiden Ringen ein leuchtendes
Verbindungsband. Im Moment der Stromunterbrechung wurde das Leuchten
stärker, erlosch jedoch bald. — Ganz verschieden hiervon lauten die
Angaben Vignal's, welcher weder mit dem Strom zweier Grenet'scher
Elemente noch mit einem Schlitteninductionsapparat, unter verschieden-
artiger Variation der Versuchsbedingungen, Leuchten erzielen konnte und
sich daher gegen jede directe Wirkung der Elektricität ausspricht.
Eine Frage von besonderer Wichtigkeit für Auffassung und Erklä-
rung des Leuchtens ist dessen Beziehung zum Sauerstoff, welche denn
auch schon früh untersucht wurde. Im Gegensatz zu dem, was man
Leuchten (Bezieh, zu Leben, zu Wärme, Electric., Sauerstoff u. and. Gasen). 1093
nach den Erfahrimgen bei audereu Lencbtthiereu erwarten dürl'te, stimmen
alle Untersueber seit Suriray darin überein, dass Sauerstoff kein Er-
fordcrniss des Leucbtens sei, dass dieses vielmebr unter indifferenten Gasen
in gleicber Weise fortdauere. Bevor ieb einiges über die angestellten Ex-
perimente bericbte, glaube ieb bemerken zu müssen, dass mir alle bis
jetzt vorliegenden Versucbe nicbt exact genug scbeinen, um ganz be-
weisend zu sein. Aucb minimale Sauerstofifmeugen dürften wohl noch
genügen, das Leuchten zu unterhalten, und kaum in einem der Versuche
kann von absolutem Ausschluss des Sauerstoffs die Rede sein. Schon
Macartney brachte Noctilucen unter die Luftpumpe und beobachtete hierbe
kein Aufhören des Leucbtens bei Erschütterungen, ja glaubte gefunden zu
haben, dass es unter diesen Umständen leichter angeregt werde und längei
dauere. Auch Quatrefages machte diesen Versuch und sah die Noctilucen
bald in den weisslich leuchtenden Zustand tibergehen ; nach einer Stunde
19 Minuten sollen sie bei Erschütterung noch geleuchtet haben; er er-
klärte dieses Experiment übrigens itir wenig beweisend. Noctilucen,
welche über Quecksilber abgesperrt wurden, verloren dagegen bald ihr
Leuchtvermögen. Den Einfluss von Sauerstoff, Wasserstoff und Kohlen-
säure untersuchten Pring und Quatrefages; ersterer brachte Wasser mit
Noctilucen in Flaschen mit den betreffenden Gasen, letzterer Hess etwas
von den Gasen in mit noctilucahaltigem Meerwasser gefüllte Röhren auf-
steigen, die in Wasser umgekehrt aufgestellt waren. Beide fanden, dass
sich die Noctilucen unter Wasserstoff nicht anders verhalten wie unter
Luft, und Pring constatirte das Gleiche auch für Stickstoff. Unter Sauer-
stoff schien Pring das Leuchten stärker aufzutreten, während Quatre-
fages keine Veränderung gegen Luft beobachtete und auch in Kohlensäure
keine Veränderung fand. Anders spricht sich dagegen Pring über die
Wirkung der Kohlensäure aus; dieselbe rief bei seinen Versuchen zu-
nächst energisches und lang andauerndes Leuchten hervor, das nach
etwa 20 bis 25 Minuten erlosch und sich durch Zufuhr von Luft nicht
erneuern Hess.
Schwefelwasserstoffgas wirkt nach Pring, wie zu erwarten, sofort
tödtend, wogegen Quatrefages, der die Wirkung einer wässrigen Lösung
untersuchte, keinen heftigen Einfluss derselben bemerkte. Mir scheint
letzteres sehr unwahrscheinlich.
Schliesslich stellte auch Vignal ein Experiment über die Beziehung
des Sauerstoffs zum Leuchtvermögen an. Er brachte einige Noctilucen
in eine mit ausgekochtem Seewasser gefüllte Röhre und verschloss die-
selbe sofort, ohne Luft mit einzulassen. In der Röhre befand sich ein
kleines Glasstück, das bei Bewegungen mechanisch auf die Noctilucen
wirkte. Unter diesen Bedingungen leuchteten letztere bei Erschütterungen
wie gewöhnUch und dieses dauerte an, bis sie aus Mangel an Sauerstoff'
abstarben. Leider wird nicht berichtet, wie lange dies währte und wie
lange die Noctilucen überhaupt ohne Sauerstoff leben können.
1 094 Cystoflagellata.
Weim wir das Berichtete überticbauen, so wird es uns zur Zeit schwer
oder unmöglich scheinen , über die Ursacbe des Leucbteus eine eiiiiger-
maassen begründete Vermuthung zu äussern. Wenn wir dennoch auf
diese Frage eingeben, so veranlassen uns hierzu Erfahrungen, welche
auf einem anderen Gebiet über das Leuchten organischer Körper ge-
sammelt wurden und welche mit der Zeit wohl zur Aufklärung des
Leuchtens der Organismen führen werden. Wir dürfen hier die älteren
Ansichten, welche die Ursache des Leuchtens in elektrischen Erschei-
nungen oder Phosphorverbindungen vermutheten, wohl stillschweigend
übergehen*). Es fragt sich zunächst hauptsächlich: haben wir das Leuch-
ten als directe Lebensäusserung des eigentlich lebendigen Plasmas zu be-
trachten, welcher Auffassung Pflüger**) entschieden zuneigt, oder dürfen
wir seine Ursache in gewissen im lebenden Organismus erzeugten Stoffen
suchen, welche unter bestimmten Bedingungen Licht zu entwickeln ver-
mögen. Letzterer Auffassung neigen diejenigen Beobachter zu, welche
eine gewisse Leuchtmaterie nachgewiesen haben wollen. So Panceri***),
der bei den untersuchten marinen Leuchtthieren (darunter nicht Nocti-
luca) Fette als die leuchtenden Körper beansprucht und Phipsonf),
welcher eine leuchtende Materie, die er Noctilucin nannte, von ver-
schiedenen leuchtenden Thieren gewonnen haben will; Noctiluca unter
suchte jedoch auch er nicht. Wir dürfen aber wohl mit Radziszewskiff)
ohne Bedenken annehmen, dass dieses Noctilucin kein einheitlicher chemi-
scher Körper war (was auch die Untersuchungen nicht erwiesen), sondern
ein Gemisch verschiedenartiger Stoffe. Die wichtigen Untersuchungen
des letzterwähnten polnischen Chemikers sind es aber, welche bis zu
gewissem Grad ein neues Licht über die Leuchtvorgänge in den Organismen
verbreitet haben. Es gelang ihm nämlich nachzuweisen, dass eine ganze
*) Sehr eigcuthüuilicli ist die Vorstellung, welche sich Pring von der nächsten Ursache
des Leuchtens gebildet hatte ; ich erwähne dieselbe , weil dieser Beobachter das Phänomen
zuerst genauerer experimenteller Untersuchung unterzog. Er glaubte die Leuchtmaterie in einem
flockigen Schleim gefunden zu haben, welchen die Thiere in der Gegend des Peristoms aus-
schieden. Wahrscheinlich handelte es sich also um die bekannte Erscheinung, dass bei Druck
häufig etwas Plasma aus dem Peristom hervorgepresst wird. Zur Absonderung dieses Schleims
schienen ihm die Thiere durch Furcht veranlasst zu werden; das Leuchten beim Schütteln
der üefässe wollte er denn auch auf das hierdurch bewirkte Erschrecken der Thiere zurück-
fuhren.
**) Pflüger, Ueber die physiologische Verbrennung in dem lebendigen Organismus.
Arch. f. d. ges. Physiologie Bd. X, p. 275.
***) Panceri, Etudes s. 1. phosphorescence des animaux marins. Ann. sciences naturelles.
Zoologie (V). T. XVL Art. 8.
t) Pbipyon, S. la matiere phosphor. de la raie. Cpt. rend. Ac. Paris T. 51, p. 541
und S. la noctilucine ibid. T. 75, p. 547.
tt) Kadziszew ski, Ueber das Leuchten des Lophins. Berichte der deutscli. ehem.
üesellsch. Bd. X, p. 17Ö.
Ueber die Phosphorescenz der organischen und organisirten Körper. Ann. d, Chemie
Bd. 2Ü3. ISSO, p. 3Ü5— 335.
Leucliteu (Ursache), ßogciicration. 1095
Reihe von Körpern, die sich im lebenden Organismus linden, unter ge-
wissen licdingungeu bei gewöhnlicher oder doch nur wenig erhöhter Teni-
j)cratur leuchten können : nämlich Fette, Lecithin, Cholcsiearin, ätherische
Oele, Gallensäurcn, Traubeuzuciier und vielleicht noch eine Reihe anderer
Stoffe. Bedingung l'iir den Eintritt des Leuchtens ist, dass die Körper
sich in alkalischer Lösung befinden und meist zuvor etwas erwärmt wer-
den ; doch dauert das Leuchten nach dem Erkalten bei gewöhnlicher
Temperatur meist noch lauge fort und tritt hauptsächlich bei mechanischer
Erschütterung, Umschütteln etc., hervor. Statt anorganischer Basen können
jedoch auch organische, darunter die im thierischen Körper vorhandenen
Cholin und Neurin, diis Leuchten der genannten Körper bewirken. Die
Lichtentwicklung beruht unter diesen Bedingungen auf langsamer Oxy-
dation der betreffenden Verbindungen und es ist in dieser Hinsieht wichtig,
dass die meisten derselben die Fähigkeit haben , Sauerstoff zu absorbiren
und in activen zu verwandeln.
Den Einfluss mechanischer Erschütterung auf das Leuchten genannter
Verbindungen, welcher uns wegen der interessanten Analogie mit den
Verhältnissen bei Noctiluca besonders interessirt, sucht Radziszewski
hauptsächlich dadurch zu erklären, dass hierdurch immer neue Theile des
zu oxydirenden Körpers mit aetivem Sauerstoff in Berührung gesetzt
würden. Doch scheint er daneben auch eine directe molekulare Wirkung
der Erschütterung anzuerkennen. Es kann nicht geleugnet werden, dass
speciell die Leuchterseheinungen der Noctiluca so viel Aehnlichkeit mit
manchen Experimenten Radziszewski's bieten, dass die Vermuthung nahe
liegt: es handle sich bei Noctiluca um einen ähnlichen Vorgang.
Wenn wir ferner die Ergebnisse der Untersuchungen Quatref'ages'
berücksichtigen, dass das Licht der Noctiluca aus zahllosen kleinen Licht-
punkten zusammengesetzt ist, so lässt sich vielleicht auf die Möglichkeit
hindeuten, dass die Lichtentwicklung von den zuhlreichen kleinen Körn-
chen im Waudplasma der Noctiluca ausgehe.
F. Iv egeaeratiousersclieiuungcn und künstlicli e Theilu ng.
Schon Webb konnte feststellen, dass das centrale Plasma der Nocti-
luca befähigt ist, wieder den vollständigen Organismus zu regeneriren, wenn
ein grosser Theil desselben zerstört war. Später wurden diese Beobach-
tungen von Dönitz und Cienkowsky weiter ausgedehnt und damit die
grosse Regenerationsfähigkeit unseres Wesens definitiv ermittelt. Es ergab
sich dann auch, dass schon Busch in Regeneration begriffene Noctilucen
beobachtet, irrigerweise aber als Jugendzustände gedeutet hatte, welche
er von innerlich gebildeten Keimen herleitete. Schliesslich sah auch
Pouchet (41) in neuester Zeit solche Regeneratiouszustände; da ihm aber
die Arbeiten seiner Vorgänger unbekannt blieben, hielt er sie gleichfalls
wieder für Jugendzustände, die auf eine besondere Art der Fortpflanzung
zurückzuführen seien.
1096 Cystoflagellata.
Wir haben früher die grosse Zartheit der Noctilucen lieuuen gelernt
und gesehen, dass schon geringe mechanische Eingritfe ein Zusam-
menfallen der Blase oder ein Zerreissen der Blasenwand hervorrufen ;
unter diesen Verhältnissen zieht sich, wie wir fanden, das Plasma-
netz, unter Ablösung von der Wand, auf das Centralplasma zurück und
bildet um den Kern einen unregelmässigen Klumpen, welcher gewöhnlich
aus der alten Blasenwand hervorquillt und sich von derselben trennt,
wenn die Verletzung eine tiefergehende war. Gewöhnlich wird der Theil
der Wand, welcher das Staborgan bildet, ziemlich unversehrt mitgenom-
men, was nicht unverständlich ist, da dieses Organ von einem jeden-
falls nicht unwichtigen Theil des centralen Plasmas gebildet wird und
eine gewisse Festigkeit besitzt, die bewirkt, dass es auch unter diesen
Verhältnissen dem Plasmarest des Körpers eine Art Stütze gibt. Auch
die Baudgeissel bleibt nicht selten erhalten. Wie es sich mit dem Peri-
stom und seinen übrigen Organen verhält, lässt sich einstweilen nicht an-
geben, doch dürfte der Grad ihrer Erhaltung von Zufälligkeiten und dem
Maass der Verletzung abhängen. Wie bemerkt, stellt der verbliebene
Best der Noctiluca einen unregelmässigen, dichten Plasmakörper dar,
welchem das Staborgan entweder seiner ganzen Länge nach angefügt
ist, oder über den es mit seinem einen oder beiden Enden stachelartig
hinausragt. Letzteres tritt wohl dann ein, wenn der Umfang des ver-
bliebenen Plasmakörpers ein geringer ist, sich also nur ein Theil des
Plasmas erhielt.
Die Gestalt solcher verstümmelter Noctilucen ist zuweilen eine sehr
eigenthümliche und konnte wohl zu falschen Beurtheilungen führen, so
lange keine directe Beobachtung ihrer Entstehung vorlag, die erst
Dönitz und Cienkowsky feststellten. Wie Cienkowsky zeigte, ist aber
die Regeneration nicht an die Erhaltung irgend welcher äusserer Körper-
organe gebunden, sondern kann auch von einem einfachen Plasraa-
rest ausgehen. Ein Theil des durch Druck aus der Mundöffnung hervor-
gepressten Plasmas oder ein Plasmaklumpen, welcher sich im Inneren des
Körpers ohne Theilnahme der Organe isolirte, kann sich wie die vorhin
beschriebenen Reste regeueriren. Dass aber auch kernlose Piasmatheile im
Stande sind, wieder eine vollständige Noctiluca sammt Kern zu ent-
wickeln, wie Cienkowsky angibt, muss im Hinblick auf die jüngst von
Nussbaum und Gruber angestellten Beobachtungen über die Regeneration
der Infusorien und wegen allgemeiner Erwägungen zunächst als recht
zweifelhaft betrachtet werden.
Es kommt nicht selten vor, dass das zur Regeneration schreitende
Plasma in dem zusammengefallenen Rest der Blasenwand verbleibt und
sich hier weiter entwickelt. Ob dies schon Busch beobachtete und da-
durch zur Annahme innerer Keimbildung geführt wurde, lässt sich nicht
feststellen. Metschnikow (s. bei Cienk.) hat solche Fälle zuerst sicher
beobachtet und auch Pouchet (41) beschrieb neuerdings ähnliches, will
sogar gelegentlich zwei solcher Plasmakugeln im . Innern einer Blase
Regeneration. Parasiten. 1097
gefunden haben. Es ist ja auch möglich, dass eine solche Sonderung
des Plasmas zuweilen vorkommt, doch recht unwahrscheinlich, dass sich
beide Plasmareste regeneriren, da einer wahrscheinlich kernlos und daher
wohl nicht regenerationsfähig ist. Insmerhin wäre es auch denkbar, dass
ein solcher Plasmarest gelegentlich eine vorläufige regelmässige Theilung
erfahre und ^sich derart zwei junge Thiere aus einem ursprünglichen
regen er irten.
Ueber den weitereu Gang der Regeneration ist nicht viel zu bemerken,
auch im Ganzen nicht allzuviel bekannt. Zunächst wird die peripherische
Schicht des dichten Plasmaklümpchens durch Auftreten zahlreicher kleiner
Vacuolen schaumig, womit sich natürlich auch wieder eine deutliche
Körperwand ausbildet. Indem diese Vacuolen sich vergrössern und durch
Neubildung vermehren , fliessen sie schliesslich zusammen , was in der
schon früher geschilderten Weise zur Bildung eines zur .Wand ziehenden
Plasmanetzes führt, während der nicht vacuolisirte Rest als Centralplasma
verbleibt. Unter reichlicher Zunahme des Zellsaftes wächst die Noctiluca
allmählich zu grösserem Umfang heran, wobei das Staborgau wieder ganz
in die Körperwand aufgenommen wird, wenn es anfänglich über dieselbe
vorragte. Die Neubildung fehlender Organe wird sich ohne Zweifel in
der früher bei dem Theiluugsprocess geschilderten Weise vollziehen.
G. Parasiten der Noctiluca.
Nur Pouchet (38) erwähnt ein in Noctiluca schmarotzendes Distomum,
doch fehlt eine genauere Beschreibung dieses, wenn richtig, jedenfalls sehr
interessanten Falles. Bei dieser Gelegenheit mag noch notirt werden,
dass Robin die Oberfläche der Noctilucen nicht selten mit Vorticellen be-
setzt fand und gelegentlich bemerkte, dass die Knospen von einer Ciliate
(Urouychiaj aus der Knospenscheibe weggefressen wurden, obgleich die
beiden letzterwähnten Fälle nicht in das Gebiet des eigentlichen Para-
sitismus gehören.
Gedruckt tei E. Polz in Leipzig.
Erklärung von Tafel L
Fig.
la — c. Protomyxa aurantiaca Hack.
1 a. Eine ausgcwaclisene Protomyxa im üppigsten Futterzustande . nacli selir reiclilicLer
Nalirungsanfnalimc. Im Protoplasmaleib zahlreiche Vacuolen (v) , die sich bis in
die grösseren Pseudopodien liinein erstrecken. Oben liat derselbe zwei Isthmien,
unten drei Kieselschalea von pelagischcn Tintinnoiden (Dictyocysta Hack.) aufge-
nommen. Einige Pseudopodien liaben ein Ceratium erfasst und umfliessen es. Vergr.
etwa 11 Ü.
1 b. Eine Cyste : der Protoplasmainhalt hat sich von der Innenseite der Gallerthülle
zurückgezogen und eine helle Flüssigkeit ausgeschieden. Er beginnt in zahlreiche
kleine Kugeln zu zerfallen. Vergr. 150.
1 c. Eine birnförmige Schwärmspore nach ilirem Austritt aus der Cyste. Vergr. 190.
1 d. Eine Schwärmspore , welche die Geissei eingezogen und statt deren eine Anzahl
spitze Pseudopodien hervorgestreckt hat. Vergr. 190.
•2a— b. Schematische Darstellung der Coccolithen von Coccosphaera Carterii Wall,
(nach Wallich).
2a. Ein Coccolith im Längsschnitt zur Erläuterung des Bildes, das derselbe von der
Fläche betrachtet (2bl bietet. Das Bild der sogen. Centralkörner Häckel's soll durch
grübchenförmige Einsenkungen (a) in der Mittelgegend hervorgerufen werden. Das
sogen. Markfeld Häckel's ist der optische Ausdruck des Stieles (b) in der Flächen-
ansicht; der Markring Häckel's ist der entsprechende Ausdruck der verbreiterten
Basis des Stiels (c) und der Körnerring Häckel's die radiär-gestreifte Scheibe (d).
3a— i. Discolithen und Cyatholithen nach Häckel.
;^a — b. Optische Längsschnitte von Discolithen.
3c — d. Solche von Cyatholithen.
3e — g. Verschiedene Entwickelungszuständc kreisrunder Discolithen von der Fläche gesehen.
3 h. Elliptischer Discolith von der Fläche gesehen.
3i. Elliptischer Discolith von der Fläche gesehen, mit theilweis erhaltenem Aussenring.
4a — d. Verschiedene Ausbildungszustände von Rhabdolithen nach 0. Schmidt.
.5a — d. Verschiedene von Ilarting künstlich aus Lösungen von Kalksalzen unter Zusatz
organischer Stoffe erzeugte Kalkkörper, zum Vergleich mit den Coccolithen.
•ja. Kalkkörper aus Ochsengallc bei Zusatz von CaCl.> und NaHCO.,.
5 b. Kalkkörper aus zerriebenen Austerkörpern unter Zusatz von CaCl.i und NaHCOn.
5c — d. Kalkkörper. erhalten aus einem Gemisch von Eiweiss und Kalkwasser.
t). Coccosphaera pelagica Wall, nach Wallich.
7. Rhabdosphaera nach Wyw. Thomson und Murray.
8a — h. Labyrinthula nach Cienkowsky.
8 a. Labyrinthula vitcllina Cienk. einen Algunfadcn überziehend und zahlreiche Faden-
bahnen mit darauf hingleitenden Spindelzellen aussendend. Vergr. ca. 100.
8 b. Theil einer Fadenbahn von Lal)yrinthula vitellina mit darauf hingleitenden Spindel-
zellen, p scheinbare Protoplasmaplattc in der Fadenbahn, nach Cienkowsky hervor-
gegangen durch Zusammenlagerung zahlreicher Fäden ; p^ mehrere Spindeln mit ver-
schwommenen Contouren; s ruhende, cingckugelte Zellen. Vergr. ca. 180.
Sc. Spindelzelle von Labyrinthula macrocystis Cienk. mit einigen Fäden der Fadenbahn.
Vergr. ca. 200.
8d. Haufen encystirtcr Zellen von L. macrocystis in die Rindensubstanz eingehüllt. Vergr.
ca. 180.
8e~f. Cysten von L. macrocystis mit getheiltem Zellinhalt. Vergr. ca. 180.
Sg — h. In Theilung begriffene Spindclzellcn von L. macrocystis. Vergr. ca. 400.
Fig.
9. Chlamydomyxa labyrint huloides Arch. Vollständiges Exemplar mit reich
entwickelter Fadenbahn und darauf hingleitenden Spindeln. In der Körpermasse treten
zahlreiche contractile Vacuolen deutlich hervor, ebenso wie in den lokalen Anhäufungen
derselben an gewissen Stellen der Fadenbahn. Ausserdem enthält die Körpermasse noch
zahlreiche grünliche, röthliche und bläuliche Körner, sowie aufgenommene Nahrungs-
partikel. Als solche lassen sich hauptsächlich bei o ein Exemplar von Oocystis Naegelii
und bei o^ ein Faden von Spirotaenia wahrnehmen. Bei c hat sich eine kleine Portion
der Körpermasse abgegliedert und encystirt. Vergr. ca. 100.
10. Dactylosphaeria (Amöba) radiosum Duj. Ein Exem^ilar mit 4 langen Pseudo-
podien, von welchen eines am Ende schlingenförmig umgebogen und in drehender
(schwingender) Bewegung begriffen ist.
11. Dactylosphaeria vitreum Hertw. u. Less. Ein kleiner Theil des Randes eines
Exemplars der grünen Varietät, mit 2 Pseudopodien; die ganze Oberfläche ist mit
Protoplasmazöttchen besetzt.
12. Dactylosphaeria (Amöba) polypodia (M. Schnitze) F. E. Seh. n. Kern, v. Vacuolc.
Fig. 1 nach Häckel (Monograph. der Moneren); Fig. 2 nach Wallich (Ann. mg. n. h.
4. XIX); Fig. 3 nach Häckel (Monogr. der Moneren); Fig. 4 nach 0. Schmidt (Sitzb. der
W. Akad. Bd. 52); Fig. 5 nach Harting (Naturk. A'erh. d. K. Akad. Deel XIV); Fig. 6 nach
Wallich (Ann. m. n. h. 4. XIX); Fig. 7 nach W. Thomson und Murray (Proc. roy. soc.
Bd. 23); Fig. 8 nach Cienkowsky (Arch. f. mikr. Anat. Bd. III); Fig. 9 nach Archer (Qu.
journ. micr. sc. Bd. 15); Fig. 10 Original; Fig. 11 nach Hertwig u. Lesser (Arch. f. mikr.
Anat. Bd. X, Suppl.); Fig. 12 nach F. E. Schultze (Arch. f. mikr. Anat. Bd, XI).
i
Rhizopoda.
Taf. I.
Lith.Ansl.Werner &. Winter, Frankfurt ^.A
Erklärung von Tafel II.
Fig.
la — c. Amöba Priuceps Ehrbg.
la. Ein kriechendes Exemplar, n Kern, v Vaciiolen, x aufgenommene Nahrung.
1 b. Isolirter kleiner Kern eines grossen vielkernigen Exemjjlars, nach Essigsäurebehandlung.
Ic. Sehr grosser Kern eines einkernigen Exemplars, nach Essigsäurebehandlung.
2. Amöba Limax Duj. Ein kriechendes Exemplar; u Nucleus, cv contractile Vacuole.
3. Amöba Guttula Duj. Ein kriechendes Exemplar; n Nucleus, cv contractile Vacuole.
4. Amöba Blattae Bütschli. Ein in Bewegung hegriä'enes, sehr deutlich faseriges Exem-
plar; n Nucleus, x und y die im Yorschreitcn begriffenen Stellen, w nnd z ruhende
Stellen, u in Einziehung begriffene Stelle.
5. Amöba terricola Greeff. Ein Exemplar mit Zottenbesatz (d) am Hintereude; n Nucleus,
cv contractile Vacuole, c eigenthümliche Körper mit haarförmig geschlängelten Fäden
(Greeff 's Spermatozoiden).
6a — g. Pelomyxa palustris GreeE
6 a. Eine in amöbenartiger Bewegung begriffene Pelomyxa mit zahlreichen Glaiizkörpern,
jedoch wenig Nahrungsstoffen und Schlamm,
fib. Ein Glanzkörper von Stäbchen umhüllt.
6 c. Ein grösserer Kern mit gruppenweise zusammenliegenden Körnchen.
6d. Ein Kern mit einer Anzahl grösserer Kernkörper.
ß e. Ein Gianzkörper mit zwei Löchern oder Vertiefungen auf der Oberfläche.
6 f. Ein bisquitförmiger, nach Greeff in der Theilung begriffener Glanzkörper.
6g. Eandtheil einer lebenden Pelomyxa; a hyalines Ectosark, das sich zu kurzen pseudo-
podienartigen Fortsätzen c und d erhebt, in die etwas Endoplasma mit Vacuolcn,
Stäbchen und Körnchen einströmt, b Vacuolen, e Kerne und f (ilanzkörper des
Endosarks, dazwischen zahlreiche Stäbchen. Vergr. ca. 200.
7. Amphizonella violacea Greeff. a die hyaline Hüllschicht, n Nucleus.
8. Pseudochlamys Patella Clp. u.* Lehm. Ansicht von unten mit zusammengefalteter
Schale und ausgestrecktem fingerförmigem Pseudopodium. Vergr. 400.
9a — c. Arcella vulgaris Ehrbg.
9a. Ein Exemplar in seitlicher Ansicht; n Nucleus, cv contractile Vacuole.
9 b. Ein kleines Stück der Schalenoberfläche einer Arcella vulgaris bei oberflächlicher
Einstellung des Tubus.
9 c. Optischer Durchschnitt eines kleinen Theils der Schale.
10a — b. Hyalosphenia lata F. E. Seh. Vergr. etwa 350.
10 a. Ansicht von der flachen Seite.
10b. Ansicht von oben, im optischen Querschnitt; n Nucleus, cv contractile Vacuolen,
11. Cochliopodium pellucidum Hertw. u. Lesser.
Ansicht von der Seite mit weit geöffneter Schalenmündung und vielen ausgestreckten
Pseudopodien. Vergr. nahe 600.
12. Quadrula symmetrica Wallich sp. Ein von der breiten Seite gesehenes Exemplar;
n Nucleus, cv contractile Vacuole.
13. Petalopus dif fluens Clp. u. Lehm, mit blattartig ausgebreiteten Pseudopodien.
14. Plakopus ruber F. E. Seh. Ein Exemplar mit zahlreichen plattenförmigen, kantig
zusammenstossenden Pseudopodien; n Kern. Vergr. ca. 330.
Figg. 1-a, 2 u. 3 nach Auerbach in Z. f. w. Z. Bd. VII; Figg. 1b — c nach Bütsclili
Abh. der Senckenberg. Gesellsch. Bd. X; Fig. 4 nach Bütschli Z. f. w. Z. Bd. XXX; Fig. 5
u. 7 nach Greeff A. f. m. A. Bd. II; Fig. 6a — g nach Greeff A. f. m. A. Bd. X; Figg. 8 u.
9b— c nach Hertwig u. Lesser A. f. m. A. Bd. X Suppl.; Figg. 10—12 u. 14 nach F. E.
Schulze A. f. m. A. Bd. XI; Fig. 13 nach Claparede u. Lachm. Etudes s. 1. inf.
Rhizopoda.
Taf.II.
Lilh. Anst- V Werner i. Winter Frankfurl *A
Erklärung von Tafel III.
Fig.
1. Difflugia globulosa Duj. Seitliche Ansicht der Schale.
2 u. 3. Difflugia marsupiformis Wall. Seitliche Ansichten der Schalen eines stachel-
losen und eines gestachelten Exemplars.
4. Difflugia (Echinopyxis Gl. u. L., Centropyxis St.) aculeata Ehrhg. Ansicht einer
Schale von der Mündungsseite.
5. Difflugia corona Wall. Ein vierstacheliges Exemplar in seitlicher Ansicht. Der
Mündungsrand ist bei dieser Form eigenthümlich ausgezackt.
6. Difflugia pyriformis Perty. Seitliche Ansicht der Schale.
7. Difflugia acuminata Ehrbg. Seitliche Ansicht der Schale.
8. Difflugia lageniformis Wall, (urceolata Gart.). Seitliche Ansicht der Schale, den
breiten, hyalinen, nach hinten zurückgebogenen Mündungsrand der Schale zeigend.
9. Lecqueureusia (Difflugia) spiralis Lecl. Seitliche Ansicht der Schale, die hier aus
unregelmässig zusammengruppirten , kleinen Ghitin('?)cylindern aufgebaut ist.
lü. Difflugia (NebelaLeidy?) bipes Gart. Thier mit Schale, von der breiten symmetrischen
Seite gesehen; n Nucleus, cv contractile Vacuolen, N aufgenommene Nahrung. Yergr.
ca. 250.
11. Pseudodifflugia (?) Helix Entz. Thier mit seiner der Difflugia spiralis ähnlichen
Schale in seitlicher Ansicht; n Nucleus, Pseudopodien werden nicht allein aus der weiten
Schalenöffnung, sondern auch an andern Stellen hervorgestreckt.
12a — b. Euglypha alveolata Duj.
12 a. Lebendes Exemplar mit hervorgestreckten Pseudopodien.
12 b. Encystirtes Exemj^lar mit Bildung einer doppelten Gystenhülle; a die aus hexagonalen
Plättchen (nach Hertwig und Lesser) bestehende , bei d durch verklebte Fremdkörper
geschlossene Schale, b die äussere, braune, eiförmige Gystenhülle, c die farblose,
innere, kugelrunde Gystenhülle, f der zwischen der Innern und äussern Gystenhülle
äich ausspannende homogene, farblose Strang, n die hellere, wahrscheinlich dem
Kern entsprechende innere Partie des Gysteninhalts.
13. Gyphoderia margaritacea Schlmb. Thier mit Schale in seitlicher Ansicht; n Nucleus,
cv contractile Vacuolen. Vergr. ca. 400.
14. Pseudodifflugia amphitr ematoides Arch. Vergr. ca. 500.
15a — d. Mikrogromia socialis Arch.
15 a. Eine Kolonie im gehäuften Zustand (Gystophrys Arch.). Vergr. ca. 350.
1 5 b. Ein einzelnes Individuum einer Kolonie in seitlicher Ansicht ; h Schalenhals, p Pseudo-
podienstiel, c contractile Vacuole, n Kern.
15c. Individuum kurz nach der Quertheilung des Thieres in seiner Schale; der eine
Sprössling (b) (nach Hertwig der hintere) ist in Auswanderung begriffen, um sich
später zum Schwärmer auszubilden.
15d. Der aus dem Theilstück b entstandene Schwärmer.
Figg. 15b— d Vergr. ca. 670.
16. Lieberkühnia (Gromia Gienk.) paludosa Gienk. Zwei durch Quertheilung entstandene,
noch durch einen schlauchförmig ausgezogenen Verbindungstheil ihrer dünnen Schale
zusammenhängende Individuen, kurz vor ihrer Trennung. Die Schale wird, wie aus
dieser Beschreibung hervorgeht, gleichfalls getheilt; p Pseudopodienstiel. Vergr. ca. 75.
I7a — c. Platoum (Ghlamydophrys Gienk.) stercoreum Gienk. Vergr. ca. 350.
17a. Ein Individuum mit vorgestreckten Pseudopodien; n Nucleus, cv contractile Vacuole,
N aufgenommene Nahrung.
17b. Eine durch Knospung aus der Pseudopodienplatte hervorgegangene Kolonie; pl Pseudo-
podienplatte, n Nuclei, x ein junger, noch schalenloser Sprössling, N aufgenommene
Nahrung.
17 c. Encystirung; die mit dicker, geschichteter Hülle versehene Gyste ist in die Mündung
der Schale eingeklemmt.
18. Gromia (Plagiophrys) scutiformis Hertw. u. Less. Ein von der breiten, abgeplatteten
Seite gesehenes Individuum, n Nucleus. Vergr. ca. 400.
Figg. 1—9 nach Wallich (A. m. n. h. 3. XIII), Fig. 10 nach Garter (A. m. n. h. 4. V),
Fig. 11 nach Entz (Naturh. Hefte d. ung. Nat.-Mus. I), Figg. 12 a u. 13 nach F. E. Schulze
(A. f. mikr. A. XI), Figg. 12 b, 15a— d u. 18 nach Hertwig u. Lesser (Arch. f. mikr. A. X
Suppl.); Figg. 16 u. 17a— c nach Gienkowsky (Arch. f. mikr. A. XII).
Rhizopoda.
Taf^ 111-
Lilh.Anst. V.Werner tWmter Frankfurt'^/'.
Erklärung von Tafel lY.
Fig.
1. Diaplioropod ou mobile Ärcli. Ein Exemplar mit weit liervorgestreckten Pseudo-
podien, in ihrer charakteristischen Verästelung; v contractile Vacnole, p Nucleus. üeber
die gesammte Oberfläche der Schale hin treten zarte pseudopodienartige Fortsätze herv^or.
2a — b. Diplophrys Archeri Bark.
2 a. Einzelnes Individuum in seitlicher Ansicht ; a die gelbe fettglänzende Kugel, cv con-
tractile Vacuolen, n Nucleus.
2b. Eine durch Theilung entstandene Gruppe von 4 Individuen, wie sie in grösseren
Mengen zusammengruppirt vorkommen und dann die von Archer als Cystophrys
oculea beschriebene Form bilden.
3. Amphitrema Wrightianum Arch. Ein Exemplar, das deutlich die beiden etwas
kragenartig vorspringenden Pseudopodienöftnungen zeigt, da dieselben hier weniger thircli
die incrustirenden Fremdkörper verdeckt werden.
4. Orbulinella smaragdea Entz. Ein Exemplar mit vielen, aus den zahlreichen Oefi-
iiungen 'der Schale hervortretenden Pseudopodien. Die Schale besitzt keine grössere
Oefthung; n Nucleus.
5. Microcometes paludosus Cienk. Ein Individuum mit den aus den in mehrfacher
Anzahl vorhandenen Schalenöffnungen (o) ausgestreckten Pseudopodien (p); n Nucleus,
cv contractile Vacuolen. Vergr. ca. 370.
ß. Gromia oviformis Duj. Einige der Pseudopodien haben eine Navicula ergriffen. Im
Innern des Thieres sieht man zahlreiche Naviculac liegen, sowie Kerne n. Der Eaum-
ersparniss wegen ist die Länge der Pseudopodien relativ dreifach verkleinert dargestellt.
Vergr. der Schale ca. 200.
7. Squammulina laevis M. Seh. Vergr. ca. 40.
8a — b. Cornuspira foliacea Phill, Schale.
8 a. Seitliche Ansicht.
8 b. Ansicht von der schmalen Seite.
9a — c, Nubecularia lucifuga Defr.
9a. Aeussere Ansicht eines Exemplars, das eine acervuline Anhäufung von Kammern
um einen kleinen Zweig einer Isis hippuris bildet.
9 b. Aeussere Ansicht eines auf der Oberfläche einer flachen Muschelschale aufgewach-
senen Exemplars, dessen Kammern sehr in die Breite ausgewachsen sind.
9c. Ansicht der aufgewaclißenen Unterfläche eines Exemplars, bei welchem die anfäng-
lich regelmässig spiralige Anordnung der Kammern sehr frühzeitig einer ganz un-
regelmässigen Zusammenhäufung der jüngeren Kammern Platz gemacht hat.
10. Spirolocu-lina planulata Lmck. Seitliche Ansicht einer Schale von sehr regel-
mässigem Wachsthum.
11. Quinqueloculina secans d'Orb. Seitliche Ansicht der Schale.
12. Biloculina ringens Lam. Ansicht auf die vorletzte Kammer.
13. Dieselbe., Ansicht von vorn auf die Mündung, zeigt die in die MündungsöfFnung vor-
springende Zunge sehr deutlich.
Fig,
14. u. 15. Biloculina. Mündungen von zwei grossen, iJhilippinisclicn Exemplaren, mit
sehr entwickelter Zunge.
16. Junge Spiroloculina sp. mit 4 Kammern und 7 deutliclien Kernen.
17. Vertebralina striata d'Orb. Tyjjisches Exemplar.
18. Vertebralina (Articulina d'Orb.). Tertiärsand von Baltjik.
19. Vertebralina (Renulina Lmk.). Eocän von Hauteville.
2Üa — b. Hauerina d'Orb.
20 a. Seitliche Ansicht der Schale.
20 b. Die siebförmig durchlöcherte Mündungsplatte von vorn gesehen.
21. Fabularia d'Orb. Querschnitt der Schale, der das nach dem Typus der Biloculina
erfolgende Wachsthum gut zeigt. Die Kammern sind fast vollständig von solider Schalen-
masse ausgefüllt, durch welche anastomosirende Köhrchen ziehen (vergl. T. VIII, Fig. 2).
22. Spirolina (üntergcnus von Peneroi^lis). Seitliche Ansicht.
23. Spirolina. Eine der Kammerscheidewände von der Fläche gesehen. Sie zeigt ein
üebergangsstadium zwischen den isolirten Poren von Peneroplis und den zusammen-
flicssenden Spalten von Dendritina.
24. Dendritina. Letzte Kammerscheidewand eines Exemplars von der Fläche gesehen, zeigt
die eigenthümliche dendritische Gestaltung SeptalölTmiiig und zugleich die Abweichung"
der Querschnittsges'talt der jüngeren Kammern von den ontsprcclienden Verhältnissen bei
Peneroplis.
25. Triloculina (Cruciloculina) triangularis d'Orb. Recent. Küste von Südamerika.
Figg. 1—3 nach Archer (Qu. journ. micr. sc. N. S. IX); Fig. 4 Entz (Naturh. Hefte d.
Ungar. Nat.-Mus. I); Fig. 5 Cienkowsky (A. f. mikr. A. XII); Figg. 0 u. 7 M. SchuUze (Org.
d. Polyth.); Figg. S, 10—13 nach AVilliamson (Eec. Foraminif.); Figg. 14, 15, 17—19 u.
21—24 nach Carpenter (Introduct.) ; Fig. 16 (Hertwig (Jen. Zeitschr. X); Figg. 20 u. 25
D'Orbigny (for. foss. d. Vienne).
*
Rhizopoda.
Taf. IV.
.iih Anst.v.Werner 4. Winter.Frankrurl &A.
Erklärung von Tafel Y.
Fig.
1. Peneroi^lis. Ideale Darstellung des Schalenbaues dieser Gattung. Ein Theil der
Kammern ist durch Wegnahme der Wandungen einer Seite offen gelegt. Man sieht die
Poren in den Scheide\^änden zwischen den aufeinanderfolgenden Kammern und bemerkt
die Unterschiede in der Anordnung dieser Poren in den älteren und jüngeren Umgängen,
in Zusammenhang mit der Veränderung der Gestalt der Scheidewände.
2a u. b. Alveolina Quoyii d'Orb. Schale.
2 a. Aeussere Ansicht der Schale. Man bemerkt äasserlich längs verlaufende Furchen
auf der Oberfläche der Schale, deren Zwischenräume von feineren, secundären
Furchen, in zu den ersteren senkrechter Richtung, durchzogen werden. Die lang-
gestreckte Mündungsplatte wird von zahlreichen Poren durchbrochen , von welchen
die am äussern Eand stehenden kleiner und dichter gestellt sind. An ihren beiden
Enden verbreitert sich die Mündungsplatte sehr und hier ist die Zahl ihrer Poren-
reihen sehr vermehrt, doch ihre Anordnung weniger regelmässig. Vergr. ca. 15.
2 b. Querschnitt einer Schale dieser Art. Man erblickt die Unterabtheilung der spiralen
Umgänge in die Hauptkammern, angedeutet durch die Einbiegungen der äussersten
Lamelle bei a, a. Jede dieser Kammern wird durch die Lamellen d, d^ und d^ in
eine Eeihe übereinandergestellter Kämmerchen getheilt, welche sich an ihren Enden
in die radial gestellten Käume f f öffnen. Li jedem dieser Räume bemerkt man die
Oeffhungen (b, c) von zwei Kanälen, die sich in der ganzen Längenausdehnung der
Schale erstrecken und die gesammten, einer Primärkammer entsprechenden Räume
f mit einander in Communikation setzen. Vergr. ca. 20.
3. Orbitolites (complicirte Varietät) von den Samoa-Liseln. Der peripherische Theil der
Scheibe erhebt sich nach der einen Seite zu zahlreichen radialen Falten, die z. Th. in
Lamellen auswachsen. Vergr. ca. 40.
4. Orbitolites (complicirte Varietät). Ideale Darstellung eines Theils der peripherischen
Region einer Scheibe, i^ die untere Lage der äusseren kleineren Kämmerchen, die ent-
sprechende obere Lage ist z. Th. entfernt. Zwischen diesen beiden Lagen der äusseren
kleineren Kämmerchen bemerkt man auf dem Radialschnitt (h^) zwei geölihete Kammern
der mittleren Lage, wogegen dieselben auf den in verschiedener Höhe ausgeführten
Querschnitten bei c und c^ im Querschnitt geöffnet sind. Gleichzeitig bemerkt man auf
diesen Querschnitten noch die schiefen, in ihrer Richtung nach rechts und links ab-
wechselnden Röhrchen, welche die mittleren Kammern der aufeinanderfolgenden Cyklen
in Verbindung setzen und die auf dem peripherischen Rand in senkrecht übereinander
gestellten Porenreihen ausmünden (f). Bei h^ h^, h*, h* sind die circulären Röhren auf
dem Radialschnitt geöffnet, welche die mittleren Kammern je eines Cyklus in directe Com-
munikation setzen; die in dieser Weise geöffneten Circularröhren alterniren mit den
zwei Cyklen, deren mittlere Kammern auf dem Eadialschnitt geöffnet sind.
5a — b. Thurammina papillata Brady (recent). Vergr. ca. 25.
öa. Gewöhnliche, freie Form mit kurzem, die Hauptmündung tragenden Hälschen.
5b. Ein Theil der Schalenwandung weggebrochen; man erblickt eine in der grösseren
eingeschlossene kleinere Kammer (i).
6. Psammosphaera fusca F. E. Seh. (recent). Ein über eine Schwammnadel gewach-
senes Exemplar ; ein Theil der Schale ist weggebrochen, so dass man das Innere erblickt.
Vergr. ca. 25.
7. Pelosina rotundata Brady (recent). Exemplar in seitlicher Ansicht. Vergr. ca. 7.
8. Reophax difflugiformis Brady (recent). Exemplar in seitlicher Ansicht. Vergr,
ca. 35.
-Fig.
9, Marsipella granulosa Brady. Ein der Länge nach halbirtes Exemplar, zeigt den
Hohlraum und die Dicke und Textur der Schalenwandung. Vergr. ca. 10.
10. Ehahdammina linearis Brady (recent). Der Länge nach halbirtes Exemplar..
Vergr. ca. 10.
IL Astrorhiza limicola Sandahl (Haeckelina gigantea Bessels) recent. Ein Exemplar
in etwa 7 maliger Vergr. a die röhrenförmigen Fortsätze der centralen Scheibe, h die
nicht contractilen Fortsätze, c die Pseudopodien.
12. Astrorhiza (?) arenaria Carp. (recent). Ein geweihartig verästeltes Exemplar.
13a — 13b. Saccamina Carteri Brady. Kohlenkalk.
13 a. Eine einzelne Kammer, an beiden Enden geöffnet. Vergr. 2.
13 b. Ein aus 3 aneinandergereihten liammern bestehendes Exemplar, in nat. Grösse.
14. Keophax (Lituola) Soldanii d'Orb. (recent). In seitlicher Ansicht.
15. Hormosina ovicula Brady (recent). Li seitlicher Ansicht. Vergr. ca. 8.
16. Sagenella frondescens Brady, auf ein Korallenstück aufgewachsen (recent).
Vergr ca. 5.
17. Haplophragmium (Lituola) canariensis d'Orb. (recent). In seitlicher Ansicht.
18a — b. Lituola nautiloidea d'Orb. (recent).
18 a. Seitliche Ansicht eines Exemplars, an dessen jüngeren Kammern das Innere z. Th.
durch Abreibung biosgelegt ist. '
18 b. Eine Kammerscheidewand von zahlreichen Poren durchbrochen. *;
19. Placopsilina (Lituola) cenomana d'Orb. (fossil). Seitliche Ansicht eines Exemplars.
20. Ammodiscus (Trochammina P. u. J.) incerta d'Orb. (recent). Seitliche Ansicht.
21. Ammodiscus ? (Trochammina P. u. J.) charoides P. u. J. (recent).
22. Ammodiscus ? (Trochammina P. u. J.) gordialis P. u. J. (recent).
23a — b. Parke ria Carp. Oberer Grünsand von England.
23a. Ideale Darstellung der inneren Structur von Parkeria. Der obere horizontale
Querschnitt durch das Centrum der Kugel zeigt die allgemeine Anordnung der
concentrischen Lagen um die kegelförmigen Primordialkammern C^ — C*; ferner die
Unterbrechung der regelmässigen Abwechselung solider Lamellen und Zwischen-
räume, die von den radialen Fortsätzen durchzogen werden, durch die 4 dicken
Lagen P, 1'^, P und 1*. Die vertikale Fläche A zeigt die innere Oberfläche einer
Lamelle, welche durch concentrische Abspaltung freigelegt wurde, und an welcher
die konischen Radialfortsätze hängen geblieben sind. B gibt das Bild einer ähn-
lichen Abspaltung, welche durch die Eadialfortsätze gegangen ist, so dass deren
netzförmige Structur sichtbar geworden ist. C erläutert die netzförmige Structur
einer Lamelle, die an dieser Stelle concentrisch gespalten ist. D zeigt die äussere
Ansicht einer Lamelle, welche durch eine concentrische Abspaltung durch die
Eadialfortsätze freigelegt worden ist. E schliesslich gibt das Bild eines radialen
Durchschnitts, die Lamellen und ihre Zwischenräume schneidend. Vergr. ca. 2.
23 b. Theil der inneren Oberfläche einer Lamelle (stärker vergrössert) , welche durch
concentrische Abspaltung, die die Eadialfortsätze (rp) durchbrochen hat, freigelegt
wurde. Jeder Durchschnitt dieser Fortsätze zeigt mehrere grosse Oetfnungen , die
Eadialröhren. fl ist die solide, undurchbrochene Schalensubstanz, welche die laby-
rinthische Substanz der Lamelle gegen den Zwischenraum, der sie von der vorher-
gehenden Lamelle scheidet, auskleidet.
Figg. 1,2,4, 14 und 17 — 22 nach Carpenter (Introduction) ; Fig. 12 nach Cari^enter
(Quart, journ. micr. sc. Bd. 16); Fig. 3 Original; Fig. 5 — 6, 7 — 10, 15 und 16 nach Brady
(Quart, journ. micr. sc. 1879); Fig. U nach Bessels (Jen. Zeitschr. Bd. IX); Fig. 23 nach
Carpenter und Brady (Philos. Transact. roy. soc. 1869).
Rhizopoda.
Taf. V.
Liih.Ansl.Wern'eri Winter, Frankfurt*«
Erklärung von Tafel YI.
Fig.
1. A — E. Orbitolites Lmk.
A. Ideale Darstellung eines Individuums von einfachem Typus (Orbitolites complanata
Lmk.), so aufgeschnitten und durch Bruchflächen freigelegt, dass der innere Bau
deutlich hervortritt. Da, wo die natürliche Oberfläche erhalten ist, sieht man die
äusseren Andeutungen der concentrischen Ringe der querovalen Kämmerchen und
bemerkt auf dem schmalen Kreisrand der ganzen Schale die einfache äquatoriale
Reihe von Poren, durch welche allein die eingeschlossene Sarkode mit der Ausscn-
welt communicirt. Durch den angebrachten Medianschnitt ist im Centrum der Schale
die Embryonalkammer (a) und die dieselbe halbspiralig umfassende zweite Kammer
(b) biosgelegt, auf welche sogleich die concentrischen Ringe von Kämmerchen (c)
folgen. Letztere stehen sowohl in jedem Ring durch concentrische Kanäle unter sich
in Verbindung, als auch durch radiale mit denen des folgenden Ringes. Bei e e sind
die Kämmerchen durch den radialen Schnitt in halber Höhe geöfi'net, an der gegen-
überliegenden Seite, sind zwei in ihrer ganzen Höhe durchschnitten. Bei ff sind
die Kämmerclien durch eine concentrische Bruchfläche nur gestreift worden, jedoch
nicht völlig geöflnet, jedoch ist auf der Oberseite durch Wegnahme ihrer Decke ihre
Höhlung blosgelegt.
B. Hälfte eines radialen Durchschnitts durch ein Exemplar vom einfachen Typus. Die
dunkeln centralen Kammerhöhlungen sind die getroffene Embryonal- und die zweite
halbspiralige Kammer. Hierauf folgen die concentrischen Ringkämmerchen (e) mit
ihren radialen und ihren concentrischen (c) Communikationskanälen (sehr schematisch).
C. Aehnlicher Durchschnitt durch ein anderes Exemplar, den üebergang zum complexen
Typus zeigend, indem sich in den äusseren Ringen ein Zerfall der Kämmerchen in
drei Lagen, eine mediane und zwei oberflächliche bemerklich macht, ^"/j.
D. Durchschnitt durch ein Exemplar vom complexen Typus. Die mittlere Kammerlage
(i) hat sich in den äusseren Zonen von den beiden oberflächlichen (i^) noch schärfer
abgesetzt und nimmt die grössere Dicke der Schale ein. Ihre Kammern communi-
ciren mit einander durch eine grosse Zahl von Porenkanälen (c) , so dass nun auf
dem Scheibenrand zahlreiche Porenreihen sich finden, ^"j^.
E. Centraler Theil des Sarkodenkörpers von Orbitolites, der erkennen lässt, wie der erste
Ring von Kämmerchen von der zweiten halbspiraligen Kammer (b) seinen Ursprung
nimmt. ^*"/i.
2. A — E. Orbiculina adunca F. u. M. sp.
A. Ein junges Individuum mit wenigen, noch nicht umfassenden Kammern.
B. Ein 'erwachsenes Individuum, bei welchem die späteren Kammern die früheren voll-
ständig concentrisch umgreifen. Die Kämmerchenbildung in den einzelnen Kammern
deutlich zu sehen.
C. Horizontaler Durchschnitt durch ein grosses spirales Exemplar, bei welchem ein voll-
ständiges, concentrisches ümschliessen der Kammern nicht eingetreten ist.
D. Stück des Scheibenrandes des einfachen Typus mit nur einer Porenreihe,
E. Scheibenrand der Schale des complicirteren Typus, statt der einen Porenreihe finden
sich 3 — 4 und entsprechend vermehrte Communikationen zwischen den Kämmerchen
der Ringe.
Fig.
3. A — D. Cycloclypeus Carp,
A. Die äussere Oberfläche eines halben Individuums.
B. Radialer senkrechter Durchschnitt durch eine Schale; zeigt die einfache mediane
Kammerschicht (a) und die dicken lamellösen und perforirten Wandungen der
Scheibenflächen; die dünneren Wände, welche die Ifammern von einander scheiden
und die dieselben durchbrechenden schiefen, dicken Porenkanäle zur Comuiunikation
der Kammern der aufeinanderfolgenden Einge. Rechts ist ein horizontaler Schnitt
angelegt, auf welchem sich die cyklische Anordnung der Kammern erkennen lässt.
C. Schema einer einzelnen Kammer im Horizontalschnitt, a Kammerhöhle, b die benach-
barten Kammerhöhlen desselben Ringes , die von a durch je ein doppellam elliges
Septum getrennt werden ; c c^ und d d^ Kammerhöhlen des nächst äusseren und
inneren Ringes , von a getrennt durch die cyklischen Kammerwände e e und e^ e^,
jedoch in Communication mit der Kammerhöhle a durch die schiefen Kanäle f, f, f, f.
In den Septen zwischen a und b bemerkt man die Interseptalkanäle g, welche je
zwei Kanäle entspringen lassen, die die cyklischen Septen e e und e^ e^ schief durch-
setzen und mit den entsprechenden Interseptalkanälen in den Septen zwischen den
Kammern c c* und d d* sich verbinden. Von den Interseptalkanälen g scheinen directo
Communikationskanäle in die Kammerhöhlen zu fuhren, während bei g vertikale
Kanäle von ihnen ausgehen, die sich mit den benachbarten Interseptalkanälen desselben
Septums verbinden, h h und h^ h^ ist das Kanalsystem in den cyklischen Septen.
D. Ideale Darstellung eines kleinen Theils einer Scheibe von Cycloclypeus, die in ver-
schiedener Weise geöffnet ist, um die innere Structur darzustellen, a, a die aus über-
einandergelagerten Lamellen aufgebaute obere Scheibenwand , b, b die entsprechende
untere Scheibenwand; c, c die Kegel aus solider, nicht perforirter Schalenmasse, die
jedoch zuweilen von Zweigen des Kanalsystems durchzogen werden ; d, d, d die
äusseren Enden dieser Kegel, welche als Tuberkel auf der Scheibenfläche hervor-
ragen und von welchen Platten von ähnlicher, nichtperforirter Schalenmasse aus-
gehen (e), die als Fortsetzung der Septen die perforirte Schalensubstanz durchsetzen,
f f Communikationskanäle zwischen den Kammern in den cirkulären Septen im Durch-
schnitt, g g ebensolche, im Hintergrund der Kammerhöhlen sich öffnend ; h h Quer-
schnitte von Interseptalkanälen; i eine Kammer, in deren Wandungen das Interseptal-
kanalsystem in seiner ganzen Entwickelung dargestellt ist ; k k Verlauf der Haupt-
kanäle längs der Verbindungslinie zwischen der Kammerdecke und den vertikalen
Septen, Vergr. 60.
Sämmtliche Figuren nach Carpenter (Philos. Transact. 1S56).
Rhizopoda.
Taf. VT.
/■/;.//• /,
Druck V Jtl^fjfurlfi .£t'tft xi 1/
Erklärung von Tafel VII.
Vig.
1. Loftusia persica Brady. Tertiär von Persien.
Ein wenig vergrössertes Exemplar in verschiedener Weise angeschnitten , um die innere
Structur zu zeigen. A ein Querschnitt, auf dem die spiraligen Umläufe der äusseren
Kammerwand und die. von ihr nach Innen den Kammerraum in flachen Lagen durch-
ziehende labyrintliische vSchalensubstanz zu sehen ist. B ein horizontaler und C ein
vertikaler Längsschnitt, welche zeigen, dass die Umgänge sich allseitig umhüllen und
die labyriuthische Schalenmasse im Innenraum der Umgänge noch deutlicher erkennen
lassen.
2 — 22a. Eine Suite verschiedener Formen und Variationen von Lagena (einschliesslich Ento-
solenia), vorzüglich um die grosse Mannigfaltigkeit der Schalenskulptur und den grossen
Formenreichthum dieses Genus zu zeigen.
2. Lagena globosa Walk. sp. aus Crag von Antwerpen.
3. Lagena apiculata Reuss (Entosoleniaform). Septarienthon von Pietzpuhl.
4. Lagena vulgaris Will. Crag von Antwerpen.
5. Lagena tenuis Borne m. var. ornata aus dem Septarienthon von Pietzpuhl,
6. Lagena gracilis Will, recent.
7. L. striata d'Orb. aus dem Septarienthon von Pietzpuhl.
8. L. mucronata Kss. Septarienthon von Pietzpuhl.
9. L. acuticosta Ess. Kreidetuff von Mastricht.
lü. L. reticulata Macgill. sp. Crag von Antwerpen.
11. L. catenulata Will, recent.
12. L. hystrix Eeuss. Septarienthon von Pietzi3uhl.
13. L. (Entosoleuia).
14. L. (Entosolenia) marginata Montg. recent.
15. L. radiato -marginata P. u. J. recent. Australien.
16. L. crenata P. u. J. recent. Australien.
17. L. tubifero-squamosa P. u. J. fossil von Grignon. Der Schalenhals besitzt bei
dieser Form an seiner Basis meist 3 secundäre röhrenförmige Oeffnungen, die gewöhn-
lich rechtwinkelig von demselben entspringen.
18. L. (Entoselenia) squamosa Montg. Monströse Doppelbildung (recent).
19. L. pulchella Brady. Ansicht auf die Oeffhung (recent).
20. L. gracillima Seguenza sp. Eine doppelmündige Form (recent).
21. L. laevis Mont. Monströse Doppelbildung (fossil von Grignon).
22. Lagena, monströse Doppelbildung (recent).
22a. Ein Stück des seitlichen Kieles von Lagena (Entosolenia) marginata Montg., das
die eigenthümlichen in demselben befindlichen, kleinen, kämmerchenartigen Höhlen mit
nach Aussen mündendem Eingangskanal deutlich zeigt.
23a — b. Lingulina costata d'Orb. (Tertiär), a Ansicht von der schmalen Seite, b Ansicht
auf die Mündung.
24. Rimulina glabra d'Orb. (receut. Adriat. Meer). Ansicht von der breiten Seite.
25. Glandulina laevigata d'Orb. Tertiär. (Auch recent.)
26. Flabellina cor data Eeuss. Fossil.
27. Cristellaria (Robulina) echinata Sold. sp. Tertiär. (Auch recent.)
Fig.
28a. Globigerina bulloides d Orb. Ansicht eines Exemplars von unten, o die Oeffnung
der jüngsten, grössten Kammer. Man sieht den Sarkodeinhalt der Kammern sp und den
Kern (n), der in der 7. und 8. Kammer liegt.
28b — c. Basis und Spitze eines Globigerinenstachels.
29a — c. Globigerina.
29a. DünnschlifF einer sehr dickschaligen, typischen Tiefseeglobigerina. i die ursprüng-
liche jüngste Schalenwand, a äussere sogen, exogene Schalensubstanz, die eine Anzahl
der schon bei Lagena dargestellten, birnförmigen, nach aussen sich öffnenden Höhlen
enthält (h).
29 b. Konische oder wetzsteinförmige, krystallinische Kalkkörper, welche die exogene Schalen-
substanz einer solchen Globigerina zusammensetzen.
29 c. Stark vergrössertes Fragment der Schale einer ausgewachsenen Globigerina von Innen
gesehen, i die ursprüngliche, innerste Schalenlage, a die äussere, exogene Schalen-
substanz, g die weiten und k die feinen Porengänge in der Schale.
30. Orbulina universa d'Orb. Ein pelagisch gefischtes Exemplar mit erhaltenen Stacheln
(dieselben sind auf der linken Seite nicht ausgezeichnet). In der Kammerhöhle bemerkt
man eine Anzahl gleichfalls bestachelter und globigerinenartig angeordneter, kleiner
Kammern (junge Globigerine nach Pourtales, Keuss etc.).
31. üvigerina angulosa Will.
32. Bulimina Preslii Eeuss. Fossil.
33. Cassidulina serrata. Fossil.
34. Valvulina. (Bulimina-artige Form.)
35. Valvulina triangularis d'Orb. Recent. Ansicht auf den Apex der Schale.
36. Valvulina. (Clavulina-artige Form.)
37. Polymorphina Orbignii Zborzew. (tubulosa d'Orb.) Recent.
38. Eine dreizehnkammerige Rotalina von unten gesehen. Die Schale ist durch Behandlung
mit Essigsäure entfernt und der aus 2 etwas verschiedenen Theilen zusammengesetzte
Kern (n) durch Behandlung mit Osmiumsäure und Karminfärbung deutlich gemacht.
Fig. 1 nach Carpenter und Brady (Philos. Trausactions 1S69); Figg. 2 — 5 u. 7 — 12 nach
Reuss (Monogr. d. Gatt. LagenaV, Figg. 6, 13, 18, 31 u. 37 nach Williamson (Recent Forami-
nifera); Fig. 14 nach Kym. Jones (Transact. of Linn. soc. Bd. 30); Figg. 15 — 17 u. 21 nach
Parker u. Jones (Philos. Transact. 1865); Figg. 19 — 20 nach Brady (Ann. mag. nat. hist. 4. ser.
T. VI); Fig. 22 nach Alcock (Mem. of litt. a. phil. soc. of Manchester T. HI); Figg. 23—25
u. 27 nach d'Orbigny (Foraminif. foss. de Vienne); Figg. 26, 32 — 36 nach Carpenter (Intro-
duction); Figg. 28 u. 38 nach R. Hertwig (Jen. Zeitschr. Bd. XI); Fig. 29a — c nach Wallich
(North atlantic sea-bed); Fig. 30 nach Murray (Proc. roy. soc, Bd. 23).
Khizopoda.
Tar.VlI.
lirh.An«, Werner iWnter. Frankfurt -M
Erklärung von Tafel VIII.
Fig.
1. Cornuspira foliacea Phil. Junge, noch nicht ausgewachsene Schale in seitlicher
Ansicht.
2a — d. Fabularia discolithes Defr. Eocän.
2 a. Seitliche Ansicht in naturlicher Grösse.
2 b. Ansicht von vorn , man erblickt die von zahlreichen feinen Oeffnungen gebildete
Mündung.
2 c. Seitliche Ansicht.
2d. Medianer Durchschnitt eines Exemplars, zeigt die Biloculina-artige Anordnung der
Kammern und deren Ausfüllung durch solide Schalensubstanz, die nur feine, anasto-
mosirende Kanalräume zur Aufnahme der Sarkode offen lässt.
3a — c. Triloculina gibba d'Orb. Miocän (auch recent).
3 a u. c. Seitliche Ansichten.
3b. Ansicht von vorn auf die Mündung; zeigt deutlich den zungenartigen Vorsprung in
letzterer.
4a — c. Polymorphina communis d'Ürb. Miocän.
4a und c. Seitliche Ansichten.
4 b. Ansicht von vorn auf die Mündung, die strahlenartige Zeichnung um letztere deutlich.
5a — c. Textularia Mariae d'Orb. Miocän.
5 a. Ansicht von der schmalen Seite.
5 b. Ansicht von vorn in der Richtung der Axe.
5c. Ansicht von der breiten Seite.
6a — b, Cassidulina crassa d'Orb. Kccent.
6 a. Seitliche Ansicht.
6 b. Ansicht von vorn.
7. Zwei ganz junge Milioliden im lebenden Zustand mit hervorgestreckten Pseudopodien.
Das linke Exemplar mit der kugeligen Embryonalkammer und einer halben Windung,
das rechts mit der Embryonal- und einer vollständigen ersten Kammer.
8a — c. Anomalina variolata d'Orb. Tertiär (auch recent).
8 a. Von der apicalen Seite.
8 b. Von der schmalen Seite.
8 c. Von der basalen Seite.
9a— c. Globigerina bulloides d'Orb. Tertiär (auch recent).
9 a. Von der basalen Seite, zeigt nur die 4 jüngsten Kammern.
9 b. Von der Schmalseite.
9 c. Von der apicalen Seite, hier sind auch die jüngeren Kammern zu sehen.
lüa— b. Cristellaria (Robulina) ariminensis d'Orb. Tertiär.
10 a. Von der Schmalseite, o die Mündung.
10 b. Von der Breitseite, hier der peripherische Kiel sehr deutlich.
Flg.
IIa — b. Nummulites radiatus Ficht, u. M. Miocän (auch recent).
IIa. Ansicht von der Breitseite.
IIb. Von der Schmalseite.
12a — h. Dendritina elegans d'Orh. Miocän.
12 a. Von der Breitseite.
12 b. Von der Schmalseite.
13a — b. Pavonina flabelloides d'Orb. (recent).
13 a. Von der abgeplatteten Seite.
13 b. Ansicht der von zahlreichen Oeffnungen durchbrochenen Mündungsfläche.
14a — e. Nodosaria Bacillum Defr.
14a — b. Zwei Exemplare in seitlicher Ansicht.
14 c. Anfangstheil eines Exemplars, stärker vergrössert.
14d. Endtheil eines Exemplars, stärker vergrössert.
14e. Letzte Kammer, von der Mündungsfläche betrachtet.
15a — c. Frondicularia annularis d'Orb.
15 a. Von der abgeplatteten Seite.
15 b. Auf die Mündungsfläche, und
15 c. von der schmalen Seite gesehen.
16a — c. Orbitolites (Cyclolina) cretacea d'Orb.
16 a. Von der Breitseite.
16 b. Von der Schmalseite.
16c. Ein kleiner Theil des Scheibenrandes, stärker vergrössert. 16a und b ^/j.
17. Acervuline Planorbulina (Acervulina M. Seh.). Ein Haufen Kammern in unregel-
mässiger Weise auf einer Coralline aufgewachsen. Vergr. ca. 72,
Figg. 1, 7 und 17 nach M. Schnitze (Org. d. Polyth.); die übrigen Abbildungen nach
d'Orbigny (Foraminif. foss. de Vienne) und 2 a — d nach d'Orbigny (Annales des sciences
natur. T. 7).
liliizopoda.
Tar. VIII
Liih II Dr V AucjKiirth. Leipxtg-
^■^p^
Erklärung von Tafel IX.
fig.
1. Globigcrina (Hastigerina) Murrayi W. Tlionis. Ein pelagiscli gefischtes Exemplar
mit erhaltenen Stacheln nnd ausgestreckten Pseudopodien, s die Schale, a der dieselbe
ähnlich wie bei den Radiolarien umhüllende Alveolenmantel.
2a — b. Carpenteria. (Recent.)
2a. Ein auf einer Pectcnschale fcstgewachsenes Exemplar, bei welchem die Kammern
des letzten Umgangs so sehr divergiren, dass sie in hohem Grad von einander ge-
trennt erscheinen, a Oeffnung der Centralhöhle, in welche die einzelneu Kammern
einmünden.
2 b. Querschnitt eines sehr flachgedrückten Exemplars, nahe unter der Mündungsölfnung.
a Durchschnitt der Centralhöhle, in welche die Kammerräume (k, k', k") eiuzeln ein-
münden, wie bei b und c direct zu sehen ist. k' letzte und k" vorletzte Kammer;
d— d'^ vollständige Septen, welche die Hauptkammern trennen, in diesen sieht man
bei g und g^ Theile des Kanalsystems.
3a— b. ßotalia Schroeteriana P. u. J.
3 a. Seitliche Ansicht der Schale.
3b. Schlilf parallel der Windungsebene, stärker vergrössert ; derselbe zeigt das Kanal-
system z. Th. sehr deutlich.
4. Cymbalopora Poyei d'Orb. sp. in seitlicher Ansicht.
5. Pulvinulina vermiculata d'Orb. von der oberen Seite gesehen,
(j. Disco rbina vesicularis d'Orb. von der oberen Seite gesehen.
7. Calcarina Spengleri Gmel. Ideale Darstellung zur Erläuterung des inneren Baues.
Durch Anlegung von Schnitiflächen in verschiedener Richtung und Abtragung eines
grossen Theils der secundär aufgelagerten Schalenmasse ist die Kammerspirale zum
grösseren Theil blosgelegt (b, b). Bei a^ a^, a* sieht man die Kammerhöhlen der auf-
einanderfolgenden Umgänge im Durchschnitt und bemerkt, dass jede Kammer von einer
besondcron dünnen Wand umkleidet ist. Bei d sieht man das sogen. Zwischenskelet im
Durchschnitt und bemerkt dessen allmähliche Zunahme an Dicke an den jüngeren Um-
gängen. Bei d^ sind auf dem Durchschnitt die, die Kammern der aufeinanderfolgenden
Umgänge in Communikation setzenden Kanäle zu sehen, während ähnliche Kanäle
das gesammte Zwischenskelet durchsetzen und äusserlich frei ausmünden, f sind die
armartigen Auswüchse des Zwischenskelets, von einem dichten Kanalnetz durchzogen.
Bei e^ nimmt man im Durchschnitt kegelförmige Partien von nichtkanalisirter, solider
Schalensubstanz in der äasseren Auflagerungsmasse der Schale wahr, die auf der Ober-
fläche in Gestalt von Tuberkeln sich erheben (e).
8. Planorbulina mediterran ensis d'Orb. Ansicht auf die untere Seite. Die bei
diesem Geschlecht sehr weiten punktförmigen Porenöffnungen sind deutlich bemerkbar
(recent).
Fig.
9a — b. Patellina corrugata Will, (recent).
9 a. Ansicht der Oberseite ; an der Spitze eine Centralkammer und eine diese umgreifende
zweite Kammer, ähnlich Orbitolites. darum ringförmig geordnete Keihen von
Kämmerchen.
9b. Ansicht der Unterseite. Man bemei](t die centripetalen Verlängerungen der Käm-
merchen und eine die Nabelhöhle ausfüllende secundäre Auflagerung von Schalen-
substanz.
10. Innere Cuticula eines Theils einer Kammer von Discorbina Turbo d'Orb. mit den
davon ausgehenden röhrenförmigen Cuticularhäutchen der Porenkanäle (b); c solche
Köhrchen von der Fläche gesehen (nach Entfernung des Kalks durch Säure). Vcrgr.
ca. 200.
IIa — b. Polytrema miniaceum L.
IIa. Schön entwickeltes, reich verästeltes Exemplar aus dem Mittelmeei'. Vergr. ca. 12.
IIb. Kleiner Theil des Randes eines QuerschlifTs des Stammes; man bemerkt eine Anzahl
tibereinandergclagcrter Lamellen mit ihren säulenförmigen , hohlen Einsenkungen (s).
die sich auf die unterliegende Lamelle aufstützen. Bei o OefFnungen , die sicli an
der Basis dieser Säulen häufig finden und in das Lumen derselben führen.
12. Involutina liasina Jon. sp. (Lias). Exemplar in seitlicher Ansicht. Vergr. ca. lü.
13a — b. Archaeodiscus Karre ri Brady. Kohlenformation.
13 a. Seitliche Ansicht eines Exemplars. Vergr. ca. 16.
13b. Querschlift' eines Exemplars, sowohl die feinen nummulitenartigen , als die gröberen
Porenkanäle zeigend, ebenso wie die Unregelmässigkeit der Spiralen Aufrollung.
Vergr. ca. 38.
14. Pullenia bulloides d'Orb. Ansicht auf die Mündungsfläche. Tertiär.
15. Sphaeroidina austriaca d'Orb. Seitliche Ansicht. Tertiär.
16. Endothyra crassa Brady. Ansicht auf die Mündungsfläche. Kohlenformatiou.
17. Bradyina rotula Eichw. Ansicht auf die Mündungsfläche. Kohlenformation.
Fig. 1 nach Murray (Proc. roy. soc. Bd. 23); Figg. 2 — 7 und 9 nach Carpenter (Intro-
duction); Fig. S nach Williainson (Eec. Foramin.); Fig. 10 nach Kölliker (Icones liistiolog
O"
\-
Fig. 11 Original; Fig. 12 nach Bornemann (Zeitschr. d. deutsch, geol. Gesellsch. Bd. 26);
Fig. 13 nach Brady (Palaeontolog. soc. 1876); Figg. 14—15 nach d'Orbigny (Foram. foss. de
Vienne); Figg. 16 und 17 nach v. Möller (Mem. acad. St. Petersb. 7. s. T. 25).
Rhizopoda.
Taf.IX.
3 a.
***** .^*** _*J'^>
.» "»
Lilh.Anst Werner i. Winler, Frankfurt ?A.
Erklärung von Tafel X.
Fig.
la — c. Ami)liistc'gin a (Juoyii d'Orb. (^Eecent.).
1 a. Ansicht der oberen Fläche.
Ib. Ansicht der unteren Fläche.
1 c. Seitliche Ansicht auf die Müudungsfläche.
2. Steinkern einer Amphistegina , an welchem man die fast vollständige Abtrennung der
seitlichen Kammerflügel von den Hauptlsammern auf der Unterseite bemerkt. Mit den
letzteren stehen sie nur noch durch die schmalen Verbindungen (a) in Zusammenhang
und erscheinen als zwischengeschobene sogen. „Astrallappen".
3. Vertikaler Schliff einer Ami^histegina. Bei a a bemerkt man die Kammerflügel der Ober-
und bei a^ a^ die der Unterseite. Bei b und b^ tritt der obere und untere Knopf der
Nabelgegend, der aus solider, nichtperforirter Schalenmasse besteht, hervor, gleicher
Weise sind auch die peripherischen Eandtheile der spiraligen Kammerwand bei c^ und
c** gebildet, f Septalöffnung. i scheinbare üntertheilung der betreffenden Kammer, her-
rührend vom Durchschnitt eines Septums, da diese hier sehr schief zum Radius der
Umgänge verlaufen.
4a — e. Op erculina.
4 a. Eadialer Durchschnitt durch eine kleine Operculina; derselbe zeigt die allgemeine
Anordnung des Kanalsystems und den grossen Unterschied in der Dicke der Kauimer-
wände des letzten und vorletzten Umgangs.
4b. Ideale Darstellung einer Operculina, deren innerer Bau durch in verschiedener
Richtung gelegte Schnitte sichtbar gemacht ist. a, a, a der Dorsalstrang, der bei
a* quer durchschnitten ist und hier die ihn durchziehenden Kanäle im Querschnitt
zeigt , während sie bei a'^ a^ in der Fläche und bei a^ a^ im horizontalen Durch-
schnitt blosgelegt sind, b b die äussere Oberfläche der Kammern, welche durch die
hervortretenden Septalbänder auch äusserlich markirt werden, c c Kammerhöhlungen
des äusseren Umgangs, deren Flügel sich bei c^, c* über den vorliergehenden Um-
gang nach dem Centrum der Schale ausdehnen, d d die Septa, die von 2 Lamellen
zusammengesetzt werden, zwisclien denen das Kaualsystem liegt, dessen Verlauf bei
g deutlich zu sehen ist. Die beiden Hauptstämme eines Septums entspringen aus
den beiden Spiralkanälen (li) und die feinen Endzweige der Septalkanäle münden
äusserlich zu beiden Seiten der Septalbänder aus. Auch die bei i im Durchschnitt
gesehenen Tuberkel nichtperforirter Schalensubstanz, welche die Septalbänder bilden,
sind häufig von Zweigen des Kanalsystems durchsetzt, e Septalöffnung, f secundäre
Oeffnungen in den Septen..
4c. Theil eines tangentialen Durchschnitts, der ein sehr schönes Bild des Kanalsystems
gibt, a^ a^ Dorsalstrang von zahlreichen, netzförmig zusammenhängenden Längs-
gcfässen durchsetzt, h, h Spiralkanäle, von denen die in die Septen eingehenden
Gefässe g, g ihren Ursprung nehmen, i i Kegel von nichtperforirter Schalensubstanz,
da wo die Septen in die Kammerwände übergehen, während letztere sonst von fein-
perforirter Schalenmasse (k, k) gebildet werden.
4d u. e. Fragmente der perforirten Schalensubstanz einer Operculina bei starker Vergrösse-
rung (250), die Zusammensetzung derselben aus Säulchen, die von je einem Porenkanal
durchbohrt werden, zeigend.
5. Ausgewachsenes Exemplar von Heterostegina. a, b, c der verdickte peripherische
Rand des letzten ümfangs, d Gegend des Umfangs, wo die Scheidewände offen liegen.
Vergr. ca. 2^1^.
6a — c. Polystomella craticulata F. u. M. sp.
6 a. Seitliche Ansicht eines Exemplars.
6 b. Eadialer Durchschnitt, a, a^ a^ Durchschnitte von Kammerhöhlungen. 1,1, 1*, P
exogene Schalenmasse , die hauptsächlich die Nabelhöhle völlig erfüllt , e, e, e^ e^
Durchschnitte der Spiralkanäle.
Gc, Steinkern, e e Spiralkanal der einen Seite in nahezu völligem Verlauf, d, d die
von ihm ausgehenden, am peripherischen Rand der Scheidewände verlaufenden
sogen. ISIeridionalkanäle ; f die von letzteren abgehenden zahlreichen Kanälchen,
durch welche die Meridionalkanäle mit den beiden sie überlagernden Kammern des
folgenden Umgangs in Communikation treten, wie dies bei c^, c^ zu sehen ist.
s Stolonen, welche die Porenöffnungen der Septen durchsetzen ; *) k blindsackförmige,
peripherische Fortsätze der Kammerhöhlungen nach hinten zu.
Fig. la — c nach d'Orbigny (Ann. sc. nat. T. 7), die übrigen Figuren nach Carpenter
(Introduction).
*) Fälschlich gleichfalls blau angedeutet.
1
Rhizopoda.
Taf.X.
j*-^
LUh. Anst WerherÄr Winur Trankfurt *A.
Erklärung von Tafel XI.
Fig.
1 u. 2. Polystomella strigilata F. u. M. sp. , nach M. Schnitze (Organ, der Poly-
thalamien).
1. Stellt eine Schale in der Ansicht auf die Mündungsfläche dar; am inneren Band der
letzten Kammerscheidewand (der Mündungsfläche) bemerkt man die Septalöifnungen (o)
zum Durchtritt der Sarkode. Die punktförmigen Gebilde auf der Mündungsfläche
sind keine Porenöff'nungcn, wie Schultze annahm, sondern aach Carpenter solide
Tuberkel. Yergr. 72.
2. Ein lebendes Thicr mit zahlreichen hervorgestreckten Pseudopodien , welche jedoch
nur in der unteren Hälfte vollständig dargestellt und in Bezug auf die Vergrösserung
der Schale (72) um das 3 — 4 fache verkürzt gezeichnet sind. Die Pseudopodien zeigen
lebhafte Körnchenströmung , hier und da eine Zusammenlegung zu kegelförmigen
Bündeln und an einigen Stellen Verschmelzung zu Sarkodeplatten. Auf der Schale
bemerkt man die centrale Ablagerung von solider Schalenmasse in der Nabelgegeud;
die eigenthümlichen ([ucren Kippen auf den Grenzen je zweier Kammern , in welche
blindsackförmige Verlängerungen von dem hinteren Eand der Kammern aus eintreten
und die zwischen diesen Kippen gelegenen spaltartigen Vertiefungen, die jedoch keine
in die Kammerhöhlungen führenilen Spalten darstellen . wie M. Scliultze fälschlich
annahm.
Rhizopoila
Taf. XI.
r.l'oik fec.
Ih'U-ck a ~i'uf- h'ilpiJt-, l/eijixi,^.
Erklärung von Tafel XII.
Fig.
la — b. Num mulitcs distans Desh. Naturliche Grösse.
1 a. Ansicht von der flachen Seite; die obere Hälfte ist in der Medianebene aufge-
schnitten, um die spiralen Umgänge der Kammern zu zeigen.
Ib. Querschnitt der Schale.
2. Nummulites Meneghinii d'Arch. Querschnitt der Schale in 2facher Vergr., die
lichten Kadialstriche sind die Säulchen von nichtperforirter Schalensubstanz.
3a — c. Nummulites ßamondi Defr.
3 a u. b. Ansicht in natürlicher Grösse, a von der schmalen und b von der breiten Seite.
3 c. Hälfte einer Schale vergrössert und das rechte Viertel in der Medianebene durch-
schnitten. Auf der linken Hälfte bemerkt man die für die Gruppe der Radiaten z. Th.
charakteristischen Eadiärstreifen.
4a — b. Nummulites granulosa d'Arch. (Assilina d'Orb.). 4a Ansicht von der flachen
und 4 b von der schmalen Seite. Nat. Grösse.
5. Nummulites mammillata d'Arch. (Assilina d'Orb.). Ansicht von der flachen Seite,
rechts oben z. Th. im medianen Durchschnitt; Vergr. 2.
6. Nummulites Lucasanus (?) Defr. Sehr stark vergrössert und durch einen Quer- und
Medianschnitt so geöffnet, dass der innere Bau deutlich wird, a der Dorsalstrang mit
seinem Kanalsystem im Quer- und a^ im Horizontalschnitt; b die Kammerscheidewände
mit ihrem Kanalsystem ; c die geöffneten Kammerhöhlen; d feinperforirte Schalensubstanz;
e Kegel von nichtperforirter Schalensubstanz. Exemplar von Kressenberg in Oberbaiern.
7. Nummulites garansensis Leym. Ein Thcil der Schale z. Th. so aufgebrochen,
dass die äussere Fläche eines inneren Umgangs freigelegt ist. Man sieht auf demselben
bei b^ b^ die seitlichen Flügelverlängerungen der Kammerscheidewände , die sich durch
zahlreiche secundäre Scheidewandbildungen so mit einander netzförmig verbinden, dass
eine grosse Anzahl secundärer Kämmerchen gebildet wird.
8. Nummulites laevigata Lmk. Kleinerer Theil eines Radialschnitts, auf welchem die
Porenkanäle in den perforirten Theilen der Kammerwände (d^) sehr deutlich hervor-
treten , im Gegensatz zu den dazwischengeschalteten Säulchen von solider Schalenmasse
(e) und dem, von dem Kanalsystem durchsetzten Dorsalstrang a. f sind die beiden
randlichen Hauptstränge des interseptalen Kanalsystems in dem hier erhaltenen Septum,
dessen Mündungsöffnung bei c zu bemerken ist.
9. Nummulites laevigata Lmk. Tangentialer Schnitt durch einen kleinen Theil der
Schale. Man bemerkt die medianen Hauptkammerhöhlungen b und in den dieselben
trennenden Septen die Durchschnitte der Interseptalkanäle f; d perforirte Masse der
Kammerwände zwischen den mehrfachen Lagen secundärer Kämmerchen; e Säulchen
von nichtperforirter Schalensubstanz, die von den Septen der medianen Kammern ent-
springen und sich bis zur Oberfläche durch die gesammte Zahl der sich umfassenden
Kammerwände hindurch fortsetzen.
lü. Nummulites laevigata Lmk. Kleiner Theil eines dünnen Medianschnitts, auf dem
der Dorsalstrang a mit seinem Kanalsystem und die Scheidewände b mit ihrem Inter-
kanalsystem (f) deutlich hen'ortreten.
Fig.
11. Fusulina longissima v. Moll. (Kolilenformation). Ansicht auf die Mündungsfläclie,
die Mündung ist bei m deutlich zu sehen. Bei s ist die äussere Schalenw^and abge-
rieben, so dass hier die wellenförmig leerlaufenden Septen freigelegt sind.
12. Fusulina montipara Ehrbg. (Kohlenformation). Ansicht auf die Mündungsfläche.
13. Exemplar derselben Art, mit theilweis verloren gegangener Aussenwand der Schale, so
dass die Septen zu sehen sind, wie auch ein die Lage der Septalöffnungen bezeichnender
Mittelstreif.
14. Fusulina Bocki v. Moll. Aequatorialer Querschlid'; o die Embryonalkanimer und s
die in die äussere Schalenwand eingekeilten Septen.
15. Theil eines Radialschliffes der Schale von Fusulina montipara Ehrbg. o die Em-
bryonalkammer und bei n die netzförmige Verzweigung und Verbindung der Septen
untereinander deutlich.
16a — b. Orbitoides (Discocyclina Gümb.) dispansa Sowb. (Tertiär), a Ansicht von der
Flachseite, b von der Schmalseite. Natürl. Grösse.
17. Orbitoides (Asterocyclina Gümb.) priabonensis Gümb. Ansicht von der Flachseite.
Natürl. Grösse.
18. Orbitoides (Asterocyclina) Stella Gümb. (Tertiär). Ansicht von der Flachseite.
Vergr. 5.
19. Orbitoides (Actiiiocyclina) variecostata Gümb. (Tertiär). Ansicht von der Flach-
seite. Natürl. Grösse.
20. Orbitoides papyracea Boubee sp. Ideale Darstellung eines kleinen Theils der
Scheibe bei stärkerer Vergrösserung. a a die Höhlen der Mediankammern mit ihren Com-
munikationsöffnungen (c); d die schiefen Communikafionsgänge zwischen den secundären
Kämmerchen der Aussenlagen; ee Kegel von nichtperforirter Schalenmasse, mit dem
sie durchziehenden Kanalsystem •, h Kanalsystem in den Wandungen der Mediankamniern.
Vergr. ca. 45.
21. Orbitoides papyracea Boubee sp. Ideale Darstellung eines Theils der Scheibe
eines E.\emplars, das sowohl durch einen Quer- als durch einen horizontalen Durchschnitt
geötfnet worden ist. Man bemerkt die mediane Lage der Hauptkammern (a) und die
dieselben überdeckenden Lagen von Kämmerchen (b). Im Horizontalschnitt ist die An-
ordnung der medianen Kammern in der Fläche zu sehen. Vergr. nahe 20.
22. Horizontaler Durchschnitt durch die Kammern der medianen Lage von Orbitoides
Mantelli Morton sp. Man sieht einige Kammern zweier Kinge in ihrer alternirenden
Stellung und bemerkt die schiefen Communikationsgänge (a b) zwischen den einzelnen
Kammern der verschiedenen Einge, sowie eine Andeutung ähnlicher Communikationen
zwischen den Kammern desselben Ringes bei a^. h Kanalsystem. Vergr. ca. 30.
Figg. 1 — 5 u. 7 nach d'Archiac u. Haime (Descr. d. anim. foss. de l'Inde); Figg. 8 — 10
u. 20 — 22 nach Carpenter (Introduction); Fig. 6 nach Zittel (Handbuch der Palaeontologie) ;
Figg. 11 — 15 nach v. Möller (Mem. Acad. St. Petersb. 7. ser. Bd. 25); Figg. 16—19 nach
Gümbel ^Abh. d. bair. Akad. Bd. 10).
Rhizopoda.
TafXlI.
Liih.Anst »Werner tWinterFrarikfurl*;".
Erklärung von Tafel XIII.
I'!g.
Orbitoidcs (Asterocycliiia) stellata d'Arcliiac (Tertiär). Ansicht der abgeplatteten
Fläclic. Vergr. 5.
2a — b, Tinoporus vesicularis P. u. J. (Reccnt),
2a. yVeiisserc seitliclie Änsiclit eines konischen Exemplars. Vergr. ca. 10.
2 b. Idcah; Darstellung eines Idcincn Tlicils des Inneren, um den inneren Bau za zeigen.
Die kleinen, in grosser Zahl übcrcinandergelagertcn Kammern stehen durch grössere
Oeffnungen (a) in ihren vertikalen Scheidewänden und durch zahlreiche feinere
Poren, welche die siebförmigen , horizontalen Scheidewände (b) durchlöchern, in
Verbindung.
3, Tinoporus baculatus Defr. (Rccent). Ein langstrahliges Exemplar von der Breitseite
gesehen. Vergr. ca. 15.
4 — 7. Zur Orientirung ilber die Organisation der sogen. Da c tylop orideen , bis vor
Kurzem fast allgemein für Foraminifera in Anspruch genommen , jetzt hingegen als
Kalkalgen erkannt.
4. Dactylopora (Haploporella Gümbcl) eruca P. u. J. (Recent). Ansicht von der
Flachscite; man bemerkt am concaven Innenrand die Mündungen (o) der vermeint-
lichen Kämmerchen. (Wahrscheinlich nur aus dem Zusammenhang gelöstes Stuck
eines Eingglicdes.) Vergr. 1 5.
5a u. b. Dactylopora (Haploporella Giimb.) annulus P. u. J. (Tertiär).
5a. Zwei zusammenhängende Kiugglieder, Kalkhüllen der äusseren, ringförmig
geordneten Zellen der Alge (von der schmalen Seite gesehen).
5 b. Ansicht eines solchen Ringes von der Breitseite. Vergr. ca. 25.
6. Dactylopora (Dactyloporella Gümb.) cylindracca Lmk. (Tertiär). Ein Exemjjlar
von einfachstem Bau, nahezu 10 Mal vergr.
7. Theil eines Längsdurchschnittes durch eine Dactylopora cylindracea Lmk. Der
weite röhrenförmige Hohlraum wird nach Munier-Ciialmas im Leben von der Central-
zelle ausgcfiilit, nach früherer Auffassung war derselbe von Sarkode erfüllt. Bei a, a,
sind die ringförmig geordneten sogen. Kammerhöhlungen Carpcntcr's im Durchschnitt
blossgelegt, nach M.-Ch. zur Einlagerung der Sporangien dienend. Die Kanäle d, d
dienten zur Einlagerung einer äusseren Lage langgestreckter Hüllzellen, wogegen die
von dem ringförmigen Hohlraum (b, b) in die Centralhöhle führenden kurzen Kanäle
zur Einlagerung einer inneren Schicht solcher Hüllzellen dienten. Vergr. ca. 25.
S. Ideale Darstellung des Baues von Eopzoon canadense nach der Auffassung von Carpenter
und Dawson. Die Figur stellt ein kleines, durch die Anbringung mehrerer nach ver-
schiedenen Richtungen geführter Schnitte aus einer Eozoonmassc ausgeschnittnes Stück
dar. Dasselbe zeigt drei Kämmerchenlagen (k, k), die hier hohl dargestellt, im natür-
lichen Verhalten dagegen mit Serpentin erfüllt sind. Direct umkleidet werden diese
Kämmerchen von der sogen, feinporösen, eigentlichen Kammerwand (k'), der feinfaserigen
Chrysotillage der Gegner. Zwischen die Kämmerchenlagen mit ihren Kammerwänden
eingeschoben findet sich das sogen. Zwischenskelet (sk) (die Kalkschichtcn), welches von
dem verästelten sogen. Zwischenkanalsystem (c) durchsetzt wird. Bei v finden sich weitere,
stolonenartige Communikationen zwischen benachbarten Kämmerchen und ebenso bei st
ähnlliche stolonenartige Kanalräume, die sich durch das Zwischenskelet von der einen bis
zu der gegenüberliegenden Kammerwand erstrecken.
rig.
9. Stromatopora tuberculata Nich. (Corniferous limestoiie). Kleines Stück in ungcföhr
natürlicher Grösse; zeigt deutlich die wellenförmig in Tuberkel sich erhebende Ober-
fläche, welche rauh und granulirt erscheint. Die verwitterte seitliche Bruchfläche dagegen
gibt eine Vorstellung von der lamellösen Zusammensetzung des Ganzen.
10. Theil eines VertikalschliflTs einer sogen. Stromatopora striatella d'Orb. Man bemerkt sehr
deutlich die ziemlich regelmässig geordneten Lamellen (1) und die sie trennenden Inter-
lamellarräiime (il). Zwischen den aufeinanderfolgenden Lamellen sind die Pfeiler (pf)
ausgespannt. Yergr. ca. 18.
IIa — e. Vampyrella lateritia Fres. sp. (spyrogyrae Cienk.).
a. Kriechendes Exemplar ; v nichtcontraktile Vacuolen , N grünliche Nahrungskörper,
wahrscheinlich aufgenommenes Chlorophyll. Vergr. ca. 900.
b. Ein in Nahrungsaufnahme begriffenes Exemplar, saugt eine Spirogyrazclle aus,
f der Lihalt der Zelle, der im Begriff ist, in die Vampyrella überzutreten; N dem
Vampyrellakörper schon einverleibte Chlorophyllkörner. Vergr. ca. 180.
c. Eine Verdauungscyste mit viergetlieiltem Inhalt (Zellzustand nach Cienkowsky) ; einer
der Sprösslinge im Heraustreten begriffen ; z sogen. Zellhaut, N ausgeschiedne, unver-
daute Nahrungsreste. Vergr. ca. 270.
d. Aehnliche Cyste mit weiter herausgetretnem Sprössling. Vergr. ca. 270.
e. Ruhezustand (mehrhüllige Cyste); z sogen. Zellhaut, c warzige Cystcnhaut, N aus-
geschiedne Nahrungsreste. Vergr. ca. 250.
12a — b. Vampyrella pendula Cienk.
a. Euhezustand (mehrhüllige Cyste), s sogen. Schleier (gallertige Hüllschicht?), z Zellhaut,
st sticlförmiger Fortsatz der Zellhaut, c Cystenhaut, N Nahrungsreste. Vergr. ca. 820.
b. Verdauungscyste (Zeilzustand nach Cienkowsky), st der starre Fadenstiel, s Schleier,
N Nahrung. Vergr. ca. 320.
13a — b. Vampyrella gomphon cm atis Hack.
a. Zwei Gomphoncmazellon von einer Vampyrella überzogen, die in das Innere derselben
einzudringen beginnt. Vergr. 350.
b. Encystirtes E.xemplar, in 4 Sprösslinge (Tetrasporen) zerfallen ; z Cystenhülle, o Stiel-
ende der Gomphonema, auf welchem die Cyste aufsitzt und das in die Cystenwand
eingebettet ist. Vergr. ca. 420.
14a — b. Myxastrum radians Hack.
a. Eine kieselschalige Specialcystc (Spore), durch radiale Zerklüftung und nachträgliche
Encystirung der Theilprodukte des Mutterorganismus hervorgegangen. Der Sarkode-
inhalt (k) im Begritf auszuschlüpfen, c Specialcystenhüllc (Sporenscliale). Vergr. ca. 350.
b. Der aus einer Specialcyste ausgeschlüpfte Sprössling, welcher auf seiner ganzen Ober-
fläche zahlreiche Pseudopodien entwickelt und dadurch eine dem Muttcrorganismus
sehr ähnliche Gestalt erlangt hat. Vergr. ca. 350.
Fig. 1 nach Gümbel, Abb. d. bair. Akad. X; Figg. 2 — 7 nach Carpcutcr, Inlroduction ;
Fig. 8 nach Carpenter, Ann. m. n. h. IV. 13; Figg. 9 u. 10 nach Nicholson, Journ. Linnean
soc. Zoolog. Vol. XIV; Fig. IIa nach Hertwig u. Lesscr, Arch. f. m. An. X, Supplem.;
Figg. IIb — e u. 12 nach Cienkowsky, A. f mikr. An. I; Figg. 13 — 14 nach Häckel, Jenaische
Zeitschr. IV.
Rhlzopoda u. Heliozoa,
Taf. Xm.
2a
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IIb
M-a.
LithJjiSl V Werners mnier, Trankfiiri-^Ji.
e
Eildäiuiig von Tafel XIV.
Fig.
la — b. Nuclearia delicatula Cieuk. (Heteroplirys variaus F. E. Schulze).
a. Ein nacktes, kriecliendes Thier mit 4 sichtbaren Kernen (n) und einer Anzahl con-
tractiler Vacuolen (cv) in der Randpartie , nebst 2 als Nahrung aufgenommenen Dia-
tomeen (N). Vergr. 300.
b. Ein von einer GallerthüUc (g) umschlossnes Thier mit vielen dunklen Körnchen und
einigen Nahrungskörpern. Vergr. 200.
2a— b. Nuclearia simplex Cienk.
a. Eine Cyste mit doppelter Hülle , z äussere , c innere Cystenhulle. N unverdaute
Nahrungsreste, die vor Bildung der innern Specialcyste ausgestossen wurden.
b. Eine ähnliche Cyste, deren Inhalt sich jedoch vor der Bildung der Specialcyste vier-
getheilt hat.
a. Eine Kolonie der Monobia confluens Aim. Schneider. Vergr.'?
4. Lithocolla globosa F. E. Schulze. Vergr. 400.
5. Elaeorhanis cincta Greelf. Mit vorzüglich aus Diatomeenschalen aufgebauter loser
Hülle; 0 gelbe öltropfenartige Kugel. Vergr. ca. 520.
6a — b. Actinolophus pedunculatus F. E. Seh.
a. Gewöhnliches, nicht encystirtes Exemjjlar. n der excentrisch gelegene Kern ; k das
Centralkorn der Markmasse; p der Stiel. Vergr. ca. 270.
b. In Encystirung begriffnes Exemplar ; z die Lage von Kieselplättchen, die sich auf der
Gallerthülle bildet und die sich auch auf den Stiel fortsetzt. Kern (ii) zu zweien
vermehrt; p Stiel, in dem die zarten Fäden bis zu dem Protoplasmakörper des Thieres
zu verfolgen sind. Vergr. ca. 480.
7a — d. Actin ophrys sol. Ehrbg.
a. Ein Exemplar, das die vacuolisirte ansehnliche Eindenschicht (R, Ectosark) und das
fcingranulirte Entosark (M) deutlich zeigt. Letztres umschlicsst den central gelegnen
Kern (n), bis zu dessen Oberfläche die Axenfäden (ax) dx;r Pseudopodien zu verfolgen
sind, cv die contractile Vacuole ; N ein in einer ansehnlichen Nahrungsvacuole ein-
geschlossner Nahrungskörper. Vergr. ca. 800.
b. Eine Kolonie von 4 Individuen, nach Behandlung mit Essigsäure. E Ectosark, M Ento-
sark, n Nuclei; N grössere und kleinere von Vacuolen umschlossne Nahrungskörper
in den Verbindungsbrücken zwischen den Individuen; v, v ansehnliche Vacuolen.
c. Cyste von Actinophrys sol; z äussere Cystenhulle (sogen. Zellhaut Cienkowsky's);
c innere Cystenhulle (sogen. Cystenhaut).
d. Eine aufgesprungne Cyste, aus der die junge Actinophrys hervortritt. Die sogen.
Cystenhaut (c) iimschliesst dieselbe noch, obgleich schon Pseudopodien entwickelt
sind und auch die contractile Vacuole (cv) schon ihr Spiel begonnen hat.
Sa — b. Zwei isolirte Kerne von Actinosphaerium Eichhorni Ehrbg. nach Behandlung
mit Essigsäure (l"/o)-
Figg. 1, 4, 6 nach F. E. Schulze (Arch. f, mikr. A. X); Figg. 2 u. 8 Original; Fig. 3
nach Aim. Schneider (Arch. zoolog. expur. VH); Fig. 5 nach Greeff (A. f. m. A. XI); Fig. 7a
nach Grenacher (Verh. d. physik.-med. (ies. Würzburg N. F. I.); Fig. 7 b nach Stein (Die
Infusionsthiere etc.); Fig. 7c u. d nach Cienkowsky (A. f. m. A. I).
Hello zoa.
Taf.XlV.
litfLAnstvWiTneri.'Winfer.rrankfuri-*^
1
Erkläriiii« von Tafel XV. -
la — b. A ctiii ospliacii um Eichlioini Elirbg-.
a. Ganzes Exemplar. M die Markmasse mit zaiilreicheii Kernen (n) ; K die Kindeii-
sclücht: cv die contractilen Vacuolen. Vergr. ca. 200.
b. Ein oberflächlicher Thcil des Körpers im optischen Durchschnitt. E, die Rindeu-
schicht mit ihren grösseren Vacuolen; M die äussere Eegion der Markschicht mit
kleineren Vacuolen. In letztre bei n Kerne und bei ch Chlorophyllkörnor eingelagert,
ax die Axenfäden der Pseudopodien, die bis in die äusserste Kegion der Markmasse
zu verfolgen sind,
c. Cyste mit zalilreichen kieselschaligen Keimkugelu; z deren Kieselhülle, n ihrNucIeus;
g die Gallerthülle der Cysto.
2. Hcterophrys marina H. u. L. Ganzes Thier mit der eigenthümlichen Hülle. M Mark-
schicht, R Rindenschicht, n Nucleus. Vergr. ca. 660.
3a — b. Sphaerastrum conglobatum GreefF.
a. Kolonie zahlreicher Thiere. Vergr. ca. 220.
b. Ein einzelnes Individuum, um die eigenthümliche Beschaffenheit der Hülle besser zu
zeigen, n Kern. Vergr. ca. 460.
4. Pompholyxophrys exigua H. u. L. Vergr. ca. 550.
Figg. la— b, 2 u. 4 nach Hertw. u. Lesser (A. f. m. A. X, Sui^pL); Fig. 3 nach Greeff
(A. f. m. A. XI); Fig. Ic nach F. F. Schulze (A. f. m. A. X).
Heliozoa.
Taf.X^Z
L:ih. Anstv.Wemfräi Winier, frankfort^
m
I
Erkläiung von Tafel XVI.
Vig.
1. Astrodisculus ruber GrecfF. Mit grosser rother centraler Pigmentlcugel (p) und
zahlreichen rothen Piginentkörncheu des Protoplasmas, die auch auf die Pseudopodien
hinauswaudern. g die homogen erscheinende Hülle von zweifelhafter Beschatfenheit.
Vergr. b20.
2. Kaphidiophrys pallida F. E. Seh. Thier mit von der Nadclhülle etwas zurück-
gezognem Protoplasmakörper, n cxcentrisch gelagerter Kern, k das Centralkorn in dem
sich sämmtliche Axenfäden vereinigen; 4 contractile Vaciiolen vorhanden (cv); N als
Nahrung aufgenommene Diatomee, auf der entgegengesetzten Seite lindet sich noch eine
solche und ausserdem schliesst das peripherische Plasma zahlreiche Körner ein. Vergr.
ca. 430.
3. Kaphidiophrys elegans H. u. L. Kolonie von 8 Individuen mit gemeinsamer
Skcletliülle. n Nucleus. Die dunklen Körner im Protoplasma sind Chiorophyllkörner.
Vergr. ca. 430.
4. Pinacocystis rubicunda H. u. L. Ein Thier mit zahlreichen braunen Pigment-
körnern; sk die aus zahlreichen runden PliUtchen aufgebaute Skelethülle. R die Kinden-,
M die ]\Iarkschicht, n der Nucleus. Vergr. ca. 520.
5. Pinaciophora fluviatilis Greeff. Kieselgebilde der Skelethülle. a. die Kiesel-
plättchen in ihrer natürlichen Zusammenlagerung am Rande der Schale, man bemerkt bei
dieser Ansiclit die sie durchsetzenden Porenkanäle; b. isolirtes derartiges Plättchen im
optischen Durchschnitt, mit Porenkanälen (nach Greeff „von der Seite gesehen"), c. Einige
Plättchen in der Flächenansicht in natürlicher Zusammenlagerung. Vergr. 800 — 1000.
6a — b. Acanthocystis turfacea Gart, (nach GreelP).
a. Ganzes Thier, etwas comprimirt, der optische Durchschnitt gezeichnet, st lange und
kurzgegabclte Skeletstacheln. st^ kurze und tiefgegabeltc Skeletstacheln ; h äusscrste
feinkörnige Sarkodeschicht, die nach Greeff sich zwischen die Skelethülle und das
eigentliche Ectosark (R) einschiebt. Dies letztere ist erfüllt von zahlreichen blassen und
grünen Körnern , sowie Vaeuolen und durchzogen von den Axenfäden der Pseudo-
podien. ]M'? wahrscheinlich die Markmasse (das centralkapselartige Gebilde Greeff's),
n wahrscheinlich der Nucleus, in dessen Centrum die Axenfäden nach Greelf sich
vereinigen sollen. Ueber die wahrscheinliche Deutung dieser Greeff'schen Darstellung
vergi. im Text das Nähere. Vergr. ca. 240.
b. Isolirter langer und kurzgcgabeiter Skeletstachel mit deutlichem Fussplättchen.
7a — c. Acanthocystis aculeata H. u. L. Vergr. ca. 760.
a. Exemplar nach Behandlung mit Osmiumsäure und Carmin; R die körnige Rinden-
schicht; M die feingranulirte Markmasse, excentrisch gelegen und bis an die Ober-
fläche des Thierkörpers heranragend, n der sehr excentrisch gelegene Nucleus. Jn
der Markmasse treten die Axenfäden deutlich hervor, und vereinigen sich im Centrum
mit einem Centralkorn.
b. Exemplar mit zwei Knospcnsprösslingen, von welchen der eine im Austreten aus der
Skelethülle begriffen ist. n Nuclei.
c. Der Sprössling nach dem Austritt, hat durch Entwicklung zweier Geisselu eine
Flagellatengestalt angenommen (n der Nucleus).
Fig. 1 nach Greeff (Arch. f. m. A. V); Fig. 2 nach Schulze (A. f. m. A. X); Figg. 3
u. 4 nach Hertwig u. Lesser (A. f. m. A. X, Suppl.); Figg. 5 u. 6 nach Gree(F(A. f. m. A. XI);
Fig. 7 nach R. Hertwig (Jenaische Zeitschr. Xi).
Hello zoa.
Taf. XVI.
Lith Ansl.V. Werner S. Wmtnfr; FraTdrnrrt i ff.
#
Erkläriins* von Tafel XYIL
la — f. Clatliriiliiia clegans Cienk.
1 a. Ein ganzes Thier. Vergr. ca. i.JU — 200.
] b. Ein kleiner Theil der Wand der Gitterscliale stärker vergrössert. mn die Rinnen auf
der Aussenseite der Netzbalkcn zu zeigen. Vergr. ca. 300.
1 c. Ein Exemplar mit z^vei durch Theilimg des Thierkorpers liervorgegangncn Cysten;
z, deren (,'ystenluille.
1 d. Ein Scliwärmsprössling. n dessen ^ucleus, cv contractile Vacuolen.
1 e. Eine (.'yste mit feingestaclielter Kieselhülle.
1 f. Eine jugendliche, noch nackte Clathnilina. N in Vacuolen cingeschlossncr Nahrungs-
körper; cv, contractile Vacuolc.
2. Hedriocystis pellucida Hertw. Ein Exemplar mit der Schale sk. dem Niicleus n
und zwei contractilcn Vacuolen cv.
3a — h. ThalassicoUa (Thalassophysa Hack. ISSl) pelagica Iläck.
3 a. Ein lebendes Exemplar, ck die Centralkapsel mit zahlreichen peripherischen Oel-
kugeln und dem grossen Nucleus n (Binnenbläschen). In der Gallerte massenhafte'
Entwicklung von extrakapsulären Vacuolen alv (Alveolen), gz die gelben Zellen.
Vergr. ca. 25.
3 b. Ein isolirter Nucleus (Binnenbläschen) mit blindsackförmigen Ausstülpungen bedeckt
und einem wurmförmig gewundnen Nucleolns ncl.
4a — e. ThalassicoUa 11 uclcata H\l.
4 a. Ein lebendes Exemplar bei schwacher Vergrösscrung (ca. 3); ck die von schwarzem
Pigment dicht unihlülte Centralkapsel; alv die Vacuolen (Alveolen) in zwei Zonen
um die Centralkapsel gelagert, einer inneren, welche aus kleineren Vacuolen besteht
und einer äusseren mit sehr ansehnlichen Vacuolen.
4b. Ein reifer (links) und ein unreifer (rechts) Scliwärmsprössling; n deren Zellkern.
4 c. Ein Stück der Centralkapselmcmbran ; zeigt auf der Fläche deutlich die punktförmigen
Poren, welche in polygonalen Feldern zusammcngruppirt sind; an dem ümschlags-
rand treten die Porenkanäle sehr deutlich als eine feine Strichelung des optischen
Durchschnitts der Membran hervor.
4d. Kleines peripherisches Stück eines radialen Durchschnitts einer Centralkapsel. Zeigt
deutlich die Eadiärstreifung des peripherischen l*lasmas der Centralkapsel, das an-
sehnliche Eiweisskugcln cinschliesst (v); ckw die Centralkapselwand mit den Poren-
kanälen, r
4e. Stück eines Querschnittes durch die Centralkapsel eines in Vorbereitung zur Fort-
pflanzung begriffenen Thiers ; im Protoplasma zahlreiche Haufen von Kernen (n)
und Eiweisskugcln, welche Concretionen einschliessen (vcV
Figg. la— b, le nach GreefF (Arch. f. mikr. Anat. V); Fig. Ic nach Cienkowsky (Arch.
f. m. A. HI); Figg. 1 d. If und 2 nach Hertwig und Lesser (Arch. f. m. A. X, Suppl.); Figg. 3a,
4 c nach Häckel (I?adiolarien): Figg. 4 a, 4b, 4d — e nach K. Hertwig (Zur Hist. d. Eadiolarien).
Heliozoa u.Radiolaria (Collida).
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Erklärung von Tafel XVIII.
ja — d. Voii Tlialabsicolla nuclcata Hx. (siehe auch vorhcrgeheiule TafclV
1 a. Nucluus (Biniieiibläbdieu) eines Exemplars, uiit zahlreichen eigcnthümlich IjeschafFeiien
Kucleoli [iid). Kleine Kerne waren ausserdem im CentralKapselpIasma enthalten.
1 b. Radialer Sclmitt durch eine Centralkapsel. n der grosse Kucleus i^Binnenblaschen),
ncl dessen Nncleoli. Im Geiitralkapsclpiasma innen Eiweisskugehi ohne Goncremente,
nach aussen solche mit Goncremcntcn (vc), hierauf die radiärstrcilige peripherische
Plasmaschicht.
Ic. Nucleus mit sehr zahlreichen kleinen Nucleoli. die wahrscheinlich durch successiven
Zerfall des ursprunglichen Nucleolus hervorgegangen sind.
1 d. Inhalt der Gentralkapsel einer Thalassieolla ; darin zahlreiclic Eiweisskugeln mit
Goncretionen und Krystalliten (vc), ferner Oelkugoln (oe), sowie kleine kuglige bis
spindelförmige Bläschen (? Kerne). Vergr. ca. 300.
2. Thalassieolla sanguinolcnta Hck. Ein durch Aufnahme von Goccolilhen in di(;
(jallerte deformirtes Exemi^lar; sogen. Myxobracliia pluteus Hiickels. ck die Gentral-
kapsel mit dem Nucleus n ; gf die armartigen Gallertfortsätze . in deren Endknöpfchen
sich die Goccolithcn augehäuft linden. Vergr. 0.
3. Kieselkörper von Thalassosphaera hierum J. M. sp. Vergr. ca. 400.
4. Eine Kieselnadel von Thalassosphaera (Thalassoxanthium Hck. ISSI) bifurca Hack.
A'ergr. .550.
5. Ein kleines Kandstück des Physcmatium INIülleri Schnd. ck die Membran der
Gentralkapsel , nach aussen davon die extrakai)suläre Sarkode mit gelben Zellen (gz) unil
Pseudopodien. Unter der Gentralkapselwand Gruppen von je vier sogen, centripetalen
Zellen (/.), welche peripherisch je eine Oelkugel (oe) zwischen sich 'nehmen. Dazwischen
im Protoplasma grosse Vacuolen (v) und wahrscheinlich auch Kerne. Vergr. ca. 400.
tia— }!. Gollozoum inerme J. M. sp.
6a — c. Verschiedne Formen von Kolonien in natürlicher (irössc.
(id. Eine kleine Kolonie bei stärkerer Vergrösserung (ca. 25). ck die Gentralkapseln mit
der centralen Oelkugel : alv die Gallerte mit den extrakapsulären Vacuolen (Alveolen).
üe. Eine junge Gentralkapsel, n die Kerne.
()f. Eine Gentralkapsel mit grosser centraler Oelkugel 'oe) und einem Kranz kleiner, um
welche die Kernhaufen n rosettenförmig gruppirt sind. An jedem Kernhaufen liegt
weiterhin ein Aggregat von Fettkörnchen.
Ci g. Isolirte Kernhaufen dieses Stadiums.
(i h. Die Kerne der Haufen haben sich mit einem Antheil des Protoplasmas der Gentral-
kapsel umhüllt und sind derart Zellliaufen entstanden, aus welchen die Schwärmer
hervorgehen, gz gelbe Zellen.
(ii. Ein derartiger Zellhaufen isolirt. n die Zellkerne.
t)k. Gentralkapsel mit zahlreichen Kernen und in Bildung begriiliien krystallinischen
Stäbclien.
))]. Gentralkapsel, deren Plasma entsprechend der Kernzahl in Anlagen der Schwärm-
sprösslinge zerfallen ist, von welclieii jede ein krystallinisches Stäbchen einschliesst.
In Figg. 6 k und 1 die gelben Zellen gz angeblich in Zerfall (nach Hertwig).
(im. Zwei Schwärmsprösslinge ohne Krystalle. Aus Gentralkapseln wie Figg. 6f und h
hervorgegangen.
(in. Zwei Scliwärm&prösslinge mit je einem krystallinischen Stäbclien k aus Gentralkapseln
wie Figg. Ck und 1 hervorgegangen.
Ci 0. Eine Gentralkapsel mit sogen, extrakapsulären Körpern K in der extrakapsulären
Sarkode, den Anlagen neuer Gentralkapseln nach Stuart und Gienkowsky.
(ip. Ein solch extrakapsulärer Körper nach Behandlung mit Ghromsäure. oe centraler
Haufen von Oelkugeln, darum Kerne n.
7. Verschiedne Entwicklungszustände von Kieselnadeln des Sphaerozoum \> unctatum J. M.
Figg. la— c, 6e — p nach K'. Hertwig v^ur Hist. d. Ixadiol.); Figg. Id, 2, 4, 5, Ga — d
nach Häckel (Monographie); Fig. 3 nach J. Müller (Abh. ISöS"^: Fig. 6a oben und 6 m rechts,
sowie 7 nach K. Brandt (Monatsber. Berl. Akad. 18S1).
Radiolaria. (Collida.u. Sphaerozoida).
Taf:XVni,
UihAnstvUnnriWtiraiyatiiA/n'M
Erklärung von Tafel XIX.
1. Zwei Kicöelbijicula von S^^h acrozoum italicuui Hck. Vergr. ca. 400.
2. Ei» Spiculum vou Sphaerozoum spinulosum J. M. Vergr. .300.
3. Randliclie Partie einer Kolonie von Sphaerozoum neapolitanum Brandt, ck Gentral-
kapseln, angeblich membranlos; alv extrakapsuläre Vacuolcn; gz gelbe Zellen. Vergr. ca. GO.
4a — k. Kerne aus der Ccntralkapsel von Sphaerozoidenarten. a. homogener Kern , gewöhn-
liches Vorkommen, b. Kern bei Beginn der Bildung von Makro- und Mikrosporen,
c — d. Theilungsstadicn der liomogenen Kerne von Sphaerozoum punctatum. e — k. diffe-
renzirte Kerne, wie sie sich im Verlaufe der Schwärmerentwicklung ausbilden, h— k. Tuei-
lungszustände derartiger Kerne. Vergr. 1000.
5a — d. Collosphacra Huxleyi J. M.
5 a. Die Hälfte einer kugligen, lebenden Kolonie. Im Centrum eine grosse Vacuole (alv, i,
vou einem Protoplasmanetz umgeben, hierauf folgen in der Gallerte zunächst kleine
jugendliche und nackte Oentralkapseln , von welchen einige in Theilung begriilen
sind und nach aussen erwachsene, ältere, von Kieselschale umhüllt (ck). Zahlreiche
gelbe Zellen an den Pseudopodien. Vergr. ca. 50.
5 b. Isolirte t'entralkapsel von der Gittersehale umhüllt. Die Kapsel schliesst zahlreiche
Krystalle und eine grosse centrale Oelkugel ein. Vergr. ca. 250.
5 c. Zwei Schwärmsprösslinge.
5 d. Isolirte Krystalle aus der L'entralkapsel.
(Ja — i. Gelbe Zellen versehicdner Kadiolarien ; a — c, c— g von Sphaerozoiden; a normale
gelbe Zelle, b. c Theilungszustände solcher Zellen mit Bildung mitilerer Scheidewand,
d viergetheilte Zelle; e veränderte gelbe Zelle nach K. Brandt; (>f amöboide gelbe Zelle
aus der Gallerte abgestorbner Sphaerozoeen , der Körper ist von dicker GallerthiUle um-
geben, welche durch Umbildung der Cellulosemembran entstanden ist; i] g eine derartige
Zelle in Theilung; 6h und i zwei derartige Zellen, welche sich durch Ausschlüpfen aus
ihrer Gallerthülle häuten , bei i wiederholt sich dieser Vorgang zum zweiten Älal (nach
Cienkowsky). Vergr. ca. 4 — 500.
7. Siphon osphaera sp. Einzelne Centralkai>sel ck mit der von gcöilneten Köhrchen be-
setzten Schale sk.
S. Cenosphaera sctosa Ehrb. Etwas zerbrochne Schale. (Philippinischer Ocean.)
Vergr. 100.
9. Acanthos]ihaera (Cenosphaera) megapora Ehrb. (Barbados). Vergr. 100,
10. Magosphaera laevis Ehrb. Schale (Philipp. Ocean). Vergr. 100.
11. Trisolenia megalactis Ehrb. Schale (Philiijp. Ocean). Vergr. 100.
12. Tetrasolenia quadrata Ehrb. Schale (Indischer Ocean). Vergr. 100.
Ic». Polysolenia setosa Ehrb. Schale (Philipp. Ocean). Vergr. 200.
J4. Etmosphaera siphon osphaera H. Schale. Vergr. 300. (Mittelmeer.)
15. Cyrtidosphaera reticulata H. Schale. Vergr. 200. (Mittehneer.)
16. Heliosphaera tenuissima H. Die Ccntralkapsel ck enthält einen sehr ansehnlichen
Kern n mit zwei Nucleolen (ncl) ; das intrakapsuläre Plasma, in zahlreiche radiäre, keil-
förmige Partien gesondert, enthält Oelkügelchen.
i''igg. I. 2. 5a — b, Od, 11 und 15 nach Iläckel i Monographie) ; l'igg. o. 4, (ia — c und
e — g nach K. Brandt (Monatsber. d. Berl. Akad. 18S1); Figg. 5c links und 6h — i nach Cien-
kowsky (A. f. uiikr. An. Bd. VIP. Fig. 5d nach J. Müller (Abh. 1S5S); Fig. 7 nach Huxley
(Ann. mag. n. h. [Uj VIID; Figg. 8, 10—1,3 nach Ehrenberg (Abh. 1S72) und Fig. 0 (Abh.
1875); Figg. 5c rechts und 16 nach I\. Hertwig (Der Organismus der Kadiolarien).
Radiolaria. fSphaerozoida aSphaeridea).
Taf. XIX.
CK
Liih Anst vVernerJiVinm; Frankfirri^
Eildärung ^oll Tafel XX.
1. Heliospliacra (Phormospliaera Hck. 1S81) inermis H. Lebendes ganzes Thier, sk die
Schale, ck die Ccntralkapscl und n der Nucleus (Binnenbliisciien). Yergr. ca. 400.
(Mittelmeer.)
2. Heliosphaera ecbinoides Hck, Schale, polare Ansicht. Vergr. ca. 400. (Mittelmeer.)
:!. Eaphidococcus acufer Hck. Schale. Vergr. 300. (Mittelmeer.)
4. Cladococcus cervicornis Hck. Etwas mehr wie die Hälfte eines lebenden Thicrs
mit zahlreichen ausgestreckten Pseudopodien. Die ansehnliche Centralkapsel (ck) um-
schliesst die Kieselgitterschale (sk) gänzlich uiid die centralen Abschnitte der verzweigten
liadialstacheln zum Theil. Zahlreiche gelbe Zellen in der extrakapsulären Sarkode.
Vergr. 160. (Mittelmeer.)
■ia— c. Diplosphaera Hck. (Mittelmeer.)
öa. Centralkapsel von Diplosphaera ? gracilis Hack. Dieselbe entwickelt zahl-
reiche blindsackartige Ausstülpungen, welche sich durch die Maschen der Gitter-
kugel hindurcii drängen und dieselbe verdecken, so dass nur die Basalenden der
Radiärstaclicln sichtbar sind.
.')b. Die isolirte Centralkapsel (ck) von Diplosphaera spinosa Hertw. mit ansehnlichem
Nucleus 11, welcher zahlreiche Nucleo'en einschliesst. Das intrakapsuläre Protoplasma
radiär streifig diü'erenzirt.
.5 c. Ganzes lebendes Tliicr von Diplosphaera spinosa Hertw., das Skelet jedoch nur
z. Th. sichtbar, ck die Centralkapsel mit dem ansehnlichen Nucleus K und gelben
Zellen in ihrem Umkreis. Sk die kuglige Gitterschalc mit den radialen Stacheln,
deren Enden mit quirlartig gestellten Seitenästchen besetzt sind und durch zarte
Kieselfäden, welche sich zwischen den benachbarten Stacheln ausspannen, verbunden
werden.
(J. Arachnosphaera myriacantha H. Die (iitterkugel mit drei Eadialstacheln in
vollständiger Entwicklung. Die tlbrigen Stacheln dicht oberhalb ilirer Basis abgeschnitten.
Vergr. 200. (Mittelmeer.)
Figg. 1—4. lind fi nacli Häckel (MonographieV, Figg. .5a — c nach Hcrtwig (Organ, der
Radiolarien).
Radiolaria (Sphaeridea).
Taf. XX.
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Erklärung von Tafel XXI.
1. Haliomma Eriiiaceus Hck. Ganzes Tliier mit der Rindenschale sk' und der damit durch
Eadialstäbc verbundnen Markscliale sk ; letztere wird umsclilosscn von dem Kern (Binnen-
bläsclien n) der Centralkapsel Ck. Im Plasma der letzteren einige Concretionen c.
2. Isolirte Centralkapsel Ck einer Haliomma sp. , dieselbe umscliliesst den ansehnliclien
Kern n', daneben jedoch noch einige kleinere Kerne n ; ersterer umhüllt die ;N[arlc=^
schale sk mit davon abgehenden Eadialstäbcn.
3a — b. Actinomma Asteracanthion Hck.
3 a. Das Kieselskelet. Die Markschalc sk ist durch theilweises Wegbrechen der ersten
(sk') und zweiten Rindenschale (sk") sichtbar gemacht. Sechs radiale Stäbe, welche
sich über die zweite Rindenschale in ansehnliche Stacheln verlängern, stellen die
Verbindung zwischen den drei concentrischcn Gitterschalen her. Vergr. 260.
3 b. Ganzes Thier im optischen Durchschnitt in der Ebne von vier Stacheln, sk" die
äussere Rindenschale, sk' die innere, welche von der Centralkapsel Ck umschlossen
wird; sk die in dem Kern n eingeschlossne Markschalo.
4. Stylosphaera (Amphist^^lus Hck. 1881) sulcata Elirbg. — Kieselskelet. sk die
Markschale, sk' die erste, sk" die zweite Rindenschale. Barbados. Vergr. ca 250.
5. Actinomma (Rhodosphaera ? Hck. 1881) echinata Ehrbg. sp. sk die Markschale,
sk' die erste, sk" die zweite Rindenschale. Barbados. Vergr.""ca. 130.
6. Actinomma (Stauracontium oder Hexadrymium Hck. ISSl) Entactinia Ehrbg. sp.
Skelet. Die zweite Rindenschale sk" ist in der unteren Hälfte aufgebrochen, so dass die
erste sk' sichtbar geworden ist und diese, auch z. Th. aufgebrochen, zeigt in sich die
kleine Markschale sk. Barbados. Vergr. ca. 300.
7. Sogen. Haliomma ovatum Ehrbg. Skelet. sk die kleinere innere kuglige Schale,
sk' die ungemein dicke äussere Schale. Zwischen beiden Schalen bleibt kaum ein
Zwischenraum. Barbados. Vergr. ca. 300.
8. Sogen. Ehabdolithis Pipa Ehrbg. Bau ähnlich dem von Haliomma ovatum, doch
Zwischenraum zwischen beiden Schalen grösser und deutlich von einer Anzahl Radial-
stäben durchsetzt. Barbados. Vergr. ca. 300.
0. Dictyoplegma spongiosum J. M. sp. Kieselskelet. sk' die Rindenschale, welche
noch eine kleine Markschale cinschliesst. Von der Oberfläche der Rindenschale ent-
springt eine spongiöse ümhüUungsmasse von Kieselfäden (sp). Vergr. ca. J80.
10. Rhizosphaera trigonacantha Hck. Lebendes Thier. sk' die Rindenschale, sk die
Markschale; von ersterer entspringen zahlreiche Stachelfortsätzc, die unregeimässig ver-
zweigte Querästchen aussenden, welche sich zur Bildung einer schwammigen äussersten
Schale (sp) vereinigen. Ck die Centralkapsel, welche die beiden inneren Schalen cin-
scliliesst und zahlreiche kleinere, sowie einen Rest des ursprünglichen Kernes enthält, eine
Anzahl der kleineren Kerne (n) sind auch in die extrakapsuläre Sarkode eingedrungen.
Figg. ] , 2, 3 b und 10 nach Hertwig (Der Organismus etc.V, Fig. 3 a nach Häckel
(Monographie); Fig. 9 nach J. Müller (Abhandlungen 1858); Figg. 4 — 8 Originalia.
H a d i o 1 a na jSphaeridea)
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Erklärung von Tafel XXII.
l<")g.
la— b. Spongospliaera streptacantlia Hck.
1 a. Kieselskelet (nicht ganz vollständig ausgezeichnet), sk' die Rindenschale , von der
sehr ansehnliche Radialstacheln entspringen (auf der Figur kurz abgebroclicn dar-
gestellt) und welche eine kleine Markschale umschliesst. Die Basalabschnitte der
Stacheln sind durch ein spongiöses Maschenwerk von Kieselfäden, das demnach die
beiden inneren Kugelschalen völlig umhüllt, unter einander vereinigt. Vergr. ca. 200.
Ib, Junges ganzes Thier. Die Markschalc sk ist im Kern n eingeschlossen, die Einden-
schale sk' dagegen in der Centralkapsel Ck; das spongiöse Kieselwerk zwischen den
Eadialstachelu ist erst in seinen Anfängen angelegt.
2a — b. Spongodictyum trigonizon Hck.
2 a. Ganzes lebendes Thier. sk die kuglig abgerundete Oberfläche des spongiöscn
Kiesclwerks, welches die drei inneren Kiigelschalen umhüllt; Ck die rothe Central-
kapsel, mit dem sie umhüllenden e.\trakapsulären Plasma, das zahlreiche gelbe
Zellen enthält. Vergr. ca. 40—50.
2 b. Die drei concentrischen Kieselgitterkugeln des Centrums des Skeletes (sk — sk"), durch
Radialstäbe verbunden. Von der äusseren Schale entspringen zahlreiche Fortsätze,
welche in das spongiöse Netzwerk übergehen, das die inneren drei Schalen allseitig
umhüllt. Vergr. ca. 400.
3a — b. Heliodiscus Phacodiscus Hck. Kieselskelet.
3a. Ansicht der Schale von der Breitseite, sk" die äussere abgeflachte Kieselschale,
deren äquatorialer Rand in zahlreiche ansehnliche Stacheln allseitig auswächst;
sk' die innere Gitterkugel.
3b. Ansicht von der Schmalseite auf den Aequator der äusseren abgeflachten Schale sk",
welclie im optischen Durchschnitt gezeichnet ist; sk' die innere Kugel, von welcher
sowohl in der Aequatorialebne, wie zu den abgeflachten Seitenflächen der äusseren
Schale zahlreiche Radialstäbe entspringen, die die Verbindung der zwei Schalen
herstellen. Mittelmeer. Vergr. ca. 240.
4. Heliodiscus Amphidiscus J. M, sp. Jugendzustand. Skelet. Die äussere linsen-
förmige Schale sk" ist hier erst in Gestalt zweier unzusammenhängender Klaj^pen an-
gelegt, zum Beweis, dass dieselbe erst nachträglich, von den Radialstacheln der inneren
Schale ausgehend, ihre Bildung nimmt. Mittelmeer.
5a — b. Heliodiscus (Astrosestrum Hck. 18S1) contiguus Ehrbg. sp. Kieselskelet.
5 a. Ansicht auf die Flachseite, sk die Markschale, sk' die innere und sk" die äussere,
linsenförmige Schale, von deren äquatorialem Rand eine Anzahl ansehnlicher Kiescl-
stacheln entspringen.
5 b. Ansicht auf den Aequatorialrand. Die äussere linsenförmige Rindenschale, im opti-
schen Durchschnitt dargestellt, zeigt, dass ihr Zusammenhang mit der inneren
Rindenschale nur durch eine Anzahl etwas verzweigter Stäbe die nach der mittleren
Rejiion der Flachseiten der Linsenschale laufen, hergestellt wird, sk die Markschale.
Barbados. Vergr. ca. 300.
6a — b. Periphaena decora Ehrbg. Kieselskelet.
6 a. Ein kleiner Theil des äquatorialen Randes in der Ansicht von der Flachseite, zeigt
den äquatorialen Saum Sa deutlich.
6 b. Ein Stückchen des äquatorialen Randes im optischen Durchschnitt. Sa der Saum,
der sich zwischen zwei äquatorialen, ansehnlichen Porenreilien (p) erhebt. Barbados.
Vergr. ca. 200.
7. Didymocyrtis Ceratospyris Hck. Der centrale Theil des Skelets. Zeigt deutlich
die Markschale sk und die innere Rindenschale sk', während von der äusseren Rinden-
schale sk" nur ein kleiner Theil im optischen Durchschnitt gezeichnet ist. Mittclmcer.
Vergr. ca. 300.
Figg. 1 a, 2a — b, 3 und 7 nach Häckel (Monographie) ; Fig. 1 b nach Hertwig (Organis-
mus d. Radiol.); Fig. 4 nach J. Müller (Abhandl. 1858); Figg. 5 und 6 Originalia.
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Erklärung von Tafel XXIII.
J. Didyuiocyrtis Ceratospy ris Hack. Ganzes, lebendes Thicr. Die äussere Kiiiden-
scliale (sk") sowie die Centralkapsel {Gk) sind deutlich sichtbar; zahlreiche j;elbe Zellen
(gz) in der extrakapsulären Sarkode vorhanden. ^littelmeer. Yergr. ca. 350.
2. Ommatospyris profunda Elirbg. Kicselskelet. Eine innere Kugelschale, wahrschein-
lich die erste Eindeiiscliale sk' und die äussere Rindenschale sk" sind zu erkennen.
Philii^p. Ocean. Vergr. ca. 200.
."ja — b. Echinosphaera Datura Hertw. Kicselskelet. 3a zeigt nur die Eindenschale sk',
in der sich zwei weite Löcher finden (1). 3 b dasselbe Skelet um 90° gedreht, zeigtauch
die ]Markschale sk deutlicli. Mittelmeer.
4a — b. Tetrapyle octacantha J. M. Skelet eines jungen Thiers, in zwei um ilO° gegen
einander verwendeten Ansichten, sk die Markscliale : sk' die folgende Kindenscliale,
welche jedcrseits ein Paar grosse Löcher (1) aufweist. Die äusseren Känder dieser Löcher
erheben sich briickcnartig (jk") über den Löcherpaaren und verschmelzen bei erwachsenen
Formen zu einer, je ein Löcherpaar überspannenden Brücke. Hierdurch entstehen in der
Schale vier neue, jedoch um 90** gegen die frülieren verlagerte Löcher, von deren peri-
pherischen Ländern derselbe Process der Brückenbildung sich wiederholen kann. Mittelmeer.
5. Lithocyclia (Coccodiscus Hck.) Darwinii Hck. Etwas über die Hälfte eines Skelets
in der Flächenansicht dargestellt, sk — sk" der innere dreischalige, heliodiscus-ähnliche
Kern, um welchen sich der aus den äquatorialen Abschnitten zahlreicher äusserer Kugel-
schalen bestehende Scheibentheil d herumlcgt. l\echts ist die durchlöcherte Decke dieses
Scheibentheils gezeichnet, links dagegen der optische Medianschnitt der Scheibe, welcher
die Eingbalkcn und die sie verbindenden radiären Stäbe zeigt. Mittelmecr. A'ergr. ca. 1>0.
0. Lithocyclia Ocellus Ehrbg. Skelet in der Ansicht auf den Scheibenrand; haupt-
sächlich der optische Durchschnitt gezeichnet, nur bei o ein kleines Stück der Ubertiäche
des Scheibenrandes ausgeführt, sk — sk" der heüodiscus-artige Kern; d der Scheiben-
theil, auf dessen optischem Durchschnitt die einzelnen nur äipiatorial ausgebildeten Kugel-
schalen deutlich hervortreten. Barbados. A^ergr. ca. 250.
7. Lithocyclia Stella Ehrbg. Ein Theil der äusseren Peripherie des Scheibentheils in
der Eandansicht. Indem sich bei dieser Form die den beiden Scheibenflächen zugekehr-
ten Theile der den Scheibentheil zusammensetzenden Kugelschalenpartien in ein feines
Schwammwerk umbilden, finden sich nur zwei regelmässige Kämmerchenlagen i^k) in der
Aequatorialcbne der Scheibe, beiderseitig umhüllt von einer dicken Lage Schwammwerk.
Barbados.
S. Stylocyclia (= Stylocyclia -)- Auiphicyclia Hck. ISSl) dimidiata Ehrbg. Skelet
in Flächenansicht, etwas zerbrochen, sk' die innere, sk" die äussere Eindenschale des
heliodiscus-artigen Kernes, d die Scheibe, auf der Ehrenberg gar keine Poren zeichnet.
Barbados. Vergr. ca. 150.
9. Stylocyclia sp. ? Der Heliodiscus-artige Kern im optischen Eadialschnitt, zeigt deut-
lich die drei Gitterschalen sk, sk' und sk", sowie die beiden ansehnlichen Aefpiatorial-
stacheln st, welclie hier neben den zu den abgeplatteten Scheibenflächen tretenden Eadial-
stäben noch entwickelt sind. Von dem Scheibentheil ist nur ein erster Eing entwickelt,
derselbe war daher jedenfalls erst sehr unvollständig ausgebildet. Barbados. Vergr. ca. 600.
10. Act in omma Aristotelis Ehrbg. sk'. sk" der heliodiscus-artige Kern, hierauf folgt
die Scheibe, welche jedoch hier nur unvollständig, in Gestalt von vier kreuzförmig ge-
stellten Armen entwickelt ist. Jedem derselben dient ein äquatorialer Stachel zur Stütze,
der sich über den Aussenrand des Annes noch eine Strecke frei fortsetzt. Einer der
Arme ist abgebrochen. Barbados. Vergr. ca. IGO.
11. Hymeniasfrum Pythagorae Ehrbg. Skelet in Flächenansicht, sk' und sk" der
heliodiscus-artige Kern; die Scheibe ist nur in Gestalt dreier Arme entwickelt, deren
Basen durch ein abweichend gebildetes Kammerwerk verbunden sind. Barbados. Vergr.
ca. 140.
12. ■? Caryosphaera (Hck. 1881) polysphaerica Btschli n. sp. Ein aus vier concen-
trisclien Gitterschalen (sk— sk"') zusammengesetztes Exemplar. Barbados. Vergr. ca. 350.
Figg. 1 und 5 nach Häckel (IMonographie) ; Figg. 3 und 4 nach Hertwig (Ürga-nismus);
Fig. 2 nach Ehrenberg (Abhandlungen 18T2); Figg. 8, 10 und 11 nach Ehrenberg (Abhand-
lungen 1S75); Figg. G, ", 9 und 12 Originalia.
Radiolaria (Sphaerideaj.
Taf.XXm.
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litkAnstyMmeritWinter/rnnkluft '0.
Erklärung von Tafel XXIV.
1. Spongosphacra pachystyla Elirbg-. ('? = Spongostyliiim HcL 1S81). Skclet im
optischen Längssclinitt. sk , sk' und sk" der au Heliodiscus erinnernde Kern, der sich
iuisseiJich mit einer dicliten Schwammhülle umkleidet (sp). Die Gestalt ist jedoch nicht
linsenförmig wie bei Heliodiscus, sondern etwa citronenförmig. Barbados. Vergr. ca. 150.
2. Chilomma Saturn us Ehrbg. sk — sk" die drei inneren concentrischen Gitterkugeln,
sk'" wahrscheinlich eine äusserstc vierte Schale (pallium nach Ehrenberg), welche jedoch
nicht gegittert, sondern membranös. hyalin sein soll. Atlant. Ocean bei Grönland. Vergr.
ca. 150.
3. Trcmatodi'scus orbiculatus H. Skelet. Flächenansicht der Scheibe. Bei x in der
natürlichen Verfassung; bei z ist die dem Beschauer zugewendete Scheibendeckc weg-
genommen, so dass die concentrischen Ringbalken der Scheibe, sowie die abgewendete
Scheibendeckc deutlich hervortreten. Bei y sind beide Scheibendcckcn entfernt, so dass
nur die Ringbalken mit den sie verbindenden Radialstäben erhalten sind. Mitteimeer.
Vergr. ca. ISO.
4. Tr emat odiscus concontricus Ehrbg. Skelet, randliche Ansicht. Nur ein kleiner
Theil der OberlUichc des Eandes ist bei x gezeichnet, sonst wesentlich der optische
Radialschnitt der Scheibe. Das Centrum derselben wird von zwei sich concentrisch um-
fassenden Gitterkugeln gebildet; hierauf folgen die nur in der äquatorialen Zone ausge-
bildeten, unvollständigen Kugeln, welche die Scheibenringe darstellen und l»ei dieser Form
nach der Scheibenperipherie kaum an Höhe zunehmen. Barbados. Vergr. ca. 380.
5a — b. Tremat odiscus Häckelii n. sp. Btschli. Skelet. 5a ein kleiner Ausschnitt der
Scheibe in der Flächenansicht. 5 b die Scheibe in der randlichen Ansicht ; nur der
optische Radialschniit ist genauer dargestellt und zeigt auch hier wahrscheinlich zwei
centrale sich umfassende vollständige Gitterkugeln, sowie die unvollständigen Kugeln der
Scheibe, welche nach der Peripherie an Höhe zunehmen, so dass die gesammte Scheibe
dadurch beiderseitig sehr flach trichterförmig ausgehöhlt erscheint. Barbados. Vergr.
von 5 b ca. 270.
t). Discospira Operculina Hck. Skelet in der Flächenansicht; zeigt den spiraligcn Ver-
lauf der Ringbalken nach der Darstellung Häckel's. Mitteimeer. Vergr. ca. 20U.
7. Perichlamydium spirale Ehrbg. Skelet. 7a, der innerste Theil der Scheibe in
der Fläche, zeigt die innerste Kugel sk, und die ümlagerung derselben von nicht mehr
vollständigen Ringen, sondern gegeneinander abgesetzten Ringtheilen. Der folgende Ring,
welcher noch eine umfassende Kugel repräsentirt. ist aus zwei Tlieilen (1 und 2) zu-
sammcügcsctzt; der hierauf folgende jedoch schon aus vier (3, 4, 5, 6) und ebenso die
folgenden. In den Ringtheilen 4 und 6 ist die poröse sogen. Deckplatte eingezeichnet,
die übrigen dagegen sind nur im opt. Durchschnitt dargestellt. Barbados. Vergr. ca. 300.
8. Stylodictya multispina Hck. Flächenansicht der Scheibe. Bei x sieht man die
poröse Deckplatte der Scheibe; bei z ist dieselbe weggenommen, doch sieht man noch
die untere Deckplatte, bei y ist auch diese entfernt, so dass nur die Ringbalken darge-
stellt sind. Mittelmeer. Vergr. ca. 200.
9. Sogen. Stylodictya ('? = Staurodictya Hck. 1881) ocellata Ehrbg. Etwas unvoll-
ständige Flächenansicht der Hälfte eines Exemplars. Zeigt eine innerste Kugel sk, welche
von einer zweiten, etwas unregeluiässigen umschlossen wird; hierauf folgen die äquato-
rialen Kugeln, welche hier ungemein deutlich in je vier Abschnitte getheilt sind. Diese
Abschnitte sind so geordnet, d.iss ihre Beriihrungbzonen ein reguläres Kreuz bilden und
durch jede dieser Zonen tritt ein sehr ansehnlicher, über den Scheibenrand stark vor-
springender Stachel hindurch. Mit Ausnahme des Radius x ist nur der optische Durch-
schnitt mit der Anordnung der Ringbalkcn gezeichnet. Im Radius x ist die Deckplatte
eingezeichnet. Barbados. Vergr. ca. 220.
10. Stylodictya setigera Ehrbg. Skelet. Ansicht von der Fläche, zeigt deutlich die
do| pclte Spirale, welche nach der Auffassung von Ehrenberg und Stöhr die Ringbalken
der Scheibe beschreiben sollen , welche Auffassung jedoch wohl sicher irrthümlich ist
und auf der Missdeutung einer der Fig. 9 entsprechenden Bauweise beruht. Barbados.
Vergr. ca. 150.
1 1. Theil einer Stylodictya ar a chnia J. ^I. sp. mit den Weichtheilen ; die Skelettheile sind
fast unsichtbar geworden durch Einlegung des Präparats in Glycerin. Die Centralkapsel Ck
reicht bis zum Rand der Skeletscheibe und schliesst diese daher fast völlig ein, sogar
der ansehnliche Nucleus (n) umschliesst ausser der centralen Kugelschale noch die zweite
und einen bedeutenden Theil der dritten. G die Gallerte, von zahlreichen Pseudopodien
und einem Skeletstachel st durchsetzt; die übrigen Stacheln sind nicht angedeutet, da.
wie gesagt, das Skelet grossentheils unsichtbar war. Mittelmeer.
Figg. 2 und 10 nach Ehrenberg (1872 und 1875 Abhandl.); Figg. 3, 6, 8 nach Häckel
(Monographie); Figg. 1, 4. 5, 7 und 9 Originalia; Fig. 11 nach Hertwig (Organismus).
"Radiolaria (Sphaeridea).
Taf. XXIY.
li>hJnar¥anerMnlir,Frmkfatt "/H.
Ei-klämng von Tafel XXV
1. Periclilamydiu m limbatum Ehibg. (jiösücrc Hälfte einer Scheibe iii Fläclieii-
ansiclit; d' der diese GatUmg auszeicluiende äussere Saum. Vergr. ca. 260. Siciliani-
sclier Tripel.
2. Kliopalastruui truiicatum Hck. Skelct in Flächenansicht. Das Dritttlicil y iu natür-
licher BebchaHenhcit; im Drittthcil z dagegen ist die obere, im Drittthcil x sind die beiden
Deckplatten der Scheibe entfernt. Vergr. ca. 200.
3. Euchitonia ^'irchowii Hck. Ganzes lebendes Thier. Die Ceutralkapsel, welche zahl-
reiche Oelkugeln enthält, umschliesst die centrale Scheibe sammt ihren drei Armen voll-
ständig, h das zwischen den Armen sich ausbreitende Flechtwerk ; sg die sogen. Sarkode-
geissel. Mittelmeer. Yergr. ca. 175.
4a — d. Stephanastriiui Ehombus Ehrbg. Skelet. -ia Flächenansicht; der untere Theil
abgebrochen. Fig. -Ib optischer Durchschnitt der Ccntralscheibc senkrecht zur Scheiben-
Jläche; zeigt deutlich clie Zusammensetzung der Scheibe aus innerster (sk) und zweiter
(äk') vollständiger Gitterkugel, worauf noch zwei unvollständige Kugeln (sk" und sk'") fol-
gen. Hierauf erheben sich die Arme. — 4 c zerbrochne Scheibe mit zwei erhaltnen
Armbasen. Die Scheibe zeigt auch iu der Flächenansicht die schon bei 4 b geschilderte
Zusammensetzung. Die Arme zeigen den eigenthiimlichen Bau, dass sich von einer
stachelartigen Mittelachse (st) allseitig zahlreiche Eadiärstäbe erheben , welche einen
äusseren porösen Mantel des Armes stützen. Fig. 4d Arm im optischen Querschnit',,
zeigt deutlich die Achse st, sowie den Mantel und die zwischen beiden Theilen sich
ausspannenden Eadialstäbe. Barbados. A'ergr. von 4 a ca. 130.
5. Histiastrum t|uatcruarium Ehrbg. Skelet. Flächenansicht. Unterer Arm abge-
brochen, h das die Armbasen verbindende Kammerwerk. Barbados. Vergr. ca. IbO.
li. Lithelius Alveolina Hck. Optischer Querschnitt, senkrecht zur Achse der angeb-
lichen Spiralen Aufrollung. sk die centrale Gitterkugelschale, von welcher die nach Häckel
spiralige Gitterlamelle entspringt. Mittelmeer. Vergr. 180.
7. Lithelius primordialis Hertw. Skelet; sk die Gitterkugelschale, sk' die spiraligv
(■iitterlamelle, welche von dieser ihren Ursprung nimmt. Mittelmeer.
S. Lithelius (Stylodictya Ehrbg.) Echiuastrum Ehrbg. sp. Skelet. Sa optischer Durch-
schnitt in der Eichtung, wo die eigenthümliche Zusammensetzung der sich umhullendeu
Schalenlamellen am deutlichsten hervortritt. Die Zusammensetzung zeigt sich ganz ent-
sprechend der schon bei gewissen Stylodictyen beobachteten, nur ist hier jede der sich
umfassenden Kugelschalen nicht aus vier, sondern nur aus zwei Abschnitten zusammen-
gesetzt, b dasselbe Skelet um 90" gedreht, wo sich sämmtliche Schalen durchaus con-
centrisch umfassen. Barbados. Vergr. ca. 300.
9. Ommatodiscus Häckelii Stöhr. Skelet. Bei x im optischen Medianschnitt, bei y die
äussere Oberfläche (sogen. Deckplatte), bei z das innere Gerüstwerk nach M'egnahme der
Deckplatte, o der durch stärkere Stachelbildung ausgezeichnete Pol. l^ach eigenen Beob-
achtungen ähnlicher Formen von Barbados gehört diese Form nicht zu den Disciden. oder
Monopylarien, sondern in die Nähe von Lithelius. Sicilien.
10. Ommatocampe Ehrbg. sp.? Skelet. sp das spongiöse Kieselnetz, welches die kleine
Scheibe mit ihren zwei Armen äusserlich umhüllt. Barbados. Vergr. ca. 150.
Figg. 2, i'j und 6 nach Üäckel (Monographie); Figg, 1 und 9 nach Stöhr (Palaeonto-
graphica 1880); Figg. 4a und 5 nach Ehrenberg (Abhandl. 1875); Figg. 4b— d. 8 und 10
Originalia; Fig. 7 nach Hertwig (Organismus).
Radiolaria (Sphae ridea).
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Eikläniug von Tafel XX\'I.
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]a — b. ? Spoii gotroclius (Hclij Elirenberg^i n. sp. Skelet. la optischer Radialschnitt
senkrecht zur Aeqiiatorialebne des etwa dick-linsenförmigen Schwauimkörpers ; zeigt sehr
deutlich die concentrisclie Umlagerung der zahlreichen Schalenlagen. 1 b Ansicht von
der Fläche; bei y die Oberfläche dargestellt; bei x der optische Durchschnitt in der
Aequatorialebne, der gleichfalls die concentrische Umfassung der Schalenlagen sehr deut-
lich zeigt. Barbados. Vergr. ca. 300.
2. '? Spongotrochus oder S p o n g o 1 o n c h e (Hck.) (Sj^ongosphaera Ehrbg ) rhabdostyla
Ehrbg. sp. Ansicht der Schmalseite des etwa dick-scheibenförmigen Schwammkörpers.
Auch hier schimmert die concentrische Umfassung der zahlreichen Schalenlagen im op-
tischen Schnitt sehr deutlich durch. Barbados. Vergr. ca. 800.
^. Stylospongia (Stylospoiigidium Hck. ISSl) liuxleyi Hck. Ganzes, lebendes Thier.
Man bemerkt sehr deutlich die trematodiscus-artige Scheibe und deren peripherische
spongiöse l'ortsetzung (sp). Die Centralkapsel schliesst fast das gcsammte Skelet ein.
Mittelmeer. Vergr. ca. 250.
4. Spongocyclia (Hck. ISOl = ? Perispongidium ISSl) Charybdaea Hck. Ganzes,
lebendes Thier mit sogen. Sarkodegeissel sg. Mittelmeer. Vergr. ca. 150.
h. Stylactis Zittelii Stöhr. Skelet in Flächenansicht. Tripel von Grotte in Sicilien.
Vergr. ISO.
6. Spongasteriscus quadricornis Hck. Ganzes, lebendes Thier mit sogen. Sarkode-
geissel (sg) in Flächenansicht. Mittelmeer. Vergr. ca. 180.
7. Spongodiscus mediterranen s Hck. 7a Skeletscheibe in Flächenansiclit. 7b die-
selbe in randlicher Ansicht. Mittelmcer. Vergr. ca. 400.
8. Spongurus cylindricus Hck. Ganzes, lebendes Thier. Mittelmcer. Vergr. ca. 220.
Figg. 1 und 2 Origiiialia: Figg. 3.4, C— 8 Häckel (Monographie'^ ; Fig. 5 nach Stöhr
(Palacontograiihica 1880).
Ttadiolaria (Sphaendea)
Taf.XXYI.
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Erklärung von Tafel XXVII.
Fig.
1. Rh opalodictyum ab3'"SSoriim Ehrbg'. Skclet. Flächenaiisicht. Philippin. Ocean.
Vergr. ca. 200.
2. Dictyocoryne profunda Ehrbg. Flächenansicht des Skeletes. Philippin. Ocean.
Vergr. ca. 100.
3. Ommatogramma (= '? Spongobrachium Hck. l'iSl' navicularis Ehrbg. Skelet.
Californischer Ocean. Vergr. ca. 200.
4. Acanthometra elastica Hclu Ganzes, lebendes Thier. g die Gallerte. Ck die Central-
kapsel. Man bemerkt die Axenfäden der Pseudopodien, welche bis zum Stachelkreuz im
Centrum der Centralkapsel zu verfolgen sind, gc die Gallcrtcilicn. Mittelmoer.
4a. Amphilon ch e belon oides Hck. Kern, dessen Nuclcolus sich ans zwei dillercnten Sub-
stanzen zusammensetzt und an dem eine Einstülpung der Kernmembran hervortritt.
4b. Acanthometra serrata Hck. Achnlicher Kern, wie in vorhergehender Figur ab-
gebildet, jedoch ohne Zweifel weiter vorgcschrittnes Ausbildungsstadium.
4c. Acanthometra sp.? Kern. Wahrscheinlich hervorgegangen aus einem Zustand, wie
4b; Nucleolus verschwunden und die Einstülpung der Membran rückgebildet, dagegen
die Kernwände sehr verdickt und gelappt, sowie mit zahlreichen Einlagerungen ver-
sehen,
5a — b. Acanthometra Claparedei Hck.
5a. Centralkapsel mit den centralen Theileu der Stacheln, die im Centrum der Kapsel
zusamuienstosseh. h kleine Zellkerne; gz intrakapsuläre eigenthi'imliche gelbe Zellen.
5 b. Centralkapsel mit umhüllender Gallerte fg), im üebergang vom einkernigen in den
mehrkernigen Zustand begriffen; n' grosse Kerne mit zahlreichen Nucleolen. n kleine
Kerne, je mit einem Nucleolus. Mittelmeer.
I). Acanthometra (üntergatt. Phyllostaurus Hck.) ciispidata Hck. Ein isolirter Stachel.
Vergr. ca. 250. Mittelmeer.
7. Amphilonche messanensis Hck. Ganzes, lebendes Thier. Mittelmeer. Vergr. ca. 200.
Sa. Acanthostaurus sp.? Jugendliche Centralkapsel mit einem Kern n. Skeletstacheln
abgebrochen. Mittelmeer.
8b. Acanthostaurus hastatus Hck. Ganzes, lebendes Thier. Polare Ansicht, ac Aequa-
torialstacheln . t die vier dem Beschauer zugewendeten Tropenstacheln, p die vier ent-
sprechenden Polstacheln. Vergr. ca. 450. Mittelmeer.
0. Xiphacantha serrata Hck. Isolirter Stachel. Vergr. ca. 250.
10. Lithoptera Mülleri Hck. Ganzes, todtes Thier, mit den vier eigenthümlichcn, gitter-
förmig geflügelten Aequatorialstacheln (ae). Ckdie Centralkapsel. Mittelmeei'. Vergr. ca. 150.
11. Diploconus Fasces Hck. Ganzes, lebendes Thier. Polare Ansicht, ae die Aequa-
torialstacheln . von welchen zwei sehr verlängert und von den durch Verwachsung der
Tropenstacheln entstandenen zwei kegelförmigen gestreiften Scheiden umgeben sind, p die
kurzen Polarstacheln. Mittelmeer. Vergr. ca. 300.
12a und b. Acanthochiasma rubescens Hck. Eine Stachelspitze mit der sich um sie
erhebenden contractilen Membran (entsprechend den Gallertcilien der übrigen Acantho-
metreen); a dieselbe im contrahirten, b im ausgedehnten Zustand.
Figg. 1—3 nach Ehrenberg (Abhandl. 1872); Figg. 4,5, 8a und 12 nach Hertwig
(Organismus); Figg. 6, 7, Sb, 9—11 nack Häckel (Monographie).
Radiolaria (Sphaeridea xi-Acanthoinetrca).
Tar xxi^n.
fcOL'
Utk Jmt.r.Vemer ^Winter, fmnlifun'^/M. ,
I
Erklänmg von Tafel XX\'UI.
1. Litholoplius Khipidium HcL Ganzes, todtes Tliicr. g Gallerte, Gk, Geutralkapsel.
Mittelmeer. Yergr. ca. 260.
2. Astrolitliium dicopum H. Skelet isolirt; zeigt deutlich die Verschmelzung der
20 Stacheln im Centrum. Vergr. ca. 260.
3. Acanthochiasma ruhescens Hck. Kleines Stück der Oberfläclie der Gallerte; in
der Mitte tritt eine Stachelspitze st hervor; stf die feinen, in polygonalen Figuren ver-
laufenden Stiltzfasern der Gallerte, durch welche die Pseudopodien hindurchtreten. Man
bemerkt weiterhin das feine Protoplasmanetz der Gallertoberlläche.
4. Acanthochiasma fusiforme Hck. Ganzes Thier, todt. Ck Centralkapsel ; g Gallertc.
Mittelmeer. Yergr. ca. 200.
5a — b. Dorataspis loricata Hck.
5 a. Ganzes, lebendes Thier. Ck, Centralkapsel. Mittelmeer. Vergr. ca. 200.
5 b. Ein isolirter Stachel. Yergr. ca. üOO.
6. Haliommatidium (? Phatnaspis Hck. 1881) Miilleri Hck. Ganzes, todtes Thier.
Die 20 Gitterplatteu der Schale sind noch nicht zusammengewachsen, gz gelbe Zellen.
Mittelmeer. Vergr. ca. 150.
7. Aspidomma (== Tessaropelma Hck. 1881) Hystrix J. M. sp. Ein isolirter Stachel
mit den Fortsätzen, welche die innere und äussere Gitterkugel bilden. Mittelmeer.
8. Cystidium iucrme Hertw. Lebendes Thier. Nackte Centralkapsel Ck, mit Kern (n)
und ansehnlicher Anhäufung der extrakapsulären Sarkode vor dem Porenfeld. Zahlreiche
gelbe Zellen (gz) vorhanden. Mittclmeer.
9. Zygocircus (Btschli 1881) productus Hertw. ap. Ganzes, todtes Thier. a die vor-
dere, b die hintere Hälfte des primären Skeletringes.
In allen Ahbildungen von Monopylarienskeleten bezeichnet a die vordere, b die hin-
tere Hälfte des Primärrings, c dessen Basaltheil, welcher die hinteren BasallöcLer 1
scheidet. Die vorderen Basallöcher sind mit H und der Stab zwischen vorderem und
hinteren Basalloch jeder Seite ist mit e bezeichnet. Bezüglich der schwierigen systema-
tischen Benennung der Stephid- und Cyrtidformen habe ich mich zunächst an die von
mir 1881 (Nr. 38) formirten Gruijpen gehalten, jedoch stets den Gattungsnamen, unter
welchem die betreffende Form ursprünglich aufgestellt wurde, beigefügt. Ebenso habe
ich, wo dies mir möglich schien, die Gattung, zu welcher die betreffende Form im
Häckel'schen System von 1881 (Nr. 37) gehört, in Klammer beigefügt.
9a. Lithocircus annularis (? J. M.) Hertw. Lebendes ;Thier. pf das Porenfeld der
Centralkapsel Ck. Mittelmeer.
10. Stephanoli this (? Lithocoronis Hck. oder Dyostephaniscus Hck. 1881) spinescens
Ehrbg. Seitenansicht, a vordere Einghälfte, b hintere, c Basaltheil des ßinges, e und e'
seitliche Fortsätze, c^ Medianfortsatz, welcher die Basallöcher I von einander scheidet.
Vergr. 200.
11. Stephanolithis Häckelii Btschli. Vorderansicht etwas nach vorn geneigt, Basis
oben. Durch Zutritt der Fortsätze c* ist das zweite Paar der Basallöcher (II) gebildet.
Yergr. 200.
12. Acanthodesmia (? Zygostephaniscus Hck. 1881) Hertwigii Btschli. Basalansicht.
Der Sekundärring f ist zum Primärring a b c zugetreten.
13. Dictyospyris (Ceratospyris Ehrbg.) pentagona Ehrbg. sp. Skelet. Indischer Oceau
i^bei Afrika). Vergr. 150.
14. Dictyospyris Gigas Ehrbg. (sehr wahrscheinlich). Basalansicht. Vergr. 240.
Figg. 1, 2, 4, o, 6 nach Häckel (Monographie); Fig. 7 nach J. Müller (Abhaüdl. Ia58);
Figg. 3, 8, 9 und 9a nach Hertwig (Organismus) ; Figg. 10—12 und 14 Bütsclili ^Zeitschr.
f. wiss. Zool. 36V, Fig. 13 nach Ehrenberg (Abhandl. 1872).
Radiolaria (Acanthometrea u.MQUopylaria).
TafXXVni,
<
IS"-;
\oO 0
LUhJmt. r.WfrmriMnter,FranJifurt''/l{.
Erklärung von Tafel XXIX.
Fig.
1. Dictyospyris Gigas Ebrbg. (solir wahrscheinlich). Ojitischer Durchschnitt in tler
Sagittalehcne, um den Primärring abc zu zeigen. Vergr. ca. 300. Barbados.
2a — b. Sp iridobotrys trinacria Hck. Todtes Thier. a in Ansicht von der Breitseitä;
b Basalansicht mit den vier Basallöcliern. Gk Centralka2)sel, gz gelbe Zellen. Yergr. ca. fiOO.
8. Sogen. Ceratospyris Fibula Ehrbg. Skclet. Vergr. ca. 200. Barbados.
4a — b. Ceratospyris (Petalospyris Hck. 1881) setigera Ehrbg. a Basalansicht, b Seiten-
ansicht. Vergr. 300. Barbados.
5 Ceratospyris (Cladospyris Ehrbg., Acrospyris Hck. ISSl) tribrachiata Ehrbg.
Skelet in Breitseitenansicht. Vergr. 200. Barbados.
ßa— b. Petalospyris Argiscus Ehrbg. a Seitenansicht, b Basalansicht. Vergr. 200.
Barbados.
7a — b. Petalospyris (Desmospyris Hck. ISSl) anthocyrtoi d es Btschli. a Seitliche
Ansicht, b Basalansicht, um die Bildung der Köpfchenbasis zu zeigen. Vergr. 200.
Barbados.
S. Clathrocanium coarctatum Ehrbg. Skelet. Philippinischer Ocean. Vergr. 300.
9. Dictyophimus Tripus Hck. Ganzes lebendes Thier mit der Centralkapsel Ck. Vergr.
ca. 300. Mittelmeer.
10. Dictyophimus Cralicula Ehrbg. Apicalansicht. Die Peripherie des 1. Glieds un-
vollständig. Vergr. 200. Barbados.
11. Eucecryphalus (Eucyrtomphalus Hck. 1881) Schultzei Hck. Ganzes, lebendes Thier,
etwas von unten gesehen; zeigt deutlich die vierlappige Centralkapsel. Mittelmeer.
Vergr. ca. 200.
12a— b. Eucecryphalus (Lamprodisculus Hck. 1881) laevis Hertw. a Ansicht des Apex
der Schale; vom Köpfchen ist nur die Basalfläche gezeichnet; das erste Glied nur un-
vollständig wiedergegeben, b die vierlappige Centralkapsel mit einem Kern [n]. Mittelmeer.
13a— b. Eucecryphalus Gegenbauri Hck. a Skelet in Hinteransicht, b der apicale
Theil des Skelets im optischen Durchschnitt mit der Centralkapsel Ck , an welcher vier
Lappen sichtbar sind, auch bemerkt man das Porenfeld pf und den Kern n. Mittelmeer.
14a— b. Arachnocorys circumtexta Hertw. a Ganzes Thier mit der vierlaiipigen
Centralkapsel Ck. Das Skelet des Köpfchens im optischen Durchschnitt, b Junges Skehit
in Basalansicht, das erste Glied nur durch Stacheln repräsentirt. Mittelmeer.
Figg. 1, 4, 6, 7. 10 nach Bütschli (Zeitsch. f. wiss. Zaol. XXXVl) ; Figg. 2, 9, 11 nach
Häckel (Monographie); Figg. 3 und 8 nach Ehrenberg (Abb. 1870 und 1872); Figg. 12, 13
und 14 nach Hertwig (Organismus).
Radiolaria IMoiiopylari a
Taf XXIX.
lith.Aiist. fr Warer^l^ntcr^fmnkfart yU.
Erkläi-una von Tafel XXX.
Fig.
la — b. Lithomclissa Hertwigii Btschli. a Nahezu Hinteransicht, Apicalstachel wahr-
sclicinlich abgebrochen, b Ai)icalansicht, nur die Köpfclienbasis ausgeführt, von der auf-
steigenden vordem Hälfte des Primärrings a gehen drei seitliche Aeste (h) aus, welche
sich an die Köpfchenwand begeben, g Die stabartigen Ursprünge der drei Stacheln des
1. Gliedes, noch innerhalb dieses eingeschlossen. Vergr. 200. Barbados.
2. Lithomelissa (Sethopera Hck. 1881) microptera Ehrbg. Halbseitliche halbvordre
Ansicht. Yergr. 200. Barbados.
3a — c. Lithobotrys geminata Ehrbg. a Seitliche Ansicht, b Köpfchenbasis, c Hinter-
ansicht. Vergr. 200. Barbados.
4. Botryocyrtis Caput serpentis Ehrbg. Skelet. Indischer Occan (bei Afrika).
Vergr. 200.
5. Botryocampe hexathalamia Hck. Skelet. Mittelmeer. Vergr. 2ü0.
6. Pterocanium Proserpinae Elirbg. Skelet. Vergr. 150. Mittelmccr.
7a — b. Lychnocanium tetrapodium Ehrbg. Skelet. a Ansicht von vorn, b Köpfchen-
basis in Apicalansicht Barbados. Vergr. von 7a ca. 200.
8. Lychnocanium (^Lithomelissa Ehrbg., "PTetraedrina Hck. 1881) ventricosum Ehrbg.
sp. Skelet. Barbados. Vergr. ca. 130.
9. Lithornithium (Theopera Hck. 1881) Luscinia Ehrbg. Skelet. Barbados. Vergr.
ca. 130.
10. Ivhopalocanium (= Pterocanium Ehrbg. = ? Tetrapera Hck. 1881) Bombus Ehrbg.
sp. Skelet in nahezu Vorderansicht. Vergr. ca. 150. Barbados.
11. Podocyrtis (Thyrsocyrtis Ehrbg.) Khizodon Ehrbg. sp. Skelet. Barbados. Vergr.
ca. 150.
12. Podocyrtis Eulophus Ehrbg. Skelet. Barbados. Vergr. 100.
13. Podocyrtis cothuruata Ehrbg. Skelet. Barbados. Vergr. 130.
14a — b. Podocyrtis Princeps Ehrbg. Köpfchen, a seitliche Ansicht, b Basis. Barbados.
15. Cycladophora spatiosa Ehrbg. Skelet. Barbados. Vergr. 150.
IC. Cycladophora stiligera Ehrbg. (zu meiner Thyrsocyrtisgruppe, siehe Nr. 38, ge-
hörig). Skelet. Barbados. Vergr. ca. 130.
17. Eucyrtidium Alauda C-'^Axocorys Hck. 18SD Ehrbg. Skelet. Barbados. Vergr. 100.
18. Eucyrtidium (üictyomitra Zitt.) excellens Ehrbg. Skelet. Barbados. Vergr.
nahezu 1 50.
19. Eucyrtidium (ialea Hck. Ganzes Thier. Skelet im optischen Durchschnitt. Von der
ansehnlichen Centralkapsel Ck sind zwei der drei sehr verlängerten Lappen zu sehen, mit
dem sehr ausgezognen Porenfeld (pf); n der Kern. Mittelmeer. v
20. Eucyrtidium (Lithocampium Hck. 1881) multiseriatum Ehrbg. Skelet. Philip-
pinischer Ocean. Vergr. ca. 150.
21. Eucyrtidium (Eucyrtis Hck. 1S81) auritum Ehrbg. Skelet. Tripel von Grotte in
Sicilien. Vergr. ca. 200.
22. Eucyrtidium (Lithocampe Ehrbg.) Clava Ehrbg. sp. Skelet. Barbados. Vergr. 150.
23. Eucyrtidium (Lithocampe Stöhr, Stichocapsa Hck. 1881) subligatum Stöhr sp. Skelet.
Tripel von Sicilien. A'ergr. ca. 120.
24. Lithostrobus Bütschli 1881 (Nr. 38) (Eucyrtidium Ehrbg., Eucyrtis Hck. 1881)
cuspidatum Bailey spec. Skelet. Davisstrasse. Vergr. ca. 100.
25. Litbomitra Bütschli 1881 (Nr. 38) (Eucyrtidium Ehrbg.) paupera Ehrbg. sp. Skelet
in seitlicher Ansicht. Barbados. Vergr. ca. 300.
26. Lithomitra (^Eucyrtidium Ehrbg.) Pachyderma Ehrbg. sp. Skelet. Barbados.
Vergr. 150.
Figg. 1, 2, 3 u. 14 nach Bütschli (1881, Z. f. w. Zool. Bd. 36); Figg. 4, 6, 20, 24 nach
Ehrenberg (1872); Figg. 9, 11—13, 15—18, 22 und 26 nach Ehrenberg (Abhandl. 1875);
Fig. 5 nach Häckel (Monographie); Fig. 19 nach Hertwig (Organismus); Figg. 21 u. 23 nach
Stöhr (^Palaeontographica 1880); F'igg. 7 und 10 Originalia.
Radiolaria (Monopylaria).
TafXXX,
IMjinstxVemerirMimr/rankfurt'yM.
Erklärung von Tafel XXXI.
Fig.
1. Sogen. Eucyrtidium biauritiim Ehrbg. Skelet in seitlicher Ansicht. Barbados.
Vergr. ca. 200.
2a — b. Pterocyrtidiuui Btschli (Pterocaiii um Ehrbg.) barbadeiise Ehrbg. sp. a Skelet
in Vorderansicht, b In Apicalansicht, um die Köpfchenbasis zu zeigen, st Apicalstacliel.
Vergr. ca. 200. Barbados.
3. Lithopera (Eucyrtidium Ehrbg. = Theosyringium Hck. 18S1) Sipho Ehrbg. sp.
Skelet. Barbados. Vergr. ca. 130.
4. Lithochytris Vesper tili o Ehrbg. Skelet. Vergr. ca. 'JO.
5. Anthocyrtis hispida Ehrbg. Skelet in seitlicher Ansicht. Vergr. ca. 200. Barbados.
6. Anthocyrtis ophirensis Ehrbg. Skelet. Vergr. ca. 150. Indischer Ocean bei
Zanzibar.
7. Anthocyrtis V (Eucyrtidium Ehrbg. = Sethocorys Hck. ISSl) Ficus Ehrbg. sp.
Skelet. Barbados. Vergr. ca. 90.
8. Cryptoprora ornata Ehrbg. Skelet. Barbados. Vergr. ca. 200.
9. Calocyclas (? = Clathrocyclas Hck. 1881) Turris Ehrbg. Skelet. Barbados.
Vergr. ca. 75.
10a— b. Dictyoccphalus ? obtusus Ehrbg. a Seitliche Ansicht, b Köpfchenbasis.
Vergr. ca. 200. Barbados.
11. Lophophaena (? = Conarachnium Hck. 1881) larvata Ehrbg. Skelet. Barbados.
Vergr. 150.
12. Cyrtocalpis Amphora Hck. Schale. Mitteluieer. Vergr. ca. 200.
13a — c. Carpocanium Diadema Hck, a Ganzes, lebendes Thier, mit dreilai^piger Central-
kapsel Ck. Mittelmeer. Vergr. ca. 350. b Centralkapsel mit Nucleus u, OelKugeln oc
und Porenfeld pf; das Skelet sk im optischen Durchschnitt, c Der Apicaltheil des Skelets
im optischen Sagittalschnitt, zeigt die beiden Hälften des Priuiärrings (a, b) des
Köpfchens.
14a — b. Ceratocyrtis (Cornutella Ehrbg. = Cormitellium Hck. 1881) cucullaris Ehrbg.
sp. a Hinteransicht, b Apicalansiclit. h zwei seitliche Stäbe, welche von der Mitte
der Vorderhälfte des Primärrings a entspringen ; g absteigende Fortsätze der Stäbe e, so-
wie der vorderen und hinteren Hälfte des Primärringes. Barbados. Vergr. ca. 180.
15. Li tharachnium ('? = Cinclopyramis Hck. 1881) Tentorium Hck. Skelet mit Cen-
tralkapsel (Ck). Mittelmeer. Vergr. 100.
10a — c. Litharachnium (Cornutella Ehrbg., ? = Bathropyramis Hck. 1881) «luadra-
tellum Ehrbg. sp. Skelet. a Hinteransicht, b Köpfchenbasis, c Seitenansicht des Köpf-
chens. Barbados. Vergr. ca. 200.
17. Cornutella (= Cornutanna Hck. 1881) longiseta Ehrbg. Skelet. Barbados und
recent. Vergr. 150.
17a. Plagiacantha abietina Hertw. Lebendes Thier; Ck Centralkapsel mit Kern (n).
Mittelmeer.
18. Thalassoplancta Cavispicula Hck. Ganzes, lebendes Thier mit zwei Ceutral-
kapseln (Ck) und viel schwarzbraunem Pigment der e.\trakapsulären Sarkode; gz gelbe
Zellen. Vergr. 200. Mittelmeer.
19. Aulacantha Scolymantha Hck. Hälfte eines lebenden Thieres. st Die grossen,
radial bis zur Centralkapsel gehenden Stacheln; st' die kleinen tangential gelagerten
Nadeln: alv die extrakapsulären, ansehnlichen Vacuolen (Alveolen Häckel's). Vergr. 100.
Mittelmeer.
Figg. 1, 2, 10, 14, 10 nach Bütschli (Zeitschr. f. wiss. Zool. 36); Figg. 4, 5 und 17
Originalia; Figg 3, 6 — 9, 11 nach Ehrenberg (Abhandl. 1872 und 1875); Figg. 12, 13a, 15,
18 und 19 nach Häckel (Monographie); Figg. 13b — c und 17a nach Hertwig (Organismus).
^adiolaria(Monopyl.u.Phaooclaria).
Taf. XXXI.
alv --■'--■
LithJiist.T¥emerg,Wmter^rankfmt ^M.
Erklärung von Tafel XXXII.
Fig.
1. Mesocena triangula Ehrbg. Skeletelement. Tripel von Sicilien. Vergr. 150.
2. Mesocena elliptica Elirbg. Skeletelement. Mergel von Maryland (N. Am).
Vergr. 150.
3. Dictyoclia Pons Elirbg. Skeletelement. Tripel von Oran. Vergr. 150.
4 u. 5. Dictyoclia Fibula Elirbg. Skeletelemente. Tripel von Oran und Mittelmecr.
Vergr. 150.
6. Dictyocha Speculum Ehrbg. Skeletelement. Tripel von Sicilien. Vergr. 230.
7. Distephanus rotundus Stöhr. Skeletelement. Tripel von Sicilien. Vergr. 200.
8a — d. Aulospliaera elegantissima Hck.
8 a. Hälfte einer Gitterkugel. Vergr. 26. Mittelmeer.
Sb. Flächenansicbt eines der Knotenpunkte des Masclienwerks der Skeletkugel, in
welchem sechs Hohlröliren zusammenstossen und sich ein radialer röhriger Stachel
nach Aussen erhebt, der als Kreischen erscheint. Man bemerkt, dass die Lumina
der sämmtlichen in diesem Knotenpunkt zusamnienstossenden sieben Röhren durch
zarte Kieselscheidewände geschieden sind und dass durch das Lumen sämmtlicher
Röhren ein feiner axialer Kieselfaden hindurclizieht.
8c. Ein solcher Knotenpunkt von der Seite betrachtet; man sieht den radialen Hohl-
stachel mit seinen in Wirtein gruppirten Seitenästchen und zwei mit ihm zusamineu-
stossende Röhren der Kugeloberfläche.
8d. Eine der Nebenöffimngen der Centralkapsel bei starker Vergrösserung.
9. Isolirte tripyle Centralkapsel einer unbestimmten Phaeodarie des Mittelmeers. Durch Be-
handlung mit Osmiumsäure und Carmin ist die äussere Centralkapselmembran (ck) von
der inneren (ck') abgehoben worden, o' die Haupt-, o,o die beiden Nebenöffnungen,
n der sehr ansehnliche Kern.
9a. In Theilung begriffne Centralkapsel einer unbestimmten Phaeodarie, mit zwei Kernen,
zwei Haupt- und zwei Nebenöffnungen.
10. Aulacantha Scolymantha Hck. Nebenöffnung der Centralkapsel nach Behandlung
mit Chromsäure und Carminfärbung.
11. Centralkapsel einer tripylen Phaeodarie in Zweitheilung begriffen. Die Theilung noch
nicht soweit fortgeschritten, wie in Fig. 8d.
12. Coelodendrum gracillimum Hck. Ganzes, lebendes Thier. Die Centralkapsel (Ck)
ist nur z. Th. sichtb:ir, da sie von dem dunklen Pigment (pg) ziemlich verdeckt wird.
Die beiden Skeletklappen sind nicht sichtbar, dagegen die von ihnen entspringenden ver-
zweigten und hohlen Strahlen. Vergr. 50.
13. Coelodendrum ramosissimum Hck. Eine Skeletklappe in der Flächenansicht;
gk die halbkuglige Gitterklappe, a der dreiseitige Aufsatz mit den von seinen Ecken ent-
springenden Röhren, die kurz abgeschnitten sind. Mittelmeer. Vergr. 150.
14a — d. Coelothamnus (?) Davidoffii Btschli.
14 a. Ganzes, todtes Thier mit Gallerte (gX Im Centrum bemerkt man die Schalenklappen
mit den von ihnen entspringenden 16 Strahlen. Centralkapsel nicht bemerkbar.
Vergr. etwas über 4. Mittelmeer.
14 b. Ende eines der Skeletstrahlen. Vergr. 80.
14 c. Die eine Schalenklappe in der Flächenansicht. Vergr. ca. 25.
14 d. Einige der Ankerfäden bei stärkerer Vergrösserung.
15. Cadium marinum Bailey. Kamtschatkameer. Vergr. 5^2-
15a. Cadium caudatum Wall. Schale mit kuglig zusammengezognem Plasmakörper.
0 Mündung. Nordatlant. Ocean. Vergr. ca. 100.
IG. Protocystis auritum Wall. Schale, o Mündung. Nordatlantisch. Vergr. ca. 120.
17—18. Zwei Vertreter der Familie der Challengcridae Murray (Hck.). o die einfaclie
Mündungsöffnung mit einem oder mehreren hohlen Fort^ätzen ausgerüstet. Südsee.
19 — 20. Zwei Vertreter der Familie Circo poridae Hck. o die Mündungsüfliiung; p die
Porenkränze um die Basis der Stacheln. Sildsee.
Figg. 2—4 nach Ehrenberg (Mikrogeologie) ; Figg. 1, 0 u. 7 Stöiir (Palaeontographica
1880); Figg. 5, 8b -d, 9-11, 13 nach Hertwig (Organismus); Figg. 8 u. 12 nach Häckel
(Monographie); Figg. 14a— d nach Bütschli (Zeitschr. wiss. Zool. 36); Fig. 15 nach Bailey
(Amer. journ. sc. arts 1856); Figg. 15a— 16 nach Wallich (Monthly microsc. journ. Bd. I);
Figg. 17 — 20 nach Murray (Proc. roy. Acad. Vol. 24).
:lacliolaria (.Pliaeodavia).
Taf. XXXU.
li/h.Änsi KhimerdMnter/yarJffiiit '!<V
Erklärung von Tafel XXXIII.
Fig.
1. Moiiocystis magna A. Sclimidt.
1 a. Ein Stück der Triclitermeuibran des Hodens von Lnmbricus terrcstris mit zwei in
25olialföimigcn Zellen (z) eingepflanzten Exemplaren der M. magna. Vcrgr. ca. 5Ü.
Ib. Vorderende einer grossen Monocystis magna, zeigt deutlich die Längsrippung der
Cuticula am festgehefteten Vorderende, sowie die feine Längsstreifung der Cuticula.
2. Monocystis agilis St. a ein ruhendes Individuum; b ein Individuum in Bewegung;
eine den Leib ringförmig umgreifende Einschnürung zieht vom unteren nach dem oberen
Ende. Vcrgr. ca. 250.
3a— g. Zur Entwiclilungsgeschichtc der Monocystis agilis St. Vcrgr. 220.
3 a. Ganz jugendliche Form (m) im Innern einer Spcrmatosphaere von Lumbricus ter-
restris.
3 b. Weiterentwickelte Form.
3 c. Ziemlich herangewachsene Form, die Spermatoblasten haben begonnen auszuwachsen.
3d. Erwachsene Form mit einem dichten ücbcrzug wenig ausgewachsener Spermato-
blasten.
3 c. Erwachsene Form mit einem zum borstenartigen Besatz ausgewachsenen üeberzug
von Speruiatoblasten.
3 f. Das Thier hat die Hülle am einen Ende gesiircngt und ist im Begrilf hervorzutreten.
3g. Ein ähnliches Stadium; die Monocystis hat ihre haarige Hülle schon weiter ab-
gestreift.
4a — f. Zur Sporulation der Regcnwurmmonocysten.
4 a. Cyste mit zwei grossen Kugeln. Nacli der gewöhnlichen Auffassung aus der Thei-
lung einer einfachen encystirten Monocystis hervorgegangen, vielleicht jedoch airch
durch Copulation entstanden. (Vergr. 300.)
4b. Aehnlichcr Zustand; auf der Oberfläche der einen Kugel sind schon Sporoblasten
hervorgesprosst. (Vergr. 450.)
4c. Aehnlicher Zustand; auf beiden Kugeln hat sich die Sporoblastenljildung vollzogen.
(Vergr. 160.)
4d. Die eine der Kugeln ist in mehrere kleine zerfallen (fraglich ob vor oder nach der
Sporoblastenbildung). (Vergr. 160.)
4e. Cyste mit unregclmässigen Zerfallsproducten, noch kugligen Sporoblasten und solchen,
welche schon die spindelförmige Gestalt der reifen Sporen angenommen haben.
(Vcrgr. 2 SO.)
4 f. Grosse Cyste mit einer dichten oberflächlichen Lage reifer Sporen; im Centrum
noch eine unregelmässige körnige Plasmamasse, von welcher verzweigte Plasmafäden
zur Sporenschicht laufen.
5. Verschiedene Ausbildungszustände grosser Sporen einer Regenwurmmonocystis. Vergr.
ca. 1400.
5 a. Noch nackter Sporoblast, welcher sich spindelförmig gestreckt hat.
5b. Spore mit vollständig entwickelter Sporenschale; das Plasma hat sich etwas con-
deusirt.
5 c. Eeife Spore mit entwickelten sichelförmigen Keimen und dem nucleus de reliquat (r).
5d. Eine ähnliche Spore in der Polansicht.
6 — 11. Verschiedene anormale Ausbildungszustände von Sporen der Eegenwurmmonocystcn ;
hesonders eigenthümlich sind darunter die merkwürdigen Mehrfach- oder Verwachsungs-
bildungen Figg. 9 — 11.
Figg. 1a und 5 nach BtUschli (Zeitsch. f. wiss. Zoo). XXV); Fig. 2 nach Stein (Arch.
f. Anat. u. Phys. 1S48); Figg. 3a — c und 3f — g nach A. Schmidt (Abb. d. Senckenb, Ges. I) ;
Figg. 3d und 4a — e nacii Lieberkühn (,Mem. cour. Acad. Belgique XXVI); Figg. 6 — 10 nach
Aime Schneider (Arch. zool. exp. IV); Figg. Ib und 4f Originalia.
Sporozoa.
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Erkläiung von Tafel XXXIV.
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1. Zygocystis Cometa St. aus dem Hoden von Lumbncus commiinib Hoffm. Vergr.
ca. 250,
1 a. Syzygie zweier, 1 b solche dreier Individuen.
2. (iamocystis tenax Aim. Schnd. aus dem Darm von Blatta lapponica.
2 a. Syzygie zweier Tliiere. a die quere Fibrilleulage des Ectosarks im optischen
Durchschnitt.
2 b. Reife Cyste mit hervorgetretnen Sporoducten (sp), welche Haufen von Sporen (s)
entleert haben, c die eigentliche Gystenhülle, g die dicke Gallertumhüllung.
2 c. Sporen.
3. Conorhynchus Echiuri (irueli aus dem Darm von Echiurus Pallasii.
3 a. Jugendliches, isolirt Jebendes Individuum.
3b. Etwas weiter entwickeltes Individuum, das schon einige seitliche Fortsätze hervor-
getriehen hat.
3 c. Syzygie zweier erwachsener Thiere; das Entoplasma ist durchaus vacuolär, v,v zwei
sehr grosse Vacuoleii. Vergr. ca. 60.
4. Sogen. Monocystis pellucida Köll. aus dem Darm von Nereis pelagica. Erwach-
senes Individuum mit dickem Ectoplasma und einer fibrillären Streifung desselben im
Yordercnde. Vergr. ca. 150.
5. (ionospora Terebellac Köll. sp. aus dem Darm von Audouinia und Terebella.
5a — b. Zwei reife Sporen mit sichelförmigen Keimen und einem Restkörper (r).
5 c. Ein Individuum.
6a — b. ürospbra " Nemertis Köll. sp. Zwei reife Sporen mit sichelförmigen Keimen
und einem Restkörper (r).
7. ? ürospora (Gregarina) Saenuridis Köll. sp. Syzygie zweier Individuen aus dem
Hoden von Tubifex rivulorum. ''
8. Zur Sporulation dieser Form.
8 a. Syzygie kurz vor der Encystirung.
8 b. Nach vollzogener Encystirung.
Sc Jedes der Individuen anscheinend vollständig in eine Anzahl Theilstücke zerfallen;
es scheint sich noch eine speciellc Cystenhaut um jedes Individuum innerhalb der
gemeinsamen gebildet zu haben (sogen. Pseudoconjugation).
Sd. Die Tlieilstücke haben sich noch weiter zu rundlichen Sporoblasten vermehrt.
S e. Die Sporoblasteji sind zu Sporen umgebildet. Später scheint die Scheidewand.
welche beide Sporenhaufen trennt, zu vergehen, so dass die Cyste dann von einer
einheitlichen Sporenmasse erfüllt wird.
9a — c. Sogen. Monocystis Enchytraei Köll. aus dem Darm von Enchytraeus albidus.
',1a und c ältere Individuen; 9b ein solches wie 9c in Krümmungsbewegungeu begriffen.
Vergr. ca. 350.
10. Monocystide aus dem Darm einer Phyllodoce mit longitudinaler und circulärcr Strei-
fung. Vergr. 60 — 70.
11. Sogen, Monocystis sagittata Leuck. aus dem Darm von Caintella cajntata. Vergr.
ca 120.
12. Monocystide aus Phyllodoce. a ein Individuum, welches zahlreiche stäbchenartige
Gebilde (Sporen nach Claparede) in seinem Entoplasma einschliesst. Vergr. [ca. 320.
b eine solche Spore stärker vergrössert.
Fig. 1 nach Stein (Arch. f. Anat. u. Phys. 1848); Figg. 2, 5 u. 6 nach Aim. Schneider
(Arch. zool. exp. IV); Fig. 4 nach R. Lankestcr (Quart, journ. m. science n. s. VI); Figg. 7 — 9
nach Kölliker (Zeitschr. f. wiss. Zool. I); Figg. 10 — 12 nach Claparede (Mem. soc. Phys. et
d'hist. nat. Geneve 1861).
Sporozoa.
Taf. XXXIV.
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LitAAnsl.rVerneriKnter,fnmkfiirt'yM.
Erkläiimg von Tafel XXXV.
1. Moiiocys tiij Apliroditac R. Laiik. aus dem Darm von Aphrodite aculeata. Vergr.
ca. 50 — 60.
2. Zur Copulation und Encystining der Clcpsidrina Blattarum Sieb sp.
2 a. Beginn der Eiicystirung; die Syzygic bewegt sich andauernd in der Richtung der
Pfeile im Kreise umher.
2b. ca. zehn Minuten später; die beiden Individuen liaben sich mit iliren gleichnamigen
Seiten schon ziemlich innig zusammengelegt ; die Bewegung dauert fort.
2 c. ca. Vi Stunde später. Die Thiere haben sich der Länge nach völlig zusammen-
gelegt; die Abscheidung der Gallerthalle (gh) hat begonnen.
2d. ca. 45 Minuten später. Die eigentliche CystenhüUe (ch) hat sich schon angelegt;
die Cyste hat ihre bleibende ovale Gestalt angenommen. Nur das Protomerit (pm)
des einen Thieres ist noch sichtbar.
3. Eine Cyste der Clepsidrina ovata Df sp. Von der Oberfläche des einheitlichen
Cystcninhalts sprossen die Sporoblasten (spb) in einer einschichtigen Lage hervor.
4. Ausgereifte Cyste der Clepsidrina Blattarum Sieb. sp. mit dicker Gallerthülle (gh)
und hervorgestülpten Sporoducten (spd). Die Sporen zum grössten Tlieil entleert, ein
Häufchen derselben (ps) liegt noch im Centrum der Cyste. Durch Kalilauge sind die
Körnermassen des Cysteninhalts zerstört; man bemerkt nun sehr deutlich das plasma-
tische Netzwerk, in dessen Maschen die Körner eingebettet sind, sowie die plasmatischen
Schläuche s, welche zur Leitung der Sporen nach den Sporoducten dienen. Die eigent-
liche CystenhüUe (ch) hat sich sehr contrahirt und verdickt, sie erscheint daher jetzt
sehr deutlich geschichtet, sph die sogen. Sporoductenhaut. Vergr. ca. 100.
5. Eine reife Spore der Clepsidrina Blattarum, längere Zeit nach dem Austritt aus
der Cyste. Vergr. ca. 1600.
6. Basale Hälfte eines ausgestülpten Sporoducts der Clepsidrina Blattarum. w fein-
körniger Plasmawulst, S plasmatischer Schlauch, in dessen Innern der Sporoduct ent-
stand; b körnig-faserige Masse, welche gewöhnlich das Basalendc der ausgestülpten Sporo-
ducte umgibt.
7. Eine Syzygie der Clepsidrina Blattarum Sieb, aus dem Darm von Blatta orientalis.
Vergr. ca. 100.
8. Drei Epithelzcllen des Mitteldarms der Blatta orientalis, in deren freien Enden je eine
jugendlichste Clepsidrina Blattarum eingesenkt ist. Vergr. ca. 600—700.
lt. Weiteres Entwicklungsstadium der jungen Clepsidrinen; nur das Epimerit (ep) ist noch
in die Epithelzcllen eingesenkt, der übrige Körper ragt frei hervor. Vergr. ca. 150.
10. Einzelthier von Clepsidrina Munieri Aim. Sehn, aus dem Darm von Timarcha teue-
bricosa. Etwas schematisirt, um die netzförmig anastomosirende Fibrillenschicht des
Ectosarks zu zeigen.
11. Du f curia agilis Aim. Sehn, aus dem Darm der Larve einer Hydrocantharide. a Sy-
zygie im Begriff sich zu encystiren. b eine reife Spore mit drei sichelförmigen Keimen
und einem Kestkörper (r).
12. Adelea ovata Aim. Sehn, aus dem Darm des Lithobius forficatus. a Ein Individuum,
dem ein kleiner, seiner Natur nach zweifelhafter Körper (c) anhängt (wie dies nicht sel-
ten beobachtet wird), b Cyste von zahlreichen Sporen erfüllt, c eine Spore, n der
Nucleus, k zwei kleine Körperchen , welche sich zu beiden Seiten des Nucleus herab-
ziehen und deren Natur unsicher. Sehr stark vergrössert.
Fig. 1 nach R. Lankcster (Qu. j. micr. sc. VII); Figg. 2, 4--6, 8 u. 9 nach Butsrhli
(Zcitsch. f. wiss. Zool, XXXV); Figg. 3, 7, 10—12 nach Aim. Schneider (Arch, zool. exp. IV).
Spoiozoa.
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Erkläiung von Tafel XXXVI.
1. Einige SiJoren von Hyalosijora roscoviana Aiiii. Sclin.
2. Einige Sporen von Euspora fallax Aiui. Sehn. Zwei derselben in seitlicher Ansicht,
zwei andere in der Ansicht auf die pentagonale Endfläche.
3 — 9. Porospora gigantea E. van Beneden sp., aus dem Darm von Homarus vulgaris.
3. Ein erwachsenes Individuum. Vergr. ca. 150.
4. Encystirungszustände der Porospora gigantea.
4 a. eine einfache Cyste mit einheitlichem Inhalt.
4 b. Eine Cyste mit zweigctlieiltem Inhalt (van Beneden).
4 c. Eine solche, bei welcher die beiden Theilstücke sich unter Ycrgrösserung der Cyste
abgerundet haben.
4d. Durch Zerfall der Cystenhülle des vorhergehenden Stadiums, Auseinanderrucken der
beiden Theilstücke und Erzeugung einer besonderen Cystenhülle um jedes derselben,
haben sich zwei Cysten zweiter Generation gebildet. Deren Inhalt hat sich von
neuem getheilt, wodurch vier Cysten dritter Generation entstanden sind. (Nach E. van
Beneden's Deutung.^
5. Zwei Sporen der Porospora mit der dicken porösen Sporenschale.
Ca — n. Eine Reihe von Entwicklungsstadien der Porospora gigantea.
6 a. Jugendlichstes beobachtetes Stadium, in Gestalt einer kleinen Amöbe (angeblich kernlos).
6 b. Allmähliche Hervorbildung zweier Fortsätze.
6c — d. Die beiden Fortsätze oder Arme haben sich vergrössert, der eine (untere) ist
sehr beweglich, der andere stets rigid.
6 e. Der untere . bewegliche Arm ist im Begriff sich als sogen. Pseudofilarie abzulösen.
6f — h. f, der rigide Arm mit dem Rest der Amöbe, nach Ablösung des beweglichen
Armes, verwandelt sich durch Vertheilung der Endanschwellung (6g) allmählich in
das als Pseudofilarie bezeichnete Jugendstadium 6h, welche Form auch der beweg-
liche Arm nach seiner Lösung annimmt.
6i — 1. Umbildungszustände der monocystiden Pseudofilarie zur jungen Polycystidc. Der
Kern angeblich nur durch Nucleolus repräsentirt.
Gm, Das Protomerit (pm) schon ziemlich deutlich.
6n. Weiter herangewachsene Psorospora. Der Kern deutlich bläschenförmig. Bei der
weiteren Entwicklung wächst das Deutomerit immer ansehnlicher aus.
T. Vordertheil einer erwachsenen Porospora stark vergrössert; zeigt deutlich die circulärc
Fibiillenschicht des sog. Myocyts m sowie die Bildung der Scheidewand durch das Myocyt;
Ectoplasma (Ec) und Entoplasma (En).
8. Drei Fibrillen des Myocyts, welche eine deutliche Zusammensetzung aus kleinen Kör-
perchen zeigen.
9a— f. Der Nucleus eines jugendlichen Exemplars von Porospora, um die fortdauernden
Veränderungen der Nucleoli während etwa 25 Minuten zu zeigen. Vergr. ca. 300.
10. Pileocephalus chinensis Aim. Sehn, aus dem Darm von Mystacideslarven.
10 a. Cephalon mit Epimerit ep.
10b. Einfache und y-förmigc Spore, letztere ist vielleicht als Verwachsung zu deuten;
n Nucleus.
11. Bothriopsis Histrio Aim. Sehn, aus dem Darmkanal vcrschiedner Wasserkäfer.
12a — b. Pyxinia rubecula Hammerschm., aus dem Darm der Dermesteslarve. a Sporon-
zustand. b vorderster Theil des Protomerils eines Cephalon mit Epimerit (ep).
13a — f. Actinocephalus Dujardini Aim. Sehn, aus dem Darm von Lithobius forficatus.
a Cephalon mit Epimerit (ep); b dasselbe wirft gerade sein Epimerit ab und geht da-
durch in den Zustand des Sporen tiber. c— e: drei aufeinanderfolgende Stadien der
solitären Encystirung dieser Art. e die ausgebildete Cyste, f Zwei Sporen.
14a — c. Echinocephalus hispidus Aim. Sehn, aus dem Darm von Lithobius forficatus.
14 a. Cephalon mit dem Epimerit (ep) und seinen Anhängen.
14 b. Sporen, kettenförmig zusammenhängend.
14 c. Eine Spore stärker vergrössert; ncl angeblich Nucleolus.
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Figg. 1, 2, 5, 10—14 nach Schneider (Arch. zool. exp6r. IV); Figg. 3 — 4, 6—9 nach
E. van Beneden (Bull. Acad. roy. Belgique 2. s., T. 28, 31 u. 33).
Sporozoa.
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Eikläiung von Tafel XXXVII.
Fig.
1. Ccplialon von Act inoccphalu s> stollif oruiis Aim. Sclin. aus dem Darin von Käfern,
ep Epimerit.
2. Stylo rhynchus longicollis St. aus dem Darm von Blaps mortisaga.
2 a. Ceplialon mit Epimerit.
2 b. Sporen, nach Verlust des Epimerits.
3a — c. Stylorhynchus oblongatus Hainmcrschm. sp. aus dem Darm von Opatruro
sabulosum.
3 a. Cyste vor Entwicklung der SporoWasten.
3b. Eine solche während der Knospung der Sporoblastcn (spb).
3 c. Theil einer Cyste während des Stadiums der Beweglichkeit der hervorgeknospten
Sporoblasten (spb).
3d. Eine ausgereifte aufge^prungene Cyste; die Sporen (s) treten in zusammenhängende!»
Ketten hervor; pc die sogen. Pseudocyste; ch die eigentliche Cystenhülle.
4. H. 5. Stücke der eigentlichen Cystenhülle von Stylorhynchus longicollis (4) und
St. oblongatus (.5).
6. Ein kleiner Theil der Oberfläche des Cysteninhalts von Stylorhynchus longicollis,
mit hervorknospenden Sporoblasten.
7. Sporen von Stylorhynchus longicollis.
8a — b. G en ei orhy nchus Monnieri Aim. Sehn, aus dem Darm von Libellennymphen.
8 a. Ceplialon mit vollständig ausgestrecktem Epimerit ep.
8b. Cephalon mit zum Theil in das Protomerit zurückgezognem Epimerit.
9a — b. A ctinoccphalus (Hoplorhynchus V. Car.) oligacanthus St. aus dem Darm
der Larve von Agrion.
9 a. Cephalon mit Epimerit ep.
9b. Einige Sporen.
10a — h. Klossia lielicina Aim. Sehn, aus der Xiere von Helix hortensis. Vergr. von
a— d und h = .SOO, von e— g = 600.
10 a. ^lonströs vergrössertc Nierenzelle, in welcher eine ziemlich erwachsene Klossia ein-
gebettet ist. Die Oberfläche der Zelle hat einen eigenthtimlichen Borstenbesatz ent-
wickelt ; n' der Kern der Niercnzcllc, n der der Klossia.
lob. Encystirte Klossia in einer Nierenzelle; der Kern ist nicht mehr sichtbar.
10c. Cyste deren Inhalt in eine Anzahl, wie es scheint, noch unbeschalter Tbeilstücke
zerfallen ist.
10 d. Cyste deren Inhalt in zahlreiche runde Sporen zerfallen ist, in welchen die sichel-
förmigen Keime in Bildung bcgrifl'en sind.
lOe — f. Zwei Sporen mit sichelförmigen Keimen und einem Restkörper (r).
10 g. Die aus einer Spore hervorgetretneii sichelförmigen Keime und der Restkörper (r).
iOh. Zwei der jugendlichsten Stadien der Klossia in den Nierenzellen.
11. Coccidium oviforme Lck. aus der Leber des Kaninchens.
IIa. Eben gebildete Cyste.
1 1 b. Die äussere Cystenhaut ist verloren gegangen, der Inhalt hat sich condensirt. n ? Nucleus.
1 1 c. Der Cysteninhalt in vier Sporoblasten getheilt.
1 1 d. Dieselben haben sich abgerundet und zeigen je eine helle kernartige Stelle im Innern,
lle — f. Die Sporoblasten haben sich zu Sporen entwickelt und je einen sichelförmigen
Keim erzeugt.
11 g — h. Eine reife Spore stärker vergrössert. g der sichelförmige Keim von der Seite:
h von vorn, nur die kuglig verdickten Enden deutlich zu sehen.
12. Zwei weitere angebliche Entwicklungsstufen der Cysten des Coccidium oviforme nach
Waldenburg's Darstellung.
12 a. In den vier Theilstücken des Cysteninhalts sind je vier helle KUgelchen (Kerne nach
Waidenburg) aufgetreten.
12b. Diesen Kernen entsprechend ist jedes der vier Theilstücke in vier kleinere Kügelchen
zerfallen. Vergr. 300.
(Diese Entwicklungsstadien der Cysten wurden bei Aufbewahrung der inficirten Leber
in Chromsäure beobachtet.)
13. Aus der Spore ausgetretne sichelförmige Keime der Eimeria falciformis Eim. sp. der
Maus: dieselben sind amöboid (?) beweglich und gestaltswechsclnd.
Figg. 1 — 9 nach Aim. Schneider (Arch. zool. e.\per. IV); Fig. 10 nach Kloss (Abh. der
Senckenberg. Gescllsch. I); Figg. IIa — llf nach R. Leuckart (Die Parasiten des Menschenr
2. Aufl.): Figg. 11g — h nach Stieda (Arch. f. pathol. Anatomie 32); Fig. 12 nach Waiden-
burg (Arch. f. pathol. Anatomie 24); Fig. 13 nach Eimer (Psorospermieji der Wirbelthiere).
Sporozoa.
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Erklaiuni-' von Tafol XXXVIII.
Fig.
1. Klossia octopiaiia Aim. SlIiii. aus L'oplialopodeii.
1 a. Ein kleines Exemplar vor Bej^riim der Sporulatioii ; n der Kern mit anselmllchem
iS'ucleohis, et abgehobne Cuticula.
1 b. Cyste mit zalilrcicliea hellen Körpern (Kernen?) im Inhalt.
1 c. Cyste mit unreifen Sporen (SporoblastenV).
Id — f. Reife Sporen mit sichelförmigen Keimen in verscLiedner Lagerung und einem
Kestkörper (r). Vergr. von a — c = 200.
2. Eimeria falciformis Eim. sp.
2 a. Ein erwachsenes, nicht encystirtes Individuum in einer Darmepithelzello der ]Maus.
2b. Encystirtc Form; an beiden Polen der Cyste eine sogen. Mikropyle; im Inhalt der
Cyste drei nucleusartige Körper.
2 c. Cyste mit stark condensirtem, kugligen Inhalt.
2d. Eine ähnliche Cyste, in deren Inhalt eine Anzahl heller Körperchen aufgetreten sind.
2 e. Cyste, deren Inhalt sich zur Spore ausgebildet hat, in welcher eine Anzahl sichel-
förmiger Keime neben einem Kestkörper (r) sich lindet.
2 f. Eine isolirte Spore mit einer Anzahl sichelförmiger Keime.
2 g. Eine ähnliche Spore, deren sichelförmige Keime mit ihrem einen Ende einem Rest-
körper (r) aufsitzen.
li. Darmepithelzello des Kaninchens mit einer (nach Waidenburg) angeblich in Viertheilung
begriüenen Coccidie. Vergr. 300.
4. Ein isolirter sichelförmiger Keim der Eimeria Schneideri n. sp. (aus dem Darm von
Lithobius forticatus); a gestreckt; b sich einkrümmend; c zu unregelmässig ovaler Ge-
stalt zusammengezogen. Vergr. ca. 700.
5. Freie amöbenförmig gestaltete Myxosporidie auf einem Kicmenbiättchcn von Leucis-
cus erythrophthalmus. Vergr. ca. 20.
6 — 10. Myxobolus 3Iulleri n. g. et sp. von den Kiemen verschiedener Cypdnoiden.
6a. Zwei Kiemenblättchen einer Cyprinoide, von welchen das eine eine ansehnliche Myxo-
sporidie einschliesst (M) ; Kn das Knorpelstäbchen des Kiemenblättchens.
6 b. Spore in der Ansicht von der Flachseitc. p Polkörper (Nesse'kapscl), n Kern, k glän-
zendes Körperchen; o die OcUhung.
7. Sporenschale von der Schmalseite (nach Behandl. mit concentrirter Schwefelsäure).
8. Die beiden Hälften einer solchen Sporenschale getrennt; von der Schmalseite.
lt. Eine Spore mit ausgeschnellten Nesselfäden der Polkörper; in Flächenansicht.
10a — b. Zwei Entwicklungsstadien der Sporen: die drei rundlichen Körper in 10a sind wahr-
scheinlich Kerne; in b sieht man die jugendlichen Nesselkapseln, welche anscheinend in
den beiden vorderen Kernen liegen.
11. Zwei Sporen einer Myxosporidie der Hechtkiemen, paarweise in gemeinsamer Hülle ein-
geschlossen. Vergr. ca. 700.
12 — 15..Myxidium Lieberkühnii n. g. et sp. aus der Harnblase des Hechts.
12. Stark amöboid verzweigtes Exemplar. Vergr. ca. 60.
13. Exemplar, dessen Oberfläche dicht von queren faltenartigen Erhebungen bedeckt ist; an
einem Pole einige Pseudopodien. Vergr. 160.
14. Zur Bildungsgeschichte der Sporen.
14 a. Eine sechskernige Keimkugel eines Myxidium Lieberkühnii.
14 b. Eine ähnliche, mit einer zarten Hülle bekleidet.
14c. Weiteres Stadium; die Keimkugel hat sich in zwei dreikernige Sporoblasten getheilt.
14 d. Die beiden Sporoblasten haben sich länglich gestreckt und nähern sich in ihrer
Gestalt der reifen Spore.
14 e. Weiter gereifter Sporoblast. Die beiden endständigen Nuclei sind geschwunden,
und an deren Stelle haben sich zwei Nesselkapseln ausgebildet.
Fig.
15. Keife Spore; p die. Nessclkapseln ; n der Nucleus.
16. Geschwänzte Sporen einer Myxosporidic von den Kiemen der Perca fluviatilis. a ein-
fach geschwänzte Si)ore in Flächenansiclit; b eine solche in der Seitenansicht ; c dojjpelt-
geschwänzte Spore in Flächenansiclit. Vergr. ca. 6.50.
17. Spore mit Myxosporidie (aus der Harnblase von Lota vuli>-aris) uiit vier Polkapseln ; polare
Ansicht. Vergr. 600.
18. Myxosporidic von den Kiemen des Gobio Hiiviafilis. Ver^r. ca. HOO.
18 a. Spore in seitlicher Ansicht.
18 b. Aufgesprungene Spore, mit austretendem Inlialt.
ISc. Der ausgetretene Inhalt in amöboider Bewegung begriffen.
19. Spore einer Myxosporidie von der Kieme von Tinea vulgaris (in Flächenansiclit).
20. Myxosporidie ans der Gallenblase von Lota vulgaris. Yergr. ca. 130.
21. Spore einer Myxosporidie aus der Niere von Lota vulgaris; mit gegabeltem Schwanz.
Vergr. ca. 700.
22. Spore einer Myxosporidie aus dem Ovarium von Lota vulgaris. Jede Spore in besonderer
heller Hülle. Vergr. ca. 600.
23. Myxosporidienspore aus Kais proboscidea; a in Flächen-, b in seitlicher Ansicht. Vergr.
ca. 700.
24. Myxosporidic von den Kiemen der Lota vulgaris; sehr dickes Ectoplasma vorhanden.
Vergr. ca. 130.
25. Sarcocystis aus dem Zwerchfell des Scliweins; die mit dickem Borstenbesatz versehene
Hülle ist an einer Stelle eingerissen. Das Innere dicht mit Sporenkugeln erfüllt, welche
zahlreiche Keime enthalten.
26. Keime dieser Sarcocystis. a Keime der jugendlichsten Sarcocystcn; b rundliche Keime,
an welchen eine Membran deutlich hervorgetreten sein soll und der Inhalt sich zu einem
nierenförmigen Körperchen zusammengezogen hat. c gewöhnliche nierenförmige Keime,
welche nach Maiiz aus der Form b durch Platzen der Hülle frei werden sollen, d an-
gebliche Theilungszustände der Keime.
27. Drei Keime einer Sarcocystis nach Lcuckart.
28. Eine Sarcocystis mit Borstenbesatz in einer quergestreiften Muskelzellc des Schweins ein-
geschlossen.
29. Amoebidium parasiticum Cienk.
29 a. Ein erwachsenes Exemplar; a die Bcfcstigungsstellc, n einer der zahlreichen Nuclei.
29b. Ein Exem|ilar, dessen Plasma, der Zahl der Kerne entsprechend, in junge Amöbi-
dion zerfallen ist.
29 c. Amöbidium, dessen Inhalt in zahlreiche amöboid bewegliche Sporen zerfallen ist.
29 d. Eine freigewordne sich amöbenartig bewegende Spore. ^
29 c. Die Spore ist zur Eulie gekommen und hat sich mit einer dünnen Hülle bekleidet-
29f — g. Der Sporeninhalt ist in eine grössere Zahl von Amöbidienkeime zerfallen.
29 h. Spore mit dicker Hülle (sogen. Kuhezustand Cienkowsty's).
29 i. Weiterer Entwicklungszustand einer derartigen Spore; die Hülle hat sich allmählich
sehr verdünnt und der Inhalt ist in eine Anzahl Amöbidienkeime zerfallen.
29 k u. 1. Junge Amöbidien aus einer Spore wie Fig. 29 i hervorgegangen, k mit zwei,
1 mit vier Vacuolen (oder Kernen?). Vergr. von 29a — c 190, e — 1 285, 29 d 380.
Figg. la — c nach Eberth (Zeitsch. f. wiss, Zool. XI); Id — f nach Aim. Schneider (Arch.
zool. cxp. IV'); Fig. 2 nach Eimer (Psorospermien der Wirbelthierc); Fig. 3 nach Waidenburg
(Arch. f. pathol. Anat. 40); Figg. 4, 6—10, 14, 15 nach Bütschli (Zeitsch. f. wiss. Zool. XXXV);
Figg. 5, 11 — 13, 16 — 24 nach Oiiginalzeichnungen , welche Herr Prof. Lieberkühn die Güte
hatte mir zur Benutzung zu überlassen; Figg. 25 — 26 nach Manz (Arch. f. mikr. Anat. HI);
Fig. 27 nach Leuckart (Parasiten des Menschen); B'ig. 28 nach Rainey (Transact. philos. soc.
Vol. 147); Fig. 29 nach Cienkowsky (Botan. Ztg. 1861).
Sporozoa.
Taf.XXXVlH.
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Erklärung von Tafel XXXIX.
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la — e. Ortliospora propria Aiin. Sclin. aus ilcin Dann von Triton.
1 a. Eine Cyste, deren Inlialt sich Iviigli^- conileiisirt liat, jedoch am einen Pol der Cysten-
wand noch durch ein feines Plasmafädchen befestigt ist. a fein radiär gestrichelter,
d. h. wahrscheinlich von Porenkanälchen durchsetzter äquatorialer Theil der Cysten-
wand.
1 b. Cyste, aus deren Inhalt vier sichelförmige Keime hervorsprossen. Im Inhalt eine
grosse Vacuole.
1 c. Cyste mit den vier ausgebildeten sichelförmigen Keimen neben dem Restkörper r.
Vergr. von la — c = 460.
Id — e. Sichelförmiger Keim, stärker vergrösscrt. in zwei verschiedenen Ansichten. Man
sieht deutlich, dass derselhe aus einem mehr hyalinen Theil und einem granulösen,
cigenthilmlich gestalteten Mitteltheil besteht.
2a — c. Cyclospora glomericola A. Sehn, aus dem Darm von Glomeris. Vergr. GOü.
2a. Cyste, deren Inhalt sich kuglig condensirt hat. Der Nucleus n ist ganz an die Ober-
fläche gerückt.
21). Cyste, deren Inhalt sich in zwei Sporoblasten getheilt hat. Neben diesen finden sich
zwei Kürperchen a, welche nach dem Undeutlichwerden des Nucleus und vor der
Theilung des Cysteninhalts aus dem Plasma austreten.
2c. Cyste mit zwei reifen beschälten Sporen, von denen jede einen Kestkörper r und
zwei sichelförmige Keime enthält.
3. Isospora rara A. Sehn, aus Limax. Ein sichelförmiger Keim, der aus drei Abschnitten
zusammengesetzt erscheint, zwei endständigen stark lichtbrechenden und einem mittleren,
weniger stark brechenden,
■la — b. Klossia Soror A. Sehn, aus der Niere von Ncritina fluviatilis. Vergr. ca. .360.
4a. Cyste, deren condensirter Inhalt auf seiner Oberfläche zahlrciclie Sporoblasten hervor-
sprosst.
4 b. Cyste mit fertigen Sporoblasten und einem Eestkörper r.
4c — d. Sogen. Drepanidium Kanarum K. Lank.
4c. Blutkörperchen eines Frosches, das vor und hinter seinem Zellkern (n) je ein sogen.
Drepanidium Ranarum R. Lank. einschliesst.
4d. Ein solches Drepanidium nach seinem Austritt aus dem Blutkörperchen, zeigt in
seinen beiden Enden je ein stärker lichtbrechendes Körperchen (nach Gaule).
4e. Ein ebensolches Drepanidium nach R. Lankester.
Für sämmtliche Abbildungen d er Mastigophoren sind übereinstimmende
Bezeichnungen für die nachstehend verzeichneten Theile gewählt worden:
Der Nucleus n, die contractile Vacuole cv, das sogen. Stigma (Augenfleck) o, aufgenommene
Nahrung N, die nahrungsaufnehmende Vacuole nv, die Chromatophoren (Endochromplatten) Ec,
Chlorophyllkörner ch, Stärkemehleinschlüsse am, Paramyloneinschlüsse pam, sogen. Amylon-
kerne (Pyrenoide) amk, Mundöffnung m, Schlund s, Afterstclle a.
5a — e. Trypanosoma sanguinis Gruby aus dem Blut von Rana.
öa. Form mit unentwickelter oder eingezogner undulirender Membran.
äh—Q. Verschiedene Formen mit verschiedengradiger Entwicklung des undulirenden
Saumes und der Geissei. Vergr. ca. 500.
5 f. Trypanosoma Carassii Mikroph. aus Blut von Cyprinus carassius.
6a. Tryp anosoiiia Balbianii Certes aus dem Mageu von Ostrea. Vergr. 4üü.
6b — c. Tryi^anosoma Ebertliii S. Kent aus dem Darm verschiedener Vögel. Ii. im
beweglichen, c. im ruhenden Zustand. Vergr. 700.
7a — f. Ciliophrys Infusionum Cienlc. 7a. Ein Exemplar im flagellaten artigen Zu-
stand nach Einziehung der Pseudopodien. 7 b. Der helio/.oünartige Zustand ohne Geissel
und mit zahlreiclien feinen Pseudopodien. 7 c. Mehrere (wahrscheinlich drei) im helio-
zoenartigen Zustand copulirte Individuen, von welchen sich eines zu einem Flagellaten um-
gebildet bat und im Begritf ist, sich loszutrennen. Die anderen Individuen werden gleich-
falls bald in den Flagellatenzustand übergehen. 7 d. Theilungszustand der Üagellatenartigen
Form; die beiden so entstehenden Sprösslinge trennen sich jedoch nicht vollständig von
einander, sondern vereinigen sich wieder durch Copulation. 7e zeigt einen solchen Ver-
schmelzungszustand und 7 f die durch völlige Verschmelzung zweier solcher Theilspröss-
linge entstandene zweigeibSelige bewegliche Zygote , deren weiteres Schicksal unbekannt
ist. Vergr. der Figg. ca. 500.
S. Actinomonas mirabilis Kent. Vergr. 800.
9. Mastigamoeba aspera F. E. Seh. kriechend; das Hinterende zeigt zahlreiche haar-
artige Fortsätze, entsprechend denen zahlreicher Amöben, die übrige Oberfläche ist dicht
mit den bacterienartigen Stäbchen bedeckt. Vergr. 250.
10a — b. Mastigamoeba lobata (?) St. sp. a. Im kriechenden Zustand, b. im schwimmen-
den, mehr flagellatenartigen Zustand. Vergr. ca. 1000.
IIa— b. Cercomonas crassicauda Duj. IIa. Gewöhnliche Form, m die bläschenförmige
Mundstelle; Hb amöboid veränderliche Form, die am Hinterende rasch wechselnde Pseudo-
podien aussendet.
11c. Cercomonas longicauda Duj. Längstheilungszustand. Vergr. der Figg. IIa
bis c = 400.
12a— d. Cercomonas (tyi3ica Kent). 12a. Angebliche Quertheilung, wobei der zwischen den
beiden Sprösslingen ausgezogene Plasmafaden zu den Schwanzfortsätzen derselben werden
soll. 12 b. Zwei amöboid geAvordene Individuen im Begriff zu copuliren. Die Geissein
sind noch vorhanden und die eigentlichen Körper scharf von den Pseudopodien zu unter-
scheiden. 12 c. Weiteres Stadium der Verschmelzung. Die Pseudopodien haben sich zu
gemeinsamer Plasmamasse vereinigt, die beiden Körper dagegen sind noch nicht ganz ver-
schmolzen. 12 d. Dünnwandige aus der Copulation hervorgegangene Cyste. 12e. Die-
selbe ist aufgeplatzt und sendet nach allen Seiten die minutiösen feinen Sporen aus.
Figg. 1, 2, 3 und 4a— b nach Aim6 Schneider (,Arch. Zoologie experim. IX); Figg. 4 c
bis d, 5a— d nach Gaule (Arch. f. Anat. u. Physiol. Phys. Abth. 1880 u. 81); Fig. 4e nach
E. Lankester (.Quart, iourn. micr. sc. N. s. 22); Fig. 5e nach R. Lankester (Q. j. m. sc. N s XI);
Fig. 5f nach Mitrophanow (Biolog. Centralbl. 1882): Fig. 6 a nach Certes (Ballet, soc. zool.
France 1SS2); Fig. 6b— c nach Eberth (Zeitsch. f. wiss. Zool. XI); Figg. 7a— b u. 10a— b nach
Biitsclili (Zeitsch. f. wiss. Zool. XXX); Fig. 8 nach S. Kent (Manual of infusoria); Figg. 10 a— c
nach Stein (Organismus der Flagell.); Figg. 12 nach Dallinger und Drysdale (Monthly microsc.
journ. I b73).
Sporozoa u.Flacfellata
Taf.XXXlX.
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Erklärung von Tafel XL.
Fig.
la — g. Herpctomonas Muscae Burn. aus dem Darin von Musca domestica. a. Jiigoiid-
lichc Form. Ib — c. Aclterc Form in verschiedenen Contractionszustäiidcn. Id. Alte,
fast starre, nur noch wenig biegsame Form, le — g. Verschiedene Längstliciluiigszuständc
nach der Auffassung Stein's. Vergr. 440.
2a — e. Oikomonas Termo Ehrbg, sp. la. Einige Exemplare, die sicli mit dem etwas
ausgezogenen Hinterende auf einer Bacterienhaut befestigt haben. 2b — d. Ein Indivi-
duum in drei verschiedenen Stadien der Nahrungsaufnahme. 2 b zeigt die nahruni^sauf-
iiehmende Vacuole bei nv und einen kleinen Nahrungskörper N, der von der lieissel
gegen diese Vacuole geschleudert wird. In 2 c hat die beträchtlich vergrösserte Vacuole
den Nahrungskörper in sich aufgenommen und ist im Begriff nach hinten zu rücken ; in
2d ist die Vacuole schon bis gegen die Mitte des Seitenrandes nach hinten gerückt und
eine neue beginnt sich zu bilden. 2 e. Ein Individuum mit amöboid veränderlichem
Hinterende. Vergr. von 2b — d == 700, der übrigen Figg. = 440.
Sa — c. Oikomonas mutabilis Kent. 3a. Ein mit ansehnlichem stielförmigen Plasma-
faden des Hinterendes befestigtes Thier. N aufgenommener Nahrungskörper in einer
nahrungaufnehmenden Vacuole. Vergr, 600. 3 b. Längstheilungszustand. 3 c. Sporen-
haufen, der durch Zerfall eines encystirten Thiers entstanden sein soll; von einer Cysten-
hülle ist jedoch nichts angegeben.
4a — b. ? Oikomonas sp. (sogen. Pseudospora parasitica Cienk.) aus faulenden Spirogyren-
zellen. 4 a. Ein Individuum vor dem Eindringen in die Algenzelle. 4b. Ein amöboid
umgestaltetes Individuum aus einer Algenzelle. 4c. Der encystirte Ruhezustand, dessen
Inhalt sich nach Ausstossung der unverdauten Nahrungsreste in einige Sprösslinge gc-
theilt hat. Vergr. 320.
4c — d. ? Oikomonas sp. (sogen. Pseudospora Nitellarum Cienk.) aus faulenden Nitellen.
4 c. Die Flagellate. 4d. Der Dauerzustand, welcher zwei Gystenhüllen (z und c) besitzt,
zwischen denen sich die ausgestossenen Nahrungsreste N finden. Vergr. 320 (?).
5a — k. ? Oikomonas Dallingeri Kent sp. (sogen. Monas Dallingeri Kent). 5a. Aeltere
Form ; um die Basis der Geissei findet sich eine Art Scheide oder Verdickung, die etwas
an die Kragenbildung der Choanoßagellata erinnert. 5 b. Gewöhnliche Form ohne diese
Auszeichnung der Geissei. (Vergr. = 1300.)
5e — g. Eigenthümlicher Fortpflanzungsprocess durch Theilung. 5e. Der Körper nimmt
eine mehr kuglige Gestalt an und wird schliesslich, indem die Bewegung erlischt, ganz
kuglig (5 d). Hierauf geht die Geissei verloren und es treten plötzlich zwei sich
kreuzende Furchen am Körper auf (5 e) ; die Zahl der Furchen vermehrt sich und die-
selben zeigen eine eigenthümliche Anordnung (5f). Schliesslich zerfällt der Körper
entsprechend den Furchen in eine grosse Anzahl Sprösslinge (5 g), die sich nach Ausbil-
dung der Geissein zerstreuen.
5h — k. Der Copulationsprocess. 5 h. Ein sehr grosses und ein kleines Individuum haben
sich vereinigt und schwimmen mit einander umher, öi. Die aus der Copulation eines
derartigen Paares hervorgegangene dünnwandige Cyste. 5 k. Dieselbe ist aufgesprungen
und hat eine eiweissarartige Flüssigkeit entleert, in der sich nichts von Sporen wahr-
nehmen lässt.
Figr.
6a — b. ChroDiulina flavicans Ehrbg. sjj. Oa. Sehr grosses Individuum-, das eine
Navicula (N) gefressen bat. G b. Wahrscheinlidicr Ruhezustand ; in einer körnigen (iallert-
kugel eingehüllt, hat sich die Chromulina durch fortgesetzte Längstheilung vermehrt, in-
dem die Sprösslingc sicli zu einem Eing zusammengruppiren. Vergr. von a = 440,
von b = 825.
7a — b. Acyromonas sigmoides Kcnt. Marin. 7a. Ein mit der Geissei festgeheftetes
Individuum. 7 b. Schiefer Quertheilungszustand nach Kent. Vergr. ca. 1300.
8. Platytheca micropora St. Kleines Stück einer Wasserlinsenwurzel, auf der vier
Individuen befestigt sind, darunter eines, das sich in seiner Hülle getheilt hat. Der geissel-
artige Faden des Vorderendes wurde nicht in Bewegung beobachtet, daher ist die Flagel-
latennatur dieser Form noch etwas zweifelhaft. Vergr. = 440.
9. Codonoeca costata J.-Clark. Marin. Vergr. = 1000.
10a — b. Po teriod endron petiolatum St. 10a. Ein junger Jiur aus wenigen Individuen
bestehender Stock. Zwei Individuen weit vorgestreckt und mit geöffnetem sogen. Peristom
(pe). Vergr. 325. 10b. Gehäuse, dessen Inwohner sich nach der Beschreibung Kent's
in zahlreiche sporenartige Körper zertheilt haben soll. Vergr. ca. 600.
IIa — d. Bicosoeca 1 acus tri s J.-Clark. IIa — b. Zwei Individuen, welche ihre den sogen.
Peristom fortsatz (pe) tragenden Vordereiiden aus dem Gehäuse vorgestreckt haben, a in
seitlicher , b iu vorderer Ansicht. 1 i c. Individuum , das sich durch Contraction des
Befestigungsfadens und des Körpers in den Grund des Gehäuses zurückgezogen hat,
dessen Mündung sich liierbei zusammenzieht. 1 1 d. Quertheilungszustand; der hintere
Sprössling hat seine Geissei schon entwickelt; das Gehäuse wird wahrscheinlich niit-
getheilt. Vergr. der Figg. =- 650.
12a — e. Monas Guttula Ehrbg. sp. 12a. Ein Individuum, das in seine sehr ausgedehnte
Nahrungsvacuole einen grossen Mycelfaden aufgenommen hat. 12 b. Ein mit stielförmig
ausgezogenem Plasmafaden des Ilinterendes befestigtes Thicr, das im Beiirilf ist, mit
seiner nahrungaufnehmenden Vacuolc einen Nahrungskörper (N) aufzunehmen; e die
sogen. Mundleistc. i 2 c. Eigenthümlichcr Theilungszustand (nach der Auffassung Cien-
kowskys gleichzeitige Theilung in vier Sprösslinge). 12 d. Ein Individuum, das innerlich
eine Cyste ausgebildet hat. 12 e. Die fertige und isolirte Cyste (Dauerzustand). Vergr.
von 12a— h = 1060, von d— e = SOO, 2c = 600.
13a— c. Monas vivipara Ehrbg sp. 13a. Individuum mit zarter gallertartiger Hülle.
Auf der linken Seite erhebt sich ein Pseudopodium, das die Gallerthülle vorstülpt, e die
Mundleiste. 13 b. Amöboid veränderliches Individuum. 13 c. Der Nucleus. Vergr. von
13a— b = 650 und 440.
Figg. 1, 2a und e, 6, S, 10a, IIa. c — d und 13b nach Stein (Organismus d. Flagell.);
Figg. 2b— d und IIb nach Bütschli (Z. f. w. Z. XXX); Figg. 3a— c, 7 und 10 b nach Kent
(Manual); Figg. 4a — d nach Cienkowsky (Arch. f. mikr. Anat. I); Figg. 12a — e nach dem-
selben (ibid. VI); Figg. 5 nach Dallinger und Drysdalc (Monthly micr. journ. 1874 Febr.);
Figg. 13 a und c Üriginalia.
Flagellata.
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Erklärung von Tafel XIjI.
Fig.
la — c. Monas Guttula Ehrbg. sp. Drei aufeinanderfolgende Stadien der Liingslheilung.
Vergr. 440.
2a — d. Monas (Pliysomonas Kent) so Cialis Kent. 2a Ein Längstheilungszustand. Vergr.
ca. 1000. 2 b. Eine mit zahlreichen Sprösslingen (Sporen Kcnt's) erfüllte Cyste, auf dem
erhärteten Stiel des Individuums. Vergr. 2000. 2 c. Eine auf zwei Stielen befestigte
ähnliche Cyste, die wahrscheinlich aus der Copulation zweier gestielter Thiere hervor-
ging. Der Inhalt erscheint in zwei Portionen gesondert, wahrscheinlich der Beginn des
Zerfalls in Sprösslinge. Vergr. 1500. 2d. Ein aus der Cysto Fig. 2 b ausgetretener
Sprössling, der zunächst nur eine Geissei besitzt. Vergr, 2500.
3. Poteriodendron (Stylobryon Kent) epistyloides Kent. Eine Kolonie. Vergr. 1500.
4a. Bicosoeca lacustris J.-Clark. Vollendeter Quertheilungszustand nach Kent. Der
vordere Sprössling ist im Begriff das Gehäuse zu verlassen. Vergr. 1250.
4b. Bicosoeca (Hedraeophysa Kent) Bulla Kent sp. Vergr. 1500.
5. Anthophysa vegetans 0. F. M. sp.
5a. Ein isolirtes Individuum, aus der Auflösung einer Kolonie herrührend. K eine sogen.
Keimkugel Stein's, wahrscheinlich ein eingedrungener Parasit.
5 b. Ein schwächlich entwickelter Zweig einer Kolonie mit einer geringen Zahl von In-
dividuen seiner Endtraube.
5 c. Eeich verzweigte ansehnliche Kolonie mit sehr zahlreichen Endtrauben, deren eine,
K, in Theilung. Vergr. 220.
5 d. Cyste eines isolirten Individuums nacli Kent , deren Inhalt in zahlreiche Sprösslinge
zerfallen ist.
5e. Entsprechende Cyste, die sich geöffnet hat und die zunächst eingeisseligen Spröss-
linge entlässt. Vergr. von 5d — e = 530.
5g. Isolirtes Anthoi)hysaindividuum, das spitzige Pseudopodien aussendet. Vergr. 440.
5 h. Grosses Individuum in der Aufnahme eines Nahrungskörpers N begriffen. Vergr. 700.
5i. Endzweig einer Kolonie mit sehr individuenreicher Endtraube; dieselbe ist im opti-
schen Durchschnitt dargestellt, um die Befestigungsweise und die Gruppirung der
Individuen auf dem knopfförmig angeschwollenen Ende des Zweiges zu zeigen.
6a^c. Dendromonas virgaria Weisse sp. a. Jugendliche nur aus drei Individuen be-
stehende Kolonie. Vergr. 440. b. Reich entwickelte alte Kolonie. Vergr. 320. c. Junge
Kolonie von nur zwei Individuen, die beide in Längstheilung begrill'en sind. Vergr. von c 1000.
7. Dendromonas (Cladonema Kent) laxa Kent. Ein Individuum einer Kolonie, das in
einer seitlichen ansehnlichen Nahrungsvacuole einen Nahrungskörper N aufgenommen
hat. Vergr. ca. 2000.
8a — c. Cephalothamnium caespitosa Kent (= Cyclopum St.) von Cyclops. a. Jugend-
liche nur aus zwei Individuen bestehende Kolonie, davon das eine in Nahrungsaufnahme
begriffen b. Ein Individuum, das zahlreiche fingerförmige Pseudopodien an seiner Ober-
fläche aussendet, c. Keich entwickelte Kolonie. Vergr. von 8a = 650, 8c = 440.
9a — c. Dinobryon Sertularia Ehrbg, a. Ein Gehäuse einer Kolonie, dessen Inwohner
sich getheilt liat, der eine Sprössling ist im Grunde des Gehäuses geblieben, der andere
dagegen hat sich im Mündungsrand desselben befestigt, jedoch noch kein Gehäuse ab-
geschieden. Vergr. 700. b und c. Dauercysten nach Stein und Bütschli.
10. Dinobryon stipitatum St. Längstheilungszustand eines Individuums im Gehäuse,
das nicht mit gezeichnet ist. Die neuen Geissein haben sich schon dicht neben den
alten entwickelt, jedoch noch nicht die definitive Länge erreicht. Am Hinterende sprosst
ein zweiter Schwanzfaden st hervor. Vorn beginnt die Theilfurche sich bemerklich zu
machen. Vergr. ca. 6 — 700.
Figg 1, 5a, 5e, 5g— i, 6a — b, Sa und c, Ob nach Stein (^Organismus V, Figg. 2a — d,
3, 4a — b, 5d— f, 6c, 7 und Sb nach Kent (Manual); 5b, 9a und c nach Bütschli (L f.
w. Z. XXX); Fig. 10 nach Pelletan (Jonrn. de microscp. 1882).
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Taf . XLI.
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Erklärung von Tafel XLII.
Fig.
1. Dinobryon Sertularia Ehrbg. sp. Massig entwickelte junge Kolonie, auf der sich
einige farblose eingeisselige Flagellaten (M) angesiedelt haben, die wahrsclieinlich niclit
in den Entwicklungskreis des Dinobryon gehören. Vergr. 440
2. Epipyxis ütriculus Ehrbg. a. Ein gewöhnliches Individuum in seinem aufgewach-
senen Gehäuse, b. Ein schief quergetheiltes Individuum; der hintere Sprössliiig noch
ohne Geissei. Vergr. 650.
3. Üroglena Volvox Ehrb. a Die Hälfte einer kugelförmigen ansehnlichen Kolonie.
Vergr. 400. b. ein encystirtes Individuum einer Kolonie, das sich unter dem Schutz
der Cystenhülle in vier Sprösslinge getheilt hat. c. Grössere dickschalige Cyste, die nach
Kent wahrscheinlich als Zygote aufzufassen ist; ihr Inhalt ist in sehr zahlreiche kleine
sporenartige Theilstücke zerfallen. Die Cyste ist künstlich gesprengt und daher die
Sporen z. Th. ausgetreten. Vergr. 260. d. Einige benachbarte Individuen einer Kolonie
stärker vergrössert.
4. Amphimonas globosa Kent. a Individuum, das in einer seitlichen Nahrungsvacuole
Nv einen Nahrungskörper eingeschlossen hat. b. Individuum , das mit einer sehr aus-
gedehnten nahrungaufnehmenden Vacuole einen ansehnlichen Bacillus zu ergreifen im
Begriffe steht. Vergr. von a ca 500.
5. Deltomonas Cyclopum Kent. a. Ein Individuum, wie sie sich gewöhnlich gruppen-
weise auf Cyclops befestigt finden. Vergr. ca. ISOO. b. Längstheilungszustand ; auf
jedem der beiden Lappen des Vorderendes hat sich eine zweite Geissei entwickelt, so
dass also jeder derselben zu dem Vorderende eines der beiden Sprösslinge wird. c. An-
gebliche Cyste mit zahlreichen sogen. Sporen im Innern.
6. Diiiomonas tuberculatus Kent. Ein Individuum, das einen ansehnlichen Bacillus
aufgenommen hat. Vergr. ISOO.
7. Pseudospora Volvocis Cienk. a und b zwei Individuen, die von gewissen Stellen
der Körperoberfläche spitzige Pseudopodien aussenden, a zeigt deutlich die fein radiär
gestrichelte Hautschicht und enthält zahlreiclie grüne bis braune Nahrungskörper N.
c. Encystirter Dauerzustand mit drei Hüllen, s eine äusserstc zarte, walirscheinlirh
gallertige Hülle (der sogen. Schleier nach Cienkowsky), z die Zellhulle und c die Cysten-
hülle nach der Bezeiclinung Cienkowsky's , zwischen den beiden letztere]! bemerkt man
die ausgestossenen unverdauten Nahrungsreste N. Vergr. von 7b— c = 320.
8. Diplomita socialis Kent. Ein Individuum auf einem Algenfaden festgeheftet.
Vergr. 1500.
9. Rhipidodendron splendidum St. a. Reich entwickelte Kolonie. Vergr. 200.
b. Junge noch unverzweigte Kolonie stärker vergrössert. c. Ein isolirtes Kolonialindivi-
duum. Vergr. 700.
10. Spongomonas Sacculus Kent. Eine von der Wasseroberfläche herabhängende er-
wachsene Kolonie. Vergr. 3 — 4
11. Cladomonas fruticulosa St. Erwachsene Kolonie. Die Endzweige der Gehäuse-
röhrc sind zum Theil leer, indem die Flagellaten z. Th. die Kolonie verlassen haben. In '
einem Endzweig der Röhre sind zwei durch Längstheilung hervorgegangene Flagellaten
enthalten. Dicht daneben ist zu sehen, wie durch Ausscheidung besonderer Röhren um
solche Theilsprösslinge die Verzweigung der Gehäuseröhre sich vollzieht. Vergr. 325.
12. Spongomonas Intestinum Cienk. sp. Theil einer fadenförmigen auf einer Unter-
lage flach aufgewachsenen Kolonie. In der Axe derselben ist ein kanalartiger Flüs-
sigkeitsraum bemerkbar. Vergr. SqO.
13a. Spongomonas Discos St. Flach scheibenförmige Kolonie auf einer Unterlage
aufgewachsen. Vergr. 325.
13b. Spongom. Intestinum Cienk. Kleiner Theil einer zerzupften Kolonie, der zeigt, dass
die Individuen in engen Flüssigkeitshüllen innerhalb der Kolonialgallertc liegen und dass
bei der Vermehrung durch Längstheilung sich innerhalb dieser Hüllen ganze Gruppen
von Individuen bilden; dasselbe ist, wenn auch weniger deutlich, auch auf den Figuren
12 und 13 a zu erkennen. Vergr. 440.
Figg. 1, 2, 3a, 0, 11, 12, 13 nach Stein (Organismus); Figg. 3b— c, 4, 5, 6, S und 10
nach Kent (Manual); Figff. 7b— c nach Cienkowsky (Arch. f. mikr. Anat. I); Fig. 3d nach
Bütschli (Z. f. w. Z. XXX); Fig. 7 a Original.
riagellata.
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Fig.
7a — b. Copulationszustände von Clilamy domonas pulvisculus. 7 a. Eine Mikro- und
eine Makrogonidie haben sich mit ihren Voiderenden vereinigt- die Geissein der Mikro-
gonidie sind noch erhalten. 7 b. Das Plasma der Mikrogonidie hat sich unter Zurück-
lassung seiner Schalenhülle mit dem der Makrogonidie vereinigt; die Geissein sind ge-
schwunden. Vergr. 4S0.
8. Chlamydomonas alboviridis St. Gewöhnliches Individuum, ch die einfache Chloro-
phyllplatte (Chromatophor). Vergr. = 650.
Da— k. Haematococcus lacustris Girod. sp. 9a. Gewöhnliches Individuum mit weit
abstehender Schalenhülle (z). 9b. Aehnliches Individuum, dessen Plasmakörper durch
zahlreiche radiäre pseudopodienartige Fortsätze mit der Schalenhülle verbunden ist.
9 c. Der Dauerzustand mit dem encystirten Körper (c) in der Schalenhülle (z). 9 d. Der
encystirte Körper ist durch Auflösung der Schaleuhülle frei geworden und hat sich ge-
theilt. 9 e. Der eine der Sprösslinge hat sich nochmals getheilt, die Cystenhüllc (c) ist
aufgebrochen und einer der Sprösslinge in eine secundäre Hülle eingeschlossen durcli
die Aufbruchsstelle hervorgetreten. 9 f. Aehnlicher Zustand mit zahlreicheren Theil-
sprösslingen. 9 g. Dauerzustand mit drei Theilsprösslingen , die ihre Geissein z. Tli.
schon wieder erlangt haben, davon einer in Längstheilung begriffen. 9 h. Polytoma ähn-
licher Vermchrungszustand mit einer Anzahl Theilsprösslingen in der Schalenhülle und
durch Besitz der urpsrünglichen beiden Geissein noch beweglich. 9i. Dauerzustand mit
Mikrogonidienbildung. 9 k. Zwei frei gewordene Mikrogonidien. In sämmtlichen Abbil-
dungen bedeutet r das rothe Pigment (llaematochrom). Vergr. von 9 a — b = 480, von
c— f =- 400, von g = 600.
10. Chlamydomonas oibtusa A. Br. (grandis St.). Altes, grosses Individuum mit zahl-
reichen Amylonkeruen (amk). Vergr. 520.
IIa — b. Coccomonas orbicularis St. IIa. Gewöhnliches Individuum. IIb. Vermeh-
rungszustand. Die Coccomonas hat sich durch fortgesetzte Zweitheilung in der Schalen-
liüUe zu vier Sprösslingen vermehrt, welclie sich durch Sprengung der Schale in zwei
Hälften befreien. Vergr. 440.
Figg. la und e, 2 — 3, 4 a — h, 6a, 6d — n, 7, 9a — g und 11 nach Stein (Organismus);
Figg. Ib— d nach Bütschli (L. f. w. Z. XXX); Fig. 5 nach Dallinger und Drysdale (Monthly
micr. j. 1874); Figg. 6 b— c nach Cienkowsky (Bot. Zeitung 1868); Figg. 9 h— k nach Cohn
(Nova Acta XXII); Fig. 8 Original.
Flagellala.
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Erklärung von Tafel XLIV.
la — d. Chlorogonium euchlorum Elirbg. 1 a. Grosses starres Individuum der schmalen
Varietät; statt der zwei liier verzeichneten contractilen Vacuolen finden sich nach neueren
Untersuchungen zahlreiche. 1 b. Vermehrungszustand durch Bildung von Makrogonidien
ähnlich Polytoma. Die drei sichtbaren Sprösslinge sind durch quere Theilung entstanden
und haben sicli nachträglich in der abgebildeten Weise zusammengeschoben. 1 c. Mikro-
gonidienbildung, Endzustand. Der Körper ist innerhalb der Schalenhülle in sehr zahl-
reiche kleine Sprösslinge zerfallen. Id. Copulationszustand zweier frei gewordener Mikro-
gonidicn. Vergr. von 1 a 325, der übrigen Figuren 440.
2a — d. Chlorangium stentorinum Ehrbg. 2 a. Gewöhnliches freischwimmendes Indivi-
duum. 2 b. Ein festgeheftetes Individuum , das einen Gallertstiel ausgeschieden liat und
in der Schalcnhülle viergetheilt ist. 2 c. Eine Kolonie, wie sie sich aus dem Zustand von
2 b entwickelt, indem die Schalenhülle des Mutterindividuums aufbricht und die befreiten
Sprösslinge neue Gallertstiele ausscheiden. 2 d. Encystirter Dauerzustand (V). Vergr. von
2a— b = 440.
3a — f. Phacotus lenticularis Ehrbg. sp. 3a. Ein Individuum in Ansicht auf die
Flachseite (seh die Schale"). 3 b. Ein ebensolches in der Ansicht auf die Schmalseite.
3 c. Vermehrung durch Bildung von Makrogonidien. Der Körper hat sich innerhalb der
Schale in vier Sprösslinge getheilt , die schon eigene Schalen gebildet haben und durch
Aufbrechen der beiden Klajjpen der Mutterschale frei werden, jedoch noch in einer
zarten Blase eingeschlossen. 3 d. Bildung von Mikrogonidien durch Zerfall des Körpers
in zahlreiche kleine Sprösslinge. 3e. Freiwerden dieser Mikrogonidien ähnlich wie der
Makrogonidien in 3 c. 3 f. Copulation zwischen Mikrogonidien und zwei Makrogonidien,
die noch in der Blase eingeschlossen sind , daneben liegt die aufgeklappte Mutterschale
dieser Makrogonidien. Vergr. von 3a — b = 650, von 3c = 440.
4a — b. Phacotus angulosus Cart. sp. 4a. Individuum von der Breitseite; der Weich-
körper ist in vier Sprösslinge zerfallen. 4 b. Ein Individuum von der Schmalseite.
5. Hymenomonas roseola St. Ein Individuum, cu die weiche feingekerbte cuticula-
artige Hülle, f ein fettartiger Körper Vergr. 650.
6a — b. Stylochrysalis parasitica St. 6b. Ein gewöhnliches Individuum auf steifem
Stiel. 6a. Ein Qucrtheilungszustand. Vergr. 650.
7a — b. Nephroselmis olivacca St. 7a. Gewöhnliches Individuum. 7b. Längstheilungs-
zustand. n? wahrscheinlich der Zellkern. Vergr. 650.
Sa — g. Pandorina Morum Ehrbg 8a. Eine Kolonie von 16 Individuen mit durch se-
cundäre Verdickungsschichten verstärkter Kolonialhülle. 8 b. Einige Zellen einer grossen
in Auflösung begriffenen Geschlechtskolonie, umschwärmt von den freigewordenen kleinen
Individuen einer kleineren geschlechtlichen Kolonie, 1 Copulation eines grossen und eines
kleinen Individuums. S c. Copulation zweier Gameten von gleicher Grösse. S c. Frei-
schwimmende viergeisselige aus der Copulation hervorgegangene Zygote. Sd. Encystirto
Zygote. 8 f. Die aufbrechende Zygote; der Inhalt tritt, noch in eine feine Haut gehüllt
hervor und bildet sich zu einem zweigcisseligen Schwärmer um (8 g), der durch succes-
sive Theilungen eine Pandorinakolonie erzeugt. Vergr. von 8 a = 325, von 8b— d ^= 480.
von f — g == 320.
«la— b. Gonium pectorale 0. F. Müll. Ita Kolonie von der Fiacliseite. Ob. Von der
Schmalseite. Vergr. ;i25.
]()a_c-. Volvox Globator L. 10a. Hälfte eines geschlechtlichen, lieimaphroditischen
Individuums. Vergr. 250. ov Die Eizellen, deren Centrinn z. Th vacuolär ist: sp die
Samcnfädenbündel thcils in Ansicht von der Fläche, theils in der Ansicht auf die Schmal-
seite der Bündel. 10 b. Kleiner Theil der Übcriläche eines Individuums, zeigt deutlieh
die hexagonalen Hüllen der Zellen und die letztere verbiudendei) Plasmafäden.
10 c. Kleiner Theil der Peripherie eines Individuums im optischen Kadialsclmitt; f eine
junge Parthenogonidie, daneben drei gewöhnliche Zellen Vergr von 10 c 800.
Figg. 1, 2a— b, 3c, 5—7, 8a und '.) nach Stein (Organismus»; Figg. 2c— d nach Cien-
kowsky (Arch. f. mikr. Anat. VI); Figg. 3d— f und 4 nach Carter (Ann. mag. n. h. (3) II
und 111); Sb — g nach Pringsheim (Moiiatsb Herl. AK. 1S69): Figg. 10 a und c nach Cohn
(.Beitr. z. Biol. d. PH. I); Fig. 10 b Original.
Flacjellata.
Taf. XIN.
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Erklärung \ou Tafel XLV.
Fig.
1 a — k. V 0 1 V 0 X.
1 a. SiJermatozoidien von Volvox Globator. Vergr. 650.
Ib. Reifes, ungeschleclitlich erzeugtes Tochterinclividuuni von Volvox minor St. noch
umschlossen von der Hülle der Parthenogonidie ; pr die jungen Parthenogoni-
dien. Vergr. 650.
Ic — g. Zur Entwicklung des Eies von Volvox minor St. Reifes befruchtetes Ei mit
zwei Hüllen, dem Exospor (Ex) und dem Endospor (En) ; das letztere beginnt zu
<|uellen. 1 d. Die Quellung des Endospors hat das Exospor zerrissen. 1 e. Die
Furchung hat begonnen, Viertheilungszustand ; um die Furchungszellen ist schon eine
gallertige Hülle (g) abgeschieden. 1 f. Achttheilungszustand vom offenen Pol gesehen.
1 g. Derselbe vom geschlossenen Pol gesehen.
Ih — k. Entwicklungsstadien der Parthenogonidien eines A'olvox (wahrscheinlich V. Glo-
bator). 1 h. Achtzelliges Stadium in der Ansicht auf den geschlossenen Pol. 1 i. Sechs-
zchnzelliges Stadium in der Ansicht auf den geschlossenen Pol. 1 k. Vielzelliges Stadium
in der Ansicht auf den ungeschlossenen Pol, der noch verhältnissmässig weit geöfiiiet ist.
2. Carteria cordiformis Gart. sp. Gewöhnliches Individuum mit im Vordertheil etwas
abgehobener Schalenhülle. Vergr. 050.
3. Collodictyon triciliatum Gart. (= Tetramitus sulcatus St) Ansicht auf die längs-
gefurchte Bauchseite. Vergr. 500.
4. Spondylomorum (luaternarium Ehrbg. Entwickelte Kolonie von 10 Individuen
in seitlicher Ansicht. Vergr. 600.
5. Chloraster gyrans Ehrbg. Vergr. 300.
6. Chloraster agilis Kent. Seitliche Ansicht. Vergr. 1250.
7. Pyramimonas Tetrar hynchus Schmarda. Achtgcisseliger Theilungszustand ; nur
die Geissein sind einstweilen verdoppelt. Vergr. 300.
8a — b. Cyathomonas truncata Fresen. spcc. 8 a. Gewöhnliches Individuum. 8b. Längs-
theilungszustand. Vergr. 650.
Da— d. Ghilomonas Paramaecium Ehrbg. 9a. Individuum in seitlicher Ansicht-
9 b. Vorderende eines Individuums in Ansicht von der Bauchseite. Vergr. 700. 9 c. Cyste
mit einfacher Hülle. 9d. Längstheilungszustand. Vergr. 650.
10a— b. Cryptomonas ovata Ehrbg. 10a. Ein gewöhnliches Individuum in seitlicher
Ansicht; pe das sogen. Peristom nach der Darstellung Stein's. 10b. Ein angeblich
jugendliches Individuum nach Stein. Vergr. 650.
11. Protoeoccusartiger A'eruiehrungszustand der Cryptomonas ovata Ehrbg. Vergr. 220.
12a— c. Oxyrrhis marina Duj. Zwei Individuen in seitlicher Ansicht, a mit ausge-
streckteren Geissein, nach Kent; b mit den in der Peristomeinsenkung eigenthümlich zu-
sammengelegten Geissein, nach Blochmann. 12 c. Quertheilungszustand; die Geissein des
hinteren Sprösslings sind jedenfalls schon entwickelt, jedoch auf der Fig. nicht ange-
deutet. Vergr. ca. 400.
13a— c. Tetramitus rostratus Perty. 13a-b. Gewöhnliche Individuen, a in Ansicht
von der Bauchseite, b in seitlicher Ansicht. 13c. Längstheilungszustand; der Kern, die
contractilen Vacuolen und die Geissein sind schon verdoppelt. Vergr. 520.
13d— k. Zur geschlechtlichen Fortpflanzung des Tetramitus rostratus nach Dallinger
und Drysdale. 13 d. Ein Individuum in Vorbereitung zur Copulation, das Hinterenüe ist
amöboid geworden und der Kern hat sich vergrössert. 13e. Zwei mit den Hinterenden
copulirte derartige Individuen. 13 f. Die aus der Copulation hervorgegangene Cyste.
13g— k. Allmähliche Entwicklung der entleerten Sporen zu den Mutterthieren ähnliphen
Wöscn.
14a— b. Trepomonas agilis Duj. 14a. Seitliche Ansicht eines Individuums von der
Schmalseite. 14 b. Vorderansicht.
Figg. la (oben), 1 b, 2—4, 5, 7, Sb, 9d, 10a— b, 13a— c nach Stein (Organismus);
Figg. la (unten) nach Cohn (Beitr. z. Biol. I); Ic— g nach Kirchner (Cohn, Beitr. z. Biol. III);
Figg. 6, 12a und c nach Kent (Manual); Figg. .8a, 9a und 14a— b nach Bütschli (Z. i. w.
Zool. XXX); Fig. 12 b nach Blochmann (Z. f.' w. Z. 40). Figg. 13d— k nach Dallinger und
Drysdale. 9 b — c. Originalia.
FlageUata.
Taf. XLY.
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I
Erklärung von Tafel XI. VI.
Fig.
la — b. Trepomonas agilis Djvd. 1 a. Iiidividuuin, das ausser den zwei vorderen Geisselii
noch zwei liintere besitzt, wahrsclunnlicli in Vorbereitung zur Längstheilung-. 1 b. W'alir-
scheinlicher Längstlieiluagszustand, jedöcli niclit ganz sicher; andernfalls wohl Copulation.
Vergr. 650.
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2a— b. Hexamitus inflatus Djrd. 2a. Gewöhnliches Individuum. 2b. Längstheilungs-
z_ustand. Vergr. 440.
3a— d. MegaStoma intestinalis Lambl. sp. aus dem Darm des Menschen. 3 a. Ein
Individuum von der Bauchseite, 3 b. Ein solches in Seitenansicht. 3 c— d. Ansicht
zweier Individuen von der Bauchseite, ohne die Geissein. 3d zeigt deutlich den Kiel
und zwei sich gewöhnlich findende helle Flecken, wahrscheinlich Vacuolen (v). Vergr.
ca. 2000.
4a — e. Bodo caudatus Djrd. sp. 4a. Ein gewöhnliches Individuum von der Seite; das-
selhe hat zwei Chlamydomonaden gefressen. 4b. Ein Individuum, das im Begriff ist,
einen Chlamydomonas pulvisculus auszusaugen. 4c. Ruhezustand mit Vermehrung. In
der Cyste hat sich der Bodo in eine Anzahl Sprösslinge getheilt, die eben aus der Cyste
ausschlüpfen. 4d. Der Dauerzustand nach Cienkowsky. 4e. Ein ähnlicher Cystenzustand
wie 4 c nach Cienkowsky , dessen Inhalt in eine Anzahl Sprösslinge zerfallen ist. N die
vor der Theilung ausgestossenen Nahrungsrestc. Vergr. von 4 a — c = 520.
5a — c. Fortpflanzung von Bodo V caudatus Djrd. sp. nach Dallinger und Drysdale.
5 a. Copulation mehrerer Individuen. 5 b — c. Eucystirte Zygote, hervorgegangen aus der
Copulation zweier Individuen in verschiedenen Stadien fortgesetzter Theilung des Inhalts.
5 c stellt die mit zahlreichen, dem Ausschwärmen nalien Sprösslingen gefüllte Zygote dar.
6a — n. Bodo angustatus Djrd. (= Monas Amyli Cienk.). 6a und c, Individuen gewülin-
licher Art nach Stein und Cienkowsky. 6 b. Ein eigenthümlich schrauhig zusammen-
gedrehtes Individuum. 6d — e. Amöboid gewordene Individuen, die zahlreiche spitzige
Pseudopodien aussenden. 6g. Ein Individuum, dass seine Geissei noch besitzt, hat ein
grosses Stärkekorn (am) umflossen. 6h. Ein ähnliches umflossenes Stärkekorn an dem-
noch mehrere Geissein thätig sind. 6 i. Drei Stärkekörner sind gleichzeitig umflossen
worden. 6k. Encystirter ßuhezutand mit Zerfall des Inhalts in zahlreiche kleine Spröss-
linge; am, Kest des grossentheils verdauten Stärkemehlkorns. 61. Aehnliche Cyste, deren
Sprössünge grossentheils ausgeschwärmt sind, einige noch im Hervorbrechen begriffen.
6m. Cyste, aus der die Sprösslinge grossentheils ausgeschwärmt sind; der Kest des
Stärkekorns (am) wurde neuerdings von Sprösslingen aufgenommen und in dieser Weise
hat sich in der alten Cystenhaut (Z) eine neue Cyste (Z') gebildet, deren Inhalt schon
wieder in Sprösslinge zerfallen ist. 6n. Dauerzustand, am der ausgestossene Kest des-
Stärkemehlkerns, zwischen den beiden Hüllen. Vergr. von 6 a — b = 650, von 6c— e =
450, von 6f— i = 300, von 6 k— m = 240.
7. Phyllomitus undulans St. in seitlicher Ansicht. Vergr. 650.
8a — b. Anisonema grande Ehrbg. sp. 8a. Individuum in Kllckenansicht. Vergr. 700.
8 b. Längstlieilungszustand in Bauchansicht. Vergr. 440.
9. Längstlieilungszustand von Entosiphon sulcatum Djrd. sp. in Bauchansicht. Vergr. 650.
10. Colponema Loxodes St. in der Ansicht auf die Bauchseite. Vergr. 650.
Ha. Trichomonas Batrachorum Perty aus dem Darm des Frosches von der Bauchseite;
US der undulirende Saum. Vergr. 440.
IIb. Trichomastix Lacertae Blchm. aus dem Darm von Lacerta agilis. K der Kiel des
Kückens. Vergr. 1400.
11c. Trichomonas vaginalis Donnc aus der menschlichen Vagina, us der undulirende
Saum. Vergr. 700.
12a — f. Daliingeria Drysdalii Kent. 12a. Gewöhnliches schwimmendes Thier. 12b. In-
dividuum, das sich mit seinen beiden hinteren Geissein festgeheftet hat und durch deren
Contractionen Schnellbewegungen ausführt. 12 c. Längstlieilungszustand. 12d. Individuum,
dessen hintere Geissein zusammenschrumpfen und eingehen, in Vorbereitung zur Copula- .
tion. 12 e. Copulation eines der Individuen von 12 d mit einem gewöhnlichen drei-
geisseligen. 12 f. Die encystirte Zygote, hervorgegangen aus einer solchen Copulation.
12 g. Allmähliche Entwicklung der von einer Zygote entleerten Sporen. \'ergr. 2000.
13. Trimastix marina Kent, in seitlicher Ansicht. Vergr. 1000.
Figg. 2, 4 a — c, 6a-b, 7, 8 b, 10 und Ha nach Stein (Organismus) ; Figg. 3 a — b und
d nach Grassi (Atti soc. ital. sc. nat. 25); Fig. 3 c nach Lambl (Aus d. Franz-Jos. Spital Thl. IV,
Figg. 4d — e nach Cienkowsky (Arch. f. mikr. An. I.); Eigg. 6 c— n nach Cienkowsky (Bullet.
Ac. imp. Petersbourg XIV und XVII); Figg. 8 und 9 nach Bütschli (Z. f. w. Z. XXX);
Figg. IIb— c nach Blochmann iZ. f. w. Z. 40); Figg. 12a — f nach Dallinger (in Pioceed. my.
soc. 27); Fig. 13 nach Kent (Manual).
Flogellala.
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Erkläi'ung von Tafel XLVII,
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la^ — d. Pcraiieina tricliophorum Elirbg. sp. 1 a. IndivicluTim von der Ruckenseite,
kriechend. 1 1j. Vorderendu eines Individuums, das grosse Nalirungskörper in die selir
erweiterte Mundöffnung- einführt. 1 c, Einei- der mannigfaltigen Contractionszustände.
1 d. Längstlieilungszustand. Vergr. 440.
2. Petalomonas abscyssa Djrd. sp. Kriechendes Individuum von der Rückseite, mit
zwei Rückenkielen. Vergr. 650.
3. Petalomonas sinuata St. Längstheiluugszustand. Vergr. 520.
4a — c Astasiopsis distortum Djrd. sp. (= Cyclidium dist. Djrd.). 4a. Abgeplattete
und schraubig eingerollte, wenig bewegliche Form, welche jedoch häufig in die lang-
gestreckte Form der Figur 4 b übergeht. 4 c. Contractionszustand einer langgestreckten
Form. Süsswasser. Vergr. 280.
öa — b. ürceolus Alenitzini Mereschk. (= Phialonema cyclostomum St.). 5a. Aus-
gestrecktes Individuum. 5 b. contrahirtes. Vergr. 650.
6a — f. Euglena viridis Ehrbg. Gewöhnliches Individuum. Vergr. 300. 6b. Längsthei-
lung im Ruhezustand in einer Gallerthülle (c). 6 c— d. Zusammengezogene gcissellose
Individuen mit sogen. Keimkugeln (Ks) nach Stein, ohne Zweifel Parasiten; auf Fig. 6d
und 6e dieselben in Zerfall in zahlreiche Schwärmer. 6 f. Durch Druck hervorgesprengte
Schwärmer der sogen. Keimkugeln. Vergr. von 6b — c = 440, von 6f = 650. (Es
scheint mir nicht ganz sicher, ob alle die von Stein unter der Bezeichnung E. viridis
abgebildeten Euglenen zu der Art im Sinne von Klcbs gehören.)
7. Cyste von Euglena Tuba Carter. Vergr. ca. 220,
8. Vorderende der Euglena acus Ehrbg. in seitlicher Ansicht. Vergr. 650.
9a — c. Euglena Spiro gyra Ehrbg. 9a. Vorderhälfte eines Individuums in seitlicher
Ansicht. Vergr. 500. 9 b— c. Längstheilungszustände ruhender geisselloser Formen.
Vergr. 200.
10a— b. Paramylonkörper von Euglena Ehrenbergii Klbs. 10a. Ansicht der Schmal-,
10 b der Breitseite. 10c. Vorderende der Euglena Ehrenbergii in seitlicher Ansicht.
Man sieht den Behälter (bh), daneben eine contractile Vacuole (cv) und um diese einen
Kranz kleiner Vacuolen, die später zu einer neuen contractilen Vacuole zusammenfliessen
werden. Vergr. 400.
11. Euglena velata Klbs. Chromatophoren mit Pyrenoid (py) und zwei demselben aussen
aufliegenden Paramylonschalen (pam). a In Flächenansicht, b im optischen Durchschnitt.
Vergr. 500.
12. Phacus longicaudus Ehrbg. sp. von der abgeplatteten Bauchseite. Vergr. 600.
13. Phacus Pleuronectcs Ehrbg. sp. Vorderhälfte eines Individuums von der abgeplat-
teten Bauchseite ; neben dem unregelmässigen Behälter (bh) zwei contractile Vacuolen (cv).
Der grosse Paramylonkörper (pam) hat nach Behandlung mit Alkohol eine selir cigcn-
thümliche Beschaffenheit angenommen. K der Rückenkiel. Vergr, 760.
14. Phacus Pleuren ectes Ehrbg. sp. Seitliche Ansicht des Vorderendes eines Indivi-
duums. A'^ergr, 760.
15. Grosser Paramylonkörper von Phacus Pleuronectes. Vergr. 700.
16a — b. Colacium calvum St. 16 a. Freiumherschwimmendes , nacktes, sehr contractiles
Einzelwesen. 16b. Eine Kolonie umhüllter, festgehefteter Wesen, die durch fortgesetzte
Theilung eines Individuums hervorging. Vergr. 400,
17a — b. Lepocinclis Ovum Ehrbg. sp. 17a. Die leere ausgefaulte Cuticula. 17b. Ein
gewöhnliches Individuum mit zwei grossen seitlichen Paramylonbändern und zahlreichen
kleinen Paramylonscheibchcn. Vergr. 780.
18. Phacus Pyrum Elirb. sp. Ein Individuum. Vergr, 650.
19. Ascoglena vaginicola St. Individuum in seinem braunen, festgehefti/ten (iehäuse.
Vergr. 470.
20. Trachelomonas caudata Ehrbg. sp. Vergr. 440.
21. Trachelomonas volvocina Ehrbg. Vergr, 650.
Fio'g. 1 a— 2. 4, 5, 8, 9 a, 12—15, 17 und 21 Originalien aus dem Jaiire 1877, Fig. Ib
nach Bütschli (Z. f.' w. Z. XXX); Figg. Ic— d, 3, 6b— f, IG, 18—20 nach Stein (Organismus);
Fig. 7 nach Carter (Ann. m, n. h. (4) III); Figg. 6a, 9 b— c, 10 und 11 nach Klebs (Unters,
aus d. botau. Instit. Tübingen I).
Flagellata.
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Erklärung von Tafel XL VIII.
1. Traclielomonas armata Ehrbi;-. sp. Vergr. 440.
2. Trachelomonas hispida Perty sp. Veruiehrung durch Theilung im ruhenden Zu-
stand; der encystirte Körper ist unter dem Schutz einer besonderen Cystenhülle (C) in
drei Sprösslinge zerfallen. Vergr. ca. 700.
3. Coelomonas grandis Ehrbg. sp. Individuum von der Kiickseite. Vergr. 400.
4. Gonyostomum Dies. (== Merotricha Mereschk.. Raphidomonas St.) Semen Ehrbg. sp.
tr Die Trichocysten. Vergr. 400.
5. Microglena punctifera Ehrbg. Vergr. 440.
6. Khabdomonas incurva Fres. Vergr. 440.
7. Menoidium pellucidum Perty. In seitlicher Ansicht. Vergr. 300.
8. Atractonema teres St. Vergr. ö50; im Hinterende ein blasser, scheibenföraiiger
Ivöri^er unbekannter Natur.
!»a — b. Astasia tenax 0. F. Mull. (Proteus St.) 'Ja. Ein mit den deisseln ausgerüstetes
Individuum in lebhafter Contraction. Ob. Ein geisselloses Individuum mit den beiden
schwärzlichen Punkten (o) im A'orderende. Vergr. 440.
10a — b. Heteronema acus Ehrbg. sp. 10a. Lang ausgestrecktes Individuum, lob Uoii-
• tractionszustand. Vergr. 4S0.
11. Zygoselmis nebulosa Duj. Individuum, das zwei ansehnliche Diatomeen gefressen
hat und dadurch etwas verunstaltet wurde. Vergr. 300.
12a— b. Sphenomonas quadra ngu laris St. Pia. Individuum in seitlicher Ansicht.
12b. Ein solches in der Ansicht auf das Hinterende; zeigt deutlich die vierkantige Körper-
form, f ein gallertartiger blasser Inhaltskörper. A'ergr. voji a 6.50, von b == 4S0.
13. Tropidoscyphus octocostatus St. In seitlicher Ansicht. Vergr. 400.
14a — b. Phalansterium digitatum St. 14a. Ein einzelnes Individuum (Vergr. 440).
14b. Gewöhnliche Form der Kolonie, bei I ein Individuum in Qucrtheilung, bei II weiter
fortgeschrittener Quertheilungszustand. Vergr. 400.
15. Phalansterium consociatum Cienk. Eine der llach scheibenförmigen Kolonien.
Vergr. 325.
16a — 0. Codosiga Botrytis Ehrbg. sp 16a. Eine massig entwickelte Kolonie aof langem
Stiel. 16b Ein einzelnes Individuum mit zarter, gallertiger Hülle. 16c. Ein Individuum,
das eben innerhalb des Kragens einen Körper aus dcmPlasma ausgestossen hat. 1 6 d. In-
dividuum, das aussen an der Basis des Kragens eine nahrungaufnehmende Vacuolc
(,nv) zeigt. Vergr. von 16b— d = 1300. 16e— g. Längstheihingsvorgänge nach Stein.
16h— 1. Ebensolche nach James-Clark. 16 m. Wahrscheinlicher Copulationsprocess eines
festsitzenden mit einem abgelösten, zugeschwommenen Individuum 16n. Zwei Indivi-
duen, die nacli Einziehung ihres Kragens und der Geissein angeblich zahlreiche finger-
förmige Pseudopodien entwickelt haben. lOo. Cyste eines einfachen Individuums, deren
Inhalt in zahlreiche Theilstücke (sogen. Sporen Kont's) zerfallen ist.
17. Codonodesmus Phalanx St. Frei umherschwimmende Kolonie. Vergr. .'J25.
Figg. 1, 3—6, 8—0, 10a, 11 — 15, 16e— g, 16m und 17 nach St-in (Ürganibuiusi :
Figg. 2, 10b, 16c— d Originalia aus d. J: 1877;" Fig. 7 nach Klebs (Unters, aus d. botan.
Instit. Tübingen I); Figg. Kla— b nach Biitschli (Z. f. w. Z. XXX); Figg. 1 6h -1 nach James
Clark (Ann. m. u. h. [IV] 1); Figg. 16n— o nach Kcnt (Manual).
Flagellatau. Choanoflagellata.
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Erklärung von Tafel XLIX.
Fig.
]a— b. Salpingocca Couvallaria St. 1 a. Gewöhnliches Individuum. Ib. Ein solches.
das sich in seinem Gehäuse längsgetheilt hat. Vergr. von a 650, von b 500.
2. Salpingoeca fusiformis Kent (= Clarkii Btschli). Vergr. 800.
S. Codonocladium umbellatum Tat sp. Eine reich entwictelte Kolonie. Vergr. 120,
4. Salpingoeca Lagena n. sp. (== S. auiphoridium ? Btsclili 1878). Vergr. 800.
5. Salpingoeca napiforniis Kent. Vergr. 1200.
6. Salpingoeca cornutum Kent. Vergr. 400.
7a — c Salpingoeca fusiformis Kent. 7a. Encystirtes Individuum in dem Gehäuse.
7 b. Aehnliches Individuum , dessen Cyste geplatzt sein soll und zahlreiche Sprösslinge
entleert hat. Vergr. 1500.
8a -d. Salpingoeca Amphoridium J.-Clark. Sa. Encj'stirtes Individuum in seinem
Gehäuse. 8 b. Individuum, das seinen Kragen eingezogen und die Basis der Geissei sehr
verdickt hat, das Plasma tritt lappig aus der Mündung hervor. 8c — d. Geissei- und
kragenlose Individuen, die fingerförmige (Sc) oder sehr fein fadenförmige (8d) Pseudo-
podien aus der Gehäusemündung aussenden. Vergr. = 800.
üa— b. Salpingoeca oblonga St. 9a. Wahrscheinlicher Encystirungszustand in dem
Gehäuse, das durch ein deckelartiges Diaphragma abgeschlossen ist. üb. Angeblicher
Längstheilungszustand nach Stein, möglicherweise auch Copulation. Vergr. 650.
lOa — b. Salpingoeca Ampulla Kent. 10a. Altes Individuum mit vollständig ausgebil-
detem Gehäuse. 10b. Ein junger Sprössling, der im Begriff ist, den Kragen und das
Gehäuse zu entwickeln. Vergr. 700.
11. Protospongia Haeckelii Kent. Eine Kolonie von ungefähr 40 Individuen in eine
gemeinsame flache Gallertmasse eingebettet; a Individuen, die den Kragen und die Geissei
eingezogen und eine amöboide Bescliaffenheit angenommen haben, b ähnliche Individuen,
die sich durch Quer(?)tlieilung vermehren. Gy Cyste, deren Inhalt in zahlreiche Theil-
stücke (sogen. Sporen Kcnt's) zerfallen ist. Vergr. 650.
12. Polynoeca dichotoma Kent. A'ergr. 500.
l.ja — f. Salpingoeca Infusionum Kent. 1.3a. (^)uerthcilungszustand. 13b. Der vordere
abgelöste Sprössling, der den Kragen eingezogen hat und nach der Festheftung einen
Stiel und neuen Kragen entwickelt (13 c). 13d. Junges Individuum ähnlich 13 b, das
seinen Kragen und Geissei eingezogen liat und das Gehäuse abscheidet. 13 e. Cyste,
deren Inhalt in eine Anzahl Theilstücke (sogen. Sporen Kent's) . zerfallen ist. 13 f. Ein
aus einer solchen Cyste hervorgetretener Sprössling. Vergr. 800.
14a— g.-Noctilu ca miliaris Sur. 14a. Ganges Individuum in der Ansicht auf die Oral-
seite, nach einem mit Osminmsäure conservirten Exemplar. Die von dem Centralplasma
(mit dem Kern n> ausstrahlenden Plasmafäden haben sich von der Wand abgelöst.
Man sieht in das sogen. Vestibulum (vst) oder die Peristomeinsenkung und erblickt in
deren Grund die langspaltförmigc Mundöffnung m, die direct in das Centralplasma
fahrt. Im Vestibulum entspringt vorn der Tentakel (t) und etwas dahinter an seiner
linken Seitenwand der Zahn (z) und die Lippe (1), sowie an dieser die Geissei (f). Etwas
hinter dem ^'estibulum sieht man die oralen Enden des aus zwei nach der aboralen
Seite zusammenlaufenden Linien bestehenden sogen. Staborgans (st), das dadurch ent-
steht, dass sich längs dieser Linien sehr zahlreiche von dem hintern Kand des Vestibu-
lums ausstrahlende feine Plasmafäden an die Cuticula anheften. Im Verlauf dieses Stab-
organs haben sich mehrere quere Falten in der Wand gebildet. 14 b. Orale Hälfte einer
Noctiluca in seitlicher Ansicht. Man erblickt das Vestibulum in seiner Tiefenausdehnung
und an seinem Grund das Centralplasma mit dem Kern, sowie den Tentakel, den Zahn
und die Lippe im Vestibulum. Vom Hinterrand des Vestibulums sieht man die zahl-
reichen verzweigten feinen Plasmafäden zum sogen. Staborgan hinziehen. Die zum ab-
oralen Theil des Staborgans ziehenden Fäden sind stets zu einem dicken Bündel oder
Busch zusammengehäuft. Vergr. von a und b = 100. 14 c Ansicht der Gegend des Zahns,
der Lippe und der Basis des Tentakels (Bezeichnungen wie in 1 a). Vergr. 200. 1 d. Nucleus
einer Noctiluca mit dem gestaltverändernden Nucleolus. Vergr. 380. 14e — g. Theilungs-
zustände nach Brightwell. 14 e. Ein zweiter Tentakel schon vorlianden, der Nucleus hat
sich gerade getheilt. 14 f. Weiter fortgeschrittene Theilung; die Nuclei sind auseinander-
gerückt und eine Theilfurchc macht sich bemerklich. 14 g. Endstadium der Theilung,
die Ijeiden Sprösslinge hängen nur noch durch ein schmales Plasmabaud zusammen.
Vergr. von 14e — g ca. 40. (Robin hält diese Zustände nicht für Theilungen , sondern
für eine Art Doppel- oder Zwillingsthiere, wohl vergleichbar den Zwillingsbildungen ge-
wisser Flagellaten )
Figg. 1 u. 9 nach Stein (Organismus); Figg. 2 u. 4 nach Bütschli (Z. f. w. Z. -\XX);
Figg. 3, 5 — 8, 10 — 13 nach Kent (Manual); Figg. 14a — ^b Original, 14 c — d nach Cienkowsky
(Arch. f. m. Anat. IX); Figg. 14e-g nach Brightwell (Qu. journ. m. sc. V.).
Choanoflagellata u. Cystoflagellata .
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Erklärung von Tafel L.
Fig.
la — c. Noctiluca miliaris. Theilungszustände nach Robiu. 1 a. Tentalcelregion zweier
schon naliezu völlig getrennter Sprössiinge. INIan sieht die Theilspalte (tr) und die be-
nachbarten Centralpartien des durchgeschniirten Plasmas mit den davon ausgehenden
Plasmafäden, n die Zellkerne ; die neuen Tentakel beginnen hervorzusprossen und stellen
gering entwickelte Fortsätze dar, die einen untergebogenen Endtheil besitzen. 1 b. Tltwas
weiter entwickelter derartiger Tentakel ; p die centrale Plasmaregion des Noctilucakörpers,
die durch einen Fortsatz mit dem Basalstück i^ba) des Tentakels in Verbindung steht. Die
beiden Windungen des Jungen Tentakels haben sicli jetzt schon deutlich gesondert. Vergr.
von 1 a und b = 200. 1 c. Theilungszustand ; die Tlieilungsfurche ist in der Mundgegend
schon beträchtlich tiefer, wie am gegenüberliegenden Pol. N die Schale eines gefressenen
Tintinnus. Vergr. 35. 1 d. Beginnender Copulationszustand zweier Noctilucen. Vergr. 25.
2. Theilungsvorgänge des Zellkerns und des umgebenden Gentralplasmas bei der ersten
Theilung zum Behufe der Schwärmerbildung. Die Figuren zeigen nur den Zellkern und
das umgebende Plasma in der Ansicht auf die Innenseite der Noctiluca wand. In den
Figg. 2 c— e ist auch die Theilung des Gentralplasmas zu sehen. Vergr. von 2 a — c 180,
von 2d— e 200.
3 — 7. Zur Schwärmerbildung der Noctiluca.
.3. Das Centralplasma hat sich in vier hügelartig erhobene Portionen getheilt. Vergr. 90.
4. Durch weitere Zertheilung dieser Hügel haben sich sehr zahlreiche (ca. 256) Schwärmer-
anlagen gebildet, die zu einer Scheibe zusammengeordnet sind, und ihre Geissei schon
entwickelt haben. Der helle Fleck in einem Theil dieser Schwärmer ist der Zellkern
Vergr. 100.
5. Theil einer Noctiluca mit zahlreichen Schwärmerknospen, die hier in abweichender Weise
keine Scheibe, sondern eine gürtelförmige Zone bilden. Vergr. 50.
6. Kleine Noctiluca mit einer Knospeiischeibe ; Ansicht auf die Scheibe. Vergr. 70.
7. Früher Zustand der Entwicklung einer Knospensrhcibe, die vier Hügel der Fig. 3 sind
je in vier Theilstücke zerfallen, die noch deutlich in vier Portionen zusammcngruppirt sind.
8a- -e. Verschiedene freigewordene Schwärmer nach Cienkowsky und Eobin. s der sogen.
Stachel, a ein eigenthümlicher Anhang, n der Zellkern. Vergr. von 8 a — b = 500. 8 c —
d = 300.
9a — b. Eegencrationszustände der Noctiluca nach Verstümmlnng. st das erhalten gebliebene
sogen. Staborgan, welchem ein Theil des Centralplasma anhängt, aus dem sich ein neuer
Körper hervorhildet. Vergr. von 9 a = 25.
10. Leptodiscus medusoides E. Hertw. aus dem Mittelmeer. 10a — c. Verschiedene
Gontractionszustände von Leptodiscus bei etwa siebenmaliger Vergrösseruug. lOd. Exemplar
in der Ansicht auf die convexe Oralfläche der Scheibe, vst das sogen. Vestibulum,
das zum Mund (m) führt , zu dem sich vom Centralplasma ein faseriger Strang (p)
erstreckt, n der im Centralplasma eingeschlossene Nucleus. f die (jeissel mit ihrer Geissei-
scheide. Vergrösseruug ca. 55. 10 e. Optischer Durchschnitt durch den Leptodiscus.
Vergr. 55. lOf — g. Nuclei; f Gewöhnliche Nucleusform nach Behandlung mit Essigsäure,
g aussergewöhnliche Kernform. Vergr. von 10 f — g ca. 100. 10 h. Möglicher Entwick-
lungszustand von Leptodiscus.
11. Theil eines Noctiluca-Tentakels bei starker Vergrösseruug (6 — 700). Die Figur zeigt die
sehr fein quergeringelte Cuticula (cut) des Tentakels und dass dessen Plasma im Allge-
meinen eine faserig - netzige Anordnung besitzt, derart, dass die Netzmaschen auf der
convexen Seite des Tentakels (cov) eine mehr unregelmässige Anordnung besitzen, da-
gegen auf der Concavseite quere Züge bilden , deren Verdickungen vielleicht noch
durch sehr feine Längsfasern verknüpft sind. Bei d tritt die Faserbildung auch auf dem
optischen Durchschnitt hervor.
Figg. la— c, 2 a— e, 3, 4 und 8 c— d nach Kobin (Arch , ahat. et physiol. 1878);
Figg. 1 d; 5. 6, 7, 8 a— b, 8e und 9 a nach Cienkowsky (Arch. mikr. A. VII und IX); Fig. 9 b
nach Busch (Beobacht. über wirbellose Seethiere); Fig. 10 nach E. Hertwig , Jenaische Zeit-
schrift IX); Fig. 11 Original.
Cystoflagellata u. Cilioflagellata.
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Erklärung von Tafel LI.
Auf allen rcproducirten Abbilduiigc!) von Dinoflagellaten, wo die Autoren einen Cilien-
kranz der Querfurche angegeben haben, wurde derselbe einfach weggelassen.
Bedeutung der wiederkehrenden Buchstaben:
a Aniylonkörner.
ch Chrom atophoren.
fg Die Querfurchengeissel.
g Die Längsfurchengeissel.
gs Gcisselspalt der Schalenhülle.
If Längsfurche.
n Nucleus,
0 Oelkugeln.
oc Siigma (Augenfleck).
V Vacuolen.
Fig.
1. Prorocentrum micans Ehrbg, (marin).
la Seitliche Ansicht; Ib. Bauchansicht, s eigenthümliches Stäbchenbündel, welches nach
Lage und Beschaffenheit an den Schlund von Cryptomonas erinnert. Vergr. ca. 440.
2. Exuviaella Lima Ehrbg. sp. (= marina Cienkowsky).
2 a. Exemplar mit Geissein in seitlicher Ansicht; a Amylonkörper.
2 b. Die isolirten Hälften der Schalenhülle; man sieht auf die Flachseite der linken Klappe
und bemerkt an dem Vorderende der rechten den Ausschnitt für die Geissein.
2 c. Exemplar ohne Geissein in Ansicht von der Schmalseite*, die beiden grossen Chro-
matophorenplatten (ehr) sind gut zu erkennen, ebenso der jeder derselben auf liegende
Amylonkörper (a). Vergr. ca. 270.
3. Hemidinium nasutum Stein (Süssw.).
3 a. Exemplar in seitlicher Ansicht. 3 b. Quertheilungszustand nach Stein Vergr. 3—400.
4. Gymnodinium gracile Bergh in Baucliansicht. Vergr. 270 (marin).
5. Gymnodinium spirale Bergh von der Bauchseite. A^'ergr. 270 (marin).
6. Gymnodinium fuscum Ehrbg. sp. (Süssw.).
6a. in Bauchansicht; 6b in seitlicher Ansicht. Vergr. ca. 400.
7. Gymnodinium Vorticella Stein in Bauchansicht; N als Nahrung aufgenommene
Chlamydomonaden. Vergr. wohl ca. 500 (Süssw.).
8. Kuhezustand von Gymnodinium aeruginosum Stein mit dicker Gallertumhüllung (gh)
Das Wesen in Bauchansicht. Vergr.?
9. Gymnodinium Archimed is Pouchet in ümri>sen, von der Rückseite. Vergr.? (marin).
10. Gleuodinium finctum Ehrbg. (Süssw.).
10a. Von der Bauchseite; 10b Ansicht auf den hinteren Pol; 10c in nahezu seitlicher
Ansicht, in Umrissen, nach Behandlung mit Chrom -Osmiumsäure; lOd Grosse
gallertige Cyste mit 2 aus der Thciluug hervorgegangenen Sprösslingen. Vergr.
von 10a — c ca. 600.
11. Glenodinium pul'visculus Ehrbg. sp. (Süssw.).
IIa und b zwei wahrscheinlich durch unvollständige Theilung entstandene Doppelindi-
\*iduen; a mit getrennten, b mit nicht getrennten Kernen; a von der Bauch-, b von
der Rückseite. (Nach Stein's Deutung Copulationszuständel. 11c Exemplar mit sog.
Keimkugel (K) Stein's. Vergr., nach Ehrenberg's Angaben berechnet, ca. 900.
12. Glenodinium obliquum Pouchet von der Bauchseite. Beweglicher Theilungszustand.
Jeder der Sprösslinge enthält ein strahliges Cliromatophor (cli). Vergr. ca 270 (marin).
13. Glenodinium foliacoum Stein. Geisseiloses Individuum, dessen Hülle an der Quer-
furche geborsten ist und abgestreift wird. Vergr.?
Figg. 1, 2 b, 3, 6 bis S. 11 uud 13 nach Stein (Arthrodele Flagellaten) ; Figg. 2 a und c.
sowie 12 nach Klebs (Botanische Zeitung Jahrg. 42); Figg. 4. 5 und lOd nach Bergh (Mor-
pholog. Jahrb. 7); Figg. 10a— c nach Bütschli"(Morphol. Jahrb. Bd. X); Fig. 9 nach Pouchet
(Journ. anat. et physiol. 1883).
Diaoflagellata(Ciliofl.).
Tal'. LI.
liih.AnstT-WiriuritWmUnFnnikfun'yiC.
Erklärung von Tafel LH.
Bedeiitung der wiederkehrenden Bii clistaben.
aap Anfapicaltafelu.
ap Apicaltafeln.
apo ApicalöfFnung-.
b Vordere Aequatorialtafeln.
b' Hintere Aequatorialtafeln.
Querfurcliengeissel.
Längsfurchengeissel.
If
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Geisselspalte.
Längsfiirche.
Nucleus.
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Stigma.
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Raufenplatte.
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Vacuole.
1. Hetcrocapsa triquetra Elirbg. sp. SclialenhüUe von der Bauchseite (marin) Vergr. ?
2. Protoceratium (Clathro cystis Stein) reticulata Gl. u. L. sp. Schalenhülle von
der Bauchseite (marin). Vergr. ca. 700 (berechnet nach Clapar.).
3. Gonyaulax polyedra Stein (Ostsee).
3 a. Schalenhülle von der Bauchseite.
,3 b. Geisseiloses Individuum von der Apicalseite Der Weichkörper liat sich von der
Schalenhülle beträchtlich zurückgezogen und mit einer secundären, zarten und structiir-
losen Membran (h) umkleidet. Vergr. von 3 a 580.
4. Gonyaulax birostris Stein (Südsee). Schalenhülle von der Baucliseite.
.5. Goniodoma acuminatum Ehrbg. sp. (marin). Vergr. ca. .")00.
,5 a. Schalenhülle von der Bauchseite.
5 b. Ansicht auf den Apicalpol.
5 c. do. auf den Antapicalpol.
5d. Eine Cyste mit 4 Theilsprösslingen.
6. Peridinium tabula tum Ehrbg. sp. (Süsswasser).
6 a. Individuum von der Bauchseite.
6 b. Schalenhülle von der Apicalseite.
6 c. Dieselbe von der Antapicalseite.
6d. Theilungszustand eines ruiienden, geissellosen Iiulividuums; die Theilebene i^t schon
durch eine Ansammlung feiner Körnchen bezeichnet.
6 e. Weiter fortgeschrittener Theilungszustand. Die beiden Sprüsslinge sind schon völlig
gesondert und in eine gemeinsame (jallertmasse (ga) eingelagert, durch deren Quel-
lung die Schalenhülle des Mutterindividuums in ihre beiden Hälften zersprengt
wurde. Vergr. von 6 a ca. 440.
7. Peridinium globulus Stein (marin). Schalenhülle von der Bauchseite. Vergr.?
8. Peridinium Michaelis Ehrbg. (marin). Schalenhülle von der Bauchseite Vergr.
ca. 500.
9. Peridinium divergens Ehrbg. (marin).
9 a. Getödtetes Individuum von der Seite in Umrissen, zeigt deutlich die beiden Geissein,
von welchen die der Querfurche (fg) eine bandförmige Beschatfenheit besitzt.
9b. Ein kleines Stück des Geisseibandes der Querfurche stärker vergrössert, um die feinere
Structur desselben zu zeigen.
9 c und d. Der Kern eines Exemplars in zwei verschiedenen Ansichten.
10. Sogen, einfach gehörnte Cysten, nach Stein wahrscheinlich von Peridinium
eine tum. 10a mit noch einfachem, ungetheiltem Körper. 10 b eine solche, deren
Körper in schiefer Zweitheilung begritten ist. lOc Cyste mit 4 Theilsprösslingen.
Vergr. '?
11. Eine doppeltgehörnte Cyste (nach Stein wahrscheinlich von Peridinium tabulatum) mit
2 Theilsprösslingen. Vergr.'?
Figg. 1— 3a, 4, 5, 6a— c u. e, 7, 8, 10 u. 11 nach Stein (Arthrodele Flagell.); Figg. 3 b,
9a— d nach Bütschli (Morph. Jahrb. X) ; Fig. 6 c nach Klebs (Abhandl. des botan. Instit. zu
Tübingen).
Dinoflag'ellala(Ciliofl.).
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Eildiiiiiiig von Tafel LIII.
Wiederkehrende Buchstaben:
a Amylon.
apo Apicalöffnung.
g- Geissei der Längsfiirche.
gs
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Geisselspah.
Längsfurclie
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Nucleus.
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Oelkugelii.
oc
Stigma.
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Kautenplatte.
Vacuole.
Fig.
1. Peridinium divergens Ehrbg. (marin).
1 a. Schalenhülle von der Bauch- und
1 b. dieselbe von der Eückseite. Vergr. ca. 350.
2. Diplopsalis Lenticula Bergh (marin) von der Bauchseite. Vergr. ca. 600.
3. Blepharocysta Splendor Ehrbg. (marin). Schalenhülle von der Bauchseite; der
Weichkörper hat sich kuglig contrahirt. Vergr. ca. 500.
4. Amphidoma Nucula Stein (marin). Schalenhülle von der Bauchseite. Vergr.?
5. Oxytoxum (Pyrgidinm Stein) constrictum Stein sp. (marin). Schalenhnlle von der
Bauchseite. Vergr. ?
6. Oxytoxum Scolopax Stein (marin). Schalenhülle von der Bauchseite. Vergr.?
7. Ceratium tetraceros Schrank (cornutum Ehrbg. sp.). Süsswasser.
7a Individuum von der Bauchseite; rsh rechtes, aah hinteres Hörn. Vergr. ca. 450.
7b. Ein wahrscheinlich aus der Theilung hervorgegangenes Individuum, welchem die
rechte hintere Hälfte der SchalenhUlle fehlt.
7 c und d. 2 Cysten mit 3 (oder vielleicht auch 4) Theilsprösslingen.
S. Ceratium Furca Ehrbg. sp. (marin). 6 Individuen in einer Kette zusammenhängend.
Vergr. ca. SO.
9. Ceratium Hirundinella 0. F. Müll. sp. (Süsswasser").
9 a. Individuum von der Bauchseite. Vergr. ca. 290.
9 b. Schiefer Theilungszustand (wahrscheinlicli beweglich).
9 c. Encystirter Ruhezustand. Die Chromatophoren haben sich in einem centralen Haufen
(pi) um den Kern zusammengezogen.
10. Ceratium Tripos Ehrbg. sp. (marin).
10 a. Zwei zu einer Kette vereinigte Individuen von der Bauchseite.
10b. Schalenhülle von der Bauchseite. Vergr. ca. 220.
10 c und d. Ein Kern in der Ansicht von der Bauch- (c) und der Schmalseite (d).
lOe. Querschnitt durch ein Individuum, zeigt die Schichtung der Membran und ihre
Poren.
Figg. 1, 7a, 9a und 9 c, 10b nach Stein (Arthrodele FlagelL); Pigg. 7b und 10 e nach
Bergh (Morph. Jahrb. VII); Figg. 7c— d nach Originalien von Lieberkühn; Figg. S und 10 a
nach Pouchet (Journal anat. et physiol 1883); Figg. 10 c und d nach Bütschli (Morphol.
Jahrb. X).
Dinoflaü'ellala (Cilioil).
Taf.Llll.
rnfi
Lüh.itsl.y. Werner/. M-Tl^KFraxltfiirt'/M.
Eiklänina von Tafel LIY.
Wiederkehrende Buchstaben (mit Ausnahme der Fig. 5).
a Amylon.
ap Apicaltafel.
apo ApicalöfFnuug'.
b vordcie Aequatorialtafeln.
b' hintere Äequatorialtafeln.
ch Chromatophoren.
g Längsg-eissel. <
gs Geisseispalte.
ig Quergeissel.
If Längsfurche.
n Nacleus.
r Kautenplatte.
V Vacuole.
Fig.
1. Ceratium Tripos Ehrbg. sp.
1 a. Getödtetes Individuum von der Bauchseite mit den beiden Geissein. (Die Hörner sind
nicht ausgezeichnet.)
Ib. Ein ebensolches von der Antapicalseite. fm die zarte Membran, welche den Baucli-
ausschnitt überkleidet; dieselbe hat sich etwas abgehoben.
Ic — d. Drei aufeinanderfolgende Entwicklungsstadien des auf p. 1027 geschilderten eigen-
thumlichen Körpers, welcher die Stelle des Kernes einnimmt. Nach Präparaten.
2. Ceratium Fusus Ehrbg. sp. (marin).
2 a. Ein Individuum von der Bauchseite. Vergr. ca. 230.
2 b. Der Kern eines solchen,
.S. Pyrophacus Horologium Stein (marin). Vergr.?
3 a. Schalenhiille von der Apicalseite; die beiden Hälften haben sich in der Querfurche
getrennt und etwas gegeneinander verschoben.
3 b. Eine ähnliche Schalenhülle von der Bauchseite.
3 c. Euhendes Individuum , dessen Weichkörper sich in der Schalenhülle encystirt und
hierauf getheilt hat.
4. Ptychodiscus Noctiluca Stein (marin). Geisselloses Individuum von der Antapical-
seite. Man sieht die kleinere Apicalhälfte der Hülle durch die dem Beschauer zuge-
wendete grössere Antapicalhälfte durchscheinen. Vergr. V
5. Ceratocorys horrida Stein (marin). Schalenhülle in nahezu seitlicher Ansicht, die
Bauchseite und der Apicalpol (nach unten gerichtet) dem Beschauer etwas zugekehrt.
If die Fortsetzung der Längsfurche If auf die Apicalhälfte. b wahrscheinlich die hin-
teren und b' die vorderen Aequatorialtafeln , daher auch ap die Antapicalplatte und
gs wahrscheinlich die Apicalötfnung. Vergr. ?
6. Amphidinium operculatum Clap. u. L. (marin).
6 a und b. Zwei Exemplare von der Bauchseite (a nach Klebs und b nach Stein). Das
Exemplar 6 b mit ziemlich geschlossener Längsfurche (nach der Angabe von Stein).
6 c. Exemplar von der Rückseite, die (ieisseln nicht angegeben. Vergr. ca. 200.
6d. Cyste mit zwei jedenfalls durch Längstheilung hervorgegangenen Sprösslingcn.
7. Amphidinium lacustre Stein (Süsswasser). Vergr.?
7 a. Individuum von der Bauchseite, z „ein leistenartiger Vorsprung am rechten Bande
der Längsfurche" (Stein).
7 b. Zwei Individuen im Beginn der Copulatiou (nach Stein's Deutung).
8. Dinophysis acuta Ehrbg. (marin).
8 a. Ansicht eines getödteten Individuums von der linken Seite. Der Weichkörper stark
condensirt.
8 b, Schalenhülle von der Dorsalseite.
8 c. Eine ebensolche von der Ventralseite. r\ r^ und r* die drei Rippen der linken
Flügelleiste (l); 1' die rechte Fitigelleiste. Vergr. ca. 500.
Figg. 1, 2b und 8a nach Bütschli (Morpholog. Jahrb. X); Figg. 2a, 3, 4, 5, 6b— d,
7 und 8 b nach Stein (Arthrod. Flagellaten) ; Fig. 6 a nach Klebs (Botan. Zeitung Bd. 42);
Fig. 8c Original.
Dinofla^^ellata (Ciliofl.).
Taf. LIV.
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lüf' An-rt vWitj-nrrJlt'mtfrJriaOsfwl °/M.
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Erklärung von Tafel LV.
Wiederkehrende Buchstaben;
g Längsgeissel.
gs Geisselspalte.
hr hintere Eandleiste der Querfurche (Halskragen nach Stein).
1 hnke FlUgelleiste der Dinophysiden.
1' deren rechte Flügelleiste.
1" hinterer abgetrennter Tlieil der linken Flügelleiste bei Histioneis
und Ornithocercus.
r\ r■^ r^ die drei Hauptrippen der linken Flügelleiste der Dinophysiden.
vr vordere Bandleiste der Querfurche (Kopftrichter nach Stein).
1. Phalacroma porodictyum Stein (marin). Schalenhülle in halb rechts ventraler
Ansicht. Vergr. ?
2, Phalacroma ßapa Stein (marin). SchaleiihüUe in rechtsseitiger Ansicht. Vergr.?
3a. Dinophysis acuta Ehrbg. (marin). Schalenhülle in linksseitiger Ansicht. Vergr. 750.
.3b. Dinophysis Homunculus Stein (marin). Schalenhülle in linksseitiger Ansicht.
Vergr. ?
4. Amphisolenia Stein (marin). Vergr.?
4a Amph. globifera St. Individuum in Bauchansicht.
"■ib. Amph. palmata St. Das vordere Achtel eines Individuums in linksseitiger Ansicht.
5. Citharistes regius Stein (marin). Schalenhülie in linksseitiger Ansicht ; ba die beiden
Balken, welche den Kückenausschnitt überbrücken. Vergr.?
6. Histioneis Eemora Stein (Südsee). Schalenhülle in rechtsseitiger Ansicht. Vergr.?
6a. Histioneis megalocopa St. (Südsee). Schalenhülle in rechtsseitiger Ansicht.
Vergr. ?
7. Ornithocercus magnificus St. Schalenhülle in rechtsseitiger Ansicht. Vergr.?
S. Polykrikos Bütschli (marin).
8a. P. auricularia Bergh. Individuum von der Bauchseite, n' die Nebenkerne nach
der Deutung von Bergh. nk Nesselkapseln. Vergr. ca. 240.
8b. P. Schwarzi Btschli. Quertheilungsjustand von der Rückseite. Die Kerne sind
gerade im Begriff sich zu theilen.
8c. Zwei Nesselkapseln bei stärkerer Vergrösserung ; links im geschlossenen, rechts im
ausgesprungnen Zustand.
9. Podolampas Stein (marin).
9 a. Schalenhülle von Podolampas bipes St. in Bauchansicht, st und st' die beiden Ant-
apicalstacheln, von welchen sich der linke in eine Flügelleiste (1) fortsetzt.
9 b. Schalenhülle mit Weichkörper von Podol. palmipes St. in Bauchansicht ; st die ver-
wachsenen beiden Stacheln des Hinterendes.
10. Cladopyxis brachiolata Stein (marin). Schalenhülle in Bauchansicht, qf wahr-
scheinlich Analogon der Querfurche.
Figg. 1—2, 3b, 4—7, 9 und 10 nach Stein (Arthrod. Flageliaten); Fig. 3a Original;
Fig. 8 a nach Bergh (Morphol. Jahrb. Bd. VII); Figg. 8b— c nach Bütschli (Arch. mikrosk.
Anat. Bd. IX).
l)inof]a«>-eUala (Ciliol'l.).
TaF. LV.
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