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Schriften
des
Citerarifdien Vereins in Wien.
IV.
€duard Don ßauernfdds
Gefammelte fluffä^e.
In Husmahl herausgegeben und eingeleitet
von
Stefan Hock.
\üien 1905.
Verlag des £iterarifdien Vereins in Wien.
o
€duard oon Bauernfelds
Gefammelfe fluffä^c.
]n RuscDahl herausgegeben und eingeleitet
Don
Stefan Hock.
\üien 1905.
Verlag des Eiterarifchen Vereins in Wien.
SO^
%^ o- ?
z), .' , )ii\^i \ii/\tx^ y<i t • #C
Alle Rechte Dorbehalten.
K. u. k. fiof-ßuchdruckerei u. ßof -Verlags-
ßuchhandlung Carl fromme in Wien.
einleitHttg.
^ie S33icncr ®cf eßfc^aft l^at i^ren alten SBauernfelb
geüeBt. 2)cnn er l^at il§r SBejen erfaßt »ie lüenige, er
^at fte gefd^ilbert, gepriejen, »o^I aud^ öerfpottet tüie
niemanb fonft Sti Jemen ßuftjpieten ^at er fie abfon=
terfeit mit i^ren gröbften unb il^ren femften Äonturen^
mit i^ren ettjigen SSorgfigen unb ©d^teäc^en unb mit
ben Meinften (Sigenl^eiten ber jeweiligen SSer^ältniffc
unb SJloben. Sr ^at jte belaujd^t im @a(on unb ju
§aufe, im politifc^en unb im literarijc^en betriebe. Unb
er ift i^r Sprac^rol^r geiuefen in bewegter ßeit, i^r
SBecfer unb SBarner, Wenn fte fd^Iief. SBaö er auf ber
95ill§ne laut öerffinbete^ baS jifd^elte er in feinen Satiren
unb (Epigrammen, in grajiöfen unb tronifd^en 9Serfen,
ba^ flüfterte er bei feftUd^em Oelage ber 9iacf)barin
tnö Dl^r, bag warf er al^ lül^neg SBi^wort in baS
Sel^agen beö intimen 5ßlauberabenbg, ba^ flagte er
rauujenb unb jd^impfenb feinen greunben. SBal^re
Iriumpl^c feiert ba überall feine ^Begabung, fojiale,
politifc^e, literarifd^e 3iiftä^J>^ pc^^^ i^ ci^ciffen, ge*
VI Stttlcitung.
f d^ictt ju f c^ilbent, Boö^aft §u befrittcin. ©d^orfblttf unb
rajd^cr 9Serftanb, ßeicf)tigfcit bcr 5ßrobuftion unb (iebcniJ*
tüürbige änmut ber ©))rad^e jetd^nen i^n auö. Sin
Suftjpiel tt)ie in feiner ßgrif ift er geuiUetonift. Unb fo
brängte c§ il^n balb, fein 2^(ent journaliftifd^ gu öer»=
ttjerten.
SSon frül^cr Sugcnb big in§ l^o^e Sllter gel^t
Sauernfelbg publijiftif d^eSBirffamfeit neben bcr poetifdien
einher. (Sine gro^e 3^^! ^^n ßeitungcn, SReöucn,
^llmanad^en ^at i^n unter bie gelegentlichen SRitorbeiter
gejäl^It; ftänbig f)at er feinem 3oumaI gebient 9Kit
au^erorbentlidier ©efc^icHid^feit ^ot er eS öerftonben,
fid^ ftetg bem äRilieu ber 3^i^^i^f^ einguorbncn, für
bie er eben fdirieb, 3n ©c^irf^S aKobegeitfcfirift unb in
ber X^eaterjeitung Säuerleö plaubert er anmutig öon
©cf)ubert, ergäl^It öon Sodann ©c^enf, bem Äompo*
niften beö „^orfbarbier", t)on STOidiael SJogI, bem
Berühmten ©änger ber „©cf)ubertioben''. ©onj anber^
tritt er t)or ba§ literorifc^e unb geleierte 5ßublifum beg
§orma^r==ÄoItenbaedEifcf)en2lrcf)iög; ba ftel^t er emft unb
fampfbereit an ©riHpargerg ©eite gegen bie 5ßie^nigg
unb ©apl^ir, ba betätigt er eifrig feine literarl^iftorifc^e
Scgabung. 3e näl^er gu 1848, um fo fc^ärfer tt)irb bie
Xonart ber Soumale, unb lieber bequemt fic^ SBauerU'^
felbä tf^ber ber neuen Umgebung; in 2. Ä. granfli^
„©onntagSblättern" unb in ben legten Sa^rgängen
ber ©c^idE^ifc^en 3^itj^rif^ hritt er nun mit bei^enben
©inleitttttg. VII
©atircn — meift in bramatijd^cr ^onn — ^erüor.
S)ag ^afix 1849 finbct tl^n afö gciftrcid^cn unb imnad^*
f tätigen Seurtcilcr im gcuiDeton ber ^Dftbeutjd^en
^oft" ÄuranbaS. SSon ba an änbcrt fid^ ber (S^aroftcr
feiner publijiftifc^en Arbeiten. 3)er günf jigjä^rige ift
nic^t me^r elaftifd^ genng, jeben SBed^jel ber ©tim*
mnng unb Schreibart mitjumac^en, in ber öorberften
ßinie ber Sänt^fer ju fielen; er legt \xä) feine eigene
SBeifc jnre^t unb Befd^ränlt fid^ barauf, feine ©rleb^^
niffe im tjormärjlid^en Öfterreid^^ luItureHe unb poü^
tifc^e ßuftönbe immer öon neuem barjufteHen^ in ben
gangbaren Xage^blättern^ SRunbfd^auen, Soi^rbüc^ern
feine Srinnerungen ju publijieren, tote greunbe burd^
anfc^auKc^e ©c^ilberung il^re^ SBefenS, oft auc^ burd^
STOitteilung t)on ©riefen ben jüngeren äeitS^^^^ff^^ ^^^^^
JU bringen.
^thtn bicfer joumaliftifd^enlätigleit ift Sauemfelb
einige STOale felbftänbig mit ©treit« unb Sittfd^riften an
bie Öffentlidileit getreten. 3n ben üiergiger Salären ^at
er mit SBrof c^üren unb äRemoranben fid^ lebl^aft an bem
Äampf ber öfterreid^ifd^en ©d^riftfteller gegen ben STOi^^
broud^ ber Q^n\vix Beteiligt^ mit Petitionen unb glug==
fc^riften bie 89ett)egung, bit fc^Iie^Iid^ in ber äRärj*
SReöoIution fulminiert, begleitet unb geful^rt. 2)ie
berechtigten Änforberungen be2 5ßublilum« an ein jeit-
gemäßes 2;^eater ^at er in nac^brüdlid^er SBeife öer^
treten; in einer fatirifd^en S^itfc^rift, bie freilid^ nad^
VIII (gtnleitung.
bem erftcn §cft einging^ ift er bcn großen unb ficincn
©ünben beg Staate^ unb bcr ©cfettfd^aft an ben Scib
gegangen.
Sine &tvippt für fid^ bitbcn bie SSorrcben^ bie er
etnjelnen feiner ©tiide beigegeben l^at, unb bie ttJert^
öoHe Einleitung gu feiner Überfe|ung ber SRomane öon
2)irfeng. —
2luf ben erften SJIid jerf aßen alle bief e 83rof d^üren,
?lrtifel, g^uißetong, ©fijjen ftoffli^ in jttjei gro^e
Steigen. S)ie eine bef ^äftigt fid^ mit ben lulturellen 3^*
ftänben Dfterrei^i^ im allgemeinen unb legt ein ^aupt«
gett)id^t einerfeitg auf bie 5ßoIitif, anberfeit^ auf bie
gemütli^e Sc^ilberung öon ©elbfterlebtem. 3)ie anbere
berüdfftd^tigt ein einziges ®ebiet ber allgemeinen Äultur^
bie Siteratur^ unb ^ier befd^ränft fid^ SBauemfetb nic^t
auf bie §eimat unb bie ®egentt)art, bie freilid^ im
SSorbergrunb feines Sntereffeö fielen, fonbem fd^ttjeift
gelegentlid^ »eiter jurüdE unb breiter um^er. — 3n ber
erften ©ru^pe fielen ben ^iftorifd^en Sluffä^en anbere
gegenüber, in benen ber ©d^riftfteHer, ftatt baS SJer*
gangene befd^aulic^ gu betrachten, an ber lebenbigen
®egentt)art teilnimmt 3)er G^ronift mad^t ^ier bem
^otitifer «ßlafe.
3m 3al^re 1842 tritt SBauemfelb §um erftenmal
aU polttifd^er ©c^rififteller auf ben ^lan, unb gttjar
in einem ®ebiete, baS ber fiiteratur junäd^ft liegt 2)ie
,,Pia desideria eineg öfterreic^ijd^en ©^riftftetterä"
(Einleitung. IX
»cnbcn fid^ gegen bie engl^crjige^ ?lutor unb SBuc^*
l^änbler fd^fibigenbe Äntoenbung, ober öielmel^r 3ix^U
anteenbung ber liberalen ä^^f^^B^f^l^ ^on 1810.
Sauemfelb entotrft in rafd^en 309^^1 ci^ ®iti> ^^^
jeitgenöffifc^en ©eutjd^Ianb^ ber erfreultd^en ®ärung,
bie ia^ SReifen löfttid^er grüßte öerfprec^e. ffir jcigt,
ba§ aud^ iöfterreid^ öon bcm neuen ®eifte erfiint, ba§
cÄ materiell unb intelleltuett im Sluftc^ujunge begriffen
fei 3n biefer allgemeinen 83ett)egung fei bie ?ßoefte ein
wenig gu Schaben gefommen, bie „neue jjraftifc^*
l^umane Stiftung'' benachteilige bad grojse 3nbik)ibuum
jugunften ber mittelmäßig veranlagten STOenge, „ba^
©olbftürf fe^t fid^ in ©c^eibemünje um". 2)a fei e8
nun boppelt n^ünfc^enSn^ert^ baß ba^ l^eimifc^e Talent
geförbert »erbe, ©tatt beffen fe|e bie gegen inlänbifc^c
ffirjeugniffe fo überaus ftrenge Qtn'iux eben burc^ biefe
Strenge gerabeju 5ßrämien für bie auSlünbif c^en ®eifteö*
probulte aus. S9auemfelb t^erlangt t)on bem gebilbeten
Seutfc^Ianb, baß eS ben reblic^en Seftrebungen ber
Öfteneid^er entgegenlomme unb fie unterftü^e, öon bem
(anbSmännifd^en ©d^riftfteöer^ baß er ftd) ermanne,
feine ^^it erlenne unb feine beften Ärafte unb Xalente
ber einjig ed^ten, ber nationeßen SBilbung juujenbe, öon
ber 3^iif^^f i>ttß fie nac^ btn öorl^anbenen guten ®efefeen
— bie ber neuen Qtxt entfjjrec^enb ju mobifijieren
feien — gel^anb^abt »erbe. Unb fd^Iießlic^ forbert er,
„baß ettüaS gefd^e^e, um ein tt)iffenfc^aft(id^:=!ritifd^e3
X ©inleitung.
SJIatt in Dftcncic^ ju grünbcn, totlöjt^ ben Äuöbrutf
unjcreS neuen geiftigen gebend rein unb treu ujiber-
fpiegle".
S)iefe in ftberaug ma^öoöem S^one — Jammer*
^ßurgftaßttjonte fie bem Dffijiojuä 3^bli| jufd^reiben —
gel^altene JBrofc^üre, bie felbft bel^auptet, fie jei ber
SluSbrud ber ©efinnung ber öfterreid^ifd^en STOittel«
Maffen, bot im toefenttic^en bie ©runbgfige für bie
berül^mte 5ßetition ber SBiener ©d^riftfteöer öom 3al^re
1845^ bereu ^auptöerfaffer SJauemfetb toar. @o be*
fd^eiben bie ^ier aufgefteHten gorberungen waren, fo
gering tt)ar il^r (Srfolg. (Sin ^oBerfteö ^^ttfurfottegium",
bod aU unparteiifc^e Suftang bad SJerbot t>t^ S^n\ox^
reüibieren joHte, tt)urbe öerfprod^en, auc^ „errichtet",
ol^ne je inS ßeben gu treten. (Sin joumaliftijd^cr SSer*
trauendmann STOettemid^i^, §ofrat SHemenö ^^^ei^err
tjon $ügel, fe|te bie 3)i§fuffion in einer SBrofd^fire
fort, bie fic^ gegen bie ^reperrfc^aft »enbet unb bie
©d^riftfteßer gerabeju aU 5ßriöilegierte begeid^net. SHg
baS S9äc^(ein unUebfamed S(uffe^en mad^te, n^urbe
ber §ei§jpom öon feinen Sluftraggebem begaöouiert.
Sauernfelb l^atte fic^ beeitt, fein ©eifteSlinb, bie @c^rift==
fteßerpetition, gegen ben reaftionären ©ferer in einem
tt)i|igen „©^reiben eined ^riöitegierten in Öfterreid^"
gu k)erteibigen.
3n biejer fteincn SRei^e üon ©treitfd^riften ift
83auemfelb öor allem ber Vertreter ber bfterreic^ifc^en
(Sinleitunä. XI
©c^riftftcQcr unb crft in jtocitcr ßinic bcr öftcrrei^if cf)en
Sntcttigcnj überl^aupt 3m 3a^rc 1848 äitbcrt ftd^ bag.
S)ie ©d^riftficHcr gelten ]^inou8 inS SSoK unb »erben
feine gä^rcr. SBauemfelb ift at^ ®aft ©obl^off« in
beffen SBo^nung im ßanbl^aufe auS unmittelbarfter
9iä^e S^H^ ^^ fd^tüertoiegenben Beratungen im SDiärj
unb mit Segeifterung erfaßt er bie Sbee Äte^Ieö,
burd^ eine 2lbreffe an ben fianbtag bie Stellung ber
liberalen D))pofition ju ftärfen. 9Mit ätlejanber S3ac^
enttoirft er eine furjc, aber energifd^e 5ßctition um
Äonftitution unb ?ßre|freil^eit unb »irbt in ben
fireijen ber Saufteute unb gabrifanten um Unter=
f Triften. Slm 11. aRärj wirb fie ben ©täuben über-
reicf)t; jwei 2^ge fpäter fie^t JBauernfelb, ©eitc an
Seite mit 3)ob(l§off unb Slnaftafiug @rün, öon feinem
genfter l^inab auf bie erregte SDienge im §of be§ 8anb=
^aufeg unb ttjieber jtt)ei 3;age \plxtti eilt er fül^n ent*
fd^toffen mit Änaftafiu^ @rün in bie ^ofburg unb
crreid^t l^ier bie fofortige Seteilligung ber Sonftitution.
3n bcr furd^tbaren Aufregung biefcr Xage^ bie om
18. äRärj JU einer ©el^im^autcntjünbung ffi^rt, ent^
toirft er ein ©tra§en))(afat, in bem er bie (Sutfernung
aller 9Wänner beS alten ©^ftcmö forbert, mit bem auf*
reigenben Xitel „5ßromforif^e {Regierung". 6^ bitbet
ben liöl^epunft unb jugteic^ ben ?lbfc^Iu§ biefer
fieberl^aft erregten ?ßeriobe feiner ©c^riftfteHerei, ben
?lbf^Iu§ au^ feiner poütifc^en SBirffamfeit, bie i^m
XII (Einleitung.
für einige Qtxt ungel^euere ^ßoputarität öerfc^afft unb
feine SBal^I inS g^anffurtcr SSorparlamcnt jnr '^olQt
^at. @r mn^ an^ ©efnnbl^eitöriicfftd^ten o&te^nen unb
jiel^t ftd^ toieber in fein befd^eibeneS ^ßoetcnleben
juräci.
3n ben etften Salären ber SRealtion üerfuc^t er e§
noäj einmal, fid^ mit ben politifc^en ä^^ftänben feiner
3eit au^cinanberjuje^en, bie^mal nic^t aU SÄitftreiter
ober gar aU ^vif)ttx, fonbem aU ftißer, aber über*
legener Seobad^ter. Unb ttjenn feine öormärglic^en ^ubli=*
fationen ein »enig breit unb boftrinär erfc^einen, toenn
in ben ©turmpetitioncn bcg SReüoIutionSmonatö bic
Srregung beg ganjen SBotfeS burc^ 83auemfelb§ SBorte
jittert, fo finbct er in biefen fnappen unb aftueöen
,,@tubien'' feinen eigenen, feinen @til, fo erl^ebt er fid^
l^ier gur ^'di)t eineS SBeifen. SKit einem »al^rl^aft großen
|)umor betrad^tet er bie S^^gen ber (Smüd^terung in
aßen Greifen ber SBeööIIerung, mit bei^enbem aBi|
fcf)ilbert er bie üertoanblungSreic^e ßebenggefc^icf)te ber
„©utgefinnten", ben bornenöollen SeibenSttjeg be§ „SHt*
liberalen". SBenn nid^t ate politifc^er tfö^^^^f fo ttjitt
er ate (Srgie^er loirfen; er feuert bie @efinnung§*
genofjen an, er ajjpcHicrt an bic STOac^tl^aber, Öfter=:
reid) ju retten, eS auS ber ^Barbarei l^eraugjufül^ren,
ber Sugenb, bem SBoIfe bie üueöen ber SBilbung ju
offnen. SBenige Solare öor ber grunblegenben JReform
ber ajiittelfc^ule (ä§t er biefe STOal^nung ertönen unb
(ginicitung. XllI
nimmt fo fein befd^eibcn %til an bcm großen SBcrfc
ficü X^unö.
äH tiefen politif ^en Aufjagen gemcinfom ift neben
einem tatfräftigen ffintl^ufiaämug ber fd^arfe JBIid für
bie Übelftänbe unb SBebürfniffe ber 3cit unb bic richtige
äbfd^älung beffen^ toa^ geforbert »erben mu§ unb
toai man ertuarten fann. StirgenbS — bad l^albüerräcfte
©tra^enplafat aufgenommen — üerftcigt ftd^ SJauernfelb
ju utopifd^en Sßl^antafien, tote fte eben in jenen auf«'
geregten Sagen aud^ emfte SJlänner liegten unb äußerten,
ftetg bleibt biefer Suftfpielbid^ter SJerfe^ter einer ge*
funben Siealpolitit 2)abei ^ält er aber burd^ alle
äußeren SBanblungen l^inburc^ feft an feinen Slnfd^auungen
unb Überzeugungen. SKit einem getüiffen ©totj nennt
er fi^ einen „Ättliberalen"^ al^ bic SJejeid^nung in
SBerruf fommt, mit geredeter SSerad^tung blidft er auf
bie @d^ar ber Sl^aratterlofen l^erab, bie^ gierig na^
S3rot^ il^r äRanteld^en nad^ bem Sßinb ^&ngen, ber &)X'
geijigen, bie fid^ nicf)t abnfi|en »oHen, bamit fie bie
aJlänner ber S^^^ft bleiben, ffir felbft ift nic^t öon
biefer Art ©r wirft mit an bem großen SBerf ber
Erneuerung Öfteneic^S^ fotang er fann. Unb als il^m
erft bie Änard^ie^ bann bie JReaftion bie §anbe gebunben^
ruft er bie anbem jur 2;at unb l^ört in einer Qdi
allgemeiner S)efperation nid^t auf ju |offen. ätu^ für
ftc^ fetbft. 3u ber legten „©tubie" »enbet er fid^ an
fein tiebeS^ alteS^ fein jungeö ^ublifum; er fü^lt ftd^
XIV ©tnicttung.
jclbft toicber jung unb f^affcnSfrol^ unb er toiü bcr
neuen Qtit neue S)i^tun9en barbringcn. Qa einer
großen Überftij^t über fein biö^erigeg ^ßoetenleben ge*
ftaltet \xä) biefcS gcuiUeton, ba^ aug bem SRa^men ber
„©tubien" in bie Oruppc ber autobiograpl^if^ä^^tt
5ßubIi!ationen löinüberftrebt
SSon jugcnblid^en Aufjagen bis ju ©rinnerungcn
beS ®rcifc§ läuft bie nur burd^ bie SReöoIutionö^
monatc unterbro^ene SRci^c ber Icbenggefij^i^tlici^en
©fijjcn, in bcncn öor allem Silber au§ bem Sultur*
leben beS SSormärj enttoorfen werben. 3ni ®egen*
\aij ju ben poütifd^en ©ij^riften ftnb fte öon fe^r
ungleid^em SBerte. Sieben auggejcici^neten Sarfteßungen
unb ^öd^ft intereffanten 9RittciIungen finben toir geJ^ö^t*
lofe ?lnefboten, langtocilig breite Seriij^te über unbc^
beutenbe SÄenfci^en unb S)inge. Unter ben älteren
Äuffä|en freilid^ fibertoiegen bie guten. 93efonber3
feffelnb toei^ Sauemfelb jeberjeit öon feiner 3ugenb ju
erjä^Ien^ öon ber ©nriij^tung bcS Unterrid^tS, öon
feinen Seigrem unb ©d^ulfameraben, öor allem öon
feinen ungebunbenen 93ol^eme*3a^ren^ öon ben trauten
©enoffen biefer ©cniepcriobc ©d^ubert unb ©^tt)inb^.
öon bem angeregten literarifd^en Xreiben ber jtoanjiger
unb brei^iger 3al^re. ©eine ajiitteilungen gehören ju
ben toid^tigften ElueHen^ bie toir für biefe ßeit unb
biefen ÄreiS beft^cn. S)ie SBcrpItniffc an ben ©^ulcn
Ratten fid^ in ben it^n Sauren !aum geänbcrt, bie
Einleitung. XV
©rin^wrjcrg unb 83aucrnfdb8 ©tubicnjcit trennen, unb
fo fönnen biefc ^ßartien auS ben SRemoiren be§ Suft*
fpielbt(^ter§ bie cntfprci^enbcn ?ttf(^nttte in bcr ©elbft*
6iogrQpl^ie be^ Xragitet^ ergangen. S)ie Sluffä|e aber
@(^nbert ftnb bent 93iogrQpl^en be^ großen ^om))omften
t)on ^öc^tem 9ht^en, auS ben 93eri(^ten über ba^
üterarifij^e S^f^^wi^^^t^i^^f Ö6er bie politifd^en unb
fojialen SSerl^&Itniffe im SSormcir} jiel^t ber ^iftoriter
©etoinn, bie ©d^ilberung bcr geiftig angeregten ©efeü*
fc^aft, bie fid^ um ©(^ubert unb ©(^»inb fd^arte,
geiool^rt jebem Sefer rei(^ften @enu^. S)iefen ^eid
(ieb(i(^er ^auen, toie bie ©iJ^tDeftern ^5nig unb f^rb^Iid^,
begeifterter Sunftfreunbe, toie @|)aun unb ©d^ober, bie
grei^erm öon ©d^önftein unb SJia^erl^ofer, bebeutenber
SRufüer, äRoIer unb S)i(^ter, toie Sad^ner unb SSogI,
Äupetoiefer unb S)affinger, SWa^rl^ofer unb ©riOparjer,
bieS n)unbert)oII anmutige £eben DoQ ©(^onl^eit, Reiter«
feit unb ©eift — ©d^toinb ^at eö gemalt, ©d^uBert
in bcm SBol^IIaut feiner Steber unb S^fingc feftgebannt,
niemanb aber fo Iiebet)oO, fo lebenbig nad^erjSI^It toie
iBauemfelb. Slid^t nur bie l^armlofe fjröl^lid^feit biefer
SBIfitejcit öftcrreid^if(^cr Sunft l^at er in feinen ©fijjen
feftgel^alten, er l^at mit gleid^er Irene ba8 SBilb ber
emften 3^^ entiuorfen, bie mit il^^en |)oIitif(§en unb
finanjieOen ^ataftro^l^en ber äBiener ®emätltd^!eit ein
böfeS (£nbe ma^te. ^r biefe Saläre ber j^eimli^en
©ärung unb ber offenen (£m^)5rung ftnb feine 9Remoiren
XVI (Einleitung.
mit bic toid^tigftcn unb juöcrläfftgftcn ^iftorifd^cn
S)ofumcntc.
Wie bicfc fd^riftftellcrifd^en arbeiten jeid^net eine
au^erotbenttic^ angenel^me ©ij^reibart au^; befonberi^
in bie älteren fd^eint bie gange Siebendtüürbigteit
bcr Qtit eingegangen ju fein^ aui^ ber fte ftammen
unb bie fte fc^ilbem. S)ie[er bel^aglid^e ^lauberton
bleibt Sauemfrib auij^ ju eigen, toenn er ettoa ju
^Beginn ber fünfziger Saläre Don einer SReife na^
SJeutjd^Ianb unb Belgien an bie „Dftbeutjd^e $oft"
»enig bebeutenbe „SRcifeblättcr" rid^tet, bie nur bort lebl^af-
tcreS 3ntcref[e erregen, »o fie über baS SBrüffeler X^eatcr
ober über einen SSefuc^ hti %kd in S9erlin berid^ten.
2Rit ben Sal^^en freilid^ Iä|t ftd^ Sauemfclb immer
läfftger gc^en unb feine gorm loirb mand^mal aHju
falopp. ©ci^on feine f atirifd^e Sleöue, „SBiener (gin*= unb
auj^fäHe" (1852), bie öon gampi« geiftreid^ iüuftriert
»urbe, leibet an Dberfläd^Ud^feit in ©til unb Sn^alt
®g ift fo red^t ein ä^ugni^ für feinen SBunfd^, fic^
ööHig öon ber ^ßoliti! ju entfernen, toenn er l§ier
fjrauenmoben unb Oaftl^auSleben, Xl^eatcr unb lanj^
t)ergnägen aufS ^om nimmt unb ^öd^ften^ mit einem
jal^men „pj^öutaftifc^^inbuftrienen äcitgcmälbe" „S)ie
©d^u^joüfee" poütifd^e ^^agen ftreift. 3n fpäteren
Sal&ren weil er feiten SieueS ju bringen; bie fultur-
l^iftorifc^en ©fijjen verlieren ftd^ in cnblofe SBieber*
Rötungen unb unintereffante SJctaite, feine „Sr^
(Einleitung. XVII
inncrungen" fd^toeifcn o^ne ©orgfalt öou SBid^tigem
unb gcffeinbem ju aßcr^anb ancfbotifd^cm Äleinfram.
9io(^ immer aber gelingt cg bcm altcrnben ©d^riftftcHcr^
Iitcrarijd^c?p^9ftognomicn in rafd^ ^xnQttoox\txttn, Ubtn^^
öoDcn ^ßorträtä toicberjugeben.
S)enn bic eigentliche ^Begabung bc§ ^iftorüerS
Sauemfelb liegt auf bem ©ebietc ber fiiteraturgefd^id^te.
©c^arfer SBerftanb^ äft^etifc^eg S^ingefü^I, glücHic^e
SJarftcQung »ir!en l^ter ju trefflic^ftem ©dingen ju*
fammen. ©ein 3ntereffenfrcig ift alferbingg aud^ auf
biefem ®cbiete fein aUjuroeiter. SBon fremben ßitera*
turcn l^at i^n eigentlich nur bie englijd^e bauernb
gefcffclt ©l^afefpeare unb S)icfen8 ^at er überfc^t,
bic olten englifc^cn Sramatifer, öor aüem — auf
©riflparjcrS SRat — SSeaumont unb i^kiä)ex, ftubiert.
9Rit biefcn 2)id^tem befc^äftigt er ftc^ nun aud^ fritifd^.
®n Auf f a| über bie beiben Suftf pielbic^ter — er erf c^ien
mit gutem @runb anonym — ift freilid^ faum me^r
ate ein Sudjug au8 ben atten Kommentaren t)on
©Ctoart unb ©^mpfon. Aber bie Überfe|ung ber
„Pickwick papers" l^at er burc^ eine fel^r ^ilbfc^e ©in*
Icitung bereichert, bie in rofd^en 308^" ^^^ ©nttoicftung
bcS SRomang bi« S)i(fcnö ffijjiert unb in eine jutref^«
fcnbe E^arafteriftif biefe^ ©c^riftftellcrä unb feiner
erftcn SBerfc ausläuft, ©c^on ^ier betoäl^rt öauernfelb
fein Xalent, gro|e $ßcriobctt in fnapper SJarftcttung
jufammcngufaffcn, bie einzelnen $^afen toie bie i)tx^
««tifttn IV. b
XVIII (ginlcitung.
öorftec^enbftcn 5ßerjönUc^fciten mit toenigcn SBorten
ftd^cr gu fennjetd^ncn. Sluf anberem SBobcn bctoegt fic^
ein später 2lufja^ über bic (B^att\ptavt^)Xhtx\tijVinQtn,
bcr in (grinnerung an bcn jclbftburd^lcbten gro^nbienft
bei Strentfen^ft) bie öon % SB. ©c^Iegel big in bie
jüngfte 3^^* immer toieber aufgeworfene 5^age nad^
ber Äunft beS Überfe^enS ju beanttoorten fud^t.
S)ie rcii^fte unb cinbriugüc^fte publijiftifc^e Xätig^^
feit blieb naturgemäß bem 3;^eater gctoibmet. Db er
^ier afe ^iftorifer auftritt, in einem öorjüglic^en Sluf ja^
aU erfter bie ©efd^id^te ber SBiener SSotfebiilötte öon
i^ren Anfängen big auf bie ©egenwart enttoirft, Sofcf
©c^re^öogel, bem treuen ®cfart beg Surgt^eaterä, bem
greunb unb gü^rer ©rillpargerä, aug banfbarem
|)erjen ein S)enfmal fe^t — ob er fampfbereit für bie
Sinfü^rung ber 3;antieme, für bie Sßerbefferung beS
SRepertoireg, für bie 3ieugeftaltung be§ SBurgtl^eaterg
eintritt: immer ift er mit ganger ©eele bei ber (Sad^e,
überall merft man mit SBo^IgefaÜen, loie biefer leiben*
fd^aftlic^e X^eatermenjd^ für fein ßiebfteg jeugt unb
fömpft. Site im 3al|re 1849 mit ber eingetretenen SRul^e
bag Sntereffe für bag X^eater fid^ mieber l^erfteHte, ba
trat SBauerufetb in feinen „glüd^tigen Oebanfen über
bag beutfd^e X^eater" mit langgcl^egten unb -öer-
jd^ttjiegenen SBünfc^en ^eröor. S)en freieren (Seift, ben
bie 9tet)oIution auf bie 93ü^ne gebrad^t, wollte er
bewahrt, öon ^o^en fünftlenji^cn ©efic^tgpunften bie
(gtnicttunö. XIX
©c^aufpicl^ufcr, öor aücm ba« geliebte SBurgt^eater,
geleitet jel^en. S3on jeinen gorberungen finb Ijeute mand^c
erfüllt, öiele aber nur bringenber unb unabtoei^tic^er
geworben. @o bleibt biefe SBrojd^üre öon einer traurigen
SHtualität. Unb öon ebenfo trauriger SScbeutung für
unfere 3cit ift ein Stuf ja|, in bem fi(^ SSauernfelbö
^% gegen bie t^orlaute ^iti! heftig audff)ric^t.
S)er eifrige Xl^eaterbejud^er unb fidlere SSeurteiler
ift nur l^ie unb ba aU Sritifer öor bie Dffentlic^feit
getreten. Sr fc^eute unb fij^ämte fid^, ber ©c^ar feid^ter
unb unel^rlid^er SRegenjenten beizutreten, bie gerabe in
SBien ba§ ^ublifum am ©dngelbanbe fül^rten. ®r toenbet
ftd^ gegen bie rrfolfd^^ firitif" ber ©ap^ir unb Oenoffen
unb forbert an ©teile ber urteilenben unb mcift öer*
urteüenbcn eine bcfi^reibenbe Äritif. 3n biefer fd^weren
Sunft beg SBejd^reiben« ift nun freitid^ SSauemfelb nid^t
eben äRcifter; feine Änal^fen ^aben feinen rechten
SRittelpunft, ftc jcrflattem im S)etail. ffir ^at aud^
ttenig fiicbc unb Sutereffe für ein fotc^e« S^iQÜtbttn,
ttie i^m übcrl^öupt bie Singe hinter ben 3Kenf(^en
jurüdftcl^en. S)iefe aber in il§rcr Eigenart ju erfaffen
unb fte gegeneinanber jU lontraftieren, baS ift i^m
tt)ieberl§oIt aui^gejeid^net gelungen. Siid^t nur ben ein^
geincn Äünftlcm ift er berart geredet gettjorben, er ^at
e§ mit (Srfolg »erfüllt, bie öfterreid^ifd^en Did^ter ju
gruppieren, unb feine ?lnorbnung gilt in öielen x^CiUtn
^eute nod^ für rid^tig. S)ag StlönKd^e unb ba8 Unter=^
XX ©tnicttung.
jd^eibcnbc bei Saftcüi unb ©cibl, Slnaftaftug &xm
uub ficitau, SRaimunb unb Sicftro^ l^öt ^^ bcutlic^
crfannt unb in |)räjijcn gormeln beftimmt. SRit bcn
^ßcrfonen l^at i^m bic (SnttoicHung bcr ^ocftc in Öfter*
rcid^ Aar öor Slugcn geftanben unb feine fnappc Über*
ftd^t über biefe Snttüirflung öon S)enig bis genau ift
ber erfte unb überaus gelungene SBerfuc^, biefelbe bar-
jufteücn. —
gaft aUe bieje SQSa^rne^mungen unb ^Betrachtungen
bcS fc^arfft^tigen unb Äugen ajianneS^ toi^tige Sei-
träge jur Oefc^id^te beS geiftigcn ficbenS in Öftcrreic^,
ftnb in öcrfc^oüencn 3^i^^^if*^^ ^^t* öergriffenen
Srofc^üren jerftreut. 9lur einen Keinen Xcit feiner
SRcmoiren l^at 93aucmfclb unter bem Xitet ,,3luä ?ttt*
unb SWeu^aBien" in feine S33er!e aufgenommen unb fo
für bie 9iac^tDctt lebenbig erhalten. S)en ©d^a^ öon
l^iftorifc^en unb literarifd^en S)olumenten, ben er in
Soumaten unb SSKmanac^en öergraben l^at, ju ^eben,
fc^ien bem ?luSjci^u| beS Siterarifd^en SBereinS eine not*
tt)enbige unb banfenStoerte ?lufgabe; er I|at ben Unter*
jeid^neten mit i^rcr fibfung betraut, S)a§ nic^t aüe,
anä) md)i alte in „ÄuS ?Kt* unb 9lcu*SBien" fe^Ienben
?lrtifel neugebrucft werben tonnten^ toax öon öorn^erein
flar; ju öiel UnbebcutenbcS ftel^t einer ©efamtauSgabe
entgegen. ?lber bie SluStoalöI ^ot ©c^toierigfeiten. 3n
ben SBuft öon SSrofc^üren, ©fijjen, Sritifen auc^ nur
einigermaßen Drbnung ju bringen, würbe burd^ eine
(ginleitung. XXI
©gentfimüd^fcit erf (^»crt, bic bcr ffiff a^ift Saucmfdb
mit bem S)i(j^ter gemein l^at unb bie feine f^ru(^t6ar(eit
jum Seil erßärt: bie jfrupeUofe SBiebcrocrtDcnbnng ber
eigenen ^ßrobuftion. S)er Sammler ber genitteton«
mu§ biefen Umftanb tiefer bebauern, ate bieg [einerjeit
ber xa\d) öergeffenbe ßcitungglefer getan ^at; benn in
bem Siol^men einei^ S3n(^eS sparen bie fteten äBieber:»
l^olungen unerträglich unb mand^ geiftreid^er ©ebante,
manc^ intereffante äRitteilung mn^te au^gefd^Ioffen
bleiben^ toeil fte mit jwei«^ breimal ©efogtem gu einer
<£inl^eit t^erbunben ift. Slber aud^ ganj äu^erlid^e 3Roixt)c
fül^rten bie ßurüdtneif ung jal^Ireid^er Äufjä|e l^erbei. S)er
9iaum toar t)on Doml^erein fo ff)är(id^ bemeffen, ba|
and) unter ben guten ^rtitetn eine ftrenge 9udn)al^(
nötig tt)urbe. S3ei gleichen Hnfprü(^en tüurbe ber an
entlegenerer ©teile gebrucften Arbeit ber SJorgug gett)al^rt;
bie ^ufnal^me t)on aOgu gleid^artigen S(uffä^en n^urbe
Dermieben, anberfeitS aber boc^ ber 9}erfud^ gemad^t,
bie audgeipäl^Iten ftofflid^ ju @ruppen jufammen^
jujd^liefeen. (Sine ber toid^tigften Srofd^üren, bie „Pia
desideria eine» öfterreid^ifd^en ©^riftftellerÄ" fonnte
feine Slufnal^me finben, toeü fie allein ein 3)rittel beg
S3anbed gefüOt l^atte; aui^ bemfelben @runbe mu|te
auf ben Äbbrurf Don 83auemfelb8 ^(Erinnerungen" öer^^
jid^tet tt)erben. S)ief e beiben Schriften mürben im SSerein
mit ben befferen öon ben ie|t jurürfge^altenen ?lrbeiten
einen jtoeiten 93anb bilben, ju beffen $erauggabe fic^
XXII Einleitung.
öicUcid^t einmal Oelcgen^ctt ergibt. S)ann erft toirb ba^
(Srbc bcg ^iftoriferS 83aucmfetb toiebcrgetoonnen jein.
S)cr öoriiegenbc 93anb jcrfättt ol^ne 3^^^9 ^^
brei Seile. 3m erftcn erfd^cint 93auemfelb atö poU*
tifc^er ©d^riftftcncr. SKit Serücf fic^tigung bcr in ben
Slnmcrtnngcn abgebrndtcn Srojc^ürc $ügcte lä^t ftc^
ber Sam))f um bic 3^^?^^^«^^^^* ^on 1845 bis 1848
öerfolgen; bie „©tubien" bcg 3a^reg 1849 fc^Iie^en
fid^ an. S)ie jweite ®ruppc bcfd^äfttgt fid^ mit fiite*
ratur unb Xl^cater. 3n ber britten finb biograpl^^fd^e
©Kjjcn juf ammcngeftcllt, je einem SRaler, einem SKufif er,
einem S)i(^ter gen^ibmet. S)ic S5riefe ber Oeorgc ©anb
an S)effauer bürften eine um fo toinfommcncre JBeigabc
bübcn, aU fie in ber „Correspondance" ber S)ic^terin
(4.-6. »anb. $arig. ß. ßeö^ 1883—1884) ungenau
gebrutft finb. 3)a§ bic mciftcn ©riefe ©c^n^inb^ an
93auernfelb öon ^ollanb im 6. SBanb beS ©rittparger*
3a]^rbuc^c8 öoüftänbig abgebrucft finb, jd^ien mir fein
j^inreic^enber ®runb,ben pbfd^en Sluf ja^ ju unterbrüdEen.
gür gütige Siac^n^eije bin x6) ©r. (gfjeHeng 3ofcf
?ttejanber grci^erm öon geifert, ^errn 5ßrofeffor
S)r. Sluguft ©auer unb $erm S)r. (gmil §omer ju
S)anf öerbunben. —
Unb nun jprec^e ber alte Dfterreid^er aufS neue
ju feinen Sanb^Ieutenl
SBien, 11. SlUQuft 1905.
Stefan ifock«
1nbalt$verzeid)ni$.
Seitt
Anleitung V
€diiard voK BaKerifeMi eeiannelte JlnMtxt*
1. 3)enlf(l^rift übet bic gcgcntoärtigen 8«ftanbc ber 3enfuv
in Öftcrrctd^ (1845) 1
2. ©d^rctbcn ctnc8 $riüUcgicrtcn au» Öfterreid^ pr a3cs
leud^tung ber mcrftoürbigen ©rofd^üre: Über ©enf«,
SRcbc^ (Schrift* unb SPrcfefrci^eit (1847) 28
3. SßetUion ber SBicner »ürgcr (1848) 54
4. ©tubien (1849). 1.— 12 67
5. 9lcuc etubicn (1849). 1.-3 115
6. ^ic fd^önc ßiteratur in Öftcrreid^ (1835) 137
7. ^riti! unb Äritifer unferer Seit (1835) 176
8. glüc^tige ©ebanfen über bas beutfd^c X^eater (1849) 187
9. kleine t^eatralifd^c Stubten (1877). 1—3 227
10. Wloxii (Sd^toinb gum ©ebcic^tni» (1877) 266
11. 3Reiftcr SabiUa (1877) 302
12. SrnaftQfiuS @rün (1850) 328
2Inmerfungen 349
Sßcrfonenberjcic^ni^ 389
\. Denkfd)rift über die gegenwärtigen Zuftände
der Zenfur in Öfterreicb (1$45).
„fiein fiiij^tftro^l^ er tommt, ipol^er er xooUe, foH
in dutunft unbead^tet unb unerfannt in ber äJ^onarc^ie
bleiben ober feiner möglii^ nä|Iid^en SBirffamleit ent
jogen »erben" — l^ei^t e8 in ber „SBorfiJ^rift für
bie fieitung beg (Jenfur^Saäefen^ unb für baS SBe*
nehmen ber Genforen" öom 10. September 1810,
n^elc^e junt (Eingänge einer „gn^edbnä^tg geleiteten
fiefe* unb ©(^reibe^grei^eif ba« SBort fül^rt
S)er § 4 ber SBorfc^rift fprid^t in^befonbere ben
@runbfa| aud, ba^ n)iffen{cl^aftli(^e Sßerfe mit ber
grb^ten 3la6)[xä)t bel^anbelt, unb ol^ne anwerft loid^tige
©rünbe niij^t »erboten toerben follen, unb ber § 8
enthalt loörtlic^ folgenbe @teQe:
„aOSerfe, in benen bie ©taatSöertoaltung im gangen
ober einjelnen ^^^^9^ getoürbigt, gel^Ier unb 9Ki§='
griffe aufgebecft, Serbefferungen angebeutet, SJiittel unb
äBege }ur ®rringung eines SSort^eilS angegeigt, t)er«
gangene ©reigniffe aufgej^eüt »erben uftt)., follen
ol^ne ]^inlängli(^ anbem @runb niij^t t)erboten »erben,
2 1 . ^en!f ^rtft über bie gegenmdttigen
tDören auij^ bie @runbfji|e unb Hnfic^ten beg Tutors
nt^t jene ber ©taatööcrtpattung."
S)cr § 12 räumt femer ben ©c^rtftftenern, bcrcn
|)anbfc^riften öon ber f. f. ^oügeU unb S^^fiii^^offtctlc
bie Sulaffung jum 2)ru(!e t)erfagt luurbe, bad Sfled^t
ein, bicfe |)anbfc^riften mit Beifügung ber afied^tferti*
gungdgrünbe an bie „^oIitif(^e Jg)offteIIe i^reS fianbed"
überreichen ju bürfen, »eld^e barüber an @e. SRajeftät
Seric^t ju erftatten l^at
2)er § 14 enblic^ ma(^t ben 3^nforen foh)ie ben
Stediftoni^ämtem bie möglic^fte ©c^neUigteit bei W>^
gäbe ber f8ixd)tx unb Sriebigung ber 9J{anuftri))te jur
S)ieje unb anbcre mitbe unb Rumäne SBeftim»^
mungen^ t)on benen bie bed § 8 beinahe loörtlic^ in
bie neue preu^ifd^e ß^^fj^^nftruftion öom 24. S)e*
jember 1841 aufgenommen tourbe, bilben ben §aupt^
in^alt ber Öfterreid^if (^en 3«if uröorf c^rift öom 10. @ep=
tcmber 1810, toel(^e jebocl^ nur ate Snftruftion für
bie S^^f^i^^^f tii<^t ober ali @efe| gelten ju foQeu
f(^eint, unb bie bo^er aud^ niemals öffentlid^ funb«
gemad^t »urbe, benn ber Umftanb, ba§ fie in meisteren
5ßrit)at»er!en (in ®raf a3art^*93artl§eml^ein8 ©Aftern
ber öfterreid^ijc^en ^ßolijeiabminiftration, fJauHerS
$o(i}eigefe|tunbe, ^anfaS ^aabbud) ber @efe|e über
f(^toere ^ßolijeiübertretungcn) abgebrucft ift, geftattet
noc^ feineätoegg, biefe ^^"f^^öorfd^rift afö offijielt
3u{iftitbe ber 3enfui in JÖftemt^ (1845). 3
binbgemad^t ju betrachten, ba ft(^ nad^ ben beftel^enben
aQerl^öiJ^ften Spornten auf beriet ^rtDatgefe^fammlungen
totrffom nid^t berufen »erben fann. — 3m 3al^rc 1840
foQ eine ^ubltfotion biefer 9}orfc^rift, unb jugletd^ bie
Stuf^ebung f&mtUiJ^er, nad^ biefer 3^funnftru(tion r>ovi
Sa^re 1810 erlaffenen poltjeittd^en SSerfiigungen aQer-
^ftc^ftenorti^ angeorbnet »orben fein. Unter bicfen SSer*
fugungen erfi^eint inäbefonbere ba§ ^ofbefret ber f. !
^olijei^ unb S^^f^^^i^fft^Q^ ^o^ 14- S^^^i 1812, tnorin
ongeorbuet mürbe, ba| aOe @(^riften, roddft bie neuere
ftriegggefij^ii^te betreffen, mit bem Outad^ten ber 3^«*
foren jur befinititien (Sntf^eibung ber fogenannten
^offteüe tjorjulegen feien, femer baS ^ofbefret ber*
felben |)offtcße Dom 2. DItober 1819, »omit bie obige
Seftimmung auf famtlid^e äJ^anuffri^te unb fpäter aud^
auf 93ilber, £anb!arten unb äRufifatien aui^gebel^nt
»urbe.
S)ie erioäl^nte ^ublifation loar tool^I nur bel^ufS
ber ä^nforen anbefol^Icn toorben, um fie neuerbing^
auf bie beinal^e in SSergeffenl^eit geratene Snftrultion
aufmertfam ju machen, unb il^nen bie genaue Sead^.
tung ber barin enü^dtenen @runbfö|e einjufd^ärfen
SQein eine ^unbmac^ung, felbft in biefem befc^ränlten
Sinne, ift unferi^ ©iffen^ bigl^er no(^ nid^t erfolgt,
ber 3^"for übt fein Amt fortioäl^renb nac^ @etool^n«=
^eit unb |>ertommen auS, unb ber ©d^riftfteQer fann
fid^ auf tein @efe^ jum @c^u|e feiner 9{ed^te berufen.
1*
4 1. ^eitffd^tift über bie gegenm&ttigen
©icfc cEjeptioncBc ©tcllunfl be8 öftcrreid^iji^en
©d^rijftfteUcri^ ift c8, toddft bic Untcrjcii^nctcn, nic^t
au8 ^^crfönl^cn Sftüdj'id^tcn, fonbcrn im Sntcrcffc bcr
gefomten Daterl&nbifij^en £tteratur ju ber Dorliegenben
SJcnfjd^rift öcranta^tc, toddjc ft(^ in^bcfonbcre erlaubt^
auf eine f(^merjlic^ gefül^tte fiäcfe unferer ©efe^gebung
aufmertfam jn mad^en unb t^or bem @tanbpuntte beS
Siedete« toic ber SSilKgfeit botjuftetten, toie bringcnb
notoenbig bie SSerleil^ung eineg Qcn\viXQt\t^z^ für
Dftcrrei(^ erf^cint.
gegenüber, ift leiber ein öolllommen red^tlofer, ber
@c|riftfleUer toirb gerid^tet nad^ Slormen, bie er nid^t
fennt, unb öerurteitt, o^ne gehört ju »erben, o^ne ft(^
tJerteibigen ju tonnen.
S)er gcringfle ^anbtoerfer, ber ürmfle 3;aglöl^ner,
überl^au))t jeber ©taatöbürger finbet im @efe|e @c^u|
für feine Xätigleit 3)ie ©renjen berfelben finb il^m
tjorgejeic^net, aber innerl^alb biefer @renjen tann er
fi(^ frei unb ungel^inberf belegen; niemanb barf il^n
in ber S(u8übung {einer burc^ boS <Sefe| il^m juer^
fannten Sterte ftbren.
$ielt man biefe SSorfid^t im SBereid^e ber mate«=
rieöen 3ntereffen für unentbel^rli^ jur ?lufred^t^at«
tung eines georbneten 9le(^tS3uftanbeg, fo bürfte fte
tt)o]^I ba nid^t minber notmenbig befunben n^erben, n^o
eS fid^ um bie geiftigen @üter be§ ajienjc^en, um bie
Buft&nbe bec genfur in Öfterretc^ (1845). 5
^5(§ftcn Sntcrcffen bcr SSäiffenfc^aft, um bic l^ciKgftcn
9(nfprü(^e ber äBol^rl^ett l^anbeU. S(Qem toit troftloS
ift bic Sage bcS ©(^riftftcHcr« gcrabc in bicfcr 85c*
Stellung!
Öftcrrcic^ bcfi|t lein ä^^f^^S^f^l- SEBo aber fein
®cfe^, fonbern nur bic inbiöibucBe Anficht bc8 Sttx\ox^
entf(i^cibet, ba lann cS (cic^t bal^in lonuncn, bajs fclbft
bad an ftc^ (Erlaubte unb ttnfc^&blic^c, ja bag ©c-
meinnö|n(^e t>ttbottn U)irb.
3)er ^\ov — bei bem beftcn S38iBcn — fann
irren; er lann auS ^ngftlic^feit unb @orgc fär bic
93eibe]^attung feiner @teDung gegen feine beffere Über*
jeugung \o mand^ed i)erbammen, U)ad t^iedeid^t jur
3ierbe ber Literatur, fomit }um beften beS fianbed
gereichen tSnnte. 93ei biefen Serl^&Itniffen arbeitet ber
bfterrei(^if($e ©c^riftfteQer unter bem ftetd beftel^enben
S)ruäe beg a3etou|tfeinS, ftc^ t^ieOeic^t ber SSiOtür
))rei8gegeben ju feigen, bie nad^ il^m unbelannten Sflec^tg«
normen ilber feine (Erjeugniffe aburteilen fann; benn
lein @efe^ ift wxf^aribtn, unter beffen fc^irmenbem
S)ac^e er fld^ gegen bie Übergriffe ber 3^foten f (^ü|en,
auf baS er fic^ jur SBegrfinbung feiner Sfled^tganfpfic^e
berufen tonnte. @eine @(^rift tpirb a(S ,,jum 2)rud!e
nid^t jugetaffen" bejeid^net, unb er mujs i)erftummen;
nic^t einmal bie ^rage um baS „äBarum'' ift i^m ge«
ftottet ober fann — toenn fie anö) gefteUt toürbe —
auf SeanttDortung l^offen. 93on aßen bfteneic^ifc^en
6 1. ^enffd^cift üBer bie gegentu&rtigen
@taQtö6&rgem ift ed fonad^ ber ©c^riftfteQer ganj
aQein, n^elc^er ungel^5rt t)erurtei(t tptrb, tpäl^renb boc^
{elbft bem ^ngetlagten, bem SSerbrec^er ein rec^tlic^ed
®c^ör unb eine SJerteibignng öerftattet »irb unb i^m
mit bem Urteile and) bie Setoeggrünbe bei^felben be^^^
tanntgegeben toerben muffen.
Um biefen Übelftänben ju begegnen, l^at itoax bie
äenfnrinftruftion öom Saläre 1810 bem ©c^riftftellcr
baiS Siecht ber S3ernfung an bie ,,poIitif(i^e ^offteQe
feinei^ Sanbei^" eingeräumt; aQein biefed S^S^ftänbnid
ift bei ber gegenn^&rtigen SSerfaffung ber ^^^f^i^^iift^tt
— toie man fic^^ nic^t üerl^el^Ien barf — ein rein
iQuforijd^ed, teils n^eil eben biefe ^ol^e 9teturi^bel^ftrbe
(bie politifd^e ^offteQe) nid^t feiten f(^on vorläufig ein
3nformationdt)Otum über bad i^r im SBorberatungiSloege
burc^ bie ß^M^^^^I'^^ vorgelegte äßanuftrtpt abgegeben
l^at unb ba^er ber 9ieturi$ eigentßd^ gegen i^re eigene
(mittelbare) Sntfc^etbung an fie felbft gerichtet tpirb;
teils toeit bem ©c^riftfteBer bie 3Rotiöe ber jenfur*
bel^brbßc^en Slbn^eijung nic^t be!anntgegeben n^erben,
er bemnac^ aud^ feine SBefc^tperben nic^t ju begrünben,
nid^t mit einer (Sntfr&ftung ber Slbtoeifungdgrftnbe ju
begleiten loermag; unb n^eil enblic^ bie SSoQjie^ung ber
burc^ bie 9ieturSbe^örbe gefällten (Sntfc^eibung immer
toleber nur ber Qtn\uxbtf)'6xbt felbft an^eimgefteOt,
t)on berfelben aber nac^ aObelannter (Srfal^rung nur ju
häufig 3urüd(be^alten tpirb. SSal^r^aftig, biefer im ^u-
Suftänbc bcr gcnfur in Öfkerrcic^ (1845). 7
manften @tnne BekotQigte SRelurSjug mä^te ganj anberS
orgontfiert fein, loenn er bem ©c^riftfteQer audf nur
bie geringfte ©arantie geto&^ren foHte. — SRid^t beffer
Derl^ält ed ftc^ mit ber im § 8 ber Snftrultion bem
Sci^rtftfteQer eingeräumten S3ere(^tigung, haf^ äSefen ber
@tQatSi)em)a(tung im ®anjen ober in einzelnen QtotXQtn
ju bejprec^en, unb felbft 5^^Ier unb 9Ki|griffe auf ju=
beden, tpenn uKeiS bieiS nic^t quS @el^äffigleit, fonbem
in ber guten Stbfid^t i^rer ^bfteQung unb in einem
anftänbigen unb befd^eibeneu Xone gefd^iel^t. ^m^
biefe l^umane SBerfitgung fd^eint g&njlic^ in SSergeffen^
^eit geraten ju fein. 2)ie meiften %uff&|e, loelc^e irgenb
einen ßtpeig ber @taatSi)enoaItung berül^ren, n^erben
na(^ abgegebenem SSotum beiS B^nford noc^ ini^befon^
bere jenen ^offteöen, in beren 8leffort bie bel^anbetten
äRaterien ge^bren, ja nid^t feiten auc^ $rii)at))erfonen,
beren ©elbftgefädigleit t^ielleic^t burc^ eine fold^e
^ublilation t)erle|t toerben fönnte, ober aud^ nur aU
@ad^« unb f^ac^Iunbigen jur Segutad^tung mitgeteilt.
Stbgefel^en t)on ber burc^ biefei^ SBerfa^ren l^erbei«
geführten SBergbgerung, bie in mel^reren gälten Saläre
betrug, unb bei fe^r gebiegenen, rein toiffenfd^aftlic^en
SBerlen ni(^t fetten mit g&njlic^er 3^^^^ot^^d ^^^
3Ranuffripte« cnbete, »erben bem ©c^riftftelter J^ier-*
burc^ nur neue ^iubemiffe in ben äBeg gelegt. $at
er in feiner Arbeit irgenb eine adegierung^mafreget —
njenngteic^ mit gebül^renber JBefd^eiben^eit — einer
8 1 . 2)enff (i^rift über bie gegenwärtigen
tpürbigen ^tif unterzogen, {o n^trb ftc^ bie ^tttoaU
tungS6eprbe, i)on ber jener f^e^Igriff ausgegangen,
burc^ ben auc^ leife au§gef))ro(^enen Xabel gefränit
fül^Ien; fte urteilt aU ^rtei in eigener ©ac^e, natür«
1x6) auf S)rudt}ertDeigerung, unb i^r Eintrag toirb i)on
ber 3^nfur6el^5rbe, n^enn er negattt) lautet, jebedmal
^oUjogen.
Um noc^ einmal auf bie $erfon beiS S^^f^^^
jurüdjufommen, n^eld^er mdft nad) einem beftimmten
@efe|e, fonbem nac^ $er!ommen unb (Semo^nl^eit ober
t)ielmel^r nad) feinem fuBjeltit^en (£rmeffen jenfiert, fo
lann eS pufig gefc^e^en unb gefc^ie^t too^I auc^, ba^
er fid^ auf ben ganj t)erf(^iebenen @tanb))unft beS
^tilerS fteQt, unb einen 93orf(^Iag, eine SJemertungr
eine (Srbrterung blojs bei^^alb ftreid^t, n^eil er über bie
t)orIiegenbe t^age anberi^ bentt, ol^ne ba| bie SRei-
nung beS ©(^riftftellerS irgenb etioaS ©emeingefäl^r«
lt(^eg ober fonft bur(§ bie ä^wf^röorft^riften SSer*
boteneS entJ^ielte. äRit einem o^ne aQe äRotimerung
^tngeftellten „typom non meretor" toirb nic^t feiten
über eine @(^rift ein SBerbammungiSurteil auSgejproc^en,
ba§ bie literarifd^e Mtil t^ieUeid^t ni(^t geteilt ^&tte
unb jebenf aQS nur bief er jugeftanben U)&re. äßie brücfenb
ift aber ein fotc^er 3^ft<^^i^I ^ trifft nid^t nur jene
(Etgeugniffe beS @eifted, bie loirllic^ unter ber Schere
beiS Qm\ox8 fallen, fonbem au(^ ja^Hofe $eime, bie
gar nic^t jur Sntioictlung gelangen, toeil man ftd^
Bußditbe bet genfur in C{ierrei(^ (1845). 9
ffir(^tct, feine äRul^e umfonft auf i^rc ^Pflege ju t)er*
tpenben. — ^u(^ für bie ^o^e @taatöt)ertoa(tung felbft
tperben burc^ ein foId^eS Softem nid^t unbebeutenbe
yiadjittxU ^erbetgefül^ri @ie entbel^rt baburd^ beS totrl^
fomften Wittii, ju Kenntnis bet etoaigen ©ebred^en
jtt gelangen, bie eine SSerbefferung bebürfen; fie be*
raubt [idf ber Unterftä^ung aOer SnteQigenjen, bie
au^erl^alb i^rer eigenen SSenoaltungdorgane i)erbreitet
finb; fte verliert ben täc^tigften SRalftob für bie SSe»
urteilung bed (SinftuffeS, ben irgenb eine neue äRaf^
regel auf bie (Seftnnungen unb ^(nftc^ten beS 93oIIe^
äußert; enblic^, Uio niemaliS eine Siüge ge^&rt toerben
barf, finbet auc^ ein tpol^foerbientes £ob feinen ©tauben-
SBie fel^r burc^ ein foId^eS SBerfal^ren ber towotntxo^
neden :8äge, ber @tei|nerei unb $eu(^elei, biefen Sr-
totem beS fo^ialen toie beS @taatdlebend, Xär unb
Xor geöffnet werben, liegt am Xage.
93ei fold^em 3uftctnbe ber S)inge mu|te fid^ ber
befferen ©d^riftfteQer eine folc^e SRutlofigfeit bentäc^«^
tiger, ba| fie ft(^ freitpiQig gum ©c^tpeigen ^verurteilen,
anbere, in benen ein mad^tiger ®eift fic^ regte, fa^en
ftc^ genötigt, einen ungefe^Iic^en SBeg einjufc^tagen
unb i^re äSerle, t)on benen einige bereits gur ^i^^be
ber neuen beutfc^en Literatur gereid^en, unter ange«
nomutenen Slouten o^ne S3eU)iQigung ber bfterreid^if d^en
3enfur ju öeröffentlid^en. J)er »eitere SBertauf ^at
übrigens beriefen, ba§ bie l^umane bfterreic^ifc^e SRe^
10 1. 'Denff^tift über bie gegenkoärttgen
gicrung bcr freien ^lu^erung bei^ »iffenfd^afttici^en ober
bic^terifc^en @ebanfenS teine^tpegd fo ob^olb ift, tou
bie augfül^renben Organe ber Qtv!\m mit aßju großer
Stngftlici^Ieit t)orQUdjufe|en f (feinen; benn bie Sflegie«
rung f^at ba^ eigenmächtige SBerfal^ren jener Slntoren
baburc^ ftiQfc^loeigenb gut ge^eifen unb gen^ifferma^en
gerechtfertigt, ba| fie nad^trdglic^ bem 2)ebit i^rcr
SBcrfc lein ^inbemiä in bcn SBeg legte. S)er ©d^rift*
fteUer (iebt eS jebocl^ nic^t, fic^ in bie Literatur nur
etniufc^tp&rjen; er gie^t e^ üor, ben SBeg beg ®efe^e^
gu gelten, unb jcben Öfterreid^er üon ^erj unb ®c*
finnung l^ätte ber Slu^m, njeld^er bem latente feiner
i^anbiSleute gegoQt tparb, mit gebo))peIter f^reube erfäUt,
tuenn ber Äußerung biefeg latente« gtei(^ öon öome
lierein bie 3"fttmmung ber öfterreic^ifc^en 3^^?^^ $^'
teil geworben n)äre, toa^ nad) SBort unb ®eift ber
3enfurinftruftion üom 3a^re 1810 unjtoeifet^aft ge*
fc^el^en lonnte.
3)er tounberlid^fte ^^i^fP^tt gnjifc^en ber Sn-
ftruftion unb i^rer ^anbl^abung, fon)ie ber längft
jd^merglic^ gefäl^Ite ä}!angel eine« @efe|e« tritt aber
in«befonbere bann iitxt>ox, n)enn toir beobachten, n)a«
in Öftcrreid^, unb jtt?ar mit SBettjilKgung bcr Sle^^
gierung, gelefen n)irb, todd)t äßaffe i)on Sbeen nur
aQein burd^ bie in aQen @d^enfen aufKegenben lite^
rarifc^en unb politijc^en 3^itungen auc^ in ben nie^
beren Älaffen ber ©efeßfd^aft fi(^ verbreiten. SEBiffen*
3uftdiibe ber gcnfur in Öftcrrcic^ (1845). 11
jc^aftlic^e unb beUetriftifc^e SBerfe ber neuen beutfc^en
^effe, toenn beren lenbenj nid^t gerabeju öcrttjerftid^
ift, »erben feiten öerboten unb im gaüe i^rer ßu^
laffung in ben inlänbift^en Soumalen angezeigt, t)on
ben inlänbifc^en S3u(^^QnbIungen an iebermonn o^ne
Unterfd^ieb i^ertauft. 2)a^fe(6e äBerl ober einei^ ^eufen
ober @ac^fen ober auc^ eines Dfterreic^erS, ber t^ im
Sogenannten ,,S(uSlanb'' mit bem ^^admittitur färd
Slui^Ianb" l^at bruden laffcn bürfen, — baSfelbe SBer!,
n^eld^eS bann f))äter im Snlanb ungel^inbert k^erfauft
unb getefen »erben barf, barf — im Snianb ni(§t
gebru(!t »erben. S)iefer 2)rudt)er6ot für bai^ Snianb
einei^ f onft erlaubten äBerleg ift fär ben t^aterlänbifc^en
Sc^riftfteQer aU äJerfaffer fd^on an fid^ äu|erft tr&n«
lenb unb fd^merjlid^; er bringt aber andf nod) anbere
geiftige unb materielle Stadtteile mitftc^. SnSbefonbere
mirb bem öfterreic^ifd^en 99ud^l^&nbler baburd^ bie Sl^re
entgogen, ein me^r ober minber geiftreic^eS äBert eines
3n^ ober KuSlänberS «verlegt ju l^aBen, iiberbieS aber aud^
ber materielle ®e»inn entriffen; benn bie SBern^eigerung
beS „uDprimator für baS Snianb'' ^at gerabeju bie
äSirlung einer ^ämie, bie man bem norb« ober \üb^
beutfc^en 99u(^^&nbler inm 9iad^teil beS öfterreid^ifc^en
begal^It, unb }»ar für bief elbe SBare, bie ber 3nlänber
gleid^faQS ))robu}ieren fann; — beiläufig, oli t)tx*
böte man bie inlänbifd^e @IaS^ unb Seberfabrilation
unb nötigte unS, ®IaS unb £eber, bie »ir }u $aufe
12 1. ^et^f (^rift über bie gegentodrtigen
in berfeI6en @üte erzeugen fönnen, i)on Slui^Ianbem
um teures @ett) ju faufen. S)abur(i^, bajs 93ü(^er,
tt)el(^e im Snianbe ju lefen erlaubt ift, im Snianbe
ni(^t gebrudtt toerben biirfen, toirb bem 6u(^^&nblert«
fc^en SBerfel^r jä^rlic^ tpenigftenS eine SRillion Bulben
entjogen, tpäl^renb bie tpic^tigem geiftigen Slac^teile:
bie SBerfumpfung ber Stteratur, bie SSerac^tung k)on
@eite unferer SanbSleute, bie gän^Iic^e Srtötung beS
nationalen @inneS, ba8 QnxndbUihtn beS lefenben
^blitumS unter bem 9ht)eau ber getpöl^nlid^en föiU
bung, unbered^enbar bleiben. 2)iefer ttnmöglic^feit, baiS
SBoH burc^ feine i^m angebomen Seigrer, burc^ feine
guten t^aterlänbifd^en ©c^riftfteQer ju bilben, ift ed
t)orjttgi^toeife jujufc^reiben, ba| ber öfterreic^ifd^e Sefer
ol^ne eigene^ Urteil unb o^ne geläuterten ®^d)mad,
begierig unb mit SBorliebe nac^ ben I)erp5nten 93il(^em
unb 93rof($ären bei^ 9u8lanbS greift, unb ju^ar be^
fonberS nac^ benen Don i)ertoerfIi(^en unb unfittlic^en
Xenbenjen unb nad^ ben über bie öffentlichen 3^^
ft&nbe unfereS SBaterlanbed mogloS f (^mäJ^enben^am:»
pffUttn, bie eben, toeil fte i^m «verboten ftnb, einem
gebilbeten ®eifte ober burc^ i^ren äßangel an @e^alt
ftc^ i)on felbft t>txhxtttn toürben, ben bfterreic^ifd^en
Sefer jum ®enuffe ber i)erberbli(^en unb faulen ^md^i
jumeift anjureijen fc^einen.
SlQein bie mel^r ertt)ä^nten Qtn\uxbt\ä)t&nhmQtn,
tt)d(^e junäc^ft gegen bie (Srjeugniffe ber e))^emeren
Sufianbe ber genfur in Ö^erteiti^ (1845). 13
ober leid^teren £iteratur gerichtet fc^einen, fie laften,
no(^ mel^r atö man auf ben erften S3tt(I anjunel^men
geneigt fein mag^ auc^ auf aQen emften ^obuftionen
ber SBiffenf(^aft mit ber ganjen ©c^tpere t^re^ @e«
loic^tei^ unb bie traurige f^olge einei^ fo bellagend^
loerten 3^!^^^^^^^ >ft ^^, ^o.% fi<^ <^u(^ i>^^ eigentliche
t^ad^gele^rte ängftlid^ bie ©renken feiner Aufgabe äb^
ftedten mu| unb auf jebe Sßirifamleit in weitem
Jhreifen^ tpie fie gerabe k)on i^m bie Stid^tung unb baS
S5ebürfni8 ber Stxt forbem, ju üerji^ten ftc^ genötigt
jte^t @o bleibt er in bem Serte^re mit bem Sudlonbe
unb in bem SBe^uge feiner ^Ufi^mittel melfac^ gehemmt
unb immer abl^ängig^ i)on Reinen^ aber beftänbig
mieberl^olten ^ladtereien ermübet unb burd^ bad ent«
mürbigenbe äJK^trauen, mit bem er iibertoac^t unb
feine Slrbeit inquiriert tpirb, entmutigt aU ein t>itU
iaö) geängftigter unb ))einlicl^er Stubengelehrter hinter
ben f^orberungen ber ©egentnart juriid ober er tpenbet
ft(^ im äßi^bel^agen über bad ungerechte, aber erllär«
bare SSorurteil, mit toeld^em ba8 einer freieren ©e^
)i>c9ung getpol^nte unb feiner geiftigen 9tä^rigteit ftd^
betpu^te Slu^Ianb bie beften Srjeugniffe Paterl&nbifd^er
SSiffenfd^aft ju ignorieren ober ju befeitigen gen)ol^nt
^% i^te^t bem £eben unb feinen f^orberungen ent«
frembet, ganj unprattifd^en Stic^tungen iu, toenn er
überl^aupt nod) ©elbftoerleugnung unb aufo))fembe
Eingebung genug befi|t, um nid^t lieber ben bomen«
14 1. ^enffc^rift über bie gegentuSnigen
öoßcn ?ßfab einer jenfurmä^igen j(^riftfteQerif(^en
Xätigfeit ganj ju t^erlaffen unb ben ^eiteren SBeg beiS
@(^(enbrian8 unb bei^ materieQen (SrtPerbeS }u 6e^
treten.
SBie fel^r aber aud^ bei ben obtoaltenben S^i^f^^*
i)erl^äliniffen bie gänjlic^e C^rlal^mung be^ fontmer^
gieUen ^tbtU ber £iterater, be§ ^näfyanid^ nämlid^^
unb öor allem beS fo jel^r gel^emmten, ja in einer er*
f))rie^(i(^en Sludbel^nung gang unm5g(ici^en 93erlag^
gef(^äfte§ auf bie 8EBiffenf(^aft gurücftoirlen mu§,
brandet bei einiger ^enntnid ber ^äfte, tpelc^e in bem
betriebe menfc^Iic^er 2)inge tpirfjant ftnb, gar nid^t
erwähnt gu n)erben. Unb bod^ jc^eint gerabe biefe«
SScr^ältniö bie SlildCfic^t einer einfid^tigen unb fonft
ben 3ntereffen ber SBiffenf(^aft ttjol^tooßenbcn Staat»*
oem^altung um fo me^r gu forbem, ba fie nic^t n)ie
anbcttpärtg burc^ freien ÄuSfIu§ i^rer 9Äunifigeng ba^
gu erfe|en gen^ol^nt ift, n^ai^ toir burc^ ben SRangel
reid^ getporbener unb eine großartige Snbuftrie ent*
njidCelttber SSerleger ober botierter toiffenfc^aftlid^er
Äor^jorationen entbehren. —
93etra(^tet man biefen gang betrübten 3^ft^^^
unferer literarifc^en SSerl^ältniffe, fo toirb gelüif jeber
biQig @eftnnte ben lebhaften Sßunfc^ ber öfterreic^ifc^eu
©(^riftfteller, ja fSmtüd^cr in materieller ober gcifti*
ger Süc^tung t&tigen SBoIföKaffen unfereS Sanbed 6e*
greifti(^ finben, biefen Übelftänben enblic^ ©c^ranfen
3iiftänbe bcr gcnfur in ßfterrei(^ (1845). 15
gef e|t ju feigen, tpad einzig unb atletn auf bent SSege
be^ @efe|ed gefc^el^en !ann.
yiaäf bicfer 3)arftcIIung »ürbcn fonac^ bic Unter*
}ei(^neten folgenbe unoorgreiflic^e äßa^regeln t)or«
fc^lagen, meiere fie na(^ intern beften SBiffen jur 9tb^
^ilfe ber gerügten Übelftänbe, fotuie jur 93e(ebung ber
ofterrcic^ifc^en Sitcratur für cbcnjo jnjcdbienlit^ ate
in ber $QU))tfQ(^e für unerläßlich erachten.
S)tefc 9Ka|regeIn finb:
1. Srlaffung einei^ 3^nfurgefe|eg auf ®runblage
ber Snftruftion t)om Sa^re 1810 unb öffentliche ^nb^
mac^ung biefe^ @efe|ei$.
2. äSerleil^ung einer unabhängigen Stellung für
bie 3^nforen.
3. @rünbung eineiS n)ir!{amen Sfletur^jugeS in
3enfurangclegen^eiten.
1. €rla(fung eines Zenfurgefetzes«
3)ie Snftruftion üom 10. ©e^jtember 1810 jum
@efe$ ju erl^eben, o^ne t)orläufige Stemfion jotpo^l
bcr gorm alg ber SRaterie na^, bürfte um fo minber
genügen, al8 i^r Slu^bruc! nid^t immer lorrelt unb
präji^, auc^ teiln^eife veraltet ift unb überbied t)er^
fc^iebene S3eftimmungen, toit }. S3. bie über benStac^^
bruc!, barin enthalten finb, n^elc^e für bie ingn^ifc^en
gefe|Ii(^ geregelten SSer^ältniffe ber fiiteratnr unb beö
S3u(i^^anbetö längft nid^t me^r paffen. ^Id @runblage
16 1. Denff^nft ü6er bie gegentoSttigett
einer Icfliälatiöcn Slrbeit !5nnte jebod^ bieje Suftruftioii
immerhin bienen, »obet toir im aUgemeinen nur be*
merlen ju müfjen glauben, bo^ ber milbe ®etft ber
3nftruftion t)om Sa^re 1810 (ini^bc^onbcre bcÄ me^r
ertoä^nten § 8) nid^t bcf(§rfinlt toerbcn bürfte, f onbcrn
if)m im Sa^re 1845 melmel^r ein no(^ l^umanerer
Slui^brud ju üerlei^en tpäre, toai aud^ bei ben gegen^^
tPQrtigen auf tiefe unb ernfte 93i(bung unb tPQ^r^afte
SSerbefferung ber äwft'l"^^ gerid^teten ä^itt'^^^ältniffen
Dl^ne aQe ®efa^r gefd^el^en fann unb ium toal^ren
9ltt|en unb kommen bei^ fianbei^ gereid^en n)irb.
3m ganjcn bürften bie 3^nfuröcrbote, toctc^c gegen*
n)ärtig Siegel finb, nur aui^nal^misn)eife eintreten, unb
badjenige, toai^ eigentlich bem 2)rudt)erbote unterliegt,
fc^arf unb genau umgrenjt auSgefproc^en unb nic^t
mit allgemeinen S(udbräd(en angebrütet toerben, burd^
bereu $ilfe fic^ jebeö beliebige SSerbot rechtfertigen
tie|e. 2)a8 ®efe| bürfte in^befonbere fo abgefaßt fein,
ba| e« bem ^^^f^^^ J^i^t ^^^^ \^^^ ftünbe, bie S)rudE*
legung eine§ SBerfeä ju t)erbieten, toelc^eö, wenn eS
im ÄuSlanbe gebrudft toürbe, im Snlanbe fpäter gu
»erlaufen unb gu tefcn erlaubt tofirc.
Sined ajh|t)er^<niffei^ barf ^ier noc^ erlDä^nt
ujerbcn, ba| nfimlic^ ben übrigen beutfc^en Soumolen,
indbefonberc ber 8[ug§burger allgemeinen B^itiJ^9f
manche SRac^ric^ten über üaterldnbifc^e ^i^ftä^^i^^ i«
bringen geftattet jc^eint, bereu S)rudKegung einem öfter*
Sufiftnbe ber genfur in Öfierreid^ (1845). 17
reic^ifd^en 3ouma(e i)ertoeigert merben tuärbe, loeld^eS
boäi bad natfttlici^fte 2)epot fär ein^eimifc^e 3ntereffen
oBgäbe. ^Qd ber § 8 ber Snftrultion aur @efe|fraft
eüottc^fe, toärbe tDOl^I au(^ biefer Übelfianb i)on felbft
»egfattcn, ba| ber Öfterreic^er über ttterarif(^e, f ojiale
unb anbere Slngeteflen^eitcn, bie fein eigenes Sater^
lanb betreffen, juerft burd^ anStoärtige 3rftongäorgane
unterrichtet toixb.
(£tne bebeutenbe (Erleichterung n^ärbe für ben
ofierreic^ifc^cn ©d^riftfteüer babur^ entftel^en, »enu
i^m geftattet toürbe, feine Sänften in benjenigeu
beutfd^en SunbeSftaaten, in todä^tn o^ne^in S^^^^
befte^t, bruden ju taffen, o^ne fte öor^er ber öfter^^
teid^ifd^en S^^^^^ vorlegen ju muffen. 3)iefe SJia^regel
mürbe bem freunbfc^aftli^en Ser^ältniffe entfpred^en,
tt)eld^e8 bie 5ftcrreid^ifd^e 8legierung mit ben übrigen
beutfd^en S3unbeSftaaten t)er{nü))ft, Don benen ftc^ bo«
gegen tooffl nid^t ertoarten tä^t, ba§ i^rc ^cn^nx bie
2)rudlegung eineiS 93u^eS ben^iQigen toürbe, n^elc^eS
etoai^ gcinbfeligeS ober Oe^äffige« gegen bie öfter*
reid^ifd^c 8legierung enthielte. Durc^ eine fold^e Äon=
geffton mürben jugleid^ biejenigen gum ©d^meigen gc*
brad^t, metc^e ber öfterreid^ifd^en ^Regierung mit Un^
red^t öortoerfen, fie motte einem freien ©ebanfenoerfel^r
jmifc^en ben ein^eimifc^en unb ben übrigen beutfc^eu
©d^riftftettcm fc^Ied^terbingS l^emmenb entgegen treten,
jugleic^ mürbe aber au^ bei bem beutfd^en £efc=^
C4riftCK lY. 2
18 1. 2)en!f(i^nft über bie gegemu&rtigen
pubUtum grö|ered SSertrauen für bte Seiftungen unferer
gegenn^&rtig häufig unMQig bemäntelten fiiterotoren
ettoedt unb felbft an ben im Snianbe erfc^einenbcn
SSBerten ein toatmtttt Snteil gen^onnen tnerben. 2)er
öftcrrcic^iftmc ©d^riftftcßer, beffen IBuc^ in einem
beutfc^en SBunbeÄftaat o^ne dfterreid^ifc^e Qtv!\ux er*
fc^eint^ mii^tt übrigens^ n^enn er ftd^ biefer 93egünfti*
gung erfreuen toiU, öerpflid^tet toerben, feinen SRamen
(tl^ Slutor ouf bem SBu^e ju nennen.
S)ie 5ffentli^e ^nbmad^ung be^ gehörig rebi-
gierten Qen^nxQt^dit^, tt)et(§eS Siebte unb SScrbinbtid^*
feiten ber ©c^riftfteüer entl^ält, ift eine xS^iQt, bie fid^
mt bei jebem onberen ®efe|e t)on felbft ergibt.
Stad^fte^enbeiS glauben bte Unterfertigten, bie ftc^
auf ben @tonb})un!t ber SEBiffcnfc^aft fteüen, übrigens
nod^ bemerfen ju muffen: S)aS fRtd^i, feine @ebanlen
ju üeröffentli^en, gehört unter bie angebomen, natür*
liefen Siebte bed äßenfd^en^ burd^ bereu Slnerlennung
im § 17 beS allgemeinen burgerlid^en @efe|bud^ed fici^
bie öfterreid^ifd^e @efe|gebung nad^ bem allgemeinen
Urteil eineiS ber l^errlic^ften unb unt^ergänglic^ften
äJbnumente gefiebert ^at äRSge biefe inl^aItt)DQe @e«
l'e^dftelle bod§ auc^ in SBejie^uug auf bad ebelfte aQer
angebomen, natürlid^en Sted^te bed äßenfd^en, in Se»
jie^ung auf fein gottentftammtei^ 9led^t ber freien WüU
teilung feiner ©ebanlen jur wUm Ausübung ge^
(angen !
duftänbe ber Senfur in Öflecrei<i^ (1846). 19
9R5(i^te ferner bebac^t. tucrben, ba§ ber ©c^rift«'
fteßtr, toclc^cr öiedcici^t nad§ jahrelanger Slnftrengung
unb älrbeit ein bebeutenbei^ SSerl sejd^affen, xotl6)tsi
ba^ 9iexöi bei^ SBiffenS ertoettert, o^ne frentbe Sted^te
};a beeinträchtigen, burd^ ben SBerbot biefed SBerte^
nic^t nur ber geifügen ^rüd^te feinet @trebend unb
ber S^re ber ^utorfc^oft loerluftig ge^t, fonbem il^m
aud^ ber materielle So^n für feine ^entfil^ungen, ber
Srfa| für bie gemachten ^ui^Iagen, für bie barge=^
brauten Dpfer entjogen n^irb, in beffen Snuerbe ja
felbft ber niebrigfte Skiglöl^ner gefd^ü^t n^irb! S)enn
bie geiftige XStigleit, infofeme fie nad^ au^en toixtt
bietet auc^ eine materielle @ette bar unb barf ald
Iiterarif(i^ed ISigentum benfelben @^u^ beS @toatei^
anfpred^en tok jebed anbere (Eigentum.
S)er tüd^tige unb gerabfinnige ©d^riftfteüer, ber
für SBiffcnf^aft, Äunft unb f ^5ne menfd^li^e SBitbung
mirft unb fi^ in feinem ebelften Streben öon ©cite
beS ©taateg geförbert tDei§, toirb Qttox^ feinen ®runb
finben, in feinen ©d^riften gegen bag ttja^re SBefte
eben bief ei^ ©taotei^ aufzutreten, er tpirb melmel^r gegen
boiS 9iei^ ber Säge unb bei^ XrugeiS, für baiS ber
äBa^r^eit unb ht^ Siec^ted mit ben gl&ngenben SBaffen
beS @eifted föm)}fen; er tpirb unb foQ aber au^ nid^t
bef^ihiigen unb fc^meid^eln, too er tptrHi^e Übel«
ft&nbe, öon benen fein irbif^eS SBerl frei ift, getoal^rt:
er n)irb bie @ebrec^en unb Irrtümer mit ftttlic^em
20 1 . Dentf c^rtft Aber bie gegenmärttgen
(Sniftc befprcd^cn unb eben in biefer SBejpred^ung bie
SÄittel ober tocnigften« bie SSeranloffung geben, i^rer
^ttx }u merben, fie ju l^eilen. 93on öl^nlic^en Snftc^teu
mar n)o]^( auc^ ber gro^e bfterreic^tfc^e @(efe|geber
burd^brungen, afe er in feinem ä^^fi^^^i^ift ^^^ ^^^^
ac^en, aber benhuärbigen SBorte aufnal^m, bie nad^
mel^r a(d einem falben Sal^rl^unbert frifc^ unb er=
mutigenb in bie ©egenn^art l^ineintUugen:
„Äritifen, wenn e« nur feine ©c^mäl^fc^rifteii
finb, fie mdgen treffen, wen fie woHen, öom fianbes^
fürften an big jum Unterften, foHen, befonber« wenn
ber SSerfaffer feinen 9iamen baju brudcn lä^t, unb
fid^ a(fo für bie SBal^r^eit ber @acf|e baburc^ aU
Särgen barftellt, nic^t t)erboten werben, ba e« jebeui
SBa^rl^eitliebenben eine greube fein mu§, wenn if)\n
fclbe auc^ in biefem äBege jufommt." (®efc^ über ba^
ßenfur*« unb S)rudterfacf| öom 11. Suni 1781.)
2. Uerleibung einer unabhängigen Stellung für Zenforen.
S)ie präöentiöe 3Ra§regeI ber ä^fwr erl^eifc^t
nic^t nur flare unb Rumäne ®efe§e, fonbem auc^
tüd^tige Organe i^rer ^anbl^abung. SBie wichtig }U:=
meift bie äBal^I ber l^iegu taugticfien ^^erfönlicf|feiten
fei, würbe in öfterreic^ fd^on öor me^r alö ^unbert
Sauren anerfonnt, inbem eine SBerorbnung Äaifer
«arte VI. öom 18. Suti 1716, SBinfelbucfibrucfereien
betreffenb augbrüdtid^ gebietet „öerftänbige unb ge=
^uftanbe ber 3enfur in fißetreiii^ (1845). 21
(eierte Senjored'' anjufteUen. 2)ie Sufftc^t über bie
uoc^ in ber 993iege beftnblic^e ^effe xoax bamatö ber
SSiener Untöerfttät anvertraut; erft int Saläre 1730
würbe ber JßanbeÄftefle aufgetragen, bie geregelte 3^^^^^
cinjufül^ren; bie Unit)erfttät ^abe nur res mere aca-
demicas ju genfurieren; über publica waren befonbere
^enforen unb Äeüiforen unb ginatberic^t nad^ §of
angeorbnet. 93a(b barauf fam bad 9Lmi ber 3^^f^^/
tro^ wieber^olter Sinfprüc^e Don @eite ber SBiener
Uniüerfitöt, auf einige Sdi in bie |)finbe ber ©eiftlid^^
teit; wäl^renb f^)äter t)on ber fiaiferin SRaria i^crefta
in ben einjelnen ^oöiujen 3^'^ftt^^*ommifftonen er^
richtet, biefe aber t)on Äaifer 3o)ef II. im 3o^r 1781
wieber aufgelöft würben unb ju einer gleichförmigen
Verwaltung biefed @ef(^&fti^2Weiged eine ^aiipU
tommiffion errichtet warb. 3m Sa^r 1782 würbe bie
Oberleitung ber SBüc^erjenf ur ber @tubien«^oflommif fton
aufgetragen, nad^ beren Sufl^ebung il^re @efc^&fte im
^a^re 1792 auf bad @tubienreferat ber politifd^en
^oflanjlei übergingen, bii^ enblic^ im Saläre 1801 bad
gan je 3enf urwef en ber ^ßoK jei^offteUe anvertraut würbe.
— SRan mu§ jugeftc^en, ba| biejenigcn Änorbnungen,
welche bem SRiftbraud^e ber ?ßreffe öorgubeugen be^^
ftimmt finb, in ben SBereic^ ber ^olijeigewalt im aU^
gemeinen gehören, ©inerfeitg ift aber au« ber obigen
©arfteUung ein bemerleuÄWerter SBec^fel ber 3^^^^»*^=
auffic^ti^be^örben ju entnehmen, bei beren SBa^I, wie
22 1 . i)entf (j^rift über bie gegenmärtigen
j. 93. bei ber (Stubtenl^offommiffton, jum %üi me^r
ber @iefi(^td))untt bed görbemd ber literarifd^en Xätig-
U% aU ber bed ^bmel^rend Dorgetoaltet gu ^abeii
jd^eint. ^nberteitö lä^t ftc^ nid^t leugnen^ bag ba&
^nftitut bct ä^ttfur, aU cincg Iiterarif(^en 9Kc^tcr^
amte^, bem roiffenfd^aftlic^en Berufe angehöre unb fid^
auf ber ^ö^e ber miffenfc^aftttc^en ^^ortjcl^ritte ju er^
galten beftrebt fein mäffe, eine 9li(^tung, melc^er nac^-
/(uge^en man bitligermeife t)on ber ))o(iiei(i(^en Xätig^
feit um jo weniger erwarten fann, ate fie in ber
Sorge für bie öffentliche ©id^er^eit, in ber prööentiöen
^efeidgung eigentUd^er 9{ed^tdft5rungen, in ber (Ent^
bectung t)on SSerbrec^en n)ro. DoUauf iSefc^äftigung
finbet. 2)iefe 9iädftc^ten mögen nun wol^I auc^ bie
Stegierungen ber gebilbetften £änber (£uro|)a^, in benen
eine 3^fu^ beftel^t, bewogen ^aben, bie Oberleitung
ber{e(ben in ^nertennung ber äBürbe ber äBiffenfc^aft
unb be^ äSerted berjenigen^ weCc^e fie betreiben, aus
bem 9iefjort ber junäc^ft ber Schattenseite ber jojialen
Seri^ältniffe gewibmeten ))oIijeiUd^en Xätigteit audju«
jc^eiben unb fte berjenigen 93e^örbe jujuweijen, welche
(wie in öfterreic^ bie Stubien^offommijfion) bie
geiftige (£ntwicf(ung bed iianbed ju leiten berufen ift.
SBelc^e Se^örbe aber auc^ immer bie ^uffic^t
über bie S^^'i^^ fül^ren mag, bie ^orberung: wiffen-
{c^aftlid^ gebilbete, rec^tUc^e unb Rumäne ^enforen
aufjufteUen, bleibt immer bie nämliche. Slüein wenn
duftftnbe ber 3en{ttr in Öfterretc^ (1845). 28
ber dfterreic^ifc^e Qtn)dx auc^ aQe biefe (Sigenfc^aften
beft^t, bofiei aber nic^t in ber Sage ift, feine (Snt^
fd^eibungen auf ber beutlic^en @runblage be^ ®efe|e&
fäQen ju fönnen, fo bleibt feine @teQung ftetö eine
ü&Qig untergeorbnete unb abhängige, toa^ fd^on baraud
^erDorgel^t^ ba| badfelbe Sßerl l^äufig jtoei, auc^ brei
3enforen mitgeteilt wirb, »eld^e nur ein beratenbeö
Sotum ju liefern, bie eigentliche (Sntfd^eibung aber
ber t f. ^otijei« unb ^^i^f^^^^fft^Q^ i^ fiberlaffen
^aben. ^a^ bad 9Lmi bed B^i^f^'^^ ^^^ 9tebenjad^e
betrachtet mirb, jeigt ferner ber Umftanb, ba^ nur
menige n)irfiic^e, meiftend aber fogenannte Slud^ilf^^
jenforen befteUt finb, Don nielc^en biefed ^mt teils
unentgeltlich, teils gegen eine %rt Don Stemuneration
Don 300, ^dc^ftenS 400 fl. (S.«aR. ausgeübt n^irb unb
bie i^r 9[mt mit um fo größerer ^ngftlic^teit ausüben,
afe fte Don bem Qtn)nxi)^^ nad^ belieben entfernt
werben lönnen.
93ei bem gegenwärtigen SSerfal^ren, welches, wie
bereits erwähnt, auf ^rtommen unb fubiettiDen Sn^
fid^ten berul^t, fonnte bie SSefteUung ber ß^J^I^T^^^ßöne
in ber angegeigten Sßeife genügen, obtool^I nic^t feiten
Dortam, ba^ auSgegeic^nete, too^Igefinnte unb literarifc^
gebilbete äRänner baS fc^toierige, fo wenig el^renbe
unb lol^nenbe ^mt bed Stn^ox^ ablehnten ober nad^
turjer Ausübung wieber gurädlegten. @obaIb jiebod^
bie ^o^e öfteneid^if^e 9legienmg fi^ Deranla|t finben
24 1 . i)entf (^rift über bie gegentoftttigen
xodVitt, ein 3^nfu^9^f^l i^ erloffen, bürfte ed auc^
unumgänglich notoenbig befunben toerben, ben 3^nf oren
eine unabhängigere @tet(ung ju Derfc^affen^ in totldftm
^Oe fid^ bann auc^ bie eigentlichen äKänner ber £ite^
ratur jur Übemal^nte biefeS 9(mted bereitoiKig jeigen
n^ürben. S)er ^n\dx, n)ie feber anbete ^ii^itt, ^&tte
bann über bad äBerf bei» @(^riftfte((erd nac^ beut &c^
{e|e ju entfd^eiben unb märe jugleic^ gehalten, feine
(£ntf c^eibung turc^ 9lnfü^rung ber betreff enben ®ef e|ed^
fteUen motiviert l^inauSjugeben.
3. 6rfindung eines Rekurszuges in Zenfur-
angelegenbeiten.
Sin ffo^dmä^XQ organifierter 3nftaujenjug mirb
allgemein alS eine unerläßliche Garantie für bie %ud-
mittelung ber SBai^r^eit, aU eine unabkneidttd^e fjfor^
berung ber @erec^tigleit anerfannt unb befte^t aud^
n^irKic^ für aQe bftrgerlic^en unb 9{ed^töt)er^ältniffe in
unferm SJaterlanbe. (£d lä|t fic^ bal^er, toie man bereite
früher anjufül^ren fid^ erlaubte, nic^t tootjH abfeilen,
n>edl^alb ber ©d^riftfteller in feinem ^eiligften 9led^te
bed @ebantend minber befd^ä|t fein foQte, al^ ber
k|te l^anbmerler in bem beS täglid^en (Srtnerbed, al^
felbft ber JBerbrec^er in bem Siedete feiner SSerteibigung.
SSon ber (Sntfc^eibung bei» B^i^f^^^ i^ ^^ter ^n-
ftanj, tt^eld^er aü eingetned Snbit^ibuum in üieten
i^ätlen irren tann, bürfte bem Xutor ber 9{ehtrd an
3u{l&nbe ber genfur in Üflertei(^ (1845). 25
eine Obetbe^btbe unbenommen bleiben, mie er jum
Xeil in ben ^omnjen (oon ben @ubernien an bie
^olijei« unb ^^nfut^offteöe) bereite befte^t S)iefe
3enfuroberbe^5rbe l^&tte gleic^fodd auf ber @afi^ bed
@efe|ed (meld^ei» aUe möglid^en häufig l^dc^ft Der^
n^icfeCten literarifd^en 93er^&Itniffe nid^t im oorl^inein
bebenlen tonn unb fomit mel^r aU jebed anbere ®efe^
eine Auflegung nad^ feinem ®eifte erl^eifd^t) t)on einem
^öl^em ©tanbpuntte in jkueiter Snftanj ju entfc^eiben
unb Ȋrbe bem @cl^riftfteller teild burd^ bie toUegioIe
Serfaffung bed ric^tenben Organa, teite burc^ bie %or^
ic^rift ber SKotiöierung ber rid^terlic^en ©enteng eine
boppelte 99ürgfd^aft gemä^ren. SBad femer bie Srt ber
3u)ammenfc|ung biefeg g^'^f^^^^^flö"^ betrifft, fo bfirfte
bei bem Umftanbe, aU man aud^ bei bem gen^ö^n^
(ic^en 3i^it^^t^^ ftrenge ^oben ber SBefä^igung gu
feiner Stmt^t&tigfeit erl^eifd^t, bie ^orberung nic^t me^r
atö billig befunben n^erben, ba| bie äJ^tglieber ber
Dberjenfurbe^5rbe Dorjugi^koeife ber n)iffenfc^Qft(id^en
9iic^tung anzugehören l^aben. Um enb(icf| ber Slnalogie
mit bem in aOen fibrigen f)oIitifd^en unb Stec^tdoer«
bältniffen geltenben @erufungi^h)ege DoHfommen gu
genügen, bürfte ei^ bem ©d^riftfteUer noc^ überbied
freigelaffen »erben, feine SSorfteHungcn gegen bie
(Sntfc^eibung ber 3^^!^^^^^^^^^^ unmittelbar ©einer
SKajeftät gu unterbreiten.
26 1. Dettffc^rift über bie gegenmärtigen
2)ur(i^ bie Slu^fül^rung biefer unb ä^nlic^er ^a^^
regeln iDäre fo jiemlicl^ badjenige gefd^el^en, tvomit
fid^ ©d^riftfteUer, SBud^l^änbfer unb Sefepublifum be^
heutigen inbuftrielten unb getoerbflei^tgen Dftcrrcic^
begnügen tonnten, unb todu jugleic^ bie äKöglic^teit
gegeben, in unferem SJaterlonbe, toelc^ed neuertic^ft
burd^ bie jegenreicfien (Schöpfungen be^ @taatö^
cifenbaJ^nf^ftem^, ber 3ttbuftrie* unb Äderbauöereinc
einen fo bebeutenben materiellen ^uffc^toung nimmt
unb toelc^eS fo 'oitk reiche geiftige Jhäfte in fid^
fd^üe^t, eine noc^ l^alb im ifeime üegenbe Dfter^^
reid^ifd^e beutfd^e Siteratur njeiter au^jubilben, beren
(Srftarfung in^befonbere ju einer Qtii nid^t gleic^^
gütig erfc^eint, n)o fic^ bag gefamte beutfc^e SSater*
knb bie ^orberung einer ernfteren ®ntn)icf(ung^
einer tieferen SBilbung fteüt. SBie bringenb notwenbig
eö bei fot(^en Ser^ältniffen jei, auc^ ber öfterreic^i*
jc^en iJiteratur, befonberg in bem gemeinschaftlichen
©ebanfen, bie gel^örige Geltung gu Derfd^affen, liegt
am Xage; auf ^neld^e Sßeije ein jeitgemä| milberes^
^enjurgefe^ jur ©rreic^ung biefc^ 3^^^^^ mitwirfen
fbnne, Uiagten biefe äSCätter jebod^ nur aujubeuten,
inbem fie bie SKobalitat ber Äu^fü^rung getroft ber
l^5l^eren Beurteilung ber Scanner iiberlaffen ju bärfen
glaubten, totlä)t ber l^o^en 5fterreic^ifd^en Stegierung
bei Beratung i^rer tt)idC)tigften Sntereffen, jomit auc^
ber ber Literatur, jur ®titt ftel^en unb beren @in^
dufianbe ber Benfur in C^erretc^ (1846). 27
fic^t^ Sßol^tooQen unb echtem ^atriotidmu« bei Söfung
ber t)orliegenben, minber fc^mierigen ald l^öc^ft
iDic^tigen unb unt)erf^tebbaren 9(ufgabe ein ebenfo
glanjenbe^ ate fegenreici^ed $e(b bed Sßtriend ftc^
erf(^Iie|en würbe.
»iett, am 11. äKfti} 18i5.
2. $d)reiben eines Privilegierten aus Öfterreid)
zur Beleud)tun9 der merkwürdigen Brofd)ure:
Über Denk-, Rede-, $d)rift- und PreMreibeit.
Olien l$47.
mitn, (Bnbe Dftobec [1847J.
Jacta est alea! — SBa^ fagcn ©ie baju? 6inc
Schrift über 5prc|frct^cit in SBien gcf (^rieben, in SBicn
gebmdtl Unb obenbrein fo eilig^ fo über ^aU unb
Äopf gebrurfti „SBicn, bcn 15. 3nli 1845" ftc^t am
©ciiluffc ber Srofc^ürc unb ic^t im Dftobcr 1847 ift
fie bereite gebructt. S)tefe rafd^e (Sriebigung Don @eite
bcr Qtn\nv — lachen ®ic nid^t! S)a§ bie öftcrrci(^i*
fc^e S^nfur iiberl^am^t einer ©c^rift über ^efefreil^eit
bad „admittitur'^ gibt, fc^on bad ift bemerlendn^ert.
^ie S3en)iQigung mu^ ^Iö|Iic^ aber yiad^i gelommen
jein. @e|er unb 2)ru(fer ^aben fid^ Qud(| rec^tfc^affen
beeilt — metteic^t besorgten fie einen SBiberruf. S)ie
Settern rücften eitig öor, toie in einer @dC)Ioc^t, unb
liefen eine SKenge SSertounbete (©rurffe^ter) jurüä;
ia, ganje äBorte fielen aU %ott aud ben Kolumnen
2. 8^cei6en eineiS ^oilegietten aud äfUtttid^ (1847). 29
heraus — aber toa^ fc^abct ba«! 35ic ©d^rift über
^re^frei^eit ift einmal ba! Sittoria! 3)ad ^aben iDtr
bcr öictbefproc^cnen ©d^riftftcHerpetition ju t)crbanfen.
— ®cr SJerfaffct bcr 22 Seiten fielet freiließ auf einem
©tonbpunlte^ auf ben fic^ nic^t ein ieber fteQen möchte
— immerhin I Jacta est alea! SDad Se(b ber freien
(Erörterung ift ja nunmel^r eröffnet unb man U)irb ol^ne
3)oeifet aud^ bem Gegenteil bad äßort gönnen. 3d)
tt)or aud^ bereite gef onncn, einen offenen SBrief an ben
Serfaffer ber Srofc^fire, unb jtoar bei bem |)ofbud^*
^finbler fRol^rmann bruden ju laffen, — ba aber ba^
längft üerl^eifeene „ä^^f^^^^'^öegium" nod^ immer ni(^t
in^ Seben getreten, jo beforgt' ic^ eine Keine SSer^
jögerung öon Seite ber „beftel^enben" 3^1^!"^ wnb
menbe mid^ ba^er borläufig an bie glücflid^er ^eife
gleid^falld befte^enbe treffe im ^u^Ianbe. Unb nun
jur Sad^e!
„£iebe @ott über Sllied unb beinen 9lä(^ften tok
bic^ felbft" — fo beginnt ber fromme |>err S8er=
faffer; auf ber nöd^ften Seite Wagt er:
„3n ganj (Europa gel^t ba^ äSerlangen nac^ $re^^
frei^eit tt)ie eine anftedenbe Äranfl^eit l^erum." — 3)er
Serfaffer ift im Srrtum: eg ift nidC)t bIo§ baö SSer=
langen, ba^ ^erumgel^t, ed ift bie ^e^freil^eit felbft;
unb fie gel^t nid^t nur ^erum, fie l^at ft(^ fo jiemlic^
fejl^aft gemacht, j. S. in (Snglanb, f^ranlreid^, 93elgien,
in ber Sd^n^eij, in Spanien, Sd^eben, S&nemarl ufU).,
30 2. Schreiben eined $nt)tlegiei:ten auS Üftetreid^ (1847).
furj im gesamten gebilbeten Europa; fogar in bie
päpftlic^en ©taaten ift bie ISpibemie eingebrungeit, nur
tRu^Ianb, Öftcrreid^ unb bie Xürfei ftnb bi« jc^t bat)on
üerfd^ont geblieben. 3n unterm lieben S)eutfc^((mb
rnad^t fie fic^'i^ bereite xtö)t bequem unb rul^t üon
i^rer SBeltoanberung ein ttienig au«, beöor fie ben
beutf^*5fterrcid^ifc^en ?ßrot)ingen ben i^nen längft ^n^
flebad^ten SBefud^ abftattet. — S)er JBerfaffer fä^rt fort:
„@xo% unb mein, 3ung unb «It, «rm unb 9flei^
fc^reit nadf) ber ?ßrc§frcilöeit" — jonberbav! Äße
^Söller, alle bie aRiUionen muffen tool^I öon irgenb
einer Art SBa^nfinn« ergriffen i'ein — bi« auf ben
SSerfaffer, — aber e« ift öielleid^t „a fine frenzy" —
ein „f^öner SBal^nfinn" — unb wenn ber Serfaffer
ber (Sinjige ift, ber babei nüd^tem unb t)emünftig
bleibt, fo »unfeine ic^ il^m ®Iäcf, benn ba§ jeigt öon
einem ftarlen Sopf. — SBer aber l^at ba» gange Unl^eil
über bie SBelt gebrad^t? — S)a8 „SSorred^t" — t)tx^
fiebert bie SBrofd^üre, baSfelbe S5orredC)t, »eld^eg in ber
atten SBett mit bem ©c^wert gel^errfd^t unb je^t mit
ber geber l^errfd^en, ftatt ber ßeibeigenfc^aft bie ,,®eift*
cigenfd^aft" (!) einführen tt)ill. SJabei fei niemanb
„interefftert" ate ber „neue ^ßriöitegierte — ber Siterat",
ber gerne öon ber $ßreffe leben mfid^te (warum nic^t?),
„aber ol^ne §inbemid unb ©efal^r, tt?a« ?ßre§fret^eit
fieifet" — D^ne §inbemi« unb ®efa^r? Unb ber tote
S8öme? Unb ber fterbenbe ^eine? Unb bie ^re^pro*
2. ©dfretben eined privilegierten ava jöftetteid^ (1847). 31
geffc in ^atig! S)ie SScrurtcilungen ju üielcn taufenb
JroncÄ, ju öielen SKonaten ©efängnt«, bereit ftd^ bort
bie ,,ncuen 5ßriöile9icrten" gu erfreuen l^oben! — Dl^ne
©inbcmiS unb ®efa^r! SBir lachen über (Sure ^inber^
niffe! SBir fpotten ber ®efa^ren! Dl^ne ®efa^r toirb
nid^i^ ®ro§eg erreid^t — ha^ »iffen »tr ganj »ol^t
— unb §erj unb Äo|)f qhi rechten gtedt l^abcn, ba^
ift Dcrbcrbten ^erjen unb Derfd^robenen Äbpfcn gegen»*
über oft am gcfäl^rKc^ften. — Dl^ne ^inbemi^ unb
Sefal^r! 3)a§ (Sud^ ba« S)onnertoetter Sed
motos praestat componere fluctus. — ^(Ed toäre aQe^
rec^ ^ttbfd^/' t'ftegte ber alte ©oet^e im @^o^e feiner
^milie ju fagen, ,,tt)enn ^x nur nid^t gar fo bumm
wart!" — Aber ttjciter im left! — 2)ic ®ebanfen==
frei^eit ffcibt e^ blo^ mit ®ott auSgumad^en. Sßenn
ber SRenfc^ allein ift, fo ftel^en fid^ ber ,,perfönlid^e
3Renfd^" unb ber „perfönlid^e @ott" einanber gcgen=
über. „QoU^tx ftnb bie ©cbanlen, ober nidC)t gotteÄfrei.
®ebanfenfrei^eit t)on ber tticltlic^en Stutoritöt forbem,
ift eine infultierenbe ©umml^eit, ©ebanfcnfrei^eit t)on
@ott forbem, aber eine JBIagp^emic." — Sticht nbcl,
Heiner ®ßrres! — S)ie ©ebanfenfreil^eit fei jtoar eine
Sünbe t)on ®ott, allein (ba fein „corpus delicti"
üortiege) lein SSortourf für bie menfc^lic^e 3uf% fo^
lange bie gebac^ten Gebauten nic^t audgefprod^en
werben. Aber nur ber je^ntc SIRenfd^ ]p^^i ^twa»
(@ef(^eite«?), „großmütig gerechnet" (jawol^t!) — ber
32 2. ©(^reiben ettted $nt)Ue0ierten aaS £)fterrei(j^ (1847).
^unbcrtftc fd^reibt, bcr taufcnbftc Iä§t brucfcn — bief e
„rfil^rigen SKinoritäten" muffe mon im ^^umc l^alten:
— „ben beuten toti^ mac^en^ man befe^be (baburc^)
il^rc, b. 1^. cineö Scbcn ©cbatifenfreil^ctt ^ci|t
boc^ irpoi^rUc^ unüerfc^ämt auf ben @tumpfftnn unb
bie ^ammelnatnr bed großen Raufend red^nen unb
jünbigcn."
2)ic 9lebc=^ unb Sd^rcibcfrcil^cit bejd^ränfc ftc^
fcttft unb übe eine Srt „©elbftjenjur" aud, mit SRücf*
ftc^t auf bie Stellung unb baS Ser^ältni^^ in n)elc^em
bie Siebenben unb ©d^reibenben gu einanber ftel^en. —
®anj anber^ öer^alte e^ fic^ mit ber ^^rejsfrei^eit.
S)ie ^reffe ift ein ®ett)erbe, ba« fogenannte ,,@eifteg*
))robuft" eine SBare; ba^ SRed^t ber JBerbffentlid^ung
feiner ©ebanfen fein ^^faftifc^eg ©emeinred^t", fonbeni
nur ein ,,^^5riöilegium", ein neueg ?ßriöilegium, ba-%
^^fc^reienbfte^ ba§ unge^euerfte", inelc^e^ mon bal&cr
gleich ben alten ^^riöilegien befc^ränfen muffe. „SReben
tüir beutfdC) unb bünbig!" ruft ber Serfaffer au^ unb
fe^t au^einanber^ ba^ l^eutigen Xageg bad 93uc^ nic^td
weiter fei ate eine SBare, ber Söuc^^änbter ein ,tattf=
mann, ber SBud^brurfer ein Snbuftrieller, bie Leitung
eine S3örje; bie ßitevaten enblic^ ,,@d^riftinbuftriette —
in ber Meinen SÄinberjal^I, gro§e ^erren öon ber
gcber, bit bie 3BeIt ju teiten meinen, weil fie bie
jc^h)ad^en Gemüter irre ju fähren unb ben fd^mac^eu
Slegierungen ju inqjonieren öerftel^en." — 3)ie gange
2. ©(^reiben eined $riüilegterten auS £)jtertei(^ (1847). 33
geprief ene äRaciit ber $reff e fei überl^aupt nichts iDeiter
ote ein privilegierter ,,$opang'', gegen »eichen ber
SSerfaffer bag ,,fleine ®efc^tt| ber bemofratifd^en
gcuettoaffc be8 gemeinen 9le(^tö" ju fjelbe ruft. —
S)ad ift gh)ar metopl^orifc^ gefproc^en, Hingt aber boc^
ein bi^d^en tt)ie bomate in ©olijien. — 3)er SSerfaffer
gel^t nun auf bie 3^iif^^ ^^h ^obei bem ^aifer
Sofef unb bem 18. Sal^r^unbert einige ©eitenl^iebe ju*
geteilt h)erben. 2)ie S^i^f^^f ^^i|^ ^^f f^i bomatö ju
,,b(öbftnnig" getoefen ober ju ,,eingefc^üc^tert'', um
ber ,,gottIofen SBiffenft^aft unb ßiteratur" gerabegu
unb mit Wlad)i entgegen ju treten; fie fei aber ,,bem
@taate notn^enbig xoit bie $oIijei" als bie ,,bi8fre«
tionäre @ekualt beiS l^au^DaterS", nur miiffe fie auc^
„biölret" fein. — Sieben ttjir beutfc^! — bigfret —
ober ftrenge. ,,Slutoren, Siteraten, SSerlcger" ufw. foße
man gmar nid^t belriegen unb Derfolgen, benn baburd^i
belftmen fie nur einen SJUmbuS; bagegen muffe man
fid^ an baS S3ud(| aU ^.äBare" l^atten, fie unter bad
„allgemeine 3^09^?^!" ftelten, fie ber „gemeinen 85e=
l^anblung'' untertoerfen ufn?., hirj, l^ier toerben aHc
mßglic^en $Iad(ereien ben Saufleuten, nämlic^ ben
Sud^l^änbtem gegenüber, angeraten. S)er SSerfaffer
fc^cint nic^t ju toiffen, ba§ er mit feinem guten SRatc
oiel JU fpat tommt. 2)ie armen öfterreic^ifc^en Sud^^
^ftnbter werben genugfam gefc^oren unb ftnb längft
auf bem beften Sßege, barüber jugrunbe ju gelten,
•d^iftiB IT. 3
34 2. (Ed^rcibcn eine« ^riüilegtctten au» ßfterreid) (1847),
allein bcr Sctfaffct will fte retten unb jci^lägt ju bicfem
Schüfe ein anwerft finnreid^eö Äugfunftöinittel üor;
er rät nämtid^, baö SRajinium ber ©träfe auf öer*
botene äBaren auc^ auf k^erbotene S3Uc^er anjun^enben^
b.l^. bie t)er))önten Jöüc^er hirjttjeg ju bel^anbetn toie ben
— Xabafü — SSortrefflici)! „Sd^ roud^e feinen ge^
fc^muggetten S)at)ib Strauß mel^r, feinen geuerbac^!"
ttjerben bie Seute fagen; „ber fommt micf| ju ^od^;
ba fc^maud^' id^ lieber bie ?Rcgie*$l^ilofo))l^ie öon
Oünt^er unb ?ßabft — bie ift wohlfeiler!" — Sier
Serfaffer teilt biefe SlnfidC)t, inbem er bemerft: biefce
Stiftern orbentlid^ burc^gefül^rt^ würbe ben öfterreic^i^
fc^en 93ud^l^anbel t)om Schmuggel abjiel^en unb i^u
wieber ^,el^ren^aft" mad^en, o^ne i^n im Slbfo^ ju
beeinträd^tigcn. S)a8 Sefen fei 83ebürfnig — (bod^!)
allein baS ,^wa§" ftel^e in jwciter 8inie, ba^ ,,wie öier'
in bcr erften; (umgefel^rt wirb ein ©c^ul^ barauö!
f agt man l^ier in SBien) ; ber öfterreic^if c^e ©elbftüerlag
würbe fid^ (bei biefem ©^ftem!) wieber l^eben^ benn
— l)ört, ^5rt! — ber öfterreidC)tfdC)e ©d^riftfteller^
welcher jc^t (im beutfc^en Sluölanbc) ol^ne (öfterreid^i^
fd^e) Qtn\vix fd^reibt, wirb, wenn ber SSerleger feine
SBarc im 3nlanbe nic^t anbringt, — in ä^^^i^^f^
fold^e SBüd^er fc^reiben, weld^c im 3nlanbe mit inläu^
bijc^er Stn'inx gebrudt werben fönnenü — ©ollen
wir bieg öon 31. ®rftn, Senau, ©c^ufelfa, Suranba,
Sari SSecf, SRei^ner, S)r. SBieöner glauben? 3d^ glaube
2. ©direiben txnt^ $rtDiIegurten au» Öfierreit^ (1847). 35
eS nid^t! SSa^ bie unb anbete fd^reiben, tuirb in Sßten
nt(^t gcbcudEt^ barauf fbnnen ftd^ bic Ferren öerioffen
— unb toa^ man fie brudcn laffcn toürbe^ fd^retben
fte nid^t — aud^ »firbc e^ niemanb Icfen.
3)o(^ eilen n)ir juni @c^Iu|. ' )Sor aQem gelte e^^
bie ©d^oblic^fcit bcr ?ßrcffe (er meint bie p^^fifc^e) jit
nbcrtoac^cn; ba^ gefc^iel^t burc^ bie ftrengftc SBeauf*
jtc^tigung unb Siegelung ber ©rucfereien, bamit ^^bic
materielle ^aft unb 3Slaä)t bed @taatei^ bem materiellen
SBc^cIf btx ungeregelten ®eifte8frei^eit $err unb fül^^
bar" toerbe. — SBenn aber bie treffe überl^aupt gc==
fö^rlid^ fei, fo jei eg bie ^^itwnggpreffe im er^öl^tcn
@rabe; bie ä^iö^^S ^f* rfi^^ SBuc^erpflanjc auf bcr
©taatgonftolt, ber ^oft, entftanben" — bem Staate
n)irb e^ ba^er ein Seic^te^ fein, ben @d^maro|er mit
Stumpf unb Stiel ju vertilgen. — 3m alten Staate
l^errfd^te ba§ „Sorrec^t"; im neuen foU ba« ,,gemeine
Siecht'' ^errfd^cn. — Äud^ bie franjöfift^ SReöoIution
UKir nic^td toeiter aU ein ^ampf um bad ^ritiilegium,
bo^ SBorredit. — 3n Dfterreic^ f oü eg ju biefem Äampf
nid^t fommen — in biefem glftiflic^en Sanbe werben
bie Sd^ttiac^en unb kleinen (,,bie grojse äRajoritat ber
©eifteSarmen ober SBefc^ränften" ^ei|t eÄ frül&er) —
„gegen bag Übergreifen ber ^uilegien unb ^ribilc-
gierten'' gefc^üftt (gegen bie Sc^riftfteHer — burc^ bie
3enfur!). 3)ag |at in Dftcrreic^ jeneg ^^eEgeptionetle
antireüolutionäre ©efü^l bei ben ÜÄaffen unb ben
3*
36 g. &^ilb t m tau^ftäml£pmaL «^ Op wrrk fc 18I7l
sidfni ftlancn i^mmidbmdft" 3. 9l in @alijini!).
£iric$ 0ffni( tft btf wäßt J^opuUnias" — fit anf-
fng/Acü, m bei bcn ^^ßnüüegittteii'' ibos finb imicr
btf Si^nfritfUer!« populär jn ivabai, ^loäxt diotfo
timdjfi ald es mniNi^rici^ciiilü^ tft, ba| fok^ je gc^
}dfdfcn Kmttf ''. — < 9<^(itfffioitf brr 9nrfc^iiit.)
3(^ bin im mit «dnfr Idbigtn flitfgabe ju
Habt: Bit, gef^rtrr Qm Stcbottnir, mit htm ^aupt^
in^attr dnrr e&mi UftTu ui ic ii ni ofö yUri^dfm Schrift
bftannt gami^ ju ^abcn. — Sin Sfittibiger ber
3nifitr! locibot @ie fagen — xoa^ iDttter! — Sd ^
olferbingd lofitig anf ftc^, bcfonbcrd ju nnferer 3^
roo, une bor Serfaffer bor Srofc^ure feUrfi eingtfi^:
„@u^ itnb filein, 3iing itnb SU, 9im unb Steic^
nai^ bct ^egfret^ü fc^rcit" — ä^\vct ober ^ßrt^
gefe|e? Sd ift (ängft feine ^xoQt me^r — bie @a6ft
ifi abgetan. 9Ran lefe bie Sei^anblungen ber ie|tgen
bo^rifc^ fiammer. Ego yero censeo, censnram esse
delendam. „fiein tdHiäftt Ttcam/' fagte ber bobtfc^
^eorbnete SKatf^Q bereite int So^re 1845, „fein
reblic^er SRonn, ber im 9eft|e feiner SSerftanbedfeafte
ift, tarnt in unfern ^Eagen ber ßenfur baS SEBort reben'';
— ba^ ift aUeS rec^t pbfd^ unb bad (Sro^^erjogtunt
^43aben erfreut ft(^ aud^ einer ganj anftönbigen $re|»
frci^eit; aber in ganj Cfterreic^ (ntc^t in gonj Guropa)
2. ©(^reiben eineiS $noiIegterten (md öfterteic^ (1847). 37
gc^t crft ba^ ,,)BerIangcn". banad^ j^erum — voila
la difförence! ^^SRcben ttjir bcutjd^!" — Wein, rcbcit
»ir öftcrrcic^ijd^ !
Unt unfetm SSetfaffer gehörig ju entgegnen, muffen
tt)ir und bur(^aud auf ben öfterteic^ifd^en ©tanbpuntt
fteUen. „^n Öfterreid^ fann ed fid^ gegentt)&ttig noc^
unt fein $re^gefe| l^anbeln, fonbem um eine tooiiU
ttjoßenbc unb el^rUc^c (bigfeete) 3^nfur." — ^fittc bie
93rofc^äre ba§ 6e^au))tet unb toeiter audgefül^rt, o^ne
auf ^re^freii^eit unb ©d^tiftfteöcrtum ju fd^impfcn, fo
l^&tte fie ftd^ ben 3)anf oQer SlebUd^en oerbient unb
bamit jugleid^ einen Rumänen, fomit toa^rl^aft c^rift«
Ud^en 3^ed angeftrebt. Sin äl^nlid^et Gebaute lag i^r
wo^t au(^ gugrunbe — er blieb aber l^alb öerftecft
unb getraute ftd^ in ben X^pen einer ^ofbud^l^anblung
nid^t rcd^t an« ßid^t ^cröor. SBenn ber SJerfaffer bie
ftrengfte Strenge gegen bie 5ßreffe (er meint immer bie
p^^fifc^e) unb gegen bie t^erbotene SEBare (bad fc^Ied^te
^ndji) prebigt, fo groOt er bafrei im ftiQen über bie
getfUofe ^anbl^obung ber 3^nfur, todä)t ben @d^rift«
fteHer al§ folc^en verfolgt unb ed gerabegu unmöglich
maä)t, felbft ein guted iBud^ in Öfterreid^ }U fd^reiben
unb ju brucfen. 2)iefen ©ebanlen lann man ^ie unb
ba itoifd^en ben 3^^!^^ heranriefen; benfetben Gebauten
^aben aud^ bie öfterreic^ifd^en ©c^riftfteQer in i^rer
3)enff(^rift auägefpror^en, benen man — im SBorbei«
ge^en gcfagt — Unred^t tut, ttjcnn man öon i^nen
88 2. (Schreiben eiited ^ridilegierten aud Öfterret«^ (1847).
t)erlangt, fte Ratten ^re^freil^ett anfpted^en foDen.
9K5ge man bod^ aud ber SSrofd^üre unfered SSerfaffer^
lernen, ba^ ftd^ ber 9iebenbe unb ©d^retbenbe jebedmd
eine gen^iffe ©elbftjenfur auferlegen, ba^ er ftc^ nac^
ber @teUnng, bem Sl^aratter, ber ^affungdga6e bt^^
jenigen rid^ten muffe, gu bem er fpric^t, an ben er
id^reiBt. — ©ei'i^ bcnn in §immefe SRamen! ©n
^^re^gefe^ bürfen tovc in £)fterrei(^ nod^ nic^t t)er^
langen, bafür ftnb toir nid^t reif genug — tnol^t aber
eine ttJo^tooIIcnbe unb e^rlid^e <3^nfur — bafür ift
jebermann reif, au(^ ber ©amojebe unb ^amfd^abale.
"S^a^ ift ed aud^, tnad in aQen Reifen ber öfterreid^i^
fd^en ©efellfd^aft bereitö lebhaft gefäl^It n^irb, mad
nic^t etoüa bIo| ber ©d^riftfteöer (ber „5ßriöilegierte"
— ba§ ©Ott erbarm' !) anftrebt, f onbcm ber gabrilant,
ber ^anbeldmann, ber ^Bürger, ber ^Beamte, toit aud^
ber einfid^töt)oUere ©taatömann. Unb n)ie foDte er
nid^t? S)ie bfterreid^ifc^c Slegierung l^at in neuerer 3^it
burd^ il^re aOerbingd jn)edmä|igen 9teformen, burc^
ben S9au ber @taatöeifenba^nen, bie ^Regelung unb
93efd^(eunigung beS ^oftoerlel^rei^ uftn. ben @(ebanfen
ber Snbuftrie in il^ren gefamten ©rblänbern f)ttt>or^
gerufen. Sd ift nun ffüot eine fc^öne ©ac^e um bie
Snbuftrie, um ba8 materielle SBol^Ifein, „aber ber
äRenfd^ lebt nid^t t)om 93robe allein''. (£d gibt auc^
ein 3)ittg, ®eift genannt, eg gibt geiftigc öebfirfniffe
unb biefe ge^en, man mag fagen, n^ad man niiU, mit
2. @(^ret6en etne^ ^ioilegierten aug Öfterreid^ (1847). 39
ben leiblichen ^anb in ^anb. 9Rit einigen Sifenfc^ienen
unb Xunneld i[t nod^ nid^t aQed abgetan, fo {el^r aud^
dtoti^fci^Ub unb bie $5rfenmänner barfiber jubeln
mögen! Sin Sanb, n)eld^e§ {einen ©taatd^au^J^alt nid^t
orbnct, fein ©teuerj^ftem nid^t reguliert, feinen ^anbet
ni(^t ju beleben »ei^, feine Suftij nid^t üerbeffert, fein
örjic^ung^toefen öernad^lfifftgt, bie SBei^üfe ber SBiffen*
fc^aft t)€tf(^mäl^t, jebem reblic^en unb mo^Imeinenben
SBorte burd^ überftrenge 3^nfurgefe^e ben ^i^fl^nfl ^t*
fc^Iie^t unb auf biefe S38eife ben ©c^Ienbrian öercmigt,
bie SJerfnöd^erung l^erbeifü^rt, ber (Slei^nerei unb
$cu(^elei %üx unb Ängel öffnet — ein fold^e^ üanb
wirb nun unb nimmer in ®e»erbe unb Snbuftric
cttoa^ öebeutenbe^ leiften. 3Ran fe^c auf ^ßreu^en,
bem bie Suprematie in 3)eutfd^lanb n)ie t)on felbft gu^
fällt — unb woburd^ ? burd^ feine geiftige öntwidttung,
burd^ feinen Seift, ben bie ^Regierung ju „regeln" ttjci^,
o^ne ba^ er i^r über ben ^opf n^äd^ft. äBarum
fürd^ten fid^ gerabe bie fogenannten „geiftreid^en*" ßeute
in Öfterreid^ gar fo fel^r öor bem ©eifte? SSerfte^en
fie e^ ettna nic^t, i^n gu „regeln", ober tooüen fie
baS „^riöilegium" beg ©eifteä ganj altein genießen?
— (5in berühmter öfterreid^ifd^cr Staatsmann ^at eS
felbft auSgefproc^en, „ba^ bie treffe bie größte unb
U)ic^tig[te @etoalt ber menf d^lid^en @efellfd^aft gen^orben
fei". — Unb fie ift t^ aud^. 3d^ fann mir fe^r too^l
ijorftellen, ba^ ein Staatsmann bie lange unb mit &IM
40 2. Schreiben eineiS privilegierten aud j&ßerreic^ (1847).
ausgeübte unb getuol^nte iDtad^t nur ungern aud ben
^dnben gibt, um fte einem (Smporfbmmling, h)ie bie
^^ffc iftf i" uberlüffen ; ba^ lann id^ aber öon einem
©taat^manne am aQertnenigften begreifen, bajs er fid|
biefer neuen unb aümäd^tig gen?orbenen 2Slaä)i b(d^
einfam groHenb gegenüberfteöt, anftatt ftd^ mit il^r ju
t)erbinben unb fie ju {einen 3^edEen ju benu|en. (Sinem
n^ilben @trome, ber einiger gebrauft fommt unb ^Iber
unb ©caten itberfd^memmt, mu^ man im Unmute nid^t
i^elSftücfe entgegenfd^Ieubem (bad mad|t i^n nur
n)ätenber), fonbem mu^ i^n KugertDetfe einbämmen unb
in fein $ette leiten unb i^n lehren, @(^tffe unb SBaren
JU tragen, anftatt ba^ Sanb ju t)em)üften. Unb umd
^at benn biefe gefürd^tete ^effe in 2)eutf(^Ianb gar
fo Üb(e^ angerid^tet? 3d^ bß(fe bal^in, tt)0 i^r Der^ält^
ni^ma^ig nod^ ber freiefte Sui^brud gett^ä^rt ift, unb
fe^e, ba^ @ac^fen, SBürttemberg unb SBaben bie n^oi^I«
l^abenbften, gtüdEKc^ften unb beftregierten Sauber öon
ganj ©eutfd^Ianb finb — „infolge" ber treffe ober
„trofe btefer"? id^ wei§ e8 nid^t; ba§ aber meife ic^
ba$ i^r neuefter glor öon bem Xage, öon ber ©tunbe
batiert, ttjo bie ^effe me^r jum JBetou^tfein fam.
SBieKeid^t ift bie 5ßreffe nid^t ber @toff, ber bie eckten
fiebenöleime enthält, öietteid^t ift fte nur ber Sauer^^
teig, ber bie (Elemente jur ®arung unb neuen @d^öpf ung
bringt — gleic^uiel, »er ober toai ba« ©c^affenbe
fei, menn nur überl^aupt gef c^offen wirb ! — |>at eine
2. @(^retBen eine« $riDtIegierten au8 Öfterteic^ (1847). 41
freie ^effe in SBfirttemberg unb SSaben genäht, tuae
in aOer SBelt ift benn in £)fterrei(^ gar {o (Entfe^Ud^e^
wn xffx ju beffird^tcn? 3ft benn ber Öfterreid^cr ein
um foDtel geföl^rlic^erer äKenfd^ atö ber ®ä)toabt?
3ft er ber iBilbung nid^t fällig, ober ift er nid^t mU
nte^r il^rer int ^öd^ften @rabe bebärftig, ba er ring^
t)on gebitbeten 9lac^baru umgeben ift? 2)arf unb foQ
benn in gebilbeter ©efeUfd^aft ein (Sinjelner o^nc
Slac^teil für ftd^ fetbft ungel^obelt unb untpiffenb
bleiben? SEBirb er nid^t bei fonft ganj gleichen 93er«
^ältniffen bem feinem Stac^bar in allem nac^fte^eu
muffen unb im gefelligen Serle^r, in ^nbe( unb
SBonbel, in aOem unb jebem ben ^rjern giel^en?
Unb nod^ einmal: Äann benn bie 5ßreffe in Öfterreic^
gefä^rlic^ n^erben? ^^It ei^ ettva bort an btt)Iomati«
fc^en „(Knbämmern" be» wilben ©trome»? 3iiwi#
in ben beutfc^en (Srblänbern? SUieine« ffiiffen« nid^t.
Slber in anbem Xeilen be« großen öfterreic^ifd^en
@taaten)oerbanbed fangen bie SBalbtoäffer bereite fid^
ju rühren unb ju braufen an. 3)ie Ungarn fd^reiben
längft, toad fte n)oQen, unb bie SBö^men unb Italiener,
maiS fte tbnnen, unb nur ber 3)eutf(^öfterreid^er f d^reibt
gar nic^t^ weil er nic^t fd^reiben barf. 9Kd^t borf?
aSSer fagt bag? 3)cr bfterreic^ifc^e ©(^riftfteßer fd^reibt
im fogenannten „Äugtanbc" — mon öerfolgt i^n tängft
nid^t mel^r borfiber — man brüdtt bie Äugen gu, mad^t
bonne miiie ä mauTais jeu unb (ä^t geu^a^ren, n^aS
42 2. @(^rei6en dned ^rtDilegiertett au9 Öflerreic^ (1847).
man nid^t l^tnbem fann. 3ft ed ober red^t, ift ed auc^
nur tlug, ft(^ ein ^^S^ftänbniS t)Dn ber Qtit abtro|en
ju laffen, ba^ un^^ n^enn tüix eS frein^iUig QttoSfjütn,
i^ob unb SRul^m Derfc^afft ptte? 3ft ei» flug, @efe|e
3U geben, bie man nic^t l^alten fann, unb 93erbefferungen
3u Demeigem, bie fid^ jpdter^in t)on felbft mac^n
muffen?
3)od^ genug! Wtiäf ele(f§, bad taufenbmal @e«
jagte ju mieber^olen unb unnü|e Sßorte in bie £uft
ju fd^leubern! %ud^ niiU id^ mic^ nid^t ereifern, nic^t
emftl^aft n^erben. ®ef(^tt)inbe eine Srl^olung, eine
^erftrcuung, eine Auf Weiterung 1 3Kein ©tief f&Dt
auf bie JBrofc^üre — id) ^abe mein ßabfal ge*
fuuben — \6) ärgere mid^ nid^t mel^r, ic^ lac^e —
2)anf bem 93erfaffer! 3d^ (ad^el SSir tooUen aDe
lad^en — alle.
3)a8 Schreiben ift atfo ein „5ßriöilegium" — un*
tjel^eure (gntbedtung 1 1 — SRun »al^riid^! e8 brandet tein
Q)eift aud ber Untertoelt ju fommen, um und baS }u
jagen. 2)ad &tnk ift aOerbingS ein Privilegium, unb
cinei» ber feltenften obenbrein. S)er gütige @ott teilt
über^au^t (auter Privilegien auS. 2>em gibt er @d^ön»
^eit, bem SSerftanb, bem »enigftend gerabe ©lieber —
(auter Privilegien bem ^ä^Iid^en, 3)ummen ober
JUrummbeinigen gegenüber, tveld^e leiber l^&ufig bie
äJ^el^rjal^I, bie ,,aRaffen" audmac^en. @d^on ba^ einer
fein ffifel ift — aud^ ba« ift ein Privilegium. — S38ie
2. ©(^reiben eineiS ^oilegierten auS äfterretc^ (1847). 43
aber, totnn t)on aQ ben ,,rü^rigen äKinoritäten'', tuenn
t)on bem fc^önen SRenfd^en tierlangt loürbe, er foQte
ftd^ Derunftalten, t)on bem ©ejd^eiten, er foUe fic^
burnm ftetten, öon bem ©eraben, er joIIe l^mfen —
unb bad im Sntereffe ber ,,9Kaffcn'', ber SSogeljd^euc^en,
Bttoffibp^t, SäBetbeine! — „S^^^^^ \^^^ ^i^ ®^*
banlen, aber nic^t gottegfrei" — toag l^ei^t bog? 3)a«
ffti^i, toenn einer einen gefd^eiten (SinfaO l^at, fo foQ
er i^n um @ottei^ nitOen nnterbrädEen, bamit bie
bummen Sentc boöon nid^t öerfü^rt »erben. — 3ft
benn bie SBelt bto^ ber bummen £eute tnegen ba?
Unb bie £eute finb gar nid^t fo bumm, ald 3§r fie
auiSgebt. — ^x mad^t fte nur bumm, 3^r erhaltet fie
in il^rer S)umm^eit. — Unb mit ber SBerfü^rung ^at'8
DoUenbd leine 9tot. „(Sine Iluge Sflebe fc^Iäft in einem
bummen füffx." (Sd brandet lang^, bis ein gefc^eiter
(SinfaQ in bie Ma\\tn" f($(agt. 3)er @efc^eite fpric^t
anfangt bto| für einige »enige @ef c^eite unb tiielleid^t
erft in ber nac^ften @(eneration finbet er ein gr&^ered
^^blitum. 3)ie ,,SKaffe'' l^at bem ©ofrotei^ für einen
gefd^eiten (KnfaB ben ©iftbec^er gereicht — bie „SRaffe"
\)ai ben @alil&i eingelerlert unb »en fonft noc^ —
bie „SWaffe" ^ot Si^riftum gefreugigt — wal^r^aftig,
3^r brandet bie „HKaffe" nid^t erft aufjureijen, fie ift
o^ne^in ber gefd^niome ^inb aOed Sludgejeic^neten.
Est turba semper argumentum pessimi. — 2)od^ um
»ieber aufS ^t^ilegium gu tommen, — tion »em ftammt
44 2. ©(^reiben eined $nüilegterten auS Ößerreic^ (X847).
e8? SSon beut gütigen ©d^5|)fcr! ffir |at cö mir Der*
Uelzen — fotglid^ toiö er, bo§ id^ mid^ feiner bebienen
joü. ,,2)u foHft bcin ?ßfunb nid^t öcrgraben, bein Sid^t
nid^t unter bcn ©d^effcl [teilen." — 3)ag ift tt)a«
anbered, atö (Euere a^fetifd^en Se^ren Don ber ^tötung!
@e^t mir n^eg mit (Euem altgebadEenen mittelalterlichen
3)umml^eiten, bie Sl^r ung als frifd^e ©d^fiffeln auf*
fe^en ttjollt! — „SKIein man foU bag öerlie^ene ^ßfunb
gut antoenben" — rid^tig! SBa§ ift aber gut ange*
^penbet? ^aben @ofrateS unb $Iato, 2)edcarted unb
©pinoja, SSoItaire unb Siouffeau, 8eibni| unb Äant,
@c^eQing unb ^egel il^r ^funb gut angen^enbet ober
nid^t? — S)ie frommen äugcnberbre^er, bie ä^^f^^f
bie ^olijei toerben fügen: nein, — unb ging' e<^ nac^
i^nen, fo n^öre nid^tS Don bem @eifte biefer unb
onberer großer SKanner auf unS gelommen. — 3)er
SBeg jum ^eil ift öerfd^ieben. „3n meinet SSaterö
§aufe finb biele SBol^nungen." — 3)ie ^eud^Ier, bie
^l^ariföer motten bad nid^t jugefte^en. @ie moOen,
ba^ aQen Räumen (Sine SRinbe mad^fe, bajs bie ge«
famte 9){enfd^^eit in einer einzigen polijeigrauen Uni-
formierung ein^erfd^reite. — 3enc großen SDiänner
^abcn ^ie unb ba Sel^Igriffe getan — »er leugnet
ba8? ®ibt es ein aKenfd^enttjerl, baS öoöenbet ift?
^aS gro^e SBerf ber ^umanifierung toirb überhaupt
öon feinem einjelnen (Seifte öottbrad^t — fonbern öon
allen miteinanber, in uerfd^iebenen 3^^^^^ — ^^^ ^^^
2. (Sc^cetben eines ^rioUegtecten auS Ößecreic^ (1847). 45
9iationaUitcraturcn ftnb bcr öcrfc^iebcnc 3lugbrucf biejc^
großen Ocjamtocric«. — ©od man aber bog cingdnc
SBcrl feiner SRängcI toegen gerftören, ober cg gar uer*
^inbem, jur Spftenj ju fommen? ©einer SRängel
toegcn, bie t)on bem SUtcnfd^enttJCtfe unjertrcnnlic^ finb,
bie ftd^ eben mit taufenb SBorjügen paaxtn, bie anf
Sa^rtaufenbe ^inau2 leuchten? @oücn tüir ein SBerf
t)erti(gen, ba$ t)ieneid^t auf ben Snünicflung^gang ber
5IMenid^^eit einjuttjirlen beftimmt ift, bIo§ weil einige
Unmünbige ein Ärgernis baran nehmen lönnten? —
|)immet! SBenn einer jener SWänner, etoa ©pinoja,
feurigen Xageö lebte, in Öfterreid^ lebte unb feine
Principia ober jeine Cogitata metaphysica ber öfter-
reic^ifd^en S^^\^^ überrcid^te, biefe ba§ beliebte
„damnatur" barüber augfpräd^e, bem SBerf äff er icbod^
aud einem getoiffen national^gutmfitigen 9iefpett ben
guten 9lat aug ber SBrDJd^äre erteilte: nac^ bcr ß^^jur*
inftrultion Dom Saläre 1810 ju fd^reiben unb ettüa
einen $Ia^ in ber p^ilologifd^en Abteilung ber Sita«
bemie einzunehmen tpaö für ein ©efid^t würbe
ber arme ©pinoja mad^en! — ?tter l^eutjutage gibt
c§ feine ©pinojag me^r. Seiber nid^t! — „68 ift eine
SaäoUuft, einen großen SRann ju je^en." S)ie{e aBoUuft
fann man in ganj ffiuropa nid^t befriebigcn — uieUeid^t
anber^tDo, unter ben Spürbaren. (Sd gibt teine großen
SWänner, leine großen ©d^riftfteller ! Äeine redeten
„privilegierten", leine eigentlid^cn „großen Ferren öon
46 2. ©d^rdben eine«» ^iüiiegiecten and £)fierteic^ (1847).
bcr gebet"! — ,,afleben toir beutfc^ unb bünbig": —
toir ftnb famt unb fonberd (St^tgoneit, ortne @cl^tu(Eer,
bte t)om Xafelab^ub, t)on ben SStofamen ber bol^in
gegangenen (Stoßen teben — toa^ wir \>on ^erber^
£cj[ftng, Ooet^e gelernt, toir mad^en'^ nur Mein jum
täglichen @ebrauc^ — unb auc^ bad toiQ man um
öertoe^ren! SKan fc^ift un^ „©d^riftinbuftriellc", ®pt^
lulanten, man ^e|t und bie „^a^t" auf ben ^aU,
toeil toir i^r einige alte, ^albDergeffene Sßa^rl^eiten
jener äReifter toieberfäuen! SBir joüen bamit bas
^blifum öerfü^ren, bie Regierungen — toad toeiß
id^! @inb toir benn toirflic^ fo möd^tig? ^d) fann'd
nid^t glauben. Unb ftnb toir „privilegiert"? SBir
primlegiert! ©erec^ter @ott! SBir ftnb fro§, ba$ toir
bad £eben l^aben. 9liemate ^at toeniger eine @d^rift«
fteUerinnung beftanben aU in je^iger 3^it. ^eutjutage
nimmt fid^ ein jeber auS bem ^ublifum bad rr^^i"^
legium" l^eraug, ju f (^reiben — unb fo iffd red^t!
So foQ eg fein! 3)aS ©d^reiben ift fein 5ßriöilegiunt.
3)a§ einer reben foü, bafür ^at er bag SDiaut. SBem
immer au8 ber „SÄaffe" ein guter ©ebanfe fommt,
ber foß i^n mitteilen für bie äWoffe — fo toirb bie
ÜÄaffe gebilbet au§ ber SKaffe, burc^ bie SKaffe.
2)er ©d^ufter, nid^t ber ©ele^rte, foll über ben ©tiefet
fd^reiben, ber Kaufmann, nic^t ber Sureautrot, über
ben $anbel — ein jeber über ba«, toaö er öerfte^t
^at ja boc^ aud^ ber JBerfaffer ber Srofd^üre ge^^
2. Schreiben eincd $rit)i(r0terten au» Öftecreit^ (1847). 47
f (^rieften — bcr öcrftc^t'« jtoar nic^t! — Unb er ift
nid^t etwa au« ber fd^reibenben „äWaffe", er ift „pxu
mlegiert", er ift fogar ber einjtge ^ßriöilegiertc. 9Keinc
frühere äSermutung l^at ftc^ betua^r^eitet. @oeben er-
fahre id^, ba^ einige menige geftnnungdüoDe äßietter
Soumaliften bie 93rof(^äre in i^ren blättern befpred^eu
woüten — „mit SBiirbc unb JÖcfd^eiben^eit", »ie eö
im § 8 ber 3^ttfiii^^i"ft^^Wou öorgefd^rieben ift —
adein loergeben«! 3Jtan ^at i^re ^uffä^e geftric^enü
2)ie tnaren nid^t „priöilegiert". Ote toi, pour que je
m'y niette — (SBorte ber S3rofd^üre). SBer aßein
reben borf, ^ot immer red^t. ©d^ämt ftd^ ber SSerfaffer
nid^t? SBirb er nic^t rot?
Unb nun noc^ ein SBort ju il^m, ba« le^te! -
3)er Serfaffcr ift mit feiner SBrofc^üre gegen ben Strom
gefd^tDommen, er l^at bie Literatur a(d folc^e, ben
3lu^m unb ©tolj ber Stationen, befd^impft, er l&at bie
Sd^riftfteöer ber rollen 3Renge benuujiert. — („9lur
beutfd^!" aber mir faßt fein beutfd^e« ©ort bei,
wel(^e3 bie ©tärfe be« fremben loiebergäbe. %ud)
„pcrfib" Iä§t fic^ nic^t überfe^en, wie ©oet^e bcmerft.)
— 3)er Serfoffer |at fid^ bamit läd^crlid^ gemacht,
ba8 Sc^Iimmfte, n)o§ einem ©d^riftfteüer wiberfal^ren
lann ; — er l^at ferner, bie geiftige ^reil^eit im 3Runbc
fül^rcnb, unter ^olijei* unb ß^nfurfc^u^ gegen fie ge^
fämpft — ba« ift nic^t d^riftlid^, fonbem ^eud^lerifd),
p^arifäifd^; — ber SJerfaffer ^at mit gefd^toffenem
48 2. @(^ceiben eitted $nDi(egiecten au9 ßflermd^ (1847).
SJificr gcftrittcn, er ^at feinen 9lamen nid^t genannt —
bad tft feige nnb fe^t il^n ber ®efa^r auS^ Don jebem
Xro^uben belämpft jn n^erben. Übrigeni^ gegen Un^
bclannten ein Unbefannter! ©er SBerfaffer tüfte fein
^fter^ nnb ic^ n^erbe nic^t anftel^en, baiS meinige faQen
^n laffen; ber 9iitter foQ bann fe^en, ba^ er guni
allertoenigften — einen i^m ebenbürtigen Oegner gc*
funben l^at — wenn er eS an ben SBaffen noc^ nic^t
crlannt ^aben foUte. — ®er SSerfaffer l^at enbßd^ ber
3ac^e, bie er l^at t^erteibigen n^oQen, einen fc^Iec^ten
3)ienft erliefen — ba^ ift nnfing — unttng im
3ntereffe feiner eigenen 5ßartei. S)ic Aufgabe, bie fid^
ber aSerfaffer gefteöt, ift an fid^ fc^lcc^t, ift öettuerf*
lic^, aber bie S(udful^rung ift noc^ bei uieitem mife^
robler. ®ebt mir biefelbc Äufgobe — id^ toiü fte ffiuc^
bei »eitern beffer ^erau8pu|en — nnb »arum nic^t?
(&^ gab einen ^arbinal, ber auf bad fc^arffinnigfte
bie Stiften} &ottii betnied unb gleid^ barauf ba^
®egenteiL — Auf »en ^at bie ©c^rift unf ereg SJerfaffer«
wirfen follen? «uf bie „SRaffen"? 5Die tefen fie nic^t
«uf bie ©ebilbeten, ben SRittelftanb? SDie lad^en bar*
über. 3(^ ^abe mit £euten an^ aOen @tänben ge^
fprod^en, mit Äanftenten, gabrifanten, ^anbwerlem
unb ^Beamten, mit ©eiftlid^en unb SKilitäriften, mit 98
t)on ben 99 ©c^riftfteöem, ttjcld^e bie bfterreid^ifc^c
ßenfurpetition unterfertigten (einer ift uor ber ffir=«
iebigung geftorben), mit ben 30 unb etlichen äRitgßebem
2. e^teiben einei» Ißriütlegierten ara Öflerretc^ (1847). 49
bcr faif. ober I. I. Älabcmie ber SBiffcnfd^aften —
mit Seuten t)on aOen färben unb ©diattierungen, fo«
otel id^ il^rer ^ab^aft toerben lonnte, fogar mit
graucngfmmcm unb onbcrn gag^aften 5ßerfoncn, —
nun, unb nic^t ein Sinjiger, nic^t eine (Sinjige toär
bantnter, ber ober bie ttxoc^ anbere^ gefunben l^ätte,
aU ba^ bie 93rofd^äre abfurb, lonfud unb perftb ift
— bie grauenjimmcr fagten ribifüt. — ^ier ift c2
nid^t me^r möglich, beutfc^ ju reben!
2)er SSerfaffer bemerft am ©d^Iuffc feiner SSro*
fdiäre, ba^ ftc^ bad 5fterreid^ifd^e ß^nfurf^ftem niemald
änbem »erbe, benn: „bo^ to&re ebenj[o törid^t ote eö
unloal^rfd^cinüc^ ift, ba§ Jold^e^' je gefd^e^cn fönnte."
äSir erlauben und hierin, geftü^t auf bie 9)2einung ber
98 unb etlicher 30 unb nod^ (Einiger, ber äReinung
ju fein, bal5 „fold^cö" bcnnoc^ gefd^el^en werbe. 2)a8
öfterreid^ifd^e 3«nfurf^ftcm toirb ftc^ änbem, mu§ ftd^
änbem, toie fid^ bie öfterrcid^ifd^cn 9Renjd^cn änbem,
}um Zeil bereiti^ geänbert ^aben, im beftänbigen Um^
änbem begriffen ftnb. ®in fauler <3^ftanb fann bauem,
lange bauem, je^r lange, — aQein wenn bie Urftoffc
einmal in übüiger ?luflöj[ung begriffen ftnb, jo muffen
ft(^ neue organifc^e ©ebilbe barau^ enttoidEetn — eine
Äuflbfung in« teere 9Wd^t« gibt e« nic^t, unb bie all«
gemeinen ®ef e^e ber 9latur Werben fid^ nimmermel^r au«
®cfäßigfeit für ba« Äaij[ertum Öfterreid^ ju einer ^n^^
nal^me ffir biefen einen gatt ^erbeitaffcn. SBonn biefe
50 2. ©(^reiben eines $n»üesieirten auS JÖfterreii^ (1847).
neue ©eftaltung ber 2)tnge eintreten n^irb? 3c^ tuet^
ed nid^t, Dermutlid^ 6a(b, red^t balb. @c^on regt ftc^'d
in ber £uft, bie leimenben SBIätter, bie jn^itfc^entben
Serd^en öerlfinbigen ben Seng. — „SBa^rtic^^ nm^r*
(id^, id^ fage Sud^: n^enn 3^r bied Slled fe^et, fo
wiffet^ ba§ e« noi^c t>or ber Xfir ift." S)ie Srofc^re
ift fo eine flattembe, gefd^u^ö^ige^ ^enj^pofQunenbe
grül^sSerd^et ©eftcrn ober öorgeftern toär' cg ber Wc*
gierung nic^t eingefallen, i^r „©Aftern" mit öfterreid^i*
fd^er S)rudEerfd^h)Srje oerteibigen ju toffen — ^eute
fü^It fie bereits bad äSebürfniS. 2)er S^erteibiger ift
freilid^ ungefd^irft — fd^abet nid^tS — un8 fc^on gar
nid^t — ober baS ©d^toeigcn ift gebrod^en, baS 85c*
bürfniS »erraten. 3)arum fei gegrüßt, SBrofd^üre! 3)ü
^^I^IingSratete ! Jacta est alea!
3d^ ^atte bereite S^fd^Ioffen, ald man mir au9
guter Queöe ben 9lamen beö SScrfafferS nannte; —
aber id^ toiU „biöfret" fein — iö) \oxü il^n nid^t n)ieber
nennen. — SBer jefet 85öme »äre ! SRur auf eine ^albe
©tunbe — auf eine SBiertelftunbe ! SBer baö „^rit>i=
legium" besj SBi^eö unb ber ©atire befä^e! — S)oc^
nein! bei bcm SRamen, ber an mein D^r fd^tug, oer*
ftummt jeber SSäi^, ffüvt aüeg ©atirifteren auf. 3(^
l^abe bem SSerfaffer unred^t getan! 3d^ ftrcue Äfc^e
auf mein ^atOft, ic^ bereue! $aft l^ätt' id| gute £uft,
2. 6<l^etben dneS ^t)tiegierteit an^ Öfterretc^ (1847). 51
mein gonjed ©efd^reibf et in bad ^er jn n^erfen, benn
ber Slawe ift un^d^ulbig — er ift nid^t jureci^nnn8«=«
ffi^ig. SRan nannte mir nämlid^ einen nnglüctlid^en
Sbttor, ber in feinem ganjen langen £eben ein einjigei»
9tt<^ gefd^rieben, n^eld^eS — teine Sejer ^at finben
n^ollen. 2)arum pQt er ftd^ je^t in c^riftlid^e 3)emut^
erS&rt bie S^ber, iebe ijeber — nid^t bto§ bie feinige^
wie Qßd). äßemer nad^ feiner Sete^rung — für ein
SBerljeug hti Zenfetö, unb l^egt ben bitterften 3n«
grimm gegen jeben anbem Sutor, ber nid^t bur^faUt^
n^ie er. O ®ebred^Iid^leit! 2)ein 9lame ift ©d^riftfteller l
— 5Bin id^ nid^t fatf (^ berid^tet, f o ^atte ber SRann im
£e6en überhaupt ^^SOtal^enr". (Sßir tt^erben fd^on n^ieber
nid^t beutfd^l) 3d^ n^iQ eS nid^t nä^er bejeid^nen, aber
ed gab, n^ie man fagt, eine Qth, n^o i^m bie 2)inge
nid^t ganj fo erfd^ienen, tt^ie fte n^irllid^ finb — n^enn
ftd^ bad fo Derl^&It, fo t&^t ftd^ bie 93rof#re — ba
getoiffe ^anl^eitSperioben bi^tt^eilen mieberjnle^ren
pflegen — ganj leidet an^ bem pat^ologifd^en @efid^td«
pnnite erfittren. (Sin $fnnb 9Kefen)ur2 lurj Dörfer
eingenommen, nnb bie S3rofd^äre ^ätte üieQeid^t DöQig
in i^ ©egenteil nmgefd^Iagen, unb ber §err ipof*
bud^^&nbler Slol^rmann ptte fid^ bie — übrigen^
jurec^nung^fö^ige @d^mad^ erfpart, gegen fein eigene^
9ted^t tun ju muffen, ^at — n^enn man bad bunlle
panier betrad^tet, unter toeld^em ber SSerfaffer ein^er^^
jie^t, bad m^ftifd^e äBeil^raud^gefä^ erblidt, bad er
4*
52 2. ©einreiben eiited yrttHIegierten ata 6fbttm^ (1847).
fd^mingt, bie finfteren ©robedgef&nge ffövt, bie er ati^
fttmmt, fo mal^nt ed einen fd^aubemb an ein geiftige^
Auto da fe — bcr »erfaffer fte^t nid^t mc^r allein
unb unfd^ulbig ba; er ift ber gü^rcr ober Serfül^rte
einer Partei, einer fd^n^arjen ©d^ar, bit gemeffeuen
©d^ritteö, ^irojef fionÄortig l^inter il^m ^erf (Reitet. — S)ag
©d^Iimmfte an ber @t^d)iö)ft bleibt öbrigeni^, ba| ber
Serfaffer in einem anwerft na^en SBerl^ältni« jn einem
audgejeii^neten ©toatömann fte^en {oQ, burd^ metd^en
Umftanb bie SBelt leidet gu bem ©tauben herleitet
werben tonnte, ald ptte biefer auf bie SBrofd^üre (Sin«
flu^ genommen, aU l^ätte er ettoa gar feine felbft^
eigenen @ebanlen barin niebergetegt 3)a$ ift aber
gewife nid^t ber gaO. SEBir galten ben SJerfaffer in
biefer ^ejiel^ung burd^auS für ein „Original auf feine
eigene ^^auft". 3)er gro^e ©taat^mann ^at nun, loie
anbere gett^ö^nlid^e ©terblid^e, bad UnglüdE, einen
Vertrauten ju befi^en, ber feiner nid^t ganj n^urbig
ift. „SBel^üte mid^ ®ott oor meinen tJ^eunben — mit
meinen geinben to\Si xä) fd^on fertig njerben!"
Unb nun leben ©ie loo^I, armer, unglüdSic^er,
burc^gefaÜener |>err SSerfaffer! Unb aud^ Sie, oere^rter
§err! äBenn'g l^ier njieber eine befonbere 2)umm^eit
abfegt, foUen Sie mid^ trofe meiner jonftigen Xräg*
^eit aüejeit jc^reibfertig finben. ?ld^, fie werben einen
nic^t lange auf ber faulen i^aut liegen laffen! — 3m
@runbe l^at boc^ unfer |^err @ott aDeg ^ilbfd^ einge«
2. e^reibeit etneS Vritoilegiecten axa fifterrcidt^ (1847). 53
nd^tet! 2)te SSelt ift bunt unb bie aRenfd^en ftnb Der«
fd^ieben — bad beloa^rt t>or beut „ennui''. (3ft mieber
nid^t red^t beutfd^I) ®ott beffer'S! (£8 mu^ aßertei
ßauje geben.
3Bien, im Cftober 1847.
3^r ergebenfter
3)cr ^^ßttöilcgierte".
3. Petition der Oliener Burger (t$4$).
Hn die bod)t$btid)en Stände des Erzherzogtums Öfter-
reid) unter der Enns zu Banden des hoben ttänditchen
Uerordneten'Koltegiums.
@ett einer Stetige t>on Salären tft wn j|ebem magren
äSaterlanbiSfreunbe ber SBunfd^ lebhaft gefüllt unb Don
mand^ent in ätebe unb @(^rift bie Sloüoenbiglett taut
audgejprod^en n^orben, aud^ unfer fd^öned unb ntäd^^
tiged £)fterretd^ ben SBeg friebfid^en unb gebiegenen
i^ortfd^ritted betreten ju fe^en.
2)ie leiten (Sreigniffe im äBeften dwcopai (äffen
biefe i^orberung um fo unobu^eidlid^er unb unauffd^ieb-
barer erfd^einen, a(d fte bem SBeltfrieben fomie bem
©taatdtrebit, ber @id^er^eit bed (SigentumS, ber Orb^
nung unb beiS Siebtes in jebem äteid^e gef&^rtic^
n^erben tonnen. 9iai in 2)eutf d^Ianb in biefem SCugen-
blidEe }ur SBal^rung Dor jebem 9ßed^fe(falle beS &\&dt^,
jum @d^u| unb jur @t&rfung nad^ au^en unb im
Snnem gef d^ie^t, tft niemanbem unbetanni Seber l^egt
^ugleid^ bie Überjeugung, ba| £)fterrei(i^, beffen $en«
fd^erfamilie burd^ So^r^unberte bie beutfd^e fiaifer^
3. Petition bet 9»tener ^rger (1848). 55
hone trug, aud^ nur in fcftcm ^tnjd^Iic^cn on bcutf d^c
Sntereffcn unb beutfd^c ^oÜttl fein toafjxt^ §cil gc*
mtnnen tonne. SBenn bie dfterreid^ifd^en SSfirger fic^
t)or allem gebrungen ffil^Ien, i^re unerfd^ütterUd^e Sie6e
unb Xn^änglid^teit an baS erhabene ^aifer^aud aud«^
jufpted^en, fo Ratten fie eS gugleid^ für i^re ^eilige
^ic^t, biejenigen iDta^regetn offen unb frei barju^
legen, nteld^e i^rer äReinung nad^ einjig unb allein
geeignet fein lönnen, in fo bro^enben 3^itoer^oItniffen
ber S^naftie fott^ie bem ®efamtk)aterlanbe neue ^oft
unb neuen |)alt ju oertei^en.
2)iefe ÜJia^regeln finb: Unöernjeüte SBeröffentlid^ung
bed @taatd^aud^a(ted ; — periobifc^e 93erufung eine^
alle fiänber ber äKonard^ie, fott^ie ade klaffen unb
Sntereffen ber SSeDöÖerung üertretenben ftänbifc^en
5l5rperd, mit bem Steckte ber ©teuerbemilligung unb
JR'ontroUe bed ^inanjl^aud^alted fotoie ber Xeilno^me
an ber @efe|ge6ung; — l^erftedung eined äted^ts«
guftanbed in ber treffe burd^ Sinfäl^rung eined 9le«
pref fiügef e|eö ; — SJurd^fü^rung beg ©runbfafeeö ber
Öffentlid^feit in ber ätec^ti^pflege unb in ber gefamten
SSerjoaltung; — SSerlei^ung einer geitgemä^en SWuni^
iipaU unb ®emeinbet>erfaffung unb auf bereu @runb^
tage Vertretung ber in ber gegenwärtigen ftänbifc^en
JBerfaffung gor nid^t — ober nur unöoQlommen be*
griffenen (Elemente bed 8[d(er6aued, ber Snbuftrie, bed
^anbetS unb ber Sntedigenj.
56 3. ^tiHon ber mmtx IBflcger (1848).
Die @taiibe — loenngleid^ in i^rer bermaligen
3ufaminenje^ung nid^t ber üoQft&nbige SCudbnut bed
gonjen SanbeiS — finb aU oerfaffungi^mä^iged Organ
fär bie 93ebärfniffe beS Soded berufen, bie ®en)fi^rung
unferer 93itten bei unferem gütigen äKonord^en ju t>tx^
mittein.
2)ie Unter jeid^neten fteden ba^er bie 93itte: bie
^oc^Ublic^en nieberöfterrei(^ij(^en @tänbe moQen bie
oorgefc^Iagenen 9Ka|regeIn in ber näd^ften £anbtagd^
Derfantmlung in ^Beratung nel^nten unb bie geeigneten
Stnträge )u beren bolbiger Sertoirtlid^ung an ben aller«
l^öd^ften X^ron gelangen laffen.
»ten, 9. Vtän 1848.
4. Studien (1$49).
L'honune est le m6me en haut,
en bas, au milieu.
Balzac.
I. Die Prette und id).
(9Id (StnUttung.)
Sor ein paar Sülzten tlagte id^ bei einem großen
^emt — bamatö ga6 eS beten nod) unb je^t fd^einen
{te mieber aufjutaud^en — über ben unertr&glid^en
Z)ptdt ber öfteneid^ijd^en 3^^!^^*
3)er @taatdmann I&d^elte unb fagte:
„@ebulben @ie ftc^, mein 93efter! £ie neue 3^it
fte^t k)or ber Xür — aud^ unfer £)fteneid^ tann i^r
ben (Eintritt ntd^t Derf agen. £arum fd^reiben @ie frifd^
barauf toS unb üerfd^tie§en @ie bie älffanuffripte einft«
n^eilen in 3^r ^It £er Xag mirb tommen, n^o @ie
bamit ^eraui^riiden tonnen.''
3(^ (etmad betreten aber ben geiftreid^en 9iat):
9tf^titni, hai mirb mir »enig nö|en. fHaf^ unferein^
l^eute fc^ibt, baS miD ^eute ge(efen fein. 2)ie SBelt
tft ungebulbig unb mir finb teine ^loffifer.
58 4. Stubien (1849).
@ro§er iperr (ad^fcljucfcnb): 3)ann fann ic§
3^ncn nid^t l^clfcn.
(£r l^ot mir and) nic^t geholfen. W>n bie ^o«
p^ejemug bed ©taatömanned tft eingetroffen; bie neue
3eit ift gelommen unb fie fjoi i^n ^intt^eggefd^memmt,
)t)ie aud^ meine äKanuftripte im $u(t 3taä) ben äK&rj^
tagen burd^fc^aute id^ bie Rapiere unb erfd^ral obtlig
über ben ,,8[It(ibera(idmui^'', ber barin ^errfd^te. 3d^
warf fie in einen SBinfet. „3ett gilt'Ä, Sieueg ju
fc^affcn!" rief id^ aug. — 3d^ ^atte bai^ gang rid^tig
begriffen — oQcin öom Segreifen bi« jum ©c^offeu
ift ein weiter SBeg unb führen gar bunfle (ob^rint^i»
fc^e ^abe! 3d^ gögerte lange, fie einjuf dalagen. Slud^
mar baS £eben bamald fo fc^ön, fo frfil^Iingdwarm,
fo ^offnung^grünl 2)ie S5glein auf ben 93&ttmen
jwitfd^erten „grei^eit", ber wei^^rote ölütentegen
fd^webte fanft auf einen entfeffelten 93oben nieber unb
bie jubeInben äRenfd^en fanten fic^ auf ben ©trafen
in bie nid^t me^r gebunbenen S(rme. SSo na^m ba
einer bad $erj ^er, bie freubejittembe ©d^reiberl^anb
jur Z)oImetfd^erin feines fiopfeS ju mad^en! SBeld^er
^opf war ftart genug, bie fc^wirrenben ®ebanfon feft«
jul^alten, ju orbnen, ju SBUbem unb 0eftaIten ob^u«
runbenl SBo war ba ein äRenfc^, ein ©d^rtftfteller,
bem ber ftopf nid^t mit bem ^erjen babonlief! S>iefe
frifd^e £ebeni^Iuft, biefer Zaumel, biefer 3ube( — man
mu^te bamald wenigftenS äl'limfter fein ober S>epu«
4. @tuMen (1849). 59
tierter, um ben Setftanb nid^t ju verlieren. Unb aud^
bai^ gdP&^rte nod^ leine l^inlänglid^e ©id^er^ett!
(£i^ tft gemi^ bie reinfte £uft, einen neuen unb
fmc^fbaten @ebanlen aui^juf^recl^en. @o ntand^er gro^e
9Rann f^at fein £e6en baffir eingefe^t Sßenn fid^ ein
?ß^önij in^ geuer ftfirjt, fo tt>ei§ er, worum — er
te^ gel&utert aud bem f^Iammenmeer ber Sbeen ju^
rfiil; aber bie armen Keinen Sögtein, bie il^m naö)^
prjen, Derbrennen 6(o^. Sßir SOtittelgut üon äRenfd^en
unb ©d^riftfteQem tun beffer, für eine Sbee ju leben,
ate für fie ju fterben. SRan glaubt nid^t, toa^ ein
Sc^riftfteUer, aud^ nur t>on madigem Zaient, andju^»
richten üermag, wenn er immer auf benfelben ^aixpU
gebauten jurfidtommt. 2)ad ift im ®runbe baS ganje
Ck^eimnid ber $o)m(arität dlaö) überftanbenem erften
fjfrei^eitdtaumel fud^t' id^ benn aud^ meine in ben
äBintet geworfenen „aUm^cAtn" fiieblingi^gebanten
»ieber f)ttt>ox — unb erfd^ral aufd neue. @ie waren
obermate unbraud^bar. 3m SKärj waren fte nid^t mel^r
— ie|t nod^ nid^t mitjuteUen.
3d^ UngtüdKid^er! SRu^ id^ benn immer ,,ju fpäf*
tommen ober „)u frü^"! 9tm \tft' id^'8 immer beut«
lic^r ein: man mu^ nid^t nur etwai» Orbentlic^ed
machen, man mu^ ed aud^ jur redeten Qtxt ju mad^en
»iffen. (Sin äl^nlid^ei» @d^id(fal verfolgte mid^ auf bem
X^eater — bod^ boüon ein anber SRal! 3d^ wiO je|t
ntc^t länger (lagen, fonbem fd^reiben. 3d^ beforge
60 4. ©tubien (1849).
bobei nur eind: ba^ id^ ben Xon nid^t treffe, ben
mezzo termine, ber in ber je^t J^errfd^enben „@5tter^
bäntmemng^' üerlangt n^irb. (Sin fold^er äRitteljuftanb
bietet freiließ ben Vorteil, ba^ ber %utor bel^aupten
tann, er ^abe feine beften ©ebanten ber il^m auferlegten
©elbftjenfur opfern muffen, ^d) begebe ntid^ aber
biefed ^rimlegiumd, inbent id^ frei unb offen betenne,
ba^ id^ nid^td toeiter aU lauter Keine ^ausgebauten
bringen miU, toie fte fttri^ ^uideton fid^ gejiemen.
2)iefe ,,@tubien'' moQen burd^aui^ leine l^o^e ^olitif
treiben^ fonbem nur leidste pubtijiftifd^e p&nKer ab«
geben; fte moQen aU fläd^tige SSorpoften baS poIitif(^e
Xerrain ein tt^enig beobad^ten, um bem ^uptforpfly
ju meld^em fie getreu, bem ber Literatur unb ^unft,
ben ßufammenl^ang mit bem n^irüid^en £eben nid^
gänjlid^ abfc^neiben ju laffen. 9lebenbei gefagt, fo
toerben fte, tt^enn eS gteid^ {eine regulären Xruppen
ftnb, bo(^ gute aXannSjud^t l^alten, obmo^I man nid^t
bofür einfielen lann, ba§ fie fid^ nid^t im SJoruber*
^ufd^en nac^ p&nKerart einige Heine 9lecfereien er==
(auben bärften.
9Kan »irb nid^t ein Soumalift über 9lad^t,
ic^ meil tooffü SKi^Kugt mein SBerfud^, fo fd^ieb'
id^'i^ benienigen inS @en)iffen, toetd^e uni» übrigen
@(^riftfteDem fo pufig unfer @d^)oeigen jum
93om)urf mad^ten. SBeit bebeutenbere SOt&nner aU
iä) l^aben ftd^ bidl^er fc^meigenb unb untätig t^er^»
4. ©tubicn (1849). 61
galten — e^ la^t \xä) t>xtlUiäit entfcl^ulbigen, getot^
erflärcn.
3)ad erfte Sufbraufen einer tonnen, alliu berben
S^oltdltteratur ^at mand^e Don i^nen erfd^redt; i^re
^anb n^ar ungen^o^nt, ben neuen bemotratijcl^en 99oben
nrbar ju mad^en — fte ^&tten t^ ^orgejogen, feinen
Slonb mit JBtumcn ju be^ffonjen. S^^^^ — ^^^ %^^^
eined neuen, reid^en @toffed fibemältigte fie erft, beDor
fie i^n übcmältigen fonnten. SSerü^mte ©d^riftfteöer
ftnb eine %rt (iterarifd^er Striftotraten; fie ^aben Xalent
ober @enie, unb obenbrein Don @otted ®naben; fte
ft^en in ber erften ftaunner ber fd^dnen 9Renfd^^eit
unb finb burd^aud nid^t gen^iDt, i^r $rit>ilegium ber ^nft
aufgugeben. 9(d Vriftotraten ift il^nen aud^ ein feinet
Qk\n^l für bie fd^bne ^orm angen^o^nt; barum foDte
i^rer (Sntpfinbung nad^ felbft bie bentotratifd^e 3bee
in einem gefälligen @manbt aufgutreten bemül^t fein.
Sie filieren Ät^en unb ^ari« afö SBeifpiele an — fie
l^aben t^ielleid^t nid^t gau} unred^t Stud^ ber SSerfaffer
biefer ^^©tubien'' ^at fid^ — in feinem befd^eibeneren
SSBirhingiJfreifc — fi^nttd^e gorberungen gefteHt unb
er möchte gor gu gerne bei feinem geliebten äßien
ben SBetteifer erregen, fid^ jene beiben SRufterftäbte
ber alten unb neuen äßeU an politifd^er SBilbung
unb SBaterlonbdliebe, fomie an eblem StuSbrutf
unb ®efd^mad gum SJorbilb gu nel^men — t>iet
leidet n^äre bad gugleid^ ein SBeg, i^nen an tt^a^rer
62 4. ©tubicn (1849).
^et^ett unb getftiger Utta6^angigfeit nä^er ju
tommen.
2. Die mSnner der Zukunft.
^aa tann ntemanben l^inbern, fic^ fein ganzes
£e6en lang für einen SKann ber 3^1^^?^ i^ Italien.
Unäf in SSien f^ajieren f old^e ßutunftdntänner bu^enb^
n^eife ^erum. @ie gelten allen färben an, aden $ar«
teien; üiele ^aben il^re eigene Partei ergriffen; fie
meinen ed aufrid^tig mit fid^ felbft unb möd^ten [xäf
gerne etoad ®uted jutommen (äffen — Sd^ tt^ill Der«
fud^en, (Suc^ einige berlei ^&tmtt ber ß^I^i^ft Ju
fd^ilbem. 2)a gibt ed färd (Srfte eine gemiffe Gattung
biplomatifc^er @d^(aulöpfe, meiere ftd^ bei ber neuen
SBenbung ber 2)inge gleich anfangs jurüdfjogen unb
im SSerborgenen hielten, um fid^ nid^t abjunü^en.
2)iefe fieute jubeln in il^rem fidleren |)inter^alt, \o
oft ein 3)e^)utierter ober ein SRinifter einen ^^^Itritt
mod^t; jeber ©efaöene ift für fie eine neue ©tufc,
über ttjeld^e fie f^äter emporguflimmen gcbenlen; tritt
ein SReuer, g^fd^er auf, fo berechnen fie i^m feine
!Dauer auf bie äKinute. Da^ Zufällige ^aben fie aud^
ganj richtig beobachtet, allein ber Stttn ber @ad^e ift
il^nen fremb geblieben. Sine 3bee, bie inS £eben tritt,
nä^rt fid^ Don $erf önlid^leiten ; ber ©ebante Derje^rt
eine SKenge Don 3nbimbuen, bie fid^ il^m l^alb bc^
»ufettoS opfern, bis er int legten, redeten 3Kann fjtlU
4. Stnbxtn (1849). 63
{eud^tenb gum ^ntöjibtu^ tommt. Z)ai^ tpiffen aber
leite nic^t, bte fid^ für unentbe^rtid^ leiten, meil fie
mittelmölig ftnb, für meife, )oeiI fte idgem, unb bie^
tocil fie ber 3^* «id^t getoad^fcn finb, fid^ einbilben,
i^re @tunbe merbe erft lommen. @o ein 3it^^f^^^f
ber niemald jum @egentoärtigen tt^irb, gleid^t ganj bem
^omunfulud in ber $^iole^ ber ftd^ nad^ ber (Stiften}
f el^nt — änbere lönnen t^ nic^t faffen, ba§ ftc^ bie SBelt
)o nrplö^tid^ Derle^rt ^oben foQ; ber 3Bagen ber ßeit
ift ein »enig aM bem ®eleife gefahren — weiter
nid^W; lein Qmti^tl, er toirb »ieber einlenfen. ©ie
freuen ftd^ fd^on barauf, wie fte Reifen motlen! Der
®taube biefcr üKttnner fielet felfenfeft; fie weifen auf
bie @efd^id^te ^in, auf 9la^oIeon, auf bie Sleftaura«
tion; @enera( (Saüaignac war eine geraume 3^^^ ^^^
le^ter, unwiberleglid^er 93eweidgrunb — aud^ ber
beutfd^e Drbnungdmad^er lann nid^t ausbleiben —
furj^ bie Sergongenl^eit ift il^re 3^^ttft. — ©efä^rlid^er
ftnb bie eigentlid^en äRänner ber @egenwart, weld^e
ber Sbee bienen, inbem fie fte anierren unb fie, jum
Sd^redten ber SKäfeigen unb SWid^temen, wie im ^of^U
flieget ate gra^e erfd^einen laffen. 2)en erften ffti^
unb ^ad^ im politifd^fo^ialen @ebäube, Dor bem bie
anbem fid^ budCten, begrüßten fie juerft mit einem
gfreubengefd^rei; ed war i^re äßolluft, bad l^alb jer^
brödJelte ©emäuer mit frevelhafter gauft in ben Stb=
grunb ju ftürgen unb ftd^ an bem S)onner im 9heber:=
64 4. etubiett (1849).
fd^mettem, an bem @tQu6 unb Z)unft ju ergoßen, fo«
iDic an bcr ©orgc unb Ängft ber untätig Sieben*
fte^enben. 2Ran tt)irft i^nen unreine Äbftd^ten wi —
baS ntag Don biefem unb jenem gelten: Diele ftnb
n^al^te Sbealiften, nur in ü^rer %rt: bem @uten bient
aud^, mer bai^ ©d^Ied^te Demid^ten l^ilft
8lber bie Suft am 3^tören ift gefäl^rlid^; fie
wirb leidet jur Seibenjd^aft, jur Iranl^aften JBegicrbe^
bie an leiner anbem X&tigteit, an leiner Zat beS
anberen ©efatten finbet unb ^o jule^t bal^in getaugt^
bie neue merbenbe @d^öpfung ju Derad^ten, totil fie
i^rem fd^ranfenlofen Sbeal nid^t entf^jrid^t, ba« fri^d^e,
(ebenbige ©d^affen ju Raffen unb ju ^inbem, bai^ i^r
üerfagt ift unb i^r barum ein JBortt)urf bünft. 3)ie
erften SRänner einer neuen ß^it begroben ftd^ \o meift
unter ben 9htinen ber alten bie tnenigften l^aben eine
ßulunfi — S)ort fte^t nod^ ein 2Rann — fa^t il^n wol^l
in§ Äuge — er toirb eine ÄoHe fpielen, eine bebeu^^
tenbe 8lotte, bet)or ber „SRed^te" lommt. SBie Iftd^etnb
er ba fte^t, befd^eiben, üon tt^enig SBorten. Unb hod)
— toie glfil^enb tt)irb er öon ©ner Partei ge^a^t, toie
innig üerel^rt Don ber anbem! 6r f^jrid^t feiten in
ber Äammer — aber wag er fagt^ ift beftimmt unb
fc^arf unb trifft immer ben Kagel auf ben Äopf. Sei
einer bebeutenben ^rage wenben fid^ bie SBIidEe nad^
i^m unb feine Änftd^t gibt ^fiufig ben SuiSfd^Iag, benn
fein ®eift^ fein SBiffen^ feine Äenntniffe finb unbe=«
4. 6tubten (1849). 65
ftrittcii unb fdbft bic ®cgticr mfiffcn ftc wibcrftrcbcnb
ancricnncn. ffir ift bcr 3Äann bcS Drbncn^, bc^ @c*
ftattenS — man faitn i^n nid^t entbehren; aud^ eine
9e)Dtffe ^reifinntgleit ift il^m nid^t a63uj))red^en, boc^
benft man el^er and Gegenteil, toenn er fte bidn^eUen
im aRunbe fü^rt. 3ßan ift geniol^nt, id ädern, n)ad
er fagt, wad er tut, eine verborgene Äbftd^t uoraug*
}uf e|en ; man beobad^tet auf mertf am jebei^ feiner SSorte,
bie geringfte feiner ©eberben — ein S^iä)tn, baft ber
äKann bebeutenb ift $eute l^at er ben äßinifter gelobt
— toarum? SKan m\% er ift fein tJcinb, er gel^t ba-
mit um, il^n ju ftürjen. 3)ad 3n)eibeutige £ob (ägt bad
faft a^nen. 35a8 SWinifterium fei „el^renwert", l^ei^t ed,
öoQ guten SBillenS — nur freilid^ ein biftd^en fd^toad^
unb fd^roanlenb; eg öertoirre bie 35inge, bie ed orbnen
foQe, bag eigentlid^e iRegieren fei nid^t feine ©ad^e —
boc^ eS ift el^renttJert, öoIHommen el^rentoert; ber
iRebner l^offt, baS toerbe genügen, aud^ in bief er ftür:=
mifd^en 3^^*^ ^^^^ äÄi^trauen fid^ eine fefte, hräftige
§anb nod^ nid^t gefallen taff e uftt). — $ier jif d^t bie ßinfe
heftig. — Der 8fiebner fprid^t rul^ig unb l^eiter läd^etnb
fort, t)on feiner jagl^aften f^^eunbe 93eifaQ nur fc^toad^
unterftii^t, unb oerl&^t bie Xribune, ol^ne einen eigent«
lid^en @ieg errungen ju l^aben. Sd toar il^m aud^
nid^t barum ju tun.
Aber ber erfte Änlouf ift genommen, ba8 @tid^=
mort ift gefallen, bei einem näd^ften Snla^ rüdt man
•4«<ftni IT. &
66 4. ©tubien (1849).
bcutlid^cr mit bcr garBe l^craug unb finbct bercitt
hräf tigere Reifer; Sournate unb Äotcrien tun ba*
fibrige; man legt bem ajtintfterium gelegentlich eine
%aVit, in bie ei^ plump unb el^rlid^ l^ineintritt, man
benfi|t feine SSemirrung, feine Unbel^itftit^feit — unb
el^e man ftd^'Ä öerftel^t, ift unjer 3Äann am ©rett.
Wlaä)iat)dl ^at red^t: S)ie SBelt gel^ört ben @leic^^
gütigen, ben Äaltbtfitigen, ben Seret^nenben — wenig-
ften« bie 9Kac^iat)effi 'f d^e SBelt. SDiefe SBelt fott ftd^
freUid^ aufleben — aber meint S^^r, baS gefd^e^e ^o
Icid^tl^in, ol^ne Äantpf unb SBiberftanb?
Sebe ®egentt)art bereitet fid^ il^re 3^hinft, jebe
nöc^fte ä^hinft fd^fft fid^ il^ren SKann. SBir brauchen
populäre 3Könner — id^ meine nid^t fold^e, bie bem
Sotfe fd^meid^eln, jonbem benen e« traut. Aber fie
ftnb nic^t fo leidet ju finben. 2)ie Popularität ift ein
@el^eimni^ toit bie Siebe. 2)er l^at fie, ber l^at fie
nid^t — ber finbet fie, ber nid^t Unb gleid^ öict, ob
ber äJoIf^mann au§ bem SSode ift! SBir laffen unS
auc^ mit einem populären @rafen (Sgmont jufrieben
fteEen. (Jr barf aud^ ftotj fein, eitet, leid^tfinnig —
aber niir muffen il^n (ieben lönnen. Unb ^offen mag
er treiben, tt)ie Xorl^eiten — wir fe^en il^m uieleg nac^I
Slcibiabe^ fd^nitt feinem $unbe ben ©d^wanj
ab. SBaS war wol^I feine Sbfid^t? S)ie guten Stl^ener
machten ad^t Xage (ang i^re ^loffen barüber. 3)er
©d^alf! ffir l^atte feinen S^t^ erreid^t — er wollte
4. Stubten (1849). 67
t^rc Äufmcrffainfcit t)on gctmffcn anbcm SJingcn ab»'
(enten unb boc^ jugteid^ Don ftd^ fpred^en mad^en.
^Icibiabed tonnte \o manc^ei^ n)agen: er toar ein
a&gott bei^ Sollet.
Sorifittfig raf tc^ noc^ wenigen — fei'g int
3*ei(^Ätag ober int 9Äinifterium — il^ren Jg^unben bic
©(^niänje jn finden.
3. Bofrat oder IDinifterialrat?
(Kn Sdnig ftirbt nic^t — ein ^ofrat auäf nid^t.
Jlcifer 9Rqs I. ^at bie ^ofräte erfunben nnb jd^on
unter ^^rbinanb L ^aben fie ftd^ bebentenb k)emte^rt.
@eitbem l^ot il^re Snjal^I unter jlebent fo(genben $err«
fc^er faft in geometrijc^er $rogreffion jugenommen.
S)er ©tanb ber §ofräte unter i^rcm ©d^öpfer unb
balb nad^^er xoax nid^t eben ju beneiben. @ie l^atten
mel Arbeit unb nienig £o^n. Sierjig ®ulben monot^
lid^. Sßer Dom (bantate offenen) 9lat unb @erid^t n)eg
blieb, bent n>Qrb ber @o(b für ben Xag abgezogen.
@))&ter^in n^urben i^nen il^re @efd^äfte erleid^tert unb
i^r @e^(t er^öl^t Z)ad mad^t bie geometrifd^e ^o^
greffton.
^aijer SKaj: L, ber fogenannte le^te Sütter unb
lebenfaQd ber erfte SSeomte, ^atte nod^ feine 9C^ung
t>on einer tonftitutioneOen äÄonard^ie, — jonft ^ätte
er üermutKc^ gor feine ^ofratc, fonbern gteid^ anfangt
louter aXinifterialrate crfd^offen.
5*
68 4. @tubien (1849).
2)ic leiteten euiftanben aber crft unter bem aRi-
nifterium S^oMl^off. Sßie langfam fd^rettet bod^ bie
äBeltgef d^id^te ! 3)rei t)oQe So^t^unberte brandeten bie
^ofräte ju t^rer 93erpuppung, aud n)e(d^er bann enb^
lid^ ber bunte lage^falter „SRinifterioIrat'' an« ton*
ftitutioneUe £id^t emporflatterte. S)ad genannte äKini«
fterium l^atte äbrigend mit fetner ©d^öpfung eine arge
3)oietrad^tdfadEeI in bie äBelt gefc^teubert S)ie alten
SSodblut^^ofr&te fingen näntUd^ an, bie neugef d^affenen
äÄinifteriaträte mit einer gewiffen ariftofratijd^en @t^
ringf d^ä|ung ju betrachten, toöi^renb bie le^teren, ftolj
auf il^ren l^alb^plebeifd^en Urf^rung, ben SSorrang ^or
ben erfteren bel^aupteten. 3)agegen gab ed n^ieber me§«
rere ^ofräte bed ancien regime, n^eld^e il^r begreifen
ber neuen ßeit baburd^ ju beurlunben fuc^ten, ba^ fie
ftd^ frein^idig in SKinifterialrate umtauften. 2)iefe
^nabaptiften fanben faft nod^ n^eniger ®nabe \>ut i^ttt
9ugen ber alten ^ofratcreme. @o l^od^ übrigen^ bie
^enoirrung unb (Erbitterung in ber ^ierard^ifd^en
^ureautratie burc^ biefe äJorgange auc^ gefteigert
toorben, fo ^atte fid^ bod^ aOmä^Iic^ ber @Iaube ju
Derbreiten begonnen, ba^ alte @efd^Ied^t ber alten $of-
rate fei im S(udfterben begriffen. 2)a fadste plö^Ud^ bie
Smennung eined n^irüid^en ^ofrati^ burd^ ben Saifer
felbft ben atten @treit aufd neue an. t^attifc^ ^aben
njir nun §ofräte unb aRinifteriaträte — jebenfatt^
eine 93ereid^erung! Sber in toeld^em SSer^ältnii^ fte^en
4. ©tubien (1849). 69
fic jucttianber? SWcmanb »ct§ cS. §abcn öicllctd^t
bic §ofratc in ä^^^^^ft wirftici^ nur bcm §ofc, bie
SRiniftcriatrfitc blo^ bcm SKinifter ju raten? Aber
einem fonftitutionetten §ofe rät ja baö SÄinifterium
— ba brauc^t'g leiner §ofrate, unb bie SDlinifter
muffen fic^ felber Siat toiffen. Ober f)'alt man bie
©d^öjjfung eine^ ftarlen Öfterreid^ ffir unmöglich, ol^ne
baS alte Snftitut ber Jg^ofräte jn erl^alten, ju höf*
tigen, nen jn beleben? 3)ann würbe id^ raten, bie
neuen SRinifterialräte lieber eingel^en ju taffen; fie
fd^einen ol^nel^in nid^t auf bie S)auer bered^net; mete
traten auf unb uerfd^toanben lieber, »ie bie Silber
einer latema magica. (Sin ed^ter ^ofrat ift aber nod^
niemate gang öerfd^»unben — er l^ält fic^ toenigfteni^
fotange, big er feine öotte ^ßenfton anfpred^en lann.
3)rei]^unbertj|&l^rige Sioutine Derlei^t ein gen^iffed
k plomb, ti)ad ein neugebadEener äRinifterieder nid^t fo
leidet ertoirbt (Snblic^ ift aud^ ber glaube, bie %n^
^&ng(i(^feit beS SSoKed an bad lang ®eti)ol^nte, alt
l^ergebrac^te ju berüctftd^tigen, gu fd^onen. Solange
irgenb ein äöfterreid^er beulen fann unb nod^ ujeit
(anger, ift adeS unb jebed im Staate burd^ bie $of«
rate bewerlftelligt ujorben. Sie l^aben fonft bie Slefru*
tierungggefe^e gemad^t, bie tJ^nanj- unb ©tempel*
patente, bie guten ä^garren; fie ^aben bie biptoma=
tifd^en ®efd^äfte geleitet, bie $oIigei gel^anbl^abt, bad
X^eater unb bie 3^^fu^- äJtand^e k)on il^nen l^aben
70 4. Stubien (1849).
fogor gcfd^ricbcn — ote »irfKd^c ©d^tiftftcflcr, mein'
ic^. Slbatn SKüUer loar ein ^ofrat, t$^ebrtd^ &trüi,
dlcmcng §ügcl unb gricbrid^ §urtcr — unb tocr
nod^ aEc8 ? ® iejcr unb jener l^ätf für fein Scben gern
§ofrat »erben mögen. — ftommt Qtit, fommt §of*
rat! Sßie lann er'd aber n^erben, n^enn man bie ^o^^
rate abfd^afft? äBie fann ber junge ^ofratslaid^ an
ber ))oIitifd^en @onne ausgebrütet n^erben, tnenn man
ben ganzen Xeid^ ausleert, n^enn man n^ol^I gar mini«
fterialrätlid^e @törc^e ]^ineinfe|t, mld)t bie ^ofratS«
embr^onen aufgel^ren? —
2)aS l^ol^e ajtinifterium bebenfe baS aUeS unb
Derivate einen Streit §tt)ifc^en alter unb neuer Qtxt,
jTOifd^en bem (Sf^ox 2)on TtanutU unb 2)on S&fard,
itDi\6)tn ben el^m^ürbigen ^iftorifc^en ^ofräten unb
ben neu erfunbenen, nod^ nid^t fonfolibierten SKinifte*
rialräten. 9{ebeneinanber fbnnen bie beiben feinbUd^en
@ef d^Ied^ter ni(^t beftel^cn — ba« ift ttar ; unterorbncn
mU \\6) feines bem anbem laffen. Sinei^ mu^ toeid^en,
)ot>id ift gen)i§ — aber wel^»? ^6) l^abe jugunften
ber ^ofräte adeS t)orgebrad^t, toaS mir meine 3ttu
gung für fie eingab. 3)ie äJtinifterialräte finb fung unb
fül^n — bie mögen für fid^ fetter f^red^en. — ^of*
rat ober SKinifterialrat? SBir bitten baS SRinifterium
um gefällige Sntfd^eibung.
4. Stttbicn (1849). 71
4. Ober die Barbarei.
2)ic SBiener ©öfter, toctd^c über bic 5ßrc^frci^cit
jubelten, öerfaufen fein ©ud^ mel^r, fett fte in« ßebcn
getreten ift. SRiemanb nimmt fid^ bie SWül^c, ein SBerf
ju fd^reiben, nicmanb bie geringere, bie frül^er ge*
fd^riebenen ju lefen. Wie SQSelt fäl^It fid^ burc^ bie
XageS« unb ©affenliteratur befriebigt unb panem et
eircenses fd^eint je^t bie Sofung, wie jur 3^^* ^^n
9tomi^ nol^enbem SBerfad. Ttan totvbti mir ein, bag
toir noc^ nid^t fotoeit finb, eine neue ßiterotur §u
fc^affen; je|t, wo ber Staat erft nad^ einer feften gorm
ringt, loo toir ben neuen fräftigen £ebendteig noc^ laum
gefnetet, je|t fei ber feinere ©toff gar nid^t oorl^anben,
au« welchem ftd^ gierlid^e unb tünftlerifd^e ®eftatten
bilben liefen. Aber feftl^alten foUten wir Wenigften«,
wa« wir befi^en, unb wem irgenb eine ®d^ö|)fung«Iraft
eigen, ber f ott fein Sid^t nid^t unter ben ©d^effet jleüen,
fonbern e« leud^ten laffen, fo gut e« mag, unb war'«
feine gadel, fonbern nur ein Sol^anni^würmd^en.
^raftifd^ere SSöIter a(« bie 2)eutfd^en l^aben il^neu
auc^ in biefer Sflid^tung ben Slang abgelaufen. 2)ie
3u(iret)oIution war laum gemad^t, fo l^atte fie fd^on
il^re fiiteratur. SBir fd^einen mit ber unfrigen ju warten,
bi« bie beutfd^e SSerfaffung fertig fein wirb. Unfer
Ie|ter Äunftau«flu§ waren „2)orfgefd^id^ten". aS5ßcr:=
gefd^id^ten l^aben wir freiKd^ bi«l^er nic^t äftl^etifc^
72 4. ©tubictt (1849).
verarbeiten bürfen, benn »ir felbft toaren ja fein SJoH,
wir Ratten feine ©efd^ic^te!
(E^ tft ein loa^red Unglüd für bie 3)eut{(l^en,
ba^ i^re großen 3Ränner eine fo l^äudlid^e unb bürgere
(ic^e, jugleic^ ariftofratifd^e Literatur ju machen ge«
nötigt n^aren, k)on mläjn bad 93oIf fot)ieI ipie gar
nid^tg »eift. Seber ffinglänber fennt feinen ©l^afcfpeare,
unb ic^ (a^ ntir'^ nic^t nel^men, ba^ biefer ntonarc^ifd^e
unb ^roteftantifd^e 3)id^ter unb @e^er \)xd baju bei^
getragen, ben ©^arafter feiner Snfutaner, i^r ftctige»
unb befonneneg f^ox^^ä^xtiitn, ja i^re ©d^eu üor Qt^
toaltjamen änberungen für eine lange 3^^^^!^ M**
jufteQen unb 2^ fraftigen. SBie fel^r SSoItaire unb
Slouffeau in fjleifd^ unb 93Iut aüer ^^anjofen über«
gegangen, bad bezeugt bie ganje 9let)oIutiondgefc^ic^te.
@d ift ti)eit bak)on, bag ©oetl^e unb ©d^iQer in ä^n^
lieber SBeife ge»irft, toirfen fönnen. Qtoai ©c^itter
mar lange Qtit ein toal^rer äJoß^tröfter. 3n feinen
präd^tigen "SRantd bed SbealidntuS n^idelten fid^ bie
reell KodEten unb SBlofecn unb:
^^er ailenfc^ ift frei gefd^affcn, ift frei,
tlnb tourb' er in Äcttcn geboren" —
fo jubelten fte, loenn fte aud^ n^ad n?entgeS babei
froren unb jöi^neflopperten. Aber bie ibeate greifieit
genügt je^t nid^t me^r — ber SRantel ift fabenfd^einig
geti)orben unb feine l^errKc^en ^nftftidereien Ratten
nid^t warm. 8n fpärlid^en Sonntagen fteüen bie ^of^
4. Stubicn (1849). 73
tl^cotcr*3ntcnbatttcn bicfcn „l^eiligcn SRod" bcm SBotfc
bidioeilen nod^ auf jur @cl^au, ipeld^eS i^n glauBig
mit fd^toeigenber ©c^eu tote eine foftbare Reliquie i^on
»eitern betrad^tet unb üerel^rt. — SWit ©oetl^e ift'g nun
freiließ ein anbere^! Sier ift reeD genug — nur ba§
fte il^n nid^t öerftc^en. Unb in^ eigentlid^e SSott ift er
\o gut »ie gar ntd^t gebrungen, fo ^el^r er'8 uerbientc.
SSenn $err k)on Sotta nid^t »are unb fein en?ige^
^k)i(egium, id^ mad^te mi^ anl^eifd^ig, aud bem Qt^
fantten ©oetl^e eine SSoIteauSgabe auSjugie^en, bag
i^nen bie Äugen aufgingen! Äße ^ßebanterien, aüe
poetifc^e ©tiliftil, aüe ©d^IadEen ber Qdt, Diplomatie,
Änfingung Don Surften, SBerel^rung ber SÄinifter ufw.
lie^e id^ weg, unb e« foQte mir foüiel gefunbe 5ßoefte,
fiiebe, SBei^l^eit unb greil^eitäbrang — furj ber toal^re
@oetl^e übrig bleiben, ba^ ba^ beutfd^e S3o(f ben täc^«
tigen, berben granffurter erft rec^t erfennen unb gar
nid^t bezweifeln mü^te, loeber ber feiige beutfd^e 93unb
in bei^ Alten SBaterftabt, nod^ ba^ fiberfelige geleierte
SBoIteparlament bafelbft bürfe il^m nur öon weitem
ba« SBaffer reid^eu- —
ä8aS man ^at, bad l^at man! £önnt 3^t nid^t^ neued
guftanbe bringen, f o lef et toenigften^, f o ftubiert eure Älaf :=
ftfer, eure Alten! Qt^ iftme^rÄem in il^nen, afö baftSl^r,
faum pgge geworben, fie über bie ät^f et anfeilen bftrf tet.
®Iaubt mir, eS ift gef öl^rtic^, ben alten Sßrouiant in Über^
mut über SJorb ju werfen, weil wir mit Släd^ftem auf einer
74 4. ©tubicn (1849).
Üppigen Snfel ju (anben l^offen, bie uniS mit frifc^er
^lal^rung im Überfluß öerforgcn joQ. S)ic Snfd ift noc^
fem — 3]§r treibt auf offenem Söieer — unb auf bem
äReer tann man t^erl^ungern. 2)agegen ift aQe^ gut
— jetbft ©d^iffgjiuicbad. — Über ein SSoII, bag nic^t»
fc^reibt unb lieft als 3^ttungen, brol^t bie 93arbarei
cinjubred^en. 3l&r fcib öon einer berlei gelinben ©ar*
barei bebrol^t — 31^ — noc^ mel^r eure ^nber.
fieitenbc Slrtifcl, Flugblätter unb Äammerreben finb in
Smigfeit (eine Literatur unb filieren ju (einer; eine noc^
jo grofee äÄaffe SDlenfd^en toirb niemate ju einer 9la*
tion, ol^ne ßufammennel^men aUer fd^bnen unb eblen
Gräfte, beren tebengöoUfte »tüte bie SBiffenjc^aft ift,
bie Äunft ffi« gibt feine ^i^eil^eit, tt)o man jebe geffel
abftreifen roitt, unb jo ^f)x'^ öerfud^en tooUtct, fo
mürben eud^ balb ber treue fjtei^, bie cble Sitte, baS
gorfd^cn nad^ bem SBal^ren, baS Streben nod^ bem
Schönen aud^ nur löftige tJ^ffeln bünlen, toeil fie auf
9Ra§ unb Qitl bringen unb bem UnrnJ^ig-Sd^ranfcn*
lofen ^eitere ©rengen fe|cn.
S)a8 SÄinifterium ift in bicjem StugenblidE mit ber
innem unb äußeren ©eftaltung be§ neuen Dfterreid^,
mit ben ^od^ioid^tigften ^ngelegenl^eiten betraut unb
befd^üftigt; aber gehört barunter nid^t auc^ badjenige,
roa^ bie 9}{enfd^en überl^aupt, unb folglid^ auc^ bie
öfterrei(^if(^ett äÄenfd^en, erft ju wal^ren SRenfc^cn
mac^t? 2)a8 ift bie ©orge für bie (Jrjie^ung, für bie
4. ©tubien (1849). 75
Sitbung ber @taatö6ürger; für bie (Srl^altung^ $e(e^
bnxiQ, ^örberung bed S3eften unb (Ebelften, toa^ bie
äKeitjd^l^eit befi^t. ^d) t)erlenne bie ©c^tDierigleiten nid^t,
welche fid^ ben ie|igcn Senfern be8 öftcrrei(^i}ci^en
Staate« ijon aßen Seiten entgegen tarnten, bie An*
forbemngen, benen fie jn genügen, bie SBiberf^rüd^e,
bie fte jn belämpfen l^aben; aber aud^ ba^ re^nbti«
tantfd^e ^antreid^ l^at mitten unter ben gen^altigften
Stümten ba^jenige nic^t t)emac^Iä{ftgt, tnaS einzig unb
aOein bie gärenbe @efeUf(^aft, jtoar nur aQm&^(i(^,
aber anbauemb, ju befc^tt)ic^tigen, ju berul^igen, ju
üerföl^nen öermag: bie Seigre, bie SBiffenfd^aft, bie
^nft. 2)ie franjöfifd^e Kammer ^at in ber größten
f^inanjnot bie ^u^gabe t)on äRiUionen nid^t gefd^eut,
um ben SBoIteunterrid^t ju beleben, ju uerbeffem; bie
9le))ttbUf l^at bie n)iffenfc^aftli(^en 3nftitute auf ba«
Äräftigfte unterftü^t, fie l^at ben 9RaIem unb JBilb*
dauern Arbeit unb bem SBaterlanbe in ben ©rjeugniffen
il^rer Äunft neue 2)enlmale ber (Erinnerung unb fin^
eiferung gegeben, il^re Sorgfalt l^at ft(^ aud^ auf bie
X^eater unb ^onf eröatorien ber 23tti\\t erftredtt. ®eneral
(Saüaignac, ti)el(^er nad^ UnterbrüdCung bei^ furchtbaren
i^uniaufftanbe« einer Si^ung ber Acad^mie fran^aise
beiwol^nt, erfd^eint mir faft nid^t minber gro^ al§ Sav
^^ter unter ben Streuten. — Öfterreit^, ba« reid^e unb
(ebenSfrifd^e Öfterreid^, fd^tiefet nac^ allen aiid^tungeus
noQe ^eime ber (Sntn^icfelung in ftd^, unb e« bebarf
76 4. ©tubtctt (1849).
öicücic^t nur einiger ?[neiferung^ geringer SBeitat wn
oben^ um {te in befruchten, ju reifen unb bie fd^önen
^öfte, bie int £anbe fd^Inntmem ober fic^ fruc^tloi^
üerjel^ren, nad^ einer @eite jn lenfen, bie bem @an}en
jum SBorteil unb ^Ue bienen n^irb, bienen mu^
3)ie ©egentoart ift Äampf unb ©treit, aber fie
ift t)on l^offenber Ahnung frol^ bewegt; bie 3^iif*
toirb bie (SrfüDung fein unb bie ß^^f^i^ft gehört ber
Sugenb an. 3)amm k)or aOem forgt für bie Sugenb!
SuS jungen £euten tann man ^Ibgötter machen xoit
f^aVbt äRenfc^en. (Erjiel^t euc^ felber für bie neue Qnt
unb bilbet bie Säuglinge baju l^eran, bereu Srbe fie fein
luirb. 2)ie näd^ften Sa^re entfd^eiben k)iel. Sine @ene^
ration, bie ffir bie fommenbe forgt, bereitet neueö Seben
öor, Sic^t, ®eift unb Äraft; bie il^rer öergi^t, fü^rt
bem Untergang entgegen, bem Seid^tftnn, ber äio^^eit,
ber Sarbarei.
5. Qü'est-oe qne le qnatribme ^tat?
3n ber guten alten 3^^^ )naren in ber guten alten
SBiener S^i^i^S bidmeilen gar n)unberlid^e 3)ingc
gu lefen. ^er auc^ ^eutjutage ift fie genötigt, fo
manc^e^ aufgunel^men, tt)ot)on fid^ bie ^l^ilofopl^ie nid^ti^
träumen lä^t — }. SB. ben Sn^alt ber ©i|ungen be«
©emeinberateg. fiaut eine« beriei ®i|ungÄreferote«
Dom 10. Sunuar b. 3- Ratten bie nieberöfterreic^ifc^en
Stäube eine 2)eputation an ben Saifer befc^Ioffen, um
4. ©tubieit (1849). 77
i^m i^rc ©tüdtDÜnfc^e jur 3;^ron5eftci8un9 borju*
bringen; juglcid^ Ratten pc bic SBicncr ^Bürger ein*
geloben, ftc^ bei biefer S)eputation, ald bem vierten
Stanbc angel^örig, ju beteiligen, hierüber entjpann \xi),
xoit ber Sfteferent üerftc^ert, „eine intereffonte 2)ebatte,
in meldtet t)on meisteren Siebnem grünbUc^ (!) näd^«
gewiefen toirb, ha% ©tSnbe, jtoar regeneriert, aber
bod) fortbeftel^en werben, folgtic^ ber SBürgerftanb ber
©tobt SBien einen S^l^Igriff täte, »enn er bie ®in«
labung nid^t annel^nten unb f o faltifd^ baS Stecht anf^
geben würbe, ben nieberöfterrei(^i)c^en fianbftänben
anzugehören". |)iemad^ würbe auf ben Antrag eined
ber Ferren befc^Ioffen, bie Sinlabung an5unel^men.
2)ie ^Bürger äBiend l^oben fonad^ il^r Siedet „\aU
tx^öf" behauptet, ate „öierter ©tanb" ben nieberöfter-
reid^ifd^en £anbftänben anjugel^ören. %Ü k)ierter @tanb!
2)ie @efd^niade ftnb Derfd^ieben. 3d^ meinej^ Seitö
möd^te Wit^ Ueber fein, atö ein nieberöfterreid^ifc^er
fianbftanb — unb wdr'g ein britter, ein jweiter, ein
erfter — gefd^weige ein vierter! 9ia(^ bem 3Äärj ö. 3-
backte (ein 2Sttn)d) mtf)x an bie nieberöfterreid^ifd^en
©täube — man wuftte gar nit^t, ba^ fte noö) auf
ber äBett waren. äSB&^renb bie £anbtage anberer ^o«
.t)in}en ftc^ regten unb riü^rten unb i^re bamatö nod^
problematifd^e SSiebergeburt baburd^ vorbereiteten, ba^
fie ben ^Jorberungen ber neuen 3^^t „geredet" ju
werben fud^ten, Ratten bie nieber5fterreic^ifd^en Ferren
78 4. (Stubictt (1849).
Sanbftättbc c8 öorgcjogen, ba8 ©taatöfd^iff bcn poIi==
tifd^cn ©türmen ju übcrtaffcn, bafür bcn njcit angc^^
ne^meren Sanbaufentl^aft ju toal^Ien unb auf tl^ren
©d^Iöffem unb 93urgen cum otio et dignitate in td)t
frcil&crrli(^cr unb rittcrüd^cr ^citcrlcit ju l^aufcn, inf o=
tt^eit bie^ tl^r ©d^merj über ben brol^enben SSertuft
il^rer Urbariatrcd^te, JRoboten unb Qtficnbtn julie^.
2)aS gro^e Sanb^au« war tt)ic au^geftorben, nur bie
^Beamten xoaxtti jurüifgeblieben, in banger @m)artung
il^re^ @d^ictjat§ unb i^rer 5ßcnfion. 2)ie ^errlic^ öer==
jierten ©öle, in »etd^en jur altliberalen Qdt bie
tönenben Sieben ber SSaterianb^erretter unb Befreier
in spe erfc^aUten, l^attc man längft bem ©it^erl^eitg*
aui^fd^u^, bem ®emeinberat, ben äBal^Imänneroerfamm^
lungen überlaffen unb fie nid^t toieber betreten tt)ottcn^
dermutlic^ um bie bittere Erinnerung an bie (Sutl^eiligung
ber f eubalen ^ßrad^tl^atten burd^ bie barin im SRärj auf*
genommene im))rooifierte ©tubentenbe))Utation bei einem
abermaligen ^nblicf bief ed jum @oIgatl^a geti)orbenen aft^
^iftorif d^en |>errenfi|cg nid^t ^d^mer jüc^^frud^tloÄ ju er^^
neuern. — SSerbenf t S^r ben nieberbfterreid^i jd^en ©täuben
i^ren ©c^merj? 3d^ nid^t ©ie l^atten jonft fpred^en bürfen,
allein fpred^en — in jebem ©inne — e3 achtete freitid^
niemanb barauf, aber gleid^ otel! SBenn ber Wltn]6)
nur jpred^en barf, ftc^ auiSfpred^en, fd^etten, brol^en,
fei'g aud^ uergebtid^ — eg l^ilft^ eö erteid^tert. ©tumm
fein ift gräpc^! S[ber ^(ö|(id^ fprad^ aOe mit unb
4. ©tubien (1849). 79
nur bte nieberöfterreid^ifc^en @tänbe mußten jc^tveigen.
SKu^ten? Stein. %ber fie fd^tt)iegen. Z)te SSebeutenberen
au8 i^ncn l^attcn il^tc ©tcttung begriffen — nämlic^,
ba^ fie feine me^r Ratten. @te fud^ten fid^ ba^er eine
neue, unb ba fie @eift unb Xalente befa^en, k)erftegen
fie ben alten ft&nbifd^en ^ferc^ ol^ne Dielen Kummer,
fd^loffen fic^ ber neuen ©ac^e an unb ti)urben SSoItS^
männer, 9Kinifier unb 2)e^utierte.
KQein bie übrigen ^rälaten, ®rafen, Ferren unb
Stitter fd^Iic^en fid^ ftumm gur ©eite unb toel^flagten
unb jamnierten wie bie trauemben 3uben. Unb »or*
über flagten unb janunerten fie benn? Über baS, toor-
über bie gauje übrige SBcIt fro^Iodte : ' über ben SSer^
luft i^rer $ri))ilegien. Unb xoa^ n^aren benn bad für
foftbare ^rit)itegien, bereu SSerluft einen f old^en Äumuier
red^tfertigte? 35a§ fie in Uniform auffal^rcn, gufammen==
ft^n, i^re ^äu^tid^en 9ngelegenl^eiten beraten, bie
$oftu(ate anl^bren unb bie ©teuern ben)iQigen burften.
SBo^I üerftanben: blo^ ben?iUigen — benn i^re ettoaigen
8(nträge unb SSorfteQungen bagegen ^aben in einem
falben Sal^r^unbert ju feinem Stefultate, nid^t einmal
ju einer erlebigenben Änttoort geffil^rt. — 3d^ gebe
ju, ba^ bie ^errfc^aft etn^aS unenblid^ Sodenbed unb
SleijenbeS l^at; aber ber blo^t @(^ein ber ^errfd^aft,
ber ©c^immer einei» ©d^eineS — nid^tS tt)eiterl Unb
barum nieberbfterreid^ifd^er £anbftanb! unb barum
jammern unb toel^flagen! 3d^ tann'S nid^t f äffen, nic^t
80 4. 6tuMen (1849).
begreifen. Sßer ntd^t gerabeju auf ben ^opf gefallen
ift, ber tonn unb toirb in einem lonftitutioneßen Staate
bei gel^öriger Xättgleit balb jel^nntal tnel^r ^nfe^en
unb aJiac^t gewinnen ate bie gefamten nieberöfter*
reid^ifc^en Sanbftänbe im alten SRegimente auc^ nur
ben ^nfd^ein bat)on Ratten ober ^aben tonnten. Sßer
aber auf ben Äo|)f gefallen ift, ber foü »eber £anb'=
ftanb fein, noc^ S)e))utierter, nod^ lonftitutioneQer ober
aud^ abjotuter SRinifter. S)er SSertuft eine« 5ßri*
Dilegiumd, befonber« eine« privüegiam onerosum toie
ba« ber ©teuerbetoilligung, ift alfo fo loenig ein SSer^
luft ate ber SSerluft ber roten Uniform! ^reilic^,
Keine @eelen Rängen an ^t)Uegien unb an roten
Uniformen! Slber ein fianbftanb, ein SSertreter be«
Sanbc« mu| eine gro^e ©eetc ^aben — eine ©eele
überl^aupt.
Sd^ tomme auf ben vierten @tanb. äBa« ift ba«
für ein 3)ing? Qu'est-ce que c'est que le qua-
triime 6tat? — 3)a« finb bie JBfirger unb JBauem,
öcrtreten burc^ JBürgermeifter unb ©^nbtfu«, toctc^c
jur guten atten Qtit ber guten alten SBiener S^^ung
auf bem $oftuIaten-£anbtage in fd^ioarjen 9)täntel($en
erfc^einen burften unb Dor ber Xäre be« @i|ung««
faale« Warten mußten. Später tourben fie ^ereirge*^
(offen, um bie ^oftulate fte^enben f^uge« anju^ören
unb lein äßort baju }u fagen. 2)ann gingen fie loieber
nad^ $anfe. @te l^atten n^eber ®i^ nod^ Stimme —
4. Stubien (1849). 81
baS moc^t, fie roaxtn nod^ immer in ber ©träfe, tueil
fie wx ein paar ^nnbert Sauren einmal rebelliert l^aben
foHen. ^od) iä) t)ergeff e ! 2)er £anbmarf d^ad ^atte noc^
im vorigen Sa^r (Dor bem Wt&ti) burd^gefe^t, ba| bie
SSürgermeifter nnb S^nbici fi^ nicberje^en unb fogar
fpre(^en bnrften, tuenn i^nen etn^aS ©ef^eiteS einfiel
— bamate fiel i^nen aber ni^ts ein.
Unb bai^ finb nun bie toftbaren Steckte, loel^e
bie SBürger Sßiend, nac^ bem eintrage bei^ $erm im
@emeinberat „faltifc^'' bel^auptet unb ft^ baburd^
{n^eifeföo^ne ba^ unfd^ä^bare &lvid errungen l^aben,
in bie n. ö. ©tänbe ate üierter ©tanb toieber einge=*
f^muggelt ju ttierben. 2)ie „intereffante S)e6atte" be^
©emeinberateg üerfi^ert freiti^ aud^, bie n. ö. ©tanbe
bürftcn regeneriert toerben. 3)ag meine id^ nun nid^t.
SBo nichts ift, ba ^at ber ^aifer bad iRed^t t^erloren.
2)ie alten f^eubalftänbe finb tot unb begraben unb
ein Xoter lann fi^ nid^t regenerieren, lann aud^ nid^t
ttiieber auferftel^en aU am iüngften Xage. (S^ fei benn,
bie alten ©täube loären nur fd^eintot, ttiie mand^er
beforgt, weil fie ftd^ je|t toieber betoegen — id^ glaube
aber, fie juden bb| galioanifc^. 2)ie Siener 93ürger=^
fc^aft ^atte folglich gar leinen @runb, il^r 9ie(^t ju
loinbijieren, ben unorganifd^en S3eftanbteil eine^ au^-
unb abgelebten £ei^namS auSmad^en ju bfirfen. ©oQte
aber ber öfterrei($i{^e 9iei($Stag, ttiie baS gu ertoarten
ftel^t, $rot)in}iananbtage befd^Iie^en, fo n^erben bie
C^tiftcn IV. 6
82 4. ©tubien (1849).
aBicncr SBürgcr o^ncl^in nid^t baöon au^gcjc^Ioffcn
bleiben, eS fei aU SBäl^Ict ober ©etoäl^Ite. S)ann
fommt aud^ bie 3^ttf tt)0 bic n. ö. ©tänbc übcrl^aupt,
beten früherer Organismus gegentoärtig geftort ift,
ben frif^en, fetten ^umuS abgeben toerben, aus toelc^em
ft^ neue organif^e ©ebitbe erzeugen foHen; bann mögen
fte baS geft il^rer Sluferfte^ung feiern unb baS SSater*
lanb burd^ il^re neubefeetten gtänjenbcn Seiber unb
©eftatten überrafd^en unb entjüdEen, toenngleic^. leine
roten Uniformen unb feine f^toargen SRäntelc^en baran
l^ängen foHten!
6. Der ßeiland.
(Sin Äönigreid^ für einen großen SRann! SBaS
jag' ic^? ©n Äaifertum — baS f^bnfte ber SBett —
Öfterrcid^ mit SJeutfd^tanb, ja l^atb ©uropa für einen
großen SJiann, für einen „3topoUon beS gricbenS'V
tvit fid^ ßouis 5ß]^itippe bamats f o gerne nennen ^5rte.
93eina]^e l^ätte er \xä) unter biefem ^errli^en ©einamen
in bie ©efd^id^te etngefd)toärjt! SouiS 5pi^ili|)pe ^at
aber ben ^rieben nid^t erhalten, er l^at bIo§ ben Ärieg
auf gefc§ oben.
%\xd) SKettemi^ toar eine Slrt fiouis ^ßl^itippe
— moins le roi. (£r öerf^ob gerne. I)er ©taatSfanjter
l^atte bic tfingft abgelaufenen peremtorifd^en griften
ber alten äRonard^ie folange erftredEen taffen, ba§ ber
^räfluftübefdieib ini^if^en bereits erfotgt toar unb in
4. ©tubicn (1849). 83
bcn ERärjtagen, bicfcn bcid^eibcnen unb fanften ©?€==
futorcn bcr SBcttgcfd^ici^tc, feine unabänberlic^e SSoU^
jiel^ung fanb. Stgenbjemanb fagte mir bamal^: „(S^
ift nid^t gefc^cit öon bcn SBiencrn, ba§ ftc ben SRctter^
nid^ fortfaffen. SBenn etoag neue« werben \oU, totx
foD'Ä benn au^fül^ren?" — 3^ fa^tc über ba^ naiöe
SBort — t^ toax ober nic^t ganj bumm. SBir brauchten
bamafö aQerbing^ ben SO^ann, ber uni^ ini^ rechte po^
litijc^e ®eteife bräd^te — aber ing lonftitutioneHe.
SBir brausten bcn SKiniftcr, bcn ©taattmann, ben
Staatsfünftier — nur moins le SDiettcmid^. SBir Darren
no($ immer auf bcn bcbcutcnbcn 3Jtami, auf bcn loa^ren
SKann ber neuen 3^tt-
iRun behauptet man freili^ bagegcn, ba^ )e|t bie
äRaffen ftd^ bcn^egen unb ba§ ein cinjclncr, unb
wär'g bcr ®rö§te, nid^tS öcrmögc. SBcit gcfcl^Itl ©o«»
(angc bie SBcIt fte^t, ^abcn äRaffen fic^ bcloegt unb
^abcn cinjclnc über bie 9)>{affen atled Dcrmod^t. 3d^
n^in cttoa bie äSblfcm^anbcrungcn auSnel^men, bicfcn
natur^iftorifd^cn 5proge§ — unb bcr erzeugte ft($ feinen
Sittila, feinen ®cnferi($, feinen Dboafer. SDcr ©eift,
biefeS gel^eimnigöolle ffitwa«, bewegt bie SBctt — »er
fagt unÄ, wie ber ®cift, ein neuer @cift in bie SRaffen
lommt? ^ebenfalls burc^ bie auSgegeic^ncten cinsclncn,
bereu jeber fotgenbc auf bie ©d^ultcm feinet SSor^^
gängerS tritt. SQcd, Wad gefd^ie^t, gefd^ie^t burc^
einjetne. @i^ gibt leine gro^e S^it ol^nc gro^c SKänncr.
6*
84 4. ©tubien (1849).
2)er äRann mag iDZofed ^ei^en ober %[Iej:anber, ^ritleS
ober SuIiuS (Sä\ax, fiorengo oon 9)>{ebici ober £ub«
toig XIV. ober iWa|)oIeon — immer ift e^ ein ein*
jetner, welcher ber Qdt feinen Stempel aufbrüdEt, toie
fie il^m ben irrigen. Gd fmb bie (^Ifigelmänner ber
9Renf(^^eit (Sine 3^tt fü^It ft($ nid^t befriebigt, f olange
fie nic^t in einem großen 9)>{enf($en il^ren t)oQen 9ni^«
brudE finbet. 2>a^er k)iettei($t jnm Xeil bie Unrul^e,
bie und je^t bnrd^einanber rfittelt. 2)ie 9)>{affen be«
toegen fi^ auiJ einem bnnllen Xriebe — Heine Seute
fül^ren fie an, ebenfo loinjige fte^en biefen gegenüber
— man mad^t SSor* unb 9lfi(!f c^ritte ol^ne 3^^^/ ^^^^
3iel: man t)er^anbe(t, p(t ein, n^artet ab unb fte^t
nac^ fru^tlofen ^äntpfen eüoa toitbtv am Sludgang^^
punfte. @i^ ift toit ein d^emifd^er ^oge^. ä^erfc^iebene
(Elemente l^aben fid^ aufgetöft, ber äRoment ber @&tti*
gung ift na^e, aQein eS fe^It no(^ baS Sermitteinbe,
bur^ beffen ^injutritt ber neu ju bilbenbe ^btptx
fogleid^ in fefte ^errlic^e ^ftaQe auffc^ie^en n^ürbe.
Sie SSötlertoanberung ber ^ßrofefforen in granffurt
l^at biefen SSermittler bisher noc^ nic^t finben lönnen
— fo fi|en fie benn in einen flüffigen örei aufgelöft
jufammen unb Darren t)ergeb(id^ i^rer ^iftaQifterung.
S)rum einen großen iDZann! Unb nod^ einmal unb
loieber: (Sinen großen 3!ftannl äBir l^aben lange leinen
gel^abt. 2)ie Sßelt fe^nt ftd^ nac^ il^m unb fie toirb
nit^t fertig werben, beöor er ba ift Unb au8 ßfter*
4. ©tubicn (1849). 85
ret^ mu| er lommen! S)enn in Öfterreic^ entfd^eiben
fic^ bic nöd^ften ©c^d^trfc bcr SBett^ unb Öftctrctc^ tft
noä) ftifd^ unb jung unb feine 3^W9iii^9**^ttft nod^
mä($tig — auc^ l^at eS bidl^er nod^ feinen rec^t großen
aWann ^eröotgebrac^t @em' möd^f id^ il^n euc^ üer^
fünbigen — aber td^ fel^e leine 3^^^^^ ^nb SBunber,
mie fie il^m t)orQu^ge^en foQen. @oQt' td^ i^n aber
erleben, unb wär'i^ im f|)fiten ©reifenalter, \o »iÜ id^
mid^ freuen unb jubeln unb ausrufen n)ie ber fromme
©tmeon: „$err, nun ta§ beinen Äned^t in ^rieben
fahren, benn meine Sugen l^aben ben (Erlöfer, ben
äReffiaS — fie ^aben ben 5fterreid^ifc^*beutfd^en §ei*
lanb gefe^en!"
7« Optikbe tSufcbungen.
$aum toax bai 93oß frei getuorben, fo erbtiiite
ed nichts ate eine unenblid^e $erfpeftit)e t)on Sßo^I^
fein, ®lnd, g^eube, ^rieben unb SBequemK^feit ffiine
lodenbe ^ta äßorgana jauberte ben btöben %ugen
ein neu eröffneteiJ, ta^enbeS ©d^Iaraffenlanb öor. 9lic*
monb backte baran, ba^ man je^t boppelt, ja breifad^
arbeiten muffe »ie frül^er — niemanb, ate ettoa bie
SKinifter, bie im ©^toeifee i^re« Ängefic^tS frofinten
wie bie fiafttiere, ol^ne ei^ irgenbeinem re^t ju
machen, ä^^^ar bie erfte Qtit ging'S prä^tig. Sleue
Scfen lehren gut unb ein neuer SRod fteibet gut. S)ie
guten Seute Ratten }tt)ar nichts weniger aU einen neuen
86 4. @tubien (1849).
"Stod, aber fie fingen ftd^ bie funfelnagelneue $re|«
freil^ett unb bie ^onftttutton in spe in bie alten ^op\^
lö^er unb ftolgierten überfelig bamit ^erunt. „^^ xoxtb
jd^on lommcn!" meinten fie. „S)ie anbern werben'^
fd^on machen!'' Sßad aber eigentlich fommen unb too
bte „anbern" l^erfommcn foßten, bie eS „\(i)on uiad^en"
n)ürben, ba^on n^u^te niemanb gu fagen.
Snjwifc^en feierten bie neuen ©ef en, bie SKinifter,
ganj tjortrefflid^. Da§ SBoIf toar unenblid^ ftolj barauf,
,,SeranttoortIic^e" ju befi^en unb befud^te fie aüe Xage.
SJom Antichambrieren war leine 8lebe me^r. 3eber
lief ju unb db, wie er mod^te, fragte, Ilagte, riet,
öcrbefferte na^ ^erjenSluft. Unb ber gute SRinifter
mu^te @tid^ galten — mu^te bomie mine k mauvaLs
jeu mad^en — fonft war'8 um feine Popularität gc*
jc^e^cn. Unb tna« ift ein fonftitutioneller SJiinifter,
wenn er nid^t populär ift! 2)a l^ilft il^m nic^t^, a(d
wieber ein absoluter ju werben. Unfer freier JBürgcr
fragte aber ben §en!er bama^, ob fein anno^ fon-
ftitutioneller ajiiniftcr erft nad^ äRittema^t an feine
eigentlid^en ©ef^äfte tam unb fid^ gegen iDZorgen taum
ein paar @tunben unrul^igen @d^Iummeri^ gönnen burfte.
§atte ber „@arbc" (fo unterfd^rieb er fid^ immer) boc^
längft im SBirt^l^auf e mit feinen gleid^gefinnten tJreunben
jufammen gefeffen, gemeinf^aftlid^ mit il^ncn bie liinf^
tige SJerfaffung beraten, über bie Shiffen gefd^impft,
über bie ariftofeatifc^en ©nglänber unb bie bemo*
4. ©tubien (1849). 87
fratijc^e grcil^cit l^o^ leben laffen. S)ann legte er fic^
aufö Dl^r unb fc^Iief toie ein ?ßrobft unb träumte üon
nichts atö üon lauter gal^nentoeil^en, SBerbrüberung^^
feften unb üon öermel^rtcm (Sef^äftgbetrieb — nur
njenn er bideö S5Iut l^atte, grinfte il^m bigtoeilen ein
Id^eu^Iid^er Äojaf entgegen ober ein hagerer JReaftionär.
ERan ftel^t ni^t immer auf, toie man ftd^ nieber='
(egte, unb bie Sßelt l^at ^eute )?15|{i(^ ein anbered
©eftc^t afö geftem. „SBa« ift'g nur mit unfern aJii*
niftcm? @ie tun nid^tg. SKein ßabcn, bcr fonft öon
Käufern nie leer würbe, ift je^t wie au^geftorben. 3)a8
fommt üon ber Sleaftion. Äein Qvoti^tl, bie äRinifter
»erraten unö — ja barum ift mir auc^ 6cut SWad^t im
Iraum ber Äojaf erjc^ienen!"
Unb ber arme SRinifter, ber geftern noc^ ein ^alb*
gott war, wirb nun plöllic^ gejd^mä^t, üerf^mäl^t,
t)erfoIgt. Aber feine ©d^ulb! S33arum ift er üetant*«
mortli^! @ic§ jetber ^ält niemanb mel^r für üerant*
wortli^, Weber für fein ftnIenbeS ©ej^dft, nod^ für
feine gefteigertcn Aufgaben ober für feine ©c^utben —
nur ben SKinifter, nur ba8 SWinifterium! Da« foll
regieren, aber ja nic^t ju öiet, joü Arbeit fc^affen, foß
ben $anbel lieben, bie Snbuftrie, foß bie fd^weren
Steuern abfd^affen, babei immer öoöauf ®etb l^aben —
Xäufd^ung, optifd^e Xäufd^ung!
SReue JBejen leieren gut. Slud^ neue S)e|)utierte.
§immet! wa^ ift baä für ein trepd^er SSoItemann!
88 4. ©tubicn (1849).
®r n)irb un^ t^on allen £aften befreien, Don aOen
abgaben — bic JBauem, bie SBürger, Sebermann! §o($
ber Siebermann unb 5ßatriotI 3u^l^e, ^unal^ unb
^adeljug! SSenige Sßod^en gelten ind £anb unb ber
Siebermann ^at bereits eine iDZi^trauenSabreffe erl^atten,
bie er ebenfowenig öerbtcnte, wie früher ben garfet
}ug. SDber toa^ l^at fid^ benn geänbert? 9lic^tö. 2)te
guten fieutd^en Ratten i^ren S)e|)utierten früher öon ber
SSogelperjpeltiöe betrad^tet; auf ber fernen SRebner-
bül^ne, t)om ^o^en S3alfon bed ^aufeS in pl^antaftifc^er
^arfclbeteud^tung toar er i^nen toie ein äRagier er-
fc^ienen, wie ein ttjunberbarer ^^uberer — jefetftel^en
fte il^m am nüd^tcmen ließen läge Ängefid^t öon An*
geftd^t gegenüber unb finben, ba§ er eben ein SRenjd^
ift, tt)ie anbere au^ — aber baS nehmen fte i^m übet!
Sie Ratten fid^ einen §albgott ertoartet, einen §erfuteS,
welcher ben ^ugiadftaQ in einem Xage ju reinigen
imftanbe wäre. Xäufd^ung, optifd^e löufd^ung!
SWeue ^Deputierte fe^ren gut. Sleue Soumaliftcn
aud^. Da« rabifale SBlatt ift unfer (ä&)angelium. 3e$t
wiffen wir boä), wie erbärmtid^ eS biSl^er juging, wie
aOe« anberS werben mu^, unb wie wir eS anjufteQen
l^aben. SBir lefcn tägli^ unfer Soumal unb mad^en
t)on Sät ju 3cit eine ©turmpetition. Slid^tS leidster aU
bag! Aber atteS in ber SBelt nu^t ftd^ ab — au^ bie
©turmpctitionen. SBir ftnb am ®nbc frieblidtje Sürgcr,
wollen Arbeit finbcn, Arbeit geben; bewaffnete SRufeig«
4. 6tubten (1849). 89
ganger gu emäl^ren, loiU nni auf bie £änge nic^t
taugen — befreit uuä üon t^nen, bie Äerte gel^rcn un§
aufJ Unb mer trägt bie ®c^u(b wn ad bem Unl^eil?
2)ie berflud^ten Soumaliften, bie und bai^ Derle^rte
3cug in ben Äo|)f gcfe|t. Sagt ftc baöon, jd^Iagt ftc
tot! — ®efagt, gcfd^e^en. Aber bie guten 95ürger irren
abermals. 3)ie Sournaliften fd^rieben nur, tva^ man
bamatö gern lefen mochte; ]e|t f einreiben anbere anberS
— unb um lein §aar beffer — tff* f^Iec^ter. ^^x lafet
bamald in ber 9}{orgenröte, ]e|t in ber ^enbbämme«
rung — ba« ift ber Unterf^ieb. Xäufd^ung, o|)tifcl^e
Xäufd^ung!
3c^ fürd^te fel^r, bie lieben fieute täujd^en ftd^ in
bem S(ugenb(i(f, lüä^renb ic^ bieS f^reibe, aufi^ neue.
3(^ toiU nic^t f agen in totm, 23tan lann an ben @e«
meinberat benfen, an bie ^anbetsfammer, ober an bie
Slationatbanf, ober an toai man toiU. 3)a«
@(^Iimmfte bleibt immer, loenn man fic^ an fid^ felber
taufest @o man^er ^äft ftd^ für bid unb er ift nur
gcfc^tooßen. 3n S^ittn einer großen Bewegung über^»
fd^ä^t fi($ faft ein jeber; adein fo gro^e @tttd(e er
auc^ auf fi^ fetber ffaii, f o ertoartet er ftc^ ba8 eigent«
tid^e ^eit bod^ im Stillen öon feinem Slac^bar — unb
fo einer Dom anbem. 2)abei glaubt man an Sßunber;
ba§ bie Ströme auftoärtd rinnen, ba§ ber S)omftraud^
3feigen tragen toerbe. 3i^r lad^t? — Aber too ift euer
neuer JRorf? SBo ift nur bie 5ßre§freil^eit im alten
90 4. ©tubicn (1849).
ftnopflod^? „(gg »irb j^on fommcn! Die anbcrn
tücrbcn'^ f^on mad^cn!" — 3(1^ glaube nid^t, ba§ c^
bic „anbcrn" mad^en — unb 3l^r aud^ nid^t. SBcr auf
bem SKccrc fcgcft, fic^t bic Blül^enbe 3nfet nal^ —
aber er crrci^t fte erft nad^ öicien ©cfal^rcn unb
©türmen, unb toenn er fie ctrei^t \)at, tff g ein toitbei^
eilanb, weld^em er bic fä|c grud^t ntit harter, fd^toerer
$lrbcit abgewinnen mu^. (Sr l^attc gel^offt, nur julangen
ju bürf en — c« war lauf d^ung, optif d^e Xfiuf d^ung !
8. Palingenefien.
92ad^ ben $]^ito{o))]^en bti Slltertumd ift bie ytatiix
aus einem (S^aoS entftanben, um ba^in jurttdjulcl^ren,
aber ftd^ neu unb looDfornmcn aus bemfclbcn wieber
gu erjeugen unb jwar im ganjen wie im einjctnen.
S)ie gourieriften fteücn eine ä^nlid^e ^^potl^efc auf.
9lad^ Courier ift unjere jd^öne ®rbe noc§ weit baöon,
bie ungeheure ÄuSbilbung erreid^t ju l^abcn, bereu fie
fällig ift. ©ie befinbet fi^ eben jefet in bem Slnfang
einer großen SScrwanblungSperiobe, bic eine Äleinigfcit
öon 35.000 3al^ren wfil^ren foH unb nad^ bereu Ic^ter
($ntwid(ctung benn cnblid^ ber ©prung auS bem S^aoi^
in bic „Harmonie'' erfolgen wirb. S)a8 ift bann bie
3eit, wo in ©ibirien Drangen blül^cn, wo ba8 SJiecr^
waffer nid^t mel^r fatjig, fonbem ungcfäl^r wie lieb*
tid^e Simonabe fd^metfen wirb. @i^ ift fcl^r begreiflich,
ba| ^aififd^e unb Ärofobite, wctd^e in ßimonabe
4. ©tubicn (1849). 91
f^iütmmen, Diel t)on tl^rem bösartigen (S^aratter loer-
licren unb fid^ nid^t länger bantit bcfaffen »erben,
SJienfcl^en unb ^ro|)]^eten unb ganje ©d^iffölabungen
ju t)erf(^IudEen. Courier i)ai bieS and) eingefel^en unb
biegen gewaltigen 95eftien, ben ©ft^ronnen ber äReere,
ba fte boä) nt^t mü^ig fein fönnen, baS nü^U^e unb
für il^re Äraft burd^aui^ nid^t täftige ©ef^äft an*
gewiefen, ben SRenj^en bic ©d^iffe burd^ bie fricb*
(idjen @en)äffer ju jiel^en. Überl^aupt n^erben aus aßen
früheren „mi^tungcnen ©d^öpfungen", tt)ie ber SBotf,
ber 2'6tot, ber Xiger uf». bei einem genaueren (Sin-
bringen in baS Softem ber 9latur lauter nufetid^e
„®egengebitbe" (contre-moules) entfielen, fo ftatt beS
SBoIfeS ein größerer ^unb, ein „Über^unb" (hyper-
chien), ber über Äbgrünbe f|)ringen toirb, troft ©entfen
unb ©teinbödEen, nnb guglci^ ein ^öd^ft friebli^eS
unb licbenSwürbigcS ^auStier abgeben, ©o tocrben toir
ftatt ber gifc^otter, bie unS bie leid^e öertoüftet, t)\tU
leidet fd^on in wenig Sauren einen „Überbiber'' (hyper-
castor) befommen, ber unS f^ifd^e fangen l^ilft. fifingere
3eit bürfte bie @c^ö|)fung bcS Jlntitöwen währen,
unfereS fünftigen SleitpferbeS. @o ein Äntilötoe wirb
breimat größer unb ftärfer fein, ali ein bermatiger
gemeiner »an Jllenfc^er fiötoe, unb auf il^m wirb ein
Siciter, ber am SRorgen öon Satai« ober JBrüffet auS*
jiel^t, fein grü^ftfirf in 5ßariS einnimmt, feinen SKittag
in Stfon unb feinen Slbenb in SWarfeitte jubringt, öon
92 4. ©tubicn (1849).
bicfcr Xagcrcifc tpcit minbcr angegriffen fein, ate ©oet^e
in feinem Berttl^ntten, bequemen @cl^lQftt>agen, in n^elc^em
er bie ^Belagerung üon SKainj mitmachte. —
^ bezweifle ni^t, ungteid^ fo bieten, fjourier^
lodmogonif^e ©pefutationen. 93teten fic^ mir bo($ in
ber politifdien äSelt ä^nlid^e ^lingenefien unb ))I&|(i(^
entftanbcne ©d^öpfungen öon „©egengebilbem'' barl 6*
fel^tt uni^ burc^auö nic^t an |)oIitifc§cn „Übcrl^unben"
unb „ÄntiWtocn". 6^ gibt auc^ ,,Übergemeinberäte"
unb „Äntiminifter".
3cl^ f etbft jä^Ie unter meinen Selannten öerf c^icbene
„§5perbeputierte". SBeld^e merftoürbigen „®cgengebitbe"
^at nur bie 3oumatifttf binnen hir jcm jutage geförbert l
©0 ift ein blutroter „3)emofrat" urplöfeüd^ }u einem
^armlofen „SBanberer" geworben;eine fur^tbare „Ootteö-
gei^el" l^at fid^ gerabeju in ein unfd^uIbigeS „greie^
Dfterreid^" öerfel^rt. ®iJ gab einen 5ßublijiften — einen
toal^ren üterarijd^en ^rotcug — ber auiS einem 9icpu==
blifaner unb Änard^iften in einen monard^ijc^en ^Jöbe*
ratiöiften mit giemtic^ ftarler beutfc^er fjarbung unb
aug biefcm fd^nurftrad» in einen fertigen ftarfen „|)t)*
perbfterreid^er" überging. S)ie JBertnanblung ging rafc^
t)or fid^, ba^ man taum mit ben Slugen f o(gen tonnte ;
aud^ mu^te man ba^ ,,®egengebi(be'' ganj genau be«
trad^ten, benn im erften ÄugenblidE war man faft
»erführt, eÄ für einen ftarfen „^^perflaücn" ju
galten.
4. Stubien (1849). 93
Sin anberer ^atte ft($ fc^on lange üor ben Wt&xi^
tagen umgetuanbelt unb bemjenigen gebient, toai man
bontali^ bie „gute @ac^e'' nannte. Se^t, nad^ ber großen
@taatdpalingenejie, xoüöft gen)iffe ©ubüentionen einbog,
mö($te er n)teber bienen, unb jtnar ber „über^guten
@a(^e'', bermutlic^ gegen eine „^^perfubt^ention''.
Mein loer möd^te ft(^ n^unbem, ba^ 3oumaIiften
unb gefeierte ©c^riftftetter ftc^ öeränbem, bercn tei^t
6en)egli(^e^ innere i^rer poetif($en 3latax na6) in einer
beftönbigen 3Retamorpl^o{e begriffen ift! ^aben boc^
^anj geioöl^nlicl^e unb ))rofaifc^e MtagSmenfc^en t)om
3R&r} bis 92ot)entber ade mögli^en @eftalten ange«
iwmmenl SBie mancher bureautratifc^e $aiftf^, aU er
in bie fü^e lonftitutioneQe Simonabe geriet, toaxh
plbi^id) jugänglici^ unb fanft unb t)ert(^Iu(fte feine
„Überprattilanten" gar nic^t nte^r! ®r l^alf ij^nen nic^t
nur bie Schiffe DoQ SUten }ie]^en, fonbem er gog ganj
aUein, loäl^renb fte ald wal^re „SBeamtengegengebilbe",
in 9tationaIgarbeuniform auf bie Sßac^e jogen unb baS
„J)eutfc^e SBaterlanb" ober ben „ßcbemen ^errn?ßa^)a"
fangen. t$rei(i(^ ^at bie SSertoanblung biefer „mi^^
lungenen 93eamtenf($öpfungen'' nic^t lange angehalten;
ber ^aifijd^ toeift jefet nac^ tt)ie öor feine bureaufca«
tifd^en 3^^^^ ^^'^ ^^^ beutfc^en Überpraltilanten ftnb
tDieber bie atten öfterreid^ift^en 5ßraltifanten ge==
loorben. @o l^aben auc^ bie frfil^er eingefd^üd^terten
SBörfetoölfe il^re alte Dietprojentige ®eftalt toieber an*
94 4. 6tiibicn (1849).
genommen unb ftnb nid^tö »eniger ate gebefferte „hyper-
chiens", Slur bie je^igen „Slntitbwen", bie SRinifter,
erfc^cinen toirflid^ größer unb [tarier at8 il^rc öan
Slfcnjd^en Vorgänger, bie tool^I burd^ bie üielen „^yptx^
intcr})eüationen",tt)eI^e fte auS bcmStegreifebeantoorten
mußten, il^re ganje Sötoenfraft eingebüßt l^aben mod^ten.
SBie follen toir un8 aber erft über bie atterlefete
unb gewaltigfte ^aüngencfte genugfam öemjunbem, über
bie Umn^anbtung be§ Sßiener 9fteici^§tagd in feine
„contre-moule", in ben Überreid^gtag in ^emfter?
ffir öerfa^t bort bie fc^önften $9|)ergrunbred^tc, »eld^e
man inSBicn unb DImü| mit ben fc^tagenbftcn ,, (Segen*
gebilben" beantwortet. SBal^rlic^, ic^ fürd^te nid^t nur^
jonbcm iö) l^offe auc^, tt)ir langen mit Sßäd^ftem toieber
beim (SS)aoi an, auS toelc^em bann ber @prung in bie
„Harmonie'* enbtid^ erfolgen wirb, toenn aud^ erft nad^
einer Äleinigfeit öon 35.000 ^al^ren.
3e|t tad^t über Courier unb feine 5ßatingenefien,
foöiel 3^r tooßt! Sd^ meinei^teite glaube mit gcftiglcit
an bie Slntüöttjen unb änti^aififc^e, an ba^ 3Reer üon
fiimonabe unb an bie Drangen in Sibirien — ja bie
le^tercn ftnb eigentli^ je^t mein eiujiger unb lefeter
Xroft.
9. ßinter der minorttät ftebt das Uolk.
5Wid^t leicht ift ein an fid^ toal^rer ®a% wie ber
obige, in fo üerfc^iebenem Sinne ausgebeutet worben^
4. Stubien (1849). 95
S)cr SRabilaliämu« l^ot i^n eigentlich erfunbeu, wenig'
fteniS il^n juerft in biefer t^affung audgef prod^en ; baS
^inbcrt o6er nic^t, ba§ fein 3nl^alt fo alt fei, wie ber
Staat, wie bie äBelt. äBenn ber patriarc^alifd^e @taat,
wenn ber Sl6fo(ntiSmuS ©efe^e gab, (Steuern aud«
fc^rieb, SRelruten auSl^ob, fo l^atte er immer ba« Solfö^
tDof)i im Suge ober bod^ im äRunbe; wagte e^ nun
einmal irgenbein Wiener 3Karqui8 5ßofa, bem Äbfo^
lutidmud entgegen ju treten unb il^m ju t^erfic^em, bag
baS SBoIf über biefe unb jene feiner äRa^regeln ober
über aDe miteinanber murre, fo belam er jur Änt«
wort: „Sie irren meinSefter! 35ag SSoIf ift jufrieben —
was ©ie murren ^ören, baS ftnb nur einige wenige
9Ri^t)ergnügte, benen ic^ bai» ^anbmerf fd^on (egeit
wi0."
SRoberner ÜRarqui« 5ßofa: Aber biefe einigen
wenigen ftnb öon SBebeutung: ^inter ber 3Rino=
rität fte^t ba« »olf.
35er ?tbfotute: @anj gewi^l ^inter mir. Sd)
bin bie wal^re äRinorit&t.
9Ran fielet, wie man jur 3^^^ ^^^ ^foIutiSmuS
mit ben SSSorten fpielte — unb mit bem Soße.
%li bie äRenf^en ber X^rannei eines ein3igen
enbli^ überbrfiffig würben, ba erfanben fie ben Äon-
ftitutionaliSmuS ober bie X^rannei ber mehreren. 3ebc
SReprSfentatiööerfaffung berul^t auf ber poetifc^en ^it^
tion, ba§ ft(§ bie SBal^rl^eit ate folc^e burc^ Slbftim*
96 4. @tubieit (1849).
mung l^erau^bringen (äffe, unb jti)ar in jebem beliebigen
SRoment, wann unb tt)o immer bie SSoIteöertreter bet:=
fammen fi^en. 35ie mobeme SBelt ift t)on ber Untrüg*
ixd)ttit biefer f^ittion fo DoQIommen äberjeugt, ba| fte
fte fdbft auf ba« $ö^fte unb $eitigfte im Seben an*
getoenbet toiffen »iQ — auf bie Religion. @o l^ab'
id) t)or einigen 3<^^ren in ber ©^nagoge ju t^rantfurt
einer SCbftimmung über ben äRefftad beigen)ol^nt. (SS
n^arb bie f^rage aufgeuiorfen, ob ber ^eilanb, ber ba
fommen foQ, aU eine Sbee, ob er l^iftorifd^ ober gar
poKtifc^ aufjttfaffen fei. 3)er })otitifd^e üReffia« erl^iett
bamafö gar feine @timme — n^ad l^ätte il^m aber aud^
an bem @i|e beS SBunbedtageS bie glänjenbfte äRajo«
ritöt gel^olfen? Über ben l^iftorifc^en ^eilanb tourbe
lebl^aft geftritten, jule^t trugen bie 3beaßften ben @ieg
bat)on. 3Rit einer äRel^rl^eit t)on eüoa einem Z)u|enb
(Stimmen n^urbe bie äReffiaSibee angenommen unb bie
ortl^obo^en Suben blieben mit il^rem juliinftigen l^ifto«
rifd^en üReffta« in ber üRinorität — ic^ wei^ nic^t,
ob bad gefamte jübifc^e äSoIf ettoa bal^inter fte^t.
(SS fommt übrigeniS fel^r Diel barauf an, toer
abftimmt unb n)o abgeftimmt n^irb unb unter xotiäjtn
SSerl^ältniffen. 3d^ toette meinen fio})f, toenn id) einer
Serfammlung rol^er, untoiffenber unb ungebilbeter
Wlm\cS)en @tü(fe Don @l^atef))eare unb ßo^ebue t)or«
(ege unb fie abftimmen laffe, xodö)tx Don beiben ber
beffere bramatif^e 3)i(§ter fei — ba§ ber leicht fa|*
4. ©tubien (1849). 97
(tc^e ^o^ebue ol^ne aQen B^^^f^t ^i^ ^^^^^ impofanten
9Kajorttät au« bcr Urne J^cröorgcl^cn toirb. 3ft ©l^alc*
jpcarcbatum toirflic^ cmf^tcc^tcrcr3)i(§ter? SRcin! @o=-
menig aU ber üReffia« burc^ SBaQotierunggerabegu aud ber
jübif (§cn SBctt l^intocgbelrcticrt toirb. §intcr ber üRino*
rität ftel&t ba« SSoß — ftc^t bi«to eilen S^alefpeare
unb bcr SBelterlöfer.
„hinter ber aRinorität fte^t ba« SBoII" — fo
riefen bie S3arrilabenmänner in granifurt unb tauf c^tcn
fid^ öermutti^ — roenigfteni^ f)at ftd^ „bai Soll" nic^t
jel&en laffen. „hinter ber SÄinorität ftc^t ba« 8Sot!" —
\o rufen bie ÜRinifter^ toenn fte in ber Kammer in
einer Hauptfrage teine äJ^ajorität jufammenbringen
fönnen, unb täufd^en fic^ DieUeic^t gleid^faQd. „^tnter
mir ftel^t ba« SBoII" fagte ber «bf oluti^mu« unb täufd^te
fid^ nic^t minber. (Sin jeber tniQ bie äJ^ajorität für
fid^ gen)innen, unb n)enn'd i^xa nic^t gelingt, beruft er
ftd^ auf bie ÜRinorität. SBo wiK ba« l^inau«? SBo ift
ba bie äBal^rl^eit? 38ie fann man ju il^r gelangen?
Über 3been Iä|t fic^ nid^t abftimmen, tno^I aber aber
prahifc^e a)tnge. SBoüt 3^r wirllid^ ®efe^e, SRec^te
unb ^flic^ten, bürgerliche Ser^ältniffe unb (Sinrid^:=
tungen burd^ Äbftimmung einführen unb feftfteHen, fo
galtet md) an bie äTiajorität (Sin ättinifterium, tnelc^eS
fi(^ i^rer nid^t erfreut, mu§ abtreten — bie Dppofition,
»eld^e eine 9lieberlage erleibet, abwarten. Seruft ftc^
aber eine jebe Partei auf bie aRinorität unb auf ba«
98 4. Stubten (1849).
^olt, toetc^eS bal^inter [teilen f oQ, \o l^altet 3^r bamit
ben @c^Iunb ber 9let)oIutton beftänbtg offen. Unb bie
9{et)oIutton ift bie SerjtDeiflung! ®tn täd^tigeS Soll
joH aber nic^t in einem fort öerjwcifeln. — ©oöiel id^'«
begreife, finb ba^ einjige üRittel, eine vernünftige 9Äa^
jorität }u er}ie(en, gute fReid^dtagi^n^a^Ien. SBenn lauter
el^rlid^e, Derftänbige unb erfal^rene üRänner, ober bod^
i^rer eine übermiegenbe äReJ^rjal^I, in ber Kammer fi^en,
f toirb ba« 95otI batb nid^t mel^r l^inter ber üRinorität,
fonbem hinter ber üRajorität bei^ Steic^dtageiS ftel^en
unb aus einer folc^en Hanauer n)irb bann aud^ ein
tool^red t)oItdtftmIic^ei^ äRinifterium l^ert^orgel^en, l^er«
üorgel^en muffen, ^a^ fann unb n^irb aber erft gef c^e^en
bei längerer unb forgfältigerer Übung ber parlamen*^
tarifd^en 35ebatte, bei größerer Äu8* unb J)ur(§bilbung
beg gefamten SSotfe« unb feiner Vertreter. SBorber*
l^anb möchte td^ einer jeben Partei üRä^igung and
|)er} legen unb Siac^ftc^t mit ben ©d^toäd^en ber anbem.
Seffen bebarf au(§ eine jebe. Unfere äRinifter finb nod^
lange leine 5ßitt'S ober ^ßeers, unfere 3)eputierten feine
S3urle'ÄoberD'ffionneII'«,unbunfer95otf mu§ erft bal^in
fommen, eind gu n)erben. 2)arum a(i)M Dorl&ufig bie
9Raiorität, h)enn fie auc^ je }un)eilen etoaiS minber
SJernfinftige» befc^Ue^en fotttc — ein fje^ler ift balb
n^ieber gut gemacht, eine @etoaIttat nic^t fo leidet.
§inter ber SRinorität fte^t ^äufig bie SBemunft unb
bie SBa^rl^ett — aber eS ift nid^t ju beforgen, bajj
4. @tubten (1849). 99
fte beftanbig überftimmt toerbe. @otrateiS mu^te freiltd^
ben ©d^ierlmg^bed^er trinten, ben i^m eine „im^ofante
SWojorität*' batrei^te, aber bic SBelt lernt fc^on über
ffl)tx Sal^rtaufenbe t)on iffxa.
^rum frtfc^ unb fü^n, bettor'd ju ]pätl
Sud^ mug ftc^ $ers unb (Steift oerbinben,
^eim hinter ber SHnorität
3ß bod^ }ulett baS Sol! su ftnben.
10. Die 6utge(innten.
2Bir ^aben je^t ntd^tö ald lauter ,,@utgeftnnte''.
3)ai^ ift fel^r gut. Sin @utgefinnter! Sßad tann einer
@r&^ered fein? (Si^ ift baS ^öd^fte (El^rentoort im (Staate.
äSeit me^r ate (SjrjeQenj ober fonft ein b^jantinifd^er
litel! Äriftibe« tnar feine SEjeöenj^ er tnar aber ein
®utge{tnnter. @oIrated, 2)emoft]^ened auc^. f^reilid^
tt)urbe ber erfte ffir feine gute ©efinnung öerbannt,
ber gttjeite genötigt, Oift ju trinlen, ber britte tranf
ei^ freiwillig. Qt^ ift fc^ftn öon unfern ®utgeftnnten,
ba^ fte fid^ burd^ bai^ üble Snbe il^rer Sorg&nger nic^t
abfc^rerfen laffen, ju bleiben, wa« fie pnb — @ut=
gefinnte. @ie retten bantit ben @taat. (£in gutgeftnnter
äßinifter tann $eil über bad gan}e £anb verbreiten,
ein gutgeftnnter 35eputierter ou(§. (Sin gutgeftnnter ®e=
meinberat ober SBertrauen^mann n)irft in einem fleinereii
^eife — fo l^erunter biä jum gutgefinnteu SBal^tmann
unb Unoal^Ier. 9tur mu^ man fid^ in irgenb einer äßeife
7*
100 4. (Stubictt (1849).
beteiligen, ©in blofe gutgeftnnter — ©utgefinntcr ift
gar ju toenig. ?lber unjere ©utgefinnten toaren aller*
bingg etoa«. Sie »areti ®arben. SRur toenn'^ „}u
etwaig lam", fd^icften fte ©teQöertreter. 35a« ift öer*
nünftig, anö) patriotifd^; man mu^ fid^ auff))aren. ®ie
fparten fic^ aud^ auf bid nad^ bem 18. 3itai, too fte
tum legten mal mit @äbel unb %)(i)ato nad^ ber SRa^
tionalbanf liefen, um — Oelbfätfe l^erau* ju tragen,
©eitbem fparen fte bie Mingenben 3tt>anjiger auf unb
bereifen ftc^ mit ^apierfd^nifteln. @})äter]^in liefen fte
fic^ in ben fonftitutioneQ^monarc^ifd^enSSerein einschreiben
unb trugen jc^toarj*gelbe ©änber. 8lm 26. ÜRai liefen
fie freiließ baöon — bafür aber auc^ am 6. Dltober.
3m Sioöember famen fie wieber jurücf, fd^rieben ®anl*
abreffen, ftedften »ei^e gci^nen au« unb tnebelten bamit,
xoai eine il^rer £iebUngSbef(^äftigungen ift. Unb fie
toebetn jebem ju, ber juft am SBrett ift: ©tubent ober
©olbat, S)eutfd^er ober Äroate — baS gilt i^nen gleid^.
SJtan fte^t, bie ©utgefinnten toaren anwerft tätig. Unb
eg ift gar nid^t toal^r, bafe fie g^inbe ber greil^eit
finb! 9lic^t einmal ber bemotratifd^en ^rei^eit! 3c^
fetbft l^abe ©utgeftnnte gefannt — unb obenbrein fünf-
})rojentige, fonft eine geföl^rtic^e ©attung — toeld^e
nod^ im Suni unb 3uli t>. 3- ben 2)e))utierten Don ber
fiinlen glänjenbe fjefte gaben unb ?lrm in Arm auf
ber Strafe mit il^nen herumliefen. 3e§t freilid^ fc^reiben
fte i^nen ÜÄi^traueni^abreffen — bag ift aber nur
4. ©hibicn (1849). 101
JBcrftcBung, 9iedfcrci, ©d^clmerei ! — ^d) bleibe babei,
eS ftnb Derftedte Stabitale, Z)emagogen, Z)eutf(^tümler,
unb id^ benunjiere fte l^ietnit. SSarum ^aben fte im
Sufi ber J)emofratie gcfte gegeben! — 3^^^ ^^ biefem
?lugenbIidEe üerläugnen fte fte wieber, toie ?ßetru8 ben
^erm. 2)ad mad)t, bie S)emo{ratie ift je^t nic^t mel^r
„ber ^tn**, fonft würben fte fie öielleid^t behängen
unb befadfeljugen. SSorber^anb fällen fte fte aber
lieber getreugigt; nad^ bem SSunf(i^e il^red neueften
fiiebüngi^fc^riftfteller«, beS ©Eminifterg §errn ®uigot,
tüeld^er ber üertofinfcl^ten 3)emoIraten mit feinem 5ßorte*
feuille leiber nic^t ^err werben lonnte, fie bagegen
&u^erft oßdlid) mit feiner Ileinen 93rofc^äre beläm^ft.
S)ie ©utgefinnten finb leibenf^aftlid^e Änpnger
ber Sht^e unb Orbnung. (Spitur^ „SBoHuft in ber
9hi^e" ift il^r l^öd^fte^ ScbenSprinjip. J)arum loben fie
anä) bie „gute ^effe'\ nämlic^ bie ruhige 5ßreffe. Unb
in ber lat! SBir genießen je|t fel^r üiel woHäftige
^re^ru^e. 3)ie gutgefinnte ^ef(e beunrul^igt niemanben
als etwa ben Steid^dtag, wenn er bisweilen Wagt, fic^
ein Kein Wenig bie „Sßottuft in ber ^Bewegung'' gu
gönnen. @d^on baS SBort „93ewegung'' fe^t bie &\xU
geftnnten au^er fid^; bei bem wirtlichen (Srfd^einen
einer S3ewegung brandet man fie nic^t erft gü erfuc^en,
fxd) rul^ig gu üerl^alten — fie bleiben'« o^nebem- Sie
rühren fic^ iiberl^aupt nur ungern unb leben ald gute,
frieblid^e 93firger in l^SuSlid^er unb bbrSlid^er Sntnd'
102 4, ©tubien (1849).
gejogen^eit, o^ne ftc^ jemate ju (El^renämtem ober
bürgerlichen S3ebienftungen ^eran ju brangen. 3^^^
im @emeinberat ft^en beinal^e lauter ®utgeftnnte unb
fte befc^Iie^en aud^ nic^tö a(8 ©utgejtnntei^, tDenn f!e
biStoeilen befc^Iu^f&^ig toerben. (Ei^ ftnb aber nur
,,Untergutgefinntc''; bie Oberen, bie SSielprojentigen, bie
eigentlid^en 9labobS ftnb unter ben SBanIbireltoren }u
jud^en, Xoo bie gute @eftnnung fo rec^t mit Jßöffeln
unb guten 2)it)ibenben gegeffen n^irb.
Z)ie ©utgeftnnten ftnb übrigen^ lauter Patrioten,
lauter eble Saffitte'd. 93etanntli^ ^at ftd^ ber (S^ren«^
mann Saffitte im 3a^re 1830 ber neuen @ad^e an^
gefc^Ioffen, nad^ feinem Sludtritt auS bem äRinifterium
fein $au8 liquibiert unb aDe feine @(äter üertauft, um
baS 2)efi3it ju becfen. Unb ba^ n^ar obenbrein bio%
ein fiinler, ein SRabifaler — lein ©utgeftnnter! Unfere
äSoQblut^utgeftnnten ma(i)tn*i aber gau} f o tote er. 2)er
fleine ^Bürger l^ungert, ber tieine 93eamte gibt einen
Xeil feiner tärglid^en S3efoIbung ab, arme Sßitioen unb
SBaifen fteuem il&ren legten ©ilberlbffet bei — toaS
foU bad! ^a^ ift ein Kröpfen ini» 9Reer. %)a^ Staats^
bubget toeift in einem äRonat ein 2)efiiit oon na^e an
neun SRiHionen auf — toa« Reifen ba ein paar ®itber==
löRet? !Die ,,gute ?ßreffe" finbet freiließ, bafe ba«
^efi}it ein Uralter ^appenftiel unb nid^tS U^eniger aU
beunru^igenb fei. 2)emungead^tet gibt e8 eine SRenge
fc^n^a^er ftöpfe, meldte gonj geloaltig ben ^opf bar^
i. etttbten (1849). 103
Über f c^fitteln. Sefyt gelte ti, meinen fte, bem @taate
fretoillig gto|e Opfer ju bringen! 2)ie ©utgefinnten
miffen baS, unb fte ^aben ftd^ aud^ im @ti((en feft
vorgenommen, ben Staat um jeben ^ei8 gu retten.
@ie l^oben nic^t ettoa erft ba^ alte Softem gehörig
au^gepre^, unb atö nid^td mel^r baran ^ju t^erbienen''
\»ax, \xd) toie bte 93IutegeI an baS neue angel^äfelt —
feineStoegS! @ie benü^ten aud^ nid^t iebe Verlegenheit
beS @taate8, jogen etloa Vorteil aud feiner ©c^toäd^e,
[topften ftd^ bie Clären in, atö er laut nad^ $i(fe
fc^rie, unb tofirben il^m, loie fo mand^er irrig n^ö^nt,
gleic^giltig ben Stücfen feieren, toenn er erft DöQig in
Agonie I&ge, um mit bem geretteten üRammon na^
Smerita ju n)anbem ober auf ^attfomien ju fpe-
tulieren, falld etn^ad babei „l^erauiS fd^aut'' — nid^td
))on aDebem! @ie l^ietten aud^ nid^t, n)&]^renb fie bem
minifterieOen Programm gujiubelten, ü^re 9lei{etoffer
gepaA unb gute Xratten auf £onboner $&ufer in ber
lafd^e bereit — ba8 ftnb Verläumbungen ber „SB&l^ter!'*
Unb gefegt, aOeiS »erhielte ftd^ fo, loie und bie „^'ii--
gefinnten'' glauben ma^en toollen, n^ad totittt? 2)ie
©utgefinnten tooHen ben Staat retten — ba8 ftel^t feft.
»er iji benn ber ©taut? Sie ftnb'8. L'ötat, c'est
moi. Um i^re ^aut l^anbelf 8 fid^, um i^re Rapiere,
©ie l^aben brau öerloren, fie muffen wieber gewinnen —
unb fie toerben'iS aud^. Unb wenn fte gewonnen ^aben,
fo ift ber ©taat gerettet. Quod erat demonstrandum.
104 4. ©hibieit (1849).
3^ ücriaffc mid^ auf bic ©utgcftnntcn. ^ijxt ^äS^i
ift fiegion. 2)ie ©utgefinnten unb SBielprojenttgen,
tpeld^e einjig unb aQein ber @taat ftnb, toerben^ muffen
bcn ©taat, fid^ f clbcr retten ; fie finb eine ftarf e, mäd^:=
tige, \a bie aDereinjige gartet, unb fie n^erben ein
neue«, ftarleS Öfterreic^ grünben, xodäft^ fie eigentlich
tt)ieber fetter finb. üRögen fie miö), il^ren innigen SBer*
e^rer, baran Anteil nehmen laffen I Zivio bie ©utgefinnten.
11. Die Frauenwelt.
Z)ie {Romane unb 9(Imanad^e mit eleganten Ferren
in ®(ac6^anbf(^u^en unb ^njen im Snfognito finb
(ängft 0erfd^n)unben unb ^aben ben @taati^}eitttngen
weid^en muffen, bie lange nid^t fo profaifc^ finb, aU
eS ben Slnfc^ein l^at. Z)arin treten junge 2)eputierte
auf, SBotförebner, »erbenbe SRinifter. SBeld^ ein
neues f^elb für ein aRäbd^enl^erj! Z)er fd^toarsfodEige
Süngling, beffen feurige JBIicfe nur Derfto^ten ben
feuchten Äugen beg SÄäbc^en« begegnet — benn er
burfte niemals in« ^auS — ber arme, unbelannte,
©önner fud^enbe, Unterrid^tSftunben erteilenbe, bilb*
l^äbfd^e junge äRann ift plö^Iid^ ber $elb beS XageS
getDorben! ©einer Stimme laufd^t baS Sßolf, t)or feiner
5eber gittert bie ®e»alt — aud^ bie üäterti^e —
benn, o SBunber! ber ftrenge JRegiftraturSbireftor, ber
S^redfen feiner 5ßraftilanten, ber feiner lod^ter, fommt
9<^ni gegen feine ©etool^n^eit freunblic^ läc^elnb nac^
4. ©tubicn (1849). 105
$aufe^ er bringt jur SD^ttagSftunbe einen jungen
gremben mit, bem er aUt S^ren ertoeift — bei Xifd^e
fommt ber junge Solfömann neben bem äRöbd^en ju
fi^en — man braud^t fic^ nid^t me^r öerftol^Ien }u
betrad^ten, man fie^t fid^, fpric^t ftc^ iCLQÜä), aUtixi,
o^ne läftige StVLQtn, benn ber bureaulratijc^e Sater ift
plö^Iic^ toie umgen^ec^felt! @r a^nt bie nal^enbe @(rö^e
feine§ neuen ©ünftlingg, ber balb fein ®önner toerben
lann . unb il^n felber bann beförbem, i^n toenigftenS
auf feiner ©teQe erl^alten fott!
D über bie l^immlifc^en ©tunben einer leimenben,
wac^fenben, jugcnblic^en Steigung! 3)er ffi^e SReij ber
rul^elofen Bewegung ber Seete, beS ©emfttg, nod^ er*
^ö^t, üergeiftigt burc^ ben raftio« brängenben ©türm
ber Sdi, ber ©ejc^idfe eine« großen SJatertanbeg ! —
55er junge SRebner entreißt fid^ ben Sinnen ber ©eliebten
unb eilt ins ^Parlament. SBie begeiftcrt \px\6)t er ^eute
für baS ©infammerf Aftern! S)ie entjüdCte ©alerie a^nt
nic^t, ba§ ber gtül^cnbe ©trom feiner {Rebe in bem
SBufen eine« ÜRäbc^enS feine Duelle l^at. — Unb ber
?trti!el im SoumaU ©o feurig, fo überquettenb, fo
menfc^Iic^^publisiftifd^ fc^reibt niemanb, ber blo^
3eitunggtefer t)or Äugen f)at — fo fc^reibt nur ber
@tütfli(i^fte bet ©terbtiti^en, ein junger verliebter 35e*
mofrat, bem feine politifc^e Oöttin in ber l^olben @e*
ftalt eines freil^eit* unb liebetrunfenen SRäbc^enS
lebenbig öerlörpert entgegen trat! —
104 4. ©hibictt (1849).
^6) Dcriaffc mid^ auf bic ®utgcftnntcn. S^rc 3^^^
ift ficgion. J)tc ©utgefinntcn unb SSielprojcntigcn,
meldte einjig unb aDein ber @taat ftnb, tperben, muffen
bcn ©taat, ftd^ fctbcr retten; fie ftnb eine ftarte^ m&d)^
tige, ja bie aUereinjige 5ßattet, unb fie »erben ein
neues, ftarfei^ Öfteneic^ grünben, n)eI(^eS fie eigenllid^
wieber fetter finb. SKögen fie mid^, il^ren innigen SBcr*
el^rer, baran Anteil nel^men (äff en ! Zivio bie ©utgefinnten.
IK Die Frauenwelt.
3)ie Stomane unb SHmanad^e mit eleganten ^erren
in ®(ac6^anbfc^u^en unb ^njen im Snfognito finb
(ängft 0erfc^n)unben unb l^aben ben @taatd}eitttngen
meieren mflffen, bie lange nid^t jo profaifc^ finb, al8
eS ben Änfc^ein §at S)arin treten junge J)eputierte
auf, SSotterebner, toerbenbe äRinifter. SBeld^ ein
neues f^Ib für ein äRäbd^enl^erj! S)er f^tDarjIocfige
SüngUng, beffen feurige S3Iidfe nur Derfto^Ien ben
feuchten Slugen beS ST^äbd^enS begegnet — benn er
burfte niematö inS ^auS — ber arme, unbefannte,
QJönncr futi^enbe, Unterriti^tSftunben erteilenbe, bilb*
^äbfd^e junge üRann ift ))I&^Ii(^ ber $e(b beS XageS
geworben! ©einer Stimme laufet baS SSotl, üor feiner
5eber gittert bie ®etoalt — aud^ bie üätertid^c —
benn, o SBunber! ber ftrenge SRegiftraturSbireftor, ber
Sd^redfen feiner ^ßraftilantcn, ber feiner lod^ter, fommt
Q^H d^9^n feine ®en)o]^n^eit freunblic^ I&c^elnb nac^
4. Stubien (1849). 105
^aufe^ er bringt jur SKittagSftunbe einen jungen
3rremben mit, bcm er aQe (S^ren ertoeift — bei %x]ä)t
fommt ber junge SSoItdntann neben bem äRabd^en ju
ft^en — man brandet ftd^ nic^t mel^r Derfto^Ien ju
betrad^ten, man fie^t p^, fpric^t jt^ täglich, allein,
o^ne täftige StuQtn, benn ber bureaulratif d^e Sater ift
ptö^Iid^ n)ie umgetoec^felt! @r a^nt bie nal^enbe @rö^e
feine« neuen ®ünftling«, ber balb fein ®önner toerben
fann unb il^n fetber bann beförbem, i^n wenigftenä
auf feiner ©teile erhalten foH!
D über bie l^immlifc^en ©tunben einer fcimcnben,
ttjad^fcnben, jugenblid^en Steigung! S)er fü^e SReij ber
rul^etofen ^Bewegung ber ©eele, be« ©emiitg, nod^ er^
l^ö^t, Dergeiftigt burc^ ben raftloS brängenben ©türm
ber Stil, ber ©efd^idfe eines großen SSaterlanbe« ! —
S)er junge SRebner entreißt fid^ ben Armen ber ©eliebten
unb eitt ins Parlament. SBie begeiftert \puö)t er ^eute
für baS Sintammerf Aftern! 3)ie entjäd(te Valerie a^nt
nic^t, ba| ber glü^enbe ©trom feiner Stebe in bem
SBufcn eine« ÜRäbc^en« feine DueQe ^ot. — Unb ber
?[rtifel im Soumat! ©o feurig, fo überquellenb, fo
menfd^lic^*})ubli5iftifd^ fc^reibt niemanb, ber bIo§
3eitung8lefer t)or Äugen l^at — fo fc^reibt nur ber
©lütflic^fte bet ©terbtid^en, ein junger verliebter J)e^
mofrat, bem feine potitif^e ©öttin in ber l^otben @e*
ftaft eine« frcil^eit:= unb tiebetrunfenen ÜRäbc^en«
febcnbig öerförpert entgegen trat! —
106 4. ©tubien (1849).
3Jtan tnu| nid^t glauben, bajs irgenb eine 3bee
im Seben fräftig SBurjel faffen fann, toenn bie grauen
fte nid^t begünftigen. 2)aS ^olfötum |e|t fid^ nid^t
äu^erlid^ an, eS toiU t>on Snnen l^erauStoad^fen unb
eS gibt feine eckten Z)emo{raten — o^ne 3)emo{ra^
tinnen. 3)ai^ n)eibli(^e X)emotratentum fel^It und l^eut^
jutage nid^t — fogar bi8 jum geföl^riic^en Älub Der*
bietet. @onft lag tooffl aud^ ein geniiffeS Sbfoluti^
ftijc^eS in ber grauennatur, toie eS in einer Sutretia
99orgia ober ^at^arina üon üRebicii^ jur (Srfd^einung
fant; aber ed tt^ar il^m bod^ ftetd bie £eibenfd^aft bei^
gemifd^t, bie il^m ben Slnfc^ein bei^ Großartigen t)er*
liel^. Son einer jal^men X^rannei, n?ie fie in 2)eut{d^«
lanb t)on 3R&nnem audgefibt unb gebulbet n^arb, n^oUen
bie äSeiber nid^td n)iffen. 3)arauf beruht aud^ meine
Hoffnung auf bie beutfc^e ß^^^nft 3)ie äRac^t ber
grauen ift groß; n)ai^ fte n)oQen, bad gefd^iel^t äSenn
bie ie^igen grauen für ben Slbfotuti^mu« toären —
außer bem il^rigen — fie bräd^ten SUiettemid^ jurüd,
unb i^ glaubte nic^t nur an bie 9leaftion — id^ machte
fie fe(ber mit Qmn @lnd l^aben fi^ unfere fc^önen
9Rär2«begeifterten äSienerinnen nid^t fo rafd^ abtül^Ien
laffen, n^ie il^re äJlänner unb Siebl^aber. Z)ad mac^t,
bie grauen befi^en mel^r ^l^antafie als bie 99anlierd
unb ^ofräte, benen fie angetraut ober verlobt finb^
barum feigen fie aud^ in irgenb einer $^afe bti ))oIi«
tifc^en ober fogialen £ebeni^ nid^t gleid^ ben Slui^gang,
4. ©tubicn (1849), 107
jonbem entbecfen me^r einen Übergang. X)ie ^auen
^aben ober auc^ einen feinen, berec^nenben 93erftanb;
bamit unb mit il^rem jarten ©efäl^I taften fte in bie
3utunft 2)ie SKänner toiffen nur baiS ^agmatifd^e,
bie ^auen erraten baS ^oetifd^e ber ©efc^ic^te.
Sebe ^au ift eine ^Qtl^ia unb äßeUeba, bie il^rem
äRann bie S^I^tift voraus Dertünbigt; fo man(i^er
@QbiQe ober ßaffanbra n^irb nur (eiber üon ben j^ifto«
rifd^gebilbeten unb eingebilbeten SRännem nic^t ge^
glaubt, ^rg id^ bin äberjeugt, ba^ bie ^^reil^eit eine
äBal^r^eit n^erben tt^irb, toeil bie grauen an il^r feft:^
galten. 3)enlt an bie äJhttter ber ©racc^en, an $ortia,
an Subitl^, Sl^arlotte Sorba^ — an 93ettina, Henriette
Stiegli^! SSo immer eine 3bee fic^ am frud^tbarften,
jugleid^ auc^ reigenbften offenbaren toiU, ba nimmt fte
bie @eftalt beS SSeibeS an, ber liebenben üRutter, ber
treuen @attin, bed begeifterten äJtäbc^enS. äSal^r^aftig,
bie äRotronen bett)o^nen noc^ immer bie gel^eiligten
^aine unb bie Jungfrauen bergen ftc^ im Xempel ber
$efta, um ba8 ^eilige f^uer ber Siebe ju n)a]^ren unb
ber ^ei^eit!
12. 6erd)id)te eines Jlltliberalen.
Sr ift mit bem Sal^r^unbert geboren unb ^atte^
nod^ taum ein Säugling, ben ä33elt(amt)f mitgema^t,
welcher bie Meinen gfirften jener Qüi öon bem größten
aller ®eifter befreite, roeÄl^alb er au(§ ber ©efreiungi^^
108 4. ©tubicn (1849).
frieg l^eifet. 3)abei büfetc unjer junger §elb brei tJtuger
bcr redeten §anb ein unb !ämpfte unb fd^rieb fpätcr
mit ber linfen, gteid^ ©erüante«. 3n ber golge ttjurbe
er 3)emagog/ au^ SJerjttjetflung über fein SJatertanb,
wie aüe geiftreid^en jungen Seute jener läge, unb ba^
für auf mel^rere Solare etngefperrt, ttJte bte meiften. 13m
Äerfer l^atte er l^intängti^ 3^^*^ f^i«^ ©ebanfen ju
fammeln, bie er fpäter in ein Soumal nieberlegte. Cr
fd^rieb gegen bie 8leftauration unb §erm öon §atter,
gegen ben beutfd^en Sunb unb §errn öon ®en|, gegen
bie lünftlid^e 9lomantiI unb ben m^ftifd^en Satl^oli^
jiömu«, gegen bie ©d^Iegel, Slbam SRüßer unb Xiecf.
SKan verurteilte ben unrul^igen Äopf ju »ieberl^olten
©efängni^ftrafen, unb jttjar an jebem ber öerf^iebenen
Slufentl^altgorte, bie er nad^ unb nad^ ju Ȋl^Ien ge^
nötigt n)ar, unb aui$ bereu jebem man il^n t)ertrteb, fo
ba§ er enblid^ in ben etlid^en 30 beutfd^en SSater*
länbem feinen Slul^epunlt mel^r fanb, ba er, gleid^
SBill^elm SDteifter in ben SBanberjal^ren (jebod^ t)on
^olijei »egen), nid^t über brei Xage unter einem 3)a^e
öerioeilen burfte. Äui^ Unmut ging er in bie ©d^ttjeij,
too er bie Sefuiten befäm^jfte; mel^rmatö mit bem lobe
bebrol^t, unb nad^bem er burd^ ben @d^ug einei^ fana^
tifd^en 9]teu^elm5rberj^ bai^ redete S(uge eingebüßt,
mad^te er jule^t bie 3uftud^tdftätte S3&med unb ^eined
aud^ gu ber feinigen. Xraurig ift ba^ fieben berSJerbannten,
befonberg »enn fte feine ®enieg, fonbem bIo§ e^rlid^e
4- Stubicu (1849). 109
£eute unb Patrioten ftnb. Unfer. t$reunb machte )uentg
Stnjpräd^e and £eben, aber (eben totQ man benn bod^,
befonbcrS in 5ßari8. 3ft er nid^t Sc^riftftetter? 3)er
arme Senpiefene nimmt fid^ gufammen unb fd^reibt
begeifterte ärtifel, ^araüeten jwifd^en granfrcid^ unb
2)eutfd^Ianb, frei^eitatmenbe, frei^eitmutige — feine
beutfd^e ä^ihittfl ^iß f^^ aufnehmen. SBa« nun mad^en? —
S)er gro|e Siouffeau ^at einen Xei( feiner Xage bur^
?ttjd^reiben gefriftet — id^ armer ©d^elm^ faum ein Ittom
üon bem großen SRann, n)iD ed nid^t beffer ^aben, als
er. @efagt, getan! 2)ad @lnd begünftigte einmal unfern
(S^bemagogen unb tie^ i^n bie S3efanntfd^aft einei^ be^
rühmten franjöfijd^en ^iftoriferS mad^en, ber i^n ju
feinen ©Ejerpten unb SSorftubien benüfete — ja aud^
nod^ 2U etn^ad me^r. 3)er berfl^mte 3)lann mad^te
n&mlid^ bie gelegentlid^e ^emertung, ba^ in bed jungen
3)eutf^en @e^im eine ^üQe ni^t aUtägli^er ©ebanfen
verborgen liege unb ba^ i^m nur bie ®abe feilte, fte
geiftreic^ unb elegant au^jubrfiden, fon)ie ber @(aube
an fi^ felbft unb bamit aud^ ber @(aube ber anbem.
Sr tte^ i^n nun tägttd^ ein paar @tunben gegen ein
anftänbiged Honorar beulen unb f^rieb bie @ebanfen
beiS armen beutfd^en ©d^Iucferi^ in feinen franjbfifd^en
^ad^tftil um. 3)aiS äßerl ma^te ungel^eured ^uffe^en
unb erfd^ien au^ in mehreren beutfd^en Überfe^ungen.
8o t)ertt)irnid^te fi^ in einem praftif^en ^alte S3öme§
?lu«fpruc^ unb SSorfd^Iag: „5)ie Slatur^at bie 3)eutfd^eu
110 4. (Stubicn (1849).
jum 3)cnfcn unb nid^t jum ©d^reiben bcftimmt, unb
blieben fte i^rcr öeftimmung treu^ würben jte i^re
©ebanlen rol^ au^fül^rcn unb fic öon granjojcn unb
ffinglänbern verarbeiten laffen."
Iga^re ftoRen ba^in unb unfer §elb lebte, badete
unb ftubierte unb brad^te fid^ bur^. 2)q erfd^ien ber
SBcnbepunft ber franjöftfd^^beutjd^en ©ejd^id^te, ber
3ad^aria8 SBemerf ^e Sd^idEfatetag, ber 24. gebruar —
eS fd^Iug bie ©tunbe ber 8le^ubli!. 3)er längft franjö*
fterte unb nun aud^ repubtilanifterte beutfd^e Äu«*
tt)anberer, ber injtoijd^en itonmal 24 3a^re ait ge^
n)orben n^ar unb faft Dergeffen l^atte, ba^ ti nod^ eine
®efd^id^te gebe, jumal eine beutj[d^e — erfd^ral öbüig
über bie unerttjartete SBenbung, tro| ben S^onjofen,
unb bebauerte nur, ba^ bie Slepubtil t)ennut(id^ leiner
glänjenben ©tiliftüer mel^r benötigen bftrfte, jomit aud^
feiner berül^mten 3)idnner, benen er üorjubenfen \)&üt.
Slber bie ®ebanlen vergingen il^m beinal^, ate er erfuhr,
ttjeld^e rofd^e unb l^eftige SBed^fetoirfung ber franjb*
ftfd^e @d^idEfaIdtag auf 3)eutfd^tQnb ^ervorgebrad^t.
@eine ©e^njud^t nad^ beut SSatertanb tttoaäfit mit
einem SDlale auf baö l^ei^efte. 3m SÄonat SRärj er^iett
er ein paar ftüd^tige Qeitm öon feinem einjigen 3u*
genbfreunbe in SBien, bie i^n aufS eifrigfte jur fftfidE*
lel^r ermahnten, ßonftitution unb ^re^freil^eit inSSienl
(£8 litt i^n ni^t länger. 3lod) am felben Xage öerlicfe
er 5ßari8. %m JR^ein fanb er bie l^öd^ftc Slufregung.
4. ©tubien (1849). Hl
3n Äöln frcujtcn ftd^ bic ttjunberlid^ftcn ©crü^tc über
^txlin, mi(i)ti er am erftcn Xage bcr SJarrifaben
erreid^te. (£r fprang aui^ bem SSagett unb nal^m fogteid^
am Kampfe teil. (Sine ^get gerfd^metterte i^m bad
re(!^te 93ein, bad il^m tagi^ barauf abgenommen loerben
mn^te. (5r fünfte ben ©d^merg laum — ber @ebanle
an bad befreite £)fterreid^, an bad einige S)eutfd^tanb
machte i^n aUeiS unb jebed loergeffen.
J)er eine ©ebanle beängftigte i^n nur, »ä^renb
er im SBunbfieber tag, ba^ er nid^t tätigen Slnteit
nehmen lonnte an ben ©ef^iclcn be8 erneuerten S3ater*
(anbed. $aum ^alb genefen, He^ er fid^ bie 3^itungen
bringen, fd^üttette aber bebentlid^ ben ^opf über bie
erften ©rgüfle ber bcutfd^en ^regfrei^eit SBeber Snl^alt
nod^ ^uSbrud jagten il^m gu. @o ^atte er in ben
»ilbeften Xagen feiner 3)emagogie nid^t gefd^rieben —
fo jd^rieben bie republifanifd^en grangojen ni^t. Äud^
mit bem @ange ber beutfd^en Sreigniffe n^af er nid^td
loeniger als gufrieben. $5d^ft un))raltifd^ erf^ien if)xii
t)or allem bie ä^^t^^tgettjatt, bie man ju fc^affen
beliebte, unb n^eld^er nid^td Geringeres mangelte, als
baS eigentßd^e Qtntcma unb bie ©etoalt ^ad) feiner
gänglid^en ^erfteUung ging er mit feinem l^ölgemen
Steljfu^ in ben ©trafen SerlinS ^erum, um fid^ baS
öiclbefpro^ene Aufgellen 5ßreu§enS in 3)eutf d^lanb ein*
mal in ber 92ä^e gu betrad^ten. (£r fanb aber nid^tS
als altes Sunlertum unb ben neu^bemolratifd^en £inben^
112 4. ©tubicn (1849).
Mub. @r fonntc nid^t ttjo^l begreifen, tüie fid^ bie betben
^^oereinbarcn" foöten. 3)a jucftc il^n ber ©^riftftetter,
er badete ber alten 3^^ ^^^ M^6 ^iii P^ar Ärtifet in
feiner Smbt^3al^nfd^en Sßeife lod, n)eld^e i^m ben
ffil^rcntitel eines „ÄttUberalen" unb eine präd^tige
^a^enmufif Derfd^afften. S)aS ^a(f aber aEeS nic^tö.
Unfer S)on Duijote ber grei^eit »arb nun um fo
erbitterter unb bonnerte immer l^eftiger auf Sommu»
niften unb Itnard^iften loS. S)ie golge mar, ba§ man
i^m bie genfter einf d^mi§ unb ba§ er burc| einen Stein*
ipurf beinahe um baS anbere $[uge gefommen tooxt,
meld^eiS il^m bie Sefuiten in ber @d^n)ei2 nod^ übrig
gelaffen Ratten. Xa^ Derleibete i^m enbli^ ba§ ratio*
neue Serlin, er raffte feine legten ^arifer ©rfpamiffe
jufammen unb befd^to^, feinen Igugenbfreunb in bem
„gemüttid^en" SBien aufgufud^en. „3)eutfc^Ianb ift ja
jefet überall !" badete er, — S)ag ©c^idfat fügte e»,
ba| er gerabe am 12. Sluguft — jugleid^ mit bem
rüdfe^renben Äaifer in SBien eintraf. 3)er Subel, bie
93Iumen, bie Xeppid^e, bie beutfd^en 5^^"^^^^ ^i^ ^la«
tionatgarbe, bie Segion, bie mutigen ®efi^ter, bie
!ü^nen Stehen — baö aöeg ttjar unferm qucndam
2)emagogen in ber t)ormaIigen ^olijeiftabt par excel-
lence fo neu, ba| i^m ^ei^e Xränen ber dlül^rung über
bie l^ageren SBangen herunter floffen. Aber eS ift nid^t
altes @oIb, n)aS glänjt! 3n n)enig ^agen ^atte eS ber
liberale Ärüppel l^erauS, tt)o bie SBiener ber @d^u^ brüdEte.
4. @titbien (1849). 113
^nd) fjitx loie in Berlin, SRattoftglett k^on oben,
Sto^^eit unten, ©(etd^gütigleit in ber 3Ritte. S)abei lein
@efe| ober leine Geltung bafür. WtauQtl an barem
(Selbe, @tO(Eung bed SSerle^rd, SSerarmung — aber genug
^acfelgüge, S)eputationen, ben^affnete £anbpartien, ^am«
merreben unb ^(ubk^erjamnttungen. S)ie 93Iatter f daneben
t)on Sieaftion unb SSoIIdfout^eränität, anbere fprad^en
t)on ben rr gutgesinnten'', t)on ber fonftitutioneEen
äRonard^ie unb loon einem ftarlen Öfteneid^, unb bie
„Sd^ttjarj^gelben" unb bie „©^»arj^rot^gotbenen"
riffen fid^ gegenfeitig bie 93&nber t)om ütxbt herunter.
5)er „SlWiberate" lam ganj aug bem §äugd^en, [tritt
fic^ in &a^U unb ^affee^fiufem mit bem erften beften
^erum, unb lourbe t)on biefem für einen äleattionär,
t)on bem anbem für einen 9labifalen erllärt. @o fam
ber 6. Dftober ^eran, »o ber Ärmfte fi^ öor ber
einen, fo ber 31., tt)o er fid^ t)or ber anbem 5ßartci
Derfteden mugte. S(te enb(ic§ bie £eute einigermaßen
jur S3eftnnung lamen, aber pI5^(id^ t)on bem lieben
^eutfd^Ianb gar ni^ts me^r n^iffen n)oIIten, nod^ bie
^eutfc^en k^on Öfterreic^ - ba brac^ unferm ^U
geprüften bad ^erg unb ba ingn^ifd^en au^ fein ®e(b«
beute! faft t)&Qig teer gen^orben, fo rief er boppeü
fd^merglid^ ben^egt auiS: „^ä) bin 48 3al^re alt, n)ok)on
ic^ 15 in Äerlem unb ©efüngniffen, 10 Sö^re in ber
Verbannung jugebrad^t; id^ ^abe im 2)ienfte ber ^xtu
^eit brei gittgcr, ein Singe unb ein ©ein eingebüßt,
C^SlflCB IT. 8
114 4. ©tubien (1849).
bin nad^ 3)eutfd^(anb gunidgele^rt, toeil ed enbtid^ einig
iinb frei gen)orben, unb mu§ nun abermals f(äc^ten,
n)eil mein Stltliberali^mud, loie fie bel^aupten, frül^er
unbraud^bar war, je|t xoicbcr gcfä^rlid^ ift. @o fel^r
id^ benn in'iS ^immetS 92amen nac^ meinem $arid
jnrücf — l^etf id^ meinem SSaterlanbe, ttjenn id^ barin
oer^ungere? Soui^ ^apoUon ift je^t ^äfibent ber
aiepublif — bie franjöfijd^en ©elel^rten n^erben ttjieber
@efd^id^te fd^reiben, feid aud^ bonapartefd^e, unb id^
bin gern bereit, il^nen um einS3iIIiged aufd neue Dor«
jubenlen. §ier lönnen fie feine ©ebanfen braud^en. (£§
lebe bie greil^eitl"
3)amit l^umpelte ber @teljfu^ beim ^ore ^inaui^.
©ein einjiger Sugenbfreunb l^atte fi^ ingnjifd^en aus
Serjttjeiflung in einem SÄinifterialbureau aufteilen
laffen.
Ärmer Älttiberater! 3d^ WoHte, unf ere ©utgefinnten
l^ätten bein ^erj — unfere {Rabifalen beine Uneigen^
nü|igleit!
5. neue Studien (l$49).
I. Die €inkebr zu tid) leibst«
C^n berühmter beutfd^er @iele^rter auf Steifen
befanb ftd^ etned abenbd, naä) ber Sbtfunft in einem
fremben Sanbe, auf feiner @iaftfiube gang aUein. S)a
gefd^a^, »aS il^m — toie er freimiltig eingefte^t —
feit 20 3ü^ren nid^t n)iberfa]^ren n^ar: er badete über
ftd^ felbft nad^. — (Sd mag man^em fonberbar t)or^
fommen^ ba§ ein ®ele^rter, ber fo öieten na^benlt unb
ein ©d^riftfteller, ber fo öielen oorbentt, fein eigene^
®elbft burd^ eine fo lange Steige t)on Sfa^ren gar nid^t
mit ©ebanlen gu beteiligen verlangt — unb id^ öermag
bai^ tt)eber o&Qig gu ertlären nod^ gu entfd^ulbigen.
©d^riftfteQer ftnb übrigen^ ®ebanlenf öd^e ; in il^rem
®fer, bie ©peife für anberer ©aumen fc^macQaft gu*
gurid^ten, ni^jpen fie fclbft faum baran unb verlieren
gule^t aQen gefunben Appetit Sened ©eftänbnid be^
berühmten ©elel^rten mag übrigeng ate fein Aufruf an
bie gefamte SRenfd^^eit gelten; il^n ja nid^t nad^gual^men.
S)er 3)enfer oon ^ofeffion, ber ©d^riftfteöer, ber
S)id^ter befd^äftigen fi^ eigenttid^ immer mit ft^ felbft,
8*
116 5. «cue ©tubicn (1849).
oft o^ne ed 5U tpiffen; loaS fte fd^affen unb bid^ten,
ift ein ©tüd i^rcg Snnern, unb bic SBcIt jototc bic
Sflejenfenten jtoin^en fte oft genug ^um Slac^benlen —
n)enigften§ über t^r mißlungenem ^ä).
S)en übrigen SBeltleuten ift aber auf bad brin«
genbfte anguraten, bii^n^eilen bd fic^ felbft einjule^ren,
befonberS in Qtittn eineS großen Umfd^toungd, n^ie
bie legten. S)ie ^anb aufm ^erj! SBer t)on unS ^at
fic^ ni^t t)eränbert? Unb n^er mag bai^ gerne frei
belennen? SBer iftd, ber nid^t Dielme^r jeben anbem
beS SBec^feld befc^ulbigt? @id^ felbft nimmt ein jeber
ani. ,,3<^ bin mir immer gleid^ geblieben/' fagt jleber
mit ftoljem Sewußtfein. — S)u irrft^ greunb 3Renf(!^!
Su, ic^, n)ir aQe ^oben un^ ge&nbert; n^ir foQen, n^ir
muffen un« änbem — moralifd^^ politifd^^ äft^etifc^
@i(^ Deränbem, fic^ immer neu umgeftalten, ^eißt
leben; ft^ gleid^ bleiben in gen^iffem @inn^ fte^en
bleiben, ift fterben, fd^on geftorben fein. Per aspera ad
astra! S)er SSeg }ur SEBa^r^eit ge^t leiber nur burc^
ben Srrtum.
äBenn ^ir'd in Stop\ unb fersen fc^tvicrt,
Sßad tDinp 9)u IBeffer'S f^abtii?
93er nic^t me^r liebt unb nid^t mel^r irrt,
^er laffe ft(^ begraben.
3n ^opf unb ^erjen — bad iftd. SBem bloß
ber ^opf fummt unb ba^ ^erg nid^t fc^Iftgt, ber fte^t
in ®efa^r, fid^ gum bloßen Sopftier auSiun^ad^fen;
5. 9{eue ©tubien (1849). 117
unb tpem bad ^erj mit bem $opf baDon läuft, ber
lann \f)n (etd^t auf bem SSege Derlteren. Sd ift ntdit
nmffx, ba^ ber polttif^e Wlm\d) mit bem ftopfe aOetn
audrei(!^t, er braud^t auc^ ein ^erj fo gut toit jeber
anbere. SRopoIcon ^atte bIo| ®etft — unb leiber einen
Siicfengetft; ßubwig XVL nur ein gutmütige^ §erj;
^einrid^ IV. öon 9lat)arra beja| beibe^ — ^erj unb
@eift. 2)amalj^ mar ^^ranlreic^ g(ä(flid^; ba^ fd^tt)Qd^e
^erj, ber gro^e ^opf brad^ten i^m jebed ein anbered
lEIenb. SBie bie Surften, \o bie SSöIIer; xoxt bad äJoIf,
fo ber ^ärft. 9legierung unb ißation bebingen unb
erfiären fic^ gegenseitig, unb muffen fid^, tro| aQer
3tDifd^enp^Qfen, }ule|t t^erftanbigen unb einigen, toenn
ber SemunftftQQt juftanbe lommen foQ. SSertrauen, fagt
man, fei ^ierju ber SEBeg. @efel^tt! Sd ift nid^t ber
SBeg, f onbem bai Qid. SSer SSertrauen f)at, f^at aOed.
Aber »ie entfielet ba8 Vertrauen? Unb »er foß guerft
vertrauen? S)ie SBöIfer! jagen bie dürften. 3)er gürft!
fagt baiS äJoII.
(£S ift ein en^iger ^ti^, in toeld^em einer l^inter
bem anbem ^errennt, ol^ne ftd^ einjul^olen; aber bi^«
tt)ei(en treffen fie bod^ gufammen. S)ad gibt bann
glüdlid^e — furje Saläre, in benen 5ßeriHeÄ mit feinen
St^enienfern, ein Xitud mit feinen 9lömem bai^ fd^öne
f^eft ber SRenfc^^eit feiert 3m gangen {ann ein t^rft
leichter vertrauen aU ein SSoII, toeil er bie SRad^t ^at
unb weil er fie burd^ Qattanvx meift öerboppelt. J)ie
118 5. 9lcuc ©tubien (1849).
$B5tIer finb bagegen gelDd^nltd^ migtrauif^, ntd^t nur,
xocit ftc fo oft betrogen »orbcn, fonbem »eil fte i^re
eigene SiRa^t ni^t lennen. Sin ©c^mad^er ober n)er
ftd^ feine ^aft jutraut, glaubt ftd^ immer übertjorteilt.
Sßa^ ift benn aber bte 9]tad^t bt^ SSoIIed? @inb'd
bie t)ielen ^öpfe? &etoi^ nid^tl ^unberttaufenbe tiefen
ft(^ t)on ^llesanber, bem fogenannten @(ro^en, äJ^idionen
t)on Stapoleon jur @cl^Iaci^tban{ führen, n^eil ei^ i^ren
@ebtetem gefiel, ber @eifenb(afe 9}u^m nad^jujiagen.
Sßoren bag SJbtIer? 9lein — gldnjenbe ©fiaöen!
SßoQt 3^r ein SSoII fe^en, fo bli^ nad^ ®nglanb.
2)ie 9legierung fül^rt bort in aQen großen angelegen-
l^eiten nur ben SBiDen ber Station aug — toeil ei^
eben bie Station ift, unb t^ ift eine Station, »eil cä
feine gemeinfamen Sntereffen genau lennt unb t)erfoIgt,
totil jebem fein ^lafe angettjiefen ift, »o er freitätig
»irlen mag, leiner ben anbem ^inbert, ba er ft^ nur
fetbft ^emmen »firbe; weit in ber gamilie, in ber
©d^ule, in ber ®raffd^aft, in ber ©emeinbe bid jum
^arlamenti^l^auiS aUei^ nur ju einem Qidt ftrebt: ®ro^
unb mäd^tig als ©onjeS im @taate unb felbftänbig
unb frei im eigenen ^aufe baiufte^en. 3)ad englifd^e
SSoII, bie Snglänber ^aben t^ nic^t t)erfd^mä^t, toie
jener beutfd^e @etel^rte, über fid^ nad^gubenlen; fie
l^aben bai^ im Saufe ber Sa^r^unberte, ber Sa^re, oft
unb mit Smft getan; fie ^oben aud^ Diele ^^afen
burd^gemac^t, fie finb fic^ ni(^t immer »,g(eid^ ge^^
5. meut ©tubien (1849). 119
6Iie6eit", fie ^abtn fid^ k^eränbert unb i^r Jüopf unb
§crj ^at häufig geirrt ©d^&mc fid^ bo^ Icincr jcinc^
Srrtumg! SKt«C)ftcrrci(l^ f^at bnxö) ötcle Sa^rjcl^cnte
nid^t geirrt, fonbem gefd^lafen — bag ift toeit fd^limmer
ate Srrtum! S)ann ift ti aufgeftanben, ^at ftd^ bie
Stugen gerieben, ober ber blinbe, nod^ fd^Iaftrunlene
^tid Ue^ ed bie 2)inge au^er ftc§ nid^t red^t beutlid^
ertennen; ei^ tappte mit ungejd^idCten ^finben nad^
Dielem ©lättjenben, bad ed gerbrad^; tpie ein ^nb
langte ed nad^ bem prftd^tigen 93ilberbud^ unb l^ötf
e^ beinahe jerriff en ; je^t fteüt man ba^ 5Bud^ — t>itU
leidet toar'g nötig — cinfttoeiten in ben tt)o^tt)ertt)a]^rten
®dfxant unb ruft bem berben Sungen ju: „2)u mugt
erft aug beinern läfeld^cn lefen temen — fpStcr be*
fommft bu baS ^üä)** — bu mu^t erft lefen lernen
— ma^r^aftig^ barin ^at man red^t 3)arum, öfter*
reid^ijd^ SSotl, lerne tejen — unb leine 9Ka^t ber
^e(t n)irb, lann bir bad S3ud^ t)orent]^aIten.
3tt)ci Sa^re ftnb »enig in bem fieben einer 3la^
tion. 5är Öfterreid^ brängte ftd^ in bie testen gwanjig
SKonate ber Sn^alt eineS Sol^r^unbertd jufammen.
2)ad Sntgfiden n^ar gro^, ber ©d^merg ungel^euer,
SEBirren unb große fieiben »erben nad^folgen — eg
ftnb bie ©d^mergen ber SSiebergeburt. SBie unbel^aglid^
ber je^ige 3^fl^n^ ^^^ txntm jjeben erfd^einen mag,
eini^ fte^t feft: baS alte, buntpfe, fd^Iäfrige Öfterreid^
ift nid^t me^r. — Aber ein neuei^ muß »erben! —
120 5. IReue ©tubten (1849).
S)ie 9legterung f^at baS juerfi audgefprod^en unb ba^
SSoH fängt an, ti jn begreifen. Öftcrrei^ mu^ eine
neue SRa^t merben, gro^, frei im Snnem, unabhängig
nad^ au^en. 3)ie§ gefd^iel^t nur burd^ raftlofe Arbeit,
gelter finb begangen »orben öon beiben Seiten, beibe
Xeile ^aben baran gelernt. S)a^ man Dergeffen, ftd^
gegenfeitig t)ergeben muffe, ba^ bleibt aui^gema^t. 9lur
bai ift ber äßeg jum SSertrauen — ti gibt leinen
anbem. Unb aud^ bie grofe Arbeit ift eine »ed^fel*
feitige — ba« oergcffe man nid^tl SBenn bie 8le*
gierung burd^ ©cred^tigleit, Sc^re unb Unterrid^t, burd^
eine großartige ^anbetepoßtil, burd^ tfid^tige 9le^
präfentation tiad^ außen nac^ unb nad^ i^re Xätigleit
betoä^rt, fo »irb fie ti balb — nid^t nur ungefäl^r*
lid^, fonbem ermfinfd^t unb notn^enbig finben, an ben
SSotfölröften in ber ®emeinbe tt)ie in ber Äammer i^re
unentbel^rlid^en SDlitarbeiter ju gewinnen. ^Bereite ft(^
ein jeber ju bem großen SBerle unb l^elfe unb ttjirfe
in feinem Äreifc, toie er'S öermag, ber ©injelne tt)ie
bie gefe|(id^ SSerbunbenen.
S)ie engtifd^e SRation ift längft gur ffiinle^r ju fic§
felbft getaugt — 3^r SB5Ifer Öfterreid^g, gel^t l^in unb
tut bedgteid^en!
2. Olo ift 0ott nid)t?
3tt 8lom — f tautet ein atter SBife — ift ®ott
nid^t, benn bort ^at er einen @tatt|atter. 2)ur^ eine gc^
5. 9ttut etubien (1849). 121
räume 3^i^ ^^tte er leinen; @ott n)ar alfo tuirfltc^
in 9lom unb mod^te fär feine £ieb(ingSfiabt jetber
forgen — iä) gtQube aber nid^t, ba| ber tiebe @ott
bie 9tömer bamolS unmittelbar regierte. S)ie S)emo«
fraten unb bie 2)i|)Iomaten pfufc^ten i^m ini^ ^anb«
loerf. Se^t ^at ®ott in 9lom Diele taufenb franjbfifd^e
©teßöcrtreter mit Bajonetten! SBunberlid^er SBed^fel
ber 2)inge! S)er ^o^)ft^ ber ^rr ber SBelt, ber fonft
ftdnige unb ^aifer ein«^ unb obje^te unb fie n)ie i^re
Sölfer mit bem 93annftra]^Ie gerfci^metterte, mu^te
jule^t fro^ fein, ba| eine lafterl^afte 9lepub(il unb
beren tounbertid^er ^äfibent mit ber unfrein^itUgen
3)et)ife „avec moi le ridicule" fid^ feiner annehmen.
Sn $arid mad^ten fie bamalS jogar eine ^oQette für
ben ^eiligen Sater; äRontalambert tpar ber neue
%eijd, ber für ben $apft mit ber ©ammelbüd^je ^erum^
ging — für Pio nono, ttjcld^er guerft bie Siid^fe ber
$aubora geöffnet — »eil er nid^t »ufete, »a3 brin
»ar. 3e|t »iffen »ir'Ä. SWd^tÄ »ar brin ober foöiet
n^ie nid^t^. dliä^iS atö eine 3J{enge Keiner bummer
Zeufeld^en, bie ftd^ für grofe unb gen^altige @atanaffe
unb S5eetjebub8 hielten, furd^tfame Seute erfd^redten,
bie 9Se(t an aUen t)ier Sden in S3ranb ftecten lootlteH
— t^ toar aber nur X^eaterfeuer — unb fid^ jute^t
t>bn SÄutigeren, afe fie fetter »aren, ^afd^en liefen,
bie fie il^reS falfd^en Xeufelj^prunled entfleibeten, il^nen
bie ©d^ürje abf d^nitten, bie ^ömer au8brad^en — unb
122 5. 9lcuc ©tubicn (1849).
bic jc|t ^crumftoljicren unb fi^ gerne für bcn »a^reit
S^eufeföbanncr ausgeben möd^ten. ^ijx treibt aber ben
leufel ni^t au« — ben »al^ren leufd! SKan mu§
felbcr ein wenig beg Icufefe fein, »enn man i^n au«^
treiben »itt — unb ®otteg obenbrein — ba8 ift bk
$au))tfad^e.
aSo ift ®oü nxd)t? fßzi ben S)eutfc^fat^oIiIen.
SS$enigftend n)ar bid^er lein red^ter ©ottesfegen bei
ifinen, j. 35. in SBien. Avec eux le ridicule! 3n
3)eutfd^tanb ift'g jttjar fein ©^aben, fid^ lä^erK^
ntad^en. @d metffd aud^ niemanb. 3)ie S)eutfci^en
lad^en feiten unb niematö über il^re eigenen bummen
©treidle, für bie fie eine faft abergläubifd^e SSer*
el^rung ^egen, toie für bad alte beutfd^e Sieid^. S)er
2)eutfd^Iatl^o(ijidmud ^at t^ ^ö^ftend ^ie unb ba ju
einer proöinjicQen ®eltung bringen lönnen; feine An«
pnger finb bie ©tiUen im £anbe, i^r (Snt^ufiaiSmuS
Derraud^t balb. S« fel^Ite aQentl^alben an ben toa^ren
Stpofteln; aud^ mifd^te fi^ bie $o(itiI brin. Xa^
^anje lief auf Stbftimmungen l^inauS unb auf einen
®(aubenad libitum. Stber SSa^Imänner^Serfammtungen
f^affen feine fir^Ii^e ©emeinbe, ©timmjettel fül^ren
in aDe Chnigfeit ju feiner 9leUgion.
SBo ift @ott? 3d^ »eife e« nid^t 3ci^ fpür' i^n
nirgenb«. 3(^ gewahre nur, ba§ man i^n nennt unb
nic^t glaubt, glaubt unb nid^t begreift, ju begreifen
glaubt unb i^m ni^t lebt, nid^t in i^m, mit i^m,
5. 9leue Stubieu (1849). 123
burc^ t^n lebt — „SBo brct ftd^ in meinem SRamen
üerfammeln, ha »erbe ic^ unter i^nen fein.** SRun, e«
l^oben ftc^ unlängft brei üerfammelt — brei Könige
— fte gingen toieber auSeinanber. (Er ttior ttiol^I nic^t
unter il^nen. Unb i^orlängft ^oben ftc^ me^r aU brei
Derfammett, mel^r atö brei^unbert — toar er unter
i^ncn? — Ober l^aben fie fic^ etloa nic^t in feinem
ÜKomen berfammelt? ^od), boc^! 3m 9lamen beiS
Voltes — unbSBoIfei^ftimme, fogen fie,®otteiJ©timme!
— 3c^ gloub', e^ ift eine ©iferfuc^t im ^immel. ©ie
muffen ben ^eiligen @eift Demac^Iäffigt l^oben —
brum ift er ausgeblieben. (Sin ^eiliger @eift I&jst nic^t
mit fid^ fpüffcn — gar fein @eift. S)er @eift mod^t
(Smft (8S ift ^ol^c 3eit, ba| 3^r (Smft — baft S^r
@eift mac^t aud^ für bie Firmen am @eifte. (Sin SSolfS^
tjertreter ift ein ©eiftoCvtreter. SBenn 3^r feinen ®ott
^abt, fo Sl^r bod^ einen ©telfoertreter l^ättet, einen
^ft! (Sin großer SRann ift ein ^of^ft. ^er 3^r
^obt feinen $apft. deiner t)on euc^ ift aud^ nur ein ^f d^of ,
gef c^nreige ein $a|^t. — (SS ift toa« eigene« um einen
grofen @ebanfen, um eine neue Sbee, bie fid^ ber
SBelt bemächtigen will. Sie tritt erft gar leife auf, in
cingelnen SRenfd^en, bie man bofür üerläftert, »erfolgt,
einferfert, freujigt S^re Sünger fc^toeigen erfd^rocfen
unb bilben nac^ 'unb nad^ eine ftiQe ©emeinbe, bie
nod^ immer ju leiben l^at 2)od^ balb oergröfert ftd^
ber ÄreiÄ unb ein SWfobemu«, ein @aulu8, bie offi=^
124 4. 9leue ©tubien (1849).
jieUen Schergen ber neuen Se^re, n^erben t^re ge^»
l^einten Slnl^&nger. (ES ift ber Sßenbepunft. 2)ie ®otte8«
ibee ^at äBurjel gefc^Iagen, fogar in ben verhärteten
^ergen ber SSome^men unb Steid^en — oUeS glaubt
an ftc — fettft bic 5ßoK}et, bic fie nur läfftg, öon
%mti n^egen verfolgt. 9htn lomntt ein leerer Staunt
bei^ Ungen?iffen, ht^ Unbel^agend, bevor bie Station,
bad gefamte 93o(I ftc^ offen unb freubtg }U bent be^
lennen barf, n^oran inSgel^eim ein jeber ^ängt« SSor
ßeiten maren'S grojje äJtänner, grojse t^ürften, bie
il^ren 855Ifem öorbac^ten unb Dorglaubten — aber
)e^t! 2)a8 Unbehagen ift ba, n^er befreit uniS bavon?
S)aS Unbehagen ift ba — fomit bie Steife na^. —
3)ie 3bee ber »a^ren, fc^bnen grei^eit ift fein ®puf
in einjelnen ^bpfen. @ie lebt unb rourjelt längft unb
fc^o^ in iBliiten, iinb loenn ein ^eijjeS Sal^r bie erften
öerfengte, fo ift fie ftarf genug, um frifd^e gu treiben.
Unb f^c^te n^irb'd aud^ nod^ geben — bie Statur
verfc^tt)enbet nur, um häftiger }u jeugen. Xaufenb
verbrannte diäten finb ein St\6)tn, ba| ed i^r emft
ift mit bem treiben. — SBo ift ®ott nid^t? — 3^r
Xoren! er ift fiberall 3Jlit ober o^ne $a))ft. ®Iaäbt
i^n nur l^erg^aft, lobt i^n nur erft unb er erfc^eint
mitten unter euc^ mit feinem neuen vertlärten Seib,
legt eure ^änbe in feine äBunbmale unb ruft euc^
tröftenb gu: „i^riebe fei mit euc^!"
6. 9leue Stubien (1849). 125
3. Das tbeater, das Publikum und td).
Unter ben Sterblichen finb bie aQerunglucKtc^ften
bic ©c^riftflcHer, unter ben ©c^riftftettem bie 3)raroa*
tifer unb unter ben S)ramatilem ^ab' id^ bie &ivt,
ber unglfidEtid^fte ju fein. 2)ad Dere^rte ^blifunt n^irb
mir oerjei^en, ba^ ic^ mein mel^r als jn^anjigiä^rigeS
Sd^meigen Bred^e unb jum erften äRal in meinem
£e6en ein SBort aber mtd^ felbft unb meine „Xrbftun«
gen" fallen loffe. @prec^' id^ bodf aud^ 5ugleic^ äberi^
^^blifum unb aber baSjenige, toai einft fein £ieb«
lingSgefpr&d^ loar: ilberd X^eater. Stber aud^ feine
JliieblingSbefd^äftigung, fein i)or^errf(^enber ©ebanle,
feine Steigung, fein $ang, feine Seibenfd^aft. D fü^e
3eit ber erften Xl^eoterliebe ! @o toad blä^t f d^on gor
nic^t toieber — el^er eine anbere }tt)eite ßiebe, bie mit
ber erften bidn^eilen aujserorbentlic^ t^iel ^nlic^Ieit
^at — fo n^ie bie Ie|te. äJtit bem X^eoter ift'd anberS.
^at man fic^ baS einmal abgen^ö^nt, fo fann ed einem
oöüig jutoiber »erben, langweilig, unerträglich — e§
mag 9lationaIt^eater l^eijsen ober nid^t — im ©egen^
teil! 2Stxt bem Xitel reijjt nun gar ber fd^5ne Sßa^n
entgmei. S93ad 9tationaItl^eater! toa^ Station 1 S93ir
backten bamald gar nic^t baran, ba^ ober ob tt)ir
eine Station wären — ba« ^ublifum unb id^. SBir
gingen blo^ ind X^eater. Unb wad uni^ aUeS gefiel!
(£8 ift au nörrifc^! «itter:^, «fi^r* unb ßuftftficfe —
126 5. 9leuc ©tubien (1849).
ung tt)ar aQcg rcd^t — gtcic^ rcd^t. „S)er SBalb bei
^ermannftabf' jagte uniS einen angenehmen romanti«
fd^en ©c^auber ein. — 3)ie ©iebenbfirger ©ad^fcn
fönten un8 babei nid^t im geringften in ben ©inn —
ed n^ar aber n?eniger geograpl^ifd^e unb ^iftorifd^e Un«
n^iffen^eit ate eben lieblic^^romantif d^e @)ebanfenloftgfeit
Unb toenn toir im „SBilb" öon ^outoatb — baö mor
ber ffiuripibeS ber JReftanration — in fü§c Iränen
ber loeiblic^en ätäl^rung bo^infd^molgen, totnn n^ir im
^SSröutigam ang SReEtfo" — ber jnerft bai 5ßroIe*
tariat auf bie SBü^ne brad^te unb bie Slpot^eofe ber
Äartoffelma^Ijeiten lieferte — balb in ein fc^attenbeg
©eläd^ter au^brac^en, balb n^ieber fd^Iud^jten, ba^ un^
ber JBodE ftie§, — n?cnn ftd^ ein rofiger, golbiger
Schimmer fogar über bie „Silberne ^od^jeif' augju*
breiten fc^ien^ fo roat eg eben bie 3ugenb, bie Unbe*
fangen^eit, ber ^armlofe ünbli(^e @inn, bie und an
biefen pbfd^en @ad^el(^en Gefallen finben liefen, n^eil
mx bad SBefte aug unf erm 3nncrn, au8 unf erm fieben8*
Überfluß felber l^injutaten, *ba(§ten unb *fül^Iten. — Um
biefe Qtit »ar'g — nod^ im legten audlauf ber guten
alten S^it — atö einem jungen SKenfc^en baö längft«
erfe^nte, mit lautem §erjj)od^en erwartete Olütf juteil
würbe, auf bem t t §ofburgt^eater mit einem 3)ing
auftreten ju bfirfen, welc^eg er „ßuftfpiel" nannte.
ÜDer erfolg war nid^t bejonberS günftig. S)er junge
2Kann jog ftc^ au§ ber SBelt iurüd, in bie er faum
5. 9lcue Stubictt (1849). 127
eingetreten n^or unb fc^rieb in ber Sinfamteit unb aus
93er}i0eiflung aber ein ^u|enb neue @tü(fe. 9lad) bret
Salären trat er mieber mit einem ^ert)or unb u^or
biedmal glficKid^er. fiinber, äberl^au^t junge £eute oer«
[teilen fid^ leidet. @o n^ar benn balb jn^ifd^en bem
^ublifum unb bem jungen 3)id^ter eine äBec^fetoirlung,
ein ongcnel^meg SSer^&Itnii^ l^ergeftcHt. ,,2)ie SBefennt=^
niffe", „^ai lefete «benteuer", ,,$elcna", .^Sürgerlid^
unb 9tomantifc^'' ufto. gingen auf bem Xl^eater n^ie
roarme ©emmeln ab. Sft ettoag an ber lei(^ten SBare
}u loben, \o ift'3 ber natürliche Ion, bie Siaiöetät ber
bramatifd^en ®t\px&(ij^toti\t, fotoie baS Sßegfein aOen
fa(fd^en ®rnfte^; ^ie unb ba glädlid^ erfunbene @i«
tuationen, bisweilen ein ctmaS tieferer ffi^araftergug
muffen fär bie lofe ^anblung entfd^äbigen. 3)ie iSuft^
fpiele finb eben, mie fie ein junger 3Slann mit einigem
lalent in Öfterreid^ fc^reiben fonnte.
(Sin @tä(f Seben, bürgerlid^^l^umanen SebenS ift
barin; ein ©tütf beutfd^^öfterreid^ifc^en ober fpejififd^en
SBiener 8eben8. 2)aÄ geioann i^ncn bie ®unft — aud^
anbem)ärt8. ©ap^ir fd^rieb bamald: „SBauernfelb ergibt
fi(§ mit allem ^^eijs bem l^armlofcn ©ejc^öfte bc8 Suft«=
fpielfd^reiben«." — iWein ®ott! SBaS ^ätt' i^ benn
anbereg tun foöen! Slic^t einmal ein „geuißeton" toie
bief eg war bamal« möglid^ ! — ©a^j^ir ^attc übrigeng
ganj re^t — S)ie ßuftfpicie waren fd^wac^, mittel
inä^ig — oitx xä) fonnte feine befferen maä)tn unb
128 5. 9leue Stubien (1849).
bie £eute Ratten auc^ feine befferen l^oben mbgen. 3)ie
Xl^eaterbireltion fc^on gar nic^t! 2)aS toar bie Sßed^fel«
toirlung. äBo bad. geiftige Sebeit fc^Iummert, ba be^tlft
man ftc^, toie'g ge^t — jumcift auf bem Il^coter. ©rofee
@enien jfinben eine £euc^te an, bie hit Sßelt anf^ neue
n^ieber erl^eQt. ^nä) gro^e Sreigniffe t^erleü^en bem
ßeben einen neuen, frifc^en Sn^alt — ba fteigert ftc^
benn aud^ bad Xalent ber ®eringeten unb fte folgen
bem 9{euen, f o gut fie'ö vermögen. — 3c^ f ^rieb alfo
^armlofe £uftfpiele, n^ie gefagt. äJlir mad^te baS
©^reiben @))a^, baiS ^ublilum fal^'S gern unb bem
Xl^eater trug ed @elb. Sin junger 9(utor lebt feiten
im Überfluß. (Sin „Heiner JBeomter'* aud^ nid^t Aber
id), in meinem SbealiSmui^, bad^t' i^ anS ®elb? 2)er
trefflid^e ©c^re^t^ogel lie^ mir für bad „fiiebedprotofoQ"
bare — 200 ®ulben augjal^Ien. 3d^ glaubte einen
@c^a| ju befi^en. 2)amate berechnete ic^ nid^t, ba|
alle meine Iei(^te SBare bem L I. ^ofburgtl§eater in
einer Steige t)on Sorten n^o^I ^unbert Xaufenbe ein«
bringen unb n^ie t>\tU Xaufenbe bem SSerfaffer burc^
bie SRid^teinfü^rung ber Tantieme entgegen n)ärben.
SBai^ )ou|t' ic^ Don einer S^antieme! ^a^ ift ein reoo«
lutionärei» Snftitut, benn ed mac^t bie ©d^riftfteHer
leben. äBad mu^ iö) oon einer 9ieooIution ! Unb mein
liebet ^ubüfum mar mie id^. äBir n^aren beibe jung
unb liebten bad X^eater. D bu tiebe 3ugenb! 2)u
liebet X^eaterl 3)u liebe, junge S^eaterliebe !
5. Slcuc ©tubien (1849). 129
SBir treten tnS jtocite ©tabium. S)ic 3ugenb
jc^inbet, bte ffirfenntni« beginnt. SBte aUeS in Öfter*
retd^ länger brandet atö anbem)(irtd, fo mad^te bort
auc^ ba« Sa^r 1830 erft nmS 3a^r 1840 eine »rt
üon geringer 9ia(^lüirfung. S)ie SBirfung n?ar fürg erfte
gut 3)ie Seute fingen nämlid^ an, emft^after ju »erben
unb ein bii^c^en noc^jubenfen. Slmted Xl^eater! toa&
?oQ au§ bir »erben, toenn bein ?ßublifum ju benfen
anfangt! (Sin UngläcfiSOogel, »ie ic^ in aQem bin,
geno^ xd) juerft baiS Übel bat)on. äJleine neuen l^arnt:»
lofen ßuftfpiele — nic^t fdjlec^ter noc^ beffer aU bie
früheren — erhielten, too3 ber immer artige granjo^e
„gucces d'estime" nennt — auf beutfd^: fie fielen
burd^. %xn fing aud^ id^ an nad^jubenfen n?ie mein
5ßublifum — aud^ über mein ^ßuMifum. „SSerlangen
fie benn toirttid^ SBeffereg?" rief \6) aug; „unb fannft
bu'8 machen? — SBenn nid^t beffer, boc^ anberg! 3ebe
3eit »erlangt i^ren ©toff, i^re gorm. SBaS mad^te
ben „toilben" @oetl^e fo gro§, aö bajs er aufgriff,
»a^ eben in ber 3^^* 1^9 ^^^ ^^^ ^^^ ©iegel ?eine*
©eifteS aufbrüdEte? SBaiJ jeben anbem 2)i(§ter —
befonberS ben bramatifd^en? — SBir finb leiber feine
©oet^eS, aber bie erlaubten Sunftgriffe mögen wir i^m
immer abtemen unb ein SJerfuc^Io^nt immer ber SWü^e." —
©ebad^t, getan. 3d^ f d^rieb ben „S)eut|d^en Srieger" unb
„©rofejä^rig", }tt)ei ©tüdCe, beiläufig fo Iiarmtog »ie
bie onbern, nur trugen fie etttjaS bie gärbung üon
130 5. Sleue ©tubicn (1849).
bem. tüa^ im Snnem be^ SBerfoffer^ foiDte bed $u6Ii^
fum^ vorging. Unb äBunbet über Sßunberl 3c^ fanb
bic^ toteber, bu mein altei^, liebelt — nimm mird nic^t
übet — ctoa8 finbifd^e« ^ßublifum. 35u jubcitcft mir
entgegen, n^eil ic^ bir einige Don beinen eigenen, ^alb«
liberalen unb mä^ig*^bo8^aften ©ebanten Dorfagte. ^d^
fd^amte mic^ faft beS SBeifaQ^ — id) ^atte \o n^enig
baju getan, ^er ©opl^ir mag jagen, tuad er n^ill! 3c^
bleibe bei bem ^armlofen ©efd^äft bei^ £uftf))iel^
fc^reibend. SBer möd^f ed aufgeben, tüenn man i^m f o
freunblid^ entgegenlommt! Stein, mein liebei^ ^ublilum,
tt)ir bleiben beieinanber, unb nur ber %ob ober eine
neue X^eaterjenfur foQ und fd^eiben. 3)u freuft bid^
über mi(^ unb ic^ erfreue mid^ an bir — &IM auf!
SBir finb beibe nod^ erträglid^ jung.
©ritteg ©tabium. ffirfte ?ßeriobe : öom aKärj 1848
bi8 SRoöember 1848. — &idd) md) ben SRärgtagen
toav id) verloren — ald Suftfpielbid^ter nämlic^. 3)a
aQe meine @ad^en Dorm&rjlid^ n^aren unb id^ natürlid^
nid^td 9tad^mär}Ii(^ed auf bem Säger ^atte, \o toax xd)
i)5Qig auf bem XrodEenen, n)ie f amtliche „SUtUberale".
äRan fing auc^ an, mic^ pI5^Itd^ mit anbem S(ugen
ju betrachten. 3)a^ ber „rabifale'' ©d^merl jugleid^ ein
9?arr ift, fc^abete mir fe^r. Umfonft war meine ffint*
fc^ulbigung: bajs bie ^ox^ unb gugleic^ 3lad)hxli>ex ju
biefer (aftigen $erf on im äRai unb Suni ju 2)u^enben
in äBien auf ber @tra^e herumliefen. äJlan ^örte mid^
5. 9tevit 6titbien (1849). 131
ntd^t an. 3(^ ^otte bie 2)emo{rQtte beletbigt, benS)emoiS.
3}ad mu|t' id^ über mäf ergeben (äffen. 3n'd ^immefö
9faunen! Sd^ jog ntid^ jnrüdt. The rest was silence.
%n £uftf))iele n)ar ol^nel^in ntc^t gu benlen, n^ä^renb bie
@^alef))earef c^e l^ol^e Xragöbte auf offenem SKartte fptelte.
3toette ^eriobe: Don 9loDemBer 1848 bis ^eute.
— Site bo* „S)in9«ba" fiber SBicn »errängt ttjurbe,
^atte bie 2)itettion beiS t I. $of« unb ingmifc^en aud^
9bitionaIt^eaterd nichts (SiligereS ju tun, ali i^r ate))ertoire
f orgf&Itig burd^jufe^en unb Don allen feinen gefährlichen
ober aud^ nur bebenllic^en (SIementen ju reinigen.
3)iefe äJtaniputation gelang \o DoQfonnnen, ba^ fogar
ber unfc^ulbige „3)eutfc^e ^eger'' unb ber läd^erlid^e
^eubobemolrat @c^merl für einige 3^^^ ^^^ ^^^
IBrettem getoiefen tourben, toeld^e bie SBelt bebeuten —
foUten. S(ber balb barauf lourben fte mieber jpobium«
fällig. — 3njtt)ifc^en ^atte id^ einen Keinen Bäjitoanl
Derfo^t, aU 9lad^f))iel ju „&tf>^\&^nQ". (SS loar mein
erfter SSerfud^ in ber fonftitutioneHen 3^^*^ ^^ ^^^
bei ben S^eotergöttem !eine ®nabe fanb. „3)er neue
9Kenf(^" n^urbe anfangt surfidgemiefen. 2)urd^ freunb-
(id^e Vermittlung bed |^erm äJ^ilitär« unb ß^^^^S^^''
DemeurS Um gniar baiS ©tfidEc^en bennoc^ jur Sluf^
fä^rung, jebod^ Derfd^iebener ^inbemiffe megen erft
nac^ einigen 2SlonaUn. 3n $ariS toerben bie leichten
SaubeDiQei» binnen 14 Xagen gefd^rieben, einftubiert,
aufgefül^rt — belacht unb Dergeffen. Sei un« S)eutf d^en
9*
132 5. 9«cuc ©tubicn (1849).
ift bag anberS. SBir muffen attcg crnft^aft treiben,
felbft ben ®pa% Sine S^eotet^offe ift ffir und noä)
immer ein tüic^tigeS (Sreignid unb n^ir jerbred^en und
ben Äopf barüber, toaö tool^t ber Serfaffer mit feinem
@d^erj „gemeint l^abe ober ^&tte meinen fönnen", unb
ba ttjir obenbrcin politif d^ getoorben, f o ttjirb noc^ in ben
Leitungen ein fiongeg unb 93reite8 au3einanbcrgcfe|t,
ba| ber £uftfpielbi(^tcr ©ounbfo mit feiner nagel:==
neuen einaftigen 5ßoffe ben ^la^ auf ber ?Red)ten ober
auf ber ßinfen ober im rechten ober linfen ß^ntrum ein*
juncl^men f d^eine uftt). SBann »erben mir enblic^ gef d^eiter
ttjerben? — ®enug! S)ag fiuftfpield^en ttjurbe auf*
geführt unb gefiel. 35aS toax im SMi^io^t: 1849. 3m
§erbft mürbe mir ein neue«, ingmifc^en überreid^tcS
@d^auf|)iel gleid^faQS gurüdCgeftellt; aud^ {am mir bie
9iad^ric^t ju, ba§ meine Suftfpietc „©rofejä^rig" unb
„®in neuer 3Renfd^" abermold „für einige ßeit" öom
^Repertoire ju öerfc^minben l^ätten. Sie finb aud^ bereits
öerfd^munben, ba überl^aupt, mie eg l^ie^, „äße ©tüdCe
Dermiebcn merben, meiere Sufeerungen religiöf er unb poli*
tif(^er SWeinungötJcrfd^iebenl^eiten öerantaffcn f bunten".
35u lieber |)immel! SBerantaffcnl üeranlaffen f bunten!
S93aS !ann einer nic^t aQed t^eranlaffen! Unbmoburd^!
O^ne baron ju benfen. 993ai^ l^aben nur @oetl^e unb
(Sd^iQer Deranla^t! Unb ©^afefpeare unb (Salberon unb
äJtoIiere I ©oUen bie alle Dom Slepertoire i)erf (^minben ?
©emife! 35cnn fte öeranIaffcn9Keinung8t)erfd^ieben^eiten.
5. ißcuc ©tubien (1849). 133
Unb loir! SBaö lönncn tovtl SBir fönncn feinen 3uKug
Säfar \ä)uiim, feinen (Egmont, leinen SSil^elm Xel(^
feinen SEartüffe — toir bringen nur ben Stt^ub öon
ben %a\tln ber @ro^en. 9Ran l^at im @runbe ganj
red^t, uns öom Il^eater }u öerbannen, weil toir fein
latent ^aben, fein ®enie, nic^t »eil toir SJieinungen
audfpred^en unb t)eranlaffen,bie i^iedeic^t bierid^tigenftnb.
Slber jene @ro^en! ©oHen bie andj nid^t auf bem
Sweater erf (feinen bürfen — auf bem „Siational-
t^eater?'' — 3c^ toei§ mo^I, man meint bag nid^t im
(Smfte, man fprid^t feine @runbjä|e ou8, man entfernt
nur mit ©d^eingrünben, baS biejen ober jenen miß-
liebig ift. ?lber baS ift'S eben! SBir wotten nid^t öon
ßufällen abpngen^ Don ®unft,'tJon Saune. SBirwoIten,
n^ir brauchen @runb{ä|e. £aS X^eater ift eines ber
roic^tigften Snftitute, bejonberS im fonftitutioneHen
Staate; eS ift ein öffentliches Snftitut. 3)ie Sunftfo-
wie bie SSoIfSbilbung — beibeS wirb auf ber SBül^ne
vertreten — gehören ju ben ^eiligften Sntereffen beS
Staates. SBir bitten, wir befd^wören baS SRinifterium,
wenn i^m ber Sn^alt biefeS geuiOetonS ju D^ren
fommen foQte, ft(^ beS X^eaterS angunel^men. Xk erfte
SJü^ne ber Siefibenj gel^ört unter bie unmittelbare
fieitung beS SRinifteriumS beS 3nnem ober beS Unter*
ric^tS, unb biefem ftel^t eS ju, bie ©runbfä^e auS^
jufpred^en, nad^ benen baS Slepertoire gebilbet werben
foQ. SBir beforgen burd^auS nid^t, baß fie ju eng^erjig
134 5. ißeue Stubien (1849).
lauten tuerben. Xa^ Xl^eater tft eine n^id^üge ^^rage
ber innem ^olitit, unb einem ©taatdmanne i)on &ti%
ber eS begreift, ba^ baiS SSoII t)on bem täglid^en SBrot
einer guten !lbminiftration ni(^t einzig unb aQein gef peift
n)erben fann, mu^ ode^ baran gelegen fein, ba| ber
ffiifer beS ?ßublilumg fowie ber ©c^riftfteller für bie
Sü^ne nic^t erlalte, bie, wenn fte il^rer ^ö^eren S9e*
ftimmung entf))ric]^t, eine n^ilHommene 9ta^rung für bie
geiftigen ^äfte unb Sntereffen ber Station barbieten
wirb. 2)a8 ntobeme £eben enthält ber fd^affenben fo^
wie ber jerftörenben (Elemente genug, welche in ber
©efeßfc^aft ju fbrbem ober jurfitfju^alten, ju »er-
mitteln, ju t^erfö^nen, in ©leic^gewic^t unb Chnflong
ju bringen finb. Äud^ bie lebenbigfte aller Mnfte, bie
bramatifd^e, wirb nic^t unterlaffen fönnen, fid^ biefer
neuen Elemente gu bemächtigen, unb eine 9iegierung,
ein 9Kinifterium, wel^e« bem wahren gortfd^ritte f)uU
bigt, wirb bem SBül^nenfc^riftfteQer, ber e^ in feinen
Gebauten unb planen tr&ftig }u unterftü|en i)ermag,
o^ne 3^eifel @d^u| unb SBeac^tung »erteilten; aud^wirb
ber ©c^riftfteUer feiner Äunft nic^t minber atg ber ®e*
f eüf d^af t bienen, wenn er §anb in §anb mit bem Staat«*
manne ge^t, Weld^er einen Xeil ber gef eQf c^aftlic^en Snter«
effen ber l^olben t^örberung burc^ bie ^nft anvertraut.
2}oc^ genug unb fd^on i)iel ju emft^aft für ein
leicht ^inflattembeg geuilletonl — Sc^ bin bem ?ßubli*
fum nod^ ben beweis fc^ulbig, ba^ id^ ber ungtüct«
5. 9leue Stubien (1849). 135
feltgfte aQer ^ramatiter bin. ^aV id) i^n aber für
bcn aufmcrffamctt ßcfct ntd^t fd^on geliefert? Shir ftnb
bic Sefer getübl^nKd^ nic^t aufmerffam! — 9hm benn,
fo l^brt! — SSon meinen erftcn günglingSja^ren an
be^errfc^t mid) nur ein Xricb, ein ©treben: ein
orbentlic^ed Suftf))iel jn machen. 93iiS^er ift'd mir nid^t
rec^t gelungen, ic^ mei^ u^o^I! fLbtt man begnügt ftd^
mit 9}erf ud^en ; eS f ommen neue )8ilber, neue ©ebonf en —
bad näd^te äRal niirb'd beffer gelten! äBar'd mig«
(ungen, man fing toa^ neued an. ^ndj fehlte eiS nie
an ffintfd^ulbigungen. 95alb war'g bie S^^'i^^ — ^^^^
bieg, balb baiJ! 9lun — bie S^^^^^ ^^^ öorilber, bie
^ßrefefrei^eit ba — n?ie freubig pod^te baS §er j ! aber
ed blieb noc^ bieS unb bad! Slm @nbe blieb auc^ bie
^enfur. 3n ber bemagogifc^en ßcit l^iefe e^: „3)eine ©tüdCe
finb reaftionär — fort mit i^nen ! '* 3n ber f onftitutioneüen
Reifet eiJ: „35eine ©tüdte fönnen Äußerungen öon 9Kei==
uung^öerfc^ieben^eiten üeranlaffen — mx ftrei(^en fie
cinftweiten üom ^Repertoire." — ffii, fo fc^tage bad
SBetter brein! SBie foQ id^ benn f (^reiben? — „SBie
früher. §armIog. 5)a§ baucrt — ba8 bleibt." Aber
ic^ {ann'§ nid^t! 3<^ bin nic^t me^r berfelbe l^armtofe
junge äJlenfd^ Dom „fiiebedprotofoQ". äJlein ^ublifum
iffd aud^ nid^t. 3^m fomie mir jagen @ebanfen,
Smpfinbungen burc^ ben Äopf — täufd^' id^ mid^
nic^t xoitbtt, fo ift'iS biedmal mirfiid^ ma^ neue^. 3(^
muß ej» ^eraud Iriegen unb mein (iebeS ^blilum muß
136 5. mtVLt ©tubicn (1849).
eS fcnnen lemcn! — „3)cin ^ublifum! S)ag ift'^
eben — bein 5ßublifumll" — «ßubtifumi ©oOteft bu'§
glauben? ®ie flagen n^eniger über mid^ otö über bid^.
3)u fcift nii^t reif, behaupten fte, ju täppiid^, ju
plump — tt)a8 lueife id^! S)u fud^ft bie Änfpielungen
in ben ©tüdCen l^eraug — bu Ia(^ft, bu Hatfc^cft ju
mel, ju l^eftig. — SBenn bu bag boö) laffcn fönnteft!
Ober tu'i^ mogig. (£^ ^aben bi(^ gen^ig noc^ n^enig
3;i^eaterbid^ter gebeten, in il^ren ©türfen nidjt ju
applaubieren — aber cg mu§ fein. 3)rum nimm bic^
jufammen — fei ernftl^aft. ©onft befommft bu mid^
gar nid^t mel^r ju fe^en — unb ®oet^e unb ©(Ritter „nur
feiten". Sin ©onn* unb geiertagen etwa, ©iel^', tuir
l^aben über 20 3ci^re miteinanber gelebt — eS tpör'
bod^ ©(^abe, ttjcnn n)ir ung trennen müßten. Unb
g'rabe je|t, ttjo wir beibe etttjaS älter unb gefegter
tt)orben ftnbl Slber eben brum foQten toir un^ auc^
vernünftiger betragen. 3d^ n)ill im ©d^reiben ouf mid^
ad^t geben — tu bu bagjetbe beim ß^f^öi^^^- w^^"^
ftanb, nur Slnftanb" — unb bu bift bag befte ?ßubli==
fum t)on ber SBett, fo frifc^, fo l^eiter, fo gemütrei^,
\o jung
©0 iungl 5)a3 ift'81 Sugenb fennt feine — S^^^f^^-
SBir finb beibe nod^ öiel ju jung — aud^ im brittcn
©tabium. Slber toir toollen un^ beffent, n)ir »ollen
älter »erben. — Siid^tg für ungut! £eb' tool^i, mein
liebes, mein junges 5ßublifum!
6. Die ld)önc Citcratur in Oltcrrcid) (1$35)-
35ic 3citett fi^^ öorübcr, too ein SSoIf auf ba^
anbete mit @toIj l^erabfal^ unb im &t\vLf)l eigenen
Sßerted ben @^^arafter unb bie Srjeugniffe bed ^^remben
pd^ftend nebenbei gelten lie^. äBenn ber ^eutfd^e mit
franjöftfd^er SSare unb Literatur l^ierin eine Slu^na^me
machte, {o n^ar eS bod) meiftend nur bie t)omel^me
SBelt, bie bem ^lu^lanbe unbebingte SSerel^rung goUte;
ba§ große ?ßublifum nal^m bie 5ßarifer ©oben niemate
ol^ne einigen @pott unb Sßiberfprud^ l^in, ja gut
gtänjenbften ß^it unserer ßiteratur tat ftd^ jeber finabe
etttjag barauf jugutc, ba| er ftd^, auf bie beften äRufter
geftü|t, ungeftbrt über SRacine unb SSoItaire luftig
mad^en burfte.
„a)eg tät'gcn SÄann'g JBe^agen fei ^arteilic^feit!"
n)ar bamali^ bad fiofung^n^ort. Unb n^irfUc^ mußte
ber 35eutfd^e, toenn er anberg feiner Äräfte beiöußt
werben unb felbft fd^affcn follte, ben fremben (Sinfluß
rüdfic^tSlog jurüdtoeifen unb fi(§ feinet innerften,
eigentttd^ften Sebeng unb SBefen^ auf einige 3^it ^i^
aSorttebe erfreuen. @o entftanb benn, burd^ politifd^en
138 6. %it f^önc Sitcrotur in ßflerrcit^ (1835).
ffiinftul aufs l^öc^ftc angeregt, jene 3)eutjc^tümelet, bie
nun jo gänjlid^ öerjc^oücn ift. ©ne allgemeine, burc^*
greifenbe SBUbung l^at feitbem jeneg rol^e SBefen gänj=
tid^ abgeftretft. SBir erfennen ba§ SSortrefflii^e unb
©Ute in ben SBetfen bcr 5ran5ojen unb Snglänber
ol^ne aDeg SBorurteil; unb ba wir ben erften ©d^ritt
getan, fo fü.l^Ien tüir unS gejc^meii^elt, ba| bieje geift*
reid^en Stationen fic^ beeilen, uni^ entgegenjufommen
unb ftc^ unsere Siteratur mit Siebe unb (Sifer anju«
eignen. 6ine audfül^rlic^e SJarfteÜung, tüie bie beutfc^e
5ßoefte inSbejonbere auf bie neuefte franjöftfc^e Sitera*
tur eingetüirft, tüttrbe in bicfer §infi(^t bie mertoür*
bigften Äuffd^Iüffe gettjäl^ren unb bie wic^tigften 95e*
trad^tungen öeranlaffen.
S)ie S)eutfc^cn mai^ten in ber attgemeinen SSilbung
nod^ einen tüeiteren gortjc^ritt: fie laffen fid^ gegen*
tt)ärtig aud^ untereinanber gelten. S)ie literarifc^en
gelben tüerben immer feltener. SBenn felbft ©oetl^e
unb^ ©dritter mit i^ren erften SBerlen bem l^eftigften
SBiberfpruc^ begegneten, fo fann l^eutigentagS ein iunger
Stutor, tüenn er anberS etniaS ®uteg liefert, fiberjeugt
fein, in furjem e^renbe Slnerfennung ju finben. ©n 9ie«=
jenfent, ber an einem wirflid^en latente fein SWtttd^en
füllen tt)ottte, würbe in bem 5ßublifum laum einigen An*
Mang finben. ©o fragt man auc^ bei einem neuen SBuc^e
nid^t mel^r: SBarb eg in JBerlin, Sei^)jig ober SBien gefd^rie==
ben? SKan Iä|t ba8 @ute ol^ne engl^erjige SRiöalität gelten.
6. Xie f^j^tte Sitetatut in Öfiemic^ (1835). 139
8o toänjc^eni^mert bie unabl&fftge f^ortbilbung
tiefet Humanität, jumeift im Sleic^e ber ©eifter, er^
fd^eittt, fo tonn unb foQ fte uttS boc^ niemals fo
fel^r öcrangemeinen, ba| fic^ nic^t jebc Station ate
ein ©aitjeÄ unb in biefem ber einidnc ate felb*
ftänbige« Snbiöibuum fül^Icn bürfte. S)cr ?lu*brud
ber Slationalität unb ber eigentümlid^en ©inned^
»eife mad^t ja eben ben intcreffanten aRenjci^en unb
©d^riftfteller. S)iefe (Eigenheiten mit einem getoiffen
erlaubten ©elbftbel^agen ju erl^alten unb ju i)erebeln,
aber ja nid^t ju tiermifc^en, fei bai^ SBeftreben eined
jeben. ©ein SSaterlanb liebt jebermann, felbft ber Zappt
unb ©amojebe; unb im SSaterlanbe liebt er tiorjugiS«
toeife feine JJöntilie, feine Ängel^örigen, feine greunbe.
SBirb iemanb, ber einen ^erber ober ©d^iDer fennen
lemt^ be^l^olb aufpren, feinen SSater ober feinen
grcunb ju lieben, toeil jene SÄänner geiftreid^er ober
geleierter finb ate biefe? &mi^ nid^t! (^ mirb jene
gemaltigen ®eifter i^erel^ren, bemunbem, aber ben Spater
unb 5^eunb, in bereu ^erjen bie SBurjeln feines S)a^
feinS l^aften, mirb er fortfal^ren ju lieben bii^ jum
legten ^aud^e feinei^ £ebend.
©0 fann uuÄ auc^ eine Station geiftreid^er, ta^)ferer,
funftempfänglid^er erfc^einen ate bie eigene, aber jenes
frembe fianb ]§at un* nic^t erzeugt, genährt, geleiert,
^at uns nic^t ffiltem unb greunbe gegeben; ben eigenen
SSoben fennen mir beffer, inniger, mir finb mit manchem
140 6. S)ie fc^önc Siteratur in Öftcrrcic^ (1835).
j einer SBorjüge öcrtraut, bie bem grcmben ctotg fremb
bleiben; tüir ftnb ein Seil, ein 5ßrobuft bieje§ SBobeng ;
mit einem SBort: tüir finb im SSaterlanbe, in ber
§eimat.
SBer nic^t bk SSSelt in feinen grteunben liebt,
Sl^erbient nic^t, bajs bie SBelt \)on ii^m erfahre.
SBie ber einzelne 5ßriöate fi^ jeineS SSaterlanbe^
frenen barf, fo and) ber ©d^riftfteÜer; unb in biejem
©inne laffcn tüir ben oft mipraud^ten Slu^bmtf
„öaterlänbifi^er ©c^riftfteHer" gelten.
Dfterrei^ l^at unftreitig faft in aöcn gäd^ern ber
S33iffenj(^oft bebentenbc SRänner oufjuweijen; bod^
mochte man i^m üon jel^er ben SSortünrf, ba| eg in
ber Sogenannten „ji^önen Literatur" jnrüdgeblieben.
S)en ©ang unb bie gortbilbung, jomie ben gegen-
wärtigen ßuftanb biejer Literatur in allgemeinen Um-
rifjen auf l^iftorifd^em SBege barjuftencn, fotüie bie
Hoffnungen für bie B^'f^nft augjujprei^cn, fei ber
3»ecf unb Snl^alt biejer ©fijäe.
2c^ ma|e mir barin leinegtoegg an, über fämt-
lid^e literarifc^e ©rjc^einungen unjereS SSaterlanbeS ein
ftreng Iritifc^eS Urteil ju fällen; i^ bemül^e mid^ öiel*
mel^r, bie aßgemeine 8lnfic^t auSjufprec^en, ttjcld^e fic^
über ältere SBcrfe feit einer SRei^e öon Salären feft-
geftcüt ^at unb ttjelc^e meiftenä bie richtige ift. Oebc
i^ über neuere Slutoren meine eigene SReinung, fo
juc^e ic^ burc^ furje Sarftellung be§ SBejen^ il^rer
6. ^tc fc^önc Stteratur in Öjlerrctc^ (1835). 141
SBcrIc meine Anficht ju erläutern unb ju begrünben.
3c^ nenne femer jeben, bejonberi^ jeben lebenben
©d^riftfteHer, ber mir einen ©tein ju bem ®ebäube
unferer fiiteratur beigetragen ju l^aben jd^eint; id^
fonnte aber, wenn id^ fein SBuc^ fi^reiben tt)oDte, nid^t
jebeS einzelne lalent genauer bejeic^nen, fonbem mu|te
mid^ bejc^ränfen, auf biejenigen SBerfe naiver einju*«
ge^en, toeld^e im Snianbe unb l^auptfäc^tic^ auc^ im
StuStanbe gro|ereg Sluffel^en erregt Ratten, wobei id^
mir nur erlaubte, bisweilen auf foli^e ^ßrobufte auf^
merffam gu mad^en, welche mir minber bead^tet fc^ienen
ate fie eg öerbienten. ©o öiel im allgemeinen, um
nid^t mi^öerftanben ju werben.
Unmittelbar üor unb wäl^renb ber golbenen Qcii
ber beutfd^en Literatur regte ber politifd^e ©eniug in
Öfterreid^ nur fetten feine ^lügel. 3)er würbige 5)eni§
ift beiläufig ber eingige S)i(^ter, ber ftc^ auS ber
frül^eften ^ßeriobe nennen lä^t. ©eit SWaria ^E^erefta
ben Zffxon beftieg, nahmen l^äufige Kriege nac^ au^en
unb mannigfad^e SilbungSprojeffe nad^ innen bie ©e-
famtfraft ber Station in Slnfprud^, unb tiefen bie
l^eiteren ©piele ber SKufen nic^t gebcil^en. (Sin großer
SRann fprad^ baS SBort ber freien SSemunftentwidlung
unb ber milbcn 3)utbung auS; taufenb fleinere 2cuit
fc^Wa^ten ei^ nad^, unb bie Sbee wie bie ?lugffi^rung
142 6. 3)tc f^önc Siterotur in ßfierrcic^ (1835).
verunreinigte fid^ in il^rcm 3Äunbe unb unter il^rcn
Rauben, ©o cnttoirfelte fic^ jene leibige Äufflarungg=«
unb Xoleranjepod^e, bie benn auc^ mel^rere Sid^ter er«
jeugte unb fte anregte, i^re @ef&nge ju (Eieren ber
Maren unb profaijd^en „JBemunft" ertönen ju laffen.
9hemanb toirb SSIumaueriS Xalent unb t)or aOem feinen
glänjenben SSi^ t>tvttnntn; aber bie polemifc^e 9üd)^
tung feiner SKuf e, toeld^e burd^gel^enbi^ bie $arbe feines
Sa^rl^unbertS trägt, tuirb il^n in ben $(ugen berSlad^-
tuelt nid^t f o l^od^ fteOen, aU feine 9iaturga6en fie jtoin«
gen fonnten, il§n ju ftetten, wenn er biefe minber ein*
feitig antoenben kooQte. S)ie n^a^re $oefie/ t>on ^omer
bis @oet^e, toax niemate bIo| polemifd^. — 9lenncn
tt)ir noc^ SWaftaöier, Äljinger unb Siatfd^f^, fo finb
bie berül^ntten Siamen aus jener 5ßeriobe fo jiemlid^
beieinanber. S)ie taufenb unb ober taufenb $(uf«
KärungSbrof Couren unb «@ebic^te finb i)erf c^n^unben ;
als pd^ft bejeic^nenb l^at fid^ ein SSert erhalten,
weld^eS ben ^Eitel feiner 3^** ^^ ^^^ ©time trägt:
^auftin ober baS pl^ilofopl^ifd^e Sa^rl^unbert, eine 9(rt
t)on pl^ilofop^ifc^em 9{oman, burd^ SBoItaireS %rt unb
SBeifc angeregt, loorin fid^ bie lenbenj ber Qdt öolt
lommen auSfprid^t unb toeld^eS nic^t o^ne SSerbienfte
ift. _ asic ber ^uftanb ber Äritif bamalS in
unferm SSaterlanbe befc^affen toar, erließt aus ben
Stimmen ber Sonangeber. SSon Ä^ren^off unb grei*
l^err ö. Sfle^er brad^ten bem tölpifd^en unb unge=
6. ^e fc^i^ne Siterotur in Ößerreic^ (1835). 143
\dfladfttn 9üefen ©^afejpeore t^erfd^iebene @ti(i^e mit
t^ren ©alanteriebegen bei unb glaubten il^m ben
XobeiSfto^ Derfe^t }u ^oben, mü er fic^ nid^t rül^rte;
er ober fc^Iief fanft fort im ®cfü]§Ic fcineiJ mi^
gen 9htl^md, bid ber eine jener ^erren einen Bf^att^
fpearefc^n Stoff nad^ feiner SBeife bearbeitete, morauf
fic^ benn ber 9{iefe im ®rabe um!e^rte unb feinen
Sunbei^genoffen @oetl^e erfuc^te, ben fritifc^en 93e«
arbeiter burc^ @ö^eni» eiferne f^uft ein biiSd^en ju-
rec^tjumeifen.
©omenig 9u^btutt an ^oefie unfer SBaterlanb
au(^ in jener Qcit barbietet, fo mürbe hod) bamaU
eine 9nftalt gegrfinbet unb befeftigt, meldte mit ber
$oefie in inniger SSerbinbung fte^t unb menigftend
i^rer 9latur nad^ geeignet ift, poetifd^e Xalente ju er«
meden, menn aud^ l^eutigen XageiS unb in ber S8irf«
IxdjUtit l^aufig bad Gegenteil t>oxtommt 3)er gro|e
Jlaifer ^o\tpff brachte ba§ beutfc^e X^eater in SS^ien
auf bie @tufe ^ol^er^ iBoQIommenl^eit. Wtan ffattt fc^on
längft bai^ S3ebärfnid Q^\W^, (^^^ btn ©efc^mad unb
bie SBitbung ber mittleren klaffen ber ©efeQfc^aft gu
mirfen unb fanb bie 93ä^ne l^ierju aU ha^ tauglic^fte
SRittel. @onnenfete mar ber üKann, ber burc^ Sßort
unb Xat ba}u am meiften beitrug. S!)er ^ani^murft im
Äämtnertortl^eater mürbe vertrieben; franjöfifc^eiJ ©d^au^
fpiel unb italienifc^e Oper befc^räntt; beutfd^e @c^au«
fpiele unb Überfe^ungen ber SReiftermerle ber gran«
144 6. S)ic fd)önc Siteratut in Öftcrreit^ (1835).
jofen joUtcn öor^crrjc^cn. ?tucl^ bic SSoIföbül^nc t)cr=«
cbcitc \i6) öon fclbft, inbcm ba^ intproöifterte X^eatcr
na^ unb nac^ aufhörte unb ©ofncr jcinc ©tücfc
jd^ricb. ©c^abe, ba§ biefcg eigentliche %aUnt, betn eS
burd^auiS nic^t an Stfinbungi^gabe, nod^ an ä8i^ ge«
brac^, gu öiel Sio^eit unb gu wenig ©ejd^mat! he'ia^
unt anbete ate Sofatftficfe ju jc^reiben. ©taat^rat
©ebler, jelbft 3;^eaterbic^ter, §eufelb an ber Seite,
befjen Sejfing in ber 5)ramatiirgie ertoäl^nt, leitete bie
|)ofbü^ne mit (Sifer unb im ebelften @inn. Surd^
Äaijer Sojepl^ fam neue§ 8eben in bie ©aci^e. 95e==
beutenbe ©d^aufpietertalente würben gewonnen; bem
SJtd^ter Warb bie britte SJorfteüung jeine^ SBerfeg atS
Sinnal^me gefid^ert; ba^ ^E^eatcr ^ie§ SZationaltl^eater.
aSie jel^r fi^ ber gro§e SRann felbft in bie S)etaite
ber Sü^nenteitung einlief, erfäl^rt man aui^ ber 83io*
grap^ie beg ©d^aujpielerS SÄilller, weld^en ber Äaijer
reifen Iie|, um SSerbinbungen mit SJid^tem unb ®6)avi^
fpietem aujufniipfen. S)ie jc^bnfte ^ruc^t biejer Steife
war, ba| ©d^rbber in ber fjolge für SBien gewonnen
würbe, ©ein S)oppeItaIent belebte unb erweiterte ba§
Il^eater. ffir brad^te juerft ©l^afefpeare auf bie 95ü^ne,
nebft öielen feiner eigenen SSäerfe unb Umarbeitungen;
bie üortrefflid^ften entftanben jum ^Ecil erft in SBien.
2ln ©c^rbber fc^Ioffen ftd^ mand^e anbere, wie Sünger,
©tep^anie an, unb fbrberten in feinem ©inne, wenn
aud^ eben feine poetifc^en SBerfe, bod^ brauchbare
6. 5)ie ft^dnc Sitcratur in jöficrrctc^ (1835). 145
X^eaterftäde gutage. Unb fo toat fc^on bamal^ gleich«
fatn bic gorm bcjcic^nct, in »clever in Öftcrrei(!^ bic
$oefie }uerft auftreten unb allgemeine ^nerlennung
finben foQte.
yiaä) ber Qtit biefer Ü6ergangiSe|)oc^e tnurbe ein
^ttd^ft ac^tungi^milrbiger SRann burd^ baiS 93eifpie{ bei^
(im eblen @inne) popul&rften beutfc^en £ramatüer§
angeregt, einen Xeil feiner ^äfte ber öaterlänbijic^en
f8üf)nt }U ^ibmen.
3ol&. §einricl^ t>. (JoHing S^rauerfpiele finbSBerfe
eined Ttannt^ t)on 93ilbung unb @t\ö)mad, ber }u«
gleic^ mit ben gorberungen ber Sül^ne J^öd^ft Vertraut
toar. 3n einer ©efd^id^te be§ öfterreid^ifc^en Xl^eaterd
toärben fie jlebenfalli^ eine genaue SSürbigung unb
?lu*einattberfe|ung üerbienen. S)er r^etorifd^e ^ßrunf
jener ©tädfe öerfd^affte il^nen in S)eutjd^Ianb ju einer
3eit toenig (Eingang, too burd^ bai^ Seifpiel ber aud-
gejeid^netften Xalente unb burc^ bai^ @tubium unb
ben ®enu| öon ©l^alefpeareg SBerlen bie fjorberung
an ^oefie bereits f)'öf)tx gefteHt toax. Snbeffen famen
(SoÜinio Xrauerfpiele ben bamaligen SBebfirfniffen ber
äSiener 93äl^ne ^öd^ft ennünfc^t entgegen, unb man
n^arb burd^ eine 9{eil^e t)on Salären nid^t mübe, toür^
bige unb männlid^e ©efinnungen in mo^Iflingenben
SJerfen aug ÄomS SKunbe ju öemel^men, ber eben
burc^ biefe @tüdEe ber Siebling bei^ ^ublifumS ^urbe.
ffiinem minber gebitbetcn Seit ber 3^i^ouer ttjaren
•«ciftta IV. 10
146 6. %it fc^öne Literatur in Ößerreic^ (1835).
jugleid^ 3i^8^^^^ ©d^aufpiele eine ^iQtommene &Qbt,
tD^i6)t and) bie übrigen SBü^nen Sentfc^Ianbi^ nid^t
üerfc^mä^ten.
S)ai^ %f)tattx U\a^ bie tiorjitglic^ften Xalente,
nnb ^atte fid^ (üngft }n bem erften in Seutfd^Ianb
entporgef c^iDungen, nur mu^te tS feinen poetif c^en 93ebarf
meiftenS auS bem Sui^Ianbe bejie^en. Qu ertoäl^nen m&re
^ier nur, ba| ^o^ebue n)äl^renb ber lurjen Qdi feiner
Leitung bed ^oftl^eaterS einige feiner beften ©tfide in
993ien fc^rieb, unb ba^ Xl^eobor ^ömerd gramen (ber
freilid^ aU I^rifd^er ©ic^ter bebeutenber ift) il^re ffint^
fte^ung nur feinem ^[ufentl^alte in SSMen unb feinen
äSerpItniffen ju ber ^ofbü^ne tierbanfen, fotuie aud)
fiubmig Qa6)ana^ SBemer ju mel^reren feinern)unber^
lid^en, aber jum Xeile l^öd^ft |)oetifc^en bramatifc^en
@c^ö|)fungen l^ier angeregt mürbe.
3)er 3wftö^^ ^^^ ^ttf würbe ju Anfang unfern
3a]^r]^unbert8 burc^ einen SKann öerbeffert, beffen bt^
reitö mel^rmatö in biefen S3Iättem ern^äl^nt n)orben.
3ofef ©c^re^öogel (genannt SBeft) fe^te fid^ in feinem
rr@onntagiSbIatt'' bad Qid, bie neuen (Srfd^einungen
ber Literatur unb ber SBül^ne grünblic^ unb augfüJ^r-
lic^ JU bef|)rec^en unb auf ben^efd^mad unb bie (Sin«
fic^t beiS großen $ublilumd burc^ übem^iegenben SSer«
ftanb unb tual^rl^aft tritifd^en @eift ju n)ir!en. S(uf
Äriftotelcg unb Sefftng, wie auc^ auf bie erften
!Dic^tertt)erfe aüer ä^it^^i Ö^ftöfetf f^^ß^^ ^^ f^ ing==
6. %xt fc^dne Siteratur in Öperrdc^ (1836). 147
befonbere ber neuen romantifd^en @c^u(e, namenflic^
ben btlberftünnifc^en SBeftrebungen ber ©ebräber
@d^legel entgegen. SBenn er l^ierin in feinem (Stfer btiS«
n)eilen ju tütxt ging unb mitunter fogar bie ma^r^aft
poetifc^en (Srfinbungen fetner ®egner t^ertannte, fo
mu^ man bebenfen, ba| jur 3^^^ ^^^^ @ärung ber
SSiberfpruc^ ftc^ immer xvi^xd)t^io^ auSjubrüden
pfl^Qt, unb ba| berjenige, ber ein ^^}i)) befiim))ft,
ftc^ md)t barauf einlaffen fann, baiS einzelne ®ute,
ipaS feine (Segner ttma hervorbringen, befonberiS gelten
ju laffen. $at boc^ fogar £efftng, inbem er feinem
S^atefpeare in Seutfc^Ianb (Eingang }u t)erfc^affen
fud^te, nStig befunben, bie frangöftfc^e SBü^ne t>or^er
mit @tum))f unb @tiel auiSjurotten, beren )8erbienft
il^m gewil nic^t entgangen »ar. Unfere 3^it bietet,
befonberiS in politifc^er ^inftc^t, merftoürbige ä^nlic^e
Belege bar.
äBie man iibrigeni^ auc^ ©d^re^k^ogeld aUiu l^ef^
gen (Sifer gegen bie mobem^romantifd^e ^oefie, beren
Slnl^änger bebeutenbe latente unter fid^ johlten, tabeln
mag, foöiel bleibt gett)i|: bie gorberungen unb
3tt)e(fe bcg Xl^eaterg, bem er pc^ in ber legten ^älfte
feinet Scben« mit auÄfd^tte|cnber SSorliebe »ibmete^
fanntc er weit beffer, ate bie SRomantilcr. ©eine Scr»
bienfte um bie ficitung ber SSMener ^ofbül^nc, bie fo
glücßic^ tt)ar, il^n beinal^e burc^ itt)angig 3a^re ate
Dramaturgen unb Xl^eaterfefrct&r gu beftfeen, finb no(^
10*
148 6. 2)ie f^öne Siteratut in Öfterreic^ (1835).
frifc^ in iebermanniS ^[nbettten. Sßad er burd^ 9iat
unb ©ciftanb beut ©c^riftftcDer geleiftet^ toet^ jeber,
ber tl^m nö^er ftanb. @o manc^ei^ beliebte unb belobte
@täcf, melc^e^ l^ier entftanb, t^erbantt feiner tritifd^en
t^ile ben gänftigen (Erfolg, toie ed benn aud^ äRilUner
unb 9iaupac^ nic^t i)erf c^mäl^ten, fid^ f einei^ 9iatt^ unb
feiner ^üfung bei i^ren bebeutenben ^(rbeiten ju be«
bienen. Unb n^irllic^ toax ein Wtann, toit ©c^re^«
t)ogeI, ber t)on 9{atur mel^r auf 9ief(ej^on unb Slnal^fe
l^inftrebte als auf lebenbigeiS ©c^affen, unb ber bod^
jugleic^ beiS praltif c^en föixdt^ unb ber nbtigen Xec^nif
nid^t entbel^rte, für ben eigentlichen ©c^riftfteller unb
3)i(^ter ein unfd^ä^bareiS ^leinob, inbem il^m biefer
^nftric^ter, bei feiner gereiften Slnfic^t unb (Erfahrung,
getoifferma|en für ein ganje* SSor*5ßubIifum bienen
!onnte. Stec^net manl^inju, ba^er bei einem burc^auS ftreng
rechtlichen (Sl^aralter unb bei einer immer gleichen
SB&rme für aU^^ @ute unb @c^öne feine 9iatfc^Iäge
ol^ne aQe Siebenabfid^ten erteilte, fo I&|t fic^ begreifen,
ba| ber SSerluft biefe« SWanneÄ bem ©c^riftfteHer fo*
mie ber ©d^aufpielergefedfc^aft gleich unerfe^Iic^ er==^
fc^einen mu|.
aSir bcfi|en öon ©c^re^öogel eine Sammlung
9lot>tütn, bie, nebft ben geiftreic^en (Srjäl^Iungen bes^
^teil^erm öon ©teigentefd^, baS S3efte finb, toai bie
öfterreic^ifd^e fc^bne ßiteratur in biefem gac^e aufju^»
n^eifen l^at 9tod^ bebeutenber finb feine ^Bearbeitungen
6. ^ie fc^dne Siteratur in Öfterrei^ (1835). 149
bcr fpanifc^cn STOeiftcmcrlc: „Sag Scbcn ein Xrautn"
unb „Donna Diana". fOlan tarn lül^n bel^oupten, ba^
Weber bie beutfd^e^ noc^ eine anbcre Siation eine äJ^nlid^e
in eigene^ f^Ieifc^ unb S3Iut übergegangene Umarbei^
tung eineiS fremben SBerted beft^e. @elbft S(. t)on
©c^Iegetö berül^mte Überfe|ungen ©^atefpeareiS laffen
fic^ ^iemit nid^t t)ergleic^en, ba fte eigentlid^ borauf
l^injielten^ ben fremben Äutor^ toic er ttjar^ unb fomit
freiließ auf bie n^irffamfte SBeife, bent SJaterlanbe i)or^
jufü^ren.
3m Saläre 1816 warb ©d^re^öogel mit ®riöpar§er
befannt^ ber i^m ben pan ju feiner „Äl^nfrau" unb
in ber golge ben erften Äft bicfeg ©tücfeS mitteilte.
®ä)xttit>OQd tarn bem jungen Slutor mit aQer äBärme
entgegen. S)er weitere ®ang bei^ 2;rauerfpiete würbe
befproc^en, mit öielem $in* unb SSSibcrftreiten^ wobei
ber ^nftric^ter bem Siebter mand^e feiner eigenen
9(nft(^ten unterfc^ob. 3n wenig Sßoc^en war baiS ©tücf
t)oQenbet, mit welchem bie ^oefte in Öfterreid^ eigentlich
erft geboren würbe. S)ie SSäirlung bei ber erften Auf*
fttl^rung ber „Sl^nfrau'' im X^eater an ber S35ien
(^eurteur alS Saromir, bie ©c^röber als SSertl^a) war
au|erorbentIic^« 3)ie frifc^e £ebeni^quelle ber $oefie
brang mit äJtac^t in bie troctenen @emüter ber Xl^eater-
befuc^er. 93alb war bie ^(l^nfrau l^eimifc^ auf aUen
Siil^nen ©eutfc^Ianb*. S)ie SBirfung^ bie Stnerfennung
War aQgemein. 9tatürlic^ fehlte eS nid^t an einjelnen
150 6. ^ie f^öne Literatur in Öfierretd^ (1835).
©timmen ber Etiler, luelc^e bagegen auftraten. 2)ai^
@tü(f festen ftd^ einer S6)nU an}uf(^Iie|en, beren
Set&mpfung jur literarifd^en SRobe gel^örte. SS^elc^ ein
Unterschieb übrigen« giDifd^en ber „©d^ulb" unb ber
,,a^nfrau'M aRüönerÄ Iraucrfpiet erfci^eint alg ba«
SBerl eine« ^iJd^ft öerftänbigen SÄanne«^ ber in ber
Äompofition feiner gabel bie gr5|te Äunftfertigfeit, ja
2Reifterfd^aft enttüicfelte. S)ie ©d^icffateibee liegt gum
®runbe; bamac^ ift aQe« ^o^I berechnet, aOe^älc^en
paffen ineinanber, toie bei einer funftreic^en üRafc^ine;
ber tragifd^e 5ßroje| mit feinem pro unb contra f d^rcitet
unaufl^altfam öor, man fielet ben gelben fid^ öerftridEen,
ujanlen, fallen. Aber ber $elb fettft fotoie bie übrigen
5ßerfonen^ finb feine lebenbigen SBefen, fonbem öiet*
mcl^r perfonifijierte 83cgriffe; ebenfo ift il^r JBerpItniä
gu einanber fein tnal^re«^ natürlid^eS; fte finb nur ba,
um ein poetifd^ed 9lec^ene;empet töfen gu l^elfen. SBad
fie fpred^en^ ift geiftreic^e 8leflefion^ pl^ilofopl^ifd^e
3ergtieberung ber Seibenfc^aft, aber nid^t il^re bid^te^«
rifc^e ©arfteHung.
S)ie „Ä^nfrau" toirb gett)i| öon ber „©c^utb" on
tec^nifc^er Äunft übertroffen; bagegen ift fie ba« SBerf
eine« ttjal^ren S)ic^terÄ. 5Wic^t ber fatte^ bered^nenbe
SBerftanb l^at bie ^erfonen unb i^re SSer^Itniffe nac^
Gegriffen erfonnen unb mit einem poetifd^en ©d^ein*
leben befleibet, nein^ l^ier ift atteS empfunben, erlebt^
öerförpert. „S)eg SJid^ter» 8lug', in fd^önem SBal^nfinn
6. ^ie f^dne Stteratut in Ößetrei^ (1835). 151
roltcnb"^ l^at bic ®eftaltcn loirfßd^ crfc^aut, unb ber
3öubcr bcr fd^affcnbcn ^ßl^antoftc teilt il^rc ßebcn^*
to&tmt ber \6i\od(i)tun StnbilbungSfraft beiS 3^!^^^^^^
mit 2)iefe ge]^eimntdt)one Operation, looburc^ bai Sßort
ium Körper tüirb, gcl^t im Sieid^e ber Äunft feltener
x>ox, aU man benft
SBie öiel an ber SBirfnng ber „Ä^nfrau" auf
bad gro|e ^ublifum, um einen ^(udbruct (Sotüff^^ }u
gebraud^en, „ftoffartig'' »ar, laffen wir ba^ingeftellt;
f ouiel ift flbrigeniS getoi^, ba| man ©rtUporgeriS Xolent
nod^ immer nac^ feinem erften SSerte ermißt unb bad
Siomantifd^e für bie eigentliche @p]^äre feiner ^unft
pit. Um fo überrafd^enber roax fein jtneite^ Auftreten
mit einem antifen ©toff. „©oppl^o" machte barum feine
geringere SSäirfung.
„SRur aug öoHenbeter Äraft Midet bie Anmut l^er*
t)or", fonnte man bem ©türfe jurufcn- S)er S)ici^ter
fd^ien nunmel^r jur Änerlennung ber gefe|Kc^en
©^raufen unb Siegeln gelangt ju fein; eg gefiel il^m,
ftd^ öon feiner früheren romantifc^en SBelt mel^r ju
ben SJerl^ältniffen bei^ Seben^ ju toenben. ©ie neuen
Elemente, in benen ftd^ bie „©app^o" bewegt, lehren
au^gebübeter in ben fpäteren SBerlen toiebcr.
„S)ag golbene SSIie^", bie ^ruc^t me^rjäl^riger
Slrbeit, ift öielleid^t in ber Art, wie er l^ier bel^anbett
würbe, einer ber größten ©toffe, bereu fic^ jemate ein
bramatifc^er Siebter bemächtigte. (S8 war bereits frül^er
152 6. i)ie f^i^ne Literatur in £)fterreic^ (1835).
pufig t^erjuc^t tuorben, und bie antife Sßelt tuieber
ing Beben ^eröorjurufen. S)ie gtanjojcn mobernifierten
fte unb taud^ten fte in @entimentalit&t; bie beutfc^en
SSerdfünftlcr ber öorigcn ^a^x^^mU glaubten bie Auf*
fafjung ber Slntife in ber JRac^bilbung ber ttaffijd^en
gorai ju finben. Älinger, ber bie großen ©toffe bcö
^Uertumd in ber bamatö üblichen X^eatetprofa 6e*
f)(mbdk, brad^te fte ^ol^I um t)ieled bem £eben unb
ber Statur nä^er^ aber ber SScrfaffer ber „StoxtiinQt*'
oerlie^ il^nen eine gu bürgerliche ©eftalt @oet^e ^atte
in ber „Sp^igenia'' bad rein 3Renfc^Kd^e bed antiten
Stoffe^ ergriffen, unb il^m ben ©el^alt unb bie Jorm
öerlie^en, mel^e neue ^^i* wb SBilbung, neue unb
ganj anbere poetifd^e S3ebürfniffe erl^eifc^ten. S)ie 5ßoefie
^atte burc^ bie ,,3p^igcnia" eine neue ©roberung
genmd^t; aber „Spl^igcnia" ift fein Xrauerfpid. S)ic
tragifd^e äluffaffung unb SSelebung jener gen^attigen
Stoffe blieb noc^ immer eine Aufgabe ber neueren.
3n ,,^anborag SBieberfel^r" erfc^eint bie 83Iiite bcd
antifen unb mobemen Bebend t)tTmixf)it, iebod^ geftaltet
fid^ bad Meine 2Reiftertt)er! öielmel^r jur Slttegorie, fo*
wie im jioeiten Seile bed „g^uft" bie @riec^en»ett
jtimBoIifc^ eingeffil^rt unb ^att emft^aft, l^atb in Ute*
rarifc^em (Sc^erj bel^anbelt uiirb.
„©ad golbcne aSIie|" bietet in ber ganjen neuen
Literatur bad einjige ©eifpiet einer eckten tragifc^en
SSieberbelebung ber Slntife bar. 5)ie 3lrt, tüie ^ier bad
6. ^ic fc^Unc Äitcratur in ßftcrreic^ (1835). 153
ajcr^dltnig bc« ^a\on jur SRcbca aufgefaßt würbe,
gewährt un« einen bcr tiefftcn JBücfc in ba« mtn\6)'
lid^e §erj. ©in cbicr jugcnblid^cr ©ricd^cnl^ctb, Iräftig
unb rul^mbärftig, t)erf ammelt anbete eble ©enoffen jum
^tQ^VLQ ua6) bem Sold^erlanb. ©eine ^taft, feine
eble ßü^n^eit gen)innt i^m baS $erj eined n)ilben
jungen 99arbarenmäbd^en8, ber ^önigStod^ter. @ie t)tX'^
lä^t i^nt juliebe 93a ter unb 93aterlanb; burd^ i^re
^ei^ilfe, burd^ i^re Kenntnis gemeinten 3(iii6ci^^ getoinnt
er ba« erje^nte gotbene 8Jtie§. @ie wirb fein SBeib, unb
er le^rt mit i^r ald @ieger in bad l^eitere ©ried^enlanb
gurü(f. W)tx bie Siebe, bie unter ^ampf unb @treit
begonnen unb ber bed äSaterS f^Iud^ in bie ^rembe
folgte, War feine glficöic^e. 9Kit ®rauen badete 3afon
an ÜKebeenS 3^^i^^^^#^7 ^^^^ ^i^^^ £eibenfd^aft
genügte feinem ^ergen nic^t, weld^ed nad^ ber ftiUen
innigen ißeigung bed äSeibeS t)erlangte. Qmü ungleid^e
Staturen waren aneinanber geraten; ein wunberbared
3}er^ängnid ^otte fte Derbunben, fie, bie fid^ auS £iebe
jagten unb im $affe liebten. S)er 3^i^fP<^tt im
Snnem ber beiben ©atten wud^d langfam, warb burc^
Sd^Weigen genährt unb würbe unoertilgbar.
%u\ ßantpf gefteHt, rang iä^ mit i^r, unb mit
(£in Abenteuer trieb iä^ meine Siebe.
^ur(^ fte toatb mir bai rfttfel^afte IQIieg,
@ie führte mi(!^ in jene Sä^aunW^U,
9Bo ic^'g gewann, htm Xrac^en abgewann.
154 6. ^ie fd^dne Literatur in Ofterretc^ (1835).
@o oft td^ t^r fettbem inS 9(uge hlide,
(Bä^atxt mir bie ©(j^longe blinlenb braud entgegen
Unb nur mit ©c^aubem nenn' tc^ [xt mein SBeib.
l^er 3a^r üerfc^ob bie WX^tf^x und ein ®ott,
^ur(^ ai^eer unb Sanb uniS in ber grre treibenb.
3n Sd^iffeS (Enge, flünblid^ i^r genüber,
IBrac^ rt<^ ber Stad^el ob bt9 erften Sc^ouberS;
(S^efc^e^n toax, toai gefc^e^n — fte toorb mein SBeib.
3n blefct finftcm ©timmung bc8 ©coiütö lanbct
3afon mit SRcbca in ©ried^cntanb. Aber feine ®atcr*
ftabt t)erQd^tet bad mitgebrod^te ®arbarenn)eib; bad
tro^ige $er} ber ^remblingin Derfd^mä^t e^, ftd^ bie
3uneigung ber neuen ^reunbe ju getoinnen. S(ud^ l^ier
fd^reden i^re geheimen Mnfte; man gibt i^nen@d^ulb
an Äönig ?ßetia8 Xob. Safon wirb au« feiner ®ater*
ftabt verbannt unb lommt mit SRebea aU t^Iüd^tling
nad^ ^ortnt^, beffen ^önig il^n aufnimmt unb felbft
Dor bem &mö)tt ber Slmp^tft^onen fd^ü^t unb nur
bie geächtete äRebea bem )3anne $reid gibt. 3afon
fanb in bei^ Äönigg $aufe unb in Äreufen« Slöl^c bie
^o(be, entft^munbene Sugenbgeit n)ieber, er gab ftd^
auf einen Slugenblidf ber feiigen ©rinnerung ^in —
ba tritt bie büftere @efä^rtin feine« fieben« bro^enb
unb l^eifc^enb t)or i^n: er fie^t in i^r nur me^r bie
Unheil fpenbenbe 3öubertn, öiettcid^t bie SRörberin
feine« Dl^eim«, toofür fie ganj ©ried^entanb ^ätt. SBer
fott bir glauben, ruft er i^r ju, ba§ bu ben Äönig
6. Die fc^ane Literatur in Öftecreid^ (1835). 155
ntd^t getötet? aRcbea antwortet: S)u! S)iefc8 „3)u"
ift »cit tiefer, mit ))Octifd^et, atö ba8 a^^il^^te „moi"
ber fratijöfifd^en SRebea. — S)er JBrud^ ift unheilbar
gctoorben. S)ie ©atten trennen fid^. 3afon verliert
feinen 9Kut, feine Äraft; aWebea gewinnt fie. SSer^
achtet, auSgefto^en aud ber ©efeOfd^aft, Don i^rem
@atten öertaffen, i^rer Äinber beraubt, im inncrften
Seben beriefet, ruft fie bie alten 3ö^^*äfte toieber
auf, benen fie freitoiDig entfagt ^atte. @ie erfüllen
fie mit neuem, bSmonifd^em £eben; fie ftad^eln fie
auf, beS Königs ^auS, bie Derl^a^te ^euf a ju t)emi^ten;
fie fpornen fie an jur entfe^Iid^ften lat: jum 3Rorbe ber
eigenen ^nber. — SRon lann bie furd^tbare ÄataftrojJ^e
nic^t tragifd^er unb jugleid^ naturlid^er l^erbeifü^ren.
3ebe8 äRotit) baju ift aui^ ber innerften 9latur
bed SEBeibed entnommen; bie Xat felbft ift nid^t bie
i^olge getoö^nlid^er £eibenf^aft, aütäglid^er Siferfud^t;
fie ge^t auS bem unfeligen SBerpItnid ber beiben
Satten, baS ftd^ t)or unfern Sugen entfaltete, beinahe
mit unabn)eii^barer Slotnienbigteit ^ert)or. 3)ad fd^toere
^oblem ift gelöft: ba^ toir Tltbta nid^t gönjlid^ t)er«
abfc^euen, toeit fie bie ©renjc ber SRenfd^^eit über==
fc^ritten, fonbem fie, biefem 3ofon gegenüber, me^r
bemitleiben. 3)a« gotbene SSIte§, woran fic^ in ber
(Erinnerung ber Xempelraub unb ber äJ^orb bed @aft«
freunbei^ tnüpft, fd^reitet atö Ser^öngniS im antifen
Sinne burd^ bie XrUogie.
156 6. ^ie fc^öne Literatur in öflcrrcid^ (1835).
3)ie Sltt^ftt^ruttg beS großen SSSerleS jeigt ftd^
unglcic^. ®inc tief cingrctfcnbe Störung feine« inncm
SebenS fd^eint ben S)ic^ter gel^emntt }u l^oBen, bai^
äBerf n)ie au« einem ®uffe ju geftalten unb DoDenbet
abjuf d^Iie^en. S)ie Dier etften Sitte ber „SKebea" bürften
fid^ übrigen^ bent t)oII!ontmenften anfd^tie^en, xoa^ bie
tragifd^e ?ßoefte ber 3)eutfd^cn jemate erftrebte. S)te SSJir*
fung ber Xrilogie toav nid^t burc^greifeub. (£8 n^ar im
gonjen „Äaüiar für« SSoIf " . gi^eitid^ ift ba« witb Seiben*
fd^aftlid^e ber „SC^nfrau" unb bie rul^ige ^lar^ett ber
„^Boppf^o** leichter auf juf äff en. 6« beburfte be« ©piete«
einer ©d^röber, um toenigften« ben testen Xeil ber
Xrilogie für ba« ^Repertoire unferer X^eater ju ge*
»innen.
Snbeffen mar baS einmal geftörte @emüt unfer«
S)i(^ter« nic^t fo teid^t loieber beruhigt Äußere
unb innere SebenSöer^ältniffe toirften nad^teitig auf
feinen ®cniu«. S^rifd^e äRitteitungen ani jener Qüi
mad^ten un« jum Xeil mit feinem ß^ftonbe befonnt.
3dö erinnere ^ter öor allem an ,,3ncubu«". ©o Diel
f d^eint Qetüi% bog (SriOpar^r, meQeic^t fd^on mS^renb
ber ?lu«arbeitung ber Iritogie, bie urfprünglid^e reine
greube am 5ßrobujieren öcrior. Übrigen« folgten fid^
bennod^ größere SBerfe, loenn aud^ in bebeutenben
3toif(^enräumen: ,,Äönig Dttofar« @IM unb (gnbe",
„©n treuer 3)iener feine« ^erm", „S)e« äReere« unb
ber Siebe SBeßen". 2)ie ?lu8einanberfe|ung ber Ur*
6. S)ie fc^dne Stteratur in fi^cteic^ (1835). 157
fad^en, iDcId^e, au^er einer trant^aften förperlic^en
Sleiibarleit, baS <\6)QttDx6)t feiner @eele ftörten,
bleiben bem S3iogr(^^en bed 2)id^ter8 überlaffen.
©riOparjeri^ Ie|teS SSerf ift ,,S)er Xraum ein
fieben", eigentlid^ bie SBieberaufna^me einer Sugenb*
arbeit (Er f^at fxä) auSfd^Iie^Iid^ bem X^eater guge^
loenbet^ unb leiber ^u einer ßtit, too biefed bereitö
feinem SSerfatte nal^e unb baö ebtere 3ntereffe bafür,
befonber* für bie Iragöbie, faft erlofd^en ift. ©riß«
^arjer fte^t gegeniD&rtig im träftigen SRanneSalter. (£^
la^t ftd^ ba^er enoarten, ba^ er nunmel^r aU
mächtiger JBel^errfd^er feiner Serl^ältniffe unb @tim==
mungen ben golbenen goben ber 5ßoefte wieber auf*
nehmen n)irb.
aRan mu^ übrigen^ nid^t t)ergeffen, ba^ biejarte
Organifation, taetc^e geiftiged ^obujieren mdgtic^
mad^t, aud^ empfinblid^er ift gegen bie rau^e (Sin«
ttirlung ber au^enloett. ®ne Saute ift batb öerftimmt.
Slud^ bie 93Iume beS ®eifted Derfd^Iie^t ftc^ t)or un«
fanfter JBerül^rung. —
©leic^jeitig mit ®riQ()arjer trat in ber literari«
fc^en SBelt auf 3ofef (S^riftian grei^err t>. Qtbüii.
®r öerf ud^te fid^ in üerf d^iebenen formen beö S)ramag
unb betoä^rte in aßen ben $oeten, am meiften in
feinem testen SBerfe: rr^affo« lob." Übrigen« fd^eint
feiner I^rifd^^epifc^en SRatur bie bewegliche bramatifd^e
t^orm noc^ minber gem&^ als bem großen S)id^ter
158 6. ^ie fc^dtte Siteratur in Öftetreid^ (1835).
bcg „3)ott 3uan". ©eine ©cbid^tc, Dor allem feine
„Zottnttanit** , ^aben i^m bie %terlennnng unb ben
93eifaII t)on gonj S)eutf(^Ianb ertootben. ©einer Über-
fe|ung be8 „S^ilbe ^arolb'' fie^t man mit SSer«
langen entgegen. Übrigen^ to&re }n n)ünf(^en^ bag fic^
3eb{i^ eineg großen epifc^en ©toffei^ bemächtigte unb
barin bie 9iefultate feiner ))oetifd^en Snfd^auungen
niebertegte. 3n neuerer Qtit mad^te fid^ S)ein^arb^
ftein burd^ feinen ,,^an8 ©ad^8" unb ,,®arridf in
93riftor' einen bebeutenben 9lamen in ber tl^eatrali^
fd^en aSelt.
3)iefe beiben ©tücfe fd^Iie^en fid^ bem ))oetifd^en
Suftfpiel in einer Art an, bcren fernere Äultur ^öd^ft
toünfc^enäloert toäre. 3)ie Seiftungen ber grau öon
SBei^entl^um im ^^Ibe bed bürgerlid^en ©d^auf))ie{S
unb fiuftfpiefe ftnb feit einer fftei^e öon 3a^ren in
jebermanng Slnbenfcn.
%u^er ben genannten befinben fid^ in £)fterreid^
no(^ folgenbe beIanntebramatifd^e@c^riftfteQer: 93raun
t). 93raunt]^al, SafteQi (eigentßd^ me^r 93earbeiter unb
Überfefeer), (Sbuarb ^nUtx, Äart ffigon ©bert, Äuffner,
3o^ann ®rof aRailät^, SKarfano, «ßannafd^ (»erfaffer
beg ,,aiboin"), gfrau t). ^x6)ltt, O. (£mft »o^t (»er-
faffer ber „5ßeft in ßeon")f Ireitfd^fe, SBeibmann unb
ber ajerfaffer biefe8 Sluffa^eS.
Siner eigentämlid^en Srfc^einung ift ^ier ju ge^
benfen, bie fid^ mo^I nur aus bem beilegten unb
6. %it fc^dite Sitecatur in Öfterretc^ (1835). 159
mannigfatttgen treiben einer ootfreic^en, (ebenbigen
unb iebe S(rt Don Slic^tung pftegenben Sleftbenjftabt
entoideln lonnte. ^ä) meine 9laimunbd^ hti genialen
©d^ufpielerd, X^eaterftücfe. @d^on Iftngft ^atte er
burd^ fein Dor^üglid^ed S)ar[teQungdtaIent bie me^r
ober ntinber gelungenen fiotalftitcfe unb S^^^^i'ff^ii
ber SBoIföbid^ter (@Iei4 äReidl, 93&uerle) ind rechte
£i^t 2u fteQen unb im einzelnen ju Derebeln gen)u^t^
tfj' er felbft als Suior auftrat unb mit einem fü^nen
%uffd^tt)ung aQe feine SSorgänger n)eit hinter ftd^ ju-
xnd lie^. (Er füi^Ite in ftd^ ein poetifd^eS 99ebilrfniS,
mi6)ti er, biStoeilen auf bie tounberlic^fte Slrt, ju
befriebigen fuc^te. SOein DieQeid^t ift eS gerabe bie
äJiMfc^ung fo mancher tt)iberftrebenber (Elemente, toeld^e
feine 3)id^tungen für baS grojie ^ublitum unb für
ben ^nftfreunb gleid^ anjie^enb mad^t. 9iaimunb
i)at, n^enn er biegtet, einen boppdttti Qmd Dor
%ugen: (£r mu^ juerft bemjenigen ^ßublitum ©enüge
tun, bem er ftd^ ju Slnfang feiner 83a]^n toci^U
unb beffen SSebürfniffe er niemals auger ad^t laffen
barf. 2)iefeS »erlangt benn Dor aOen S)ingen, auger
einigem änderen ©lanj unb t^itter, feinen £iebling
in einer bebeutenben lomifd^en 9ioQe ju fe^en. 2)ann
tt)iQ aber ber 3)id^ter aud^, n)ie biQig, fid^ felbft
befriebigen unb, nebft @pag unb Sachen, aud^ einiges
aus feinem innem £eben barbringen. (£s mad^t bem
eblcn §erjcn SlaimunbS nur ®^re unb ift feiner 85it
160 6. ^ie fc^öne Siteratuc in Ößemic^ (1835).
bungiSftufe ganj gemä^, ba^ er ju bem leiteten Qtotd
^oefte unb aRoroI gleic^fam Derbtü^ft unb fo in ben
?lIIcgoricn feinet Qanbtmttt bag jtttltc^e ©d^Bne »ie
t)erförpert borfteQt, ba8 er im toirflic^en ßeben oft \o
fc^merjlid^ Dermi^t Qn^Uiä) mochte il^m, ate
Sid^ter, @^alefpeare8 unb Salberond ^flankt t)orge«
fc^toebt l^aben^ toie fid^ i^nt als SRenfc^enbeobad^ter
täglich ©jenen bei^ SBiener SSoddlebend barboten unb
bm ©d^aufpieler unb Xl^eaterbireltor bie 5ßrobuftionen
ber ^oft^eater anregten, aud^ feine Untergebenen
auf eine ^öl^ere Äunftftufe ju lieben. S)iefe r)tt^
fc^iebcnartigen Anregungen ftnb eg nun, bie, toie
id^ oben bemerlte, nur in einer fo lebenSfräftigen
unb öietgeftattigen JRefibenj, wie SBien, mögtid^
finb.
©ie erzeugten jene trefflid^en ©d^öjjfungen Slai*
munb«: „2)er ©iamant beä OeifterfönigÄ*', „SDa8
SKöbd^en aug ber geentoett", „3)er aiijenfBnig unb
äRenfd^enfeinb", toel^e, burd^ 5Raimunb8 ©piet be=
lebt, aud^ baS 9(udlanb atö $oefie aufnal^m unb
pflegte, ©tüde biefer Art werben immer toittfornmene
@abe, \a geitgem&geS 93ebürfniiS fein.
S)iefe SRifc^ung t)on 6mft unb ©c^erg nebft ber
genaueften X^eaterfenntnid unb einer eigentlid^ fitt«
liefen 9lid^tung mad^t eben 9laimunbi^ Sigentämli(^leit
aud; nur wäre gu wünfd^en, ba^ er fi(^ nic^t bii^weilen
aQgufel^r einem ^ang gur ®räbetei, gu überpuften
6. S)te f(^ane Stteratur in Öftectetc^ (1835). 161 ^
^Qegorien utib nid^t ganj Ilaren poetifc^en 93tlbem
l^ingäbe.
S)amit toxi aber wn bem trefflid^en äRatine nic^t
mit einem Xabel fc^etben, \o fei l^ier noc^ eno&l^nt,
ba§ fein leftteg ©tücf „SJer Serfc^toenbcr" fid^ foft
burd^gel^enbS fetner beffem ^rt anfd^Iie^t unb noc^
auf mele tüd^tige unb gefunbe neue Srjeugniffe l^offen
(ä^L S)aS (e^tgenonnte @tü(f lann 9laimunb tü^n in
bie t^embe fc^iden, befonberS iDenn er t^ felbft be«
gleitet, unb unfer £anbdmann iDirb bomit überall ftd^
unb uni^ (£^re mad^en.
S)ie epifd^e 3)i(^ttunft fd^eint in neuerer 3^^^
ttebcr ©toff nod^ gorm ju finben. S)ie äReiftertoerle
biefer ©ottung entftanbcn in teben8lräftigcn, urfprüng^
liefen Qciitn unb gingen aud bem tiefften ©efül^Ie
ber Sßationaütftt ^eröor. Qa ben bebeutenbftcn SScr*
fud^en, jenen (befangen ä^nlid^eS ^ert)orju6ringen, ge^^
^5ren nad^ ber äRefftabe immerl^in £abidlaud ^^rlerd
SBcrfc. 3)ie „luniftag" ingbefonbere entl^ält toa^r^aft
poetif^e @d^ön^eiten in benjenigen Xeilen, too und
ber 3)ic^ter feine eigenen (Sriebniffe wiebergibt S)ie
Äntt)enbung ber SRaf deinen toirb in ber epif c^en 5ßocfie
ber Steueren immer bad äJtipd^fte bleiben. 993ai^ erf e^t
und bie ® Otter bed ^omer?
JBei unferer Art ber SKtbung, unferer JBctrad^*
tungdmeife fd^eint überhaupt ber p^ilofopl^ifd^e 9ioman
(im toeiteften ©inne) geeignet, bie ©teUe ber epifc^en
C^rift« IV . 11
162 6. 5)tc fc^önc ßttcratur in Öperrctc^ (1835).
@cbt(^tc einjunc^mcn. „S38itl^etm äRciftcr" ift öorbcrl^anb
unfer (gjjog.
3)ic 5RomancnIitcratur Dfterrcid^S loirb burc^cine
S)amc rcpräfcnticrt S)cr Siamc Caroline 5ßic^tcr^ geb.
t>. ©reiner, ift burd^ eine 5Reil^e öoti Salären im ^n-
unb SluSlanbe gead^tet! Sl^re (Schriften erfreuen ftc^
üieUeid^t t)or aQen int&nbifd^en ber grd^ten $o))uIari^
tftt, tnbem ftc ber allgemeineren JBitbung^ftufe ber @e*
feUfd^aft jufagen- Sieiner ©til, mäßige unb einfädle
2)arfte[Iungdn)eife, ftttlic^er Sl^arafter ftnb (Sigen^
fd^aften, n^elc^e eine ä^nlic^e SSirfung l^erDorgubringen
geeignet ftnb.
Unfere übrigen Sloöettiften, ffibuarb S)utter au^ge*
nommen (gegentoärtig in f^ranlfurt am äJ^ain ald Ste«
bafteur be« „^^önij''), ftnb nid^t oon fotd^er 85e*
beutung, ba^ man fte mit ben audgejeid^neten ©c^rift«
fteQern biefei^ ^c^eS in 3)eutf ertaub oergleid^en bürf te
ober bajl biefe l^iftorifd^e ©fijje il^re Slrbeiten auS:=
fül^rlid^er befl)red^en fönnte.
3)ie bebeutenbften latente jäl^It Öfterrei^ in
neucfter 3cit im getbe ber I^rifc^en 5ßocfie. 3d^ nenne
^ier nur biejenigen S)id^ter, Don benen bereite @amm«
lungen erfd^ienen unb bie mel^r ober minber aud^ im
^uSlanbe Stnerlennung gefunben: ä3raun t). 93raunt^al,
(Xaftefli, S)einl^arbftein, SJräjter^^aRanfreb, Äarl 6gon
(Jbert, granfl (beffen epifc^e« ©ebid^t „©oIumbuÄ"
mit näd^ftem crfd^eint), Änaftafiug @rän, ^ermann t>.
. Xie fd^dne Siteratur in Öfterreic^ (1835). 163
^crmannStl^oI, ©ottfricb ö. Seltner, 9Wfotaug Scnou,
So^aim iWa^rl^ofer, 5ßaff9, greifen ü. ©d^Ied^ta,
©(^Ictfer, 3o^ann ®abrid ©cibi, 3- 31. »ogl, grret^err
eoftems unb @etbte ©ebtd^te ftnb fo ixmüd)
aUgemem verbreitet 3Ratt ift geuio^nt, im äbrigen
S)eutj(^Ianb, befonberS ben erfteren ffir baS ^otot^p
unserer üaterlänbifd^en 5ßoefte ju l^alten, ja einer bcr
Stimmfü^rer nennt i^n fogar ben öfterreid^ifc^en $(na«
Ireon. 93iel mod^te ju btejer Snftci^t beitragen, bog
(SafteQi „©ebid^te in nieberöftcrreic^ifc^er SKunbart"
f^rieb, bie mitunter ju feinen beften ge^5ren. 3)er
nQit)gemütIid^e unb fc^erj^afte ^uiSbruct gelingt il^m
gan} Dorjäglid^; im (£mften unb Slegifd^en toirb er
Don feinem längeren a){itben)erber @eib{ fomol^I in
ben ©ebid^ten atö in ben „gß^f^^Ji" übertroffen.
%vid) in ber ^ftjifton bed SluiSbrudEg fon)ie in ber
Sel^anblung bed äSerjed ift i^m @eibl meiftend Aber«
(egen; bafür betoirft ({afteQi burc^ feine uii^igen äßen^
bungen unb 5ßointen, bajl man feine inforrciten SSerfe
unb 9leime gerne überfielet S3eibe ^x6)ttx fprec^en
übrigens eine l^eitere, bidtoeilen ettnaS oberflächliche
SebenSanfid^t au«. S^ öertounbcm ift e8, ba§ SeibI,
bei feinem Xatent unb feiner 3ugenb, bereit« feit
Salären Derftummt
SEBenn SRänner Don @)efc^ma<! unb fogenannter
hitifd^er (ginfid^t über unfere Literatur fprec^en unb
11*
164 6. i)ie fc^dne Siteratut in fifterreic^ (1835).
9
fd^retbett, fo foQte man bod^ billig Doraudfe^en lönnett,
ba^ fte betn großen Raufen nid^t nac^fd^tt)a|en unb
bag fte baS eigenttid^ JSebeutenbe unb SBärbtge l^erau^:'
ju^cbcn öcrftc^cn. 3n bicfcr §infic^t ift ber ©ängcr
bcr ^SBIafta" unb bc8 „ÄIoftcr8", bcr öortrcpc^c
83aQaben:' unb Slomanjenbid^ter Sari Sgon Sbert,
im ^udtanbe noc^ lange nid^t gehörig getDÜrbigt
worbcn.
3lodf minber erfannt f c^eint ber gemiitreid^e @ott»
frieb D. fieitner unb ber geiftooQe Sol^ann SRa^rl^ofer.
2)en @ebi(^ten beS Ie|teren lie^ ©c^ubert am beften
il^r 9lec^t toiberfa^ren, inbem er Diele ber bebeutenbften
in SRufif fe|te. „SRemnon'', „Äntigone unb Dcbip",
,,3)er gümenben SJiano" uf». ftnb burd^ bie SRufif
erft DöQig abgefc^Ioffen n)orben. 3)ie ©ebid^te mad^en
un8 mit einem m&nnlid^en unb träftigen @eift betannt,
bem freiließ ber eigentlid^ I^rifd^e ©d^melj fe^It unb
ber mc^r in rcjtgnierenber QvixvidQtiOQmiftit, tt)ie ber
ßinftebter auö feiner Qtüt, bie (Srfd^einungen ber
innem unb äußern SBett bid^terifd^ bctrad^tet
93raun t). S3rauntl^al ift im ^u^Ianbe faft \>tx»
breiteter aU im 3nlanbe. 9ud^ feine ^oefie ift, tt)ie
meiften» bie ber Steueren, 8leflejiong:poefie, aber er re*
fCeftiert mit @eift unb aud^ bai^ @emät ge^t babei
nid^t leer auS. @d^abe, ba^ il^n ein unbejtoinglid^er
$ang gum SSijanen bidttieilen t)om äBege ber Statur
ablenit.
6. S)te fc^dite Siteratut in Öfterteitj^ (1835). 165
©riOparser ^at feine @ebic^te nod^ nid^t gefammelt
l^eraui^gegeben. (Shtjeltte, iDte j. )3. „^tt 96fd^ieb t)on
©aftein", ftnb in iebermanng SRunbe. — An Subioig
^atirfd^ barf id^ l^ter erinnern^ ber leibet in jungen
Sauren ftarfi unb bem eS t)erjagt blieb, ein Xalent,
n)eld^e8 in ^eilfamer ®arung begriffen mar, toeiter
audjubilben. — ^ofrat t). ^annner, beffen Dorjäglic^fted
äSirlen mel^r ber äSiffenfc^aft atö ber ^nft angel^ört,
^at bod^ ber te^teren burd^ feine Überfe^ungen unb
^Bearbeitungen ber orientalifc^en S)ic^ter feine geringen
©ienfte geteiftet unb bietet ba^ erfreulic^fte JBeifjjiel
bar, toie ftc^ ber eifeme ^ei^ unb bie @rünb(i(^Ieit
beS ©ele^rten mit ben ^eiteren (Spielen ber SD^fen
Dereinigen I&^L
2)ie toid^tigften (Srfd^einungen unferer neuen Site^
ratur finb unftreitig Snaftajtud @rün unb 9hIoIaud
£enau.
«. ®rün trat juerft mit ben „Stättem ber Siebe"
auf. ffi« toaren bie erften Änofpen eineg S)i(^tertcnje8,
ber und balb mit t)oOen, buftigen SBIüten unb frifd^en,
fd^ttigen JBIättern erfreuen foHte. ^S)er lefete Sftitter"
folgte. 3)iefer JRomanjenlranj fc^ien nic^t ba« SBerf
eineg 22jä^rigen 3fingling8, fonbem eine« gereiften
äRanned, ber feine eigene 3^it unb bie feines gelben
tief unb DoQftänbig erlannte unb ebenfo toiebergab.
Da ift lein fe^nfüd^tige» ©d^wärmen für äRittelalter
unb SRitterfd^aft, leine fentimentale ßiebfc^aft, fein
166 6. 5)ic [(^önc Sitcratur in Öftcrtcid^ (1835).
frömmeln unb Id^n^iflic^tiacg SBo^Ibtencn — fonbcrn
jene bebeutenbe Qdt, bie ©ren^e alter unb neuer 8il==
bung, after unb neuer Slnftd^ten, tritt und tiar unb
beftimmt t)or bad innere 9[uge; bie tnic^tige $erfön^
Ud^Ieit beS legten 9litterS Derfc^ntel}t bie ein^Inen
ä3ilber 3unt tno^Itätigen @anjen. ^a^ £ieb ertönt emft
unb männlid^, je^t tief unb elegifd^, j[e|t ironifd^ unb
Reiter. 3)er ©Snger ergebt und ju einem ©tanbpunft;
mir feigen, tDad Dertoren ging^ unb toa^ aud feinem
©d^utte gu totdtn nid^t me^r an ber 3^it iftj ^^^
getna^ren tnie burd^ einen fernen Qavibtx\djHmx, tDai^
und für bod SSerlorene entjd^äbigen fann, totld^t gor*
berungen n)ir an bie neue Qtit fteQen bürfen unb
toetd^e fie ju befriebigen imftanbe ift. Unfer SBIid
ift er^ßl^t unb ertoeitert, toie nad^ bem @enuffe jebed
tt)a^ren 3)ic^tertt)erled.
„S)er te^te SRitter" brad^te eine bebeutenbe SBir*
hing in gonj 2)eutfd^(anb l^erüor; fein S^erfaffer gilt
für einen Sieblinggfd^riftfteöcr unb er loarb, wie
betannt, in ber ^^olge biefer S^re nid^t t)erluftig.
9i. &nau trat erft im 3a^re 1833 mit einem
S3anb @ebid^ten auf. 3^re SBirfung toar fo gro^, ba^
fd^on im näc^ften Sa^re eine neue Sluflage erfd^ien.
An ben ©ebid^ten fällt un8 gucrft bie fidlere JBe^onb«
lung ber 5<>nn auf, gu einer Stit, too bie etlood lieber*
lid^e Genialität eineS $eine eine SKenge iRad^o^mer
toed^te unb bie unerläßliche f^orberung an ©d^ön^eit
6. ^ie fd^dne Literatur in Öfterreid^ (1835). 167
unb ^lar^eit bed S(udbru(fed ^erabguftimtnen bro^te.
^n feilte lä^t man ftd^'d am (Enbe gefallen, toenn er
\\6) gelten tä^t; biefe ißad^Iäffigtett gehört ju feinem
Sßefen. 3l^m ift biefe f^orm ein domel^med, elegante^
9leglig^; bie anbern, benen fein @etft fe^It, gtanben,
eS il^m gleich jn tnn, nmin fie im genriffentn Unttt^
fleibe ^emmf))ringen.
yiid^i nnr in ber t^orm, aud^ im ©e^alt lann
Senan für ben DoQIommenen Slntipoben feines gelten,
©einem männlid^*emften @eift ift bie ©elbftironie
bnrc^aud fremb; fein ©^merj äußert ftc^ niematö bnrc^
©pott. (Eine tiefe SReland^oIie ift ber ®mnbton feiner
@ebi(^te. StQein feine Xrauer fprid^t fic^ fo fd^ön nnb
fo neu avL^, fie totx^ in ber Statur mit fd^arfem Süd
\o öiele Silber unb ©leic^niffe i^rcr tiefen ätafd^auungen
ju finben, ba^ man fid^ gerne barein vertieft. 9Ran
ipirft ben ©ebic^ten äJtonotonie dor. 9Kan braucht fie
ja nic^t in einem QviQt }u lefen. S)ie Statur ift reid^;
ed gibt 9lac^tigaQen unb fierd^en. SBä^Ie ftc^ jeber
aus unb toec^fle nac^ 83elieben.
©oeben erfd^ien ber Don ßenou rebigierte „^v&f)^
linggalmanad^", tocld^er feinen rr^öuft", ein grag*
ment enthält — das post Homerom! ^uft nat^
®oet^e I — 3)agegen fagt toieber ein tool^r^after 3)id^ter,
9(c^tm t>. %[mim: 3eber 3)ic^ter foQte einen f^uft
^c^eiben. — grogt boc^ bie Alten! bie tonnten'« am
beften. £efet Hygini fabulae ad tragoedias! 2)afte^en
166 6. 5)ic fd^önc Sitcratut in Öftcrrc^ (1835).
frömmeln unb lel^n^fßci^tigcS SBol^Ibiencn — fonbcrn
jene bebeutenbe Qtii, bie ©renge alter unb neuer Sit
bung^ alter unb neuer Slnftci^ten^ tritt unS Kar unb
beftitnmt öor bag innere Äuge; bie toici^tige ^erfön==
lic^Ieit be^ Ie|ten 9ütterS t^erfd^metjt bie eingetnen
93ilber jum n^ol^U&tigen @anjen. S)a^ £ieb ertönt emft
unb männlic^^ je^t tief unb elegifd^, je^t ironifd^ unb
l^eiter. S)er @änger erl^ebt und gu einem ©tanbpuntt;
n^ir feigen, n^ad t)ertoren ging, unb toa^ aud feinem
©d^utte ju toeden nid^t mel^^ an ber ^^i* if*; ttJtr
getoal^ren wie burd^ einen fernen Qavbti\ä)Uxtx, toag
un8 für baS SSerlorene ent^d^äbigen lann, toeld^e fjor«
berungen mir an bie neue 3^it fteDen bürfen unb
tod6)t fie }U befriebigen imftanbe ift. Unfer ©Kd
ift erpl^t unb ern^eitert, n^ie nac^ bem ®enuffe jebeS
uial^ren 2)id^tem)erled.
„S)er Ie|te Slitter" brad^te eine bebeutenbe SBir*
tung in gang 2)eutf(i^Ianb ]^ert)or; fein SBerfaffer gilt
für einen fiieblingSfd^riftfteUer unb er toarb, n^ie
befannt, in ber golge biefer (Sl^re nid^t öerluftig.
91. Senau trat erft im Saläre 1833 mit einem
^anb ©ebid^ten auf. Sl^re Sßirfung mar fo gro|, ba|
fd^on im näc^ften 3al^re eine neue Sluflage erfd^ien.
Sin ben @iebid^ten faQt und guerft bie fidlere Sel^anb«
lung ber fjorm auf, ju einer Qüt, too bie ettoad lieber-
lic^e ©enialität etned ^eine eine äRenge 9}ad^a!^mer
n^edfte unb bie unerla|lid^e f^orberung an ©d^ön^eit
6. 3)tc fd^dttc ßitetatur in Öftcrrciti^ (1835). 167
unb ^larl^ett bed ^udbrude^ l^erabiufttmmen brol^te.
^n feilte ta^t man ftd^'d am (Enbe gefallen, toenn er
\xä) gelten tä|t; biefe 9lad^I&fftgteit gel^brt gu feinem
SBefen. 3^m ift btefe ^^orm ein t)omel^med, elegante^
9icgüg6; bie anbern, benen fein ®eift fe^It, glauben,
eS i^m gteid^ ju tun, n^enn fte im jerriffenen Unter«
Heibe ^erumfpringen.
92ic^t nur in ber t^orm, aud^ im ©el^att lann
il^enau für ben t)oIItommenen Slnti^oben ^eined gelten,
©einem männlid^^ernften ®eift ift bie ©elbftironie
burci^au^ fremb; fein ©d^merg &u^ert fici^ niemals burc^
©pott (Sine tiefe 9Ketanci^oIie ift ber ©runbton feiner
@ebid^te. Mein feine S^rauer f))rid^t fic^ fo fd^ön unb
fo neu aus, fie tDei^ in ber 9latur mit fc^arfem fSiid
f Dtete 93itber unb ©leid^niffe i^rer tiefen Stnfd^auungen
ju finben, ba^ man fic^ gerne barein t)ertieft 9Kan
uiirft ben @ebic^ten äRonotonie t)or. äJ'^an brauci^t fie
ja nid^t in einem 3^9^ 5^ ^^f^^- ^^^ 9latur ift reid^;
ed gibt Stad^tigaUen unb £erd^en. äBäl^te ftd^ jeber
au^ unb n)ed^fle nad^ ISelieben.
©ocben erfd^ien ber öon Senau rebigierte „^vix^^
lingdalmanac^", »eitler feinen rrtJ^uft", ein ^la^^
ment entl^äU — Ilias post Homerom! gauft nad^
@oetl^e ! — S)agegen f agt loieber ein tt)al^r]^af ter Siebter,
äc^im ö. ämim: Seber S)id^ter fottte einen gauft
fd^reiben. — gragt bod^ bie Eliten 1 bie tonnten'« am
beften. £e{et Hygini fabulae ad tragoediasi 2)a ftel^en
168 6. <E)te fc^öne Literatur in Öfterreic^ (1835).
bic ©toffc öcrjeici^net SBic biete Spl&igemen, SKebecn u\to.
tourben gef einrieben! Sßurbe boci^ auci^ Xaffo^ %o\>
crft in neuefter Qtit öon mel^reren SJid^tern bramatijc^
bel^anbelt! 3)er Snl^alt loar borau^ belannt äRan lernt
il^n jQ boä) lennen, unb mel^e bem SBerl, ba^ man
nid^t itotimal lieft SEBad liegt baran, einen belannten
@toff ju toäi^Ien, tt)enn er anberd brauchbar ift! S)ie
gorm ift ber ©toff.
Übrigeng bleibt ein Vorgänger, wie @oet^e^ immer
ju fürd^ten^ unb e8 war üietleici^t bem neueren S)id^ter
ju raten, ber bramatifc^en ®efta(tung g&njlic^ }u ent-
fagen, Wenn il^m bie f^bet Don ^uft gemä^ erfaßten,
bie Sauber feiner innern SBelt barin barjutegen. @anj
®uro))a tennt @oetl^ed f^auft; bie je|ige @ieneration
l^at biefeg wunberbare SBerl gteici^fam mit ber SRutter^
mild^ eingefogen; ed ftanb ju erwarten, ba^ man über
äRanget an ^ietät Ilagen würbe, fobalb ein neuer
S)ici^ter e« wagte, bie ®eftalten be8 ^fciuft unb 3Rcpf)U
ftopl^eted aufg neue l^erauf }u befc^wören. $ätte £enau,
was er nur teilweife tat, unb wad offenbar feiner
Stuffoffung ber gabel fowie feiner S)id^tung«weife
DoQfommen jufagte, ben f^auft im ganjen epi^tf) ht^
^anbelt, fo wäre bem SEBerte gewi| fc^neQere unb un^
bebingtere Slnerlennung geworben, W&l^renb er je^t, bei
ber üerfd^iebenften Äuffaffung beö ©toffe«, bIo§ wegen
ber ©inmifci^ung bramatifd^er ©jenen, erft bie SSer==
gleid^ung mit ®oetl^e }u bef&mpfen l^at. (Sin weiterer
6. Die fc^önc Literatur in ßjierretd^ (1836). 169
Übetftanb ber getoä^Iten äußern ^orm (bramatifc^«
cpifd^) ift c8 ttod^, ba^ ftc bcn ficjcr jcrftrcut unb eg
i^m erfc^toert, baS fo begebene als ein ©anjeS auf«
gufaffen* S)te (Srj&^tttng, toetd^e bie bramatifd^en
©jenen unterbrici^t, l^emmt unb l^inbert bie (StnbtlbungS«
feaft; bie ©efprad^e l^ingegen, bie ftc^ in ein tpi]6)e^
®t\>\ä)t einjled^ten (äffen, ttnterftü|en fte. ^od) bem
^xdjUx l^at eS einmal gefaQen, biefe ^omt ju mäl^Ien;
er ^at und t)orberl^anb nur bie erfte ^älfte beS
®ebid^te8 mitgeteilt, feine ^^edc laffen fici^ bi8 je^t
nur erraten unb al^nen; baS @anje roixb t^ielteid^t ein
gragment bleiben — gleic^öieU SBir miiffen il^m banibor
fein für bad einjetne ®ro§e unb @d^öne, n^aS er unS
gegeben. äRag baS ®ebic^t burd^ ®oetl^e angeregt fein
ober nid^t: eS erfd^Ite^t und ein l^öc^ft merftpürbigeS
inneres £e6en, eS f))rid^t in ben gebiegenften unb
männlic^ften Werfen eine f^Qe t)on ©ebonlen unb
®m))finbungen aus, n)ie man fte nid^t oft ju l^ören
befommt, unb eS jeigt unS feinen SSerfaffer auf einer
rotit l^b^eren @tufe a(S in feinen (^rifd^en ©ebid^ten.
S)ie Äritifer in S)eutfd^Ianb »erben mir fd^werlid^
einen neueren S)id^ter nennen fiJnnen (»enn id^ Smmer*
mann auSnel^me), ber imftanbc toäre, eine fotc^e
©jene ju fd^reiben, n^ie bie in ber @d^miebe ober
bie äRaterfjene. 2)er n&d^fte Sal^rgang beS „i^l^IingS«
almanad^'' tt)irb unS übrigens bie gtoeite ^&(fte beS
,,5öuft" mitteilen unb bie Äritif toirb bann imftanbe
170 6. 3)ic fd^önc Literatur in Dftcrreid^ (1835).
fein, über bad äBerl aU ein ©anje^ ober n)enigftend
^ttgcfd^Ioffeneg ju urteilen.
S)Qd ^efpred^en literarischer (Erfd^einungen ift und
in neuerer Qüt ju einem folc^en SBebürfnid geworben,
ba^ mx oft Dor lauter 9ieben über hai SRad^en gar
nid^t jum SÄad^en felbft fommen. 3)a8 9iejenftercn
na^m fo fe^r über^anb, ba^ ci gegentoärtig in
Seiitfd^Ianb bereite loeit nte^r ^itifer ate ©c^rift«
fteQer gibt S)aS »ebttrfnig für ^itif Iä§t fic^ burc^*
aus nid^t abseifen. S)ad ^ublitum n^ünfd^t feine
Slnftd^ten gu berid^tigen unb ju befeftigen; auc^ bem
S)id^ter unb Siteraten ift ed l^öc^ft toidfommen, bie
SBirifung ju erfal^ren, weld^e fein SBerf auf gcbilbete
unb mol^Imeinenbe äRänner t)on ^ac^ ober ^d^Ienntnid
]^ert)orbrac^te; i^r £ob ober S^abel regt il^n an, mad^t
i^n auf gel^Ier ober 9iad^Iäfftgfeiten aufmerffam, bie
man bei bem beften SBiüen in ber einfeitigen &xi^
famfeit beS ©(Raffend überfielet; eine lebenbige Äritif
fann oft gute SBinfe für bie ä^^'^^t^ft ^'^^ ©toffe für
neue $(rbeit geben. Snfotoeit märe aQeS gut. 3(ber bie
Äritifer ftnb mit il^rem ämt nid^t jufrieben; fie »otten
nid^t nur forfc^en unb anal^fieren, fie tooüen l^errfc^en
unb jerftören. Unb in ttjelc^cm 2;on! mit wetd^er An*
ma^ung! S)ie Äritif fe|t fic^ auf ben SRid^terftul^I unb
bilbct fid^ ein, bie ^oefie fi^e öor il^r auf bem Armen-
6. 3)ie fc^öttc ßiteratut in ßftcrrcic^ (1835). 171
fünbctftül^Id^cn. ®ttox% einen fold^en Ion ^ätte Ärifto=
tele^ gegen flauten nid^t angenommen, loie je|t gegen
@oet^e unb @c^iQer fo mand^er, ber nod^ lange tein
©lauren ift. Seforgen benn bie ^erren nid^t, ba§ bad
^ublilum am @nbe il^ren ^udfprüd^en t)5IIig mißtraut?
^ eS il^nen benn (£rnft bamit? ^6) glaube laum.
Ober niaS foQ man beulen, loenn ein Ttann t)on
^enntnid unb ISilbung ftd^'d jum @efd^äfte mac^t, ben
größten ^x6)ttx ber Station Don bem il^m gebül^renben
Xl^ron unb in ben ©taub gu ftärgen? &i gelingt il^m
freilid^ nid^t, il^n aud^ nur um einen ginger ju rüdfen,
ober bai ift nur um jo fc^limmer für i^ie @ad^e ber
Ärttil. SÄel^rere fold^e öerunglüdEte SSerfud^e, unb bag
^ublilum loirb einfel^eu lernen, ba^ ed boc^ feine fo
unfel^Ibare ©ad^e um bie SReinung bed eingelnen fein
mu|; bie £eute n^erben ftd^ erinnern, ba| fd^ou @loet]^e
unb ©d^iöer irrten unb ßefftng unb »er nid^t
aUed! ©ie n^erben bamit aufl^ören, an lein Urteil, an
feine Autorität mel^r gu glauben, unb loer fann e^
ber 9Kenge öerbenfen, toenn fte ftd^ nid^t bie SKül^e
geben mag, über ein unb ba^fette SBerf jtoanjig öer*
fd^iebene Snfid^ten aufgunel^men, um t)\tlUx(S)t burd^
mü^jame ä^ergteic^ung bie äßa^rl^eit l^erauggufinben?
3)a§ l^ie^e, bie ßefer müßten felbft Äritifer »erben;
e^ fte fid^ baju öerfte^cn, lefen pe lieber, toaS i^nen
eben jufagt, toaS il^nen bie 2Robe barrcic^t, unb laffen
bie ©elel^rten fic^ untereinonber janfen. S)abei n^irb
172 6. 3)ie Wnt Äitcratur in ßftcrreic^ (1835).
fid^ bie ^tti! il^red fd^5nen 9it(f)tti begeben muffen:
gleic^m&^ig mit ben guten ©d^rtftftellem auf bie (Sin^
fid^t unb ben ©efd^mad beS größeren ^htblifumd 2^
toirlen. — SBa« gibt eS nun für einen SluStoeg au8
biefem Sob^rintl^? ^ci) n^ü^te nur einen. (£^ müßten
allgemeine ®runbfä|e ber Äritil feftgcfteQt^ bie Äritif
be^ ©d^önen mü^te jur S33iffenfc^aft erhoben »erben.
2)ie ^uffinbung, noc^ mel^r bie ^nn^enbung
allgemeiner ®runbfä|e auf äBerle ber f ci^önen Literatur
unterliegt ol^ne Si^ti^ti großen ©c^toierigfeiten^ um fo
mel^r^ ate baö Sntftel^cn eine« neuen originellen SSSerfeg
jebeSmal neue ©eftimmungen erforbern würbe, aber
bie« ift unb bleibt boc^ ber einjige äßeg, bie ^tit
n^ieber }u S^ren gu bringen. äBenigften« mü^te ber
Äritifcr bie ßefer infotoeit mit feinen allgemeinen An*
fid^ten belannt mad^en, ba% fie in ber f^otge fetbft
beobad^ten fönnten, ob feine Beurteilung einjelner
äßerte, woUx leine %rt t)on ^arteitic^teit t)ottüalttn
bürfte, mit ben früher aufgefteüten ®runbfä|en im
Sßiberf))rud^ ftel^e ober nid^t. 2)oc^ ba« finb unb bleiben
pia vota.
3)ie SBtätter, toeld^e biefen ?tuffa| mitteilen, l^aben,
fomeit eS il^re anbem Qtotdc unb ber befd^r&ntte 9iaum
geftatten, fc^on mand^e« 3)an!eni^n)erte im ^a6)t ber
firitif, befonber» über toiffenfd^aftlid^e ©egenftänbe,
geliefert. äRögen nur loadcre äRänner, wie SKid^aet
SnI, ©ruft 5r. t). g^uc^tergteben u. a. nic^t ermüben,
6. ^te fc^dne Literatur in Öfterrei^ (1835). 173
t^rc Äräftc fcmcrJ^in für cd^tc . unb Icbenbigc firiti!,
namentttc^ aud^ über ®egenftänbe ber {c^5nen Siteratur,
in üertDenben! S)ad ^blitum toirb, toenn eS ein
entfiel, tuürbigeS unb anl^altenbeg ©treben fielet, S}er«
trauen foffen unb baS ®efd^n)&^ ber Xageblätter, bte
umd liebe ^ot fd^reiben, loben unb tabeln, toirb aud
äßanget an Xeitna^me naci^ unb nad^ wn fetbft t)er^
ftummen.
SBenn toir überblidCen, toaö in Öfterreid^, jeit
©rinparjcr gum erftenmal auftrat, im gelbe ber
fc^önen fiiteratur gelciftet toarb, toie üiele, jum leil
bebeutenbe latente ftd^ enttoidelten, bie il^rer fd^bnften
Steife erft entgegen gelten: fo bringt fid^ unS bie freu-
bige Überjeugung auf, ba§ bie öfterreic^ijd^e $ßoefie,
ber noc^ „fein auguftifd^ S(Iter btül^te'^ int lebenbigen
gortfd^reiten begriffen fei. ©leid^mä^ig toud^^ aud^
bie Zeilnal^nte be^ ^blituntd für geiftiged £eben,
tt)ie eis benn eine belannte latjad^e ift, ba§ ber ^n6)^
^anbel, befonber« toa^ franjöftfd^e unb englifd^e Site*
ratur betrifft, faft öon aQen großen ©täbten S)eutfc^*
lanbg in SBien feine beften ©efd^äfte mad^t 3ug*
befonbere ift bie iöilbung be8 SKittelftanbeg ber ®efell=
fc^oft in Dfterreid^ l^öc^ft bead^ten^wert ©c^ilter^
Xenien, an bereu SBieberl^oIung manche unferer Slad^-
bam jal^retang fic^ gefielen, finb längft jum SÄärd^en
geworben, wa« auc^ neuefte Sleifenbe, toie S)r. SBotf*
gong SRcujel u. a. toißig anerlannten. g^rifd^reitenbe
174 6. 5)ic fc^dnc Literatur in Öfterreiti^ (1835).
SBilbung unb liberale anficht toirb auci^ ben 2;alentcn
unfereS SSaterianbe^ SRaum getoäl^ren, ftc^ frei ju mU
toicfeln; unb eine Hemmung erfc^eint um fo unnötiger^
al^ ein reblic^cr unb mäßiger ©inn, bcr jtd^ in
unfercr fiiteratur augfprid^t^ ftd^ ol^nel^in immer öon bcr
trüben 3^^iff^^^^it ^^^ SSertoorrenl^cit einer gewiffen
neueften SÄobelitcratur ferne l^ält. Äuci^ toir toünfd^en
bie $ßoefte frei ju feigen öon ben g^ffeln ber ©d^ule
unb bed ^ebanti^mu^, f on^ie bie ®ef eQjc^aft t)on benen
ber ©etoo^nl^cit unb beg geiftigen 3^^119^^; ^^ ^i^
glauben bie äJ^ittel ober bie S3ebingungen jur (Srreid^ung
biefeS fd^önen QitU^ barin ju finben, ba§ wir auf
fortjc^reitenbe innere Jöilbung bei allen Älaffen ber
©efeflfd^aft bringen. SSor ben mitben ©onnenftral^Ien
ber Humanität unb Snteßigenj öerfd^toinben bie hiebet
bcr SSorurteile unb ber Slo^^eit langfam, aber fidler,
toäl^renb bag ftetö öemeinenbe unb aufregenbe Ireiben^
welc^eg uns für ben getabelten 3i^fto"^ feinen beffercn
gibt^ bem 93(i|e gleid^t^ ber jn^ar auf ^lugenbtide bie
Siad^t erl^eüt^ aber nur ein ungewiffeg unb jweifet
l^afteS £ic^t gen^äl^rt, baS l^üufig nad^ einem falfd^en
3iele lenft.
SBir woQen bal^er fd^affen unb nic^t jcrftören; wir
woücn un8 frei l^atten öon glei^nerifc^er Süge unb
allem übertünchten SBefen; wir woQen reben unb fingen,
wie eS un8 um« §erj ift, ober — fd^weigen, wo un«
ba8 SBort nid^t an ber 3^^* jc^eint. SBer in biefem
6. 3)ic fd^önc Literatur in ßfterreid^ (1835). 175
Sinne wirft unb fd^afft, fei un« toiHfornmcn, er gel^öre
unferm SJatcrlanbc ober anbem bcfreunbeten fiänbcrn
bcrfetbcn Snnqt an; benn gerne unb freunbtid^ nel^men
toir aQe^ ®ute auf, baS in ber ^^rembe entftanb, fotoie
tt)ir l^ingcgen öon ben anbem l^offcn, ba| ftc unfcr
aufrid^tiged Streben mit SBo^tooQen betraci^ten unb
beurteilen. Unb \o fei e8 mir bcnn ertaubt, mit einigen
SSerfen ju fd^Iieften, bie iäf einem ttterarifd^en greunbe
aug S)eutfd^Ianb, bei feinem Slufentl^alt in SBien in
ba^ Stammbud^ f einrieb:
©trebt unb »irfet um bie äBette,
i^ebt ettc^ brfiberlic^ bie ^atib,
^nft unb mWm, mag'fc^e ßette,
Seite burd^ ha9 beutfd^e Sanb.
7. Kritik und Kritiker unterer Zeit (l$35).
(Si fagt itt*iS ^tmmeld tarnen
S»o bie ftrittl gl^r fu<^t?
(EiS liegt bie Sftud^t im 3amen
i)er ®amen in ber gfruc^t.
ÜSott poetifd^en (Keftd^ten
Sie^e mand^eS ftd^ toerf puren;
%oä^ ba mag ber genfer biegten,
fßmn fie alle fritiperen!
®inb fte boö^ fo mett ^thxad^i,
^ai fie f eiber fic^ nic^t trauen;
Denn e^' einer meint unb lad^t,
Wii er in bie 3^itung fd^auen.
®8 war eine f d^önc Qtit, ate bie Äritil nod^ nic^t
erfuttben toar. S)ie SWenfc^en wanbcften in ben ^ara*
biefen ber 2)t(i^tung unb liefen ftc^ bie frifc^en, k)oDen
grüd^te fd^medcn. S)a famen fie an ben Saum ber ®r*=
fcnntni« unb biffen in feine faurcn Äpfel; barüber
verloren fie il^ren SRaturgefd^madE. S)ie hitifc^e Äpfet
f&ure mad^te fie gleid^giltiger gegen bie @ä|igleit ber
Straube unb ber gcigc Sie öerfpeiften bie grüc^te wie
fonft; ober in ber SSetbauunggftunbe rejenfierten fie
ba8 Oenoffene.
7. ftritil imb «ritiler unfercr ficit (1835). 177
@(au6e ntc^t, geneigter £efer, iä) rooUt bir Wtax^
c^en erjagten; toenn bu in beinern eigenen ^erjen
forfd^eft, fo toirft bu finben, ba§ xäf bir reine l^iftorifci^c
SEBal^rl^eit gebe. SBarft bu nic^t einmal jung unb (afeft
@(^iQer^ ®ebi(^te unb üerfeniteft bid^ mit Sntjilden
in ein 9Keer großer ©ebanlen unb ®efü^Ie? Unb bu
gingft inS Z^eater, fal^ft S)on (Sarlo^ auffahren ober
Torquato S^affo unb t)ertangteft fein Slbenbeffen unb
t)ertDebteft bie ®eftatten einer erl^a&enen ^l^ontafte in
bein innerfte« fieben. Unb bu jo^ft ben ©d^aufpieler,
metd^er 2)on Sarlod f))iette, auf ber @tra^e n^anbetn
unb btt(!teft i^m nad^ n^ie einem l^öl^eren SBefen. 2)u
warft jung, lieber fiefer, unb bu Uebteft. S)ein SWäb*
c^en unb bein 2)id^ter ftanben in beiner @eele bei«
einanber. @ie waren beibe rein, maletto^, t)on ^immels«
lid^t umfloffen. 2)u t)erlangteft t)on beinern btonben
äRäbd^en nid^t bunfteS ^aar unb wünfd^teft il^re blauen
9(ugen nid^t braun ju f d^auen ; fte war bir eben red^t,
wie fte war.
@o jung, wie bu, waren einft bie SSölfer. ^omer,
@l^alefpeare unb Satberon lebten unb bic^teten in ber
gtüdlid^en Sugenbjeit S)a war ^nft unb Seben noc^
nid^t getrennt; ba l^atte bie ^nft noc^ leine politifd^en
unb moralifd^en Stoedt; ba gab ed noc^ leine X^eater«
intenbanjen, leine bramaturgifd^en Sortefungen, feine
geiftrcid^en Änftc^ten unb leine X^eaterjeitungen. S)ie
3)ic^ter fd^öpften aui bem £eben unb il^r ^ublitum
•4t{f«c» IV. 12
178 7. ftritil unb ftritiler unfeter Seit (1835).
lebte bie 2)id^tung mit. @(au6t bed) ben äbertlugen
Seuten nid^t, bie ba bcl^aupten^ ©l^afefpcarcg ^tit*
genoffen l^aben i^n nid^t t^erftanben unb erft xoix
Steueren l^aben baS ©el^eimniS entbecft, ba^ er ein
großer 3)ic^ter fei. (Sd tft tooSft, n^ir l^aben ii^ l^äufig
fommentiert unb ejpKjiert; toir l^aben unfere aft^eti*
fc^en Siegeln unb @runbfä|e burd^ feine großen l@ei«
fpiete ertDeitert; n)ir l^aben il^n a(^ ben ^eilanb ber
^oefie ge|)riefen unb und mit il^m; toir l^aben eine
Slrt romantif d^er ^oefie au8 i^m beftiQiert, bie fid^ ju
feiner l^öd^ft natärlic^en 2)ic^tungSn)eife üerpit toie
gebranntes SEBaffer gu Sll^einniein; eS ift rid^tig, in
bem SBuft t)on äft^etifd^em Unftnn, ber ftc^ auf feinem
©rabc auftürmte, finbet fid^ biStoeiten ein Äömd^cn
SBa^rl^eit beigemifd^t — aber glaubt 3^r benn wirf*
lid^, ein fu^Iid^er unb (ebendmatter t^ranj $om l^abe
ben wunberbarften aQer Siebter beffer gefill^It unb be*
griffen ate feine 3^t9^noffen, bie lebenSfräftigen unb
empfängtid^en, geiftreid^en ©nglänber be» 16. unb
17. Sa^rl^unbert«? Sefet bod^, wa« »en Sol^nfon,
SBeaumont unb gletc^er unb anbere SÄufenfreunbc
©l^alefpeared über il^n fagen unb bid^ten; lefet, roa^
tnö) bie ®efd^id^te über biefc 9Känner unb il^re SBerfe
unb über bie §5rer berffinbigt, für bie fie fd^rieben.
(Sin ®ebi(^t ift ja lein 9lätfel, baS man mü^fam I5ft:
eS ift ein Saut ber Slatur, getoaltig, aber t^erft&nblid^,
ben ber Siatürlic^e am beften begreift. ?lber wir l^5ren,
7. Äritif unb Ärttilct unfcrcr gcit (1835). 179
tote loir fd^rcibcn: fünftfid^, gcfci^raubt, öoQ Slbfid^tcR,
mit öcrbcrbtcr ffimpfinbung, mit üBcrrcijtcm &t\d)mad,
bcnn — tt)ir l^abcn bic Äritil crfunbcn.
Slriftotcle« loar eigentlich il^r crfter ©ntbcder unb
Sejfing fe^tc feine ffintbedfungcn fort. Seibe gro^c
9Kftnner fül^tten bad SBebürfnid^ ftci^ bie (Srfd^einungen
bet Äunft unb t^re SBirfungen ju crflären unb fo
öielleid^t 3icgetn feftjuftcQen, na6) bencn ftc§ bie SBerle
bc8 fd^affenben (Senium beurteilen liefen. @ie fül^Iten
gu öerf d^icbenen 3^it^^f ^^^ ^^^ äRenjd^en ber ^nbl^eit
enttoaci^jen feien unb ba| eS i^nen ballet tool^t an^
ftel^e^ jid^ über il^^e ffimpfinbungen, über il^ren ©eifaH
unb il^r SRi^el^agen Siec^enf^aft ju geben, ©ie tooDtcn
uns aber nic^t auS bem ^arabiefe ber ^armlofen ^nft
»erjagen burd^ bonnernbe SWad^tfprüd^e unb überfünft*
lid^e @9fteme — öietme^r Ratten fte im ©inne, ben
einmal ertoad^ten 3^^^!^^ ä" bef d^toid^tigen^ baS ®ro§e
unb ©c^öne aud^ bem Ilügelnben SSerftanbe unantaftbar
ju mad^en unb und fo baSjenige aud ber gtueiten
§anb^ aus ber ber SBiff enf d^aft^ toieber ju ertoerben, toaö
uns aus ber erften^ ber SJlatur, ju enqjfangen nic^t
mel^r genügte. ÄriftoteteS erbic^tete leine X^eorien^ er
brad^te ju feinen fritifd^en ^^i^i^^^^S^i^ *^i^^ ^^^"^
gefaxten SReinungen mit, er »ar lein ^ßoetenf d^utmeifter,
— nein, er burc^fül^Ite unb burc^bac^te bie J)id^ter*
werfe feiner Qdt, er fonberte bie 3)id^tungSarten unb
fprad^ juerft auS, toaS bie (Srjeugniffe einer jeben
12*
180 7. »ria! unb ftritifcr unfercr gcit (1835).
gemein l^atten, roai eine 9rt t)on ber anbem jd^ieb.
®d n^ar ba^ (£i be^ ^olumbui^.
Sefftng öerfolgte nac^ Sai^rtaufenben benfetten
S93eg. Sßie ber (Stag^rite aud beS ©opl^ollei^ unb Su^
ripibeS äßerten feine Siegeln unb @runbfä|e ableitete,
fo prüfte unb ertoeiterte fie ber Hamburger Dramaturg
an feinem ©l^alefpeare. 2)a^ ift \a eben ber Qmtd ber
Ärittf: bie ewigen @efe|e aufjufinben, nad^ benen bie
fd^affenben ©eifter, gleic^ ben Oeftirncn be^ ^immtU,
unbett)u|t toanbeln. 3)a^ biefe^ Sen)u|ttnerben ber
@efe^e bem ))robuItit)en Xalente feinen @c^aben bringe,
^at ber größte 2)ic^ter ber Steueren, @oetl^e, betoiefen,
ber jugleid^ fein eigener, geiftreid^fter Äritifer toar.
i^reilid^ barf man ftc^ in biefe ^ab^rintl^e nid^t fo nieit
vertiefen, um barfibcr bie eigene, unmittelbare an«'
fd^auung ju t)erlieren, fonft t&me man auf ben SEBeg,
ber felbft unferm cblen ©d^iDer ©efo^r brad^te, toie
er benn befannttid^ am (Snbe mü^famer unb auf«
richtiger t^orfd^ung aQe X^eorien gegen einen einzigen
praftifc^en ^unftgriff umgutaufd^en t)erlangte.
S)ie ^unftlritil to&tt eine fe^r l^übfd^e @ad^e,
tDenn fie nic^t äRenfc^en ausüben müßten unb tuenn
fte nid^t (Sigenfd^aften erforberte, bie ftc^ in bemfetben
3nbit)ibuum faft niemals bereinigen. Sin Etiler foQ
nämlid^ beft|en: SBal^rl^eit^Iiebe, 9teblic^(eit unb Un«
parteilid^teit, fc^arfen ä^erftanb, niarme^ @efül^I, (Sin«
bilbungdtraft, fogar fd^affenbe, p^ilofop^ifd^e 93itbung,
7. Äritif unb ÄriHfcr unfcrct Seit (1835). 181
3)arftcßung8gabc, praltifd^cn ©inn, Ödcfcnl^cit, ®c*
Icl^rfamfcit ©icl^e Scfftng, S)ibcrot, §omc, §crbcr,
Äant, 3can ?ßaut Sted^nct man bic ©cttftücriäugnung
bagu, btc ci^ crforbcrt, ftatt jctbft l^cröorjubringcn, bIo§
über bic fictftungcn anbetet ju fptcd^en, babei toeber
3)anl nod^ SBitlung ju etjteten, fo toitb man ftd^ nid^t
tonnbem, ba§ bie großen ^tifet nod^ feltener ftnb
ate bte gto^en S)td^tet.
S)tc nenefte Stxt l^at ciJ ftd^ l^ierin leid^tct gcmad^t:
fte ^at bie fatfc^e Ätitif etfunben, S)ic falfc^e Ätttif
mitb anggcübt öon S)id^tcm nnb SKd^tbid^tem, öon
©efel^rten nnb Ungelel^rten, öon SKttem nnb %vop
bnben; an« ©nd^t an glänzen, an« SRnttoitten, an«
®ctt)innfnd^t S)ic Söienfri^en l^abcn e« ftd^ einmal an=^
gen^ö^nt, übet alle« eine SiReinnng l^aben jn n^oUen;
bie faljd^e Ätitil !ommt biefem S)tang entgegen; fte
ptägt fd^neD eine SJZeinnng an« nnb bie SiRenge l^afd^t
begierig nad^ bet Wtifd^en ©d^eibemünje. ?ßifante nnb
geiftteid^e Än^etnngen gefallen ftet«, fte mögen toal^t
obet falfd^ fein; »ifeiget labet teijt immet bie ©d^aben*
fteube. J)a« 5ßnbKfnm geniest babei ein boppelte«
Setgnügen: jnetft an ben SBetlen, bann an bem labet
batübet. Seibet ftöl^nen fetbft begabte SRännet biejem
böfen QuQt be« §etjen«. ffi« ift niÜ^t jn beted^nen, »a« in
biefem ©inne bie l^ingetootfenen fpöttifd^en ^n^etnngen
eine« ein jetnen ©timmffil^tet« gef d^abet, »ie fel^t fte bie
S^etftänbignng f o t)iete«@nten nnb@d^5nen gel^inbett l^aben.
182 7. ftrittf unb Ärittfcr unfcter 8eit (1835).
S)ag tft eine fcl^r fd^ttmmc ©citc bcr foljd^cn
Äriti!, aber bei »citcm ntd^t btc fd^ümmftc. @cift cr^
jeugt &ti\t; bie n)t^ige unb geiftreid^e ^til, iDennfie
and), t^telleid^t mit S3etpu^tfetn, falfd^ ift, lann mic^
nod^ immer anregen unb unterl^alten, tuenn auä) nid^t
belel^ren; aber bie geiftlofe ift ber toal^re ©eelentob.
Ser gutmütige Sefer ober 3^f^^^^^ ^i^t ein neue^
f8Mä) ober betrachtet ein neuei^ @tä(f ; er fül^It fic^
gerührt ober erfd^üttert, in einem bel^aglid^en, er^öl^ten
3uftanb; — ba erfd^eint am näd^ften SKorgen ba^
erfel^nte tritifd^e SBIatt; eine ^audbadene, ttodtm Stn«
fid^t tiertümmert i^m bai^ äBert unb beffen @^öpfer;
im bele^renben ^at^eberton werben bie ^]§(er l^eraud«
gel^oben. ^a^ gute $ub(ifum fc^&mt ftd^ jeined 93ei^
faUd t)on geftem^ gel^t mit B^eifel an ba§ n&^fte
neue Sßerl unb fo erftirbt aQmä^ßd^ fein ©efiil^I, feine
Sßärme, feine (Smpf&nglid^teii Unb loer betoirtte baS
Sßunber? (Sin ^äuflein unbetannter, verborgener
äRenfd^Iein, o^ne Qkl unb 9Hd^tung, loeld^e aDmö^Kd^
bie l^armlofen ©emfiter ber ÜKenge t^erberben, mie jene
3nfelten 93(äten unb ^Blätter bed trotten Ofnid^tbaume^
jemogen.
SBie oft mu^ ber Zabler irgenbeiner @ad^e l^ören:
„SRad^' e^ beffer, »enn bufannfti" — öin anbermat
]^ei|t eS: „2)em äRanne traut I Der tierftel^t bie ®ad^e;
er ift öom ^aä).** — @o fpred^en bie fieute, toenn e«
ftd^ barum l^anbelt, einen ©tiefet ober einen 9tod }u
7. ^iti! unb ^ttifer unferer Seit (1835). 183
machen. @ie meinen^ ber ©d^ufter unb ber ©c^neiber
t^erftunben bai^ am 6eften. 9btx tute man ein ©ebid^t
mad^en {oQ, ba^ glaubt ein jeber ju oerfte^en. ^a tft
jeber Xobel ertaubt, emünfd^t toiOfonmien. 2)te SRoIer
unb äJtttftfer ^aben eS beffer. %n bie äBerte biefer
^nftler n^agt \xd) ber Unt^erftanb nid^t fo leidet, n^eil
il^re ^Beurteilung getoiffe Senntniffe ber Xed^nil boraud^
fe^t, bereu äRangel fid^ nid^t n>o^( tierbergen lä^t.
Slber bie 5ßoefie tft leibcr feine Äunft, toie äRalerei
unb äRufil. 2)er S)id^ter gibt feine ©ebanfen unb @e^
fä^Ie in äBorten. «ber bie ganje äBelt beult, fül^It,
f))rid^t unb {d^reibt S)arunt glaubt aud^ jeber einzelne
ben S)id^ter überfeinen unb beurteilen ju lönnen. @anj
red^tl fiegt ben äUaPab eures Serftanbed unb (^efül^
an bie Si(!^tem)erte, bilbet euer Urteil, aber, um'8
^iimnefötoiaen! (a|t eS nid^t bruden. äRu^ t^ aber
gebrudEt fein, fo bitt' id^ euc^ nod^ eini^: feib be«
fd^eibenl ^Beginnet euer Urteil immer mit ben äBorten:
„äßir fd^eint" ober „(Sd fommt mir fo bor", ^ie
lategorifc^en 3m|)etatibe fte^en euc^ gar ju olbem.
%Ü £efftng feine Mtifen f d^rieb, mit toeld^er (Schonung,
mit meld^er @(en)iffen]naftigteit bel^anbefte er bie getoi|
nid^t bebeutenben (Srjeugniffe feiner 3^itgenoffen! S)enn
bie ed^te Mtil ift ^uman, too fie irgenbein ©treben
finbet, eben loeil fie tief ift, loeil ti i^r um bie ©ad^e
)u tun, n)eil fte in ben ^em ber ^inge bringt, toenn
ein fiem ba ift. dkgen ^ünlel unb Stnma^ung, gegen
184 7. ftrittf unb Ärttifcr unfcrcr gcit (1836).
$o]^I]^eit unb f^Iad^^ett gebrandet fte aud^, unb mit
9te^t, bte äBaffe bei» SBt|ei».
S)tc Art, tote S3öme in ber SBage bie tl^eatrali^'
fd^en C^c^einungen it\pt(iäf, toenn auc^ babei bie
übelfie Saune fftxauihüdt, mar gen^i^ el^rlid^ unb
bieber unb ber guten @ad^e meit förberlic^er ali bad
@efd^»ä^ aüer übrigen Xagebl&tter, bie bie ßeiftungen
ber ©d^aufpieler in aDjeit fertigen 8leben3arten ^erauS*»
ftreid^en unb nur bie ©d^riftfteller loben, bie ju i^rer
f^al^ne fd^n^ören. ^ann man benn ju einem Mtiter
Vertrauen faffen, ber Don ben fd^alen mobemen Über^
je^ungen toie uon einer ©ad^e fprid^t, bie nur irgenb
bef)^rod^en ju n)erben üerbient, unb nebenbei über
©c^iQer ober @oet^e ben ©tab brid^t? ©oU man bieS
2Rifere länger bulben? SBenn fc^on Iritifiert »erben
mu^, fo toürbe id^ bem Herausgeber biefer 93tätter
öorfd^Iogen, eine Shibrif ju eröffnen unter bem Xitel:
Äriti! ber ^til. S)artn fottten atte anmafeenben 95e*
l^auptungen ber Xagebl&tter grünblid^ befprod^cn, ge*
rügt unb gel^örig toiberlegt toerben. 2)er ^[uMiftung
biefei» ^[ugiaSftallei» foDten fid^ anerlannte iD^anner,
ettoa ein ®riQparjer ober S^^^^f untergiel^en. Xaufenbe
aui» bem $ub(ilum toürben gen^i^ teil an bem ©trette
nel^men unb ber ©ieg ber SBal^rl^eit »ürbe fein glän«
jenber (Srfolg fein; benn n^enn aud^ bte Mtif be9
einjelnen, ber 9latur ber ©ac^e nad^, nid^t unfel^tbar
fein lann, fo ift e8 ge»i§ für bie SRenge öortcitl^after;
7. ftritif unb Äritifet unfercr geit (1835). 185
bidmeilen mit ben ÜKeiftem ju irren, ald immer mit
ben Sd^ülent @^ ift nid^t fc^toer, baiS SBefte gut ju
ftnben, morüber fid^ bai^ allgemeine Urteil bereite feft»
gefteßt; aber bie (Srfd^einungen ber Qtxt ju beurteilen
unb i^en bie redete ©teile anju»eifen, erforbert einen
ganjen STOann. ffir fottte bereite anerfannt jein, bamit
feine @timme ha^ gel§5rige ©etpid^t beft^e; er foQte
nid^t mel^r mitten unter ben 5ßrobujierenben ftel^en, um
fic^ bie nötige Un^arteilid^teit ju bemal^ren. Seber
fiiteraturfreunb n)irb bei biefen Setrad^tungen gerne
eineÄ 9KanneiJ gebenfen, ber leiber nid^l me^r unter
un8 toanbelt. 3d^ meine Äarl «uguft SBeft (3ofef
©d^re^ogel). äBie oft laS id^ fein t^ortrefflid^ed
„©onntagdblatt", um mir barauS bie bamalige 3^i^
jU öergegento&rtigen! SBie toirifam, toie förberüd^ war
eS fflr ec^te 93ilbung! toeld^ eine ©c^u^mel^r gegen bie
falfd^en SSeftrebungen! (Sd mar bie Siene, bie ^onig
fammelt unb ftd^ jugleid^ il^reS @tad^e(i^ gegen bie
^erl^inberer il^red äBerlei^ bebient. Qin Statt, in biefem
Sinne rcbigiert unb jugleid^ ben gorberungen ber öor^^
gefd^rittenen ßtit entf})red^enb, wäre gleid^ wünfd^eng*
wert ffir Autor unb ?ßublifum. S)ie l^eifd^eren Stimmen
ber falfd^en Zonangeber warben tion felbft t)erftummen,
wenn bie ungefd^minfte SSal^rl^eit aU ®pxtä)tt auf^
träte; ber reblid^e unb unbefangene Xei( bei^ $ubli^
fumS, unb bad ift bei unS wal^rl^aftig ber größere,
wilrbe biefe ©prad^e ba(b t^erftel^en unb t^on jenem
186 7. triti! nrib Sttiültx unferer 3dt (1836).
^eOaffe unterf d^iben (emeit Unb f oQte m bief ei Qitl
nidft erreid^ laffen? @an) geloi^I Zroge mir jeber
fein ©(^ärflein bei, bel&m))fe ben Unftnn, \oo er il^m
in ben SBeg tritt; ermübe feiner, ru^e feiner, loenn ei
i^m aud^ unbequem fallt: mit tiielen Arbeitern unb
QuS bieten ©teinen erbaut fid^ enblid^ ein ^ouS unb
feft binbet ber äRbrtel ber Sßobr^eit
^nbert bt4 ein falf^eS Streben?
hemmet bi^ bt§ 9lt\bt» ^au^?
Bemt bte bdfen Quben leben,
ttaifre fOl&nnsx toofiea*» aucj^.
Saftt |te no4 ein SBeil<J^en Iritteln
Über %xä^itt unb <9ebt(!^te;
VBmn mir bann bie ^vaaxt f(!^ütteln,
gfaOen ab bie faulen Srrü(!^te.
$. Släd)tige bedanken über das deutfd)e Cbeater.
mit befondercr Rfidificht
4uf das ßofbiirfitbeater in Cüien (1949).
„mit reist bo(^ haS hit Seute fo fe^r?
SBoi» laufen {ie nur tnS S^auf^tel^aud ?'' —
(SS tft bo(^ ehood toeniged me^r,
919 fft^' man grabe junt Sfenjier ^inauS.
^oet^e.
Das deutfd)e Cbeater.
Siner unferer größten (Seiftet, jugletd^ felBfi
bramatifc^er ^td^ter, l^at bem beutfd^en Z^eater ge^
robeioegS feine ßufunft abgefprod^en* Sßenn @oet^e
bdi Qd^tanhAüvxoxm einer SiationalBill^ne bejlDeifelt
unb bem beutfc^en Z^eater baS biirgerlid^ (SIement
als feine eigentttd^e @)^I^Sre ontueift, fo ffirc^f id^
nur, ba| toir i^m beiläufig beiftimmen muffen. £ag
biefen iBel^auptungen ftiQfc^toeigenb feine politifd^e
Stnftd^t t^on ben Deutfc^en gugrunbe? O^ne 3^eifel.
Stber Qud^ biefe nic^t ganj tröftlid^e Stnfid^t muffen
mir ^qI6 miberftrebenb anerfennen. S)ie ^eutfc^en
finb nod^ immer leine Station. S)ie beutfd^e Slatio-
188 8. Sflüc^tige (S^ebanfen fl5er ha» beutfc^e Sweater (1849).
naittät liegt in bcr 3iil»nft unb fo aud^ ba^ bcutfd^c
3;]^catcr.
SBa^ ift feit ©oetl^e unb ©d^iüer wn ©eitcaücr
babet beteiligten für bie beutfd^e SJül&ne gefd^el^en?
— Sßid^td, ober foöiet tüie nid^td. ©oetl^e unb ©d^iller
^abcn nid^t bIo§ ©tüdEe fürg X^eater gefd^rieben, fie
l^aben bie SBül^ne lange Qtit toie il^t iSd^o^nb gehegt
unb ge})flegt; fie l^abcn bie ©d^aufpießunft mit tiefem
©rnfte bel^anbelt^ fte ^aben eine ©d^ule für ©d^au*
\pxdtv begrünbet, fte l^aben ben praltifd^^Iritifd^en
äßa^ftab an il^re eigenen^ toit an frembe bramatifd^e
aSerfe gelegt. .95ei fold^em tiefen ©ngel^en in ba^
SBefen ber bramatifd^en Äunft lonnte bie SBed^fel*
n)irlung auf ba^ ^ublifum nid^t ausbleiben. 2)aS
Heine S^l^eater in SBeimar war burd^ geraume Qtxt bie
SKufterbül^ne für ganj S)eutf d^Ianb unb ber literarifd^e
®efc^madE, ber fid^ in ber beutfd^en Äleinftabt unter
befonberen JBerl^ältniffen auSbilbete, war fprid^wörtlid^
geworben. 93alb nad^ ©d^iUerS ^eimgang War feinem
fjreünbe ©oetl^e bie ©fil^ne öerleibet. ©oetl^e l^atte be*
!anntlid^ einen SBiberWiQen gegen §unbe — unb nun
gar gegen ^unftl^unbe! ^a^ (Srfc^einen eines ^be(S
auf bem SBeimarer Xl^eater foü il^n öeranta^t ^aben,
aud^ ben legten Slnteil an ber fieitung beS bortigen
83ü]^nenwefen8 auf jugeben. S)iefer §unb ift f^mbolifd^.
@r bebeutet ben beutfd^en Ungefd^madE unb er ift auf
famtlid^en beutfd^en S^ül^nen ju ^aufe.
8. Slüc^tige ®d)anfen über ba« beutfc^e ^^eatei (1849). 189
©eitbem unfere betben bratnatifd^en ^eroen $anb
unb ^et} wn ber SBül^ne abgemenbet, ift au^er
Smmennanng lobcn^tocrtcn, aber öorübcrflc|cnbcn Se-
ftrebungen in Deutjd^Ianb nid^tö gefc^el^en, um baS
Il^catcr boc^ al8 Äunftanftalt ju crl^altcn, toenn c^
jd^on lein nationale^ Snftitut »erben foQte- 2)ie 9te*
gierungen blieben t^on je^er mit t^omel^mer @ering«
fc^Q^ung auf bie 93fi^ne l^erunter unb normen leinen
(ginflu^ auf fte atö mittel» ber Stn\ux, unb ba8 toar
eben lein fegenöreid^er. S)ie J)ire!toren wn 5ßriöat=^
untemel^mungen gingen nad^ 93rot; bie 3ntenbanten
ber ^oftl^eater nid^t minber, ba fie mit ber farglid^en
3)otatii)n feiten aui^reid^ten. 93ebeutenbere bramatifd^e
©c^riftftcßcr, toie ^einrid^ öon Äleift, 3ntmermann^
$Iaten, @rabbe, ^ebbel, berfd^mä^ten ed mel^r ober
minber, fic^ ben erbärmli^en ^orberungen bed @(^(en«
brian», ber Il^eoterfaffc unb S^nfur ju fügen, tiefen
bad mirflid^e Xl^eater Zl^eater fein, bel^ielten nur eine
gemiffe ibeale bramatifd^e ^orm bei unb tamen iu^
üijt ba^in, mel^r für Stuge unb ®eift jit fd^reiben aU
für baS Ol^r unb bie äußere @efta(tung. äßan barf
einem beutfd^en bramatifd^en 2)id^ter feinen Unmut
öerjeil^en, ober proltifd^ ift'g nid^t, toenn er fid^ lieber
uerad^tenb t)on ber mirllid^en Sül^ne abn^enbet, atö ju
il^rer SBieberbelebung unb ffimeuerung felbfttätig mit
$anb anzulegen. Die ^anjofen n^u^ten bad beffer
anjupaden. diXDa baS „th^ätre de Clara Gazul"
190 8. Sflü^tige (»cbanhn über bad beutf c^e Sweater (1849).
ausgenommen, ift faft aUed ^tamattfd^e, n)aS in
fjranlrcid^ je gejd^rtcben toorbcn, öon ber ältcftcn 3ctt
bis }ur 3uti'9iet)o(utton unb t^on biefer bis jur ytt^
publif für bie lebenbige Slnfd^auung, für baS toxtt^
lxd)t 93ü]^nenleben bered^net unb bemgemä^ ausgeführt.
dixä^t nur ©crtbe, ber ©d^tlbcrer mobemen ßcbenS,
fonbem aud^ ber pl^antaftifd^e ä^ittor $ugo, ber mon^
ftröfe ^(e^anber DumaS n)ürben (ad^en, tt)enn man
il^nen jumutete^ S)ramen für ben einfamen Sefer ju
f d^retben. $aben bod^ f ogar ©eorgeS @anb unb Saljac
il^re öerfel^Iten ?ßrobuIte auf bte SBretter gebrad^t unb
fid^ für bie erlittene „chüte" nid^t ettoa baburd^ ge*
räd^t, ba§ fie toeiter f ürS äuge unb für poetijd^e ®e*
müter f d^rieben, jonbem fie toaren Kftger unb fd^rieben
gar nid^t, toeil il^nen ber befte Äritifer, baS 5ßublifum,
genugfam beriefen l^atte^ ba^ il^nen baS bramatifc^e
Xalent feilte.
Sei biejer praftifd^en 9iid^tung ber g^anjofen
barf eS uns lein äBunber nel^men, ba^ baS beutfd^e
SRepertoire burd^ eine Sieil^e öon 3a]^ren eine tnal^re
3Jhifterfarte aller neufranjöfifd^en ©rjeugniffe auf==
tt)ieS, to&l^renb unfere einl^eimifd^en Sramatifer, bie
fid^ über ben finfenben ©efd^madE unb über il^r SSer*
!anntfein bitter beftagten, fc^mottenb unb groQenb im
SSinfel fa^cn. 9lur einer padEte baS S)ing am redeten
®nbe unb fd^rieb frifd^ brauf loS, ©tüdf auf ©tüdE,
Ujie'S il^m eben leicht öon ber ipanb ging, unbefüm*
8. 9Iü(^ttge (Skbanlen über ba» beutf^e Sweater (1849). 191
mcrt über bic SScrad^tung feiner poetif d^ercn S3rüber in
fbfoU ainb um bai^ 93eQen ber ^ritif. Wtan mag t^on
^npaäf — ber tüxc ein äReteor am bramatifd^en
^orijont crfd^ien unb ebenfo öerfd^toanb — benfen,
n>ie man toitl, fo bleibt ed bod^ fefi, ba^ er großes
tl^eatralifd^ei^ SerftänbniS befa^^ unb ba^ er bie
eigentlid^e ,,aRad^e'' tibHig n^eg l^atte. Slud^ banlen
toir eis il^m unb feiner 9iüftigfeit, ba^ bie beutfd^e
9^]§ne bamalS in htn franjöftfd^en Überfe^ungen
nid^t gerabeju auf« unb unterging, inbem er biefer
9ti(^tung ober t^ielme^r biefem SD^anget an 9hd^tung
burd^ eine Slnjal^t @d^aufpiele entgegentrat, benen
eS an ed^t beutfd^en (Elementen burd^auiS nid^t ge^»
brid^t unb beren übrige SSorjüge: ein tvol^I burd^-
bad^ter $Ian, eine gebilbete, natürliche, gum Xeil
})oetifd^e ©prad^e unb eine el^rentoerte ©eftnnung un«»
öerbient unb öicl ju frül^ in SSergeffenl^eit gerieten.
SBer „Sfibor unb DIga" gefd^rieben, „SSormunb unb
SRünbet" unb bag SBoßSftücf ,S)er aRütter unb fein
Ätnb", ben foBte man biDig in S^ren l^alten. Äßein
bie Seutfd^en t)ergeffen leidet
93on ben jungen äßännem ber fogenannten
„jungen 5ßoefie", meldte 9iaupad^ juerft Iritifd^ unb
bramaturgifd^ mit ffirfolg beläntpften, traten einige
balb aud^ ate feine bramatifd^en Söiitfämpfer auf ben
@d^au)^(a^ unb fiegten il^m l^ier gleid^fadd ob. Sin
frifd^er ^I^IingSl^aud^ fd^ien mit einem 3RaI bie
192 8. Slüd^ttge (S^ebanlen über baS beutfc^e ^^eater (1849).
beutfd^e 93ül^ne onjutpel^en. 3)ie O)^)^ofttton, n)el(i^e in
ben jübbeutfd^en Kammern ben ^rjeren jog, t^erfud^te
eS in anbcrcr ®cftalt unb mit ipilfc bcr t^catralifd^cn
S)arfteHung, einen lebenbigen unb unmittelbaren Sin«
f(u^ auf bad ä^oll ju geminnen. (Sine angiel^enbe ^el
toarb erfunben — il^r ^au^jtl^clb tpor mcift ein ÜÄär«
t^rer ber greil^eit ober ber fojialen SJerl^ältniffe; fecf
gejeid^nete Sl^araltere, eine rafd^e geiftreid^e ^ofa
unterftü^tcn fie unb bie fü^nen Xiraben über I^rannei
ober äSoIföfrei^eit uerfe^ften niematö i^re Sßir!ung.
^ie ^Regierungen l^alfen burc^ SBerbote nad^, toenn
etn^a baS f^euer im S(utor ober im ^ublifum ju t)er«
glimmen brol^te; bie ^effe brad^te bie bureaulratifd^e
ober b^naftifd^e Sng^erjigleit jur ©prad^e, man fing
an fid^ ju fd^ämen, t)er]^anbe(te, gab nad^, unb bad
gefö^rlid^e @tüdE lam julegt mit einigen ^bänberungen
pr S)arftettung, inbem man einen 5ßrinjen beiJ §auje^
in einen @rafen üertoanbelte ober ein paar ,,gar ju
arge" ©teüen ber ©d^ere beg ä^^fö^^ i^^ Dpfer
brad^te. @o n^ar bai^ beutfd^e äSaterlanb unb baS
beutfd^e Xl^eater jugleid^ gerettet. (Sin ungel^euret Subel
brad^ im parterre, felbft in ben £ogen au^ unb man
fd^meid^elte fid^ toirttid^ für einige 3^it ^it ^^^ $öff==
nung, bie anfange einer nationalen ®d^aubül^ne in^
Seben gerufen ju l^aben. 9hir bai^ arme SBien ging
bei bem neuen, fbftlid^en, bramatifd^en ©c^mauje ge*
toöl^nlid^ leer au8 ober be!am bIo§ ben 2;afel*
8. gflüc^tige ^ebanfen aber bod beutf<^e Sweater (1849). 193
oBl^ub, toenn biefer bereite Ia(t unb unfd^macf^aft ge^
toorben \oat.
äBai^ Stoupad^ begonnen l^atte, ben ^antpf gegen
ben franjöftfc^cn ffiinflu^, fc|tcn ®n^fo» unb fiaube
mit @iM unb ©efc^id fort, jugleid^ mit @(eift unb
Sugenbfeaft; nur bcbtcnten ftc fid^ hd biefem Kampfe
— meine beiben literarifd^en grcunbe mögen mir ba8
aSBort nid^t öerfibeln — jum Seil bcr SBaffen il^rcg
Oegnerg. Sd^ meine, fic laufd^ten bem neufranjöfifd^en
Il&eater mand^e feiner gar nid^t ju öerac^tenben Äunft^
griffe ab unb toenbeten fte mit (Erfolg auf bie beutfc^e
93ül^ne an. 9[ud^ ^^ebrid^ ^Im lam auf einem ganj
anbern äBege gleid^faUS bal^in, mel^r bie franjöfijd^en
(Sffelte a(d beutfd^e %ct unb beutfc^eS äBefen auf
unfere SBäl^ne ju k)erpf(anjen. ^oc^ gleid^ oiell 2)er
^auptjmed ift erreid^t: bie Sßirbtng auf bad $u«
blitum unb bad 3ui^<^^^^^n ber Überfe^ungd«
fünbflut
Um ein äBort t)on htn @d^auf))ielem ju fagen,
fo ftnb bie legten @rö^en t^erfd^n^unben unb neue
nic^t aufgetaud^t. £ubtoig 2)et)rient ift l^eimgegangen,
@o))^ie ©(gröber juräd(getreten. ©e^belmann, todö^tn
bie ^nft leiber ju frül^ t)erIor, mar t^ieUeid^t }u
fritif (^ unb bered^nenb, um ein toal^r^aft großer @d^au«
fpieler }U merben. ®injelne Huftier wn 93ebeutung
finb burd^ ganj 2)eutfd^(anb jerftreut. SBien toar f onft
ein ®ammtipiaii für gro^e Xalente unb ift eS jum
C4«lftcii IT . 13
194 8. Sr&(^tige (»ebanlen Aber bad beutf^e Sweater (1849).
Xei( nod^; nur fel^Ite l^ier USf)tx bte geiftige %n^
regung unb bie f^eil^eit ber 93etpegung, meldte aQetn
tmftanbe ftnb, eine neue ^nfte^od^e l^erbetgufül^ren*
Sßit bem äSerfd^toinben ber guten alten @tä<fe,
auc^ ber bfirgerlid^en, toorin eS toenigftend^ mte bei
3ff(anb, Sl^araftere barjuftetten gab unb mit bem %uf ^
taud^en ber mobemen Überfe^ungen mar bte alte^ ge^
biegene @c$aufpte(funft faft ju @rabe gegangen. 2)tefe
@tü(fe unb ©tüdfd^en fpielen fid^ leidet l^erunter, etma
toit man ,,nad^ ber Patrone" malt; bie ©c^aufpteler
tonnen fid^'d bamit bequem mad^en. Sn $arid, mo
bie leidsten S9ilber unmittelbar aui^ bem fieben ent»
[teilen unb mit (ebenbigfter ®ra}ie bargefteDt tperben,
IDO bie mobemften äBenbungen, bie f^ein^eiten unb
3ierttd^Ieiten ber franjöfifd^en ®pxaö)t im 9Kunbe beg
@d^auf)^ie(erS i^ren tioOtommenften ^udbrudE finben,
tt)0 ^leibung^ ®ang, $altung^ 3J2imif beS 2)arfteQerS
bie ^erfonen unb il^re S^f^nbe im @aIon mie in ber
^fttte bis }ur SBirttid^Ieit nac^täufd^en — in 5ßariS
^aben jene geiftreid^en Keinen ©d^ö^fungen einen bop-
pelten: einen fift^etifd^en unb gefettigen SBert. Sn
2)eutfd^Ianb ift baS ein anbereS! 2)er beutfd^e @d^au«
\pitUx, befonberiJ in ben Heineren Slefibenjen, toeife
ni^tS üon guter ®efettjd^aft, t)on gutem Xon. Der
gute Zon tann fid^ über]^au))t nur in einer ®ro^ftabt
bilben unb auäbilben. d^ gibt leinen ©ot^aer, (So-
burger ober ©c^n^eriner guten Zon. Um aber bad
8. SIüc^Hge (Stebanfen über bai» beutfc^e X^eater (1849). 195
a)2oberne bod^ einigerntQ^en auSjubrüden unb barju^
ftcDcn^ l^at \iä) ba3 beutjd^c Il^cater ein 3)ing er^
funbcn, tpclc^c^ man „Äonöerfationäton" nennt unb
toomit eS bie franjöftfc^e Slnmut in ber fd^Ied^ten unb
meift \äjHcd)t memorierten beutf d^en $rofa, bie i^m ge-
boten toirb, getoöl^nlid^ in il^r ©egenteil öerfel^rt. (gin*
jelne geiftreid^e unb gebilbete Äünftler, meldte fid^ ju
ben tteinen beut^d^en 95ül§nen öerirrcn, l^elfen nur bie
©efd^madEIofigleit ber übrigen fo red^t ind £i(^t ju
fteUen. 9ied^net man noc^ baju, ba^ ber eine @d^au«
fpieler mit etu^a^ )^reu^ifd^em, ber anbere mit etioa^
fäd^fifd^em, ein britter mit etn)ag fd^n^äbifd^em ober
ttjienerifc^em ÄnKang f})rid^t^ ba§ fie ba8 Unbebeu*
tenbfte betonen, ben leidet bal^in ftattemben äBi^ berb
l^eraudl^eben, bamit er )a nic^t überprt »erbe, ba^ fie
im ganjen bem @ouff(eur naä)\pxtd)m unb fid^ ba-
burd^ ein Xentpo feftgefe|t l^at, meld^eg geraben^egi^
öerjttjeifeln mac^t — »irft man nod^ einen 83IidE ouf
bie gefd^madEIofen 3)eforationen, auf bie fpärlid^en
Xifd^e unb ©tül^Ie öon ber öoröorle^ten SRobe, bie
nad^ gen)iffen Urtrabitionen in l^ergebrad^ten redeten
Sinien ftel^en toie bie ©olbaten, auf bie trübe, traurige,
beutf d^e ^Beleuchtung, enblid^ auf bad ^ublilum, toelc^ed
emft unb geban!enöoü bafi^t wie ein ©c^tourgerid^t,
leine SD^iene t^erjiel^t, niemals (ad^t, faum läd^elt unb
ben ganzen @pa^ toie ein @efd^äft betrad^tet, baS
eben aud^ abgetan »erben mu§ — nimmt man aüed
13*
1 96 8. Sftfi^tige <S(eban!en Aber bad beut{(^e ^^eatec (1849).
bieS jufammen^ fo tarn man Dtelleic^t nod^ immer an
eine beutfd^e 3^^^!^ glauben, aber ^d^totrlidf an eine
füri^ I^eater.
3n Ie|ter Qtit f)at ftd^ ber ©d^Ienbrian ein
nienig gehoben. Sad eöoad üerbefferte 9{e|)ertoire ffat
bie ©d^auj^ieler gejniungen, aud i^rer 93equemli^(eit
^eraud ju gelten, unb bie gefteigerten ^orberungen
eined ^^lifumd, loelcl^ed ftd^ jugleid^ immer \pau
lieber einfanb, bringen i^nen jefet bie traurige Über==
jeugung auf, ba^ fte bereitö auf bem fünfte [teilen,
fär il^re (Sjrtftenj lämpfen }u muffen.
Über Xl^eaterbireltoren unb Sntenbanten ein Sßort
ju t)erlieren, lol^nt laum ber SKül^e. Siefe ^erren
gleid^en ftd^ äberaQ mit tt)enig Sludnal^men. Z)er eine
benft me^r an bie Saffe, ber anbere an bie pbfd^en
@(^auf|)ielerinnen; bie ^nft ift i^r Ie|ter @ebanfe
ober t)ielme^r fte beulen il^rer gar nid^t. SK&nner mie
Smmermann ober Siebid^ finb eben SluÄna^men. An
ber @pi|e ber §oft^eater ftanb bisher meift ein
^a^alier, loel^er bie ©aci^e begreiflid^ertoeife bilettan«
tifc^ bel^anbelte. Z)ie tt)enigften ^aben einen £rama^
turgen an ber Seite.
Sie ^tit ^at fic^ einft t)iel mit bem Xl^eoter
abgegeben; fte t)erftummte nad^ unb nad^, bafi^ leine
neuen @d^5pfungen Dorfanben, um fie nad^ il^rem
Sbeal ober i^r 3bea( nad^ i^nen abgumeffen. Si^ mar
eine fd^öne Qdt, ate bie erften ©eifter ber Kation,
8. 3Ifi(^tige &tbanUn über bad beutfi^e X^eatec (1849). 197
fo |)raftijcl^ aU tnti\d), bad X^eater in ben $eret^
il^rcr aaSirffamfcit jogcn. ©ic ift öorfibcr. ©clbft ein
©^riftfteller britten ober vierten SRange» fd^dmt fic^
ie|t, über SBül^nen unb „SBül^nenleiftungcn*' ju fd^rei*
ben. äßeg »irft ftc^ auf ben Staat ^i^eilid^, wenn
toxi ben neuen @taat betommen, loirb au^ bad neue
Zl^eater nic^t ausbleiben! Sparten toir'd ab.
S)ad beutf ^e ^ublthtm üerl^alt ftc^ ber 93ä^ne gegen«
über gleici^giltig! SBo ift bie 3cit, al8 man f c^arenttjcif e
üon Sena nac^ äBeimar jog, toenn ein neued @tücf
Don @c^iDer ober au^ nur t)on Sfflonb ober
^o^ebue jur ^uffü^rung tarn? 2)amatö l^atten ftc^
freiliti^ bebeutenbe SKänner bie SKül^e genommen, bad
5ßublifum auf jultären, ju bilben, jum Äunftüerftänbnig
unb ^nftgenujs ^eranjujiel^en. Unb baS beutfd^e ^u«
blitum ift ntc^t unbanibar, totnn man fic^ mit i^m
befci^äftigi Sie Xeilnal^me fürS 2:^eater, felbft in
biefer ^olitifc^ bewegten 3^1^ ßc§^ fid^ toieber er*
loecfen. Sin äRinifterium, melc^ei^ enblid^ bal^in lom«
men wirb, baS toiti^tigfte ind $uge faffen ju bürfen,
tDorauf unfere ganje B^^^iift beruht, nämlic^ ben
SBoIfSunterrici^t, n)irb auci^ einen feiner jpaupt^ebel,
bie ©c^aubül^ne, niti^t üergeffen. 3^^^ ®^^^ i^obtn
loir nic^t mel^r nötig, mit ©tirilier bie fittli^en
SBirfungen ber Sül^ne nati^jutoeifen unb ühtnen
und l^ier t)orjugi^n)eife mit i^rer ^nftric^tung be«
f ti^äftigen. 2)ie ma^re ^unft toirtt jugleiti^ immer ftttliti^.
198 8. Slü(^Hge (S^ebanfen Aber ba§ beutfc^e Sweater (1849).
tft ein großer SSottcil für ben bramatifd^en
Xxd)kx," bcmcrft Scfftng, „ha^ er Weber mijüä) nod)
angenehm, eincö ol^ne baS anberc fein tonn." 85e*
traci^ten toir bie SSerl^ältniffe unb 3i^ftiiwbc beS beut*
fd^eit Zfitattii, ingbcfonbere bie ber SBicner SBül^ne
unb fuci^en wir xiad) ben äRitteln, toie ftc^ baiS noc^
Dorl^anbene ®ute erl^alten^ bie Übelftänbe befeitigen
lafjen unb »ie baS 93effere ntä^Iid^ l^erbeigefül^rt Wer*
ben lönne.
S)ie ^oftl^eater waren anfangt üon 9!u^en. SBir
l^oben an äBetmar ein SBeij^iel, Wad bie Liebhaberei
cineg dürften, in SSerbinbung mit tüd^tigen äKännem,
jelbft mit geringen äKitteln, ju leiften imftanbe war.
S)ieje Qdt ber Keinen Äuguftc unb SKäcene ift Dor*
über, ©n gürft l^at jefet genug ju tun, fici^ fetter ju
erl^alten; bie fünftigen ßibilliften, weld^e bebeutenbe
93efci^ränfungen erleiben bürften, werben fc^wertic^ au§-
reici^en, um ebcnfo öiele ^oftl^eater ate ^Regenten be*
ftel^en ju laffen. SSar bod^ fogar ber Äönig öon 3Bürt*
temberg fti^on nol^e baran, fein erft lürjliti^ neu fftx^
gefteQteS Xl^eatcr aufjugeben. Sie ^offd^auf|)ieIcr ber
Heineren SRefibenjen finb bal^er aud^ meift reaftionär
gefinnt, Weil mit bem SSerluftc ober ber JBefd^ränfung
ber ^ofl^altungen i^r eigener erborgter ®Ianj, ja i^re
Sjriften} bebrol^t erfd^eint Sd l^ilft ober nid^td, wenn
fie bicfe (Sfiftenj fümmerlid^ auf Saläre ^inauS friften
— ber SSenbepunft wirb bod^ fommen. Sie ^oftl^eater
8. SIü(^Hge (S^ebanlen über bad beut{(^e Sweater (1849). 199
tDcrben faQen^ unb }tüQr bte Heineren je^r balb. Sßenn
ber @ro^l^erjog Don ^fen^3)annftabt ober ber ^r^
fürft Don ipcffen^fiaffel bereit» in SSerlegenl^eit gerät,
feine S(eantten jn bejal^Ien, nnter mel^e anäf bie $of^
fd^auf^ieler gel^ören, fo liegt ber ©ebante anwerft naf),
\i)xt Änjül^I ju öerringem. äKit bem Überflüfftgen »irb
man ben Slnfang maci^en — unb toai ift überflüfftger
ol^ bie Äunft? — Aber bie ©^aufpieler muffen an
il^rc äw'ht^ft benfen. ®ie befferen 2^Iente finb, wie
bereit» gefügt, bnrd^ ganj Z)entfd^Ianb jerftrent nnb
bie ^erüorragenbften nnter i^nen benähten wn jel^er
i^re Urlanb»jeit jn ©afirollen. äBie to&f eS benn,
toenn mel^rere Heinere Sl^eater, auäi ^ofü^eater, fic^
bereinigten unb fo a(» n)ol^l audgerüftete ©efeQfci^aft
mit einem geto&I^Iten 9flet)ertoire Heine ®afttt)anberungen
anfteQten? Sd^ mu^ mi^ über biefen ^orfti^Iag, ben
manbernben %fft^piitantn gelegentlid^ lieber in @ang
JU bringen, etwa» n)eitl&ufiger erHären.
3n einer grojsen @tabt mie $ari» ober auc^ nur
mie SBien ober 93erlin ift baS X^eater ein tägliche»
93ebärfnid. 3n $arii^ genügen bie ^emben, um bad
parterre ;ju fußen. ^a8 ift mit ben Keinen beut='
fti^en Sfleftbenjen getoijs uiti^t ber ^aVi, in benen ber
f^rembe l^bd^ftend ein 9{aci^tquartier nimmt, n^enn
i^n ber ^oftenlauf baju jtDingi S(ei ber geringen
95eD5I!erung ber ©tfibte, bereu faft eine jebe ein flehen*
be» Xl^eater beft|t, loirb barin nur brei« ober viermal
200 8. S(ü(^tige <0ebanfen über bad beutfc^e 3:^eater (1849).
bie äßod^e gefpielt, unb babei ift man nod) genötigt^
mit ©d^aufptel, $offe unb Dptx abjutDed^feln. ®djHtd)tt
äSorfteQungen unb leere jpäujer ftnb bie $oIge biefed
l^artnacfigen ^^ftl^aUend an einer ftel^enben unb natürlti^
^ö^ft mittelmäßigen ^oDinjialbäl^ne. Sie fti^Iimmere
f^olge ift aber eine ftetd mel^r unb me^r junel^menbe
@leid^giltigteit gegen bie tl^eatralifti^e ^nft überhaupt,
iDe(d^e ^ier fo geiftlod unb fd^I&frig geboten tt)irb.
Silben ftd^ bagegen größere ©efellfd^aften — öielleic^t
abgefonberte für ©c^auf^iel unb Dper — »eld^e mit
bcn mehreren unb bebeutenberen lalenten, bie fic^ Der*
bunben l^aben, fotool^I bie ttafftfci^en älteren äReifter^
uferte n)ie aud^ baS neuefte unb befte ber mobemen
bramatifti^en Literatur in üollftänbiger Sefe|ung gu
bringen imftanbe finb^ fo läßt fi^ mit einiger Qrcotx^
fid^t erwarten, baß bie Xeilna^me für bie Sü^ne loieber
em)a(^en unb fomit auti^ bie ^l^eaterlaffe bobei ni^t
leer audge^en loirb.
Siel^men tt)ir nun an, eine biefer ®efettf(^aften
fpiele am fRl^ein — »o bie Sommunüation burd^
S)am^)ffd^iffe unb ffiifenbal^nen f o fel^r erleichtert ift —
unb jtt)ar abloed^felnb in äRain}, Noblen}, ^öln,
S)üffeIborf, Äad^en ufto., fte l^alte ftd^ an jeber biefer
@täbte nur brei bis t)ier äRonate auf, bad @^aufpiel
folge ber Dper ober bie Dper bem ©c^aufpicl — unb
bie ®efellfd^ft bringe il^r SBefteS, toa« fte ju leiften
imftanbe ift — toürbe bie Qtxt il^re« Aufenthalte^ fi^
8. 9Iü(^tige ©ebanfen über bad beutfi^e X^eater (1849). 201
nid^t lol^ncn? SEBörbcn bic jcitcncr, aber bcffcr gciDor«
benen tJ^eatralifc^en 93orfteQungen nid^t als eine 9rt
Dott SSoIföfeftctt ti^djmm, im ©innc ber ©riechen,
unb für bie geluol^nte Sangetoeile ber in jebem @inne
ftel^enben SBül^nen ntel^r ald entfd^bigen? Sc^ bente
mir, ba^ bie ^ttoofjntx t)on ^öln ober %a^en btim
©d^eiben ber @efellf(i^aft ftd^ bereitö auf bie n&d^ften
Sorfteßungen, aufd näd^fte Sa^r freuen unb ffir bie
3eit il^red (Sntbel^rend il^re Dielen ©c^ö^^d^en unter
bantbarer (Erinnerung an baiS l^eiter ©enoffene in
gemütlicher 9lu^e trinlen n)ürben. Unb aud^ bem ©d^au*^
fpieler bietet bie SBemegung unb SBanberung mannig^
faltige Vorteile bar. SebenfaQi^ fnfd^t er fi^ auf unb
lernt ein neues ^ublitum, babei ftd^ felber !ennen,
lote und fd^on @oet^e t)on feiner in £aud^ft&bt gaftie^»
renben Sßeimarer ©efeUfd^aft auf baS bel^aglid^fte ju
riil^men meijs-
©old^er (SefeQfd^aften, toxt iä) oorgef dalagen, tonnten
fid^ burd^ gan} Z)eutfd^Ianb mel^rere bilben, }um Seil
auf Slftien, nnb ftd^ burd^ bie XageSeinna^men fott)ie
burd^ d^f^^ff^ ^^^ f^i^^^ ^^^ ©taateS ober ber
t^rften ganj anft&nbig erl^alten, befonberS nienn ein
tüchtiger Seiter an ber ©pi^e ftilnbe. SBir (eben ie|t
in ber ^cit ber Vereine. (Einige 30 §oft^eatcr, ebenfo
t)ie(e ftäbtifd^e Sühnen fönnen fid^ in~S)eutf^Ianb in
ber alten SBeife nid^t erl^alten, foDiel ift au8gemad^t;
au6) brol^t bie ^unft bei bem 3^fl^ni>^f ^^ loeld^em
202 8. Slüc^tige (Stebanfen über bag beut{(^e ^^eatet (1849).
fte ftti^ gegenn)ärtig Beftnben^ gan) unb gar unterjugel^en
— unb bicÄfinftIcr mit i^r. (Sin 3«itralpunh für bie
audgejetd^neten diente unb eine fiel^rfd^ule für bie
angc^cnbcn, Wie in ^arig, bietet fici^ un8 nid^t bar —
roarum fammelt man a(fo niti^t baiS beffere^ toaS roit
no(^ beft^en, bttooi)xt t^ Dor bem Untergang unb bilbet
auf einem neuen Sßege 9{eued l^eran^ ba bad %tte
längft nid^t mel^r ausreicht? — S)ie größeren ^of^»
t^eater, mie in ^Berlin, S)re8ben, äKün^en uj». toerben
fortbeftel^en ober fiti^ als 9lationaIbül^nen erneuem;
bie übrigen tonnen il^r $ei( nur in ber Slffoiiation
finben^ fte mögen fiti^ ju toenigeren fte^enben 93ül^nen
Dereinigen ober ein loanbembeS unb lebenbigeS 3}olfö«
tl^eater bilben^ n)elc^ed in ber oorgefc^Iagenen f^orm
tDenigftend ben 9teij ber 9leu^eit für [xöf l^ätte. Soc^
nein! bie ®ad)t ift gar nid^t fo neu. 2)ie loanbemben
@ejeQfd^aften Regten unb pflegten bie bramatifc^e ^nft
noti^ }U £effingS 3^^^^^ ^^ff^^^ ^^^ fpäter^in fo manti^ed
^oftl^eater, unb id^ bin überjeugt^ bajs bie Erneuerung
ber Sßanberbül^ne im größeren @til aud^ l^eutjutage
ber ^unft nur jum Vorteil auSfd^Iagen mürbe.
3R5ge fid^ ein ©d^röber finben, ber baS Sünft*
lerifd^e eines fold^en SnftituteS gu leiten imftanbe loäre
— unb ein Slotl^fd^ilb, ber eS ber SRfil^e »ert l^ielte,
einen geringen Xeil feiner ©elbmittel, eigentlid^ nur
feines ^ebits baran ju loagen!
8. 8flü(^ tige ^ebanlen über ha» btut^d^t Sweater (1 849). 203
*
Die Cbeater in Ollen.
SaSien beft|t fünf Sweater, barunter jtt)ci §of-
tl^eater, beren bad eine ftti^ feit furjem aud^ ^atxonaU
t^eater nennt. %nä) t)on ben ^orftabtbül^nen l^at bie
eine, nod^ fnil^er aü baS SBurgt^eater, bief e 99e3eiti^nung
angenommen. Flamen mad^en'i^ leiber nid^t aud unb eS
ift niti^t fo leidet, ein ^oft^eater jum 9lationa(t]^eater
um}ufd^affen, mie tttoa einen ^ofrat jum äRinifterial^
rat umjutaufen. Z)ie SSorftabtbül^nen n)aren ftd^ biSl^er
t)oIl{ommen felbft äberlaffen unb mod^ten fe^en, toit
fie brau» famen. Shir bie 3^"^^^ übertoad^te fie forg*
fältig unb jätete ben fleinften ^olitifd^en ^eim au»,
ber ettoa au» bem üertrodhteten 93oben ber SSoItebül^ne
l^ert)orjumad^fen brol^te. S)agegen l^atten fte DöUige
greil^eit, ba» Alberne, ©emeinc, ja Unftttlid^e ju
bringen unb bebienten fi^ biefe» Steckte» aud^ ^ie unb
ba folange, bi» enblic^ ber gefunbe @inn be» 93oI{e»
fettft ber totten SBirtfd^aft überbrüffig toarb. S)ie
äJoIföbid^ter erfd^rafen, al» fie plö|(i(^ getoal^rten, bajs
i^re ^offen unb 3oten nid^t mel^r „jogen" unb warfen
ft^ nad^ bem auSgefprod^enen 3<^u^c^<>^ rr^onftitu-
tion" auf» |)oIitifd^e gelb, wetd^em fte jcboc^ bi» je^t
nid^t mel^r al» @d^Iagn)örter unb Su^erlid^Ieiten, tein
eigcntlid^e» Seben»bilb abjugetoinncn tonnten. — äJieiner
Slnfid^t nod^ füllten fämtlic^e Xl^eater (aud^ bie ber
^ßroDinjen) unter ba» 9Winifterium be» 3nnem ober
204 8. Slüc^ttgc ®ebanf ett über ba^ beutfc^e 3:^eatec (1849).
bcS Untcrrici^tö geftcüt »crbcn^ in bcfjcn Sntcreffe c«
läge, bie Sonjcjftoncn nur an gcbilbctc unb !unft*
üerftänbige^ 3uglei(^ ^rafttfc^ erfal^rene SR&nner ju Der^
lei^en^ toütift einem ^auptjtoedEe be§ @taated, bem ber
äiolföbilbung^ nic^t gerabeju entgegenarbeiten, ol^ne
bod^ i^rem eigenen @äcfel befonberS babei ju raten.
Qu tt)ünf d^en toäre, ba§ bie ©renjen be8 S)aräuftettenben
für jebe ber äBiener 92ebenbä^nen betl&ufig abgeftecft
mürben, mie bted in $ari^ ber ^aü ift, unb ba^ fo
nac^ unb nac^ auf jeber berfelben eine eigentümlici^e
Gattung üon ©tfidEen ^eimifc^ n)ürbe, bie ft^ tl^r
$aupi))ubnfum gu gewinnen unb feft ju Italien loiffen,
wie ein beliebtes SSIatt jeine Abonnenten. (Sin brama^
tijd^e* fiontitec öon ©ad^funbigen, als SBemtittler
jtoifd^en SRimftertum unb Deranttoortlid^em Il^eater*
bireftor, müjste femer, ol^ne in bie ©ouDerdnitätSred^te
beS leiteten gerabeju einzugreifen, baS ®anje beS
2:^eatem)efenS boc^ infon)eit übertoad^en, ba^ bie jeber
Sü^ne feftgeftedten Oreujen nit^t überf (^ritten toürben;
aud^ ^ätte eS gegen baS offenbar Sßem^erfUd^e, ®d^äb«
lid^e unb Unftttlid^e fein äJeto einzulegen, im übrigen
bem S)ireftor bei Beurteilung Don 2Ranuffrij)ten unb
bergleid^en mit 9{at unb Xat an bie ^anb ju gelten.
(£S Derfte^t ftd^ Don fetbft, ba^ eS ber Siegierung,
inbem fte einen mel^r ober minber unmittelbaren (Sin*
flu^ auf bie Sweater gewinnt, nun bo|)peIt baran ge^
legen fein mu^, biefe bffentlid^en Slnftalten, jugleid^
8. Slflc^tige (Skbanfen über h<a beutfc^e Sweater (1849). 205
bte Srnäl^rer jol^Irei^er äRttarbeiter^ in $Ior ober boc^
aufrecht ju erl^alten, unb ba^ i^r barauS an6) bte
^td^t txxoixdß, jcitoeifen ©todEungen, toic bei ^oliti«
f^en Unrul^en unb bergleiti^en, burc^ Sorfd^üffe ober
Slud^ilfen ju begegnen. @elbft burd^ bleibenbe ^ub^
t)entionen toöre ber Sinftujs auf bie S(äl^nen nic^t ju
teuer erfauft unb ber 9teid^i^tag n)irb geioi^ nid^t an«
ftel^en, fie gu bemUigen^ n^enn er btefe ^nftanftalten
babur^ gu lieben unb fte in bie £age gu fe^en üermag,
auf bie %ol!^biIbung tätig unb nad^l^altig ein3un)tr(en.
@iel^t man erft ben guten äßiQen Don oben^ tixoa^ für
bie Solföbül^ne }u tun unb fte in einen ebleren £ebeni^«
treiS gu jiel^en, fo n^erben ed aud^ bie befferen bid^te^
rifd^en diente nid^t mel^r unter i^rer äBürbe galten,
ftd^ für fie ju t)ertoenben, unb baiS ^ßublifunt n^irb
balb neue« Vertrauen für eine Derebelte fiieblingg*
unterl^altung gewinnen, »ie für alleÄ, worin ein neuer
@eift ftd^ geigt Unb bie redeten SRänner nierben und
nic^t fehlen! SBien unb Öfterreid^ fd^liefet latente
genug in fid^, man mu^ fte nur }U rotdtn unb guten
3Ruted gu erhalten toiffen.
Z)ad Opemtl^eater n^irb Dermutlt^ ^oft^eater
bleiben nad^ n^ie \>ox, ed mag im äßege ber Sßerpad^tung
ober ber eigenen Kegie fortgeführt »erben. SBai^ fic^
etnja tun lie^e, um ber beutjc^en bramatifd^en 3Kufi!,
bie in biefer politischen Seit nid^t einmal mel^r einen
legten ©d^toanengefang ertönen lie§, unter bie arme
206 8. S(ü(^tige ©ebanfen über hai beutfi^e Später (1849).
ju greifen^ barüber mögen ^unftoerftänbtge anbertoärt^
ftd^ t)ente^men laffen; ttiir moDen ^ier t)or}ugdn)eije
baS rejitierenbe @(i^Quf^ieI ind Suge faffen.
S)ad ^ofburgtl^eater l^iejs fd^on unter ^aifer 3ofef
„SRationaltl^eater"; ie|t ^at eS ftd^ bieje j»ette ©e^^
nennung neuerbingS angefägt. Z)iefe 99äl^ne galt unb
gilt noc^ immer für bte erfte Seutfd^Ianbd, \otDofjii
toa^ bie Xreffliti^!ett ber ©c^auf^ieler unb beS Qa^
jammenfptelen^, als toa^ bie Steinl^altung bed 9ie«
pertoire anbelangt Unb in ber Xat l^at baS SBurg^^
t^eater wn jel^er ein getoiffeS 3)eforum ju beobad^ten
getDu^t unb niemals, glei^ anbem ^ofbül^nen^ ben
„^o6)ud ?ßum^)emi(fer' unb „Sumpajiöagabunbug"
auf „Son Carlos" ober „Äönig Sear" folgen laffen.
S)aS beutfd^e X^eater ift im ganzen ein th^ätre
historique unb ^at bie bramatifc^e ©leid^bered^tigung
aQer ^Nationalitäten als äSorbilb ber Kinftigen politi«»
fc^en längft prafttfc^ betätigt. Qnx ßeit, als unfere
S5ü^ne fic^ Üinftterifd^ erneuerte, mu^te man, bei ber
Strmut an einl^eimifc^en ©d^aufpielen, ju ben tragifd^en
unb iomifd^en Haffifd^en SBerfen ber granjofen greifen,
»eld^e in ber golge faft gänjlid^ »iebcr öerfc^toanben,
um ben mobemen ffirjeugniffen ber ©eineftabt ?ßla|
ju mad^en. Z)iefe, jebo^ mit fOta^ unb SluSloa^I,
nebft ben injn^ifc^en l^injugetretenen @|)aniern unb
©nglänbem, fomie bie 2Keiftcrtt)er!e unserer früheren
beutjc^en S)ramati!er unb bie befferen ?ßrobuftc ber
8. S(ü(^tige ©ebanlen über baS beutf (^e X^eater (1849). 207
älteren Xid^itt jioeiten 9tangj^ famt ben Seiftungen
ber 3citgenoffen (üben vorläufig ben ©todE unb @tamm
ber beutfd^en Sül^ne überbau))! unb bed jpofburg«
t^eater^ tndbefonbere. 3)ad bürgerliche SIement ift
au^ in SBien t)or^errjd^enb^ tt)ie aQentl^alben^ unb
^milienräl^rungen Derfe^Ien ^ier nod^ immer nici^t
i^re äBirfung, bejonberd auf bad }tt)eite parterre. 3^
erinnere mid^, ba% Äofeebue^ „Silberne ^od^jeit",
jo»ie fein „aKenfd^enl^a^ unb SReue'' Dor längerer 3rft
neu in ©jene gefegt, bamatö binnen Sal^r unb Xag
an bie jtoanjig 93orfteIlungen bei t)oDem ^Qufe er^
lebten. @eitbem ftnb parterre unb Sogen freiließ tttoa^
!ritifci^er unb ffe^tifci^er getoorben unb bie 3«tt Jiw
gar politifd^. SaS l^inbert aber niti^t^ bajs und baS
Surgtl^eater auci^ nad^ ben SRärjtagen fein gemfitli^eS
„^an\äfäftn** ober ^Steue unb ^aij** unb bergleid^en
neu auftijc^t unb feinem Sl^aratter aU th^ätre histo-
rique getreu un8 biefe Silber „ber guten, alten Stif*
jur filmen (Erinnerung Dorfttl^rt, menn aud^ nic^t immer
bei DoQem jpaufe. 3Ran mujs aber au^ geredet fein.
Unfere ©d^aufpieler »iffen biefe unfd^ulbigen S)inge,
ffir »elc^e fte eine SSorliebc ju liegen fc^einen, mit
einer 9)teifterfd^aft unb Staturtoal^r^eit loieberjugeben,
nielc^e und pufig mit bem leeren 3nl^alt audfb^nt.
S)er Sflul^m bed ^oftl^eaterd im fogenannten „^ont>tT^
fationSftüdC", aud^ im mobemen, ift unbeftritten unb
ber SSerfaffer biefer ©fijje mufe ber erfte fein, bad
208 8. Slüd^tige (Sebonfen flBer ha» beutfd^e X^eater (1849).
äSerbtenft unb ®efd^icf ber ©c^aufpieler aniuer!ennen,
tüclc^e jetne leici^ten bramatifd^en Sßerfud^e juerft ju
(S^ren brad^ten. Z)effenungeati^tet fül^lte er längft
Icbcnbig — unb ffil^It cg je^t mcl^r al« je — bafe baS
blo^e äßiebergeben bed ^ont)entioneDen, loettn auc^ in
ber ^öc^ften ^oDfommen^ett, no^ lange nid^t genäge,
um einer SBü^ne ben e^renüoQen SRamen einer finnft^
onftalt anzueignen. 9äd^t ald t)erlangte id^^ ba^ ein
X^egter, toel^eg täglid^ \p\tli, tdglic^ ein SÄeiftertoerf
bringen muffe — bad n^äre bad Unmögliche verlangt
unb tDÜrbe unS, bie mir bod^ aud^ etoad ju teiften
t)ermeinen, geraben^egd Don ber S3ä^ne audfd^Iiegen.
@o t)iel @elbftt)erleugnung barf man und nid^t ju«
muten! — Äüein menn ber ^Begriff Äunft einmal ge«
fa^t ift, fo ift bamit ein Smd, ein Streben, ein 85e*
n^u^tfein audgefprod^en. SlQe ^nft entfielet aud bem
£eben, jumal bie bramatifd^e, bie bai^ Seben felber
barfteUt, unb jtoar nid^t ein t)erlebtei&, abgelebtes,
fonbem ein mitiid)t^, lebenbigeS, orgonifd^eS £eben,
loelc^ed in einer etoigen Umgeftaltung begriffen ift unb
feine $^af en bei^ Sterbend unb @eind im ^olben Qavibcx^
fpiegel ber Z)id^tung atö ein jtoeitei^, f c^önered 3)afein
frei unb Reiter begrüben mag. @ro§e bramatifd^e
Xiäfttx vermögen ciJ, eine ^l^afe be« SRenfc^en« unb
Sblferlebend aug ber innerften liefe auf jufaffen unb
fo lebenbig bar^ufteQen, ba^ eS bem @el^alte nad^ für
aQe Qtittn gilt, loenn auc^ bie £ebeni^formen (ängft
8. SIfi(^tige @eban!en Aber ha» beutf (^e Sweater (1849). 209
getoed^felt^ unb toeld^eS ftd^ jo in feiner DoQenbeten
^nfterfd^einung atö ein @^mboI für aUeS 'SRtn\^tn^
unb Seelenleben barftettt. Auf bief e SBcif e ^at in S9erlin
ha^ alte grieti^if^e 2)rama, tro| ber fremben ^omt
unb Sebendanfc^auung, in feinen menf^Iid^^nationalen
Elementen noc^ nad) itoti Sal^rtaufenben eine äftl^etifc^«
ftttltd^e, eine ^oetifti^4ebenbige äSirfung l^erDorgebrac^t^
3n biefem ©innc ift ©^afefpeare nod^ jnjeil^unbert
Sauren noti^ fo neu unb frifc^, aU xoSlx' er Don
geftern.
S)ie ©tied^en unb ©^afefpeare ftnb bie Aller«
größten, ©oetl^e unb @^i((er ftnb bie ®ro^en. ^nä)
bie ©ti^auf^iele biefer betben 2)i(^ter ftnb t)on einem
fo tiefen inneren £eben erfüKt unb eS ift i^nen ber
®tem))e( einer fo mäc^ttgen^ jugleid^ fo reici^ gebilbeten
^erfönlid^teit aufgebriidt^ bajs fte fd^n^erlici^ jemals
aufl^ören nierben, einen ^auptbeftanbteil ber l^iftori«
fti^en beutfti^en SSü^ne auSjumaci^en. — Setrad^ten
mir bagegen anbere beutfd^e 2)ramen, meiere g(eic^«
faKS unb mit ditdft für äRetftermerfe gelten, etma ben
„SRati^an" ober bie „äRmna öon JBaml^elm", fo finben
mir, bafe toebet baS erftcre mit feiner eblen religiöfen
^olemtt im @inne ber Humanität, noc^ bad jmeite
mit feiner naiven @ittenfti^i(berung unb naturtoa^ren
^bfpieglung ber beutf^en Qtiiptmbt beS großen
f^riebti^ baS Xl^eater^ublifum unfererXage anl^altenb
gu feffeln Dermöge. ©n einfid^tiger S)ireftor ober 2)ra*
210 8. Slüd)tige (»d>anltn übte ha» beutfd^e S^eatec (1849).
maturg toirb befjenungeati^tet bemüht fein, einen frei«
lid^ mel^r fritifti^en als urf^rünglid^en 2)ramaä!er mit
£effing ber beutfti^en SBü^ne folonge mie möglt^ ju
erhalten unb i^n feinem ^ublitum bei günftigfter @e«
legeni^eit unb mit üoriägßd^fter 8h)IIenbefe|ung, memt
au(^ feiten, Dorjufül^rcn. Sa^ Sweater foDte über»
l^aupt bie ®eburtd« unb ©terbetage feiner großen
äßeifter burti^ bie t^oQenbete S)arfteQung eined i^rer
SBerf e feiern — ba^ gäbe jugteid^ eine lebenbige flitcrfir-
gefd^id^te für ba« ^ublifum. SEBie oft »arb biefer ®e^
banfe fd^on angeregt! Slber ber @(^Ienbrian loiQ nic^ti^
bQDon tDiffen. — S)ie @c^auf^iele unb £uftf^iele Don
©d^riJber, 3fflanb, Äo|ebue ufn?., wel^e ftc^ in einem
befd^räntteren Sbeenireife bett^egen, fagen unferm @e»
fc^mad, unferer t)erQnberten Snfc^auungSU^eife nic^t
mel^r red^t ju, man nennt fie beraltet — aber bie
befferen barunter finb bennod^ bcm 8(lepertoire forg*
fältig }u hmafjxtn, jubem ba fie meift eine ^Qe
lebenbiger, aud bem £eben gefc^ö^fter S^arattere in
ftd^ fc^Iiejsen, bie jugleid^ bem @d^auf|)ieler eine n^iU^
!ommene Gelegenheit barbieten, feine ^nft t)on ber
beften @eite felbftfd^affenb bar3Utun. (Sine funbige
^anb mag übrigeni^ bie 93reiten unb hängen biefer
©tüdfe mit ©ef^id! fürjen ober fie burd^ Keine Qn^
taten bem mobemen Qk\^mad n&l^er rüdEen, n^aS um f o
me^r erlaubt fein barf, ba eS fid^ ^ier feiten um ein
abgefd^Ioffened ^unftgan^eS l^anbelt. SSor allem gibt
8. S^üd^ttge ©ebanfen über baS beutfd^e ^eater (1849). 211
CA Suftfpiclc öon Äo|cBuc^ öott bcr föftlid^ftcn ßaunc,
wie „Sorgen o^tie SRot", ober „2)te beutfd^en Älcin^^
ftäbter". 9Rtt bem le^teren §at ber SSerfaffer einen
SBnrf für alle Sitten getan — benn immer loirb e^
beutfd^e Äteinftäbter geben, felbft wenn ba8 einige
3)eutjicl^(anb fc^lie^lic^ {uftanbe tommt, unb man braucht
ben S)iaIog be« DriginaHnftf^iele« nnr etoa öon Sal^r*
selben! ju Sal^rje^ent geiftrcic^ anf jufrifc^en nub um*
jufc^reiben, um ein neue« ober neu fc^einenbe« fluft*
fpiel für bie 3citgenoffen ju getoinnen. SBie glüdflid^
^attc bieg j. SB. ©(gröber mit Seaumont unb gletd^er«
^Bule a wife and have a wife" t^erfud^t, tozl6)t^ a(d
„©ttQe SBaffer finb Betrfiglic^" nod^ l^eutjutage auf
ber beutfd^en ©ü^ne gerne gefe^en tnirb. — S)ie
fleiftungcn ber SWitlebenben, wenn fie nur einiger*
ma^en öon Sebeutung finb, mu§ ba§ I^catcr Bringen,
wie eÄ fic^ öon felbft öerfte^t; fd^on feine @et6ft*
erl^altung forbert ba«, benn ba8 ^ßubtilum fragt ju*
(e^t bod^ mel^r nad^ bem bleuen aU nad^ bem äJor*
trefflid^en. S)ie befferen ©rfd^einungen werben bann
bem bteibenben 8iepertoire jugefd^Iagen, weld^eS übri*
gen« gleid^faQö t)on 3a^rje^ent ju Sal^rje^cnt einer
Sleöifion unter jogen werben foßte; benn beiläufig äße
jel^n 3a§re änbert fic^ ©efd^madf, SRid^tung, ©inneS*
art ber SWengc, auf welche man ju wirlcn l^at. SBenn
aber irgenb ein Sreigni« auf eine rafc^e Umfinberung
unb SSerbeffcrung ber ©c^aubft^ne l^inbröngte, fo war
14*
212 8. Srlüc^tige ®ebait!en über bai beutf^e Sweater (1849).
eg ba^ ber aRärjtage. (Ein SSolI, toelc^ejS fic^ urplö|«
K(^ btc grcil^ett ber 5ßrcffc errungen ^at, fott unb
n^irb fic^ auf ber S^ül^ne nid^t I&nger mit einer t^üQe
t)on 2)ramen abjt^eifen laffen, toeld^e il^m nic^tö loeiter
ate lauter abgelebte, geiftlofe gefeQfd^aftlicI^e ^txfjälU
ntffe, tooffl auc^ fert)i(e ^oliseiiuftänbe abft)tege(n,
gegen bie eS, um fte im n^irflid^en £eben abgu^
fc^fltteln, t)or furjem eine 9tet)D(ution unternommen
^at. SBien l^at bad ®iM, ein gro^ed, t^eaterluftigei^,
nod^ nid^t gar gu tritif^e^, folglich empfängli^eS
^ublifum ju befi^en — bad emt)f&ng(id^fte in ganj
3)eutf^lanb — ba« Surgtl^eater ift ein too^I begrün*
beteg, längft anerfannte« Snftitut, toeld^em eine treff*
Uc^e @(^auft)ie(ergefellf^aft, ein jiemlic^ Qmixißti
Slepertoire, babei bie gehörigen ©elbmittel ju @(ebDte
ftel^en — e^ »irb ba^er nur barauf ontommen, äße
biefe unb noc^ anbere (Elemente tüd^tig ju benähen,
fte mit ben fjorberungen ber neuen Stit in (Einttang
ju bringen, um ber beutfd^en bramatifc^en Äunft,
tt)et(^e mit bem äBieberem>ad^en ber Station fid^ er^
neuem toirb unb mu^, oorberl^anb l^ier ein %\\jH ju
bttoaffxtn, in ber ^olge eine f^öne, bauembe neue
SBo^nftätte gu bereiten. 3)ie Anfänge l^ierju foQ ber
näd^fte S)ramaturg begrünben, beffenSBirten fär beutjd^e
^nft unb äJilbung tt^a^rl^aft fegenSreid^ tt^erben tann.
2)er Ie|te Dramaturg, ioeld^en bad ^ofburg«
t^eater befa§, »ar ber trefflid^e ©d^re^öogel, genannt
a Sflüc^ttge (S^ebanfen über baiS beutf c^e Sweater (1849). 213
SBcft^ »eld^cr fein ScBcn in Icibcnf c^aftlid^cr Eingebung
ffir ba« I^catcr, fowic im raftlofcn Äampfc gegen bic
3enfur unb gegen bic ©emein^eit t)on nntcn unb oben
abmäl^te unb abnähte. Sßa^ er ben @(^aufpie(em tt^ar,
wirb icber, ber noc^ auS jener 5ßeriobe ^erftammt,
banfbar anerfennen; er tebte nur ffir fte unb i^re
Äunft — ffir bie Äunft übcr]^au^)t. SBie er eifrig be*
möl^t toar, ba« tteinftc 2)ic^ter* ober S)arfteQertaIent
auf jufpuren^ ju bilben, in bie SBett ju fä^en al^ ein
n^Ql^rer SRufaget^ f o (o^nte i^n auä) einmal ba^ ®iM,
einem großen fc^öpferifc^en lalente in feiner erften
Snhoidlung ju begegnen. S)er 2)id^ter ber „Äl^nfrau"
legte ben erften (Sntwurf feinet S^rauerfpielei^ in S^re^*
öogete ^finbe. SBie gerne ©riüparjer, St\>lx% SRaupad^
u. a. ftd^ beä feitifd^en Seirated be8 lunftoer^
ftänbigen SRanneö bebienten, fte^t in jebermannd Sln==
benfen. ?lud^ bem SSerfaffer biefer ©fijje toar e« oer^^
gönnt, mit feinen erften bramatifd^en SBerfud^en bie
Äufmerffamfeit ©d^re^öogete einigermaßen auf fid^ ju
jiel^en, mit meinem er ba(b tro| ber Serfd^ieben^eit
be^ ?tlter3 in ein toa^rl^aft freunbfd^aftlid^eg SSer-
^ältniS geriet. 3m Sö^re 1832 lourbe ©d^re^öoget,
mit bem bamaligen oberften Äämmerer längft im
3tt)iefpalte, plö|lid^ burc^ einen SRad^tfprud^ üon ber
Saline entfernt, toelc^er ber ftreng rec^tlid^e, un^
parteiif^e, l^öc^ft uneigennfi^ige unb fd^Ied^t befotbete
ßl^renmann feine beften Saläre, feine beften ßebenS*
214 8. Slüc^tige (Kebanlen über bad beutf^e Sweater (1849).
fräfte gen^ibmet l^atte. (Si& toat eine t)5Uige Ungnabe,
tote man f^on au^ ber Art feiner (feitfeninng unb
jum Überfluß au^ ber geringen, fogenannten ^normal«
mäßigen" ^enfton entnel^men fonnte, bie man i^m ju«
fommen Ueg. 2)er rebUd^e äRann, ber niemals an
Sntrigue glaubte, toat n^ie t^om 2)onner gerül^rt. Sticht
nur feine £ieb(ing^bef^äftigung, au^ beinahe ber
Sebeni^unter^alt ioar bem bereite gealterten äRanne
entjogen. Sber er toar an Xätigleit getool^nt — mit
Sifer fud^te er feine ©Triften l^eröor, fic^tete fie ju
einer @efamtaudgabe, befd^äftigte fid^ mit bem Snt«
ttjurfe ju einer neuen 3^^tf^nft. SBenige SRonate
biefer fünfttic^en Stufregung genügten, um feinem
£eben ein 3^^I i^ ^ti^tn. 2)amate mu^te man j&^ne^
tnirf^enb f^h)eigen — ie|t mag ei^ gerabe ^eraud ge^
fagt werben, ba| bie etenbefte Kabale einen ber
n^aderften äRänner getötet l^at.
3la6) ©d^re^t^ogelS Abgang marb ed erft DoQig
tlar, toie im ©runbe biefer einzige äRann ba^ X^eater
infotoeit aufre^ter^alten, ba^ ed nod^ beiläufig einer
^unftanftalt glid^. 2)ie erften, bie fid^ nid^t mel^r auf
ber äJü^ne noc^ im ©d^aufpiell^aufe einfanben, loaren
bie bramatif^en 2)i^ter. 3)a^ ^aujS tt^ar i^nen üer«
leibet 2)ie @d^aufpie(er k)ermi|ten mit @^mer} bie
Senntniffe, ben fritifd^en Sftat, ben reblid^en aßtUen
beS äRanneS, ber i^re @a^e, auc^ too fte ni^t bie
Äunft, fonbern i^re bürgerlid^e Stellung betraf, o^nc
8. Sflüc^tige (»ebanfen über baS beutfc^e Xf^aitx (1849). 215
aQe 9le6ena6ftci^t ju ber feinigen gemad^t diejenigen
unter i^nen, )oe(ci^e f onft feine ®egner maren unb über
feinen f^aU gejubelt, tarnen balb ju befferer Sinfid^t.
@ie merlten'd balb, ba^ fie eine l^irtenlofe @d^ar
n^aren unb ed t^ielleic^t no^ lange bleiben foQten.
Z)er @^(enbrian ri^ ein unb öbeimuc^erte bie Sül^ne.
aRan fing an, bai^ X^eater, tx>tl6)t^ mit einer nic^td
loeniger a(d bebeutenben 3)otation im @taatdbubget
figurierte, }u einer Sinnal^mdquelle machen gu tt)oQen.
Um ben ^erren oben ein S3eifaQi^I&(^eln )u entloden,
fuc^te man (Srf^omiffe einzuführen, meiere l^äufig in
^nidereien au^rteten, befonberd gegen bie ©d^rift^
fteUer. 38ie ed ein Stempel^ ober Xabatgef&U gab, fo
foflte eS auc^ ein 2;^eatergefätt geben. 2)er @efätten=»
bramaturg berechnete genau, tt)ad bie @tüde ^trugen''
unb bie SEBieber^oIungen tt)urben nad^ ben Über«
fc^üffen üon fo unb fo oiel @ulben angefe|t 2)ad
@onntag8publifum n^ar einigermaßen ber 9tetter ber
Xragöbie, benn balb l^atte man ^eraud, baß @(^iUer
ober ©^alefpeare an Sonntagen „PQ"- 3n abf^eu«
lid^er S^^f^^^^^Q^^^ui^d ^^^ größtenteili^ burd^
@(^aufpieler jioeiten unb britten Slanged befe^t, lour«
ben bie bramatifd^en äReiftertoerfe unferer Kation ben
gläubigen unb bar }a^Ienben @onntagi^fee(en geboten.
%Ü Stnetbote mag l^ier am ^a^e ftel^en, baß „^xU
f)dm %tU", ber eine geraume Qdt verboten toar,
plö^Iid^ für bie Sonntage erlaubt lourbe — augShidf*
216 8. Slüc^tige (3tbaxden fiber bod beutfd^e Sweater (1849).
ftd^t für bie ^affe; bod^ mu^te obgetDartet totibtn,
bii^ ber ^atfer (t^rang) bad Suftf^Io^ SajctnhnxQ be^
jog. ffiin anbcrmal würbe „gici^fo" jugcftatibcn ; boc^
mugte jum @^Iu| bie beutfd^e 2t\h\Dad)t erfd^etnen
unb „^eil S)oria! §etl bem ^erjogl" rufen, ©otd^cr
^nefboten gab' ed ^unberte gu erjäl^Iett^ bod^ e^
braucht feiner Slnefboten, um erft ju beweisen, toie
polijeiltc^^geiftlog bie erfte SBü^ne 2)eutj|cl^IanbÄ früher
geleitet »orben.
äBenn ber re^te äRann tommt^ im Staat ober
auf bem 2;^eater, \o toirb batb manches beffer werben,
üorau^gefett, ba§ e8 wirflid^ ber „SRed^te" ift, um ben
bie SBol^tooQenben unb SSerftänbigen \\d) gerne f^aren
mftgen. S3or aQem wilnfc^te xd), ba^ bad S^urgt^eater
fid^ entfc^iebe, ob e« aW §oftl§eater ober Siational*
tl^eater fi^ neu geftalten woDe. 3d^ gefte^e, ba^ i^
ba^ le^tere t)orjie]^en würbe. ^^ wäre barum nid^t
nötig, ba^ ber ^of bem iRationalinftitut feine Steigung
ober Unterftä|ung entgbge. Z)ad neue £}fterreid^ brauet
aber ein SSoItet^eater im beften, im ebelften Sinne be^
äBorteS. %ud^ bie frül^eren iRäume genügen nic^t mel^r.
Sttgejel^en, ba^ ba8 SBurgtl^eater ber abfc^eulid^fte,
gefd^madflofefte 9lunH)cIfaften ift, wie in feiner fleinen
beutji^en SRcfibcnä ein äl^nlid^er ju finben, \o ift e^
auc^ burc^auS nid^t imftanbe, bad ^blifum ju faffen,
weld^ei^ fid^ ju neuen ober beliebten SSorfteQungen ^in«
ju brängt, nod) wirb ei^ in S^funft, wenn bie beffer
8. Sflüd^ttge ©ebanfett über bad beutfc^e 2:^eater (1849). 217
gctoorbcncn 3ritöer^ältniffe ol^nc 3^^^!^^ ^i^ Icttnal^mc
ffirg Sweater toteber ftcigern^ tmftanbc fein, bic ?lbon*
ncntcn für flogen unb ©pcrrfi^c ju bcfricbigen- St^^er
waren biefc primicgtertcn ?piä|c aU fbrmltc^ rabijicrtc
JU betrad^ten. 3n ben flogen fa§ ber ^ol^e Slbel —
td^ toci§ nic^t, wie üiet Ä^nen ber na^weifen mu^te —
unb auSna^mi^wetfe ein paar ttberreid^e Sanfieri^.
Slngefel^ene gamiKen buhlten jahrelang um bie ®unft,
eine SBiertel* ober Äd^telloge ju befommen, unb ba
mu^te i^rc „gute ©efinnung" au^er aüem S^^if^^
fein, ©eioöl^nlic^e ©terblid^e, aud^ wenn fte f^were^
®e(b bieten lonnten^ l^aben niemals erfal^ren, wie baS
Snnere einer flöge in bem traurigen unb finftem SRu^»
fentempel aui^jte^t. 2)ie ©perrfi|e im 5ßarterre waren
))on ^ofräten unb 2)it)Iomaten in Sefc^Iag genommen,
bie meift gratig barauf fa^en, unb t)on ben ^abituöä.
"äud) ba^ ift tein ^bUfum. S)ie bramatifd^en 2)id^ter,
weld^e audfc^Ke^Iid^ für baS Surgtl^eater arbeiteten,
erhielten fjreifarten ini^ fte^enbe 5ßarterre, welc^e^ fie
natärlid^ auS mand^erlei @ränben faft niemals betraten,
fonbem eg üorjogen, i^ren @perrft| bei ben wenigen
intcreffanten SBorfteQungen bar ju bejal^Ien. 3m jweiten
?ßarterre unb in ben beiben ©alerien ft|t unb ftel^t
baS eigentlid^e 5ßublilum, weld^eS feine ©^auluft bei
neuen SBorftcQungen bigl^er um fo weniger befricbigen
lonnte, weil i^m früher an bie 1200 (jc^t no^ immer
bei 900) fjreif arten bic beften pä|e vorweg nal^men.
218 8. Sriüc^dge (Kebanfen über ba9 beutfc^e X^eoter (1849).
SBer aQee Dom $ofe freien (Eintritt ffot, mi^ iä) nic^t;
am unangene^mftett beräl^rten jiebenfaQd bte ^offommer«
biencrinncn^ »el^e man fonft im crftcn 5ßarterre mitten
unter Offizieren unb ^abetten aQer äBaffengattungen
ftel^en unb ftc^ brängen fa^.
StUen biefen unb unja^Iigen anbem ÜBelftänben
fann nur ber S3au eined neuen, Bequemen unb fd^önen,
ber Steftbenj n^ürbigen ©^aufpiel^aufe^ abl^elfen,
toel^ed jugleid^ ben SSortett böte, in feinen 8laumcn
ein gro^ed, tt^irflid^ed, nid^t b(o^ ein prit)ilegierted
^ßublifum }u Derfammeln unb eS ald ben einjigen,
maleren, t^iellöpfigen @ef^ma(fdri^ter über neue SBerle
urteilen ju laffen. 35ie Soften lommen in einem ©taat
mie Öfterreid^ um fo tt)eniger in Slnfc^Iag, aU ed fid^
^ier um ein nationales Snftitut ^anbelt, totldft^ ju»
gleic^ eine SRenge Sünftler unb Arbeiter befd^äftigt,
unb als bie Ausgabe bur^ ba^ Abonnement fär Sogen
unb @i|e unb burd^ bie größeren Tageseinnahmen bei
jn^edCmä^iger Sü^nenleitung in toenig Salären DoQ«
fommen ^ereingebrad^t fein loirb. 3(^ ttjei^, toie fe^r
ber ©d^Ienbrian feit langer Qtit fic^ gegen fold^ einen
SBorfd^Iag jur SBel^re fe|t. S)ie oberften ßeiter unferer
SBül^ne gerieten fonft in SSut, koenn man einen folgen
@ebanlen äußerte ober aud^ gelegentlid^ üon Q^nfäl^rung
ber Tantieme fprad^. 35ic leitete befte^t — toenn auc^
nur proüiforifd^ — aber unfere armen Äünftter muffen
fid^ noc^ immer mit il^ren abf^eulic^en, fd^mugigen
8. Sflüc^tige (»tbanUn übtx bad beutfc^e Sweater (1849). 219
©arberobejtmmem bereifen, ju toel^en fie in i^ren
tragifd^ett unb lomif^en ßlaiUn [xd) mitten burci^ ein
gaffenbed unb gleid^faUS gebrängte^ unb gejioängtej^
^ubtifum l^inburd^ brängen ntüffen. (S^ ift unmögltd^,
ba^ biefe unb anbete Übelft&nbe l&nger anbauem.
2)te neue Sdt öerlangt ein neue^ Il^eatcr, öcriangt
ein neued ^ublifum, jum %txi and) neue @ci^auft)ieler.
Unfere ©efeöfc^aft befielt au« öortrefflid^en %a^
lenten, totlä^t teitoeife nod^ ber guten alten @cl^u(e
angehören, au« später ^ingu @eIommenen^ bie fic^ beut
iRai^men be« ©anjen gef^ictt eingefügt, au« einigen
taugüd^en Seil^clfem, loie fie auf jeber SBfil^ne ju finben
ftnb, unb au« einer Äujal^t älterer unb neuerer, me^r
al« mittelmäßiger ©^aufpieter — „gute ßeute unb
fc^Iec^te ajiufilanten," Welche man beffer il^rem 5ßro=
t)in5« ^^^^ fonftigem ©^idfale ttberlaffen ^ätte. Wtaw
fann nid^t (auter bebeutenbe @d^aufpie(er gen)innen,
iö) tt)ei§ roo^n aber boc^ erträgli^e — öor allem
bitbung«fä§ige. Geringe latente laffen fi^ oft mit
großem ä^orteil Deüoenben, befonber«, too bit gehörige
Luftleitung nid^t fel^lt. ^ber au« nic^t« toirb nic^t«.
ßeute, bie einen abfc^eulic^cn S)ialelt fprcd^en, Seute
mit Sprachfehlern ufw. foßten Billig auf ber erftcu
Saline 3)eutfd^lanb« niemal« l^aben erf^einen bttrfen.
Sunge pbfd^e £eute, mit loo^lllingenbem Organ unb
angenel^mer @(eftalt, bie fi^ bem X^eater toibmen n^oUen,
finb ja nid^t fo feiten unb finb mir aud^ l^äufig auf
!
220 8. gflu^tige (S^ebanfen über ba9 beutf ^e £^eater (1849). I
?ßroötnj6ü§ncn begegnet. SBenn man ftd^ cnbü^ ent==
fd^lie^en wirb, eine ©c^anfpielerjd^nle jn errid^ten, fo
Würben mand^e Übetftänbe bei unfern ©ngagementö
ffir jttjette unb britte SHoüen ttjegfaßen, too man ^äufig
bie Äa^e im ©ade lauft ober einer mä^tigen ^ßroteftion
nad^geben mu§, toöl^renb man in ber ©d^ule nur bie
Äugen unb D^ren offen ju l^alten unb ju prüfen
braucht. Aber auc^ ol^ne eine fold^e Änftalt ift'd bo^
eben nid^t gar fo fc^wer, SUii^griffe bei (Sngagementä
JU öermeiben ober mä^ig tauglid^e ©c^aufpieler für
Keine SRoüen ju finben. g^eilid^ l^at nic^t ein jeber baS
@tüdf unb ben 3;alt beS guten ©d^re^öogel, welchem
e8 vergönnt war, ben nic^t genug ju lobenben gtd^tner
aU jungen 3Rtn\ä)tn wn taum gwanjig Sauren jur
§ofbül^ne ju jiel^en, wo er i^n anfangt ffir bie l^ö^cxe
2;ragöbie beftimmt ^atte, wä^renb Sieigung unb Slnlage
ben jungen Äünftler balb öorjugäweife bem 2)ienfte
ber ^eiteren Il^alia jufül^rte.
3m ganjen ift bie S^ragbbie auf unferer SBü^ne
minber gut befteUt ate baS ßuftfpiel. Äünftler wie
ßbwe, Sa aioc^e, «nf^fit, bie grauen »iettic^ unb
§ebbel bilben jWar no^ immer einen S'ranj beS ?luö*
gejei^neten, wie i^n in biefem Äugenbtid feine anbere
beutfd^e 99ü^ne aufjuweifen bermag, boc^ reichen fte
ni^t aug, jumat ba fte auc^ im fluftfpiet terwenbet
werben. @8 fe^tt unS üor aüem ein jugenbtid^er gelben*
lieb^aber, eine junge tragifc^e ßiebl^aberin, beibe erften
8. Slä^tige (^ebanlen über bai^ beutf^e ^eater (1849). 221
iRangeiS. Sm üBrigen Z)eutfcl^(anb luären fie üielletd^t
ju finbcn. 2)tc SSortrcffU^fctt unfcrc« fiuftfpielS tft
ebenfo attertannt^ atö bie ^lage taut getoorben tft, ba^
mltn unf crcr crftcn ©(i^auf|)tcttoIcnte, wenn nid^t ba^
Sugcnbfcucr, boc^ Icibcr btc Sugcnb fcl^Ic. 3Rit einigen
netten (Engagements, einigen ^enfionierungen unb mit
Huger SSertnenbung einiger minber befc^äftigten 9Kit^
gUeber, beren Sifer man nur ein n)enig anjuftac^eln
Broud^t, lie^e ftd^ o^ne 3^^ifrf ^^^^ ©efettfc^aft er==
neuem, totidjcx meUei^t nid^tS als bie einheitliche ^nft^
leitung gebrid^t, um fte aus einer gen)if[en £etl§argie ju
meden unb fte ju il^rem t^origen ©lanje gu erl^eben.
3d^ fpred^e l^ier \>on ber @a^e, nid^t t)on ben
^erfonen, barum fc^eu' ic^ mid^ aud^ nid^t, eS gerabeju
auSiuf^red^en, ba^ baS l^errf d^enbe ^nftonSf^ftem beS
^ofburgtl^eaterS mit unter bie $au)}turfa(^en ge]^5rt,
tneld^e ju feinem geitmeiligen SSerfaU beigetragen. S)ie
3ufunft beS ©d^aufpielerS für ben fjatt ber Äranl^eit,
beS SttterS ufw. foQ geft^ert fein — jugegeben!
daraus folgt noc^ ni^t, ba^ ber ©c^aufpieler, ber
immer ^nftter bleibt, in aQen SSer^ältniffen a(S SBe^«
amter be^anbelt tnerben mfiffe. f^reilid^ baS Xl^eater^
gefäQ fennt nur t^eatralifd^e ©efäQSbeamte! äRan
regiert bie ©efellf d^aft mit S)efreten, Iä§t fie bie abenb*
üc^en Sureauftunben l^alten, mutet i^r leine au^er*
orbentlid^en 35ienftleiftungen ju, lä^t fte im ©el^alt
öorrüden unb fteöt il^r no^ abgelaufener ©ienftjeit
222 8. Stüd^tige O^ebanfen über baS beutfc^e Sweater (1849).
bie normalmä^ige $enfton in ^uSfid^t. Samit mag
man fid^ gnte S3eamte stellen, aber teine guten @(^au*
fpicler. 3)tc Äunft lebt nur in bcr grci^eit, unb toenn
pe bcr Drbnung bebarf, eine» toeifen ?ßlani^, f o fd^eut
fie bo^ ni^t» me^r aU pebantifd^en S^^^S- ^^^
@c^(enbrian ift ed, toelc^er aQen ^nftent^ufiaSmud
erftidEt — ber @(^(enbrian ^at auc^ bamatö bie gro^e
Mnftlerin @op^ie @d^röber, n)elc^e bereits an Sauren
t)orgerüd(t, an^ SBien t^ertrieben, fo fe^r i^r bebfic^tige
fjreunbe rieten, il^ren Änjpru^ auf bie „5ßenfton'' burc^
ben ret)oIutionären ©d^ritt nic^t (eic^tfinnig ^intan}u«
fe^en!
9lad^ je^n So^ren ift ein mit 35efret angefteüter
!.f.$offd^aufpieIer )}enfiDndfä]^ig unb nun bel^ält er feine
Aufteilung, feinen ©el^alt, bi8 er feine öierjig 3a§re
,,audgebient'' ober noc^ brüber, er mag gut ober fc^lec^t
fpielen ober auc^ gar nid^t. (Sr tt)ar t^iellei^t einmal,
ettoa öor brei^ig Solaren öortrefflic^, barum erl^ielt er
einen guten Äontraft, einen l^o^cn ©e^alt — aber er
^at fid^ injtt^ifc^en üerfd^limmert, mc^r ald t^crfc^limmert;
er ift bequem geworben, ^at frtt^jeitig gealtert, ift mit
ber Qtit nid^t fortgef (^ritten — gleic^oiel! ffir ift f. I.
^Beamter. ®r fd^abet bem Sle^jertoire, ber 2;^eaterfaffe,
er bringt äße neuen ©tüdfe um — allein gleic^öiel! (Sr
l^at einmal ba« S)e!ret unb bie 3)ienftjeit für fi^.
SiS ift eben fo lac^erlid^ als }h)ed(n)ibrig, einen
©c^aufpieler als ^Beamten ju betrachten, gu be^anbeln.
8. S^üc^ttge ®eban!en über bad beutf c^e Sweater (1849). 223
unb boc^ gef^iel^t eS. Unb nun gar eine ©c^aufpielertnl
— ^ä) finbe t^ begreiflich, ba§ man einen Beamten
nad^ i^oanjig 2)ienftia]§ren jumiRegiftraturSbireftormac^t
unb i^n biefen Soften, ju loelc^em er fid^ burc^ gtei^,
S^rlid^teit unb (Erfahrung bef&l^igt, nod^ weitere jtDanjig
Sa^re behaupten lä^t — ober ba^ eine ^übf c^e unb anmutige
©c^auf (Mieterin, bie und in il^rem ac^t je^nten Sa^re atö ® ur(i
entgüdte, nod^ iDeitere glPanjig ober brei^ig Solare fort^
gurtifteren barf ober mu^, ba8 finbe ic^ ab j^eulid^. Dbcr
fie tritt ind SKutterf ad^ ttber, toorin fte nur SRittelmä^igei^
leiftet, faum Srträglid^ed, mirb aber fortn^äl^renb tnie
in ber ©urligeit bejal^lt, n^ä^renb bie neuen jungen
®urli« fe^nfäc^tig il^rem ÄnfteQungdbefret entgegen
l^arren unb erft bann in bie „SBirflid^feit" treten, toenn
fie längft feine ©urtti^ me^r ftnb — bai^ finbe i(§
ungered^t — 3Ran fie^t, ttjie ba8 ©Aftern ber SBeamten*
l^ierarc^ie, auf bie Huftier angeioenbet, gerabeh)egd
jum Äbfurben fü^rt. —
2)a8 ^ublilum bejal^U ben ©d^aufpieler unb fein
latent (8in guter ©d^aufpieler, ber jugleid^ bie ftunft
unb bie ^affe ^ebt, n)irb nic^t leicht ju teuer er<
lauft W)ev ein X^eater, n^elc^eS ^enfionen ioSfit, tann
feine @agen toeit geringer auf e^en. (88 ift fein ß^eifel,
ba^ bad ©Aftern ber ^enfionierung t^orjugdtoeife nur
ber äRittelmä^igleit jugute lommt, n^äl^renb ber be^
beutenbere Mnftter, um ben eS fi^ boc^ iu(e|t l^an-
belt, nid^t um bie Äuäi^elfer, babei in jeber §infid^t
224 8. Sf(ü(^ttge ©ebonlen über baS beutf(i^e ^eater (1849).
bctt furjcrcn jic^t. 2)ic fijc ^Inftellung förbert t^n
toebcr in feiner Äunft, no(§ ift fein ®elbbeutet ht^
fonber^ boBei beraten^ ba er f^Iiepd^ mit ^etl^i unb
^Iet|i in benfelben normalm&gigen ^enfiondtopf ge^
tporfen tt^irb unb bod^ nid^t DöIIig fi^er ift^ ba^ man
i^n feine öierjig 3a^re r^augbienen" laffc. — SBol^tan
benn! SRan tontral^iere mit jebem @c^aufpie(er nad^
je^n ®pie()a^ren auf eine mäßige ^enfton unb be^
ja^te il^m wä^renb biefer Qüt eine @age na^ feinem
SSerbienfte, na^ feiner S3rau(^barfeit 3lad^ Slblauf ber
je^n 3ct^te fte^e eg i^m frei, bie ^ßenfion too immer
3U t^erje^ren; jiel^t er ed Der ju bleiben unb finbet
bie 2)ireftion i^re iRed^nung, i^n }u bel^alten, fo mirb
ein neuer ^ontralt auf neue je^n Sa^re ober auc^
nur auf fünf Sa^re abgef^Ioffen unb bie ®age nac^
feiner gegenwärtigen fj&^igfeit geregelt, er^bl^t ober
öerminbert, tixoa nod^ Stbjfige ju einem ^enfioniS*
jufd^u§ fcftgefe^t. Unb fo öon je^n gu je^n Sauren!
Sei einem fold^en Softem, loo fi^ ber ©c^aufpieler
gett)ifferma§en felbft ^jenfioniert, ift für feine S^^^f^r
aber au^ für bie Äunft geforgt, inbem ein getoiffer
SBetteifer be« XalenteS immer frifc^ erhalten unb eg
bem bequemeren ober minberbegabten ©c^aufpielcr un*
möglich »irb, fid^ in einer burc^ ©lud ober S9egünfti*=
gung i^m jugefaltenen 2(ügna^m«fteUung ober gar in
einer ?lrt ©inefure I&ffig l^inbämmemb ju bel^au^jten.
2)ie ©n^ unb S)urd^fülönmg eineg fold^en S^fteme»
8. gflü^tige d^ebanten fl6er baS beutf c^e Sweater (1849). 225
fte^t aber nur bann ju crtoartcn, toenn btc bigl^erige
^ofregte aufhört unb ba^ X^eater aU dn nationeQed
Snftitut unter ba« äRtniftcrium gcftcUt, burd^ bcn
9fietc^^tag bottert unb aU ^unftanftalt Don einem t&ä)^
ügen 3)ramaturgen mit unumfd^ränfter äRad^tooQ«
fommcnl^eit geleitet toirb. S)ic SWegiffeure afe „SSer^^
trauenSmänncr" mögen i^m bei feinem SBerfe ratenb
unb auSfü^renb jur Seite ftel^en.
(S^ ift JU ertt)arten, ba^ man nur SKönner Don
©efc^macf unb ^nftbilbung, bie jugleic^ bad 93er«
trauen bcr ©cfeflfd^aft genießen, ju SRegiffeuren tDaf)Un
wirb — bann barf man i^nen oud^ bie i^nen ge*
bü^renbc ©teßung nic^t üerfagen. 2)en SWegiffeuren
tommt eine @timme ju bei ber (Sntfc^eibung über bie
Annahme neuer ©tüde, bei ber 89efe|ung, bei bcr
geftfießung be^ SRepertoire«; fte l^aben aud^ bie ©tücfe
in ©jene ju fefeen unb bie ^ßroben ju leiten. S)er
S)ireftor ober SJramaturg, ttjelc^er nic^t alleS aßein
JU beforgen imftanbe wäre, tragt einen 2;cil feiner
©efd^äfte unb feiner SSeranttoortttc^feit auf fte über;
fie ftnb bie ©eftion^d^efä unb ?Räte beS bramaturgi^^
fc^en SRinifteriumi^ unb auf i^re (Energie unb fonftige
?ßerf5nU^!eit wirb e^ öorjugSweife anlommen, wenn
ba§ Xl^eater neuen ^or gewinnen foß. 2)ad fann unb
wirb ober nur gefd^el^en, Wenn fte mit einem ein*
fid^ti^Doßen unb geiftreic^en Dramaturgen §anb in
§anb JU gelten bereit unb imftanbe ftnb. — 35ie
226 8. gtüd^tige (S^ebanfen über ha» beutf^e ^eater (1849).
ötonomifd^en ®t\äfa\tt, toeld^e bem oberften 3)ireftor
natürlid^ glei^faQd nid^i fremb fein mu|ten^ tDörett
na^ toit i)Ox Don einem tauglid^en ^Beamten unter
Kontrolle ber ©taatölaffe ju besorgen.
®ben fommt mit (Sbuatb 3)ek)rientö 9teform==
fc^tift: ,,S)ad iRationaltl^eater bei^ neuen S)etttf^Ianbd"
jur $anb^ ju beten ^etau^gobe bet SSetfaffet butc^
einen Sufttag bed pteu|if(i^en ^Itu^miniftetiumd t^et-
anlaßt n^atb. @^ fteut mi^^ ba| meine jläd^tig l^in^
gen^otfenen @ebanten ben Sbeen einei^ ptaltifd^en unb
funfterfal^tenen 23tannt^ nid^t gat }u ferne ftel^en. 3)a
jugleid^ t)etlauten toill, au^ unfet äRiniftetium trage
fid^ mit bem gebauten einet SBül^nentefotm, f o etlaub'
id^ mit beffen äufmetffamfeit auf S)eütientö ©c^rift
ju tenlen. gut bie SRönget meinet ©figge^ toelc^e
n^enigfteni^ auf eigenet {(nfd^auung betul^t^ bitte id^
bie ^nbigen im Dotl^inein um yiaäß^t 23tit meinem
SBiffen ^abe id^ batin nid^td aU bie SSa^tl^eit gefagt
unb einige ftomme SEßänfd^e audgef))tod^en. ^üx futje
3eit ttäumten n)it Don einem gemeinfamen beutfd^en
SSatetlanbe — eö ift eine üetjeü^tid^e Xäuf d^ung^ toenn
Sbuatb 3)e))tient unb id^ aud^ beteitS bie $top^Iäen
eines neuen beutfd^en X^eatet« in tofiget aÄotgen-
bammetung gu etblidEen glaubten!
aSten, im grebruitr 1849.
9. Kleine tbeatralifcfoe Studien (1$77).
I. Der tbeatralifd)e Kronos und das ftreitende Cbeater.
(Sin bramatifd^eS 9le))ertoire reid^t ni^t toeit über,
ein SJienfd^enalter l^inauS. S)er I^eoter^Äronog öer*
fd^Itngt nad) unb nad^ bie meiften feiner ^nber unb
nur ein ®iiaU\ptaxt^Qtvi^ bteibt etoa am öotten Seben
unb be^errfd^t bie SBrettertt^elt burd^ ein paar 3a^r^
^unbertc. SBenn man \o feine mel^^ ate fed^jig 3al&re
ini^ I^eater gegangen ift toie id^ — toeld^e Sterne
^at man am bramatifd^en ^orijont aufgellen, ^eQ
glänzen, m&I^Iid^ t)erbleid^en unb fd^Iie^Ud^ lieber im
Siebet üerfd^toinben feigen! S)a ift unfer $einrid^ ö.
(£oQin. ©ein ^aUeguIu«", „m&on\ „Salboa" toaren
burd^ einige Sa^rjel^ente SRepertoireftüdEe. SBo finb fte
l^ingetommen ? Sfftanb unb ^o|ebue l^ietten \ot\t länger
au8, aQein n^eber bie bärgerlid^e 23toxai beS einen, nod^
bej^ anbem äSi^ unb (Spott n^oQen feit geraumer ^tit
mel^r munben. (Sinjelne i^rer @tüd(e taud^en bistoeilen
auf ote ©enfmale einer »ergangenen 3«^* ^^^ ^^'
fd^auung. Sin jeber ber beiben l^atte im Derfloffenen
15*
228 9. ÄIcine t^catralif^e ©tubien (1877).
3a^re jioei Sluffii^rungen im Surgt^eatcr. Unb bcr
Serfaffer bcr „©d^utb" unb bcr träncnrcid^c ^ouioatb,
6cibc cinft bad (Sntjüdcn t)on uni^ adcn, ali^ n^ir nod^
jung tüarcn, fic tocrbcn au3 ü^rcm ©d^attcnrcid^c gar
nid^t toicbcr l^cröorgc^oft. SbcnfotDcnig Saä)aüa^
SBcmcr, bcr frcilid^ nur bramattjd^c tote poctifd^e
jfuriofttäten unb $l^antaftcn gebrad^t. %6er aud^ k)on
bcm berben ^raltifer ^aupaäf, bem quondam tl^ca-
traltjd^cn Slöcinlöerrfd^cr, ift nur „3)er SRülfcr unb fein
Stinb" übrig geblieben. 3)a begreift e§ fid^^ baft aud^
bie dii minorum gentium, »ie (Slaurcn, ipolbein,
©einl^arbftein ufto. längft unter bie SSerf^oöenen ge*
pren. S)a| aber ein bebcutenber 3)ramatilcr unb »irl*
lid^cr ©id^ter, ba| ein griebrid^ $citm, beffen „ged^ter
öon SRaDenna" bo^ in bie neue %ca l^ineinragt, gtcid^«=
falls bcinal^e ber SSergcffenl^cit anheimfallen lonntc,
mag t)iellcid^t weniger bem ^blüum ali^ ben Xl^eater«
bireftioncn jur ©d^utb angered^net ttjcrbcn. 3m ganjen
barf man freilid^ ol^nc Übertreibung behaupten, ba§
bag beutfd^e Xl^eatcrpublilum »enig 5ßictät befifet unb
ba§ e« fc^r — öcrgefttid^ ift. (£8 to&re 5ßflid^t bcr
Äritil, ba ein ttjcnig nad^jul^clfen, auf ba8 alte tt)ie
neue ®ute aufmerffam ju ma^en^ e8 nad^ Gräften ju
fbrbem. 68 gefd^icl^t ^^^^ beiläufig ba8 ®egcnteil. ©o
^ebt jum SBeif^)icl bie SRcicnfton über ein neuc8 Suft^
fpicl getoö^nlid^ folgenbcrma^cn an: „SBir 3)eutfd^c
Iiaben leine Suftfpielbid^lcr imb feine Suftjpiclc. S)ic
9. ^(cine t^eattalifd^c ©tiibien (1877). 229
betben 3Rciftcrtt)cr!c ^3Rinna ]öon Sarnl^ctm' uiib ^2)er
jerbrod^cnc Ärug' ftnb SluSnal^mcn unb beftätigen nur
unfern ?lu^jprud^, unb bic Äomöbic öon gcftem ift
ein neuer SBeteg bafür" ufto. Unb nun toirb bag arme
ßuftfpiet l^eruntcrgemaci^t, in »eld^em toeber ein öer*
abfd^iebeter unb verliebter Dffijier öorlommt, ber einen
Siing öerjefet, nod^ ein ^ßrojel um bte ©d^erben eine«
Ärugeg geführt n?irb unb ttjeld^e« bal^er nid^t „Ilafftjci^"
ift, fonbem MtagStoare ol^ne Oel^att, ol^ne 2;iefe, ol^ne
Sl^arattertftit.
3n $artd gel^t bad anberi^. äBenn Stle^anber
3)uma8 unb ©arbou neue ©türfe bringen, fo tt)erben
fie toeber mit ©l^alejpeare öergltd^en, ben bie fjran*
jofen foöiet n?ie gar ni(^t lenncn, nod^ mit äRotike,
aud^ fällt e§ leinem ©terben^menfd^en bei, öon ber
neuen, mobemen {(rbeit gu verlangen, ba| fie fid^
burd^au« in bie gormen beg „äRifantl^ropen" ober beg
,,Xartuffe" einjtoängen mfiffe, fonbem baS ©tüdE n?irb
einfad^ feinem Sn^alt unb ©el^alte nad^ bef))ro(^en,
gelobt ober getabelt, ol^ne ©eitenblidEe unb o^ne SSor^
eingenommenl^eit, au^ ol^ne literarifd^en ©d^n^ulft unb
93ombaft. 3ft baä Suftf^)iet gut ober aud^ nur luftig,
f freut \xä) baS ?ßublifum barüber tote ber SRejenfent.
3)aö mad^t: in granlreid^ gilt „Seben unb leben laffen"
— bie S)eutf^en ftnb aber neibifd^, befonber« bie
beutfc^en Siteraten. Slebftbem l^errf^t bei un8 eine
üterarif^c Clique, bte ben Siu^m an bie S^rigen
230 9. kleine t^eatralifd^e Stubien (1877).
verteilt, aöc „grembcn" ignoriert ober fd^Ied^t mac^t.
Srgenb ein mad^tiger @ofter^ n^ie Qioüa, l^ält bte
@(i^rei6febem in feinem @oIbe unb Iä|t mit i^rer
SBetl^ilfe feine Ärtilet anpreifen. @o tt)ei§ bie „Äugl^*
burger Sttgemeine" jcittoeife öon einem neuen ©dritter
ju erjä^Ien — baS ]^ei|t, irgenb ein in Stuttgart be*
günftigter homo novos f)at ein Sud^brama gefd^rieben,
bei Sotta k)erlegt unb eS foQ bal^er t)om Sefepublihim
getauft n^erben. Stad^ Sal^r unb Xag finb Sud^ unb
?lutor öergeffen, biä auf ben SRamen. @o ift auc^
burc^ „SSetter Cotta" unfer SabiöIauÄ 5ß^rlcr feinerjeit
gu (Klaren getommen unb jal^relang in ber ,, Stilgemeinen "
als „beutfd^er $omer" angcpriefen toorben. SSSenn aber
fc^on $ora2 bemertt^ ba| ber gute $omer jutoeilen
einbufle, unb 3ean $aul in feiner „JBorfc^uIe ber
^ftl^etif '' einem jeben (SpoS bie (SrlaubniS erteilt^ ettoaS
langweilig ju fein, fo bebiente ftd^ jener Äird^enfürft
biefer „exceptio" in öiel ju l^ol^em ®rabe.
SBir übrigen Öfterreid^er, bet beutfd^en ©Kque
fem unb fremb, ftel^en literarifc^ jiemttd^ im ©Ratten.
@o loar ©rinparger burd^ geraume 3^it iu 3)eutfd^lanb
fo gut toie unbefannt. Seit XiedE unb ©otger gatt er
ate SSerfaffer öon „©d^idtfalötragöbien", toeil er ate
junger SRann ein „®cfpenft" auf bie SBül^ne gebrad^t.
^u^ ber alte @otÜ)t tannte i^n n^ol^I taum über bie
„JH&nfrau" ^inaug. S)ie SBiener SBriefe be« berbcn
SKaurermeifterg unb ©trop^enliebtcrg Stlkx, ber öon
9. tieine t^eatraltf^e @tubien (1877). 231
^oefte fok)ieI tote nid^tö Derfianb (k)on aRufif nur
toenig)^ toaxtn nid^t geeignet, bem ®ro|»^op^ta in
SEBeimar eine bcfferc SRcinung öon unferm SBiener
Xragifet beizubringen. 3)er Xl^eater^^onoi^ tt^ar aud^
bereitö nal^e baran, ben guten SriOparjer fantt fetner
„®Qpp^o**, ^SKebea" unb „^cro" ju Derfd^tingen, tt)enn
ftd^ nt^t ber t^eatraltfd^e ^entaure Saube bem MeS«
Dertilger männlid^ entgegengeftettt, il^m jeine Opfer
nod^ }ur redeten 3^^^ entriffen l^&tte.
S)ie beffem ättem S)ramen bem SRepertoire ju er*
l^alten, fd^eint um fo notn)enbiger, ate bermden nur
feiten bebeutenbere 9leuigteiten auftaud^en, baS $ubli*
fum aud^ bem Xl^eater gegenüber eine Stellung ein*
nimmt, n^et^e eS boppelt mäufd^en^tt^ert ma^t, ba^
ber geiftige @e^alt bei^ SüJ^nentuefenS ja nid^t t)er*
na^Iaffigt »erbe. S)er SBerfaö be« mobemen Il^eater«,
tDoruber fi^ jjebermann anmaßt ju fingen, tt)irb nun
gar t)on einer @eite l^er betont, k)on n^eld^er man ei^
faum ern^arten burfte — namlid^ aud $ari8, n^eld^eS
bod^ bermalen in theatralibus (aud^ in 2)eutfd^Ianb)
mel^r ben Xon angibt als je. (Sin Sud^, baS mir in
bie $anb fiel, t)on 3uIeS Slaretie: „La yie moderne
au th^ätre" ($arii^ 1875) ftimmt ganj merftnärbige
t^eatralifi^e Seremiaben an. S)er SSerfaffer jammert
Dor aQen 2)tngen über ben Sau ber riefig großen neuen
Xl^eater. (3)at)on totx^ au^ unfere ^ofoper ein £ieb
}U fingen unb bad lünftige neue 93urgt]^eater tnirb il^r
232 9. tUine t^tralif^e Stubien (1877).
Dentiutlu^ aSompagnierett). — „Le saccte ahne les
maisons modestes", meint ber Serfoffer. 3n ben neuen
^rac^tgebäuben t)erlange man nieniger nac^ geiftiger
9la^rung aU nadf 8[u|erlic^ktten unb ©peltalel. (C'est
tont comme chez noos!) SS>a^ „äRetter" bed X^eater«
birettord loerbe bobei t)on So^r ju So^r fc^mieriget
unb nnt)erla|li(^er. S3on ftunft faum me^ bie 9tebe.
9bxr @elb bie £ofung, ate l^anble fic^'d um eine
^örfenoperation. Um ober ein großes @tucf in ©jene
ju fe^en — unb onbre ^jie^en" nid^t — feien §unbert*
taufenbe erforberlid^ unb fäQt ba^ 2)rama burc^, fo
tommt man nid^t auf bie Soften. @o ge^t ein X^eater
na(^ bem anbem jugrunbe. (Sud^ in ^rii^, biefer
X^eaterftobt par excellence!) 3)a3u bie ^ol^en ®agen
nebfl bem Suftoanb in Setorationen unb Softümen,
felbft in mobemen @täcfen. äRabemoifeHe 3RarS ^obe
i^r ganjeg Siepertoire mit tiex, fünf Kleibern gefpielt;
fo Diele „robes" toar in leitetet 3^^* We S)edcI6e ht^
müfftgt, an einem einzigen X^eaterabenb ju t)er3e^cen.
Unb bad ^ublifum Verlange ba^^ benn ed fei burd^
bie „Dffenbad^iaben" baran getoö^nt granfreic^ l&abc
öor Qtxttn hntd) SBilbung unb Öefd^madE, burd^ @eifl
unb f^einl^eit (aud^ in Xl^eaterfac^en) ben Xon ange«
geben — bermalen renne man nur ben ^arifer Über-
triebenl^eiten unb t¥rit)oIitaten nad^. (Eine Umte^r fei
ba^er öonnöten. S)ie Qtxt fei emft getoorben unb ba«
X^eater, toeld^e^ bie Q^ tt)iberf^)iegelt, ftabe babei bie
9. «(eine t^eatralifd^e <5tttbien (1877). 233
S3er))f(t(^tung, bie großen 3been, tDeld^e unS beiuegen,
in fid^ aufjunel^men. S)cr SScrfaffcr »eift auf Älcjanber
S)umad l^in als ben ©rünber einei^ „th^ätre militant",
toeld^eS ftd^ mit ben brennenben f^ragen beS Xaged
befd^äfttgt. 2)aS X^eatet bürfe nid^t ju einem „amasoir
vulgaire" l^erabgen)ärbigt tt^erben, alleS ®ble unb @ro^e
gepre auf bie SBäl^ne: bie SlrbeitSfrage, baS £oS bed
SBeibeS, baS SSaterlanb unb bie ^ei^eit. ,,L6 poete
ä Charge d'ämes" — toie SSiltor $ugo fagt. 3)er
bramatifd^e 2)id^ter jei fotgti^ öerpftid^tet, jeine Äunft
emft ju nel^men ate eine ©enbung im S)ienfte ber
SBal^^lÖ^it unb ©d^bn^eit, er muffe baS im ®enu|
taumeinbe ^blitum n^ieber auf bie rid^tigen SBege
ber ffiinfad^lö<^it unb Siatur jurüdtfü^ren. SÄit (Sancan
unb ^arobie muffe ein (Snbe fein^ fonft fäme man tool^l
nod^ ba^in, ©d^illerS ,,S)on GarloS'' in eine Opera buffa
umjun^anbetn unb ben äRarquii^ $ofa eine @igue tanjen
}U laffen.
3Ran !ann bem ?lutor in ben meiften biejer ÄuS*
laffungen nur k)5l(ig beiftimtnen unb fi(^ aufri^tig
freuen, ba| ein fjranjofe \o unparteiifd^ über granjofen
urteilt. 9iur gegen ben „X^eaterf&mpfer" 3)umag tiefte
fic^ einiges eintt)enben; aßein ber ift nun einmal ber
Siebling beS §erm ßtaretie. S)er Sritiler lobt alle
StüdEe feine» Seibpoeten, toie aud^ bereu SSorreben,
unb l^at Dermutlid^ aud^ nid^tS bagegen, baft ber SSer«
f äff er beS „Demi-monde" unferm Ooetl^^ baS ®enie
234 9. tleine t^eatcalif^e ©tubiett (1877).
abfprid^t 9{ur an ber „Femme de Claude" entbe(!t
er einige leidste WlaM; bagegen tt^etben faft ade neuen
franjöftfd^en S)ramatifet unb il^re SBerte giemUd^ f^oö)
gehalten, ©el^ören aber „La baronne", „La comtesse
de Somerive", „Les deux orphelines", „Le Sphinx",
„L'Etrangfere" uftD. toirflid^ ju biefer t^eatralifc^en
ecclesia militans, tuelc^e SBa^r^eit unb @d^5n]^eit ju
prebigen berufen ift? 3d^ möd^te fel^r bejioeifetn, ba§
berlei ©enfationSbramen imftanbe ftnb, eine SRegenera*
tion beä X^eater^ l^erbeijufül^ren. S)er SJerfaffer fd^eint
ntd^t t)öllig bat)on itbergeugt, inbem er eingefte^en mu| :
„Oui, le th^ätre est en d^cadence. Ici, comme en
toutes choses, comme en peintore, comme en litt^ra-
ture; 11 y a an grand nombre de talents remar-
quables, ing^nieux, spirituels, charmants; il n'y a
plus de cröateur ou d'inventeur. Toute cette innom-
brable et präcieuse monnaie ne vant pas un lingot
d'or."
(SinDerfianben. SBir S)eutfd^en befi|en aber biefe
bramatijd^en ©olbbarren glüdHid^ertoeife in Sefftng,
©oetl^e, ©dritter, Äleift, ©riHparjer, famt ben (Spi*
gonen ^ebbel unb Otto Subtoig. %u6) ben ^uM&nber
©l^atefpeare fönnen tt)ir als e^rlid^e beutfd^e (Eroberung
^injured^nen. f^reuen n^ir und alfo biefeS reiben
t^eatralifd^en 93efi|eS, ber ben f^ranjofen fel^It unb
mit n^eld^em fid^ bie beutfd^e iSäl^ne mol^I no^ eine
SBeile aufred^ter^alten lä^t. SBerben n)ir aber au^ ben
9. tleine t^eatralifd^e 6tubien (1877). 235
SRcuem unb SKitlcbcnbcn geredet, infofcm fie fid^ bc*
mü^en, bad Xl^eater in einem @inne fortiufe^en,
tDtlä)tx bem k)on i^ren großen SSorbilbem eingef^Ia^
genen SBcge ni^t »ibcrfprid^t. 3öi S)ienfte ber SBalö^*
l^eit unb ®d)dnf)tit finb an^ bie befc^eibenen ipilfS^
arbeitet ni^t ju t)naä)ttn. Sieben ben lingots d'or
bebarf man — ber petite monnaie.
93ereitö \>ox einem l^alben ^al^rl^unbert mürben
klagen laut ilber ben SSerfaQ ber beutf d^en 83ü^ne unb
je^t flagt man abermals. (£S fe^It an großen neuen
Xalenten, fon^ol^I probujierenben atö barfteUenben, bas
ift rid^tig; üergleid^t man aber baS 9iepertoire t)on
bamalS mit bem t)on l^eute^ fo neigt fid^ bie SBage
cntjc^ieben ju unfern ©unften. 3)ie bramatiji^en
äReiftcrwerfe^ bie ©^alefpeareS mit inbegriffen, wel(^e
DormatS nur atö fpärlid^e Soft gereid^t tourben, füQen
bermalen alliä^rlid^ beiläufig ein^2)rittel ber {(benbe bei^
Surgtl^eaterS aus» S)aS gibt einen t^eatratif^en @todE,
ber ni^t ju k)erad^ten ift! @onft bringt man üon ältent
©tüdEen bie beffem, nebft ben SReuigfeiten, aud^ benen
ber 5^anjojen, in forgfam einftubiertem Qn^ammvx'^
fpiel, „fotoeit unsere ^äfte reiben". — S)aS l^inbert
nun freilidö nid^t, ba§ ber unerjätttid^e Xl^eater*Ärono§
noc^ immer aUjäl^rnd^ feine Opfer k)erfd^nngt. S)oc^ auf
bie (Sefa^r! 9Kan trägt fein ©(^erflein bei unb üer^
ji^tet obenbrein auf bie ffil^re, ber ftreitenben tifcatta^^
lif^en Äird^e beS §erm Claretie beigej&^It ju »erben.
236 9. Ä(clnc t^eatralifd^c ©tubien (1877).
2)ie eigentliche ^olemif gel^ört nt(^t aufS X^tatet
unb ifi tro^ aQem 3^)Qu^jen beS Xagei^ nic^t im«
ftanbe, ein ©tücf auf ben Brettern ju erJ^altcn. SBcnn
man ftc^ nun gar barauf befd^räntt, gen^iffe $aragra))^e
bed Code fran^ais unb fei'd mit nod^ jio k)ielem @eifte,
bramatifd^ ju bearbeiten, f o erhält man lauter 2)ramen
üon äl^nlid^er g^rbe, bie einanber ablösen unb beren
k)or(e|ted bem legten tt^eid^en mn% um nad^ Sa^r unb
lag bem näc^ften neuen ?ßla^ ju mad^en — öermutlid^
tt)ieber nur auf ein Sa^r. @o ta|t unfer ©tabtt^eater
binnen einer 2;^eaterjaifon eine ganje Sieil^e biefer
iioftbarfeiten laleiboffopifd^ an unfern Äugen öorüber*
gaufein. — 3)ag moberne Ilö^ater, toetd^eg SReutg==
feiten öertangt unb feiner Statur unb Sinric^tung nai^
verlangen mu§, fefet ft(^ nun freitid^ aud^ auf biefcm
3Bege fort, allein baS Siepertoire getoinnt babei nur
feiten einen bauernbcn öeft^. Qtoax aud^ SRoIiere unb
SBeaumard^ai^ ^aben polemifiert unb im „lartuffe"
itnb rrS^flöro" il^re Qüt abgespiegelt, aber babei inS
&anit unb SJoIIe unb fo aud^ in^ rein äJJenfd^Iid^e
gegriffen. S)arau§ ttjurben lebenbige unb bleibenbe bra*
matif^e ©eftalten. (Sin parteiifd^er „Stabaga^" iftnur
für bie ©tunbe unb fd^minbet mit il^i^.
SBei adebem n^irb man jugeben mfiffen, bag bie
mobemen franjöfifd^en SBül^nenfd^riftfteller öon ©cribe
bi^ S)uma^ mit ebenfot)ieI @efd^id aU ^ül^n^eit in
ba8 fojiale &cU\i 5U greifen üerftel&en. ®ie fc^affen
9. ftleine t^catralif^c ©tubicn (1877). 237
nun freiUd^ in bem lebenbtgen $arid unb baS th^ätre
fran^ais — folangc bie SRcpublil augl^&It — unter«
liegt feiner ipofjenfur. S)aS tafterl^afte granfrei^ er*
freute ftd^ überhaupt öon iel^cr einer getoiffen I^cater*
frei^eit. SKoIikeg Sümpfe um „Sartuffe", jene SBeau*
marc^aig' um feinen rrgtgaro" ftel^^n üeretnjelt wie
SBütor $ugo§ H^caterprojcffe unb anä) biefe fül^rten
f^Iiellid^ gu einem glänjenben Siege. Un« foQte bie
geiftige greil^cit öortSufig öon auften fommen. S)ie
®aüier mußten erft (im So^re 1805) in SSSien il^ren
ffiinjug l^alten, auf ba| e« uniJ geftattet tourbe, unfern
Ätaffiler ©dritter bruden gu bürfen — eigentüd^ nad^*
brurfen. 2)ieje ßbfi^papierauggaben toaren nun freilid^
bur^ ben g^ieben öon ©d^önbrunn, burd^ über taujenb
Quabratmeilen £anb unb beinahe brei äRiQionen 9)len^
fd^en jiemlii^ teuer erlauft. — Unb unfer armeg
Il^eoter l^atte fiberbiei^ leinen @en?inn baöon. 9lad^
bem Stbguge ber g^anjofen gab eg leinen „Xeö" unb
,,gie§co" me^r unb ber ^räfibent in „ßabale unb
fiiebe'' tourbe abermals in feinen fabetl^aften SBicebom
umgett^anbelt, ber SSater in ben D^eim.
^ad fagte aber einem fremben ©d^aufpieler nic^t
ju, toeli^er in ben jtoanjiger Sauren aU gaftierenber
„gerbinanb" nad^ SBien lam. SBei ber ^obe beftanb
er auf „SJater" unb „©o^n" »ie er'8 getool^nt war.
3)ie einl&eimijd^en Äfinftter erllärten fid^ bereit, auf
biefe restitutio in integrum bcÄ DriginatteEtc» einju^
238 9. »Wnc t^catralif<|c ©tubicn (1877).
ge^en. ©d^re^Dogel lieg bie Seute gen^&l^ren. (Ein
fd^öner ©ommerabenb, badete er, ein leerei^ $auS unb
ber Äaifer in ßasenbutg — ba lann man'8 ri^Iieren.
— S)ic $robe ging toie am ©d^nür^en. äu^ öer*
f^iebene, fonfi l^öd^Iic^ tttpbntt ©teilen, n^ie: „^ann
ber $er}og ®efe^e ber äJlenfd^l^eit k)erbre^en ober
§anbtungen münjen, tDie feine S)reier? ffir fann ben
Hermelin über feine ©d^anbe l^intoerfen!'' — bie§
unb äl^nlid^ei^ lieg fid^ Demel^men. S)ie ^uliffen be§
^urgtl^eaterd blieben babei unben^eglid^. 3njtt)ifd^en
l^atte ftc^ ber ^immel getrabt unb e8 trat 9legennjetter
ein. ©0 fam Äaijer granj in Sajenburg um feinen
Slbenbfpajiergong, aud^ n^aren tueber bad geioo^nte
Quartett, nod^ bie Xarolpartie mit ^tfd^era bei ber
§anb. S)er Äaifer langtoeilte ftd^ atfo unb befd^Iog^
in fein SBurgtl^eater ju fal^ren. S)a« ©tüdE ^otte bereits
begonnen, aU er in bie ipofloge eintrat, ©d^re^öoget,
auf ben %oh erfd^rodten, eitte auf bie SBül^ne, um ben
,,8Jater" ju fontremanbieren, ben „Dl^^^im" ju refti*
tuieren. 2)aö fe^te aber bie ^eittofefte SJerwirrung ab.
^od) ate SRufifug äRiöer fpra^ Don „@r. ffiEjeQena
bem §erm ^ßapa" ; SSicebom SBitl^etmi fagte ft^ ätoar unb
rebete feinen öerlomen ©ol^n per ,,SReffe" an, biefer
erteilte il^m aber, tt)ie auf ber $robe, ben fügen
Slamen SSater. Äurg, bie ©d^aufpteter famen au«
bem §au8d^en unb ber ©ouffleur l^atte feine liebe
9iot bei biefem t)ertt)anbtf(^aftlid^en SJurd^einanber.
9. «eine t^eatralifcle Stubien (1877). 239
Sei bcn späteren SSorfteHungcn bci^ ©tücfcä lourbc
bie alte Orbnuttg iDtebet l^ergefieQt. f^erbtnanb mugte
üor tDie naäf empl^atifd^ aufrufen: „(&^ gibt eine
®egenb in meinem ^ergen, tüoxm baS SEßott Dnfel
noc^ nie geprt toorben ift — bringen @ie ni^t bis
in bicfel" S)u lieber §immell 3n toaS bcnn ffir eine?
SBaS ift mir ^efuba! SBaS ift unS ein Dnfel, ober
eine Xante? Aber bieder 3^nfuronIeI !ann ffir ein
©^mbot gelten toit im „9{at^an'' baS äSort ,,äBa^r:'
^eit" ftatt „SReligion". «Ipafa ftatt ed^ten Silber«,
»erlangt bie X^eaterjenjur.
Snlei^ Slaretie l^at bod^ fütdjtl SEBir brausen
ein th^ätre militant, um t)or allem bie X^eater^»
befd^ränlungen ju befämpfen, bie ^efci^ränhtng über«
^anpt, bie @eiftedbef^ränltl^eit Don oben n^ie nad^ unten
ben ^od^mnt ber @ro|en, bie 2)ienftedbef(iffen]^eit ber
Äteinen, bie ffing^erjigfeit, bie Unioiffen^eit, ben Un*
üerftanb.
gantior 1877.
2. Dramati(d)e Ciebespaare.
f^reunbfd^aft ftel^t gen^ifferma^en l^bl^er aU bie
ßiebe, ober beruht bod^ auf fefterer, realer unb ratio-
neller ®runblage. 2)arum uberbauert fie aud^ bie l^ef»
tigern (£m))finbungen; bie leibenf^aftlid^e Siebe ber
jungen hatten gel^t aDmäl^Iid^ in ftiQere Steigung,
240 9. Äleinc t^eattalifd^c ©tubicn (1877).
SBol^tooIIcn unb gteunbfti^aft über. S)crici ruhige unb
fticblid^e SScrl^ättniffc taugen aber wenig für« Sweater,
baS nac^ Setuegung k)erlangt, nac^ ^onflitten unb
Seibenfd^aftcn. S)ic fiicbc al8 f ot^e ift nun bie fü|eftc
wie bie gewaltigfte, jugleid^ bie geJ^eimni^üottfte Seiben*
fd^aft. äJJan mag bie @ad^e bre^en wie man wiQ^ ber
eigentli^c Äem ber ßiebe, bei welcher @inn unb ©eele
jufammenftieften, ift faum öbttig ju ergrünbcn. SBie
entftetjt bie fiiebe? SBarum üebt man? SHemanb weife
eö. S)ie romantijd^e ßiebe! „S)ic Kaprice auf gerabe
biefe/' wie §egel fie wenig gatant bejcii^nct. S)ie erfte
ßiebe! ®ibt eS ipolbere« im aRenfd^enteben? es ift
bag ©efül^I ber Unenbtii^feit^ ber ffiwigleit, weld^e»
Süngling wie SDi&bc^en erfaßt, burd^glül^t. SBirb baS
üon 3)aiier fein? SBer benft baran? SBer beult an bie
3ulunft, wo ber 3Roment aöeö ift! Qmtx SBefen finben
fi^, fie brennen öor SBegierbe, einanber ju befifeen, fte
fd^euen nic^t Äanipf unb ©efa^r, felbft ber %ob f^at
feine ©(freien für fie — fie öerjd^Iingen fid^ in ein^,
bie raul^e Slufeenwelt f^winbet öor i^ren feligtrunlenen
SBUrfen, nur fie unb bie Siebe bleiben — baS SRätfel
beS SebenS fd^eint für immer gelöft
3)ai^ ift bie Situation jwifd^en bem blutjlungen
atomeo unb ber öierje^njä^rigen Sulie. @ie be*
gegnen ftd^ jum erftenmal auf einem SBalt unb i^re
§erjen, wie man ju jagen pflegt, fliegen einanber ju.
33aS ift beinahe wie in SBemer^ ^SBei^c ber Äraft**,
9. Äteinc t^catralifc^c ©tubien (1877). 241
mo ber mtiftifci^e junge %i)toHlb bei %f)txt\tn^ Snblict
aufruft: „9Rein Urbilb!'' — SJafe SRomeo bie rcijenbe
junge ©d^öne gleid^ beim erften 3iiföoimentreffen ol^ne
Umftänbe fir^t, entfd^utbigt «. 28. ©d^teget bamit, ba§
bcrlei ju bciJ S)id^ter3 3^^*^ ^^^^ ffi^ ^i^^ befonbcre
Sertraulid^teit gegolten ^abe. SSeniger begreift ftd^ beiS
ßiebenben ra|d^eg ?tbJ!|)ringcn t)on feiner ©d^tpärmerei
für Sflofalinbe ju 3u(ie. ©d^Iegel begeid^net ba^ aU
ben ,,^eiligern (Smft feiner gleiten Seibenfd^oft".
28ag ift aber baron ^eitigeg ? S)ie beiben jungen fieutc
gefaflen einanber. Voüä tout. @ie fannten ftd^ biö*
^er gar nid^t, »iffen gegenseitig nid^ts öon i^ren
£ebendt)er]^ältniffen, nod^ t)on i^ren Sl^aralteren ober
(Eigenfd^aften. (SiB finb eben ein paar SSerliebte, k)om
Siebe^pfeit getroffen. Slbcr batb erfal^ren fte ju i^rem
©d^reden, bafe fte jttjei einanber feinblid^en ^äujeni
angel^ören. ÄQein mag füntmert baS julc^t bie Siebe!
Va banque! SRomeo bringt mit Sebcn^gefal^r in ben
©arten ber (£a|)uteti^ unb Sutie jagt i^m entf^Ioffen:
^toöx* bt(^ 5u meinem Siebften,
Unb i^ bin länger feine ^apuitil
JBerliebt unb praftifd^ fragt fte jugleid^, »ie'g mit
bem heiraten ftel^e. ©ie »erben ein ?ßaar, insgeheim,
allen ©tammegfeinbfd^aften unb ©efal^ren jum Xrofe.
S)amit beginnt eigentlich erft bie S^ragöbie. S)ie ffi^c
ujar aber nur öon furjer S)auer. SBie ^ätte fte ftd^ bei
€4ciftea lY. 16
242 9. tleine t^eatralif^e ©tubien (1877).
gutem Aufgang bcr ©od^c wol^I in 3^^^^!* geftaltct?
Ratten bie beiben (Sl^araftere auf bie £&nge fftr eiit^
anber getaugt? 3c^ toid t)on ber l^olben Sulie t)or^
aujSfe^en, ba| fte il^rem jungen unb feurigen ®atten
treu geblieben, eine gute ^au^frau unb SRutter gc=
Sorben to&vt. Aber biefer SRomeo mit feinen @d^tt)är==
mereien! SBie, toenn jene ftolje SRofalinbe, bie ic^ mir
al8 eine Art „©pj^ins" öorfteHe, bem jungen ©atten
^interl^er einen @d^ritt entgegen tut? (Sttoa ju einer
3eit, too Sutie im §aufe bef t^fiftigt ift ober bei i^ren
(Eltern ju 93efu^ ober ein toenig un^a| unb ber^
g(eid^en. 3)er erfte SiebeSroufc^ ift bei bem roman«
tifd^en ©d^to&rmer t^ermutlic^ t^errauc^t, unb in ä^erona
tann il^m leidet mieber ein Sßeib witommtn, toeld^e^
er für ba8 ft^bnfte mt, ,,feit SBelten fte^n^ Äurg,
ic^ l^abe ben jungen 9Renf c^en im SSerbad^t, ba| er in
ber &)t ©eitenfprünge mad^en tt)ärbe, unb bie arme
Sulie bfirfte ft^ barüber bie fd^önen 9ugen aui^meinen.
Ser toeife 2)ic^ter fal^ baS ol^ne 3^^if^t t)oraud unb
liefe lieber beibe fterben, im SBoIIgefül^Ie i^rer gegen^
feitigen Seibenfd^aft,
— wie gfcu'r unb ^^uh>tx
3m Stn^t ft^ bec^el^rm.
@^alefpeare l^at too^Igetan. 2)ie (Srbenfd^tacfen
finb abgefaflen, bie järtlic^ Siebenben leben für immer*
fort in ber l^eiligen SRa^)^taflamme ber ^oefie tote im
9. kleine tl^eatraltfi^^e ©tubien (1877). 243
@ebäc^tntö aQet fül^Ienben ^etjeit, unb \o ift unb
6(ei6t „9b)meo unb Sulie'' unbeftritten baiS @Qmbo(
unb bic Iragbbic bcr fiicbc für aße 3^^^^ i^i^^^
Stationen.
2)iefe P^tigen 93emerlungen l^atte ic^ t)or 3^ren
niebergefc^rieben unb mtc^ t^rer erinnert, aU id)
unlSngft (Ebuarb t). ^artmannd gefammette „@tubien''
burc^blStterte. 3n einem Keinen (£ffaQ aber bad £iebe§^
brama toerben bort 2)tnge ganj emft^aft aujSgef|)rod^en,
bie mir t)orbem ald (Einf&Ke ober @(^ruUen burc^ ben
^o|)f gelaufen. S(u^ ber ^l^ilofo^^ nennt 9lomeo einen
„glattergeift", ja er fprid^t il^m jogar bie ÜRfinnlid^feit
ob, tt)te bie eigentliche Seibenfd^aft. S)er junge 9Renfc^
tt)erbe nur burc^ ^ffelte (@innlic^teit) geleitet unb
jeine ^eirat mit einem t)ier}e]^ni&l^rigen 9Räb(^en
mürbe heutigentags bem „9letc^Sftrafgefe|f6ud^e'' t)er-
faflen.
S(ud^ Sulie lommt nic^t t>id beffer n)eg; jte ent-
toicfle jttjar eine tiefere ßeibenfc^aft ate il^r 9lomeo,
boc^ jei fie im Orunbe „gemütto«" (gleich il^m) oh
gegenfeitigen 9RangeId aQer S(n^&ngtid^teit filr (SItem,
Slnge^5rige unb Satertanb. S)ie 2kbt fei fiberl^aupt
^ier öon ©l^afefpeare nid^t „in feiner fonft et^t ger«»
manifc^en ©efüJ^tetoeife" bel^anbett toorben, fonbern
„ttjef entließ im romanifc^en ©inne". S)a| fic^ Sulie
mit il^rer £ie6e fogleic^ il§rem 9lomeo an ben ^o^f
werfe, barüber, fotoie über i^r rü(!fi(^tÄlofe8 ©eftdnbni»
16*
244 9. ftleine t^eatraüfc^e 6tubieit (1877).
an bie gemeine Ummt n^ürbe fxdf „jebed beutf(^e
äRäbd^en" f!anba(tfteren ufiD. ^rj, ^artiitann toxVi
ha^ ®t&d bnxifyin^ nidft aU „ha^ $o^e Sieb ber
Siebe" gelten laffen.
Unb »arum ni^t? SBeit bie Siebe l§ier romanifc^
ift? S38ie foU fie anber* jein? S)ie beiben leben unb
lieben ja in ä^erona unb nic^t in Slugdburg, gfranifurt
ober gar @ad^fen^aujen. (£i& ift bie ]§ei|e italie«
nifc^e Siebe, ed finb ^ei^e junge ^rjen, beten ed
ja aud^ in 2)eutfd^Ianb gibt, nac^ bem StUQaxi @ott«
frieb^ t>on @traPurg unb feineiS $ol§en Siebed
„Iriftan unb Sfolbe". S)ie beiben -SSeronejer Siebenben
t>ergeffen il^re (Sltem unb bereu ^arteigejonte. 2)ad
liegt hoä) tt)ol^I in ber 9latur einer übedoältigenben
unb aUed t)erjd^lingenben Seibenfd^aft. %ber Sulie
^at fein &tttaü ju il^ren &itvn. 9lun, bie n^oDen fte
t)on l^eute auf morgen an ben unbebeutenben unb i^r
t^er^a^ten ®raf en $arig k^er^eiraten. 3)aiB arme SKäbc^en
meigert ftd^ ober mit Sl^rerbietung:
3(^ fld^' eu(^ auf ben ^ten, mein guter Satec,
$5rt mit <9ebttlb ein einzig SBort nur an!
3)arauf ber alte (£a))ulet: „&ti)' jum genfer!"
ffir fd^itt fie dnt S)ime, ein latggeftc^t, eine ^cje.
Sie foQ ben reid^en ^erm ©rafen heiraten, feinen
guten ^reunb, ober betteln, l^ungem, am Sßege fterben.
!Da n^enbet fid^ bie Zod^ter an SKama (iapuUt:
C, ffl|e Shttter, ßo| mxd^ bod^ ni<!^t ipeg!
9. meine t^eatralif^e ©tubien (1877). 245
Unb »ag crtoibcrt bicfc?
Xu, mit bu to\!L% bu ge^^ ntid^ nt(^tö me^r an.
Sin re^t gemätUc^eS (£Uempaar. Unb }U benen
joQ bie 2;oc^tct ®cmfit ^aben! Sic ift frcilid^ fein
„bcntfd^cÄ SWäbt^cn", l^ot nur eine „romanifc^c ßicbe''
im §crgcn. SBai^ verlangt ober eigcntti^ ^err t>. $art=
mann t)on einer £iebei^tragöbie? ^fitte @|afef|)eare
üieltcic^t ein abftraftcg ßiebe^paar fc^ilbem foUen,
tod(f)^i loeber in Stauen, noc^ in 2)eutfd^tanb, no^
in granlrcic^ ober Äu^Ianb ober fonftoo auf realem
93oben fu^t, fonbem überall unb nirgenbd ju $au{e
ift? 2)erlei lägt fic^ tttoa |)^itofop^ifd^ fonftruieren,
|)oetifc^ tonjipieren nun unb nimmer. 2)er Sffa^ift
räumt jn)ar gnäbig ein, bajs Sflomeo unb 3u(ie ben
romanifc^en 3bealen fo giemtic^ cntfpreci^en; ba§ fte
ober auf baiJ fci^rofffte mit ben beutfc^en fontraftieren,
toai er gleichfalls bel^au^tet, lann iä) i^m nun unb
nimmer jugeben. 3n einer Xragöbie, bie too^I burc^
bie @|afef|)earef^e angeregt »orben, in ÄleiftS
„gamiKc ©d^roffcnftcin", benel^men fid^ bie beutfd^en
Siebenben nid^t minber rüdtftd^tslod aU bie italieni«
fc^en, ben äußeren ä^erl^ältniffen fotoie i^ren (Eltern
gegenüber. S(u^ bief eS @tü({ bringt Siebe, Seibenf c^aft
unb fc^öne 9tatur(aute, nur nic^t in fo reid^em SKa^e
ate baS bed (£ng(&nberd. @treift bad 9lationet(e, ßn^
füDige unb ber Qtxt (auc^ bem 3^itfti^0 Ängeprigc
t)on „9U>mto unb Sulie'' ab unb baS @d^öne unb
246 9. Stidnt t^atralif^e ©tubten (1877).
rein aRcnfc^Iid^c bleibt atö Äcftbuum in biefer au§*
f(^üe|K(^ einjigen S^ragöbie ber Siebe, gfir biefe An*
fic^i tonnte id^ eine äRenge S(utoritäten anfül^ren; ic^
begnüge ntic^ mit beren brei.
93ei ©elegenl^eit ber ^(nffül^rung ber Zragöbie
„S(äxt" in ^ambnrg bemerlte ber alte Mafjtfc^e
fieffing in feiner S)ramaturgie: „S)ie Siebe jelbft f^at
JBoltairen bie ^ixc biftiert — fo fagt ein fiiinft»
ri^ter artig genug. Sflid^tiger ^ätte er gejagt: bie
©alanterie. 3c^ lenne nur eine Iragdbie, an ber bie
Siebe felbft arbeiten Reifen, unb bag ift ^SRomeo unb
Sutte' t)on ©l^afcfpeare." — Unb ber mobeme unb
friDoIe ^eine meint nun gar: „9li(^t bad benannte
aJienf ci^en|)aar, f onbcm bie Siebe felbft ift ber §elb in
biefem S)rama.'' — Unb mein britter ©ctoäl^rgmann?
— ffi^ ift fein (geringerer aU baiJ X^eaterpublifum
t)on ©l^alefpeareÄ Qtxtm bi^ auf unfere 2age, ate
mit fid^ fibereinftimmenbe Sinl^eit, als ^erfon gebac^t.
— S)ermalen finb toir nun freiließ längft in ben
?ßeffimii^mui^ geraten, toetd^er bie Siebe, infofem fie
ni^t 9Rit(eib ift (caritas), als leibige @elbftfuc^t be«
Klariert unb bie fd^bnen SKäbd^en nur als ,,5htall^
effefte ber Statur" betrad^tet — ©ei'S! Unb mag bie
Siebe nichts n^eiter als eine ffi^e Xaufc^ung feini S)ie
S)i(^ter toerben barum t)or tt)ie nad^ boc^ nic^t auf^
^ören, SiebeSbramen }u fc^reiben, folange fic^ bie
Sugenb burc^ @c^ön|eit unb Slnmut unb SbealiSmuS
9. ftlcine t^catralif^c ©tubicn (1877). 247
täujc^en I&|t unb ba^ bürfte toofjli iDä^ren 6id an^
@nbe aUer ZaQt.
3n ben S)ramen wn Su^tter ®oet^e \pxtlt bie
£iebe nur eine 9lebenroUe. @etne 9Räb^en lieben ffoax
nteift innig unb tt)ann, bie fiiebl^abet machen ftc^'iS
bagegen iiemlic^ bequem, toit bieje Sßeidlingen unb
(SIat)igoi8 — bie „fd^Ied^ten giguren", atö »etd^e fie
il^r ©c^öpfer jelber bcjeid^net. Äud^ gauft ift i^nen
beijujä^Ien, ber, nac^bem et fein l^otbed ©reichen ge^
nojfen fjat, fid^ nic^t toeiter me|r um bad arme 2)ing
befümmert — (Sgmont liebt nun gar ote ein Dor*
nel^mer $err. $at er baS ftttfame Sfirgeri^mäbd^en
Derfft^rt? SWan »ei| eS nid^t red^t Sie l§at ftc^ i^m
tt)O^I freitoißig ergeben ober — „f)aih gog er fie,
l^alb fanf fie |in". — Sebenfafl^ glaubt er il^r genug
iVL tan, »enn er einmal „fi^anifc^" ju il^r fommt.
&aum, ba| fonft ein järtlid^ed SBort über feine 2\pptix
tommt, n^äl^renb fie i^m ^erj, ®eele toie £eib unb
f(^(ieJ3(i(^ bai^ £eben opfert. (Sd mad^t beinal^e einen
fomifc^en (SinbrudE, ba| bad ©emiffen in bem ^at)a(ier
erft htrj t)or feinem Untergange tttoa6)t (Er empfiehlt
ba^ ^(ärc^en bem @ol^ne %Ibad. „3d^ tenne ein
2Ääbc^en —*" fagt er. „SRun ic^ fie bir empfel^Ie,
fterb' ic^ ru^ig.'' — Stecht gemfitßc^. «ber ju fpät,
^err ^rinj öon ®aure! S)a8 gute Äinb ift Iängftt)er*
forgt, eS ^at Siebe, aber aud^ Ärfenif im ßeibe. Unb
i^r SBradEenburg beSgleic^en, ber arme treue JBürger^:»
248 9. Äleine t^catraUf^c ©tubien (1877).
fo^n, ber fie toeit me^r geliebt ^at al^ ber galante
^err ®raf.
3)a liebt ber ®raf SBetter öon ©tra^I, ber hod)
anä) ein t)ome]^mer ^err ift, gattj anberS. (Sr bro^t
bem ^ät^d^en tuieberl^olt mit ber $UTtbd|)eitf(^e, ob-
j(^on ober bef|er: toeil er fie liebt. @c^on in bem
großen SRonoIog ju Anfang beg jtoeiten 3lfte§ ruft
er fc^merjUc^ au^: „^ät^c^en! SRäbc^en! t&t^c^en!
SBarum lann id^ bid^ nid^t mein nennen?" SBad l^inbert
il^n? ©eine öome|me ®eburt, i^re SWebriglcit Sinn
ja, er barf fie nic^t ju feiner grau machen. Aber bie
2)ime läuft il^m ja nac^ unb er brandet nur juju«
langen a la (Sgmont Wltin ber fd^tt)äbifd^e 9tttter
ift öon einem ebtern Sern unb t)on befferer Slobleffe
ate ber nieberlänbifd^c ®enu§Iing. ffir »iU ba« 3R&b^
c^cn nic^t unglüdtlic^ mad^en, er toill fi(^ felber unb
feine SReigung bejiningen unb \o greift er in jcinem
^erjen^fonflift jur ?ßeitf(^e, bie man auf ber reaten
©äl^ne ja nid^t toeglaffen foUte.
©d^iUer, toelc^er bie Iragöbie feineiJ großen
greunbed giemlic^ unparteiifd^ beurteilt, toxU biefen
ffigmont, beffen SSerbienfte man nur „öom $ören*
fagen'' fenne, für feinen eigentlichen gelben gelten
Iaffen,.unb biefer gtoeifel^afte §elb unb Patriot fei
ginar überbieiJ ein ßieb^aber, jebod^ — „ol^ne barum
weniger offen unb 2;rinfen ju lieben". So ift eg aud^.
S)ie Siebe gilt il^m nur für ein SKittel, „um öon
9. »eine t^eatralif^c ©tubicn (1877). 249
feiner @tim bie ftnnenben Sftunjeln tocgjubanttett".
(Sine gcrftreucnbe ÄaöaKercpifobe, bie einem braöen
biirgerlic^en $aar ba^ Seben foftet!
©inmol rä(^t ftd^ aber bie in „Sgmont" \o Dor*
nel^m unb obenl^in be^anbelte £iebe — unb jtoar an
bem Sid^ter felbft, benn unter ben ßiebegtounben
Xaffo^ fc^einen jtci^ auö) gettjiffc eigene ©d^merjen
beji S(utoriS ju bergen. (SS gel^t aber babei etoaiS
anberi^ ju ate in „®Qmont**, eigentlich umgefe^rt. S)er
^xd)ttx unb einfädle (Sbeintann üerliebt ftd^ ba in eine
l^oc^ftel^enbe unb pxnbt ^ringejfin, bie fi(^ t)on i^nt
ben $of mad^en Iä§t, aber nur poetift^ unb par
distance, benn »ie er »ärmer tnirb, fie in bie Arme
f(^Iie§t unb aufruft: „®o nimm benn aud^ mein ganjeS
SBefen ^in!" S)a ftöfet fie i|n fort — „^intoegl'' unb
rennt baöon. ©iefeg „^intoeg!" gibt Sluff^Iu| über
ben ganjen (S^aralter ber ^ame, n?enn man baritber
noc^ im 2mtV(d fein lönnte. SBal^r^aftig, biefe Seonore
öon Sfte, obtüoffl gleichfalls 3talienerin, ift toeitab
t)on einer ,,romanif(^" |ingebenben 3uUa! Si^ mag
»0^1 nur fo ettoag öon „beutfd^er" ober SBeimarer
^ofliebe in il^r ftedEen. — SSerbient aber biefer S^affo
ein beffere« ©d^idffal? S)iefer poetifc^e Äammerjunfer
am §ofe öon gerrara! SDian erioeift fic^ ii^m jttjar
anwerft gnäbig, fc^müdft il^n fogar mit einem Sorbeer*
franj^ mad^t il^m ab unb ju au(^ füfee Slugen — unb
^erjog SHpl^oniS fagt fogar:
250 9. tlcine t^eatralif^c ©tubtcn (1877).
3(^ bin auf i^n dd meinen Wiener ftolsl
2)iefeS 3(bl^ängigteitöt)erl^ältni^ erfennt auäf Xaffo
an, inbcm er bcmcrft:
— ©inen ipetrn
(Erfenn' id^ nur, ben iperm, ber mid^ ernährt.
SBen ntal^nt ed babei nic^t an ba^ 3Im^9(t^en
unb an bcn armen ©(Ritter, weld^em ©crcntfftmuÄ öon
ber §oftafeI ein Äibi|*ei jcnbet! 2)er S)id^ter fa§ an
einem SRebentifc^ mit anbem „S)ienem". — Unb
2;affol 9Kan nimmt i^m jein ©ebici^t, fperrt il^n ein,
n^eil enblic^ einmal ber 9Rann in il^m trxoa6)i unb
er gegen einen $öf(ing, ber il^n mi^l^anbelt, ben
S)egen entblb^t. (Siebenbei bemerft, bie eingige rotrf^^
(ic^ bramatifd^e ©jene in bem ganjen ®6)an\pid.)
S(ber biefer Xaffo erträgt aQei^ mit ®ebulb, anä) ba§
abfd^euK(^e „^intoeg!" ber falten ^ßrinjeffin, er fetbcr
toirb ^intoeggejagt — unb toie er bie SBagen ber
l^o^en ^errfd^aften roDen ^ört, bie ^aroffe ber jimper«
lid^en ©d^toefter, bed l^od^mätigen 93ruberd, ba tobt
unb njütet er too^I? — Stein 1 S)a ruft er »e^^
mätig auS:
fügt* t(^ nur noc^ einmal feine ipanb! —
8Bie pnbijd^I — Shtn, bei ®ott, toenn baö ein
SJid^ter ift, ein SDiann unb ein Siebenber! 3)a jie^'
i^ mir bod^ meinen Sftomeo mit jeinen „?lffeften"
t)ox, ber ftc^ in ber ßiebegöerwirrung baS Seben nimmt.
9. ÄIcinc t^eatraüf^c ©tubicn (1877). 251
anftatt anbete ,,StombinQttonen'' abjutoorten, tote bie
@tubie übet bie £tebedttag5bie \f)m ant&t S(bet bet
Stalienet l§Qt fein f^ijd^blutl 2)ie £etbenf(^aft übetlegt
unb loattet ouci^ nic^t. Xaffo J^ingegen fügt ftd^ ge^
bulbig in fein ©d^idCfal. (St ift juftieben^ »enn man
i^n nac^ SonfanboK \ä)idt, n^o et bie @tuttatutn)änbe
„mit einem leisten SBebel fäubctn" toifl! — D übet
bie $oflammetbicnet jeete ! Unb fo ein ÜRenf^ foH
ein ^elbenepo^ gef (^rieben ^aben? 9(ufd l^5c^fte eine
,«c^iDei«\
@tet^en nnb ^tätc^en finb blül^enbe nnb buftige
i^iebei^toefen, alled 9latut an i^nen; fie ^aben au(^
leinen ftanf^aften obet ^tiftetifd^en Seigefd^macf, toie
ettoa bad ^ät^c^en beiS atmen ^leift. 2)et gto^e @oet^e
^at übetl^aupt bie ftiQe unb etgebene Steigung bed
jonften SBeibeö toiebet^ott abgefc^ilbett, mit SBotüebe,
babei objettit) unb mit aQet ^f^d^ologie. @eine SKatien
ftetben an bet ©c^winbfuc^t obet fte^en bem Xteulof en,
bet fie öetlaffen l^at, in feinet legten Ätanl^eit ttöftenb
bei — abet feine ßieb^abet finb lautet gtöfeete obet
fleinete 9Ra^abö^i^, bie fic^ äu^etft l^etablaffenb gegen
bie (£tbentö(^tet benehmen, o^ne fid^ felbet Diel mit
SiebeÄfd^metjen ju befaffen. ÄnbetS unfet ©(Rittet, bet
3beaüft. 6t fennt feine einfeitige Siebe, gteub' unb
Seib mu| beiben ^atteien gemeinfam fein. S)et Stäubet
SKoot tötet feine Ämalie auf i^te eigene SJitte, Jet*
binanb feine ßouifc, weit et fie füt tteuIoS ^ält, unb
252 9. kleine t^eatralifc^e ©tubicn (1877).
bQnn, jcincn 3rrtum cricnncnb, vergiftet er ft^ fclbft.
äßai^ bem einen rec^t, ift bem anbem bidig. 3n biefeit
ßiebeiJöerl^ältniffen, toie fte ein Süngling fc^ilbert, tft
atterbingS t>xA Überfd^lD&nglic^eS, aber in ben ©efialten
po(i)t tro| aUebem toamted ^ergblut, fein blojs Haffifd^
lalter 3ö^or. — S)on Carlo« unb bie Königin ftnb })oe*
tif^ feiner, öerHärter. 3nnerli(^ miteinanbcr öerbunbcn,
entfagen fie freitoittig, ^ö^ere ßcbengjtoede im Äuge.
3)ie f^toärmerifc^e unb metapl^^ftfc^^ftiliftif^e
Siebe jtoifci^en SRaj unb Xl^ella, mitten in ^cg«* unb
©taatöaffären unb in eine rol^e beutf^e 3^** hinein*
gejn)ängt, ^at mid) niemals red^t edoärmen lönnen. (£«
ift unb bleibt trodener SbealiSmud unb n^urjeU in
ßant unb bem fategorif^en Sntperatit). Sfhtben^ unb
JBertl^a finb fc^mac^e äbllatfd^e biefer ibeeUen SJor*
bilber unb lieben einanber fd^ematifc^ — bie Siebe
ber Sol^anna öerüert ftc^ in bie SBoIfen unb ben
$immel, mo^in i^r folgen mag, wer baÄ imftanbc
ift ober Suft baju l^at.
$einri(^ ö. ^leift öerftel^t fi^ weit beffer auf
Siebe, in ber „gamilie ©d^roffenftein" toie in bem
innigen unb järtUc^en, nur tttoa^ pat^ologif c^en ^ätl^ci^en.
S)ie ©jene am ^oQunberbufd^ bleibt barum boc^ ein
loa^reiS bramatif^eS Siebedbijou. S)aiS ift fo ein (£rgu^
ec^t beutfd^er Siebe. „^ßentl^efUea" »ie @^afef|)eareS
„Cleopatra" finb Seibenf d^afti^rieftnnen, mel^r erf t^redenb
aU anmutenb.
9. kleine t^eatralif^e ©tubten (1877). 253
©riHparjer, bcr toeiMit^c Sinter par excellence
fc^Ubert und in SBertJ^a unb äRelitta bai üe6enbe
äXdbd^en, in @a^|)|o bad leibenfd^aftUc^e SBeib, in
ajicbca beibed. ®8 finb bic öerjc^icbcnften ßicbcSab-
ftufungcn unb jtc enthalten feine Süge, tool^I and) aBiber*
fprüd^e, »ie fte ber ©ici^ter bem meibtid^en ^erjen ab*
gelaufd^t. 9Jiit feinen fiieb^abem ergebt eg i^m »ic
bem großen ©oetl^e — fie erregen toenig Snterefje. S)er
mlb ftfimienbe Saromir mag noc^ angeben; ber rücf*
fic^tdloiS egoiftifd^e unb f(^Iie^Iici^ brutale Safon tt^irb
einem unangenehm, ia ärgerlid^ unb unaudftel^lic^;
$^aon ift r)'öüXQ unbebeutenb. 9%ur ^ero unb £eanber
bilben ein toa^rl^aft bramatif c^ed fiiebedpaar, an meld^em
man auc^ ben l^öd^ften Slnteil nimmt. 2)iefe beiben,
Jftomeo unb 3uKe im antifen Äoftüme, finb bie e^t
-öiebenben. ©ie Dergejjen bie Äu^entoelt toie bie SRatur*
elemente unb fd^reiten in füjsem Xraumleben il^rem
tragifc^en Untergange entgegen. @)riüparjer l^at @l^afe-
fpeare gtüdlid^ fortgefe^t ober ergänjt
Äu(^ g^iebrid^ §alm8 „Smetba ßambertajji",
eine Art SRac^a^mung öon „Siomeo unb Sutie**, ift
al8 eigentlid^eg ßiebedbrama ju nennen, unb bie inbifd^e
„©afuntala".
2)amit toäre beiläufig f o jiemli^ alled angebeutet,
wai^ auf bem 2;^eater öon Siebe in tieferer SBebeutung
gebracht »irb. S)a nun unfere SSül^ne im ®runbe fein
„ed^t germantfd^e«'' SiebcSibeal aufweifen fann, fo
254 9. tleine t^tralif^e 6titbien (1877).
muffen n)it und jur 9lot mit ber „romanifc^en" £ie6ed^
tragöbte meiter bel^elfen, auf bie ©efol^t, ba$ bie
„beutfc^en SKobc^en" aber bie gor gu l^ingebenbe 3ulie
mrUic^ il^re ^olben (Stumpfnäschen rümpfen foDten.
3)er ^l^ilofopl^ bed „Unbetoulten" ruft mir @oet^ed
,,ftenner unb (Snt^ufiafi'' ind (Skb&c^tnid. ^a& „iRoibel
jung", baS umarme £e6en, bie ©d^ön^it, bie bem einen
bad ^erj jerreij^t, ift bem anbem aUga fc^Iant, er
fturt fie an, entbedt ©ommerflecfen an ii^r —
2)oc^ er fturt unb ftiert unb regiftriert nic^t vergebens !
S)enn —
Um i^ Derfammelten SR&nner ft^^
^ie Ufti einen fienner nannten.
Slannar 1877.
3. Die tbeatralifd)e Gattung.
Unter meinen alten papieren fanb ic^ einen QMd
beiS ©c^aufpielerS ^ovn. (Er fprid^t barin über mein
romantifc^ei^ fiuftfpiel „f^ortunat" nad^folgenbed tafo«
nifc^eS Urteil aud: „@o trefftic^ bad ®iM gef einrieben
ift, fo bürfte bie ©attung bod^ auf unferm X^eater
Don bem ^ublitum jurüctgetoiefen totthtn.**
%xodtn, aber prattifc^. 3)er äRann l^atte t^eatra«
tifc^en Xa!t unb l^atte red^t. ^a^ @tü(! xoüxbt au^
ausgepfiffen.
9. Äleinc t^eatralif^e ©tubicn (1877). 255
mer bie Gattung! SBai^ für eine? äSeld^e tft bie
rechte? Unb ouf »ic lange ift fic'« unb bleibt ftc'g? —
SEBenn roxx hai beutfc^e Xl^eater in feiner (Sntoicflung
nnb äSeiterbilbung «verfolgen, fo ftnb t^ itotx ^au^t«
ric^tungen, nad^ benen ed fid^ feit jmei Sa^rje^enten,
unb jioar jiemlic^ ftetig fortbeinegt. ^aunt, ba| man
t)ox £efftng t)on einer beutfc^en SBül^ne fprec^en tonnte,
^an^öfifc^e @tü(!e, franjöfifd^er @t\ä)mad unb üater«
tänbifc^e ©efd^madtofigteit (®ottfci^eb) l^otten unfere
iBretter äbem)U(^ert. ttnfer einziger genialer 2)ramatifer
auÄ frül^erer 3^^*^ ©r^i^iuS, toar öergeffen — bie
„(Gattung'', ju tnelc^er feine Kt^n p^antaftifc^en @a(^en
(,,(Sarbenio unb Selinbe" uf».) gel^5rten, ^atte feit lange
aui^gegolten. 2)ie beiben älteren ©c^legel, SBeijse unb
anbere Xragtter biefer %rt ftotjierten in Überfe^ungen
n^ie in il^ren eigenen Sßerfen im ftoljen (Schritt bed
franjöpfc^en Ätejanbrincr* einiger; ®eDert8 ©d^äfer*
unb $aui^f|)iele unb äl^nlic^eiS f amt maffenn^eifen Über«
felfungen ober S3ear6eitungen repr&fentterten \>a^ Suft«
\p\tl; in Sßien ftanben bie taum t)erbannten, l^alb im^
proi)ifierten ^offen unb $an*tourftiaben no(^ in leb*
^after (Erinnerung.
S)ad ^öl^ere 2)rama, n^ie eS bem S)eutfd^en gemäjs
toar, nal^m erft mit ©c^itter feinen Anfang unb erfreute
fid^ aud^ balb ber leibenfc^aftlic^ften 3i^fti»w«i^"9 ^^^
Station, befonberi^ als ber 2)id^ter nac^ feiner um)äd^«
ftgen ,,5Räuber* unb gieöcoprofa" fic^ bem „3beali8mu3
256 9. Äleittc t^catralifd&c ©tubicn (1877).
in Jamben'' t)oQftänbig Eingab. 3n biefer einen dtidf^
tung, in {entimental^bramatifc^er Serfeftrbmung fegelten
bie beutfd^en Xragiter bem tonangebenben äReifter nun
gläubig unb ergeben nac^. 3ftxt mel^r ober uiinber %a^
lent ober ®enie, barauf tam'S eben nic^t an. ^lingenbe
^erfe unb eble @efinnung entjc^&bigen ffir mand^ed.
^a^ ^blilum ift nid^t efel unb nimmt and) gli^emben
@tra| unb bö^mifc^e Steine ftatt perlen unb S)ia«
manten an. ^aV ic^ boc^ mit eigenen D^ren t>er*
nommen, wie ber qaondam oberfte Sämmerer, ber
freunblid^ Wo^tooHenbe ®raf SÄorij S)ietrid^ftein ju
unferm guten Otto ^tdjtUx mif Aufführung eine^
beffen lebhaft betlafd^ter 3)ramen mit Überzeugung
fagte: „@ie ftnb l^alt fd^on unfer ©dritter!" — Otto
^ed^tler toar aber nur ein Heiner ©d^iQer aug jweiter
ober gar britter $anb — au^ ber be^ „3ri^5"''S)ic§ter§
3;i^eobor Sömer etwa ober au^ ber beiJ weinerlichen
^ouwalb, weld^em bereite unfer ^einrid^ t). SoQin
jambifd^ vorgearbeitet l^atte, bem „SReguIuä" bieieä
jebenfaß^ öerbienftDoDen Äutorg (bie Iragbbie ging
aud^ über oüt beutfd^en Söü^nen) wiberfu^r fogar bie
Sl^re^ öon bem großen ®oet^c feitifiert unb teilweife
oud^ gelobt ju werben, nur ba§ ber S)id^terrejenfent
jugleic^ ben bebenftid^en SRat erteilte, bag etwa^ ftoff*
arme^ fünfaftige ^rauerfpiel jufammenjujie^en, unb
jwar — in einen einzigen ?Ift. — 3)er Ion, welchen
Sc^iüer angefd^Iagen, Hingt nod^ immer fort unb fort,
9. Älctnc t^cattalifc^e ©tubien (1877). 257
unb aud^ bai^ ©d^aufpiel .t)on 9tebn)i^, ,,^^ilippine
SBeIfcr", tocld^c« in unfern Xagcn auf bcm ©tabt^
tl^catcr jur Aufführung gelangte, ift i^m nid^t untreu
getoorben. S)ie öorüberge^cnben Setben ber frönen
SürgerStod^ter l^aben bem 5ßubti!um faum weniger
2;ränen entlodt aU bte löniglid^cn ©d^mcrjcn ber
„aWaria Stuart" in ber großen Slbfd^iebg* unb SRü^r*
fjene.
©d^ißer l^atte grofee unb erl^abene ©toffe geiüäl^It
unb fie gro§ unb getoaltig burd^gefül^rt ; aud^ pa^te
ber glänjenbe unb präd^tig k)orgetragene äSerd ju ©el^alt
unb 2;on feiner SSortPürfe. Qubtm — ein jcber S)id^ter
l^at feine %xi unb SBeif e, bie an bem Stod^al^mer pufig
öerbrie^Kd^ fällt; allein auc^ jebe^ @enie l^ot feine
aWalel unb Keinen gledCen, bie man nun freitid^ ni^t
na^a^men foQte. 3)a§ (Senie felber gefällt fid^ jule^t
in feiner Jßiebling^manicr mel^r afö red^t ift unb öer*
fteinert fid^ tool^I aud^ barin. 3ft nid^t ©oetl^e« in ber
„3pl&igenia" ebenfo Kd^tflare aU innige, warme 5ßocfte
in ber „SÄatürlid^en lod^ter" big jur ©fegfäfte erftarrt?
©eine abftraften ^ßerfonen „^erjog", rr®raf", «^of*
meifterin", „SBeltgeiftßd^er" ufw. finb leine dramatis
personae, fonbern nid^t^ ate btutleere ©dienten, toddfz
fic^ in toec^felfeitigen, ^eriobifd^ tüofjH abgerunbeten
SReben unb (Segenreben ergießen — eine 2lrt poetifd^er
Äauäleiftil, ber nur in bem formellen SBerlin unb ba
nur ju einer gewiffen S^xt änllang gefunben. ©^ißer
6«^riften IV. 17
258 9. ÄIcittc tl^ottalifi^e ©tubicn (1877).
»irb nid^t fdtcn breit (tote im „S)on Carlos") unb
ollju lunftooQ unb jierlid^ befd^reibenb ober ouSmalenb,
anä) ba, too e^ nid^t ^inge^ört, toie in ber „Sungfrou
t^on Orleans'', toenn ber einfädle Sanbmonn 9iaimonb
t)on feiner r^trefftid^en" So^cmna fljrid^t, ber „eblen,
garten ^immetefrud^t". — „3efet tiebt fte not^" —
fo fä^rt er fort —
äe^t liebt fte nod^ ^u tool^nen auf ben IBergen,
Unb \)on ber freien ^aibe fürchtet fte
^erobsufletgen in (?) baS nieb*re 5S)a(^
%tt Sftenfd^en, n)o bie engen ©orgen too^nen.
Oft fe^' id^ i^r aui tiefem Zal mit ftitlem
(Srjlannen 3U, totnn fit ctuf ^ol^er ^rift
3n ailitte i^rer igerben ragenb fle^t,
ai^it eblem Seibe, nx{b hta ernften IBIid
^erobfenlt auf ber (Srbe Heine Sänber.
SBeld^e güße oon Äbjeftiücn! Unb »er ^at je
einen SBauer feinen ©c^a^ in fo jierlid^ gewählter
SBeije l^eraugftreid^en l^ören? — Sluc^ über „lett",
bie Sanbleute unb beren auggefud^te Slebeioeife tourbe
äl^ntid^eg bemerft unb ber grübeinbe SKonoIog beg
Slmtbruftfd^ü^cn (toorin er fid^ üor jtd^ fetber über
feine lünftige ©etoalttat cntfd^ulbigt), fotoie bie
berül^mte, an unb für fid^ l^od^poctifd^e SRebe SRcIc^*
tl^ate:
O eine eble ^tmmeBgabe ift
5E)ad Sid^t beS 9Cuge$ uftP.
9. Äleittc t^otralift^e ©tttbieti (1877). 259
mu^tc bell %ahd bcr Äritif erfahren unb nid^t mit
Unrecht, (Sincm 9Rcnfd^cii^ gubcm einem S3auer, xodäftt
bieJBIenbung feinet SSatcr« erfährt, eine Art öonBcfd^rci*
benber S^ria in ben SRunb gu legen, pa^t loeber fär
bie ^erfon, nod^ entfpric^t eiJ ber Situation. —
SWacbuff, tüdäftm bie Äunbe »irb öon bem ^in-
fd^tad^ten feinet SßeibeS unb feiner ^nber, mad^t
feinem ©d^merj unb gepreßten ©erjen in »eit natiir-
üd^«menfd^Iid^erer SBeife Suft „SReine Äinber aud^?
— ?Iud^ mein SBeib getötet? — ®r f)at feine Äinberl
— SHIe!'' — S)aiJ finb bie Sammerlaute, bie fid^ feiner
ttjogenben ©ruft entringen, unb jtoar einjeln, ol^ne
3ufammen^ang, burd^ bie Qtox\ä^tnxthm beiJ Stoffe
unterbrod^en unb beSl^alb um fo n^irlfamer unb ein=»
fd^neibenber. $ic ©l^alefpeare, ^ie ©d^iHer! 9Ran mu§
jebem feine Art laffen. 3)er Sngifinber finbet einen
©toff, ber i^n tl^eatratifd^ anjiel^t, ^aRacBctl^'' ober
„DtJ^etto"; meift ift eg bie grofee Seibenfd^aft, bieben
3)id^ter reijt, öon wetd^er er fetber erfüllt ift »ie feine
3eit; er fud^t nun feinem gelben auf ber Sü^ne ge«
red^t ju werben, unb gwar in trobitioneDer tJ^rm, toic
fte längft gang unb gSbe ift, benn ber gro^e ©^ale*«
fpeare ^at SSorgänger, öon bereu Slrt unb SBeife er
faum abloeid^t, fott^enig n^ie t^on bem ®ang ber 9io-
öellen, nad^ benen er feine S)ramen geftaltet, unb toenn
feine Xragbbien unb Äomöbien ein ^bl^erer ©el^alt er*
fiiat, fo ift eg, »eil er felbft ^ö^er ftel^t ate bie anbem,
17*
260 9. meint t^eatralift^e ©tubtcn (1877).
äte SDid^tcr, SBcttbid^ter ift et cinjig; alg S)ratnattfcr
mu^ tx jebenfaQS ate primus inter pares gelten. 9(uf
ber Sä^ne erfd^eint er, nad) ®oet|ed SluSbrucE, ald
„©pitomator ber SRatur", feine ©türfe finb ^bd^ft inter*
effante äJlärd^en^ nur öon mehreren 5ßerfoncn ctjä^It
3usege6en. 2)od^ gefd^te^t ba^ beiläufig in ber bereite
l^ergebrad^ten unb atjef)tierten ^orm unb mit ber
Ijöd^ften SSirtuofität; ber ^ß^antafie bei^ Qn^i^antv^
n^irb babei ein unenblic^er @d^aup(a| eröffnet, ber
um eine SSSelt über bie )oirfIid^e S3ü^ne unb fiber
bie ©d^öpfungen ber tl^eatralifc^en SSorläufer ]^in==
aufragt ©o ift ©l^afefpeare getnifferma^en ein
$omer^ »eld^em bie Keinem ^omeriben öorauiJ*
gingen*
Änberi^ fte^t e^ mit ©c^ißer. SBenn Seffing unb
@oetl§e t^or i^m n^aren, fo gel^t ber ©ritnber ber
beittfd^en Xragöbie bod^ üöQig anbere unb neue äBege^
bie auc^ t)on ben realtftifd^en ^faben ©]^atef))earei^
obttjeid^en. S)ie 3bee ift eg, öon toetd^er ©(^iUer au8*
ge^t, unb in i^rem S)ienft fuc^t unb tofi^tt er ben
©toff^ wetd^en er feinen Stozdtn gema§ be^anbeln unb
barum in nottoenbiger gotge t^ergeiftigen, in eine ^ö^ere
©p^äre fieben mu|. „3)on Sarloä", „2eD" ober
„SBaBenftein'' — fie finb bie 3)iener ber Sbee unb
jugleid^ bereu ©^mbole. 3)ag tritt am beutlid^ften
jutage in ber „Sraut t)on SReffina'' mit il^rem S^or
aU ibealer 5ßerfon. 3n ber SSorrebe ju biefer Srogbbie
9. meine %atralif(^c ©tubtett (1877). 261
nimmt bcr 3)id^tcr aud^ baö SRcd^t für fid^ in ^n^pinif,
bie ücrf d^iebcnen ^Religionen ate ein foüeftiüe§ ©anjeg
ju bel^onbetn unb »ic bie SReligion fetbft unter bcr
^fiße aOer SReligionen tiegc, bemgemä^ bie 3bee be«
©öttUd^cn poctifc^-p^ilofo^l^ij^ auggufpred^en. 3n
folc^er SBcife fa§t ber S)id^ter ben frei gewällten ©toff
{^mboUfd^ auf^ inbcm er il^n öerflärt nnb i^n in ha^
©ewanb einer nur i 1^ m eigenen^ mäd^tigen unb pt&ö)^
tigen ©prad^e Reibet, ju beren ©d^ttjung unb ging
nun freilid^ aud^ fämtlid^e 5ßcrfonen be^ S)rama», ^ol^e
tt)ie niebrige, fid^ ju ergeben genötigt ftnb. SDer Siad^*
o^mer ge^t aber immer nur auf ha^ ^u^ere; i^m
fe^It ber Äem ber ©ad^e, bcr innere ©cl^alt, bie be*
fruc^tcnbe gro^e 3bee — ftatt il^rer gitt il^^ njeid^»*
Kd^e ©entimentafität unb bie gorm be^ flingenben
SSerfcg, mit beffen Scil^ilfc er feinen magern ©toff in
bai^ pl^ere aicid^ ber ^ocfie jU crl^cben beftrebt ift.
Unb baS 5ßubtitum ge^t barauf ein- „S)a« ©tue! ift
fd^toad^'% ^ci^t e§, „l^at »enig ®rfinbung — aber bie
noble ©efinnung, bie fd^önc ©^rad^e!"
©eftnnung unb ©prad^e geben aber nod^ teine
Xragöbie^ fonbem aufiJ l^öd^fte ein mel^r ober minber
toirtfamed X^eaterftüdE, loclc^ed bie Xräncnfd^Ieufen gu
öffnen geeignet ift. S)a8 ift nun bie eine „ Gattung ",
mit todiftt bad beutf d^e Xl^eaterf)ublilum oon ©c^iQerd
(Spigonen feit me^r ald einem ^atben Sa^rl^unbert ge«
fpeift wirb, ©elbft ein wirflid^cr S)ramatifer toie
262 9. ftleinc t^cattalifd^c ©tubicn (1877).
■
t^riebrid^ ^atm tann e^ ittc^t untertaffen, fid^ tiorjugS«
weife ate fcntimentaler ©prad^funftler ju crioeifcn*
$etnrt(^ t). steift unb ©riOparier, Hebbel unb Otto
£ubtt)ig l^aben t^ bagegen tierfd^mä^t, bie ausgetretenen
^fabe no(^ »eitcr unb breiter ju treten, fte fc^Iagen
il^re eigenen, jum leil einfamen SBege ein, auf
benen fid^ eine genial angelegte SRatur, Wie bie
©rabbe«, in Döüige bramatifd^e SBilbniffe unb SBirr*
niffe öerior.
3u ber jtoeiten ^auptrid^tung unferer ©ü^ne ^at
Sefftng mit feiner „SRinna öon ^atn^dm'* ben S^on
angegeben, mit biefem bürgerlid^en StitQmSiht auf
^jreu^ifd^^militärifd^em §intergrunbe, tocId^eS ber SBer-
faffer „fiuftfpiel" nennt. a)a3 bürgerlid^e ©temcnt ift
barin üorl^errfd^enb, nid^t ofine SBeimifd^ung öon ©en«
timentaütät, ttjo^l nad^ S)iberoti^ SKufter. S)a8 Äomifc^e
ift burd^ mel^rere 5ßerfonen mit 9Äa§ vertreten. S)a
ift lein großer englifc^er §umor, wol^t aber ec^t
beutfd^e ^eiterfeit unb gute Saune. ®« ^räfentiert fxä)
uns ein munteret, etwa« f d^nippif d^eg Sammermfibd^en,
ein gemütü^er unb leidet feuerfangenber SBad^tmeifter,
ein fpifebübifd^er SBirt, ein berber unb treuer SBebienter,
f d^Kepd^ ein abenteuember Sranjof e, ber baS S)eutfc^e
rabebrid^t 3)iefe tjiguren aug bem «tttaggleben, wie
aud^ bie läd^erlid^e alte Sungfer, ber 5ßantoffeI^eIb, bie
böfe Sieben, weld^e gejä^mt wirb, biefe» unb ä^n*
lid^e« wirb auf ber beutfd^en S3ü^ne mit nie fe^t
9. filetne t^eatraltfd^e @tubien (1877). 263
fd^Iagenber äBirtung toieber unb n^ieber gebrad^t. S)er
groftc Sefftng l^at bcn SBcg eröffnet^ Sfflanb unb
fi!o|cbuc unb i^rc Slad^folgcr ^obcn i^n^ jebcr in feiner
SBeife^ fortgefe^t. SDa^ S3ürgeriid^e^ in frei gewählter
SBefd^ränfung^ baneben boS Sbeale jejutüeilen in Säften
fc^webenb — baS ift ba8 beutfd^c D^eater. §eutc
„S)on SarloÄ", morgen ^S)er Seitd^enfreffer'' — boS
ift unfer ^Repertoire.
(&^ lebt bemtalen lein großes bramatifc^ei^ @enie.
(£g mag too^I in ber Qtii liegen unb in unfern jer«
floffenen S^^ftänt^^r ^^% [^^ i>ic mobemen beutfd^en
S)ramatiler mit einem 9Äat auf bie attrömif d^en S^iftänbe
ber lafterl^aften Saiferära getoorfen. S)er alte lacitu«,
au« toetc^em man bie Reiften ©toffe gefd^bpft, l^at ba
oiel Unheil t^erf^ulbet. S)iefe „aReffalinen" unb „iRerog"
unb „Saligulad" bürften fic^ aber laum aU l^altbar
ertoeifen. 3)a§ Verrottete unb Äranle ift lein S5ortt)urf
für bie Irag5bie, bie fid^ nur oon großen Sbeen unb
£eibenf(^aften unb getoaltigen $onf(itten n&l^rt f^nben
biefe aber blo^ bei ben alten 9lömem unb ©riechen
ftatt? 3d^ benfe^ unfere mobemen fogiaten S^^ftä^^t^^
entl^alten ^inl&nglid^en ©toff für tragifd^e Äonflifte,
tt)ie un8 ^ebbet beren auc^ in feiner ^SRaria aRag»=
balena'' ^orgefül^rt; bedgleid^en Dtto Subtoig in feinem
„(Srbförfter". 3)ag ftnb StfidEe einer neuen „©attung"^
toeld^e fid^ bad ^ublitum nad^ einigem ßi^gem f d^tie^lid^
aud^ gefallen lie^.
264 9. ÄIcine t^cattalifd^c ©tubicn (1877).
SBcit fd^Iimmcr ftel^t t^ mit bcm ßuftfpiel, ttjcld^c^
aud feinem Bürgerlici^en 6efd^räntten ^eife burc^aud
nic^t abtueic^eu foQ. (Eine $ri)OQtgefeQf(^aft tie^ ftc^
unlängft ©rabbeg Suftf^iel „©(^c% Satire unb tiefere
SBebeutung'' öorfpieten. 3n bicfer pl^antaftif d^en Somöbic
fpielt betanntUd^ ber S^eufel in persona eine fRoQe. (Sr
fommt auf bie (Srbe, friert im ^ei^en Suli^ fe^t fic^
in einen ge^eijten Dfen unb fu^It pd^ mitten in ben
t^Iantmen, meiere i^n an bie l^5Qifd^en mol^nen, anwerft
be^agtid^. 2)em ^ublilum marb aber, toxt x6) t)t>
ne^me, me^r atö unbe^aglid^ bei bem ©atan^^umor,
bem äSer^ö^nen ber n^eid^en ©entimentatit&t unb
anbem lerfen ©^jfi^en unb ©atiren bei^ S)etmoIber
Slrifto^j^aneg. S)a8 ©tue! gehört eben au(^ unter bie
„Gattung", öon ttjeld^er nad^ ber bem&l^rten Änftd^t
beg SC^eaterpraltitug ^om ba^ öerel^rte ^ublitum nid^tS
toiffen »iU.
6ine freiere ©eftaltung beg SuftflJieli^ fd^eint ber*
malen nod^ immer nic^t an ber Qtit, aud^ U)ären i^r
bie 3ntenbanten unb I^eaterbireftoren im Dor^inein
abgeneigt. Sin leidster ©d^erj über ^rjte unb $(bt)o{aten
mag aUenfaQd ^ingel^en, aber eine ©atire über äTlinifter
unb SBoIfööertreter unb anbere priöitegierte ^erf bnlid^*
leiten I Anathema siti S)er(ei bebarf ed aber. S)ie
Äomöbie refpeltiert niemanben unb nid^tg, feine ^rf on,
leinen ©tanb, leine efjeptionette ©teUung. 8Ba3 alfo
tun? ^Bleiben wir bei unferer bürgerlid^en Gattung unb
9. kleine t^catralifd^c ©tubien (1877). 265
bei ben franj5fifd^en @^ebrud^dbramen, fd^ätteln tuir
aber alle 3ambenftücEe ab, bte unS nid^tö barbieten,
ate bic eblc ©efinnung be§ SScrfaffer^ unb feine „fd^öne
©^rac^e" !
gcbruar 1877.
10. moriz Scfowtnd zum Gedäcbtnis (1877).
3n meinem ß^^wter pngen jttjci SBitber Don
©(^njtnb. S)ag eine ift eine friil^efte Sugenbarbeit; ein
SRitter, jugtcid^ SBefd^ü^cr einer laum angebcutetcn^
tixoa^ berben äRaib, todijtx ein Ungel^euer befdnt))ft
SSermutlid^ 5ßcrfeug nnb Änbromebo. S)cr SKtter mit
bem auffpringcnben 5ßferbe ma^nt an SRop^ael» „$e*
liobor". 9Äan erfä^rt^ toelc^e« SKufter bem Süngling
t)orgefcl^n)ebt nnb mit n^eld^em poetifd^en ^and^e bad
9lQ^biIb angetoe^t ift. (£i^ ift jngleid^ berb nnb titd^tig
gemalt nnb in bem emft*bnnfeln Ion gehalten, »ic er
bem ©toffe gejiemt — S)ag anbcre SSitb riil^rt aui^
ben fpäteren Sauren be^ Äünftlerg l^er nnb gel^ört
unter feine „SReifebilber" beren er an bie öierjig gemalt
nnb bie er too^t aud^ atö „Snftfpiele" ju bcjeid^ncn
liebte. @raf ö. ©d^arf in äJlünc^en ift ber (Sigentümer
ber 3Rel^rja^I biefer löfttid^en ®d^5pfungen. S)ai^ eine
©tüdC^ ttjeld^eg id^ befi^e ift au§ ber „©d^ttjinb^^Äui^*
fteQung" belannt SBir beibe afö junge Seute (er war
feinerseit fd^Ianl unb mager toie id^) fal^ren auf einem
„Seitertoagen" in einer poetifiert^öfterrcid^ifd^cn ®egenb.
10. a»oti5 (Sd^toinb autn (SJcbdc^tntÄ (1877). 267
«ud^ ber gul^rmann^ bie 5^crbc^ allcg ift cd^t öfter*
rcid^ifd^^ »ic toir fclbcr. 3)ic garbe cinfad^^ natüriid^,
llar^ I{d^tȟbcrgoffcn. (Sine ^anbjeid^nutig ouS feinem
legten ßebenSja^re ^angt über bem SBilbe. S)ie Scxd^^
nung ^at btei «bteitnngcn. 3m SÄittcIftüdE ftfet ber
alte, längft jiemlid^ lor^jntente grcunb, nad^ bem Sebcn
getroffen. 3)ie 3^9^^^ ^^ ^^^ $önb, »enbet er feine
immer feuerfpräl^enben tieinen Slugen be^aglid^ f d^mun«
jetnb nad^ mir, ber im ©d^Iafrod ft^l unb i^m au8
einem SÄanuffei^te Dorlieft S)a^ tt>ar öon jel^er be«
tJreunbeg SBegel^ren, f o oft er ju mir, toie er ftd^ aug*
brüdfte, jum „Seöer" tarn, ©n ©d^ullamerab öon un8
beiben (er ftarb erft im ©ommer biefeg Sal^reä 1877)
orbnet bie Sudler in meinem Qxmmn. JRaimunbg „3u*
genb"* fd^webt über nni^ unb fd^neibet mir bie tJeber;
©d^ubertg ®üfte blidtt freunbüd^ auf un8. — S)ie
Slbteilung red^t^ bringt eine SBiener ©efeUfd^aft öon
anno bajumal, S)amen unb ^enen mit einiger ^orträt«
äl^nlid^leit; fiifjt tobt feittodrt« auf bem Älaöier, 3n
ber Abteilung (intd fd^tt^ebt bie eüoai^ berbe 9^ntp^e
beg ©tamberger @ee8 über ben SBaffem; ein Slad^en
mit n^eiblid^en unb männtid^en t^iguren lanbet eben
on bem anliegcnben ^äugd^en ©d^toinbg. — S33er toei§
nid^t, mit meld^er Anmut er ju geid^nen oerftanb? (Sr
ttJoUte bie ©Kjjc mit SBafferfarben leidet lolorieren
unb mid^ an meinem ©eburt^tagc bamit übenaf d^en —
ba überrafd^te i^n ber lob.
268 10. SOloria ©d^minb aitm (Iteb&d^tnig (1877).
Sd^ bcfa§ nod^ ätoci Heine SBilbd^en beS greunbcS,
bie xä) berettö t^or 3a^ren einer ^reunbtn überlieg:
einen bärtigen Süibejal^I, n^eld^er burc^ ben SSalb
ftreift Ätteg braun^ aiecEe wie ©dume. ffiin märc^cn*
l^after Ion. — 3)ag anbere JBilbd^en fteUt einen ledEen,
^ro^igen Serl bar in farbenreid^en^ ^eß fd^immemben
©elpänbem. (Sr fc^eitet bal^in, atö gel^brte i^m bie
Sßelt. SBir Ratten und aber ®d)mnb tufltg gemad^t^
wenn er in feiner übermütigen Sonne toar. 3>a
f(^mierte er bad 3)ing in ein ^aar ©tunben jur (£r«
innernng ^in.
3c^ erwähne biejer fiinftterifdfien Äleinigleiten, bie
ebenfo d^arafteriftifd^ gejeid^net aU int S^arafter gemalt
finb, ein jebeg in garbe unb Ion Derfd^ieben. SKir ift
f el^r xoo^l betannt^ bag man überetngelommen ift, unf erm
®c^n)inb, n^ie aud^ feinem 3^itgenoffen Jtautbac^ (unb
biefem mit totxt me^r 9led^t) bie t^arbe gerabetoegd
abjufprec^en, n^enn man il^n aud^ aU Stx6)ntx gelten
lägt. SebenfaQg njirb man onerlenncn muffen, bag er
fein £ebelang e^rlid^ bemüht mar, feine ^^^arbe ju
fuc^en, unb biefe jebedmat bem eben gen^a^Iten ©toffe
anjupaffen. Seber ed^te ^nftler mug fic^ mehrmals
abl^äuten unb Dennanbeln. S)ad gilt toom ^aitx
fo gut n)ie t)om 9J2ufiter unb 3)id|ter. 93on ber
,,8aune beg ScrUebten" unb ben „aKitft^utbigen" big
ju „tJauft" unb „Sp^igenia", t)on 3»ogart§ erften
ßlaüierfonaten, an benen no(^ bie (Slementifc^e (Sier«
10. mont @(^tt>inb sunt (S^ebdc^tnid (1877). 269
jd^alc Kcbt bii^ jur ,,3upitcrfQutp]^oiite'', ju „S)on
3uan'' unb „S^^^^^^^" ^^^^ ^SRcquicm" — ido8 für
ein SBcfl, locld^c $^fcn! 9Ran c^ aber bie ijoll*
enbeteu @(i|öf)fungen etne§ äReifter^ nid^t eben bamtt,
ba§ man feine ?lnfänge üerad^tet. 3n ber -ßunft gibt
e^ Übergänge, feinen fogenannien „äbenounbenen @tanb^
^nnft''. fSäai einmal £eben ^atte, lebt für immer.
S(naIreon§ Xaube girrt l^eute nod^ toie t)or jmeitaufenb
Solaren unb SatuIId Xrauer um ben Sterling feinet
3Käbd^en§ Hingt toal^r unb innig n^ie an bem Xage,
an todiftm ba^ ©ebic^t entftanben U)ar. SlQe ^unft«
uferte fte^en übrigen^ in einem gen^iffen 3^f^^^^n^
^ang unb fo jiemt ed, bie ^unft ba fortjufe^en, tx>ü
fie bie legten SKeifter gelaffen. Äud^ in ber SKalerei
gibt e8 einen ^omer unb ^omeriben toie in ber ^ßoefie-
3)er moberne Äünftler (nic^t ber aRobefiinftler) wirb
fid^ in baS £eben ber Slntite foulte ber mittelalterlichen
Äunft öerfenlen, o^ne beibe neu auftoärmen ju woüen.
SBeld^er 2)ic^er n^oQte aud^ eine Blas post HomemiD
f d^reiben ? SBeld^er üRaler wirb baran bcnfen, bie tote
d^riftüd^e SW^ftil ju galöanificren, bie magern ^eiligen,
bie gefreujigten unb in £)t gefottenen ÜKürt^rer gu
einem neuen ©d^einleben (ju unferer SKarter) wieber
aufguUjedEen! — 9Kan ijerfte^e mic^ aber red^tl SWan
foQ nid^t etoa tun, atö wären Jupiter unb (Sl^riftud
gar niemals auf ber äBett gewefen! @ie waren ba,
finb nod^ immer ba, unb man tann il^rer gar nid^t
270 10. ailoria @(^tQiitb sum O^eb&c^tnid (1877).
entbehren, f elbft bei^ alten OlQm))ierd^ romn man aud^
nid^t me^r „beim S^^^" \d)toM unb bem fitebl^ober
fo toieler gbtttid^er unb (£rbenn)eiber (eine ^efatomben
mel^r opfert finä) bad alte 9lömer^ nnb @ried^entum
lebt unb blü^t nod^ frifd^, nur anberS aU in ber
ftetfen^ franjbfifd^en Xragdbie, bit ftd^ einbtlbete, e§
nad^jua^men^ aber nur eine ftarrifatur baraud ju
ntad^en Derftanb. 3m „Suliui^ Säfar'' ift bai^ 9i9mertum
neu unb lebenbig »lieber gefd^affen, aber nid(|t ffir alte
tote 9tbmer (n^ie etnia in SoQind „8tegulu§") fonbem
für frifd^e tebenbtge (Snglänber, fowie ^Sp^igenia'* nic^t
im alten ®ried^enftil, fonbem in mobcm^beutfd^er 8e*
beni^empfinbung gebid^tet ift. — 3n ebenjold^er SBeife
l^at aud^ ber gro^e Sometiui^ l^eibnifd^ed xoit d^rift-
lid^ei^ fo gut gebrandet unb benäht n)ie il^rer 3^^^
9tap]^ael unb SRic^el «ngelo,
%ae ^nft ift Übergang, allein ber 9iap^aelfc^e
SBcg, fagt man uni^^ ift nid^t fortjttfe|en — mag fein!
Sielleid^t ebenfoujenig loie in ber SKuftf ber 3Jlo^
jartfd^e. $(ber mu^ man barum hinter ^op^atl unb
ju Slementi jurüdEIel^ren? ®eioi^ nid^tl 3n ber ^nft
gilt nur ein SSortoärt^. S)ai^ @d^öne ^at Stapl^ael in
feiner ärt unb SBeife gebrad^t — fe^t ju, ba§ 3§r
e^ in ber eurigen fd^afft! SBenn bie mobem*(^riftUd|ett
SRalcr g^efole nad^al^men »ollten, bie 3^rtnirfd^ung,
90&t5tung^ bie ^immlifd^ DerÜ&rten unb lungenfäd^tig
abgewehrten ßeiber unb ®efid^ter, fo toar ba8 eben
10. SD^oria Sd^tDittb sism (»eb&^tnt« (1877). 271
eine ^a^rice^ eine SRarotte toit eine anbete, SBenn ba-*
gegen bie ntobeme ^nft in f^ontreic^, ISetgien unb
2)etttfc^Ianb bie Xed^nif unb ben (Sffelt qnand mfime
obenan fteQt, »vorauf man ja, toit in ber SRalerei
aud^ in SRufit unb ^oefie (ftel^e 9hc^arb SBagner^
$ebbel^ ^amerling) mit unrul^iger $aft l^inftürmt^ fo
tiegt bem Stegen unb Stit^ren aQer ber ftfinftler^ aQer
ber fünfte jule|t baS unauSgefproc^ene (Sefü^I gu^
grunbe^ ba| man beS l^ol^Ien Sbealen fatt unb über«
jatt ift^ fon)ie ber SR^tl^oIogie unb ber (i^riftlid^en
fBb)\ül, ba| man im ®egenfa|e gu bem SDbgeftorbenen
unb ausgelebten ftd^ auf baS 9leale^ SBirltid^e, f elbft
unb mit (Sriebte toerfen u^iQ^ auS bem ftd^ .fpäter^in
ein neues SbeeOeS n^o^I t>on felber geftatten n^irb.
S)er neue SBeg mag anfangs n)ie Übertreibung er«
fd^einen — allein aus ßcben wirb £ebenl S)etaCToif,
3ngreS^ S)eIarod^e, @allait unb toit fte aQe l^ei|en^
l^aben £ebenbigeS gebrad^t^ aud^ bie neuen Sanbfd^after
finb ber ©^mbolil ber Statur um ein SDterllid^eS
n&l^er gerftdCt — unb ol^ne ©Emboli! feine ftunfti
(SomeliuS n^ar ber @c^öpfer ber neuen ^nft
unb ber ©rünber einer @d^ule^ aus n^eld^er aud^ unf er
@c^tt)inb l^ert)orging, obne barum feine (Sigentumlid^«
feit ju i^erlieren. S)er junge Huftier l^atte lange ge«
brandet, bis er ftc^ emporgerungen unb «gefd^n^ungen,
bod^ gilt er nun als baS, n^aS er I&ngft n^ar. 3u
poeüfd^er Songeption fommt il^m fein £ebenber gleic^^
1
272 10. 3Jtox\% Sc^minb gunt ©ebad^tnti^ (1877).
faum nol^e; ba tft oUeS frifd^ empfunben^ naiärlic^^
menf d^ttc^ n^a^r, bobei toQ $umor^ @eift unb ©rajie.
Sd^ erinnere nur an bte „ficben Sioben". 2)ie SWeiftcr*
fd^aft in ber S^^^^wg jt)rac^en i^nt jelbft feine
©egner ntd^t ab. — SSon feinen äiemKd^ ja^treic^en DI*
gemötben möd^te id^ oor aOen „Shtter ^rtö SöxanU
fal^rt" l^erau^^eben. ®r matte baiS 93ilb in SBien. 3(^
fa^ il^m oft bei ber Wcbeit ju. S)ag nette poetifd^e
SSerl entftanb n)ie eine äJliniatur, mit taufenb unb
aber taufenb feinen ^infelftrid^en, ^at aud^ bie redete
5arbe ffir ein „Suftfpiel'', toie er eS nannte unb eine
lebl^aftere, atö man fonft bei il^m gen)ol^nt ift. SiS er*
ging aber bem Sünger mie feinem großen £e^rer^ bem
a^eifter SomeliuiS. S)ie ))oetifd^e $onjef>tion n^ar bei^
ben bie ^auptfad^e unb bie ift immer ebet unb f^ön.
2)ie heutige moberne unb t^irtuofe ^rbented^nif eines
SDtalart unb anberer tt)ar il^nen ebenfo fremb al&
ba« JBijarre, ja häufig SBibrige ber SBortoürfe, bie
nun gang unb gebe ftnb^ toit ttioa hd @abriel äRa;.
^ie aj{alermufe toar feufd^ bei ben finnigen unb ge«
mfitüoQen ^nftlem unb geijte nic^t nad^ ro^en
(gffelten.
auf ber „JBrautfa^rt" finb fienau, id^ unb anberc
^eunbe angebeutet, ^ie lange l^agere ^gur im f(at^
temben %aiat xoax im ßeben einer unferer ©^mnafial*
profefforen. Seanber Äönig ^at auf meine wie auf
@d^n)inbS geiftige SluiSbilbung einen großen (Einfluß
10. moxxi ed^minb autn «(ebftd^tnig (1877). 273
ausgeübt ^obd toai^^ ein tpunberlic^er ^aug unb eine
mcp^iftop^elif^e ©eftalt^ bie bem Äünftter öot:*
\6)toAtt, al^ er bem £e^rer ba^ malerijd^e 2)enl^
mal je^te.
Sn „SRitter Äurt« Srautfa^rt'' geben fid^ bereitö
aüt SBorjüge bed äRalerbid^teriS in @rfinbung, (Sl^arat
teriftif, Wie in ber ^öc^ft glücftid^ natüriid^en ®Tvip^
pierung !nnb. S)ie jal^Ireid^en ^erfonen, ber 9Ktter
mit feinen ©täubigem^ bie auf i^n einftürmen^ unb toaiS
baju gel^ört, baran l^ängt^ ber ganje ben^eglid^e unb
ben^egte ^^ro^ fteDt, ol^ne fic^ ju br&ngen ober fid^ im
SBege ju fein^ eine einfädle, lebenbige, fortfd^reitenbe
unb üoQIommen t^erftänblid^e ^anblung bar* 9Ran ^at
bie Sntpfinbung: baS mfiffe aQei^ fo fein, fönne gar
nid^t anberiol ©emalt ift ha^ 3)ing ganj eigene! 3Ran
a^nt bie gol^IIofen ?pinfelftrid^e, »eld^e nötig »aren,
um ein fo feinet, Keines unb üoQenbeteS @ange ju
fc^affen unb fü^tt fid^ bod^ angenel^m beriil^rt, aud^
burd^ baS jarte ^otorit, bl^ne an bie äJ^ül^e beS
^erüorbringenS ju benfen. S)aS mad^t, baS S3ilb ift
nid^t ängfttid^ gemalt, nur gen^iffenl^aft. Unb ei^
ift ein eigener ®tit, ber nur biefem 3ÄaIer ange*
l^ört, gerabe ju biefem SSormurfc gel^brt Äurj, eS
ift ein reigenbeS ^abinetti^ftüd unb man mu^ nur
bebauem, ba§ ber Huftier nic^t SWufee unb Saune
fanb, um mel^r unb öieteg biefer Slrt in« fieben ju
rufen. —
C4tlft<ii IV. 18
274 10. Wtoüi 6(l^totttb Bum OMiä^ima (1877).
®6)tDinh ^atte fid^ feit Sauren beinahe aui^fd^Iie|:»
Kd^ auf grcSlomalcrct geworfen. 3)a^ ift eine Äunft,
bie immer aufd ntnt n)ieber entbedt n^erben mu| unb
bei n)et(j^er ba^ ro^e äRateriat, n)ie ^df unb @anb^
eine n)eit größere 9toQe f^ielt^ afö man gen^öl^nlid^ an«
nimmt. Unb nun gar bie t^rbe, bie rafd^ unb Ud
aufgefegt totcbtn mu^, folange ber 3R9rteI nod^ frif^
unb feud^t ift ^a ift tt)entg nad^}U^infetn^ nad^ju«
beffern! SRipngt eine fjigur^ fo gilt e^ gtcid^, ein
@tüdC SBanb l^eruntersuf dalagen, i)on neuem anfangen I
^rj, ed ift t>xd $anbn)erf babet^ t)id ^nftgriff bei
btefer ^unft, unb ba i^re Xed^nil feit lange i^emad^«
läffigt n)ar, etgentlid^ erft feit (Someliud tokbtt ju
(E§ren lam, fo l^atten feine 9lad^foIger aQe ^änbe t>o\l
ju tun, um ber @ad^e jur Stot geredet ju »werben.
SSa^ bie ^tten für gel^eime ^nfte befa^en, um i^re
®rb* unb äRineralfarben fo frifd^ unb l^eQ unb für
ett)ige ß^i^^ii aufjutragen, barüber ift leiber bie ^nbe
nic^t JU uns getaugt 9(ber bie f^arbe ift ba unb
fprid^t laut genug 1 — ©d^winb mu|te mir fclber ju*
gefte^en, ba§ feine fJrcSlofarbe in ben öerfd^iebenen
^erioben feineiS äRalenS l^öd^ft oerfd^ieben toar. (Er l^at
alfo feine ^rbe gefud^t, tt>ie feinerjeit fStop^ad, toie
auc^ a^eifter (SorneliuS, ben er fo l^od^ l^alt. @d^n)inb
l^at bie f^arbe, toiiä^tx er nad^ftrebte, nid^t immer ge«
funben. SRan öergteid^e feine ©tiegenbitber bei Art*
^aber (bermaten SSertl^etmftein) in S)öbling bei äBien,
10. moxxi 64toinb aum (S^eb&d^titid (1877). 275
bie @ad^en in ßartSml^e^. auf ber SBattbutg, in
Steid^eni^aQ. ®i^ finb l^öc^ft t)erfd^iebene SJerfud^e nnb
@tufen. $eQ mu^ gemalt »werben, baiS n^ar bem jungen
Anfänger f c^on in S)öMing Mar — aber Ma| ift nid^t
^eQ, unb jene @tiegenflijjen n^aren fd^on in intern
Sntftel^en matt unb finb nun betnol^e g&njlid^ erlof d^en
unb öerbta^t 3n ber golge ging'8 beffer. SRon lernt
gu unb llbung mac^t ben SReifter. 3m neuen Opem^
^aufe l^atte ©d^winb fein SWeiftertoerf ju tiefem unb
l^at eis auc^ geliefert, n^enn man bie ^onjeption beS
fangen inS %uge fa|t. S)ie ^artoniS jur „3^^'^^''
ftöte", bie ate greifen für bie ^^fioggia" be8 Il^eater»
au^geffll^rt n^urben, fon^ie bie (Sntmürfe }u ben Opem^
f jenen füriS ^o^er finb tängft nad^ il^rem i^oDen Sßerte
gen)ilrbigt n^orben. ©c^toinb l^at in biefen SBerfen
einen l^ol^en 9leic^tum i9on ®rfinbung unb ^antafie ent^»
n^idelt unb bad S3efte unb @ebiegenfte in feiner 9(rt
unb Steife barin gegeben. SSad bie ^uiSfitl^rung ber
Meinen reijenben Figuren im großen betrifft, wie aud^
bie f^arbengebung, fo finb tabetnbe Stimmen baräber
laut gen^orben. 3d^ übertaffe biefe ©treitpunite unb
i^re (Sntfd^eibung mit Sted^t ben lompetenten Kennern
unb Äunftrid^tem. — SRur ein» erlaube id^ mir ate
Saie ju bcmericn: greifen finb leine (Sffeftftürfe, toie
etwa bie großen äRafartfd^en @ad^en, bie n^unberlic^en
?ß^antaftcn einer gärenben 3ugcnbfraft, öon bereu
©d^öpfer man nod^ immer nic^t mit ©ic^er^eit öor*
18*
276 10. mov\% @^)Dtnb sum (0eba(^tnid (1877),
aüiSfagen lamt^ ob fid^ ein echter, gottbegnabeter
SÜtnftler aus tl^m §erauStt>Qc^fen toixb ober nur ein
Xoufenblünftler«
S)ie @d^tt)inbfd^en Sßärc^enbilber erforbcm ©tim*
mung, loie fie fte tttotättt, fte )pirlen poetifd^ unb
f^mbotifd^, baS reid^e unb mannigfattige Seben, totl6)ei
fie enü^alten, fd^Ue^t immer toieber ein neues ©d^öned
auf ^ je me^r man \xd) barein öcrtieft unb e8 einem
jule^t Ilar tt)irb, ba^ es nur ber innere &tf)alt x%
bie eble Harmonie öon Stoffe ©til unb g^rm, »o*
burd^ irgenb eine ©c^öpfung fid^ jum toa^xm ßunft^
»eric erl^ebt. —
^ie SSiener @d^n)inb^^uSfteQung ^at jur Genüge
bargetan^ »eld^e ©d^öpfungSfraft in bem ÄünfÜer
tag, toelc^er SReid^tum öon ffirfinbung unb (B^aralteriftif,
©eine ^anbjeid^nungen finb nun t^oQenbS unfd^&|bar.
Sd^ erinnere nur an Sad^nerS S3iograp]^ie unb an baS
Jölatt; „©d^ubert unb feine greunbe".
2)er poetifd^e Äünftfer griff au^ bem $anb*
wer! unter bie Arme unb lieferte bie grajiöfeften
3eid^nungen für Ul^ren, SSafen, S^ifd^auffä^e unb
bergtcid^en.
911s ©d^minb im Opeml^aufe matte, tarn er eines
morgens ju mir — „^ä) bringe bir et»aS" — fagte
er — ,,id^ toei§ ni^t, ift eS gut, mittelmäßig ober
üöUig j^c^Ied^t. S)u toeißt, ba§ mir biefer ©toff feit
Sauren unb Salären im Äopf ^erum rumort — aber id^
lO; a»orta Sd^toinb pm (Skb&d^tnid (1877). 277
fütd^te^ tc^ hin }tt alt^ tc^ fann nid^ts ®ef d^eiteS me^t
tnad^en."
äSaS tt^at^S? SßaS l^otte er tnitgebrad^t? S)te
crftcn (Sntoürfc unb ©lijjcn jur STOdufine. — S35tr
fallen nun bie glätter burd^^ bie aQetbtngiS üon un«
gleid^artiger SluSfü^rung mren, bod^ i9on Stterd^
fd^n)äd^e ertötet fid^ an il^nen leine @pur* Unb ber
jagl^aft befd^eibene äReifter n^enbete ftd^ nm ^udfunft
unb Urtett }uerft an ntid^! Sßarum? SBeil er vxidf
liebte, toit x6) il^n. Unb menn ii), ber ^nftlate, nic^t
einmal S)ilettant, beut Xed^nifc^en ber äJ^alerei gegen-
über t)öQig ein ^embling, n)enn id^ mid^ über biefe
neue ^onjeption aussprechen foQte, fo mutete er mir
baio iu, n)eil ic^ feine @eele lannte, fein poetifd^ed
®emüt, toeit id^ feit unfern Sugenbjol^ren ein beftdn:»
biger ^^^9^ ^^^ I8eg(eiter feinet ©trebenS unb
©d^affenÄ »ar. — SBir berieten un8 nun über bie
^om))ofition, mel^r über ben poetifd^en @toff al§ über
bie lünftterifd^e SluiSfül^rung. (Sinige ber @Iijjen toattn
bereits fo i^ortrefflid^ angeorbnet, ba| nichts baran ju
änbem ober ju Derbeffem n^or, über anbere, mtnber
gelungene, famen n^ir in lebenbiger S)iSluffton balb
aufs Steine. ^6) bat nun ben Huftier um bie @r^
laubniS, bie 93Iätter, bie mid^ entgüdt l^atten, inS^
gel^eim tin paar f^eunben mitteilen ju bürfen, wi
aQem bem lunftfinnigen, babet tritifc^en S)effauer, aud^
einer ebenfo tiebenSn)ürbigen, atS geiftreid^en unb
278 10. äRorta (Sd^toinb sunt (S^eb&^tntd (1877).
poetifd^ em^finbenben ti^an, toeld^er aud^ id^ meine
S)ramenflii2en t^orjulegen gett)ol^nt n)ar. @d^n)mb l^telt
ntd^t mtnber gro^e ©tüde auf bie ^ame.
aRetufine ift nun I&ngft in aQer äSelt Rauben,
unb tDtnn bad poetifd^e SBerf als ©ettenftfid ju ben
„Siaben" biefen nid^t t^öQig gleid^Iontntt, fo grenzt eS
bod^ junfic^ft baron.
SRorij ©d^toinb ift unb bleibt ein Unilunt, 3)er
le^te Stomantiler. (Sin ©titdC äRittetalter n)ar in i^m
Xükbex ins £eben getreten, jugleid^ i)on bem leben^
bigften ^auc^e ber ®egenn)art angen^el^t. S)er SRenfc^
ftanb aber nic^t hinter beut ^nftler jurüd. (Sr matte,
wie er »ar, unb »ar, tt)ie er matte. ®r unb <3d^ubert
tparen fräftige Urnaturen. S)a n^ar nid^ts @emad^ted,
nid^tS Sont^entionellei^, nid^ti^ Ungelranletted! 3^re
SRujc tüd^tig unb gefunb »ie ftc fetter. 9Wd^t8 SJer*
blaßtet, tt)ie bei uni^ ©ejeüfc^aftgmenjc^en! — 3(^
l^abe in meinem taugen £eben feinen S)ritten ge«
funben, loetd^en man jenen beiben ^&tte gleid^fteQen
bürfen.
äRit @c^n)inb bin id^ bereit!^ in ber erften @ram«
matifalltaffe gufammen gefeffen, mit @d^ubert erft im
SBintcr 1825 in ein nä^erei^ SBerl^ältniÄ getreten.
@d^minb brachte il^n eined abenbS iu mir. 3d^ mu|te
ben ^reunben auf il^r S^erlangen Dortefen. 3d^ gab
il^nen ein Meine«, fogenannteS romantifd^eS, foü ^ei^en
l^alb t)errädEteg ^rama jum S3eften. 2)ann ging'S anS
10. aftoria ©d^toinb aum Okbad^tnid (1877). 279
^tai)ier. ©d^ubert fang feine neueften £ieber, aud^
fptetten. toix ötcr^änbig. hierauf ini^ @aft* unb Äaffee*
l^auiS. S)er neue ^reunbfd^aftöbreibunb toat gefc^Ioffen.
%on ba an n^aren n)tr ungertrennHd^. 3)aiS ging fo
Weit/ ba^ toir in bcr erften Stxt toed^f etoeif e bei ein*
anber übemad^teten, vdo benn ber SRitteUungen lein
(Snbe mürbe. Sn ber Sugenb ^at man ftd^ fot)ieI )u
fagenl S)ad X^ema: ^nft ift ja unerfc^öpflid^. ^ud^
ba^ ber £iebe. ^^ntid^ gefinnte ^eunbe fd^toffen fid^
und an, aud^ an anmutigem n^eiblic^en Umgang tDar
fein SJ^angel. ^urg, unfer fiebenSfd^iff fteuerte bamatö
mit t)oQen @egeln, bid t^ einen argen 2ed unb 9{i^
belam. ©d^ubert ftarb am (Slifabet^tage, am 19. 9to«
öember 1828. —
9I§ ©d^ubertd @tatue im @tabtparf aufgefteHt
»urbe (am 15. SRai 1872) fanb id^ mid^ mit granj
fiad^ner (leiber o^ne ©d^toinb!) bei ber geier ju*
fammen. — ,,aBei§t bu nod^" — erinnerte mic^
fiac^ner — „tt)ie id^ bir mit ©d^ubert feine neue
mer^önbige 5ßl^antafie jum erften SRal öorgefpiclt?"
— SBir refapitulierten über^au^jt unfere Sugenbjeit
£ac^ner ift fem unb bie anbern alten f^reunbe finb
nid^t me^r. SRit n)em foQ id^ nun relopituUeren?
@c^n)inb befa^ einen fd^arfen, burd^bringenben
SSerftanb; fein frifd^er, nid^t feiten berber $umor ift
allgemein belannt. SBiete feiner fc^tagenben SinfäQe,
tote Äugfprüd^e über Äunft unb Seben toerben pufig
280 10. fOtotih Sc^toittb sunt ©ebäd^tntS (1877).
gittert, fein goIbeneS ©etnüt brid^t ba6et überaQ ^etdor.
@o in feinen ^Briefen on mid^^ au8 benen fid^ ber
3Kenfd^ unb Äünftler toie relonftmieren Iie|e. 3c^
gebe l^ier einige ^uSjüge.
Äug SÄünd^en, toeld^eg er parobierenb ein „SBier*
l^aug ber ©eifter" nennt, berid^tet mir ©d^toinb im
3a]^re 1832: ^(SomeliuS mad^t (Süangetiften üon ber
©rö^e eineiS mächtigen ßanbl^aufei^.''
@eine @el^nfud^t nad^ Sßien unb ben f^reunben
(@riOparger, £enau, i^ud^terdteben u. a.) fpric^t fid^
toieberl^oU auö. — ©ner unserer ©d^utfreunbe ^attc
c8 nur bi» jum SWorltfd^reiber gebrad^t, ein anberer
nal^m feine SSi^irtfd^afterin jur f^au. @c^n)inb bemerft
barüber: „SSon @Iobi toti^ xä) ed fc^on, ba^ er bie
äSutter numeriert unb ©tau; l^at fein Sßafd^fa^,
feinen Äoc^Iöffel geheiratet — 93raöo!"
(Sr reift nad^ Stalien unb fd^reibt mir im Sa^re
1835: ,,SSon SJenebig fenne ic^ bis je|t ben SRarfug:'
pla|. ^a^ anbere fie^t nieberträd^tig an^ unb ftinit,
aU ob baj^ Sßaffer nod^ auS ben ßeiten ber 9iepublil
ttjäre."
Äug ^artSrul^e in ben t)ier3iger Salären: „®^
finb täd^tige £eute l^ier, aber aQe einjeln, lauter
Siobinfone. 3)a8 ift einmal in S)eutfd^(anb nic^t anberg
unb baran fd^eitert aUeg."
@d^n)inbS S93ibem)it(en gegen bie ^unftaugftel^
tungen fprid^t fic§ au8: „3)a8 table d'höte-ffiffen auf
10. mvx\% (Sc^minb sunt (S^ebäd^tniiS (1877). 281
beit ^nftoereinen bringt bie ^auiSmannSloft au^er
@ang unb mit il^r aQeS ©elbfterjeugte unb (Sd^te/'
3m Saläre 1842: „Sd^ »iH bcn StJ^cin ein tocnig
terloften unb ben Kölner S)om nod^ feigen, beoor
il^n ba8 einige 3)eutfd^tanb öcr^unjt, — ©er SWcnfd^
^jra^It unb ®ott ja^lt"
@r n)ar }um erftenmal SSater gen^orben unb ba
^eigt ed aui^ ^arföru^e: „SBon meinem £eben l^ier ift
^ar nid^td ju fagen, ed ift fe^r fd^tec^t^ hx& auf eind,
baj^ id^ bir aud^ n^ünfd^e: mein Keines, poffierlid^eS,
loIetteS, gefd^eiteS, (aunifd^eS, eigenftnnigeS, gefälliges,
freunbtic^eS, t^erftedteS unb j&rttid^eS fÜH&btl. S)ie
^ntid^feit" (mit bem SBater) ,,ift beinahe unöer=*
fc^ämi"
3m Sa^re 1845 aus $ariS: M tft bie ^aupU
ftabt öon S)eutf erlaub, »aS ift ba öiet gu reben! —
S)ie 2)eutfd^en ^oben baS fär unS n)id^tigfte (Element
nic^t: ben ßofatftolj. SRaturli^ »eil fte öber^au»)t
leine greube an ber $eimat ^aben."
(3n SBerßn ift baS je|t anberS gen)orben. W}cx
Sßreu|en ift noc^ lange nid^t S)eutf c^tanb I)
Aus granffurt fd^rieb er mir frül^er (unterm
4. SRoöember 1844) einige öielteid^t nid^t allgemein
belonnt geworbene S)etaitS über ben ©eginn ber
^an!^eit unfereS gemeinfamen ^reunbeS £enau: ,,S)u
toirft wiffen, wie eS bem guten SWembfd^ gel^t 2)a id)
bvLxä) bie gamilie feiner öortrefflic^en JBraut t>on bem
282 10. mox\% ®(^minb sunt Okba^tnig (1877).
@ang feiner ^anfi^eit unterrichtet hin, toxU td^ ntc^t
öerfäumen^ btr, toai iä) tDti% barübcr mitjuteilen,
um fo me^r, atö bte legten 92aci^ricl^ten l^offnungi^DoIler
Statur ftnb. ®r fd§ am 29. September beim grii^ftiict
(aQe ©d^riftongelegenl^eiten loaren in Drbnung unb er
n^oQte aU übermorgen ^ierl^er lommen), a(i^ t^m, mie
er felbft j^reibt^ ein fonberbarei^ ©efül^I über ben
Körper bi^ an bie ttnfe SSange lief. (Sr fprang an
ben ©piegel unb ba bie Knie ©eite be8 ©cpc^tei^ öer*
jogen erfd^ien^ rief er aui^, er fei öom ©daläge gc^*
rii^rt. S)ie Ärjte erHärten bie ffirfc^einung für eine
rl^eumatifc^e ©eftd^tdmu^Ien&l^mung, bie fid^ batb ^eben
laffe unb auc^ toirftid^ öerfd^wunbcn ift. 3nbef]en jeigte
ftd^ balb^ bo^ er feiner ©ebanfen nid^t mel^r $err fei,
inbem er einen ?luffa| fc^rieb, beö 3nl§altg, ba^ er
burc^ ein mufifalifc^eS SBunber gereift fei, ben er
burd^auö tooDte in ber „?HIgemcincn Leitung'' abbrudEen
laffen. S)ann famen ^^antafien bie Sioc^t burd§, ftellen*
meife^ Srrereben bei Xag, bt^ enblid^ baiS Übet in
Xobfud^t überging, bie bie traurige SRa^regel not«
tt)enbig machte, il^n nac§ SBienental (SBinenben) ju
bringen. S)oftor ?ßfifeer ful^r mit i^m l^inauiJ unb öer«
Iic§ il^n ru^ig, »iffenb »o er ift, nad^ einem ©pajier*
gang im (Sorten eingefd^Iafcn. 9lad^ S)oItor ßetteriJ
Slu8f<)ruc§ fottte er ganj l^erjufteQen fein, toenn feine
Äörperfr&fte au^reid^en. ®in Srief 3^0^^ ^d^t
Xage fpäter fagt: Sid^te unb trübe, ruhige unb
10. a)2oria ©d^toittb ^um ^ebad^htiiS (1877). 283
ftärmifd^e äRomente toed^felit ab. (Sr l^offe t)tet
unb fürd^tc öiel. — 3n feinen (fienau8)
$]^antaften tontmt nid^tö üor al8 @ci^n)ärmerei über
SRufif, feine Sraut unb baiS ®tfirf, bem er entgegen
gel^i JHfo feine fije Sbee. SSon ber S^rauer unb bem
(5ntfe|en, ba8 bie erfte Jlad^ric^t verbreitete, ift nic^t
}U reben. SRir ift, feit man wieber l^offen fann,
ein ©tein t)on $ergen." (S)ie Hoffnung toar leiber
trugerif d^ 1)
3tt einem ©riefe aui granffurt t)om Sa^re 1847
lautet e8: „S)er fd^Iec^te 3#önb ber SRalerei in SBien
ift mir fel^r erttdrlic^. ÄHeg »aS gemacht n)irb, ent*
ftel^t toic eine SluSarbcitung in einer fremben ©prac^e,
ii'ie 2ur S^% ^^^ S^nj 3)eutfd^Ianb tateinifd^ fc^rieb
unb einen ®ermani8mu8 für ben öerpönteften gelter
l^ielt. 2)a lann nic^td ©efunbeS ^erau8!ommen, nid^t
einmal etn^a^ £ebenbige8. 93on einer 9laci^a^mung ber
alten ©eutfd^en fann nic^t bie Siebe fein, aber öon
einer Äbftammung unb SSerwanbtfd^aft, wie fld^. bie
©prad^e im f^uft gu ben Sfleimen be8 ^anS ©ac^S
t>ttff< Sd^ red^ne mir'8 jum SJerbienft, baS ju wiffen,
unb bin jufrieben, wenn id^ beitragen fann, ba^ ba
fortgearbeitet wirb, wo Wa8 @^te8 wad^fen fann. S3ei
eud^ $oeten ift ba8 ganj anberd, aud^ bei ben 9J2ufi«
fern; 3a^r ^abt eine fertige ©prac^e, bei unS erwartet
fie, wenn nic^t il^re Srfc^affung, bod^ t^or aQem il^re
Slnerfennung."
284 10. ajioria Sc^toinb jum ®cb&(^tnU (1877).
3n fil^nttd^cr Änfd^auung, babct in gcbrficftcr
(SccIcnftiöUttung, äußert er ftd^ anö) im Sa^rc 1850:
„SBcnn meine ©riefe an bid^ gerabe metand&ottjd^er
unb verlegener pnb, fo fd^reib' e^ bem nic^tönufeigen
©efü^Ie ju, ba§ iä) wn gar feinen ffirfolgen erjagten
fann unb mid^ bir gegenäber fd^&me, eine fo geringe
gigur ju fpielen."
SWorij ©d^totnb eine geringe %xsiix\ Aber eä
erging il^m, wie feinerjeit unferm ©c^ubert^ ben erft
nur ein Keiner f^eunbeSfreid ^oc^ l^ielt, bai^ gro|e
?ßubti!um aber lange öemac^Iäjfigtc. — gür ©d^toinb
tt)ar aber bie Qtxt ber Änerlennung eben ^erangerüdEt.
©eine ^anbjeid^nungen unb Silber fingen enblid^ an,
Auffeilen ju erregen unb öerfd^afften il^m bebeutenbe
Aufträge, tok auä) einen SRuf ci^ ^ßrofeffor nad^
3)!ünc^en. ©ogar in SSien backte man an baS £anbeg«
linb! 9uiS äJ^änc^en fc^rieb er mir bar&ber: „Sßegen
meiner ^Berufung ^at man ft^ äRu^e gegeben, bad
n)etg id), aber eiS fd^eint eben nid^t 3U gelten. (SiS mu^
einer nod^ einen ©tuntpfen ^aarjo^^f im Seibe l^aben,
fonft lönnen fie i§n nic^t braud^en. Übrigens ptte ic^
für bie biSl^er befe^ten ©teQen mic^ bebanü C^ne
Äfabemie ift ein Unfinn, tt)ie er fid^ nid^t fd^öner auS'*
benfen lä^t, unb id^ l^abe ^ier, n^o eS n^enigftenS fel^r
geringe Qdt foftet, fc^on öoHauf genug baran. SBenn
nic^t eine fel^r förbembe ©teöung für einen SKater
gejc^affen tt)irb, toenn man feine Äunftoerfe don mir
10. a^oria @(^toinb aum (»tbHä^tni^ (1877). 285.
miQ^ unb itoax baiS S3efte unb ^l^nfte n^oS td^ machen
fann^ fo jt^c ic^ l^icr beffcr."
@^toinb l^atte mir im Saläre 1852 fein nod^ l^alb
unfertige^ Äfd^enbrbbd burd^ »an ber SRüß jur ©n*
ft^t gcfd^idt S)a fd^teibt er nun: „Item bic Qt\6)n\mQ
ift fc^on (ange loieber ba unb t^ ift beren SuiSfül^rung
fd^on ^fibfd^ t>oxQtmäL SSegen ber äßolerei mac^e bir
feine @orgen. S)aS Sj^ee^ot^enfd^e ^Ib toar fd^on fom«
))(iiierter atö bad neue unb l^at bid^ boc^ befriebigt.
SBo8 eine SRaffe Silber finb in einem gematten ©aal^
unb finb fte l^armonifd^ be^onbelt, fo unterftü^t ein^
bad anbere. 9ber t^ ^at feine ©d^n^ierigfeiten. äSoS
fott id^ tun? 3d^ ^abe jwei l^iftorifd^e ©toffe ba liegen,
einjelne JBitber, aber bafür braud^e id^ faft £eben8*
grö|e unb tt)a3 tue id^ mit ber „Petfc^en" (sie!), »enn
fie mir niemanb ablauft ^ö^ Qtxd^nnnQtn l^abc id^
Gntioiirf e auf Saläre — ba e* feine Sllbumblotter finb^
fann fie niemanb brausen, fotpie mir fär bie Stx6)^
nung ju bem SSeetJ^oioenfc^en S3ilbe, bie aQeS entjüdCt
^at, fein äßenfd^ aud^ nur fUnf @rofd^en geboten
f^at S)ie einen fagten, e8 ift nid^t gemalt, bie
anbem — mm fann baiS nic^t maten. S)a mu^te id^
fro^ fein, baf ber .^nig t^on ©ried^enlonb eg
um einen n^al^ren S3ettel bod^ n)enigftenS looQte, unb
id^ bod^ ©etegen^eit fanb, ju geigen, ba§ man itoax
nic^t, aber ic^ t^ malen fann, S)er JBeifall »ar
l^inreic^enb unb ba tnad^te id^ mid^ hinter bie
286 10. SRoris (Bd^tsnitb ixaa O^eb&^tnU (1877).
Sf^enbröbel, bie mir f^on lang am ^erjen
liegt." —
Unterm 2. 9[))rtt 1854 f^reibt mir ber f^rennb
and SRün^en: „Se^t I^Sngft 2)n an einem romantif^en
@toff, befto beffer. 3^ l^öre j[e|t f o üiel t>on 9lomantif,
ba^ i^ ni^t mel^r genau toti%, mai^ bie £eute bar-
nnter üerftel^en. ^nt mi^ ift bie romantif^e Sßelt bie,
too man feine f^einbe nieber^aut, für feine fjrtennbe
ind f^ner gel^t unb einer üerel^rten ^an bie
t^ü^e tü^t. 2)ajn ein $intergrunb Don gefnnber
unb lebenbiger 9latur ftatt unferm ftanjleitif^.
Siel anberd n^irb'i^ bei bir au^ ni^t fein. Slfo
nur ju. —
3^ ^änge mit einer n)a^ren SEBut an bem fieben
ber l^eiligen Slifobet^. 2)aiS ift eine 3^itl @d ift alled
ton2i|)iert, aber an bie Sudfül^rung ift erft n&^fted
Sal^r gu beuten. 3)en Sommer über toiVi i6f feigen,
n)ad in (Sifena^ unb äRarburg noc^ 83rau^bared gu
finben ift. 2)ie Sf^enbröbel ^abe i^ an einen $riüaten
üertauft, aber ni^t n^ol^Ifeiler, fonbem teurer afö fie
ber ^önig £ubn^ig betommen l^ütte." (3)er ftönig l^atte
lange mit il^m barüber l^erum gematelt unb moQte, mie
©c^toinb in einem frül^eren ©riefe fagte, „fo üiel geben,
aU für ben nü^ften belgif^en l^e^en, t^on bem ei^
gn^eifel^aft ift, ob t^ eine Sanbf^aft ober ein Dfentürl
ift." — 3)er Äfinftter Derlangte aber eine namhafte
(Summe, „^a toerben @ie feinen Käufer betommen.
10. a^ori) ®4t9tnb )um O^eb&c^tnii» (1877). 287
Stebfter, Ißefterl" meinte ber ftöntg^ @o jerf^Iug ft^
bie @a^e.)
„Ätfuen unb {Raunjilanberl" (Älejanber 8ou*
mann unb 2)effQuer), „fünt Dper f^reibenb! äRi^
|oQ'd freuen, menn fte nod) mad anberd bot^on l^aben,
aU bad Vergnügen bei^ ©Raffend, ober i^ traue tl^nen
bad aXa^ Don f^ec^l^eit unb Srmfeligteit ni^t ju,
ba« nötig f^eint, um ic|t &IM ju ma^en. (£«
ift in ber SRalerei au^ fo unb mirb bei ben $oeten
ni^t üiel anber» fein. -^ SBa» f agft bu benn gu bcm
Si^ter^of, ber ^ier angelegt mirb? @eibel l^obe iö)
lennen gelernt, baiS ift tein ilbler äRann, aber na^
ber ganzen Kompagnie l^obe iä) tein 93er(angen. 68
mu| aQerl^anb £eute geben, baS ift ri^tig, aber bie fo
gufammen gehören, foQten beifommen fein. äRi^ inter«
efftert bie gange l^iefige Sßirtf^aft, £a^ner audge^
nommen, nic^t um tvxvx ftreuger. 3^1^ Überfluß mirft
fi^ ber gange ^(bungSeifer auf Sl^emiel^ (Unter Wx^
fül^rung SiebigS.) „3^ gelte für einen gemeinen fterl,
toeil i^ mi^ erltärt l^abe, i^ ging erft in bie 93or«
lefungen, toenn ber homouculus gemalt toirb. XinqtU
ftebt f^eint mit einiger Ungnabe behaftet" — uf».
3n einem SBriefe Dom SZoüember 1860 ^ei^t ed:
„3^ n)ei|, bai^ Diele Strbeiten ift ein £after, aber
glei^n^o^I mu| id^ @ott bauten, ba^ i^ no^ foDiel
(Sifer in meinen alten ^o^en ^abe, ba^ i^ ni^t
na^Iaffen tann, bi8 i^ ein angefangene^ ©tuet
288 10. aJloris ^ä^ttnvb %vLm (»Mä^tni» (1877).
ju Chtbe gebrad^t l^abe. @o ^ing id^ biefen ganzen
©ommcr Dom l^albcn 3um big jcfet an einer 11 fju^
f^oö) unb breiten 3)arftettung ber ^eil. brei Ä5nigc. 3c^
Iie§ meinen ^ül^nerl^of " (^rau unb Äinber) „auf«
£anb ge^en unb blieb allein in ber @tabt, n^eil ic^
bad gro^e 2)ing nid^t mitnel^men tonnte. @enug, je^t
ift eg überftanben, big auf bie le^te geüe, ju ber man
wieber ganj frif^ unb auggerüftet fein mu§. 2)u toirft
bid^ Dielleid^t n^unbem, mid^ an ^r^enbilbem ar«
beitenb ju beuten, ber Xeufel mag aber al(en)eil bai^
Mmli^e ma^en, unb unfer einem !ann ed au^ ein«
mal vergönnt fein, bad iRobelfte in bie ^anb ju
nel^men, n^ag ti gibt 3^ l^abe mi^ ganj reftauriert
baran, einmal -alle malerif c^en äßittel ^u tommanbieren^
unb eg fd^eint, na^ bem 93eifaD, ben bie @a^e finbet^
jiemlic^ 2^ gelingen. (£8 ftel^t in ber SRalerei gan^
anberg alg in ben übrigen fünften. S)a8 ^blilunt
ift bur^ bie bidl^erige ^anbl^abung unferer ^nft ge«
toöl^nt, einem S3ilbe gegenüber eine feierli^e San^
»eile ju cmj)finben, bie fi^ in einen no^ Iangn)citt=^
geren $ang ju fritifieren auggiegt 2)en @(egenfa|
bittet nur eine tteine Äugtoeid^ung ing fiüfteme ober
@emeine, bag fid^ l^inter bag SWalenlönnen öerftedEt.
^ommt einmal etn^ag, bag ben 93ef(^auer irgenb innere
lid^ anregt, wie ein ffirlebnig, muß einer ein toenig
tacken ober toeinen ober fd^wärmen, fo ^olt er bag
ganje für ein 3)ilettantentt)erf. Sag l^abe id^ l^unbert*
10. aRorts (S^minb sum ®ebac^tnid (1877). 289
mal erfal^ren. @o mad^t ti benn aud^ gfreube 2^
jetgen^ bajs t^ t)on ber ^nft gerabe faüiel berftel^e
unb nod^ mcl^r, ate bie anbcm „®ifpcUi" (1) aud^.
^u l^aft red^t^ bie fdaxbaxti ift im Slnjug, aufl^alten
fann id^ fte nid^t, aber l^abe id^ mi^ fo lange Saläre
nid^t irre mad^en laffen, fo fann fte mir ie|t DoQenbS
gefto^Ien n^erben. (Sd l^anbelt fid^ in ber SRaleret noä)
um \o t>xtU^, xoa^ bie anbent ^nfte l^inter ft^ ^oben,
ba| id^ lebl^aft n^ünf^e, no^ 20 gal^re arbeiten gu
fönnen^ um baS toenige ni^t f^ulbig ju bleiben, um
£eben unb Sxä)t in bie @ad^e bringen gu l§e(fen. Ob
e^ üiel ober n^enig ift, fümmert mid| gar nid^t, ob
man mi^ ^o^ ober niebrig fteDt, nod^ t)ie( n^eniger,
i^ beute meinen graben fo gut auiSgufüQen ald ein
anberer. 3d^ ^a(te mi^ forgfältig auf (an) bie Sennt«
niS ber neuen Literatur; in mnfiicalibas ift nid^t t>iti
2u Idolen, unb ftaune, koie n^eit baS mit ber SRalerei
audeinanber liegt %iki, n)a8 i^ -lefe, ift auS unferer
3eit, aui^ unferer 93ilbungdftufe entftanben, unb loenn
n^eiter gar nid^td, fo ift eiS bo^ in beutfc^er ®pxad)t
gef^rieben. S3ei uni^ ge^t bie $älfte barauf aui^ ein
3)ajein üon 800 Sorten ju affeftieren, bie anbere
befleißigt ftd^ einer ^olbfeligen £ämmel^aftigteit,
bie gar leine Stetig nimmt Don ber $5l^e ber S3i(bung,
auf ber toir leben, unb entnationaliftert jlnb fte
aQe. S)agu geregnet ein giemlid^ (angtoeiligeS £eben,
faft ol^ne äße Anregung, ba fann man fid^, toenn
•Stiften IV. 19
290 JIO. S»oria ©d)W{ttb lum (»ebftcfttiti« (1877).
man nur tttoai leiftet^ f^on feines ^Ux%ti
nil^men." —
3m ^offi^ 186b, ßctcgcntli^ ber Äup^rung
meines ©^aufptcIeS: „2)ie SBauern öon SBeinSbctg''
fd^rieib mir ber f^reunb; ,,ä8enn baS JBoIt no^ fo
l^ingeriffen ift unb merft am Qtttbt, ba| üon 2)ingen
bie Siebe tft^ bie fte angel^n, 2^ ^^^^ f^^ [^^ 6^-
tennen foDen, fo ^aben fte teine (Sourage. S)aS tuirb
no^ lange bauem, bis baS anberS toirb^ toa^rfd^ein^»
It^ t)xtl länger, als eS no^ bauem n)irb, ba| gute
©a^en gemalt »erben. —
^r 3RittetmäJ3igteiten laffen tuir unfer JOeben«
pr fo ein ^oll etoaS ®uteS fd^reibcn, ft^ SRfi^e
geben^ ftd^ feinem bummen Urteil auSfe^en^ baju ge^
^9rt eine @äte beS ^ergenS unb ein fC&ofjUtooütn, für
baS aQein taum ein Sol^n genug ift. 2)a^ bie gange
Station um fo t)itl mel^r toert ift, menn fte ftd^ mit
einer 3Reifterf(^aft ^ral^Ien tann, baüon moQen toir
gar nid^t reben. 3c^ n^eijs eS gu f^ä^en unb baS Igabe
iä) bir mit meinen ungef^ictten äBorten fagen n^oQen.
Viyat et proficiat!" —
„Sei uns gel^t eS ganj närrif^ ju" — l^ei^t eS
in einem S5riefe aus SDiünd^en öon bemfelben Saläre
1865 — „Tantum abest ut eS mit SBagner auS fei,
ut potius auf SlHerl^ö^ften Sefe^I jur Sluffü^rung
beS Oratoriums ©lifabet^ üon Sif jt gerencj gef^ritten
tverben foQ. 3^ l^abe biSl^er immer geglaubt, eS fei
10. aDJori} ®(4toinb pm @(ebftd)tnid (1877). 291
bic 3ärtU^feit für ba^ 9RtttcImä§ige, woran uitfcrc
3ett leibe; ed \ä)txnt ober Bereitö bai^ @tabtum be^
Fanatismus für baS £um))ige eingetreten ju fein. @e^
»)iffe Slätter fangen Bereits an ju agitieren für einen
folennen (Smpfang äBagnerS, unb jtoar bie l^bci^ft
liberalen."
3m Sai&re 1865 ^atte er im SBiener D|)eml&aufe
2u malen begonnen. 9la6) äRünc^en ^unictgete^rt^
j^rieb er mir:
,,Unfer StufentJ^alt in SBien ift foröoä^renb ber
©egenftanb unferer Unterl^altung. 5^au unb locliter
freuen fi^ getoaltig. 3^ tooQte, man gäbe mir irgenb
einige @ulben beS Sal^rS^ fo bliebe id^ gleid^ unten.
(£S gefd^el^en l^ier ber 3)umm^eiten fo aujserorbentlid^
gro^e, bajs eS taum mel^r angufd^auen ift. 3)u n)irft
eS ni^t glauben, aber ber ^em beS $anbe(8 ift ber^
ba| ben @tänben eine Sr^5l^ung ber 3i^i^Iifl^ 3^9^^
mutet toerben foD, bamit ben SBagnerf^en ffor*
berungen Genüge geleiftet n^erben t5nne. Unb gar
feine fleinenl" —
Sßenn n^ir in ^nftanf^auung meift DöQig über^^
einftimmten, fo waren toir nid^t immer einig über
^ßolitil unb SReügion. 3n biefer SRicIitung jog i^ ge^
legentli^ mit einem Oebi^t: „An einen JRomantiler"
polemifd^ auf ben greunb loS. (Sr nal^m baS mit
§umor auf, unb ber politif^e Unfinn, unter welchem
19*
292 10. 2ßoria ^ä^toittb sunt (»tb'dä^tni» (1877).
toir aQe Kttett; braute il^n jute^t meinen Slnfid^ten
näl^et. Shtr in feinen religiöfen Übergcugnngen tte§ er
ni^t mit fid^ l^anbeln^ unb als iä) il^m üBer ben
traurigen ©eelenjuftanb einer greunbin f^rieb, bic
uni^ beiben f el§r na^e ftanb, unb im ©d^merj, jugleic!^
im Unmut^ i^ mid^ t)ieUei^t fteptij^er au8bru(fte
ald ei^ mir im Snnem (ag, ba antwortete er mir am
6. m&vi 1866 mit (Sntfc^ieben^eit: „^a& bu uom
Sluf^ören beS SnbiDibuumS fagft^ bai ginge mir ge«
rabe ab. (SS ift mir mein fiebtag nid^t eingefaQen,
baran ju gtoeifeln." (Sidmlid^ an ber fjortbauer ber
Snbit^ibualität.) ,,ä8ie ober n)o, baS mad^t mir leine
©orgen. (Sollten toir toirlti^ unfern alten Sd^ubert
nid^t mel^r feigen unb fo ryklt ^^reunbe, unb foHten
feine guten S^age bereitet fein für fo üiele^ bie i^r
ganzes £eben in Dual unb ^anf^eit jubringen? f^ür
bie arme 3 , bie immer franf unb je^t no^ f o
toaS auSl^alten mu^I 3)ai^ n^äre l^art.''
®^ ift aud^ l^art SSie bad £eben überhaupt.
Wax 30. aRarj beiSfelben 3a^red tommt er aber:«
mafe auf baSfelbe I^ema: „SBegen be§ Scnfeiti^ fag'
id^ tt)ie bad fd^5ne Xerjett üon ^a^bn:
3a, «ettcr, ia, id^ fatt* tuä^ Bei,
SDag 2W unb gfreunbfdE^aft Sorbett {ei,
& ift mir ober tDof)i babei.
Äant! ©pinoja! bie breiten fi^ im ®rabe um,
toenn id^ mid^ baran ma^te^ il^re ©Triften ju lefen.
10. SWoria ®6)Xomb %nm ®eb&(^tni8 (1877). 293
^örc id^ auf ju fcin^ fo. Bin i^ aud^ ni^t in bcr
£age, ntid^ über get&ufd^te ipoffnungen gu befeindeten;
falzte i^ aber fort ju fein^ fo ift bem einen red^t^
n^ai^ bem anbem biQig ift, unb eS trifft bi^ aud^ unb
bu n^irft ^offentlid^ ni^tS bagegen l§aben, mit einem
alten metapl^^fif^en ^ameraben }ufammen ju treffen.
SSorber^anb n)oQen n)ir t)on ^ergen n^ünfc^en, bajs
unfere Uebe ^eunbin lieber in bie ^öl^e tommt, fei'8
au^ nur fo n^eit, ba| man i^r geigen tann, ba^ n^ir
in b5fen ©tunben ebenfo an il^r l^angen ali in guten."
(Äann ftd^ bie eble unb reine ©eele eine3 alten SWanne^
guglei^ einfa^er, natärlt^er unb finblid^er an^*
brüdEen?)
Mm 30. ?lpril 1868, gelegentli^ ber SBiener »er*
l^anblungen über bie fonfeffioneßen ©efefee unb baS
Sonlorbat ]^i|t e8: ,,®8 f^eint angezeigt, bir ju gra*
tuUeren, benn bie ©reigniffe in fiammer unb Ferren-
I^au8 fc^einen ber Wct ju fein, ba§ bir ein großer
Gefallen bamit gef^iel^t. SUumination, ©riUparger atö
Senator l SBiöat ^o^l Sauter f^öne ©ad^en. Se^t
tt)oQen n)ir nur n)ünf^en, ba| alles aud^ nad^^ält unb
ju wag ®utem fü^rt" (Satoo^t!) „§ier gibt c8 SRen*
fd^en, bie fel&en über» 3al&t bie ©uittotine aufgerichtet,
fo feft fi^t bie Übergeugung, ba^ man aUeS aue $ariS
begießen mn% ^oV^ ber leufetl — 3^ bin fc^on feit
t)ier äSod^en nac^ ä8ien untermegd, tann mid) aber
immer ni^t aud ben Srmen einer fd^änblic^en &x]ppt
294 10. SWorij ©d^ioinb ^um ®cba^tnt8 (1877).
{odtoinben, bte mid^ beim @^opf l^at SuS Ruften
unb ©knüpfen luoHte id^ mir nid^tS machen, ober ein
allgemeine^ ®(enb liejs mid^ ben ganzen Xag fd^Iafen.
— 3)ie Äonjerte brauten »iebcr einen 2Rarf ^ t>on
©^ubert^ inftrumentiert — par Sifjt Äuö bcm Zrio
ein ^bagio gemad^t^ im äßarf^ Xafte eingefe|t, lutj
« . . mü^te er bo^ einfel^en, ba| er an ©d^ubert gu
öerbeffern burd§an3 nid^t berufen ift.** -^-
3)er ^reunb n)urbe liad^ unb nad^ ettoad gebre^ti^.
„SJleine Arbeiten gelten jo jiemlic^" — f treibt er im
aJiai 1866 — ^id^ fpürc aber boi^ gro^e «Iter. 8on
bem großen Qtx6)ntn, too man fo üiel fielen mu§ unb
ben Slrm f o »eit öon ftd^ ^aften^ tun mir bic Änod^en
»e^," — „SBir jWei finb jefet balb bic legten" —
l§ei§t eg im Slpril 1867 — „unb bu ^aft re^t, fort-
juarbeiten unb feftjul^alten^ tt)a8 ju l^alten ift. — SKeinc
Arbeiten finb in Drbnung, nur l^ängc i^ no^ an
einigen nadften ©enien, bie in ber Suft l^erumffattem,
toa^ mir bei biefem ipunbewetter gar nic^t öon ^erjen
ge^t. gür ben erften SÄai ift tjorberj^^nb meine ?lbreife
feftgefe^t^ alfo bauert'^ nid^t mel^r lang, baJB id^ mid^
»ieber beim Seöer einfinbe — aber toie! 3ebenfaß2
afö bein alter untjeränberter greunb."
3)en ©ommer 1867 über arbeitete er im Dpem«
^aufe mit großem Steige, aber aud^ mit Slnftrengung
unb SÖefd^werbe. 3m September öerl^eiratete er feine
mittlere Xod^ter 9Karie — „toa^ aber nic^t fo luftig
j
10. a^orts @<l^fa}titb aum ®d&4htid (1877). 29Ö
tft, ate fcttft $o%it Ratten l" fc^rcibt ber »atcr mit
$umor. — „3)tc ©d^crcrei init ©toat unb . Äird^e
bringt einen faft nm^ benn btefe, toie t& f d^eiht, . l^l^e^
feinblid^en @etoatten t^etlongen immer nod^ ettt)ad @e^
fd^ricbeneä^ »cnn maxi glaubt^ fertig jtt ^cin. -r gür
mi^ beginnt ein neuer SebetiSobf^nift 2)a8 ^p&f id^
f el^r beutli^ an ©d^merjen in ber $äfte, bie titelt
gering fhtb unb bem nervns ischbttlctis (Uitschi-
hatschicus) jugef ^rieben toerben. (^e^en lanii id^ ganj
gut, aber ft^en, aufftel^en unb bergleic^en mad^enntid^
jlaud^jen unb üon ©trumpf anjie^n ift gar teine Süebe.
SBenn id^ ba8 ni^t anbringe, fo n^irb nid^t tiiel mel^r
ju arbeiten fein.''
$ai^ Sal^r barauf, aU feine Xod^ter SRarie
(S3auemfeinb) ein l^arteiS ^nbbett audjuftel^en ^tte,
fd^reibt er: „3)ie gute 5^ . • . ., »enn fie (eine re^tc
£uft l^at gu l^eiraten, mdd^te fie^S bo(^ \a lieber bleiben
(äffen. 3)a8 2)ing bauert fel§r lang/ l^at gar teine
t^erien, au^ nic^t eine @tunbe, unb ^at. im beften
l^aQe noä) immer feine ^aten. S)ie armen SBeiberl
SBir l&aben mit unserer SRarie toai probiert l*"
Unterm 12. ©egember 1868: „SÄit ber ÜÄelufine
bin i^ fo jiemlid^ im @ang* (SS gab nod^ t>xtl gu
beulen baran — e8 ift aDe« georbnet unb eingeteilt
unb bie paar ©tfidfe, bie id^ aufgcjeid^net l^abe, Kappen
gut. Sßirb barauS, n^aS u^iQ, ee n^irb mi^ ängenei^m
bef^äftigen. S3i(ber gibfd genug auf ber fCSdt, toa^
296 la aftoria Sä^falnb sunt O^ebä^tnid (1877).
tuf^^ tt)enn eins vxi^xlxt? ({ine ©(^uBertiabe ift au^
fertig geiootben, aber i^ l^abe fie an bie SSanb ge«
fteOt, toiellei^t n^trb fie int Siegen gut, n^ie bie ^01%^
a))feL 9>ie (Sammlung Don @elegen]^eit8gebi(||ten ift
je|t überSte. SO. ®onft noö) aOer^nb Heine ©ad^en.
— ©ratulier^ bir, ba| bu ber geftrigcn SJorftettung
ni^t l^ft aniODl^nen muffen.''
(Sr l^atte mir nämlid^ gu (Zugang beS Sriefed
bie Slupl^rung meine« ^a)X)pxtii ,,%u^ ber &t\tü^
fd^aft'^ auf bem äRiind^ner ^oft^eater nid^ eben im
beften ßic^te abgefd^ilbert) —
^ai S3ilb eines bis bol^n ivenig belonnteit SRalerS
l^atte in SBien Suffe^en gemalt unb f(^ien jebenfaQS
ein bebeutenbeS ^lent anjutünbigen, n^enn ftd^ auc^
gegen SSprwurf u^ie SluSfill^rung fo mdn^eS einn^enben
liejs. 3c$ fragte ben f^reunb um fein Urteil» 2)a tarn
ic^ aber übeJ anl Uitterm 8. Wl&ti 1869 f treibt er
mir: ,,3ft nur no($ ju fagen, bajs i^ itber bie ©orge,
ob mir nod^ toai Sted^teS gelingt ober nid^t, glädKid^ toeg
bin. (SrftenS n^eig man überl^aupt nic^t, ob einem toaS
gelingt ober nid^t, unb gtoeitenS tann i^ boc^ nic^t
l^etumfi^en unb nid^ts tun. 3(^ bin gIüdQid^em)eife
aus ctUen ben Siarren^offen Don SluSfteQen unb ©d^a**
äjttn unb bem gangen ^ublilumtröbel l^erauS, alfo
bin id^ fro^, ba| mir ^in unb niieber loaS einfällt, unb
mem'S nid^t re^t ift, ber foQ loaS anbereS aufbauen,
eS gibt @ad^ett genug. 3ft bir nie ber bilbertaufenbe
10. 'SSloti^ (Sö^roittb sunt (S^ebftc^tnU (1877). 297
®raf ©*** öotflclommen? ©et ift ba8 95üb bc« 5ßu*
Mt!umg — bicfcr tjcrjucfcrten S)r — Iruftc^ bic über
bem 83oIIe liegt ©efc^niegelt, baiS elell^afte Su^je^en
etncg fd^önen 3Ranne8, Itfpelnb, über alle8 l^inaug —
!urj einer^ bie ni^t ivoti @ebanten ^interetnanber
benten^ unb ber eine jti^eint au^ mel^r niie eine SSIöl^ung
im ®el^irn ju fein. Um anf befagten $ammel ju
lommen, l^ob' i^ bQ§ üielgerül^mte gar iii^t gefe^'m
3ci^ meine^ ttJtnn bu .t)on einem Autor brei^ tJter
93ä(^er gelegen l^aft/ an benen bu gar nid^tö §(n»
jiel^enbeS finbefi^ lä^t bu aud^ bdS fünfte liegen. S)iefe
Karrl^eiten beiS ^blitumd l^abe id^ f^on fo oft bur^^
gemad^t, ba^ ti mir jum Sterben langn^eilig. Sie
©eutfd^en muffen immer fo einen l^aben^ an bem fie
fic^ erl^olen üon bem ^rger, ben i^nen aQed Xiid^tige
mac^t. ®o toar ber (Slauren ein fiiebling^ ber gro^e
fiifjt^ ber liebe $rod^; lauter fo ©raffetoerf^ i^ xoti^
lein anbereS SBort — bcS in ein paar Sollten lein
$unb me^r bef^nüffeln mag. 3c$ l^abe fc^on fp Diel
SWalenlönnen erlebt, ba§ eg ein @rau8 ift — unb
alles (ErtoerbSmäj^ige in @runb unb ^oben üerac^ten
geUmt. äßir liegt gar nid^tS bran, n^enn'S auf einem
$i(b nic^t ganj anftänbig l^etgel^t, Don bem (n)a8)
Sorreggio ober bie ^ntiten gemacht l^aben, gar nid^t
ju reben — ber SJögelmarft üon Äautbac^ ma^t mir
baS größte SSergnügen, baS 2)ing ift b)i^ig, gtajiöd,
reid^, mit ®efd|macf be^anbett — aber toa§ id^ tjon
298 10. attoria (Bä^toivb )itm O^ebac^tnU (1877).
****** fcnnc^ ift öcrtoirrt^ gcbanfcnlo»^ affciticrt unb
mit ungejuttbcn Meinen^ gcilctt f^rbcncffeftcn aufge*
ftu|t ... Sie äRenf^en muffen gar teine fd^ön ge-
malten Silber i^r £eBtag gefeiten l^aben, ha% biefe
poiitUantn äSeibdperfonen gar fotiiel äÖirtung ma^en.
SBie gefagt, ed tft fd^on bis jum &A oft bagemefen«
®uten @a^en |)afftert eiS nt^t^ fo ein etel^afted
Sonjertcntjütfen l^eröorjurufen."
3tt einem SBriefe bom 4. Äpril 1869 tommt er
beiläufig b^ieber auf badfelBe Xl^ema iux&i, na^bem
er eines meiner Suftfpiete gelobt^ beffen 2)arfteIIung er
in aXünc^en beigemol^nt. (£r betam nic^t übet Suft,
eine ©jene mit ber Siebl^aberin gu jei^nen. — „3)ic
tonnte n)etter ni^t reijenb ausfeilen! SRid^ judEf S fd^on
lang, ha^ einmal gu k^erfu^en — ffir^te mi^ aber
auc^, benn id^ bin n^oi^I gu phmp bagu. ®enug, i^
l§abe mid^ t)ortrefflic^ befunben. 3)tan lebt fo in ber
©cfinbcftube unb Sorgimmer feiner ©eele ba^in —
n)aS fann ba tiebli^er fein a(8 einmal mieber in jene
l^immlif^en ^runtgimmer gu fommen, n)o baS f^in^
menfd^ftd^e erft gur @prad^e tommt, unb baS auf bie
auSgefud^tefte Sßeife unb mit aller Sßärme. £a^ bid^
öon jemanb loben, ber'8 beffer tjerftel^t 3d^ fage nur,
baS ift ^nft unb ma^t mid^ glüdEti^, lo&^renb aßeS
^ongertante mi^ Iangn)ei(t, ja anetelt. 2)a]^er i^ mic^
aud^ ni^t anftrenge, üon bergtei^en Ferren, fei'S
aSagner, fei'8 Sifgt, -fei'8 SK*****, noc^ ein fünfte»
10. Wtoxii Sc^toinb sunt (^ebä(!^tnid (1877). 299
SBcrl lenncn ju lernen, toenn mid) f d^on Dtere on*=
getoibert l^oben« 3)te 9iegtonen, too ed gleid^giltig ift^
ob einer ein bcnlenber SRenfd^ ober ein Dertoirrter
eitler (SfeIdto|)f ift, jiel^en mid^ gar ni^t an. ^er bem
^Blico tft tool^I bobei, unb bie ß^^I^fett für ba8
3Ritte(ntä^ige, ja ©arftige, fe^ ft^ loieber um fo üiel
fefter, ba^ tonnte einen au^ ärgern. S)a8 l^inbert aber
ni^t, ba§ fortgearbeitet wirb, aljo f^abcfg ni^t
3)e8 taf gen WtanrC^ fflel&agen fei «ßarteilic^feit! —
3n beinern ßb^er n^irb ftd^ f^on nod^ toaS üor^
finben, ba ift mir gar ni^t bang, unb toenn hi^t, fo
meine id^, bu l§aft genug gemalt unb (ang genug aus«
gehalten, f ott'8 ein anberer probieren. — Sei mir fel^It eS
ni^t an ©toffen, aber bie ärbeitSluft toirb eine» fc^önen
^geS auSgel^en — bei bem gänjü^en 3Range( an
Anregung. 3)er £eopoIborben langt ba nid^t, obtt)ol^t
etmaS ^öfli^ei^ immer angenel^mer ift, ald etn^aS
®robe8. (Sinmal l^ab' id^ il^n angel^ängt, bei ber legten
iReujal^rdcour, aber jugleid^ gef^moren, ba^ mi^ teine
fec^g ®äule mel^r l^ineinbringen. g^i^^r »ar bod^ eine
f^5ne Königin ba, unb bie i^ofbamen l^aben einen
audgela^t, aber unter lauter äRfinnem ift bie 3)umm<>
^eit ni^t augjul^atten. —
Sbk ©efc^i^te mit unferer ^nftau^fteßung loar
einzig. (£8 jn^eifelt tein SRenf d^ me^r baran, ba^ man ben
©laöpalaft für SBagnerifc^e Qtütdt öeüoenben »ollte."
300 10. aßoris @(i)loinb sum (»Md^taii^ (1877).
3n einem Sriefe öom 23. 5!^)ttt bei^fettcn Sa^re«
^et^t eS: „^a^ Qpxstamm t>on QinVpax^x ift töftltc^
— aber afö nad^ftcr Slad^bar öon 5ßoffenl^ofen toitb
mir etiüaS übel babei. j£ann aber bejeugen unb be«
\d)tD'6xtn, ba^ i^ nid^t in ber gertngften SSejiel^nng ju
bcm bortigen §ofe fte^e.
(Srften äRai fj)Q ^anlba^ ^urücSommen^ bo bin
i^ meiner ©teQöertretung'' (ate ^ßrofeffor ober S)i*
reftor?) „Icbig unb lann balb ablommen. ®ott fei'g
geflagt^ i^ bin ber ^Itefle, unb ba \6) an ber ^abemie
gar ni^tö tue, n^ill ic^ biegen @uf)plentenbienft n^enig«
ftenö nic^t unterbrechen. Auf batbige» SBieberfe^cn" 2C-
®ä)tDinb tarn uod^ im SDtai 1869 na^ Sßien.
3um lefetenmal. ®r »ar no^ geiftig frifd^ unb iwtt
Sbeen n^ie immer, aQein feine fötperlid^e ®eixt6ßä)Uit
l^atte jugenommen unb eine ^rt bon 2)op|)elf el^en fic^
eingefteHt, ha^ ifjvx am Arbeiten l^inberlid^ toar. 3)en>
ungea^tet entwarf er nod^ im näc^ften Saläre Qt\6)^
nungen für ba« ^jrojeltierte OriHparjer^Sabutn, fd^icfte
mir bie Q^tn^ürfe, f^rieb mir aud^ audfüJ^rlid^ barüber.
@r l^atte aud^ in Sorl^inein an baS Sol^r 1872 gebadet,
an mein fiebjigfteg ®eburt8feft, für Weld^e» er bie ein*
gangd eüuS^nte ^anbjeid^nung ^vorbereitet l^atte, bie
erft nad^ bem SJerlufte be^ ^^eunbe* in meinen ©eftft
!am. @eit lange l^atte id^ mir vorgenommen, il^n in
10. a^oris ©^totnb jum (»ebä^tniS (1877). 301
feiner §äu8Kd^Iett am ©tamberger See }u bejuc^eit
3m Sommer 71 gebac^te td^ enblid^ meinen ®nt*
\(ijHn% auSjuffi^ren — weld^en ber unfelige 8. gcbruar
unmdgUc^ mad^te. SBie bereute ic^ mein 3^9^^ I ^^^
beiben Alten fottten nid^t wieber jufammen fommen. —
2)er @ommer 1876 beraubte mid^ auc^ metner
jtoei lieben alten greunbe: Äuerfperg (ÄnaftaftuS
@rün) unb 2)effauer. 2)a8 ift, n^enn man felber a(t
toirb. S)er neue Sertuft ruft jugleic^ bie Srinnerung
an ben früheren mac^. 8Bie ))ie( mu^ man t>erlieren,
beöor man jtc§ fclber üerliert! —
Seine Shm^ i^% alt an toerben,
(Es ift tttin% ed ^u ertragen!
SBien, im DftoBer 1877.
tl. meifter favilla (l$77).
8ur (itinnctung an Sofef ^cf|auf r.
„Maitre Pavilla." S)a8 ift ein alter, grunbe^r*
lieber, nur feiner ^nft lebenber SKuftfer, ber in bcm
gletd^namigen @c^aufpiele k?on ®eorge @anb bie ^atOfU
roQe fpielt 3)ie ebenfo gemütreic^e als geniale f^au
liebte ed, einen i^r werten t^eunb unb Xonlünftler
mit bent yiavxm „^ak^iQa" ju bejeic^nen. SS ntu^ ba^in
gefteUt bleiben, ob bie 2)ic^terin in il^rem ^^antafte«
gebilbe gemiffe ^^nlic^feiten mit bem trefflichen SRanne
unb t^teunbe ju entbetten geglaubt ober ob fte mo^I
gar einer i^rer poetifd^en £iebIingSgeftaIten c^arafte^^
riftifc^e 3üge au8 bem SSefen unb @ein bed SRanneS
unb ^nftlerd felber ^a(b unloiQIürlic^ beigemifd^t l^atte.
@8 gibt tiefe, finnige unb innige Siaturen, bie mit
einem fpejietten Xalente für eine ber fünfte begabt,
fid^ aud^ anbem Äunftric^tungen nid^t öerfd^lie^en, in
bem (Sd^önen äberl^aupt, i^rem eigentUd^en Elemente,
ftc^ einzig too^Ibefinben. (Sin 9J2uftIer, jugleic^ gebübeter
®enie§er unb Kenner ber SRalerei tt)ie ber ^laftif,
felbft ein nid^t ungeübter 3^^^^^^^^ poetifd^er 5ßrobuf*
n. SReiper goöUta (1877). 303
tion burc^auj} ntd^t ftemb, mit bem reinften ©efc^mad
für jcbe bct Äünfte unb fid^ bag beftc, toai i^rer
jebe ]§er))orgebtad^t^ mit (SutJ^ufiagmu^ aneignenb unb
ju ben l^öl^eren @etiien eine^ ÜRojart, "StcOfffad, ©oetl^e
a(8 ben SSemirflic^em ber Sbee^ bie fe(ber in i^m
»altetc, ia i^n fd^icr öetjcl^rtc, mit Siebe unb S3e*
geifterung enq^orblidenb, feined eigenen Sc^g bobei t>tx^
geffenb — fo tt>ar mein gteunb Deffauer^ mit »eld^em
xä) an bie t)ier}ig Saläre treu jufammen k^erlebt unb
beffen fd^&ne, reine, id^ möd^te fagen jungfräuUc^e
@eele }u erlennen unb ju fd^S^en ic^ l^inreid^enb ®e^
legenl^eit fanb.
3oj|ef S)effaucr, in 5ßrag geboren, au« gutem
$aufe, ein ^nb mo^I^obenber Altern, jeigte fc^on al8
^aU bebeutenbe ßunftanlagen. S)er @c^äler Xoma^»
fc^ete »ar ate Süngling für jene ßeit ein öollenbeter
^Iak?iert)irtuoj|e. S)er junge 3ßann brad^te fpäter mit
feiner geliebten ©d^ti>efter Il^erefe ein paar 3al^re in
Stauen ju. ©ein reger ©inn für tbnenbe unb bilbenbe
^nft fanb ba reiche 9{al^rung. ÜRit bem jungen S3el«
lini Inüpfte fic§ i^m bort m inniges greunbfd^aftg*
bonb, toelc^eS burd^ ben frül^jettigen %o\> be« ©d^öpferS
ber „Siorma" leiber fialb jerriffen toerben foHte. —
DejfauerS crfter Äufentl^alt in 5ßari8 fbrberte i^n er«*
fic^tlic^. ©ein Älaöierfpielen tote feine Slomanjen
machten ®IM, ber pbfd^e, junge Sontpofiteur mar
balb in ber ©efeßfc^aft beliebt, ttjoju feine feinen
304 U. «elfter gfaöittc (1877).
aRanteren unb jein gutei^ f^ranjöfifd^ ni^t tDcnig h^x^
trugen. @(^on bamaU igatte er atte beutfc^en, ttalieni^
fd^en unb frangbfifc^en 9)htfthnetfter, bte alten ttite bie
neuen^ im ^opfe, im $erjen unb in ben ^&nben. Sn
@tegreifn)iebergaBe ganzer Opern unb @^mp^onien
auf bem 0at)ier n)ar er ein Unitum unb ift ed bis
in fein ^(tet k^erbtieben. Man brandete i^m nur ein
Itaffif^e« ober mobeme» ÜKuftiptf ju nennen, unb
„S)on 3uan" ober bie ,r§ugcnotten", bie „ffiroica",
©c^ubertfc^e Sieber, (S^opind ^l^antaften, 9tofftnii»
„Sarbierc", JBerbi« „Sligotetto", nac^ Sege^ren ber
3ul^örer, ba8 alle« raufd^te über bie S^aften, t)ott»
tbnenb, tt)ie tmproöifiert SKan fonnte babei bie 5«rtig^
leit bed SSortragenben ttne feinen guten ®t\äjmad,
feine ffienntniffe nid^t minber toic fein ®cb&(§tniÄ be*
tounbem; ed n^ar bie Erinnerung bei} ^erjeniS an bad
fo tief empfunbene @d^öne, baiS er fic^ mit alkr
äBürme angeeignet. S3ei biefem beftanbigen innem toit
äußern SSerfe^r mit aßen SRciftem ber Äunft, bei
biefer 9[IIgegentt)art be« ©efc^affenen, bad ftc^ il^m im
@(eifte ftet« barbot unb baS er gen^ifferma^en nac^ju«
fc^affen t^ermod^te, loarb ber geiftreid^e 3nterpret unb
3mprot)ifator eigentlich gum felbftänbigen ^nft(er.
S)effauer roax ein £iebling ber f^rauemoelt, in
ber Sugenbjeit tok im Sllter. Sbgefel^en t)on feiner
£iebeniSn)ärbigIeit unb feiner l^umoriftifd^en Saune
fprad^ nod^ ber Umftonb ju feinen fünften, ba^ man
11. TOeifler gfoöifla (1877). 305
immer für tl^n „ju forgcn", fic^mit il^m „ju bcfd^äftigcn"
l^attc — eine aWü^c, xodäjt bic lieben grauen gern
übemel^men; toie £eonore gelegentlich bt^ (aunijd^en
laffo bcmerlt. Unjer lieber greunb fränfelte jeju*
ipeilen unb lie^ fid^ nic^t ungern bemitleiben, pflegen
unb l^ätfc^eln, n^oju ftd^ benn aaä) bie erbarmungd«
retd^en f^rouenl^erjen ftetö bereitoittig ertoiefen^
to'af)xmb tovt raul^eS äßännert^ott ben l^&uftg 0agenben
mit bcm ©pi|namcn „SRaunjeanber" beteiligten.
2)effauer lam mel^rmals nad^ ^ariS unb ftanb in
naivem SSerlel^r mit ben ärf^^^töten atter fünfte, ju*
mcift mit ben Sompofiteuren, wie Stoffini, G^erubini^
äuber^ §ciI6t)^, Gl^opin. S)iefer brachte i^n ju jciner
greunbin George @anb. 2)a^ n^eiblici^e Oberhaupt ber
9iomanäI nal^m ba(b großen Anteil an bem eblen
äSefen beiS poetifd^en ^Iat)ierfpieferg unb StomancierS^
toelc^er in il^r bie groftc ©^riftfiellerin betounberte,
bie einfädle unb natiirlid^e ^^au f)o^ ^ie(t. 3)iefeg
greunbfd^aftdk^erl^ältnid mährte bis jum Slbleben ber
S)ic§terin. S)cr greunb ftarb il^r balb barauf nad^.
Octrennt öoneinanber Rotten fte fonefponbiert 9iod^
üor Sol^r unb %aQ, ate ©effauer beinal^e übttig er*
blinbet n)ar, taS ic^ il^m bie eingelangten l^erjtid^en
SBorte ber ^^reunbin öor. (Knige 3al^re öor^er l^atte
er fie noc^ in i^rem SWo^ant bejud^t unb nad^ ber
§eimfe]^r nid^t genug öon i^r fettft mt üon i^ren
Äinbem unb ßnfeln erjö^Ien lönnen. S)a§ ber geniale^
e^tiftcn ly. 20
306 11. aRpiflcr goülHa (1877).
a6er jcitoeilig hoSffa^t §cine bicfcS rcinftc SScrl^ält^^
ntö jtt)ifd^en 9J2ann unb ^au gelegentlich ju t)erb&(^«
tigen fuc^te, l^at beiben tiid^t gefd^abet. S)erlei SSer^
leumbungen fottnten überl^aupt feinen Glauben finben
einem äJlonne gegenüber^ ber nid^tö »eniger afe ein
tJrauenjäger war, in beffen wcid^er nnb jarter Statur
e^ k^ielmel^r lag, gerabe baS emig äBeiblic^e in ibeeUer
Sluffaffung ju öere^rcn. ©eine langjährigen ^Jreunb-
jd^aften mit ^ocj^bcrül^mten unb gefeierten grauen, toie
aRr8. Äemble, SSiarbot==®arcia, Unger^^Oabaticr unb
anberen toeiblid^cn ^ß^^^ritäten mögen bai^ bejeugen
unb beftätigen,
%m beften aber, toir laffen eine ber benannten
S)amen felbft f^ed^en, unb iXoax biejenige, n^eld^e nid^t
nur in i^rem Saterlanbe, fonbem in ganj (Suropa mit
tJoUem JRed^te als bie erfte grau bcg Sal^rl^unbertS
gilt. 3n il^ren ^Briefen begeic^net ©eorge ©anb unfern
greunb als „gaüilla", abtoed^felnb auc§ als Srifc^ni,
mit S3ejiel^ung auf ein inbifd^cS ©ebic^t, tocld^eS
©cffauer i^r üorgefungen l^atte. S3ie in bcn nac^*
folgenben ©riefen benannten ?ßerfonen erflärcn fid^ bon
felbft als Angehörige unb greunbe. S)cr l^o^c SbealiS*
muS, njeld^er bie bebeutenbe grau nod^ in il^rem l^ol^cn
Filter jugenblid^ burc^glül^te, fotoie il^re innige unb
fd^tt)efterli(^e SReigung für ben grcunb finb bie ^axopU
momente einer jiemlic^ umfangreid^en ÄJorrefponbenj,
aus UJeld^cr l^ier einige Jörui^ftiidfe folgen. 3ebe QdU
11. aReiflet Sfoüilla (1877). 307
fprici^t t)on @eift unb ber bon sens fel^Ü auc^ ntd^t
in ben polttijc^cn 85cmcrfungcn bcr g^^anjöfin.
L
©utcr (B^rifd^nt, td^ möd^tc, ba$ ®ic einen JBrief
t)on mir in ^\ä)l finbcn, nad^bem Sic mid^ nid^t in
ben ©tanb gejc^t, Sinnen nad^ 5ßari« }u antoortcn.
3a, c« ftnb glüdlic^e %aQt, in bcnen id^ ©ie ]o ganj
ate ©ie jeCbft wiebcr fanb, laum gealtert, unüeränbcrt,
nod^ fo naiö, jo järtlid^, jo liebengwürbig. SBäl^rcnb
il^rer ganjen Steife muffen 3P^nen bie D^ren gcttnngen
l^abcn, bcnn ^ier ift feine ©tunbe »ergangen, too man
nid^t fagte: „®uter ßl^rifd^ni, teurer, el^renl^after
äJiann, reigenber greunb, toürbiger SKaöftro, großer
Äünfticr" uftt), uf», 3eber fagt e« unb attejeit, im
©olo wie im 3)uett, ju 3)reicn tote ju SSicren, atte,
aöe fagen: „®8 lebe Dcffauer, ber wal^re gaüiHal'*
3)e^ SlbenbS legte spiritus familiaris ge^eimnii^ooUe
SBriefe auf ben Sifd^ unb man fiü^Ite, man genojs bie
mufilalifd^en (ginfälle,. toeld^e man ju l&ören meint,
toenn man biefe 85riefe lieft, unb man lachte unb
fül^Ite ftd^ gerül^rt — man fpürt eben immer ©ie.
Unb ftnb ©ie benn nid^t immer l^ier? Seben wir benn
nur in unferm Sörper? JBetool^nen »tr nic^t SRonb
unb ©onne unb aöe ©teme, fobalb unfer (Sebanlen*
f[ug ung bal^inträgt? JBefd^äftigt man fid^ auf ben
©temen nid^t mit un2, wie wir und mit i^nen be^»
20*
308 11. SRcifter gaötOc (1877).
Wäfttgen? SRit mi, bic xoit fie cinft ju finbcn
träumen? ©ic? SBcn? Sie jagen bon uni ba«felbe,
unb ol^ne ung }u fennen, lieben fte un^. Unb übrigeng,
fennen fie unS benn nid^t? SSäo ift gur ©tunbe unfer teurer,
grosser S)eIacroiE? Slber, »o flnb @ie felbft, eben too
tc^ Sinnen fd^reibe, auf metd^em äBege, in toetd^em
^el^ilel, in toelc^er Saune? Slbloefenl^ett unb Xob
tt)eid^en nid^t üiel üoneinanber ab; man Derlä^t ein^
anber nid^t, man t)erUert einonber auS bem ^fic^te,
ober man totx^ tool^l, ba| man einonber — gleic^l^iel
mo — loieberftnben loirb. 3)arum fage id^ nie „fiebe^^
tDdffV* in bem Sinne öon ^@ott trennt und", fon*
bem in bem Sinne bon „Auf SBieberfel^en in ®ott,
in biefer SBelt ober in einer anbem''. Sd^reitet man
nid^t boran, folange man leben toiU unb an Sbeale
glaubt? SoQ bad Sbeat nur für btefeS £eben \)on
einem ober gu^ei Sagen auf ber Srbe gut fein?
@(auben Sie baS nid^t. S93ir nel^men mit unS, maiS
tt)ir ertoorben l^aben, xoix nel^men eS mit und, um ed
in ber (SU)igIeit }u bermel^ren. SBad liegt baran, totxm
loir in einer ober jn^ei unferer (Sj^ftenjen nid^ genug«
fam ermutigt mürben, menn mir nur in uns unb in
anbem bad l^eilige ^^^uer mad^ erhalten l^aben. Untere
fd^a^en Sie nid^t bie Stunben, in meldten Sie mit
Sl^rer Seele bie ber großen SMeifter Sl^ren g^cunben
gaben; all baS ift unter ben äßeiftem, unter Sinnen
unb und ein Slugtaufd^ bed SBeften unb ^öd^ften, maS
11. »elpet gfaöütc (1877). 309
bad gemeinsame ©anituatium tnt^< @d^retben @te
uns, teurer gi^cunb, fagen Sie unS, toie Sie gereift
finb, lüie @ie bie ©c^mefter gefunben ffobtn, bie
»lichte, bie »erge, ba8 ,,@alälanb'' unb bie Sünftler
Qud ben ^Bergen. Unfere ganje f^amitte umarmt @iel
SWorij, ben S)etacroij' 2ob fe^r angegriffen l^at, be«»
fonberS meU biefer heimging, ol^ne t)on einer gamilie
umgeben gu fein, £ina, bie 3|nen i^r ^fl^()(i^en }um
^ffen reic^t^ SRanceau, ber @ie t)ere^rt (er aU ber
„SBrutalfte" ift ber Siebeöottfte ijon aßen), SWabamc
Lambert, bie ni^ aufhört, t>on S^nen )u f))re(i^en, i^r
®atte, ber @ie mit jartfinniger ®^vXpatJ)it ^retro*
jpeftiö" ftubiert, SWarie Sambert^ bie um ein nid^t»
n^eint, aber t)oQ Siebe ift. Salamatta, ber nid^ts mel^r
gegen 2)e(acröi£ fagt, i^n al» SRenfd^en bebauert, o^ne
i^n als aRaler je begriffen gu l^aben... ba finb fie
aQe, bo^ ba fommt nod^ bie gro^e SRarie, eine ))or«
ne^me 9latur unter il^rer n^ei^en ^auht, unb aQe
lieben Sie unb rufen Sl&nen ju: „Äe^ren ©ie »ieberl"
©eorge @anb.
^e^ren @ie »lieber mit f^Snen Siebem üon 3^nen
für mi^. 16. «uguft 1863.
n.
3lof)ant, 5. Suli 1866. SRein f^üilla ^at a(fo
an meinem 62. Geburtstage an mi^ gebadet 3c^ bin
bat)on fel^r gerül^rt, trefflid^er greunb. Sie fagen nichts
310 11. aRciftct ^ama (1877).
üon S^rer ©cjunb^cit, 3^r ^crj nimint attcg in ftc^
auf unb ift Don ben @t^Qi)xtn jerriffcn, toclc^c bcm
SSaterionbc brol^en. S35ir begreifen bag, wir, bie ita*
lmi\6) aber burd^au^ nid^t preufifd^ gefinnt finb.
SBelc^ furd^tbarer ©treit ift auiS ber Meinen §oIftetn*
fd^en äSertoidelung l^ert^orgegangen! Unb wo ift bad
®nbc abjufel^en! Äann 33^r ffioterlanb, felbft »enn eS
niebergefd^mcttert ipürbe, öön ber SBeltfarte geftric^en
toerben, auf ber eg einen fo großen ^laj einnimmt?
galten @ie eiS für ein UnglüdC, ba| eg SSenebig »er*
loren l^at? SSäar i^m Statten nic^t Sftuin unb ®efa^r,
eine Äuget om ^^u^t angefd^miebet, tt)ic Algier e8 für
granfreic^ ift? SKan afftmiüert niemate fo ftarl au3«
ge))rägte 9itationaIitöten. (Sl^er begreift man no(^ bie
obttJol^I fel^r fd^tocrc Slffimilation ber flaöifc^en Sänber.
aber toag ift. ba ju mad^en? S)er Slugenblid fi^eint
gelommen, A)o bie Eroberungen gu einer Sanbplage
werben. SBirb ^h^anlreic^ ftd^ l^ineinmijd^en? gür wen?
3Kit wem? 3Kan fiel^t^ wie granfreii^ Stauen unter*
ftü|t, aber aU ^reu^en^ l^elfer lann man ed nic^t
beulen. Unb ntemanb Wei| l^ier, ob ^ranlreid^ irgenb
jemanbem l^elfen wirb. 2)aS @taatöoberl§aupt ift um f o
unburd^bringlid^er, alg e8, wie man wiffen wiH, in
feinen ?ßlänen öon ber §anb in ben SRunb lebt, unb
man 5ßrojefte nid^t erraten lann, bie nic^t eEiftieren.
3d^ fage S^nen eben, wa8 man fprid^t. Sd^ lebe ^ier
ferne öon aHebem unb erfahre nidjtg au8 erfter §anb.
11. SRciftcT »aöitta (1877). 311
Sd^ fel^e meine Snieltn ^eranioad^fen, ipeld^e \ä)'in
unb fanft ift unb ftd^ fok^iel ald möglich über ben
fd^redlid^en %ob i^reÄ S3ruberg trbftet äJicine ^ttber
finb fo glüdltc^^ ald fie ed nac^ biefem ©c^tnerj fein
fönnen, unb id^^ bic i^ren armen greunb öerloren f)at,
ftärle mi(^ bei i^nen. SBir „erfreuen unä" eine*
f c^redHid^en Sommer* ; f ünbflutlid^e ©türme, erbrfitf enbe
§i^e unb jäl^er S^oft, baju bie armen ©olbaten, armen
SSerttJunbeten, armen ©efaßenen aDer Stationen, bie ein
entfe|Iid^e* ©d^aufpiel bieten, fo ba§ man nic^t ein*
mal in bem rul^igen SSSinfel, in bem man lebt, fid^ über
ettt)a* 3U freuen n^agt. ®ie machen meland^olifd^e unb
öon .l^erjäerrei^enben Iräumen erfüllte SWuftl, beffcn
bin id^ fidler, kommen @ie ju un*, bie n^ir @ie Üeben
unb aUe Reiben besagen, ^d) ^obe „2)on Suan'' an
ber ?ßarifer Dper ju Sobe fd^inben gehört; man t)at
x^n t)om th^ätre Ijriqae l^inn^eg bortj^in eSlamotiert,
um einiger briQanter SnbiDibualitäten unb einer fd^önen
Snfjenierung toißen. 8Ö ba* »og ben „S)on Öuan"
auf bem ^Iat)ier vorgetragen i)on (S^rifc^ni nid^t auf;
biefer „2)on Suan'' tt)ar ber ed^te unb gute. SBerbe id^
i^n wieberfel^en? (£* ift bie* mein Iraum, ben ©ie mir
nid^t rauben bürf en. Wit äBelt ^ier umarmt unb liebt ©ie.
®. ©.
III.
SBie fd^ön ift e* öon bir, mein Gl^rifc^ni, biefen
5. 3uli nid^t ju öergeffen, ber, obttJol^I er bie S^l
312 11. aRcifter garnOc (1877).
meiner 3a^re öerme^rt, mir f o lieb ift, atö ob er mir
tottä)^ abn&l^me, ipeil er mir bie fä{|en (Srinnerungen
an meine fernen greunbe erneuert, greilic^ toerben wir
m^ »ieberfel^en. SWan ift mit ficbjig Sauren nid^t älter
ate mit brei^ig, wenn man pc^ SSerftanb, §erj unb SBitten
bewahrt ffat S)n l^aft nid^td t>t>n oHebem berloren;
bie einjige (B6)to&6)t, aber weld^e bu btc^ beflagft, ift
eine ^(bna^me beS @efic^ted. 2)aS l^inbert bid^ nic^t,
bie iRatur }u feigen unb mir bie winjigen Slümd^en
ber Linaria Pellissierana )um ©traute ju fommeln,
unb bad l^errlid^e @c^aufpiel beined &cti unb beiner
83erge ju würbigen. 3a^ bein SSaterlanb ift fd^ön unb
id^ beneibe bic^ um fo mel^r um felbed, olS ed gegen
geiftlic^e Sntolerans unb geifttid^en C^l^rgeij einen
^am))f unterl^ält, ber ^ranfreic^ bemfltigt. SBaS ben
iRiebergang ber Sunfl bei eud^ julanbe wie bei un8
anbelangt, fo'ift bem wo^I fo, boc^ ti ift nur eine
augenblidKid^e 9$erftnfterung. 2)ie @teme erbleichen gu
3eit in il^rem ©lanj, Warum foUte eS bem äRenfc^en
nid^t aud^ fo ergel^en? Saffen wir nie bie Hoffnung
finlen, mein t^reunb, aQeS, waS fd^einbar Derlifd^t, er-
neuert im @el^eimen feine £euc^tlraft, unb Wir felbft
finb l^eute unb immerbar 2tbtn unb Xob, @d^taf
unb ©rwad^en. Unfer normaler ä^^ftonb jeigt fo
beutlid^ unferc unenblid^e ^^'^^fi- 3c^ jäl^te l^eute
64 „grü^Iinge''. 9iod^ ^abe id^ ba8 ®ewid^t ber Saläre
nic^t gefüllt. 3d^ bin fo gut ju gu^, arbeite fo üiet
11. 3»ciftct Saöitta (1877). 813
unb jd^Iafe fo gut als je ÄQcrbing« ift mein äuge
mö) \djitoa6) geworben, aber id^ trage feit fo langer
3eit JBritten^ ba§ fti^'g eben nur um bie Sßummer
l^anbelt fSStnn id^ einmal nii^t mel^r tätig fein !ann,
fo t)erliere ici^ l^offentlic^ aud^ bie £uft baju. Unb
übrigeni^, man entfe^t ftc^ über baS l^ol^e älter, ci&
toäre man fo fidler, eg ju eneid^en. SKan beult nic^t
baran, ba^ einem ein Riegel k?om 2)ad^e auf ben
^opf faQen lann. Qti bleibt immer baS befte, fid^
bereit ju l^alten unb bie alten ^al^re beffer ju ge«
niesen, aii man bie jjungen genoffen f)at SKit jtoanjig
Salären );)erliert man fo k^iel S^xt unb t)erfd^loenbet fo
t)iel £ebenl Unfere äBintertage jöl^Ien boppelt; fo
gteid^t fid^ baS auiS. SBad nic^t \)oxübttQtf)t unb nid^t
toec^fett, ift bie gireunbfd^aft. 3m ©egenteile, fie nimmt
ju, je mel^r fie i)on il^rer S)auer }el^rt Sßir fpred^en
^ier oft öon bir. SWeine ^nber lieben bic§ mit ©l^r*
furd^t, unfere (Snfelinnen finb aUerliebft, äurora fprid^t
toie eine Srtoac^fene. @ie ift au^erorbentlic^ t)er^
nfinftig unb gut. S)u toirft fie feigen. S)u toirft uni^
toieberfommen. 2)u toirft und toieber mit beinem
Älaüierfpiele entjüdfen. SSäir lieben bic§, teurer
9J2a3ftro, toir lieben bic^ fel^r, unb aud^ bu toiQft
und immer toieber umarmen, aber nie jum testen
SRale. ©iefe« SBort l^at leinen Sinn....
®, ®anb.
314 11. a»ciftcr gfoöttta (1877).
IV.
©cliebtcr, teurer ^Jaötlla, beine Schrift ift l^crr*
lid^, bu fiel^ft, aber bu Ictbeft nod^^ ba t^, lote bu
fagft, mit bctnen Äugen fd^Ied^t ge^t. ^offen tPir, ba%
bie Rettung balb lomnten iptrb. S)etn fteined S3ouquet
befinbet ftd^ in meinem S^^^^^ ^^^^^ ®^^^ ^^^
Stol^men neben feinen SSorgfingem. ^6) freue mic^
immer, eineg anlommen ju feigen; e8 ift ein ßeid^en bcr
blül^enben 3ugenb beine« ^ctjeng, unb an iebcm
5. 3uü fragen meine Äinber mid^, ob id^ Slurnen aus
Sfd^I befommen l^abe. SlUe SSett l^ier liebt bid^ unb
brüdtt bir järtUd^ bie §anb. SDie feud^tc 2enn)eratur
mac^t un» alle ein »enig untool^I, aber id^ l^offe, toit
ftnb am ©nbe biejer ©ünbflut angelangt, bie unfern
füblid^en ?ßroöinjen f o üietUnl^eil jugefügt l^at. ^errfd^t
in euren JBergen ebenfalls biefer ftrömenbe SRegen?
Surgenjetn jagt mir, bu mad^eft jutoeiten reijenbe
SSerje. 3ft baS »al^r? SBie untoiffenb bin id^, bafe id^
fein aSort beutfd^ öerftel^e! 3d^ tofirbe fo gern beine
©ac^en lefen. Schreibe mir, toenn bu e« öermagft,
ol^ne bid^ anjuftrengen unb glaube an bie unöer*
änberte 3ä^tti(^feit betner alten ©d^toefter.
Sto^ant, 16. Suli 1875, 71 Sa^re. ®. ©anb.
S)ie „atte ©i^wcfter", toeld^e im 3a^re 1875
einunbfiebjig „printemps" jaulte, jd^rieb bem alten
greunb unb S3ruber no(^ mel^rmafö, ben legten Qtüd
11. aRetjIcr güöilla (1877). 315
furj üor i^rcm im Sunt 1876 erfolgten ©c^eibem
3)ad Serl^ältntö }tt)if(^en ben Reiben gel^t aus ben
mitgeteilten S3riefen genugfam ^eröor^ nid^t minber bie
äBertfd^ä^ung unb Sd^tung, n)e((i^e bie $rau t)or bem
S^aralter, i)or bem @eifte unb @emüte, toie ))or ben
Xalenten il^ted ^reunbeS l^egt.
^ä) fettft lernte S)effauer bereits in ben ffoan^
jiger 3al^ren fennen. $ei f^xan t). S^e}^ trafen luir
baS erftemal jufammen. 3(^ mit äßorij ©d^tuinb unb
onberen jungen grcunben benal^men uns in bem gaft*
liefen $aufe ^iemUd^ ungeniert/ n)o^( aud^ etn^aS un«
gejogen — unb fo mad^ten »ir benn unfere Sfloffen
über bie mobifd^e Steibung n)ie über bie eleganten
formen beS feinen SßeltmannS, ber unS nur um
einige Sa^re i^orauS toar. SBalb barauf i^erlor ic^
il^n aus ben Singen, bod^ bereits 311 S(nfang ber
brei|iger 3al^re l^atten tt)ir unS einanber genähert, um
uns nid^t lieber ju üerlieren.
(Sine Dper beS greunbeS ,,£ibttJinna" (Xejt öon
®bert) — eine ?lrt toeiblic^er gauftiabe — l^atte in
$rag &IM gemad^t. SlQein biefe mitbe Stomantil fagte
ber iRatur beS Jllomponiften nid^t 311, totl6)t t)or3ugS«=
toeije auf baS Qaxit unb Snnige gerid^tet mar. SSäieber*
l^olt ^atte er mic^ um einen Opemte^ angegangen.
3m Saläre 1837 jd^rieb ic^ ffir i^n ben ,,a5efuc^ in
@t 6t(r", eine ©pieloper, bie am 23. Dftober 1839
mit ben 2)amen Su^er unb Raffelt jur Äuffül^mng
316 11. SRcifter »aöiHa (1877).
getaugte. Xai SBerl ift t)o\l ^übfc^er^ muftfaßfc^er
@ebanfen unb bem @toffe tpte ber £oIaIitat angemeffen
t)on feiner unb gefd^nmdtDoQer S)urd^fül^rung, etoa in
ber Wct unb SBcife Äuber». S)ie D^er gefiet in SEBten
unb mad^te bef onberei^ ®IM in ^ag unb S)redben. 2)aS
S93iener ^ublilum, an ben @aud unb iBraud ber bamatigen
itatienif d^en Oper gen)ö^nt^ l^atte aber etoaS bide O^ren.
^acf) ber SorfteQung lebhaftes @ouper mit ben
t^reunben. ttber eine reijenbe Stomanje, bie faft unbe*^
ad^tet geblieben n)ar, fagte £enau )u ^effauer: „SBruber,
baraud blidEt bein fc^märmerifd^eS faftanienbrauneiS
%uge ^ert)or. S(ber ber Xro^ l§at feine Dl^ren filr beine
Äugen."
S)effauer fc^rieb nod^ ju^et Opern« ,,$aquitQ" mit
ber 3err l^atte eingef d^tagen, bie SSHeberl^olungen mußten
aber unterbrod^en tt)erben^ ba bie @&ngerin einem Stufe
nad^ £onbon }u folgen t^erpflid^tet toat. S)ort beging
fie baS ©taat^öerbrec^en, in einem Äonjerte für bie
bamatigen ungarifd^en ^ü^ttinge mitjumirfen. ^ai
n?ar t^oDfommen genflgenb, i^r bie bureaulratif^e Un^
gnabe juguiie^en; ber OberftfSmmerer t^erbannte bie
ftünftterin für ewige Seiten öon ber §ofoper unb bie
arme ^aquita fie( a(d Opfer ber bamatö geltenben
„9led^t8DerU)irfung«t|eorie". — ©ine jtoeite Oper,
„5Dominga", erl^ielt nur einen succfes d'estime. Später*
l^in, unter beS ttid^tigen Mtxt 2)ireftion fuc^te id^ ben
greunb ju öeranlaffen, feinen „©efud^'' wieber jur
11. aftetjicr gfoüttta (1877). 317
^uffül^rung ju bringen, tnbem xd) mid) antmg, bie
©picl^jrofa in jcitgemä§c SRcjitatiöc umjutoanbctn —
er ging aber nid^t barauf ein.
©effauerö SRomanjen unb Segenben, toie feine
Sieber: „©er ®6)tüan", ,rS)ie ßodtung", „9ia^ ©eöißa",
„Ouvrez" ufto. finb allgemein belannt unb beliebt, aud^
au^er^alb Öfterreic^. 2)ie äJ'^alibran unb bie SBiarbot,
aud^ f^ftter bie Wct6i, fangen bief e reijenben S)tnge mit
Vorliebe. 3n alter ßeit l^atte S)effauer unferm Säubert
eineiJ feiner emften Sieber öorgefungen, mit jener voix
de compositeur, totläft beiben gemeinfd^aftKd^ n^ar.
@d^ubert lobte bie ßontpofttion. 3)ie beutfd^en 2)ic^ter
fc^tiefen meift mit lob unb @rab. — „Db baiJ Sieb
nid^t gar 3U traurig, ju meland^olifd^ toaxt**, — meinte
S)effaucr. ©d^ubert erioiberte i^m: „Äcnnen ©ie eine
luftige aRufif?" — Der gute granj §at freilid^ ben
Offenbad^ nic^t erlebtl S)er gütige ^immel l^atte
i^n aber aud^ Dor bem „%io%m SRid^arb'^ gn&bigft
ben)a^rt.
SSiele ber Sieber unb fRomanjen S)effauer8 bürfen
fid^ ben ©d^ubertfd^en unb ©d^umannf c^en ©d^öpfungen
täijn an bie ©eite fteOen, allein — habent saa fata
libelli! S)er Sompofiteur, nac^ forjem SEßeltüerlel^r,
lebte ftiQ unb iuritdCgejogen nur feinen ^eunben unb
ber fiunft. SBer au^ ber SBeft fd^eibet, barf nic^t »er*
langen, ba| bie SEBelt i^n auffuc^e — ober baiS Soumal
ober bie JReMome.
318 11. gRctpcr gfaöiaa (1877),
Seffauerd ®eift, ja aud^ fein ^umor, toaren tro|
gune^menber ^änütd^feit frtfd^ unb (ebenbig geblieben
unb fein ^laüierfpieten entjüdte und t)or ttite nadf.
a^an burfte nur begehren: ^änbel, ^ad), ^o^bn,
9Rojart, JBcetl^oöen, äRe^erbeer, fRofftni^ SBeÖini —
flugd fing t^ ju raufd^en anl find) „Xannl^aufer'' unb
^ßo^engrin" tt)urben in ba8 Siepertoire aufgenommen.
^Qein ber 9tte fomponierte nid^t me^r, aU tüoa bei
^äudtt^ fefttid^en ®etegen^eiten, ttiie bei ber ftibemen
^od^jeit ber XobeÄco« ober jur ^cier meine« fiebjigften
Geburtstage«, n)0 er eine ßombbie in Werfen fd^rieb,
bie SKuftf baju fontponierte unb aU ftrenger Äegiffeur
ben jungen £euten i^re fRoQen einlernte.
®S ti)irb faum einen Huftier geben, todä^tx f&r
bie @c^5n^eiten ber iRatur unenq^fänglid^ n?&re. @o
brad^te aud^ unf er 2)effauer jeben f^rfil^Ung unb @ommer
bi« tief in ben @<)&tl§erbft im Oebirge ju, ol^ne gcrabe
ein eifriger SScrgebefteiger ju fein. Äuffee »ar jal^rctang
fein fiieblingdaufentl^alt, fpäterl^in, im Sttter, wfii^tte er
3fc^f. Unter ben Sluffeer ©auem unb ©atjarbeitem
fanben fid^ ein paar junge Surfte, toel^e bie fo*
genannte „©^wegelpfeife"' bliefen; ber muftfalifd^e
fjreunb nal^m fid^ il^rer an, fu^te fie in il^rer ftunft
gu öeröoHfommnen, fontponierte il^nen fogar paffenbe
SBeifen, forgte au^ fonft für bie broöen Seutc unb
brad^te fie gelegentlich nac^ SBien. SDie iRaturmenfd^en
toie il^rc naiüen Äunftleiftungen fanben SBeifall im
11. SReipcr gfaöiHa (1877). 319
@aton unb halb f cl^ltc c8 nid^t an ©önnem^ tote @raf
§an8 SBUcjef^ tocld^cr bic Säurjd^c aüjäl^Ttid^ tood^cn*
lang bei ftd^ bel^erbcrgtc unb fic nic^t ol^ne rcic^Iid^cn
So^n ettüic^. „Satcr ©cffaucr", bcr fo öicl für fic
getan, il^nen auci^ fonft einige 93ilbnng beigebrad^t unb
fid^ ben S(uffeem äber^au^t al8 ein tool^Itätiger $ro^
fpero ertoiefen, tourbe naturlid^ in ganj 9(uffee f)od)
gehalten. (£in bilb^äbfd^er junger 93auer8fo^n, namenS
?Hbin ©c^ramel, l^atte jene gtötenbtafer mit feiner
®itarre begleitet S)er junge äRann toar mit SSerftanb
unb (Sinfi^t begabt unb fül^tte e8 in [x6), im fieben
toeiter ju gelangen, tooju i^m 5Deffauer jumeift be^ilflid^
toar. @r enq^fal^I i^n tool^ltoollenben f^reunben unb
greunbinnen unb man bereinigte fid^ in ber Säemül^ung,
ben jungen 9Rann am Orunbelfee at8 SBirt ju inftat*
(ieren unb i^m bie erfte ^audeinrid^tung ju beforgen,
Älbin ift nun feit einer fRei^e t>on Stal^ren mit SBeib
unb Äinbem bort fe^^aft unb ©ebirgSreifenben unb
S^ouriften eine tool^t befannte ^erfönti^Ieit ©eine SBirt«
f d^aft blü^t unb gebeizt unb feine SDan!barfeit für ben
®rfinber feinei^ ®Iüdf8 toirb getoi^ nie auS feinem
guten $erjen fd^toinben,
Qtxn fd^toereS 2)oppetfibeI ^verbitterte bed armen
S)effauer leftte Sa^re. ®r mu§te fid^ einer Äugen^*
Operation unterbieten, bie nid^t gtüdßi^ aui^fiet unb
i^m balb barauf bie Äu§entoett beinahe tJöQig t>tx^
fc^Io^; jU gteid^er ßeit toarf i^n eine UnterieibiJiranf*
820 11. SReiper gfaöißü (1877).
I^tit, bte ftd^ batb atö unl^eilbar ertDted, auf ba^
^anfenlager^ t)on tpeld^em er fid^ in bett testen Sauren
nur feiten mel^r erl^o6. SBir toaren beibe feit langer
Seit gen)ol^nt, ben ©omnter in Sfd^I mitetnonber ju^
jubringen; nod^ im Sa^re 1875 !onnf i($ ben ^aib*
btinben ab unb ju in ber „^** f^ojieren fül^ren, roo
tt)ir ber breit^iertelblinben guten ©d^tvefter S^l^erefe
begegneten. Qm @ommer 1876 toax er für bie Sfd^Ier^
reife ju fd^mad^. äRan quartierte i^n in SKöbting ein
— balb für immer 1
S)effauer fd^rieb in ben legten Salären Heine
Dramen unb £uftfpiele, auc^ eine äRaffe t)on ©onetten
unb anberen @ebid^ten. äBenn id^ ben £eibenben in
feinem S)untel2immer befud^te, ^otte er ipol^l eben unter
ben grä^Iid^ften ©^merjen irgenb ein (Epigramm ober
einen ©d^manl erfonnen^ ben er auf raftrierted Rapier
mit ber SBIeifebcr mül^fam nieberfd^rieb. ©o frei toor
fein ®eift geblieben, fo unerfd^Dpflid^ fein $umor, ben
er in frül^eren Stitzn anäf burd^ artige ^anbjei^nungen
bet&tigt l^atte. (Sl^arafteriftifd^ unb mit Sortiebe jeic^^»
nete er ^a^en, l^üUte aber bie nieblic^en Xiere l^äufig
in u^eibli^e ^(eibung unb brad^te fie in menfd^tic^e
SSerl^äUniffe, xoobti t^ aud^ an treffenben ^ittetoerfen
nid^t fel^tte. 3)erlei ging il^m leidet üon ber $anb.
@o fd^rieb er einen ganjen Sa^enroman: „2m^\^^
^immet unb (Erbe" in $einefd^er SRanier, öerfal^ and)
ha^ Opus mit geiftreid^en 30ufh:^^onen. Unfer ÜRorij
11. SKctflcr gaottta (1877). 321
®ä)mnb, bcr ein Äuge §attc ffir baS Statfiritd^c in ber
^nft, Io6te bie 3^i^n^^9^^ ^^^^ minber aU bie
SSerfc. — 3m etftcn Äapitd ^Sluf bcm S)ac^c" treffen
bie £tebenben jufammen: bie n)et^e l^olbfetige ^a|ine
unb ber ftateriüngling ÄraBaufc. S)cr SSater^ ber olte
$ater ©d^nauranje ^at aber bie S^d^ter bem ftlofter ju
„Tlatia @c^nau}" Qmtifft S)a tobt ber £iebenbe:
Uüb 5terte ber ®(^(eter baiS $au|)t bir,
3d^ (ro^t* tl^n l^erab btr Dom ^aox,
3(^ toürbe pm mfttenben 9taubtier,
3um (Qbifc^en 2l)men gor!
Unb miautefi bn frü^ auf bem (Sf^ottf
3d^ brummte bc^u im @elunb,
Unb engagierte Dom Zote
3um Serjett und bm ftettenl^unb.
Unb Wid^ft bu mit feligem »lide
Sdtarm&rtiS, im $aare bm Sttan^
3c^ 8^0c ^td^ ff^gJ gurarfc
iBei beinem )ungfrftu(i(!^en ©d^föona.
Sn einer Art J^umoriftifd^ent ßel^rgcbid^t: „S)er
fontpriniierte ®ott", ge^t ber S)id^tcr olle aietigionen
unb @ott*9Ketontot|)§of en burd^. ©o ^ei^t e« über ben
obfd^eulic^en Xierbienft:
©d^euglic^e ^rad^en mit SleufeUfra^en,
ai^enfc^en mit födpfen Don ^unben unb ßa^en,
(5tör(^c, SWoIc^c unb giftige ©erlangen,
ftafer mit Römern unb Ineifenben gangen,
64riftfn IV. 21
822 11.. SÄetpcr gfaütHa (1877).
Sötten unb Stffen, ftü^e imb Stiere,
Shtc^um, btt fämtlid^e SIcog her 2:iere
Xetite ftd^ 3<^rtaufenbe Imtg
3n bett l^etligen ^otteSrong.
9htn tontmen bte gried^ifd^en @5tter auf 8 Xapet:
SN'itet ttnb 9tot))^itnte,
3uno, aRard unb 0))^tobtte,
y^übuiS mit ber golb'nen Seiet,
SEed ging auf 9(benteuer,
3a, ^iana mar im iyunfeln
©elbjl nid^t abgeneigt htm SDhmleln!
ßam erft IBacd^ud angefahren,
Sßilb umtoft üon trunf nen ©d^aren,
^xapfftn, Sfaunen unb ^ünobtn,
$ant]^ern, S^n^en, tteinbelaben,
tCCed tobenb, freifd^enb, fd^reienb,
gügeaofer Buft ftd^ tteil^enb,
Sßarb, ttaS immer brauiS entflanb,
%oä^ ein ^eilig gfefl genannt.
^uc^ bte ©d^öpfungi^gefd^id^te unb ber jübifd^e
^eidmuj} tovch abgefd^ilbert, mit feinem eifemben
Sel^oDa^ XDdd)tm ber liebenbe (S^rtftengott ein (Snbe
mac^t, in beffen iRanten fid^ aber bte ^erjd^tebenen
pl^Uofopl^ifd^«reßgi5fen @e!ten bis jum heutigen Xage
auf bad bitterfte befäm))feu unb barüber ©Ott felber
beinal^e verlieren. @o gelangen U)ir in bie neuefte
„Äraft^ unb ©toffjeit", too f^Iiepd^ ber Kebe ®ott
in ben Urteint unb ^fc^Ieint jufantmengepre^t übrig
11. a»etftcr afoültta (1877), 323
MciBt — SBie aber toarb btc SBdt gcfd^affcn? SBtc
tritt ftc in bic ©rfd^cinung?
«u8 f(^Ioinniiöem Urjloff, ^aRonercn* ftcnannt^
^uf her ©d^l^^fung unterjier @teEe
5)ur(^ neue ?Proseffe ein S)tng cntftanb,
3)ie bilbungSbefliffenc gelle,
aRaterie mit btibenber ßraft!
grürtoo^r ein groger Sireffer!
SBer aber gab i^r bie (Sigenfd^aft?
%a liegt ber $af' im Pfeffer!
2)aS iß'g, too eu(^ n^ie und oeriagt
^er ganje äßeiS^eitS^Iunber!
a» bleibt ein 3E, eg bleibt ein 9i^,
S^elträtfel ober SS^nberl
Unb toenn ^l^r (Slott aud^ ignoriert,
^x ^abt il^n nur fo Yom|)rimiert.
Ob S^r il^n iemaliS gan^ vertreibt?
ßein Stopf toixb ba» entfd^eiben!
Unb toenn uniS <S)ott im ^er^en bleibt,
^t mügf d nun eben leiben.
§tcr folgen no^ einige ©onette^ beten ber grcunb
ttjöl&renb feinet langtpterigen Sranlentagerä eine Unja^I
ttiebergef daneben.
©eelenbilanj.
ßein Kaufmann fann fo flreng bie SBüd^er ft^ren,
^» xä^ bie ©d^ulbenbüd^er meiner 6eele;
9)enn fieser x^% bag id^ bie $(rme quäle
a^t eto'gem prüfen unb mit Kontrollieren.
21*
824 11. SRctfter gaüiHa (1877).
3d^ mag am ßa))itale nic^tö verlieren,
Unb boä^ bie eigenen ©d^ulben niö^t berl^e^ten;
(S(ar l^errlid^ to'dx% UnnV nad^ genauem QSi^ittt
(Sin ®ümmd^en ic^ gn meinem $ab* abbieren.
^oc^ glaub* id^ faß, ed bürfte toen^ge geben,
i)ie t>iel (Srfpamilfe gemad^t im 2thm,
Geringer nod^ bie 3^^^/ ^^^ ^^i^^ geßorben.
SBenn id^ m9 ^anpibuö^ nun mein ßonto trage,
@o finbet fld^% bag ic^, tro$ 9)^^' unb $(age,
gmar nid^tg verloren — bo(j^ au^ nic^tö ectoorben.
8. SKarj 1865.
3n ber (SJenefung.
Sd& ^atte laum bm alten Sf^inb begn^ungen,
^od^ (am er fc^Iau, mit i)o))))el(raft mir lieber,
Sdof)Xi mir fein äJ^arterh^erfgeug in bie (^lieber
Unb pregt t)or ©c^merg gufammen mir bie :8ungen.
Unb neuerbingS l^ab' ic^ mit t6m gerungen,
98ie ber bleibe rang einß mit ber $^ber,
Unb \itfj\ aud) ic^ toarf meinen (S)egner nieber
ttnb freute mid), boi mir ber @ieg gelungen.
^od^ lange mirb bit grreube too^I nid^t bauem,
^enn Itftig ift ber gcinb, geübt im Säuern,
(Sin ^e(^t im ^ienfl be§ %ob% dn gut begal^Iter.
Unb toiU x6) \f)n mit einem Flamen nennen,
@o mu6 id| leiber ÖJotteö mir befcnnen:
„3)er gfeinb, ber bic^ beftegt, er Reifet: ba9 Älter."
3m ©ette, 14. gfebruar 1871.
11. a»ci|ler gfaöiHa (1877). 326
filttx unb neuer gf^ü^Iing.
Sßie touiV id^ einft btn gfrü^Iing au begrüben,
ajHt feinen taufenb frifd&en, fd^önen ^in^tn,
SRit feinen ®ö^toaibtn, feinen ©d^metterlingen,
3a felbft mit feinen groben 9tegengüffenl
®Q^ an btn ^eden id^ bie fßtilö^m f^rie^en,
9nt Sflieberbufc^ bie buftigen Stno\pta fpringen,
^M i(^ int 16ud^enmalb bie ^nfen fingen,
SBie ^ütf iö^ ba nic^t iubilieren muffen?
%oö^ ie(t, toenn alle fd^on oom Sfrä^ling fd^loftnnen^
(Srlifd^t bei mir baS gfeuer (aum im €fen,
IBetoor mid^ nic^t grrau ©onne !ann ertoürmen.
Unb fft^rt ein St^euma gar mir in bie ^lieber,
9htf \d) mit IB^ranger, btm ^f)xlo\opf^n:
;,)6ertoünfd)ter :8ena/ fe^rfi bu benn immer mieber?"'*')
26. gebruor 1871.
Sa^t mtd^ allein!
fia^t mid^ allein! IBin id^ Ja bod^ fd^on lange
S3on biefer bunten SBelt im (Steift gef (Rieben;
Sagt mid^ allein! SSie((eid)t ftnb' id^ bm gfrieben,
9lad^ bem id^, ad^, fo fe^nfud^t0t)oll Verlange l
3^r n^erft mir t>vx, ba^ ic^ nun ©rillen fange,
©eitbem ber aj{enfd)en Umgang id) gemieben;
<S)Iaubt e$ nur immerl^in! ^ Un*9 aufrieben!
Sagt mic^ nur leben nac^ bem eigenen orange.
*) Maudit printemps, revlendras-tu tonjours?
326 11. SRcificr goöitta (1877).
ftann \6^ ben ^tti\6^tn nid^t ntel^r ange^drett,
i)et Bunten SBelt ntd^t mel^r mit offnen @tnnen^
2)ann foE auc^ nic^tiS bad ©letd^getotd^t mir ftdten.
Unb ba nur (Sinfamfeit ed mac^t gewinnen,
@o toerb* td^ nie mic^ um ein 2)Qfein gt&men,
i)ad mir nid^td geben fann, bod) aud^ nid^tiS nel^men.
2Bten, 10. gfebruar 1873.
SKan fte^t^ bic ©ebönfentoelt »ar bcm äRufiler
burd^auS nidjt fremb. Stud^ mit ber fie^re S)Qmtnd
l^atte er ft^ Vertraut gemac^t^ ol^ne bie (E^traüaganjen
ber 9lQC^6eter bed großen (Sntbederd ju teilen. 3n
artiftif^'&ftl^etif c^en Singen l^atte S)effauer ein gefunbed
nnb nn})arteiijc^e^ Urteil, bo^ §iclt i^n fein feiner
unb QU^gebilbeter ®t\äfmad iMxnd, einer geniiffen
l^^pergeniden, ja bämonif^en ^nftrid^tung bei}U«
ftimnien, bie e8 barauf anlegt, einen gebanfenlofen
Äor^bantentrofe burd^ ©etöje unb äußern glitter mit
93eil^i(fe ber fRellame anjuloden, ju betäuben unb ju
üerbummen. 2)ie ec^te £unft toax immer einfach unb
natärtic^. Sad gilt t)on ^omer bid auf @oet^e unb
aRogart.
^omeribe ju fein, aud^ als ber le^te, iß f(!^^n.
Oenug über meinen unüerge|Iic^en fjreunb! S)er
9Renfd^, »ie ber Äönftler bebarf meiner nid^t, um in ber
11. SReiper gfaöiHa (1877). 827
Erinnerung aQer gut unb fd^5n S)enfenben fortjuteben.
S)ic unftcrbti^e 5^bcr bcr großen unb cblen ®corgc
©anb §at i^rem „9Rciftcr gaöilla" ein bauembe« S)enl*
mal gefegt
12. Hnattatius 6rfin (l$50).
^ein SBotf ^at fo ma|tod t)iel ^^rif gutoge ge^
förbcrt unb ift im JBeft^c fo mannigfaltiger t^rif^cr
Snbi^ibualitäten al^ bad beutfd^e; Bei feinem ift ber
Snl^aft, pnb bie Sbeen ber 3^^* \^ begierig öon ben
S)id^tem — unb jtoar öon ben S^rilem — auf*
genommen tt)orben. %n bem £eitfaben il^rer @efange
liefe fid^ eine ©efd^id^te bed beutfd^en SSoßei^, beutf^er
3uftänbe fc^reiben. SBenn bie fc^wäbifd^en 9Rinnef&nger
Siittertum^ SReligion unb äWinne in il^ren Siebem öer*=
^errlic^ten, jo öcrmel^ten biefe buftigen Slüten fpäter
öor bem fd^arfen, falten SSerftanbei^^auc^ ber Sftefor*
mation; bie ^oefie öerlief i^re luftige, ^immlifd^e
^eimat unb niurbe gejmungen, an ben kämpfen ber
©egentoart, an ben ^rd^en^ unb SSeltl^änbeln teil ju
ncl^men; allein bie neue realiftifc^c ©runblage toar fein
^inbemtS, t^ielme^r bie ^eranlaffung, ba$ ©enie be^
unt)ergleid^lid^en, ja einjigen $and @ad^S l^ert)orjurufen,
ein äJ'^itgtieb ber l^audbadCenen ÜJ^eifterfängerjunft, bod^
unjänftig toit aUed Sebeutenbe. S)ie ^arte @d^ute be8
breifigjä^rigen Äriegeg reifte bie emften unb m&nn*
12. «najittflttS ©rün (1860). 329
Itd^en 6^l^araltere eine^ 0|)t^ unb S(ngelui^ ©ilefiud,
U)ä]^renb fic^ anberfeitö felbft in bem l^oetifd^en ©d^tuulft
unb Sombaft eine^ ^ofmanndioalbau unb £ol^enftem ber
Iricb unb bic ©cl^nfud^t einer jerriffcnen ßcit ab*
spiegeln, für bie SDic^tfunft triebet einen neuen ibealen
iBoben }U gewinnen. Site fpäterl^in ©ottfc^eb, ber
tounberlid^e S)iltator ber beutf c^en Literatur feiner 3^^*^
bie fc^Iefifc^e S)i^terfc^ule t>tttoat^, unb mit feinen
ßei^giger ^(n^ängern ben beffem ©efc^ntat! ^on ienf eitö
be^ SRl^eind l^eräber ju ^oten fid^ beftrebte, ed aber
nid^t toeiter brad^te atd gu einer reineren f^orm o^ne
eigentlid^en Snl^alt, ba festen i^m bie 93en)unberer
9RiIton^^ bie ©d^tneijer, ben reid^eren ©toff^ ben tieferen
©e^alt entgegen, unb ein erbitterter Äampf erl^ob fid^,
ob man bie ^rangofen ober bie (£ng(änber nac^al^men
foQe, roeld^er bamit enbete, ba§ ein ®enie aufftanb,
toelc^ei^ feinen eigenen äBeg ging: , ^lopftodt. Qnm
erften STOale nad^ langer ^aufe toieber eine rein beutf ^e
SRegung in ben Oben unb SBarbieten! 8tber neben biefem
abftralten Patriotismus beS XeutonentumS fanb bie
^oefte in ben Xaten beS großen ^reufenlönigd unb
biefer in Äleift unb @teim feine SBer^errlic^er. Sin
f^miegfamer ®eift, gtei^ bereit „§ermann ben S^e-
ruSfer" wie bie Sieber beS „preufeifd^en ®renabierS"
}u ben)unbem, im übrigen feiner 9latur nad^ me^r
eKeltifd^ aU patriotifc^, SBielanb, ein Kenner ber atten
ttofftfd^en , Literatur toie ber romantifc^en fRitterjeit,
330 12. «najiaftug (Slrün (1850).
ba6ei bie mobeme franjöftfd^e 9{td^tung in feiner SBeife
^intanfe|enb, tpufte btefe ^auptetemente ber 93ilbung
in ft^ gn vereinigen nnb in ^5d^ft anmutigen (Sd^öpf«
ungen geltenb }U mad^en. SESenn id^ nod) benfittlic^»
religüJfen ®ellert nnb ben jart^etegif c^en ^blt^ §ert)or*
^ebe nnb 93ürger^ ben berben nnb tü^tigen Sßertreter
ber S$oIföanfd^auungSn)eifen nnb «empfinbnngen, fo
tt)erben biejjenigen, n^elc^e einigermaßen mit beutfc^en
Literatur* nnb Sebeni^äuftSnben öertraut ftnb^ nic^
anfte^en, meiner Sel^au^tung beiju^flid^ten, ba| bie fo
öerfd^iebene S^rif jener SRönner beiläufig bemjenigen
entfpred^e, toag bamate — id^ »iß nid^t fagen in ber
beutfd^en Station — bod^ in ben mannigfaltigen Reifen
beutfc^er ©efeüfd^aft ali» 2;rie6, aU ^tim, aU Slüte
gärte, fid^ geftaltete, ber 5^d^t entgegenreifte. Senn
toad man auc^ bagegen einn^enben mag: biefe fc^öne
9RannigfaItig!eit toar bis bal^in ein S$or}ug ber bentf^n
Siteratur^ ben fie freitid^ auf Äoften ber nationalen
Sin^eit teuer genug erlaufen mußte. 2)ie politifc^e
Sitbung unb 3^^t^öIifation niöeHiert nid^t nur bie
iBürger, fonbem aud^ bie Äünftter^ inbem fie ba§ Sn«^
biüibuette^ im Seben ttjie im ©til^ mel^r unb me^r Der«
fd^toinben mac^t. —
Sßod^ l^atte bie beutfd^e ß^rif i^ren ^bl^e^junft
nic^t erreid^t, aU i^r burd^ $erber« ,,@ttmmen ber
SSöHer" unb burc^ Seffing« ^itif bie §umanität§ibee
aU i^r eigenttid^e» Sereid^ angeioiefen toarb, toel^e
12. SCnaßaftuS (^rün (1860). 331
in ©oetl^e unb ©d^iUer il^ren reinften S(udbrudC fanb.
©deiner toar burd^ beit fittUc^en (Sl^aralter unb ben
SbealidmuS feiner ^oefte ber SieblingSbid^ter aQer
S)cutj|ci^en getoorbcn, bic fid^ in bcm ©cfül^lc, ctoaS
\o ®tf)aitnt^ ju beft^en unb in ®eift unb ©ernüt
anjuertcnncn, fclbft beffcr unb cbler crfd^icncn- ®oet^e8
realer 3nbit)ibualidmu8 tourjette bagegen im ©iniie ber
SlUen, in ber äRutter ^be^ bai^ üRenfd^Iid^e jur
l^ßd^ften Sßitrbe er^ebenb, baS &öt&id)t atö m ge«
l^eimnii^t^oQ UnbelannteS auS befd^eibener (Entfernung
bemütig öerel^renb. SKan fann fagen, bafe ©d^ißcr
unb ©oetl^e toie im Seben, fo in ber Äunft unb i^rer
^nmirlung auf bad^ubßlum ftd^ gegenfettig ergänzten;
benn tt)ie ber ibeale 3)id^ter bie ®emiiter begeifterte unb
entflammte, f o löfte ber reale feine Aufgabe, ®eift unb
Statur in i^ren Siedeten ju httooSjittn, unb maS bamals
^or aQem 9{ot tat: bie fogenannten ®ebilbeten ju bilben.
3e mel^r toir un« in biefer lurjen Überftd^t ber
neuern 3^^* naivem, befto rafd^er toed^feln bie ®e*
ftalten, befto fd^neller fielet man bie t^rifd^en latente,
bie poetifc^en SSeltanfd^auungen fid^ ausleben — bie
3eit ber (Epigonen l^at begonnen- fjeft unb unerfd^üt*
tert, \>oU Wlad unb (S^aralter, ragt nur nod^ ber
emfte, ed^t beutfd^e unb tief gemätboQe Ul^Ianb bi9 in
unfere Sage l^erein; fein bid^terifd^er Sorbeer ift nod^
frifd^ unb grfin unb feine Partei tt)agt eS, il^n bem
greifenben ©finger öon ber ©tirne ju reiben.
332 12. 9(napartUi^ ®cün (1850).
SBcId^c inneren ©rlcbniffe, rod6)t gciftigen (&:*
rungenfd^aften l^attc bie beutfti^c ß^ril öon ben SÄinnc^^
fängern bt^ auf ®oetl^e, ton ber meland^olifc^en
©d^olafttl bis gut ^eiteren SJatumiffenfd^aft auf i^ren
golbenen @aiten axt'^ unb nad^getlungen! S)a gef^a^
ti, jur Stit beS S3öIIerIam))feS, bag enbtid^ aud^ eine
nationcQc lat ber ®ejfinge ernftcr Snl^att »arb, aüein
beS mobemen beutfd^^öfterreid^ifd^en I^rtfiug S^^eobor
Äömer« „©^toert" ttjie „S^ra" finb t&ngft — t)er*
geffen.
SJeutf^Ianb l^atte ben g'^ieben^ aber bie 5ßoefie
leinen ©toff; baö Ungenügen an ber ^^it unb i^ren
ßuftänben toarf fid^ in %itd unb ben ©ebriibem
©d^Iegel auf aR^ftil unb SOtittekIter juräcf^ o^ne naä)
lurjer SReaftion eine me^r ate üorüberge^enbe SBir«
lung }U erzielen. S)ie SBerjkoeiflung jagte ben fpröben
SJid^tergeift Paten nad^ §eQa8 unb in ben Orient,
toeld^en ein nid^t minber großer 3Reiftcr ber 5orm,
"Stüdtit, mit me^r 93el^agen ausbeutete; ber äKanget
an Seben ju ^aufe unb fiorb S^ronS SBeifpiel rief
in 3)eutfd^Ianb eine ganje Literatur t)on „(Srie^en«
liebem" l^eröor. Slber iujttjif^en l^attc ein !ecfe8 ®enie
bie mobeme ^^^^ff^^'Ö^it ^^f cnipfunbcn unb fie fettft
jum SBottourf ber 5ßoefie auSertoä^It. ^einc* „Sieife*
bilber'' unb „öud^ ber Sieber" etcftrifierten bie gauje
SBett. S)ieS poetifd^c ®ebräu t)on SBeltfc^merj, ©ettft*
^ßerftflage, ed^ten 9iatur^ unb ^erjenStauten, fottjic
12. 9(nafitafitt§ (»tun (1850). 333
t)on toa^rem ariftop^anifd^en SSi| mar t^, beffen bte
3eit bcburftc. §cinc ganj aßcin ift bic „junge 5ßocftc",
baö „junge S)cutfci^Ianb"; bie übrigen, bie fid^ ^o
nannten, ftnb im ®runbe toeniger 5ßoefte al8 Äriti!;
barnm jd^rieben unb fd^reiben fte aud^ nod^ in 5ßrofa.
(Sine nngel^cure Stufregung, ein rafd^e« Äufftadtem
neuer Sbeen, ein getoattiged 3)urd^einanbem)ogen
bisparater ^nftd^ten unb SKd^tmtgen, ber Santpf ber
^rteien toat in bie SSelt gelommen — aud^ ba8
rul^ige unb bejonnene £)fterreid^ lonnte fid^ I&nger
nid^t enthalten, an beut geiftigen SBettfanq)fe poetif d^ teil*
junel^men. 3n ä^Mi^f ®bert, 3)rfiEler*SDlanfreb u. a. l^atte
bie £QriI in biefent t)on ber Statur gesegneten Sanbe
längft il^re toürbigen Vertreter gefunben, aud^ ^ielt
@(rillpar}er, burd^ unb burd^ 3)ramatiler, bistoeilen
I^rifd^e STOonotoge — aßein bie nwbeme 5ßoefte unb
bie neue Stid^tung ntad^te ftd^ in £)fterreid^ erft ^affn
burd^ 9li!oIau8 Senau unb ÄnaftaftuÄ @rün unb
mand^eS junge frifd^e S^alent l^at feitbem ju ber ^al^ne
biefer aJiänner gefd^tooren.
SDber biefe mobeme 5ßoefie, bieje neue 3Kd^tung,
ftnb fte nid^t an unb ffir fid^ gef äl^rlid^, f d^fiblid^ öerwerf =»
lid^? — SWd^tg ift öertoerfüd^, toa^ Seben l^at, unb
nur baS Xote, baS ®eiftIofe ift gefäl^rlid^, toeil ed er*
tötet. 2Ran l^at ber neueren 5ßoefte üorgettjorfen, ba|
fie „poütifd^" fei — toarum tabelt man bie SDWnne*
fänger nid^t toegen i^rer fird^Ii(^en unb £iebe8m^ftif,
334 12. «naftojiug (»rün (1850).
^aniS ®a6)^ n)egen feiner berben SBerftanbeSnatürltc^«
leit, gerbet liegen feiner ^umanit&törici^tung^ ©d^iller
tt)egen feines SbealiSmuS? ^oä) jjal S(ud^ alle biefe,
tDie jebe Stid^tung, bie einmal im £eben tourjelte, f)at
il^re Sobler gefnnben — an ben Sebentofen^ ben
^ebanten, bie aQem feinb finb tt)ad n)irflid^ lebt^ n)a§
eine ®^ftenj beft^t unb üerteibigt Sßenn etoaS abge^
tan, »enn e8 erft eingefd^ad^tett unb eingefargt ift,
toenn'g nid^t mel^r lebt, bann tft eÄ flaffifd^ geworben
unb gibt jugleid^ äJZufter unb ®renje an, tüoxnbtv
man nid^t l^inau« foß. SSortreffttd^e Äunfttl^eorie, na(^
koeld^er unfere armen £^riler noc^ immer nid^ti^ als
£iebe, SKonbfc^ein unb SSein ju beftngen ober bie
aRäcene ju üer^errtid^en t)erbammt n^ären! (Es ift bie
Xl^eorie ber ^eigl^eit, beS SSertrodCnenS, beS ^eron«
fd^Ieid^enben %tterS, tt)eIc^eS einen tiefen SSiber)niQen
empfinbet öor bem Aufbrechen ber frifd^ l^eröorlcimen:*
ben aSIuten unb «nofpen. SBeS ^at feine Seit — baS
gilt für bie 3ungen xok für bie Alten. (Ein Sunger,
ber ttjal^rl^aft lebenbig ift, laufd^t bem 5ßutfe ber 3^it
unb gibt i^r, toaS fie bebarf ; fo l^at ©oet^e ju feiner
3eit getan unb jcber toal^re S)id^ter; — ein Sttter, ber
toeife ift, fud^t ftd^ neben ber 3ugenb lebenbig ju er*
l^alten, inbem er il^r neues lun begreifen lernt, i^r
(SuteS teilne^menb förbert, il^re Ungebulb jügelt, il^rc
Übertriebenl^eiten milbe erträgt — fo l^at ©ofrateS ju
feiner Qtit getan unb jeber toal^re SBeife. SBeffen baS
12. «nafkofm« (»tun (1860). 335
^crj öott ift^ baöon flicht bcr 2Runb über. 3)ic neue
%ri! ^at c8 nic^t ücrjd^tüicgcn, wa» in fo üidcn ©6«=
mütcm ftd^ regt; fic f)at hai ®ärcn bcr 3^^*/ ^^
ßicbcn unb $affcn^ il^r ^offcn unb 3^^^ freimütig
auSgefprod^en. S(t^ ^or^pl^Sen biefer neuen S^ril er«
j^cinen unfere beibcn Bfterreid^ifc^en ©id^ter: ber eble
unb tieffinnige^ im £eBen fo unglücSid^e 9lifoIaud
ßenau^ ber aus innerftem ^erjenSbebürfnii^ baS reli«
giBfe aJioment in feine S)id^tungen üertoebte — unb
ber elegifci^4u^i>^ftif(^^f immer lebenSfrifd^e Wxa^
ftaftuS ®rün^ welcher ate erfter Anreger unb Vertreter
ber potitif(^en Süd^tung ber mobernen ^oefie ju gelten
pflegt. (Sine originelle unb innige 9laturanfd^auung ift
beiber SSorjug; jeboc^ nimmt £enau feine 93Uber mit
SSorliebe t)on ber Sßod^tfeite ber Statur^ tofil^renb
SCnaftaftuS ®rün ftd^ gerne bem l^eQen^ fonnigen Xag
unb feinen freunblid^en C^ci^einungen gutoenbet, tt)ie
man il^m benn auc!^ bie ^Qe ber 9tofen, beren er
\idi) jum poetifd^en ©ebraud^e bebient^ fotoie feinem
bfifteren f^reunbe £enau bie pufig toiebertel^renben
@eier unb anberei^ un^eimlid^e @et^5gel nid^t feiten
gum SSortourf mad^te. D^ne bie 5ßaraQeIe jtoifd^en
ben betben SDWtftrebenben weiter ouggufül^ren^ tooßen
n^ir uni^ je^t audfd^Ke|ttd^ mit bemjenigen t)on
flauen befd^fiftigen^ beffen Siamen biefe ©lijje on ber
@time trägt.
336 12. 9(na{iaftus d^rftn (1850).
®tn S)id^tcr legt fein innere« Scben in feinen
SBcrten nicber unb ein beutfd^er 3)i(^ter erlebt nur
toenig t)on au^en.
Slnton Älejanber SKarta ®raf üon Äuer^perg ift
am 11. ?lpril 1806 ju Saibad) geboren unb erl^ielt
feine erfte Grjie^ung im elterlid^en §aufe^ größtenteils
auf bem ©d^Ioffe I^um am §art, tt)o ein (Sf^gran-
jislaner fein §ofmeiftcr toar. 3m ©ommer be« Solare«
1813 faßte ber ©ater unfere» SJid^ter« ben raf(^en
ffintfd^Iuß, ben Knaben ju feiner weiteren gortbilbung
bem Xl^erefianum in äßien anjut)ertrauen. ä8ad ü^n
baju ben)og, n^ar ber SBorfd^Iag bed bamaligen fran>>
jöfifd^cn ©eneralgouüemeurg wn SÖ^tien, 2Rarmont^
ben jungen üRenfd^en in eine Sriie^ungSanftalt na(^
5pari8 mitjuncl^men, unb bie patrtotifd^e SBeforgniiJ,
biefer Eintrag, jtoar auf gute Art abgelel^nt, lönnte
fid^ in ber fjolgc bennod^ tjertoirfltd^en. Änton Äle^»
j^anber loarb t>on ben ^äbagogen ber Stitteralabemie
fd^on na(^ jttjei Salären für unüerbeffcrlici^ erllärt —
toarum? toeiß er fetbft nid^t }u fagen. SSielleic^t, tt)cil
fid^ bie Äeime eine« freien SKenfd^en* unb SJic^ter*
geifte« in il^m lebl^after )u räl^ren begannen^ alS ed
eine (Srjiel^ungSanftalt für $(belige bamaliS billigen
mod^te ober burfte.
SRad^ jtoei Salären trat 2lnton Sllejanber aug bem
3;i^erefianum in bie Sngenieurgafabemie über, au«
toeld^er il^n ba« im ^af)xt 1818 erfolgte Ableben feine«
12. «noftafiu« ©tun (1850). 337
SBaterä ttJtcbcr abrief, ba bic Dbcrt)ormunbj(]^aftg*
bcl^brbc bic gortbaucr miUtärijd^cr ©rjicl^ung für i^n
als einjtgen @ol^n nic^t paffenb fanb. C^tn ^t^at^
crjicl^ungi^inftitut, tücld^c^ nun ben tocrbenbcn Süngling
aufnahm, fagtc il^nt, bei bcm büfter^jclotifd^cn ©cifte,
ber barin berrfd^tc, ttjcnig ju; bcr SBibcrfprud^ jtoifd^cn
bem äußeren äSerl^alten, ju n^eld^em ed gegtoungen n^ar,
unb bcm 3;ricbc, bcr ftd^ üon 3nncn regte, baö SKi^*
öcrl^ältniS öon ©ci^ein unb ©ein, tooran toir atle
leiben, öerfe^Üe nid^t, ba§ junge SJid^tergemüt mit
SSitterfeit 5U erfüllen, unb gibt üieHeici^t ju mand^er
jeiner jpätern S)i^tungen bic ^lufflärung. 3nbeffen
Joar er, toa« man in Öfterreid^ einen „guten ©tu^
beuten" nennt, unb trat teid^teren ^erjcn§ au§ ber
Slnftalt au§, aU er eingetreten »ar, unb in bic plöiIo:=
^opl^ijd^cn ©tubien über. S)ie]e unb bic SRed^täftubien,
mit SCuönal^mc jttjcier Sal^rgängc in &xä^, l^örtc er
an ber SBiener Uniöcrfität. 3n bic legten ©tubicnjal^re
faöen frine erften poctijc^en SSerfud^e, ttjcld^c unter
bem öoQcn 9iamcn be§ Sßerfafferg in ©räfferö „^^U
lomelc" unb in ber „Xl^eaterjcitung" mitgeteilt ttjurben.
Sm Saläre 1830 erjd^ienen bic „Söfätter ber Siebe"
öon Slnaftaftu^ QJrün, ol^ne befonberc Stufmerffamfeit
ju crtuedEcn, fpäterl^in üon bcm S)id^ter felbft aU un*
fertig unb unreif jum %til öerttjorfen. §5^eren Slnteit,
»enn aud^ anfangt fein große« 5ßubUfum, fanb „S)er
lefete ütitter". ©iefer Siomanjcnfranj läßt bereit« ba«
64rift» IV. 22
338 12. »naftafmd (»tun (1850).
ganje 3Befen Sluerfpergi^ al^nen. Stielet blog bai^
nationale (SIentent im aQgemeinen, fonbem ber reale
J^iftorifc^^poUtifd^e 93oben ift ti, in toeld^em baS Xalent
unf ere^ S)t(!^terd koutjelt, auS toddfzm eS feine ^oetifc^e
9{a^rung jiel^t t^räl^ieitig t^on ben lebenSfrifd^en unb
naiöen ©tjcugniffen ber aUbeutfd^en 3)id^tluttft onge*
jogen, jclbft an i^ren SBunberlid^feiten, an i^remSa*
roden unb ÄbcnteuerKd^en öel^agen finbenb, mit bem
beutfd^en Sagen* unb Segenbenfrcife innig üertraut,
l^atten @tubien unb fiebeniSmeife an bem 3)i(^ter bad«
ienige nur n^eiter auSgebilbet, tt)oju Anlage unb
(S^arafter hinneigten. 3n ber ganjen %nf d^auungS« unb
SBe^anb(ung8tt)eife, in bem S)erbtt)irnici^en, auiS toelc^em
fid^ bie f^äben ber $oefie fpinnen^ in ber äRac^t beS
QitmnM, baS fie t^ertoebt^ in ber mägig beigemifc^ten
l^umoriftijrfien, ia }um Xeil fatirijc^en gärbung, felbft
biiS auf bie 3Bal^I bei^ aRetrumS, baS toeniger tritifc^
jure^tgelegt^ atö burd^ 9laturtrieb l^eraudgen^ac^fen
fd^eint, fteßt ftd^ „S)er lefete Siitter" getoiffcrma^en aU
eine moberne gortbilbung unb fjortfe^ung ber SBcije ber
3Rinnejänger bar. 3)ie8 ift ba^ 5^lb, auf toeld^em Ana*
ftafiuÄ ®rün ben 3)id^tcrIorbeer juerft angeftrcbt^ auf
n^eld^em er il^n im reid^ften Wla^t erringen toirb. %Qein
— habent sua fata libelli! S)er erftc Äntauf toar
gemacht unb jeigte wn frifc^em, lül^nem äRut; nur
lä^t ba^ ^ubüfum ni^t f o leidet in fid^ l^inein Srefc^e
fd^iefeen — baju beburfteegeineäanbern^fedEerenÄngriffei^.
12. «naftafiuig ®rün (1850). 339
3nt Sa^rc 1831 »erliefe Sluerfperg feinen 2lnf:=
enthalt in SSien, um bie Sßernjaltung ber il^m erbtid^
jugefaßenen ^errfd^aft %f)um am §art 5U übernehmen.
3m Saufe beöfelben Sa^re^ erfd^ienen gcn)iffe I^rifd^e
SBIätter, unvorbereitet, namenloö, tjoß SSärme, tjatcr-
(änbifd^er fflegeifterung, öoll eblen 3otneg gegen ba^^
Sßerfel^rte, mit äWafe fatirifd^e $ßfeile fd^Ieubernb, beren
feiner fein Qitl verfehlte. S)ie SSirfung, bie Stufregung
ujar grofe; in ben ,,©pajiergängen eine^ SQBiener
^oeten" ttJar bag golbene 3)ici^tertt)ort gefallen, ttjeld^e^
ber Süge, ber ^eud^elei, ber poütifd^en Sßerfnöd^erung
bag S^obe^urteil fprad^ — bie eblen, gebrücKen |)erjen
flammten auf unb befd^Ioffen feine SBotljiel^ung. 3)ie
SRärjtage »oüfül^rten bie njirltid^e 3;at, bie in ben
„Spaziergängen" poetifd^ begonnen war. 2Ran erriet
balb i^ren SSerfaffer. S)er SWame Änaftaftu« @rün lief
öon SKunb ju ÜÄunb. S)a8 @IüdE beg ©id^terä ttjar
gemad^t, aber il^m — bie 9Kenge ift t^rannif d^ ! — ju*
gleid^ ber S93eg t^orgejeid^net, auf n^eld^em man i^m
für aQe ä^^^^ft begegnen njoQe. 3)ie SJeöife l^iefe nun
einmal „politifd^er S)id^ter", unb beö Slutor« lang
erwartete neuere SJid^tungen, bie md) üier Salären
(im 3al^re 1835) unter bem Xitel „©d^utt'' erfd^ienen,
galten nad^ Stoff unb SJarfteöung für ein S^td^^n,
bafe er bie i^m übertragene Senbung angenommen unb
ben mit bem „k|tcn SRitter" juerft eingefd^Iogenen
SBeg gänjlid^ üerlaffen i)aht. S)od^ aud^ für biefen
22*
340 12. «naftafius ©rüii (1850).
jcigtc ftd^ nun ein toännerer Slnteil; xoax c§ hoä)
gletd^faH« ein SBcrl be^ Sicbling^bid^ter»!
Snbeffen lebte ber gefeierte SJid^ter ftiß, friebtid^
unb einfam ouf feinem Srbjci^loffe, Pflonjte, fäte, ab^
miniftrierte unb \pxa(S) frainerifd^ mit feinen Sauern,
bie »eber tonnten, bafe i^r @Jrunbl^err ein ^oet, noc^
ttjaö überl^aupt ein ^oet, am aöertüenigften, »a^ ein
:poUtifci^er unb Xenbenj^Sd^riftfteßer fei. Um ein fo
einförmige^ ßeben aufäufrifd^en unb btn Qn'iammm^
i^ang mit ben greunben in SBien ju erhalten, ttjurben
mel^rmatg im Sa^re einige SBod^en bort jugebrad^t, aud^
Steifen unternommen burd^ 9iorb:= unb ©übbeutfd^Ianb,
burd^ ganj Stauen, aud^ fji^anfreid^, Belgien unb ®nglanb.
6§ ift nid^t gut, ba§ ber ÜÄenfd^ aßein fei! —
3)iefe SBal^rl^eit l^atte ftd^ bem ©iebler auf 2;^um am
$art, bem ©änger ber „S3Iätter ber Siebe" fd^on feit
Salären aufgebrängt. Sine S^ieigung ttjar längft in i^m
ernjac^t, bie er nad^ feiner SBeife im innerften ^erjcn
barg unb im 2m^\\d, ob fie audEi ertoibert njerbe,
tt)eber feinen beften greunben nod^ — i^rem @egen*
[tanbe verriet.
3)od^ — finb'ö SRofen,fo toerben fie blühen! Qiii^^^
fam benn auc^ ber 3Koment, tt?o ba^ ©el^eimni^ ]^er==
öorbrad^ unb eine $eirat au§ gegenseitiger Steigung
toar beö »tätfelö fiöfung. ?tm 11. Suli 1839 beglütfte
SRaria ©räfin öon Slttemö ben SJid^ter mit i^rer
^anb, beffen 9Jiufe fd^on frül^er für einige Qtit üer*
12. Slnaftafitt« (SJrün (1850). 341
ftumntt mar unb nun in einem ^artnödigen ©d^meigen
t^er^arren ju moQen fd^ien. 3)Qd !onnte meber ba^
^ßuHifum begreifen^ nod^ biejcnigen^ toeld^c bic Sitera-
tur „ju mad^en" pflegen unb bie fc^r ttjol^t njiffen^
njie notoenbig eg ift, fid^ immerfort aufg neue ouf*
jutifd^cn. ®ie l^atten öcrgeffen, bafe bem SJid^tcr bai^
glüdEIid^e Soä jugefaöcn »ar, auf eigenem (Srunb unb
SBoben^ im Slrm ber Siebe, fern öom literarifd^en
SKarfte, frei unb ungel^inbert ftd^ felbft ju leben, ber
SWotur, ber Reitern Xätigfeit unb unter raufd^enben
Säumen unb buftigen SBIumen ben (Singebungen feinet
3nnem laufd^en ju bürfen, ol^ne fte jur Dftermeffe
auf Seftettung getoaltfam l^eraufpumpen ju muffen.
S)a^ l^atten bie §erren üergeffen ober öielmel^r: fie
l^atten e8 nid^t t)ergeffen, nod^ aud^ toaren fte geneigt,
bem 3)i(^ter feine beneibete Unabl^ängigfeit fo rul^ig
l^inge^en ju laffen. „Slnaftafiuä @Jrän fd^toeigt beinahe
fed^a 3a]^re lang, er l^at eine ©räfin gel^eiratet, er ift
jule^t felbft ein ®raf, er ttiranniftert feine fflauem,
er fud^t ben Äammerl^errnfd^Iüffel — fein B^^if^^r ^^
ift abtrünnig gettjorben!" fo ]^ie§ eg in ben beutfd^en
matfd^blättern unb Slatfd^gebid^ten. — % ®rün mit
bem Äammerl^ermfd^Iüffel tt)äre aßerbingä eine 3lno*
malie; aber jum ®Iüd l^at er niemals baran gebadet,
fid^ biefe l^armlofe Qkxht ju öerf(^affen. S)ie feiige
3enfur l^at übrigens burd^auS ni^t geftattet, ben
2)id^ter gegen biefe 3lnfd^ulbignng jU öerteibigen. SWan
342 12. «naftofiuig ©rün (1850).
lamt barau^ crfc^cn, in tocld^cn Reifen bic SScrbäd^ti-
gung feiner ^erjon bamalS ben tüillfonimenften ?lnflang
fanb. ^Beiläufig in bie Qtit jener Sammerl^errn*8egcnbe
fiel bie ^erauggabe ber „SRibelungen im 5^acf". ®cr
gereijte 3)ici^ter l^atte barin ben literarifd^en Ätoffem
jugernf en :
^em i^ren Strahl bie gfrei^ett einmal burt^d ^erj gegoffen,
abfällt ber nie unb nimmer, tro( fonb*rer ßam;)fgeno{fen!
Sßir tragen ber 9rei()eit Scanner, nic^t i^reSiüecei^n;
Der ftne^t Witt Unterfnet^te — ber grei^eit fclbft fein ®f(ot)'
i(^ fein!
3)Qd toax genug, um fi(^ aufS neue bie ^ammer^
biener ber greil^eit unb ber fiiteratur an ben ^ol^ gu
l^e^en. — S5ie „9iibetungen" mad^teu übrigen^ im
großen ^ublifum njenig &lnd, 2Ran öermigte barin
bie frühere @Iut unb SBegeifterung, fotoie bie genjol^nte
poUtif(j^e ^l^raje; baS @anje b(o^ aU $umor, aU
reine ©atire auf bie „SWarotte" auf juf äffen, moUtc
nid^t genügen, bie tä)l poetifd^en 5ßartien, tok bie
(Stfenfjenen, »urben überfeinen, felbft ©prad^e unb
aSel^anblung be^ üRetrum^ für l^art unb manieriert
erflärt.
@o mand^eS gugegeben, \üa^ f)kx getabeU morben,
njirb berjenige, ber ben poetifd^en fiebenSgang unfereö
2)id^ter§ aufmerffamer begleitet l^at, in ben „9iibe^
lungen'' junäd^ft eine SBieberfel^r auf bie mit bem
,Jefeten Siitter" öerlaffenen 5ßfabe unfd^roer entberfen.
12. «najlafittS ®tün (1860). 343
©ort wie l^icr toarb bcr 5ßocftc eine reale Unterlage
auäertoöl^It; nur toar bicje bei ben „SRibetungen'' t>kU
(eic^t nid^t ganj gläctttd^ gen)&^It. Xrat ber gereifte
S)ici^ter minber l^annloS unb unbefangen, mit mel^r
aRa§ unb SSorfid^t, emftcr unb ^attrifd^er auf, fo fonnte
man an ber ganjen 93el^anblung getoa^ren, ba§ er fid^
beS Q\üüaä)\ti feiner ^aft unb feinet reinen SBoQen^
bett)U§t, aber aud^ ttber bie tteine SSerftimmung feines
^ublifumd burd^auS nid^t im Srrtum unb baburd^ jum
Xeil ettoaS unfic^er geworben mar. Unb boc^, wie
leidet ttc^e ftd^ bie SWenge toieber umftimmenl ÄQein
ber ed^te S)id^ter will t)or aßem fid^ felbft befriebigcn
— gelingt i^m bo8, fo gibt ftd^ baö SBeitere öon felbft
3n ben ,,9libelungen" war e8 nid^t öößig gelungen;
fte finb ein ÜbergangiSWerf unb a{S fotd^eS für ben
Autor Wid^tiger al8 ffir ben Sejer. 3eber ©d^riftfteHer,
weld^er feine @toffe organifd^ aus ftc^ l^erauS bilbet,
fte nid^t auS toten Atomen i)on au^en {ufammenfe^t,
bejeid^net mit einem neuen SSerle eine neue £ebenS^
pl^afe; aßein bie 3bee ift l^äufig wiberfpenftig unb wiß
ben @toff nid^t immer reid^ unb warm burd^bringen,
unb fo gefd^iel^t e8 benn bisweilen, ba^ ber erfte &u%
gerabe ba mißlingt, wo etwas red^t 93ebeutenbeS ju^
tage geförbert Werben foBte. ©elbft ber gefünbefte
Organismus l^at bisweilen partieße ^anll^eiten not^
Wenbig, um wieber fein t^oßeS äBad^Stum }u gewinnen.
S)er S3itbungSproje§ ift ein äl^nlid^er Wie ber beS
344 12. «naftofm« ®rün (1850).
fieficng; fid^ ftilbcn in ßcbcn unb Äunji l^ci^t: auf bic
uronfängltd^cn 3#ä^^^ f^i^^* SBcjcng juriidEgcIongcn
unb baSjcnigc mit ffletou^tfcin unb grcil^cit gcftalten^
toa^ jucrft aK Iricb unb Äcim in bcr ©cclc lag.
S)ic ncucftc Qüt l^attc unfern ©id^tcr, njic fo öiele
anbcrc, au^ feiner länblid^cn, J^öuglid^en unb poetifd^en
9tul^e geriffen. ®iner Art Äl^nung folgenb^ »erlief er
®raj im t)origen gtul^ial^r unb traf am SKorgen be^
13. ÜÄärj 1848 in SBien ein. QtviQt be« großen S3e*
freiunggjd^aufpiete, begleitete er ben SSerfaffer biefcr
©fijje am 16. SWärj in einem ^öd^ft Iritifd^cn 9Ro*
mente na(^ ber §ofburg. S)ie ©jenen, beren S^eilnel^mer
unb SKittoirfenbe fie bort »aren, jotten bem fünftigen
©ef^id^tgfd^reiber ber SBiener Sieöolution nid^t üerloren
ge^en.
Ä. @rün toax t^, todäjtx bag patent mit ber
3ufage ber Äonftitution bereit« am 16. aJiörj bem
gärenben ®raj überbrad^te, njol^in e8 im amtlid^en
aSege erft — öier 3;age fpäter gelangte.
3m ?lpril fa§ er in granffurt im günfjigerau»»^
fd^u§ unb teilte beffen Segeifterung unb Sr^ebung,
beffen fil§e Hoffnungen unb — l^olben Srrtümer. —
Salb barauf in8 granlfurter aSoIföparlament getoä^It,
ftimmte er bort in einigen Hauptfragen mit bem Knien
ßentrum, feierte aber bereiti^ im Sluguft ju feinem
ftiöen Sanbaufentl^alte jurüdE. 5ßrofefforen ftnb baS
©i^en gettjo^nt — fci^ö auf bem Äat^eber ober in
12. «naftarittS ®rün (1850). 345
einem ^Parlamente; poctijd^e Staturen lieben ftd^ ba^
greie, bag Suftigc unb befommen sule|t eine (gd^eu
t)or Sammerreben unb ^ßaragropl^cn, befonberg ttjcnn
biefe ju feinem S^tU fül^ren ober barüber l^inaug
fd^ie^en. 3)er mel^r al8 jur |)älfte flanjifd^c fflejirf,
»eld^cr ben 3)id^ter getoöl^It^ f^ten nid^t bejonberi^
erbout öon feiner cntjd^iebenen ©eutjd^l^eit. S)a er feine
©eftnnung nid^t mel^r für ben ttjal^ren %i^bxvid feiner
ÜÄanbanten l^alten burfte, fo crleid^terte il^m biefer
Umftonb ben Sntfd^Iu^ feines SRüdftrittö ju einer Qtit,
»0 ber „SReid^güermefer'' unb bie l^eralbifd^c 83eftim*
mung ber „SReid^Sflagge'' afe Srgebniffe breimonatlid^er
Q3eratung an bai^ Sid^t traten. S8ir fönnen ei^ laum
bebauem, \>a^ er ben SKoment abzuwarten üerfäumte,
in »eld^em ber preu^ifd^e Äaiferembr^o neugebabct
bem ©al^Imannfd^en 3;intenfa§ entftieg.
% @rün blieb gettji^ nid^t glei(^giltig bei ber
politifd^cn SReugeftaltung feiner Station — er fül^It
fid^ aber nid^t ber SRann ber lat, um ben öer*
worren begonnenen SReubau ju leiten unb ju ffil^ren.
ßubem — §anblanger finb genug, aber ber SReifter
fe^It. SQSir l^offcn übrigen«, ber Sid^ter jie^e fid^
l^au^tfäd^Iid^ barum jurüdE, toeil er eben — ein
Siebter ift.
Sßielleid^t überrafd^t er ung au8 feiner Sinfamleit
balb mit einem neuen SBerfe, ba« ben Stempel ber
neuen 3^'* ^n ber ©time trägt. 3ebe 3^^* bebarf ber
346 12. »naftofiud (ä^rün (1850).
©cfänge. Zf^tbtn^ STOauem entftanbcn burc^ bie er«
muntcmbcn Ätängc einer 8^ra; beffen erinnere ftc^
unfcr tfteunb unb faffe ben STOut -^ er l^at bie Staft —
nnfer moberner SSlm^l^ion ju »erben, ttjetc^er ben er*
mattenben SßerKeuteif bed neuen ©taatsbaued 9Rut unb
SBertrauen einflöße mit ben frifc^en, frol^en Xönen einer
gottbefeetten Seier.
Anmerkungen.
Unfer ^e^t fc^Iiegt ftd) ben SBorlagen an, mit treuer S3e3
mal^rung beS SBortlauteS, aber o^ne SBebenten, bie verlotterte
Drt]^08ra))l^te ber Ortgiualbrudfe burc^ bie üblid^e gu erfe^en,
offenbare •Jirudffel^Ier ftittfc^toeigenb gu berbeffern. Sflur in
menigen ^äKen, bie [idj felbft red^tfertigen, l^at fid^ bte mu
toenbiglett ergeben, bie ^btoeid^ungen bom Original l^ier angu*
führen unb gu begrünben. (Sonft bef^ränlen f\^ bie ^nnterss
fungen auf ben 92ad^toei8 ber OueQen unb auf fad^Iid^e ^s
läuterungen. ^iefe mollen o^ne überflüffige ©elel^rfamleit bem
mobernen Sefer bieientgen (iftorifd^en unb literarifd^en SttnnU
niffe Vermitteln, bte ber S3erfa{fer bei feinen S^^tgenoffen mu
bebenlüc^ t)oraudfe^en fonnte.
1. ^enfmürbigfeiten ber Öfterreid^ifd^en S^nfur t)om S^it-
alter ber Deformationen biiS auf bie ©egenmart bon ^r. ^bolpl^
Siedner. Stuttgart, ä^erlag t)on ^bolpl^ Krabbe, 1847, @. 409
bis 422: 2)entfd^rift über bie gegenwärtigen Suftänbc ber S^nfnr
in Öfterrei*. [STm @(^Iu6:]
Srolgen.bie Unterfd^riften;
©rittparger. — 81. ö. Gtlingg^aufen. — Jöauernfelb. —
81. Söaumgartner. — fjeuc^tergleben. — Otto Sßred^tlcr. —
Ä. ß. D. ßittroio. — Sr. Sd^rötter. — Sodann ßabislau« sp^rfer.
— fjrei^err b. Wtnnä), ©ofrat. — 2)r. aWorig b. @tubenraud^.
— StuuII, ©ofrat. — 2)r. ß. Sfleumann. — 3ofef Jöergmann,
f. f. diät — S)r. gerbinanb @obbi. — 3)r. grang SWomeo
©eligmann. — 3uliu8 Ärone. — Sßrofeffor §^c. — kubier,
»Jegierung«rat. — 3Kaj ßötocnt^al. — 3- S- ©aftefii. — ßubtoig
Sluguft ^taufl. — 3oI>ann ©pringer. — 3ofef SBert^eimer. —
^^eobor @eorg t>. Jl^araian. » 8(nton ®f. b. Sluerfperg. —
350 Snmerlungen.
©ontmaruflo junior. — SBill&cIm ÜWarfano. — grtcbric^ gürfl
©d^tpargenberg. — ®r. Sgnag fBilbntx, (Sbltx t>. ^flait^fitin
(um fo me^r etnt)erftanben, aliS in Ungarn htxtit» eine t>ie(
größere ^rucffrci^eit befielet, aI8 ^ier angeftrebt toitb). — S)r.
2lboIf @*mibl. - 3. S. ©c^tagcr. - Srtebri* Äaifer. —
3ofef 9»anf. — iöermann ^Jottelt. — 3)r. b. gfranf. - 3- 5«. »ogL
— gfrang ©telj^amer. — ^r. 3o^ann iöerj. — 3oJef S9ar.
3eblt^. — @te})^an @nblic^er. — $ammers?5urgftaE. — 3- 6.
ßöbiidS). — S)r. aWoriö ©ci)6Icr. — abolf SBieSner. — 3)r.
S9eer. — 3)eff Är^. — 6. 311. ©elingcr. — S)r. ©tcgfrieb ©e<|er.
— Sß^^ SÄot^Iögel, gJrofcffoT. — 3>r. 3ofef SReumonn, f. f. $ro=
feffor. ~ 3ofef »cÄfiba, f. f. Sßrofeffor. — S)r. ß. fö. @d()ulg
öon ©trafemWi, f. f. gJrofcffor ber SDlat^ematif. — 3)r. gfleifd^-
mann. — Sßannafd^, Dberftleutnant. — ^tang ©räffcr. —
3ofef ©tegmunb (^bexiSberg, fürfitbifd)öflic|ier diät, Stebaltenr
bc8 SBiener 3«fc^öÄer8 2c. — SW. ®. ©ap^tr. — ©iegmunb
Äolifc^. — öaron ßannot). — Slbalbert ©tifter. — grong
©töber, f. f. Sßrofeffor ber SKabemie ber btibenbcn fünfte. —
<S$üttfrteb ^xt\)tx, f. f. SBiae^^offapeameifter, ^ireftor bed ^on«
ferüatoriumiS ber ^ufi! unb $rofeffor ber ^ompofitioni^Ie^re.
— ©einrieb ^xoä), t t §ofopernt]^eatersffapettmeifter. — 3)r.
SInguft ©c^mibt, 9'lebafteur ber allgemeinen SBiener WbxJiiU
jcitung. — ßarl $ugo (2)r. ©emftein). — f^riebric^ SBltt^aner.
— Si^ana tJiÖittfl^r. — gerbinanb @raf öon ^oHorebO'ä^and«
felb. — grang ö. ^olbein. — 3o^ann @f. ©artl^ D. ©artj^en«
^rtm. — 5riebrt(^ 9Htter t>, »artf*, Äufto« ber !. !. ijof*
bibliot^ef. — Subtoig ©eUterS bon shoranbiSe, SfmanuenftS ber
f. f. ^ofbibltottie!. — STIbrec^t ^afft, !. !. ©friptor. — 3ofef
fDcffauer.— ©uftaö SBart^. - Äarl ^oc!. — S)r.3o^onn SRifolafc^.
— S)r. ©c^u^, sprofeffor ber ©I)tmrgie. — 2)r. ®. Tttütj. —
2)r. aiofitangft^, f. f. ^rofcffor. — S)r. ©foba. — 6arl gfret*
^err bon $ratobebera gu SBieiSborn, iubilierter S^iges^aftbent
bed !. I. nieberöfterreic^ifd^en SlppeUationiSgerid^teiS. — IR)oIf
gfrei^err bon Sßratobebera, Sippen atton8rat. — ®r. 2:^eobaIb
S^^tgi), $of« unb ®end)tiSabt)oIat — 3ofef W^\^¥l $tofeffor
am ^onferbatorium ber 3Jhxftf. — Äarl 8lb. Äoltenbrunner. —
3o{ef Ärie^uber. — ßubtoig üKielid^l^ofer. — Direftor bon
©diireiber^. — aSingeng ÄoEar. — ^r. ®buorb Sengt —
Änmerfungen. 351
$aul gJartW. — 2)üfm0. -. ßcopolb gt^ingcr. - 3ofcf 3al.
§ccfcl. — ^xan% 3E. Sritfd). — 35r. ßößncr.
6c^on in 93auernfelb^ anonym erfc^teneneu „Pia desideria
eine« öftcrrctd)i{c^cn ©(^nftftcacrg« (1842) finb bic ©cbonfen
bcr „2)cnff(^rift" toeitläufigcr unb in polcmild^crcm Xont oug*
gefprod^en. 9lm 20. I^ebruar 1845 fanb hti ^ammer-^urgftaE
eine Sc^nftftellerberfamntlung ftatt, in ber 93ouernfeIb feinen
@ntti?urf einer $etitbn borlaiS. 3"^ enbgilttgen 9'lebaftion
tonrbe ein Komitee eingelegt: ©nblicger, SenuII, ©tubentauc^^
ipt)e, S3auernfelb. 3n einer stuetten Sufammenfunft am 11. STl&r^
la^ 93auemfelb bit ^enlfc^rift bor. dlaä^ Unterzeichnung ber §ße«
tition ti^urbe fie t)on S3auernfelb bent 3)linifter trafen ^olotorat
unb auf beffen ^at bon einem engeren Komitee (3enuU, ^b-
lieber, SBauernfelb) ben (^sl^ergogen Subtoig unb f^rang ^arl
überreizt, «^ürft SJletternic^ toar ber einsige, ber bie ^b»
orbnung ni^t empfing; „er toiffe nid^t, toa^ in Öfteneid^ ein
Stomitee bcbeuten foUe''. 2)er ^folg ber Sßctition toar ein fel^r
geringer. — Sgl. STttgem. 3tg. 1846, 5Rr. 90, 94, 102, 114,
115, 121, 150; öauernfelb, 8Iug mu unb 5ßeu:=3Bien (« (Se«
fammclte ©Triften, 12. »b., SBien 1873) @. 214 ff.; Sal^rbud^
ber @rirrparger»@efeirfdSiaft V, 107, 202, 209; Sprcffc 1862,
9flr. 135 (ßubtoig 2(uguft granfl); Sal^rbud^ XIV, 224 (@Ioffl));
bafelbft auc^ hit Petition ber 93uc^^änbler bom 12. ^uguft 1845.
^ie «Petition ber «»ebaftionen: SlITgem. 3*0. 1845, 5Rr. 136. -
3u bem Äampf ber öftcrreic^ifc^en (©^riftftcttcr gegen bie 3cnfur
bgl. ©rittparger, SBerfe» XIV, 118 ff., XX, 192 f.
2, u 3. S. (5. @raf b. a3art^«a3art]&en^eim, elftem bcr
öftcrreid^ifc^en abminiftratiben «ßolijei. SBien 1829. I, 91 ff.
passim. 2s ^^r^foftomus f^auHer, @e{e^e, SSerorbnungen unb
SSorfc^riften für bie ^oliaeisäJerioaltung im ^aifert^umc Öfter»
rei(^. SBien 1827. I, 186 ff. 26 Sol&ann Äanfa, ^anbbud^ ber
öfterreic^ifd^en @efe(e über fd^toere ^oligeiübertretungen. $rag
1823. I, 183—189. — Seftt lieft man biefe 3enfurborfd^rift am
bequemften in SBie^nerg 2)enhȟrbtgfeiten, S. 213-219.
352 «nmerluttflcn.
8/ 20 ^^c 3cnforcn öcrtocnbetcn bei a3curtcilttng ber
3}lanu{friptc folgcubc SluSbrücfc: admittitur = gujulaffcn;
admittitur omissis omittendis (correctis corrigendis) = gu-
gulaffcn nacfi 2Bcg(affung (STnbcrung) bc8 (Scftric^cncn (@c»
änbcxtcn); non admittitur = nic^t gujulaffcn; typuin non
meretur = md)t gugulaffeu tocgcn fcid^tcn ober ftnnlofcn Sn*
\)aU&, 3>ic ^cüifiott§amtcr bcbicntcn ftc^ aufecrbcm nod) bc§
SlugbrudfcS toleratur = bcr 2)rudf totrb bcmißtgt, 3ournaI=
anjcigcn unb offener SBerfauf verboten. (Sgl. SBic^uer, @. 315 f.)
2. ©(^reiben eine« Sßrtöileglrten au« Öfterrcic^. 3«^
^Beleuchtung ber nierftoüxbigen SBrofc^ürc: Ueber Xenfs, ^tbt-,
@c§rift* unb SPrcöfrcilJeit. SBien 1847. ßcipäig, Söerlag öon
griebr. SBil^. ©runoto, 1847. 12°, 37 @. - 2. Sluflagc 1847.
Oegcn bie ,,2)cnffcOrift" ber ©^tiftftcUer toenbete ftd& eine
^^rofc^üre be« ^ireltor« be« geheimen ^aui^arc^t^i^ G^Iemend
©ügcl (1792—1849, 23ruber be« berühmten Sieifenben unb
©artenfreunbc« Staxl 5l(cjanber), bie — im 3uli 1845 gefc&riebcn
— erft ®nbe 1847 erfc^ien. «Sie mad^tc nid^t geringes Sluffe^cn
(ügl. ©rcngboten 1847, IV, 175, 222, 490; ©rittparjer, SBerfc
II, 131 unb bcfonber« XIV, 123) unb reigte 3?auernfclb bap,
„brühwarm*' bogcgen gu fd^reibcn. ®r beftimmte bicfc ®rtois
beruug gunäc^ft offenbar für bie „©rengboten", fte tourbc aber
fd^Iiefeli* in ber Dffigin biefe« »lattc« felbftänbig gcbrucft. %it
23rofd^ürc, bie ©rittparger bem ^Publigiftcn %xani 6c^ufelfa
gufc^rciben toottte (Sa^rbud^ V, 137, 215), macfitc STuffe^en
{©renjboten 1847, IV, 490) unb erlebte in furgcm gtoci 2Cuf*
lagen, ^iigel gog feine ^rofcf)üre — offenbar über ^öl^erc
SBeifung — au§ beut ©anbei. — SBgl. 2luS Sllt* unb D^cu*
Sßien (S. 217 f. ©riapargcr, Sßerfe XX, 193 f.
3um bcfferen SScrftänbni« ber S3anernfclbfd^ctt (Segen»
jd^rift folge ^ier ein Slcubrudf bcr überaus fcltenen SBrofc^üre
©ügelS:
Ueber 2)en!', SHebe-, ©c^rift^ unb Sßreßfrei^eit.
Witn 1847. »ei Sß. Dio^rmann, f. f. §ofburf;f)änbler. 8«, 22 @.
SBaS h)ä<ä6ft, raad^t feinen 2ärm.
9(tttnerfttn§en. 353
Einige SBetrad^tuttgen über bie ^tnU, dUhu, @c|inft« rmh
$tegfrei^ett, nebfi einigen S(nbeutungen über bie SteHung ber»
jenigen, bie fold^e gu t>erlangen, unb berjentgen, bie fold^e §u
geti^ol^ren geneigt ftnb.
^2iebe @oti über aUt9, mh beinen M^^ttn toit bi(i^
felbff ' — toar bad frieblid^e nnb beS^alb unerhörte, ben einen
9larrl^eit, ben anberen Ärgernis fdbeinenbe fjfelbgefd^rei, nnter
toelc^em bor 18 Sa^rl^unberten bie SBeltberbeffernng vnh
aRenfd^enbefreiung begonnen lourbe. — 2)ieienigen, toetd^e
fold^e« juerft mit toa^rer Eingebung nnb innigem SBerftdnbnid
anr SEBelterobernng gefül^rt f^at, toeld^e gnerft bie bon ber gangen
bamaUgen äBelt t^erfpottete neue Shiegdmonier unb ^oftü m^
nahmen: ,,8iebt bie, bie eud^ l^affen, nnb tnt benen ti^ol^I, bie
eu(^ oerfolgen" — toaren fc^Itc^te ÜT^änner bed SoßeS, bie
@d^üler beffen, ber !ein (^gen, feine geleierte SBilbung, feine
SQSürbe, ia feinen $la( l^atte, nm fein ^aupi l^insnlegen, ber
nid^tö befoB als ben )Beib nnb bad äBort, has ®emeinerbe aller,
bie Dom SBeibe geboren, — ben ©rften, um i^n für hk ^einbe
im aj^artertobe §u opfern, baS £e^te, um burd^ badfelbe für
feine 9^unbe ben ®ieg über baS Übel nnb bie Büge p er«
ftreiten. (Src fagte: „3^ bin ni(^t gefommen, um bas ®efe^ auf«
^n^cben, fonbem nm e8 p erfüKen" — nnb „toer ben aWeifHen
bient, toirb ber ®rfte fein", — ®a8 toor feine ^Difgiplin nnb
i^eeredoxbnung, nnb er aEein l^ot hit groge, \>lt ^eilbringenbe
9{ebolution, bie DoIIfommene Umtoalgung ber alten Orbnung
ber ^inge l^erDorgebrad^t; in ber nur bad SSlut ber ©einigen
flog/ aller berer, bie ^d^ beloben fül^Iten, unb bnrc^ toelc^e
aUe«, toaS bie ^^iUfopl^ie ie träumte unb toünfd^te, erfüat
tüwchtt ^nf^ebung ber @Kaüerei, t^ürforge für bie ^rmen unb
@d^tt)ac^en, ^l^ebung beS S^eibed unb tSrrei^t bei» menfd^*
lid^n ®eifteS.
^ai Siedet ^at bie alte SBelt ioeber gefud^t noc^ gelannt,
fonbem baiS ^oxxt^t, unb in i^m l^ot bie ^aft bcS StJkpet»
unb bei» @eifted in Ungered^tigfeit ba9 9legiment in fjfomilie,
©tamm, 9lation, Staat nnb 9leIigion gefüi^rt. 9(u8 ber (Sleid^s
fteHnng Don ailann nnb JBeib in ber @4e, auiS ber ®Ieid^s
fteHnng Don ä'ieic^ unb Wm an ®eift unb SSermögen in ber
•«Tiftcn lY. 23
354 Snmerfungett
ftird^e, aud bem df^xxfttntamt ift bie S^riften^ett t^ert)OT«
gegangen, unb bie 3tt)iltfatu)n ber neuen äBelt, mit ber tDtr
und fo breit machen, ift bie ^eirenlofe Serlaffenf^aft, bie unter
ben ib^itben ber neuen S3arbaren unb i^eiben unbenü^t unh
unDerftanben sugrunbe ge^t.
2)aiS Sorred^t, totl^tS fonft ber Slann ber SBaffen befag,
fprid^t ie^t ber Ttann ber ditbt unb ber @(^rift an, unb mit
f d^ndberem $o^ne, al8 fonft ber ftrieggerüftete unb ©treitf ertige
bad fd^toäd^ere ^efinbel nad^ ®elüfte ausbeutete unb mig«
brandete, toiU je^t ber Sortgerüftete, @d^reibfertige mittelft ber
treffe feine jQerrfd^aft bem Sefet)oII fühlbar mod^en, htm ftatt
ber ßeibeigenfc^aft foU \\t bie ©eifteigenfd^aft einfül^ren, unb
oEeS foQ lefen, aber beileibe ni(^t burd^ baiS S^l^riftentnm frei
beuten lernen, bamit aUt9 gur täglid^en 8tobot gegolten werben
fönne.
3n gana @ttro))a ge^t bad 3$erlangen nad| $re6frei^eit
ti^ie eine anftedfenbe ftrauD^eit l^erum. ®rog unb Älein, 3nng
unb ^It, Slrm unb ^eid^ fc^reit nad^ ber ^egfrei^eit; toer ift ober
babei intereffiert, toenn eiS nid^t ber neue ^[^ilegierte ift —
ber ßiterot, ber t>on ber $reffe leben, burc^ bie Ißreffe %u
aUtm gelangen toiE, — aber o^ne ^inbemiiS unb @efa^r, toaS
^regfreil^ett l^eigt. — ©eine S^einungen unb Slnfld^en bur(^
bie Sßreffe berdffentlid^en, foU ein ongeborneS 9ted^t eines Ithtn
fein, unb ba nur tint geringe Wahtv^cü^l bei biefem ^^U
legtum interef fiert fein !ann, fo l^at man mit einem beif))ie(D)fen
^olg bie aUert^erfc^iebenften f^rei^eiten, bie in ber folgenben
Stufenfolge toirflic^ aUt interef fiercn: bit ^enf:», dUht^, @d(^rift«
unb ^regfrei^eit aEein burd^ bie le^tere reprdfentieren laffen
looEen, unb agitiert mit großer Sd^laul^eit burd^ bie SRaffen
für bas, toaS für bie ällaffen nie eine f^eil^eit ober ^eminn,
fonbern nur £aft unb 5hted^tfd^aft fein fann.
S^it ber®ebanfenfrei^eit l^at feine menfd^lic^e unb loeltlic^
Autorität ettoaS au fc^affen. 9lur ber geäußerte @eban!e gebort
biefer SBelt unb fte^t bor i^rem ®erid^t, baS äSort beseid^net
Fte ^öc^ftens als S^or^eit, unb bie juribifd^e Sured^nnng bebarf
ber Xat, bie fte als S^atbeftanb, als Corpus delicti forbert.
^er nid^tgeSugerte ®ebanle gel^ört ber ^öl^eren, ber unfid^tbaren
SBelt unb SBeltorbnung an, bie ein Unfid^tbarer, SODotifenber,
9(ntnetfungen. 355
$erfönlt(^er xegtert, beffen ©ered^itigleit fein „fc^ulbtg" ittd^t
über ben ^atbeftaitb, fonbetn bie 3^m allein belannte Sniens»
tion auSfprid^t, unb ber im S^erbred^en nur bie @ünbe, aber
auc^ bie @ünbe ol^ne »erbrechen fxtf^t gfür bie ffielt unb bit
Tlm\^n ift ber ®ebanle beS 9lebenmenfd|en ©e^einmis^ alfo
^Sfrei; unentbecfbare ^ontrebanbe toirb nid^t beftraft. f^ür
®ott ift ber @eban!e ^atfad^e, alfo Sä^nlb, unb bie aller»
grögte ©d^ulb, locil ftt fid^ aEein stoifd^n @ott unh ben
SRenfd^en fteKt, in ber boEen Sonnenhelle feiner Siaioiffeni^eit
unb be8 STlenfd^engetoiffenS begangen loirb, benn toenn ber
a^enfc^ aEein ift, fo fielen ber perfünlic^e a^lenfd^ — bad 5Hnb
®ottt», baS &l^rifiud loieber erti^edft unb burd^ bie 2:aufe be»
nannt ^at unb ber ))erfönlid^e ®ott fßattx unb Sd^opfer, ben
^l^riftuiS beut aRenf(^en mieber gebrad^t unb burd^ feinen £ob
berföl^nt ^at, ^nge^c^t §u ^ngeftc^t einanber gegenüber, tote
in ber Urgeit, too fein @efe^ loar, als ber SBiEe Q^otM, ber
Srieben ber SBelt.
^en 2euten toeid machen, man befe^be i^re, b. 1^. eineiS
ieben ®eban!enfret]^eit, toenn man, rcd^t großmütig gered^net
bem Sehnten auiS i^nen für il^re [fol] ä'iebcn, bem ipunberU
ften au8 i^nen für fein (Sefd^iebeneS, bem 2:aufenbften au^
i^nen für fein d^ebrudfted getoiffe Sc^ranlen im Sntereffe ht»
9Dauemben ober beS Sorüberge^nben, ber Sc^idEItd^feit ober
ber S'lottoenbigfeit boi^id^net ober il^n geioiffen gformltd^Ieiten,
ober atö anerfannie rührige a^noritctten einer nötigen Slufftd^t
unterwirft, ^ei6t bod^ toa^rlic^ nnberfd^ämt auf ben @tumpfftnn
unb bie ^ommelnatur beS großen Raufend red^nen unb fünbigcn.
ä^on bem S^enfd^en ©ebanfenfreil^eit forbem, baju ge«
l^ört, bag mau entu^eber nie gelernt ober bergeffen l^at, tocS
ber Titn\^ unb toaiS fein Gebaute fei, hai man bas ^Bttonfat*
fein unferes ^dd^ften ^beli», unferer loa^ren gfrei^eit in troft«
lofer S3efangen]^eit eingebüßt l^at unb leiber loirb bie 3ugenb
fo belehrt, ha» SSoII fo gebilbet, bag fie, ti^ie bon ®eban!en«
frei^eit bie dttht ift, baiS $anpt nid^t mutig tmpot^ibtn unb
ben SBIidf gu ®ott ^inau^c^ten, fonbem entioeber in ber
a^enge freche a3IidEe gegen bie Slutoritäten biefer 2Belt loenben
ober bereingelt fd^eue nad^i aEen S^id^tungen loegen ber ^ßoligei
f))ä^en laffen.
23*
356 9(nmerfun0en.
@8 fte^t gefc^neben: „@iS ift nid^t gut, bag ber f0ltn\d^
attcin fei" - bic crftc, uncriäfrtgfic ©cfellfd&aft für bcn SOlenfd^cn
ift aber, bag über feiner Ißerföulid^feit iene ©otteS ftel^e imb
i^m p $tlfe !omme. Mt feinen @eban!en aOein fte^enb,
jtoeifelt unb öerstoeifelt ber SWenf^ — erft toenn i^m fein <8e*
miffen ben STKtoiffenben geigt, finbet er bie Siegel, bcren er
bebarf, ben ^alt, ber i^nt fe^U. ^er S^ebenmenfd^ fann nnS
nur naä) unferen SBorten rid^ten, Reifen, beiftel^en, olü fing
ober als 9larren erlennen; bie ^^tu, ieben ©ebanfen, iebe
3Jleinung, iebe ntomentane SCnftd^t laut gu Derlünben, ift bie
@c^ran!e, bie bem Sluge ber Seit bie Sorbett ober 9larr^ett
beS einzelnen berpUt. S)ie @(6eu, {ebem Gebauten, ieber
aJleinung, jeber momentanen ^fid^t nad^gugeben unb ^rd»
tt)i(felung gu gönnen, toeil toir nid^t allein ftnb, toenn mir
benfen, toeil ein Sllltoiffenber in unferem ©etoiffen lebt, ift bie
Hbme^r gegen bie @ünbe, bie fa oor @ott S^or^eit ift, toie fle
es für hit (^toiglett bleibt.
BoUfrei finb bie gebauten, aber nid^t gotteSfrei. ®e«
banfenfreil^eit t)on ber toettltc^en Slutorit&t forbem, ift eine
infultierenbe 2)umm^eit, ©ebanfenfrei^eit t)on @ott forbem,
aber eine S3la§|)^emte. — @o loirb aber leiber bie @ad^e nid^
oerftanben, toenn man im oomel^men Xünfel fld^ Oon ben
erften 93ebingniffen bed menfd^Iid^en ^afeinS nic^ me^r dit^tn^
fc^aft gu geben t)ermag. ^er SD^enfd^ !ann nid^t gang gottlob
toerben, ebenfotoenig, atö gang getoiffenloS; e9 gibt aber eine
getoiffe iSieberlid^teit, in beren f^olge man toeber @ott nod^ {ein
(Betoiffen gur redeten 3cit gu ftnben unb gu braud^en toeig,
unb too bann beibe, toenn tS nid^t mel^r S^it ift, in unferer
$iIfIofig!ett unb (^rbärmlid^Ieit pim^ in ooller a^ad^t er^^
fd^einen unb mit und gu ©erid^t gelten.
^ie ®eban!enfrei^eit fd^eint und nad^ bem Sorfte^enben
allein auf bem treibe ber S3erbältniffe bed Snbibibnumd gu
fte^en, unb iebe fotteftibe, öffcntUd^e ©ejpred&ung ber SB^iel&ungen
gtoifd^en ber ^erfdnlid^Ieit bed SJlenfc^en unb @otte8 bad frud^^:
lofefte S3eginnen, in toelc^eS fid^ ber menfc^Iid^e (^eift ober bie
(SefeUfdSiaft nur immer oerirreu fönnte. — S)a6 jebe loeltlid^e
Slutorität ftd^ aber in allen e^ragen ber @eban!enfrei^eit ald
in!ompetent erklären muffe unb iebe fold^e fyrage abgutoeifen
Snmerfungett. 357
ift, fd^etnt et>tbeitt §u fein. 2)a, too !etn ftlager ouftteten, lein
Corpus delicti t>orliegen, fein Xxibunal erfennen lann, ift ein
SBerfo^ren ober Urteil bet men{(|tid^en Suftig unmögltd^.
SBir fomnten ie^t jn ber stoeiten t^rage, %ux 9tebefrei^eit.
— SBie ber gebac^te (Sebonfe nnr t>üx bem Sllltoiffenben gu
©eric^t gebrad^t toerben fann, fo ftel^t ber gefproc^ene @e«
banle, baiS JBort, bie 9^ebe, Dor bem Urteil beffen, an meldten
es gerichtet toirb, ober beffen, ber ed bemintmt. ^er @ebanle
I> feine ©pur surüdf, anger in bem ©etoiffen beffen, ber i^n
liegte; für bie SBelt bleibt er fo toenig oor^anben, als er i^r
beti^n^t loerben fonnte. ^aS SBort hingegen fann im @ebäd^tnig
beffen ober berer fortleben, hit e8 öernommen ^abcn, nnb fic
fönnen 3cugni8 bat)on geben, ber ^eftimonialbeloetiS beiS ge«
fprod^enen SBorted ift mdglic^. 3ft ber ©pred^enbe, ti^ä^renb
er fpric^t, ienen, gu benen er fprid^t ober t)on benen er gel^ört
mirb, 9^ed^enfd^aft t)on bem, toad er fagt, bel^auptet, unterfteEt,
f^ulbig, mu6 er für fein SBort unb [fol] ^ebe fte^en, unb §mingt
i^n biefer Umftanb ^u getoiffen 9iücffi(^ten, einer ©elbft^enfnr,
fo lägt bennod^ baS gefprod^ene SBort fein Corpus delicti
Surüdf. Verba volant. — Sl^om S^^tgefprftc^ f^at man niemals
unangenehme rec^tlic^e t^olgen p fürchten, eS fann nur gefeH«
fd^afilid^e ^aben, benn gegen ben afftrmierenben Saugen, ber
gehört l^aben toiH, ergebt fid^ im ^aü ber 9lot bie negierenbe
i[u6erung beffen, ber gefprod^en i^oben foQ, unb bann eröffnet
fi(^ baS f^elb ber Studlegungen unb S3ert(^tigungen, bie dSit&
oerloirren unb Vereiteln. äBirb aber in mehreren, U)irb an
einem öffentlichen Drte gefprod^en, fo geftaltet fic^ in ipinfid^t
bes S3eU)eifel», in i^infu^t auf bie ^Ipabilität nad^ allen redgt:'
liefen ä3efHmmungen bie 6ad^e gang anberS. 9ltemanben [fol] ift
no(6 beigefaUen, für ftd^ felbft im 3U)iegefprä(^ boUfommene
9^ebefret^eit gu verlangen, bie perfönlic^en ^üdEftc^ten fpielen
^ier eine groge, nü^lid^e ^oEe, unb felbft hit leibenfd^aftlic^ften
ßeute getoinnen, toenn fie nid^t eine geteilte, verbreitete ober
allgemeine 2eibenfd^aftlid^feit tragt unb fortreigt, balb eine
fc^ü^enbe 3)^agigung in ^orm ber dicht unb htn ^uSbrücfen.
^a im aEgemeinen biefed ber ^aE ift unb gubem bie (Saht
ber S^ebe in bem Wla^t, al« bie 3ail ber 3u^örer unb bie
S3ebeutung be« DrteiS, too gefprod)en toirb, gunimmt, abnimmt.
358 Änmcrhingctt.
fo tft bie 9lebefrei]^ett nie fo fe^r in SCnfpru^ Genommen
tooxhtn, unb ift anä) nad^ ben WHomtnttn großer Stufregung
balb in ein geregeltes ^ette gurüdgefe^rt, toeil fie bie
@elbfi^fur ber dttha(btn unb ber 3ul^5rer gelDiffermagen
bebingt.
Sd^lieglid^ ftnb aUe Sßergt^en, bie burc^ bie 9(ebefrei^eit
ftottftnben, an^ ben borfte^enben ©rünben §u benfenigen gu
red^nen, too ber ^d^ulbige eigentlich nur in flagranti jur
9te(^enfc^aft gebogen unb beftraft toerben (ann, unb in bem
a^a^e, ali» bie <SteQung beS 9lebenben eine l^5^ere ober mi"
geseid^nete ift, nimmt in ber 9legel feine Se^utfamfeit %n, fic^
burd^ ^ägigung ober f^ormgerec^tigfett bor feber moglid^en
${^nbung fid^ersufteHen.
@oti?ie ber menfc^Iid^e @ebanle ftd^ nid^t im SBorte flüchtig
unb berflüc^tigenb äußert, fonbem in ber @(^rift oerforpert
toirb unb 23eftanb erhält, liefert biefe ba8 Corpus delicti, —
litera scripta manet, faUS ber ®ebanle ein Serfc^ulben ent«
hielte, unb bie eigene (Sd^rift loeift auf ben ©(^ulbigen, toenn
nid^t nad^guioeifen ift, bag ber @ebanle ein frember, bie $anb
ein nic^t mitfd^ulbiged 3nftrument toar. SBei ber (Sd^rift al»
Corpus delicti tritt ein fel^r berfd^ieben artiger unb gefä^rlid^er
S(nlag gur SluiSlegung ht& ©ejd^riebenen ein unb 9!ic^elieu
fagte, bog ieber, bon bem man Dier Seilen eigenl^anbiger @d^rift
l^abl^aft totthtn Unntt, für i^n galgenreif fei, toenn er boranf
ausginge, fic^ feiner %n entlebigen. 3n ^infid^t auf baS @e-
fd^riebene ift beS^alb au^ gu aUen Seiten ber politifd^en S3es
toegung eine gro^e S3e^ut{amleit unb ftrenge ©elbftaenfur ein-
getreten, unb hit unbebingte @d^reibfrei^eit ^at gu feiner 3ctt,
gumal aber in belegten Seiten, toenig ober gar feine öffent»
lid^en Ißoftulanten unb Slgitanten gefunben. W^ bem ©e*
fc^riebenen k^orfid^tig umgeben unb eS toeber bem näc^ften
SBeften nod^ bem Ttaxh anjubertrauen, gel^ört §u ber aEerge«
meinften [io!], toeitbcrbreitetften fflug^eit ber SD^e^rsal^I unb lebe»
frembe SBerüielfältigen beS ©efd^riebenen erfc^eint allgemein als
anitic^ulb.
SBirb aber ber gebaute ftatt burd^ bie ditht ober Schrift
auger bem ^ugenblicfe burd^ ben ^rudf feftge^alten unb ber-
t)ielf altigt, erlangt er baburc^ eine loeber burd^ 8tebe no4
9nmerhtngen. 359
Sd^rtft möglich Verbreitung unb gefieigette SBirlung an bielen
Orten, eine 91rt Ubiqnität, fo treten gang neue Ser^ältntffe unb
8^ü(fftd^ten ein. fßox oEem Hegt nid^t ein ein^elneiS, fonbern
feiner Sf^otur nad^ Don bielen anberen jeugenbeS Corpus delicti
bor unb eine offenfunbige Aonq)n)itclt beSienigen, ber bie treffe
(ergab, bie i^rer !Ratur unb ber euro))äifcl^eu ©efe^gebung
nad^ ein mit Öffentlic^feit getriebenes ®etoerbe fein ntug, baS
jebcnt feiner ^r^eugniffe feinen (Sntftel^ungdort aufbrüden mug
unb hai nad^ eben fener ®efe^gebung nie aahtx9 als mit
eigener SSetoiUigung nac^ bor^ergegebenen ®arantien unter
fäd^Iid^er Haftung i^reS nStigen Xpparats gleid^fam aU gfouft«
(yfaub ober l^aution nur an fold^en Orten betrieben »erben
barf, too ))0liaeia(6e ^ufftd^t unb rid^terlid^e älutorität fd^ü^enb,
regelttb unb ^afenb bei ber ^cath unb gegentoortig ift. ^iel^er
gehört baS Verbot ber $ribat> unb föinfelpreffen, ber fflamt
beS Verlegers unb XrudferS auf iebem ®ebrudten unb SBud^e,
hit befonbere VefngniS, bie {ebem 2)rudfer unb ^n^l^ävbltx
berlie^en tocrben mu6, baS Vogelfreierflören aUeS Sebrudten
o^ne Slngabe beS 2)rudforteS.
3n ber neueren Stit ift su ber Vud^brudferei gur Ver«
oielfältigung unb Verbreitung ber menfd^Iid^en ®ebanlen nod^
baS S^ttungSloefen gefommen, ieneS ftetS bereite, tagtaglid^ %n
@ebot ftel^enbe 3nftrument, ben in 9^ebe, ©d^rift unb Vud^ in
einem engen, aber fid^ ftets unb ftufenmftgig ertoeitemben ^is
gebannten menf(^Ii(^en ®eban!en in bie SBelt (inauSgufd^leubem
unb ibm burd^ bie borred^tlic^e Verbreitung, burd^ bie IßofI eine
©d^neUigfeit ber Vetoegung unb eine Ubiquität, eine toefentlid^e
xmh ans gfabelbafte grenjenbe Verdnberung unb @nttt)idflung
gu Derleil^en. 2)ur(^ beu 3)rudf gel^t aber mit bem auSgefbrot^enen
unb gefd^riebenen ®eban!en nod^ eine anbete loefentlid^e Ver«
Snberung bor; erfienS loirb er bon bem, ber i^m bie ^sifleng
als Vtt(^ gibt, abortiert unb auf feine 9led^nung unb Verant»
loortlid^feit in bie SBelt gefegt; gtoeitenS toirb er als Vuc^ boS
d^tgentum beffen, ber eS !auft, ber mit beffen l?auf baS jus
ntendi unb abatendi erlangt l^at unb fold^eS, bie (^a^ruug
lebrt eS, im loeiteften @inne geltenb mad^t; brittenS toerben
bie ®eban!en beS ©d^reibenben burdft ben S)rudf für benjenigen,
ber brudfen lieg, eine SBare unb als fold^e, nad^ bem gefunben
360 tbtntectiinoeii.
aRenfd^enDetftanb, bet auf (Irfal^rttttadteoelit begtiliibeteit Oe>
fetoebung über ben fßtdtfy: unterioorfen.
Wlii ben j^oc^trabenbe» lugen^afien JSorten: ein Sw^i^
ein (BetfieiprobQftr eine Settung ift ein Oigon beS öffentU^
®eified, f^ai man bie SBelt lange genug ft^on geäfft nnb am
9ianen{eile l^emmgesogen nnb gegängelt, inbent man bon ber
groftettr dffentQd^ stimme bex gox ntc^ ^Beteiligten obct biel«
mei^r bon ben Sin»* nnb ©tenerpflidfttigen bex treffe S^orrcii^te,
$ribtlegten für bie neuen SBebotred^teten, bie Eiteroten nnb
SBnc^^änblet, alg ein (Bemeinred^t anfprol^en nnb fotbern liefe.
— 2)a^ 9le(|i, feine Slnftd^ten, Sleinungen, Uxteile butd^ bie
$Yeffe SU berj^ffenüid^en, laan ni^t aI0 ein faftifd^ed (Semein«
ted^tr fonbern nur all» $ribilegium angefe^ toetben. Xiefe
Serj^ffentltd^nng }nm (Beloerbe machen, ol^tt irgenb befonbeie
^ktrontien |u geben nnb Ser)>flu|tungen an übente|men,
to&ie tin neues $ribileginm nnb fßitttd^t; einen S())parat |u
l^oben, ber tagtäglich Sinfid^ten, SReinungen, Urtaie, äfHg«
fikinimungen, Serleumbungen ©tngelner mit ber äR^riaben»
ftimme unb in ber aJl^riabenbilbung ber 3eitnng in bie SBelt
id^Ienbert unb bem (Sinselnen bamit iuipovitxt, mie man i^n
bamit httaiibt nnb bermirrt, ol^ne bon ben größten Garantien,
ben binbenbften Stegein im gefellfd^af tlic^en (Beleife gel^alten |u
merben — toöre ba8 fd^reienb^e, baS unge^enerfte Ißribilegium,
mad je erteilt toorben loare, tocA fe auf bem d^naelnen nnb
ber SefeEfd^aft geloftet ^ätte, t» toore snbem bie f(^reienb|ie
Ungered^tigleit gegen bie @efellfd(iaft unb gegen olle (Betoerbe
unb aEen ^anbel, bie in i^rer natürlichen SnttoicElung ben
mannigfaltigften @inf(^ränfungen im gemeinen bürgerlichen
Sntereffe, bem auSgebe^nteften ®aranttengeben unb 9ieglementö*
ertragen iniSgefamt ^abtn uuteriDorfen toerben muffen, unb boS
Itoar immer in bem richtigen unb genauen SSerl^ältnid ber SBes
beutung i^rer felbft unb i^rer $robu!te unb ber ®efa^rlid^Ieit
in ber $robuftion unb ber 9lnmenbung unb JBe^anblung ber
(Srseugntffe. SSiU man htm gemeinen ditöii bie nü^Iid^fte SluS*
be^nung geben, toiS man bie alten ^ribilegten befc^ranfen,
bie nic^t me(r ieitgemäfeen tpegraumen, fo mufe man, um fon»
feguent §u fein, feine neuen, für bie Seit befonberd brücfenben
unb gefcL^rlid^en gugefte^en unb berlei^en.
9litiner(ungen. 361
dtthin toir beutfc^ rnib bihtbtg: — 5Da8 ntatenefle JBuc^
tft in ber Seit, toie fte iefet ift unb toit {14 bie Biteratut aus«
fpcic^t, lein ©eiftedprobnlt me^r, toelc^eS einet befonbeten
^fUqt bebürfte, e9 ift eine SBate; ber »ud^l^änblet ift fein
Wiener nnb )6effttberet emften SBiffend, er ifl ein Kaufmann;
ber lOnc^brncfer ift ni^t nte^r ein nnterfleorbneter SRitarbeiter
am Sbtfbou ber reinften Sßiffenfc^aft, er ift ein 3nbuftrieEer;
bie Stitung ift nic^t ein reines Drgan ber öffentlici^n stimme,
fie ift eine fßSx\t, anf ber ntbm einer Wnhtx^a^l toirtlid^er
©efd^afte eine Unsol^I Don @(4toinbel0ef(4äften nnb )6etrÜ0ereien
getrieben toirb nnb 100 aSe fc^Ie^ten £eiben{(^aften mit aKen
f alfd^ ®erüd^ten in JBetoegung gefegt, bie Sununi^eit, t$<utl(eit,
Sfeig^ett nnb bie ^abfud^t ber Stenge ausbeuten, nac^bent fte
folc^e na4 a^öflli^Ieit gefteigert (oben; bie Siteraten enbli(4»
^aben fte bod^ bas SBort für flc^ jelbfi gefunben unb in @ang
unb Geltung gebraut, ftnb leine (Belehrten, feine aRänner ber
äBiffenfc^aft unb ber Überzeugung/ fte ftnb @(l^riftinbuftrie0er
in ber S^e^r^a^I bie geiftigen ©flatten ber IBerleger unb Qtu
tungSeigentünter, bie fie brandneu nnb axahtvdtn, um i^x
$ublifum in S(tem unb gutem ^umor %ü erbalten unb toieber
au^subeuten — in ber fleinen äThnberjal^iI groge ^rren bon
ber lieber, bie bie SBelt %u leiten meinen, toett fie bie fd^mad^n
Gemüter irre 3u füllten nnb ben f(!^toadiien SIegiemngen p
im|)0nieren tierfte^en.
IBetrad^tet man ben ganzen @))ut mit unbefangenem
^uge, lägt man in bie fünftlic^ bereiteten Stebelbilber unb
©cremen einen @onnenfbra^I rid^tiger religiöfer ober ftaat»
lieber @rfenntnis fallen, fo mirb bie ganse Mad^i ber Sßreffe
als baS erfc^einen, toad fte ift, als ein $opan3, ber fi<^ in
htm erfi^lid^enen SBaffengerät unb ganger beS ^ribUegiumS,
ben man i|m getoäl^rt ^at, unerrei(!^bar unb unbertounbbar
bünft, ber aber Don bem fteinen ©efd^il^ ber bemofratifc^en
Bfeuertoaffe beS gemeinen 9ied^tS balb in ben @taub gelegt
toerben toirb.
@in SBort noc^ über bie 3enfur, — fte ift balb fo alt als
bie treffe, fte toar anfangs ebenfotool^l anem))fe]^Ienbe (SnU
betgnng ber Sad^üerftonbigen, als (^laubnis sum ^mcf; als
fte gon^ allein o^ne Unterfc^ieb ber SBerf e rein l^oliseilid^ mürbe.
362 Änmcrfungen.
^ot fte im Sinne bee a^tse^nien Sal^rl^unbertS, in ber Sc^eu
t)or ber lebenbigen Straft beS (Si^riftentutniS, be^en Hinflug auf
bie SBiffenfd^aften Dtelfad^ gel^emmi, unb mar enttoeber gu bidb«
finnig, ober t>on bem ©efd^rei nad^ 9Cttf!Iärung unb IBUbiutg
%n fe^r eingefc^üc^tert, um ben geleierten, ftiftematifd^en, t>er^
becfien Angriff ber antifogialen unb gottlofen SBiffenfc^aft unb
Literatur gu erfennen unb i^nt entgegengutreten, fte tooSie
inrnier in ben SBegen beS joste miüea itoifd^en ben (Segenfo^en
toanbeln, unb toa^renb fte bie natürlid^en 5!onfequengen ber
er^altenben £e^re aU ^^treme hdämpfit, gab fte ben natUT«
liefen ftonfequengen ber gerftorenben Seigre untoillfurlii!^ unb
unbetougt bie Sf^al^nmtg, i^r 6pie( niil^t §u früi^ unb offen an
ben ZaQ gu legen, el^e fol^e baSfelbe mit einem 6c(Iage %n
getotnnen unb gu bemaSlieren in ber SSerfaffung mdre.
^ie 3^f^ tfi aber bem Staate nottoenbig loie bie $oI^ei,
nid^t aU eine ric^terlid^e, fonbern als bie bisfretion&re OittoaU
bes ^auSbaterS; baS ^^ottoenbigfte bei ieber bisfretionoren
©etoalt ift aber bie bisfrete, b. f). mafiige, einftcl^tstiolle, bie
Xa^a^tn unb nid^t bie ©erüd^te unb ÜBerbac^tigungen berficf»
ftd^tigenbe Slntoenbung berfelben.
SBeld^eiS aber hit (^tfc^eibungen ber 3^nfur feien, fo
l^anbelt eS ftc^ barum, bag folc^e nid^t iEuforifd^ feien, bag
il^re UntDtrffamlett ntd^t hit antifogiale Partei ermutige unb
baB bie ^^ergeblid^Ieit ber $[mt§^anblung eines 3^ctgeS ber
9legierung nidät hxt ber übrigen in STlififrebit bringe unb baS
^olf an SD'lifiadetung getoöl^ne. @S ^anbelt ftc^ nid^t barum,
alle fd^lec^ten ober k)erbotenen S3üc^er anSgufd^ltegen, fonbern
bafi ha9 SSerbotene nic^t baS ^nempfol^lene, allgemein Ser»
breitete unb ©elefene toerbe. ^iefeS ift nid^t auf bem bisher
eingefd^lagenen SSßeg gu erreid^en, ber gerabe gu biefem 9^efultat
geführt f^at. ^er $ang nac^ bem ÜBerbotenen ift einmal bem
S^enfd^en eigen, unb ni^t \>om geiftigen ober ))olttifdeen S^erbot,
fonbern allein Don ben materiellen Sd^mierigfeiten toirb er im
Saum gel^alten.
Solange man bie Tutoren, Siteraten, Sl^erleger 2c. im
^uge bel^alten, fte befriegen toirb, ift lein ^olg gu hoffen, ber
Streit belömmt einen noblen Slnftrid^, hit fogenannten (BfibiU
beten, ha9 Sefepublifum toirb berfolgte SnteHigengen unb 3lthtn^
Änmetfungcrt. 363
menfd^en fe^en uitb &\^mpatl)itn für fte ^abett, totü fie mit
ber STlärt^rerfrone bei bielen S3an!etten etfd^einen. S(n bie SBare
mug man ft<^ galten, btefe untet bad allgemeine S^^^d^f^^
ftellen, bet S3u(i6l^anbel mnft toie ieber anbete niä^i einer )}rit)is
legierten, e£se))tioneIlen, fonbem ber gemeinen S3el(ianblung untere
toorfen, ben regelmäßigen @ang biefeS [fo!] (enteren annehmen,
(genaue ftonfignationen, genaues ®ttDiä^t ber StoKi, unter ben
getoöl^nlid^en Sßönalbeftimmungen, feft l^orgeseid^nete Snftro^
bierung, befonbere SBeauffid^tigung beS ^^ranfttoguteS toegen
beS 9{üdttritte9 in hxt 3J?onard^ie, Slntoenbung ber S3efttmmungen
itber bie ani htm ^anbel gefegten ober gans l^erbotenen Sßaren
in ^ittfid^t auf bie t)erbotenen S3ü^er, bielleid^t Slntoenbung
be8 S^asimum ber Strafen auf l^erbotene SBare, g. 93. beiS
XabaU, auf hxt l^erbotenen S3ü^er, äbertoad^ung ber ^anbeld«
lolole unb ailagasine nebft bortiger SagerungStierpflid^tung für
bie 93ud^]^anblungen, enblid^ regelmäßige, fc^Ieunige unb ämt«
lid^e SJHtteilung ber Siften ber l^erbotenen f&u^tt an biefelben
burd^ baS 9iet)ifionSamt unb Sluftrag an biefelben, maS ol^ne«
bem aus bem il^nen erteilten SBefugniiS ^erborgel^t, i^ren ^or«
refponbenten hit Bffentlid^e SBeifung gu erteilen, ^e nid^t burd^
Sufenbung Don S3üd^em, bie antireligiöiS, antifogial unb anti»
öfterreic^ifd) finb, in Unloften unb IBerlegen^eit in fe^en.
^iejee ©i^ftem mit 5haft, @efd^äft8beförbetung unb ftonfe«
quens in SluSübung gebrad^t, toirb ben iBud^l^anbel Öfterreid^9
ava bem STbgrunb be9 $anbel9 mit t)erbotener SBare toieber
pm ebrenbaften ©efcbäfte mad^en, ee toirb t^m feine Sefer,
leinen Slbfa^ entließen, bai» £efen ift laebürfniS, baS „m9*'
ftel^t in jtoeiter ßinie, ba8 „toieöiel" in ber erften, unb Öfter»
reid^ ift j[e(t gum erften S^ücbermarlt in ^eutfd^Ianb getoorben,
bielleid^t !ann felbft ber öfterreicbifd^e (SelbftDerlag burd^
JBefc^dntung ber ®d^unb(iteratur gehoben h)erben, benn nnfere
©(^riftfteUer fd^reiben alle SBüd^er für unb S^üd^er o^ne Senfur;
fe^lt letzten bie getoo^nte IBeid^tigfeit, i^re £efer l^ier 3u finben,
\o toerben für biefe SBüd^er mit Senfur gefi^rieben unb l^ier
gebrudft »erben, toenn bie Senfur für ben IBerlag im Snianb
hit aRanuffripte nid^t me^r gutsu^eißen, fonbem nur me^r
htdä\^Q %n finben angetoiefen toirb unb ftd^ ftetd biefen toefent«
lid^en Unterfd^ieb t)or ^ugen f^ölt.
364 SttmerfungeiL
(BeftaUen ft<^ bie 2)inge fo, baim toirb lein bftmti^i^^et
a3u(i^l^anbler me^r loagen, t)ot feinem ^d^hax, htm anbecen
Kaufmann, gu flagen, ba9 gemeine dM^t, bie gleich SBe^anblnsfl
fteOt t^n in bieielbe ßinie mit il^m, nnb bet SBü^erbaKen vmb
^ä^ bo(^ in eine IBe^anblung gu finben toiffen, ber aüt anbeten
Datenbasen nntetgogen loetben, bie ber gefamte äbtige ^on«
beldftanb in ttbetfc^toengltd^t 9Re^i^a^( em|)f£ngt nnb tetfenbet
®o biel in fnxgen Stnbentnngen libtt ben ^ndfyaabti nnb
bie SSetleger. XBenben toir und ie^t au ber treffe unb p ben
Seitnngen. SBir laben gefe^en^ bag bie ©c^ablic^fett bet freien
(Sebanlenättfterung butd^ bie $tefTe gugnnften einer geringen
ttt^rigen 9Rtnbergabl auf Unfoften bet gtogen frieblic^en aRebt«
%a^l al0 ün Sßribilegium angef}nro4en toirb; bag bie eigentliche
(8efäbtlt<!gleit unb ©d^dblic^Ieit getabe in bet vielfältigen »et::
hnitnnQ unb fd^lennigen fSfort^flangung bet f(i|ablic|en ©ebonfen
liegt, bag biefed nut bnrc!^ bie $teffe unb Setzungen bebingt
ift. (Sd ^onbett fic^ alfo, bas Übel eben ba, too t» etft fc^äblid^
toitb, in feiner S3er!ör][ietung su erfaffen, unb bagu gibt und
f(bon bie SBegeic^nung ^tegbetge^en beu 6<l^lüffel nnb bie
aßdglic^feit. ^ie Sßteffe ift ed, bie füt baS $regt)etge(en ein«
pftel^en f^at, fte mu^ bet ©efellfd^a^ unb Stegietung gegenilbet
gut immettoäl^tenben ©atantie unb gum Sauftpfanb toetben
ftatt aUet iEufotifc^en (S^etoäbtleifinngen unb Kautionen. Übetall
nel^men bie ©efe^gebungen, too eine augenf(|einli(i|e Xai, bie
ficb toiebet^olen fann, mittels itgenb eineiS ^ppaxatt» ftatt»
finbet, beffen S3ef(|lagnabme ober 5^onfi8!ation in ^nfptn^;
toeSbalb biefeiS ©emeinted^t, beffen SBitInng bntcib bie Chrfaitung
als nü^Iid^ erliefen ift, ntd^t au4 bter in Slnmenbung bringen?
®ne jebe ^rudferei haftet für bie av& ibr b^^ootgegongenen
SSBerfe, infofem folc^e nid^t gum borauS gebilligt ober fonft als
nnSd^äblid^ befunben toerben. $iae abftc^tlid^e, bdstoillige JBer«
ge^en ber $reffe muffen mittels beS 9lüd^ugeS ber gegebenen
^Befugnis beftraft, aKe gu fcUlenben ©elbftrafen als ))rioilegierte
6(|ulb anf bem gefamten ^ppaxatt laften, ber beSl^alb als ein
^reieigeu Don j[eber borber baranf Itegenben S3elaftnng frei
erfd^einen mügte.
^te treffe als ein gang unintelligenteS, toillenlofeS ^nftru»
ment anfeben, f)xt^t bem S3ucbbmdfer inteHeftuell unb moralif(!b
^Cnnterhingen. 365
9U nafft treten; oBer in ieber ©efe^gebung flnben ft^ Slnaloge
ber S3ef($Iagita^me nnb 5tonftdIatton bei materiellen S3e^elfe,
bnrc!^ meiere ein Ißerge^en ober ein Übel in8 Beben getreten ift,
SRagregeln, burd^ toeld^e aUetn smar tnbtrelt, aber fidler ber
iDobre Url^eber erreid^t nnb gnrecl^tgetDiefen toerben fann.
S)ai» gefeafd&aftli($e S^erge^en ber treffe befte^t nid^t
barin, ba^ fie bte @eban(en be8 einzelnen reprobustert, fonbem
barin, bag fte folc^e t>ert)ielfaltigt nnb als SBare in ben S3eft|
unb in bie $änbe jener bringt, bie o^ne Surec^nnngdfäl^igfeit
ben SJHgbronc^, bor toelc^em fx^ ber Slutor felbß too^I lautet,
gu treiben beranlagt [fol]. ^ie $reffe mug alfo in unb burc^ ©in»
ti)ir!ung ber 8tegiemng auf hit ^rudferei geregelt unb ge§ügelt
merben, inbent bte ntaterieSe Shraft unb fBlaä^t bt» Staates beut
materiellen S3e^elf ber ungeregelten ©eifteSfrei^eit $err unb
fil^Ibar mirb.
^aSfelbe ^üt and^ in ${nfi(^t ber S^itungen %u gefd^el^en.
S3ei i^nen erfd^einen %toti Tlomtntt: bie Sßerbtelfältigung bnrd^
ba8 ©emerbe, \otld^t^ btn $rit>aten, bann bie Verbreitung
burc^ bie $oft, toelc^e bem @taat angel^drt. ^ie ^rudPerei,
totldit aI8 ^aufit)>fanb gu Gebote beS (Staates ift, tohrb eine
nü^Iid^e ©elbft^enfur auf bie periobifc^e treffe auiSüben; follte
tro^bem eine tierbammlid^e Übertretung ober eine berberblic^e
9H^tung in einer S^^M auftaud^en, fo liegt eg bodg in bem
t>oKm SBefugnÜS be8 6taateiS, l^ierin eine einfeitige SteftHation
ht» gefd^Ioffenen 5^ontrafte9 gu finben, unb fid^ felbft ieber
^Verbreitung unb folglid^ 5!ompI^it&t berberbli(!^er nnb Oerbamm«
lieber 9)^anifeftationen su enti^alten.
(Sine8, ja baS lo^entli^e £eben8element ber S^ttung ift
i^re ^Verbreitung unb SluStragung burd^ bie $oft; fte ift als
S!Bu(!^er))f[an9e auf ber @taatiSanftaIt, ber $oft, entftanben, unb
lebt barauf fort; foUte fte nid^t anbere in il^rem SBad^iStnm
gebinbert ober geregelt toerben, aU bur^ baS IBerberben beS
@tammeiS?
2Bir füllen l^ier gum @d^luffe nod^ ein einsigeS S3ebenfen
auf. öfterreidg sä^lt gu feinen lobenStoerteften @tgentümli(!^'
feiten, ba% feine Suftig »oblfcil, für bie Elrmen foftenIo8 ift,
benen gubem bon ©taotstoegen titi intelligenter, geprüfter,
anerfannter SRe^tiSfreunb gegeben toerben mu^; baS ift eine
366 ^CnmedungeVt.
jronset)tion [fo!] unb SBegunftigung für bie groge äßaffe; foOte hd
fold^er S^enbenj unb ^etoo^n^ett be8 geifttgen ©taatöl^aitö^atteS
lein äf^nli^tx ©d^u^ für btc groge ailaiorität ber ©etfteSonnen
ober S9e{d^ränften gegen bte Übergriffe üon feiten ber neuen
Privilegien ber $ref[e tintttttn muffen^ bantit ber eigentümliche
@eift ber 93ebölferung biefeS großen Don ber 9<{et)olution nod^
nic^t erfaßten ^iftorifd^en dttiöft» fid^ nic^t önbern, unb bexs
felbe ntd^t bem rek)oIutionaren ®eift erliege, ber unter bem
Lanier ber @etftei8frei^eit gegen @ott, unb ber $re6ftet(ett
gegen bie 9tegiemng einl^ergte^t?
S)er toefentltci^e Unterf(!^ieb stoifcl^en bem alten vath bem
neuen @taat, toie gtoifd^en ber alten unb neuen ®efellf(^aft
f)}ri(i^t ftd^ in ber ©efe^gebung an^: toat ha» aUgemetne 6ub«
ftrat in jenem hit 6IIat>erei unb ha» IBorrec^t, fo tft t» in
btefem bie tS^üfjttt unb bad gemeine fRt^t; bie Aufgabe btiS
äBteberauf blühend ber mit htm ^eibentume gefallenen alten SBelt
toar nur burc^ bie Übereinftimmung ber neuen @efell{(^aft unb
®efe(gebung mit ber neuen £e^re ber )>erfönli(^en, inbiDibueEen
f^rei^eit möglich -- biefe S(ufgabe ift in htm aßittelaUer geloft
toorben burc!^ bie germanifdgen Stationen, in toeld^en bai» ®efü^l
für Srrei^eit unb gemeine^ dit^i ein lebenbigelS, DoIfiStümli^el»
toar, unb ha in ber äBelt bie (Sltid^f^tit ntc^t mögücfe tft unb
3um Umfhirg fül^rt, fo tourbe ber neue d^riftlic^e germanifd^e
(Staat burd^ ein tool^IberftanbeneS organif^eS, l^armonifd^ed
Softem ä^nltd^er 9ted^te unb lorporotiDer (Seftaltung, burc^ bie
ber ©c^toäc^ere unb ärmere bem ^äd^üqtn unb 9lei(^eren
gegenüber feine Stellung gu bei^aupten, fein dit^t gu ftnben
befoi^igt tourbe, gegrünbet, in toel^em baiS $ribilegium mdgltc^
unb unfd^äblid^ toar, toeil eS nic^t baS l^etbnifd^e ber aUeintgen
grdgeren ©etoalt, fonbem s^gleid^ ber größeren SBerpflic^tung
nad^ oben burc^ £reue, nac^ unten burd^ @itte tourbe.
91IIS man baS ^eibntf(^e ^errfd^ened^t unb ben ^eibnifi^en
@taat tu ^ro))a unb befonberS in t^ranfreid^ burd^ $of unb
©c^ule toieber in bad 2thtn unb bie d^riftlic^e ®efeüfd^aft ein«
führen tooEte, entftanb ber unfelige 5!ampf fiir unb gegen baS
Privilegium, ber in ber 9leboIution enbigen mugte, ber too^I«
oerftanben ni^t um bad ditd)i, fonbem um baiS Sonett gefül^rt
tourbe unb ft(^ in bie prafttfd^e formet ouflöfen lagt: „ote
^htmerhtngen. 367
toi, ponr que je m'y mette". — S)aS ift aber hoS Ärieg»«
%t\dixti bet ®t\tfi\^a% bte ftc^ in ittnereit ftaitt))fen aufibft
unb ber in diom htm Süaifet nnb in fton{lauttno))el [fo!] erf^oHte.
3ebem fein $(at iebetn fein dttd^t, ift bie £öfung be9 c^rift«
lid^en ©taoted.
$at man bad @IM, htm öftetreic^ifd^en ^errfc^erlaufe
anpgel^dren unb in beffen dttid^tn gu leben unb gu bienen, fo
mu6 mm ava beten Sefd^id^te unb befonberiS ber neueften ft(!^
hoä) bie Seigre g^ogen (aben, bag beten Sffttften unb ©efe^e
Dot allem bie Sluftec^tl^alinng unb S(u8bilbung ber alten
c^riftlid^n, getmonifc^en S3ilbung beS @taated unb bet ®efell'>
fd^aft im Shtge unb in bet ^anb behalten ^aben; ditd^t unb
Otbnung, ©id^et^eit unb @(|)u( fut aEe, befonbetiS füt bie
S^toaä^tn unb J^Ieinen gegen ba8 Übetgteifen bet $tibUegien
unb ^tibilegietten, in biefem 6inne ^at ^ bie SSettoaltung,
f)ai ftd^ bie @efetgebung in bem legten, füt ^xopa tebolutio«
näten 3a|t^unbett, bei uns feit Wlada S^^erefia Ifottbilbenb
nengeftaltet, unb ^at in Öfteneic^ jenes e^et)tioneIle, antt«
tebolutionate @efü^I bei ben SUlaffen unb htn unteten 5!Iaffen
l^etborgebtai^t, bag fte auc^ bebonei^tet finb, bag ^bmini::
fttation, ©etid^tSl^of nnb felbft ha» S(ubien^immet beS S^aifetS
ba flnb^ nm j[ebem in feinem dit^t, iebem in feinet Stellung
ol^ne ©efd^tbe unb S3ebt£ngung bon mdc^tigeten S3ebotsugten
SU et^alten. — 3ene8 ®efft^I ift bie ^opulatitdt, bet &^(üi,
mit htm ba8 ^ava Öftetteid^ feine IMege gefü^tt l^at, unb
ben ®tteit bet 3^^^ audfed^ten mni — i^n abet in einem
totic^ten @pitl um hit $opulatität bei ben neu $tibilegietten
bei» @ebanlen8, bet 9lebe, (Sd^tift unb $teffe auf bie ©efal^t
be8 IßetlufteS oÜS @infa4 ^^htn, toote ebenfo tdti^t ald ed
untoa]^tf(^einIi(& ift, bag foId^eS ie gefc^e^en fönnte.
SBien, ben 15. 3uli 1846.
33, 6 1846, bon Öftetteic^ nntetftü^tet 9(ufftanb bet
mt^enifd^en IBanetn gegen bie poInif(4en Snfntgenten.
36, 17 Oftobet— 9lobembet 1847 toutbe in bet ba^tifc^en
ftammet übet bie S(ufl|ebung bet S^nfut bebattiett.
52, 8 a^ettetnic^, füt beffen $oIitü $ügel nthtn Satdfe
nnb Sßilat )>ubl^iftifd^ tätig mat.
368 Knmerhtngen.
8* ^aS Sa^t 1848. ©cfd^td^te ber jffiiener Sleliobttion.
1. Sanb t)on ^mti(^ ^lefd^auer. glluftrtert t)on $. I^at^ler,
9. Strxt^nbtt unb anbeten. SBien 1872. X^erlag tion 9t. B.
^alb^eim. @. 143.
^er ©ebanle einet SBütgetOetitton, bte bet O)i|>0{ttton tm
ntebet()ftetrei(l^if(!^en £anbtag Wx^ali geben foltte, tmttbe Don
S9auetnfelb begeifteti anfgenommen. Wt lOesanbet )6oc^ emigte
et fi<j^ am 5. fOtav^ 1848 übet ben ®eban!engang beS auf-
Sdiiti, ben et am felben S^ag betfagte, am 6. im IBetein mit
l&a^ fettig^ellte. S(m 8. unb 9. a^ats betfammelten ft^ sa^l*
tei(^e t^teunbe in IBa(^9 SBol^nung %n polttifc^n Befprec^migeii;
Tte befd^Ioffen, füt bie SBauetnfelbfd^e ^etion in tbeiteften ^helfen
Untetfd^tiften gu fammeln. S(m 11. Wläxi 1848 toutbe fle bem
flanbif(^en STu^ci^uB übetgeben. - SBgl. 9(ef(^anet ®. 141 ff.;
muS S((t» unb 9leu::Smen e. 251; Sal^tbud^ V 140 f., 215 f.
4. Oftbeutfc^e $oft. Sßien 1849. 9h:. 9, 30. Sanuai.
Feuilleton: ©tubien bonlöauetnfelb. 1. 2. — 9'hf.ll, 1. gebtuar:
3. — $«t. 12, 2. gfebtuat: 4. — 9h:. 14, 4. ffcbtuot: 6. —
9lt. 20, 11. Sfebtuat: 7. 8. — SRt. 25. 17. ^ebtuat: 9. —
9hr. 31, 24. fjebtuat: 10, 11. — 9h:. 32, 25. gebtuat: 12.
»gl. Sa^tbnd^ bet ®tiE))at^-(8efeIIfd^aft VI 87, 191;
9lotb unb @üb n (1877) 391, 393 f. (anaftaftug @tün).
63, 15 2oui8 iSug^ne dabaignac tootf 1848 ben Suiriosf«
fionb in $attS mit eifetnet gfauft niebet unb fteUte aU $tafü
l)ent beS SRiniftettatiS bie Otbnung toiebet ^et.
68, 2 Slnton f^tei^ett t>on S)obl^off bonSuli— Oftobet 1848
aWiniftet bc8 3«netn.
70, 2 f. mt biet (Sd^tiftfteHet ^nl^änget aReüenti(^d;
Wiütt, (Sen6f ^uttet S(ngel^ötige beS tomantifd^en ^nber*
titcnltcifcg in SBien.
71, 2 @ofiet, bie auiS $ota§ befannten tömifi^en SBuc^-
pnblet; bann bon gtogen S^ud^l^onbletn flbet^au))t.
84, 20 ^ie 9lationalbetfammlung in bet gftantfuittt
^aulsftt^e.
90, 15 (Sl^atleS t^outiet, bet ©tfinbet eine9 bem ®axttU
®imoniiSmuiS bettoanbten fogialiftif^en S^fteme, bet Sl))ofteI
bet „Sß^alanftetien". Tili fostaltfiifd^en @(j^b>ätmeteien betbiubet
SCnsnetlungen. 369
er einen m^ftifc^en, eubatmoniftifc^en ®lavihtn an eine tounbeT«
bare @nttDi(fIttng ber @rbe uitb i^rer fßmof^ntt, bie er fdnttlic^
gegenwärtig al8 „^closions contremonlöea'' htttadittt
91, S4 ban St!en, SBefi^er einer berfi^mten ä^euagerie.
92, 14 f. 3n ben Sauren 1848 nnb 1849 l^aben toie bie
genannten fafi aEe SBiener S^^ungen naäi O|)portunitttt i^ren
^itel nnb ibre Ztnhtn% %tDtU, breinial geclnbett
99, 9 »gL Sal^rbnc^ VI 89.
101, IS Suigot, ben bie Sfcbmorrebolntion na^ Sonbon
Dertrteben l^attt, trat 1849 mit ber S3rof(|)üre „De la dömo-
cratie en France'* f^ttiDOV,
102, 11 SacQued £affitte, franaöfifd^er $oIiti!er; er t>tu
inenbete als äRinifter (1880—81) fein ungeheures ^Bermögen
gur ^ecfung bed ^eftaits.
113, 17 6. Dftober, ©rftürmung be9 3^Q^<iuf^/ (Srmor-
bung bed ftriegiSntinifterS Satour. 81. Oftober, C^oberung
SBienS burd^ SBinbifc^gra«.
5. Oftbeutfc^e ^oft. SBien 1849. ffh. 258, 11. iRobentber:
9leue @tubien Don IBauemfelb. (f)er S^erfaffer erflart lieber*
l^olt, bog er {eine ^uffä^ brudfen lä^t, ol^ne feinen fHamtn
beisufe^en.) S)ie ^itfe^r gu ftd^ felbft. — 9h:. 269, 18. 9lO'
Dentber: SBo ift @ott ntd^t? ~ fftt. 265, 25. 9lobeniber: S)aS
'Xitcdtt, baS ^ublifum unb t(b.
121, 1 $a))ft $iu9 IX. f^aüt ftd^ am 25. 9lobember 1848
na(6 @a6ta geflüchtet unb diom ben ^emohaten iiberlaffen, bie
am 5. f^ebruor 1849 bie Jübmtfd^t dttpuhViV prollamierten.
121, 6 ^ie Sfrangofen eroberten diom nac^ rücfftc^tdlofem
SBomborbement am 8. Suli 1849 unb festen ben $a|)ft lieber
in feine ^errfc^aft ein.
121, 15 97lonta(embert, bon ben biergiger Sabren an in
ultramontanem Sinne tatig.
121, 17 SBauemfelb meint tool^l bie am 14. mSx% 1848
Don ber papfiliä^tn 9iegiemng prollamierte ftonftttution.
122, 7 ^te burd^ ba9 berül^mte @enbfd^reiben 9ionge8 gegen
bie S(u8fteIIttng btS l^eiligen diodt9 in 2:rier angeregte beutfd^»
fat^olifc^e SSetoegung l^atte loäl^renb be8 9tebo(utioneia]^reS
fid^ audS) nadg SBien t>er))flangt, o^ne groge ^folge gu
•«riftCB. IV. 24
370 tttunerfitttgetL
etaielen. 5Die Itonfltfte inner^olb bet tierf(^iebenen 2)t{f{benien«
&tmtvahtn, b^uotf&c^lid^ bittd^ bie fo§taIbeino(ratif(l^en Zen^
betqen 9longed unb feiner engeren Knl^dnger erzeugt, übertntaen
fi(^ au(i^ nac^ Öfierreid^, too bem ®treit unb ben®emeinben bnrc^
eine Serorbnnng ber S^egiernng ein rafd^ed Snbe gemac^ tourbe.
126, 1 «^er Sßalb bei ipermonnflabt/ romantifd^ed Sd^on«»
fpiel in 4 Slu^ügen Don ber alten SBnrgfd^anftHelerin 3o^anna
t$ranul Don SBeiffentl^nm toar eines ber beliebteften 9le))ertoires
ftMt in ber erften Hälfte be9 19. Soi^rl^unbertS.
126, 10 ^S)er SSrantigant an« a^e^ifo'', Snfifpiel in 5 «nf»
Sügen Oon QXautttL
126, 15 „^\t filbeme ^oc^eif*, ©d^anfpiel in 5 Stten
oon Sb^ebne.
180, u ©c^nterl, eine !omtf(|)e Sfignr in bem ßuM))ieI
««ro^o^rig" (1846).
131, 7 $>tt IBelagemngSsnfitanb (oont 1. 9h)0ember 1848 an).
131, 8 SBäl^renb beS SieOoIntionSja^reS ^atte ha» aSurg*
tl^eater, bem a3eifpiel be8 2:^eater9 an ber SBien folgeub, biefen
^toeiten, sugleic^ feinen alten 2:itel toieber angenommen.
181, 10 Über biefed ä^erbot nnb bie SnterDention be9
@onoemeur9 S3aron SBelben DgL 9bt9 SOt^ unb Steu'Sßien
@. 289f.; Sal^rbtt* VI 87, 89, 192f.
182, 14 ff. 5Da8 neneSc^oufpiel toor „f^rou} oon ©idingen".
3n biefem IBerbot unb an ben folgenben (Srdrierungen bgt 9uiS
Sia« unb Slen^SBien @. 296 f.; Sal^rbudg VI 90, befonberS 194.
132, 19 S3rief beiS S3nrgtl&eaterbirettor8 ^olbein Dom
14. ©eptember 1849; Ogl. Sa^rbnc^ VI 193.
136, 1 ff. 9(nf))ielungen auf ben SMef be9 Oberftfäm»
mererS (Srofen SandoronSfi Dom 21. Oltober 1849; Dgt 3a|r>
hnäi VI 194.
6. Öfterreic^ifd^e SeUfc^rift fifar Sefd^i^tS^i mtb &a0tfi'
funbe (Herausgeber va(b 9lebalteur 3. $. ^Itenboedf). 9hr. 76,
©onnabenb ben 19. ^tptmhtx 1885 @. 297— 29a 9lr. 76, anitt-
tood^ ben 23. September 1835 @. 301—808. 9h. 77, 6om^
abenb ben 26. September 1835 @. 805-308. 9h. 78, aRiit>
)D0<^ ben 30. September 1885 @. 809-812: ^)te fd^öne ßtte^
ratur in £)ftenei(^. ^iftorifc^e Sli^ Don SBouemfelb.
3liunerlttngen. 371
nndi al9 @onberbru(!: SBien 1885. ®ebrucft bei ben
@blen D. ®^elenf(!^en ^ben. 8^ 82 e.
141, 18 Set Sefuit 2)emS, als IBarbe @ineb bei »erireter
Dftenei^S in ber Offians5Mi)pfto(fif(6en f)id^tergritt)pe, beren
SDlittel er gar oft su feic^tefter ^ofpoefie t>ertoenbet.
142, 6 a^lumaiter, ber Serfaffer beS befannten „traue«
ftierten SleneiS" unb gal^lrei(!^er poetif^er unb prof aif c^er Satiren
im ®inne ber Sfreimaurer.
142, u ftarl SUaftalier, im Streben nad^ S^orreltl^eit unb
in feiner än^erlid^en ^b^angigfeit tion $orag bem $reugen
9lamler gu Derglei^en, gleich bem er an ber ifü^mtn Meg9»
poefie ber fiebriger Saläre be8 18. Sa^r^unbertS teilnimmt.
3o|ann S. D. 9I|^nger, nnfelbftänbiger @(j^üler SBielanbS.
3üfef tixani D. 9!atfd^f9, Organifator ber dfleneic^ifcl^en
Biteraten aI8 SBegrünber be9 „SBienerifc^en a^fenalmanad^S".
142, 90 „Sfanftin ober ha» aufgeflfirte p^iIofo|)]^if(^e
So^r^nnbert'' (1788) Don Sol^ann ^egsl.
142, 26 Cornelius ipermann bon SKl^renl^off, 93erfaffer bei»
Don Sfriebric^ bem ©rogen gerül^mten ßuftfpiels „^er Sßoft»
gng'', eigenfinniger Ißerfec^ter beS fran§öft{^en ®ef(j^ma(f8 gegen
bie iungen beutfci^en S)i(^ter. ®v griff 6]^a!ef][ieare befonber^
Htig an in feinem «Schreiben über ^Deutfd^IanbS Z^taitx^
toefen".
3ofef f$riebri(!^ t>. SRe^er, Herausgeber bon ^eniS' fftadf^
lag unb Don Sl^ren^offS Sßerfen, beffen Sfreunb unb &tfin^
nungSgenoffe.
148, 93 So\tf D. @onnenfetö, ber SSorfämpfer ber ^nf«
Ilarung in öfterreid^, fuc^te in Uirem 6inne burc^ feine ^SBriefe
über bie SBienerifc^e ©d^aubübne" (1768) ha» 3::^eater gu refor»
mieren; bie 9leugeftaltung be8 SBurgtl^eaterS (1776) burc^
3ofef IL ge|t bor allem auf fein SBirlen surüdf.
144, 8 W^^P Hafner, ber »egrünber beS SBiener ßolal-
fiüdts, bur<^ baS er bie extemporierte H<ntSlDurft(omöbie erfolg-
reich befampfte.
144, 8 2:obia9 Wlipp f^rl^. D. Gebier Derfagte sa^lreic^e
Buftfpiele, meiffc nac!^ bem ^ran^Bfifc^en.
fjfrang Don H^ufelb; fein ^rama „Sulie ober SBettftreit
ber $fli(^t unb Siebe" (na<^ 9{ouffeauS „Nonvelle Höloise'')
24*
372 Knmerfungen.
in ber „^omBurgif^en Dramaturgie" 8. unb 9. Stücf anS«
fftl^rlt(^ unb anerfennenb befproc^en.
144, 17 Sol^ann f^riebric^ ^einrtd^ WdUtx, (Slefc^i^te unb
i:a9ebuc^ ber SBtener Sd^aubül^ne (SBien 1776), fe^r toid^tig
für bie ©efd^id^te beS »urgtl^eaterS.
144, so ^er groge ©c^aufpieler gfriebric^ Subtoig @(!^rober
mar bon 1781 btö 1785 ä^ttglteb be9 SBurgtl^eaterS, beffen
€ttl er ffir So^re l^inauS entfi^eibenb befHunnte. 3n SBien
entftanben tiieU feiner brantotifd^en Strbeiten.
144, S5 Sodann f^riebrtd^ Sünger, filr baS Suftfptel nic^t
ol^ne JBegabung, üon 1789—1794 ^oft^eoterbid^ter.
144, S6 Der @d^auf)HeIer @ottIieb @te|)]^anie ber jüngere
bic^tete mit SSorliebe @oIbatenftü(!e; aud^ Stngfpiele für ^rt*
tereborf unb SDlojart.
146, 10 ^einric^ t>. ^oKin, belannter afö burd^ feine
ülaff^iftif (^ fteifen 9iömertragöbien burd^ feine SBaÜoben unb tior
allem burdd bie ^Sanbtoe^rlieber'' (1809).
145, 25 SD'la^miUan Stotn, t>on 1802—1850 SBurgfc^an«
fpieler, innig beftennbet mit ^oKin, beffen fbalhoa eine feiner
beften Atollen toar.
146, 1 ^iebrid^ SBil^elm S^egler, Sc^aufpieler am JBurg«
t^eater, brad^te neben tiniqtn pat^etifd^en S^ragöbien mit
befonberem unb naci^l^altigem (^olg bürgerlid^e £uftfpiele auf
bie mt^nt,
146, 8 fto|ebue toar 1798 unb 1799 beim JOurgtl^eater
angefteHt; bie ed^tefte gfmd^t biefeS SBiener Aufenthaltes ftnb
„Die beiben ftlingiSberg'.
146, 10 9or feinem Eintritt hti ben Sü^otoem mar S^ömer
^oftl^eaterbid^ter in SBien.
146, u „^unepnbe bie ^eilige" (1815) unb „Die SRutter
ber Tldtahatx*' (1820) fallen in bie Seit t>on SBemere S(uf«
entl^alt in SBien.
146, so Sofef ©d^rel^bogel filierte fein „(SonntagSblatt'
(1807—1818) im @inne ber STufflärung, gngleid^ al» Schüler ber
SBeimarer ^lafftfer; ber Anflug ber t)on i^m befämpften
9(omanti! machte \i^ freiließ aud^ auf i^n geltenb, menn er ber
fpanif(^en £iteratur eifrigfte 2:ätigleit mibmete. IBon 1802 h\S
1804 unb t)on 1814—1832 mar er atö ^oft^eaterfelretär ber
9(itnteilimQen. 373
eigentltd^e £eUer beS SBurgt^eatetiS, bod et gut erften SBül^ne
^eutfd^Ianbd er^ob.
148, s5 WxQüft ^^, t). @tetgentefd^ fi^rieb anger anmutigen
Sufitf))ie(en ettoaiS fribole fHomant na^ fransoftfd^em SThtfier.
149, if. „2)a8 £eben ein 2:raum'' nad^ ^alberon („La
yida es saefio") „®onna ^iana" na^ ^Jloxtto („El desdön
con el desd^n").
158, 28 ff. Tttbta I. ^u^ug. SBerle^V 149 f. IBauemfelb
Sitiert nid^t ganj genau.
»
156, 80 i^SncubuiS." SBerfe » I 194.
157, 95 Xtx XM be9 6c^attfpiefö, baiS SBauemfelb ^ter
noc^ feinem 3n|alt benennt, lautet: ^^rfet unb Shone'' (1883).
158, 1 S3t|ton.
158,4 ^9Httet $ato(b*S Pilgerfahrt'' erfd^ien in ber
Überfe^ng bon Sebli^ 1836 bei &oüa.
158, 8 ^etn^arbftein, überaus frud^tbarer, feilster ^rama«
tifer, 1832—1841 Seiter bed S3urgtbeater8.
158, 15 Sol^anna ^ranul t>. Sßeiffentl^urn, über 50 Saläre
©(^aufpielerin am S3urgtbeater, fd^rieb sablreii^e altmobtfc^e
@d^au« unb Buftfpiele.
158, 80 ff. ^rl 3obann S3rann bon SBrauntbal, ein nid^t
unbegabter, aber berlotterter Sc^riftfteSer, befannt bur^ feine
9(ffdre mit S(naftaftu9 @rün. SBo^renb er aud 9toi armfelige
^umoreSfen unb Sleifebilber f^rieb, toagte er ftd^ an bie ^öc^ften
Stoffe: 2)on 3uan, fjfauft, ^apoltoa, 6ba!efpeare.
3gna^ iJfrang ^afteUi, bon unbegretflid^er fjfrud^tbarleit.
Ungo^lige Überfe^ungen, ^Bearbeitungen, Keine £ieberfpiele unb
Sh)mdbien. daneben iiaterldnbif^e 5hrieg8Iieber (1809) unb
^ialdttgebi(j^te. (Bt liebte ben &pai um jeben $reiiS, bie bebag«
Ii(^e Sott,
@buarb ^uEer toanberte ISdO au^, fi^Iog fic^ fpäter
ben ^eutfc^fatl^olifen an unb entfaltete eine belegte public
Siftifd^e 2:ätigleit. @r begann mit ^iftorifi^en Dramen unb
iRot>eaen.
ftarl @gon @bert,®eutfd^bdbme; belannt burd^ fein S))o9
„SBIafta". fSui^ im ®rama bebanbelte er tfd^ed^ifd^e @agen.
^b^ftop^ jhtffner. S^elfd^reiber. 9^omane unb Dramen.
374 9itnner!ttngen.
Sol^ann ®raf TlailUf), ber burd^ \tin trogifd^eS (^nbe
bef annte ^iftorifet unb Überfe^er auiS bem Ungarifc^en, trat in
ben breigtger S(^Ttn mit einigen S^uftf|)ielen nad^ bem ^onad-
ftfc^en l^erDor.
SBil^elm aTlarfano im fkinen £uftf))iel glüdflic^er all» in
feinen tomantifcl^en Xragöbien.
SSnton Sßannafd^, l^iftorif^e 2:rauer« nnb 8uftf)>iele.
„Sdboin'', ^rauerfpiel in 5 SHten, 1834 im »urgt^eater anf»
geführt.
5!aroIine $i(^Ier, hit befonnte S^omanfd^riftfteEerin,
bid^tete audg eine ^n^a^l bon l^iftotifd^en Dramen.
^uguft ^omboftel (O. Srnft IBol^I), nicj^t unbegabt, bgl.
Sal^tbuc^ XIV 60 (ftomorgiinisei).
^riebrid^ ^rettfci^fe bid^tete bor aHem ©ingfpiele nnb
Opern für bie ^ofoper, bearbeitete Sofef ©onnleit^nerS
.^gibelio".
gfrana Sari SBeibmann oerfagte ga^Ireid^e tot)ogra|)^if(^e
SBerfe, in iüngeren Salären auc^ Dramen.
159, 7 Sofef mo\^ ®Ui^ fd^rieb auger toertlofen 9lomanen
gal^lreic^e Saubere nnb STlärd^enftüdfe.
Statl WldU pfitQtt Dor allem bie 2:rabeftie unb $arobie.
$(boIf SBäuerle, ber geftnnungSlofe Herausgeber ber i^^eatcr-
Seitung, in feinem traurigen Sßter S3egrünber beiS Sßtener 2üfaU
romaniS, toar in feiner Sugenb ber begabtefte SBertreter ber
lofalen Sßoffe, ber er bie ©cftalt be« ^©taberl« fc^uf.
161 3o]^. ßabiSlauiS Sß^rfer, ^sbifd^of bon ^Itm,
nofPsiftifd&er ©pifer, später ^at »auemfelb toeniger günfHg
über i^n geurteilt; bgl. oben <S. 230, lo ff.
162, 26 ftarl gferbinanb ^ra^Ier (3Ranfreb) begann als
S^riler, httciiiqtt fid^ fpäter f^anpm^ii^ aliS S3earbe{ter frango»
fifd^er Dramen. @eit 1837 in ^eutfd^Ianb, anlegt S)ramaturg
in ^armftabt.
162, 27 Subtoig Sluguft f^ranfU „(S^l^riftoforo Solombo'
erfd^ien 1836.
163, 1 t$tan§ ^ermann t)on ^ermanni^tbal, I^rifc^e @t*
btd^te unb Dramen.
163, 2 ©ottfrieb b. Seitner, begabter S^aSabem unb
ßieberbid^ter.
Smnerfuttgen. 375
163, 8 Sodann SDla^rl^ofer enbete hutd^ ®eIbftmotb ben
ftonflift jioifd^en feiner ®efinttung unb feinem S^nfoibemf.
8(nion Sßaffl^, geiftlic^e £iebet.
Sfrans Sfrei^erc Don 6diIec^ta«SBffe]^rb, I^rifi^e (Sebid^te
unb Aromen.
a^otl^iad ütopolb @4leifer, S^antoten unb Oben filteret
165, 8 Bubtoig $altrf4 begabter iunger ^ic^ter; fein
9l(ui^Ia6 bon 3. ®. 6eibl l^eraudgegeben.
165, 7 3ofef b. $antnier>$urgfta0, ber üon feinen S^^^''
genoffen ntagloS ilberfc^ö^te Orientalift.
166, 19 ^nf))ielttng auf bie „®))<Qiergcinge eine9 SBiener
$oeten*.
172, 82 ff. ^te ftaltenbaedTifc^e Seitfi^rift bemül^te ftd^
reblid^, Ubmitnht ai'titarbeiter ^n gewinnen; ber S3enebiftiner
aßid^ael (Snf bon ber a3urg unb (^nft b. geucl^terdleben sohlten
SU ben fieifiigften.
178, 86 ,,9leife nad^ £)perrei<^ im ©ommer 1831'' bon
Sßolfgang Slenael. Stuttgart unb Tübingen, (lotta 1832. Wlta%tl
tM »bie Vorurteile gerfheuen, toeld^e man im übrigen ^eutfc!^«
lonb nod^ fo häufig gegen bie öfterretd^er l^egt".
7. »latter für ßtteratnr, Äunft unb ftritH. (Snr Öfterr.
Seitfd^tift für ®efd^i(^ts* unb <Staat8funbe [^erauiSgegeben mtb
rebigtert bon 3. ^. ^alttnbatd]) 9lr. 7> Sonnabenb ben 24. Sa*
nuar 1835 ©. 25-28: 5hittl unb Jft:itifer nnferer 3eit. Son
»anernfelb.
SSon allen SBiener 9tesenfenten mugte f!(( ber roütx*
toortige Sapf^lx burc^ bie $oIemü gegen bie «falfcl^e Ihiti!^
am ttefflen getroffen füllen. ^ reagierte barauf ^^eatei^itung
1835, 9lr. 25) in einem Sluffa«, ber beginnt: ^@in red^t
mittelmfigiger SSutor l^at einmal gefagt: ,(S9 toar eine .fd^üne
8ett, in ber bie ftritil nod^ ni^t erfunben toarl*'' ®egen biefen
anmagenben Xon trat lein geringerer al9 ®ria))atger für
»auernfelb in bie ©c^ranfen. (,,aSeine «nfid^t« »lätter für
ßiteratur, Äunft unb Ärittt, ^. 14; jcftt ffierle » XVni 145.)
eabl^ir ertoiberte frecl^ unb fiebrig toie immer (ill^eatergeitnng
1835, SRr. 37). - SSgl. Sal^rbud^ V 72, 174.
376 9(nmetfungm.
178, 16 ^xan% iporn, Stomanfc^riftfteEer unb £Ueiar»
l^iftoriler, f)at Sl^alefpeareS ^ramot in einem unenblic^ toett«
läufigen, tem))erantentIo{en SBerfe in romantifd^em @inne aÜS
SUt9fiüff e einer tiefer $lbfi(^ten DoSen ftänftlernatnr %u tiüöxm
t)erfu(l^t.
184, 8 „Z)ie SBaage. @tne StitfdMft für »firgerleben,
SBiff enfc^aft unb Aunft/ ^erauiSgegeben Don 8. 93öme. gfron!*
fürt 1818. 1821.
S. Sflüc^tige @ebanlen über ha» bentfd^e 2::^eater. ailit
befonberer dtMfiä^t auf baS ^ofbnrgt^eoter in SBien. S3on
S3auemfelb. Sien 1849. S^erlag bon Sgnas Solang, S^u^«
^änbler. 8"* 88 ®. Unter^ei^net: S3auemfelb.
2)ie SBrofc^üre ift gur Seit ber tiefften ©miebrigung beS
Surgtl^eateriS, im legten 3(^x ber ^ireltion ^olbein gefcl^rieben.
3m ^egcmber 1849 tourbe ©einridj 2aviU berufen. — 3w
a^ära l^atte Sauemfen) ein ©efprdd^ mit bem iOlinifter trafen
©tabion: „(§^ riet mir gu neuem Urlaub bon bier fOtonatta.
SngtDif d^en tooEe er für mid^ eine 6teEe anSfud^en. Ob \d^ nic^t
eined ber 2:^eater übernehmen tooEe?" Sal^rbud^ V 89, 192.
189, 87 „Th6&tre de Clara Gaznl, coin6dieime espagnole^'
bon ^rojper fBl^t\m€t, eine 9lei^e Heiner romantifd^er tarnen
nad^ fpanifd^em SDlufter.
193, 28 l^arl ®e^belmann, 6:^araIterbarfteEer, gule^t in
IBerlin.
206, 18 „fftod^u» $unU)emideeL 3^uftlalifd|ed Duoblibet'',
berül^mte Sßoffe bon fOtaä^uS Stegme^er.
207, 16 ^2)0« «oufdjc^en* bon" ©l^riftop]^ »refener, bem
Xej^tbid^ter bon SRogartd ^^tfü^mng ans bem Serail".
„ditnt unb ©rfa^" bon äBtl^elm SSogel (bon 1823 h\S
1834 Leiter bed Xf^tcdtxS an ber 2Bien).
209, 8 Sluf SBunfd^ gfriebric^ SBit^elmiS lY. tourben feit
1841 in Sderlin ^Slntigone" unb „j&bipuS auf J^olonod" mit
ber STlufi! bon anenbetöfol^n aufgefül^rt.
228, 7 ®urli, bie 9>laibe in 5!otebue8 £uftf|)iel „2)ie 3n«
bianer in Snglanb''.
9(nmer!ungen. 377
9. 2)eutf d^e SeitungiRr. 1863. SBien, ©ontttag 11. ä^örg 1877:
meine t^eatraltfd^e @tubien. 9on S3auemfelb. L^er t^eattaltfd^e
ShonoS ttnb ba8 ftreitenbe ^eater. — 9h. 1870. SBtett, ©onn^
tag 18. mäx% 1877. IL 2)ramatifd^e Siebedpaore. — 9lr. 1877.
mtn, Sonntag 25. Tlax% 1877. m. ^ie tj^eattdifd^e ©attung.
»gL SoJibudJ VI, 181.
282, 16 aRobemotfelle ä^arS (eigentlid^ 9(nne ^rattQoife
»outet 1779—1847), berühmte ©d^aufplelerin ^ux 3clt ^la*
poIeonS I.
282, 18 Wm^e Dl^mpe 2)eiScI6e (1836—1874), berül^mte
®d^aufpielertn toä^renb beiS gtoeiten J^aifertumS.
234, 4 ff. La baroxme (1871) bon £b. ^ouffter unb
^^arleS (Sbmonb; La comtesse de Somerive (gebrudft 1878)
Hon 2^^ob. 93ant^te nnb Ttmt. be $T6bot8; Les deox orphe-
lines (1875) Don Slb. ^enner^ nnb Hormon; Le sphinx (1874)
oon Dctabe f^euiOet; L'6trang^re bon ^le;. ^umaS.
286, S2 Babagaa (1872), eine politifc^e J^omöbie Don
®arbou.
287, 7 S}or allem ber @treü um „^mani**.
243, 7 @buarb bon ^artmann, S^ofefpeareS 9lomeo nnb
3ulia, Seipgig 1874, totahtt fic^ überhaupt gegen @]^a!efpeate,
ben ^bielfad» überfd^o^ten S3riten\
249, 4 ^ie SReinung, bag unter ber ^ngeffin bie ^^
gogtn £ontfe %u berfte^en fei, iß ^eute allgemein aufgegeben.
252, e 3d^ot, bie gflüfftgleit, bie ftatt beS IBluted \n ben
9(bem bei gtier^ifd^en @ötter fliegt.
263, 7 „^er SSeild^enfreffet", Suftfpiel in 4 ^Iten bon
@. 0. aRofer, nod^ l^eute auf htm Siepertoire be9 S3urgt]^eater8.
263, 16 ,.8lrria unb aWeffalina*' (1874), „^ero-* (1875),
beibe bon Slbolf äBilbranbt. ^aligula in $almd „^td^Ux bon
Slabenna".
10. 9loibnnb <Süb. (Sine beutfc^e anonatiSfd^rifi. ^ratt0<
gegeben bon $aul Sinbau. dritter S3anb. 93eran 1877. ®. 353
bü» 370. iOlorta Sd^toinb pm (Sebäd^tnig. §Bon S3auetnfen).
äBien.
378 9(nmetfungen.
Sie meiften t)on ben in biefem Sbtffa^j mitgeteitteit JBriefe
fitib boSft&tbiger, aber nid^t immer genauer tieröffentlidftt:
So^tbud^ VI 225 ff. (^. ipottanb, .Tl)
266, 18 ed&toinb«9[usftellun0, DBien 1871.
267, IS ©lobinSfi) («= ©lobi, f. oben 280, 15). SSgl ipomer,
€;b. S3auernfelb (2)id^ter unb 2)arfteaer. 5. »b.) ®. 143.
277, M SSgl. ben 9(uffa6 ^a^eifter SabiHa".
280, 8 » 3a^tbu(^ VI 282.
280, 15 = Sa^tbud^ VI 288; bort feigen bie fjfreunbe
(Slobin unb Staus, X^gL dornet 6. 27.
280, 19 = VI 235.
280, 82 « VI 246.
281, 8 = VI 244.
281, 6 einige] uneinige J. — 2)er a^enfc^ — ^af^lt] fehlt /.
281, 7 SoiS erfte SKnb ©d^toinbs tt)ar ein SfnoBe (bgl.
Sol^rbud^ VI 245); ed mu6 fid^ olfo ^ier um boS gtoeite ftinb
^anbeln.
281, 86 = VI 247.
283, 11 = VI 266.
283, 16 @ermaniSmuS] ®ermantfui^ J.
284, 8 = VI 259.
284, 4 nid^tSnu^igen] nic^tiStoärbigen /.
284, 17 == VI 261.
284, ao im £eibe] am 2eibe J.
285, 6 — VI 266.
285, 8 fc^on fom)>Ii§ierter] e^er complidrter J.
286, 1 bie — liegt] fehlt J.
286, 4 = VI 275.
286, 88 = VI 268.
287, 8 = VI 275 f. — Kt^anhtx Saumann, befannt aU
fBerfoffer bon ^©eripred^en l^inter'm ©erb*.
287, 88 = VI 283.
288, 18 gegenüber]. gegenüber bor aQem J.
289, 1 benn] mir benn J.
289, 8 noc^ mel^r] nod^ ettoaS me^r J.
289, 10 toentge] meinige J.
289, 15 auf bie] auf ber J,
289, 92 bon] bor J.
9(ttmertttit0en. S79
290, 5 ■= VI 288.
290, 7 angeln] angefe^en J.
290, 91 = VI 289.
290, t6 Serenc^] gferensl J.
291, u = VI 291.
291, 15 ber] bte J,
291, 16 groge] gtog J.
292, 8 » VI 292.
292, 17 3 ] 3of. ^. [= 3ofejj^ittcö0tt»ctt^elmftcln].
292, M = VI 297 fticr 25. 3Rci 1866 batttrt).
292, 21 bes Senfeitö] bem Senfeitö J.
292, 26 bre^eti] leisten J,
293, 6 metopj^^ftf^en] unpl^ilofop^ifc^en J^
298, 14 Original: 1866. ^ie ^uf^ebung bed Sh>n!oTbat8
tourbe m aR&i^ 1868 befd^Ioffen.
298, 16 = VI 298 (au(^ mit ber 3al^reS§a^I 1866).
294, 2 @d^nupfen] 6(^nei^en J,
294, 6 a^arfd^ blatte] aßatfc^'Xatte .7:
294, 10 = VI 296.
294, 11 groge 9(lter] Wer /.
294, 14 — VI 298.
294, 16 — VI 299.
294, 27 = VI 299.
295, 5 = VI 300.
295, 16 = VI 301. - Sfr ] gronal aber J. [=
9ratisi8fa Don SBert^eimflein].
295, 17 @ie'S bod^] {le'9 J,
295, 22 — VI 808.
296, 12 ^ond a^dart.
296, 18 = VI 804.
296, 25 l^tn unb toieber] ^in unb l^er J.
297, 4 a^atmei»] SlamenS J.
297, 6 bie] ber J,
297. 6 koie eine] eine «71
297, 8 Hietgerä^mte] Dielberü^mte 0,
298, 1 *♦***♦] »lalart J.
298. 7 etel^af te8] efel^afteS /.
298, 11 ^^ad 2:agebu4.''
380 Äimicrfungctt,
298, 18 = VI 307.
298, u gucft'«] iurft'g J.
298, 18 SSor^immer] im SBorgimmer J.
298, to ^immtifc^ett] ^eimlid^en J,
298, M auSgefud^tefte] ungefuc^tefte J. — mit aSer] in
atter ^
298, S8 iemanb] irgenb jemanb J*.
298, s7 2W*****] aWafart J;
299, 86 Xoo\Hi\ foEte «/l
300, 8 = VI 309.
11. ^ie Heimat. 3Euftrierted gfamilienblott. n. Sol^rg.
1877. II. S3b. Herausgeber unb berantto. 9lebalteur: (S. b.
SBincentt. SerIagd-(^t)ebition bei ^^eimat'', SBien, 6eilerftätte 1.
»r. 27, @. 435-438, SRr. 28, @. 454-456: SWeifter gfabitto.
3ur Erinnerung an 3ofef ^effauer. jßon IBanernf elb. (@e))arats
bmdC: SBien 1877.)
302, 8 „Maitre FavlUa", drame en 3 actes et en
prose. 1855.
306, 1 9lm rafc^eften unterrid^tet man fic^ über bie Slffäre
^eines^effauer m% bem SSrieftoed^fel stoifd^en ^naftafhtS @rün
nnb Bubtoig Saiuguft ^xanli. iperoudgegeben bon 5Dt. IBnmo
bon ^ranll'^od^toart. S3erlin 1897. 6. 52 ff., 61 ff. Sßie aitö
einem ungebmcften 93riefe 9(naftafiu8 ®rün8 l^erborge^t, toor
Z)e{fauer bi^Hig nnfc^ulbig.
326, 8 ff. Sdauemfelb teilt bie a3riefe ber ®eorge ^ioCb
im Original mi unb fögt bie Übertragung bei mit ben SBorten:
„9la(^foIgenbe Überfe^ung biefer S3riefe bürfte bielen £efem
nid^t unmiaiommen fein.'' 3(^ (äffe bie Originale ^ier folgen:
I.
Bon Chrishni, je veux qne vons tronviez nne lettre
de moi ä Ischl, pnisqne yous ne m^avez pas mise & m6me
de vons r6pondre k Paris. Oui, ce sont d'henreux joors qne
cenx oü je vons ai retronvö si semblable ä voas-möme, ä
peine vieilli, pas chang6, toigonrs anssi naüf, aussi tendre
et aussi aimable. Les oreilles ont du vons sonner tont le
tems de yotre Yoyage, car on n'a pas passö nne henre ici
SCnmerhingen. 381
sans dire : Bon Chrishni, eher brave homme, ami charmant,
diifne maestro, gprand artiste etc. etc. Chacnn et tons & la
fois, dno, soll, trio, qnatnor etc., tntti tutti! yiye le
bon Dessaner, le vrai Favillal Et le solr, leg lettres my-
sterienBes apportdes snr la table par Tesprit familier, les
phrases mnsicales qn'on croyait entendre en les lisant toüt
cela a 6t6 goüt6, senti, et tont en riant, on 6tait attendri,
on Tons sentait encore lä. Et n*y §tes*Ton8 pas toiq'onrs?
Est-ce qne nons ne vivons qne dans notre corps? est-ce
qne nons n'habitons pas la Inne et le soleil et tontes les
^tolles, d^s qne notre pens^e nons y transporte? est-Kse
qn'on ne s'y occnpe pas de nons comme nons nons occn-
pons d*enz. Nons qni rdvons to^jonrs draller les y rejoindre?
Enx? qni? ils disent la mSme chose de nons et sans nons
connaitre ils nons aiment Et pnis, ne nons connaissent-ils
pas? Oü est notre eher grand Delacroix ä. cette henre?
Mais oü §tes-yons vons-m^me ä Thenre oü je yons öcris,
snr qnelle ronte, dans qnel y^hicnle, dans qnelle disposition
d^esprit? L'absence et la mort ne diff&rent pas beanconp,
donc on ne se qnitte pas, on se perd de yne, mais on sait
bien, qne n^importe oü, on se retronyera. Anssi je ne dis
jamais adien dans le sens de: Dien nons söpare, mais
dans le sens: d. reyoir en Dien snr cette terre on snr
nne antre. Est-ce qne Ton ne fait pas des progn^s tant
qn'on yent yiyre et tant qn'on croit ä Tiddal? est-ce qne
rid6al ne sert qn'ä cette vie d'nn jonr on denx snr la
terre? ne croyez pas cela. Nons emportons ayec nons ce
qne nons ayons acqnis, et nons l'emportons ponr Taccroitre
dans r^temit6. Qn'importe qne dans nne on denx de nos
existences nons n'ayons pas €t6 assez enconrag^s, si nons
ayons entretenn le fen sacrä en nons et dans les antres?
Ne comptez pas ponr rien ces henres oü yons donnez ayec
yotre &me celle des grands maitres ä yos amis, tont cela
c*est nn 6change entre enx, yons et nons de ce qn^il y a
de meillenr et de plns 61ey6 dans le sanctnaire commnn.
Ecriyez-nons, eher ami, dites-nons comment yons ayez
yoyagö, comment yons ayez retronv^ les soenrs, la ni^ce,
les montagnes, le pays dn sei et les montagnards artistes.
382 9(nmer!itngeit.
Toute la famiUe d'ici vons embrasse. Mantice, qne la mort
de Delacroix a beanconp affecte, snrtout par la pensöe
qn'il est mort sans famille aatonr de Ini, Lina, qui rous
präsente son poapon ä. baiser, Manoean qni vons adore (bai
comme le plus brntal est le plns aimant de toos), Mme
Lambert qni ne cesse de parier de yons, son man, qni youb
Studie rötrospectivement avec ime Sympathie dSlicate^
Marie Lambert qni plenre poar nn rien, mais qui aime
beanconp, Calamatta, qni ne dit plus rien eontre Delacroix
et qni le regrette comme homme, sans Tavoir jamais compris
comme peintre, yoilä tont le monde . . non il y a la grande
Marie, nne natnre d'61ite sons sa blanche comette et tons
Yons aiment et yons crient: Bevenez.
George Sand.
Bevenez ayec de beanx lieders ponr moi de yons.
16 A5nt 63.
II.
Nohant, 5 jnillet 66.
Mon Fayilla a donc pensS ä moi ponr mon anniyersaire
de la 62i^me. J*en snis bien tonch6e, excellent ami. Vons
ne dites rien de yotre santS, yotre coenr absorbe tont et il
est nayr6 des dangers de la patrie. Nons comprenons $a,
nons qni sommes Italiens, mais pas pmssiens dn tont
QneUe effroyable m§Ue est sortie de ce petit d6m616 dn
Holstein! et oü est Tissne? Yotre pays fftt-il ScrasS, pent-il
dtre rayö de la carte dn monde oü il tient nne si grande
place? Tronyez-yons malhenrenx ponr Ini qn'il yienne k
perdre la YSnStie? L 'Italic n'a-t^elle pas toiQonrs 6t6 nne
mine et nn danger, nn bonlet k son pied, comme maintenant
TAlgSrie an notre. On ne s'assimile jamais des nationalit6s
anssi tranchSes. On comprend mienx rassimilation des pays
slayes, qnoiqne difficile encore. Mais qne füre ä tont cela?
Le moment semble yenn, ofl il fant qne les conqn§tes soient
des fl6anx. La France s*en m§lera-t-elle? ponr qni, ayec
qni? On la yoit bien sontenant Tltalie, on ne la con^oit
pas aidant la Pmsse. Et ici nnl ne sait, si eile aidera
%tmtdtm%tn, 383
qaelqn'im. Le chef de Tötat est d'antant plus impön^trable,
qa^il YÜ, dit-on, au jonr le jbar dans sa pensöe, et qn^on ne
peat deviner des projets, qni n'existent pas. Je yoqs dis ce
qa^on dit. Je suis loin de tont ici et ne sais rien par moi-
m6me. Je vois ponsser ma petite fiUe qni est belle et donce
et qni se console antant qne possible de la crneUe mort
de son Mre. Mes enfants sont anssi henienz qne possible
aprts oette donlenr, et moi qni ai perdn mon panyre ami,
je me röconforte anpr^s d'enz. Nons jonissons d^nn M
horrible, temp^tes dilnyiennes, chand ^crasant, froid tont
k conp. Panvres soldats, panyres bless^s, panvres morts de
tontes nations, qnels qn'ils soient, c'est nn spectacle dös-
espörant, et on n'ose se r^jonir de rien, mdme dans le
coin tranqnille oü on vit Vons faites de la mnsiqne triste,
j'en snis snxe et pleine de T§Yes döcbirants. Yenez ä nons
qni vons aimons et qni plaignons tontes les sonffirances.
J'ai entendn massacier le Don Jnan ä Top^ra de Paris, dn
thöatre lyriqne on Ta escamotö an piofit de qnelqnes
brillantes indiyidnalitös et dHme belle mise en sc^ne. Tont
cela ne yalait pas le Don Jnan de Chrishni an piano, celni-*
1& o'6tait le yrai et le bon. L'entendrai-je encoie? c^est
mon r§Ye, ne me Tötez pas.
Tont le monde ici yons embrasse et vons aime.
G. S.
ni.
Nohant, 6 Jnillet 68.
Comme c'est aimable d. toi, mon Chrishni, de ne pas
onblier ce 5 Jnillet qni a bean m'ajonter des ann6es, il
me T^jonit toi^'onrs comme s'il m'en dtait pnisqn'il me rd-
nonvelle le donx sonvenir de mes amis äloignös. Si fait, ya,
nons nons reyerrons. On n'est pas plns yienz ä 70 ans qn'lL
30, qnand on a conseryö Tintelligence, le coenr et la
yolont6. Tn n'as rien perdn de tont cela ; la senle infirmitö
dont tn te plaignes, c'est Tafiaiblissement de la yne. Cela
ne t*emp§che pas de yoir la natnre et de me ramasser de
trös petites flenrettes, la Linaria Pellissiörana; et d'appr6-
cier le magnifiqne spectacle de ton lac et de tes montagnes.
384 SImitecfungen.
Olli, c'est bean, ton pays et je te TenTie, d'antant plus
qn'il sontient contre rintol6rance et Tambition cl^ricale
ane Intte qai hnmilie la France. Qnant au d^clin de Part
chez toi et chez nona, oni c^est vrai, mais c'est one Eclipse.
Les ^toiles ont des d^faillances de land^re, les hommes
penvent bien en avoir! Ne d^sespörons jamais, mon ami,
tont ce qni s'^teint en appaience est an travail occnlte de
renonvellement — et noas-m&mes anjonrd'hoi et ton-
jonrs vie et mort, sommeil et röveil. Notre ätat normal
r^snme si bien notre ayenir infini!
J'ai ai^oard'bni 64 printemps. Je n^ai pas encore
senti le poids des ans. Je marcbe antant, je travaille autant,
je dors anssi bien. Ma yue est fatign^e aussi, je mets
depnis si longtemps des lonettes, qne c'est one qnestion
de N'o Toilä tont. Qnand je ne ponrrai plns agir, j^esp^re
qne j'anrai perdn la volonte d'agir. Et pnis, on 8*e£Graie de
r&ge ayancö comme si on 6tait sür d'y arriver. On ne
pense pas ä la tnile qni pent tomber dn toit Le mienx est
de se tenir toigonrs pr§t et de jonir des yieilles annäes
mienx qn'on n'a sn jonir des jennes. On perd tant de
temps et on gaspille tant de la yie ft 20 ans! Nos jonrs
d'hiyer comptent double; Yoilä notre compensation. Ce qni
ne passe ni ne change c'est Tamitiö. Elle angmente an
contraire, plns qn'elle s^alimente de sa dnr6e. Nons parlons
bien sonvent de toi, ici. Mes enfants t*aiment avec r61igion,
nos denx petites filles sont charmantes. Anrore parle
comme nne [grande] personne. Elle est extraordinairement in-
telligente et bonne. Tn la verras. Tu reviendras. Tn nons
charmeras encore avec ton piano. Nons t'aimons, eher
Maöstro, nons t'aimons bien. tn vondras nons embrasser
encore et jamais ponr la demi^re fois. Ce mot n^a pas de
sens. G. Sand.
IV.
Ober Fayilla bien aim6, ton 6critnre est snperbe, tn
Tois; mais tn sonffres encore, pnisqne tn dis qne tes yenx
vont mal; espSrons qne la gn^rison yiendra yite; ton petit
bonqnet est encadrö dans ma chambre d. cöt^ de ses pr6-
Slnmcrfungen. 385
d^cesseurs. C^est toujours nne joie pour moi de le yoir
arriyer. C*est la marqae de la jennesse toujonrs florissante
de ton CGßiir et mes enfants me demandent chaque ann^e
au 5 Juillet, si j^ai rega les flenrs dlschl; tont monmonde
t^aime et te serre la main avec tendresse. Le temps humide
nous rend toas nn peu malades, j*esp&re que nons touchons
k la fin de ce daläge qui a fait tant de mal ä nos pauvres
provinces du midi. Avez-vous anssi ces pluies torrentieUes
dans TOS montagnes? Tonrgnenef m'a dit qne tn faisais
des vers cbarmants et parfois tr^s beauz, est-ce vrai? que je
suis b^te de ne pas savoir an mot d*allemand! Je te lirais
avec tant de plaisir. Ecris-moi qnand tn le penx sans
te fatigner et crois k TinaltSrable tendresse de ta
vieille scenr
G. Sand.
Nobant, 6 Jnillet 75, 71 ans.
308, 5 ©ugfeiie S)cIacroij ftarb 1863.
809, 4 „eal^Ianb^ ha^ ©aigfammergut.
309, 6 Tlotxi ^ubet)ant (ate 8c^rtftfteIIer ^IRaurtce @anb),
ber 6o^n t)on (Seotge @anb.
309, 8 ßlna, eine ®n!elin.
309, 9 Wlanctan, ein junger, fränüid^er ^nftler, ben
®eorge @anb unterftü^te.
309, 14 £uigi ^lamotta, ttaltenifd^er ^u))ferfte(^er, in
$artS auiSgebilbet, lebte in SBrüffef. ©eine ^oc^ter toax bte
^rau t)on 9)laurice @anb.
816, 14 „^aqmta\ £)ptv in 3 Slften. ^ttt bon Otto
$red^tler.
816, 25 ^SDomtnga ober bte ©d^muggler in ben ^^renäen",
fomifd^e Dptt in 3 ^!ten. Xt]^ t>on Sllei^anber IBaumann.
12. (Hebenfe mein! ^afc^enbuc^ für 1848. ©ieben^e^nter
Sal^rgang. Wlü fec^S 8ta^Ifti(^en. SSien. SBerlag t)on $fautfd^
& »o6 (©eiftergaffc 9lr. 428). ©. XV-XXVI Stnton 2llej.
®raf Don ^uerfperg, genannt: ^naftafiuS ®rün. (SluSsug aui»
einer biogrojjl&ifd^en ©figge.) Untcraeicfinet: 89. CG,J
CAtiftcn IV. 25
1
386 Slnntcrfungcn.
Sllbum öfterretc^tfd^er ^ic^ter. SltfoIauS fienait. Unaftaftud
(Srün Wl\t 12 g^orträten. äBieit 1850. 9$crlag bon
$fautfc^ & S3og. @. 57—64. Slnaftaftud (SIrun. Untei^etc^net:
»auernftlb. (^Aj
93auernfclb tourbe bom SBud^^anbler ^fautfc^ baxnm
erfudgt, Sluer{))erfli» SStograp^ie für bad Xafc^enbud^ ^@ebenfe
metnl'' gu {(^reiben. @r toanbte ftc^ an ben bcfreunbeten Siebter
mit ber JBttte um Unterftü^ung unb SCnaft. @rün gab in
einem SBrief t)om 22. Slprtl 1847 bie nötigen ^aten.
3m Wlai tourbe bie ©fig^e beenbet. Sie Senfur ftn4
gTo6^ Partien t)on 93auernfe(bS S3iograp^ie, bie im Sa^re
1860 in bog ^SCIbum", ha» ^fautfc^ Verausgab, hinüber«
genommen tourbe. Sie lange Einleitung blieb toeg, bafür
fonnten nun bie ehemals geftrid^enen (Stellen gebrad^t n)eTben;
ber ©d^Iug tourbe ent^pred^enb umgearbeitet.
»gl. Sa^rbud^ V 134, 160, 214; Korb unb ©üb II (1877),
862 ff., 889.
328, s - 386, s] fehlt A.
836, 17 Slnton — 21 burfte] fehlt O.
337, 6 bei — « berrfc^tc] fehlt O,
837, 25 8Um 2:cil] fehlt G.
339, 5 boll — 17 SWunb] bie öffentliche SDieinung ftbricb
bie gebeimntiSboIlen S3Iätter balb unferem SlnaftafiuS gu G.
341, 17 SInaftafiu» — 342, 3 fanb] fehlt G.
342, s hit 3tit jener flammer^errnsSegenbc] biefe 3wt G.
342, 4 Scr — u „Sflibelungen"] 8ie G.
343, 11 umftimmen!] folgt G: &tU xf)x ba8 ©erlangte,
baS ©etoobnte, gebt ibr jum britten, bierten STlal, toaS ^um
^ften unb S^^tten besagte unb fie tt)irb @uc^ auf'd 9Ieue
mieber zujubeln. Sntmer baSfelbe gu fingen unb s" fagen, ift
ja gule^t boc^ baiS gange (^e^eimnii^ fo mand^er ©d^riftfteneret!
344, 5 Sie ncuefte 3ett — 346, 7 ßcier] Sie» auf
unfern Siebter angetoenbet ift mir um feine poetifcbe
3u!unft nic^i bange. SBo fo t)\ti ^robuftionSfraft unb
©epnnung, ba ift toeber ein fünftlcrifd^e» nod^ flttli(^es
i^rlabmen gu beforgen, unb ba» poUtifc^e ®en>iffen toirb
Änmerfungen. 387
burc^ bie 3^ti felBfi toac^ erl^aUen, unb mir tooUen'S l^offcn,
ttod^ unb na(( gu pl^erem SBetougtfetn gebrad^t. (SoSte bennod^
ber faftaltfc^e OueS in ^naftaftus (Hrün berftegen — aber fo
manches beutet barauf ^tn, bog er eben in frifc^er Strömung
begriffen ift — Jo begnügen toir un8 mit ben flaren fluten,
mit benen er \m& bis je^t erfrifc^t l^ot, unb beren l^eH fpru»
belnbe ®eivalt boKfommen ^tnreic^t, bem beutfd^en unb öfter-
retc^ifc^en SBoterlanbe gnr ö^re gu gereidjen. ö.
25*
Pcrfoncnvcrzcid)nis.
Seilftnfia eito&^tc ^ecfonen IfaUn letne tütfna^ne in biefe« fftt^ifiti gefimbci!,
bIo6 anfgesS^Ite 9lainea nur bann, nenn ü^reSufammcnfieanna oon 8ebetttitng if(.
«feingcr, 3. ». b. 142, 371.
matUa ©ileftuiS 329.
Striftotclc» 179.
Slrottct, S. 311., f. Sßoltaire.
2lucrfj)crg, Slnton STIej. @raf,
t. OJrün anaft.
2lucrfpcra, SWaric ©räfin 340.
Sltircn^off/ S. i&. ö. 142, 371.
»a^, mtt 368.
öäucric, a. 159, 374.
SBaumautt. Sllej. 287, 378.
S3eaumar(^ai9, $. ^. (S:. 236 f.
SBcautnont, gr. 178, 211.
SBcaini, ». 303.
Ölumaucr, 2C. 142, 371.
öörnc, ß. 109 f., 184.
»ol^I, D. ®. 168, 374.
»outet, a. Sv f. 3War«.
93raun D. S3raunt6al, 3- @*
158, 164, 873.
öürger, ®. 81. 380.
23i)ron, @. 91. ®. 332.
(£af|)cr t). ßo^cnftctn, 2). 829.
eaftcEt, 3. 5. 158, 163, 373.
Gabatanoc, Ö. (g. 63, 75, 368.
Glaretic, 3- 231 ff.
Glauren, ©. 228.
(SoHtn, ö. D. 145, 227, 256,
270 372.
©orncitu», ' $. (bei aWoIcr)
270 ff., 274, 280.
3)ein]ftarbftctn, 3- ß. 158, 228,
373
S)cni8, 3. 3^- 6. 141, 371.
3)e8cI6e, 21. D. 232, 377.
^cffaucr, 3. 277, 287, 301,
302 big 327, 380ff.
5)ei)rient, ®b. 226.
S)tctrtd6ftctn, mox\% @raf 256.
^tosIct-aWanfrcb, Ä. 5. 162,
374.
^ubebant,8(., f. ®anb, @eorge.
S)uIIcr, e. 168, 162, 373.
S)uma8, 2«cr., b. 3- 233 f.
3)upin, a., f. (Sanb, ©corgc.
(gbert, Ä. 6. 158, 164, 373.
(gnbli^cr, ®t. 351.
@nl, anic^. 172, 375.
9eud^ter8Ieben, @mfi Sfrl^. b.
172, 375.
fid&tncr, ^. 220.
flct*ct, 3. 178, 211.
fouricr, (5^. 90 ff., 368 f.
franfl, 2. 21. 162, 374.
franul b. SBeigent^urn, 3.
168, 373. ^
Srong I. b. Dflcrrctd^ 238.
grona Äarl, ers^ctaog 351.
©cbicr, 2:. ^1^. Sri. b. 144,
371.
©cttcti, (Sl^r. 5. 255, 330.
390
$erfonetU)crset(^iu8.
@Iei*, 3. 21. 159, 374.
OJlctm, 3- SB. 2. 329.
©oct^c, 3. 2B. 72 f., 143, 152,
180, 188, 209, 230, 247 ff.,
256, 257, 381.
©ottfrieb t>. ©tragburg 244.
@ottjd)fb, 3. C?ör. 255, 329.
OJrabbe, ß^r. S). 264.
©riöparaer, g. 149 ff., 165,
184, 2a0f., 253, 262, 293,
300, 333, 375.
@rün, Slnaftoftu« 165f., 301,
329 big 346, 375, 385 f.
@rttp^tjt8, Sr. 255.
@ui80t, gf. *. Ö. 101, 369.
©u^fom, ist. 193.
tafncr, 5ßb. 144, 371.
altrfd), 2. 166, 375.
ßalm, {yr. 193, 228, 253, 262,
263, 377.
©omcriina, 91. 271.
i&ammer«$ur0ftaII, 3- ö- 165,
375.
Startmann, ®b. ö. 243ff.,377.
öebbcl, gr. 262, 263, 271.
$ctnc, ^. 246, 306, 332 f., 380.
)eittrtc^ IV. ö. SRaöarro 117.
>erbcr, 3- Ö- 330, 334.
)ermann ü. ^ermanngtbal,
g. 163, 374.
Seufclb, 5. ö. 14i, 371.
Öcun, G., f. Glauren, fi.
©ölti), 2. ©. (Sbr. 330.
ßofmaitn ö. ^ofmanngtoalbau,
©br. 329.
§0lbeiu, g. ö. 228.
$orn, ??. 178, 376.
§oniboftcI, 21., f. öol^l D. (5.
ßoutoalb, ®. 126.
ßÜQcI, ©I. ^xf). ö. 28 big 53,
70, 352 bt« 368.
§l)e, 21. t>. 351.
3cnuII, <Seb. 351.
3ff lanb, 2t. 3Ö. 210, 227, 263.
Sonfott, SB. 178.
3o|ef n. 21, 143, 144.
Sünger, 3- S- 144, 372.
Äarl VI. 20.
Äaulbacö, 2B. b. 268, 297, 300.
Äleift, ©. ü. 329.
ÄIcift, ©. b. 245, 248, 252, 262.
Solinger, fj. 21. 152.
fflopftodf, 3 @. 329.
Äöntg, 2canber 272.
ffömcr, ^b- 146, 256, 332, 372.
^olotorat, ^. 2t. (Sraf 351.
^orn, Snar. 145, 254, 372.
Äo^cbue, 8. b. 96f ., 146, 207,
210 f., 227, 263, 372.
offner, Gbr. 158, 373.
Soc^ner, ??. 279.
ßafftttc, 3. 106, 869.
£aubc, ö. 193, 231.
ßcttncr, ®. @. b. 163, 164, 874.
£cnau, ^. 165, 166 ff., 272,
281 ff., 316, 333, 335.
ßcfpng, @. e. 144, 147,179f.,
183, 210, 246, 262 f., 330.
ßifxt, g. 267, 290, 294, 298.
ßobcuftcin, f. Safpcr b. Cohens
ftcin.
SoutS $btltppe 82.
ßubtotg I. b. »oi)crn 286.
ßubtoig XVI. 117.
£ubtbtg, (^s^ergog 851.
ßubtotg, D* 262, 263.
TOail&tb, 3. Öraf 158, 374.
aWafart, fi. 275, 298, 379 f.
mav'ia ^crcpa 21.
3}iannont, 2t. g. ß. So. bc 336.
SDlar«, 9}iae. 232, 377.
3Jiarfano, SB. 158, 374.
3}^aftaltcr, ft. 142. 371.
a«aj, ©abriet 272.
aWa^rbofcr, 3- 163, 164, 375.
mcm, Ä. 159, 374.
SWcnael, SB. 173, 375.
aWcttcnii*, ei. gürft 82 f.,
851, 367.
mUton, 3. 329.
5^oti6rc 236 f.
aWontalombert, Wl dl bc 121,
369.
$crfonent>erset(^nt2S.
391
aWofer, ®. ö. 263, 877.
gjlüttcr, 3. ?J. ©. 144, 372.
3}lünncr, «b. 150.
ö., f. $alm, tJr.
SRapoIcon I. 117.
^\tmh\d) t>. ©trcl^lenau, 91.,
f. ßenaii, 9^.
Cpiö, 3n. 329.
»annafd^, 21. 158, 374.
qjQffÖ, 21. 163, 375.
i^cäjl, 3. 142, 871.
$ito IX. 121, 3ö9.
^latcu, 21. ©raf 332.
$oaucIin, 3. S3., f. TloVikxc.
^^rcc^tlcr. D. 256.
^4^t)rter, 3. S. 161, 230, 374.
»aimunb, S- 1Ö9, 267.
l»atf(l)ft), 3. 3f. b. 142, 371.
mmpaä), (^. 191, 228.
^cbmi^, O. ö. 257.
Hefter, 3. tJ. ö. 142, 371.
$ȟrfert, g. 332.
(Sac^iS, JpanS 328, 334.
@anb, (9corgc 302, 305 f., :
307 bis 314, 327, 380 big 385.
(Bapl^ix, 3)^ @. 127, 375.
©cbarf, 2C. 15. @raf 266.
@*cfflcr, 3v f. 2rn0clu8 (5tlcf.
@cf)iacr, gr. 72, 180, 188,
209, 215, 237 f., 250 ff.,
256 ff., 260 f., 331, 834.
@c6Icc6ta«Sßffc5rb, gr. %xf). ö.
163 375
<S4lc0cI, 21. 2Ö. 241.
(Scfticgel, 3. ©. 255.
©Alcif er, a;?. ß. 163, 375.
@4ramcl, 2llbin 319.
©(^re^bogcL 3. 128, 146 ff.,
185, 212 ff., 220, 238, 372.
e^rßbcr, 5. ß. 144, 210 f.,
372.
6(^TÖber, ©ofte 222.
©dbubcrt, fj. 267, 278f., 284,
294, 317.
(SAufcffa, g. 852.
mtoinh, Wl 266 big 301,
315, 321, 377 f.
(ScibI, 3. @. 163.
©c^belmann, Ä. 193, 376.
S^alefpcarc, SB. 72, 96 f.,
143, 144, 145, 178, 215,
240 ff., 259 f.
@onncnfcl8, 3- ö. 143, 871.
©tcigcntcf«, 21. ^r^. b. 148,
373.
(5tcJ)^anic, ©., b. 3- 144, 372.
©tiibenrauc^, 2)1. ö. 351.
Slomafd^cl, SB. 3- 303.
SCrcitfdile, 3f. 158, 374.
U^Ianb, 2. 331.
S!oItatre 246.
©agncr, SHid^. 271, 290 f.,
298 f., 317.
SBeibmann, g. 6. 158, 374.
2Bei6c, 6^. >?. 255.
SBcIbcn, £. grl^. ö. 131, 370.
SBerner, 3a$. 146, 372.
2BicIanb, G^. SR. 329.
SBilbranbt, 2(b. 263, 377.
SBilcgef, ©. @raf 319.
3ebliö, 3. (^^r. gr^. b. 157,
184.
jeltcr] S^. 5. 230f.
lerr, 2tnna 316.
lieglcr, g. SB. 146, 872.
1
Corrigenda.
„ 115, „ 19 „gelten, „ fleltenj
„ «56, , 1» „ Uatte; „ l^ütte,
„ 280, „ 8 „ nt&figen „ tnAc^tigen
„ 815, „ 1« „ ©loffe« „ ftloffen
. 851, „ 18 füge ^inau: Q)iit(Ioto, (Befammelte CBetfe, ^ontfurt a. 9R.
1846, m 809.