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Full text of "Eine medicäische Hochzeitsnacht : Trauerspiel in fünf Acten"

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Trauerſpiel in fünf Acten. 


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Alte! NEC NH 
Alfred Friedmann. 


— 
— 


Quanto & bella giovinezza, 
Che si fugge tuttavia! 


Assez! 
II s'agit bien d'un peuple!! Il s'agit d'une fille. 
Depuis qu’entre elle et moi j'ai fermé cette grille, 
Je ne dors plus, j’en rève, il me la faut. — 


(Hugo. Torquemada.) 


Leipzig. 
Wilhelm Friedrich. 
1882. 


Alle Rechte vorbehalten. 


Ich habe zu diefer Arbeit nur deutſche, franzöſiſche undzitalieniſche 
Geſchichtswerke und Quellen, u. A. Sismondi, von Reumont, Leo und 
vor allem Varchi, jedoch kein bereits eriftirendes Drama, benutzt. 


al 3 


Perſonen. 


Aleſſandro von Medici, Herzog von Florenz. 

Lorenzino von Medici. 

Cosmos von Medici. 

Maria Soderini, Lorenzino's Mutter. 

Cattarina Ginori, Maria's Schwefter. 

Margarete d' Auſtria, Tochter Kaifer Karl des V. von Spanien 

Verlobte des Aleſſandro von Medici. 

Cardinal Cibo. N 

Ricciarda Cibo, deſſen Schwägerin, Gattin des Lorenzo Cibo 
| Marcheſe von Mafja. 

Filippo Strozzi, edler Florentiner. 

Pietro, Tomaſo Strozzi, ſeine Söhne. 

Cuiſa Strozzi, feine. Tochter. 

Giulian Salviati 

Der alte Salviati, fein Vater edle Florentiner. 

Giorgio Ridolfi 

Alfonſo Ferrareſe, Bildhauer. 

Scoronconcolo, eigentlich Michele del Tavolaccino (Haudegen, 

Hnappe des Lorenzino.) 


Gio mo, Italiener 

Ungar 

Cuigi del Riccio, Agent der Strozzi in Rom. 

Michel — Angelo. 

Bartolommeo de’ Dalori, Statthalter des Pabſtes Clemens VII. 
in der Romagna. 

Galeotto Guigni, Doctoren 

Salveſtro Aldobrandini, [ des Rechts. 

Jacopo Nardi, Geſchichtsſchreiber 

Lorenzo Carneſecchi 

Dante da Caſtiglione 

Anton Francesco degli Albizzi 

Franzesco Pazzi l 


\ im Dienſte des Herzogs Alefjandro. 


Derfchworene. 


1* 


„ 


Paolo Antonio Soderini 

Cuigi Alamanni 

Filippo Parenti 

Antonio Berardi 

Ein Seiden händler. 

Ein Goldſchmied. 

Swei Boten. 

Serafita, Geliebte des Alfonſo Ferrareſe. 

Ninetta, Geliebte des Giorgio Ridolfi. 

Guglielmo Martelli, edler Florentiner 

Marietta Naſi, feine Braut ſtumime Pexjonen 

Derbannte Ein Maler. Officiere. Leibwache des 
Herzogs Deutſche lone, diene 

Ein Wahrſager und ſein blindes Kind. 

Ein Wächter Swei Mörder Mek 

Aleſſandro Ditelli. Oberbefehlshaber der deutſchen Söldner 

in der Feſtung von Florenz. 


| Derfchworene. 


Ort der Handlung: Florenz. 
Geſchichtliche Seit von 1550-1536. 


I. T. k. 


Scene . 


Höhe von San Miniato. Fkeeſtlicher Platz, Buden, wandelndes Volk, 
das aber erſt am Schluß dieſer Scene ſich mehr bemerkbar macht. 
enz ine und bins Strozzti begegnen jun. 


f Korenzino. 
Heil Dir, Filippo Strozzi! 


lis. 
LCorenzino! 
Du in Florenz, der Stadt des Untergangs! 
Ich glaubte Dich in Rom beim fiebten Clemens! 


Lorenzino. 

O nenn’ ihn nicht, den Pabſt des Untergangs. 
Des Pabſtthums Größe, und der Kirche Einheit 
Schmilzt unter ihm; Italien wird geknechtet 
Durch feine Falſchheit, Schuld und Politik! 
Statt ſich den hohen Pflichten hinzugeben, 
Und durch Reform den Abfall rings zu hemmen, 
Mit dem der Kirche England, Deutſchland droh'n, 
Schürt er den Krieg des fünften Karl von Frankreich, 
Und hat Florenz, die Daterjtadt, zerſtört! 
Mich litt's in Rom nicht; wär' ich dort geblieben, 

Du weißt, ich bin ein friedlicher Geſell — 
Den Händen wär' ich einer höhern Macht 
Ein willenloſes Werkzeug nur geworden, 
Den Pabſt hätt' ich ermordet! 


Be 


Filippo (achend). 
Du, mein Brutus! 
In einer Seit, in der kein Caeſar lebt! 


Corenzino. 
(ſehr langſam und bedeutungsvoll). 


Doch wenn ſich Brutus ſelbſt den Laefar fchüfel 
O Filipp, als ich nach Florenz gefloh'n | 
Vom eiteln Rom, in Büchern mich vergraben, 

In denen ſteht, was Andre ſchon gethan, 

In denen ſteht, was Andre ſchon gewußt, 

Ward ich, mit Schatten lebend, zum Geſpenſt, 
Hohlwangig, hohen Aug's, im Marke matt, 

Doch reif auch zum Verkehr mit heil'gen Schatten! 
Die traten denn auch Tags und Nachts mich an, 
Mich mahnend, eine große That zu thun, 

Die Ehre mir, Florenz die Freiheit brächte! 


ei 
So möchteſt Du allein die That vollbringen, 
Die noch der Inhalt meines Lebens iſt: 
Florenz, den Phönix, aus der Aſche rufen. 
Du biſt ein Träumer, doch Du biſt kein Held! 
Du biſt ein Schwächling, den die Größe lockt! 


Corenzino. 
O könnt' ein Wunſch den Gegenſtand erſchaffen! 
O, wer ein Held ſein könnte, groß, genannt, 
Mit Allem Beſten, was die Erde preißt! 
Ich kann's nicht ſein. Das wurmt! 

Was ſchuf mich Gott 

Mit all der Rieſenſehnſucht in der Bruſt, 
Und gab mir nicht des Rieſen Leib dazu ? 


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Groß werden aber heißt mein Wunſch allein, 
Und jeder Weg wär' mir zum Siele recht! 


0% 
Dein Ehrgeiz iſt vielleicht nur Eitelkeit! 


Corenzino. 


Ich will mit Dir nicht um den Namen ſtreiten. 
Doch möcht' ich Macedonien's Alexander 
Sein! — 
Filippo. 

Sieh, Lorenzo, an demſelben Tag, 
Als Alexander dieſer Erde Licht 
Erblickte, brannte Heroftrat den Tempel 
Der Diana der Ephefer nieder! Ehrgeiz, 
Auf welchen Bahnen raftlos irrſt Du hin! 
Mit welchen Mitteln machſt Du Dich unſterblich! 
Beroftratos! Ein Schwächling, jo wie Du! 
Denn Große gründen ſchöpferiſch das Große, 
Serſtören kann der Kleine Großes nur! 


Corenzino. 
Und dennoch ſagt der Menſch dem Menſchen weiter 
Den Namen deſſen, der die That gethan. 
Warum hat mir Natur den Weg verrannt, 
Durch eig'ne Kraft ein Großes zu vollbringen? 
Das Schöne lockt mich und ich kann's nicht ſchaffen, 
Das Große will ich und die Kraft iſt klein! 
Doch will ich nicht, daß einſt man von mir ſage: 
„Er war und iſt nicht mehr!“ — Wer wird das jagen? 
Wer ſich erinnern, daß ich jemals war, 
Wenn meine Hand nicht eine That gethan, 
Die in der Clio Hand den Griffel zwingt! 


ae 
Geſtorben fein! Auf ewig ausgelöfcht, 
Für immer in der fpätern Welt Gedächtniß — 
Es iſt entſetzlich! Vein, ich will nicht ſterben, 
Nicht ſo, wie der gemeine Haufe ſtirbt, 
Fortleben will ich als ein hoher Geiſt, 
Wie Brutus, Caſſius und wie Caeſar lebt! 


Filippo. 
Du biſt ein Schwärmer! Kehr’ zu Deinen Büchern 
Surück und ſchreibe die Begeiſterung, 
Die aus Plutarch Du, aus Homer geleſen, 
In einem Trauerfpiel als Dichter nieder — 
Die Wirklichkeit hat keinen Raum für Dich! 


Corenzino. 
Der Ehrgeiz macht die Bücher mir verhaßt! 
Der Ehrgeiz zwang mich aus der ſtillen Klauſe, 
Wo ungetrübtes Glück mich oft umfing, 
Wenn im Verkehr mit hehren Griechendichtern 
Ich einen von den Ihren mich geglaubt! 
Dann gab der Shrgeiz mir die Feder in 
Die Hand — und meiner Unmacht ward ich klar! 
Von Schlachten las ich — dünkt ein Feldherr mich: 
Sieht fo ein Feldherr aus? Natur, Natur, 
Was ſchaffſt den Willen Du und nicht die Kraft, 
Ihn durchzuführen auch, in einem Weſen! 


Filippo. 
Wenn Du des Mangels Dir an Kraft bewußt, 
So laß' uns Männer ſorgen für die Seit, 
Und bilden fie — nach Männerebenbild! 


Corenzino. 
Ich weiß es wohl, in welcher Seit ich lebe, 


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Und kann nicht anders fein, als meine Seit! 

Kein fittlih Band eint Menschheit und Geſetz, 

Die Macht der Argliſt, des berechnenden 

Verſtandes triumphirt, das Gute liegt 

Darnieder, Mord und Dolch und ſchleichend Gift — 
Das ſind die Stufen zu erreichtem Glück! 

Su welchem Glück Sum Glück der Herrihermaht? 
— Als wär’ der Herrſcher auf dem Thron nicht elend d 


Filippo. 
Kennſt Du kein Liebesglück! 


Corenzino. 
Was ſind die Weiber d 
Was iſt die Liebe? bah, iſt die für mich ? 
Und gäb's ein Weib, ein liebenswürdig Weib, 
Und könnt' ich's lieben, kann mit der Geſtalt 
Ich, lieb' erflehend, vor die Hehre treten! — 
Mich unterhält's allein noch auf der Welt 
Den Menſchen, jenes buckelkrümmende, 
Servile, feige, jedem Wink geſchmeid'ge, 
Verachtenswerthe Thier zu ſeh'n, das ſtumm 
Die Peitſche leckt, die es mit Striemen ſchmückt! 
(Er breitet die Arme über das untenliegende Florenz aus.) 
Und doch, Florenz, Du Blüthenſtadt der Welt, 
Gern gäb' ich alles Glück, das mir noch blüh'n kann, 
Erfüllten Shrgeiz, und Unſterblichkeit, 
Für Dich dahin, wenn ich Dein Retter ſein, 
Im Glanz der Freiheit wiederſeh'n Dich könnte! 


Filippo. 
Du biſt ein Medicäer, Corenzino, 
Die wiſſen klug mit Worten irr'zuführen! 
Was in der krauſen Windung ihres Hirns 


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Sich birgt, entnimmt kein Weiſer ihrer Sprache! 
Du ſcheinſt mir ehrlich, doch wer traut dem Schein, 
Wenn er wie ich, durch Täuſchung grau geworden? 
Mag ſein, Du trägſt das Herz auf Deiner Sunge, 
Mag ſein, zweizüngig biſt Du, ohne Berz — | 
Ich will Dich, krauſes Räthfel, nicht erratben 
Doch wiſſ' auch Du, daß theurer mir Florenz, 

Als ſelbſt mein Mädchen, mein geliebtes Kind, 

Die ich beim Volksfeſt hier zu ſuchen kam! 

Fahr wohl, Lorenzo! (geht ab.) 


Lor enzino (allein). 


Armer, alter Freund! 
In deſſen Herzen nur noch Mißtrau'n wohnt, 
Du welkes Blatt in ſturmbewegter Seit! — — — 

(ſich aufraffend.) 
Doch Dir, Lorenzo, winkt die Gegenwart, 
Ein kräftig, hochgewachſen, wildes Weib, 
Mit Lippen, ſchwellend wie Granatenfrucht, 
Und einem Buſen, der die Hülle ſprengt, 
»Mit Reizen, die mir höchſte Luft verheißen! 
Auf! mod'le Deinen Geiſt nach Deiner Seit! 
Des Glückes Winde wehen! Nutze fie! 
Ein Jeder kennt Dich nur, für was Du ſcheinſt, 
Doch Niemand weiß noch, wer Du wirklich biſt! 
Wer richtet Fürſtend Nur der Ausgang richtet! — 
— Italien blutet unter Fremdherrſchaft! — — — 
— Die Juden, im Aegypterland geknechtet, 
Erkannten ſo den Werth des Moſes erſt; 
Der Meder muß die Perſer erſt erdrücken, 
Bis ſie, dem Muth des Cyrus folgend, ſiegten; 
Serſtreut und elend lebten die Athener, 
Bis Theſeus ſie erhoben und vereint — — 


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Sei für Italien Moſes, Cyrus, Thefeus! 

Geknechtet und geplündert iſt's genug! 

Savonarola's Predigt mache wahr! — 

Dinweg, Geſpenſter! Gegenwart ſei mein! 

Ich will ein Puppenſpiel mit Menſchen treiben, 

Liſt und Derftellung jet der mächt'ge Draht, 

An dem ſie zappeln ſollen, ſich bewegen, 

Wie's unſichtbar die Hand des Dichters will! 

Ein Trauerſpiel hatt' längſt ich ausgedacht, 

Wie keins geſchrieben ward ſeit Griechenzeiten, 

Doch werf' ich Federkiel und Schreibzeug weg — 

Die Menſchen ſollen ſelbſt die Spieler ſein, 

Denn, wer's nur wagt, der kann mit ihnen ſpielen 

In Wirklichkeit, wie's Dichter thun im Traum! 

Doch mög' ich nimmer ſagen: Höchſtes Glück 

Bringt nur der Traum und der Verkehr mit Schatten, 

Und eig'nes Thun und Handeln bringt nur Tod! 

(Geht ab.) 

Scene 2. 


Maria Soderini, Lorenzino's Mutter und Cattarina Ginori, deren 
jüngere Schweſter, wandeln im Dordergrunde vorüber. 


Cattarina frröhlich). 
Welch' ſüßer Abend legt ſich auf Florenz! 
Sieh, wie das Volk luſtwandelnd ſich ergeht, 
und keine Sorge fühlt in der Natur. 
Der Goldſchmied flieht der Werkſtatt dumpfe Luft, 
Der Seidenweber hält den Webſtuhl an, 
Und alles athmet mildes Frühlingswehn! 


Maria (beforat). 
O Kinderaug’, wie ſiehſt Du Alles ſchön! 
Mir aber liegt die Luft gewitterſchwer 


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Am Bruſt und Wange, und ich ahne fchon 
Im gold'nen Sonnenuntergang den Sturm! 


Cattarina. 


Es kommt kein Sturm; nur ſtiller, leiſer Wind, 
Unfähig faſt, ein Blumenhaupt zu beugen! 
Denn ſieh, Lorenzo hat ſich aufgemacht, 

And wandelt mit den Städtern auf dem Plan. 


Maria (freudig). 
Mein Sohn! Wo iſt er? 


Cattarina. 
Dort! 


Scene 3. 


Lorenzino kommt ihnen entgegen. Die Dorigen. 


Corenzino. 

Erlauchte Mutter, 
Das Ihr ſobald mir auf dem Gang begegnet, 
Den ich in's Freie heute unternahm — 
Ich will es als ein günſtig Seichen achten, 
Da zweimal Ihr in's Leben mich geſendet! 
Denn wißt, ich will nun unter Menſchen ſein, 
Vicht mehr den Grübler ſpielen, länger nicht 
Einfiedeln, ſondern leben und genießen! 


Maria. 


O, Lorenzino, liebes, theures Kind, 

Willſt endlich Du der Mutter Wunſch erfüllen! 
Wie bleich Du biſt! Wie fiebriſch brennt die Stirn! 
Wie kalt iſt deine Hand. 


Corenzino. 
Su lang geſeſſen, 
Ich ſeh' es wohl, hab’ ich, o theure Mutter. 
Doch hol' ich's ein! (zu Cattarina.) 
Wie geht's Dir, ſüß Cattinchen! 
Cattarina. 
Wenn ne nur luſtig, Lenzo, geht mir's gut! 
KSorenzino. 
Geduld, Cattina, ich will Iuftig fein! 
Ja, ich will lachen, daß vom Echo nur (heftig erregt) 
Die Mauern von Florenz zuſammenfallen! — 
Scene 4. 


Die Dorigen Luiſa Strozzi geht mit Geſpielinnen vorüber. Loren— 
zino ſieht ſie ſtarr an und bleibt ihr im Wege ſtehn, ſo daß ſie aus— 
weichen muß. 


Cuiſa Strozzi (zu Lorenzino). 


She feid nicht höflich, lieber Hei! 


Korenzino (verwirrt, ſtammelnd). 


Verzeiht! 
(Er ſinkt halb ohnmächtig in die Arme der beiden Frauen.) 
Scene 5. 
Die Vorigen ohne Luiſa. 
Maria. 


Was iſt Dir, Corenzino d 
KSorenzino. 
Mutter mir? 
Mir, gar Nichts, Mutter! — — Wer war jenes Mädchen, 
Das jagt’, ich ſei nicht höflich d 


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Cattarina. 

Cuiſetta, 

Die edle Tochter aus der Strozzi Haus, 
Ein braves Mädchen, Lorenzino! 


Korenzino. 
So! 
Ein braves Mädchen! — — — Mutter, Cattarina, 
Geht Eures Wegs, ich folg' Such bald nach Haufe. 
Doch ein's noch, halt! — Was Ihr auch hört und ſeht — 
Nehmt vor dem Herzog Aleſſandro Such 
In Acht, traut ſeinem Wort nicht, ſeiner That, 
Und wenn er ſich ſogar auf mich beruft! 
(Die beiden Frauen, Lorenzino kopfſchüttelnd anſehend, gehen langſam 
nach links ab.) 
08 are e Kın.cn, 
Was hat er nur d 


Maria. 
Ihm thut's die friſche Luft an! 
Ihm iſt nur zwiſchen ſeinen Büchern wohl! 


Scene 6. 


Corenzino, allein. 
Luiſa Strozzi heißt das Wundermädchen! 
Swar gibt's auch Liebe — ſprach ich doch vorhin — 
Die edel iſt — und die ſei nicht für mich! 
Luiſa Strozzi — 


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Scene “. 


Der Herzog Aleſſandro von Medici (Lorenzo's Vetter) tritt ſchnell auf 

mit ſeinem Gefolge, als ob er der ſoeben nach links abgegangenen 

Frauengruppe nacheile. Cardinal Cibo. — Giomo, ein Landsknecht, 

der Ungar, im Dienſt des Herzogs. — Scoronconcolo, des Lorenzino 

Knappe, ein alter Haudegen, in einiger Entfernung geſtikulirend und 
unter ſich redend. Dieſe drei blieben immer zuſammen. 


Aleſſandro (nach links deutend). 
Seht, welch' ein Engelsbild ſchwebt da heran! 
O haltet's auf und laßt es nicht entflieh'n, 
Es iſt das Glück! 
Suiſa tro 
(geht mit den Ihren wieder vorüber). 
Cardinal Cibo (hält ihn zurück). 


Cuiſa Strozzi iſt's, 
Mein Fürſt, und nicht das Glück! 


Aleſſandro. 
Cuiſa Strozzi 
Heißt jenes Traumgeſicht! Wer macht mir's wahr? 
Mit Amt und Gold und Ehren lohn ich's reich ihm! 
Wer holt mir's ein und bringt mir's gleich zurück d 


Cardinal Cibo. 
Mein Fürſt, Ihr nanntet's ſelbſt ein Traumgeſicht, 
Und Traumgeſichte holen ſich nicht ein! 
Einmal geträumt, find fie auch ſchon verſchwunden! 
Aleſſandro. 
Bin ich ein Fürſt, ein Medicäer ich! 
Gibt's einen Traum, den ich nicht leben könnte d 


Br le 


Iſt denn ein Wunſch, den Reichthum nicht erfüllt, 
At eine Luſt, die Anſeh'n nicht erringt 

Gibt's eine Regung menſchlichen Gemüths, 

Die unterdrücken muß, wer mächtig herrſcht! 


Cibo. 
Nicht menſchlich iſt die Regung, die Ihr fühlt, 
Mein Fürſt! — 
Aleſſandro. 


Nicht menſchlich alſo, menſchlich nicht! 
Was iſt denn menſchlich, wenn die Liebe nicht? 
Ward ich nicht Menſch durch ſolche Regung ſelbſt! 


Ihr lächelt! Ich verſteh' ſolch tückiſch Lächeln! 
Den Sohn der Liebe lacht Ihr an in mir; 
Doch Männer, die in freier Wahl gezeugt 

Und nicht in vorgeſchriebener Umarmung, 

Das werden Menſchen, die die Nachwelt nennt! 
Auch ich will frei nach meiner Regung lieben. 
Wer ſchafft den Engel mir? 


Cibo. 


Mein hoher Fürſt, 
Cuiſa Strozzi iſt's, aus jenem Haufe 
Der mächt'gen, unbeſcholt'nen, edlen Strozzi, 
Die keinen Makel an der Ihren Ehre 
Noch duldeten, und ſie zu Feinden haben, 
Wär’ ſelber Eurer Hoheit ſehr gefährlich! 


Aleſſandro. 


Gefährlich! Bah, gefährlich iſt nur Furcht! 
Und wär's ein Makel, ließe ſie ſich lie ben 
Don ihrem Herrn und Fürſtend Eine Ehre 


la Ze 


Wär's, wie den Strozzi keine noch geſchah! 
Doch ſeht, wer naht dort d 
len und Cattarina gehen heimwärts wieder vorüber.) 
Swei geſchmückte Täublein! 
Bei Gott, die Aeltere iſt noch ſo ſchön, 
Daß, gäb' die Jüngere ſich willig preiß, 
Ich ſchwankend zwiſchen ihr und Jener ſtünde! 
Wer ſind ſie d 
Cibo. 
Swei erlauchte Frau'n, mein Fürſt, 
Und Euch verwandt, Maria Soderini, 
Und Catarina aus Ginori's Haus. 


Aleſſandro. 
Wie kommt's, daß ich die Täubchen noch nicht fah 
Seit meiner Ankunft in Florenz? Verbergen 
Sich vor dem Herrn die Nächſten feines Throns, 
Wie ſoll er ihnen Huld und Gunſt erweiſen d 


Cibo. 
Es war ſo Sitte bei den Lämmern ſtets, 
Daß ſie entflohn, wenn ſich der — Cöwe zeigte! 


Aleſſandro. 
Kommt, laßt uns ſuchen, wo die Lämmer weiden! 
(Will gehen.) 
Scene 8. 


Die Dorigen. Lorenzino, der die ganze Zeit in der Nähe weilte, 
kommt, ſich verneigend, hält den Herzog auf. 


Corenzino. 
Seid mir gegrüßt, mein Fürſt. Ihr wollt nach CLämmern, 
So hör' ich, gehn, lockt Euch das Lammfleiſch fo? 
Ein Medici verfolgt nur Edelwild! 


Be oe 


Aleſſandro 
(Er winkt ſeinem Gefolge ab, das ſich, der Cardinal drohend, 
zurückzieht). 
Was, Corenzino, Du, in luſt'ger Laune? 
Nun fallet, Himmel, ein, ſteh' feſt, o Erde, 
Und Ströme, nehmt nach rückwärts Euren Lauf! 
Denn Corenzino lacht! Du Bücherwurm, 
Gelehrter, hirngeſpinnſtgeſättigter, 
Du lachſt und miſchſt Dich unter heit're Menſchen! 
Welch eine Spinne kroch Dir über's Buch, 
Die Dich hinwegtrieb aus der Welt der Griechen d 


Corenzino. 
Die Spinne Ueberdruß kroch über's Buch, 
Und die Tarantel, die mich ſtach, heißt Welt⸗ 
Verachtung! — Sagt, mein Vetter, habt Ihr einen 
Nofnarren d 
Aleſſandro. 
Im Vertrauen, Vetter, nein! 
Obwohl am Hof mir's nicht an Narren fehlt. 
Mein Hofnarr iſt ein mäßig dummer Wicht, 
Der Witze macht, die reich an Ahnen ſind; 
Ihr Stammbaum ragt in's graue Alterthum. 
Doch lachen machen mich zumeiſt die Narren, 
Die's nicht von Amtes wegen; dann zumeiſt 
Wenn ſie, mir rathend, ernſthaft ſich geberden. 
(Mit einem Blick auf Cibo.) 


Corenzino. 
Nun, Vetter, kurz zu fein, nehmt mich zum Hofnarr'n! 


Aleſſandro. 
Dich, Lorenzino! Dieſer Scherz allein 
Verdiente freilich ſchon Dir die Beſtallung. 


e 


Doch Scherz aus deinem Mund kann ernſthaft ſtimmen. 
Wo ſoll's hinaus? 


Corenzino. 

Dinaus aus dieſer Welt, 
(Wüßt' ich den Ausweg, der zum Heile führt,) 
Am Allerliebſten! Doch wir ſind nun drin, 
Und räthlich wär's, ſich's recht bequem drin machen. 
Ein Hofnarr zwar mit Kapp’, und Schellenſtab 
Der bin ich nicht — doch wenn Ihr wolltet, Vetter, 
So ſchafft' ich Euch wohl manchen Seitvertreib, 
Und wüßt' aus dieſem wetterwend'ſchen Leben 
Manch gute Seite Euch herauszudrehn. 
Als Cohn begehr' ich nichts, als — mitzuthun. 


5 Aleſſandro. 
Ja, Vetter, ſag', ich kenne Dich nicht mehr! 
Ich hörte ſtets, ſo wie der Menſch nun ſei, 
So müß' er bleiben all ſein Leben lang, 
Nicht ändern könn' er ſich; begang'ne Schuld, 
Entſpränge einzig innerſter Natur. — 
Du aber häuteſt Dich, nicht wie die Schlange, 
Der eine Haut wird, die der alten gleich, 
Du wirfſt den Schafspelz hin und wirſt ein Fuchs! 


Korenzino. 
(So übel räth das Schaf im Fuchspelz nicht!) 
Derzeiht mir, Vetter, doch Ihr irrt! Vicht das, 
Was jetzt ich zeige, iſt die Unnatur 
An mir; nein, was ich früher ſchien, war falſch, 
War nur ein Irrweg, den ich, ſuchend, ging, 
Als ich des Lebens Pol erreichen wollte. 
Wenn ich bei meinen Büchern grübelnd ſaß, 
Da redet' ich mir ein wohl, dies ſei Freude 


io 


Wenn ich verkehrte mit dem höchſten Geiſt, 

Den deſtillirt aus ſich die Menſchenwelt! 

Doch mitten in der Luſt kam eine Luſt 

Mich an, ganz andre Freuden zu erproben! 

Mit tauſend Fingern zog die Welt mich fort, 

Die draußen jauchzend, liebend, jubilirte, 

Und nur der eignen Schwäche, Ungeſtalt 

Und Häßlichkeit Bewußtſein hielt mich auf, 

Dinauszuftürzen an der Mädchen Bruſt 

Und ſchmetternd ein: „Ich liebe!“ auszurufen! 

Doch eines Tags ward mir die Seele klar: 

Mir ſagt's im Innern: „Was wir wollen, ſind wir, 

Und wen wir wollen, der gehört uns zu! — 

Nimm, Vetter, mich als Deinen Hofnarrn an. 

Doch halt' mich hoch, ſowie man Varren hält, 

Und Du wirſt ſehn; bald gibt es in Florenz 

Kein Ding, das athmet, und kein ſeellos Ding, 

Das uns noch Stand hält, wenn wir's magiſch rufen. 

Gold, Weiber, Alles fällt uns in den Schooß, 

Ein Leben wollen wir, wie Seus einſt, führen! 

Sind wir nicht Götter? Kann der Menſch nur Andre 

Su Göttern machen, nicht ſich ſelbſt zum Gott! 
Aleſſandro. 

Beim höchſten Gott! Lorenzo mio, Vetter, 

Du biſt mein Mann! So Einen braucht' ich grade! 

Du biſt die Sprache, biſt der Hauch, das Wort 

Von meinem Denken, das nie Wort geworden! 

So ſprach noch keiner meiner Schranzen mir! 


Corenzino. 


Recht, recht fo, Vetter! Ich bin nur ein Rauch, 
Ein flüchtig Wort, doch ſonſt ein feiger Mann. 


* 


Mich ſchreckt kein Wort, doch ſchreckt mich jede That. 
Drum ſei die That Du, laß das Wort mich fein! 
Ich will erfinden, aber Du mußt handeln, 

Ich will erſinnen, doch das Werk ſei Dein! 

Im Worte groß, bin klein ich in der That! 

Seh' einen Dolch ich, kommt mich Sittern an, 

Ein Pferd, ein Degen ſchreckt mich wie der Tod, 
Mir ſchwindelt ſchon auf eines Hügels Höh', 

Ich zittre, wenn ich Menſchen raufen ſehe, 

Und eh' ich eine Fliege tödten könnte, 

Ließ' ich ihr lieber meinen beſten Wein, 

Und ginge durſtig von der reichſten Tafel! 

Doch was die Schranzen angeht, ſchick' ſie fort — 
Wir zwei allein ſind uns ſchon Mann's genug! 


| Aleſſandro. 
Bei Gott, Dich ſtaun' ich an, mein Lorenzino; 
Wie eine Leiche legſt Du Dich mir bloß, 
Und ſetzeſt ſelbſt Scalpell und Meſſer an, 
Um mir die Fäden Deines Hirns zu zeigen! 


Korenzino. 


Du kennſt mich ganz, mein Aleſſandro, nun! 

Mit meines Hirnes Fäden um Florenz 

Will ich ein ehern Netz zieh'n, ſchlau und heimlich, 
Daß Deinem Griff es in die Hände fällt! 


Aleſſandro. 
Florenz! Iſt's nicht ſchon mein d 

Korenzino. 
So ganz noch nicht! 


Noch immer nennt ſich's freie Republik, 
Von ſeinem Magiſtrat, der Signoria 


— 22 — 


Gelenkt, vom Benner, Gonfalonier, 

Und was weiß ich für großen Männern all' d 
Mir ſcheint's, es darf fortan nur eine Stimme 
Befehlen in Florenz, und einem Wort 
Gehorcht fortan nur werden — Euer Wort 
Muß ſein unfehlbar wie das Wort des Pabſts, 
Der Such von Bom hierhergeſandt, und ſchützt, 
Ein Medici, jo wie Ihr ſelbſt — (leife) und ich! 


Aleſſandro. 
Nun, nun, wir können ja verbeſſern, ändern! — 
— Doch heut' liegt mir ein Mädchen nur im Sinn. 


Corenzino (ängftlic). 
Die Braune d | 
Aleſſandro. 
Braune, Blonde, weiß ich's ſelbſt d 
Sie ging vorbei und nahm mein Selbſt mit ſich. 
Sie wiederſehn heißt all mein Wünſchen jetzt! 


Corenzino. 
Mir däucht, mein Fürſt, Ihr ſaht zwei Mädchen heut', 
Nur Eine hat Euch doch Euch ſelbſt entwendet! ö 


Aleſſandro. 
So ſah ich zweid — So will ich beide ſeh'n! 


Corenzino. 
Könnt’ ich fo leichte Wünſche nicht befried'gen, 
Wie käm' ich zu der Ehr', Eu’r Narr zu fein! 
Es trifft ſich gut. Ein Hochzeitsfeſt iſt heut. 
Guiglelm Martelli führt die Marietta, 
Nicolo Naſi's ſchlanke Tochter heim! 
Dort findet Ihr die ſchönen Spröden all', 


a Rt 


Die Töchter jener ſtolzen Nobili, 

Die, hinter rieſigem Pallaſt verſchanzt, 

Mit Neid und Mißgunſt, Herzog, auf Euch ſeh'n, 
Den erſten Herzog, den Florenz gekannt, 

Den Spanien's Karl und Roma's Clemens ſchützt! 
Da könnt Ihr unter blonden, braunen Haaren, 
Die ſanfteſten und trefflichſten Euch wählen — 
Und drückt die Herzogsfrone dann hinein! 


Aleſſandro (achend). 
Die Herzogskrone! Nein! Ein Kaiferfind 
Harrt ſchon darauf! — Nun immerhin! Ich komme! 
Ich will Dich im Pallaſt erwarten! 


Corenzino. 


Doch 
Derfleidet müſſen wir zum Maskenfeſt! 
Aleſſandro. 
Wie geh'n wird 4315 
Corenzino. 


Nun, ich denke wohl, als Vonnen! 
Da ſchleicht man leicht zu allen Weibern hin, 
Die fürchten Nichts. — Auch Männer forſcht man aus. 


Aleſſandro (achend). 
Als Nonnen — nein! In Weiberkleidern ſtack noch 
Kein Medici! 
Korenzino. 

Doch nah dabei ftets! Höre! 
Wenn Ihr Ricciarda Malaſpina ſeht, 
Die Schwägerin des Sittenpred'gers Cibo — 
Beſtaunt fie wohl — die Schönſte auf dem Ball! 


m Du 


Ein zartes Weib, doch feurig wie der Horn, 
Etwas verdreht im Kopf, und Schwärmerin. 
Ihr Mann iſt alt! — 


Aleſſandro. | 
Du Teufel! Auf heut' Nacht! — 


Scene 9. 


Corenzino (allein). 
Die Mine iſt gelegt! Nun glimme weiter, 
Du falſches Werg, bis du dem Pulver nahft, 
Und in die Luft Firenze's Kerker ſprengſt! — 


Verwandlung 


Großer Ballfaal im alten Pallaft der Naſi's, Säulengänge. Ueberall 

Masken und Gewirre. Man ſieht die reichgekleidete Braut und ihren 

Bräutigam mit den Gäſten verkehren. — Der vordere Raum bleibt 
von dem Gewühle getrennt und unbetreten. 

Filippo Strozzi, Pietro (Aelterer) und Tomaſo (Jüngerer) (feine 
Söhne) treten auf, als Römer verkleidet.) 


Tom aſo. 
Was haltet Ihr, mein Vater, von dem Herzog? 


5 0 
Der Herzog, Herzog, Burſch! Wer nennt ihn fo? 


To maſo (tafd)). 
Er ſelber ſich! 
Filippo (rauh). 
Brauchſt Du's darum zu thun d 
Seit wann gibt's Herzöge in Republiken d 


Pietro (bedeutſam). 
Der Name macht die Sache nicht allein! 


Es nennt gar manche Republik fich frei 
Und iſt geknechtet wie kein — Kaiferftaat! 


Filip. 
Mag ſein! Doch käm's mit unſerer dahin, 
So gäb's, wie's einſtens Pazzi's gab, auch Strozzi's! — 
Schon öfter wurden Medici verjagt — 
Und Strozzi's wüßten beſſer ſie zu treffen, 
Als jene Narren Pazzi! 


To maſo. 

Ha! verjagt! 
Die Medici ſind wie der Mond, das Jahr, 
Und eines Weibes Sungenfertigkeit — 
Sie gehn dahin — und kommen ſtets zurück! 

Pietro. 
Ein Ort ift doch, der keine Rückkehr kennt: 
Die Hölle, die ſie Alle noch verſchlingt! 

To maſo. 


Und noch ein andrer, Bruder! 


Piyesuo. 
Welcher denn? 


Tomafo. 


Das Paradies auch fandte Feinen noch 
Surück! — 
Pietro. 
Dann wollt' ich, wär' der Medici — 


Im Paradies! — 
(Sie verlieren ſich unter den Masken.) 


e 


Scene 11. 


Cardinal Cibo und Ricciarda Malaspina, Marcheſana von Cibo 
(verkleidet). 


Cibo. 
Du zitterſt ja, Ricciarda! 


Ricciarda. 
Ich hätte nicht zum Feſte kommen ſollen! 
Mir iſt ſo bang! 
Cibo. 
Ihr wolltet's, Schwägerin! 


Se Var da: 
Ihr hättet mich nicht gehen laſſen follen! 


0 
Vicht ſollen! Bin ich Euer Gatte, hab' ich 
Euch zu gebieten? — 


Biest ar dag 

Aber rathen könnt Ihr 
Mir doch! Mein Gatte weilt jetzt fern im Krieg, 
Und Gott beſchütze fein geliebtes Haupt! 
Ihr ſeid mein Bruder, ſeid mein Beichtiger, 
Ihr ſolltet auch mein guter Engel ſein! 


Cibo. 
Ein treues Weib iſt ſelbſt ſein guter Engel, 
Ein braves Weib iſt ſelbſt ſein beſter Schutz! 
Ihr wolltet her! — 


Biss ard 
Ja, denn Marietta iſt 
Mir eine liebe Freundin und ſie bat mich, 


DE a 


Die Zeugin ihres ſchönen Glücks zu fein. 
So kam ich her mit Euch. — Mir ift ſo bang! 
Cibo. 
Vor was? 
Ricciarda (träumerifch). 
Ich weiß es nicht! 
Cibo. 
Vor wem? 


Ricciarda (ſinnend). 
Vor wem d 
Cibo. 


Ricciarda, Euch iſt vor Euch ſelber bang! 


Ricciarda (wie oben). 
Bang von mir felbft ? 
Cibo. 

Laßt mich in's Herz Euch ſehn! — 
Vertraut Euch mir! 

e e e 

Mir ſelbſt vertrau' ich nicht! 
Dort nahen Masken. Cardinal, kommt fort! N 

(ab. 


Scene 12. 
Luiſa Strozzi. Dann Lorenzino. 
Cuiſa. 
Weßhalb verfolgt Ihr mich d 
Corenzino. 
S'iſt Maskenfreiheit! 
Cuiſa. 
Ich ſuche meine Brüder, laß't mich zieh'n! 
Corenzino. 
Pietro und Maſo tanzen dort den Reihn, 


Be 


Den Arm gefchlungen um die ſchlanke Hüfte 
Der ſchönſten Florentinerinnen, Euer 
Geſtrenger Vater lächelt ſelbſt beim Feſt! 


Cuiſa (ſich demasfirend). 

So kennt Ihr mich! 

Corenzino. 

Ich kannt' Euch an dem Gang! 
Leicht wie das Glück ſeid Ihr mir dieſen Morgen 
Vorbeigeſchwebt, ich ſah Euch ſprachlos an, 
Und trat nicht aus dem Weg. Ihr ſagtet mir, 
Ich ſei nicht höflich! — 


Cuiſa. 
Laßt denn noch einmal 
Mich's Such nicht ſagen, und den Weg mir frei. 
(Will gehen.) 
Corenzino (vertritt ihr den Weg). 
Cuiſa, ſüßer Liebling, laß mich reden! 
Wohl mehr als mir vertrauſt Du meinem Wort, 
Und wie ein König einen Ritter ſendet, 
Dem ſich die Braut einſtweilen anvermählt, 
Sei traute Botſchaft Dir für jetzt mein Wort! 
Wort iſt nur Luft, beleidigt nicht Dein Selbſt, 
Wie nicht der Anhauch linden Weſt's beleidigt; 
Der Vogel nicht, der in dem Flieder ſingt! 


„Couiſa. 
Ihr ſeid ein Schmeichler, laßt mich! 


Corenzino. 
| Hör’ mich an, 
O Mädchen! Scheucht die Roe denn hinweg 
Den Falter, der in's Ohr ihr flüſtern will, 


un 90, 


Daß er fie liebe? — Swar unfcheinbar nur 
Iſt Euer Falter, und nicht eingetaucht 

Nat in die reichſte Farbenpracht Natur 

Den Pinſel, als ſie meine Flügel ſchuf! 

Ich bin kein Falter, der die Roſe werth. 
Doch bin ich auch von jenen bunten keiner, 
Die hier nur küſſen und die dort nur nippen! 
Wie Einen, dem die Nadel durch das Herz 
Geſtochen, der nicht flieh'n und täuſchen kann, 
So hält der Pfeil mich Deines Auges feſt, 
Und Tod und Leben liegt in Deiner Hand. 
Was ſagſt Du, Cuiſetta ? 


Cu iſa. 

Daß mein Leben 
In meines Vaters Hand liegt, der mich längſt 
Beſtimmt als Braut hat für Valori's Sohn, 
Dem auch, wenn ich mich recht befrage, ſchon 
Mein Herz gehört, mein einzig Sigenthum, 
Das ich verſchenken kann nach Luſt und Wahl! 
Ihr dauert mich, wenn ihr es ernſtlich meint, 
Doch wenn Ihr ſcherzt, iſt's edel nicht von Euch, 
Mit Worten, die Gewalt' ges üben könnten, 


Den Mädchen ſchön zu thun! 
(Sie maskirt ſich.) 


Co renzino. 
Fahr hin, mein Traum, 
Mein einz'ger Traum; Cuiſa glaubt mir nicht! 
(Er will ſprechen. Der Herzog erſcheint. Er zieht ſich zurück. — 
Luiſa will gehn und begegnet dem Herzog.) 


ea 


Scene 13. 


Luiſa. Aleſſandro. 


Aleſſandro. 
Ein Wort nur, ſchöne Maske! 


Cu iſe. 
Sprachſt's ja ſchon! 
Aleſſandro. 


Doch nicht das Wort, das ich zu ſagen dachte! 
Ich liebe Dich! 


Cuiſa. 
Ein närriſch Mädchen muß 
Fürwahr das Mädchen ſein, das Dir es glaubt! 
Du ſagſt's der Maske, nicht dem Angeſicht, 
Und erſt wie fremd iſt Dir ihr Herz und Sinn! 


Aleſſandro (fi demaskirend). 
Luiſa, Wunderkind, Dich kenn' ich wohl! 
Nur einmal ſchwebteſt Du an mir vorüber, 
Sowie ein Hauch, der durch den Frühling zieht, 
Doch zogſt Du alle Fäden meines Selbſt 
Dir nach und ſchlangſt fie dann als Netz um mich! — — 
Weißt Du, was Liebe iſt? Du kannſt's nicht wiſſen! 
Die Reinheit, ſüße Einfalt, thront fo ſtill 
Auf Deiner Stirn und ſagt: „Du weißt von Nichts!“ — 
Die Liebe iſt ein Wunſch, der ſich verzehrt, 
Und wieder auflebt an den neuen Wünſchen! 
Sieh, ſo begehr' ich Dich, verzehr' mich ſelbſt 
Und leb' im Wunſch nach Dir alltäglich auf. 
Sei mein! Cuiſal Keine in Florenz 


N I 


Soll fo geſchmückt, beneidet fein wie Du, 
Und alle Shren gieß' ich auf Dein Haus! 


| Cu iſa. 
Ich muß geſtehn, von Allem, was Ihr ſagt, 
Faß' ich die Worte, doch nur halb den Sinn! 
Mein Vater meint, mich ſchmücke Jugend hold; 
Weid zu erregen, iſt ein traurig Loos, 
Und meine Brüder ſagen, keine Ehre 
Vermög' ein Medici dem Haufe Strozzi 
Su geben, das in allen Ehren prangt. 
Doch wenn der Pater, wenn die Brüder hörten, 
Wie viel ich ſchon von Euch, mein Fürſt gehört, 
Bei Gott, ich ſtünde nicht für ſie! 


Aleſſandro. 
So ſtolz! 
Und könnt' es Deinen Stolz, Luiſa, nicht 
Verlocken, Herzogin genannt zu werden? 


Cuiſa. 
Ihr warbt um Liebe! — Liebe fragt nicht viel 
Nach Rang und Titel, will allein das Herz! 
And Euer Herz, wenn Ihr nicht treulos ſeid, 
Gehört doch Margareten, Karl’s des Fünften 
Gewalt'ger Tochter, die Euch anverlobt! 


Aleſſandro. 
So ſagt man wohl, doch iſt's noch nicht ſo weit. — 
— Und muß man lieben, weil die Politik 
Die Hände bindet? Kann fie auch das Herz 
Verſchenken! Nein! Und ſäße Margarete, 
Des fünften Karl gewalt'ge Tochter, wie 


A 


Du fie genannt, fchon thronend mir zur Seite, 
So ſchön wie Du, gefügiger wie Du, — 
Mein Herz, es hätte keinen Schlag für ſie, 
Weil jeder Herzſchlag nur Cuiſa heißt! 


Cuiſa. 
O Margarete, armes Kaiferfind! 


Aleſſandro. 
Bedauerſt Du die Fremde, weil nicht Liebe 
Ihr werden kann, o ſo beklag' auch mich, 
Der ſie erfleht, und abgewieſen wird! 


Luiſa. 
Florenz iſt groß! Wie Euer Herz, mein Fürſt! 
Ein kleines Herz, für mich iſt's groß genug! 


Aleſſandro (zärtlich:) 
Du ſelbſt, mein Nerz, biſt wie ein Prunkgemach, 
Su dem, mir ſcheint es, keine Treppe führt! 
Cuiſa. 
Ein Andrer brach ſie hinter ſich ſchon ab! 


i (Entflieht.) 
(Der Herzog eilt ihr nach und wird von Kicciarda Eibo aufgehalten.) 


Scene 14 
Ricciarda. Aleſſandro. 
Ricci arda (nedifd.) 
Mein Fürſt iſt ſtets der Schönheit auf der Spur! 


Aleſſandro. 
Doch nie kam mir die Schönheit fo entgegen! 
Die letzte Spur war falſch! Du biſt das Glück! 


E 


a 


Riese ia rde 
Vielleicht! Doch anders, als Ihr's meint, mein Fürſt! 


Aleſſandro. 
Und wie verſtehſt denn Du das Glück, Du Süße! 


Nis sfard a 

Sucht Ihr's im Liebes ſpiel, ſucht's nicht bei mir! 
Vicht nur der Gattin Pflicht, auch ihre Liebe, 
Weiſt ihr den Pfad an ihres Mannes Seite. 

Doch wenn der Freundin Wort Ihr hören wollt, 
will ſie Euch warnen vor dem falſchen Pfad, 

Den Ihr verfolgt, nicht auf der Schönheit Spur, 
Vein, nur auf der des Untergangs und Tod's! 


Aleſſandro (eeichtfertig). 
Ihr ſcherzt, Ricciarda! — Darf ich Euch bejuchen? 


Riese ia da 


2 


O macht Florenz erſt frei! — Gebt ihm die goldne, 
Die Götterzeit der erſten Freiheit wieder, 

Und meines Hauſes Schwelle ſteht Euch offen! 

Im Kreiſe meiner Theuren will ich ſchmücken 

Vicht mit der Herzogsfrone Euer Haupt, 

Nein, mit dem Lorbeer, der Euch dann gebührt! 


Aleſſandro. 
Ich komme morgen! — 


Riectaroa 
Scherzt nicht, Medici, 
Ich mein' es ernſt! — 

Aleſſandro. 


Auch ich! 


e 


Ri cciarda. 
Erſt mach' uns frei 
Und groß, dann gibt's ein Wiederſehn! 


Aleſſandro (heftig) 
Beſchwöre 
Kein Unglück über unſre beiden Häuſer 
Mit Deiner Weigrung! (ruhiger). 
Sprich kein Wein mehr aus! 

Verſchließe lieber Deinen fügen Mund, 
Ricciarda, laß’ mich denken, daß ein Weib, 
Das ſchweigend anhört, zuſtimmt. — — Alſo morgen? — 


Ricciarda (fteht eine Weile ſtumm, geht dann). 


Scene 15. 


Aleſſandro (allein, ihr nachſchauend.) 
O welch ein Liebesgarten! Himmliſches 8 
Geſchäft, darin wie träumend hinzugehn, 
Und Deinen Duft, o Blume Weib, zu ſchlürfen! 


Scene 16. 


Giulian Salviati (aus edlem Haufe, Freund des Herzogs) und Loren⸗ 
zino im Wortwechſel. 


Corenzino. 
Bei Gott, das wirſt Du nicht! 
Salvratı. 


Wer kann mich hindern d 


ö Corenzino. 
Wenn freilich nicht die Achtung vor Dir ſelbſt, — 


NS 


Ihr edler Name und ihr hoher Stand, 
Ihr Magdthum und Fürſt Aleſſandro hier! 


Scene 17. 


Die Dorigen. Aleſſandro tritt hinzu. 


Aleffandro. 
Was gibt's, Ihr Herr'n? 


Corenzino. 
Mein Fürſt, Salviati ſagt, 

Suifa Strozzi, die er jetzt erſchaut, 
Und deren Schönheit es ihm angethan (leifer) 
(Sowie — Euch ſelbſt, mein hoher Herr und Sürft,) 
Sie habe ſich zu eigen ihm gegeben, 
Er wolle ſie noch dieſe Nacht ſein eigen, 
Noch dieſe Nacht fein eigen nennen! Darf 
Salviati ſolche Schmach den Strozzi bieten d 


Aleſſandro (trocken). 


Warum nicht, wenn er's kann! 


Corenzino. 
Mein Fürſt, 
Ihr ſagtet ſelbſt, daß Ihr Cuiſa liebtet! 
Aleſſandro. 
Ich lieb' ſie Alle! 
Salviati. 


Seht, da kommt ſie ſchon! 
3 * 


De 
Scene 18. 


Die Vorigen. Luiſa Strozzi. Salviati geht auf fie zu. Lorenzino 
und Aleſſandro treten zurück. 
Salvvatı 
Cuiſa, Du bift ſchön wie Gottes Sonne! 
Ich muß Dich küſſen! Welch' ein Götterarm! 
welch ſanfter Nacken! Welch’ ein Liebchen wärſt Du! 


Cuiſa (empört.) 
Surück, Salviati! 


(Salviati küßt ſie, Luiſa ſinkt halbohnmächtig um, von den 10 
den Ihren aufgefangen.) 


Scene 19. 

Die Dorigen. Filip, Pietro, Tomaſo Strozzi, umgeben Luiſa und 
bilden eine drohende Gruppe gegen Salviati. Lorenzino, vor Wuth 
ſchäumend, ſieht unmächtig zu. 

Pietro Strozzi. 

Schmach, Salviati, Schande! — 


Aleſſandro tritt vor. Alles bleibt ſtumm und regungslos. 


Scene 20. 


Aleſſandro. 
Die Degen weg! Wer zieht vor mir die Waffen d 
Don morgen an trägt Keiner Waffen mehr! 
Gefährlich Spielzeug iſt's in Kinderhand! 
Was fiel hier vor! 
Pietro. 

Luiſa ward beleidigt, 
Mein hohes Schweſterbild, auf offnem Feſt! 
Genugthuung und Rache an Salviati! 


a 


Aleffandro. 
Beleidigt, wie? 

Dietro. 
Ein Nuß! 


Aleſſandro. 
Ein Muß! Dies Alles d 
Die Mädchen ſind doch da — geküßt zu werden! 
(Drohende Bewegung. — Der Herzog winkt. — Alles verharrt.) 


Corenzino (für ſich). 
Für ſolche Memmen paßt nur ein Tyrann! 


(Der Vorhang fällt.) 


2. AL 


Piazza della Signoria. Im Hintergrunde der Palazzo Vecchio. Vor 

demſelben die David-Statue des Michel - Angelo. Zur Rechten die 

Loggia de' Lanzi mit der Judith, und einigen römiſchen Kaiſerbüſten⸗ 

Ringsum Paläſte mit Balconen. Von dem Simmer des Palazzo 

Vecchio, in dem die Signoria ihren Sitz hat, ragt ein Marmorlöwe, 
unter der Rednerbühne, in den Platz hinein. 


Scene J. 
Ein Seidenhändler. Ein Goldſchmied. 


Seid enhändler. 
Grüß Gott, Herr Nachbar! 


Goldſchmied. 
Gott zum Gruße! Wie geht's, wie geht's d 


Seidenhändler. 

Es geht ſchon gar nicht mehr, es läuft alles davon! 
Meine Arbeiter verlaſſen die Fabrik, weil wir nichts zu thun 
haben. Sie ſuchen in anderen Staaten Heil und Beſchäfti⸗ 
gung. 

Goldſchmied. 

Mir geht's nicht beſſer! Die Stadt verarmt zuſehends, 
und vor lauter neuen Steuern kann man die alten nicht 
zahlen. 

Seidenhändler. 

Su Johann von Medici's Seiten wurden die Steuern 

nach dem Vermögen ausgehoben. Da zahlten die Armen 


a oe 


am wenigſten, die Mächtigſten am meiſten. Jetzt zahlen die 
Arbeiter alles und die reichen Faullenzer gar Nichts. 


Goldſchmied. 


Da leviren ſie nun die neue Feſtungsbauſteuer! War 
ſo etwas in Florenz erhört? Hat man jemals mitten in 
der Stadt Caſtelle gebaut, um das eigene Volk zu knechten. 


Seide n händler. 

Der Einzige, der ſich nicht fürchtet, iſt noch der gött— 
liche Michelagnolo. — Der Herzog Aleſſandro ler bekreuzt ſich) 
befahl ihm, mit dem Oberbefehlshaber der Miethstruppen, 
dem Vitello, einen Ritt um die Stadt zu machen und den 
paſſendſten Platz für die Feſtung auszuſuchen! 


Gold ſchmied. 
Und was that er? 
Seiden händler. 
Er ſagte: „Ich ſtehe in des Pabſtes Dienſten und habe 
zu dergleichen keinen Auftrag!“ „So wird's ein Anderer 


bauen,“ ſagt der Herzog! — Und richtig! Antonio di San 
Gallo läßt da am Saentinerthor eine Feſtung nur fo aus 
der Erde wachſen! 


Goldſchmied. 
Su Seiten des erlauchten Lorenzo, da war die beſte 
und ſicherſte Feſtung im Herzen von Florenz — die Liebe 


und Anhänglichkeit des Volkes! Alle Verſchwörungen machten 
ihn den Florentinern nur theurer und lieber! Da bedurfte 
es keiner deutſchen Söldlinge, (es wandern ſolche über den Platz, 
er droht mit der Fauſt nach ihnen und grüßt ſie, als ſie ihn anſehen) 
um die Perſon des Hauptes der Republik zu fchüßen, 


i 


und ſie war am beſten geſchützt, wenn er inmitten ſeines 
Volkes wandelte! — 


Seidenhändler. 
Die Garden waren nicht da, um zu beleidigen, ſondern 
um zu vertheidigen! — 


Goldſchmied. 
Und wie benehmen ſich dieſe frechen Eindringlinge von 
Söldlingen? — Unſere Mägde verführen ſie und dieſe 


ſtecken ihnen die Gelder der Herrſchaft zu. Seitdem dieſe 
Deutſchen in der Stadt find, wächſt die Küchenrechnung 
meiner Frau mit jeder Woche und unſer Appetit iſt unter 
der Tyrannei doch nicht größer geworden, als er zu den 
Seiten der Freiheit war! — Das kömmt eben daher, daß 
nun mit meinen Mägden zwei Hellebardiere kneipen und 
ſchmauſen! Beklagt man ſich, erfinden Sinem die Kerle 
eine Schuld; man wird wegen eines niebegangenen Der- 
gehens gefoltert, in's Gefängniß geworfen, verbannt! — 


Seiden händler. 
Wißt Ihr, wie fies machen, wenn ihnen Einer ein 
Dorn im Auge iſt und ſie ihn los ſein wollend — Der 


Herzog hat verboten, daß irgend ein Bürger in Florenz 
Waffen trage! Alle Waffen mußten auf's Rathhaus ge 
liefert werden! 
Goldſchmied. 
Ich weiß! Ein altes Weib brachte ſogar eine OGfen— 
zange; ihr Mann prügele ſie damit, ſagte ſie! 
Seidenhändler. 
Haben fie nun gegen Einen einen Widerwillen, etwa 


weil er an die alten Seiten gedacht hat, oder noch mehr 
Geld im Kaften birgt, als er Steuern zahlen muß, oder 


SH 


weil feine Tochter nicht willfährig genug iſt, — jo werfen 
ſie ihm nächtlicher Weile ein paar alte Dolche oder Rapiere 
durch's Fenſter — den andern Tag werden Waffen bei ihm 
gefunden und der arme Kerl wird unſchädlich gemacht, in- 
dem man ihm den größten Schaden zufügt! 


Goldſchmied. 


Drum fliehen auch viele Einwohner aus der alten, 
heimiſchen, liebgewonnenen Stadt hinaus in die kalte, räth- 
ſelhafte Fremde und keiner weiß, wie das alles enden fol? 


Seidenhändler. 

Und der Derbannten und Entflohenen find ſchon fo viele 
draußen im Lande und in Rom, daß ſie bald eine mächtige 
Partei bilden und dann Klage führen gegen den Herzog 
beim ſpaniſchen Kaiſer Karl! 


Goldſchmied. 


O Florenz, Florenz, ſüße Daterftadt, dahin iſt es mit Dir 
gekommen; gegen die eigenen Herren müſſen wir bei den 
Fremden Hülfe ſuchen! O du Stiefmutter, du Raben— 
mutter! — 

Seidenhändler. 
Gott beſſer's! Es kommen Leute, Gevatter! 


Scene 2. 


Lorenzino und Aleſſandro erſcheinen links auf dem Balcon des Pala— 
ſtes Medici (welcher eigentlich nicht an die Piazza della Signoria ſtößt). 
Korenzino. 

Du weißt nun, was Du wagen darfſt, mein Herzog; 
Dir zittert Alles! Sie ſind viel zu feig, 
Um gegen Dich auch nur die Augenwimper 


e 


Su heben! — Wie die ſtolzen Strozzi ſich 
Geduckt, als Du erſchienſt! 


Aleffandr.o. 
Die Strozzi bin 

Ich los, ſie wiſſen nun, wer ſie beherrſcht! 
Doch Signoria, Gonfalonier, 
Und all das Pack, das Stimmen haben will, 
Mitrathen und mitthun will in Florenz, 
Sie ſind zu viel! 

Korenzino. 

Was follen auch zwei Häupter 

Auf einer Büſte! Fort mit all dem Kram, 
Der würdig ſcheint, weil er ſo lang gelebt: 
Man hält den Schimmel oft für weißes Haar! 


Aleſſandro. 
Ich that das Meine fchon. Bald ſollſt Du's ſehn! 
Doch weil das Volk ſo gern ein Spielzeug hat, 
So laß’ ich gern ihm einen großen Rath, 
Von dem es meint, daß er Geſetze gibt, 
Dem ſelbſt mein Wort jedoch allein Geſetz! 
Hab’ Acht, ich will Dir nun ein Schauſpiel geben, 
Dom klugen Prinzen und vom feigen Volk! 


Corenzino. 
So wie Florenz, iſt ganz Italien heut'! 
Greif’ zu, nenn's Dein, es wird Sin Königreich! 


Aleſſandro. 
Du Seher! ſieh erſt, ob Florenz gehorcht! — 
(Er giebt ein Zeichen. Vom Palazzo Vecchio ertönt Glockengeläute 


Volk läuft zuſammen. Drei Colonnen Soldaten mit Hellebarden und 
zweizinkigen Lanzen umgeben den Platz (deutſche Miethstruppen.) 


ne al 


Scene 3. 
Die Dorigen oben. Seidenhändler. Goldſchmied, unten. 


Seidenhändler. 
Was wird es gebend 


Goldſchmied. 
Geben, nun nicht viel! 
Lorenz der Prächtige iſt lang ſchon todt, 
Seitdem wird nur genommen, nicht gegeben! 
Seidenhändler. 


O doch, viel Püffe mit den Lanzen dort! 


Goldſchmied. 
Und eine neue Steuer hie und da! 


Seiden händler. 
Sei ſtill! Da treten aus der Signoria 
Die Herren ſchon! Aldobrandini ſpricht! 


Scene 4. 
Silveſtro Aldobrandini tritt aus dem Palaſt auf die Rednerbühne an 
dem Löwen. 
Volksrufe: 
„Ruhe! Palle, Palle, Medici! 
Silveſtro Aldobrandini, hoch!“ — 
Str 21 vobranormt. 


Ihr Bürger von Florenz, hört ftill mich an! 
Im Namen unſres vielgeliebten Herzogs 

Befrag' ich Euch, Volk, Bürger von Florenz, 
Ob Ihr aus Eurer Mitte, frei von Swang, 


Eye 


Swölf Männer wählen wollt, die Euch der Herzog 

(Bewegung der Hellebarden) 
Vorſchlägt, die ftatt des jetzigen Senats, 
Statt Signoria, Gonfalonier, 
Allein die Herrichaft führen, das zerfahr'ne 
Und irrgeführte Staatsſchiff von Florenz 
Flott machen ſollen, ſoviel Macht beſitzend, 
Als ſonſt geſammt der Magiſtrat beſaß! 
Wollt Ihr das, Volk und Bürger von Florenz d 
(Es entſteht ein lautes Gemurmel. Die Soldaten ſchütteln die Waffen.) 

Volksrufe:) 
Ja, ja! 
Wir wollen's! 
Ja, wir wollen's ſo! 
(Es werden Wahlzettel vertheilt. Das Volk drängt ſich an eine Urne, 
wirft die Settel hinein und geht dann auseinander. Goldſchmied und 
Seidenhändler als Letzte, von Lanzknechten bewacht und gefolgt, die 
ſie ſtoßen und drängen.) 


Goldſchmied. 
Freiwillig, ungezwungen iſt die Wahl, 
Nicht wahr, Gevatter d 


Seiden händler. 
Ja! Der Herzog ſagt's! 


Scene 5. 
Aleſſandro und Lorenzino, oben. 
Aleſſandro. 


Nun, Lorenzino, iſt nicht Volksgunſt Schnee, 
Der nach der Fauſt ſich formt, die grad’ ihn ballt d 


Corenzino. 
Doch die auch wieder, leicht wie er, zerfließt! 


N 


Aleſſandro. 

Mit kaltem Herzen hält man lang ſie feſt, 
Wer nachgibt, und für Klagen ſich erwärmt, 
Iſt für den Thron kein Mann! 


Corenzino. 
Den Maccchiavel 
Studirt Ihr mit Gewinn, mein hoher Herr! 
(Unten treten die Strozzi auf. Sie ziehen ſich ganz zurück.) 


Scene 6. 
Der alte Strozzi, ſeine Söhne Pietro und Tomaſo. 
i 
(ballt die Fauſt gegen den Palaſt des Herzogs). 
O Schmach, an meinem grauen Haupt verübt! 
Das edle Blut der Strozzi iſt beſchimpft, 
Salviati that's und Medici ſtimmt zu! 


Tomaſo. 
Gebt Frieden, Vater! Kommen wird der Tag, 
An dem der Medici ſein höhniſch Wort — 
Ninausgeſchleudert an dem offnen Seit — 
Bereuen wird tiefinnerſt in der Bruſt! 
Doch zu der Rache ſind wir noch zu ſchwach! 


Filippo. 
Su ſchwachd Die Seit vergeht! Er kräftigt fich, 
Der Untergang der Freiheit wird beſiegelt! 
Schon rauſcht mit unermeſſ'nem Flügelſchlag 
Das nahende Geſchick ob unſern Häuptern! 
Su ſchwach! Ich werde alt! Soll ich's noch ſehnd 


i Tomaſo. | 
Was für Gewinn, wenn ich ihn niederſchlüge 


LE Al N 


In Mitten aller Schaar, die ihn umgibt d 

Die Medici find wie der Hydra Haupt: 

Fällt Aleſſandro, kommt ein Hippolyt, 

Der jetzt in Rom ſchon auf die Herrſchaft ſinnt, 
Der Feind und Vetter des Beleidigers. 

Fällt Hippolyt — kommt Lorenzino dran! 

Für all' die Nyderköpfe ſind wir noch 

Su ſchwach! Verzweigt ſich erſt der Haß und Grimm, 
Wie's ſicher kommt, wenn der Tyrann ſich hält — 
Dann fegen einmal wir die Tenne leer | 
Don allen Medici's; vielleicht auch ſelbſt 

Stehn an der Spitze wir des freien Staats! 


Pietro (hart). 
Vielleicht, und wenn, . . . und wie viel Gräuel ſoll 
Des Aleſſandro Herrſchaft, Vater, erſt 
Noch bringen? — Macht ein Ende! 


Tomafo. 

Mach' es Du! 
Dring' durch die Wachen all', und mit dem Dolch 
Durch ſein geflochtnes Stahlhemd. Laß Dich dann 
Gefangen nehmen, und verfaul' im Kerker! 
Sind wir dann weiter? — So nicht darf es kommen. 
Verbannen muß das Volk den Pabſtſohn ſelbſt 
Und — frei die Erſten an das Ruder wählen! 


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unhaltbar wird der Suſtand in Florenz, 
Bei Gott, und Schmach iſt's, länger ihn zu dulden! — 
Der Pabſt, der uns den Herzog eingeſetzt, 
Der muß die Florentiner haſſen, wie 
Das Feuer Waſſer, und der Schnee die Sonne, 
Sonſt hätt' er ſolche Geißel nicht geſandt! — 


. 


To maſo. 

Sprich leis! Verwundert Dich ſolch päbſtliche⸗ 
Geſchenk? Kam je ein Segen noch vom Pabjt? 

Die Päbſte fürcht' ich, ſelber wenn ſie ſegnen! 

Man ſagt, der Herzog Aleſſandro ſei 

Des Pabftes Sohn! Was wundert dann Dich noch? 


Pietro. 
Michd Lange ſchon nichts mehr, als unſer eignes 
Geduld'ges Suſeh'n und die feige Furcht, die 
Uns abhält, nachzuthun, was Caſſius that! 


Filippo (in wildem Schmerze). 
Salviati hat mein ſüßes Kind beſchimpft! 
Wie eine Blume hab' ich es bewacht, 
Seitdem Clariſſa, Eure Mutter, todt! 
Mit aller Sorgfalt, aller Särtlichkeit 
Umgab ich ſie, daß nie in ihren Kelch 
Ein Stäubchen Unehr' falle. Kein Gedanke 
War in ihr, der nicht von der Sonne kam, 
So hell war ſie und rein! Jetzt ſchließt ſie ſich 
In ihr Gemach, will keine Sonne ſehn; 
Sagt, Tag und Sonne ſeien ihr zuwider 
Und ihre Freundin nur die ſchwarze Nacht! 
Daß ich noch einmal Eure Jugend hätte! 
Daß ich gehandelt, ftatt in Büchern ſtets 
Den Idealen alter Republiken 
Nur nachzuforſchen, ſelber nicht begründend 
Die Bürgerfreiheit in dem eignen Staat! 

(nach dem Palaſt drohend) 

Der Medici! Ich gab ihm meine Stimme, 
Bei Pabſt und Kaifer ſprach ich noch für ihn — 
Ich lieh ihm Geld! Die Swingburg baut er mit 
Der Strozzi Gold! 


5 


Pietro. 
Was gabt Ihr's, Vater, ihm? 


Filippo. 
Die Feſtung, glaubt' ich, galt dem äußern Feind, 
Vicht ahnend, daß er ſchon im Innern niſte! 


ieee 
Vielleicht iſt fchon ein Kämmerlein beſtimmt 
Als Wohnung für den greifen Vater Strozzi!! 


Filippo (trauernd). 
So hab' ich ſelbſt mir meinen Strick gedreht! 


Pietro. 
Hört auf zu jammern, Vater, in den Wind! 
Da kommen Swei, die ſollen Rede ſtehn! 
Tragt denen Eure Klage würdig vor! — 
Wir ſtehn Euch bei! Muth! Ruft: Gerechtigkeit! 


Scene “. 


Vorige. Aleffandro und Lorenzino, in Mänteln, treten aus dem 
Palaſt. Gefolge. N 


Filippo 
(tritt ihnen in den Weg). 
Gerechtigkeit! Herr Medici! — Beſchimpft 
Ward meine Tochter auf dem offnen Feſt, 
Ihr wißt es, von Salviati! Gebt ihn uns, 
Daß wir ihn züchtigen, wie's ihm gebührt. 


Aleſſandro. 
Was that er denn d Er rühmte ſich ein wenig, 
Wie's junger Leute Art — und Unart iſt! 


Iſt denn das Ei ſoviel des Gackerns werth d 


er A Se 


Filippo. 
Verſpott' uns nicht! Verſcheuch' nicht Deine Freunde! 
Du weißt, wir ſtanden jeder Seit zu Euch. 
Mit Deinen Dätern war ich eng verbunden, 
Verſchwähert ſelbſt find unſ're Häufer. Gieb 
Gerechtigkeit! — 
Aleſſandro. 

Bin ich Salviati's Hüter d 
Geh, wende Dich an unſern Rath der Swölf, 
Sie werden Recht Dir ſprechen nach Geſetz! 


Filippo. 
Die Swölf ſind nur das Scho Deiner Worte, 
Was Du beftehlit, das reden ſie Dir nach! 


Aleſſandro (Teichthin). 
Gieb mir Cuiſa! Alles iſt dann gut. 
Ich liebe fie und fie ſei Herzogin! 


eil ps 
Was Ehre ſein ſoll, klingt wie neue Schmach! 
Das Kaiferfind iſt längſt Dir anverlobt! 
Vor ihrem Rang tritt Strozzi's Blut zurück — 
Und für — Dein Spielzeug iſt mein Kind zu gut! 


Pietro (vortretend, zu Korenzino). 
Dies Alles iſt nur Lorenzino's Rath! 
Einſt hielt ich ihn für redlich, war ſein Freund, 
Und traute ſeiner bleichen Mißgeſtalt. 

(zum Herzog.) 

Nun iſt er Euer Swiſchenträger, Euer.... 
Nun, Luſtigmacher — wie Ihr's nennen wollt, 
Und deßhalb gibt's ſoviel des Traurigen! 


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Korenzino (höhnifch zu Pietro). 
So traurig wie Dein Witz! 


Pietro. 


Seid Ihr ſo ſpitz d 
Nehmt Euch in Acht, denn allzuſcharf macht ſchartig! 


Tomaſo (hinzutretend). 
Scharf iſt die Zunge, die Renzino führt: 
Nandhabt ſich freilich leichter als ein Schwert! 
Sein Schwert war niemals allzuſcharf — noch ſchartig, 
Weil niemals einen Hieb er noch parirt! 
(auf ſein Schwert klopfend.) 


Corenzino. 
Das Waffentragen hat der Fürſt verboten! 


Tomaſo. 
Noch iſt's im Rath nicht zum Geſetz erhoben. 


Corenzino 
(auf Aleſſandro deutend und die Stimme Filippo's nachäffend). 
„Die Swölf find nur das Echo ſeiner Worte, 
„Was er befiehlt, das reden ſie ihm nach!“ — 


To maſo. 
Kein Strozzi liefert ſchnell die Waffen aus! 


Pietro (zu Tomafo). 
Thu’s einmal doch! Gib ihm Dein Schwert, Tomaſo! 
| (Lorenzino erſchrickt.) 
Im Sungenſpiel geb' ich den Vorrang ihm. 
Sweizüngig hat er ſich dem Freund gezeigt. 
Wir leihen gern ihm, was ihm fehlt, ein Schwert! 
(Tomaſo zieht jetzt ſeinen Degen und reicht ihn dem Lorenzino.) 


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Lorenzino (fängt an zu zittern und zieht ſich gegen den Herzog 
zurück, hinter dem er ſich verbirgt). 
Mein Fürſt, mein Fürſt, ein Schwert! Ich kann's nicht ſehn! 
Ich ſagt' es Euch, der Anblick macht mich krank! 
Mir ſchwindelt! (er wehrt es mit den Händen ab, fällt endlich 
dem Herzog in die Arme, der ihn auslacht und bisher auch dem 
Ganzen ſpöttiſch zugeſehen hat.) 


Aleſſandro. 
Corenzina, Mädchen, Kind! 
Komm zu Dir! Riechſalz her, Ihr Weiber, ſchnell! 
Schämſt Du Dich, Lorenzina, nicht? Ein Mann, 
Sin Medici ſinkt um vor einem Schwert! 
(Die drei Strozzi ſtehen empört in einer Gruppe.) 


Filippo. 
Du glaubſt das, Aleſſandro? Narrenſpiel 
Iſt's und Betrug! Du ziehſt die Natter groß! 
Die treuen Wächter, die Dein Haus behütet, 
Die aber ſcheuchſt Du in den Sturm hinaus, 
Und naht der Feind, iſt unbewacht Dein Hof! 


Pietro. 
Feigling, leb' wohl! 


Tomaſo und Pietro. 


Wir finden ſelbſt uns Recht! 
(Sie nehmen ihren Vater in die Mitte und gehen ab.) 


Scene 8. 


Vorige. Lorenzino erholt ſich langſam. Er fett ſich auf einen Eck— 
ſtein vor dem Palaſt. Es naht ein Bote, der ihm Briefe übergiebt. 
Er lieſt ſie. 

Aleſſandro. 

Was iſt's? Renzinod 
4 * 


Br 


Korenzino (höhnifch auflachend). 
Seht nur her, mein Fürſt! 

Den Boten, den die Strozzi abgeſandt 

Mit Klagebriefen an den Kaifer Karl, 

Den fingen ſie am Faentinerthor, 

Wo jetzt die Feſtung ſteht! S'iſt gegen Euch! 

Aleſſandro (lieft). 
Das find die Hunde, die mein Haus bewachen! 


Am liebſten doch zerfleiſchten fie den Nerrn! 
Ein zweiter Bote kommt. 


Corenzino 
(erbricht die Briefe und reicht ſie dem Herzog). 
Den fingen wir am Römerthor noch auf. 
An Hippolyt ging's, Deinen hohen Vetter! 
Sie bitten ihn, bei Clemens, Deinem Schutzherrn, 
Einſpruch zu thun, von hier Dich abzurufen, 
Und ſelber Herrſcher in Florenz zu fein! 
Aleſſandro. 
Der Hippolyt! Von Jugend auf mein Feind, 
Der jede Gunſt von mir auf ſich geleitet, 
Mir ſchon als Knabe jede Feige ſtahl 
Und jedes Mädchen mir dann abgelockt, 
Den zieh'n ſie vor! Wie würd' es Der erſt machen, 
Der ränkevolle, rückſichtsloſe Sohn 
Der Kirche! Könnt’ ich ihn vergiften, bei 
Sanct Cosmos und Damian, ich thät' es gleich! — 
Ich laß' die Thore ſperren! (zu einem Offizier) 
Wer Befehl 
Von mir nicht hat, darf aus nicht und nicht ein! 


Corenzino. 
Dergiften könntet Ihr den Nippolyt! — 


5 


Dieſelbe Neigung hegt er gegen Euch, 
Bei dieſem Wettlauf gilt's, der Erſte ſein! 


Aleſſandro. 
Wir werden's ja erleben! 


Corenzino. 
S'iſt zu wünſchen! 
Bin ich die Vatter, die mich Filip fchalt? 
Dien' ich Euch ſchlecht? — 


Aleſſandro. 

Du dienſt mir prächtig, Lenzo! 
Wie hab' ich nun ſchon die Geſchäfte ſatt. 
Ich will mir Leib und Seel' in Wonne weiden. 
Doch halt! Du haſt mich neulich dennoch ſchlecht 
Bedient! Wo blieb uns denn die braune Maid, 
Die ich als Dritte bei dem Volksfeſt ſah d 
Luiſa kam (Lorenzo erbebt) und that gar ſpröd und ſchüchtern, 
Ricciarda kam und (lächelnd) that nicht ganz fo ſpröd, 
Wo aber blieb das muntre Feuerauge, 
Cattina, aus Ginori's Haus, die Braune! 


Corenzino. 
So kam fie nicht? — Sie war wohl krankd 


Aleſſandro. 
O Lenzo, 


Das iſt ein Täublein, das Du mir nicht gönnſt! 


Korenzino. 
Geduld, mein Fürſt! Sie ift wie Keine ſcheu; 
Die Sanftmuth ſelbſt, lebt ſie zurückgezogen 
Bei meiner Mutter, wie ein Schatz bewacht. 
Sie kannten Niemand auf dem großen Feſt — 
Ich ging mit Euch — mit wem auch ſollt' ſie kommend 


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Aleſſandro. 
So ſorge bald für die Gelegenheit, 
Daß ich ſie ſehen kann! 


Corenzino (bedeutfam). 
Es wird geſchehn! 
(Es wird allmählich dunkel.) 
Nun will ich wie in Tauſendeiner Nacht 
Durch mein Florenz — Harun al Raſchid — ſtreifen; 
Belauſchen was der freie Bürger ſpricht 
Und wie die Mädchen vor dem Spiegel ſtehn, 
Das Haar ſich ordnend zu dem Stelldichein! 
Du kommſt doch mit, Lorenzo! 
(Aleſſandro maskirt ſich.) 


Lorenzino. | 
Ja, mein Fuürſt, 
Ich folg' Such nach! 
(Aleſſandro geht mit den Seinen ab. Lorenzino bleibt allein auf dem 
Platz zurück.) 


Scene 9. 


Corenzino. 
Ja — geh nur — meinen Weg 
Du glaubſt dich etwas — biſt nur mein Geſchöpf! 
Die Boten hat der Strozzi mie geſeh 
Ich ſelbſt erfand ſie und ich ſchrieb die Briefe! 
(Aleſſandro nachblickend.) 
Wie ſchön und ſtolz er iſt! Wie liebenswürdig! 
Ich, eine Vogelſcheuche gegen ihn! 
Cuiſa Strozzi aber hört' uns Beide 
So jungfräulich, wie eine Rebe, an 
And wandte ſich von Beiden in ſich ſelbſt. — 


N 


Iſt's Eiferfucht, was ich bei ihm empfinde d 

NVaß' ich ihn, weil er liebenswürdig iſt? 

Ich weiß es nicht! Ich will ihn mir erhöhn, 

Damit er um fo tiefer ſich dann falle! ..... 

Wie ich ihn haſſe! — Naſſen? Muß ich denn? 

Bin ich der Sclav' und Diener des Gefühls, 

Das mich bewegt? Gefühl, iſt's nicht ein Fremdes 

In uns! Reiß ich's nicht aus, und ändr' es nach 

Begehr und Wunſch d Ich will Dich lieben, Sandro! 
Ich kann es nicht! Auch nicht verſuchen kann ich's! 

Denn unſer Lieben, Haſſen find wir ſelbſt, 

Und recht wir ſelbſt ſind wir, ſobald wir wollen! — 
— Ich haſſe Dich — und will Dich lieben wollen! (acht) 
Sagt ſich die Sonne denn: „Ich will nicht mehr 

„Die Sonne fein?“ Das Meer: „Ich will nicht rauſchen!“ 
Die junge Roſe: „Vicht mehr will ich blühn!“ 

Der Apfelbaum: „Ich will jetzt Kirſchen bringen!“ 


Vicht anders können ſein ſie, als ſie ſind — 

Und wie Du biſt, ſo kann ich Dich nur haſſen! — 

(Er 15 vor den Statuen der Loggia, den Kaiferbüften, der Judith 
des Donatello.) 

— Ich möchte wiſſen, wie's zu Muthe war 

— Der Judith, eh fie Nolofernes ſchlug! — 

Dier fehlt ein Gegenſtück! Gelehrter, nun, 

Fällt Dir kein Beiſpiel ein? Ein Perſeus wär' 

Mit der Meduſa Haupt nicht ſchlecht gewählt! 

Vielleicht noch macht's ein Michelagnolo, — 

Tellini's Benvenuto könnt's auch bilden! — 
(ſinnend.) 

Wie nähme Lorenzino mit dem Haupt 

Des Aleſſandro Medici ſich aus? 

Nicht ſchlecht fürwahr! Tyrannen müſſen fallen! 


N 


Wer ſagt's? — Vun, die Geſchichte ſagt es ſo! — 
(Nimmt eine Eiſenſtange vom Boden auf und ſchlägt einer Büſte 
den Kopf ab.) 

Du Nero, Würger Deines feilen Roms, 
Fahr hin! 
Du, Caracalla auch! 
Und Du, 


Wie nennſt Du Dich? Auguſt! aha Auguſt! 

Du ſchändlichſter der ganzen Räuberbande, 

Du wollteſt nur Rom's erſter Bürger ſein, 

Umſo tyranniſcher in Rom zu ſchalten! 

Fahrt hin, fahrt hin! Geſchichte machen wir — 

Wer Cäſar iſt, ſoll ſeinen Brutus finden! 

(Er haut wie wahnſinnig um ſich, bis er halb betäubt auf die Stufen 
der Loggia niederſinkt.) 


Scene 10. 
Verwandlung. 


Eine Straße am Arno. Rechts und links Bänke. Vicht ſteiles Ufer. 
Der Mond kommt über den Palaftreihen herauf und ſpiegelt ſich in 
den Wellen. Giomo, der Ungar, Scoronconcolo. 


Giomo (zum Ungarn). 
Nun, magyarifcher Schnauzbart, wie fühlſt Du Dich 
unter der Sonne Italiens! b 


ee e eee 

Wahrſcheinlich wie der Fiſch im Waſſer, nachdem er 
einen Spaziergang in's Trockene gemacht hat. — Wem's 
in Italien nicht wohl iſt, den muß der Teufel holen! 

Ungar. 

Umgekehrt, Freund Degenklinge! Denn erſtens fühl' ich 
mich wie ein Fiſch auf dem Lande bei Euch, und pro se- 
cundo, nur wem's in Italien jetzt wohl iſt, den holt der 


Te 
Teufel! Denn allen ehrlichen Leuten iſt's jetzt nicht wohl, 


und denen es wohl iſt, die üben eitel Mord und Todſchlag 
auf Eurem gotteserbärmlichen Boden! — 


Sceoromecomeole. 
Schimpfire nicht, Magyar! Italien ift heutzutage das 
einzige Land, wo's noch was zu holen gibt! — 


Ungar. 

Das dacht' ich auch, drum kam ich her! Aber die 
Spanier und Schweizer und Deutſchen haben fchon alles 
Tragbare weggeholt. Wundert mich, daß ſie nicht auch die 
Kirchen mitgenommen! 


Scoronconcolo. 
An der Kirche hätten fie zu ſchwer zu tragen gehabt! 


Ungar. 


Sechs Monate haben fie dazu gebraucht, um Rom aus: 
zuplündern. Bei der Belagerung von Florenz iſt auch nicht 
viel für einen armen Teufel wie unſer Einen übrig blie— 
ben! — Ich hörte einmal auf meiner Pußta von einem 
Feeenmärchen, das hieß Florenz, aber ich hab' es nicht 
funden! 

Gio mo. 

Ja, ſie haben's im Jahre 30 verwüſtet und zerſtört! 
Halten wir uns zum Herzog! Alles Geld der Florentiner 
geht doch wie Derräther zu ihm über! 


| Ungar. 
Und wo es leicht eingeht . 


SEoBonconecole, 
Da geht es auch leicht aus! 


Di Ra 


Ungar (zum Scoronconcolo). 
Du thuſt wohl viel für's Geld, Rapiermeiſter d 


Scoronconcolo. | 
Alles, und noch ein Paar Dinge mehr! Aber ich halte 
mich zum Lorenzino. Der hat meine Treue noch durch 
ein anderes Band an ſich geknüpft! 


Ungar. 
Gewiß durch einen Strick, von dem er Dich losgebunden! 


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Errathen, Rattenſchwanz! Weil ich einmal einen lum⸗ 
pigen Menſchen, wie deren Millionen herumlaufen, um- 
gebracht, wollten ein Paar andere Menſchen, die ſich Richter 
nannten, eine Rarität wie mich, wieder umbringen! Der 
Lorenzino litt's nicht! 

Angar 
Warum nicht! Es war doch Logik in den Richtern d 


Sceeronconcolo 
Der Lorenzino meinte, es ſei ein Freitag und da dürf⸗ 
ten die Würmer kein Fleiſch eſſen! 


Ungar. 
Der Grund läßt ſich hören! Es iſt viel Religion 
in dem Lorenzino, und freilich wenig Fiſchblut in Dir! 


Giomo. 
Kommt, ſuchen wir den Herzog auf! Er hat uns ge⸗ 
ſagt, wo wir ihn finden würden! 


Ungar. 
Wenn Du weißt, wo er zu finden iſt, was forderſt Du 
uns auf, ihn mit Dir zu ſuchen! 


e 


Gio mo (aufbraufend). 
Sucht Ihr Händel mit mird 
Ungar (ruhig). 
Nein, aber Krafehl! 
Giomo. 


(nimmt den Ungar unterm Arm). 


Das war Dein Glück! Wenn Du Händel geſucht 
hätteſt, ich wüßte nicht, was paſſirt wäre; ſo Du aber 
Krafehl ſuchſt, bleibſt Du mein Freund! 

(Alle lachend ab). 


Scene JI. 


Giulian Salviati reitet am Arnoufer hin, und ſingt ſich ein Lied. 


„Noch glüht in mir der Wein, 

„Da ſtellt ſich ſchon die Liebe ein! 
„Nun leuchte mir, Du Mondenſchein, 
„Du ſtiller blaſſer Mondenſchein, 
„Auf meinem Weg zum Stelldichein!“ 


Scene 12. 


Pietro und Tomaſo Strozzi, vermummt, vertreten Salviati den Weg. 
Sie greifen ihn an, er wehrt ſich. 


Salviati. 
Was wollt Ihr, ſagt? Swei gegen Einen! Pfui! 
(Tomaſo tritt zurück). 
Wollt Ihr mein Geld? Wollt Ihr ein Cöſegeld ? 
Nein! — Ihr ſeid Mörder! Wer hat Euch gedungen d 
(Er parirt.) 
Corpo di Chriſto! welch’ ein edler Hiebl 
Vicht Mörder ſeid Ihr, Rächer! Rächer weſſen d 


Be 


Ich hab' fo viel beleidigt und verletzt, 
Daß ich nicht rathe, wer Euch ſenden kann! — 
(Er wird erſchlagen, und ſinkt vom Pferde; die Brüder legen ihn an 
einen Hauspfoſten, auf eine Bank, und decken einen Mantel über ihn.) 
eee | 
Flieh, Tomas, flieh! Luiſa iſt gerächt! 
(Sie enteilen.) 


Scene 15. 


(Es naht ein Boot vom andern Arnoufer und landet bei der Scene.) 
Giorgio Ridolfi, ein Edelmann, und Alfonſo Ferrareſe, ein Bildhauer, 
jeder mit einem Mädchen, ſteigen aus. Sie werfen ihren Obolus in 
die Fähre, die zurückgerudert wird.) 


Eines der Mädchen, Ninetta, zu Ridolfi. 


Welch’ ſüße Nacht, Geliebter! Mir iſt's leid, 
Schon heim zu müſſen, doch die Mutter wartet! 


Ridolfi. 


So laß fie warten! Hab’ ich ſelber doch 
Acht Tage warten müſſen, bis Du Dich 
Für einen Kiebesabend frei gemacht! — 


Anderes Mädchen, Serafita, zu Ferrareſe. 


Es wird ſchon ſpät! Soll ich Dir morgen ſitzen 
Für Deine Statue der heil'gen Jungfrau ? 


Ferrareſe. 


Gewiß, Du Götterbild! (Betend) Santa Madonna! 
Derzeih mir, wenn Dein Bild nicht fertig wird! 

(zu Serafita.) 
Doch wenn Du kommſt, wird Nuß um Kuß getauſcht, 
Und Alles wird — nur kein Madonnenbild! 


— 


1 


Serafita. 

Du biſt ein Schmeichler! Morgen will ich Dich 
Sur Arbeit treiben; eh' das Bildniß fertig, 
Erlaub' ich keinen Kuß! (Sie küſſen ſich). 


Scene 14. 
Die Dorigen. Aleſſandro und Lorenzino treten raſch auf, vermummt. 


Aleſſandro. 
Wird hier gefügt? 
Bei Gott, und von den ſchönſten Mädchenlippen! 
Ihr Herr'n erlaubt auch uns wohl einen Theil? 
(Will das Mädchen umarmen.) 


Ridolfi. 
Ninweg, Ihr Herr'n, laßt freie Bürger ziehn! 


Aleſſandro. 
Seid Ihr fo frei? Dann find auch wir fo frei 
Und küſſen Euch die ſchönſten Küfje fort! 
(Lorenzino und Aleſſandro ziehen die beiden ſich ſträubenden Mädchen 
an ſich. Dabei ſtößt Lorenzo an den dahingeſtreckten Salvtait.) 


Aleſſandro. 
Ihr wollt’s nicht leiden? 


Korenzino. 
Was erblick' ich da! 
Salviati todt! 
(Er hebt den Mantel auf. Alle erſchrecken.) 


Aleſſandro. 

Nun, Damen von Florenz, 
Legt Trauer an und weint mir insgeſammt, 
Denn Keine iſt, die hier nicht viel verliert! 
Er war der größte Herzensfürft auf Erden! 


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Corenzino (zu den Andern). 
Ihr ſchlugt ihn todt! beraubtet ihn wohl gar”? 
Daß Ihr die Mörder ſeid, iſt zweifellos! 


Bid 
Wir kamen eben über'n Arno her, 
Beriethen, welchen Heimweg wir wohl nähmen, 
Und ſah'n von Nichts! 

Corenzino. 

Gebt uns die Mädchen frei! 
Und zieht; dann haben wir auch Nichts geſehn! 
Sonft zeigen wir Euch bei den Swölfen an! 
(Er faßt eines der beiden Mädchen). 


Ferrareſe. 
O unerhört! Laßt ab die freche Hand, 
Sonſt rührt fie nimmer Mädchenwangen an! 
Ri dolfi. 
Ihr ſeid wohl Buben aus des Herzogs Haus, 
Denn Keiner wagt ein Gleiches in Florenz! 
Aleſſandro. 
So geh' zum Herzog, Deine Klage führen, 
Was gilt's, er gibt die Mädchen Euch zurück! 
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Erſt führt mein Schwert die Klage gleich für mich! 
Sieh, Bube! 
Aleffandro. 
Schwerter führt Ihr auch! Gib Acht! 
Das Deine führt Dich ſicherlich zum Tod. 
Laßt uns die Mädchen und zieht hin in Frieden! 


BEER 


Ri dolf i 
O Schmach und Schande, niemals noch erlebt! 
Verläumdung herrſcht und Tücke und Verrath! 
Nicht ſicher iſt die Braut am Freundesherzen, 
Und Glück und Ehre iſt ein Würfelſpiel, 
Bei dem der Fürſt mit falſchen Würfeln ſpielt! 
(Sie fechten, die Mädchen ſtehen ängſtlich zuſchauend, händeringend. 
Lorenzino und der Bildhauer tragen keine Schwerter. Ridolfi fällt.) 


A leſſandro. 


Der Würfel fiel, doch falſch war nur Dein Schwert! 
(Er beugt ſich über Ridolft, der den Arm mit dem Schwerte noch in 
die Höhe hält, und verwundet fich dabei leicht am Halſe. — Er tau⸗ 
melt. Lorenzino fängt ihn auf). 
Corenzino. 
Mein Fürſt! Was iſt Euch! 


Ferrareſe (erſchrocken). 
Jeſus, unſer Herzog! 
Aleſſandro. 


Nichts, es iſt nichts! Ich fiel faſt in ſein Schwert. 
Er ſelber zapft' mir keinen Tropfen ab! 
(Wirft dem Ferrareſe eine Börſe zu). 
Laßt uns allein! Komm' morgen zum Palaſt 
Mein Bildniß meißeln! 


Ferrareſe (leife). 
Eher nicht, bis ich 
Dir Deine Todtenmaske nehmen darf! 
(Ferrareſe und die weinenden Mädchen mit Ridolfi's Leiche ab.) 


NM 


Scene 15. 
Lorenzino. Aleſſandro. 
LCorenzino. 
Ihr blutet ſtark, mein Herzog! 


Aleſſandro. 
Und verdient! 
Wir trieben auch den Maskenſcherz zu weit. 
So kommt's, wenn man Harun al Rafchid fpielt! 
Mach' mir das Wamms auf. Mir ift teufliſch ſchwach. 
Geh, tauch' das Tuch da in den trägen Arno, 
Und zwing' ihn, meine Fieberglut zu kühlen! 


CLorenzino 
(macht Aleſſandro's Wamms auf und zieht's ihm aus. Ein Panzer 
wird frei). 
Nehmt auch das Panzerhemd ab! 
Aleſſandro. 
Laß nur, laß! 
Es ziert mich wohl! Doch nimm's! Ich brauch' es nicht. 
Die Dolche fürcht' ich nimmer in Florenz! 
Es kühlt die heiße Bruſt. Doch nimm's nur weg; 
Das Blut fließt ſtark! — Geh, netze mir das Tuch. 
LCorenzino 
(tritt gegen den Fluß zurück und nimmt das Panzerhemd mit — 
Der Herzog ſtreckt ſich auf der Bank aus). 
Nun hab' ich ihn allein und wehrlos hier! 
Mit dieſem Panzer flieht ihn jeder Schutz 
Und jede Gottheit, die ihn noch bewacht. 
Ein Dolchſtich, und das große Spiel iſt aus! 
Dann ſchleudr' ich in den Arno ihn hinab, 
Der ihn in's Meer trägt der Vergeſſenheit! — — — 


— — — Wer aber weiß es dann, daß ich's gethan? — 
Wer zieht aus dem Vergeſſen meinen Namen, d 
Wer ſchreibt ihn leuchtend an das Sternenzelt, 
Wo ſchon in Flammenſchrift die Andern ſtehn, 
Die ausgelöſcht die Fackel der Tyrannen, 
Die ſich vermaßen, Sonnenlicht zu ſein, 
Und doch nur trüben Rauch und Dampf verbreitet! 
Vein, alſo that Aristogiton nicht, 
Als mit Harmodius er den König ſchlug; 
Als Cageſar fiel, lag frei die That am Tag! 
(Er ſteigt an den Arno, netzt das Tuch und betrachtet das Panzerhemd.) 
Fahr' hin, ſein Schutzgeiſt! So iſt ſein Geſchick | 
Verſtrickt wie Deine Maſchen, die kein Dolch 
Durchdrungen hätte! Denn ſein Schickſalsnetz 
Cöſt nicht er ſelbſt, noch Götterhand mehr auf! 
(Er wirft den Panzer in den Strom.) 


Aleſſandro. 
Renzino, kommſt Du? 


Coren zino (kommend). 
Iſt Euch beſſer, Herzog d 


Aleſſandro. 
Es will der Aderlaß nicht viel bedeuten! 
Corenzo, dank! Ja, wenn ich Dich nicht hätte! — — 
Wo nur der Giomo und der Ungar ſteckt d 
Und Scoronconcolo und das Geſindel! 
Ich wollt’, fie führten mich nach Haus! 


Salviati 
(erhebt ſich drüben auf der Bank.) 
Mein Gott! 
Wo bin ich! 
5 


Are 


Aleſſandro. 
Horch, wer ſtöhnt da drüben d 


Corenzino. 
a Herr! 

Salviati iſt's! Er hat gewiß vergeſſen, 
Daß ihn ein Florentiner Kind beſtellt 
Für heute Nacht, und kehrt noch einmal um 
Am Thor der Hölle zu dem Stelldichein! 

Aleſſandro. 
Geh', hilf ihm! 

Corenzin o. 5 

Helfen ſoll ich Euch, Salviati. (leife). 
Ihr habt mein Liebſtes auf der Welt beſchimpft, 
Cuiſa Strozzi habt Ihr angetaſtet, 
(Salviati durchbebt es; Lorenzino reicht ihm eine Flaſche.) 

Doch weil Ihr ſchon halbtodt, thut einen Trunk! 


Salviati. 
(hebt ſich mühſam gegen Aleſſandro.) 
Mein Herzog, ſeht, wie Eure Freunde fallen! 
Im Glanz der Jugend bin ich hingemordet! 
So ſchützt Ihr Sure Freunde! O Cuiſa, 
Ich ahn' es jetzt, die Rache kam für Dich! 
Und Euch, mein Fürſt, vererb' ich meine Rache! (ſtirbt). 
Aleſſandro. 
Fahr' hin, Salviati! Sieh, 
(auf ſeine Wunde deutend.) 
wer ſchützt mich ſelbſt d 


Scene 16. | 
Giomo. Scoronconcolo. Der Ungar. Dorige. 
Giomo. 


Wir haben Euch überall geſucht, mein hoher Fürſt, und 


nirgends gefunden. — 


ae 


Aleſſandro. 
In Schenken wohl, wo Ihr verkehrt, Geſindel! 


Corenzino. 


Sagt lieber, nirgends haben wir geſucht, 
Jedoch getrunken in jedweder Schenke! 


Angar. 
Ja, und wenn Ihr in der einen nicht wart, ſind wir 
in die andere gegangen. 


Scoronconcolo. 
Und fo haben wir Euch überall geſucht und nirgends 
gefunden! 
Aleſſandro. 
Wenn Ihr mich überall geſucht und nirgends gefunden 
habt, ſo muß ich wohl an jenem Punkte außerhalb der Erde 
geweſen ſein, an dem ſie aus den Angeln zu heben wäre. 


Gio mo (verblüfft zum Ungarn). 
Geht denn die Erde in Angeln d 


iger 
Ja, wie eine Thür; für den Einen geht ſie auf, für 
den Andern zu! 
Gio mo. 
Du meinſt, wenn Einer geboren wird, thut ſie ſich ihm 
auf, und wenn einer ſtirbt, thut ſie ſich ihm zu! — 


Ungar 
Dummkopf! Wenn Einer ſtirbt, thut ſie ſich ihm auf — 


Giomo. 


Und wenn er geboren wird d 


Corenzino. 
Saft das nur! 

Ihr hebt beide die Welt nicht aus den Angeln! Und 
wenn Ihr die Angeln Eures Witzes noch ſo lange in's Leere 
Eures Kopfes hinaushaltet — wenn Euer Nachtmahl aus 
den Fiſchen Eures Derftandes beſtehen ſollte, jo möcht' ich 
Euer Magen nicht fein! | 


Scoronconcolo. 
Mit Verlaub, Meifter, da wäret Ihr ein Hund! 


Corenzino. 
Wie ſo, Michele. 
SCcOrOnNeoncoleo. 
Ihr würdet knurren! 


Aleſſandro. 
O fort, hinweg, hinweg! Helft mir nach Hauſe! 
Mein Schifflein iſt ſchon wieder leidlich flott! 


(Lorenzino und der Ungar führen ihn weg. Giomo und Scoronconcolo 
bleiben zurück.) 


Giomo (achkdenklich.) 
Fiſch des Verſtandes, Fiſch des Verſtandes! Wo fließt 
der Fluß, wo der ſchwimmt d 


Scoronconcolo. 


Nicht in Eurem Kopfe! 
(Sie laden den Salviati auf und gehen ab.) 


Scene 17. 
Der Bildhauer Alfonſo Ferrareſe. Dann einige Derbannte. 


Ferrareſe. 
Wohin, Ihr Freunde d 


RR 


Erſter Verbannter. 
Wiſſen wir's denn ſelbſt? 
Verbannung heißt das eine grauſe Wort, 
Das in den Ohren uns ertönt! — Wohin 
Gilt gleich! — 
Sweiter. 
Sie zogen unſre Güter ein! 


Dritter. 
Sie warfen Waffen uns in unſre Fenſter! 


Vierter. 
Man fand zwei Briefe vor in meinem Haus, 
Die von Verſchwor'nen rühren fern aus Rom! 
Ich weiß von Vichts und kenne Niemand dort! 


Erſter. 
Ich wende nach Venedig mich! Dort iſt 
Noch Freiheit und man athmet Meeresluft, 
Und hört nicht jammern um verlornes Glück! 


Ein Maler. 
Ich geh' nach Rom! — 

Ferrareſe. 

So halt' ich mich zu Euch! 
Beim Pabſte findet ſich wohl Arbeit vor! 
| Maler. 

Beim ſiebten Llemens! — Auch ein Medici! 
Ich diente keinem, nicht für ſchweres Gold! 

Ferrareſe. 
So ſchaffen ſtill wir bis auf beſſre Seit! 


(Sie ſchütteln einander die Hände, und wollen gehen.) 


Si a 
Auf beſſre Seit! Auf beſſre Seiten, Freunde! — 


(Es nahen ein Mann und ein Weib mit einem Kinde.) 


Noch mehr des Elends! 


Scene 18 


Weib. 
Doch kein Größres iſt! 

Sie folterten den armen, kranken Mann, 
Daß er Verbrechen eingeſtände, die 
Er nie gethan, und all' dies um ein Haus, 
Der Väter Erbtheil, nahe am Palaſt, 
Und das mein Gatte nicht verkaufen wollte! 
Wir ſind verbannt! 


Mann. 


Leb wohl, mein ſüß Florenz! 
Wie biſt Du, einſt ſo herrlich, hingeſunken | 
In einen Sündenpfuhl von Schmach und Schande! — 
Du, wär' ein Ring von Gold die ganze Erde — 
Du wärſt der Flammenedelſtein darin, 
Wenn Du noch wärſt, ſowie Du einſt geweſen: 
Der Freiheit Hort, die Werkſtatt edler Kunſt, 
Der Wohnſitz hochgefinnter freier Bürger! 
Prachtgarten einſt und Vorbild aller Reiche, 
Der mich geboren und mein theures Weib, 
Die erſten Spiele meines Kinds geſehn, 
Für den des Mannes Kraft und Ringen galt! 
Wie wird nach Salz das Brod der Fremde ſchmecken! 
Wie ſchwer wird's fein, die fremden Treppen auf- 
Und abzuſteigen! — Leb denn wohl, Florenz! 
Gebrochen ſind die Glieder und das Herz! 
Dich ſegne Gott! Florenz, leb' ewig wohl! — 


ei 


Maler. 
Ceb wohl, Florenz! 
Ferrareſe. 
| Verflucht ſei Du, Florenz! 

Du feile Dirn' in eines Mörders Hand, 
Maitreſſe Du von einem Medici, 
Der, ein Baſtard, nie feine Mutter fah! 
Du Rabenmutter, dreimal ſei verflucht, 
Und mög'ſt die Söhne peinigen Du ſo, 
Daß endlich ihnen Mannesſtolz erwacht, — 
Die Kette raſſelnd Dir zu Füßen fällt! 
Bis dahin, Buhlerin, ſei Du verflucht!!! 

(Sie gehen über die Brücke ab.) 


(Der Vorhang fällt.) 


3. k 


Scene 1. 
Coquettes Boudoir der Marcheſana Ricciarda Cibo. 


Der Cardinal Cibo (allein). 
Mich däucht, wir leben in gewalt'ger Seit, Br 
Ein Knotenpunkt, von dem der Menſchheit Straßen 
Dinführen neue Bahn! — Wie wird fie fein? 
Ein neues Land im Weſten iſt entdeckt, 
Und eine Kunft, die Wiſſen tauſendfach 
In alle Schichten aller Völker bringt. 
In Deutſchland gährt's, es naht uns ein Orcan: 
Die Gährung: Luther, und der Sturm: Reform! 
Ein Königreich Italien plant der Herzog — 
Wie endet's al? — 

Das Land im Weſten lehrt 

Sin Böſes ſchon — die Negerſclavereil 
Auch Unſinn kann durch Bücher ſich verbreiten, 
Und Luther's Fall die Kirche auch erhöh'n, 
Italien's Einheit bricht am Rirchenſtaat! 
So zeigt ein Doppelantlitz jeglich Ding — 
Wer's richtig deutet, iſt allein ein Gott! 
Ich ſteh' auf meinem Poſten Schildwach' hier: 
Nacht oder Licht, Pabft, König, Republik — 
Gilt all' mir gleich — mich lockt nur der Erfolg! 
Wer immer ſiegt, dem ſtimmt auch Cibo bei! 


re 


So fieht der Pabſt Frankreich und Spanien ſtreiten 

And nährt den Streit und nützt fie Beide aus! 

So ſteh' auch ich, dem Sünglein gleich der Wage 
Der vollen Schale neigt ſich's immer zu! 

Siegt heut' die Kirche — kann ich Pabſt noch werden — 
Der Traum, die Hoffnung jeden Cardinal's —; 

Sinkt Peter's Stuhl — werf' ich den Purpur weg 

And gürt' im Königsdienft mir um das Schwert, — 

Nur nie auf einen Wurf das Spiel geſetzt! 


Und wünſcht man ſehr, daß eine Schale ſiege, 

So wirft man ſelbſt wohl ein Gewicht hinzu, 

Und ein Gewicht, das ſchwer wiegt, iſt das Weib. 
Ein leichtes Weib macht oft die Schale ſinken. 

Da naht gleich Sine. — Schwerbeladen ſcheint ſie 
Mit Sorgen oder Sünden! — Wohl mit Beiden. 
Mir däucht, ich kenne ihr Geheimniß halb; 

Geſteht ſie's, iſt ſie ganz in meiner Hand. 


Scene 2. 
Cibo. Ricciarda naht mit einem Gebetbuche, fie iſt bleich und ſinnend. 


Cibo. 
Ihr ſeid nicht heiter, ſchöne Schwägerin! 
Um Eure Augen, ſonſt der Sonne Bild, 
Liegt eines Grams verrätheriſcher Ring 
Und gibt mir Kunde von durchwachten Nächten! 
Wollt Ihr nicht beichten ? 
e ee 


Deßhalb kam ich her. 
Seid Ihr gefaßt? 
Cibo. 
Dies frag' ich beſſer Euch. 


— 74 — 


Ricciarda. 
Ihr werdet ungewohnte Dinge hören! 


Cibo. 
Nicht an Gewöhnliches hat ſich mein Ohr 
Gewöhnt. — Wir kennen oft der Beichte Inhalt, 
Eh’ noch ein Wort dem ſchönen Mund entſchlüpft. — 


Ries sfard a! 

Die Schuld der Menſchen mag gar oft ſich gleichen, 

Doch ſtets verſchieden iſt der That Beweggrund. — 

Iſt's Sünde, ſagt, wenn Einer Böſes thut, N 

Und vielen Andern daraus Gutes fprießt? | 
Cibo. | 

Es iſt der Sweck, der alle Mittel heiligt! 

Doch nennt der Menſch, was er begehrt, oft gut, 

Und wirkt das Schlimme! 


e e e 
Kann auch Freiheit ſchlimm ſein d 
Cibo. | 
Wenn dem gebracht, der fich nicht ſelbſt bezwingt! 
Dem Weibe, das nicht leicht ſich zügeln kann, 
Dient Freiheit ſchlecht! 


Ricciarda. 


Ihr mißverſteht mich ganz! 
So hört und ſtaunt! Ricciarda Malaſpina, 
Die ſtolze Marcheſana, Eures Bruders, 
Corenzo Cibo's angetrautes Weib — 
Iſt Herzog Aleſſandro s 


Buhlerin! 


| 
Sg] 
HU 
| 


Dreetarva 
Ein hartes Wort! 


Cibo. 


Mein armer Bruder! 


Ricciarda. 
Nein! 
Beklag' ihn nicht! Beklagſt die Judith Du, 
Die ausging, Holofernes' Haupt zu holen ? 


Cibo. 
Was ſagſt Du? 
Riss ianda 
Hoch, unendlich hoch und hehr 
Steht meines Gatten, Deines Bruders Bild, 
Derehrt als Gott, im Tempel meines Herzens. 
Doch höher, wie ein Gott im Dimmelstaum, 
Dem wir, verehrend, auch das Höchſte opfern, 
Wie er für uns an's Kreuz ſich ſchlagen ließ, 
Steht mir im Herzen unſrer Freiheit Bild, 
Und Glück und Größe meiner Vaterſtadt! 
Wie hab' ich nicht gekämpft! Wie ihn gebeten, 
— So auf den Knien, wie ich vor Dir jetzt liege — 
Ein Retter unſres Daterlands zu fein! 
Ich zeigte ihm der Nachwelt Hallen offen, 
Ihn ſelbſt in lauten Lobes Harmonien 
Beſungen von den Dichtern aller Seiten. 
Den ſchönſten Lorbeer ahnt’ ich um fein Haupt — 
Er ſpottete, begehrt' als höchſten Preis 
Mich ſelbſt — verſprach dann, Alles zu erfüllen! — 
Ich gab ihm Alles und er brach ſein Wort! 
Iſt unverzeihlich mein Vergeh'n d 


Cibo. 
O Weiber! 
Daß Ihr doch nie umſonſt Euch geben könnt! 


Nissiar dg. 


Umſonſt! Ich ſchätzte mich einſt ſelbſt ſo hoch, 
Daß für mein Selbſt ich ganz Florenz begehrte! 


Cibo. 
O Einfalt! Alle Weiber hier ſind ſein, 
Du forderſt ganz Florenz im Tauſch für Dich! 
Ricciarda. 
Hör’ weiter! Aleſſandro kommt heut' Abend. 
Noch einmal fleh' ich ihn um Freiheit an 


Cibo. 
Glaubſt Deinen Wünſchen Du gefüger ihn, 
Weil er bei Dir nichts mehr zu wünſchen hat. 


Rissiarda. 
Und weigert er — ſo helfe ihm ſein Gott, 
Doch lebend geht er nicht aus dieſem Haus! 
(Bewegung des Cibo.) 
Er kommt allein ſtets, ohne ſein Gefolge, — 
Beſtellt iſt Alles! Dort in dem Gelaß 
Sind treue Diener, meines Seichens harrend. 
Florenz wird frei — wenn er es mir verneint! (Paufe.) 
. . . . Ich weiß, Du überlegſt jetzt, was Dir nützt — 
Mich zu verrathen oder meinen Weg 
Su geh'n! Vertraue diesmal meiner Führung 
And ſtelle über Dein perſönlich Wohl 
Das Glück der Freiheit und das Wohl des Volks! 
Cibo. 
Blind handeln ſtürzt gewiß in Finſterniß! — 


a a u 


Doch, wenn ich Deinen Plan nun unterſtütze 

Und er gelingt — wie nützeſt Du ihn aus d 
Kannſt Du die Folgen auch nach Deinem Willen 
Dir zwingen, wie Du Urſach' biſt des Anfangs? 
Tyrannen fielen früher ſchon, Verſchwörung 
Gelang ſchon oft — doch oft zerrann im Sand 
Das Werk der Daterlandsbefreier — weil 

Sie nur zu ſtürzen wußten, nicht zu bauen! 


Ries tard ad. 


Die Strozzi, ſchwerbeleidigt, ſtehen auf 

Und Palla Ruccellai geht mit uns. 

Glaubſt Du, die Pazzi hätten ihre Schmach vergeſſen ? 
Dalori, ſelbſt einſt in Florenz allmächtig, 

Vom Herzog nun in's Vichts zurückgedrängt — 

Sie Alle, und das ſtetsbereite Volk, 

Sind Wellen, die nach einer Richtung drängen, 

Ein Waldſtrom werdend, dem das Bett man weiſt! 


Cibo (nach einer Paufe). 
Du haft Dich ganz in meine Hand gegeben, 
Ricciarda! — Wenn mein Bruder wiederkehrt 
Und weiß Dich treulos — ſteh' ich nicht für ihn! 
Und wenn ich jetzt den Herzog vor Dir warne, 
Wer weiß, welch Ruhbett er für Dich bereitet? — 
— Ich ſteh zu Dir! — Doch, ſind die Medici 
Verjagt — werd' ich Dictator von Florenz!!! 
Stehſt Du zu mird — 


Ricciarda e(erſchreckend). 
Mein Gott! 


Cibo. 
Stehſt Du zu mir? 


An a 


mr 


Scene 3. 
Vorige. Ein Diener (meldet). 


Der Herzog! 
Cibo. 
Nun, Ricciarda d 


Ricciarda (nach großem Kampfe). 
| Wohl, es ſei! 
(Cibo geht in's Nebenzimmer, ſtolz, ab.) 


Scene 4. 


Ricciarda (allein). 
Es führt kein Ausweg aus dem Labprinth. 
Noch athmet der Tyrann, fchon ſtreckt ein Neuer 
Die Hand nach Deinem ſüßen Leib, Florenz! 
O Freiheit, auf dem Holzſtoß hingebahrt, 
Du gehft in Flammen, hingeopfert, auf — 
Ich bin ein Scheit nur, das den Brand beſchleunigt! 


Scene 5. 


Kicciarda. Aleſſandro (raſch eintretend). 


Aleſſandro. 
Marcheſa, ein Glas Cypernwein, ich bitte! 


Ricciarda (einfchenkend). 
Habt Ihr gejagt, mein Fürſt d 


Aleſſandro— 
Und mit dem Falken! 
Ich friere! 
(Er trinkt. Sie ſetzt ſich zu feinen Füßen, er fpielt mit ihren Haaren.) 
Doch ein Hauch geht von Euch aus, 


e 


* 


Der Todte noch erwärmen könnte! Ciarda, 
Du dufteſt nach den Roſenfeldern Paeſtum's. 


Ricciarda (für ſich). 
(O, daß ich doch fein Herz erweichen könnte! 
So jung, fo liebenswürdig! Lieb und Haß, 
Wie ſtreiten ſie in mir! Wenn er erſt todt, 
Wie werd' ich ihn betrauern!) — Aleſſandro, 
Haft Du ein wenig meinen Wunſch bedacht 
Stets neue Klagen tönen, Trauerliedern 
Gleich, aus Paläſten wie aus niedern Hütten: 
Du biſt doch ſelbſt nicht ſchlecht, nur Lorenzino 
Beräth Dich falſch und ſtiftet alles Uebel! 
Denkſt Du denn niemals an die andre Welt, 
An Gott und Swigkeit und Seelenheil d 


Aleſſandro (trinkt). 
Niemals! 

n 
Rührt Dich denn all' der Jammer nicht 
Der Wittwen und der Waiſen, die Du ſchufſt! d 
Die Beſten wandern aus, um in der Fremde 
In Voth und Elend trauernd hinzuſinken, 
Der letzte Fluch der Sterbenden gilt Dir! 


Aleſſandro. 
Sind Flüche Thatend 


Riceiarda 


Lockt es Dich nicht mehr, 
Wie einſt Dein Ahn, des Vaterlandes Vater 
Genannt zu werden, als ſein ſchlimmſter Feind! 
Kennt keine ſüße Regung Deine Bruſt, 
Wenn alles Volk in Deine Mäh’ ſich drängt, 


e a 


Den Saum des Kleids Dir küßt; die junge Mutter 
Ihr Kind hoch ob des Volkes Häuptern hebt 
Und jauchzend ihm den edlen Retter zeigt? 

(Aleſſandro zuckt die Achſeln.) 
Du biſt ein Fürſt! Was können Fürſten Alles! 
Das Höchſte doch ſo gut, ſowie das Schlimmſte! 
Wer leiſtete nicht lieber gleich das Beſte? 
Was war der Traum der Beſten Griechenlands ? 
Freiheit des Staats! Der erſten Römer Herz, 
Wofür nur ſchlug es? Für die Republik! 
Sieh einmal, Sandro, mit Prophetenaugen 
In jene Sukunft, die wir Nachwelt heißen, 
Und lauſche, was die jetzt noch Ungebor'nen, 
Von Dir einſt reden werden! 

Mit Tyrannen, 

Bei deren Namen Kinder in der Schule 
Erzittern, wirft auch Du genannt; der Haß 
verpflanzt ſich fort in ein noch fern Geſchlecht — 
Und Aller Liebe kannſt Du noch erringen! — 


Aleſfan drs. 


Laß Spät're haſſen, wenn Florenz nur fürchtet? 
Genügen ſoll es mir an Deiner Liebe! 


Riss sia dg. | 

O fpotte nur! Du weißt, um welch Verſprechen 
Du fie errangft, und wie Dein Wort Du hieltft! 
Und Ciebe nennſt Du, was Du mir gewährt! 

In jedem Haus verleiteſt Du ein Weib, 

Ein Mädchen, eine Braut, und ſprichſt von Liebe d 


Aleſſandro. 
Biſt eiferſüchtig? — 


BT 


Ricciarda. 
Nur wo Liebe iſt, 
Wohnt Eiferſucht; Du ſcheuchſt die Liebe fort, 
Die ſo vertrauensvoll ſich Dir genaht, 
Weil ſie in Dir der Freiheit Schützer liebte, 
Der Freiheit, die Du erſt uns ſchaffen ſollſt! 


Aleſſandro. P 
Was alfo quälſt Du mich! Ich ſuche Ruhe, 
Genuß und Frieden hier in Deinen Armen 
Und Du ſprichſt ſtets von Politik! Ein Weib, 
Das uns politiſirt ... 


RBiecarndeg 

Ich weiß, wird läſtig! 
Doch wie den Mantel werft die Laſt Ihr ab, 
Wenn Ihr die Laſt des nun beſcholt'nen Namens 
Der Armen und Verführten aufgebürdet! 

Rein ſtand ich an der Seite meines Gatten, 
Kein Denken wagte ſich zu mir herauf — 

Euch war die Ehre eines Weibs — ein Spiel, 
Ein Glas, zerbrochen, wenn der Wein geſchlürft! 


Aleſſandro. 
Was gabt Ihr nach!? 


Nicsiaudag 


Häuft nur noch Hohn auf mich! 
Drohtet Ihr Unglück nicht auf unſ're Häuſer d 
Seid Ihr nicht liebenswerth? Und galt mein Kieben 
Sugleich dem höchſten Traum der Bürger nicht? 
Er iſt dahin — ſo ſinke denn auch ich! 
Ricciarda wird nicht glorreich einſt genannt, 
Wenn von erreichtem Ideal man ſpricht — 


GO Ai 


Gemeinen Ehebrecherinnen zu 
Wirft fie der Volksmund — das iſt Deine That! 


Aleſſandro. 
Beſchönigen wird jedes Weib ſein Thun! 


Ricciarda (aufitehend). 
Verdien' ich ſolche Schmach! O, Du beurtheilſt 
Die Frauen nur nach denen, die Du kannteſt! 
Leicht nahbar find die Einen, und die Andren 
unnahbar! Nun, die Erſten ſchiltſt Du falſch 
And leicht und ſchlecht — die Andern hart und grauſam, 
Und glaubſt an aller Frauen Unwerth nun! 
Doch gibt's auch ſolche, die wie Götter ſind, 
Groß, gut und ſchön, mit allen Tugenden 
Geſchmückt! Noch lebt Vittoria Colonna! 


Aleſſandro (eeichtfertig). 
Doch iſt ſie mir zu alt! — 
Ricciarda. 
Du ſiehſt, wie ſchwer 
Es für uns iſt, in Ehren alt zu werden! — 
Doch Dir iſt hohes Alter nicht beſtimmt: 
Glaubſt Du, weil Du die Waffen hier verboten, 
Daß nicht ein Dolch nach Deinem Buſen ſchleicht, — 
Dein Herz ift allen Schwertern der Magnet! 
Du waffneſt ſelbſt des Brutus Rächerhand, 
Wenn Du nicht ſelber Deinem Treiben ſteuerſt! 
Das Volk 
Aleſſandro. 
Das Volk zahlt Steuern und iſt feig! 
Ricciarda. 
Sin Muthiger genügt! Du glaubſt, ein Stahlhemd 
Sei Schutz genug für des Tyrannen Bruſt — — 


r 


ger a 


Aleſſandro 
(ſich an die Bruſt fühlend). 
Laß das! 
Ricciarda. 
Doch wenn Dich nicht die Ciebe ſchützt 
Des eignen Volks, genügt kein Panzerkleid, 
Und wenn kein Mann zum Schwert der Rache greift, 
So finden Weiber, Dich zu tödten, Muth! 
(Sie will ein Seichen geben — hält nochmals ein und wirft ſich ihm 
zu Füßen.) 
Mein Aleſſandro, mein Geliebter, knieend 
Fleh' ich Dich an, will Deine Sclavin ſein, 
Dein Spielzeug, wenn die Seit Du rückbeſchwörſt, 
Wie Du's vermagſt, von Freiheit und von Größe, 
Corenzo des Erlauchten ſchöne Zeit! 


Aleſſandro 
(ſchmeichelnd, zerſtreut, ſie betrachtend). 
Dein Hals iſt ſchön! — 


Ricciarda (aufftehend, für ſich). 
So fahr denn hin, Tyrann! 


(Sie geht zu der Glocke an den Tifh. In demſelben Augenblick wird 
die Thüre aufgeriſſen, Lorenzino ſtürzt unangemeldet herein.) 


Scene 6. 
Vorige. Lorenzino. 
Corenzino. 
Derzeiht die Störung Eures Minneſpiels, 
Mein Herzog! Große Botſchaft kommt von Rom, 
(Leiſe.) Clemens iſt todt und Paul Farneſe Pabſt! 


(Er flüſtert ihm zu. Der Herzog erſchrickt. Dann) 
6 * 


e 


Aleſſandro. 


Geſchäfte rufen mich, Ricciarda! Schätzchen, 
Leb' wohl, bis auf geneigtern Augenblick! 
(Geht grüßend mit Lorenzino ab.) 


Scene 7. 


Ricciarda (allein, fpäter erfcheint Cibo in der Thüre). 
Das Schickſal will's! Gelegenheit, die Göttin, 
Trägt lange Locken an der heit'ren Stirn — 
Ihr Binterhaupt iſt kahl — es hält fie Keiner, 
Von dem ſie einmal ſich hinweggekehrt! 
(Sum Cibo.) 
Wir wußten nicht den Augenblick zu nützen, 
Und zweimal tagt dieſelbe Sonne nie! — 
(Sinkt zuſammen.) 


Ver mandlung. 
Scene 8. 
Zimmer des Lorenzino. Lorenzino, dann Scoronconcolo, militäriſch 
ſalutirend. i 


Seren 
Ihr habt mich rufen laſſen, Meiſter! 
Corenzino. 
Ja! 
Ihr ſollt mich fechten lehren! 
e e e eee 
Spottet Ihr? 
Corenzino. 
Nein, doch die ganze Stadt verſpottet mich, 


„5„ ee 


Seit ich vor Strozzi's Schwert in Ohnmacht fiel. 


So fallt doch aus! 
(Er dringt mit dem Rappier auf ihn ein.) 


ee 
Was fällt Euch, Meiſter, bei? 
Ihr fechtet beſſer ja, als ich! 


Corenzino. 
Was ficht's Dich and 
Fall' aus und wehr' Dich Deiner Haut, — parir'! 


Scoronconcolo. 
Seid Ihr des Teufels, Meifter? Haut Ihr doch, 
Als wär' ich ausgepolftert, nicht von Fleiſch 
Und Blut! 

(Lorenzo ficht ſtets wüthender. Die Beiden machen dabei großen 
. Lärm.) 
Corenzino. 
Blut! Sprich das Wort nicht aus! Ein Panther 
Folgt gieriger nicht der Gazelle Spur, 
Die ſchwer verwundet, als der Blutſpur ich! 
Die Prime ſaß! Haft Du die Quart parirt, 
So nimm die Terz’! 
(Schlägt ihm den Degen aus der Hand.) 


Seotoneoneoleo. 
Ihr fchlagt das Schwert mir fort! 


Corenzino. 
So zieh den Dolch! (Er thut's.) 
Komm an! So recht! Ich muß 
Mir auseinander 'mal die Glieder renken, f 
Die allzulang im Schraubſtock eingezwängt! 
(Sie ringen.) 


BERN Gas 


So, Bruſt an Bruſt! Du alter Naufbold! Steif 
Wie eine Eiche, die ein Luchs umſchlingt! 

(Stellt ihm ein Bein.) 
Gibſt Du nicht nach! Ich leg' die Axt an Dich, 
Bis mit Gepolter Du da niederpraſſelſt! 


Seoroneoncoleo. 
Wenn Euch der Herzog ſähe, Corenzino, 
Er hielt! die Ohnmacht für Comsdienſpiel, 
Und Such — ſich hübſch vom Leib! 


Corenzino. | 5 
Mach' mich nicht wild! 
Was mengſt den Herzog Du in das Turnier d 
Sieh' ſelbſt Dich vor! (Scoronconcolo fällt.) 
Da liegt der ganze Plunder! 

O, könnt die Welt ich aus den Angeln heben 
Und ſie zerſchmettern, wie ich Dich gefällt! 

(Er ſinkt ermattet auf das Bett.) 
So wollen wir nun alle Tage fechten 
Und ringen, und die Muskeln kämpfend ſtärken! 


ee e 
Die Nachbarn werden für die Störung dank 


Corenzino. 
Sind ſie's gewohnt, ſo hören ſie's nicht mehr! 
(bedeutſam.) An Andres ſchon gewöhnten wir Florenz, 
Nun merkt es kaum noch, daß es blutet, leidet! 


Scoronconcolo (treuherzig). 
wWeßhalb Derftellung, Meiſter! Wißt Ihr doch, 
Ich geh' für Euch durch alle Höllenqual, 
In der ich längſt ſchon wär', wenn Ihr nicht wärt. 
Ihr brütet Etwas! Habt Ihr einen Feind d 


SE OR 


Lorenzino (ſinnend). 
Ich, einen Feind d 
Scoronconcolo. 
So nennt ihn! — Seht, ein Licht, 
In wildeften Novemberſturm geftellt, 
Ganz ohne Schuß, vom Regenſturm umbrauft, 
Brennt länger nicht, als ſeine Lebensleuchte, 
Wenn Ihr's begehrt, daß ſie erlöſchen ſoll! 


Corenzino (träumerifd). 

Ich, einen Feind! 

Scoronconcolo. 

Sah ich doch Euer Auge 
Geheimnißvoll erlodern fchon, und hört’ ich 
Das Wörtlein Rache nicht aus Euerm Mund, 
Auch wenn er ſtumm war? — Wollt Ihr feinen Tod d 

Corenzino. 

Nun wohl! Es wandelt ſorglos auf der Erde 


Ein Mann, der mich nicht ſorglos werden läßt, 
Bis unter ſie ich ihn gebettet habe. 


Scoronconeolo, 
Nahm er ein Mädchen Euch? 


Corenzino. 
Sin Mädchen, alter Narr! 
Das ſtellſt Du in Florenz als Höchftes hin, 
Wo jedes Haus Lorenzo'n offen ſteht, 
Und ganz Florenz Ein feiles 1 iſt! 
Er nahm mir mehr! 


Scoronconcolo. 
Und fei es, was es fei! 
Wo find' ich ihn? Wer ift’s? 


Le 


Corenzino. 
Er kommt hierher! — 
Haft Du ein Schwert, das nicht zu fehlen weiß d 
Scovomeonsole. | 
Ihr kennt's. Im Scherz nur gab es eben nach, 
Doch niemals fehlt's im Ernſt! 
Corenzino. 
So ſei bereit! 
Verfehlt's den Weg nicht, wird auch Dir's nicht fehlen, 
Auf jeder Bahn, die Du betreten willſt! 
Ich locke meinen Mann in einer Nacht 
Dierher! Das Weit're ſpäter! Ich allein 
Führ' meinen Stoß und regt er ſich dann noch, 
Ja, ſendet er zur Hölle mich voraus — 
Hilft Du ihm nach!! 
Seoromsonsolo. 


Und wenn's der Herzog wäre! 


Corenzino. 
Der Herzog! hm! (acht.) 
Scoronconcolo. | 
Und wenn es Chriſtus wäre! 
Corenzino. 
So geh! Wir üben morgen uns! 


Scoronconcolo (abtretend). 
Lebt wohl! 


8 
Scene 9. 


Lorenzino. Catarina Ginori, Maria Soderini. 
Catarina dbbeſtürzt und aufgeregt). 
Was ging hier vor? Ein wirr Getöſe kam 
Wie Unheilsbotſchaft in das Frauengemach! 
Du haſt die Mutter ſehr erſchreckt, Renzino, — 
(leifer.) Und bleich und ſchwach iſt fie ſeit ein' ger Seit. 


Corenzino. 


Ihr werdet Euch daran gewöhnen müſſen! 
Man höhnt mich, daß kein Schwert ich ſehen kann, 
Ich lerne fechten! — 


Maria. 


Mein verlorner Sohn! 
Mit welcher Laſt beſchwerſt Du meine Jahre, 
Und drückſt mich tief und tiefer in das Grab! 
Wie freut' ich mich, als Du von Deinen Büchern 
Dein liebes Haupt erhobſt, um auszuſeh'n 
Ein wenig nach der wahren, großen Welt, 
In der Du auserkoren warſt, die Rolle 
Der Beſten, Sdelſten zu ſpielen! Sieh, 
Mit Deinem Wiſſen, Deinem treuen Herzen, 
Das Du als Kind der Mutter oft gezeigt, 
Sah ich im Traum Dich hoch wie Keinen ſtehn — 
Der Glanz, der Stolz, die Ehre des Jahrhundert's! — 
— O daß es ſtill in dieſem Raum noch wäre, 
Daß Du gebeugt noch ſäßeſt über Büchern, 
Dir ſelbſt zur Luſt und Andern nicht zum Leid! 
Statt deſſen tönen wirre Klageſtimmen 
Aus dieſer Stadt herauf zu dem Palaſt: 
Die Edlen ſagen: Du verführſt den Herzog 
Und habeſt ihn in Blut und Wein berauſcht; 


Der Spötter lach: „Er floh vor meinem Schwert!“ — 
— Man warf den Medici ſchon alle Laſter 
Vor, Feigheit war noch neu — Du biſt auch feig! 
Die Mütter klagen: „Er verführt die Jungfrau'n; 
Des Weibes Ehre, ein gehetztes Wild, 
Dient ihm als Jagdluſt und als Waidmannsſpiel!“ 
Die Väter rufen: „Gib die Söhne wieder, 
Die er in Kerker, Tod, Verbannung trieb!“ 
Und andre Stimmen klagen ſchrecklich an — 
Vor dieſer Reinen (auf Catarina deutend) 
mag mein Mund nicht nennen, 

Das Fürchterliche, deſſen ſie Dich zeih'n! 
Doch Alle fordern ihr geſtörtes Glück | 
Surück von mir, die Dich an's Licht geboren, 
Damit Du Unglück brächteſt, Finſterniß! — 
— Schon lange flieht der Schlaf mein Lager; mit 
Gerung'nen Händen ſitz' ich weinend da 
Und frage Gott, wie er es dulden kann, 
Daß Einer ſoviel Unheil bringen dürfe, 
Der bringen konnte Friede, Glück und Licht! 

\ (Sie verhüllt ihr Antlitz.) 


Corenzino. 
Ihr reißt das Herz mir aus dem Buſen, Mutter! 
Doch könntet Ihr in dieſes Herz mir ſehn, 
Nicht ſo zerriſſet Ihr's mit Euren Klagen! 
Ihr irrt Euch, wenn Ihr mir die Bilder zeigt, 
Die Ihr Euch malt, als wären ſie mein Werk! 
Florenz war reif, zu werden, was es iſt, 
Wie hätt' es ſonſt All' das geſchehen laſſen! 
Derflagft den Sommer Du, weil er die Roſe 
Serblättert und die Frucht zum Falle bringt? 
Ich bin ein Werkzeug nur in Gottes Hand, 


BE TO RAR 


Das er noch braucht, um dann es fortzumerfen, 
Dinab in der Unendlichkeiten Schooß! 

Was klagen nur die Florentiner? Leiden 

Sie ſchuldlos, warum rächen fie ſich nicht d 

Bin ich nicht ſterblich? Geh' ich wie ein Landsknecht 
In Eifen und mit Schild und Speer einher! 

Der Klägerin wie Du, ſowie dem Dolch 

Des Mörders ſteht der Weg frei zu der Bruſt, 

Die Du nicht guter Regung fähig hältſt .. 

Du triffſt den Pfad — warum nicht auch der Dolch? 
In jedem Haufe lad’ ich mich zu Gaſt, 

Trink' ſeinen Wein und küſſe ſeine Mädchen, 

Wer gibt mir Gift? Wer wehrt mir meinen Pfad? 
Sie beugen ſich und ſind's zufrieden ſo! — 

Florenz iſt feig! Mich widert's an! Und fände 

Sich Einer heute, der einmal gehört 

Das Ammenmährchen vom Tyrannenmord, 

Bekäm's nicht aus dem Kopf — und macht' es wahr — 
— Sie holten ſich den Hippolyt von Rom, 

Wär dieſer todt, fo ſchüfen fie ſich Einen, 

Vor dem ſie ducken könnten, ſpeichellecken 

Und brächten Weib und Kind ihm noch in's Haus! — 
Was wollt Ihr, Mutter? — 


Catarina. 
Corenzino, wo 
Haft Du die Weltverachtung doch gelernt ? 


Corenzino. 
Du fragſt, Cattinchend In der Welt! 


Catarina. 
Die Welt 
Trägt doch noch Sure Mutter, eine Frau, 


ur 9 


An die ſich kein Derläumder noch gewagt, 

Rein wie die Sonne, gut, wie Du einſt warſt! 

Und wenn ich ſelbſt in ſolcher Reinen Nähe 
Mich nennen darf — ſo trägt die Welt auch mich, 
Die keines Makels, Fehls, ſich noch bewußt! 


Corenzino (Beide an fich ziehend). 
Cattina, ja, wär' alle Welt verpeftet, 
Ihr müßtet mir den Glauben wiedergeben, | 
Sie ſei geſund! 

O ſeht doch auch in mir 
Nur einen Kranken, der im Fiebertraum i 
Sich ſelbſt nicht kennt, und, wenn das Fieber weicht, 
Sich ſchämt, wie wirr er, als er krank, geredet! 
Doch was mein Fieber iſt, das wißt Ihr nicht, 
Derfteht auch nicht die Fieberphantaſie'n, 
Und auch mein Arzt kann nur ich ſelber ſein! 
(weich.) 

O gute Mutter, gebt mir Eure Hand 
Und ſchaudert nicht zurück, weil Blut an ihr, 
Weil fie vom Weinrauſch wilder Orgien duftet: 
Es fließt ein Quell, der badet Alles rein! - : 
— Ich bin nicht der Lorenzo, den Ihr ſeht, 
Bin nur mein Schatten, nur des Aechten Schemen! 
Doch ſeid getroſt, der Aechte iſt nicht todt. 
Er wird Euch einmal noch zurückgegeben, 
Und, Mutter, dann, dann ſegnet Ihr den Sohn! 


— 


Maria. 
O ſchlüge ſie doch ſchon, die Segensſtunde! 
(Lorenzino geleitet die Frauen hinaus.) 
Verwandlung. 
Die Piazza della Signoria mit dem Palazzo Vecchio wie im 3. Act. 


1 


Scene 10. 
Seidenhändler. Goldſchmied. 
Seiden händler. 
Nun Gevatter, Ihr ſeid ja grau geworden, ſeitdem 
Ihr den letzten Lanzenſchaft in den Rippen gefühlt! 


Goldſchmied. 

Vor Aerger! Andere werden vor Aerger gelb, die 
Galle tritt ihnen über, mir hat Aerger und Sorn das 
Naar gebleicht! — Meinen Neffen Carlo haben fie in die 
Verbannung geſchickt! Er mußte ſich in einem Städtchen 
aufhalten, wo die Malaria herrſcht. Er iſt glücklich! 


Seiden händler. 


Wie fo, Gevatter ? 
Goldſchmied. 


Er iſt todt! 
Seiden händler. 


Armer Carlo! 
Goldſchmied. 

Andere Verbannte ſterben an Gift in der Fremde. Die 

Köche des Herzogs kochen in ganz Italien. 
Seidenhändler. 

Und wie hat man bei uns gehauſt! Wer weiß von 
der alten bürgerlichen Ordnung noch! Gonfalonier und 
Signoria find dahin. Die Eintheilung der Stadt in Quar— 
tiere, auf der die alte Verfaſſung beruhte, iſt aufgehoben, 
damit die Häupter der Viertel nicht mehr Widerſpruch gegen 
des vo Thun und Treiben erheben können. 


Goldſchmied. 
Der Unterſchied in den Sünften iſt vernichtet. Uralte 


Herkommen im Handumdrehen abgeſchafft und jeder Schuh- 
flicker iſt jetzt dem beſten Goldarbeiter gleich. 


ur OU m 


Seidenhändler. 
So ftellen fie eine Republik mitten im Tyrannen⸗ 
ſtaate her! 
Goldſchmied. 
Und nach dem Frieden von 50 hatte man uns eine 
vortheilhafte und gediegene Derfaffung verſprochen. Naiſer 
und Pabſt hatten ſie ſchriftlich und urkundlich zugeſagt. 


Seidenhändler. 


Und als uns ftatt der Verfaſſung der Herzog geſchenkt 
wurde, da ſandte das Parlament den Palla Rucellai und 
den Francesco Dalori mit einem Briefe an den Kaifer ab, 
um ſich für den Herzog ſchriftlich und wörtlich ſchön zu be- 
danken! Iſt das glaublich d 


Goldſchmied. 
Dieſelben Florentiner, die ihre Stadt bis zum HBunger- 
tode gegen Kaiſer und Pabſt vertheidigten. — In ein paar 
Jahren ſind aus Löwen Mäuſe geworden! 


Seidenhändler. 

Und zum Kaifer, zum ſpaniſchen Karl hält es dieſer 
Aleffandro! Wann hat je Florenz zu Spanien gehalten d 
War's nicht immer franzöſiſch geſinnt und mit Frankreich 
verbunden! Die Allianz mit Frankreich war unzertrennlich 
von der altflorentiniſchen Freiheit! Die Herzen der Floren— 
tiner ſchlugen höher bei dem Worte Frankreich! Sagte 
man doch: Schneidet ein florentiniſch Herz mitten ausein- 
ander, und Ihr findet eine goldene Lilie“) darin. 


Goldſchmied. N 
Das Neueſte iſt, daß er uns unſer geliebtes Toscaniſch 


) Wappen von Frankreich. 


a 


zu reden verbieten, und Gott weiß, welches Kauderwälſch 
einführen will. 


Seiden händler. 
Das wundert mich nicht; iſt er doch ſelbſt kein Florentiner! 


Goldſchmied. 
Weiß er denn, wo er her iſt! Aber das Florentiniſche 
auszurotten, das wird ihm nicht gelingen! 


Seiden händler. 
Seht Gevatter, da kommen die aus dem Hauſe Strozzi. 
Sie belauſchen uns. Gehen wir an unſre Geſchäfte. 


Gold ſchmied. 
Sie dürfen uns hören. Sie ſind der Freiheit geneigt! 


Seidenhändler (im Abgehen, leiſer). 
Die wollen Alle nur herrſchen und am Ruder fein 
Wären ſie dran, ſteuerten ſie auf dieſelbe Tyrannei los 
wie der Herzog, den fie haſſen! 


Scene 1. 


Vorige. Pietro und Tomaſo Strozzi. Volk naht nach und nach. 


Tomaſo 

(der ſchon eine Weile gelauſchth). 
Hörteft Du, Pietro, dieſe Wackern reden! 
So ſpricht man von den Medici! Bei Gott, 
Läßt ſich von ihrem Haus nicht Beſſeres fagen, 
Als jetzt der Volksmund ſpricht, wär's beſſer wohl, 
Man hätte niemals ſie, als ſo gekannt! 
Wenn wir nur wollten, ſtünd' das Volk zu uns! 
Kein Unbeleidigter iſt in der Stadt — 
Ein einz'ger Sturm fegt den Tyrannen weg! 


2 a 


Pietro. 
Kein Meer, kein Euripus hat fchnell’re Ebbe 
Und Fluth, als Volk, als florentiniſch Volk! 
Ich zähl' nur auf mich ſelbſt! — 


Scene 12. 
Vorige. Gfficiere der Leibwache und Garden des Herzogs. 


Officiere (zu den Strozzi). 


Ihr ſeid verhaftet! — 


Im Namen unſres Herzogs Aleſſandro. 


Pietro. 
Wenn Ener Herzog, meiner nicht! Gebt Raum! 
e 
Die Strozzi frei! 
Was thaten ſie! 
Laßt los! — — (Aufruhr). 


Officiere 
(ſich wehrend, und beruhigend). 
Salviati ward in finſtrer Nacht erſchlagen, 
Und klagte ſterbend Strozzi's Söhne an. 
Laßt los! (Leiſer) Mich zwingt die Pflicht! 
Pietro. 
Dabt Ihr Beweiſe, 
Daß wir ihn ſchlugen d 
Officiere. 


Strenge nach Geſetz 
Wird das Verhör ſein. 


Er 
Volk. 
Geht nicht, Strozzi, geht nicht! 


Sie foltern Euch! — Sie zwingen zum Geſtändniß 
Mit Schrauben Euch und gräßlicher Tortur! 


Pietro. 
Wir ſind die Strozzi! — Frei und ſtolz und alt 
Iſt unſer Haus, wie das der Medici. 
Führt vor den Rath der Swölf uns, ſind wir ſchuldlos, 
So wird uns ficherlich kein Haar gekrümmt! 


Officier. 
Ich führ' Euch hin. Gebt Raum! 
A Volk (fie begleitend). 
Den Strozzi Heil! 
Verwandlung 
Scene 13. 


Großer Saal im Palazzo Strozzi. Die Derfchworenen. Es bilden 
ſich alsbald zwei Gruppen, von denen die Eine, je bei dem Geſproche— 
nen, die Andere bekrittelt und verlacht, da Uneinigkeit und Mißgunſt 
zwiſchen den Verſchworenen herrſchen. 
In der Mitte des Saales ein großer Bankettiſch mit Wein, Früchten 
und Pocalen. Lichter Luiſa Strozzi, als Haustochter, bedient die 
GSGeäſte. 


Gruppe rechts. Gruppe links. 
Galeotto Guigni \ Doctoren Bartolommeo Dalori 
Salveſtro Aldobrandini | des Rechts Paolo Antonio Soderini 
Jacopo Hardi, Geſchichtsſchreiber Luigi Alamanni 
Lorenzo Carneſecchi Filippo Parenti 
Dante da Caſtiglione Antonio Berardi 
Anton Francesco degli Albiz zi 


Francesco Pazzi 
(Alle in Mänteln.) 


or Take 


Bart. Dalori 
(eintretend begrüßt die Andern). 


So leben denn die Seiten wieder auf, 

Da Männer ſich in Caſſius' Haus verfammelt, 

Um abzuſchütteln unverdiente Schmach! 

Ihr Alle, Freunde einſt der Medici, 

Für die geblutet Ihr, gekämpft, gelitten, 

Seid Ihr vereint, von Euch das Joch zu werfen, 
Das Gleichberechtigten ſie auferlegt! 

Willkommen all! Wo iſt der Herr des Haufes d 


Cuiſa. 
Befremdet ſeht Ihr mich! — Ich zittre ſchon 
Wenn länger als gewohnt der Vater bleibt. — 
Pietro und Tomas ſind noch nicht zurück, 
Gott ſchütze ſie! — 


Haller! 
Laßt uns indeß berathen! 
Beſchwerden ſammeln und dann Abhülf' ſuchen! 
Was jagt Ihr, Nardi! 


Nar di (der Geſchichtsſchreiber). 


Wenn das Jetzt wir tadeln, 
Geziemt ſich wohl ein Rückblick auf das Sinſt! — — 
— — Einſt ward Florenz regiert durch feine Bürger, 
Auf Shre, Stimmrecht, gab die Arbeit Anrecht: 
Im Bienenftaat war ehrlos nur die Drohne! 
Doch Fleiß und Kunſtſinn ſchuf uns Macht und Friede, 
Ein Amt ward dem, der ein Gewerbe trieb, 
Der für's Gemeinwohl leiſtete und ſchuf. — 
Da nahm ein Jeder regen Antheil an 
Des Staats Geſchick zu Kriegs- und Friedenszeit; 


en, age 


Corenzo war's, der ſelbſt den Volksſinn antrieb, 
Für ſich zu ſorgen, ſorgend für den Staat. 

Er wußt' es wohl, daß alle freien Reiche 

Von jeher ſtürzten — ward nur Siner mächtig! 
Damals zog Freude, Glück und Gold hier ein, 
Stolz war der Bürger auf die Vaterſtadt, 

Und ganz Italien ſtolz auf ſein Florenz! — 


Guigni. 
So war's, ſo war's! 

Gar Ol. 

In alle Länder zogen 

Die Händler von Florenz; bis an den Nil 
Die Schiffe, und Tribut aus allen Landen, 
Vom Türfenfultan ſelbſt, ward ihm gebracht, 
In deſſen Hand das Loos lag von Nationen! 


Carneſecchi. 
So ſchön, fo ſtolz, jo groß war einſt Florenz! 


Ware 
In ſeine Seide kleideten ſich Fürſten, 
In feine Sinnen zarte Königstöchter, 
Ein Sohn von ihm gab neuem Land den Namen!“) 
Es wuchs und dehnte fich, ſowie ein Kind, 
Dem längſt die alte Tracht zu eng geworden: 
Aus Kloſtergärten ſtiegen Straßen auf, 
Und ſeinen Bürgern konnte man vertrau'n! 
Das ſchlummernde Talent erwachte bald 
Don des Lorenzo weiſem Sinn geweckt, 
Und ſchuf die Werke, die der Nachwelt Staunen! 
Der Grieche bürgerte bei uns ſich ein, 


) Amerigo Despucci. 
7 * 


— 100 — 


Ein herrliches Idiom uns heimiſch machend, 
Und er vermißte kaum die eigne Heimath. 
Und all dies Große that ein Medici, 
Um deſſen Gunſt ſelbſt Kaiſer ſich bewarben. 
Der elfte Ludwig gab die Ränke auf, 
Um ſich Lorenzo's Freundſchaft zu erringen, 
Aus fernem Ungarn kam ihm Freundeslob!“) 
Valori. 
Es war ein großes, doch ein kurzes Glück, 
Windſtille Ruhe war's vor dem Gewitter! 
Soderini 
(zu feinem Nachbarn, hämiſch). 
Der Vardi übt ſich nur für ſein Geſchichtswerk, 
Was gilt's, er hat die Rede ſchon gedruckt! 


Tao. 
Wie's heute mit Florenz fteht, wißt Ihr Alle. 
Es ſpricht's das Volk auf jeder Gaſſe aus, 
Wenn nicht der deutſche Söldner es vertreibt! 


Dalori. 
Nach Willkür wird ein jedes Amt vertbeilt, 
Nicht als Belohnung mehr und nach Verdienſt! 


Aldobrandini (zu feinem Nachbarn). 
Ihn wurmt's, daß er nicht alle Amter hat, 
Die Lohn und Einkunft geben; er vereint 
Habgier und Geiz von ganz Florenz in ſich! 


Wee 
Den edlen Häufern wird die Stellung vor: 
Enthalten, die nach altem Recht gebührt. 


) Mathias Corvin. 


— Wi — 


Nardi. 
Von jeher war Florenz ein freier Staat; 
Wer fonft Veränd rung vorſchlug am Geſetz 
Derfiel dem Tod! 


Mali 
Und was ſteht heute noch? 
Viertauſend Stimmen gaben ſonſt Entſcheidung, 
Deut’ ſprechen Swölf des Herzogs Willen nach! 


Paz zi. 
Wir wollen Botſchaft ſenden an den Kaifer, 
Ihn mahnen an den heiligen Vertrag, 
Den er im Jahre 30 uns beſiegelt. 
Als Haupt nur kam der Fürſt, nicht als Tyrann! 


Valori. 
Bei Gott, wir werden ſehn, ob Aleſſandro 
Die edlen Florentiner leichter kann 
Entbehren, als die edlen Bürger ihn! 


Nardi. 
Wann ward durch eine Feſtung noch Florenz 
Beherrſcht? Mit deutſchen Kugeln ſchießt er wohl 
Beim kleinſten Aufruhr unſer Volk zuſammen! 


Pazzi. 
Wir wollen uns an Clemens bittend wenden! 


Dante da Caſtiglione. 


Vor allem laßt den Pabſt mir aus dem Spiel! 
Don ihm ja kommt der Herzog! Alles Schlechte, 
Gott ſei's geklagt, kommt von Sanct Peter's Sitz! 
Wird er nicht uſurpirt von ſolchen Hirten 

Die ewge Schande find des Chriſtenthums! d 


— 102 — 


Denn Wolluſt, Geiz allein, und Tyrannei, 

Sie ſind in ew'gem Streit in ihrer Bruſt 

Und all ihr Denken iſt darauf gerichtet, 
Baſtarde, die ſie zeugten, zu erhöh'n, 

Und ihnen Land, Ducaten, Würden zu: 
Derleih’n! Ja, ohne Scham beſchenken fie 
Noch deren Lieblinge mit Pfründen, machen 
Aus ihnen, ihrer Sippe Cardinäle, 

Verkaufen Biſchofsſitz und Privileg, 

Erhöh'n den Niedern, ſtürzen um das Geld 
Den Ehrlichen, verkehren das Geſetz! 

Derrath begleitet fie durch's ganze Leben, 

Ihr liebſtes Spielzeug iſt noch Dolch und Gift! 
Sie ſäen Unheil unter Chriſtenfürſten 

Und ftacheln fie zu Treubruch und zu Krieg, 
Nicht achtend, daß dadurch der Türke groß wird, 
Und jeder Feind der heil'gen Mutter Kirche! — 
Doch einſt wird aufgedeckt der Wandel ſein 
Der Päbſte, jed' Verbrechen wird bekannt; 
Dann wird das irrgeführte Volk der Chriſten 
Aufſtehn, und die bekehrte Welt wird ſehn! — 
Und einen Pabſt wollt Ihr um Hülfe bitten, 
Den Clemens bitten gegen ſeinen Sohn, 

Den Baſtard Aleſſandro! Falſche Hoffnung! 


Parenti. 
So bleibt noch Eins: An Hippolyt zu ſenden; 
Er ſoll erlöſen uns von feinem Vetter! 
Wir wollen lieber ihn als Jenen tragen, 
Er ift des Herzogs Feind von Jugend auf 
Und wünſcht Nichts ſehnlicher als feinen Tod! 


Nardi. 
Doch ſind wir außer Stand, uns zu beklagen: 


5 
u a a re nr Diss ı = 


— 103 — 


Die Thore ſind geſchloſſen, und kein Bote 
Verläßt die Stadt, den nicht der Herzog ſendet! 


f Carnesecchi (ernfthaft). 
Wählt Corenzino, der iſt dumm und harmlos, 


Wir können ihn am Gängelband dann führen! 
(Gelächter.) 


Scene 14. 


Die Vorigen. Filippo Strozzi erſcheint bei den letzten Worten in der 
Thüre. Er iſt ſehr ernſt und düſter. 
Filippo. 
Der Lorenzino täuſchte manchen ſchon! — 
Und müßt Ihr denn Euch einen Herrn erwählen d 
Und müßt Ihr's, warum nicht aus Eurer Mitte d 


Dalori (zu feinem Nachbarn). 
Was gilt die Wette, daß er felbft ſich meint? 


War ol. 
Was ſchaut Ihr finſter wie ein Römer drein, 
Filippo Strozzi d 


Cuiſ a (ihn umarmend). 
Endlich kehrt Ihr heim, 
Mein Vater! Sagt, wo find die Brüder d 


Filippo. 
Die Brüder! Kind! Du mußt den Herzog fragen. 
Sie find verhaftet! — — 
(Große Bewegung. Alle umringen Strozzi.) 


Luiſa. 


Weh, verhaftet, und 
Weßhalb, mein Vater! 


2 


— 104 — 


Filippo. 
„Weil ſie Recht ſich ſchufen, 
Wo Recht verweigert wird — “] fo ſagt das Volk. 
Ich weiß es nicht! Wenn ſie Salviati ſchlugen, 
Geſchah's, weil er, Suifa, Dich beſchimpft, 
And jenen Schimpf der Herzog gutgeheißen! | 


Cu iſa. 
Die Brüder im Gefängniß, o mein Gott! 


Filippo. 
Nun fallen ſchon die Sweige mir vom Stamm, 
Bald ſteh' ich da, wie ein entlaubter Baum, 
Umbrauſt von harten Winters wilden Winden, 
Und all mein Leben war das Blüh'n nicht werth. 


Verſchworene 
(tumultuariſch, wild durcheinander). 


Auf, Brüder, eilen wir vor den Palaſt 
Der Signoria! 

Laſſen Sturm wir läuten! 
Das Volk bewaffnet! Brecht die Kerker auf! 
Befreien wir des edlen Filip Söhne! 
Befrei'n wir Pietro und Maſaccio! — 


Filippo. 
Halt! 
Ihr guten Freunde! Was denn könnt Ihr thun d 
Mit taufend Mann hält der Vitello Wacht 
Vor dem Palaſt und von der Citadelle 
Serſtreut ein Feldgeſchütz das ganze Volk! 
So geht's nicht an! Laßt ruhiger uns berathen. 


Scene 15. 


Aleſſandro und Lorenzino hinterdrein kommen mitten in den aufgereg⸗ 
ten Streit und Lärm. (Gefolge.) Vorige. (Große Beſtürzung). 
Aleſſandro (heiter). 
Ich grüß' Euch, edle Herrn! Wie aufgeregt! 
Was war der Gegenſtand ſo heft'gen Streits d 
Was gilt's, es ſtritt die Blüthe von Florenz 
Sich über Ariſtoteles und Plato, 
Wer größer ſei! Eh' eint ſich ganz Italien, 
Als zwei Gelehrte in dem Punkt ſich einen! 
(zu Filippo.) 
Nicht, Strozzi — Vater der Gelehrſamkeit? 


Filippo 
(abwehrend, will aufbrauſen). 

Dalori. 
Nicht Längſtvergangnes hat uns jetzt beſchäftigt, 
Mein Fürſt! Der Jugend und der Gegenwart 
Galt unſer Denken! Bier Filippo Strozzi 
Verlobt ſein liebſtes Mädchen meinem Sohn, 
Der noch im Ausland weilt! Dem gilt das Feſt! 


Aleſſandro. 
So freut's den Fürſten, daß er Feſtgeſchenke, 
Und fürſtliche, ſogleich Euch mitgebracht! 


(Er winkt.) 
Scene 16. 
Vorige. Tomaſo und Pietro Strozzi. 
Aleſſandro 


(auf ſie hinweiſend). 


Hier, Eure Söhne! 


— 106 — 


To maſo 
(Filip und Luiſa umarmend). 


Wir ſind frei! 


Pietro (leifer). 
| Sie konnten 
Uns nichts beweiſen! a 
Cu iſa 
(fie wieder und wieder umarmend). 
Theure, liebe Brüder! 


Aleſſandro (bedeutſam). 
Dalori, Strozzi, Ihr müßt ſchnell nach Rom! 
Als Boten ſend' ich Euch zum neuen Pabſt, 
(Bewegung.) 
Ihm meinen Gruß und Glückwunſch zu beſtellen. 
Clemens iſt todt und Paul Farneſe Pabſt! 


Nardi (zu feinen Nachbarn). 
Iſt Clemens todt und Paul Farneſe Pabſt! 
Wie wird Farneſe für die Qual ſich rächen, 
Daß Clemens ihm der Jahre zehn geraubt, 
Da Clemens Pabft war — und Farneſe Nichts! 

Aleſſandro. 
Drum ſend' ich Euch, daß den Farneſe Ihr 
Mir günſtig ſtimmt! 
Dalori (unterthänig). 
Wir reifen, hoher Fürſt! 


Filippo (leife). 
Der Schachzug nützt Dich Nichts! Wir geh'n — für uns! 


Aleſſandro (zu Luiſa allein). 
Sieh, Luiſetta, holdverſchämte Braut! (Sie zittert.) 


— 107 — 


O fürchte Nichts! — Komm näher. Wie ein Stern 
Im Nahen heller, glänzender erſcheint, 
So wirſt Du ſchöner, wenn Du näher kommſt! 
(flüſternd.) 
O Mädchen, das was ich bei Dir gefühlt, 
Das fühlt' ich noch bei andern Frauen nie! 
Es reizt mich Dein zurückgeſchlagner Blick, 
Der faſt Dich ſelbſt nur, Andre nie beſchaut. (Laut.) 
Ich will Dich ſchützen, bis Dein Vater heimkehrt, 
Leicht bricht ein Glas, wie Du biſt, in Florenz! 
(zu Filippo.) | 
Ich weiß ein Klofter nah bei San Miniato, 
Wo edle Vonnen ſeh'n auf Sucht und Sitte. 
Dort ſend' Cuiſa hin, bis heim Du kehrſt, 
Und fie der Bräut' gam holt in's eigne Heft! 
Dort iſt ſie ſicher! 


Filippo. 
Sei es, wie Du ſagſt! 


Corenzino (zu Aleſſandro). 
Wie eine Taube in des Marders Höhle! 


Aleſſandro (leife zu Lorenzino). 
Die Feigen! Die noch jetzt Verſchwörung planten, 
Mit Amt und Würden kirr' ich ſie zu mir! 
Corenzino. 
Ehrgeiz und Geiz! Swei Florentiner Laſter, 
Vom Mutterleib den Sdlen beigeſellt! 
Wer jenen ſchmeichelt, der gewinnt ſich Alles! 
Aleſſandro. 
Lebt wohl, Ihr Nerr'n! Ich will Euch wohl! Komm, Lenzo! 


— 108 — 


Corenzino.“ 


Ich folg' Euch, edler Fürſt! — 
| (Aleſſandro und die Seinen ab.) 


Scene 17. 

Vorige, ohne Aleſſandro. (Von Lorenzino, der bleibt, wenden ſich alle mit 
Abſcheu und Derachtung ſobald er ſich Einem nähert. Er blickt 
endlich aus einer Ecke Luiſa ſtarr, wehmüthig an.) 
Filippo (zu Valori). 

Geht Ihr nach Rom d 

Maher; 
Wie ſollt' ich nicht? Der Auftrag ehrt und nützt! 
Ich war Legat des Clemens der Romagna, 
Und laß' mich nun vom Dritten Paul beſtät'gen! 


Filippo (beifeite). 
So geh' auch ich! Doch nicht, wie Du, verwandelt, 
Vom Todfeind in den feig ſervilen Knecht — 
— Um die Verbannten all' um mich zu ſchaaren, 
In Rom zu werben für die heil'ge Sache, 
Und, Daterftadt, Dich glorreich zu befrei'n! 
Mit Clemens, Medici, verſank Dein Stern, 
Farneſe haßt Dich, ihn erhöht Dein Sturz, 
Und auf den Trümmern nur der Medicäer 
Erklimmt den Gipfel er der höchſten Macht! 


Maler 
Auf Glück und frohe Fahrt, Filippo! 
(Alle trinken. An den Seſſel der Luiſa tritt ein fremder Diener. 
Sie flüſtern.) 
Filippo (ſtöſt an. Dann) 
Ihr, 
Maſo und Pietro, wahrt die Schweſter wohl! 
Kein Kloſter ſchützt ſie beſſer als die Quadern, 


— 109 — 
Die zum Palaſt Majano's“) Hand gefügt! 
Ihr ſteht mir für ihr Leben! 
Cuiſa (ſinkt um). 
Weh, mein Vater! 
Filippo. 
Was iſt Dir, Kind? 
Cuiſa. 
Ich glaube, ich muß ſterben! 
Filippo. 


Willſt Du des alten Vaters Herz zerreißen d 
Verlaß' mich nicht! 


Dalori. 
Wie bleich fie tft! 

Cuiſa. 

Das iſt 

Der Tod, der haucht der Wangen Roſen fort. 
a Dalori. 

Reißt Ihr das Mieder auf! 

Nardi. 


Holt einen Arzt! 


To maſo. 
Das iſt des Herzog Aleſſandro Gift! 


eins 
Das iſt es nicht! Das iſt Salviati's Gift! 


Tomaſo. 
Salviati war nur Aleſſandro's Kuppler, 
Er warb Cuiſen für des Herzogs’ Bett! 


*) Baumeiſter des Palazzo Strozzi. 


— 110 — 


Rufe der Verſchworenen. 
Tod dem Herzog! Tod den Medici! — — — 


Suifa 

(winkt Ruhe mit der Hand und erhebt ſich. Alle ſchweigen). 
Sie haben mir in dieſen letzten Tagen 
So viel des Gifts mit ihren ſüßen Worten 
In's Ohr geträufelt — — nun den Tropfen noch — 
So daß die kleine Urne überquillt! — 
So jung, verlobt, den Fuß erſt auf der Schwäle 
Su ungefanntem Glück und fchon in's Grab! 
Lebt wohl, mein Vater! (ftirbt.) 


49 40 S 
O Du treulos Kind! 
Ich gab Dich in der Brüder treue Wacht 
And ſchloß Dich hinter fefte Mauern ein — 
Da ſchlich ſich leiſen Tritts Dein Bräutigam, 
Der Tod, heran, und dem biſt Du gefolgt. 
Ein Klofter fandft Du, das nicht Rückkehr kennt! 


Tomaſo (wirft fi} über fie). 
Suifa, Schweſter, ach, auf Deinem Antlitz 
Erſcheint der Tod uns ſelbſt noch liebenswürdig! 


i 
Geht! Laßt mich Alle! Laßt die Rache ſterben, 
Sowie mein Kind! Sie weckt es doch nicht auf! 
Vergeßt, was wir geplant! Derlaft Florenz. 
Miſcht Euch zu den Verbannten. Geht nach Rom! — 
— Ich war ein Pflaſterſtein Dir, Daterftadt, 
Ließ treten mich, daß Andre weiter könnten, 
Nun bin ich ausgehöhlt und alt und fchartig, 
Nun werft mich weg — deckt mich mit Erde zu! 


— 111 — 


— Geht alle, Pietro, und auch Maſo, Du! 

Ich will allein mit dieſer Todten ſein 

Und lauſchen, was mir für Gedanken kommend 
Vielleicht ſo wilde, ſo entſetzliche, 

Daß ſie das arme Hirn nicht faſſen kann, 

Und Denken ausläßt und den Wahnſinn ein! 
Geht, laßt mich! 


(Alle gehen ab, außer Lorenzino.) 


Scene 18. 


Filippo, trägt die Leiche der Luiſa in die Mitte des Saales, kniet auf 
den Boden und nimmt fie in den Schooß. Lorenzino, noch immer 
in ſeiner Ecke, zuſchauend. 


ii 

Da halt' ich Dich, Du Augentroſt. Du Seele 
Don meiner Seele! Und was biſt Du nun d 
Der Augen Schreckbild und ein ſeellos Ding! — 
Weßhalb denn ſterbend Weil dem Herzog Du 
Und dem Salviati nicht zu Willen warſt d 
Was warſt Du's nicht!! Du lebteſt dann noch jetzt, 
Wärſt luſtig, wie ein Freudenmädchen und 
Wer wüßt' es, daß Du eines wäreſt! — Ich! 
Vorm alten Vater birgt man ſolche Schmach! 
Schmach! Iſt's denn Schmach! Es ſind nur andre Worte, 
In denen dann die Menſchen von Dir reden! 
Du ſelber biſt dieſelbe noch — verändert 
In gar Nichts als im Wort im Menſchenmund! 
Und wegen eines Wortes ſterben! Hahaha! 
Die Welt iſt luſtig wie ein Narrenhaus, 
Was ſollten traurig in der Welt wir ſein. 

(Er rauft ſich das Haar. — Lorenzino kniet neben Beiden hin.) 


Iſt hier denn wer! Ich hieß Euch gehn! Wer hat 


— 112 — 


Ein Recht an meinem Schmerze ſich zu weiden d 

Und zuzuſeh'n, wie langſam ſich Vernunft 

Su Wahnſinn kehrt, und wie ein ſtolzes Haus, 

Das durch Jahrhunderte für edel galt 

Serfällt, und Schmach und Schande ſind die Trümmer! 
(Er bemerkt den Lorenzino.) 

Da, Ungeheuer Du, mein Liebling einſt, 

Den ich genannt, wenn ich die Söhne nannte! 

Tyrannenfreund! Giftmiſcher wohl vielleicht — — 

d (Er will ihn erwürgen.) 


LCorenzino. 
Nur das nicht, Filip! Nenn mich wie Du willſt, 
Tritt mich mit Füßen, ſtrafe mich in's Antlitz, — 
An dieſer That ſind meine Hände rein! 
(Lorenzo weint.) 


Filippo 
(läßt ihn los und nimmt ſein Kind wieder). 


Du weinſt! Lorenzo! — 


Corenzino. 
Ach, mein alter Vater! 
Und hätt' ich dieſen Engel nicht geliebt, 
Wie ſäh' ich ſolchen Anblick ſonder Thränen! 


Filippo. 

Du konnteſt lieben! 
Korenzino, 

Glaubſt auch Du mich fchlecht! ? 
O haltet, Filip, Ihr mich nicht für herzlos! 
Gedenkt der Seit, da wir zuſammen laſen 
Die edlen Werke ſtolzen Römerthums: 
Du ſchwurſt, Du würdeſt niemals ein Tyrann, 


— 113 — 


Ich ſchwur Dir Tod, wenn Du es jemals würdeſt! — 
Und glaubſt Du, Aleſſandro ſei mir mehr 
Als Du d (Paufe.) 


Filippo. 

Su ſpät enthüllſt Du Deine Seele! 
Mir kommt nicht Luſt noch Schmerz mehr auf der Erde! 
Einft that mir's weh, Dich fo verderbt zu ſehn, 
Sinſt hätte Deine Rückkehr mich getröſtet 
Für alle Schmach, die man uns zugefügt — — 
Ob Du Tarquin nun oder Brutus biſt, 
Tyrannen tödteft, oder ſelbſt Tyrann — 
Mir gilt's nun gleich, wie aller Lauf der Welt! 
Mein Herzblatt, meine Blüthe, meine Frucht, 
Das Bild der Gattin, als ich ſie gefreit, 
Liegt leblos hier, was ſtirbt der Baum nicht ab! d 


Corenzino. 
Mein Leben gipfelt nur in einer That, 
Iſt ſie geſcheh'n, werf' ich's verächtlich hin — 


Nur mit Cuiſa war's noch dann ein Leben! 


ei 
Kein Kind war gut wie ſie! Ein Tropfen Gel 
Kann auch in einem Flammenmeer nicht leben! 
Drum ging ſie bald aus dieſer ſchlechten Welt! — 


Corenzino. 
Einſt ſah ich fie — da wollt ich fie gewinnen. 
Im Stillen ſann ich auf die große That, 
Sie ging und nahm dem Leben ſeinen Werth, 
Und ließ nicht Seit mir, ihrer werth zu werden! 


Filippo. 
Ich war ein Weinberg! Swiſchen goldnen Blättern 
Bing, ſüßen Weines voll, die ſchönſte Traube! 
8 


— 114 — 


Die Leſe hielt ein böſes Kind, der Tod! 
Wie nach der Leſe ſteht der Weinberg leer! 
(Von draußen tönt laut Muſik herein. Glocken läuten, Dolfsgefchrei 
dringt herauf.) 
Quanto e bella giovinezza, 
Che si fugge tuttavia! 
Chi vuol esser lieto, sia, 
Di doman non & certezza! 


Holder Jugend ſüße Stunden, 

O wie find fie ſchnell verſchwunden! 
Freut Euch heute, fcheucht die Sorgen, 
Was denn wiſſen wir vom Morgen? 


Filippo. | 
Hörft Du die Glocken läuten. Das ift Sturm! 
Es rächt Florenz mein todtes Kind, Lorenzo! 


Corenzino. 
Die Glocken läuten, doch es iſt nicht Sturm —! 
Sie trauern um den hingegangnen Pabſt! 


ie 8 
Das find nicht Todten-, das find Freudenglocken! 


Corenzino. 
Es iſt das Kaiſerkind von Oeſterreich, 
Die junge Margret, die das Volk begrüßt! 
Der Kaiſer ſchickt dem Herzog ſeine Braut! 
Jetzt find es Sreuden-, bald ſind's Sed den ge 


(Der Vorhang fällt.) 


. 
Scene 1. 


Piazza della Signoria, wie im erſten Act. Michel-Angelo, der Bild— 
hauer und Maler, und Luigi del Riccio, Agent der Strozzi in Rom, 
treten auf. 


Michelangelo. 
Ihr reiſt? — 
Cuigi. 
Ja, großer Michelagnolo! 

Im Dienſt der Strozzi geh' ich als ihr Bote, 
Um Hülfe flehend, zu dem König Frankreichs, 
Der ſich zu neuem Krieg mit Spanien rüſtet. 
Vielleicht erbarmt man dort ſich unſrer Noth 


Michelangelo. 
O, daß Florenz ſich ſelbſt nicht helfen kann! 
Sagt Franz dem Erſten meinen treuen Gruß: 
Er ſolle kommen und Florenz befrei'n, 
Das einer Fieberkranken gleich, ſich in 
Den Kiffen hin- und herwälzt und vor Schmerzen 
Auf keiner Seite Ruh' zu finden weiß! 
Dann will auf dieſem Platz, auf meine Koften, 
Ich ihm ein Reiterſtandbild ſetzen, wie 
Kein röm'ſcher Imperator eins gehabt! 
Mir bricht das Herz! Auch ich, o Vaterſtadt, 
Derlaffe Dich! Ich kann aus Marmorkerkern 

8 * 


— 116 — 


Die eingeſchloß'ne Statue befrei'n, 
Doch nimmer Dich! — Ich geh' nach Rom! Fahrt wohl! 


Cuigi. 
O Göttlicher, leb' wohl! 


Michelangelo. 
Auf beſſ're Seit! 
(Cuigi geht ab.) 


Scene 2. 


Michelangelo (allein). 
O Freiheit, ſüßes und erwünſchtes Gut, 
Gewürdigt nie, bis Du verloren biſt, 
Du allen Lebens Urquell, große Mutter 
Der großen Thaten, die das Sein Du ſchmückſt 
Mit allen Blüthen und uns glücklich machſt — 
Nur wo Du weilſt, vermag Dein Sohn zu leben: 
Dein Tempel in der Vaterſtadt liegt öde — 
Sur Fremde muß ich zu Dir beten gehn! (ab.) 


Scene 5. 
Suerft Giomo und der Ungar (als Begleiter des Herzogs voraus). 


Giomo. 
Wie ausgeſtorben der Marktplatz iſt! 


Ungar. 
Wenn der Herzog ausgeht, bleiben die Bürger hübſch zu Haujel 


Giomo. 
Und die Bürgerinnen erſt! 


— 117 — 


Scene 4. 


Dann Aleſſandro und Lorenzino (die von 2 Seiten auftreten). Lorenzino 
von Scoronconcolo gefolgt. 


Aleſſandro (lahend). 
Lorenzo! Schlimme Botſchaft kommt aus Rom: 
Der neue Pabſt, und Vetter Hippolyt 
Sind ſchlecht auf Dich zu ſprechen! Der Gelehrte 
Molza hat wider Dich im Vatican 
Gedonnert; Du biſt vogelfrei erklärt! 


Corenzino. 
Für Sünden, die ich Such begehen half? 7 


Aleſſandro. 
Nein; weil du ein'gen Römerkaiſerbüſten, 
Die Hippolyt, der Schützer aller Künfte, 
Für Eigentum der Medici erklärt, 
Die Köpfe, wie verlautet, abgeſchlagen! 


Corenzino. 
So wenig Wolle und ſo viel Geſchrei! 
Nun, Molza wird noch andrer Meinung werden — 
(leiſe) (Wenn er erfährt wie Uebung Meiſter macht)! 
Was gehn den Pabſt die Heidenföpfe and 
Er ſoll ſich um die Chriſtenhäupter kümmern, 
Da gibt's noch allerhand zurechtzuſetzen. — 
Und was den Vetter Hippolyt betrifft — 
So hab' ich neu' re Botſchaft wohl von ihm — 
Und böſe Seitung mach' ich wett mit guter: 
Ich gratulir' Such, Herzog! 
Dippolyt iſt todt! 

Aleſſandro (überrafct). 

Mein Vetter todt! 


— 118 — 


Corenzino k(kalth). 
Wenn Such das überraſcht, 
So ſeht in mir die Ueberraſchung ſelbſt! 
Wenn Siner davon wiſſen muß, ſeid Ihr's! 
Aleſſandro. 
Warum denn ich? Renzino d 
Corenzino. 
Nun, man fagt 
In Rom, (ſo meldet's mein Courier) 
Eu'r Vater Clemens ſtarb am Gift Farneſe's, — 
An Aleſſandro's Gift ſtarb Hippolyt — 
Und findet Antwort auch auf das Warum: 
Farneſe fand des Clemens' Sitz bequem, 
Und Hippolyt den Thron des Aleſſandro — 
So ſchafft man ſich denn freundlichſt aus der Welt! 


Aleſſandro (leichthin). 
Derläumdung! Doch wie endete mein Detter? 


Corenzino 
Er kam vom Kaifer, dem er Erd’ und Himmel 
Verſprochen für das Herzogthum Florenz! 
Doch hatt' er, ſcheint's, in dieſem Spiel kein Glück, 
Drum ging er, bei der Kiebiten ſich zu tröſten! 
Giulia Farneſe heißt die ſchönſte Frau 
Italiens und des Vetters füßes Lieb! 
Es war in Itri! Er begrüßte ſie, 
Aß eine Suppe und fiel um und ſtarb! 
Aleſſandpe 
O arme Giulia! 


Gio mo (zum Ungarn). 
Ja, ja, wir wiſſen uns die Fliegen von der Naſe zu halten! — 


— 119 — 


Ungar. 

Burſche, ſteck' Deine Naſe nicht in diefe Suppe! Das 
ſind Dinge, die Dich nichts angehn! — Wer kommt denn 
dad — Ein blinder Knabe und fein alter Führer. 

Giomo. 


: Es ift Bruder Giuliano Buonamici, aus der Kirche 
der Carmine, der Wahrſager und ſein blinder Knabe. Er 
hat ſchon Manches prophezeit, was ſich ſpäter erfüllt hat! 


Ungar. 
e hat er's vorhergewußt! 


Aleſſandro. 
Wir glauben das nur, was wir ſehn, Benzino! 


Scene 5. 


Vorige. Der Wahrſager Buonamici, ſein blinder Knabe. 


Wahrſager (antwortend). 
Dann müßte mein Kind gar nichts glauben, es ſieht nichts, 
es iſt blind! Vicht wahr, Kind? 


Knabe. 


Ich ſehe einen Mann mit einer Krone und einen Mörder! — 


Corenzino und Scoronconcolo (erfchreden). 
(Wahrſager und Kind ab.) 


Scene 6. 
Dorige ohne die Beiden. 


Scoronconcolo (zu Korenzino). 
Woher weiß nun der Knabe, daß ich Einen umgebracht habe? 


oe 


Corenzino. 
Woher weißt Du denn, daß er Dich gemeint hat? 
(Er ſieht auf Giomo und den Uugarn.) 


Aleſſandro (zu Lorenzino). 
Daß er Dich nicht gemeint hat, iſt ſicher! Du kannſt ja 
keinen Dolch ſehn! 


SIEOTONCONEOND 
(auf dem Platz herumgehend). 
Seht, mein Herzog, was ſie da an die Mauer geſchrieben 
haben! Wer da leſen könnte! 


Aleſſandro (eſend). (Kreidefchrift.) 

Der läſe: „Viva Aleſſandro da Collevecchio, figliol di 
Lontadina! —“ Machen die Florentiner noch Scherze d Ich 
bin ihnen übrigens dankbar für dieſen Geburtsſchein! Hab' 
ich doch nie gewußt, woher meine Mutter ſtamme, jetzt 
ſagen ſie mir, weiß auf Stein, daß meine Mutter eine arme 
Bäuerin aus Collevecchio war! Gott hab’ fie ſelig! — 


Ungar. 


Wenn mir die Handfchrift bekannt wäre, fo könnte ich 
Euch den Urheber verrathen, mein Herzog! Aber um die 
Handſchrift zu erkennen, müßte ich leſen können, und das 
wäre ein Verſtoß gegen die ungariſchen Gepflogenheiten! 


Aleſſandro. 
Wüßt' ich den Schreiber auch, ihm wär' verziehn! 
Ich bin fo luſtig heut', mein Corenzino, 
Daß ich, ich weiß nicht welch” Vergehn verziehe! 
Lorenzino. 
Und habt doch einen Trauerfall im Haus! 


— 121 — 


Ungar (beifeit). 
Vielleicht deßhalb! 
| Aleſſandro. 
N Es ſehnt ſich nach Serſtreuung 
Mein heißes Blut! 
Corenzino. 
Dasſelbe ſagt vielleicht 
Eu'r junges Weibchen Margaret daheim; 
Wollt Ihr zu ihr? — 


Aleſſandro. 
Du tödteſt meine Laune, 
Gemahnſt Du mich an faſt vergeſſ'ne Feſſeln! 
Vergaß ich doch, daß ich ein Sh'mann bin! 


Corenzino 
O Roſe Margret! Nach der Hochzeitsnacht 
Fällſt Du verwelkt ſchon von des Gatten Bruſt! 


Aleſſandro. 
Gebroch'ne Roſen ſind nicht Roſen mehr, 
Und an der Roſe lockt mich nur die Knospe! 


Scone 7. 


Catarina Ginori (erfcheint auf dem Balcon des Palaſtes, 
ſieht auf den Platz hinab. Der Herzog erblickt fie, ſie zieht fich er— 
röthend zurück). 


Scene 8. 
Aleſſandro (während ihres Erſcheinens). 
Doch ſieh, welch Engelsbild erſcheint jetzt dort: 
Ein Abbild einſt genahter, heft'ger Liebe, 
Die, — eingeſchlummert —, neugeſtärkt erwacht, 


— 122 — 


Und ungeſtüm des Lebens Recht begehrt! 
Lorenzo, geh, und ſag' dem holden Kind: 
Sie ſei geliebt wie keine in Florenz, 
Vom Mächtigſten, vom Erſten in Florenz, 
Sie ſei das ſüße Räthſel von Florenz, 
Das ich zu löſen brenne! — 


Corenzino (zurüchaltend). 
Sie iſt keuſch, 
Mein Fürſt, und iſt die Schweſter meiner Mutter! 
(Giomo und der Ungar, wie Scoronconcolo, unterhalten ſich während 
des Folgenden im Bintergrunde.) 
Aleſſandro. 
So wird ſie umſo ſchneller Dir gehorchen! 


Korenzino (entfchloffen). 
Das glaub' ich ſelbſt! — Ich geh', fie zu beſtimmen, 
Daß ſie heut' Abend Euch zu Willen ſei, 
Und führ' Euch ſelbſt, ſobald ſie's zugeſagt. 
Doch wird ſie ſchwerlich Such vergnügen können, 
Ricciarda hat Euch allzuſehr verwöhnt — 
Cattina iſt zu einfach und zu fchüchtern — 
Ein unerfahren, kindlich, närriſch Ding! 
Aleſſandro. 
Willſt du denn gänzlich meine Laune ſcheuchen, 
Daß Du mich an die Schwätzerin erinnerſt, 
Die bei der Liebe immer „Freiheit“ ruft! 
Corenzino. 
So find ich Euch heut' Abend im Palaſt! 
Aleſſandro. 


Leb' wohl! 
Korenzino. 


Noch eins zum Schluß, mein hoher Herr! 


Habt Ihr das Panzerkleid nicht aufgefunden, 
Das Ihr am Arno in der Nacht verlort, 
Als Euch Ridolfi dort zur Ader ließ? 


Aleſſandro. 

Ich fand es nicht! 
Corenzino. 
Sehr ſonderbar! 


Aleſſandro. 
Auch kam 
Das neue, das in Frankreich ich beſtellt, 
Bis heut nicht an! 


Corenzino (leife). 

Nehmt vor dem Ungarn Euch 
In Acht! Wenn nicht ein Trug mein Auge täuſchte, 
So warf der Mann den Panzer in den Fluß! 


Aleſſandro. 
Du irrſt! Der Mann iſt treu! 


Corenzino. 


Seid auf der Hut, 
Denn Ihr habt Feinde und ſie ſchlummern nicht! 


Aleſſandro. 
Ich glaub's! Hab’ doch den Schlaf ich ihnen ſelbſt 
Geraubt! — (Bedeutfam.) 
Nun, Kiebesbote ſei bered’! — 


Scoronconcolo 
(hinzutretend, bei den letzten Worten). 


Seine Zunge iſt an Euer Lob gewöhnt, wie ein Lircus- 
pferd an feine Aufgabe — es ſcheut vor keinem Binderniß, 


— 124 — 


ſetzt mit Leichtigkeit über die vorgehaltenen Stangen der 
böſen Nachrede, und ſpringt mit Grazie durch die papiernen 
Reifen der zimperlichen, jüngferlichen Verſchämtheit! 


Aleſſandro. 
So ſtachle das Roß mit der Peitſche Deines Witzes, 
Nanswurſt! — (lachend ab.) 


Scene 9. 


Scoronconcolo. Lorenzino. 


SCOTOMEONEONE 
Wenn er ſich nicht auffchreibt, daß er um Mitternacht 
in Sure Muhme verliebt zu ſein hat, ſoll mich der Teufel 
holen, wenn er ſich deſſen noch um elf Uhr erinnert! — 


Korenzino (ernft zu Scoronconcolo). 
Michele! Hör mich an! Die Stunde naht, 
Da Du mir danken ſollſt, daß dieſer Hals 
Noch heut ſo ſtattlich auf dem Rumpf Dir ſitzt! 


SCOROWESOWEOLO. 
Wir ſprachen ſchon darüber, Meiſter! Nicht? 


Corenzino. 


Vor Mitternacht betrittſt Du ſtill mein Haus 

und ſchleichſt Dich ſachte auf den Corridor, 

Den Du ſchon kennſt! — Siehſt Giomo und den Ungarn 

Du vor der Thür, ſo ſende ihnen Wein 

Als Labetrank von mir! Trink' nicht mit ihnen! 

Was Du auch hörſt — ſchweig' — thu', wie wir beſtimmt! 
e e e e 


Und wenn's der Herzog, wenn es Chriſtus wäre! — 
(ab.) 


— 125 — 


Scene 10. 


Lorenzino (allein, bedeutſam). 
Ich höre, Michelagnolo in Rom 
Malt für Farneſe jetzt das Weltgericht, 
And einen Brutus macht er für Ridolfil — — 
Wär jetzt ein jüngſt Gericht für Aleſſandro 
Vicht an der Seit — und ſelbſt ein Brutus fein? 
Ermanne Dich, o Lorenzino! Iſt 
Es denn ſo ſchrecklich, dieſen Mord zu thun! 
Vergiß' den Mann und ſieh' nur auf die That. — — 
Daß ich mich ſchlau in ſein Vertrauen ſtahl, 
Daß er nur andern, mir nicht weh gethan, 
Daß er mir nun vertraut, darf mich nicht hindern! 
Ich will das Frag- und Antwortſpiel nicht ſpielen, 
Das oft der Menſch und ſein Gewiſſen ſpielt. 
Mein ganzer Lebenslauf war nur beſtimmt, 
Die Sine That zu thun — und ich ſoll zögernd 
Wundert's den Schützen, wenn er richtig zielt, 
Daß feine Kugel ausführt, was er wollte? 
Swei Linien, die ſich etwas zugeneigt, 
Endlos verlängert, müſſen ſich durchkreuzen: — 
Bin ich der Ueberlegung, der Verſtellung, 
Des überdachten Planes lange Linie 
Vicht ſtill entlanggewandelt, und mich wundert, 
Daß dieſer Dolch in's Herz des Herzogs trifft? — 


Das fehlte noch, daß an mein eigen Blut greift 
Die freche, nimmerſatte Gier des Wüſtlings. 
Lattina, reines, ſüßes Mädchenbild, 

Wärſt lieber Du fchon, wie Cuiſa todt, 

Eh’ Dich der Peſthauch ſeines Worts befleckt! 
Was ift das Weib? Jetzt noch ein Götterbild — 


— 126 — 


Und würde Wirklichkeit, was jetzt noch Wunſch, | 
Wär’ fchon Cattina wie die feilſte Dirne 
Vier in Florenz! — Was iſt's? Ich darf's nicht denken: 

Und mir nicht, ſagt' ich, hab' er weh gethan! 


Serſtob mein einz'ger Traum, Cuiſa, nicht 
Durch ihn! Befleckt ſein Wunſch nicht ſchon Cattina, 
Die Schnee iſt auf den Höhen Fieſole's, 
So rein und makellos! — Weg mit dem Grübeln! — 
— Bier kämpft Beleid' gung und Beleid'ger nicht, 
Es ſtehn ſich Menſchen hier nicht gegenüber, 
Es handelt ſich um mehr als die Perſon — 
Begriffe kämpfen eine Todesſchlacht! 
Die Freiheit ringt jetzt mit der Tyrannei, 
Die Republik kämpft mit dem Königthum! 
Auch mir hat er ein frei Florenz vernichtet — 
Ich bin die Freiheit — er iſt der Tyrann! 
So komm' denn, Sweikampf! — 

(Es wird dunkel. Er klopft an einen Palaſt.) 

Hör, Salviati, hör! 

Wenn noch ein Tropfen freigefinnten Bluts 
In Deinen Adern rollt, mach' Dich bereit 

(Der alte Salviati erſcheint auf dem Balcon.) 
Für morgen früh mit Deiner ganzen Sippe! 
Durch Corenzino fällt der Fürſt heut' Nacht! — 


Scene JI. 


Salptati 
(oben auf feinem Balcon erſcheinend). 
Du Stifter allen Unheils, ſei verflucht! 
Du willft auch mich in Voth und Elend ftürzen, 
Den um den einz’gen Sohn Du ſchon gebracht! 
Giuliano lebte noch, wenn Du nicht wärſt! (ab.) 


Scene 22. 


Korenzino (allein). 
Er glaubt mir nicht! Wer glaubt auch dem Lorenzo? — 
Gewiß, gewiß, es liegt auf jedem Herzen, 
So ſchwere Todeslaſt ſchon in Florenz, 
Daß ſelbſt Poſaunenruf des jüngſten Tags, 
Es ſchwer aus dem Verzweiflungsbrüten riefe! 

(Er klopft an den Palazzo Strozzi.) 
Filippo Strozzi, Du Panier der Freiheit, 
Schlachtwagen Du, um den Florenz ſich ſchaart, 
Entfalte Deiner Fahne Rieſenflügel, 
Daß ſie, der Freiheit Aar, die Luft durchrauſche! 
Heut' Nacht ſtirbt Herzog Aleſſandro! 
(Auf dem Balcon Strozzi erſcheint ein eisgrauer Hüter.) 


Scene 15. 


Wächter. 
Störe nicht, 

Wer Du auch ſeiſt, des Haufes Grabesruh! 
Filippo zog mit der Luiſa Sarg 
Nach Rom! Die Todte ſoll erzählen 
Die Gräuel, die ſein Mund nicht ſagen kann! 
Serſtreut in ferne Lande ſind die Söhne. 
Hier blieb die Trauer nur! So ſtör' fie nicht! — 

(ab.) 


Scene 14. 


Corenzino (allein). 
Krähb, a zu! Mein Dolch wird ſpitz und ſicher! 
(Am Palaſt Cibo.) 
Dort Seht noch luſtig her! Ich höre Gläſer 
Suſammenklingen und verlog'ne Lippen 


— 128 — 


Im Kuß der Liebe altes Lied erzählen! f N 
Macht auf! Hola! Heut Nacht fällt Aleſſandro! 
Bereitet Euch zum Sturm der Feſtung morgen! 


Scene 15. 
Cardinal Cibo und Ricciarda, oben. 


| bio. 
Wer ſelbſt ſich anzeigt, ift gewiß kein Dieb! 
Wo keine Kraft, da iſt die Drohung eitel, 
Und Deine Drohung waffnet den Bedrohten! 
Du willſt nur hören, welchen Sinn's wir ſind! 


Korenzino. 
Nein, Cardinal, ich kenne Deinen Sinn! 
Er trägt die Farbe deſſen, der die Macht hat — 
Du wirft Dich färben laſſen müſſen, Cibo! — 


Ricciarda (zum Cardinal). 
Ich will zum Herzog und ihn warnen, Cibo! 


Corenzino (pöttiſch). 
Und rückerringen längſt verlor'ne Gunſt! 
Su ſpät, Marcheſa, denn ein ander Liebchen 
Schleicht in ſein Nerz noch heute Nacht ſich ein! 
(ſeinen Dolch betrachtend.) 
Cibo. 


Derleumder, Narr! Daß Du im Arno lägeft! 
(Schlägt das Fenſter zu. Beide oben ab.) 


Scene 16. 


Corenzino (allein). 
Es haben es die Römer ſchon gewußt: 
„Wen Gott verderben will, den macht er blind! 


— 129 — 


Und taub!“ Sie ſehen, hören nicht! Florenz 
Iſt wie ein Kranker, der im Starrkrampf liegt: 
Er fühlt und hört nichts — er iſt theilnahmlos, 
Und ſticht man ihn mit Nadeln in das Fleiſch — 
Er regt ſich nicht! — Was gilt's: Die große That 
Geſchieht heut' Nacht, — was folgt, verrinnt im Sand! 
Sei's, wie es feil Es muß die That geſchehn! 

(Der Mond geht auf.) 
Sie muß geſchehen, wie der Mond muß kommen! 
Doch könnte leuchtend ſie, wie er, erſcheinen, 
Und wird ſich hüllen in der Wolken Schleier! — 
Ha (dem Mond zu) ſind dies nicht des Aleſſandro Süge d 
Was grinſeſt Du ſo todtenbleich mich and 
Du lebſt ja noch! — Und wenn ich ihn verfehlte, 
Wenn Zittern überkäme dieſe Hand — — — — 
Dann will ich mich der Vaterſtadt erinnern, 
Und hart wie Stahl wird Herz und Hand mir fein! 


Friert mich etwa? — Ich will im Mondenſchein 

Mich wärmen! Wer iſt da? Mein eig'ner Schatten! 

Fürcht' ich mich? — Wer ein Mörder werden will, 

Der darf nicht zittern, als ob er's ſchon ſei! 

Ich will nach Haufe laufen, daß mir warm wird, 

Und zum Empfang noch ſchnell das Simmer ſchmücken — 

Auch weiß die Braut noch nichts vom Bräutigam! 
(Er läuft ſchauerlich lachend fort.) 


Ver mandlung. 


Scene 17. 
Simmer des Lorenzino wie im erſten Act. Drei Eingänge. Vorhalle. 
Corenzino 
(mit Ordnen des Simmers beſchäftigt, Blumen und Kränze anbringend). 
So! dieſen Kranz noch für das Gpferlamm! — 
9 


— 130 — 


Wenn er nicht käme! — Wenn ihn Margret hielte d 
(feft) Wenn er nicht kommt — fo will's fein Genius nicht! — 


Scene 18. 


Catarina und Maria treten ein. Lorenzino. 


Korenzino (erfchroden, ſchnelh. 
Was wollt Ihr noch fo ſpät d 


Maria. 
Iſt's denn ſchon ſpätd 
Erſchrickt Lorenzo bei der Mutter Nahn d 
O, wie beſchwert muß Dein Gewiſſen ſein, 
Wenn Du den Liebeslaut der Mutter fürchteſt! 


Corenzino. 
Mein Schreck war freudig! Sagt, geliebte Mutter, 
Wie fühlt Ihr Euch? Ihr ſeid nicht ſtark, nicht wohl! 
Ihr ſolltet längſt auf Eurem Lager ſchlummern! 


Catarina (herumgehend). 
Wie ſchön und duftig iſt's bei Dir heut', Renzo! 


Corenzino. 
Ja, Mühmchen, ich erwarte Gäſte! 


Catarina. 
Gãäſte d 


Scene 10. 


Vorige. (Ein Diener tritt ein mit einem Brief.) 


Diener. 
Ein Brief kam für Madonna Catarina. (ab.) 


5 
Scene 20. 


Vorige ohne Diener. 


Catarina (öffnet und lieſt). 
Für mich. — Vom Herzog! — 


Maria. 
Wie, vom Herzog? 


Corenzino (beifeite). 
Weh! 
Maria (nimmt den Brief und left). 

„Süße Catarina! Ich wage nicht zu glauben, daß 
„Lorenzo Such zu überreden vermochte! Mögen dieſe 
„Seilen es thun! erwartet mich um Mitternacht! 
„Läge auch mein ganzes Lebensglück zwiſchen jetzt und 
„dieſer Stunde, ſo möchte ich doch die Seiger beflügeln 
„können, um defto eher in Euern Armen zu liegen.“ 

„Bald Euer Aleſſandro, Herzog von Florenz.“ 

O letzte Schmach! 
(Maria ſinkt um. Catarina ſteht ſprachlos.) 
Bis in der Mutter Haus 
Vebt der verlor'ne Sohn des Kupplers Kunit; 
Er findet wohl gar mir noch einen Käufer! 
Führt mich hinweg! Mir ſchwindelt! Mir iſt weh! 
(Sie ſchwankt hinaus.) 


Scene 21. 
Catarina. Lorenzino. 
Corenzino. 
Geh, tröſte ſie, Du arm unſchuldig Camm! 
Sagt’ ich Dir denn ein Wort? Hab' ich vergiftet 
Mit einem loſen Laut Dein arglos Weſend — 


— 12 — 


Geh, ſag' ihr, daß ſie ſich erinnern ſoll, 
Wie ich vorm Herzog fie gewarnt, wenn ſelbſt 
Er ſich auf mich für ſeine That beriefe! 
(Sie nickt. Er küßt ſie auf die Stirn. Catarina ab.) 


Scene 22. 


Corenzino (allein). 
Die Mutter ſtirbt gewiß vor Schmerz und Scham! 
Mein Dolch wird ſpitz und ſicher! — Auf, zum Herzog! 
(will ab.) 


Scene 25. 


Scoronconcolo. Giomo. Der Ungar. Der Herzog. Dieſer ſehr ele⸗ 
gant, Hermelinpelz, feine, reiche Handfchuhe, leichter Degen mit brei⸗ 
tem Band und Quaſten. 

(Scoronconcolo geht gerade aus in Lorenzino's Nebenzimmer.) 


Aleſſandro. 
Bin ich erwartet d 


Co renzino. 
Und mit Ungeduld! 


Aleſſandro. 
Du mußt das Wort mich lehren, Lorenzino, 
Das alſoſchnell die Unſchuld überredet. 
Korenzino (befcheiden). 
Das Wort ſchriebt Ihr im Brief — es heißt: „Der Herzog!“ 
Aleſſandro (ſpöttiſch zu Lorenzino). | 
Ricciarda hat mir ein Billet geſandt! 


Corenzino (betreten). 
Gewiß ein Klaglied der Verlaſſenheit! 


— 133 — 


Aleſſandro. 
Ich hab' es nicht eröffnet! 


Corenzino (erfreut). 
Wohlgethan! 


Aleſſandro ſſich betrachtend). 
Du ſiehſt, ich hab' mich blank und ſchön gemacht. 
Ich überlegte, ob ich kriegeriſch 
Mich kleiden ſollte, oder als Verliebter d 
Die Liebe ſiegt! — 

Corenzino. 
Ihr hättet auch als Mars 

Geſiegt! Mars iſt bei Venus gut gelitten! 


Aleſſandro. 
So geh, Mercur, als Bote zu Catina! — 


Corenzino (beifeite). 
Sei Omen, Bild! zum Hades führt Mercur! 
Wollt Ihr nicht ſpeiſen d 
Aleſſandro. 
Gern! 


Lorenzino. 
So folgt mir, Herzog! 


Aleſſandro 
(zu Giomo und dem Ungarn, auf den Eingang der Halle deutend). 
Ihr Höllenhunde, haltet hier mir Wacht! — — 
Bezwingt den Schlaf und haltet Maß im Trinken! 


(Er ſchließt die Thür zur Halle, vor welcher Giomo und der Ungar 
Wache halten ſollen. Aleſſandro und Lorenzino ab.) 


— 134 — 
Scene 24. 


Giomo. Ungar (an der Thür, hereinrufend). | 


Giomo. | 1 
Wir würden gerne Maß halten, wenn wir nur erſt 1 
ein paar Maß hätten! 


Scene 25. 
Ein Diener mit Flaſchen ꝛc. Dorige. 
| Diener. 
Guten Abend, Giomo! 


Giomo. 
Ich bin nicht Giomo! Ich bin der Durſt! 


Diener. 
Guten Abend! Durſt! 


Giomo. 
Wenn ich der Durſt bin, fo will ich auch gelöfcht ſein; 
haft Du Waſſer mitgebracht? 


Diener. 
Ja, Feuerwaſſer! (ab.) 


Scene 26. 


Giomo. Ungar. 
Gio mo. 


Swei Worte, die ſo ſchlecht zuſammenpaſſen, wie mein 
Durſt und Waſſer! (trinkt.) Der Begriff Feuerwaſſer iſt 
ſchlecht; aber das Ding Feuerwaſſer iſt gut! — 


— 135 — 


Ungar (troden). 
Es ſcheint ſo! 
Giomo. 
Du biſt ſehr trocken heute Abend! 


Ungar. 
Wenn Du Alles allein trinkſt, wie ſollte ich nicht trocken 
bleiben! 
Giomo. 
Ja fo! Da haft Du Recht! (reicht ihm die Flaſche. Er 
verſinkt in tiefes Nachdenken.) 
Ungar. 
Ueber was ſinnſt Du denn jo gottesjämmerlich nach d 


Gio mo. 


Ich zerbreche mir den Kopf über etwas, woraus ich 
nicht klug werden kann! 


Ungar. 
Das iſt ganz natürlich. 


Giomo. 
Was iſt natürlich ? 


Ungar. 


Wenn Du Dir den Kopf zerbrichſt, kannſt Du nicht 
klug werden. 


Giomo. | 

Hör’ mich an! Durſt ift eine ſchöne Sache! Das wiſſen 

wir beide! Trinken iſt auch gut! Das wiſſen wir auch! 

Trinkt man, vergeht der Durſt. Wenn nun Durft eine ſchöne 
Sache iſt, warum verjagen wir ihn durch Trinken d 


— 136 — 


Ungar. 

Mein natürlicher Durſt iſt nicht ſo empfindſam. Er 
läßt ſich nicht verjagen, und wenn mir's auch eine Viertel⸗ 
ſtunde gelingt, kommt er doch gleich wieder. Mein Durſt 
iſt wie der Antäus. Kommt mein Durſt mit der Flaſche in 


Berührung, gleich wird er, mein Durſt, wieder kräftiger 


und lebendiger! 


Gio mo. 
Wer iſt denn dieſer Antäus ? 


Ungar. 
Es muß ein guter Freund vom Herzog ſein; denn ich 
habe den Berzog ihn einmal lobend erwähnen hören! 


Giomo. 

Mag ſein! Aber lobende Erwähnung im Munde des 
Herzogs ift noch kein Beweis von guter Freundſchaft! Er 
hat auch den Hippolyt ſchon lobend erwähnt, und ihn doch 
vergiften laſſen! 


Ungar. 
Das kannſt Du ihm nicht nachweiſen! 


Giomo. 
Von der Cuiſa Strozzi hat er auch ſehr Rühmliches ge- 
ſagt, und ſie ward hin wie eine Fliege! 


Ungar. 

Das hat nur der Scoronconcolo auf Anrathen des 
Lorenzino unter die Leute gebracht! Mir ſcheint, Lorenzino 
will den Herzog nur verhaßt machen! Cuiſa ſtarb an 
Salviati's Gift! — 


Giomo. 
Die Leute ſagen, die Strozzi hätten ſie ſelber vergiftet, 


— 137 — 


wie die böſen Buben einen Apfel lieber in den Fluß wer— 
fen, ehe ſie ihn einem Andern gönnen! 


Ungar. 


Was geht denn das Alles uns an? Sauf! Der Her— 
zog iſt ein Teufelskerl! 


Gio mo. 


Was fie nur heute Nacht wieder vorhaben ? 


Nn gar (trinkt). 
Gutes für ſich — Schlimmes für Andre! 


Gio mo. 


Du machſt's ja, als ob Du der Herzog wäreſt! 
Der Wein für Dich — die Flaſche für die Andern! 


Yeıragar. 

Maß halten und nicht einfchlafen, hat der Herzog ge— 
ſagt! — (Er ſinkt dem Giomo an die Schulter. Im Einfchlafen). 

Jetzt pfeift der Wind über die Puſta. In der ein— 
ſamen CTzarda fiedelt ein Sigeuner ein wehmüthig Lied. 
Jetzt wird ein Walzer draus. Ein raſender Walzer. Ein 
ſchwarzes Mädchen tanzt dazu. Ein ſchwarzes Mädchen mit 
blitzenden Augen. Sie denkt an Stwas. An einen armen 
Burſchen, der fern im Italerland .... 
(Er ſchläft ein.) 


Giomo dallend). 
Sinſchlafen und nicht Maß halten, hat der 
Herzog geſagt! 


(Sie lehnen ſich an einander, ſchlafen ein, fallen um und bleiben vor 
der Thür auf dem Boden liegen.) Die Thüre fällt zu. 


— 138 — 


Scene 27. 


Aleſſandro und Lorenzino treten von links ein. 


Aleſſandro dachend.) 
Sin Prachtgemach! 


Corenzino. 
Nehmt ſo fürlieb, mein Fürſt! 
Wenn man verliebt iſt, thut's ein Speicher auch! 


Aleſſandro. 
Wo ift die Braut d 


Corenzino. 


Macht's Euch bequem, mein Fürſt! 
Ich hole ſie indeſſen! Sie wird zittern, 
Derfchämt thun, und ſich etwas bitten laſſen 
Ihr kennt das ja! 


Aleffandro. 


Halbftündig Liebesgirren, 
Wenn man Faſanen lang mit Cypernwein 
Begoß, iſt meine Sache nicht, Renzino! — 
(Er nimmt den Degen und geht an's Bett.) 
Den Degen lieb' ich unterm Kopf zu haben. — 
(Sorenzino hilft ihm den Degen abnehmen und wickelt Band und 
Quaſte ſo um den Griff, daß er nicht aus der Scheide zu ziehen iſt.) 
Und unterm Hermelin ruht ſich's nicht ſchlecht! 
(Er wirft ſeinen Mantel auf das Bett.) 
Ich ſtell' mich ſchlafend, wenn die Taube kommt, 
Philoſophiren braucht fie dann nicht lang! 
(Er legt ſich auf's Bett und nimmt den Mantel über ſich) 


Corenzino (fpottend). 
Nun ſchickt ein Nachtgebet . 


— 139 — 
Aleſſandro. 


Su Venus, Renzo! 


Corenzi no. 


Und wollt Ihr Worte ſparen, — löſcht das Licht! 
(ab.) 


Scene 28. 


Aleſſandro (allein). 
Cöſch' ich das Licht? Man nennt die Liebe blind! 
Wer blind genießt, genießt ſein Glück nur halb! 
Sie iſt zu ſchön, um nicht geſehn zu werden. 


Ich bin ſo müd, daß ich nicht träumen kann, 
Und doch bedarf ich wahrlich eines Traums, 
Der Seichen deſſen, was geſcheh'n wird, ſei. .. 
(Es fällt ein Kranz vom Betthimmel herab.) 
Wem wirft man Kränze. Siegern — oder — Todten! 


(Schläft ein.) (Paufe.) 
Scene 29. 


Lorenzino, bleich, mit einem Dolch. Dann Scoronconcolo von 
einer Seite. 
g Corenzino (von der andern). 
Noch Licht! — So mag er fich denn fterben ſehn! 
Jetzt weiß ich's ganz, wie es zu Muthe war, 
Der Judith, eh' fie Holofernes traf. 
(Er geht entſchloſſen auf das Bett zu, hebt den Hermelin auf und 
erſticht den Herzog.) 
Aleſſandro (erwacht.) 


Biſt Du's, Lorenzo d 


— 140 — 


Corenzino. 
Sweifelt nicht, mein Fürſt! 
(Aleſſandro ringt im letzten Todeskampfe mit Lorenzino. Dieſer ſticht 
fortwährend auf ihn zu. Aleſſandro beißt ihn in den Finger. — Er 
greift nach dem Degen, den er aber nicht ziehen kann. Er unterliegt 
endlich und ſtirbt. 


Corenzino (fteht hochathmend da). 
Welch weiſe Lebenslöſung iſt das Sterben! .. 
Des Lebens letzte Linie ſchreibt der Tod! — 


Scoronconcolo (mill jetzt helfen). 


Corenzino. 
Spar’ Deinen Hieb! Ganz mein ſei dieſe That! 


Ser ene diele 
(den Todten erkennend). 


Allmächt'ger Gott! S'iſt Herzog Aleſſandro! 


Korenzino. 
Und iſt ein Gott, fo hat er's fo gewollt! 
Mich hat er mit dem Flammenſchwert geſandt, 
Nun mag er mich in feine Hinmel rufen! 
(ſeinen Finger betrachtend.) 
Wie mich der Vetter in den Finger biß! 
Je nun, er hat im Finger ſich geirrt, 
Er wollte dieſen purpurrothen Reif 
An Catarina's Mädchenfinger ſtecken! 
(Erſchöpft.) 
Wie iſt mir denn. Leicht, wohl, und wunderleicht! 
Wie auf dem Mutterſchoß vor langen Seiten, 
Wie mir als Knabe auf der Schulbank war! 
Die Sünden, die um dieſer Stunde willen 
Ich auf mich häufte, rinnen von mir ab — 


ee 


Sie rollen der Vergeſſenheit in's Meer, 
Und wie ein Mädchen, das als Jungfrau ſtarb, 
Erſchein ich rein, verklärt vor meinen Richtern! 


Scoronconcolo. 
Ihr fiebert, kommt! Bringt Euch in Sicherheit! 


Corenzino (verzüdt). 
Mich däucht, die Genien mir verwandter Geiſter, 
Sie reichen aus den Lüften mir den Kranz 
Und heben mich aus dieſer Sündenwelt 
In eines reinen Aethers Geiſterhain! 
Ceb' ich denn noch? Und wandl' ich ſchon mit Schatten? 
(Sich plötzlich, wie aus einem Traum erwachend, vor den Kopf 


ſchlagend.) 
(zu Scoronconcolo) auf die Hallenthür deutend. 


Die Thür' ſperr' ab'. — Nicht da, nein, dort hinaus! 

Thorſchlüſſel hab' ich, und der Wagen wartet! 
(hinausſtürmend) 

Florenz! den Cageſar hab' ich Dir erſchlagen — 

Vor dem Auguſtus wahre Du Dich ſelbſt! 


(Scoronconcolo folgt ihm.) 


(Der Vorhang fällt.) 


5, LTE 


Scene 1. 


(Inneres der Lorenzo⸗Kirche. Die Grabmäler der Medici, von 
Michelangelo. Ein offener Sarcophag unter einem der Grabmäler 
Runder, in der Mitte freier Raum, Helle weiße Wände. 
Giomo und der Ungar 
treten ein, tragen den in reiche und koſtbare Teppiche gehüllten Leich⸗ 
nam des Aleſſandro de' Medici. Sie legen ihn erſt vor, dann in den 
leeren Sarcophag. 


Ungar. 
Das war eine Schreckensnacht! 


Gio mo. 


Mäßig trinken und Wacht halten, war des Herzogs 
letztes Wort an uns! Hätten wir's befolgt! 


Ungar. 
So wär' er jetzt eben fo todt! — Es war ein fchlau- 
angelegter, wohlüberdachter Plan des Lorenzino. 


Giomo. 
Wer hätte das hinter dem Duckmäuſer geſucht ? 


Ungar. 

Alle Welt hat er benachrichtigt und Niemand in Florenz 
hat ihm geglaubt. Die draußen ſchliefen freilich nicht mit 
geſchloſſenen Augen. Filippo Strozzi und ſein ganzer An⸗ 
hang fteht vor den Thoren der Stadt! Corenzino hat ihm 


— 143 — 


den Tag vorher geſagt, und es ihm nochmals durch Boten 
beſtätigt. 
(Man hört Kanonendonner in der Ferne.) 


Giomo. 
Jetzt fliegen ſchon einige Köpfe herrenlos in der Luft 
herum. — 
Ungar. 


So wie draußen die großen Herren des neuen Senats 
kopflos herumlaufen. Des Morgens war eine Todtenſtille 
im herzoglichen Palaſt. Dann ſahen ein paar verſchlafene 
Frauenzimmergeſichter aus den Fenſtern, ſpäter kamen einige 
Schranzen und Schmeichler, und wollten unterthänigſt auf— 
warten. — „Der Herzog ſchläft noch, es war Spiel bei ihm 
heute Nacht!“ hieß es! 


Giomo. 
Ja, prof die Mahlzeit. Hätt' er gewußt, was zu ver- 
lieren war, er hätt' nicht mitgeſpielt! 
5 Ungar. 
Dann brachten wir zwei die Riobsbotſchaft! Das gab 
blaſſe Geſichter!! 
Gio mo. 


Wenn ſie ſich hätten mit Mehl beſtreuen müſſen, um 
jo bleich zu werden, eine Hungersnoth wäre im Lande 
entſtanden! 


Ungar. 


Im langverwaiſten Regierungspalaſt hielten ſie nun 
eine Sitzung. Wenn die Schulbuben vom Lehrer entlaſſen 
werden, kann's nicht ärger zugehen! — — 

Der Cardinal Cibo fragt den Guicciardini, den Accia— 


A. 


— 144 — 


juoli, den Dettori, was gefchehen ſoll, wenn der Herzog 
plötzlich ſtürbe ? 5 

Die fürchteten eine Falle und ſagten: „Wozu ſolche 
Fragen, wenn er lebt? Wenn er todt iſt, werden wir ſchon 
was ausfinden!“ 


Giomo. 
Auch das Volk hielt ſich ruhig! 


Ungar. 


Man gab ihm Tonnen Weins. Alle tüchtigen Führer 
ſind ja auch verbannt! 


Giomo. | 

Die Mäuſe hörten, die Kate ſei todt, und anſtatt über 

Tiſche und Bänke zu ſpringen, und allen Käſe aufzueſſen, 
wollten ſie gleich wieder eine neue Katze haben! 


Ungar. 
And jede Maus wollte Kate fein. 


Giomo. 
Und ſo biſſen ſie ſich gegenſeitig in die Schwänze. 
Migar | 
Die Flaſchen wollten fie wechſeln, aber nicht den Wein! 


— Jeder ſchlug einen Andern vor, der König iſt todt — 
es lebe der König! 


Giomo. 

Der Herzog Aleſſandro hat irgendwo ein uneheliches 
Knäblein ſitzen — kaum fünf Jahre alt — ſogar das war 
ihnen als Herzog recht, hahaha! 

Ungar. 


Beſonders dem Libo! Der hätte für den Minder⸗ 
jährigen geſteuert! 


— 145 — 


Giomo. 
Und das Schiff doch zu Grunde gerichtet! 


NAn gar, 


An Lorenzino, den der Kaifer ſelbſt als Nachfolger be— 
zeichnet hat, falls Aleſſandro ohne Nachkommen ſtürbe, 
dachte Keiner! 


Gi omo. 
Und er ſelbſt wohl am wenigſten! 


Ungar. 


Nun haben fie einen reitenden Boten an Cosmos von 
Medici geſandt und laſſen ihn ſchön bitten, er möge doch 
einſtweilen Gouverneur der Republik werden! 


Giomo. i 
Bis es ihm beliebe, Tyrann des Herzogthums zu fein! — 


Ungar. 
Dem Palla Ruccelai war das nicht recht! 


Giomo. 


Er ſchlug gegen den Cosmos den eigenen Freund Filippo 
Strozzi vor 


Ungar. 


Und wenn dieſer Filippo Strozzi mit ſeinen römiſchen 
Reitern dem Cosmos jetzt nicht den Weg verrennt, fo freu' 
Dich, Florenz: bald haft Du Deinen Aleſſandro wieder! 

(Sie legen den Leichnam in den Sarg) 


Gi omo. 
(in den Sarg rufend) Wir empfehlen uns Ihnen, gnädigſter 
Herr Herzog! | 
10 


— 146 — 


Ungar. n 
Sie waren uns ein guter Herr; wir werden Sie bei 
den Würmern recommandiren! 


Giomo. 


Wenn Ihnen das Bett von Stein zu kalt iſt, ſo laſſen 
Sie fih von Ihrem Hofnarren Lorenzino etwas Simper⸗ 
liches beſorgen, das vor dem Einſchlafen gern das Licht 
ausgeblaſen ſieht! 


Ungar. 
Der Lorenzino verſteht ſich auf's Lichtausblaſen — vor 
dem Einfchlafen! — Wünſche angenehme Ruhe, Herr Herzog! 


Giomo. 
Er war ein ſo luſtiger Herr! 


Ungar. 
So ſetz' ihm die Grabſchrift! 
(Sie ſchlagen den Sargdeckel zu und gehen zuſammen ab.) 


Scene 2. 
Margarete von Geſterreich (die Tochter Karl's V, jung, braun, jährig, 
ſchwarz gekleidet, tritt herein, und wirft ſich über den Sarg.) 
Margarete. 


Braut, Gattin, Wittwe, faſt in Einem Tag! 
Noch geftern lagſt Du warm an meinem Herzen, 
Das unſchuldsvoll Dir warm entgegen ſchlug — 
Heut biſt ſchon kalt Du gegen Deine Margret, 

Dein kaumgewonnen Herz entziehſt Du mir! 

Und nimmer, nimmer, werd' ich's rückgewinnen, 
Verlor'ne Liebe wirbt ſich nicht zurück! — 

— Sie hatten recht! Sie warnten mich vor Dir! 


— 147 — 


Du ſeiſt ein Flatterhafter, Unbeſtänd'ger, 
Du drückeſt ſchon der Andern kühn die Hand, 
(Sie ſagten's) während Du die Erſte küßteſt! 
Doch daß Du gar ſo unbeſtändig ſeiſt, 
Das ſagte Keiner, und wie konnt' ich's ahnen ? 
Schon nach der Brautnacht bin ich Dir zuwider, 
Und kaltes Eifen iſt für mich Dein Herz! 
O hätteft meines lieber Du durchbohrt 
Mit allen Qualen wilder Eiferſucht, 
Und mich verſtoßen nach dem erſten Kuß! 
Der erſte Kuß gewann mich Dir in Liebe, 
Ich kam zu Dir als zögernd Kaiferfind, 
Und wär' als Deine Buhle gern geblieben! 
Du zogſt ein ander Buhlkind vor, den Tod! 
(Ricciarda naht mit einem Kranz von rothen und weißen Roſen.) 
Wer naht? Ein Weib! Hat fie ein Anrecht auch? 
Sie bringt ihm Blumen, und ich bracht' nur Thränen! 
Derbirg mich, güt'ger Schatten! 
(Sie tritt hinter eine Säule.) 


; - Scene 3. 


Margarete. Ricciarda. 


Riceciorde 
Alejandro! 

Nun da Du todt biſt, darf ich mir's geſtehn: 
Ich liebte Dich! — Du ſpotteteſt Caſſandra's, 
Doch die Caſſandren haben immer Recht! 
Du könnteſt glücklich ſein jetzt in Florenz, 
Wenn Du verftanden hätteft, wie ich's meinte, 
Der Bürger Haß in Liebe zu verwandeln, 


Sowie Du Frauenherzen leicht gewannſt. — 
10* 


— 148 — 


Der Mai bringt weiße und bringt rothe Roſen 
(auf den Sarg deutend.) 
Du, weiße Lebensroſe, färbteſt Dich mit Blut! 
(auf die weiße Roſe deutend.) 
Du weiße Roſe, ich war rein wie Du, 
Da hat die blut ge (auf den Sarg weiſend) mich wie ſie gefärbt, 
Nun tilgt kein Thränenſtrom mein Roth der Scham! 


Margarete (vortretend.) 
Wer biſt Du, Weib, das hier fo rührend klagt? 


Ricciarda. 
Ricciarda Cibo, Malaspina's Tochter, 
Der Roſen eine, die der Herzog brach! 
Und Du d 


Margarete. 
Sein Spielzeug eine kurze Nacht! 
Ein Kaiferfind, Margret von Oefterreich, 
Und feine Gattin! 


Ricciarda (fällt vor ihr nieder.) 
Armes Fürſtenkind! 
Mein Anrecht älter; Deines heiliger! 


Margarete. 


Beneidenswerthe! die voraus Du nahmſt 
Ein Glück, das mir die Sukunft erſt verſprach! 


Ricciarda 
Mein Glück war kurz! ich wußt' ihn nicht zu feſſeln, 
Ich träumt’ an feiner Bruſt von Freiheit oft 
Und ſprach im Trauml! Er liebte ſtumme Liebe! 
Sur Vacht noch ſandt' ich ihm ein warnend Brieflein — 
Er brach das Siegel nicht — und unſer Herz! — 


— 149 — 


Margarete. 


Wir können nun einander nichts mehr nehmen, 
So wollen wir vereint ihm Klage weih'n! 


Ricciard a. 


Ich bin allein wie Du! Mein Gatte ſtarb! — 

— Vielleicht aus Gram, weil ich ihm untreu ward, 
Dat in der Schlacht die Kugel er geſucht, 

Die wohl ſein Herz noch lang vermieden hätte! 


Margarete 

(die Ricciarda umſchlingend). 
Ich will nach Spanien in ein Kloſter geh'n! 
Wenn Dich kein Band an dieſe Stadt der Gräuel 
Mehr feſſelt, o ſo zieh mit mir! Du ſollſt 
Mir eine Schweſter ſein, und wenn die Stille 
Des müden Abends nach der Defperzeit 
Sich feierlich auf Fluß und Klofter legt, 
Da wollen abſeits unterm Lindenſchatten 
Wir Hand in Hand und Kopf und Kopf gelehnt, 
In das verſchämte Ohr uns Märchen flüſtern 
Von einem Manne, den wir einſt geliebt! 


Ricciard a 
a (ſich an ſie ſchmiegend). 
Dann ſteigt entlaſſen aus des Körpers Banden, 
Wie ſie nun wandelt als ein ſel'ger Geiſt, 
Wohl ſeine Seele tröſtend zu uns nieder, 
Und macht uns werth des Reichs, aus dem ſie kommt! 


(Die beiden Frauen ſtehen lange in inniger Umarmung verſunken — 
Dann von außen Trompetenſtöße, Lärm und Volksgeſchrei.) 


— 150 — 
Scene 4. 


Cosmos von Medici (1sjährig, jung und ritterlih, im Schlachtgewand, 

mit Schild und Schwert, beſtaubt). Mit ihm, in ſtolzer und ſelbſtbe⸗ 

wußter Haltung der Cardinal Cibo. Edle Florentiner und Hauptleute, 
Soldaten. — Dorige. 


Cosmos von Medici (zu Margarete). 
Entſchuldigt, edle Frau, wenn noch der Staub 
Der Reiſe und der raſchgeführten Schlacht 
Die Lippen deckt, die ſich zum Nandkuß neigen! 

(Er beugt ſich vor ihr nieder und küßt ihr die Hand.) 
Mich wählt der Rath und der Senat zum Haupt 
Der Republik, und ſiegreich flieg' ich her, 
Ein treuer Sohn, der Mutter Ruf gehorchend, 
Um größre Unordnung hier zu verhüten! 
Der Cardinal (zu Cibo) wird mir zu Seite ſtehn, 
Acht Räthe theilt ſich meine Jugend zu, 
Mit ihnen wird ſie frühe Weisheit werden! 


Vor Allen ein' ich meine Thränen mit 

Den Euern, Margarete, um den Vetter, 

Der Euch das Glück der Gattin nur gezeigt, 

Um Euch der Wittwe Qual dafür zu bieten! 

(bigott.) Wir find nur Spielzeug in des Himmels Kan 
Such ſtraft er und Ihr kennt doch keine Schuld, 
Und frei verkehrt der Schuld'ge mit den Menſchen! 
Befehlt! Was ſoll geſchehn? Wollt Ihr Florenz 

Su Eurem Wohnſitz? Darf ich Euer Diener fein? 
Was wir vermögen, wollen gern wir ſühnen! 


Margarete. 
(Ricciarda bei der Hand nehmend). 
Ich dank' Euch! Handelt mild und edel, Cosmos, 
Wir gehn nach Spanien, unſern Schmerz begraben! 
(Su den Florentinern.) 


— 151 — 


Euch, edle Nerr'n, empfehl' ich dieſen Jüngling, 
Berathet wohl ihn, wahrt ihm Eure Stadt. 
(zu Cosmos.) 
Und Euch, o Jüngling, leg’ ich dies Florenz, 
So reich an Schätzen und an edlen Herzen, 
An Euer junges und drum edles Herz! 
Seid friedlich, und beſchützt die hohe Kunſt, 
So werdet groß Ihr, werdet glücklich leben! 


Cosmos. 


O legt beim Kaiſer auch ein gutes Wort 
Für Cosmos und die Florentiner ein! 


Margarete. 
Ich will's! Lebt wohl. — 
Ricciarda, theure Freundin, 
Am Grab gewonnen, auf, in's Kloftergrab! 
(Sie gehen ab.) 
(Ricciarda winkt dem Cibo den Abſchiedsgruß zu.) 


Scene 5. 

Vorige, ohne die Frauen. Aleſſandro de' Vitelli di Città di Caſtello 

führt den Filippo Strozzi und Bart. Dalori gefangen herein. 

| Cosmos (zu Aleſſandro Ditelli). 
Ditelli, unfern Dank! Wenn Eure Schaar 
Sur rechten Seit nicht aus der Feſtung kam, 
So ſtünd' die Schlacht wohl anders für Filippo! 

(zu Filippo Strozzi.) 

Nun, Strozzi, weßhalb ſchließeſt Du die Augen d 


Strozzi. 
Um dran ſie zu gewöhnen! — Könnt’ ich doch 
Auch ſo der tollen Rede meiner Seit 
Mein Ohr verſchließen! Wie die Statue hier 


ne 


Der Nacht des großen Michelagnolo 
In Schlaf verſinken und zu Marmor werden, 
So lang die Schande und die Schmach hier dauern! 


Cosmos. 
Ich kann dir helfen, Du moderner Cato! 
Mit Waffen in der Hand, als Hochverräther, 
Bedrohteſt Du Florenz, die Daterftadt, 
Und hätteſt Bürgerkrieg und Mord gebracht, 
Wenn nicht der Kriegsgott ſchnell uns Glück verliehn! 
So geh' denn in der Feſtungszellen eine, 
Die ſelber Du mit Deinem Gold gebaut, 
Dort denke nach, ob Du ein Patriot 


Geweſen, als am Feſtungsbau Du halfſt! 


Strozzi (eeſignirt). 
Die große Freiheit fällt — ſo fall' auch meine! 
(it ſich.) Und wenn die Haft Dir allzulange währt, 
Wirſt Du wie Cato doch in Utica 
Noch eine Todesart erfinden können! 
Nicht ſterb' ich ungern! — Bin ich doch nicht länger 
Dann Seuge vieler Dinge, die zu ſehen 
Viel ſchmerzlicher noch iſt, als ſelbſt der Tod! 


Cosmos. 
Führt ihn hinweg! 
Sn oB il. 
Ich komme bald, Luiſa! 
Cosmos (zu Dalori). 


And Du, Dalori, theilſt Filippo's Zoos! 


Dalori. 
Das Schickſal ift gerecht! Vor ſieben Jahren 


— 153 — 


Fiel die Verfaſſung ſchon durch mich! Nun fall' ich 
Im allgemeinen Sturm, mein eig'nes Gpfer! 
(Filippo und Dalori follen abgeführt werden. Man hört Rufe draußen.) 


Cosmos. 
Was ſoll der Lärm! Laßt mich die Urſach wiſſen! 


| Aleſſandro Ditelli. 
Mein Fürſt, es gilt dem Mörder Lorenzino! 
Der Rath hat ihn als vogelfrei erklärt, 
Das Volk hat ihn im Bildniß ſchon erhängt, 
Und ſeine Wohnung macht's dem Boden gleich! 
Die Straße, die es durch fein Haus gebahnt, 
Nennt es die „Straße des Verräthers!“ 

Rufe (draußen). 
Hört, 

Hört die Verkündigung des hohen Raths! 


Cosmos. 
Den Herold ruft herein! Auch ich will hören, 
Was ohne mich der neue Rath beſchloß d 


Scene 16. 


Vorige. (Es wird ein Herold hereingeführt.) 
Herold (lieſt.) 

Volk und Bürger von Florenz! Die acht Signoren der 
Balia erklären hiermit feierlich den Korenzino de Medici 
zum Rebellen! Viertauſend Goldgulden erhält, wer ihn 
tödtet! Ihm und ſeinen Leibeserben ſollen hundert Gold— 
gulden jährlich von den jeweiligen acht Signoren ausge— 
zahlt werden! Er und ſeine Gefährten mögen Waffen tragen; 
er ſoll alle Aemter bekleiden dürfen und aller Wohlthaten 
und Privilegien, die der Staat genießt, theilhaftig werden! 


— 154 — 


Er ſei lebenslänglich von allen Strafen befreit; er ſei auch 
wer er ſei! — Den doppelten Lohn erhält, wer den Corenzino 
lebendig einbringt. Heil dem Staate Florenz! 
(Herold ab.) 
Rufe. 

Heil, Beil, Palle! Medici! 

eee ee e 
Des Undanfs Heimath Du ſeit Dante's Seit, 
Florenz, das ſtets den Edelften belädt 
Mit ſchwerſtem Schmerz! — Er war der Beſten keiner, 
Mein Lorenzino, doch er war Prophet, | 
Und träumte nicht mehr von der Freiheit Kränzen, 
Die ich noch um mein graues Haupt geträumt. 

(Großer Aufruhr draußen.) 


Scene 7. 
Swei Mörder zu den Dorigen. 


Erſter. 
Mein Fürſt, Lorenzino läßt Euch ſchön grüßen. Er liegt 
draußen vor der Thür und iſt todt! — 8 
S weiter. 
Er hat ein halb Dutzend Stiche von dieſen Dolchen 
geſchluckt, daran iſt er geftorben! 


Cosmos (bewegt). 
Wie kam's, erzählt! — 
Erſt er. 

Uns lockten die goldenen Eier des neuen Raths! — 
Wir erfuhren, daß heute Nacht eine Kutſche durch's Dene- 
zianerthor gefahren, da drin konnte nur der Vogel ſein, der 
die goldenen Eier legt! 


— 155 — 


S weiter. 


Wir hatten Berberroſſe, und unſere Sporen waren die 


Flügel an ihrem Leibe! 


Erſter. 


In einer Herberge trafen wir zwei Reiſende, einen 
Diener und feinen Herrn! Da der Diener ſich zur Wehre 
ſetzte, als wir den Herrn gefangen nehmen wollten, mußten 
wir den Herrn erſchlagen. — 


Sweiter. 


Es geſchah ungern, wir hätten lieber den doppelten 


Cohn verdient! 


Cosmos (ihnen abwinkend). 


So nehmt das Sündengeld! 


Sweiter. 


Geld nehmen iſt nie Sünde! 
| (Beide ab.) 


kr i 


Nun, Lorenzino, tft Dein Wunſch erfüllt, 
Du gabſt Dein Leben, daß Du ewig lebeſt! 


Cosmos. 


Er gab den Tod, daß er der Nachwelt lebe, 
Doch kann er nicht der Nachwelt Urtheil tödten 
Wir wollen leben, daß ſie loben könne! 

Je zweifelhafter dieſer vielgeprüften 

Und kranken Stadt Geſchick, Ihr edlen Herr'n, 
Um ſo viel raſcher wollen wir ihr helfen 


— 156 — 


Mit allen Mitteln und mit aller Kraft! 
Wir wollen unpartheiiſch ſtrafen, lohnen, 
Sum Kaifer halten und zu feinem Reich, 
Und, eingedenk der großen Ahnen Tage, 
Lorenzo, des Erlauchten Seit erneun! 


(Der Vorhang fällt.) 


Fin i s. 


Druck von Emil Herrmann ſenior in Leipzig. 


In gleichem Verlage von demſelben Verfaſſer erſchien: 


er 2 3 a 
Gedichte 
1881. In 12. eleg. broſch. M. 3.—, eleg. geb. M. 4.— 


Urthefle der Hreſſe 


„Auch hier erkennt man auf jedem Blatt den vielerfahrenen Poeten, der auf 
mannigfachen Wegen durchs Leben dahingewandelt iſt und überall friſche Blüthen 
zu pflücken verſtand, an mancher denkwürdigen Stelle Raſt gehalten und weite Aus⸗ 
ſichten in die Welt und Leben gethan hat. Ueberall bewährt er das Auge wie die 
Hand des Künſtlers, überall klingt die Muſik wahrer Poeſie durch ſeine Weiſen und 


Rhythmen und weckt ein fröhliches Echo in unſerm Herzen. Die ſichere Beherrſch— 


ung von Sprache und Metrit beweiſt Friedmann namentlich in ſehr gelungenen 
Ueberſetzungen aus dem Italieniſchen, Portugieſiſchen, Franzöſiſchen und Engliſchen, 
ſowie in einem Dutzend eigener, zum Theil höchſt gelungener Sonetten“. 
Bazar 1882, Nr. 21. 
„Der echte Lyriker iſt vor allem daran zu erkennen, daß er die Erfahrungen 
ſeines Geiſtes- und Gemüthslebens mittelſt eines Bildes im Augenblick der poetiſchen 
Stimmung ſo zu veranſchaulichen weiß, daß ſich dieſes Bild klar vor unſerem inneren 
Auge erhebt und wir, wie unbewußt, in jene Stimmung gerathen, in der ſich der 
Dichter während der Konzeption befand. Alfred Friedmann, deſſen Dich⸗ 
tungen ſchon öfters an dieſer Stelle erwähnt wurden, zeigt ſich in ſeinen „Gedichten“ 
oft als ein ſolcher berufener lyriſcher Dichter. Was indeſſen ſeine Gedichte beſonders 
auszeichnet, iſt ihre Gediegenheit in formeller Beziehung. Die ſchwierigſten Vers— 
maße beherrſcht Alfred Friedmann ſicher und gewandt, die Rhythmen ſind friſch und 
ſchön, die Sprache iſt wohllautend. Der formale Vorzug bedingt nothwendiger— 
weiſe einen andern, der im Menſchen ſelbſt liegt: einen Vorzug hinſichtlich des 
Inhalts. Iſt auch die Erfindung nicht immer urſprünglich, ſo iſt es doch die Em⸗ 
pfindung, eine Eigenſchaft, die um ſo höher angeſchlagen werden muß, je ſeltener 
fie ſich in unſern neueſten Gedichtſammlungen findet.“ 
Nationalzeitung 1882. Nr. 93. 
„. .. Friedmann iſt ernſthafter und reifer geworden, ohne an dem wahrhaft 
poetiſchen Schwung ſeiner Gefühlswogen, an der Gluth ſeines nach bleibenden, 
vollendeten Formen ringenden Denkens Einbuße zu erleiden. .... Summa: Die 
„Gedichte“ bedeuten einen verheißungsvollen Fortſchritt eines wahrhaften Poeten 
im Ringen nach innerer und äußerer Läuterung nach vollendeter Meiſterſchaft in 
der göttlichen Kunſt. . . . . In der Rubrik „Balladen und Aehnliches“ iſt viel Köſt⸗ 
liches. Die Jahreszeitlieder, welche den ſchmuck ausgeſtatteten Band mit einer 
winterlich⸗wehmüthigen Note abſchließen, fixiren in leichter lyriſcher Weiſe land- 
ſchaftliche und gemüthliche Eindrücke, kleine Genreſcenen von ergreifender Wahrheit 
und Schlichtheit der Empfindung.“ Br 
M. G. Conrad in der „Täglichen Rundſchau“ 1881. Nr. 76. 
„Es liegt uns ein Band ganz bedeutender lyriſcher Dichtungen vor, die ein 
beſonderes Formtalent mit Gefühlswärme, origineller Erfindung und phantaſie⸗ 
reichem Ausblick in ſich vereinigen. Außerdem enthalten ſie überaus gelungene 
Uebertragungen der bedeutendſten ſpaniſchen, italieniſchen, engliſchen, franzöſiſchen 
Dichter, und geben ſo gleichſam eine Blüthenleſe der Weltpoeſie, wie man ſie ſich 
etwa als Ergänzung zu Scherr's bekannten Werke denken könnte. Wir empfehlen 
das Friedmann'ſche Buch der ganz beſonderen Beachtung der Leſer.“ 
Schleſiſche Preſſe 1881. Nr. 817. 
„Alfred Friedmann überragt hoch die Dutzendlyriker der Gegenwart. Zu 
einer feinen poetiſchen Intuition geſellen ſich bei ihm ein edler Geſchmack und 
eine ſo diſtinguirte Bildung, daß er nie platt wird und nie trival werden kann. 
. . Friedmann iſt überhaupt ein Virtuos in der rhythmiſchen Behandlung der 
Sprache und verſteht die ſchwierigſten Versarten zu meiſtern; beſonders ſind ſeine 
Sonette tadellos in der Form. ... Wir ſchließen, womit wir begonnen, mit der 
Verſicherung nämlich, daß Alfred Friedmann ein Lyriker von Gottes Gnaden iſt“. 
Grazer Tagespoſt 1881. Nr. 323. 


„Ein Dichter, der ſchon in jungen Jahren die allgemeine Aufmerkſamkeit 


auf ſich gelenkt, giebt in dieſen ebenſo formvollendeten wie gedankenreichen Gedichten 


ſein Beſtes und Reifſtes. Während in den früheren poetiſchen Schöpfungen Fried⸗ 
manns die Form zuweilen hinter dem Gedanken zurückſtand und etwas kühn auf⸗ 
trat, ſtehen beide in dieſen echten Wanderungen „Durchs Leben“ ſowohl wie in den 
gelungenen Ueberſetzungen aus franzöſiſchen, engliſchen und italieniſchen Dichtern 
und in den Sonetten und Reiſebildern auf der Höhe moderner Lycik. Es geht 
durch dieſe Lieder ein origineller Zug kecker Minne, frohen Behagens und ſchöner 
Lebensfreudigkeit, der gegenüber dem peſſimiſtiſchen Gedankenballaſt neuerer 
Dichter, welche alle Poeſie zu erdrücken droht, wahrhaft wohlthuend wirken muß.“ 
Weſtermann's Monatshefte 1882, Januar. 

. . . In den Gedichten lernen wir zunächſt mit beſonderem Inktereſſe den 


Lyriker kennen. So manches Gedicht zieht uns hier beſonders an, nicht blos, 


weil es fein und wahr empfunden, in der Form gefällig und gewinnend iſt. Es 
iſt eine eigenthümliche Auffaſſung der allgemeinen Empfindungen, ein gewiſſes 
Beobachten und Schildern aller Nuancen der Empfindung, eine harmoniſche Ver⸗ 


bindung zwiſchen Reflexion und Gefühl, was den Gedichten ein charakteriſtiſches 


Gepräge giebt, und das Geheimniß ihrer Anziehung bildet .... Neben den 
lyriſchen ziehen uns beſonders die Sinngedichte an. Manch überraſchender 
Gedanke iſt da in wenig Verſen anſpruchslos, klar und reizvoll ausgedrückt. 
. . . Lebhaft fühlen wir uns noch von einigen ſorgfältig durchgeführten Ueber⸗ 
ſetzungen angezogen .... Die mannigfachen Verſuche in neuen und eigenthüm⸗ 
lichen Versformen ſind vielfach gelungen und werden wohl anregend wirken.“ 
Frankfurter Journal 1881. Nr. 389. 
„Alfred Friedmann, der ſich durch verſchiedene lyriſche, epiſche, novelliſtiſche 


und dramatiſche Dichtungen bereits einen Namen gemacht hat, iſt jetzt mit einem 


Bande „Gedichte“ hervorgetreten, welche ſeinem Rufe alle Ehre machen. Er be⸗ 
herrſcht die Form mit großer Sicherheit.“ Kölniſche Zeitung 1881. Nr. 347. 
— „Alfred Friedmann, von welchem uns ein neues Bändchen „Gedichte“ 
vorliegt, iſt kein Neuling mehr in der Literatur. Er hat ſich durch ſeine Geſänge 
„Aus Hellas“, „Bibliſche Sterne“, Die Feuerprobe der Liebe“, „Angioletta“ ſowie 
durch die „Veſtalin“ bereits einen geachteten Namen als Poet erworben. Auch ſeine 
neueſten Gedichte bekunden eine unſtreitig bedeutende lyriſche Begabung, ein Talent 
zur poetiſchen Verherrlichung aller Schönheiten der ſüdlichen Natur und eine viel⸗ 


geſtaltige Beherrſchung der Form. Das Bändchen gehört jedenfalls zu den beſſern 


Erzeugniſſen der modernen Lyrik.“ 
Leipziger Illuſtrirte Zeitung 1882. Nr. 2019. 
„Für das ſchlichte Lied trifft die Muſe von Alfred Friedmann weniger 
den rechten Ton; ſie iſt zu bilderreich dazu. Dagegen zeigt ſie ſich heimiſch in 
weichern Strophenformen des Sonetts und dem Reimluxus deſſelben. Sie hat 
einen ſtark kosmopolitiſchen Zug, wie nicht blos die „Luſitaniſchen Sonette“, ſondern 
auch die zahlreichen Aneignungen aus dem Franzöſiſchen und Italieniſchen beweiſen.“ 
Unſere Zeit 1881. Nr. 12. 
„Alfred Friedmann iſt kein Fremdling auf dem Parnaß. Wir haben 


dem liebenswürdigen munteren Poeten bereits auf mehreren Gebieten der Dichtkunſt 


begegnet und uns jedesmal ſeiner Bekanntſchaft gefreut; denn er hat es immer 
verſtanden uns durch eine würzige Friſche, durch eine graziöſe Bewegung in der 


Form und durch eine vornehm dichteriſche Originalität anzuziehen. Es braucht nur 


an die Dichtungen: „Savilia“, „Aus Hellas“, „Bibliſche Sterne“, „Die Feuerprobe 
der Liebe“, „Leichtſinnige Lieder“, „Vertauſcht“, „Die Veſtalin“, „Erſetzter Verluſt“, 
„Lebensmärchen“: „Don Juan's letzte Abenteuer“ u A. erinnert zu werden, um 


einerſeits an die ganze anmuthende Eigenart, andererſeits an die — vielleicht nur 


allzu — große Fruchtbarkeit des Dichters zu erinnern. Die vorliegende Sammlung 
von Gedichten hat alle Vorzüge aufzuweiſen, welche an den genannten Dichtungen 
gerühmt werden als: meiſterhafte Behandlung der Sprache und Form, glänzendes 
Colorit, hohem Gedankenreichthum und echt dichteriſches Empfinden. Die Mehrzahl 
der Gedichte iſt lyriſch; prächtig wiedergegeben ſind die Stücke der fremden Litera⸗ 
turen, bei denen höchſtens die Auswahl nicht immer geſchmackvoll genannt werden 
dürfte. Glänzende Zeugniſſe einer nicht gewöhnlichen Formengewandtheit ſind die 
„Formverſuche“ und „Sonette“. Hie und da könnten übrigens doch die Gedanken 
mehr an die Oberfläche treten. Reizend und ſo recht für den Geſchenktiſch paſſend 
iſt die Ausſtattung des Büchleins, welches wir denn auch als ein in jeder Hinſicht 
gediegenes und erfreuliches Geſchenk empfehlen wollen.“ Heimat 1882. Nr. 18. 


wierigkeiten zu ſpielen, mit den künſtlichſten Neimverjchling- 

nd eine ganze Abtheilung ſeines Buches unter dem Titel 

uns die Kunſt bewundern. .... Es iſt nicht blos das elegante, 

und zierliche Gewand der Friedmann'ſchen Verſe, ſondern auch das friſch 

A pulſirende Leben, das warme innige Gefühl, das fie durchglüht, was uns 
dest Lektüre angenehm und genußreich macht.“ Bohemia 1882. Nr. 1. 


an der Form wie ſelten Einer; es iſt ihm Freude und 


„Der Geſammteindruck dieſer Sammlung älterer und neuerer Gedichte Fried- 

uns iſt der, daß man es hier mit einem Dichter von tiefer und wahrer Em— 
indung zu thun hat, deſſen Weltanſchauung ſich durch die hie und da noch an— 
ingende Schule des Peſſimismus zu ſelbſtbewußter Klarheit emporzuarbeiten ver⸗ 
and. Friedmann gehört zu jenen leider dünn geſäeten Poeten die uns Etwas zu 
gen wiſſen. Das bleibt die Hauptſache und ſichert dem Dichter dauernde Beach- 

4 C. M. Sauer in der Trieſter Zeitung 1882. Nr. 2. 

„Es finden ſich in dieſen Gedichten ſolche, die ein beredtes Zeugniß für Fried- 
n's Begabung ablegen, Gedichte, die mit unſerer beſſern, modernen Lyrik 
ttleifern können. Maß zu halten, war ſtets Friedmann's Sache. Aus dieſem 
meiten Werke leuchtet aber hervor, daß der Dichter nicht blos durch wohlgeſchliffene 
ormen, ſondern auch im echten Liederton ſeinen Ideen Ausdruck zu geben vermag. 
en eigenen Gedichten iſt eine Reihe von Ueberſetzungen aus dem Engliſchen, 
ranzöſiſchen und Italieniſchen eingeſchaltet, die ebenſo ſehr für des Ueberſetzers 
ab Deut entipre wie für ſeine geſchickte Sprachbehandlung zeugt. Ausſtattung 


nd Druck entſprechen den Anforderungen des guten Geſchmackes.“ 
/ Deutſche Zeitung. Wien 1881. Nr. 3577. 
„Ein ſtattlicher Band, ein ſtattliches Gewand und auch ein ſtattlicher Inhalt. 
Was uns die Gedichte jagen. darf die Aufmerkſamkeit des Leſers für ſich in Anſpruch 
nehmen. Eine feine Empfindung und ein heller Blick laſſen den Dichter, der, nebenbei 
bemerkt, die äußere Form vollkommen beherrſcht, Manches erlauſchen und erſchauen, 
ſo in empfänglichen Gemüthern nachklingen mag. In dem Abſchnitt „Durchs 
Leben“ begegnen wir manch neuem, trefflichem Gedanken — wir citiren hier nur 
die Gedichte: „Noch einmal!“, „Prüfung“, „Geh!“, „Phantheismus“ — und in 
einigen Liedern iſt auch der Volkston auf das Glücklichſte getroffen, ſo namentlich 
in dem anmuthigen Bildchen „Weltlauf“, das nur noch von berufener Componiſten⸗ 
d in muſikaliſchen Rahmen gefaßt zu werden brauchte, um raſch populär zu 
Daß Alfred Friedmann in den „Ueberſetzungen“, eine der werthvollſten 
ing des dritthalb hundert Seiten ſtarken Bandes, aus dem für uns nicht 


2 


ke 2532 2 Gabe ſein und durch ihren Gehalt, wenn längſt die Feſtfreuden vorüber, 
as yegung, Erhebung und Vergnügen gewähren.“ 

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zur mjelben Verfaſſer erſchien: 

228, en, L. Rosner. 2. Auflage. 

= a it iſt glänzend, die Schilderungen find warm und lebendig, der 
5.3 iißige Jambus iſt mit Meiſterſchaft gehandhabt. Nationalzeitung. 


Aus Hellas. 3 Geſänge. Wien, L. Rosner. 

„In jeder Zeile keuſch, ſtylvoll vollendet, erfüllen dieſe Geſüänge AN 
höchſten Achtung für den jungen Dichter, der aus dem Lärm und Qualm SE 
treibens hinweg, unſern Sinn nach den ſonnigen Höhen des reinen Men) Ex 
zu lenken verſucht. Grazer Tagespost. Friedr. I 
Bibliſche Sterne. Hamburg, J. F Richter. Vi: 

Diefe Buch hat ein Poet in ſeinen weihevollſten Stunden geſchrieben 

Ä 5 5 P. K. Roſegger im Heimgar! 
Die Feuerprobe der Liebe. Angioletta. Wien, Wallishauſer. s 

Eine Geſchichte in Verſen, dem Filiberto des Bandello in ſehr geeignet 
Weiſe und in Ottave Rime nacherzählt. Die Geſchichte wird effectvoll dargeſte 
die Diction iſt leicht, gefeilt und gefällig. Saturday Review, 19. Mai 1877. 

Das Werkchen, welches ſchon bei ſeinem erſten Erſcheinen durch den Jar 
wahrer Poeſie, die dichteriſche Sprache, durch welche es ſich vor jo manchen 
Erſcheinungen ähnlicher Art auszeichnet, gerechtes Aufſehen in literariſch 
hervorgerufen, liegt nun in dritter Auflage vor — gewiß der ſchlagend 
für den hohen Werth der beiden Dichtungen, in denen Alfred Friedman 
ſeine bedeutende Begabung leuchten läßt. Die meiſterhafte Beherrſchung des 
deſſen ſchwierigſte Form der Dichter mit Vorliebe wählt, verdient zun 
Anerkennung und Bewunderung. Frankfurter Zeitung, 3. Ma 
Leichtſinnige Lieder. Hamburg, J. F. Richter. 

Es herrſcht in der That ein leichtſinniges, luſtiges Leben voll ſck 
ſinnlicher Grazie in dem Liederbuche, in dem bald die Champagnerpfropf 
und der ſüße, prickelnde Inhalt ſchäumend überſtrömt, bildlich uns aus eir 
fuße die graziöſe Spitze eines Balletſchuhes entgegenſtreckt dc. 

„ Deutſche Zeitung, 31. Aug. 
Vertauſcht. Novelle. Leipzig, Reclam. 0 

Dieſe Novelle möchte uns faſt claſſiſch anmuthen, auch wenn ſie nie 
und zwiſchen Claſſikern in der Univerſalbibliothek vor uns träte; fein aı / 
reich und gediegen an Gehalt. P. K. Roſegger, Heimgarten, Heft 12, 
Die Veſtalin. Leipzig, Otto Lenz, Salonbibliothek. 2 | 
Erſetzter Verluſt. Novelle in Verſen. Hamburg, FJ. F. Richter. 
Don Juan's letztes Abenteuer. Drama in 2 Akten. 1881. 

Leipzig, C. Reißner. br. M. 2.—. 

„Die zwei neuen Werke Alfred Friedmanns zeigen uns das Talent des 
jungen Dichters von zwei verſchiedenen Seiten. Im Drama bekundet er eine 
Geſtaltungskraft. Er drängt in kurze zwei Akte eine tragiſche Handlung und e 
Entwickelung bedeutender Charaktere zuſammen. Der alternde Don Juan ke 
langjähriger Abweſenheit in ſeine Vaterſtadt Sevilla zurück. Er erblickt ei 
das er vor Jahren ſchon geſehen und in das er ſich verliebt hatte. Auch ſie 
damals geſehen und geliebt, aber mittlerweile hat ſie geheirathet, den eigene 
Don Juans geheirathet! Don Juan ift nicht der Mann, die Rechte feines 
und die Heiligkeit einer Ehe zu achten. Er bedrängt das Weib, in welchem 
mit der Liebe ringt und über ſie ſiegt. Wüthend über die Abweiſung, er 

Juan einc verderbliche Intrigue. Er erweckt die Eiferſucht ſeines Bruders, 

ihn glauben macht, ſein Weib liebe eineu jungen Pagen. Der Bruder tüdte 

gen und das unſchuldige junge Weib, das ſterbend die beiden Brüder verjr 

Juan verläßt verzweifelt Sevilla und will eine Wallfahrt unternehmen — 
Hörſelberge,,“ ruft Leporello ſpöttiſch und der Vorhang fällt, dieſer letzte? 

ners faßt die tiefſinnige Idee des Dramas zuſammen. Don Juan iſt ein, 

kraft. Er iſt die Verkörperung der ſtürmiſchen, blinden Leidenſchaft, di 

ſich hin tobt und drängt, ohne ſich um ihre Wirkung zu kümmern. So 

auch eine Anſtrengung macht, die Leidenſchaft zu bändigen, befreit fie fir 

doch immer wieder von ſeinen Banden und Don Juan⸗Tannhäuſer kehrt Ey 
Verſuch, aus den Hörſelberg zu fliehen, ſtets von Neuem dahin zurück. In ſei Ge⸗ 
dichten“ offenbart ſich Friedmann als echter Poet. Er haſcht nicht wit 4ffextirter 
Mittelalterlichkeit nach Effekten und ſucht nicht durch verſtaubte, vergeſſene Archaismen 
dem Leſer zu imponiren. Er trifft die Töne des Volksliedes ebenſo vie die der Ode 
und ſeine traurigen Stimmungen ſind ebenſo rührend wie ſeine heiteren Lichtblicke er⸗ 
freulich und anregend ſind.“ Voſſiſche Zeitung 1882. Nr. 47. 


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3 7153 B195701180 


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