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Full text of "Eine pränestinische Ciste im Museum zu Karlsruhe. Beiträge zur italischen Kultur- und Kunstgeschichte von Karl Schumacher"

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(irosshorzoff liehe  A'ereiniirte  Sammlnn<ren  zu  Karlsruhe. 


Eine  pränestinischc  Cistc 


Museum  zu  Karlsruhe. 


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Beiträge  zur  italischeu  Kultur-  und  Kuust.oeschichte 


Karl  Schumacher. 


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Heidelberg. 

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1891. 


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Grossherzogliche  Vereinifile  Sammlungen  zu  Karlsmhe. 


Eine  pränestinische  Ciste 


Museum  zu  Karlsruhe. 


«^^^ 


Beiträge  zur  italischen  Kultur-  und  Kunstgeschichte 


von 


Karl  Schumacher. 


Heidelberg. 

Verlag    von    August    Siebert. 

1891. 


Vorwort. 


Das  archäologische  Material,  welches  ich  im  folgenden  verarbeitet  habe,  kenne 
ich  grösstenteils,  wenigstens  soweit  es  in  Deutschland  und  Italien  ist,  vom  Augenscheine. 
Wo  daher  meine  Angaben  von  den  bisherigen  Beschreibungen  abweichen  oder  noch 
nicht  veröffentlichte  Gegenstände  betreffen,  beruhen  sie  auf  den  vor  den  Originalen 
selbst  gemachten  Beobachtungen  und  Notizen.  Für  die  dabei  von  den  deutschen  und 
italienischen  Museumsvorständen  und  Gelehrten  erfahrenen  vielfachen  Unterstützungen 
sage  ich  auch  an  diesem  Orte  nochmals  meinen  Dank.  Namentlich  hatte  Herr  Professor 
W.  Heibig  in  Rom  die  Güte,  eine  Reihe  meiner  Anliegen  in  entgegenkommendster 
Weise  zu  erledigen.  Vor  allem  aber  bin  ich  meinem  verehrten  Lehrer,  Herrn  Professor 
von  Duhn  in  Heidelberg,  zu  aufrichtigem  Danke  verpflichtet,  welcher  mich  zuerst  zu 
solchen  „Streifzügen  durch  die  Morgennebel  Altitaliens"  rüstete,  und  an  dessen  Seite 
ich  zweimal  den  grössten  Teil  der  italienischen  Museen  zu  durchwandern  das  Glück 
gehabt    habe.     Er    hat    durch    Rat    und  That  diese  Publikation  gefördert. 

Karlsruhe,  im  Mai   1891. 

Karl  Schumacher. 


Die  Bronzeciste,  welcher  die  folgenden  Blätter  gelten,  wurde  im  Jahre  1888  von 
einem  Freunde  des  Altertums  im  römischen  Kunsthandel  erworben  und  den  Gross- 
herzoglichen Sammlungen  in  Karlsruhe  zum  Geschenke  gemacht.  Dieselbe  war  noch 
teilweise  von  einer  Oxydschicht  überzogen,  nach  deren  Entfernung  sich  die  Zeichnung 
erst  völlig  erkennen  Hess.  Griff  und  Füsschen  waren  abgelöst.  Als  Fundort  wurde 
Praeneste  genannt. 

Einen  vorläufigen  Bericht  über  dieselbe  habe  ich  im  Arch.  Anzeiger  1890  S.  6 
No.  5  und  im  Katalog  der  Karlsruher  Bronzen  ')  unter  No.  256  gegeben. 


I. 


I.    Beschreibung  der  Form  und  Verzierung. 

(Vgl.  Tafel  I-III). 


Die  eiste  besteht  aus  einem  cylinderförmigerf  Behälter,  einem  übergreifenden 
Deckel  mit  figürlich  gestaltetem  Griffe  und  drei  gleichfalls  verzierten  Füsschen. 

Der  cylindrische  Körper  ist  0,255  m  hoch  und  hat  oben  einen  Durchmesser  von 
0,237— 0,242m  ;  ^''  zeigt  also  nicht  ganz  kreisrunden  Querschnitt.  Die  Wandung  ist  aus 
sehr  elastischem,  etwa  1,5  mm  dickem  Bronzeblech  in  einem  Stück  (ohne  Naht)  getrieben. 
Der  etwas  stärkere  Boden  ist  mit  concentrischen,  abwechselnd  nach  aussen  und  innen 
erhabenen  Ringen  geschmückt  und  steht  wenig  über  den  cylindrischen  Teil  vor;  eine 
wulstartige  Umbiegung  bildet  die  Vermittlung;  eine  Lötungsstelle  ist  nicht  wahrnehmbar. 
In  etwa  Handbreite    unter  dem  oberen  Rand  (0,065  m)  sind  acht  hutförmige  Scheibchen 


i)  Schumacher,  Beschreibung  der  Sammlung  antiker  Bronzen.  Karlsruhe  1890.  (J.  Bielefeld). 


durch  Splinte  befestigt,  in  deren  Ösen  zumteile  noch  die  Ringchen  hängen  (sechs); 
die  Kettchen,  welche  sie  ursprünglich  verbunden  hatten,  fehlen. 

Feine  Gravierungen  bedecken  die  ganze  Fläche  des  Cylinders,  ausgenommen  einen 
schmalen  (12  mm)  Streifen  am  obern  Rand,  über  den  der  Deckel  weggeht.  Die  Anord- 
nung der  Verzierung  ist  eine  derartige,  dass  den  grösseren  Teil  der  Cylinderfläche  eine 
bildliche  Darstellung  einnimmt,  die  oben  und  unten  von  einem  ornamentalen  Friese 
umgeben  wird. 

Wir  betrachten  zunächst  den  0,15  m  breiten  Hauptstreifen.  Zwei  sich  ent- 
sprechende Säulen  scheinen  einen  besondern  Raum  abzugrenzen.  Innerhalb  desselben 
steht  auf  kurzer  Säule  ein  Becken,  in  das  aus  einem  Löwenkopf  Wasser  rieselt.  Zu 
beiden  Seiten  desselben  sehen  wir  nackte  und  bekleidete  Frauen,  die  augenscheinlich 
mit  der  Toilette  beschäftigt  sind.  Die  eine  fängt  mit  der  Rechten  einen  Wasserstrahl 
auf,  während  ihre  Linke  das  nach  vorn  herabhängende  Haar  umfasst,  wie  um  es  aus- 
zupressen. Eine  zweite  durchkämmt  mit  den  Fingern  die  seitlich  herabhängende  Haar- 
strähne. Die  zu  äusserst  links  stehende  beschaut  sich  in  einem  mit  einer  geflügelten 
Figur  verzierten  Handspiegel  und  hält  in  der  gesenkten  Rechten  ein  Stäbchen.  Die 
bekleidete  vor  ihr  mag  eben  ihr  Urteil  oder  einen  Wink  über  die  Verschönerungskunst 
gegeben  haben,  während  eine  fünfte  im  Begriff  ist,  ihr  mantelartiges  Gewand  vollends 
abzulegen  oder  umzuhängen.  Alle  sind  reichlich  geschmückt  mit  Ohr-  und  Armringen 
und  Halsbändern  mannigfaltigster  Art.  An  der  Wand  hängt  eine  Binde,  und  am  Boden 
stehen  zwei  Geräte,  von  denen  das  eine  offenbar  selbst  eine  Ciste  ist. 

Die  zuletzt  erwähnte  Frau  in  der  Nähe  der  rechten  Säule  wendet  ihr  Gesicht 
nach  aussen,  als  ob  sie  da  etwas  bemerke.  Und  in  der  That  ist  es  nicht  geheuer. 
Rechts  und  links  hat  sich  den  Säulen  ein  Silen  genaht,  die  beide  mit  Spannung  das 
sich  ihnen  bietende  Bild  verfolgen.  Es  sind  schon  zwei  ältere  Burschen,  namentlich 
der  linke,  der  in  das  höchste  Staunen  geraten  ist,  während  der  rechte  etwas  jüngere 
mehr  thätlich  eingreifen  zu  wollen  scheint.  Die  beiden  sind  durch  Schweinsohren, 
Stülpnase,  die  unedle  runzelige  Stirn,  hervorquellende  Augen,  borstigen  Bart  und  Pferde- 
schwanz charakterisiert  und  tragen  über  den  Rücken  herabfallende  und  um  den  Hals 
geknotete  Felle,  der  ältere  auch  Schuhe.  —  Zwischen  ihnen  gewahrt  man  einen  Zug 
von  drei  Männern  und  einer  Frau.  Der  vorderste,  ein  älterer  bärtiger  Mann  in  hohen 
Schnürschuhen  und  langem  mäandergeschmückten  Gewände,  das  nur  die  rechte  Brust- 
seite und  den  linken  Arm  freilässt,  hält  in  der  Linken  einen  dicken,  fast  baumartigen 
Stengel  mit  Epheu-  oder  Weinblättern.  Ihm  folgt  ein  nackter  Jüngling,  dessen  Mantel 
am  Hals  durch  eine  runde  Scheibe  festgemacht  ist  und  im  Rücken  herabwallt.  Er  hält 
seine  Linke  dicht  über  der  rechten  Schulter  des  voranschreitenden  Alten,  seine  Rechte 
ist    schräg  abwärts  gestreckt.     Hinter  ihm  steht  ein  anderer  Jüngling  mit  übereinander- 


geschlagenen  Beinen,  auf  einen  Speer  gestützt.  Er  unterscheidet  sich  noch  durch  hohe 
Schnürschuhe  und  das  Ober  die  linke  Schulter  geworfene  und  im  Rücken  herabfallende 
Gewand.  Unmittelbar  hinter  dem  jüngeren  Silen  schreitet  eine  Frauengestalt,  angethan 
mit  Ober-  und  Untergewand,  Schuhen  und  Armringen;  sie  hält  in  der  Rechten  einen 
blütenartigen  Gegenstand.  —  Über  den  Köpfen  sind  an  verschiedenen  Stellen  kleine 
Schnörkel  wahrnehmbar,  die  ursprünglich  den  landschaftlichen  Hintergrund  angedeutet 
haben  mögen,  aber  auch  innerhalb  des  abgeschlossenen  Raumes  einmal  vorkommen. 

Über  dieser  Darstellung  befindet  sich  ein  0,04  m  hoher  Fries,  der  oben  durch 
eine  doppelte,  unten  durch  eine  einfache  Kreislinie  begrenzt  wird.  Er  ist  durch  vier 
Paare  einander  zugewandter,  ihre  Tatzen  auf  ein  Beutestück  legender  Tiere  ausgefüllt; 
nur  einmal  findet  sich  ein  einzelner  geflügelter  Greif.  Da  sehen  wir  Löwe  und  Panther 
sich  auf  einen  Stierkopf  stürzen.  Greif  und  Panther  über  einen  widderähnlichen  Kopf 
herfallen,  während  um  einen  Hirsch-  oder  Rehkopf  sich  zweimal  Löwe  und  Panther 
sowie  zwei  Panther  streiten.  An  mehreren  Stellen  gehen  die  Tiere  etwas  über  die 
Einfassungslinien  hinaus. 

Der  Fries  unterhalb  des  Hauptbildes,  von  diesem  durch  eine  einfache  Linie  ge- 
trennt, hat  die  gleiche  Höhe  wie  der  Tierstreif  und  ist  durch  eine  abwärts  gerichtete 
Palmetten-Lotoskette  gebildet.     Die  Palmetten  sind  von  kleinen  Kreisen  umgeben. 

Die  drei  Füsschen,  auf  denen  der  Cylinder  ruht,  bestehen  aus  Löwen-  oder 
Panthertatzen,  die  auf  runde  Scheiben  gesetzt  sind  (H.  0,035  bezw.  0,083  m).  Nach 
oben  gehen  sie  kapitälartig  in  zwei  zickzackverzierte  Voluten  über.  Um  dem  cylindrischen 
Körper  mehr  Halt  zu  geben,  sind  sie  von  nackten  knieenden  Knaben  mit  grossen 
Flügeln  bekrönt ,  welche  in  der  zurückgestreckten  Rechten  einen  hammerähnlichen 
Gegenstand  halten,  während  die  Linke  auf  das  linke  Knie  gestützt  ist.  Die  Füsschen 
sind  durch  Guss  hergestellt  und  nicht  besonders  sorgfältig  modelliert;  Haare,  Einzelheiten 
des  Gesichtes  sowie  die  Federn  der  Flügel  sind  mit  dem  Punzen  überarbeitet,  doch 
ziemlich  nachlässig  und  roh. 

Der  Deckel  ist  leicht  gewölbt  und  hat  mit  dem  übergreifenden,  oben  durch 
eine  wulstartige  Ausladung  abgeschlossenen  Teil  (H.  0,018  m)  eine  Gesamthöhe  von 
etwa  0,034  m.  Rings  um  den  Rand  der  Oberfläche  läuft,  nach  innen  durch  einen  Kreis 
begrenzt,  ein  gravierter  Ölkranz  mit  kleinen  runden  Früchten.  Das  übrigbleibende 
Rund  ist  durch  die  rechteckförmige  Vorzeichnung  für  die  Stelle  des  Griffes  in  zwei 
gleiche  Teile  geschieden.  In  jedem  derselben  liegt  ein  phantastisches  Seeungetüm. 
Das  eine  ist  ein  Seebock  mit  langen  Ohren,  Bart,  gewundenem  Fischleib  (mit  Stachel- 
kamm im  Nacken  und  Rücken)  und  Drachenfüssen ;  das  andere,  ihm  zugekehrte,  ein 
Seepferd  mit  ähnlichem  Fischleib,  doch  ohne  Stacheln.  Zwischen  denselben  tummelt 
sich   ein   kleiner  Delphin.     Zu   beiden  Seiten   des  erwähnten  Rechtecks  sieht  man  noch 


8 

ein   mit  Palmetten   ausgefülltes  Kreissegment;   die  Tiere   befinden   sich  daher  eigentlich 
in  einem  concentrischen,  durch  die  Standleiste  des  Griffes  unterbrochenen  Ringe. 

Diese  selbst  ist  0,165  m  lang,  0,022  m  breit  und  ragt  wie  häufig  über  die  Vor- 
zeichnung hinaus.  Sie  trägt  als  Griff  zwei  nackte  Ringer  (H.  mit  Leiste  Cjiogm),  deren 
äussere  Umrisse  fast  ein  Trapez  bilden,  so  dass  der  Zweck  der  Bekrönung  und  Hand- 
habe gut  erreicht  ist.  Beide  stehen  in  Vorderansicht  da  und  stemmen  sich  mit  den 
Köpfen  gegen  einander.  Jeder  fasst  mit  der  einen  (innern)  Hand  nach  dem  Schöpfe 
des  Gegners,  während  die  andere  (äussere)  den  Partner  am  Handgelenke  festhält.  Die 
inneren  Arme  sind  so  verschlungen,  die  äusseren  erscheinen  in  einem  spitzen  Winkel 
über  den  Köpfen.  Der  Körper  der  einen  Figur  ist  etwas  stärker  nach  innen  gekrümmt, 
jedenfalls  um  zu  grosse  Gleichmässigkeit  zu  vermeiden.  Die  Figuren  sind  in  gleicher 
handwerksmässiger  Weise  wie  die  Füsschen  hergestellt,  im  allgemeinen  zwar  noch 
ordentlich  modelliert,  aber  im  einzelnen  nicht  sorgfältig  durchgebildet  und  nach  dem 
Gusse  nur  wenig  überarbeitet.  Der  Mund,  die  Augen  und  die  Haare  sind  nur  roh 
angedeutet. 

2.     Verhältnis  zu  der  Ciste 
bull.  d.  Inst.  1870  S.  loi  No.  6. 


Bevor  wir  auf  eine  nähere  Betrachtung  des  Einzelnen  eingehen,  müssen  wir  das 
Verhältnis  unserer  Ciste  zu  einer  ganz  ähnlichen  feststellen,  die  von  Matz  im  bull.  d. 
Inst.  1870  S.  loi  f.  (No.  6)  besprochen  ist  und  sich  damals  im  Besitz  eines  römischen 
Antiquars  befand.  Wegen  der  Wichtigkeit  der  Frage  geben  wir  zunächst  jene  Be- 
schreibung wörtlich  wieder.     Sie  lautet: 

„VI.  E  divisa  in  due  scene  principali.  La  prima  ci  conduce  in  una  yovatxwvlziQ.  Presso 
ad  una  colonna  vedesi  una  donna  ignuda  con  braccialetti  guardante  in  uno  specchio  il  ri  fies  so 
del  suo  volto.  Pill  a  destra  una  donna,  vestita  di  chitone  a  mezze  maniche,  il  capo  pudicamente 
chino,  e  nell'  atto  di  andarsene  a  destra.  Vengono  tre  altre  donne  ignude  intorno  ad  un  bacino 
nel  quäle  la  solita  testa  di  leone  versa  l'acqua.  La  scena  descritta  ha  eccitata  la  vaga  curiositä  di 
due  Satiri  barbati  che  frettolosamente  s'avanzano  da  sinistra  e  da  destra.  La  prima  figura  del  quadro 
che  vi  si  accosta  a  destra,  e  una  donzella  vestita  modestamente  di  chitone  e  manto  e  tenente  nella 
sinistra  un  fiore.  Un  giovine  con  gambe  incrocicchiate  che  addossa  una  clamide  ed  ha  usattini 
ai  piedi,  s'appoggia  ad  una  lancia.  E  voltato  a  destra  come  un  suo  compagno,  il  quale  pone  una 
mano  sull'  omero  d'un  uomo  barbato  e  vcstito  d'un  himation  che  niette  la  destra  ad  un  piccoio 
albero  omato  di  foglie  e  fiori.  I  piedi  della  cista  consistono  di  zampe  di  leone:  al  disopra  figu- 
rine  accocolate  per  terra  con  in  mano  un'  attrezzo  che  soniiglia  ad  un  vomero.  II  manico  vien 
formato  da  due  uomini  pronti  alla  lotta  con  intrecciate  le  braccia.  Le  reni  dell*  uno 
cuopre  uno  stretto  panno." 


Wie  man  sieht,  stimmt  die  Hauptdarstellung  mit  derjenigen  unserer  Ciste  bis  auf 
zwei  nebensächliche  Punkte  völlig  überein.  Der  eine  ist,  dass  die  Verzierung  des 
Handspiegels  hier  als  riflesso  del  suo  volto  bezeichnet  wird,  während  auf  unserer  Ciste 
es  deutlich  eine  geflügelte  Figur  ist.  Weniger  will  der  zweite  sagen,  nämlich  dass 
der  beiden  Gerätschaften  am  Boden  keine  Erwähnung  geschieht.  Verschieden  dagegen 
sind  die  beiden  Griffe.  Denn  der  von  Matz  beschriebene  stellt  einen  Ringkampf  zwischen 
einem  Mann  und  einer  Frau  dar,  offenbar  die  bekannte,  gewöhnlich  Peleus-Atalante 
genannte  Gruppe. 

Die  Übereinstimmung  der  Gravierungen  veranlasste  mich  jedoch,  Erkundigungen 
nach  dem  Verbleib  jener  Ciste  einzuziehen.  Herr  Professor  W.  Heibig  in  Rom  hatte 
die  Freundlichkeit,  diese  selbst  zu  übernehmen,  und  er  scheute  keine  Mühe  und  Zeit, 
bis  er  die  Angelegenheit  zu  einem  befriedigenden  Resultat  gebracht  hatte.  Vor  allem 
ergab  sich,  dass  keine  zweite  der  Karlsruher  bezw.  Matz'schen  Ciste  gleichende  bei 
einem  römischen  Antiquar  ist.  Weiter  aber  versicherte  ein  Bruder  des  früheren  Besitzers 
der  von  Matz  gesehenen  Ciste  die  Identität  dieser  mit  der  Karlsruher.  Er  schreibt: 
„Posso  assicurarle  che  la  cista,  di  cui  mi  ha  mostrato  la  fotografia  (die  Karlsruher), 
si  trovava  in  casa  nostra  ed  e  identica  con  quella  descritta  nel  Bullettino.  Ciö  che 
riguarda  il  manico,  puö  essere  che  in  principio  era  appoggiato  arbitrariamente  ed  e  possibile 
che  il  manico  appartenentevi  fu  aggiunto  piü  tardi".  Gleichfalls  für  Identität  sprach  sich 
der  in  Palestrina  gebürtige  Graveur  Pasinati  aus,  dessen  sich  seine  Landsleute  häufig  als 
archäologischen  Beirats  bedienen.  Er  klärte  auch  den  zweiten  Punkt  inbetreff  des  Griffes  auf 
Da  seine  Aussagen  auch  für  eine  Reihe  anderer  Cisten  von  Wichtigkeit  sind, ')  führe  ich  sie 
dem  Wortlaute  nach  an :  „Posso  assicurarle  che  la  cista  descritta  nel  Bullettino  1870  pag.  loi 
n.  6  e  identica  con  quella  di  cui  Ella  mi  ha  mostrato  la  fotografia.  Questa  cista  fu  veduta  da 
me  in  casa  Fiorentini.*)  La  parte  superiore  era  ricoperta  da  un  grasso  strato  di  ossido,  e 
perciö  gli  oggetti  ivi  incisi  non  potevano  essere  menzionati  nella  descrizione.  I  m  a  n  i  c  i 
e  i  piedi  delle  diverse  ciste  esistenti  nella  med.  casa  erano  appoggiati 
del  tutto  arbitrariamente.  lo  dietro  le  indicazioni  dello  scavatore  tolsi 
il  manico  ed  i  piedi  e  vi  apposi  il  manico  ed  i  piedi  che  vi  apparten- 
gono."  Es  sind  also,  nachdem  Matz  seine  Beschreibung  gemacht  hatte,  die  Griffe  ver- 
schiedener Cisten  vertauscht  worden.  Der  Griff,  den  Matz  als  zu  jener  Ciste  gehörig 
beschrieben,     ist   jetzt    auf    der    von    ihm     im    bull.   1870,   S.  102,  n.  8    besprochenen 

i)  Z.  B.  für  das  Verhältnis  der  Ciste  Mon.  d.  Ist.  Suppl.  T.  XIX,  XX  zu  der  bull.  1870 
p.  102  No.  9  beschriebenen,  wo  ebenfalls  nur  die  Griffe  verschieden  sind. 

2)  Die  Angabe  Matz',  dass  die  Ciste  sich  in  der  Casa  Fortunati  befand,  beruht  nach  den 
angestellten  Nachforschungen  auf  einem  Irrtum.  Fiorentini  heisst  mit  dem  Vornamen  Fortunato, 
und  in  den  kleinen  Landstädtchen  pflegt  man  die  Leute  nicht  mit  den  Familiennamen,  sondern 
mit  dem  Vornamen  zu  benennen,  so  dass  jenes  Missverständnis  leicht  erklärlich  ist 

1 


lO 


eiste,  während  diese  damals  offenbar  den  jetzigen  Griff  der  Karlsruher  Ciste  trug,  wie 
Matz'  Worte  formano  il  manico  due  giovani  con  braccia  intrecciate  erkennen  lassen. 
Beigefügte  nach  einer  ebenfalls  von  Herrn  Professor  W.  Heibig  freundlichst  besorgten 
Photographie  hergestellte  Zeichnung  möge  eine  Anschauung  desselben  geben. 


liüaaiüfli 

Es  ist  also  nur  noch  die  abweichende  Spiegelverzierung  und  das  Verschweigen 
der  am  Boden  stehenden  Toilettegegenstände  zu  erörtern.  Beide  Punkte  lassen  sich 
leicht  dadurch  erklären,  dass  die  Ciste  noch  nicht  vom  Oxyd  befreit  war,  als  sie  Matz 
sah.  Denken  wir,  dass  er  nur  einige  Gravierlinien  auf  dem  Spiegel  gewahrte.  Ge- 
wöhnlich widerstrahlen  die  Spiegel  in  derartigen  Zeichnungen  das  Gesicht  der  Hinein- 
schauenden. Was  lag  also  näher  als  dieses  auch  in  vorliegendem  Fall  anzunehmen, 
umso  mehr,  als  durch  die  ausgestreckten  Flügel  die  Darstellung  eine  ovale  Form 
erhält?  Die  Stellen  aber,  wo  die  beiden  Geräte  jetzt  sichtbar  sind,  mögen  ganz  von 
Oxyd  bedeckt  gewesen  sein.  Letzteren  Punkt  könnte  man  indes  auch  damit  zu  erklären 
versuchen,  dass  beide  nicht  erwähnte  Geräte  eine  moderne  Zuthat  seien.  Und  in  der 
That  Hesse  sich  die  zittrige  Einkratzung  der  Figuren  der  kleinen  Ciste  für  diese  Ver- 
mutung anführen,  da  doch  die  Linien  der  übrigen  Darstellung  eine  so  sichere  Hand 
verraten.  Dem  gegenüber  ist  aber  zu  bedenken,  dass  bei  Ausführung  so  kleiner  Ver- 
zierungen, wie  sie  die  Figuren  jener  Ciste  sind,  eine  antike  Hand  wohl  dieselben 
Schwierigkeiten  wie  eine  moderne  gehabt  hat,  wie  auch  die  nicht  minder  unsichere 
Gravierung  des  Spiegels  beweist.  Nach  dieser  Sachlage  scheint  auch  mir  die  Identität 
der  beiden  Cisten  wahrscheinlich. 

Sollte  dies  aber  nicht  der  Fall  sein,  so  hätte  die  Wiederholung  derselben  Dar- 
stellung nichts  Auffallendes.  Sind  wir  auch  weniger  gewöhnt,  derartige  Kopien  im  Kunst- 
handwerk älterer  Zeiten  zu  finden,  so  liegt  doch  ftlr  die  hier  in  Betracht  kommende  Zeit 
eine  genügende  Zahl  von  Analogien  vor.  Ich  brauche  nicht  auf  die  gleichen  Erscheinungen 
auf  dem  Gebiet  der  Spiegel,  Graburnen  oder  Vasen ')  dieser  Zeit  zu  verweisen,  sondern 

i)  So  sind  mehrere  in  den  Gräbern  von  Falerii  eefundene  Vasen  geradezu  als  Pendants 
gearbeitet,  vgl.  Rom.  Mitt.  II,  S.  232f.  und  Nuova  Antologia  1889,  i  Dec.  S.  44a 


II 

kann  bei  unserer  Denkmälergattung  selbst  stehen  bleiben.  Bei  der  eingehenderen  Be- 
sprechung der  Füsse  und  des  Griffes  unserer  Ciste  werden  wir  noch  sehen,  wie  häufig 
sich  dieselben  Motive  wiederholen.  Die  Ausfüllung  des  Deckels  durch  Seeungetüme 
ist  beinahe  eine  constante  zu  nennen.  Interessant  ist  die  Deckelverzierung  zweier  Cisten, 
Mon.  d.  Ist.  Suppl.  T.  XIII  und  T.  XIV,  die  beide  dieselben  Kampfscenen  schildern  (vgl. 
den  Text  S.  3:  „alla  decorazione  della  cista  T.  XIII  scrvi  evidentemente  di  modello  una 
delle  due  metä  della  T.  XIV.  L'incisione  di'quest'ultima  cioe,  lavorata  da  un  abile 
artefice,  fu  data  a  copiare  di  poi  ad  uno  di  minor  valore").  Ja  zwei  barberinische 
Cisten  '),  welche  auch  nach  Form,  Griff  und  Füsschen  übereinstimmen,  zeigen  dieselbe 
Hauptdarstellung,  eine  willkürliche  Zusammenstellung  einer  Badescene  und  bacchischer 
Figuren,  wobei  nur  eine  einzige  Figur  differiert  (vgl.  auch  ann.  1877,  S.  219).  Und  ohne 
Zweifel  werden  sich  die  Beispiele  durch  künftige  Funde  noch  mehren. 

3.     Erklärung  des  Hauptbildes. 


Nach  dieser  Feststellung  können  wir  der  Interpretation  des  Hauptstreifens  unserer 
Ciste  näher  treten.  Wir  sehen  zwei  verschiedene  Scenen,  eine  Anzahl  Frauen,  die 
innerhalb  eines  durch  Säulen  angedeuteten  Raumes  baden,  und  einen  Zug  ruhig  daher- 
schreitender  Männer.  Beide  Gruppen  sind  durch  zwei  die  Frauen  belauschende  Silene 
verbunden.  Es  erhebt  sich  die  Frage,  was  beide  Darstellungen  bedeuten  und  ob  sie  in 
einem  engern  Zusammenhang  stehen.  Die  Frage  lässt  sich  weniger  aus  dem  Bilde  selbst 
als  aus  einem  Vergleich  mit  ähnlichen  Kunstwerken  entscheiden. 

Die  bei  der  Toilette  begriffenen  Frauen  sind  durch  keine  Attribute  näher  cha- 
rakterisiert, so  dass  wir  schwerlich  erwarten  dürfen,  in  dem  Bereich  irgend  eines  Mythus 
uns  zu  befinden,  sondern  wohl  gewöhnliche  Sterbliche  in  ihnen  erblicken  müssen.  Bade- 
scenen  von  Frauen  kommen  schon  in  der  älteren  Kunst  vor;  ich  erinnere  nur  an  die 
Würzburger  Phineusschale,  wo  ebenfalls  Silene  die  badenden  Frauen  beschleichen,  sind 
aber  am  häufigsten  in  den  Darstellungen  späterer,  in  ihren  Anschauungen  und  Sitten 
lockerer  Zeit,  namentlich  auf  den  unteritalischen  Vasen  des  dritten  Jahrhunderts,  sowie 
auf  den  an  diese  Kunstrichtung  sich  anschliessenden  Denkmälergattungen,  namentlich 
den  Spiegeln*).  Aber  auch  auf  Cisten  finden  sie  sich  nicht  selten,  was  in  Anbetracht 
des  Zweckes  dieser  Geräte  als  Toilettenbüchsen  begreiflich  erscheint. 


i)  Annali  1866  S.  170  No.  27  und  S.  171  No.  28,  bull.  1866  S.  80,  81. 

2)  Vgl.  ann.  1871  S.  117  (Benndorf).  Einige  solche  Spiegel  mit  Badescenen  sind  zu- 
sammengestellt bei  Inghirami,  Mon.  Etr.  II.  i.  T.  XXVII  f.  und  bei  Gerhard,  etruskische  Spiegel 
T.  107  f.,  317  f.,  V.  (Klügmann-Körte)  T.  i8f. 


12 

Betrachten  wir  die  letzteren,  so  müssen  wir  mehrere  Klassen  unterscheiden.  Die 
einen  führen  uns  bekannte  mythologische  Badescenen  vor.  Hierher  gehören  ann.  1866, 
S.  170,  No.  22  (bull.  1866,  S.  21  f.)  und  S.  171,  No.  30  (bull.  1866,  S.  140),  wo  badende 
Frauen  von  eiriem  Kentaur  und  einem  Jüngling  belauscht  werden  (vermutlich  Thetis  mit 
ihren  Frauen,  Chiron  und  Peleus,  doch  bereits  mit  Beimischung  von  Elementen,  die 
beweisen,  dass  die  ursprüngliche  Darstellung  nicht  mehr  verstanden  wurde),  femer  ann. 
1866,  No.  23  (bull.  1866,  S.  40,  ann.  1877,  S.  239,  Jahrbuch  I,  S.  203,  No.  93),  wo  Thetis 
im  Bade  von  Peleus  überfallen  wird. ')  Bei  der  Ciste  ann.  1866,  No.  15  (Mon.  \'I.  VII, 
T.  LV,  Friederichs,  Kl.  Kunst  und  Industrie  S.  130,  No.  542)  hat  man  —  ob  mit  Recht, 
ist  sehr  fraglich  —  an  ein  weitergebildetes  Parisurteil  gedacht,  indem  man  annehmen 
mOsste,  dass  die  Frauen  erst  Toilette  gemacht  haben.  Bisweilen  befinden  sich  unter 
den  Badenden  geflügelte  Gestalten,  andere  sind  mit  Sceptern  und  ähnlichen  Attributen 
ausgestattet,  so  dass  man  auch  an  die  Bade-  und  Schmuckscenen  des  aphrodisischen 
Kreises  denken  muss,  die  wir  so  zahlreich  von  den  Spiegeln  und  unteritalischen  Vasen 
kennen.  Zu  dieser  Gattung  gehören  z.  B.  Ann.  1866,  No.  27  (bull.  1866,  S.  80)  und 
No.  63.  Namentlich  letztere,  jetzt  in  Petersburg  befindliche  Ciste  bietet  viele  Parallelen 
für  unsere  Darstellung.*)  Eine  Darstellung  wie  bull.  1870,  S.  99  (Mon.  Suppl.  T. XV. XVI), 
wo  zwei  nackte  Frauen  um  ein  Becken  stehen,  von  denen  die  eine  als  Creisita  (Chryseis), 
die  andere  als  Elena  (Helena)  bezeichnet  ist,  während  Achilles  und  andere  Personen 
zuschauen,  leitet  dagegen  sicher  zu  einer  zweiten  Klasse  über,  welche  willkürlich  zu- 
sammengestellte Personen,  bisweilen  mit  mythologischen  Namen  versehen,  vorführt  (vgl. 
auch  Fernique,  dtude  sur  Preneste,  S.  197,  No.  108).  Blieben  die  Namen  und  Attribute 
weg,  so  war  es  eine  Badescene  gewöhnlicher  Sterblicher.  Vergleichen  wir  jetzt  die 
Badescene  unserer  Ciste  mit  den  eben  besprochenen,  so  müssen  wir  noch  einmal  betonen, 
dass  sich  in  derselben  nichts  findet,  was  an  ursprünglichen  mythologischen  Zusammen- 
hang auch  nur  im  entferntesten  noch  erinnerte.  Wir  dürfen  wohl  daraus  folgern,  dass  der 
Künstler  bewusst  gewöhnliche  Frauen  beim  Bade  zur  Darstellung  gebracht  hat. 

Den  Männerzug   unserer  Ciste   eröffnet,    von    dem  Silen ')  abgesehen,    ein  älterer 


i)  Vgl.  über  die  Einführung  der  nackten  weiblichen  Gestalt  in  die  antike  Kunst  v.  Duhn, 
la  „*Venere"  doli'  Esquilino  (bull.  d.  comm.  arch.  com.  d.  Roma  1890),  über  Peleus-Thetis- 
darstellungen  Graef,  Jahrbuch  I  S.  aoif.,  Gerhard,  etrusk.  Spiegel  V.  (Klügmann-Körte)  S.  123  f. 

2)  Doch  sieht  man  auch  häufig  in  den  Schmuckscenen  gewöhnlicher  Sterblicher  jene  ge- 
flügelten Gestalten.  Auch  würde  es  nicht  Wunder  nehmen,  wenn  sich  Anklänge  an  Hochzeits- 
feierlichkeiten finden  sollten,  umsoweniger  als  die  Cisten  für  Hochzeitsgeschenkc  recht  geeignet 
waren  (vgl.  Bnmn,  ann.  1864  S.  366,  Schöne,  ann.  1866  No.  64  und  die  für  diesen  Fall  wohl 
richtigen  Bedenken  Furtwänglers,  ann.  1877  S.  210  Anni.  3). 

3)  Ueber  die  Silene  auf  Cisten  und  andern  Denkmälern  dieser  Zeit  vgl.  die  ausführliche 
Behandlung  von  Furtwängler,  ann.  1877  S.  221  f.,  der  Satyr  von  Pergamon  (40.  Winkelmanns- 
programm)  S.  22  f. 


13 

würdiger  Mann,  dessen  Charakterisierung  uns  sofort  auf  Dionysos  hinweist.  Derartige 
bärtige  Dionysosbiidungen  sind  uns  ja  aus  hellenistischer  Zeit  genügsam  bekannt. ') 
Doch  findet  sich  nichts  weiteres  in  dieser  Scene,  was  eine  ursprünglich  bacchische  Dar- 
stellung verriete.  Denn  in  der  Haltung  des  den  Dionysos  leicht  berührenden  Jünglings 
auch  nur  eine  Erinnerung  an  den  geläufigen  Typus  des  stützenden  Silens  zu  sehen,  geht 
doch  wohl  nicht  an  (vgl.  bei  Röscher,  Lexicon  S.  1 143  und  die  Annhaltung  der  dem  „Leiber" 
folgenden  Figur  Mon.  VI.  VII,  T.  LXIV,  i).  Auch  die  den  Männern  beigesellte  Frau  hat 
nichts,  was  bestimmt  nach  jener  Richtung  deutete.  Daher  kann  man  mit  Recht  zweifeln, 
ob  der  Künstler  an  einen  wirklichen  bacchischen  oder  Götterzug  überhaupt  gedacht 
habe.  Es  scheint  vielmehr  nur  eine  abgeblasste  Erinnerung  eines  solchen  vorzuliegen. 
Ein  gutes  Beispiel  dafür,  wie  derartige  Scenen  zu  Stande  kamen,  bietet  die  Ciste 
ann.  1866,  No.  29,  deren  von  Heibig  herrührende  Beschreibung  ich  wegen  ihrer  Wich- 
tigkeit für  die  Beurteilung  unserer  Darstellung  und  vieler  ähnlicher  nach  bull.  1866, 
S.  139  folgen   lasse: 

Vi  vediamo  cioe  un  giovane  a  guisa  di  Apoiline  in  piedi,  vestito  colla  clamide,  neila  d.  un 
albero  d'alloro,  dirimpetto  ad  un  giovane  ignudo,  a  quel  che  si  conchiude  dalle  ale  sopra  i  malleoli 
del  piede,  Mercurio.  Seguono  due  figure  veementemente  commosse,  una  donna  con  braccialetti, 
Chitone  e  mantello,  la  quäle  rivoltando  la  testa  verso  il  supposto  Apolline  stende  le  braccia  in  una 
direzione  opposta,  ed  un  uomo  barbato  con  clamide,  ornato  di  benda  attorno  la  testa  e  fascie  attorno 
alle  coscie,  nella  d.  un  tirso ;  tiene  esso  colla  s.  uno  scudo  sopra  una  figura  virile  ignuda  imberbe 
quasi  per  proteggerla.  In  ogni  caso  questa  figura,  la  quäle  e  raffigurata  con  dimensioni  molto 
piccole,  colla  s.  sul  dorso,  la  d.  alzata,  forma  il  centro  dell'  azione  ed  essa  e  la  cagione  della 
commozione  visibile  nelle  anzidette  figure.  Segue  un  giovane  in  piedi,  che  per  due  code  di  cui 
pare  munito,  sembra  un  Satiro,  mentre  la  scena  da  questa  parte  e  terminata  con  un'  ara  e  la 
figura  d'an  cane  che  guarda  insu. 

Hier  sind  noch  einige  Gestalten  etwas  deutlicher  charakterisiert,  so  dass  man 
den  ursprünglichen  mythologischen  Kern  noch  erkennt,  andere  Figuren  sind  dagegen 
auch  schon  völlig  abgeblasst.  Die  bacchischen  Elemente  scheinen  in  gar  keinem  näheren 
Zusammenhang  mit  der  übrigen  Darstellung  zu  stehen,  eine  Erscheinung,  die  bereits 
bei  einer  Reihe  anderer  Cisten  beobachtet  worden  ist  und  der  sich  am  besten  die 
häufige,    in   gleicher   Weise   abgekürzte   sinnlose    Einschiebung   der  Badescenen   gegen- 


i)  Vgl.  Furtwänglers  Ausführungen  bei  Röscher,  Lexikon  der  griechischen  und  römischen 
Mythologie  S.  iiigf.  Die  nächsten  Parallelen  sind  die  Mittelfigur  des  Griffes  der  Cista  Napoleonc 
(Mon.  VI.  VII  T.  LXIV.  i)  und  der  „Leiber"  auf  der  Cista  Mon.  IX  T.  LVIII.  LVIIII.  Derselbe 
Typus  kommt  ferner  öfters  in  einer  bestimmten,  im  südlichen  Etrurien  fabrizierten  Vasenklasse 
vor  (vgl.  Furtwängler  ann.  1878  S.  86),  in  welcher  die  Zusammenstellung  älterer  und  jüngerer 
Formen  sehr  häufig  ist  und  die,  wie  wir  noch  sehen  werden,  geradezu  Vorlagen  für  die  latini- 
schen Cisten-  und  Spiegelgraveure  geliefert  zu  haben  scheint. 


^4 

überstellen  lässt. ')  Wie  willkürlich  thatsächlich  diese  Zusammenstellungen  erfolgten, 
beweisen  am  besten  die  Beischriften  einiger  Cisten.  So  sind  auf  der  Ciste  Mon.  Villi, 
T.  XXII.  XXIII,  deren  Stil  an  denjenigen  der  unsern  erinnert,  Aiax  Oileus,  So- 
resios,  Agamemnon,  Istor,  Lais,  Laomeda,  Doxa  und  zwei  Silene  vereinigt.  Andere 
Beispiele  sind  von  Michaelis,  ann.  1873,  S.  221  und  Fernique,  etude  sur  Preneste, 
S.  197,  No.  108  erwähnt.  Es  ist  also  ganz  derselbe  Vorgang,  den  wir  so  häufig 
auf  den  unteritalischen  Vasen  und  deutlicher  noch  bei  den  späteren  Spiegelzeich- 
nungen finden,  wo  ebenfalls  die  beigeschriebenen  Namen  die  willkürliche  Auswahl 
der  Figuren  erkennen  lassen  (vgl.  Körte-Klügmann  bei  Gerhard,  etr.  Spiegel  V,  S.  102  f ). 
Daher  auch  die  vielfach  vergebliche  Mühe,  in  manche  Cisten-Darstellungen  Sinn  zu 
bringen;  es  war  eben  nie  einer  darin. 

Diese  Darlegungen  dürften  bereits  gezeigt  haben,  dass  zwischen  den  beiden 
Scenen  unseres  Hauptbildes,  der  Frauengruppe  und  dem  Männerzug,  kein  inhaltlicher 
Zusammenhang  besteht.  Dasselbe  bestätigen  die  anderen  Cisten  mit  Darstellungen 
badender  oder  sich  schmückender  Frauen.  Da  sehen  wir  einmal  auf  der  Gegenseite  den 
Selbstmord  des  Ajax  (ann.  1866,  No.  22),  ein  andermal  eine  Eberjagd  (ann.  1866,  No.  63), 
kurz  Scenen,  die  augenscheinlich  mit  dem  Schmuck  an  der  andern  (Vorder-)Seite  nichts 
zu  thun  haben.  Wie  nahe  also  auch  der  Gedanke  liegt,  dass  das  Heraneilen  der  Männer 
nur  den  Frauen  gelte,  so  scheint  er  mir  nach  der  Ausdrucksweise  anderer  Cisten  doch 
abzuweisen  zu  sein. 

4.  Composition. 


Fehlt  auch  ein  derartiges  Band  zwischen  beiden  Scenen,  so  empfindet  man  doch 
keine  eigentliche  Kluft.  Um  über  den  Grund  dieser  Erscheinung  klar  zu  werden,  müssen 
wir  näher  auf  die  gesamte  Composition  des  Bildstreifens  eingehen.  Schon  Schöne  hat 
ausgeführt*),  wie  die  Darstellungen  der  besseren  Cisten,  namentlich  die  der  Ficoronischen 
Ciste,  entsprechend  der  cylindrischen  Beschaffenheit  des  Gerätes,  von  einem  hervor- 
tretenden Centrum  ausgehend,  sich  in  ununterbrochener  Folge  um  den  Körper  entwickeln 
und  geschickt  zusammenschliessen,  und  wie  trotz  dieser  Unterordnung  unter  das  Ganze 
die  einzelnen  Gruppen  zur  gefälligen  Geltung  kommen.  Furtwängler  hat  dann ')  gezeigt, 
dass  bisweilen  auch  zwei  Centren  zu  unterscheiden  seien,  wobei  die  ganze  Composition 
aus  drei  Gruppen  zusammengesetzt  ist.  Ähnlich  und  doch  wieder  anders  verhält  es  sich 
mit   unserer   Ciste.     Als  Centrum   hält   unser   Auge   sofort   die   vor  dem  Wasserbecken 


i)  Vgl.  Furtwängler  ann.  1877,  S.  239. 

2)  Ann.  1866,  S.  aoi  f. 

3)  Ann.  1877,  S.  185. 


15 

stehende  Frauengestalt  fest,  thatsächlich  den  Intentionen  des  Künstlers  gemäss,  wie  sich 
noch  beweisen  lässt.  In  dem  oberen  Friese  sind  nämlich  die  Tiere  zu  je  zwei  ange- 
ordnet, nur  über  jener  Figur  am  Becken  gewahrt  man  einen  einzelnen  Greif.  Es  war 
somit  die  Absicht  des  Zeichners,  jenen  Punkt  auch  äusserlich  hervorzuheben.')  Die  Bade- 
scene,  durch  die  beiden  jonischen  Säulen  in  symmetrischer  Weise  eingerahmt,  bildet 
eine  in  sich  geschlossene  Gruppe.  Dasselbe  gilt  aber  auch  von  dem  Männerzug,  der  in 
ähnlicher  Weise  durch  die  zwei  Silene  abgeschlossen  wird.  Jene  besteht  aus  fünf  Frauen, 
von  denen  die  äusseren  für  sich  wieder  zwei  kleinere,  sich  entsprechende  Gruppen  dar- 
stellen. Es  fällt  auf,  dass  die  mittlere  Frau  nicht  vor  der  Mitte  des  Beckens  steht, 
sondern  etwas  nach  links  gerückt  ist  und  mit  der  rechts  von  ihr  befindlichen  und  ihr 
zugewandten  geradezu  eine  Gruppe  bildet.  Man  könnte  diesen  Umstand  vielleicht  damit 
erklären,  dass,  falls  sie  vor  der  Mitte  des  Beckens  stünde,  der  wasserspeiende  Löwen- 
kopf verdeckt  worden  wäre.  Doch  hätte  der  Künstler  diesem  Missstande  leicht  abzu- 
helfen vermocht,  indem  er  sie  vor  dem  Becken  kauern  Hess,  ein  anziehendes  Motiv,  das 
wir  auf  Vasen  und  Spiegeln  häufiger  finden  (vgl.  z.  B.  Gerhard,  etr.  Spiegel  T.  io8, 
317  u.  s.). 

Der  wirkliche  Grund  scheint  sich  mir  durch  die  Analyse  der  zweiten  Scene  zu  er- 
geben. Sie  umfasst  mit  den  beiden  Silenen  sechs  Personen.  Es  entsprechen  sich  in 
geschicktester  Weise  die  beiden  Silene  als  Abschluss,  ferner  „Dionysos"  und  die  reich 
bekleidete  Frau,  während  die  zwei  nackten  Jünglinge  den  Mittelpunkt  der  Gruppe  aus- 
machen.    Dieser  Umstand  legt  den  Gedanken  nahe,  dass  die  beiden  nackten  Frauen  am 


i)  Diese  Beobachtung  wird  durch  eine  Reihe  anderer  Cisten  bestätigt.  So  ist  z.  B.  Mon. 
VIII,  T.  58.  59  der  Mittelpunkt  der  Darstellung  dadurch  bezeichnet,  dass  das  Palmettenband  nur 
an  der  betreffenden  Stelle  durch  ein  Tier  unterbrochen  wird  (vgl.  Michaelis,  ann.  1873,  S.  222); 
ähnlich  ist  es  mit  Mon.  Suppl.  T.  XIX.  XX,  wo  in  dem  ornamentalen  Friese  einmal,  und  zwar 
über  dem  Jüngling  in  asiatischer  Kleidung,  welcher  offenbar  den  Mittelpunkt  der  Handlung  bildet, 
ein  weiblicher  Kopf  erscheint.  Etwas  anderer  Art  ist  Mon.  VI,  T.  55,  wo  der  Palmetten-Lotosfries 
an  zwei  Stellen  durch  Gorgoneia  unterbrochen  wird,  und  zwar  da,  wo  die  zwei  verschiedenen 
Scenen  zusammenstossen.  Noch  andere  Beispiele  werden  wir  später  kennen  lernen.  Dass  aber 
dieser  Kunstgriff  bisweilen  auch  recht  unverstanden  angewandt  wurde,  scheint  die  Ciste  Mon. 
Suppl.  T.  XV.  XVI  zu  beweisen.  Hier  bemerkt  man  im  oberen  Friese  einen  menschlichen  Kopf, 
von  welchem  aus  die  Tiere  nach  beiden  Richtungen  weglaufen.  Er  befindet  sich  über  einem 
Reiter  mit  unbekanntem  Namen,  von  dem  man  schwer  einsieht,  warum  er  der  Mittelpunkt  der 
Handlung  sein  soll.  Dieser  scheint  vielmehr  in  natürlicher  Weise  durch  das  Frauenpaar  am 
Becken  gegeben.  Doch  kann  man  sich  immerhin  denken,  dass  der  Zeichner  ihn  als  wichtigste 
Person  aufgefasst  hat,  da  er  aufmerksam  die  nackten  Frauen  betrachtet,  von  denen  Helena  sich 
ihm  direkt  zuwendet,  während  der  andere  Reiter  (Achilles)  gar  nicht  auf  sie  schaut.  Die  Zu- 
sammenstellung der  Figuren  ist  auch  in  diesem  Falle  eine  ganz  willkürliche. 


i6 

Becken  ein  Gegenstück  zu  den  beiden  nackten  Jünglingen  im  Männerzug  bilden  sollen, 
um  so  mehr  als  beide  in  dem  Mittelpunkte  ihrer  Gruppen  stehen. 

Ist  aber  diese  Gegenüberstellung  wirklich  beabsichtigt  —  und  meines  Erachtens 
lässt  sich  bei  der  Menge  wohl  erwogener  Entsprechungen  nicht  daran  zweifeln  — ,  dann 
ist  der  Schluss  nicht  abzuweisen,  dass  der  Künstler  bei  der  Schaffung  der  Gesamtcom- 
position die  Idee  der  Gegenüberstellung  des  Männlichen  und  Weiblichen  gehabt  hat. 
Mag  also  der  Männerzug  auch  noch  eine  gewisse  Erinnerung  an  eine  wirkliche  mytho- 
logische bezw.  bacchische  Scene  sein,  wofür  der  „Dionysos"  und  vielleicht  auch  die  Frau 
unter  den  Männern  spricht,  so  tritt  doch  jene  allgemeine  Auffassung  deutlich  zu  Tage. 
Die  Annahme  der  beabsichtigten  Gegenüberhaltung  der  beiden  Geschlechter  wird  auch 
durch  die  Auswahl  vieler  Griffe  bestätigt,  da  häufig  ein  nackter  Mann  und  eine  nackte 
Frau,  sowohl  aus  heroischem  wie  bacchischem  Kreise  und  aus  dem  gewöhnlichen  Leben, 
vereinigt  sind.  Richtig  bemerkt  schon  Brunn  ann.  1864,  S.  374:  „il  confronto  della  lotta 
palestrica  di  Peleo  ed  Atalanta  (eine  der  häufigsten  Grifffiguren)  ....  ci  suggerisce  l'idea, 
che  pur  negli  altri  gruppi  siasi  voluto  dimostrar  di  preferenza  il  contrapposto  ed  insieme 
la  riunione  de'  due  sessi." 

Wie  aber  diese  Bilder  aus  dem  bacchischen  Kreise  bezw.  der  Männerwelt  sowie 
aus  dem  Innern  des  Frauengemachs  gerade  für  ein  Luxus-  und  Badegeräte  sich  eignen, 
brauche  ich  nicht  auszuführen. 

Der  Gedanke,  die  Verbindung  zwischen  den  beiden  grossen  Gruppen  durch  die 
dreisten  Silene  herzustellen,  ist  um  so  passender,  als  Silene  in  den  Denkmälern  häufig 
auch  als  eine  Art  Wasserdämone  erscheinen,  die  an  Quellen  und  Brunnen  allerlei  Scherz 
und  Kurzweil  treiben.') 

Ähnliche  Composition  in  zwei  Scenen  erscheint  noch  hie  und  da  auf  Cisten;  doch 
kenne  ich  keine  mit  so  geschickt  und  fein  durchgeführter  Entsprechung  der  Gruppen- 
bildungen. Vergleichen  lässt  sich  nach  der  Einteilung  etwa  die  Ciste  Mon.  VI.  T.  LV. 
Auch  hier  sind  die  beiden  Scenen  durch  zwei  Säulen  getrennt  und,  wie  auf  unserer 
Ciste  durch  zwei  Silene,  so  durch  zwei  Reiter  vermittelt. 

Diese  bis  ins  einzelne  fein  durchgeführte  Symmetrie  der  Gruppen  sowie  die  dar- 
gelegte, die  beiden  Scenen  verknüpfende  Idee  sind  es  also,  welche  die  Darstellung  unserer 
Ciste  so  einheitlich  erscheinen  lassen,  wenn  auch  die  beiden  Scenen  in  keinem  näheren 
inhaltlichen  Zusammenhang  stehen. 

Auch  die  Anordnung  der  Tiere  im  Fries  scheint  bis  ins  kleinste  vom  Künstler 
wohl  erwogen  zu  sein.     Oder   ist  es  als  Zufall  anzusehen,   dass  der  Vereinigungspunkt 


i)  Vgl.  Jahn,  die  Ficoronische  Ciste  S.  25,  Furtwängier,  ann.  1877,  S.  232,  Jordan,  Marsyas 
auf  dem  Forum  in  Rom. 


^7 

zweier  Paare,  die  Beutestücke,   sich  jeweils  gerade   Ober  den  Häuptern  derjenigen  Per- 
sonen befinden,  die  sich  in  den  Gruppen  entsprechen? 

Schliesslich  müssen  wir  noch  darauf  aufmerksam  machen,  wie  der  Künstler  bestrebt 
war,  einer  gewissen  Einförmigkeit  vorzubeugen.  Man  betrachte  nur  die  verschieden- 
artigsten Kopf-  und  Körperstellungen  der  Frauen.  Vielleicht  darf  auch  hierher  ge- 
rechnet werden ,  dass  das  Centrum  der  Männergruppe  aus  zwei ,  das  der  Frauen 
nur  aus  einer  Figur  besteht.  Es  wäre  sogar  nicht  unmöglich,  dass  die  Anwesen- 
heit der  Frau  im  Männerzug  damit  zu  motivieren  ist.  Beachtung  verdient  auch, 
wie  sämmtliche  Personen ,  mit  Ausnahme  des  Jünglings  mit  der  Lanze ,  in  der 
Bewegung  dargestellt  sind.  Doch  herrscht  in  der  Frauengruppe  weit  mehr  Leben  als 
in  der  Männerscene.  Hier  wirkt  die  gleiche  Richtung  der  Köpfe,  Körper  und  Beine, 
noch  mehr  aber  die  gleichmässige  Haltung  der  Arme  etwas  ungünstig.  Immerhin  müssen 
wir  aber  anerkennen,  dass  der  Künstler  seiner  Aufgabe,  eine  cylindrische  Fläche  zu 
schmücken,  in  geschickterer  Weise  nachgekommen  ist,  als  wir  es  auf  dem  grössten  Teile 
der  eisten  sehen. 

5.    Antiquarisches. 


Die  Gravierungen  bieten  auch  in  antiquarischer  Beziehung  manches  Neue.  Vor 
allem  ist  es  die  zwischen  der  ersten  und  zweiten  Frau  sichtbare  Ciste.  Sie  entspricht 
ihrer  Form  und  Verzierung  nach  ganz  der  eigentlichen  Ciste.  In  dem  von  zwei  orna- 
mentalen Friesen  umgebenen  Bildstreif  sehen  wir  links  einen  weitausschreitenden  Mann 
in  kurzem  Leibrock  mit  einer  Lanze,  dann  eine  stehende  nackte  Gestalt  mit  einer  Keule 
in  der  Rechten  und  einem  Mantel  oder  Fell  in  der  Linken,  also  wohl  Herakles');  eine 
dritte  Person  ist  grösstenteils  durch  den  Fuss  der  danebenstehenden  Frau  verdeckt. 
Darstellungen  von  Cisten  kennen  wir  bereits  eine  und  die  andere  aus  Schmuck- 
scenen  späterer  Vasen,  Spiegel  und  Cisten  *),  doch  ist  meines  Wissens  bis  jetzt  keine 
mit  solchem  figürlichen  Schmuck  bekannt.  Die  Bestimmung  dieser  Geräte,  denen  man 
früher  nach  Visconti's  Vorgang  eine  mystische  Bedeutung  beigelegt  hatte,  ist  jetzt  als 
Toilettenbüchse  vollständig  gesichert  (vgl.  Brunn  ann.  1864,  S.  373  f.  u.  a.).  Man  erkennt 
deutlich  als  Inhalt  einiger  auf  Spiegeln  und  sonst  dargestellten  Cisten  ölfläschchen, 
Spiegel  etc.     Auch    wurden    diese    und    andere    Sachen    in    wirklichen    Cisten    gefunden, 


i)  Vgl.  z.  B.  die  Darstellung  auf  der  Rückseite  der  Ciste  ann.  1866,  S.  182  No.  63. 

2)  Vgl.  Schöne  ann.  1866,  S.  197,   Gaz.  arch.  VII,  pl.  18,   Mon.  IX,  T.  LVI.  4,  Gerhard,  etr. 
Spiegel  T.  293  u.  s. 


i8 


namentlich  häufig  Schmuckgeräte*)  und  Kämme,  auch  Schwämme,  ja  einmal  ein  Zopf, 
der  deutlich  beweist,  dass  die  pränestinischen  Damen  es  schon  ziemlich  weit  in  den 
Toilettenkünsten  gebracht  hatten  (vgl.  bull.  1864,  S.  21). 

Der  rechts  vom  Becken  stehende  Gegenstand  ist  bis  jetzt  rätselhaft.  Er  gleicht 
einem  offenen  Halbcylinder  und  ist  mit  einer  Art  Handgriff  versehen.  Er  kommt  noch 
einmal  auf  einem  bei  Präneste  gefundenen  und  ebenfalls  mit  einer  Schmuckscene  ver- 
zierten Spiegel  vor  (KlOgmann-Körte,  etrusk.  Spiegel  V,  T.  22).  Auch  hier  befindet  er 
sich  in  ähnlicher  Weise  einer  Ciste  gegenüber.  Körte 
vermutet,  dass  es  der  zur  Ciste  gehörige  Deckel  sein 
solle,  doch  ist  mir  dieses  wenig  wahrscheinlich. 

Weiter  interessiert  uns  der  Spiegel,  welchen  die 
erste  Frau  mit  der  Linken  handhabt.  Er  besteht  aus 
einer  runden  Scheibe  und  einem  langen,  gegen  das  Ende  sich  verjüngenden  Griff.  Auf 
dem  Spiegelrund  ist  eine  weibliche  nackte  Gestalt  mit  langen  Flügeln  graviert,  die  in 
der  Rechten  ein  Baisamarium,  in  der  Linken  ein  Stäbchen  hält.  Offenbar  ist  es  eine 
jener  dem  aphrodisischen  Kreise  angehörigen  Gestalten,  die  so  häufig  auf  den  wirk- 
lichen etruskischen  Spiegeln  dargestellt  sind  und  die  man  gewöhnlich  Lasen  nennt.*) 
Man  bemerke,  dass  die  „Lasa"  unseres  Spiegels  das  Salbfläschchen  in  der  Rechten,  das 
Stäbchen  in  der  Linken  trägt,  während  es  gewöhnlich  umgekehrt  ist. 

Für  die  Datierung  unserer  Ciste  ist  es  nicht  ohne  Belang,  auf  die  Zeitstellung 
dieser  Spiegel  etwas  näher  einzugehen.  Unbegreiflicher  Weise  hat  sie  Schippke  in 
seinem  Programm  über  die  pränestinischen  Spiegel ')  zu  den  älteren  gerechnet,  während 
Form,  Stil  und  Fundumstände  beweisen,  dass  sie  ziemlich  später  Zeit  sind.  Es  lassen 
sich  zwei  Klassen  derselben  unterscheiden.  Die  eine,  etwas  ältere,  zeigt  grössere  flache 
Scheiben  mit  nur  wenig  aufwärts  gekrümmtem  Rande  und  etwas  bessere  Zeichnung. 
Der  Griff  besteht  aus  einem  halblangen  Zapfen  (oben  mit  Erweiterung),  der  in  eine  Holz- 
oder BeinhOlse   eingefügt   war.     Zu  dieser  Gattung  gehören  z.  B.  Gerhard,  etr.  Spiegel, 


i)  In  der  bekannten  Cista  Pasinati  mit  dem  fraglichen  Deckelbilde  aus  dem  Acneasmythos 
(vgl.  ann.  1866,  No.  18  und  Robert,  50  Winkelmpgr.  S.  63,  Anm.  i,  der  inbetreft"  der  Achtheitsfrage 
sicher  Recht  fiat)  sollen  auch  zwei  Fibeln  gefunden  sein  (Mon.  VIII,  T.  VIII,  6.  7),  sog.  Bogen- 
fibeln  mit  kurzem  p-uss,  die  aber  etwa  um  ein  halbes  Jahrtausend  älter  als  die  Ciste  selbst  sind. 
Also  wohl  ein  weiteres  Moment  für  die  Annahme,  dass  die  Ciste  in  der  Werkstatt  eines  Antiquars 
zurecht  gemacht  wurde.  Die  frOhrömische  Chamierfibel,  die  mit  der  später  zu  behandelnden 
pränestinischen  Silberciste  gefunden  sein  soll  (ann.  1866,  tav.  GH»),  ist  dagegen  wohl  nur  durch 
ein  Versehen  zu  dem  Obrigen  Cisteninhalt  gekommen  (vgl.  auch  Undsct,  ann.  1885,  S.  29,  Anm.  3). 

2)  Vgl.  Furtwängler,  ann.  1877,  S.  194,  Schippke,  de  speculis  etruscis  S.  23. 

3)  Programm  d.  König-Wilhelm-Gymnasiums  zu  Breslau  1888. 


19 

T.  35.  2,  3 ;  (244 ;  245.  2),  V.  T.  29,  Schumacher,  Karlsruher  Bronzen-Katalog  No.  233.  Sie 
dürften  in  das  Ende  des  vierten  und  den  Anfang  des  dritten  Jahrhunderts  v.  Chr.  zu 
setzen  sein.  Die  zweite,  aus  dieser  sich  entwickelnde  Klasse  hat  kleinere,  bisweilen 
etwas  konvexe  Scheiben  mit  scharfabstehendem  Rande  und  langem,  meist  in  einem  Tier- 
kopf endigenden  Griffe.  Die  Zeichnungen  sind  sehr  flüchtig.')  Dass  beide  Gattungen 
nicht  so  alt  sein  können,  wie  Schippke  meint,  zeigt  nicht  nur  die  entwickelte  Form, 
sondern  auch  das  Auffinden  solcher  Spiegel  in  Gräbern  mit  ziemlich  spätem  Inventar. 
Das  Gräberfeld  bei  Bologna,  das  schon  so  viele  Aufschlüsse  für  die  Chronologie  ge- 
liefert hat,  giebt  auch  hier  die  besten  Anhaltspunkte.  Derartige  Spiegel  bildeten  nämlich 
Beigaben  der  dortigen  gallischen  Gräber,  welche  nach  den  Gefässformen  und  den  be- 
kannten, für  die  Früh-,  Mittel-  und  Spät -La  Tfeneperiode  charakteristischen  Fibeltypen 
dem  vierten  bis  ersten  Jahrhundert  v.  Chr.  angehören.  So  wurde  ein  dem  genannten 
Karlsruher  Spiegel  (No.  233)  ähnlicher,  doch  schon  etwas  jüngerer  in  einem  Grabe  ge- 
funden, das  eine  späte  Skyphosform  enthielt.  ■)  Ein  Spiegel  der  kleineren  späteren  Form 
mit  stark  erhöhtem  Rande  stammt  aus  einem  Grabe,  das  unter  anderem  schwarzge- 
firnisste  Vasen  etruskisch-kampanischer  Fabrik  enthielt.")  Ist  also  jener  hohe  Zeitansatz 
unmöglich,  so  sehen  wir  aber  auch  andererseits,  dass  sie  nicht  ganz  so  spät  sind,  wie 
bisweilen  angenommen  wird  (zweites  Jahrhundert),  da  die  Fabrikation  jener  Vasen  um 
die  Mitte  des  dritten  Jahrhunderts  aufhört.  Die  jüngere  Spiegelform  setzt  sich  allerdings 
noch  fort,  da  sie  in  Präneste  und  sonst  häufig  in  Gräbern  erscheinen,  in  denen  bemalte 
Vasen  gänzlich  fehlen.  Ist  es  sicher,  dass  der  Spiegel  Gerhard  T.  171  (vgl.  Jahn,  Ficor. 
eiste,  S.  56,  Schöne  ann.  1866,  S.  153  f)  mit  der  Ficoronischen,  wohl  noch  etwas  vor 
die  Mitte  des  dritten  Jahrhunderts  zu  datierenden  Ciste  gefunden  wurde,  so  hätten  wir 
dadurch  einen  weiteren  Anhalt.   Er  zeigt  ebenfalls  jenes  Entwicklungsstadium,  bei  welchem 


i)  Z.  B.  Gerhard,  etr.  Sp.,  T.  31  f,  245.  i,  von  den  Karlsruher  Spiegeln  No.  234  f. 

2)  Vgl.  Brizio,  Atti  e  memorie  della  R.  Deputazione  dl  storia  patria  per  le  provincie  di 
Romagna  III.  Ser.,  vol.  V  (tombe  e  necropoli .  galliche  della  Provincia  di  Bologna)  S.  469, 
n.  XVIII.  4  und  T.  V.  42.  Die  Vase  zeigte  ursprünglich  auf  gelbem  Grunde  schwarzaufgemalte 
Blätter,  war  aber  später  mit  einem  leichten  schwarzen  Firnis  überdeckt  worden.  —  Auch  bei 
diesem  Spiegel  scheint  wie  beim  Karlsruher  der  Griff  schon  im  Altertume  abgebrochen  und 
dann  durch  Aufnageln  eines  neuen  Metallstreifens  restauriert  worden  zu  sein.  Doch  kommt 
diese  Erscheinung  bei  Spiegeln  dieser  Art  so  häufig  vor  (vgl.  z.  B.  Gerhard  T.  35,  2,  T.  391  u.  s.), 
dass  man  mutmassen  möchte,  der  Griff  sei  bisweilen  von  Haus  aus  auf  der  Mündung  aufgenietet 
worden.  Die  undeutlichen  Verzierungen  zu  Füssen  der  Lasa  werden  wie  auf  dem  Karlsruher 
Exemplar  stilisierte  Blumen  sein.  Auf  letzterem  eilt  die  Lasa  nach  rechts  (v.  B.),  während  sie 
auf  dem  Bologneser  wie  gewöhnlich  nach  links  gewandt  ist  (vgl.  Körte  bei  Gerhard  V,  S.  37). 

3)  Brizio,  a.  a.  O.,  S.  481,  vgl.  auch  Not .  d.  scav.  1889,  S.  297. 


20 


der  Griff  bereits  vollständig  ausgebildet  ist  und  tierkopfartig  endet.  Dieses  und  die 
Lorbeer-Kranzeinfassung  setzt  ihn  in  Beziehung  zu  einer  besonders  zahlreichen  Gattung 
von  Spiegeln  mit  meist  willktlrlich  zusammengestellten  mythologischen  Gestalten,  ferner 
den  Dioskuren,  „Kabiren"  („Mantelfiguren",  vgl.  Schippke  in  dem  citierten  Breslauer 
Programm,  S.  8),  zu  denen  unter  den  Karlsruher  Spiegeln  No.  237  f  gehören.  Doch 
unterscheidet  er  sich  von  diesen  dadurch,  dass  bei  ihm  nicht  wie  bei  diesen  gewöhnlich 
der  Lorbeerkranz  auf  einem  erhöhten  Ringe  eingraviert  ist.  Dies  dürfte  in  Verbindung 
mit  einigen  andern  kleinen  Abweichungen  nach  Form  und  Stil  ihm  ein  wenn  auch 
nur  um  wenig  höheres  Alter  diesen  gegenüber  gewährleisten.  Ein  weiterer  Grund, 
weshalb  wir  wenigstens  mit  der  Hauptmasse  jener  Spiegelklasse  mit  Lasendarstellungen 
nicht  mehr  in  das  zweite  Jahrhundert  gehen  dürfen  —  vereinzelte  Ausnahmen  mögen 
ja  immerhin  vorhanden  sein  — ,  ist  die  um  die  Mitte  des  dritten  Jahrhunderts  erfolgte 
Aenderung  in  der  Form  und  Technik  der  Handspiegel.  Doch  um  dieses  beweisen  zu 
können,  müssen  wir  etwas  weiter  ausholen.  *) 

Die  Spiegelform  ist  offenbar  wie  diejenige  so  vieler  anderer  Geräte  vom  Osten 
nach  Griechenland  und  Italien  gekommen.  Was  an  griechischen  Handspiegeln  bis  jetzt 
bekannt  ist  (hier  sind  die  Stand-  und  Klappspiegel  zahlreicher),  zeigt  zwei  Typen :  solche 
mit  breitem  bandartigem  und  solche  mit  schmalem  zapfenförmigem  Griff.  Für  beide 
Formen  ist  das  Bestreben  charakteristisch,  zwischen  Griff  und  Spiegelrund  einen  Ueber- 
gang,  sei  es  durch  eine  rechteckige  Erweiterung,  sei  es  durch  ein  Kapital-  oder  Voluten- 
omament  herzustellen.  Diese  harmonische  Verbindung  fehlt  bezeichnender  Weise  bei 
den  älteren  etruskischen  Handspiegeln  (wir  sehen  hier  von  jenen  den  Standspiegeln 
näher  stehenden  Prachtspiegeln  ab,  deren  Griffe  durch  Widderträger  etc.  gebildet  sind). 
Die  Spiegel  der  Certosa  *)  haben  kurze  Zapfen,  die  entweder  ohne  jede  Vermittlung  an 
die  runde  Scheibe  angesetzt  sind  oder  eine  rechteckige  Verbreiterung  aufweisen,  die 
aber  wenig  geeignet  ist,  jenem  Zwecke  zu  dienen.  Bei  den  Spiegeln  des  vierten  Jahr- 
hunderts werden  die  Griffzapfen  allmählich  länger  und  breiter,  entsprechende  Wandlungen, 
macht  auch  die  Scheibe  nach  Dicke,  Wölbung  und  Rand  durch ;  auch  das  Verbindungs- 
stück wird  allmählich  grösser  und  sucht  durch  etwas  geschwungene  Linien  mehr  zu 
vermitteln.  Diese  Entwicklung  setzt  sich  im  Verlauf  des  dritten  Jahrhunderts  fort ;  der 
bisher  von  einer  Hülse  verkleidete  Zapfen  wird  zu  einem  vollständigen,  gewöhnlich  in 
einen  Tierkopf  endigenden  Griff,  das  Verbindungsstück  ist  nun  stark  ausgeschweift,  die 
Scheibe  selbst   kommt  diesem  Streben    harmonischer  Verbindung  bisweilen    durch   eine 


1)  Vgl.  auch  meine  Ausführungen  in  der  Ztschr.  f.  Geschichte  d.  Oberrheins  V,  S.  417  und 
Ztschr.  f.  Ethnologie  1891,  S.  81  f. 

2)  Zannoni,  scavi   della   Certosa  T.  XX,  sep.  39,   T.  XXXXIII,  sep.  86,   T.  XLIX,  scp.  loi, 
T.  LXXXVI,  scp.  252. 


21 

mehr  birnförmige  Gestalt  entgegen. ')  Bald  nach  der  Mitte  des  dritten  Jahrhunderts 
scheint  sich  nun  die  Loslösung  des  vollständigen,  häufig  figürlich  verzierten  Metallgriffes 
von  der  Scheibe  vorbereitet  zu  haben :  wenigstens  sind  schon  zwei  solche  Beispiele  unter 
den  Funden  von  Falerii,  das  im  Jahr  243  zerstört  wurde.  Der  Griff  läuft  unten  ge- 
wöhnlich auch  in  einen  Tierkopf  aus,  oben  in  ein  Kelchblatt,  das  auf  der  unteren  Seite 
einen  Ausschnitt  für  das  Spiegelrund  hat.  Ein  sehr  schönes  Exemplar  ist  z.  B.  abge- 
bildet bei  Gerhard,  etr.  Sp.  T.  157  (aus  Präneste),  das  ebenfalls  noch  in  das  dritte  Jahr- 
hundert gehört.*)  Ein  Spiegel  wie  Gerhard  T.  151  kann  uns  den  Übergang  von  der 
vorhergehenden  Gattung  ohne  selbständigen  Griff  vergegenwärtigen.  Bei  diesen  späteren 
Spiegeln  spielt,  entsprechend  dem  Geschmacke  der  Römer,  das  Relief  eine  grössere 
Rolle.  Auch  die  Gravierung  der  Scheiben  verschwindet,  während  das  Material  kost- 
barer wird  oder  sich  wenigstens  diesen  Anschein  giebt. ")  Diese  Form  behalten  dann 
die  Handspiegel  im  Grunde  während  der  ganzen  römischen  Epoche  bei,  wenn  auch 
Griff  und  Scheibe  einige  Variationen  erleiden  (wobei  natürlich  von  den  Klappspiegeln, 
viereckigen  etc.  abzusehen  ist). 

Diese  Erörterungen  mussten  etwas  ausführlicher  sein,  weil  man  bis  jetzt  die  Form 
der  Spiegel  noch  viel  zu  wenig  für  ihre  Datierung  beigezogen  hat,  obwohl  dieselbe  oft 
deutlicher  spricht  als  der  Stil  der  Verzierung.'*)  Hoffentlich  haben  sie  zur  Genüge 
gezeigt,  dass  wir  bei  der  Datierung  von  Spiegeln  mit  den  Lasen-Darstellungen  schwer- 
lich viel  über  das  dritte  Jahrhundert  herabgehen  dürfen.  Dies  hat  natürlich  auch  für 
die  chronologische  Ansetzung  unserer  Ciste  Giltigkeit. 

Ausser  dem  besprochenen  Spiegel  hat  jene  Frau  noch  ein  Stäbchen  in  der  Hand, 
das  am  wahrscheinlichsten  als  ein  Instrument  zum  Scheiteln  der  Haare  (discerniculum)  auf- 
zufassen sein  dürfte.  Dies  zeigt  klarer  die  gleiche  Figur  einer  Schmuckscene  auf  der  Ciste 
ann.  1866,  S.  170,  n.  22  (bull.  1866,  S.  21),  von  der  Heibig  sagt:   „quella  (donna  ignuda) 


i)  Die  bekannten  Grabstelen  zu  Bologna  bieten  zu  diesem  Vorgang  eine  interessante 
Parallele.  Ursprünglich  auch  rund,  nehmen  sie  allmählich  eine  mehr  birnförmige  Gestalt  an, 
offenbar  um  den  Übergang  von  der  viereckigen  Basis  mehr  zu  vermitteln. 

2)  Von  einem  solchen  Spiegel  stammt  wohl  auch  die  Scheibe  bei  Gerhard  T.  162,  i.  Vgl. 
auch  Gerhard  T.  23  und  T.  60,  i,  4,  Schumacher,  Bronzenkatalog  n.  246.  Gerhard  hält  sie  übrigens 
z.  T.  für  Opferscheiben.  Der  Spiegel  Gerhard  T.  60,  4  scheint  eine  willkürliche  Zusammenstellung 
eines  Spiegels  mit  Zapfen  und  eines  Griffes  dieser  Art  zu  sein. 

3)  Ich  meine  die  Silber  nachahmenden  Scheiben  von  VVeissmetall  oder  die  bronzenen 
mit  einem  silberartigen  Überzug,  vgl.  Virchow,  Ztschr.  f.  Kthn.  1890,  S.  (449  f.). 

4)  Doch  hat  Furtwängler  in  der  Anordnung  der  Spiegel  des  Berliner  Museums,  wie  ich 
mich  vor  einigen  Jahren  durch  den  Augenschein  überzeugte,  diesen  Gesichtspunkt  schon  in  Be- 
tracht gezogen,  wodurch  er  vielfach  zu  abweichenden  Resultaten  gegenüber  Fricdcriclis  und  a. 
gekommen  ist. 


2a 


postata  dietro  guarda  in  uno  spechio  che  tiene  co^la  sinistra,  mentre  col  „discerniculum" 
che  tiene  colla  destra,  fa  il  cocuzzolo  dei  capelli".  Sie  kehrt  wieder  in  ähnlicher  Weise 
noch  auf  einigen  anderen  Cisten  (ann.  1866,  S.  184,  182,  n.  64,  n.  63:  guardante  in  uno 
specchio  che  tiene  colla  mano  manca  ed  in  cui  e  accennatto  il  ritratto  della  sua  faccia, 
mentre  colla  destra  pare  pettini  i  suoi  capelli,  vgl.  auch  bull.  1885,  S.  202);  bisweilen  hat 
sie  allerdings  statt  des  discerniculum  eine  Binde  oder  sonst  einen  Toilettengegenstand  in 
der  Hand  (ann.  1866,  S.  171,  n.  30,  bull.  1866,  S.  140).  —  Eine  andere  Frage  ist,  ob  der 
Stift,  den  die  Lasa  auf  dem  Spiegel  in  der  Hand  hält,  das  gleiche  Gerät  vorstellen  soll.  Man 
hat  vielfach  nur  eine  Art  Nadel  oder  Griffel ')  darin  gesehen,  um  Pulver,  Schminke  oder 
Salbe  auf  Haut,  Augenbrauen  und  Wimpern  aufzutragen,  deren  sich  jetzt  noch  die 
Orientalinnen  zur  Bemalung  der  Augenbrauen  und  Wimpern  bedienen.  Wo  das  Stäb- 
chen sehr  klein  ist,  könnte  diese  Erklärung  allerdings  richtig  sein,  doch  ist  im  allgemeinen 
meines  Erachtens  kein  wesentlicher  Unterschied  zwischen  beiden  Geräten  zu  machen, 
da  das  Instrument  zum  Scheiteln  jedenfalls  ebenso  in  Öl  getaucht  wurde,  wenigstens 
wird  es  bei  so  kleinen  Darstellungen  kaum  möglich  sein,  zwischen  beiden  Geräten  zu 
scheiden.  Auch  die  Frage,  wie  weit  es  als  Nestnadel  gedient  hat,  lässt  sich  schwer- 
lich noch  beantworten.  Solche  discernicula  sind  in  ziemlicher  Anzahl  aus  dem  Altertum 
erhalten,  da  sie  sich  häufig  in  Cisten  finden.  Darunter  sind  einige  aus  Gold  und  Silber, 
doch  die  meisten  aus  Bronze,  zum  Teil  mit  sehr  feiner  künstlerischer  Verzierung. 

Wenige  Worte  noch  über  den  Gegenstand,  den  die  im  Männerzug  mitschreitende 
Frau  vor  sich  hinhält.  Man  könnte  an  eine  stilisierte  Blüte  denken  (so  Matz  in  der 
oben  wiedergegebenen  Beschreibung),  doch  scheint  mir  die  Erklärung  als  Fächer  geradeso 
annehmbar.  Die  gewöhnliche  Fächerform  dieser  Zeit  ist  die  eines  Blattes  oder  einer 
rundlichen  Palmette  mit  Kelch  oder  Voluten.  Ziemlich  ähnliche  finden  sich  z.  B.  bei 
Gerhard,  apulische  Vasenbilder  T.  5  (Mon.  X  T.  LI),  T.  14  (vgl.  auch  Furtwängler,  ann. 
1878,  S.  102). 

Die  Schmuckgegenstände,  sowie  Gewand-  und  Haartracht  bringen  nichts  Neues. 
Doch  sei  wegen  der  doppelten,  mit  Sternchen  verzierten  Haarbinde  auf  Gaz.  arch.  r88o 
pl.  19  hingewiesen. 

6.     Technik  der  Gravierungen. 


Metallfurchen  können  in  verschiedener  Weise  zu  Stande  kommen,  durch  Pressen, 
Gravieren,    „Ziehen"    und  Aetzen.     Für  die   Cistenverzierungen   sind   natürlich   nur  die 


i)  Vgl.  Garruccl,  bull.  1865,  S.  55  f,  Friederichs,  Kl.  Kunst,  S.  62,  Robert,  Arch.  Ztg.  1882, 
S.  153,  Körte-Gerhard,  etr.  Spiegel  V,  S.36,  Anm.  2.  Vgl.  auch  die  Schilderungen  in  C.  A.  Böttiger's 
Sabina  (Leipzig  i8o6),  S.  26  f,  169  f. 


23 

drei  letzteren  Verfahren  in  Betracht  zu  ziehen.  Für  die  Zeichnungen  der  Münchner 
eisten  und  Spiegel  hat  Christ  (Ber.  d.  phil.  Kl.  d.  Bair.  Akad.  d.  Wiss.  1885,  S.  404,  vgl. 
Blümner,  Terminologie  und  Technologie  W,  S.  266)  nach  Beobachtungen  von  Gehring 
und  Naue  die  Ansicht  ausgesprochen,  dass  sie  geätzt  seien.  Dem  gegenüber  kann  ich 
nach  Besprechung  mit  einem  Fachmanne,  Herrn  Lehrer  Weiblen  an  der  Kunstgewerbe- 
schule in  Pforzheim,  nur  feststellen,  dass  weder  die  Spiegel-  noch  die  Cistenzeichnungen 
der  Karlsruher  Sammlung  durch  Aetzen  entstanden  sind.  Indessen  sind  die  Bilder  der 
Karlsruher  Spiegel  auch  nicht  graviert,  wie  man  gewöhnlich  sagt,  also  mit  dem  Grab- 
stichel hergestellt,  sondern  sie  sind  sämmtlich  mit  dem  Schrotmeissel  geschlagen,  „ge- 
zogen" und  mit  Bimsstein  abgeschliffen.  Nur  bei  einigen  scheint  mit  dem  Stichel  nach- 
geholfen zu  sein.  Ein  ähnliches  Resultat  ergab  sich  auch  für  andere  Flächen- „gravierungen". 
So  z.  B.  ist  der  Schmuck  der  unteritalisch-griechischen  Helme  von  Canosa  (Bronzenkatalog 
n.  694)  nicht  graviert,  sondern  geschlagen,  wodurch  sich  namentlich  die  Gleichmässigkeit 
und  Weichheit  der  Linienführung  erklärt.  Wegen  letzterer  schienen  auch  die  Verzie- 
rungen der  eiste  einem  anderen  Sachverständigen  auf  den  ersten  Anblick  '„gezogen" 
zu  sein.  Doch  zeigten  bei  näherer  Untersuchung  die  Ausgleitungen  des  Stichels  (die 
„Ausfahrer"),  die  kleinen  „Fransen",  da  wo  zwei  Linien  zusammenlaufen,  sowie  auch 
die  Beschaffenheit  der  Furchen  selbst,  dass  sie  wirklich  graviert  d.  h.  mit  dem  Grab- 
stichel gemacht  sind.  Die  Ausführung  der  Arbeit  beweist,  dass  der  betreffende  Graveur 
grosse  Übung,  wenn  auch  geringeres  Verständnis  der  Formen  hatte.  Es  lag  ihm  offenbar 
eine  sehr  flotte  Zeichnung  vor,  auf  welcher  die  Details  wie  Ueberschneidungen  der 
Muskeln  etc.  genau  angegeben  waren.  Er  führte  sie  aufs  sorgfältigste,  wenn  auch 
innerlich  wenig  beteiligt,  aus.  Seine  Sorgfalt  erhellt  z.  B.  aus  der  Behandlung  des 
Mäanderstreifens  am  Mantel  des  „Dionysos".  In  richtiger  Weise  setzt  die  Verzierung 
an  den  Stellen  aus,  wo  die  Innenseite  des  Mantels  erscheint.  Dieselbe  Genauigkeit 
zeigt  die  Verzierung  der  dargestellten  Ciste  und  des  Lasaspiegels,  womit  wir  nur  die 
beiden  figurengeschmückten  Trinkgefässe  der  Ficoronischen  Ciste  vergleichen  können. 
Dagegen  sind  manche  Missverständnisse  der  Formen  wohl  wesentlich  dem  Graveur  zu- 
zuschreiben: man  sehe  sich  nur  die  plumpen  Hände  an.  Ich  weiss  wohl,  wie  häufig 
auch  auf  besseren  Vasen,  Cisten  und  Spiegeln  dieser  Zeit  Verzeichnungen  der  Glieder 
sind,  doch  scheint  dies  in  unserem  Falle  wenig  zu  den  übrigen  Eigenschaften  der  Vorlage 
zu  passen.  Wenigstens  dürften  ihm  die  gröbsten  Ungeschicklichkeiten  zur  Last  zulegen 
sein.  Und  noch  ein  wenig  müssen  wir  von  seinem  Verdienste  in  Abzug  bringen.  Der 
gleichmässige,  flüssige  Eindruck,  den  die  Linienführung  macht,  ist  wesentlich  durch  die 
Ausfüllung  der  Furchen  durch  eine  weisse,  kreideartige  Masse  erhöht.  Spuren  einer 
solchen  Füllmasse  sind  noch  auf  einer  grossen  Anzahl  von  Cisten  vorhanden,  und  ich 
nehme  keinen  Anstand,   dieselbe   auch  für  das  Altertum  bei  vielen  Cisten  und  Spiegeln 


24 

vorauszusetzen.  In  unserem  Falle  lassen  indes  die  leeren  Gravierungen  unter  dem 
Füsschenbeschläg,  sowie  verschiedene  Erscheinungen  der  Patina  ein  nachträgliches  Über- 
fahren von  der  Hand  des  Kunsthändlers  erkennen. 


Stil. 


Was  den  Stil  der  Darstellung  anbelangt,  so  haben  die  bisherigen  Ausführungen 
bereits  dargelegt,  dass  unsere  Ciste,  wenn  auch  sorgfältiger  und  geschickter  als  die  Mehr- 
zahl der  pränestinischen  gaviert,  doch  nicht  von  diesen  getrennt  werden  kann. 

Die  pränestinische  oder  latinische  Kunst  verrät  um  diese  Zeit  ein  eigentümliches 
Gemisch  griechischer  und  einheimischer  Elemente.  Ich  wüsste  dafür  nichts  Bezeichnen- 
deres anzuführen  als  die  Bemerkungen  Corssens  über  die  Inschriften  der  unserer  in 
mancher  Beziehung  nahestehenden  Ciste  Mon.  IX,  T.  XXII.  XXIII,  die  von  Corssen  vor 
das  Ende  des  zweiten  punischen  Krieges  gesetzt  wird.  Er  schreibt  (ann.  1870,  S.  337): 
„Le  iscrizioni  della  cista  parte  sono  concepite  in  idioma  prenestino-latino,  parte  ci  ofFrono 
delle  forme  greche  latinizzate,  parte  delle  forme  veramente  greche  non  alterate."  Das- 
selbe Neben-  und  Ineinandergehen  verschiedener  Kunstrichtungen  zeigen  die  Cisten- 
darstellungen  selbst.  Einzelne  haben  fast  ganz  hellenistischen,  andere  entschieden  italischen 
Charakter,  bei  wieder  anderen  sind  beide  Elemente  eigenartig  gemengt.  Als  Vermittler 
dieses  griechischen  Einflusses  hat  man  längst  die  Vasen  angesehen.  Und  mit  Recht, 
wie  dies  am  besten  unsere  Ciste  lehrt.  Denn  man  hat  bis  jetzt  wenige  Beispiele  von 
Cistenzeichnungen,  die  so  sehr  an  Vasenmalerei  erinnerten,  wie  die  unsere.  Und  darin 
liegt  auch  ein  gutes  Teil  ihres  kunstgeschichtlichen  Wertes.  Dies  fiel  schon  Furtwängler  auf, 
der  mit  Hinweis  auf  die  Matz'sche  Beschreibung  bemerkt  (ann.  1877,  S.  239):  „ma  i  due 
Satiri   barbati  che  si  avvicinano  alle  donne  ricordano  piü  che  altro  i  vasi  dipinti". 

Gewöhnlich  teilt  man  den  unteritalischen  Vasen  diese  Rolle  der  Vorlagen  zu  (vgl. 
zuletzt  namentlich  Schippke  in  dem  oben  erwähnten  Programm).  Dies  ist  zweifelsohne 
ftlr  einige  der  besseren  Cisten  richtig,  aber  nur  für  einen  kleinen  Teil.  Für  die  Mehr: 
zahl  derselben  sind  es  nicht  die  unteritalischen  Vasen,  welche  die  nächsten  Parallelen 
bieten,  sondern  die  Erzeugnisse  jener  von  Furtwängler  im  südöstlichen  Etrurien  nach- 
gewiesenen griechischen  Fabriken,  welche  in  lokalem  Betriebe  ältere  attische  Vasen 
nachahmten  ').  In  diesem  Kreise  fanden  die  Pränestiner  offenbar  die  nächsten  Vorlagen. 
Man  vergleiche  beispielsweise  nur  verschiedene  Figuren  des  Marsyaskrater  von  Cervetri  *), 
so  wird  man  die  angedeuteten  Zusammenhänge  nicht  leugnen  können. 


1)  Vgl.  ann.  1877,  S  195  (.,  1878,  S.  82  f. 

2)  Arch.  Ztg.  1884,  T.  5,  oder  des  Krater  von  Nazzano  Mon.  X,  T.  LI. 


25 

Neuerdings  hat  sich  dies  Material  noch  bedeutend  vermehrt.  Es  sind  die  Funde 
von  Falerii,  die  in  dem  neuen  Museum  der  Villa  Papa  Giulio  in  Rom  vereinigt  sind. ') 
Leider  ist  von  diesen  Vasen  bis  jetzt  fast  nichts  publiciert.  Doch  lässt  die  von 
Gamurrini,  Rom.  Mitt.  II,  T.  X  vorgelegte  Vase  mit  der  Inschrift  CANVMEDE  .  .  . 
SPATER  CVPICO  MENERVA  nach  Inhalt  und  Stil  der  Darstellung  schon  manche 
der  auf  den  pränestinischen  Cisten  und  Spiegeln  wiederkehrenden  Eigentümlichkeiten 
erkennen.  *)  Für  die  Spiegel  glaubt  man  direkte  Vorbilder  in  dem  bemalten  Innenrund 
mancher  Schalen  von  Falerii  zu  sehen.  Auch  für  allgemeinere  Erscheinungen  der  Cisten- 
gravierungen  liegt  hier  bereits  die  Erklärung.  Ich  brauche  nur  den  Worten  Schönes 
ann.  1866,  S.  199  „  .  .  le  sudette  quatro  eiste  offrono  un  esenipio  molto  istruttivo  .... 
giacche  quantunque  siano  uscite  fuori  di  dubbio  dalla  medesima  officina,  pur  tuttavia 
mostrano  graffiti  di  carattere  diversissimo"  gegenüberzuh.alten,  was  Brizio  über  diese 
faliskischen  Funde  schreibt:  „In  Falerii,  a  giudicare  dalla  grande  varietä  di  disegni,  di 
composizione  e  di  stili,  che  si  nota  nei  vasi,  sembra  che  fosse  lasciata  molta  libertä  all' 
ingegno  ed  alla  capacitä  individuale  dei  pittori.  Onde  viene  che  in  un  breve  periodo 
d'anni  la  ceramica  falisca  produsse  vasi  scadentissimi  ed  altri  cosi  belli,  le  cui  figure 
sono  disegnate  con  tanta  finezza  e  cosi  armonicamente  composte  che  si  scambierebbero 
facilmente  con  prodotti  di  fabbrica  greca,  se  le  iscrizioni  latine  apposte  ai  personaggi  non 
li  dichiarassero  di  schietto  lavoro  italico". 

Die  Wichtigkeit  dieser  Funde  wird  noch  dadurch  erhöht,  dass  wir  in  der  Jahres- 
zahl der  Zerstörung  der  Stadt  und  Umsiedlung  der  Bevölkerung  (241  v.  Chr.)  einen  siche- 
ren terminus  ante  quem  haben.  Die  fraglichen  Vasen  sind  aber  noch  vor  die  Mitte  des 
dritten  Jahrhunderts  anzusetzen,  was  daraus  ersichtlich  ist,  dass  in  derselben  Nekropole 
noch  Vasen  mit  Reliefbildern  in  ziemUcher  Menge  zum  Vorschein  kamen,  die  bekanndich 
das  Ende  der  Vasenmalerei  bezeichnen.  Damit  stimmt  ganz  gut,  dass  die  pränestinischen 
Cisten,  von  denen  man  eine  Reihe  nach  deren  Inschriften  gegen  das  Ende  des  ersten 
punischen  Krieges  datiert'),  gewöhnlich  ohne  bemalte  Vasen  gefunden  werden. 

Den  schon  von  Jahn  und  Jordan^)  versuchten  Beweis,  den  Fabrikationsort  der 
pränestinischen  Cisten  und  Spiegel  nach  Rom  zu  verlegen,  hat  jetzt  .Gamurrini  wieder- 
aufgenommen; er  verlegt  folgerichtig  auch  denjenigen  der  Faliskischen  Vasen  dahin. 
Aber    ausser   der    Inschrift   der   Ficoronischen  Ciste  (Novios  Plautios  Romai    med    fecid) 


i)  Vgl.  Brizio,   Nuova  Antologia  v.  i.  Dec.  1889,  G.  Dennis,   the  ncvv  Etruscan  Museum  at 
the  Villa  Papa  Giulio  1890. 

2)  Vgl.  z.  B.  damit  Gerhard,  etr.  Spiegel,  T.  371,  V  T.  18. 

3)  Vgl.  Jordan,  Krit.  Beitr.  z.  Gesch.  d.  latein.  Sprache  (1879),  S.  2  f. 

4)  Jahn,  d.  P'icor.  Ciste,  S.  58  f,  Jordan,  Krit.  Beitr.,  S.  14  f,  Gamurrini,  Rom.  Mitt.  II,  S.a28f. 


26 

und  einigen  wenig  bezeichnenden,  von  ihm  als  spezifisch  römisch  angesehenen  Dar- 
stellungen bringt  er  keine  neuen  Momente  vor.  Mit  Recht  wendet  sich  daher  E.  Brizio 
gegen  ihn  (Nuova  Antologia  1889,  i.  Dec,  S.  433  und  439),  indem  er  betont,  dass  bis 
jetzt  nichts  Derartiges  in  Rom  gefunden  sei,  und  fOr  die  lokale  Fabrikation  der  faliskischen 
Vasen  unter  anderm  auch  die  obenerwähnte  Thatsache  völlig  übereinstimmender  Vasen- 
pare  aus  den  Gräbern  von  Falerii  in  Anspruch  nimmt.  Mit  Recht!  Zwar  zweifle 
ich  nicht  daran,  dass  auch  römische  Metallhandwerker  derartige  Spiegel  und  Cisten 
machen  konnten  und  gemacht  haben  wie  die  Meister  in  dem  benachbarten  Präneste ; 
ebensowenig  möchte  ich  der  römischen  Töpfergilde  zu  nahe  treten,  die  mit  Heranziehung 
griechischer  Arbeiter,  wie  es  ja  auch  die  faliskischen  Töpfer  zweifelsohne  gethan  haben, 
vielleicht  ebenso  gute  und  schöne  Vasen  hätten  liefern  können  —  doch  sprechen  eben 
weder  Funde  noch  andere  Thatsachen  daftlr,  dass  dieses  wirklich  in  grösserem  Umfange 
geschehen  sei.  Warum  sollen  wir  also  jenen  beiden  Städtchen  die  genannten  Industrie- 
zweige absprechen,  in  deren  Gräbern  so  viele  Beweise  derselben  gefunden  wurden. 
Aber  die  Ficoronische  Ciste!  Die  Inschrift  besagt  allerdings,  dass  sie  in  Rom  verfertigt 
ist.  Allein  der  Stil  der  Zeichnungen  zeig^  auch ,  dass  sie  nichts  mit  den  meisten 
pränestinischen  Cisten  und  Spiegeln  zu  thun  hat.  In  demselben  Verhältnis,  in  dem  diese 
zu  den  faliskischen  Vasen,  steht  sie  zu  den  eigentlichen  unteritalisch-griechischen  *).  Da- 
her die  Feinheit  und  der  warme  Ton  in  der  Darstellung!  Wir  werden  uns  also  bei  der 
bisherigen  allgemeinen  Ansicht  bescheiden  müssen  und  in  unserer  und  der  grösseren 
Anzahl  der  anderen  Cisten  dieser  Zeit  Erzeugnisse  von  Werkstätten  und  Fabriken  er- 
blicken, die  ihren  Sitz  in  dem  sonnigen  Landstädtchen  der  Latinerberge  hatten. 

8.     Friese,  Deckel  und  Beiwerk. 


Nachdem  wir  so  den  Hauptbildstreifen  unserer  Ciste  nach  Inhalt,  Composition, 
Technik  und  Stil  behandelt  haben,  müssen  wir  der  Friese  gedenken.  Doch  genügen 
wenige  Worte,  da  dieselbe  Verzierungsweise  schon  von  einer  grossen  Anzahl  von  Cisten 
bekannt  ist.  Tierfriese,  wie  der  obere  Abschluss  einen  enthält,  begegnen  uns  häufig 
auch  auf  den  Vasen,  Spiegeln  und  anderen  Geräten  dieser  Zeit.  Sie  sind  der  letzte 
Rest  jener  uralten  Tierstreifen,  die  vor  der  bildlichen  Darstellung  menschlicher  Hand- 
lungen  die   Gefässkörper   zierten,    dann   eine   Zeitlang   gleiches  Recht  wie   diese    bean- 


i)  Ich  brauche  nur  an  die  Zeichnungen  einiger  der  besseren  Volutcnaniphorcn  zu  erinnern. 
Hier  finden  sich  auch  Beispiele  (Ür  die  nicht  gewöhnliche  Fricsverzicrung  der  Ficoronischen  Ciste 
(oben  Köpfe  zwischen  Paimctten  und  Lotosblumen,  unten  in  eigener  Art  mit  Palmcttcn  verknüpfte 
Sphinxe).  Auch  der  Krater  N.  1944  in  Florenz,  auf  den  mich  v.  Duhn  aufmerksam  machte,  er- 
innert sehr  an  diese  Ciste. 


27 

spruchten,  zuletzt  aber-  immer  mehr  zurückgedrängt  wurden  und  sich  mit  einem 
bescheidenen  Plätzchen  am  oberen  oder  unteren  Rand,  in  einem  schmalen  Zwischen- 
streifen oder  einem  untergeordneten  Teile  des  Gefässes  oder  Gerätes  begnügen  mussten. 
So  sind  auch  die  Köpfe  zwischen  den  einzelnen  Tieren  nur  durch  den  Raum  bedingte 
Abkürzungen  der  ganzen  Tiere,  wie  wir  sie  aus  jenen  älteren  Tierkampfscenen  kennen 
(vgl.  Furtwängler,  der  Goldfund  von  Vettersfelde,  S.  20  f.).  Es  ist  ganz  interessant,  die 
einzelnen  Stadien  dieser  Entwicklung  zu  verfolgen ;  doch  ist  hier  nicht  der  Ort  dazu.  — 
Die  Palmetten-Lotoskette,  die  häufigste  Cisteneinfassung,  ist  in  unserem  Falle  einfach 
und  abwärts  gerichtet,  während  sie  sehr  häufig  auch  gegenständig  oder  aufwärtsstrebend 
gebildet  ist.  Was  dem  tektonischen  Aufbau  mehr  entspricht,  werden  wir  später  bei 
einer  in  anderem  Zusammenhange  sich  ergebenden  geschichtlichen  Betrachtung  dieser 
Friesverzierung  erwägen.  Doch  sei  noch  auf  die  Schönheit  und  Sauberkeit  ihrer  Aus- 
führung hingewiesen. 

Auch  die  Schmückung  des  Deckels  durch  phantastische  Seetiere  ist  so  geläufig, 
dass  ich  keine  Beispiele  anzuführen  brauche.  In  vollständigeren  Darstellungen  tragen 
sie  bisweilen  Nereiden.  Es  mag  sein,  dass  sie  gelegentlich  in  Beziehung  zu  dem  Zwecke 
des  Gerätes  als  Badekästchen  gedacht  werden,  im  allgemeinen  aber  ist  kein  tieferer 
Sinn  dahinter  zu  suchen.  Es  leuchtet  ja  ein,  wie  gerade  diese  gewundenen  Fischleiber 
zur  Ausfüllung  des  Rundes  geeignet  waren. ')  Die  Zeichnung  der  Tiere  ist  eine  hervor- 
ragend schöne,  während  der  umgebende  Ölkranz  nachlässiger  gearbeitet  ist,  eine  Beob- 
achtung, die  auch  an  vielen  Spiegeln  gemacht  werden  kann.  *) 

Wir  gehen  nun  zur  näheren  Behandlung  des  Beiwerks  der  Ciste  über. 

Die  Füsschen  sind  mit  einem  geflügelten  Knaben  verziert,  der  in  der  Rechten 
einen  undeutlichen  Gegenstand  hält.  Dieselbe  Figur  begegnet  uns  noch  auf  einer  grösseren 
Anzahl  von  Cistenfüsschen  ^),  und  doch  hat  man  nirgends  mit  Bestimmtheit  sagen  können 
was  jener  Gegenstand  vorstellt.  Man  hat  ihn  für  eine  Strigel,  eine  Fackel  u.  a.  angesehen 
Am  besten  gehen  wir  für  Beurteilung  desselben  von  den  Füsschen  der  schönen  Bar 
berinischen  Ciste  Mon.  VIII,  T.  XXVIIII,  XXX  aus,  auf  welchen  derselbe  Knabe  in  ahn 
lieber  Haltung  erscheint.  Links  von  ihm  sehen  wir  eine  wasserspeiende  Löwenmaske, 
rechts  ein  Baisamarium,  eine  Schale  oder  Muschel  und  eine  Strigilis ;  er  selbst  macht 
sich   mit  beiden  Händen  an  den  Haaren  zu  schaffen.     Hier  ist  also  der  Zusammenhang 


i)  Michaelis,  ann.  1876,  S.  123.  Ein  griechisches  Vorbild  ist  z.  B.  das  Spiegelrelief  if.  flp/. 
II,  T.  6.  I. 

2)  Benndorf,  ann.  1871,  S.  118. 

3)  Ann.  1860,  S.  120,  bull.  1866,  S.  80  f,  ann.  1866,  S.  192,  n.  3.  4. 10,  S.  193  n.  43.  44,  ann.  1866, 
S.  389,  Anm.  I,  Friederichs,  Kl.  Kunst,  n.  547a,  Coilcction  Castellani  (Paris  1884),  S.  38,  n.  355,  Mon. 
IX,  T.  XXII.  XXIII. 


28 

der  Figur  mit  dem  Bade  ganz  klar,  so  dass  wir  sie  ohne  Bedenken  Eros  nennen  dürfen.  *) 
Es  dürfte  daher  auch  nicht  reiner  Zufall  sein,  dass  diese  Füsschen  gerade  an  Cisten 
mit  Bade-  und  Schmuckscenen  so  häufig  vorkommen  (vgl.  z.  B.  ann.  1866,  n.  22,27,  28,  29). 
Die  Füsschen  jener  Barberinischen  Ciste  und  mit  ihnen  völlig  übereinstimmende  des 
Museo  Kircheriano  zeigen  etwas  älteren  Charakter  und  kleine  Abweichungen  gegenüber 
denen  unserer  Ciste.  Doch  ist  es  zweifelsohne  derselbe,  wenn  auch  etwas  modificierte 
Tj'pus.  Auch  auf  den  Füsschen  unserer  Ciste  streift  der  Eros  mit  der  Linken  durch 
das  Haar.  Der  Gegenstand  in  der  Rechten  kann  ein  Baisamarium  sein,  unter  dem  sich 
eine  Muschel(schale)  befindet.  Auch  CoUection  Greau,  bronzes  ant.  (1885),  n.  945  giesst 
Eros  aus  einem  Alabastron  in  eine  Muschel  (vgl.  auch  Furtwängler,  Sammlung  Sabouroff, 
Nachtrag  zu  T.  CXXIX).  Sind  aber  beide  Gegenstände  als  zusammenhängend  zu  denken, 
dann  wird  wohl  nichts  übrig  bleiben,  als  eine  Hacke  anzunehmen,  wie  eine  ähnliche  der 
kauernde  Junge  mit  Strigilis  und  Baisamarium  auf  der  Ficoronischen  Ciste  neben  sich 
hat.  *)  Uebrigens  will  es  mir  scheinen,  dass  Eros  in  verschiedenen  Wiederholungen  auch 
verschiedene  Attribute  hat.  Man  kann  ganz  gut  den  kauernden  Eros  mit  seinen  wech- 
selnden Beigaben  im  unteren  Abschnitt  mancher  Spiegel  zum  Vergleich  beiziehen  (Gerhard- 
KlOgmann-Körte,  etr.  Spiegel  V,  S.  75  Anm.  5,  S.  128). 

Dass  diese  Verzierung  der  Füsschen  auf  ein  altes  Motiv  zurückgeht,  lässt  sich 
leicht  erweisen.  In  einem  reichen,  dem  fünften  Jahrhundert  angehörigen  Grabe  von 
Chiusi  (jetzt  in  Florenz,  vgl.  Not.  d.  scav.  1882,  S.  51  f.)  wurde  ein  viereckiges  bronzenes 
Kästchen  mit  ähnlichen  Füssen  gefunden.  Diese  bestehen  aus  Tatzen  und  gehen  oben  in 
eine  kapitälartige  Verbreiterung  über;  oberhalb  derselben  sieht  man  einen  geflügelten 
Knaben  im  Knielauf  (nach  rechts)  dahineilen,  welcher  seine  Linke  vorstreckt,  die  Rechte 
an  die  Ferse  des  zurückgesetzten  Fusses  anlegt ;  Gesicht  und  Oberkörper  sind  in  Vorder- 
ansicht gebildet.  Zweifellos  also  ein  Vorläufer  unserer  Cistenfüsschen.  Übrigens  enthielt 
dasselbe  Grab  einen  Grift',  welcher  das  bekannte  Schema  eines  nackten,  sich  über- 
schlagenden Mannes  darstellt,  ein  Schema,  das  uns  ebenfalls  noch  auf  pränestinischen 
Cisten  späterer  Zeit  häufig  wieder  begegnet. 

Der  Deckelgriff  unserer  Ciste  wird  durch  zwei  Ringer  gebildet,  ein  ebenfalls 
sehr  häufig  wiederkehrendes  Motiv.  ^)  Doch  weicht  unsere  Gruppe  von  dem  gewöhnlichen 

i)  Über  männliche  und  weibliche  Genien  bei  der  Toilette  vgl.  A.  Dumont,  bull.  d.  com 
hell.  1884,  S.  394  f. 

2)  Vgl.  über  den  palästrischen  Gebrauch  dieses  Geräts  Jahn,  Ficor.  Ciste  S.  6  f.,  Reisch, 
Rom.  Mitt.  V.,  S.  333. 

3)  Sowohl  Jüngling  gegen  Jüngling  als  auch  gegen  eine  Frau  („Peleus-Atalante").  Vgl. 
Schöne,  ann.  1866,  n.  13,  39,  40,  S.  191,  n.  6,  ann.  1870,  S.  344,  n.  76,  bull.  1870,  S.  ice,  Friederichs, 
Kl.  Kunst,  n.  544,  Mon.  X,  T.  XLV  la,  Mon.  Suppl.  T.  XV.  XVI,  auch  v.  Sacken,  die  Bronzen  in 
Wien  T.  XLV.  7.    Ein  weiteres  Beispiel  im  Museo  Civico  in  Perugia  u.  s. 


29 

Typus  etwas  ab,  indem  die  Ringenden  sich  niciit  nur  am  Schopf,  sondern  auch  am 
Handgelenk  packen,  während  gewöhnlich  die  äusseren  Hände  frei  sind.  Man  sieht,  dass 
in  unserem  Falle  ein  wirkliches  Ringen  stattfindet,  während  häufig  nur  der  Eindruck  des 
gegenseitigen  sich  Stutzens  vorhanden  ist.  Auch  hier  erkennen  wir  jetzt  alte  Über- 
lieferung. Ich  erinnere  nur  an  den  altetruski sehen,  bei  Nidda  in  Oberhessen  gefundenen 
Gefäss-Henkel  (Lindenschmit,  Altert,  heidnischer  Vorzeit  II,  Heft  V,  T.  2.  n.  i).  Ein  ähn- 
licher, ebenfalls  altetruskischer  Henkel  unbekannter  Herkunft  befindet  sich  im  Museo 
Civico  in  Bologna,  bei  welchem  die  Stellung  der  Ringer  noch  mehr  als  bei  dem  Exem- 
plare von  Nidda  an  diejenige  unserer  Ciste  erinnert.  *)  Ein  etwas  anderes  Motiv  zeigt 
ein  Cistengriff  aus  den  Giardini  Margherita  bei  Bologna  (fünftes  Jahrhundert):  zwei  Jüng- 
linge oder  Gaukler  beschreiben  mit  ihren  Körpern  einen  Bogen,  indem  sie  sich  mit 
aneinandergestossenen  Köpfen  nach  hinten  umbiegen  und  sich  bei  den  Händen  fassen 
(vgl.  Zannoni,  scavi  d.  Certosa,  S.  315).  Diese  beiden  Figuren  ruhen  auf  einer  einzelnen 
Platte,  nicht  auf  einer  durchgehenden  Standleiste,  wie  wir  es  bei  unserer  Ciste  sehen. 

Die  Befestigung  unserer  Griflfbasis  ist  durch  zwei  moderne  Nieten  mit  Benützung 
der  antiken  Durchbohrungen  bewerkstelligt.  Doch  zeigt  der  Deckel  noch  fünf  weitere 
Löcher,  für  welche  in  der  Leiste  entsprechende  Durchbohrungen  fehlen.  Es  ist  also  klar, 
dass  der  jetzige  Griff  nicht  von  Haus  aus  zur  Ciste  gehört  hat.  Wer  sich  dessen,  was 
wir  oben  über  Vertauschungen  von  Cistengriffen  in  den  Magazinen  der  Antiquare  mit- 
geteilt haben,  erinnert,  wird  zunächst  um  eine  Erklärung  nicht  verlegen  sein. 

Indessen  liegt  der  Fall  doch  nicht  so  einfach,  da  auch  bei  anderen  Cisten  ähn- 
liche Erscheinungen  beobochtet  sind.  Herr  Professor  Heibig  hatte  die  Güte,  sich  hierüber 
in  folgender  Weise  zu  äussern.  „Gestern  besuchte  ich  die  Sammlung  Barberini  und 
fand  daselbst  drei  Cisten  vor,  deren  Deckelgruppen  ebenfalls  nicht  mit  den  auf  dem 
Deckel  vorhandenen  Nägel-  und  Ansatzspuren  stimmen.  Auch  hier  muss  die  Vertau- 
schung schon  im  Altertum  stattgefunden  haben,  denn  die  Barberinischen  Ausgrabungen 
wurden  von  einem  sehr  gewissenhaften  und  ganz  verständigen  Mann,  dem  Bibliothekar 
Pieralisi  überwacht,  von  dem  es  ganz  undenkbar  ist,  dass  er  zu  modernem  Pasticcio 
die  Hand  geboten  hätte.  Auch  scheinen  mir  die  Ursachen  solcher  Vertauschungen  hin- 
länglich klar.  Die  Cisten  waren  ja  Toilettenkästchen.  Es  konnte  wohl  vorkommen, 
dass  der  Behälter  einem  Käufer  oder  einer  Käuferin  zusagte,  nicht  aber  die  Deckelgruppe. 
Da  konnte  dann,  weil  die  Deckelgruppe  abnehmbar  war,  das  gerade  auf  der  Ciste  be- 
findliche Exemplar  abgenommen  und  durch  ein  anderes  ersetzt  werden.     Besonders  nah 


i)  Sie  haben  zwar  auch  die  Knice  auf  die  Volute  des  Beschlags  gestützt,  doch  sind  sie 
mehr  aufgerichtet,  die  Köpfe  infolge  dessen  mehr  seitlich  aneinander  gelehnt.  Auch  sie  fassen 
sich  wie  die  Ringer  der  Ciste  mit  gekreuzten  Händen  am  Schöpfe,  doch  sind  die  äusseren  Hände 
gesenkt. 


30 

lag  die  Vertauschung,  wenn  die  Deckelgruppe,  wie  es  bisweilen  der  Fall  ist,  einen  aus 
dem  Kreise  der  Toilette  heraustretenden  Gegenstand  darstellte,  z.  B.  um  nur  an  zwei 
häufig  vorkommende  Typen  dieser  Art  zu  erinnern,  zwei  Krieger,  die  einen  Gefallenen 
aus  der  Schlacht  tragen  oder  Pallas  im  Begrift"  ein  Pferd  zu  bändigen.  Wie  nahe  lag 
es  da  dem  Käufer  oder  der  Käuferin,  die  Dame  du  cojnptoir  zu  ersuchen,  dass  sie  eine 
so  heterogene  Darstellung  durch  eine  andere,  besser  zu  dem  Zweck  des  Utensils 
stimmende  ersetze". ')  Darnach  haben  wir  also  zwischen  der  Annahme  einer  antiken 
oder  modernen  Vertauschung  der  Griffe  die  Wahl,  worüber  eine  Entscheidung  zu  fällen 
ich  mich  nach  der  Sachlage  nicht  unterfangen  möchte.  Von  den  fünf  erwähnten  Löchern 
des  Deckels  unter  der  Basis  werden  übrigens  wohl  nur  vier  zur  Aufnahme  eiserner 
oder  bronzener  Nägel  gedient  haben;  das  mittlere  dürfte  für  die  Endigungen  einer  Öse 
sein,  welche  man  auch  auf  unserer  Standleiste  gewahrt  und  die  noch  ein  Ringchen 
umschliesst.  *) 

g.    Vergleich  des  Hauptbildes  und  des  Beiwerks. 


Vergleichen  wir  Technik  und  Kunst  dieses  Beiwerks  der  Ciste  mit  derjenigen 
der  Gravierungen,  so  tritt  ein  starker  Abstand  hervor.  Bei  letzteren  sehen  wir  Über- 
legung und  Geschick  in  der  Composition  der  Scenen,  Gewandtheit  und  Sorgfalt  beim 
Zeichnen  und  Gravieren.  Dort  sind  die  Figuren  in  grober  handwerksmässiger  Weise 
ausgeführt  und  nach  dem  Guss  nur  nachlässig  und  roh  überarbeitet;  die  Standleiste 
greift  weit  über  den  vom  Zeichner  vorgesehenen  Platz,  die  Scheibchen  mit  den  Ringen 
sind  in  rücksichtslosester  Weise  z.  T.  mitten  in  die  Zeichnung  hineingesetzt. 

Suchen  wir  nach  einer  Erklärung,  so  müssen  wir  zunächst  feststellen,  dass  sich 
diese  Erscheinung  bei  den  meisten  Cisten,  vor  allem  auch  bei  der  Ficoronischen  wieder- 
holt. Schöne  hat  für  diese  mit  Recht  die  Behauptung  aufgestellt,  dass  nicht  dieselbe 
Hand,  welche  die  wunderbaren  Gravierungen  geschaffen  hat,  auch  das  rohe  Beiwerk 
zugefügt  haben  könne. ')  Aber  mit  Unrecht  erklärt  er  es  als  eine  Zuthat  späterer  Zeit, 
was  er  bei  den  andern  Cisten  selbst  ausschliesst.  Vielmehr  haben  wir,  wie  bei  den 
übrigen  Cisten  so  auch  bei  der  Ficoronischen  an  die  Vorgänge  fabrikmässiger  Her- 
stellung zu  denken,  was  sich  noch  durch  eine  Reihe  sonstiger  Wahrnehmungen  erweisen 
lässt.  Wie  bei  unserer  und  mancher  anderen  Ciste  der  für  die  Basis  des  Griffes  vor- 
gezeichnete Raum  nicht  innegehalten  wurde,    sehen  wir  auch,  dass  die  Ringe  bisweilen 


1)  Vgl.  Heibig,  bull.  1866,  S.  20  f. 

2)  Vgl.  Schöne,  ann.  1866,  S.  196,  Friederichs,  Kl.  Kunst  n.  544. 

3)  Ann.  1866,  S.  204  f. 


31  „ 

an  ganz  anderen  Stellen  sitzen,  als  wo  sie  der  Graveur  vorgeritzt  hatte  (vgl.  ann.  1866, 
n.  29  und  S.  198).  Dieselbe  Eilfertigkeit  und  Nachlässigkeit  bekundet  auch  ein  grosser  Teil 
der  Inschriften  (Jordan,  Krit.  Beiträge,  S.  7).  Verschiedene  Grifffiguren  scheinen  aus 
derselben  Form  zu  stammen  und  nur  durch  nachträgliches  Aufsetzen  eines  anderen 
Kopfes  abgeändert  zu  sein  (vgl.  die  fast  identische  Gruppe  der  Ficor.  Ciste  und  der 
Cista  Napoleone,  worüber  Brunn,  ann.  1862,  S.  20).  Den  schönsten  aller  bisher  bekannten 
Griffe  soll  eine  Ciste  mit  sehr  massiger  Zeichnung  besitzen  (vgl.  Fernique,  ötude  sur 
Preneste,  S.  155,  189,  n.  76).  Die  Griffe  und  Füsschen  verschiedener  Cisten  tragen 
eingekratzte  Buchstaben  und  Zeichen,  ja  die  zwei  älteren  Füsschen  der  Ficoronischen 
Ciste  sollen  den  Namen  der  Macolnia  wiederholen,  den  die  Inschrift  der  Standleiste 
nennt  (vgl.  Schöne,  ann.  1866,  S.  156,  206,  Jordan,  krit.  Beitr.,  S.  3).  Alles  dies  zeigt 
zur  Gewissheit,  wie  verschiedene  Hände  an  der  Verzierung  und  Vollendung  des  Gerätes 
beteiligt  waren.  Hatte  der  Graveur  den  cylindrischen  Körper  geschmückt,  wanderte 
derselbe  einstweilen  in  das  „Schaufenster"  oder  direkt  in  die  Hände  eines  gewöhn- 
lichen Arbeiters.  Gegossene  Füsschen  und  Griffe  verschiedenster  Art  waren  in  reich- 
licher Anzahl  vorrätig.  Der  Meister  oder  Käufer  wählte  nach  seinem  Geschmacke  aus 
und  bezeichnete  die  zusammengehörigen  Stücke  bisweilen  durch  eingekratzte  Buchstaben 
oder  Inschriften.  Es  war  dann  die  Sache  eines  Arbeiters,  die  einzelnen  Teile  durch 
Nietung  oder  Lötung  zusammenzufügen,  eine  Aufgabe,  der  er  auch  meist  in  gleich- 
gültigster Weise  gegen  die  künstlerische  Verzierung  des  Gerätes  nachkam.  *) 

Wir  finden  uns  in  voller  Übereinstimmung  mit  Friederichs,  wenn  er  Kl.  Kunst  im 
Altert.  S.  126  schreibt:  „Die  Cisten,  selbst  die  schönsten,  sind  im  Sinne  des  Altertums 
eine  ziemlich  wertlose  Fabrikarbeit.  Dies  geht  deutlich  aus  der  rohen  Verbindung  der 
Füsse  und  Henkel  mit  dem  Gefäss  hervor  .  .  .  Man  sieht,  dass  so  Vieles,  was  uns  den 
Eindruck  der  Kunst  im  eigentlichsten  Sinne  des  Wortes  macht,  den  Alten  doch  nur  Fabrik- 
arbeit war". 


i)  Vgl.  auch  Brunn,  ann.  1862,  S.19,  1864  S.374  f.,  Jahn,  Fic.  Ciste  S.  53,  Fernique,  etude  sur 
Preneste,  S.  147.  Ähnliche  Erscheinungen  bieten  die  Francjoisvase  (vgl.  Michaelis,  ann.  1876, 
S.  124,  Anm.  2,  allerdings  auch  Heberdey,  Arch.-cpigr.  Mitt.  a.  Österreich  XIII,  S.  72  f.),  eine  vier- 
eckige Terracottaciste  von  Capua  (v.  Duhn,  ann.  1879,  S.  124),  die  mediceische  Marmorvasc,  die 
Hildesheimer  Silbergefässe  u.  a.  kunstgewerbliche  Erzeugnisse.  Nach  dem  Dargelegten  kann 
kein  Zweifel  sein,  dass  sich  der  Name  des  Plautios  nur  auf  die  Gravicningen  des  cylindrischen 
Körpers  der  Ficoronischen  Ciste  bezieht. 


32 


II. 

Übersicht  über  die  Entwicklung  der  Cistenform. 


Es  liegt  auf  der  Hand,  dass  die  Wiederholung  desselben  Motivs  als  Fuss-  oder 
Griffverzierung  als  ein  Hinweis  für  die  Chronologie  oder  Fabrik  verschiedener  Cisten  benützt 
werden  kann.  Indessen  ist  hier  die  grösste  Vorsicht  angebracht,  weil  dieselben  Tj'pen 
offenbar  eine  lange  Dauer  hatten,  und  das  Beiwerk  für  sich  einen  Handelsartikel  gebildet 
haben  kann.  Dies  Argument  darf  daher  nur  in  Verbindung  mit  andern,  vor  allem  aus 
dem  Stil  der  Zeichnungen  und  der  Form  des  Gerätes  hergeleiteten,    angezogen  werden. 

Was  den  Stil  der  Zeichnungen  betrifft,  so  wird  es  uns  ja  wohl  mit  der  Zeit  ge- 
lingen, verschiedene  Perioden  zu  scheiden,  vielleicht  sogar  verschiedene  Gravierungen 
derselben  Hand  zuzuweisen.  Vorderhand  sind  auch  noch  nicht  einmal  die  Anfänge  hierzu 
gemacht.  Die  Aufgabe,  welche  hier  die  Wissenschaft  noch  zu  lösen  hat,  ist  allerdings 
keine  leichte.  Denn  die  Entwicklung  der  Gattung,  um  die  es  sich  wesentlich  handelt,  der 
pränestinischen  Cisten  im  engern  Sinn,  hat  sich  in  einem  sehr  kurzen  Zeitraum  vollzogen. 
Auch  ist  in  diesem  Zweige  des  Kunstgewerbes  verhältnismässig  wenig  Hervorragendes 
geleistet  worden,  was  schärfer  hervortretende  Anhaltspunkte  gewährte. 

Doch  kommt  auch  hier  Hülfe  von  einer  Seite,  die  bis  jetzt  viel  zu  wenig  berück- 
sichtigt worden  ist:  aus  der  Form  selbst.  Es  ist  ganz  ähnlich  wie  mit  den  Spiegeln  '). 
Wir  glauben  oben  erhärtet  zu  haben,  wie  die  Entwicklung  der  äussern  Form  der  Spiegel 
nach  Grösse,  Dicke,  Wölbung,  Umränderung  der  Scheibe,  Grösse  und  Gestaltung  des 
Mündungsstückes,  nach  Länge,  Ausbildung  und  Befestigungsweise  des  Griffes  häufig  viel 
sicherere  Anhaltspunkte  für  die  zeitliche  und  örtliche  Stellung  des  Gerätes  giebt  als  der 
Stil  der  oft  recht  verschiedenartigen  oder  flüchtigen  Gravierungen. 

Gewöhnlich  sieht  man  die  Cisten  als  einen  spezifisch  pränestinischen  Fabrikations- 
artikel des  dritten  und  zweiten  Jahrhunderts  an,  während  sie  in  Wirklichkeit  wie  die 
Spiegel  um  diese  Zeit  schon  eine  Geschichte  von  mehr  als  einem  halben  Jahrtausend 
hinter  sich  haben.  Und  wie  wir  für  die  Spiegel  das  für  die  verschiedenen  Zeiten 
Charakteristische  nur  durch  einen  Ueberblick  der  Gesamtentwicklung  von  Anfang  bis  zu 
Ende  feststellen  konnten,  so  müssen  wir  auch  die  ganze  Geschichte  der  Cisten  verfolgen, 
wenn  wir  hoffen  wollen,  gewisse  Formen  als  für  bestimmte  Zeiten  eigentümlich  zu  er- 
weisen.    Natürlich  kann  dies  hier  nur  in  grossen  Zügen  geschehen. 

i)  Hoffentlich  wird  man,  falls  es  einmal  zu  einer  Sammlung  der  Cisten  kommen  sollte,  den 
bei  Anlage  des  Spiegelwerks  gemachten  Fehler  vermeiden,  und  die  Form  zu  ihrem  Rechte  kommen 
lassen.    In  den  neueren  Heften  von  Klügmann-Körte  tritt  dieser  Gesichtspunkt  schon  mehr  hervor. 


33 


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Wir  müssen  zu  diesem  Behufe  einige  gesicherte  Punkte  zu  erreichen  suchen  und 
von  da  aus  die  Verbindungsfäden  nach  oben  und  unten  ziehen. 

Wiederum  sind  es  die  Ausgrabungen  von  Bologna,  welche  uns  festen  Boden 
verheissen.  Beistehende,  dem  bekannten  Werke  von 
Zannoni,  scavi  della  Certosa  T.  LXXX,  Fig.  6  entnom- 
mene eiste  stammt  aus  einem  etruskischen  Grabe  des 
Grundstücks  De  Luca,  das  nach  den  mitgefundenen 
Vasen,  Fibeln  etc.  dem  Ende  des  fünften  Jahrh.  angehört 
(vgl.  Zannoni,  S.  316).  Der  Körper,  Deckel  und  Boden 
besteht  aus  Holz ;  doch  ist  der  Cylinder  oben  und  unten 
gegen  den  Rand,  der  Deckel  in  der  Mitte  mit  Bronze- 
blech verkleidet.  Die  Metallstreifen  des  Cylinders  sind 
gegen  die  Ränder  mit  kleinen  Löchern  versehen  und 
wellenförmig  ausgeschnitten,  der  zwischen  ihnen  zu  Tag 
tretende  Holzkern  war  entweder  bemalt  (vgl.  Zannoni,  scavi,  S.  242,  Anm.  i)  oder  mit 
Leder  überzogen,  wie  wir  noch  an  andern  Beispielen  sehen  werden.  Auch  das  Beschlag 
des  leicht  gewölbten,  eingreifenden  Deckels,  eine  die  Mitte  bedeckende  Scheibe,  ist  am 
Rande  in  gleicher  Weise  verziert ;  ebenso  wohl  der  Blechstreifen,  welcher  am  Rande  des 
Deckels  noch  in  einigen  Resten  vorhanden  ist.  Die  kleinen  Löcher  können  von  der 
Befestigung  herrühren.  Auch  hier  war  der  Zwischenraum  wohl  ähnlich  wie  auf  dem 
Cylinder  behandelt.  Als  Griff  dient  ein  nackter  Mann,  der  seinen  Körper  in  eine  bogen- 
förmige Krümmung  gebracht  hat.  Das  Gerät  ruht  auf  drei  Füsschen,  gekrümmten,  auf 
eiförmiger  Unterlage  aufsitzenden  Tatzen,  welche  oben  durch  eine  schmale,  fast  feder- 
artige Palmette  zwischen  zwei  Seitenflügeln  bekrönt  sind  *).  Mit  der  Ciste,  die  ganz  zu- 
sammengedrückt war,  fanden  sich  einige  Widderköpfe,  die  Zannoni  in  der  Weise,  wie 
die  Skizze  zeigt,  also  gewissermassen  als  Vorläufer  der  Scheibchen  mit  Ringen  an  der 
Ciste  befestigt  denkt.  Doch  scheint  mir  seine  Reconstruction  willkürlich  und  unhar- 
monisch. Sie  ist  umso  unwahrscheinlicher,  als  in  mehreren  Gräbern  ähnliche  Verzierun- 
gen, aber  ohne  jede  Spur  einer  Ciste  zum  Vorschein  kamen.  Interessant  ist,  dass  teils 
in  teils  mit  der  Ciste  ein  Spiegel,  eine  Patera  und  ein  Kamm  von  Elfenbein  gefunden 
wurde.     Auch  in  andern  etruskischen  Gräbern  stiess  man  auf  Reste  gleicher  Cisten. 

Noch  einen  zweiten,  etwas  abweichenden  Typus  brachten  die  Gräber  von  Bologna. 
So  wurden  in  einem  reichen  Grabe  des  Giardino  Margherita,  das  nach  seinen  Beigaben, 
namentlich  der  schönen  Menelaosvase,  um  die  Mitte  des  fünften  Jahrhunderts  zu  datieren 


i)  Über  ähnliche  Füsschen  aus  dem  fünften  Jahrhundert  vgl.  im  Karlsruher  Bronzenkatalog 
n.  262.     An  der  Zugehörigkeit  der  Füsschen  zur  Ciste  zu  zweifeln,  sehe  ich  keinen  Grund. 


34 


sein  dürfte"),  zwei  völlig  übereinstimmende  Cisten  beistehender  Form  gefunden  (nach 
Zannoni,  scavi  T.  LXXX.  8,  S.  315).  Der  Körper  zeigt  ebenfalls  einen  cylindrischen 
Holzkem,  ist  aber  ganz  von  Bronzeblech  verkleidet  und  ruht 
auf  drei  Füsschen,  die  den  vorigen  ähnlich  sind,  doch  etwas 
älteren  Stil  verraten.  Einen  bemerkenswerten  Unterschied 
bilden  zwei  Bügelhenkel,  die  sich  in  zwei  Ringen  eines  pal- 
mettenförmigen  Beschlages  bewegen,  lieber  die  Verzierung 
des  Körpers  bemerkt  Zannoni:  presso  l'orlo,  messo  ad  ovo- 
letti  intagliati,  e  una  lunga  fila  di  viticci  a  graffito.  Die  gleiche 
Form  und  ähnliche,  doch  etwas  reichlichere  Verzierung  hat  die 
eiste  des  etwas  jüngeren  Grabes  n.  231  der  Certosa  (Zannoni, 
scavi  T.  LXXX  1—5,  S.  313,  315).  Auch  hier  war,  wie  bei  den  Bruchstücken  einer  Reihe 
anderer  von  Zannoni  erwähnter  Cisten  noch  ein  Holzkern  vorhanden  (S.  242,  Anm.  i), 
der  aber  vollständig  mit  Bronzeblech  überzogen 
ist.  Das  Beschlag  für  die  Henkelattache,  welche 
dort  eine  Palmette  zierte,  ist  hier  mit  einer  Harpyie 
geschmückt,  während  auf  den  Füsschen  ein  lagern- 
der Silen  mit  einer  Schale  in  der  Hand  dargestellt 
ist.  Die  in  der  Nähe  des  Randes  eingravierten 
Bögen  erinnern  an  die  durchbrochene  Verzierung 
der  erwähnten  Ciste  der  Nekropole  De  Luca.  Bei 
einigen  Cistenresten  dieses  Typus  war  noch  zu 
ersehen,  dass  der  Deckel  nicht  übergriff. 

Vergleichen  wir  die  Form  dieser  in  etrus- 
kischen  Gräbern  des  fünften  Jahrhunderts  gefunde- 
nen Geräte  mit  derjenigen  unserer  „pränestinischen"  Cisten,  so  kann  kein  Zweifel  sein, 
dass  wir  dasselbe  Geräte,  wenn  auch  in  älterer,  etwas  weniger  entwickelter  Gestalt,  vor 
uns  haben. 

Nachdem  wir  so  durch  die  Bologneser  Funde  einen  sichern  Ausgangspunkt  erlangt 
haben,  sind  wir  im  Stande,  einer  ganzen  Anzahl  von  Cisten,  die  bisher  im  grossen 
Strom  der  „pränestinischen"  mitgeschwommen  waren,  einen  richtigeren  Platz  anzuweisen. 
Wir  haben  gesehen,  dass  manche  dieser  Bologneser  Cisten  des  fünften  Jahrhunderts 
noch  nicht  aus  einem  einzigen  cylindrischen  Metallkörper,  sondern  entsprechend  der 
noch    primitiveren  Technik   aus   einer  Holzform   bestehen,   die  nur  an  den  Rändern  mit 


i)  (Gozzadini),  Not  d.  sc.  1876,  p.  51  f.,  v.  Duhn,   Atti   e  Memoria  d.  R.  Dop.  d.  st.  p.  p.  I. 
provincic  di  Romagna  III  ser.,  vol.  VIII,  p.  3,  Anm.  3. 


35 

Bronzeblech  verkleidet  war  *).  Dieselbe  Erscheinung  zeigen  nun  mehrere  der  von  Schöne 
ann.  1866  zusammengestellten  eiste  Prenestine  (n.  6.*'  43.  50.  60).  Bei  einigen  derselben 
ist  noch  zwischen  den  Metallbeschlägen  eine  Lederverkleidung  vorhanden,  während  bei 
andern,  wie  der  besprochenen  Cista  De  Luca,  der  dazwischen  zu  Tage  tretende  hölzerne 
Körper  bemalt  gewesen  zu  sein  scheint.  Sie  alle  können  wir  daher  jetzt  direct  an  jene 
Bologneser  angliedern  (vgl.  auch  Zannoni,  scavi,  S.  242). 

Hierher  gehört  auch  eine  Ciste,  die  bis  jetzt  ganz  verkannt  worden  ist.    Sie  stammt 

aus  Vulci  und  befindet  sich  im  Museo  Gregoriano  (abg.  _  _    

Mus.  Greg.  I.  37,  4,  erw.  Schöne,  ann.  1866,  n.  10).    Ihre  <^!    /      v^  .'Cl 

Form    ist   schon  Schöne   aufgefallen,   denn  er  schreibt:  fvJv!v.;rr.v.v^-.^v.--.-----;-""':':-^ 

„essa  e  di    forma    assai   singolare  e  rimane  senza  con-  1  j 

fronto  fra  le  ciste  che  conosciamo  perora".    Es  ist  näm-  I'.Vv'JWA.W/VvA/Jvaa/WvW«.'! 

lieh  gar  kein  vollständiges  Exemplar,    sondern  nur  das  i  | 

untere  Beschlag  einer  hölzernen  Ciste,  wie  wir  sie  oben 
kennen  gelernt  haben,  über  das  man  direct  einen  Deckel 
gesetzt  hat.  Der  obere  Rand  zeigt  wie  jene  des  Grund- 
stücks De  Luca  eine  durchbrochene  Verzierung.  Wir 
haben  an  der  Skizze  des  Mus.  Greg.,  T.  I.  37,  4  durch 
Punktierung  die  ursprüngliche  Form  angedeutet.  Es 
fehlen  also  der  hölzerne  (wohl  mit  Leder  beschlagene)  Cylinder  und  der  obere  Metall- 
streifen. Der  Deckel  ist  am  Rande  so  zerstört,  dass  man  nicht  mehr  sicher  sagen  kann, 
ob  er  eingriff  oder  nicht.  Doch  ist  ersteres  wahrscheinlich.  In  der  Mitte  des  Deckels 
ist  ein  rundes  Loch  ausgebrochen,  das  von  einer  wohl  modernen  Scheibe  ersetzt  ist. 
An  mehreren  Stellen  des  Deckels  sind  Spuren  von  Gravierungen  wahrnehmbar,  die  aber 
wegen  der  dichten  Oxydschicht  nicht  mehr  zu  erkennen  sind.  Erst  nach  gründlicherer 
Reinigung  wird  daher  die  Frage  zu  entscheiden  sein,  ob  der  Deckel  überhaupt  dazu 
gehört.  Als  Griff  dienen  zwei  mit  den  Schwänzen  verschlungene  Hippokampen.  Die 
Füsschen  stehen  auf  vier  Plättchen  und  sind  mit  einer  e.  f.  gestellten,  geflügelten  Gestalt 
archaischen  Stils  verziert,  welche  in  zwei  Fischschwänze  endigt  und  Arme  und  Hände 
ausstreckt.  Unter  diesen  älteren  Cisten  sind  ann.  1866  n.  43  und  60  besonders  bemerkens- 
wert, weil  sie  um  den  Körper  herum  Ringe  haben  (Schöne  zu  n.  43 :  a  due  terzi  dell' 
altezza    una   striscia    di    cuojo    gira    intorno,    attacato  al  legno  mediante  dei  perni  in  cui 


i)  Bildliche  Darstellungen  der  Cisten  auf  Denkmälern  dieser  älteren  Zeit  könnte  man 
vielleicht  z.  B.  in  den  an  der  Wand  hängenden  Geräten  des  Wandgemäldes  der  Grotta  dei  vasi 
dipinti  (Mon.  IX,  T.  14)  und  eines  Karlsruher  Spiegels  sehen  (Bronzenkatalog  n.  224.  T.  v.  2). 

2)  Vgl.  zu  den  Füsschen  dieser  Ciste  die  ttbereinstirnmenden  aus  einem  Grabe  des  Giardino 
Margherita  bei  Zannoni,  scavi  T.  LXXX.  7,  S.  315,   vgl.  auch  ann.  1866,  S.  193,  n.  47. 


36 

nello  stesso  tempo  sono  applicati  gli  anelli).  Wir  sehen  also,  dass  auch  diese  Zuthat 
schon  älterer  Zeit  angehört,  obwohl  sie  die  Cisten  von  Bologna  noch  nicht  zeigen.  Bei 
n.  43  ist  bereits  der  ganze  hölzerne  Deckel  mit  Bronzeblech  verkleidet. 

Eine  interessante  Stellung  nimmt  die  Ciste  ann.  1866,  n.  45  (vgl.  S.  196)  ein  (sie 
ist  zwar  wie  n.  60  von  ovaler  Form,  doch  macht  das  in  diesem  Zusammenhang  keinen 
Unterschied).  Sie  besteht  schon  ganz  aus  Bronze,  die  aber  so  dünn  ist,  dass  noch  ein 
Holzkern  nötig  war.  Wir  haben  also  hier  ein  Übergangsstadium  zu  der  bei  den  eigent- 
lichen pranestinischen  Cisten  zu  beobachtenden  Technik,  wo  der  Cylinder  aus  einer 
einzigen  Bronzeplatte  getrieben  ist.  Während  bei  letzteren  natürlich  keine  Naht  vor- 
handen ist'),  bemerkt  Schöne  von  jener  ausdrücklich:  „e  rimarchevole  che  la  lastra  di 
ranie  che  forma  la  parete  verticale  della  cista,  fa  vedere  una  cucitura,  ed  t  questo  l'unico 
esempio  che  nc  ho  ossservato.  Mit  dieser  zeitlichen  Stellung  stimmt  der  ältere  Stil  der 
Grifffigur,  sowie  die  getriebene  Punktverzierung  des  Deckels  überein,  während  später, 
wo  das  Metall  dicker  ist,  nur  Gravierung  angewendet  wird.  Auch  sie  hat  schon  Ringe. 
(Vgl.  auch  Zannoni,  scavi,  S.  242,  Anm.  i). 

Übersehen  wir  jetzt  die  Formen  der  „pranestinischen"  Cisten,  so  sind  sie  fast  aus- 
nahmslos eine  Weiterbildung  jenes  Typus,  der  durch  die  Cista  De  Luca  vertreten  ist. 
Doch  wurde  auch  der  andere  Typus  mit  den  Bügelhenkeln  gelegentlich  noch  festgehalten. 
Vor  allem  ist  es  die  bekannte  Cista  Napoleone  (Mon.  VI.  VII,  T.  LXIV.  3,  ann.  1866 
n.  16),  welche  zwar  auch  einen  Deckel  mit  Griff,  daneben  aber  auch  noch  jene  Bügel- 
henkel hat.  Die  Attachen  derselben  sind  wie  das  besprochene  Bologneser  Exemplar 
(Zannoni,  scavi  T.  LXXX.  n.  i,  Fernique,  etude  sur  Pröneste,  S.  190,  n.  82)  mit  Harpyien 
geschmückt.  Diese  Bügelhenkel  weisen  ebenso  wie  die  Übereinstimmung  der  Griffgruppe 
mit  derjenigen  der  Ficoronischen  Ciste  auf  etwas  höheres  Alter  gegenüber  der  grossen 
Masse  der  pranestinischen  Cisten  hin*). 


1)  Fernique,  etude  sur  Preneste,  S.  146  ist  allerdings  der  Ansicht,  dass  rechteckige  Platten 
geschmiedeten  Bronzeblechs  zuerst  graviert  und  dann  zum  Cylinder  zusammengeschweisst  seien. 
Als  Beweis  führt  er  die  ovalen  Cisten  ann.  1866,  n.  18  und  49  an,  bei  welchen  der  Bildstreif  in 
der  Mitte  durchschnitten  ist.  Indessen  scheint  mir  Schöne  richtig  bewiesen  zu  haben,  dass  sie 
ursprünglich  cylindrische  Gestalt  hatten.  Der  obere  Teil  war  offenbar  zerstört,  so  dass  man  ihn 
abschnitt.  Die  erstere  Ciste  wurde  vielleicht  erst  in  neuerer  Zeit,  letztere  wohl  schon  im  Alter- 
tum in  die  heutige  Form  gebracht. 

2)  Ähnlich  hat  eine  kleine,  cylindrische,  in  Etrurien  gefundene  Ciste  des  Museums  in 
Florenz  neben  dem  Deckel  mit  Griftügur  unter  der  oberen  Wulst  vier  Beschläge  mit  Ösen, 
worin  sich  noch  ein  Kettchen  mit  einem  Bügel  bewegt.  Sie  ruht  auf  drei  unten  in  Hufe,  oben 
in  ein  Kelchblatt  endigende  Füsschen.  Der  Griff  ist  durch  eine  nackte  männliche  Figur  mit  er- 
hobener Rechte  gebildet 


-„37_ 

Diese  beiden  Cisten  weichen,  wie  noch  einige  wenige  andere,  auch  sonst  von 
den  übrigen  pränestinischen  Cisten  etwas  ab.  Sie  zeigen  schlankere  Verhältnisse,  meist 
einen  stärker  gewölbten  und  zwar  eingreifenden  Deckel,  Grifffiguren  und  Gravierungen 
von  sorgfältigerem,  etwas  strengerem  Charakter*).  Dazu  kommt,  dass  die  Grififfiguren 
meist  auf  einzelnen  Plättchen,  nicht  auf  einer  durchgehenden  Standleiste  ruhen,  wie  wir 
es  oben  S.  29  bei  einem  Cistengriff  des  fünften  Jahrhunderts  bemerkt  haben.  Bei  der 
Ficoronischen  Ciste  besteht  das  innere,  mit  zwei  Tiergruppen  gravierte  Rund  des  Deckels 
aus  einer  besonderen  Scheibe,  die  am  Rande  zur  Befestigung  mit  kleinen  Löchern  ver- 
sehen ist.  Alles  dies  sind  Erscheinungen,  die  wir  bereits  bei  dem  Typus  De  Luca  und 
den  übrigen  älteren  vorgefunden  haben.  Da  nun  einige  dieser  Cisten  aus  stilistischen 
und  epigraphischen  Gründen  sicher  älter  sind  als  die  Mehrzahl  der  pränestinischen, 
dürfen  wir  zweifelsohne  folgern,  dass  die  ganze  Gruppe  etwas  älter  ist  als  die  anderen 
und  in  ihrer  Form  noch  Erinnerungen  jenes  älteren  Typus  von  Bologna  bewahrt  hat. 
Wir   werden    sie  z.  T.  noch    in   die  erste  Hälfte  des  dritten  Jahrhunderts  setzen  dürfen. 

Auf  eine  dieser  nahestehende  Gruppe  hat  schon  Schöne,  ann.  1866,  S.  198  auf- 
merksam gemacht:  „.  .  .  sono  affatto  compagne  tra  loro,  essendo  esse  non  solo  munite  di 
piedi  e  di  manichi  identici,  ma  mostrando  inoltre  le  medesime  proporzioni  piü  allungate  del 
solito  e  la  medesima  costruzione  del  coperchio,  il  quäle  entra  nel  corpo  invece  di  rice- ' 
verlo  come  d"ordinario".  Sie  zeigen  also  ebenfalls  noch  einige  der  im  vorhergehenden  ge- 
schilderten Eigentümlichkeiten,  wenn  auch  nicht  mehr  in  so  stark  hervortretender  Weise. 
Eine  derselben  (ann.  1866  n.  19,  Mon.  IX,  T.  22.  23)  hat  lateinische  Inschriften,  die  nach 
ann.  1870,  S.  399  vor  das  Ende  des  zweiten  punischen  Krieges  anzusetzen  sind.  Ein 
präciseres  Datum  hat  sich  bisher  nicht  gewinnen  lassen.  Sie  schliessen  sich  m.  E.  direct 
an  die  behandelte  Gruppe  an. 

Unsere  Karlsruher  Ciste  hat  einen  übergreifenden  Deckel  wie  die  jüngeren  prä- 
nestinischen Cisten  im  allgemeinen,  doch  noch  etwas  schlankere  Form  und  nicht  nur 
sorgfältigere,  sondern  auch  etwas  strengere  Zeichnung  als  die  meisten  von  diesen.  Ich 
möchte  daher  glauben,  dass  sie  der  vorhergehenden  Gruppe  noch  nahe  steht ;  dafür  dürfte 
auch  ein  Vergleich  namentlich  mit  der  erwähnten  Ciste  Mon.  IX,  T.  22.  23  sprechen. 


1)  Auf  der  Ciste  Mon.  Suppl.  T.  XIII  (bull.  1869,  S.  66),  scheinen  oberhalb  des  einen  Fusses 
noch  die  Reste  einer  durchbrochenen  gitterartigen  Verzierung  vorhanden  zu  sein,  wie  wir  sie 
ähnlich  auf  den  älteren  Cisten  gefunden  haben.  So  würde  aucii  begreiflich  sein^  warum  gerade 
der  mittlere  Teil  des  Cylinders  fehlt. 

In  diesem  Zusammenhang  leuchtet  besonders  ein,  wie  falsch  Schönes  Ansicht  über  das 
Beiwerk  der  Ficoronischen  Ciste  ist,  wenn  er  ann.  1866,  S.  205  f.  schreibt:  „la  quäle  (Dindia  Ma- 
colnia)  piü  tardi,  dopo  aver  usato  forse  giä  ella  stessa  la  cista,  ne  volle  far  regalo  alla  sua  figlia 
e  la  fece  aggiustare  nella  maniera  allora  adottata,  aggiungendovi  i  piedi  cd  il  manubrio". 
Denn  schon  lange  vorher  waren,  wie  wir  gesehen  haben,  die  Cisten  mit  Grifl"  und  Füsschen 
versehen. 


Ich  glaube,  wir  müssen  uns  vor  der  Hand  mit  dieser  Einreihung  und  zeitlichen 
Fixierung  unserer  Karlsruher  Ciste  begnügen  lassen.  Es  hätte  ja  einen  gewissen  Reiz, 
stilistischen  Ähnlichkeiten  auf  dieser  und  jener  Ciste  nachzugehen,  um  vielleicht  dieselbe 
Hand  wiederzufinden.  Doch  meine  ich  dieser  Versuchung  widerstehen  zu  müssen.  Denn 
bevor  nicht  eine  grössere  Anzahl  von  Cisten  in  getreuer  Zeichnung  und  mit  genauer 
Angabe  der  Form  vorliegt,  könnte  man  da  zu  sehr  voreiligen  Schlüssen  kommen. 

Ich  glaube  nicht,  durch  vorstehende  Beobachtungen  über  die  Entwicklung  der 
Form  sämmtliche  charakteristischen  Erscheinungen  erschöpft  zu  haben.  Im  Gegenteil  ist 
mir  noch  manches  aufgefallen,  was  ich  hier  nicht  weiter  ausführen  kann  und  bin  auch 
überzeugt,  dass  einem  durch  ein  noch  grösseres  Material  geschärften  Auge  noch  Manches 
auffallen  wird.  Es  genügt  mir,  durch  das  Dargelegte  bewiesen  zu  haben,  dass  in  einer 
schärferen  Beobachtung  der  Entwicklung  der  Form  auch  hier  der  stilistischen  Unter- 
suchung sich  ein  Faden  bietet,  an  dessen  Hand  sie  Aussicht  hat,  erfolgreich  die  Wirrnisse 
zu  durchdringen,  die  bis  jetzt  noch  über  dieser  Denkmälergattung  liegen. 

2.  Wir  haben  die  Entwicklung  der  Cistenform  von  dem  Bolognesertypus  aus  bis 
zu  dem  „pränestinischen"  verfolgt;  zur  Vervollständigung  des  Bildes  erübrigt  noch,  ihr 
auch  nach  rückwärts  weiter  nachzugehen. 

Auch  da  winkt  in  der  Ferne  ein  willkommener  Wegweiser:  die  bekannte  bei 
Praeneste  ausgegrabene  Silberciste ').  Sie  wurde  in  einem  „tumulo  costrutto  di  tufo" 
gefunden,  zusammen  mit  einer  Menge  Gegenstände,  welche  denselben  Charakter  wie  die 
Funde  des  berühmten  Grabes  Regulini-Galassi  zeigen,  also  dem  Ende  des  siebenten  oder 
Anfang  des  sechsten  Jahrhunderts  angehören ').  Der  cylindrische  Körper,  sowie  der 
Deckel  besteht  aus  Holz  (natürlich  nur  noch  in  Resten),  das  mit  Streifen  von  Silberblech 
in  ähnlicher  Weise  wie  die  Bologneser  Cisten  verkleidet  ist.  Die  Verzierung  des  flachen 
Deckels  (Palmetten  und  Lotosblüten  um  ein  mit  einem  Stern  ausgefülltes  Mittelrund)  und 
der  beiden  Randstreifen  (oben  Tiere,  unten  Palmetten-Lotoskette)  ist  in  flachem  Relief  mit 


i)  Jetzt  im  capitolinischen  Museum.  Sie  ist  abg.  Mon.  VIII,  T.  XXVI,  Archaeologia  XLI  (1867), 
T.  X,  XI,  Daremberg-Saglio,  dictionnaire  I ',  S.  782,  Martha,  Manuel  d'arch.  etr.  et  rom.,  S.  33. 
Behandelt  von  Schöne  ann.  1866,  S.  186  f.,  Heibig,  Führer  durch  d.  öffentj.  Samml.  in  Rom  I,  n.  614. 
Ist  die  etwas  unproportionierte  Form  der  Skizze  der  Mon.  richtig? 

2)  Vgl.  Heibig,  d.  homerische  Epos  ^,  S.  31,  91 ;  Furtwängler  bei  Röscher,  Le.x.  d.  Myth., 
S.  1756.  Heibig  ist  auf  Grund  einiger  mit  etruskischen  Inschriften  versehenen  silbernen  Schalen 
des  Caeretaner  Grabes  der  Ansicht,  dass  man  die  Gräber  des  Typus  Regulini-Galassi  und  der 
verwandten  palestriner  Gruppe  nicht  über  den  Anfang  des  sechsten  Jahrhunderts  hinaufrücken 
dürfe.  Richtiger  scheinen  mir  seine  früheren  Darlegungen  ann.  1876,  S.  227  gewesen  zu  sein,  wo 
er  den  Zeitraum  Mitte  des  siebenten  bis  Mitte  des  sechsten  Jahrhunderts  in  Betracht  zieht.  Jene 
Gegenstände  zeigen  offenbar  verschiedene  Entwicklungsstadien  und  erstrecken  sich  also  über 
einen  etwas  längeren  Zeitraum.  Es  sind  ja  auch  Gräber  darunter,  in  denen  ebenfalls  jene  mit 
Streifen  bemalten  Thongefässe  gefunden  wurden. 


•39 


Gravierung  hergestellt'),  die  beiden  Tierstreifen  in  der  Mitte  sind  a  giorno  gearbeitet. 
Füsschen  fehlen.  Der  Griff  besteht  aus  einem  Bügelhenkel,  der  an  dem  Cylinder  durch 
ein  Beschlag  befestigt  ist  („pure  d'argento,  ma  con  bronzo  dentro")*).  Wir  haben  also 
in  dieser  Ciste  einen  directen  Vorgänger  des  zweiten  Typus  von  Bologna,  nur  dass  die 
Füsschen  fehlen.  Ein  anderer,  ebenfalls  geringfügiger  Unterschied  ist  der,  dass  die 
Castellanische  Ciste  nur  einen  Bügelhenkel  hat.  Es  kann  dies  durch  die  kleineren  Ver- 
hältnisse bedingt  sein ;  vielleicht  lässt  sich  aber  auch  der  Verlust  eines  zweiten  Henkels 
annehmen,  und  das  Hesse  sich  durch  folgende  Beobachtungen  stützen:  Rechts  vom  Hen- 
kelbeschläg  der  einen  Seite  sind  noch  zwei  Löcher  vorhanden.  Es  ist  also  entweder 
eine  zweite  derartige  Attache  vorauszusetzen  oder  die  vorhandene  ist  nicht  an  ihrem 
ursprünglichen  Platz.  Dass  aber  thatsächlich  in  jenen  zwei  Löchern  eine  Attache  be- 
festigt war,  beweist  der  Umstand,  dass  die  kleinen  umlaufenden  Rippen  des  Randes  an 
dieser  Stelle  flach  gedrückt  sind.  An  der  jenen  beiden  Löchern  gegenüberliegenden 
Stelle  fehlt  leider  gerade  das  Metall.  Nun  bemerkt  Schöne  ann.  1866,  S.  187  „rimarchevole 
si  6  che  nella  collezione  Barberini  evvi  un  altro  esemplare  d'un  tale  manubrio  colle  teste 
or  mentovate,  il  quäle  (:  pure  d'argento  e  sotto  ogni  risguardo  identico  col  nostro;  ed  ^ 
quasi  certo  che  abbia  fatto  parte  d'una  simile  cista".    Der  Gedanke  liegt  also  nahe,  dass 


i)  Vgl.  über  diese  Technik  Milani,  Mus.  italiano  d.  antich.  class.  I,  S.  328. 
2)  Mit  der  Verzierung  des  Beschlags  durch  Palmette  und  Maske  vgl.  die  Anhänger  einer 
etwa  gleichzeitigen  Haiskette  Mon.  1855,  T.  X. 


40 

dies  eben  jener  zweite  BOgel  der  Castellanischen  Ciste  ist.  Wie  weit  Fund-  oder  Er- 
werbungsverhältnisse etc.  dafür  sprechen,  entzieht  sich  meiner  Kenntnis.  —  Lehrreich  ist, 
dass  die  Ciste  bereits  die  Prinzipien  der  späteren  Dekorationseinteilung  aufweist.  Der 
Hauptstreifen  der  Mitte,  nach  der  Kunstweise  der  Zeit  mit  Tierstreifen  ausgefüllt,  wird 
oben  durch  einen  Tierfries,  unten  durch  eine  Palmetten-Lotoskette  abgeschlossen,  also 
mutatis  mutandis  ganz  dasselbe  System,  das  wir  auf  den  späteren  pränestinischen  Cisten 
angetroffen  haben.  Zu  beachten  ist  auch,  dass  der  untere  Fries,  wie  sich  Holwerda 
Jahrb.  V,  S.  239  ausdrückt,  „so  zusagen  embryonal  sowohl  das  alternierende,  wie  das 
gegenständige  Lotos-Palmettenband  enthält",  welches  wir  gerade  auf  den  besseren  älteren 
pränestinischen  Cisten  wiederfinden.  Auch  der  Deckel  zeigt  das  Mittelrund,  welches  eine 
zweite  Verzierungszone  umgiebt. 

Von  Wichtigkeit  ist  die  Frage  nach  der  Herkunft  dieser  Ciste.  Konnte  man  früher 
bei  der  Mangelhaftigkeit  des  Materials  an  acht  altetruskischen  Ursprung  denken  (vgl. 
Schöne,  ann.  1866,  S.  206  f ,  Milchhöfer,  Anfänge  d.  Kunst,  S.  216),  so  war  nach  Helbigs 
und  anderer  Untersuchungen  ein  stärkerer  phönikischer  Einfluss  unverkennbar  *).  Anderer- 
seits hat  schon  Brunn  ann.  1866,  S.  420  auf  die  Ähnlichkeit  der  Palmetten-  und  Lotos- 
verzierung  mit  solchen  des  assyrischen  Palastes  von  Koyundschik  (Layard,  raonuments 
of  Niniveh,  ser.  III,  t.  56,  nach  Rawlinson  zwischen  667  —  640  v.  Ch.)  hingewiesen  und 
einen  direkten  Zusammenhang  mit  assyrischer  Kunst  festgestellt.  Eine  schärfere  Analyse 
der  in  jener  italischen  Gräbergruppe  gefundenen  Gegenstände,  sowie  analoge  Funde  des 
Ostens  lassen  heute  wohl  keinen  Zweifel,  dass  wir  es  mit  einem  Mischstil  zu  thun  haben, 
sei  es  nun  einer  griechischen  Kunst  unter  assyrischem  Einfluss  und  phönikischer  Ober- 
leitung oder  einer  phönikischen  unter  starker  griechischer  und  assyrischer  Einwirkung, 
deren  Centren  an  der  kleinasiatischen  Küste  und  auf  den  Inseln,  namentlich  Cypern,  zu 
suchen  sind*).  Sollte  man  auch  selbst  annehmen,  dass  die  Silberciste  auf  italischem 
Boden  in  Nachahmung  eines  importierten  Vorbildes  entstanden  sei,  so  werden  wir  für 
den  Typus  selbst  immerhin  nach  dem  Osten  verwiesen.  Wir  können  also  feststellen, 
dass  der  vorliegende,  dem  Ende  des  siebenten  oder  Anfang  des  sechsten  Jahrhunderts 
angehörige  Cistentypus  nicht  italischen  Ursprungs  ist. 

Nach  dieser  Orientierung  wenden  wir  uns  wieder  zu  den  Funden  von  Bologna. 
Es  giebt   hier   noch   ältere   als  jene,    die   etruskische  Epoche   bezeichnende  Gräber:  — 

i)  Vgl.  auch  Furtwängler,  Bronzefunde  von  Olympia,  S.  71,  Anm.  1,  S.  100,  Anni.  2,  v.  Duhn, 
ann.  1879,  S.  153,  Anm.  4. 

2)  Vgl.  die  Bemerkungen  Furtwänglers  ann.  1880,  S.  132  und  bei  Röscher,  Lex.  d.  Myth., 
S.  1755  f.,  auch  Studniczka,  Mitt.  a.  Athen  XII,  S.  10,  v.  Duhn,  Bonner  Studien,  S.  28,  Anm.  47, 
Dümmler,  Jahrb.  II,  S.  91,  Rom.  Mitt.  II,  S.  188  u.  a.  Speziell  über  die  Ciste  noch  Brunn,  ann.  1866, 
S.  411,  Furtwängler  bei  Röscher,  Lex.,  S.  1757  („derselben  phönikischen  Kunst  des  sechsten  Jahr- 
hunderts unter  griechischem  Einfluss  gehört  auch  die  silberne  Ciste  von  Pränestc  an")  und  Hol- 
werda, Jahrb.  V,  S.  239  „eine  lokale  Nachahmung  eines  phönikischen  Vorbildes". 


41 


die  „umbrischen"  der  Villanovaperiode,  welche  (nach  zeitlicher  Abfolge) 
durch  die  Nekropolen  der  Grundstücke  Arnoaldi,  Tagliavini,  stradelio 
della  Certosa  (Arsenale),  De  Luca  Benacci  vertreten  werden.  In  der 
jüngsten ,  der  ältesten  etruskischen  Periode  nahestehenden,  z.  T.  viel- 
leicht gleichzeitigen  Gräbergruppe  Arnoaldi  wurde  eine  Ciste  gefunden, 
welche  beistehende  Skizze  nach  Zannoni,  scavi  d.  Certosa,  T.  CXLIX.  6 
einigermassen  veranschaulichen  möge  (vgl.  Gozzadini,  intomo  agli  scavi 
arch.  fatti  dal  sig.  Arnoaldi-Veli,  T.  VII,  n.  6,  S.  35).  Eine  Beschreibung  derselben  hat 
Brizio,  Atti  e  Mem.  d.  R.  Dep.  Ser.  III,  vol.  II  (1884),  S.  294  gegeben: 

„Dal  sepolcreto  Arnoaldi  e  uscito  un  piccolo  vaso  cilindrico  alto  ni.  0,155  diani.  0,11,  dl 
bronzo  con  le  coste  unite  e  ribattute  con  chiodi,  ornato  dl  figure  a  sbalzo  disgraziataniente  per 
maggior  parte  perdute.  Vi  si  scorgono  ancora  un  tronco  d'albero,  la  parte  posteriore  ed  il  collo 
con  la  criniera  dl  un  cavallo,  sul  dorso  del  quäle  appare  la  parte  superiore  di  un  uonio  in  atto 
di  stendere  il  braccio,  due  zampe  posteriori  di  un  altro  quadrupede  piü  piccolo,  forse  cane,  ed 
un  secondo  albero  ....  GH  orli  superiore  ed  inferiore  del  vaso,  sono  raflbrzati  con  una  triscia 
ornata  di  foglie  formale  da  un  gambo  verticale  che  termina  in  una  specie  di  palmette  con  due 
volute  laterali,  come  le  volute  dei  due  manici  nella  situla  Certosa." 

Sie  stimmt  also  im  wesentlichen  mit  dem  zweiten,  oben  betrachteten  Cistentypus 
aus  den  etruskischen  Gräbern  Bolognas  überein,  hat  aber  auch  bezeichnende  Abweichun- 
gen. Der  Körper  besteht  zwar  schon  aus  einer  längs  der  Mitte  zusammengenieteten 
Bronzeblechplatte,  die  (fehlenden)  Bügelhenkel  sind  durch  die  Ringe  am  oberen  Rand 
gesichert,  das  Dekorationsprinzip  ist  dasselbe  wie  in  der  ganzen  Folgezeit.  Dagegen 
fehlen  die  Füsschen,  wie  auch  an  der  Silberciste,  und  die  Verzierung  ist  nicht,  wie  wir 
es  bei  den  etruskischen  Exemplaren  gesehen  haben,  graviert,  sondern  getrieben,  wie  es 
das  dünne,  ursprünglich  vielleicht  auch  noch  durch  einen  Holzkern  geschützte  Blech  er- 
möglichte. Eine  zweite  nach  der  Form  übereinstimmende,  aber  mit  getriebenen  Buckel- 
chen geschmückte  Ciste  hat  noch  einen  Bügelhenkel  (vgl.  Not.  d.  scav.  1890,  S.  136). 
Dieselbe  Form  kehrt  auch  in  zahlreichen  Nachbildungen  in  Thon  wieder,  die  teils  mit 
geometrischen  Ornamenten,  teils  mit  primitiven  Tierfiguren  dekoriert  sind  ') ;  doch  ent- 
behren sie  natürlich  der  Bügelhenkel. 


i)  Ähnlich  ist  auch  die  Ciste  bei  Gozzadini,  di  ult.  scopertc  n.  ant. 
necrop.  a  Marzabotto  (1870),  T.  14.  4,  vgl.  S.  32.  Sie  hat  aber  keine 
Bügelhenkel,  der  mit  einem  bandförmigen  Grifl' versehene  Deckel  ist  schon 
ein  wenig  gewölbt,  die  Verzierung  besteht  aus  „a  punzone"  hergestellten, 
auf-  und  abwärts  gerichteten  Palmetten  am  unteren  bezw.  oberen  Rande. 
Der  Form  nach  erinnert  sie  an  gewisse  ältere  griechische  Thon- 
büchsen  (Pyxis),  von  denen  noch  später  die  Rede  sein  wird. 


42 


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Ausserdem  aber  fanden  sich  in  den  Gräbern  Tagliavini-Arnoaldi  mehrere  Exem- 
plare jener  wegen  ihrer  Verzierung  durch  Rippen  gewöhnlich  „eiste  a  cordoni"  genannten 
Geräte,  mit  Deckel  und  Handhaben  an  den  Seiten,  welche 
zwischen  den  Rippen  meist  mit  Reihen  getriebener  Buckel- 
chen verziert  sind.  Wir  werden  daher  auch  der  gelegent- 
lich schon  aufgeworfenen,  aber  noch  nirgends  eingehender 
behandelten  Frage  ')  näher  treten  müssen,  in  welchem  Ver- 
hältnis   diese    eiste   a  cordoni    zu  unserem  Typus    stehen. 

Dieselben  Formen  der  glatten  Cisten  sowohl  wie 
die  der  eiste  a  cordoni  mit  Handhaben  kommen  in  der  den 
Arnoaldi-Gräbern  nahestehenden  „umbrischen"  Nekropole  des  stradello  della  Certosa  und 
beim  Arsenal  vor,  und  zwar  ebenfalls  in  Thon  und  in  Bronze.  Auch  sie  zeigen  sowohl 
geometrische  wie  figürliche  Verzierung.  In  letzterer  Beziehung  ist 
eine  cista  a  cordoni  hervorzuheben,  welche  einen  getriebenen,  von 
Buckelchen  eingefassten  Tierstreifen  aufweist. 

Die  Benacci-Gräber  repräsentieren  eine  ältere  und  jüngere  Ent- 
wicklung, die  man  gewöhnlich  kurz  Benacci  I  und  Benacci  II  bezeich- 
net. In  Benacci  II  sind  ebenfalls  alle  die  besprochenen  Formen 
vertreten.  Hier  ist  in  Grab  73  ein  sehr  hübsches  Exemplar  einer  glatten  Ciste  zu  er- 
wähnen, deren  Körper  mit  getriebenen  geometrischen  Mustern  und  kleinen  Enten  ge- 
schmückt ist ;  am  oberen  Rand  sind  vier  Enten  primitiven  Stils  mit  durchlöcherten  Augen 
befestigt;  die  Bügelhenkel  fehlen^).  Aber  neben  der  Form  der  ciste  a  cordoni  mit  seit- 
lichen Handhaben,  wie  wir  sie  bis  jetzt  gesehen  haben,  findet 
sich  auch  die  Form  mit  Bügelhenkel,  ganz  wie  bei  dem  gewöhn- 
lichen Cistentypus  (vgl.  auch  Not.  1882,  S.  153,  Anm.  2).  In 
Thon  liegen  sehr  viele  Nachahmungen  sowohl  der  glatten  Cisten 
als  der  gerippten  vor. 

In  Benacci  I,  den  bis  jetzt  ältesten  Gräbern  Bolognas,  ^) 
ist  bis  jetzt  keine  glatte  Ciste ,  weder  aus  Bronze  noch 
in  Thon,  gefunden,  dagegen  eine  kleine  cista  a  cordoni  von 
Bronze  (Grab  891),  welche  mit  Reihen  getriebener  Buckel- 
chen verziert  ist  und  einen  kräftigen  gewundenen  Bügel- 
henkel hat  (vgl.  Zannoni,  scavi  S.  236).  Sie  unterscheidet  sich  von  der  glatten 
Form,    wie    sie    auch    die  Silberciste    von  Praeneste    zeigt,  nur  durch  die  indessen  noch 

i)  Conze,  ann.  1874,  S.  169,  Ilelbig,  ann.  1880,  S.  253  (ann.  1884,  S.  171). 

2)  Vgl.  Zannoni,   scavi,   S.  238  und  314,  wegen    der  Randverzicrung  bull.  1881,  S.  177,  Not. 
1889,  T.  1.  28. 

3)  Der  Fund  von  San  Francesco  ist  älter,  aber  kein  Grabfund. 


43 

nicht  stark  ausgebildeten  Rippen*).  Dagegen  stimmen  die  glatten  Cisten  von  Benacci  II 
vollständig  mit  der  Silberciste  überein. 

Was  also  die  angeregte  Frage  wegen  des  Zusammenhangs  der  „eiste  a  cordoni" 
mit  dem  eigentlichen  Cistentypus  anlangt,  so  ersehen  wir,  dass  sie  in  dem  ältesten 
Stadium,  das  wir  bis  jetzt  feststellen  können,  sich  von  diesem  Typus  weder  nach  der 
Form  des  Cylinders,  noch  den  Handhaben,  noch  der  bildlichen  Verzierungsweise,  sondern 
nur  durch  die  um  den  Körper  herumgelegten  und  ursprünglich  vielleicht  als  Trennung 
der  Bildstreifen  aufgefassten  Ringe  unterscheiden,  ja  dass  auch  die  glatten  bisweilen  leise 
Andeutungen  von  Rippen  zeigen.  Auch  haben  die  älteren  Cisten  a  cordoni  ebenfalls 
Holzeinlagen  (vgl.  Zannoni  scavi,  S.  242)  und  verraten  dieselbe  Technik  im  Zusammen- 
fügen der  Platte,  wie  die  glatten*).  Bereits  in  den  jüngeren  Benaccigräbern  findet  sich 
die  Form  der  eiste  a  cordoni  mit  den  seitlichen  Handhaben,  die  später  fast  ausschliesslich 
zur  Geltung  kommen.  Erst  von  hier  ab  nehmen  sie,  wie  es  scheint,  eine  verschiedene 
Sonderentwicklung.  Sie  werden  grösser  als  die  glatten  Cisten,  die  geometrische  oder 
figürliche  Verzierung  zwischen  den  Rippen  verschwindet  allmählich;  in  Folge  dessen 
werden  die  Rippen  enger  gestellt  und  zahlreicher. 

Dass  auch  noch  in  späterer  Zeit  beide  Gattungen,  die  glatten  und  die  gerippten, 
auf  einander  Einfluss  übten,  zeigt  ein  bei  Vulci  gefundenes  Beispiel :  una  cista  cilindrica 
con  quattro  cordoni  orizzontali  rilevati  a  sbalzo:  i  piedi  hanno  la  forma  di  unghie  forcute, 
sormontate  da  teste  di  Medusa;  manca  il  coperchio  (bull.  1880,  S.  213,  ann.  1880,  S.  254). 
Ein  weiteres  Beispiel  werden  wir  später  kennen  lernen. 

Auf  einen  Unterschied  im  Gebrauch  der  beiden  Cistenarten  hat  schon  Zannoni, 
scavi,  S.  239  richtig  hingewiesen  :  „le  eiste  a  cordoni  contenevano  constantemente  ossa 
umana  combuste,  le  altre  a  ventre  liscio  od  ornato  a  pieducci  giacevano  nei  sepolcri  come 
supellettile  insieme  agli  altri  vasi  ed  oggetti,  non  altrimenti  che  le  eiste  e  le  cistelle  fittili 
del  periodo  della  decorazione  geometrica  od  umbro  e  giacevano  desse  nei  piu  ricchi 
sepolcri.  Per  contrario  le  eiste  a  cordoni,  racchiudenti  le  ossa  combuste  accennano  a 
sepolcri  modesti".  Die  eine  Art  war  also  ein  wirkliches  Schmuckgeräte  —  man  hat  auch 
in  Bologna  Toilettengegenstände    darin    gefunden    — ,    während    die   andere  immer  mehr 


i)  Übrigens  hat  auch  die  Silberciste  am  oberen  Rande,  wenn  auch  nur  leicht,  angedeutete 
Rippen. 

2)  Die  „eiste  a  cordoni"  haben  (ebenso  wie  die  älteren  Situlen)  alle  auf  der  Seite  Nähte, 
wo  die  Blechplatten  durch  grosse  flache  Nieten  verbunden  sind.  Ich  kenne  keine,  die  wie  die 
spätem  Cisten  aus  einer  Platte  getrieben  wäre.  Es  hängt  dies  wohl  mit  technischen  Gründen 
zusammen,  da  die  erhabenen  Rippen  durch  Pressen  hergestellt  wurden.  Über  die  Technik  vgl. 
v.  Sacken,  d.  Gräberfeld  zu  Hallstatt,  S.  97  f,  Naue,  d.  Hügelgräber  zwischen  Ammer-  und  Staflelsce 
S.  139  f.,  Wosinszky  Mor,  Archaeologiai  Ertesito  1885,  S.  73  f.  (Kund  von  Kurd). 


44_ 

als  Grabgeräte  in  Gebrauch  kam,  wobei  eine  ähnliche  altitalische  Ossuarienform  die  \'er- 
mittlung  gegeben  haben  mag. 

3.  Wir  stehen  jetzt  vor  der  wichtigen,  aber  schwierigen  Frage  der  Herkunft  dieser 
älteren  Bologneser  Cisten.  Eine  Reihe  italienischer  Gelehrten  wie  Cavedoni,  Conestabik-, 
Gozzadini,  Zannoni  nehmen  einheimischen  Ursprung  an.  Am  ausführlichsten  hat  der 
letztere  diese  Frage  behandelt.  Er  sagt  (scavi,  S.  241),  da  für  die  ältere  Periode  das 
Bologneser  Gebiet  275  Thoncisten  und  29  Cisten  von  Bronze,  das  sonstige  Italien  von 
letzteren  nur  12,  das  ganze  übrige  Europa  14  habe,  da  ferner  aus  der  etruskischen 
Zeit  in  Bologna  26  Cisten,  im  sonstigen  Italien  nur  3  und  im  übrigen  Europa  im  ganzen 
nur  10  gefunden  seien,  könne  kein  Zweifel  sein,  dass  Bologna  selbst  das  Fabrikations- 
centrum der  glatten  und  der  gerippten  Cisten  gewesen  sei.  Diese  „umbrische"  Industrie 
hätten  dann  die  Etrusker  übernommen.  Und  er  fährt  fort:  e  questo  il  lipo  nato  qui 
dapprima  come  tutti  gli  altri  vasi  fittili  da  una  stessa  e  comune  materia,  l'argilla;  e  nato 
suU'archetipo  della  rozza  e  modesta  cistella  intessuta  di  vinchi,  da  onde  i  cordoni,  poi 
tramutato  in  bronzo,  il  quäle  coprendo  l'ossatura  (anima)  di  legno  cilindrica  ne  rese  e 
nobilitö  l'imagine  (S.  242). 

Was  zunächst  den  letzteren  Punkt  betrifft,  so  ist  gerade  das  Gegenteil  richtig. 
Mag  immerhin  die  Form  der  gerippten  Cisten  ursprünglich  der  Korbflechterei  ihre  Ent- 
stehung verdanken'),  so  waren  doch  für  die  Bologneser  Cisten  Metallvorbilder  mass- 
gebend. Wer  unbefangen  die  reichen  Serien  von  thönernen  Cisten,  Situlen  und  anderen 
Thon-Gefässen  der  älteren  Periode  im  Museum  zu  Bologna  durchmustert,  wird  sicher 
den  Eindruck  erhalten,  dass  alle  diese  Formen  ursprünglich  in  Metall  erfunden  sind. 
Dasselbe  beweist  die  eingestempelte  Verzierung,  welche  unverkennbar  in  Nachahmung 
der  a  sbalzo  verzierten  Bronzeblechgeräte  gemacht  ist.  Daran  kann  kein  Zweifel  mehr 
sein,  nachdem  Pigorini  in  seinem  schönen  Artikel  bull.  d.  pal.  Ital.  XIII  (1887),  S.  73  f. 
(vgl.  auch  XIV,  S.  210  f.,  XV,  S.  204)  auf  breiterer  Grundlage  gezeigt  hat,  wie  überhaupt 
der  grössere  Teil  der  Thongefässe  der  Villanovaperiode  Nachahmungen  meist  importierter 
Bronzegefässe  sind.  Ich  selbst  habe  vieles  Material  nach  dieser  Richtung  gesammelt 
und  stimme  Pigorini  vollständig  bei.  Kann  man  sich  einen  besseren  Beweis  denken, 
als  jene  Thonsitulen  der  euganeischen  Gruppe,  welche  häufig  über  und  über  mit  Bronze- 
knöpfchen  bedeckt  sind  und  augenscheinlich  die  Muster  der  a  sbalzo  verzierten  Bronze- 
situlen  nachahmen?*)    Einen  schlagenden  Beweis  für  Pigorinis  Ansicht  über  die  Priorität 

1)  Vgl.  Kekul6,  Arch.  Anz.  1890,  S.  106  f. 

2)  Vgl.  Prosdocimi,  Not.  1882,  S.  20,  Ghirardini,  la  CoUezione  Baratela  di  Este  (Roma  1888), 
S.  192,  209  (Not.  1882,  S.  176  f.).  Bei  den  Thonsitulen  sind  gewöhnlich,  wie  bei  denen  aus  Bronze, 
der  Mündungsrand  und  die  Schulter  mit  jenen  Bronzeknöpfchen  verziert,  bisweilen  hat  auch  der 
Bauch  in  dieser  Weise  hergestellte  Mäanderstreifen  und  Kreise.  Diese  sänimtlichen  Verzierungen, 


45 

der  Metallgefässe  haben  dann  die  Ausgrabungen  von  Falerii  geliefert.  Während  hier 
in  den  ältesten  Gräbern,  wie  in  Bologna,  die  grösste  Einfachheit  und  Dürftigkeit  an  Ge- 
fässformen  aus  Thon  herrscht  (solche  von  Bronze  fehlen  ganz),  tritt  auf  einmal  die  grösste 
Mannigfaltigkeit  ein ').  Brizio  führt  dies  nach  Pigorinis  Vorgang  auf  den  Verkehr  mit 
den  Phönikern  zurück,  „i  quali  importavano  una  quantitä  straordinaria  di  oggetti  metallici, 
di  cui  gl'indigeni  cominciarano  ad  imitare  e  riprodurre  le  forme  e  gli  ornati.  Di  tale 
imitazione  si  hanno  le  prove  nel  fatto  che  le  nuove  forme  dei  vasi  falisci  sono  ripro- 
duzioni  di  noti  prototipi  fenizi  in  bronzo".  Er  sucht  dies  an  einer  Reihe  thönerner 
Gefässe  und  Geräte  nachzuweisen,  welche  auch  nach  der  Verzierungsweise  genau  mit 
solchen  von  Bronze  aus  Gräbern  des  Typus  Regulini-Galassi  übereinstimmen.  Auch  die 
Etrusker  hätten  diese  phönikische  Importware  in  ihrer  Weise  nachgeahmt.  Einen  weiteren 
Fall  des  Ersatzes  von  Bronzecisten  durch  thönerne  erwähnt  Orsi  aus  Istrien  (bull.  d.  pal. 
it.  XI,  S.  75  „certo  e  che  l'importazione  di  questi  molto  ricercati  vasi  di  lamina  provocö 
tosto  dei  tentativi  di  reproduzione  in  terra  cotta").  Vgl.  auch  bull.  d.  Inst.  1884,  S.  195. 
Ich  denke,  dass  diese  Darlegungen  genügen,  auch  den  Bronzecisten  von  Bologna  die 
Priorität  vor  den  thönernen  zu  gewährleisten. 


natürlich  in  getriebener  Arbeit,  zeigt  z.  B.  eine  Bronzesitula  des  Grabes  N.  22  (Mus.  Este).  Die- 
selbe Erscheinung  des  Ersatzes  der  Bronzegefässe  durch  thönerne  mit  Bronzeknöpfchen  findet  sich 
auch  in  S.  Lucia,  in  krainischen  Grabfeldern,  Maria  Rast,  Casinalbo,  Bologna,  Tarquinii,  Praeneste, 
Falerii  u.  s.  und  dürfte  in  Gräbern  dieser  Periode  mit  der  Zeit  noch  häufiger  zu  Tage  treten. 
Neuerdings  will  auch  Brizio  an  Gefässen  der  Benacciperiode  eine  ähnliche  Beobachtung  gemacht 
haben,  wo,  wie  es  scheint,  die  Mäanderstreifen  durch  eingelegte  (jetzt  verschwundene)  Metail- 
plättchen  gebildet  waren  (Not.  1889,  S.  300  und  S.  306/7).  Mit  Recht  verweist  er  auch  auf  ähnliche 
in  den  Pfahlbauten  der  Schweiz  gefundene  Thongefässe  mit  Zinnstreifeneinlagen  (Gross,  les 
Protohelvetes,  S.  97),  zu  vergleichen  sind  auch  Thongefässe  mit  Bleilamellen  aus  Kärnthen  (Corr. 
Bl.  f  Anthr.  etc.  XX  (1889),  S.  183). 

Mit  dieser  Vorliebe  für  Metallwaren  hängt  auch  das  völlige  Zurücktreten  der  Malerei  in  der 
Villanovaperiode  zusammen.  Nachdem  in  ältester  Zeit  sich  auf  dem  von  uns  ins  Auge  gefassten 
Gebiet  Spuren  der  Bemalung  von  Thongefässen,  wenn  auch  vereinzelt,  gefunden  haben,  ver- 
schwindet sie  während  dieser  Zeit  der  Nachahmung  der  Metallwarc  fast  völlig  gegenüber  der 
Verzierung  durch  Gravierung  oder  Stempelung,  bis  sie  unter  dem  Einfluss  der  importierten 
griechischen  bemalten  Vasen  wieder  einigennassen  bemerklich  wird,  und  zwar  im  Sftdcn  früher 
als  im  Norden.  So  ist  eine  Anzahl  von  Thongefässen  aus  Falerii,  welche  bekannte  Mctallformen 
nachahmen,  mit  rotaufgemalter  geometrischer  Verzierung  bedeckt.  In  der  Sammlung  Nazari  in  Este 
befindet  sich  eine  schwarz  und  rot  bemalte,  wohl  schon  dem  ftlnften  Jahrhundert  angehörigc  Nach- 
ahmung einer  bronzenen  Schnabelkanne;  der  Hals  ist  scharf  abgesetzt,  die  Attache  des  Bronze- 
originals mit  Palmette  und  Schlangenausläufer  ist  genau  imitiert.  Bezeichnend  sind  hier  die 
Fundumstände;  sie  soll  mit  Bruchstücken  griechischer  Vasen  sowie  auch  eines  Bronzegefösses 
gefunden  sein  (vgl.  Soranzo,  scavi  e  scoperte  nei  poderi  Nazari  di  Este,  Roma  1885,  T.  V.  13  (S.  68). 

i)  Vgl.  E.  Brizio,  Nuova  Antologia  XXIV,  Scr.  III  (1889)  1.  Dcc. 


46 

Wir  wenden  uns  zu  der  von  Zannoni  vorgebrachten  Statistik.  Sie  hätte  vielleicht 
Beweiskraft,  wenn  die  älteren  Teile  der  unteritalischen  Nekropolen  in  gleich  systematischer 
Weise  ausgegraben  wären,  wie  dies  für  Bologna  namentlich  auch  durch  Zannonis  Ver- 
dienst geschehen  ist.  Ausserdem  sind  aber  seit  jener  Zusammenstellung  Zannonis  in 
Cumae,  Tarent  und  anderen  Punkten  Italiens,  sowie  auch  des  übrigen  Europas  eine  Reihe 
weiterer  Cisten  gefunden  worden,  so  dass  eine  neue  Statistik  ein  wesentlich  anderes 
Aussehen  hätte  (vgl.  Heibig,  d.  hom.  Epos  *,  S.  45). 

Auf  Grund  dieser  neuen  Funde  haben  Heibig  (ann.  1880,  S.  252  f.,  bull.  1881, 
S.  193)  und  v.  Duhn  (Rom.  Mitt.  II,  S.  269)  als  Fabrikationscentrum  dieser  Cisten  geradezu 
Cumae  bezw.  die  chalkidischen  Kolonieen  Unteritaliens  angenommen.  Die  Einwendungen 
Milchhöfers  (die  Anfänge  der  Kunst,  S.  211)  sagen  wenig.  Dagegen  scheint  mir  eine 
Bemerkung  Orsi's  geradezu  durchschlagend  zu  sein.  Er  schreibt  bull.  d.  pal.  it.  XI, 
S.  75  „ma  pure  accettando  la  provenienza  meridionale  delle  eiste  a  cordoni  non  dissi- 
mulo  le  difiicoltä  che  contro  questa  teoria  fanno  insorgere  gli  scavi  bolognesi.  Infatti 
eiste  di  terra  cotta  a  cordoni  piü  o  meno  fitti  si  trovano  abbondanti  negli  strati  Benacci 
insieme  a  rari  esemplari  metallici  di  quelle  dette  paleoetrusche  dal  Gozzadini.  E  comunque 
i  tipi  fittili  si  vogliano  ammettere  copie  di  quelli  in  metallo,  o  meglio  prototipi  ai 
medesimi  da  eiste  p.  e.  di  vimini,  e  indubitato  che  gli  strati  Benacci  sono  anteriori  allo 
Strato  archeologico  onde  provengono  le  poche  eiste  a  cordoni  dell'  Italia  meridionale. 
Dunque  si  dovrebbe  quasi  supporre  che  questo  tipo  di  vaso  sia  nato  a  Bologna."  Sein 
Bedenken  wegen  des  Alters  der  Benaccigräber  ist  unabweisbar,  seine  Schlussfolgerung 
allerdings  falsch.  Mag  man  auch  für  die  Benaccigräber,  wie  manche  wollen,  ein  höheres 
Alter  ansetzen  oder  mit  andern  bis  in  das  siebente  Jahrhundert  herunterrücken,  so  viel 
steht  fest,  dass  sich  in  ihnen  bis  jetzt  nicht  das  geringste  Zeichen  eines  Verkehrs  mit 
den  griechischen  Kolonieen  Unteritaliens  gefunden  hat.  Also  sind  Beziehungen  mit  Cumae 
ausgeschlossen.  *)  Müssen  wir  aber  deshalb  den  von  Orsi  angedeuteten  Schluss  ein- 
heimischer Fabrikation  ziehen?  Gewiss  nicht.  Sondern  an  beide  Orte  kann  die  Cisten- 
form  von  einem  dritten  gekommen  sein. 

Eine  analoge  Erscheinung  wurde  in  jüngster  Zeit  von  Orsi  selbst  bekannt  ge- 
geben. Er  hat  im  bull.  d.  pal.  it.  XV  (1889),  S.  197  f.  eine  Anzahl  vorhellenischcr  Thon- 
gefässe  aus  Sicilien  publiciert,  welche  wesentlich  auch  nur  für  den  Grabgebrauch  bestimmt 
waren.  Sie  haben  unverkennbare  Ähnlichkeit  mit  solchen  von  Falerii  und  der  euganeischen 
Gruppe.  Orsi  selbst  schreibt  (S.  204,  Anm.  i)  „dei  tipi  da  lui  (Prosdocimi,  Soranzo) 
prodotti  (von  Este)  alcuni  hanno  effettivamente    piü    che    delle  somiglianze  delle  identitä 


1)  Auch  in  einer  der  Villanovacuitur  gleichaltrigen  Gräbergruppe  in  Tolentino  wurde  eine 
eiste  mit  Bügelhenkeln  und  Rippen  gefunden  (ann.  1881  tav.  P,  n.  7,  vgl.  Brizio,  Atti  e  Meni. 
d.  R.  Dep.  1884,  S.  310. 


47 

coi  vasi  siciliani."  Und  doch  schliesst  er  mit  Recht  jeden  direkten  Zusammenhang 
zwischen  beiden  Gruppen  aus  und  vermutet  imitazioni  di  altri  fittili  o  metallici  dell' 
Oriente. 

Wir  haben  gesagt,  dass  sich  in  den  Benaccigräbern  keine  Spur  unteritalisch- 
griechischen  Handels  nachweisen  lässt.  Dagegen  zeigen  sie,  wie  die  älteren  Graber  der 
Villanovakultur  überhaupt,  viele  vom  Osten  importierte  Gegenstände,  namentlich  Glas- 
perlen, die  man  gewöhnlich  phönikischen  Fabriken  zuschreibt.  ')  Wenn  wir  nun  sehen, 
wie  ein  Bronzegerät  der  Villanovaperiode  nach  dem  andern  sich  auf  solche  vom  Osten 
überkommene  Vorbilder  zurückführen  lässt,  was  Furtwängler  für  die  Kratere,  Pigorini 
und  Brizio  für  eine  Reihe  anderer  Formen  dargethan  haben ;  wenn  wir  thatsächlich  in 
einem  Grabe  vom  Ende  des  siebenten  oder  Anfang  des  sechsten  Jahrhunderts  in  Präneste 
eine  nachweisbar  vom  Osten  stammende  Cistenform  finden,  wie  sie  auch  in  den  ältesten, 
noch  vom  unteritalisch-griechischen  Einfluss  unberührten  Gräbern  Bolognas  wiederkehrt, 
—  dann  dürfen  wir  wohl  mit  ziemlicher  Sicherheit  annehmen,  dass  jene  Cistenform  vom 
Osten  nach  Italien  und  zwar  an  verschiedene  Orte  zugleich  gebracht  worden  ist. 

Ich  habe  mit  Absicht  nur  „vom  Osten"  gesagt;  manche  werden  allerdings  ohne 
weiteres  „von  den  Phönikern"  dafür  einsetzen.  Doch  liegen  Erscheinungen  vor,  die 
etwas  zur  Vorsicht  mahnen.  Ich  erinnere  nur  an  die  zwei  Grabstelen  von  Pesaro,  *) 
welche  in  nächster  Beziehung  zu  den  mykenischen  Funden  stehen,  —  an  das  Thorrelief 
von  Bologna,  welches  schon  Undset  in  Parallele  zum  Löwenthor  in  Mykene  gesetzt 
hat,  —  an  die  vielen  Analogieen  zwischen  den  Bologneser  und  mykenischen  Grabstelen. 
Undset  schreibt  Ztschr.  f.  Ethn.  1883,  S.  215  „Zur  Zeit  der  mykenischen  Cultur  im  grie- 
chischen Archipel  drangen  bereits  dreiste  Seefahrer  tief  ins  adriatische  Meer  .  .  .  Das 
uralte  Thorrelief  von  Bologna  tritt  uns  als  das  erste  Zeugnis  entgegen,  wie  auch  diese 
Einflüsse  von  der  Küste  ins  Innere  weiter  vorgedrungen  sind."  Doch  denkt  auch  Undset 
an  die  Phöniker.  Ich  erinnere  ferner  an  die  älteste  Fibelform  aus  dünnem  Draht,  welche 
in  gleicher  Weise  in  den  spätmykenischen  Gräbern  und  den  jüngsten  Schichten  der 
terramare  in  Oberitalien  vorkommt. ')  Auch  andere  Funde  und  Nachrichten  der  Alten 
haben  längst  ahnen  lassen,  dass  schon  lange  vor  der  griechischen  Kolonisation  Unter- 
italiens um  den  istrischen  Meerbusen  herum  ein  Landverkehr  zwischen  der  apennischen 
und  Balkan-Halbinsel  stattgefunden  *)  und  dass  das  älteste  Stadium  der  Villanovaperiode 


i)  Vgl.  Heibig,  ann.  1875,  S.  254,  1877,  S.  409,  1884,  S.  142,  hom.  Epos«,  S.  21  f.,  Undset, 
ann.  1885,  S.  56,  74  f.,  Pigorini,  bull.  d.  pal.  ital.  XIll,  S.  79,  Anm.  2. 

2)  Vgl.  Undset,  Ztschr.  f.  Kthn.  1883,  S.  209  f.  Jetzt  hat  auch  auf  Sicilien  Orsi  an  vorhelle- 
nischen Gräbern  Steinthürcn  mit  Spiralverzicrungcn  gefunden,  die  ganz  mykenischen  Stelen  ent- 
sprechen (briefliche  Mitteilung  an  Herrn  Prof.  v.  IJuhn). 

3)  Vgl.  Pigorini,  bull.  pal.  XVI,  S.  38  f.,  148  f  und  v.  Duhn,  Bonner  Studien,  S.  27,  Anm,  38, 
bull.  pal.  XVI,  S.  117. 

4)  Vgl.  auch  C.  Pauli,  Altitalische  Forschungen  III,  8.413  f.  über  die  verschiedenen  illyrischen 
Invasionen  m  Italien. 


48 

durch  eine  auf  der  Balkanhalbinsel  herrschende  Kultur  beeinflusst,  vielleicht  sogar  be- 
dingt ist. ')  Schliesslich  sei  noch  der  vielfachen  Übereinstimmungen  zwischen  den  ältesten 
griechischen  Vasengattungen  und  solchen  der  Villanovaperiode  und  ältesten  etruskischen 
Keramik  gedacht,  wobei  ich  namentlich  die  sog.  Bucchero-  und  Red  ware-Keramik,  auch 
die  Dip3-longattung  im  Auge  habe.  Am  einfachsten  lässt  sich  ja  allerdings  diese  Ge- 
meinsamkeit durch  phönikische  Vermittlung  erklären.  Und  es  dürfte  auch  wohl  kein 
Zweifel  sein,  dass  die  Mehrzahl  der  griechischen  und  italischen  Gefäss-  und  Gerätformen 
ursprünglich  auf  phönikische  oder  allgemeiner  gesagt  orientalische  Metalltypen  zurückgehen. 
Indessen  bin  ich  doch  der  Ansicht,  dass  die  angedeuteten  Erscheinungen  es  nahe  legen, 
wenigstens  für  manche  Gegenden  Italiens  direkten  Verkehr  mit  der  Balkanhalbinsel  an- 
zunehmen, bevor  der  phönikische  Handel  in  die  betreffenden  Gegenden  drang.  So 
könnte  ich  mir  leicht  denken,  dass  die  Cistenform  auf  diesem  Wege  nach  Oberitalien 
kam,  nachdem  sie  sich  auf  der  Balkanhalbinsel  selbst  unter  orientalischen  Vorbildern 
entwickelt  hatte.  In  andern  Gegenden  Italiens  hinwieder  mag  sie  durch  überseeischen 
Verkehr,  z.  T.  .auch  direkt  mit  Vorderasien,  gelangt  sein.  Spuren  ihres  Vorkommens  auf 
griechischem  Boden  werden  wir  thatsächlich  später  kennen  lernen. 

Also  an  eine  italische  oder  spez.  chalkidische  Entstehung  dieses  Typus  kann  ich 
nicht  glauben.  Dagegen  scheinen  auch  mir  die  Funde  zu  beweisen,  dass  die  italischen 
Völker  vielen  Geschmack  an  diesen  Toilettengeräten  gewannen,  so  dass  deren  Fabri- 
kation hier  hohen  Aufschwung  nahm,  z.  T.  auch  selbständige  Entwicklungsbahnen 
einschlug.  So  entstanden,  wie  die  Funde  bezeugen,  im  Süden,  vielleicht  in  Cumae,  und 
im  hohen  Norden  in  Felsina  (Bologna)  Fabrikationscentren,  die  sich  beide  ein  grösseres 
Absatzgebiet  für  ihre  Waare  eroberten.  Daneben  mögen,  namentlich  für  spätere  Zeit, 
noch  da  und  dort  lokale  Werkstätten  in  Betracht  kommen,  da  die  Herstellung  jenes 
Gerätes  doch  keine  besonderen  technischen  Schwierigkeiten  bot.  Für  die  Mehrzahl  der 
im  mittleren  und  nördlichen  Europa  gefundenen  Exemplare  dürfen  wir  wohl  sicher  mit 
Undset  u.  a.  oberitalische  Provenienz  annehmen '). 

Ich  hoffe  durch  diese  Ausführungen  dargelegt  zu  haben,  woher  der  Cistentypus 
der  italischen  Gräber  stammt  und  welche  Wandlungen  er  im  Verlauf  der  Zeiten  durch- 
gemacht hat.  Sind,  wie  es  bei  der  Mangelhaftigkeit  des  Materials  nicht  zu  vermeiden 
war,  auch  noch  manche  Lücken  geblieben,  so  glaube  ich  doch  eine  zusammenhängende 
Entwicklungsreihe  festgestellt  zu  haben,  die  uns  die  Geschichte  dieser  Denkmälergattung 
im  Grossen  und  Ganzen  erschlossen  und  auch  unserer  Karlsruher  Ciste  die  richtige 
Stellung  innerhalb  derselben  angewiesen  hat. 


i)  Vgl.  Heibig,  ann.  1884.  S.  164  f.,  hom.  Epos^  S.  43,  85  f. 

2)  Undset,  das  erste  Auftreten  des  Eisens  (J.  Mestorf  1882),  S.  504  u.  s. 


49 


HL 

Wir  wenden  uns  jetzt  zur  Behandlung  einer  Reihe  von  Einzel- 
fragen, welche  das  bisher  gewonnene  Gesammtbild  in  einigen  Punk- 
ten zu  ergänzen  geeignet  sein  dürften.  Es  sollen  dabei  namentlich 
auch  einige  wertvolle  Gegenstände  des  Karlsruher  Museums  zur  Be- 
sprechung kommen,  die  bis  jetzt  weniger  Beachtung  gefunden  haben. 

I.    Rühren  die  verzierten  Lederstücke  des  Karlsruher  Museums 
von  einer  Ciste  her? 

Die  genannte  Sammlung  besitzt  eine  Anzahl  verzierter 
Lederstücke  aus  der  bekannten  Sammlung  Maler,  welche  nicht  nur 
wegen  der  Seltenheit  des  Materials  unser  Interesse  in  Anspruch 
nehmen. 

Dieselben  sind  abgebildet  bei  E.  Wagner,  d.  Grossh.  Bad. 
Altertümersammlung  in  Karlsruhe,  Antike  Bronzen,  T.  32  k,  er- 
wähnt von  Milani,  Mus.  it.  d.  ant.  class.  I,  S.  327,  Anm.  3,  Schu- 
macher, Arch.  Anz.  1890,  S.  7  und  im  Bronzenkatalog  unter  Nr.  1147 
kurz  beschrieben. 

Sie  stammen  nach  Malers  schwerlich  zu  bezweifelnder  Angabe 
aus  einem  etruskischen  Grabe  und  bestehen  aus  folgenden  Stücken: 

i)  einem  noch  18  cm  langen  und  an  gut  erhaltenen  Stellen 
noch  7  cm  breiten  Streifen.  Die  Verzierung  ist  wie  bei  allen  fol- 
genden Stücken  eingeschnitten,  nicht  eingepresst ;  die  Doppelrauten 
innerhalb  der  Palmettenbögen  sind  durchbrochen.  Die  Bögen  waren 
offenbar  links  zu  Ende,  wie  der  Ansatz  einer  vertikalen  Furche 
zeigt.  Es  folgte  also  zunächst  j.edenfalls  ein  Abschluss,  wie  wir 
ihn  rechts  zwischen  der  Palmettenkette  und  dem  Panther  sehen. 

2)  Dem  mit  2  bezeichneten  Stück,  welches  dieses  „Treppen- 
muster"   enthält    und   nach  seinen  Bruchflächen  genau  an   i   passt. 

3)  einem  Bruchstück,  welches  sich  ebenfalls  genau  an  i  an- 
schliesst.  Seine  Fortsetzung  nach  links  zeigt,  dass  nach  dem 
Treppenmuster  noch  ein  gitterartiges  Feld  kam,  das  ebenfalls  von 
einem  solchen  Treppenornament  umgeben  war. 

4)  und  5)  welche  nach  der  Beschaffenheit  der  Bruchflächen 
wahrscheinlich  zusammengehören,  stehen  ausser  Verbindung  mit 
den  betrachteten  Stücken. 


-401 


_5o     . 

Die  augenscheinlich  symmetrische  Anlage  der  Felder,  die  durch  die  beiden  besser 
erhaltenen  Streifen  gegebenen  Masse,  z.  T.  auch  die  an  verschiedenen  Stellen  verschieden- 
artige Färbung  der  Oberfläche  lassen  mir  die  Anordnung,  wie  sie  die  umstehende,  auf  nicht 
ganz  ','4  der  natürl.  Grösse  verkleinerte  Zeichnung  giebt,  als  ziemlich  gesichert  erscheinen. 

Wir  erhalten  so  eine  Gesammtlänge  von  64  cm,  wobei  allerdings  nicht  ausge- 
schlossen ist,  dass  in  dem  Felde  i)  nur  ein  Panther  und  auf  5)  dem  entsprechend  nur 
die  Hälfte  der  Palmettenkette  von  i)  war,  wodurch  sich  die  Gesammtlänge  auf  52  cm  ver- 
mindern würde.  Dagegen  macht  es  die  bis  in  die  kleinsten  Einzelheiten  symmetrische 
Anordnung  der  Felder  unwahrscheinlich,  dass  weitere  Felder  fehlen. 

Ferner  sind  noch  drei  Stückchen  unverziertes  Leder  vorhanden,  die  ich  im  Katalog 
vermutungsweise  als  Unterlagen  für  die  verzierten  Streifen  bezeichnete.  Ich  gründete 
meine  Ansicht  darauf,  dass  eine  solche  Unterlage  thatsächlich  noch  an  einer  Stelle  wahr- 
nehmbar ist.  Indessen  könnte  sie  hier,  da  sie  an  den  anderen  Stellen  fehlt,  auch  dem 
Zufall  oder  moderner  Restauration  ihr  Dasein  verdanken. 

Das  nächstliegende,  die  Verwendung  dieser  Lederstreifen  zu  erklären,  ist  natürlich, 
an  einen  Gürtel  zu  denken.  Es  wäre  also  ein  xearoQ  cfidQ%  Doch  scheinen  mir  die 
Masse  weniger  dafürzusprechen.  Ausserdem  fehlen  am  Rande  kleine  Löcher,  welche 
zur  Befestigung  auf  anderem  Materiale  doch  wohl  nötig  waren. 

Wir  haben  bei  der  Betrachtung  der  Cistenentwicklung  gesehen,  dass  aus  älterer 
Zeit  noch  Cisten  erhalten  sind,  deren  Körper  aus  Holz  bestehen,  das  in  der  Mitte  mit 
Leder,  an  den  Rändern  mit  Bronzeblech  beschlagen  ist  [Schöne,  ann.  1866,  n.  6,  43,  (50), 
60  und  oben  S.  35].  Man  könnte  daher  in  unseren  Lederstücken  auch  die  Reste  der 
Verkleidung  einer  solchen  Holzeiste  vermuten.  Nägelchen  bezw.  kleine  Löcher  für  die 
Befestigung  wären  hier  nicht  nötig,  weil  die  Bronzebeschläge  über  die  Ränder  des  Leders 
übergreifen  konnten.  Auch  bei  der  pränestinischen  Silberciste  beträgt  die  Breite  des 
selbständigen  Mittelstreifens  0,07  m.  Die  unverzierten  Lederstücke  Hessen  sich  dann  etwa 
auf  die  Verkleidung  des  Deckels  zurückführen. 

Eine  andere  etwa  noch  in  Betracht  kommende  Möglichkeit  wäre  folgende.  Die 
an  ihren  Basen  öfters  cylindrisch  gebildeten  bronzenen  und  thönernen  Canopen-Sessel, 
wie  sie  aus  jüngeren  Villanovagräbern,  namentlich  von  Chiusi  bekannt  sind,  imitieren 
bisweilen  offenbar  einen  Lederüberzug;  auch  haben  sich  Spuren  gefunden,  dass  das 
Ganze  mit  Zeug  umwickelt  war  *).    Daher  wäre  die  Annahme  nicht  ausgeschlossen,  dass 


i)  Vgl.  Studniczka,  Beiträge  zur  Geschichte  der  altgriechischen  Tracht,  S.  65,  119  f.,  be- 
sonders S.  123,  Anm.  89,  auch  Heibig,  hom.  Epos*,  S.  212. 

2)  Vgl.  Milani,  Mus.  itai.  d.  ant.  class.  I,  S.  327,  Anm.  2  („anche  nelle  sedic  dl  terracotta  .  .  . 
e  nella  sedia  dl  bronzo  .  .  . .  e  imitata  pei  sedili  la  dccorazione  del  cuoio"),  auch  Undsct,  Ztschr. 
f.  Ethnologie  1890,  S.  ia6  f. 


5" 

unsere  Lederstücke  von  der  wirklichen  Verkleidung  eines  derartigen  Sessels  herrührten. 
Ganz  ähnliche  Palmettenbögen,  wie  sie  unser  Leder  zeigt,  finden  sich  auch  dort  als  Ver- 
zierung des  Sitzes.  Natürlich  lässt  sich  diese  Frage  erst  durch  gleichartige  Funde  zur 
endgiltigen  Entscheidung  bringen. 

Abgesehen  von  ihrer  Verwendung  haben  diese  Lederverzierungen  auch  einen 
hohen  kunstgeschichtlichen  Wert.  Ein  Vergleich  mit  den  Figuren  der  Silberciste  lehrt, 
dass  sie,  wenn  sie  auch  im  Stil  weiter  vorgeschritten  sind,  unter  demselben  Einfluss 
„  phönikischer"  Kunst  stehen.  Eine  noch  nähere  Parallele  bieten  z.B.  die  Funde  von 
Vetulonia.  Man  vergleiche  nur  die  beiden  letzten  Tiere  des 
untersten  Streifens  des  mit  Silberblech  belegten  Bronze-Käst- 
chens aus  der  tomba  del  duce,  von  denen  wir  das  eine  bei- 
stehend nach  Falchi,  Not.  d.  scavi  1887,  T.  XVIII  geben.  Auch 
ein  Panther  eines  Wandgemäldes  von  Veji,  das,  wie  wir  noch 
sehen  werden,  derselben  Kunstrichtung  angehört,  kann  als 
Beweis  dienen  (Micali,  Mon.  ined.,  T.  LVIII.  2).  Bemerkenswert  ist  die  etwas  freiere  Be- 
handlung der  Palmettenbögen  gegenüber  der  gewöhnlichen  Form  auf  Kunstwerken  des 
Regulini-Galassitypus ').  Ferner  wird  hier  der  leere  Zwischenraum  gewöhnlich  durch 
Lotos-  und  Palmettenornamente,  Voluten,  Ranken  etc.  ausgefüllt,  während  dies  auf 
unseren  Lederstücken  durch  Halbkreise  geschieht,  so  wie  wir  es  z.  B.  schon  bei  den 
Korinthischen  Vasen  finden*).  Die  Einteilung  in  Felder  stammt  bekanntlich  noch  von 
dem  geometrischen  Stil  her;  sie  findet  sich  aber  auch  häufig  auf  orientalischen  Kunst- 
werken, wie  beispielsweise  auch  auf  den  phönikischen  Silberschalen  (vgl.  Layard,  Mon. 
of  Niniveh,  pl.  57  B.,  58  E.).  Es  ist  also  nicht  zu  verwundern,  dass  dieselbe  noch  häufig 
in  der  jenem  Stil  folgenden  Periode  erscheint,  in  welcher  die  orientalischen  Elemente  all- 
mählich die  geometrischen  verdrängen.  Ein  gutes  Beispiel  dafür  giebt  noch  die  bekannte 
Schüssel  von  Aegina').  Die  Lederverzierung  gehört  also  in  die  Zeit  jenes  griechisch- 
phönikischen  Imports  nach  Etrurien,  von  dem  wir  oben  bei  Betrachtung  der  Silber- 
ciste schon  gesprochen  haben. 


i)  Vgl.  z.  B.  die  Strausseneier  der  Polledrara  bei  Vulci,  Pcrrot-Chipiez,  bist,  de  l'art  III, 
S.  856  f.;  auch  Milani,  Mus.  it.  d.  ant.  class.  I,  S.  327,  Anm.  3,  der  auch  den  Lederstreifen  in  diesen 
Zusammenhang  bringt  und  fiir  die  Palmettenbögen  eine  Anzahl  Parallelen,  daranter  solche  in 
durchbrochener  Arbeit  aus  der  Metaliotechnik,  zusammenstellt. 

2)  Interessant  ist  ein  Vergleich  mit  Not.  d.  scavi  1887  T.  XVIII,  Fig.  i.  c. 

3)  Arch.  Ztg.  1882  T.  IG,  vgl.  auch  Ant.  Denkm.  I.  v.  T.  57.  Wenn  aber  diese  Feldcrein- 
teilung  auf  einer  Ciste  des  dritten  Jahrhunderts  erscheint,  jener  ovalen  Ciste  mit  der  Pronietheus- 
Pandoradarstellung  (Mon.  VI  T.  39),  so  dient  dies  natürlich  nur  dazu,  den  aus  mehreren  Gründen 
berechtigten  Verdacht  der  Unächtheit  dieser  Ciste  zu  erhöhen. 


53 

Berechtigt  ist  noch  die  Frage,  ob  wir  eine  vom  Osten  eingeführte  Originalarbeit 
oder  eine  auf  italischem  Boden  gefertigte  Nachahmung  darin  zu  erblicken  haben.  Bedenken 
wir,  wie  viele  kunstvoll  gefertigte  Gefässe  und  Geräte  des  Gräbertypus  Regulini-Galassi 
etruskische  Inschriften  besitzen  (auch  latinische,  vgl.  Rom.  Mitt.,  II.,  S.  37  f.  und  S.  223), 
die  wenigstens  teilweise  nicht  erst  später  zugefügt  sein  können,  ferner  wie  viele  lokale 
Nachahmungen  solcher  Geräte  in  Thon  ganz  achtbare  Geschicklichkeit  bezeugen,  so 
dürfen  wir  nicht  daran  zweifeln,  dass  die  einheimische  Industrie  sich  alle  Mühe  gab,  der 
überseeischen  Einfuhr  Konkurrenz  zu  machen.  Dazu  kommt  noch,  dass,  wie  uns  die 
Alten  berichten,  sich  damals  eine  Menge  phönikischer  und  griechischer  Kaufleute  und 
Handwerker  in  Italien  befanden,  die  vermutlich  nicht  selten  mit  besonderer  Berücksichti- 
gung des  italischen  Geschmacks,  unter  Umständen  auch  in  italischen  Werkstätten  ar- 
beiteten. Wo  also  so  viele  Ströme  zusammenfliessen,  wäre  es  bei  dem  augenblicklichen 
Stand  unserer  Kenntnisse  geradezu  vermessen,  mit  Sicherheit  sich  nach  der  einen  oder 
anderen  Richtung  hin  entscheiden  zu  wollen. 

Nur  noch  wenige  Worte  über  die  durchbrochene  Arbeit  der  Lederverzierung.  Es 
ist  bekannt,  wie  im  Orient  diese  al  giorno-Technik  blühte,  und  wie  auch  die  Griechen 
sie  in  den  älteren  Zeiten  wesentlich  im  Anschluss  an  phönikische  Vorbilder  bevorzugten '). 
In  Metall  kennen  wir  genug  Originale ;  in  Leder  aus  älterer  Zeit  meines  Wissens  nur 
solche  aus  dem  Osten,  namentlich  Aegypten  (vgl.  Maspero,  ägypt.  Kunstgesch.  (1889), 
S.  287),    so    dass    unsere  Lederstücke  in  dieser  Hinsicht  noch  an  Wichtigkeit  gewinnen. 

Rohren  dieselben  wirklich  von  einer  Ciste  her,  so  darf  man  wohl  annehmen,  dass 
der  Holzgrund  des  cylindrischen  Körpers  eine  andere  Farbe  als  der  Boden  hatte,  um  an 
den  durchbrochenen  Stellen  einen  Kontrast  hei-vorzurufen.  Sie  würde  uns  denselben 
Fingerzeig  über  die  Entstehung  des  Cistentypus  wie  die  pränestinische  Silberciste  geben 
und  ein  älteres  Stadium  jener  besprochenen  Ledercisten  veranschaulichen. 

2.     Elfenbeincisten  nach  Metallvorbildern. 


Heibig    hat  den  Mon.  X,  T.  XXX Villi  a   i,  la'')    ein    elfenbeinverkleidetes  Geräte 
aus  einem  Grabe  bei  Chiusi  publiciert,  welches  ganz  die  Form  unserer  Cisten  zeigt,  wenn 


i)  Vgl.  Furtwängler,  Bronzefunde  v.  Olympia,  S.  99  f.,  Olympia  IV,  S.  108,  n.  733,  Milch- 
höfer,  Anf.  d.  Kunst,  S.  170,  Blümner,  Terminologie  und  Technologie  IV,  S.  254,  Milani,  Mus.  it.  I, 
S.  318,  Anm.  2,  Orsi-Halbherr,  Mus.  ital.  II,  S.  883  f.,  Holwerda,  Jahrb.  V,  S.  239. 

2)  Auch  abg.  Collection  Castellani,  Rome  1884,  pl.  19;  bespr.  von  Hclbig,  bull.  1874.  S.  207  f., 
ann.  1877,  S.  397  f.,  vgl.  auch  Milani.  Mus.  ital.  I,  S.  291,  Anm.  4,  Perrot-Chipiez,  hist.  d.  l'art  III, 
S.  853  f.,  Furtwängler,  Bronzefunde  von  Olympia,  S.  52,  b.  Roschcr,  Lex.  S.  1761,  Olympia  IV. 
n.  745,  Böhlau,  Jahrb.  II,  S.  62,  III,  S.  359. 


53 


auch  die  Henkel  fehlen.  Die  Verzierungsweise  möge  beistehende,  nach  dem  Castellanischen 
Lichtdruck  gemachte  Skizze  veranschaulichen.  Im 
ersten  Bildstreifen  gewahrt  man  ein  Schiff,  auf 
das  zwei  Männer  zuschreiten,  dann  mehrere  Wid- 
der, unter  deren  Bauch  sich  ein  Mann  festhält, 
dazwischen  phantastische  Tiere.  Man  hat  mit 
Recht  eine  Darstellung  des  Kyklopenabenteuers 
darin  gesehen,  doch  ist  es  jedenfalls  keine  bewusste 
Wiedergabe  desselben,  wie  der  Greif  und  andere 
eingeschaltete  Tiere  beweisen.  Die  zweite  Zone 
zeigt  einen  Flötenbläser,  davor  Krieger  und  un- 
deutliche Männer,  ein  Zweigespann,  dessen  Wagen 
eben  ein  Krieger  besteigt,  einen  Zug  Frauen  mit 
langen  Zöpfen  und  einen  ihnen  entgegeneilenden 
Krieger.  Der  dritte,  stark  zerstörte  Streifen  führt 
eine  Reihe  Tiere  vor,  darunter  einen  Hirsch,  einen 

Reiter  und  eine  Kentaurin.    Im  vierten  ist  nur  noch  ein  geflügelter  Greif  erhalten.     Die 
Höhe  der  Ciste  beträgt  20  cm  (die  pränestinische  Silberciste  ist  nur  16  cm  hoch). 

Die  Elfenbeinciste  wurde  in  einer  tomba  a  camera  gefunden,  welche  eine  ältere 
und  eine  etwas  jüngere  Bestattung  enthielt  (vgl.  Undset,  ann.  1885,  S.  44)-  Sie  stammt 
wohl  von  der  jüngeren,  die  wahrscheinlich  gegen  die  Mitte  des  sechsten  Jahrhunderts 
anzusetzen  ist,  wie  auch  ein  Vergleich  mit  der  Silberciste  befürwortet.  Wie  weit  ist  doch 
die  Bildung  der  Tiere  dieser  gegenüber  vorgeschritten,  ganz  abgesehen  davon,  dass  auf 
der  Silberciste  noch  nicht  einmal  die  Anfänge  gemacht  sind,  eine  Handlung  aus  dem 
Leben  oder  der  Mythologie  darzustellen  ') !    Diese  Entwicklung  wird  uns  besonders  klar, 


1)  Was  einzelne  der  Tiere  im  oberen  Streifen  der  pränestinischen  Ciste  unter  dem  Bauch 
haben,  ist  mir  unklar.  Man  könnte  ebenfalls  an  Menschen  denken,  da  bei  einem  aus  der  schraf- 
fierten Masse  noch  ein  Fuss  herauszuragen  scheint.  Dann  ginge  dieses  Bild  also  auf  eine  ähn- 
liche Darstellung  wie  die  des  oberen  Streifens  der  Chiusiner  Ciste  zurück,  wobei  auch  den  unter 
den  Widdern  marschierenden  phantastischen  Tieren  aus  Unkenntnis  des  Mythus  Menschen  zuge- 
teilt wären.  Wegen  der  Carrierung  des  Gewandes  wären  z.  B.  bull.  d.  corr.  hell.  1883  T.  I.  II, 
journ.  of  hell.  stud.  1884  pl.  XLI,  oder  manche  Figuren  der  oberitalischen  Situlen  zu  vergleichen. 
Oder  sollte  das  Missverständnis  daher  rühren,  dass  auf  manchen  Denkmälern  dieser  Stilrichtung 
der  Bauch  der  Tiere  bisweilen  zur  Andeutung  eines  zweiten  daneben  schreitenden  in  jener 
Weise  schraffiert  ist?  (vgl.  Micali,  Mon.  in.  T.  VII.  i,  Ferrot-Chipicz,  bist,  de  l'art.  III,  S.  856  f.,  vgl. 
auch  Not.  1887  T.  XVI.  i.). 

Bei  Betrachtung  der  zur  Befestigung  der  ausgeschnittenen  Tiere  des  Mittelstreifens  die- 
nenden schmalen  Metallstege  möchte  man  fast  vermuten,  dass  manche  Haken  und  Füllornamente, 
wie  wir  sie  auf  den  älteren  Denkmälergattungen  sehen  (vgl.  Schumacher,  Jahrb.  IV,  S.  225),  auf 
ein  solches,  in  der  al  giorno-Technik  notwendiges  Verfahren  zurückgehen. 


54 

wenn  wir  z.  B.  die  Tierfiguren  eines  Napfes  der  tomba  del  duce  von  Vetulonia  vergleichen 
(Not.  1887,  T.  XVI),  welcher  zeitlich  gerade  in  der  Mitte  zwischen  beiden  Kunstwerken 
stehen  mag.  Nicht  minder  lehrreich  ist  die  Betrachtung  der  Ornamente.  Das  Palmetten- 
Lotosband  der  Silberciste  zeigt  noch  wesentlich  die  Gestaltung,  die  es  auch  auf  assyri- 
schen Denkmälern  des  siebenten  Jahrhunderts  hat  (vgl.  oben  S.  40  und  Dumont,  les  c6ra- 
miques  de  la  Gr6ce  propre  I,  S.  108  u.  s.,  Holwerda,  Jahrb.  V.,  S.  239,  aber  auch  Ant. 
Denkm.  I.  v.  T.  50),  während  dasjenige  der  Elfenbeinciste  eine  etwas  stilisiertere  Weiter- 
bildung verrät,  wie  sie  ähnlich  auf  melischen,  rhodischen  und  protokorinthischen  Vasen, 
auf  der  oben  erwähnten  Schüssel  von  Aegina  und  auf  Bronzeplättchen  von  Olympia 
vorkommt.  Ebenso  verhält  es  sich  mit  der  Verzierung  des  Deckels.  Denn  es  dürfte 
wohl  kein  Zweifel  sein,  dass  das  Ornament  des  zweiten  Trennungsstreifens  der  Elfen- 
beinciste, die  sog.  phönikische  Palmette,  eine  stilisierte  Fortbildung  jenes  in  dem  äusseren 
Ring  der  Pränestiner  Ciste  dargestellten  Ornamentes  bedeutet.  Auf  der  gleichen  Ent- 
wicklungsstufe finden  wir  dies  Ornament  auf  den  eben  genannten  Vasengattungen,  die 
gerade  die  Einflüsse  des  Ostens  etwas  zu  verarbeiten  begonnen  haben,  auch  auf  der  von 
Böhlau  behandelten  frühattischen  Klasse,  während  eine  Reihe  anderer  Funde  des  Gräber- 
typus Regulini-Galassi  etwas  ältere  Form  zeigen  (vgl.  z.  B.  Not.  1887,  T.  XVIII).  Zum 
selben  Resultate  führt  auch  ein  Studium  der  Füllornamente.  Auf  der  Silberciste  sehen 
wir  nur  Rosetten  und  zwar  in  sparsamer  Anwendung,  während  auf  der  Chiusiner  Ciste 
Palmetten,  Ranken,  Voluten  etc.  zwischen  den  Figuren  sich  z.  T.  recht  breit  machen. 

Ein  Denkmal  haben  wir  nur  streifend  erwähnt,  das  sehr  wichtige  Vergleichspunkte 
bietet.  Es  sind  die  im  Jahre  1842  vom  Marchese  Campana  in  einem  Grabe  bei  Veji  ent- 
deckten Wandgemälde  *).  Bisher  hat  man  diese  mit  der  Korinthischen,  angeblich  durch  die 
Bacchiaden  nach  Italien  verbrachten  Malerei  in  Verbindung  gesetzt.  Mit  Unrecht,  wie  ein 
Vergleich  mit  unserer  Elfenbeinciste  deutlich  erkennen  lässt  *).  Mehr  noch  als  ein  Vergleich 
der  Tiere  und  des  Reiters  zeigen  dies  die  Ornamente.  Man  halte  nur  die  Palmette  über 
dem  Panther,  die  Füllomamente,  die  Lotosblüten,  Voluten,  Ranken,  Blätter  und  Haken, 
wie  sie  verschwenderisch  über  das  Wandgemälde  ausgestreut  sind,  zusammen  mit  den 
entsprechenden  Ornamenten  der  Elfenbeinciste,  und  man  wird  nicht  leugnen  können,  dass 
beide  Denkmäler  derselben  Kunstrichtung  angehören  und  zeitlich  einander  nahe  stehen 
müssen,  wenn  auch  die  Ciste  um  weniges  älter  sein  mag.  Dass  die  Ciste  als  ein  Werk 
griechisch-phönikischer  Kunst  zu  betrachten  ist,  steht  wohl  ausser  Zweifel.     Die  Wand- 


1)  Abg.  Canina,  Veji  T.  31,  Etruria  maritima  I,  35;  Micali,  Mon.  ined.  T.  58,  Martha,  Man. 
d'arch.  etr.  et  rom.  S.  73  f,  Dennis,  Cities  and  Cemeteries  of  Etruria  I,  S.  34  f,  vgl.  Heibig,  ann. 
1863,  S.  337  f.,    Brunn,  ann.  1866,  S.  423. 

2)  Vgl.  jetzt  auch  Murray,  joum.  of  hell,  stud.,  X.  S.  24  f. 


55 

gemälde  verdanken  also  denselben  Einflüssen  ihre  Entstehung.  Sie  sind  besonders 
wichtig,  da  sie  an  Ort  und  Stelle  gearbeitet  sein  mtlssen,  während  die  Elfenbein- 
eiste  importiert  sein  könnte.  Ein  Vergleich  nach  Stil  und  Ausführung  der  beiden 
Kunstwerke  zeigt,  namentlich  wenn  man  das  etwas  jüngere  Alter  der  Wandgemälde  in 
Betracht  zieht,  keine  wesentlichen  Unterschiede,  wenn  auch  die  Figuren  der  Ciste  in 
ihren  Verhältnissen  etwas  weniger  verzerrt  sind.  Daher  müssen  wir  zugeben,  dass  die 
Ciste  ganz  gut  auf  italischem  Boden  entstanden  sein  kann,  wobei  natürlich  wiederum  der 
Einfluss  jener  in  Italien  angesiedelten  phönikischen  und  kleinasiatisch-griechischen  Ele- 
mente zu  berücksichtigen  ist*).  Der  Unterschied  zwischen  den  betrachteten  beiden 
Werken  ist  nicht  so  gross,  wie  er  beispielsweise  zwischen  der  Mehrzahl  der  bemalten  Eier 
der  Polledrara  von  Vulci  und  einem  abweichenden  beobachtet  wird,  welches  in  ein- 
facherer Weise  verziert  ist  und  stärkere  Verzerrungen  aufweist  (Perrot-Chipiez,  bist,  de 
l'art.  III,  fig.  624  f). 

Die  Elfenbeinciste  wurde  nur  in  Bruchstücken  gefunden.  Doch  ist  ihre  Form  durch 
ein  zweites  besser  erhaltenes  Chiusiner  Exemplar  gesichert,  dessen  Verzierung  auf  die- 
selbe Zeit  und  Kunstrichtung  hinweist  (Heibig,  bull.  1878,  S.  130,  Collection  Castellani, 
Rome  1884,  n.  719). 

Mit  Recht  hat  Böhlau  der  Ansicht  Ausdruck  verliehen,  dass  unsere  Ciste  auf  ein 
Metallvorbild  zurückgehe,  wie  die  Wiederholung  des  einen  Mann  tragenden  Widders 
beweise  (Jahrb.  II,  S.  62). 

Eine  Kombination  von  Elfenbein  und  Metall  zeigt  die  beistehende,  aus  einem  Grabe 
von  Veji  stammende  Ciste  (nach  Archaeologia  XLI  pl.  III 
fig.  4,  vgl.  Perrot-Chiepiez,  bist.  d.  l'art  III,  p.  854),  welche 
Garrucci  folgendermassen  beschreibt:  „There  was  also  an 
ivory  vessel  encircled  at  top  and  bottom  by  a  copper 
hoop  and  charmingly  ornamented  around  by  vertical 
Strips  of  copper,  the  intervals  between  these  being  filled 
up  with  amber  veneered  on  the  ivory  beneat".  Die  mit- 
gefundenen Gegenstände,  vielleicht  auch  die  Verwendung 
des  Bernsteins,  verraten  einheimische  Kunst,  die  sich  aus 
jener  griechisch-phönikischen  Anregung  entwickelt  hat.  Diese  Ciste  ist  auch  insofern 
von  Interesse,  weil  sie  bereits  Füsschen  hat,  was  wir  bei  den  anderen  des  sechsten  Jahr- 
hunderts  noch    nicht   gesehen    haben,    sondern   erst  bei  den  Bolognesischen  des  fünften 


i)  Man  kann  eine  Bestätigung  hierfür  in  dem  Umstände  erblicken,  dass  in  demselben  Grabe 
mit  der  Ciste  eine  Fibel  derselben  Art  gefunden  wurde  wie  die  bekannte  von  Palestrina  mit 
altlatinischer  Inschrift  (Rom.  Mitt.  II,  S.  37  f.). 


56 


Jahrhunderts    fanden.      Sie    beweist   also ,    dass    beide    Typen    schon    gleichzeitig    neben 
einander  bestanden. 

Hinüber  auf  griechischen  Boden  führt  uns  die  elfenbeinerne  „Pyxis"  aus  dem  Kuppel- 
grab von  Menidi  („Kuppelgrab  bei  Menidi",  T.  VII,  darnach 
unsere  Abbildung).  Sie  wird  gewöhnlich  als  „Pyxis"  be- 
zeichnet, unterscheidet  sich  aber  —  von  der  Grösse  abge- 
sehen —  im  Grund  durch  nichts  von  unserer  Cistenform.  In 
zwei  Streifen  sind  schreitende  Widder  dargestellt,  gegen  die 
Ränder  gewahrt  man  eine  vielleicht  Metallbuckelchen  imitie- 
rende Verzierung.  Denn  dass  auch  diese  Pyxis  nach  einem 
Metallvorbild  gearbeitet  ist,  scheint  mir  ziemlich  sicher.  Die 
Befestigung  des  Deckels  wird  durch  Zahnverschluss  be- 
wirkt. Nicht  ohne  Interesse  ist  die  (im  Text  S.  27)  gemachte  Beobachtung,  dass 
im  oberen  Widderstreifen  und  zwar  gerade  unter  dem  Zahnverschluss  des  Deckels  ein 
Tier  mit  dem  Kopf  in  Vordersicht  gestellt  ist,  während  alle  anderen  geradeaus  gerichtet  sind  ; 
dass  dadurch  thatsächlich  gleichsam  die  Front  des  Gerätes  bezeichnet  wird,  haben  wir 
bereits  an  einer  Reihe  ähnlicher  Erscheinungen  wahrgenommen.  Über  ein  ähnliches 
Exemplar  vgl.  i<f.  äpy.  VI  (1888),  S.  155  und  einen  ähnlichen  Deckel  Arch.  Anz.  VI,  S.  41. 
Im  Grunde  die  gleiche  Form  zeigt  auch  die  goldene  Dose  aus  Mykenä  (bei  Schuch- 
hardt,  Schliemanns  Ausgrabungen,  S.  236,  Fig.  197),  welche  auch  nach  Schuchhardts  An- 
sicht einen  wirklichen  Gebrauchsgegenstand  in  Verkleinerung  wiedergiebt. 

Dieselbe  Form  treffen  wir  aber  auch  häufig  in  der  Keramik  dieser  Periode  wieder, 
wofür  ich  keine  Beispiele  anzuführen  brauche.  Sie  kommt  schon  in  den  trojanischen 
Funden  vor  und  hält  sich  bis  in  die  spätesten  Zeiten,  indem  sie  allerdings  ver- 
schiedene Wandlungen  durchmacht.  In  betreff  einiger  solcher  Büchsen  des  Dipylon- 
stils  bemerken  Dumont-Chaplain,  les  ceramiques  de  la  Grece  propre  S.  95:  „Plusieurs 
pyxis  conservent  des  trous  qui  permettaient  de  Her  le  couvercle  et  le  corps  de  la  boite, 
disposition  assez  peu  commode  pour  des  objets  de  terre  cuite,  et  qui  6tait  au  contraire 
trfes  pratique  pour  des  boites  de  metal".  Er  nimmt  daher  mit  Recht  Metallvorbilder  an. 
Noch  in  späteren  Zeiten  tritt  die  Combination  von  Thon  und  Metall  bei  diesem  Geräte 
häufig  zu  Tage. 

Alle  diese  Funde  auf  griechischem  Boden  gehören  einer  Epoche  an,  welche  lange 
vor  derjenigen  liegt,  in  welcher  wir  in  Italien  zuerst  der  Cistenform  begegnet  sind.  Wir 
haben  schon  früher  gesehen,  wie  vielfache  Verbindungsfäden  von  hier  nach  Italien  hinüber- 
gehen und  die  Villaiiovakultur  durch  solche  Einflüsse  z.  T.  geradezu  bedingt  ist.  Wie 
weit  wir  aber  in  den  hier  berührten  Erscheinungen,  die  ihrerseits  selbst  offenbar  auf  orien- 
talische Vorbilder  zurückgehen,  im  einzelnen  solche  für  die  italische  Kultur  fruchtbaren  Keime 


57 

erblicken  dürfen,  müssen  wir  einstweilen  vorsichtshalber  noch  dahingestellt  sein  lassen. 
Es  ist  eben  auf  der  Balkanhalbinsel  doch  noch  verhältnismässig  recht  wenig  ausgegraben 
und  noch  weniger  gut  veröffentlicht. 

Nur  auf  zwei  Beobachtungen,  welche  das  griechische  Material  dieser  Zeit  nahe 
legt,  will  ich  noch  aufmerksam  machen.  Ein  goldener  Becher  mit  Rippen,  wie  sie  die 
eiste  a  cordoni  haben  (abg.  bei  Schliemann,  Mykenä,  S.  268  n.  340),  lässt  darauf  schliessen, 
dass  diese  Technik  nicht  erst  in  Italien  erfunden  wurde,  sondern  auf  Vorbilder  des 
Ostens  zurückzuführen  ist.  Ferner  zeigt  der  in  dem  Kuppelgrab  zu  Vafio  bei  Amyklae 
gefundene  Goldbecher  mit  herausgetriebener  Darstellung  als  Schutz  der  dünnen  Hülse 
im  Innern  einen  eingehängten  zweiten  glatten  Metallbecher  {if.  dp/.  1889  (VII),  T.  9, 
S.  160,  vgl.  Arch.  Anz.  1890,  S.  102  f).  Diese  Technik  erinnert  offenbar  an  die  Holz- 
montierung  der  älteren  Cisten,  worüber  wir  oben  gehandelt  haben. 

Aus  späterer  Zeit  sind  in  Griechenland  meines  Wissens  bis  jetzt  keine  Cisten, 
weder  glatte  noch  gerippte,  gefunden  worden.  Der  bei  Furtwängler,  Olympia  IV  (Bronzen) 
S.  95  n.  665  abgebildete  Henkel  gleicht  allerdings  dem  der  gerippten  Cisten,  könnte  aber 
ebensowohl  von  einer  Situla  sein.  Dies  Fehlen  der  eigentlichen  Cisten  auf  griechischem 
Boden  mag  reiner,  auf  der  Mangelhaftigkeit  unserer  bisherigen  Ausgrabungen  beruhender 
Zufall  sein ;  es  kann  aber  auch  damit  zusammenhängen,  dass  die  thönerne  Pyxis  und  eine 
besondere  Art  viereckiger  Kästchen  die  Stelle  der  Ciste  vertrat,  welch  letzere  mehr 
dem  italischen  Geschmacke  zusagte.     Hier  kann  nur  der  Spaten  weiterhelfen. 

3.     Die  Bronzereliefs  von  Bomarzo. 

Schon  Gerhard,  Schöne  u.  a.  haben  bei  Besprechung  der  Cisten  mit  getriebenen 
Reliefs  auf  die  bekannten  Bronzereliefs  von  Bomarzo  im  Museo  Gregoriano  hingewiesen 
(Mus.  Greg.  I.,  T.  39).  Neuerdings  sind  sie  in  den  Antiken  Denkmälern  I,  T.  21  abge- 
bildet und  von  Dümmler  S.  10  kurz  behandelt  worden.  Dümmler  tritt  mit  Recht  der 
gewöhnlichen  Meinung  entgegen  *),  dass  sie  etruskisches  Fabrikat  seien.  An  anderem  Orte 
(Rom.  Mitt.  III,  S.  176,  Anm.  i)  bringt  er  sie  mit  einer  eigenartigen,  den  Caeretaner 
Hydrien  nahestehenden  (unteritalisch-griechischen?)  Vasenklasse  in  Verbindung  und  schreibt 
ihnen  grossgriechischen  Ursprung  zu.  Zweifelsohne  gehören  sie  in  diesen  Zusammen- 
hang. Der  kleinasiatisch-jonische  Stil,  sowie  ein  eigenes  lokales  Element  sind  unverkennbar, 
doch  ist  der  Fabrikationskreis  nicht  näher  zu  bestimmen.  Uns  interessieren  sie  deshalb 
besonders,  weil  der  Gedanke  naheliegt,  dass  sie  von  einer  cylindrischen  Ciste,  also  einer 


i)  Vgl.  z.  B.  M.  Mayer,  d.  Giganten  und  Titanen,  S.  339,  342,  wo  sie  filr  etruskischc  Arbeit 
unter  attischem  Einfluss  ausgegeben  werden.  Furtwängler  bezeichnet  sie  bei  Röscher,  Lex.  d. 
Myth.,  S.  2212  als  altetruskisch  unter  jonischem  Einfluss. 


58 

eiste  aus  griechischem  Kunstgebiete,  herrühren.  Dümmler  selbst  hat  diese  Ansicht  ge- 
äussert und  auch  das  Dafür  und  Dawider  angeführt.  „Diese  (die  Ciste)  würde  allerdings  bei 
0,417  m  Höhe  nur  0,138  m  Durchmesser  gehabt  haben,  für  diese  Annahme  spricht  aber, 
dass  der  scheinbar  vollständige  Reif  von  links  mit  einem  halben  Lotosblatt  beginnt, 
welches  rechts  gerade  fehlt". 

Schwerlich  hat  es  je  eine  solche  röhrenartige  Ciste  mit  0,417  m  Höhe  bei  0,138  m 
Durchmesser  gegeben :  unter  Zugrundelegung  solcher  Verhältnisse  wäre  wohl  jeder  Ge- 
danke an  eine  Ciste  ausgeschlossen.  Indes  liegt  die  Sache  anders.  Im  Frühjahr  1889  sah  ich 
im  Museo  Kircheriano  eine  Anzahl  bisher  unbeachteter  Bronzereliefs,  welche  sich  bei  näherer 
Betrachtung  geradezu  als  identisch  mit  denen  von  Bomarzo  im  Museo  Gregoriano  heraus- 
stellten. Sind  sie  auch  stellenweise  mehr  zerstört,  so  zeigen  sie  dagegen  die  Gesichtsformen 
und  Einzelheiten  der  Bekleidung  weit  deutlicher  als  diese.  Ausserdem  bieten  sie  für  die 
Reconstruction  des  Ganzen  manches,  was  bei  denen  des  Museo  Gregoriano  fehlt.  Leider 
ist  keine  Provenienzangabe  über  sie  vorhanden.  Diejenigen  des  Mus.  Greg,  stammen 
aus  dem  Privatbesitz  des  römischen  Priesters  F.  Carosi  (vgl.  bull.  1836,  S.  191,  wo  man 
die  Angabe  findet,  dass  sie  im  Jahre  1830  bei  Bomarzo  ausgegraben  seien,  während 
die  Einleitung  des  Mus.  Greg.  (S.  6)  das  Jahr  1832  angiebt;  vgl.  auch  Gerhard,  etr.  Spiegel 
1,  S.  34,  Anm.  10). 

Wir  stellen  die  Besitzstücke  der  beiden  Museen  einander  gegenüber. 

Von  den  Streifen  i  und  2  (der  „antiken  Denkmäler")  sind  im  Mus.  Kirch.  Stücke 
in  dreifacher  Wiederholung.  Mit  denjenigen  des  Mus.  Greg,  verglichen,  veranlassen  sie  zu 
folgenden  Bemerkungen: 

i)  An  einzelnen  Stellen  ist  auch  der  durch  eine  Reihe  von  Buckelchen  gebildete 
Abschluss  unter  der  Darstellung  erhalten. 

2)  Es  wiederholt  sich  einmal  in  der  Darstellung  die  Gruppe  des  schlauchschleppen- 
den Silen  und  der  beiden  ihm  folgenden,  welche  Gefässe  und  Flöten  tragen. 
Doch  ist  der  letzte  Silen  nicht  vollständig,  sondern  seine  vordere  Hälfte  ist 
mit  der  hinteren  des  „Hermes",  der  Figur  mit  Lanze  und  Hut,  zusammen- 
gesetzt. Die  Zusammensetzung  ist  durch  kleine  umgeschlagene  Nägelchen 
bewerkstelligt  und  rührt  zweifelsohne  aus  dem  Altertum  her.  Es  folgt  dann 
wie  gewöhnlich  die  ganze  Reihe  von  dem  Silen  mit  dem  Opfermesser  bis  zum 
Flötenspieler.  Es  scheint  also,  dass  der  Sitzende  weggelassen  wurde,  um  den 
durch  die  Wiederholung  verlorenen  Platz  zu  gewinnen. 

3)  An  einer  Stelle  ist  über  dem  Streifen  i  noch  der  untere  Teil  von  Streifen  2 
in  ursprünglichem  Zusammenhang  vorhanden,  so  dass  die  Anordnung  des 
Streifens  2  direkt  über  i  gesichert  ist.  Die  Reliefs  des  Mus.  Greg,  sind  also 
vielleicht  erst  nachträglich   zerschnitten   worden.     Im   oberen  Teil   sind    noch 


59  ^^ 

einige  kleine  Nägelchen  zu  beobachten ').  Entsprechend  der  bei  i  bemerkten 
Zusammensetzung  kommt  auch  hier  nach  der  vorletzten  weiblichen  Figur  des 
Streifens  2  gleich  der  Mann  neben  dem  Pferde. 
Von  3  (Darstellung  der  Gigantomachie)  sind  viele  Bruchstöcke  vorhanden.  Her- 
vorzuheben sind  einige  gut  erhaltene  Köpfe,  ebenso  sind  die  etwas  eigenartigen  Ge- 
wandungen klarer  als  bei  den  Stücken  des  Mus.  Greg.,  wodurch  die  Unterscheidung 
zwischen  männlichen  und  weiblichen  Gottheiten  erleichtert  wird.  Ausserdem  ist  aber 
hier  noch  eine  Gruppe  erhalten,  die  auf  den  Beschlägen  des  Mus.  Greg,  ganz  fehlt.  Auf 
einem  Blechstück  von  5,5  cm  Länge  und  5  cm  Höhe  sehen  wir  einen  nackten  Mann  dar- 
gestellt (nach  r.),  welcher  in  der  an  die  Hüfte  angelegten  Rechten  eine  Keule  oder  ein 
Schwert,  in  der  vorgestreckten  Linken  den  Bogen  hält.  Eine  ihm  gegenüberstehende 
aufrechte,  wenig  kenntliche  Gestalt  streckt  den  einen  Arm  abwehrend  gegen  die  Brust 
des  Gegners  vor,  den  anderen  rückwärts.  Dem  Streifen  des  Mus.  Greg,  fehlen,  bei  der 
begründeten  Voraussetzung  gleicher  Länge  mit  den  anderen  vollständigen  Streifen,  noch 
o,T03m,  ein  Raum,  der  durch  die  neue  Gruppe  und  den  leider  zerstörten  Gegner  des 
„Dionysos"  wohl  gerade  ausgefüllt  werden  dürfte.  Eine  Wiederholung  des  am  linken 
Rande  Hockenden  ist  daher  wenig  wahrscheinlich*),  ein  weiteres  Moment,  welches  zu 
Gunsten  der  Annahme  einer  cylindrischen  Fläche  angeführt  werden  kann. 

Von  dem  mit  einer  Palmetten-Lotoskette  verzierten  Fries  4  ist  im  Mus.  Kirch,  ein 
Bruchstück  von  8  cm  Länge  erhalten.     Es   beginnt   auch  wie  4    links    mit    einem    halben 


i)  Auch  im  Streifen  2  des  Mus.  Greg,  sind  unten  noch  Nägelchen  vorhanden.  Sie  beweisen 
jedenfalls,  dass  die  Reliefs  ein  hölzernes  Gerät  verkleideten.  In  ähnlicher  Weise  waren  die  ein- 
zelnen Streifen  der  pränestinischen  Silberciste  auf  ihrer  Hoizunterlage  befestigt.  Auch  hier 
hängen  die  zwei  mittleren  Streifen  zusammen,  während  die  anderen  getrennt  sind. 

2)  Mit  dem  Hockenden  ist  die  vorletzte  Figur  der  mit  einer  ähnlichen  Gigantomachie  ge- 
schmückten Amphora  bei  Mayer,  S.  344,  n.  3  (Micali,  Mon.  incd.  T.  XXXVII  i)  zu  vergleichen, 
die  keineswegs,  wie  Mayer  meint,  als  attisch  anzusehen  ist,  sondern  zu  der  erwähnten  unter- 
italisch-griechischen Vasenklasse  gehört  (vgl.  Dümmler,  Rom.  Mitt.  III,  S.  176.  n.  5.)  Man  vergleiche 
auch  den  Dämon  des  Wagcnbeschlägs  von  Perugia  (Inghirami,  Mon.  etr.  III  T.  XXIII),  der  gleich- 
falls dieser  Kunstrichtung  nahesteht  (vgl.  Dümmler,  Rom.  Mitt.  III,  S.  164  f.).  —  Was  Mayer  über 
die  Verschiebung  der  Figuren  in  der  Gigantomachie  auseinandersetzt,  ist  vielfach  unrichtig.  Un- 
wahrscheinlich ist,  dass  die  Schlangen  (gegen  die  beiden  Enden)  auf  unverstandene  Weinranken 
zurückzuführen  seien.  Ihre  raumfüllende  Bedeutung  ist  auf  jener  Amphora  klarer  (vgl.  auch  Milch- 
höfer,  Anf.  d.  Kunst,  S.  181).  Das  der  gleichen  Richtung  angehörige  Relief  bei  Mayer  T.  I  zeigt  in 
ähnlicher  Weise  eine  Ranke  mit  Knospe.  Wegen  des  Stiles  sind  noch  anzuziehen  die  Bronzcrcliefs 
in  Dresden  (abg.  Arch.  Anz.  1889,  S.  104,  vgl.  Löschckc,  Bonner  Studien,  S.  256,  Anni.  20)  und 
solche  im  Besitze  A.  Castellanis  (vgl.  Furtwängler,  Bcri.  philolog.  Wochenschr.  1888,  S.  1450),  sowie 
Terracottareliefs  aus  Unteritalien  (Gaz.  arch.  1883,  pl.  49,  Darembcrg-Saglio,  dictionnaire,  fig.  2205). 


*-  6o 

Lotosblatt.  Der  obere  Rand  scheint  vollständig  zu  sein,  dagegen  ist  unten  eine  zufällige 
Bruchfläche  zu  erkennen.  Oben  in  dem  Ornament  des  „laufenden  Hundes"  gewahrt 
man  mehrere  Nägelchen,  deren  Köpfe  z.  T.  noch  erhalten  sind,  wie  auch  bei  dem  Exem- 
plar des  Mus.  Greg.  Nach  der  Richtung  der  Palmetten  und  Lotoskelche,  des  „laufenden 
Hundes",  sowie  der  angedeuteten  Beschaffenheit  der  Ränder  darf  man  wohl  sicher  mit 
Dümmler  annehmen,  dass  dieser  Fries  die  obere  Umrahmung  bildete,  wie  wir  es  auch 
bei  der  ovalen  Vulcenter  Ciste  sehen  werden  (vgl.  S.  66). 

Von  den  Streifen  5  und  6  ist  im  Mus.  Kirch,  nichts  mehr  vorhanden.  Letzterer 
stimmt  in  seinem  ganzen  Charakter  so  sehr  mit  4  überein,  dass  er  zweifelsohne  mit  seiner 
abwechselnd  auf-  und  abwärts  gerichteten  Palmetten-Lotosverzierung  dem  unteren  Ab- 
schluss  angehört').  In  dem  Stücke  des  Mus.  Greg,  sind  auch  unten  Nägelchen  sichtbar. 
Die  Zugehörigkeit  von  5  kann  wegen  der  stärkeren  Erhebung  des  Reliefs,  sowie  dem 
andersartigen,  den  Eindruck  aufgelegten  Drahtes  hervorrufenden  Charakter  in  Zweifel 
gezogen  werden.     Auch  scheint  er  etwas  ältere  Zeit  zu  verraten. 

Nach  meinen  Erkundigungen  steht  nichts  der  Annahme  im  Wege,  dass  die  sich 
bis  in  die  kleinsten  Einzelheiten  entsprechenden  Beschläge  der  beiden  Museen  von  dem- 
selben Gegenstand  stammen  und  von  dem  früheren  Besitzer  geteilt  wurden. 

Wir  haben  gesagt,  dass  die  Verhältnisse  0,417  H.  :  0,138  D.  gegen  eine  Ciste 
sprechen;  nehmen  wir  aber  die  Reliefs  der  beiden  Museen  zusammen,  so  erhalten  wir 
0,417  bezw.  0,372  H.  (bei  Ausschluss  von  5)  zu  0,276  D.,  was  mit  den  bei  den  anderen 
älteren  Cisten  beobachteten  Grössenverhältnissen  eher  stimmt. 

Nachdem  so  die  Bedenken  wegen  der  Masse  gehoben  sind  und  ein  neues  für 
eine  cylindrische  Fläche  sprechendes  Moment  durch  die  nur  einmalige  Darstellung  des 
Hockenden  gewonnen  ist,  können  wir  die  Möglichkeit,  dass  die  Beschläge  von  einer  Ciste 
stammen,  zuversichtlicher  ins  Auge  fassen. 

Die  Thatsache  wäre  nicht  ohne  Wichtigkeit,  da  die  Reliefs  ein  auf  jene  griechisch - 
phönikische  Erzeugnisse  folgendes,  allerdings  sich  nicht  direkt  aus  diesen  entwickelndes 
Stadium  vertreten,  das  wohl  der  zweiten  Hälfte  des  sechsten  Jahrhunderts  angehört. 
Das  Dekorationsprinzip  ist  im  ganzen  dasselbe  wie  bei  den  älteren  Cisten,  wenn  auch 
die  Bedeutung  der  einzelnen  Teile  schärfer  erfasst  ist.  Füllornamente  fehlen  bereits  voll- 
ständig. In  technischer  Beziehung  sei  hervprgehoben,  dass  die  Verzierung  mit  Stempeln 
gemacht  ist,  wobei  sich  derselbe  Stempel  mehrere  Mal  wiederholt. 


i)  Nicht  ohne  Interesse  dürfte  ein  Vergleich  der  Palmetten-Lotoskette  6  mit  dem  Palmetten- 
Lotosband  am  Echinos  pästanischer  Kapitale  sein  (vgl.  Puchstein,  473105  Winkelmannsprogramni, 
S.  46, 60),  an  deren  höherem  Alter  man  mit  Unrecht  gezweifelt  hat.  Vgl.  auch  Dörpfeld  etc., 
41  stes  Winkpgr.  T.  II  2.  3.  (S.  25),  Furtwängler,  Olympia  IV  (Bronzen)  n.  749  (T.  XLII).  Wegen  5  vgl. 
z.  B.  Salzmann,  Camiros  pl.  37  und  52,  wo  aber  die  Lotoskelche  oben  drei  Spitzen  haben. 


6i 


4.    Die  Cista  von  Moritzing  und  die  oberitalischen  Situlen. 


Tief  in  den  östlichen  Alpen  wurde  ein  Fund  ge- 
macht, den  wir  ebenfalls  einer  kurzen  Betrachtung  unter- 
ziehen müssen,  die  Bronzeciste  von  S.  Moritzing  *).  Sie 
ist  nur  in  Bruchsttlcken  erhalten,  doch  wohl  im  ganzen 
richtig  zusammengesetzt  und  mit  Bügelhenkeln  ergänzt. 
Sie  hat,  von  den  Friesen  abgesehen,  vier  Bildstreifen, 
welche  durch  leere,  von  Rippen  eingefasste  Zwischenräume 
getrennt  werden.  Wir  finden  also  auch  hier  die  Com- 
bination  der  gewöhnlichen  Ciste  und  der  cista  a  cordoni, 
wobei  die  Rippen  in  naturgemässer  Weise  zur  Trennung 
der  einzelnen  Bildstreifen  verwandt  wurden.  Die  Figuren 
sind  getrieben  und  graviert.  Die  Ciste  zeigt  die  ge- 
wöhnliche Vernietung  der  ciste  a  cordoni. 

Um  die  Kunstrichtung  dieser  Ciste  richtig  beurtei- 
len zu  können,  müssen  wir  erst  eine  andere  Denkmäler- 
gattung behandeln,  die  diesseits  des  Apennins  und  im 
Alpengebiet  eine  grosse  Rolle  spielt,  die  sog.  Situlen. 

Es  ist  hier  nicht  der  Ort,  um  die  Geschichte  dieses  Gerätes  zu  verfolgen,  obwohl 
sie  uns  manche  Bestätigung  und  Ergänzung  der  für  die  Cisten  gewonnenen  Resultate 
bringen  würde*).  Zeigt  ja  die  Entwicklung  der  beiden  Geräte,  die  sich  in  manchen 
Gegenden  geradezu  ersetzen,  auffallende  Übereinstimmungen.  Die  Bronzeform  der  Si- 
tulen taucht  zu  gleicher  Zeit  und  in  gleicher  Umgebung,  diesseits  und  jenseits  des 
Apennins  auf;  zunächst  treten  häufig  an  Stelle  des  teueren  Materials  Nachahmungen  in 
Thon,  die  später  eine  selbständige  Weiterbildung  erfahren.  Auch  hier  erscheinen  die 
Formen  mit  Bügelhenkel  und  seitlichen  Handhaben,  auch  die  technische  Entwicklung  ist 
eine  analoge  *).  Der  mit  der  Zeit  sich  modificierenden  Form  entspricht  der  Wechsel  der 
Verzierungsweisen:  den  geometrischen  Stil  löst  ein  aus  einheimischen  und  orientalischen 
Elementen  gemischter  ab,  diesen  einer  von  eigenem  lokalen  Charakter.  Uns  berühren  hier 
wesentlich  nur  die  mit  Bildstreifen  verzierten  Situlen,  welche  hauptsächlich  in  den  Nekro- 
polen  von  Bologna  und  Este  zum  Vorschein  gekommen  sind.  Von  den  ei-  oder  bommel- 
förmigen,  diesseits  und  jenseits  des  Apennins  gefundenen  sehen  wir  ab. 


i)  Abg.   Mon.  X  T.  VI   (wonach   unsere  Skizze)   und  Zannoni,   scavi  T.  XXXV.  64,  vgl. 
ann.  1874,  S.  164  f.    Wegen  der  schlankeren  Form  vgl  S.  41,  Anm.  i. 

2)  Auch   steht   meines   Wissens    eine   zusammenfassende   Behandlung    der  Situlen    durch 
iini  „in  Aussicht. 

3)  Über  Situlen  mit  Holzkern  vgl.  Zannoni,  scavi  S.  342,  Anm. 


62 


Die   beste  Zusammenstellung   dieser  Situlen   mit  bildlichem  Schmucke  findet  man 

bei    Ghirardini,    la   Collezione    Baratela    di    Este  (Roma 
1888),  S.  183  f.  (=  Not.  d.  scavi  1888,  355  f.) 

Die  älteste  derselben  ist  die  bekannte  in  der  Villa 
Benvenuti  in  Este  ausgegrabene*).  Dieselbe  lag  in 
einem  Übergangsgrab  der  II.  ;iur  III.  euganeischen  Periode 
und  wird  von  Ghirardini  mit  Recht  um  das  Jahr  500  an- 
gesetzt. Sie  zeigt  in  drei  durch  Buckelchen  getrennten 
Zonen  in  getriebener  Arbeit  Scenen  aus  dem  kriege- 
rischen und  alltäglichen  Leben,  sowie  phantastische  und 
wirkliche  Tiere.  Nach  Stil  und  Inhalt  der  Darstellung 
kann  kein  Zweifel  sein,  dass  wir  es  mit  einer  einheimi- 
schen Arbeit  zu  thun  haben,  die  nach  Ausweis  einer 
Reihe  ähnlich  geschmückter,  aber  etwas  jüngerer  Situlen 
und  Votivreliefs  wahrscheinlich  auf  euganeischem  Boden  selbst  entstanden  ist.  Ihr  Er- 
scheinen ist  sehr  lehrreich,  Ghirardini  nennt  es  un  fenomeno  nuovo,  strano,  inaspettato. 
Bis  jetzt  fand  sich  nämlich  in  keinem  der  vielen  Gräber  der  zweiten  euganeischen  Periode 
ein  Gegenstand  mit  figürlicher  Darstellung;  auch  das  Inventar  der  übrigen  Übergangs- 
gräber und  vor  allem  auch  die  sämmtlichen  anderen  Beigaben  des  reichen  Grabes,  wel- 
ches die  Situla  Benvenuti  barg,  haben  nur  geometrische  Verzierungen.  Wir  bemerken 
also  in  dem  einheimischen  Kunsthandwerk  durchaus  keine  Vorstufe  oder  auch  nur  An- 
sätze der  Kunstweise,  wie  sie  die  Situla  Benvenuti  zeigt.  Es  bleibt  also  nichts  übrig,  als  in 
dieser  etwas  Neues,  von  Aussen  Zugeführtes  zu  sehen.  Wir  fragen,  woher  diese  neuen  Ele- 
mente gekommen  sind.  Ghirardini  hat  diese  Frage  in  seinem  wichtigen  Buche  La  Collezione 
Baratela,  S.  193  f.  (=  Not.  1888,  395  f.)  ausführlich  behandelt  und  das,  wie  ich  glaube,  unan- 
fechtbare Resultat  gewonnen,  dass  die  Kunst,  welche  auf  der  Situla  zu  Tage  tritt,  zunächst 
weder  von  Phönikien,  noch  Etrurien,  sondern  von  Griechenland  abzuleiten  sei.  Doch  ver- 
mag er  den  Weg  nicht  näher  anzugeben.  Er  hat  zwar  die  Wichtigkeit  der  melischen  Vasen 
für  diesen  Zweck  erkannt,  dagegen  eine  andere  noch  wichtigere  Denkmälergruppe  nicht 
zur  Genüge  beigezogen.  Ich  meine  die  oben  besprochene  Gattung,  zu  welcher  die 
Chiusiner  Elfenbeinciste  gehört.  Man  halte  nur  die  beiden  Kunstwerke  neben  einander. 
Man  vergleiche  die  Zusammenstellung  phantastischer  Tiere  und  solcher  des  Hauses  und 
Waldes,  zwischen  denen  sich  die  menschliche  Gestalt  bewegt.  Ferner  die  „Kentaurin" 
der  Elfenbeinciste  mit  einer  ähnlichen   phantastischen  (allerdings  männlichen)  Bildung  im 


2)  Abg.  bull.  pal.  VI.  T.  VI,  L.  Benvenuti,  la  cista  B.  Este,  1888  T.  I,  Zannoni,  Scavi  T.  36; 
das  betr.  Grabinventar  ist  von  Prosdocimi,  bull.  pal.  VI.  T.  IV.  V  und  in  der  Prachtpublikation 
von  L.  Benvenuti  auf  Tafel  II  zusammengestellt. 


63 

obersten  Streifen  der  Situla ').  Noch  auffallendere  Übereinstimmungen  zeigt  die  zweite 
Zone  der  Ciste  mit  der  dritten  der  Situla.  Dort  wie  hier  bemerken  wir  hinter  bezw. 
auf  einer  Ranke  einen  Flötenbläser  und  vor  ihm  zwei  mit  Lanzen  ausgerüstete  Krieger, 
es  folgen  ein  Gespann  und  marschierende  Krieger.  Schliesslich  sehen  wir  auch  hier 
die  Zwischenräume  durch  Lotos-  und  Palmettenranken  und  Volutenblüten  ausgefüllt,  wie 
wir  es  bei  jener  Ciste  so  verschwenderisch  gefunden  haben.  Meines  Erachtens  sind 
diese  Übereinstimmungen  so  schlagend,  dass  wir  unbedingt  annehmen  müssen,  dass  dem 
euganeischen  Künstler  ein  ähnliches  Vorbild  wie  jene  Elfenbeinciste  vorgelegen  habe*). 
Doch  verrät  die  Situla  schon  etwas  jüngere  Zeit.  Ein  gewisser  lokaler  Charakter  ist 
bereits  bestimmt  in  den  einzelnen  Figuren  zum  Ausdruck  gekommen.  Die  Füllornamente 
sind  schon  spärlicher  verwandt  und  vor  allem  vielfach  mehr  wirklichen  aufsprossenden 
Pflanzen  angenähert.  Die  Zeichnung  der  Form  ist  sicherer,  die  ganze  Darstellung  ein- 
facher und  besser  gegliedert.  Dies  stimmt  also  ganz  vortrefflich  dazu,  wenn  wir  aus 
anderen  Gründen  genötigt  sind,  die  Elfenbeinciste  um  die  Mitte  des  sechsten  Jahrhunderts, 
die  Situla  gegen  das  Jahr  500  anzusetzen.  Wir  sehen  also,  dass  derselbe  Kultur- 
strom, dessen  Einwirkungen  wir  in  Latium  und  Etrurien  wahrgenommen  haben,  auch 
jene  Nordostecke  Italiens  bespült  und  befruchtet  hat.  Die  Vermittlung  könnte  ja  aller- 
dings durch  Etrurien  erfolgt  sein;  doch  ist  dies  bei  dem  gänzlichen  Fehlen  anderer 
etruskischer  Erzeugnisse  in  diesen  Gegenden  unwahrscheinlich.  Diese  kulturgeschichtlich 
nicht  unwichtige  Erscheinung  ist  m.  W.  bis  jetzt  nicht  beachtet  worden.  Noch  ist  in 
Betracht  zu  ziehen,  dass  sich  in  jenem  entlegenen  Winkel  Italiens  gewisse  Kunstformen 
offenbar  länger  erhalten  haben  als  in  anderen,  regerem  Verkehr  ausgesetzten  Land- 
schaften, wie  ja  auch  ein  Vergleich  mit  den  zweifelsohne  etwas  älteren  Reliefs  von 
Bomarzo  lehrt,  welche  den  orientalischen,  namentlich  auch  durch  die  Füllornamente  be- 
kundeten Einfluss  fast  ganz  überwunden  haben.  Deshalb  dürfen  wir  bei  der  Datierung 
der  Situla  zeitlich  schon  etwas  weiter  herabgehen,  als  es  für  manches  andere  Kunstwerk 
gleicher  Entwicklungsstufe  erlaubt  wäre. 

Dasselbe  conservative  Festhalten  des  Alten  können  wir  noch  an  einer  grösseren 
Anzahl  anderer  Situlen  verfolgen.  Die  nächstälteste  ist  die  Situla  der  Certosa  {abg. 
Zannoni,  scavi  T.  XXXV,  bull.  pal.  VI.  T.  VII),  welche  um  die  Mitte  des  fünften  Jahrhunderts 
entstanden  sein  dürfte  (vgl.  auch  Ghirardini,  la  Coli.  Baratela,  S.  190).  Die  einzelnen  Streifen 
sind  durch  leichte  Rippen  getrennt.  Der  Stil  der  Darstellung  zeigt  den  eigentümlichen  lo- 
kalen Charakter  deutlicher,  die  Gliederung  ist  ebenfalls  fortgeschritten ;  die  Tiere  sind  auf  den 


i)  Vgl.  auch  die  ähnlichen  Bildungen  auf  dem  Helm  von  Oppeano  bei  Zannoni,  scavi 
T.  XXXV.  57,  59,  bull.  pal.  IV.  T.  VI  und  Archaeologia  XLI  T.  VI. 

2)  Wohl  mit  Recht  nimmt  Böhlau,  Jahrb.  III,  S.  359  ähnliche  frühjonische  Vorbilder  auch 
für  die  altböotische  und  altattische  Vasenmalerei  an  (indirekt  über  Chalkis). 


64 

untersten  Streifen  beschränkt,  die  Füllornamente  verschwunden.  Aber  im  ganzen  steht 
sie  doch  in  keinem  Vergleich  zu  den  Fortschritten,  welche  wir  die  Kunst  um  diese  Zeit 
in  anderen  Gegenden  machen  sehen.  Die  beiden  Situlen  haben  keine  Einfassung  durch 
Palmetten-Lotosketten,  wie  wir  es  bei  den  Cisten  sehen,  sondern  über  der  Darstellung 
ein  geometrisches  Muster,  eine  Erinnerung  der  Periode,  deren  Ende  sie  eben  herbeige- 
führt haben. 

Etwas  jünger  sind  die  Situlen  von  Watsch  und  M  a  t  r  e  i ,  welche  ebenfalls  jenes 
Abschlusses  entbehren.  Nur  die  nach  Brizio*)  und  Ghirardini  (La  Coli.  Bar.,  S.  190)  schon 
in  die  zweite  Hälfte  des  vierten  Jahrhunderts  gehörige  situla  Arnoaldi  hat  oben  einen 
Knospenfries,  unten  einen  Eierstab ;  doch  sind  auch  die  einzelnen  Streifen  durch  schwache 
Rippen  und  Knospenfriese  getrennt.  Auffallend  sind  hier  die  zahlreichen  Füllornamente 
wie  bei  den  ältesten  Denkmälern,  so  dass  man  die  Situla  in  höhere  Zeit  hinaufrücken 
möchte.  Doch  wird  man  den  Ausführungen  Brizio's,  namentlich  auch  in  Anbetracht  der 
entwickelteren  Form,  Recht  geben  müssen.  Ähnliche  Erscheinungen  erstarrten  hand- 
werksmässigen  Festhaltens  einer  älteren  Ausdrucksweise  zeigen  ja  auch  die  zahlreichen 
Blechreliefs  des  Fondo  Baratela  (vgl.  Ghirardini,  La  Coli.  Bar.,  S.  199  f.). 

Nach  dieser  Abschweifung  ist  es  leicht,  der  Ciste  von  Moritzing  ihre  Stellung 
zuzuweisen.  Ein  Blick  genügt,  um  zu  erkennen,  dass  hier  dieselbe  Kunst  wie  auf  den 
behandelten  Situlen  zu  Tage  tritt.  Und  zwar  zeigen  die  beiden  Friese,  sowie  die  Zu- 
sammenfassung der  Tiere  im  untersten  Streifen,  die  Art  der  Füllornamente,  sowie  der 
freiere  Stil  der  Figuren  überhaupt,  dass  sie  in  jüngere  Zeit  als  die  Situla  der  Certosa 
zu  verweisen  ist.  Mit  der  Situla  Arnoaldi  hat  sie  die  Trennung  der  einzelnen  Streifen 
durch  leere,  von  Rippen  begrenzte  Zwischenräume,  den  Knospenfries,  den  Tierstreif, 
die  Füllrosetten,  manche  Eigentümlichkeiten  der  Bildung  der  Pferde  gemeinsam,  doch  ist 
sie  offenbar  etwas  älter  und  von  einem  sorgfältigeren  und  geschickteren  Meister  herge- 
stellt. Nach  aufwärts  hat  sie  die  meiste  Ähnlichkeit  mit  der  Situla  von  Watsch,  so  dass 
sie  wohl  zwischen  diese  beiden  gehören  wird. 

Fragen  wir  nach  dem  Sitz  dieser  eigenartigen,  etwas  bäuerlichen  Kunst,  so  dürfte 
Este  durch  seine  zahlreichen  Situlenfunde,  durch  die  erwähnten,  in  gleicher  Manier  ver- 
zierten Bronzereliefs  des  Fondo  Baratela  als  in  Hauptcentrum  gesichert  sein.  Die  verein- 
zelten in  Bologna  gefundenen  Exemplare  lassen  eine  solche  Annahme  für  diese  Stadt  weniger 
glaubhaft  erscheinen*),  sie  ist  um  so  unwahrscheinlicher,  als  in  Bologna  auch  eine  An- 
zahl situlenförmiger  Thongefässe  mit  schwarz-  und  rotaufgemalten  Zonen  vorkommen, 
die  sich  mit  Sicherheit  als  Import   oder   doch    wenigstens    als  Nachahmung   solcher   der 


i)  Brizio,  Atti  e  Mem.  d.  R.  Dep.  etc.  1884,  S.  278. 

2)  Vgl.  Brizio,  la  provenienza  degli  Etruschi  in  d.  Atti  e  Mem.  etc.  1885  (Scr.  III,  vol.  III), 
S.  207,  Anm.  2. 


_65: 

euganeischen  Gruppe  erweisen  lassen  ').  Indessen  werden  wir  uns  die  Verbreitung  dieser 
Metall-Industrie  über  das  Land  hin  und  zwar  bis  in  die  Alpen  hinein  teilweise  auch  durch 
kleinere  lokale  Werkstätten  vorstellen  müssen.  Für  solche  Herstellung  im  Kleinhandwerk 
spricht  schon  die  Thatsache,  dass  die  Figuren  auch  von  minderwertigen  Situlen  stets  aus 
der  Hand  getrieben  sind  (Ghirardini,  la  Coli.  Bar.,  S.  200  =  Not.  1888,  370),  was  bei  fabrik- 
mässigem  Betriebe  schwerlich  geschehen  wäre.  Noch  heute  wird  in  jenem  Winkel  Italiens 
das  Kupferschmiedehandwerk  in  einer  Ausdehnung  getrieben,  wie  wohl  nirgends  sonst  in 
Italien.  Schon  in  Brescia  und  von  da  ab  immer  häufiger  sieht  man  bei  einem  Gang  durch 
die  Strassen  der  Städte  und  Städtchen  eine  Unmenge  von  Werkstätten  und  offenen  Läden, 
aus  denen  das  betäubende  Geräusch  der  Hämmerchen  erschallt,  mit  denen  das  dünne 
Kupferblech  und  zwar  meistenteils  zu  Eimern  getrieben  wird.  Gar  häufig  sind  diese  noch 
mit  getriebenen  Verzierungen  geschmückt,  ganz  wie  in  alter  Zeit.  An  Orten  wie  Venedig 
bilden  sogar  derartige  kleine  verzierte  Eimerchen  einen  Gegenstand  der  Kunstindustrie*). 

In  Este  hat  man  glatte  Cisten  bisher  nicht  gefunden  *),  sondern  nur  Reste  einiger 
gerippten. 

Es  ist  deshalb  von  um  so  höherem  Interesse,  dass  in  diesem  Kreise,  "wenn  auch 
hoch  im  Norden,  eine  solche  Ciste  zum  Vorschein  kam,  welche  die  alte,  vom  Osten  her- 
gebrachte Kunstweise  vorführt,  unter  deren  Einfluss  auch  die  Verzierungen  der  Situlen 
entstanden  sind. 

5.    Die  ovale  Ciste  von  Vulci. 


Die  nach  einer  Photographie  angefertigte  Skizze  vergegenwärtigt  die  bekannte  ovale 
Ciste  aus  Vulci  (abg.  Mus.  Greg.  I.  40  —  42,  Gerhard,  etr.  Spiegel,  I,  T.  9- 11,  Mon.  1855, 


i)  Vgl.  Zannoni,  scavi,  S.  160,  199,  320,  367,  Brizio,  Atti  e  memorie  etc.  ser.  III.  v.  III, 
S.  189,  Ghirardini,  la  Coli.  Baratela,  S.  153  =  (Not.  1888,  355). 

2)  Vgl.  auch  Orsi,  Mus.  Ital.  II,  S.  845:  „In  gran  parte  dei  villaggi  delle  Alpi  e  nella  cam- 
pagna  veneta  i  secchielli  in  rame  per  trasportare  e  conservare  l'acqua  son  decorad  a  martello  di 
vaghe  composizioni  geomctriche,  o  tratte  dal  mondo  animale  e  dal  vegetalc;  alle  volte  presentano 
fregi  con  figure  fantastiche  e  mostniose.  Ma  anche  questa  usanza  tcndc  ormai  a  sparire,  per 
dar  luogo  a  nuove  forme  di  recipienti." 

3)  Es  ist  eigen,  wie  die  verschiedenen  Gegenden  Italiens  an  bestimmten  Gefässformen  be- 
sonderen Geschmack  fanden.  Während  in  der  älteren  Villanovaperiode  überall  die  gleiche  Form 
des  Ossuarium  herrscht,  treffen  wir,  nachdem  der  ausländische  Import  neue  Formen  kennen 
gelehrt  hat,  in  der  Gegend  von  Bologna  vorzugsweise  die  Cistenform,  in  der  euganeischen  Gruppe 
die  der  Situla,  in  gewissen  Gegenden  Etruriens  den  canopus,  in  Unteritalien  die  Urnen  und  an 
anderen  Orten  andere  Formen,  welche,  in  Metall  und  in  Thon,  geradezu  die  Stelle  des  frtiheren 
Ossuarium  einnehmen. 


66 


T.  XVIII,  vgl.  Schöne,  ann.  1866,  S.  163  n.  9).  Dieselbe  ruht  auf  vier  Füsschen,  unter  denen 
die  so  häufigen  Frösche  (bezw.  Schildkröten)  oder  viereckigen  Basen  fehlen.  Der  (etwas  über- 
greifende) Deckel  ist  mit  einer  männlichen  und  einer  weiblichen  Griff-Figur  geschmückt, 
welche  so  auffallend  schlank  sind,  wie  wir  es  auch  auf  gewissen  latinisch-griechischen  Er- 
zeugnissen öfters  finden.  Die  einzelnen  Bildstreifen  sind  durch  Rippen  getrennt.  Oben  be- 
merken wir  das  Ornament  des  „laufenden  Hundes",  im  Hauptstreif  Amazonenkämpfe  in 
Relief,  als  Einfassung  eine  alternierende  Palmetten-Lotoskette.  Im  „laufenden  Hund"  sind 
zwei  Unterbrechungen  zu  beobachten :  der  Mittelpunkt  der  Langseiten  ist  nämlich  da- 
durch bezeichnet,  dass  an  den  betreffenden  Stellen  zwei  Voluten  mit  kleiner  Palmette 
auftreten.  Das  eine  mal  Ober  der  hervorragenden  Gruppe,  wo  ein  Grieche  eine  berittene 
Amazone  an  den  Haaren  rücklings  vom  Pferde  herunterzuziehen  versucht,  ganz  wie  wir 
es  in  der  schönen  Gruppe  des  Frieses  von  Phigalia  sehen,  die  andere  Stelle  ist  da,  wo 
der  einzelne  Jüngling  mit  Schild  dargestellt  ist,  der  seine  Rechte  erhoben  hat.  Wir 
können  also  auch  hierin  eine  Bestätigung  dessen  erblicken,  was  wir  oben  über  die  An- 
ordnung der  Friese  auseinandergesetzt  haben.  Im  oberen  Palmetten-Lotosband  sind  vier 
Ringe  befestigt,  doch  verdanken  sie  sicher  späterer  Restauration  ihr  Dasein.  Denn  im 
Hauptstreifen  gewahrt  man  2  mal  7  Löcher  schräg  untereinander,  in  denen  z.  T.  noch 
kleine  Ansätze  stecken ;  auch  sind  hier  an  einzelnen  Stellen  noch  die  Eindrücke  der 
Ringe  sichtbar. 

Die  Verzierung  ist  durch  einen  mehrmals  wiederholten  Stempel  hergestellt  und  häufig 
von  einer  punktierten  Linie  begleitet.  Nach  dem  Stil  kann  die  Ciste  nicht  vor  das  Ende 
des  vierten  Jahrhunderts  angesetzt  werden,  wie  am  deutlichsten  das  Blumengewinde  und 


6? 

die  männlichen  und  weiblichen  Satyrköpfe  des  Deckels  zeigen  *).     Man  darf  sogar  noch 
an  den  Anfang  des  dritten  Jahrhunderts  denken. 

Schon  Schöne  bemerkte  ann.  1866  S.  164  „mostra  un'  affinitä  luculenta  coli'  arte 
della  Magna  Grecia"  und  in  der  That  ist  zum  mindesten  starker  griechischer  Einfluss 
zuzugeben.  Meines  Erachtens  ist  die  Ciste  mit  jenen  reliefverzierten  Spiegelkapseln 
etruskisch-kampanischer  Fabrik  zusammenzubringen,  von  denen  die  älteren  und  besseren 
das  unteritalisch-griechische  Element  noch  stärker  hervortreten  lassen. 

Ein  Vergleich  mit  den  Reliefs  von  Bomarzo,  deren  grossgriechischer  Ursprung 
nicht  ohne  eine  gewisse  Wahrscheinlichkeit  vermutet  worden  ist,  liegt  nahe.  Sind  diese 
auch  durch  einige  Jahrhunderte  von  der  Vulcenter  Ciste  getrennt,  so  zeigen  sie  doch 
dieselbe  Dekorationsweise  („den  laufenden  Hund"  und  die  den  Bildstreif  einfassenden  alter- 
nierenden Palmetten -Lotosketten)  und  dieselbe  technische  Herstellung  durch  Stempel. 
Man  könnte  daher  daran  denken,  dass  wir  in  der  Vulcenter  Ciste  einen  Ausläufer  jener 
oder  doch  wenigstens  einer  nahestehenden  Kunstrichtung  besitzen.  Wie  weit  diese  An- 
nahme berechtigt  ist,  möge  einstweilen  dahingestellt  bleiben. 

Ovale  Form  haben  noch  mehrere  Cisten,  welche  an  verschiedenen  Orten  zum 
Vorschein  gekommen  sind  (vgl.  Schöne,  ann.  1866  n.  12  (18).  34.  45  —  50.  60.  65).  Wenn 
aber  Schöne  meint  (S.  200),  dass  diese  Form  meno  nobile  gewesen  sei,  da  verschiedene 
ein  Holzgerüst  hätten  (n.  45.  50.  60),  während  andere  ganz  ohne  Verzierung  seien 
(n.  46  —  48),  so  lässt  sich  diese  Erscheinung  nach  dem,  was  wir  über  die  Entwicklung  der 
cylindrischen  Form  festgestellt  haben,  jetzt  richtiger  erklären.  Jene  Technik  beweist, 
dass  die  betreffenden  Cisten  älterer  Zeit,  etwa  dem  fünften  und  vierten  Jahrhundert  an- 
gehören. Die  ovale  Form  kann  also  nicht  als  eine  erst  in  späterer  Zeit  entstandene 
angesehen  werden,  wie  es  gelegentlich  geschehen  ist.  Damit  stimmt,  dass  sich  auf  einigen 
die  wesentlich  für  die  älteren  Zeiten  charakteristische,  durch  die  Dünne  des  Metalls  be- 
dingte Verzierung  in  Relief  findet  (vgl.  n.  45,  60,  65,  wovon  n.  45  noch  mit  einer  Naht). 

Wie  über  die  ovalen  Cisten  späterer  Zeit  n.  18  und  n.  49  (vgl.  auch  n.  34)  zu 
urteilen  ist,  haben  wir  oben  S.  36  gesehen. '  Übrigens  findet  sich  die  ovale  Gestalt  auch  auf 
Cistenzeichnungen  der  eigentlichen  pränestinischen  Epoche  (vgl.  ann.  1870,  S.  344,  n.  76). 


i)  Mit  letzteren  vgl.  Furtwänglcr,  ann.  1877,  S.  232,  Anm.  2:  „anche  uno  dei  rari  vasi  dipinti 
finora  usciti  dal  suolo  di  Palestrina,  ch'e  una  piccola  cista  delia  solita  forma  con  coperchio,  ma 
senza  piedi,  .  .  offne  la  testa  di  un  Satiro  barbato  di  fronte  ed  una  testa  mulicbre  bianca,  piü 
volte  ripetuta";  auch  Inghirami,  Mon.  Etr.  V.  2  T.  III  und  häufig  auf  späten  Vasen,  namentlich 
den  unteritalischen. 


68 


5.    Die  unteritalischen  Bronzeurnen. 


An  mehreren  Orten  Unteritaliens,  in  Cumae,  Capua,  Suessula,  hat  man  eigen- 
artige bronzene  Urnen  gefunden,  welche  die  Asche  des  Toten  zu  enthalten  pflegen. 
Sie  wurden  zuerst  von  v.  Duhn  zusammengestellt,  der 
ihren  Ursprung  auf  die  chalkidischen  Kolonien  Unter- 
italiens und  spez.  Cumae  zurückführt  *).  Sie  haben  einen 
eiförmigen,  häufig  mit  feinen  Gravierungen  bedeckten 
Körper  und  einen  mit  figürlichem  Griff"  versehenen 
Deckel. 

Die  Vermutung  liegt  nahe,  und  ist  auch  von 
V.  Duhn  an  mehreren  Stellen  ausgesprochen  worden, 
dass  sie  auf  die  Cisten  Einfluss  gehabt  haben.  Auf  die 
Form  der  Cisten  allerdings  nicht.  Denn  wir  haben 
gesehen,  dass  sowohl  die  cylindrische  wie  auch  die 
ovale  Form  der  Cisten  schon  sehr  frühe  in  Oberitalien  entwickelt  war,  erstere  sicher 
schon  in  einer  Zeit,  in  welcher  der  unteritalische  Handel  noch  nicht  in  Betracht  kam. 
Die  Mehrzahl  der  bisher  in  Unteritalien  gefundenen  Urnen  gehört  dem  fünften  Jahr- 
hundert an.  Doch  kennen  wir  auch  jüngere,  deren  etwas  veränderte  Form  aber  noch 
weit  von  derjenigen  der  Cisten  entfernt  ist  (vgl.  Rom.  Mitt.  II,  S.  271  f). 

Anders  steht  es  mit  den  Deckelfiguren  und  der  Verzierung.  Erstere  sind  meist 
durch  aufrechtstehende  menschliche  Figuren  in  allen  möglichen  Handlungen  und  Hal- 
tungen gebildet,  wie  wir  es  auch  bei  den  Cistengriffen  gefunden  haben.  Mit  Recht 
bringt  letztere  daher  v.  Duhn  mit  solchen  unteritalischen  Vorbildern  in  Zusammenhang 
(ann.  1879,  S.  155).  Nachdem  er  hervorgehoben,  dass  die  Cisten  der  Villanovakultur  im 
wesentlichen  der  Füsschen  und  Griffe  entbehren,  fährt  er  fort:  „sopravennero  i  Greci  e 
con  loro  le  urne  fornite  di  ornamenti  plastici:  questa  combinazione  piacque  non  sola- 
mente  a'  Vulcenti,  ma  anche  a'  Prenestini,  e  si  gli  uni  come  gli  altri  incominciarono  ad 
adoperare  questo  modo  per  dare  una  maggior  apparenza  a'prodotti  della  loro  arte,  senza 
perö  che  potessero,  non  essendo  stati  loro  i  creatori  di  tale  invenzione,  trovar  modo 
organico  nel  congiungere  corpo  e  figure  (insofern  als  bei  den  pränestinischen  Cisten 
die  Verbindung  häufig  ziemlich  roh  durch  Nägel  stattfand,  während  bei  den  Urnen 
Lötung  angewandt   wurde).      Chi   guarda   attentamente    la  serie   di    figure  plastiche  de' 


1)  Vgl.  v.  Duhn,   ann.  1879,  S.  119  f,  1883,    S.  186,  Rom.  Mitt.  II,  S.  275.    Vgl.  auch  Hclbig, 
ann.  1880,  S.  223  f.,  Milchhöfer,  Anf.  d.  Kunst,  S.  213  f.,  Furtwängler,  Olympia  IV  (Bronzen),  S.  135. 


69 

coperchi  e  piü  ancora  gli  ornamenti  plastici,  le  Arpie  ecc.  a  pieducci,  vi  troverä  molti 
motivi  e  talvolta  anche  nell'esecuzione  qualche  traccia  indubitabile  che  accenna  ad  un' 
origine  piü  greca  che  non  etrusca".  Zwar  können  wir  nicht  annnehmen,  dass  jene 
Urnen  Unteritaliens  mit  ihren  hübschen  Griffen  und  plastischen  Verzierungen  direkt  den 
eisten,  wie  sie  in  den  Gräbern  des  fünften  Jahrhunderts  in  Bologna  vorkommen,  zum  Vor- 
bild dienten ;  denn  ähnliche  Griffe  finden  sich  auch  noch  auf  andern  Geräten,  auch  ist  es 
gar  nicht  ausgeschlossen,  dass  noch  jene  Cistenformen  selbst  in  unteritalischen  Gräbern 
entdeckt  werden,  ja  sogar  nicht  unmöglich,  dass  einige  der  bessern  Cisten  von  Bologna 
mit  den  griechischen  Vasen  importiert  sind.  *)  Aber  jedenfalls  ist  es  richtig,  dass  jenes 
figürliche  Beiwerk  der  Cisten  des  fünften  Jahrhunderts  auf  dem  angedeuteten  Wege  nach 
dem  Norden  gekommen  ist.  Wir  finden  zwar  auch  in  Etrurien  schon  in  den  älteren  Zeiten 
figürliche  Griffe  an  Gefässen  und  Geräten  von  Metall  und  Thon,  indessen  zeigen  doch 
erst  die  griechischen  Arbeiten  eine  richtigere  organische  Verbindung  und  feinere,  zweck- 
entsprechendere Gestaltung.  Dieselben  haben  dann  dem  italischen  Kunsthandwerk  zu  mehr 
oder  weniger  erreichten  Vorbildern  gedient  *).  Die  Griffe  der  eigentlichen  pränestinischen 
Cisten  des  dritten  Jahrhunderts  scheinen  dagegen  grösstenteils  zunächst  auf  etruskische 
Vorbilder,  also  erst  indirekt  auf  griechische  Tradition  zurückzugehen,  wenn  auch  einzelne 
darunter  sind,  welche  unmittelbaren  unteritalisch-griechischen  Einfluss  verraten. 

Ebenso  nahe  liegt  der  Gedanke,  dass  die  auf  mehreren  dieser  Bronzeurnen  sich 
äussernde  unteritalische  Gravierkunst  auf  die  Gravierungen  der  latinischen  und  etruskischen 
Cisten  Einfluss  gehabt  habe,  auch  wenn  Novios  Plautios,  der  Meister  der  Ficoronischen 
eiste,  oder  Vibis  Pilipus,  der  Graveur  eines  birnförmigen  pränestinischen  Spiegels'), 
keine  Campaner  wären,  was  ja  allerdings  noch  nicht  unumstösslich  erwiesen  ist. 


i)  Der  Annahme  des  Imports  griechischer  Bronzewaren  nach  Bologna  steht  nichts  im 
Wege.  Im  Gegenteil  müsste  man  sich  wundern,  wenn  neben  den  hunderten  von  Vasen  keine 
anderen  Erzeugnisse  des  griechischen  Kunstfleisses  dahin  gelangt  wären.  Nun  haben  uns  die  Publi 
kationen  der  olympischen  und  unteritalisch-griechischen  Bronzen  gezeigt,  wie  gar  manche  GefösS' 
und  Gerätform,  die  man  bisher  für  spez.  etruskisch  hielt,  in  griechischen  Landen  ihren  Ausgangs^ 
punkt  hat  Wir  sind  dadurch  in  Stand  gesetzt,  viele  Bronzegefösse  und  Geräte  nicht  nur  Etniriens, 
sondern  auch  solche,  die  im  Alpengebiet  und  bis  in  das  nördliche  Deutschland  gefunden  wurden 
als  griechische  Fabrikate  des  sechsten  und  fünften  Jahrhunderts  zu  erkennen.  Für  Bologna  haben 
wir  aber  auch  ein  positives  Zeugnis.  Ein  dort  gefundenes  Bronzefigürchcn  trägt  eine  griechische 
Aufschrift,  derzufolge  es  seine  Anwesenheit  der  Einfuhr  aus  griechischer  und  zwar  dorischer 
Gegend  verdankt  (ann.  1834,  S.  222  f ,  tav.  E,  vgl.  Heibig,  Rend.  d.  R.  Acc.  d.  Lincei  1889,  S.  85,  Anm.  3). 

2)  Vgl.  auch  Furtwängler,  Olympia  IV,  S.  25  f 

3)  Vgl.  (Gerhard-)  Klügmann-Körte,  etr.  Spiegel  V.  T.  45,  Mommscn,  Ephem.  epigr.  I,  S.  15, 
n.  24,  C.  I.  L.  I,  S.  210,  Jordan,  Krit.  Beiträge,  S.  5,  n.  16,  14. 


7° 

Vergleichen  wir  die  Capuaner  Graburne  mit  einer  gewöhnlich  auf  die  Cacussage 
bezogenen  Darstellung'),  Tierkämpfen  und  Palmetten-Lotosband,  so  haben  wir  dasselbe 
Dekorationssystem,  dem  wir  auf  den  Cisten  begegnet  sind. 

Wir  sehen  also,  dass  die  unteritalische  Gravierkunst  sich  schon  früh  mit  der 
Schmückung  eines  vielfach  mit  den  Cisten  zu  vergleichenden  Gerätes  beschäftigte  und 
dabei  denselben  Prinzipien  folgte,  wie  sie  uns  die  Verzierungen  dieses  Gerätes  geoffen- 
bart haben.  Bei  den  regen  Beziehungen  zwischen  Campanien  und  Latium,  sowie  dem 
südlichen  Etrurien  kann  dies  nicht  ohne  Einfluss  geblieben  sein. 


7.    Bemerkungen  zur  unteritalischen  Metallindustrie  und  Gravierkunst. 


Es  ist  selbstverständlich,  dass  die  latinischen  Spiegel  und  Cisten  noch  in  viel- 
facher Beziehung  von  der  etruskischen  Kunst  beeinflusst  sind.  Doch  hat  schon  Jahn 
nachgewiesen  *),  dass  in  Latium  bereits  gegen  Ende  des  fünften  Jahrhunderts  d.  St.  neben 
der  etruskischen  Kunstübung  eine  eigene  Richtung  bestand,  welche  von  jener  unabhängig 
direkt  von  griechischer  Kunst  ihre  Vorbilder  hernahm. 

Jahn  ist  namentlich  durch  die  Betrachtung  einiger  pränestinischer  Spiegel  zu  jenem 
wichtigen  Resultate  gelangt.  Es  ist  daher  nicht  ohne  Interesse  festzustellen,  in  welchem 
Verhältnis  die  mit  Cisten  gefundenen  Spiegel  zu  diesen  stehen. 

Im  allgemeinen  muss  man  ja  den  älteren  Fundangaben  gegenüber  etwas  vorsichtig 
sein,  doch  lässt  sich  aus  dem  Gesamtmaterial  heraus  immerhin  ein  sicheres  Bild  gewinnen. 
Wir  können  hier  nicht  alle  mit  Cisten  gefundenen  Spiegel  im  einzelnen  betrachten,  son- 
dern müssen  uns  im  wesentlichen  auf  die  Hervorhebung  der  Resultate  beschränken. 
Darnach  ersehen  wir,  dass  bei  oder  in  den  älteren  (etruskischen)  Cisten  des  fünften  und 
vierten  Jahrhunderts  nur  solche  Spiegel  waren,  die  man  allgemein  als  etruskisches  Fabri- 
kat  ansieht').     In   der   besprochenen,   dem  Ende   des   vierten   oder  Anfang   des   dritten 


i)  Minervini,  Mon.  ant  in.  poss.  d.  R.  Barone  T.  A.,  (wonach  unsere  Skizze),  Ann.  1851  T.  A., 
Mon.  V.  T.  XXV,  vgl.  Furtwängler  und  R.  Peter  bei  Röscher,  Lex.  d.Myth.,  S.  2241  und  2275,  dagegen 
v.  Duhn,  Atti  e  Mem.  etc.  III.  ser.,  vol.  VIII,  S.  14,  Anm.  2,  auf  der  Geryones  deutet. 

2)  Jahn,  die  Ficoron.  Ciste,  S.  6a 

3)  In  der  Cista  Bonarelli  (ann.  1866,  n.  6),  welche  nach  ihrem  mit  Leder  und  Bronzeblech 
verkleideten  Holzgerüst  spätestens  in  das  vierte  Jahrhundert  gehört,  soll  ausser  einem  zweifels- 
ohne etruskischen  Spiegel,  der  nicht  jünger  als  aus  dem  vierten  Jahrhundert  sein  kann  (Gerhard, 
etr.  Spiegel  T.  LXXXVII),  ein  anderer  schon  leicht  birnförmiger  gefunden  sein  (Gerhard  CXXXI, 
vgl.  Jahn,  d.  Ficor.  Ciste,  S.  37,  Anm.  4).  Man  sieht  diese  Form  gewöhnlich  als  eine  spez.  präne- 
stinische,  also  latinische  an.    Indessen  ist  sie  ebenso  in  Etrurien  zum  Vorschein  gekommen.    Ich 


7* 

Jahrhunderts  angehörigen  ovalen  Ciste  von  Vulci  soll  der  bekannte  Durand'sche  Spiegel 
gewesen  sein  (Gerhard,  etr.  Spiegel  CLXXXI  (vgl.  I,  S.  32),  Mon.  II.  6),  der  sicher  etrus- 
kisch  ist  und  derselben  Zeit  angehört.  Mit  der  Ficoronischen  Ciste  bringt  man  (doch 
nicht  ohne  Widerspruch)  den  nach  Inschrift  und  Stil  latinischen  Spiegel  Gerhard,  T.  CLXXI 
in  Verbindung  (vgl.  Jahn,  Ficor.  Ciste,  S.  56  f.,  Schöne  ann.  1866,  S.  152  f.).  Vergleicht 
man  die  ältere  Form  des  Übergangs  zwischen  Griff  und  Spiegelrund,  sowie  den  noch  weni- 
ger entwickelten  Tierkopfgriff  mit  den  Spiegeln  eigenster  „pränestinischer"  Form,  wie  sie  in 
späteren  Cisten  gefunden  sind  (z.  B.  ann.  1866  n.  2  und  Gerhard,  T.  LXXIII,  ann.  1866 
n.  3  und  Gerhard,  CCCL,  ann.  1866  n.  4  und  Inghirami,  mon.  etr.  II  T.  11,  ann.  1866 
n.  8  und  Gerhard,  CCXXXVI,  ann.  1866  n.  18  und  Klügmann-Körte,  T.  43),  so  darf  man 
vermuten,  dass  jener  Spiegel  trotz  der  nachlässigen  Zeichnung  wirklich  älter  als  die 
letzteren  ist  und  gleiches  Alter  mit  der  Ficoronischen  Ciste  hat.  Alle  die  erwähnten  mit 
eigentlichen  pränestinischen  Cisten  gefundenen  Spiegel  haben  nach  ihrem  Stile  mit  den 
etruskischen  wenig  gemein,  sondern  sind  Zeugen  einer  nationalen,  von  griechischen  Ein- 
flüssen beherrschten  Kunstübung. 

An  den  Spiegeln  war  der  Unterschied  zwischen  etruskischer  und  latinischer  Kunst 
leichter  klar  zu  machen,  da  sowohl  von  etruskischen  wie  latinischen  Spiegeln  aus  der- 
selben Zeit  eine  grosse  Anzahl  vorhanden  ist.  Etwas  anders  liegt  die  Sache  bei  den 
Cisten,  da  wir  bis  jetzt  zu  wenig  etruskische  besitzen,  die  mit  Gravierungen  geschmückt 
sind.  Indessen  leuchtet  bei  einem  Vergleiche  des  Stils  der  betreffenden  latinischen 
Spiegel  mit  pränestinischen  Cisten  ohne  weiteres  ein,  dass  jenes  Resultat  auch  für  die 
Cisten  gilt. 

Wir  haben  oben  S.  24  f.  dargelegt,  dass  die  unteritalisch-griechische  und  die  in 
latinisch-griechischen  Fabriken  des  südlichen  Etruriens  geübte  Vasenmalerei  nicht  ohne 
Einwirkung  auf  die  Verzierung  der  Cisten  geblieben  ist.  Andererseits  haben  wir  aber 
auch  an  einer  bestimmten  Gerätegattung,  den  Bronzeurnen,  kennen  gelernt,  zu  welcher  Be- 
deutung es  die  unteritalisch-griechische  Gravierkunst  gebracht  hat.  Wir  sehen  uns  daher 
zur  Frage  gedrängt,  ob  nicht  diese  selbst  für  Mittelitalien  und  spez.  die  latinische  Kunst 
von  grösserer  Wichtigkeit  gewesen  sei,  als  man  bis  jetzt  angenommen. 

Es  dürfte  also  am  Platze  sein,  uns  mit  der  unteritalisch-griechischen  Graviertechnik 
etwas  näher  zu  beschäftigen.     Wir  haben    unteritalisch-griechisch    gesagt,    ohne    deshalb 


zweifle  daher  nicht,  dass  sie  in  Präneste  nur  in  Nachahmung  der  etruskischen  entstanden  ist.  Jener 
Spiegel  zeigt  nach  Gerhards  (stilgetreuer?)  Publikation  allerdings  gegenüber  dem  genannten  etrus- 
kischen freiere  Zeichnung,  doch  ist  sie  immer  noch  etwas  strenger,  als  wie  wir  sie  auf  den 
eigentlichen  pränestinischen  treffen;  auch  die  Form  ist  noch  etwas  älter.  Also  könnten  wir 
immerhin  ein  etruskisches  Vorstadium  jener  eigentlichen  Birnform  darin  erblicken,  wie  etwa 
Gerhard,  etr.  Spiegel  CDXIX  und  CCLXXXVI.  i. 


72 

uns  eine  einheitliche,  das  ganze  griechische  Unteritalien  umfassende  Kunstübung  vorzu- 
stellen. Vielmehr  müssen  wir  auch  in  der  Metallindustrie  ganz  entsprechend  wie  in  der 
Keramik  die  verschiedenartigsten,  z.  T.  auf  Stammesverschiedenheit  der  Meister  beruhen- 
den Richtungen  voraussetzen. 

Doch  fehlt  es  über  diese  Fragen  noch  fast  gänzlich  an  Vorarbeiten,  so  dass  wir 
es  nicht  als  unsere  Aufgabe  ansehen  können,  hier  ein  erschöpfendes  Bild  zu  geben.  Viel- 
mehr begnügen  wir  uns  damit,  verschiedene  einschlägige  Fragen  in  Anregung  zu  bringen 
und  einige  in  dieser  Hinsicht  wichtige  Gegenstände  der  Karlsruher  Sammlung  vorzulegen. 

Bei  der  Kostbarkeit  und  Vergänglichkeit  des  Materials  einerseits,  sowie  in  Anbe- 
tracht der  immer  noch  sehr  beschränkten  Ausgrabungen,  ist  es  begreiflich,  dass  feinere 
Metallarbeiten  aus  älterer  Zeit  nur  in  verhältnismässig  geringer  Anzahl  vorhanden  sind.  Doch 
lässt  sich  die  —  häufig  noch  nicht  genügend  gewürdigte  —  Bedeutung  der  Metallindustrie 
der  älteren  Zeit,  auch  abgesehen  von  den  litterarischen  Nachrichten,  durch  ihre  Einwirkun- 
gen auf  weniger  dem  Untergang  ausgesetztes  Material,  vor  allem  die  Vasen,  erkennen. 
Diese  ausgesprochene  Abhängigkeit  der  Keramik  von  den  Metallgefässen  ist  schon  in  der 
mykenischen  Periode  klar.  Sie  tritt  aber  noch  deutlicher  hervor  in  den  auf  jene  folgen- 
den Entwicklungsphasen,  sowohl  in  Griechenland  wie  in  Italien,  hier  bis  jetzt  am  deut- 
lichsten in  der  sog.  Villanovaperiode.  Ausser  den  Nachbildungen  in  gewöhnlichem  Thon 
mit  geometrischer  Verzierung  ist  es  die  sog.  red-ware-  und  bucchero-Ware,  welche  sich 
im  Osten,  auf  den  Inseln,  in  Sizilien  und  ganz  Italien  findet  und  aufs  deutlichste  die 
Nachahmung  von  Metallvorbildern  bekundet.  Seit  Beginn  der  Villanovaperiode  riefen, 
wie  wir  schon  oben  sahen,  vom  Osten  importierte  Metallwaren  allenthalben  lokale  Imi- 
tationen in  Thon  wach,  auch  Geräte,  deren  Form  nur  auf  Metall  berechnet  war.  Und  zwar 
wurde  nicht  allein  die  Form  des  Metallgegenstandes  nachgeahmt,  sondern  auch  seine 
Verzierung.  Häufig  wird  Farbe  und  Glanz  des  Metalls  wiederzugeben  versucht;  vor 
allem  aber  sind  in  den  Thonerzeugnissen  dieser  Zeit  alle  diejenigen  Techniken  ange- 
wandt, die  zur  bildlichen  Verzierung  des  Metallkörpers  zu  dienen  pflegen.  Bald  sehen 
wir  eingravierte  Figuren,  bald  Reliefschmuck,  bald  eingepresste,  ja  auch  durchbrochene 
Verzierung,  je  nachdem  die  Metallvorlage  oder  der  Geschmack  es  eingab.  In  Bologna  und 
der  eigentlichen  Villanovagruppe  herrscht  die  Verzierung  durch  Einstempeln  von  aussen 
vor,   auf  den   bucchero  -  Gelassen   Etruriens   ist  das  Relief  häufiger'),    in   Falerii  finden 


i)  Die  ältere,  ganz  dünne  bucchero-Ware  ist  allerdings  meist  graviert,  namentlich  die  Näpfe, 
wie  es  auch  ihre  Vorbilder  in  Gold  oder  Silber  waren  (vgl.  z.  B.  den  bucchero-Napf  aus  Vetulonia, 
Not  1887  T.  XVI,  fig.  6  und  sein  Vorbild  aus  vergoldetem  Silber  fig.  i.  Die  eingravierten  Tiere 
eines  bei  Vulci  gefundenen  bucchero-Gefässes  (Micali,  Mon.  in.  T.  XXXIV.  i)  deuten  ebenfalls  sicher 
auf  eine  Metallvorlage  wie  die  pränestinische  Silberciste  mit  ihren  silhouettenartigen  eingravierten 
Tieren. 


73 

wir  überwiegend  Gravierung,  in  Unteritalien  alle  diese  Erscheinungen  neben  einander. 
Durch  dieses  Übergewicht  der  Metallindustrie  erklärt  sich  auch  das  zeitweise  Zurück- 
treten der  Bemalung  der  Gefässe,  namentlich  für  die  den  griechischen  Centren  ferneren 
Gegenden,  so  besonders  in  Bologna.  Aber  auch  die  älteren  griechischen  und  italischen 
Vasengattungen  mit  Bemalung  zeigen  sämtlich  jene  Abhängigkeit,  sowohl  diejenigen  des 
geometrischen  Stiles  als  die  ihnen  folgenden  mit  freierem,  figürlichen  Schmuck.  Es  ist 
dies  bereits  für  die  einzelnen  älteren  Vasenklassen  da  und  dort  hervorgehoben  worden, 
ohne  dass  man  aber  die  Gesamterscheinung  genügend  gewürdigt  hätte'). 

Wir  können  uns  hier  nur  auf  die  Besprechung  derjenigen  Gattungen  beschränken, 
welche  besonders  für  Unteritalien  in  Betracht  kommen.  Was  gewisse  unteritalische  geo- 
metrische Vasen  anlangt,  verweise  ich  auf  die  Ausführungen  Winters,  Athen.  Mitth.  XII 
(1887),  S.  240  f.  und  Furtwänglers,  Berl.  Phil.  Wochenschr.  1888,  S.  1453.  Dass  ferner  die 
sog.  proto-korinthischen  Vasen,  welche  in  Unteritalien  so  zahlreich  gefunden  werden  und 
wahrscheinlich  später  hier  auch  fabriciert  wurden,  ihren  eigentlichen  Ursprung  aber  aller- 
dings ausserhalb  Italiens  haben,  von  orientalischen  Metallgefässen  abhängen,  ist  allgemein 


i)  Diese  Abhängigkeit  der  Keramik  von  der  Metalltechnik  in  der  älteren  Zeit  hängt 
natürlich  eng  mit  dem  vom  Orient  über  den  Westen  ausgeübten  Einfluss  zusammen,  da  man 
im  Orient  stets  dem  kostbareren  Material  den  Vorzug  gab. 

Eine  ähnliche,  doch  weniger  allgemeine  Erscheinung  steht  am  Ende  der  schwarzfigurigen 
Vasenmalerei,  wie  sie  namentlich  die  Erzeugnisse  der  Werkstatt  des  Nikosthenes  verraten. 
Löschcke  hält  diese  plötzlich  hervortretende  plastische  Richtung  für  das  Resultat  eines  starken 
Importes  tyrrhenischen  Erzes  nach  Athen  (Arch.  Ztg.  1881,  S.  37  f.).  Mir  ist  es  wahrscheinlicher, 
auch  wenn  man  in  der  Beschränkung  der  etruskischen  Metallindustrie  nicht  so  weit  geht,  wie  es 
jetzt  Furtwängler,  Olympia  IV,  S.  74  thut,  dass  dies  erneute  Aufkommen  der  Metallwaren  und 
ihres  die  Keramik  beherrschenden  Einflusses  wesentlich  mit  dem  Niedergang  der  Malerei  in 
schwarzfiguriger  Technik  selbst  zusammenhängt,  die  in  der  Gunst  des  Publikums  gesunken  war, 
vielleicht  auch  secundär  mit  verstärkten  kleinasiatischen  Beziehungen. 

Für  diese  Auffassung  scheint  mir  auch  die  gleiche  Erscheinung  am  Ende  der  Vasenmalerei 
überhaupt  zu  sprechen.  Nachdem  schon  von  der  Mitte  des  vierten  Jahrhunderts  ab  mit  dem 
beginnenden  Rückgang  der  rotfigurigen  Malerei  an  verschiedenen  Orten  Vasengattungen  ent- 
standen sind,  welche  Metallgefässe  imitieren,  indem  sich  namentlich  das  Relief  neben  der  Malerei 
Geltung  verschafft,  finden  wir  um  die  Mitte  des  dritten  Jahrhunderts,  nachdem  die  rotfigurige 
Malerei  auch  in  ihrer  Nachblüte  gänzlich  in  Verfall  geraten  ist,  allenthalben  nur  Reliefgefässe,  die 
noch  häufig  durch  Vergoldung  oder  Versilberung  die  Ähnlichkeit  mit  solchen  aus  Edelmetall  zu 
erhöhen  suchen,  deren  Wertschätzung  wir  aus  der  Littcratur,  jetzt  auch  aus  den  Dclischen 
Tempelinventaren  zur  Genüge  kennen.  Dies  Stadium  setzt  dann  die  bekannte  calenische,  nie- 
garische  und  aretinische  Ware  fort. 

Die  Thatsache,  dass  sich  die  zeichnende  Kunst,  nachdem  sie  in  der  Vasenmalerei  bereits 
in  Verfall  geraten,  noch  eine  Zeitlang  auf  Metall  hielt  (Cisten-  und  Spiegelgravierungen),  ist  auch 
gerade  in  diesem  Zusammenhang  leichter  erklärlich. 


74 

anerkannt  *).  Auch  auf  die  vielfachen  Anknüpfungspunkte  zwischen  dieser  Vasenklasse 
und  den  im  vorigen  Kapitel  behandelten  unteritalischen  Urnen  wurde  schon  gelegentlich 
hingewiesen  (vgl.  v.  Duhn,  ann.  1879,  S.  140);  speziell  vergleicht  Furtwängler  mit  den 
Tieren  einer  Lekythos  dieser  Gattung,  bei  denen  Aussenkonturen  und  Innenzeichnung 
aufs  sorgfältigste  graviert  sind,  diejenigen  der  Metallurne  mit  dem  „Cacus"-abenteuer 
und  bemerkt:  „sie  erscheinen  wie  zwar  etwas  verwilderte,  doch  ächte  Abkömmlinge 
derselben  Auffassung,  die  uns  auf  jener  Lekythos  begegnen"  (Arch.  Ztg.  1883,  S.  161). 
Doch  giebt  es  auch  in  Thon  Nachahmungen  jener  Urnen  selbst,  die  noch  in  verhältnis- 
mässig später  Zeit  jenen  Zusammenhang  verraten  (vgl.  z.  B.  Gerhard,  A.  V.  111,  T.  194, 
Studniczka,  Jahrb.  V,  S.  146,  Anm.  21).  Ausserdem  berührt  uns  hier  die  von  Dümmler, 
Rom.  Mitt.  II,  S.  171  f.  behandelte  Gattung,  deren  Ursprung  D.  im  Osten  sucht,  während 
sie  Furtwängler  dem  unteritalischen  Kyme  zuweist  (Wochenschr.  f.  kl.  Phil.  1887,8.1525, 
Arch.  Anz.  1889,  S.  51  f.).  Ferner  kommen  die  Caeretaner  Hydrien  in  Betracht,  für 
welche  D.  ebenfalls  ostgriechische  Abstammung  in  Anspruch  nimmt  (Rom.  Mitt.  III, 
S.  166  f.),  und  die  von  ihnen  abgeleitete  Gattung,  die  D.  in  einer  unteritalischen  Stadt 
entstanden  denkt  (Rom.  Mitt.  III,  S.  174  f.).  Meines  Erachtens  lässt  sich  für  die  genannten 
Vasengattungen  nicht  ableugnen,  dass  viele  Indizien  nach  dem  Osten  zeigen  *),  indessen 
ist  jede  nähere  Fixierung  bis  jetzt  reine  Vermutung.  Begründet  scheint  aber  die  Annahme, 
dass  beide  Gattungen  in  einer  griechischen  Stadt  Unteritaliens  Nachahmung  und  Fort- 
setzung gefunden  haben.  Schon  Dümmler  hat  für  die  erste  Klasse  auf  den  Einfluss  von 
Metallvorbildern  hingewiesen  (Rom.  Mitt.  II,  S.  183,  S.  177,  Anm.  i,  namentlich  auf  die  Be- 
ziehungen zur  Bronzeurne  von  Capua  Mon.  V.  25).  Derselbe  ist  besonders  klar  bei  einer 
mit  jener  Gattung  verwandten  Amphora  aus  La  Tolfa  der  Karlsruher  Sammlung,  die  ich 


1)  Vgl.  zuletzt  C.  Smith,  journ.  of  hell.  stud.  XI,  S.  167  f.  Belehrend  ist  ein  Vergleich  der 
Tierstreifen  solcher  protokorinthischer  Gefässe  mit  denen  „phönikischer"  Balsamarien  des  achten 
und  siebten  Jahrhunderts  (mit  Relief  und  Gravierung),  wie  sie  namentlich  auf  Rhodos  gefunden 
sind  und  bei  denen  die  Abhängigkeit  von  Metallvorbildern  ganz  auf  der  Hand  liegt  (z.  B.  Musee 
Napoleon  III,  pl.  XLIX,  Perrot-Chipiez,  bist,  de  l'art  III,  pl.  V.  VI,  S.  681  f.).  Nach  der  geläufigsten 
Ansicht  sind  diese  protokorinthischen  Vasen  altchalkidisch.  Ob  aber  nicht  der  Umstand,  dass 
unter  den  protokorinthischen  Gefässen  die  für  Öle,  Salben,  Wohlgerüche  bestimmten  Formen 
der  Alabastra,  Lekythoi  etc.  einen  so  grossen  Raum  einnehmen,  einen  Fingerzeig  für  die  Urheimat 
dieser  Gattung,  den  Osten  giebt,  zumal  sie  sich  auch  in  den  öfters  besprochenen  Gräbern  des 
Typus  Regulini-Galassi  finden?  Später  wurden  sie  offenbar  an  den  verschiedensten  Orten  mit 
ungleichem  Glück  imitiert. 

2)  Vgl.  z.  B.  das  Bronzerelief  bei  Perrot-Chipiez,  bist,  de  l'art  III,  S.  813,  fig.  565,  das  aus 
der  Salfschen  Sammlung  syrischer  und  ägyptischer  Altertümer  stammt. 


75 

Jahrb.  IV,  T.  5.  6,  n.  2  (vgl.  S.  222  f.)  veröffentlicht  habe ').  Hier  sind  nicht  nur  die  Um- 
risse und  gewöhnliche  Innenzeichnung  mit  ausserordentlicher  Sicherheit  (z.  T.  wie  mit  dem 
Lineal  gezogen)  graviert,  sondern  auch  eine  Reihe  Einzelheiten,  wie  die  Federn  der  Flügel, 
durch  scharfe  und  sichere  Einritzungen  bezeichnet.  Dieselben  Einwirkungen  der  Metall- 
industrie lassen  sich  auch  bei  der  zweiten  Klasse  nachweisen,  die  übrigens  noch  eine 
ganze  Anzahl  anderer  Gefässformen  umfasst,  als  man  bis  jetzt  festgestellt  hat.  Natürlich 
sind  solche  vorbildliche  Metallgefässe  aus  den  oben  angeführten  Gründen  nur  sehr  selten 
erhalten.  Doch  ist  das  Karlsruher  Museum  in  der  glücklichen  Lage,  ein  derartiges,  bis 
jetzt  wohl  einzig  dastehendes  Exemplar  zu    besitzen,   das  im  Stande  ist,    uns  eine  Vor- 


2)  Die  Karlsruher  Vase  ist  von  Wichtigkeit,  weil  sie  mit  Sicherheit  zeigt,  dass  in  dieser 
Kunstrichtung  die  aufgetragene  weisse  Farbe  bei  Frauenfiguren  bisweilen  fehlt.    Ich  hebe  dies  her- 


76 

Stellung  von  jenen  die  Keramik  beherrschenden  Metallvorbildern  zu  geben.  Es  ist  eine 
bei  S.  Ginesio  bei  Tolentino  gefundene  Bronzekanne,  die  auf  dem  Bauche  einen  Tierstreif 
in  flachem  Relief  zeigt ')  (Abbildung  auf  der  vorhergehenden  Seite). 

Die  Figuren  sind  nicht  von  innen  herausgetrieben,  so  dass  man  nicht  von 
eigentlicher  Treibarbeit  reden  kann.  Vielmehr  wurden  die  Konturen  nach  der  Ansicht 
eines  Sachverständigen  mit  einem  starken  Schrotpunzen  traciert  und  dann  mit  einem 
Flachpunzen  gesetzt  d.  h.  abgestuft  und  überschliffen.  Die  sehr  sorgfältige  und  feine 
Innenzeichnung  scheint  geschlagen  zu  sein.  Zu  beachten  ist  namentlich  die  Art,  wie 
die  Muskulatur  angedeutet  ist,  die  feine  Strichelung  am  Bauche  und  im  Gesichte  mancher 
Tiere,  die  Punktierung  in  den  Ohren  des  linken  Panthers  zur  Bezeichnung  der  hier  zu 
beobachtenden  feinen  Haare  u.  a.,  Einzelheiten,  die  wir  auch  bei  den  zuletzt  betrachteten 
Vasen  häufig  durch  Gravierung  angegeben  finden.  Und  thatsächlich  steht  die  Bronze- 
kanne der  ersten  von  Dümmler  behandelten  Gattung  nahe.  Man  vergleiche  nur  den 
sitzenden,  die  Pranke  erhebenden  Panther  mit  entsprechenden  Darstellungen  jener  Vasen. 
Auch  die  Lotosstaude  begegnet  uns  häufig  in  diesem  Kreise.  Dagegen  sind  bei  jener  Gat- 
tung bisher  keine  Tierkämpfe  nachgewiesen,  wenn  sie  sich  auch  wahrscheinlich  noch  fin- 
den werden  (vgl.  Rom.  Mitt.  II,  S.  i8o  f ).  Auch  die  etwas  in  die  Länge  gezogenen  Körper- 
formen sind  hier  unbekannt.  Können  wir  also  die  Bronzekanne  auch  nur  als  jener 
Klasse  nahestehend  bezeichnen  ^),  so  ist  doch  kein  Zweifel,  dass  ähnliche  Metallvorbilder 
auch  auf  jene  Vasengattung  eingewirkt  haben. 

Andere  Zeugnisse  dieser  unteritalischen  Metallindustrie  sind  eine  Reihe  von  Bronze- 
reliefs,  die   wir  bei  Besprechung  der  Reliefs  von  Bomarzo  erwähnt  haben.     Schon  dort 


vor,  weil  neuerdings  wiederum  aus  diesem  Grund  an  den  Amazonen  der  Amphora  Mus.  Greg.  II 
T.  29,  2  gezweifelt  worden  ist  (Deloraine  Corey,  de  Amazonum  antiquissimis  figuris,  Berlin,  diss. 
1891,  S.  83,  Anm.  i).    Vgl.  auch  v.  Duhn,  Atti  e  Memorie  etc.  ser.  III,  vol.  VIII,  S.  17. 

i)  Vgl.  Silveri-Gentiloni,  Not.  1886,  S.  41,  Schumacher,  Arch.  Anz.  1890,  S.  5,  Karlsruher 
Bronzenkatalog,  n.  527. 

2)  Die  Kanne  ist  in  einer  tomba  a  fossa  zusammen  mit  einem  prachtvollen  Bronzeeimer 
(Bronzenkatalog  n.  632)  und  einer  Reihe  von  Gegenständen  gefunden,  die  aber  sämtlich  etwas 
jünger  als  die  Kanne  sind  (vgl.  z.  B.  die  Silensmaske  Not.  1886,  S.  45,  fig.  G.).  Löschckc  bezeichnet 
den  Eimer  in  seinem  Programm  „Boreas  und  Oreithyia",  S.  10  als  chalkidische  Arbeit.  Doch 
kann  er  ebensogut,  wie  auch  die  Kanne,  einer  nicht  chalkidischen  Kolonie  Unteritaliens  angehören. 
Z.  B.  enthält  der  Hinweis  auf  Tarent,  den  Silveri-Gentiloni  Not.  1886,  S.  48  macht,  m.  E.  keine  Un- 
möglichkeit, wie  tarentiner  Münz-  und  Tcrracottenfunde  lehren  (vgl.  auch  Heibig,  d.  hom.  Ep.^  S.  44 
und  Rend.  d.  R.  Accad.  d.  Line.  1889,  S.  79).  Die  Verzierung  des  Eimers,  die  in  gleicher  Weise 
wie  diejenige  der  Kanne  hergestellt  ist,  zeigt  übrigens  dasselbe  Princip  wie  die  der  Cisten.  Die 
Palmetten-Lotoskette  am  oberen  Rand  ist  abwärts  gerichtet,  diejenige  am  Fusse  zweiteilig.  Man 
beachte  die  Form  der  ,Lotos"-blOten  (Abbildung  S.  77). 


77 


haben    wir   auf  die  engeren  Beziehungen  zwischen  ihnen  und  der  von  Dümmler  Gross- 
griechenland zugesprochenen  Vasenklasse  hingewiesen. 

Auch  das  Karlsruher  Museum  besitzt  einige  archaische  Bronzereliefs,  bei  denen 
man  an  grossgriechischen  Ursprung  denken  kann.  Es  ist  vor  allem  das  wichtige  Relief 
aus  Canino  (Bronzenkatolog  n.  268,  T.  VI.  i),  welches  Furtwängler,  Olympia  IV,  S.  104 
für  die  Arbeit  einer  grossgriechischen  Kolonie  hält.  Es  ist  älter  als  die  eben  erwähn- 
ten Reliefs  und  erinnert  an  manche  red-ware-Darstellungen,  die  sicher  ihren  Weg  von 
Kleinasien  nach  Sizilien  und  Unteritalien  und  von  da  nach  Etrurien  gemacht  haben. 
Auch  ein  zweites  noch  etwas  älteres  Relief  der  Karlsruher  Sammlung,  das  gleichfalls  aus 
Canino  stammt  (Bronzenkatalog  n.  269,  Taf.  VI.  2)  findet  seine  nächsten  Parallelen  in 
sizilianischen  Terracottareliefs,  namentlich  einer  bestimmten  Art  von  Kastenreliefs,  die 
offenbar  auch  Metallverkleidung  imitieren  (bei  Kekule,  Terracotteft  von  Sizilien  z.  B. 
T.  LV.  2  und  andere  des  Karlsruher  Museums).  Schliesslich  könnten  auch  die  beiden 
ebenfalls  in  Etrurien  gefundenen  Bronzereliefs  mit  der  schönen  Palmette  und  den  Löwen 
(Katalog  n.  270)  ganz  gut  von  Unteritalien  oder  Sizilien  eingeführt  sein,  wo  sich  das  von 
mir  reconstruierte  Schema  auf  Terracotten  öfters  nachweisen  lässt  *).    Doch  vertreten  die 


i)  Zur  Zusammenstellung  der  beiden  Reliefs  zu  dem  umstehenden  Schema  führten  mich 
folgende  Erwägungen.  Auf  der  einen  Basis  sind  die  Löwen  verkehrt  dargestellt.  Da  ein  Ver- 
sehen  bei  der  Sorgfalt  der  ganzen  Ausführung  und  besonderen  Andeutung  des  Bodens  ausge- 


7« 

eben  in  Betracht  gezogenen  Reliefs  des  Karlsruher  Museums,  bei  einer  ganzen  Reihe 
von  Berührungspunkten  mit  der  erwähnten  Gattung  von  Bronzereliefs,  doch  eine  etwas 
abweichende  Richtung.  In  Hinsicht  auf  die  Technik  ist  hervorzuheben,  dass  neben  der 
Treibarbeit  keine  Gravierung  angewandt  ist. 

Weiter  kommen  hier  in  Betracht  eine  Anzahl  von  Waffenstücken  aus  unteritalischen 
Gräbern,  Arm-  und  Beinschienen,  Rossstirnen  und  Rossbrustschilde,  die  meist  mit  bild- 
lichem Schmuck  versehen  sind.  Am  reichsten  sind  sie  in  den  Museen  von  Neapel, 
Karlsruhe  und  London  vertreten.  Da  sie  von  Furtwängler,  Olympia  IV,  S.  159  f.  eine 
glänzende  Behandlung  erfahren  haben,  kann  ich  mich  kürzer  fassen.  Man  hält  sie  mit 
einiger  Wahrscheinlichkeit  für  chalkidisches  Fabrikat  (Six,  de  Gorgone,  S.  21,  journ.  of 
hell.  stud.  VI,  S.  283  f.,  Furtwängler  bei  Röscher,  Lex.  d.  Myth.,  S.  1714).  Charakteristisch 
für  die  meisten  ist  die  Vereinigung  von  Treib-  und  Ciseliertechnik.  Ich  gebe  hier  eine 
Zeichnung  von  dem  vortrefflichen  Schmuck  einer  Karlsruher  Pferdebrust  (Bronzenkatalog 
n.  787,  T.  XXI),  weil  auf  dem  Lichtdrucke  des  Katalogs  die  Einzelheiten  weniger  deut- 
lich zu  erkennen  sind.    Das  Relief  ist  ziemlich  hoch,  namentlich  tritt  der  Kopf  sehr  stark 


schlössen  scheint,  ist  anzunehmen,  dass  die  betr.  Palmette  abwärts  gerichtet 
war.  Für  sich  allein  dürfte  dies  kaum  seinesgleichen  haben.  Wir  werden 
so  dazu  geführt,  die  beiden  Reliefs  zusammenzustellen.  Als  ich  dieses  mit 
den  Originalen  that,  zeigte  es  sich,  dass  auf  der  zweiten  Basis  alle  die- 
jenigen Teile  der  Löwen  fehlten,  welche  auf  der  Platte  mit  der  abwärts 
gerichteten  Palmette  vorhanden  waren  und  die  beiden  Basen  nur  moderner 
Ergänzung  ihre  Vollständigkeit  verdankten.  Es  war  dadurch  der  ur- 
sprüngliche Zusammenhang  der  beiden  Platten  gesichert.  Übrigens  sah  ich 
später  bei  einem  Besuche  des  römisch-germanischen  Museums  in  Mainz,  dass 
auch  Lindenschmit  die  Nachbildungen  in  gleicher  Weise  hat  zusammen- 
stellen lassen.  —  Das  Schema  selbst  ist  ein  uraltes.  Wir  finden  es  schon 
in  der  assyrischen  Architektur,  dann  wieder  in  dem  Kreise  der  myke- 
nischen  Kultur  auf  Steinfriesen,  aber  auch  auf  Elfenbein-  und  Smalt- 
*  plättchen,  die  zur  Flächenverkleidung  dienten  (vgl.  Schliemann,  Mykenä, 
S.  109,  fig.  151,  Tiryns  T.  IV,  Heibig,  hom.  Ep.-,  S.  73  f.,  Schuchhardt, 
Schliemanns  Ausgrabungen,  S.  141,  318,  ijfJJ/^.  «/'/.  1888,  T.  8,  n.  11).  Da  unser  Relief  ringsherum 
Nagellöcher  zeigt,  kann  kein  Zweifel  sein,  dass  es  auf  Holz  befestigt  war,  und  zwar  jedenfalls 
in  vertikaler  Richtung.  Man  kann  an  ein  grösseres  Möbel  denken,  aber  auch  an  eine  Thür-  oder 
Wandverkleidung,  wobei  ich  nur  an  die  bekanntlich  auch  Metallvcrzierung  nachahmenden  Stein- 
reliefs der  Thüren  tarquinischer  und  anderer  Grabstätten  erinnere  (vgl.  den  Excurs  b.  Heibig, 
hom.  Epos*,  S.  433  f.,  bes.  S.  442,  Furtwängler,  Olympia  IV.,  S.  104,  auch  die  Palmette  Mus.  Greg. 
T.  XVI).  Eine  ähnliche  Sitte  ist  uns  spez.  von  Syrakus  überliefert  (vgl.  Cnrtius,  d.  arch.  Bronze- 
relief aus  Olympia,  S.  j  und  die  Metall  imitierenden  Kastenrelicfs  bei  Kekule,  die  Terracotten 
von  Sizilien,  S.  46  f.). 


'*' 


79 


8o 


heraus,  die  Details  sind  sorgfältig  graviert.  Für  die  Datierung  ist  namentlich  die  altertüm- 
liche Form  der  Palmetten -Lotoskette  zu  beachten,  welche  noch  sehr  an  die  oben  erwähnte 
assjrische  Bildung  erinnert  (S.  40,  vgl.  Layard,  Mon.  of  Nin.,  pl.  56).  Eine  zweite,  ebenfalls 
in  Karlsruhe  befindliche  Pferdebrust,  die  mit  einem  archaischen  Gorgoneion  geschmückt  ist 
(n.  786),  hat  zwei  gleiche  noch  besser  erhaltene  Gegenstücke  in  Neapel  (Fiorelli,  armi 
antiche  n.  52,  53,  aus  Ruvo),  deren  Seitenteile  mit  Stieren  verziert  sind,  wie  sie  gerade 
auf  den  besprochenen    grossgriechischen  Vasen  öfters  vorkommen  '). 

Noch  wichtiger  sind  die  zahlreich  in  Unteritalien  und  Sizilien  gefundenen  Helme 
mit  Gravierungen,  die  ebenfalls  Furtwängler  behandelt  hat.  Dieselben  zeigen  in  deutlicher 
Weise  dieselbe  Erscheinung,  die  wir  bei  der  Betrachtung  der  grossgriechischen  Vasen 
und  Metallreliefs  gefunden  haben,  dass  nämlich  zu  gleicher  Zeit  verschiedene  Kunstrich- 
tungen nebeneinander  blühen.  Einerseits  sehen  wir  eine  Gruppe  von  Helmen,  die  mit 
einiger  Wahrscheinlichkeit  Kyme  oder  der  chalkidischen  Kunst  zugesprochen  werden 
können ;  ihr  gegenüber  steht  eine  zweite  nach  Form  und  Verzierungsweise  abweichende 
Gruppe,  welche  bis  jetzt  aber  nicht  näher  fixiert  ist.  Eine  Zusammenstellung  der  letzteren, 
für  uns  durch  ihre  reicheren  Gravierungen  wichtigeren,  hat  Furtwängler,  Olympia  IV, 
S.  169  gegeben*).  Leider  sind  meines  Wissens  bis  jetzt  ausser  denjenigen  der  beiden 
Karlsruher  Helme  (Bronzenkatalog,  S.  131)  keine  dieser  Gravierungen  publiziert.  Ein  Teil 
derselben  reicht  noch  zweifelsohne  hoch  in  das  sechste  Jahrhundert  hinauf  Auch  der 
eine  Karlsruher  Helm  mit  der  Darstellung  des  Kampfes  zwischen  Löwe   und  Stier  gehört 


i)  Man  vergleiche  auch  die  Stiere  der  grossgriechischen  Vase  Rom.  Mitt.  III,  S.  175,  fig.  6 
mit  denjenigen  einer  gravierten  Bronzeplatte  von  Metapont  Amer.  journ.  1888,  S.  a8. 

2)  Ausserdem  sind  noch  zwei  Exemplare  in  Mailand  zu  nennen,  eines  in  der  Sammlung 
Ancona  (vgl.  Catalogo  T.  i,  n.  5)  und  eines  in  dem  Museum  Poldi-Pezzoli  (vgl.  Fondazione  artistica 
Poldi-Pezzoli,  Catalogo  generale,  S.  70).  In  der  letzteren  Sammlung,  die  eine  kleine,  wenig  be- 
kannte Kollektion  von  antiken  Waffen  hat,  befindet  sich  auch  ein  Hörn  der  in  meinem  Katalog 
n.  697  behandelten  Helm-Gattung  (vgl.  Furtwängler,  S.  169).  Das  von  Furtwängler  als  ältestes 
angesehene  Exemplar  befindet  sich  jetzt  im  Privatbesitz  in  Baden-Baden. 


8i 

noch  dem  sechsten  Jahrhundert  an,  wie  die  Form  der  Palmetten-Lotoskette  beweist.  Wir 
wiederholen  die  Zeichnung  dieser  Gravierung  (in  natürlicher  Grösse)  zwecks  eines  leichteren 
Vergleiches  mit  der  Abb.  S.  79.  Der  andere  Helm  in  Karlsruhe  mit  dem  Stier-Eberkampf 
und  Seebock  ist  offenbar  um  weniges  jünger,  was  sich  durch  den  Stil  der  Verzierung 
und  eine  kleine  Veränderung  der  Form  bekundet. 

Diese  Helmform  dauert,  nach  den  erhaltenen  Originalen  und  den  Darstellungen 
unteritalischer  Vasenbilder  zu  schliessen,  vom  sechsten  bis  zum  dritten  Jahrhundert. 
Wir  erhalten  also  durch  die  Gravierungen  dieser  Helme  ein  Parallelmaterial  zu  den 
besprochenen  unteritalischen  Urnen,  die  auch  bis  in  das  dritte  Jahrhundert  herabgehen 
(vgl.  V.  Duhn,  Rom.  Mitt.  II.,  S.  271).  Es  besteht  so  die  Hoffnung,  dass  wir  diese  unter- 
italische Graviertechnik  mit  der  Zeit  in  ihrer  Entwicklung  bis  zu  dem  Stadium  der  Fico- 
ronischen  Ciste  verfolgen  können.  Um  dieses  zu  ermöglichen,  ist  es  aber  vor  allem 
nötig,  dass  die  Gravierungen  der  besprochenen  Helme  in  stilistisch  getreuen  Zeichnungen 
und  mit  genauer  Angabe  der  Helmform  veröffentlicht  werden,  wozu  wir  durch  vorstehende 
Betrachtungen  ebenfalls  eine  Anregung  gegeben  haben  möchten.  Erst  dann  wird  es 
auch  möglich  sein,  die  aufgeworfene  Frage,  ob  diese  unteritalische  Gravierkunst  selbst  in 
bemerklicherer  Weise  auf  die  latinischen  Cistengravierungen  Einfluss  gehabt  hat,  mit 
grösserer  Sicherheit  zu  beantworten. 


82 


Verzeichnis  der  im  Texte  erwähnten  Metallcisten. 


ftnn. 

1866,  S.  15 

I  f.,  n.  1  (Ficoron. 

eiste) 

S. 

14. 

ann.  iBfifi  n.  48       67 

19.  23.  26. 

28. 

3°- 

31- 

36. 

»      » 49        36.  67 

37-  69-  71- 

81 

»      »  50        35-  50-  67 

n 

n 

n.  2 

71 

»      »  60       35.  36.  67 

n 

it 

»    3 

71 

„        „      „  63        12.  14.  17.  22 

n 

11 

»    4 

71 

»      »64        22 

n 

n 

n     6 

35-  50-  70 

»      » 65       67 

n 

u 

n 

n 

»    8 
.,    9 

71 
65-67.  71 

„        „     „  70    (Silberciste  von  Praeneste)  18. 
38-40.  43.  50.  51.  53.  54.  59.  72 

n 

II 

„  10 

35 

ann.  1870,  S.  334  f.  (Mon.  IX  T.  22.  23)       14.  24 

» 

n 

»  12 

51-  67 

„     1873,  S.  221  f.  (Mon.  IX  T.  58.  59)       13.  15 

n 

» 

-  15 

12.  15.  16 

„     1875,  S.  164  f  (Ciste  von  Moritzing)        6i 

n 

n 

„16 

(Cista  Napoleone) 

13- 

31- 

36. 

37 

„     1881  T.  P.  7  (von  Tolentino)        46 

n 

n 

»18 

18.  36.  67.  71 

bull.  1870,  S.  loi,  n.  6       8— II 

n 

n 

n  19 

14.  37  (Mon.  IX 

T. 

22. 

231 

1 

„       „    102,  n.  8        9 

n 

w 

„  21 

27 

„       „    102,  n.  9        9 

n 

H 

„  22 

12.  14.  21.  28 

Mon.d.l8t.Suppl.  T.  XIII.  XIV    (bull.  1869, 

n 

M 

»23 

12 

S.66)       11.37 

n 

n 

-27 

II.  12.  28 

*         ,            „           XV.  XVI         12.  15 

n 

n 

„28 

II.  28 

XIX.  XX          9.  15 

n 

n 

»29 

13.  a8.  31 

Zannoni,  scavi  della  Certosa  T.  LXXX,  1—5 

n 

n 

„30 

12.  22 

34-  36 

n 

H 

»34 

67 

T.  LXXX,  6       33 

n 

» 

»43 

35-    50 

T.  LXXX,  8        34 

» 

n 

»45 

36.67 

T.  CXLIX,  6        41 

n 

n 

»46 

67 

Oozzadini,  Marzabotto  (1879)  T.  14.  4        41 

n 

n 

»47 

35-  67 

83 


Register. 


Aegina,  Schüssel  von    54 

Atzverfahren    23 

Amazonen    66.  75 

Aretiner  Vasen    73 

Assyrische  Kunst    40.  54.  78.  80 

Atalanta-Peleusgruppe    9.  10.  16.  28 

Attische  Vasen,  frühster  Zeit    54.  63 
„  „        schwarzfigurige    73 

Bacchische  Darstellungen     11.  13.  16 

Badescenen  von  Frauen    6.  11.  12.  15.  18.  28 

Bologna,  Benaccigräber    42.  45.  46 
De  Luca-    „        33 
Arnoaldi-    „        41.  42.  64 
Giardino  Margheritagrbr.  29.  33.  34.  35 
Certosagräber    20.  42.  63.  64 
Gallische    „        19 
Thorrelief    47 
Grabstelen    21 
Museo  Civico    29  (Gefässhenkel) 

Bomarzo    57—60,  63,  67  (Bronzereliefs) 

Bucchero- Vasen    48.  72 

Cacus    70.  74 

Caeretaner  Hydrien    57.  74 

Calenische  Vasen     73 

Canino     77 

Canopensessel     50 

Capua    68 

Chalkidische  Kunst  46—48.  68—70.  74.  76.  78.  80 

eiste  a  cordoni    42—48.  57 

Cumae    46.  48.  63.  74 

Dionysos,  bärtig    13 

Dipylonvasen     48.  56 

Discerniculum     21.  22 

Durchbrochene  Arbeit    39.  51.  52 

Eimer,  siehe  Situla 

Elfenbeinciste  52,  55,  62,  63  (Chiusi).  56  (Menidi) 

Eros  mit  Baisamarium,  Hacke?    7.  27.  28 

Este,  Funde  von    44.  45.  46.  62—65 

Etniskisch-Kampanische  Vasen     19 

„  „  Spiegelkapseln    67 


25-  a6.  45.  46.  72 


8.  9.  IG.  28.  29.  31.  68.  69 


80.  81 


Fächer    22 

Falerii,  Funde  von     10. 

Feldereinteilung    51 

Fibeln    6?  18.  19.  47.  55 

Florenz,  Museo  Etrusco    26  (Krater  1944).   a8 

(Bronzekästchen  v.  Chiusi).  36  (kleine  Ciste) 
Füllmasse    23 

Füllornaniente    51.  53.  54.  59.  63.  64 
Gaukler    28.  29 

Geometrischer  Stil    41.  61.  62.  64.  72.  73 
Geryones    70 
Gigantomachie    59 
Graviertechnik    23 
Griffe  von  Cisten 
Gürtel    50 
Haarbinde    22 
Hacke    28 

Helme  mit  Gravierungen 
Hochzeitsfeier    12 
Kärnthen,  Funde  in    45 

Kleinasiatische  Kunst  40.  51.  54.  55.  57. 63.  74.  77 
Korinthische  Vasen    51.  54 
„Laufender  Hund"    60.  66 
Lasa    18—22 

Latinisch-griechische  Vasen     13.  24-26.  71 
Latinische  Kunst    70.     71 
La  Tolfa    74.  75  (Vase) 
Lederverzierung    49—52. 
Lötung    5.  68 
Matrei    64  (Situla) 
Marzabotto    41  (Ciste) 
Megarische  Vasen    73 
Melische  Vasen    54.  62 
Metallarbeiten,   ihr   Einfluss   auf  die  Keramik 

44-  45-  47-  48-  56.  61.  72-76 
Metapont     80    (Bronzeplatte) 
Moritzing    61,  64  (Ciste) 
Muschelschale    28 

Mykenische  Kultur    47.  56.  57.  72.  78 
Nidda    29  (Gefässhenkel) 


84 


Nikosthenes    73 

Olympia     54,  60  (Bronzeplättchen).    57  (Griff 
einer  Cistc?).    69 

Oppeano    63  (Helm) 

Paestum    60  (Kapitale) 

Palmettenband    41.  51 

Palmetten-Lotoskette    7.  27.  40.  54.  59.  60.  66. 

70.  76.  80.  81 
Peleus-Atalanta  siehe  Atalanta 
Pesaro    47  (Grabstelen) 
Pfahlbauten    45  (Gefösse) 
Pferderüstung    78—80 

Phönikische  Kunst    40.  47.  48.  51.  52.  55.  74 
„Phönikische  Palmette"    54 
Polledrara    51 

Protokorinthische  Vasen    (38).  54.  73.  74 
Pyxis    41.-56.  57 
Red-ware-Vasen    48.  72.  77 
Regulini-Galassi-Typus    38.  45.  51.  52.  54.  74 
Reliefvasen    25.  73 

Rhodische  Vasen    54.  60.  74  (balsamarien) 
Ringer    8.  29 
Silen    6.  16.  24.  34.  58.  67 
Situlen    44  (Thon).  45.  57.  61—65.  76  (von  To- 

lentino) 
Sizilien,  Funde  von  46  (vorhellen.  Thongefässc). 

47  (Grabthüren).  77.  78  (Terracotten) 


Spiegel,  Geschichte    18—21.  25.  32.  70.  71 
„        Darstellungen    6.  10.  17.  22 
„        mit  Badedarstellungen     11.  15 
„        mit  Lasen         „  18-21 

„        mit  Dioskuren-,  „Kabiren"    20 
„        mit  willktlrl.  Zusammenstell.     14.  20 

Suessula    68 

Tarent    46  (Cisten).    76 

Terracotten    59  (Unteritalien).  77,  78  (Sizilien) 

Tierkämpfc    7.  27.  70.  76.  80 

Tolentino  46  (Ciste).  76  (S.  Ginesio,  Bronze- 
kanne und  Eimer) 

Treppenmuster    49 

Unteritalisch-griechische  Metallarbeiten  57— 6a 
68-81 

Unterital.-griech.  Vasen :  geometrische    73 

„         des  VI.  Jahrh.    57.  74. 
75-  80 
„  „  „        des  III.  Jahrh.    11.  14. 

24.  26.  67 

Urnen,  Kanipanische  von  Bronze  68—70.  74.  81 

Veji  51, 54  (Wandgemälde  der grotta  Campana). 
55  (Ciste  oder  cistenähnlichcs  Geräte  aus 
Elfenbein  und  Metall) 

Vetulonia,  Funde  von    51.  54.  72 

Vulci  35,  43  (Cisten).  51,  55  (PoUedraraeier). 
65—67  (ovale  Ciste).   72  (Bucchero-Geföss) 

Watsch    64  (Situla). 


Druckfehler. 


S.  13  Zeile  7  lies  Mon.  IX  T.  LVIII.  LVIIII. 
„  15  Anm.1Zeile2liesM0n.IXT.  LVIII.  LVIIII. 
„  16  Zeile  28  lies  Reiterinn  en. 
„  21  Zeile  4  lies  im  Jahre  241. 
„  21  Zeile  7  lies  T.  407. 
„  21  Zeile  8  lies  T.  401. 
„  21  Anm.  2  Zeile  i  lies  T.  412. 1. 
„  25  unterste  Zeile  lies  med  Romai. 
„  28  Zeile  3  streiche  n.  22. 
„  35  Anm.  I  Zeile  3  lies  T.  13. 
,  36  Anm.  2  Zeile  4  lies  endigenden. 


S.  37  Zeile  22  lies  S.  339. 

„  54  Anm.  2  lies  S.  243  f. 

„  55  Zeile  23  und  28  lies  Chipiez  und  beneath. 

„  62  und  75  lies  Anm.  i. 

„  64  Zeile  5  von  unten  lies  ein  Hauptcentrum. 

„  70  Anm.  I  Zeile  3  lies  der  auf 

„  73  Anm.  I  Zeile  9  streiche  das  Citat  S.  74. 

„  74  Zeile  9  ist  der  Deinos  in  d.  Not.  d.  vasi 
dipinti  rino.  a  Cumae  1856  T.  XIII  ge- 
meint; vg.  auch  Furtw.  Olympia  IV,  S.  136. 


Die  Zeichnungen    sind    von    Herrn   Zeichenlehrer  M.  Dietz    in    Durlach,    die    Lichtdrucke 
von  der  Hoflichtdruckanstalt  J.  Schober  in  Karlsruhe  hergestellt. 


Universitäts-Buchdruckerei  von  J.  Hörning  in  Heidelberg. 


^■.- 


i  «-^f-'e»  SiU. 


August   Siebert   Verlagsbuchhandlung    in    Heidelberg. 


Gemeinsamer  Verlag  von  Hollieferant  C.  A.  Starke  in  Görlitz  und  August  SJebert  in  Heidelberg. 


Die  Wappen, 


Helmzi erden  und  Standarten  • 

der 

Urosseii  Heidelberger  Minnesängerliandschrift  (Manesse-Codex). 

und  der 

Weingartener-Handsehrift  in  Stuttgart. 

Mit    Einleitung    von 

Karl  ZangemeiBter 

O  bcrbi  bi  io  thckar   in   Heidelberg. 

Der  im  ersten  Drittel  des  14.  Jahrhunderts  hergestellte  Manessc-Lodcx,  vvclclicn  man  mit 
Recht  als  einer  ganzen  mittelhochdeutschen  Bibliothek  von  140  Handschriften  gleichwcrthig 
bezeichnet  hat,  ist  eine' unerschöpfliche  Fundgrube  für  die  Kultur  und  Litteratur  jener  Zeiten. 

Insbesondere  zeichnet  sich  der  mächtige  Band  aus  durch  die  138  Bilder,  mit  denen  die 
Liedersammlung  illustriert  ist.  Von  den  Künstlern  auf  Grund  langjährigen  Sammeins  nach 
eigener  Anschauung  des  damaligen  Lebens  geschaffen,  sind  diese  Malereien  als  getreue 
Zeugnisse  aus  jenen  Jahrhunderten  und  speziell  aus  der  Hohenstaufenzeit  für  uns  von  höchstem 
Werthe.  Namentlich  gilt  dies  auch  von  den  zahlreichen  in  der  Handschrift  enthaltenen  Wappen, 
Helmen  und  Standarten  der  fürstlichen  und  ritterlichen  Geschlechter:  kein  sonst  aus  dieser 
Zeit  bekannter  Codex  bietet  uns  eine  solche  Fülle  von  heraldischem  Material  in  gleicher  Voll- 
endung der  Darstellung.  Die  Detailforschung,  welcher  diese  Sammlung  einen  so  reichen  Schatz 
bietet,  hat  hier  noch  viele  Aufgaben  zu  lösen!  Die  Wappen  des  Codex  sind  authentischen 
Quellen  entnommen;  wir  sehen,  dass  die  Verfasser  in  Fällen,  wo  ihnen  die  irrdrdcrünhcn 
Angaben  fehlten,  es  vorzogen,  da.s  Wappen  leer  zu  lassen. 

Der  Oberbibliothekar  der  Heidelberger  Universität,  Herr  Holiath  rix)ics.-.ui  i*i.  Katl 
Zangemeister,  dem  besonders  die  Obhut  dieses  nationalen  Schatzes  anvertraut  ist,  hat  es 
in  Würdigung  des  hohen  Werthes  dieser  Publikation  nicht  nur  in  entgegenkommender 
Weise  übernommen,  die  Einleitung  zu  schreiben  und  jedem  Blatt  eine  kurze  Erklärung  beizu- 
geben, sondern  namentlich  auch  die  genaueste  Verglcichung  der  Drucke  mit  dem  Originale 
selbst  zugesagt,  wodurch,,  da  kein  Blatt  vor  seiner  Genehmigung  gedruckt  wird,  die  aller- 
treueste  Wiedergabe  dieser  unschätzbaren  Denkmale  vergangener  Zeiten,  sowohl  in  Zeichnung 
wie  in  Farben,  gewährleistet  ist.  Auch  regte  derselbe  die  gleichzeitige  Wiedergabe  des  eben- 
falls sehr  wichtigen  heraldischen  Materials  der 

'Weingartener-IIaiKlschritt  in  Stuttgart 

an,   wodurch  die  Publikation   noch  ganz  wesentlich  an  Werth  gewinnt. 

Seine  Königliche  Hoheit  Grossherzog  Friedrich  von  Baden,  rector  magniticentissimus 
der  Universität  Heidelberg,  der  Hohe  Beschützer  von  Kunst  und  Wi.ssen.schaft.  haben  AUer- 
gnädigst  geruht  die  Widmung  anzunehmen. 

Das  Werk  enthält  etwa  60  Tafeln  in  Farbendruck,  nebst  Einleitung,  Text  und 
InhaltBverzeichniss  in  Mappe.  Der  Subscriptionspreis  ist  auf  75  Mark  festgesetzt.  Es  bleibt  den 
geehrten  Bestellern  freigestellt,  üb  sie  das  Werk  auf  einmal  vollständig  in  Mappe  oder  in 
10  monatlichen  Lieferungen  ."i  7  Mk.  50  Pf  beziehen  wollen. 

Das  Ä'erzeichniss  der  Subscribenten  wird  dem  Werke  beigelegt.  Nach  Schluss 
der  Subsn-iption  wird  der  I^den^eis  auf  100  Mark  erhöht. 

Universitäts-Buchdruckerei  von  J.  Hörning  in  Heidelberg. 


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