MASTER
NEGA TIVE
NO. 91-80418
MICROFILMED 1991
COLUMBIA UNIVERSITY LIBRARIES/NEW YORK
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would involve violation of the Copyright law.
AUTHOR:
HUME, DAVID
TITLE:
UNTERSUCHUNG ÜBER
DEN MENSCHLICHEN
VERSTAND
PLACE:
LEIPZIG
DATE:
1920
COLUMBIA UNIVERSITY LIBRARIES
PRESERVATION DEPARTMENT
Master Negative #
BIBLIOGRAPHIC MICROFORM TARGET
Original Material as Filmed - Existing Bibliographie Record
P1.92H88
P821
■»■«•»».
Philosophlcal essays concerning
human under Standing« Qer«
Hume, David, 1711-1776.
Eine Untersuchung über den menschlichen Ver-
stand. 8. Aufl. hrsg. von Raoul Richter
Leipzig, Meiner, 1920
. .
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223 p. (Philosophische Bibliothek.
cNeue Aufl.a Bd. 35)
Restrictions on Use:
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DAVID HUME
EINE UNTERSUCHUNG
ÜBER DEN
MENSCHLICHEN VERSTAND
ACHTE AUFLAGE
HERAUSGEGEBEN VON
RAOUL RICHTER
Der Philosophischen Bibliothek
Band 35
LEIPZIG 1920 /VERLAG VON FELIX MEINER
A
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■2. 0- ■J-3/y^
Drnek Ton Carl Marquart in Laipiig. BJOIU.
Inhalt
Vorwort des Übersetzers ...... ,V — VUU
Vorbemerkung Humes * 1
I. Abschnitt: XJber die verschiedenen Arten
der Philosophie . .^ 2
II. Abschnitt: Über den Ursprung der Vor-
stellungen 17
HL Abschnitt: Tiber die Assoziation der Vor-
stellungen 24
IV. Abschnitt: Skeptische Zweifel in betreff
der Verstandestatigkeiten. Erster Teil 36
Zweiter Teil 49
V. Abschnitt: Skeptische Lösung dieser Zwei-
fel. Erster Teil 52
Zweiter Teil 60
VI. Abschnitt: Über die Wahrscheinlichkeit . 70
Vn. Abschnitt: Von der Vorstellung der not-
wendigen Verknüpfung. Erster Teil . 74
Zweiter Teil ......... 89
Vni. Abschnitt: Über Freiheit und Notwendig-
keit Erster Teil 96
Zweiter Teil 114
IX. Abschnitt: Über die Vernunft der Tiere 122
X. Abschnitt: Über Wunder. Erster Teil . 128
Zweiter Teil 136
XL Abschnitt: Über eine besondere Vorsehung
und ein zukünftiges Dasein . . . . 156
XIL Abschnitt: Über die akademische oder
skeptische Philosophie. Erster Teil . 175
Zweiter Teil 182
Anhang: Deutsch- englisches, englisch -deutsches
Register 194
Vorwort
^
\j
Treue ist das gemeinsame Ziel, dem alle ge-
wissenhaften Übersetzer zustreben. Meist aber ist die
Treue zum Buchstaben nur mit einer Untreue sezen
den Geist, oder die Treue zum Inhalt nur mit emer
Untreue gegen die Form zu erkaufen. In den ver-
schiedenen Möglichkeiten, diesen Wettstreit zu ent-
scheiden, wurzeln die verschiedenen Grundsätze, von
denen die Übersetzungen (oft des gleichen Werkes) be-
wußt oder unbewuiJt geleitet werden.
Humes Enquiry conceming human miderstandina
mit seiner herben erkenntnistheoretischen Fragestel-
lung, mit seiner glatten Oberfläche und rätselhaften
liefe ist m erster Linie ein klassischer Gegenstand
des philosophischen Studiums und nicht des kÜIls^
lerischen Genusses. Danach hat sich die vorlieffende
Übersetzung gerichtet.
I>arum sind von ihr zunächst alle irgendwie wich-
togen Zusätze und Änderungen in den verschie-
denen von Hume selbst besorgten Ausgaben mit auf-
genommen und gegenüber dem zugrunde gelegten
Text der letzten Ausgabe kenntlich gemacht worden:
so vor allem das Advertisement, das gerade wegen
der heftigen Angriffe, die es erfahren hat, be-
sonders mteressant ist, die zehn Seiten langen Aus-
führungen zur Assoziationstheorie, die in späteren Aus-
^r.^l 51^^®^^«^ ^ a- m. Dagegen konnten ganz
gleichgültige Wortvarianten der einzelnen Ausgaben
um 80 mehr unberücksichtigt bleiben, als der im
übrigen mustergültige Text des Enquiry in den Fhilo-
9oph%cal works of David Hume, edited hy Green and
Grose (new impression London 1898), der unserer Be-
arbeitung als Original diente, keine vollständige, son-
dern eine willkürliche Zusammenstellung der rein sti-
listischen Verbesserungen bietet (wie ich mich durch
i
VI
J
Vorwort.
einen Vergleich der Anßgabe R mit Ausgabe A über-
zeugen konnte).
Wichtiger und angreifbarer ist der Entschluß,
einen irgendwie für den Sinn der Abhandlung bedeuten-
den Ausdruck auch auf Kosten stilistischer Härten stets
mit dem gleichen Wort© (oder Wörtern) im Deutschen
wiederzugeben und andrerseits ein solches deutsches
Wort niemals zur Übersetzung eines andern englischen
Ausdrucks zu verwenden. Dabei sind in den Umkreis
der „Termini" nicht nur die bekannten Schlagwörter
wie impression und idea, sondern noch eine Fülle
weiterer wesentlicher Ausdrücke wie reasoning, in-
ference, Operation etc. hineinbezogen worden, deren
Wahl für Humes philosophisches Ringen um die Be-
wältigung seiner Probleme sehr bezeichnend, deren
Kenntnis für das Verständnis seiner Gedanken nicht
unerheblich ist Dies an sich schwierige Vorhaben
wurde noch erschwert durch die Gewohnheit Humes,
das gleiche Wort in einer weiteren und engeren, in
einer laxeren und strengeren Bedeutung zu ge-
brauchen, eine Eigentümlichkeit, in der die Verbindung
von Common sense und erkenntnistheoretischer Finesse
ihren Ausdruck findet
Ernster als das Opfer an schriftstellerischer Run-
dung, was hierbei gelegentlich zu bringen war, wog
das Bedenken, ob bei einer so weiten Ausdehnung und
doch strengen Einhaltung der Terminologie nicht das
Verständnis unseres Werkes mehr geschädigt als ge-
fördert werde. Elrleichtert es nicht die Auffassung von
Humes Gedanken, wenn diese im durchsichtigen Gewände
der modernen Ausdrucksweise sich bei uns einführen?
Sollte man nicht lieber etwa aentiment und feeling^
wo sie zur Bezeichnung der Farbenwahmehmung ver-
wandt werden, mit „Empfindung", und wo sie die Er-
regung des Zornes bedeuten, mit „Gefühl" wiedergeben,
sie weder in sich noch in ihrem Unterschied gegen-
einander kenntlich machen? Auch dies verführerische
Ansinnen mui3te unsere Übersetzung zurückweisen.
Denn diese Übersetzung will keine systematische Re-
konstruktion, sondern eine Wiedergabe des geschicht-
lichen Engm'ry sein. Über die Humesche Philosophie
orientiert man sich freilich heute am leichtesten, wenn
h
•
Vorwort.
VII
nüui den großen, in der wissenschaftlichen Termino-
logie nicht zum geringsten Teil niederlegten Abstand
zwischen den philosophischen und psychologischen Ein-
sichten des 18. und denen des 19. Jahrhunderts nicht
beachtet und ein vor dem Erscheinen der Ejritik der
reinen Vernunft verfaßtes Werk in die Sprache
Nietzsches oder Wundts überträgt Aber noch
schneller versteht man es gewiß, wenn man auch
seine veraltete Anordnung und Behandlungsweise, kurz
seine gesamte Gedankenentwicklung und nicht nur
seine Sprache sprengt und unter sachlichen (Gesichts-
punkten eine neue Darstellung davon entwirft. In be-
stimmtem Sinne begreift das Publikum unserer 25eit
die Humesche Philosophie müheloser aus den Werken
von Mach, Cornelius, Meinong — Humesche Philo-
sophie, aber nicht die Philosophie Humes. Und deren
Übersetzung durfte nicht modernisiert werden, einer
schnelleren Auffassung der heutigen Leserwelt zuliebe.
Auch mit der Möglichkeit eines Mittelwegs, wie ihn
die von Lipps geleitete, feinsinnige und tief dringende
Übersetzung des Treatiscy des philosophischen Haupt-
und Jugendwerks Humes, einschlägt, ist ernsthaft ge-
rechnet worden. Lipps sucht Humes Ausdrucksweise
besonders dort, wo sie mißverständlich scheint, unserer
heutigen anzunähern, klärt aber über die Wendungen
des Originaltextes durch ausführliche Anmerkungen
den Leser auf. Neben dem Bedenken gegen die Ver-
wendung spezifischer Ausdrücke der mcäemen Psycho-
logie, deren Terminologie noch in so starkem Wandel
begriffen ist, hat mich von dieser Art der Übertragung
die dabei notwendige Fülle der Anmerkungen abge-
halten. Der Treatise — darin Kants Kritik der
reinen Vernunft vergleichbar — kann die 346 An-
merkungen tragen, die sein jüngster Übersetzer ihm
beigegeben hat. Eine Übersetzung des Enquiry, eines
dreimal so kleinen und auf ein schnelleres Tempo der
Lektüre berechneten Werkes würde — ähnlidi wie
Kants Prolegomena — mit hundert Anmerkungen schon
bedeutend überlastet sein. Zudem hätte ein Teil von
ihnen nur mit andern Worten den unübertrefflichen
Inhalt der Lippsschen Anmerkungen zu wiederholen
vermocht
/
VIII
Vorwori
So ist es bei den eingangs erwähnten Grundsätsen
geblieben, deren Gefahren ich nicht verkenne. Ihnen
einigermai3en zu begegnen, dienen die zwei im An-
hang beigefügten Verzeichnisse: Ein englisch-
deutsches, mit einer knappen Ausführung über den
Sinn und das Vorkommen der wichtigsten Wörter, und
ein deutsch-englisches, das dem Leser das Auf-
finden eines gesuchten Ausdrucks im andern Register
erleichtern soll und außerdem noch seltenere Ter-
mini Humes enthält. Daß dort, wo sie nicht durch das
terminologische Prinzip gebunden war, die Übersetzung
sich auch der Nachbildung des Humeschen Stils be-
fleißigt hat, ist selbstverständlich. Dieser Stil ist
durchaus nicht immer „glatt" und durfte dort, wo er
es nicht ist, natürlich nicht „verbessert" werden. Auch
der preziöse Charakter des Stils sowie das äußerst be-
zeichnende it may, could, seems to be usw. waren nach
Kräften zu wahren. Von der schlechten Seite gesehen
ist Humes Schreibweise umständlich und doch nach-
lässig, von der guten Seite betrachtet: sachlich und
doch geistreich. Berkeleys edle Durchsichtigkeit und
gemessene Ruhe erreicht sie nicht.
Ursprünglich war nur eine Neubearbeitung d&r
Kirchmannschen Übersetzung geplant worden. Aber
deren Prinzipienlosigkeit in philosophischer, derein
glatte Trivialisierung in formeller Beziehung ließen
diese Bearbeitung unter den Händen zu einer völligen
Neuübersetzung erwachsen. So ist sie allein der
Bogenzahl nach um 30 Seiten umfangreicher geworden
als ihre Vorgängerin. Mit der Übersetzung von Na-
thanson (2. Auflage) teilt unsere Wiedergabe nur
das allgemeine Ziel einer treuen Beachtung von Humes
Terminologie und Stil (sowie die Aufnahme der Vari-
anten), sucht aber auf beiden Punkten durch ein anders
gerichtetes Sprachgefühl und daher mit ganz anderen
Mitteln dieses Ziel zu erreichen.
Zum Schlüsse darf meiner FYau, auf deren Hilfe
und Rat in den sprachlichen Fragen sich diese Über-
setzung mit erbaut, der Dank nicht vorenthalten
werden.
iit,"
Vorbemerkung/)
Die meisten Prinzipien und Gedankengänge, welche
dieser Band enthält, sind bereits in einem dreibändigen
Werk unter dem Titel: Eine Abhandlung über die
menschliche Natur veröffentlicht worden, das der
Verfasser schon vor seinem Abgang von der Uni-
versität geplant hatte, und das er nicht lange danach
niederschrieb und veröffentlichte. Da er den Erfolg
ausbleiben sah, erkannte er seinen Irrtum, zu früh
zur Veröffentlichung geschritten zu sein; er formte
das Ganze zu den folgenden Aufsätzen neu um, in
denen hoffentlich einige Nachlässigkeiten seines
früheren Gedankengangs und noch mehr des Aus-
drucks verbessert worden sind. Dennoch haben ver-
schiedene Schriftsteller, welche die Philosophie des
Verfassers einer Erwiderung gewürdigt haben, ge-
flissentlich all ihr Geschütz gegen jene Jugendarbeit
gerichtet, welche der Verfasser durchaus nicht an-
erkannte; so haben sie sich den Sieg angemaßt auf
Grund von Vorteilen, die sie angeblich über sie er-
rungen haben wollten — ein Verfahren, das allen
Regeln der Wahrhaftigkeit und des Anstands in hohem
Grade widerspricht, und zugleich ein schlagendes Bei-
spiel jener Kniffe der Polemik, zu deren Anwendung
bigotter Eifer sich für befugt erachtet Der Ver-
fasser wünscht, daß in Zukunft die folgenden Auf-
sätze allein als Darstellung seiner philosophischen An-
sichten und Prinzipien betrachtet werden mögen,
*) Diese Vorbemerkung schickte Hume der letzten Aus-
gabe der Essays voraus, die 1777 nach seinem Tode erschien.
Hume , Unterduchjf. üb d.monsohl. Verstand.
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Erster Abschnitt
■ ■
Über die verschiedenen Arten der Philosophie.
Die Philosophie des Geistes oder die Wissen-
schaft von der menschlichen Natur läßt sich auf zwei
verschiedene Weisen behandeln, von denen jede ihr
besonderes Verdienst hat und zur Unterhaltung, Be-
lehrung und Besserung der Menschheit beitragen
kann. Die eine betrachtet den Menschen haupt-
sächlich als zum Handehi geboren, in diesem Han-
deln durch Geschmack und Gefühl beeinflußt, einem
Gegenstand nachstrebend und den anderen ver-
meidend, je nach dem Wert, den diese Gegenstände
zu haben scheinen, und der Beleuchtung, in der sie
sich darstellen. Nun ist von allen Gegenständen die
Tugend der wertvollste, und so malen die Philosophen
dieser Gattung sie in den anmutigsten Farben, ent-
lehnen dazu die Hilfsmittel der Dicht- und Redekunst
und behandeln ihren Vorwurf in einer leichten und
einleuchtenden Weise, wie sie der Einbildung am
wohlgefälligsten ist und die Neigungen fesselt. Sie
wählen die schlagendsten Beobachtungen und Bei-
spiele aus dem täglichen Leben, stellen einander ent-
gegengesetzte Charaktere in geeigneten Kontrast, und
nachdem sie uns durch die Aussichten von Ruhm
und Glück auf die Pfade der Tugend gelockt haben,
lenken sie unsere ferneren Schritte durch höchst geh
sunde Vorschriften und leuchtende Beispiele. Sie
lassen uns den Unterschied zwischen Laster und
Tugend empfinden; aie erwecken und regeln unsere
Gefühle, und können sie nur unsere Herzen für die
Liebe zu Rechtschaffenheit und wahrer Ehre gewinnen,
so glauben sie den Bndzweck ihrer Anstrengungen
voll erreicht zu haben.
Die Philosophen der zweiten Gattung betrachten
\
/
Enter Abschnitt
Über die verschiedeDen Arien der Philosophie.
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i-W
^.
:
den Meosolieii mehr im Lichte eines vernünftigen,
als eines tätigen Wesens und bemühen sich mehr,
seinen Verstand zu bilden, als seine Sitten zu ver-
edeln. Sie betrachten die menschliche Natur als einen
Gegenstand spekulativen Nachdenkens und prüfen sie ^
aufs genaueste, um diejenigen Prinzipien aufzufinden,
welche unseren Verstand regeln, unsere Gefühle er-
regen und uns veranlassen, ein bestimmtes Ding,
eine Handlung oder ein Betragen zu billigen oder
zu tadeln. Nach ihnen gereicht es aller Wissenschaft
zum Vorwurf, daß die Philosophie noch immer nicht
über jeden Streit erhaben die Grundlage der Moral,
der Vernunfttätigkeit und der Geschmacksurteile fest-
gelegt hat; daß sie fortwährend über Wahrheit und
Unwahrheit, Laster und Tugend, Schönheit und Häß-
lichkeit redet, ohne die Quelle dieser Unterschiede
bestimmen zu können. Sie nehmen diese mühevolle
Aufgabe in Angriff und lassen sich dabei durch keine
Schwierigkeiten abschrecken; sondern von Einzelfällen
zu allgemeinen Prinzipien aufsteigend, dehnen sie ihre
Forschungen auf noch allgemeinere aus und gönnen
sich keine Euhe, bis sie zu jenen Prinzipien gelangen,
welche in jeder Wissenschaft den menschlichen EJr-
kenntnistrieb beschränken müssen. Mögen auch ihre
Spekulationen dem gewöhnlichen Leser abstrakt, ja
unverständlich erscheinen, — sie erstreben die Bil-
ligung des Gelehrten und des Weisen und halten sich
für die Anstrengungen ihres ganzen Lebens genugsam
entschädigt, wenn sie einige verborgene Wahrheiten
entdecken können, die vielleicht zur Belehrung der
Nachwelt beitragen.
Sicherlich wird die leichte und einleuchtende
Philosophie stets bei der Mehrzahl aller Menschen
den Vorzug vor der genauen und unzugänglichen be-
haupten, und viele werden sie nicht nur als angenehmer,
sondern auch als nützlicher der anderen gegenüber
empfehlen. Sie findet leichter Fühlung mit dem täg-
lichen Leben, formt Herz und Gemüt, und durch Be-
rührung jener Prinzipien, welche das Handeln des
Menschen auslösen, bessert sie dessen Lebensführung
und nähert ihn dem von ihr aufgestellten Muster der
Vollkommenheit an. Die unzugängliche Philosophie
dagegen beruht auf einer Geistesrichtung, welche nicht
ins praktische Leben eingehen kann; daher entschwin-
det sie, wenn der Philosoph das Dunkel verläßt und
ins Tageslicht tritt; auch können ihre Prinzipien nicht
leicht nachhaltigen Einfluß auf unsere Fügung und
unser Verhalten ausüben. Vor den Empfindungen
unseres Herzens, den Stürmen unserer Leidenschaften,
der Heftigkeit unserer Neigungen zerstieben alle ihre
Schlüsse, und vom tiefsinnigen Philosophen bleibt
nichts als der gewöhnliche Sterbliche.
Auch muß anerkannt werden, daß die leichte
Philosophie den dauerhaftesten sowie rechtmäßigsten
Ruhm errungen hat; dagegen scheinen abstrakte
Denker bisher, wohl wegen der Laune und Unwissen-
heit ihres eigenen Zeitalters, sich nur eines vorüber-
gehenden Ansehens erfreut zu haben, ohne bei der
billiger denkenden Nachwelt ihren Ruf behaupten zu
können. Leicht kann einem tiefsinnigen Philosophen in
seinen überfeinen Gedankengängen ein Versehen unter-
laufen — das eine Versehen wird aber notwendig zum
Erzeuger eines zweiten. Inzwischen geht der Philosoph
in seinen Folgerungen weiter, ohne vor irgend einem
Schluß zurückzuschrecken, mag dieser auch ungewöhn-
lich erscheinen oder der Volksmeinung widersprechen.
Begeht aber ein Philosoph, der nur den gemeinen
Menschenverstand in schöneren und gewinnenderen
Farben wiedergeben möchte, zufällig ein Versehen,
so führt ihn das nicht weiter; sondern er kehrt von
neuem zu dem gemeinen Verstand und den natür-
lichen Gefühlen des Geistes zurück, kommt dadurch
wieder auf die rechte Bahn und sichert sich vor jeder
gefährlichen Täuschung. Der Ruhm Ciceros blüht
noch heute; der des Aristoteles welkte völlig dahin.
La Bruy^re dringt über die Meere und behauptet
seinen Ruf auch dort; aber der Glanz des Male-
branche ist auf sein eigenes Volk und seine eigene
Zeit beschränkt; und Addison wird vielleicht mit
Vergnügen gelesen werden, wenn Locke völlig ver-
gessen sein wird.^)
*) Ausgaben E und P haben hier die Anmerkung: Dies
soll in keiner Weise dem Verdienst des Herrn Locke Abbruch
6
Erster Abachnitt.
f|i
Der reine Philosoph ist eine Person, die der Welt
meist nicht genehm ist, weil er angeblich weder zum
Nutzen noch zum Vergnügen der Gesellschaft irgend
beiträgt. Denn er lebt fern vom Verkehr mit den
Menschen, eingesponnen in Prinzipien und Begriffe,
die ihrem Verständnis gleichfalls fernstehen. Ander-
seits wird der völlig Unwissende noch mehr ver-
achtet; und nichts gut in einer Zeit und bei einem
Volke, wo die Wissenschaften blühen, für ein so
sicheres Zeichen eines kulturlosen Geistes, als jeden
Geschmacks an dieser edlen Beschäftigung bar zu
sein. Die vollkommenste Persönlichkeit wird meist
zwischen jenen Extremen gesucht; für Bücher, Ge-
sellschaft und Geschäfte soll sie gleich geschickt
und genui3fähig bleiben; soll in der Unterhaltung
jene Feinheit und jenen Takt bewahren, die aus
den schönen Wissenschaften gewonnen wird, und
in Geschäften jene genaue Rechtlichkeit, die das
natürliche Ergebnis einer richtigen Weltanschauung
ist Um so vollendete Persönlichkeiten zu fördern
und zu pflegen, sind Schriften in der gefälligen Manier
die allerdienlichsten- Sie ziehen nicht zu sehr vom
Leben ab, erfordern für ihr Verständnis keine ernste
Anspannung oder Zurückgezogen heit und geben ihren
Schuler erfüllt von edlen Gefühlen und weisen Vor-
schriften, die jedem Anspruch des menschlichen Lebens
genügen, seinen Mitmenschen wieder. Dank isolchen
Schriften wird die Tugend liebenswürdig, die Wissen-
schaft angenehm, Geselligkeit belehrend und Einsam-
keit unterhaltend.
Der Mensch ist ein vernünftiges Wesen und
empfängt als solches seine eigentümliche Speise und
Nahrung von der Wissenschaft. Aber so eng sind
die Schranken des menschlichen Verstandes, daß weder
von der Ausdehnung noch von der Sicherheit seiner
Errungenschaften auf diesem Gebiet viel Befriedigung
erhofft werden kann. Der Mensch ist auch ein ge-
selliges und nicht nur ein vernünftiges Wesen; aber
tun, der in Wahrheit ein großer Philosoph und ein folge-
richtiger und bescheidener Denker war. Es soll nur das
allgemeine Schicksal solcher abstrakten Philosophie zeigen.
über die verschiedenen Arten der Philosophie. 7
er kann sich nicht immer angenehm unterhaltenden
Umgangs erfreuen, noch sich die rechte Genußfähig-
keit dafür bewahren. Der Mensch ist endlich ein
tätiges Wesen und muß wegen dieser Anlage sowie
wegen der mannigfachen Bedürfnisse des menschlichen
Lebens sich den Geschäften und der Arbeit unter-
eiehen; aber bisweilen verlangt der Gdst nach Er-
holung und kann nicht fortwährend die Last der Sorge
und Arbeit ertragen. Die Natur scheint daher dem
Menschengeschlecht eine gemischte Lebensweise als
die geeignetste angewiesen und es im geheimen ge-
warnt zu haben, sich hier keiner Voreingenommenheit
allzusehr hinzugeben und dadurch die Fähigkeit für
andere Arbeiten und Vergnügungen einzubüßen. Fröhne
deiner Liebe zur Wissenschaft, spricht sie, aber deine
Wissenschaft sei menschlich und lasse sich in un-
mittelbare Beziehung zum tätigen und geselligen Leben
setzen. Unzugängliche Gedanken und tiefbohrende
Forschungen untersage ich; ihre strenge Strafe sei
grübelnde Schwermut, zu der sie dich fiöiren, endlose
Ungewißheit, in die sie dich verstricken, und die
kalte Aufnahme, welche die Mitteilung deiner an-
gebliehen Entdeckungen erfahren wird. Sei ein Philo-
soph; aber inmitten all deiner Philosophie bleibe
Mensch!
Begnügte sich die Mehrzahl der Menschen damit,
die leichte Philosophie der abstrakten und tiefsinnigen
vorzuziehen, ohne auf letztere Tadel und Verachtung
zu häufen, so wäre es vielleicht am richtigsten, sich
dieser allgemeinen Ansicht anzuschließen und jeder-
mann den Genuß seines eigenen Geschmacks und Ge-
fühls ohne Widerrede zu gönnen. Aber da man oft
weitergeht und schlechthin alle tieferen Gedanken-
gänge oder das, was man gewöhnlich Metaphysik
nennt, verwirft, so wollen wir nun im folgenden in Be-
tracht ziehen, was vernünftigerweise zu ihren Gunsten
angeführt werden kann.
Zunächst ließe sich bemerken, daß aus der ge-
nauen und abstrakten Philosophie als ein beträcht-
licher Vorteil sich die Förderung der leichten und
menschlichen ergibt; diese nämlich kann ohne jene
niemals einen genügenden Grad von Bestimmtheit
( >
,^-^
■
8 firster Abschnitt.
in ihren Ansichten, Vorschriften oder Gedankengängen
erlangen. Alle schönen Wissenschaften bestehen nur
aus Schilderungen des menschlichen Lebens in seinen
mannigfachen Lagen und Zuständen; sie erwecken in
uns verschiedene Gefühle, Lob oder Tadel, Bewunde-
rung oder Spott, je nach der Beschaffenheit des uns
vorgeführten Gegenstandes. Ein Künstler wird dieser
Aufgabe erfolgreicher gewachsen sein, wenn er nicht
nur einen feinen Geschmack und rasche Aufnahme-
fähigkeit besitzt, sondern auch eine genaue Kenntnis
des inneren Baues, der Verstandesvorgänge, des Spiels
der Affekte und der vielfachen Arten von Gefühlen,
durch die wir Laster von Tugend unterscheiden. Wie
mühsam auch diese nach innen gekehrte Forschung
und Untersuchung erscheinen mag, so ist sie doch für
diejenigen gewissermai3en unentbehrlich, welche mit
Erfolg die sichtbaren und äußeren Erscheinungen des
Lebens und der Sitten beschreiben wollen. Der Ana-
tom zeigt dem Auge die abschreckendsten und wider-
wärtigsten Gegenstände; aber seine Wissenschaft
ist dem Maler selbst beim Entwurf einer Venus oder
Helena von Nutzen. Während dieser die üppigsten
Farben seiner Kunst anwendet und seinen Gestalten
den zierlichsten und reizvollsten Anstand verleiht,
muß er doch dabei die innere Struktur des mensch-
lichen Körpers, die Stellung der Muskeb, den Bau
der Knochen und Gebrauch wie Gestalt jedes Teils
und Organs aufmerksam beobachten. Genauigkeit
kommt immer der Schönheit zugute, und richtiges
Denken dem zarten Gefühl. Es ist vergeblich, das eine
auf Kosten des anderen erheben zu wollen.
Außerdem zeigt sich in jeder Kunst und jedem Be-
ruf, selbst in solchen, die dem Handeln und Leben am
nächsten stehen, daß ein Geist der Genauigkeit, wie
immer erworben, sie alle der Vollkommenheit näher
bringt und den Interessen der Gesellschaft dienlicher
macht Und mag auch ein Philosoph fern von Geschäften
leben, so muß doch der Geist der Philosophie, wenn
er von Lehrern sorgsam gepflegt wird, allmählich
die ganze Gesellschaft durchdringen und jeder Kunst
wie jedem Beruf eine ähnliche Genauigkeit verleihen.
Der Staatsmann wird mehr Voraussicht und Scharf-
über die ▼ersohiedeuen Arten der Philosophie. 9
blick in der Verteilung und Ausgleichung der Ge-
walten gewinnen; der Rechtsgelehrte mehr Methode
und reinere Prinzipien für seine Gedankengänge, der
Feldherr größere Pünktlichkeit im Dienst und mehr
Vorsicht in seinen Plänen und Unternehmungen. Die
Beständigkeit der neueren Staatsformen gegenüber
den alten und die Genauigkeit der neueren Philosophie
sind im gleichen Verhältnis gewachsen und werden
es vermutlich auch weiterhin tun.
Ließe sich aber auch außer der Befriedigung
einer unschuldigen Wißbegierde kein Vorteil aus
diesen Studien ziehen, so wäre selbst das als ein Zu-
wachs an jenen wenigen ungefährlichen und harm-
losen Freuden, welche dem Menschengeschlecht zu-
geteilt sind, nicht zu verachten. Der angenehmste
und unschädlichste Lebensweg führt durch die Pfade
der Wissenschaft und Gelehrsamkeit; und jeder, der
ein Hindernis von diesem Wege zu räumen oder eine
neue Aussicht zu eröffnen vermag, sollte insofern als
ein Wohltäter der Menschheit gelten. Diese Unter-
suchungen mögen beschwerlich und ermüdend
scheinen; aber es geht manchem Geist ebenso wie
manchem Körper, der, mit kräftiger und blühender
Gesundheit begabt, nach anstrengenden Übungen ver-
langt und ein Vergnügen aus dem zieht, was den
meisten Menschen vielleicht wie eine lästige Arbeit
vorkommt. Die Finsternis ist tatsächlich für den
Geist so peinlich wie für das Auge; Licht aus der
Finsternis gewinnen, sei diese Arb&it auch noch so
schwer, kann deshalb nur angenehm und erfreulich sein.
Man hat aber gegen die Dunkelheit dieser tief-
sinnigen und abstrakten Philosophie nicht nur geltend
gemacht, daß sie beschwerlich und ermüdend, sondern
auch, daß sie die unvermeidliche Quelle von Un-
gewißheit und Irrtum ist. Hierin liegt allerdings
dar gerechteste und einleuchtendste Vorwurf gegen
einen beträchtlichen Teil der Metaphysik: daß sie
nicht eigentlich eine Wissenschaft ist, sondern ent-
weder das Ergebnis fruchtloser Anstrengungen der
menschlichen Eitelkeit, welche in Gegenstände ein-
dringen möchte, die dem Verstand durchaus unzu-
gänglich sind, oder aber das listige Werk des Volks-
■P- ^7"'-
10
Erster Abeohnitt.
ii:
11
aberglanbens, welcher auf oüenem Plan sich nicht
verteidigen kann und hinter diesem verstrickenden
Gestrüpp Schutz und Deckung für seine Schwäche
sucht Verjagt vom freien Felde, flieht dieser Räuber
in den Wald und liegt auf der Lauer, um in jeden
unbewachten Zugang des Geistes einzubrechen und ihn
durch religiöse Ängste und Vorurteile zu überwältigeiL
Der stärkste Gegner unterliegt, wenn er einen Augen-
blick m semer Wachsamkeit nachläßt; und viele öffnen
aus Feigheit und Torheit dem Feinde die Pforten und
empfangen ihn bereitwillig mit Ehrfurcht und Unter-
würfigkeit als ihr rechtmäßiges Oberhaupt.
Ist dies indes ein hinreichender Grund für den
Philosophen, von solchen Untersuchungen abzustehen
und den Aberglauben weiter im Besitz seines Zu-
fluchtsorts zu lassen? Ist es nicht angebracht, daß
man den gerade entgegengesetzten Schluß zieht und
die Notwendigkeit begreift, den Krieg in die ge-
heimsten Schlupfwinkel des Feindes zu tragen? Ver-
geblich hoffen wir, daß "der Mensch durch häufige
Enttäuschungen endlich zum Verlassen solcher luf-
tagen Wissenschaften besümmt werden und das eigent-
liche Gebiet der menschlichen Vernunft entdecken
mochte. Denn einmal finden viele Leute allzu merklich
Ihr Interesse dabei, solche Fragen immer wieder auf-
zurollen, dann aber kann auch der Beweggrund der
Winden Verzweiflung vernünftigerweise niemals eine
Melle in den Wissenschaften haben; denn, trotz
des erfolglosen Ausgangs früherer Versuche, bleibt
doch noch Raum für die Hoffnung, daß der Fleiß
das gute Glück oder der gesteigerte Scharfsinn
folgender Geschlechter zu Entdeckungen gelangen
konnten, von denen frühere Zeiten nichts wußten
Jeder unternehmende Geist wird immer wieder nach
dem hochgesteckten Preise langen und das Scheitern
seiner Vorgänger wird ihn eher anreizen als ent-
mutigen; er hofft dabei, daß ihm allein der Ruhm
aufgespart sei, ein so schweres Abenteuer zu bestehen.
Die einzige Methode, die Wissenschaft mit einem
Male von solch unzugänglichen Fragen frei zu machen,
besteht in einer ernstlichen Untersuchung der Natur
des menschlichen Verstandes und in dem aus genauer
Ober die verschiedenen Arten der Philosophie. H
Zergliederung seiner Kräfte und Fähigkeiten ge-
wonnenen Nachweis, daß er keineswegs für solche
entlegenen und dunklen Gegenstände geeignet ist.
Wir müssen uns dieser Mühe unterziehen, um nachher
• für alle Zeiten in Ruhe zu leben: wir müssen die
echte Metaphysik mit einer gewissen Sorgfalt pflegen,
um die unechte und verfälschte zu zerstören. Träg-
heit, welche manchen vor dieser trügerischen Philo-
sophie bewahrt, wird bei anderen durch die Wiß-
begierde überwogen; Verzweiflung, welche zeitweilig
die Oberhand hat, weicht vielleicht später unbedachten
Hoffnungen und Erwartungen. Genaue und richtige
Vernünfttätigkeit ist das einzige Allheilmittel für jeder-
mann und in allen Gemütslagen. Es allein ist imstande,
jene unzugängliche Philosophie und das metaphysische
Kauderwälsch zu zerstören, welches, vermischt mit
dem Volksaberglauben, dieselbe für sorglose Di&nker
gewissermaßen undurchdringlich macht und ihr das
Ansehen von Wissenschaft und Weisheit verleiht.
Neben diesem Vorteil, nach bedachtsamer Unter-
suchung den ungewissesten und unerfreulichsten Teil
der Wissenschaft auszuschalten, entstehen aus einer
sorgfältigen Prüfung der Kräfte und Fähigkeiten der
menschlichen Natur auch viele positiven Vorteile.
Die geistigen Tätigkeiten haben das Merkwürdige an
sich, daß sie, obgleich am innerlichsten uns gegen-
wärtig, doch in Dunkel gehüllt scheinen, sobald sie
Gegenstand der Überlegung werden; auch kann das
Auge nicht ohne weiteres jene Linien und Grenzen
finden, welche sie auseinanderhalten und unter-
scheiden. Diese Gegenstände sind zu fein, um lange
denselben Anblick und dieselbe Lage zu bieten; sie
müssen in einem Augenblick erfaßt werden, mit
höherer Einsicht, welche Naturgabe ist und sich
durch Übung und Überlegung steigert. Es gestaltet
sich also schon allein zu einem nicht unbedeutenden
Teil der Wissenschaft, die verschiedenen Vorgänge
im Geiste zu erkennen, sie voneinander zu sondern,
sie unter die passenden Rubriken zu bringen und die
ganze scheinbare Unordnung zu regeln, in welcher
man sie antrifft, wenn man sie zum Gegenstand
der Überlegung un4 Untersuchung macht. Diese
12
Erster Abschnitt.
Aufgabe des Einordnens und Unterscheidens, deren
Erfüllung in bezug auf Körper der Außenwelt, die
Gegenstände unserer Sinne, kein Verdienst ist, steigt
im Werte, wenn sie sich auf die geistigen Vorgänge
richtet, entsprechend der Schwierigkeit und Mühe,
die uns bei ihrer Durchführung begegnen. Und können
wir auch nicht über diese geistige Geographie oder
Unireißung der verschiedenen Teile und Kräfte des
Geistes hinauskommen, so ist es wenigstens eine Ge-
nugtuung, so weit zu gelangen. Je selbstverständ-
licher solche Wissenschaft übrigens erscheinen mag
(und sie ist es keineswegs), um so verächtlicher muß
ihre Unkenntnis bei denen erachtet werden, die auf
Gelehrsamkeit und Philosophie Anspruch erheben.
Auch dürfen wir nicht argwöhnen, daß diese
Wissenschaft ungewiß und chimärisch sei; man müßte
denn einem solchen Skeptizismus huldigen, daß jede
Forschung und selbst alles Handeln aufgehoben würde.
Es läßt sich nicht bezweifeln, daß der Geist mit
einer Mehrzahl von Kräften und Fähigkeiten begabt
ist* daß diese Kräfte voneinander verschieden sind
und daß, was wirklich für die unmittelbare Auffassung
verschieden ist, auch durch Überlegung unterschieden
werden kann; folglich also, daß es in allen Behaup-
tungen auf diesem Gebiet ein Wahr und ein Falsch gibt,
und zwar ein Wahr und Falsch, das nicht jenseits
des Bereichs des menschlichen Verstandes liegt Es
gibt so manchen einleuchtenden Unterschied dieser
Art, wie den zwischen Wille und Verstand, Einbil-
dungskraft und Affekten, die dem Verständnis jedes
menschlichen Wesens erreichbar sind. Die feineren
und philosophischeren Untersuchungen sind nun nicht
weniger wirklich und gewiß, wenn sie auch schwerer
zu fassen sind.
Einige, namentlich neuere Beispiele von Erfolg
in diesen Untersuchungen mögen von der Gewißheit
und Zuverlässigkeit dieses Zweiges der Wissenschaft
einen genaueren Begriff geben. Sollte es uns der
Arbeit eines Philosophen würdig dünken, ein richtiges
System der Planeten zu entwerfen und die Lage und
Ordnung dieser entfernten Körper in Übereinstimmung
zu bringen; während wir jene zu übersehen belieben.
Über die verschiedenen Arten der Philosophie. 13
welche mit so viel Erfolg die Gebiete des Geistes
umschreiben, woran wir doch so innerlich be-
teüigt sind?i)
^) Aasgaben £ und F haben hier die Anmerkung:
Jene Fähigkeit, durch die wir Wahr und Falsch unter-
scheiden, ist mit jener, durch die wir Laster und Tugend
auffassen, lange Zeit verwechselt worden, und die ganze
Moral sollte angeblich über ewigen und unveränderlichen
Beziehungen sich aufbauen, die für jeden vernünftigen Geist
ebenso beständig wären wie irgend ein Satz über Größe
oder Zahl. Aber ein neuerer Philosoph (Herr Hutchesou)
hat uns durch die überzeugendsten Begründungen gelehrt,
daß die Moral nicht in der abstrakten Natur der Dinge
liegt, sondern gänzlich abhängig ist von dem Gefühl oder
geistigen Geschmack jedes besonderen Wesens, ebenso wie
die Unterscheidungen von Süß und Bitter, Heiß und Kalt
aus dem besonderen Empfinden jedes Sinnes oder Organs
entspringen. Moralische Auffassungen dürfen deshalb nicht
mit den Yerstandestätigkeiten, sondern mit den Geschmacks-
äußerungen oder den Gefühlen in eine Klasse gesetzt werden.
Es war bei den Philosophen Brauch geworden, alle
Affekte des Geistes in zwei Klassen einzuteilen, in die selbst-
süchtigen und die wohlwollenden, die angeblich in dauern-
dem Gegensatz und Widerstreit ständen. Es galt für un-
möglich, daß die letzteren je ihren eigentlichen Gegenstand
anders erreichen könnten, als auf Kosten der ersteren.
Unter die selbstsüchtigen Affekte fielen Geiz, Ehrgeiz, Rache ;
unter die wohlwollenden natürliche Zuneigung, Freundschaft,
Gemeinsinn. Jetzt können die Philosophen das Ungeeignete
dieser Einteilung erkennen (siehe Butlers Predigten). Es ist
völlig einwandfrei bewiesen worden, daß selbst die gewöhn-
lich für selbstsüchtig gehaltenen Affekte den Geist über das
Selbst hinaus geradenwegs zu dem Gegenstande hinleiten;
daß zwar die Befriedigung dieser Affekte uns Lust ver-
schafft, doch die Aussicht auf diese Lust nicht die Ursache
des Affekts ist, daß vielmehr uro^kehrt der Affekt der Lust
vorangeht und diese letztere unmöglich ohne den ersteren
existieren könnte; daß der Fall genau so bei den sogenannten
wohlwollenden Affekten liegt, und daß folglich der Mensch
nicht mehr selbstbeteiligt ist, wenn er seinen eigenen Ruhm
sucht, als wenn das Glück seines Freundes Gegenstand seiner
Wünsche ist. Er ist auch nicht weniger selbstbeteiligt, Wenn
er seine Behaglichkeit und Ruhe dem öffentlichen Wohl
opfert, als wenn er für die Befriedigung des Geizes oder
Ehrgeizes arbeitet. Hierin lie^ also eine erhebliche Richtigr-
-.f-r
f
m
14
Enter Abschnitt.
Und dürfen wir nicht hoffen, daß die Philosophie
bei sorgfältiger Pflege und durch öffentliche Be-
achtung ermutigt in ihren Untersuchungen noch weiter
fortschreiten werde und wenigstens in gewissem Grade
die geheimen Triebfedern und Prinzipien entdecken,
durch welche die Vorgänge im menschlichen Geiste
ausgelöst werden? Die Astronomen hatten sich lange
begnügt, aus den Erscheinungen die wahre Bewegung,
Ordnung und Größe der Himmelskörper zu beweisen;
bis endlich ein Philosoph aultrat, der durch einen be-
sonders glücklichen Gedankengang anscheinend auch
die Gesetze und Kräfte bestimmt hat, durch welche der
Umlauf der Planeten beherrscht und gelenkt wird. Das
gleiche ist für andere Teile der Natur vollbracht
worden. Man hat nun keinen Grund, an einem eben-
solchen Erfolge in unseren Untersuchungen über die
Kräfte und die Verfassung des Geistes zu verzweifeln,
wenn mit gleicher Begabung und Behutsamkeit vor-
gegangen wird. Es ist wahrscheinlich, daß ein Vor-
gang und Prinzip des Geistes von einem anderen
abhängig ist, daß dieses wieder auf ein allgemeineres
und umfassenderes zurückgeführt werden kann; und
vor, ja selbst nach einem sorgfältigen Versuch wird
es uns schwer fallen, genau zu bestimmen, bis wie
weit diese Forschungen möglicherweise geführt werden
können. Soviel ist gewiß, daß Anläufe dieser Art
tagtäglich selbst von Leuten gemacht werden, welche
höchst nachlässig philosophieren; und doch ist erstes
Erfordernis, das Unternehmen mit gründlichster Sorg-
falt und Aufmerksamkeit in Angriff zu nehmen; damit,
wenn es im Bereich des menschlichen Verstandes
liegt, es endlich glücklich vollendet werde; und wo
nicht, immerhin mit einiger Zuversicht und Sicherheit
verworfen werden könne. Dies letzte Schlußergebnis
ist wahrlich nicht wünschenswert und darf auch nicht
zu voreilig angenommen werden; denn wieviel müßte
Stellung der GreozeD der Affekte, über die durch Nach-
lässigkeit oder Ungenauigkeit früherer Philosophen Ver-
wirrung herrschte. Dieso beiden Beispiele mögen genügen,
um uns das Wesen und die Bedeutung dieser Art Philo-
sophie klai' zu machen.
Ober die verschiedenen Arten der Philosophie. 15
die Schönheit und der Wert dieser Art Philosophie
bei solch einer Voraussetzung einbüßen! Die Moral-
philosophen pflegten bisher in Anbetracht der großen
Menge und Verschiedenheit der Handlungen, welche
Billigung oder Mißbilligung hervorrufen, nach einem
gemeinsamen Prinzip zu suchen, von dem diese Mannig-
faltigkeit der Gefühle wohl abhängen könnte. Sind
sie auch aus Liebhaberei für irgend ein bestimmtes
allgemeines Prinzip bisweilen zu weit gegangen, so
sind sie doch gewiß entschuldbar, wenn sie allge-
meine Prinzipien zu finden erwarten, auf welche alle
Laster und Tugenden mit Recht zurückzuführen wären.
Das gleiche haben die Ästhetiker, Logiker und selbst
die Politiker zu leisten versucht. Auch sind ihre Be-
mühungen nicht ganz erfolglos geblieben, obschon
vielleicht längere Zeil^ größere Genauigkeit und an-
gestrengterer Fleiß diese Wissenschaften ihrer Voll-
kommenheit noch näher bringen mögen. Allen An-
sprüchen dieser Art ohne weiteres zu entsagen, darf
mit Recht für voreiliger, überstürzter und dogma-
tischer angesehen werden, als selbst die kühnste
und positivste Philosophie, die je ihre krassen- Vor-
schriften und Prinzipien dem Menschen aufzudrängen
versucht hat.
Was tut's, wenn diese Gedankengänge über die
menschliche Natur abstrakt und schwer verständlich
erscheinen? Dies gibt uns keinen Grund zu der An-
nahme, daß sie falsch seien. Es scheint im Gegen-
teil unmöglich, daß dasjenige ganz augenfällig und
zugänglich sein könne, was bisher so vielen weisen
und tiefen Philosophen entgangen ist. Und trotz aller
Mühe, welche diese Untersuchungen uns kosten mögen,
dürfen wir uns für genugsam belohnt halten, an
Nutzen und auch an Vergnügen, wenn wir damit
unseren Vorrat an Kenntnissen über Gegenstände von
sp unsäglicher Wichtigkeit vermehren können.
Indes ist schließlich das Abstrakte solcher Spe-
kulationen keine Empfehlung, sondern vielmehr ein
Nachteil für sie, und da diese Schwierigkeit vielleicht
durch Sorgfalt und Geschick und durch Vermeidung
aller unnötigen Ausführlichkeit überwunden werden
kann, so habe ich in der folgenden Untersuchung mich
ii
16
Erster Abschnitt.
) 4
11
bemüht, einiges Licht über (rebiete zu verbreiten,
deren Ungewißheit den Weisen und deren Dunkel-
heit den Unwissenden bisher abgeschreckt haben.
Schätzen wir uns glücklich, wenn wir die trennenden
Eigentümlichkeiten der verschiedenen Arten von Philo-
sophie dadurch vereinigen können, daß wir Tiefe
der Forschung mit Klarheit und Wahrheit mit Neuheit
versöhnen! Noch glücklicher, wenn wir durch diese an-
sprechende Art des Gredankengangs die Grundlagen
einer unzugänglichen Philosophie untergraben können,
welche bisher anscheinend nur dem Aberglauben als
Zuflucht und dem Widersinn und Irrtum als Deck-
mantel gedient hat!
lür:
Zweiter Abschnitt.
über den Ursprung der Vorstellungen.
Jedermann wird anstandlos zugeben, daß ein be-
beträchtlicher Unterschied z^vischen den Auffassungen
des Geistes besteht, wenn jemand den Schmerz über-
mäßiger Hitze oder die Lust mäßiger Wärme empfindet,
und wenn er später diese Wahrnehmung in seinem
Gedächtnis zurückruft oder durch seine Einbildungs-
kraft vorausnimmt. Diese Vermögen können viel-
leicht die Auffassungen der Sinne nachahmen oder
abbilden, aber nie die Stärke und Lebendigkeit des
ursprünglichen Gefühls vollkommen erreichen. Als
Äußerstes ließe sich selbst bei ihrer vollsten Kraft-
entfaltung von ihnen nur behaupten, sie stellten ihren
Gegenstand so lebhaft vor uns hin, daß wir beinahe
sagen könnten, wir empfänden oder sähen ihn. Doch
vermögen sie niemals, es sei denn, daß der Geist durch
Krankheit oder Wahnsinn zerrüttet ist, einen Höhe-
punkt der Lebendigkeit zu erreichen, bei dem diese
Auffassungen gar nicht mehr voneinander zu unter-
scheiden wären. Die Dichtung kann selbst mit ihren
glänzendsten Farben nie Gegenstände der Natur in
einer Weise ausmalen, daß man die Beschreibung für
eine wirkliche Landschaft hielte. Der lebendigste
Gedanke bleibt immer hinter der dumpfsten Wahr-
nehmung zurück.
Einen gleichen Unterschied können wir durch alle
anderen Auffassungen des Geistes verfolgen. Ein
Zornanfall wirkt ganz anders auf den Menschen als
der bloße Gedanke an diese Gemütserregung. Wenn
mir erzählt wird, daß jemand verliebt ist, so kann
ich den Sinn leicht verstehen und mir ein richtiges
Hume, Untersuchig. Ob. d. menBchl. Veratand. 2
-'•--.'
Il^
18
Zweiter Abschoitt.
Vorstellungsbild von seinem Zustande machen; aber ich
kann niemals dieses Vorstellungsbild mit den wirk-
lichen Störungen und Aufregungen des Affekts ver-
wechseln. Wenn wir uns auf unsere vergangenen Ge-
fühle und Neigungen besinnen, ist unser Gedanke ein
treuer Spiegel, der seinen Gegenstand wahrhaftig ab-
bildet; aber die von ihm angewandten Farben sind blaß
und trübe im Vergleich zu jenen, in welche unsere
ursprünglichen Auffassungen gekleidet waren. Es be-
darf keiner feinen Unterscheidungsgabe noch eines
metaphysischen Kopfes, um die Verschiedenheit
zwischen beiden festzustellen.
Man kann deshalb alle Auffassungen des Geistes
in zwei Klassen oder Arten teilen, die sich durch den
verschiedenen Grad ihrer Stärke und Lebhaftigkeit
unterscheiden. Die minder eindringlichen und le-
bendigen nennt man gewöhnlich Gedanken oder Vor-
stellungen. Für die andere Art fehlt es der eng-
lischen wie den meisten anderen Sprachen an einem
Wort, vermutlich, weil auBer für philosophische
Zwecke es nicht erforderlich war, sie unter einem
allgemeinen Ausdruck oder Namen zu befassen.
Nennen wir sie daher ein wenig frei Eindrücke ; wo-
bei ich das Wort in einem von dem gewöhnlichen etwas
abweichenden Sinne gebrauche. Unter der Bezeich-
nung Eindruck verstehe ich also alle unsere leb-
hafteren Auffassungen, wenn wir hören, sehen, tasten,
lieben, hassen, wünschen oder wollen. Eindrücke sind
von Vorstellungen unterschieden, welche die weniger
lebhaften Auffassungen sind, deren wir uns bewußt
werden, wenn wir uns auf eine jener oben erwähnten
Wahrnehmungen oder Regungen besinnen.
Auf den ersten Blick erscheint wohl nichts so
schrankenlos wie das menschliche Denken, das sich
nicht nur aller menschlichen Macht und Autorität
entzieht, sondern sich nicht einmal in den Grenzen der
Natur und der Wirklichkeit halten läßt. Es kostet
die Einbildungskraft nicht mehr Mühe, Ungeheuer zu
bilden und unverträgliche Gestalten und Erscheinungen
zusammenzufügen, als sich die natürlichsten und ver-
trautesten Gegenstände vorzustellen. Und während
der Körper auf einen Planeten beschränkt ist, auf
Über den Ursprung der Vorstellangen. X9
dem er mit Mühe und Beschwerde umherkriecht, kann
der Gedanke uns in einem Augenblick in die ent-
ferntesten Gegenden des Weltalls tragen; ja selbst
darüber hinaus, ins grenzenlose Chaos, wo die Natur
angeblich in gänzlicher Verwirrung liegt. Was nie-
mals gesehen oder gehört worden ist, läßt sich doch
vorstellen, und nichts übersteigt die Macht des Ge-
dankens, das ausgenommen, was einen unbedingten
Widerspruch einschließt.
Ob nun gleich das Denken diese unbegrenzte Frei-
heit zu besitzen scheint, so werden wir doch bei
näherer Untersuchung finden, daß es in Wirklichkeit
durch sehr enge Grenzen eingeschlossen ist, und all
diese schöpferische Kraft des Geistes auf weiter nichts
hinauskommt, als auf die Fähigkeit der Verbindung,
Umstellung, Vermehrung oder Verminderung des
Stoffes, den uns Sinne und Erfahrung liefern. Denken
wir uns einen goldenen Berg, so verbinden wir nur
zwei widerspruchlose Vorstellungen, Gold und Berg,
die uns von früher bekannt sind. Ein tugendhaftes
Pferd können wir uns vorstellen, weil wir aus unserem
eigenen inneren Empfinden uns die Tugend vorstellen
können, und diese läßt sich mit der Gestalt und
und dem Aussehen eines Pferdes vereinigen, eines
Tieres, das uns vertraut ist. Kurz, aller Stoff des
Denkens ist entweder von unserem äußeren oder
inneren Gefühl abgeleitet. Einzig die Mischung und
Zusammensetzung fällt dem Geist und dem WiUen
zu. Oder, um mich philosophisch auszudrücken: all
unsere Vorstellungen oder schwächeren Auffassungen
sind Abbilder unserer Eindrücke oder lebhaftereil Auf-
fassungen.
Dies zu beweisen, werden hoffentlich folgende
zwei Grunde ausreichen. Erstens: wir finden bei der
Zergliederung unserer Gedanken oder Vorstellungen
immer, seien sie auch noch so zusammengesetzt
oder erhaben, daß sie sich in einfache Vorstellungen
auflosen, die einem früheren Empfinden oder Gefühl
nachgebildet sind. Selbst solche Vorstellungen, welchj^
auf den ersten Blick am weitesten von diesem Ur-
sprung entfernt scheinen, erweisen sich bei näherer
Prüfung als daraus entsprungen. Die Vorstellung
U
^
/•;;'-.■
20
Zweiter Abscboitt.
M
lii
Gottes im Sinne eines allwissenden, allweisen und all-
gütigen Wesens entstellt aus der Besinnung auf die
Vorgänge in unserem eigenen Geiste imd aus der
Steigerung dieser Eigenschaften der Güte und Weis-
heit ins Grenzenlose. Wir mögen diese Untersuchung
noch so weit fortführen, immer werden wir finden,
daß jede von uns geprüfte Vorstellung einem gleich-
artigen Eindruck nachgebildet ist. Wer behaupten
will, dieser Satz sei nicht allgemein und ausnahmelos
wahr, dem bietet sich eine imd zwar leichte Methode,
ihn zu widerlegen: er zeige diejenige Vorstellung
auf, welche nach seiner Meinung nicht aus dieser
Quelle geschöpft ist. Daim wird es uns obliegen, wollen
wir unsere Lehre halten, den Eindruck oder die leb-
hafte Auffassung beizubringen, welche ihr entspricht
Zweitens: Wenn zufällig jemand wegen eines
organischen Fehlers für eine Art von Wahrnehmung
nicht empfänglich ist, so finden wir immer, daß
er ebenso unempfänglich für die entsprechenden
Vorstellungen ist Ein Blinder kann sich keinen Be-
griff von Farben machen, noch ein Tauber von
Tönen. Wenn einer von beiden den ihm fehlenden
Sinn zurück erhält, so öffnet sich mit diesem neuen
Einlaß für seine Wahrnehmungen auch ein neuer
Einlaß für die Vorstellungen, und es macht ihm
keine Schwierigkeit, sich diese Gegenstände vorzu-
stellen. Ebenso verhält es sich, wenn ein zur
Erregung einer bestimmten Wahrnehmung geeig-
neter Gegenstand noch nie mit dem Organ in Be-
rührung kam. Ein Lappländer oder Neger hat keinen
Begriff vom Wohlgeschmack des Weines. Und ob-
wohl f^lle eines ähnlichen geistigen Mangels selten
oder niemals vorkommen, wo jemand ein seiner
Gattung eigentümliches Gefühl oder einen Affekt
nie erlebt hat oder dessen gänzlich unfähig ist, so
Eßt sich hier doch das gleiche, wenn auch in ge-
ringerem Grade, beobachten. Ein Sanftmütiger kann
sich keine Vorstellung von eingewurzelter Rachsucht
oder Grausamkeit machen; und ein selbstsüchtiges
Herz kann sich die Höhepunkte der Freundschaft
und Großmut nicht vorstellen. Es wird anstandlos
zugegeben, daß andere Wesen viele Sinne besitzen
über den Ureprnng der VorstelluDgen.
21
mögen, von denen wir uns kein Vorstellungsbild
machen können; weil uns ihre Vorstellungen nie auf
die einzige Weise zugeführt worden sind, durch die
eine Vorstellung in den G^ist eintreten kann, nämlich
durch wirkliches Empfinden und Wahrnehmen.
Es gibt indessen eine dem entgegenstehende Er-
scheinung, die beweisen könnte, daß ein Aufsteigen
von Vorstellungen, unabhängig von den ihnen ent-
sprechenden Eindrücken, nicht unbedingt unmöglich
ist. Ich glaube, es wird wohl bereitwillig zugegeben
werden, daß die einzelnen gesonderten Vorstellungen
von Farben, die durch das Auge eingehen, oder von
Tönen, welche das Ohr zuführt, wirklich voneinander
verschieden und doch zu gleicher Zeit einander ähn-
lich sind. Gilt dies nun von verschiedenen Farben,
so muß es nicht minder von verschiedenen Schat-
tierungen derselben Farbe gelten; jede Schattierung
erzeugt eine gesonderte, von den übrigen unabhängige
Vorstellung. Wollte man dies leugnen, so wäre es
möglich, durch eine stetige Abstufung von Schat-
tierungen eine Farbe unmerklicli in die ihr am fernsten
stehende überzuführen; und wer keinen Unterschied
für die Mittelstufen anerkennen will, darf ohne Un-
gereimtheit auch nicht die Gleichheit der Endglieder
ableugnen. Angenommen nun, ein Mensch habe sich
dreißig Jahre lang seines Augenlichts erfreut, sei mit
Farben allerart vollkommen vertraut geworden, aus-
genommen mit einer bestimmten Schattierung, z. B.
von Blau, die ihm zufällig nie begegnet ist Legt
man ihm alle verschiedenen Schattierungen dieser
Farbe vor außer dieser einen, stetig absteigend von
der dunkelsten zur hellsten, so wird er offenbar da
eine Lücke auffassen, wo jene Schattierung fehlt,
und sich eines größeren Abstands zwischen den an-
stoßenden Farben an dieser Stelle als an allen
anderen bewußt werden. Ich frage nun, ob es ihm
möglich wäre, aus seiner eigenen Einbildungskraft
das hier Fehlende zu ergänzen und die Vorstellung
dieser besonderen Schattierung in sich aufsteigen zu
lassen, obgleich seine Sinne sie ihm niemals zuge-
führt hatten? Ich glaube, nur weni^^-e werden meinen,
daß er es nicht könne; und dies kann als Beweis
H
2S
Zweiter Abschnitt.
Zweiter Abschnitt.
23
I ; !
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f.,"
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il
gelten, dal3 einfache Vorstellungen nicht immer xmd
überall von den entsprechenden Eindrücken her-
stammen; indes ist dieser Fall so vereinzelt, daß er
kaum unserer Beachtung wert ist und nicht verdient,
daß wir allein seinetwegen unseren allgemeinen Grund-
satz abändern.
Hier haben wir also einen Satz, der nicht allein
in sich einfach und verständlich scheint, sondern der
auch bei richtiger Anwendung jede Streitfrage ebenso
verständlich machen und all jenes Gewäsch beseitigen
könnte, welches so lange die metaphysischen Ge-
dankengänge beherrscht und in Unehre gebracht hat.
Alle Vorstellungen, besonders die abstrakten, sind
von Natur matt und dunkel; der Geist hat sie nur
wenig in der Gewalt, sie werden leicht mit anderen
ähnlichen Vorstellungen verwechselt; und haben wir
häufig einen Ausdruck gebraucht, wenn auch ohne
feate Bedeutung, so bilden wir uns leicht ein, daß
eine bestimmte Vorstellung mit ihm verknüpft seL
Im Geg^snsatz dazu sind alle Eindrücke, d. h.
alle Wahrnehmungen, äußere wie innere, stark und
lebendig; die Grenzen zwischen ihnen sind genauer
bestimmt, und, was sie anlangt, ist es nicht leicht,
zu irren oder fehlzugreifen. Haben wir daher Ver-
dacht, daß ein philosophischer Ausdruck ohne irgend
einen Sinn oder eine Vorstellung gebraucht werde,
was nur zu häufig ist, so brauchen wir bloß nach-
zuforschen, von welchem Eindruck stammt
diese angebliche Vorstellung her? Und läßt
sich durchaus kein solcher aufzeigen, so wird dies
zur Bestätigung unseres Verdachts dienen. Indem
wir die Vorstellungen in ein so klares Licht stellen,
dürfen wir billig hoffen, allem Streit, der über ihre
Natur und Wirklichkeit sich erheben könnte, ein Ende
zu machen. 1)
') Wahrscheinlich haben diejenigen, welche angeborene
Vorstellungen lengnen, damit weiter nichts gemeint, als
daß ^le Vorstellungen Abbilder un^-erer Eindrücke peien;
allerdings muß zugegeben werden, daß die hier gebrauchten
Ausdrücke weder so vorsichtigt gewählt, noch genau genug
bestimmt sind, um allen Mißverständnissen über ihre Lehre
vorzubeugen. Denn was versteht man unter angeboren?
Bedeutet angeboren das c:^ eiche wie natürlich, so müssen
wir jede Auffassung und Vorstellung des Geistes als ange-
boren oder natürlich anerkennen, in welchem Sinne wir
auch dies letztere Wort gebrauchen: als Gegensatz zum
Ungewöhnlichen, Künstlichen oder Wunderbaren. Soll an-
geboren bedeuten: gleichzeitig mit der Geburt, so scheint
mir der Streit leichtfertig;; es lohnt sich auch nicht der
Mühe, zu untersuchen, in welchem Zeitpunkt das Denken
beginnt, ob vor, bei oder nach der Gebart. Ferner scheint
das Wort Vorstellung von Locke und anderen gewöhn-
lich in einem sehr laxen Sinne genommen zu werden; näm-
lich als Bezeichnung jeder Art von Auffassung, für Wahr-
nehmungen und Affekte sowohl als für Gedanken. Aber
dann möchte ich wohl wissen, was bei dieser Bedeutung
mit der Behauptung eigentlich gemeint ist, die Selbstliebe,
die Kränkung über Unrecht oder die Geschlechtsliebe seien
nicht angeboren?
Werden aber die Bezeichnungen Eindrücke und Vor-
stellungen im oben erklärten Sinne gebraucht und wird
unter angeboren das verstanden, was ursprünglich, d. h.
von keiner vorangegangenen Auffassung das Abbild ist, dann
können wir wohl behaupten, daß alle unsere Eindrücke an-
geboren und unsere Vorstellungen nicht angeboren sind.
Oflfen gestanden bin ich der Ansicht, daß Herr Locke
in diese Fragestellung von den Schulgelehrten hineingelockt
worden ist, die durch unbestimmte Ausdrücke ihre Streitig-
keiten ermüdend in die Länge ziehen, ohne je den strittigen
Punkt zu berühren. Eine gleiche Zweideutigkeit und Weit-
schweifigkeit scheint sicii durch alle Gedankengänge dieses
großen rhilosophen auf diesem wie auf den meisten andern
Gebieten zu ziehen.
; I •
il 1
m
)
Dritter Abschnitt.
Ober die Assoziation') der Vorstellungen.
Es ist offenbar, daß ein Prinzip für die Ver-
knüpfung zwischen den verschiedenen Gedanken oder
Vorstellungen des Geistes besteht, und daß sie bei
Ihrem Erscheinen im Gedächtnis oder in der Ein-
bildungskraft einander in gewissem Grade methodisch
und regelmäßig einführen. Bei ernsthafterem Nach-
denken oder Gespräch ist dies so auffallend, daß
irgend ein einzelner Gedanke, der die regelmäßige
h olge oder Kette von Vorstellungen durchbricht, so-
fort bemerkt und zurückgewiesen wird. Und selbst
m unseren wildesten und schwärmendsten Phantasien
3a m unseren Träumen, läßt die Überlegung uns finden,
daß die Embildungskraft nicht ganz aufs Geratewohl
ausschweifte, sondern daß zwischen den verschiedenen
einander folgenden Vorstellungen doch noch eine Ver-
knüpfung bestehen blieb. Wollte man das unge-
bundenste und freieste Gespräch niederschreiben so
wurde man sofort ein Etwas beobachten, welches
es bei allen Übergängen verknüpfte. Oder wo dies
fehlt, da wird die Person, welche den Faden des
Gesprächs abbrach, doch angeben können, daß in
Ihrem Geist insgeheim eine Folge von Gedanken sich
abgewickelt habe, durch die sie allmählich vom Gegen-
stand der Unterhaltung abgelenkt worden sei. In
verschiedenen Sprachen, selbst dort, wo nicht die
geringste Verknüpfung oder Beeinflussung vermutet
werden kann, zeigt es sich, daß Wörter, die höchst
zusammengesetzte Vorstellungen ausdrücken, doch
nahezu einander entsprechen; ein sicherer Beweis
dafür daß die emfachen, in den zusammengesetzten
enthaltenen Vorstellungen durch irgend ein allge-
») Ausgabe E and F: Verknüpfung.
Über die AesoziatioD der VorBteUuDgen.
25
meines Prinzip verbunden sind, welches auf die ganze
Menschheit den gleichen Einfluß übt.
Obwohl die Verknüpfung verschiedener Vor-
stellungen zu augenfällig ist, um der Beachtung zu
entgehen, so finde ich doch nicht, daß irgend ein Philo-
soph versucht hat, alle Prinzipien der Assoziation auf-
zuführen und zu ordnen; und doch scheint der Gegen-
stand des Interesses wert. Soviel ich sehe, gibt es
nur drei Prinzipien der Vorstellungsverknüpfung, näm-
lich Ähnlichkeit, Berührung in Zeit oder Raum,
und Ursache und Wirkung.
Daß diese Prinzipien zur Verknüpfung von Vor-
stellungen dienen, dürfte wenig Zweifeln begegnen.
Ein Gemälde führt unsere Gedanken naturgemäß zu
dem Urbild (Ähnlichkeit); die Erwähnung des einen
Gemachs in einem Gebäude bringt ganz natürlich
die Frage und das Gespräch auf die anderen (Be-
rührung); und wenn wir uns eine Wunde vorstellen,
so läßt es sich kaum vermeiden, an den Schmerz
zu denken, der ihr folgt (Ursache und Wirkung).
Daß aber diese Aufzählung vollständig sei und weiter
keine Prinzipien der Assoziation beständen, mag sich
schwer auf eine für den Leser oder uns selbst be-
friedigende Art beweisen lassen. Alles, was sich in
solchen Fällen tun läßt, kommt darauf hinaus, mehrere
Einzelfälle durchzugehen, sorgfältig das Prinzip zu
untersuchen, welches die verschiedenen Gedanken an-
einander knüpft, und nicht aufzuhören, ehe wir das
Prinzip so allgemein wie möglich gestaltet haben. ^)
Je mehr Fälle wir untersuchen und je mehr Sorgfalt
wir anwenden, um so größere Sicherheit werden wir
gewinnen, daß die Aufstellung, die wir aus der Ge-
samtübersicht gewinnen, erschöpfend und voll-
ständig ist.
*) So ist z. B. Kontrast oder Widerstreit auch eine
Verknüpfung zwischen Vorstellungen, doch läßt sie ^ sich
vielleicht als eine Mischung von Verursachung und Ähn-
lichkeit betrachten. Wo zwei Dinj^e einander wider-
streiten, zerstört eines das andere, d. h. die Ursache der
Vernichtung eines Gegenstandes und die Vorstellung dieser
Vernichtung schließen die Vorstellung seines früheren Da-
seins ein.
36
Drittor Abschnitt.
An«it? " Ausgaben B bis Q fährt der Essay fort:
Anstatt uns mit solchen Einzelheiten zu befassen, die
Iniirn t" ""°?'2«?„SP'trfindigkeiten führen würden,
wollen wir einige Wirkungen dieser Verknüpfung auf
die Affekte und die Einbildungskraft betrachtfni^r er-
offnen hiermit wohl ein Feld der Spekulation, das unter-
haltender ist und vielleicht lehrreicher als das andere.
K«cf 5- ?*®"^^ .^'" vernünftiges Wesen ist und
bestandig sein G ück verfolgt, das er durch B^
nedigung emes Affekts oder einer Neigung zu er-
langen hoff^ so handelt, spricht oder denkt fr selten
ZTXI^ '•"•'' """^ ''•f. »»geeignet die Mittel auch
manchmal sein mögen, die er zur Erreichung seines
Endziels wählt, so behält er doch irgend ein Hei
im Auge. Nicht einmal seine Gedankfn und ü£r
legungen wird er verschleudern, wo er keineriei
Befriedigung davon zu ernten hofft «'lenei
In allen schöpferischen Werken ist es daher er-
SefzwecklL'^' Schriftsteller irgend^^eiSn pfan
oaer Zweck habe; und mag ihn auch die Heftiffkeit
des Gedankens von diesem Plan abdrängen wiffa
Tf^r,?^% -l'i "!?S ?' '■•» «°'gJ«« fallen^Lsse^ w e
irgend em Z el oder eme Absicht durchscheinen im
Ausgangspunkt, wenn nicht in dem aXu de^
ganzen Werks. Ein ganz planloses Erzeugnirgliche
mehr den irren Reden eines Wahnsinnigen als der
besonnenen Arbeit von Talent und GeSrnkl t.
M.i ^ ^'^^ }^PI ^^'""^ Ausnahme gestattet so
folgt daraus, daß in erzählenden Werken die Er
rSf £X Handlungen, die der Schrf/tstefler £
richtet, durch eine Art von Kette oder Band ver-
knüpft sein müssen. Sie müssen in der EhibildunJ
%th^HWu'''T'' .^^'" °»d gewissermaßen dnf
Einheit biden, durch die sie unter einen Plan oder
drffifÄfrA'".»"^". ^'""l' »»d «J- Zid und Zweck
adn kaM ^^' '""^"' ^'■«*«» ^"^"^^^ gewesen
zelnen'^d J''rf P^^!?^'. ^'^''^P ^*^'=l'e» den ein-
rvÄ^r \?l^^°^*^»d eines Gedichts oder einer
Geschichte bildenden Breigniaaen kann sehr ver-
Über die Assoziation der Vorstellungen.
27
II:,
schieden sein je nach den verschiedenen Absichten
des Dichters oder Geschichtschreibers. Ovid hat
seinen Plan auf dem verknüpfenden Prinzip der
Ähnlichkeit erbaut Jede märchenhafte Verwandlung
durch die wundertätige Kraft der Götter fällt in den
Bereich seiner Arbeit. Es bedarf bloß dieses einen Um-
stands an einem beliebigen Ereignis, um es seinem
ursprünglichen Plan oder Zweck einzugliedern.
Ein Chronist oder Geschichtschreiber, der die
Geschichte Europas in einem bestimmten Jahrhundert
zu schreiben unternähme, würde sich durch die Ver-
knüpfungsart der Berührung in Zeit und Raum leiten
lassen. Alle Ereignisse, die sich in diesem Teil des
Raums und Abschnitt der Zeit zutragen, gehören in
seinen Plan, seien sie auch in anderer Hinsicht un-
gleichartig und ohne Verknüpfung. Eine Art von Ein-
heit bleibt ihnen bei all ihrer Verschiedenheit.
Doch die gebräuchlichste Art der Verkniipfung
zwischen verschiedenen Ereigniösen, die in ein er-
zählendes Werk eingehen, ist die von Ursache und
Wirkung: hierbei zeichnet der Geschichtschreiber den
Ablauf der Handlungen nach ihrer natürlichen Ordnung,
steigt zu ihren geheimen Quellen und Prinzipien auf und
beschreibt ihre letzten Folgen. Er wählt als Gegenstand
einen bestimmten Teil jener großen Kette von Er-
eignissen, die die Menschheitsgeschichte ausmachen.
Jedes Glied dieser Kette sucht er in seiner Erzählung
zu berühren. Manchmal vereitelt unvermeidliche Un-
wissonheit all seine Bemühungen; manchmal ersetzt
er durch Vermutung, was an Wissen fehlt; und immer
ist er sich bewußt: je lückenloser die Kette ist, die
er seinen Lesern bietet, um so vollkommener ist seine
Arbeit. Er sieht ein, daß die Kenntnis der Ur*iachen
nicht nur die befriedigendste ist — denn diese Be-
ziehung oder Verknüpfung ist die stärkste von
allen — , sondern auch die lehrreichste; denn allein
dies Wissen befähigt uns, über die Ereignisse Ge-
walt zu haben und die Zukunft zu beherrschen.
Hieraus können wir denn auch einen Begriff
von jener Einheit der Handlung gewinnen, über
die seit Aristoteles alle Kunstgelehrten so viel
geredet haben; vielleicht ohne großen Nutzen, so
i!|i
28
Dritter Abichnitt.
lange sie sich in ihrem Geschmack und Gefühl
nicht von philosophischer Genauigkeit leiten ließen
M zeigt sich, daß in allen epischen sowohl als
tragischen Dichtwerken eine gewisse Einheit er-
fordert wird und daß wir in keinem Falle unsere Ge-
danken beliebig schweifen lassen dürfen, wenn wir
ein VVerk hervorbringen wollen, das der Menschheit
irgend dauernden Genuß gewährt Es zeigt sich
ferner, daß selbst der Biograph, der das Leben des
AchiJes beschriebe, die Ereignisse so verknüpfen
wurde, daß er ihre gegenseitige Abhängigkeit und
Beziehung darstellte, genau so wie der Dichter, der
den Zorn des Helden zum Gegenstand seiner Er-
zählung wählte. ») Nicht nur in einem beschränkten
Abschnitt des Lebens stehen die Handlungen des
Menschen in Abhängigkeit voneinander, sondern auch
wahrend seiner ganzen Dauer, von der Wiege bis
aum Grabe; und es geht nicht an, ein noch so
winziges Glied aus dieser regelmäßigen Kette zu lösen,
ohne die ganze Reihenfolge der Ereignisse in MiUeiden-
schaft zu ziehen. Daher unterscheidet sieh die in Bio-
graphien und Geschichtschreibung vorgefundene Ein- "
heit der Handlung von der in der epischen Dichtung
nicht der Art, sondern dem Grade nach. In der
epischen Dichtung ist die Verknüpfung zwischen den
Ereignissen enger und fühlbarer; die Erzählung er-
H^^toJ^J"'''''!,^''®'" ®^® «° '^°ge Zeitspannefund
iLh^f^^'^'^T ^^^^'S?^° ®"^" «'°em bedeut^meo
Abschnitt zu, der die Neugierde des Lesers befriedigt.
Dies Verfahren des Epikers beruht auf jenem Se-
sonderen Zustand der Einbildungskraft und der
Affekte, der Voraussetzung dieser Schaffensart. Die
Einbildung des Schriftstellers wie des Lesers ist h^
lebter und die Affekte erhitzter als bei Geschieht-
Rplft°°F' ^}T^^^^ "^'^ ^g^-^d einer Art von
^ZtLu^- T} t"^ strenge Wahrheit und Wirklioh-
keit beschrankt Betrachten wir die Wirkung dieser
•) Im Gegensatz zu Aristoteles: ^vito; g-iariv .& oir
.^ r«.« «..„/fa/m, iS cöv hi<oy oidiv iox,r h. ^JZ TkZ
über dio Assoziation der Vorstellungen.
29
beiden Umstände, der belebten Einbildung und der
erhitzten Affekte, Umstände, die zur Dichtung beson-
ders der epischen Gattung vor anderen Kunstarten
gehören, und prüfen wir den Grund, warum sie eine
strengere und engere Einheit der Fabel erheischen.
Erstens: Alle Dichtung, als eine Art von Malerei,
bringt uns näher an die Dinge heran als jede andere
Art der Erzählung, wirft helleres Licht auf sie und
zeichnet deutlicher jene kleinsten Umstände, die zwar
dem Geschichtschreiber überflüssig erscheinen, aber
doch gewaltig die Schilderung beleben und der Phan-
tasie behagen. Sei es auch nicht notwendig, daß uns,
wie in der Ilias, jedesmal mitgeteilt wird, wann der
Held seine Schuhe schnallt und seine Beinschienen
knüpft, so ist es doch vielleicht erforderlich, aus-
führlicher in den Einzelheiten zu sein als in der Hen-
riade, worin die Begebenheiten nur so flüchtig ge-
streift werden, daß wir kaum in Muße uns mit dem
Ort und der Handlung vertraut machen können. Wollte
also ein Dichter in. seinem Stoff eine große Zeit-
spanne oder Ereignisfolge umfassen und etwa Hektors
Tod bis zu seinen femliegenden Ursachen, dem Raub
der Helena oder dem Urteil des Paris verfolgen, so
müßte er sein Gedicht maßlos ausdehnen, um diese
große Leinwand mit richtig gemalten Bildwerken aus-
zufüllen. Die durch solche Reihe dichterischer Schil-
derungen erregte Einbildungskraft des Lesers und
seine von dauernder Teilnahme mit den Handelnden
beunruhigten Affekte müssen lange vor Abschluß
der Er^hlung erlahmen und in Mattigkeit und Über-
druß durch die wiederholte Heftigkeit derselben Ge-
mütsbewegungen versinken.
Zweitens: daß ein Epiker die Ursachen nicht
weit hinauf verfolgen dar!, erhellt ferner aus einem
anderen Grunde, der aus einer noch bemerkens-
werteren und eigentümlicheren Beschaffenheit der Af-
fekte abfließt Es leuchtet ein, daß in einem
sachgemäß aufgebauten Werk sämtliche Gemütser-
regungen, welche all die beschriebenen und darge-
stellten Ereignisse auslösen, sich gegenseitig ver-
stärken. Während alle Helden auf einem gemein-
samen Schauplatz beschäftigt sind und jede Handlung
— -■- ^-
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dö
Dritter Abschnitt.
lest mit dem Ganzen vorknüpft ist, wird das Interesse
dauerrjd wachgehalten und die Affekte wandern leicht
von einem Gegenstande zu dem anderen. Indem die
leste Verknüpfung der Ereignisse den Übergang der
Gedanken oder der Einbildung vom einen zum anderen
erleichtert, erleichtert sie auch die Überleitung der
Affekte und hält die Gemütserregungen in derselben
Bahn und Richtung. Unser teilnehmendes Interesse
für Eva bereitet einer ähnlichen Teilnahme für Adam
den Weg; die Erregung erhält sich nahezu voll-
kommen bei der Übertragung, und der Geist erfaßt
den neuen Gegenstand unmittelbar als demjenigen
nahe verwandt, der vordem seine Aufmerksamkeit
fesselte. Wollte der Dichter aber vollständig von
seinem Gegenstand abschwenken und eine neue Person
ohne jede Verknüpfung mit den übrigen Handelnden
einfuhren, so würde die Einbildungskraft den Übergang
durchbrochen fühlen, und der neuen Lage anfangs
kühl gegenüber stehen. Langsam würde sie sich
wieder erwärmen; doch bei der Rückkehr zu dem
Hauptthema der Dichtung gewissermaßen fremden
Boden betreten und aufs neue ihr Interesse anregen
müssen, um den Haupthelden Teilnahme zu schenken
in germgerem Grade stellt sich der nämliche Übelstand
em, wo der Dichter seine Ereignisse zu weit hinaus-
fuhrt und Handlungen verbindet, die zwar nicht
ganzlich beziehungslos sind, doch keine so strenge Ver-
ivnupfung besitzen, wie sie zur Überleitung der Af-
fekte erfordert wird. Hier entspringt das Kunst-
mittel der rnckgreifenden Erzählung, dessen sich die
Odyssee und Äneis bedienen. Da wird der Held
zuerst nahe am Zielpunkt seiner Pläne eingeführt
und zeigt uns später, gleichsam im Fernblick, die
entlegeneren Ereignisse und Ursachen. So wird des
Lesers Neugierde unmittelbar erregt, die Ereignisse
zaehen m rascher Folge und sehr enger Verknüpfung
vorüber; das Interesse wird wach gehalten und dank
der nahen Verwandtschaft der Gegenstände wächst
es stetig vom Anfang bis zum Ende der Erzählung.
Dieselbe Regel gilt für die dramatische Poesie;
auch hier geht es niemals an, in einem regelrechten
Kunstwerk eine Person einzuführen, die keine oder
Über die Assoziation der Vorstellnngen.
31
nur eine geringe Verknüpfung mit den Hauptgestalten
der Handlung hat. Das Interesse des Zuschauers
darf durch keine Vorgänge abgelenkt werden, die
sich von den übrigen trennen und sondern. So etwas
unterbricht den Ablauf der Affekte und verhindert jene
Wechselbeziehung der einzelnen Gemütsbewegungen,
in der ein Vorgang den Eindruck des anderen ver-
stärkt und Mitleid und Schrecken, die er erregt,
auf jeden folgenden Vorgang überleitet, bis das Ganze
jenes beschleunigte Tempo erreicht, das der Bühne
eigentümlich ist. Wie muß es diese warme Ergriffen-
heit dämpfen, wenn plötzlich eine neue Handlung
und neue Personen gänzlich unvermittelt mit den
früheren vorgeführt werden, wenn eine so fühlbare
Bresche und Lücke im Ablauf der Affekte infolge
dieser Bresche in der Verknüpfung der Vorstellungen
sich zeig^ und anstatt daß die Teilnahme von einem
Vorgang auf den folgenden übertragen wird, jeden
Augenblick ein neues Interesse erregt, und Anteil
an einem neuen Vorgang der Handlung genommen
werden muß?
[Die Ausgaben E bisN fügen hier folgenden Ab-
satz ein: Obgleich diese Regel über die Einheit
der Handlung der dramatischen und epischen Dich-
tung gemeinsam ist, so läßt sich doch wohl ein
Unterschied zwischen ihnen beobachten, der viel-
leicht unsere Aufmerksamkeit verdienen dürfte. In
beiden Kunstarten wird Einheit und Einfachheit
der Handlung gefordert, um das Interesse und die
Anteilnahme ganz und ohne Ablenkung zu erhalten.
In der epischen oder erzählenden Dichtung ist aber
diese Regel noch auf eine andere Grundlage gestellt,
nämlich auf die Notwendigkeit, der jeder Schrift-
steller unterliegt: irgend einen Plan oder Abriß zu
entwerfen, ehe er eine Abhandlung oder Erzählung
beginnt, und seinen Stoff unter eine allgemeine Über-
sicht oder einen einheitlichen Gesichtspunkt zu stellen,
der den beständigen Gegenstand seiner Aufmerksam-
keit bilden kann. Da der Verfasser in dramatischen
Werken völlig zurücktritt und der Zuschauer sich
bei der dargestellten Handlung wirklich zugegen
wähnt, so trifft diese Erwägung für die Bühne nicht
m
I
I"
;ll
' 1' !i
32
Dritter Abschnitt.
ZU, sondern jede beliebige Wechselrede oder Unter-
haltung darf eingeführt werden, die ohne Unwahr-
scheinlichkeit an jener bestimmten Stelle des Raums,
die das Theater vorstellt, sich zugetragen haben könnte.
Daher wird in all unseren englischen Lustspielen, selbst
in denen von Congreve, die Einheit der Handlung
nie streng beobachtet; der Dichter hält es vielmehr
für genügend, wenn seine Personen irgendwie zu-
einander in Beziehung stehen durch Blutsverwandt-
schaft oder das Zusammenleben in einer Familie;
und er führt sie nachher in einzelnen Szenen ein,
wo sie ihr Temperament und ihren Charakter ent-
falten, ohne die Haupthandlung sonderlich vorwärts
zu bringen. Die doppelten Verwicklungen bei Terenz
sind Freiheiten der gleichen Art, wenn auch ge-
ringeren Grades. Und ist auch diese Führung nicht
ganz nach der Regel, so ist sie doch der Eigenart
des Lustspiels nicht ganz unangemessen, wo die Er-
regungen und Affekte nicht zu solcher Höhe ge-
steigert werden wie im Trauerspiel; und zugleich
mildert die Erdichtung oder Darstellung einigermaßen
solche Freiheiten. In einem erzählenden Gedicht be-
schränkt der erste Vorsatz oder Entwurf den Ver-
fasser auf einen Stoff, und alle derartigen Ab-
schweifungen würden auf den ersten Blick als un-
sinnig und entstellend verworfen werden. Weder
Boccaccio, La Fontaine noch sonst ein Schriftsteller
dieser Art haben sie sich jemals erlaubt; obgleich Be-
lustigung ihr Hauptzweck war.]
Um zu dem Vergleich der Geschichte mit der
epischen Dichtung zurückzukehren, so können wir
aus den vorhergehenden Gedankengängen schließen,
daß eine gewisse in allen Schöpfungen erforderte Ein-
heit in der Geschichte so wenig wie in jeder anderen
fehlen darf; daß in der Geschichte die Verknüpfung
der einzelnen Ereignisse, wodurch sie zu einem Ganzen
vereinigt werden, die Beziehung von Ursache und
Wirkung ist, die nämliche, welche die epische Dich-
tung beherrscht, und daß in letzterer diese Ver-
knüpfung enger und fühlbarer zu sein hat wegen der
lebhaften Einbildung und heftigen Affekte, die der
Dichter in seiner Er^hlung anregen muß. Der Pelo-
Über die Assoziation der Vorstellungen.
33
ponnesische Krieg ist ein geeigneter Vorwurf für
die Geschichtschreibung, die Belagerung von Athen
für ein episches Gedicht und der Tod des AJcibiades
für ein Trauerspiel.
Da nun der Unterschied zwischen Geschichte und
Epos nur in den Graden der Verknüpfung besteht,
die jene verschiedenen Ereignisse, welche ihren Stoff
ausmachen, verbinden, so wird es schwierig, wenn
nicht unmöglich sein, in Worten die Schranken genau
zu bestimmen, die sie voneinander trennen. Das ist
mehr Sache des Geschmacks als der Vernunfttätig-
keit, und vielleicht mag diese Einheit oft an einem
Stoff entdeckt werden, an dem wir sie auf den ersten
Blick und bei abstrakter Erwägung am wenigsten er-
warten würden.
Ersichtlich überschreitet Homer im Laufe seiner
Erzählung die erste Anlage seines Vorwurfs, und
der Zorn des Achilles, der den Tod Hektors ver-
ursachte, ist nicht mehr derselbe, der soviel Unheil
über die Griechen brachte. Aber die feste Ver-
knüpfung zwischen diesen beiden Erregungen, der
schnelle Übergang von einer zur anderen, der Kon-
trast in der Wirkung von Eintracht und Zwietracht
zwischen den Fürsten, und die natürliche Neugierde,
den Achilles nach so langer Ruhe in die Handlung
eingreifen zu sehen — all diese Ursachen reißen den
Leser mit fort und erzeugen eine genügende Ein-
heit im Gegenstand. Es könnte Milton vorgeworfen
werden, bei ihm seien die Ursachen in zu weite
Ferne gerückt, und die Empörung der Engel bewirke
den Sündenfall des Menschen durch eine Ereignis-
kette, die nicht nur recht lang, sondern auch voller
Zufälligkeiten sei, abgesehen davon, daß die Er-
schaffung der Welt, die er ausführlich beschreibt,
nicht in höherem Grade Ursache dieser Katastrophe
ist, als der Schlacht von Pharsalus oder eines be-
liebigen anderen Ereignisses, das sich je zugetragen
hat. Betrachten wir aber anderseits, daß all diese
Ereignisse, die Empörung der Engel, die Erschaffung
der Welt und der Sündenfall des Menschen, einander
darin ähneln, daß sie Wunder sind und außerhalb
des gewöhnlichen Naturlaufs stehen; daß sie ein-
H u m « , Untertucbi;. ttb. d. mensohl. Veratand. 3
34
Dritter Abschnitt
ander m der Zeit berühren sollen; endlich, daß sie
losgelost von allen anderen Ereignissen und als die
einzigen ursprünglichen Tatsachen, welche die Offen-
barung verrät, auf einmal in die Augen fallen und
naturgemai3 im Denken und in der Einbildung ein-
ander zurückrufen. Wenn wir all diese Umstände
betrachten, sage ich, werden wir finden, daß diese
reile der Handlung genügende Einheit besitzen, um
m einer Fabel oder Erzählung zusammengefaßt zu
werden. Hinzufügen ließe sich, daß die Empörung
der Engel und der Sündenfall des Menschen eine
eigentümliche Ähnlichkeit als Seitenstücke zueinander
besitzen und dem Leser dieselbe Lehre vorhalten
den Gehorsam gegen unseren Schöpfer. '
„m ifi" w^HK ^'-^^5 ^T"" Bemerkungen hingeworfen,
um die Wißbegierde der Philosophen anzuregen und
mindestens die Vermutung, wenn nicht die volle Über-
zeugung hervorzurufen, daß hier ein ergiebiger Stoff
vorliegt und daß viele Tätigkeiten des menschlichen
Geistes von der Verknüpfung oder Assoziation der
Vorstellungen abhängen, wie wir sie hier auseinander-
gesetzt haben. Im besonderen dürfte wohl die Wechsel-
wirkung zwischen Affekten und Einbildungskraft be-
merkenswert erscheinen. Wir beobachten nämlich
daß die durch einen Gegenstand ausgelösten Er-
regungen sich leicht auf einen anderen mit ihm ver-
knüpften übertragen, dagegen nur schwer oder über-
haupt nicht auf verschiedene Gegenstände überfließen,
die m keiner Weise miteinander verknüpft sind
Wenn ein urteilsloser Verfasser in ein Werk einander
fremde Personen und Handlungen einführt, so ^ibt
er jene Verkettung der Gemütserregungen auf, diSch
die allem er das Herz fesselt und die Affekte
zu angemessener Höhe und Dauer erheben kann,
bme vollständige Erklärung dieses Prinzips und aller
seiner Folgen würde uns in allzu tiefe und für diese
Untersuchung zu umfassende Gedankengänge führen,
bs genügt für diesmal, den Satz aufgestellt zu haben,
daß die drei verknüpfenden Prinzipien für alle Vor-
stellungen sind: Die Beziehungen der Ähnlichkeit
Berührung und Verursachung.]
Vierter Abschnitt.
Skeptische Zweifel in betreff der
Verstandestätigiceiten.
Erster Teil.
Alle Gegenstände der menschlichen Vernunft
und Forschung lassen sich naturgemäß in zwei Arten
zerlegen, nämlich in Beziehungen von Vorstel-
lungen und in Tatsachen. Von der ersten Art sind
die Wissenschaften der Geometrie, Algebra und
Arithmetik; und kurz gesagt, jede Behauptung von
entweder intuitiver oder demonstrativer Gewißheit.
Daß das Quadrat der Hypothenuse gleich ist
den Quadraten der beiden Seiten, ist ein Satz,
der eine Beziehung zwischen diesen Figuren ausdrückt.
Daß dreimal fünf gleich der Hälfte von dreißig
ist, drückt eine Beziehung zwischen diesen Zahlen
aus. Sätze dieser Art sind durch die reine Tätigkeit
des Denkens zu entdecken, ohne von irgend einem
Dasein in der Welt abhängig zu sein. Wenn es auch
niemals einen Kreis oder ein Dreieck in der Natur
gegeben hätte, so würden doch die von Euklid de-
monstrierten Wahrheiten für immer ihre Gewißheit
und Evidenz behalten.
Tatsachen, der zweite Gegenstand der mensch-
lichen Vernunft sind nicht in gleicher Weise als ge-
wiß verbürgt; ebensowenig ist unsere Evidenz von ihrer
Wahrheit, wenn auch noch so stark, von der gleichen
Art wie bei der vorhergehenden. Das Gegenteil jeder
Tatsache bleibt immer möglich, denn es kann niemals
einen Widerspruch in sich schließen und wird vom
Geist mit derselben Leichtigkeit und Deutlichkeit vor-
36
Vierter Abschnitt.
gestellt, als wenn es noch so sehr mit der Wirklichkeit
übereinstimmte. Daß die Sonne morgen nicht
l&näLl'l% ''' '^\°''=^' '"'"•^«' vefständKche
daß «^-1 o f Widerspruchsvoller, als die Behauptung,
ImI ^"^I®^«'' .^ird. Wir würden daher vef-
fie erTm^°<;'.^'"^^^'f '^'^«" ^" demonstrieret
wfders^rncnnf f n ^^^^"b '.° «"*^»'«'t« ^"^ einen
GeisteTorsteirn '''"' '"^' "'^""^'^ '^«"«'''h ^'O'»
Natu? iplfi** P ^i'° "^^^ Interesses wert sein, die
iNatur jener Evidenz zu erforschen, die uns ip^A
wirkliche Existenz und Tatsache sfchersteUt L Se
gSn unfefeT<^Äp."^'« ^^^ SinnToder dl' An!
gaoen unseres Gedächtnisses hinausgehen E=! fällt
^ w^^ ^T' T«" d«^ Philosophie^ he?den AUen
Iher möt"„^m^"?^ «^P«'^' w^den 1st,ninS
aaner mögen unsere Zweifel und Irrtümer bei d^r Vm-
folgung einer so wichtigen Untersuchung um so Int"
öiuu öügdr ais nutzJicü erzeigen, wenn sie dip Win«
sStitÄ", "LVr^ -Hingte^V'tr.tn'lS
v»™,;nm"0 , -i ^rstoren, welches Gift für alle
Sun^^of mI ™? ^"-^'^ Forschung ist üTe Ä
von ihm "haltener Brl!f „^^'"^S^^ J^^ «^wa ein
\
Skeptische Zweifei in betreff der Veratandestätigkeiten. 37
Maschine, so würde er schließen, daß einst Menschen
auf dieser Insel gewesen sind. All unsere Gedanken-
gänge, die Tatsachen betreffen, sind von derselben Art.
Es wird hier beständig vorausgesetzt, daß zwischen der
gegenwärtigen Tatsache und der aus ihr abgeleiteten
eine Verknüpfung bestellt. Wäre kein Band zwischen
ihnen vorhanden, so wäre die Ableitung völlig
haltlos. Eine in der Dunkelheit vernommene artiku-
lierte Stimme und vernünftige Rede versichern uns
der Gegenwart irgend einer Person. Und warum? weil
dies die Wirkungen menschlicher Bildung und Beschaf-
fenheit und eng mit dieser verknüpft sind. Zergliedern
wir alle anderen Gedankengänge solcher Art, so werden
wir finden, daß sie sich auf die Beziehung von
Ursache und Wirkung gründen und daß diese Be-
ziehung eine nahe oder entfernte, eine direkte oder
parallele ist. Hitze und Helligkeit sind Parallel-
wirkungen des Feuers, und die eine Wirkung kann
mit Recht aus der anderen abgeleitet werden.
Wollen wir also eine befriedigende Auflärung
über die Natur jener Evidenz erhalten, die uns der Tat-
sachen versichert, so müssen wir untersuchen, wie wir
zur Kenntnis von Ursache und Wirkung gelangen.
Ich wage es als einen allgemeinen und aus-
nahmelosen Satz hinzustellen, daß die Kenntnis dieser
Beziehung in keinem Falle durch Denkakte a priori
gewonnen wird; sondern daß sie ganz und gar aus
der Erfahrung stammt, indem wir finden, daß ge-
wisse Gegenstände beständig in Zusammenhang stehen.
Es werde einem Manne von noch so starker natür-
licher Vernunft und Begabung ein Gegenstand vor-
gelegt — ist dieser ihm gänzlich fremd, so wird
er selbst bei der genauesten Prüfung der sinnlichen
Eigenschaften desselben nicht imstande sein, irgend
welche von seinen Ursachen oder Wirkungen zu ent-
decken. Gesetzt den Fall, Adam hätte anfänglich durch-
aus vollkommene Vernunftkräfte besessen, so hätte
er doch aus der Flüssigkeit und Durchsichtigkeit des
Wassers nicht herleiten können, daß es ihn ersticken,
noch aus der Helligkeit und Wärme des Feuers, daß
es ihn verzehren würde. Kein Gegenstand enthüllt
jemals durch die Eigienschaften, die den Sinnen er-
38
Vierter Abachnitt
scheinen, die Ursachen, die ihn hervorgebracht haben,
noch die Wirkungen, die aus ihm entspringen werden-
auch kann unsere Vernunft ohne Beistand der Er-
fahrung niemals irgendwelche Ableitungen in bezug
auf wirkliches Dasein und Tatsachen vollziehen
Dieser Satz: daß Ursachen und Wirkungen
nicht durch die Vernunft, sondern durch die
liiFfahrung zu entdecken sind, wird leicht für
solche Gegenstände zugegeben werden, von denen
wir uns erinnern, daß sie uns früher gänzlich un-
bekannt gewesen sind; müssen wir uns doch bewußt
sein, daß wir damals völlig unfähig waren, voraus-
zusagen was aus ihnen entstehen werde. Man gebe
einem Menschen, der keinen Schimmer von Natur-
wissenschaft hat, zwei glatte Marmorstücke; und er
wird nie entdecken, daß sie in einer Weise an-
emander haften werden, die große Kraft erfordert,
wenn man sie in senkrechter Richtung trennen will
wahrend sie dem seitlichen Druck nur geringen Wider-
stand entgegensetzen. Bei Vorgängen, die wenig Ana-
loges im gewöhnlichen Naturlauf besitzen, gibt man
ebenfalls anstandlos zu, daß man sie nur aus der
Erfahrung kennt; auch bildet niemand sich ein, daß
die Entladung des Schießpulvers oder die Anziehungs-
kraft eines Magneten je durch Begründungen a priori
entdeckt werden könnte. Ebenso sträuben wir uns nicht
all unsere Kenntnis von Wirkungen, deren Abhänriff-
keit von einem verwickelten Getriebe oder einem ver-
borgenen Aufbau der Teile angenommen wird, der
Erfahrung zi^uschreiben. Wer wollte behaupten, den
letzten Grund dafür angeben zu können, daß Milch
• u. *?* ^^°® geeignete Nahrung für Menschen, aber
nicht für Löwen oder Tiger ist?
Doch die gleiche Wahrheit scheint vielleicht auf
den ersten Blick nicht die gleiche Evidenz zu haben,
wenn sie sich auf Ereignisse bezieht, die uns von
unserem ersten Eintritt in die Welt an vertraut ge-
worden sind, die eine genaue Analogie zu dem ganzen
Naturlauf zeigen, und die von den einfachen Eigen-
schaften der Dmge abhängen sollen, nicht von emem
verborgenen Aufbau der Teüe. Wir sind geneigt, uns
einzubilden, wir könnten diese Wirkungen ohne Er-
Skeptische Zweifel in betreff der VerstandestätigkeiteD. 39
fahrung durch reine Tätigkeit unserer Vernunft ent-
decken. Wir meinen, wenn wir plötzlich in die Welt
gestellt würden, so Mtten wir von Anfang an herleiten
können, daß eine Billardkugel durch Stoß einer
anderen Bewegung mitteilen würde, und daß wir
nicht auf das Ereignis hätten zu warten brauchen, um
mit Gewißheit darüber auszusagen. So groß ist der
Einfluß der Gewohnheit, daß da, wo sie am stärksten
ist, sie nicht nur unsere natürliche Unwissenheit ver-
deckt, sondern auch sich selbst verbirgt, und nur
deshalb nicht da zu sein scheint^ weil sie in höchstem
Grade vorhanden ist.
Um uns aber zu überzeugen, daß alle Natur-
gesetze und alle Vorgänge an Körpern ausnahmelos
nur durch Erfahrung gekannt werden, mögen viel-
leicht folgende Überlegungen genügen. Wird uns ein
beliebiger Gegenstand vorgelegt und wir sollen die
von ihm ausgehende Wirkung angeben, ohne frühere
Beobachtungen zu Rate zu ziehen — auf welche Weise,
in aller Welt, soll der Geist dabei zu Werke gehen?
Er muß sich ein Ereignis erfinden oder ausdenken,
das er dem Gegenstand als dessen Wirkung zu-
schreibt; es ist aber klar, daß diese Erfindung nur
durchaus willkürlich sein kann. Der Geist kann un-
möglich je die Wirkung in der angenommenen Ur-
sache finden, selbst bei der genauesten Untersuchung
und Prüfung. Denn die Wirkung ist von der Ursache
ganz und gar verschieden und kann folglich niemals
in dieser entdeckt werden. Die Bewegung der zweiten
Billardkugel ist ein völlig verschiedenes Ereignis von
der Bewegung der ersten; auch ist in der einen nichts
enthalten, das die leiseste Andeutung der anderen
lieferte. Ein Stein oder ein Metallstück, das in die
Luft erhoben und dort ohne Stütze gelassen wird,
fällt sofort nieder; betrachten wir aber die Sache
a priori, läßt sich wohl irgend etwas an dieser Lage
entdecken, das die Vorstellung einer Bewegung des
Steins oder Metalls nach unten eher als nach oben
oder nach irgend einer anderen Richtung erzeugte?
Und wie die erste Einbildung oder Erfindung
einer besonderen Wirkung in allen Naturvorgängen
da willkürlich bleibt, wo wir nicht die Erfahrung
40
Vierter Abschnitt
befragen, so müssen wir als willkürlich anoh Ha«
nnf P« nnl-T"?""«^ ?°'^''^"- <>'« «ie zusammenhält
S dPr T?^v*'-. '5?°''*' ''^^ eine andere Wirkung
ans der Tätigkeit dieser Ursache folge. Sehe ich
%..■ «nf 2L»«"^'^°&eJ «ich in gerader" Linie gegen
eine andere bewegen — selbst angenommen di> r!^
Prf K^ <^r zweiten Kugel falle mir rS a k da^
Ergebnis der Berührung oder des Stoßes e n - kan„
TTr«,!^'' einem Wort, j^e Wirkung ist ein von ihrer
Ursache versch edenes Ereie-ni« %ic V,i» j 1. •
der Ursache nicht entdeckt^erden td was man
hanffmit /«? n""* 2«^°""^°' "»"^ i^^^ ZusammeT
Sich jemals aneemaiBt hat /im Uf^T " i ^^° ^®*'
Skeptische Zweifel in betreff der Verstandestätigkeiten. 41
welche die Naturerscheinungen erzeugen, einfacher
zu gestalten und die vielen einzelnen Wirkungen durch
Denkakte auf Grund von Analogie, Erfahrung und Be-
obachtung in einige wenige allgemeine Ursachen ein-
münden zu lassen. Aber die Ursachen dieser all-
gemeinen Ursachen würden wir vergeblich zu entdecken
suchen, und wir werden auch niemals imstande sein, in
irgend einer bestimmten Erklärung derselben Befriedi-
gung zu finden. Diese letzten Grundkräfte und Prin-
zipien sind ganz und gar der menschlichen Wißbe-
gierde und Forschung verschlossen. Elastizität, Schwer-
kraft, Kohäsion der Teile, Mitteilung der Bewegung
durch Stoß: dies sind wahrscheinlich die letzten Ur-
sachen und Prinzipien, die wir jemals in der Natur ent-
decken werden; wir können uns noch glücklich genug
schätzen, wenn wir durch sorgfältige Untersuchung und
Vernunfttätigkeit die besonderen Erscheinungen bis
oder nahe bis auf diese allgemeinen Prinzipien zurück-
führen können. Die vollkommenste Naturwissenschaft
schiebt nur unsere Unwissenheit ein wenig weiter zurück,
wie vielleicht die vollkommenste Geisteswissenschaft
nur dazu dient, weitere Gebiete unserer Unwissenheit
aufzudecken. So ist die Betrachtung der menschlichen
Blindheit und Schwäche das Ergebnis aller Philosophie
und begegnet uns bei jeder Wendung, trotz all unserer
Versuche, sie zu umgehen oder zu vermeiden.
Ebensowenig ist die Geometrie, wenn die Natur-
wissenschaft sie zu Hilfe nimmt, jemals imstande,
diesem Mangel abzuhelfen, oder uns zur Kenntnis
letzter Ursachen zu führen, trotz aller Genauigkeit
in ihrem Gedankengang, die man mit Recht von ihr
rühmt Jeder Teil der angewandten Mathematik geht
von der Annahme aus, daß die Natur ihren Vorgängen
gewisse Gesetze zugrunde legt; und abstrakte Gedanken-
gänge werden nur herangezogen, um die Erfahrung
bei der Entdeckung dieser Gesetze zu unterstützen,
oder deren Einfluß in besonderen Fällen, in denen es
auf genaue Grade der Entfernung oder Maße ankommt,
zu bestimmen. So ist es ein durch Erfahrung entdecktes
Bewegungsgesetz, daß das Moment oder die Kraft eines
bewegten Körpers in geradem Verhältnis proportional
ist zum Produkt aus der Masse in die Geschwindigkeit
•X
l[-
43
Vierter AbBohoitt.
•II
und folglich, daß eine geringe Kraft das größte
Hindernis forträumen oder das größte Gewicht heben
kann, wenn durch irgend eine Einrichtung oder ein
Getriebe wir die Schnelligkeit dieser Kraft so weit
verstärken daß sie die Übermacht über ihre Gegen-
kraft erhält Die Geometrie hilft uns bei der An-
wendung dieses Gesetzes, durch Angabe der richtigen
Großenverhaltnisse aller Teüe und Formen, die in einer
beliebigen Maschme verwendet werden können; doch
die Entdeckung des Gesetzes selbst verdankt man
allem der Erfahrung, und alle abstrakten Denkakte
der Welt konnten uns auch keinen Schritt diesem Wissen
naherbnngen. Wenn wir a priori Denkakte vollziehen
und einen Gegenstand oder eine Ursache rein, wie sie
dem Geist erscheint, betrachten, unabhängig von aller
Beobachtung, dann könnte sie uns niemals den
Begriff eines so unterschiedenen Gegenstandes, wie
es ihre Wirkung ist, nahelegen; viel weniger, uns
die untrennbare und unverletzliche Verknüpfung
zwischen ihnen anzeigen. Es müßte ein höchst scharf-
sinniger Mensch sein, der durch Vernunfttätiffkeit
allem enWecken könnte, daß Kristalle die Wirkung der
Hitze und Eis die Wirkung der Kälte seien, w?^ er
nicht vorher mit der Wirksamkeit dieser Eigenschaften
vertraut war. ^
Zweiter Teil.
ur.J^^^^ ^^^^'^ 7'^ "^^^^ ^®''^® befriedigende Ant-
7^lLf ^^^?*/?^geworfenen Frage gewonnen. Jede
Losung erweckt eine neue Frage, die ebenso schwierig
7r!J'^ Ä^^^^^? '^i """^ ^°^ ^" weiteren Forschungen
treibt Auf die Frage: was ist das Wesen all
.?w ?$• ^^\^,?^*^ i° betreff von Tatsachen
scheint die richtige Aiitwort zu sein, daß sie sich auf
die Beziehung von Ursache und Wirkung eründen
Auf die weitere Frage: was ist die Grundlage aH
unserer Denkakte und Schlüsse in betreff
dieser Beziehung, kann man mit einem Wort
erwidern: Erfahrung. Treibt uns aber die Neigun?
Skeptiach© Zweifel in betreff der VersUndeetfttigkeiten. 43
noch feiner zu zergliedern und zu fragen: was ist
die Grundlage aller Schlüsse aus der Er-
fahrung, so schließt dies eine neue Frage ein,
deren Lösung und Erklärung schwieriger sein dürfte.
Philosophen, welche die Miene höherer Weisheit
und Zuständigkeit aufsetzen, haben schweren Stand,
wenn sie fragedurstigen Leuten begegnen, die sie
aus jedem Schlupfwinkel vertreiben und schließlich
sicher in ein gefährliches Dilemma bringen. Der
beste Ausweg, diese Beschämung zu vermeiden, ist
der, bescheiden in unseren Ansprüchen zu sein und lieber
selbst die Schwierigkeit zu entdecken, ehe sie uns
vorgehalten wird. Auf diese Weise können wir sogar
aus unserer Unwissenheit eine Art von Verdienst
machen.
Ich werde mich in diesem Abschnitt mit einer
leichten Aufgabe begnügen und nur eine verneinende
Antwort auf die hier gestellte Frage zu geben be-
anspruchen. Ich behaupte also, daß, selbst nachdem
wir den Ablauf von Ursache und Wirkung erfahren
haben, unsere Schlüsse aus dieser Erfahrung nicht
auf einem Denkakt orfer sonst irgend emem Ver-
standesvorgang beruhen. Diese Antwort müssen wir
zu erklären und zu verteidigen versuchen.
Es muß sicherlich eingeräumt werden, daß die
Natur uns in großem Abstand von all ihren Ge-
heimnissen hält und uns nur die Kenntnis weniger
oberflächlicher Eigenschaften der Dinge ermöglicht,
während sie jene Kräfte und Prinzipien vor uns
verbirgt, von denen allein der Einfluß abhängt,
den diese Dinge ausüben. Unsere Sinne belehren
uns über Farbe, Gewicht und Festigkeit des Brotes;
aber weder Sinne noch Vernunft können uns je über
jene Eigenschaften belehren, die es für die Ernährung
und Erhaltung geeignet machen. Das Gesicht oder
Getast vermittelt eine Vorstellung von der augen-
blicklichen Bewegung der Körper; aber von der
wunderbaren Kraft oder Macht, die einen sich be-
wegenden Körper ewig in dauerndem Ortswechsel er-
halten würde und die ein Körper nur durch Mitteilung
an andere verliert — von ihr können wir uns nicht
das blasseste Vorstellungsbild machen. Doch unge-
»
44
Viertor Abfchoitt.
achtet diese Unwissenheit über die natürlichen Kräfte M
und Fnnzipien setzen wir immer dort, wo wir gleiche
Eigenschaften bemerken, gleiche geheime Kräfte vor-
aus und erwarten den Eintritt von Wirkungen aus ilinen
die den früher erfahrenen gleichen. Wird uns ein
Korper von gleicher Farbe und Beschaffenheit wie
die des früher gegessenen Brotes vorgelegt so wieder-
holen wir ohne Bedenken diese Erfahrung und erwarten
mit Gewißheit gleiche Nahrung und Kräftigung. Dieser
Fortschritt im Geist oder im Denken ist es, von dem
ich gern die Grundlage kennen möchte. Allseiti<r
räumt man ein, daß es keine bekannte Verknüpfung
gibt zwischen den sinnlichen Eigenschaften und den
geheimen Kräften, und daß folglich der Geist nicht
durch etwas, das ihm von deren Natur bekannt wäre
zu emem solchen Schluß über ihren dauernden und
regelmäßigen Zusammenhang geführt wird. Was die
vergangene Erfahrung betrifft, so kann nur ein-
geräumt werden, daß sie uns unmittelbare und
gewisse Belehrung über jene ganz bestimmten Gegen-
stände und jenen ganz bestimmten Zeitpunkt bietet,
die zu ihrer Kenntnisnahme gelangten. Aber warum
Ä ^"^^^"?^ ^5^ die Zukunft ausgedehnt werden
sollte und auf andere Gegenstände, die, soviel wir
wissen können, nur in der Erscheinung gleichartig
r^Z^Z'^'i^'' ^l'\''\ ^'^- Hauptfrage, die^ich betonen
mochte Das Brot, das ich früher gegessen, ernährte
Fi^P% w.^'^^*' ^^" .^^^^^ ^^° sofcherkShen
Eigenschaften war zu jener Zeit mit solchen geheimen
Kräften begabt. Folgt aber daraus, daß andfres Brot
gleiche sinnliche Eigenschaften immer voi gleichen
geheimen Kräften begleitet sem müssen? Diese Folge
rung schemt keineswegs notwendig. Wenigstens muß
man anerkennen, daß hier eine vom Geist gezogene
Folgerung vorliegt, daß hier ein bestimmter Schritt
getan wird: em Fortgang im Denken und eine Ab-
') Das Wort Kraft ist hier in weitem und gewöhnlichem
Sinne gebraucht Seine genauere ErklärungTürdrS
St T'^^m-''"'^ einleuchtender machen^ sLhe Ab!
schnitt 7. (Diese Anmerkung kam in Ausgabe F hinzu.)
•7J
Skeptische Zweifel in betreff der Verstandestätigkeiten. 4,5
leitung, die der Erklärung bedarf. Die zwei Sätze
sind weit davon entfernt, dasselbe auszusagen: ich
habe gefunden, daß ein solcher Gegenstand
immer von einer solchen Wirkung begleitet
gewesen ist, und: ich sehe voraus, daß andere
Gegenstände, die in der Erscheinung gleich-
artig sind, von gleichartigen Wirkungen be-
gleitet sein werden. Ich will gern zugeben, daß
der eine Satz mit Recht aus dem anderen abgeleitet
werden kann; ich weiß sogar, daß er immer so ab-
geleitet wird. Betont man aber, daß diese Ableitung
durch eine Kette von Denkakten gewonnen wird, so
bitte ich mir diese Denkakte aufzuzeigen. Die Ver-
knüpfung zwischen diesen Sätzen ist nicht intuitiver
Art; es bedarf eines Mittelgliedes, das den Geist be-
fähigt, solche Ableitung zu vollziehen, wenn sie in der
Tat durch Gedankengänge und durch Begründung voll-
zogen sein sollte. Welcher Art dieses Mittelglied ist,
das übersteigt, gestehe ich, mein Verständnis; und es
liegt jenen ob, es aufzuweisen, die behaupten, daß es
wirklich bestehe und der Ursprung unserer Schluß-
folgerungen in bezug auf Tatsachen sei.
Diese negative Begründung muß sicherlich im
Verlauf der Zeit völlig überzeugen, wenn recht viele
scharfsinnige und fähige Philosophen ihre Forschungen
in diese Bahnen lenkten und doch keiner je im-
stande wäre, irgend einen verknüpfenden Satz oder
vermittelnden Schritt zu entdecken, der den Ver-
stand bei dieser Schlußfolgerung unterstützt Aber
da die Fragestellung noch neu ist, vertraut vielleicht
nicht jeder Leser seinem eigenen Scharfsinn so weit,
daß er den Schluß wagte: eine Begründung existiere
deshalb nicht wirklich, weil sie sich seiner Nach-
forschung entzieht. Aus diesem Grunde ist es wohl
erforderlich, eine schwierigere Aufgabe in Angriff
zu nehmen und durch Aufzählung aller Zweige des
menschlichen Wissens den Nachweis zu versuchen,
daß keiner von ihnen eine solche Begründung
liefern kann.
Alle Denkakte lassen sich in zwei Arten ein-
teilen, nämlich in demonstrative Denkakte, d. h. solche,
die Beziehungen zwischen Vorstellungen betreffen,
* ''n
>"
46
Vierter Abschnitt.
und moralisch-gewisse 1) Denkakte, d h. solche, die
latsachen und Dasein betreffen. Daß keine de-
monstrativen Begründungen in unserem Fall vor-
handen smd, erscheint einleuchtend; denn es liefft
kein Widerspruch darin, dajQ der Naturlauf wechsle
1' i.. ^. ®^°. Gegenstand, der anscheinend Dingen
gleicht, die wir durch Erfahrung kennen gelernt haben
von andersartigen oder widerstreitenden Wirkungen
begleitet sei. Kann ich mir nicht klar und deutlich
vorstellen daß ein Körper, der aus den Wolken fällt
und m jeder anderen Hinsicht dem Schnee ähnlich ist
doch wie Salz schmeckt oder sich wie Feuer anfühlt?
(xibt es einen verständlicheren Satz als die Behaup-
tung, daß alle Bäume im Dezember und Januar blühen
und im Mai und Juni welken werden? Nun enthält
\ n ^?3„7?8 verständlich ist und sich deutlich vor-
stellen laßt, kemea Widerspruch und kann durch keiner-
lei demonstrative Begründung oder abstrakten Ge-
dankengang a priori je als falsch bewiesen werden.
Werden wir also durch Begründungen veran-
laßt, vergangener Erfahrung zu vertrauen und sie
zum Maßstab unserer künftigen Urteile zu nehmen,
so können diese Begründungen nur wahrscheinliche
Tkfiri« !f'°'.T??^^^ °^^^ der obigen Einteilung
Tatsachen und wirkliches Dasein betreffen. Daß es
aber eine solche Begründung hier nicht gibt muß
emleuchten wenn unsere Erklärung dieser Art von
Vernunfttatigkeit als zuverlässig und befriedigend an-
gesehen wird. Wir sagten, daß alle Begründungen
die das Dasein betreffen, auf der Beziehung von Ur-
sache und Wirkung beruhen, daß unsere Kenntnis
dieser Beziehung einzig aus der Erfahrung herge-
leitet wird und daß endlich alle unsere Erfahrunls^
Ä?f ""^f i^^ Voraussetzung ausgehen, daß die
Zukunft mit der Vergangenheit gleichförmig sein
werde. Wer den Beweis dieser letzteren Vorauf
Sf ^T? wahrscheinliche Gründe, d. h. durch
Grunde, welche das Dasein betreffen, zu führen ver-
^^^H muß sich ersichtlich im Kreise drehen und
.cheinLt.^"'^*^' ^ ^** ^ "*^**' d*'- Z°»at.: odT wahr-
m,i^ 'VcJiZ
Skeptische Zweifel in betreff der Verstandestätigkeiteu. 47
das für zugestanden nehmen, was gerade der in Frage
stehende Punkt ist.
In Wirklichkeit beruhen alle Erfahrungsbegrün-
dungen auf der Gleichartigkeit, die wir unter den
Naturgegenständen entdecken und die uns dazu führt,
Wirkungen von gleicher Art zu erwarten wie jene,
die wir als Folge solcher Gegenstände angetroffet
haben. Zwar wird nur ein Narr oder Wahnsinniger
je das Ansehen der Erfahrung bestreiten oder diesen
großen Führer durch das Menschenleben abweisen
wollen. Ein Philosoph aber wird doch soviel Wiß-
begierde haben dürfen, wenigstens das Prinzip der
menschlichen Natur zu untersuchen, das der Er-
fahrung dieses mächtige Ansehen verleiht und uns
aus jener Gleichartigkeit, die von Natur zwischen
verschiedenen Gegenständen besteht, Vorteil ziehen
läßt Von Ursachen, welche gleichartig erscheinen,
eiwarten wir gleichartige Wirkungen. Dies ist die
Summe all unserer Erfahrungsschlüsse. Nun leuchtet
es wohl ein, daß dieser Schluß, wäre er von der
Vernunft gebildet, gleich zu Anfang und auf Grund
eines Falles ebenso vollkommen gültig sein würde,
wie nach einer noch so langen Reihe von Erfahrungen.
Aber die Sache liegt ganz anders. Was ist einander
so ähnlich wie Eier? Und doch erwartet niemand
dieser scheinbaren Gleichartigkeit wegen von allen
denselben Geschmack und Genuß. Nur nach einer
langen Reihe gleichförmiger Erfahrungstatsachen
irgendwelcher Art erreichen wir feste Zuversicht und
Sicherheit über ein bestimmtes Ereignis. Wo gibt es
in der Vernunfttätigkeit ein solches Vorgehen, das
aus einem Fall einen ganz anderen Schluß zieht, als
aus hundert Fällen, die sich in keiner Weise von
jenem einzelnen unterscheiden? Diese Frage stelle
ich ebenso um der Belehrung willen, wie in der Ab-
sicht, Schwierigkeiten hervorzuheben. Ich kann einen
solchen Denkakt nicht auffinden, nicht ersinnen; aber
ich halte meinen Geist noch der Belehrung offen,
wenn irgendwer sie mir gütig gewähren will.
Sollte jemand sagen, aus einer Anzahl gleich-
förmiger Erfahrungsfälle leiteten wir eine Ver-
knüpfung zwischen den sinnlichen Eigenschaften und
.'[''
48
Vierter Abschilitt.
I i
den geheimen Kräften ab; so muß ich gestehen, daß
mir dies die gleiche Schwierigkeit, nur anders aus-
gedrückt, zu sein scheint Immer kehrt die Frage
wieder: auf welchem Begründungsverlauf beruht diese
Ableitung? Wo ist das Mittelglied, die Zwischen-
vorstellungen, die so sehr weit voneinander ge-
trennte Sätze verbinden? Man gibt zu, daß die Farbe,
Festigkeit und andere sinnliche Eigenschaften des
Brotes an sich selbst gar keine Verknüpfung mit den
geheimen Kräften der Ernährung und Erhaltung haben.
Denn sonst könnten wir diese geheimen Kräfte aus
der ersten Erscheinung dieser sinnlichen Eigen-
schaften, ohne die Hilfe der Erfahrung ableiten, gegen
die Ansicht aller Philosophen und gegen den ein-
fachen Tatbestand. Hier zeigt sich denn unser natür-
licher Zustand der Unwissenheit in Hinsicht auf die
Kräfte und Einwirkungen aller Gegenstände. Wie
hilft die Erfahrung dem ab? Sie zeigt uns nur eine
Anzahl gleichförmiger Wirkungen, die sich aus gewissen
Gegenständen ergeben, und lehrt uns, daß diese be-
stimmten Gegenstände zu dieser bestimmten Zeit mit
solchen Kräften und Vermögen begabt waren. Zeigt
sich ein neuer Gegenstand, mit gleichartigen sinnlichen
Eigenschaften begabt, so erwarten wir gleichartige
Kräfte und Vermögen und sind einer gleichen Wir-
kung gewärtig. Von einem Körper, der die gleiche
Farbe und Festigkeit wie das Brot besitzt, erwarten
wir die gleiche Ernährung und Erhaltung. Dies ist
doch sicherlich ein Schritt oder ein Fortgang im Geiste,
der einer Erklärung bedarf. Wenn jemand sagt: ich
habe in allen vergangenen Fällen solche sinn-
lichen Eigenschaften mit solchen geheimen
Kräften in Zusammenhang gefunden; und wenn
er sagt: gleichartige sinnliche Eigenschaften
werden immer mit gleichartigen geheimen
Kräften in Zusammenhang stehen, so macht er
sich keiner Tautologie schuldig, und diese Sätze sind
auch in keiner Hinsicht dasselbe. Man wird sagen,
der eine Satz ist vom anderen abgeleitet. Aber es
muß doch zugegeben werden, daß die Ableitung nicht
intuitiver Art ist; aber demonstrativ ist sie auch nicht;
welcher Art ist sie also? Die Behauptung, sie stamme
Skeptische Zweifel in betreff der Verstandeetätigkeiten. 49
aus Erfahrung, setzt voraus, was in Frage steht.
Denn alle Ableitung aus Erfahrung setzt als ihre
Grundlage voraus, daß die Zukunft der Vergangenheit
ähnlich sein wird, und daß gleichartige Kräfte mit
gleichartigen sinnlichen Eigenschaften zusammen-
hängen werden. Schöpfte man irgendwie Verdacht,
daß der Naturlauf sich ändern könne und daß in der
Vergangenheit nicht die Regel für die Zukunft ent-
halten sei, so würde jede Erfahrung nutzlos und könnte
zu keinem Ableiten oder Schließen Veranlassung
geben. Daher ist es unmöglich, daß irgendwelche
Erfahrungsbegründungen diese Ähnlichkeit der Ver-
gangenheit mit der Zukunft belegen können, denn
all diese Begründungen beruhen ja auf der Voraus-
setzung dieser Ähnlichkeit. Mag der Lauf der Dinge
bisher noch so regelmäßig gewesen sein — das allein,
ohne eine neue Begründung oder Ableitung, beweist
nicht, daß es in Zukunft so bleiben muß. Vergeblich
behauptet man, die Natur der Körper aus vergangener
Erfahrung kennen gelernt zu haben. Ihre verborgene
Natur und folglich alle ihre Wirkungen und Äuße-
rungen können wechseln, ohne jeden Wechsel in
ihren sinnlichen Eigenschaften. Das trifft manchmal
und für manche Gegenstände zu; warum sollte es
nicht immer und für alle Gegenstände zutreffen?
Welche Logik, welches Verfahren der Begründung
sichert uns gegen diese Annahme? Mein Handeln,
sagt man, widerlegt meine Zweifel. Aber dies heißt
die Absicht meiner Frage verkennen. Als Handelnder
bin ich über den Punkt vollständig im reinen, aber
als Philosoph, der einige Wißbegierde, um nicht zu
sagen Zweifelsucht, sein eigen nennt, wünsche ich
die Grundlage dieser Ableitung kennen zu lernen.
Kein Studium, keine Forschung hat bisher mir die
Schwierigkeit beheben oder mich in einer so wich-
tigen Sache befriedigen können. Was kann ich
besseres tun, als die Schwierigkeit der Öffentlichkeit
vorzulegen, wenn ich auch vielleicht geringe Hoff-
nung auf eine Lösung hege? Wir werden auf diese
Weise wenigstens unserer Unwissenheit inne, wenn
wir unser Wissen auch nicht vermehren.
Ich gebe zu, daß jeder sich unverzeihlicher An-
Huma , Unteraachg.üb.d.meniiohl. Ventand. 4
50
Vierter Abschnitt.
II
'
maßung schuldig macht, der den Schluß zieht: weil
eine Begründung sich seiner eigenen Nachforschung
entzogen hat, deshalb gebe es sie auch wirklich nicht.
Ich gebe ferner zu: wenn sich auch alle Gelehrten
durch mehrere Zeitalter fruchtlos mit der Ergründung
eines Problems abgegeben haben, so ist es doch
vielleicht voreilig, bestimmt zu schließen, daß das
Problem deshalb alle menschliche Fassungskraft über-
steigen müsse. Selbst wenn wir alle Quellen unseres
Wissens prüfen und sie für ein solches Problem un-
geeignet befinden, kann immer noch der Verdacht
bleiben, daß die Aufzählung nicht vollständig oder die
Untersuchung nicht genau gewesen seL Gerade für
unser gegenwärtiges Problem bieten sich aber einige
Erwägungen, die diesen Vorwurf der Anmaßung sowie
den Verdacht eines Irrtums ganz zu beseitigen
scheinen.
Es ist gewiß, daß ganz unwissende und stumpfe
Bauern, ja kleine Kinder, ja selbst die unvernünftigen
Tiere durch Erfahrung klüger werden und die Eigen-
schaften der natürlichen Dinge durch Beobachtung
der von ihnen ausgehenden Wirkungen kennen lernen.
Ein Kind, das die Wahrnehmung des Schmerzes bei
Berührung einer Kerzenflamme gemacht hat, wird
sich hüten, je seine Hand einer Kerze zu nähern,
denn es wird eine gleichartige Wirkung von einer
Ursache gleichartiger sinnlicher Beschaffenheit und
Erscheinung erwarten. Behauptet also jemand, daß
der kindliche Verstand zu diesem Schluß durch irgend
ein Verfahren der Begründung oder eine Vemunft-
erwägung geführt sei, so darf ich mit Recht von
ihm fordern, diese Begründung beizubringen; und
er hat auch keinen Vorwand, ein so billiges Verlangen
abzuschlagen. Er kann nicht sagen, daß die Be-
gründung schwer zu führen ist und sich vielleicht
seiner Nachforschung entzieht, denn er gibt zu, daß
dieselbe der geringen Fähigkait eines Kindes zugäng-
lich ist. Zögert er also nur einen Augenblick oder
bringt er nach Überlegung eine verwickelte oder
tiefsinnige Begründung vor, so gibt er gewissermaßen
die Sache verloren und gesteht ein, daß nicht Ver-
nunfttätigkeit uns zu der Annahme bestimme, die
mim
Skeptische Zweifei in betreif der Verstandestfttigkeiten. 51
Vergangenheit habe Ähnlichkeit mit der Zukunft,
und zu der Erwartung gleichartiger Wirkungen von
anscheinend gleichartigen Ursachen. Das ist der Satz,
den ich im vorliegenden Abschnitt zur Anerkennung
bringen wollte. Habe ich recht, so will ich damit nicht
behaupten, eine großartige Entdeckung gemacht zu
haben. Habe ich aber unrecht, so muß ich in der Tat
in der Gelehrsamkeit arg zurückgeblieben sein — da
ich noch jetzt eine Begründung nicht entdecken kann,
die mir anscheinend durchaus vertraut war, lang ehe
ich die Wiege verließ.
4»
'I?
JS^-^-:
Skeptisch« Lösung dieser Zweifel.
53
Fünfter Abschnitt.
Skeptische Lösung dieser Zweifel«
Erster TeiK
Der philosophische Eifer, ebenso wie der religiöse,
scheint die eine Unzuträglichkeit nach sich zu ziehen:
daß er trotz seines Strebens nach Verbesserung unserer
Sitten und Ausrottung unserer Laster durch unvor-
sichtige Handhabung leicht eine herrschende Vorliebe
großzuziehen dient und den Geist mit heftigerer Ent-
schiedenheit gerade nach der Seite drängt, die schon
zu viel Anziehung durch das Übergewicht und den
Hang des natürlichen Temperaments ausübt. Gewiß
kann unsere Philosophie, während wir der groß-
herzigen Seelenstärke des philosophischen Weisen
nachstreben und unsere Genüsse ausschließlich auf
die geistigen zu beschränken suchen, am Ende der
Epiktets und anderer Stoiker gleich werden, nämlich
nur ein verfeinertes System der Selbstsucht, und
wir vernünfteln uns ebenso aus aller Tugend wie
aus allen geselligen Freuden heraus. Während wir
aufmerksam die Eitelkeit des menschlichen Lebens
beobachten und alle Gedanken auf die leere und ver-
gängliche Natur von Reichtum und Ehren richten,
schmeicheln ^ir vielleicht dabei nur unserer natür-
lichen Trägheit, die aus Haß auf das unruhige Treiben
der Welt und die Mühen der Geschäfte einen Ver-
nunftvorwand sucht, um sich ganz und unbeschränkt
gehen zu lassen.
Eine Art der Philosophie scheint indessen dieser
Unzuträglichkeit weniger unterworfen, und zwar des-
halb, weil sie mit keinem herrischen Affekt des
menschlichen Geistes zusammentrifft und mit keiner
natürlichen Neigung oder Liebhaberei verschmelzen
kann; das ist die akademische oder skeptische
Philosophie. Die Akademiker reden immerfort von
Zweifeln und Zurückhaltung des Urteils, von der Ge-
fahr übereilter Bestimmungen, von sehr engen Schran-
ken, die den Untersuchungen des Verstandes zu ziehen
sind, und vom Verzicht auf alle Spekulationen, die
nicht in den Grenzen des gewöhnlichen Lebens und
Handelns liegen. Nichts widerstrebt daher mehr als
diese Philosophie der lässigen Trägheit des Geistes,
seiner vorlauten Anmaßung, seinen stolzen An-
sprüchen und seinem abergläubischen Vertrauen. Sie
unterdrückt jeden Affekt außer der Liebe zur
Wahrheit, und dieser Affekt wird nie und kann
nie einen zu hohen Grad erreichen. Es ist daher
erstaunlich, daß diese Philosophie, die beinahe über-
all nur harmlos und unschuldig sein kann, zum Gegen-
stand so vieler grundloser Vorwürfe und übler Nach-
reden gemacht wird. Vielleicht aber setzt sie gerade
der Umstand, der sie so unschuldig macht, haupt-
sächlich dem Haß und Groll der Menge aus. Da sie
den ausschweifenden Affekten nicht schmeichelt, ge-
winnt sie wenig Anhänger; da sie sich vielen Lastern
und Torheiten entgegenstellt, erweckt sie sich Feinde
im Überfluß, die sie als freigeistig, lästerlich und ir-
religiös brandmarken.
Wir brauchen auch nicht zu befürchten, daß
diese Philosophie bei ihren Versuchen, unsere For-
schungen auf das gewöhnliche Leben zu beschränken,
jemals die Gedankengänge des gewöhnlichen Lebens
untergraben und ihre Zweifel bis zur Zerstörung alles
Handelns wie alles Spekulierens treiben würde. Die
Natur wird immer ihre Rechte wahren und zuletzt
über jedwede abstrakte Vernunfttätigkeit obsiegen.
Sollten wir z. B. wie im vorigen Abschnitt zu dem
Schlüsse gelangen, daß in allen Denkakten auf Grund
von Erfahrung der Geist einen Schritt tut, der nicht
durch eine Begründung oder ein Verstandesverfahren
gestützt wird, so ist doch keine Gefahr, daß diese
Denkakte, von denen fast unser ganzes Wissen ab-
hängt, je durch solche Entdeckung getroffen werden
I
^-^;'' t^'
I . J*. ^. x_ >
54
Fünfter Abschnitt.
Skeptische LösuDg dieser Zweifel.
55
könnten. Wird der Geist nicht durch eine Begründung
zu diesem Schritte veranlaßt, so muß er durch ein
anderes Prinzip von gleichem Gewicht und Wert dazu
geführt werden; und dieses Prinzip wird seinen Ein-
fluß so lange erhalten, wie die menschliche Natur sich
gleich bleibt Was das für ein Prinzip ist, mag wohl
der Mühe einer Untersuchung wert sein.
Angenommen, ein Mensch von ausgezeichneten
Fälligkeiten der Vernunft und der Überlegung würde
plötzlich in diese Welt gestellt, so würde er freilich so-
fort eine stetige Folge von Gegenständen und Ereig-
nissen beobachten; aber irgend etwas weiteres zu ent-
decken, wäre er nicht imstande. Er würde anfangs
durch keinen Denkakt imstande sein, die Vorstellung von
Ursache und Wirkung zu fassen, weil die besonderen
Kräfte, durch welche alle Naturvorgänge sich voll-
ziehen, niemals den Sinnen erscheinen. Ebensowenig
ist es ein vernünftiger Schluß: bloß weil ein Er-
eignis in einem Falle dem anderen vorhergeht, des-
halb sei das eine die Ursache, das andere die Wirkung.
Ihr Zusammenhang kann ja willkürlich und zufällig
und kein Grund vorhanden sein, das Dasein des einen
aus dem . Auftreten des anderen abzuleiten. Kurz,
solch ein Mensch könnte ohne weitere Erfahrung nie
Vermutungen oder Gedankengänge über Tatsachen
bilden oder irgend einer Sache sicher sein, die nicht
unmittelbar seinem Gedächtnis und seinen Sinnen
gegenwärtig ist
Weiter angenommen, daß er mehr Erfahrung
gewonnen und lange genug in der Welt gelebt hat,
um den ständigen Zusammenhang gleichartiger Gegen-
stände oder &eignisse beobachtet zu haben — was
ist die Folge dieser Erfahrung? Er leitet unmittelbar
das Dasein des einen Gegenstandes aus dem Auf-
treten des anderen ab. Dennoch hat ihm all seine
Erfahrung keinerlei Vorstellung oder Kenntnis der ge-
heimen Kraft geliefert, durch die der eine Gegenstand
den anderen hervorbringt, noch wird er durch irgend
einen Prozeß der Vernunfttätigkeit darauf geführt
diese Ableitung zu vollziehen. Trotzdem fühlt er sich
gedrungen, es zu tun, und sollte er auch überzeugt
sein, daß sein Verstand keinen Anteil an dem Vorgang
hat, so würde er nichtsdestoweniger bei derselben
Denkweise verharren. Es gibt also ein anderes Prin-
zip, das ihn zu dieser Schlußfolgerung bestimmt
Dies Prinzip ist Gewohnheit oder Übung. Wo
immer die Wiederholung einer bestimmten Handlung
oder Tätigkeit die Neigung hervorruft, dieselbe Hand-
lung oder Tätigkeit ohne irgend einen Anstoß durch
einen Denkakt oder Verstandesvorgang, zu erneuern:
da sagen wir stets, diese Neigung sei die Wirkung
der Gewohnheit Wir behaupten nicht, mit der An-
wendung dieses Wortes den letzten Grund einer solchen
Neigung angegeben zu haben. Wir deuten damit nur
auf ein Prinzip der menschlichen Natur, das all-
gemein anerkannt und durch seine Wirkungen uns
wohl vertraut ist. Vielleicht können wir unsere Nach-
forschungen nicht weiter treiben noch uns anmaßen,
die Ursache dieser Ursache anzugeben, sondern müssen
daran als an dem letzten aufweisbaren Prinzip all
unserer Erfahrungsschlüsse uns genügen lassen. Wir
können ganz zufrieden sein, so weit zu kommen und
sollten uns nicht über die Bßschränktheit unserer Fähig-
keiten beklagen, die uns nicht weiter bringen. Und
soviel ist gewiß, wir stellen hiermit einen wenigstens
sehr verständlichen, wenn nicht wahren Satz auf, in-
dem wir behaupten: anläßlich des beständigen Zu-
sammenhangs zweier Gegenstände, z. B. Hitze und
Flamme, Gewicht und Masse, werden wir allein durch
Gewohnheit bestimmt, das eine beim Auftreten des
anderen zu erwarten. Ja, diese Hypothese scheint
die einzige zu sein, welche das schwierige Problem
erklärt, warum wir aus tausend Fällen etwas ab-
leiten, das wir aus einem Falle, der in keiner Hin-
sicht von jenen abweicht, abzuleiten nicht in der
Lage waren. Die Vernunft ist eines so verschiedenen
Verfahrens nicht fähig. Die Schlüsse, die sie aus
der Betrachtung eines Kreises zieht, sind die
nämlichen, die sie aus einem Überblick über alle
Kreise des Weltalls bilden würde. Aber niemand,
der nur einen Körper auf Anstoß eines anderen
sich hat bewegen sehen, könnte daraus ableiten, daß
jeder andere Körper auf einen gleichen Anstoß hin
sich bewegen würde. Alle Ableitungen aus Erfahrung
m
i
5i
Fanfter Abschnitt.
sind daher Wirkungen der Gewohnheit, nicht der
Vernunfttätigkeit. ^)
^) Meistens unterscheiden Schriftsteller, selbst auf dem
Gebiete der Moral, Politik und Physik, zwischen Ver-
nunft und Erfahrung, in der Voraussetzung, daß diese
ßegründungsarten gänzlich voneinander verschieden seien. Die
erstere gilt als das alleinige Ergebnis unserer intellektuellen
Vermögen, welche a priori das Wesen der Dinge betrachten,
die Wirkungen untersuchen, die aus deren Tätigkeit folgen,
und daraus besondere Prinzipien für Wissenschaft und Philo-
sophie aufstellen. Letztere stammt angeblich gänzlich von
den Sinnen und der Beobachtung, durch welche wir die
tatsächlichen Ergebnisse aus der Wirksamkeit bestimmter
Gegenstände kennen lernen und daraus abzuleiten vermögen,
was künftig aus ihnen sich ergeben wird. So lassen sich
z. B. die Begrenzung und Beschränkung der Staatsregiemng
und eine gesetzliche Verfassung entweder durch die Ver-
nunft verteidigen, die ans der Erwägung der großen
Schwäche und Verderbtheit der mensclüichen Natur uns
lehrt, daß niemand ohne Gefahr mit unbeschränkter Machtvoll-
kommenheit betraut werden kann; oder durch Erfahrung
und Geschichte, die uns von dem ungeheueren Mißbrauch
berichten, den der Ehrgeiz zu allen Zeiten und in allen
Ländern mit solch unvorsichtigem Vertrauen getrieben hat
Die gleiche Unterscheidung zwischen Vernunft und
Erfahrung hat in all unseren Erwägungen statt, die die
Lebensführung betreffen; so vertrauen und folgen wir dem
erfahrenen Staatsmann, Heerführer, Arzt oder Kaufmann,
und schieben geringschätzig den ungeübten Neuling bei-
seite, sei er auch von Natur noch so begabt. Wird auch
zugegeben, daß die Vernunft recht einleuchtende Ver-
mutungen über die Folgen einer bestimmten Handlungs-
weise unter bestimmten Umständen bilden kann, so gilt
sie dennoch ohne den Beistand der Erfahrung für unvoll-
kommen, die allein imstande ist, den Grundsätzen, die durch
Studieren und Nachdenken gewonnen werden, Beständigkeit
und Gewißheit zu verleihen.
Wenn nun auch diese Unterscheidung so allgemein in
jeder Lebenslage, in der Praxis wie in der Theorie, ange-
nommen wird, trage ich doch kein Bedenken auszusprechen,
daß sie im Grunde irrtümlich, mindestens oberflächlich ist
Prüfen wir jene Begründungen, die in einer der oben-
(ifenannten Wissenschaften als die alleinigen Wirkungen der
Vernunfttätigkeit und der Überlegung gelten, so wiird sich zeigen,
daß sie schließlich an irgend ein ^gemeines Prinzip "oder
Skeptische Lösung dieser ZweifeL
57
So ist die Gewohnheit die große Führerin im
menschlichen Leben. Dieses Prinzip ist es allein,
das unsere Erfahrung uns nutzbringend gestaltet und
einen Schluß einmünden, für den sich kein anderer Grund
angeben läßt, als Beobachtung und Erfahrung. Zwischen
ihnen und jenen Regeln, die man gewöhnlich als das Er-
gebnis der reinen Erfahrung ansieht, besteht nur der Unter-
schied, daß erstere nicht ohne einen Verlauf im Denken und
einige Überlegung über das Beobachtete aufgestellt werden
können, will man dessen Umstände genau erfassen und
die Folgen darlegen. Dagegen ist bei letzteren das er-
fahrene Ereignis genau und vollständig dem gleich, was
wir als Ergebnis bestimmter Verhältnisse ableiten. Die Ge-
schichte eines Tiberius oder Nero läßt uns eine gleiche
Gewaltherrschaft befürchten, wenn unsere Monarchen der
Schranken des Gesetzes und des Parlaments ledig würden;
aber die Beobachtung irgend eines Betrugs oder einer
Grausamkeit im bürgerlichen Leben genügt, um mit Hilfe
von etwas Nachdenken in uns dieselbe Besorgnis zu er-
wecken; denn sie dient als ein Beispiel der allgemeinen
Verderbtheit der menschlichen Natur, und zeigt uns, wie
gefährlich es ist, ein volles Vertrauen in menschliche Wesen
zu setzen. In beiden Fällen ist Erfahrung letzten Endes
die Grundlage unserer Ableitungen und Schlüsse.
Auch der jüngste und unerfahrenste Mensch hat sich
durch Beobachtung manche allgemeine und richtige Regel
über menschliche Angelegenheiten und die Führung des
Lebens gebildet; doch ist nicht zu leugnen, daß, will jemand
danach handeln, er in höchstem Grade dem Irrtum aus-
gesetzt sein wird, bis Zeit und reichere Erfahrungen diese
Regeln erweitern und ihn lehren, sie richtig zu gebrauchen
und anzuwenden. In allen Lagen und Vorkommnissen ^bt
es eine Menge besonderer und anscheinend geringfügiger
Umstände, die selbst der begabteste Mensch zunächst leicht
übersieht, obgleich die Richtigkeit seiner Schlüsse, und
folglich die Klugheit seines Benehmens, ganz davon ab-
hängen. Überdies fallen dem jungen Anfönger das allgemein
Beobachtete uud seine Regeln nicht immer bei der richtigen
Gelegenheit ein, und er kann sie auch nicht gleich mit der
nötigen Ruhe und Urteilskraft anwenden. Die Wahrheit
ist, daß ein unerfahrener Denker überhaupt kein Denker
sein könnte, wenn er völlig ohne Erfahrung wäre; geben
wir jemandem dies Beiwort, so meinen wir es nur ver-
gleichsweise, und halten ihn zwar für erfahren, aber in
geringerem und unvoUkommnerem Grade.
58
Fünfter Abschnitt
Skoptische Lösung dieser Zweifel.
59
uns für die Zukunft eine Kette gleichartiger Ereig-
nisse erwarten läßt, wie die in der Vergangenheit
aufgetretenen. Ohne den Einfluß der Gewohnheit
blieben wir gänzlich in Unwissenheit über jede Tat^
Sache, die über das unmittelbar dem Gedächtnis und
den Sinnen Gegenwärtige hinausreicht. Wir würden
niemals die Mittel den Zwecken anzupassen wissen,
noch unsere natürlichen Kräfte zur Erzeugung irgend
einer Wirkung anzuwenden verstehen. Es wäre auf
einmal mit allem Handeln und mit dem besten Teil
geistiger Arbeit vorüber.
Hier ist indes die Bemerkung am Platze, daß
uns zwar unsere Schlüsse aus der Erfahrung über
Gedächtnis und Sinne hinausführen und uns Sicher-
heit über Tatsachen geben, die an den fernsten Orten
und in frühesten Zeiten geschehen sind; daß aber
immer irgend eine Tatsache den Sinnen oder dem
Gedächtnis gegenwärtig sein muß, von der diese
unsere Schlüsse den ersten Ausgang nehmen. Findet
jemand in einem wüsten Lande die Überreste präch-
tiger Architektur, so wird er schließen, daß das Land
in alten Zeiten von gesitteten Einwohnern angebaut
worden ist; begegnete er nichts derartigem, so könnte
er solche Ableitung nie vollziehen. Wir lernen die
Ereignisse früherer Zeiten aus der Geschichte; aber
dazu müssen wir die Bände durcharbeiten, in denen
diese Belehrung enthalten ist, und von da mit unseren
Ableitungen von einem Zeugnis zum anderen fort-
schreiten, bis wir bei den Augenzeugen und Zu-
schauern dieser fernen Ereignisse anlangen. Kurz,
wenn wir nicht von einer dem Gedächtnis oder den
Sinnen gegenwärtigen Tatsache ausgehen, so bleiben
unsere Gedankengänge reine Hypothesen; wie eng mit-
einander verknüpft die einzelnen Glieder auch sein
mögen, die ganze Kette von Ableitungen hätte keine
Grundlage, noch könnten wir je durch sie zur Kenntnis
eines wirklich Seienden gelangen. Wenn ich jemand
frage, warum er eine bestimmte Tatsache glaubt, die
er berichtet, so muß er irgend einen Grund nennen,
und dieser Grund wird eine andere damit verknüpfte
Tatsache sein. Da sich dies aber nicht auf solche
Weise in infinitum fortsetzen läßt» so muß er schließ-
lich bei einer Tatsache Halt machen, die seinem
Gedächtnis oder seinen Sinnen gegenwärtig ist, oder
aber zugeben, daß sein Glaube gänzlich unbe-
Was ist nun das Schlußergebnis von alledem? Ein
einfaches — wenn auch allerdings recht weit ab von
den gewöhnlichen Theorien der Philosophie. Aller
Glaube an Tatsachen oder wirkliches Sein stammt
lediglich von irgend einem Gegenstand, der dem
Gedächtnis oder den Sinnen gegenwärtig ist, und von
einem gewohnheitsmäßigen Zusammenhang zwischen
diesem und einem anderen Gegenstande. Oder mit
anderen Worten: hat man gefunden, daß m vielen
Fällen zwei Arten von Dingen, Flamme und Hitze,
Schnee und Kälte, stets miteinander in Zusammenhang
standen, so wird, wenn sich den Sinnen Flammen
oder Schnee erneut darbieten, der Geist durch Ge-
wohnheit getrieben, Hitze oder Kälte zu erwarten und
zu glauben, daß eine derartige Eigenschaft besteht
und sich bei größerer Annäherung offenbaren wird.
Dieser Glaube ist das notwendige Ergebnis, wenn der
Geist in solche Umstände gerät. Es ist ein seelischer
Vorgang, der in dieser Lage so unvermeidlich ist,
wie der Affekt der Liebe, wenn wir Wohltaten
empfangen, oder des Hasses, wenn man uns Leid
antut An diese Vorgänge sind eine Gattung natür-
licher Instinkte, welche keine Vernunfttätigkeit, d. h.
kein gedankliches und verstandesmäßiges Verfahren
hervorzubringen noch zu verhüten fähig ist.
An diesem Punkt dürften wir uns wohl gestatten,
mit unseren philosophischen Nachforschungen inne
zu halten. In den meisten Fragen sind wir beim ersten
Schritt hier angelangt, und in allen Fragen müssen
wir zuletzt hier enden nach noch so rastlosen und
eifrigen Untersuchungen. Indes wird unser Eifer zu
entschuldigen, ja zu loben sein, wenn er uns dazu
führt, noch weiter zu forschen und die Natur dieses
Glaubens und des gewohnheitsmäßigen Zu-
sammenhangs, von dem er stammt, genauer zu
prüfen. Auf diese Weise ließen sich vielleicht
einige Erklärungen und Analogien auffinden, die Be-
friedigung gewären — wenigstens solchen, die ab-
60
Fünfter AbsohDitt.
Skeptische Lösung dieser Zweifel.
61
strakte Wissenschaft lieben und sich an Spekulationen
erfreuen, welche trotz aller erreichbaren Genauig-
keit dennoch in gewissem Grade zweifelhaft und un-
gewiß bleiben dürften. Für Leser von anderem Ge-
schmack ist der übrige Teil dieses Abschnitts nicht
berechnet, und die späteren Untersuchungen können
ganz wohl verstanden werden, auch wenn man ihn
beiseite läßt.
Zweiter Teil.
Nichts ist so frei, wie die menschliche Einbil-
dungskraft; kann sie auch den ursprünglichen Vorrat
an Vorstellungen nicht überschreiten, den die inneren
und äußeren Sinne liefern, so hat sie doch unbe-
schränkte Macht, diese Vorstellungen zu all den
mannigfaltigen Gebilden, die sie dichtet und schaut,
zu mischen, zusammenzusetzen, zu trennen und zu
teilen. Sie kann eine Kette von Ereignissen erfinden,
mit allem Anschein der Wirklichkeit, kann ihnen eine
bestimmte Zeit und Stelle zuschreiben, sie sich als
daseiend vorstellen und sie sich mit allen Umständen,
ausmalen, wie sie zu einer geschichtlichen Tatsache
gehören, an die sie mit der größten Gewißheit glaubt.
Worin besteht denn nun der Unterschied zwischen
einer solchen Erdichtung und dem Glauben? Er liegt
nicht einfach in einer besonderen Vorstellung, die solch
einem Vorstellungsbild anhängt, das unsere Zustimmung
erzwingt, und jeder uns bisher bekannten Erdichtung
fehlt Denn da der Geist Gewalt über all seine Vor-
stellungen hat, so könnte er nach Willen diese be-
stimmte Vorstellung jeder Erdichtung anfügen und
folglich imstande sein, alles zu glauben, was ihm be-
liebte, während die tägliche Erfahrung das Gegenteil
zeigt W'ir können in unserem Vor stell ungsbild den
Kopf eines Mannes dem Körper eines Pferdes aufsetzen;
aber es steht nicht in unserer Macht, zu glauben, daß
solch ein Geschöpf jemals wirklich existiert habe.
Es folgt also hieraus, daß der Unterschied
zwischen Erdichtung und Glaube in einem Ge-
fühl oder einer Empfindung liegt, welche sich nur dem
letzteren, nicht der ersteren anschließt und nicht vom
Willen abhängt, noch beliebig zu Diensten steht Die
Natur muß es erregen, wie alle anderen Gefühle;
es muß aus dem bestimmten Zustand erwachsen, m
dem sich der Geist unter bestimmten Umstanden be-
findet Jeder Gegenstand, der sich dem Gedächtnis
oder den Sinnen bietet, führt die Einbildung unmittel-
bar durch die Kraft der Gewohnheit dazu, sich den-
jenigen Gegenstand vorzustellen, der gewöhnlich mit
ihm zusammenhängt, und dieses Vorstellungsbild ist von
einer Empfindung oder einem Gefühl begleitet, das
sich von den ungebundenen Träumereien der Fnan-
tasie unterscheidet Hierin besteht das ganze Wesen
des Glaubens. Denn da es keine Tatsache gibt, an
die wir so fest glauben, daß wir nicht ihr Gegenteil
vorstellen könnten, so gäbe es keinen Unterschied
zwischen dem Vorstellungsbild, dem man zustimnat, und
jenem, das man verwirft, wenn es nicht ein Gefühl
gäbe, das eines vom anderen unterscheidet. Sehe
ich eine Billardkugel auf einem glatten Tisch sich
gegen eine andere bewegen, so kann ich mir leicht
vorstellen, daß sie bei der Berührung stillstehen wird.
Dieses Vorstellungsbild enthält keinen Widerspruch;
dennoch fühlt man dabei ganz anders als bei jenem
Vorstellungsbild, durch das ich mir den Stoß und die
Mitteilung der Bewegung von einer Kugel zur anderen
vergegenwärtige. ^ i.. , ,
Wollten wir eine Definition dieses Gefühls zu
geben versuchen, so würden wir vielleicht darin eine
sehr schwierige, wenn nicht unmögliche Aufgabe er-
kennen, gleicherweise wie bei dem. Versuch, die
Empfindung der Kälte oder den Affekt des Zorns
einem Geschöpf zu definieren, das nie diese Gefühle
erfahren hätte. Glaube ist das^ wahre und richtige
Wort für dies Empfinden, und niemand ist je im
unklaren über die Bedeutung dieses Ausdruckes; denn
jeder ist in jedem Augenblick sich des Gefühls be-
wußt, das er bezeichnet. Dennoch möchte der Ver-
such einer Beschreibung dieses Gefühls nicht un-
angebracht sein; in der Hoffnung, auf diesem Wege
zu einigen Analogien zu gelangen, die eine voll-
kommenere Erklärung davon ermöglichen. Ich sage
also, daß Glaube weiter nichts ist als ein gegen-
tmef
62
Fünfter Abschnitt
t^
ständliches Vorstellimgsbild von größerer Lebendig"keit,
Lebhaftigkeit, Eindringlichkeit, Festigkeit und Bestän-
digkeit, als sie die Einbildung allein je zu erreichen fähig
ist Diese Mannigfaltigkeit von Ausdrücken, die so un-
philosophisch erscheinen mag, soll nur dazu dienen,
jenen Akt des Greistes auszudrücken, der Wirklich-
keiten, oder was dafür gehalten wird, uns gegenwär-
tiger macht als Erdichtungen, ihnen mehrCirewicht im
Denken gibt und einen überlegenen Einfluß auf die
Affekte und die Einbildungskraft verleiht Voraus-
gesetzt, daß wir in der Sache übereinstimmen, ist
es unnötig, um die Ausdrücke zu streiten. Die Ein-
bildungskraft hat Gewalt über alle Vorstellungen und
kann sie auf alle mögliche Weise verbinden, mischen
und abwandeln. Sie kann sich erdichtete Gegenstände
mit allen Einzelheiten des Orts und der Zeit vorstellen.
Sie kann sie uns gewissermaßen vor Augen führen,
in ihren wahren Farben, gerade so wie sie auch
hätten da sein können. Aber da es unmöglich ist, daß
dies Vermögen der Einbildung je aus sich heraus dem
Glauben gleichkommen ^ann, so besteht ersichtlich
der Glaube nicht in der besonderen Natur oder Ord-
nung der Vorstellungen, sondern in der Art, wie sie
vorgestellt werden und wie der Geist sie empfindet
Ich gestehe, daß es unmöglich ist, diese Empfin-
dung oder diese Art des Vorstellens völlig zu er-
klären. Wir mögen Wörter gebrauchen, die etwas
Annäherndes ausdrücken. Aber der wahre und rich-
tige Name dafür, wie ich vorher schon bemerkte,
ist Glaube; ein Ausdruck, den jedermann im ge-
wöhnlichen Leben genügend versteht. In der Philo-
sophie können wir nicht weiter gehen als bis zu der
Behauptung, daß der Glaube etwas vom Geist
Empfundenes ist, was die Vorstellungen der Ur-
teilskraft von den Erdichtungen der Einbildung
unterscheidet Er gibt ihnen mehr Gewicht und Ein-
fluß, läßt sie bedeutsamer scheinen, drückt sie dem
Geist auf und macht sie zum herrschenden Prinzip
unserer Handlungen. Ich höre z.B. gerade jetzt die
Stimme eines Bekannten; der Ton kommt aus dem
Nebenzimmer. Der Eindruck auf die Sinne führt augen-
blicklich meine Gedanken zu diesem Menschen und
Skeptische Lösung dieser ZweifeL
63
zugleich zu allen ihn umgebenden Gegenständen. Ich
male sie mir aus als gegenwärtig existierend mit
allen Eigenschaften und Beziehungen, die ich früher
an ihnen kannte. Diese Vorstellungen gewinnen
festeren Halt in meinem Geiste als yorstellungen
von einem verwunschenen Schlosse. Wir empfinden
sie ganz anders und sie haben in jeder Weise viel
größeren Einfluß darauf, Lust oder Leid, Freude oder
Kummer entstehen zu lassen.
Fassen wir also diese Lehre in ihrem vollen
Umfang zusammen und nehmen wir an, daß das
Gefühl des Glaubens nur ein Vorstellungsbild von
größerer Intensität und mehr Beständigkeit ist, als sie
die bloßen Erdichtungen der Einbildungskraft begleiten;
und daß diese Art des Vorstellens aus einem ge-
wohnheitsmäßigen Zusammenhang des Gegenstandes
mit etwas dem Gedächtnis oder den Sinnen Gegen-
wärtigem entspringt: so wird es, glaube ich, unter
diesen Voraussetzungen nicht schwer sein, andere
Geistestätigkeiten zu finden, die dieser analog sind,
und die Erscheinungen zu. noch allgemeineren Prin-
zipien hinauf zu verfolgen.
Wir haben schon bemerkt, daß die Natur Ver-
knüpfungen zwischen bestimmten Vorstellungen ein-
gerichtet hat, und daß die eine Vorstellung, sobald
sie in unserem Denken auftaucht, auch sogleich die
ihr zugehörige einführt und unsere Aufmerksamkeit
durch eine leise und unmerkliche Bewegung auf sie
lenkt Diese Prinzipien der Verknüpfung oder As-
soziation haben wir auf drei zurückgeführt, nämlich
Ähnlichkeit, Berührung und Verursachung; dies
sind die einzigen Bande, die unsere Gedanken miteinander
vereinigen und jenen regelmäßigen Ablauf der Über-
legung oder des Gesprächs erzeugen, der in größerem
oder geringerem Grade überall bei den Menschen
stattfindet. Hier erhebt sich nun eine Frage, von der
die Lösung der gegenwärtigen Schwierigkeit abhängen
wird. Ist es bei all diesen Beziehungen der Fall, daß
wenn der eine Gegenstand den Sinnen oder dem Ge-
dächtnis sich bietet, der Geist nicht nur auf das
Vorstellungsbild des zugehörigen gebracht wird, son-
dern auch ein beständigeres und stärkeres Vorstellungs-
i
64
Fünfter Abschnitt.
bild davon gewinnt, als er sonst hätte erreichen können?
Bei jenem Glauben scheint es der Fall zu sein, der aus
der Beziehung von Ursache und Wirkung entspringt;
ist es der gleiche bei den anderen Beziehungen oder
Prinzipien der Assoziation, so darf es als allgemeines
Gesetz aufgestellt werden, das bei jeder Tätigkeit
des Geistes in Kraft tritt.
Wir können demnach als erste Erfahrungstat-
sache für unseren gegenwärtigen Zweck beobachten,
daß beim Anblick des Porträts eines abwesenden
Freundes unsere Vorstellung von ihm durch die Ähn-
lichkeit augenscheinlich belebt wird und daß jeder
Affekt, den diese Vorstellung verursacht, der Freude
wie des Kummers, neue Kraft und Frische erlangt. Um
dieses Ergebnis hervorzubringen, wirkt hier beides, eine
Beziehung und ein gegenwärtiger Eindruck zusammen.
Wäre das Bild dem Freunde gar nicht ähnlich oder min-
destens sollte es ihn nicht darstellen, so würde es nie-
mals unsere Gedanken zu ihm hinleiten. Und wäre es
ebensowenig gegenwärtig wie die dargestellte Person,
so würde der Geist zwar vielleicht von dem Gedanken
an das eine zum Gedanken an das andere übergehen,
aber seine Vorstellung durch diese Wanderung eher
geschwächt als belebt finden. Wir haben Freude am
Anblick des Porträts eines Freundes, wenn es uns
vor Augen gebracht wird; wird es aber entfernt, so
betrachten wir lieber ihn selbst unmittelbar, als im
Spiegel eines Bildes, das ebenso fern und undeutlich ist.
Die Zeremonien der römisch-katholischen Religion
können als Beispiele derselben Art aufgefaßt werden.
DieBekenner dieses Aberglaubens i) führen gewöhnlich
zur Entschuldigung des Mummenschanzes, den man
ihnen vorwirft, an, daß sie die gute Wirkung solcher
äußerlichen Bewegungen, Stellungen und Handlungen
an der Belebung ihrer Andacht und Steigerung ihrer
Inbrunst empfinden, die sonst, einzig auf entfernte
und unsinnliche Gegenstände gerichtet, nachlassen
würden. Wir verdichten die Gegenstände unseres
Bekenntnisses, so sagen sie, zu sinnlichen Symbolen und
Bildern und machen sie uns durch die unmittelbare
^) „Dieses BeltsameD Aber^laobens'^ in Aasgaben E und F.
Skeptische Lösung dieser ZweifeL
65
Gegenwart dieser Symbole gegenwärtiger, als es uns
durch eine bloß intellektuelle Anschauung und Betrach-
tung möglich wäre. Sinnliche Gegenstände haben im-
mer einen größeren Einfluß auf die Einbildung als alle
anderen; und diesen Einfluß übertragen sie leicht
auf jene Vorstellungen, zu denen sie in Beziehung
stehen und denen sie ähnlich sind. Ich will nur aus
diesen Gebräuchen und diesem Gedankengang ableiten,
daß die Wirkung der Ähnlichkeit zur Belebung von
Vorstellungen etwas sehr Gewöhnliches ist; und da
jedesmal eine Ähnlichkeit und ein gegenwärtiger Ein-
druck zusammenkommen müssen, so haben wir Er-
fahrungstatsachen in Fülle, um die Wirklichkeit des
aufgestellten Prinzips zu beweisen.
Wir können diese Erfahrungstatsachen durch
anders geartete bekräftigen, wenn wir die Wirkungen
der Berührung ebenso in Betracht ziehen, wie die der
Ähnlichkeit. Sicherlich verringert die Entfernung
die Stärke jeder Vorstellung, und ein Gegenstand, dem
wir uns nur nähern, wenn sich dieser auch nicht
unseren Sinnen darbietet, .übt auf den Geist einen
Einfluß aus, der einem unmittelbaren Eindruck nahe-
kommt Das Denken an einen Gegenstand führt den
Geist mit Leichtigkeit zu dessen Umgebung; aber
nur die tatsächliche Gegenwart eines Dinges führt
ihn mit gesteigerter Lebendigkeit darauf. Wenn ich
nur wenige Meilen von meiner Heimat entfernt hin, so
berührt mich alles, was zu ihr in Beziehung steht,
näher, als wenn ich mich 600 Meilen weit davon
befinde; doch ruft selbst bei dieser Entfernung die
Besinnung auf irgend etwas, das sich in der Nachbar-
schaft meiner Äeunde oder Angehörigen befindet,
naturgemäß die Vorstellung von üinen hervor. Weil
aber in diesem letzteren Falle die vom Geiste er-
faßten Gegenstände beides Vorstellungen sind: so ist,
der Übergang von der einen zur anderen zwar ein
leichter, aber dennoch ist dieser Übergang allein nicht
imstande, einer der Vorstellungen eine größere Le-
bendigkeit zu verleihen, weil eben der unmittelbare
Eindruck fehlt i)
^) „Katurane nobis, inquit, datum. dicam, an errore
qnodam, ut, onm ea loca videamus, in quibus memoria dig-
Home, Unteravehg. ttb. d. mensohl. Ventand. 5
66
Fünfter Abschnitt
Niemand kann bezweifeln, daß das Ursachver-
hältnis den nämlichen Einfluß besitzt, wie die beiden
anderen Beziehungen der Ähnlichkeit und der Be-
rührung. Abergläubische Leute halten viel auf Re-
liquien von Heiligen und frommen Männern, aus dem
nämlichen Grunde, aus dem sie nach Symbolen und
Bildern verlangen, um ihre Andacht zu beleben und
ein vertrauteres und kräftigeres Vorstellungsbild je-
ner musterhaften Lebensläufe zu gewinnen, denen
sie nacheifern. Nun leuchtet ein, daß eine der besten
Reliquien, die sich ein Schwärmer verschaffen könnte,
Dinge wären, die ein Heiliger mit eigenen Händen
gearbeitet hat; und werden seine Kleider und Geräte
auch im nämlichen Lichte betrachtet, so geschieht
es, weil sie einst zu seiner Verfügung standen und
er sie in Händen gehabt und gebraucht hat In dieser
Hinsicht lassen sie sich als unvollkommene Wirkungen
betrachten, die mit ihm durch eine kürzere Folgenreihe
verknüpft sind, als jede andere wäre, die uns von der
Wirklichkeit seines Daseins unterrichtet
Angenommen, der Sohn eines seit lange ver-
storbenen oder abwesenden Freundes träte vor uns
hin — so würde ersichtlich dieser Gegenstand sofort
die ihm zugehörige Vorstellung wieder aufleben lassen
und in unseren Gedanken alle einstige Innigkeit und
Vertraulichkeit wachrufen, und zwar in lebhafteren
Farben, als wir ihnen sonst geliehen hätten. Dies ist
DOS yiros acceperimas multnm esse versatos, magis move-
amur, quam siqnando eoram ipsorum aut facta audiamus
ant scriptum aliquod legamns? Velut ego nnnc moveor.
Venit enim mihi Piatonis in mentem, quem accepimos
primum hfc dispntare solitum: Cajas etiam illi hortuli pro-
pinqni non memoriam solum mihi afferant, sed ipsnm vi-
dentnr in conspectu meo hie ponere. Hie Speusippus, hie
Xenocrates, hie ejus auditor Polemo; cujus ipsa illa sessio
fuit, quam videamus. Equidem etiam curiam nostram Hos-
tiliam dico, non haue novara, quae mihi minor esse videtur
postquam est major, solebam intuens, Scipionem, Catonem,
Leiium, nostrum vero in primis avum cogitare. Tanta vis
admonitionis est in locis; ut non sine causa ex his
memoriae deducta sit disciplina." Cicero, de Finibus
Lib. V. 2.
Skeptische Lösung dieser Zweifel,
67
m
eine andere Erscheinung, welche das oben erwähnte
Prinzip beweisen dürfte.
Wir beobachten nun, daß bei diesen Erscheinungen
der Glaube an den zugehörigen Gegenstand stets
vorausgesetzt ist; denn ohne ihn könnte die Beziehung
keine Wirkung üben. Die Beeinflussung durch das
Bild setzt voraus, daß wir glauben, unser Freund
habe einst existiert Die Nähe der Heimat kann nie-
mals Vorstellungen von der Heimat in uns erwecken,
es sei denn, daß wir an ihr wirkliches Dasein glauben.
Nun behaupte ich, daß dieser Glaube, auch wo er
über den Bereich des Gedächtnisses und der Sinne
hinausgreift, von gleichartiger Natur ist und gleich-
artigen Ursachen entspringt, wie der eben ausein-
andergesetzte Übergang des Denkens und die Leben-
digkeit des Vorstellungsbildes. Werfe ich ein Stück
trockenes Holz ins Feuer, so wird mein Geist sogleich
dazu getrieben, sich vorzustellen, daß die Flamme da-
durch verstärkt, nicht ausgelöscht wird. Dieser Über-
gang des Denkens von der Ursache zur Wirkung
entspringt nicht aus der Vernunft Er leitet seinen
Ursprung einzig aus Gewohnheit und Erfahrung her.
Und da er zunächst von einem Gegenstand, der den
Sinnen gegenwärtig ist, ausgeht, so macht er die
Vorstellung oder das Vorstellungsbild der Flamme stär-
ker und lebhafter als irgend ein haltloses, verschwim-
mendesTraumbildder Einbildungskraft Jene Vorstellung
steigt unmittelbar auf, der Gedanke wendet sich augen-
blicklich zu ihr und trägt ihr all jene Kraft des Vor-
stellungsbildes zu, die aus dem gegenwärtigen sinnlichen
Eindruck sich herleitet. Wenn ein Schwert gegen
meine Brust gezückt wird, steigen da nicht eindring-
licher die Vorstellungen von Wunde und Schmerz in
mir auf, als wenn mir ein Glas Wein vorgesetzt wird
— sollten auch zufällig diese Vorstellungen nach dem
Erscheinen des letzteren Gegenstandes auftauchen?
Aber was anders kann in diesem ganzen Tatbestand
ein so kräftiges Vorstellungsbild verursachen, außer
allein ein gegenwärtiges Ding und ein gewohn-
heitsmäßiger Übergang zu der Vorstellung eines
anderen Dinges, das wir mit dem ersteren in Zusammen-
hang zu bringen pflegten. Das ist der ganze geistige
5*
68
Ptlufter Abschnitt
Skeptische Lösung dieser Zweifel.
69
Vorgang bei all unseren Schlüssen, die Tatsachen und
Dasein betreffen; es dient zur Befriedigung, hierzu
einige Analogien zu finden, durch die er sich er-
läutern läßt. Der Übergang von einem uns gegen-
wärtigen Gegenstand verleiht in allen Fällen der ver-
wandten Vorstellung Stärke und Beständigkeit.
Wir finden hier also eine Art prästabilierter Har-
monie zwischen dem Laufe der Natur und der Ab-
folge unserer Vorstellungen; und obgleich die Macht
und die Kräfte, welche den ersteren regieren, uns völlig
unbekannt sind, so haben doch unsere Gedanken und
Vorstellungsbilder, wie wir sehen, dieselbe Bahn ver-
folgt wie die anderen Naturwerke. Die Gewohnheit ist
dasjenige Prinzip, durch welches diese Übereinstimmung
bewirkt wurde, die so notwendig ist zur Erhaltung unse-
rer Art und zur Regelung unseres Verhaltens in allen
Lagen und Vorkommnissen des menschlichen Lebens.
Würde nicht die Anwesenheit eines Gegenstandes
sogleich die Vorstellung jener Gegenstände erregen,
die gewöhnlich mit ihm in Zusammenhang stehen, so
hätte unser ganzes Wissen auf den engen Umkreis
unseres Gedächtnisses und unserer Sinne beschränkt
bleiben müssen; wir wären nie imstande gewesen, Mittel
den Zwecken anzupassen, noch unsere natürlichen Kräfte
entweder zur Erzeugung des Guten oder zur Ver-
meidung des Übels anzuwenden. Diejenigen, die sich
an der Entdeckung und Betrachtung von Zweckur-
sachen ergötzen, haben hier ein weites Feld zur Be-
tätigung des Staunens und der Bewunderung.
Ich füge noch eins hinzu, als weitere Bestätigung
der eben entwickelten Lehre. Da nämlich diese Tätig-
keit des Geistes, durch welche wir gleiche Wirkungen
aus gleichen Ursachen ableiten und umgekehrt, durch-
aus wesentlich ist zur Erhaltung aller menschlichen
Geschöpfe, so ist es nicht wahrscheinlich, daß sie
den trügerischen Deduktionen unserer Vernunft an-
vertraut werden konnte; denn diese ist langsam in
ihrer Tätigkeit, tritt in den ersten Kindheitsjahren
nicht in nennenswertem Grade in die Erscheinung
and ist bestenfalls in jedem Alter oder Zeitpunkt
des Menschenlebens dem Irrtum und Fehlgreifen in
hohem Maße ausgesetzt. Es entspringt mehr der
üblichen Weisheit der Natur, einen so notwendigen Akt
des Geistes durch einen Instinkt oder eine mecha-
nische Tendenz sicherzustellen; denn diese kann un-
fehlbar in ihrer Wirksamkeit sein, kann sich beim ersten
Auftreten des Lebens und Denkens zeigen und unab-
hängig von all den mühsam erarbeiteten Deduktionen
des Verstandes bleiben. Wie die Natur uns den Ge-
brauch unserer Glieder gelehrt hat, ohne uns Kenntnis
von den Muskeln und Nerven zu geben, die sie be-
wegen, so hat sie uns einen Instinkt eingepflanzt,
welcher unser Denken in einer Richtung vorwärts
treibt, die mit jener übereinstimmt, die sie für die
äußeren Dinge festgesetzt hat; obwohl wir die Mächte
und Kräfte nicht kennen, von denen diese regelmäßige
Reihe und Folge von Gegenständen ganz und gar
abhängt
Ober die Wahrscheinlichkeit.
71
I
Sechster Abschnitt.
Über die Wahrscheinlichkeit')
Ob es gleich in der Welt so etwas wie Zufall
nicht gibt — so hat unsere Unkenntnis der wirk-
lichen Ursache eines Ereignisses denselben Einfluß
auf den Verstand und erzeugt eine ähnliche Art
von Glauben oder Meinung.
Gewiß gibt es eine Wahrscheinlichkeit, die aus
einer Überlegenheit der günstigen Fälle auf der
einen Seite entspringt; und wie diese Überlegen-
heit wächst und die entgegengesetzten Fälle über-
trifft, erhält die Wahrscheinlichkeit einen ent-
sprechenden Zuwachs und erzeugt einen immer
höheren Grad des Glaubens und der Zustimmung
für die Seite, auf der wir die Überlegenheit ent-
decken. Wären bei einem Würfel vier Seiten mit
ein und derselben Figur oder Anzahl von Punkten ge-
zeichnet und die übrigen zwei Seiten mit einer
anderen Figur oder Anzahl von Punkten, so wäre
es wahrscheinlicher, daß die erstere, als daß die
letztere obenauf zu liegen käme; jedoch, wenn der
Würfel tausend gleich gezeichnete Seiten und nur
eine Seite verschieden davon hätte, so wäre die Wahr-
scheinlichkeit viel höher und unser Glaube oder unsere
Erwartung des Ereignisses fester und sicherer. Dieser
*) Herr Locke teilt alle BegrüDdungeD iu demonstrative
und wahrscheinliche. In dieser Hinsicht müssen wir sagen,
es ist nur wahrscheinlich, daß alle Menschen sterben müssen^
oder daß die Sonne morgen aufgehen wird. Um aber unsere
Sprache mehr dem gewöhnlichen Brauch anzupassen, sollten
Begründungen so eingeteilt werden: in Demonstrationen,
Beweise und Wahrscheinlichkeiten. Unter Beweisen
seien dabei solche Begründungen aus der Erfahrung ver-
standen, die dem Zweifel oder dem Widerstand keinen Raum
lassen.
Verlauf im Denken oder der Vernunfttätigkeit mag all-
bekannt und selbstverständlich erscheinen; denen aber,
die ihn genauer erwägen, dürfte er wohl Stoff zu
interessanten Spekulationen bieten. ^
Es scheint einleuchtend, daß der Geist, wenn
er vorausschauend den möglichen Erfolg beim Wurf
eines solchen Würfels zu entdecken sucht, das Oben-
liegen einer jeden einzelnen Seite als gleich wahr-
scheinlich ansieht; und dies ist das wahre Wesen
des Zufalls, daß er alle einzelnen Ereignisse, deren
Möglichkeit er einschließt, einander gänzlich gleich
stellt. Da aber der Geist eine größere Anzahl von
Seiten findet, die zur Herbeiführung des einen Er-
eignisses beitragen, als zu der des anderen, so wird
er öfter auf dies Ereignis geführt, er trifft es öfter
an, wenn er die verschiedenen Möglichkeiten oder
Zufälle erwägt, von denen das endliche Ergebnis ab-
hängt. Dieses Zusammenwirken mehrerer möglichen
Aussichten für das Eintreffen eines bestimmten Er-
eignisses erzeugt unmittelbar, durch eine unerklär-
liche Einrichtung der Natur, das Gefühl des Glaubens
und gibt jenem Ereignis das Übergewicht über das
Entgegenstehende, das nur von einer kleineren Zahl
von Aussichten unterstützt wird und sich minder
häufig dem Geist darbietet. Wenn wir einräumen, daß
der Glaube nur ein festeres und stärkeres Vorstellungs-
bild eines Gegenstandes ist als dasjenige, welches bloße
Erdichtungen der Einbildungskraft begleitet, so läßt
sich über diesen Vorgang vielleicht in gewissem Maße
Rechenschaft geben. Das Zusammenwirken dieser ver-.
schiedenen Gesichtspunkte oder Aussichten prägt die
Vorstellung der Einbildungskraft tiefer ein, gibt ihr
überlegene Stärke und Frische, macht ihren Ein-
fluß auf die Affekte und Gemütsbewegungen fühlbarer
und, kurz gesagt, erzeugt jene Zuversicht oder Sicher-
heil^ die das Wesen des Glaubens und Meinens
ausmacht ^ , , . ,. i.
Es verhält sich ebenso mit der Wahrscheinlich-
keit der Ursachen wie mit der des Zufalls. Es gibt
einige Ursachen, die in der Erzeugung einer be-
stimmten Wirkung sich durchaus einförmig und be-
ständig verhalten; und bisher hat sich kein Fall ge-
'L
72
Seehiter AbsohDitt.
Über die Wahrscheinlicbkeit.
78
C'..'
[unden, in dem ihre Wirksamkeit irgend versagt oder
sich als unregelmäßig erwiesen hätte. Das Feuer
hat noch immer jedes menschliche Wesen verbrannt
und das Wasser es erstickt; die Erzeugung von Be-
wegung durch Stoß und Schwerkraft ist ein all-
gemeines Gesetz, das bisher keine Ausnahme erlitten
hat Aber es gibt andere Ursachen, die sich als un-
regelmäßiger und ungewisser erwiesen haben; so hat
der Rhabarber nicht immer dort purgiert, noch das
Opium dort eingeschläfert, wo diese Arzneien ge-
nommen wurden. Allerdings schreiben Philosophen,
wenn eine Ursache verfehlt, ihre übliche Wirkung
hervorzubringen, dies nicht irgend einer Unregel-
mäßigkeit in der Natur zu; vielmehr nehmen sie an,
daß geheime Ursachen in dem besonderen Aufbau
der Teile die Wirksamkeit verhindert haben. Indes
sind unsere Denkakte und Schlüsse über ^den Er-
folg die gleichen, als wenn dies Prinzip nicht gälte.
Durch Gewohnheit bestimmt, in all unseren Ab-
leitungen die Vergangenheit auf die Zukunft zu über-
tragen, erwarten wir dort, wo die Vergangenheit
durchaus regelmäßig und einförmig verlaufen ist,
den Erfolg mit größter Sicherheit und geben keiner
widerstreitenden Annahme Raum. Wo man aber
verschiedene Wirkungen aus anscheinend genau
gleichartigen Ursachen hat folgen sehen, da müssen all
diese unterschiedlichen Wirkungen unserem Geiste
einfallen, wenn er die Vergangenheit auf die Zukunft
überträgt, und in unsere Betrachtung eingehen, wenn
wir die Wahrscheinlichkeit des Erfolgs bestimmen.
Geben wir auch der am häufigsten Aufgetretenen
den Vorzug und glauben an das Eintreffen dieser
Wirkung, so dürfen wir doch die anderen Wirkungen
nicht übersehen, sondern müssen einer jeden nach
Maßgabe ihres häufigeren oder selteneren Vor-
kommens ein bestimmtes Gewicht und Ansehen bei-
legen. So ist es für fast alle Länder Europas wahr-
scheinlicher, daß irgendwann im Januar Frost eintritt,
als daß während dieses ganzen Monats mildes Wetter
anhält; jedoch schwankt diese Wahrscheinlichkeit je
nach den verschiedenen Klimaten und nähert sich in
den nördlichen Reichen der Gewißheit. Hier scheint
es also offenbar, daß dort, wo wir die Vergangenheit
auf die Zukunft übertragen, um die spätere Wirkung
irgend einer Ursache zu bestimmen, wir all die verschie-
denen Erfolge in demselben Maße, in dem sie sich in
der Vergangenheit gezeigt haben, übertragen, und uns
z. B. vorstellen, daß der eine hundertmal eingetreten
ist, ein anderer zehnmal, ein dritter nur einmal.
Da eine große Zahl möglicher Aussichten hier auf
dem einen Erfolg zusammentreffen, so stärken und
bestätigen sie ihn in der Einbildung, erzeugen jenes
Gefühl, das wir Glauben nennen, und verleihen dessen
Gegenstand den Vorzug vor dem ihm widerstreitenden
Erfolg, der nicht durch eine gleiche Zahl von Er-
fahrungstatsachen gestützt wird und sich bei der
Übertragung der Vergangenheit auf die Zukunft nicht
so oft dem Denken bietet Man versuche einmal,
über diese geistige Tätigkeit von irgend einem der
anerkannten philosophischen Systeme aus Rechenschaft
abzulegen, so wird man sich der Schwierigkeit bewußt
werden. Ich meinesteils möchte mich damit zufrieden
geben, wenn die gegenwärtigen Andeutungen die Wiß-
begierde der Philosophen erregen und ihnen zum
Bewußtsein bringen, wie mangelhaft alle bisher üb-
lichen Theorien solche interessanten und bedeutenden
Fragen behandelt haben.
I
Siebenter Abschnitt.
Von der Vorstellung^) der notwendigen
Verknüpfung.
Erster Teil.
Die mathematischen Wissenschaften haben gegen-
über den Geisteswissenschaften den großen Vorteil,
daß ihre Vorstellungen als sinnliche stets klar und
bestimmt sind, daß an ihnen jeder kleinste Unter-
schied sofort zu bemerken ist und daß dieselben Aus-
drücke immer dieselben Vorstellungen bezeichnen,
ohne Zweideutigkeit oder Abweichung. Ein Eirund
wird nie mit einem Kreis, noch eine Hyperbel mit einer
Ellipse verwechselt Das gleichschenklige und das
ungleichseitige Dreieck sind durch genauere Grenzen
unterschieden als Laster und Tugend, Recht und Un-
recht Wird irgend ein Ausdruck in der Geometrie
definiert, so setzt der Geist von selbst bei jeder Ge-
legenheit anstandlos die Definition für den definierten
Ausdruck ein; und auch da, wo keine Definition ge-
braucht wird, kann der Gegenstand selbst den Sinnen
vorgeführt und auf diesem Wege fest und klar er-
faßt werden. Die feineren Gefühle des Geistes
aber, die Tätigkeiten des Verstandes, die mannig-
fachen Erregungen der Affekte, obwohl in Wirklich-
keit an sich unterschieden, entgehen uns leicht, wenn
wir sie in der Selbstbesinnung überblicken; es liegt
auch nicht in unserer Macht, den ursprünglichen
Gegenstand uns so oft zurückzurufen, wie wir An-
laß hätten, ihn zu betrachten. Auf diese Weise wird
allmählich in unsere Gedankengänge Zweideutigkeit
^) Ausgaben E und F haben: Von der Vorstellung der
Kraft oder der notwendigen Verknüpfung.
Von der Vorstellung der notwendigen Verknüpfung. 75
getragen; gleichartige Gegenstände werden leicht für
dieselben genommen, und der Schluß entfernt sich
zuletzt weit von seinen Voraussetzungen.
Indes darf man ruhig behaupten, daß bei die-
sen Wissenschaften, wenn man sie im rechten
Lichte betrachtet, die Vorzüge und Nachteile sich
nahezu aufheben und beide einander gleichwertig
machen. Hält der Geist leichter die Vorstellungen
der Geometrie in Klarheit und Bestimmtheit fest,
so hat er dafür eine weit längere und ver-
wickeitere Kette von Denkakten durchzuführen und ein-
ander viel ferner liegende Vorstellungen in Vergleich
zu setzen, wenn er zu den tieferen Wahrheiten dieser
Wissenschaft vordringen will. Und sind die Vor-
stellungen der Geisteswissenschaft in Gefahr, bei
Mangel an äußerster Sorgfalt in Dunkelheit und Ver-
worrenheit zu verfallen, so ist die Herleitung in diesen
Untersuchungen stets viel kürzer und es sind weniger
Zwischenstufen bis zum Schlußsatz, als in den Wissen-
schaften, die von Größe und Zahl handeln. Und wirk-
lich gibt es bei Euklid kaum einen noch so einfachen
Liehrsatz, der nicht aus mehr Teilen bestünde, als
sich in einem jeden Gedankengang der Geisteswissen-
schaften vorfinden, welcher nicht in Hirngespinste und
Phantasien einmündet Wo wir die Prinzipien des
menschlichen Geistes durch ein paar Stufen wirklich
verfolgen, da können wir sehr wohl mit unserem Fort-
schritt zufrieden sein, in der Erwägung, wie bald die
Natur all unseren Untersuchungen über Ursachen
einen Riegel vorschiebt und uns zum Eingeständnis
unserer Unwissenheit nötigt Das Haupthindernis
unseres Vorwärtskommens in den Geistes- oder meta-
physischen Wissenschaften ist demnach die Dunkel-
heit der Vorstellungen und die Zweideutigkeit der Be-
zeichnungen. Die Hauptschwierigkeit in der Mathe-
matik besteht in der Länge der Ableitungen und dem
Umfang des Gedankenkreises, dessen man zur Ge-
winnung eines Schlußergebnisses bedarl Vielleicht wird
unser Fortschritt in der Naturwissenschaft hauptsäch-
lich durch den Mangel geeignet>er Erfahrungstatsachen
und Erscheinungen verzögert, welche oft durch
Zufall, und nicht immer, selbst bei emsigster
76
Siebontor Abschnitt.
und vorsichtigster Forschung, gefunden werden, wenn
man sie braucht Da die Geisteswissenschaft bisher
weniger gefördert zu sein scheint als sowohl Geometrie
wie Physik, so dürfen wir schließen: wenn in dieser
Hinsicht Unterschiede zwischen den genannten Wissen-
schaften bestehen, so werden die Schwierigkeiten, die
den Aufstieg der ersteren hindern, eben größere Sorg-
falt und Fähigkeit zu ihrer Überwindung erfordern.
In der Metaphysik werden keine dunkleren und
ungewisseren Vorstellungen angetroffen, als die der
Macht, Kraft, Energie oder der notwendigen
Verknüpfung, von welchen wir jeden Augenblick
in all unseren Auseinandersetzungen zu handeln ge-
nötigt sind. Wir werden deshalb in diesem Abschnitt
versuchen, womöglich die genaue Bedeutung dieser
Ausdrücke festzustellen und dadurch teilweise die
Dunkelheit zu beseitigen, über die in dieser Gattung
der Philosophie so viel geklagt wird.
Vermutlich wird der Satz kaum bestritten werden,
daß all unsere Vorstellungen nichts sind als Ab-
bilder unserer Eindrücke, oder mit anderen Worten,
daß es uns unmöglich ist, ein Ding zu denken, daß
wir nicht zuvor entweder durch unsere äußeren oder
inneren Sinne empfunden haben. Ich habe mich be-
müht*), diesen Satz zu erläutern und zu beweisen
und die Hoffnung ausgesprochen, daß durch rechte
Anwendung desselben die Menschen in ihren philo-
sophischen Gedankengängen größere Klarheit und
Bestimmtheit gewinnen mögen, als sie bisher je zu er-
langen imstande waren. Zusammengesetzte Vorstel-
lungen lassen sich vielleicht durch Definition gut kennen
lernen, die ja nichts ist als eine Aufzählung jener Teile
oder einfachen Vorstellungen, die sie zusammensetzen.
Sind wir aber mit den Definitionen bis zu den ein-
fachsten Vorstellungen gekommen und stoßen wir
immer noch auf Zweideutigkeit und Dunkelheit: welche
Hilfsquellen stehen uns dann noch zu Gebote? Durch
welchen Einfall können wir Licht auf diese Vorstel-
lungen werfen und sie dem geistigen Blick völlig
scharf und bestimmt darstellen? Man zeige die Ein-
*) Zweiter Abschnitt, Vom Ursprung der Vorstellongeh.
Von der Vorstellung der i^otwendigen Verkuttpfung. 77
drücke oder ursprünglichen Gefühle auf, denen die
Vorstellungen nachgebildet sind. Diese Eindrücke sind
alle stark und sinnfällig. Sie lassen keine Zweideutig-
keit zu. Sie liegen nicht nur selbst im hellen Licht,
sondern könnten auch auf die ihnen entsprechenden
Vorstellungen, die im Dunkel liegen, Licht werfen.
Durch dies Mittel läßt sich vielleicht eine neue Art
von Vergrößerungsglas oder Sehwerkzeug gewinnen,
welches in den Geisteswissenschaften die feinsten und
einfachsten Vorstellungen soweit vergrößert, daß sie
leicht von uns erfaßt und uns ebensowohl bekannt
werden, wie die gröbsten und sinnfälligsten Vor-
stellungen, die jemals unserer Untersuchung begegnen
können.
Um uns also mit der Vorstellung der Kraft oder
der notwendigen Verknüpfung ganz ^ vertraut zu
machen, wollen wir den ihr zugrunde liegenden Ein-
druck prüfen; und um diesen Eindruck mit größerer
Gewißheit aufzufinden, wollen wir all die Quellen
aufsuchen, aus denen er möglicherweise herstammen
könnte.
Wenn wir uns unter äußeren Gegenständen um-
sehen und die Wirksamkeit der Ursachen betrachten,
so sind wir in keinem einzigen Falle imstande, irgend
eine Kraft oder notwendige Verknüpfung zu ent-
decken, irgendwelche Eigenschaft, die die Wirkung
an die Ursache bände und die eine zur unfehlbaren
Folge der anderen machte. Wir bemerken nur, daß
die eine tatsächlich, in Wirklichkeit der anderen
folgt. Den Anstoß der einen Billardkugel begleitet
eine Bewegung der zweiten. Dies ist alles, was den
äußeren Sinnen erscheint. Der Geist hat kein Ge-
fühl oder keinen inneren Eindruck von dieser Folge
der Gegenstände. Demgemäß gibt es in keinem ein-
zelnen, bestimmten Falle von Ursache und Wirkung
irgend etwas, das die Vorstellung der Kraft oder
der notwendigen Verknüpfung erweckte.
Aus der ersten Erscheinung eines Gegenstandes
läßt sich nie mutmaßen, welche Wirkung aus ihm
entspringen wird. Könnte aber unser Geist die Kraft
oder die Energie einer Ursache entdecken, so könnten
wir die Wirkung, selbst ohne Erfahrung, vorher-
78
Siebenter Abschnitt.
sehen und von vornherein mit Gewißheit darüber
Aussage machen, durch die bloße Anstrengung des
Denkens und der Vernunfttätigkeit
In Wirklichkeit enthüllt uns kein Stück Materie
je durch seine sinnlichen Eigenschaften irgend eine
Kraft oder Energie, noch gibt es Veranlassung zu
der Annahme, daß es irgend etwas hervorbringen
oder einen anderen Gegenstand im Gefolge haben
könne, den wir als seine Wirkung bezeichnen dürften.
Festigkeit, Ausdehnung, Bewegung, diese Eigen-
schaften sind alle in sich abgeschlossen und weisen nie
auf ein anderes Ereignis hin, das aus ihnen hervorgehen
könnte. Die Weltbegebenheiten ziehen in stetigem
Wechsel vorüber, ein Gegenstand reiht sich dem andern
in ununterbrochener Folge an; aber die Macht oder
Kraft, welche die ganze Maschine in Tätigkeit er-
hält, ist uns gänzlich verborgen und enthüllt sich
nie in einer sinnlichen Eigenschaft der Körper. Wir
wissen, daß tatsächlich die Hitze beständig die Flamme
begleitet; was aber die Verknüpfung zwischen ihnen
ausmacht, das auch nur zu vermuten oder zu ersinnen
fehlt uns jeder Anhalt. Unmöglich kann daher die
Vorstellung der Kraft von der Betrachtung der Körper
in Einzelfällen ihrer Tätigkeit herstammen; denn kein
Körper zeigt je eine Kraft, die das Urbild dieser Vor-
stellung abgeben könnte, i)
Da uns also äußere Gegenstände, wie sie den Sinnen
erscheinen, durch ihre Tätigkeit in Einzelfällen keine
Vorstellung von Kraft oder notwendiger Verknüpfung
bieten, so wollen wir zusehen, ob diese Vorstellung durch
Selbstbesinnung auf Tätigkeiten unseres eigenen Geistes
gewonnen worden und einem inneren Eindruck nach-
gebildet sein könne. Es ließe sich behaupten, daß
j- ui ^®"^ Locke sagt in seinem Kapitel über die Kraft,
die Erfahrung zeige uns, daß mehrfach Neuerzeugungen in
der Materie stattflinden; wir schlössen, es müsse irgendwo
eine Kraft bestehen, fthig, sie zu erzeugen, und gelangten
endlich durch diesen Denkakt zu der Vorstellung der
Kraft. Aber kein Denkakt kann uns je eine neue, ursprüng-
liche, einfache Vorstellung verschaffen; das gesteht dieser
Philosoph selber zu. Hieran kann also niemals der Ur-
sprung Jener Vorstellung liegen.
Von der Vorstellung der notwendigen Verknüpfung. 79
wir jeden Augenblick uns einer inneren Kraft bewußt
sind; dort nämlich, wo wir empfinden, daß wir durch
den bloßen Befehl unseres Willens die Glieder unseres
Körpers bewegen oder die Vermögen des Geistes
lenken können. Ein Willensakt erzeugt Bewegung
unserer Gliedmaßen oder läßt eine neue Vorstellung
in unserer Einbildung aufsteigen. Diesen Einfluß
des Willens kennen wir durch unser Bewußtsein.
Daher gewinnen wir die Vorstellung der Kraft oder
Energie und die Gewißheit, daß wir selbst und alle
vernünftigen Wesen mit Kraft begabt sind.^) Diese
Vorstellung ist also eine Vorstellung der Selbstbe-
sinnung, denn sie entspringt aus der Besinnung auf die
eigenen geistigen Tätigkeiten und die Herrschaft des
Willens über die Glieder des Körpers wie über die
Vermögen der Seele.
Prüfen wir einmal diese Behauptung^), und
zwar zuerst den Einfluß des Wollens auf die Glieder
unseres Leibes. Dieser Einfluß ist sicherlich eine
Tatsache, die gleich allen anderen natürlichen Ereig-
nissen einzig aus der Erfahrung bekannt werden
kann, und niemals vorauszusehen ist aus irgend
einer uns erscheinenden Energie oder Kraft in der
Ursache, die letztere mit der Wirkung verknüpfte und
die eine zur unfehlbaren Folge der anderen machte.
Die Bewegung unseres Körpers folgt dem Befehl
unseres Willens. Dessen sind wir uns jederzeit be-
wußt. Aber die Mittel, durch die dies bewirkt wird,
die Energie, vermöge deren der Wille eine so außer-
ordentliche Wirksamkeit entfaltet, sie sind uns so wenig
unmittelbar bewußt, daß sie sich vielmehr für immer
unserem eifrigsten Forschen entziehen.
^) Ausgaben E und F haben den Zusatz: Wie dem auch
sei, die Tätigkeiten und die Wechselwirkung der KOrper
genügen vielleicht zum Beweise, daß auch diese damit be-
gabt sind.
*) Ausgaben E und F haben: Prüfen wir einmal diese
Behauptung und suchen wir dabei nach Kräften alle Redens-
arten und Verwirrungen bei der Abhandlang so heikler und
dunkler Themata zu vermeiden. Ich sage also erstens, daß
der Einfluß des Willens auf die Glieder unseres Leibes eine
Tatsache ist u. s. w.
80
Siebenter AbsclinitL
Von der Voi'stellung der notwendigen Verknüpfung. 81
Denn erstlich: gibt es in der ganzen Natur
ein geheimnisvolleres Prinzip, als die Verbindung von
Seele und Körper, durch welche eine geistige Sub-
stanz, die wir voraussetzen, solchen Einfluß auf eine
körperliche Substanz erlangt, daß der feinste Gedanke
imstande ist, die gröbste Materie zu bewegen? Hätten
wir die Macht, durch einen geheimen Wunsch Berge
zu versetzen oder Planeten in ihrer Bahn zu be-
herrschen, so würde diese weitreichende Macht nicht
außerordentlicher sein, noch in höherem Grade unser
Verständnis übersteigen. Faßten wir durch unser Be-
wußtsein einer Kraft oder Energie in unserem Willen
auf, so müßten wir diese Kraft auch kennen; so müßten
wir ihre Verknüpfung mit der Wirkung kennen; so
müßten wir die geheime Verbindung von Seele und
Körper und die Natur dieser beiden Substanzen kennen,
wodurch die eine befähigt ist, in so vielen Fällen auf
die andere einzuwirken.
Zweitens: wir beherrschen die Bewegung aller
Körperglieder nicht gleichmäßig; dennoch läßt sich
kein anderer Grund außer der Erfahrung für solche
merkwürdige Verschiedenheit zwischen den einen und
den anderen beibringen. Warum hat der Wille Einfluß
auf Zunge und Finger und nicht auf Herz und Leber?
Diese Frage könnte uns nie in Verlegenheit setzen,
wenn wir uns einer Kraft in ersterem Falle bewußt
wären und in letzterem nicht. Wir würden dann
unabhängig von Erfahrung auffassen, warum die Ge-
walt des Willens über die Glieder des Körpers in so
besondere Grenzen eingeschlossen ist In dem einen
Falle durchaus mit der Kraft oder Macht vertraut,
aus welcher er seine Wirksamkeit schöpft, wüßten
wir auch, warum sein Einfluß genau bis zu diesem
Umkreis reicht und nicht weiter.
Ein Mensch, der von plötzlicher Lähmung des
Beines oder Armes befallen wird oder eben eine«
dieser Glieder verloren hat, bemüht sich häufig zu-
erst, sie zu bewegen und ihren gewohnten Dienst ver-
richten zu lassen. Hierbei hat er gerade so viel Be-
wußtsein von einer Kraft, solche Gliedmaßen zu be-
herrschen, als ein völlig gesunder von der Kraft,
An in natürlichem Zustand befindliches Glied zu be-
wegen. Das Bewußtsein aber täuscht niemals. Folg-
lich sind wir uns weder in dem einen noch in dem
anderen Falle jemals irgend einer Kraft bewußt.
Wir lernen den Einfluß des Willens lediglich aus
der Erfahrung kennen; und die Erfahrung lehrt uns
nur, wie ein Ereignis beständig dem anderen folgt,
ohne uns über die geheime Verknüpfung zu unter-
richten, die sie zusammenhält und unzertrennlich
macht.
Drittens lehrt uns die Anatomie, daß der un-
mittelbare Gegenstand der Kraft bei freiwilliger Be-
wegung nicht das ^bewegte Glied selbst ist, sondern
gewisse Muskeln, Nerven, Lebensgeister und viel-
leicht etwas noch Zarteres und Unbekannteres, wo-
durch sich die Bewegung fortgesetzt mitteilt, bevor
sie das Glied selbst erreicht, dessen Bewegung der
unmittelbare Gegenstand des Wollens ist Kann es
einen schlagenderen Beweis dafür gebeti, daß die
Kraft, durch welche dieser ganze Vorgang zustande
kommt, anstatt uns durch ein inneres Gefühl oder Be-
wußtsein direkt und völlig bekannt zu sein, vielmehr
im äußersten Grade rätselhaft und unbegreiflich ist?
Der Geist will einen bestimmten Erfolg: unmittelbar
wird ein anderer Erfolg hervorgerufen, uns selbst
unbekannt und gänzlich verschieden von dem be-
absichtigten; dieser Erfolg ruft einen anderen gleich
unbekannten hervor, bis schließlich durch eine lange
Keihenfolge der gewünschte Erfolg eintritt Würde
aber die ursprüngliche Kraft von uns empfunden,
so müßte sie uns bekannt sein; wäre sie uns bekannt,
so müßte auch ihre Wirkung uns bekannt sein, denn
alle Kraft besteht in der Beziehung zu ihrer Wirkung.
Und umgekehrt: ist die Wirkung nicht bekannt, so
kann die Kraft weder gewußt noch empfunden werden.
Wie sollten wir uns auch einer Ejraft, unsere Glieder
zu bewegen, bewußt sein, wenn wir solche Kraft gar
nicht haben, vielmehr nur die, gewisse Lebensgeister
zu bewegen, welche zwar zuletzt die Bewegung unserer
Glieder hervorrufen, aber doch in einer uns ganz un-
begreiflichen Weise wirksam sind?
Wir dürfen nun ,wohl aus alledem hoffentlich
ohne Übereilung, wenn auch mit Sicherheit schließen,
Hain«, T7nt«riQobg. ttb. d. menaohl. Verstand . Q
82
Siebenter AbBchnitt
■r
daß unsere Vorstellung der Kraft nicht das Abbild
ist irgend eines Gefühls oder BewuiJtseins von Kraft
in unserem eigenen Innern beim Hervorrufen einer
Bewegung in unserem JCörper oder bei der zweck-
mäßigen Benutzung unserer Glieder. Daß deren Be-
wegung die Befehle des Willens befolgt, ist ieine
Tatsache der gemeinen Erfahrung, gleich anderen
Naturereignissen; aber die Kraft oder Energie, durch
welche dies bewirkt wird, ist gleich jener in anderen
Naturvorgängen unbekannt und unvorstellbar. i)
Oder wollen wir jetzt behaupten, wir seien uns
einer Kraft oder Energie in unserem eigenen Geiste
da bewußt, wo wir durch einen Akt oder Befehl unseres
Willens eine neue Vorstellung aufsteigen lassen, den
Geist auf deren Betrachtung einstellen, sie nach allen
Seiten wenden und sie endlich, wenn wir sie ein-
gehend genug betrachtet zu haben glauben, für eine
andere Vorstellung fahren lassen. Ich denke, die-
selben Begründungen werden beweisen, daß selbst
^) Man könnte sagen, daß der Widerstand, den wir an
Körpern finden, uns durch die Nötigung, häufig unsere
Kraft anzuwenden und all unsere Macht aufzubieten, auf
die Vorstellung von Kraft und Macht bringt. Es wäre
dann dieser Nisus oder die starke Anstrengung, deren wir
uns bewußt sind, der ursprüngliche Eindruck, dem diese
Vorstellung nachgebildet ist. Aber einmal schreiben wir
einer großen Menge von Dingen Kraft zu, bei denen wir
niemals diesen Widerstand oder diese Kraftanstrengung als
vorhanden voraussetzen können; so dem höchsten Wesen,
das keinem Widerstand begegnet; dem Geist, bei seiner
Herrschaft über die Vorstellungen und Glieder im gewöhn-
lichen Denken und Bewegen, wo die Wirkung unmittelbar
dem Willen folgt, ohne jedwede Anstrengung oder ein
Heranziehen von Kraft; der leblosen Materie, die dieses
Gefühls nicht fähig ist.
Sodann hat dieses Gefühl der Anstrengung, einen
Widerstand zu überwinden, keine uns bekannte Verknüpfung
mit einem Ereignis; was auf es folgt, wissen wir aus Er-
fahrung, könnton es aber nicht a priori wissen. Indessen
muß eingeräumt werden , daß der lebendige Nisus, den wir
erfahren, zwar keine genaue, scharf bestimmte Vorstellung
von Kraft liefern kann, doch aber einen Hauptbestandteil jener
gewöhnlichen, ungenauen Vorstellung bildet, die man sich
von ihr macht. (Der letzte Satz fehlt in Ausgaben £ und F.)
Von der Vorstellung der notwendigen Verknüpfung. 83
dieser Willensbefehl uns keine wirkliche Vorstellung
von Kraft oder Energie verschafft.
Erstens muß man einräumen, daß wir mit der
Kenntnis einer Kraft gerade den Umstand in der Ur-
sache kennen müssen, durch den sie imstande ist, die
Wirkung hervorzubringen. Denn beides gilt als gleich-
bedeutend. Wir müßten also sowohl die Ursache
und die Wirkung, als auch die Beziehung zwischen
ihnen kennen. Aber maßen wir uns an, mit dem Wesen
der menschlichen Seele und dem Wesen einer Vor-
stellung, oder mit der Fähigkeit der einen, die andere
hervorzubringen, vertraut zu sein? Dies ist eine wirk-
liche Schöpfung, eine Erschaffung des Etwas aus
dem Nichts. Und dies schließt eine so große Kraft
ein, daß sie auf den ersten Blick das Vermögen jedes
nicht unendlichen Wesens zu übersteigen scheint.
Mindestens muß zugegeben werden, daß eine solche
Kraft nicht empfunden noch gewußt wird, ja sogar
dem Geiste unvorstellbar ist. Wir empfinden nur das
Ereignis, nämlich das Vorhandensein einer Vor-
stellung als Folge eines Willensbefehls; aber die Art,
in der dieser Vorgang sich vollzieht, die Kraft, durch
die er hervorgebracht wird, übersteigt völlig unser
Verständnis.
Zweitens: die Gewalt des Geistes über sich
selbst ist ebenso beschränkt wie die über den Leib;
und diese Schranken lernt man nicht durch die Ver-
nunft oder eine Einsicht in die Natur von Ursache
und Wirkung kennen, sondern allein aus Erfahrung
und Beobachtung, wie bei allen anderen Naturereig-
nissen und Vorgängen der Außenwelt. Unsere Herr-
schaft über die Gefühle und Affekte ist weit schwächer
als die über unsere Vorstellungen, und selbst die
letztere ist in sehr enge Grenzen eingeschlossen.
Wer getraute sich, den tiefsten Grund für diese
Grenzen anzugeben oder zu zeigen, warum die Kraft
in einem Falle versagt und in einem anderen nicht?
Drittens: Diese Beherrschung unseres Selbst ist
zu verschiedenen Zeiten sehr verschieden. Ein Ge-
sunder besitzt sie in höherem Maße als ein durch
Krankheit Geschwächter. Wir sind am Morgen mehr
Herr unserer Gedanken als am Abend, in nüchtemwn
6»
\
84
Siebenter Abschnitt
Zustande mehr, als nach einer reichlichen Mahlzeit.
Können wir einen anderen Grund außer der Er-
fahi'ung für diese Abweichungen angeben? Wo bleibt
also die Kraft, deren wir uns angeblich bewußt sind?
Besteht nicht hier entweder in einer geistigen oder
einer körperlichen Substanz oder in beiden ein ge-
heimes Triebwerk oder ein Aufbau der Teile, von
dem die Wirkung abhängt und der, uns gänzlich un-
bekannt, auch die Kraft oder Energie des Willens
ebenso unbekannt und unbegreiflich macht?
Das Wollen ist unzweifelhaft ein geistiger Akt,
mit dem wir hinlänglich vertraut sind. Denken wir
einmal über ihn nach; betrachten wir ihn von allen
Seiten. Findet sich darin irgend etwas, das dieser
schöpferischen Kraft gliche, vermöge deren der Wille
aus dem Nichts eine neue Vorstellung entstehen läßt
und mit einer Art von „Es werde!" die Allmacht
seines Schöpfers, wenn ich so sagen darf, nachahmt, •
der all die vielfältigen Erscheinungen der Natur ins
Dasein rief? Wir sind weit entfernt, uns dieser Energie
des Willens bewußt zu sein; vielmehr bedarf es einer
so gesicherten Erfahrung, wie wir sie besitzen, um
uns zu überzeugen, daß so außerordentliche Wir-
kungen je aus einem einfachen Akt des WoUens
hervorgehen.
Die meisten Menschen finden es gar nicht
schwer, die gewöhnlicheren und bekannteren Natur-
vorgänge zu erklären; so den Fall schwerer Kör-
per, das Wachstum der Pflanzen, die Erzeugung
der Tiere oder die Ernährung der Körper durch
Lebensmittel. Sie bildon sich ein, in all diesen Fällen
die Kraft oder Energie selbst aufzufassen, durch welche
di© Ursache mit der Wirkung verknüpft und
ihre Wirksamkeit auf immer unfehlbar bestimmt
ist. Durch lange Gewohnheit bildet sich eine
solche Geistesrichtung bei ihnen aus, daß sie beim
Auftreten der Ursache unmittelbar mit Sicherheit
deren gewöhnliche Begleitung erwarten und es kaum
für möglich halten, daß irgend ein anderer Erfolg
daraus hervorgehen könne. Erst beim Auftreten
außerordentlicher Erscheinungen, wie Erdbeben,
Seuchen und Ungeheuerliches allerart, finden sie sich
Von der Vorstellung der notwendigen Verknüpfung. 85
außerstande, eine passende Ursache anzugeben und
die Art, wie die Wirkung aus ihr folgt, zu erklaren.
Gewöhnlich nimmt der Mensch in solcher Verlegen-
heit seine Zuflucht zu einem unsichtbaren vernünftigen
Prinzip 1) als der unmittelbaren Ursache des über-
raschenden Ereignisses, das seiner Meinung nach
durch die gewöhnlichen Naturkräfte nicht erklärt
werden kann. Philosophen aber, die ihre Prüfung
• etwas weiter treiben, bemerken sofort, daß selbst
in den gewohntesten Ereignissen die Energie der
Ursache genau so unverständlich ist wie in den
ungewohntesten, und daß wir nur durch Erfah-
rung den häufigen Zusammenhang von Gegen-
ständen kennen lernen, ohne je etwas einer Ver-
knüpfung ähnliches erfassen zu können. Da halten
sich nun viele Philosophen aus Vernunftgründen fiir
verpflichtet, in allen Lagen auf jenes selbe Prinzip
zurückzugreifen, auf das der gewöhnliche Mensch nur
in solchen Fällen, die wunderbar und übernatürlich
erscheinen, sich beruft. Sie machen Geist und Intelli-
genz nicht zur letzten und ursprünglichen Ursache
aller Dinge, sondern zur unmittelbaren und alleinigen
Ursache jedes Ereignisses, das in der Natur erscheint. ^
Sie behaupten, daß die gewöhnlich Ursachen be-
nannten Dinge in Wirklichkeit lediglich Gelegen-
heiten sind und daß das wahre und unmittelbare
Prinzip jeder Wirkung nicht irgend eine Macht oder
Kraft in der Natur, sondern ein Willensakt des
höchsten Wesens ist, welches bestimmt, daß solche
besonderen Gegenstände auf immer miteinander zu-
sammenhängen sollen- Anstatt zu sagen, eine Billard-
kugel bewege die andere durch eine Kraft, die sie
von dem Schöpfer der Natur bezogen hat, erklären
sie, es sei die Gottheit selbst, die durch einen be-
sonderen Willensakt die zweite Kugel in Bewegung
setzt, hierzu bestimmt durch den Anstoß der ersten
Kugel, und zwar infolge jener allgemeinen Gesetze,
welche sie sich selbst zur Regel in der Regierung
») 6s6g oüto firjxayfjs. Ausgabe E hat: quasi Deus ex
machina. Ausgabe F fügt den Nachweis hinzu: Cicero, de
Natura Deorum.
86
Siebenter Abfohnitl.
I
der Welt gemacht hat Nun entdecken aber die
Philosophen im Fortgange der Untersuchung, daß wir
nicht nur in gänzlicher Unwissenheit über die Kraft
sind, auf der die gegenseitige Einwirkung der Körper
beruht, sondern ebensowenig von jener Kraft wissen,
auf der die Einwirkung von Geist auf Körper, oder
von Körper auf Geist, beruht; auch sind wir weder
durch unsere Sinne noch durch unser Bewußtsein im-
stande, das letzte Prinzip im einen Falle mehr als
im anderen anzugeben. Die gleiche Unwissenheit
nötigt sie also zum gleichen Schlüsse: Sie behaupten,
daß die Gottheit die unmittelbare Ursache der Einheit
von Seele und Leib ist und daß es nicht die Sinnes-
organe sind, die, durch äußere Gegenstände erregt,
im Geiste Wahrnehmungen hervorbringen, sondern
daß ein besonderer Willensakt unseres allmächtigen
Schöpfers eine solche Wahrnehmung als Folge einer
solchen Erregung im Organ auslöst Gleicherweise
ist es keinerlei Energie des Willens, die örtliche Be-
wegungen unserer Glieder hervorruft; es ist Gott
selbst, dem es beliebt, unseren an sich ohnmächtigen
Willen zu unterstützen und jene Bewegung zu ge-
bieten, die wir irrtümlich unserer eigenen Kraft und
Wirksamkeit zuschreiben. Auch bei dieser Schluß-
folgerung bleiben die Philosophen nicht stehen;
manchesmal dehnen sie dieselbe auf den Geist selbst
bei seiner inneren Tätigkeit aus. Unsere geistige
Anschauxmg oder Bildung von Vorstellungen ist
nur eine von unserem Schöpfer uns gewordene Offen-
barung. Wenn wir unsere Gedanken freiwillig auf
einen Gegenstand richten und sein Bild in der
Einbildung erstehen lassen, so ist es nicht der
Wille, der jene Vorstellung schafft; der Welt-
schöpfer entdeckt sie dem Geist und macht sie uns
gegenwärtig.
So ist diesen Philosophen jedes Ding von Gott
erfüllt Nicht zufrieden mit dem Prinzip, daß nichts
ohne seinen Willen besteht, daß keinem Ding Kraft
eignet, die er nicht verleiht, berauben sie die Natur
und alle erschaffenen Wesen jeder Kraft, um so
ihre Abhängigkeit von der Gottheit fühlbarer und
unmittelbarer zu machen. Sie übersehen, daß sie
Von der Vorstellung der notwendigen Verknüpfung. 87
durch diese Theorie die Erhabenheit jener Eigen-
schaften verkleinern, nicht vergrößern, die sie so
sehr zu rühmen vorgeben. Es spricht doch gewiJi
in höherem Maße für die Macht der Gottheit, wenn
sie den untergeordneten Geschöpfen einen gewesen
Grad von Kraft überweist, als wenn sie jedes Dmg
durch eigenen unmittelbaren Willensakt hervorbringt.
Es zeugt von größerer Weisheit, von Anfang an
das Weltgebäude mit solch vollendeter Voraussicht
einzurichten, daß es von selbst und durch eigene Wirk-
samkeit allen Absichten der Vorsehung dienen kann,
als wenn der große Schöpfer sich jeden Augenblick
genötigt sähe, seine Teile zurechtzurücken und alle
Räder jenes staunenswerten Triebwerks mit seinem
Atem zu beleben.
Wünschen wir indessen eine mehr philosophische
Widerlegung dieser Theorie, so genügen vielleicht die
folgenden zwei Überlegungen:
Erstlich scheint mir, daß diese Theorie von
der allgemeinen Energie und Wirksamkeit des höchsten
Wesens zu kühn ist, um je Überzeugung bei einem
Menschen hervorzurufen, der mit der Schwache
menschlicher Vernunft und den enggezogenen Grenzen
all ihrer Tätigkeiten genügend vertraut ist. Wäre die
Kette der Begründungen, die zu dieser Theorie führt,
noch so logisch, es muß ein starker Verdacht, wenn
nicht die volle Sicherheit entstehen, daß sie uns durch-
aus über den Bereich unserer Fähigkeiten gebracht
hat, wenn sie zu so außerordentlichen, dem gewöhn-
lichen Leben und der Erfahrung so fernliegenden
Schlüssen führt Wir sind ins Märchenland geraten,
lange ehe wir noch die letzten Stufen unserer Theorie
erreichten; und dort haben wir keinen Grund, uns
auf unsere gewöhnlichen Begründungsmethoden zu
verlassen oder unseren üblichen Analogien und Wahr-
scheinlichkeiten Geltung zuzutrauen. Unsere Senk-
leine ist nicht lang genug, so ungeheure Abgründe
zu loten. Und wie wir uns auch schmeicheln mögen,
daß wir bei jedem unserer Schritte eine gewisse Wahr-
heitsähnlichkeit und Erfahrung zum Führer haben,
so können wir doch sicher sein, daß diese vermeint-
liche Erfahrung dann keine Geltung besitzt, wenn
1
88
Siebenter Abschniü.
wir sie so auf Gegenstände anwenden, die gänzlich
aoBer dem Umkreis der Erfahrung liegen. Doch es
bietet sich später Gelegenheit» diesen Punkt zu be-
rühren. 1)
Zweitens vermag ich in den Begründungen, auf
die sich diese Theorie stützt, keine Überzeugungs-
kraft zu sehen. Wir kennen allerdings nicht die
Art, in der Körper aufeinander wirken; ihre Kraft
oder Energie ist gänzlich unbegreiflicL Aber kennen
wir nicht die Art oder Kraft ebensowenig, durch
welche ein Geist, und selbst der höchste Geist, auf
sich oder auf Körper wirkt? Woher, frage ich, ge-
winnen wir irgend eine Vorstellung davon? In uns
haben wir kein Gefühl oder Bewußtsein dieser Kraft.
Von dem höchsten Wesen haben wir keine andere
Vorstellung, als wir aus der Selbstbesinnung auf unsere
eigenen f^higkeiten gewinnen. Wäre unsere Unkennt-
nis also ein guter Grund, irgend etwas zu verwerfen,
so würde das uns zu dem Prinzip führen, jedwede
Energie ebenso im höchsten Wesen wie in der gröbsten
Materie zu verneinen. Wir begreifen doch sicherlich
die Wirksamkeit des einen so wenig wie die der
anderen. Ist es schwieriger, sich vorzustellen, daß
Bewegung durch einen Anstoß, oder daß sie durch
eine Willensregierung entsteht? Alles, was wir kennen,
ist unsere tiefe Unwissenheit in beiden Fällen. *)
1) In Abschnitt XII.
') Es erabrigt sieb, aosfährlich die Vis inertiae zn prüfen,
von der soviel in der neueren Philosophie die Rede ist und
die man der Materie zuschreibt. Durch Erfahrung linden
wir, daß ein Körper in Ruhe oder Bewegung auf immer im
selben Zustand verharrt, bis irgend eine neue Ursache ihn
daraus vertreibt, und daß ein gestoßener Körper dem stoßenden
gerade soviel Bewegung entzieht, als er selbst dabei gewinnt.
So liegen die Tatsachen. Nennen wir dies eine Vis inertiae,
so bezeichnen wir nur diese Tatsachen, ohne den Anspruch,
irgend eine Vorstellung von der Trägheitskrafl zu haben;
gerade so, wie wir von Schwerkraft sprechen und dabei
gewisse Wirkungen meinen, ohne jene treibende Kraft zu
begreifen. Es war nie die Meinung Sir Isaak Newtons, die
Ursachen zweiten Grades (die Materie, Ausgaben E und F)
aller Kraft oder Ener^e zu berauben, wenngleich einige
seiner Nachfolger jene Theorie auf sein Ansehen zu gründen
Von d«r Vorstellung der notwendigen Verknüpfung. 89
Zweiter Teil.
Es wird Zeit, mit dieser Beweisführung, die sich
schon zu sehr in die Länge zieht, abzuschließen:
Wir haben vergebens nach einer Vorstellung von
Kraft oder notwendiger Verknüpfung in all den
Quellen gesucht, aus denen sie unserer Ansicht nach
abfließen konnte. Es zeigt sich, daß wir in Einzel-
fällen der Wirksamkeit von Körpern auch mit
äußerster Genauigkeit der Prüfung nie etwas anderes
entdecken können, als daß ein Ereignis dem anderen
folgt; aber wir sind nicht imstande, irgendwelche
Kraft oder Macht zu begreifen, durch welche die
Ursache wirkt, oder irgend eine Verknüpfung zwischen
ihr und der angenommenen Wirkung. Dieselbe
Schwierigkeit erhebt. sich, wenn wir die Wirksamkeit
des Geistes auf den Körper betrachten; hierbei be-
obachten wir, daß die Bewegung des letzteren der
Willensregung des ersteren folgt, sind aber außer-
stande, das Band ^zu beobachten oder uns vorzustellen,
das die Bewegung an die Willensregung knüpft, oder
die Energie, vermittels deren der Geist diese Wir^
kung hervorbringt Die .Gewalt des Willens über seine
eigenen Vermögen und Vorstellungen ist nicht eine
Spur begreiflicher, so .daß, im ganzen genommen,
überall in der ganzen Natur sich nicht em einziges
Beispiel von Verknüpfung darbietet, das uns vor-
▼ersucht haben. Dieser große Philosoph hat im Gegenteil
ein ätherisches, wirksames Fluidum zur Erklärung der von
ihm gelehrten aU^^emeinen Anziehung zu Hilfe genommen;
doch gab er dabei yorsichtig und bescheiden zu, es sei eine
bloße Hypothese, auf die man sich ohne weitere Versuche
nicht fest stützen dürfe. Ich muß sagen, es liegt etwas
Sonderbares in dem Schicksal der Meinungen. Descartes
führte jene Lehre von der allgemeinen und einzigen Wir-
kungskraft der Gottheit leise ein, ohne auf ihr zu bestehen.
Malebranchc und andere Cartesianer machten sie zum Grund-
stein ihrer Philosophie. Sie hatte indessen keine Geltung
in England. Locke, Clarke und Cudworth schenkten ihr
nicht einmal Beachtung, sondern nahmen stets an, daß die Ma-
terie eine wirkliche, wenn auch untergeordnete und vermittelte
Kraft besäße. Wodurch ist sie unter unseren heutigen Meta-
physiken) zu solcher Vorherrschaft gekommen?
90
Siebenter Abiohnitt.
stellbar wäre. Alle flreignisse erscheinen durchaas
unzusammenhängend und vereinzelt Ein Ereignis
folgt dem anderen; aber nie können wir irgenu ein
Band zwischen ihnen beobachten. Sie scheinen zu-
sammenhängend, doch nie verknüpft: Und da
wir keine Vorstellung von etwas haben können, das
nie unseren äußeren JSinnen noch dem inneren Gefühl
sich darbot, so scheint die notwendige Schluß-
folgerung zu lauten: daß wir überhaupt gar keine
Vorstellung von Verknüpfung oder Kraft besitzen,
und daß diese Wörter gänzlich ohne jeden Sinn sind,
ob sie nun in philosophischen Gedankengängen oder im
gewöhnlichen Leben angewandt werden.
Indes bleibt noch ein Weg, diesem Schluß zu
entgehen, und eine .Quelle, die wir noch nicht ge-
prüft haben. Wenn sich uns ein Gegenstand oder
Ereignis in der Natur darbietet, so ist es uns ohne
Erfahrung unmöglich, mit noch so eindringlichem
Scharfsinn zu entdecken, ja auch nur zu erdenken,
was für ein Ereignis aus ihm folgen wird, oder
mit unserer Voraussicht über den Gegenstand hinaus-
zugelangen, der unmittelbar dem Gedächtnis oder den
Sinnen vorliegt. Selbst wenn ein Beispiel odef eine
Erfahrungstatsache uns beobachten ließ, daß ein be-
stimmtes Ereignis einem anderen folgte, so sind wir
nicht berechtigt, eine allgemeine Regel zu bilden oder
vorauszusagen, was in gleichen Fällen eintreten wird;
denn mit Kecht gilt es als unverzeihlicher Vorwitz,
aus einer einzelnen, auch noch so genauen und gewissen
Erfahrungstatsache, ein Urteil über den gesamten Na-
turlauf abzugeben. Wenn aber eine besondere Art von
Ereignissen immer in allen Jollen im Zusammenhang
mit einer anderen aufgetreten ist, so scheuen wir uns
nicht, beim Erscheinen der einen die andere vorher-
zusagen und jenen Denkakt anzuwenden, der uns
allein Tatsachen oder Dasein sicherstellt. Wir
nennen dann den einen Gegenstand Ursache, den
anderen Wirkung. Wir nehmen an, daß es irgend
eine Verknüpfung zwischen beiden gibt, irgendwelche
Kraft im einen, durch die er unfehlbar den anderen
hervorbringt und mit größter Gewißheit und strengster
Notwendigkeit wirkt
Von d«r Vontellung der nolnrtiidigen Verknüpfung. 91
Hiernach scheint es, daß die Vorstellung einer
notwendigen Verknüpfung von Ereignissen ihren Ur-
sprung in einer Häufung eingetretener gleichartiger
Fälle hat, in denen beständig diese Ereignisse im
Zusammenhang standen; ein einzelner solcher Fall kann
nie jene Vorstellung eingeben, wenn man ihn auch
von allen Seiten beleuchtet und prüft In einer Mehr-
zahl von Fällen findet sich aber nichts von jedem
Einzelfalle Verschiedenes, der als ganz gleichartig
mit ihnen angenommen wird, ausgenommen, daß nach
einer Wiederholung gleichartiger Fälle der Geist aus
Gewohnheit veranlaßt wird, beim Auftreten des einen
Ereignisses dessen übliche Begleitung zu erwarten
und zu glauben, daß sie ins Dasein treten werde. Diese
Verknüpfung also, die wir im Geist empfinden,
dieser gewohnheitsmäßige Übergang jler Einbildung
von einem Gegenstand zvl seinem üblichen Begleiter
ist das Gefühl oder der Eindruck, nach dem wir die
Vorstellung von Kraft oder notwendiger Verknüpfung
bilden. Weiter steckt nichts dahinter. Auch bei all-
seitiger Betrachtung der Frage läßt sich niemals ein
anderer Ursprung jener Vorstellung auffinden. Es
gibt nur diesen einen Unterschied zwischen einem
Einzelfall, von dem wir nie die Vorstellung der Ver-
knüpfung erhalten, und einer Anzahl gleichartiger
Fälle, die uns dieselbe eingibt Als zum ersten Male
die Mitteilung einer Bewegung durch Stoß, wie etwa
bei dem Zusammenpralle zweier Billardkugeln, von
einem Menschen beobachtet wurde, konnte dieser nicht
aussagen, daß das eine Ereignis mit dem anderen
verknüpft war, sondern nur, daß das eine mit dem
anderen in Zusammenhang stand. Nachdem er meh-
rere Beispiele dieser Art gesehen hat, erklärt er sie
für verknüpft Was hat sich so geändert, daß diese
neue Vorstellung der Verknüpfung entstand? Weiter
nichts, als daß er nun diese Ereignisse als in seiner
Einbildung verknüpft empfindet und leicht das
Dasein des einen aus dem Auftreten des anderen
vorhersagen kann. Behaupten wir also, daß ein Gegen-
stand mit einem anderen verknüpft ist, so meinen wir
nur, daß sie in unserem Denken eine Verknüpfung
eingegangen sind und die Ableitung veranlassen, durch
92
Siebenter Abschnitt.
die sie zu Beweisen ihres beiderseitigen Daseins wer-
den. Ein etwas außergewöhnlicher Schluß; doch er
scheint sich auf ausreichende Evidenz zu gründen.
Auch wird seine Evidenz durch mangelndes Selbst-
vertrauen des Verstandes im allgemeinen oder durch
skeptischen Verdacht gegen jede Schlußfolgerung, die'
neu und außerordentlich ist, nicht geschwächt werden.
Können doch keine Schlüsse dem K^keptizismus besser
behagen als solche, welche die Schwäche und enge
Begrenztheit der menschlichen Vernuxft und Begabung
aufdecken.
Läßt sich aber wohl ein schlagenderes Beispiel
für die erstaunliche Unwissenheit und Schwäche des
Verstandes beibringen, als eben dieses? Wenn es
eine Beziehung zwischen Gegenständen gibt, deren
vollkommene Kenntnis uns von Wichtigkeit ist, so
ist es doch sicherlich die von Ursache und Wirkung.
Auf sie gründen sich alle Denkakte in bezug auf
Tatsachen oder Dasein. Nur durch sie allein er-
halten wir Sicherheit über Gegenstände, die dem
augenblicklichen Zeugnis des Gedächtnisses und der
Sinne entrückt sind. Der einzige unmittelbare Nutzen
aller Wissenschaften besteht darin, uns die Beherr-
schung und Regelung künftiger Ereignisse durch ihre
Ursachen zu lehren. Unser Denken und Forschen ist
demnach jederzeit mit dieser Beziehung beschäftigt:
Und doch sind die Vorstellungen, die wir uns von
ihr machen, dermaßen unvollkommen, daß es un-
möglich ist, irgend eine andere richtige Definition
der Ursache zu geben, als allein eine solche, die von
einem außer ihr stehenden und ihr fremden Etwas
abgezogen ist Untereinander gleichartige Gegen-
stände hängen stets mit wieder untereinander gleich-
artigen zusammen. Dies sagt uns die Erfahrung. In
Übereinstimmung mit dieser Erfahrung mögen wir
also eine Ursache definieren als: einen Gegenstand,
dem ein anderer folgt, wobei allen Gegen-
ständen, die dem ersten gleichartig sind,
Gegenstände folgen, die dem zweiten gleich-
artig sind. Oder^ mit anderen Worten: wobei,
^ Dieser Satz ist in Ausgabe K zugefQgt worden.
Von der VoreteUnng der notwendigen Verknüpfang. 93
wenn der erste Gegenstand nicht bestanden
hätte, der zweite nie ins Dasein getreten wäre.
Die Erscheinung einer Ursache führt stets den Geist,
durch einen gewohnheitsmäßigen Übergang, zur Vor-
stellung der Wirkung. Auch dies lehrt uns die Er-
fahrung. Deshalb mögen wir, jetzt in Übereinstimmung
mit dieser Erfahrung, eine andere Definition der Ur-
sache bilden und sie bezeichnen als: einen Gegen»
stand, dem ein anderer folgt, und dessen Er-
scheinen stets das Denken zu jenem andern
führt Haben wir nun auch diese beiden Definitionen
von Umständen hergeleitet, die der Ursache fremd
sind, so läßt sich diesem Übelstand eben nicht ab-
helfen und eine vollkommenere Definition nicht er-
reichen, die jenen Umstand in der Ursache aufzeigte,
der ihr eine Verknüpfung mit ihrer Wirkung gibt.
Wir haben keine Vorstellung von dieser Verknüpfung,
nicht einmal irgend einen deutlichen Begriff dessen,
was wir eigentlich zu kennen wünschen, wenn wir
uns um ein Vorstellungsbild von ihr bemühen. Wir
sagen z. B., die Schwingung dieser Saite ist die Ursache
dieses bestimmten Tons. Was aber meinen wir mit
dieser Behauptung? Entweder meinen wir: daß auf
diese Schwingung dieser Ton folgt und daß
allen gleichartigen Schwingungen gleich-
artige Töne gefolgt sind; oder: daß auf diese
Schwingung dieser Ton folgt und daß beim
Erscheinen des einen der Geist den Sinnen
vorgreift und unmittelbar die Vorstellung des
anderen bildet Die Beziehung von Ursache und
Wirkung läßt sich unter diesen beiden Gesichtspunkten
betrachten, darüber hinaus haben wir von ihr keine
Vorstellung. ^)
*) Nach diesen Erläuterungen und Definitionen ist die
Vorstellung der Kraft genau so eine Beziehung wie die der
Ursache; beide weisen auf eine Wirkung oder sonst ein
Ereignis, das beständig mit ihnen zusammenhängt. Betrachten
wir das unbekannte Etwas in einem Gegenstand, durch
das der Grad oder die Größe seiner Wirkung festgesetzt
und bestimmt wird, so nennen wir das seine Kraft. So
nehmen denn auch alle Philosophen an, die Wirkung sei
das Maß der Kraft. Besäßen sie aber eine Vorstellung der
94
Siebenter Abschnitt
Fassen wir die Gedankengänge dieses Abschnitts
zusammen, so ist jede Vorstellung einem vorher-
gehenden Eindruck oder Gefühl nachgebildet; und wo
keinerlei Eindruck sich finden läßt, da können wir
gewiß sein, daß keine Vorstellung vorhanden ist.
In allen Einzelfällen von körperlicher oder geistiger
Kraft an sich, warum können sie die Kraft selbst nicht
messen? Der Streit, ob die Kraft eines bewegten Körper«
seiner Geschwindigkeit oder dem Quadrat seiner Geschwin-
digkeit gleich ist, dieser Streit brauchte dann wohl nicht
durch Vergleichen der Wirkungen in gleichen oder un-
gleichen Zeiten entschieden zu werden, sondern durch un-
n^ittelbare Messung und Vergleichung.
Der häufige Gebrauch der Wörter: Macht, Kraft,
Energie u. s. w., auf die wir überall in der Alltagsprache
wie in der Philosophie stoßen, ist kein Beweis, daß wir
irgendwo mit dem verknüpfenden Prinzip zwischen Ursache
und Wirkung bekannt oder imstande sind, Rechenschaft über
den letzten Grund der Erzeugung eines Dinges dnrch ein
anderes abzulegen. Diese Wörter haben im gewöhnlichen
Gebrauch eine sehr schwankende Bedeutung, und die ihnen
zugehörigen Vorstellungen sind sehr ungewiß und verworren.
Kein Lebewesen kann äußere Körper in Bewegung setzen,
ohne das Gefühl eines Nisus oder einer Anstrengung; und jedes
Lebewesen hat ein Gefühl oder eine Empfindung von dem Stoß
oder Schlag eines äußeren in Bewegung befindlichen Gegen-
standes. Diese Wahrnehmungen, die rein auf Lebewesen
beschränkt sind und von denen wir a priori nichts ableiten
können, sind wir geneigt, auf unbeseelte Dinge zu übertragen
und anzunehmen, daß auch sie solche Empfindungen haben, so
oft sie Bewegung empfangen oder übermitteln. In bezug auf
Energien, die sich auswirken, ohne daß wir mit ihnen eine
Vorstellung von mitgeteilter Bewegung verbinden, betrachten
wir nur den regelmäßig erfahrenen Zusammenhang der Er-
eigiiisse; und da wir eine gewohnheitsmäßige Verknüpfung
zwischen den betreffenden Vorstellungen empfinden, über-
tragen wir diese Empfindung auf die Gegenstände; ist doch
nichts so gewöhnlich, wie äußeren Körpern jede innere Wahr-
nehmung, die sie veranlassen, zuzuschreiben. (Diese An-
merkung kam in Ausgabe P hinzu, wo indessen an Stelle
des zweiten Absatzes zu lesen ist: eine Ursache ist etwas
anderes als ein Zeichen, denn sie schließt Vorangehen und
Berührung in Zeit und Raum ein und überdies regelmäßigen
Zusammenhang. Ein Zeichen ist nur eine Seiten Wirkung
der gleichen UrsaobeO
Von der Vorstellung der notwendigen Verknüpfung. 96
Wirksamkeit hinterläßt nichts den Eindruck und kann
folglich auch nichts die Vorstellung von Kraft oder
notwendiger Verknüpfung eingeben. Wenn aber viele
gleichförmige Beispiele auftreten und demselben
Gegenstand immer dasselbe Ereignis folgt, dann
beginnen wir den Begriff von Ursache und Ver-
knüpfung zu bilden. Wir empfinden nun ein neues
Gefühl oder einen Eindruck, nämlich eine gewohnheits-
mäßige Verknüpfung im Denken oder der Einbil-
dung zwischen einem Gegenstand und seiner iib-
lichen Begleitung; und dieses Gefühl ist das Urbild
jener Vorstellung, das wir suchen. Da nämlich diese
Vorstellung aus einer Anzahl gleichartiger Fälle ent-
steht, dagegen nicht aus irgend einem Einzelfalle,
80 muß sie aus jenem Umstand entstehen, worin die
Anzahl von Fällen sich von jedem einzelnen Fall unter-
scheidet. Nun ist diese gewohnheitsmäßige Ver-
knüpfung oder Überleitung der Einbildung der einzige
Umstand, in dem sie sich unterscheiden. In jeder
anderen Eigenschaft sind sie sich gleich. Der erste
Fall von vermittelter Bewegung durch den Zu-
sammenstoß zweier Billardkugeln, den wir gesehen
haben (um dies einleuchtende Beispiel wieder auf-
zunehmen), gleicht durchaus jedem möglichen Falle,
der uns heute begegnen könnte; nur darin nicht, daß
wir zuerst nicht ein Ereignis aus dem anderen ab-
leiten konnten, jetzt aber nach einer so langen Reihe
gleichförmiger Erfahrungen hierzu instand gesetzt
sind. Ich weiß nicht, ob der Leser diesen Ge-
dankengang leicht fassen wird; nur fürchte ich,
wenn ich mehr Worte darüber verlöre oder den Gegen-
stand noch von verschiedenen Seiten beleuchtete,
so würde er dadurch nur dunkler und verwickelter
werden. In allen abstrakten Gedankengängen gibt es
einen Gesichtspunkt, der, wenn wir ihn glücklich
treffen, besser zur Verdeutlichung des Gegenstandes
dient, als alle Beredsamkeit und aller Wortreichtum
der Welt. Diesen Gesichtspunkt sollten wir zu ge-
winnen trachten und die Blüten der Redekunst für
Gegenstände sparen, die sich besser dazu eignen.
r--^' li
f*^-
Achter Abschnitt.
Ober Freiheit und Notwendigiceit
Enter Teil.
!n 1^ ^'®^S- "*'''. 'vernünftigerweise erwarten, daß
,nH i^ff ' ^i.® ^®'*. '^®™ Urbeginn der Wissenschalt
,™«J^1°'°P'"^ mit «oflem Eifer verhandelt und
Sin T"'!? ';°1f ^^ Streitenden sich zum
S hs«"'*^'" d'e B«ieutung aller Ausdrücke ge-
einigt hatten; und daß unsere Forschung im Laufe
von zwei Jahrtausenden imstande sein sollte, von
^ntl^fj,*'^-r^®\"°"* wirklichen Gegenstand der
Entzweiung überzugehen. Es scheint doch so leicht
genaue Defmitionen der m dem Gedankengang S
r„^ «"/"^f"!?''® S" sehen und diese DefinitionlT
anstatt den bloßen Schall von Worten, zum Gee^I
stand künftiger Prüfung und Forschung TmÄ
Betrachten wir aber die Sache näher. So werden wk
XU emem ganz entgegengesetzten Schlüsse neieen. Ans
diesem Umstena allein, daß eine Streitfrage jfnje ZeU
im Gange und noch unentschieden geblieben ist, läßt
sich annehmen, daß eine Zweideutigkeit im Ans-
druck besteht, und daß die Streitenden den in de^
Verhandlung gebrauchten Bezeichnungen verschiedene
Vorstellungen zuordnen. Weil nämlifh die geisS
Ä^-*? ^' *"^° Individuen von Nat^ wohl
gleich sind, - sonst gäbe es ja nichts so fruchtloses
wie miteinander gedanklich zu 'arbeiten und™Sn
irr«fRr,t-\^ unmöglich, wenn die Menschen mit
dS «f« ri"""^®" ^''l*'>5 Vorstellungen verbänden
daß sie 80 lange verschiedene Meinungen über den
gleichen Gegenstand bilden könnten, umio meh? wS
I
Über Freiheit und Notwendigkeit
97
sie sich ihre Ansichten mitteilen und jeder Teil von
allen Seiten Begründungen hersucht, die ihm zum
Sieg über den Gegner verhelfen sollen. Wenn freilich
die Menschen sich an Probleme wagen, die ganz
außer dem Bereich menschlicher Fähigkeiten liegen,
wie solche über den Weltenursprung und die Ver-
fassung des Systems oder Reichs der Geister, so
mögen sie lange die Luft mit fruchtlosem Wort-
wechsel erschüttern und doch nie zu einem bestimmten
Schluß kommen. Betrifft die Frage aber einen
Gegenstand des gewöhnlichen Lebens und der Er-
falu-ung, dann sollte man meinen, daß der Streit sich
nur deshalb so lange unentschieden hinziehen könne,
weil zweideutige Ausdrücke die (Gegner voneinander
entfernt halten und verhindern, handgemein zu werden.
Dies ist bei der langumstrittenen Frage nach
Freiheit und Notwendigkeit der Fall gewesen, und
zwar in so auffallendem Grade, daß wir, wenn ich
nicht sehr irre, entdecken werden, die ganze gelehrte
wie ungelehrte Menschheit habe von jeher die gleiche
Meinung in betreff dieses Gegenstandes geteilt, und
ein paar verständliche Definitionen hätten sofort die
ganze Streitfrage erledigt. Nun gestehe ich, daß
dies Problem von allen Seiten soviel besprochen
worden ist und die Philosophen in solche Irrgänge
dunkler Sophisterei geführt hat, daß es nicht Wunder
nimmt, wenn ein verständiger Leser sich dieser Plage
nicht aussetzt und nur taube Ohren für die Erörterung
einer solchen Frage hat, von der er weder Belehrung
noch Unterhaltung erwarten kann. Indessen ist die
hier gebotene Begründung derart, daß sie vielleicht
dient, seine Aufmerksamkeit noch einmal zu erwecken;
hat sie doch den Reiz der Neuheit, verspricht
wenigstens eine gewisse Entscheidung der Streitfrage
und wird des Lesers Behagen nur wenig durch ver-
wickelte und dunkle Gedankengänge stören.
Ich hoffe es also einleuchtend zu machen, daß
alle Menschen von jeher über die Lehre der Not-
wendigkeit wie die der Freiheit einig gewesen sind, so-
bald man diesen Bezeichnungen irgend einen ver-
nünftigen Sinn unterlegt, und daß die ganze Streit-
frage sich bislang einzig um Worte gedreht hat. Wir
Harne, üntersucbg. üb. d. ntenschl. Verstand. 7
U
98
Achter Abschnitt
beginnen mit der Prüfung der Lehre von der Not-
wendigkeit.
Es wird allgemein anerkannt, daß die Materie in
allen ihren Vorgängen durch eine notwendige Kraft
getrieben wird, und daß jede Wirkung in der Natur
so genau durch die Energie ihrer Ursache bestimmt
ist, daß unter diesen besonderen Umständen das Ein-
treten keiner anderen Wirkung möglich wäre. Den
Grad und die Richtung jeder Bewegung schreiben
die Naturgesetze mit solcher Genauigkeit vor, daß
ebensogut ein lebendiges Wesen aus dem Zusammen-
stoß zweier Körper hervorgehen könnte, wie eine Be-
wegung in irgend einer anderen Stärke oder Rich-
tung als die wirklich entstandene. Wollen wir uns
also eine zutreffende und bestimmte Vorstellung von
der Notwendigkeit bilden, so müssen wir zusehen,
woher diese Vorstellung stammt, wenn wir sie auf
Vorgänge in der Körperwelt anwenden.
Würden alle Naturbegebenheiten beständig derart
wechseln, daß niemals zwei Ereignisse sich irgend ähn-
lich sähen, sondern jeder Gegenstand durchaus neu,
ohne irgendwelche Gleichartigkeit mit früher Gesehe-
nem aufträte, so hätten wir in dem Fall offenbar nie-
mals die geringste Vorstellung von Notwendigkeit oder
von einer Verknüpfung zwischen diesen Dingen er-
langt. Es ließe sich dann wohl sagen, daß ein Gegen-
stand oder ein Ereignis dem anderen gefolgt ist; nicht,
daß der eine von dem anderen hervorgebracht wurde.
Die Beziehung von Ursache und Wirkung müßte der
Menschheit völlig unbekannt bleiben. Ableitungen und
Denkakte auf Grund von Naturvorgängen hätten in
diesem Augenblick ein Ende, und die Erinnerung und
die Sinne blieben die einzigen Kanäle, durch die eine
Kenntnis wirklichen Daseins dem Geiste möglicher-
weise zugeführt werden könnte. So entsteht unsere
Vorstellung von Notwendigkeit und Verursachung
denn ganz und gar aus der Einförmigkeit, die sich
in den Vorgängen der Natur beobachten läßt; wo
gleichartige Gegenstände beständig zusammenhängen,
und der Geist durch Gewohnheit veranlaßt wird, den
einen aus dem Erscheinen des anderen abzuleiten.
Diese beiden Umstände machen den ganzen Inhalt
Über Freiheit and Notwendigkeit.
99
jener Notwendigkeit aus, die wir dem Reich der
Materie zuschreiben. Über den ständigen Zusammen-
hang gleichartiger Gegenstände und die daraus
folgende Herleitung des einen aus dem andern
hinaus haben wir keinen Begriff irgend einer Not-
wendigkeit oder Verknüpfung.
Sollte sich also herausstellen, daß von jeher die
Menschen ohne Zweifel und anstandlos anerkannt
haben, daß diese beiden Umstände auch bei den frei-
willigen Handlungen des Menschen und bei den Vor-
gängen im Geiste auftreten, so muß sich daraus er-
geben, daß die ganze Menschheit stets einig über die
Lehre von der Notwendigkeit gewesen ist, und daß der
bisherige Streit auf bloßem Mißverständnis beruhte.
Was den ersten Umstand anlangt, den bestän-
digen und regelmäßigen Zusammenhang gleichartiger
Ereignisse, so werden die hier folgenden Betrach-
tungen uns vielleicht genügenden Aufschluß gewähren.
Allgemein wiid zugestanden, daß eine große Gleich-
förmigkeit in den Handlungen der Menschen aller
Nationen und Zeitalter besteht, und daß die mensch-
liche Natur in ihren Prinzipien und Tätigkeiten stets
dieselbe bleibt. Dies'elben Beweggründe rufen
immer dieselben Handlungen hervor: dieselben
Ereignisse folgen aus denselben Ursachen. Ehr-
sucht, Geiz, Selbstliebe, Eitelkeit, Freundschaft, Edel-
mut, Gemeingeist: diese Affekte sind in verschiedenen
Mischungsgraden in der menschlichen Gesellschaft
verteilt und von Anbeginn der Welt und noch heute
der Quell aller Handlungen und Unternehmungen ge-
wesen, die man je bei Menschen beobachtet hat Wollt
ihr etwas über die Gefühle, Neigungen und den
ganzen Verlauf des Lebens bei den Griechen und
Römern wissen? So vertieft euch in das Temperament
und die Handlungsweisen der Franzosen und der Eng-
länder; ihr könnt nicht weit fehlgehen, wenn ihr
auf jene die meisten Beobachtungen übertragt, die
ihr bei diesen gemacht habt. Die Menschen sind in
allen Zeiten und Orten so sehr dieselben, daß uns die
Geschichte auf diesem Gebiete nichts Neues oder
Fremdartiges berichtet. Ihr Hauptnutzen liegt nur
darin, die beständigen und allgemeinen Prinzipien
1*
'■i
100
Achter Abschnitt.
der menschlichen Natur zu entdecken, indem sie die
Menschen in den verschiedensten Verhältnissen und
Lagen darstellt und uns mit Stoff versorgt, aus dem
wir Beobachtungen aufstellen können und die regel-
mäßigen Triebkräfte menschlichen Handelns und Be-
tragens kennen lernen. Diese Berichte über Kriege,
Umtriebe, Parteiungen und Umwälzungen sind eben-
soviel Sammlungen von Erfahrungstatsachen, aus
denen der Politiker oder der Vertreter der Geistes-
wissenschaft die Prinzipien seiner Lehre feststellt;
in der gleichen Art, wie der Physiker oder Natur-
forscher das Wesen der Pflanzen, Mineralien und
anderer äußerer Gegenstände durch die Erfahrungs-
tatsachen kennen lernt, die er hierzu zusammenstellt.
Die Erde, das Wasser und die anderen Elemente, die
Aristoteles und Hippokrates untersuchten, sind den uns
heute zur Beobachtung vorliegenden auch nicht ähn-
licher, als die von Polybius und Tacitus geschilderten
Menschen denen sind, die jetzt die Welt regieren.
Wenn ein Reisender bei seiner Rückkehr aus
einem fernen Lande uns von Menschen berichtete, die
sich von allen uns bekannten völlig unterschieden;
die von Geiz, Ehrsucht und Rachgefühl ganz frei
seien, die keinen anderen Genuß kennten als Freund-
schaft, Edelmut und Gemeinsinn: so würden wir un-
mittelbar aus diesen Umständen die Unwahrheit er-
kennen und ihm die Lüge so gewiß nachweisen, als
hätte er seine Erzählung mit Greschichten von Cen-
tauren und Drachen, Wundem und Naturwidrigkeiten
überladen. Desgleichen können wir zur Entlarvung
irgend einer Geschichtsfälschung keine überzeugendere
Begründung aufbringen, als den Beweis, daß die
jemandem zugeschriebenen Handlungen geradezu
gegen den Lauf der Natur seien, und daß keine
menschlichen Triebfedern unter solchen Umständen
zu solchem Verhalten jemals hätten führen können.
Die Wahrhaftigkeit des Qüintus Curtius ist ebenso
verdächtig, wenn er den übernatürlichen Mut Alex-
anders beschreibt, der diesen dazu trieb, als Einzelner
große Massen anzugreifen, wie wenn er dessen über-
natürliche Kraft und Gewandtheit beschreibt, durch
die er in der Lage war, ihnen zu widerstehen. So
über Freiheit nnd Notwendigkeit.
101
anstandlos und allgemein erkennen wir eine Gleich-
förmigkeit in den menschlichen Beweggründen und
Handlungen wie in den Wirksamkeiten der Kör-
per an.
Hierauf beruht auch der Nutzen solcher Er-
fahrung, die durch ein langes Leben und mancherlei
Geschäfte und Verkehr erworben wird und uns dient,
die Prinzipien der menschlichen Natur aufzuklären und
unser künftiges praktisches wie unser theoretisches
Verhalten zu regeln. Mit Hilfe dieses Führers steigen
wir auf zur Kenntnis der Neigungen und Triebfedern
der Menschen auf Grund ihrer Handlungen, ihrer Mie-
nen, ja ihrer Gebärden, und wieder herab zur Ausdeutung
ihrer Handlungen auf Grund unserer Kenntnis ihrer
Triebfedern und Neigungen. Die allgemeinen Be-
obachtungen, die wir aus langer Erfahrung aufge-
speichert haben, geben uns den Schlüssel zur mensch-
lichen Natur und lehren uns, all ihre Verwicklungen
zu entwirren. Vorwände und äußerer Schein täuschen
uns dann nicht länger; offizielle Erklärungen gelten
uns nur als Schönförberei eines Sachverhalts. Und
wenn auch der Tugend und Ehre ihr gebührendes
Gewicht und Ansehen zugestanden wird, so erwartet
man doch niemals vollkommene Uneigennützigkeit, die
so oft vorgegeben wird, bei den Massen und den
Parteien; selten bei ihren Führern; und sogar kaum
bei Einzelnen, welchen Ranges und Standes auch
immer. Gäbe es hingegen keine Gleichförmigkeit in
den menschlichen Handlungen und wäre jede derartige
Erfahrung, die wir gewinnen könnten, unregelmäßig
und gesetzlos, so wäre es unmöglich, allgemeine Be-
obachtungen über die Menschen zu sammeln; keine
noch so besonnen durchgearbeitete Erfahrung würde
jemals irgend einem Zwecke dienen. Aus welchem
anderen Grunde ist der betagte Landmann in seinem
Beruf dem jungen Anfänger überlegen, als nur des^
wegen, weil eine gewisse Gleichförmigkeit in der
Wirksamkeit von Sonne, Regen und Erde zur Her-
vorbringung der Pflanzen besteht und Erfahrung den
alten Praktiker die Regeln lehrt, diese Wirksamkeit
zu beherrschen und zu lenken?
Immerhin dürfen wir niöht erwarten, diese Gleich-
102
Achter Abiohnitt
fÖrmigkeit im menschlichen Handeln werde so weit
gehen, daß alle Menschen unter gleichen Umständen
stets genau in derselben Weise handelten, phne die
Verschiedenheit der Charaktere, der Vorurteile und
Meinungen in Betracht zu ziehen. Solch eine Gleich-
förmigkeit in jeder Einzelheit findet sich auf keinem
Gebiete der Natur. Im Gegenteil befähigt uns die Be-
obachtung der im Benehmen verschiedener Menschen
herrschenden Mannigfaltigkeit zur Bildung einer
größeren Mannigfaltigkeit von Grundsätzen, die dabei
immer noch einen Grad von Gleichförmigkeit und
Regelmäßigkeit voraussetzen.
Sind nicht die Sitten der Menschen verschieden
in verschiedenen Zeiten und Ländern? Es zeigt sich
uns hierin die große Macht der Gewohnheit und Er-
ziehung, die den menschlichen Geist von frühester
Kindheit ab bearbeiten und zu einem gefestigten, in
sich ruhenden Charakter formen. Ist das Benehmen
und die Lebensführung der beiden Geschlechter
einander sehr ungleich? Hierdurch lernen wir die
verschiedene Eigenart kennen, welche die Natur den
Geschlechtern aufgeprägt hat und mit Beständigkeit
und Regelmäßigkeit bewahrt. Weichen die Handlungen
desselben Menschen in den verschiedenen Alters-
perioden seines Lebens, von der Kindheit zum Greisen-
tum, erheblich voneinander ab? Dies bietet Stoff zu
manchen allgemeinen Beobachtungen über den all-
mählichen Wechsel unserer GefüUe und Neigungen
und die verschiedenen Grundsätze, die in den einzelnen
Altersstufen des Menschen vorherrschen. Selbst die
individuellen Eigentümlichkeiten jedes Einzelnen zeigen
Gleichförmigkeit in ihren Äußerungen, sonst könnten
wir aus unserer Bekanntschaft mit den Personen und
unserer Beobachtung ihres Betragens niemals ihre
Gesinnung erfahren und unser eigenes Benehmen da-
nach einrichten.
Ich gebe die Möglichkeit zu, daß sich Hand-
lungen aufzeigen lassen, welche keine regelmäßige
Verknüpfung mit irgendwelchen bekannten Beweg-
gründen zu haben scheinen und sich keinem Maßstab
des Benehmens fügen, der je zur Beherrschung der
Menschen auffirestelit worden ist Aber wollen wir
üb«r Fr«ih«it un^ Notwendigkeit
103
uns klarmachen, wie diese unregelmäßigen und außer-
ordentlichen Handlungen wohl zu beurteilen waren,
so mögen wir bedenken, welche Meinungen gewohn-
lich über solche unregelmäßigen Ereignisse gehegt
werden, die im Naturlauf und bei den Vorgängen
an äußeren Gegenständen auftreten. Die Ursachen
hängen nicht alle mit derselben Gleichförmigkeit mit
ihren gewöhnlichen Wirkungen zusammen. Einem
Handwerker, der nur tote Materie bearbeitet, kann
ein ebensolcher Mißerfolg begegnen wie dem Politiker,
der die Leitung fühlender und vernünftiger Wesen
unternimmt , , ,. T^. l
Der gewöhnliche Mensch, welcher die Dinge nach
dem ersten Anschein beurteilt, schreibt die Ungewiß-
heit der Ereignisse einer Ungewißheit in den Ur-
sachen zu, die sie ihre gewöhnliche Einwirkung oft
verfehlen läßt, wenn auch kein Hindernis ihrer Tätig-
keit entgegentritt. Die Philosophen aber beobachten,
daß fast in jedem Stück Natur eine große Mannig-
faltigkeit von wirkenden Kräften und Prinzipien ent-
halten ist, die wegen ihrer Geringfügigkeit oder Ent-
legenheit verborgen bleiben; und so halten sie es
wenigstens für möglich, daß der Widerstreit in den Er-
eignissen nicht von einer Zufälligkeit in der Ur-
sache herrührt, sondern von der geheimen Wirksamkeit
widerstreitender Ursachen. Weitere Beobachtung ver-
wandelt diese Möglichkeit in Gewißheit; denn es
zeigt sich, daß bei genauer Prüfung ein Widerstreit
in den Wirkungen stets einen Widerstreit in den Ur-
sachen enthüllt und aus deren wechselseitigem Gegen-
satz entspringt Ein Bauer kann, wenn eine Uhr
stehen bleibt, dafür keinen besseren Grund angeben,
als daß sie eben auch sonst nicht immer in Ordnung
ist; ein Mechaniker aber erkennt leicht, daß die
gleiche Kraft in der Feder oder im Pendel stets den
gleichen Einfluß auf die Räder hat, aber daß hier
ihre übliche Wirkung versagt, weil vielleicht ein Staub-
korn die ganze Bewegung aufhält Aus der Beob-
achtung mehrerer gleichlaufender Fälle bilden die
Philosophen sich die Regel, daß die Verknüpfung
zwischen allen Ursachen und Wirkungen gleicherweise
notwendig ist, und ihre scheinbare Ungewißheit in
104
Achter Abschnitt.
über Freiheit und Notwendigkeit.
105
'
einigen Fällen von dem geheimen Gegensatz wider-
streitender Ursachen herrührt.
So ist es z. B. bei dem menschlichen Körper,
wenn die bekannten Anzeichen der Gesundheit oder
Krankheit unser Erwarten täuschen, wenn Heilmittel
nicht ihre gewohnte Kraft ausüben, wenn unregel-
mäßige Ereignisse aus einer bestimmten Ursache
folgen. Der Philosoph und der Arzt sind darüber
nicht erstaunt, noch je versucht, im allgemeinen die
Notwendigkeit und Gleichförmigkeit jener Prinzipien
abzuleugnen, durch die das animalische Leben sich
im Gleichgewicht hält. Sie wissen, daß der mensch-
liche Körper eine höchst verwickelte Maschine ist,
daß viele geheime Kräfte in ihm lauern, die gänzlich
über unser Begreifen gehen, daß er uns häufig in
seiner Wirksamkeit sehr ungewiß erscheinen muß und
also darum die unregelmäßigen Ereignisse, die sich
äußerlich zeigen, keinen Beweis dafür abgeben können,
daß nicht die Naturgesetze mit der größten Regel-
mäßigkeit in seiner inneren Tätigkeit und Einrichtung
befolgt werden.
Will der Philosoph folgerecht sein, so muß er
denselben Gedankengang auf die Handlungen und
Willensregungen vernünftiger Wesen anwenden. Ganz
unregelmäßige und unerwartete Entschlüsse der
Menschen können oft von denen aufgeklärt werden, die
jeden einzelnen Umstand ihres Charakters und ihrer
Lage kennen. Ein liebenswürdig veranlagter Mensch
gibt eine verdrießliche Antwort — er hat aber Zahn-
schmerzen oder hat noch nicht zu Mittag gegessen.
Ein stumpfsinniger Bursche zeigt sich von un-
gewohnter Munterkeit des Benehmens — - ihm ist
aber auch ein unerwartetes Glück begegnet. Doch
wenn selbst für eine Handlung, wie es sich manchmal
trifft, weder von dem Handelnden noch von anderen
ein besonderer Grund angegeben werden kann,
so wissen wir doch im allgemeinen, daß der mensch-
liche Charakter in gewissem Grade unbeständig und
unregelmäßig ist Dies ist eigentlich der beständige
Grundzug der menschlichen Natur, wenn es auch
auf einige Personen vornehmlich anwendbar ist, die
für ihr Betragen keine feste Regel haben, sondern
deren Lebensweg Laune und Unbeständigkeit be-
herrschen. Die inneren Prinzipien und Beweggründe
mögen in gleichförmiger Weise wirksam sein, trotz
dieser scheinbaren Unregelmäßigkeit; gerade so wie
bei Winden, Regen, Wolken und anderen Veränderungen
des Wetters angenommen wird, daß stetige Prinzipien
sie beherrschen, die freilich menschlichem Scharfsinn
und Forschen sich nicht leicht enthüllen.
So zeigt sich einmal, daß der Zusammenhang
zwischen Beweggründen und Willenshandlungen so
regelmäßig und gleichförmig verläuft, wie der
zwischen Ursache und Wirkung überall in der Natur;
dann aber auch, daß dieser regelmäßige Zusammen-
hang allgemein unter den Menschen anerkannt
und weder in der Philosophie noch ina täglichen
Leben je umstritten worden ist. Da wir nun aus
früherer Erfahrung alle Annahmen über die Zukunft
herleiten und schließen, daß solche Gegenstände immer
zusammenhängen werden, die bisher immer zusammen
beobachtet wurden, so mag es überflüssig scheinen,
erst zu beweisen, daß jene erfahrene Gleichförmig-
keit im menschlichen Handeln eine^) Quelle ist, der
wir Ableitungen über dieses entnehmen. Um aber
das, was wir begründen wollen, auch von anderer
Seite zu beleuchten, werden wir, wenn auch kurz,
diesem letzteren Problem weiter nachgehen.
Die gegenseitige Abhängigkeit der Menschen in
allen Gemeinschaften ist so groß, daß kaum eine
menschliche Handlung ganz in sich abgeschlossen
ist oder ohne irgendwelche Beziehung auf Hand-
lungen anderer ausgeführt wird, die erforderlich sind,
damit der Handelnde seine Absicht vollkommen er-
reiche. Der ärmste Handwerker, der für sich allein
arbeitet, rechnet mindestens auf den Schutz der Obrig-
keit, der ihm den Genuß der Früchte seiner Arbeit
sichert. Ebenso rechnet er darauf, Käufer zu finden,
wenn er seine Waren zu Markte bringt und einen
angemessenen Preis dafür verlangt, und daß er mit
dem erworbenen Gelde andere veranlassen kann, ihn
*) Die Quelle all der Ableitungen ist, die wir über
dasselbe gewinnen: Ausgaben E bis P.
■^'
106
Achtor Abachnitt.
mit den Gütern, deren er zu »einem Unterhalte bedarf,
zu versehen. Je weiter die Menschen ihre Beziehungen
ausdehnen und je verwickelter sie ihren Verkehr
mit anderen gestalten, um so größer wird die Mannig-
faltigkeit von Willenshandlungen, die sie in ihren
Lebensplan einrechnen und deren Zusammenwirken
mit ihren eigenen sie beim Eintritt geeigneter Be-
weggründe erwarten. Bei all diesen Schlüssen treffen
sie ihre Maßnahmen nach früheren Erfahrungen,
ebenso wie in den Denkakten, die äußere Gegen-
stände betreffen, und glauben fest, daß die Menschen
so gut wie alle Elemente der Natur in ihrem Ver-
halten die gleichen bleiben werden, als die sie bisher
erfunden wurden. Ein Fabrikant rechnet für die Ausr
führung eines Unternehmens auf die Arbeit seiner
Untergebenen genau so, wie auf die Werkzeuge, die
er anwendet, und wäre ebenso überrascht, wenn er
sich in seinen Erwartungen getäuscht fönde. Kurz,
diese auf Erfahrung gestützten Ableitungen und
Denkakte über die Handlungen anderer gehen so
in das menschliche Leben ein, daß niemand bei wachen
Sinnen auch nur einen Augenblick davon absehen
kann. Sind wir daher nicht mit der Behauptung im
Recht, daß alle Welt über die Lehre von der Not-
wendigkeit stets einig war, so wie wir sie vorher
definiert und erklärt haben?
Aber auch die Philosophen haben niemals auf
diesem Punkte eine von der gewöhnlichen abweichende
Ansicht gehegt. Denn abgesehen davon, daß fast
jede Handlung ihres Lebens diese Ansicht voraussetzt,
gibt es sogar nur wenige Zweige der spekulativen
Wissenschaften, für welche sie nicht wesentlich wäre.
Was sollte aus der Geschichte werden, wenn wir
uns nicht auf die Wahrhaftigkeit des Geschicht-
schreibers gemäß unserer Erfahrung von den
Menschen überhaupt verlassen könnten? Wie könnte
die Politik eine Wissenschaft sein, wenn Gesetze
und Regierungsformen nicht einen gleichförmigen Ein-
fluß auf die Gesellschaft übten? Wo bliebe die
Grundlage der Moral, wenn bestimmte Charaktere
nicht eine sichere, unabänderliche Kraft besäßen,
bestimmte Gefühle zu erzeugen, und wenn diese
Über Freiheit und Notwendigkeit.
107
Gefühle nicht eine eindeutige Wirksamkeit auf die
Handlungen ausübten? Und mit welchem Anspruch
könnten wir unsere Ästhetik auf einen Dichter oder
Literaten anwenden, wenn wir das Verhalten und die
Gefühle seiner handelnden Personen nicht ihren Lhor
rakteren und besonderen Umständen gemäß entweder
für natürlich oder für unnatürlich erklären durften?
Es scheint demnach so gut wie unmöglich, sich auf
Wissenschaft oder Tätigkeit irgendwelcher Art em-
zulassen, ohne die Lehre von der Notwendigkeit und
diese Herleitung der Willenshandlungen aus den Be-
weggründen, des Betragens aus dem Charakter, an-
zuerkennen. . . , , ,. _,,. ,
Und wirklich, bedenken wu:, wie wohl die Glieder
der natürlichen und der moralischen *) Evidenz
sich zu einer Begründungskette ineinander fügen, so
werden wir nicht zögern, die gleiche Natur in beiden
und ihre Abstammung aus den gleichen Prinzipien zu-
zugeben. Ein Gefangener, der weder Geld noch Ein-
fluß hat, erkennt die Unmöglichkeit seiner Flucht
ebensowohl, wenn er die Hartnäckigkeit seines Wäch-
ters, als wenn er die ihn umgebenden Mauern und
Gitterstäbe in Betracht zieht; und bei allen Befreiungs-
versuchen wird er noch lieber gegen Stein und Eisen
der letzteren, als gegen die unbeugsame Natur des
ersteren arbeiten. Wenn derselbe Gefangene zum
Schaffet geführt wird, so weiß er, daß die Gewißheit
seines Todes ebenso durch die Festigkeit und Treue
seiner Wächter, wie durch die Wirksamkeit des Beils
oder Rades bedingt ist. Sein Geist durchläuft eine
bestimmte Reihe von Vorstellungen: die Weigerung
der Soldaten, seine Flucht zuzulassen, die Handlung
des Scharfrichters, die Trennung des Kopfes vom
Rumpfe, das Verbulten, krampfhafte Zuckungen und
der Tod. Hier ist eine fest verknüpfte Kette von
natürlichen Ursachen und Willenshandlungen; aber
der Geist empfindet beim Übergang von einem Glied
zum anderen keinen Unterschied zwischen beiden.
*) Hume meint, daß die Erkenntnis der psychischen
(moral) und der physischen (natural) Kausalität auf deaa
gleichen Prinzip beruhen, Anmerkg. d. Übersetzers.
108
Achter Abschnitt.
Er ist auch des künftigen Ereignisses nicht minder
gewiß, als wenn es mit den dem Gedächtnis und den
Sinnen gegenwärtigen Dingen durch eine Reihe von
Ursachen verknüpft wäre, die der Kitt, den wir
physische Notwendigkeit zu nennen belieben, zu-
zusammenhält. Eine gleiche durch Erfahrung be-
kannte Vereinigung wirkt in gleicher Weise auf den
Geist, ob nun die vereinigten Gegenstände Beweg-
gründe, Willensregungen und Handlungen, oder aber
Gestalt und Bewegung sind. Wir können wohl die
Namen der Dinge ändern, aber ihre Natur und ihre
Wirksamkeit auf den Verstand ändern sich niemals.
Kamel) ein Mann, den ich als ehrlich und sehr wohl-
habend kenne und mit dem ich nah befreundet bin,
in mein Haus, wo ich von meinen Leuten umgeben
bm, so fühle ich mich sicher, daß er nicht, ehe er
es verläßt, mich erstechen wird, um mein silbernes
Schreibzeug zu stehlen; und ich mutmaße dieses Er-
eignis ebensowenig wie den Einsturz meines neuen,
fest gebauten und gegründeten Hauses. — Aber
er kann von plötzlichem bisher unerkanntem
Wahnsinn befallen sein. — Nun ebenso kann
ein plötzliches Erdbeben entstehen und mir mein Haus
über dem Kopfe zusammenstürzen lassen. Also werde
ich die Voraussetzungen ändern. Ich will sagen, ich
weiß mit Gewißheit, daß er nicht seine Hand ins
Feuer halten und warten wird, bis es sie verzehrt
hat; und ich meine, dies kann ich mit der gleichen
Sicherheit voraussagen, wie daß er, stürzte er sich
aus dem Fenster und würde nicht aufgehalten, nicht
einen Augenblick in der Luft schweben bliebe. Kein
Verdacht unerkannten Wahnsinns gibt dem ersteren
Ereignis die geringste Möglichkeit, das so gegen alle
bekannten Prinzipien der menschlichen Natur wäre
Wenn einer um Mittag seine goldgefüllte Börse auf
dem Pflaster von Charing-Cross zurückläßt, so kann
er ebensogut erwarten, sie werde wie eine Feder
davonfliegen, wie daß er sie nach einer Stunde un-
berührt wiederfinden werde. Über die Hälfte der
menschlichen Denkakte enthalten Ableitungen gleich-
*) Dieser Absatz kam in Ausgabe R hinzu.
Über Freiheit und Notwendigkeit.
109
artiger Natur, die ein höhei^er oder geringerer
Grad von Gewißheit begleitet, je nach unserer Er-
fahrung vom gewöhnlichen . Benehmen der Menschen
unter solchen besonderen Umständen.
Ich habe oft über den Grund nachgedacht, warum
alle Menschen, obwohl sie stets ohne Zögern die
Lehre von der Notwendigkeit in ihrem Handeln und in
ihrer Vernunfttätigkeit überall anerkennen, sich -doch
so schwer entschließen, es in Worten zu tun, und eher
eine Neigung, sich zur gegenteiligen Meinung zu be-
kennen, in allen Zeiten geäußert haben. Mir scheint,
die Sache läßt sich in folgender Weise erklären: Wenn
wir die Wirksamkeit der Körper untersuchen, und die
Erzeugung der Wirkungen durch ihre Ursachen, so
werden wir finden, daß all unsere Fähigkeiten uns
nie weiter in der Kenntnis dieser Beziehung bringen
können als bloß bis zu der Beobachtung, daß bestimmte
Gegenstände dauernd zusammenhängen, und daß
der Geist durch gewohnheitsmäßigen Übergang
vom Erscheinen des einen zum Glauben an den anderen
geführt wird. Aber obwohl dieser Schluß auf die
menschliche Unwissenheit das Ergebnis genauester
Prüfung in dieser Sache ist, so hegen doch die
Menschen immer eine starke Hinneigung zu dem
Glauben, daß sie tiefer in die Kräfte der Natur
dringen und so etwas wie eine notwendige Ver-
knüpfung zwischen der Ursache und Wirkung auf-
fassen. Richten sie hinwieder ihre Überlegung auf
die Tätigkeit des eigenen Geistes und empfinden sie
da keine solche Verknüpfung des Beweggrundes mit
der Handlung, so werden sie hieraus leicht annehmen,
daß zwischen den Wirkungen, die aus materieller
Kraft, und denen, die aus Denken und Verstand ent-
springen, ein Unterschied bestehe. Sind wir aber ein-
mal überzeugt, daß wir von jeder Art Ursächlich-
keit lediglich den beständigen Zusammenhang
zwischen Gegenständen erkennen, und die sich im
Geist anschließende Herleitung des einen aus dem
andern, und entdecken wir, daß diese beiden Um-
stände anerkanntermaßen in den Willenshandlungen
sich vorfinden, dann wird es uns leichter fallen, die
gleiche Notwendigkeit für alle Ursachen zuzugeben.
^t!'
108
Achter Abschnitt.
i
Er ist auch des künftigen Ereignisses nicht minder
gewii3, als wenn es mit den dem Gedächtnis und den
Sinnen gegenwärtigen Dingen durch eine Reihe von
Ursachen verknüpft wäre, die der Kitt, den wir
physische Notwendigkeit zu nennen belieben, zu-
zusammenhält. Eine gleiche durch Erfahrung be-
kannte Vereinigung wirkt in gleicher Weise auf den
Geist, ob nun die vereinigten Gegenstände Beweg-
gründe, Willensregungen und Handlungen, oder aber
Gestalt und Bewegung sind. Wir können wohl die
Namen der Dinge ändern, aber ihre Natur und ihre
Wirksamkeit auf den Verstand ändern sich niemals.
Käme!) ein Mann, den ich als ehrlich und sehr wohl-
habend kenne und mit dem ich nah befreundet bin,
in mein Haus, wo ich von meinen Leuten umgeben
bin, so fühle ich mich sicher, daß er nicht, ehe er
es verläßt, mich erstechen wird, um mein silbernes
Schreibzeug zu stehlen; und ich mutmaße dieses Er-
eignis ebensowenig wie den Einsturz meines neuen,
fest gebauten und gegründeten Hauses. — Aber
er kann von plötzlichem bisher unerkanntem
Wahnsinn befallen sein. — Nun ebenso kann
ein plötzliches Erdbeben entstehen und mir mein Haus
über dem Kopfe zusammenstürzen lassen. Also werde
ich die Voraussetzungen ändern. Ich will sagen, ich
weiß mit Gewißheit, daß er nicht seine Hand ins
Feuer halten und warten wird, bis es sie verzehrt
hat; und ich meine, dies kann ich mit der gleichen
Sicherheit voraussagen, wie daß er, stürzte er sich
aus dem Fenster und würde nicht aufgehalten, nicht
emen Augenblick in der Luft schweben bliebe. Kein
Verdacht unerkannten Wahnsinns gibt dem ersteren
Ereignis die geringste Möglichkeit, das so gegen alle
bekannten Prinzipien der menschlichen Natur wäre.
Wenn einer um Mittag seine goldgefüllte Börse auf
dem Pflaster von Charing-Cross zurückläßt, so kann
er ebensogut erwarten, sie werde wie eine Feder
davonfliegen, wie daß er sie nach einer Stunde un-
berührt wiederfinden werde. Über die Hälfte der
menschlichen Denkakte enthalten Ableitungen gleich-
*) Dieser Absatz kam in Ausgabe K hinzn.
Über Freiheit und Notwendigkeit.
109
artiger Natur, die ein höheirer oder geringerer
Grad von Gewißheit begleitet, je nach unserer Er-
fahrung vom gewöhnlichen . Benehmen der Menschen
unter solchen besonderen Umständen.
Ich habe oft über den Grund nachgedacht, warum
alle Menschen, obwohl sie stets ohne Zögern die
Lehre von der Notwendigkeit in ihrem Handeln und in
ihrer Vernunfttätigkeit überall anerkennen, sich doch
so schwer entschließen, es in Worten zu tun, und eher
eine Neigung, sich zur gegenteiligen Meinung zu be-
kennen, in allen Zeiten geäußert haben. Mir scheint,
die Sache läßt sich in folgender Weise erklären: Wenn
wir die Wirksamkeit der Körper untersuchen, und die
Erzeugung der Wirkungen durch ihre Ursachen, so
werden wir finden, daß all unsere Fähigkeiten uns
nie weiter in der Kenntnis dieser Beziehung bringen
können als bloß bis zu der Beobachtung, daß bestimmte
Gegenstände dauernd zusammenhängen, und daß
der Geist durch gewohnheitsmäßigen Übergang
vom Erscheinen des einen zum Glauben an den anderen
geführt wird. Aber obwohl dieser Schluß auf die
menschliche Unwissenheit das Ergebnis genauester
Prüfung in dieser Sache ist, so hegen doch die
Menschen immer eine starke Hinneigung zu dem
Glauben, daß sie tiefer in die Kräfte der Natur
dringen und so etwas wie eine notwendige Ver-
knüpfung zwischen der Ursache und Wirkung auf-
fassen. Richten sie hinwieder ihre Überlegung auf
die Tätigkeit des eigenen Geistes und empfinden sie
da keine solche Verknüpfung des Beweggrundes mit
der Handlung, so werden sie hieraus leicht annehmen,
daß zwischen den Wirkungen, die aus materieller
Kraft, und denen, die aus Denken und Verstand ent-
springen, ein Unterschied bestehe. Sind wir aber ein-
mal überzeugt, daß wir von jeder Art Ursächlich-
keit lediglich den beständigen Zusammenhang
zwischen Gegenständen erkennen, und die sich im
Geist anschließende Herleitung des einen aus dem
andern, und entdecken wir, daß diese beiden Um-
stände anerkanntermaßen in den Willenshandlungen
sich vorfinden, dann wird es uns leichter fallen, die
gleiche Notwendigkeit für alle Ursachen zuzugeben.
110
Achter Abschnitt
Und wenn auch dieser Gedankengang, insofern er
den Willensentschlüssen Notwendigkeit zuschreibt, den
Systemen vieler Philosophen widerspricht, so werden
wir bei einiger Überlegung finden, daß sie nur in
Worten von uns abweichen, nicht in ihrer wirklichen
Anschauung. Notwendigkeit in dem hier festgestellten
Sinne ist noch niemals von einem Philosophen ge-
leugnet worden, noch kann sie es wohl jemals werden.
Nur das könnte sich allenfalls behaupten lassen, daß der
Geist in den materiellen Vorgängen noch eine weitere
Verknüpfung zwischen Ursache und Wirkung auf-
faßt; und zwar eine Verknüpfung, die in den Willens-
handlungen vernünftiger Wesen nicht stattfindet Ob
dies nun der Fall ist oder nicht, kann nur die Unter-
suchung aufklären; und es liegt jenen Philosophen
ob, ihre Behauptung zu rechtfertigen, jene Not-
wendigkeit zu definieren und zu beschreiben und sie
uns in der Wirksamkeit materieller Ursachen auf-
zuzeigen.
Es scheint wirklich, daß man das Problem der
Freiheit und Notwendigkeit am verkehrten Ende an-
faßt, wenn man mit der Untersuchung der Seelen-
vermögen, des Einflusses des Verstandes und der
Wirksamkeit des Willens beginnt Besser ist es, zu-
nächst ein einfacheres Problem zu behandeln, nämlich
die Wirksamkeit der Körper und der seelenlosen,
unvernünftigen Materie; da versuche man, sich irgend
eine andere Vorstellung von Verursachung und Not-
wendigkeit zu bilden, als die eines beständigen Zu-
sammenhangs von Gegenständen und einer sich an-
schließenden Herleitung des einen aus dem anderen im
Geiste. Erschöpfen diese Umstände wirklich den ganzen
Inhalt der Notwendigkeit, die wir an der Materie er-
fassen, und gibt jedermann zu, daß diese Umstände
ebenso bei den geistigen Vorgängen stattfinden, so
ist der Streit erledigt oder kann wenigstens dann
als reiner Wortstreit gelten. So lange wir aber vor-
eilig annehmen, daß wir noch eine darüber hinaus-
gehende Vorstellung von Notwendigkeit und Verur-
sachung besitzen, wo es sich um Vorgänge in der
Außenwelt handelt; während wir zugleich nichts
weiteres in den Willenshandlungen des Geistes ent-
Ober Freiheit und Notwendigkeit
111
decken können; solange ist es unmöglich, die Frage zu
einem endgültigen Ergebnis zu bnngen, da wir von
einer ganz irrtümlichen Annahme ausgehen. Der
einzige Weg, die Täuschung zu zerstreuen, führt
höher hinauf; wir haben den engen Bereich der Wissen-
schaft in ihrer Anwendung auf materielle Ursachen
zu prüfen und uns zu überzeugen, daß unser ganzes
Wissen davon die erwähnten beständigen Zusammen-
hänge und Herleitungen betrifft Es mag sich heraus-
stellen, daß es uns schwer fällt, dem menschlichen
Verstände so enge Grenzen zu setzen; aber nachher
werden wir keine Schwierigkeit mehr haben, wenn
wir zur Anwendung dieser Lehre auf die Handlungen
des Willens gelangen. Denn da diese offenbar einen
regelmäßigen Zusammenhang mit Beweggründen, Una-
ständen und Charakteranlagen zeigen, und da wir
stets das eine aus dem anderen herleiten, so müssen
wir notgedrungen mit Worten dieselbe Notwendigkeit
zugestehen, die wir bereits im Leben bei jeder Er-
wägung und in jedem Teil unseres Verhaltens und
Benehmens nicht verleugnen.^)
*) Die Vorherrschaft der Lehre von der Freiheit ließe
sich noch aus einer andern Ursache begreifen, nämlich ans
einer falschen Wahrnehmung oder Scheinerfahrnng, die wir
bei vielen unserer Handlungen über Freiheit oder Gleich-
gültigkeit machen oder machen können. Die Notwendig-
keit einer Handlung in der Körper- oder Geisteswelt ist
streng genommen keine Eigenschaft in dem wirkenden Ele-
ment, sondern in irgend einem denkenden oder vernünf-
tigen Wesen, das etwa die Handlung betrachtet; und sie
besteht hauptsächlich in der gedanklichen Nötigung dieses
Wesens, den Eintritt jener Handlunsr aus vorhergehenden
Tatsachen abzuleiten. So ist auch Freiheit als Gegensatz
zu Notwendigkeit nur das Fehlen dieser Nötigung und eine
gewisse Ungebundenheit oder Gleichgültigkeit, die wir bei
dem Übergehen oder Nichtübergehen von der Vorstellung
eines Dinges zu der irgend eines folgenden empfinden. Nun
können wir beobachten, daß wir zwar im Zustand der Über-
legung in den menschlichen Handlungen solche Ungebun-
denheit oder Gleichgültigkeit selten empfinden, vielmehr sie
gewöhnlich mit erheblicher Gewißheit aus ihren Beweg-
gründen und aus der Veranlagung des Handelnden her-
suleiten vermögen; daß wir £tgegen in h&nfigen Fällen
T
113
II
Achter Abschnitt.
Führen wir unsere versöhnlichen Absichten weiter
in der Frage nach Freiheit und Notwendigkeit, dieser
umstrittensten Frage der umstrittensten Wissenschaft,
der Metaphysik, so bedarf es nicht vieler Worte für
den Beweis, daß alle Menschen jederzeit in der Lehre
von der Freiheit ebenso wie in der von der Not-
wendigkeit einer Meinung waren, und daß der ganze
Streit auch in dieser Hinsicht bisher lediglich ein
Wortstreit war. Denn was verstehen wir eigentlich
unter Freiheit in ihrer Anwendung auf Willenshand-
lungen? Sicherlich nicht, daß Handlungen eine so
geringe Verknüpfung mit Beweggründen, Neigungen
und Umständen haben, daß nicht jene mit einer ge-
wissen Gleichförmigkeit aus diesen folgten, und daß
nicht die einen eine Ableitung erlaubten, durch die
wir das Dasein der anderen erschließen könnteiL
beim Vollzug der Handlangen selbst etwas derartiges ver-
spüren. Wie nun alle einander ähnlichen Dinge leicht mit-
einander verwechselt werden, so hat maa den erwähnten
Sachverhalt als demonstrativen und selbst als intuitiven Be-
weis der menschlichen Freiheit verwendet. Wir empfinden,
daß in den meisten Fällen unsere Handlungen unserm
Willen Untertan sind, und bilden uns ein, zu empfinden, daß
der Wille selbst niemandem Untertan ist. Reizt uns näm-
hch eine Verneinung dieser Freiheit zu einer Probe, so er-
leben wir, daß der Wille mit Leichtigkeit sich überall hin-
wendet, und ein Abbild seiner selbst (oder in der Schul-
sprache eine Velleität) sogar auf der Seite entstehen läßt,
auf der er schließlich nicht verbleibt. Dieses Abbild oder
diese schwache Regung hätte nun, wie wir uns weismachen
möchten, in diesem Zeitpunkt zum eigentlichen Willen sich
vollenden können; weil wir, wenn dies verneint wird, bei
einer zweiten Probe finden, daß es jetzt gelingt. Wir be-
achten nicht, daß hier der eitle Wunsch, unsere Freiheit zu
bezeigen, der Beweggrund unserer Handlungen ist. Und
soviel scheint gewiß: wie sehr wir uns eine innere Freiheits-
empfindung einbilden, ein Zuschauer kann gewöhnlich unsere
Handlungen aus unsern Beweggründen und Charakterzügen
ableiten; und selbst wo er das nicht kann, schließt er im
allgemeinen, er würde es können, wäre er vollständig ver-
traut mit jedem Umstand unserer Lage und Gemütsart und
mit den geheimsten Quellen unserer Seelenverfassung. Und
hierin besteht gerade das eigentliche Wesen der Notwendig-
keit nach der obigen Lehre.
Über Freiheit und Notwendigkeit.
113
Denn dies sind offenbare und anerkannte Tatsachen.
Also können wir unter Freiheit nur verstehen: eine
Macht zu handeln oder nicht zu handeln, je
nach den Entschließungen des Willens; das
heißt, wenn wir in Ruhe zu verharren vorziehen,
so können wir es; wenn wir vorziehen, uns zu bewegen,
so können wir dies aucL Diese bedingte Freiheit wird
nun aber einem jeden allgemein zugestanden, der
nicht ein Gefangener in Ketten ist Hierin liegt also
kein Problem.
Welche Definition des Wortes Freiheit wir aber
geben mögen, wir haben sorgfältig auf zwei Erforder-
nisse zu achten. Erstens, daß sie mit offenbaren
Tatsachen zusammenstimme; zweitens, daß sie in
sich selbst übereinstimme. Beobachten wir diese Um-
stände und machen wir unsere Definition verständ-
lich, so bin ich überzeugt, daß alle Welt auf diesem
Punkt einer Meinung ist.
Es wird allgemein zugestanden, daß nichts da ist
ohne eine Ursache seines Daseins, und daß Zufall
streng genommen nur ein Wort der Verneinung ist
und keine wirkliche Kraft bezeichnet, die irgendwo
in der Natur vorkäme. Aber es wird behauptet, daß
gewisse Ursachen notwendig seien, gewisse nicht.
Da zeigt sich nun der Nutzen der Definition. Gesetzt,
es gelänge, eine Ursache zu definieren, ohne als
einen Teil def Definition eine notwendige Ver-
knüpfung mit ihrer Wirkung einzubegreifen, und
es gelänge auch, deutlich den Ursprung der in der
Definition ausgedrückten Vorstellung aufzuzeigen, so
werde ich mich sofort für besiegt erklären. Findet
aber unsere obige Erklärung des Sachverhalts Bei-
fall, so muß dies gänzlich unausführbar sein. Zeigten
die Dinge nicht einen regelmäßigen Zusammen-
hang untereinander, so hätten wir niemals einen Begriff
von Ursache und Wirkung gebildet; und dieser regel-
mäßige Zusammenhang ruft jene Ableitung durch den
Verstand hervor, welche die einzige Verknüpfung ist,
die wir zu begreifen vermögen. Wer eine De-
finition der Ursache ohne Berücksichtigung dieser
Umstände versucht, sieht sich gezwungen, entweder
unverständliche Ausdrücke zu gebrauchen oder solche,
Harne, ünt«rraohg. Ob. d. menschl. Veratand. 3
114
Achter Absohnitt
Über Freiheit and Notwendigkeit.
115
r
die gleichbedeutend mit dem Ausdruck sind, den er
zu erklären trachtet. ^) Wird aber die oben erwähnte
Definition zugestanden, so fällt Freiheit als Gegen-
satz zur Notwendigkeit imd nicht zum Zwange mit
Zufall zusammen; und diesem spricht man allgemein
das Dasein ab.
Zweiter Teil.
Es gibt keinerlei Gedankengang, der in philo-
sophischen Streitfragen so häufig und dabei so
zu verwerfen wäre, wie der Versuch, eine Annahme
dadurch zu widerlegen, daß man ihre gefährlidien
Folgen für Religion und Sittlichkeit vorschützt Führt
eine Ansicht zu Widersinnigkeiten, so ist sie gewiß
falsch; aber es ist nicht gewiß, daß eine Ansicht
falsch ist, weil sie gefährliche Folgen hat. Solche
Gesichtspunkte sollte man daher ganz vermeiden; sie
dienen in nichts zur Entdeckung der Wahrheit, sondern
machen nur die Person des Gegners verhaßt. Dies
führe ich nur im allgemeinen an, ohne ©s zu meinen
Gunsten verwenden zu wollen. Ich unterwerfe mich
unbedenklich einer solchen Prüfung und wage zu be-
haupten, daß die oben dargelegte Lehre über Freiheit
und Notwendigkeit sich nicht nur mit der Sittlichkeit 2)
verträgt, sondern eine unerläßliche Stütze derselben ist
Notwendigkeit läßt sich auf zwei Arten erklären,
entsprechend den zwei Definitionen der Ursache,
von der sie einen wesentlichen Bestandteil bildet
Sie besteht entweder in dem ständigen Zusammen-
1) Wird z. B. die Ursache definiert als: das, was
irgend etwas hervorbringt; so ist, wie leicht begreif-
lich, dies Hervorbringen gleichbedeutend mit Ver-
ursachen. Ebenso, wenn die Ursache definiert wird als:
das, wodurch irgend etwas existiert; so läßt sich
derselbe Einwand erheben. Denn was bedeutet das Wort
wodurch? Hätte man dagegen gesagt: Ursache ist das,
wonach irgend etwas beständig existiert, so hätten
wir diese Ausdrücke verstanden. Denn das ist in der Tat
alles, was wir von der Sache wissen. Diese Beständigkeit
bildet das wahre Wesen der Notwendigkeit, und eine andere
Vorstellung haben wir nicht davon.
•) Sittlichkeit und Religion: Ausgaben £ bis Q,
hang gleicher Gegenstände oder in der Ableitung
eines Gegenstandes aus dem anderen durch den Ver-
stand. Nun hat man die Notwendigjkeit in diesen
beiden Bedeutungen (die in der Tat im Grunde nur
ein und dasselbe sind) allgemein, wenn auch unaus-
gesprochen, auf den Schulen, der Kanzel und im täg-
lichen Leben dem menschlichen Willen zugestanden.
Niemand ist es je eingefallen zu leugnen, daß wir
Ableitungen in bezug auf menschliche Handlungen
vollziehen können, und daß diese Ableitungen auf
der erfahrenen Verbindung von gleichen Handlungen
mit gleichen Beweggründen, Neigungen und Um-
ständen beruhen. Nur auf einem Punkte wäre eine
Meinungsverschiedenheit möglich; entweder könnte uns
der Name Notwendigkeit für diese Eigenschaft mensch-
licher Handlungen bestritten werden, — doch so-
lange der Sinn verständlich ist, wird man sich hof-
fentlich an dem Wort nicht stoßen — oder die Mög-
lichkeit soll nicht aufgegeben werden, in der WItk-
samkeit der Materie noch etwas darüber hinaus zu
entdecken. Aber dies kann doch sicherlich von keiner
Tragweite für Sittlichkeit und Eeligion sein, was es
auch für eine Bedeutung für die Naturphilosophie
und Metaphysik haben möge. Wir könnten uns hier
in der Behauptung irren, daß es keine Vorstellung
gibt von einer andersartigen Notwendigkeit oder Ver-
knüpfung in den Betätigungen der Körper. Aber sicher-
lich schreiben wir den geistigen Betätigungen nichts
zu, als was jedermann bereitwillig anerkennt und
anerkennen muß. Wir ändern keinen Punkt an dem
eingebürgerten orthodoxen System in bezug auf den
Willen, nur in bezug auf materielle Gegenstände und
Ursachen. So kann jedenfalls nichts harmloser sein
als diese Lehre.
Da alle Gesetze auf Lohn und Strafe beruhen,
so gilt es als grundlegendes Prinzip, daß diese Be-
weggründe einen regelmäßigen und gleichförmigen
Einfluß auf den Geist üben und sowohl die guten
Handlungen hervorrufen wie die schlechten ver-
hindern. Wir mögen diesen Einfluß beliebig be-
nennen; aber da er gewohnheitsmäßig mit der Hand-
lung zusammenhängt, 30 müssen wir ihn als eine Ur-
8*
4
116
Achter Abschnitt
über Freiheit und Notwendigkeit.
117
I'' '
Sache ansehen und als einen Fall jener Notwendigkeit
erachten, wie ich sie hier aufgestellt haben möchte.
Nur eine Persönlichkeit oder ein mit Denken
und Bewußtsein begabtes Wesen eignet sich zum Gegen-
stand von Haß oder Rache; und wo verbrecherische
oder schädliche Handlungen jene Affekte erregen, da
geschieht es immer nur durch ihre Beziehung oder
Verknüpfung mit der Persönlichkeit. Handlungen sind
ihrer eigensten Natur nach zeitlich und vergänglich;
wo sie nicht einer Ursache im Charakter und der
Anlage der Persönlichkeit entspringen, die sie ausübt,
da können weder die guten ihr zur Ehre noch die
schlechten ihr zur Schande gereichen. Die Hand-
lungen an sich mögen tadelnswert sein, sie mögen
allen Regeln der Moral und Religion zuwiderlaufen,
aber die Persönlichkeit ist nicht für sie verantwort-
lich; und da sie aus nichts Dauerndem und Bestän-
digem in ihr hervorgehen und nichts von dieser Art
zurücklassen, so kann sie unmöglich derentwegen zum
Gegenstand der Strafe oder Rache werden. Nach dem
Prinzip also, das Notwendigkeit und folglich Ursäch-
lichkeit leugnet, ist ein Mensch ebenso rein und un-
befleckt nach Begehung des abscheulichsten Ver-
brechens, wie im ersten Augenblick seiner Geburt.
Sein Charakter ist auch in keiner Weise an seinen
Handlungen beteiligt, denn diese leiten sich nicht
von ihm her, und die Lasterhaftigkeit der einen kann
nicht für die Verderbtheit des anderen als Beweis
angeführt werden.
Man tadelt niemand wegen solcher Handlun-
gen, die er unwissend und zufällig begeht, was
auch ihre Folgen sein mögen. Weshalb nicht? Doch wohl
deswegen, weil die Prinzipien solcher Handlungen nur
Augenblicksdauer haben und in ihnen ihr Ende finden.
Man tadelt die Menschen weniger für hitzige, ohne
Vorsatz ausgeführte Handlungen, als für wohlüber-
legte. Aus welchem Grunde? Doch wohl deswegen,
weil ein hitziges Cremüt zwar eine dauernde Ursache
oder ein dauerndes Prinzip im Geiste ist, aber
nur zeitweise sich äußert und nicht den ganzen Cha-
rakter ansteckt. So auch löscht Reue jedes Ver-
brechen aus, wenn eine Besserung des Lebenswandels
ihr zur Seite geht. Wie will man hiervon Rechen-
schaft geben? Doch wohl durch den Hinweis, daß
Handlungen jemanden nur insoweit ^um Verbrecher
stempeln, als sie Beweise verbrecherischer Prinzipien
im Geiste sind; und wenn sie infolge einer Änderung
dieser Prinzipien ihr Beweisgewicht verlieren, so
verlieren sie zugleich ihre verbrecherische Natur.
Aber außer auf dem Boden der Notwendigkeitslehre
waren sie niemals gültige Beweise und folglich
niemals verbrecherisch.
Der Beweis wird ebenso leicht und mit denselben
Begründungen zu führen sein, daß Freiheit im
Sinne der oben gegebenen Definition, in der alle
Menschen einig sind, der Sittlichkeit gleichfalls wesent-
lich ist, und daß keine menschliche Handlung, bei
der sie fehlt, irgend moralische Eigenschaften
zeigen oder der Gegenstand von Billigung oder Miß-
billigung sein kann. Da Handlungen nämlich nur in-
soweit Gegenstände "unseres moralischen Gefühls sind,
als sie a5 den inneren Charakter, die Affekte und
Neigungen hinweisen, so können sie unmöglich zu Lob
noch zu Tadel Veranlassung geben, wo sie nicht aus
diesen Triebkräften erwachsen, sondern einzig äußerer
Gewalt entspringen.
Ich maße mir nicht an, alle Einwände gegen diese
Theorie, soweit sie Notwendigkeit und Freiheit be-
trifft, aus dem Wege geräumt und beseitigt zu haben.
Ich halte andere Einwände für möglich, aus Ge-
bieten, die hier nicht behandelt worden sind. So
könnte etwa gesagt werden: wenn Willenshandlungen
denselben Gesetzen der Notwendigkeit unterliegen wie
die materiellen Vorgänge, so besteht eine fortlaufende
Kette notwendiger Ursachen, vorbestimmt und vor-
bedacht, die von der ersten Ursache aller Dinge
herabreicht bis auf jede einzelne Willensregung jedes
menschlichen Geschöpfes. Kein Zufall irgendwo
in der Welt, keine Unbestimmtheit, keine Freiheit.
Während wir wirken, erleiden wir zugleich Wir-
kungen. Der letzte Urheber all unserer Willens^
regungen ist der Schöpfer der Welt, der zuerst diesem
ungeheuren Triebwerk Bewegung mitteilte und allen
Wesen die besondere Stelle anwies, aus der jedes
118
Achter AbacliDitt
I«
folgende Ereignis mit unabwendbarer Notwendigkeit
sich ergeben maß. Monscliliche Handlungen können
deshalb entweder überhaupt nicht sittlich verwerflich
sein, als Ausflüsse einer so guten Ursache; oder sind
sie irgendwie verwerflich, so müssen sie unseren
Schöpfer in die gleiche Schuld verstricken, da er als
ihre letzte Ursache und Quelle anerkannt wird. Denn
wie ein Mensch, der eine Mine entzündet, für die
Folgen verantwortlich ist, mag die verwendete Zünd-
schnur nun lang oder kurz sein, so ist überall bei
einer fortlaufenden Reihe notwendiger Ursachen das-
jenige endliche oder unendliche Wesen, das die erste
hervorbringt, gleicherweise Urheber aller übrigen und
muß den Tadel tragen und das Lob ernten, das ihnen
zufällt Unsere deutlichen und unveränderlichen Vor-
stellungen von Sittlichkeit fordern an der Hand frag-
loser Gründe diese Regel, wenn wir die Folgen
einer menschlichen Handlung prüfen; ein viel größeres
Gewicht müssen diese Gründe also dort haben,
wo wir sie auf die Willensregungen und Absichten
eines unendlich weisen und mächtigen Wesens an-
wenden. Unwissenheit und Ohnmacht mögen ein so be-
schränktes Geschöpf wie den Menschen entschuldigen;
aber diese Mängel bestehen nicht bei unserem
Schöpfer. Er übersah, er bestimmte, er beabsichtigte
all jene Handlungen der Menschen, welche wir
so vorschnell für verbrecherisch erklären. Daraus
müssen wir also schließen, daß sie entweder nicht
verbrecherisch sind, oder daß die Gottheit, nicht der
Mensch, dafür verantwortlich ist. Aber weil jeder
dieser Sätze widersinnig und gottlos ist, so folgt, daß
die Lehre, aus der sie abgeflossen sind, unmöglich
wahr sein kann, da sie ganz denselben Einwänden
unterliegt. Eine widersinnige und doch unvermeid-
liche Folgerung beweist den Widersinn der Lehre, aus
der sie ihren Ursprung nimmt, genau so wie ver»
brecherische Handlungen die oberste Ursache mit-
schuldig machen, wenn die Verknüpfung zwischen
beiden notwendig und unvermeidlich ist.
Dieser Einwurf besteht aus zwei Teilen, die wir
getrennt prüfen wollen. Der erste besagt, daß
menschliche Handlungen, wenn sie durch eine not-
über Freiheit and Notwtndigktit.
119
wendige Kette bis auf die Gottheit zurückzuführen
sind, niemals verbrecherisch sein können, und zwar
wegen der unendlichen Vollkommenheit jenes Wesens
aus dem sie herfließen und das nur durchaus Gutes
und Preiswürdiges wollen kann. Dem zweiten zu-
folge müssen wir, sind die Handlungen verbreche-
risch, die der Gottheit zugeschriebene Eigenschaft der
Vollkommenheit zurückziehen und sie als letzten Ur-
heber der Schuld und sittlichen Verworfenheit all ihrer
Geschöpfe anerkennen.
Die Antwort auf den ersten Einwurf scheint
augenfällig und überzeugend. Viele Philosophen
schließen nach genauer Erforschung aller Naturer-
scheinungen, daß das Ganze, als einheitliches System
betrachtet, in jedem Zeitpunkt seines Daseins einer
höchsten Güte seine Ordnung verdankt, und daß das
höchstmögliche Glück am Ende allen Geschöpfen zuteil
werden wird, ohne irgendwelchen Zusatz eines positiven
und absoluten Übels oder Elends. Jedes physische
Übel, sagen sie, macht einen wesentlichen Teil dieses
Systems der Güte aus, und könnte selbst durch die
Gottheit, als weise Kraft gefaßt, nicht beseitigt
werden, ohne größerem Übel Eingang zu verschaffen,
oder größeres Gut als sein Erzeugnis auszuschließen.
Aus dieser Anschauung gewannen einige Philosophen,
unter anderen die alten Stoiker, einen Gesichtspunkt
des Trostes in aller Trübsal, indem sie ihren Schülern
lehrten, daß diese Übel, unter denen sie litten, in
Wahrheit Güter für das Weltall wären, daß also
einem weitschauenden Blick, der das ganze System
der Natur begriffe, jedes Ereignis ein Gegenstand
der Freude und der Erhebung werde. Aber so schön
und hochsinnig diese Trostgründe auch sind, so zeigten
sie sich in der Anwendung schwach und wirkungslos.
Es würde sicherlich einen Menschen, der mit quälenden
Gichtschmerzen daniederliegt, eher reizen als be-
ruhigen, wenn ihm die Angemessenheit jener allge-
meinen Gesetze gepredigt würde, welche die bösartigen
Säfte in seinem Körper erzeugten und durch die ge-
eigneten Kanäle zu den Sehnen und Nerven leiteten,
wo sie jetzt solche heftigen Qualen erregen. Solche
weiten Gesichtspunkte mögen vorübergehend die Ein-
■
120
▲ohtor Abschnitt.
Über Freiheit und Notwendigkeit.
121
Hl
bildnng eines spekulativen Kopfes ergötzen, der sich in
sicherem Behagen befindet Aber sie können bereits
dann nicht beständig in seinem Geiste weilen, wenn
ihn die Erregungen des Schmerzes und der Affekte
nicht beunruhigen; und noch viel weniger können
sie das Feld behaupten unter dem Angri& so mäch-
tiger Gegner. Die Neigungen treiben zu einer engeren
und ungezwungeneren Betrachtung ihrer Gegenstände
und stellen sich entsprechend der Schwäche des
menschlichen Geistes nur auf solche Wesen ein, die
uns umgeben; sie werden durch die Ereignisso
ausgelöst, die in dem System, dem der Einzelne an-
gehört, gut oder übel erscheinen.
Die Sache steht ebenso mit dem moralischen
wie mit dem physischen Übel. Man kann vernünf-
tigerweise nicht annehmen, daß solche fernliegenden
Erwägungen, die von so geringer Wirkungskraft
für das eine befunden werden, auf das andere
einen machtigeren Einfluß üben werden. Von
Natur ist der menschliche Geist so geartet, daß er
beim Auftreten bestimmter Charaktere, Anlagen und
Handlungen unmittelbar das Gefühl der Billigung oder
des Tadels empfindet; und keine Gemütsbewegung ist
enger mit dem Wesen seiner Struktur und Anlage ver-
bunden. Die Charaktere, die unsere Billigung bean-
spruchen, sind hauptsächlich solche, die zum Frieden
und zur Sicherheit der menschlichen Gesellschaft bei-
tragen; wie die Charaktere, welche Tadel wachrufen, in
der Hauptsache das öffentliche Wesen schädigen und be-
unruhigen. Darauf läßt sich vernünftigerweise anneh-
men, daß die moralischen Gefühle mittelbar oder un-
mittelbar einer Überlegung dieser entgegengesetzten
Interessen entspringen. Was vermögen da philoso-
phische Betrachtungen, die eine andere Ansicht oder
Vermutung aufstellen: nämlich, daß alles recht ist in
bezug auf das Ganze, und daß die Eigenschaften, welche
der Gesellschaft schaden, im wesentlichen ebenso wohl-
tätig seien und der ursprünglichen Absicht der Natur
sich ebenso fügen wie diejenigen, welche unmittelbar
das Glück und die Wohlfahrt der Gesellschaft fördern?
Sind solche entlegenen und ungewissen Spekulationen
wirklich imstande, den Gefühlen, die aus der natür-
lichen und unmittelbaren Betrachtung der Gegenstände
entspringen, die Wage zu halten? Mindert sich bei
einem Menschen, dem eine beträchtliche Summe ge-
raubt worden ist, der Ärger über den Verlust irgend-
wie durch solche erhabenen Überlegungen? Warum
sollte seine moralische Entrüstung über das Ver-
brechen als mit ihnen unvereinbar gelten? Oder warum
sollte sich nicht die Anerkenntnis eines wirklichen
Unterschieds zwischen Laster und Tugend mit allen
spekulativen Systemen der Philosophie ebensogut ver-
tragen, wie die eines wirklichen Unterschieds zwischen
persönlicher Schönheit und Mißgestalt? Beide Unter-
schiede haben ihren Grund in den natürlichen Ge-
fühlen des Menschengeistes, und diese Gefühle lassen
sich nicht durch irgend eine philosophische Theorie
oder Spekulation, welcher Art auch immer, meistern
oder verändern.
Der zweite Einwand gestattet keine so leichte
und befriedigende Antwort; es ist nicht möglich, genau
zu erklären, wie die Gottheit die mittelbare Ursache
aller menschlichen Handlungen sein kann, ohne der
Urheber von Sünde und sittlicher Verworfenheit zu
werden. Das sind Geheimnisse, für deren Behand-
lung die rein natürliche und auf sich selbst gestellte
Vernunft ganz ungeeignet ist; welches System sie
auch ergreift, sie muß bei jedem Schritt auf diesen
Gebieten 'sich in unlösbare Schwierigkeiten, ja Wider-
sprüche verwickelt finden. Die Wahlfreiheit und Zu-
fälligkeit der menschlichen Handlungen mit der gött-
lichen Voraussicht zu versöhnen, unbedingte Rat-
schlüsse zu verteidigen und doch die Gottheit von der
Urheberschaft der Sünde zu befreien — das hat
bisher noch die Leistungsfähigkeit jeder Philosophie
überschritten. Wohl ihr, wenn sie hieran ihre Ver-
wegenheit einsieht, in diesen erhabenen Geheimnissen
zu grübeln; wenn sie ein so dunkles und verworrenes
Gebiet verläßt und in angemessener Bescheidenheit
in ihr wahres und eigenes Reich zurückkehrt, nämlich
zur Erforschung des praktischen Lebens. Dort wird sie
Schwierigkeiten genug für ihre Untersuchungen an-
treffen, ohne sich in ein so grenzenloses! Meer von Zwei-
feln, Ungewißheiten und Widersprüchen zu stürzen.
l!
I
Neunter Abschnitt.
Über die Vernunft der Tiere.
All unsere Denkakte, die sich aul Tatsachen be-
ziehen, stützen sich auf eine Art von Analogie, die
uns veranlaßt, von einer Ursache dieselben Ereig-
nisse zu erwarten, deren Eintreffen wir als Ergebnis
gleichartiger Ursachen beobachtet haben. Wo die
Ursachen vollkommen gleichartig sind, da ist die
Analogie vollkommen, und die Ableitung, die man
daraus gewinnt, wird als gewiß und schlüssig an-
gesehen. So zweifelt niemand beim Anblick eines
Stückes Eisen, daß es Gewicht und Kohäsion zeigen
wird, wie in allen übrigen Fällen, die jemals ihm
zu Gesicht kamen. Wo aber die Gegenstände nicht
ganz so gleichartig sind, da ist die Analogie auch weni-
ger vollkommen und die Ableitung minder schlüssig;
doch haben sie immerhin einige Bedeutung im Verhält-
nis zu den Graden der Gleichartigkeit und Ähnlichkeit
Anatomische Beobachtungen, die an einem Tier ge-
macht worden sind, werden durch diese Art des Ge-
dankengangs auf alle Tiere ausgedehnt, und es ist ge-
wiß, daß wenn z. B. der Blutl^eislauf an einem Ge-
schöpf, etwa einem Frosch oder Fisch, deutlich nach-
gewiesen ist, dies sehr stark die Vermutung nahelegt,
daß das nämliche Prinzip für alle zutrifft. Diese Beob-
achtungsanalogien lassen sich weiter führen, selbst bis
zu jener Wissenschaft, die wir hier treiben; eine jede
Theorie, mit der wir die Verstandestätigkeit oder den
Ursprung und die Verknüpfung der menschlichen
Affekte erklären, wird um so mehr Ansehen er-
langen, wenn sich zeigt, daß nur die nämliche Theorie
die gleichen Erscheinungen bei allen anderen Lebe-
über die Vernunft der Tiere.
123
wesen erklärt Wir wollen eine solche Probe mit der
Hypothese machen, durch die in den vorhergehenden
Auseinandersetzungen wir uns bemühten, über alle
Denkakte aui Grund von Erfahrung Rechenschaft zu
geben, und es steht zu hoffen, daß dieser neue Gre-
sichtspunkt zur Bestätigung all unserer früheren Be-
obachtungen dienen wird.
Erstens scheinen offenbar die Tiere so gut wie
die Menschen mancherlei durch die Erfahrung zu lernen
und abzuleiten, daß die gleichen Ereignisse imnier
aus den gleichen Ursachen erfolgen. Durch dies
Prinzip machen sie sich mit den augenfälligeren
Eigenschaften äußerer Gegenstände bekannt und
sammeln stufenweise von ihrer Geburt an einen Schatz
von Kenntnissen über die Natur des Feuers, des
Wassers, der Erde, der Steine, der Höhen, Tiefen
u. 8. w. und der Wirkungen, die aus deren Ver-
halten sich ergeben. Die Unwissenheit und Uner-
fahrenheit der Jungen sind deutlich von der Vor-
sicht und Klugheit der Alten zu unterscheiden, die
durch lange Beobachtung gelernt haben, das Schädliche
zu meiden und das Nützliche und Angenehme auf-
zusuchen. Ein an den Rennplatz gewöhntes Pferd
lernt genau die bestimmte Höhe kennen, die es im
Sprung nehmen kann, und wird nie etwas versuchen,
was seine Kraft und Gewandheit übersteigt Ein alter
Windhund wird den ermüdendsten Teil der Hetze
den jüngeren überlassen und sich selbst so einrichten,
daß er den Hasen da, wo er Haken schlägt, ab-
fängt Seine Vermutungen bei diesem Anlaß beruhen
lediglich auf Beobachtung und Erfahrung.
Dies erhellt noch deutlicher aus den Wirkungen
der Dressur und Erziehung auf Tiere. Deren Ver-
halten kann durch geeignete Anwendung von Be-
lohnungen und Strafen jede Richtung gegeben werden,
selbst eine ihren Naturinstinkten und Neigungen ganz
widerstreitende. Ist es nicht die Erfahrung, welche
einen Hund Schmerz fürchten läßt, wenn man ihm
droht oder die Peitsche zum Schlag erhebt? Ist es
nicht gleichfalls Erfahrung, die ihn auf seinen Namen
horchen lehrt und aus solchem willkürlichen Laut
ableiten läßt, daß man gerade ihn und nicht einen
t i
1S4
NevoUr Abschnitt
Über die Vernunft der Tiere.
126
I
I
ii
ij
seiner Genossen meint, und ihn zu rufen beabsichtigt,
wenn man diesen Laut in bestimmter Weise und mit
bestimmtem Tonfall und Akzent ausspricht?
In all diesen fallen läßt sich beobachten, daß das
Tier eine Tatsache herleitet über das hinaus, was
unmittelbar seine Sinne trifft, und daß diese Herleitung
gänzlich auf vergangener Erfahrung beruht, indem
das Geschöpf von dem ihm gerade gegenwärtigen Ding
die gleichen Folgen erwartet, die es bei seinen Beob-
achtungen aus gleichartigen Gegenständen stets hat
hervorgehen sehen.
Zweitens ist es unmöglich, daß diese Ableitung
seitens des Tieres auf einem Verfahren der Begrün-
dung oder der Vernunfttätigkeit beruht, durch die es
schlösse, daß gleiche Ereignisse aus gleichen Gegen-
ständen folgen müssen, und daß der Naturlaui in
seinen Vorgängen immer regelmäßig sein wird. Wenn
nämlich wirklich Begründungen dieser Art möglich
wären, so lägen sie sicherlich zu versteckt für die Be-
obachtung so unvollkommener Intellekte; erfordert es
doch wohl die äußerste Sorgfalt und Aufmerksamkeit
eines philosophischen Geistes, sie zu entdecken und
zu beobachten. Tiere lassen sich also bei diesen
Ableitungen nicht durch einen Denkakt fuhren, ebenso-
wenig Kinder, noch auch die Mehrzahl der Menschen
bei ihren gewöhnlichen Handlungen und Schlüssen;
ja selbst die Philosophen nicht, die in allen Lebens-
betätigungen in der Hauptsache vom Durchschnitte
nicht unterschieden und denselben Grundsätzen unter-
worfen sind. Die Natur muß wohl für ein anderes
Prinzip gesorgt haben, das handlicher ist und in
weiterem Umfang nützliche Anwendung gestattet; auch
kann eine Tätigkeit von so ungeheurer Tragweite für
das Leben, wie die Ableitung von Wirkungen aus
Ursachen, dem ungewissen Verfahren von Denkakten
und Begründungen nicht anvertraut werden. Sollte
dies bei dem Menschen noch zweifelhaft sein, so
scheint es doch bei den unvernünftigen Geschöpfen
außer Frage zu stehen. Ist dieses Schlußergebnis
aber einmal für den letzteren Fall gesichert, so hat
man nach allen Regeln der Analogie ein starkes
Recht zu der Annahme, daß es allgemein anerkannt
werden müßte, ohne Ausnahme und Vorbehalt. Nur
die Gewohnheit ist es, welche die Tiere anleitet, bei
jedem Gegenstande, der ihre Sinne trifft, durch Ab-
leitung dessen ständigen Begleiter zu erwarten; nur
sie führt ihre Einbildungskraft darauf, bei der Er-
scheinung des einen den anderen vorzustellen, in jener
besonderen Art, die wir als Glauben bezeichnen. F&
diesen Vorgang läßt sich keine andere Erklärung
geben, weder bei den höheren noch bei den niederen
Gattungen fühlender Wesen, soweit wir sie kennen
und beobachten.!)
^) Da alle Denkakte, die sich mit Tatsachen oder
Ursachen beschäftigen, lediglich aus der Gewohnheit stam-
men, so mag gefragt werden, wie es kommt, daß die
Menschen die Tiere hierin so weit übertreffen, und ein
Mensch so weit den andern übertrifft. Hat nicht dieselbe
Gewohnheit denselben Einfluß auf alle?
Ich will hier kurz den großen Unterschied zwischen
menschlichen Intellekten zu erklären suchen, darnach wird
der Grund des Unterschieds zwischen Mensch und Tier sich
leicht einsehen lassen.
1. Wenn wir einige Zeit gelebt und an die Gleich-
förmigkeit der Natur uns gewöhnt haben, so erwerben wir
eine allgemeine Übung, durch die wir stete das Bekannte
auf das Unbekannte übertragen und die Ähnlichkeit des
letzteren mit dem früheren uns vorstellen. Vermöge dieses
allgemeinen Gewohnheitsprinzips betrachten wir schon eine
Erfahrungstatsache als Grundlage für Denkakte, und erwarten
mit einigem Grad von Gewißheit ein gleichartiges Ereignis,
falls die Erfahrungstatsache genau beobachtet und frei von
allen störenden Umständen war. Die Beobachtung der Folgen
der Dinge gilt daher als Sache von großer Wichtigkeit; und
da ein Mensch den andern in Aufmerksamkeit, Gedächtnis,
Beobachtungsgabe sehr weit übertreffen kann, so wird dies
einen großen Unterschied in ihren Denkakten ausmachen.
2. Wo verwickelte Ursachen zur Hervorbringung einer
Wirkung zusammentreffen, kann ein Geist viel weiter sehen
als ein anderer und besser befähigt sein, den ganzen Zu-
sammenhang der Gegenstände zu begreifen und ihre Folgen
richtig abzuleiten.
8. Der eine ist imstande, einer Kette von Folgerungen
weiter nachzugehen, als der andere.
4. Wenige Menschen können lange hintereinander
denken, ohne in eine Verwirrung ihrer Vorstellungen zu
186
Neunter Abeohnitt.
Obgleich indes die Tiere einen großen Teil ihres
Wissens durch Beobachtung lernen, so besteht doch
ein anderer großer Teil, den sie ursprünglich aus
der Hand der Natur empfangen, der bei weitem ihre
gewöhnliche Leistungsfähigkeit übersteigt, und in dem
sie wenig oder keine Fortschritte bei noch so langer
Übung und Erfahrung machen. Dies bezeichnen wir
als Instinkt und bewundern es so gerne als etwas
ganz außerordentliches, was durch keine Untersuchung
des menschlichen Verstandes erklärt werden kann.
Indes wird unser Erstaunen vielleicht aufhören oder
nachlassen, wenn wir erwägen, daß selbst unsere
Vernunfttätigljeit auf Grund von Erfahrung, die wir
mit den Tieren gemein haben und von der die ganze
Lebensführung abhängt, nichts- als eine Art von In-
stinkt oder mechanischer Kraft ist, die, uns selbst un-
bekannt, in uns wirkt; daß sie in ihrer hauptsächlichen
Wirksamkeit nicht von solchen Beziehungen oder Ver-
geraten und die eine mit der anderen zu verwechseln; und
diese Schwäche kommt in verschiedenen Graden vor.
6. Der Umstand, von dem eine Wirkung abhängt, ist
häufig mit anderen Umständen verwoben, die ihm fremd
und äußerlich sind. Seine Abtrennung erfordert oft große
Aufmerksamkeit, Genauigkeit und Scharfsinn.
6. Die Bildung allgemeiner Regeln aus besonderer
Beobachtung ist eine sehr heikle Tätigkeit und es ist sehr
hiäufig, daß man aus Hast oder geistiger Beschränktheit, die
nicht alle Seiten übersieht, auf diesem Punkte Mißgriffe
begeht.
7. Wo wir aus Analogien folgern, da wird der, welcher
größere Erfahrung oder leichter Analogien in Bereitschaft
hat, der bessere Denker sein.
8. Eingenommenheit von Vorurteilen, Erziehung, Leiden-
schaft, Parteilichkeit haften dem einen Geist mehr als dem
anderen an.
9. Nachdem wir einmal Vertrauen in menschliches
Zeugnis gewonnen haben, erweitern Bücher und Unter-
redung bei dem einen den Kreis der Erfahrung und des
Denkens viel mehr als beim anderen.
Mit Leichtigkeit ließen sich noch viele andere Um-
stände entdecken, die einen Unterschied in den Litellekten
der Menschen ausmachen. (Diese Anmerkung kam in Aus-
gabe F hinzu.)
Über die Vernunft der Tiere.
127
gleichungen von Vorstellungen geleitet wird, die den
eigentlichen Gegenstand unserer vernünftigen Fähig-
keiten ausmachen. Die Instinkte mögen verschieden
sein, aber es ist doch ein Instinkt, der den Menschen
lehrt, Feuer zu meiden — gerade so wie der, welcher
den Vogel mit solcher Genauigkeit in der Brutpflege
unterweist und in der ganzen Einrichtung und Ord-
nung bei der Aufzucht der Jungen.
%
Zehnter Abschnitt.
Ober Wunder
Erster TeU«
Es findet sich in den Schriften Dr. Tillotsons
eine Beweisführung gegen die leibhaftige Gegen-
wart i), die 80 knapp, fein und schlagend ist, wie
nur von einer Beweisführung gegen eine Lehre, die
so wenig eine ernste Widerlegung verdient, erwartet
werden kann. Allseitig wird anerkannt, sagt jener
gelehrte Geistliche, daß die Autorität der Schrift wie
der Überlieferung sich allein auf das Zeugnis der
Apostel stützt, welche Augenzeugen von jenen Wun-
dern unseres Erlösers waren, durch die er seine
göttliche Sendung bewies. Die Evidenz, welche die
Wahrheit der christlichen Religion für uns hat, ist
also schwächer als die Evidenz bei der sinnlichen
Wahrheit; denn selbst bei den ersten Stiftern unserer
Religion war sie nicht stärker, und augenscheinlich
muß sie beim Übergang auf ihre Schüler abnehmen.
Niemand kann in ihr Zeugnis gleiches Vertrauen
setzen wie in den unmittelbaren Gegenstand seiner
Sinne. Eine schwächere Evidenz kann aber niemals
eine stärkere zerstören. Wenn also die Lehre von
der leibhaftigen Gegenwart noch so klar in der
Schrift offenbart wäre, so würde es doch geradezu
den Regeln folgerechter Vernunfttätigkeit zuwider-
laufen, wenn man ihr zustimmen wollte. Sie wider-
spricht den Sinnen, und doch eignet sowohl der
Schrift wie der Überlieferung, auf welche sie »ch
*> Des Leibet Ohristi im Abendmahl.
(Anmerkg; d. Übers.)
Über Wunder.
129
angeblich stützt, nicht so starke Evidenz wie den
Sinnen — gesetzt, daß man jene allein als äußere
Evidenzerreger betrachtet und sie nicht durch die
unmittelbare Wirksamkeit des Heiligen Geistes in
jedermanns Brust lebendig sein läßt.
Nichts ist so willkommen wie eine entscheidende
Begründung dieser Art, die endlich die große An-
maßung der Frömmelei und des Aberglaubens zum
Schweigen bringen und uns gegen ihre ungehörigen
Ansprüche sicherstellen muß. Ich schmeichle mir,
eine Begründung gleicher Natur aufgefunden zu haben,
welche, wenn sie richtig ist, für Weise und Ge-
lehrte eine dauernde ScliJanke gegen jede Art von
abergläubischer Verblendung aufrichten und daher
ihren Nutzen behalten wird, solange die Welt fort-
besteht. Denn so lange werden meines Erachtens in
der heiligen wie weltlichen i) Geschichte Berichte
von Wundern und Naturwidrigkeiten sich vorfinden.
Obwohl die Erfahrung unser einziger Führer bei
Denkakten über Tatsachen ist, so muß doch an-
erkannt werden, daß dieser Führer sich nicht als ganz
unfehlbar erweist, sondern in einigenFällen uns leicht zu
Irrtümern verleitet. Wer in unserem Klima besseres
Wetter in einer beliebigen Juniwoche als in einer im De-
zember erwartet, folgert richtig und erfahrungsgemäß;
und doch ist es gewiß möglich, daß ihn der Erfolg eines
anderen belehrt Indessen ist zu beachten, daß er
in diesem Falle zu einer Klage über die Erfahrung
keine Ursache hat, denn sie klärt uns meist zuvor
über diese Ungewißheit durch den Widerstreit in
den Ereignissen auf, den uns eine fleißige Beobachtung
lehren kann. Alle Wirkungen folgen nicht mit gleicher
Gewißheit aus ihren angeblichen Ursachen. Einige
Elreignisse haben sich in allen Ländern und zu allen
Zeiten im Zusammenhang vorgefunden; bei anderen
zeigte sich eine größere Veränderlichkeit und manch-
mal eine Enttäuschung unserer Erwartungen; es be-
stehen also in unseren Denkakten über Tatsachen
alle erdenklichen Grade der Sicherheit, von der
^) „in der ganzen weltlichen Geschichte*' : Ausgaben E
und F.
Hnra«, UKteriuohg. flk. d. menivhl. Verstaad. 9
■l
130
ZehntitT AbsohuiU.
Über Wunder.
131
I
höchsten Gewißheit bis zu der niedersten Art von
moralisch-gewisser Evidenz.
Ein besonnener Mann bemißt daher seinen Glauben
nach der Evidenz. Bei solchen Schlüssen, die auf un-
trügliche Erfahrung gestützt sind, erwartet er den
Erfolg mit dem äußersten Grad der Sicherheit und
betrachtet seine vergangene Erfahrung als einen vollen
Beweis des künftigen Eintritts dieses Erfolges. In
anderen Pillen geht er vorsichtiger zu Werke. Er
wägt die entgegengesetzten Erfahrungstatsachen; er
überlegt, welche Seite die größere Anzahl derselben
für sich hat; dieser Seite neigt er sich mit Zweifel
und Bedenken zu, und wenn er endlich sein Urteil
fällt, so übersteigt die Evidenz nicht das, was wir
im eigentlichen Sinne Wahrscheinlichkeit nennen.
Alle Wahrscheinlichkeit setzt also einen Gegensatz
der Erfahrungstatsachen und Beobachtungen voraus,
wobei die eine Seite die andere überwiegt und einen
Grad von Evidenz erzeugt, der dieser Überlegenheit
entspricht. Hundert Fälle oder Erfahrungstatsachen
auf der einen und fünfzig auf der anderen Seite er-
geben eine zweifelnde Erwartung des Ausgangs; aber
hundert gleichförmige Tatsachen gegen nur eine, die
ihnen widerspricht, erzeugen füglich einen recht
starken Grad von Sicherheit. Überall müssen wir die
entgegengesetzten Erfahrungstatsachen, wo sie es
wirklich sind, gegeneinander abwägen und die kleinere
Anzahl von der größeren abziehen, um die genaue
Stärke der überlegeneren Evidenz kennen zu lernen.
Wenden wir diese Prinzipien auf einen besonderen
Fall an, so machen wir wohl die Beobachtung, daß
es keine so allgemeine, so nützliche und selbst zu
unserem Leben so notwendige Art der Vernunfttätigkeit
gibt, wie die, welche von dem menschlichen Zeugnis und
den Berichten von Augenzeugen und Zuschauern aus-
geht Vielleicht leugnet jemand, daß diese Art der Ver-
nunfttätigkeit sich auf die Beziehung von Ursache und
Wirkung gründet Über Worte will ich nicht streiten.
Eis genügt die Bemerkung, daß unsere Sicherheit irgend
einer derartigen Begründung gegenüber aus keinem
anderen Prinzip stammt, als aus unserer Beobachtung
der Wahrhaftigkeit menschlichen Zeugnisses und der
gewöhnlichen Übereinstimmung der Tatsachen mit den
Berichten der Zeugen. Da es eine allgemeine Regel
ist, daß Gegenstände niemals eine auffindbare Ver-
knüpfung miteinander haben und daß alle Ableitungen,
die uns von dem einen zu dem anderen führen können,
lediglich auf unsere Erfahrung ihres beständigen
und regelmäßigen Zusammenhangs sich stützen, so
dürfen wir doch offenbar keine Ausnahme von dieser
Regel zugunsten des menschlichen Zeugnisses machen,
dessen Verknüpfung mit irgend einem Ereignis an
sich so wenig notwendig scheint wie sonst eine Ver-
knüpfung. Wäre nicht das Gedächtnis bis zu gewissem
Grade treu, neigten nicht die Menschen für ge-
wöhnlich der WaSrheit und den Prinzipien der Red-
lichkeit zu; wären sie nicht der Scham zugänglich,
wenn sie bei einer Lüge ertappt werden; wäre dies
alles nicht durch Erfahrung als wesentliche Eigen-
schaft der menschlichen Natur bekannt, — so würden
wir niemals das geringste Vertrauen in menschliches
Zeugnis setzen. Ein 6rsinniger oder ein als lügne-
risch und niederträchtig bekannter Mensch besitzt
keinerlei Glaubwürdigkeit für uns.
Da die von Zeugen und menschlichen Aussagen
herstammende Evidenz auf vergangener Erfahrung
beruht, so ändert sie sich mit der Erfahrung und
gilt entweder als Beweis oder als Wahrschein-
lichkeit, je nachdem der Zusammenhang zwischen
einer bestimmten Art von Bericht und einer Art von
Gegenständen sich als beständig oder veränderlich
erwiesen hat Eine ganze Anzahl von Umständen muß
bei allen Urteilen dieser Art in Betracht gezogen
werden, und der letzte Maßstab, nach dem wir alle
hierüber etwa entstehenden Streitigkeiten schlichten,
stammt immer aus der Erfahrung und Beobachtung.
Wo diese Erfahrungen auf keiner Seite ganz gleich-
förmig sind, erwäctSt ein unvermeidlicher Widerstreit
In unseren Urteilen, mit demselben Gegensatz vmd
wechselseitiger Zerstörung der Begründungen wie bei
jeder anderen Art von Evidenz. Unsere Meinung
schwankt oft über die Berichte anderer; wir wägen
die entgegengesetzten Umstände ab, die irgend Zweifel
oder ifngewißheit erregen; entdecken wir ein Über-
132
Zehnter Abscbniti
Über Wunder.
133
gewicht auf einer Seite, so neigen wir dieser zu; aber-
immerhin mit verminderter Sicherheit, wie es der
Kraft der Gegenseite entspricht
Dieser Widerstreit in der Evidenz kann in unserem
Fall aus verschiedenen Ursachen herstammen: aus
dem Gegensatz widerstreitender Zeugnisse; aus dem
Charakter oder der Zahl der Zeugen; aus der Art,
wie sie ihr Zeugnis abgeben, oder aus der Verbindung
all dieser Umstände. Eine Tatsache wird uns ver-
dachtig, wenn die Zeugen einander widersprechen;
wenn ihrer nur wenige oder ihre Charaktere zweifel-
haft sind; wenn ihr Vorteil bei ihrer Aussage in Frage
kommt; wenn sie ihr Zeugnis zögernd oder im Gegen-
teil mit zu heftigen Beteuerungen abgeben. Es gibt
noch viele andere Umstände gleicher Art, welche
die Kraft einer jeden auf menschliches Zeugnis ge-
stützten Begründung vermindern oder zerstören können.
Gesetzt den Fall, die Tatsache, welche das Zeug-
nis feststellen will, gehöre ins Reich des Außerordent-
lichen und Erstaunlichen; so erfährt die Evidenz,
die sich aus dem Zeugnis ergibt, eine größere oder
kleinere Verminderung, je nachdem die Tatsache mehr
oder weniger ungewöhnlich ist Der Grund, aus
dem wir Zeugen oder Geschichtschreibern überhaupt
Vertrauen schenken, stammt nicht aus irgend einer
Verknüpfung, die wir a priori zwischen Zeugnis
und Wirklichkeit auffassen, sondern aus der Gewohn-
heit, eine Einstimmigkeit zwischen ihnen anzutreffen.
Ist aber die bezeugte Tatsache von der Art, daß sie
sich selten unserer Beobachtung bot, so liegt hier
ein Widerstreit zweier entgegengesetzter ErfalSungen
vor; von diesen zerstört eine die andere, soweit wie
ihre Kraft reicht, und die überlegene kann auf den
Geist nur mit der Kraft wirken, die ihr übrig bleibt
Genau das gleiche Erfahrungsprinzip, welches uns
die Bekundungen von Zeugen in gewissem Grade
sicherstellt, liefert uns auch in diesem Falle einen
anderen Grad der Sicherheit, nun aber gegen die Tat-
sache, die sie festzulegen sich bemühen; und aus
diesem Widerspruch entsteht notwendig ein Gleich-
gewicht und eine gegenseitige Zerstörung des Glaubens
und des Ansehens.
Ich würde so etwas nicht glauben, und
wenn es mir Cato erzählte, war in Rom sprich-
wörtlich schon zu Lebzeiten dieses philosophischen
Patrioten. 1) Man erkannte, daß die Unglaubhaftig-
keit einer Tatsache selbst eine Bürgschaft von solchem
Gewicht entkräften könnte.')
Der Gedankengang jenes indischen Prinzen, der
den ersten Berichten über die Wirkungen des Frosts
den Glauben verweigerte, war folgerichtig, und es be-
durfte natürlich schwerwiegender Zeugnisse, um eine
Anerkennung von Tatsachen zu erwirken, die aus Natur-
bedingungen hervorgingen, welche ihm unbekannt waren
und so wenig den Ereignissen glichen, von denen er
bestandige und gleichförmige Erfahrung hatte. Wenn
sie auch seinen Erfahrungen nicht widerstritten, so
stimmten sie doch nicht mit ihnen überein. s) *)
») Platarch, in vita Catonis minoris 19.
*) Dieser Absatz kam in Ausgabe K hinzu.
>) Dieser Absatz kam in Ausgabe F hinzu.
*) Kein Indier konnte ersichtlich die Erfahrung be-
sitzen, daß Wasser in kalten Klimaten nicht gefriere. Die
Natur befindet sich dabei in einer ihm ganz unbekannten
Lage; und es ist ihm unmöglich, a priori vorherzusagen,
was daraus entstehen werde. Es wäre für ihn eine neue
Erfahrungstatsache, deren Erfolg stets ungewiß ist. Man
kann manchmal nach Analogien vermuten, was eintreten
wird; es bleibt aber immer nur Vermutung. Unleugbar
erfolgt in unserm Fall des Gefrierens das Ereignis im Wider-
streit mit den Regeln der Analogie, und zwar so, wie es ein
vernünftiger Indier nicht voraussehen konnte. Die Einwir-
kung der Kälte auf das Wasser verläuft nicht stufenweise
den Kältegraden entsprechend; sondern wenn der Gefrier-
punkt eintritt, geht das Wasser augehblicklich vom Zustand
völliger Flüssigkeit in den völliger Festigkeit über. Ein
solches Ereignis kann deshalb außerordentlich genannt
werden, nnd erfordert ein recht schwerwiegendes Zeugnis,
um Leuten in heißen Klimaten glaubhaft gemacht zu wer-
den. Aber damit ist es immer noch nicht ein Wunder,
noch im Widerstreit mit der gleichförmigen Erfahrung
vom Naturlauf, dort wo alle Umstände die gleichen sind.
Die Bewohner von Sumatra haben in ihrem eigenen Klima
stets das Wasser flüssig gesehen, und das ZuMeren ihrer
Ströme müßte als widernatürlich gelten; aber niemals sahen
sie Wasser in Moskau während des Winters; und deshalb
134
Zehnter Abtcbnitt.
Um aber die Wahrscheinlichkeit gegen die Zeugen-
aussage zu steigern, wollen wir annehmen, daß die
behauptete Tatsache, anstatt nur erstaunlich zu sein,
wirklich ein Wunder ist, und ebenso, daß das Zeugnis
für sich betrachtet einem vollen Beweis gleichkäme. In
diesem Falle steht dann Beweis gegen Beweis und
der stärkere muß überwiegen, aber doch mit einer um
die seines Gegners verminderten Kraft.
Ein Wunder ist eine Verletzung der Naturgesetze,
und da eine feststehende und unveränderliche Er-
fahrung diese Gesetze gegeben hat, so ist der Be-
weis gegen ein Wunder aus der Natur der Sache
selbst so vollgültig, wie sich eine Begründung durch
Erfahrung nur irgend denken läßt. Warum ist es
mehr als wahrscheinlich, daß alle Menschen sterben
müssen, daß Blei nicht von selbst in der Luft schweben
bleibt, daß Feuer Holz verzehrt und von Wasser
gelöscht wird? Doch nur, weil diese Ereignisse mit
den Naturgesetzen im Einklang befunden worden sind
und es, um sie zu verhüten, einer Verletzung dieser
Gesetze oder mit anderen Worten eines Wunders be-
darf. Was im gewöhnlichen Lauf der Natur jemals
geschieht, das gilt nicht als Wunder. So ist es kein
Wunder, wenn ein anscheinend Gesunder plötzlich
stirbt, denn eine solche Todesart ist zwar unge-
wöhnlicher als eine andere, aber doch häufig beob-
achtet worden. Aber das wäre ein Wunder, wenn
ein Toter ins Leben zurückkehrte, weil das zu keiner
Zeit und in keinem Lande jemals beobachtet worden
ist Es steht daher notwendig eine gleichförmige
Erfahrung jedem wunderbaren Ereignis entgegen,
sonst würde das Ereignis nicht diesen Namen ver-
dienen. Und da eine gleichförmige Erfahrung sich
zur Höhe eines Beweises erhebt, so haben wir hier
einen unmittelbaren vollen Beweis aus der Natur
können sie vernünftigerweise keine bestimmte Aussage
machen über den Erfolg, der da eintreten würde. (Diese
Anmerkung erscheint zuerst auf der letzten Seite der Aus-
gabe F mit der Bemerkung: Die Entfernung des Verfassers
von der Druckerei ist Ursache, daß die folgende Stelle nicht
cur Zeit anlangte, um an ihren rechten Platz gesetzt zu
werden.)
Über Wunder.
135
der Sache gegen die Existenz jedweden Wunders;
solch ein Beweis kann auch nicht aufgehoben, noch
das Wunder glaubhaft gemacht werden, außer durch
einen Gegenbeweis, der ihm überlegen ist^)
Die einfache Folgerung (und zugleich ein
allgemeiner beachtenswerter Grundsatz) lautet: „Kein
Zeugnis reicht aus, ein Wunder festzustellen, es müßte
denn das Zeugnis von solcher Art sein, daß seine
Falschheit wunderbarer wäre, als die Tatsache, die
es festzustellen trachtet. Aber selbst in diesem Falle
tritt eine gegenseitige Aufhebung der Begründungen
ein, und die überlegene bietet uns nur eine Sicher-
heit, die dem Grad der Kraft angemessen ist, der
nach Abzug der schwächeren übrig bleibt" Berichtet
mir jemand, er habe einen Toten wieder aufleben
*) Manchmal mag ein Ereignis an sich selbst den
Naturgesetzen nicht zu widerstreiten scheinen, und könnte
doch, wenn es wirklich wäre, auf Grund einiger Umstände,
ein Wunder genannt werden; weil es tatsächlich diesen
Gesetzen widerstritte. Wenn jemand mit dem Anspruch auf
göttliche Machtbefugnis einem Kranken geböte, gesund zu
sein; einem Gesunden, tot niederzufallen; den Wolken, zu
regnen, den Winden, zu wehen, kurz, mancherlei natürliche
Ereignisse veranlaßte, welche unmittelbar auf seinen Befehl
erfolgten; so könnten diese mit Recht als Wunder gelten,
weil iie in solchem Falle wirklich den Naturgesetzen wider-
stritten. Bliebe nämlich auch nur ein Verdacht, daß Er-
eignis und Geheiß aus Zufall zusammentrafen, so liegt kein
Wunder und keine Überschreitung der Naturgesetze vor.
Verschwindet dieser Verdacht, so ist ofifenbar ein Wunder
und eine Überschreitung dieser Gesetze vorhanden; denn
was widerstritte mehr dem Naturlauf, als solch ein Einfluß
der Stimme oder der Gebote eines Menschen? Ein Wunder
läßt sich also genau definieren als eine Überschreitung
eines Naturgesetzes durch einen besonderen Wil-
lensakt der Gottheit, oder durch die Vermittlung
eines unsichtbaren Faktors. Ein Wunder kann für den
Menschen entdeckbar oder unentdeckbar sein — an seiner
Natur und Wesenheit ändert das nichts. Erhebt sich ein
Haus oder ein Schiff in die Luft, so ist dies ein sichtbares
Wunder; erhebt sich aber eine Feder, wenn der Wind auch
nur um ein weniges der dazu nötigen Kraft ermangelt,
dann ist es ein ebenso wirkliches Wunder, obgleich es für
uns nicht so sinnfällig ist.
X
1S6
Zehntor Absohniti
Obtr Wündtr.
137
sehen, so tiberdenke ich gleich bei mir, ob es wahr-
scheinlicher ist, daß der Erzähler trügt oder be-
trogen ist oder daß das mitgeteilte Ereignis sich
wirklich zugetragen hat. Ich wäge das eine Wunder
gegen das andere ab, und je nach der Überlegenheit,
die ich entdecke, fälle ich meine Entscheidung und
verwerfe stets das größere Wunder. Wäre die J^lsch-
heit seines Zeugnisses wunderbarer als das von ihm
berichtete Ereignis, dann, aber auch erst dann kann
er Anspruch auf meinen Glauben und meine Über-
zeugung erheben.
Zweiter Teil.
In dem vorher entwickelten Gedankengang haben
wir angenommen, daß das Zeugnis, auf welches ein
Wunder sich stützt, möglicherweise die Kraft eines
vollen Beweises erreicht, und daß die Falschheit dieses
Zeugnisses eine wirkliche Naturwidrigkeit wäre. In-
des läßt sich leicht zeigen, daß wir ein gut Teil zu
weit in unseren Zugeständnissen gegangen sind und
daß noch niemals ein wunderbares Ereignis sich auf
eine so vollkommene Evidenz berufen konnte.
Denn erstens findet sich in der ganzen G^
schichte nicht ein Wunder, das durch eine genügende
Anzahl von Personen bezeugt wäre, deren gesunder
Verstand, Erziehung und Bildung so außer Frage
stehen, daß jede Verblendung bei ihnen sicherlich
ausgeschlossen ißt; deren unzweifelhafte Redlichkeit
sie jedem Verdacht, andere betrügen zu wollen, ent-
rückt; deren Glaubwürdigkeit und Ansehen so hoch
in den Augen der Welt stehen, daß sie viel zu verlieren
hatten, wenn sie bei einer Unwahrheit ertappt würden;
uiid deren Zeugnis außerdem Tatsachen betrifft, die
sich so öffentlich und an einem so weltberühmten Orte
abgespielt haben, daß jene Entdeckung unvermeidlich
gewesen wäre. All diese Umstände wären aber er-
erforderlich, um mit voller Sicherheit menschlichem
Zeugnis zu vertrauen.
Zweitens läßt sich in der menschlichen Natur
ein Prinzip beobachten, das bei genauer Prüfung
die Sicherheit erheblich vermindern dürfte, mit
welcher wir auf menschliches Zeugnis hin Wider-
natürliches jeder Art annehmen. Die Regel, nach
der wir uns gewöhnlich bei unseren Denkakten
richten, besagt, daß die Gegenstände, von denen wir
keine Erfahrung haben, jenen gleichen, von denen
wir sie haben, daß am wahrscheinlichsten ist, was
bisher am häufigsten vorgefunden wurde, und daß
bei einem Gegensatz zwischen den Begründungen wir
jenen den Vorzug geben sollten, die sich auf die
größte Anzahl vergangener Beobachtungen stützen.
Obgleich wir nun im Verfolg dieser Regel anstand-
los jeder Tatsache die Anerkennung versagen, welche
in mäßigem Grade ungewohnt und unglaublich ist,
so fügt sich doch im weiteren Verlauf der Geist
nicht stets der gleichen Regel. Wird nämlich etwas
völlig Widersinniges und Wunderbares aufgestellt, so
nimmt er wohl eine solche Tatsache gerade wegen
des Umstands um so williger an, der ihr alles Gewicht
entziehen sollte. Die Afiekte der Überraschung,
und des Staunens, die ein Wunder hervorruft, sind
eine angenehme Erregung, und dies bewirkt eine fühl-
bare Hinneigung zum Glauben an jene Ereignisse, von
denen sie stammen. Das geht so weit, daß selbst
diejenigen, welche sich dies Vergnügen nicht unmittel-
bar bereiten, auch an die wunderbaren Ereignisse, die
ihnen berichtet werden, nicht glauben können, den-
noch mit Vorliebe an diesem Genuß aus zweiter Hand
oder im Abglanz teilnehmen und Stolz und Vergnügen
darein setzen, die Bewunderung anderer zu erregen.
Welche gierige Aufnahme finden die Wunder-
berichte der Reisenden, ihre Beschreibung von See-
und Landungeheuern, ihre EJrzählungen von erstaun-
lichen Abenteuern, seltsamen Menschen und unge-
schlachten Sitten. Verbindet sich aber noch der
religiöse Geist mit der Wunderliebe, dann hat aller
gesunde Verstand ein Ende und menschliches Zeug-
nis verliert unter diesen Umständen jeden Anspruch
auf Gültigkeit. Der Frömmler kann ein Schwärmer
sein und sich einbilden, etwas zu sehen, was in Wirk-
lichkeit nicht ist; er kann die Falschheit seiner Er-
zählung kennen und doch in der denkbar besten Ab-
sicht diarauf bestehen, um eine so heilige Sache zu
.'If
138
Zehnter Abschnitt
über Wunder.
139
fördern; und selbst, wo diese Verblendung wegfällt,
wirkt die Eitelkeit, unter dem Reiz so starker Ver-
suchung, mächtiger auf ihn ein als auf die übrigen
Menschen in jeder anderen Lage, und der eigene
Vorteil treibt ihn nicht minder stark dazu an. Seine
Hörer ermangeln vielleicht — und dies ist gewöhnlich
wirklich der Fall — der genügenden Urteilskraft,
um seine Aussage zu prüfen. Was sie an Urteilskraft
haben, das verleugnen sie aus Prinzip, wenn es sich
um diese erhabenen und geheimnisvollen Dinge
handelt; und ist selbst der beste Wille vorhanden,
sie zu gebrauchen, so wird doch ihre geregelte Tätig-
keit durch Affekte und die erhitzte Einbildungskraft
gestört. Die Leichtgläubigkeit steigert hier die Un-
verschämtheit, und die Unverschämtheit überwältigt
die Leichtgläubigkeit.
Die Beredsamkeit auf ihrem höchsten Gipfel läßt
wenig Raum für Vernunft und Überlegung; sie wendet
sich ausschließlich an die Phantasie und die Neigungen,
nimmt dadurch die willigen Hörer gefangen und unter-
drückt deren Verstand. Glücklicherweise wird
dieser Gipfel selten erreicht. Was aber ein Cicero
oder Demosthenes kaum bei einer römischen oder
athenischen Versammlung fertig brachten, das gelingt
bei der Mehrzahl der Menschen und in noch höherem
Grade jedem Kapuziner, jedem herumziehenden oder
seßhaften Prediger durch Erregung so grober und ge-
meiner Affekte.
Die mancherlei Beispiele von gefälschten Wundern,
Prophezeiungen und übernatürlichen Ereignissen, die zu
allen Zeiten entweder durch widerstreitende Aussage
aufgedeckt worden sind oder sich durch ihren Wider-
sinn selbst aufdecken, beweisen zur Genüge die starke
Hinneigung der Menschen zum Außerordentlichen una
Erstaunlichen; sie sollten füglich Verdacht gegen alle
derartigen Berichte erzeugen. Dies ist unsere natür-
liche Denkweise selbst anläßlich ganz gewöhnlicher
und glaubwürdiger Ereignisse. So entsteht zum Bei-
spiel keine Art von Gerüchten so leicht und verbreitet
sich namentlich auf dem Lande und in Provinzstädten
so schnell, wie solche über Heiraten; zwei junge
Leute gleichen Standes können sich kaum zweimal
sehen, ohne daß die ganze Nachbarschaft gleich ein
Paar aus ihnen macht. Das Vergnügen, eine so
spannende Neuigkeit zu errählen, zu verbreiten und
der Erste dabei zu sein, bringt solche Nachricht schnell
herum. Dies ist so bekannt, daß kein Verständiger
auf solche Berichte etwas gibt, bis er sie durch
frößere Evidenz bestätigt findet. Bestimmen nicht
ie gleichen Affekte und andere noch stärkere die
Masse der Menschen, alle religiösen Wunder mit
größter Heftigkeit und Sicherheit zu glauben und
weiterzuerzählen?^)
Drittens spricht es sehr stark gegen alle Be-
richte übernatürlicher und wunderbarer Vorfälle, daß
sie hauptsächlich bei unwissenden und barbarischen
Völkern sich im Überflusse finden. Hat aber ein
gebildetes Volk jemals desgleichen angenommen, so
zeigt sich, daß es ihm von unwissenden und bar-
barischen Vorfahren überliefert worden ist, und zwar
mit jener unverletzlichen Verbindlichkeit und Greltungs-
kraft, die sich immer mit überkommenen Meinungen
verbinden. Wenn wir die Anfänge der Geschichte bei
allen Völkern durchgehen, so fühlen wir uns leicht
in eine neue Welt versetzt, in der das ganze Natur-
gefüge auseinandergegangen ist und jedes Element
seine Tätigkeit in anderer Weise als heutzutage ausübt.
Schlachten, Umwälzungen, Seuchen, Hungersnot und
Tod sind da niemals die Wirkungen jener natürlichen
von uns erfahrenen Ursachen. Widernatürliche Ereig-
nisse, Vorzeichen, Orakel, Gottesgerichte verdunkeln
ganz die wenigen natürlichen Begebenheiten, die ihnen
beigemischt sind. Da sie aber auf jeder Seite der Ge-
schichte, die uns den aufgeklärten Zeiten näher bringt,
dünner ge^t sind, so begreifen wir bald, daß nichts
Geheimnisvolles oder Übernatürliches hinter ihnen
steckt, sondern alles aus der gewohnten Neigung der
Menschen zum Staunenswerten herstammt Diese kann
zwar bisweilen durch Einsicht und Wissenschaft ge-
hemmt, aber niemals völlig aus der menschlichen
Natur ausgerottet werden.
*) Dieser Absatz war in den Ausgaben S bis P ali
Anmerkung gedruckt.
uo
Zahotor AbtchniU.
Über WundefT.
141
„Sonderbar," wird ein besonnener Leeer wohl
beim Durchblättern dieser Wunderberichte sagen,
„daß solche widernatürlichen Ereignisse sich
in unseren Tagen niemals zutragen." Aber es
ist doch wohl nicht sonderbar, daß die Menschen zu
allen Zeiten Lügner sind. Hat doch gewiß jeder genug
Beispiele dieser Schwachheit gesehen und selbst das
Auftauchen solcher erstaunlichen Erzählungen erlebt,
die von allen weisen und besonnenen Leuten mit
Verachtung behandelt, zuletzt von der Menge auf-
gegeben wurden. Sein wir sicher, daß jene be-
rühmten Lügen, die es zu solch ungeheuerlicher Ver-
breitung und Blüte gebracht haben, aus gleichen An-
fängen entstanden sind; aber da sie auf geeigneteren
Boden fielen, erreichten sie schließlich selbst fast den
Grad des Widernatürlichen, von dem sie berichten.
Es zeugte von der politischen Klugheit jenes
falschen Propheten Alexander, des jetzt Vergessenen,
aber einst Hochberühmten, daß er den ersten Schau-
platz seiner Betrügereien nach Paphlagonien verlegte,
wo nach Lucians Bericht das Volk äußerst un-
wissend, stumpf und bereit war, auf jedes noch
so grobe Blendwerk hereinzufallen. Entfernt woh-
nenden Menschen, die etwa schwach genug sind, die
Sache einer Prüfung für wert zu halten, fehlt die Ge-
legenheit, sich besser darüber zu belehren. Die Er-
zählungen erreichen sie um hundert Einzelheiten ver-
größert^ Narren sind eifrig am Verbreiten des B^
&ugs, indessen sich die Weisen und Gelehrten ge-
wöhnlich damit begnügen, den Widersinn desselben
zu verlachen, ohne sich nach den bestimmten Tat-
sachen zu erkundigen, durch die er sich deutlich
widerlegen ließe. Und so war es jenem eben er-
wähnten Betrüger möglich, von seinen unwissenden
Paphlagoniern ausgehend, sich Anhänger selbst unter
den griechischen Philosophen und den hochgestellten
und ausgezeichneten Männern Roms zu erwerben, ja
sogar die Aufmerksamkeit des weisen Kaisers Marcus
Aurelius so sehr zu erregen, daß dieser den Ausgang
eines kriegerischen Zuges seinen trügerischen Pro-
phezeiungen anvertraute.
Es bietet offenbar große Vorteile, einen Betrug
unter einem unwissenden Volke aufzubringen; selbst
in dem Falle (der selten, aber doch manchmal
vorkommt), daß die Täuschung zu grob ist, um
der großen Masse Eindruck zu machen, hat sie doch
viel bessere Aussicht auf Gelingen in fernen Ländern,
al^ wenn der erste Schauplatz eine für Künste
und Wissenschaften berühmte Stadt gewesen wäre.
Die unwissendsten und barbarischsten dieser Barbaren
bringen solchen Bericht ins Ausland. Von ihren Lands-
leuten führt keiner einen so ausgedehnten Brief-
wechsel oder genießt genügend Zutrauen und An-
sehen, um der Täuschung entgegenzutreten und sie
zu vernichten. Dadurch findet die menschliche Neigung
zum Staunenswerten ein weites Feld, sich zu ergehen.
Und so gilt eine Geschichte, die an ihrem Ursprungs-
ort allgemein verachtet wird, tausend Meilen davon
als gewiß. Hätte Alexander dagegen seinen Wohn-
sitz in Athen aufgeschlagen, so würden die Philo-
sophen jenes berüEmten Sammelpunktes der Gelehr-
samkeit sogleich ihre Ansicht über die Sache durch
das ganze Römerreich verbreitet haben; dies hätte,
von so angesehener Seite kommend und mit der ganzen
Ejraft der Vernunft und Beredsamkeit vorgetragen,
der Menschheit völlig die Augen geöffnet. Preüich
hatte Lucian, zufällig Paphlagonien berührend, die
Gelegenheit, dieses gute Werk zu verüben. Aber
ob es auch höchst wünschenswert wäre, so trifft es
doch nicht immer zu, daß jeder Alexander einem
Lucian begegnet, der seine Betrügereien aufdeckt und
kenntlich macht. ^)
') Die Alisgaben £ bis P fügen folgende Anmerkong
hinzu: Es könnte hier vielleicht eingewandt werden, daß
ich leichtsinnig vorgehe und meine Begriffe von Alexander
mir nur nach den Berichten, bilde, die Lucian, sein erklärter
Feind, von ihm erstattet. Es wäre in der Tat zu wünschen,
daß einige Berichte, di'e seine Anhänger und Mitschuldigen
veröffentiichten , sich erhalten hätten. Der Gegensatz und
Kontrast zwischen den Zeichnungen des Charakters und
Benehmens des gleichen Mannes, die Freund und Feind
entwerfen, ist schon im täglichen Leben, noch vielmehr auf
solchem religiösen Gebiete, so stark wie nur je zwischen
zwei beliebigen Menschen, s. B. zwiiohen Alexandtr und dem
'1
/<-■<
142
Zehnter Abschnitt
Ich könnte als vierten Grund, der die Glaub-
würdigkeit von widernatürlichen Geschehnissen ver-
ringert, hinzufügen, daß kein Zeugnis für irgend eines,
selbst unter den nicht geradezu entlarvten, vorhanden
ist, dem nicht eine Unzahl von Zeug^ entgegentreten.
So zerstört also nicht nur das Wunder die Glaub-
würdigkeit des Zeugnisses, sondern das Zeugnis sich
selbst Zum besseren Verständnis dieser Behauptung
wollen wir in Betracht ziehen, daß in Sachen der
Religion jede Verschiedenheit ein Widerstreit ist,
daß unmöglich die Religionen des alten Rom, der
Türkei, Slams und Chinas sämtlich auf einer irgend-
wie festen Grundlage ruhen können. Ein jedes Wunder
demnach, das angeblich in einer derselben gewirkt
worden wäre (und sie alle wimmeln von Wundern)
bezweckt unmittelbar die Aufrichtung des besonderen
Systems, dem es zugeschrieben wird; und so hat es,
freilich mehr mittelbar, die gleiche Kraft zum Um-
sturz jedes anderen Systems. Mit der Zerstörung
eines rivalisierenden Systems zerstört es gleicher-
maßen die Glaubwürdigkeit der Wunder, auf denen
jenes fußt, so daß all die widernatürlichen Gescheh-
nisse in verschiedenen Religionen als widerstreitende
Tatsachen anzusehen sind, und die Aussagen über
diese Geschehnisse, ob beweiskräftig oder -schwach,
als einander entgegengesetzt Einem derartigen Ge-
dankengange entsprechend hätten wir für den Glauben
an irgend ein Wunder Mahommeds oder seiner Nach-
folger als Bürgschaft das Zeugnis einiger wenigen
barbarischen Araber; anderseits sollten wir das
Ansehen des Titus Livius, des Plutarch, des Tacitus,
kurz aller Schriftsteller und Zeugen bei Griechen,
Chinesen und Katholiken, die jemals ein Wunder in
ihrer besonderen Religion berichtet haben, als Zeugnis
so in Anschlag bringen, als ob sie jenes mohamme-
danische Wunder erwähnt und ihm mit ausdrück-
lichen Worten widersprochen hätten, mit derselben
Gewißheit, die sie in betreff des von ihnen erzählten
Wunders besitzen. Diese Begründung könnte spitz-
heiügen Paulas. Siehe einen Brief an Gilbert West. Bsq.
über die Bekehrung nnd das Apostolat des heiigen Paalui.
Über Wunder.
143
findig und gekünstelt erscheinen — in Wirklichkeit
unterscheidet sie sich nicht von dem Gedankengang eines
Richters, der die Glaubwürdigkeit zweier Zeugen, die
jemanden eines Verbrechens zeihen, durch das Zeugnis
zweier anderen für vernichtet ansieht, die ihn zwei-
hundert Meilen entfernt zur selben Zeit des angel)-
lichen Verbrechens gesehen zu haben versichern.
Eins der bestbezeugten Wunder in der ganzen
weltlichen Geschichte ist das, was Tacitus von Ves-
pasian berichtet: wie dieser in Alexandria einen
Blinden vermittelst seines Speichels und einen Lahmen
durch bloße Berührung seines Fußes heilte, so einen
Spruch des Grottes Serapis wahrmachend, der sie
in einer Vision an den Kaiser für diese Wunderkuren
verwiesen hatte. Die Erzählung mag bei diesem vor-
trefflichen Geschichtschreiber nachgelesen werden. ^)
Dort scheinen alle Umstände das Gewicht des Zeug-
nisses zu vermehren und könnten mit jeder Kraft der
Begründung und Beredsamkeit breit ausgeführt werden,
wenn jemandem jetzt noch daran gelegen wäre, die
Evidenz dieses überwundenen und götzendienerischen
Aberglaubens zur Greltung zu bringen: die Würde, Zu-
verlässigkeit, das Alter und die Rechtschaffenheit eines
so großen Kaisers, der sein ganzes Leben hindurch mit
seinen Freunden und Hofleuten ungezwungen ver-
kehrte, ohne sich jemals ein so auffallendes Ge-
bahren göttlichen Wesens beizulegen, wie Alexander
und Demetrius; des Geschichtsschreibers, eines Zeit-
genossen, anerkannte Lauterkeit und Wahrheitsliebe
und überdies seine hohe Begabung, vielleicht die
größte und durchdringendste des ganzen Altertums;
seine Freiheit von jeder Neigung zur Leichtgläubig-
keit, die ihm vielmehr den gegenteiligen Vorwurf
der Gottlosigkeit und des Unglaubens eintrug; der
vermutlich unangreifbare Ruf, den Urteilskraft und
Wahrhaftigkeit der Bürgen für seine Wunderberichte
genossen — alles Augenzeugen des Tatbestandes,
die ihr Zeugnis wiederholten, als die Flavische Familie
^) Hist üb. V. cap. 8. Suetonins gibt annähernd den*
■elben Bericht in vita Vesp. 7. (Der Hinweis anf Sueton
kam in den Errata der Ausgabe F hinzu.)
144
Zehnter Abschnitt
Ober Wunder.
145
der Herrschaft beraubt war und nicht länger Beloh-
nungen als Preis für eine Lüge aussetzen konnte.
TJtrumque, qui interfuere, nunc quoque memorant, post-
quam nullum mendacio pretium. Nehmen wir endlich
die Öffentlichkeit des erzählten Vorfalls hinzu, so kann
ersichtlich keine stärkere Evidenz für eine so plumpe
und greifbare Unwahrheit ersonnen werden.
Auch der Kardinal de Retz erzählt eine merk-
würdige Geschichte, die wohl unserer Beachtung wert
sein dürfte. Als dieser ränkevolle Staatsmann, um
der Verfolgung seiner Feinde zu entgehen, nach
Spanien flüchtete, kam er durch Saragossa, die Haupt-
stadt von Aragonien. Hier zeigte man ihm in der
EaUiedrale einen Mann, der sieben^) Jahre dort als
Türhüter gedient hatte und allen Stadtbewohnern,
die je in dieser Kirche ihre Andacht verrichtet hatten,
wohlbekannt war. Man hatte ihn all diese Zeit mit
nur einem Bein gesehen; doch hatte er das fehlende
Glied wiedererhalten, nachdem er den Stumpf mit
heiligem öl eingerieben, und *) der Kardinal versichert,
ihn mit zwei Beinen gesehen zu haben. Dies Wunder
war von allen Instanzen der Kirche anerkannt worden.
Die ganze Stadtgemeinde wurde zur Bestätigung der
Tatsache aufgeboten; der Kardinal erkannte an ihrem
frommen Eifer, daß sie vollkommen an das Wunder
glaubten. Hier war der Berichterstatter ebenfalls ein
Zeitgenosse der angeblichen Naturwidrigkeit, ein un-
gläubiger und freigeistiger Charakter und dabei von
großer Begabung, das Wunder von so einzigartiger
Natur, daß es kaum eine Fälschung zuließ, die Zeugen
sehr zahlreich und alle gewissermaßen Zuschauer der
Tatsache, die sie bekundeten. Und was die Evidenz
gewaltig verstärkt und unser Staunen über diesen
Fall verdoppeln müßte, ist der Umstand, daß der
Kardinal selbst, der Erzähler dieser Geschichte, ihr
gar kein Vertrauen zu schenken scheint und folglich
nicht in den Verdacht geraten kann, an dem heiligen
^) zwanzig: Ausgaben E bis N.
^ Ausgaben E und F haben statt dessen: und als der
Kardinal «s prüfte, fand tr, daß es ein wirkliches natflr-
licbes Beia war wie das andere. n
Betrug mitgewirkt zu haben. Er erwog richtig, daß
es zur Ablehnung einer derartigen Tatsache nicht
erforderlich sei, das Zeugnis Punkt für Punkt zu
widerlegen und seine Falschheit durch alle Einzel-
heiten des Schelmentums und der Leichtgläubigkeit,
die sie hervorbrachten, nachzuweisen. Er wußte, daß
dies schon bei einem kleinen Abstand von Zeit und
Ort meist ganz unmöglich, und selbst bei un-
mittelbarer Gegenwart äußerst schwierig ist, wegen
der Frömmelei, Unwissenheit, Pfiffigkeit und Schur-
kerei eines großen Teils der Menschen. Er schloß
deshalb als folgerichtiger Denker, daß solch eine
Aussage das Zeichen der Unwahrheit schon auf der
Stirn trüge und daß ein auf menschliches Zeugnis
gestütztes Wunder mehr ein Gegenstand des Spottes
als der Widerlegung sei
Sicherlich ist niemals einer einzelnen Person eine
größere Anzahl von Wundern zugeschrieben worden,
als die, welche letzthin in Frankreich auf dem Grabe
des Abb^ Paris, des berühmten Jansenisten, gewirkt
sein sollen, mit dessen Heiligkeit das Volk so lange
getäuscht worden ist Die Heilung von Kranken, die
Verleihung des Gehörs an Taube, der Sehkraft an
Blinde wurden allerorten als übliche Wirkungen jener
heiligen Grabstätte ausgegeben. Was aber noch viel
mer^ürdiger ist: viele der Wunder wurden unmittel-
bar auf dem Flecke bewiesen, vor Richtern von unbe-
zweifelter Redlichkeit, auf das Zeugnis von glaub-
würdigen und angesehenen Personen hin, in einem
gebildeten Zeitalter und auf dem hervorragendsten
Schauplatz der jetzigen Welt Hiermit nicht genug:
ein Bericht über sie wurde veröffentlicht und überall
verbreitet; und die Jesuiten waren niemals imstande,
sie bestimmt zu widerlegen und aufzudecken, obwohl
sie eine gelehrte Körperschaft, von der Obrigkeit
unterstützt und entschiedene Feinde jener Anschau-
ungen waren, zu deren Gunsten die Wunder gewirkt
sein sollten. ^) Wo finden wir sonst eine solche Anzahl
^) Diese Schrift verfaßte Herr Montgeron, Rat oder
Richter im Pariser Parlament, ein Mann von Ansehen und
Charakter, der überdies zum Märtyrer für die Sache wurde,
Unme, Untersuohg. ab. d. menBChl. Verstand. JQ
!^. >\
146
Zehnter Abachnitt.
von Umständen, die zur Bestätigung einer Tatsache
zusammenträfen? Und was haben wir einem solchen
und jetst wegen seiue« Buchet in irgend einem Kerker
sitzen eolL
£■ gibt noch ein anderes Bach in drei Bänden (betitelt
Reoaeil des Miracles de TAbb^ Paris), worin viele
dieser Wander berichtet und mit recht gnt geschriebenen
einleitenden Bemerkungen verseben sind. Aber durch all
diese läuft eine lächerliche Vergleichang zwischen den
Wundern unseres Heilands und denen des Abbe; es wird
behauptet, daß die Aussagen för die letzteren denen för
die ersteren gleichwertig seien. Als ob das Zeugnis
von Menschen je gegen das von Gott selbst in die Wag-
schale geworfen werden konnte, der den inspirierten Ver-
fassern die Feder f&hrte. Sollten allerdings diese Verfasser
rein als menschliche beugen angesehen werden, so wäre der
französische Schriftsteller noch sehr gemäßigt in seinem
Vergleich; könnte er doch dann mit einigem Schein der
Berechtigung behaupten, daß die Jansenistiscben Wunder
iene anderen an Evidenz und Überzeugungskraft weit über-
treffen. Die folgenden Tatsachen sind aus beglaubigten
Quellen gezogen, die in dem oben erwähnten Buche ab-
gedruckt sind.
Viele der Wunder des Abbä Paris vmrden unmittelbar
durch Zeugen vor dem Oftizialat oder Bischöflichem Gericht
zu Paris bewiesen, unter den Augen des Kardinals Noailles,
dessen Redlichkeit und Verstandeskraft selbst seine Feinde
nie bestritten haben.
Sein Naclifolger im Erzbistum war ein Feind der
Jansenisten und deshalb auf diesen Stuhl berufen. Den-
nooh bestürmen ihn 22 Pfarrer oder Gur^ von Paris mit
höchster Eindringlichkeit, er möge diese Wunder untersuchen,
die sie als der ganzen Welt bekannt und über allem Zweifel
erhaben hinstellen. Br aber verzichtete weislich.
Die Molinisten-Partei hatte in dem einen Fall des
Fräulein Le Franc versucht, diese Wunder zu verdächtigen.
Aber einmal verfahren sie hierbei in vieler Hinsicht höchst
unangemessen, insbesondere verhörten sie nur wenige Jan-
senistische Zeugen, die sie bestachen, dann aber fanden
sie sich bald erdrückt von einem Schwärm neuer Zeugen,
hundertundzwanzig an der Zahl, meist glaubwürdige Leute
in guten Verhältnissen aus Paris, die das Wunder beschwuren.
Damit verbanden sie eine feierliche und eindringliche Ein-
gabe an das Parlament Diesem aber war von oben ver-
Ober Wunder.
147
Schwann von Zeugen anderes entgegenzuhalten, als
die vollkommene Unmöglichkeit oder die wunderbare
Natur der berichteten Ereignisse? Diese allein werden
boten worden, sich in die Angelegenheit zu mischen. —
Endlich wurde eingesehen, daß da, wo Menschen durch
Eifer und Begeisterung erhitzt sind, menschliches Zeugnis
von jeder erdenklichen Stärke für den größten Wider-
sinn aufgebracht werden kann; wer so töricht ist, die An-
gelegenheit auf diese Weise zu prüfen, und nach besonderen
Mängeln im Zeugnis zu suchen, wird fast sicher abgeführt
werden. Das muß in der Tat ein jämmerlicher Betrug sein,
der in solchem Streit nicht die Oberhand behielte.
Alle die sich zu jener Zeit in Prankreich aufhielten,
kannten den Kuf des Herrn Heraut, des Lieutenant de polioe,
dessen Wachsamkeit, Scharfsinn, Tatkraft und umfassende
Begabung viel gerühmt wurden. Dieser Beamte, dessen Be-
fugnisse naturgemäß fast unumschränkt sind, wurde mit
Vollmacht ausgestattet, um diese Wunder zu unterdrücken
oder zu verdächtigen. Er griff häufig die Zeugen und die
dabei Beteiligten sofort auf und verhörte sie, — doch niemals
konnte er etwas Entscheidendes gegen sie ausfindig machen.
Im Falle des Fräulein Thibaut sandte er den be-
rühmten de Sylva zur Untersuchung; dessen Aussage ist
höchst merkwürdig. Der Arzt erklärt es für unmöglich,
daß sie so krank gewesen sein könne, wie die Zeugen be-
kundeten; denn es sei unmöglich, daß sie in so kuraer Zeit
so völlig hergestellt hätte sein können, wie er sie antraf.
Sein Gedankengang war der eines verständigen Mannes, aus
natürlichen Ursachen gefolgert; aber die Gegenpartei er-
widerte ihm, das Ganze sei ein Wander und seine Aussage
gerade der beste Beweis dafür.
Die Molinisten befanden sich in einer üblen Lage. Sie
durften nicht die vollkommene Unzulänglichkeit menschlicher
Aussagen behaupten, wo es ein Wunder zu beweisen galt.
Sie waren daher genötigt, diese Wunder als Zauber- und
Teufelswerk hinzustellen. Aber es wurde ihnen entgegnet,
daß auch die alten Juden auf diese Ausflucht verfallen wären.
Es hat keinen Jansenisten jemals in Verlegenheit ge-
setzt, Rechenschaft über das Aufhören der Wunder zu geben,
als der Kirchhof auf königlichen Befehl geschlossen wurde.
Die Berührung des Grabes war es, welche diese außerordent-
lichen Wirkungen hervorbrachte; konnte sich niemand dem
Grabe nähern, so konnten keine Wirkungen erwartet werden.
Allerdings hätte Gtott in einem Augenblick die Mauern nieder-
Ettwerfen vermocht, aber er ist Herr seiner eignen Gnaden,
10*
\
über Wunder.
149
148
Zehnter Abschnitt.
!'■
aber in den Augen aller vernünftigen Leute als ge-
nügende Widerlegung gelten.
Ist es eine richtige Folgerung, wenn manches
und Werke, and es kommt uns nicht zu, dafür Grande zu
suchen. Er hat nicht die Mauern jeder Stadt, wie die von
Jericho, durch das Schmettern der Widderhörner umgeworfen,
noch hat er das Gefängnis jedes Apostels, wie das des hL
Paulus aufgebrochen.
Kein Geringerer als der Duc de Chatillon, ein
Herzog und Pair von Frankreich, an Rang und Geburt
einer der Vornehmsten, bezeugt eine Wunderheilung bei
einem seiner Diener, der mehrere Jahre in seinem Hause
mit einem sichtbaren und greifbaren Leiden behaftet ge-
wesen.
Zum Schluß will ich bemerken, daß die weltliche Geist-
lichkeit Frankreichs vor jeder anderen wegen ihres strengen
Lebenswandels gerühmt wird, besonders die Pfarrer oder
Cures von Paris, welche fardiese Betrügereien Zeugnis ablegten.
Die Gelehrsamkeit, der Geist und die Rechtlichkeit der
Herren und die Sittenstrenge der Nonnen von PortRoyal
sind in ganz Europa gefeiert worden. Dennoch sagen sie
alle zugunsten eines Wunders aus, das an der Nichte des
berühmten Pascal geschehen sei, dessen heiliger Lebens-
wandel und außerordentliche Begabung allbekannt sind.
(Ausgabe F fügt zu: obwohl auch er an dieses und an viele
andere Wunder glaubte, über die er nicht so gut unterrichtet
sein konnte. Siehe seine Lebensbeschreibung. Hier schließt
Ausgabe F.) Der berühmte Racine berichtet über dies Wunder
in seiner berühmten Geschichte von Port Royal und stützt
es mit allen Beweisen, die eine große Zahl von Nonnen,
Priestern, Ärzten und Weltmännern, alle zweifellos glaub-
würdig, dafür aufbringen konnten. Mehrere Gelehrte, ins-
besondere der Bischof von Tournay, hielten dies Wunder
für so gewiß, daß sie es zur Widerlegung von Atheisten und
Freidenkern benutzten. Die Königin-Regentin von Frankreich,
die gegen Port Royal äußerst eingenommen war, sandte ihren
Leibarzt zur Untersuchung des Wunders; aber auch er kam
als ein völlig Bekelirter zurück. Kurz, die übernatürliche
Heilung war so unbestreitbar, daß sie eine Zeitlang jenes
berühmte Kloster vor dem Zusammenbruch schützte, mit
dem es die Jesuiten bedrohten. Wäre es ein Betrug ge-
wesen, so wäre es durch scharfsinnige und mächtige Gegner
aufgedeckt worden und hätte die Vernichtung der Anstifter
beschleunigen müssen. Mit welch verächtlichem Material
vermögen nicht unsere Gottosgelehrten eine stolze Burg zu
menschliche Zeugnis höchste Kraft und Glaubwürdig-
keit in manchen Fällen besitzt, zum Beispiel wenn
es die Schlacht bei Philipp! oder Pharsalus be-
richtet: daß darum auch alle Arten von Zeugnis in
allen Fällen gleiche Kraft und Glaubwürdigkeit haben
müssen? Angenommen, die Gäsarianer und Pomp ejaner
hätten beiderseits in diesen Schlachten den Sieg für
sich beansprucht und die Geschichtschreiber jeder
Partei hätten einmütig den Vorteil ihrer eigenen Seite
zugeschrieben, wie hätten die Menschen nach so
langem Zeitraum zwischen ihnen eine Entscheidung
treffen können? Der Widerstreit ist ebenso stark
zwischen den von Herodot oder Plutarch berichteten
Wundern und denen, welche Mariana, Bede oder irgend
ein mönchischer Geschichtschreiber überliefern.
Der Weise schenkt jedem Bericht nur sehr skep-
tisches Vertrauen, der den Affekten des Berichter-
statters entgegenkommt, ob er nun dessen Land, Fa-
milie oder eigene Person verherrlicht, oder auf andere
Weise mit dessen natürlicher Neigung und Vorliebe zu-
sammentrifft. Welche größere Versuchung aber gibt
ee, als für einen Beai3tragten, einen Propheten und
Sendboten des Himmels gehalten zu werden? Wer
möchte nicht viele Gefahren und Schwierigkeiten be-
stehen, um eine so erhabene Rolle zu erhalten?
Hat aber mit Hilfe von Eitelkeit und erhitzter Ein-
bildungskraft jemand sich selbst bekehrt und ernst-
haft in diese Verblendung versetzt — wird er sich
dann wohl je ein Gewissen daraus machen, frommen
errichten! Welchen Wunderbau hätten sie erst zustande
bringen können aus diesen und vielen anderen von mir
nicht erwähnten Umständen? Wie oft würden die großen
Namon Pascal, Racine, Arnaud, Nicole in unseren Ohren
geklungen haben! Wären sie klug, so würden sie das
Wunder lieber annehmen, das an Wert den ganzen übrigen
Bestand ihrer Sammlung übertrifft. Nebenbei würde es
ganz besonders ihren Zwecken dienen. Denn jenes Wunder
geschah wirklich bei der Berührung eines echten heiligen
Stachels von den heiligen Domen, aus denen die heilige
Krone bestand, welche u. s. w. (Diese Anmerkung wurde in
Ausgabe F hinzugefugt.)
150
Zehnter Abschnitt
über Wnnder.
151
I
Betrug anzuwenden, am eine so heilige und ver-
diensuiche Sache zu unterstützen?
Der kleinste Funke kann hier zur größten Flamme
entfacht werden, weil 4er Stoff dazu immer bereit
liegt. Das avidum geniis auricularum^), die gaffende
Menge, empfängt gierig ohne Prüfung alles, was dem
Aberglauben schmeichelt und das Staunen befördert
Wie manche derartige Geschichte ist zu allen
Zeiten in ihrem Ehitstehen entdeckt und überwunden
worden! Wie viel andere mehr sind eine Weile
hochgekommen, um später in Nichtachtung und Ver-
gessenheit zu versinken! Wo also solche j^richte um-
gehen, da liegt die Elrklärung der Erscheinung auf
der Hand; wir urteilen im Einklang mit regelmäßiger
E2rfahrung und Beobachtung, wenn wir die bekannten
und natürlichen Prinzipien, Leichtgläubigkeit und Ver-
blendung, als Grund dafür angeben. Sollen wir lieber
eine wunderbare Verletzung der gesichertsten Natur-
gesetze zugestehen, anstatt zu einer äo natürlichen
Lösung zu greifen?
Ich brauche nicht die Schwierigkeit zu erwähnen,
eine Unwahrheit in einem privaten oder selbst öffent-
lichen Bericht schon dort aufzudecken, wo das Er-
eignis sich abgespielt haben soll; weit größer wird
sie, wenn der Schauplatz in einer noch so geringen
Entfernung liegt. Selbst ein Gerichtshof mit all der
Macht, Genauigkeit und Urteilskraft, die ihm zu Gebote
stehen, gerät oft in Verlegenheit, bei Greschehnissen
der jüngsten Vergangenheit zwischen Wahr und Falsch
zu unterscheiden. Aber die Sache kommt niemals zum
Austrag, wenn man sich der gewöhnlichen Methoden,
des Zanks und Streits und. schwirrender Gerüchte
bedient; vor allem da, wo menschliche Affekte auf
beiden Seiten sich einmischen.
Solange sich neue Religionen noch in der Kind-
heit befinden, halten die Verständigen und Gelehrten
die Sache meist ihrer Aufmerksamkeit und Beachtung
nicht für wert. Später, wenn sie den Betrug gerne
|) Lncretins IV, 594. (Dieser Hinweis wurde in Ans-
icabe ¥ zugefägt und die falsche Übersetzung im Text der
Ausgabe M eingeschoben.)
aufdecken möchten, um die verblendete Menge aus
der Täuschung zu befreien, ist der Augenblick ver-
paßt; die Beweisstücke und die Zeugen, die die Sache
klären könnten, sind unwiederbringlich verloren.
Von allen Mitteln der Entlarvung bleiben nur
diejenigen bestehen, welche aus dem Zeugnis der Be-
richterstatter selbst geschöpft werden müssen, und
diese genügen zwar immer für die Urteilskräftigen
und Gebildeten, sind iaiber meist zu fein, um dem Ver-
ständnis der Menge zugänglich zu sein.
Alles in allem zeigt sich, daß niemals ein Zeugnis
für irgend eine Art Wunder sich bis zur Wahrschein-
lichkeit erhoben hat^, geschweige denn zu einem
Beweis; aber selbst angenommen, es erhöbe sich zu
einem solchen Beweis, so hätte dieser einen anderen
Beweis gegen sich, aus der Natur der Tatsache
selbst entsprungen, die er festzustellen sich bemühte.
Nur die Erfahrung allein gibt menschlichem Zeugnis
verbindliche Kraf^ und dieselbe Erfahrung ist es,
welche uns der Naturgesetze versichert Widerstreiten
sich also diese beiden Arten von Erfahrung, so haben
wir lediglich die eine von der anderen abzuziehen
und uns mit unserer Meinung auf die eine oder smdere
Seite zu stellen mit demjenigen Grad von Sicher-
heit, welcher sich aus dem Rest ergibt Aber gemäß
den hier entwickelten Prinzipien kommt diese Substrak-
tion, auf alle Volksreligionen angewandt, einer voll-
ständigen Vernichtung gleich; deslialb dürfen wir als
Regel aufstellen, daß kein menschliches Zeugnis ge-
nügende Kraft besitzen kann, um ein Wunder zu be-
weisen und zu einer berechtigten Grundlage für ein
solches Religionssystem zu machen.
Ich bitte, die hier gemachten Einschränkungen «)
zu beachten, die in dem Satze liegen: ein Wunder
könne nie so bewiesen werden, daß es zur Grund-
lage eines Religionssystems taugte. Ich gebe nämlioh
zu, daß es in anderer Art möglicherweise solche
>) sich [bis zur Wahrscheinlichkeit] erheben kann, Aus-
gaben £ und F.
*) Dieser und die drei folgenden Absätze sind in Aus-
gaben B bis P als Anmerkungen gegeben.
152
Zehnter Abschnitt
Wunder oder Verletzungen des gewöhnlichen Natur-
lauls geben mag, die durch menschliches Zeugnis
beweisbar sind, obwohl es vielleicht unmöglich ist,
in irgendeiner Geschichtsurkunde ein solches zu
finden. Setzen wir einmal den Fall, alle Schrift-
steller aller Sprachen stimmten darin überein, dai3
vom 1. Januar 1600 an sich über die ganze Erde
eine vollkommene Dunkelheit acht Tage lang aus-
gebreitet habe, daß die Überlieferung dieses außer-
ordentlichen Ereignisses noch im Volke stark und
lebendig sei, daß alle Reisenden, die aus fremden
Ländern zurückkehrten, uns Nachricht von der
gleichen Überlieferung brächten, ganz ohne Ab-
weichung und Widerspruch: so müßten offenbar unsere
heutigen Gelehrten die Tatsache, statt sie zu be-
zweifeln, für gewiß annehmen und nach den mög-
lichen Ursachen ihrer Entstehung forschen. Verfall,
Zerrüttung und Auflösung der Natur sind Ereignisse,
die aus so manchen Analogien wahrscheinlich ge-
macht sind, daß eine Erscheinung, die auf jenen Zu-
sammenbruch hinzudeuten scheint, in den Bereich
menschlichen Zeugnisses fällt, wenn nur die Zeug-
nisse sehr zahlreich und gleichlautend sind. *)
Setzen wir dagegen den Fall, alle Geschichtforscher,
die über England schreiben, stimmten darin überein.
daß am 1. Januar 1600 die Königin Elisabeth gestorben
sei; daß sie sowohl vor als nach ihrem Tode von ihren
Ärzten und dem ganzen Hofe gesehen wurde, wie
dies der Brauch bei Personen ihres Ranges ist; daß
ihr Nachfolger vom Parlament anerkannt und aus-
gerufen worden sei; und daß sie, nachdem sie einen
Monat in der Erde gelegen, wieder erschienen sei,
den Thron von neuem bestiegen und England noch drei
Jahre regiert habe — dann allerdings würde mich
das Zusammentreffen so vieler sonderbaren Umstände
überraschen, aber ich würde nicht im geringsten
geneigt sein, an ein so wunderbares Ereignis zu
flauben. Ihren vorgeblichen Tod und jene anderen
arauffolgenden öffentlichen Ereignisse würde ich
nicht bezweifeln, nur behaupten, daß es eben ein
*) Dieser Satz kam in Ausgabe K hinzu.
Über Wunder.
153
vorgeblicher gewesen ist und ein wirklicher weder
war noch hätte sein können. Umsonst hielte man
mir die Schwierigkeit, ja fast Unmöglichkeit vor, die
Welt in einer so folgenschweren Angelegenheit zu
läuschen; die Klugheit ^) und das sichere Urteil dieser
berühmten Königin — dazu, daß der Nutzen dieses
jämmerlichen Blendwerks so gering oder gar nicht
vorhanden sei — all das könnte mich zwar in Staunen
setzen, aber ich würde dennoch erwidern, daß die
Schurkerei und Narrheit der Menschen derartig ge-
wöhnliche Erscheinungen sind, daß ich eher an die
außerordentlichsten Ereignisse als Folge ihres Zu-
sammenwirkens glauben, als eine so einzigartige Ver-
letzung der Naturgesetze anerkennen möclite.
Nähme man aber dies Wunder für irgend ein
neues Religionssystem in Anspruch, so müßte, da die
Menschen zu allen Zeiten durch lächerliche Geschichten
solcher Art so sehr getäuscht worden sind, dieser
Umstand gerade als voller Beweis des Betrugs gelten
und allen verständigen Leuten genügen, die Tat-
sache nicht nur zu verwerfen, sondern dies sogar ohne
weitere Prüfung zu tun. Wenn auch das Wesen, dem
man das Wunder zuschreibt, in dem Falle all-
mächtig wäre, so wird dieses dadurch nicht eine Spur
wahrscheinlicher; ist es ums doch nur möglich, die
Eigenschaften oder Handlungen eines solchen Wesens
aus der Erfahrung, die wir von seinen Äußerungen
im gewohnten Naturlauf haben, kennen zu lernen. Dies
verweist uns auf frühere Beobachtung und nötigt
uns zum Vergleich zwischen Fällen der Wahrheite-
verletzung im menschlichen Zeugnis und solchen der
Verletzung der Naturgesetze durch Wunder, um uns
ein Urteil zu bilden, welche von ihnen am nächsten
liegen und am wahrscheinlichsten sind. Da die Wahr-
heitsverletzungen im Zeugnis über religiöse Wunder
häufiger sind als in dem über irgendwelche anderen
Tatsachen, so muß dieser Umstand das Gewicht des
ersteren sehr herabmindern und uns ein für allemal
zu dem Entschluß führen, es niemals zu beachten,
sei es auch in noch so glänzenden Schein gehüllt
^) und Rechtschaffenheit, Ausgaben E bii P.
154
Zehnter Abschnitt.
LordBaconi) scheint denselben Prinzipien derVer-
nnnfttatigkeit gehuldigt zu haben. „Wir sollten,*^ sagt
er, ,,eine Sammlung oder SpezialgeschichteTon allen Ab-
normitäten, Mißgä>urten oder Mißbildungen anlegen,
kurz von allem Neuen, Seltenen und Außergewöhn-
lichen in der Natur. Doch hat dies mit der strengsten
Auswahl zu geschehen, damit wir nicht von der Wahr-
heit abweichen. Vor allem muß jeder Bericht als
verdächtig gelten, der, wie die Wundererzählungen
des Livius, irgendwie zur Religion in Beziehung steht.
Nicht minder aber alles, was sich in den Schriften
über natürliche Magie und Alchimie oder ähnliches
findet, deren Verfasser sämtlich eine unbesiegbare
Gier nach Unwahrheit und Märchen haben.***)
Ich bin mit der hier entwickelten Methode der Ver-
nunfttätigkeit um so zufriedener, als sie meines Er-
achtens dazu dienen kann, jene gefährlichen Freunde
oder versteckten Feinde der christlichen Religion
abzuführen, die es unternommen haben, sie mit den
Prinzipien der menschlichen Vernunft zu verteidigen.
Unsere allerheiligste Religion gründet sich auf
Glauben, nicht auf Vernunft. Es ist der sichere
Weg, sie bloßzustellen, wenn man sie einer solchen
Probe aussetzt, die zu bestehen sie in keiner Weise ge-
eignet ist Zur näheren Beleuchtung wollen wir jene
in der Schrift berichteten Wunder vornehmen; um
uns dabei nicht zu weit zu verlieren, werden wir uns
auf die beschränken, die wir im Pentateuch vorfinden,
und diese nach den Prinzipien jener angeblichein
Christen prüfen, also nicht als Gottes Wort oder Zeug-
nis selbst, sondern als das Machwerk eines bloß
menschlichen Verfassers und Geschichtschreibers. Da
haben wir denn zunächst ein Buch vor ons^ das uns
von einem barbarischen, unwissenden Volk überliefert
ist, zu einer Zeit geschrieben, wo es noch barbarischer
war und die Ereignisse sehr wahrscheinlich längst
vergangen, von denen es berichtet, durch kein gleich-
lautendes Zeugnis bestätigt und jenen Märchenerzäh-
') Dieser Absatz, der sich in den Ausgaben E und F
nicht vorfindet, steht in den Ausgaben K bis P als Anmerkung;
«r wird in den Ausgaben K bis P lateinisch angefahrt.
•) Not. org. Hb. 11 «ph. 29.
Über Wunder.
155
lungen gleichend, die jedes Volk von seinem Ursprung
gibt Beim Lesen dieses Buches stoßen wir überall
auf Naturwidrigkeiten und Wunder. Es berichtet von
einem Zustand der Welt und der Menschennatur, der
völlig von dem gegenwärtigen abweicht; von unserer
Vertreibung aus diesem Zustande; von einer Lebens-
dauer des Menschen, die fast tausend Jahre erreicht;
von der Zerstörung der Welt durch eine Sintflut;
von der willkürlichen Erwählung eines Volkes als
Günstling des Himmels — und dies Volk sind die
Landsleute des Verfassers; von seiner Befreiung aus
der Knechtschaft durch Naturwidrigkeiten der er-
staunlichsten Art. Nun bitte ich einen jeden, Hand
aufs Herz und nach reiflicher Erwägung zu be-
kennen, ob es ihm dünkt, daß die Falschheit eines
solchen Buches, das durch solches Zeugnis gestützt
wird, außerordentlicher und wunderbarer sein würde
als alle die Wunder, die es berichtet; und doch wäre
dies gemäß dem vorher aufgestellten Wahrscheinlich-
keitsmaßstab notwendig, um ihm Anerkennung zu ver-
schaffen.
Was wir über Wunder sagten, läßt sich ohne jede
Änderung auch auf Prophezeiungen anwenden; denn
in der Tat sind alle Prophezeiungen wirkliche Wunder
und können nur als solche zum Beweise für eine Offen-
barung dienen. Überschritte ein Voraussagen der
Zukunft nicht die f^higkeiten der menschlichen Natur,
so wäre es unsinnig, irgend eine Prophezeiung als
Begründung für eine göttliche Sendung oder vom
Himmel stammende Machtbefugnis anzuführen. So
dürfen wir alles in allem schließen, daß die christ-
liche Religion nicht nur im Anfange von Wundem
begleitet war, sondern noch heutigen Tages von keinem
verständigen Menschen ohne die Annahme eines solchen
geglaubt werden kann. Bloße Vernunft ist ungenügend,
um uns von ihrer Wahrheit zu überzeugen. Wen der
Glaube bewegt, ihr zuzustimmen, der ist sich eines
fortgesetzten Wunders in seiner eigenen Person be-
wußt, das alle Prinzipien seines Verstandes um-
kehrt und ihn bestimmt, das zu glauben, was dem
Gewohnten und der Erfahrung am meisten wider-
streitet.
' w
Elfter Abschnitt.
Ober eine besondere Vorsehung und ein
zulcünftiges Dasein.^)
Jüngst unterhielt ich mich mit einem Freunde,
der skeptische Paradoxe liebt; obwohl ich viele Prin-
zipien, die er dabei vorbrachte, keineswegs billigen
kann, so scheinen sie doch interessant zu sein und
einigermaßen in Beziehung zu der durch diese Unter-
suchung laufenden Reihe von Gedankengangen zu
stehen, weswegen ich sie hier so genau wie "möglich
aus der Erinnerung wiedergeben wül, um sie dem Ur-
teil des Lesers zu unterbreiten.
Unser Gespräch begann damit, daß ich das seltene
Glück der Philosophie bewunderte.- Sie, die voll-
kommener Freiheit als ihres höchsten Vorrechts be-
darf und hauptsächlich durch den ungehinderten Kampf
der entgegengesetzten Meinungen und Beweisführungen
zur Blüte kommt, hatte ihre erste Wiege zu einer Zeit
und in einem Lande der Freiheit und Duldsamkeit und
wurde selbst in ihren ausschweifendsten Prinzipien
niemals durch Glaubenssätze, Bekenntnisse und Straf-
bestimmungen eingeengt Außer der Verbannung des
Protagoras und der Hinrichtung des Sokrates, welch
letztere teilweise aus anderen Beweggründen er-
folgte, finden sich kaum Beispiele in der alten Ge-
schichte für diesen frömmelnden Eifer, an dem das
jetzige Zeitalter so stark krankt Epikur lebte bis
zu hohem Alter in Athen in Frieden und Ruhe; Epi-
kuraer*) wurden selbst zu den priesterlichen Weihen
zugelassen und verrichteten am Altar die heiligsten
*) Von den praktischen Folgen der natürlichen Religion:
Ausgabe E.
*) Lnoiani ovfm ij Xani^at 9.
Ober eine besond. Vorsehung u. ein zukünftiges Dasein. 157
Zeremonien der Staatsreligion; ebenso wurden die
off entliehen Unterstützungen*) in Form von Jahr-
geldern und Gehältern von dem weisesten aller rö-
mischen Kaiser *) gleichmäßig den Lehrern einer jeden
philosophischen Sekte gewährt. Wie sehr die Philo-
sophie in ihrer frühen Jugend einer derartigen Be-
handlung bedurfte, begreift sich leicht, wenn wir be-
denken, daß selbst heutzutage, wo man sie doch für
kräftiger und widerstandsfähiger halten sollte, sie
nur schwer die Ungunst der Zeiten und jene rauhen
Winde der Verleumdung und Verfolgung erträgt, die
über sie hinfahren.
Du bewunderst, sagte mein Freund, als ein sel-
tenes Glück der Philosophie, was doch nur aus dem
natürlichen Lauf der Dinge zu entspringen und in
jedem Zeitalter, bei jedem Volke unvermeidlich zu
sein scheint Diese hartnäckige Frömmelei, über die
du dich beklagst, weil sie der Philosophie so schädlich
sei, ist in Wahrheit ihr Sprößling; erst nach ihrer
Verbindung mit dem Aberglauben trennt sie sich
völlig von der Partei ihrer Mutter und wird ihre er-
bitterte Feindin und Verfolgerin. So tiefsinnige
Glaubenssätze, wie sie gegenwärtig Anlaß zu wütendem
Streit geben, konnten unmöglich in den frühsten Zeit-
altern erdacht oder angenommen werden; damals bil-
dete sich die noch ganz ungelehrte Menschheit re-
ligiöse Vorstellungen, die besser zu ihrer schwachen
Fassungskraft paßten, und stellte ihre heiligen
Satzungen aus Erzählungen zusammen, die mehr
Gegenstand des überlieferten Glaubens als der Be-
gründung und Diakussion waren. Nachdem nun der
erste Schreck vorüber war, den die neuen Paradoxe
und Prinzipien der Philosophen erregt hatten, scheinen
diese Lehrer die ganze folgende Zeit des Altertums
in großer Eintracht mit dem herrschenden Aber-
glauben gelebt und sich mit ihm in die Menschheit
redlich geteilt zu haben. Die ersteren beanspruchten
alle Gebildeten und Klugen, dem letzteren gehörte die
ungebildete Masse.
^) Luciani svvoü/og 3.
«) Id. u. Die.
158
£lfter AbsolmiU.
Du scheinst demnach, erwiderte ich, politische
Rücksichten ganz aus dem Spiel zu lassen und nicht
anzunehmen, daß eine weise Obrigkeit mit Recht auf
gewisse Sätze der Philosophie scheel sehen könne, wie
etwa auf die des Epikur, welche mit ihrem Leugnen
der Existenz Gottes und folglich einer Vorsehung und
eines zukünftigen Daseins in beträchtlichem Maße die
Bande der Sittlichkeit zu lockern scheinen und aus
diesem Grunde als verderblich für den Frieden der bür-
gerlichen Gesellschaft wohlangesehen werden können.
Ich weiß, antwortete er, daß diese Verfolgungen
in der Tat zu keiner Zeit jemals das Werk ruhiger
Vernunft oder der Erfahrung von den verderb-
lichen Folgen der Philosophie waren, sondern einzig
aus Affekten und Vorurteil entsprangen. Wie aber,
wenn ich weitergehen und behaupten wollte, daß
Epikur, falls er durch einen der Sykophanten oder
Angeber jener Tage vor dem Volke angeklagt worden
wäre, seine Sache mit Leichtigkeit hätte verteidigen
und beweisen können, daß seine philosophischen Prin-
zipien ebenso heilsam wären, wie die seiner Gegner,
welche ihn mit solchem Eifer dem allgemeinen Haß und
Übelwollen auszusetzen strebten.
Ich wünschte, sagte ich, du versuchtest deine Be-
redsamkeit an einem so ungewöhnlichen Vorwurf und
hieltest eine Rede für Epikur, die zwar nicht den
Pöbel von Athen zu befriedigen brauchte, wenn du
zugibst, daß eine so alte und kultivierte Stadt über-
haupt einen Pöbel besessen hat, aber den philosophisch
gebildeten Teil ^seiner Zuhörerschaft, bei dem ein
Verständnis seiner Begründungen vorausgesetzt wer-
den darl
Unter solchen Bedingungen dürfte das nicht
schwer sein, erwiderte er. Wenn du nichts dagegen
hast, will ich einen Augenblick die Rolle Epikurs über-
nehmen und dich das Volk von Athen vertreten lassen;
ich werde eine solche Ansprache an dich halten, daß
sich die Urne ganz mit weißen Bohnen füllt und die
Bosheit meiner Gegner sich an keiner schwarzen er-
freuen kann.
Sehr wohl; beginne bitte unter diesen Voraus-
setzungen.
Über eine besond. Vonehung u. ein zukflnftigef Dasein. 159
Ich trete vor euch hin, ihr Athener, um in eurer
Versammlung das zu rechtfertigen, was ich in meiner
Schule gelehrt habe. Ich finde mich angeklagt von
wütenden Gegnern, anstatt mit ruhigen und leiden-
schaftlosen Forschern vernünftig zu reden. Elure
Verhandlungen, die von Rechts wegen Fragen des
öffentlichen Wohls und des Staatsinteresses zuge-
wendet sein sollten, haben sich Untersuchungen der
spekulativen Philosophie zugewendet; und diese er-
habenen aber vielleicht fruchtlosen Forschungen er-
setzen eure alltäglichere aber auch nützlichere Be-
schäftigung. Soweit es an mir liegt, will ich
diesem Mißbrauch vorbeugen. Wir werden hier nicht
über den Ursprung und die Regierung der Welten
verhandeln. Wir werden nur untersuchen, wie weit
derartige Fragen das öffentliche Interesse berühren.
Und wenn ich euch überzeugen kann, daß sie für
den Frieden der Gesellschaft und die Sicherheit der
Regierung ganz ohne Bedeutung sind, so werdöt ihr
uns hoffentlich alsbald in unsere Schulen zurück-
senden, dort in Muße die Frage zu prüfen, welche
zwar die erhabenste, aber zugleich auch die tiefsin-
nigste in der ganzen Philosophie ist.
Die Religionsphilosophen begnügen sich nicht mit
der Überlieferung eurer Vorfahren, den Lehren eurer
Priester (denen ich mich gern unterwerfe), sondern
geben voreiliger Neugier Raum und versuchen, in-
wieweit sie <üe Religion auf Vernunftprinzipien er-
bauen können. So erregen sie, statt sie zu befriedigen,
Zweifel, die naturgemäß bei einer gründlichen und
peinlichen Untersuchung entstehen müssen. In den
prächtigsten Farben malen sie die Ordnung, Schönheit
und weise Einrichtung des Weltalls; und dann fragen
sie, ob solch herrliche Entfaltung von Einsicht aus
dem ungefähren Zusammentreffen der Atome ent-
stehen, oder ob der Zufall das hervorbringen könne,
was der größte Geist nie genugsam zu bewundem
vermag. Ich will die Richtigkeit dieser Begründung
nicht prüfen. Sie mag so stichhaltig sein, wie es meine
Gegner und Ankläger nur wünschen können. Es ge-
nügt, wenn ich aus dem nämlichen Gredankengang
beweisen kann, daß diese Frage gänzlich spekulativ
160
Slfter Abschnitt.
ist, und daß, wenn ich in meinen philosophischen Be-
trachtungen eine Vorsehung und ein künftiges Da-
sein leugne, ich nicht die Grundlagen der Geeell-
schaft untergrabe, sondern Prinzipien aufstelle, die
sie selbst aiä ihrem eigenen Gebiete, wenn anders
sie richtig folgern, als stichhaltig und befriedigend
anerkennen müssen.
Ihr, meine Ankläger, habt also selbst zugegeben,
daß die hauptsächliche oder einzige Begründung für
das Dasein eines Gottes (das ich nie in Frage gestellt
habe) aus der Ordnung der Natur abfließt. Bestehen
doch in ihr solche Anzeichen von Intelligenz und Ab-
sicht, daß es euch ausgefallen dünkt, dafür als Ur-
sache entweder den Zufall oder die blinde führerlose
Kraft des Stoffes anzugeben. Ihr gebt zu, daß dies
eine Begründung ist, die von Wirkungen zu Ur-
sachen geht Aus der Anordnung des Werks leitet
ihr ab, daß Planmäßigkeit und Voraussicht dem Werk-
meister zu eigen gewesen sein müssen. Wenn ihr
diesen Punkt nicht sicherstellen könnt, so fällt nach
eurem Geständnis euer Schluß dahin; und ihr be-
ansprucht nicht, dem Schluß eine weitere Greltung zu
verschaffen, als die Naturerscheinungen rechtfertigen.
Soviel räumt ihr ein. Ich fordere euch aut die Folgen
zu beachten.
Wo wir irgend eine bestimmte Ursache aus einer
Wirkung herleiten, müssen wir die eine zur anderen
ins Verhältnis setzen und können uns niemals ge-
statten, der Ursache mehr Eigenschaften zuzu-
schreiben, als gerade benötigt werden, die Wirkung
zu erzielen. Wenn ein zehn Unzen schwerer Körper
sich in einer Wagschale hebt, so kann das als Beweis
dienen, daß das Gegengewicht zehn Unzen übersteigt;
kann aber niemals einen Grund abgeben, daß es
hundert übersteigt Ist die Ursache, die einer Wirkung
zugeschrieben wird, nicht ausreichend, sie hervor-
zubringen, so müssen wir entweder diese Ursache
verwerfen, oder ihr solche Eigenschaften hinzufügen,
die sie zu der Wirkung in ein richtiges Verhältnis
bringen. Schreiben wir ihr aber weitere Eigenschaften
zu oder die Fähigkeit, andere Wirkungen hervorzu-
bringen, so geben wir eben nur Vermutungen Raum
Über eine besond. Vorsehnng o. ein zukflnfliges Dasein. 161
und setzen willkürlich ohne Grund und Verbind-
lichkeit das Dasein von Eigenschaften und Kräften
voraus.
Dieselbe Regel gilt, mag die angeführte Ursache
der stumpfe, unbewußte Stoff oder ein vernünftiges,
intellektbegabtes Wesen sein. Läßt sich die Ursache
nur aus der Wirkung kennen lernen, so sollten wir ihr
niemals weitere Eigenschaften zuschreiben als die un-
umgänglich zur Erzeugung der Wirkung erforderlichen.
Ebensowenig dürfen wir, nach allen Regeln folge-
rechter Vernunfttätigkeit, wieder von der Ursache aus-
gehen und andere Wirkungen aus ihr herleiten, über
die hinaus, durch welche sie uns allein bekannt ist
Niemand könnte, allein aus dem Anblick eines Gemäldes
von Zeuxis wissen, daß dieser auch ein Bildhauer und
Baumeister gewesen ist, und als Künstler nicht minder
geschickt in Stein und Marmor als in Farben. Nur das
Talent und den Geschmack, der in dem bestimmten uns
vorliegenden Werke sich entfaltet, können wir mit
Zuversicht als Eigenschaften des Werkmeisters er-
schließen. Die Ursache muß zu der Wirkung im Ver-
hältnis stehen; und wenn wir sie vollkommen genau an-
passen, so werden wir an ihr niemals Eigenschaften fin-
den, die auf weiteres hinweisen oder die Ableitung von
irgendwelchen anderen Absichten oder Taten erlauben.
Solche Eigenschaften müßten einen Überschuß bilden
über das hinaus, was nur gerade erforderlich zur
Erzeugung der untersuchten Wirkung ist
USumen wir also ein, daß die Götter Urheber
des Daseins oder der Ordnung des Weltalls sind; so
folgt daraus, daß sie genau den Grad von Macht,
Intelligenz und Wohlwollen besitzen, der in ihrem Werke
erscheint; aber nichts weiter kann bewiesen werden,
wenn man nicht Übertreibung und Schmeichelei zu
Hilfe nehmen will, um die Lücken in der Begründung
und im Gedankengang zu ergänzen. Soweit in der
Gegenwart sich Spuren irgendwelcher Eigenschaften
zeigen, soweit dürfen wir auf das Dasein dieser Eigen-
schaften schließen. Die Annahme weiterer Eigen-
schaften ist reine Hypothese; noch mehr die Annahme,
daß in fernen Räumen oder Zeiten eine glorreich^e
Entfaltung dieser Eigenschaften und ein Regierungs-
H«me, Unteraachg. ab. d. menichl. Verstand.
11
162
Ellber Abschnitt.
plan bestanden haben oder bestehen werden, die
solchen erdichteten Tugenden angemessen sind. Wir
dürfen uns niemals erlauben, von dem Weltall als
Wirkung zu Jupiter als Ursache aufzusteigen, und
dann niederzusteigen, um irgend eine neue Wirkung
aus dieser Ursache abzuleiten; als ob die gegen-
wärtigen Wirkungen allein der ruhmvollen Eigen-
schaften nicht ganz würdig wären, die wir jener
Gottheit zuschreiben. Da das Wissen um die Ur-
sache einzig aus der Wirkung abgeleitet ist, so müssen
beide einander angepaßt sein und keine kann je auf
etwas weiteres hinweisen, noch die Grundlage irgend
einer neuen Ableitung oder Schlußfolgerung ergeben.
Ihr findet gewisse Naturerscheinungen vor. Ihr
sucht nach einer Ursache oder einem Urheber. Ihr
meint ihn gefunden zu haben. Ihr verliebt euch nach-
träglich dermaßen in diesen Sprößling eures Gehirns,
daß es euch unmöglich dünkt, er solle nicht etwas
Größeres und Vollkommeneres hervorbringen als das
augenblickliche Weltschauspiel, das so voll Übel und Ver-
wirrung ist Ihr vergeßt, daß diese höchstgesteigerte
Intelligenz und Güte durchaus nur Geschöpfe der
Einbildung sind oder wenigstens in der Vernunft
keine Grundlage finden, und daß ihr nicht berechtigt
seid, diesem Wesen irgendwelche Eigenschaften zu-
zuschreiben, außer denen, die ihr tatsächlich in seinen
Werken ausgeübt und entfaltet seht. Denkt euch
also, ihr Philosophen, eure Götter angemessen den
gegenwärtigen Naturerscheinungen; unternehmt es
nicht, diese Erscheinungen durch willkürliche An-
nahmen zu verschieben, um sie auf die Eigenschaften
zuzuschneiden, die ihr so gern euren Gottheiten zu-
erteilt.
Wenn Priester und Poeten, durch euer Ansehen
gestützt, 0 Athener, von einem goldenen oder sil-
bernen Zeitalter reden, das dem gegenwärtigen Zu-
stand des Lasters und Elends voranging, so lausche
ich ihnen aufmerksam und verehrend. Wenn aber
Philosophen, die vorgeben, keine Autorität anzuer-
kennen, dagegen die Vernunft zu pflegen, sich in
denselben Reden ergehen, so kann ich ihnen aller-
dings nicht die gleiche gehorsame Unterwürfigkeit
Über eine besond. Vonehong a. ein zukünftiges Dasein. 163
und fromme Ergebenheit zollen. Wer, frage ich,
führte sie denn in die himmlischen Gefilde, wer ließ
sie im Rate der Götter zu, wer erschloß ihnen das
Schicksalsbuch, daß sie so voreilig behaupten dürfen,
ihre Gottheiten hätten irgend einen Plan vollführt
oder würden es tun, der über die tatsächliche Er-
scheinungswelt hinausginge? Erwidern sie mir, daß
sie auf der Treppe oder dem gradweisen Aufstieg der
Vernunft emporgeklommen sind, indem sie Ursachen
aus Wirkungen abgeleitet hätten, so muß ich darauf
bestehen, daß sie diesen Aufstieg der Vernunft durch
die Einbildung beflügelt haben; sonst könnten sie niclit
ihre Art der Ableitung so ändern, daß sie aus Ur-
sachen Wirkungen folgern durch die Annahme,
daß ein vollkommeneres Erzeugnis als die gegen-
wärtige Welt so vollkommenen Wesen wie den Göttern
angemessener sei, und dabei vergessen, daß sie keinen
Grund haben, diesen himmlischen Wesenheiten irgend
eine Vollkommenheit oder Eigenschaft zuzuschreiben,
die sich in der gegenwärtigen Welt nicht vorfindet.
Daher all die fruchtlosen Bemühungen, Rechen-
schaft über die Erscheinungen des Übels in der Natur
zu geben und die Ehre der Grötter zu retten, während
wir doch die Tatsache des Bösen und der Wirrnis,
woran die Welt so überreich ist, anerkennen müssen.
Die Materie mit ihren Eigenschäften starrer Wider-
setzlichkeit, sagt man, die Befolgung allgemeiner
Gesetze oder sonst ein ähnlicher Grund ist die alleinige
Ursache, die die Macht und Güte Jupiters beschränkt
und ihn genötigt hat, die Menschen und alle fühlenden
Geschöpfe so unvollkommen und unglücklich zu er-
schaffen. Diese seine Attribute gelten also anscheinend
von vornherein in ihrer weitesten Ausdehnung als
zugestanden, und unter dieser Voraussetzung mögen
allerdings solche Vermutungen vielleicht als annehm-
bare ^klärungen der erscheinenden Übel hin-
genommen werden. Aber ich frage wieder: warum
sollen wir diese Attribute zugestehen oder weshalb
in die Ursache noch andere Eigenschaften verlegen,
als sich tatsächlich in der Wirkung zeigen? Warum
quält ihr euer Hirn damit, den Naturlauf auf Grund
von Vermutungen zu rechtfertigen, die, soviel ihr
164
Blfter Abschnitt
wil3t, gänzlich atis der Einbildnngskraft stammen
mögen und von denen sich keinerlei Spuren im Natur-
lauf vorfinden?
Die religiöse Hypothese ist demnach nur als
eine besondere Weise anzusehen, über die sichtbaren
Erscheinungen des Weltalls Rechenschaft zu geben;
aber kein folgerichtiger Denker wird es je wagen,
daraus eine Einzeltatsache abzuleiten oder eine Er-
scheinung in irgend einer Einzelheit abzuändern oder
zu bereichern. Denkt ihr, daß die Erscheinungen oder
Dinge solche Ursache beweisen, so dürft ihr eine
Ableitung des Daseins dieser Ursachen wagen. In
solch verwickelten und erhabenen Fragen sollte jedem
die Freiheit der Vermutungen und Begründungen ge-
stattet sein. Aber hier müßt ihr Halt machen. Wenn
ihr umkehrt und aus euren abgeleiteten Ursachen er-
schließt^ daß irgend eine andere Tatsache im Natur-
lauf existiert hat oder existieren wird, die als deut-
lichere Offenbarung gewisser Attribute dienen könnte,
so muß ich Einfipruch erheben; ihr seid dann von
der Methode der Vemunfttätigkeit abgewichen, die der
vorliegenden Frage gebührt, und £ibt gewiß den
Attributen der Ursache etwas zugefugt über das in der
Wirkung erscheinende hinaus. Sonst könntet ihr niemals
leidlich sinnvoll und angemessen der Wirkung etwas
hinzufügen, um sie der Ursache werter zu machen.
Worin liegt nun das Hassenswerte jener Lehre^
die ich in meiner Schule vortrage oder viel-
mehr, die ich in meinen Gärten erörtere? Oder könnt
ihr in dieser ganzen Frage etwas entdecken, wo-
durch die Sicherheit der guten Sitten oder Friede
und Ordnung der Gesellschaft, im geringsten betroffen
würden?
Ich leugne, so sagt ihr, eine Vorsehung und einen
obersten Lenker der Welt, der den Lauf der Er-
eignisse leitet, die Lasterhaften mit Schande und Ent-
täuschung straft, die Tugendhaften mit Ehre und
Erfolg belohnt in allen ihren Unternehmungen. Aber
sicherlich leugne ich doch nicht den Ablauf der Er-
eignisse selbst der ja jedermanns Prüfung und Unter-
suchung offensteht. Ich erkenne an, daß in der gegen-
wartigen Ordnung der Dinge die Tugend mehr Seelen-
über eine besond. Vorsehung vu ein zukünftiges Dasein. 165
frieden im Gefolge hat als das Laster und in der Welt
eine günstigere Aufnahme findet. Mir ist bewußt,
daß nach den Erfahrungen, die die Menschheit bisher
gesammelt, die Freundschaft der Hauptgenuß des
Lebens ist und Mäßigkeit der einzige Quell der Ruhe
und des Glücks. Ich schwanke nie zwischen einem
tugendhaften und lasterhaften Lebenswandel, sondern
weiß, daß für einen wohlgearteten Geist alle Vorteile
auf der Seite des ersteren liegen. Was mehr aber
könnt ihr behaupten, selbst wenn ich euch alle eure
Annahmen und Gedankengänge zugebe? Ihr sagt
allerdings, daß diese Anordnung der Dinge aus Ver-
nunft und Absicht hervorgehe. Aber woraus auch
immer sie hervorgeht, die Anordnung selbst, von der
unser Glück und Elend und folglich die Führung und
Haltung unseres Lebens abhängig ist, bleibt stets die
gleiche. E^s steht mir wie dir immer noch frei, mein
Betragen nach meiner Erfahrung vergangener Er-
eignisse zu regeln. Versichert IIlt aber, daß ich bei
der Annahme einer göttlichen Vorsehung und einer
höchsten austeilenden Gerechtigkeit im Weltall noch
einen besonderen Lohn für das Gute und eine be-
sondere Strafe für das Böse über den gewöhnlichen
Lauf der Ereignisse hinaus zu erwarten hätte — so
finde ich hier denselben Trugschluß, den ich mich
eben aufzudecken bemüht habe. Ihr verharrt bei der
Einbildung, daß aus der zugestandenen Existenz jenes
göttlichen Wesens, für welche ihr so eifrig kämpft,
gültige Folgerungen abzuleiten sind lind der er-
fahrungsmäßigen Ordnung der Natur auf Grund
der Attribute, die ihr euren Göttern zuschreibt,
etwas hinzugefügt werden kann. Ihr scheint zu
vergessen, daß all eure Gedankengänge über diesen
(Gegenstand lediglich von den Wirkungen zu den Ur-
sachen fortschreiten dürfen und daß jede Begründung,
die von den Ursachen zu den Wirkungen geht, not-
wendig ein grober Fangschluß sein muß. Ist es euch
doch unmöglich, von der Ursache irgend etwas zu
wissen, daß ihr nicht vorher voll in der Wirkung
entdeckt, aber nicht etwa aus ihr abgeleitet habt
Was muß nun ein Philosoph von jenen eitlen
Denkern halten, welche das gegenwärtige Weltbild
166
Elft«r Absehüitt.
nicht als den alleinigen Gegenstand ihrer Betrach-
tung ansehen, sondern statt dessen sogar den ganzen
Natnriauf in dem Grade umkehren, daß sie dieses
Leben lediglich zu einer Brücke für ein Jenseits
machen, zu einem Tor, das zu einem größeren und
völlig verschiedenen Gebäude führt, einer Vorrede,
die nur zur Einführung des Stückes dient, um ihm
mehr Reiz und Würde zu verleihen. Woher, glaubt
ihr wohl, können solche Philosophen ihre Vorstellung
von den Göttern entnehmen? Sicherlich nur aus ihren
eigenen Erdichtungen und Einbildungen. Gewönnen
sie sie nämlich aus den gegenwärtigen Erscheinungen,
so würde das nie über diese hinausweisen, sondern
ihnen genau angepaßt sein. Daß die Gottheit mög-
licherweise mit Attributen ausgestattet sein kann,
deren Auswirkung wir nie gesehen haben, daß sie
in ihrem Handeln von Prinzipien beherrscht sein kann,
deren Erfüllung wir nicht entdecken können — all
das mag getrost eingeräumt werden. Aber es bleibt
inmier eine reine Möglichkeit und Hypothese. Wir
haben niemals Grund, irgendwelche Attribute oder
Prinzipien für ihr Handeln abzuleiten über die-
jenigen hinaus, deren Auswirkung und Erfolg wir
kennen gelernt haben.
Gibt es irgend welche Anzeichen einer
austeilenden Gerechtigkeit in der Welt? Ant-
wortet ihr bejahend, so schließe ich, daß die Ge-
rechtigkeit, da sie sich hier auswirkt, auch ihre Er-
füllung findet Antwortet ihr verneinend, so schließe
ich, daß ihr dann keinen Grund habt, den Göttern
Gerechtigkeit in unserem Sinne zuzuschreiben. Haltet
ihr die Mitte zwischen Bejahung und Verneinung mit
der Behauptung, daß die Gerechtigkeit der Götter sich
gegenwärtig zum Teil, aber nicht in ihrem vollen
Umfange auswirkt: so antworte ich, daß ihr keinen
Grund habt, ihr irgend einen weiteren Umfang zu
geben, als den, dessen Auswirkung ihr gegen-
wärtig seht.
So, ihr Athener, bringe ich den Streit mit meinen
Widersachern zu einem schnellen Ende. Der Natur-
lauf liegt meiner Betrachtung ebenso offen wie der
ihren. Der Fluß der Ereignisse, wie wir ihn er-
Ober eine beiond. Vorsehnng u. ein zukünftiges Dasein. 167
fahren, ist der große Maßstab, nach dem wir alle
unser Benehmen regeln. Auf nichts anderes kann
man sich im Felde wie im Rate berufen; von nichts
anderem sollte in der Schule wie im Studierzimmer
die Rede sein. Vergeblich möchte unser begrenzter
Verstand diese Schranken durchbrechen, die zu eng
für unsere anspruchsvolle Einbildung sind. Indem wir
aus dem Naturlauf Begründungen entnehmen und eine
bestimmte vernünftige Ursache herleiten, welche die
Weltordnung erst verlieh und noch erhält, bekennen wir
uns zu einem Prinzip, das sowohl ungewiß wie nutzlos
ist. Ungewiß: weil der Gegenstand durchaus jenseits
des Bereichs menschlicher Erfahrung liegt Nutzlos:
weil unsere Kenntnis dieser Ursache, die lediglich aus
dem Naturlauf gewonnen ist, uns nach den Regeln
folgerechter Vernunfttätigkeit nie befähigt von der
Ursache rückwärts neue Ableitungen zu vollziehen oder
irgend neue Prinzipien der Lebensführung und des
Benehmens dadurch aufzustellen, daß wir dem ge-
wöhnlichen und erfahrenen Naturlauf etwas hinzu-
fügen.
Ich bemerke, sagte ich, als er seine Rede beendet
hatte, daß du den Kunstgriff der alten Volksredner
nicht verschmähst; da ich nach deinem Wunsche das
Volk vertreten sollte, so buhlst du auf die Weise
um meine Gunst, daß du dich zu jenen Prinzipien
bekennst denen ich, wie du weißt stets besonders
zugetan gewesen bin. Aber wenn ich dir auch ge-
statte, die Erfahrung zum alleinigen Maßstab unserer
Beurteilung dieser Tatsachenfrage wie aller übrigen
zu machen, (wie du es wirklich solltest), so dürfte es
doch zweifellos möglich sein, von der nämlichen Er-
fahrung aus, auf die du dich berufst den (Gedanken-
gang zurückzuweisen, welchen du dem Epikur in den
Mund gelegt hast. Wenn du zum Beispiel ein halb
fertiges Gebäude erblicktest, um das Haufen von
Ziegeln, Steinen und Mörtel und alle Maurerwerk-
zeuge herumlägen, könntest du dann nicht aus der
Wirkung ableiten, daß es ein Werk planmäßiger
Absicht ist? Und könntest du nicht wiederum rück-
wärts aus dieser abgeleiteten Ursache neue Bestand-
teile ableiten, die zur Wirkung hinzukonmien, und
168
nftar Abiohnitt
schließen, daß das Gebäude bald beendet sein und
all die weiteren Verbesserungen erhalten werde,
welche die Kunstfertigkeit ihm erteilen kann? Wenn
du am Meeresufer den Eindruck eines menschlichen
Fußes sähest, so würdest du schließen, daß ein
Mensch diesen Weg gegangen sei und er auch die
Spur des anderen Fußes zurückgelassen habe, ob-
gleich diese durch das Treiben des Sandes oder die
Überschwemmung des Wassers ausgelöscht worden ist.
Warum sträubst du dich denn, die gleiche Methode
der Vernunfttätigkeit dort, wo es sich um die Natur-
ordnung handelt, anzuerkennen? Betrachte die Welt
und das gegenwärtige Leben nur als ein unvoll-
kommenes Gebäude, aus dem du eine höhere Vernunft
ableiten kannst; warum willst du denn nicht, aus-
gehend von dieser höheren Vernunft, die nichts un-
vollendet lassen kann, die Ableitung auf einen voll-
endeteren Entwurf und Plan wagen, der seine Er-
füllung an einem entfernten Punkte des Raumes oder
der Zeit finden wird? Sind nicht diese beiden Me-
thoden der Vernunfttätigkeit völlig gleichartig? Und
unter welchem Vorwand kannst du dich zu der einen
bekennen und die andere verwerfen?
Die unendliche Verschiedenheit der Gegenstände,
antwortete er, genügt als Grundlage für die Ver-
schiedenheit in meinen Schlüssen. Bei Werken
menschlicher Kunst und Erfindung ist es erlaubt,
von der Wirkung zur Ursache fortzuschreiten und
rückwärts von der Ursache neue Ableitungen über die
Wirkung zu vollziehen, sowie Veränderungen zu
prüfen, die diese vielleicht erlitten hat oder noch
erleiden wird. Aber auf welcher Grundlage ruht diese
Methode der Vernunfttätigkeit? Offenbar auf dem Um-
stand, daß der Mensch ein Wesen ist, das wir durch
Erfahrung kennen, dessen Beweggründe und Ab-
sichten uns vertraut sind und dessen Pläne und Nei-
gungen in gewissem Grade Verknüpfung und Ein-
heitlichkeit nach den Gesetzen zeigen, welche die
Natur für die Leitung solcher Geschöpfe aufgestellt
hat Wo wir also finden, daß ein Werk der Ge-
schicklichkeit und dem Fleiß eines Menschen ent-
sprungen ist, da können wir kraft unserer sonstigen
!i
Über eine besond. Vonehong u. ein rakfinftigas Dasein. * 1 69
Bekanntschaft mit der Natur dieses Lebewesens hun-
derterlei darüber ableiten, was von ihm zu erwarten
ist; und all diese Ableitungen werden sich auf Er-
fahrung und Beobachtung stützen. Wüßten wir da-
gegen vom Menschen nur durch das einzelne Werk
und Erzeugnis, das wir untersuchen, so könnten wir
unmöglich in dieser Weise vorgehen; da nämlich unsere
Kenntnis aller Eigenschaften, die wir ihm zuschreiben,
in jenem Falle von seinem Erzeugnis stammt, so
können diese Eigenschaften unmöglich über es hinaus-
führen, noch die Grundlage abgeben für irgend eine
neue Ableitung. Der Abdruck eines Fußes im Sande
kann für sich allein genommen nur beweisen, daß
eine ihm entsprechende G^talt vorhanden gewesen
ist, die ihn hervorgebracht hat. Aber der Abdruck
eines menschlichen Fußes beweist gleicherweise nach
unserer anderweitigen Erfahrung, daß wahrscheinlich
noch ein anderer Fuß vorhanden gewesen ist, der
auch seine Spur zurückgelassen ha^ die nur durch
die Zeit oder irgendwelchen Zufall verlöscht worden
ist Hier steigen wir von der Wirkung zur Ursache
auf, und von der Ursache wieder herabsteigend, leiten
wir Veränderungen an der Wirkung ab; aber das ist
keine Fortsetzung der gleichen eiiäachen Kette von
Denkakten. Wir verwenden in diesem Falle eine An-
zahl anderer Erfahrungen und Beobachtungen, über die
gewöhnliche Gestalt und die Gliedmaßen solcher
Art Lebewesen, ohne welche dieses Begründungs-
verfahren als täuschend und trügerisch erachtet
werden muß.
Bei unseren Gedankengängen, die sich den Werken
der Natur entnehmen, liegt der Fall nicht ebenso. Die
Gottheit kennen wir nur aus ihrer Schöpfung; sie ist ein
Einzelwesen im All, das nicht unter eine Art oder Gat-
tung fällt, aus deren durch Erfahrung bekannten At-
tributen oder Eigenschaften wir durch Analogie auch
für es irgendwelche Attribute oder Eigenschaften ab-
leiten können. Da das Weltall Weisheit und Güte zeigt,
so leiten wir Weisheit und Güte ab. Da es einen be-
stimmten Grad dieser Vollkommenheiten zeigt, so leiten
wir einen bestimmten Grad derselben ab, der ganz
genau der Wirkung angepaßt ist, die wir untersuchen.
170
Elfter Abtehnitt.
Aber keine Regel folgerechter Vernunfttätigkeit ver-
leiht uns jemals das Recht, weitere Attribute oder
weitere Grade dieser selben Attribute abzuleiten oder
anzunehmen. Es ist uns jedoch ohne die Freiheit einer
solchen Annahme unmöglich, von der Ursache aus
zu begründen oder irgend eine Veränderung an der
Wirkung abzuleiten über das hinaus, was unmittelbar
unter unsere Beobachtung fiel. Höhere Güter, welche
dies Wesen hervorgebracht hätte, würden einen noch
höheren Grad von Güte beweisen; eine unparteiischer
geübte Verteilung von Lohn und Strafe müßte aus
höherer Achtung vor Gerechtigkeit und Billigkeit her-
vorgehen. Jeder angenommene Zusatz zu den Werken
der Natur ergibt einen Zusatz zu den Attributen des
Schöpfers der Natur, aber kann folglich nur als reine
Vermutung und Hypothese gelten, da sie jeder Unter-
lage einer vernünftigen Begründung entbehrt 0
*) Es Iftßt sich wohl im allgemeinen als Regel aufstellen,
daß iigendwelche neuen Wirkungen unmöglich dann aus
einer Ursache hergeleitet werden können, wenn diese Ursache
uns nnr aus ihren besonderen Wirkungen bekannt ist; denn
die Eigenschaften, welche zur Hervorbringung dieser neuen
Wirkungen neben den früheren erforderlich sind, müssen
entweder verschieden oder bedeutender oder von weiterem
Umkreise sein als die, welche einfach die Wirkung hervor-
brachten, aus der allein wir die Kenntnis der Ursache ge-
wonnen haben wollten. Wir können also niemals einen
Grund dafür haben, das Dasein dieser Eigenschaften anzu-
nehmen. (Ausgaben E und F drucken im Text bis hier-
her und verweisen den Rest in eine Anmerkung.) Sagt
man, die neuen Wirkungen entstünden nur aus einem Fort-
bestehen der nämlichen Energie, die bereits von den ersten
Wirkungen her bekannt ist, so wird dadurch die Schwierig-
keit nicht gehoben. Denn gibt man dies selbst zu (was
selten angenommen werden darf)» so bleibt doch das
Fortbestehen und die Äußerung einer gleichen Energie (denn
völlig dieselbe kann es unmöglich sein), es bleibt, sage ich,
dies Fortbestehen einer gleichen Energie an einer verschie-
denen Stelle des Raumes und der Zeit eine höchst willkür-
liche Annahme, und die Wirkungen, aus denen all unsere
Kenntnis der Ursache ursprünglich stammte, können un-
möglich eine Spur davon enthalten. Wenn die abgeleitete
Ursache genau der bekannten Wirkung entspricht (wie sie
Über eine beeond. Vorsehung xl ein zukünftiges Dasein. 171
Die Hauptquelle unseres Fehlgehens auf diesem
Gebiete und der ausschweifenden Vermutungen, die
wir uns erlauben, liegt darin, daß wir uns still-
schweigend an die Stelle des höchsten Wesens ver-
setzen und nun schließen, daß es bei jeder Gelegen-
heit dasselbe Verhalten beobachten wird, das wir
selbst in seiner Lage als vernünftig und wünschens-
wert erwählt haben würden. Aber einmal kann uns
der gewöhnliche Naturlauf davon überzeugen, daß
nahezu alles sich nach Prinzipien und Regeln richtet,
die von den unsrigen sehr verschieden sind; und
abgesehen davon muß es offenbar allen Regeln der
Analogie zuwider erscheinen, unsem Gedankengang
von den Absichten und Plänen der Menschen auf die
eines so verschiedenen und so viel höheren Wesens zu
übertragen. In der menschlichen Natur zeigt uns die
Erfahrung eine bestimmte Einheit von Plänen und
Neigungen; es mag also oft vernünftig sein, aus der
durch irgend eine Tatsache entdeckten Absicht eines
Menschen eine andere Absicht an der Hand der Er-
fahrung abzuleiten und eine lange Kette von Schlüssen
über sein vergangenes oder künftiges Verhalten zu
schmieden. Al^r diese Methode der Vernunfttätigkeit
darf niemals statthaben, wo es sich um ein Wesen
handelt, das so fern und so unbegreiflich ist, so
wenig Ähnlichkeit mit irgend einem anderen Wesen
im Weltall zeigt wie die Sonne mit einer wächsernen
Kerze, und das sich uns nur in einigen blassen Zügen
und Umrissen entdeckt, über die hinaus wir nicht be-
rechtigt sind, ihm irgend ein Attribut oder eine Voll-
kommenheit zuzuschreiben. Was wir für eine höhere
Vollkommenheit halten, mag in Wirklichkeit ein
Mangel sein. Wäre es aber auch noch so sehr eine
Vollkommenheit, — sie dem höchsten Wesen da zuzu-
schreiben, wo sie nicht in dessen Werken voll aus-
gewirkt erscheint, schmeckt mehr nach Schmeichelei
und Lobrednerei, als nach folgerechter Vemunfttätig-
keit und gesunder Philosophie. Alle Philosophie der
es müßte), so kann sie unmöglich Eigenschaften besitzen,
aus der neue oder verschiedene Wirkungen abgeleitet
werden dürfen.
.-!
172
Elfter Abfohnitt.
Welt und alle Religion, die nur eine besondere Art
der Philosophie ist, wird niemals imstande sein, uns
über den gewöhnlichen Lauf der Erfahrung hinaus-
zuführen oder uns einen anderen Maßstab für unser
Betragen und Verhalten zu geben, als den uns von der
Betrachtung des gewöhnlichen Lebens »gelieferten.
Keine neue Tatsache kann je aus der religiösen Hypo-
these abgeleitet, kein Ereignis vorhergesehen oder
vorhergesagt, weder Lohn noch Strafe erhofft oder
gefürchtet werden, über das hinaus, was uns bereits
aus dem Leben und der Beobachtung bekannt ist So
wird meine Verteidigung des Epikur nach alledem ge-
sichert und befriedigend scheinen, und die politischen
Interessen der Gesellschaft haben in der Tat mit den
philosophischen Streitfragen über Metaphysik und Re-
ligion keinerlei Verknüpfung.
Einen Umstand, erwiderte ich, scheinst du den-
noch übersehen zu haben. Gäbe ich selbst deine
Vordersatze zu, so müßte ich doch deinen Schlußsatz
verneinen. Du schließest, daß religiöse Lehren und
Gedankengänge keinen Einfluß auf das Leben haben
können, weil sie keinen Einfluß haben sollten; du
bedenkst nicht, daß die Menschen nicht den gleichen
Gedankengang anstellen, wie du, sondern gar manche
Folgerungen aus dem Glauben an das Dasein
eines Gottes ziehen und annehmen, daß die Gottheit
dem Laster Strafen und der Tugend Lohn zumessen
wird über das hinaus, was im gewöhnlichen Natur-
lauf zur Erscheinung kommt Ob dieser ihr Gedanken-
gang richtig ist oder nicht, tut nichts zur Sache. Sein
Einfluß auf das Leben und auf die Führung der
Menschen wird doch der gleiche bleiben. Wer ihnen
diese Vorurteile zu rauben versuch^ jnag meinetwegen
ein guter Logiker sein, aber als guten Staatsbürger und
Politiker kann ich ihn nicht gelten lassen; denn er
befreit die Menschen von einem Hemmnis ihrer Af-
fekte und macht die Verletzung der bürgerlichen
Gesetze in der einen Hinsicht leichter und gefahrloser.
Im ganzen kann ich vielleicht deinem allgemeinen
Ergebnis zugunsten der Freiheit beitreten, wenn auch
unter anderen Voraussetzungen als die, worauf du es
gründen möchtest. Ich meine, daß der Staat ein
Über eine besond. Vorsehung u. ein zukünftiges Dasein. 173
]edes philosophische Prinzip dulden sollte; es gibt
auch kein Beispiel dafür, daß je einer Regierung solche
Nachsicht zum Schaden gereicht hätte. Die Philo-
sophen sind keine Schwärmer, ihre Lehren sind nicht
verlockend für das Volk; überdies kann ihren Ge-
dankengängen kein Zaum angelegt werden, der nicht
gefährliche Folgen für die Wissenschaften nach sich
zöge, ja selbst für den Staat, indem sie der Ver-
folgung und Unterdrückung auf Gebieten den Weg
ebnet, wo die Allgemeinheit der Menschen sehr tief
beteiligt und betroffen ist
Indes stoße ich hier, fuhr ich fort, bei deiner
Hauptthese auf eine Schwierigkeit, die ich dir
unterbreiten möchte, ohne Nachdruck darauf zu
legen, damit wir uns nicht in zu spitzfindige und
heikle Gedankengänge verlieren. Kurz, ich bezweifle
die Möglichkeit, daß eine Ursache nur aus ihrer Wir-
kung erkannt werden könne (wie du es die ganze Zeit
voraussetzest), oder von so einzigartiger und be-
stimmter Natur sei, daß sie kein Seitenstück und
keine Gleichartigkeit in irgend einer anderen Ursache
oder einem anderen Gegenstand besitze, die je unter
unsere Beobachtung gefallen sind. Nur wo zwei
Gattungen von Gegenständen in regelmäßigem Zu-
sammenhang angetroffen werden, können wir die eine
aus der anderen herleiten; kommt aber eine Wirkung
vor, die ganz einzigartig ist und in keine bekannte
Gattung eingeordnet werden kann, so darf nach
meiner Ansicht über ihre Ursache überhaupt keine
Vermutung oder Ableitung gebildet werden. Sind Er-
fahrung, Beobachtung und Analogie in der Tat die
einzigen Führer, denen wir vernünftigerweise bei Ab-
leitungen dieser Art folgen dürfen, so müssen beide,
Wirkung wie Ursache, Gleichartigkeit und Ähnlichkeit
mit anderen Wirkungen und Ursachen zeigen, die wir
kennen und die wir in vielen Fällen im Zusammenhang
miteinander gefunden haben. Ich überlasse es deiner
eigenen Überlegung, den Folgen aus diesem Prinzip
nachzugehen. Ich will nur bemerken: wenn die Gegner
Epikurs stets annehmen, daß das Weltall als eine
ganz einzigartige und unvergleichliche Wirkung ein
Beweis für eine Gottheit als eine nicht minder einzig-
174
Blfter Abiohuitt
artige und unvergleichliche Ursache sei, so scheinen
deine Gedankengänge unter dieser Voraussetzung
wenigstens unsre Au£nerksamkeit zu verdienen. Es be-
steht allerdings eine Schwierigkeit in der Art, wie wir
jemals von der Ursache rückwärts zur Wirkung ge-
langen und wie wir ausgehend von unseren Vor-
stellungen über die erstere eine Veränderung oder
einen Zuwachs an der letzteren sollten ableiten können.
m
Zwölfter Al)schnitt.
Ober die akademische oder skeptische
Philosophie.
I ''
1 i
Erster Teil.
Kein Gegenstand hat mehr philosophische Ge-
dankengänge angeregt, als der Beweis für das Dasein
einer Gottheit und die Widerlegung der Trugschlüsse
der Atheisten; und doch streiten die frömmsten
Philosophen noch immer darüber, ob irgend jemand
verblendet genug sein könne, aus spekulativen Gründen
zum Atheisten zu werden. Wie sollen wir diese Wider-
sprüche versöhnen? Die fahrenden Ritter, welche um-
herzogen, um die Welt von Drachen und Riesen zu
säubern, hegten nie den geringsten Zweifel an der
Existenz dieser Ungeheuer.
Ein anderer Feind der Religion ist der Skep-
tiker, der naturgemäß die Entrüstung aller Gottes-
gelehrten und aller ernsteren Philosophen heraus-
fordert; und dennoch ist gewiß noch niemand einem
so verdrehten Geschöpf begegnet, noch mit jemandem
umgegangen, der auf keinem Gebiet der Praxis wie
d^r Theorie irgend eine Meinung oder ein Prinzip
besaß. Dies führt begreiflicherweise zu der Fraee:
was versteht man unter einem Skeptiker? Und ois
zu welchem Punkte lassen sich die philosophischen
Prinzipien des Zweifels una der Ungewißheit treiben?
Es gibt eine Art des Skeptizismus, die aller
Forschung und Philosophie vorangeht, und die von
Descartes und anderen als ein hervorragendes Schutzr
mittel gegen Irrtümer und voreilige Urteile sehr ge-
priesen wird. Sie empfiehlt uns einen allgemeinen
Zweifel nicht nur an all unseren früheren Meinungen
1
I
176
Zwölfter Abschnitt.
und Prinzipien, sondern auch an unseren, eigenen
Fähigkeiten, von deren Wahrhaftigkeit, sagt man,
wir uns durch eine Kette von Denkakten erst über-
zeugen müssen, die wir aus einem ursprünglichen
Prinzip gewinnen, das uns unmöglich täuschen oder
trügen kann. Aber weder gibt es ein solch ursprüng-
liches Prinzip, das anderen gegenüber, die von selbst
einleuchtend und überzeugend sind, den Vorrang be-
saiJe, noch könnten wir, wenn es ein solches gäbe,
einen Schritt über es hinaus tun ohne den Gebrauch
eben der Fähigkeiten, denen wir doch bereits miß-
trauen wollten. Der cartesianische Zweifel also, wäre
er einem menschlichen Wesen zu erreichen möglich
(was er ersichtlich nicht ist), würde vollkommen un-
heilbar sein; keine Vernumfttatigkeit könnte uns je
einen Zustand der Sicherheit und Überzeugung über
irgend einen Gegenstand verschaffen.
Dennoch muß zugegeben werden, daß diese Art
des Skeptizismus in gemäßigter Form in einem sehr
vernünftigen Sinne aufgefaßt werden kann, und eine
notwendige Vorbereitung für das Studium der Philo-
sophie bedeutet. Denn sie bewahrt uns eine ange-
messene Unparteilichkeit im Urteil und entwöhnt
unseren Geist von all jenen Vorurteilen, die wir mit
der Erziehung oder durch übereilte Ansichten ein-
gesogen haben. Mit klaren und von selbst einleuch-
tenden Prinzipien zu beginnen, mit behutsamen und
sicheren Schritten vorzugehen, immer wieder unsere
Schlüsse von neuem nachzuprüfen und genau all
ihre Folgerungen zu erwägen — sollten wir auch auf
diesem Wege nur langsam und wenig in unseren
Systembildungen vorwärtskommen — das sind die ein-
zigen Methoden, nach denen wir je die Wahrheit zu
erreichen hoffen können und eine angemessene Festig-
keit und Gewißheit unserer Begriffsbestimmungen zu
gewinnen.
Eine andere Art des Skeptizismus, welche der
Wissenschaft und Forschung nachfolgt, entsteht
dor^ wo man angeblich entdeckt hat, daß die geistigen
Fähigkeiten entweder völlig trügerisch sind oder un-
geeignet zur Erreichung einer bestimmten Ent-
scheidung in all jenen fesselnden lYagen der Spe-
über die akademische oder skeptische Philosophie. 177
kulation, auf die sie gewöhnlich angewandt werden.
Unsere Sinne selbst werden von einer bestimmten
philosophischen Richtung in den Streit gezogen und
die Grundsätze des täglichen Lebens demselben Zweifel
unterworfen wie die tiefsten Prinzipien und Schluß-
folgerungen der Metaphysik und Theologie. Da diese
paradoxen Thesen (wenn anders sie Thesen genannt
werden dürfen) sich bei einigen Philosophen vor-
finden und ihre Widerlegung bei mehreren, so er-
regen sie naturgemäß unsere Wißbegierde und lassen
uns nach den Begründungen forschen, auf die sie sich
stützen mögen.
Ich will nicht bei den geläufigen Beispielen ver-
weilen, die von den Skeptikern aller Zeiten gegen die
Evidenz der Sinne geltend gemacht worden sind;
wie jene, die aus der Unvollkommenheit und der
trügerischen Beschaffenheit unserer Organe ent-
sprungen, bei zahllosen Grelegenheiten auftreten: so
das im Wasser scheinbar gebrochene Ruder, das
wechselnde Aussehen der Gegenstände je nach den
verschiedenen Entfernungen, die Doppelbilder, die vom
Druck auf ein Auge entstehen, und viele anderen
Erscheinungen .'derselben Art Diese Beispiele der
Skeptiker genügen in der Tat nur zum Beweis, daß
auf die Sinne allein kein unbedingter Verlaß *ist,
sondern daß wir ihre Aussage durch die Vernunft
und durch Betrachtungen richtigstellen müssen, die sich
aus der Natur des Mediums, der Entfernung des Gegen-
standes, der Verfassung des Organs ergeben, um
die Sinne innerhalb ihres Bereichs zu geeigneten Kri-
terien der Wahrheit und Falschheit zu machen. Es
gibt andere, tiefere Einwände gegen die Sinne, die
keine so leichte Lösung gestatten.
Es scheint offenbar, daß die Menschen durch
einen natürlichen Instinkt oder eine Voreingenommen-
heit dazu getrieben werden, Vertrauen in ihre Sinne
zu setzen, und daß wir ohne Vernunfttätigkeit,
je selbst fast vor dem Gebrauch der Vernunft, immer
schon eine Außenwelt annehmen, die nicht von unserer
Auffassung abhängt, sondern auch existieren würde,
wenn wir und jedes bewußte Geschöpf abwesend oder
vernichtet wären. Selbst das Tierreich wird von einer
H a m e , Untannohgr. üb. d. mentelü. Verstand.
12
i
178
Zwölfter Abschnitt.
gleichen Anschauung beherrscht und bewahrt diesen
Glauben an äußere Gegenstände in all seinen Ge-
danken, Zwecken und Handlungen.
Ebenso scheint es offenbar, daß die Menschen,
wenn sie diesem blinden und mächtigen Naturinstinkt
folgen, stets annehmen, die von den Sinnen vor sie hin-
gestellten Bilder selbst seien die äußeren Gegenstände,
und niemals irgendwie Verdacht schöpfen, daß die
einen nur Vertreter der anderen seien. Sie glauben,
daß diser Tisch selbst, den wir als weiß sehen und
als hart empfinden, unabhängig von unserer Auffas-
sung existiert und etwas außerhalb unseres Geistes ist,»
der ihn auffaßt Unsere Gegenwart verleiht ihm nicht
das Dasein, unsere Abwesenheit vernichtet ihn nicht
Er behält seine gleichförmige und vollkommene
Existenz, unabhängig von der Stellung vernünftiger
Wesen, die ihn aufiassen oder betrachten.
Aber diese allgemeine und ursprüngliche Meinung
aller Menschen wird durch den leisesten Anflug von
Philosophie bald zerstört, die uns lehrt, daß nichts
je dem Geiste gegenwärtig sein kann als nur ein Bild
oder eine Auffassung, daß die Sinne nur die Einlaß-
pforten sind, durch welche diese Bilder übermittelt wer-
den, und daß sie nicht imstande sind, einen unmittel-
baren Verkehr zwischen dem Geiste und dem Gegenstand
zu bewirken. Der Tisch, den wir sehen, scheint kleiner
zu werden, wenn wir uns von ihm entfernen; der
wirkliche Tisch dagegen, der unabhängig von uns
existiert, erleidet keine Veränderung. & war daher
nur sein Bild, das dem Geiste gegenwärtig war. Dies
sind die klaren gebieterischen Aussagen der Vernunft,
und kein Besonnener hat je. daran gezweifelt, daß
die Daseinsformen, die wir im Auge haben, wenn wir
sagen, dieses Haus und jener Baum, nur Auf-
fassungen in unserem Geiste sind und schwankende
Abbilder oder Vertreter anderer Daseinsformen, die
sich gleich und selbständig bleiben.
Insoweit sind wir also durch Vernunfttätigkeit
genötigt, den ursprünglichen Naturinstinkten zu wider-
sprechen oder von ihnen abzuweichen und uns eine
neue Anschauung über die Aussage unserer Sinne
zu bilden. Hier aber befindet sich die Philosophie
Ober die akademische oder skeptische Philosophie. 17 9
in größter Verlegenheit, wenn es gilt, diese neue An-
schauung zu rechtfertigen und den verfänglichen Ein-
würfen der Skeptiker zu entgehen. Auf den unfehl-
baren und unwiderstehlichen Naturinstinkt kann sie
sich nicht mehr berufen: denn dieser führte uns zu einer
ganz anderen Anschauung, die wir als dem Irrtum
unterworfen, ja als irrtümlich erkannten. Diese angeb-
lich philosophische Anschauung aber durch eine Reihe
klarer und überzeugender Begründungen oder auch nur
durch den Schein einer Begründung zu rechtfertigen,
übersteigt die Leistungsfähigkeit jedes menschlichen
Vermögens.
Durch welche Begründung läßt sich beweisen,
daß die Auffassungen des Geistes durch äußere Gegen-
stände verursacht sein müssen, die von ihnen ganz
verschieden, ihnen doch ähnlich sind (wenn anders
das möglich ist), und daß sie nicht aus der Energie
des Geistes selbst entspringen könnten, oder aus der
Eingebung irgend eines unsichtbaren und unbekannten
Geistes oder aus einer uns noch weniger bekannten
Ursache sonst? Es wird nicht bestritten, daß in der
Tat viele dieser Auffassungen nicht von einem äußeren
Gegenstand herrühren, wie es beim Traum, beim
Wahnsinn und anderen krankhaften Zuständen vor-
kommt Auch ist nichts so unerklärlich wie die Art,
in der ein Körper so auf den Geist wirken sollte, daß
er je ein Bild seiner selbst auf eine Substanz über-
tragen könnte, deren Natur für so andersartig, ja
ihm widerstreitend gilt.
Es ist eine Tatsachenfrage, ob die Auffassungen
der Sinne durch äußere Gegenstände erzeugt werden,
die ihnen ähneln; wie soll diese Frage entschieden
werden? Sicherlich durch Erfahrung, wie alle anderen
Fragen gleicher Art Aber hier schweigt die Er-
fahrung völlig und muß es tun. Dem Geiste ist nie
etwas anderes gegenwärtig als Auffassungen, und
er kann unmöglich eine Erfahrung über Sire Ver-
knüpfung mit Gegenständen gewinnen. Daher ist die
Annahme einer solchen Verknüpfung ohne jede Grund-
lage in der Vernunfttätigkeit
Zu der Wahrhaftigkeit des höchsten Wesens seine
Zuflucht nehmen, um die Wahriiaftigkeit unserer Sinne
la*
180
Zwölfter Abichnitt
2ni beweisen, heißt sicherlich einen sehr unerwarteten
Kreis beschreiben. Ware seine Wahrhaftigkeit über-
haupt bei dieser Sache beteiligt, so würden unsere
Sinne ganz untrüglich sein, denn es kann unmöglich
iemals täuschen. Ganz abgesehen davon, daß wir m
Verlegenheit wären, stellen wir einmal die Außenwelt
in Frage, Begründungen zu finden, durch die wir das
Dasein dieses Wesens oder eines seiner Attribute be-
weisen könnten. ,. x.- *
Daher ist dies ein Gebiet, auf dem die tieferen
und mehr phüosophischen Skeptiker stets triumphieren
werden, wenn sie einen allgemeinen Zweifel über alle
Gegenßlände des menschlichen Wissens und Forschens
eiiSühren wollen. Sie dürfen sagen: Folgt ihr den
natürlichen Instinkten und Neigungen, mdem ihr die
Wahrhaftigkeit der Sinne aufrecht erhaltet? Aber das
führt euch zu dem Glauben, daß die Auffassung oder
das sinnliche Bild selbst der äußere Gegenstand ist
Verleugnest du dies Prinzip, um dich zu der meto
vernunftgemäßfen Ansicht zu bekennen, daß die Auf-
fassungen nur Vertreter von einem äußeren Etwas
sind? Hier weichst du von deinen natürlichen
Neigungen und klareren Gefühlen ab und bist doch
nicht imstande, deiner Vernunft Genüge zu tun, die
niemals eine überzeugende Begründung aus der Er-
fahrung finden kann, um die Verknüpfung der Auf-
fassungen mit äußeren Gegenständen zu beweisen.
Es gibt noch einen anderen skeptischen Gesichts-
punkt gleicher Art, der aus sehr tiefen philosophischen
Betrachtungen stammt und unsere Aufmerksamkeit
verdienen müßte, wenn es erforderlich wäre, so tief
zu graben, um Begründungen und Gedankengänge
zu entdecken, die ernsthaften Zwecken doch so
wenig dienen können. Es wird von neueren For-
schern allgemein zugestanden, daß alle sinnlichen
Eigenschaften der Gegenstände, wie Härte, Weichheit,
Hitze, Kälte, Weiße, Schwärze usw. nur von zweiter
Ordnung sind und nicht in den Gegenständen selbst
existieren, sondern Auffassungen des Geistes be-
deuten, ohne irgend ein äußeres Urbild oder Muster,
das sie vertreten. Wird dies für die Eigenschaften
zweiter Ordnung eingeräumt, so muß es auch für die
Über die akademische oder ekeptisohe Phüoiophie. 181
angeblichen Eigenschaften erster Ordnung, für Aus-
dehnung und Festigkeit folgen, und letztere können
nicht mehr Recht a5 die Benennung haben als erstere.
Die Vorstellung der Ausdehnung wird einzig durch
die Sinne des Gesichts und Getasts gewonnen, und
wenn alle sinnlich aufgefaßten Eigenschaften im Geist,
nicht im Gegenstand sein sollen, so muß die gleiche
Schlußfolgerung auch für die Vorstellung der Aus-
dehnung gelten, die völlig von den sinnlichen Vor-
stellungen oder den Vorstellungen der Eigenschaften
zweiter Ordnung abhängt. Nichts kann uns vor dieser
Schlußfolgerung bewa&en, als die Behauptung, daß
die Vorstellungen jener Eigenschaften erster Ord-
nung durch Abstraktion gewonnen werden; eine
Ansicht, die sich bei genauer Prüfung als unver-
ständlich, ja widersinnig herausstellt Eine Ausdeh-
nung, die weder tastbar noch sichtbar ist, kann un-
möglich vorgestellt werden, und eine tastbare oder
sichtbare Ausdehnung, die weder hart noch weich,
weder schwarz noch weiß ist, liegt gleichfalls außer-
halb des Bereichs menschlicher Vorstellungskraft. Es
versuche jemand, sich ein Dreieck im allgemeinen vor-
zustellen, das weder gleichseitig noch ungleichseitig
ist, das weder in der Länge noch in dem Verhältnis der
Seiten bestimmt ist, und er wird bald den Widersinn
aller scholastischen Begriffe über Abstraktion und
allgemeine Vorstellungen bemerken. ^)
So besteht der erste philosophische Einwurf gegen
die Aussage der Sinne oder die Annahme einer äußeren
*) Diese Begründung stammt von Dr. Berkeley; in
der Tat bilden die meisten Schriften jenes hochbegabten
Verfassers die beste Anleitung znm Skeptizismus, die sich
bei alten und neuen Philosophen, selbst Bayle nicht ausgenom-
men, finden läßt. Er erklärt deßungeachtet auf dem Titelblatt
(und zweifellos vollkommen aufrichtig), daß er sein Buch
sowohl gegen Skeptiker als gegen Atheisten und Freidenker
gerichtet habe. Daß aber all seine Begründungen trotz
ihrer anderen Absicht in Wirklichkeit rein skeptischer Natur
sind, erhellt daraus, daß sie keine Antwort gestatten
und keine Oberzeugung hervorrufen. Ihre einzige
Wirkung ist die Erzeugung jenes verblüfften Staunens, jener
182
Zwölfter Abschnitt.
Existenz darin, daß solche Annahme, wenn sie sich
auf den Naturinstinkt stützt, der Vernunft wider-
streitet, und wenn sie sich auf die Vernunft beruft,
dem Naturinstinkt widerstreitet und doch gleichzeitig
keine Evidenz für die Vernunft besitzt, die einen
unparteiischen Forscher zu überzeugen taugte. Der
zweite Einwurf geht weiter und zeigt, daß diese An-
nahme der Vernunft sogar widerstreitet, wenigstens wenn
es ein Prinzip der Vernunft ist, daß alle sinnlichen Eigen-
schaften im Geist und nicht im Gegenstand sich be-
finden. Beraubt man aber die Materie aller ihrer faß-
baren Eigenschaften erster sowohl wie zweiter Ord-
nung, so vernichtet man sie eigentlich und behält
nur ein gewisses unbekanntes, unerklärliches Etwas
zurück als Ursache unserer Auffassungen, einen so
unvollkommenen Begriff, daß kein Skeptiker ihn des
Streites wert erachten wird.^)
Zweiter Teil.
Der Versuch der Skeptiker, die Vernunft durch
Begründungen und Vernunfterwägungen zu ver-
nichten, mag recht gewagt ersc"heinen; und doch ist
dies das große Ziel all ihrer Forschungen und Streitig-
keiten. Sie suchen nach Einwürfen sowohl gegen
unsere abstrakten Denkakte als gegen diejenigen,
welche Tatsachen und Dasein betreffen.
Der Haupteinwand gegen alle abstrakten Denk-
akte entnimmt sich den Vorstellungen des Raumes
und der Zeit; Vorstellungen, die im täglichen Lieben
und für eine achtlose Betrachtung sehr klar und
verständlich sind, die aber dort, wo sie der gründ-
lichen Untersuchung der tieferen Wissenschaften
unterliegen (und sie sind der Hauptgegenstand dieser
Wissenschaften), zu Prinzipien führen, die durchaus
verkehrt und widerspruchsvoll erscheinen. Kein Dogma
Unentschlossenheit und Verwirrung, die das Ergebnis des
Skeptizismas ist.
*) Dieser Satz wurde in Ausgabe R hinzugefügt.
Ober die akademische oder skeptische Philosophie. 183
der Priester, zur Bändigung und Unterjochung der
aufsässigen Vernunft des Menschen erfunden, hat je
den gesunden Verstand mehr verletzt, als die Lehre
von der unendlichen Teilbarkeit der Ausdehnung mit
ihren Folgerungen, wie sie von allen Geometern und
Metaphysiken! mit einer Art von triumphierendem
Frohlocken pomphaft entwickelt werden. Eine wirk-
liche Größe, die unendlich kleiner ist als jede endliche
Größe und die Größen enthält, welche unendlich
kleiner sind als sie selbst, und so ins Unendliche fort
— ein so kühner und wunderbarer Bau wiegt zu schwer,
als daß eine Demonstration sich anmaßen dürfte,
ihn tragen zu können, denn er verletzt die klarsten
und natürlichsten Prinzipien der menschlichen Ver-
nunft^) Die Sache wird aber dadurch noch merk-
würdiger, daß diese scheinbar widersinnigen Ansichten
von einer Reihe der klarsten und natürlichsten Ge-
dankengänge gestützt werden; wir können auch unmög-
lich die Vordersätze zugeben, ohne den Folgerungen
beizustimmen. Was könnte uns mehr einleuchten und
zufriedenstellen, als all die Schlüsse über die Eigen-
schaften der Kreise und Dreiecke; und doch, sind diese
einmal angenommen, wie läßt sich leugnen, daß der
Berührungswinkel zwischen einem Kreis und seiner
Tangente unendlich kleiner ist als jeder rechte Winkel,
daß man durch Vergrößerung des Kreisdurchmessers
ins Unendliche die Verkleinerung dieses Berührungs-
winkels, und zwar ohne Ende, bewirken kann, daß der
^) Wie sehr die mathematischen Punkte auch umstritten
sein mögen, so müssen wir doch zugeben, daß es physische
Punkte gibt, d. h. Teile der Ausdehnung, die weder durch
die Gesichtswahrnehmung noch durch die Einbildungskraft
geteilt oder vermindert werden können. Diese der Phantasie
oder den Sinnen gegenwärtigen Bilder sind also vollkommen
unteilbar, und folglich müssen sie die Mathematiker für
unendlich kleiner gelten lassen als irgend einen wirklichen
Teil der Ausdehnung. Und doch scheint der Vernunft nichts
80 gewiß zu sein, wie daß eine unendliche Anzahl von ihnen
durch Zusammensetzung eine unendliche Ausdehnung ergibt.
Um wie viel mehr muß dies bei einer unendlichen Zahl
jener unendlich kleinen Teile der Ausdehnung der Fall sein,
die selbst noch für unendlich teilbar gelten.
184
Zwölfter Abiehoitt.
Berührongswinkel zwischen anderen Kurven and ihren
Tangenten unendlich kleiner sein kann als diejenigen
zwischen jedem iCreis und seiner Tangente, und so
ins Unendliche fort? Die Demonstration für diese
Prinzipien scheint so zwingend wie jener Nachweis,
daß die drei Winkel im Dreieck gleich zwei Rechten
sind; und doch ist die eine Anschauung so natürlich
und bequem, die andere beladen mit Widerspruch und
Verkehrtheit. Die Vernunft scheint hier in eine Art
Verblüffung und Beklemmung versetzt, die sie auch
ohne die Eingebungen eines Skeptikers an sich selbst
und an dem Boden unter ihren Füßen irre macht. Sie
sieht ein helles Licht, das gewisse Stellen erleuchtet;
aber dies Licht grenzt an die tiefste Dunkelheit
Zwischen beiden steht sie so geblendet und verwirrt,
daß sie sich kaum noch mit Gewißheit und Sicherheit
über irgend einen Gegenstand äußern kann.
Der Widersinn dieser kühnen Begriffsbildungen
der abstrakten Wissenschaften wird, wenn möglich,
noch greifbarer, wenn wir statt der Ausdehnung die
Zeit betrachten. Eine unendliche Zahl wirklicher Zeilr
teile, die einander folgen und einer nach dem anderen
vergehen, scheint ein so offenbarer Widerspruch zu
sein, daß man wohl keinem, dessen Urteil durch die
Wissenschaften nicht verdorben, anstatt verbessert
worden ist, zutrauen sollte, ihn anzunehmen.
Dennoch kann die Vernunft auch mit diesem Skep-
tizismus sich nicht beruhigen und begnügen, in den
sie durch jene scheinbaren Verkehrtheiten und Wider-
sprüche getrieben worden ist. Wie irgend eine klare,
deutliche Vorstellung Bestandteile enthalten kann, die
ihr selbst oder irgend einer anderen klaren, deutlichen
Vorstellung widersprechen, ist vollkommen unbegreif-
lich und vielleicht läßt sich keine widersinnigere Be-
hauptung erdenken. Daher kann gar nichts skep-
tischer sein oder reicher an Zweifel und Unentschieden-
heit, als dieser Skeptizismus selbst, der aus einigen
der paradoxen Schlußfolgerungen der Geometrie und
Größenlehre entspringt.^)
') Es scheint mir nicht unmöglich, diese Verkehrtheiten
und Widersprüche durch das Zugeständnis zu yermeiden,
tTbrnr die akademische oder skeptisohe Philosophie. 185
Die skeptischen Einwürfe gegen die moralisch-
gewisse Evidenz oder gegen die Denkakte über Tat-
sachen sind entweder populär oder philosophisch.
Die populären Einwürfe sind von der natürlichen
Schwäche des menschlichen Verstandes hergenommen,
von den widersprechenden Meinungen, die verschiedene
daß es so etwas wie abstrakte und allgemeine Vorstellungen
im eigentlichen Sinne nicht gfibt, sondern daß alle allgemeinen
Vorstellungen in Wirklichkeit Einzelvorstellungen sind,
einem allgemeinen Namen zugeordnet, der bei Gelegenheit
andere Einzelvorstellungen wachruft, die in bestimmten
Merkmalen der dem Geiste gegenwärtigen Vorstellung ähn-
lich sind. So bilden wir, wenn das Wort Pferd ausge-
sprochen wird, uns unmittelbar die Vorstellung eines schwarzen
oder weißen Tieres von bestimmter Größe und Gestalt; da
aber dies Wort gewöhnlich auch auf Tiere von anderer
Farbe, Gestalt und Größe angewandt wird, so sind diese
Vorstellungen, obschon der Einbildung im Augenblick nicht
gegenwärtig, leicht wachzurufen, und unsere Vernunfttätigkeit
und Schlußfolgerung geht in der gleichen Weise vor sich, wie
wenn sie tatsächlich gegenwärtig wären. Gibt man dies zu
(wie es vernünfbig wäre), so folgt daraus, daß alle Vor-
stellungen von Größe, mit denen die Mathematiker arbeiten,
nur Einzelvorstellungen sind, und zwar von den Sinnen und
der Einbildungskraft eingegebene, die also nicht ins unendliche
teilbar sein können. (Ausgaben E und F fügen ein: Im all-
gemeinen dürfen wir behaupten, daß die Vorstellungen von
größer, kleiner und gleich, welche die Hauptgegenstände
der Geometrie bilden, durchaus nicht genau und bestimmt
genug sind, um die Grundlage für so auffallende Ableitungen
zu bilden. Fragt einen Mathematiker, was er meint, wenn
•r zwei Größen für gleich erklärt, so muß er gestehen,
daß die Vorstellung der Gleichheit zu den undeünierbaren
gehört, und daß es genügt, zwei gleiche Größen vor jemand
hinzustellen, um diese Vorstellung entstehen zu lassen. Nun,
dies ist eine Berufung auf die allgemeinen Erscheinungs-
weisen der Dinge, wie sie sich der Einbildungskraft oder
den Sinnen zeigen und kann folglich niemals Schlußsätze
abwerfen, die diesen Vermögen so geradezu widerstreiten.)
Es genügt vorläufig diese Andeutung, die hier nicht weiter
verfolgt werden soll. Allen Liebhabern der Wissenschaft
liegt gewiß daran, sich durch ihre Schlüsse nicht dem Ge-
lächter und der Verachtung der Unwissenden auszusetzen,
und so scheint mir diese Schwierigkeit am leichtesten ge-
löst zu sein.
186
Zwölfter Abschnitt.
Zeiten und Völker gehegt haben, dem Schwanken unseres
Urteils in Krankheit und Gesundheit, Jugend und Alter,
Glück und Unglück, dem dauernden Widerspruch in
jedes einzelnen Menschen Meinungen und Ansichten
und vielen derartigen Fällen mehr. Es ist überflüssig,
diesen Punkt eingehender zu behandeln; dies sind nur
schwache Einwürfe. Denn da wir im täglichen Leben
jederzeit Denkakte über Tatsachen und Dasein bilden
und unmöglich leben könnten, ohne diese Art der
Begründung dauernd anzuwenden, so können alle
populären Einwürfe, die aus ihr geschöpft sind, nicht
genügen, jene Evidenz zu zerstören. Der große
Gegner, der den Pyrrhonismus oder die über-
triebenen Prinzipien des Skeptizismus untergräbt, heißt
Tätigkeit, Beschäftigung und die Verrichtungen des
täglichen Lebens. In den Schulen mögen diese Prin-
zipien blühen und obsiegen; dort ist es freilich schwer,
wenn nicht unmöglich, sie zu widerlegen. Sobald sie
aber aus dem Schatten heraustreten und durch die
Gegenwart der wirklichen Dinge, die unsere Affekte
und Gefühle in Bewegung setzen, zu den mächtigeren
Prinzipien unserer Natur in Gegensatz geraten, so
vergehen sie wie Rauch und lassen den entschiedensten
Skeptiker in derselben Lage wie andere Sterbliche
zurück.
Der Skeptiker täte daher besser, in. seinem eigenen
Reich zu verbleiben und jene philosophischen Ein-
würfe zu entwickeln, die aus tieferen Untersuchungen
entspringen. Hier scheint sich ihm reichliche Gelegen-
heit des Triumphes zu bieten, wenn er mit Recht be-
tont, daß all unsere Evidenz über Tatsachen, die über
das Zeugnis der Sinne oder des Gedächtnisses hinaus-
gehen, einzig aus der Beziehung von Ursache und
Wirkung stammt; daß wir keine andere Vorstellung
von dieser Beziehung haben, als die von zwei Gegen-
ständen, die häufig im Zusammenhang standen;
daß wir keine Begründung für die Überzeugung be-
sitzen, daß Gegenstände, die in unserer Erfahrung
häufig im Zusammenhang standen, in anderen Fällen
ebenso im Zusammenhange stehen werden; und daß
uns nur Gewohnheit oder ein gewisser Instinkt unserer
Natur zu dieser Ableitung verführt, dem zu wider-
tjber die akademische oder skeptische Philosophie. 187
stehen es in der Tat schwer ist, der aber, wie andere
Instinkte, täuschen und trügen kann. Solange der
Skeptiker auf diesen Gebieten verweilt, zeigt er seine
Stärke oder tatsächlich vielmehr seine eigene und
unsere Schwäche; er scheint wenigstens solange alle
Sicherheit und Überzeugung zu zerstören. Diese Be-
gründungen könnten noch länger ausgesponnen
werden, ließe sich nur irgend ein dauernder Nutzen
oder Vorteil für die Gesellschaft daraus erwarten.
Denn darin besteht der hauptsächliche und nieder-
schlagendste Einwand gegen den übertriebenen
Skeptizismus, «daß kein dauernder Nutzen aus ihm je-
mals hervorgehen kann, so lange er in seiner vollen
Kraft und Stärke verharrt. Wir brauchen einen
solchen Skeptiker bloß zu fragen: Was er eigentlich
wolle und mit all diesen interessanten Unter-
suchungen bezwecke? Er gerät dann sofort in
Verlegenheit und weiß keine Antwort. Ein An-
hänger des Kopernikus oder Ptolemäus, der sein be-
sonderes astronomisches System verteidigt, mag
hoffen, bei seinen Zuhörern eine Überzeugung hervor-
zurufen, die auf die Dauer bestehen bleibt. Ein
Stoiker oder Epikuräer entwickelt Prinzipien, die
nicht nur sich dauernder Geltung erfreuen mögen,
sondern auch auf unser Verhalten und Benehmen ein-
wirken. Aber ein Pyrrhoniker kann nicht erwarten,
daß seine Philosophie irgend einen beständigen Ein-
fluß auf unseren Geist ausüben, oder daß dieser Ein-
fluß, wenn sie es täte, für die Gesellschaft wohltätig
sein werde. Er muß im Gegenteil zugeben, wenn
anders er überhaupt etwas zugeben will, daß alles
menschliche Leben untergehen müßte, wenn seine
Prinzipien allgemein und auf die Dauer zur Herrschaft
kämen. Jede Unterredung und jede Handlung würden
sofort aufhören und die Menschen in einem voll-
kommenen Dämmerzustand verharren, bis die un-
befriedigten Bedürfnisse der Natur ihrem elenden
Dasein ein Ziel setzten. Ein so unglücklicher Ausgang
ist allerdings sehr wenig zu fürchten. Die Natur ist
immer stärker als alle Prinzipien. Wenn auch ein Pyr-
rhoniker sich oder andere durch seine tiefsinnigen
Gedankengänge in eine augenblickliche Verblüffung
188
Zwölfter Absehnitt.
nnd Verwirrung stürzen mag, so wird doch das erste all-
tägliche Erlebnis seine sämtlichen Zweifel und Bedenken
verjagen, und ihn, was Handeln und Forschen angeht,
mit den Philosophen jeder anderen Sekte oder mit
Leuten, die sich niemals um philosophische Unter-^
suchung im geringsten gekümmert haben, vollkommen
gleichstellen. Erwacht er aus seinem Traume, so wird
er der Erste sein, der in das Gelächter über sich
selbst mit einstimmt und gesteht, daß all seine
Einwürfe bloß zur Unterhaltung taugen und nur die
wunderliche Lage des Menschen zu o&enbaren dienen,
der handeln, denken und glauben muß, wenn er auch
nicht imstande ist, durch die sorgsamste Untersuchung
über die Grundlagen dieser Tätigkeiten befriedigende
Aufldärung zu erlangen oder die gegen sie erhobenen
Einwürfe zurückzuweisen.
Dritter TeU.
Es gibt nun freilich einen gemäßigteren Skepti-
zismus, nämlich die akademische Philosophie, der so-
wohl von Dauer als von Nutzen sein kann und sich zum
Teile aus diesem Pyrrhonismus oder übertriebenen
Skeptizismus ergeben mag, wenn dessen zahllose Zwei-
fel durch den gesunden Verstand und durch Überlegung
einigermaßen berichtigt werden. Der größere Teil
der Menschen ist naturgemäß zu dogmatischen Be-
hauptungen geneigt; da er die Gegenstände nur von
einer Seite sieht und keine Vorstellung von irgend-
welchen Begründungen der Gregenseite hat, so wendet
er sich unbesonnen jenen Prinzipien zu, auf die ihn
seine Neigung verweist; auch kennt er keinerlei
Nachsicht für die, welche entgegengesetzten An-
schauungen huldigen. Das Zögern oder Abwägen be-
unruhigt seinen Verstand, tritt seinen Affekten e>nt-
gegen und hemmt sein Handeln. Er ruht daher nicht,
bis er einem für sich so unbequemen Zustand
entflieht, und meint, durch die Heftigkeit seiner
Behauptungen und die Hartnäckigkeit seines Glaubens
sich gar nicht weit genug davon entfernen zu können.
Ober die akademische oder ikeptische Philoeophie. 189
Würden aber diese dogmatischen Denker sich der
sonderbaren Schwächen des menschlichen Verstandes
selbst in seinem vollkommensten Zustande und m
seinen genauesten und besonnensten Begriffsbestim-
mungen bewußt werden, so würde eine solche Über-
legung sie mehr Bescheidenheit und Zurückhaltung
lehren und ihre gute Meinung von sich selbst sowie
ihr Vorurteil gegen die Gegner verringern. Der Un-
gebildete sollte auf die Gemütsverfassung der Ge-
lehrten achten, die inmitten aller Vorteile, welche Ar-
beit und Überlegung zeitigen, gewöhnlich in ihre Er-
gebnisse doch Mißtrauen setzen; wer aber unter den Ge-
lehrten durch seine natürliche Veranlagung zu Hochmut
und Hartnäckigkeit neigt, dem wird ein leichter Zu^tz
von Pyrrhonismus seinen Stolz niederschlagen durch den
Hinweis, daß die geringen Vorteile, die er über seine
Genossen etwa errungen hätte, nur unbeträchtlich smd
im Vergleich mit der allgemeinen Ratlosigkeit und
Verwirrung, die der menschlichen Natur anhaftet.
Im allgemeinen sollte ein gewisser Grad von Zweifel,
Vorsicht und Bescheidenheit bei allen Arten von Unter-
suchungen und Entscheidungen den folgerichtigen
Denker nie verlassen. .
Eine andere Art des gemäßigten Skeptizismus,
die der Menschheit von Vorteil sein könnte und viel-
leicht das natürliche Ergebnis der pyrrhonischen
Zweifel und Bedenken ist, geht auf die Einschränkung
unserer Forschung auf solche Gegenstände, die sich
für die engen Fähigkeiten des menschlichen Ver-
standes am besten eignen. Die Einbildungskraft
des Menschen ist von Natur hochfliegend, entzuckt
sich an allem Entlegenen und Außerordentlichen und
stürmt ohne Aufsicht in die weitesten Fernen des
Raumes und der Zeit, um den Gegenständen aus dem
Wege zu gehen, welche Gewohnheit ihr allzu vertraut
gemacht hat. Eine gerade Urteilskraft beobachtet
die gegenteilige Methode, vermeidet alle weit und
hoch führenden Untersuchungen, beschränkt sich
auf das gewöhnliche Leben und solche Gebiete, die
im täglichen Handeln und in der Erfahrung vorkommen
und überläßt die erhabenen Vorwürfe Dichtern und
Rednern zur Ausschmückung oder der Kunst der
190
Zwölfter Abschnitt.
Priester und Staatsmänner. Uns zu einem so heil-
samen Entschluß zu bewegen, ist nichts so dienlich,
als einmal völlig von der Kraft des pyrrhonischen
Zweifels durchdrungen gewesen zu sein und von der
Unmöglichkeit, durch etwas anderes als nur durch
die starke Macht des natürlichen Instinkts daraus
befreit zu werden. Wer eine Neigung zur Philosophie
ha^ wurd seine Nachforschungen fortsetzen, denn er
bedenkt, daß neben dem unmittelbaren Vergnügen, das
solche Beschäftigung begleitet, philosophische Ent-
scheidungen weiter nichts sind als die in Regeln ge-
brachten und berichtigten Überlegungen des täglichen
Lebens. Aber sie werden sich nie versucht fühlen, über
das gewöhnliche Leben hinauszugehen, solange sie die
Unvollkommenheit jener Fähigkeiten im Auge behalten,
mit denen sie arbeiten, deren engen Bereich und unge-
naue Leistungen. Solange wir nicht einen befriedigenden
Grund angeben können, warum wir nach tausend Er-
fahrungstatsachen glauben, daß ein Stein fallen oder
das Feuer brennen wird — können wir uns da mit
irgend einer bestimmten Anschauung zufrieden geben
die wir über den Ursprung der Welten und den Zustand
der Natur von Ewigkeit zu Ewigkeit bilden mögen?
Diese enge Begrenzung unserer Untersuchungen
ist m der Tat in jeder Hinsicht so vernunftgemäß,
daß, um sie uns zu empfehlen, schon die oberfläch-
lichste Prüfung der natürlichen Kräfte des mensch-
lichen Geistes und deren Vergleichung mit ihren
Gegenständen genügt. Wir werden dann finden
welches die geeigneten Gebiete der Wissenschaft und
Forschung sind.
Mir scheint, daß die einzigen Gegenstände der
abstrakten Wissenschaften oder der Demonstration
Große und Zahl sind, und daß alle Versuche, diese
vollkommeneren Wissensarten über diese Grenzen
hmaus zu erstrecken, nur Blendwerk und Täuschung
bedeuten. Da die Bestandteile von Größe und Zahl
ganz gleichartig sind, so werden ihre Beziehungen
schwierig und verwickelt; nichts kann daher wissens-
werter und auch nützlicher sein, als durch vielfache
Zwischenglieder ihre Gleichheit oder Ungleichheit in
ihren verschiedenen Erscheinungsformen nachzu-
Über die akademische oder skeptische Philosophie. 191
weisen. Da aber sämtliche übrigen Vorstellungen deut-
lich voneinander getrennt und verschieden sind, so
können wir auch mit der genauesten Forschungs-
weise nie weiter dringen, als bis zur Beobachtung
dieser Verschiedenheit, und kraft eines einleuchtenden
Aktes der Überlegung die Aussage machen, daß das
eine Ding nicht das andere ist. Machen derartige Ent-
scheidungen Schwierigkeiten, so kommt das allein
von dem unbestimmten Sinn der Wörter, der sich durch
richtigere Definitionen verbessern läßt Daß das
Quadrat der Hypothenuse gleich ist den Qua-
draten der beiden anderen Seiten, kann man
auch bei genauester Definition der Ausdrücke nicht
wissen, ohne fortlaufende Denkakte und Unter-
suchungen anzustellen. Uns aber von dem Satz zu über-
zeugen, daß, wo kein Eigentum ist, da keine
Ungerechtigkeit sein kann, braucht man nur
die Ausdrücke zu definieren und Ungerechtigkeit als
Verletzung des Eigentums zu erklären. Dieser Satz ist
in der Tat nur eine unvollkommenere Definition. Das-
selbe gilt von all jenen angeblichen syllogistischen
Denkakten, die sich in jedem anderen Zweig des
Wissens vorfinden, außer in den Wissenschaften von
Größe und Zahl. Diese können ruhig, wie mich dünkt,
für die einzigen wahren Gegenstände des Wissens und
der Demonstration erklärt werden.
Alle übrigen Forschungen des Menschen betreffen
nur Tatsachen und Dasein, und diese sind ersichtlich
der Demonstration nicht zugänglich. Alles, was ist,
kann auch nicht sein. Keine Verneinung einer Tatsache
kann einen Widerspruch enthalten. Das Nichtsein eines
Wesens ist ohne Ausnahme eine ebenso klare und deut-
liche Vorstellung wie sein Dasein. Der Satz, welcher
behauptet, daß es nicht ist, mag zwar falsch sein^),
aber er ist nicht weniger begreiflich und verständ-
lich als der, welcher behauptet, daß es ist. Der Fall
liegt anders bei den Wissenschaften im strengen Sinn.
Dort ist jeder Satz, der nicht wahr ist, verworren
und unverständlich. Daß die Kubikwurzel von 64
gleich ist der Hälfte von 10, ist ein falscher Satz
*) „mag zwar falsch sein" kam in Ausgabe F hinza.
192
Zwölfter Abichnitt.
und kann nie deutlich vorgestellt werden. Daß aber
Cäsar, oder der \Engel Gabriel, oder sonst ein Wesen
niemals existiert hat, mag ein falscher Satz sein, ist
aber jedenfalls vollkommen vorstellbar und enthält
keinen Widerspruch.
Das Dasein irgend eines Wesens kann also nur
durch Begründungen bewiesen werden, die aus seiner
Ursache .oder Wirkung stammen, und diese Begrün-
dungen stützen sich lediglich auf die Erfahrung. (Jehen
wir a priori vor, so scheint jedes Ding fähig, jedes
andere hervorzubringen. Das Fallen eines Kiesels
könnte, soviel wir wissen, die Sonne auslöschen, oder
der Wunsch eines Menschen den Lauf der Sterne
lenken. Es ist nur die Erfahrung, die uns über
^e Natur und die Grenzen von Ursache und Wirkung
belehrt und uns befähigt, ' das Dasein eines Gegen-
standes aus dem eines anderen herzuleiten. ^) Das ist
die Grundlage der moralisch-gewissen Denkakte,
welche den größten Teil des menschlichen Wissens
bilden und die Quelle alles menschlichen Handelns und
Verhaltens sind.
Moralisch-gewisse Denkakte betreffen entweder
einzelne oder allgemeine Tatsachen. Alle Erwägungen
im Leben gehören zu den ersteren und ebenso alle Er-
örterungen in der Geschichte, Chronologie, Geographie
und Astronomia
Wissenschaften, die von allgemeinen Tatsachen
handeln, sind Politik, Naturwissenschaft, Physik, Chemie
usw., wo die Eigenschaften, Ursachen und Wirkungen
einer ganzen Gattung von Gegenständen untersucht
werden.
Die Gottesgelahrtheit oder Theologie, welche das
Dasein einer Gottheit und die Unsterblichkeit der Seelen
^ Jene lästerliche Regel der alten Philosophie: Ex
nihilo nihil fit, welche die Erschaffimg der Materie
ausschloß, hört nach unserer Philosophie anf, eine Regel xa
sein. Nicht nnr der Wille des höchsten Wesens kann die
Materie erschaffen; soweit wir a priori wissen, könnte sie
auch der Wille eines jeden andern Wesens erschaffen, oder
i'ode andere Ursache, die sich eine noch so launenhafte
fiinbildnngskrafb ersinnen mag.
Über die akademische oder skeptische Philosophie. 193
beweist, setzt sich aus Gedankengängen zusammen, die
teils einzelne, teils allgemeine Tatsachen betreffen. Sie
hat in der Vernunft ihre Grundlage, soweit sie durch
Erfahrung gestützt wird. Aber ihre beste und festeste
Grundlage ist der Glaube und die göttliche Offen-
barung.
Ethik und Ästhetik sind nicht so sehr Gegen-
stände für den Verstand wie für den Geschmack und
das Gefühl. Die Schönheit, die sittliche wie die natür-
liche, wird eigentlich mehr empfunden als verstandes-
gemäß aufgefaßt Richten wir unsere Vernunft auf sie
und versuchen wir einen Maßstab für sie festzustellen,
so betrachten wir eine neue Tatsache, nämlich den
allgemeinen Geschmack der Menschheit oder etwas
ähnliches, der dann Gegenstand der Vernunfttätigkeit
oder des Forschens werden kann.
Sehen wir, von diesen Prinzipien durchdrungen,
die Bibliotheken durch, welche Verwüstungen müssen
wir da nicht anrichten? Greifen wir irgend einen
Band heraus, etwa über Gotteslehre oder Schulmeta-
physik, so sollten wir fragen: Enthält er irgend
einen abstrakten Gedankengang über Größe
oder Zahl? Nein. Enthält er irgend einen auf
Erfahrung gestützten Gedankengang über Tat-
sachen und Dasein? Nein. Nun, so werft ihn ins
Feuer, denn er kann nichts als Blendwerk und Täu-
schung enthalten.
name, Unttrtnohsr- Ab. d. mentohl. Verstand.
18
DeatBoh-englisoheB Register.
195
Deutsch-englisches Register/)
Ableitung, ableiten:
A-bstrakt:
Affekt:
Analogie:
Anerkennung, anerkennen:
Ästhetik, Ästhetiker:
Assoziation:
Auffassen, Auffassung:
Aussage:
Begriff:
Begründung:
Beobachtung, beobachten:
Bestandig:
Betätigung:
Beweis:
Büd:
Bewußtsein, bewui^t:
Demonstration:
Denkakt:
Denken:
Denker:
Eindruck:
Einbildung(skraf t) :
Empfinden, Empfindung:
Energie:
Erdichtung:
•inference, infer.
♦abstract
♦passion.
analogy.
assent (siehe ^belief),
acknowledge.
♦criticsm, critic.
association.
♦perceive, perception.
*evidence.
•notion.
♦argument
Observation, observe.
steady, constant.
♦action.
♦proof.
image («Gemälde pict-
ure).
*consciousness, conscious.
""demonstration.
♦reasoning.
♦think, thought
♦reäsoner.
♦impression.
♦imagination.
♦feel, feeling.
energy (siehe ♦connexion).
fiction (siehe *imagina-
tion).
^) Die mit •inem Stero TeneheneD WOrter finden liob
mach im engÜBoh-dentiohen Register.
Ereignis:
Erfahrung:
Erfahrungstatsache:
Erfolg:
Erscheinung:
Erstaunlich:
Evidenz:
FaU:
Fest, Festigkeit:
Folge, Folgerung:
Frische:
Gedanke:
Gedankengang:
Gefühl:
Gregenstand:
Gegensatz:
Gesunder (gemeiner) Ver-
stand:
Geist, geistig:
Greisteswissenschaf t :
Gemütserregung:
Geschmack:
Geschmacksurteile :
Gewißheit:
Gewohnheit:
Glaube:
Gleich:
Gleichartig:
Grundsatz:
Handlung:
Herleiten, -ung:
Intuition, intuitiv:
Kraft:
Kenntnis:
Kontrast:
event.
♦experience.
♦experiment.
event.
phaenomenon, appearance.
marvellous.
•evidence.
instance (günstiger Fall:
Chance).
firm, firmness; solid, solid-
ity.
*consequence.
vigour.
*thought.
*reasoning.
*sentiment.
subject, object.
Opposition, contest (siehe
♦contrariety).
common sense.
*mind, spirit, genius; ment-
al,
moral science (siehe ♦mor-
al).
emotion, affection (siehe
*passion).
taste, relish.
*criticism.
*certainty.
custom.
*belief, faith.
like (siehe *similar).
♦similar.
maxim (siehe ♦principle).
action.
*infer, inference.
*intuition, intuitive,
force, power (siehe ♦con-
nexion).
♦knowledge.
contrast (siehe ♦contrary).
13*
!
196
Deatach-engliiohef Register.
Deattob-ADgliiohM Register.
197
Lebendigkeit, lebendig:
Lebbaftigkeit, lebhaft:
Macht:
Matt:
Metaphysik, metaphysisch:
Moralisch, moralisch-ge-
wiß:
Naturwidrig (widernatür-
lich):
Neigung:
Philosophie:
Prinzip:
Schließen, Schluß:
Schwach:
Seele:
Selbstbesinnung:
Sicherheit:
Starke, stark:
Tätigkeit:
Tasten:
Tatsache:
Überlegung, überlegen:
Übernatürlich:
Überzeugung:
Übung:
Ursache*
Urteil, Urteilskraft:
Verbinden, -ung:
Verknüpfen, Verknüpfung:
Vernunft:
Vernünfteln:
Vernünftig:
Vernunfttätigkeit:
Verstand:
Verständlich:
Verträglich:
vivacity, vivid.
liveliness, lively.
power (siehe: ♦connexion).
faint.
♦metaphysics, metaphysical.
♦moral.
prodigeous,
affection, inclination, pro-
pensity (siehe *passion).
♦philosophy.
♦principle.
*conclude, conclusion.
feeble.
soul (siehe ♦mind).
♦reflection.
♦assurance, security (siehe
♦belief).
strength, streng, force.
♦Operation,
♦feel.
fact, matter of fact.
♦reflection, reflect.
supernatural.
conviction, persuasion.
(siehe ♦belief).
habit.
cause.
judgment.
bi
)ind together, unite, union,
communication.
♦connect, connexion.
♦reason.
♦to reason.
♦reasonable, rational, in-
telligent,
♦reasoning.
♦understanding.
intelligible.
consistent (siehe ♦contra-
diction).
Vertrauen:
Vorgang:
Vorstellen:
Vorstellung:
Vor Stellungsbild:
Vor stellbar:
Wahr, Wahrheit:
Wahrnehmung:
Wahrscheinlich, -keit:
Widerspruch, -sprechen,
widerspruchsvoll:
Widerstreit, widerstrei-
tend:
Wille:
Willenshandlung:
Wirksamkeit:
Wirkung:
Wißbegierde:
Wissen:
Wissenschaft:
Wunder, wunderbar:
Zeugnis:
Zufall:
Zusammenhang (hängen)
Zusammenstimmend :
Zustimmung:
faith.
♦Operation,
♦conceive.
♦idea.
♦conception.
*conceivable.
*true, truth.
♦Sensation.
♦probable, probability.
♦contradiction, contradict,
contradictory.
♦contrariety, contrary.
will.
voluntary action.
♦Operation.
effect.
curiosity.
♦knowledge.
♦philosophy, science; ganz
selten: letters, learning,
litterature.
miracle, miraculous, sel-
ten: wonder.
testimony.
Chance, selten accident.
♦conjunction, conjoin.
consistent (siehe ♦contra-
diction).
assent (siehe ♦belief).
Englisch-deutsches Register.
Nur die in der Übersetzung streng festgehaltenen Ausdrücke,
also die eigentlichen Termini, erhalten in diesem alpha»
betischen Register eine selbständige Stelle; erwähnens-
werte, aber von Hume oder von uns fließend gebrauchte
Ausdrücke werden bei den betreffenden Grundwörtern er-
wähnt, denen ihre Bedeutung am verwandtesten ist. Hin-
weise auf Humes Hauptwerk den Treatise on human nature
beziehen sich stets auf dessen erstes Buch: Of fiiC wnder-
ttanding. Die Nachweise durch Angabe der Seiten, aui
denen ein Ausdruck vorkommt, erstreben natürlich' keine
Vollständigkeit.
Abstract: von Hume in dreierlei Bedeutung ge-
braucht: a) = unanschaulich und daher schwer
verständlich im populären Sinne (Hauptquelle
bezeichnenderweise der „populäre" Abschnitt I);
dort wird die leichte (easy), menschliche (human),
augenfällige (öbvious) der tiefsinnigen (profound),
schwer verständlichen (of difficult comprehension),
genauen (accurate) Philosophie gegenübergestellt;
vgl. S. 4, 7, 9, 15, 16, 60, 95. b) = a priori,
rein gedanklich; so werden S. 182 „unsre ab-
strakten Denkakte" (abstract reasonings) in Gegen-
satz zu denjenigen gestellt, „welche Tatsachen und
Dasein betreffen" (toich regard matter of fact or
existence). Und zwar ist die Mathematik in
diesem Sinne die „abstrakte Wissenschaft" xax
B^oxn^, S. 184, vor allem die Arithmetik (S. 190,
193), da nach Hume die Geometrie empirische Ele-
mente birgt und der Kritik der unter c) erwähnten
Bedeutung von abstrakt verfällt, c) = begriff-
lich, kommt hauptsächlich in der Verbindung mit
idea vor: als allgemeine und abstrakte Vor-
stellung. Deren Existenz wird bekanntlich von
Hume (im Treatise I, 7 ausführlich, in unserm
Werk, S. 185 A. nur nebenbei) geleugnet und jeder
Englisch-deutsohes Register.
199
Gattungsbegriff als „Einzelvorstellung*' gedeutet,
die bei Nennung eines allgemeinen Namens andre
Einzelvorstellungen assoziativ wachruft
Das Wort ist in jeder seiner Bedeutungen mit
Abstrakt wiedergegeben worden.
Argument: der Weg, auf dem ich von einer un-
mittelbaren zu einer mittelbaren Erkenntnis ge-
lange. Daher werden alle argumenta von Hume
(S. 70 A.) in Begründungen a priori und a poste-
riori, d. h. in demonstrations und proofs and pro-
habilitiea eingeteilt (siehe dort). Da aber die En-
quiry die Erkenntnis a priori nur streift, so steht
argument meist im Sinne von Erfahrungsbeweis,
als argument from experience (S. 47; der Aus-
druck argumenta a priori S. 38). Genus proxi-
mum: reasoning (siehe dort). Synonyma: con-
clusion (Schluß), consequence (Fdigeinng), inference
(Ableitung, siehe dort); Hauptquelle S. 45 — 51. Ar-
gument ist stets mit Begründung übersetzt worden;
nur zweimal, wo es im englischen Text für argu-
mentation steht, ist es (S. 128) mit Beweisführung,
oder (S. 145) mit Widerlegung wiedergegeben.
Association: die Verknüpfung zwischen einander-
folgenden Ideas (Vorstellungen) oder zwischen
einer impression und einer idea. Genus proxi-
mum: Operation of the mind (siehe dort). Syno-
nym um: connexion, Verknüpfung (siehe dort).
Hauptquelle: 3. Abschnitt. Association ist stets
mit Assoziation übersetzt worden.
Belief: das bevorzugte Wort, um die Überzeugung
von der Existenz oder Beschaffenheit einer
nicht unmittelbar erfahrenen, aber unter be-
stimmten Bedingungen erfahrbaren Wirklich-
keit zu bezeichnen. Diese Überzeugung wird durch
reasonings, arguments, inferences, conclusions,
consequenceSy letzten Endes durch einen auf dem
Wege gewohnheitsmäßiger Assoziation erworbenen
instinct, auf Grund vergangener Erfahrungen,
also im strengen Sinne nur durch proofs an der
Hand des Kausalitätsgesetzes erarbeitet. Ihr Grad
bleibt hinter der absoluten Gewißheit (certainty)
zurück und erreicht nur Wahrscheinlichkeit. Der
I -
200
Englitoh-dentsobes Begifter.
helief ist der eine Ast an dem Stamme der evidence
(siehe dort), deren anderer kräftiger entwickelter Ast
certainty (siehe dort) genannt wird. Da alle Er-
kenntnis über nicht unmittelbar gegenwärtige Wirk-
lichkeit nach Hume der Erfahrung entstammt, so
kommt der helief stets nur empirischen Einsichten
zu. Der belief ist ,,ein Gefühl oder eine Empfin-
dnngsweise" (sentiment or feeling), eine „Vorstel-
Inngsart" (manner of conception), nicht selbst eine
Vorstellung (S. 59/60). Genus proximum: cvi-
dence (siehe dort). Synonyma: assurance, assent,
seltener security, conviction (187), persuasion, rc-
liance (71), opinion (136); assurance und security
meist mit Sicherheit, assent mit Zustimmung, die
übrigen mit Überzeugung wiedergegeben; vgl.
S. 60, 183 (zu assent), S. 129 ff. (zu assurance).
Hauptquelle: S. 59—69; vgl. Treat I, 7, 10
und Anhang. Belief ist stets mit Glauben über-
setzt worden (S. 154, 155 und 193 mußte auch
faith im Sinne des religiösen Glaubens mit Glaube
übersetzt werden).
Gertain, certainty: der höchste Grad der Evi-
denz, der nur a) den Ergebnissen der aprio-
rischen Wissenschaften (Logik und Mathematik),
deren Gegenteil einen Widerspruch enthält, b) den
unmittelbaren Wahrnehmungen, den Augen-
blickserlebnissen (den external und internal sen-
sdktions), und c) allenfalls noch den Erinnerungsvor-
stellungen eignet Die Gewißheit ist entweder un-
mittelbarer <äer mittelbarer Art und heißt dem-
entsprechend intuitive oder demonstrative ; vgl. S. 35
und 36. Mittelbare Erfahrungsgewißheit gibt es
nicht; wohl aber mittelbare Gewißheit a priori als
der subjektive Überzeugungsgrad, der den demon-
strations eignet Ausnahmen von dieser Termino-
logie sind selten, doch finden sie sich gelegent-
lidi; so S. 107 — 109 mehrmals, wo von degrees of
certainty (statt evidence) gesprochen wird, und
S. 81, wo sich der Ausdruck a certain proof findet
(während doch ein Erfahrungsbeweis nach Hume
nur assent, assurance, conviction, kurz belief, aber
nie certainty erreicht); auch die Ausdrücke consid-
Englischodentiohef Register.
301
erable certainty und certain auf S. 111 und S. 122
sind inkorrelä. Genus proximum: evidence (siehe
dort). Synonyma nicht vorhanden. Haupt-
quelle: S. 35/36. Die englischen Termini sind im
Deutschen überall mit Gewiss und Gewissheit
wiedergegeben. (Ganz selten steht certain für ob-
jektiv notwendig, so S. 90, wie true gelegentlich
wirklich statt wahr bedeutet).
Conceive, conceivable, conception: jede Art des
reproduzierten, mittelbaren Vorstellens. Es
ist also eine Art des perceive (auffassen), das un-
mittelbares Vorstellen (für das Hume's Terminologie
keinen eigenen Ausdruck besitzt) und mittelbares
Vorstellen befaßt Das Vermögen der conceptions
ist die Einbildungskraft, imagitiation (siehe
dort). Gegenstück und zugleich Quelle der conceptions
sind die unmittelbaren impressions (siehe dort).
Da alles Vorstellen bei Hume ein anschauliches
Vorstellen ist und er ein begriffliches Vorstellen
nicht kennt, so steht auch conceivable und inconcei-
vable (S. 82, 83, 89) im Sinne von anschaulich,
vorstellbar oder nicht vorstellbar. Genus proxi-
mum: perceive, perception (Auffassung) (siehe
dort). Synonyma: siehe think (denken), thought
(Gedanke), idea (Vorstellung); von conceivable: con-
sistmt (widerspruchslos). Hauptquelle: S. 61 bis
69, wo die Bedeutungsgleichheit mit idea, think,
thought am klarsten erhellt; vgl. S. 18 ff., 43 u. a.
Deswegen ist auch der Stamm von vorstellen in der
Übersetzung stets eingehalten worden und zwar
in der Weise: daß conceive gewissermaßen als das
fehlende Verb zu idea immer mit Vorstellen (wie
think und thought mit denken und Gedanken), con-
ceivable mit vorstellbar, conception — da Vor-
stellung für idea reserviert werden mußte — mit
Vorstellungsbild wiedergegeben wurde. (Einmal
in der sonderbaren Verbindung von conception of
ideas: mit Bildung von Vorstellungen übersetzt,
S. 86.)
Conclusion, conclude: der Akt, der von unmittel-
barer zur mitteilbaren Erkenntnis führt, resp.
das Ergebnis dieses Aktes (die Konklusion). Haupt-
202
Englisoh-deutiches Register.
Problem ist die Analyse der experimental conclusion
(S. 44, 45), d. h. des Schlusses, der von gegenwär-
tiger oder erinnerter Erfahrung auf nicht Elr-
fahrenes geht Als Denkprozesse a priori die con-
elmions der Mathematik: S. 183. Genus proxi-
mum: reasoning (siehe dort). Synonyma: argu-
ment, inference, consequence (siehe dort). Haupt-
quelle: S. 42 ff. Conclude, conclusion sind stets
mit Schliessen, Schluss (Schlußsatz, Schluß-
ergebnis) übersetzt worden.
Coinanction, conjoin: im Gegensatz zur connexion
(Verknüpfung, siehe dort) eine Verbindung „äußer-
licher" d. h. nur räumlich-zeitlicher, nicht „innerer"
Natur. Es bedeutet das bloß tatsächliche Anein-
andergefügtsein von Dingen, Ereignissen, Vorstel-
lungen, nicht das logisch oder real notwendig'
mit einander Gegebensein. Die erkennbare
Kausalität ist bloße conjunction, und wer diesen
Begriff im Gegensatz zur necessary connexion, in
der die Wirkung aus der Ursache durch eine be-
sondere „Kraft" entspringt oder in ihr „enthalten"
ist, verstanden hat, besitzt den Schlüssel zu Humes
Kausaltheorie. Genus proximum: Operation (siehe
dort). Synonyma von to he conjoined: to folloto, io
he attended (S. 89). Hauptquelle: S. 85, 90 fi;
▼gl. auch S. 48fl Von den meisten Übersetzern
wird conjunction mit Verbindung, connexion mit
Verknüpfung wiedergegeben; aber dabei kommt
weder der sprachliche noch der tief sachliche Unter-
schied deutlich zur Geltung. Wegen der Wichtigkeit
der Begriffe haben wir (auf die Nachahmung des
Gleichklangs der ersten Silbe ,,con"' im Englischen
verzichtend) conjoin und conjunction überall durch
Zusammenhang und Zusammenhängen (im Zu-
sammenhang stenen) ins Deutsche übertragen. Man
liest so schwerer über den Gegensatz zur connexion
(Verknüpfung) hinweg.
Connexion, connect: die Verknüpfung innerer Natur
zwischen Begebenheiten, Gedanken, Dingen usw.,
so daß wenn A gesetzt ist, B notwendig mitgesetzt
ist; dieses innere „Band" {iycy S. 89, 90) heißt in
dem Verhältnis zwischen Ursache und Wirkung
Engiifeh-dentsohes Register.
203
gewöhnlich Kraft Eine solche comiexion zwischen
aen realen Objekten an sich mag bestehen, ist
aber unerkennbar (Abschnitt VI); dagegen bezeich-
net Hume die assoziative Verbindung der
Vorstellungen, die uns solch eine innere Ver-
knüpfung der Ereignisse in der realen Welt vor-
täuscht, als eine connexion: S. 24 bis 34; 63, 91,
92; 94/95, 113. Genus proximum: Operation
(siehe dort). Synonyma: force, energy, power
(Kraft, Energie, Macht). S. 76: power, force, energy
or necessary connexion, vgl. S. 90. Haupt quel-
len: die gleichen wie für den Gegensatz der con-
nexiony die conjunction: S. 85, 90 ff. Unsere
deutsche Übersetzung lautet stets: Verknüpfung,
verknüpfen.
Conscioasness, conscions: selten gebrauchte, nur in
Abschnitt VII häufiger angewandte Termini; sie
bezeichnen das unmittelbare Innewerden, das uns-
bewußt-sein eigner innerer Erlebnisse. Con-
sciousness ist die Quelle und das „Organ'' meist
nur der inneren „Eindrücke", der inward impres-
sions, und tritt dann als Seitenstück den äußeren
Sinnen, als der Quelle und den Organen der out-
ward impressions gegenüber; vgl. S. 86 either from
our senses or consciousness ; S. 81 wird es daher
•einem sentiment (Gefühl) gleichgesetzt. Es gibt
stets untrügliche Auskunft: consciousness never de-
ceives (S. 80). Genus proximum: mind (Geist)
(siehe dort). Synonymum: reflection (Selbstbesin-
nung) (siehe dort). Hauptquelle: S. 79—88.
Übersetzt wurden consciousness und conscious immer
durch: Bewusstsein und bewusst.
Consequence: sowohl die reale Folge wie die ge-
dankliche Folgerung. Genus proximum: rea-
soning (siehe dort). Im ersteren Sinn synonymum:
effect (S. 27, 66, 86, 116, 118, 124, 125); im zweiten
Fall: argument, inference, conclusion (siehe dort
und S. 44). Im Sinn von Wirkung ist consequence
stets mit Folge, im Sinn von Folge eines Grundes
stets mit Folgerung wiedergegeben.
Contradiction, contradict: die gedankliche Unver-
träglichkeit zweier Vorstellungen; also stets ein
y
S04
Bnglisch-daatschef Register.
Widerspruch a priori, der, ohne Rat bei der Er-
fahrung zu holen, eingesehen werden kann. Kommt
nur in der reinen Logik und Mathematik vor.
S. 19: nor ia anything heyond the power of thought
except what implies an absolute contradiction. Die
mathematische contradiction S. 182, 184. Nicht
häufig angewandter Terminus. Gegensatz: eon-
ceiva^le (82, 83, 86), consistent (widerspruchlos),
S. 19, 40; intelligibk (verständlich), S. 46. Syno-
nymum: incongruous (unverträglich), vgl. S. 19.
Hauptquelle: S. 35/36, 46. Contradict und con-
tradiction ist stets mit Widersprechen, Wider-
sprach übersetzt worden.
Contrary, contrariety: a) Der Gegensatz zwischen
Dingen, Ereignissen, die einander zerstören, auf-
heben, de facto miteinander unverträglich sind.
So wird S. 25 das Wesen von contrast or contrariety
(eontrast ist der viel seltener gebrauchte Ter-
minus) also beschrieben: Where two ohjects are
contrary, the one destroya the other. Dann bringen
die Worte das zum Ausdruck, was Kant „Real-
repugnanz'' nennt, b) Der scheinbare Gegensatz
in den Ursachen und Wirkungen dort, wo wir aus
der scheinbar gleichen Ursache verschiedene Wir-
kungen hervorgehen sehen. The contrariety of
events (im Sinne von b) may not proceed from
any contingency in the cause, but from the secret
Operation of contrary causes (im Sinne von a).
Solche Ursachen und Wirkungen, und ebenso un-
sere Beobachtungen und Erfahrungen über sie nennt
Hume gleichfalls contrary. In dem Sinne wird das
Wort am häufigsten gebraucht. Synonyma von
a) und b): opposite und Opposition (entgegen-
gesetzt, Gegensatz); so S. 13, 130/31 Opposition
and contrariety; selten contest (S. 132) und con-
trast (Kontrast, S. 3, 33, 132, 141, A). Haupt-
quelle: S. 103, 129—136. c) Manchmal auch im
Sinn des logischen Widerspruchs « contradiction
gebraucht; so S. 72 contrary supposition.
Contrary und contrariety sind im Gegensatz
zu contradiction (Widerspruch) und Opposition (Ge-
gensatz) stets mit widerstreitend, Widerstreit
En^lisch-dentiches Rej^ister.
205
übersetzt worden. Contrary als Substantiv (ganz
selten): Gegenteil (S. 26).
Criticism, critics: critidsm bedeutet bald die Ge-
schmacksurteile (so S. 4), bald die Wissenschaft
von diesen, die Ästhetik (S. 193); ihre Bearbeiter
heißen critics, Ästhetiker (S. 15).
Demonstration, demonstrativ: jede Art mittel-
barer Gewinnung von Erkenntnissen a priori, also
das direkte Gegenstück zum proof (siehe dort), der
mittelbaren Gewinnung von Erkenntnissen a poste-
riori. Findet nur statt in der reinen Mathematik
und Logik; und kann immer nur aus intuitiven
Einsichten a priori über relations of ideas neue re-
lations of ideas, niemals matters of fact or ex-i-
stence erschlieJßen. Genus proximum: reasoning^
inference, argument, conclusion, consequence (siehe
dort). Synonymum nicht vorhanden. Haupt-
quelle: S. 25, 45/46, 182—184; 190—193. (Aus-
führlicher im Treatise II, und III, 1.) Demonstra-
tion und demonstrativ ist stets mit Demonstra-
tion und demonstrativ wiedergegeben.
Event: Ereignis, Erfolg (73).
Evidence: a) Die Zustimmung und Überzeugung
hohen oder niederen Grades, die wir allen, un-
mittelbaren und mittelbaren Einsichten entgegen-
bringen. Die Evidence umspannt also die absolute
Gewißheit (certainty), sowie die Sicherheit (as-
surance), die Zustimmung (assent), die Wahrschein-
lichkeit (probability), kurz den „Glauben** (belief)
(siehe dort). Genus proximum: feding, sentiment
(siehe dort). Synonyma nicht vorhanden. Haupt-
quelle: S. 35, 36, 130. Evidence in diesem Sinne
ist überall mit Evidenz wiedergegeben worden,
b) Dagegen herrscht im Abschnitt X die zweite
Bedeutung des Wortes vor, in der es Aussage ver-
zeichnet und, um es gegen die Synonyma t e Sti-
rn ony (Zeugnis), relation (Bericht), u. a. abzu-
grenzen, auch stets so wiedergegeben wurde.
Experience, experiment: experience bedeutet bald
allgemein die (abstrakte), bald eine bestimmte (kon-
krete) Erfahrung; experiment stets das letztere,
und nicht Versuch, EJxperiment in unserem Sinne.
I '1
I
206
Engliflch-deatsches Kegister.
Der Ausdruck experience durchzieht gleichmäßig
das ganze Werk, zu experiment vgl. S. 64/65, 100.
Synonyma existieren nicht Zur experience ge-
hören alle impressiona, zu ihrem Gegensatz, der
reason 2L priori alle ideas und thougthSy sowie die
Operations of the mind, insofern sie die Erzeuger
der letzteren sind. Experience ist stets mit Er-
fahrung, experiment mit Erfahrungstatsache
übersetzt worden.
Feeling, feel: kann jedes unmittelbare Erlebnis oder
jede Erfahrung; d. h. jede impression, sowohl
äußere Sinneseindrücke, Empfindungen, wie Ge-
fühle und Willensregungen bedeuten, immer aber
von der Seite des innerlichen Gewahrwerdens aus
betrachtet. Entscheidend: feit hy external or in-
ternal senses. Es wird aber von Hume mit Vor-
liebe für die Erlebnisse der Sinneswahrnehmungen
gebraucht, während sentiment (Gefühl), das
gleichfalls alle impressions in ihrer unmittelbaren
Bewußtheit begreift, mit Vorliebe für die emo-
tionalen Erlebnisse der Gefühle verwendet wird.
Hume kennt zwar sachlich, aber nicht ter-
minologisch unsere heutige Unterschei-
dung zwischen Empfindungen und Gefühlen;
wo er sprachlich die Trennung hervorheben will,
geschieht es durch den Zusatz: outward, inward,
external, internal zu sensCy Sensation, sentiment,
feeling, impression. Genus proximum: percep-
tion (siehe dort). Synonyma: sentiment (mit der
angegebenen Einschränkung, siehe dort). Feeling or
sentiment: S. 19, 60, 61. Hauptquellen: Für die
„Empfindungen" (im Sinne der modernen Psycho-
logie) süß, kalt, bitter usw. steht feeling S. 13 A.;
für die Gefühle der Lusl^ Unlust, der Sittlichkeit
(die sonst gewöhnlich mit sentiment bezeichnet
werden) S. 18 (pain and pleasure: feelings), S. 19
(virtue conceived hy a feeling, i. e. dem moral
sentiment); der „Kraft" S. 81; sentiment und feel-
ing durcheinander gebraucht zur Charakteristik des
belief: S. 60ff. In der Übersetzung ist feeling und
fed stets mit Empfindung und Empfinden wieder-
gegeben worden, um es durch ein besonderes Wort
1
Englisch-deutBches Register.
207
gegen sentiment (Gefühl) abzugrenzen; es ist also
nicht im Sinne der modernen, rsychologie, sondern
im Sinne Humes übersetzt worden, der wie gesagt
den auch für die deutsche Wissenschaft relativ
jungen terminologischen Unterschied zwischen Emp-
findung und Gefühl noch nicht kannte. Mißver-
ständnisse (unter Beibehaltung unserer Über-
setzungsprinzipien: mit Humes Text die Ausdrücke
festzuhalten und zu wechseln) wären ganz nur dann
zu vermeiden gewesen, wenn wir im Deutschen für
feeling und sentiment zwei getrennte, Gefühle und
Empfindungen und zwar nur diese zwei Gruppen
von Bewußtseinsinhalten zugleich bezeichnende Aus-
drücke besäßen. Das ist nicht der Fall, und so
muß diese Anmerkung dazu dienen, auftauchenden
Unklarheiten zu begegnen. Schließlich schadet ja
immer nur eine inkonsequent oder unbewußt ange-
wandte Terminologie.
Wo feeling und feel für tasten steht, wie S. 18
und 43, ist es dementsprechend übersetzt worden.
Idea: stets die mittelbare, reproduzierte Vor-
stellung, die subjektive Wiederholung oder Ab-
änderung einer ursprünglichen Wahrnehmung, einer
impression. Die ideas sind die matteren Kopien
der Originale: impressions =» internal + external
sensations, feelings, sentiments. Kopien und Origi-
nale sind die beiden Klassen der perceptions. Das
Vermögen der ideas ist die imagination (siehe dort).
Der Sprachgebrauch Humes steht zwischen Locke,
von dem alle Bewußtseinsdata (Inhalte und Akte),
also auch Humes Operations of the mind „ideas* ge-
nannt werden und Berkeley, dw alle Bewußtseins-
inhalte unmittelbare und mittelbare, also Humes
impressions und ideas, aber nicht die Vorgänge im
Bewußtsein als ideas bezeichnet Genus proxi-
mum: perception (siehe dort). Synonyma: concep-
tion, thought (siehe dort). Hauptquelle: S. 17
bis 23. Idea ist durchgehends mit Vorstellung
wiedergegeben. Auch hier wird die Übersetzung
sich nicht allgemeiner Anerkennung erfreuen, da
von den deutscheu Psychologen ein Lager alle
Bewußtseinsinhalte, unmittelbare und mittelbare,
i
208
EngUsch-deutschet Hegiiter.
Englisoh-deutsches Register.
209
ein anderes nur die anmittelbaren und repro-
duzierten Sinneswahmehmungen, ein drittes alle
reproduzierten Grebilde, ein viertes nur die reprodu-
zierten Gebilde anschaulicher Art Vorstellungen
nennen will. Jedoch wird unsere Wahl, da sie
ihre Entscheidung deutlich mitteilt, kein Mißver-
ständnis der Gedanken Humes, sondern höchstens
eine Mißbilligung seines Übersetzers zur Folge
haben können.
Imagination: das „Vermögen'' die ursprünglichen
„Eindrücke" des „inneren und äußeren Sinns**
willkürlich zu reproduzieren, zu kombinieren,
abzuwandeln, zu den thoughts, conceptions, ideai.
Diese Tätigkeiten der imagination heißen: thitik
und conceive (vgl. dort), imagine (einbilden, in
weiterer Bedeutung auch ersinnen, S. 17). Die
eigentlichen Erkenntnisse, die intuitions und de-
monstrations a priori verfallen nicht dem Bereich
der imagination; die Produkte der imagination
sind teils fictiona (Erdichtungen, S. 60fl), teils
Kausalschlüsse (S. 95). Genus proximum: fa-
ctdty of the mind. Synonymum: selten fancy,
Phantasie (S.29, 66, 138, 183). Hauptquelle:
S. 60 — 63. Die Rolle der imagination im Trea-
tise ist eine viel bedeutendere als in der Enquiry;
daselbst verfallen ihr auch die geometrischen und
besonders die kausalen Erkenntnisse, zu deren Er-
klärung die Enquiry nur ganz selten die imagination
zu Hilfe nimmt, und nur die demonstrations und in-
tuitions a priori sowie die unmittelbar gegenwär-
tigen Erfahrungen entgehen ihrem Bereich; vgl.
Treat 1, 3 und IV, 4. Imagination ist stets mit Ein-
bildung oder Einbildungskraft übersetzt worden.
Impression : jeder unmittelbar erfreue Bewußtseins-
inhalt, äußerer oder innerer. Genus proximum:
perception (siehe dort). Synonyma: feelinOy
sentimenty Sensation (siehe dort). Gegenstück:
die mittelbaren Bewußtseinsinhalte, die ideas, concep-
tions, thoughts (siehe dort). Übersetzung: Eindruck.
Inier, Inlerence: neben reasoning das am häufigsten
verwandte Wort für die Operation of the mind,
welche von unmittelbaren „Eindrücken" zu neuen
Erkenntnissen über die nicht wahrgenommene, son-
dern nur unter Umständen wahrnehmbare Wirklich-
keit führt; wie die gleichsinnigen Ausdrücke haupt-
sächlich zur Bezeichnung des Schrittes verwandt,
durch den wir von der beobachteten Erscheinung,
der Ursache, zur erschlossenen Erscheinung, der
Wirkung gelangen. Genus proximum: Bea-
soning (siehe dort). Synonyma: argument, eon-
sequence, conclusion (siehe dort). Hauptquelle:
Abschnitt IV. Um infer und inference auch in der
deutschen Übersetzung durch einen besonderen
Namen kenntlich zu machen, ist es überall mit Ab-
(her)leiten, Ab(her)leitung wiedergegeben worden.
Intuition, intuitiv: immer nur die unmittelbare
Erkenntnis a priori. Durch sie werden allein die
rein logischen und mathematischen axiomati-
schen Einsichten ergriffen; diese betreffen einzig
Beziehungen (relations) zwischen Vorstel-
lungen (ideas), niemals Tatsachen (matter of
facts) und Dasein (existence). Das Gegenstück
zur intuition ist die demonstration (siehe dort);
d.h. die mittelbare Erkenntnis apriori. Beiden
Erkenntnisarten allein eignet die absolute Gewiß-
wißheit, die certainty (siehe dort). Genus proxi-
mum: knowledge (siehe dort). Synonyma: nicht
vorhanden. Hauptquelle: S.25. In der Enquiry hat
Hume die apriorische Erkenntnis nur gestreift, im
Treatise dagjegesi eingehend untersucht (vgl. daselbst
zur Intuition III, 1). Intuition und intuitive sind
wegen des ganz andersartigen Gebrauchs von An-
schauung und anschaulich im Deutschen, der so
gut Anschauungen a priori wie a posteriori be-
greift, stets durch Intuition und intuitiv wieder-
gegeben worden.
Knowledge: jede Art von Erkenntnis; bedeutet also
den Besitz sowohl der Wahrheit und Gewißheit
(fruth — ein seltener gebrauchter Terminus —
und certainty, siehe dort), wie der Wahrscheinlich-
keit und der ihr entsprechenden niederen Evidenz-
grade (prohahüity und helief, siehe dort). Daß
Hume sich dieser Anwendung des Ausdrucks wohl
bewußt war, geht aus S. 192 Jiervor, nach der
H am«. Untenuchg. üb. d. iB«uiclil. Verstand. X4
:l
210
Englisch-dentsches Register.
die moral reasonings, d. h. die nnr wahrschein-
lichen Denkakte ,,den größten Teil des mensch-
lichen Wissens" (knotoledge) bilden. Ganz im Ein-
klang damit wird Jcnowledge, übrigens kein sehr
häufig gebrauchtes Worty in der Enquiry, in der das
apodiktische und apriorische Wissen nicht ein-
gehender untersucht wird, meist zur Bezeichnung
des Wissens niederer Ordnung, d. h. der durch
die proofs erarbeiteten kausalen Erkenntnis ver-
wandt: so S. 53, wo ,,fast unser gesamtes Wissen^
(Tcnowledge) von der Eausalitätserkenntnis abhängig
gemacht wird; femer S. 36, 37, 42, 43, 45, 49
u. a. m. Synonymum: reason (siehe dort).
Dieser weite Gebrauch des Tcnowledge ist einer
der größten terminologischen Abweichungen der
Enquiry vom l^eatise, wo Tcnowledge nur für das
Wissen von apriorischer Herkunft und apodik-
tischer Gewißheit verwandt wird (vgl. Trea-
tise lU, 11 und in Lipps' Register zu seiner Über-
setzung des Treatise die Bemerkungen zu Tcnowledge,
wo übrigens der Terminologie in der Enquiry nicht
gedacht ist). Eine einzige Stelle fällt auch in der En-
quiry in den Sprachgebrauch des Treatise zurück,
nämlich S. 191, wo die mathematischen Demon-
strationen „allein für die eigentlichen Gegenstände
des Wissens" (tThe only proper ohjects of Tmowledge)
gehalten werden. Übersetzt wurde Tcnowledge stets
mit Wissen oder Kenntms. Verbum to Tcnow:
kennen, wissen.
Metaphv8ic8,metaphy8ical: a) jede „tiefere" wissen-
schaftliche Untersuchung; Synonymum: accurate,
profound, äbstract pTiilosopThy. Gegensatz: oh-
vious, easy, human phüosopTiy ; vgl. S. 9 und S. 7:
profound reasoning or what is commonly called
metapTiysics (vgl. Treat I, Einltg.). Diese tie-
feren Untersuchungen zerfallen in b) die unbe-
rechtigten und aussichtslosen, welche über die Er-
fahrung hinaus schweifen, in die Metaphysik
in dem Sinne, wie sie Kant bekämpft und Mill als
metempirische Spekulation bezeichnet (vgL
S. 193), und c) in die berechtigten und aussichto-
voUen oder die Erkenntnistheorie, welche Kant
Ihigliflch-dentsohei Regiater.
211
M
gleichfalls gelegentlich als Metaphysik bezeichnet.
Genus proximum: science of Tiuman nature. Sy-
nonymum: Enquiry Conceming Tiuman under Stand-
ing (S. 11/12). S. 11: „wir müssen die echte Meta-
physik mit einer gewissen Sorgfalt pflegen, um die
unechte und vermischte zu zerstören", d) Einige
Male steht dann metapT^ysical für jede geistes-
wissenschaftliche Untersuchung im Gegensatz zur
naturwissenschaftlichen. So S.41, wo die natural
pTiilosopTiy als Seitenstück zur moral or metaphysical
pTiilosopTiy erwähnt wird, ebenso S. 75. Übersetzt
wurden metapTiysics und metapT^ysical stets mit
Metaphysik und metaphysisch.
Kind: die gesamte geistige Natur des Menschen.
Genus proximum: human nature. Gegenstück:
hody (Körper, Leib). Synonymum: Soul (Seele,
S. 59, 79, 83, 86 u. a.). Spirit (z. B. of accuracy),
genius (of phüosophy, undertaTcing geniua S. 8,
10, 159, 179, 117) mußten auch mit Geist (der
Genauigkeit, der Philosophie, unternehmender Geist)
wiedergegeben werden. Adjektiv: menfoZ, geistig
(S. 12, 13 A.). Mind ist stets mit Geist übersetzt
worden.
Moral: a) sittlich, moralisch in unserem Sinne
(morality: Moral, S. 13, morals: Ethik, S. 193)
und dann bietet es für die Übersetzung keine
Schwierigkeit, b) Wahrscheinlich, im Gegen-
satz zu absolut gewiß (certain). Synonymum:
probable (siehe dort). Eine Terminologie, die in
Deutschland früher erloschen ist als in Frankreich
und England, wo sie noch besteht (sie geht auf
die Anschauung zurück, daß die empirischen Ge-
setze von Gott aus freiem, „moralischem^ Wülen
und nicht aus logischer Notwendigkeit geschaffen
wurden, und dieser theologische Same treibt bis
in die Erkenntnistheorie hinein seine Blüten). So
S. 46: moral or probable reasonings; S. 129, wo
die niederste Art der moral evidence das tiefste
Glied auf der Skala der Überzeugungsgefühle be-
zeichnet; vgl. auch S. 185 und 192. In dieser Be-
deutung ist das Wort» um weder seine eigentüm-
liche Färbung, noch seine Verständlichkeit auf-
14*
f
212
Engflisch-deutsches Kegister.
zugeben, mit moralisch-gewiss wiedergegeben
worden, c) Geistig im Gegensatz zu körperlich.
So nennt Hume die Philosophie des Geistes und die
Geisteswissenschaften: moral philosophy, moral
acienceSy moral reasonings, moral ideas, im
Gegensatz zur natural philosophy usw. So S. 3,
41, 75. Sy nonymum: metaphysics in der Bedeutung
von d) (siehe dort). In diesen Fällen sah sich die
Übersetzung genötigt, dem Mißverständnis des
Sinnes durch das Opfer der spezifisch englischen
Terminologie vorzubeugen und moral phüoaophy,
Science durch Geistesphilosophie, Geisteswissen-
schaft zu übersetzen.
Notion: eigentlich kein Terminus im Enquiry. Das
selten auftretende Wort bezeichnet bald den „Ge-
danken'* im Sinne der Vulgärpsychologie (so S. 6,
wenn der Philosoph „eingesponnen in seine prin-
eiples and notions" genannt wird; vgl. S. 20); bald
ist es ein Synonymum von idea, reproduzierter
Vorstellung, so S. 20. Es wurde stets durch Begriff
wiedergegeben, in dem vagen Sinne, den dieses
Wort in der Alltagssprache hat und nicht im Sinne
einer logisch nnd psychologisch festgelegten Be-
deutung (in der Hume es ebenso wie die abstraet
idea nicht anerkennen würde). Aber es mußte
gegen idea, conception, thought auch in der Über-
setzung kenntlich gemacht werden und ein anderes
geeignetes Wort wollte mir nicht einfallen.
Operation: wie reasoning mit der häufigste und
am schwierigsten übertragbare Terminus der En-
quiry. Operation bedeutet jede Art von Vor-
gang, Begebenheit, Tätigkeit, Wirksamkeit
im Reiche der Dinge an sich und der Erschei-
nungen, der körperlichen und der geistigen Natur:
bald bloß von der Seite des einfachen Gescheh-
nisses, der zeitlichen Veränderung, bald von der
Seite der erzeugenden Quelle, durch die eine Ver-
änderung entsteht, betrachtet; letztere ist nach
Hume unerkennbar und der Mensch ist auf die Er-
forschung der reinen Abfolge von Inhalten in seiner
Untersuchung der Operations angewiesen. So werden
Englisch-dentichet Register.
213
sowohl die empirischen Naturbegebenheiten, also
etwa das Fallen eines Steines, natural Operations
genannt, als auch von der ^.Operation of the cause"
•(S.72, 107 u. a.), von der Wirksamkeit der Ur-
Sache in der Natur gesprochen. Oft schillert die
Operation nach beiden Seiten und bezeichnet dann
einen aktiven Vorgang, eine Tätigkeit des Geistes,
aus dem jedes aktive Element hinauserklären
Hume weder wollte noch konnte. Jedenfalls nahm
er, wie auch die Gleichung actions^ Operations S. 115
beweist, das Endziel, dem er vielleicht nachstrebte,
nicht in die ursprüngliche Terminologie mit auf.
S. 19 wird ausdrücklich die Verarbeitung der im-
p7'essions zu fictions, also die „Verbindung, Um-
stellung, Vermehrung oder Verminderung", die
„Mischung und Zusammensetzung** der Sinneswahr-
nehmungen und Gefühle zu Phantasiegebilden durch
die imagination einer „creative power** y einem
,ywill'* zugesprochen; allerdings sind dieses dort
die einzigen im eminenten Sinne aktiven Operations
bei Hume; doch hat er auch die demonstrations
a priori, ja selbst die reasonings a posteriori öfters
als „Tätigkeiten" geschildert (S. 115/116 A) und
Treat. III, 2 auch ausdrücklich ihre aktive Natur
hervorgehoben. Synonymum: process. Hanpt-
quelle: Abschnitt VII und VIII. Es ist mir leider
nicht gelungen (so wenig wie bei reasoning) ein
Wort zu finden, das an den unzähligen Stellen, wo
Operations vorkommt, ohne der deutschen Sprache
oder dem Sinne Gewalt anzutun, einzusetzen wäre.
Auch Operations mit Operationen wiederzugeben,
ging nicht an (man denke oder besser man höre
nur: die Operationen der Körper, Operation der
Ursache!); so wurden für die drei Hauptnuancen
der Operation drei Ausdrücke: Vorgang, Wirk-
samkeit, Tätigkeit gewählt.
Passion: ist stets mit Affekt (affections meist mit:
Neigungen) übersetzt worden. Beides sind, ebenso
wie die sentiments, wo diese Gefühle bedeuten,
emotions: Gemütsbewegungen; vgl. S. 13 A,
17, 18, 20, 26 ff. (S. 1 mußte passion mit Leiden-
schaft, S. 7 mit Liebe wiedergegeben werden.)
SU
Engliioh-deiitiobM R«gitUr.
PerceiTe, percepüon: Perception bedeutet im En-
quiry jede Art von Bewußtseinsinhalten, on-
mittelbaren und mittelbaren, räumlich und unräum-
lich charakterisierten, d.h. ,,äui3eren" und „inne-
ren'^; befaßt also sämtliche impresaions (siehe dort)
(« auttoard and inward sensations) und sämtliche
ideas und thoughts (siehe dort). Das Haben
solcher Inhalte heißt perceive. Den perceptions
stehen innerhalb unseres „Geistes"' in gewissem
Sinne die Operations of the mind gegenüber.
Doch versucht Hume nach Kräften die meisten
Vorgänge (Operations) an den perceptions, wie
das logische, mathematische, kausale Denken,
die Assoziationen (mit Ausnahme der Abände-
rungen der impressions durch die imagination
zu fictions usw.) lediglich in eine Mechanik
der Perceptions, in eine gewissermaßen durch
Druck und Stoß hervorgerufene passive Be-
wegungsweise der Bewußtseinsinhalte aufzulösen,
ohne ein neues spontanes Prinzip einzuführen.
Im Gegensatz zur modernem Aktualitätstheorie,
welche die Perzeptionen letzten Endes aus
„Apperzeptionen'' aufbauen möchte, bemüht sich
Hume, die „Apperzeptionen" aus Perzeptionen auf-
zubauen. Keine perceptions sind die unerkennbaren
Dinge an sich und ihre unerkennbaren Operations;
aUe erkennbaren Gegenstände aber sind percep-
tions. Synonyma: nicht vorhanden. Haupt-
quelle: S. IT— 23. Um Hume nicht zu moderni-
sieren, ist perception nicht mit dem von der neueren
Psychologie wieder aufgenommenen Terminus Per-
zeption, sondern stets mit Auffassung, perceive
mit auffassen wiedergegeben worden. (S. 198,
wo perceive ausnahmsweise als intellektuelles Per-
zipieren im Gegensatz zum gefühlsmäßigen Per-
zipieren steht, mußte es mit „verstandesmäßig auf-
fassen" übersetzt werden.)
Philosophy: der englische Gebrauch des Ausdrucks ist
bekannuich auch heute noch weiter als der deutsche
(im übrigen ebenso unbestimmt und vieldeutig wie
dieser). Phüosophy zerfällt bei Hume in die Haupt-
zweige der moral und natural philosophy, dar
Engliioh-deutiohes Register
215
Geistee- und der Naturphilosophie. Beide Aus-
drücke werden zur Bezeichnung a) bald der all-
gemeinen Prinzipienlehre über Geist und Na-
tur, also der Philosophie in unserm Sinne, b) bald
der Spezialdisziplinen über die körperliche und
geistige Welt benutzt So werden S. 4 Erkenntnis-
theorie, Metaphysik und Ethik, S. 100 dagegen Ge-
schichte und Politik als Zweige der moral philo-
sophy aufgeführt; als Zweige der natural phüo-
sophy gibt der Enquiry überhaupt meist nur natur-
wissenschaftliche Sonderdisziplinen an, wie Botanik,
Mineralogie, Physik, S. 38, 41, 100. So umfaßt
das Wort philosophy die allgemeinste Wissenschaft
und die Einzelwissenschaften von der Wirklich-
keit (die „formalen", nur relations hetween ideas
behandelnden Disziplinen, wie die Mathematik,
heißen stets sciences und sind nach S. 191 allein
Sciences properly so called; während die Real-
disziplinen gelegentlich auch sciences genannt
werden, vgl. S. 192 und S. 75). Wissenschaft im
weiteren, populären Sinne heißt gelegentlich:
litterature (S. 4), letters (S. 6), leaming (S. 8, 11).
Genus proximum: Jcnowledge, enquiry , specu-
lation, science (S. 3). Da die Wiedergabe von philo-
sophy durch Philosophie dort, wo der Ausdruck reale
Einzeldisziplinen bezeichnet, gerade in einer erkennt-
nistheoretischen Abhandlung Mißverständnisse er-
regen könnte, so ist philosophy in der Bedeutung
von a) stets mit Philosophie, von b) stets mit
Wissenschaft übersetzt worden (natural philo-
sophy: Naturwissenschaft, moral philosophy:
Geisteswissenschaft).
Principle: a) Grundsatz, als eine Behauptung all-
gemeinen Inhalts; so S. 1, wo von den principles
and reasonings der Enquiry gesprochen wird. Sy-
nonymum: maxim (Grundsatz), b) Gesetz, z.B.
principles of assodation S. 24, 25. Synonym um:
law (welches Wort mit Vorliebe auf law of nature,
Naturgesetz, beschränkt wird), c) Grund kraft,
Triebkraft. Synonyma: power, spring (S. 1,
14, 41, 43/44, 103). So wird S. 116/117 ein
„hitziges Gemüt" als Ursache oder principle
916
Bngliaeh-dtiitsohM RegittMr.
von Handlungen angesehen. Oft schillert prin-
dple in allen drei Tönen, wie denn natürlich die
engste sachliche Verwandschaft zwischen den drei
Bedeutungen obwaltet. Denn die allgemeinen Sätze
sind meist Behauptungen über Gesetze, und diese»
sofern sie die Wirklichkeit beherrschen, sind für
Hume der Ausdruck allerdings unbekannter, aber
vorhandener „Kräfte^ Es fügt sich glücklich, dai3
wir im Deutschen das Wort Prinzip gleichfalls in
all diesen Schattierungen verwenden und so ist
denn principle stets mit Prinzip übersetzt worden.
ProbabiUty. probable: a)Frohahility kommt allem
Wissen (icmwledge) zu, das nicht über logische und
mathematische rdations hettoeen ideas, noch über
unmittelbar durch sensations oder memory wahr-
genommene matters of fact and existence, sondern
über an der Hand der Kausalität mittelbar er-
schlossene Tatsachen berichtet. Und zwar heißt
eine solche Einsicht probable sowohl in bezug auf
ihre objektive Richtigkeit, als Gegenstück des truth^
als auch in bezug auf das subjektive niedere Evi-
denzgefühl, die moral evidence (im Gegensatz zur
eertainty), Genus proximum: evidence und know"
ledge (siehe dort). Synonym um: helief (siehe dort),
b) Manchmal aber soll nicht die Einsicht als £k-
^ebnis einer empirischen Kausalbegründung, son-
dern diese Begründung selbst prohdbilityheiQen,
nämlich dort, wo sie nur auf wenigen, oder schwan-
kenden, oder „widerstreitenden" Erfahrungen er-
richtet ist. Dann tritt die probahility als „bloße**
Wahrscheinlichkeit dem proof als annähernd ge-
wissem, auf umfangreiche, sichere und einstim-
mige Erfahrungen gestützten Beweis gegenüber
(siehe proof); so S.70A und 131. Im Sinne von b)
ist die probabüity also der niederste Grad des ar-
gumenta der inference, des reasoning usw. Genus
proximum: reasoning (siehe dort). Synonymum:
nicht vorhanden. Hauptquelle: S. 70^73 (vgl
Treatise III, 2). Frobability, probable ist stets mit
Wahrscheinlichkeit, wahrscheinlich übersetzt
worden. Ein einziges Mal findet sich auch Vertsi-
militude (Wahrheitsähnlichkeit, S, 87).
Bnglisoh-dentschef Regiiter.
217
i
1
4
k
}
\
1
Prodigy, prodigious: sind, um sie gegenüber den
gleichsinnigen Ausdrücken wondery miracle (Wun-
der), marvellous (erstaunlich) extraordinary (außer-
ordentlich) kenntlich zu machen, stets mit Natur-
widrigkeit, naturwidrig, widernatürlich über-
setzt worden. Hauptquelle: Abschnitt X.
Proof: immer nur die auf Erfahrung gestützte
Begründung, die von einer unmittelbar, äußer-
lich oder innerlich wahrgenommenen impression
zur Kenntnis einer nicht unmittelbar wahrgenom-
menen Tatsache fortschreitet. Alles knowledgeuher
nicht durch Erinnerungsvorstellungen verbürgte Er-
eignisse der Vergangenheit, jedes Wissen über
Ereignisse der Zukunft, über Natur- und Geistes-
gesetze, aus denen solches Wissen über Vergangen-
heit und Zukunft sich herleitet, beruhen auf einem
proof. Die Erfahrung, auf die sich jeder proof
stützt» ist letzten Endes immer und allein die Kau-
salität (S. 42). To prove falsch (d. h. = demon-
strate) angewandt: S. 46; demonstrative or in-
tuitive proof (S. 112). Das Ergebnis des proof
erreicht nie certainty, sondern nur moral evidence.
Wo Hume die Grade der moral evidence in Be-
tracht zieht» teilt er (S. 70 A) die Erfahrungsbe-
gründungen ein in proof s im engeren Sinne,
d. h. auf reiche, eindeutige und sichere Erfahrung
sich stützende Beweise, und in probabilities
(siehe dort, S. 131). Das Gegenstück zum proof:
demonstration, die Begründung a priori (siehe dort).
Genus proximum: argument, inference, con-
sequence, conclusion (siehe dort). Synonymum:
nicht vorhanden. Hauptquelle: S. 1340. Das
Wort ist stets gegenüber demonstration (Demon-
stration), argument (Begründung), inference (Ab-
leitung), conclusion (Schluß), consequence (Folge-
rung) mit Beweis wiedergegeben worden.
Reason: a) im weitesten Sinne Erkenntnis, a priori
und a posteriori. So S. 35: all objects of human
reason or enquiry may naturally be divided into
two kinds, to wit relations of ideas, and mat-
ter s of fact. Synonymum: knowledge (siehe
dort). Seltener Gebrauch, b) Vernunft im engeren
•1
'^'t.^'-';?;
318
£ngliieh-deattohM Register.
Sinne: den Gegensatz zur Elrfahrung, d. h. die eigeue
Tätigkeit des Geistes selbst bezeichnend, so
S. 3o» 39, 43, 55. Ihre einzigen Produkte sind dann
die fictions der imagination und von Erkenntnissen
die intuitions und demonstrations (siehe dort). Über
das Verhältnis von a) zu b) siehe S. 56 Anmkg.
c) Logischer Grund, im Sinne von Einsichten,
durch die unmittelbar nicht einleuchtende Sätze
mittelbar bewiesen werden; so S. 29, 86, 40, 158,
160, 161 u. a. Manchmal auch « Ursache (cause)
gebraucht: S. 55. Beason ist stets im Sinne von
a) und b) mit Vernunft von c) mit Grund über-
setzt worden.
Das Verbum dazu: to reason: Denkakte (Ge-
dankengänge) bilden. (S. 16, 42, 52, 129, 133, 141,
172, 186); einmal S. 59, wo es ironisch gemeint ist»
mit Vernünfteln wiedergegeben.
Reasoner : hauptsächlich in der Verbindung just reaso-
ner vorkommend, ist stets mit Denker übersetzt
worden (so S. 5, 6, 57a, 126, 164, 165). Reasondble :
vernünftig. Synonym um: intelligent (S. 110a,
111, 127, 161, 175 u. a.).
Reasoning. Reasonings : wie Operation zugleich häu-
figer, wichtiger, mehrdeutiger und durch ein Wort
unübersetzbarer Terminus, a) Eeasoning bedeutet
a) einmal im weiteren Sinne die gesamten
Erkenntnistätigkeiten, empirische and aprio-
rische, der ersten Bedeutung von reason ent-
sprechend. So wird reasoning ganz allgemein als
Erkenntnisfunktion im Gegensatz zur Ge-
schmacksbeurteilung gebraucht S. 4, 33, vgl. auch
S. 193. An anderen Stellen wird ß) nur die spontane,
a priori verlaufende Arbeit des Denkens, m Gegen-
satz zu den empirischen Quellen als reasoning (im
engeren Sinn) bezeichnet, der zweitenBedeutung
von reason entsprechend: so S. 124, 125, 55 u. a. m.
Vor allem S. 59: die Kausalerkenntnis ein natural
instinet, kein reasoning or process of the thought
and under Standing. Danach würde reasoning nur
die Denkarbeit in Logik und Mathematik, also nur
die demonstraiion begreifen, b) Ein zweiter
Unterschied in der Anwendung des Wortes ent-
Eogliieb-deatschefl Registtr.
219
steht dadurch, daß reasoning (und weit häufiger
sein Plural reasonings, der für a) nicht besteht) a)
bald abstract zur Bestimmung der gesamten Er-
kenntnisfunktion, der Vernunfttätigkeit, z. B.
in method of reasoning, S. 114, 142, 154, 168,
171 u. a.), ß) bald zur Bezeichnung der einzel-
nen konkreten Akte und hier wieder 1. des
Vollzugs des Aktes (so S. 169, chain of reason-
ing), 2. des vollzogenen Aktes dient; in diesem
Sinne sich oft bis zur vagen Bedeutung von Er-
örterungen, Erwägungen erweiternd: (S. 1, S. 193
u. a. m.). Alle Bedeutungen verbindet 1.) die Be-
ziehung auf die Erkenntnis, wodurch rea-
soning sich enger als thinking erweist (da es nie-
mals wie dieses etwa die Verarbeitung der sensations
zu fictions bedeutet), und 2.) der aktuelle, funk-
tionelle Charakter (S.39 reasoning or process of
thought and understanding), womit die Abgrenzung
gegenreason im Sinne von a) vollzogen ist, welche auch
die unmittelbaren, ohne Denkarbeit einleuchtenden
intuitions a priori und die impressions 2. posteriori
begreift (vgl. S. 35). Genus proximum: Operation
ofthemind. Synonyma: nicht vorhanden. Haupt-
quelle: wegenDurchsetzung der ganzen Enquiry mit
diesen Ausdrücken nicht anzugeben. Im Sinn von b)
a) ist reasoning stets mit Vernunfttatigkeit im Sinn
von b) ß) 1.) mit Denkakt von b) ß) 2.) mit Ge-
dankengang wiedergegeben. Ein terminologischer
Unterschied zwischen der unter a) besprochenen
weiteren und engeren Bedeutung von reasoning ist
ebensowenig wie bei der reason selbst gemacht
worden. Die Schwierigkeit in der Übersetzung von
reasoning, schon an sich beträchtlich, wird dadurch
vermehr^ daß das Verbum Denken zur Wieder-
gabe von think verwendet werden mußte, und nicht
mehr zur Verfügung stand. Einmal, S. 8, mußte
reasoning mit Denken wiedergegeben werden, um
einem Apercu Humes nicht stilistisch die Spitze ab-
zubrechen.
Die seltenen Male, wo reasoning nicht als Sub-
stantiv, sondern als Partizip von to reason steht,
ist es dementsprechend freier übersetzt worden.
320
Xngluch-deatoohes Regifier.
Reflection, reflect: a) allgemein die Überlegung, Er«
wägnng, das Nachdenken; ziemlich häufiger,
doch nicht spezifischer Ausdruck, so S. 24,
26, 50, 56^ 57, 87, 109, 110, 111, 120, 121, 138,
189, 190. b) die Selbstbesinnung » inward srnsa-
tiony aentiment, feeling; S. 79: this idea is an idea
of reflectian, since it arisea from reflecting on the
Operations of our own mind. Viel seltener; vgL
S. 74, 88, 18. Im Sinne von a) sind die Wörter
stets mit Oberlegung, überlegen, von b) mit
Selbstbesinnung, sich besinnen übersetzt worden.
Sensation: jeder unmittelbare, d.h. sich mir auf-
drängende, durch den äußeren oder den inneren
Sinn (sense) vermittelte Bewußtseinsinhalt. Gegen-
stück der sensations im Bewußtsein sind die ideas,
thoughtSy concepiions (siehe dort), die matteren Re-
produktionen, genaue oder ungenaue, der sensations.
S. 17 werden die sensations als perceptions of the
aenses erklärt; ebenda erhellt die Gleicbsinnigkeit
des Wortes mit feeling und sentiment (mit deren
sachlicher Unterscheidung von den sensationa man
Hume Finessen unterschiebt, die er nicht' kennt).
Soll eine aenaation als äußere oder innere be-
sonders charakterisiert werden, so geschieht dies
durch den Zusatz external, internal, outward, in-
ward (wie bei feeling und aentiment, siehe dort).
Daher konstituieren <fie äußeren und inneren Wahr-
nehmungen alle Eindrücke. S. 22: all impreasiona,
that ia all aensationa, either outward or inward.
So werden sowohl die Farbenempfindungen (S. 20),
wie die Lustgefühle (S. 17) aensationa genannt
Einmal (S. 23) wird Sensation nur als äußere Wahr-
nehmung gefaßt und der pasaion (die doch sonst
auch eine aensation ist) gegenübergestellt. Genus
proximum: perception (siehe dort). Synonyma:
impreaaion, feeling, aentiment (siehe dort). Haupt-
quelle: S. 17—23. Sensation ist stets mit Wahr-
nehmung wiedergegeben worden.
Sentiment: kann jeden ursprünglichen, unmittel-
baren Bewußtseinsinhalt, sowohl den räumlich
wie unräumlich, äußerlich wie innerlich charakte-
Snglisoh-deutsches Jäeglater.
221
risierten bedeuten. Mit Vorliebe aber wird
aentiment zur Bezeichnung innerer Eindrücke,
also der Gefühle und Willensregungen, der af-
fectiona, emotions, passions, volitions verwandt;
darin entgegengesetzt dem feeling (siehe
dort), das öfter für die äußeren Eindrücke der
Geruch-, Geschmack-, Temperatur-, Gesicht-, Ge-
hörswahrnehmungen gebraucht wird. Soll die
äußere oder innerliche Beschaffenheit eines Sen-
timent besonders hervorgehoben werden, so ge-
schieht dies wie bei sense, feeling, Sensation durch
den Zusatz inward or outward (S. 19, 90: inward
sentiment gegen outward ae/naea). Eine Sinnes^
empfindung nach der Terminologie der modernen
Psychologie bezeichnet aentiment ohne Zusatz z. B.
S. 60, wo die Kälteempfindung, ein Gefühl im
Sinne der heutigen Wissenschaft unmittelbar darauf,
wo pasaion of anger als ein sentiment bezeichnet
wird. Genus proximum: perception (siehe dort).
Synonyma: Sensation, impression, feeling (siehe
dort). Vgl. S. 19 und 61: feeling or sentiment, (S.77
impressions or original sentiments, aentiment or in-
ward impression). Haupt quelle (auch für das
Verhältnis zu feeling und impression) : S. 17 — 23,
g, 60—62. Da sentiment öfter für innere als
äußere Bewußtseinsinhalte verwandt wird, so ist
es, unserm Prinzip getreu, einen wichtigen Aus-
druck im Englischen stets identisch zu übersetzen,
immer mit Gefühl wiedergegeben worden. Doch
sei noch einmal das schon zu feeling bemerkte
(siehe dort) wiederholt: daß Hume wohl einen sach-
lichen, nicht aber einen scharfen terminolo-
gischen Unterschied macht zwischen Empfindung
und Gefühl im Sinn der modernen Psychologie und
also diese sprachliche Unbestimmtheit auch in der
Übersetzung zur Geltung kommen mußte; und dies
um so mehr, als die deutsche wissenschaftliche
Sprache keine Ausdrücke besitzt, welche die all-
gemeine, Empfindung und Gefühl gleichmäßig ura-
# spannende Bewußtseinsweise bezeichnen und doch
verbal zu Wortstämmen, die dem feeling und aen-
timent entsprechen, in Beziehung stehen (vgl. Lipps
222
Englisoh-deatflohes Register.
Jahretzahlen der Ausgaben.
223
Übersetzung des Treatise, S. 353, der zwischen
feeling und sentiment Unterschiede entwickelt^ die
jedenfalls in der Enquiry nicht eingehalten werden).
Manchmal (wie S. 1, 110 u. a.) steht senti-
ment « opinion, für Ansicht, Anschauung, ist
aber dann kein eigentlicher Terminus.
Similar: Gleichartig (S. 75 und oft); similitude;
Gleichartigkeit (S. 98 u. a.). Synonyma: iame
(derselbe), like (gleich), resemhlant (ähnlich).
Think, thought: die Tätigkeit des Geistes, durch
welche dieser den Erfahrungsstoff der impressions,
sensationSy feelings, aentimenta a) umformt zu ideaa
und thoughts, oder auch b) im logischen, mathe-
matischen und kausalen Raisonnement bearbeitet
Thought ist das Ergebnis dieser Bearbeitung. Die
beiden Funktionen des think befassen also das con-
ceive (siehe dort), und das reason (siehe dort). Ge-
nus proximum: zu think Operation of the mind
(siehe dort); zu thought perception (siehe dort).
Synonyma von thought: idea und conception
(siehe dort); von think strenggenommen nicht
vorhanden. Hauptquelle: S. 17 — 25. Think
und thought sind stets durch: Denken und
Gedanken wiedergegeben. Wo the thought nicht
für den einzelnen Gedanken, sondern für das sel-
tenere thinking (S. 19, 23, 65) steht (z. B. in pro-
ceas of the thought or reasoning S. 71, a little thought
« ein wenig Nachdenken S. 57), so S. 18, 44,
67, 69, 73, 75, 78, 93 u. a., da ist es natürlich
mit Denken überseUt worden.
Truth: Wahrheit, S. 4, 12, 13, 16, 20, 34/35, 38, 53,
176/77 u. a. kein eigentlicher Terminus. Gegen-
teil: falsehood (S. 136).
Understanding : das „Vermögen" intellektueller
, Erkenntnis, im Gegensatz zum Vermögen gefühls-
mäßiger, z. B. ästhetischer und moralischer Be-
urteilung (vgl. S. 13). Genus proximum: mind
(siehe dort). Synonyma: reason in der ersten und
weitesten Bedeutung (siehe dort). Understanding
ist stets mit Verstand übersetzt worden. ^
Voltmtary: nicht ursachlos-frei, sondern dem eige-
nen, aber kausal bedingten Willen des Sub-
jekts entsprungen. Hauptquelle: S. 105, 106.
Voluntary actum » action of the will (S. 111) ist
daher stets mit Willenshandlung (nicht mit frei-
williger B[andlung) übersetzt woT&n.
JahreszaMen der Ausgaben:
Ausgabe A — C ,
. 1742
f, B-E .
. 1748
» F-G .
. 1751
n H-I
. 1752
n K . .
. 1753/4
» I- «
, 1757
. M
. 1758
« N .
. 1760
„ 0
. 1764
1, P
. 1768
n Q
. 1770
E
. 1777.
i
ROVIIOIDII A^h^ni'luno ^^^^ ^^^ Prlnzipieo der mensohlichen
OlSiulSlISy* Erkenntnis. Übersetzt u. m. Anmerk. versehen von
Friedrich üeberweg. 5. Auü. 1917. V, 150 S. . . M. 3.60
-- English edition by T. J.McCormack. 1913. XVII, 128p. M. 2.50
-- Drei Dialoge zwischen Hylas und Phiionous. Übersetzt und eingel.
von Raoul Richter, gr. 8». 1901. XXV1I,131S. . M. 3.-
— English edition by T. J. McCormack. 1913. VII, 136 p. W.
portr.
M..2.50
— Theorie der Gesichlswahrnehmung. Mit Von^ort von Prof. Dr.
Paul Barth, herausg. von R.Schmidt. 1912. XII,152S. M. 3.20
— SIrli. Übersetzt von L. u. F. Raab. 1913. 24, 139 S. M. 3.50
— Aloiphron. Übersetzt und mit Anmerkungen und Register heraus-
gegeben von L. u. Dr. F. Raab. 1915, XXXIX, 438 S. M. 9.—
HflhhDt ^''undzüge der Philosophie. 1. Teil: Lehre vom Körper.
llUIIIIISwt In Auswahl übersetzt und mit Einleitungen herausgegeben
von M.Frischeisen. Köhler. 1915. V11I,207S. . M. 5.—
— 2.Teil: Lehre V.Menschen. Lehre V. Bürger. 1916.VI, 341 S. M. 7.—
— The Metaphysicai System of Hobbes in 12 chapters from Elements
of Philosophy conc. Body. Tog. w. briefer extracts from Human
Nature and Leviathan. Sei. by M.W. Calkins. 1913. XXV,
187 p. W. portr M. 3.50
HliniD ^" enquiry oonc. Human Understanding and sei. from a
UllilllSt treatise of Human Nature. With H's Autobiography and
a letter from Adam Smith. Ed. by T. J. Mc Cormack and
M.W. Calkins. W. mdex. 1913. XXVIU, 267 p.. . M. 3.~
— Dialoge über natürliche Religion. Über Selbstmord und Un-
sterblichkeit der Seele. Übersetzt und eingeleitet von Friedrich
Paulsen. 3. Aufl. 1905. 28 u. 138 S M. 2.60
-~ Aq enquiry cono. the Prinoiples of Morals. Reprinted from the
ed. of 1777. W. index. 1913. VI, 169 p M. 3.—
— Nationalökonomische Abhandlungen. Übersetzt von H. Nie der-
müller. IV, 134 S M. 1.50
InrlfD V^''^*'ol> über den mensohlichen Verstand. Neu übers.,
liUtlllSf mit Einleitung und Sachregister von Hugo Winckler.
2 Bände. 1913. 1911. XXXIV, 489 ; VII, 450 S. . je M. 6. -
— Essay conc. Human Understanding. Books II and IV (with omis-
sions). Sei. by M.W.Calkins. W. index. 1913. VII, 348p. M. 5.-
— Ober den richtigen Gebrauch des Verstandes. Übersetzt von
Otto Martin. 1910. 103 S M. 3.—
Untersuchung über die Tugend. Übersetzt und
eingeleitet von Paul Ziertmann. 1905. 15 u.
122 S M. 2.50
Ein Brief über den Enthusiasmus an Lord Sommers. — Die
Moralisten. Eine philosophische Rhapsodie. Übersetzt u. eingel.
v.M. Frischeisen-Köhler. 1909. 31 u. 212 S. . . M. 8.—
Mierau Teuerungaau/aehlägß von Vorlag und ßortimeni.
Shoftesbury.
VERLAG VON FELIX MEINER IN LEIPZIG
Katalog
DER
PHILOSOPHISCHEN
BIBLIOTHEK
/
DU Philosophische Bibliothek ist ein wirklich wundervolles Irh
Btrumeni der Forschung und der Kultur, um das alle Nationen, in
denen der Geschmack an den tiefsten Problemen des Geistes vorhanden
ikder im Erwachen ist, Deutschland beneiden müssen.
La Cultura (Rom),
inhattsüfoersicht. ^^^
Ait der fiesohlchte der PhilosophUchen Bibliothek .... II—UI
Niunmeriverzeichnie der Phlloeophischen Bibliothek . . . . . HI
I. AlphabetUehes YerzelehiiU der Philoeophischeo Bibliothek 1—21
II, LehrbOeher der Phiioeophloohen Bibliothrii . . • 22
Hl. Hauptwerke der Philosophie in ortginalgetreooa Neudraekeii 23
IV. BIbllotheca Phlloeophorum 24
V. Wiesen und Forschen. Schriften zur Einführung i.d.. Philosophie 25
VI. Neuere philosophische Einzelwerke ....... 26—30
Vtl. Phiiosophleche Zeltfräsen 31
VIII. Philosophische Zeltschriften 32
DL Taichenaosaaben der PbUosophisohen Bibliothek .... IV
Zu den Preisen treten Teuerungsaufschläge von Verlag und Sortiment
■n .. ' — . y .
Die in dieseiii Verzeichnis tngcgebcnen Preise sind frdbldbcnd. - Bei Lieferant
ks Ausland ist jeder deutsclie Buchliändler verpflichtet, die Preise gemifl der „Ver-
ktsfsordrtung f&r das Ausland'* in fremde Währung nmxarcdmea.
teipzig, 31.jtntiariwa FELIX MEINER.
Avtgabe Februar 1020.
'\
Aus der Geschichte
der „Philosophischen Bibliothek"
Kfx'l^ Jahre 1918 konnte die Philosophische Bibliothek auf eine
50 iihriije reiche Wirksamkeit zurückbhcken. Ungezählt sind die Bände,
wefchc m diesem Zeitraum den Weg in die Offenthchkeit fanden, mit
berechtigtem Stolz erföllen den Verlag die Anerkennungen, welche
der Philosophischen Bibholhck während dieser Zeit durch die Presse des
in- und Auslandes zuteil wurden.
n^ FI^k^P^^^dJ'? der Entwicklung des geistigen Deutschland bietet die
Geschichte der Philosophischen Bibliothek. Den unmittelbaren Anlaß zu
lr/«L ^^Z'"* w ^ ^^ ein Vortrag, den 1867 der Vizepräsident desAppelia-
tonsgenehts, Herr von Kirch mann, im Arbeiterbildungsverein über
den •Kommunismus in der Natur* gehalten hatte. (Vgl. S. 13 des vor-
liegenden Veoeichuisses.) Die preußische Regierung sah sich auf
Grund desselben veranlaßt, das Disziplinarverfahren g?gen Herrn von
H«m.iT^cü!I ^^^l^^^9P' mit dem &folg der Amtsentsetzung. Der
damals Schorf über öOjahnge Mann fand nun die Muße, sich ^tema-
hsch semer üeblingsbes^^^^^ dem Studium der Philosophie, zn
widmen. Zahlreiche Übersetzungen klassischer und modemo- Philo-
sophen sowie eigene philosophische Arbeiten, die zum Teil in de»
•Verhandlungen der Philosophischen Gesellschaft- (Vergl. S. 32). deren
Präsident er wurde, zum Abdruck gelangten, verdanken wir dem Eifer
^n «,^21i?^^?^^l'^"^' *"!* ^^^ ^^ sich der Philosophie hingab. Vor
anem bekannt aber wurde sein Name als der des Herausgeber der
fC?i'"Ä^-^^^^,?'''' .?"'"" Handlichkeit und Billigkeit ihr bald>oß1
PoiÄilintat m allen Kreisen der Bevölkerung ver^ffte. " -
w ^. buchhändlerische Schicksal der Sammlung war wechselvoll
Von Heimanns Verlag in Berlin kam sie zu KoschnyTSlSpz^e
Von dort nach dem frühen Tode Koschnn zu Weiß in HeiÄI'
Von dort wieder zu Dr. Salinger nach feeriin. Von diesem eS
die Durr'sche Buchhandlung die Sammlung im Jahre 1901 und
vni' F^^J'l^l"?'. ß':2"d«<^h«n Neugestaltung. Unter der Leitung
^?ndi; h;.\'^^'\' ^^^"^ 12 Au^t 1913), der^als geistiger Neub<?
grunder der Sammlung anzusehen Ist, wurde den erhöhten Ansprüchen
dw inzwischen wesentTidi fortgeschrittenen Wissenschaft durch Ncub«-
tJ^Ä"^!!; P!""^^' ^^''I''^ ^"^"^ ^"^ Hilfsmittel der moderacn
uS^Ä^ÄfAT*^ ^";^ Neuübertragunget, der fremdsprTdi
liehen Werke allenthalben entsprochen. Außerdem wurde die Sammlung
durch Angliederung des philosophischen Teils von Fritz Eckard^
Verlag und durch eine stattliche feihe neuer Bände erweit«1
Selbst die Kriegsjahre- 1914-19 brachten trotz der Einziehung des
nnw^'-*l" Veriagspersonals, trotz der dauernden Behinderung dS
tVail Hir^S'*'" J^"^^ Heeresdienst und Verwaltungsdienst in PoleS^
H^Ji^' Papierkontingentierung und der gewaltigen Erhöhung da
Herstellungskosten m bezug auf den Weiterausbau und die Erneufrung
UmeSlcS ^^^'''^". ^^'^entlichen SüllsfaT 'S?
Un erzeichnete ließ es sich angelegen sein, nicht nur früher begonnene
oSoTÄ^"„^^K^ ^' die^nunmehr Vollendete Platc^^ugbe v^n
ni^^ A^ % fortzuführen, sondern auch die philosophischen Bedürf-
msse^ des Heeres und der Heimat durch einwandfreie Neuausgaben
klassischer Schriften, durch Feldpost- und Taschenausgaben der ¥^S
unsrer großen Denker nach Möglichkeit zufriede^Äto
\
/
Einbände betn
Die „PHILOSOPHISCHE BIBLIOTHEK" wird,
soweit die gegenwärtigen technischen Schwierig-
keiten der Buchbindereien nicht Stockungen und
zeitweiliges Fehlen hervorrufen, stets gebun-
den vorrätig gehalten. Die Einbandpreise
betragen zur Zeit:
bei einem
Ladenpreis
bis zu 2.— M.
über 2.— bis 4.— M.
über 4.— bis 6.50 M.
über 6.50 bis 10.— M.
über 10.— • bis 12.50 M.
der Leinen-
oder Halbleinen band
M. 1.50
M. 2.—
M. 2.50
M. 3.—
M. 3.50
Leipzig, im Februar 1920
FELIX MEINER
Alphabetisch geordnetes Verzeichnis
der
PHILOSOPHISCHEN BIBLIOTHEK
Sammlung der philoso-
phischen Hauptwerke
alter und neuer Zeit
Mit aus^hrlichen Ein-
leitungen sowie Sach-
und Namenregistern
sowie der Sammlungen
Bibliotheca Philosophorum
^ und
Hauptwerke der Philosophie in
Originalgetreuen Neudrucken
Die „Philosophische Bibliothek* verdient ganz besonders das
Interesse des kaufenden Publikums, das nicht nur auf Billigkeit
deiner Philosophen- Ausgaben Wert legt, sondern zugleich Werke von
solider und anerkannter wissenschaftlicher Arbeit und würdiger,
wenn auch sachlich-einfacher Ausstattung haben will.
Literarischer Ratgeber des Durerbundes 1913.
. Eine Nummemübersicht der Sammlung: befindet sich anf S. S des Umschlag^.
Band
40alb B^Alembert^s Einleitung in die französ. Enzyklopädie v. 1751 (Dis-
cours preliminaire). Hrsg. u. erl. v. E.Hirschberg. 1911. geb. 6.50
40a I. Teil: Text. XXIII, 153 u. 11 S. 2.50
'40b II. Teü: Erläuterungen. VIIL 192 S. . 150
In ung-ewöhnlich brauchbarer Weise hat E. Hirschbergr d'Alemberts Ein-
leitungf in diQ französische Enzyklopädie Ton 1761 (den Disconrs prelimi-
naire) herausg-egreben, so zwar, daß die Ausgrabe als die lanee erwünschte
Einleitung in das ^anze Denken jener wunderbaren Epoche der Befrei-
ungf, der wir so unendlich viel verdanken, gelten darf. Sie ist formid eine
Musterleistung: alle erdenklichen biographischen, historischen und philo-
sophischen Erklärungen sind geschickt und leicht faßlich angebracht, und
so ist die Lektüre des ,discours'^ für jeden Gebildeten möglich und frucht-
bar gemacht. Literarischer Ratgeber des Dürerbundes.
100 Aqnin siehe Thomas von A.
Ardig'O siehe Bluwstein, Abt. VI, S. 26.
1 Aristoteles. Poetik. Neuauflage in Vorbereitung.
2 — Metaphysik. Übers., erläut. u. m. e. Lebensbeschreibung versehen
von Dr. E. Rolfes. Bd. I. 1904. 18, 162 u. 36 S 4.—
3 Bd. II. 1904. 154 u. 46 S. 4.—
Das vorliegende Werk ist mit besonderer Freude zu begrüßen. Der Urtext
der aristotelischen Schriften bietet ja selbst dem gewiegtesten Philologen
ganz außerordentliche Schwierigkelten, und ohne philosophische Schulung
sind überaus viele Stellen der aristotelischen Metaphysik, dieseV vielleicht
schwierigsten Schrift des Altertums, selbst einem scharfsinnigen G-eiste
schlechterdings unverständlich. Da ist es nun gewiß hochverdienstlich, die
aristotelischen Schrifter in trefflicher Üliersetzung mit gediegenem Kommen-
■ tar weiten Kreisen zugänglich zu machen. Katholik.
Verlag von Felix Meiner in Leipzig.
2 Alphabetisches Verzeichnis. ^^^
T Arlstotele». Über die Seele: Neu übereetet von Gymn-Dir. Dr. AdoU
Busse. 1911. XX, 94 u. 27 8. . • . • • • • • • • "■
5 - NikomachiBche Ethik. 2. Aufl. Neu übersetet und erlaut, von Dr .
theol. E. Rolfe.. 1911. XXIV. 234 u. 40 8 . . • 6.4ü
7 _ JoUtik. Neu über., n. erläut. von Dr. B. Eolfe.. 1912. XVI,
274u. 50S Tj if' • ■ • ,/_
9-13 — Organen. Übersetzt von Kirohmann u. Koltes . . . . i«.
9 ^TrteSen^ndHermeneutica. übersetzt von J.H.v.Kircbma^n.
12, 82 S ^ \ 1 n \nn a ' 9 Rft
10 _ Errte Analytiken, oder: Lehre vom Schluß. 172 8. .. . ■ a.w
11 - Zweite Analytiken, oder: Lehre vom Erkennen 136 S . 2.50
12 -Topik. Neu übersetzt von Dr. B.Rolf es. 1919. XVII, 227 S_ 7.-
S _ ä^Jhisti.che Widerlegungen. Neu übersetzt von Dr. E, Rolfe^
1Q1R TX 80 S "*
U-18- -'Läute'rungen 'zun. Organon. Von J. H. von^Kirchmann.
MiÄ, F.'^AristoteleB peri hermeneias UW pro restituendo tote
nhilosophiae fundamento interpretatus est. »/ &. • • „ • „r;|~
N.Sh'S. J. Aristoteles- Lehre von dem smnhchen Erkenntn»-
Pet^Tn^^teShter Aristot^^^^^^^ PbüoBophie improte-
RoreÄe^r!rÄyi:m''a':r%thagor.er nach den Angaben -
des Aristoteles. 87 S •
Afenarius, Ed., siehe Raab, Abt. VI, S. 29.
BaTle. P., siehe Eucken, Abt. VI, S. 27. t7-«u^
20 ^Ck^CAÖ-Tü^^die Prinzipien der penschHc|.en E^-
keS. Übers, u. mit Anm. versehen von Friedrich Ueb^er^
«sehend wirkenden Anfaij9lr»gen des Erk«^^^^ ^^^
der zunächst Ij*««"««" f rtahn."| mcht verU^^^^^^^^ hervordrüngenden
r»J.7V. -"C;aWHuman Knowledge. EditedbyT.J.Mc^
102 - I^etlS'i^cLn Hyla. und P^^-of- „f |»"" ^ "°««'- l'l
R.oul Richter, gr. 8«>. 1901. XXVII, 131 8. • • • • <*
Fol V. - Three dialogues between Hylas and PhUonous. Edited by T J^
McCormack. 1913. VII, 136 p. W. portr. . • • • • 2.60
14a - Theorie der Gesichtewahrnehmung. Mit Vorwort v. Prof. Dr. PauJ
Barth, hrsg. v. Raymund Schmidt. 1912. XII, 15^ »• ".^
Vol. = Band der Biblioth.ea phno.o|^o^»m (Ha^ptwe A. d^
rfN'o.'gpt?.Y^^?l^fn'.l°/^«°«"u'?m^'eul'rr"T = T,.ch';nau,^^^^
Verlag von Fdix Meiner in Leipzig.
Band
149
156
Or.4
Or.7
99
' 21
22
23
24
155
25
125
26-
29
26
I. Philosophische Bibliothek. 3
l
Berkeley, ^ris.. Obers, v. L. u. F. Raab. 1913. 24, 139 S. . 3.60
— Alciphron. Übers, u. mit Anm. u. Reg. hrsg. v. L. u. Dr. F. Raab.
1916. XXXIX, 438 S 9.—
Bolzano, B, Wissenschaftslehre. In originalgetreuem Neudruck
herausgeg. von A. Höfler. Band I. 1914. XVI, 672, 2 S. mit
1 Tafel. - Band IL 1916. VIII, 670 S. ..... je 15.^
— Paradoxien des Unendlichen. Mit einem Nachwort von H. Hahn. .
Im Druck.
Bruno, Giordano. Von der Ursache, dem Prinzip u. dem Einen. Übers,
u. erläut. von Ad. Lasson. 3. Aufl. 1902. XXIV, 162 S. 3.60
Basse, L. Geist und Körper siehe Abt. III, S. 24.
Cieero. Über das höchste Gut und Übel. 346 S 3.50
— Drei Bücher über die Natur der Götter, 262 S 3.—
— Lehre der Akademie. 176 S 2.—
Cohen, H. Kommentar zur Kritik der reinen Vernunft siehe Kant, Kritik der
reinen Vernunft, S. 10.
CohH, Jonas. Der Sinn der gregenwärtigeü Kultur siehe Abt. VI, S. 26.
C«mte, Aaraste. Die positive Philosophie. Im Auszuge von Jules
Rig. 2 Bde. in Groß 8o. 32, 472 S. 12, 624 S. ..... 16.—
— Abhandlung über den Geist des Positivismus. Übersetzt u. m.
Anm. vers.v. Fr. Sebrecht. 1916. XVII, 141 S 8.—
^Der Discours sur l'esprit positif bleibt die Quelle, die am klarsten und
in verdichtester Form das Wesen des reinen Positivismus ausströnat.* Der
Herausgeber hat eine grute Einleitung geschrieben, die sachlich wie biogra-
phisch das Notwendigste bringt. Die Übersetzung scheint mir sehr gelungen,
die Anmerkungen dringen tief in wichtige Probleme ein und geben gute
Erläuterungen. So ist dieser Band eine würdige Vermehrung der vortreff-
lichen Bibliothek. Monatsschrift für höhere Schulen.
Kühnert, H. Comtes Verhältnis zur Kunst. 1910. 66 S. . 1.—
Levy-Bruhl, L. Die Philosophie C.s. Übers, v. H. Molenaar. 1902.
VI, 288 S. 4.—
Mehlis, G. Die Geschichtsphilosophie C.s. 1909. IV, 168 S. 3.—
CondlUac. Abhandlung über die Empfindungen. Vergriffen.
Cues, Nikolaus v., siehe Eucken, Abt. VI, S. 27.
Bamaskios von Damaskus. Das Leben des Philosophen Isidoros.
Wiederhergestellt, übersetzt und erklärt von R. Asmus. 1911.
XVI, 126, 68 u. 80 S 7-BO
Dante. Über die Monarchie. 91 S. 1872. . ^ . . . kart. 2.—
Banrln. Seine Bedeutung im Ringen um Weltanschauung und
Lebenswert. 1909. 123 8 Eleg. kart. M. 1.60
Inhalt: Wilh. Bölsche, Darwins Vorgänger. — Max Apel, Darwinismus und
. Philosophie. — Bruno Wille, Wie die Natur zweckmässig bildet. — Eduard David,
Darunnismus und soziale Entwicklung. — Rudolph Penzig, Darwinismus und Ethik.
— Friedrich Naumann, Religion und Darunnismus.
' Beseartes, Ren6. Philosophische Werke. Neu übersetzt und mit
Einleitungen und Gesamtregister versehen v on Dr. ArturBuchenau.
In 2 Halbpergamentbände gebunden 30. —
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2S B JI- K^Prinziplen der Phil<»op^V ^t d^n' Be.er^nge^^ü^^^^
ein gewisses Programm". 3. Aufl., von J^r. äi:i.u* ^^
A. Buchenau. 3. Aufl. 1911. AJULli, i^u ^ *>" «• g^
JnfÄ^:nN^:g«1?X!Lte.. Eine Einfuhrung in seine Werk
Sch^deT™'. ÄWung Ga..enai-. .zu D. 1^ '^ S. 1^
5^™«' A Eilzykiopädle der Philosophie a^. «ehe Abt. VI, S. »6.
Schriften über Eucken »«^e A ^^7 Q 07
VAphner siehe HalL St., Abt. VI, o. ^r _^- ».^
;3r- Ä! 4oh. Got«: wirke in 6 Bänden. Heransgeg. Ton Prof Dr
m FMediouB. Groß 8». 1908-12 . . •■■■ ' ' ^^
^^ _ üi yoraehmen Halbleinwandbdn. mit echt Gold-PresBung . ISO.-
- ^? *S',S?Kf«*79i7n?7->^-^rinXge der gesamten Wiesen-
,., _ l^rrkf M^Vbtea nach dem Knpferstich^von S^ch^^^^
''''^- J^llieit^n«: m- die W^n^^
Einleitnns in die Wissenschaftsleljte (1797). S. S|-i^ »^
mnen D&steUang der WiSMO»ch.ftdetoe /"j^-isöofs 119-880. - Die
\
^ I. Philosophische Bibliothek.
Band
130 Flehte. Bd. lY. 1908. 648 S • * ' * * «* ; \;;*"'
DarsteUnng der Wissenschaftslehre. Aus Äem ^Jj^^^^OLSL 1-164. -
Die Wissenschaftslehre. YoTgetn^en i^Jf^ o^^i_L» ~
Grunditige des gegenwärtigen Zeitalters (1806). S. 898—648.
131 — Bd. Y. Mit Bildnis Fichtes nach dem Medaillon von Wichmann,
1910." 692 S. . . einzeln vergriffen
Über das Wesen des Gelehrten (1806). S. 1-102. - Änweisungr «^^J «e}iS®,S
Leben (1806). S. 103 -308. - Bericht über den Be^iff der Wissenschaftslehre
iSd die bisherigen Schicksale ders. (1806) S 809-856 - Za «Jac<)bi an
Fichte« (1807). S. 357-364. - Beden an die deutsche Nation (1808). S. 866--610.
- Die Wissenschaftslehre in ihrem al^ememen Umnß (1810). ». 611-628.
- Vorlesungen über die Bestimmung: des Gelehrten (1811). S. baa— e»4.
132 — Bd. Yl. Mit dem Gesamtregister. 1912. IV, 680 S. ... 16.—
Inhalt: System der Sittenlehre (1812). S. 1-118. - fl^er das Verhält-
nia der Loßik zur Philosophie oder transzendentale Logik (1812). b. 119— 41^.
- Die sÄehre oder Ä>er das Verhältnis des Urstaates zum Vernunft-
reiche (1813). S. 417—625. — Eegist^r der Gesamtausgabe. 8. 626-680.
In Einzelausgaben erschienen daraus:
131 h Flehte. Anweisung zum seligen Leben Vergnffen
1296 — Atheismusstreit, Die phüosophischen Schriften zum. Mit Einleitung
vonF. Medicus. XXXIII, 142 S. 4.40
Inhalt: Über den Grund unseres Glaubens an eine gottliche Welt-
regierung. - Forberg, Entwicklung des Begnffs der Religion. - Fichte^
Appellation an das Publikum über die ihm beigemessenen atheistischen
Äußerungen. Eine Schrift, die man erst zu lesen bittet, ehe man sie kon,
fisziert. - ßückerinnerungen, Antworten, Fragen. Eine Schrift, die den Steeit-
pmikt genau anzugeben bestimmt ist. - Aus e. Pnvatschreiben (im Jan. 1800).
127 a — Begriff der Wissenschaftslehre. IV, 61 S. 2.—
129t — Bericht, Sonnenklarer, über das eigentHche Wesen der neueren
Philosophie. IV, 102 S • • 3^0-
129 c — Bestimmung des Menschen Vergnffen
i5Ia— Über den Gelehrten: Bestimmung des Gelehrten (1794) - --
Wesen des Gelehrten (1805) — Bestimmung des Gelehrten (1811).
IV, 224 S Vergnffen
127h — Gnindlage der gesamten Wissenschaftslehre (1794). Mit Einleitung
von F. Medicus. XXX, 245 S Vergnffen
227c — Gnindriß des Eigentümlichen der W.-L. IV, 83 S. > . . 2.50
i5ö 6 — GruWzüge des gegenwärtigen Zeitalters. IV, 255 S 6.40
129 d — Handelsstaat, der geschlossene. IV. 128 S 3.60
lS2h — Logik, Transzendentale. IV, 296* S 6.—
128b - Natun-echt. IV, 389 S «" -;t ' •«""
129 f — Nicolais Leben und sonderbare Meinungen. IV, 95 S. Vergnffen
13U — Reden an die deutsche Nation. 3. Aufl. 1919. 250 S 8.60 .
Yollü&näigt Atisgahe mit sämtl. Zusätzen.
128a — Sittenlehre von 1798. IV, 371 S 8.—
132a — Sittenlehre von 1812. IV, 118 S. 3.—
132c — Staatslehre. IV, 210 S • • • - - ' / - : . ^•—
Enthält u. a. die Betrachtungen: Über den Begriff des wahrhaften
Krieges — Über Napoleon.
130a — Wissenschaftslehre von 1801 u. 1804. 396 S. .... . 8.60
Außerhalb der Gesamtausgabe erschienen:
30 Versuch einer Kritik aller Offenbarung. Herausgegeben von J. H.
V. Kirchmann. 202 S 3.—
Verlag von Felix Meiner in Leipzig.
Verlag von Felix Meiner in Leipzig.
6 Alphabetisches Verzeichnis.
Band
* Flehte. Ideen über Gott und Uiwterblichkeit. Zwei religionsphilo-
8ophi8che Vorlesungen aus der Zeit vor dem Atheismusstreit. Nach
e. verschollenen JDnick neu hrsff. v. Fr. BüchseL 1914. 56 8. 2. —
Bisher unter einem irreführenden Titel verborgen and selbst den besten
Fichtekennem unbekStPct, sind die beiden Yorlesong^en für die Erkenntnis
des Werdens der Fichteschen Religionsphilosophie und als geschlossenste
Barstellung derselben von höchster Bedeatong.
Or, 6 — Über den Begnfif des wahrhaften Krieges. Anschließend: Rede
an seine Zuhörer bei Abbrechun^^ der Vorlesungen am 19. Febr.
1813. Originalgetr. Neudruck der Erstausg. 1914. VI, 87 S. 1.50
X0IO — „Deduzierter Plan einer zu Berlin zu errichtenden höheren
Lehranstalt". Zusammen mit Schleiermachers und Steffens*
Universitätsschriften mit ausführl. Einltg. hrsg. v. Prof. Dr. Eduard
Spranger. 2. Ausgabe. 1919. XLIII u. 291 S 4.—
* — Machiavell. Nebst einem Briefe Karls v. Clausewitz an F. Kritische
Ausgabe von Hans Schulz 1918. XXII, 65 S. ... 2. —
* — Der Patriotismus und sein Gegenteil. Patriotische Dialogen. Nach
der Handschrift hrsg. von Hans Schulz. 1918. X, 61 S. 3. —
Fichtes Unterscheidung von wahrem Patriotismus und von trügerischem
eitlen Chauvinismus heute zu lesen, gehört zu den erquicklichsten geistigen
Genüssen. Panzers Armeezeitung.
* — Predigten. Mit Einltg. hrsg. von M. Kunze. 1919. IV, 70 S 3.--
* — Zurückforderung der DenUfreiheit von den Fürsten Europens, die sie
bisher unterdriickten. Herausg. von Keinh. Strecker. 1920.
XV. 34 S •. 2.—
* — Beiträge zur Berichtigrung der Urteile des Publikums über die fran-i
zösische Revolution. Hrsg. von Reinh. Strecker. In Vorbereitung.
— Rechtslehrev. 1812. Nach d. Hau dschr. hrsg. v.H.Schulz. Im Druck.
Bergmann, Ernst. Fichte, der Erzieher zum Deutschtum. EineDarstel-
lung der Fichteschen Erziehungslehre. 1915. VIII, 341 S. . 6. —
Eucken über Fichte siehe Abt. VI, S. 27.
Lassen, Ad. Fichte im Verhältnis zu Kirche und Staat. 1863.
IV, 245 S 4.—
Medicus, F. Fichtes Leben. 1914. 176 S 3.—
Moog, W. Fichte über den Krieg. 1917. 48 S 1.20
Strecker, R. Die Anlange von Hchtes Staatsphilosophie. . 1917.
154 Fieinus, Marsillas. Über die Liebe oder Piatons Oastmahl. Übers, u.
mit Einleitung u. Register versehen von K. P. Hasse. 1915. VIII,
259 S. (Hpgt. 10.—) -.....* ^ . 6 —
Eine sehr verdienstvolle Übersetzung! Wer kannte ein Werk des Be-
gründers der fiorentinischen Akademie? Nur der Spezialist auf diesem Gre-
biete las den., italienischen oder lateinischen Text. Jetzt liegt uns eine ge-
wissenhafte Übersetzung vor, und viele werden sich in das Werk vertiefen,
' denn es ist nicht nur philosophisch wichtig, sondern ist ein kulturgeschicht-
liches Dokument der Kenaissancezeit. Monatsschrift für höhere Schulen.
* Friedrich der Große. Antimacbiavell. — Betrachtungen über den
gegenwärtigen Zustand des europäischen Staatskörpers. — Fürsten-
spiegel. — übers, u. eingeL v. L. B. Förster. . . . kart. 2. —
Or. 2 Fries, Jak. Friedr. Philosophische Rechtslehre und Kritik aller posi-
tiven Gesetzgebung. Mit Namen- und Sachregister. Hrsg. von der
Fries-Gesellschaft. 1914. XX, 185 S 2.50
Or, 5 — System der Logik. Durchgesehen und mit gänzl. neu bearbeitetem
Namen- und Sachregister herausg. von der Fries-Gesellschaft. 1914.
XX, 12, 454 S 6.—
r ' — —
Verlag von Felix Meiner in Leipzig.
I. Philosophische Bibliothek.
109
TU
T16
3112
97
33
34
*
124 —
144 —
€i«7MT. Pie Seele siehe Abt. VI, S. 27.
Goethes Philosophie aus seinen Werken. Ein Buch für jeden gebil-
deten Deutschen. Mit ausführl. Einltg. hersgeg. von Max Hey-
nacher. 1905. YIII, 110 u. 318 S. . ........ 5.—
Ä. d, Inhalt tt. a.: Die Natur. — Metamorphose der Pflansen. — Der Vertuck
al9 Vermüüer v. Objekt u. Subjekt. — Über epische und dramatische Dichtung. —
Über Wahrheit und Wahrscheinlichkeit der Kunstwerke. — Winckelmann u. s. Jahr-
hundert. — Sinnlich- sittliche Wirkung der Farbe. — Einunrkung der neuen Philo-
sophie. — Aus der Zeit der Spinozastudien. — Versuch einer aüg. Vergleichungs-
lehre. — Register. ^ j j _i
Als ich dieses Buch las, in einem, was nurn sonst nur von da und dort
sich zusammenholen und sich selber zurechtkonstruieren muß, so Zug um
Zug vom Urquell trank — da kam es auch über iliich immer wieder wie ein
Erschrecken und Erschauem. Und mir war's als wieder etwas ganz Neues,
als hätte ich's zum ersten Male erfunden und entdeckt und noch nie gehört,
Goethes Philosophie bedeutet wirklich und wahrhaftig etwas ganz Neues.
Julius Hart im „Tag".
— Goethes Kunstphilosophie. 89 S 2.25
— Goethes Naturphilosophie. 85 S 2.25
Vorländer, K. Kant— Schiller— Goethe. Gesammelte Aufsätze. 1907.
XIV, 294 S 5.—
Eucken über Goethe siehe Abt. VI, S. 27.
Grbtius, Hugo. Drei Bücher über das Recht des Krieges und Frie-
dens. 2 Bde. 1869. 530 S... 480 S 20.—
— Von der Freiheit desMeeres. Übers. vonR.Boschan. 1919. 93S. 3.—
Boschan, R., Der Streit um die Freiheit der Meere im Zeitalter
des G. 1919. 59 S. .... 2.70
Haeckel, Ernst. — Apel, Max. Die "Weltanschauung Haeckels.
2. Aufl. 1910. 80 S Eleg. kart. M. 1.—
Goldschmidt, L. Kant und Haeckel, 1906. 137 S 3.—
Hall, St. Moderne Psychologie siehe Abt. VI, S. 27.
Hartmann, Ed. — Ziegler, L. Das Weltbild H.'s. 1910. 196 S. 4.—
Hegel, 0. W. F. Sämtliche Werke. Unter Mitwirkung v. Dr. 0.
Weiß hrsg. v. Georg Lasson.
— Encyclopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse.
Neuhrsg.v. G. Lasson. 2. Aufl. 1920.76,522 8 9.—
Auf holzfreiem Papier in vornehmen Halblwbd. mit echt Gold-
aufdruck geb. (Werke Bd. V) 16.—
Erläuterungen dazu von K. Rosenkranz, (geb. 1.40) — .80
Hegels Entwürfe zur Encyclopädie und Propädeutik. Her-
ausg. von Dr. J. Löwenberg. Mit Handschriftprobe. (Aus dem
Hegel- Archiv.) 3.40
Grundlinien der Philosophie des Rechts. Mit den von Gans re-
digierten Zusätzen aus Hebels Vorlesungen neu herausgeg. von
Georg Lasson. 1911. XOVI, 380 S 8.—
— In vornehm enHalblwdbd.m. echt Gold geb. (Werke Bd. VI) 16.—
— Hegels handschriftl. Zusätze zu seiner Rechtsphilosophie. Drei
Teile. Hrsg. von G. Lasson. (A. d. Hegel- Archiv.) 1914/15. je 3.40
Schriften zur Politik und Rechtsphilosophie. Hrsg. u. m. Einleitg.
u. Registern vers. v. G. Lasson. 1913. 38, 513 S 8. —
— In vornehmen Halblwdbd. m. echt Gold geb. (Werke Bd. VII)' 16.—
Inhalt: Die Verfassung Deutschlands. — Verhandlungen der Württembergischen
Landstände 1815116. — Die Englische Reformhin. — Wissenschaßliche Behand-
lungsarten des Naturrechts. — System der Sittlichkeit.
Verlag von Felix Meiner in Leipzig.
8 Alphabetisches Verzeichnis.
Band ^
114 Hefel, G. W. F. Phänomenologie des Geistes. Jubiläuinsausgabe.
Hrs^eg. und eingel. ▼. O. Lasson. 1907. 119, 632 S. Vergriffen.
' - — Hr8g.u.eingeLv.0ttoWeiß. 1909. XLIV, 612 u,15S.Gr.8^ 7.—
172 a — VorlesungenüberdiePhilo8opliiederWeltgeBchichte.(WerkeBd.VIII)
Vollständig neue, auf Grund des aufbehaltenen handschriftlichen
Materials besorgte, Ausgabe von Georg Lasson. I. Bund: Die
Vernunft in der Geschichte. 1917. X, 264 S 5.60
i71b II. Band. Die orientalische Welt. 1919. XV. 260 S. . 8.—
J17J c — — III. Band. Die griechische und römische Welt. 1920 . 9.—
X7X^ IV. Band. Die germanische Welt. Im Druck
T6 — Über die englische Reformbill. 44 S 1.50
T12 — Der Staat. 85 S 2.25
Hegel- ArehlT. Hrsg. von Georg Lasson. Jährlich 2 Hefte im
Umfange von je 4 — 6 Bogen. Abonnementspreis .... 6. —
Das Hegel-Archiv ist die SammelstKtte des urkundlichen Material» für
Hegrels Entwicklungsgeschichte und Biographie. Inhaltsangabe s. Abt. VIII,
Seite 82.
Ehrenberg, Hans. Parteiung der Philosophie. Studien wider Hegel
und die Kantianer. 1911. VI, 133 S 4.—
Sydow, E. V. Der Gedanke des Jdealreichs von Kant bis Hegel.
1914. VIII, 130 S 4.50
üelmholti siehe Hall, Abt. VI, S. 27.
146 Herbart. Lehrbuch der Einleitung in die Philosophie. Mit ausführl.
Einleitung, hrsg. v. H. Häntsch. 1912. 78,388 8. .... 6. —
Dietering, Paul. Die Herbartsche Pädas:ogik vom Standpunkt
modemer Erziehungsbestrebungen. 1908. 18, 220 S. ... 6, —
112 Herders Philosophie. Ausgewählte Denkmäler aus der Werdezeit der
neuen deutschen Bildung. Mit ausf. Einltg. hrsg. von Horst
Stephan. 1906. 44, 275 u. 35 S 5.—
A. d. Inhalt: Vom Ursprung der Sprache. — Vom Erkennen und Empfinden
der menscM. Seele. — Aus: Auch eine Philosophie der Oesch. zur Bildung der
Menschen. — Aus: Ideen z. Phüos. d. 6. d. M. — Oott. Einige Gespräche. —
A%u d. philos. Lyrik. — Lebensanschauung und Lebensideal.
T2 — Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. 90 S. 2.25
T7 — Herders Religionsphilosophie. 81 S. . 2.25
TIB — Herders Sprachphilosophie. 86 S 2.25
Jac ob y, Herders und Kants Ästhetik. 1907. X, 348 S. . . . 5.40
— Herder als Faust. 1911. XII, 485 S 7.—
167 Hobbes, Th. Grundzüge der Philosophie. L Tl. : Lehre vom Körper.
In Auswahl übers, u. m. Einltg. hrsg. v. M. Frischeisen-Köhler.
1916. VIII, 207 S. 6.—
/55 2. Tl.: Lehre vom Menschen. — Lehre vom Bürger. Hrsg. v.
M. Frischeisen-Köhler. 1918. VI, 341 S 7.—
Die Übersetzung ist gut gelungen und gehört zu den besten, die die
philosophische Bibliothek in den letzten Jahren herausgebracht hat.
Theologische Literaturzeitung.
r<rf. FT. — The Metaphysical System of Hobbes in 12 chapters from Ele-
ments of Phüosophy conc. Body. Tog. w. briefer extracfs from
Human Nature and Leviathan. -Sei. by M. W. Calkins. 1913. XXV,
187 p. W. portr ^ 3.50
Verlag von Felix Meiner in Leipzig.
I. Philosophische Bibliothek.
Band
123
TS
T17
T22
85
Vol 7.
l
36
Vol. 8.
i
T27
T28
125
116
TIS
37^
52
37
Hamboldt, Wilh. von. Ausgewählte philosophische Schriften. Her-
ausgeg. V. Joh. Schubert. 1910. 39, 222 S. 4.60
Inhalt: J. Zur Ästhetik: "Über Goethes Hermann und Dorothea. Kap.
I7-XII. - Über Schiller und den Gang' seiner Geistesentwicklungf. — Bezen-
sion von Goethes zweitem römischen Aufenthalt. — II, Zur Otschichts-
Philosophie: Über die Aufgabe des Geschichtsthreibers. — Betrachtungen
über die bewegenden Ursachen der Weltg-eschichte. — Latium und HeUas
oder Betrachtungen über das klassische Altertum. — III. Zur Sprachphüo-
»ophie: Über das vergleichende Sprachstudium in Beziehung auf die ver-
schiedenen Epochen der Sprachentwicklung. — IV. Zur Religionsphilosophie:
über die unter dem Namen Bhagavad-Gitä bekannte Episode des Mahä-
Bhärata. — V. Zur Pädagogik: Über die innere und äußere Organisation
der höheren wissenschaftlichen Anstalten in Berlin. — Eegister.
— ilber die Aufgabe des Geschichtschreibers. 55 S 1.50
— Über das vergleichende Sprachstudium. 22 S 1.50
— Denkschrift über die deutsche Verfassung 1813. 26 S. . , 1.60
Harne. David. Eine Untersuchung über den menschlichen Verstand.
7. Aufl. Hrsg. V. Raoul Richter. 1911. VIII, 224 S. . . 2.40
— In vornehmem Greschenkband 5.50
— An enquiry conc. Human Understanding and sei. from a treatise
of Human Nature. With H's Autobiography and a letter from
Adam Smith. Ed. by T. J. Mc Cormack and M. "W. Calkins. W.
index. 1913. XXVIII, 267 p. . 3.—
— IHaloge über natürliche Religion. Über Selbstmord und Unsterb-
lichkeit der Seele. Übersetzt und eingeleitet v. Friedrich Paul-
Ben. 3. Anfl, 1905. 28 u. 138 S. . . 2.60
— An enquiry conc. the Principles of Morals. Reprinted from the
ed. of 1777. W. index. 1913. VI, 169 p . 3.—
— Nationalökonom. Abhandlungen. Übers, v. H. N i e d e r m ü 1 1 e r. 1 .50
Inhalt: Vom Handel. — Von der Verfeinerung in den Künsten und
Gewerben. — Vom Gelde. — Vom Zinsfuß. — Von der Handelsbilanz. —
Von der Handelseifersucht. — Von den Steuern. — Vom Staatskredit. —
über die Bevölkerung der antiken Staaten.
— Von der Freiheit der Presse / Von der Unabhängigkeit des Par-
laments/Von Parteien überhaupt. 1919. 22 S 1.50
— Von den ersten Grundsätzen der Regierung / Absolutismus und
Freiheit / Die Politik eine Wissenschaft. 1919. 29 S. . . 1.50
Hasse, H., Das Problem der Gültigkeit bei H. Im Druck.
Isidoros, Das Leben des Philosophen, s. u. Damaskios.
Kaiser Jalian. Philosophische Werke. Übers, u. erklärt von Rud.
Asmus. 1908. VII, 205u. 17S 6.40
— Rede gegen die ungebildeten Hunde. 35 S. . . ^ . . . 1.50
Kant, Imm. Sämtliche Werke, Herausgeg. v. K. Vorländer, in Ver-
bindung mit 0. ßuek, 0. Gedan, W. Kinkel, F. M. Schiele,
Th. Valentiner u. a. In 9 BibUotheksbänden und 1 Supplement-
band, enthaltend Vorländers Kantbiographie und Cohens Kom-
mentar z. Kr. d. r. V. (brosch. 80.—) . . . . . geb. 100. —
HP Gen€m« XHnzelübmrsiehten des Inhalt» stehen gsm zur Verfügung,
— Bd. I. Kritik der reinen Vernunft. 11. Aufl. Neu hrsg. von Dr. Th.
Valentiner. Mit Sachregister. 1919. XII, 770 u. 91 S. . 5.50
— Kritik der reinen Vernunft. Anastatischer Neudruck der ersten Auf-
lage von 1781. 1905. VII, 24 u. 856 S 10.—
— In Halbfranz mit echt Gold 30 —
Verlag von Felix Meiner in Leipzig.
10 Alphabetisches Verzeichnis.
Band
Kant. Imm. Buchenau, Artur. Grundprobleme der Kritik der •
reinen Vernunft Zugleich eine Einführung in den kritischen Idea-
liflmus. Mit Personen- und Sachregister. 1914. VI, 194 S. 8.—
Aus einem Briefe von Qeheimrat Baeumker an den \eTla.g:
Die Beleuchtung der Probleme ist nicht aus einem Allerwelta- unü
NiMendswostandpimkt gresreben, sondern entschieden unter dem üesicnts-
wiiSel Hermann Cohens eineesteUt. Aber das ist mit solcher Konsequenz
solcher Klarheit der Entwicklung und solchem didaktischen Geschick in
schwiengen und ■chwierigsten Dingen geschehen, daß ich zur Emtuürung
in diese Gedankenwelt, die auch dem, der nicht Anhanger des Marburger
Kritizismus ist, so viel aufzugeben und so viel im einzelnen auch zu geoen
hat, kein besseres Mittel kenne, als dieses neue Buch.. i tt -^^i,
1X3 Cohen, Hermann. Kurzer Handkommentar zu Kants JLntiic
der reinen Vernunft. 2. Aufl. 1917. 242 S. . . . ... 4.—
Mellin,G.S. Marginalien und Kegister zurKr. d.r.V. . 6.--
ßomundt,H. Kants Kritik d. reinen Vernunft, abgekiirst auf
Grund der Entstehungsgeschichte. Eine Vorübung für kritische
Philosophie. 1905. 112 S • • • '. : . 2"-
38 — Bd. II. Kritik der praktischen Vernunft 6. Aufl. Mit Einleitung
hrsg. V. Karl Vorländer. 1916. 47u. 220S 2.80
Mellin, G. S. Marginalien und Register zur Kr. d.pr.V. 6.—
39 — Kritik der Urteilskraft. 4. Aufl. Neu hrsgeg. u. eingeleitet von
. Prof. Dr. Karl Vorländer, 1913. 38, 361 U.33S. . • • • 3.80
Mellin, G. S. Marginalien und Register zur Kr. d. U. b.—
40 — Bd. III. Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik. 5. Auf-
lage. Herausgegeben und eingeleitet von Karl Vorländer. Mit
8 Beilagen. 1913. 46, 196 u. 12 S • • 2.--
Kühn,E. Kants Pr. in sprachl. Bearbeitung. 1908. 156 S. J.öü
41 — Grundlegung zur Metaphysik der Sitten. 4. Aufl. Mit Einltg. her^
ausgeg. V. K. Vorländer. 1917. 80 u. 102 S 2.50
42 — Metaphysik der Sitten. 3. Aufl. Herausg. u. eingeleit. von Prof.
Dr. Karl Vorländer. 1919. LI, 360 u. 18 S J.—
Inhalt: 1. Metaphysische Anfangsgrunde der Rechtslehre. — 2. Meta-
physische Anfangsgründe der Tugendlehre. 2- tp-
Buchenau, Ä,, Kants Lehre vom kategoitschen Imperattv. Mne
Einführung in die Grundfragen der Kantischen Ethik m Anschluß
an die „Grundlegung", 1913. Z/i, 125 S • ^.—
Die Darlegung gehört unbedingt zu dem Wertvollsten, was seit langena
' auf diesem Gebiet geleistet worden ist. In der Durchfiihrung ze;8rt/»c\f"J
ebenso außerordentliches pädsgogisches Geschick als ein bedeutendes Maß
an Fähigkeit «ur Systematik. Jede Zeile verrät die uneingeschränkte Ver-
trautheit mit dem Gegenstand, zugleich aber, daß sich des Verfassers metho-
dische Stellungnahme zu demselben in häutiger Beschäftigung mit dem btoH
bewährt hat. So ist eine Arbeit entstanden, in der sich Gewissenhaftigkeit
in philologisch-historischer Beziehung mit klarer und präziser Herausarbei-
tung des Wesentlichen verbindet. Geisteswissenschaften.
-Mellin, G. S. Marginalien u. Register zu Kants M. d. b. b.—
43 — Bd. lY. Logik. 4. Aufl. Neu herausgeg. u. eingeleitet von Prof.
Dr. Walter KinTcel. 1920. 28 u. 171 S. ...... 4.-
44 — Anthropologie in pragmatiflcher Hinsicht. 6. Aufl. Neu herausgeg.,
mit Einleitung und Register verseben von Karl Vorländer. 1912.
XXII, 313 u. 15 S .'..•••,/ l • 5,?
Die Anthropologie, wo der -hohe Denker in der Sinnenwelt umherwandelt,
Menschen und Natur mit der Fackel einer originellen Vernunft beleuchtet ,
4st ja leicht zu lesen, und mag noch heute auch den Verwaitungsbeamten,
Offizier und Kaufmann erfreuen, wie das die entsprechende Vorlesung Kants
%VL Königsberg tat. Aber mit einem Führer wie Vorländer ist sie doppelt
angenehmes Gebiet. Möchten recht viele zu Kants Anthropologie wandern i
* Leip7iger Zeitung.
Verlag von Felix Meiner in Leipzig. -
I. Philosophische Bibliothek.
11
Band
45
h
Kanty Imm. Die Religion innerhalb der Grenzen. der bloßen Vernunft.
4. Aufl. Herausgeg. u. eingeleitet von Karl Vorländer. 1919.
96, 286 u. 24 S , . 5. —
Der pfroße Vonrag der Ausgaben Dr. Vorländers besteht in den ausführr
liehen Einleitungen, welche die Grundgedanken des kritischen Idealismus
erläutern und so, in Verbindung mit genauen Sachregistern, das Studium
Kants zu. erleichtern und sein Verständnis zu fördern recht geeignet sind.
Wie trefflich jene Ausgaben ihrem Zwecke dienen, wird nur der recht zu
würdigen wissen, der sich ohne solche Hilfsmittel durch Kants Philosophie
naühsam hat hindurcharbeiten müssen. Protestantische Monatshefte.
46 — Bd. V. Kleinere Schriften zur Logik u. Metaphysik. 2. Aufl. Hrsg. u.
eingeleitet V. Prof. Dr. Karl Vorländer. 1905 8.—
Hiervon einzeln:
46a — Schriften von 1755—1765. 32, 169 S 2.50
Inhalt: Eine neue Beleuclitung der ersten Prinzipien der metaphys.
Erkenntnis. Diss. 1756. — Die falsche Spitzfindigkeit der 4 syllogistischen Fig.
erwiesen. 1762. — Versuch, den Begriff der negativen Größen in die Welt-
weisheit einzuführen. 1763. — Unters, üb. d. Deutlichkeit der Grundsätze
der natürlichen Theologie und der Moral. Zur Beantw. der Preisfrage der
K. Akademie zu Berlin. 1764. — Nachr. v. d. Einrichtung seiner Vorlesungen
in dem Winterhalbjahre 1766-1766.
46b — Schriften von 1766—1786. 40, 172 S 2.50
Inhalt: Träume eines Geistersehers; erläut. durch Träume der Meta-
physik. 1766. — An Frl. v. Knobloch über Swedenborg. 1763. — Von dem
ersten Grunde des Unterschiedes der Gegenden im Baume. 1768. — Über die
Form und die Prinzipien der sinnlichen und Verstandeswelt. 1770. — Beant-
wortung der Frage: Was ist Aufklärung? 17«4. — Was heißt: sich im
Denken orientieren? 1786.
46c —
Bd. V. Schriften von 1790—1791. 20, 175 S 2.50
Inhalt: Streitschrift gegen Eberhard: Über eine Entdeckung, nach der
alle neue Kr. d. r. V. ddrch eine ältere entbehrlich gemacht werden soll.
17W. — Welches sind die wirklichen Fortschritte, die die Metaphysik seit
Leibniz« und Wolfs Zeiten in Deutschland gemacht hat?
f 46 d — Schriften von 1796-1798. 31, 175 S 2.50
Inhalt: Von einem neuerding-s erhobenen vornehmen Tone in der
Philosophie. 1796. — Ausgleichung: emes auf Mißverstand beruhenden mathe-
matischen Streites. 1796. — Verkündung des nahen Abschlusses eines Trak-
tats zum ewigen Frieden in der Philosophie. 1796. — Der Streit der Fakul-
täten in drei Abschnitten. 1798. (3. Abschnitt: Von der Macht des Gemüts^
durch den bloßen Vorsatz seiner krankhaften Gefühle Meister zu sein.)
471 — Bd. VI. Kleine Schriften zur Geschichtsphilosophie, Ethik undPolitik.
In 2. Aufl. neu hrsg. V.K.Vorländer. 1913. 47, 272 S. . 4.—
Inhalt: Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Ab-
sicht. 1784. — Rezension von J. G. Herders Ideen zur Philosophie der Ge-
schichte der Menschheit. Teil 1. und 2. 1785. — Mutmaßlicher Anfang der
Menschengeschichte. 178«. — Über den Gemeinspruch: das mag in der
Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis. 1798. — Zum ewigen
Frieden. Ein philosophischer Entwurf. 1795. — Rezension von Hufelands
Versuch über den Grundsatz des Naturrechts. 1786. —..Rezension von Schulz'
'' Versuch einer Anleitung zur Sittenlehre für alle Menschen ohne Unterschied
der Religion. 1783. — Von der ünrechtmäßigkeit des Büchemachdrucks.
1786. — über ein vermeintes Recht , aus Menschenliebe zu lügen. 1797. —
Über die BuQhmacherei. Zwei Briefe an Herrn Fr. Nicolai. 1798.
47^ — Kleinere Schriften zur Ethik und Religionsphilosophie. Hrsg. von
Fr. M. Schiele. 3. Aufl. 1911. VIII, 172 S 2.50
Inhalt: Versuch einiger Betrachtungen über den Optiihismus. 1759. —
Der einzig mögliche Beweisgrund zu einer Demonstration für das Dasein
GNittes. 1763. — Bemerkungen zu L. H. Jacobs Prüfung der Mendelssohn-
sehen Morgenstunden. 1786. — Über das Mißlingen aller philosophischen
Versuche in der Theodicee. 1791. — Das Ende aller Dinge. 1794.
Verlag von Felix Meiner in Leipzig.
12
Alphabetisches Verzeichnis.
I. Philosophische Bibliothek.
13
Band
48 Kant, Imm. Bd. Vll- Kleinere Schriften zur Natürplulosophie. 2. Aufl.
Herausg. u. eingel. v. 0. Buek. Bd. I, 1909. 42, 838 S. . . . 7—
Inhalt: All^meine Naturgeschichte und Theone des Himmels. 167Ö. —
Metaphysische Anfangsgrründe der Natumissenschaft. 1786.
4811'- Metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschaft. Mit iLinl.
von ü. ßuek. (1914. XX, 132 S.) geb. 3.-
49 Bd. 2. 1907. . 12 u. 454 S \ \ C k- ' ^ hU.^:Z
Inhalt: Gedanken von der wahren Schätzung der lebendigen Kräfte usw.
1747. - Ob die Erde in ihrer Umdrehung um die Achse einige Verandenmg
seit den ersten Zeiten ihres Ursprungs erlitten habe. ^'^J; - ^jf *A*,^«
ob dio Erde veralte, physikalisch erwogen. 1754. - J^^'J^gefaßte Darstellung
einiger Betrachtungen Über das Feuer. 17«. - tJber die Ursachen der Erd-
erseSütterungen bei Gelegenheit des Unglücks von i7»6. ^^^^^J^^^^^!^^
und Naturbeschreibung der merkwürdigsten Vorfalle des Erdbebens von 1/W.
1V66. - Fortgesetzte Betrachtung der seit eimger Zeit wahr^enomnaenen
Erderschütterungen. 1766. - Dissertation über den Nutzen einer mit der
Geometrie verbundenen Metaphysik in der Naturphilosophie 1766. -JNeue
Anmerkungen zur Erläuterung der Theone dejr Winde. l/6o. -^^f^^
und Ankündigung eines Collegii der physischen Geographie, nebst e. An-
hange üb. d. Frage: ob die Westwinde in unseren Gegenden darum jeucht
•eiei, weil sie über ein großes Meer streichen.. 1757. - Neuer Lehrbeg^
der Bewegung und Ruhe usw. 1768. - Rezension der Schnft von Moscatl
über den Unterschied der Struktur der Tiere und Menschen. "^1- "T^yj®'
die Vtilkane im Monde. 1786. — Etwas über den Einfluß des Mondes aul
die Witterung. 17W.
50 — Bd. VHI. Vermischte Schriften und Briefwechsel 7.ÖU
51 — Bd. IX. Physische Geographie. 2. Aufl. Neu herausgeg. von Paul
Gedan. 1905. 30, 366 u. 20 S. .^ . - • • . • / • -.^V-
m Kants Lehen. Dargestellt von K. Vorländer. Mit einem Büdnis
u. e. Zeittafel, 1911. XI, 211 u. 12 S 8.—
In vornehmem Geschenkhand * . . . ö.
Außerhalb der Gesamtausgabe erschienen:
T24 Kants AusgcwUUlte Kleine Schriften. Mit ausführlicher Einführung
und Anmerkungen herausg. von Lyzeumsdirektor Dr. Hermann
Hegenwald. 1913. LVI, 125 S . ••,•2.25
Inhalt: Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? — ^«»^"/''v w
im Denken orientieren ? — Idee su einer allgemeinen Geschichte tn weltburgerltcher
Absieht. — Rezensionen von J, G. Herders Ideen zur Philosophte der Oeschtchie
der Menschheit. — Mutmaßlicher Anfang der Menschengeschiehte. — Das i^nde aller
Dinge. — Verkündigung des nahen Abschlusses eines TraktaU zum ewigen Irteden
in der Philosophie. , . • v -c * u^«*^^
Es war bisher schwer, einen Rat zu geben, wie man sich Kant am besten
nahen solle. Der yorliegende Band weist den Weg, der Schiller einst zu
Kant führte. In den .Kleinen S«•hriften^ von denen bislang so ffltsam es
auch klingt, eine Ausgabe gänzlich fehlte, behandelt Kant in leirht ver-
ständlicher Darstellung allgemein interessierende Fragen. Die Beigaben des
Herausgeber» werden als weitere Erleichterung des Verstandmsses begrüßt
werden. < ■ ^
52 — Die vier lat. Dissertationen im Urtext. VI, 122 S . . . f oü
♦ — Zum ewigen Frieden. Mit Ergänzungen aus Kants ubngen
Schriften und einer austührlichen Einleitung über die Entwicklung
des Friedensgedankens herausg. von Karl Vorländer. 2.* Aufl.
1919. VI, 74 S. (In Halbperg. geb. auf holzfreiem Papier 8.--) 3.80
74— Idee zu einer allg. Geschichte in weltbürgerl. Absicht. 20 S. —.70
T8 — Theorie und Praxis. 46 S 1.60
T19 ■— Pflicht und Lebensgenuß. 23 S — ««^
Sehriften ttber Kant:
Adamson, R. Über Kants Philosophie. 1880 2.— >
Eucken über Kant siehe Abt. VI, S. 27.
»5^
Falckenberg, Richard. Kant und das Jahrhundert. 1907. — .60
Goldschmidt, L. Kantkritik od. Kantstudium? 1901. XVI,218S. 5.—
— Kant und Haeckel. — Freiheit und Naturnotwendigkeit. — Eine
Replik an Julius Bauraann. 1906. 137 S «. . 3. —
— Baumanns Anti-Kant. Eine Widerlegung. 1906. 115 S. . 2.80
— Kant über Freiheit, Unsterblichkeit, Gott. 1904. 40 S. . —.80
— Kants Privatmeinungen über das Jenseits. — Die Kant-Ausgabe der
preuß. Akademie der Wissenschaft. Ein Protest. 1905. 104 S. 2.40
— Vergl. auch Mellin, Marginalien.
Jacoby, G. Kant und Herders Ästhetik. 1907. X, 348 S. 5.40
Moog, W.,xK's Ansichten üb. Krieg u Frieden. 1917. VI, 122 S. 3.—
M ellin, G. S. Marginalien und Register siehe Mellin, S. 15.
Romundt,H. Kants „Widerlegung des Idealismus". 1904. 24 S. —.50
— Kants philosophische Religionslehren. 1902. 96 S. . . . . 2. —
— Kirchen U.Kirche nach K's philosoph. Religionslehre. 1903. 199 S. 4. —
— Der Professorenkant. Ein Ende und ein Anfang. 1906. 126 S. 2.40
— Kants Kritik der reinen Vernunft, abgekürzt. 1905. 112 S. 2. —
Sydow, E. V., Der Gedanke des Idealreichs von Kant bis Hegel.
1918. VIII, 130 S 4.60
Vorländer, Karl. Kant-Schiller-Goethe. Gesammelte Aufsätze.
1907. XIV, 294 S. 5.—
— Kant und der Gedanke des Völkerbundes. Mit Anhang: Kant
und Wilson. 1919. 85 S '.8.60
Vaihinger, H. Die Philosophie des Als Ob. Mit Anhang über Kant
und Nietzsche. 4. Aufl. 1920. Siehe Abt. VI, S. 30 . . 24.—
Siehe auch: Wolffsche Begriffsbestimmungen.
Kepler siehe Eucken, Abt. VI, S. 27.
4. 66 Kirch mann, J. H. T. Grundbegriffe des Rechtes und der Moral. —.80
— Über den Kommunismus in der Natur. (Vgl. Umschl. S. 2). 3. Aufl. — .60
— Über das. Prinzip des Realismus ........... — .60
— Über die Wahrscheinlichkeit . . . . —.40
Kirchner, Wörterbuch. Vergriffen.
98 Krause, K. Ch. F. Entwurf eines europäischen Staatenbunde b. Mit
Einleitung von H. Reiche 1. Im Druck.
Lassen siehe Abt. VI, S. 28.
6$ La Mettrie. Der Mensch eine Maschine. Ubers. und erläutert von
Dr. MaxBrahn. 1909. 22, 72 S 1.80
Lecky, Wm. E. H. Geschichte des Geistes der Aufklärung in Europa,
seiner Entstehung und seines Einflusses. Nach der vierten Auflage
des englischen Originals übersetzt von J. H. Ritter. 2. Ausg.
VIII, 465 S :....,. 7.—
Lcibni«, G.W. Philosophische Werke. ^
/Ö7 — Bd. I. Haupts^ihriften zur Grundlegung der Philosophie.
Übers, von Dr. Artur Buchenau. . Durchgesehen und mit Ein-
/ leitungen u. Erläuterungen herausgeg. von Dr. Ernst Cassirer. "
L: Zur Logik und Methodenlehre; Zur Mathematik; Zur Phoro-
nomie und Dynamik; Zur geschichtlichen Stellung des metaphysi-
schen Systems. Mit 17 Fig. 1904. 382 S. ..... 5.—
Verlag von Felix Meiner in Leipzig.
Verlag von Felix Meiner in Leipzig.
u
Alphabetisches Verzeichnis.
I. Philosophische Bibliothek.
Band
108
69
70
71
72
TU
T29
16112
Leibniz, G. W. Bd. II. Hauptschriften usw. II.: Zur Metaphysik
(Biologie und Entwicklungsgeschichte ; Monadenlehre); Zur Ethik u.
Rechtsphilos.; — Sach- u. Namenregister. 1906. 680 S.^ . 7.—
Die Auswahl, welche Cassirer von den Schriften gibt^ strebt in grlöck-
licher Weise VoÜständigrkeit der Übersicht in intensivem Sinne an. Die
Einleitungren des Herausgrebers sind zur Einführung in die sreschichtlichen
und sachlichen Vorbedingrungfen des Systems auch für den höchst wertvoll,
welcher Cassirers Gesamtauft'assung des Systems nicht überall teilt.
Literarisches Zentralblatt.
— Bd. 111. Neue Abhandlungen über den menschlichen Ver-
stand. In dritter Auflage n^u tibersetzt, eingeleitet und erläutert
V. Ernst Cassirer. 1916. XXV. 647 S 7.50
Ernst Cassirer hat die Schaarschmidtsche Ausgabe nicht nur sorgfältig
revidiert, sondern durch eine Neuschöpfung ersetzt. Einleitung, Übersetzung
und Anmerkungen sind nicht nur unter dem Gesichtspunkte der Verbesse-
rung, sondern unter dem eines neuen Erkenntnisideals umgestaltet worden.
Es ist zweifellos, daß die neue Ausgabe die ältere tiberbietet und einen neuen
Zugang zu Leibniz geschaffen hat. Theologische Literaturzeitung.
Erläuterungen. Von C. Schaarschmidt. 2. Aufl. . . . 2.—
— Bd. lY. Theodicee. Vergriffen.
Erläuterungen dazu. 162 S. (geb. 1.10) —.50
— VemunftprinzipienderNaturundGnade — DieMonadologie.34S. 1.60
— Von der Weisheit — Über die Freiheit. 15 S —.76
— Deutsche Schriften. Gesammelt u. hrsg. v. Dr. W. Schmied-
Kowarzik. "^
Bd. I. Muttersprachen, völkische Gesinnung. 1916. XI. 112 S. 2.—
Bd. II. Vaterland u. Reichspolitik. 1916. XXIII. 176 S. . . 3.—
Herzerfrischend sind die stolzen Worte, mit denen sich Leibniz zu seinem
deutschen Volke bekennt und dessen Leistungen preist. Daß er dennoch
oder gerade deswegen nichts weniger als blind gegen unsere Schwächen ist,
erscheint als die nötige Ergänzung und als echtester Ausdruck wahrer völ-
kischer Gesinnung. Sehr schön und lesenswert ist auch die Einleitung, die
der Herausgeber deui Buche gegeben hat. Das Unternehmen verdient sicher-
lich die Unterstützung aller, die die Quellen unserer deutschen Bildung er-
kennen und verstehen wollen. . ^ ^.. I>ie Wartburg.
Nicht wenige Stücke des vorliegenden Buches sind für den Unterricht
unmittelbar nutzbar zu machen, alle bieten iedem Lehrer, welches Faches
immer, die fruchtbarste Anregung. Das Buch gehört in jede Gymnasial-
bibliothek.
.Sokrates".
FoMI Leibniz. Ausgewählte philosoph. Schriften im Originaltext. Hrsg. v.
H. Schmalenbach. Bd. 1. 1914. XX, 164 S 8.—
VolIU Bd. 2. Mit Register über beide Bändchen. 1915. XVIII,
224 S. 3.80
Merz, J. Th. Leibniz' Leben und Philosophie. Aus dem Englischen
mit Vorwort von C. Schaarschmidt. 226 S 2. —
119 Lessings Philosophie. Denkmäler aus der Zeit des Kampfes zwischen
Aufklärung u. Humanität in der deutschen Geistesbildung. Hrsgeg.
von Dr. Paul Lorentz. 1909. 86, 396 S 4.50
A. d. Inhalt u. a.: Über e. Aufgabe im Teutschen Merkur 1776, — Gespräch*
mü Jacobi über Spinoza. — Gedanken über die Herrnhuter. — Aus: Des Andreas
Wissowatius Einwürfe wider die Dreieinigkeit. — Leibniz' Von den ewigen Strafen.
— Auswahl aus den theolog. Streitschriften. — Ernst und Falk. Gespräche für
Freimaurer. — Erziehung des Menschengesthlechts. — Aus Laokoon und der Ham-
Imrg. Dramaturgie. Register.
I
1^
Band
T5 Lessing. Ernst und Falk. Gespräche für Freimaurer — Die Erziehung
des Menschengeschlechts. 52 S. , . . L50
T9 — Lessings Theologische Streitschriften. 113 S. 2.26
1^1 — - Über das Trauerspiel. Briefwechsel mit Mendelssohn und Nicolai.
V Nebst verwandten Schriften dieser herausgegeb. und erläut. von
R. Petsch. 1910. 55, 144 S. 3.—
75176 Locke, John, Versuch über den menschlichen Verstand. Neu übers,
und mit einer Einleitung und Sachregister versehen von Prof. Dr.
Hugo Winckler. 2 Bände. 1913. 1911. XXXIV, 489; VII,
450 S je 6.—
Der Übersetzer hat die schwierige und verantworttmgsvolle Arbeit der
Verdeutschung ganz neu in Angriö genommen und in seiner Übertragung
ein Werk geschaffen, das alle bi sherigen Übersetzungen im ganzen
und einzelnen iibertrifft. Die klassisch» Ausgabe des englischen
Textes von Fräser l.'-ei ist hier zum ersten Male benutzt, die Abweichungen
der verschiedenen Ausgaben sind notiert und alle wichtigen sachlichen Er-
läuterungen gegeben. So isteindeutscherLocke entstanden, auf dessen
Vollendung wir uns treuen. Lic. H. Scholz in der „Tägl. Kundschau" 1911.
Vol IX. — Essay conc. Human Understanding. ßooks II and IV (with omis-
sions). Sei. by M. W. Calkins. W. index. 1913. VII, 348 p. 5.—
79 — Über den richtigen Gebrauch des Verstandes. Neu , übersetzt von
Otto Martin. 1920. 109 S 3.—
Lotze, Hermann. System der Philosophie.
141 — Bd. I. Logik. Mit der Übersetzung des autobiographischen Auf-
satzes „Philosophy in the last forty years", einem Namen- und
Sachregister und einer ausführlichen Einleitung v. Georg Misch.
CXXII, 608 u. 24 S ^-^^
142 — Bd. II. Metaphysik. Mit dem Aufsatz „Die Prinzipien der Ethik",
einem Namen- u. Sachregister hrsg. von Georg Misch. 1912.
VIII, 626 u. 18 S. "-60
Ol" Geschichte der Ästhetik in Deutschland. Mit Namen- und Sach-
register. 1913. VIII, 689 S ' 9.—
T25 - Der Instinkt. 33 S. ...... .^ • -t 2.25
Hall, St. über Lotze vgl. S. 25.
♦ Macchiavelli, N. Vom Staate. (Erörterungen über die erste Dekade des
Livius.) Übers. V.W. Grüzmacher. 1871. 268 S. . . kart. 3.50
Marbe, Karl. Über das UrteU siehe Abt. VI, S. 28.
♦ Melanehthon. Ethik. In der ältesten Fassung zum 1. Male lateinisch
herausgeg. v. H. Hein eck. 59 S 1.20
lUelliD, G. S. Bd. I: Marginalien und Register zu Kants Kritik der
reinen Vernunft. Neu herausgegeben und mit einer Begleitschrift
Zur Würdigung der Kritik der reinen Vernunft" versehen von
irr. L. Goldschmidt. 1900. XXIV, .167 S. u 189 S. . . 6.-
— Bd. II: Marginalien und Register zu Kants Grundlegung zur Meta-
physik der Sitten; Kritik der praktischen Vernunft; Kritik der
Urteilskraft. Neu herausgegeben und mit einei* Begleitschnft „Der
Zusammenhang der Kantischen Kritiken« versehen von Dr. L.
Goldschmidt. 1902. X, 69 u. 237 S
6.—
Verlag von Felix Meiner in Leipzig.
Verlag von Felix Meiner in Leipzig.
Alphabetisches Verzeichnis.
I. Philosophische Bibliothek.
17
Band
■eiaoag, 1. Gegenstandstheorie siehe Abt. YI, S. 88.
Mendelssohn y Moses. Vod der Herrschaft über die Neigungen. 3. —
Siehe xmter Lessini^s Briefwechsel.
** MiltOB, John. Politische Hauptschriften. Ubers. u« m. Anm. vers.
T. Wilh. Bernhardi. 3 Bde. 828; 859; XVIII. 842 S. . 6.—
Aus dem Inh^alt: Von der weltlichen Macht in kirchlichen An^les^en-
heiten — Über Erziehungf, — Areopagritica. — .Eine ^ede für die Freiheit
der Presse, — Die Lehre und Wissenschaft von der Ehescheidunfir. — Erste
and eweite Yerteidieung des englischen Volkes. — Eikonoklastes. — Von
, der Beformation in England. — Der Grund des Kirchenregiments. — Der
S gerade und leichte Weg zur Herstellung einer freien Republik. — Verteidigung
gegen den Geistii''hen Alexander Morus.
Natorp, P., siehe Pläto, siehe Pestalozzi, siehe Abt. VI, S. 39.
Nieolal, Friedrich. Abhandlung vom Trauerspiel (3. — ). Siehe unter
Lessingrs Briefwechsel.
Nietzsehe, Fr.
Dorn er, A. Pessimismus, Nietzsche und Naturalismus mit besonderer
Beziehung auf die Religion. 1911. VIII, 328 S 6.—
Hasse, H. Das Problem des Sokrates bei Nietzsche. 1918. 26 S. 1.30
Levenstein, A. Friedrich Nietzsche im Urteil der Arbeiteirklasse.
2. Ausgabe. 1919. VI, 120 S 2.—
Oehler, R. Nietzsche und die Vorsokratiker 1904. 176 S. . 3.50
Richter, R. Friedrich Nietzsche. Sein Leben und sein Werk. 3. Aufl.
1917. VIII, 356 S 6.—
— Essays. 1913. XV, 416 S 3.60
Schaffganz, H. Nietzsches Gefühlslehre. 1913. VIII, 133 S. 3.50
Vaihinger, H. Die Philosophie des Als Ob. Mit Anhang über Kant
und Nietzsche. 4., durchges. Auflage. 1920. XXXIX u. 804 S. 24. —
in weißem Halbiwd. m. ech^ Gold 34. —
Weichelt, H. Friedrich Nietzsche: Also sprach Zarathustra, erklärt
und gewürdigt. 1910. VIII, 319 S 6 —
Paraeelsns siehe Bergmann, Abt. VI, S. 26.
Pestalozzi.
Buchenau, A. Pestalozzis Sozialphilosophie. 1919. VIII, 183 S. 5. —
Natorp, P. Der Idealismus Pestalozzis. 1919. IV, 174 S. . < 5.60
Platner siehe Bergmann, Abt. VI, S. 26. ^
Piatons Dialoge. In Verbindung mit C. Ritter, G. Schneider u. a.
' hrsg. von 0. Apelt.
Apelts Übersetzungen beruhen auf langjähriger ernster Arbeit an der
sprachlichen Form wie am philosophischen Gehalt dieser Werke. Eine
philologisch unantastbare Übertragung der Hauptwerke Piatos
war nachgerade Bedürfnis geworden, wo die nur ästhetische, Wissenschaft'
lieh etwas leichtherzige Übersetzungsliteratur täglich mehr heranwuchs.
Lit. Jahresbericht des Dürerbundes.
Man wundert sich immer wieder, wie getreu es Apelt gelingt, die Dy-
namik der griechischen Sätze ins Deutsche zu übertrafen, dassel e Tempo
einzuhalten, das der Text besitzt, nicht zu flüssig, nicht zu schwerfällig.
Das ist noch mehr als philologische Treue. Wir können uns freuen, den
ganzen Plato allmählich Band um Band in dieser Übertragung vorgelegt zu
ekommen. Möge er auch seine Leser finden i Frankfurter Zeitung.
i7^6 — Alkibiades. I u. IL Übers, v. 0. Apelt. 1918. IV, 130 S. 4.—
180 — Apologie des Sokrates und Kriton. Übersetzt v. 0. Apölt. 1919.
IV, 1 12 S. (auf holzfreiem Papier in vornehm. Halhlwdbd. 6. — ) 2.20
173 —Briefe. Übers, v. 0. Apelt. 1918. IV, 154 S 4.40
^ .
yerlag von Felix Meiner in Leipzig.
1
'A
Band
177 Plato. Charmides, Lysis, Menexenos. Übersetzt von 0. Apelt. 1919.
IV, 168 S. . ,. ö.~
176 — Euthydemos., Übersetzt von 0. Apelt. 1918. IV, 107 S. 8.—
81 — Gastmahl. Neu übertragnen und eingeleitet von Kurt Hilde-
brandt. 2., durchges. Aufl. 1919. IV, 128 S. (in Geschenkband auf
holzfreiem Papier 7.50) 3.50
Siehe auch Ficinus.
1591160 —Gesetze. Übers, v. 0. Apelt. 2 Bde. Bd. I: Buch I— VI,
Bd. II: Buch VII— XII. 32, 573 S. 1916 je 7.50
rY5 — Gesetze. X. Buch. 43 S 1.50
148 — Gorgias. Übers, v. 0. Apelt. 1913. II, 184 S. ..... 3.50
172a — Hippias lu II, Ion. Übers, v. 0. Apelt. 1918. IV, 130 S. 4.—
174 — Kratylos. Übersetzt von. 0. Apelt. 1918. IV, 158 S. . . 4.50
178 — Laches und Eutyphron. Übersetzt u. erläutert v. Gust. Schneider.
1918. VIII, 112 S 3.50
f 153 — Menon od. Über die Tugend. Übersetzt und erläutert v. O. Apelt. ' :|
1 1914. II, 91S. . 1.80 ^i\
i
»>
<p
i
83 — Parmenides. Neu übersetzt von 0. Apelt. 1919. II, 162 S. 4.50
147 — Phaidon oder Über die Unsterblichkeit der Seele. Neu über-
setzt und erläutert von Otto Apelt. 1913. II, 155S. . . . 4.—
152 — Phaidros. Übersetzt^ erläutert und mit ausführl. Register ver-
sehen von Constantin Ritter. 1914. II, 157 S 3. —
145 — Philebos. Neu übers, v. O.Apelt. 1912. II, 157 S. ! . . . 4.—
Die hier gebotene Übertragung ist eine vortreffliche Leistung. Apelts
Vertrautheit mit den einschlägigen Fragen und seine Vertiefung in Platons
Gedankengänge ist überall ftihlbar. nicht zum wenigsten in den sehr ge-
haltreichen und doch nicht zu umiangreich gehaltenen Anmerkungen, die
hinter dem Texte stehen und die, wo es nötig ist, auch über die Gestaltung
des zugrunde gelegten grie<?hi sehen Textes Auskunft geben.
Wilhelm Nestle in der Deutschen Literaturzeitung.
l^l — Politiltos oder Vom Staatsmann, übersetzt und erläutert von
O.Apelt. 1914.11,142 8 4.—
175 — Protagoras. Übersetzt von O.Apelt. 1918. IV, 147 S. . 4.—
ISO — Sophistes. Übers, v. 0. Apelt. 1914. II, 156 S. .... 4.—
ßQ — Der Staat. In 4. Aufl. neii übers, und erläut. sowie m. griech.-
deutschem u. deutsch-griech. Wörterverz. versehen von 0. Apelt.
1916. XXXII^ 568 S 7.50
Die Übersetzungen Apelts eignen sich vorzüglich für den gebildeten
Leser, der gewöhnt ist, hohe Ansprüche an Übertragungen zu stellen und
der vor allem den geistigen Gehalt des Werkes bis in seine zartesten Ab-
tönungen kennenlernen und genießen will. Dabei erreicht Apelts Leistung
einen seltenen Grad wissenschaftlicher Zuverlässigkeit. Die Post.
82 — Theätet. Übers, u. erläut. von Dr. Otto Apelt. 2. Aufl. 1911.
IV. 28, 116 u. 48 S 5.40
179 — Timaios und Kritias. Übers, v. 0. Apelt. 1919. IV, 224 S. 7.80
181 Platon-Index als Gesamtregister. Von Otto Apelt. 1920. 15.—
N atorp, Paul. Piatos Ideenlehre. E. Einführung in d. Idealismus. Vergr,
Ravaissou, F. Französische Philosophie siehe Abt. VI, S. 29.
Behmke siehe Hegenwald, Abt. VI, S. 28.
Richter, BäooI, siehe Abt. VI, S. 29.
13315 Schellin^s Werk« in 3 Bänden. Mit drei Porträts Sch.'s und Geleit-
wort von Prof. Dr. A. Drews, hrsg. u. eingel. v. Dr. 0. Weiß.
1907. Groß 80. (geb. in Hfz. 70.—) 40.—
Verlag von Felix Meiner in Leipzig.
18 Alphabetisches Verzeichnis
Band
133 Selielliiig. Bd. I. SchrifteA zur Naturphilosophie. 1907. CLXII, 816 S.
15. —
134 — Bd. II. Die Schriften zum Identitätssystem. 682 S. . 13 —
135 — Bd. III. Philosophie der Kunst. — Freiheitslehre, — Positive
Phüosophie. 935 S 15.—
Einzeln erschienen daraus:
134c Sehelling. Bruno, oder über das göttliche und natürliche Prinzip
der Dinge (1802) II, 120 S geb. 4.40
134h — Darstellung eines Systems der Philosophie. II, 108S.geb. 3.—
133d — Einleitung zu dem Entwurf eines Systems der Naturphilo-
sophie (1797). — Allg. Deduktion des dynamische^ Prozesses
(1800) II, 136 S geb. 2.40
133a — Vom Ich als Prinzip der Philosophie (1796) II, 96 S. geb. 4.—
i33h — Ideen zu einerPhilosophiederNatur (1797)11,3448. geb. 5.40
134d — Methode des akademischen Studiums. II, 146 S. geb. 4.40
135a — Philosophie der Kunst (aus dem Nachlaß) II, 425 S. geb. 8.40
135c — Positive Philosophie (Philosophie der Mythologie und Offen-
barung [Auswahl] 1840/45) II, 282 S geb. 7.—
134a — System des transzendentalen Idealismus. II, 308S. geb. 8. —
133c — Von der Weltseele (1808) II, 240 S geb. 4.40
135b — Wesen der menschlichen Freiheit (1809) II, 86 S. Vergriffen.
Außerhalb dieser Ausgabe erschien:
104 — Münchener Vorlesungen: Zur Geschichte der neueren Philosophie
Darstellung des philosophischen Empirismus. Neu hrsg. mit Erläut
V. A. Drews. 1902. XVI, 262 u. 92 S 4.60
0 5 — Briefe über Dogmatismus und Kriticismus. Hrsg. u. eingel. von
0. Braun. 1914. XX, 93 S ' 2.50
— Briefwechsel mit Niethammer, s. S. 32 im Hegel- Archiv II, 1. 4.— '
♦ Schelling als Persönlichkeit. Briefe, Reden, Aufsätze. Hrsg. v.O. Braun.
Mit Abb. der Jugendbüste Sch.'s. 1908. 282 S 4.—
Groos, Karl. Die reine Vemunftwissenschaft. Systemat. Dar-
stellung V. Schellings rational, od. negativ. Philos. X, 187 S. 3. —
Braun, 0. Hinauf zum Idealismus! Schelling-Studien. 1908. XII,
154 S 2.50
103 Schiller. Pliilosophische Schriften und (redichte (Auswahl). Zur
Einführung in S.Weltanschauung. Mitausf.Einltg. hrsg. von E.Kühne -
mann. 2. vermehrte Aufl. 1910. 94 u. 344 S 4.50
Über der feinsinnigen Einleitung liegt ein stimmungrsvoUer Hauch, der
daa Studium der Schrift zu einem Kunstgenuß macht. Pädagog. Zeitung.
Eühnemanns Buch, gerade in der neuen Gestalt der zweiten Auflage,
geht jeden wissenschaftlich gebildeten Lehrer an, ohne Rücksicht auf sein
-Fach'', das er auf Grund seiner Fakultäten im Unterricht vertritt — und
noffentlich auch in jeder Primanergeneration immer den einen oder den an-
deren. Monatsschrift für höhere Schulen.
Tl - Über Alimut und Würde. , 63 S 1.50
r/0 _ Über die ästhetische Erziehung des Menschen. 114 S. . . 2.25
T20 — Über naive und sentimentalische Dichtung. 98 S 2.25
Vorländer, Karl. Kant - Schiller - Goethe. Gesammelte Aufsätze.
1907. XIV, 294 S: 5.~
Verlag von Felix Meiner in Leipzig.
I. Philosophische Bibliothek.
19
Band
136'-
139
136
^
Sehleiermaehers Werke in 4 Bänden. Mit Geleitwort von Prof.
D. Dr. A. Dorn er. Hrsg. u. eingeL v. Priv.-Doz. Dr. Otto Braun.
1910/11. Groß 80 38.~
Sehleiermacher. Bd. I. Mit Bildnis Schl.*s nach der Büste von
Rauch. 1910. CXXVIII, 547 S 9.—
Geleitwort von Prof. D^^Dr. A. Dorner. S. I. — XXXII. — Allgemeine
Einleitung von Priv.-Doz. Dr. O. Braun. S. XXXIII-C. Grundlinien einer
Kritik der bisherigen Sittenlehre. Mit Inhaltsanalyse von Dr. O. Braun.
XXVIII, 846 S. — Akademieabhandlungren S. 847—532. — Begister usw.
S. 683—647.
137 —
138 —
Bd. II. Entwürfe zu einem System der Sittenlehre. Nach Hand-
schriften des Berliner Literaturarchivs zum erstenmal herausge-
geben und mit einer Einleitung und ausführlichem Register ver-
sehen vonOttoBraun. 1913. XXX,703S. (geb. in Hfz. 16.—) 12.50
Dieser Band bringet die erste wissenschaftlich zulängfliche, weil auf voll-
ständigrer Wiedergabe des überlieferten handschriftlichen Materials beruhende
Ausgabe der Vonesung-en über philosophische Ethik. Hier hat der Heraus-
geber Dr. Braun sich ganz besondere Verdienste erworben. Er hat die
schwer zu lesenden Texte musterhaft entziffert und das früher bereits Ge-
lesene und Herausgegebene überall sorgfältig nachgeprüft. Er hat der Schleier-
macherforschung damit eine neue Grundlage gegeben und die Darstellung der
Schleiermacherschen Ethik auf eine ganz neue Fläche gestellt. Alle Kundigen
werden diese Arbeit mit wärmstem Danke an den Herausgeber benutzen.
Dr. H. Scholz in der .Täglichen Bundschau*^.
9.—
Bd. III. 1910. XII. 748 S
Auswahlen aus: Dialektik (ed Halpem) S. 1—118. — Die christliche Sitte
(1812/23). S> 119— ISO —Vollständig: Predigten über den christlichen Haus-
stand. Hrsg. von Prof. D Joh. BaueT. S. 181—398. — Auswahlen aus:
Väaagogik (Msc. ihl3/14 mit Teilen a d. Vorlesgn. 1820/1 »81 u. 1826, sowie
Aphorismen 1818/14). S. 899—536. — Die Lehre vom Staat (Entwurf v. 1829
m. Erläut. aus Heften v. 1817 u. 1889). S. 637—630. — Der christliche Glaube
(1830, etwa S. 1—90). S. 631—729. — Begister. S. 731—748.
139 Bd. lY. 1911. X, 663 u. 17 S . 9.—
i Auswahlen aus: Psychologie (1830). S.l— 80. — Vorlesungen über Ästhetik
(1862/63). S. 81—134. — Hermeneutik (Msk. v. 1805 usw., Vorlesungen 1826
bis lb33). S. 135—206. — Vollständig: Beden über die Keligion. S. 207— 400. —
Monologen. S. 401—472. — Weihnachtsfeier. S. 473-532. — Universitäten
im deutschen Sinne. S. 533—642. — Bezensionen: Engel, der Philosoph für
die Welt; Fichte, Bestimmung des Menschen. S. 643—662. — Begister.
S. 668—680.
In Einzelausgaben erschienen daraus:
136 a — Grundlinien einer Kritik der bisherigen Sittenlehre. (1803. 1834.
1846.) M. e. Inhaltsanalyse. 1911. XXXII, 346 S. . . . . 6.—
136b -r Akademieabhandlungen. 1911. IV, 185 S 4.—
Inhalt: Tugendbegriff, Pflichtbegriff, Naturgesetz und Sittengeset«,
Begriff des Erlaubten , Begriff des höchsten Gutes , Beruf des Staates zur
Erziehung, Begriff des großen Mannes.
138a — Predigten über den christlichen Hausstand. Herausgeg. u. eingel. v.
Prof.J). Joh. Bauer. 1910. IV, 42, 176 u. 4 S. .... 4.50
139b — Reden über die Religion. 2. Aufl. 1920. ...'.... 3.60
i59c — Monologen und Weihnachtsfeier. 1911. II, 132 S 3.—
139 a — Universitäten im deutschen Sinne. 1911. IV, 110 S. . . 2.—
Außerhalb der Gesamtausgabe erschienen femer:
84 Schleiermaeher. Monologen nebst den Vorarbeiten. Kritische Aus-
gabe. Mit Einleitung, Bibliographie, Index und Anm. von Friedr.
Verlag von Felix Meiner in Leipzig.
. \
■4i
20
Alphabetisches Verzeichnis.
Bamd
M. Schiele. 2. erweit. u. durchges. Aufl. v. H. Mulert. 1914.
48, 198 S 3.-
Endlich sind uns die Monologren in mastergriltigrer Ausgrabe vorgrelegrtr
Schiele g-ibt den Text der Ausgrabe vom Jahre 1799 und fügt die Abweichungen
sämtlicher späteren Ausgaben im kritischen Apparat hinzu. Er hat damit
eine gediegene Arbeit geliefert, und die Vergleichung der Texte bietet
reiche Ausbeute zur Erkenntnis des Umbildxm^rsprozesses in Schleiermachers
Gedanken. Zeitschrift für Philqsophie.
11? Schlelermaclier, Weihnachtsfeier. Krit. Ausg. Mit Einltg. u. Reg.
von Priv.-Doz. Lic. Hermann Mulert. 1908. 34 u. 78 S. 2.—
85 — Grundriß der philosophischen Ethik. (Grrundlinien der Sittenlehre.)
Hrsgeg. V. F. M. Schiele. 1911. 219 S 2.80
Schieies Verdienst ist es, daß die beiden besten Manuskripte Schleier«
machers, aus denen Twesten den Text konstituiert hwtte, hier in anderer
Ordnung geboten werden. Der in sich geschlossene Text der Vorlesungen
von lbl2 — 13 wird als Einheit gelassen und uinsehlossen von einem andern
Entwurf von 1816. Wir haben damit eine Textgestalt des wichtigen Werkes,
die sowohl den inneren Gedankengang darstellt wie auch sein Werden er-
kennen läßt. Zeitsfhr. f. d. deutsch. Unterricht.
120 — Universitäten im deutschen Sinn. Mit ausf. Einltg. von Ed.
Spranger (vgl. unter Fichte) . 4. —
Schleiermacher. Der Philosoph des GlauLens. 1910. 151 S. kart.-2.50
Sechs Aufsätze von: E. Troeltsch. — A. Titius. — P. Natorp. —
P. Hensel. — S. Eck. — M. Rade — Mit Vorwort von F.Naumann.
Schopenhauer. H a s s e , H. Sch.*s Erkenntnislehre siehe Abt. VI, S. 27.
Schuppe siehe Abt. VI, S. 30.
Sf otus Eriugena. Über die Einteilung der Natur. Übers, von L. N o a c k.
2 Bde. 428 S. 416 S 18.—
— Leben und Schriften. Von L. Noack. 64 S. . . . ; . 1.50
Sextiis Empiricus* Pyrrhoneische Grundzüge. Ubers. von E. Pappen- ♦
heim. 19 u. 222 S .• • . 3.—
— — Erläuterungen dazu. 296 S 1.60
SbftfteBbury. Untersuchung über die Tugend. Übers, und eingeleitet
T. Paul Ziertmann. 1905. 15 u. 122 S. . . . i . . 2.50
— Ein Brief über den Enthusiasmus an Lord Sommers. — Die Mora-
listen. Eine philosophische Rhapsodie. Übersetzt u. eingeleitet von
M.Frischeisen-Köhler. 1909. 31 u. 212 S 3.80
— Religion und Tugend. 48 S. . 225
Spinoza« SUmtliehe Werke. Übersetzt von 0. Baensch, A.
Buchenau, C. Gebhardt und 0. Schaarschmidt.
Dies ist die einzige deutsche Ausgabe der Werke Spinozas, die auf Grund
der umwälzenden Ergebnisse der modernen Textkritik erfolgt ist. So bietet
sie in ihrer Textgrestaltung der Forschung die sicherste Grundlage; die
Einleitungen bemtihen sich, das Verständnis der Schriften S.s nach allen
Seiten sicher zu stellen.
91 Bd. I. Abhandlung von Gott, dem Menschen und dessen Glück.
Neu übersetzt von C. Gebhardt. ' Im Druck.
92 — Ethik. Übers, u. mit e. Einleitung u. Register versehen von Otto
Baensch. 9. Aufl. 1919. 29, 276 u. 39 S 3.80
Sehr genau ist die neuere Forschung zum Spinozatext behandelt. Die
Einleitung gehört zu dem Besten, was zur Einführung in Spinozas Denk-
weise gegeben werden kann. Die Bedeutung dieser Übersetzung wird man
darin sehen dürfen, daß sie die für uns oft schwierig gewordenen Gedanken-
verachiebungen bei Spinoza klarlegt. * • Zeit8C&. i. d. dtsch. Unterricht.
861?
88
89
90
110
111
T30
91—
96
I. Philosophische Bibliothek.
31
BtMd
93
94
95
'^
96a
96h
100
122
Verlag von Felix Meiner in Leipzig.
Spinoza. Bd. II. Theologisch -politischer Traktat. 3. Aufl. Übers, u.
eingeleitet von Dr. Carl Gebhardt. 1908. 34, 36^ u. 61 S. 5.40
Tractatus theologico-poÜticus. Lat. ed. H. Ginsberg. 1877. 2.—
— Descartes*^ Prinzipien der Philosophie auf geometrische Weise be-
gründet. — Anhang, enth. metaphysische Gedanken. 3. Aufl. Neu
übers. V. A. Buchenau. 1907. 8, 190S 2.40
— Abhandlung über die Verbesserung des Verstandes. — Abhandlung
vom Staate. 3.' Aufl. Übers, u. eingeleitet von Dr. Carl Geb-
hardt. 1907. 32, 181 u. 33 S . . • 460
. Principia philosophiae Cartesianae — Appendix cont. cogitata
metaphysica — Tractatus de intellectus emendatione — Tractatus
politicus. Lat. ed. H. Ginsberg. 1882. LXXIII, 256 S. 2.-
Bd. III. Briefwechsel. Übertragen «. m. Einl., Anm. u. Reg. vers. v.
Carl Gebhardt. 1914. 38, 438 S. . . 4.-
Go ethe hat den Briefwechsel Spinozas das interessanteste Buch genannt,
das man in der Welt von Aufrichtigkeit und Menschenliebe lesen könne.
Er bedeutet für uns zugleich die notwendige Ergänzung der Ethik Spinozas,
denn er offenbart die tiefe und reine Menschlichkeit, die hinter den mathe-
matisch starren Sätzen jenes Buches steht. ^ . ^ . r^^
Zeitschrift Ihr den deutschen Unterricht. ^
Epistolae doctorüm quorundam virorum ad B. de S. et auctoris
responsiones. Ed. H. Ginsberg. 1876 2.~ .
Lebensbeschreibungen und Gespräche. Hersg. v. Carl Gebhardt.
1914. XI, 147 S. Mit Bild, (in Hpgt. 8.—) 3.50
Eine völlig neue Erscheinung in der deutschen Literatur ist Gebhardts
Übersetzung der alten Lebensbeschreibungen Spinoaas, der die überlieferten
Äußerungen oder Gespräche Spinozas sowie alle auf sein Leben beEÜglichen
Quellen beigefügt sind. Es ist ein höchst dankenswertes Buch, das rolle
Anerkennung verdient. Spinoza gehört zu den Philosophen, deren Lehre
der Ergänzung durch das Bild des Menschen bedarf. Deshalb verdienen
die Lebensbeschreibungen Spinozas als einWiderschtin des großen Menschen
starkes Interresse. Zeitschrift für den deutschen Unterricht.
Spinoza-Brevier. Zusammengestellt und mit einer Einleitung versehen
von A.Liebert. 2.Aufl. 1918. XXXIV, 169 S. In eleg.Pappbd. 4.—
Es ist als ein glücklicher Gedanke Lieberts zu bezeichnen, daß in seinem
Brevier die bedeatsamsten Stellen der „Ethik" von den engen Fesseln der
geometrischen Methode befreit worden sind. Er selbst gibt in einena gehalt-
vollen Vorworte Aufschluß über die Grundsätze, die ihn dabei geleitet haben. . .
Allen, die nicht die nötige Muße und Geduld aufbringen können, zu den
Original werken des Philosophen zu greifen, denen jedoch jene ^große und
freie Aussicht über die sinnliche und sittliche Welt", die sich Goethe, aus
Spinozas Schriften „auf zutun schien", von Literesse sein mag, sei Lieberts
Brevier bestens empfohlen. Wiener Fremdenblatt.
Renan, E. Spinoza. Rede, geh. zum 200. Todestag . ... —.40
Ginsberg, H. Lebens- und Charakterbild S.'s —.40
Steffens, Henrik. Über die Idee der Universitäten (4.--). Siehe
unter Flehte.
Thomas von Aquin. Die Philosophie von Thomas vonAquin. In Aus-
zügen herausgegeben von E. Rolfes. Im Druck.
TalhinRer, H., siehe Abt. V[, S. 30.
Volkelt, J., siehe Abt. VII, S. 31.
^olffsche Begriffsbestimmungen. Ein Hilfsbüchlein beim Studium
Kants. Zusammengest. v. J. Baumann. 1910. "VI, 54 S. . 1.50
Pichler, H. Über Christian Wolffs Ontologie. 1910. 96 S. 2.—
Wandt, W., siehe HaU, Abt. VI, S. 27.
Verlag von Felix Meiner in Leipzig.
22 II. Lehrbücher der Philosophischen Bibliothek.
Lehrbucher
der Philosophischen Bibliothek.
Band ^
67 Kirdmer-Michadlis. Wörterbuch der philoBophischen Grundbegriffe.
Neuauflage in Vorbereitung.
Die Festigkeit der Grundlagren, die umfassende Vollständigkeit des
Stoffe«, die durchsichtige Anlage und vortreffliche Form, sowie die würdige
Ausstattung machen das Buch zu einem treuen Führer auf den verschlun-
genen Pfaden der Philosophie. Man kann ihm nur weitere und weitere
Verbreitung wünschen. Zeitschrift für das Gymnasialwesen.
♦ Croee, B. Grundlinien der Ästhetik. 1913. IV, 85 S. Deutsch v.
Th. Poppe. („Wissen und Forschen") 2.—
* mring, A. GnmdUnien der Logik. 1912. XH, 181 S. . . . 2.50
Die Logik soll nach D. nur Methodenlehre sein, die uns anweist , in
die Gesamtheit unserer tatsächlich vorhandenen Vorstellun^welt sachhche
Ordnung hineinzutragen. Ohne Zweifel haben wir hier ein Buch von hoher
Bedeutung vor unp. Reichsbote.
118 Messer, Anr. Einführung in die Erkenntnistheorie. 1909. VI, 188 u.
11 ^. . 8.40
Die« ist die beste einführende Schrift in die Erkenntnistheorie, die Eef.
kennt. Sie zeichnet sich besonders dadurch aus^ daß sie trotz des kleinen
Umfanges eine Anschauung erweckt von der Fidle der Probleme, die der
Erkenntnistheorie erwachsen ; femer daß sie stets auf die richtige Problem-
stellung hinweist; endlich ragt sie noch durch große Klarheit und Über-
Bichtlichkeit hervor. Viertel] ahrsschrift f. wissensch. Philos. u. Soziologie.
Odehreeht, Rnd. Kleines philosophisches Wörterbuch. Erklärung
der Grundbegriffe der Philosophie. 3., durchgesehene Aufl. 1919.
86 S 1.80
Torl&nder, Karl. Geschichte der Philosophie. I. Bd.: Altertum,
Mittelalter und Übergang zur Neuzeit 5. Aufl. 1919. XII,
868 S Ö.50
n. Bd.: PhüoBophie der Neuzeit. 5. Aufl. 1919. VIII,
524 S 6.50
Zur Einführung wird man schwerlich ein besseres Buch finden als die«,
das den vielfach empfimdenen Wunsch nach einer knappen , aber doch
klaren, inhaltlich ausreichenden und zuverlässigen Darstellung der gesamten
Geschichte der Philosophie aufs vortrefflichste erfüllt hat. Vortrefflich ist
die I)arstellung des Entwicklungsganges der Philosophie, was schon im Auf-
bau des Werkes klar hervortritt. Die biographische Behandlung der em-
zelnen Philosophen und die Darstellung ihrer Lehren stehen in allem auf
der Höhe der Forschung. Dazu kommt, daß sich das Buch auch als Weg-
weiser für tiefer eindringende Arbeit bewährt durch die gute Auswahl m
den Literaturangaben. Zeitschr. f. d. dtsch. Unterricht
Vorländers Buch reizt geradezu «um Studium. Die gediegene Art, In
der er das historische mit dem systematischen Element zu vereinigen ver-
standen hat, macht das Buch zum philosophie^schichtlichen Handbuch
' par excellence. Es gehört auf den Arbeitstisch emes jBden der Philosophie
„Beflissenen". Kant-Studien.
115 Witasek, StephaB. Grundlinien der Psychologie. Mit 15 Fig. im
Text 1908. Vm, 370 u. 22 S 3.-
In der Auffassung und Durchführung ein selbständiges Werk, sind
diese „Grundlinien" auch eine Zusammenstellung der fast zahllosen Ei^el-
Untersuchungen zur „modernen" Psychologie. Die Bestimmung, al« Ein-
führung zu dienen, hat wohl die Art der Ausführung bedingt, mcht aber
den Inhalt und die Theorie. Die Durchführung ist durchsichtig, überall
knapp und leicht verständlich und das dargebotene Material ma zweiten
Teil überaus reichhalüg. Zeitschrift für Phüo«ophie.
> Verlag von Felix Meiner in Leipzig.
\
III. Hauptwerke d. Philos. in originalgetr. Neudrucken. 23
Hauptwerke der Philosophie in
Originalgetreuen Neudrucken.
Die Sammlung macht sich eine neue Erfindung auf dem Gebiete der
Photochemie zunutze, die es ermöglicht, seltene Werke in technisch so vollendeter
Form ohne Neusatz nachzudrucken,dalJ selbst Fachleute den Unterschied vomBuch-
druck kaum feststellen können. Dabei ist es aber möglich, Verbesserungen, z. B.
▼on Druckfehlem, anzubringen. — Die Sammlung wird in geschmackvoller äußerer
Form, die sich dem Stil der Entstehungszeit anschließt, Werke dem Studium
neu darbieten, die noch lebendige Wirkung auf die Gegenwart auszuüben be-
rufen sind. Durch Beigabe von Registern und erforderlichenfalls auch emes
kritischen Apparates wird die wissenschaftliche Benutzung erleichtert.
Bd. 1: Lotze, Herrn. Geschichte der Ästhetik in Deutschland. Mit
Namen- und Sachregister. 1913. M. 9. —
Diese „Geschichte der Ästhetik" mit der Fülle ihrer Probleme, der Tief-
gründigkeit der Untersuchung, sowie der fruchtbaren Verbindung der not-
wendigen Forderungen des modernen Realismus mit dem wertvollen, ja unent-
behrliciien Gehalt des Idealismus, ist ein durchaus eigenartiges, trotz aller be-
deutenden Leistungen der seitherigen Ästhetik auch heute* noch in hohem
Maße beachtenswertes Werk. Möchte der vorliegende Neudruck dem Werke wie
■einem Schöpfer neue Freunde gewinnen!
Max Wentscher in der „Deutschen Literaturzeitung,'-''
Bd. II: Fries, Jak. Friedr. Philosophische Rechtslehre und Kritik aller
positiven Gesetzgebung. Mit Namen- und Sachregister.
Hrsg. von d. Fries-Gesellschaft. 1914. M. 2.50
C'est certainement l'une des opuvres principales de la Philosophie post-
kantienne: eile et aussi l'une de celles oü se marque le plus heureusement
l'union d»une rare aptitude speculative avec des connaissaaices precises et sur
certains points memo profondes. Revue de metaphysique et de morale.
Die philosophische Rechtslehre Fries' fängt gerade an aktuell zu werden.
Während die Philosophie seiner Zeitgenossen ihre Wirkung auf ihre Zeit schon
ausgeübt hat, so (mß man annehmen kann, daß die in ihr enthaltenen Gedanken,
soweit sie sich als fruchtbar erwiesen haben, bereits in das Zeitbewußtsein über-
gegangen sind, kann man die Friesschen Gedanken mit jenen in die ägyptischen
Gräber eingemauerten Körnern vergleichen, die nach Jahrtausenden zu keimen
begannen. Sozialistische Monatshefte.
Bd. III: Schellini, F. W. J. t. Briefe über Dogmatismus und Kriti-
zismus. Hrsg. u. eingel. v. 0. Braun. 1914. -M. 2.60
Wir haben es in diesen Briefen mit einer Kritik des religiösen Bewußt-
seins zu tun, die an Schärfe und rücksichtsloser Konsequenz Fichtes Offen-
barungskritik nichts nachgibt, nur daß sie viel schwungvoller als diese geschrieben
ist — ein Meisterstück deutscher philosophischer Prosa, und als das Werk emes
Zwanzigjährigen von einer fast unbegreiflichen Vollendung.
Man erstaunt über diese Briefe, wenn man nur den Schelling kennt, der die
Naturphilosophie und das Identitätsystem geschaffen hat. Jedenfalls muß man
die hier waltende Metaphysik der Freiheit kennen, um die unfreie Metaphysik de«
späteren Schelling richtig interpretieren zu können. Preussische Jahrbücher,
Bd. IV: Bolzano, B. Wissenschaftslehre. Hrsgeg. von A. Höfler.
Erster Band. 1914. XVI, 572, 2 S. M. 16.-
Dieser Neudruck ermöglicht es endlich, den größten Logiker aller
Zeiten, wie ihn Husserl nannte, wirklich zu studieren.
Bd. Y: Fries, Jak. Friedr. System der Logik. Mit vollständig neuem
Register. Hrsg. v. d. Fries-Gesellsch. 1914. M. 6.—
Bd. VI: Fichte, Job. Gottl. Über den Begriff des wahrhaften Krieges. Im
Ajihang: Rede bei Abbrechung seiner Vorlesungen. 1914. M.1.60
Bd. VII: Bolzano, B. Wissenschaftslehre. Zweiter Band. 1915. VII,
670 S. M. 15.—
Verlag von Felix Meiner in Leipzig.
24
IV. Biblio^heca Philosophorum.'
Bibtiotheca Phiiosophorum.
Diese Sammlung entspricht Wünschen, die immer wieder ans philo-
sophischen Kreisen laut gewordea waren. Fehlten doch vorher voll-
ständig auf dem Büchermarkt leicht zugängliche Ausgaben der
philosophischen Hauptwerke im Urtext, die billigen Preis mit
absoluter textlicher Korrektheit vereinigten. ^
Dem soll durch die neue Sammlung abgeholfen werden, die im
Format und im Anschluß an die „Philosophische Bibliothek" erscheint.
Bisher erschienen:
Vol. I. Descartes. Meditatione« de prim» philosophia. Curavit
A. Buchenau. 1913. IV, 68 p. M. 1.50
„ II. Leibniz. Ausgewählte philosophische Schriften im Original-
text Hrsg. v. H. Schmalenbaoh. Band 1. 1914. XX,
164 S. M, 3.—
III Band 2. Mit dem Register über beide Bändchen,
1916. XVin, 224 S. M. 8.80
In die Sammlim? wurden femer als VoL IV— IX eine Anzahl auBgrezeich-
neter, in Deutschland noch fast anbekannter amerikanischer Ausgraben engr-
liBcher Philosophen eingrereiht, für die ich das alleinigre Vertriebsrecht für den
europäischen Kontinent erwarb. Die Bände enthalten:
Vol. IV. Berkeley. The Principles of Human Knowledge. Ed. by
T. J. McCormack. 1913. XVII, 128 p. M. 2.60
Y. — Three Dialogues between Hylas and Philonous. Ed. by
T. J. McCormack. 1913. VII, 136 p. M. 2.50
„ VI. Hobbes, The Metaphysical System of H. in 12 chapters from
Elements of Philosophy conc. Body. Tog. w. briefer extracta
from Human Nature and Leviathan. Sei. by M. W. Calkins.
1913. 26, 187 p. M. 3.50
„ VII. Hnme. An enquiry conc. Human Understanding and sei. from
. a treatise of Human Nature. With H.'ß Autobiography and
a letter from Ad. Smith. Ed. by T. J. McCormack and M.
W. Calkins. W. index. 1913. 28, 267 p. M. 3.—
Ylll. — An enquiry conc. the Principles of Morals. Reprinted from
the ed. of 1777. W. index. 1913. VI, 169 p. < M. 3.—
IX. Locke. Essay conc. Human Understanding. Books II and IV
(with omissions). Sei. by M. W. Calkins. W. index. 1913.
VU, 348 p. M. 5.—
Früher erschienen im gleichen Verlag:
Detcartet. Begrulae ad directionem ingrenü. Nach der Origrinalausg. von 1701
herausgcg. von Dr. Artur Buchenau. 1907. IV, 66 S. M. 1.20
■elanchthOB. Ethik. In der ältesten Fassung: Eum ersten Male (lateinisch)
berausgregeben von H. He in eck. 69 S. M. 1.80
Spinoza. Opera philosophica. Ed. H. Ginsberg.
Epistolae doctorum quorundam virorum ad B. de S. et auctoris responsiones.
M. 8. —
TractatuB theologico-politicus. . « . ^* *;""
Principia philosophiae Cartesianae. — Appendix continens Go^tata meta-
physica. — Tractatus de intellectus emendatione. — Tractatus poliücus. M.8.—
V. Wissen und Forschen.
25
Verlag von Felix Meiner in Leipzig.
Wissen und Forschen.
Schriften zur Einitihrimg in die Philosophie.
Dem Bedürfnis nach Erläuterungen zu bestimmten philosophischen
Klassikern und nach Einführungen in die Grundprobleme der Philo-
sophie will diese Sammlung dienen. Frei von jeder Einseitigkeit und
unter Anerkennung der Verschiedenheit der philosophischen Rich-
tungen in der Gegenwart möchte sie einen Sammelpunkt bilden für
alle Bestrebungen, die von wissenschaftlichem Boden aus, in allgemein-
verständlicher Sprache in das weitö Gebiet philosophischer Lektüre
und philosophischer Forschung einzuführen beabsichtigen.
Bd. I: Kants Lehre vom kategorisehen Imperativ. Eine Ein-
führung in die Grundfragen der Kantischen Ethik im An-
schluß an die „Grundlegung der Metaphysik der Sitten." Von
Dr. A. Buchenau. 1913. XII, 125 S. M. 2.—
Bd. Ij: Oegenwartspliilosophie und ct^ristliche Religion. Im
Anschluß an Vaihiuger, Rehmke, Eucken dargestellt von
Dr. iä. Hegenwald. 1913. XII, 196 S. M. 3.60
Bif. III: Gmndprobleme der Kritilc der reinen Temnnft. Eine
Einführung in die Kantische Erkenntnistheorie. Von Dr.
Artur Buchenau. 1914. VI, 194 S. M. 3.—
Bd. IV: Wie ist In-itische Philosophie überhaupt m^^grllch? Ein
Beitrag zur systematischen Phänomenologie der Philosophie.
Von Dr. Arthur Liebert. 1919. XVII, 228 S. M. 10.—
Bd. V: Grundriß def Asthetilc. Von Benedetto Croce. Deutsch
von Dr. Th. Poppe. 1913. IV, 85 S. M. 2.—
Bd. VI: Die Seele. Ihr Verhältnis zum Bewußtsein und zum Leibe. Von
Prof. Dr. Joseph Geyser. 1914. VI, 117 S. M. 2.50
Bd. VIhBie Begründer der modernen Psychologie. Lotze,
Fechner, Helmholtz, Wundt. Von Stanley Hall, Pre-
sident of Clark University. Deutsch von Raym. Schmidt
1914. 28, 392 S. M. 7.50
Bd. VIII: Einführung in die Philosophie. Vom Standpunkte des Kriti-
zismus. Von Dr. Kurt Sternberg. 1919. XIII, 291 S. M.6.—
Bd. IX: Pestalozzis Sozial philosophie. Eine Darstellung auf Grund
der „Nachforschungen über den Gang der Natur in der Ent-
wicklung des Menschengeschlechts". Von Dr. Art. Buchenau.
1919. VIII, 183 S. M.5.—
Bd. X: Die sittlichen Forderangen und die Frage nach ihrer Gül-
tigkeit. Von Prof.Dr. Gustav Störring. VIII. 136 S. M.5.60
Von Heft VIII an wurde das Format der Sammlung verändert. Die
Bände erscheinen jetzt im Format der Philosophischen Bibliothek.
Verlag von Felix Meiner in Leipzig.
26
Alphabetisches Verzeichnis.
Neuere philosophische Werke.
Bergmann, Ernst. Platner u. d. Kunstphilosophie des 18. Jahrh.
Im Anh.: P.'s Briefwechsel m. d. Herzog von Augustenburg über
die Kantische Philosophie u. a. 1912. XVI, 349 S. . . 10.—
— Fichte, der Erzieher zum Deutschtum. 1915. VIII, 341 S. 6.—
Bertrmann bietet aus Fichte dar, was jeder Deutsche aus ihm gewinnen
kann. Die tiefschürfende Gedankenarbeit der Wissenschaftslehre und das
(Hirantische Ringen mit ihren Problemen wird nach F. chtes eigenem Urteile
dem Verständnis immer nur weniger vorbehalten bleiben. Für B. steht der
deutsche Reformator und Erzieher Fichte im Mittelpunkte des Interresses.
Und da dessen Person» ganz in seiner Sache aufgeht, so kann Bergmann für
seine Absicht vom Zentrum der Persönlichkeit aus das Verständnis für seine
Sache zu erschVfeßen suchen. Bruno Bauch in den „Kantstudien".
— Deutsche Führer zur Humanität. 1915. IV, 44 S. . . . 1.—
Bluwstein, J. Weltanschauung Ardi'gos. 1911. 122 S. . . 1.60
Bosehan, Riehard. Der Streit um die Freiheit der Meere im Zeit-
alter des Hugo Grotius. 1919. 53 S. (Philos. Zeitfragen) . 2.70
Braun. 0. Hinauf zum Idealismus! Seh elling- Studien. 1908. XII,
154'S 2.60
— Zum ßildungsproblem. 2 Vorträge. (Philosophie u. Schule. Kunst
u. Schule). 1911. 49 S «* ' ' ""'In
— Euckens Philosophie und das Bildungsproblem. 64 S. . . —.60
Buchenau, Artur. Kants Lehre vom kategorischen Imperativ. 1913.
XII, 125 S. („Wissen und Forschen«) 2.—
— Grundprobleme der Kritik der reinen Vernunft. 1914. VI, 194 S.
(„Wissen und Forschen") 3. —
— Pestalozzis Sozialphilosophie. 1919.VIII, 183 S. („Wissen u. F.«) 6.—
Bnrekhardt, G. E. Was ist Individualismus? 1913. 89 S. . 2.— -
Busse, Ludwig. Geist und Körper, Seele und Leib. Zweite Auflage.
Mit einem ergänzenden und die neuere Literatur zusammenfassen-
den Anhang von Ernst Dürr. 1913. X, 566 S. .... . 18. —
Cohn, Jonas. Der Sinn der gegenwärtigen Kultur. Ein philosophischer
Versuch. 1914. XI, 297 S ^. • - 8.—
Das tiefgrabende und doch verständlich geschriebene Buch will dem
GebUdeten hellen, sich in der heutigen Kultur zurechtzufinden. Die Kultur
ist ihm nicht wesentlich eine zersetzende Macht, sondern ein stetes Schaffen,
das immer neue Aufgaben und immer neue Lebensformen hervorbringt. Das
Bingen um diese Aufgaben erzeugt die Lebensgemeinschaften , in denen
jeder einzelne sich um einen überindividuellen Mittelpunkt von der Person
Bur Persönlichkeit aufbauen kann. "Was dabei über die wachsende Bedeutung
der nationalen Gemeinschaft gesagt wird, das ist gerade in unsern IWen
eindrucksvoU. Es wird durch die neue Welt, die uns mit dem Weltkrieg
aufgegangen ist, im wesentlichen bestätigt. Christliche Welt.
Bietering, Paul. Die Herbartsche Pädagogik vom Standpunkt mo-
derner Erziehungsbestrebungen. 1908. 18, 220 S 6. —
Bomer, A. Encyklopädie der Philosophie. Mit bes. Berucks. d.
Erkenntnistheorie u. Kategorienlehre. 1910. 343 S. Steifkarton. 6.—
— Grundriß der Religionsphilosophie. 1903. 466 S. . . . . 7. —
— Pessimismus, Nietes sehe und Naturalismus mit besonderer Be-
ziehung auf die Religion. 1911. VIII, 328 S 6.—
BQhring, E. Kursus der Philosophie als streng wissenschaftlicher
Weltanschauung u. Lebensgestaltung. 1875. XII, 559 S. . 9. —
Ebrenberg, Hans. Die Parteiung der Philosophie. Studien wider
Hegel und die Kantianer. 1911. VI. 133 S 4,—
VI. Neuere philosophische Werke.
27
Eueken, Kadolf. Gesammelte Aufsätze zur Philosophie und Lebens-
anschauung. 1911. IV, 242 S. . 4.20
Aus dem Inhalt: Die moralischen Triebkräfte im Leben der Gegen-
wart. ^ Die innere Bewegung des modernen Lebens. Festrede zur Jahrhun-
dertfeier. Goethe und die Philosophie. Fichte und die Aufgaben unserer
Zeit. Die Stellung der Philosophie zur religiösen Bewegung der Gegen-
wart. Der moderne Mensch und die Religion. Pierre Bayle, der große
Skeptiker. (Ein neuer Durchblick der Weltgeschichte.) Was sollte zur
Hebung philosophischer Bildung geschehen?
— Beiträge zur Einführung in die Geschichte der Philosophie.
2. erweit. Aufl. 1906. VI, 196 S 3.60
Aus dem Inhalt: Nikolaus von Cues als Bahnbrecher neuer Ideen.
Paracelsus» Lehren von der Entwicklung. Kepler als Philosoph. Über
Bilder und Gleichnisse bei Kant. Bayle und Kant. Parteien und Partei-
namen in der Philosophie.
Braun, 0. Euckens Philosophie und das Bildungsproblem . — .60
Xappstein, Th. Eueken, der Erneuerer des deutschen Idealismus,
1909. 92 S. . Eleg. kart. 1.—
(siehe auch unter Hegenwald)
Fftlckenberg,Rich. Kant und das Jahrhundert. 2. Aufl. 1907. 28 S. —.60
Falkenfeld, Hellmuth. Wort und Seele. Eine Untersuchung über
die Gesetze in der Dichtung. 1913. 132 S 2.50
Inhalt: Die Dichtung unter den Schwesterknnsten. — Die Tragödie
des Dilettantismus. — Seele und Wortgesetz (Stil). — Wort und Zorn (Drama).
— Wort und Liebe (Lyrik). — Wort und Weltseeie (Epik). — Wort und
Gefühlsverlängerung (Humor und Groteske).
Flovrnoy, Th. Beiträge zur Religionspsychologie. Übers, v. M. Regel.
Mit Vorwort v. G. Vorbrodt. 1911. LEI, 62 S 2.60
— Die Seherin von Genf. Mit Geleitwort von Max D'essoir.
Autorisierte Übersetzung. Mit 64 Figuren. 1914. XXUI,
666 S. (in Lwd. geb. 20.—) v^ . . . 16.—
Das Werk ist die beste und gründlichste Untersuchung der Bewußtseins-
Kustände eines sogenannten ^Mediums*, die wir bisher überhaupt besitzen,
unübertrefflich an Sorgfalt der Beobachtung und Analyse, unermüdlich in
der Aufhellung zunächst undurchsichtiger Tatbestände, vorbildlich objektiv
in der Beurteilung der für die theoretische Erklärung bestehenden Möglich-
keiten. Dr. Österreich im Literarischen Zentralblatt.
Färtb, Otto y. Träume auf derAsphodelosinsel. 1920. 229 S. geb. 7.—
Geyser, Jos. Die Seele. Ihr Verhältnis z. Bewußtsein "und z. Leibe.
1914. VI, 117 S. („Wissen und Forschen«) 2.50
Ooldschniidt, K. W. Der Wert des Lebens. Optimismus und Pessimismus
in d. modernen Literatur u. Philos. 1908. 111 S. Eleg. kart. M. 1.50
Goldschmidt, Ludwig. Schriften s. unter Kantliter., Abt. I, S. 13.
Hamburger, Marg. Der Organismus der Sprache. Im Druck.
Hall, Stanley. Die Begründer der modernen Psychologie. (Lotze,
Fechner, Helmholtz, Wundt.) Übers, und mit Anm. ver-
sehen von Raymund Schmidt. Durch Vorwort eingeführt von
Dr.Max Brahn. 1914. XXVIII,392 S. („Wissen u. Forschen") 7.50
— Wilhelm Wundt. Der Begründer der modernen Psychologie.
Übersetzt u. mit Anmerkungen vers. v. RaymundSchmidt. Durch
Vorwort eingef. v.Max Brahn. Mit Bildnisradierung v.R. Schmidt.
1914. XVII. 158 S. (S.-Abdr. aus dem vorigen.) . . . geb. 3.50
Hasse, Helnr. Schopenhauers Erkenntnislehre als System einer Gemein-
schaft des Rationalen und Irrationalen. 1913. XI, 219 S. . 6.—
Hasse findet in der Erkenntnislehre Schopenhauers die systematischen
Wurxeln seiner Weltanschauung. Die Theorie der Erkenntnis ist bei Schopen-
hauer nur scheinbar ein mit der Theorie des ^Satzes vom Grunde" ab-
schließender und abgeschlossener Bezirk. Li Wahrheit spielt sie in der
Verlag von Felix Meiner in Leipzig.
Verlag von Felix Meiner in Leipzig.
28
Alphabetisches Verzeichnis.
Metaphysik der Natur wie in der Metaphysik der Kunst und Moral eine
geradezu grundlegende BpUe. , . xt- a u ioiq oa Q 1 an
Hasse, H. Das Problem des Sokratea bei Nietzsche. 1918. 26 S. l.dü
Heirenwald, üerm. Gegenwartsphilosophie und c^^riBtliche Religion.
Im Anschluß an Vaihinger,Rebmke,Eucken. 1913. Xil, Ibü b.
(„Wissen und Forschen") • • »-W
JacobT, «ttnther. Herders und Kants Ästhetik. 1907.X,348 S. MO
— Der Pragmatismus. Neue Bahnen in der Wissenschaftslehre des
Auslands. 1909. 58 S J-20
— Herder als Faust. 1911. XII, 485 S 7 —
Jae8Che,Em.DasGrundgesetzder Wissenschaft. 188p. XXu.445S. 9.—
Joel, Karl Die philosoph. Krisis der Gegenwart 2. Aufl. 1919. 65 S. 3.60
Kinkel, Walter. Der Humanitätsgedanke. Betrachtungen zur För-
derung der Humanität. 1908. 192 S. . . . . eleg. kart. 1.—
Kliho, E. siehe unter Kant, Prolegomena, Abt. I, S. 10.
Lassoll, Adolf. Über Gegenstand u. Behandlungsart der Religionsphilo-
sophie. 1879. 65 S ^ • • ''' Z
— Fichte im Verhältnis zu Kirche und Staat. 1863. IV, 245 8. 4.--
— Georg. Grundfragen der Glaubenslehre. 1913. VI, 376 S. 9.—
Lempp, Otto. Das Problem der Theodicee in der Philosophie und
llteratnr des 18. Jahrhunderts l?is auf Kant u. Schüler. 1910. VI,
432 S. In steifem Karton . . . ^ • • Ö—
Lessing, Th. Studien zur Wertaxiomatik. Untersuchungen über reine
Ethik und reines Recht. 2., erweiterte Ausg. 1914. XIX, 121 S. 3.60
Levensteln, Adolf. Friedr. Nietzsche im Urteil der Arbeiterklasse.
2. Ausgabe. 1919. VI, 120 S. .•••.•••••• P'r
Leyj, Helnr. Über die apriorischen Elemente der Hirkenntnis.
1. Teil: Die Stufen der reinen Anschauung. Erkenntnistheoretische
Untersuchungen über den Raum und die geometrischen Gestalten.
1914. IX, 204 s ; • • :. ,?r;
Liebert, Arthur. Wie ist kritische Philosophie überhaupt moghch?
Ein Beitrag zur systematischen Phaenomenologie der Philosophie.
1919. XVII, 228 S. („Wissen und Forschen«) (geb. 12.—) 10.—
Ausführlicher Prospekt kostenfrei.
— Spinoza-Brevier siehe Abt. I, S. 21.
Lipps, Theodor. Psychologische Studien. 2., umgearb. u. erweit.
Aufl. 1905. IV, 287 S W W * * ^ * ^T
Inhalt: Der Baum der Gesichtswahmehmung. — Das Wesen der musi-
kalischen Konsonanis und Dissonanz. — Das psychische Eelatmtatsgesetz
und das Webersche Gesetz. , , . , xt ^ i. "u
Marbe, Karl. Experimentell -psychologische Untersuchungen ub^
das Urteil. Eine Einleitung in die Logik. 1901. IV, 103 S. 2.80
Meckauer, W. Der Intuitionismus und seine Elemente bei Bergson.
Eine kritische Untersuchung. 1917. ^^^^ l^^^^. . . . . 5.—
Medicus, Fritz. Fichtes Leben. Mit Porträt. 1914. IV. 176 S. d.—
]lehlis,G. Die Geschichtsphilosophie Com t es. 1909. IV, 158 S. 3.—
Meinong, A. Über die Stellung der Gegenstandstheorie im System
der Wissenschaften. 1907. VIII, 156 S 4.80
Moog, W. Fichte über den Krieg. 1917. 48 S. . . . . • . 1.20
— Kants Ansichten über Krieg und Frieden. 1917. IV. 122 S. 3.—
Müuch, Fritz. Kultur und Recht. Nebst einem Anhang: Rechtsreform-
bewegung und Kulturphilosophie. 1918. 63 S 1.80
Verlag von Felix Meiner in Leipzig.
VI. Neuere philosophische Werke.
29.
Natorp, Paul. Piatos Ideenlehre. Neuauflage in Vorbereitung.
— Der Idealismus Pestalozzis. 1919. 174 S 560
Was in den letzten Jahrzehnten zur Erforschung der Persönlichkeit der
Ideen, der praktischen Versuche Pestalozzis, dieses echtesten Erziehers
unseres Volkes geschah, faßt Paul Natorp zum ersten Male zusammen. Daß
ferade er es ist, der diese Neubelehung unternimmt, kann nur dazu beitragen,
estalozzi dem deutschen Volke noch näher zu bringen.
Oehler, Bleh. Nietzsche und die Vorsokratiker. 1904. 176 S. 8.50
— Nietzsche als Bildner derPersönlichkeit. Vortrag. 1911. 31 S. — .60
Oesterreicb, Konstantin. Die Staatsidee des neuen Deutschland.
Prolegomena zu einer neuen Staatsphilosophie. 1919. 33 S. („Philo-
sophische Zeitfragen") 1.35
Petersen, P. Die Geschichte der Aristotelischen Philosophie. Im Druck.
Plttmaeher, 0. Der Pessimismus in Vergangenheit und Gegenwart.
2. Aufl. 1888. XII, 355 S 7.20
Poehhammer, L., Prof. d. Mathematik. Zum Problem der Willens-
freiheit. 1908. 82 S J.20
Raab, P. Die Philosophie des Rieh. Avenarius. Systematische Dar-
stellung und immanente Kritik. 1912. IV, 164 S 5. —
Raraissou, F. Die französische Philosophie im 19. Jahrh. Deutsch
von E. König. 1889. XVI, 290 S (geb. 7.—) 5.60
Riehter, Raool. Der Skeptizismus in der Philosophie. 2 Bde.
Bd. L Die griechische Skepsis. 1904. XXIV, 3(()3 u. 61 S. 6.—
Bd. II. Die Skepsis in der Epoche der Renaissance. — Die empirische
Skepsis des 18. Jahrhunderts. — Der biologische Skeptizismus
im 19. Jahrhundert. 1908. VI, 529 und 55 S. ... 8.60
— Friedrich Nietzsche. Sein Leben und sein Werk. 8. Auflage.
J917. VIII, 356S. 6.—
Ich habe selten ein Buch (und niemals eins über Nietzsche t) mit soviel
Freude und Genuß gelesen, wie diese musterhaft klare, nirgends über-
schwengliche , doch überall von wohltuender, liebevollster Wärme gleichsam
durchleuchtete Arbeit, deren letzter Abschnitt mit seiner sachlich histo-
rischen Bearbeitung: der Lehre Nietzsches vorbildlich beweist, wie bewun-
dernde Verehrung für einen Großen und unbestechliche kritische Besonnen-
heit zu vereinigen sind. Das liiterarische Echo.
— Essays. 1913. XV, 416 S 3.60
Aas dem Inhalt; Friedrich Nietzsche t. — Nietzsche und die Kultur
unserer Zeit. — Nietzsches Stellung zur Entwicklungslehre und Bassen-
theorie. — Nietzsches Stellung zu Weib, Kind und Ehe. — Nietzsches Ecce
Homo, ein Dokument der Selbsterkenntnis und Selbstverkenntnis.
Hasse, H. Die Phüosophie R. Richters. 1914. 57 S. kart. 1.50
Romundt, Heinrich. Kantschriften siehe S. 13.
Rosenkranz, Karl. Neue Studien zur Kultur und Literaturgeschichte.
4 Bände. 1875—78 16.—
— Von Magdeburg bis Königfsberg. Selbstbiographie. 1878 . 8.—
Rosenstoek, E. Der ewige Prozeß des Rechts gegen den Staat. 1919.
23 S 1.50
Scliaffganz, Hans. Nietzsches Gefühlslehre. 1913. VHI, 133 S. 3.50
Seheier, Max F. Die transzendentale und die psychologische Methode.
Eine grundsätzl. Erörterung zur philosoph. Methodü:. 184 S. 4. —
Schmidt, Ferd. Jak. Prof. der Pädagogik an der Univ. Berlin. Zur
Wiedergeburt des Idealismus. 1908. VIII, 325S. .... 6.—
Aus dem Inhalt: Kapitalismus und Protestantismus. Der mittelalter-
liche Charakter das kirchlichen Protestantismus. Adolf Hamack und die
Verlag von Felix Meiner in Leipzig.
..^ ^■-m-',^X-*^J .
30
VI. Neuere philosophische Werke.
VII. Philosophische Zeitfragen.
31
ii
1)^
Wiederbelebung der spekolatiTen Fortchtmgr- I>u Erlebnis mnd die Dich-
tung'. Goethe und das Altertum. Kant-Orthodoxie. Die Philosophie auf
den höh. Schulen. Die Frauenbildungr u. das klassische Altertum.
Schuppe, Wilh. Siehe Zeitschrift für immanente Philosophie in
Abteiiang VIII, S. 32.
Sehwab, Andreas. Der Wille zur Lmt. Zweiter vermehrter und
verbesserter Abdruck. 1920. 227 S 4.—
80111IÖ9 Felix. Juristische Grundlehre. 1917. 656 S. . . . . 24. —
Spranger, Ednard. Völkerbund und Rechtsgedanke. 1919. 27 S.
(„Philosophische Zeitfragen") 1.36
Stern, William. Die Analogie im volkstümlichen Denken. 1893. 3.—
Sternberir, Kurt. Einführung in die Philosophie vom Standpunkt des
Kritizismus. 1919. („Wissen und Forschen") . 6.—, geb. 8.—
Störring, G. Die sittlichen Forderungen und die Frage nach ihrer
Gültigkeit. VIII. 136 S 6.60
Streeker, R. Die Anfänge von Ficht es Staatsphilosophie. 1917.
Vni. 228 S .5.—
Sydow, Eekart von. Der Gedanke des Ideal-Reichs in der idea-
listischen Philosophie von Kant bis Hegel im Zusammenhange der
geschichtsphüosoph. Entwicklung. 1914. VIII, 130 S. . . 4.50
Unruh, C. M. von. Zur Physiologie der Sozialwirtschaft. 1918. X.
^ 276 Seiten 10.—
— Zur Biologie der Sozialwirtschaft. 1914. XII. 206 S. . . 10.—
Taihinger, ilans. Die Philosophie des Als Ob. System der theore-
tischen, praktischen und religiösen Fiktionen der Menschheit auf
Grund eine^ idealistischen Positivismus. Mit einem Anhang über
Kant und Nietzsche. Vierte, durchgesehene Aufl. 1920. Gr. S°.
XXXIX und 804 S. (Mit Bildnis des Verfassers) .... 24.—
In vornehmem Halbpergament 34.—
TT ij.'i. xr •!»• c! oß Ausführlicher Prospekt kostenfrei. .
HegenwalduberVaihingers. Ö.26. ^
Valentin, V. Die klassische Walpurgisnacht. 1901 . XXXII, 172 S. 6.40
Volkelt, Joh. Religion U.Schule. 1919. 64 S. („Phil. Zeitfragen") 2.70
Vorländer, Karl. Kant-Schiller-Go^the. Gesammelte Aufsätze.
1907. XrV, 294 S. . 6.—
— Kant und der Gedanke des Völkerbundes. Mit einem Anhang über
Kant und Wilson. 1919. 85 S. („Phü. Zeitfragen«) . . . 3.60
— Geschichte der Philosophie s. Abt. II, S. 22
Waetzoldt, St. Drei Goethevorträge. — Die Jugendspraohe G.'s. — Goethe
und die Romantik. — Goethes Balladen. 2. Aufl. 1903. 76 S. 1.60
Waetzold, Wilhelm. Das Kunstwerk als Organismus. Ein ästhetisch-
biologischer Versuch. 1905. 53 S 2. —
Weiehelt, Hans. Friedrich Nietzsche: Also sprach Zarathustra,
erklärt und gewürdigt 1910. VIII, 319 S 6.—
Weiße, Ch.H. In welchem Sinne die deutsche Philosophie jetzt wieder an
Kant sich zu orientieren hat. Eine akademische Antrittsrede. 1847. 1.60
Wnst, P. Die Auferstehung djer Metaphysik. Im Druck.
Ziegler, Leopold. Zur Metaphysik des Tragischen. Eine philo-
sophische Studie. 1902. XII, 104 S 1.60
— Das Weltbild Hartmanns. Eine Beurteilung. 1910. 196 S. 4.—
— Floreütinische Introduktion zu einer Philosophie der Architektur
nnd der schönen Künste. Mit 9 Bildtafeln. 1912. 194 S. In
vornehmem Geschenkband 4. —
ü
Philosophische Zeitfragen.
Spranger, Eduard. Völkerbund und Rechtsgedanke. 1919. 26 S. M. 1.35
Die in Form und Inhalt klassische Schrift von Spranger muss jeder
Dentsche, jeder Philosoph, ja jeder Mensch, dem ein Gewissen für die Zukunft
schlägt, von A bis Z unterschreiben. Karl Joel.
Oesterreieb, Konstantin. Die Staatsidee des neuen Deutschland.
\ Prolegomena zu einer neuen Staatsphilosophie. 1919. 33 S. M. 1.35
Vorländer, Karl. Kant und der Gedanke des Völkerbundes. Mit
einem Anhang über Kant und Wilson. 1919. 85 S. M. 360
Vorländer knüpft an Kants Schrift „vom ewig-en Frieden" an, welche als
-Aufg-abe" jenen idealen Staatenbund, jenes höhere Weltbürgertum und
Weltbürgerrecht bereits enthält, dessen verwirklichungr die heutig-e Gene-
ration herbeiführen will.
Boschan, Richard. Der Streit um die Freiheit der Meere im Zeit-
alter des Hugo Grotius. 1919. 53 S. M. 2.70
Der Name des Hugo Grotius ist von der Streitfrage um die Freiheit der
Meere nicht zu trennen. Von großem Interesse muß es für die Gegenwart
sein, das Milieu, in welchem diese Frage vor Jahrhunderten zuerst auftauchte,
and die Wendungen, die sie nahm, näher kennen zu lernen.
Volkclt, Johannes. Religion und Schule. 1919. 64 S. M.2.70
Volkelt konstatiert, daß die Religion zu vielseitig mit dem Seelenleben
der sittlichen Welt und der Kulturentwicklung verbunden sei, als daß die
Frage der religionsfreien Erziehung durch Schlagworte gelöst werden können.
Er fordert dieser ^problemblinden Aufklärerei gegenüber Befreiungf des
Beligiosunterrichts von Zwang und Bevormundung und seine Ver-
tiefung: nach der Seite des religiösen Moralunterrichtes**.
JoSl, Karl. Die philosophische Krisis der Gegenwart. 2. Auflage 1919.
65 S. M.3.60*
Es leben nicht allzuviel deutsche Gelehrte unter uns, deren Wort den
Glanz und die Farbenfülle von Joels jug-endfrischer und künstlerischer Sprache
hat. Vielleicht ist er mit Wilhelm Dilthey der einzige Philosoph seit Kietesche,
dem wieder die Steigerung und Hingerissenheit der Bede gegeben ist, die
eigenwillige und menschenschöpferische Sprache, Wortkunst tief er Weisheit
voll und dabei immer das Bekenntnis von der Welt als organische Einheit.
Neue Freie Presse.
Hasse, Karl Paul. Der kommunistische G edanke in der Philosophie.
kart. 6.60
Aufklärung über die geschichtliche Entwicklung der kommunistischen
Lehren und ihre philosophischen Zusammenhänge tut unserm Volke bitter
not. Nur Vertiefung in die Geistesgeschichte ermög^licht ein selbständig'eB
urteil über diese Gedankenwelt, deren Schlajfworte heute die breiten Massen
und viele leicht begeisterte Intellektuelle mit sich fortreissen.
Oebhardt, Carl. Der demokratische Gedanke. 1919. 61 S. M. 4.60
Die Entstehung des demokratischen Gedankens aus dem Schöße des
deutschen Geisteslebens (Kant, Fichte), seine Entfaltung: und endliche Aus-
prägung, seine Bedeutung^ für die nahe und ferne Zukunft bilden den Inhalt
dieses Bandes. Es wird gezeigt, warum und wie sich der demokratische
Gedanke als Einheitsfaktor im Volke bewähren kann und wird.
Goedeekemeyer, Albert. Die Idee vom ewigen Frieden. Im Druck.
KeinTenernngsaufschlag.
; Weitere Hefte in Vorbereitung. . -
Verlag von Felix Meiner in Leipzig.
Verlag von Felix Meiner in Leipzig.
V
32
VIII. Philosophische Zeitschriften.
it '■
Philosophische Zeitschriften.
Annalen der Phlloisophie. Mit besonderer RückBicht auf die
Probleme der Als-Ob-ßetrachtung in Verbindung mit namhaften
Vertretern der Einzelwissenschaften (Karl Heim, Paul Krückmann,
Emil Abderhalden, Moritz Pasch, Paul Volkmann, Adolf Hansen,
Ludwig Pohle, Konrad Lange, Erich Bfecher, Ernst Bergmann, Hans
Cornelius, Karl Groos, Kurt Koffka, Arnold Kowalewski) hrsg. von
HaBS Taihinger u. Raymnnd Schmidt. Bd. I. 1919. VIII, 681 S.
in Halbpergament M. 50. — M. 40. —
Philosophische IHitteiiniigeii. Mouatsschrift zur Förderung
philosophischer Bildung und Kultur. Herausgegeb.v. Dr. H. Hegen-
wald. Lyceumsdirektor in Bielefeld. Jahrespreis M. 8. — , Einzel-
preis M. — .80. Für philosophische Gesellschaften usw. Mengenpreise.
He|>:el-A]*chiT* Herausgegeben von Georg Lassen.
Bd. 1,1. Hegreis Entwürfe zur Enzyklopädie und Propädeutik. Herausgegreben
von J. L ö w e n b e r g. 1912. XXII 68 S. M. 3.40
Bd. I,,. Neue Brieie Hegreis und Verwandtes. 19i2. 64 S. M. 8.40
Bd. 11,1. Schelling"» Briefwechsel mit Niethammer. Herausgegreben von
G. Dammköhler. 1912. 104 S. M. 4.*«
Bd. Il,t. Hegreis handschriftliche Zusätze zu seiner Rechtsphilosophie. Ein
Brief Hegels an Staatsrat Schultzf. 1914. 64 S. M. 3.80
Bd. 111,1. — Zweiter Teil. Hegel und die «ganz moderne*^ Naturphilosophie.
Von Prof. Dr. Ritter. 1914. 65 S. M. 3.60
Bd lll,f — Dritter Teil. Eine Schülerarbeit und zwei bisher ungedruckte
Briefe Hegels. 1916. 64 S. M. 3.60
Zeitschrift für Rechtsphilosophie in I^ehre und
Praxis. Unter Mitwirkung von Bruno Bauch, Wilhelm Ed. Bier-
mann, Karl Diehl, August Finger, Otto Gerlach, Heinrich Gerland,
Eugen Huber, Moritz Liepmann, Edgar Loening, Paul Natorp,
herausgegeben von Felix HoUdack, Rudolf Joerges und Budolf
Stammler. Bisher 2 Bände. je M. 13.50
Zeitschrift für immaneiite Philosophie. Herausgegebeu
von W. Schuppe. Bd. I— IV. 1896—99. (Alles, was erschien; einige
Hefte in anastatischera Neudruck.) M. 40. —
Atu dem Inhalt: ^
W. Sehappe, Begriff und Grenzen der Psychologie
— * Das Becht und die Ehe
— Das System der Wissenschaft und das des Seienden
— Die immanente Philosophie und Wilhelm Wimdt
— Der Solipsismus
J. Rehmke, Zur Lehre vom Gemüt
— Die Bewußtseinsfrage in der Psychologie
T.Schabert*8oldern, Ursprung und Elemente der Empfindung
— Einteilung der Wissenschaft als Einleitung in die Philosophie
sowie weitere wichtige Beiträge von Stock, Zenz, Marschner, Herrmann,
Schmitz-Dumont, Burkhardt, Jacobs, Keibel, Simmel, Thiele, Wollny, Gold-
schmidt, Töwe.
Terhahdlaii|s:en der Philosophischen Gesellschaft; zu
Berlin. Jahrgang 1875— 82. HeftI— XXI. Mit Beiträgen von Lasson,
V. Kirchmann, Michelet, Fredrichs, Schaßler, 0. Vogel, Q. Engel,
V. Heydebreck, Witte, Dreher, Rau, Kauer u. a. M. 10. —
Philosophische Monatshefte. Bd.XlI-XX. M. 108.-
Anch eme größere Anzahl einzelner Hefte von dieser seltenen und
. gediegenen Zeitschrift sind noch vorhanden.
Verlag von Felix Meiner in Leipzig.
Dmok Ton O. Ommbaoh in Leipaiff.
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