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Full text of "Eine Untersuchung über den menschlichen Verstand [microform]"

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MASTER 
NEGA  TIVE 
NO.  91-80418 


MICROFILMED  1991 
COLUMBIA  UNIVERSITY  LIBRARIES/NEW  YORK 


*    as  part  of  the 
Foundations  of  Western  Civilization  Preservation  Project 


Fundedbythe 
NATIONAL  ENDOWMENT  FOR  THE  HUMANITIES 


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Columbia  University  Library 


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accept  a  copy  order  if ,  in  its  judgement,  fulfillment  of  the  order 
would  involve  violation  of  the  Copyright  law. 


AUTHOR: 


HUME,  DAVID 


TITLE: 


UNTERSUCHUNG  ÜBER 
DEN  MENSCHLICHEN 
VERSTAND 


PLACE: 


LEIPZIG 


DATE: 


1920 


COLUMBIA  UNIVERSITY  LIBRARIES 
PRESERVATION  DEPARTMENT 


Master  Negative  # 


BIBLIOGRAPHIC  MICROFORM  TARGET 


Original  Material  as  Filmed  -  Existing  Bibliographie  Record 


P1.92H88 
P821 


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Philosophlcal  essays  concerning 
human  under Standing«  Qer« 

Hume,  David,  1711-1776. 

Eine  Untersuchung  über  den  menschlichen  Ver- 
stand. 8.  Aufl.  hrsg.  von  Raoul  Richter 
Leipzig,  Meiner,  1920 


. . 


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223  p.   (Philosophische  Bibliothek. 


cNeue  Aufl.a  Bd. 35) 


Restrictions  on  Use: 


TECHNICAL  MICROFORM  DATA 

REDUCTION    RATIO:         /Ar 


FILM     SIZE:     ~3^  t^M. 

IMAGE  PLACEMENT:   IA~^P'  IB    IIB 

DATE     FILMED;___//5^^^ INITIALS__j^ 

HLMEDBY:    RESEARCH  PUBLICATIONS.  INC  WOODBRIDGE.  CT 


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1100  Wayne  Avenue,  Suite  1100 
Silver  Spring,  Maryland  20910 

301/587-8202 


Centimeter 

1         2        3        4         5        6         7        8        9       10       11       12       13       14       15   mm 

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er  nach  den  Angaben 
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DAVID  HUME 

EINE  UNTERSUCHUNG 

ÜBER  DEN 

MENSCHLICHEN  VERSTAND 

ACHTE  AUFLAGE 

HERAUSGEGEBEN  VON 

RAOUL  RICHTER 


Der  Philosophischen  Bibliothek 
Band  35 


LEIPZIG  1920  /VERLAG  VON  FELIX  MEINER 


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Drnek  Ton  Carl  Marquart  in  Laipiig.  BJOIU. 


Inhalt 


Vorwort  des  Übersetzers    ......     ,V — VUU 

Vorbemerkung  Humes *     1 

I.  Abschnitt:  XJber  die  verschiedenen  Arten 

der  Philosophie    .     .^ 2 

II.  Abschnitt:  Über  den  Ursprung  der  Vor- 
stellungen      17 

HL  Abschnitt:  Tiber  die  Assoziation  der  Vor- 
stellungen      24 

IV.  Abschnitt:   Skeptische  Zweifel  in  betreff 

der  Verstandestatigkeiten.     Erster  Teil  36 

Zweiter  Teil 49 

V.  Abschnitt:  Skeptische  Lösung  dieser  Zwei- 
fel.    Erster  Teil 52 

Zweiter  Teil 60 

VI.  Abschnitt:  Über  die  Wahrscheinlichkeit  .  70 
Vn.  Abschnitt:  Von  der  Vorstellung  der  not- 
wendigen Verknüpfung.     Erster  Teil    .  74 
Zweiter  Teil    .........  89 

Vni.  Abschnitt:  Über  Freiheit  und  Notwendig- 
keit    Erster  Teil 96 

Zweiter  Teil 114 

IX.  Abschnitt:    Über   die   Vernunft  der  Tiere  122 

X.  Abschnitt:  Über  Wunder.     Erster  Teil    .  128 

Zweiter  Teil 136 

XL  Abschnitt:  Über  eine  besondere  Vorsehung 

und  ein  zukünftiges  Dasein    .     .     .     .  156 
XIL  Abschnitt:    Über    die    akademische    oder 

skeptische  Philosophie.     Erster  Teil     .  175 

Zweiter  Teil 182 

Anhang:   Deutsch- englisches,    englisch -deutsches 

Register 194 


Vorwort 


^ 


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Treue  ist  das  gemeinsame  Ziel,  dem  alle  ge- 
wissenhaften Übersetzer  zustreben.  Meist  aber  ist  die 
Treue  zum  Buchstaben  nur  mit  einer  Untreue  sezen 
den  Geist,  oder  die  Treue  zum  Inhalt  nur  mit  emer 
Untreue  gegen  die  Form  zu  erkaufen.  In  den  ver- 
schiedenen  Möglichkeiten,  diesen  Wettstreit  zu  ent- 
scheiden, wurzeln  die  verschiedenen  Grundsätze,  von 
denen  die  Übersetzungen  (oft  des  gleichen  Werkes)  be- 
wußt oder  unbewuiJt  geleitet  werden. 

Humes  Enquiry  conceming  human  miderstandina 
mit  seiner  herben  erkenntnistheoretischen  Fragestel- 
lung, mit  seiner  glatten  Oberfläche  und  rätselhaften 
liefe  ist  m  erster  Linie  ein  klassischer  Gegenstand 
des  philosophischen  Studiums  und  nicht  des kÜIls^ 
lerischen  Genusses.  Danach  hat  sich  die  vorlieffende 
Übersetzung  gerichtet. 

I>arum  sind  von  ihr  zunächst  alle  irgendwie  wich- 
togen  Zusätze  und  Änderungen  in  den  verschie- 
denen von  Hume  selbst  besorgten  Ausgaben  mit  auf- 
genommen  und   gegenüber   dem   zugrunde   gelegten 
Text  der  letzten  Ausgabe  kenntlich  gemacht  worden: 
so  vor  allem  das  Advertisement,  das   gerade  wegen 
der    heftigen    Angriffe,    die    es    erfahren    hat,    be- 
sonders mteressant  ist,  die  zehn  Seiten  langen  Aus- 
führungen zur  Assoziationstheorie,  die  in  späteren  Aus- 
^r.^l  51^^®^^«^  ^  a-  m.    Dagegen  konnten  ganz 
gleichgültige  Wortvarianten  der  einzelnen  Ausgaben 
um  80  mehr  unberücksichtigt   bleiben,    als  der  im 
übrigen  mustergültige  Text  des  Enquiry  in  den  Fhilo- 
9oph%cal  works  of  David  Hume,  edited  hy  Green  and 
Grose  (new  impression  London  1898),  der  unserer  Be- 
arbeitung als  Original  diente,  keine  vollständige,  son- 
dern eine  willkürliche  Zusammenstellung  der  rein  sti- 
listischen Verbesserungen  bietet  (wie  ich  mich  durch 


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VI 


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Vorwort. 


einen  Vergleich  der  Anßgabe  R  mit  Ausgabe  A  über- 
zeugen konnte). 

Wichtiger  und  angreifbarer  ist  der  Entschluß, 
einen  irgendwie  für  den  Sinn  der  Abhandlung  bedeuten- 
den Ausdruck  auch  auf  Kosten  stilistischer  Härten  stets 
mit  dem  gleichen  Wort©  (oder  Wörtern)  im  Deutschen 
wiederzugeben  und  andrerseits  ein  solches  deutsches 
Wort  niemals  zur  Übersetzung  eines  andern  englischen 
Ausdrucks  zu  verwenden.  Dabei  sind  in  den  Umkreis 
der  „Termini"  nicht  nur  die  bekannten  Schlagwörter 
wie  impression  und  idea,  sondern  noch  eine  Fülle 
weiterer  wesentlicher  Ausdrücke  wie  reasoning,  in- 
ference,  Operation  etc.  hineinbezogen  worden,  deren 
Wahl  für  Humes  philosophisches  Ringen  um  die  Be- 
wältigung seiner  Probleme  sehr  bezeichnend,  deren 
Kenntnis  für  das  Verständnis  seiner  Gedanken  nicht 
unerheblich  ist  Dies  an  sich  schwierige  Vorhaben 
wurde  noch  erschwert  durch  die  Gewohnheit  Humes, 
das  gleiche  Wort  in  einer  weiteren  und  engeren,  in 
einer  laxeren  und  strengeren  Bedeutung  zu  ge- 
brauchen, eine  Eigentümlichkeit,  in  der  die  Verbindung 
von  Common  sense  und  erkenntnistheoretischer  Finesse 
ihren  Ausdruck  findet 

Ernster  als  das  Opfer  an  schriftstellerischer  Run- 
dung, was  hierbei  gelegentlich  zu  bringen  war,  wog 
das  Bedenken,  ob  bei  einer  so  weiten  Ausdehnung  und 
doch  strengen  Einhaltung  der  Terminologie  nicht  das 
Verständnis  unseres  Werkes  mehr  geschädigt  als  ge- 
fördert werde.  Elrleichtert  es  nicht  die  Auffassung  von 
Humes  Gedanken,  wenn  diese  im  durchsichtigen  Gewände 
der  modernen  Ausdrucksweise  sich  bei  uns  einführen? 
Sollte  man  nicht  lieber  etwa  aentiment  und  feeling^ 
wo  sie  zur  Bezeichnung  der  Farbenwahmehmung  ver- 
wandt werden,  mit  „Empfindung",  und  wo  sie  die  Er- 
regung des  Zornes  bedeuten,  mit  „Gefühl"  wiedergeben, 
sie  weder  in  sich  noch  in  ihrem  Unterschied  gegen- 
einander kenntlich  machen?  Auch  dies  verführerische 
Ansinnen  mui3te  unsere  Übersetzung  zurückweisen. 
Denn  diese  Übersetzung  will  keine  systematische  Re- 
konstruktion, sondern  eine  Wiedergabe  des  geschicht- 
lichen Engm'ry  sein.  Über  die  Humesche  Philosophie 
orientiert  man  sich  freilich  heute  am  leichtesten,  wenn 


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Vorwort. 


VII 


nüui  den  großen,  in  der  wissenschaftlichen  Termino- 
logie nicht  zum  geringsten  Teil  niederlegten  Abstand 
zwischen  den  philosophischen  und  psychologischen  Ein- 
sichten des  18.  und  denen  des  19.  Jahrhunderts  nicht 
beachtet  und  ein  vor  dem  Erscheinen  der  Ejritik  der 
reinen  Vernunft  verfaßtes  Werk  in  die  Sprache 
Nietzsches  oder  Wundts  überträgt  Aber  noch 
schneller  versteht  man  es  gewiß,  wenn  man  auch 
seine  veraltete  Anordnung  und  Behandlungsweise,  kurz 
seine  gesamte  Gedankenentwicklung  und  nicht  nur 
seine  Sprache  sprengt  und  unter  sachlichen  (Gesichts- 
punkten eine  neue  Darstellung  davon  entwirft.  In  be- 
stimmtem Sinne  begreift  das  Publikum  unserer  25eit 
die  Humesche  Philosophie  müheloser  aus  den  Werken 
von  Mach,  Cornelius,  Meinong  —  Humesche  Philo- 
sophie, aber  nicht  die  Philosophie  Humes.  Und  deren 
Übersetzung  durfte  nicht  modernisiert  werden,  einer 
schnelleren  Auffassung  der  heutigen  Leserwelt  zuliebe. 
Auch  mit  der  Möglichkeit  eines  Mittelwegs,  wie  ihn 
die  von  Lipps  geleitete,  feinsinnige  und  tief  dringende 
Übersetzung  des  Treatiscy  des  philosophischen  Haupt- 
und  Jugendwerks  Humes,  einschlägt,  ist  ernsthaft  ge- 
rechnet worden.  Lipps  sucht  Humes  Ausdrucksweise 
besonders  dort,  wo  sie  mißverständlich  scheint,  unserer 
heutigen  anzunähern,  klärt  aber  über  die  Wendungen 
des  Originaltextes  durch  ausführliche  Anmerkungen 
den  Leser  auf.  Neben  dem  Bedenken  gegen  die  Ver- 
wendung spezifischer  Ausdrücke  der  mcäemen  Psycho- 
logie, deren  Terminologie  noch  in  so  starkem  Wandel 
begriffen  ist,  hat  mich  von  dieser  Art  der  Übertragung 
die  dabei  notwendige  Fülle  der  Anmerkungen  abge- 
halten. Der  Treatise  —  darin  Kants  Kritik  der 
reinen  Vernunft  vergleichbar  —  kann  die  346  An- 
merkungen tragen,  die  sein  jüngster  Übersetzer  ihm 
beigegeben  hat.  Eine  Übersetzung  des  Enquiry,  eines 
dreimal  so  kleinen  und  auf  ein  schnelleres  Tempo  der 
Lektüre  berechneten  Werkes  würde  —  ähnlidi  wie 
Kants  Prolegomena  —  mit  hundert  Anmerkungen  schon 
bedeutend  überlastet  sein.  Zudem  hätte  ein  Teil  von 
ihnen  nur  mit  andern  Worten  den  unübertrefflichen 
Inhalt  der  Lippsschen  Anmerkungen  zu  wiederholen 
vermocht 


/ 


VIII 


Vorwori 


So  ist  es  bei  den  eingangs  erwähnten  Grundsätsen 
geblieben,  deren  Gefahren  ich  nicht  verkenne.  Ihnen 
einigermai3en  zu  begegnen,  dienen  die  zwei  im  An- 
hang beigefügten  Verzeichnisse:  Ein  englisch- 
deutsches, mit  einer  knappen  Ausführung  über  den 
Sinn  und  das  Vorkommen  der  wichtigsten  Wörter,  und 
ein  deutsch-englisches,  das  dem  Leser  das  Auf- 
finden eines  gesuchten  Ausdrucks  im  andern  Register 
erleichtern  soll  und  außerdem  noch  seltenere  Ter- 
mini Humes  enthält.  Daß  dort,  wo  sie  nicht  durch  das 
terminologische  Prinzip  gebunden  war,  die  Übersetzung 
sich  auch  der  Nachbildung  des  Humeschen  Stils  be- 
fleißigt hat,  ist  selbstverständlich.  Dieser  Stil  ist 
durchaus  nicht  immer  „glatt"  und  durfte  dort,  wo  er 
es  nicht  ist,  natürlich  nicht  „verbessert"  werden.  Auch 
der  preziöse  Charakter  des  Stils  sowie  das  äußerst  be- 
zeichnende it  may,  could,  seems  to  be  usw.  waren  nach 
Kräften  zu  wahren.  Von  der  schlechten  Seite  gesehen 
ist  Humes  Schreibweise  umständlich  und  doch  nach- 
lässig, von  der  guten  Seite  betrachtet:  sachlich  und 
doch  geistreich.  Berkeleys  edle  Durchsichtigkeit  und 
gemessene  Ruhe  erreicht  sie  nicht. 

Ursprünglich  war  nur  eine  Neubearbeitung  d&r 
Kirchmannschen  Übersetzung  geplant  worden.  Aber 
deren  Prinzipienlosigkeit  in  philosophischer,  derein 
glatte  Trivialisierung  in  formeller  Beziehung  ließen 
diese  Bearbeitung  unter  den  Händen  zu  einer  völligen 
Neuübersetzung  erwachsen.  So  ist  sie  allein  der 
Bogenzahl  nach  um  30  Seiten  umfangreicher  geworden 
als  ihre  Vorgängerin.  Mit  der  Übersetzung  von  Na- 
thanson  (2.  Auflage)  teilt  unsere  Wiedergabe  nur 
das  allgemeine  Ziel  einer  treuen  Beachtung  von  Humes 
Terminologie  und  Stil  (sowie  die  Aufnahme  der  Vari- 
anten), sucht  aber  auf  beiden  Punkten  durch  ein  anders 
gerichtetes  Sprachgefühl  und  daher  mit  ganz  anderen 
Mitteln  dieses  Ziel  zu  erreichen. 

Zum  Schlüsse  darf  meiner  FYau,  auf  deren  Hilfe 
und  Rat  in  den  sprachlichen  Fragen  sich  diese  Über- 
setzung mit  erbaut,  der  Dank  nicht  vorenthalten 
werden. 


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Vorbemerkung/) 


Die  meisten  Prinzipien  und  Gedankengänge,  welche 
dieser  Band  enthält,  sind  bereits  in  einem  dreibändigen 
Werk  unter  dem  Titel:  Eine  Abhandlung  über  die 
menschliche  Natur  veröffentlicht  worden,  das  der 
Verfasser  schon  vor  seinem  Abgang  von  der  Uni- 
versität geplant  hatte,  und  das  er  nicht  lange  danach 
niederschrieb  und  veröffentlichte.  Da  er  den  Erfolg 
ausbleiben  sah,  erkannte  er  seinen  Irrtum,  zu  früh 
zur  Veröffentlichung  geschritten  zu  sein;  er  formte 
das  Ganze  zu  den  folgenden  Aufsätzen  neu  um,  in 
denen  hoffentlich  einige  Nachlässigkeiten  seines 
früheren  Gedankengangs  und  noch  mehr  des  Aus- 
drucks verbessert  worden  sind.  Dennoch  haben  ver- 
schiedene Schriftsteller,  welche  die  Philosophie  des 
Verfassers  einer  Erwiderung  gewürdigt  haben,  ge- 
flissentlich all  ihr  Geschütz  gegen  jene  Jugendarbeit 
gerichtet,  welche  der  Verfasser  durchaus  nicht  an- 
erkannte; so  haben  sie  sich  den  Sieg  angemaßt  auf 
Grund  von  Vorteilen,  die  sie  angeblich  über  sie  er- 
rungen haben  wollten  —  ein  Verfahren,  das  allen 
Regeln  der  Wahrhaftigkeit  und  des  Anstands  in  hohem 
Grade  widerspricht,  und  zugleich  ein  schlagendes  Bei- 
spiel jener  Kniffe  der  Polemik,  zu  deren  Anwendung 
bigotter  Eifer  sich  für  befugt  erachtet  Der  Ver- 
fasser wünscht,  daß  in  Zukunft  die  folgenden  Auf- 
sätze allein  als  Darstellung  seiner  philosophischen  An- 
sichten und  Prinzipien  betrachtet  werden  mögen, 

*)  Diese  Vorbemerkung  schickte  Hume  der  letzten  Aus- 
gabe der  Essays  voraus,  die  1777  nach  seinem  Tode  erschien. 


Hume  ,  Unterduchjf.  üb  d.monsohl.  Verstand. 


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Erster  Abschnitt 

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Über  die  verschiedenen  Arten  der  Philosophie. 

Die   Philosophie   des   Geistes    oder   die   Wissen- 
schaft von  der  menschlichen  Natur  läßt  sich  auf  zwei 
verschiedene  Weisen  behandeln,   von  denen  jede  ihr 
besonderes  Verdienst  hat  und  zur  Unterhaltung,  Be- 
lehrung   und    Besserung    der    Menschheit  beitragen 
kann.     Die    eine    betrachtet    den    Menschen    haupt- 
sächlich als  zum   Handehi  geboren,   in  diesem  Han- 
deln durch  Geschmack  und  Gefühl  beeinflußt,  einem 
Gegenstand     nachstrebend     und    den    anderen    ver- 
meidend, je  nach  dem  Wert,  den  diese  Gegenstände 
zu  haben  scheinen,  und  der  Beleuchtung,  in  der  sie 
sich  darstellen.    Nun  ist  von  allen  Gegenständen  die 
Tugend  der  wertvollste,  und  so  malen  die  Philosophen 
dieser  Gattung  sie  in  den  anmutigsten  Farben,  ent- 
lehnen dazu  die  Hilfsmittel  der  Dicht-  und  Redekunst 
und  behandeln  ihren  Vorwurf  in  einer  leichten  und 
einleuchtenden    Weise,    wie   sie    der    Einbildung   am 
wohlgefälligsten  ist  und  die  Neigungen  fesselt.    Sie 
wählen    die   schlagendsten   Beobachtungen    und    Bei- 
spiele aus  dem  täglichen  Leben,  stellen  einander  ent- 
gegengesetzte Charaktere  in  geeigneten  Kontrast,  und 
nachdem    sie   uns   durch   die  Aussichten   von   Ruhm 
und  Glück  auf  die  Pfade  der  Tugend  gelockt  haben, 
lenken  sie  unsere  ferneren  Schritte  durch  höchst  geh 
sunde   Vorschriften    und    leuchtende   Beispiele.     Sie 
lassen    uns    den    Unterschied    zwischen    Laster    und 
Tugend  empfinden;  aie  erwecken  und  regeln  unsere 
Gefühle,  und  können  sie  nur  unsere  Herzen  für  die 
Liebe  zu  Rechtschaffenheit  und  wahrer  Ehre  gewinnen, 
so  glauben  sie  den  Bndzweck  ihrer  Anstrengungen 
voll  erreicht  zu  haben. 

Die  Philosophen  der  zweiten  Gattung  betrachten 


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Enter  Abschnitt 


Über  die  verschiedeDen  Arien  der  Philosophie. 


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den  Meosolieii  mehr  im  Lichte  eines  vernünftigen, 
als  eines  tätigen  Wesens  und  bemühen  sich  mehr, 
seinen  Verstand  zu  bilden,  als  seine  Sitten  zu  ver- 
edeln. Sie  betrachten  die  menschliche  Natur  als  einen 
Gegenstand  spekulativen  Nachdenkens  und  prüfen  sie  ^ 
aufs  genaueste,  um  diejenigen  Prinzipien  aufzufinden, 
welche  unseren  Verstand  regeln,  unsere  Gefühle  er- 
regen und  uns  veranlassen,  ein  bestimmtes  Ding, 
eine  Handlung  oder  ein  Betragen  zu  billigen  oder 
zu  tadeln.  Nach  ihnen  gereicht  es  aller  Wissenschaft 
zum  Vorwurf,  daß  die  Philosophie  noch  immer  nicht 
über  jeden  Streit  erhaben  die  Grundlage  der  Moral, 
der  Vernunfttätigkeit  und  der  Geschmacksurteile  fest- 
gelegt hat;  daß  sie  fortwährend  über  Wahrheit  und 
Unwahrheit,  Laster  und  Tugend,  Schönheit  und  Häß- 
lichkeit redet,  ohne  die  Quelle  dieser  Unterschiede 
bestimmen  zu  können.  Sie  nehmen  diese  mühevolle 
Aufgabe  in  Angriff  und  lassen  sich  dabei  durch  keine 
Schwierigkeiten  abschrecken;  sondern  von  Einzelfällen 
zu  allgemeinen  Prinzipien  aufsteigend,  dehnen  sie  ihre 
Forschungen  auf  noch  allgemeinere  aus  und  gönnen 
sich  keine  Euhe,  bis  sie  zu  jenen  Prinzipien  gelangen, 
welche  in  jeder  Wissenschaft  den  menschlichen  EJr- 
kenntnistrieb  beschränken  müssen.  Mögen  auch  ihre 
Spekulationen  dem  gewöhnlichen  Leser  abstrakt,  ja 
unverständlich  erscheinen,  —  sie  erstreben  die  Bil- 
ligung des  Gelehrten  und  des  Weisen  und  halten  sich 
für  die  Anstrengungen  ihres  ganzen  Lebens  genugsam 
entschädigt,  wenn  sie  einige  verborgene  Wahrheiten 
entdecken  können,  die  vielleicht  zur  Belehrung  der 
Nachwelt  beitragen. 

Sicherlich  wird  die  leichte  und  einleuchtende 
Philosophie  stets  bei  der  Mehrzahl  aller  Menschen 
den  Vorzug  vor  der  genauen  und  unzugänglichen  be- 
haupten, und  viele  werden  sie  nicht  nur  als  angenehmer, 
sondern  auch  als  nützlicher  der  anderen  gegenüber 
empfehlen.  Sie  findet  leichter  Fühlung  mit  dem  täg- 
lichen Leben,  formt  Herz  und  Gemüt,  und  durch  Be- 
rührung jener  Prinzipien,  welche  das  Handeln  des 
Menschen  auslösen,  bessert  sie  dessen  Lebensführung 
und  nähert  ihn  dem  von  ihr  aufgestellten  Muster  der 
Vollkommenheit   an.     Die   unzugängliche   Philosophie 


dagegen  beruht  auf  einer  Geistesrichtung,  welche  nicht 
ins  praktische  Leben  eingehen  kann;  daher  entschwin- 
det sie,  wenn  der  Philosoph  das  Dunkel  verläßt  und 
ins  Tageslicht  tritt;  auch  können  ihre  Prinzipien  nicht 
leicht  nachhaltigen  Einfluß  auf  unsere  Fügung  und 
unser  Verhalten  ausüben.  Vor  den  Empfindungen 
unseres  Herzens,  den  Stürmen  unserer  Leidenschaften, 
der  Heftigkeit  unserer  Neigungen  zerstieben  alle  ihre 
Schlüsse,  und  vom  tiefsinnigen  Philosophen  bleibt 
nichts  als  der  gewöhnliche  Sterbliche. 

Auch  muß  anerkannt  werden,  daß  die  leichte 
Philosophie  den  dauerhaftesten  sowie  rechtmäßigsten 
Ruhm  errungen  hat;  dagegen  scheinen  abstrakte 
Denker  bisher,  wohl  wegen  der  Laune  und  Unwissen- 
heit ihres  eigenen  Zeitalters,  sich  nur  eines  vorüber- 
gehenden Ansehens  erfreut  zu  haben,  ohne  bei  der 
billiger  denkenden  Nachwelt  ihren  Ruf  behaupten  zu 
können.  Leicht  kann  einem  tiefsinnigen  Philosophen  in 
seinen  überfeinen  Gedankengängen  ein  Versehen  unter- 
laufen —  das  eine  Versehen  wird  aber  notwendig  zum 
Erzeuger  eines  zweiten.  Inzwischen  geht  der  Philosoph 
in  seinen  Folgerungen  weiter,  ohne  vor  irgend  einem 
Schluß  zurückzuschrecken,  mag  dieser  auch  ungewöhn- 
lich erscheinen  oder  der  Volksmeinung  widersprechen. 
Begeht  aber  ein  Philosoph,  der  nur  den  gemeinen 
Menschenverstand  in  schöneren  und  gewinnenderen 
Farben  wiedergeben  möchte,  zufällig  ein  Versehen, 
so  führt  ihn  das  nicht  weiter;  sondern  er  kehrt  von 
neuem  zu  dem  gemeinen  Verstand  und  den  natür- 
lichen Gefühlen  des  Geistes  zurück,  kommt  dadurch 
wieder  auf  die  rechte  Bahn  und  sichert  sich  vor  jeder 
gefährlichen  Täuschung.  Der  Ruhm  Ciceros  blüht 
noch  heute;  der  des  Aristoteles  welkte  völlig  dahin. 
La  Bruy^re  dringt  über  die  Meere  und  behauptet 
seinen  Ruf  auch  dort;  aber  der  Glanz  des  Male- 
branche ist  auf  sein  eigenes  Volk  und  seine  eigene 
Zeit  beschränkt;  und  Addison  wird  vielleicht  mit 
Vergnügen  gelesen  werden,  wenn  Locke  völlig  ver- 
gessen sein  wird.^) 


*)  Ausgaben  E  und  P  haben  hier  die  Anmerkung:  Dies 
soll  in  keiner  Weise  dem  Verdienst  des  Herrn  Locke  Abbruch 


6 


Erster  Abachnitt. 


f|i 


Der  reine  Philosoph  ist  eine  Person,  die  der  Welt 
meist  nicht  genehm  ist,  weil  er  angeblich  weder  zum 
Nutzen  noch  zum  Vergnügen  der  Gesellschaft  irgend 
beiträgt.  Denn  er  lebt  fern  vom  Verkehr  mit  den 
Menschen,  eingesponnen  in  Prinzipien  und  Begriffe, 
die  ihrem  Verständnis  gleichfalls  fernstehen.  Ander- 
seits wird  der  völlig  Unwissende  noch  mehr  ver- 
achtet; und  nichts  gut  in  einer  Zeit  und  bei  einem 
Volke,  wo  die  Wissenschaften  blühen,  für  ein  so 
sicheres  Zeichen  eines  kulturlosen  Geistes,  als  jeden 
Geschmacks  an  dieser  edlen  Beschäftigung  bar  zu 
sein.  Die  vollkommenste  Persönlichkeit  wird  meist 
zwischen  jenen  Extremen  gesucht;  für  Bücher,  Ge- 
sellschaft und  Geschäfte  soll  sie  gleich  geschickt 
und  genui3fähig  bleiben;  soll  in  der  Unterhaltung 
jene  Feinheit  und  jenen  Takt  bewahren,  die  aus 
den  schönen  Wissenschaften  gewonnen  wird,  und 
in  Geschäften  jene  genaue  Rechtlichkeit,  die  das 
natürliche  Ergebnis  einer  richtigen  Weltanschauung 
ist  Um  so  vollendete  Persönlichkeiten  zu  fördern 
und  zu  pflegen,  sind  Schriften  in  der  gefälligen  Manier 
die  allerdienlichsten-  Sie  ziehen  nicht  zu  sehr  vom 
Leben  ab,  erfordern  für  ihr  Verständnis  keine  ernste 
Anspannung  oder  Zurückgezogen heit  und  geben  ihren 
Schuler  erfüllt  von  edlen  Gefühlen  und  weisen  Vor- 
schriften, die  jedem  Anspruch  des  menschlichen  Lebens 
genügen,  seinen  Mitmenschen  wieder.  Dank  isolchen 
Schriften  wird  die  Tugend  liebenswürdig,  die  Wissen- 
schaft angenehm,  Geselligkeit  belehrend  und  Einsam- 
keit unterhaltend. 

Der  Mensch  ist  ein  vernünftiges  Wesen  und 
empfängt  als  solches  seine  eigentümliche  Speise  und 
Nahrung  von  der  Wissenschaft.  Aber  so  eng  sind 
die  Schranken  des  menschlichen  Verstandes,  daß  weder 
von  der  Ausdehnung  noch  von  der  Sicherheit  seiner 
Errungenschaften  auf  diesem  Gebiet  viel  Befriedigung 
erhofft  werden  kann.  Der  Mensch  ist  auch  ein  ge- 
selliges und  nicht  nur  ein  vernünftiges  Wesen;  aber 


tun,  der  in  Wahrheit  ein  großer  Philosoph  und  ein  folge- 
richtiger und  bescheidener  Denker  war.  Es  soll  nur  das 
allgemeine  Schicksal  solcher  abstrakten  Philosophie  zeigen. 


über  die  verschiedenen  Arten  der  Philosophie.  7 

er  kann  sich  nicht  immer  angenehm  unterhaltenden 
Umgangs  erfreuen,  noch  sich  die  rechte  Genußfähig- 
keit dafür  bewahren.  Der  Mensch  ist  endlich  ein 
tätiges  Wesen  und  muß  wegen  dieser  Anlage  sowie 
wegen  der  mannigfachen  Bedürfnisse  des  menschlichen 
Lebens  sich  den  Geschäften  und  der  Arbeit  unter- 
eiehen;  aber  bisweilen  verlangt  der  Gdst  nach  Er- 
holung und  kann  nicht  fortwährend  die  Last  der  Sorge 
und  Arbeit  ertragen.  Die  Natur  scheint  daher  dem 
Menschengeschlecht  eine  gemischte  Lebensweise  als 
die  geeignetste  angewiesen  und  es  im  geheimen  ge- 
warnt zu  haben,  sich  hier  keiner  Voreingenommenheit 
allzusehr  hinzugeben  und  dadurch  die  Fähigkeit  für 
andere  Arbeiten  und  Vergnügungen  einzubüßen.  Fröhne 
deiner  Liebe  zur  Wissenschaft,  spricht  sie,  aber  deine 
Wissenschaft  sei  menschlich  und  lasse  sich  in  un- 
mittelbare Beziehung  zum  tätigen  und  geselligen  Leben 
setzen.  Unzugängliche  Gedanken  und  tiefbohrende 
Forschungen  untersage  ich;  ihre  strenge  Strafe  sei 
grübelnde  Schwermut,  zu  der  sie  dich  fiöiren,  endlose 
Ungewißheit,  in  die  sie  dich  verstricken,  und  die 
kalte  Aufnahme,  welche  die  Mitteilung  deiner  an- 
gebliehen Entdeckungen  erfahren  wird.  Sei  ein  Philo- 
soph; aber  inmitten  all  deiner  Philosophie  bleibe 
Mensch! 

Begnügte  sich  die  Mehrzahl  der  Menschen  damit, 
die  leichte  Philosophie  der  abstrakten  und  tiefsinnigen 
vorzuziehen,  ohne  auf  letztere  Tadel  und  Verachtung 
zu  häufen,  so  wäre  es  vielleicht  am  richtigsten,  sich 
dieser  allgemeinen  Ansicht  anzuschließen  und  jeder- 
mann den  Genuß  seines  eigenen  Geschmacks  und  Ge- 
fühls ohne  Widerrede  zu  gönnen.  Aber  da  man  oft 
weitergeht  und  schlechthin  alle  tieferen  Gedanken- 
gänge oder  das,  was  man  gewöhnlich  Metaphysik 
nennt,  verwirft,  so  wollen  wir  nun  im  folgenden  in  Be- 
tracht ziehen,  was  vernünftigerweise  zu  ihren  Gunsten 
angeführt  werden  kann. 

Zunächst  ließe  sich  bemerken,  daß  aus  der  ge- 
nauen und  abstrakten  Philosophie  als  ein  beträcht- 
licher Vorteil  sich  die  Förderung  der  leichten  und 
menschlichen  ergibt;  diese  nämlich  kann  ohne  jene 
niemals    einen    genügenden    Grad    von    Bestimmtheit 


( > 


,^-^ 


■ 


8  firster  Abschnitt. 

in  ihren  Ansichten,  Vorschriften  oder  Gedankengängen 
erlangen.    Alle  schönen  Wissenschaften  bestehen  nur 
aus  Schilderungen  des  menschlichen  Lebens  in  seinen 
mannigfachen  Lagen  und  Zuständen;  sie  erwecken  in 
uns  verschiedene  Gefühle,  Lob  oder  Tadel,  Bewunde- 
rung oder  Spott,  je  nach  der  Beschaffenheit  des  uns 
vorgeführten  Gegenstandes.   Ein  Künstler  wird  dieser 
Aufgabe  erfolgreicher  gewachsen  sein,  wenn  er  nicht 
nur  einen  feinen  Geschmack  und  rasche  Aufnahme- 
fähigkeit besitzt,  sondern  auch  eine  genaue  Kenntnis 
des  inneren  Baues,  der  Verstandesvorgänge,  des  Spiels 
der  Affekte  und  der  vielfachen  Arten  von  Gefühlen, 
durch  die  wir  Laster  von  Tugend  unterscheiden.   Wie 
mühsam  auch  diese  nach  innen  gekehrte  Forschung 
und  Untersuchung  erscheinen  mag,  so  ist  sie  doch  für 
diejenigen  gewissermai3en  unentbehrlich,  welche  mit 
Erfolg  die  sichtbaren  und  äußeren  Erscheinungen  des 
Lebens  und  der  Sitten  beschreiben  wollen.   Der  Ana- 
tom zeigt  dem  Auge  die  abschreckendsten  und  wider- 
wärtigsten    Gegenstände;    aber    seine    Wissenschaft 
ist  dem  Maler  selbst  beim  Entwurf  einer  Venus  oder 
Helena  von  Nutzen.    Während  dieser  die  üppigsten 
Farben  seiner  Kunst  anwendet  und  seinen  Gestalten 
den    zierlichsten   und   reizvollsten    Anstand    verleiht, 
muß  er  doch  dabei  die  innere  Struktur  des  mensch- 
lichen Körpers,  die  Stellung  der  Muskeb,  den  Bau 
der  Knochen  und  Gebrauch  wie  Gestalt  jedes  Teils 
und   Organs    aufmerksam    beobachten.     Genauigkeit 
kommt  immer    der  Schönheit  zugute,    und    richtiges 
Denken  dem  zarten  Gefühl.  Es  ist  vergeblich,  das  eine 
auf  Kosten  des  anderen  erheben  zu  wollen. 

Außerdem  zeigt  sich  in  jeder  Kunst  und  jedem  Be- 
ruf, selbst  in  solchen,  die  dem  Handeln  und  Leben  am 
nächsten  stehen,  daß  ein  Geist  der  Genauigkeit,  wie 
immer  erworben,  sie  alle  der  Vollkommenheit  näher 
bringt  und  den  Interessen  der  Gesellschaft  dienlicher 
macht  Und  mag  auch  ein  Philosoph  fern  von  Geschäften 
leben,  so  muß  doch  der  Geist  der  Philosophie,  wenn 
er  von  Lehrern  sorgsam  gepflegt  wird,  allmählich 
die  ganze  Gesellschaft  durchdringen  und  jeder  Kunst 
wie  jedem  Beruf  eine  ähnliche  Genauigkeit  verleihen. 
Der  Staatsmann  wird  mehr  Voraussicht  und  Scharf- 


über  die  ▼ersohiedeuen  Arten  der  Philosophie.  9 

blick  in  der  Verteilung  und  Ausgleichung  der  Ge- 
walten gewinnen;  der  Rechtsgelehrte  mehr  Methode 
und  reinere  Prinzipien  für  seine  Gedankengänge,  der 
Feldherr  größere  Pünktlichkeit  im  Dienst  und  mehr 
Vorsicht  in  seinen  Plänen  und  Unternehmungen.  Die 
Beständigkeit  der  neueren  Staatsformen  gegenüber 
den  alten  und  die  Genauigkeit  der  neueren  Philosophie 
sind  im  gleichen  Verhältnis  gewachsen  und  werden 
es  vermutlich  auch  weiterhin  tun. 

Ließe  sich  aber  auch  außer  der  Befriedigung 
einer  unschuldigen  Wißbegierde  kein  Vorteil  aus 
diesen  Studien  ziehen,  so  wäre  selbst  das  als  ein  Zu- 
wachs an  jenen  wenigen  ungefährlichen  und  harm- 
losen Freuden,  welche  dem  Menschengeschlecht  zu- 
geteilt sind,  nicht  zu  verachten.  Der  angenehmste 
und  unschädlichste  Lebensweg  führt  durch  die  Pfade 
der  Wissenschaft  und  Gelehrsamkeit;  und  jeder,  der 
ein  Hindernis  von  diesem  Wege  zu  räumen  oder  eine 
neue  Aussicht  zu  eröffnen  vermag,  sollte  insofern  als 
ein  Wohltäter  der  Menschheit  gelten.  Diese  Unter- 
suchungen mögen  beschwerlich  und  ermüdend 
scheinen;  aber  es  geht  manchem  Geist  ebenso  wie 
manchem  Körper,  der,  mit  kräftiger  und  blühender 
Gesundheit  begabt,  nach  anstrengenden  Übungen  ver- 
langt und  ein  Vergnügen  aus  dem  zieht,  was  den 
meisten  Menschen  vielleicht  wie  eine  lästige  Arbeit 
vorkommt.  Die  Finsternis  ist  tatsächlich  für  den 
Geist  so  peinlich  wie  für  das  Auge;  Licht  aus  der 
Finsternis  gewinnen,  sei  diese  Arb&it  auch  noch  so 
schwer,  kann  deshalb  nur  angenehm  und  erfreulich  sein. 

Man  hat  aber  gegen  die  Dunkelheit  dieser  tief- 
sinnigen und  abstrakten  Philosophie  nicht  nur  geltend 
gemacht,  daß  sie  beschwerlich  und  ermüdend,  sondern 
auch,  daß  sie  die  unvermeidliche  Quelle  von  Un- 
gewißheit und  Irrtum  ist.  Hierin  liegt  allerdings 
dar  gerechteste  und  einleuchtendste  Vorwurf  gegen 
einen  beträchtlichen  Teil  der  Metaphysik:  daß  sie 
nicht  eigentlich  eine  Wissenschaft  ist,  sondern  ent- 
weder das  Ergebnis  fruchtloser  Anstrengungen  der 
menschlichen  Eitelkeit,  welche  in  Gegenstände  ein- 
dringen möchte,  die  dem  Verstand  durchaus  unzu- 
gänglich sind,  oder  aber  das  listige  Werk  des  Volks- 


■P-      ^7"'- 


10 


Erster  Abeohnitt. 


ii: 


11 


aberglanbens,  welcher  auf  oüenem  Plan  sich  nicht 
verteidigen  kann  und  hinter  diesem  verstrickenden 
Gestrüpp  Schutz  und  Deckung  für  seine  Schwäche 
sucht  Verjagt  vom  freien  Felde,  flieht  dieser  Räuber 
in  den  Wald  und  liegt  auf  der  Lauer,  um  in  jeden 
unbewachten  Zugang  des  Geistes  einzubrechen  und  ihn 
durch  religiöse  Ängste  und  Vorurteile  zu  überwältigeiL 
Der  stärkste  Gegner  unterliegt,  wenn  er  einen  Augen- 
blick m  semer  Wachsamkeit  nachläßt;  und  viele  öffnen 
aus  Feigheit  und  Torheit  dem  Feinde  die  Pforten  und 
empfangen  ihn  bereitwillig  mit  Ehrfurcht  und  Unter- 
würfigkeit als  ihr  rechtmäßiges  Oberhaupt. 

Ist  dies  indes  ein  hinreichender  Grund  für  den 
Philosophen,  von  solchen  Untersuchungen  abzustehen 
und   den   Aberglauben   weiter  im   Besitz  seines  Zu- 
fluchtsorts zu  lassen?    Ist  es  nicht  angebracht,  daß 
man  den  gerade  entgegengesetzten  Schluß  zieht  und 
die   Notwendigkeit   begreift,    den   Krieg   in   die   ge- 
heimsten Schlupfwinkel  des  Feindes  zu  tragen?   Ver- 
geblich hoffen  wir,  daß  "der  Mensch  durch  häufige 
Enttäuschungen   endlich  zum  Verlassen  solcher  luf- 
tagen  Wissenschaften  besümmt  werden  und  das  eigent- 
liche   Gebiet   der   menschlichen    Vernunft    entdecken 
mochte.  Denn  einmal  finden  viele  Leute  allzu  merklich 
Ihr  Interesse  dabei,  solche  Fragen  immer  wieder  auf- 
zurollen, dann  aber  kann  auch  der  Beweggrund  der 
Winden  Verzweiflung  vernünftigerweise  niemals  eine 
Melle    in    den    Wissenschaften    haben;    denn,    trotz 
des  erfolglosen  Ausgangs  früherer  Versuche,  bleibt 
doch  noch  Raum  für  die  Hoffnung,  daß  der  Fleiß 
das   gute   Glück    oder    der    gesteigerte    Scharfsinn 
folgender    Geschlechter    zu    Entdeckungen    gelangen 
konnten,    von   denen   frühere   Zeiten   nichts   wußten 
Jeder  unternehmende  Geist  wird  immer  wieder  nach 
dem  hochgesteckten  Preise  langen  und  das  Scheitern 
seiner   Vorgänger  wird  ihn  eher  anreizen  als  ent- 
mutigen; er  hofft  dabei,  daß  ihm  allein  der  Ruhm 
aufgespart  sei,  ein  so  schweres  Abenteuer  zu  bestehen. 
Die    einzige   Methode,    die    Wissenschaft    mit    einem 
Male  von  solch  unzugänglichen  Fragen  frei  zu  machen, 
besteht  in  einer  ernstlichen  Untersuchung  der  Natur 
des  menschlichen  Verstandes  und  in  dem  aus  genauer 


Ober  die  verschiedenen  Arten  der  Philosophie.        H 

Zergliederung  seiner  Kräfte  und  Fähigkeiten  ge- 
wonnenen Nachweis,  daß  er  keineswegs  für  solche 
entlegenen  und  dunklen  Gegenstände  geeignet  ist. 
Wir  müssen  uns  dieser  Mühe  unterziehen,  um  nachher 
•  für  alle  Zeiten  in  Ruhe  zu  leben:  wir  müssen  die 
echte  Metaphysik  mit  einer  gewissen  Sorgfalt  pflegen, 
um  die  unechte  und  verfälschte  zu  zerstören.  Träg- 
heit, welche  manchen  vor  dieser  trügerischen  Philo- 
sophie bewahrt,  wird  bei  anderen  durch  die  Wiß- 
begierde überwogen;  Verzweiflung,  welche  zeitweilig 
die  Oberhand  hat,  weicht  vielleicht  später  unbedachten 
Hoffnungen  und  Erwartungen.  Genaue  und  richtige 
Vernünfttätigkeit  ist  das  einzige  Allheilmittel  für  jeder- 
mann und  in  allen  Gemütslagen.  Es  allein  ist  imstande, 
jene  unzugängliche  Philosophie  und  das  metaphysische 
Kauderwälsch  zu  zerstören,  welches,  vermischt  mit 
dem  Volksaberglauben,  dieselbe  für  sorglose  Di&nker 
gewissermaßen  undurchdringlich  macht  und  ihr  das 
Ansehen  von  Wissenschaft  und  Weisheit  verleiht. 

Neben  diesem  Vorteil,  nach  bedachtsamer  Unter- 
suchung den  ungewissesten  und  unerfreulichsten  Teil 
der  Wissenschaft  auszuschalten,  entstehen  aus  einer 
sorgfältigen  Prüfung  der  Kräfte  und  Fähigkeiten  der 
menschlichen  Natur  auch  viele  positiven  Vorteile. 
Die  geistigen  Tätigkeiten  haben  das  Merkwürdige  an 
sich,  daß  sie,  obgleich  am  innerlichsten  uns  gegen- 
wärtig, doch  in  Dunkel  gehüllt  scheinen,  sobald  sie 
Gegenstand  der  Überlegung  werden;  auch  kann  das 
Auge  nicht  ohne  weiteres  jene  Linien  und  Grenzen 
finden,  welche  sie  auseinanderhalten  und  unter- 
scheiden. Diese  Gegenstände  sind  zu  fein,  um  lange 
denselben  Anblick  und  dieselbe  Lage  zu  bieten;  sie 
müssen  in  einem  Augenblick  erfaßt  werden,  mit 
höherer  Einsicht,  welche  Naturgabe  ist  und  sich 
durch  Übung  und  Überlegung  steigert.  Es  gestaltet 
sich  also  schon  allein  zu  einem  nicht  unbedeutenden 
Teil  der  Wissenschaft,  die  verschiedenen  Vorgänge 
im  Geiste  zu  erkennen,  sie  voneinander  zu  sondern, 
sie  unter  die  passenden  Rubriken  zu  bringen  und  die 
ganze  scheinbare  Unordnung  zu  regeln,  in  welcher 
man  sie  antrifft,  wenn  man  sie  zum  Gegenstand 
der    Überlegung    un4    Untersuchung    macht.     Diese 


12 


Erster  Abschnitt. 


Aufgabe  des  Einordnens  und  Unterscheidens,  deren 
Erfüllung  in  bezug  auf  Körper  der  Außenwelt,  die 
Gegenstände  unserer  Sinne,  kein  Verdienst  ist,  steigt 
im  Werte,  wenn  sie  sich  auf  die  geistigen  Vorgänge 
richtet,  entsprechend  der  Schwierigkeit  und  Mühe, 
die  uns  bei  ihrer  Durchführung  begegnen.  Und  können 
wir  auch  nicht  über  diese  geistige  Geographie  oder 
Unireißung  der  verschiedenen  Teile  und  Kräfte  des 
Geistes  hinauskommen,  so  ist  es  wenigstens  eine  Ge- 
nugtuung, so  weit  zu  gelangen.  Je  selbstverständ- 
licher solche  Wissenschaft  übrigens  erscheinen  mag 
(und  sie  ist  es  keineswegs),  um  so  verächtlicher  muß 
ihre  Unkenntnis  bei  denen  erachtet  werden,  die  auf 
Gelehrsamkeit  und  Philosophie  Anspruch  erheben. 

Auch  dürfen  wir  nicht  argwöhnen,  daß  diese 
Wissenschaft  ungewiß  und  chimärisch  sei;  man  müßte 
denn  einem  solchen  Skeptizismus  huldigen,  daß  jede 
Forschung  und  selbst  alles  Handeln  aufgehoben  würde. 
Es  läßt  sich  nicht  bezweifeln,  daß  der  Geist  mit 
einer  Mehrzahl  von  Kräften  und  Fähigkeiten  begabt 
ist*  daß  diese  Kräfte  voneinander  verschieden  sind 
und  daß,  was  wirklich  für  die  unmittelbare  Auffassung 
verschieden  ist,  auch  durch  Überlegung  unterschieden 
werden  kann;  folglich  also,  daß  es  in  allen  Behaup- 
tungen auf  diesem  Gebiet  ein  Wahr  und  ein  Falsch  gibt, 
und  zwar  ein  Wahr  und  Falsch,  das  nicht  jenseits 
des  Bereichs  des  menschlichen  Verstandes  liegt  Es 
gibt  so  manchen  einleuchtenden  Unterschied  dieser 
Art,  wie  den  zwischen  Wille  und  Verstand,  Einbil- 
dungskraft und  Affekten,  die  dem  Verständnis  jedes 
menschlichen  Wesens  erreichbar  sind.  Die  feineren 
und  philosophischeren  Untersuchungen  sind  nun  nicht 
weniger  wirklich  und  gewiß,  wenn  sie  auch  schwerer 
zu  fassen  sind. 

Einige,  namentlich  neuere  Beispiele  von  Erfolg 
in  diesen  Untersuchungen  mögen  von  der  Gewißheit 
und  Zuverlässigkeit  dieses  Zweiges  der  Wissenschaft 
einen  genaueren  Begriff  geben.  Sollte  es  uns  der 
Arbeit  eines  Philosophen  würdig  dünken,  ein  richtiges 
System  der  Planeten  zu  entwerfen  und  die  Lage  und 
Ordnung  dieser  entfernten  Körper  in  Übereinstimmung 
zu  bringen;  während  wir  jene  zu  übersehen  belieben. 


Über  die  verschiedenen  Arten  der  Philosophie.        13 

welche  mit  so  viel  Erfolg  die  Gebiete  des  Geistes 
umschreiben,  woran  wir  doch  so  innerlich  be- 
teüigt  sind?i) 


^)  Aasgaben  £  und  F  haben  hier  die  Anmerkung: 
Jene  Fähigkeit,  durch  die  wir  Wahr  und  Falsch  unter- 
scheiden, ist  mit  jener,  durch  die  wir  Laster  und  Tugend 
auffassen,  lange  Zeit  verwechselt  worden,  und  die  ganze 
Moral  sollte  angeblich  über  ewigen  und  unveränderlichen 
Beziehungen  sich  aufbauen,  die  für  jeden  vernünftigen  Geist 
ebenso  beständig  wären  wie  irgend  ein  Satz  über  Größe 
oder  Zahl.  Aber  ein  neuerer  Philosoph  (Herr  Hutchesou) 
hat  uns  durch  die  überzeugendsten  Begründungen  gelehrt, 
daß  die  Moral  nicht  in  der  abstrakten  Natur  der  Dinge 
liegt,  sondern  gänzlich  abhängig  ist  von  dem  Gefühl  oder 
geistigen  Geschmack  jedes  besonderen  Wesens,  ebenso  wie 
die  Unterscheidungen  von  Süß  und  Bitter,  Heiß  und  Kalt 
aus  dem  besonderen  Empfinden  jedes  Sinnes  oder  Organs 
entspringen.  Moralische  Auffassungen  dürfen  deshalb  nicht 
mit  den  Yerstandestätigkeiten,  sondern  mit  den  Geschmacks- 
äußerungen  oder  den  Gefühlen  in  eine  Klasse  gesetzt  werden. 

Es  war  bei  den  Philosophen  Brauch  geworden,  alle 
Affekte  des  Geistes  in  zwei  Klassen  einzuteilen,  in  die  selbst- 
süchtigen und  die  wohlwollenden,  die  angeblich  in  dauern- 
dem Gegensatz  und  Widerstreit  ständen.  Es  galt  für  un- 
möglich, daß  die  letzteren  je  ihren  eigentlichen  Gegenstand 
anders  erreichen  könnten,  als  auf  Kosten  der  ersteren. 
Unter  die  selbstsüchtigen  Affekte  fielen  Geiz,  Ehrgeiz,  Rache ; 
unter  die  wohlwollenden  natürliche  Zuneigung,  Freundschaft, 
Gemeinsinn.  Jetzt  können  die  Philosophen  das  Ungeeignete 
dieser  Einteilung  erkennen  (siehe  Butlers  Predigten).  Es  ist 
völlig  einwandfrei  bewiesen  worden,  daß  selbst  die  gewöhn- 
lich für  selbstsüchtig  gehaltenen  Affekte  den  Geist  über  das 
Selbst  hinaus  geradenwegs  zu  dem  Gegenstande  hinleiten; 
daß  zwar  die  Befriedigung  dieser  Affekte  uns  Lust  ver- 
schafft, doch  die  Aussicht  auf  diese  Lust  nicht  die  Ursache 
des  Affekts  ist,  daß  vielmehr  uro^kehrt  der  Affekt  der  Lust 
vorangeht  und  diese  letztere  unmöglich  ohne  den  ersteren 
existieren  könnte;  daß  der  Fall  genau  so  bei  den  sogenannten 
wohlwollenden  Affekten  liegt,  und  daß  folglich  der  Mensch 
nicht  mehr  selbstbeteiligt  ist,  wenn  er  seinen  eigenen  Ruhm 
sucht,  als  wenn  das  Glück  seines  Freundes  Gegenstand  seiner 
Wünsche  ist.  Er  ist  auch  nicht  weniger  selbstbeteiligt,  Wenn 
er  seine  Behaglichkeit  und  Ruhe  dem  öffentlichen  Wohl 
opfert,  als  wenn  er  für  die  Befriedigung  des  Geizes  oder 
Ehrgeizes  arbeitet.    Hierin  lie^  also  eine  erhebliche  Richtigr- 


-.f-r 


f 


m 


14 


Enter  Abschnitt. 


Und  dürfen  wir  nicht  hoffen,  daß  die  Philosophie 
bei  sorgfältiger  Pflege  und  durch  öffentliche  Be- 
achtung ermutigt  in  ihren  Untersuchungen  noch  weiter 
fortschreiten  werde  und  wenigstens  in  gewissem  Grade 
die  geheimen  Triebfedern  und  Prinzipien  entdecken, 
durch  welche  die  Vorgänge  im  menschlichen  Geiste 
ausgelöst  werden?  Die  Astronomen  hatten  sich  lange 
begnügt,  aus  den  Erscheinungen  die  wahre  Bewegung, 
Ordnung  und  Größe  der  Himmelskörper  zu  beweisen; 
bis  endlich  ein  Philosoph  aultrat,  der  durch  einen  be- 
sonders glücklichen  Gedankengang  anscheinend  auch 
die  Gesetze  und  Kräfte  bestimmt  hat,  durch  welche  der 
Umlauf  der  Planeten  beherrscht  und  gelenkt  wird.  Das 
gleiche  ist  für  andere  Teile  der  Natur  vollbracht 
worden.  Man  hat  nun  keinen  Grund,  an  einem  eben- 
solchen Erfolge  in  unseren  Untersuchungen  über  die 
Kräfte  und  die  Verfassung  des  Geistes  zu  verzweifeln, 
wenn  mit  gleicher  Begabung  und  Behutsamkeit  vor- 
gegangen wird.  Es  ist  wahrscheinlich,  daß  ein  Vor- 
gang und  Prinzip  des  Geistes  von  einem  anderen 
abhängig  ist,  daß  dieses  wieder  auf  ein  allgemeineres 
und  umfassenderes  zurückgeführt  werden  kann;  und 
vor,  ja  selbst  nach  einem  sorgfältigen  Versuch  wird 
es  uns  schwer  fallen,  genau  zu  bestimmen,  bis  wie 
weit  diese  Forschungen  möglicherweise  geführt  werden 
können.  Soviel  ist  gewiß,  daß  Anläufe  dieser  Art 
tagtäglich  selbst  von  Leuten  gemacht  werden,  welche 
höchst  nachlässig  philosophieren;  und  doch  ist  erstes 
Erfordernis,  das  Unternehmen  mit  gründlichster  Sorg- 
falt und  Aufmerksamkeit  in  Angriff  zu  nehmen;  damit, 
wenn  es  im  Bereich  des  menschlichen  Verstandes 
liegt,  es  endlich  glücklich  vollendet  werde;  und  wo 
nicht,  immerhin  mit  einiger  Zuversicht  und  Sicherheit 
verworfen  werden  könne.  Dies  letzte  Schlußergebnis 
ist  wahrlich  nicht  wünschenswert  und  darf  auch  nicht 
zu  voreilig  angenommen  werden;  denn  wieviel  müßte 


Stellung  der  GreozeD  der  Affekte,  über  die  durch  Nach- 
lässigkeit oder  Ungenauigkeit  früherer  Philosophen  Ver- 
wirrung herrschte.  Dieso  beiden  Beispiele  mögen  genügen, 
um  uns  das  Wesen  und  die  Bedeutung  dieser  Art  Philo- 
sophie klai'  zu  machen. 


Ober  die  verschiedenen  Arten  der  Philosophie.       15 

die  Schönheit  und  der  Wert  dieser  Art  Philosophie 
bei  solch  einer  Voraussetzung  einbüßen!  Die  Moral- 
philosophen pflegten  bisher  in  Anbetracht  der  großen 
Menge  und  Verschiedenheit  der  Handlungen,  welche 
Billigung  oder  Mißbilligung  hervorrufen,  nach  einem 
gemeinsamen  Prinzip  zu  suchen,  von  dem  diese  Mannig- 
faltigkeit der  Gefühle  wohl  abhängen  könnte.  Sind 
sie  auch  aus  Liebhaberei  für  irgend  ein  bestimmtes 
allgemeines  Prinzip  bisweilen  zu  weit  gegangen,  so 
sind  sie  doch  gewiß  entschuldbar,  wenn  sie  allge- 
meine Prinzipien  zu  finden  erwarten,  auf  welche  alle 
Laster  und  Tugenden  mit  Recht  zurückzuführen  wären. 
Das  gleiche  haben  die  Ästhetiker,  Logiker  und  selbst 
die  Politiker  zu  leisten  versucht.  Auch  sind  ihre  Be- 
mühungen nicht  ganz  erfolglos  geblieben,  obschon 
vielleicht  längere  Zeil^  größere  Genauigkeit  und  an- 
gestrengterer Fleiß  diese  Wissenschaften  ihrer  Voll- 
kommenheit noch  näher  bringen  mögen.  Allen  An- 
sprüchen dieser  Art  ohne  weiteres  zu  entsagen,  darf 
mit  Recht  für  voreiliger,  überstürzter  und  dogma- 
tischer angesehen  werden,  als  selbst  die  kühnste 
und  positivste  Philosophie,  die  je  ihre  krassen-  Vor- 
schriften und  Prinzipien  dem  Menschen  aufzudrängen 
versucht  hat. 

Was  tut's,  wenn  diese  Gedankengänge  über  die 
menschliche  Natur  abstrakt  und  schwer  verständlich 
erscheinen?  Dies  gibt  uns  keinen  Grund  zu  der  An- 
nahme, daß  sie  falsch  seien.  Es  scheint  im  Gegen- 
teil unmöglich,  daß  dasjenige  ganz  augenfällig  und 
zugänglich  sein  könne,  was  bisher  so  vielen  weisen 
und  tiefen  Philosophen  entgangen  ist.  Und  trotz  aller 
Mühe,  welche  diese  Untersuchungen  uns  kosten  mögen, 
dürfen  wir  uns  für  genugsam  belohnt  halten,  an 
Nutzen  und  auch  an  Vergnügen,  wenn  wir  damit 
unseren  Vorrat  an  Kenntnissen  über  Gegenstände  von 
sp  unsäglicher  Wichtigkeit  vermehren  können. 

Indes  ist  schließlich  das  Abstrakte  solcher  Spe- 
kulationen keine  Empfehlung,  sondern  vielmehr  ein 
Nachteil  für  sie,  und  da  diese  Schwierigkeit  vielleicht 
durch  Sorgfalt  und  Geschick  und  durch  Vermeidung 
aller  unnötigen  Ausführlichkeit  überwunden  werden 
kann,  so  habe  ich  in  der  folgenden  Untersuchung  mich 


ii 


16 


Erster  Abschnitt. 


)  4 
11 


bemüht,  einiges  Licht  über  (rebiete  zu  verbreiten, 
deren  Ungewißheit  den  Weisen  und  deren  Dunkel- 
heit den  Unwissenden  bisher  abgeschreckt  haben. 
Schätzen  wir  uns  glücklich,  wenn  wir  die  trennenden 
Eigentümlichkeiten  der  verschiedenen  Arten  von  Philo- 
sophie dadurch  vereinigen  können,  daß  wir  Tiefe 
der  Forschung  mit  Klarheit  und  Wahrheit  mit  Neuheit 
versöhnen!  Noch  glücklicher,  wenn  wir  durch  diese  an- 
sprechende Art  des  Gredankengangs  die  Grundlagen 
einer  unzugänglichen  Philosophie  untergraben  können, 
welche  bisher  anscheinend  nur  dem  Aberglauben  als 
Zuflucht  und  dem  Widersinn  und  Irrtum  als  Deck- 
mantel gedient  hat! 


lür: 


Zweiter  Abschnitt. 


über  den  Ursprung  der  Vorstellungen. 


Jedermann  wird  anstandlos  zugeben,  daß  ein  be- 
beträchtlicher Unterschied  z^vischen  den  Auffassungen 
des  Geistes  besteht,  wenn  jemand  den  Schmerz  über- 
mäßiger Hitze  oder  die  Lust  mäßiger  Wärme  empfindet, 
und  wenn  er  später  diese  Wahrnehmung  in  seinem 
Gedächtnis  zurückruft  oder  durch  seine  Einbildungs- 
kraft  vorausnimmt.     Diese    Vermögen    können    viel- 
leicht die   Auffassungen  der  Sinne  nachahmen  oder 
abbilden,   aber  nie  die  Stärke  und  Lebendigkeit  des 
ursprünglichen    Gefühls   vollkommen   erreichen.     Als 
Äußerstes  ließe  sich  selbst  bei  ihrer  vollsten  Kraft- 
entfaltung von  ihnen  nur  behaupten,  sie  stellten  ihren 
Gegenstand  so  lebhaft  vor  uns  hin,  daß  wir  beinahe 
sagen  könnten,  wir  empfänden  oder  sähen  ihn.   Doch 
vermögen  sie  niemals,  es  sei  denn,  daß  der  Geist  durch 
Krankheit  oder  Wahnsinn  zerrüttet  ist,  einen  Höhe- 
punkt der  Lebendigkeit  zu  erreichen,  bei  dem  diese 
Auffassungen  gar  nicht  mehr  voneinander  zu  unter- 
scheiden wären.    Die  Dichtung  kann  selbst  mit  ihren 
glänzendsten  Farben  nie  Gegenstände  der  Natur  in 
einer  Weise  ausmalen,  daß  man  die  Beschreibung  für 
eine    wirkliche   Landschaft   hielte.     Der    lebendigste 
Gedanke  bleibt  immer  hinter  der  dumpfsten  Wahr- 
nehmung zurück. 

Einen  gleichen  Unterschied  können  wir  durch  alle 
anderen  Auffassungen  des  Geistes  verfolgen.  Ein 
Zornanfall  wirkt  ganz  anders  auf  den  Menschen  als 
der  bloße  Gedanke  an  diese  Gemütserregung.  Wenn 
mir  erzählt  wird,  daß  jemand  verliebt  ist,  so  kann 
ich  den  Sinn  leicht  verstehen  und  mir  ein  richtiges 

Hume,  Untersuchig.  Ob.  d.  menBchl.  Veratand.  2 


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Il^ 


18 


Zweiter  Abschoitt. 


Vorstellungsbild  von  seinem  Zustande  machen;  aber  ich 
kann  niemals  dieses  Vorstellungsbild  mit  den  wirk- 
lichen Störungen  und  Aufregungen  des  Affekts  ver- 
wechseln. Wenn  wir  uns  auf  unsere  vergangenen  Ge- 
fühle und  Neigungen  besinnen,  ist  unser  Gedanke  ein 
treuer  Spiegel,  der  seinen  Gegenstand  wahrhaftig  ab- 
bildet; aber  die  von  ihm  angewandten  Farben  sind  blaß 
und  trübe  im  Vergleich  zu  jenen,  in  welche  unsere 
ursprünglichen  Auffassungen  gekleidet  waren.  Es  be- 
darf keiner  feinen  Unterscheidungsgabe  noch  eines 
metaphysischen  Kopfes,  um  die  Verschiedenheit 
zwischen  beiden  festzustellen. 

Man  kann  deshalb  alle  Auffassungen  des  Geistes 
in  zwei  Klassen  oder  Arten  teilen,  die  sich  durch  den 
verschiedenen  Grad  ihrer  Stärke  und  Lebhaftigkeit 
unterscheiden.  Die  minder  eindringlichen  und  le- 
bendigen nennt  man  gewöhnlich  Gedanken  oder  Vor- 
stellungen. Für  die  andere  Art  fehlt  es  der  eng- 
lischen wie  den  meisten  anderen  Sprachen  an  einem 
Wort,  vermutlich,  weil  auBer  für  philosophische 
Zwecke  es  nicht  erforderlich  war,  sie  unter  einem 
allgemeinen  Ausdruck  oder  Namen  zu  befassen. 
Nennen  wir  sie  daher  ein  wenig  frei  Eindrücke ;  wo- 
bei ich  das  Wort  in  einem  von  dem  gewöhnlichen  etwas 
abweichenden  Sinne  gebrauche.  Unter  der  Bezeich- 
nung Eindruck  verstehe  ich  also  alle  unsere  leb- 
hafteren Auffassungen,  wenn  wir  hören,  sehen,  tasten, 
lieben,  hassen,  wünschen  oder  wollen.  Eindrücke  sind 
von  Vorstellungen  unterschieden,  welche  die  weniger 
lebhaften  Auffassungen  sind,  deren  wir  uns  bewußt 
werden,  wenn  wir  uns  auf  eine  jener  oben  erwähnten 
Wahrnehmungen   oder  Regungen   besinnen. 

Auf  den  ersten  Blick  erscheint  wohl  nichts  so 
schrankenlos  wie  das  menschliche  Denken,  das  sich 
nicht  nur  aller  menschlichen  Macht  und  Autorität 
entzieht,  sondern  sich  nicht  einmal  in  den  Grenzen  der 
Natur  und  der  Wirklichkeit  halten  läßt.  Es  kostet 
die  Einbildungskraft  nicht  mehr  Mühe,  Ungeheuer  zu 
bilden  und  unverträgliche  Gestalten  und  Erscheinungen 
zusammenzufügen,  als  sich  die  natürlichsten  und  ver- 
trautesten Gegenstände  vorzustellen.  Und  während 
der  Körper  auf  einen  Planeten   beschränkt  ist,   auf 


Über  den  Ursprung  der  Vorstellangen.  X9 

dem  er  mit  Mühe  und  Beschwerde  umherkriecht,  kann 
der  Gedanke  uns  in  einem  Augenblick  in  die  ent- 
ferntesten Gegenden  des  Weltalls  tragen;  ja  selbst 
darüber  hinaus,  ins  grenzenlose  Chaos,  wo  die  Natur 
angeblich  in  gänzlicher  Verwirrung  liegt.  Was  nie- 
mals gesehen  oder  gehört  worden  ist,  läßt  sich  doch 
vorstellen,  und  nichts  übersteigt  die  Macht  des  Ge- 
dankens, das  ausgenommen,  was  einen  unbedingten 
Widerspruch  einschließt. 

Ob  nun  gleich  das  Denken  diese  unbegrenzte  Frei- 
heit  zu   besitzen    scheint,    so   werden   wir  doch  bei 
näherer  Untersuchung  finden,  daß  es  in  Wirklichkeit 
durch  sehr  enge  Grenzen  eingeschlossen  ist,  und  all 
diese  schöpferische  Kraft  des  Geistes  auf  weiter  nichts 
hinauskommt,  als  auf  die  Fähigkeit  der  Verbindung, 
Umstellung,    Vermehrung    oder    Verminderung    des 
Stoffes,  den  uns  Sinne  und  Erfahrung  liefern.  Denken 
wir  uns  einen  goldenen  Berg,  so  verbinden  wir  nur 
zwei  widerspruchlose  Vorstellungen,  Gold  und  Berg, 
die  uns  von  früher  bekannt  sind.    Ein  tugendhaftes 
Pferd  können  wir  uns  vorstellen,  weil  wir  aus  unserem 
eigenen  inneren  Empfinden  uns  die  Tugend  vorstellen 
können,    und   diese   läßt   sich    mit   der   Gestalt  und 
und   dem  Aussehen  eines  Pferdes  vereinigen,   eines 
Tieres,  das  uns  vertraut  ist.    Kurz,  aller  Stoff  des 
Denkens    ist    entweder    von    unserem   äußeren   oder 
inneren  Gefühl  abgeleitet.    Einzig  die  Mischung  und 
Zusammensetzung   fällt   dem   Geist  und  dem   WiUen 
zu.    Oder,   um  mich  philosophisch  auszudrücken:  all 
unsere  Vorstellungen  oder  schwächeren  Auffassungen 
sind  Abbilder  unserer  Eindrücke  oder  lebhaftereil  Auf- 
fassungen. 

Dies  zu  beweisen,  werden  hoffentlich  folgende 
zwei  Grunde  ausreichen.  Erstens:  wir  finden  bei  der 
Zergliederung  unserer  Gedanken  oder  Vorstellungen 
immer,  seien  sie  auch  noch  so  zusammengesetzt 
oder  erhaben,  daß  sie  sich  in  einfache  Vorstellungen 
auflosen,  die  einem  früheren  Empfinden  oder  Gefühl 
nachgebildet  sind.  Selbst  solche  Vorstellungen,  welchj^ 
auf  den  ersten  Blick  am  weitesten  von  diesem  Ur- 
sprung entfernt  scheinen,  erweisen  sich  bei  näherer 
Prüfung    als    daraus    entsprungen.     Die    Vorstellung 


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20 


Zweiter  Abscboitt. 


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Gottes  im  Sinne  eines  allwissenden,  allweisen  und  all- 
gütigen  Wesens  entstellt  aus  der  Besinnung  auf  die 
Vorgänge  in  unserem  eigenen  Geiste  imd  aus  der 
Steigerung  dieser  Eigenschaften  der  Güte  und  Weis- 
heit ins  Grenzenlose.  Wir  mögen  diese  Untersuchung 
noch  so  weit  fortführen,  immer  werden  wir  finden, 
daß  jede  von  uns  geprüfte  Vorstellung  einem  gleich- 
artigen Eindruck  nachgebildet  ist.  Wer  behaupten 
will,  dieser  Satz  sei  nicht  allgemein  und  ausnahmelos 
wahr,  dem  bietet  sich  eine  imd  zwar  leichte  Methode, 
ihn  zu  widerlegen:  er  zeige  diejenige  Vorstellung 
auf,  welche  nach  seiner  Meinung  nicht  aus  dieser 
Quelle  geschöpft  ist.  Daim  wird  es  uns  obliegen,  wollen 
wir  unsere  Lehre  halten,  den  Eindruck  oder  die  leb- 
hafte Auffassung  beizubringen,  welche  ihr  entspricht 
Zweitens:  Wenn  zufällig  jemand  wegen  eines 
organischen  Fehlers  für  eine  Art  von  Wahrnehmung 
nicht  empfänglich  ist,  so  finden  wir  immer,  daß 
er  ebenso  unempfänglich  für  die  entsprechenden 
Vorstellungen  ist  Ein  Blinder  kann  sich  keinen  Be- 
griff von  Farben  machen,  noch  ein  Tauber  von 
Tönen.  Wenn  einer  von  beiden  den  ihm  fehlenden 
Sinn  zurück  erhält,  so  öffnet  sich  mit  diesem  neuen 
Einlaß  für  seine  Wahrnehmungen  auch  ein  neuer 
Einlaß  für  die  Vorstellungen,  und  es  macht  ihm 
keine  Schwierigkeit,  sich  diese  Gegenstände  vorzu- 
stellen. Ebenso  verhält  es  sich,  wenn  ein  zur 
Erregung  einer  bestimmten  Wahrnehmung  geeig- 
neter Gegenstand  noch  nie  mit  dem  Organ  in  Be- 
rührung kam.  Ein  Lappländer  oder  Neger  hat  keinen 
Begriff  vom  Wohlgeschmack  des  Weines.  Und  ob- 
wohl f^lle  eines  ähnlichen  geistigen  Mangels  selten 
oder  niemals  vorkommen,  wo  jemand  ein  seiner 
Gattung  eigentümliches  Gefühl  oder  einen  Affekt 
nie  erlebt  hat  oder  dessen  gänzlich  unfähig  ist,  so 
Eßt  sich  hier  doch  das  gleiche,  wenn  auch  in  ge- 
ringerem Grade,  beobachten.  Ein  Sanftmütiger  kann 
sich  keine  Vorstellung  von  eingewurzelter  Rachsucht 
oder  Grausamkeit  machen;  und  ein  selbstsüchtiges 
Herz  kann  sich  die  Höhepunkte  der  Freundschaft 
und  Großmut  nicht  vorstellen.  Es  wird  anstandlos 
zugegeben,   daß   andere   Wesen   viele   Sinne   besitzen 


über  den  Ureprnng  der  VorstelluDgen. 


21 


mögen,  von  denen  wir  uns  kein  Vorstellungsbild 
machen  können;  weil  uns  ihre  Vorstellungen  nie  auf 
die  einzige  Weise  zugeführt  worden  sind,  durch  die 
eine  Vorstellung  in  den  G^ist  eintreten  kann,  nämlich 
durch  wirkliches  Empfinden  und  Wahrnehmen. 

Es  gibt  indessen  eine  dem  entgegenstehende  Er- 
scheinung, die  beweisen  könnte,  daß  ein  Aufsteigen 
von  Vorstellungen,  unabhängig  von  den  ihnen  ent- 
sprechenden Eindrücken,  nicht  unbedingt  unmöglich 
ist.  Ich  glaube,  es  wird  wohl  bereitwillig  zugegeben 
werden,  daß  die  einzelnen  gesonderten  Vorstellungen 
von  Farben,  die  durch  das  Auge  eingehen,  oder  von 
Tönen,  welche  das  Ohr  zuführt,  wirklich  voneinander 
verschieden  und  doch  zu  gleicher  Zeit  einander  ähn- 
lich sind.  Gilt  dies  nun  von  verschiedenen  Farben, 
so  muß  es  nicht  minder  von  verschiedenen  Schat- 
tierungen derselben  Farbe  gelten;  jede  Schattierung 
erzeugt  eine  gesonderte,  von  den  übrigen  unabhängige 
Vorstellung.  Wollte  man  dies  leugnen,  so  wäre  es 
möglich,  durch  eine  stetige  Abstufung  von  Schat- 
tierungen eine  Farbe  unmerklicli  in  die  ihr  am  fernsten 
stehende  überzuführen;  und  wer  keinen  Unterschied 
für  die  Mittelstufen  anerkennen  will,  darf  ohne  Un- 
gereimtheit auch  nicht  die  Gleichheit  der  Endglieder 
ableugnen.  Angenommen  nun,  ein  Mensch  habe  sich 
dreißig  Jahre  lang  seines  Augenlichts  erfreut,  sei  mit 
Farben  allerart  vollkommen  vertraut  geworden,  aus- 
genommen mit  einer  bestimmten  Schattierung,  z.  B. 
von  Blau,  die  ihm  zufällig  nie  begegnet  ist  Legt 
man  ihm  alle  verschiedenen  Schattierungen  dieser 
Farbe  vor  außer  dieser  einen,  stetig  absteigend  von 
der  dunkelsten  zur  hellsten,  so  wird  er  offenbar  da 
eine  Lücke  auffassen,  wo  jene  Schattierung  fehlt, 
und  sich  eines  größeren  Abstands  zwischen  den  an- 
stoßenden Farben  an  dieser  Stelle  als  an  allen 
anderen  bewußt  werden.  Ich  frage  nun,  ob  es  ihm 
möglich  wäre,  aus  seiner  eigenen  Einbildungskraft 
das  hier  Fehlende  zu  ergänzen  und  die  Vorstellung 
dieser  besonderen  Schattierung  in  sich  aufsteigen  zu 
lassen,  obgleich  seine  Sinne  sie  ihm  niemals  zuge- 
führt hatten?  Ich  glaube,  nur  weni^^-e  werden  meinen, 
daß   er   es  nicht  könne;   und  dies  kann   als  Beweis 


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2S 


Zweiter  Abschnitt. 


Zweiter  Abschnitt. 


23 


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gelten,  dal3  einfache  Vorstellungen  nicht  immer  xmd 
überall  von  den  entsprechenden  Eindrücken  her- 
stammen; indes  ist  dieser  Fall  so  vereinzelt,  daß  er 
kaum  unserer  Beachtung  wert  ist  und  nicht  verdient, 
daß  wir  allein  seinetwegen  unseren  allgemeinen  Grund- 
satz abändern. 

Hier  haben  wir  also  einen  Satz,  der  nicht  allein 
in  sich  einfach  und  verständlich  scheint,  sondern  der 
auch  bei  richtiger  Anwendung  jede  Streitfrage  ebenso 
verständlich  machen  und  all  jenes  Gewäsch  beseitigen 
könnte,    welches    so    lange    die   metaphysischen    Ge- 
dankengänge beherrscht  und  in  Unehre  gebracht  hat. 
Alle    Vorstellungen,    besonders   die   abstrakten,    sind 
von  Natur  matt  und  dunkel;  der  Geist  hat  sie  nur 
wenig  in  der  Gewalt,  sie  werden  leicht  mit  anderen 
ähnlichen  Vorstellungen  verwechselt;  und  haben  wir 
häufig  einen  Ausdruck  gebraucht,   wenn  auch  ohne 
feate  Bedeutung,   so  bilden  wir  uns  leicht  ein,  daß 
eine   bestimmte   Vorstellung   mit  ihm   verknüpft  seL 
Im    Geg^snsatz     dazu     sind    alle    Eindrücke,    d.   h. 
alle  Wahrnehmungen,  äußere  wie  innere,  stark  und 
lebendig;  die   Grenzen  zwischen  ihnen  sind  genauer 
bestimmt,   und,  was  sie  anlangt,  ist  es  nicht  leicht, 
zu  irren  oder  fehlzugreifen.    Haben  wir  daher  Ver- 
dacht, daß  ein  philosophischer  Ausdruck  ohne  irgend 
einen  Sinn  oder  eine  Vorstellung  gebraucht  werde, 
was  nur  zu  häufig  ist,  so  brauchen  wir  bloß  nach- 
zuforschen,    von    welchem    Eindruck     stammt 
diese  angebliche   Vorstellung   her?    Und  läßt 
sich    durchaus  kein  solcher  aufzeigen,   so  wird  dies 
zur    Bestätigung    unseres  Verdachts   dienen.     Indem 
wir  die  Vorstellungen  in  ein  so  klares  Licht  stellen, 
dürfen  wir  billig  hoffen,  allem  Streit,  der  über  ihre 
Natur  und  Wirklichkeit  sich  erheben  könnte,  ein  Ende 
zu  machen.  1) 

')  Wahrscheinlich  haben  diejenigen,  welche  angeborene 
Vorstellungen  lengnen,  damit  weiter  nichts  gemeint,  als 
daß  ^le  Vorstellungen  Abbilder  un^-erer  Eindrücke  peien; 
allerdings  muß  zugegeben  werden,  daß  die  hier  gebrauchten 
Ausdrücke  weder  so  vorsichtigt  gewählt,  noch  genau  genug 
bestimmt  sind,  um  allen  Mißverständnissen  über  ihre  Lehre 
vorzubeugen.     Denn  was  versteht  man  unter  angeboren? 


Bedeutet  angeboren  das  c:^ eiche  wie  natürlich,  so  müssen 
wir  jede  Auffassung  und  Vorstellung  des  Geistes  als  ange- 
boren oder  natürlich  anerkennen,  in  welchem  Sinne  wir 
auch  dies  letztere  Wort  gebrauchen:  als  Gegensatz  zum 
Ungewöhnlichen,  Künstlichen  oder  Wunderbaren.  Soll  an- 
geboren bedeuten:  gleichzeitig  mit  der  Geburt,  so  scheint 
mir  der  Streit  leichtfertig;;  es  lohnt  sich  auch  nicht  der 
Mühe,  zu  untersuchen,  in  welchem  Zeitpunkt  das  Denken 
beginnt,  ob  vor,  bei  oder  nach  der  Gebart.  Ferner  scheint 
das  Wort  Vorstellung  von  Locke  und  anderen  gewöhn- 
lich in  einem  sehr  laxen  Sinne  genommen  zu  werden;  näm- 
lich als  Bezeichnung  jeder  Art  von  Auffassung,  für  Wahr- 
nehmungen und  Affekte  sowohl  als  für  Gedanken.  Aber 
dann  möchte  ich  wohl  wissen,  was  bei  dieser  Bedeutung 
mit  der  Behauptung  eigentlich  gemeint  ist,  die  Selbstliebe, 
die  Kränkung  über  Unrecht  oder  die  Geschlechtsliebe  seien 
nicht  angeboren? 

Werden  aber  die  Bezeichnungen  Eindrücke  und  Vor- 
stellungen im  oben  erklärten  Sinne  gebraucht  und  wird 
unter  angeboren  das  verstanden,  was  ursprünglich,  d.  h. 
von  keiner  vorangegangenen  Auffassung  das  Abbild  ist,  dann 
können  wir  wohl  behaupten,  daß  alle  unsere  Eindrücke  an- 
geboren und  unsere  Vorstellungen  nicht  angeboren  sind. 

Oflfen  gestanden  bin  ich  der  Ansicht,  daß  Herr  Locke 
in  diese  Fragestellung  von  den  Schulgelehrten  hineingelockt 
worden  ist,  die  durch  unbestimmte  Ausdrücke  ihre  Streitig- 
keiten ermüdend  in  die  Länge  ziehen,  ohne  je  den  strittigen 
Punkt  zu  berühren.  Eine  gleiche  Zweideutigkeit  und  Weit- 
schweifigkeit scheint  sicii  durch  alle  Gedankengänge  dieses 
großen  rhilosophen  auf  diesem  wie  auf  den  meisten  andern 
Gebieten  zu  ziehen. 


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Dritter  Abschnitt. 

Ober  die  Assoziation')  der  Vorstellungen. 

Es  ist  offenbar,   daß   ein  Prinzip   für  die  Ver- 
knüpfung zwischen  den  verschiedenen  Gedanken  oder 
Vorstellungen  des  Geistes  besteht,   und  daß  sie  bei 
Ihrem   Erscheinen   im   Gedächtnis   oder   in   der  Ein- 
bildungskraft einander  in  gewissem  Grade  methodisch 
und  regelmäßig  einführen.    Bei  ernsthafterem  Nach- 
denken  oder   Gespräch   ist   dies   so   auffallend,   daß 
irgend   ein  einzelner  Gedanke,   der  die  regelmäßige 
h  olge  oder  Kette  von  Vorstellungen  durchbricht,  so- 
fort  bemerkt  und  zurückgewiesen  wird.    Und  selbst 
m  unseren  wildesten  und  schwärmendsten  Phantasien 
3a  m  unseren  Träumen,  läßt  die  Überlegung  uns  finden, 
daß  die  Embildungskraft  nicht  ganz  aufs  Geratewohl 
ausschweifte,  sondern  daß  zwischen  den  verschiedenen 
einander  folgenden  Vorstellungen  doch  noch  eine  Ver- 
knüpfung   bestehen    blieb.     Wollte    man    das    unge- 
bundenste und  freieste  Gespräch  niederschreiben    so 
wurde    man    sofort   ein    Etwas   beobachten,    welches 
es  bei  allen  Übergängen  verknüpfte.    Oder  wo  dies 
fehlt,    da   wird   die   Person,    welche  den  Faden  des 
Gesprächs   abbrach,    doch   angeben   können,    daß   in 
Ihrem  Geist  insgeheim  eine  Folge  von  Gedanken  sich 
abgewickelt  habe,  durch  die  sie  allmählich  vom  Gegen- 
stand  der   Unterhaltung   abgelenkt   worden    sei.     In 
verschiedenen    Sprachen,    selbst   dort,    wo    nicht   die 
geringste  Verknüpfung  oder  Beeinflussung  vermutet 
werden  kann,  zeigt  es  sich,  daß  Wörter,  die  höchst 
zusammengesetzte    Vorstellungen    ausdrücken,    doch 
nahezu    einander    entsprechen;    ein    sicherer    Beweis 
dafür    daß  die  emfachen,  in  den  zusammengesetzten 
enthaltenen    Vorstellungen    durch    irgend    ein    allge- 

»)  Ausgabe  E  and  F:  Verknüpfung. 


Über  die  AesoziatioD  der  VorBteUuDgen. 


25 


meines  Prinzip  verbunden  sind,  welches  auf  die  ganze 
Menschheit  den  gleichen  Einfluß  übt. 

Obwohl  die  Verknüpfung  verschiedener  Vor- 
stellungen zu  augenfällig  ist,  um  der  Beachtung  zu 
entgehen,  so  finde  ich  doch  nicht,  daß  irgend  ein  Philo- 
soph versucht  hat,  alle  Prinzipien  der  Assoziation  auf- 
zuführen und  zu  ordnen;  und  doch  scheint  der  Gegen- 
stand des  Interesses  wert.  Soviel  ich  sehe,  gibt  es 
nur  drei  Prinzipien  der  Vorstellungsverknüpfung,  näm- 
lich Ähnlichkeit,  Berührung  in  Zeit  oder  Raum, 
und  Ursache  und  Wirkung. 

Daß  diese  Prinzipien  zur  Verknüpfung  von  Vor- 
stellungen dienen,  dürfte  wenig  Zweifeln  begegnen. 
Ein  Gemälde  führt  unsere  Gedanken  naturgemäß  zu 
dem  Urbild  (Ähnlichkeit);  die  Erwähnung  des  einen 
Gemachs  in  einem  Gebäude  bringt  ganz  natürlich 
die  Frage  und  das  Gespräch  auf  die  anderen  (Be- 
rührung); und  wenn  wir  uns  eine  Wunde  vorstellen, 
so  läßt  es  sich  kaum  vermeiden,  an  den  Schmerz 
zu  denken,  der  ihr  folgt  (Ursache  und  Wirkung). 
Daß  aber  diese  Aufzählung  vollständig  sei  und  weiter 
keine  Prinzipien  der  Assoziation  beständen,  mag  sich 
schwer  auf  eine  für  den  Leser  oder  uns  selbst  be- 
friedigende Art  beweisen  lassen.  Alles,  was  sich  in 
solchen  Fällen  tun  läßt,  kommt  darauf  hinaus,  mehrere 
Einzelfälle  durchzugehen,  sorgfältig  das  Prinzip  zu 
untersuchen,  welches  die  verschiedenen  Gedanken  an- 
einander knüpft,  und  nicht  aufzuhören,  ehe  wir  das 
Prinzip  so  allgemein  wie  möglich  gestaltet  haben.  ^) 
Je  mehr  Fälle  wir  untersuchen  und  je  mehr  Sorgfalt 
wir  anwenden,  um  so  größere  Sicherheit  werden  wir 
gewinnen,  daß  die  Aufstellung,  die  wir  aus  der  Ge- 
samtübersicht gewinnen,  erschöpfend  und  voll- 
ständig ist. 


*)  So  ist  z.  B.  Kontrast  oder  Widerstreit  auch  eine 
Verknüpfung  zwischen  Vorstellungen,  doch  läßt  sie ^  sich 
vielleicht  als  eine  Mischung  von  Verursachung  und  Ähn- 
lichkeit betrachten.  Wo  zwei  Dinj^e  einander  wider- 
streiten, zerstört  eines  das  andere,  d.  h.  die  Ursache  der 
Vernichtung  eines  Gegenstandes  und  die  Vorstellung  dieser 
Vernichtung  schließen  die  Vorstellung  seines  früheren  Da- 
seins ein. 


36 


Drittor  Abschnitt. 


An«it?  "  Ausgaben  B  bis  Q  fährt  der  Essay  fort: 
Anstatt  uns  mit  solchen  Einzelheiten  zu  befassen,  die 
Iniirn  t"  ""°?'2«?„SP'trfindigkeiten  führen  würden, 
wollen  wir  einige  Wirkungen  dieser  Verknüpfung  auf 
die  Affekte  und  die  Einbildungskraft  betrachtfni^r  er- 
offnen hiermit  wohl  ein  Feld  der  Spekulation,  das  unter- 
haltender ist  und  vielleicht  lehrreicher  als  das  andere. 

K«cf  5-         ?*®"^^  .^'"  vernünftiges  Wesen  ist  und 
bestandig    sein    G  ück    verfolgt,    das    er   durch    B^ 
nedigung  emes  Affekts  oder  einer  Neigung  zu  er- 
langen hoff^  so  handelt,  spricht  oder  denkt  fr  selten 

ZTXI^  '•"•''  """^  ''•f.  »»geeignet  die  Mittel  auch 
manchmal  sein  mögen,  die  er  zur  Erreichung  seines 
Endziels  wählt,  so  behält  er  doch  irgend  ein  Hei 
im  Auge.  Nicht  einmal  seine  Gedankfn  und  ü£r 
legungen  wird  er  verschleudern,  wo  er  keineriei 
Befriedigung  davon  zu  ernten  hofft  «'lenei 

In  allen  schöpferischen  Werken  ist  es  daher  er- 

SefzwecklL'^'  Schriftsteller  irgend^^eiSn  pfan 
oaer  Zweck  habe;  und  mag  ihn  auch  die  Heftiffkeit 
des  Gedankens  von  diesem  Plan  abdrängen  wiffa 
Tf^r,?^%  -l'i  "!?S  ?'  '■•»  «°'gJ««  fallen^Lsse^  w  e 

irgend  em  Z  el  oder  eme  Absicht  durchscheinen  im 
Ausgangspunkt,  wenn  nicht  in  dem  aXu  de^ 
ganzen  Werks.  Ein  ganz  planloses  Erzeugnirgliche 
mehr  den  irren  Reden  eines  Wahnsinnigen  als  der 
besonnenen  Arbeit  von  Talent  und  GeSrnkl  t. 

M.i  ^  ^'^^  }^PI  ^^'""^  Ausnahme  gestattet  so 
folgt  daraus,   daß   in   erzählenden   Werken  die  Er 

rSf  £X  Handlungen,  die  der  Schrf/tstefler  £ 
richtet,  durch  eine  Art  von  Kette  oder  Band  ver- 
knüpft sein  müssen.    Sie  müssen  in  der  EhibildunJ 

%th^HWu'''T'' .^^'"  °»d  gewissermaßen  dnf 
Einheit  biden,  durch  die  sie  unter  einen  Plan  oder 

drffifÄfrA'".»"^".  ^'""l'  »»d  «J-  Zid  und  Zweck 
adn  kaM  ^^'  '""^"'  ^'■«*«»  ^"^"^^^  gewesen 

zelnen'^d  J''rf  P^^!?^'.  ^'^''^P  ^*^'=l'e»  den  ein- 
rvÄ^r  \?l^^°^*^»d  eines  Gedichts  oder  einer 
Geschichte    bildenden    Breigniaaen    kann    sehr    ver- 


Über  die  Assoziation  der  Vorstellungen. 


27 


II:, 


schieden  sein  je  nach  den  verschiedenen  Absichten 
des  Dichters  oder  Geschichtschreibers.  Ovid  hat 
seinen  Plan  auf  dem  verknüpfenden  Prinzip  der 
Ähnlichkeit  erbaut  Jede  märchenhafte  Verwandlung 
durch  die  wundertätige  Kraft  der  Götter  fällt  in  den 
Bereich  seiner  Arbeit.  Es  bedarf  bloß  dieses  einen  Um- 
stands  an  einem  beliebigen  Ereignis,  um  es  seinem 
ursprünglichen  Plan  oder  Zweck  einzugliedern. 

Ein  Chronist  oder  Geschichtschreiber,  der  die 
Geschichte  Europas  in  einem  bestimmten  Jahrhundert 
zu  schreiben  unternähme,  würde  sich  durch  die  Ver- 
knüpfungsart der  Berührung  in  Zeit  und  Raum  leiten 
lassen.  Alle  Ereignisse,  die  sich  in  diesem  Teil  des 
Raums  und  Abschnitt  der  Zeit  zutragen,  gehören  in 
seinen  Plan,  seien  sie  auch  in  anderer  Hinsicht  un- 
gleichartig und  ohne  Verknüpfung.  Eine  Art  von  Ein- 
heit bleibt  ihnen  bei  all  ihrer  Verschiedenheit. 

Doch  die  gebräuchlichste  Art  der  Verkniipfung 
zwischen  verschiedenen  Ereigniösen,  die  in  ein  er- 
zählendes Werk  eingehen,  ist  die  von  Ursache  und 
Wirkung:  hierbei  zeichnet  der  Geschichtschreiber  den 
Ablauf  der  Handlungen  nach  ihrer  natürlichen  Ordnung, 
steigt  zu  ihren  geheimen  Quellen  und  Prinzipien  auf  und 
beschreibt  ihre  letzten  Folgen.  Er  wählt  als  Gegenstand 
einen  bestimmten  Teil  jener  großen  Kette  von  Er- 
eignissen, die  die  Menschheitsgeschichte  ausmachen. 
Jedes  Glied  dieser  Kette  sucht  er  in  seiner  Erzählung 
zu  berühren.  Manchmal  vereitelt  unvermeidliche  Un- 
wissonheit  all  seine  Bemühungen;  manchmal  ersetzt 
er  durch  Vermutung,  was  an  Wissen  fehlt;  und  immer 
ist  er  sich  bewußt:  je  lückenloser  die  Kette  ist,  die 
er  seinen  Lesern  bietet,  um  so  vollkommener  ist  seine 
Arbeit.  Er  sieht  ein,  daß  die  Kenntnis  der  Ur*iachen 
nicht  nur  die  befriedigendste  ist  —  denn  diese  Be- 
ziehung oder  Verknüpfung  ist  die  stärkste  von 
allen  — ,  sondern  auch  die  lehrreichste;  denn  allein 
dies  Wissen  befähigt  uns,  über  die  Ereignisse  Ge- 
walt zu  haben  und  die  Zukunft  zu  beherrschen. 

Hieraus  können  wir  denn  auch  einen  Begriff 
von  jener  Einheit  der  Handlung  gewinnen,  über 
die  seit  Aristoteles  alle  Kunstgelehrten  so  viel 
geredet   haben;    vielleicht    ohne   großen   Nutzen,    so 


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28 


Dritter  Abichnitt. 


lange    sie    sich    in    ihrem    Geschmack    und    Gefühl 
nicht  von  philosophischer  Genauigkeit  leiten  ließen 
M   zeigt   sich,    daß    in    allen    epischen    sowohl    als 
tragischen    Dichtwerken    eine    gewisse    Einheit   er- 
fordert wird   und  daß  wir  in  keinem  Falle  unsere  Ge- 
danken beliebig  schweifen  lassen  dürfen,   wenn  wir 
ein   VVerk  hervorbringen  wollen,  das  der  Menschheit 
irgend    dauernden    Genuß    gewährt     Es    zeigt    sich 
ferner,  daß  selbst  der  Biograph,  der  das  Leben  des 
AchiJes    beschriebe,    die    Ereignisse    so    verknüpfen 
wurde,   daß  er  ihre  gegenseitige  Abhängigkeit  und 
Beziehung  darstellte,  genau  so  wie  der  Dichter,  der 
den    Zorn   des   Helden   zum    Gegenstand    seiner   Er- 
zählung wählte. »)    Nicht  nur  in  einem  beschränkten 
Abschnitt   des   Lebens   stehen   die   Handlungen   des 
Menschen  in  Abhängigkeit  voneinander,  sondern  auch 
wahrend   seiner  ganzen   Dauer,    von  der   Wiege   bis 
aum   Grabe;   und    es   geht   nicht   an,    ein    noch   so 
winziges  Glied  aus  dieser  regelmäßigen  Kette  zu  lösen, 
ohne  die  ganze  Reihenfolge  der  Ereignisse  in  MiUeiden- 
schaft  zu  ziehen.  Daher  unterscheidet  sieh  die  in  Bio- 
graphien und  Geschichtschreibung  vorgefundene  Ein-  " 
heit  der  Handlung  von  der  in  der  epischen  Dichtung 
nicht   der   Art,    sondern   dem   Grade   nach.    In  der 
epischen  Dichtung  ist  die  Verknüpfung  zwischen  den 
Ereignissen  enger  und  fühlbarer;  die  Erzählung  er- 
H^^toJ^J"'''''!,^''®'"  ®^®  «°  '^°ge  Zeitspannefund 
iLh^f^^'^'^T   ^^^^'S?^°   ®"^"    «'°em    bedeut^meo 
Abschnitt  zu,  der  die  Neugierde  des  Lesers  befriedigt. 
Dies  Verfahren  des  Epikers  beruht  auf  jenem  Se- 
sonderen  Zustand  der  Einbildungskraft  und  der 
Affekte,  der  Voraussetzung  dieser  Schaffensart.  Die 
Einbildung  des  Schriftstellers  wie  des  Lesers  ist  h^ 
lebter  und  die  Affekte  erhitzter  als  bei  Geschieht- 
Rplft°°F'    ^}T^^^^   "^'^   ^g^-^d   einer   Art  von 
^ZtLu^-  T}  t"^  strenge  Wahrheit  und  Wirklioh- 
keit  beschrankt    Betrachten  wir  die  Wirkung  dieser 

•)  Im  Gegensatz  zu  Aristoteles:    ^vito;  g-iariv  .&   oir 
.^  r«.«  «..„/fa/m,   iS  cöv  hi<oy  oidiv  iox,r  h.  ^JZ  TkZ 


über  dio  Assoziation  der  Vorstellungen. 


29 


beiden  Umstände,  der  belebten  Einbildung  und  der 
erhitzten  Affekte,  Umstände,  die  zur  Dichtung  beson- 
ders der  epischen  Gattung  vor  anderen  Kunstarten 
gehören,  und  prüfen  wir  den  Grund,  warum  sie  eine 
strengere  und  engere  Einheit  der  Fabel  erheischen. 

Erstens:  Alle  Dichtung,  als  eine  Art  von  Malerei, 
bringt  uns  näher  an  die  Dinge  heran  als  jede  andere 
Art  der  Erzählung,  wirft  helleres  Licht  auf  sie  und 
zeichnet  deutlicher  jene  kleinsten  Umstände,  die  zwar 
dem  Geschichtschreiber  überflüssig  erscheinen,  aber 
doch  gewaltig  die  Schilderung  beleben  und  der  Phan- 
tasie behagen.  Sei  es  auch  nicht  notwendig,  daß  uns, 
wie  in  der  Ilias,  jedesmal  mitgeteilt  wird,  wann  der 
Held  seine  Schuhe  schnallt  und  seine  Beinschienen 
knüpft,  so  ist  es  doch  vielleicht  erforderlich,  aus- 
führlicher in  den  Einzelheiten  zu  sein  als  in  der  Hen- 
riade, worin  die  Begebenheiten  nur  so  flüchtig  ge- 
streift werden,  daß  wir  kaum  in  Muße  uns  mit  dem 
Ort  und  der  Handlung  vertraut  machen  können.  Wollte 
also  ein  Dichter  in.  seinem  Stoff  eine  große  Zeit- 
spanne oder  Ereignisfolge  umfassen  und  etwa  Hektors 
Tod  bis  zu  seinen  femliegenden  Ursachen,  dem  Raub 
der  Helena  oder  dem  Urteil  des  Paris  verfolgen,  so 
müßte  er  sein  Gedicht  maßlos  ausdehnen,  um  diese 
große  Leinwand  mit  richtig  gemalten  Bildwerken  aus- 
zufüllen. Die  durch  solche  Reihe  dichterischer  Schil- 
derungen erregte  Einbildungskraft  des  Lesers  und 
seine  von  dauernder  Teilnahme  mit  den  Handelnden 
beunruhigten  Affekte  müssen  lange  vor  Abschluß 
der  Er^hlung  erlahmen  und  in  Mattigkeit  und  Über- 
druß durch  die  wiederholte  Heftigkeit  derselben  Ge- 
mütsbewegungen versinken. 

Zweitens:  daß  ein  Epiker  die  Ursachen  nicht 
weit  hinauf  verfolgen  dar!,  erhellt  ferner  aus  einem 
anderen  Grunde,  der  aus  einer  noch  bemerkens- 
werteren und  eigentümlicheren  Beschaffenheit  der  Af- 
fekte abfließt  Es  leuchtet  ein,  daß  in  einem 
sachgemäß  aufgebauten  Werk  sämtliche  Gemütser- 
regungen, welche  all  die  beschriebenen  und  darge- 
stellten Ereignisse  auslösen,  sich  gegenseitig  ver- 
stärken. Während  alle  Helden  auf  einem  gemein- 
samen Schauplatz  beschäftigt  sind  und  jede  Handlung 


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Dritter  Abschnitt. 


lest  mit  dem  Ganzen  vorknüpft  ist,  wird  das  Interesse 
dauerrjd  wachgehalten  und  die  Affekte  wandern  leicht 
von  einem  Gegenstande  zu  dem  anderen.    Indem  die 
leste  Verknüpfung  der  Ereignisse  den  Übergang  der 
Gedanken  oder  der  Einbildung  vom  einen  zum  anderen 
erleichtert,   erleichtert  sie  auch  die  Überleitung  der 
Affekte  und  hält  die  Gemütserregungen  in  derselben 
Bahn  und  Richtung.    Unser  teilnehmendes  Interesse 
für  Eva  bereitet  einer  ähnlichen  Teilnahme  für  Adam 
den    Weg;    die    Erregung    erhält    sich    nahezu   voll- 
kommen  bei  der  Übertragung,  und  der  Geist  erfaßt 
den    neuen    Gegenstand    unmittelbar   als   demjenigen 
nahe   verwandt,   der   vordem   seine   Aufmerksamkeit 
fesselte.     Wollte   der   Dichter   aber   vollständig   von 
seinem  Gegenstand  abschwenken  und  eine  neue  Person 
ohne  jede  Verknüpfung  mit  den  übrigen  Handelnden 
einfuhren,  so  würde  die  Einbildungskraft  den  Übergang 
durchbrochen   fühlen,    und   der  neuen   Lage  anfangs 
kühl    gegenüber    stehen.     Langsam    würde    sie   sich 
wieder   erwärmen;  doch   bei  der  Rückkehr  zu  dem 
Hauptthema   der   Dichtung   gewissermaßen    fremden 
Boden  betreten  und  aufs  neue  ihr  Interesse  anregen 
müssen,  um  den  Haupthelden  Teilnahme  zu  schenken 
in  germgerem  Grade  stellt  sich  der  nämliche  Übelstand 
em,  wo  der  Dichter  seine  Ereignisse  zu  weit  hinaus- 
fuhrt   und    Handlungen    verbindet,    die    zwar    nicht 
ganzlich  beziehungslos  sind,  doch  keine  so  strenge  Ver- 
ivnupfung  besitzen,  wie  sie  zur  Überleitung  der  Af- 
fekte   erfordert    wird.     Hier    entspringt   das   Kunst- 
mittel der  rnckgreifenden  Erzählung,  dessen  sich  die 
Odyssee   und   Äneis   bedienen.     Da    wird    der    Held 
zuerst   nahe  am   Zielpunkt   seiner   Pläne  eingeführt 
und   zeigt  uns   später,   gleichsam   im  Fernblick,   die 
entlegeneren  Ereignisse  und  Ursachen.    So  wird  des 
Lesers  Neugierde  unmittelbar  erregt,  die  Ereignisse 
zaehen  m  rascher  Folge  und  sehr  enger  Verknüpfung 
vorüber;  das  Interesse  wird  wach  gehalten  und  dank 
der   nahen  Verwandtschaft  der   Gegenstände  wächst 
es  stetig  vom  Anfang  bis  zum  Ende  der  Erzählung. 
Dieselbe  Regel  gilt  für  die  dramatische  Poesie; 
auch  hier  geht  es  niemals  an,  in  einem  regelrechten 
Kunstwerk  eine  Person  einzuführen,  die  keine  oder 


Über  die  Assoziation  der  Vorstellnngen. 


31 


nur  eine  geringe  Verknüpfung  mit  den  Hauptgestalten 
der  Handlung  hat.  Das  Interesse  des  Zuschauers 
darf  durch  keine  Vorgänge  abgelenkt  werden,  die 
sich  von  den  übrigen  trennen  und  sondern.  So  etwas 
unterbricht  den  Ablauf  der  Affekte  und  verhindert  jene 
Wechselbeziehung  der  einzelnen  Gemütsbewegungen, 
in  der  ein  Vorgang  den  Eindruck  des  anderen  ver- 
stärkt und  Mitleid  und  Schrecken,  die  er  erregt, 
auf  jeden  folgenden  Vorgang  überleitet,  bis  das  Ganze 
jenes  beschleunigte  Tempo  erreicht,  das  der  Bühne 
eigentümlich  ist.  Wie  muß  es  diese  warme  Ergriffen- 
heit dämpfen,  wenn  plötzlich  eine  neue  Handlung 
und  neue  Personen  gänzlich  unvermittelt  mit  den 
früheren  vorgeführt  werden,  wenn  eine  so  fühlbare 
Bresche  und  Lücke  im  Ablauf  der  Affekte  infolge 
dieser  Bresche  in  der  Verknüpfung  der  Vorstellungen 
sich  zeig^  und  anstatt  daß  die  Teilnahme  von  einem 
Vorgang  auf  den  folgenden  übertragen  wird,  jeden 
Augenblick  ein  neues  Interesse  erregt,  und  Anteil 
an  einem  neuen  Vorgang  der  Handlung  genommen 

werden  muß? 

[Die  Ausgaben  E  bisN  fügen  hier  folgenden  Ab- 
satz ein:  Obgleich  diese  Regel  über  die  Einheit 
der  Handlung  der  dramatischen  und  epischen  Dich- 
tung gemeinsam  ist,  so  läßt  sich  doch  wohl  ein 
Unterschied  zwischen  ihnen  beobachten,  der  viel- 
leicht unsere  Aufmerksamkeit  verdienen  dürfte.  In 
beiden  Kunstarten  wird  Einheit  und  Einfachheit 
der  Handlung  gefordert,  um  das  Interesse  und  die 
Anteilnahme  ganz  und  ohne  Ablenkung  zu  erhalten. 
In  der  epischen  oder  erzählenden  Dichtung  ist  aber 
diese  Regel  noch  auf  eine  andere  Grundlage  gestellt, 
nämlich  auf  die  Notwendigkeit,  der  jeder  Schrift- 
steller unterliegt:  irgend  einen  Plan  oder  Abriß  zu 
entwerfen,  ehe  er  eine  Abhandlung  oder  Erzählung 
beginnt,  und  seinen  Stoff  unter  eine  allgemeine  Über- 
sicht oder  einen  einheitlichen  Gesichtspunkt  zu  stellen, 
der  den  beständigen  Gegenstand  seiner  Aufmerksam- 
keit bilden  kann.  Da  der  Verfasser  in  dramatischen 
Werken  völlig  zurücktritt  und  der  Zuschauer  sich 
bei  der  dargestellten  Handlung  wirklich  zugegen 
wähnt,    so  trifft  diese  Erwägung  für  die  Bühne  nicht 


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32 


Dritter  Abschnitt. 


ZU,   sondern  jede  beliebige  Wechselrede  oder  Unter- 
haltung darf  eingeführt  werden,   die   ohne  Unwahr- 
scheinlichkeit  an  jener  bestimmten  Stelle  des  Raums, 
die  das  Theater  vorstellt,  sich  zugetragen  haben  könnte. 
Daher  wird  in  all  unseren  englischen  Lustspielen,  selbst 
in  denen   von  Congreve,    die  Einheit    der  Handlung 
nie  streng  beobachtet;  der  Dichter  hält  es  vielmehr 
für   genügend,    wenn   seine   Personen   irgendwie  zu- 
einander in  Beziehung  stehen  durch   Blutsverwandt- 
schaft   oder   das   Zusammenleben    in    einer   Familie; 
und   er  führt  sie  nachher  in  einzelnen  Szenen   ein, 
wo   sie  ihr  Temperament  und   ihren  Charakter  ent- 
falten,  ohne  die  Haupthandlung  sonderlich  vorwärts 
zu  bringen.  Die  doppelten  Verwicklungen  bei  Terenz 
sind    Freiheiten   der   gleichen    Art,    wenn   auch   ge- 
ringeren Grades.    Und  ist  auch  diese  Führung  nicht 
ganz  nach  der  Regel,  so  ist  sie  doch  der  Eigenart 
des  Lustspiels  nicht  ganz  unangemessen,  wo  die  Er- 
regungen   und    Affekte   nicht   zu   solcher   Höhe   ge- 
steigert   werden   wie   im    Trauerspiel;    und    zugleich 
mildert  die  Erdichtung  oder  Darstellung  einigermaßen 
solche  Freiheiten.    In  einem  erzählenden  Gedicht  be- 
schränkt der  erste  Vorsatz  oder  Entwurf  den  Ver- 
fasser  auf    einen  Stoff,    und    alle    derartigen  Ab- 
schweifungen würden  auf  den  ersten  Blick  als  un- 
sinnig   und    entstellend    verworfen    werden.      Weder 
Boccaccio,  La  Fontaine  noch  sonst  ein  Schriftsteller 
dieser  Art  haben  sie  sich  jemals  erlaubt;  obgleich  Be- 
lustigung ihr  Hauptzweck  war.] 

Um  zu  dem  Vergleich  der  Geschichte  mit  der 
epischen  Dichtung  zurückzukehren,  so  können  wir 
aus  den  vorhergehenden  Gedankengängen  schließen, 
daß  eine  gewisse  in  allen  Schöpfungen  erforderte  Ein- 
heit in  der  Geschichte  so  wenig  wie  in  jeder  anderen 
fehlen  darf;  daß  in  der  Geschichte  die  Verknüpfung 
der  einzelnen  Ereignisse,  wodurch  sie  zu  einem  Ganzen 
vereinigt  werden,  die  Beziehung  von  Ursache  und 
Wirkung  ist,  die  nämliche,  welche  die  epische  Dich- 
tung beherrscht,  und  daß  in  letzterer  diese  Ver- 
knüpfung enger  und  fühlbarer  zu  sein  hat  wegen  der 
lebhaften  Einbildung  und  heftigen  Affekte,  die  der 
Dichter  in  seiner  Er^hlung  anregen  muß.   Der  Pelo- 


Über  die  Assoziation  der  Vorstellungen. 


33 


ponnesische  Krieg  ist  ein  geeigneter  Vorwurf  für 
die  Geschichtschreibung,  die  Belagerung  von  Athen 
für  ein  episches  Gedicht  und  der  Tod  des  AJcibiades 
für  ein  Trauerspiel. 

Da  nun  der  Unterschied  zwischen  Geschichte  und 
Epos  nur  in  den  Graden  der  Verknüpfung  besteht, 
die  jene  verschiedenen  Ereignisse,  welche  ihren  Stoff 
ausmachen,  verbinden,  so  wird  es  schwierig,  wenn 
nicht  unmöglich  sein,  in  Worten  die  Schranken  genau 
zu  bestimmen,  die  sie  voneinander  trennen.  Das  ist 
mehr  Sache  des  Geschmacks  als  der  Vernunfttätig- 
keit, und  vielleicht  mag  diese  Einheit  oft  an  einem 
Stoff  entdeckt  werden,  an  dem  wir  sie  auf  den  ersten 
Blick  und  bei  abstrakter  Erwägung  am  wenigsten  er- 
warten würden. 

Ersichtlich  überschreitet  Homer  im  Laufe  seiner 
Erzählung  die  erste  Anlage  seines  Vorwurfs,  und 
der  Zorn  des  Achilles,  der  den  Tod  Hektors  ver- 
ursachte, ist  nicht  mehr  derselbe,  der  soviel  Unheil 
über  die  Griechen  brachte.  Aber  die  feste  Ver- 
knüpfung zwischen  diesen  beiden  Erregungen,  der 
schnelle  Übergang  von  einer  zur  anderen,  der  Kon- 
trast in  der  Wirkung  von  Eintracht  und  Zwietracht 
zwischen  den  Fürsten,  und  die  natürliche  Neugierde, 
den  Achilles  nach  so  langer  Ruhe  in  die  Handlung 
eingreifen  zu  sehen  —  all  diese  Ursachen  reißen  den 
Leser  mit  fort  und  erzeugen  eine  genügende  Ein- 
heit im  Gegenstand.  Es  könnte  Milton  vorgeworfen 
werden,  bei  ihm  seien  die  Ursachen  in  zu  weite 
Ferne  gerückt,  und  die  Empörung  der  Engel  bewirke 
den  Sündenfall  des  Menschen  durch  eine  Ereignis- 
kette, die  nicht  nur  recht  lang,  sondern  auch  voller 
Zufälligkeiten  sei,  abgesehen  davon,  daß  die  Er- 
schaffung der  Welt,  die  er  ausführlich  beschreibt, 
nicht  in  höherem  Grade  Ursache  dieser  Katastrophe 
ist,  als  der  Schlacht  von  Pharsalus  oder  eines  be- 
liebigen anderen  Ereignisses,  das  sich  je  zugetragen 
hat.  Betrachten  wir  aber  anderseits,  daß  all  diese 
Ereignisse,  die  Empörung  der  Engel,  die  Erschaffung 
der  Welt  und  der  Sündenfall  des  Menschen,  einander 
darin  ähneln,  daß  sie  Wunder  sind  und  außerhalb 
des    gewöhnlichen   Naturlaufs    stehen;   daß   sie   ein- 

H  u  m  « ,  Untertucbi;.  ttb.  d.  mensohl.  Veratand.  3 


34 


Dritter  Abschnitt 


ander  m  der  Zeit  berühren  sollen;  endlich,  daß  sie 
losgelost  von  allen  anderen  Ereignissen  und  als  die 
einzigen  ursprünglichen  Tatsachen,  welche  die  Offen- 
barung verrät,  auf  einmal  in  die  Augen  fallen  und 
naturgemai3   im   Denken   und   in  der  Einbildung  ein- 
ander   zurückrufen.     Wenn    wir   all   diese   Umstände 
betrachten,   sage  ich,  werden  wir  finden,  daß  diese 
reile  der  Handlung  genügende  Einheit  besitzen,  um 
m   einer  Fabel   oder   Erzählung  zusammengefaßt  zu 
werden.    Hinzufügen  ließe  sich,  daß   die  Empörung 
der   Engel   und   der   Sündenfall   des  Menschen   eine 
eigentümliche  Ähnlichkeit  als  Seitenstücke  zueinander 
besitzen    und   dem   Leser   dieselbe   Lehre  vorhalten 
den  Gehorsam  gegen  unseren  Schöpfer.  ' 

„m  ifi"  w^HK  ^'-^^5  ^T""  Bemerkungen  hingeworfen, 
um  die  Wißbegierde  der  Philosophen  anzuregen  und 
mindestens  die  Vermutung,  wenn  nicht  die  volle  Über- 
zeugung hervorzurufen,  daß  hier  ein  ergiebiger  Stoff 
vorliegt  und  daß  viele  Tätigkeiten  des  menschlichen 
Geistes  von  der  Verknüpfung  oder  Assoziation  der 
Vorstellungen  abhängen,  wie  wir  sie  hier  auseinander- 
gesetzt haben.  Im  besonderen  dürfte  wohl  die  Wechsel- 
wirkung zwischen  Affekten  und  Einbildungskraft  be- 
merkenswert   erscheinen.     Wir    beobachten    nämlich 
daß    die   durch    einen    Gegenstand   ausgelösten    Er- 
regungen sich  leicht  auf  einen  anderen  mit  ihm  ver- 
knüpften übertragen,  dagegen  nur  schwer  oder  über- 
haupt nicht  auf  verschiedene  Gegenstände  überfließen, 
die    m    keiner    Weise    miteinander    verknüpft    sind 
Wenn  ein  urteilsloser  Verfasser  in  ein  Werk  einander 
fremde  Personen   und  Handlungen   einführt,   so  ^ibt 
er  jene  Verkettung  der  Gemütserregungen  auf,  diSch 
die    allem    er    das    Herz   fesselt    und    die    Affekte 
zu    angemessener   Höhe    und    Dauer    erheben    kann, 
bme  vollständige  Erklärung  dieses  Prinzips  und  aller 
seiner  Folgen  würde  uns  in  allzu  tiefe  und  für  diese 
Untersuchung  zu  umfassende  Gedankengänge  führen, 
bs  genügt  für  diesmal,  den  Satz  aufgestellt  zu  haben, 
daß  die  drei  verknüpfenden  Prinzipien  für  alle  Vor- 
stellungen sind:  Die  Beziehungen  der  Ähnlichkeit 
Berührung  und  Verursachung.] 


Vierter  Abschnitt. 

Skeptische  Zweifel  in  betreff  der 
Verstandestätigiceiten. 


Erster  Teil. 

Alle  Gegenstände  der  menschlichen  Vernunft 
und  Forschung  lassen  sich  naturgemäß  in  zwei  Arten 
zerlegen,  nämlich  in  Beziehungen  von  Vorstel- 
lungen und  in  Tatsachen.  Von  der  ersten  Art  sind 
die  Wissenschaften  der  Geometrie,  Algebra  und 
Arithmetik;  und  kurz  gesagt,  jede  Behauptung  von 
entweder  intuitiver  oder  demonstrativer  Gewißheit. 
Daß  das  Quadrat  der  Hypothenuse  gleich  ist 
den  Quadraten  der  beiden  Seiten,  ist  ein  Satz, 
der  eine  Beziehung  zwischen  diesen  Figuren  ausdrückt. 
Daß  dreimal  fünf  gleich  der  Hälfte  von  dreißig 
ist,  drückt  eine  Beziehung  zwischen  diesen  Zahlen 
aus.  Sätze  dieser  Art  sind  durch  die  reine  Tätigkeit 
des  Denkens  zu  entdecken,  ohne  von  irgend  einem 
Dasein  in  der  Welt  abhängig  zu  sein.  Wenn  es  auch 
niemals  einen  Kreis  oder  ein  Dreieck  in  der  Natur 
gegeben  hätte,  so  würden  doch  die  von  Euklid  de- 
monstrierten Wahrheiten  für  immer  ihre  Gewißheit 
und  Evidenz  behalten. 

Tatsachen,  der  zweite  Gegenstand  der  mensch- 
lichen Vernunft  sind  nicht  in  gleicher  Weise  als  ge- 
wiß verbürgt;  ebensowenig  ist  unsere  Evidenz  von  ihrer 
Wahrheit,  wenn  auch  noch  so  stark,  von  der  gleichen 
Art  wie  bei  der  vorhergehenden.  Das  Gegenteil  jeder 
Tatsache  bleibt  immer  möglich,  denn  es  kann  niemals 
einen  Widerspruch  in  sich  schließen  und  wird  vom 
Geist  mit  derselben  Leichtigkeit  und  Deutlichkeit  vor- 


36 


Vierter  Abschnitt. 


gestellt,  als  wenn  es  noch  so  sehr  mit  der  Wirklichkeit 
übereinstimmte.    Daß   die   Sonne   morgen    nicht 

l&näLl'l%  '''  '^\°''=^'  '"'"•^«'  vefständKche 
daß  «^-1  o  f  Widerspruchsvoller,  als  die  Behauptung, 
ImI  ^"^I®^«''  .^ird.  Wir  würden  daher  vef- 
fie  erTm^°<;'.^'"^^^'f '^'^«"  ^"  demonstrieret 
wfders^rncnnf  f  n  ^^^^"b  '.°  «"*^»'«'t«  ^"^  einen 
GeisteTorsteirn     '''"'  '"^'   "'^""^'^   '^«"«'''h  ^'O'» 

Natu?  iplfi**  P  ^i'°  "^^^  Interesses  wert  sein,  die 
iNatur  jener  Evidenz  zu  erforschen,  die  uns  ip^A 
wirkliche  Existenz  und  Tatsache  sfchersteUt    L  Se 

gSn  unfefeT<^Äp."^'«  ^^^  SinnToder  dl' An! 
gaoen   unseres  Gedächtnisses  hinausgehen     E=!   fällt 

^  w^^  ^T'  T«"  d«^  Philosophie^  he?den   AUen 

Iher  möt"„^m^"?^  «^P«'^'  w^den  1st,ninS 
aaner  mögen  unsere  Zweifel  und  Irrtümer  bei  d^r  Vm- 

folgung  einer  so  wichtigen  Untersuchung  um  so  Int" 

öiuu  öügdr  ais  nutzJicü  erzeigen,   wenn  sie  dip  Win« 

sStitÄ",  "LVr^  -Hingte^V'tr.tn'lS 
v»™,;nm"0  ,    -i    ^rstoren,    welches    Gift    für    alle 

Sun^^of  mI  ™?  ^"-^'^  Forschung  ist    üTe  Ä 
von  ihm  "haltener  Brl!f  „^^'"^S^^  J^^   «^wa  ein 


\ 


Skeptische  Zweifei  in  betreff  der  Veratandestätigkeiten.      37 

Maschine,  so  würde  er  schließen,  daß  einst  Menschen 
auf  dieser  Insel  gewesen  sind.  All  unsere  Gedanken- 
gänge, die  Tatsachen  betreffen,  sind  von  derselben  Art. 
Es  wird  hier  beständig  vorausgesetzt,  daß  zwischen  der 
gegenwärtigen  Tatsache  und  der  aus  ihr  abgeleiteten 
eine  Verknüpfung  bestellt.  Wäre  kein  Band  zwischen 
ihnen  vorhanden,  so  wäre  die  Ableitung  völlig 
haltlos.  Eine  in  der  Dunkelheit  vernommene  artiku- 
lierte Stimme  und  vernünftige  Rede  versichern  uns 
der  Gegenwart  irgend  einer  Person.  Und  warum?  weil 
dies  die  Wirkungen  menschlicher  Bildung  und  Beschaf- 
fenheit und  eng  mit  dieser  verknüpft  sind.  Zergliedern 
wir  alle  anderen  Gedankengänge  solcher  Art,  so  werden 
wir  finden,  daß  sie  sich  auf  die  Beziehung  von 
Ursache  und  Wirkung  gründen  und  daß  diese  Be- 
ziehung eine  nahe  oder  entfernte,  eine  direkte  oder 
parallele  ist.  Hitze  und  Helligkeit  sind  Parallel- 
wirkungen des  Feuers,  und  die  eine  Wirkung  kann 
mit  Recht  aus  der  anderen  abgeleitet  werden. 

Wollen  wir  also  eine  befriedigende  Auflärung 
über  die  Natur  jener  Evidenz  erhalten,  die  uns  der  Tat- 
sachen versichert,  so  müssen  wir  untersuchen,  wie  wir 
zur  Kenntnis  von  Ursache  und  Wirkung  gelangen. 

Ich  wage  es  als  einen  allgemeinen  und  aus- 
nahmelosen Satz  hinzustellen,  daß  die  Kenntnis  dieser 
Beziehung  in  keinem  Falle  durch  Denkakte  a  priori 
gewonnen  wird;  sondern  daß  sie  ganz  und  gar  aus 
der  Erfahrung  stammt,  indem  wir  finden,  daß  ge- 
wisse Gegenstände  beständig  in  Zusammenhang  stehen. 
Es  werde  einem  Manne  von  noch  so  starker  natür- 
licher Vernunft  und  Begabung  ein  Gegenstand  vor- 
gelegt —  ist  dieser  ihm  gänzlich  fremd,  so  wird 
er  selbst  bei  der  genauesten  Prüfung  der  sinnlichen 
Eigenschaften  desselben  nicht  imstande  sein,  irgend 
welche  von  seinen  Ursachen  oder  Wirkungen  zu  ent- 
decken. Gesetzt  den  Fall,  Adam  hätte  anfänglich  durch- 
aus vollkommene  Vernunftkräfte  besessen,  so  hätte 
er  doch  aus  der  Flüssigkeit  und  Durchsichtigkeit  des 
Wassers  nicht  herleiten  können,  daß  es  ihn  ersticken, 
noch  aus  der  Helligkeit  und  Wärme  des  Feuers,  daß 
es  ihn  verzehren  würde.  Kein  Gegenstand  enthüllt 
jemals  durch  die  Eigienschaften,   die  den  Sinnen  er- 


38 


Vierter  Abachnitt 


scheinen,  die  Ursachen,  die  ihn  hervorgebracht  haben, 
noch  die  Wirkungen,  die  aus  ihm  entspringen  werden- 
auch  kann  unsere  Vernunft  ohne  Beistand  der  Er- 
fahrung niemals  irgendwelche  Ableitungen  in  bezug 
auf  wirkliches  Dasein  und  Tatsachen  vollziehen 

Dieser  Satz:  daß  Ursachen  und  Wirkungen 
nicht  durch  die  Vernunft,  sondern  durch  die 
liiFfahrung  zu  entdecken  sind,   wird   leicht  für 
solche    Gegenstände   zugegeben    werden,    von    denen 
wir  uns  erinnern,   daß  sie   uns  früher  gänzlich  un- 
bekannt gewesen  sind;  müssen  wir  uns  doch  bewußt 
sein,  daß  wir  damals  völlig  unfähig  waren,  voraus- 
zusagen   was  aus  ihnen  entstehen  werde.    Man  gebe 
einem   Menschen,   der  keinen   Schimmer   von  Natur- 
wissenschaft hat,  zwei  glatte  Marmorstücke;  und  er 
wird    nie    entdecken,    daß   sie    in    einer   Weise   an- 
emander  haften  werden,  die  große  Kraft  erfordert, 
wenn  man  sie  in  senkrechter  Richtung  trennen  will 
wahrend  sie  dem  seitlichen  Druck  nur  geringen  Wider- 
stand entgegensetzen.  Bei  Vorgängen,  die  wenig  Ana- 
loges im  gewöhnlichen  Naturlauf  besitzen,  gibt  man 
ebenfalls  anstandlos  zu,   daß  man  sie  nur  aus   der 
Erfahrung  kennt;  auch  bildet  niemand  sich  ein,  daß 
die  Entladung  des  Schießpulvers  oder  die  Anziehungs- 
kraft eines  Magneten  je  durch  Begründungen  a  priori 
entdeckt  werden  könnte.  Ebenso  sträuben  wir  uns  nicht 
all  unsere  Kenntnis  von  Wirkungen,  deren  Abhänriff- 
keit  von  einem  verwickelten  Getriebe  oder  einem  ver- 
borgenen  Aufbau  der  Teile  angenommen   wird,   der 
Erfahrung  zi^uschreiben.    Wer  wollte  behaupten,  den 
letzten  Grund  dafür  angeben  zu  können,  daß  Milch 

•  u.  *?*  ^^°®  geeignete  Nahrung  für  Menschen,  aber 
nicht  für  Löwen  oder  Tiger  ist? 

Doch  die  gleiche  Wahrheit  scheint  vielleicht  auf 
den  ersten  Blick  nicht  die  gleiche  Evidenz  zu  haben, 
wenn  sie  sich  auf  Ereignisse  bezieht,  die  uns  von 
unserem  ersten  Eintritt  in  die  Welt  an  vertraut  ge- 
worden sind,  die  eine  genaue  Analogie  zu  dem  ganzen 
Naturlauf  zeigen,  und  die  von  den  einfachen  Eigen- 
schaften der  Dmge  abhängen  sollen,  nicht  von  emem 
verborgenen  Aufbau  der  Teüe.  Wir  sind  geneigt,  uns 
einzubilden,  wir  könnten  diese  Wirkungen  ohne  Er- 


Skeptische  Zweifel  in  betreff  der  VerstandestätigkeiteD.      39 

fahrung  durch  reine  Tätigkeit  unserer  Vernunft  ent- 
decken. Wir  meinen,  wenn  wir  plötzlich  in  die  Welt 
gestellt  würden,  so  Mtten  wir  von  Anfang  an  herleiten 
können,  daß  eine  Billardkugel  durch  Stoß  einer 
anderen  Bewegung  mitteilen  würde,  und  daß  wir 
nicht  auf  das  Ereignis  hätten  zu  warten  brauchen,  um 
mit  Gewißheit  darüber  auszusagen.  So  groß  ist  der 
Einfluß  der  Gewohnheit,  daß  da,  wo  sie  am  stärksten 
ist,  sie  nicht  nur  unsere  natürliche  Unwissenheit  ver- 
deckt, sondern  auch  sich  selbst  verbirgt,  und  nur 
deshalb  nicht  da  zu  sein  scheint^  weil  sie  in  höchstem 
Grade  vorhanden  ist. 

Um  uns  aber  zu  überzeugen,  daß  alle  Natur- 
gesetze und  alle  Vorgänge  an  Körpern  ausnahmelos 
nur  durch  Erfahrung  gekannt  werden,  mögen  viel- 
leicht folgende  Überlegungen  genügen.  Wird  uns  ein 
beliebiger  Gegenstand  vorgelegt  und  wir  sollen  die 
von  ihm  ausgehende  Wirkung  angeben,  ohne  frühere 
Beobachtungen  zu  Rate  zu  ziehen  —  auf  welche  Weise, 
in  aller  Welt,  soll  der  Geist  dabei  zu  Werke  gehen? 
Er  muß  sich  ein  Ereignis  erfinden  oder  ausdenken, 
das  er  dem  Gegenstand  als  dessen  Wirkung  zu- 
schreibt; es  ist  aber  klar,  daß  diese  Erfindung  nur 
durchaus  willkürlich  sein  kann.  Der  Geist  kann  un- 
möglich je  die  Wirkung  in  der  angenommenen  Ur- 
sache finden,  selbst  bei  der  genauesten  Untersuchung 
und  Prüfung.  Denn  die  Wirkung  ist  von  der  Ursache 
ganz  und  gar  verschieden  und  kann  folglich  niemals 
in  dieser  entdeckt  werden.  Die  Bewegung  der  zweiten 
Billardkugel  ist  ein  völlig  verschiedenes  Ereignis  von 
der  Bewegung  der  ersten;  auch  ist  in  der  einen  nichts 
enthalten,  das  die  leiseste  Andeutung  der  anderen 
lieferte.  Ein  Stein  oder  ein  Metallstück,  das  in  die 
Luft  erhoben  und  dort  ohne  Stütze  gelassen  wird, 
fällt  sofort  nieder;  betrachten  wir  aber  die  Sache 
a  priori,  läßt  sich  wohl  irgend  etwas  an  dieser  Lage 
entdecken,  das  die  Vorstellung  einer  Bewegung  des 
Steins  oder  Metalls  nach  unten  eher  als  nach  oben 
oder  nach  irgend  einer  anderen  Richtung  erzeugte? 

Und  wie  die  erste  Einbildung  oder  Erfindung 
einer  besonderen  Wirkung  in  allen  Naturvorgängen 
da   willkürlich   bleibt,   wo   wir    nicht  die   Erfahrung 


40 


Vierter  Abschnitt 


befragen,    so   müssen   wir   als   willkürlich   anoh   Ha« 

nnf  P«  nnl-T"?""«^  ?°'^''^"-  <>'«  «ie  zusammenhält 
S  dPr T?^v*'-.  '5?°''*'  ''^^  eine  andere  Wirkung 
ans   der   Tätigkeit  dieser   Ursache   folge.    Sehe   ich 

%..■  «nf  2L»«"^'^°&eJ  «ich  in  gerader"  Linie  gegen 
eine  andere  bewegen  —  selbst  angenommen  di>  r!^ 
Prf K^  <^r  zweiten  Kugel  falle  mir  rS  a k  da^ 
Ergebnis  der  Berührung  oder  des  Stoßes  e  n  -  kan„ 

TTr«,!^''  einem  Wort,  j^e  Wirkung  ist  ein  von  ihrer 
Ursache  versch  edenes  Ereie-ni«    %ic  V,i»  j  1.      • 
der  Ursache  nicht  entdeckt^erden    td  was  man 

hanffmit  /«?  n""*  2«^°""^°'  "»"^  i^^^  ZusammeT 
Sich  jemals  aneemaiBt  hat   /im  Uf^T    "       i  ^^°   ^®*' 


Skeptische  Zweifel  in  betreff  der  Verstandestätigkeiten.      41 

welche  die  Naturerscheinungen  erzeugen,  einfacher 
zu  gestalten  und  die  vielen  einzelnen  Wirkungen  durch 
Denkakte  auf  Grund  von  Analogie,  Erfahrung  und  Be- 
obachtung in  einige  wenige  allgemeine  Ursachen  ein- 
münden zu  lassen.  Aber  die  Ursachen  dieser  all- 
gemeinen Ursachen  würden  wir  vergeblich  zu  entdecken 
suchen,  und  wir  werden  auch  niemals  imstande  sein,  in 
irgend  einer  bestimmten  Erklärung  derselben  Befriedi- 
gung zu  finden.  Diese  letzten  Grundkräfte  und  Prin- 
zipien sind  ganz  und  gar  der  menschlichen  Wißbe- 
gierde und  Forschung  verschlossen.  Elastizität,  Schwer- 
kraft, Kohäsion  der  Teile,  Mitteilung  der  Bewegung 
durch  Stoß:  dies  sind  wahrscheinlich  die  letzten  Ur- 
sachen und  Prinzipien,  die  wir  jemals  in  der  Natur  ent- 
decken werden;  wir  können  uns  noch  glücklich  genug 
schätzen,  wenn  wir  durch  sorgfältige  Untersuchung  und 
Vernunfttätigkeit  die  besonderen  Erscheinungen  bis 
oder  nahe  bis  auf  diese  allgemeinen  Prinzipien  zurück- 
führen können.  Die  vollkommenste  Naturwissenschaft 
schiebt  nur  unsere  Unwissenheit  ein  wenig  weiter  zurück, 
wie  vielleicht  die  vollkommenste  Geisteswissenschaft 
nur  dazu  dient,  weitere  Gebiete  unserer  Unwissenheit 
aufzudecken.  So  ist  die  Betrachtung  der  menschlichen 
Blindheit  und  Schwäche  das  Ergebnis  aller  Philosophie 
und  begegnet  uns  bei  jeder  Wendung,  trotz  all  unserer 
Versuche,  sie  zu  umgehen  oder  zu  vermeiden. 

Ebensowenig  ist  die  Geometrie,  wenn  die  Natur- 
wissenschaft sie  zu  Hilfe  nimmt,  jemals  imstande, 
diesem  Mangel  abzuhelfen,  oder  uns  zur  Kenntnis 
letzter  Ursachen  zu  führen,  trotz  aller  Genauigkeit 
in  ihrem  Gedankengang,  die  man  mit  Recht  von  ihr 
rühmt  Jeder  Teil  der  angewandten  Mathematik  geht 
von  der  Annahme  aus,  daß  die  Natur  ihren  Vorgängen 
gewisse  Gesetze  zugrunde  legt;  und  abstrakte  Gedanken- 
gänge werden  nur  herangezogen,  um  die  Erfahrung 
bei  der  Entdeckung  dieser  Gesetze  zu  unterstützen, 
oder  deren  Einfluß  in  besonderen  Fällen,  in  denen  es 
auf  genaue  Grade  der  Entfernung  oder  Maße  ankommt, 
zu  bestimmen.  So  ist  es  ein  durch  Erfahrung  entdecktes 
Bewegungsgesetz,  daß  das  Moment  oder  die  Kraft  eines 
bewegten  Körpers  in  geradem  Verhältnis  proportional 
ist  zum  Produkt  aus  der  Masse  in  die  Geschwindigkeit 


•X 


l[- 


43 


Vierter  AbBohoitt. 


•II 


und   folglich,    daß   eine   geringe    Kraft   das  größte 
Hindernis  forträumen  oder  das  größte  Gewicht  heben 
kann,  wenn  durch  irgend  eine  Einrichtung  oder  ein 
Getriebe  wir  die  Schnelligkeit  dieser   Kraft  so  weit 
verstärken    daß  sie  die  Übermacht  über  ihre  Gegen- 
kraft   erhält    Die  Geometrie  hilft   uns  bei  der  An- 
wendung dieses  Gesetzes,  durch  Angabe  der  richtigen 
Großenverhaltnisse  aller  Teüe  und  Formen,  die  in  einer 
beliebigen  Maschme  verwendet  werden  können;  doch 
die  Entdeckung    des  Gesetzes    selbst   verdankt    man 
allem  der  Erfahrung,   und  alle  abstrakten  Denkakte 
der  Welt  konnten  uns  auch  keinen  Schritt  diesem  Wissen 
naherbnngen.   Wenn  wir  a  priori  Denkakte  vollziehen 
und  einen  Gegenstand  oder  eine  Ursache  rein,  wie  sie 
dem  Geist  erscheint,  betrachten,  unabhängig  von  aller 
Beobachtung,     dann    könnte    sie    uns    niemals    den 
Begriff  eines  so  unterschiedenen   Gegenstandes,  wie 
es   ihre   Wirkung   ist,   nahelegen;   viel  weniger,   uns 
die    untrennbare     und    unverletzliche    Verknüpfung 
zwischen  ihnen  anzeigen.  Es  müßte  ein  höchst  scharf- 
sinniger  Mensch    sein,    der    durch    Vernunfttätiffkeit 
allem  enWecken  könnte,  daß  Kristalle  die  Wirkung  der 
Hitze  und  Eis  die  Wirkung  der  Kälte  seien,  w?^  er 
nicht  vorher  mit  der  Wirksamkeit  dieser  Eigenschaften 
vertraut  war.  ^ 


Zweiter  Teil. 

ur.J^^^^  ^^^^'^  7'^  "^^^^  ^®''^®  befriedigende  Ant- 
7^lLf  ^^^?*/?^geworfenen  Frage  gewonnen.  Jede 
Losung  erweckt  eine  neue  Frage,  die  ebenso  schwierig 

7r!J'^  Ä^^^^^?  '^i  """^  ^°^  ^"  weiteren  Forschungen 
treibt    Auf  die   Frage:   was   ist   das   Wesen   all 

.?w  ?$•  ^^\^,?^*^  i°  betreff  von  Tatsachen 
scheint  die  richtige  Aiitwort  zu  sein,  daß  sie  sich  auf 
die  Beziehung  von  Ursache  und  Wirkung  eründen 
Auf  die  weitere  Frage:  was  ist  die  Grundlage  aH 
unserer  Denkakte  und  Schlüsse  in  betreff 
dieser  Beziehung,  kann  man  mit  einem  Wort 
erwidern:  Erfahrung.    Treibt  uns  aber  die  Neigun? 


Skeptiach©  Zweifel  in  betreff  der  VersUndeetfttigkeiten.      43 

noch  feiner  zu  zergliedern  und  zu  fragen:  was  ist 
die  Grundlage  aller  Schlüsse  aus  der  Er- 
fahrung, so  schließt  dies  eine  neue  Frage  ein, 
deren  Lösung  und  Erklärung  schwieriger  sein  dürfte. 
Philosophen,  welche  die  Miene  höherer  Weisheit 
und  Zuständigkeit  aufsetzen,  haben  schweren  Stand, 
wenn  sie  fragedurstigen  Leuten  begegnen,  die  sie 
aus  jedem  Schlupfwinkel  vertreiben  und  schließlich 
sicher  in  ein  gefährliches  Dilemma  bringen.  Der 
beste  Ausweg,  diese  Beschämung  zu  vermeiden,  ist 
der,  bescheiden  in  unseren  Ansprüchen  zu  sein  und  lieber 
selbst  die  Schwierigkeit  zu  entdecken,  ehe  sie  uns 
vorgehalten  wird.  Auf  diese  Weise  können  wir  sogar 
aus   unserer   Unwissenheit   eine    Art    von   Verdienst 

machen. 

Ich  werde  mich  in  diesem  Abschnitt  mit  einer 
leichten  Aufgabe  begnügen  und  nur  eine  verneinende 
Antwort  auf  die  hier  gestellte  Frage  zu  geben  be- 
anspruchen. Ich  behaupte  also,  daß,  selbst  nachdem 
wir  den  Ablauf  von  Ursache  und  Wirkung  erfahren 
haben,  unsere  Schlüsse  aus  dieser  Erfahrung  nicht 
auf  einem  Denkakt  orfer  sonst  irgend  emem  Ver- 
standesvorgang beruhen.  Diese  Antwort  müssen  wir 
zu  erklären  und  zu  verteidigen  versuchen. 

Es  muß  sicherlich  eingeräumt  werden,  daß  die 
Natur  uns  in  großem  Abstand  von  all  ihren  Ge- 
heimnissen hält  und  uns  nur  die  Kenntnis  weniger 
oberflächlicher  Eigenschaften  der  Dinge  ermöglicht, 
während  sie  jene  Kräfte  und  Prinzipien  vor  uns 
verbirgt,  von  denen  allein  der  Einfluß  abhängt, 
den  diese  Dinge  ausüben.  Unsere  Sinne  belehren 
uns  über  Farbe,  Gewicht  und  Festigkeit  des  Brotes; 
aber  weder  Sinne  noch  Vernunft  können  uns  je  über 
jene  Eigenschaften  belehren,  die  es  für  die  Ernährung 
und  Erhaltung  geeignet  machen.  Das  Gesicht  oder 
Getast  vermittelt  eine  Vorstellung  von  der  augen- 
blicklichen Bewegung  der  Körper;  aber  von  der 
wunderbaren  Kraft  oder  Macht,  die  einen  sich  be- 
wegenden Körper  ewig  in  dauerndem  Ortswechsel  er- 
halten würde  und  die  ein  Körper  nur  durch  Mitteilung 
an  andere  verliert  —  von  ihr  können  wir  uns  nicht 
das  blasseste  Vorstellungsbild  machen.    Doch  unge- 


» 


44 


Viertor  Abfchoitt. 


achtet  diese  Unwissenheit  über  die  natürlichen  Kräfte  M 
und  Fnnzipien  setzen  wir  immer  dort,  wo  wir  gleiche 
Eigenschaften  bemerken,  gleiche  geheime  Kräfte  vor- 
aus und  erwarten  den  Eintritt  von  Wirkungen  aus  ilinen 
die  den  früher  erfahrenen   gleichen.    Wird   uns  ein 
Korper   von  gleicher  Farbe  und   Beschaffenheit  wie 
die  des  früher  gegessenen  Brotes  vorgelegt  so  wieder- 
holen wir  ohne  Bedenken  diese  Erfahrung  und  erwarten 
mit  Gewißheit  gleiche  Nahrung  und  Kräftigung.  Dieser 
Fortschritt  im  Geist  oder  im  Denken  ist  es,  von  dem 
ich    gern    die  Grundlage    kennen    möchte.     Allseiti<r 
räumt  man  ein,  daß  es  keine  bekannte  Verknüpfung 
gibt  zwischen  den  sinnlichen  Eigenschaften  und  den 
geheimen  Kräften,   und  daß  folglich  der  Geist  nicht 
durch  etwas,  das  ihm  von  deren  Natur  bekannt  wäre 
zu  emem  solchen  Schluß  über  ihren  dauernden  und 
regelmäßigen  Zusammenhang  geführt  wird.    Was  die 
vergangene   Erfahrung  betrifft,   so  kann   nur  ein- 
geräumt   werden,    daß    sie    uns  unmittelbare  und 
gewisse  Belehrung  über  jene  ganz  bestimmten  Gegen- 
stände und  jenen  ganz  bestimmten  Zeitpunkt  bietet, 
die  zu  ihrer  Kenntnisnahme  gelangten.    Aber  warum 
Ä  ^"^^^"?^  ^5^  die  Zukunft  ausgedehnt  werden 
sollte  und  auf  andere  Gegenstände,    die,   soviel  wir 
wissen   können,   nur  in  der   Erscheinung  gleichartig 

r^Z^Z'^'i^''  ^l'\''\  ^'^-  Hauptfrage,  die^ich  betonen 
mochte    Das  Brot,  das  ich  früher  gegessen,  ernährte 

Fi^P%  w.^'^^*'   ^^"  .^^^^^  ^^°  sofcherkShen 
Eigenschaften  war  zu  jener  Zeit  mit  solchen  geheimen 

Kräften  begabt.   Folgt  aber  daraus,  daß  andfres  Brot 

gleiche  sinnliche  Eigenschaften  immer  voi  gleichen 
geheimen  Kräften  begleitet  sem  müssen?  Diese  Folge 
rung  schemt  keineswegs  notwendig.  Wenigstens  muß 
man  anerkennen,  daß  hier  eine  vom  Geist  gezogene 
Folgerung  vorliegt,  daß  hier  ein  bestimmter  Schritt 
getan  wird:  em  Fortgang  im  Denken  und  eine  Ab- 

')  Das  Wort  Kraft  ist  hier  in  weitem  und  gewöhnlichem 
Sinne  gebraucht  Seine  genauere  ErklärungTürdrS 
St  T'^^m-''"'^  einleuchtender  machen^  sLhe  Ab! 
schnitt  7.     (Diese  Anmerkung  kam  in  Ausgabe  F  hinzu.) 


•7J 


Skeptische  Zweifel  in  betreff  der  Verstandestätigkeiten.      4,5 

leitung,  die  der  Erklärung  bedarf.  Die  zwei  Sätze 
sind  weit  davon  entfernt,  dasselbe  auszusagen:  ich 
habe  gefunden,  daß  ein  solcher  Gegenstand 
immer  von  einer  solchen  Wirkung  begleitet 
gewesen  ist,  und:  ich  sehe  voraus,  daß  andere 
Gegenstände,  die  in  der  Erscheinung  gleich- 
artig sind,  von  gleichartigen  Wirkungen  be- 
gleitet sein  werden.  Ich  will  gern  zugeben,  daß 
der  eine  Satz  mit  Recht  aus  dem  anderen  abgeleitet 
werden  kann;  ich  weiß  sogar,  daß  er  immer  so  ab- 
geleitet wird.  Betont  man  aber,  daß  diese  Ableitung 
durch  eine  Kette  von  Denkakten  gewonnen  wird,  so 
bitte  ich  mir  diese  Denkakte  aufzuzeigen.  Die  Ver- 
knüpfung zwischen  diesen  Sätzen  ist  nicht  intuitiver 
Art;  es  bedarf  eines  Mittelgliedes,  das  den  Geist  be- 
fähigt, solche  Ableitung  zu  vollziehen,  wenn  sie  in  der 
Tat  durch  Gedankengänge  und  durch  Begründung  voll- 
zogen sein  sollte.  Welcher  Art  dieses  Mittelglied  ist, 
das  übersteigt,  gestehe  ich,  mein  Verständnis;  und  es 
liegt  jenen  ob,  es  aufzuweisen,  die  behaupten,  daß  es 
wirklich  bestehe  und  der  Ursprung  unserer  Schluß- 
folgerungen in  bezug  auf  Tatsachen  sei. 

Diese  negative  Begründung  muß  sicherlich  im 
Verlauf  der  Zeit  völlig  überzeugen,  wenn  recht  viele 
scharfsinnige  und  fähige  Philosophen  ihre  Forschungen 
in  diese  Bahnen  lenkten  und  doch  keiner  je  im- 
stande wäre,  irgend  einen  verknüpfenden  Satz  oder 
vermittelnden  Schritt  zu  entdecken,  der  den  Ver- 
stand bei  dieser  Schlußfolgerung  unterstützt  Aber 
da  die  Fragestellung  noch  neu  ist,  vertraut  vielleicht 
nicht  jeder  Leser  seinem  eigenen  Scharfsinn  so  weit, 
daß  er  den  Schluß  wagte:  eine  Begründung  existiere 
deshalb  nicht  wirklich,  weil  sie  sich  seiner  Nach- 
forschung entzieht.  Aus  diesem  Grunde  ist  es  wohl 
erforderlich,  eine  schwierigere  Aufgabe  in  Angriff 
zu  nehmen  und  durch  Aufzählung  aller  Zweige  des 
menschlichen  Wissens  den  Nachweis  zu  versuchen, 
daß  keiner  von  ihnen  eine  solche  Begründung 
liefern  kann. 

Alle  Denkakte  lassen  sich  in  zwei  Arten  ein- 
teilen, nämlich  in  demonstrative  Denkakte,  d.  h.  solche, 
die    Beziehungen    zwischen   Vorstellungen    betreffen, 


*    ''n 


>" 


46 


Vierter  Abschnitt. 


und  moralisch-gewisse  1)  Denkakte,  d  h.   solche,  die 
latsachen    und   Dasein   betreffen.     Daß     keine    de- 
monstrativen   Begründungen    in    unserem    Fall    vor- 
handen  smd,    erscheint   einleuchtend;   denn    es   liefft 
kein  Widerspruch  darin,  dajQ  der  Naturlauf  wechsle 
1'  i..  ^.  ®^°.   Gegenstand,    der    anscheinend   Dingen 
gleicht,  die  wir  durch  Erfahrung  kennen  gelernt  haben 
von  andersartigen   oder  widerstreitenden   Wirkungen 
begleitet  sei.    Kann  ich  mir  nicht  klar  und  deutlich 
vorstellen    daß  ein  Körper,  der  aus  den  Wolken  fällt 
und  m  jeder  anderen  Hinsicht  dem  Schnee  ähnlich  ist 
doch  wie  Salz  schmeckt  oder  sich  wie  Feuer  anfühlt? 
(xibt  es  einen  verständlicheren  Satz  als  die  Behaup- 
tung, daß  alle  Bäume  im  Dezember  und  Januar  blühen 
und  im  Mai  und  Juni  welken  werden?    Nun  enthält 
\  n   ^?3„7?8  verständlich  ist  und  sich  deutlich  vor- 
stellen laßt,  kemea  Widerspruch  und  kann  durch  keiner- 
lei  demonstrative   Begründung   oder   abstrakten   Ge- 
dankengang a  priori  je  als  falsch  bewiesen  werden. 
Werden   wir   also   durch    Begründungen    veran- 
laßt,  vergangener  Erfahrung  zu  vertrauen   und  sie 
zum  Maßstab  unserer  künftigen  Urteile  zu  nehmen, 
so  können  diese  Begründungen  nur  wahrscheinliche 

Tkfiri«  !f'°'.T??^^^  °^^^  der  obigen  Einteilung 
Tatsachen  und  wirkliches  Dasein  betreffen.  Daß  es 
aber  eine  solche  Begründung  hier  nicht  gibt  muß 
emleuchten  wenn  unsere  Erklärung  dieser  Art  von 
Vernunfttatigkeit  als  zuverlässig  und  befriedigend  an- 
gesehen wird.  Wir  sagten,  daß  alle  Begründungen 
die  das  Dasein  betreffen,  auf  der  Beziehung  von  Ur- 
sache und  Wirkung  beruhen,  daß  unsere  Kenntnis 
dieser  Beziehung  einzig  aus  der  Erfahrung  herge- 
leitet wird  und  daß  endlich  alle  unsere  Erfahrunls^ 
Ä?f  ""^f  i^^  Voraussetzung  ausgehen,  daß  die 
Zukunft  mit  der  Vergangenheit  gleichförmig  sein 
werde.  Wer  den  Beweis  dieser  letzteren  Vorauf 
Sf  ^T?  wahrscheinliche  Gründe,  d.  h.  durch 
Grunde,  welche  das  Dasein  betreffen,  zu  führen  ver- 
^^^H    muß   sich   ersichtlich   im   Kreise   drehen   und 

.cheinLt.^"'^*^' ^  ^**  ^  "*^**'  d*'-  Z°»at.:    odT    wahr- 


m,i^  'VcJiZ 


Skeptische  Zweifel  in  betreff  der  Verstandestätigkeiteu.     47 

das  für  zugestanden  nehmen,  was  gerade  der  in  Frage 
stehende  Punkt  ist. 

In  Wirklichkeit  beruhen  alle   Erfahrungsbegrün- 
dungen auf  der   Gleichartigkeit,   die   wir  unter  den 
Naturgegenständen  entdecken  und  die  uns  dazu  führt, 
Wirkungen  von  gleicher  Art  zu   erwarten  wie  jene, 
die  wir  als  Folge  solcher   Gegenstände  angetroffet 
haben.    Zwar  wird  nur  ein  Narr  oder  Wahnsinniger 
je  das  Ansehen  der  Erfahrung  bestreiten  oder  diesen 
großen   Führer   durch  das   Menschenleben    abweisen 
wollen.     Ein  Philosoph  aber  wird  doch  soviel  Wiß- 
begierde  haben  dürfen,  wenigstens  das  Prinzip  der 
menschlichen    Natur    zu   untersuchen,    das    der    Er- 
fahrung  dieses  mächtige  Ansehen  verleiht   und  uns 
aus   jener   Gleichartigkeit,    die   von    Natur   zwischen 
verschiedenen   Gegenständen   besteht,   Vorteil   ziehen 
läßt   Von  Ursachen,  welche  gleichartig  erscheinen, 
eiwarten  wir  gleichartige  Wirkungen.    Dies  ist  die 
Summe  all  unserer  Erfahrungsschlüsse.   Nun  leuchtet 
es  wohl  ein,   daß  dieser   Schluß,   wäre  er  von  der 
Vernunft  gebildet,  gleich  zu  Anfang  und  auf  Grund 
eines  Falles  ebenso  vollkommen  gültig   sein  würde, 
wie  nach  einer  noch  so  langen  Reihe  von  Erfahrungen. 
Aber  die  Sache  liegt  ganz  anders.    Was  ist  einander 
so   ähnlich  wie  Eier?    Und   doch   erwartet  niemand 
dieser   scheinbaren   Gleichartigkeit  wegen   von   allen 
denselben   Geschmack   und  Genuß.    Nur   nach  einer 
langen     Reihe     gleichförmiger     Erfahrungstatsachen 
irgendwelcher  Art  erreichen  wir  feste  Zuversicht  und 
Sicherheit  über  ein  bestimmtes  Ereignis.    Wo  gibt  es 
in  der  Vernunfttätigkeit  ein  solches  Vorgehen,  das 
aus  einem  Fall  einen  ganz  anderen  Schluß  zieht,  als 
aus  hundert   Fällen,   die   sich  in  keiner  Weise  von 
jenem  einzelnen  unterscheiden?     Diese  Frage    stelle 
ich  ebenso  um  der  Belehrung  willen,  wie  in  der  Ab- 
sicht, Schwierigkeiten  hervorzuheben.    Ich  kann  einen 
solchen  Denkakt  nicht  auffinden,  nicht  ersinnen;  aber 
ich   halte   meinen   Geist   noch  der   Belehrung   offen, 
wenn  irgendwer  sie  mir  gütig  gewähren  will. 

Sollte  jemand  sagen,  aus  einer  Anzahl  gleich- 
förmiger Erfahrungsfälle  leiteten  wir  eine  Ver- 
knüpfung zwischen  den  sinnlichen  Eigenschaften  und 


.'['' 


48 


Vierter  Abschilitt. 


I     i 


den  geheimen  Kräften  ab;  so  muß  ich  gestehen,  daß 
mir  dies  die  gleiche  Schwierigkeit,  nur  anders  aus- 
gedrückt, zu  sein  scheint  Immer  kehrt  die  Frage 
wieder:  auf  welchem  Begründungsverlauf  beruht  diese 
Ableitung?  Wo  ist  das  Mittelglied,  die  Zwischen- 
vorstellungen, die  so  sehr  weit  voneinander  ge- 
trennte Sätze  verbinden?  Man  gibt  zu,  daß  die  Farbe, 
Festigkeit  und  andere  sinnliche  Eigenschaften  des 
Brotes  an  sich  selbst  gar  keine  Verknüpfung  mit  den 
geheimen  Kräften  der  Ernährung  und  Erhaltung  haben. 
Denn  sonst  könnten  wir  diese  geheimen  Kräfte  aus 
der  ersten  Erscheinung  dieser  sinnlichen  Eigen- 
schaften, ohne  die  Hilfe  der  Erfahrung  ableiten,  gegen 
die  Ansicht  aller  Philosophen  und  gegen  den  ein- 
fachen Tatbestand.  Hier  zeigt  sich  denn  unser  natür- 
licher Zustand  der  Unwissenheit  in  Hinsicht  auf  die 
Kräfte  und  Einwirkungen  aller  Gegenstände.  Wie 
hilft  die  Erfahrung  dem  ab?  Sie  zeigt  uns  nur  eine 
Anzahl  gleichförmiger  Wirkungen,  die  sich  aus  gewissen 
Gegenständen  ergeben,  und  lehrt  uns,  daß  diese  be- 
stimmten Gegenstände  zu  dieser  bestimmten  Zeit  mit 
solchen  Kräften  und  Vermögen  begabt  waren.  Zeigt 
sich  ein  neuer  Gegenstand,  mit  gleichartigen  sinnlichen 
Eigenschaften  begabt,  so  erwarten  wir  gleichartige 
Kräfte  und  Vermögen  und  sind  einer  gleichen  Wir- 
kung gewärtig.  Von  einem  Körper,  der  die  gleiche 
Farbe  und  Festigkeit  wie  das  Brot  besitzt,  erwarten 
wir  die  gleiche  Ernährung  und  Erhaltung.  Dies  ist 
doch  sicherlich  ein  Schritt  oder  ein  Fortgang  im  Geiste, 
der  einer  Erklärung  bedarf.  Wenn  jemand  sagt:  ich 
habe  in  allen  vergangenen  Fällen  solche  sinn- 
lichen Eigenschaften  mit  solchen  geheimen 
Kräften  in  Zusammenhang  gefunden;  und  wenn 
er  sagt:  gleichartige  sinnliche  Eigenschaften 
werden  immer  mit  gleichartigen  geheimen 
Kräften  in  Zusammenhang  stehen,  so  macht  er 
sich  keiner  Tautologie  schuldig,  und  diese  Sätze  sind 
auch  in  keiner  Hinsicht  dasselbe.  Man  wird  sagen, 
der  eine  Satz  ist  vom  anderen  abgeleitet.  Aber  es 
muß  doch  zugegeben  werden,  daß  die  Ableitung  nicht 
intuitiver  Art  ist;  aber  demonstrativ  ist  sie  auch  nicht; 
welcher  Art  ist  sie  also?   Die  Behauptung,  sie  stamme 


Skeptische  Zweifel  in  betreff  der  Verstandeetätigkeiten.     49 

aus  Erfahrung,  setzt  voraus,  was  in  Frage  steht. 
Denn  alle  Ableitung  aus  Erfahrung  setzt  als  ihre 
Grundlage  voraus,  daß  die  Zukunft  der  Vergangenheit 
ähnlich  sein  wird,  und  daß  gleichartige  Kräfte  mit 
gleichartigen  sinnlichen  Eigenschaften  zusammen- 
hängen werden.  Schöpfte  man  irgendwie  Verdacht, 
daß  der  Naturlauf  sich  ändern  könne  und  daß  in  der 
Vergangenheit  nicht  die  Regel  für  die  Zukunft  ent- 
halten sei,  so  würde  jede  Erfahrung  nutzlos  und  könnte 
zu  keinem  Ableiten  oder  Schließen  Veranlassung 
geben.  Daher  ist  es  unmöglich,  daß  irgendwelche 
Erfahrungsbegründungen  diese  Ähnlichkeit  der  Ver- 
gangenheit mit  der  Zukunft  belegen  können,  denn 
all  diese  Begründungen  beruhen  ja  auf  der  Voraus- 
setzung dieser  Ähnlichkeit.  Mag  der  Lauf  der  Dinge 
bisher  noch  so  regelmäßig  gewesen  sein  —  das  allein, 
ohne  eine  neue  Begründung  oder  Ableitung,  beweist 
nicht,  daß  es  in  Zukunft  so  bleiben  muß.  Vergeblich 
behauptet  man,  die  Natur  der  Körper  aus  vergangener 
Erfahrung  kennen  gelernt  zu  haben.  Ihre  verborgene 
Natur  und  folglich  alle  ihre  Wirkungen  und  Äuße- 
rungen können  wechseln,  ohne  jeden  Wechsel  in 
ihren  sinnlichen  Eigenschaften.  Das  trifft  manchmal 
und  für  manche  Gegenstände  zu;  warum  sollte  es 
nicht  immer  und  für  alle  Gegenstände  zutreffen? 
Welche  Logik,  welches  Verfahren  der  Begründung 
sichert  uns  gegen  diese  Annahme?  Mein  Handeln, 
sagt  man,  widerlegt  meine  Zweifel.  Aber  dies  heißt 
die  Absicht  meiner  Frage  verkennen.  Als  Handelnder 
bin  ich  über  den  Punkt  vollständig  im  reinen,  aber 
als  Philosoph,  der  einige  Wißbegierde,  um  nicht  zu 
sagen  Zweifelsucht,  sein  eigen  nennt,  wünsche  ich 
die  Grundlage  dieser  Ableitung  kennen  zu  lernen. 
Kein  Studium,  keine  Forschung  hat  bisher  mir  die 
Schwierigkeit  beheben  oder  mich  in  einer  so  wich- 
tigen Sache  befriedigen  können.  Was  kann  ich 
besseres  tun,  als  die  Schwierigkeit  der  Öffentlichkeit 
vorzulegen,  wenn  ich  auch  vielleicht  geringe  Hoff- 
nung auf  eine  Lösung  hege?  Wir  werden  auf  diese 
Weise  wenigstens  unserer  Unwissenheit  inne,  wenn 
wir  unser  Wissen  auch  nicht  vermehren. 

Ich  gebe  zu,  daß  jeder  sich  unverzeihlicher  An- 

Huma  ,  Unteraachg.üb.d.meniiohl.  Ventand.  4 


50 


Vierter  Abschnitt. 


II 


' 


maßung  schuldig  macht,  der  den  Schluß  zieht:  weil 
eine  Begründung  sich  seiner  eigenen  Nachforschung 
entzogen  hat,  deshalb  gebe  es  sie  auch  wirklich  nicht. 
Ich  gebe  ferner  zu:  wenn  sich  auch  alle  Gelehrten 
durch  mehrere  Zeitalter  fruchtlos  mit  der  Ergründung 
eines  Problems  abgegeben  haben,  so  ist  es  doch 
vielleicht  voreilig,  bestimmt  zu  schließen,  daß  das 
Problem  deshalb  alle  menschliche  Fassungskraft  über- 
steigen müsse.  Selbst  wenn  wir  alle  Quellen  unseres 
Wissens  prüfen  und  sie  für  ein  solches  Problem  un- 
geeignet befinden,  kann  immer  noch  der  Verdacht 
bleiben,  daß  die  Aufzählung  nicht  vollständig  oder  die 
Untersuchung  nicht  genau  gewesen  seL  Gerade  für 
unser  gegenwärtiges  Problem  bieten  sich  aber  einige 
Erwägungen,  die  diesen  Vorwurf  der  Anmaßung  sowie 
den  Verdacht  eines  Irrtums  ganz  zu  beseitigen 
scheinen. 

Es  ist  gewiß,  daß  ganz  unwissende  und  stumpfe 
Bauern,  ja  kleine  Kinder,  ja  selbst  die  unvernünftigen 
Tiere  durch  Erfahrung  klüger  werden  und  die  Eigen- 
schaften der  natürlichen  Dinge  durch  Beobachtung 
der  von  ihnen  ausgehenden  Wirkungen  kennen  lernen. 
Ein  Kind,  das  die  Wahrnehmung  des  Schmerzes  bei 
Berührung  einer  Kerzenflamme  gemacht  hat,  wird 
sich  hüten,  je  seine  Hand  einer  Kerze  zu  nähern, 
denn  es  wird  eine  gleichartige  Wirkung  von  einer 
Ursache  gleichartiger  sinnlicher  Beschaffenheit  und 
Erscheinung  erwarten.  Behauptet  also  jemand,  daß 
der  kindliche  Verstand  zu  diesem  Schluß  durch  irgend 
ein  Verfahren  der  Begründung  oder  eine  Vemunft- 
erwägung  geführt  sei,  so  darf  ich  mit  Recht  von 
ihm  fordern,  diese  Begründung  beizubringen;  und 
er  hat  auch  keinen  Vorwand,  ein  so  billiges  Verlangen 
abzuschlagen.  Er  kann  nicht  sagen,  daß  die  Be- 
gründung schwer  zu  führen  ist  und  sich  vielleicht 
seiner  Nachforschung  entzieht,  denn  er  gibt  zu,  daß 
dieselbe  der  geringen  Fähigkait  eines  Kindes  zugäng- 
lich ist.  Zögert  er  also  nur  einen  Augenblick  oder 
bringt  er  nach  Überlegung  eine  verwickelte  oder 
tiefsinnige  Begründung  vor,  so  gibt  er  gewissermaßen 
die  Sache  verloren  und  gesteht  ein,  daß  nicht  Ver- 
nunfttätigkeit   uns    zu   der    Annahme    bestimme,    die 


mim 


Skeptische  Zweifei  in  betreif  der  Verstandestfttigkeiten.     51 

Vergangenheit  habe  Ähnlichkeit  mit  der  Zukunft, 
und  zu  der  Erwartung  gleichartiger  Wirkungen  von 
anscheinend  gleichartigen  Ursachen.  Das  ist  der  Satz, 
den  ich  im  vorliegenden  Abschnitt  zur  Anerkennung 
bringen  wollte.  Habe  ich  recht,  so  will  ich  damit  nicht 
behaupten,  eine  großartige  Entdeckung  gemacht  zu 
haben.  Habe  ich  aber  unrecht,  so  muß  ich  in  der  Tat 
in  der  Gelehrsamkeit  arg  zurückgeblieben  sein  —  da 
ich  noch  jetzt  eine  Begründung  nicht  entdecken  kann, 
die  mir  anscheinend  durchaus  vertraut  war,  lang  ehe 
ich  die  Wiege  verließ. 


4» 


'I? 


JS^-^-: 


Skeptisch«  Lösung  dieser  Zweifel. 


53 


Fünfter  Abschnitt. 

Skeptische  Lösung  dieser  Zweifel« 


Erster  TeiK 

Der  philosophische  Eifer,  ebenso  wie  der  religiöse, 
scheint  die  eine  Unzuträglichkeit  nach  sich  zu  ziehen: 
daß  er  trotz  seines  Strebens  nach  Verbesserung  unserer 
Sitten  und  Ausrottung  unserer  Laster  durch  unvor- 
sichtige Handhabung  leicht  eine  herrschende  Vorliebe 
großzuziehen  dient  und  den  Geist  mit  heftigerer  Ent- 
schiedenheit gerade  nach  der  Seite  drängt,  die  schon 
zu  viel  Anziehung  durch  das  Übergewicht  und  den 
Hang  des  natürlichen  Temperaments  ausübt.  Gewiß 
kann  unsere  Philosophie,  während  wir  der  groß- 
herzigen Seelenstärke  des  philosophischen  Weisen 
nachstreben  und  unsere  Genüsse  ausschließlich  auf 
die  geistigen  zu  beschränken  suchen,  am  Ende  der 
Epiktets  und  anderer  Stoiker  gleich  werden,  nämlich 
nur  ein  verfeinertes  System  der  Selbstsucht,  und 
wir  vernünfteln  uns  ebenso  aus  aller  Tugend  wie 
aus  allen  geselligen  Freuden  heraus.  Während  wir 
aufmerksam  die  Eitelkeit  des  menschlichen  Lebens 
beobachten  und  alle  Gedanken  auf  die  leere  und  ver- 
gängliche Natur  von  Reichtum  und  Ehren  richten, 
schmeicheln  ^ir  vielleicht  dabei  nur  unserer  natür- 
lichen Trägheit,  die  aus  Haß  auf  das  unruhige  Treiben 
der  Welt  und  die  Mühen  der  Geschäfte  einen  Ver- 
nunftvorwand sucht,  um  sich  ganz  und  unbeschränkt 
gehen  zu  lassen. 

Eine  Art  der  Philosophie  scheint  indessen  dieser 
Unzuträglichkeit  weniger  unterworfen,  und  zwar  des- 
halb,   weil    sie    mit    keinem    herrischen    Affekt   des 


menschlichen  Geistes  zusammentrifft  und  mit  keiner 
natürlichen  Neigung  oder  Liebhaberei  verschmelzen 
kann;  das  ist  die  akademische  oder  skeptische 
Philosophie.  Die  Akademiker  reden  immerfort  von 
Zweifeln  und  Zurückhaltung  des  Urteils,  von  der  Ge- 
fahr übereilter  Bestimmungen,  von  sehr  engen  Schran- 
ken, die  den  Untersuchungen  des  Verstandes  zu  ziehen 
sind,  und  vom  Verzicht  auf  alle  Spekulationen,  die 
nicht  in  den  Grenzen  des  gewöhnlichen  Lebens  und 
Handelns  liegen.  Nichts  widerstrebt  daher  mehr  als 
diese  Philosophie  der  lässigen  Trägheit  des  Geistes, 
seiner  vorlauten  Anmaßung,  seinen  stolzen  An- 
sprüchen und  seinem  abergläubischen  Vertrauen.  Sie 
unterdrückt  jeden  Affekt  außer  der  Liebe  zur 
Wahrheit,  und  dieser  Affekt  wird  nie  und  kann 
nie  einen  zu  hohen  Grad  erreichen.  Es  ist  daher 
erstaunlich,  daß  diese  Philosophie,  die  beinahe  über- 
all nur  harmlos  und  unschuldig  sein  kann,  zum  Gegen- 
stand so  vieler  grundloser  Vorwürfe  und  übler  Nach- 
reden gemacht  wird.  Vielleicht  aber  setzt  sie  gerade 
der  Umstand,  der  sie  so  unschuldig  macht,  haupt- 
sächlich dem  Haß  und  Groll  der  Menge  aus.  Da  sie 
den  ausschweifenden  Affekten  nicht  schmeichelt,  ge- 
winnt sie  wenig  Anhänger;  da  sie  sich  vielen  Lastern 
und  Torheiten  entgegenstellt,  erweckt  sie  sich  Feinde 
im  Überfluß,  die  sie  als  freigeistig,  lästerlich  und  ir- 
religiös brandmarken. 

Wir  brauchen  auch  nicht  zu  befürchten,  daß 
diese  Philosophie  bei  ihren  Versuchen,  unsere  For- 
schungen auf  das  gewöhnliche  Leben  zu  beschränken, 
jemals  die  Gedankengänge  des  gewöhnlichen  Lebens 
untergraben  und  ihre  Zweifel  bis  zur  Zerstörung  alles 
Handelns  wie  alles  Spekulierens  treiben  würde.  Die 
Natur  wird  immer  ihre  Rechte  wahren  und  zuletzt 
über  jedwede  abstrakte  Vernunfttätigkeit  obsiegen. 
Sollten  wir  z.  B.  wie  im  vorigen  Abschnitt  zu  dem 
Schlüsse  gelangen,  daß  in  allen  Denkakten  auf  Grund 
von  Erfahrung  der  Geist  einen  Schritt  tut,  der  nicht 
durch  eine  Begründung  oder  ein  Verstandesverfahren 
gestützt  wird,  so  ist  doch  keine  Gefahr,  daß  diese 
Denkakte,  von  denen  fast  unser  ganzes  Wissen  ab- 
hängt, je  durch  solche  Entdeckung  getroffen  werden 


I 


^-^;''  t^' 


I         .      J*.   ^.      x_  > 


54 


Fünfter  Abschnitt. 


Skeptische  LösuDg  dieser  Zweifel. 


55 


könnten.  Wird  der  Geist  nicht  durch  eine  Begründung 
zu  diesem  Schritte  veranlaßt,  so  muß  er  durch  ein 
anderes  Prinzip  von  gleichem  Gewicht  und  Wert  dazu 
geführt  werden;  und  dieses  Prinzip  wird  seinen  Ein- 
fluß so  lange  erhalten,  wie  die  menschliche  Natur  sich 
gleich  bleibt  Was  das  für  ein  Prinzip  ist,  mag  wohl 
der  Mühe  einer  Untersuchung  wert  sein. 

Angenommen,  ein  Mensch  von  ausgezeichneten 
Fälligkeiten  der  Vernunft  und  der  Überlegung  würde 
plötzlich  in  diese  Welt  gestellt,  so  würde  er  freilich  so- 
fort eine  stetige  Folge  von  Gegenständen  und  Ereig- 
nissen beobachten;  aber  irgend  etwas  weiteres  zu  ent- 
decken, wäre  er  nicht  imstande.  Er  würde  anfangs 
durch  keinen  Denkakt  imstande  sein,  die  Vorstellung  von 
Ursache  und  Wirkung  zu  fassen,  weil  die  besonderen 
Kräfte,  durch  welche  alle  Naturvorgänge  sich  voll- 
ziehen, niemals  den  Sinnen  erscheinen.  Ebensowenig 
ist  es  ein  vernünftiger  Schluß:  bloß  weil  ein  Er- 
eignis in  einem  Falle  dem  anderen  vorhergeht,  des- 
halb sei  das  eine  die  Ursache,  das  andere  die  Wirkung. 
Ihr  Zusammenhang  kann  ja  willkürlich  und  zufällig 
und  kein  Grund  vorhanden  sein,  das  Dasein  des  einen 
aus  dem .  Auftreten  des  anderen  abzuleiten.  Kurz, 
solch  ein  Mensch  könnte  ohne  weitere  Erfahrung  nie 
Vermutungen  oder  Gedankengänge  über  Tatsachen 
bilden  oder  irgend  einer  Sache  sicher  sein,  die  nicht 
unmittelbar  seinem  Gedächtnis  und  seinen  Sinnen 
gegenwärtig  ist 

Weiter  angenommen,  daß  er  mehr  Erfahrung 
gewonnen  und  lange  genug  in  der  Welt  gelebt  hat, 
um  den  ständigen  Zusammenhang  gleichartiger  Gegen- 
stände oder  &eignisse  beobachtet  zu  haben  —  was 
ist  die  Folge  dieser  Erfahrung?  Er  leitet  unmittelbar 
das  Dasein  des  einen  Gegenstandes  aus  dem  Auf- 
treten des  anderen  ab.  Dennoch  hat  ihm  all  seine 
Erfahrung  keinerlei  Vorstellung  oder  Kenntnis  der  ge- 
heimen Kraft  geliefert,  durch  die  der  eine  Gegenstand 
den  anderen  hervorbringt,  noch  wird  er  durch  irgend 
einen  Prozeß  der  Vernunfttätigkeit  darauf  geführt 
diese  Ableitung  zu  vollziehen.  Trotzdem  fühlt  er  sich 
gedrungen,  es  zu  tun,  und  sollte  er  auch  überzeugt 
sein,  daß  sein  Verstand  keinen  Anteil  an  dem  Vorgang 


hat,  so  würde  er  nichtsdestoweniger  bei  derselben 
Denkweise  verharren.  Es  gibt  also  ein  anderes  Prin- 
zip, das  ihn  zu  dieser  Schlußfolgerung  bestimmt 

Dies  Prinzip  ist  Gewohnheit  oder  Übung.    Wo 
immer  die  Wiederholung  einer  bestimmten  Handlung 
oder  Tätigkeit  die  Neigung  hervorruft,  dieselbe  Hand- 
lung oder  Tätigkeit  ohne  irgend  einen  Anstoß  durch 
einen  Denkakt  oder  Verstandesvorgang,  zu  erneuern: 
da  sagen  wir  stets,  diese  Neigung  sei  die  Wirkung 
der  Gewohnheit   Wir  behaupten  nicht,  mit  der  An- 
wendung dieses  Wortes  den  letzten  Grund  einer  solchen 
Neigung  angegeben  zu  haben.   Wir  deuten  damit  nur 
auf   ein   Prinzip   der    menschlichen    Natur,    das   all- 
gemein  anerkannt  und  durch   seine   Wirkungen  uns 
wohl  vertraut  ist.  Vielleicht  können  wir  unsere  Nach- 
forschungen nicht  weiter  treiben  noch  uns  anmaßen, 
die  Ursache  dieser  Ursache  anzugeben,  sondern  müssen 
daran   als  an  dem  letzten   aufweisbaren  Prinzip  all 
unserer  Erfahrungsschlüsse  uns  genügen  lassen.    Wir 
können  ganz  zufrieden  sein,  so  weit  zu  kommen  und 
sollten  uns  nicht  über  die  Bßschränktheit  unserer  Fähig- 
keiten beklagen,  die  uns  nicht  weiter  bringen.    Und 
soviel  ist  gewiß,  wir  stellen  hiermit  einen  wenigstens 
sehr  verständlichen,  wenn  nicht  wahren  Satz  auf,  in- 
dem  wir   behaupten:   anläßlich   des   beständigen   Zu- 
sammenhangs  zweier   Gegenstände,   z.  B.   Hitze   und 
Flamme,  Gewicht  und  Masse,  werden  wir  allein  durch 
Gewohnheit  bestimmt,   das  eine  beim   Auftreten  des 
anderen   zu   erwarten.    Ja,   diese    Hypothese   scheint 
die  einzige  zu  sein,  welche  das  schwierige  Problem 
erklärt,    warum   wir   aus   tausend    Fällen   etwas   ab- 
leiten, das  wir  aus  einem  Falle,  der  in  keiner  Hin- 
sicht  von   jenen   abweicht,    abzuleiten   nicht   in   der 
Lage  waren.   Die  Vernunft  ist  eines  so  verschiedenen 
Verfahrens   nicht  fähig.    Die  Schlüsse,   die   sie   aus 
der    Betrachtung    eines    Kreises    zieht,     sind    die 
nämlichen,    die    sie   aus    einem    Überblick   über   alle 
Kreise   des   Weltalls   bilden   würde.     Aber   niemand, 
der   nur   einen   Körper   auf   Anstoß   eines  anderen 
sich  hat  bewegen  sehen,  könnte  daraus  ableiten,  daß 
jeder  andere  Körper  auf  einen  gleichen  Anstoß  hin 
sich  bewegen  würde.   Alle  Ableitungen  aus  Erfahrung 


m 


i 


5i 


Fanfter  Abschnitt. 


sind    daher    Wirkungen    der    Gewohnheit,    nicht   der 
Vernunfttätigkeit.  ^) 


^)  Meistens  unterscheiden  Schriftsteller,  selbst  auf  dem 
Gebiete  der  Moral,  Politik  und  Physik,  zwischen  Ver- 
nunft und  Erfahrung,  in  der  Voraussetzung,  daß  diese 
ßegründungsarten  gänzlich  voneinander  verschieden  seien.  Die 
erstere  gilt  als  das  alleinige  Ergebnis  unserer  intellektuellen 
Vermögen,  welche  a  priori  das  Wesen  der  Dinge  betrachten, 
die  Wirkungen  untersuchen,  die  aus  deren  Tätigkeit  folgen, 
und  daraus  besondere  Prinzipien  für  Wissenschaft  und  Philo- 
sophie aufstellen.  Letztere  stammt  angeblich  gänzlich  von 
den  Sinnen  und  der  Beobachtung,  durch  welche  wir  die 
tatsächlichen  Ergebnisse  aus  der  Wirksamkeit  bestimmter 
Gegenstände  kennen  lernen  und  daraus  abzuleiten  vermögen, 
was  künftig  aus  ihnen  sich  ergeben  wird.  So  lassen  sich 
z.  B.  die  Begrenzung  und  Beschränkung  der  Staatsregiemng 
und  eine  gesetzliche  Verfassung  entweder  durch  die  Ver- 
nunft verteidigen,  die  ans  der  Erwägung  der  großen 
Schwäche  und  Verderbtheit  der  mensclüichen  Natur  uns 
lehrt,  daß  niemand  ohne  Gefahr  mit  unbeschränkter  Machtvoll- 
kommenheit betraut  werden  kann;  oder  durch  Erfahrung 
und  Geschichte,  die  uns  von  dem  ungeheueren  Mißbrauch 
berichten,  den  der  Ehrgeiz  zu  allen  Zeiten  und  in  allen 
Ländern  mit  solch  unvorsichtigem  Vertrauen  getrieben  hat 

Die  gleiche  Unterscheidung  zwischen  Vernunft  und 
Erfahrung  hat  in  all  unseren  Erwägungen  statt,  die  die 
Lebensführung  betreffen;  so  vertrauen  und  folgen  wir  dem 
erfahrenen  Staatsmann,  Heerführer,  Arzt  oder  Kaufmann, 
und  schieben  geringschätzig  den  ungeübten  Neuling  bei- 
seite, sei  er  auch  von  Natur  noch  so  begabt.  Wird  auch 
zugegeben,  daß  die  Vernunft  recht  einleuchtende  Ver- 
mutungen über  die  Folgen  einer  bestimmten  Handlungs- 
weise unter  bestimmten  Umständen  bilden  kann,  so  gilt 
sie  dennoch  ohne  den  Beistand  der  Erfahrung  für  unvoll- 
kommen, die  allein  imstande  ist,  den  Grundsätzen,  die  durch 
Studieren  und  Nachdenken  gewonnen  werden,  Beständigkeit 
und  Gewißheit  zu  verleihen. 

Wenn  nun  auch  diese  Unterscheidung  so  allgemein  in 
jeder  Lebenslage,  in  der  Praxis  wie  in  der  Theorie,  ange- 
nommen wird,  trage  ich  doch  kein  Bedenken  auszusprechen, 
daß  sie  im  Grunde  irrtümlich,  mindestens  oberflächlich  ist 

Prüfen  wir  jene  Begründungen,  die  in  einer  der  oben- 
(ifenannten  Wissenschaften  als  die  alleinigen  Wirkungen  der 
Vernunfttätigkeit  und  der  Überlegung  gelten,  so  wiird  sich  zeigen, 
daß  sie  schließlich   an  irgend  ein  ^gemeines  Prinzip  "oder 


Skeptische  Lösung  dieser  ZweifeL 


57 


So  ist  die  Gewohnheit  die  große  Führerin  im 
menschlichen  Leben.  Dieses  Prinzip  ist  es  allein, 
das  unsere  Erfahrung  uns  nutzbringend  gestaltet  und 


einen  Schluß  einmünden,  für  den  sich  kein  anderer  Grund 
angeben  läßt,  als  Beobachtung  und  Erfahrung.  Zwischen 
ihnen  und  jenen  Regeln,  die  man  gewöhnlich  als  das  Er- 
gebnis der  reinen  Erfahrung  ansieht,  besteht  nur  der  Unter- 
schied, daß  erstere  nicht  ohne  einen  Verlauf  im  Denken  und 
einige  Überlegung  über  das  Beobachtete  aufgestellt  werden 
können,  will  man  dessen  Umstände  genau  erfassen  und 
die  Folgen  darlegen.  Dagegen  ist  bei  letzteren  das  er- 
fahrene Ereignis  genau  und  vollständig  dem  gleich,  was 
wir  als  Ergebnis  bestimmter  Verhältnisse  ableiten.  Die  Ge- 
schichte eines  Tiberius  oder  Nero  läßt  uns  eine  gleiche 
Gewaltherrschaft  befürchten,  wenn  unsere  Monarchen  der 
Schranken  des  Gesetzes  und  des  Parlaments  ledig  würden; 
aber  die  Beobachtung  irgend  eines  Betrugs  oder  einer 
Grausamkeit  im  bürgerlichen  Leben  genügt,  um  mit  Hilfe 
von  etwas  Nachdenken  in  uns  dieselbe  Besorgnis  zu  er- 
wecken; denn  sie  dient  als  ein  Beispiel  der  allgemeinen 
Verderbtheit  der  menschlichen  Natur,  und  zeigt  uns,  wie 
gefährlich  es  ist,  ein  volles  Vertrauen  in  menschliche  Wesen 
zu  setzen.  In  beiden  Fällen  ist  Erfahrung  letzten  Endes 
die  Grundlage  unserer  Ableitungen  und  Schlüsse. 

Auch  der  jüngste  und  unerfahrenste  Mensch  hat  sich 
durch  Beobachtung  manche  allgemeine  und  richtige  Regel 
über  menschliche  Angelegenheiten  und  die  Führung  des 
Lebens  gebildet;  doch  ist  nicht  zu  leugnen,  daß,  will  jemand 
danach  handeln,  er  in  höchstem  Grade  dem  Irrtum  aus- 
gesetzt sein  wird,  bis  Zeit  und  reichere  Erfahrungen  diese 
Regeln  erweitern  und  ihn  lehren,  sie  richtig  zu  gebrauchen 
und  anzuwenden.  In  allen  Lagen  und  Vorkommnissen  ^bt 
es  eine  Menge  besonderer  und  anscheinend  geringfügiger 
Umstände,  die  selbst  der  begabteste  Mensch  zunächst  leicht 
übersieht,  obgleich  die  Richtigkeit  seiner  Schlüsse,  und 
folglich  die  Klugheit  seines  Benehmens,  ganz  davon  ab- 
hängen. Überdies  fallen  dem  jungen  Anfönger  das  allgemein 
Beobachtete  uud  seine  Regeln  nicht  immer  bei  der  richtigen 
Gelegenheit  ein,  und  er  kann  sie  auch  nicht  gleich  mit  der 
nötigen  Ruhe  und  Urteilskraft  anwenden.  Die  Wahrheit 
ist,  daß  ein  unerfahrener  Denker  überhaupt  kein  Denker 
sein  könnte,  wenn  er  völlig  ohne  Erfahrung  wäre;  geben 
wir  jemandem  dies  Beiwort,  so  meinen  wir  es  nur  ver- 
gleichsweise, und  halten  ihn  zwar  für  erfahren,  aber  in 
geringerem  und  unvoUkommnerem  Grade. 


58 


Fünfter  Abschnitt 


Skoptische  Lösung  dieser  Zweifel. 


59 


uns  für  die  Zukunft  eine  Kette  gleichartiger  Ereig- 
nisse erwarten  läßt,  wie  die  in  der  Vergangenheit 
aufgetretenen.  Ohne  den  Einfluß  der  Gewohnheit 
blieben  wir  gänzlich  in  Unwissenheit  über  jede  Tat^ 
Sache,  die  über  das  unmittelbar  dem  Gedächtnis  und 
den  Sinnen  Gegenwärtige  hinausreicht.  Wir  würden 
niemals  die  Mittel  den  Zwecken  anzupassen  wissen, 
noch  unsere  natürlichen  Kräfte  zur  Erzeugung  irgend 
einer  Wirkung  anzuwenden  verstehen.  Es  wäre  auf 
einmal  mit  allem  Handeln  und  mit  dem  besten  Teil 
geistiger  Arbeit  vorüber. 

Hier  ist  indes  die  Bemerkung  am  Platze,  daß 
uns  zwar  unsere  Schlüsse  aus  der  Erfahrung  über 
Gedächtnis  und  Sinne  hinausführen  und  uns  Sicher- 
heit über  Tatsachen  geben,  die  an  den  fernsten  Orten 
und  in  frühesten  Zeiten  geschehen  sind;  daß  aber 
immer  irgend  eine  Tatsache  den  Sinnen  oder  dem 
Gedächtnis  gegenwärtig  sein  muß,  von  der  diese 
unsere  Schlüsse  den  ersten  Ausgang  nehmen.  Findet 
jemand  in  einem  wüsten  Lande  die  Überreste  präch- 
tiger Architektur,  so  wird  er  schließen,  daß  das  Land 
in  alten  Zeiten  von  gesitteten  Einwohnern  angebaut 
worden  ist;  begegnete  er  nichts  derartigem,  so  könnte 
er  solche  Ableitung  nie  vollziehen.  Wir  lernen  die 
Ereignisse  früherer  Zeiten  aus  der  Geschichte;  aber 
dazu  müssen  wir  die  Bände  durcharbeiten,  in  denen 
diese  Belehrung  enthalten  ist,  und  von  da  mit  unseren 
Ableitungen  von  einem  Zeugnis  zum  anderen  fort- 
schreiten, bis  wir  bei  den  Augenzeugen  und  Zu- 
schauern dieser  fernen  Ereignisse  anlangen.  Kurz, 
wenn  wir  nicht  von  einer  dem  Gedächtnis  oder  den 
Sinnen  gegenwärtigen  Tatsache  ausgehen,  so  bleiben 
unsere  Gedankengänge  reine  Hypothesen;  wie  eng  mit- 
einander verknüpft  die  einzelnen  Glieder  auch  sein 
mögen,  die  ganze  Kette  von  Ableitungen  hätte  keine 
Grundlage,  noch  könnten  wir  je  durch  sie  zur  Kenntnis 
eines  wirklich  Seienden  gelangen.  Wenn  ich  jemand 
frage,  warum  er  eine  bestimmte  Tatsache  glaubt,  die 
er  berichtet,  so  muß  er  irgend  einen  Grund  nennen, 
und  dieser  Grund  wird  eine  andere  damit  verknüpfte 
Tatsache  sein.  Da  sich  dies  aber  nicht  auf  solche 
Weise  in  infinitum  fortsetzen  läßt»  so  muß  er  schließ- 


lich bei  einer  Tatsache  Halt  machen,  die  seinem 
Gedächtnis  oder  seinen  Sinnen  gegenwärtig  ist,  oder 
aber    zugeben,     daß    sein    Glaube     gänzlich    unbe- 

Was  ist  nun  das  Schlußergebnis  von  alledem?  Ein 
einfaches  —  wenn  auch  allerdings  recht  weit  ab  von 
den  gewöhnlichen  Theorien  der  Philosophie.  Aller 
Glaube  an  Tatsachen  oder  wirkliches  Sein  stammt 
lediglich  von  irgend  einem  Gegenstand,  der  dem 
Gedächtnis  oder  den  Sinnen  gegenwärtig  ist,  und  von 
einem  gewohnheitsmäßigen  Zusammenhang  zwischen 
diesem  und  einem  anderen  Gegenstande.  Oder  mit 
anderen  Worten:  hat  man  gefunden,  daß  m  vielen 
Fällen  zwei  Arten  von  Dingen,  Flamme  und  Hitze, 
Schnee  und  Kälte,  stets  miteinander  in  Zusammenhang 
standen,  so  wird,  wenn  sich  den  Sinnen  Flammen 
oder  Schnee  erneut  darbieten,  der  Geist  durch  Ge- 
wohnheit getrieben,  Hitze  oder  Kälte  zu  erwarten  und 
zu  glauben,  daß  eine  derartige  Eigenschaft  besteht 
und  sich  bei  größerer  Annäherung  offenbaren  wird. 
Dieser  Glaube  ist  das  notwendige  Ergebnis,  wenn  der 
Geist  in  solche  Umstände  gerät.  Es  ist  ein  seelischer 
Vorgang,  der  in  dieser  Lage  so  unvermeidlich  ist, 
wie  der  Affekt  der  Liebe,  wenn  wir  Wohltaten 
empfangen,  oder  des  Hasses,  wenn  man  uns  Leid 
antut  An  diese  Vorgänge  sind  eine  Gattung  natür- 
licher Instinkte,  welche  keine  Vernunfttätigkeit,  d.  h. 
kein  gedankliches  und  verstandesmäßiges  Verfahren 
hervorzubringen  noch  zu  verhüten  fähig  ist. 

An  diesem  Punkt  dürften  wir  uns  wohl  gestatten, 
mit  unseren  philosophischen  Nachforschungen  inne 
zu  halten.  In  den  meisten  Fragen  sind  wir  beim  ersten 
Schritt  hier  angelangt,  und  in  allen  Fragen  müssen 
wir  zuletzt  hier  enden  nach  noch  so  rastlosen  und 
eifrigen  Untersuchungen.  Indes  wird  unser  Eifer  zu 
entschuldigen,  ja  zu  loben  sein,  wenn  er  uns  dazu 
führt,  noch  weiter  zu  forschen  und  die  Natur  dieses 
Glaubens  und  des  gewohnheitsmäßigen  Zu- 
sammenhangs, von  dem  er  stammt,  genauer  zu 
prüfen.  Auf  diese  Weise  ließen  sich  vielleicht 
einige  Erklärungen  und  Analogien  auffinden,  die  Be- 
friedigung gewären  —  wenigstens  solchen,   die  ab- 


60 


Fünfter  AbsohDitt. 


Skeptische  Lösung  dieser  Zweifel. 


61 


strakte  Wissenschaft  lieben  und  sich  an  Spekulationen 
erfreuen,  welche  trotz  aller  erreichbaren  Genauig- 
keit dennoch  in  gewissem  Grade  zweifelhaft  und  un- 
gewiß bleiben  dürften.  Für  Leser  von  anderem  Ge- 
schmack ist  der  übrige  Teil  dieses  Abschnitts  nicht 
berechnet,  und  die  späteren  Untersuchungen  können 
ganz  wohl  verstanden  werden,  auch  wenn  man  ihn 
beiseite  läßt. 


Zweiter  Teil. 

Nichts  ist  so  frei,  wie  die  menschliche  Einbil- 
dungskraft; kann  sie  auch  den  ursprünglichen  Vorrat 
an  Vorstellungen  nicht  überschreiten,  den  die  inneren 
und  äußeren  Sinne  liefern,  so  hat  sie  doch  unbe- 
schränkte Macht,  diese  Vorstellungen  zu  all  den 
mannigfaltigen  Gebilden,  die  sie  dichtet  und  schaut, 
zu  mischen,  zusammenzusetzen,  zu  trennen  und  zu 
teilen.  Sie  kann  eine  Kette  von  Ereignissen  erfinden, 
mit  allem  Anschein  der  Wirklichkeit,  kann  ihnen  eine 
bestimmte  Zeit  und  Stelle  zuschreiben,  sie  sich  als 
daseiend  vorstellen  und  sie  sich  mit  allen  Umständen, 
ausmalen,  wie  sie  zu  einer  geschichtlichen  Tatsache 
gehören,  an  die  sie  mit  der  größten  Gewißheit  glaubt. 
Worin  besteht  denn  nun  der  Unterschied  zwischen 
einer  solchen  Erdichtung  und  dem  Glauben?  Er  liegt 
nicht  einfach  in  einer  besonderen  Vorstellung,  die  solch 
einem  Vorstellungsbild  anhängt,  das  unsere  Zustimmung 
erzwingt,  und  jeder  uns  bisher  bekannten  Erdichtung 
fehlt  Denn  da  der  Geist  Gewalt  über  all  seine  Vor- 
stellungen hat,  so  könnte  er  nach  Willen  diese  be- 
stimmte Vorstellung  jeder  Erdichtung  anfügen  und 
folglich  imstande  sein,  alles  zu  glauben,  was  ihm  be- 
liebte, während  die  tägliche  Erfahrung  das  Gegenteil 
zeigt  W'ir  können  in  unserem  Vor  stell  ungsbild  den 
Kopf  eines  Mannes  dem  Körper  eines  Pferdes  aufsetzen; 
aber  es  steht  nicht  in  unserer  Macht,  zu  glauben,  daß 
solch   ein   Geschöpf   jemals   wirklich    existiert   habe. 

Es  folgt  also  hieraus,  daß  der  Unterschied 
zwischen  Erdichtung  und  Glaube  in  einem  Ge- 
fühl oder  einer  Empfindung  liegt,  welche  sich  nur  dem 
letzteren,  nicht  der  ersteren  anschließt  und  nicht  vom 


Willen  abhängt,  noch  beliebig  zu  Diensten  steht  Die 
Natur  muß  es  erregen,  wie  alle  anderen  Gefühle; 
es  muß  aus  dem  bestimmten  Zustand  erwachsen,  m 
dem  sich  der  Geist  unter  bestimmten  Umstanden  be- 
findet Jeder  Gegenstand,  der  sich  dem  Gedächtnis 
oder  den  Sinnen  bietet,  führt  die  Einbildung  unmittel- 
bar durch  die  Kraft  der  Gewohnheit  dazu,  sich  den- 
jenigen Gegenstand  vorzustellen,  der  gewöhnlich  mit 
ihm  zusammenhängt,  und  dieses  Vorstellungsbild  ist  von 
einer  Empfindung  oder  einem  Gefühl  begleitet,  das 
sich  von  den  ungebundenen  Träumereien  der  Fnan- 
tasie  unterscheidet  Hierin  besteht  das  ganze  Wesen 
des  Glaubens.  Denn  da  es  keine  Tatsache  gibt,  an 
die  wir  so  fest  glauben,  daß  wir  nicht  ihr  Gegenteil 
vorstellen  könnten,  so  gäbe  es  keinen  Unterschied 
zwischen  dem  Vorstellungsbild,  dem  man  zustimnat,  und 
jenem,  das  man  verwirft,  wenn  es  nicht  ein  Gefühl 
gäbe,  das  eines  vom  anderen  unterscheidet.  Sehe 
ich  eine  Billardkugel  auf  einem  glatten  Tisch  sich 
gegen  eine  andere  bewegen,  so  kann  ich  mir  leicht 
vorstellen,  daß  sie  bei  der  Berührung  stillstehen  wird. 
Dieses  Vorstellungsbild  enthält  keinen  Widerspruch; 
dennoch  fühlt  man  dabei  ganz  anders  als  bei  jenem 
Vorstellungsbild,  durch  das  ich  mir  den  Stoß  und  die 
Mitteilung  der  Bewegung  von  einer  Kugel  zur  anderen 

vergegenwärtige.  ^  i.. , , 

Wollten  wir  eine  Definition  dieses  Gefühls  zu 
geben  versuchen,  so  würden  wir  vielleicht  darin  eine 
sehr  schwierige,  wenn  nicht  unmögliche  Aufgabe  er- 
kennen, gleicherweise  wie  bei  dem.  Versuch,  die 
Empfindung  der  Kälte  oder  den  Affekt  des  Zorns 
einem  Geschöpf  zu  definieren,  das  nie  diese  Gefühle 
erfahren  hätte.  Glaube  ist  das^  wahre  und  richtige 
Wort  für  dies  Empfinden,  und  niemand  ist  je  im 
unklaren  über  die  Bedeutung  dieses  Ausdruckes;  denn 
jeder  ist  in  jedem  Augenblick  sich  des  Gefühls  be- 
wußt, das  er  bezeichnet.  Dennoch  möchte  der  Ver- 
such einer  Beschreibung  dieses  Gefühls  nicht  un- 
angebracht sein;  in  der  Hoffnung,  auf  diesem  Wege 
zu  einigen  Analogien  zu  gelangen,  die  eine  voll- 
kommenere Erklärung  davon  ermöglichen.  Ich  sage 
also,   daß   Glaube  weiter   nichts  ist  als   ein   gegen- 


tmef 


62 


Fünfter  Abschnitt 


t^ 


ständliches  Vorstellimgsbild  von  größerer  Lebendig"keit, 
Lebhaftigkeit,  Eindringlichkeit,  Festigkeit  und  Bestän- 
digkeit,  als  sie  die  Einbildung  allein  je  zu  erreichen  fähig 
ist  Diese  Mannigfaltigkeit  von  Ausdrücken,  die  so  un- 
philosophisch erscheinen  mag,  soll  nur  dazu  dienen, 
jenen  Akt  des  Greistes  auszudrücken,  der  Wirklich- 
keiten, oder  was  dafür  gehalten  wird,  uns  gegenwär- 
tiger macht  als  Erdichtungen,  ihnen  mehrCirewicht  im 
Denken  gibt  und  einen  überlegenen  Einfluß  auf  die 
Affekte  und  die  Einbildungskraft  verleiht  Voraus- 
gesetzt, daß  wir  in  der  Sache  übereinstimmen,  ist 
es  unnötig,  um  die  Ausdrücke  zu  streiten.  Die  Ein- 
bildungskraft hat  Gewalt  über  alle  Vorstellungen  und 
kann  sie  auf  alle  mögliche  Weise  verbinden,  mischen 
und  abwandeln.  Sie  kann  sich  erdichtete  Gegenstände 
mit  allen  Einzelheiten  des  Orts  und  der  Zeit  vorstellen. 
Sie  kann  sie  uns  gewissermaßen  vor  Augen  führen, 
in  ihren  wahren  Farben,  gerade  so  wie  sie  auch 
hätten  da  sein  können.  Aber  da  es  unmöglich  ist,  daß 
dies  Vermögen  der  Einbildung  je  aus  sich  heraus  dem 
Glauben  gleichkommen  ^ann,  so  besteht  ersichtlich 
der  Glaube  nicht  in  der  besonderen  Natur  oder  Ord- 
nung der  Vorstellungen,  sondern  in  der  Art,  wie  sie 
vorgestellt  werden  und  wie  der  Geist  sie  empfindet 
Ich  gestehe,  daß  es  unmöglich  ist,  diese  Empfin- 
dung oder  diese  Art  des  Vorstellens  völlig  zu  er- 
klären. Wir  mögen  Wörter  gebrauchen,  die  etwas 
Annäherndes  ausdrücken.  Aber  der  wahre  und  rich- 
tige Name  dafür,  wie  ich  vorher  schon  bemerkte, 
ist  Glaube;  ein  Ausdruck,  den  jedermann  im  ge- 
wöhnlichen Leben  genügend  versteht.  In  der  Philo- 
sophie können  wir  nicht  weiter  gehen  als  bis  zu  der 
Behauptung,  daß  der  Glaube  etwas  vom  Geist 
Empfundenes  ist,  was  die  Vorstellungen  der  Ur- 
teilskraft von  den  Erdichtungen  der  Einbildung 
unterscheidet  Er  gibt  ihnen  mehr  Gewicht  und  Ein- 
fluß, läßt  sie  bedeutsamer  scheinen,  drückt  sie  dem 
Geist  auf  und  macht  sie  zum  herrschenden  Prinzip 
unserer  Handlungen.  Ich  höre  z.B.  gerade  jetzt  die 
Stimme  eines  Bekannten;  der  Ton  kommt  aus  dem 
Nebenzimmer.  Der  Eindruck  auf  die  Sinne  führt  augen- 
blicklich  meine  Gedanken  zu  diesem   Menschen   und 


Skeptische  Lösung  dieser  ZweifeL 


63 


zugleich  zu  allen  ihn  umgebenden  Gegenständen.  Ich 
male  sie  mir  aus  als  gegenwärtig  existierend  mit 
allen  Eigenschaften  und  Beziehungen,  die  ich  früher 
an  ihnen  kannte.  Diese  Vorstellungen  gewinnen 
festeren  Halt  in  meinem  Geiste  als  yorstellungen 
von  einem  verwunschenen  Schlosse.  Wir  empfinden 
sie  ganz  anders  und  sie  haben  in  jeder  Weise  viel 
größeren  Einfluß  darauf,  Lust  oder  Leid,  Freude  oder 
Kummer  entstehen  zu  lassen. 

Fassen  wir  also  diese  Lehre  in  ihrem  vollen 
Umfang  zusammen  und  nehmen  wir  an,  daß  das 
Gefühl  des  Glaubens  nur  ein  Vorstellungsbild  von 
größerer  Intensität  und  mehr  Beständigkeit  ist,  als  sie 
die  bloßen  Erdichtungen  der  Einbildungskraft  begleiten; 
und  daß  diese  Art  des  Vorstellens  aus  einem  ge- 
wohnheitsmäßigen Zusammenhang  des  Gegenstandes 
mit  etwas  dem  Gedächtnis  oder  den  Sinnen  Gegen- 
wärtigem entspringt:  so  wird  es,  glaube  ich,  unter 
diesen  Voraussetzungen  nicht  schwer  sein,  andere 
Geistestätigkeiten  zu  finden,  die  dieser  analog  sind, 
und  die  Erscheinungen  zu. noch  allgemeineren  Prin- 
zipien hinauf  zu  verfolgen. 

Wir  haben  schon  bemerkt,  daß  die  Natur  Ver- 
knüpfungen zwischen  bestimmten  Vorstellungen  ein- 
gerichtet hat,  und  daß  die  eine  Vorstellung,  sobald 
sie  in  unserem  Denken  auftaucht,  auch  sogleich  die 
ihr  zugehörige  einführt  und  unsere  Aufmerksamkeit 
durch  eine  leise  und  unmerkliche  Bewegung  auf  sie 
lenkt  Diese  Prinzipien  der  Verknüpfung  oder  As- 
soziation haben  wir  auf  drei  zurückgeführt,  nämlich 
Ähnlichkeit,  Berührung  und  Verursachung; dies 
sind  die  einzigen  Bande,  die  unsere  Gedanken  miteinander 
vereinigen  und  jenen  regelmäßigen  Ablauf  der  Über- 
legung oder  des  Gesprächs  erzeugen,  der  in  größerem 
oder  geringerem  Grade  überall  bei  den  Menschen 
stattfindet.  Hier  erhebt  sich  nun  eine  Frage,  von  der 
die  Lösung  der  gegenwärtigen  Schwierigkeit  abhängen 
wird.  Ist  es  bei  all  diesen  Beziehungen  der  Fall,  daß 
wenn  der  eine  Gegenstand  den  Sinnen  oder  dem  Ge- 
dächtnis sich  bietet,  der  Geist  nicht  nur  auf  das 
Vorstellungsbild  des  zugehörigen  gebracht  wird,  son- 
dern auch  ein  beständigeres  und  stärkeres  Vorstellungs- 


i 


64 


Fünfter  Abschnitt. 


bild  davon  gewinnt,  als  er  sonst  hätte  erreichen  können? 
Bei  jenem  Glauben  scheint  es  der  Fall  zu  sein,  der  aus 
der  Beziehung  von  Ursache  und  Wirkung  entspringt; 
ist  es  der  gleiche  bei  den  anderen  Beziehungen  oder 
Prinzipien  der  Assoziation,  so  darf  es  als  allgemeines 
Gesetz  aufgestellt  werden,  das  bei  jeder  Tätigkeit 
des  Geistes  in  Kraft  tritt. 

Wir  können  demnach  als  erste  Erfahrungstat- 
sache für  unseren  gegenwärtigen  Zweck  beobachten, 
daß  beim  Anblick  des  Porträts  eines  abwesenden 
Freundes  unsere  Vorstellung  von  ihm  durch  die  Ähn- 
lichkeit augenscheinlich  belebt  wird  und  daß  jeder 
Affekt,  den  diese  Vorstellung  verursacht,  der  Freude 
wie  des  Kummers,  neue  Kraft  und  Frische  erlangt.  Um 
dieses  Ergebnis  hervorzubringen,  wirkt  hier  beides,  eine 
Beziehung  und  ein  gegenwärtiger  Eindruck  zusammen. 
Wäre  das  Bild  dem  Freunde  gar  nicht  ähnlich  oder  min- 
destens sollte  es  ihn  nicht  darstellen,  so  würde  es  nie- 
mals unsere  Gedanken  zu  ihm  hinleiten.  Und  wäre  es 
ebensowenig  gegenwärtig  wie  die  dargestellte  Person, 
so  würde  der  Geist  zwar  vielleicht  von  dem  Gedanken 
an  das  eine  zum  Gedanken  an  das  andere  übergehen, 
aber  seine  Vorstellung  durch  diese  Wanderung  eher 
geschwächt  als  belebt  finden.  Wir  haben  Freude  am 
Anblick  des  Porträts  eines  Freundes,  wenn  es  uns 
vor  Augen  gebracht  wird;  wird  es  aber  entfernt,  so 
betrachten  wir  lieber  ihn  selbst  unmittelbar,  als  im 
Spiegel  eines  Bildes,  das  ebenso  fern  und  undeutlich  ist. 

Die  Zeremonien  der  römisch-katholischen  Religion 
können  als  Beispiele  derselben  Art  aufgefaßt  werden. 
DieBekenner  dieses  Aberglaubens  i)  führen  gewöhnlich 
zur  Entschuldigung  des  Mummenschanzes,  den  man 
ihnen  vorwirft,  an,  daß  sie  die  gute  Wirkung  solcher 
äußerlichen  Bewegungen,  Stellungen  und  Handlungen 
an  der  Belebung  ihrer  Andacht  und  Steigerung  ihrer 
Inbrunst  empfinden,  die  sonst,  einzig  auf  entfernte 
und  unsinnliche  Gegenstände  gerichtet,  nachlassen 
würden.  Wir  verdichten  die  Gegenstände  unseres 
Bekenntnisses,  so  sagen  sie,  zu  sinnlichen  Symbolen  und 
Bildern  und  machen  sie  uns  durch  die  unmittelbare 


^)  „Dieses  BeltsameD  Aber^laobens'^  in  Aasgaben  E  und  F. 


Skeptische  Lösung  dieser  ZweifeL 


65 


Gegenwart  dieser  Symbole  gegenwärtiger,  als  es  uns 
durch  eine  bloß  intellektuelle  Anschauung  und  Betrach- 
tung möglich  wäre.  Sinnliche  Gegenstände  haben  im- 
mer einen  größeren  Einfluß  auf  die  Einbildung  als  alle 
anderen;  und  diesen  Einfluß  übertragen  sie  leicht 
auf  jene  Vorstellungen,  zu  denen  sie  in  Beziehung 
stehen  und  denen  sie  ähnlich  sind.  Ich  will  nur  aus 
diesen  Gebräuchen  und  diesem  Gedankengang  ableiten, 
daß  die  Wirkung  der  Ähnlichkeit  zur  Belebung  von 
Vorstellungen  etwas  sehr  Gewöhnliches  ist;  und  da 
jedesmal  eine  Ähnlichkeit  und  ein  gegenwärtiger  Ein- 
druck zusammenkommen  müssen,  so  haben  wir  Er- 
fahrungstatsachen in  Fülle,  um  die  Wirklichkeit  des 
aufgestellten  Prinzips  zu  beweisen. 

Wir  können  diese  Erfahrungstatsachen  durch 
anders  geartete  bekräftigen,  wenn  wir  die  Wirkungen 
der  Berührung  ebenso  in  Betracht  ziehen,  wie  die  der 
Ähnlichkeit.  Sicherlich  verringert  die  Entfernung 
die  Stärke  jeder  Vorstellung,  und  ein  Gegenstand,  dem 
wir  uns  nur  nähern,  wenn  sich  dieser  auch  nicht 
unseren  Sinnen  darbietet,  .übt  auf  den  Geist  einen 
Einfluß  aus,  der  einem  unmittelbaren  Eindruck  nahe- 
kommt Das  Denken  an  einen  Gegenstand  führt  den 
Geist  mit  Leichtigkeit  zu  dessen  Umgebung;  aber 
nur  die  tatsächliche  Gegenwart  eines  Dinges  führt 
ihn  mit  gesteigerter  Lebendigkeit  darauf.  Wenn  ich 
nur  wenige  Meilen  von  meiner  Heimat  entfernt  hin,  so 
berührt  mich  alles,  was  zu  ihr  in  Beziehung  steht, 
näher,  als  wenn  ich  mich  600  Meilen  weit  davon 
befinde;  doch  ruft  selbst  bei  dieser  Entfernung  die 
Besinnung  auf  irgend  etwas,  das  sich  in  der  Nachbar- 
schaft meiner  Äeunde  oder  Angehörigen  befindet, 
naturgemäß  die  Vorstellung  von  üinen  hervor.  Weil 
aber  in  diesem  letzteren  Falle  die  vom  Geiste  er- 
faßten Gegenstände  beides  Vorstellungen  sind:  so  ist, 
der  Übergang  von  der  einen  zur  anderen  zwar  ein 
leichter,  aber  dennoch  ist  dieser  Übergang  allein  nicht 
imstande,  einer  der  Vorstellungen  eine  größere  Le- 
bendigkeit zu  verleihen,  weil  eben  der  unmittelbare 
Eindruck  fehlt  i) 

^)  „Katurane  nobis,  inquit,  datum.  dicam,  an  errore 
qnodam,  ut,  onm  ea  loca  videamus,  in  quibus  memoria  dig- 

Home,  Unteravehg.  ttb.  d.  mensohl.  Ventand.  5 


66 


Fünfter  Abschnitt 


Niemand  kann  bezweifeln,  daß  das  Ursachver- 
hältnis den  nämlichen  Einfluß  besitzt,  wie  die  beiden 
anderen  Beziehungen  der  Ähnlichkeit  und  der  Be- 
rührung. Abergläubische  Leute  halten  viel  auf  Re- 
liquien von  Heiligen  und  frommen  Männern,  aus  dem 
nämlichen  Grunde,  aus  dem  sie  nach  Symbolen  und 
Bildern  verlangen,  um  ihre  Andacht  zu  beleben  und 
ein  vertrauteres  und  kräftigeres  Vorstellungsbild  je- 
ner musterhaften  Lebensläufe  zu  gewinnen,  denen 
sie  nacheifern.  Nun  leuchtet  ein,  daß  eine  der  besten 
Reliquien,  die  sich  ein  Schwärmer  verschaffen  könnte, 
Dinge  wären,  die  ein  Heiliger  mit  eigenen  Händen 
gearbeitet  hat;  und  werden  seine  Kleider  und  Geräte 
auch  im  nämlichen  Lichte  betrachtet,  so  geschieht 
es,  weil  sie  einst  zu  seiner  Verfügung  standen  und 
er  sie  in  Händen  gehabt  und  gebraucht  hat  In  dieser 
Hinsicht  lassen  sie  sich  als  unvollkommene  Wirkungen 
betrachten,  die  mit  ihm  durch  eine  kürzere  Folgenreihe 
verknüpft  sind,  als  jede  andere  wäre,  die  uns  von  der 
Wirklichkeit  seines  Daseins  unterrichtet 

Angenommen,  der  Sohn  eines  seit  lange  ver- 
storbenen oder  abwesenden  Freundes  träte  vor  uns 
hin  —  so  würde  ersichtlich  dieser  Gegenstand  sofort 
die  ihm  zugehörige  Vorstellung  wieder  aufleben  lassen 
und  in  unseren  Gedanken  alle  einstige  Innigkeit  und 
Vertraulichkeit  wachrufen,  und  zwar  in  lebhafteren 
Farben,  als  wir  ihnen  sonst  geliehen  hätten.   Dies  ist 


DOS  yiros  acceperimas  multnm  esse  versatos,  magis  move- 
amur,  quam  siqnando  eoram  ipsorum  aut  facta  audiamus 
ant  scriptum  aliquod  legamns?  Velut  ego  nnnc  moveor. 
Venit  enim  mihi  Piatonis  in  mentem,  quem  accepimos 
primum  hfc  dispntare  solitum:  Cajas  etiam  illi  hortuli  pro- 
pinqni  non  memoriam  solum  mihi  afferant,  sed  ipsnm  vi- 
dentnr  in  conspectu  meo  hie  ponere.  Hie  Speusippus,  hie 
Xenocrates,  hie  ejus  auditor  Polemo;  cujus  ipsa  illa  sessio 
fuit,  quam  videamus.  Equidem  etiam  curiam  nostram  Hos- 
tiliam  dico,  non  haue  novara,  quae  mihi  minor  esse  videtur 
postquam  est  major,  solebam  intuens,  Scipionem,  Catonem, 
Leiium,  nostrum  vero  in  primis  avum  cogitare.  Tanta  vis 
admonitionis  est  in  locis;  ut  non  sine  causa  ex  his 
memoriae  deducta  sit  disciplina."  Cicero,  de  Finibus 
Lib.  V.  2. 


Skeptische  Lösung  dieser  Zweifel, 


67 


m 


eine  andere  Erscheinung,  welche  das  oben  erwähnte 
Prinzip  beweisen  dürfte. 

Wir  beobachten  nun,  daß  bei  diesen  Erscheinungen 
der  Glaube  an  den  zugehörigen  Gegenstand  stets 
vorausgesetzt  ist;  denn  ohne  ihn  könnte  die  Beziehung 
keine  Wirkung  üben.  Die  Beeinflussung  durch  das 
Bild  setzt  voraus,  daß  wir  glauben,  unser  Freund 
habe  einst  existiert  Die  Nähe  der  Heimat  kann  nie- 
mals Vorstellungen  von  der  Heimat  in  uns  erwecken, 
es  sei  denn,  daß  wir  an  ihr  wirkliches  Dasein  glauben. 
Nun  behaupte  ich,  daß  dieser  Glaube,  auch  wo  er 
über  den  Bereich  des  Gedächtnisses  und  der  Sinne 
hinausgreift,  von  gleichartiger  Natur  ist  und  gleich- 
artigen Ursachen  entspringt,  wie  der  eben  ausein- 
andergesetzte Übergang  des  Denkens  und  die  Leben- 
digkeit des  Vorstellungsbildes.  Werfe  ich  ein  Stück 
trockenes  Holz  ins  Feuer,  so  wird  mein  Geist  sogleich 
dazu  getrieben,  sich  vorzustellen,  daß  die  Flamme  da- 
durch verstärkt,  nicht  ausgelöscht  wird.  Dieser  Über- 
gang des  Denkens  von  der  Ursache  zur  Wirkung 
entspringt  nicht  aus  der  Vernunft  Er  leitet  seinen 
Ursprung  einzig  aus  Gewohnheit  und  Erfahrung  her. 
Und  da  er  zunächst  von  einem  Gegenstand,  der  den 
Sinnen  gegenwärtig  ist,  ausgeht,  so  macht  er  die 
Vorstellung  oder  das  Vorstellungsbild  der  Flamme  stär- 
ker und  lebhafter  als  irgend  ein  haltloses,  verschwim- 
mendesTraumbildder  Einbildungskraft  Jene  Vorstellung 
steigt  unmittelbar  auf,  der  Gedanke  wendet  sich  augen- 
blicklich zu  ihr  und  trägt  ihr  all  jene  Kraft  des  Vor- 
stellungsbildes zu,  die  aus  dem  gegenwärtigen  sinnlichen 
Eindruck  sich  herleitet.  Wenn  ein  Schwert  gegen 
meine  Brust  gezückt  wird,  steigen  da  nicht  eindring- 
licher die  Vorstellungen  von  Wunde  und  Schmerz  in 
mir  auf,  als  wenn  mir  ein  Glas  Wein  vorgesetzt  wird 
—  sollten  auch  zufällig  diese  Vorstellungen  nach  dem 
Erscheinen  des  letzteren  Gegenstandes  auftauchen? 
Aber  was  anders  kann  in  diesem  ganzen  Tatbestand 
ein  so  kräftiges  Vorstellungsbild  verursachen,  außer 
allein  ein  gegenwärtiges  Ding  und  ein  gewohn- 
heitsmäßiger Übergang  zu  der  Vorstellung  eines 
anderen  Dinges,  das  wir  mit  dem  ersteren  in  Zusammen- 
hang zu  bringen  pflegten.   Das  ist  der  ganze  geistige 

5* 


68 


Ptlufter  Abschnitt 


Skeptische  Lösung  dieser  Zweifel. 


69 


Vorgang  bei  all  unseren  Schlüssen,  die  Tatsachen  und 
Dasein  betreffen;  es  dient  zur  Befriedigung,  hierzu 
einige  Analogien  zu  finden,  durch  die  er  sich  er- 
läutern läßt.  Der  Übergang  von  einem  uns  gegen- 
wärtigen Gegenstand  verleiht  in  allen  Fällen  der  ver- 
wandten Vorstellung  Stärke  und  Beständigkeit. 

Wir  finden  hier  also  eine  Art  prästabilierter  Har- 
monie zwischen  dem  Laufe  der  Natur  und  der  Ab- 
folge unserer  Vorstellungen;  und  obgleich  die  Macht 
und  die  Kräfte,  welche  den  ersteren  regieren,  uns  völlig 
unbekannt  sind,  so  haben  doch  unsere  Gedanken  und 
Vorstellungsbilder,  wie  wir  sehen,  dieselbe  Bahn  ver- 
folgt wie  die  anderen  Naturwerke.  Die  Gewohnheit  ist 
dasjenige  Prinzip,  durch  welches  diese  Übereinstimmung 
bewirkt  wurde,  die  so  notwendig  ist  zur  Erhaltung  unse- 
rer Art  und  zur  Regelung  unseres  Verhaltens  in  allen 
Lagen  und  Vorkommnissen  des  menschlichen  Lebens. 
Würde  nicht  die  Anwesenheit  eines  Gegenstandes 
sogleich  die  Vorstellung  jener  Gegenstände  erregen, 
die  gewöhnlich  mit  ihm  in  Zusammenhang  stehen,  so 
hätte  unser  ganzes  Wissen  auf  den  engen  Umkreis 
unseres  Gedächtnisses  und  unserer  Sinne  beschränkt 
bleiben  müssen;  wir  wären  nie  imstande  gewesen,  Mittel 
den  Zwecken  anzupassen,  noch  unsere  natürlichen  Kräfte 
entweder  zur  Erzeugung  des  Guten  oder  zur  Ver- 
meidung des  Übels  anzuwenden.  Diejenigen,  die  sich 
an  der  Entdeckung  und  Betrachtung  von  Zweckur- 
sachen ergötzen,  haben  hier  ein  weites  Feld  zur  Be- 
tätigung des  Staunens  und  der  Bewunderung. 

Ich  füge  noch  eins  hinzu,  als  weitere  Bestätigung 
der  eben  entwickelten  Lehre.  Da  nämlich  diese  Tätig- 
keit des  Geistes,  durch  welche  wir  gleiche  Wirkungen 
aus  gleichen  Ursachen  ableiten  und  umgekehrt,  durch- 
aus wesentlich  ist  zur  Erhaltung  aller  menschlichen 
Geschöpfe,  so  ist  es  nicht  wahrscheinlich,  daß  sie 
den  trügerischen  Deduktionen  unserer  Vernunft  an- 
vertraut werden  konnte;  denn  diese  ist  langsam  in 
ihrer  Tätigkeit,  tritt  in  den  ersten  Kindheitsjahren 
nicht  in  nennenswertem  Grade  in  die  Erscheinung 
and  ist  bestenfalls  in  jedem  Alter  oder  Zeitpunkt 
des  Menschenlebens  dem  Irrtum  und  Fehlgreifen  in 
hohem   Maße   ausgesetzt.    Es    entspringt    mehr   der 


üblichen  Weisheit  der  Natur,  einen  so  notwendigen  Akt 
des  Geistes  durch  einen  Instinkt  oder  eine  mecha- 
nische Tendenz  sicherzustellen;  denn  diese  kann  un- 
fehlbar in  ihrer  Wirksamkeit  sein,  kann  sich  beim  ersten 
Auftreten  des  Lebens  und  Denkens  zeigen  und  unab- 
hängig von  all  den  mühsam  erarbeiteten  Deduktionen 
des  Verstandes  bleiben.  Wie  die  Natur  uns  den  Ge- 
brauch unserer  Glieder  gelehrt  hat,  ohne  uns  Kenntnis 
von  den  Muskeln  und  Nerven  zu  geben,  die  sie  be- 
wegen, so  hat  sie  uns  einen  Instinkt  eingepflanzt, 
welcher  unser  Denken  in  einer  Richtung  vorwärts 
treibt,  die  mit  jener  übereinstimmt,  die  sie  für  die 
äußeren  Dinge  festgesetzt  hat;  obwohl  wir  die  Mächte 
und  Kräfte  nicht  kennen,  von  denen  diese  regelmäßige 
Reihe  und  Folge  von  Gegenständen  ganz  und  gar 
abhängt 


Ober  die  Wahrscheinlichkeit. 


71 


I 


Sechster  Abschnitt. 

Über  die  Wahrscheinlichkeit') 

Ob  es  gleich  in  der  Welt  so  etwas  wie  Zufall 
nicht  gibt  —  so  hat  unsere  Unkenntnis  der  wirk- 
lichen Ursache  eines  Ereignisses  denselben  Einfluß 
auf  den  Verstand  und  erzeugt  eine  ähnliche  Art 
von  Glauben  oder  Meinung. 

Gewiß  gibt  es  eine  Wahrscheinlichkeit,  die  aus 
einer  Überlegenheit  der  günstigen  Fälle  auf  der 
einen  Seite  entspringt;  und  wie  diese  Überlegen- 
heit wächst  und  die  entgegengesetzten  Fälle  über- 
trifft, erhält  die  Wahrscheinlichkeit  einen  ent- 
sprechenden Zuwachs  und  erzeugt  einen  immer 
höheren  Grad  des  Glaubens  und  der  Zustimmung 
für  die  Seite,  auf  der  wir  die  Überlegenheit  ent- 
decken. Wären  bei  einem  Würfel  vier  Seiten  mit 
ein  und  derselben  Figur  oder  Anzahl  von  Punkten  ge- 
zeichnet und  die  übrigen  zwei  Seiten  mit  einer 
anderen  Figur  oder  Anzahl  von  Punkten,  so  wäre 
es  wahrscheinlicher,  daß  die  erstere,  als  daß  die 
letztere  obenauf  zu  liegen  käme;  jedoch,  wenn  der 
Würfel  tausend  gleich  gezeichnete  Seiten  und  nur 
eine  Seite  verschieden  davon  hätte,  so  wäre  die  Wahr- 
scheinlichkeit viel  höher  und  unser  Glaube  oder  unsere 
Erwartung  des  Ereignisses  fester  und  sicherer.  Dieser 

*)  Herr  Locke  teilt  alle  BegrüDdungeD  iu  demonstrative 
und  wahrscheinliche.  In  dieser  Hinsicht  müssen  wir  sagen, 
es  ist  nur  wahrscheinlich,  daß  alle  Menschen  sterben  müssen^ 
oder  daß  die  Sonne  morgen  aufgehen  wird.  Um  aber  unsere 
Sprache  mehr  dem  gewöhnlichen  Brauch  anzupassen,  sollten 
Begründungen  so  eingeteilt  werden:  in  Demonstrationen, 
Beweise  und  Wahrscheinlichkeiten.  Unter  Beweisen 
seien  dabei  solche  Begründungen  aus  der  Erfahrung  ver- 
standen, die  dem  Zweifel  oder  dem  Widerstand  keinen  Raum 
lassen. 


Verlauf  im  Denken  oder  der  Vernunfttätigkeit  mag  all- 
bekannt und  selbstverständlich  erscheinen;  denen  aber, 
die  ihn  genauer  erwägen,  dürfte  er  wohl  Stoff  zu 
interessanten  Spekulationen  bieten.  ^ 

Es   scheint   einleuchtend,   daß   der   Geist,   wenn 
er  vorausschauend  den  möglichen  Erfolg  beim  Wurf 
eines  solchen  Würfels  zu  entdecken  sucht,  das  Oben- 
liegen    einer    jeden  einzelnen  Seite  als  gleich  wahr- 
scheinlich  ansieht;   und  dies   ist   das  wahre  Wesen 
des  Zufalls,  daß  er  alle  einzelnen  Ereignisse,  deren 
Möglichkeit  er  einschließt,   einander  gänzlich   gleich 
stellt.    Da  aber  der  Geist  eine  größere  Anzahl  von 
Seiten  findet,  die  zur  Herbeiführung   des  einen  Er- 
eignisses beitragen,  als  zu  der  des  anderen,  so  wird 
er  öfter  auf  dies  Ereignis  geführt,  er  trifft  es  öfter 
an,   wenn   er  die  verschiedenen   Möglichkeiten   oder 
Zufälle  erwägt,  von  denen  das  endliche  Ergebnis  ab- 
hängt.   Dieses  Zusammenwirken  mehrerer  möglichen 
Aussichten  für  das  Eintreffen  eines  bestimmten  Er- 
eignisses  erzeugt  unmittelbar,   durch   eine   unerklär- 
liche Einrichtung  der  Natur,  das  Gefühl  des  Glaubens 
und  gibt  jenem  Ereignis  das  Übergewicht  über  das 
Entgegenstehende,  das  nur  von  einer  kleineren  Zahl 
von    Aussichten    unterstützt   wird    und    sich   minder 
häufig  dem  Geist  darbietet.  Wenn  wir  einräumen,  daß 
der  Glaube  nur  ein  festeres  und  stärkeres  Vorstellungs- 
bild eines  Gegenstandes  ist  als  dasjenige,  welches  bloße 
Erdichtungen  der  Einbildungskraft  begleitet,  so  läßt 
sich  über  diesen  Vorgang  vielleicht  in  gewissem  Maße 
Rechenschaft  geben.  Das  Zusammenwirken  dieser  ver-. 
schiedenen  Gesichtspunkte  oder  Aussichten  prägt  die 
Vorstellung  der  Einbildungskraft  tiefer  ein,  gibt  ihr 
überlegene    Stärke    und    Frische,    macht    ihren    Ein- 
fluß auf  die  Affekte  und  Gemütsbewegungen  fühlbarer 
und,  kurz  gesagt,  erzeugt  jene  Zuversicht  oder  Sicher- 
heil^    die    das    Wesen    des    Glaubens    und    Meinens 

ausmacht  ^  ,      ,    .  ,.  i. 

Es  verhält  sich  ebenso  mit  der  Wahrscheinlich- 
keit der  Ursachen  wie  mit  der  des  Zufalls.  Es  gibt 
einige  Ursachen,  die  in  der  Erzeugung  einer  be- 
stimmten Wirkung  sich  durchaus  einförmig  und  be- 
ständig verhalten;  und  bisher  hat  sich  kein  Fall  ge- 


'L 


72 


Seehiter  AbsohDitt. 


Über  die  Wahrscheinlicbkeit. 


78 


C'..' 


[unden,  in  dem  ihre  Wirksamkeit  irgend  versagt  oder 
sich  als  unregelmäßig  erwiesen  hätte.  Das  Feuer 
hat  noch  immer  jedes  menschliche  Wesen  verbrannt 
und  das  Wasser  es  erstickt;  die  Erzeugung  von  Be- 
wegung durch  Stoß  und  Schwerkraft  ist  ein  all- 
gemeines Gesetz,  das  bisher  keine  Ausnahme  erlitten 
hat  Aber  es  gibt  andere  Ursachen,  die  sich  als  un- 
regelmäßiger und  ungewisser  erwiesen  haben;  so  hat 
der  Rhabarber  nicht  immer  dort  purgiert,  noch  das 
Opium  dort  eingeschläfert,  wo  diese  Arzneien  ge- 
nommen wurden.  Allerdings  schreiben  Philosophen, 
wenn  eine  Ursache  verfehlt,  ihre  übliche  Wirkung 
hervorzubringen,  dies  nicht  irgend  einer  Unregel- 
mäßigkeit in  der  Natur  zu;  vielmehr  nehmen  sie  an, 
daß  geheime  Ursachen  in  dem  besonderen  Aufbau 
der  Teile  die  Wirksamkeit  verhindert  haben.  Indes 
sind  unsere  Denkakte  und  Schlüsse  über  ^den  Er- 
folg die  gleichen,  als  wenn  dies  Prinzip  nicht  gälte. 
Durch  Gewohnheit  bestimmt,  in  all  unseren  Ab- 
leitungen die  Vergangenheit  auf  die  Zukunft  zu  über- 
tragen, erwarten  wir  dort,  wo  die  Vergangenheit 
durchaus  regelmäßig  und  einförmig  verlaufen  ist, 
den  Erfolg  mit  größter  Sicherheit  und  geben  keiner 
widerstreitenden  Annahme  Raum.  Wo  man  aber 
verschiedene  Wirkungen  aus  anscheinend  genau 
gleichartigen  Ursachen  hat  folgen  sehen,  da  müssen  all 
diese  unterschiedlichen  Wirkungen  unserem  Geiste 
einfallen,  wenn  er  die  Vergangenheit  auf  die  Zukunft 
überträgt,  und  in  unsere  Betrachtung  eingehen,  wenn 
wir  die  Wahrscheinlichkeit  des  Erfolgs  bestimmen. 
Geben  wir  auch  der  am  häufigsten  Aufgetretenen 
den  Vorzug  und  glauben  an  das  Eintreffen  dieser 
Wirkung,  so  dürfen  wir  doch  die  anderen  Wirkungen 
nicht  übersehen,  sondern  müssen  einer  jeden  nach 
Maßgabe  ihres  häufigeren  oder  selteneren  Vor- 
kommens ein  bestimmtes  Gewicht  und  Ansehen  bei- 
legen. So  ist  es  für  fast  alle  Länder  Europas  wahr- 
scheinlicher, daß  irgendwann  im  Januar  Frost  eintritt, 
als  daß  während  dieses  ganzen  Monats  mildes  Wetter 
anhält;  jedoch  schwankt  diese  Wahrscheinlichkeit  je 
nach  den  verschiedenen  Klimaten  und  nähert  sich  in 
den  nördlichen  Reichen  der  Gewißheit.    Hier  scheint 


es  also  offenbar,  daß  dort,  wo  wir  die  Vergangenheit 
auf  die  Zukunft  übertragen,  um  die  spätere  Wirkung 
irgend  einer  Ursache  zu  bestimmen,  wir  all  die  verschie- 
denen Erfolge  in  demselben  Maße,  in  dem  sie  sich  in 
der  Vergangenheit  gezeigt  haben,  übertragen,  und  uns 
z.  B.  vorstellen,  daß  der  eine  hundertmal  eingetreten 
ist,  ein  anderer  zehnmal,  ein  dritter  nur  einmal. 
Da  eine  große  Zahl  möglicher  Aussichten  hier  auf 
dem  einen  Erfolg  zusammentreffen,  so  stärken  und 
bestätigen  sie  ihn  in  der  Einbildung,  erzeugen  jenes 
Gefühl,  das  wir  Glauben  nennen,  und  verleihen  dessen 
Gegenstand  den  Vorzug  vor  dem  ihm  widerstreitenden 
Erfolg,  der  nicht  durch  eine  gleiche  Zahl  von  Er- 
fahrungstatsachen gestützt  wird  und  sich  bei  der 
Übertragung  der  Vergangenheit  auf  die  Zukunft  nicht 
so  oft  dem  Denken  bietet  Man  versuche  einmal, 
über  diese  geistige  Tätigkeit  von  irgend  einem  der 
anerkannten  philosophischen  Systeme  aus  Rechenschaft 
abzulegen,  so  wird  man  sich  der  Schwierigkeit  bewußt 
werden.  Ich  meinesteils  möchte  mich  damit  zufrieden 
geben,  wenn  die  gegenwärtigen  Andeutungen  die  Wiß- 
begierde der  Philosophen  erregen  und  ihnen  zum 
Bewußtsein  bringen,  wie  mangelhaft  alle  bisher  üb- 
lichen Theorien  solche  interessanten  und  bedeutenden 
Fragen  behandelt  haben. 


I 


Siebenter  Abschnitt. 

Von  der  Vorstellung^)  der  notwendigen 

Verknüpfung. 


Erster  Teil. 

Die  mathematischen  Wissenschaften  haben  gegen- 
über den  Geisteswissenschaften  den  großen  Vorteil, 
daß  ihre  Vorstellungen  als  sinnliche  stets  klar  und 
bestimmt  sind,  daß  an  ihnen  jeder  kleinste  Unter- 
schied sofort  zu  bemerken  ist  und  daß  dieselben  Aus- 
drücke immer  dieselben  Vorstellungen  bezeichnen, 
ohne  Zweideutigkeit  oder  Abweichung.  Ein  Eirund 
wird  nie  mit  einem  Kreis,  noch  eine  Hyperbel  mit  einer 
Ellipse  verwechselt  Das  gleichschenklige  und  das 
ungleichseitige  Dreieck  sind  durch  genauere  Grenzen 
unterschieden  als  Laster  und  Tugend,  Recht  und  Un- 
recht Wird  irgend  ein  Ausdruck  in  der  Geometrie 
definiert,  so  setzt  der  Geist  von  selbst  bei  jeder  Ge- 
legenheit anstandlos  die  Definition  für  den  definierten 
Ausdruck  ein;  und  auch  da,  wo  keine  Definition  ge- 
braucht wird,  kann  der  Gegenstand  selbst  den  Sinnen 
vorgeführt  und  auf  diesem  Wege  fest  und  klar  er- 
faßt werden.  Die  feineren  Gefühle  des  Geistes 
aber,  die  Tätigkeiten  des  Verstandes,  die  mannig- 
fachen Erregungen  der  Affekte,  obwohl  in  Wirklich- 
keit an  sich  unterschieden,  entgehen  uns  leicht,  wenn 
wir  sie  in  der  Selbstbesinnung  überblicken;  es  liegt 
auch  nicht  in  unserer  Macht,  den  ursprünglichen 
Gegenstand  uns  so  oft  zurückzurufen,  wie  wir  An- 
laß hätten,  ihn  zu  betrachten.  Auf  diese  Weise  wird 
allmählich   in   unsere   Gedankengänge   Zweideutigkeit 

^)  Ausgaben  E  und  F  haben:  Von  der  Vorstellung  der 
Kraft  oder  der  notwendigen  Verknüpfung. 


Von  der  Vorstellung  der  notwendigen  Verknüpfung.      75 

getragen;  gleichartige  Gegenstände  werden  leicht  für 
dieselben  genommen,  und  der  Schluß  entfernt  sich 
zuletzt  weit  von  seinen  Voraussetzungen. 

Indes  darf  man  ruhig  behaupten,  daß  bei  die- 
sen Wissenschaften,  wenn  man  sie  im  rechten 
Lichte  betrachtet,  die  Vorzüge  und  Nachteile  sich 
nahezu  aufheben  und  beide  einander  gleichwertig 
machen.  Hält  der  Geist  leichter  die  Vorstellungen 
der  Geometrie  in  Klarheit  und  Bestimmtheit  fest, 
so  hat  er  dafür  eine  weit  längere  und  ver- 
wickeitere Kette  von  Denkakten  durchzuführen  und  ein- 
ander viel  ferner  liegende  Vorstellungen  in  Vergleich 
zu  setzen,  wenn  er  zu  den  tieferen  Wahrheiten  dieser 
Wissenschaft  vordringen  will.  Und  sind  die  Vor- 
stellungen der  Geisteswissenschaft  in  Gefahr,  bei 
Mangel  an  äußerster  Sorgfalt  in  Dunkelheit  und  Ver- 
worrenheit zu  verfallen,  so  ist  die  Herleitung  in  diesen 
Untersuchungen  stets  viel  kürzer  und  es  sind  weniger 
Zwischenstufen  bis  zum  Schlußsatz,  als  in  den  Wissen- 
schaften, die  von  Größe  und  Zahl  handeln.  Und  wirk- 
lich gibt  es  bei  Euklid  kaum  einen  noch  so  einfachen 
Liehrsatz,  der  nicht  aus  mehr  Teilen  bestünde,  als 
sich  in  einem  jeden  Gedankengang  der  Geisteswissen- 
schaften vorfinden,  welcher  nicht  in  Hirngespinste  und 
Phantasien  einmündet  Wo  wir  die  Prinzipien  des 
menschlichen  Geistes  durch  ein  paar  Stufen  wirklich 
verfolgen,  da  können  wir  sehr  wohl  mit  unserem  Fort- 
schritt zufrieden  sein,  in  der  Erwägung,  wie  bald  die 
Natur  all  unseren  Untersuchungen  über  Ursachen 
einen  Riegel  vorschiebt  und  uns  zum  Eingeständnis 
unserer  Unwissenheit  nötigt  Das  Haupthindernis 
unseres  Vorwärtskommens  in  den  Geistes-  oder  meta- 
physischen Wissenschaften  ist  demnach  die  Dunkel- 
heit der  Vorstellungen  und  die  Zweideutigkeit  der  Be- 
zeichnungen. Die  Hauptschwierigkeit  in  der  Mathe- 
matik besteht  in  der  Länge  der  Ableitungen  und  dem 
Umfang  des  Gedankenkreises,  dessen  man  zur  Ge- 
winnung eines  Schlußergebnisses  bedarl  Vielleicht  wird 
unser  Fortschritt  in  der  Naturwissenschaft  hauptsäch- 
lich durch  den  Mangel  geeignet>er  Erfahrungstatsachen 
und  Erscheinungen  verzögert,  welche  oft  durch 
Zufall,     und     nicht     immer,     selbst     bei     emsigster 


76 


Siebontor  Abschnitt. 


und  vorsichtigster  Forschung,  gefunden  werden,  wenn 
man  sie  braucht  Da  die  Geisteswissenschaft  bisher 
weniger  gefördert  zu  sein  scheint  als  sowohl  Geometrie 
wie  Physik,  so  dürfen  wir  schließen:  wenn  in  dieser 
Hinsicht  Unterschiede  zwischen  den  genannten  Wissen- 
schaften bestehen,  so  werden  die  Schwierigkeiten,  die 
den  Aufstieg  der  ersteren  hindern,  eben  größere  Sorg- 
falt und  Fähigkeit  zu  ihrer  Überwindung  erfordern. 

In  der  Metaphysik  werden  keine  dunkleren  und 
ungewisseren  Vorstellungen  angetroffen,  als  die  der 
Macht,  Kraft,  Energie  oder  der  notwendigen 
Verknüpfung,  von  welchen  wir  jeden  Augenblick 
in  all  unseren  Auseinandersetzungen  zu  handeln  ge- 
nötigt sind.  Wir  werden  deshalb  in  diesem  Abschnitt 
versuchen,  womöglich  die  genaue  Bedeutung  dieser 
Ausdrücke  festzustellen  und  dadurch  teilweise  die 
Dunkelheit  zu  beseitigen,  über  die  in  dieser  Gattung 
der  Philosophie  so  viel  geklagt  wird. 

Vermutlich  wird  der  Satz  kaum  bestritten  werden, 
daß  all  unsere  Vorstellungen  nichts  sind  als  Ab- 
bilder unserer  Eindrücke,  oder  mit  anderen  Worten, 
daß  es  uns  unmöglich  ist,  ein  Ding  zu  denken,  daß 
wir  nicht  zuvor  entweder  durch  unsere  äußeren  oder 
inneren  Sinne  empfunden  haben.  Ich  habe  mich  be- 
müht*), diesen  Satz  zu  erläutern  und  zu  beweisen 
und  die  Hoffnung  ausgesprochen,  daß  durch  rechte 
Anwendung  desselben  die  Menschen  in  ihren  philo- 
sophischen Gedankengängen  größere  Klarheit  und 
Bestimmtheit  gewinnen  mögen,  als  sie  bisher  je  zu  er- 
langen imstande  waren.  Zusammengesetzte  Vorstel- 
lungen lassen  sich  vielleicht  durch  Definition  gut  kennen 
lernen,  die  ja  nichts  ist  als  eine  Aufzählung  jener  Teile 
oder  einfachen  Vorstellungen,  die  sie  zusammensetzen. 
Sind  wir  aber  mit  den  Definitionen  bis  zu  den  ein- 
fachsten Vorstellungen  gekommen  und  stoßen  wir 
immer  noch  auf  Zweideutigkeit  und  Dunkelheit:  welche 
Hilfsquellen  stehen  uns  dann  noch  zu  Gebote?  Durch 
welchen  Einfall  können  wir  Licht  auf  diese  Vorstel- 
lungen werfen  und  sie  dem  geistigen  Blick  völlig 
scharf  und  bestimmt  darstellen?   Man  zeige  die  Ein- 

*)  Zweiter  Abschnitt,  Vom  Ursprung  der  Vorstellongeh. 


Von  der  Vorstellung  der  i^otwendigen  Verkuttpfung.      77 

drücke  oder  ursprünglichen  Gefühle  auf,  denen  die 
Vorstellungen  nachgebildet  sind.  Diese  Eindrücke  sind 
alle  stark  und  sinnfällig.  Sie  lassen  keine  Zweideutig- 
keit zu.  Sie  liegen  nicht  nur  selbst  im  hellen  Licht, 
sondern  könnten  auch  auf  die  ihnen  entsprechenden 
Vorstellungen,  die  im  Dunkel  liegen,  Licht  werfen. 
Durch  dies  Mittel  läßt  sich  vielleicht  eine  neue  Art 
von  Vergrößerungsglas  oder  Sehwerkzeug  gewinnen, 
welches  in  den  Geisteswissenschaften  die  feinsten  und 
einfachsten  Vorstellungen  soweit  vergrößert,  daß  sie 
leicht  von  uns  erfaßt  und  uns  ebensowohl  bekannt 
werden,  wie  die  gröbsten  und  sinnfälligsten  Vor- 
stellungen, die  jemals  unserer  Untersuchung  begegnen 
können. 

Um  uns  also  mit  der  Vorstellung  der  Kraft  oder 
der  notwendigen  Verknüpfung  ganz  ^  vertraut  zu 
machen,  wollen  wir  den  ihr  zugrunde  liegenden  Ein- 
druck prüfen;  und  um  diesen  Eindruck  mit  größerer 
Gewißheit  aufzufinden,  wollen  wir  all  die  Quellen 
aufsuchen,  aus  denen  er  möglicherweise  herstammen 
könnte. 

Wenn  wir  uns  unter  äußeren  Gegenständen  um- 
sehen und  die  Wirksamkeit  der  Ursachen  betrachten, 
so  sind  wir  in  keinem  einzigen  Falle  imstande,  irgend 
eine  Kraft  oder  notwendige  Verknüpfung  zu  ent- 
decken, irgendwelche  Eigenschaft,  die  die  Wirkung 
an  die  Ursache  bände  und  die  eine  zur  unfehlbaren 
Folge  der  anderen  machte.  Wir  bemerken  nur,  daß 
die  eine  tatsächlich,  in  Wirklichkeit  der  anderen 
folgt.  Den  Anstoß  der  einen  Billardkugel  begleitet 
eine  Bewegung  der  zweiten.  Dies  ist  alles,  was  den 
äußeren  Sinnen  erscheint.  Der  Geist  hat  kein  Ge- 
fühl oder  keinen  inneren  Eindruck  von  dieser  Folge 
der  Gegenstände.  Demgemäß  gibt  es  in  keinem  ein- 
zelnen, bestimmten  Falle  von  Ursache  und  Wirkung 
irgend  etwas,  das  die  Vorstellung  der  Kraft  oder 
der  notwendigen  Verknüpfung  erweckte. 

Aus  der  ersten  Erscheinung  eines  Gegenstandes 
läßt  sich  nie  mutmaßen,  welche  Wirkung  aus  ihm 
entspringen  wird.  Könnte  aber  unser  Geist  die  Kraft 
oder  die  Energie  einer  Ursache  entdecken,  so  könnten 
wir    die    Wirkung,    selbst    ohne    Erfahrung,    vorher- 


78 


Siebenter  Abschnitt. 


sehen  und  von  vornherein  mit  Gewißheit  darüber 
Aussage  machen,  durch  die  bloße  Anstrengung  des 
Denkens   und   der   Vernunfttätigkeit 

In  Wirklichkeit  enthüllt  uns  kein  Stück  Materie 
je  durch  seine  sinnlichen  Eigenschaften  irgend  eine 
Kraft  oder  Energie,  noch  gibt  es  Veranlassung  zu 
der  Annahme,  daß  es  irgend  etwas  hervorbringen 
oder  einen  anderen  Gegenstand  im  Gefolge  haben 
könne,  den  wir  als  seine  Wirkung  bezeichnen  dürften. 
Festigkeit,  Ausdehnung,  Bewegung,  diese  Eigen- 
schaften sind  alle  in  sich  abgeschlossen  und  weisen  nie 
auf  ein  anderes  Ereignis  hin,  das  aus  ihnen  hervorgehen 
könnte.  Die  Weltbegebenheiten  ziehen  in  stetigem 
Wechsel  vorüber,  ein  Gegenstand  reiht  sich  dem  andern 
in  ununterbrochener  Folge  an;  aber  die  Macht  oder 
Kraft,  welche  die  ganze  Maschine  in  Tätigkeit  er- 
hält, ist  uns  gänzlich  verborgen  und  enthüllt  sich 
nie  in  einer  sinnlichen  Eigenschaft  der  Körper.  Wir 
wissen,  daß  tatsächlich  die  Hitze  beständig  die  Flamme 
begleitet;  was  aber  die  Verknüpfung  zwischen  ihnen 
ausmacht,  das  auch  nur  zu  vermuten  oder  zu  ersinnen 
fehlt  uns  jeder  Anhalt.  Unmöglich  kann  daher  die 
Vorstellung  der  Kraft  von  der  Betrachtung  der  Körper 
in  Einzelfällen  ihrer  Tätigkeit  herstammen;  denn  kein 
Körper  zeigt  je  eine  Kraft,  die  das  Urbild  dieser  Vor- 
stellung abgeben  könnte,  i) 

Da  uns  also  äußere  Gegenstände,  wie  sie  den  Sinnen 
erscheinen,  durch  ihre  Tätigkeit  in  Einzelfällen  keine 
Vorstellung  von  Kraft  oder  notwendiger  Verknüpfung 
bieten,  so  wollen  wir  zusehen,  ob  diese  Vorstellung  durch 
Selbstbesinnung  auf  Tätigkeiten  unseres  eigenen  Geistes 
gewonnen  worden  und  einem  inneren  Eindruck  nach- 
gebildet sein  könne.    Es  ließe   sich  behaupten,   daß 

j-  ui  ^®"^  Locke  sagt  in  seinem  Kapitel  über  die  Kraft, 
die  Erfahrung  zeige  uns,  daß  mehrfach  Neuerzeugungen  in 
der  Materie  stattflinden;  wir  schlössen,  es  müsse  irgendwo 
eine  Kraft  bestehen,  fthig,  sie  zu  erzeugen,  und  gelangten 
endlich  durch  diesen  Denkakt  zu  der  Vorstellung  der 
Kraft.  Aber  kein  Denkakt  kann  uns  je  eine  neue,  ursprüng- 
liche, einfache  Vorstellung  verschaffen;  das  gesteht  dieser 
Philosoph  selber  zu.  Hieran  kann  also  niemals  der  Ur- 
sprung Jener  Vorstellung  liegen. 


Von  der  Vorstellung  der  notwendigen  Verknüpfung.      79 

wir  jeden  Augenblick  uns  einer  inneren  Kraft  bewußt 
sind;  dort  nämlich,  wo  wir  empfinden,  daß  wir  durch 
den  bloßen  Befehl  unseres  Willens  die  Glieder  unseres 
Körpers  bewegen  oder  die  Vermögen  des  Geistes 
lenken  können.  Ein  Willensakt  erzeugt  Bewegung 
unserer  Gliedmaßen  oder  läßt  eine  neue  Vorstellung 
in  unserer  Einbildung  aufsteigen.  Diesen  Einfluß 
des  Willens  kennen  wir  durch  unser  Bewußtsein. 
Daher  gewinnen  wir  die  Vorstellung  der  Kraft  oder 
Energie  und  die  Gewißheit,  daß  wir  selbst  und  alle 
vernünftigen  Wesen  mit  Kraft  begabt  sind.^)  Diese 
Vorstellung  ist  also  eine  Vorstellung  der  Selbstbe- 
sinnung, denn  sie  entspringt  aus  der  Besinnung  auf  die 
eigenen  geistigen  Tätigkeiten  und  die  Herrschaft  des 
Willens  über  die  Glieder  des  Körpers  wie  über  die 
Vermögen  der  Seele. 

Prüfen  wir  einmal  diese  Behauptung^),  und 
zwar  zuerst  den  Einfluß  des  Wollens  auf  die  Glieder 
unseres  Leibes.  Dieser  Einfluß  ist  sicherlich  eine 
Tatsache,  die  gleich  allen  anderen  natürlichen  Ereig- 
nissen einzig  aus  der  Erfahrung  bekannt  werden 
kann,  und  niemals  vorauszusehen  ist  aus  irgend 
einer  uns  erscheinenden  Energie  oder  Kraft  in  der 
Ursache,  die  letztere  mit  der  Wirkung  verknüpfte  und 
die  eine  zur  unfehlbaren  Folge  der  anderen  machte. 
Die  Bewegung  unseres  Körpers  folgt  dem  Befehl 
unseres  Willens.  Dessen  sind  wir  uns  jederzeit  be- 
wußt. Aber  die  Mittel,  durch  die  dies  bewirkt  wird, 
die  Energie,  vermöge  deren  der  Wille  eine  so  außer- 
ordentliche Wirksamkeit  entfaltet,  sie  sind  uns  so  wenig 
unmittelbar  bewußt,  daß  sie  sich  vielmehr  für  immer 
unserem  eifrigsten  Forschen  entziehen. 


^)  Ausgaben  E  und  F  haben  den  Zusatz:  Wie  dem  auch 
sei,  die  Tätigkeiten  und  die  Wechselwirkung  der  KOrper 
genügen  vielleicht  zum  Beweise,  daß  auch  diese  damit  be- 
gabt sind. 

*)  Ausgaben  E  und  F  haben:  Prüfen  wir  einmal  diese 
Behauptung  und  suchen  wir  dabei  nach  Kräften  alle  Redens- 
arten und  Verwirrungen  bei  der  Abhandlang  so  heikler  und 
dunkler  Themata  zu  vermeiden.  Ich  sage  also  erstens,  daß 
der  Einfluß  des  Willens  auf  die  Glieder  unseres  Leibes  eine 
Tatsache  ist  u.  s.  w. 


80 


Siebenter  AbsclinitL 


Von  der  Voi'stellung  der  notwendigen  Verknüpfung.     81 


Denn  erstlich:  gibt  es  in  der  ganzen  Natur 
ein  geheimnisvolleres  Prinzip,  als  die  Verbindung  von 
Seele  und  Körper,  durch  welche  eine  geistige  Sub- 
stanz, die  wir  voraussetzen,  solchen  Einfluß  auf  eine 
körperliche  Substanz  erlangt,  daß  der  feinste  Gedanke 
imstande  ist,  die  gröbste  Materie  zu  bewegen?  Hätten 
wir  die  Macht,  durch  einen  geheimen  Wunsch  Berge 
zu  versetzen  oder  Planeten  in  ihrer  Bahn  zu  be- 
herrschen, so  würde  diese  weitreichende  Macht  nicht 
außerordentlicher  sein,  noch  in  höherem  Grade  unser 
Verständnis  übersteigen.  Faßten  wir  durch  unser  Be- 
wußtsein einer  Kraft  oder  Energie  in  unserem  Willen 
auf,  so  müßten  wir  diese  Kraft  auch  kennen;  so  müßten 
wir  ihre  Verknüpfung  mit  der  Wirkung  kennen;  so 
müßten  wir  die  geheime  Verbindung  von  Seele  und 
Körper  und  die  Natur  dieser  beiden  Substanzen  kennen, 
wodurch  die  eine  befähigt  ist,  in  so  vielen  Fällen  auf 
die  andere  einzuwirken. 

Zweitens:  wir  beherrschen  die  Bewegung  aller 
Körperglieder  nicht  gleichmäßig;  dennoch  läßt  sich 
kein  anderer  Grund  außer  der  Erfahrung  für  solche 
merkwürdige  Verschiedenheit  zwischen  den  einen  und 
den  anderen  beibringen.  Warum  hat  der  Wille  Einfluß 
auf  Zunge  und  Finger  und  nicht  auf  Herz  und  Leber? 
Diese  Frage  könnte  uns  nie  in  Verlegenheit  setzen, 
wenn  wir  uns  einer  Kraft  in  ersterem  Falle  bewußt 
wären  und  in  letzterem  nicht.  Wir  würden  dann 
unabhängig  von  Erfahrung  auffassen,  warum  die  Ge- 
walt des  Willens  über  die  Glieder  des  Körpers  in  so 
besondere  Grenzen  eingeschlossen  ist  In  dem  einen 
Falle  durchaus  mit  der  Kraft  oder  Macht  vertraut, 
aus  welcher  er  seine  Wirksamkeit  schöpft,  wüßten 
wir  auch,  warum  sein  Einfluß  genau  bis  zu  diesem 
Umkreis  reicht  und  nicht  weiter. 

Ein  Mensch,  der  von  plötzlicher  Lähmung  des 
Beines  oder  Armes  befallen  wird  oder  eben  eine« 
dieser  Glieder  verloren  hat,  bemüht  sich  häufig  zu- 
erst, sie  zu  bewegen  und  ihren  gewohnten  Dienst  ver- 
richten zu  lassen.  Hierbei  hat  er  gerade  so  viel  Be- 
wußtsein von  einer  Kraft,  solche  Gliedmaßen  zu  be- 
herrschen, als  ein  völlig  gesunder  von  der  Kraft, 
An  in  natürlichem  Zustand  befindliches  Glied  zu  be- 


wegen. Das  Bewußtsein  aber  täuscht  niemals.  Folg- 
lich sind  wir  uns  weder  in  dem  einen  noch  in  dem 
anderen  Falle  jemals  irgend  einer  Kraft  bewußt. 
Wir  lernen  den  Einfluß  des  Willens  lediglich  aus 
der  Erfahrung  kennen;  und  die  Erfahrung  lehrt  uns 
nur,  wie  ein  Ereignis  beständig  dem  anderen  folgt, 
ohne  uns  über  die  geheime  Verknüpfung  zu  unter- 
richten, die  sie  zusammenhält  und  unzertrennlich 
macht. 

Drittens  lehrt  uns  die  Anatomie,  daß  der  un- 
mittelbare Gegenstand  der  Kraft  bei  freiwilliger  Be- 
wegung nicht  das  ^bewegte  Glied  selbst  ist,  sondern 
gewisse  Muskeln,  Nerven,  Lebensgeister  und  viel- 
leicht etwas  noch  Zarteres  und  Unbekannteres,  wo- 
durch sich  die  Bewegung  fortgesetzt  mitteilt,  bevor 
sie  das  Glied  selbst  erreicht,  dessen  Bewegung  der 
unmittelbare  Gegenstand  des  Wollens  ist  Kann  es 
einen  schlagenderen  Beweis  dafür  gebeti,  daß  die 
Kraft,  durch  welche  dieser  ganze  Vorgang  zustande 
kommt,  anstatt  uns  durch  ein  inneres  Gefühl  oder  Be- 
wußtsein direkt  und  völlig  bekannt  zu  sein,  vielmehr 
im  äußersten  Grade  rätselhaft  und  unbegreiflich  ist? 
Der  Geist  will  einen  bestimmten  Erfolg:  unmittelbar 
wird  ein  anderer  Erfolg  hervorgerufen,  uns  selbst 
unbekannt  und  gänzlich  verschieden  von  dem  be- 
absichtigten; dieser  Erfolg  ruft  einen  anderen  gleich 
unbekannten  hervor,  bis  schließlich  durch  eine  lange 
Keihenfolge  der  gewünschte  Erfolg  eintritt  Würde 
aber  die  ursprüngliche  Kraft  von  uns  empfunden, 
so  müßte  sie  uns  bekannt  sein;  wäre  sie  uns  bekannt, 
so  müßte  auch  ihre  Wirkung  uns  bekannt  sein,  denn 
alle  Kraft  besteht  in  der  Beziehung  zu  ihrer  Wirkung. 
Und  umgekehrt:  ist  die  Wirkung  nicht  bekannt,  so 
kann  die  Kraft  weder  gewußt  noch  empfunden  werden. 
Wie  sollten  wir  uns  auch  einer  Ejraft,  unsere  Glieder 
zu  bewegen,  bewußt  sein,  wenn  wir  solche  Kraft  gar 
nicht  haben,  vielmehr  nur  die,  gewisse  Lebensgeister 
zu  bewegen,  welche  zwar  zuletzt  die  Bewegung  unserer 
Glieder  hervorrufen,  aber  doch  in  einer  uns  ganz  un- 
begreiflichen Weise  wirksam  sind? 

Wir  dürfen  nun  ,wohl  aus  alledem  hoffentlich 
ohne  Übereilung,  wenn  auch  mit  Sicherheit  schließen, 

Hain«,  T7nt«riQobg.  ttb.  d.  menaohl.  Verstand .  Q 


82 


Siebenter  AbBchnitt 


■r 

daß  unsere  Vorstellung  der  Kraft  nicht  das  Abbild 
ist  irgend  eines  Gefühls  oder  BewuiJtseins  von  Kraft 
in  unserem  eigenen  Innern  beim  Hervorrufen  einer 
Bewegung  in  unserem  JCörper  oder  bei  der  zweck- 
mäßigen Benutzung  unserer  Glieder.  Daß  deren  Be- 
wegung die  Befehle  des  Willens  befolgt,  ist  ieine 
Tatsache  der  gemeinen  Erfahrung,  gleich  anderen 
Naturereignissen;  aber  die  Kraft  oder  Energie,  durch 
welche  dies  bewirkt  wird,  ist  gleich  jener  in  anderen 
Naturvorgängen  unbekannt  und  unvorstellbar. i) 

Oder  wollen  wir  jetzt  behaupten,  wir  seien  uns 
einer  Kraft  oder  Energie  in  unserem  eigenen  Geiste 
da  bewußt,  wo  wir  durch  einen  Akt  oder  Befehl  unseres 
Willens  eine  neue  Vorstellung  aufsteigen  lassen,  den 
Geist  auf  deren  Betrachtung  einstellen,  sie  nach  allen 
Seiten  wenden  und  sie  endlich,  wenn  wir  sie  ein- 
gehend  genug  betrachtet  zu  haben  glauben,  für  eine 
andere  Vorstellung  fahren  lassen.  Ich  denke,  die- 
selben  Begründungen   werden   beweisen,    daß    selbst 

^)  Man  könnte  sagen,  daß  der  Widerstand,  den  wir  an 
Körpern  finden,  uns  durch  die  Nötigung,  häufig  unsere 
Kraft  anzuwenden  und  all  unsere  Macht  aufzubieten,  auf 
die  Vorstellung  von  Kraft  und  Macht  bringt.  Es  wäre 
dann  dieser  Nisus  oder  die  starke  Anstrengung,  deren  wir 
uns  bewußt  sind,  der  ursprüngliche  Eindruck,  dem  diese 
Vorstellung  nachgebildet  ist.  Aber  einmal  schreiben  wir 
einer  großen  Menge  von  Dingen  Kraft  zu,  bei  denen  wir 
niemals  diesen  Widerstand  oder  diese  Kraftanstrengung  als 
vorhanden  voraussetzen  können;  so  dem  höchsten  Wesen, 
das  keinem  Widerstand  begegnet;  dem  Geist,  bei  seiner 
Herrschaft  über  die  Vorstellungen  und  Glieder  im  gewöhn- 
lichen Denken  und  Bewegen,  wo  die  Wirkung  unmittelbar 
dem  Willen  folgt,  ohne  jedwede  Anstrengung  oder  ein 
Heranziehen  von  Kraft;  der  leblosen  Materie,  die  dieses 
Gefühls  nicht  fähig  ist. 

Sodann  hat  dieses  Gefühl  der  Anstrengung,  einen 
Widerstand  zu  überwinden,  keine  uns  bekannte  Verknüpfung 
mit  einem  Ereignis;  was  auf  es  folgt,  wissen  wir  aus  Er- 
fahrung, könnton  es  aber  nicht  a  priori  wissen.  Indessen 
muß  eingeräumt  werden ,  daß  der  lebendige  Nisus,  den  wir 
erfahren,  zwar  keine  genaue,  scharf  bestimmte  Vorstellung 
von  Kraft  liefern  kann,  doch  aber  einen  Hauptbestandteil  jener 
gewöhnlichen,  ungenauen  Vorstellung  bildet,  die  man  sich 
von  ihr  macht.    (Der  letzte  Satz  fehlt  in  Ausgaben  £  und  F.) 


Von  der  Vorstellung  der  notwendigen  Verknüpfung.     83 

dieser  Willensbefehl  uns  keine  wirkliche  Vorstellung 
von  Kraft  oder  Energie  verschafft. 

Erstens  muß  man  einräumen,  daß  wir  mit  der 
Kenntnis  einer  Kraft  gerade  den  Umstand  in  der  Ur- 
sache kennen  müssen,  durch  den  sie  imstande  ist,  die 
Wirkung  hervorzubringen.  Denn  beides  gilt  als  gleich- 
bedeutend. Wir  müßten  also  sowohl  die  Ursache 
und  die  Wirkung,  als  auch  die  Beziehung  zwischen 
ihnen  kennen.  Aber  maßen  wir  uns  an,  mit  dem  Wesen 
der  menschlichen  Seele  und  dem  Wesen  einer  Vor- 
stellung, oder  mit  der  Fähigkeit  der  einen,  die  andere 
hervorzubringen,  vertraut  zu  sein?  Dies  ist  eine  wirk- 
liche Schöpfung,  eine  Erschaffung  des  Etwas  aus 
dem  Nichts.  Und  dies  schließt  eine  so  große  Kraft 
ein,  daß  sie  auf  den  ersten  Blick  das  Vermögen  jedes 
nicht  unendlichen  Wesens  zu  übersteigen  scheint. 
Mindestens  muß  zugegeben  werden,  daß  eine  solche 
Kraft  nicht  empfunden  noch  gewußt  wird,  ja  sogar 
dem  Geiste  unvorstellbar  ist.  Wir  empfinden  nur  das 
Ereignis,  nämlich  das  Vorhandensein  einer  Vor- 
stellung als  Folge  eines  Willensbefehls;  aber  die  Art, 
in  der  dieser  Vorgang  sich  vollzieht,  die  Kraft,  durch 
die  er  hervorgebracht  wird,  übersteigt  völlig  unser 

Verständnis. 

Zweitens:  die  Gewalt  des  Geistes  über  sich 
selbst  ist  ebenso  beschränkt  wie  die  über  den  Leib; 
und  diese  Schranken  lernt  man  nicht  durch  die  Ver- 
nunft oder  eine  Einsicht  in  die  Natur  von  Ursache 
und  Wirkung  kennen,  sondern  allein  aus  Erfahrung 
und  Beobachtung,  wie  bei  allen  anderen  Naturereig- 
nissen und  Vorgängen  der  Außenwelt.  Unsere  Herr- 
schaft über  die  Gefühle  und  Affekte  ist  weit  schwächer 
als  die  über  unsere  Vorstellungen,  und  selbst  die 
letztere  ist  in  sehr  enge  Grenzen  eingeschlossen. 
Wer  getraute  sich,  den  tiefsten  Grund  für  diese 
Grenzen  anzugeben  oder  zu  zeigen,  warum  die  Kraft 
in  einem  Falle  versagt  und  in  einem  anderen  nicht? 

Drittens:  Diese  Beherrschung  unseres  Selbst  ist 
zu  verschiedenen  Zeiten  sehr  verschieden.  Ein  Ge- 
sunder besitzt  sie  in  höherem  Maße  als  ein  durch 
Krankheit  Geschwächter.  Wir  sind  am  Morgen  mehr 
Herr  unserer  Gedanken  als  am  Abend,  in  nüchtemwn 

6» 


\ 


84 


Siebenter  Abschnitt 


Zustande  mehr,  als  nach  einer  reichlichen  Mahlzeit. 
Können  wir  einen  anderen  Grund  außer  der  Er- 
fahi'ung  für  diese  Abweichungen  angeben?  Wo  bleibt 
also  die  Kraft,  deren  wir  uns  angeblich  bewußt  sind? 
Besteht  nicht  hier  entweder  in  einer  geistigen  oder 
einer  körperlichen  Substanz  oder  in  beiden  ein  ge- 
heimes Triebwerk  oder  ein  Aufbau  der  Teile,  von 
dem  die  Wirkung  abhängt  und  der,  uns  gänzlich  un- 
bekannt, auch  die  Kraft  oder  Energie  des  Willens 
ebenso   unbekannt  und  unbegreiflich  macht? 

Das  Wollen  ist  unzweifelhaft  ein  geistiger  Akt, 
mit  dem  wir  hinlänglich  vertraut  sind.  Denken  wir 
einmal  über  ihn  nach;  betrachten  wir  ihn  von  allen 
Seiten.  Findet  sich  darin  irgend  etwas,  das  dieser 
schöpferischen  Kraft  gliche,  vermöge  deren  der  Wille 
aus  dem  Nichts  eine  neue  Vorstellung  entstehen  läßt 
und  mit  einer  Art  von  „Es  werde!"  die  Allmacht 
seines  Schöpfers,  wenn  ich  so  sagen  darf,  nachahmt,  • 
der  all  die  vielfältigen  Erscheinungen  der  Natur  ins 
Dasein  rief?  Wir  sind  weit  entfernt,  uns  dieser  Energie 
des  Willens  bewußt  zu  sein;  vielmehr  bedarf  es  einer 
so  gesicherten  Erfahrung,  wie  wir  sie  besitzen,  um 
uns  zu  überzeugen,  daß  so  außerordentliche  Wir- 
kungen je  aus  einem  einfachen  Akt  des  WoUens 
hervorgehen. 

Die  meisten  Menschen  finden  es  gar  nicht 
schwer,  die  gewöhnlicheren  und  bekannteren  Natur- 
vorgänge zu  erklären;  so  den  Fall  schwerer  Kör- 
per, das  Wachstum  der  Pflanzen,  die  Erzeugung 
der  Tiere  oder  die  Ernährung  der  Körper  durch 
Lebensmittel.  Sie  bildon  sich  ein,  in  all  diesen  Fällen 
die  Kraft  oder  Energie  selbst  aufzufassen,  durch  welche 
di©  Ursache  mit  der  Wirkung  verknüpft  und 
ihre  Wirksamkeit  auf  immer  unfehlbar  bestimmt 
ist.  Durch  lange  Gewohnheit  bildet  sich  eine 
solche  Geistesrichtung  bei  ihnen  aus,  daß  sie  beim 
Auftreten  der  Ursache  unmittelbar  mit  Sicherheit 
deren  gewöhnliche  Begleitung  erwarten  und  es  kaum 
für  möglich  halten,  daß  irgend  ein  anderer  Erfolg 
daraus  hervorgehen  könne.  Erst  beim  Auftreten 
außerordentlicher  Erscheinungen,  wie  Erdbeben, 
Seuchen  und  Ungeheuerliches  allerart,  finden  sie  sich 


Von  der  Vorstellung  der  notwendigen  Verknüpfung.     85 

außerstande,   eine  passende  Ursache  anzugeben  und 
die  Art,  wie  die  Wirkung  aus  ihr  folgt,  zu  erklaren. 
Gewöhnlich  nimmt  der  Mensch  in  solcher  Verlegen- 
heit seine  Zuflucht  zu  einem  unsichtbaren  vernünftigen 
Prinzip  1)   als   der    unmittelbaren   Ursache   des  über- 
raschenden   Ereignisses,    das    seiner    Meinung    nach 
durch    die    gewöhnlichen    Naturkräfte    nicht   erklärt 
werden   kann.    Philosophen   aber,    die   ihre   Prüfung 
•  etwas   weiter    treiben,    bemerken   sofort,    daß  selbst 
in   den    gewohntesten    Ereignissen    die   Energie   der 
Ursache    genau    so    unverständlich    ist    wie    in    den 
ungewohntesten,    und    daß    wir    nur    durch    Erfah- 
rung   den    häufigen    Zusammenhang    von    Gegen- 
ständen  kennen    lernen,    ohne   je    etwas   einer   Ver- 
knüpfung ähnliches  erfassen  zu  können.    Da  halten 
sich  nun  viele  Philosophen  aus  Vernunftgründen  fiir 
verpflichtet,   in  allen  Lagen  auf  jenes  selbe  Prinzip 
zurückzugreifen,  auf  das  der  gewöhnliche  Mensch  nur 
in  solchen  Fällen,  die  wunderbar  und  übernatürlich 
erscheinen,  sich  beruft.   Sie  machen  Geist  und  Intelli- 
genz nicht  zur   letzten  und  ursprünglichen  Ursache 
aller  Dinge,  sondern  zur  unmittelbaren  und  alleinigen 
Ursache  jedes  Ereignisses,  das  in  der  Natur  erscheint.  ^ 
Sie   behaupten,   daß  die   gewöhnlich   Ursachen  be- 
nannten Dinge    in  Wirklichkeit    lediglich  Gelegen- 
heiten  sind   und  daß   das  wahre  und  unmittelbare 
Prinzip  jeder  Wirkung  nicht  irgend  eine  Macht  oder 
Kraft    in    der    Natur,    sondern    ein   Willensakt    des 
höchsten  Wesens  ist,  welches  bestimmt,   daß  solche 
besonderen  Gegenstände  auf  immer  miteinander   zu- 
sammenhängen sollen-   Anstatt  zu  sagen,  eine  Billard- 
kugel bewege  die  andere  durch  eine  Kraft,  die  sie 
von  dem  Schöpfer  der  Natur  bezogen  hat,  erklären 
sie,   es  sei  die  Gottheit  selbst,  die  durch  einen  be- 
sonderen Willensakt  die  zweite  Kugel  in  Bewegung 
setzt,  hierzu  bestimmt  durch  den  Anstoß  der  ersten 
Kugel,  und  zwar  infolge  jener  allgemeinen  Gesetze, 
welche  sie  sich  selbst  zur  Regel  in  der  Regierung 

»)  6s6g  oüto  firjxayfjs.  Ausgabe  E  hat:  quasi  Deus  ex 
machina.  Ausgabe  F  fügt  den  Nachweis  hinzu:  Cicero,  de 
Natura  Deorum. 


86 


Siebenter  Abfohnitl. 


I 


der  Welt  gemacht  hat  Nun  entdecken  aber  die 
Philosophen  im  Fortgange  der  Untersuchung,  daß  wir 
nicht  nur  in  gänzlicher  Unwissenheit  über  die  Kraft 
sind,  auf  der  die  gegenseitige  Einwirkung  der  Körper 
beruht,  sondern  ebensowenig  von  jener  Kraft  wissen, 
auf  der  die  Einwirkung  von  Geist  auf  Körper,  oder 
von  Körper  auf  Geist,  beruht;  auch  sind  wir  weder 
durch  unsere  Sinne  noch  durch  unser  Bewußtsein  im- 
stande, das  letzte  Prinzip  im  einen  Falle  mehr  als 
im  anderen  anzugeben.  Die  gleiche  Unwissenheit 
nötigt  sie  also  zum  gleichen  Schlüsse:  Sie  behaupten, 
daß  die  Gottheit  die  unmittelbare  Ursache  der  Einheit 
von  Seele  und  Leib  ist  und  daß  es  nicht  die  Sinnes- 
organe sind,  die,  durch  äußere  Gegenstände  erregt, 
im  Geiste  Wahrnehmungen  hervorbringen,  sondern 
daß  ein  besonderer  Willensakt  unseres  allmächtigen 
Schöpfers  eine  solche  Wahrnehmung  als  Folge  einer 
solchen  Erregung  im  Organ  auslöst  Gleicherweise 
ist  es  keinerlei  Energie  des  Willens,  die  örtliche  Be- 
wegungen unserer  Glieder  hervorruft;  es  ist  Gott 
selbst,  dem  es  beliebt,  unseren  an  sich  ohnmächtigen 
Willen  zu  unterstützen  und  jene  Bewegung  zu  ge- 
bieten, die  wir  irrtümlich  unserer  eigenen  Kraft  und 
Wirksamkeit  zuschreiben.  Auch  bei  dieser  Schluß- 
folgerung bleiben  die  Philosophen  nicht  stehen; 
manchesmal  dehnen  sie  dieselbe  auf  den  Geist  selbst 
bei  seiner  inneren  Tätigkeit  aus.  Unsere  geistige 
Anschauxmg  oder  Bildung  von  Vorstellungen  ist 
nur  eine  von  unserem  Schöpfer  uns  gewordene  Offen- 
barung. Wenn  wir  unsere  Gedanken  freiwillig  auf 
einen  Gegenstand  richten  und  sein  Bild  in  der 
Einbildung  erstehen  lassen,  so  ist  es  nicht  der 
Wille,  der  jene  Vorstellung  schafft;  der  Welt- 
schöpfer entdeckt  sie  dem  Geist  und  macht  sie  uns 
gegenwärtig. 

So  ist  diesen  Philosophen  jedes  Ding  von  Gott 
erfüllt  Nicht  zufrieden  mit  dem  Prinzip,  daß  nichts 
ohne  seinen  Willen  besteht,  daß  keinem  Ding  Kraft 
eignet,  die  er  nicht  verleiht,  berauben  sie  die  Natur 
und  alle  erschaffenen  Wesen  jeder  Kraft,  um  so 
ihre  Abhängigkeit  von  der  Gottheit  fühlbarer  und 
unmittelbarer    zu    machen.     Sie    übersehen,    daß   sie 


Von  der  Vorstellung  der  notwendigen  Verknüpfung.     87 

durch  diese  Theorie  die  Erhabenheit  jener  Eigen- 
schaften verkleinern,  nicht  vergrößern,  die  sie  so 
sehr  zu  rühmen  vorgeben.  Es  spricht  doch  gewiJi 
in  höherem  Maße  für  die  Macht  der  Gottheit,  wenn 
sie  den  untergeordneten  Geschöpfen  einen  gewesen 
Grad  von  Kraft  überweist,  als  wenn  sie  jedes  Dmg 
durch  eigenen  unmittelbaren  Willensakt  hervorbringt. 
Es  zeugt  von  größerer  Weisheit,  von  Anfang  an 
das  Weltgebäude  mit  solch  vollendeter  Voraussicht 
einzurichten,  daß  es  von  selbst  und  durch  eigene  Wirk- 
samkeit allen  Absichten  der  Vorsehung  dienen  kann, 
als  wenn  der  große  Schöpfer  sich  jeden  Augenblick 
genötigt  sähe,  seine  Teile  zurechtzurücken  und  alle 
Räder   jenes  staunenswerten  Triebwerks  mit  seinem 

Atem  zu  beleben. 

Wünschen  wir  indessen  eine  mehr  philosophische 
Widerlegung  dieser  Theorie,  so  genügen  vielleicht  die 
folgenden  zwei  Überlegungen: 

Erstlich    scheint   mir,    daß   diese   Theorie   von 
der  allgemeinen  Energie  und  Wirksamkeit  des  höchsten 
Wesens  zu  kühn  ist,  um  je  Überzeugung  bei  einem 
Menschen    hervorzurufen,     der    mit    der    Schwache 
menschlicher  Vernunft  und  den  enggezogenen  Grenzen 
all  ihrer  Tätigkeiten  genügend  vertraut  ist.  Wäre  die 
Kette  der  Begründungen,  die  zu  dieser  Theorie  führt, 
noch  so  logisch,  es  muß  ein  starker  Verdacht,  wenn 
nicht  die  volle  Sicherheit  entstehen,  daß  sie  uns  durch- 
aus über  den  Bereich  unserer  Fähigkeiten  gebracht 
hat,  wenn  sie  zu  so  außerordentlichen,  dem  gewöhn- 
lichen  Leben   und   der   Erfahrung   so   fernliegenden 
Schlüssen  führt    Wir  sind  ins  Märchenland  geraten, 
lange  ehe  wir  noch  die  letzten  Stufen  unserer  Theorie 
erreichten;  und  dort  haben  wir  keinen  Grund,  uns 
auf    unsere    gewöhnlichen   Begründungsmethoden    zu 
verlassen  oder  unseren  üblichen  Analogien  und  Wahr- 
scheinlichkeiten   Geltung    zuzutrauen.    Unsere   Senk- 
leine ist  nicht  lang  genug,   so  ungeheure  Abgründe 
zu  loten.   Und  wie  wir  uns  auch  schmeicheln  mögen, 
daß  wir  bei  jedem  unserer  Schritte  eine  gewisse  Wahr- 
heitsähnlichkeit  und  Erfahrung   zum   Führer   haben, 
so  können  wir  doch  sicher  sein,  daß  diese  vermeint- 
liche  Erfahrung  dann  keine   Geltung   besitzt,   wenn 


1 


88 


Siebenter  Abschniü. 


wir  sie  so  auf  Gegenstände  anwenden,  die  gänzlich 
aoBer  dem  Umkreis  der  Erfahrung  liegen.  Doch  es 
bietet  sich  später  Gelegenheit»  diesen  Punkt  zu  be- 
rühren. 1) 

Zweitens  vermag  ich  in  den  Begründungen,  auf 
die  sich  diese  Theorie  stützt,  keine  Überzeugungs- 
kraft zu  sehen.  Wir  kennen  allerdings  nicht  die 
Art,  in  der  Körper  aufeinander  wirken;  ihre  Kraft 
oder  Energie  ist  gänzlich  unbegreiflicL  Aber  kennen 
wir  nicht  die  Art  oder  Kraft  ebensowenig,  durch 
welche  ein  Geist,  und  selbst  der  höchste  Geist,  auf 
sich  oder  auf  Körper  wirkt?  Woher,  frage  ich,  ge- 
winnen wir  irgend  eine  Vorstellung  davon?  In  uns 
haben  wir  kein  Gefühl  oder  Bewußtsein  dieser  Kraft. 
Von  dem  höchsten  Wesen  haben  wir  keine  andere 
Vorstellung,  als  wir  aus  der  Selbstbesinnung  auf  unsere 
eigenen  f^higkeiten  gewinnen.  Wäre  unsere  Unkennt- 
nis also  ein  guter  Grund,  irgend  etwas  zu  verwerfen, 
so  würde  das  uns  zu  dem  Prinzip  führen,  jedwede 
Energie  ebenso  im  höchsten  Wesen  wie  in  der  gröbsten 
Materie  zu  verneinen.  Wir  begreifen  doch  sicherlich 
die  Wirksamkeit  des  einen  so  wenig  wie  die  der 
anderen.  Ist  es  schwieriger,  sich  vorzustellen,  daß 
Bewegung  durch  einen  Anstoß,  oder  daß  sie  durch 
eine  Willensregierung  entsteht?  Alles,  was  wir  kennen, 
ist  unsere  tiefe  Unwissenheit  in  beiden  Fällen.  *) 

1)  In  Abschnitt  XII. 

')  Es  erabrigt  sieb,  aosfährlich  die  Vis  inertiae  zn  prüfen, 
von  der  soviel  in  der  neueren  Philosophie  die  Rede  ist  und 
die  man  der  Materie  zuschreibt.  Durch  Erfahrung  linden 
wir,  daß  ein  Körper  in  Ruhe  oder  Bewegung  auf  immer  im 
selben  Zustand  verharrt,  bis  irgend  eine  neue  Ursache  ihn 
daraus  vertreibt,  und  daß  ein  gestoßener  Körper  dem  stoßenden 
gerade  soviel  Bewegung  entzieht,  als  er  selbst  dabei  gewinnt. 
So  liegen  die  Tatsachen.  Nennen  wir  dies  eine  Vis  inertiae, 
so  bezeichnen  wir  nur  diese  Tatsachen,  ohne  den  Anspruch, 
irgend  eine  Vorstellung  von  der  Trägheitskrafl  zu  haben; 
gerade  so,  wie  wir  von  Schwerkraft  sprechen  und  dabei 
gewisse  Wirkungen  meinen,  ohne  jene  treibende  Kraft  zu 
begreifen.  Es  war  nie  die  Meinung  Sir  Isaak  Newtons,  die 
Ursachen  zweiten  Grades  (die  Materie,  Ausgaben  E  und  F) 
aller  Kraft  oder  Ener^e  zu  berauben,  wenngleich  einige 
seiner  Nachfolger  jene  Theorie  auf  sein  Ansehen  zu  gründen 


Von  d«r  Vorstellung  der  notwendigen  Verknüpfung.     89 


Zweiter  Teil. 

Es  wird  Zeit,  mit  dieser  Beweisführung,  die  sich 
schon  zu  sehr  in  die  Länge  zieht,  abzuschließen: 
Wir  haben  vergebens  nach  einer  Vorstellung  von 
Kraft  oder  notwendiger  Verknüpfung  in  all  den 
Quellen  gesucht,  aus  denen  sie  unserer  Ansicht  nach 
abfließen  konnte.  Es  zeigt  sich,  daß  wir  in  Einzel- 
fällen der  Wirksamkeit  von  Körpern  auch  mit 
äußerster  Genauigkeit  der  Prüfung  nie  etwas  anderes 
entdecken  können,  als  daß  ein  Ereignis  dem  anderen 
folgt;  aber  wir  sind  nicht  imstande,  irgendwelche 
Kraft  oder  Macht  zu  begreifen,  durch  welche  die 
Ursache  wirkt,  oder  irgend  eine  Verknüpfung  zwischen 
ihr  und  der  angenommenen  Wirkung.  Dieselbe 
Schwierigkeit  erhebt. sich,  wenn  wir  die  Wirksamkeit 
des  Geistes  auf  den  Körper  betrachten;  hierbei  be- 
obachten wir,  daß  die  Bewegung  des  letzteren  der 
Willensregung  des  ersteren  folgt,  sind  aber  außer- 
stande, das  Band  ^zu  beobachten  oder  uns  vorzustellen, 
das  die  Bewegung  an  die  Willensregung  knüpft,  oder 
die  Energie,  vermittels  deren  der  Geist  diese  Wir^ 
kung  hervorbringt  Die  .Gewalt  des  Willens  über  seine 
eigenen  Vermögen  und  Vorstellungen  ist  nicht  eine 
Spur  begreiflicher,  so  .daß,  im  ganzen  genommen, 
überall  in  der  ganzen  Natur  sich  nicht  em  einziges 
Beispiel    von   Verknüpfung   darbietet,    das   uns   vor- 

▼ersucht  haben.  Dieser  große  Philosoph  hat  im  Gegenteil 
ein  ätherisches,  wirksames  Fluidum  zur  Erklärung  der  von 
ihm  gelehrten  aU^^emeinen  Anziehung  zu  Hilfe  genommen; 
doch  gab  er  dabei  yorsichtig  und  bescheiden  zu,  es  sei  eine 
bloße  Hypothese,  auf  die  man  sich  ohne  weitere  Versuche 
nicht  fest  stützen  dürfe.  Ich  muß  sagen,  es  liegt  etwas 
Sonderbares  in  dem  Schicksal  der  Meinungen.  Descartes 
führte  jene  Lehre  von  der  allgemeinen  und  einzigen  Wir- 
kungskraft der  Gottheit  leise  ein,  ohne  auf  ihr  zu  bestehen. 
Malebranchc  und  andere  Cartesianer  machten  sie  zum  Grund- 
stein ihrer  Philosophie.  Sie  hatte  indessen  keine  Geltung 
in  England.  Locke,  Clarke  und  Cudworth  schenkten  ihr 
nicht  einmal  Beachtung,  sondern  nahmen  stets  an,  daß  die  Ma- 
terie eine  wirkliche,  wenn  auch  untergeordnete  und  vermittelte 
Kraft  besäße.  Wodurch  ist  sie  unter  unseren  heutigen  Meta- 
physiken) zu  solcher  Vorherrschaft  gekommen? 


90 


Siebenter  Abiohnitt. 


stellbar  wäre.  Alle  flreignisse  erscheinen  durchaas 
unzusammenhängend  und  vereinzelt  Ein  Ereignis 
folgt  dem  anderen;  aber  nie  können  wir  irgenu  ein 
Band  zwischen  ihnen  beobachten.  Sie  scheinen  zu- 
sammenhängend, doch  nie  verknüpft:  Und  da 
wir  keine  Vorstellung  von  etwas  haben  können,  das 
nie  unseren  äußeren  JSinnen  noch  dem  inneren  Gefühl 
sich  darbot,  so  scheint  die  notwendige  Schluß- 
folgerung zu  lauten:  daß  wir  überhaupt  gar  keine 
Vorstellung  von  Verknüpfung  oder  Kraft  besitzen, 
und  daß  diese  Wörter  gänzlich  ohne  jeden  Sinn  sind, 
ob  sie  nun  in  philosophischen  Gedankengängen  oder  im 
gewöhnlichen   Leben   angewandt  werden. 

Indes  bleibt  noch  ein  Weg,  diesem  Schluß  zu 
entgehen,  und  eine  .Quelle,  die  wir  noch  nicht  ge- 
prüft haben.  Wenn  sich  uns  ein  Gegenstand  oder 
Ereignis  in  der  Natur  darbietet,  so  ist  es  uns  ohne 
Erfahrung  unmöglich,  mit  noch  so  eindringlichem 
Scharfsinn  zu  entdecken,  ja  auch  nur  zu  erdenken, 
was  für  ein  Ereignis  aus  ihm  folgen  wird,  oder 
mit  unserer  Voraussicht  über  den  Gegenstand  hinaus- 
zugelangen,  der  unmittelbar  dem  Gedächtnis  oder  den 
Sinnen  vorliegt.  Selbst  wenn  ein  Beispiel  odef  eine 
Erfahrungstatsache  uns  beobachten  ließ,  daß  ein  be- 
stimmtes Ereignis  einem  anderen  folgte,  so  sind  wir 
nicht  berechtigt,  eine  allgemeine  Regel  zu  bilden  oder 
vorauszusagen,  was  in  gleichen  Fällen  eintreten  wird; 
denn  mit  Kecht  gilt  es  als  unverzeihlicher  Vorwitz, 
aus  einer  einzelnen,  auch  noch  so  genauen  und  gewissen 
Erfahrungstatsache,  ein  Urteil  über  den  gesamten  Na- 
turlauf abzugeben.  Wenn  aber  eine  besondere  Art  von 
Ereignissen  immer  in  allen  Jollen  im  Zusammenhang 
mit  einer  anderen  aufgetreten  ist,  so  scheuen  wir  uns 
nicht,  beim  Erscheinen  der  einen  die  andere  vorher- 
zusagen und  jenen  Denkakt  anzuwenden,  der  uns 
allein  Tatsachen  oder  Dasein  sicherstellt.  Wir 
nennen  dann  den  einen  Gegenstand  Ursache,  den 
anderen  Wirkung.  Wir  nehmen  an,  daß  es  irgend 
eine  Verknüpfung  zwischen  beiden  gibt,  irgendwelche 
Kraft  im  einen,  durch  die  er  unfehlbar  den  anderen 
hervorbringt  und  mit  größter  Gewißheit  und  strengster 
Notwendigkeit   wirkt 


Von  d«r  Vontellung  der  nolnrtiidigen  Verknüpfung.     91 

Hiernach  scheint  es,  daß  die  Vorstellung  einer 
notwendigen  Verknüpfung  von  Ereignissen  ihren  Ur- 
sprung in  einer  Häufung  eingetretener  gleichartiger 
Fälle  hat,  in  denen  beständig  diese  Ereignisse  im 
Zusammenhang  standen;  ein  einzelner  solcher  Fall  kann 
nie  jene  Vorstellung  eingeben,  wenn  man  ihn  auch 
von  allen  Seiten  beleuchtet  und  prüft  In  einer  Mehr- 
zahl von  Fällen  findet  sich  aber  nichts  von  jedem 
Einzelfalle  Verschiedenes,  der  als  ganz  gleichartig 
mit  ihnen  angenommen  wird,  ausgenommen,  daß  nach 
einer  Wiederholung  gleichartiger  Fälle  der  Geist  aus 
Gewohnheit  veranlaßt  wird,  beim  Auftreten  des  einen 
Ereignisses  dessen  übliche  Begleitung  zu  erwarten 
und  zu  glauben,  daß  sie  ins  Dasein  treten  werde.  Diese 
Verknüpfung  also,  die  wir  im  Geist  empfinden, 
dieser  gewohnheitsmäßige  Übergang  jler  Einbildung 
von  einem  Gegenstand  zvl  seinem  üblichen  Begleiter 
ist  das  Gefühl  oder  der  Eindruck,  nach  dem  wir  die 
Vorstellung  von  Kraft  oder  notwendiger  Verknüpfung 
bilden.  Weiter  steckt  nichts  dahinter.  Auch  bei  all- 
seitiger Betrachtung  der  Frage  läßt  sich  niemals  ein 
anderer  Ursprung  jener  Vorstellung  auffinden.  Es 
gibt  nur  diesen  einen  Unterschied  zwischen  einem 
Einzelfall,  von  dem  wir  nie  die  Vorstellung  der  Ver- 
knüpfung erhalten,  und  einer  Anzahl  gleichartiger 
Fälle,  die  uns  dieselbe  eingibt  Als  zum  ersten  Male 
die  Mitteilung  einer  Bewegung  durch  Stoß,  wie  etwa 
bei  dem  Zusammenpralle  zweier  Billardkugeln,  von 
einem  Menschen  beobachtet  wurde,  konnte  dieser  nicht 
aussagen,  daß  das  eine  Ereignis  mit  dem  anderen 
verknüpft  war,  sondern  nur,  daß  das  eine  mit  dem 
anderen  in  Zusammenhang  stand.  Nachdem  er  meh- 
rere Beispiele  dieser  Art  gesehen  hat,  erklärt  er  sie 
für  verknüpft  Was  hat  sich  so  geändert,  daß  diese 
neue  Vorstellung  der  Verknüpfung  entstand?  Weiter 
nichts,  als  daß  er  nun  diese  Ereignisse  als  in  seiner 
Einbildung  verknüpft  empfindet  und  leicht  das 
Dasein  des  einen  aus  dem  Auftreten  des  anderen 
vorhersagen  kann.  Behaupten  wir  also,  daß  ein  Gegen- 
stand mit  einem  anderen  verknüpft  ist,  so  meinen  wir 
nur,  daß  sie  in  unserem  Denken  eine  Verknüpfung 
eingegangen  sind  und  die  Ableitung  veranlassen,  durch 


92 


Siebenter  Abschnitt. 


die  sie  zu  Beweisen  ihres  beiderseitigen  Daseins  wer- 
den. Ein  etwas  außergewöhnlicher  Schluß;  doch  er 
scheint  sich  auf  ausreichende  Evidenz  zu  gründen. 
Auch  wird  seine  Evidenz  durch  mangelndes  Selbst- 
vertrauen des  Verstandes  im  allgemeinen  oder  durch 
skeptischen  Verdacht  gegen  jede  Schlußfolgerung,  die' 
neu  und  außerordentlich  ist,  nicht  geschwächt  werden. 
Können  doch  keine  Schlüsse  dem  K^keptizismus  besser 
behagen  als  solche,  welche  die  Schwäche  und  enge 
Begrenztheit  der  menschlichen  Vernuxft  und  Begabung 
aufdecken. 

Läßt  sich  aber  wohl  ein  schlagenderes  Beispiel 
für  die  erstaunliche  Unwissenheit  und  Schwäche  des 
Verstandes  beibringen,  als  eben  dieses?  Wenn  es 
eine  Beziehung  zwischen  Gegenständen  gibt,  deren 
vollkommene  Kenntnis  uns  von  Wichtigkeit  ist,  so 
ist  es  doch  sicherlich  die  von  Ursache  und  Wirkung. 
Auf  sie  gründen  sich  alle  Denkakte  in  bezug  auf 
Tatsachen  oder  Dasein.  Nur  durch  sie  allein  er- 
halten wir  Sicherheit  über  Gegenstände,  die  dem 
augenblicklichen  Zeugnis  des  Gedächtnisses  und  der 
Sinne  entrückt  sind.  Der  einzige  unmittelbare  Nutzen 
aller  Wissenschaften  besteht  darin,  uns  die  Beherr- 
schung und  Regelung  künftiger  Ereignisse  durch  ihre 
Ursachen  zu  lehren.  Unser  Denken  und  Forschen  ist 
demnach  jederzeit  mit  dieser  Beziehung  beschäftigt: 
Und  doch  sind  die  Vorstellungen,  die  wir  uns  von 
ihr  machen,  dermaßen  unvollkommen,  daß  es  un- 
möglich ist,  irgend  eine  andere  richtige  Definition 
der  Ursache  zu  geben,  als  allein  eine  solche,  die  von 
einem  außer  ihr  stehenden  und  ihr  fremden  Etwas 
abgezogen  ist  Untereinander  gleichartige  Gegen- 
stände hängen  stets  mit  wieder  untereinander  gleich- 
artigen zusammen.  Dies  sagt  uns  die  Erfahrung.  In 
Übereinstimmung  mit  dieser  Erfahrung  mögen  wir 
also  eine  Ursache  definieren  als:  einen  Gegenstand, 
dem  ein  anderer  folgt,  wobei  allen  Gegen- 
ständen, die  dem  ersten  gleichartig  sind, 
Gegenstände  folgen,  die  dem  zweiten  gleich- 
artig sind.    Oder^  mit   anderen  Worten:    wobei, 

^  Dieser  Satz  ist  in  Ausgabe  K  zugefQgt  worden. 


Von  der  VoreteUnng  der  notwendigen  Verknüpfang.     93 

wenn   der  erste  Gegenstand  nicht  bestanden 
hätte,  der  zweite  nie  ins  Dasein  getreten  wäre. 
Die  Erscheinung  einer  Ursache  führt  stets  den  Geist, 
durch  einen  gewohnheitsmäßigen  Übergang,  zur  Vor- 
stellung der  Wirkung.    Auch  dies  lehrt  uns  die  Er- 
fahrung. Deshalb  mögen  wir,  jetzt  in  Übereinstimmung 
mit  dieser  Erfahrung,  eine  andere  Definition  der  Ur- 
sache bilden  und  sie  bezeichnen  als:  einen  Gegen» 
stand,  dem  ein  anderer  folgt,  und  dessen  Er- 
scheinen stets  das  Denken  zu  jenem  andern 
führt   Haben  wir  nun  auch  diese  beiden  Definitionen 
von  Umständen  hergeleitet,   die  der  Ursache  fremd 
sind,   so  läßt  sich  diesem  Übelstand  eben  nicht  ab- 
helfen und  eine  vollkommenere  Definition  nicht  er- 
reichen, die  jenen  Umstand  in  der  Ursache  aufzeigte, 
der  ihr  eine  Verknüpfung  mit  ihrer  Wirkung  gibt. 
Wir  haben  keine  Vorstellung  von  dieser  Verknüpfung, 
nicht  einmal  irgend  einen  deutlichen  Begriff  dessen, 
was  wir  eigentlich  zu  kennen  wünschen,   wenn  wir 
uns  um  ein  Vorstellungsbild  von  ihr  bemühen.    Wir 
sagen  z.  B.,  die  Schwingung  dieser  Saite  ist  die  Ursache 
dieses  bestimmten  Tons.    Was  aber  meinen  wir  mit 
dieser  Behauptung?    Entweder  meinen  wir:  daß  auf 
diese  Schwingung  dieser  Ton  folgt  und  daß 
allen     gleichartigen    Schwingungen    gleich- 
artige Töne  gefolgt  sind;  oder:  daß  auf  diese 
Schwingung  dieser  Ton  folgt   und  daß  beim 
Erscheinen   des   einen   der   Geist   den   Sinnen 
vorgreift  und  unmittelbar  die  Vorstellung  des 
anderen  bildet    Die  Beziehung  von  Ursache  und 
Wirkung  läßt  sich  unter  diesen  beiden  Gesichtspunkten 
betrachten,  darüber  hinaus  haben  wir  von  ihr  keine 
Vorstellung.  ^) 

*)  Nach  diesen  Erläuterungen  und  Definitionen  ist  die 
Vorstellung  der  Kraft  genau  so  eine  Beziehung  wie  die  der 
Ursache;  beide  weisen  auf  eine  Wirkung  oder  sonst  ein 
Ereignis,  das  beständig  mit  ihnen  zusammenhängt.  Betrachten 
wir  das  unbekannte  Etwas  in  einem  Gegenstand,  durch 
das  der  Grad  oder  die  Größe  seiner  Wirkung  festgesetzt 
und  bestimmt  wird,  so  nennen  wir  das  seine  Kraft.  So 
nehmen  denn  auch  alle  Philosophen  an,  die  Wirkung  sei 
das  Maß  der  Kraft.     Besäßen  sie  aber  eine  Vorstellung  der 


94 


Siebenter  Abschnitt 


Fassen  wir  die  Gedankengänge  dieses  Abschnitts 
zusammen,  so  ist  jede  Vorstellung  einem  vorher- 
gehenden Eindruck  oder  Gefühl  nachgebildet;  und  wo 
keinerlei  Eindruck  sich  finden  läßt,  da  können  wir 
gewiß  sein,  daß  keine  Vorstellung  vorhanden  ist. 
In  allen  Einzelfällen  von  körperlicher  oder  geistiger 

Kraft  an  sich,  warum  können  sie  die  Kraft  selbst  nicht 
messen?  Der  Streit,  ob  die  Kraft  eines  bewegten  Körper« 
seiner  Geschwindigkeit  oder  dem  Quadrat  seiner  Geschwin- 
digkeit gleich  ist,  dieser  Streit  brauchte  dann  wohl  nicht 
durch  Vergleichen  der  Wirkungen  in  gleichen  oder  un- 
gleichen Zeiten  entschieden  zu  werden,  sondern  durch  un- 
n^ittelbare  Messung  und  Vergleichung. 

Der    häufige    Gebrauch    der    Wörter:    Macht,    Kraft, 
Energie  u.  s.  w.,   auf  die  wir  überall  in    der  Alltagsprache 
wie   in   der  Philosophie  stoßen,   ist  kein  Beweis,  daß  wir 
irgendwo  mit  dem  verknüpfenden  Prinzip  zwischen  Ursache 
und  Wirkung  bekannt  oder  imstande  sind,  Rechenschaft  über 
den   letzten  Grund   der  Erzeugung  eines  Dinges  dnrch  ein 
anderes  abzulegen.     Diese  Wörter   haben   im  gewöhnlichen 
Gebrauch  eine  sehr  schwankende  Bedeutung,  und  die  ihnen 
zugehörigen  Vorstellungen  sind  sehr  ungewiß  und  verworren. 
Kein  Lebewesen  kann  äußere  Körper  in  Bewegung  setzen, 
ohne  das  Gefühl  eines  Nisus  oder  einer  Anstrengung;  und  jedes 
Lebewesen  hat  ein  Gefühl  oder  eine  Empfindung  von  dem  Stoß 
oder  Schlag  eines  äußeren  in  Bewegung  befindlichen  Gegen- 
standes.    Diese  Wahrnehmungen,    die   rein    auf  Lebewesen 
beschränkt  sind  und  von  denen  wir  a  priori  nichts  ableiten 
können,  sind  wir  geneigt,  auf  unbeseelte  Dinge  zu  übertragen 
und  anzunehmen,  daß  auch  sie  solche  Empfindungen  haben,  so 
oft  sie  Bewegung  empfangen  oder  übermitteln.  In  bezug  auf 
Energien,  die  sich  auswirken,  ohne  daß  wir  mit  ihnen  eine 
Vorstellung  von  mitgeteilter  Bewegung  verbinden,  betrachten 
wir  nur  den  regelmäßig  erfahrenen  Zusammenhang  der  Er- 
eigiiisse;   und  da  wir  eine  gewohnheitsmäßige  Verknüpfung 
zwischen  den  betreffenden  Vorstellungen  empfinden,  über- 
tragen wir  diese  Empfindung  auf  die  Gegenstände;  ist  doch 
nichts  so  gewöhnlich,  wie  äußeren  Körpern  jede  innere  Wahr- 
nehmung,   die  sie   veranlassen,   zuzuschreiben.    (Diese  An- 
merkung kam  in  Ausgabe  P  hinzu,  wo  indessen  an  Stelle 
des  zweiten  Absatzes  zu  lesen  ist:  eine  Ursache  ist  etwas 
anderes  als  ein  Zeichen,  denn  sie  schließt  Vorangehen  und 
Berührung  in  Zeit  und  Raum  ein  und  überdies  regelmäßigen 
Zusammenhang.    Ein  Zeichen    ist   nur  eine   Seiten  Wirkung 
der  gleichen  UrsaobeO 


Von  der  Vorstellung  der  notwendigen  Verknüpfung.     96 

Wirksamkeit  hinterläßt  nichts  den  Eindruck  und  kann 
folglich  auch  nichts  die  Vorstellung  von  Kraft  oder 
notwendiger  Verknüpfung  eingeben.   Wenn  aber  viele 
gleichförmige    Beispiele     auftreten     und     demselben 
Gegenstand    immer    dasselbe    Ereignis    folgt,    dann 
beginnen   wir    den   Begriff   von    Ursache    und   Ver- 
knüpfung zu  bilden.   Wir  empfinden  nun  ein  neues 
Gefühl  oder  einen  Eindruck,  nämlich  eine  gewohnheits- 
mäßige Verknüpfung    im   Denken    oder    der   Einbil- 
dung   zwischen    einem    Gegenstand    und    seiner    iib- 
lichen  Begleitung;    und  dieses  Gefühl  ist  das  Urbild 
jener  Vorstellung,  das  wir  suchen.    Da  nämlich  diese 
Vorstellung  aus  einer  Anzahl  gleichartiger  Fälle  ent- 
steht,  dagegen   nicht  aus  irgend   einem  Einzelfalle, 
80  muß  sie  aus  jenem  Umstand  entstehen,  worin  die 
Anzahl  von  Fällen  sich  von  jedem  einzelnen  Fall  unter- 
scheidet.    Nun    ist    diese    gewohnheitsmäßige    Ver- 
knüpfung oder  Überleitung  der  Einbildung  der  einzige 
Umstand,   in  dem  sie   sich   unterscheiden.    In  jeder 
anderen  Eigenschaft  sind  sie  sich  gleich.    Der  erste 
Fall    von    vermittelter    Bewegung    durch    den    Zu- 
sammenstoß  zweier   Billardkugeln,    den  wir   gesehen 
haben   (um   dies   einleuchtende   Beispiel  wieder   auf- 
zunehmen), gleicht  durchaus  jedem  möglichen  Falle, 
der  uns  heute  begegnen  könnte;  nur  darin  nicht,  daß 
wir  zuerst  nicht  ein  Ereignis  aus  dem  anderen  ab- 
leiten konnten,  jetzt  aber  nach  einer  so  langen  Reihe 
gleichförmiger   Erfahrungen   hierzu   instand    gesetzt 
sind.     Ich    weiß    nicht,    ob    der    Leser    diesen    Ge- 
dankengang   leicht    fassen    wird;    nur    fürchte    ich, 
wenn  ich  mehr  Worte  darüber  verlöre  oder  den  Gegen- 
stand   noch    von    verschiedenen    Seiten    beleuchtete, 
so  würde  er  dadurch  nur  dunkler  und  verwickelter 
werden.   In  allen  abstrakten  Gedankengängen  gibt  es 
einen    Gesichtspunkt,    der,    wenn    wir    ihn    glücklich 
treffen,  besser  zur  Verdeutlichung  des  Gegenstandes 
dient,  als  alle  Beredsamkeit  und  aller  Wortreichtum 
der  Welt.    Diesen  Gesichtspunkt  sollten  wir  zu  ge- 
winnen trachten  und  die  Blüten  der  Redekunst  für 
Gegenstände  sparen,  die  sich  besser  dazu  eignen. 


r--^'  li 


f*^- 


Achter  Abschnitt. 

Ober  Freiheit  und  Notwendigiceit 


Enter  Teil. 

!n  1^  ^'®^S-  "*'''.  'vernünftigerweise  erwarten,  daß 
,nH  i^ff '  ^i.®  ^®'*.  '^®™  Urbeginn  der  Wissenschalt 
,™«J^1°'°P'"^  mit  «oflem  Eifer  verhandelt  und 
Sin  T"'!?  ';°1f  ^^  Streitenden  sich  zum 
S  hs«"'*^'"  d'e  B«ieutung  aller  Ausdrücke  ge- 
einigt hatten;  und  daß  unsere  Forschung  im  Laufe 
von    zwei   Jahrtausenden   imstande   sein    sollte,    von 

^ntl^fj,*'^-r^®\"°"*  wirklichen  Gegenstand  der 
Entzweiung  überzugehen.  Es  scheint  doch  so  leicht 
genaue  Defmitionen  der  m  dem  Gedankengang  S 

r„^  «"/"^f"!?''®  S"  sehen  und  diese  DefinitionlT 
anstatt  den  bloßen  Schall  von  Worten,  zum  Gee^I 
stand  künftiger  Prüfung  und  Forschung  TmÄ 
Betrachten  wir  aber  die  Sache  näher.  So  werden  wk 
XU  emem  ganz  entgegengesetzten  Schlüsse  neieen.  Ans 
diesem  Umstena  allein,  daß  eine  Streitfrage  jfnje  ZeU 
im  Gange  und  noch  unentschieden  geblieben  ist,  läßt 
sich  annehmen,  daß  eine  Zweideutigkeit  im  Ans- 
druck  besteht,  und  daß  die  Streitenden  den  in  de^ 
Verhandlung  gebrauchten  Bezeichnungen  verschiedene 
Vorstellungen  zuordnen.    Weil  nämlifh  die  geisS 

Ä^-*?   ^'    *"^°   Individuen    von    Nat^   wohl 
gleich  sind,  -  sonst  gäbe  es  ja  nichts  so  fruchtloses 
wie  miteinander  gedanklich  zu  'arbeiten  und™Sn 
irr«fRr,t-\^  unmöglich,   wenn  die  Menschen  mit 

dS  «f«  ri"""^®"  ^''l*'>5  Vorstellungen  verbänden 
daß  sie  80  lange  verschiedene  Meinungen  über  den 
gleichen  Gegenstand  bilden  könnten,  umio  meh?  wS 


I 


Über  Freiheit  und  Notwendigkeit 


97 


sie  sich  ihre  Ansichten  mitteilen  und  jeder  Teil  von 
allen  Seiten  Begründungen  hersucht,  die  ihm  zum 
Sieg  über  den  Gegner  verhelfen  sollen.  Wenn  freilich 
die  Menschen  sich  an  Probleme  wagen,  die  ganz 
außer  dem  Bereich  menschlicher  Fähigkeiten  liegen, 
wie  solche  über  den  Weltenursprung  und  die  Ver- 
fassung des  Systems  oder  Reichs  der  Geister,  so 
mögen  sie  lange  die  Luft  mit  fruchtlosem  Wort- 
wechsel erschüttern  und  doch  nie  zu  einem  bestimmten 
Schluß  kommen.  Betrifft  die  Frage  aber  einen 
Gegenstand  des  gewöhnlichen  Lebens  und  der  Er- 
falu-ung,  dann  sollte  man  meinen,  daß  der  Streit  sich 
nur  deshalb  so  lange  unentschieden  hinziehen  könne, 
weil  zweideutige  Ausdrücke  die  (Gegner  voneinander 
entfernt  halten  und  verhindern,  handgemein  zu  werden. 

Dies  ist  bei  der  langumstrittenen  Frage  nach 
Freiheit  und  Notwendigkeit  der  Fall  gewesen,  und 
zwar  in  so  auffallendem  Grade,  daß  wir,  wenn  ich 
nicht  sehr  irre,  entdecken  werden,  die  ganze  gelehrte 
wie  ungelehrte  Menschheit  habe  von  jeher  die  gleiche 
Meinung  in  betreff  dieses  Gegenstandes  geteilt,  und 
ein  paar  verständliche  Definitionen  hätten  sofort  die 
ganze  Streitfrage  erledigt.  Nun  gestehe  ich,  daß 
dies  Problem  von  allen  Seiten  soviel  besprochen 
worden  ist  und  die  Philosophen  in  solche  Irrgänge 
dunkler  Sophisterei  geführt  hat,  daß  es  nicht  Wunder 
nimmt,  wenn  ein  verständiger  Leser  sich  dieser  Plage 
nicht  aussetzt  und  nur  taube  Ohren  für  die  Erörterung 
einer  solchen  Frage  hat,  von  der  er  weder  Belehrung 
noch  Unterhaltung  erwarten  kann.  Indessen  ist  die 
hier  gebotene  Begründung  derart,  daß  sie  vielleicht 
dient,  seine  Aufmerksamkeit  noch  einmal  zu  erwecken; 
hat  sie  doch  den  Reiz  der  Neuheit,  verspricht 
wenigstens  eine  gewisse  Entscheidung  der  Streitfrage 
und  wird  des  Lesers  Behagen  nur  wenig  durch  ver- 
wickelte und  dunkle  Gedankengänge  stören. 

Ich  hoffe  es  also  einleuchtend  zu  machen,  daß 
alle  Menschen  von  jeher  über  die  Lehre  der  Not- 
wendigkeit wie  die  der  Freiheit  einig  gewesen  sind,  so- 
bald man  diesen  Bezeichnungen  irgend  einen  ver- 
nünftigen Sinn  unterlegt,  und  daß  die  ganze  Streit- 
frage sich  bislang  einzig  um  Worte  gedreht  hat.  Wir 

Harne,  üntersucbg.  üb.  d.  ntenschl.  Verstand.  7 


U 


98 


Achter  Abschnitt 


beginnen  mit  der  Prüfung  der  Lehre  von  der  Not- 
wendigkeit. 

Es  wird  allgemein  anerkannt,  daß  die  Materie  in 
allen  ihren  Vorgängen  durch  eine  notwendige  Kraft 
getrieben  wird,  und  daß  jede  Wirkung  in  der  Natur 
so  genau  durch  die  Energie  ihrer  Ursache  bestimmt 
ist,  daß  unter  diesen  besonderen  Umständen  das  Ein- 
treten keiner  anderen  Wirkung  möglich  wäre.  Den 
Grad  und  die  Richtung  jeder  Bewegung  schreiben 
die  Naturgesetze  mit  solcher  Genauigkeit  vor,  daß 
ebensogut  ein  lebendiges  Wesen  aus  dem  Zusammen- 
stoß zweier  Körper  hervorgehen  könnte,  wie  eine  Be- 
wegung in  irgend  einer  anderen  Stärke  oder  Rich- 
tung als  die  wirklich  entstandene.  Wollen  wir  uns 
also  eine  zutreffende  und  bestimmte  Vorstellung  von 
der  Notwendigkeit  bilden,  so  müssen  wir  zusehen, 
woher  diese  Vorstellung  stammt,  wenn  wir  sie  auf 
Vorgänge  in  der  Körperwelt  anwenden. 

Würden  alle  Naturbegebenheiten  beständig  derart 
wechseln,  daß  niemals  zwei  Ereignisse  sich  irgend  ähn- 
lich sähen,  sondern  jeder  Gegenstand  durchaus  neu, 
ohne  irgendwelche  Gleichartigkeit  mit  früher  Gesehe- 
nem aufträte,  so  hätten  wir  in  dem  Fall  offenbar  nie- 
mals die  geringste  Vorstellung  von  Notwendigkeit  oder 
von  einer  Verknüpfung  zwischen  diesen  Dingen  er- 
langt. Es  ließe  sich  dann  wohl  sagen,  daß  ein  Gegen- 
stand oder  ein  Ereignis  dem  anderen  gefolgt  ist;  nicht, 
daß  der  eine  von  dem  anderen  hervorgebracht  wurde. 
Die  Beziehung  von  Ursache  und  Wirkung  müßte  der 
Menschheit  völlig  unbekannt  bleiben.  Ableitungen  und 
Denkakte  auf  Grund  von  Naturvorgängen  hätten  in 
diesem  Augenblick  ein  Ende,  und  die  Erinnerung  und 
die  Sinne  blieben  die  einzigen  Kanäle,  durch  die  eine 
Kenntnis  wirklichen  Daseins  dem  Geiste  möglicher- 
weise zugeführt  werden  könnte.  So  entsteht  unsere 
Vorstellung  von  Notwendigkeit  und  Verursachung 
denn  ganz  und  gar  aus  der  Einförmigkeit,  die  sich 
in  den  Vorgängen  der  Natur  beobachten  läßt;  wo 
gleichartige  Gegenstände  beständig  zusammenhängen, 
und  der  Geist  durch  Gewohnheit  veranlaßt  wird,  den 
einen  aus  dem  Erscheinen  des  anderen  abzuleiten. 
Diese   beiden   Umstände  machen   den   ganzen   Inhalt 


Über  Freiheit  and  Notwendigkeit. 


99 


jener  Notwendigkeit  aus,  die  wir  dem  Reich  der 
Materie  zuschreiben.  Über  den  ständigen  Zusammen- 
hang gleichartiger  Gegenstände  und  die  daraus 
folgende  Herleitung  des  einen  aus  dem  andern 
hinaus  haben  wir  keinen  Begriff  irgend  einer  Not- 
wendigkeit oder  Verknüpfung. 

Sollte  sich  also  herausstellen,  daß  von  jeher  die 
Menschen  ohne  Zweifel  und  anstandlos  anerkannt 
haben,  daß  diese  beiden  Umstände  auch  bei  den  frei- 
willigen Handlungen  des  Menschen  und  bei  den  Vor- 
gängen im  Geiste  auftreten,  so  muß  sich  daraus  er- 
geben, daß  die  ganze  Menschheit  stets  einig  über  die 
Lehre  von  der  Notwendigkeit  gewesen  ist,  und  daß  der 
bisherige  Streit  auf  bloßem  Mißverständnis  beruhte. 

Was  den  ersten  Umstand  anlangt,  den  bestän- 
digen und  regelmäßigen  Zusammenhang  gleichartiger 
Ereignisse,  so  werden  die  hier  folgenden  Betrach- 
tungen uns  vielleicht  genügenden  Aufschluß  gewähren. 
Allgemein  wiid  zugestanden,  daß  eine  große  Gleich- 
förmigkeit in  den  Handlungen  der  Menschen  aller 
Nationen  und  Zeitalter  besteht,  und  daß  die  mensch- 
liche Natur  in  ihren  Prinzipien  und  Tätigkeiten  stets 
dieselbe  bleibt.  Dies'elben  Beweggründe  rufen 
immer  dieselben  Handlungen  hervor:  dieselben 
Ereignisse  folgen  aus  denselben  Ursachen.  Ehr- 
sucht, Geiz,  Selbstliebe,  Eitelkeit,  Freundschaft,  Edel- 
mut, Gemeingeist:  diese  Affekte  sind  in  verschiedenen 
Mischungsgraden  in  der  menschlichen  Gesellschaft 
verteilt  und  von  Anbeginn  der  Welt  und  noch  heute 
der  Quell  aller  Handlungen  und  Unternehmungen  ge- 
wesen, die  man  je  bei  Menschen  beobachtet  hat  Wollt 
ihr  etwas  über  die  Gefühle,  Neigungen  und  den 
ganzen  Verlauf  des  Lebens  bei  den  Griechen  und 
Römern  wissen?  So  vertieft  euch  in  das  Temperament 
und  die  Handlungsweisen  der  Franzosen  und  der  Eng- 
länder; ihr  könnt  nicht  weit  fehlgehen,  wenn  ihr 
auf  jene  die  meisten  Beobachtungen  übertragt,  die 
ihr  bei  diesen  gemacht  habt.  Die  Menschen  sind  in 
allen  Zeiten  und  Orten  so  sehr  dieselben,  daß  uns  die 
Geschichte  auf  diesem  Gebiete  nichts  Neues  oder 
Fremdartiges  berichtet.  Ihr  Hauptnutzen  liegt  nur 
darin,    die    beständigen    und    allgemeinen    Prinzipien 

1* 


'■i 


100 


Achter  Abschnitt. 


der  menschlichen  Natur  zu  entdecken,  indem  sie  die 
Menschen  in  den  verschiedensten  Verhältnissen  und 
Lagen  darstellt  und  uns  mit  Stoff  versorgt,  aus  dem 
wir  Beobachtungen  aufstellen  können  und  die  regel- 
mäßigen Triebkräfte  menschlichen  Handelns  und  Be- 
tragens kennen  lernen.  Diese  Berichte  über  Kriege, 
Umtriebe,  Parteiungen  und  Umwälzungen  sind  eben- 
soviel Sammlungen  von  Erfahrungstatsachen,  aus 
denen  der  Politiker  oder  der  Vertreter  der  Geistes- 
wissenschaft die  Prinzipien  seiner  Lehre  feststellt; 
in  der  gleichen  Art,  wie  der  Physiker  oder  Natur- 
forscher das  Wesen  der  Pflanzen,  Mineralien  und 
anderer  äußerer  Gegenstände  durch  die  Erfahrungs- 
tatsachen kennen  lernt,  die  er  hierzu  zusammenstellt. 
Die  Erde,  das  Wasser  und  die  anderen  Elemente,  die 
Aristoteles  und  Hippokrates  untersuchten,  sind  den  uns 
heute  zur  Beobachtung  vorliegenden  auch  nicht  ähn- 
licher, als  die  von  Polybius  und  Tacitus  geschilderten 
Menschen  denen  sind,  die  jetzt  die  Welt  regieren. 

Wenn  ein  Reisender  bei  seiner  Rückkehr  aus 
einem  fernen  Lande  uns  von  Menschen  berichtete,  die 
sich  von  allen  uns  bekannten  völlig  unterschieden; 
die  von  Geiz,  Ehrsucht  und  Rachgefühl  ganz  frei 
seien,  die  keinen  anderen  Genuß  kennten  als  Freund- 
schaft, Edelmut  und  Gemeinsinn:  so  würden  wir  un- 
mittelbar aus  diesen  Umständen  die  Unwahrheit  er- 
kennen und  ihm  die  Lüge  so  gewiß  nachweisen,  als 
hätte  er  seine  Erzählung  mit  Greschichten  von  Cen- 
tauren und  Drachen,  Wundem  und  Naturwidrigkeiten 
überladen.  Desgleichen  können  wir  zur  Entlarvung 
irgend  einer  Geschichtsfälschung  keine  überzeugendere 
Begründung  aufbringen,  als  den  Beweis,  daß  die 
jemandem  zugeschriebenen  Handlungen  geradezu 
gegen  den  Lauf  der  Natur  seien,  und  daß  keine 
menschlichen  Triebfedern  unter  solchen  Umständen 
zu  solchem  Verhalten  jemals  hätten  führen  können. 
Die  Wahrhaftigkeit  des  Qüintus  Curtius  ist  ebenso 
verdächtig,  wenn  er  den  übernatürlichen  Mut  Alex- 
anders beschreibt,  der  diesen  dazu  trieb,  als  Einzelner 
große  Massen  anzugreifen,  wie  wenn  er  dessen  über- 
natürliche Kraft  und  Gewandtheit  beschreibt,  durch 
die  er  in  der  Lage  war,   ihnen  zu  widerstehen.    So 


über  Freiheit  nnd  Notwendigkeit. 


101 


anstandlos  und  allgemein  erkennen  wir  eine  Gleich- 
förmigkeit in  den  menschlichen  Beweggründen  und 
Handlungen  wie  in  den  Wirksamkeiten  der  Kör- 
per an. 

Hierauf  beruht  auch  der  Nutzen  solcher  Er- 
fahrung, die  durch  ein  langes  Leben  und  mancherlei 
Geschäfte  und  Verkehr  erworben  wird  und  uns  dient, 
die  Prinzipien  der  menschlichen  Natur  aufzuklären  und 
unser  künftiges  praktisches  wie  unser  theoretisches 
Verhalten  zu  regeln.  Mit  Hilfe  dieses  Führers  steigen 
wir  auf  zur  Kenntnis  der  Neigungen  und  Triebfedern 
der  Menschen  auf  Grund  ihrer  Handlungen,  ihrer  Mie- 
nen, ja  ihrer  Gebärden,  und  wieder  herab  zur  Ausdeutung 
ihrer  Handlungen  auf  Grund  unserer  Kenntnis  ihrer 
Triebfedern  und  Neigungen.  Die  allgemeinen  Be- 
obachtungen, die  wir  aus  langer  Erfahrung  aufge- 
speichert haben,  geben  uns  den  Schlüssel  zur  mensch- 
lichen Natur  und  lehren  uns,  all  ihre  Verwicklungen 
zu  entwirren.  Vorwände  und  äußerer  Schein  täuschen 
uns  dann  nicht  länger;  offizielle  Erklärungen  gelten 
uns  nur  als  Schönförberei  eines  Sachverhalts.  Und 
wenn  auch  der  Tugend  und  Ehre  ihr  gebührendes 
Gewicht  und  Ansehen  zugestanden  wird,  so  erwartet 
man  doch  niemals  vollkommene  Uneigennützigkeit,  die 
so  oft  vorgegeben  wird,  bei  den  Massen  und  den 
Parteien;  selten  bei  ihren  Führern;  und  sogar  kaum 
bei  Einzelnen,  welchen  Ranges  und  Standes  auch 
immer.  Gäbe  es  hingegen  keine  Gleichförmigkeit  in 
den  menschlichen  Handlungen  und  wäre  jede  derartige 
Erfahrung,  die  wir  gewinnen  könnten,  unregelmäßig 
und  gesetzlos,  so  wäre  es  unmöglich,  allgemeine  Be- 
obachtungen über  die  Menschen  zu  sammeln;  keine 
noch  so  besonnen  durchgearbeitete  Erfahrung  würde 
jemals  irgend  einem  Zwecke  dienen.  Aus  welchem 
anderen  Grunde  ist  der  betagte  Landmann  in  seinem 
Beruf  dem  jungen  Anfänger  überlegen,  als  nur  des^ 
wegen,  weil  eine  gewisse  Gleichförmigkeit  in  der 
Wirksamkeit  von  Sonne,  Regen  und  Erde  zur  Her- 
vorbringung der  Pflanzen  besteht  und  Erfahrung  den 
alten  Praktiker  die  Regeln  lehrt,  diese  Wirksamkeit 
zu  beherrschen  und  zu  lenken? 

Immerhin  dürfen  wir  niöht  erwarten,  diese  Gleich- 


102 


Achter  Abiohnitt 


fÖrmigkeit  im  menschlichen  Handeln  werde  so  weit 
gehen,  daß  alle  Menschen  unter  gleichen  Umständen 
stets  genau  in  derselben  Weise  handelten,  phne  die 
Verschiedenheit  der  Charaktere,  der  Vorurteile  und 
Meinungen  in  Betracht  zu  ziehen.  Solch  eine  Gleich- 
förmigkeit in  jeder  Einzelheit  findet  sich  auf  keinem 
Gebiete  der  Natur.  Im  Gegenteil  befähigt  uns  die  Be- 
obachtung der  im  Benehmen  verschiedener  Menschen 
herrschenden  Mannigfaltigkeit  zur  Bildung  einer 
größeren  Mannigfaltigkeit  von  Grundsätzen,  die  dabei 
immer  noch  einen  Grad  von  Gleichförmigkeit  und 
Regelmäßigkeit  voraussetzen. 

Sind  nicht  die  Sitten  der  Menschen  verschieden 
in  verschiedenen  Zeiten  und  Ländern?  Es  zeigt  sich 
uns  hierin  die  große  Macht  der  Gewohnheit  und  Er- 
ziehung, die  den  menschlichen  Geist  von  frühester 
Kindheit  ab  bearbeiten  und  zu  einem  gefestigten,  in 
sich  ruhenden  Charakter  formen.  Ist  das  Benehmen 
und  die  Lebensführung  der  beiden  Geschlechter 
einander  sehr  ungleich?  Hierdurch  lernen  wir  die 
verschiedene  Eigenart  kennen,  welche  die  Natur  den 
Geschlechtern  aufgeprägt  hat  und  mit  Beständigkeit 
und  Regelmäßigkeit  bewahrt.  Weichen  die  Handlungen 
desselben  Menschen  in  den  verschiedenen  Alters- 
perioden seines  Lebens,  von  der  Kindheit  zum  Greisen- 
tum,  erheblich  voneinander  ab?  Dies  bietet  Stoff  zu 
manchen  allgemeinen  Beobachtungen  über  den  all- 
mählichen Wechsel  unserer  GefüUe  und  Neigungen 
und  die  verschiedenen  Grundsätze,  die  in  den  einzelnen 
Altersstufen  des  Menschen  vorherrschen.  Selbst  die 
individuellen  Eigentümlichkeiten  jedes  Einzelnen  zeigen 
Gleichförmigkeit  in  ihren  Äußerungen,  sonst  könnten 
wir  aus  unserer  Bekanntschaft  mit  den  Personen  und 
unserer  Beobachtung  ihres  Betragens  niemals  ihre 
Gesinnung  erfahren  und  unser  eigenes  Benehmen  da- 
nach einrichten. 

Ich  gebe  die  Möglichkeit  zu,  daß  sich  Hand- 
lungen aufzeigen  lassen,  welche  keine  regelmäßige 
Verknüpfung  mit  irgendwelchen  bekannten  Beweg- 
gründen zu  haben  scheinen  und  sich  keinem  Maßstab 
des  Benehmens  fügen,  der  je  zur  Beherrschung  der 
Menschen   auffirestelit  worden  ist    Aber   wollen  wir 


üb«r  Fr«ih«it  un^  Notwendigkeit 


103 


uns  klarmachen,  wie  diese  unregelmäßigen  und  außer- 
ordentlichen Handlungen  wohl  zu  beurteilen  waren, 
so  mögen  wir  bedenken,  welche  Meinungen  gewohn- 
lich über  solche  unregelmäßigen  Ereignisse  gehegt 
werden,  die  im  Naturlauf  und  bei  den  Vorgängen 
an  äußeren  Gegenständen  auftreten.  Die  Ursachen 
hängen  nicht  alle  mit  derselben  Gleichförmigkeit  mit 
ihren  gewöhnlichen  Wirkungen  zusammen.  Einem 
Handwerker,  der  nur  tote  Materie  bearbeitet,  kann 
ein  ebensolcher  Mißerfolg  begegnen  wie  dem  Politiker, 
der  die  Leitung  fühlender  und  vernünftiger   Wesen 

unternimmt  ,  ,       ,.    T^.  l 

Der  gewöhnliche  Mensch,  welcher  die  Dinge  nach 
dem  ersten  Anschein  beurteilt,  schreibt  die  Ungewiß- 
heit der  Ereignisse  einer  Ungewißheit  in  den  Ur- 
sachen zu,  die  sie  ihre  gewöhnliche  Einwirkung  oft 
verfehlen  läßt,  wenn  auch  kein  Hindernis  ihrer  Tätig- 
keit entgegentritt.  Die  Philosophen  aber  beobachten, 
daß  fast  in  jedem  Stück  Natur  eine  große  Mannig- 
faltigkeit von  wirkenden  Kräften  und  Prinzipien  ent- 
halten ist,  die  wegen  ihrer  Geringfügigkeit  oder  Ent- 
legenheit verborgen  bleiben;  und  so  halten  sie  es 
wenigstens  für  möglich,  daß  der  Widerstreit  in  den  Er- 
eignissen nicht  von  einer  Zufälligkeit  in  der  Ur- 
sache herrührt,  sondern  von  der  geheimen  Wirksamkeit 
widerstreitender  Ursachen.  Weitere  Beobachtung  ver- 
wandelt diese  Möglichkeit  in  Gewißheit;  denn  es 
zeigt  sich,  daß  bei  genauer  Prüfung  ein  Widerstreit 
in  den  Wirkungen  stets  einen  Widerstreit  in  den  Ur- 
sachen enthüllt  und  aus  deren  wechselseitigem  Gegen- 
satz entspringt  Ein  Bauer  kann,  wenn  eine  Uhr 
stehen  bleibt,  dafür  keinen  besseren  Grund  angeben, 
als  daß  sie  eben  auch  sonst  nicht  immer  in  Ordnung 
ist;  ein  Mechaniker  aber  erkennt  leicht,  daß  die 
gleiche  Kraft  in  der  Feder  oder  im  Pendel  stets  den 
gleichen  Einfluß  auf  die  Räder  hat,  aber  daß  hier 
ihre  übliche  Wirkung  versagt,  weil  vielleicht  ein  Staub- 
korn die  ganze  Bewegung  aufhält  Aus  der  Beob- 
achtung mehrerer  gleichlaufender  Fälle  bilden  die 
Philosophen  sich  die  Regel,  daß  die  Verknüpfung 
zwischen  allen  Ursachen  und  Wirkungen  gleicherweise 
notwendig  ist,    und   ihre  scheinbare  Ungewißheit  in 


104 


Achter  Abschnitt. 


über  Freiheit  und  Notwendigkeit. 


105 


' 


einigen  Fällen  von  dem  geheimen  Gegensatz  wider- 
streitender Ursachen  herrührt. 

So  ist  es  z.  B.  bei  dem  menschlichen  Körper, 
wenn  die  bekannten  Anzeichen  der  Gesundheit  oder 
Krankheit  unser  Erwarten  täuschen,  wenn  Heilmittel 
nicht  ihre  gewohnte  Kraft  ausüben,  wenn  unregel- 
mäßige Ereignisse  aus  einer  bestimmten  Ursache 
folgen.  Der  Philosoph  und  der  Arzt  sind  darüber 
nicht  erstaunt,  noch  je  versucht,  im  allgemeinen  die 
Notwendigkeit  und  Gleichförmigkeit  jener  Prinzipien 
abzuleugnen,  durch  die  das  animalische  Leben  sich 
im  Gleichgewicht  hält.  Sie  wissen,  daß  der  mensch- 
liche Körper  eine  höchst  verwickelte  Maschine  ist, 
daß  viele  geheime  Kräfte  in  ihm  lauern,  die  gänzlich 
über  unser  Begreifen  gehen,  daß  er  uns  häufig  in 
seiner  Wirksamkeit  sehr  ungewiß  erscheinen  muß  und 
also  darum  die  unregelmäßigen  Ereignisse,  die  sich 
äußerlich  zeigen,  keinen  Beweis  dafür  abgeben  können, 
daß  nicht  die  Naturgesetze  mit  der  größten  Regel- 
mäßigkeit in  seiner  inneren  Tätigkeit  und  Einrichtung 
befolgt  werden. 

Will  der  Philosoph  folgerecht  sein,  so  muß  er 
denselben  Gedankengang  auf  die  Handlungen  und 
Willensregungen  vernünftiger  Wesen  anwenden.  Ganz 
unregelmäßige  und  unerwartete  Entschlüsse  der 
Menschen  können  oft  von  denen  aufgeklärt  werden,  die 
jeden  einzelnen  Umstand  ihres  Charakters  und  ihrer 
Lage  kennen.  Ein  liebenswürdig  veranlagter  Mensch 
gibt  eine  verdrießliche  Antwort  —  er  hat  aber  Zahn- 
schmerzen oder  hat  noch  nicht  zu  Mittag  gegessen. 
Ein  stumpfsinniger  Bursche  zeigt  sich  von  un- 
gewohnter Munterkeit  des  Benehmens  — -  ihm  ist 
aber  auch  ein  unerwartetes  Glück  begegnet.  Doch 
wenn  selbst  für  eine  Handlung,  wie  es  sich  manchmal 
trifft,  weder  von  dem  Handelnden  noch  von  anderen 
ein  besonderer  Grund  angegeben  werden  kann, 
so  wissen  wir  doch  im  allgemeinen,  daß  der  mensch- 
liche Charakter  in  gewissem  Grade  unbeständig  und 
unregelmäßig  ist  Dies  ist  eigentlich  der  beständige 
Grundzug  der  menschlichen  Natur,  wenn  es  auch 
auf  einige  Personen  vornehmlich  anwendbar  ist,  die 
für  ihr  Betragen  keine  feste  Regel  haben,   sondern 


deren  Lebensweg  Laune  und  Unbeständigkeit  be- 
herrschen. Die  inneren  Prinzipien  und  Beweggründe 
mögen  in  gleichförmiger  Weise  wirksam  sein,  trotz 
dieser  scheinbaren  Unregelmäßigkeit;  gerade  so  wie 
bei  Winden,  Regen,  Wolken  und  anderen  Veränderungen 
des  Wetters  angenommen  wird,  daß  stetige  Prinzipien 
sie  beherrschen,  die  freilich  menschlichem  Scharfsinn 
und  Forschen  sich  nicht  leicht  enthüllen. 

So  zeigt  sich  einmal,  daß  der  Zusammenhang 
zwischen  Beweggründen  und  Willenshandlungen  so 
regelmäßig  und  gleichförmig  verläuft,  wie  der 
zwischen  Ursache  und  Wirkung  überall  in  der  Natur; 
dann  aber  auch,  daß  dieser  regelmäßige  Zusammen- 
hang allgemein  unter  den  Menschen  anerkannt 
und  weder  in  der  Philosophie  noch  ina  täglichen 
Leben  je  umstritten  worden  ist.  Da  wir  nun  aus 
früherer  Erfahrung  alle  Annahmen  über  die  Zukunft 
herleiten  und  schließen,  daß  solche  Gegenstände  immer 
zusammenhängen  werden,  die  bisher  immer  zusammen 
beobachtet  wurden,  so  mag  es  überflüssig  scheinen, 
erst  zu  beweisen,  daß  jene  erfahrene  Gleichförmig- 
keit im  menschlichen  Handeln  eine^)  Quelle  ist,  der 
wir  Ableitungen  über  dieses  entnehmen.  Um  aber 
das,  was  wir  begründen  wollen,  auch  von  anderer 
Seite  zu  beleuchten,  werden  wir,  wenn  auch  kurz, 
diesem  letzteren  Problem  weiter  nachgehen. 

Die  gegenseitige  Abhängigkeit  der  Menschen  in 
allen  Gemeinschaften  ist  so  groß,  daß  kaum  eine 
menschliche  Handlung  ganz  in  sich  abgeschlossen 
ist  oder  ohne  irgendwelche  Beziehung  auf  Hand- 
lungen anderer  ausgeführt  wird,  die  erforderlich  sind, 
damit  der  Handelnde  seine  Absicht  vollkommen  er- 
reiche. Der  ärmste  Handwerker,  der  für  sich  allein 
arbeitet,  rechnet  mindestens  auf  den  Schutz  der  Obrig- 
keit, der  ihm  den  Genuß  der  Früchte  seiner  Arbeit 
sichert.  Ebenso  rechnet  er  darauf,  Käufer  zu  finden, 
wenn  er  seine  Waren  zu  Markte  bringt  und  einen 
angemessenen  Preis  dafür  verlangt,  und  daß  er  mit 
dem  erworbenen  Gelde  andere  veranlassen  kann,  ihn 


*)  Die  Quelle  all  der  Ableitungen  ist,    die  wir  über 
dasselbe  gewinnen:  Ausgaben  E  bis  P. 


■^' 


106 


Achtor  Abachnitt. 


mit  den  Gütern,  deren  er  zu  »einem  Unterhalte  bedarf, 
zu  versehen.  Je  weiter  die  Menschen  ihre  Beziehungen 
ausdehnen  und  je  verwickelter  sie  ihren  Verkehr 
mit  anderen  gestalten,  um  so  größer  wird  die  Mannig- 
faltigkeit von  Willenshandlungen,  die  sie  in  ihren 
Lebensplan  einrechnen  und  deren  Zusammenwirken 
mit  ihren  eigenen  sie  beim  Eintritt  geeigneter  Be- 
weggründe erwarten.  Bei  all  diesen  Schlüssen  treffen 
sie  ihre  Maßnahmen  nach  früheren  Erfahrungen, 
ebenso  wie  in  den  Denkakten,  die  äußere  Gegen- 
stände betreffen,  und  glauben  fest,  daß  die  Menschen 
so  gut  wie  alle  Elemente  der  Natur  in  ihrem  Ver- 
halten die  gleichen  bleiben  werden,  als  die  sie  bisher 
erfunden  wurden.  Ein  Fabrikant  rechnet  für  die  Ausr 
führung  eines  Unternehmens  auf  die  Arbeit  seiner 
Untergebenen  genau  so,  wie  auf  die  Werkzeuge,  die 
er  anwendet,  und  wäre  ebenso  überrascht,  wenn  er 
sich  in  seinen  Erwartungen  getäuscht  fönde.  Kurz, 
diese  auf  Erfahrung  gestützten  Ableitungen  und 
Denkakte  über  die  Handlungen  anderer  gehen  so 
in  das  menschliche  Leben  ein,  daß  niemand  bei  wachen 
Sinnen  auch  nur  einen  Augenblick  davon  absehen 
kann.  Sind  wir  daher  nicht  mit  der  Behauptung  im 
Recht,  daß  alle  Welt  über  die  Lehre  von  der  Not- 
wendigkeit stets  einig  war,  so  wie  wir  sie  vorher 
definiert  und  erklärt  haben? 

Aber  auch  die  Philosophen  haben  niemals  auf 
diesem  Punkte  eine  von  der  gewöhnlichen  abweichende 
Ansicht  gehegt.  Denn  abgesehen  davon,  daß  fast 
jede  Handlung  ihres  Lebens  diese  Ansicht  voraussetzt, 
gibt  es  sogar  nur  wenige  Zweige  der  spekulativen 
Wissenschaften,  für  welche  sie  nicht  wesentlich  wäre. 
Was  sollte  aus  der  Geschichte  werden,  wenn  wir 
uns  nicht  auf  die  Wahrhaftigkeit  des  Geschicht- 
schreibers gemäß  unserer  Erfahrung  von  den 
Menschen  überhaupt  verlassen  könnten?  Wie  könnte 
die  Politik  eine  Wissenschaft  sein,  wenn  Gesetze 
und  Regierungsformen  nicht  einen  gleichförmigen  Ein- 
fluß auf  die  Gesellschaft  übten?  Wo  bliebe  die 
Grundlage  der  Moral,  wenn  bestimmte  Charaktere 
nicht  eine  sichere,  unabänderliche  Kraft  besäßen, 
bestimmte    Gefühle    zu    erzeugen,    und    wenn    diese 


Über  Freiheit  und  Notwendigkeit. 


107 


Gefühle  nicht  eine  eindeutige  Wirksamkeit  auf  die 
Handlungen  ausübten?  Und  mit  welchem  Anspruch 
könnten  wir  unsere  Ästhetik  auf  einen  Dichter  oder 
Literaten  anwenden,  wenn  wir  das  Verhalten  und  die 
Gefühle  seiner  handelnden  Personen  nicht  ihren  Lhor 
rakteren  und  besonderen  Umständen  gemäß  entweder 
für  natürlich  oder  für  unnatürlich  erklären  durften? 
Es  scheint  demnach  so  gut  wie  unmöglich,  sich  auf 
Wissenschaft  oder  Tätigkeit  irgendwelcher  Art  em- 
zulassen,  ohne  die  Lehre  von  der  Notwendigkeit  und 
diese  Herleitung  der  Willenshandlungen  aus  den  Be- 
weggründen, des  Betragens  aus  dem  Charakter,  an- 
zuerkennen. .        .        , ,  ,.    _,,.  , 

Und  wirklich,  bedenken  wu:,  wie  wohl  die  Glieder 
der  natürlichen  und  der  moralischen *)  Evidenz 
sich  zu  einer  Begründungskette  ineinander  fügen,  so 
werden  wir  nicht  zögern,  die  gleiche  Natur  in  beiden 
und  ihre  Abstammung  aus  den  gleichen  Prinzipien  zu- 
zugeben. Ein  Gefangener,  der  weder  Geld  noch  Ein- 
fluß hat,  erkennt  die  Unmöglichkeit  seiner  Flucht 
ebensowohl,  wenn  er  die  Hartnäckigkeit  seines  Wäch- 
ters, als  wenn  er  die  ihn  umgebenden  Mauern  und 
Gitterstäbe  in  Betracht  zieht;  und  bei  allen  Befreiungs- 
versuchen wird  er  noch  lieber  gegen  Stein  und  Eisen 
der  letzteren,  als  gegen  die  unbeugsame  Natur  des 
ersteren  arbeiten.  Wenn  derselbe  Gefangene  zum 
Schaffet  geführt  wird,  so  weiß  er,  daß  die  Gewißheit 
seines  Todes  ebenso  durch  die  Festigkeit  und  Treue 
seiner  Wächter,  wie  durch  die  Wirksamkeit  des  Beils 
oder  Rades  bedingt  ist.  Sein  Geist  durchläuft  eine 
bestimmte  Reihe  von  Vorstellungen:  die  Weigerung 
der  Soldaten,  seine  Flucht  zuzulassen,  die  Handlung 
des  Scharfrichters,  die  Trennung  des  Kopfes  vom 
Rumpfe,  das  Verbulten,  krampfhafte  Zuckungen  und 
der  Tod.  Hier  ist  eine  fest  verknüpfte  Kette  von 
natürlichen  Ursachen  und  Willenshandlungen;  aber 
der  Geist  empfindet  beim  Übergang  von  einem  Glied 
zum    anderen    keinen  Unterschied    zwischen    beiden. 


*)  Hume  meint,  daß  die  Erkenntnis  der  psychischen 
(moral)  und  der  physischen  (natural)  Kausalität  auf  deaa 
gleichen  Prinzip  beruhen,  Anmerkg.  d.  Übersetzers. 


108 


Achter  Abschnitt. 


Er  ist  auch  des  künftigen  Ereignisses  nicht  minder 
gewiß,  als  wenn  es  mit  den  dem  Gedächtnis  und  den 
Sinnen  gegenwärtigen  Dingen  durch  eine  Reihe  von 
Ursachen    verknüpft   wäre,    die   der    Kitt,    den    wir 
physische   Notwendigkeit   zu   nennen   belieben,    zu- 
zusammenhält.     Eine    gleiche    durch    Erfahrung    be- 
kannte Vereinigung  wirkt  in  gleicher  Weise  auf  den 
Geist,    ob   nun  die  vereinigten    Gegenstände  Beweg- 
gründe, Willensregungen  und  Handlungen,  oder  aber 
Gestalt   und  Bewegung  sind.    Wir  können  wohl  die 
Namen  der  Dinge  ändern,  aber  ihre  Natur  und  ihre 
Wirksamkeit  auf  den  Verstand  ändern  sich  niemals. 
Kamel)  ein  Mann,  den  ich  als  ehrlich  und  sehr  wohl- 
habend kenne  und  mit  dem  ich  nah  befreundet  bin, 
in  mein  Haus,  wo  ich  von  meinen  Leuten  umgeben 
bm,  so  fühle  ich  mich  sicher,  daß  er  nicht,  ehe  er 
es  verläßt,  mich  erstechen  wird,   um  mein  silbernes 
Schreibzeug  zu  stehlen;  und  ich  mutmaße  dieses  Er- 
eignis ebensowenig  wie  den  Einsturz  meines  neuen, 
fest    gebauten    und    gegründeten  Hauses.   —  Aber 
er  kann  von  plötzlichem  bisher  unerkanntem 
Wahnsinn    befallen    sein.    —   Nun    ebenso   kann 
ein  plötzliches  Erdbeben  entstehen  und  mir  mein  Haus 
über  dem  Kopfe  zusammenstürzen  lassen.    Also  werde 
ich  die  Voraussetzungen  ändern.    Ich  will  sagen,  ich 
weiß   mit   Gewißheit,   daß   er   nicht  seine   Hand  ins 
Feuer  halten  und  warten  wird,    bis  es  sie  verzehrt 
hat;  und  ich  meine,  dies  kann  ich  mit  der  gleichen 
Sicherheit  voraussagen,  wie  daß  er,   stürzte  er  sich 
aus  dem  Fenster  und  würde  nicht  aufgehalten,  nicht 
einen  Augenblick  in  der  Luft  schweben  bliebe.   Kein 
Verdacht  unerkannten  Wahnsinns  gibt  dem  ersteren 
Ereignis  die  geringste  Möglichkeit,  das  so  gegen  alle 
bekannten  Prinzipien  der  menschlichen  Natur   wäre 
Wenn  einer  um  Mittag  seine  goldgefüllte  Börse  auf 
dem  Pflaster  von  Charing-Cross  zurückläßt,  so  kann 
er   ebensogut   erwarten,    sie   werde   wie  eine  Feder 
davonfliegen,  wie  daß  er  sie  nach  einer  Stunde  un- 
berührt  wiederfinden   werde.    Über    die    Hälfte   der 
menschlichen  Denkakte  enthalten  Ableitungen  gleich- 

*)  Dieser  Absatz  kam  in  Ausgabe  R  hinzu. 


Über  Freiheit  und  Notwendigkeit. 


109 


artiger  Natur,  die  ein  höhei^er  oder  geringerer 
Grad  von  Gewißheit  begleitet,  je  nach  unserer  Er- 
fahrung vom  gewöhnlichen .  Benehmen  der  Menschen 
unter  solchen  besonderen  Umständen. 

Ich  habe  oft  über  den  Grund  nachgedacht,  warum 
alle   Menschen,    obwohl    sie    stets   ohne   Zögern   die 
Lehre  von  der  Notwendigkeit  in  ihrem  Handeln  und  in 
ihrer  Vernunfttätigkeit  überall  anerkennen,  sich  -doch 
so  schwer  entschließen,  es  in  Worten  zu  tun,  und  eher 
eine  Neigung,  sich  zur  gegenteiligen  Meinung  zu  be- 
kennen, in  allen  Zeiten  geäußert  haben.   Mir  scheint, 
die  Sache  läßt  sich  in  folgender  Weise  erklären:  Wenn 
wir  die  Wirksamkeit  der  Körper  untersuchen,  und  die 
Erzeugung  der  Wirkungen  durch  ihre  Ursachen,   so 
werden  wir  finden,  daß  all  unsere  Fähigkeiten  uns 
nie  weiter  in  der  Kenntnis  dieser  Beziehung  bringen 
können  als  bloß  bis  zu  der  Beobachtung,  daß  bestimmte 
Gegenstände  dauernd  zusammenhängen,  und  daß 
der  Geist  durch  gewohnheitsmäßigen  Übergang 
vom  Erscheinen  des  einen  zum  Glauben  an  den  anderen 
geführt   wird.    Aber   obwohl   dieser  Schluß   auf  die 
menschliche   Unwissenheit   das    Ergebnis    genauester 
Prüfung    in   dieser    Sache    ist,    so    hegen   doch   die 
Menschen   immer    eine    starke    Hinneigung   zu    dem 
Glauben,    daß    sie    tiefer    in   die   Kräfte   der   Natur 
dringen    und    so    etwas    wie    eine   notwendige   Ver- 
knüpfung  zwischen  der  Ursache   und  Wirkung  auf- 
fassen.   Richten   sie  hinwieder  ihre  Überlegung  auf 
die  Tätigkeit  des  eigenen  Geistes  und  empfinden  sie 
da  keine  solche  Verknüpfung  des  Beweggrundes  mit 
der  Handlung,  so  werden  sie  hieraus  leicht  annehmen, 
daß    zwischen   den   Wirkungen,    die   aus   materieller 
Kraft,  und  denen,  die  aus  Denken  und  Verstand  ent- 
springen, ein  Unterschied  bestehe.    Sind  wir  aber  ein- 
mal überzeugt,    daß   wir    von   jeder  Art  Ursächlich- 
keit  lediglich  den    beständigen   Zusammenhang 
zwischen   Gegenständen   erkennen,    und   die  sich  im 
Geist  anschließende  Herleitung  des  einen  aus  dem 
andern,    und    entdecken  wir,    daß   diese    beiden  Um- 
stände anerkanntermaßen  in  den   Willenshandlungen 
sich  vorfinden,  dann  wird  es  uns  leichter  fallen,  die 
gleiche  Notwendigkeit  für  alle  Ursachen  zuzugeben. 


^t!' 


108 


Achter  Abschnitt. 


i 


Er  ist  auch  des  künftigen  Ereignisses  nicht  minder 
gewii3,  als  wenn  es  mit  den  dem  Gedächtnis  und  den 
Sinnen  gegenwärtigen  Dingen  durch  eine  Reihe  von 
Ursachen    verknüpft   wäre,    die   der    Kitt,    den    wir 
physische   Notwendigkeit   zu   nennen   belieben,    zu- 
zusammenhält.     Eine    gleiche    durch    Erfahrung    be- 
kannte Vereinigung  wirkt  in  gleicher  Weise  auf  den 
Geist,   ob  nun  die  vereinigten   Gegenstände  Beweg- 
gründe, Willensregungen  und  Handlungen,  oder  aber 
Gestalt   und  Bewegung  sind.    Wir  können  wohl  die 
Namen  der  Dinge  ändern,  aber  ihre  Natur  und  ihre 
Wirksamkeit  auf  den  Verstand  ändern  sich  niemals. 
Käme!)  ein  Mann,  den  ich  als  ehrlich  und  sehr  wohl- 
habend kenne  und  mit  dem  ich  nah  befreundet  bin, 
in  mein  Haus,  wo  ich  von  meinen  Leuten  umgeben 
bin,  so  fühle  ich  mich  sicher,  daß  er  nicht,  ehe  er 
es  verläßt,  mich  erstechen  wird,   um  mein  silbernes 
Schreibzeug  zu  stehlen;  und  ich  mutmaße  dieses  Er- 
eignis ebensowenig  wie  den  Einsturz  meines  neuen, 
fest    gebauten    und    gegründeten  Hauses.   —  Aber 
er  kann  von  plötzlichem  bisher  unerkanntem 
Wahnsinn    befallen    sein.    —   Nun    ebenso   kann 
ein  plötzliches  Erdbeben  entstehen  und  mir  mein  Haus 
über  dem  Kopfe  zusammenstürzen  lassen.   Also  werde 
ich  die  Voraussetzungen  ändern.    Ich  will  sagen,  ich 
weiß   mit   Gewißheit,   daß   er   nicht  seine  Hand  ins 
Feuer  halten  und  warten  wird,    bis  es  sie  verzehrt 
hat;  und  ich  meine,  dies  kann  ich  mit  der  gleichen 
Sicherheit  voraussagen,  wie  daß  er,   stürzte  er  sich 
aus  dem  Fenster  und  würde  nicht  aufgehalten,  nicht 
emen  Augenblick  in  der  Luft  schweben  bliebe.   Kein 
Verdacht  unerkannten  Wahnsinns  gibt  dem  ersteren 
Ereignis  die  geringste  Möglichkeit,  das  so  gegen  alle 
bekannten  Prinzipien  der  menschlichen  Natur  wäre. 
Wenn  einer  um  Mittag  seine  goldgefüllte  Börse  auf 
dem  Pflaster  von  Charing-Cross  zurückläßt,  so  kann 
er   ebensogut   erwarten,    sie   werde   wie  eine  Feder 
davonfliegen,  wie  daß  er  sie  nach  einer  Stunde  un- 
berührt  wiederfinden   werde.    Über    die    Hälfte   der 
menschlichen  Denkakte  enthalten  Ableitungen  gleich- 

*)  Dieser  Absatz  kam  in  Ausgabe  K  hinzn. 


Über  Freiheit  und  Notwendigkeit. 


109 


artiger  Natur,  die  ein  höheirer  oder  geringerer 
Grad  von  Gewißheit  begleitet,  je  nach  unserer  Er- 
fahrung vom  gewöhnlichen .  Benehmen  der  Menschen 
unter  solchen  besonderen  Umständen. 

Ich  habe  oft  über  den  Grund  nachgedacht,  warum 
alle    Menschen,    obwohl    sie    stets    ohne    Zögern   die 
Lehre  von  der  Notwendigkeit  in  ihrem  Handeln  und  in 
ihrer  Vernunfttätigkeit  überall  anerkennen,  sich  doch 
so  schwer  entschließen,  es  in  Worten  zu  tun,  und  eher 
eine  Neigung,  sich  zur  gegenteiligen  Meinung  zu  be- 
kennen, in  allen  Zeiten  geäußert  haben.   Mir  scheint, 
die  Sache  läßt  sich  in  folgender  Weise  erklären:  Wenn 
wir  die  Wirksamkeit  der  Körper  untersuchen,  und  die 
Erzeugung  der  Wirkungen  durch  ihre  Ursachen,   so 
werden  wir  finden,  daß  all  unsere  Fähigkeiten  uns 
nie  weiter  in  der  Kenntnis  dieser  Beziehung  bringen 
können  als  bloß  bis  zu  der  Beobachtung,  daß  bestimmte 
Gegenstände  dauernd  zusammenhängen,  und  daß 
der  Geist  durch  gewohnheitsmäßigen  Übergang 
vom  Erscheinen  des  einen  zum  Glauben  an  den  anderen 
geführt   wird.    Aber   obwohl   dieser  Schluß   auf  die 
menschliche   Unwissenheit   das   Ergebnis    genauester 
Prüfung    in   dieser    Sache    ist,    so   hegen   doch   die 
Menschen   immer   eine   starke    Hinneigung   zu    dem 
Glauben,    daß   sie   tiefer   in   die   Kräfte  der   Natur 
dringen    und    so    etwas    wie    eine   notwendige   Ver- 
knüpfung  zwischen  der  Ursache   und  Wirkung  auf- 
fassen.   Richten   sie  hinwieder  ihre  Überlegung  auf 
die  Tätigkeit  des  eigenen  Geistes  und  empfinden  sie 
da  keine  solche  Verknüpfung  des  Beweggrundes  mit 
der  Handlung,  so  werden  sie  hieraus  leicht  annehmen, 
daß    zwischen   den   Wirkungen,    die   aus   materieller 
Kraft,  und  denen,  die  aus  Denken  und  Verstand  ent- 
springen, ein  Unterschied  bestehe.    Sind  wir  aber  ein- 
mal überzeugt,    daß   wir    von   jeder  Art  Ursächlich- 
keit  lediglich  den    beständigen   Zusammenhang 
zwischen   Gegenständen   erkennen,    und   die   sich  im 
Geist  anschließende  Herleitung  des  einen  aus  dem 
andern,    und   entdecken  wir,    daß   diese   beiden  Um- 
stände anerkanntermaßen  in  den   Willenshandlungen 
sich  vorfinden,  dann  wird  es  uns  leichter  fallen,  die 
gleiche  Notwendigkeit  für  alle  Ursachen  zuzugeben. 


110 


Achter  Abschnitt 


Und  wenn  auch  dieser  Gedankengang,  insofern  er 
den  Willensentschlüssen  Notwendigkeit  zuschreibt,  den 
Systemen  vieler  Philosophen  widerspricht,  so  werden 
wir  bei  einiger  Überlegung  finden,  daß  sie  nur  in 
Worten  von  uns  abweichen,  nicht  in  ihrer  wirklichen 
Anschauung.  Notwendigkeit  in  dem  hier  festgestellten 
Sinne  ist  noch  niemals  von  einem  Philosophen  ge- 
leugnet worden,  noch  kann  sie  es  wohl  jemals  werden. 
Nur  das  könnte  sich  allenfalls  behaupten  lassen,  daß  der 
Geist  in  den  materiellen  Vorgängen  noch  eine  weitere 
Verknüpfung  zwischen  Ursache  und  Wirkung  auf- 
faßt; und  zwar  eine  Verknüpfung,  die  in  den  Willens- 
handlungen vernünftiger  Wesen  nicht  stattfindet  Ob 
dies  nun  der  Fall  ist  oder  nicht,  kann  nur  die  Unter- 
suchung aufklären;  und  es  liegt  jenen  Philosophen 
ob,  ihre  Behauptung  zu  rechtfertigen,  jene  Not- 
wendigkeit zu  definieren  und  zu  beschreiben  und  sie 
uns  in  der  Wirksamkeit  materieller  Ursachen  auf- 
zuzeigen. 

Es  scheint  wirklich,  daß  man  das  Problem  der 
Freiheit  und  Notwendigkeit  am  verkehrten  Ende  an- 
faßt, wenn  man  mit  der  Untersuchung  der  Seelen- 
vermögen, des  Einflusses  des  Verstandes  und  der 
Wirksamkeit  des  Willens  beginnt  Besser  ist  es,  zu- 
nächst ein  einfacheres  Problem  zu  behandeln,  nämlich 
die  Wirksamkeit  der  Körper  und  der  seelenlosen, 
unvernünftigen  Materie;  da  versuche  man,  sich  irgend 
eine  andere  Vorstellung  von  Verursachung  und  Not- 
wendigkeit zu  bilden,  als  die  eines  beständigen  Zu- 
sammenhangs von  Gegenständen  und  einer  sich  an- 
schließenden Herleitung  des  einen  aus  dem  anderen  im 
Geiste.  Erschöpfen  diese  Umstände  wirklich  den  ganzen 
Inhalt  der  Notwendigkeit,  die  wir  an  der  Materie  er- 
fassen, und  gibt  jedermann  zu,  daß  diese  Umstände 
ebenso  bei  den  geistigen  Vorgängen  stattfinden,  so 
ist  der  Streit  erledigt  oder  kann  wenigstens  dann 
als  reiner  Wortstreit  gelten.  So  lange  wir  aber  vor- 
eilig annehmen,  daß  wir  noch  eine  darüber  hinaus- 
gehende Vorstellung  von  Notwendigkeit  und  Verur- 
sachung besitzen,  wo  es  sich  um  Vorgänge  in  der 
Außenwelt  handelt;  während  wir  zugleich  nichts 
weiteres  in  den  Willenshandlungen   des  Geistes  ent- 


Ober  Freiheit  und  Notwendigkeit 


111 


decken  können;  solange  ist  es  unmöglich,  die  Frage  zu 
einem  endgültigen  Ergebnis  zu  bnngen,  da  wir  von 
einer  ganz  irrtümlichen  Annahme  ausgehen.  Der 
einzige  Weg,  die  Täuschung  zu  zerstreuen,  führt 
höher  hinauf;  wir  haben  den  engen  Bereich  der  Wissen- 
schaft in  ihrer  Anwendung  auf  materielle  Ursachen 
zu  prüfen  und  uns  zu  überzeugen,  daß  unser  ganzes 
Wissen  davon  die  erwähnten  beständigen  Zusammen- 
hänge und  Herleitungen  betrifft  Es  mag  sich  heraus- 
stellen, daß  es  uns  schwer  fällt,  dem  menschlichen 
Verstände  so  enge  Grenzen  zu  setzen;  aber  nachher 
werden  wir  keine  Schwierigkeit  mehr  haben,  wenn 
wir  zur  Anwendung  dieser  Lehre  auf  die  Handlungen 
des  Willens  gelangen.  Denn  da  diese  offenbar  einen 
regelmäßigen  Zusammenhang  mit  Beweggründen,  Una- 
ständen  und  Charakteranlagen  zeigen,  und  da  wir 
stets  das  eine  aus  dem  anderen  herleiten,  so  müssen 
wir  notgedrungen  mit  Worten  dieselbe  Notwendigkeit 
zugestehen,  die  wir  bereits  im  Leben  bei  jeder  Er- 
wägung und  in  jedem  Teil  unseres  Verhaltens  und 
Benehmens  nicht  verleugnen.^) 


*)  Die  Vorherrschaft  der  Lehre  von  der  Freiheit  ließe 
sich  noch  aus  einer  andern  Ursache  begreifen,  nämlich  ans 
einer  falschen  Wahrnehmung  oder  Scheinerfahrnng,  die  wir 
bei  vielen  unserer  Handlungen  über  Freiheit  oder  Gleich- 
gültigkeit machen  oder  machen  können.  Die  Notwendig- 
keit einer  Handlung  in  der  Körper-  oder  Geisteswelt  ist 
streng  genommen  keine  Eigenschaft  in  dem  wirkenden  Ele- 
ment, sondern  in  irgend  einem  denkenden  oder  vernünf- 
tigen Wesen,  das  etwa  die  Handlung  betrachtet;  und  sie 
besteht  hauptsächlich  in  der  gedanklichen  Nötigung  dieses 
Wesens,  den  Eintritt  jener  Handlunsr  aus  vorhergehenden 
Tatsachen  abzuleiten.  So  ist  auch  Freiheit  als  Gegensatz 
zu  Notwendigkeit  nur  das  Fehlen  dieser  Nötigung  und  eine 
gewisse  Ungebundenheit  oder  Gleichgültigkeit,  die  wir  bei 
dem  Übergehen  oder  Nichtübergehen  von  der  Vorstellung 
eines  Dinges  zu  der  irgend  eines  folgenden  empfinden.  Nun 
können  wir  beobachten,  daß  wir  zwar  im  Zustand  der  Über- 
legung in  den  menschlichen  Handlungen  solche  Ungebun- 
denheit oder  Gleichgültigkeit  selten  empfinden,  vielmehr  sie 
gewöhnlich  mit  erheblicher  Gewißheit  aus  ihren  Beweg- 
gründen und  aus  der  Veranlagung  des  Handelnden  her- 
suleiten    vermögen;    daß   wir   £tgegen   in   h&nfigen   Fällen 


T 


113 


II 


Achter  Abschnitt. 


Führen  wir  unsere  versöhnlichen  Absichten  weiter 
in  der  Frage  nach  Freiheit  und  Notwendigkeit,  dieser 
umstrittensten  Frage  der  umstrittensten  Wissenschaft, 
der  Metaphysik,  so  bedarf  es  nicht  vieler  Worte  für 
den  Beweis,  daß  alle  Menschen  jederzeit  in  der  Lehre 
von  der  Freiheit  ebenso  wie  in  der  von  der  Not- 
wendigkeit einer  Meinung  waren,  und  daß  der  ganze 
Streit  auch  in  dieser  Hinsicht  bisher  lediglich  ein 
Wortstreit  war.  Denn  was  verstehen  wir  eigentlich 
unter  Freiheit  in  ihrer  Anwendung  auf  Willenshand- 
lungen? Sicherlich  nicht,  daß  Handlungen  eine  so 
geringe  Verknüpfung  mit  Beweggründen,  Neigungen 
und  Umständen  haben,  daß  nicht  jene  mit  einer  ge- 
wissen Gleichförmigkeit  aus  diesen  folgten,  und  daß 
nicht  die  einen  eine  Ableitung  erlaubten,  durch  die 
wir   das   Dasein    der    anderen    erschließen    könnteiL 

beim  Vollzug  der  Handlangen  selbst  etwas  derartiges  ver- 
spüren. Wie  nun  alle  einander  ähnlichen  Dinge  leicht  mit- 
einander verwechselt  werden,  so  hat  maa  den  erwähnten 
Sachverhalt  als  demonstrativen  und  selbst  als  intuitiven  Be- 
weis der  menschlichen  Freiheit  verwendet.  Wir  empfinden, 
daß  in  den  meisten  Fällen  unsere  Handlungen  unserm 
Willen  Untertan  sind,  und  bilden  uns  ein,  zu  empfinden,  daß 
der  Wille  selbst  niemandem  Untertan  ist.  Reizt  uns  näm- 
hch  eine  Verneinung  dieser  Freiheit  zu  einer  Probe,  so  er- 
leben wir,  daß  der  Wille  mit  Leichtigkeit  sich  überall  hin- 
wendet, und  ein  Abbild  seiner  selbst  (oder  in  der  Schul- 
sprache eine  Velleität)  sogar  auf  der  Seite  entstehen  läßt, 
auf  der  er  schließlich  nicht  verbleibt.  Dieses  Abbild  oder 
diese  schwache  Regung  hätte  nun,  wie  wir  uns  weismachen 
möchten,  in  diesem  Zeitpunkt  zum  eigentlichen  Willen  sich 
vollenden  können;  weil  wir,  wenn  dies  verneint  wird,  bei 
einer  zweiten  Probe  finden,  daß  es  jetzt  gelingt.  Wir  be- 
achten nicht,  daß  hier  der  eitle  Wunsch,  unsere  Freiheit  zu 
bezeigen,  der  Beweggrund  unserer  Handlungen  ist.  Und 
soviel  scheint  gewiß:  wie  sehr  wir  uns  eine  innere  Freiheits- 
empfindung einbilden,  ein  Zuschauer  kann  gewöhnlich  unsere 
Handlungen  aus  unsern  Beweggründen  und  Charakterzügen 
ableiten;  und  selbst  wo  er  das  nicht  kann,  schließt  er  im 
allgemeinen,  er  würde  es  können,  wäre  er  vollständig  ver- 
traut mit  jedem  Umstand  unserer  Lage  und  Gemütsart  und 
mit  den  geheimsten  Quellen  unserer  Seelenverfassung.  Und 
hierin  besteht  gerade  das  eigentliche  Wesen  der  Notwendig- 
keit nach  der  obigen  Lehre. 


Über  Freiheit  und  Notwendigkeit. 


113 


Denn  dies  sind  offenbare  und  anerkannte  Tatsachen. 
Also  können  wir  unter  Freiheit  nur  verstehen:  eine 
Macht  zu  handeln  oder  nicht  zu  handeln,  je 
nach  den  Entschließungen  des  Willens;  das 
heißt,  wenn  wir  in  Ruhe  zu  verharren  vorziehen, 
so  können  wir  es;  wenn  wir  vorziehen,  uns  zu  bewegen, 
so  können  wir  dies  aucL  Diese  bedingte  Freiheit  wird 
nun  aber  einem  jeden  allgemein  zugestanden,  der 
nicht  ein  Gefangener  in  Ketten  ist  Hierin  liegt  also 
kein   Problem. 

Welche  Definition  des  Wortes  Freiheit  wir  aber 
geben  mögen,  wir  haben  sorgfältig  auf  zwei  Erforder- 
nisse zu  achten.  Erstens,  daß  sie  mit  offenbaren 
Tatsachen  zusammenstimme;  zweitens,  daß  sie  in 
sich  selbst  übereinstimme.  Beobachten  wir  diese  Um- 
stände und  machen  wir  unsere  Definition  verständ- 
lich, so  bin  ich  überzeugt,  daß  alle  Welt  auf  diesem 
Punkt  einer  Meinung  ist. 

Es  wird  allgemein  zugestanden,  daß  nichts  da  ist 
ohne  eine  Ursache  seines  Daseins,  und  daß  Zufall 
streng  genommen  nur  ein  Wort  der  Verneinung  ist 
und  keine  wirkliche  Kraft  bezeichnet,  die  irgendwo 
in  der  Natur  vorkäme.  Aber  es  wird  behauptet,  daß 
gewisse  Ursachen  notwendig  seien,  gewisse  nicht. 
Da  zeigt  sich  nun  der  Nutzen  der  Definition.  Gesetzt, 
es  gelänge,  eine  Ursache  zu  definieren,  ohne  als 
einen  Teil  def  Definition  eine  notwendige  Ver- 
knüpfung mit  ihrer  Wirkung  einzubegreifen,  und 
es  gelänge  auch,  deutlich  den  Ursprung  der  in  der 
Definition  ausgedrückten  Vorstellung  aufzuzeigen,  so 
werde  ich  mich  sofort  für  besiegt  erklären.  Findet 
aber  unsere  obige  Erklärung  des  Sachverhalts  Bei- 
fall, so  muß  dies  gänzlich  unausführbar  sein.  Zeigten 
die  Dinge  nicht  einen  regelmäßigen  Zusammen- 
hang untereinander,  so  hätten  wir  niemals  einen  Begriff 
von  Ursache  und  Wirkung  gebildet;  und  dieser  regel- 
mäßige Zusammenhang  ruft  jene  Ableitung  durch  den 
Verstand  hervor,  welche  die  einzige  Verknüpfung  ist, 
die  wir  zu  begreifen  vermögen.  Wer  eine  De- 
finition der  Ursache  ohne  Berücksichtigung  dieser 
Umstände  versucht,  sieht  sich  gezwungen,  entweder 
unverständliche  Ausdrücke  zu  gebrauchen  oder  solche, 

Harne,  ünt«rraohg.  Ob.  d.  menschl.  Veratand.  3 


114 


Achter  Absohnitt 


Über  Freiheit  and  Notwendigkeit. 


115 


r 


die  gleichbedeutend  mit  dem  Ausdruck  sind,  den  er 
zu  erklären  trachtet.  ^)  Wird  aber  die  oben  erwähnte 
Definition  zugestanden,  so  fällt  Freiheit  als  Gegen- 
satz zur  Notwendigkeit  imd  nicht  zum  Zwange  mit 
Zufall  zusammen;  und  diesem  spricht  man  allgemein 
das  Dasein  ab.  

Zweiter  Teil. 

Es  gibt  keinerlei  Gedankengang,  der  in  philo- 
sophischen Streitfragen  so  häufig  und  dabei  so 
zu  verwerfen  wäre,  wie  der  Versuch,  eine  Annahme 
dadurch  zu  widerlegen,  daß  man  ihre  gefährlidien 
Folgen  für  Religion  und  Sittlichkeit  vorschützt  Führt 
eine  Ansicht  zu  Widersinnigkeiten,  so  ist  sie  gewiß 
falsch;  aber  es  ist  nicht  gewiß,  daß  eine  Ansicht 
falsch  ist,  weil  sie  gefährliche  Folgen  hat.  Solche 
Gesichtspunkte  sollte  man  daher  ganz  vermeiden;  sie 
dienen  in  nichts  zur  Entdeckung  der  Wahrheit,  sondern 
machen  nur  die  Person  des  Gegners  verhaßt.  Dies 
führe  ich  nur  im  allgemeinen  an,  ohne  ©s  zu  meinen 
Gunsten  verwenden  zu  wollen.  Ich  unterwerfe  mich 
unbedenklich  einer  solchen  Prüfung  und  wage  zu  be- 
haupten, daß  die  oben  dargelegte  Lehre  über  Freiheit 
und  Notwendigkeit  sich  nicht  nur  mit  der  Sittlichkeit  2) 
verträgt,  sondern  eine  unerläßliche  Stütze  derselben  ist 

Notwendigkeit  läßt  sich  auf  zwei  Arten  erklären, 
entsprechend  den  zwei  Definitionen  der  Ursache, 
von  der  sie  einen  wesentlichen  Bestandteil  bildet 
Sie  besteht   entweder   in   dem  ständigen  Zusammen- 

1)  Wird  z.  B.  die  Ursache  definiert  als:  das,  was 
irgend  etwas  hervorbringt;  so  ist,  wie  leicht  begreif- 
lich, dies  Hervorbringen  gleichbedeutend  mit  Ver- 
ursachen. Ebenso,  wenn  die  Ursache  definiert  wird  als: 
das,  wodurch  irgend  etwas  existiert;  so  läßt  sich 
derselbe  Einwand  erheben.  Denn  was  bedeutet  das  Wort 
wodurch?  Hätte  man  dagegen  gesagt:  Ursache  ist  das, 
wonach  irgend  etwas  beständig  existiert,  so  hätten 
wir  diese  Ausdrücke  verstanden.  Denn  das  ist  in  der  Tat 
alles,  was  wir  von  der  Sache  wissen.  Diese  Beständigkeit 
bildet  das  wahre  Wesen  der  Notwendigkeit,  und  eine  andere 
Vorstellung  haben  wir  nicht  davon. 

•)  Sittlichkeit  und  Religion:  Ausgaben  £  bis  Q, 


hang  gleicher  Gegenstände  oder  in  der  Ableitung 
eines  Gegenstandes  aus  dem  anderen  durch  den  Ver- 
stand. Nun  hat  man  die  Notwendigjkeit  in  diesen 
beiden  Bedeutungen  (die  in  der  Tat  im  Grunde  nur 
ein  und  dasselbe  sind)  allgemein,  wenn  auch  unaus- 
gesprochen, auf  den  Schulen,  der  Kanzel  und  im  täg- 
lichen Leben  dem  menschlichen  Willen  zugestanden. 
Niemand  ist  es  je  eingefallen  zu  leugnen,  daß  wir 
Ableitungen  in  bezug  auf  menschliche  Handlungen 
vollziehen  können,  und  daß  diese  Ableitungen  auf 
der  erfahrenen  Verbindung  von  gleichen  Handlungen 
mit  gleichen  Beweggründen,  Neigungen  und  Um- 
ständen beruhen.  Nur  auf  einem  Punkte  wäre  eine 
Meinungsverschiedenheit  möglich;  entweder  könnte  uns 
der  Name  Notwendigkeit  für  diese  Eigenschaft  mensch- 
licher Handlungen  bestritten  werden,  —  doch  so- 
lange der  Sinn  verständlich  ist,  wird  man  sich  hof- 
fentlich an  dem  Wort  nicht  stoßen  —  oder  die  Mög- 
lichkeit soll  nicht  aufgegeben  werden,  in  der  WItk- 
samkeit  der  Materie  noch  etwas  darüber  hinaus  zu 
entdecken.  Aber  dies  kann  doch  sicherlich  von  keiner 
Tragweite  für  Sittlichkeit  und  Eeligion  sein,  was  es 
auch  für  eine  Bedeutung  für  die  Naturphilosophie 
und  Metaphysik  haben  möge.  Wir  könnten  uns  hier 
in  der  Behauptung  irren,  daß  es  keine  Vorstellung 
gibt  von  einer  andersartigen  Notwendigkeit  oder  Ver- 
knüpfung in  den  Betätigungen  der  Körper.  Aber  sicher- 
lich schreiben  wir  den  geistigen  Betätigungen  nichts 
zu,  als  was  jedermann  bereitwillig  anerkennt  und 
anerkennen  muß.  Wir  ändern  keinen  Punkt  an  dem 
eingebürgerten  orthodoxen  System  in  bezug  auf  den 
Willen,  nur  in  bezug  auf  materielle  Gegenstände  und 
Ursachen.  So  kann  jedenfalls  nichts  harmloser  sein 
als  diese  Lehre. 

Da  alle  Gesetze  auf  Lohn  und  Strafe  beruhen, 
so  gilt  es  als  grundlegendes  Prinzip,  daß  diese  Be- 
weggründe einen  regelmäßigen  und  gleichförmigen 
Einfluß  auf  den  Geist  üben  und  sowohl  die  guten 
Handlungen  hervorrufen  wie  die  schlechten  ver- 
hindern. Wir  mögen  diesen  Einfluß  beliebig  be- 
nennen; aber  da  er  gewohnheitsmäßig  mit  der  Hand- 
lung zusammenhängt,  30  müssen  wir  ihn  als  eine  Ur- 

8* 


4 


116 


Achter  Abschnitt 


über  Freiheit  und  Notwendigkeit. 


117 


I''  ' 


Sache  ansehen  und  als  einen  Fall  jener  Notwendigkeit 
erachten,  wie  ich  sie  hier  aufgestellt  haben  möchte. 
Nur  eine  Persönlichkeit  oder  ein  mit  Denken 
und  Bewußtsein  begabtes  Wesen  eignet  sich  zum  Gegen- 
stand von  Haß  oder  Rache;  und  wo  verbrecherische 
oder  schädliche  Handlungen  jene  Affekte  erregen,  da 
geschieht  es  immer  nur  durch  ihre  Beziehung  oder 
Verknüpfung  mit  der  Persönlichkeit.  Handlungen  sind 
ihrer  eigensten  Natur  nach  zeitlich  und  vergänglich; 
wo  sie  nicht  einer  Ursache  im  Charakter  und  der 
Anlage  der  Persönlichkeit  entspringen,  die  sie  ausübt, 
da  können  weder  die  guten  ihr  zur  Ehre  noch  die 
schlechten  ihr  zur  Schande  gereichen.  Die  Hand- 
lungen an  sich  mögen  tadelnswert  sein,  sie  mögen 
allen  Regeln  der  Moral  und  Religion  zuwiderlaufen, 
aber  die  Persönlichkeit  ist  nicht  für  sie  verantwort- 
lich; und  da  sie  aus  nichts  Dauerndem  und  Bestän- 
digem in  ihr  hervorgehen  und  nichts  von  dieser  Art 
zurücklassen,  so  kann  sie  unmöglich  derentwegen  zum 
Gegenstand  der  Strafe  oder  Rache  werden.  Nach  dem 
Prinzip  also,  das  Notwendigkeit  und  folglich  Ursäch- 
lichkeit leugnet,  ist  ein  Mensch  ebenso  rein  und  un- 
befleckt nach  Begehung  des  abscheulichsten  Ver- 
brechens, wie  im  ersten  Augenblick  seiner  Geburt. 
Sein  Charakter  ist  auch  in  keiner  Weise  an  seinen 
Handlungen  beteiligt,  denn  diese  leiten  sich  nicht 
von  ihm  her,  und  die  Lasterhaftigkeit  der  einen  kann 
nicht  für  die  Verderbtheit  des  anderen  als  Beweis 
angeführt  werden. 

Man  tadelt  niemand  wegen  solcher  Handlun- 
gen, die  er  unwissend  und  zufällig  begeht,  was 
auch  ihre  Folgen  sein  mögen.  Weshalb  nicht?  Doch  wohl 
deswegen,  weil  die  Prinzipien  solcher  Handlungen  nur 
Augenblicksdauer  haben  und  in  ihnen  ihr  Ende  finden. 
Man  tadelt  die  Menschen  weniger  für  hitzige,  ohne 
Vorsatz  ausgeführte  Handlungen,  als  für  wohlüber- 
legte. Aus  welchem  Grunde?  Doch  wohl  deswegen, 
weil  ein  hitziges  Cremüt  zwar  eine  dauernde  Ursache 
oder  ein  dauerndes  Prinzip  im  Geiste  ist,  aber 
nur  zeitweise  sich  äußert  und  nicht  den  ganzen  Cha- 
rakter ansteckt.  So  auch  löscht  Reue  jedes  Ver- 
brechen aus,  wenn  eine  Besserung  des  Lebenswandels 


ihr  zur  Seite  geht.  Wie  will  man  hiervon  Rechen- 
schaft geben?  Doch  wohl  durch  den  Hinweis,  daß 
Handlungen  jemanden  nur  insoweit  ^um  Verbrecher 
stempeln,  als  sie  Beweise  verbrecherischer  Prinzipien 
im  Geiste  sind;  und  wenn  sie  infolge  einer  Änderung 
dieser  Prinzipien  ihr  Beweisgewicht  verlieren,  so 
verlieren  sie  zugleich  ihre  verbrecherische  Natur. 
Aber  außer  auf  dem  Boden  der  Notwendigkeitslehre 
waren  sie  niemals  gültige  Beweise  und  folglich 
niemals  verbrecherisch. 

Der  Beweis  wird  ebenso  leicht  und  mit  denselben 
Begründungen  zu  führen  sein,  daß  Freiheit  im 
Sinne  der  oben  gegebenen  Definition,  in  der  alle 
Menschen  einig  sind,  der  Sittlichkeit  gleichfalls  wesent- 
lich ist,  und  daß  keine  menschliche  Handlung,  bei 
der  sie  fehlt,  irgend  moralische  Eigenschaften 
zeigen  oder  der  Gegenstand  von  Billigung  oder  Miß- 
billigung sein  kann.  Da  Handlungen  nämlich  nur  in- 
soweit Gegenstände  "unseres  moralischen  Gefühls  sind, 
als  sie  a5  den  inneren  Charakter,  die  Affekte  und 
Neigungen  hinweisen,  so  können  sie  unmöglich  zu  Lob 
noch  zu  Tadel  Veranlassung  geben,  wo  sie  nicht  aus 
diesen  Triebkräften  erwachsen,  sondern  einzig  äußerer 
Gewalt  entspringen. 

Ich  maße  mir  nicht  an,  alle  Einwände  gegen  diese 
Theorie,  soweit  sie  Notwendigkeit  und  Freiheit  be- 
trifft, aus  dem  Wege  geräumt  und  beseitigt  zu  haben. 
Ich  halte  andere  Einwände  für  möglich,  aus  Ge- 
bieten, die  hier  nicht  behandelt  worden  sind.  So 
könnte  etwa  gesagt  werden:  wenn  Willenshandlungen 
denselben  Gesetzen  der  Notwendigkeit  unterliegen  wie 
die  materiellen  Vorgänge,  so  besteht  eine  fortlaufende 
Kette  notwendiger  Ursachen,  vorbestimmt  und  vor- 
bedacht, die  von  der  ersten  Ursache  aller  Dinge 
herabreicht  bis  auf  jede  einzelne  Willensregung  jedes 
menschlichen  Geschöpfes.  Kein  Zufall  irgendwo 
in  der  Welt,  keine  Unbestimmtheit,  keine  Freiheit. 
Während  wir  wirken,  erleiden  wir  zugleich  Wir- 
kungen. Der  letzte  Urheber  all  unserer  Willens^ 
regungen  ist  der  Schöpfer  der  Welt,  der  zuerst  diesem 
ungeheuren  Triebwerk  Bewegung  mitteilte  und  allen 
Wesen   die   besondere   Stelle   anwies,   aus  der  jedes 


118 


Achter  AbacliDitt 


I« 


folgende  Ereignis  mit  unabwendbarer  Notwendigkeit 
sich  ergeben  maß.  Monscliliche  Handlungen  können 
deshalb  entweder  überhaupt  nicht  sittlich  verwerflich 
sein,  als  Ausflüsse  einer  so  guten  Ursache;  oder  sind 
sie  irgendwie  verwerflich,  so  müssen  sie  unseren 
Schöpfer  in  die  gleiche  Schuld  verstricken,  da  er  als 
ihre  letzte  Ursache  und  Quelle  anerkannt  wird.  Denn 
wie  ein  Mensch,  der  eine  Mine  entzündet,  für  die 
Folgen  verantwortlich  ist,  mag  die  verwendete  Zünd- 
schnur nun  lang  oder  kurz  sein,  so  ist  überall  bei 
einer  fortlaufenden  Reihe  notwendiger  Ursachen  das- 
jenige endliche  oder  unendliche  Wesen,  das  die  erste 
hervorbringt,  gleicherweise  Urheber  aller  übrigen  und 
muß  den  Tadel  tragen  und  das  Lob  ernten,  das  ihnen 
zufällt  Unsere  deutlichen  und  unveränderlichen  Vor- 
stellungen von  Sittlichkeit  fordern  an  der  Hand  frag- 
loser Gründe  diese  Regel,  wenn  wir  die  Folgen 
einer  menschlichen  Handlung  prüfen;  ein  viel  größeres 
Gewicht  müssen  diese  Gründe  also  dort  haben, 
wo  wir  sie  auf  die  Willensregungen  und  Absichten 
eines  unendlich  weisen  und  mächtigen  Wesens  an- 
wenden. Unwissenheit  und  Ohnmacht  mögen  ein  so  be- 
schränktes Geschöpf  wie  den  Menschen  entschuldigen; 
aber  diese  Mängel  bestehen  nicht  bei  unserem 
Schöpfer.  Er  übersah,  er  bestimmte,  er  beabsichtigte 
all  jene  Handlungen  der  Menschen,  welche  wir 
so  vorschnell  für  verbrecherisch  erklären.  Daraus 
müssen  wir  also  schließen,  daß  sie  entweder  nicht 
verbrecherisch  sind,  oder  daß  die  Gottheit,  nicht  der 
Mensch,  dafür  verantwortlich  ist.  Aber  weil  jeder 
dieser  Sätze  widersinnig  und  gottlos  ist,  so  folgt,  daß 
die  Lehre,  aus  der  sie  abgeflossen  sind,  unmöglich 
wahr  sein  kann,  da  sie  ganz  denselben  Einwänden 
unterliegt.  Eine  widersinnige  und  doch  unvermeid- 
liche Folgerung  beweist  den  Widersinn  der  Lehre,  aus 
der  sie  ihren  Ursprung  nimmt,  genau  so  wie  ver» 
brecherische  Handlungen  die  oberste  Ursache  mit- 
schuldig machen,  wenn  die  Verknüpfung  zwischen 
beiden  notwendig  und  unvermeidlich  ist. 

Dieser  Einwurf  besteht  aus  zwei  Teilen,  die  wir 
getrennt  prüfen  wollen.  Der  erste  besagt,  daß 
menschliche  Handlungen,   wenn  sie  durch  eine  not- 


über  Freiheit  and  Notwtndigktit. 


119 


wendige  Kette  bis  auf  die  Gottheit  zurückzuführen 
sind,  niemals  verbrecherisch  sein  können,  und  zwar 
wegen  der  unendlichen  Vollkommenheit  jenes  Wesens 
aus  dem  sie  herfließen  und  das  nur  durchaus  Gutes 
und  Preiswürdiges  wollen  kann.  Dem  zweiten  zu- 
folge müssen  wir,  sind  die  Handlungen  verbreche- 
risch, die  der  Gottheit  zugeschriebene  Eigenschaft  der 
Vollkommenheit  zurückziehen  und  sie  als  letzten  Ur- 
heber der  Schuld  und  sittlichen  Verworfenheit  all  ihrer 
Geschöpfe  anerkennen. 

Die  Antwort  auf  den  ersten  Einwurf  scheint 
augenfällig  und  überzeugend.  Viele  Philosophen 
schließen  nach  genauer  Erforschung  aller  Naturer- 
scheinungen, daß  das  Ganze,  als  einheitliches  System 
betrachtet,  in  jedem  Zeitpunkt  seines  Daseins  einer 
höchsten  Güte  seine  Ordnung  verdankt,  und  daß  das 
höchstmögliche  Glück  am  Ende  allen  Geschöpfen  zuteil 
werden  wird,  ohne  irgendwelchen  Zusatz  eines  positiven 
und  absoluten  Übels  oder  Elends.  Jedes  physische 
Übel,  sagen  sie,  macht  einen  wesentlichen  Teil  dieses 
Systems  der  Güte  aus,  und  könnte  selbst  durch  die 
Gottheit,  als  weise  Kraft  gefaßt,  nicht  beseitigt 
werden,  ohne  größerem  Übel  Eingang  zu  verschaffen, 
oder  größeres  Gut  als  sein  Erzeugnis  auszuschließen. 
Aus  dieser  Anschauung  gewannen  einige  Philosophen, 
unter  anderen  die  alten  Stoiker,  einen  Gesichtspunkt 
des  Trostes  in  aller  Trübsal,  indem  sie  ihren  Schülern 
lehrten,  daß  diese  Übel,  unter  denen  sie  litten,  in 
Wahrheit  Güter  für  das  Weltall  wären,  daß  also 
einem  weitschauenden  Blick,  der  das  ganze  System 
der  Natur  begriffe,  jedes  Ereignis  ein  Gegenstand 
der  Freude  und  der  Erhebung  werde.  Aber  so  schön 
und  hochsinnig  diese  Trostgründe  auch  sind,  so  zeigten 
sie  sich  in  der  Anwendung  schwach  und  wirkungslos. 
Es  würde  sicherlich  einen  Menschen,  der  mit  quälenden 
Gichtschmerzen  daniederliegt,  eher  reizen  als  be- 
ruhigen, wenn  ihm  die  Angemessenheit  jener  allge- 
meinen Gesetze  gepredigt  würde,  welche  die  bösartigen 
Säfte  in  seinem  Körper  erzeugten  und  durch  die  ge- 
eigneten Kanäle  zu  den  Sehnen  und  Nerven  leiteten, 
wo  sie  jetzt  solche  heftigen  Qualen  erregen.  Solche 
weiten  Gesichtspunkte  mögen  vorübergehend  die  Ein- 


■ 


120 


▲ohtor  Abschnitt. 


Über  Freiheit  und  Notwendigkeit. 


121 


Hl 


bildnng  eines  spekulativen  Kopfes  ergötzen,  der  sich  in 
sicherem  Behagen  befindet  Aber  sie  können  bereits 
dann  nicht  beständig  in  seinem  Geiste  weilen,  wenn 
ihn  die  Erregungen  des  Schmerzes  und  der  Affekte 
nicht  beunruhigen;  und  noch  viel  weniger  können 
sie  das  Feld  behaupten  unter  dem  Angri&  so  mäch- 
tiger Gegner.  Die  Neigungen  treiben  zu  einer  engeren 
und  ungezwungeneren  Betrachtung  ihrer  Gegenstände 
und  stellen  sich  entsprechend  der  Schwäche  des 
menschlichen  Geistes  nur  auf  solche  Wesen  ein,  die 
uns  umgeben;  sie  werden  durch  die  Ereignisso 
ausgelöst,  die  in  dem  System,  dem  der  Einzelne  an- 
gehört, gut  oder  übel  erscheinen. 

Die  Sache  steht  ebenso  mit  dem  moralischen 
wie  mit  dem  physischen  Übel.  Man  kann  vernünf- 
tigerweise nicht  annehmen,  daß  solche  fernliegenden 
Erwägungen,  die  von  so  geringer  Wirkungskraft 
für  das  eine  befunden  werden,  auf  das  andere 
einen  machtigeren  Einfluß  üben  werden.  Von 
Natur  ist  der  menschliche  Geist  so  geartet,  daß  er 
beim  Auftreten  bestimmter  Charaktere,  Anlagen  und 
Handlungen  unmittelbar  das  Gefühl  der  Billigung  oder 
des  Tadels  empfindet;  und  keine  Gemütsbewegung  ist 
enger  mit  dem  Wesen  seiner  Struktur  und  Anlage  ver- 
bunden. Die  Charaktere,  die  unsere  Billigung  bean- 
spruchen, sind  hauptsächlich  solche,  die  zum  Frieden 
und  zur  Sicherheit  der  menschlichen  Gesellschaft  bei- 
tragen; wie  die  Charaktere,  welche  Tadel  wachrufen,  in 
der  Hauptsache  das  öffentliche  Wesen  schädigen  und  be- 
unruhigen. Darauf  läßt  sich  vernünftigerweise  anneh- 
men, daß  die  moralischen  Gefühle  mittelbar  oder  un- 
mittelbar einer  Überlegung  dieser  entgegengesetzten 
Interessen  entspringen.  Was  vermögen  da  philoso- 
phische Betrachtungen,  die  eine  andere  Ansicht  oder 
Vermutung  aufstellen:  nämlich,  daß  alles  recht  ist  in 
bezug  auf  das  Ganze,  und  daß  die  Eigenschaften,  welche 
der  Gesellschaft  schaden,  im  wesentlichen  ebenso  wohl- 
tätig seien  und  der  ursprünglichen  Absicht  der  Natur 
sich  ebenso  fügen  wie  diejenigen,  welche  unmittelbar 
das  Glück  und  die  Wohlfahrt  der  Gesellschaft  fördern? 
Sind  solche  entlegenen  und  ungewissen  Spekulationen 
wirklich  imstande,  den  Gefühlen,   die  aus  der  natür- 


lichen und  unmittelbaren  Betrachtung  der  Gegenstände 
entspringen,  die  Wage  zu  halten?  Mindert  sich  bei 
einem  Menschen,  dem  eine  beträchtliche  Summe  ge- 
raubt worden  ist,  der  Ärger  über  den  Verlust  irgend- 
wie durch  solche  erhabenen  Überlegungen?  Warum 
sollte  seine  moralische  Entrüstung  über  das  Ver- 
brechen als  mit  ihnen  unvereinbar  gelten?  Oder  warum 
sollte  sich  nicht  die  Anerkenntnis  eines  wirklichen 
Unterschieds  zwischen  Laster  und  Tugend  mit  allen 
spekulativen  Systemen  der  Philosophie  ebensogut  ver- 
tragen, wie  die  eines  wirklichen  Unterschieds  zwischen 
persönlicher  Schönheit  und  Mißgestalt?  Beide  Unter- 
schiede haben  ihren  Grund  in  den  natürlichen  Ge- 
fühlen des  Menschengeistes,  und  diese  Gefühle  lassen 
sich  nicht  durch  irgend  eine  philosophische  Theorie 
oder  Spekulation,  welcher  Art  auch  immer,  meistern 
oder  verändern. 

Der  zweite  Einwand  gestattet  keine  so  leichte 
und  befriedigende  Antwort;  es  ist  nicht  möglich,  genau 
zu  erklären,  wie  die  Gottheit  die  mittelbare  Ursache 
aller  menschlichen  Handlungen  sein  kann,  ohne  der 
Urheber  von  Sünde  und  sittlicher  Verworfenheit  zu 
werden.  Das  sind  Geheimnisse,  für  deren  Behand- 
lung die  rein  natürliche  und  auf  sich  selbst  gestellte 
Vernunft  ganz  ungeeignet  ist;  welches  System  sie 
auch  ergreift,  sie  muß  bei  jedem  Schritt  auf  diesen 
Gebieten  'sich  in  unlösbare  Schwierigkeiten,  ja  Wider- 
sprüche verwickelt  finden.  Die  Wahlfreiheit  und  Zu- 
fälligkeit der  menschlichen  Handlungen  mit  der  gött- 
lichen Voraussicht  zu  versöhnen,  unbedingte  Rat- 
schlüsse zu  verteidigen  und  doch  die  Gottheit  von  der 
Urheberschaft  der  Sünde  zu  befreien  —  das  hat 
bisher  noch  die  Leistungsfähigkeit  jeder  Philosophie 
überschritten.  Wohl  ihr,  wenn  sie  hieran  ihre  Ver- 
wegenheit einsieht,  in  diesen  erhabenen  Geheimnissen 
zu  grübeln;  wenn  sie  ein  so  dunkles  und  verworrenes 
Gebiet  verläßt  und  in  angemessener  Bescheidenheit 
in  ihr  wahres  und  eigenes  Reich  zurückkehrt,  nämlich 
zur  Erforschung  des  praktischen  Lebens.  Dort  wird  sie 
Schwierigkeiten  genug  für  ihre  Untersuchungen  an- 
treffen, ohne  sich  in  ein  so  grenzenloses!  Meer  von  Zwei- 
feln,  Ungewißheiten  und  Widersprüchen  zu  stürzen. 


l! 


I 


Neunter  Abschnitt. 

Über  die  Vernunft  der  Tiere. 


All  unsere  Denkakte,  die  sich  aul  Tatsachen  be- 
ziehen, stützen  sich  auf  eine  Art  von  Analogie,  die 
uns  veranlaßt,  von  einer  Ursache  dieselben  Ereig- 
nisse zu  erwarten,  deren  Eintreffen  wir  als  Ergebnis 
gleichartiger  Ursachen  beobachtet  haben.  Wo  die 
Ursachen  vollkommen  gleichartig  sind,  da  ist  die 
Analogie  vollkommen,  und  die  Ableitung,  die  man 
daraus  gewinnt,  wird  als  gewiß  und  schlüssig  an- 
gesehen. So  zweifelt  niemand  beim  Anblick  eines 
Stückes  Eisen,  daß  es  Gewicht  und  Kohäsion  zeigen 
wird,  wie  in  allen  übrigen  Fällen,  die  jemals  ihm 
zu  Gesicht  kamen.  Wo  aber  die  Gegenstände  nicht 
ganz  so  gleichartig  sind,  da  ist  die  Analogie  auch  weni- 
ger vollkommen  und  die  Ableitung  minder  schlüssig; 
doch  haben  sie  immerhin  einige  Bedeutung  im  Verhält- 
nis zu  den  Graden  der  Gleichartigkeit  und  Ähnlichkeit 
Anatomische  Beobachtungen,  die  an  einem  Tier  ge- 
macht worden  sind,  werden  durch  diese  Art  des  Ge- 
dankengangs auf  alle  Tiere  ausgedehnt,  und  es  ist  ge- 
wiß, daß  wenn  z.  B.  der  Blutl^eislauf  an  einem  Ge- 
schöpf, etwa  einem  Frosch  oder  Fisch,  deutlich  nach- 
gewiesen ist,  dies  sehr  stark  die  Vermutung  nahelegt, 
daß  das  nämliche  Prinzip  für  alle  zutrifft.  Diese  Beob- 
achtungsanalogien lassen  sich  weiter  führen,  selbst  bis 
zu  jener  Wissenschaft,  die  wir  hier  treiben;  eine  jede 
Theorie,  mit  der  wir  die  Verstandestätigkeit  oder  den 
Ursprung  und  die  Verknüpfung  der  menschlichen 
Affekte  erklären,  wird  um  so  mehr  Ansehen  er- 
langen, wenn  sich  zeigt,  daß  nur  die  nämliche  Theorie 
die  gleichen  Erscheinungen  bei  allen  anderen  Lebe- 


über  die  Vernunft  der  Tiere. 


123 


wesen  erklärt  Wir  wollen  eine  solche  Probe  mit  der 
Hypothese  machen,  durch  die  in  den  vorhergehenden 
Auseinandersetzungen  wir  uns  bemühten,  über  alle 
Denkakte  aui  Grund  von  Erfahrung  Rechenschaft  zu 
geben,  und  es  steht  zu  hoffen,  daß  dieser  neue  Gre- 
sichtspunkt  zur  Bestätigung  all  unserer  früheren  Be- 
obachtungen dienen  wird. 

Erstens  scheinen  offenbar  die  Tiere  so  gut  wie 
die  Menschen  mancherlei  durch  die  Erfahrung  zu  lernen 
und  abzuleiten,  daß  die  gleichen  Ereignisse  imnier 
aus  den  gleichen  Ursachen  erfolgen.  Durch  dies 
Prinzip  machen  sie  sich  mit  den  augenfälligeren 
Eigenschaften  äußerer  Gegenstände  bekannt  und 
sammeln  stufenweise  von  ihrer  Geburt  an  einen  Schatz 
von  Kenntnissen  über  die  Natur  des  Feuers,  des 
Wassers,  der  Erde,  der  Steine,  der  Höhen,  Tiefen 
u.  8.  w.  und  der  Wirkungen,  die  aus  deren  Ver- 
halten sich  ergeben.  Die  Unwissenheit  und  Uner- 
fahrenheit  der  Jungen  sind  deutlich  von  der  Vor- 
sicht und  Klugheit  der  Alten  zu  unterscheiden,  die 
durch  lange  Beobachtung  gelernt  haben,  das  Schädliche 
zu  meiden  und  das  Nützliche  und  Angenehme  auf- 
zusuchen. Ein  an  den  Rennplatz  gewöhntes  Pferd 
lernt  genau  die  bestimmte  Höhe  kennen,  die  es  im 
Sprung  nehmen  kann,  und  wird  nie  etwas  versuchen, 
was  seine  Kraft  und  Gewandheit  übersteigt  Ein  alter 
Windhund  wird  den  ermüdendsten  Teil  der  Hetze 
den  jüngeren  überlassen  und  sich  selbst  so  einrichten, 
daß  er  den  Hasen  da,  wo  er  Haken  schlägt,  ab- 
fängt Seine  Vermutungen  bei  diesem  Anlaß  beruhen 
lediglich  auf  Beobachtung  und  Erfahrung. 

Dies  erhellt  noch  deutlicher  aus  den  Wirkungen 
der  Dressur  und  Erziehung  auf  Tiere.  Deren  Ver- 
halten kann  durch  geeignete  Anwendung  von  Be- 
lohnungen und  Strafen  jede  Richtung  gegeben  werden, 
selbst  eine  ihren  Naturinstinkten  und  Neigungen  ganz 
widerstreitende.  Ist  es  nicht  die  Erfahrung,  welche 
einen  Hund  Schmerz  fürchten  läßt,  wenn  man  ihm 
droht  oder  die  Peitsche  zum  Schlag  erhebt?  Ist  es 
nicht  gleichfalls  Erfahrung,  die  ihn  auf  seinen  Namen 
horchen  lehrt  und  aus  solchem  willkürlichen  Laut 
ableiten  läßt,  daß  man  gerade  ihn  und  nicht  einen 


t  i 


1S4 


NevoUr  Abschnitt 


Über  die  Vernunft  der  Tiere. 


126 


I 

I 

ii 

ij 


seiner  Genossen  meint,  und  ihn  zu  rufen  beabsichtigt, 
wenn  man  diesen  Laut  in  bestimmter  Weise  und  mit 
bestimmtem  Tonfall  und  Akzent  ausspricht? 

In  all  diesen  fallen  läßt  sich  beobachten,  daß  das 
Tier  eine  Tatsache  herleitet  über  das  hinaus,  was 
unmittelbar  seine  Sinne  trifft,  und  daß  diese  Herleitung 
gänzlich  auf  vergangener  Erfahrung  beruht,  indem 
das  Geschöpf  von  dem  ihm  gerade  gegenwärtigen  Ding 
die  gleichen  Folgen  erwartet,  die  es  bei  seinen  Beob- 
achtungen aus  gleichartigen  Gegenständen  stets  hat 
hervorgehen  sehen. 

Zweitens  ist  es  unmöglich,  daß  diese  Ableitung 
seitens  des  Tieres  auf  einem  Verfahren  der  Begrün- 
dung oder  der  Vernunfttätigkeit  beruht,  durch  die  es 
schlösse,  daß  gleiche  Ereignisse  aus  gleichen  Gegen- 
ständen folgen  müssen,  und  daß  der  Naturlaui  in 
seinen  Vorgängen  immer  regelmäßig  sein  wird.  Wenn 
nämlich  wirklich  Begründungen  dieser  Art  möglich 
wären,  so  lägen  sie  sicherlich  zu  versteckt  für  die  Be- 
obachtung so  unvollkommener  Intellekte;  erfordert  es 
doch  wohl  die  äußerste  Sorgfalt  und  Aufmerksamkeit 
eines  philosophischen  Geistes,  sie  zu  entdecken  und 
zu  beobachten.  Tiere  lassen  sich  also  bei  diesen 
Ableitungen  nicht  durch  einen  Denkakt  fuhren,  ebenso- 
wenig Kinder,  noch  auch  die  Mehrzahl  der  Menschen 
bei  ihren  gewöhnlichen  Handlungen  und  Schlüssen; 
ja  selbst  die  Philosophen  nicht,  die  in  allen  Lebens- 
betätigungen  in  der  Hauptsache  vom  Durchschnitte 
nicht  unterschieden  und  denselben  Grundsätzen  unter- 
worfen sind.  Die  Natur  muß  wohl  für  ein  anderes 
Prinzip  gesorgt  haben,  das  handlicher  ist  und  in 
weiterem  Umfang  nützliche  Anwendung  gestattet;  auch 
kann  eine  Tätigkeit  von  so  ungeheurer  Tragweite  für 
das  Leben,  wie  die  Ableitung  von  Wirkungen  aus 
Ursachen,  dem  ungewissen  Verfahren  von  Denkakten 
und  Begründungen  nicht  anvertraut  werden.  Sollte 
dies  bei  dem  Menschen  noch  zweifelhaft  sein,  so 
scheint  es  doch  bei  den  unvernünftigen  Geschöpfen 
außer  Frage  zu  stehen.  Ist  dieses  Schlußergebnis 
aber  einmal  für  den  letzteren  Fall  gesichert,  so  hat 
man  nach  allen  Regeln  der  Analogie  ein  starkes 
Recht  zu  der  Annahme,  daß  es  allgemein  anerkannt 


werden  müßte,  ohne  Ausnahme  und  Vorbehalt.  Nur 
die  Gewohnheit  ist  es,  welche  die  Tiere  anleitet,  bei 
jedem  Gegenstande,  der  ihre  Sinne  trifft,  durch  Ab- 
leitung dessen  ständigen  Begleiter  zu  erwarten;  nur 
sie  führt  ihre  Einbildungskraft  darauf,  bei  der  Er- 
scheinung des  einen  den  anderen  vorzustellen,  in  jener 
besonderen  Art,  die  wir  als  Glauben  bezeichnen.  F& 
diesen  Vorgang  läßt  sich  keine  andere  Erklärung 
geben,  weder  bei  den  höheren  noch  bei  den  niederen 
Gattungen  fühlender  Wesen,  soweit  wir  sie  kennen 
und  beobachten.!) 


^)  Da  alle  Denkakte,  die  sich  mit  Tatsachen  oder 
Ursachen  beschäftigen,  lediglich  aus  der  Gewohnheit  stam- 
men, so  mag  gefragt  werden,  wie  es  kommt,  daß  die 
Menschen  die  Tiere  hierin  so  weit  übertreffen,  und  ein 
Mensch  so  weit  den  andern  übertrifft.  Hat  nicht  dieselbe 
Gewohnheit  denselben  Einfluß  auf  alle? 

Ich  will  hier  kurz  den  großen  Unterschied  zwischen 
menschlichen  Intellekten  zu  erklären  suchen,  darnach  wird 
der  Grund  des  Unterschieds  zwischen  Mensch  und  Tier  sich 
leicht  einsehen  lassen. 

1.  Wenn  wir  einige  Zeit  gelebt  und  an  die  Gleich- 
förmigkeit der  Natur  uns  gewöhnt  haben,  so  erwerben  wir 
eine  allgemeine  Übung,  durch  die  wir  stete  das  Bekannte 
auf  das  Unbekannte  übertragen  und  die  Ähnlichkeit  des 
letzteren  mit  dem  früheren  uns  vorstellen.  Vermöge  dieses 
allgemeinen  Gewohnheitsprinzips  betrachten  wir  schon  eine 
Erfahrungstatsache  als  Grundlage  für  Denkakte,  und  erwarten 
mit  einigem  Grad  von  Gewißheit  ein  gleichartiges  Ereignis, 
falls  die  Erfahrungstatsache  genau  beobachtet  und  frei  von 
allen  störenden  Umständen  war.  Die  Beobachtung  der  Folgen 
der  Dinge  gilt  daher  als  Sache  von  großer  Wichtigkeit;  und 
da  ein  Mensch  den  andern  in  Aufmerksamkeit,  Gedächtnis, 
Beobachtungsgabe  sehr  weit  übertreffen  kann,  so  wird  dies 
einen  großen  Unterschied  in  ihren  Denkakten  ausmachen. 

2.  Wo  verwickelte  Ursachen  zur  Hervorbringung  einer 
Wirkung  zusammentreffen,  kann  ein  Geist  viel  weiter  sehen 
als  ein  anderer  und  besser  befähigt  sein,  den  ganzen  Zu- 
sammenhang der  Gegenstände  zu  begreifen  und  ihre  Folgen 
richtig  abzuleiten. 

8.  Der  eine  ist  imstande,  einer  Kette  von  Folgerungen 
weiter  nachzugehen,  als  der  andere. 

4.  Wenige  Menschen  können  lange  hintereinander 
denken,    ohne   in    eine   Verwirrung   ihrer  Vorstellungen  zu 


186 


Neunter  Abeohnitt. 


Obgleich  indes  die  Tiere  einen  großen  Teil  ihres 
Wissens  durch  Beobachtung  lernen,  so  besteht  doch 
ein  anderer  großer  Teil,  den  sie  ursprünglich  aus 
der  Hand  der  Natur  empfangen,  der  bei  weitem  ihre 
gewöhnliche  Leistungsfähigkeit  übersteigt,  und  in  dem 
sie  wenig  oder  keine  Fortschritte  bei  noch  so  langer 
Übung  und  Erfahrung  machen.  Dies  bezeichnen  wir 
als  Instinkt  und  bewundern  es  so  gerne  als  etwas 
ganz  außerordentliches,  was  durch  keine  Untersuchung 
des  menschlichen  Verstandes  erklärt  werden  kann. 
Indes  wird  unser  Erstaunen  vielleicht  aufhören  oder 
nachlassen,  wenn  wir  erwägen,  daß  selbst  unsere 
Vernunfttätigljeit  auf  Grund  von  Erfahrung,  die  wir 
mit  den  Tieren  gemein  haben  und  von  der  die  ganze 
Lebensführung  abhängt,  nichts- als  eine  Art  von  In- 
stinkt oder  mechanischer  Kraft  ist,  die,  uns  selbst  un- 
bekannt, in  uns  wirkt;  daß  sie  in  ihrer  hauptsächlichen 
Wirksamkeit  nicht  von  solchen  Beziehungen  oder  Ver- 


geraten und  die  eine  mit  der  anderen  zu  verwechseln;  und 
diese  Schwäche  kommt  in  verschiedenen  Graden  vor. 

6.  Der  Umstand,  von  dem  eine  Wirkung  abhängt,  ist 
häufig  mit  anderen  Umständen  verwoben,  die  ihm  fremd 
und  äußerlich  sind.  Seine  Abtrennung  erfordert  oft  große 
Aufmerksamkeit,  Genauigkeit  und  Scharfsinn. 

6.  Die  Bildung  allgemeiner  Regeln  aus  besonderer 
Beobachtung  ist  eine  sehr  heikle  Tätigkeit  und  es  ist  sehr 
hiäufig,  daß  man  aus  Hast  oder  geistiger  Beschränktheit,  die 
nicht  alle  Seiten  übersieht,  auf  diesem  Punkte  Mißgriffe 
begeht. 

7.  Wo  wir  aus  Analogien  folgern,  da  wird  der,  welcher 
größere  Erfahrung  oder  leichter  Analogien  in  Bereitschaft 
hat,  der  bessere  Denker  sein. 

8.  Eingenommenheit  von  Vorurteilen,  Erziehung,  Leiden- 
schaft, Parteilichkeit  haften  dem  einen  Geist  mehr  als  dem 
anderen  an. 

9.  Nachdem  wir  einmal  Vertrauen  in  menschliches 
Zeugnis  gewonnen  haben,  erweitern  Bücher  und  Unter- 
redung bei  dem  einen  den  Kreis  der  Erfahrung  und  des 
Denkens  viel  mehr  als  beim  anderen. 

Mit  Leichtigkeit  ließen  sich  noch  viele  andere  Um- 
stände entdecken,  die  einen  Unterschied  in  den  Litellekten 
der  Menschen  ausmachen.  (Diese  Anmerkung  kam  in  Aus- 
gabe F  hinzu.) 


Über  die  Vernunft  der  Tiere. 


127 


gleichungen  von  Vorstellungen  geleitet  wird,  die  den 
eigentlichen  Gegenstand  unserer  vernünftigen  Fähig- 
keiten ausmachen.  Die  Instinkte  mögen  verschieden 
sein,  aber  es  ist  doch  ein  Instinkt,  der  den  Menschen 
lehrt,  Feuer  zu  meiden  —  gerade  so  wie  der,  welcher 
den  Vogel  mit  solcher  Genauigkeit  in  der  Brutpflege 
unterweist  und  in  der  ganzen  Einrichtung  und  Ord- 
nung bei  der  Aufzucht  der  Jungen. 


% 


Zehnter  Abschnitt. 

Ober  Wunder 


Erster  TeU« 

Es  findet  sich  in  den  Schriften  Dr.  Tillotsons 
eine  Beweisführung  gegen  die  leibhaftige  Gegen- 
wart i),  die  80  knapp,  fein  und  schlagend  ist,  wie 
nur  von  einer  Beweisführung  gegen  eine  Lehre,  die 
so  wenig  eine  ernste  Widerlegung  verdient,  erwartet 
werden  kann.  Allseitig  wird  anerkannt,  sagt  jener 
gelehrte  Geistliche,  daß  die  Autorität  der  Schrift  wie 
der  Überlieferung  sich  allein  auf  das  Zeugnis  der 
Apostel  stützt,  welche  Augenzeugen  von  jenen  Wun- 
dern unseres  Erlösers  waren,  durch  die  er  seine 
göttliche  Sendung  bewies.  Die  Evidenz,  welche  die 
Wahrheit  der  christlichen  Religion  für  uns  hat,  ist 
also  schwächer  als  die  Evidenz  bei  der  sinnlichen 
Wahrheit;  denn  selbst  bei  den  ersten  Stiftern  unserer 
Religion  war  sie  nicht  stärker,  und  augenscheinlich 
muß  sie  beim  Übergang  auf  ihre  Schüler  abnehmen. 
Niemand  kann  in  ihr  Zeugnis  gleiches  Vertrauen 
setzen  wie  in  den  unmittelbaren  Gegenstand  seiner 
Sinne.  Eine  schwächere  Evidenz  kann  aber  niemals 
eine  stärkere  zerstören.  Wenn  also  die  Lehre  von 
der  leibhaftigen  Gegenwart  noch  so  klar  in  der 
Schrift  offenbart  wäre,  so  würde  es  doch  geradezu 
den  Regeln  folgerechter  Vernunfttätigkeit  zuwider- 
laufen, wenn  man  ihr  zustimmen  wollte.  Sie  wider- 
spricht den  Sinnen,  und  doch  eignet  sowohl  der 
Schrift  wie  der  Überlieferung,   auf  welche  sie  »ch 

*>  Des  Leibet  Ohristi  im  Abendmahl. 

(Anmerkg;  d.  Übers.) 


Über  Wunder. 


129 


angeblich  stützt,  nicht  so  starke  Evidenz  wie  den 
Sinnen  —  gesetzt,  daß  man  jene  allein  als  äußere 
Evidenzerreger  betrachtet  und  sie  nicht  durch  die 
unmittelbare  Wirksamkeit  des  Heiligen  Geistes  in 
jedermanns  Brust  lebendig  sein   läßt. 

Nichts  ist  so  willkommen  wie  eine  entscheidende 
Begründung  dieser  Art,  die  endlich  die  große  An- 
maßung der  Frömmelei  und  des  Aberglaubens  zum 
Schweigen  bringen  und  uns  gegen  ihre  ungehörigen 
Ansprüche  sicherstellen  muß.  Ich  schmeichle  mir, 
eine  Begründung  gleicher  Natur  aufgefunden  zu  haben, 
welche,  wenn  sie  richtig  ist,  für  Weise  und  Ge- 
lehrte eine  dauernde  ScliJanke  gegen  jede  Art  von 
abergläubischer  Verblendung  aufrichten  und  daher 
ihren  Nutzen  behalten  wird,  solange  die  Welt  fort- 
besteht. Denn  so  lange  werden  meines  Erachtens  in 
der  heiligen  wie  weltlichen  i)  Geschichte  Berichte 
von  Wundern  und  Naturwidrigkeiten  sich  vorfinden. 

Obwohl  die  Erfahrung  unser  einziger  Führer  bei 
Denkakten  über  Tatsachen  ist,  so  muß  doch  an- 
erkannt werden,  daß  dieser  Führer  sich  nicht  als  ganz 
unfehlbar  erweist,  sondern  in  einigenFällen  uns  leicht  zu 
Irrtümern  verleitet.  Wer  in  unserem  Klima  besseres 
Wetter  in  einer  beliebigen  Juniwoche  als  in  einer  im  De- 
zember erwartet,  folgert  richtig  und  erfahrungsgemäß; 
und  doch  ist  es  gewiß  möglich,  daß  ihn  der  Erfolg  eines 
anderen  belehrt  Indessen  ist  zu  beachten,  daß  er 
in  diesem  Falle  zu  einer  Klage  über  die  Erfahrung 
keine  Ursache  hat,  denn  sie  klärt  uns  meist  zuvor 
über  diese  Ungewißheit  durch  den  Widerstreit  in 
den  Ereignissen  auf,  den  uns  eine  fleißige  Beobachtung 
lehren  kann.  Alle  Wirkungen  folgen  nicht  mit  gleicher 
Gewißheit  aus  ihren  angeblichen  Ursachen.  Einige 
Elreignisse  haben  sich  in  allen  Ländern  und  zu  allen 
Zeiten  im  Zusammenhang  vorgefunden;  bei  anderen 
zeigte  sich  eine  größere  Veränderlichkeit  und  manch- 
mal eine  Enttäuschung  unserer  Erwartungen;  es  be- 
stehen also  in  unseren  Denkakten  über  Tatsachen 
alle    erdenklichen    Grade    der    Sicherheit,    von    der 

^)  „in  der  ganzen  weltlichen  Geschichte*' :  Ausgaben  E 
und  F. 

Hnra«,  UKteriuohg.  flk.  d.  menivhl.  Verstaad.  9 


■l 


130 


ZehntitT  AbsohuiU. 


Über  Wunder. 


131 


I 


höchsten   Gewißheit  bis  zu   der  niedersten   Art  von 
moralisch-gewisser  Evidenz. 

Ein  besonnener  Mann  bemißt  daher  seinen  Glauben 
nach  der  Evidenz.  Bei  solchen  Schlüssen,  die  auf  un- 
trügliche Erfahrung  gestützt  sind,  erwartet  er  den 
Erfolg  mit  dem  äußersten  Grad  der  Sicherheit  und 
betrachtet  seine  vergangene  Erfahrung  als  einen  vollen 
Beweis  des  künftigen  Eintritts  dieses  Erfolges.  In 
anderen  Pillen  geht  er  vorsichtiger  zu  Werke.  Er 
wägt  die  entgegengesetzten  Erfahrungstatsachen;  er 
überlegt,  welche  Seite  die  größere  Anzahl  derselben 
für  sich  hat;  dieser  Seite  neigt  er  sich  mit  Zweifel 
und  Bedenken  zu,  und  wenn  er  endlich  sein  Urteil 
fällt,  so  übersteigt  die  Evidenz  nicht  das,  was  wir 
im  eigentlichen  Sinne  Wahrscheinlichkeit  nennen. 
Alle  Wahrscheinlichkeit  setzt  also  einen  Gegensatz 
der  Erfahrungstatsachen  und  Beobachtungen  voraus, 
wobei  die  eine  Seite  die  andere  überwiegt  und  einen 
Grad  von  Evidenz  erzeugt,  der  dieser  Überlegenheit 
entspricht.  Hundert  Fälle  oder  Erfahrungstatsachen 
auf  der  einen  und  fünfzig  auf  der  anderen  Seite  er- 
geben eine  zweifelnde  Erwartung  des  Ausgangs;  aber 
hundert  gleichförmige  Tatsachen  gegen  nur  eine,  die 
ihnen  widerspricht,  erzeugen  füglich  einen  recht 
starken  Grad  von  Sicherheit.  Überall  müssen  wir  die 
entgegengesetzten  Erfahrungstatsachen,  wo  sie  es 
wirklich  sind,  gegeneinander  abwägen  und  die  kleinere 
Anzahl  von  der  größeren  abziehen,  um  die  genaue 
Stärke  der  überlegeneren  Evidenz  kennen  zu  lernen. 

Wenden  wir  diese  Prinzipien  auf  einen  besonderen 
Fall  an,  so  machen  wir  wohl  die  Beobachtung,  daß 
es  keine  so  allgemeine,  so  nützliche  und  selbst  zu 
unserem  Leben  so  notwendige  Art  der  Vernunfttätigkeit 
gibt,  wie  die,  welche  von  dem  menschlichen  Zeugnis  und 
den  Berichten  von  Augenzeugen  und  Zuschauern  aus- 
geht Vielleicht  leugnet  jemand,  daß  diese  Art  der  Ver- 
nunfttätigkeit sich  auf  die  Beziehung  von  Ursache  und 
Wirkung  gründet  Über  Worte  will  ich  nicht  streiten. 
Eis  genügt  die  Bemerkung,  daß  unsere  Sicherheit  irgend 
einer  derartigen  Begründung  gegenüber  aus  keinem 
anderen  Prinzip  stammt,  als  aus  unserer  Beobachtung 
der  Wahrhaftigkeit  menschlichen  Zeugnisses  und  der 


gewöhnlichen  Übereinstimmung  der  Tatsachen  mit  den 
Berichten  der  Zeugen.  Da  es  eine  allgemeine  Regel 
ist,  daß  Gegenstände  niemals  eine  auffindbare  Ver- 
knüpfung miteinander  haben  und  daß  alle  Ableitungen, 
die  uns  von  dem  einen  zu  dem  anderen  führen  können, 
lediglich  auf  unsere  Erfahrung  ihres  beständigen 
und  regelmäßigen  Zusammenhangs  sich  stützen,  so 
dürfen  wir  doch  offenbar  keine  Ausnahme  von  dieser 
Regel  zugunsten  des  menschlichen  Zeugnisses  machen, 
dessen  Verknüpfung  mit  irgend  einem  Ereignis  an 
sich  so  wenig  notwendig  scheint  wie  sonst  eine  Ver- 
knüpfung. Wäre  nicht  das  Gedächtnis  bis  zu  gewissem 
Grade  treu,  neigten  nicht  die  Menschen  für  ge- 
wöhnlich der  WaSrheit  und  den  Prinzipien  der  Red- 
lichkeit zu;  wären  sie  nicht  der  Scham  zugänglich, 
wenn  sie  bei  einer  Lüge  ertappt  werden;  wäre  dies 
alles  nicht  durch  Erfahrung  als  wesentliche  Eigen- 
schaft der  menschlichen  Natur  bekannt,  —  so  würden 
wir  niemals  das  geringste  Vertrauen  in  menschliches 
Zeugnis  setzen.  Ein  6rsinniger  oder  ein  als  lügne- 
risch und  niederträchtig  bekannter  Mensch  besitzt 
keinerlei  Glaubwürdigkeit  für  uns. 

Da  die  von  Zeugen  und  menschlichen  Aussagen 
herstammende  Evidenz  auf  vergangener  Erfahrung 
beruht,  so  ändert  sie  sich  mit  der  Erfahrung  und 
gilt  entweder  als  Beweis  oder  als  Wahrschein- 
lichkeit, je  nachdem  der  Zusammenhang  zwischen 
einer  bestimmten  Art  von  Bericht  und  einer  Art  von 
Gegenständen  sich  als  beständig  oder  veränderlich 
erwiesen  hat  Eine  ganze  Anzahl  von  Umständen  muß 
bei  allen  Urteilen  dieser  Art  in  Betracht  gezogen 
werden,  und  der  letzte  Maßstab,  nach  dem  wir  alle 
hierüber  etwa  entstehenden  Streitigkeiten  schlichten, 
stammt  immer  aus  der  Erfahrung  und  Beobachtung. 
Wo  diese  Erfahrungen  auf  keiner  Seite  ganz  gleich- 
förmig sind,  erwäctSt  ein  unvermeidlicher  Widerstreit 
In  unseren  Urteilen,  mit  demselben  Gegensatz  vmd 
wechselseitiger  Zerstörung  der  Begründungen  wie  bei 
jeder  anderen  Art  von  Evidenz.  Unsere  Meinung 
schwankt  oft  über  die  Berichte  anderer;  wir  wägen 
die  entgegengesetzten  Umstände  ab,  die  irgend  Zweifel 
oder  ifngewißheit  erregen;  entdecken  wir  ein  Über- 


132 


Zehnter  Abscbniti 


Über  Wunder. 


133 


gewicht  auf  einer  Seite,  so  neigen  wir  dieser  zu;  aber- 
immerhin  mit  verminderter  Sicherheit,  wie  es  der 
Kraft  der  Gegenseite  entspricht 

Dieser  Widerstreit  in  der  Evidenz  kann  in  unserem 
Fall  aus  verschiedenen  Ursachen  herstammen:  aus 
dem  Gegensatz  widerstreitender  Zeugnisse;  aus  dem 
Charakter  oder  der  Zahl  der  Zeugen;  aus  der  Art, 
wie  sie  ihr  Zeugnis  abgeben,  oder  aus  der  Verbindung 
all  dieser  Umstände.  Eine  Tatsache  wird  uns  ver- 
dachtig, wenn  die  Zeugen  einander  widersprechen; 
wenn  ihrer  nur  wenige  oder  ihre  Charaktere  zweifel- 
haft sind;  wenn  ihr  Vorteil  bei  ihrer  Aussage  in  Frage 
kommt;  wenn  sie  ihr  Zeugnis  zögernd  oder  im  Gegen- 
teil mit  zu  heftigen  Beteuerungen  abgeben.  Es  gibt 
noch  viele  andere  Umstände  gleicher  Art,  welche 
die  Kraft  einer  jeden  auf  menschliches  Zeugnis  ge- 
stützten Begründung  vermindern  oder  zerstören  können. 

Gesetzt  den  Fall,  die  Tatsache,  welche  das  Zeug- 
nis feststellen  will,  gehöre  ins  Reich  des  Außerordent- 
lichen und  Erstaunlichen;  so  erfährt  die  Evidenz, 
die  sich  aus  dem  Zeugnis  ergibt,  eine  größere  oder 
kleinere  Verminderung,  je  nachdem  die  Tatsache  mehr 
oder  weniger  ungewöhnlich  ist  Der  Grund,  aus 
dem  wir  Zeugen  oder  Geschichtschreibern  überhaupt 
Vertrauen  schenken,  stammt  nicht  aus  irgend  einer 
Verknüpfung,  die  wir  a  priori  zwischen  Zeugnis 
und  Wirklichkeit  auffassen,  sondern  aus  der  Gewohn- 
heit, eine  Einstimmigkeit  zwischen  ihnen  anzutreffen. 
Ist  aber  die  bezeugte  Tatsache  von  der  Art,  daß  sie 
sich  selten  unserer  Beobachtung  bot,  so  liegt  hier 
ein  Widerstreit  zweier  entgegengesetzter  ErfalSungen 
vor;  von  diesen  zerstört  eine  die  andere,  soweit  wie 
ihre  Kraft  reicht,  und  die  überlegene  kann  auf  den 
Geist  nur  mit  der  Kraft  wirken,  die  ihr  übrig  bleibt 
Genau  das  gleiche  Erfahrungsprinzip,  welches  uns 
die  Bekundungen  von  Zeugen  in  gewissem  Grade 
sicherstellt,  liefert  uns  auch  in  diesem  Falle  einen 
anderen  Grad  der  Sicherheit,  nun  aber  gegen  die  Tat- 
sache, die  sie  festzulegen  sich  bemühen;  und  aus 
diesem  Widerspruch  entsteht  notwendig  ein  Gleich- 
gewicht und  eine  gegenseitige  Zerstörung  des  Glaubens 
und  des  Ansehens. 


Ich  würde  so  etwas  nicht  glauben,  und 
wenn  es  mir  Cato  erzählte,  war  in  Rom  sprich- 
wörtlich schon  zu  Lebzeiten  dieses  philosophischen 
Patrioten.  1)  Man  erkannte,  daß  die  Unglaubhaftig- 
keit  einer  Tatsache  selbst  eine  Bürgschaft  von  solchem 
Gewicht  entkräften  könnte.') 

Der  Gedankengang  jenes  indischen  Prinzen,  der 
den  ersten  Berichten  über  die  Wirkungen  des  Frosts 
den  Glauben  verweigerte,  war  folgerichtig,  und  es  be- 
durfte natürlich  schwerwiegender  Zeugnisse,  um  eine 
Anerkennung  von  Tatsachen  zu  erwirken,  die  aus  Natur- 
bedingungen hervorgingen,  welche  ihm  unbekannt  waren 
und  so  wenig  den  Ereignissen  glichen,  von  denen  er 
bestandige  und  gleichförmige  Erfahrung  hatte.  Wenn 
sie  auch  seinen  Erfahrungen  nicht  widerstritten,  so 
stimmten  sie  doch  nicht  mit  ihnen  überein.  s)  *) 

»)  Platarch,  in  vita  Catonis  minoris  19. 

*)  Dieser  Absatz  kam  in  Ausgabe  K  hinzu. 

>)  Dieser  Absatz  kam  in  Ausgabe  F  hinzu. 

*)  Kein  Indier  konnte  ersichtlich  die  Erfahrung  be- 
sitzen, daß  Wasser  in  kalten  Klimaten  nicht  gefriere.  Die 
Natur  befindet  sich  dabei  in  einer  ihm  ganz  unbekannten 
Lage;  und  es  ist  ihm  unmöglich,  a  priori  vorherzusagen, 
was  daraus  entstehen  werde.  Es  wäre  für  ihn  eine  neue 
Erfahrungstatsache,  deren  Erfolg  stets  ungewiß  ist.  Man 
kann  manchmal  nach  Analogien  vermuten,  was  eintreten 
wird;  es  bleibt  aber  immer  nur  Vermutung.  Unleugbar 
erfolgt  in  unserm  Fall  des  Gefrierens  das  Ereignis  im  Wider- 
streit mit  den  Regeln  der  Analogie,  und  zwar  so,  wie  es  ein 
vernünftiger  Indier  nicht  voraussehen  konnte.  Die  Einwir- 
kung der  Kälte  auf  das  Wasser  verläuft  nicht  stufenweise 
den  Kältegraden  entsprechend;  sondern  wenn  der  Gefrier- 
punkt eintritt,  geht  das  Wasser  augehblicklich  vom  Zustand 
völliger  Flüssigkeit  in  den  völliger  Festigkeit  über.  Ein 
solches  Ereignis  kann  deshalb  außerordentlich  genannt 
werden,  nnd  erfordert  ein  recht  schwerwiegendes  Zeugnis, 
um  Leuten  in  heißen  Klimaten  glaubhaft  gemacht  zu  wer- 
den. Aber  damit  ist  es  immer  noch  nicht  ein  Wunder, 
noch  im  Widerstreit  mit  der  gleichförmigen  Erfahrung 
vom  Naturlauf,  dort  wo  alle  Umstände  die  gleichen  sind. 
Die  Bewohner  von  Sumatra  haben  in  ihrem  eigenen  Klima 
stets  das  Wasser  flüssig  gesehen,  und  das  ZuMeren  ihrer 
Ströme  müßte  als  widernatürlich  gelten;  aber  niemals  sahen 
sie  Wasser  in  Moskau  während  des  Winters;  und  deshalb 


134 


Zehnter  Abtcbnitt. 


Um  aber  die  Wahrscheinlichkeit  gegen  die  Zeugen- 
aussage zu  steigern,  wollen  wir  annehmen,  daß  die 
behauptete  Tatsache,  anstatt  nur  erstaunlich  zu  sein, 
wirklich  ein  Wunder  ist,  und  ebenso,  daß  das  Zeugnis 
für  sich  betrachtet  einem  vollen  Beweis  gleichkäme.  In 
diesem  Falle  steht  dann  Beweis  gegen  Beweis  und 
der  stärkere  muß  überwiegen,  aber  doch  mit  einer  um 
die   seines  Gegners  verminderten   Kraft. 

Ein  Wunder  ist  eine  Verletzung  der  Naturgesetze, 
und  da  eine  feststehende  und  unveränderliche  Er- 
fahrung diese  Gesetze  gegeben  hat,  so  ist  der  Be- 
weis gegen  ein  Wunder  aus  der  Natur  der  Sache 
selbst  so  vollgültig,  wie  sich  eine  Begründung  durch 
Erfahrung  nur  irgend  denken  läßt.  Warum  ist  es 
mehr  als  wahrscheinlich,  daß  alle  Menschen  sterben 
müssen,  daß  Blei  nicht  von  selbst  in  der  Luft  schweben 
bleibt,  daß  Feuer  Holz  verzehrt  und  von  Wasser 
gelöscht  wird?  Doch  nur,  weil  diese  Ereignisse  mit 
den  Naturgesetzen  im  Einklang  befunden  worden  sind 
und  es,  um  sie  zu  verhüten,  einer  Verletzung  dieser 
Gesetze  oder  mit  anderen  Worten  eines  Wunders  be- 
darf. Was  im  gewöhnlichen  Lauf  der  Natur  jemals 
geschieht,  das  gilt  nicht  als  Wunder.  So  ist  es  kein 
Wunder,  wenn  ein  anscheinend  Gesunder  plötzlich 
stirbt,  denn  eine  solche  Todesart  ist  zwar  unge- 
wöhnlicher als  eine  andere,  aber  doch  häufig  beob- 
achtet worden.  Aber  das  wäre  ein  Wunder,  wenn 
ein  Toter  ins  Leben  zurückkehrte,  weil  das  zu  keiner 
Zeit  und  in  keinem  Lande  jemals  beobachtet  worden 
ist  Es  steht  daher  notwendig  eine  gleichförmige 
Erfahrung  jedem  wunderbaren  Ereignis  entgegen, 
sonst  würde  das  Ereignis  nicht  diesen  Namen  ver- 
dienen. Und  da  eine  gleichförmige  Erfahrung  sich 
zur  Höhe  eines  Beweises  erhebt,  so  haben  wir  hier 
einen  unmittelbaren  vollen  Beweis  aus  der  Natur 

können  sie  vernünftigerweise  keine  bestimmte  Aussage 
machen  über  den  Erfolg,  der  da  eintreten  würde.  (Diese 
Anmerkung  erscheint  zuerst  auf  der  letzten  Seite  der  Aus- 
gabe F  mit  der  Bemerkung:  Die  Entfernung  des  Verfassers 
von  der  Druckerei  ist  Ursache,  daß  die  folgende  Stelle  nicht 
cur  Zeit  anlangte,  um  an  ihren  rechten  Platz  gesetzt  zu 
werden.) 


Über  Wunder. 


135 


der  Sache  gegen  die  Existenz  jedweden  Wunders; 
solch  ein  Beweis  kann  auch  nicht  aufgehoben,  noch 
das  Wunder  glaubhaft  gemacht  werden,  außer  durch 
einen  Gegenbeweis,  der  ihm  überlegen  ist^) 

Die  einfache  Folgerung  (und  zugleich  ein 
allgemeiner  beachtenswerter  Grundsatz)  lautet:  „Kein 
Zeugnis  reicht  aus,  ein  Wunder  festzustellen,  es  müßte 
denn  das  Zeugnis  von  solcher  Art  sein,  daß  seine 
Falschheit  wunderbarer  wäre,  als  die  Tatsache,  die 
es  festzustellen  trachtet.  Aber  selbst  in  diesem  Falle 
tritt  eine  gegenseitige  Aufhebung  der  Begründungen 
ein,  und  die  überlegene  bietet  uns  nur  eine  Sicher- 
heit, die  dem  Grad  der  Kraft  angemessen  ist,  der 
nach  Abzug  der  schwächeren  übrig  bleibt"  Berichtet 
mir   jemand,   er   habe   einen  Toten  wieder  aufleben 

*)  Manchmal  mag  ein  Ereignis  an  sich  selbst  den 
Naturgesetzen  nicht  zu  widerstreiten  scheinen,  und  könnte 
doch,  wenn  es  wirklich  wäre,  auf  Grund  einiger  Umstände, 
ein  Wunder  genannt  werden;  weil  es  tatsächlich  diesen 
Gesetzen  widerstritte.  Wenn  jemand  mit  dem  Anspruch  auf 
göttliche  Machtbefugnis  einem  Kranken  geböte,  gesund  zu 
sein;  einem  Gesunden,  tot  niederzufallen;  den  Wolken,  zu 
regnen,  den  Winden,  zu  wehen,  kurz,  mancherlei  natürliche 
Ereignisse  veranlaßte,  welche  unmittelbar  auf  seinen  Befehl 
erfolgten;  so  könnten  diese  mit  Recht  als  Wunder  gelten, 
weil  iie  in  solchem  Falle  wirklich  den  Naturgesetzen  wider- 
stritten. Bliebe  nämlich  auch  nur  ein  Verdacht,  daß  Er- 
eignis und  Geheiß  aus  Zufall  zusammentrafen,  so  liegt  kein 
Wunder  und  keine  Überschreitung  der  Naturgesetze  vor. 
Verschwindet  dieser  Verdacht,  so  ist  ofifenbar  ein  Wunder 
und  eine  Überschreitung  dieser  Gesetze  vorhanden;  denn 
was  widerstritte  mehr  dem  Naturlauf,  als  solch  ein  Einfluß 
der  Stimme  oder  der  Gebote  eines  Menschen?  Ein  Wunder 
läßt  sich  also  genau  definieren  als  eine  Überschreitung 
eines  Naturgesetzes  durch  einen  besonderen  Wil- 
lensakt der  Gottheit,  oder  durch  die  Vermittlung 
eines  unsichtbaren  Faktors.  Ein  Wunder  kann  für  den 
Menschen  entdeckbar  oder  unentdeckbar  sein  —  an  seiner 
Natur  und  Wesenheit  ändert  das  nichts.  Erhebt  sich  ein 
Haus  oder  ein  Schiff  in  die  Luft,  so  ist  dies  ein  sichtbares 
Wunder;  erhebt  sich  aber  eine  Feder,  wenn  der  Wind  auch 
nur  um  ein  weniges  der  dazu  nötigen  Kraft  ermangelt, 
dann  ist  es  ein  ebenso  wirkliches  Wunder,  obgleich  es  für 
uns  nicht  so  sinnfällig  ist. 


X 


1S6 


Zehntor  Absohniti 


Obtr  Wündtr. 


137 


sehen,  so  tiberdenke  ich  gleich  bei  mir,  ob  es  wahr- 
scheinlicher ist,  daß  der  Erzähler  trügt  oder  be- 
trogen ist  oder  daß  das  mitgeteilte  Ereignis  sich 
wirklich  zugetragen  hat.  Ich  wäge  das  eine  Wunder 
gegen  das  andere  ab,  und  je  nach  der  Überlegenheit, 
die  ich  entdecke,  fälle  ich  meine  Entscheidung  und 
verwerfe  stets  das  größere  Wunder.  Wäre  die  J^lsch- 
heit  seines  Zeugnisses  wunderbarer  als  das  von  ihm 
berichtete  Ereignis,  dann,  aber  auch  erst  dann  kann 
er  Anspruch  auf  meinen  Glauben  und  meine  Über- 
zeugung  erheben. 

Zweiter  Teil. 

In  dem  vorher  entwickelten  Gedankengang  haben 
wir  angenommen,  daß  das  Zeugnis,  auf  welches  ein 
Wunder  sich  stützt,  möglicherweise  die  Kraft  eines 
vollen  Beweises  erreicht,  und  daß  die  Falschheit  dieses 
Zeugnisses  eine  wirkliche  Naturwidrigkeit  wäre.  In- 
des läßt  sich  leicht  zeigen,  daß  wir  ein  gut  Teil  zu 
weit  in  unseren  Zugeständnissen  gegangen  sind  und 
daß  noch  niemals  ein  wunderbares  Ereignis  sich  auf 
eine  so  vollkommene  Evidenz  berufen  konnte. 

Denn  erstens  findet  sich  in  der  ganzen  G^ 
schichte  nicht  ein  Wunder,  das  durch  eine  genügende 
Anzahl  von  Personen  bezeugt  wäre,  deren  gesunder 
Verstand,  Erziehung  und  Bildung  so  außer  Frage 
stehen,  daß  jede  Verblendung  bei  ihnen  sicherlich 
ausgeschlossen  ißt;  deren  unzweifelhafte  Redlichkeit 
sie  jedem  Verdacht,  andere  betrügen  zu  wollen,  ent- 
rückt; deren  Glaubwürdigkeit  und  Ansehen  so  hoch 
in  den  Augen  der  Welt  stehen,  daß  sie  viel  zu  verlieren 
hatten,  wenn  sie  bei  einer  Unwahrheit  ertappt  würden; 
uiid  deren  Zeugnis  außerdem  Tatsachen  betrifft,  die 
sich  so  öffentlich  und  an  einem  so  weltberühmten  Orte 
abgespielt  haben,  daß  jene  Entdeckung  unvermeidlich 
gewesen  wäre.  All  diese  Umstände  wären  aber  er- 
erforderlich, um  mit  voller  Sicherheit  menschlichem 
Zeugnis  zu  vertrauen. 

Zweitens  läßt  sich  in  der  menschlichen  Natur 
ein  Prinzip  beobachten,  das  bei  genauer  Prüfung 
die    Sicherheit    erheblich    vermindern    dürfte,      mit 


welcher  wir  auf  menschliches  Zeugnis  hin  Wider- 
natürliches jeder  Art  annehmen.  Die  Regel,  nach 
der  wir  uns  gewöhnlich  bei  unseren  Denkakten 
richten,  besagt,  daß  die  Gegenstände,  von  denen  wir 
keine  Erfahrung  haben,  jenen  gleichen,  von  denen 
wir  sie  haben,  daß  am  wahrscheinlichsten  ist,  was 
bisher  am  häufigsten  vorgefunden  wurde,  und  daß 
bei  einem  Gegensatz  zwischen  den  Begründungen  wir 
jenen  den  Vorzug  geben  sollten,  die  sich  auf  die 
größte  Anzahl  vergangener  Beobachtungen  stützen. 
Obgleich  wir  nun  im  Verfolg  dieser  Regel  anstand- 
los jeder  Tatsache  die  Anerkennung  versagen,  welche 
in  mäßigem  Grade  ungewohnt  und  unglaublich  ist, 
so  fügt  sich  doch  im  weiteren  Verlauf  der  Geist 
nicht  stets  der  gleichen  Regel.  Wird  nämlich  etwas 
völlig  Widersinniges  und  Wunderbares  aufgestellt,  so 
nimmt  er  wohl  eine  solche  Tatsache  gerade  wegen 
des  Umstands  um  so  williger  an,  der  ihr  alles  Gewicht 
entziehen  sollte.  Die  Afiekte  der  Überraschung, 
und  des  Staunens,  die  ein  Wunder  hervorruft,  sind 
eine  angenehme  Erregung,  und  dies  bewirkt  eine  fühl- 
bare Hinneigung  zum  Glauben  an  jene  Ereignisse,  von 
denen  sie  stammen.  Das  geht  so  weit,  daß  selbst 
diejenigen,  welche  sich  dies  Vergnügen  nicht  unmittel- 
bar bereiten,  auch  an  die  wunderbaren  Ereignisse,  die 
ihnen  berichtet  werden,  nicht  glauben  können,  den- 
noch mit  Vorliebe  an  diesem  Genuß  aus  zweiter  Hand 
oder  im  Abglanz  teilnehmen  und  Stolz  und  Vergnügen 
darein  setzen,  die  Bewunderung  anderer  zu  erregen. 
Welche  gierige  Aufnahme  finden  die  Wunder- 
berichte der  Reisenden,  ihre  Beschreibung  von  See- 
und  Landungeheuern,  ihre  EJrzählungen  von  erstaun- 
lichen Abenteuern,  seltsamen  Menschen  und  unge- 
schlachten Sitten.  Verbindet  sich  aber  noch  der 
religiöse  Geist  mit  der  Wunderliebe,  dann  hat  aller 
gesunde  Verstand  ein  Ende  und  menschliches  Zeug- 
nis verliert  unter  diesen  Umständen  jeden  Anspruch 
auf  Gültigkeit.  Der  Frömmler  kann  ein  Schwärmer 
sein  und  sich  einbilden,  etwas  zu  sehen,  was  in  Wirk- 
lichkeit nicht  ist;  er  kann  die  Falschheit  seiner  Er- 
zählung kennen  und  doch  in  der  denkbar  besten  Ab- 
sicht diarauf  bestehen,  um  eine  so  heilige  Sache  zu 


.'If 


138 


Zehnter  Abschnitt 


über  Wunder. 


139 


fördern;  und  selbst,  wo  diese  Verblendung  wegfällt, 
wirkt  die  Eitelkeit,  unter  dem  Reiz  so  starker  Ver- 
suchung, mächtiger  auf  ihn  ein  als  auf  die  übrigen 
Menschen  in  jeder  anderen  Lage,  und  der  eigene 
Vorteil  treibt  ihn  nicht  minder  stark  dazu  an.  Seine 
Hörer  ermangeln  vielleicht  —  und  dies  ist  gewöhnlich 
wirklich  der  Fall  —  der  genügenden  Urteilskraft, 
um  seine  Aussage  zu  prüfen.  Was  sie  an  Urteilskraft 
haben,  das  verleugnen  sie  aus  Prinzip,  wenn  es  sich 
um  diese  erhabenen  und  geheimnisvollen  Dinge 
handelt;  und  ist  selbst  der  beste  Wille  vorhanden, 
sie  zu  gebrauchen,  so  wird  doch  ihre  geregelte  Tätig- 
keit durch  Affekte  und  die  erhitzte  Einbildungskraft 
gestört.  Die  Leichtgläubigkeit  steigert  hier  die  Un- 
verschämtheit, und  die  Unverschämtheit  überwältigt 
die  Leichtgläubigkeit. 

Die  Beredsamkeit  auf  ihrem  höchsten  Gipfel  läßt 
wenig  Raum  für  Vernunft  und  Überlegung;  sie  wendet 
sich  ausschließlich  an  die  Phantasie  und  die  Neigungen, 
nimmt  dadurch  die  willigen  Hörer  gefangen  und  unter- 
drückt deren  Verstand.  Glücklicherweise  wird 
dieser  Gipfel  selten  erreicht.  Was  aber  ein  Cicero 
oder  Demosthenes  kaum  bei  einer  römischen  oder 
athenischen  Versammlung  fertig  brachten,  das  gelingt 
bei  der  Mehrzahl  der  Menschen  und  in  noch  höherem 
Grade  jedem  Kapuziner,  jedem  herumziehenden  oder 
seßhaften  Prediger  durch  Erregung  so  grober  und  ge- 
meiner  Affekte. 

Die  mancherlei  Beispiele  von  gefälschten  Wundern, 
Prophezeiungen  und  übernatürlichen  Ereignissen,  die  zu 
allen  Zeiten  entweder  durch  widerstreitende  Aussage 
aufgedeckt  worden  sind  oder  sich  durch  ihren  Wider- 
sinn selbst  aufdecken,  beweisen  zur  Genüge  die  starke 
Hinneigung  der  Menschen  zum  Außerordentlichen  una 
Erstaunlichen;  sie  sollten  füglich  Verdacht  gegen  alle 
derartigen  Berichte  erzeugen.  Dies  ist  unsere  natür- 
liche Denkweise  selbst  anläßlich  ganz  gewöhnlicher 
und  glaubwürdiger  Ereignisse.  So  entsteht  zum  Bei- 
spiel keine  Art  von  Gerüchten  so  leicht  und  verbreitet 
sich  namentlich  auf  dem  Lande  und  in  Provinzstädten 
so  schnell,  wie  solche  über  Heiraten;  zwei  junge 
Leute  gleichen  Standes  können   sich  kaum  zweimal 


sehen,  ohne  daß  die  ganze  Nachbarschaft  gleich  ein 
Paar  aus  ihnen  macht.  Das  Vergnügen,  eine  so 
spannende  Neuigkeit  zu  errählen,  zu  verbreiten  und 
der  Erste  dabei  zu  sein,  bringt  solche  Nachricht  schnell 
herum.  Dies  ist  so  bekannt,  daß  kein  Verständiger 
auf   solche   Berichte    etwas   gibt,    bis   er   sie  durch 

frößere  Evidenz  bestätigt  findet.  Bestimmen  nicht 
ie  gleichen  Affekte  und  andere  noch  stärkere  die 
Masse  der  Menschen,  alle  religiösen  Wunder  mit 
größter  Heftigkeit  und  Sicherheit  zu  glauben  und 
weiterzuerzählen?^) 

Drittens  spricht  es  sehr  stark  gegen  alle  Be- 
richte übernatürlicher  und  wunderbarer  Vorfälle,  daß 
sie  hauptsächlich  bei  unwissenden  und  barbarischen 
Völkern  sich  im  Überflusse  finden.  Hat  aber  ein 
gebildetes  Volk  jemals  desgleichen  angenommen,  so 
zeigt  sich,  daß  es  ihm  von  unwissenden  und  bar- 
barischen Vorfahren  überliefert  worden  ist,  und  zwar 
mit  jener  unverletzlichen  Verbindlichkeit  und  Greltungs- 
kraft,  die  sich  immer  mit  überkommenen  Meinungen 
verbinden.  Wenn  wir  die  Anfänge  der  Geschichte  bei 
allen  Völkern  durchgehen,  so  fühlen  wir  uns  leicht 
in  eine  neue  Welt  versetzt,  in  der  das  ganze  Natur- 
gefüge  auseinandergegangen  ist  und  jedes  Element 
seine  Tätigkeit  in  anderer  Weise  als  heutzutage  ausübt. 
Schlachten,  Umwälzungen,  Seuchen,  Hungersnot  und 
Tod  sind  da  niemals  die  Wirkungen  jener  natürlichen 
von  uns  erfahrenen  Ursachen.  Widernatürliche  Ereig- 
nisse, Vorzeichen,  Orakel,  Gottesgerichte  verdunkeln 
ganz  die  wenigen  natürlichen  Begebenheiten,  die  ihnen 
beigemischt  sind.  Da  sie  aber  auf  jeder  Seite  der  Ge- 
schichte, die  uns  den  aufgeklärten  Zeiten  näher  bringt, 
dünner  ge^t  sind,  so  begreifen  wir  bald,  daß  nichts 
Geheimnisvolles  oder  Übernatürliches  hinter  ihnen 
steckt,  sondern  alles  aus  der  gewohnten  Neigung  der 
Menschen  zum  Staunenswerten  herstammt  Diese  kann 
zwar  bisweilen  durch  Einsicht  und  Wissenschaft  ge- 
hemmt, aber  niemals  völlig  aus  der  menschlichen 
Natur  ausgerottet  werden. 


*)  Dieser  Absatz  war  in   den  Ausgaben  S  bis  P  ali 
Anmerkung  gedruckt. 


uo 


Zahotor  AbtchniU. 


Über  WundefT. 


141 


„Sonderbar,"  wird  ein  besonnener  Leeer  wohl 
beim  Durchblättern  dieser  Wunderberichte  sagen, 
„daß  solche  widernatürlichen  Ereignisse  sich 
in  unseren  Tagen  niemals  zutragen."  Aber  es 
ist  doch  wohl  nicht  sonderbar,  daß  die  Menschen  zu 
allen  Zeiten  Lügner  sind.  Hat  doch  gewiß  jeder  genug 
Beispiele  dieser  Schwachheit  gesehen  und  selbst  das 
Auftauchen  solcher  erstaunlichen  Erzählungen  erlebt, 
die  von  allen  weisen  und  besonnenen  Leuten  mit 
Verachtung  behandelt,  zuletzt  von  der  Menge  auf- 
gegeben wurden.  Sein  wir  sicher,  daß  jene  be- 
rühmten Lügen,  die  es  zu  solch  ungeheuerlicher  Ver- 
breitung und  Blüte  gebracht  haben,  aus  gleichen  An- 
fängen entstanden  sind;  aber  da  sie  auf  geeigneteren 
Boden  fielen,  erreichten  sie  schließlich  selbst  fast  den 
Grad  des  Widernatürlichen,  von  dem  sie  berichten. 

Es  zeugte  von  der  politischen  Klugheit  jenes 
falschen  Propheten  Alexander,  des  jetzt  Vergessenen, 
aber  einst  Hochberühmten,  daß  er  den  ersten  Schau- 
platz seiner  Betrügereien  nach  Paphlagonien  verlegte, 
wo  nach  Lucians  Bericht  das  Volk  äußerst  un- 
wissend, stumpf  und  bereit  war,  auf  jedes  noch 
so  grobe  Blendwerk  hereinzufallen.  Entfernt  woh- 
nenden Menschen,  die  etwa  schwach  genug  sind,  die 
Sache  einer  Prüfung  für  wert  zu  halten,  fehlt  die  Ge- 
legenheit, sich  besser  darüber  zu  belehren.  Die  Er- 
zählungen erreichen  sie  um  hundert  Einzelheiten  ver- 
größert^ Narren  sind  eifrig  am  Verbreiten  des  B^ 
&ugs,  indessen  sich  die  Weisen  und  Gelehrten  ge- 
wöhnlich damit  begnügen,  den  Widersinn  desselben 
zu  verlachen,  ohne  sich  nach  den  bestimmten  Tat- 
sachen zu  erkundigen,  durch  die  er  sich  deutlich 
widerlegen  ließe.  Und  so  war  es  jenem  eben  er- 
wähnten Betrüger  möglich,  von  seinen  unwissenden 
Paphlagoniern  ausgehend,  sich  Anhänger  selbst  unter 
den  griechischen  Philosophen  und  den  hochgestellten 
und  ausgezeichneten  Männern  Roms  zu  erwerben,  ja 
sogar  die  Aufmerksamkeit  des  weisen  Kaisers  Marcus 
Aurelius  so  sehr  zu  erregen,  daß  dieser  den  Ausgang 
eines  kriegerischen  Zuges  seinen  trügerischen  Pro- 
phezeiungen anvertraute. 

Es  bietet  offenbar  große  Vorteile,  einen  Betrug 


unter  einem  unwissenden  Volke  aufzubringen;  selbst 
in  dem  Falle  (der  selten,  aber  doch  manchmal 
vorkommt),  daß  die  Täuschung  zu  grob  ist,  um 
der  großen  Masse  Eindruck  zu  machen,  hat  sie  doch 
viel  bessere  Aussicht  auf  Gelingen  in  fernen  Ländern, 
al^  wenn  der  erste  Schauplatz  eine  für  Künste 
und  Wissenschaften  berühmte  Stadt  gewesen  wäre. 
Die  unwissendsten  und  barbarischsten  dieser  Barbaren 
bringen  solchen  Bericht  ins  Ausland.  Von  ihren  Lands- 
leuten führt  keiner  einen  so  ausgedehnten  Brief- 
wechsel oder  genießt  genügend  Zutrauen  und  An- 
sehen, um  der  Täuschung  entgegenzutreten  und  sie 
zu  vernichten.  Dadurch  findet  die  menschliche  Neigung 
zum  Staunenswerten  ein  weites  Feld,  sich  zu  ergehen. 
Und  so  gilt  eine  Geschichte,  die  an  ihrem  Ursprungs- 
ort allgemein  verachtet  wird,  tausend  Meilen  davon 
als  gewiß.  Hätte  Alexander  dagegen  seinen  Wohn- 
sitz in  Athen  aufgeschlagen,  so  würden  die  Philo- 
sophen jenes  berüEmten  Sammelpunktes  der  Gelehr- 
samkeit sogleich  ihre  Ansicht  über  die  Sache  durch 
das  ganze  Römerreich  verbreitet  haben;  dies  hätte, 
von  so  angesehener  Seite  kommend  und  mit  der  ganzen 
Ejraft  der  Vernunft  und  Beredsamkeit  vorgetragen, 
der  Menschheit  völlig  die  Augen  geöffnet.  Preüich 
hatte  Lucian,  zufällig  Paphlagonien  berührend,  die 
Gelegenheit,  dieses  gute  Werk  zu  verüben.  Aber 
ob  es  auch  höchst  wünschenswert  wäre,  so  trifft  es 
doch  nicht  immer  zu,  daß  jeder  Alexander  einem 
Lucian  begegnet,  der  seine  Betrügereien  aufdeckt  und 
kenntlich  macht.  ^) 


')  Die  Alisgaben  £  bis  P  fügen  folgende  Anmerkong 
hinzu:  Es  könnte  hier  vielleicht  eingewandt  werden,  daß 
ich  leichtsinnig  vorgehe  und  meine  Begriffe  von  Alexander 
mir  nur  nach  den  Berichten,  bilde,  die  Lucian,  sein  erklärter 
Feind,  von  ihm  erstattet.  Es  wäre  in  der  Tat  zu  wünschen, 
daß  einige  Berichte,  di'e  seine  Anhänger  und  Mitschuldigen 
veröffentiichten ,  sich  erhalten  hätten.  Der  Gegensatz  und 
Kontrast  zwischen  den  Zeichnungen  des  Charakters  und 
Benehmens  des  gleichen  Mannes,  die  Freund  und  Feind 
entwerfen,  ist  schon  im  täglichen  Leben,  noch  vielmehr  auf 
solchem  religiösen  Gebiete,  so  stark  wie  nur  je  zwischen 
zwei  beliebigen  Menschen,  s.  B.  zwiiohen  Alexandtr  und  dem 


'1 


/<-■< 


142 


Zehnter  Abschnitt 


Ich  könnte  als  vierten  Grund,  der  die  Glaub- 
würdigkeit von  widernatürlichen  Geschehnissen   ver- 
ringert, hinzufügen,  daß  kein  Zeugnis  für  irgend  eines, 
selbst  unter  den  nicht  geradezu  entlarvten,  vorhanden 
ist,  dem  nicht  eine  Unzahl  von  Zeug^  entgegentreten. 
So  zerstört  also  nicht   nur  das  Wunder  die  Glaub- 
würdigkeit des  Zeugnisses,  sondern  das  Zeugnis  sich 
selbst    Zum  besseren  Verständnis  dieser  Behauptung 
wollen  wir  in   Betracht   ziehen,  daß  in  Sachen  der 
Religion    jede  Verschiedenheit    ein   Widerstreit    ist, 
daß   unmöglich  die   Religionen   des  alten  Rom,  der 
Türkei,  Slams  und  Chinas  sämtlich  auf  einer  irgend- 
wie festen  Grundlage  ruhen  können.  Ein  jedes  Wunder 
demnach,   das  angeblich  in  einer  derselben  gewirkt 
worden  wäre  (und  sie  alle  wimmeln  von  Wundern) 
bezweckt  unmittelbar  die  Aufrichtung  des  besonderen 
Systems,  dem  es  zugeschrieben  wird;  und  so  hat  es, 
freilich  mehr  mittelbar,  die  gleiche  Kraft  zum  Um- 
sturz   jedes    anderen    Systems.    Mit    der  Zerstörung 
eines   rivalisierenden   Systems   zerstört    es   gleicher- 
maßen die  Glaubwürdigkeit  der  Wunder,  auf  denen 
jenes  fußt,  so  daß  all  die  widernatürlichen  Gescheh- 
nisse in  verschiedenen  Religionen  als  widerstreitende 
Tatsachen   anzusehen   sind,    und   die   Aussagen   über 
diese  Geschehnisse,  ob  beweiskräftig  oder  -schwach, 
als  einander  entgegengesetzt    Einem  derartigen  Ge- 
dankengange entsprechend  hätten  wir  für  den  Glauben 
an  irgend  ein  Wunder  Mahommeds  oder  seiner  Nach- 
folger als  Bürgschaft  das   Zeugnis  einiger  wenigen 
barbarischen    Araber;    anderseits    sollten    wir     das 
Ansehen  des  Titus  Livius,  des  Plutarch,  des  Tacitus, 
kurz   aller   Schriftsteller   und   Zeugen  bei  Griechen, 
Chinesen  und  Katholiken,  die  jemals  ein  Wunder  in 
ihrer  besonderen  Religion  berichtet  haben,  als  Zeugnis 
so  in  Anschlag  bringen,  als  ob  sie  jenes  mohamme- 
danische  Wunder   erwähnt   und    ihm    mit   ausdrück- 
lichen  Worten  widersprochen   hätten,    mit  derselben 
Gewißheit,  die  sie  in  betreff  des  von  ihnen  erzählten 
Wunders  besitzen.    Diese  Begründung   könnte  spitz- 

heiügen  Paulas.     Siehe  einen  Brief  an  Gilbert  West.  Bsq. 
über  die  Bekehrung  nnd  das  Apostolat  des  heiigen  Paalui. 


Über  Wunder. 


143 


findig  und  gekünstelt  erscheinen  —  in  Wirklichkeit 
unterscheidet  sie  sich  nicht  von  dem  Gedankengang  eines 
Richters,  der  die  Glaubwürdigkeit  zweier  Zeugen,  die 
jemanden  eines  Verbrechens  zeihen,  durch  das  Zeugnis 
zweier  anderen  für  vernichtet  ansieht,  die  ihn  zwei- 
hundert Meilen  entfernt  zur  selben  Zeit  des  angel)- 
lichen  Verbrechens  gesehen  zu  haben  versichern. 

Eins  der  bestbezeugten  Wunder  in  der  ganzen 
weltlichen  Geschichte  ist  das,  was  Tacitus  von  Ves- 
pasian  berichtet:  wie  dieser  in  Alexandria  einen 
Blinden  vermittelst  seines  Speichels  und  einen  Lahmen 
durch  bloße  Berührung  seines  Fußes  heilte,  so  einen 
Spruch  des  Grottes  Serapis  wahrmachend,  der  sie 
in  einer  Vision  an  den  Kaiser  für  diese  Wunderkuren 
verwiesen  hatte.  Die  Erzählung  mag  bei  diesem  vor- 
trefflichen Geschichtschreiber  nachgelesen  werden.  ^) 
Dort  scheinen  alle  Umstände  das  Gewicht  des  Zeug- 
nisses zu  vermehren  und  könnten  mit  jeder  Kraft  der 
Begründung  und  Beredsamkeit  breit  ausgeführt  werden, 
wenn  jemandem  jetzt  noch  daran  gelegen  wäre,  die 
Evidenz  dieses  überwundenen  und  götzendienerischen 
Aberglaubens  zur  Greltung  zu  bringen:  die  Würde,  Zu- 
verlässigkeit, das  Alter  und  die  Rechtschaffenheit  eines 
so  großen  Kaisers,  der  sein  ganzes  Leben  hindurch  mit 
seinen  Freunden  und  Hofleuten  ungezwungen  ver- 
kehrte, ohne  sich  jemals  ein  so  auffallendes  Ge- 
bahren  göttlichen  Wesens  beizulegen,  wie  Alexander 
und  Demetrius;  des  Geschichtsschreibers,  eines  Zeit- 
genossen, anerkannte  Lauterkeit  und  Wahrheitsliebe 
und  überdies  seine  hohe  Begabung,  vielleicht  die 
größte  und  durchdringendste  des  ganzen  Altertums; 
seine  Freiheit  von  jeder  Neigung  zur  Leichtgläubig- 
keit, die  ihm  vielmehr  den  gegenteiligen  Vorwurf 
der  Gottlosigkeit  und  des  Unglaubens  eintrug;  der 
vermutlich  unangreifbare  Ruf,  den  Urteilskraft  und 
Wahrhaftigkeit  der  Bürgen  für  seine  Wunderberichte 
genossen  —  alles  Augenzeugen  des  Tatbestandes, 
die  ihr  Zeugnis  wiederholten,  als  die  Flavische  Familie 


^)  Hist  üb.  V.  cap.  8.  Suetonins  gibt  annähernd  den* 
■elben  Bericht  in  vita  Vesp.  7.  (Der  Hinweis  anf  Sueton 
kam  in  den  Errata  der  Ausgabe  F  hinzu.) 


144 


Zehnter  Abschnitt 


Ober  Wunder. 


145 


der  Herrschaft  beraubt  war  und  nicht  länger  Beloh- 
nungen als  Preis  für  eine  Lüge  aussetzen  konnte. 
TJtrumque,  qui  interfuere,  nunc  quoque  memorant,  post- 
quam  nullum  mendacio  pretium.  Nehmen  wir  endlich 
die  Öffentlichkeit  des  erzählten  Vorfalls  hinzu,  so  kann 
ersichtlich  keine  stärkere  Evidenz  für  eine  so  plumpe 
und  greifbare  Unwahrheit  ersonnen  werden. 

Auch  der  Kardinal  de  Retz  erzählt  eine  merk- 
würdige Geschichte,  die  wohl  unserer  Beachtung  wert 
sein  dürfte.  Als  dieser  ränkevolle  Staatsmann,  um 
der  Verfolgung  seiner  Feinde  zu  entgehen,  nach 
Spanien  flüchtete,  kam  er  durch  Saragossa,  die  Haupt- 
stadt von  Aragonien.  Hier  zeigte  man  ihm  in  der 
EaUiedrale  einen  Mann,  der  sieben^)  Jahre  dort  als 
Türhüter  gedient  hatte  und  allen  Stadtbewohnern, 
die  je  in  dieser  Kirche  ihre  Andacht  verrichtet  hatten, 
wohlbekannt  war.  Man  hatte  ihn  all  diese  Zeit  mit 
nur  einem  Bein  gesehen;  doch  hatte  er  das  fehlende 
Glied  wiedererhalten,  nachdem  er  den  Stumpf  mit 
heiligem  öl  eingerieben,  und  *)  der  Kardinal  versichert, 
ihn  mit  zwei  Beinen  gesehen  zu  haben.  Dies  Wunder 
war  von  allen  Instanzen  der  Kirche  anerkannt  worden. 
Die  ganze  Stadtgemeinde  wurde  zur  Bestätigung  der 
Tatsache  aufgeboten;  der  Kardinal  erkannte  an  ihrem 
frommen  Eifer,  daß  sie  vollkommen  an  das  Wunder 
glaubten.  Hier  war  der  Berichterstatter  ebenfalls  ein 
Zeitgenosse  der  angeblichen  Naturwidrigkeit,  ein  un- 
gläubiger und  freigeistiger  Charakter  und  dabei  von 
großer  Begabung,  das  Wunder  von  so  einzigartiger 
Natur,  daß  es  kaum  eine  Fälschung  zuließ,  die  Zeugen 
sehr  zahlreich  und  alle  gewissermaßen  Zuschauer  der 
Tatsache,  die  sie  bekundeten.  Und  was  die  Evidenz 
gewaltig  verstärkt  und  unser  Staunen  über  diesen 
Fall  verdoppeln  müßte,  ist  der  Umstand,  daß  der 
Kardinal  selbst,  der  Erzähler  dieser  Geschichte,  ihr 
gar  kein  Vertrauen  zu  schenken  scheint  und  folglich 
nicht  in  den  Verdacht  geraten  kann,  an  dem  heiligen 


^)  zwanzig:  Ausgaben  E  bis  N. 

^  Ausgaben  E  und  F  haben  statt  dessen:  und  als  der 
Kardinal  «s  prüfte,  fand  tr,  daß  es  ein  wirkliches  natflr- 
licbes  Beia  war  wie  das  andere.  n 


Betrug  mitgewirkt  zu  haben.  Er  erwog  richtig,  daß 
es  zur  Ablehnung  einer  derartigen  Tatsache  nicht 
erforderlich  sei,  das  Zeugnis  Punkt  für  Punkt  zu 
widerlegen  und  seine  Falschheit  durch  alle  Einzel- 
heiten des  Schelmentums  und  der  Leichtgläubigkeit, 
die  sie  hervorbrachten,  nachzuweisen.  Er  wußte,  daß 
dies  schon  bei  einem  kleinen  Abstand  von  Zeit  und 
Ort  meist  ganz  unmöglich,  und  selbst  bei  un- 
mittelbarer Gegenwart  äußerst  schwierig  ist,  wegen 
der  Frömmelei,  Unwissenheit,  Pfiffigkeit  und  Schur- 
kerei eines  großen  Teils  der  Menschen.  Er  schloß 
deshalb  als  folgerichtiger  Denker,  daß  solch  eine 
Aussage  das  Zeichen  der  Unwahrheit  schon  auf  der 
Stirn  trüge  und  daß  ein  auf  menschliches  Zeugnis 
gestütztes  Wunder  mehr  ein  Gegenstand  des  Spottes 
als  der  Widerlegung  sei 

Sicherlich  ist  niemals  einer  einzelnen  Person  eine 
größere  Anzahl  von  Wundern  zugeschrieben  worden, 
als  die,  welche  letzthin  in  Frankreich  auf  dem  Grabe 
des  Abb^  Paris,  des  berühmten  Jansenisten,  gewirkt 
sein  sollen,  mit  dessen  Heiligkeit  das  Volk  so  lange 
getäuscht  worden  ist  Die  Heilung  von  Kranken,  die 
Verleihung  des  Gehörs  an  Taube,  der  Sehkraft  an 
Blinde  wurden  allerorten  als  übliche  Wirkungen  jener 
heiligen  Grabstätte  ausgegeben.  Was  aber  noch  viel 
mer^ürdiger  ist:  viele  der  Wunder  wurden  unmittel- 
bar auf  dem  Flecke  bewiesen,  vor  Richtern  von  unbe- 
zweifelter  Redlichkeit,  auf  das  Zeugnis  von  glaub- 
würdigen und  angesehenen  Personen  hin,  in  einem 
gebildeten  Zeitalter  und  auf  dem  hervorragendsten 
Schauplatz  der  jetzigen  Welt  Hiermit  nicht  genug: 
ein  Bericht  über  sie  wurde  veröffentlicht  und  überall 
verbreitet;  und  die  Jesuiten  waren  niemals  imstande, 
sie  bestimmt  zu  widerlegen  und  aufzudecken,  obwohl 
sie  eine  gelehrte  Körperschaft,  von  der  Obrigkeit 
unterstützt  und  entschiedene  Feinde  jener  Anschau- 
ungen waren,  zu  deren  Gunsten  die  Wunder  gewirkt 
sein  sollten.  ^)  Wo  finden  wir  sonst  eine  solche  Anzahl 


^)  Diese  Schrift  verfaßte  Herr  Montgeron,  Rat  oder 
Richter  im  Pariser  Parlament,  ein  Mann  von  Ansehen  und 
Charakter,  der  überdies  zum  Märtyrer  für  die  Sache  wurde, 

Unme,  Untersuohg.  ab.  d.  menBChl.  Verstand.  JQ 


!^.  >\ 


146 


Zehnter  Abachnitt. 


von  Umständen,  die  zur  Bestätigung  einer  Tatsache 
zusammenträfen?   Und  was  haben  wir  einem  solchen 


und  jetst   wegen   seiue«   Buchet   in   irgend   einem  Kerker 
sitzen  eolL 

£■  gibt  noch  ein  anderes  Bach  in  drei  Bänden  (betitelt 
Reoaeil  des  Miracles  de  TAbb^  Paris),  worin  viele 
dieser  Wander  berichtet  und  mit  recht  gnt  geschriebenen 
einleitenden  Bemerkungen  verseben  sind.  Aber  durch  all 
diese  läuft  eine  lächerliche  Vergleichang  zwischen  den 
Wundern  unseres  Heilands  und  denen  des  Abbe;  es  wird 
behauptet,  daß  die  Aussagen  för  die  letzteren  denen  för 
die  ersteren  gleichwertig  seien.  Als  ob  das  Zeugnis 
von  Menschen  je  gegen  das  von  Gott  selbst  in  die  Wag- 
schale geworfen  werden  konnte,  der  den  inspirierten  Ver- 
fassern die  Feder  f&hrte.  Sollten  allerdings  diese  Verfasser 
rein  als  menschliche  beugen  angesehen  werden,  so  wäre  der 
französische  Schriftsteller  noch  sehr  gemäßigt  in  seinem 
Vergleich;  könnte  er  doch  dann  mit  einigem  Schein  der 
Berechtigung  behaupten,  daß  die  Jansenistiscben  Wunder 
iene  anderen  an  Evidenz  und  Überzeugungskraft  weit  über- 
treffen. Die  folgenden  Tatsachen  sind  aus  beglaubigten 
Quellen  gezogen,  die  in  dem  oben  erwähnten  Buche  ab- 
gedruckt sind. 

Viele  der  Wunder  des  Abbä  Paris  vmrden  unmittelbar 
durch  Zeugen  vor  dem  Oftizialat  oder  Bischöflichem  Gericht 
zu  Paris  bewiesen,  unter  den  Augen  des  Kardinals  Noailles, 
dessen  Redlichkeit  und  Verstandeskraft  selbst  seine  Feinde 
nie  bestritten  haben. 

Sein  Naclifolger  im  Erzbistum  war  ein  Feind  der 
Jansenisten  und  deshalb  auf  diesen  Stuhl  berufen.  Den- 
nooh  bestürmen  ihn  22  Pfarrer  oder  Gur^  von  Paris  mit 
höchster  Eindringlichkeit,  er  möge  diese  Wunder  untersuchen, 
die  sie  als  der  ganzen  Welt  bekannt  und  über  allem  Zweifel 
erhaben  hinstellen.    Br  aber  verzichtete  weislich. 

Die  Molinisten-Partei  hatte  in  dem  einen  Fall  des 
Fräulein  Le  Franc  versucht,  diese  Wunder  zu  verdächtigen. 
Aber  einmal  verfahren  sie  hierbei  in  vieler  Hinsicht  höchst 
unangemessen,  insbesondere  verhörten  sie  nur  wenige  Jan- 
senistische Zeugen,  die  sie  bestachen,  dann  aber  fanden 
sie  sich  bald  erdrückt  von  einem  Schwärm  neuer  Zeugen, 
hundertundzwanzig  an  der  Zahl,  meist  glaubwürdige  Leute 
in  guten  Verhältnissen  aus  Paris,  die  das  Wunder  beschwuren. 
Damit  verbanden  sie  eine  feierliche  und  eindringliche  Ein- 
gabe an    das  Parlament    Diesem  aber  war  von  oben  ver- 


Ober  Wunder. 


147 


Schwann  von  Zeugen  anderes  entgegenzuhalten,  als 
die  vollkommene  Unmöglichkeit  oder  die  wunderbare 
Natur  der  berichteten  Ereignisse?  Diese  allein  werden 


boten  worden,  sich  in  die  Angelegenheit  zu  mischen.  — 
Endlich  wurde  eingesehen,  daß  da,  wo  Menschen  durch 
Eifer  und  Begeisterung  erhitzt  sind,  menschliches  Zeugnis 
von  jeder  erdenklichen  Stärke  für  den  größten  Wider- 
sinn aufgebracht  werden  kann;  wer  so  töricht  ist,  die  An- 
gelegenheit auf  diese  Weise  zu  prüfen,  und  nach  besonderen 
Mängeln  im  Zeugnis  zu  suchen,  wird  fast  sicher  abgeführt 
werden.  Das  muß  in  der  Tat  ein  jämmerlicher  Betrug  sein, 
der  in  solchem  Streit  nicht  die  Oberhand  behielte. 

Alle  die  sich  zu  jener  Zeit  in  Prankreich  aufhielten, 
kannten  den  Kuf  des  Herrn  Heraut,  des  Lieutenant  de  polioe, 
dessen  Wachsamkeit,  Scharfsinn,  Tatkraft  und  umfassende 
Begabung  viel  gerühmt  wurden.  Dieser  Beamte,  dessen  Be- 
fugnisse naturgemäß  fast  unumschränkt  sind,  wurde  mit 
Vollmacht  ausgestattet,  um  diese  Wunder  zu  unterdrücken 
oder  zu  verdächtigen.  Er  griff  häufig  die  Zeugen  und  die 
dabei  Beteiligten  sofort  auf  und  verhörte  sie,  —  doch  niemals 
konnte  er  etwas  Entscheidendes  gegen  sie  ausfindig  machen. 
Im  Falle  des  Fräulein  Thibaut  sandte  er  den  be- 
rühmten de  Sylva  zur  Untersuchung;  dessen  Aussage  ist 
höchst  merkwürdig.  Der  Arzt  erklärt  es  für  unmöglich, 
daß  sie  so  krank  gewesen  sein  könne,  wie  die  Zeugen  be- 
kundeten; denn  es  sei  unmöglich,  daß  sie  in  so  kuraer  Zeit 
so  völlig  hergestellt  hätte  sein  können,  wie  er  sie  antraf. 
Sein  Gedankengang  war  der  eines  verständigen  Mannes,  aus 
natürlichen  Ursachen  gefolgert;  aber  die  Gegenpartei  er- 
widerte ihm,  das  Ganze  sei  ein  Wander  und  seine  Aussage 
gerade  der  beste  Beweis  dafür. 

Die  Molinisten  befanden  sich  in  einer  üblen  Lage.  Sie 
durften  nicht  die  vollkommene  Unzulänglichkeit  menschlicher 
Aussagen  behaupten,  wo  es  ein  Wunder  zu  beweisen  galt. 
Sie  waren  daher  genötigt,  diese  Wunder  als  Zauber-  und 
Teufelswerk  hinzustellen.  Aber  es  wurde  ihnen  entgegnet, 
daß  auch  die  alten  Juden  auf  diese  Ausflucht  verfallen  wären. 
Es  hat  keinen  Jansenisten  jemals  in  Verlegenheit  ge- 
setzt, Rechenschaft  über  das  Aufhören  der  Wunder  zu  geben, 
als  der  Kirchhof  auf  königlichen  Befehl  geschlossen  wurde. 
Die  Berührung  des  Grabes  war  es,  welche  diese  außerordent- 
lichen Wirkungen  hervorbrachte;  konnte  sich  niemand  dem 
Grabe  nähern,  so  konnten  keine  Wirkungen  erwartet  werden. 
Allerdings  hätte  Gtott  in  einem  Augenblick  die  Mauern  nieder- 
Ettwerfen  vermocht,  aber  er  ist  Herr  seiner  eignen  Gnaden, 

10* 


\ 


über  Wunder. 


149 


148 


Zehnter  Abschnitt. 


!'■ 


aber  in  den  Augen  aller  vernünftigen  Leute  als  ge- 
nügende Widerlegung  gelten. 

Ist  es   eine  richtige  Folgerung,   wenn   manches 


und  Werke,  and  es  kommt  uns  nicht  zu,  dafür  Grande  zu 
suchen.  Er  hat  nicht  die  Mauern  jeder  Stadt,  wie  die  von 
Jericho,  durch  das  Schmettern  der  Widderhörner  umgeworfen, 
noch  hat  er  das  Gefängnis  jedes  Apostels,  wie  das  des  hL 
Paulus  aufgebrochen. 

Kein  Geringerer  als  der  Duc  de  Chatillon,  ein 
Herzog  und  Pair  von  Frankreich,  an  Rang  und  Geburt 
einer  der  Vornehmsten,  bezeugt  eine  Wunderheilung  bei 
einem  seiner  Diener,  der  mehrere  Jahre  in  seinem  Hause 
mit  einem  sichtbaren  und  greifbaren  Leiden  behaftet  ge- 
wesen. 

Zum  Schluß  will  ich  bemerken,  daß  die  weltliche  Geist- 
lichkeit Frankreichs  vor  jeder  anderen  wegen  ihres  strengen 
Lebenswandels  gerühmt  wird,  besonders  die  Pfarrer  oder 
Cures  von  Paris,  welche  fardiese  Betrügereien  Zeugnis  ablegten. 

Die  Gelehrsamkeit,  der  Geist  und  die  Rechtlichkeit  der 
Herren  und  die  Sittenstrenge  der  Nonnen  von  PortRoyal 
sind  in  ganz  Europa  gefeiert  worden.  Dennoch  sagen  sie 
alle  zugunsten  eines  Wunders  aus,  das  an  der  Nichte  des 
berühmten  Pascal  geschehen  sei,  dessen  heiliger  Lebens- 
wandel und  außerordentliche  Begabung  allbekannt  sind. 
(Ausgabe  F  fügt  zu:  obwohl  auch  er  an  dieses  und  an  viele 
andere  Wunder  glaubte,  über  die  er  nicht  so  gut  unterrichtet 
sein  konnte.  Siehe  seine  Lebensbeschreibung.  Hier  schließt 
Ausgabe  F.)  Der  berühmte  Racine  berichtet  über  dies  Wunder 
in  seiner  berühmten  Geschichte  von  Port  Royal  und  stützt 
es  mit  allen  Beweisen,  die  eine  große  Zahl  von  Nonnen, 
Priestern,  Ärzten  und  Weltmännern,  alle  zweifellos  glaub- 
würdig, dafür  aufbringen  konnten.  Mehrere  Gelehrte,  ins- 
besondere der  Bischof  von  Tournay,  hielten  dies  Wunder 
für  so  gewiß,  daß  sie  es  zur  Widerlegung  von  Atheisten  und 
Freidenkern  benutzten.  Die  Königin-Regentin  von  Frankreich, 
die  gegen  Port  Royal  äußerst  eingenommen  war,  sandte  ihren 
Leibarzt  zur  Untersuchung  des  Wunders;  aber  auch  er  kam 
als  ein  völlig  Bekelirter  zurück.  Kurz,  die  übernatürliche 
Heilung  war  so  unbestreitbar,  daß  sie  eine  Zeitlang  jenes 
berühmte  Kloster  vor  dem  Zusammenbruch  schützte,  mit 
dem  es  die  Jesuiten  bedrohten.  Wäre  es  ein  Betrug  ge- 
wesen, so  wäre  es  durch  scharfsinnige  und  mächtige  Gegner 
aufgedeckt  worden  und  hätte  die  Vernichtung  der  Anstifter 
beschleunigen  müssen.  Mit  welch  verächtlichem  Material 
vermögen  nicht  unsere  Gottosgelehrten  eine  stolze  Burg  zu 


menschliche  Zeugnis  höchste  Kraft  und  Glaubwürdig- 
keit in  manchen  Fällen  besitzt,  zum  Beispiel  wenn 
es  die  Schlacht  bei  Philipp!  oder  Pharsalus  be- 
richtet: daß  darum  auch  alle  Arten  von  Zeugnis  in 
allen  Fällen  gleiche  Kraft  und  Glaubwürdigkeit  haben 
müssen?  Angenommen,  die  Gäsarianer  und  Pomp ejaner 
hätten  beiderseits  in  diesen  Schlachten  den  Sieg  für 
sich  beansprucht  und  die  Geschichtschreiber  jeder 
Partei  hätten  einmütig  den  Vorteil  ihrer  eigenen  Seite 
zugeschrieben,  wie  hätten  die  Menschen  nach  so 
langem  Zeitraum  zwischen  ihnen  eine  Entscheidung 
treffen  können?  Der  Widerstreit  ist  ebenso  stark 
zwischen  den  von  Herodot  oder  Plutarch  berichteten 
Wundern  und  denen,  welche  Mariana,  Bede  oder  irgend 
ein  mönchischer  Geschichtschreiber  überliefern. 

Der  Weise  schenkt  jedem  Bericht  nur  sehr  skep- 
tisches Vertrauen,  der  den  Affekten  des  Berichter- 
statters entgegenkommt,  ob  er  nun  dessen  Land,  Fa- 
milie oder  eigene  Person  verherrlicht,  oder  auf  andere 
Weise  mit  dessen  natürlicher  Neigung  und  Vorliebe  zu- 
sammentrifft. Welche  größere  Versuchung  aber  gibt 
ee,  als  für  einen  Beai3tragten,  einen  Propheten  und 
Sendboten  des  Himmels  gehalten  zu  werden?  Wer 
möchte  nicht  viele  Gefahren  und  Schwierigkeiten  be- 
stehen, um  eine  so  erhabene  Rolle  zu  erhalten? 
Hat  aber  mit  Hilfe  von  Eitelkeit  und  erhitzter  Ein- 
bildungskraft jemand  sich  selbst  bekehrt  und  ernst- 
haft in  diese  Verblendung  versetzt  —  wird  er  sich 
dann  wohl  je  ein  Gewissen  daraus  machen,  frommen 


errichten!  Welchen  Wunderbau  hätten  sie  erst  zustande 
bringen  können  aus  diesen  und  vielen  anderen  von  mir 
nicht  erwähnten  Umständen?  Wie  oft  würden  die  großen 
Namon  Pascal,  Racine,  Arnaud,  Nicole  in  unseren  Ohren 
geklungen  haben!  Wären  sie  klug,  so  würden  sie  das 
Wunder  lieber  annehmen,  das  an  Wert  den  ganzen  übrigen 
Bestand  ihrer  Sammlung  übertrifft.  Nebenbei  würde  es 
ganz  besonders  ihren  Zwecken  dienen.  Denn  jenes  Wunder 
geschah  wirklich  bei  der  Berührung  eines  echten  heiligen 
Stachels  von  den  heiligen  Domen,  aus  denen  die  heilige 
Krone  bestand,  welche  u.  s.  w.  (Diese  Anmerkung  wurde  in 
Ausgabe  F  hinzugefugt.) 


150 


Zehnter  Abschnitt 


über  Wnnder. 


151 


I 


Betrug   anzuwenden,    am    eine    so   heilige   und   ver- 
diensuiche  Sache  zu  unterstützen? 

Der  kleinste  Funke  kann  hier  zur  größten  Flamme 
entfacht  werden,  weil  4er  Stoff  dazu  immer  bereit 
liegt.  Das  avidum  geniis  auricularum^),  die  gaffende 
Menge,  empfängt  gierig  ohne  Prüfung  alles,  was  dem 
Aberglauben  schmeichelt  und  das  Staunen  befördert 

Wie  manche  derartige  Geschichte  ist  zu  allen 
Zeiten  in  ihrem  Ehitstehen  entdeckt  und  überwunden 
worden!  Wie  viel  andere  mehr  sind  eine  Weile 
hochgekommen,  um  später  in  Nichtachtung  und  Ver- 
gessenheit zu  versinken!  Wo  also  solche  j^richte  um- 
gehen, da  liegt  die  Elrklärung  der  Erscheinung  auf 
der  Hand;  wir  urteilen  im  Einklang  mit  regelmäßiger 
E2rfahrung  und  Beobachtung,  wenn  wir  die  bekannten 
und  natürlichen  Prinzipien,  Leichtgläubigkeit  und  Ver- 
blendung, als  Grund  dafür  angeben.  Sollen  wir  lieber 
eine  wunderbare  Verletzung  der  gesichertsten  Natur- 
gesetze zugestehen,  anstatt  zu  einer  äo  natürlichen 
Lösung  zu  greifen? 

Ich  brauche  nicht  die  Schwierigkeit  zu  erwähnen, 
eine  Unwahrheit  in  einem  privaten  oder  selbst  öffent- 
lichen Bericht  schon  dort  aufzudecken,  wo  das  Er- 
eignis sich  abgespielt  haben  soll;  weit  größer  wird 
sie,  wenn  der  Schauplatz  in  einer  noch  so  geringen 
Entfernung  liegt.  Selbst  ein  Gerichtshof  mit  all  der 
Macht,  Genauigkeit  und  Urteilskraft,  die  ihm  zu  Gebote 
stehen,  gerät  oft  in  Verlegenheit,  bei  Greschehnissen 
der  jüngsten  Vergangenheit  zwischen  Wahr  und  Falsch 
zu  unterscheiden.  Aber  die  Sache  kommt  niemals  zum 
Austrag,  wenn  man  sich  der  gewöhnlichen  Methoden, 
des  Zanks  und  Streits  und.  schwirrender  Gerüchte 
bedient;  vor  allem  da,  wo  menschliche  Affekte  auf 
beiden  Seiten  sich  einmischen. 

Solange  sich  neue  Religionen  noch  in  der  Kind- 
heit befinden,  halten  die  Verständigen  und  Gelehrten 
die  Sache  meist  ihrer  Aufmerksamkeit  und  Beachtung 
nicht  für  wert.    Später,  wenn  sie  den  Betrug  gerne 

|)  Lncretins  IV,  594.  (Dieser  Hinweis  wurde  in  Ans- 
icabe  ¥  zugefägt  und  die  falsche  Übersetzung  im  Text  der 
Ausgabe  M  eingeschoben.) 


aufdecken  möchten,  um  die  verblendete  Menge  aus 
der  Täuschung  zu  befreien,  ist  der  Augenblick  ver- 
paßt; die  Beweisstücke  und  die  Zeugen,  die  die  Sache 
klären  könnten,  sind  unwiederbringlich  verloren. 

Von  allen  Mitteln  der  Entlarvung  bleiben  nur 
diejenigen  bestehen,  welche  aus  dem  Zeugnis  der  Be- 
richterstatter selbst  geschöpft  werden  müssen,  und 
diese  genügen  zwar  immer  für  die  Urteilskräftigen 
und  Gebildeten,  sind  iaiber  meist  zu  fein,  um  dem  Ver- 
ständnis der  Menge  zugänglich  zu  sein. 

Alles  in  allem  zeigt  sich,  daß  niemals  ein  Zeugnis 
für  irgend  eine  Art  Wunder  sich  bis  zur  Wahrschein- 
lichkeit erhoben  hat^,  geschweige  denn  zu  einem 
Beweis;  aber  selbst  angenommen,  es  erhöbe  sich  zu 
einem  solchen  Beweis,  so  hätte  dieser  einen  anderen 
Beweis  gegen  sich,  aus  der  Natur  der  Tatsache 
selbst  entsprungen,  die  er  festzustellen  sich  bemühte. 
Nur  die  Erfahrung  allein  gibt  menschlichem  Zeugnis 
verbindliche  Kraf^  und  dieselbe  Erfahrung  ist  es, 
welche  uns  der  Naturgesetze  versichert  Widerstreiten 
sich  also  diese  beiden  Arten  von  Erfahrung,  so  haben 
wir  lediglich  die  eine  von  der  anderen  abzuziehen 
und  uns  mit  unserer  Meinung  auf  die  eine  oder  smdere 
Seite  zu  stellen  mit  demjenigen  Grad  von  Sicher- 
heit, welcher  sich  aus  dem  Rest  ergibt  Aber  gemäß 
den  hier  entwickelten  Prinzipien  kommt  diese  Substrak- 
tion,  auf  alle  Volksreligionen  angewandt,  einer  voll- 
ständigen Vernichtung  gleich;  deslialb  dürfen  wir  als 
Regel  aufstellen,  daß  kein  menschliches  Zeugnis  ge- 
nügende Kraft  besitzen  kann,  um  ein  Wunder  zu  be- 
weisen und  zu  einer  berechtigten  Grundlage  für  ein 
solches  Religionssystem  zu  machen. 

Ich  bitte,  die  hier  gemachten  Einschränkungen «) 
zu  beachten,  die  in  dem  Satze  liegen:  ein  Wunder 
könne  nie  so  bewiesen  werden,  daß  es  zur  Grund- 
lage eines  Religionssystems  taugte.  Ich  gebe  nämlioh 
zu,    daß   es   in   anderer    Art  möglicherweise   solche 


>)  sich  [bis  zur  Wahrscheinlichkeit]  erheben  kann,  Aus- 
gaben £  und  F. 

*)  Dieser  und  die  drei  folgenden  Absätze  sind  in  Aus- 
gaben B  bis  P  als  Anmerkungen  gegeben. 


152 


Zehnter  Abschnitt 


Wunder  oder  Verletzungen  des  gewöhnlichen  Natur- 
lauls  geben  mag,  die  durch  menschliches  Zeugnis 
beweisbar  sind,  obwohl  es  vielleicht  unmöglich  ist, 
in  irgendeiner  Geschichtsurkunde  ein  solches  zu 
finden.  Setzen  wir  einmal  den  Fall,  alle  Schrift- 
steller aller  Sprachen  stimmten  darin  überein,  dai3 
vom  1.  Januar  1600  an  sich  über  die  ganze  Erde 
eine  vollkommene  Dunkelheit  acht  Tage  lang  aus- 
gebreitet habe,  daß  die  Überlieferung  dieses  außer- 
ordentlichen Ereignisses  noch  im  Volke  stark  und 
lebendig  sei,  daß  alle  Reisenden,  die  aus  fremden 
Ländern  zurückkehrten,  uns  Nachricht  von  der 
gleichen  Überlieferung  brächten,  ganz  ohne  Ab- 
weichung und  Widerspruch:  so  müßten  offenbar  unsere 
heutigen  Gelehrten  die  Tatsache,  statt  sie  zu  be- 
zweifeln, für  gewiß  annehmen  und  nach  den  mög- 
lichen Ursachen  ihrer  Entstehung  forschen.  Verfall, 
Zerrüttung  und  Auflösung  der  Natur  sind  Ereignisse, 
die  aus  so  manchen  Analogien  wahrscheinlich  ge- 
macht sind,  daß  eine  Erscheinung,  die  auf  jenen  Zu- 
sammenbruch hinzudeuten  scheint,  in  den  Bereich 
menschlichen  Zeugnisses  fällt,  wenn  nur  die  Zeug- 
nisse sehr  zahlreich  und  gleichlautend  sind.  *) 

Setzen  wir  dagegen  den  Fall,  alle  Geschichtforscher, 
die  über  England  schreiben,  stimmten  darin  überein. 
daß  am  1.  Januar  1600  die  Königin  Elisabeth  gestorben 
sei;  daß  sie  sowohl  vor  als  nach  ihrem  Tode  von  ihren 
Ärzten  und  dem  ganzen  Hofe  gesehen  wurde,  wie 
dies  der  Brauch  bei  Personen  ihres  Ranges  ist;  daß 
ihr  Nachfolger  vom  Parlament  anerkannt  und  aus- 
gerufen worden  sei;  und  daß  sie,  nachdem  sie  einen 
Monat  in  der  Erde  gelegen,  wieder  erschienen  sei, 
den  Thron  von  neuem  bestiegen  und  England  noch  drei 
Jahre  regiert  habe  —  dann  allerdings  würde  mich 
das  Zusammentreffen  so  vieler  sonderbaren  Umstände 
überraschen,  aber  ich  würde  nicht  im  geringsten 
geneigt   sein,    an    ein    so   wunderbares   Ereignis   zu 

flauben.    Ihren  vorgeblichen  Tod  und  jene  anderen 
arauffolgenden    öffentlichen    Ereignisse    würde    ich 
nicht  bezweifeln,    nur   behaupten,    daß   es  eben  ein 

*)  Dieser  Satz  kam  in  Ausgabe  K  hinzu. 


Über  Wunder. 


153 


vorgeblicher  gewesen  ist  und  ein  wirklicher  weder 
war  noch  hätte  sein  können.  Umsonst  hielte  man 
mir  die  Schwierigkeit,  ja  fast  Unmöglichkeit  vor,  die 
Welt  in  einer  so  folgenschweren  Angelegenheit  zu 
läuschen;  die  Klugheit  ^)  und  das  sichere  Urteil  dieser 
berühmten  Königin  —  dazu,  daß  der  Nutzen  dieses 
jämmerlichen  Blendwerks  so  gering  oder  gar  nicht 
vorhanden  sei  —  all  das  könnte  mich  zwar  in  Staunen 
setzen,  aber  ich  würde  dennoch  erwidern,  daß  die 
Schurkerei  und  Narrheit  der  Menschen  derartig  ge- 
wöhnliche Erscheinungen  sind,  daß  ich  eher  an  die 
außerordentlichsten  Ereignisse  als  Folge  ihres  Zu- 
sammenwirkens glauben,  als  eine  so  einzigartige  Ver- 
letzung der  Naturgesetze  anerkennen  möclite. 

Nähme  man  aber  dies  Wunder  für  irgend  ein 
neues  Religionssystem  in  Anspruch,  so  müßte,  da  die 
Menschen  zu  allen  Zeiten  durch  lächerliche  Geschichten 
solcher  Art  so  sehr  getäuscht  worden  sind,  dieser 
Umstand  gerade  als  voller  Beweis  des  Betrugs  gelten 
und  allen  verständigen  Leuten  genügen,  die  Tat- 
sache nicht  nur  zu  verwerfen,  sondern  dies  sogar  ohne 
weitere  Prüfung  zu  tun.  Wenn  auch  das  Wesen,  dem 
man  das  Wunder  zuschreibt,  in  dem  Falle  all- 
mächtig wäre,  so  wird  dieses  dadurch  nicht  eine  Spur 
wahrscheinlicher;  ist  es  ums  doch  nur  möglich,  die 
Eigenschaften  oder  Handlungen  eines  solchen  Wesens 
aus  der  Erfahrung,  die  wir  von  seinen  Äußerungen 
im  gewohnten  Naturlauf  haben,  kennen  zu  lernen.  Dies 
verweist  uns  auf  frühere  Beobachtung  und  nötigt 
uns  zum  Vergleich  zwischen  Fällen  der  Wahrheite- 
verletzung im  menschlichen  Zeugnis  und  solchen  der 
Verletzung  der  Naturgesetze  durch  Wunder,  um  uns 
ein  Urteil  zu  bilden,  welche  von  ihnen  am  nächsten 
liegen  und  am  wahrscheinlichsten  sind.  Da  die  Wahr- 
heitsverletzungen im  Zeugnis  über  religiöse  Wunder 
häufiger  sind  als  in  dem  über  irgendwelche  anderen 
Tatsachen,  so  muß  dieser  Umstand  das  Gewicht  des 
ersteren  sehr  herabmindern  und  uns  ein  für  allemal 
zu  dem  Entschluß  führen,  es  niemals  zu  beachten, 
sei  es  auch  in   noch  so  glänzenden  Schein  gehüllt 


^)  und  Rechtschaffenheit,  Ausgaben  E  bii  P. 


154 


Zehnter  Abschnitt. 


LordBaconi)  scheint  denselben  Prinzipien  derVer- 
nnnfttatigkeit  gehuldigt  zu  haben.  „Wir  sollten,*^  sagt 
er,  ,,eine  Sammlung  oder  SpezialgeschichteTon  allen  Ab- 
normitäten, Mißgä>urten  oder  Mißbildungen  anlegen, 
kurz  von  allem  Neuen,  Seltenen  und  Außergewöhn- 
lichen in  der  Natur.  Doch  hat  dies  mit  der  strengsten 
Auswahl  zu  geschehen,  damit  wir  nicht  von  der  Wahr- 
heit abweichen.  Vor  allem  muß  jeder  Bericht  als 
verdächtig  gelten,  der,  wie  die  Wundererzählungen 
des  Livius,  irgendwie  zur  Religion  in  Beziehung  steht. 
Nicht  minder  aber  alles,  was  sich  in  den  Schriften 
über  natürliche  Magie  und  Alchimie  oder  ähnliches 
findet,  deren  Verfasser  sämtlich  eine  unbesiegbare 
Gier  nach  Unwahrheit  und  Märchen  haben.***) 

Ich  bin  mit  der  hier  entwickelten  Methode  der  Ver- 
nunfttätigkeit um  so  zufriedener,  als  sie  meines  Er- 
achtens  dazu  dienen  kann,  jene  gefährlichen  Freunde 
oder  versteckten  Feinde  der  christlichen  Religion 
abzuführen,  die  es  unternommen  haben,  sie  mit  den 
Prinzipien  der  menschlichen  Vernunft  zu  verteidigen. 
Unsere  allerheiligste  Religion  gründet  sich  auf 
Glauben,  nicht  auf  Vernunft.  Es  ist  der  sichere 
Weg,  sie  bloßzustellen,  wenn  man  sie  einer  solchen 
Probe  aussetzt,  die  zu  bestehen  sie  in  keiner  Weise  ge- 
eignet ist  Zur  näheren  Beleuchtung  wollen  wir  jene 
in  der  Schrift  berichteten  Wunder  vornehmen;  um 
uns  dabei  nicht  zu  weit  zu  verlieren,  werden  wir  uns 
auf  die  beschränken,  die  wir  im  Pentateuch  vorfinden, 
und  diese  nach  den  Prinzipien  jener  angeblichein 
Christen  prüfen,  also  nicht  als  Gottes  Wort  oder  Zeug- 
nis selbst,  sondern  als  das  Machwerk  eines  bloß 
menschlichen  Verfassers  und  Geschichtschreibers.  Da 
haben  wir  denn  zunächst  ein  Buch  vor  ons^  das  uns 
von  einem  barbarischen,  unwissenden  Volk  überliefert 
ist,  zu  einer  Zeit  geschrieben,  wo  es  noch  barbarischer 
war  und  die  Ereignisse  sehr  wahrscheinlich  längst 
vergangen,  von  denen  es  berichtet,  durch  kein  gleich- 
lautendes Zeugnis  bestätigt  und  jenen  Märchenerzäh- 

')  Dieser  Absatz,  der  sich  in  den  Ausgaben  E  und  F 
nicht  vorfindet,  steht  in  den  Ausgaben  K  bis  P  als  Anmerkung; 
«r  wird  in  den  Ausgaben  K  bis  P  lateinisch  angefahrt. 

•)  Not.  org.  Hb.  11  «ph.  29. 


Über  Wunder. 


155 


lungen  gleichend,  die  jedes  Volk  von  seinem  Ursprung 
gibt  Beim  Lesen  dieses  Buches  stoßen  wir  überall 
auf  Naturwidrigkeiten  und  Wunder.  Es  berichtet  von 
einem  Zustand  der  Welt  und  der  Menschennatur,  der 
völlig  von  dem  gegenwärtigen  abweicht;  von  unserer 
Vertreibung  aus  diesem  Zustande;  von  einer  Lebens- 
dauer des  Menschen,  die  fast  tausend  Jahre  erreicht; 
von  der  Zerstörung  der  Welt  durch  eine  Sintflut; 
von  der  willkürlichen  Erwählung  eines  Volkes  als 
Günstling  des  Himmels  —  und  dies  Volk  sind  die 
Landsleute  des  Verfassers;  von  seiner  Befreiung  aus 
der  Knechtschaft  durch  Naturwidrigkeiten  der  er- 
staunlichsten Art.  Nun  bitte  ich  einen  jeden,  Hand 
aufs  Herz  und  nach  reiflicher  Erwägung  zu  be- 
kennen, ob  es  ihm  dünkt,  daß  die  Falschheit  eines 
solchen  Buches,  das  durch  solches  Zeugnis  gestützt 
wird,  außerordentlicher  und  wunderbarer  sein  würde 
als  alle  die  Wunder,  die  es  berichtet;  und  doch  wäre 
dies  gemäß  dem  vorher  aufgestellten  Wahrscheinlich- 
keitsmaßstab notwendig,  um  ihm  Anerkennung  zu  ver- 
schaffen. 

Was  wir  über  Wunder  sagten,  läßt  sich  ohne  jede 
Änderung  auch  auf  Prophezeiungen  anwenden;  denn 
in  der  Tat  sind  alle  Prophezeiungen  wirkliche  Wunder 
und  können  nur  als  solche  zum  Beweise  für  eine  Offen- 
barung dienen.  Überschritte  ein  Voraussagen  der 
Zukunft  nicht  die  f^higkeiten  der  menschlichen  Natur, 
so  wäre  es  unsinnig,  irgend  eine  Prophezeiung  als 
Begründung  für  eine  göttliche  Sendung  oder  vom 
Himmel  stammende  Machtbefugnis  anzuführen.  So 
dürfen  wir  alles  in  allem  schließen,  daß  die  christ- 
liche Religion  nicht  nur  im  Anfange  von  Wundem 
begleitet  war,  sondern  noch  heutigen  Tages  von  keinem 
verständigen  Menschen  ohne  die  Annahme  eines  solchen 
geglaubt  werden  kann.  Bloße  Vernunft  ist  ungenügend, 
um  uns  von  ihrer  Wahrheit  zu  überzeugen.  Wen  der 
Glaube  bewegt,  ihr  zuzustimmen,  der  ist  sich  eines 
fortgesetzten  Wunders  in  seiner  eigenen  Person  be- 
wußt, das  alle  Prinzipien  seines  Verstandes  um- 
kehrt und  ihn  bestimmt,  das  zu  glauben,  was  dem 
Gewohnten  und  der  Erfahrung  am  meisten  wider- 
streitet. 


'  w 


Elfter  Abschnitt. 

Ober  eine  besondere  Vorsehung  und  ein 
zulcünftiges  Dasein.^) 

Jüngst  unterhielt  ich  mich  mit  einem  Freunde, 
der  skeptische  Paradoxe  liebt;  obwohl  ich  viele  Prin- 
zipien, die  er  dabei  vorbrachte,  keineswegs  billigen 
kann,  so  scheinen  sie  doch  interessant  zu  sein  und 
einigermaßen  in  Beziehung  zu  der  durch  diese  Unter- 
suchung laufenden  Reihe  von  Gedankengangen  zu 
stehen,  weswegen  ich  sie  hier  so  genau  wie  "möglich 
aus  der  Erinnerung  wiedergeben  wül,  um  sie  dem  Ur- 
teil des  Lesers  zu  unterbreiten. 

Unser  Gespräch  begann  damit,  daß  ich  das  seltene 
Glück  der  Philosophie  bewunderte.-  Sie,  die  voll- 
kommener Freiheit  als  ihres  höchsten  Vorrechts  be- 
darf und  hauptsächlich  durch  den  ungehinderten  Kampf 
der  entgegengesetzten  Meinungen  und  Beweisführungen 
zur  Blüte  kommt,  hatte  ihre  erste  Wiege  zu  einer  Zeit 
und  in  einem  Lande  der  Freiheit  und  Duldsamkeit  und 
wurde  selbst  in  ihren  ausschweifendsten  Prinzipien 
niemals  durch  Glaubenssätze,  Bekenntnisse  und  Straf- 
bestimmungen eingeengt  Außer  der  Verbannung  des 
Protagoras  und  der  Hinrichtung  des  Sokrates,  welch 
letztere  teilweise  aus  anderen  Beweggründen  er- 
folgte, finden  sich  kaum  Beispiele  in  der  alten  Ge- 
schichte für  diesen  frömmelnden  Eifer,  an  dem  das 
jetzige  Zeitalter  so  stark  krankt  Epikur  lebte  bis 
zu  hohem  Alter  in  Athen  in  Frieden  und  Ruhe;  Epi- 
kuraer*)  wurden  selbst  zu  den  priesterlichen  Weihen 
zugelassen  und  verrichteten  am  Altar  die  heiligsten 

*)  Von  den  praktischen  Folgen  der  natürlichen  Religion: 
Ausgabe  E. 

*)  Lnoiani  ovfm  ij  Xani^at  9. 


Ober  eine  besond.  Vorsehung  u.  ein  zukünftiges  Dasein.     157 

Zeremonien  der  Staatsreligion;  ebenso  wurden  die 
off  entliehen  Unterstützungen*)  in  Form  von  Jahr- 
geldern und  Gehältern  von  dem  weisesten  aller  rö- 
mischen Kaiser  *)  gleichmäßig  den  Lehrern  einer  jeden 
philosophischen  Sekte  gewährt.  Wie  sehr  die  Philo- 
sophie in  ihrer  frühen  Jugend  einer  derartigen  Be- 
handlung bedurfte,  begreift  sich  leicht,  wenn  wir  be- 
denken, daß  selbst  heutzutage,  wo  man  sie  doch  für 
kräftiger  und  widerstandsfähiger  halten  sollte,  sie 
nur  schwer  die  Ungunst  der  Zeiten  und  jene  rauhen 
Winde  der  Verleumdung  und  Verfolgung  erträgt,  die 
über  sie  hinfahren. 

Du  bewunderst,  sagte  mein  Freund,  als  ein  sel- 
tenes Glück  der  Philosophie,  was  doch  nur  aus  dem 
natürlichen  Lauf  der  Dinge  zu  entspringen  und  in 
jedem  Zeitalter,  bei  jedem  Volke  unvermeidlich  zu 
sein  scheint  Diese  hartnäckige  Frömmelei,  über  die 
du  dich  beklagst,  weil  sie  der  Philosophie  so  schädlich 
sei,  ist  in  Wahrheit  ihr  Sprößling;  erst  nach  ihrer 
Verbindung  mit  dem  Aberglauben  trennt  sie  sich 
völlig  von  der  Partei  ihrer  Mutter  und  wird  ihre  er- 
bitterte Feindin  und  Verfolgerin.  So  tiefsinnige 
Glaubenssätze,  wie  sie  gegenwärtig  Anlaß  zu  wütendem 
Streit  geben,  konnten  unmöglich  in  den  frühsten  Zeit- 
altern erdacht  oder  angenommen  werden;  damals  bil- 
dete sich  die  noch  ganz  ungelehrte  Menschheit  re- 
ligiöse Vorstellungen,  die  besser  zu  ihrer  schwachen 
Fassungskraft  paßten,  und  stellte  ihre  heiligen 
Satzungen  aus  Erzählungen  zusammen,  die  mehr 
Gegenstand  des  überlieferten  Glaubens  als  der  Be- 
gründung und  Diakussion  waren.  Nachdem  nun  der 
erste  Schreck  vorüber  war,  den  die  neuen  Paradoxe 
und  Prinzipien  der  Philosophen  erregt  hatten,  scheinen 
diese  Lehrer  die  ganze  folgende  Zeit  des  Altertums 
in  großer  Eintracht  mit  dem  herrschenden  Aber- 
glauben gelebt  und  sich  mit  ihm  in  die  Menschheit 
redlich  geteilt  zu  haben.  Die  ersteren  beanspruchten 
alle  Gebildeten  und  Klugen,  dem  letzteren  gehörte  die 
ungebildete  Masse. 

^)  Luciani  svvoü/og  3. 
«)  Id.  u.  Die. 


158 


£lfter  AbsolmiU. 


Du  scheinst  demnach,  erwiderte  ich,  politische 
Rücksichten  ganz  aus  dem  Spiel  zu  lassen  und  nicht 
anzunehmen,  daß  eine  weise  Obrigkeit  mit  Recht  auf 
gewisse  Sätze  der  Philosophie  scheel  sehen  könne,  wie 
etwa  auf  die  des  Epikur,  welche  mit  ihrem  Leugnen 
der  Existenz  Gottes  und  folglich  einer  Vorsehung  und 
eines  zukünftigen  Daseins  in  beträchtlichem  Maße  die 
Bande  der  Sittlichkeit  zu  lockern  scheinen  und  aus 
diesem  Grunde  als  verderblich  für  den  Frieden  der  bür- 
gerlichen Gesellschaft  wohlangesehen  werden  können. 

Ich  weiß,  antwortete  er,  daß  diese  Verfolgungen 
in  der  Tat  zu  keiner  Zeit  jemals  das  Werk  ruhiger 
Vernunft  oder  der  Erfahrung  von  den  verderb- 
lichen Folgen  der  Philosophie  waren,  sondern  einzig 
aus  Affekten  und  Vorurteil  entsprangen.  Wie  aber, 
wenn  ich  weitergehen  und  behaupten  wollte,  daß 
Epikur,  falls  er  durch  einen  der  Sykophanten  oder 
Angeber  jener  Tage  vor  dem  Volke  angeklagt  worden 
wäre,  seine  Sache  mit  Leichtigkeit  hätte  verteidigen 
und  beweisen  können,  daß  seine  philosophischen  Prin- 
zipien ebenso  heilsam  wären,  wie  die  seiner  Gegner, 
welche  ihn  mit  solchem  Eifer  dem  allgemeinen  Haß  und 
Übelwollen  auszusetzen  strebten. 

Ich  wünschte,  sagte  ich,  du  versuchtest  deine  Be- 
redsamkeit an  einem  so  ungewöhnlichen  Vorwurf  und 
hieltest  eine  Rede  für  Epikur,  die  zwar  nicht  den 
Pöbel  von  Athen  zu  befriedigen  brauchte,  wenn  du 
zugibst,  daß  eine  so  alte  und  kultivierte  Stadt  über- 
haupt einen  Pöbel  besessen  hat,  aber  den  philosophisch 
gebildeten  Teil  ^seiner  Zuhörerschaft,  bei  dem  ein 
Verständnis  seiner  Begründungen  vorausgesetzt  wer- 
den darl 

Unter  solchen  Bedingungen  dürfte  das  nicht 
schwer  sein,  erwiderte  er.  Wenn  du  nichts  dagegen 
hast,  will  ich  einen  Augenblick  die  Rolle  Epikurs  über- 
nehmen und  dich  das  Volk  von  Athen  vertreten  lassen; 
ich  werde  eine  solche  Ansprache  an  dich  halten,  daß 
sich  die  Urne  ganz  mit  weißen  Bohnen  füllt  und  die 
Bosheit  meiner  Gegner  sich  an  keiner  schwarzen  er- 
freuen kann. 

Sehr   wohl;  beginne  bitte   unter  diesen  Voraus- 
setzungen. 


Über  eine  besond.  Vonehung  u.  ein  zukflnftigef  Dasein.     159 


Ich  trete  vor  euch  hin,  ihr  Athener,  um  in  eurer 
Versammlung  das  zu  rechtfertigen,  was  ich  in  meiner 
Schule  gelehrt  habe.  Ich  finde  mich  angeklagt  von 
wütenden  Gegnern,  anstatt  mit  ruhigen  und  leiden- 
schaftlosen Forschern  vernünftig  zu  reden.  Elure 
Verhandlungen,  die  von  Rechts  wegen  Fragen  des 
öffentlichen  Wohls  und  des  Staatsinteresses  zuge- 
wendet sein  sollten,  haben  sich  Untersuchungen  der 
spekulativen  Philosophie  zugewendet;  und  diese  er- 
habenen aber  vielleicht  fruchtlosen  Forschungen  er- 
setzen eure  alltäglichere  aber  auch  nützlichere  Be- 
schäftigung. Soweit  es  an  mir  liegt,  will  ich 
diesem  Mißbrauch  vorbeugen.  Wir  werden  hier  nicht 
über  den  Ursprung  und  die  Regierung  der  Welten 
verhandeln.  Wir  werden  nur  untersuchen,  wie  weit 
derartige  Fragen  das  öffentliche  Interesse  berühren. 
Und  wenn  ich  euch  überzeugen  kann,  daß  sie  für 
den  Frieden  der  Gesellschaft  und  die  Sicherheit  der 
Regierung  ganz  ohne  Bedeutung  sind,  so  werdöt  ihr 
uns  hoffentlich  alsbald  in  unsere  Schulen  zurück- 
senden, dort  in  Muße  die  Frage  zu  prüfen,  welche 
zwar  die  erhabenste,  aber  zugleich  auch  die  tiefsin- 
nigste in  der  ganzen  Philosophie  ist. 

Die  Religionsphilosophen  begnügen  sich  nicht  mit 
der  Überlieferung  eurer  Vorfahren,  den  Lehren  eurer 
Priester  (denen  ich  mich  gern  unterwerfe),  sondern 
geben  voreiliger  Neugier  Raum  und  versuchen,  in- 
wieweit sie  <üe  Religion  auf  Vernunftprinzipien  er- 
bauen können.  So  erregen  sie,  statt  sie  zu  befriedigen, 
Zweifel,  die  naturgemäß  bei  einer  gründlichen  und 
peinlichen  Untersuchung  entstehen  müssen.  In  den 
prächtigsten  Farben  malen  sie  die  Ordnung,  Schönheit 
und  weise  Einrichtung  des  Weltalls;  und  dann  fragen 
sie,  ob  solch  herrliche  Entfaltung  von  Einsicht  aus 
dem  ungefähren  Zusammentreffen  der  Atome  ent- 
stehen, oder  ob  der  Zufall  das  hervorbringen  könne, 
was  der  größte  Geist  nie  genugsam  zu  bewundem 
vermag.  Ich  will  die  Richtigkeit  dieser  Begründung 
nicht  prüfen.  Sie  mag  so  stichhaltig  sein,  wie  es  meine 
Gegner  und  Ankläger  nur  wünschen  können.  Es  ge- 
nügt, wenn  ich  aus  dem  nämlichen  Gredankengang 
beweisen  kann,  daß  diese  Frage  gänzlich  spekulativ 


160 


Slfter  Abschnitt. 


ist,  und  daß,  wenn  ich  in  meinen  philosophischen  Be- 
trachtungen eine  Vorsehung  und  ein  künftiges  Da- 
sein leugne,  ich  nicht  die  Grundlagen  der  Geeell- 
schaft  untergrabe,  sondern  Prinzipien  aufstelle,  die 
sie  selbst  aiä  ihrem  eigenen  Gebiete,  wenn  anders 
sie  richtig  folgern,  als  stichhaltig  und  befriedigend 
anerkennen  müssen. 

Ihr,  meine  Ankläger,  habt  also  selbst  zugegeben, 
daß  die  hauptsächliche  oder  einzige  Begründung  für 
das  Dasein  eines  Gottes  (das  ich  nie  in  Frage  gestellt 
habe)  aus  der  Ordnung  der  Natur  abfließt.  Bestehen 
doch  in  ihr  solche  Anzeichen  von  Intelligenz  und  Ab- 
sicht, daß  es  euch  ausgefallen  dünkt,  dafür  als  Ur- 
sache entweder  den  Zufall  oder  die  blinde  führerlose 
Kraft  des  Stoffes  anzugeben.  Ihr  gebt  zu,  daß  dies 
eine  Begründung  ist,  die  von  Wirkungen  zu  Ur- 
sachen geht  Aus  der  Anordnung  des  Werks  leitet 
ihr  ab,  daß  Planmäßigkeit  und  Voraussicht  dem  Werk- 
meister zu  eigen  gewesen  sein  müssen.  Wenn  ihr 
diesen  Punkt  nicht  sicherstellen  könnt,  so  fällt  nach 
eurem  Geständnis  euer  Schluß  dahin;  und  ihr  be- 
ansprucht nicht,  dem  Schluß  eine  weitere  Greltung  zu 
verschaffen,  als  die  Naturerscheinungen  rechtfertigen. 
Soviel  räumt  ihr  ein.  Ich  fordere  euch  aut  die  Folgen 
zu  beachten. 

Wo  wir  irgend  eine  bestimmte  Ursache  aus  einer 
Wirkung  herleiten,  müssen  wir  die  eine  zur  anderen 
ins  Verhältnis  setzen  und  können  uns  niemals  ge- 
statten, der  Ursache  mehr  Eigenschaften  zuzu- 
schreiben, als  gerade  benötigt  werden,  die  Wirkung 
zu  erzielen.  Wenn  ein  zehn  Unzen  schwerer  Körper 
sich  in  einer  Wagschale  hebt,  so  kann  das  als  Beweis 
dienen,  daß  das  Gegengewicht  zehn  Unzen  übersteigt; 
kann  aber  niemals  einen  Grund  abgeben,  daß  es 
hundert  übersteigt  Ist  die  Ursache,  die  einer  Wirkung 
zugeschrieben  wird,  nicht  ausreichend,  sie  hervor- 
zubringen, so  müssen  wir  entweder  diese  Ursache 
verwerfen,  oder  ihr  solche  Eigenschaften  hinzufügen, 
die  sie  zu  der  Wirkung  in  ein  richtiges  Verhältnis 
bringen.  Schreiben  wir  ihr  aber  weitere  Eigenschaften 
zu  oder  die  Fähigkeit,  andere  Wirkungen  hervorzu- 
bringen, so  geben  wir  eben  nur  Vermutungen  Raum 


Über  eine  besond.  Vorsehnng  o.  ein  zukflnfliges  Dasein.     161 

und  setzen  willkürlich  ohne  Grund  und  Verbind- 
lichkeit das  Dasein  von  Eigenschaften  und  Kräften 
voraus. 

Dieselbe  Regel  gilt,  mag  die  angeführte  Ursache 
der  stumpfe,  unbewußte  Stoff  oder  ein  vernünftiges, 
intellektbegabtes  Wesen  sein.  Läßt  sich  die  Ursache 
nur  aus  der  Wirkung  kennen  lernen,  so  sollten  wir  ihr 
niemals  weitere  Eigenschaften  zuschreiben  als  die  un- 
umgänglich zur  Erzeugung  der  Wirkung  erforderlichen. 
Ebensowenig  dürfen  wir,  nach  allen  Regeln  folge- 
rechter Vernunfttätigkeit,  wieder  von  der  Ursache  aus- 
gehen und  andere  Wirkungen  aus  ihr  herleiten,  über 
die  hinaus,  durch  welche  sie  uns  allein  bekannt  ist 
Niemand  könnte,  allein  aus  dem  Anblick  eines  Gemäldes 
von  Zeuxis  wissen,  daß  dieser  auch  ein  Bildhauer  und 
Baumeister  gewesen  ist,  und  als  Künstler  nicht  minder 
geschickt  in  Stein  und  Marmor  als  in  Farben.  Nur  das 
Talent  und  den  Geschmack,  der  in  dem  bestimmten  uns 
vorliegenden  Werke  sich  entfaltet,  können  wir  mit 
Zuversicht  als  Eigenschaften  des  Werkmeisters  er- 
schließen. Die  Ursache  muß  zu  der  Wirkung  im  Ver- 
hältnis stehen;  und  wenn  wir  sie  vollkommen  genau  an- 
passen, so  werden  wir  an  ihr  niemals  Eigenschaften  fin- 
den, die  auf  weiteres  hinweisen  oder  die  Ableitung  von 
irgendwelchen  anderen  Absichten  oder  Taten  erlauben. 
Solche  Eigenschaften  müßten  einen  Überschuß  bilden 
über  das  hinaus,  was  nur  gerade  erforderlich  zur 
Erzeugung  der  untersuchten  Wirkung  ist 

USumen  wir  also  ein,  daß  die  Götter  Urheber 
des  Daseins  oder  der  Ordnung  des  Weltalls  sind;  so 
folgt  daraus,  daß  sie  genau  den  Grad  von  Macht, 
Intelligenz  und  Wohlwollen  besitzen,  der  in  ihrem  Werke 
erscheint;  aber  nichts  weiter  kann  bewiesen  werden, 
wenn  man  nicht  Übertreibung  und  Schmeichelei  zu 
Hilfe  nehmen  will,  um  die  Lücken  in  der  Begründung 
und  im  Gedankengang  zu  ergänzen.  Soweit  in  der 
Gegenwart  sich  Spuren  irgendwelcher  Eigenschaften 
zeigen,  soweit  dürfen  wir  auf  das  Dasein  dieser  Eigen- 
schaften schließen.  Die  Annahme  weiterer  Eigen- 
schaften ist  reine  Hypothese;  noch  mehr  die  Annahme, 
daß  in  fernen  Räumen  oder  Zeiten  eine  glorreich^e 
Entfaltung  dieser  Eigenschaften  und  ein  Regierungs- 


H«me,  Unteraachg.  ab.  d.  menichl.  Verstand. 


11 


162 


Ellber  Abschnitt. 


plan  bestanden  haben  oder  bestehen  werden,  die 
solchen  erdichteten  Tugenden  angemessen  sind.  Wir 
dürfen  uns  niemals  erlauben,  von  dem  Weltall  als 
Wirkung  zu  Jupiter  als  Ursache  aufzusteigen,  und 
dann  niederzusteigen,  um  irgend  eine  neue  Wirkung 
aus  dieser  Ursache  abzuleiten;  als  ob  die  gegen- 
wärtigen Wirkungen  allein  der  ruhmvollen  Eigen- 
schaften nicht  ganz  würdig  wären,  die  wir  jener 
Gottheit  zuschreiben.  Da  das  Wissen  um  die  Ur- 
sache einzig  aus  der  Wirkung  abgeleitet  ist,  so  müssen 
beide  einander  angepaßt  sein  und  keine  kann  je  auf 
etwas  weiteres  hinweisen,  noch  die  Grundlage  irgend 
einer  neuen  Ableitung  oder  Schlußfolgerung  ergeben. 

Ihr  findet  gewisse  Naturerscheinungen  vor.  Ihr 
sucht  nach  einer  Ursache  oder  einem  Urheber.  Ihr 
meint  ihn  gefunden  zu  haben.  Ihr  verliebt  euch  nach- 
träglich dermaßen  in  diesen  Sprößling  eures  Gehirns, 
daß  es  euch  unmöglich  dünkt,  er  solle  nicht  etwas 
Größeres  und  Vollkommeneres  hervorbringen  als  das 
augenblickliche  Weltschauspiel,  das  so  voll  Übel  und  Ver- 
wirrung ist  Ihr  vergeßt,  daß  diese  höchstgesteigerte 
Intelligenz  und  Güte  durchaus  nur  Geschöpfe  der 
Einbildung  sind  oder  wenigstens  in  der  Vernunft 
keine  Grundlage  finden,  und  daß  ihr  nicht  berechtigt 
seid,  diesem  Wesen  irgendwelche  Eigenschaften  zu- 
zuschreiben, außer  denen,  die  ihr  tatsächlich  in  seinen 
Werken  ausgeübt  und  entfaltet  seht.  Denkt  euch 
also,  ihr  Philosophen,  eure  Götter  angemessen  den 
gegenwärtigen  Naturerscheinungen;  unternehmt  es 
nicht,  diese  Erscheinungen  durch  willkürliche  An- 
nahmen zu  verschieben,  um  sie  auf  die  Eigenschaften 
zuzuschneiden,  die  ihr  so  gern  euren  Gottheiten  zu- 
erteilt. 

Wenn  Priester  und  Poeten,  durch  euer  Ansehen 
gestützt,  0  Athener,  von  einem  goldenen  oder  sil- 
bernen Zeitalter  reden,  das  dem  gegenwärtigen  Zu- 
stand des  Lasters  und  Elends  voranging,  so  lausche 
ich  ihnen  aufmerksam  und  verehrend.  Wenn  aber 
Philosophen,  die  vorgeben,  keine  Autorität  anzuer- 
kennen, dagegen  die  Vernunft  zu  pflegen,  sich  in 
denselben  Reden  ergehen,  so  kann  ich  ihnen  aller- 
dings  nicht   die   gleiche   gehorsame  Unterwürfigkeit 


Über  eine  besond.  Vonehong  a.  ein  zukünftiges  Dasein.     163 

und  fromme  Ergebenheit  zollen.  Wer,  frage  ich, 
führte  sie  denn  in  die  himmlischen  Gefilde,  wer  ließ 
sie  im  Rate  der  Götter  zu,  wer  erschloß  ihnen  das 
Schicksalsbuch,  daß  sie  so  voreilig  behaupten  dürfen, 
ihre  Gottheiten  hätten  irgend  einen  Plan  vollführt 
oder  würden  es  tun,  der  über  die  tatsächliche  Er- 
scheinungswelt hinausginge?  Erwidern  sie  mir,  daß 
sie  auf  der  Treppe  oder  dem  gradweisen  Aufstieg  der 
Vernunft  emporgeklommen  sind,  indem  sie  Ursachen 
aus  Wirkungen  abgeleitet  hätten,  so  muß  ich  darauf 
bestehen,  daß  sie  diesen  Aufstieg  der  Vernunft  durch 
die  Einbildung  beflügelt  haben;  sonst  könnten  sie  niclit 
ihre  Art  der  Ableitung  so  ändern,  daß  sie  aus  Ur- 
sachen Wirkungen  folgern  durch  die  Annahme, 
daß  ein  vollkommeneres  Erzeugnis  als  die  gegen- 
wärtige Welt  so  vollkommenen  Wesen  wie  den  Göttern 
angemessener  sei,  und  dabei  vergessen,  daß  sie  keinen 
Grund  haben,  diesen  himmlischen  Wesenheiten  irgend 
eine  Vollkommenheit  oder  Eigenschaft  zuzuschreiben, 
die  sich  in  der  gegenwärtigen  Welt  nicht  vorfindet. 
Daher  all  die  fruchtlosen  Bemühungen,  Rechen- 
schaft über  die  Erscheinungen  des  Übels  in  der  Natur 
zu  geben  und  die  Ehre  der  Grötter  zu  retten,  während 
wir  doch  die  Tatsache  des  Bösen  und  der  Wirrnis, 
woran  die  Welt  so  überreich  ist,  anerkennen  müssen. 
Die  Materie  mit  ihren  Eigenschäften  starrer  Wider- 
setzlichkeit, sagt  man,  die  Befolgung  allgemeiner 
Gesetze  oder  sonst  ein  ähnlicher  Grund  ist  die  alleinige 
Ursache,  die  die  Macht  und  Güte  Jupiters  beschränkt 
und  ihn  genötigt  hat,  die  Menschen  und  alle  fühlenden 
Geschöpfe  so  unvollkommen  und  unglücklich  zu  er- 
schaffen. Diese  seine  Attribute  gelten  also  anscheinend 
von  vornherein  in  ihrer  weitesten  Ausdehnung  als 
zugestanden,  und  unter  dieser  Voraussetzung  mögen 
allerdings  solche  Vermutungen  vielleicht  als  annehm- 
bare ^klärungen  der  erscheinenden  Übel  hin- 
genommen werden.  Aber  ich  frage  wieder:  warum 
sollen  wir  diese  Attribute  zugestehen  oder  weshalb 
in  die  Ursache  noch  andere  Eigenschaften  verlegen, 
als  sich  tatsächlich  in  der  Wirkung  zeigen?  Warum 
quält  ihr  euer  Hirn  damit,  den  Naturlauf  auf  Grund 
von  Vermutungen   zu   rechtfertigen,    die,   soviel  ihr 


164 


Blfter  Abschnitt 


wil3t,  gänzlich  atis  der  Einbildnngskraft  stammen 
mögen  und  von  denen  sich  keinerlei  Spuren  im  Natur- 
lauf  vorfinden? 

Die  religiöse  Hypothese  ist  demnach  nur  als 
eine  besondere  Weise  anzusehen,  über  die  sichtbaren 
Erscheinungen  des  Weltalls  Rechenschaft  zu  geben; 
aber  kein  folgerichtiger  Denker  wird  es  je  wagen, 
daraus  eine  Einzeltatsache  abzuleiten  oder  eine  Er- 
scheinung in  irgend  einer  Einzelheit  abzuändern  oder 
zu  bereichern.  Denkt  ihr,  daß  die  Erscheinungen  oder 
Dinge  solche  Ursache  beweisen,  so  dürft  ihr  eine 
Ableitung  des  Daseins  dieser  Ursachen  wagen.  In 
solch  verwickelten  und  erhabenen  Fragen  sollte  jedem 
die  Freiheit  der  Vermutungen  und  Begründungen  ge- 
stattet sein.  Aber  hier  müßt  ihr  Halt  machen.  Wenn 
ihr  umkehrt  und  aus  euren  abgeleiteten  Ursachen  er- 
schließt^ daß  irgend  eine  andere  Tatsache  im  Natur- 
lauf existiert  hat  oder  existieren  wird,  die  als  deut- 
lichere Offenbarung  gewisser  Attribute  dienen  könnte, 
so  muß  ich  Einfipruch  erheben;  ihr  seid  dann  von 
der  Methode  der  Vemunfttätigkeit  abgewichen,  die  der 
vorliegenden  Frage  gebührt,  und  £ibt  gewiß  den 
Attributen  der  Ursache  etwas  zugefugt  über  das  in  der 
Wirkung  erscheinende  hinaus.  Sonst  könntet  ihr  niemals 
leidlich  sinnvoll  und  angemessen  der  Wirkung  etwas 
hinzufügen,  um  sie  der  Ursache  werter  zu  machen. 

Worin  liegt  nun  das  Hassenswerte  jener  Lehre^ 
die  ich  in  meiner  Schule  vortrage  oder  viel- 
mehr, die  ich  in  meinen  Gärten  erörtere?  Oder  könnt 
ihr  in  dieser  ganzen  Frage  etwas  entdecken,  wo- 
durch die  Sicherheit  der  guten  Sitten  oder  Friede 
und  Ordnung  der  Gesellschaft,  im  geringsten  betroffen 
würden? 

Ich  leugne,  so  sagt  ihr,  eine  Vorsehung  und  einen 
obersten  Lenker  der  Welt,  der  den  Lauf  der  Er- 
eignisse leitet,  die  Lasterhaften  mit  Schande  und  Ent- 
täuschung straft,  die  Tugendhaften  mit  Ehre  und 
Erfolg  belohnt  in  allen  ihren  Unternehmungen.  Aber 
sicherlich  leugne  ich  doch  nicht  den  Ablauf  der  Er- 
eignisse selbst  der  ja  jedermanns  Prüfung  und  Unter- 
suchung offensteht.  Ich  erkenne  an,  daß  in  der  gegen- 
wartigen Ordnung  der  Dinge  die  Tugend  mehr  Seelen- 


über  eine  besond.  Vorsehung  vu  ein  zukünftiges  Dasein.     165 

frieden  im  Gefolge  hat  als  das  Laster  und  in  der  Welt 
eine  günstigere  Aufnahme  findet.  Mir  ist  bewußt, 
daß  nach  den  Erfahrungen,  die  die  Menschheit  bisher 
gesammelt,  die  Freundschaft  der  Hauptgenuß  des 
Lebens  ist  und  Mäßigkeit  der  einzige  Quell  der  Ruhe 
und  des  Glücks.  Ich  schwanke  nie  zwischen  einem 
tugendhaften  und  lasterhaften  Lebenswandel,  sondern 
weiß,  daß  für  einen  wohlgearteten  Geist  alle  Vorteile 
auf  der  Seite  des  ersteren  liegen.  Was  mehr  aber 
könnt  ihr  behaupten,  selbst  wenn  ich  euch  alle  eure 
Annahmen  und  Gedankengänge  zugebe?  Ihr  sagt 
allerdings,  daß  diese  Anordnung  der  Dinge  aus  Ver- 
nunft und  Absicht  hervorgehe.  Aber  woraus  auch 
immer  sie  hervorgeht,  die  Anordnung  selbst,  von  der 
unser  Glück  und  Elend  und  folglich  die  Führung  und 
Haltung  unseres  Lebens  abhängig  ist,  bleibt  stets  die 
gleiche.  E^s  steht  mir  wie  dir  immer  noch  frei,  mein 
Betragen  nach  meiner  Erfahrung  vergangener  Er- 
eignisse zu  regeln.  Versichert  IIlt  aber,  daß  ich  bei 
der  Annahme  einer  göttlichen  Vorsehung  und  einer 
höchsten  austeilenden  Gerechtigkeit  im  Weltall  noch 
einen  besonderen  Lohn  für  das  Gute  und  eine  be- 
sondere Strafe  für  das  Böse  über  den  gewöhnlichen 
Lauf  der  Ereignisse  hinaus  zu  erwarten  hätte  —  so 
finde  ich  hier  denselben  Trugschluß,  den  ich  mich 
eben  aufzudecken  bemüht  habe.  Ihr  verharrt  bei  der 
Einbildung,  daß  aus  der  zugestandenen  Existenz  jenes 
göttlichen  Wesens,  für  welche  ihr  so  eifrig  kämpft, 
gültige  Folgerungen  abzuleiten  sind  lind  der  er- 
fahrungsmäßigen  Ordnung  der  Natur  auf  Grund 
der  Attribute,  die  ihr  euren  Göttern  zuschreibt, 
etwas  hinzugefügt  werden  kann.  Ihr  scheint  zu 
vergessen,  daß  all  eure  Gedankengänge  über  diesen 
(Gegenstand  lediglich  von  den  Wirkungen  zu  den  Ur- 
sachen fortschreiten  dürfen  und  daß  jede  Begründung, 
die  von  den  Ursachen  zu  den  Wirkungen  geht,  not- 
wendig ein  grober  Fangschluß  sein  muß.  Ist  es  euch 
doch  unmöglich,  von  der  Ursache  irgend  etwas  zu 
wissen,  daß  ihr  nicht  vorher  voll  in  der  Wirkung 
entdeckt,  aber  nicht  etwa  aus  ihr  abgeleitet  habt 

Was   muß   nun   ein   Philosoph  von  jenen  eitlen 
Denkern   halten,   welche   das   gegenwärtige  Weltbild 


166 


Elft«r  Absehüitt. 


nicht  als  den  alleinigen  Gegenstand  ihrer  Betrach- 
tung ansehen,  sondern  statt  dessen  sogar  den  ganzen 
Natnriauf  in  dem  Grade  umkehren,  daß  sie  dieses 
Leben  lediglich  zu  einer  Brücke  für  ein  Jenseits 
machen,  zu  einem  Tor,  das  zu  einem  größeren  und 
völlig  verschiedenen  Gebäude  führt,  einer  Vorrede, 
die  nur  zur  Einführung  des  Stückes  dient,  um  ihm 
mehr  Reiz  und  Würde  zu  verleihen.  Woher,  glaubt 
ihr  wohl,  können  solche  Philosophen  ihre  Vorstellung 
von  den  Göttern  entnehmen?  Sicherlich  nur  aus  ihren 
eigenen  Erdichtungen  und  Einbildungen.  Gewönnen 
sie  sie  nämlich  aus  den  gegenwärtigen  Erscheinungen, 
so  würde  das  nie  über  diese  hinausweisen,  sondern 
ihnen  genau  angepaßt  sein.  Daß  die  Gottheit  mög- 
licherweise mit  Attributen  ausgestattet  sein  kann, 
deren  Auswirkung  wir  nie  gesehen  haben,  daß  sie 
in  ihrem  Handeln  von  Prinzipien  beherrscht  sein  kann, 
deren  Erfüllung  wir  nicht  entdecken  können  —  all 
das  mag  getrost  eingeräumt  werden.  Aber  es  bleibt 
inmier  eine  reine  Möglichkeit  und  Hypothese.  Wir 
haben  niemals  Grund,  irgendwelche  Attribute  oder 
Prinzipien  für  ihr  Handeln  abzuleiten  über  die- 
jenigen hinaus,  deren  Auswirkung  und  Erfolg  wir 
kennen  gelernt  haben. 

Gibt  es  irgend  welche  Anzeichen  einer 
austeilenden  Gerechtigkeit  in  der  Welt?  Ant- 
wortet ihr  bejahend,  so  schließe  ich,  daß  die  Ge- 
rechtigkeit, da  sie  sich  hier  auswirkt,  auch  ihre  Er- 
füllung findet  Antwortet  ihr  verneinend,  so  schließe 
ich,  daß  ihr  dann  keinen  Grund  habt,  den  Göttern 
Gerechtigkeit  in  unserem  Sinne  zuzuschreiben.  Haltet 
ihr  die  Mitte  zwischen  Bejahung  und  Verneinung  mit 
der  Behauptung,  daß  die  Gerechtigkeit  der  Götter  sich 
gegenwärtig  zum  Teil,  aber  nicht  in  ihrem  vollen 
Umfange  auswirkt:  so  antworte  ich,  daß  ihr  keinen 
Grund  habt,  ihr  irgend  einen  weiteren  Umfang  zu 
geben,  als  den,  dessen  Auswirkung  ihr  gegen- 
wärtig seht. 

So,  ihr  Athener,  bringe  ich  den  Streit  mit  meinen 
Widersachern  zu  einem  schnellen  Ende.  Der  Natur- 
lauf liegt  meiner  Betrachtung  ebenso  offen  wie  der 
ihren.    Der  Fluß   der   Ereignisse,   wie  wir  ihn  er- 


Ober  eine  beiond.  Vorsehnng  u.  ein  zukünftiges  Dasein.     167 

fahren,  ist  der  große  Maßstab,  nach  dem  wir  alle 
unser  Benehmen  regeln.  Auf  nichts  anderes  kann 
man  sich  im  Felde  wie  im  Rate  berufen;  von  nichts 
anderem  sollte  in  der  Schule  wie  im  Studierzimmer 
die  Rede  sein.  Vergeblich  möchte  unser  begrenzter 
Verstand  diese  Schranken  durchbrechen,  die  zu  eng 
für  unsere  anspruchsvolle  Einbildung  sind.  Indem  wir 
aus  dem  Naturlauf  Begründungen  entnehmen  und  eine 
bestimmte  vernünftige  Ursache  herleiten,  welche  die 
Weltordnung  erst  verlieh  und  noch  erhält,  bekennen  wir 
uns  zu  einem  Prinzip,  das  sowohl  ungewiß  wie  nutzlos 
ist.  Ungewiß:  weil  der  Gegenstand  durchaus  jenseits 
des  Bereichs  menschlicher  Erfahrung  liegt  Nutzlos: 
weil  unsere  Kenntnis  dieser  Ursache,  die  lediglich  aus 
dem  Naturlauf  gewonnen  ist,  uns  nach  den  Regeln 
folgerechter  Vernunfttätigkeit  nie  befähigt  von  der 
Ursache  rückwärts  neue  Ableitungen  zu  vollziehen  oder 
irgend  neue  Prinzipien  der  Lebensführung  und  des 
Benehmens  dadurch  aufzustellen,  daß  wir  dem  ge- 
wöhnlichen und  erfahrenen  Naturlauf  etwas  hinzu- 
fügen. 

Ich  bemerke,  sagte  ich,  als  er  seine  Rede  beendet 
hatte,  daß  du  den  Kunstgriff  der  alten  Volksredner 
nicht  verschmähst;  da  ich  nach  deinem  Wunsche  das 
Volk  vertreten  sollte,  so  buhlst  du  auf  die  Weise 
um  meine  Gunst,  daß  du  dich  zu  jenen  Prinzipien 
bekennst  denen  ich,  wie  du  weißt  stets  besonders 
zugetan  gewesen  bin.  Aber  wenn  ich  dir  auch  ge- 
statte, die  Erfahrung  zum  alleinigen  Maßstab  unserer 
Beurteilung  dieser  Tatsachenfrage  wie  aller  übrigen 
zu  machen,  (wie  du  es  wirklich  solltest),  so  dürfte  es 
doch  zweifellos  möglich  sein,  von  der  nämlichen  Er- 
fahrung aus,  auf  die  du  dich  berufst  den  (Gedanken- 
gang zurückzuweisen,  welchen  du  dem  Epikur  in  den 
Mund  gelegt  hast.  Wenn  du  zum  Beispiel  ein  halb 
fertiges  Gebäude  erblicktest,  um  das  Haufen  von 
Ziegeln,  Steinen  und  Mörtel  und  alle  Maurerwerk- 
zeuge herumlägen,  könntest  du  dann  nicht  aus  der 
Wirkung  ableiten,  daß  es  ein  Werk  planmäßiger 
Absicht  ist?  Und  könntest  du  nicht  wiederum  rück- 
wärts aus  dieser  abgeleiteten  Ursache  neue  Bestand- 
teile  ableiten,    die    zur   Wirkung   hinzukonmien,    und 


168 


nftar  Abiohnitt 


schließen,  daß  das  Gebäude  bald  beendet  sein  und 
all  die  weiteren  Verbesserungen  erhalten  werde, 
welche  die  Kunstfertigkeit  ihm  erteilen  kann?  Wenn 
du  am  Meeresufer  den  Eindruck  eines  menschlichen 
Fußes  sähest,  so  würdest  du  schließen,  daß  ein 
Mensch  diesen  Weg  gegangen  sei  und  er  auch  die 
Spur  des  anderen  Fußes  zurückgelassen  habe,  ob- 
gleich diese  durch  das  Treiben  des  Sandes  oder  die 
Überschwemmung  des  Wassers  ausgelöscht  worden  ist. 
Warum  sträubst  du  dich  denn,  die  gleiche  Methode 
der  Vernunfttätigkeit  dort,  wo  es  sich  um  die  Natur- 
ordnung handelt,  anzuerkennen?  Betrachte  die  Welt 
und  das  gegenwärtige  Leben  nur  als  ein  unvoll- 
kommenes Gebäude,  aus  dem  du  eine  höhere  Vernunft 
ableiten  kannst;  warum  willst  du  denn  nicht,  aus- 
gehend von  dieser  höheren  Vernunft,  die  nichts  un- 
vollendet lassen  kann,  die  Ableitung  auf  einen  voll- 
endeteren Entwurf  und  Plan  wagen,  der  seine  Er- 
füllung an  einem  entfernten  Punkte  des  Raumes  oder 
der  Zeit  finden  wird?  Sind  nicht  diese  beiden  Me- 
thoden der  Vernunfttätigkeit  völlig  gleichartig?  Und 
unter  welchem  Vorwand  kannst  du  dich  zu  der  einen 
bekennen  und  die  andere  verwerfen? 

Die  unendliche  Verschiedenheit  der  Gegenstände, 
antwortete  er,  genügt  als  Grundlage  für  die  Ver- 
schiedenheit in  meinen  Schlüssen.  Bei  Werken 
menschlicher  Kunst  und  Erfindung  ist  es  erlaubt, 
von  der  Wirkung  zur  Ursache  fortzuschreiten  und 
rückwärts  von  der  Ursache  neue  Ableitungen  über  die 
Wirkung  zu  vollziehen,  sowie  Veränderungen  zu 
prüfen,  die  diese  vielleicht  erlitten  hat  oder  noch 
erleiden  wird.  Aber  auf  welcher  Grundlage  ruht  diese 
Methode  der  Vernunfttätigkeit?  Offenbar  auf  dem  Um- 
stand, daß  der  Mensch  ein  Wesen  ist,  das  wir  durch 
Erfahrung  kennen,  dessen  Beweggründe  und  Ab- 
sichten uns  vertraut  sind  und  dessen  Pläne  und  Nei- 
gungen in  gewissem  Grade  Verknüpfung  und  Ein- 
heitlichkeit nach  den  Gesetzen  zeigen,  welche  die 
Natur  für  die  Leitung  solcher  Geschöpfe  aufgestellt 
hat  Wo  wir  also  finden,  daß  ein  Werk  der  Ge- 
schicklichkeit und  dem  Fleiß  eines  Menschen  ent- 
sprungen ist,  da  können  wir  kraft  unserer  sonstigen 


!i 


Über  eine  besond.  Vonehong  u.  ein  rakfinftigas  Dasein.  *    1 69 

Bekanntschaft  mit  der  Natur  dieses  Lebewesens  hun- 
derterlei darüber  ableiten,  was  von  ihm  zu  erwarten 
ist;  und  all  diese  Ableitungen  werden  sich  auf  Er- 
fahrung und  Beobachtung  stützen.  Wüßten  wir  da- 
gegen vom  Menschen  nur  durch  das  einzelne  Werk 
und  Erzeugnis,  das  wir  untersuchen,  so  könnten  wir 
unmöglich  in  dieser  Weise  vorgehen;  da  nämlich  unsere 
Kenntnis  aller  Eigenschaften,  die  wir  ihm  zuschreiben, 
in  jenem  Falle  von  seinem  Erzeugnis  stammt,  so 
können  diese  Eigenschaften  unmöglich  über  es  hinaus- 
führen, noch  die  Grundlage  abgeben  für  irgend  eine 
neue  Ableitung.  Der  Abdruck  eines  Fußes  im  Sande 
kann  für  sich  allein  genommen  nur  beweisen,  daß 
eine  ihm  entsprechende  G^talt  vorhanden  gewesen 
ist,  die  ihn  hervorgebracht  hat.  Aber  der  Abdruck 
eines  menschlichen  Fußes  beweist  gleicherweise  nach 
unserer  anderweitigen  Erfahrung,  daß  wahrscheinlich 
noch  ein  anderer  Fuß  vorhanden  gewesen  ist,  der 
auch  seine  Spur  zurückgelassen  ha^  die  nur  durch 
die  Zeit  oder  irgendwelchen  Zufall  verlöscht  worden 
ist  Hier  steigen  wir  von  der  Wirkung  zur  Ursache 
auf,  und  von  der  Ursache  wieder  herabsteigend,  leiten 
wir  Veränderungen  an  der  Wirkung  ab;  aber  das  ist 
keine  Fortsetzung  der  gleichen  eiiäachen  Kette  von 
Denkakten.  Wir  verwenden  in  diesem  Falle  eine  An- 
zahl anderer  Erfahrungen  und  Beobachtungen,  über  die 
gewöhnliche  Gestalt  und  die  Gliedmaßen  solcher 
Art  Lebewesen,  ohne  welche  dieses  Begründungs- 
verfahren als  täuschend  und  trügerisch  erachtet 
werden  muß. 

Bei  unseren  Gedankengängen,  die  sich  den  Werken 
der  Natur  entnehmen,  liegt  der  Fall  nicht  ebenso.  Die 
Gottheit  kennen  wir  nur  aus  ihrer  Schöpfung;  sie  ist  ein 
Einzelwesen  im  All,  das  nicht  unter  eine  Art  oder  Gat- 
tung fällt,  aus  deren  durch  Erfahrung  bekannten  At- 
tributen oder  Eigenschaften  wir  durch  Analogie  auch 
für  es  irgendwelche  Attribute  oder  Eigenschaften  ab- 
leiten können.  Da  das  Weltall  Weisheit  und  Güte  zeigt, 
so  leiten  wir  Weisheit  und  Güte  ab.  Da  es  einen  be- 
stimmten Grad  dieser  Vollkommenheiten  zeigt,  so  leiten 
wir  einen  bestimmten  Grad  derselben  ab,  der  ganz 
genau  der  Wirkung  angepaßt  ist,  die  wir  untersuchen. 


170 


Elfter  Abtehnitt. 


Aber  keine  Regel  folgerechter  Vernunfttätigkeit  ver- 
leiht uns  jemals  das  Recht,  weitere  Attribute  oder 
weitere  Grade  dieser  selben  Attribute  abzuleiten  oder 
anzunehmen.  Es  ist  uns  jedoch  ohne  die  Freiheit  einer 
solchen  Annahme  unmöglich,  von  der  Ursache  aus 
zu  begründen  oder  irgend  eine  Veränderung  an  der 
Wirkung  abzuleiten  über  das  hinaus,  was  unmittelbar 
unter  unsere  Beobachtung  fiel.  Höhere  Güter,  welche 
dies  Wesen  hervorgebracht  hätte,  würden  einen  noch 
höheren  Grad  von  Güte  beweisen;  eine  unparteiischer 
geübte  Verteilung  von  Lohn  und  Strafe  müßte  aus 
höherer  Achtung  vor  Gerechtigkeit  und  Billigkeit  her- 
vorgehen. Jeder  angenommene  Zusatz  zu  den  Werken 
der  Natur  ergibt  einen  Zusatz  zu  den  Attributen  des 
Schöpfers  der  Natur,  aber  kann  folglich  nur  als  reine 
Vermutung  und  Hypothese  gelten,  da  sie  jeder  Unter- 
lage einer   vernünftigen  Begründung  entbehrt  0 


*)  Es  Iftßt  sich  wohl  im  allgemeinen  als  Regel  aufstellen, 
daß  iigendwelche  neuen  Wirkungen  unmöglich  dann  aus 
einer  Ursache  hergeleitet  werden  können,  wenn  diese  Ursache 
uns  nnr  aus  ihren  besonderen  Wirkungen  bekannt  ist;  denn 
die  Eigenschaften,  welche  zur  Hervorbringung  dieser  neuen 
Wirkungen  neben  den  früheren  erforderlich  sind,  müssen 
entweder  verschieden  oder  bedeutender  oder  von  weiterem 
Umkreise  sein  als  die,  welche  einfach  die  Wirkung  hervor- 
brachten, aus  der  allein  wir  die  Kenntnis  der  Ursache  ge- 
wonnen haben  wollten.  Wir  können  also  niemals  einen 
Grund  dafür  haben,  das  Dasein  dieser  Eigenschaften  anzu- 
nehmen. (Ausgaben  E  und  F  drucken  im  Text  bis  hier- 
her und  verweisen  den  Rest  in  eine  Anmerkung.)  Sagt 
man,  die  neuen  Wirkungen  entstünden  nur  aus  einem  Fort- 
bestehen der  nämlichen  Energie,  die  bereits  von  den  ersten 
Wirkungen  her  bekannt  ist,  so  wird  dadurch  die  Schwierig- 
keit nicht  gehoben.  Denn  gibt  man  dies  selbst  zu  (was 
selten  angenommen  werden  darf)»  so  bleibt  doch  das 
Fortbestehen  und  die  Äußerung  einer  gleichen  Energie  (denn 
völlig  dieselbe  kann  es  unmöglich  sein),  es  bleibt,  sage  ich, 
dies  Fortbestehen  einer  gleichen  Energie  an  einer  verschie- 
denen Stelle  des  Raumes  und  der  Zeit  eine  höchst  willkür- 
liche Annahme,  und  die  Wirkungen,  aus  denen  all  unsere 
Kenntnis  der  Ursache  ursprünglich  stammte,  können  un- 
möglich eine  Spur  davon  enthalten.  Wenn  die  abgeleitete 
Ursache  genau  der  bekannten  Wirkung  entspricht  (wie  sie 


Über  eine  beeond.  Vorsehung  xl  ein  zukünftiges  Dasein.     171 

Die  Hauptquelle  unseres  Fehlgehens  auf  diesem 
Gebiete  und  der  ausschweifenden  Vermutungen,  die 
wir  uns  erlauben,  liegt  darin,  daß  wir  uns  still- 
schweigend an  die  Stelle  des  höchsten  Wesens  ver- 
setzen und  nun  schließen,  daß  es  bei  jeder  Gelegen- 
heit dasselbe  Verhalten  beobachten  wird,  das  wir 
selbst  in  seiner  Lage  als  vernünftig  und  wünschens- 
wert erwählt  haben  würden.  Aber  einmal  kann  uns 
der  gewöhnliche  Naturlauf  davon  überzeugen,  daß 
nahezu  alles  sich  nach  Prinzipien  und  Regeln  richtet, 
die  von  den  unsrigen  sehr  verschieden  sind;  und 
abgesehen  davon  muß  es  offenbar  allen  Regeln  der 
Analogie  zuwider  erscheinen,  unsem  Gedankengang 
von  den  Absichten  und  Plänen  der  Menschen  auf  die 
eines  so  verschiedenen  und  so  viel  höheren  Wesens  zu 
übertragen.  In  der  menschlichen  Natur  zeigt  uns  die 
Erfahrung  eine  bestimmte  Einheit  von  Plänen  und 
Neigungen;  es  mag  also  oft  vernünftig  sein,  aus  der 
durch  irgend  eine  Tatsache  entdeckten  Absicht  eines 
Menschen  eine  andere  Absicht  an  der  Hand  der  Er- 
fahrung abzuleiten  und  eine  lange  Kette  von  Schlüssen 
über  sein  vergangenes  oder  künftiges  Verhalten  zu 
schmieden.  Al^r  diese  Methode  der  Vernunfttätigkeit 
darf  niemals  statthaben,  wo  es  sich  um  ein  Wesen 
handelt,  das  so  fern  und  so  unbegreiflich  ist,  so 
wenig  Ähnlichkeit  mit  irgend  einem  anderen  Wesen 
im  Weltall  zeigt  wie  die  Sonne  mit  einer  wächsernen 
Kerze,  und  das  sich  uns  nur  in  einigen  blassen  Zügen 
und  Umrissen  entdeckt,  über  die  hinaus  wir  nicht  be- 
rechtigt sind,  ihm  irgend  ein  Attribut  oder  eine  Voll- 
kommenheit zuzuschreiben.  Was  wir  für  eine  höhere 
Vollkommenheit  halten,  mag  in  Wirklichkeit  ein 
Mangel  sein.  Wäre  es  aber  auch  noch  so  sehr  eine 
Vollkommenheit,  —  sie  dem  höchsten  Wesen  da  zuzu- 
schreiben, wo  sie  nicht  in  dessen  Werken  voll  aus- 
gewirkt erscheint,  schmeckt  mehr  nach  Schmeichelei 
und  Lobrednerei,  als  nach  folgerechter  Vemunfttätig- 
keit  und  gesunder  Philosophie.    Alle  Philosophie  der 


es  müßte),  so  kann  sie  unmöglich  Eigenschaften  besitzen, 
aus  der  neue  oder  verschiedene  Wirkungen  abgeleitet 
werden  dürfen. 


.-! 


172 


Elfter  Abfohnitt. 


Welt  und  alle  Religion,  die  nur  eine  besondere  Art 
der  Philosophie  ist,  wird  niemals  imstande  sein,  uns 
über  den  gewöhnlichen  Lauf  der  Erfahrung  hinaus- 
zuführen oder  uns  einen  anderen  Maßstab  für  unser 
Betragen  und  Verhalten  zu  geben,  als  den  uns  von  der 
Betrachtung  des  gewöhnlichen  Lebens  »gelieferten. 
Keine  neue  Tatsache  kann  je  aus  der  religiösen  Hypo- 
these abgeleitet,  kein  Ereignis  vorhergesehen  oder 
vorhergesagt,  weder  Lohn  noch  Strafe  erhofft  oder 
gefürchtet  werden,  über  das  hinaus,  was  uns  bereits 
aus  dem  Leben  und  der  Beobachtung  bekannt  ist  So 
wird  meine  Verteidigung  des  Epikur  nach  alledem  ge- 
sichert und  befriedigend  scheinen,  und  die  politischen 
Interessen  der  Gesellschaft  haben  in  der  Tat  mit  den 
philosophischen  Streitfragen  über  Metaphysik  und  Re- 
ligion keinerlei  Verknüpfung. 

Einen  Umstand,  erwiderte  ich,  scheinst  du  den- 
noch übersehen  zu  haben.  Gäbe  ich  selbst  deine 
Vordersatze  zu,  so  müßte  ich  doch  deinen  Schlußsatz 
verneinen.  Du  schließest,  daß  religiöse  Lehren  und 
Gedankengänge  keinen  Einfluß  auf  das  Leben  haben 
können,  weil  sie  keinen  Einfluß  haben  sollten;  du 
bedenkst  nicht,  daß  die  Menschen  nicht  den  gleichen 
Gedankengang  anstellen,  wie  du,  sondern  gar  manche 
Folgerungen  aus  dem  Glauben  an  das  Dasein 
eines  Gottes  ziehen  und  annehmen,  daß  die  Gottheit 
dem  Laster  Strafen  und  der  Tugend  Lohn  zumessen 
wird  über  das  hinaus,  was  im  gewöhnlichen  Natur- 
lauf zur  Erscheinung  kommt  Ob  dieser  ihr  Gedanken- 
gang richtig  ist  oder  nicht,  tut  nichts  zur  Sache.  Sein 
Einfluß  auf  das  Leben  und  auf  die  Führung  der 
Menschen  wird  doch  der  gleiche  bleiben.  Wer  ihnen 
diese  Vorurteile  zu  rauben  versuch^  jnag  meinetwegen 
ein  guter  Logiker  sein,  aber  als  guten  Staatsbürger  und 
Politiker  kann  ich  ihn  nicht  gelten  lassen;  denn  er 
befreit  die  Menschen  von  einem  Hemmnis  ihrer  Af- 
fekte und  macht  die  Verletzung  der  bürgerlichen 
Gesetze  in  der  einen  Hinsicht  leichter  und  gefahrloser. 

Im  ganzen  kann  ich  vielleicht  deinem  allgemeinen 
Ergebnis  zugunsten  der  Freiheit  beitreten,  wenn  auch 
unter  anderen  Voraussetzungen  als  die,  worauf  du  es 
gründen   möchtest.    Ich   meine,    daß   der   Staat  ein 


Über  eine  besond.  Vorsehung  u.  ein  zukünftiges  Dasein.     173 

]edes  philosophische  Prinzip  dulden  sollte;  es  gibt 
auch  kein  Beispiel  dafür,  daß  je  einer  Regierung  solche 
Nachsicht  zum  Schaden  gereicht  hätte.  Die  Philo- 
sophen sind  keine  Schwärmer,  ihre  Lehren  sind  nicht 
verlockend  für  das  Volk;  überdies  kann  ihren  Ge- 
dankengängen kein  Zaum  angelegt  werden,  der  nicht 
gefährliche  Folgen  für  die  Wissenschaften  nach  sich 
zöge,  ja  selbst  für  den  Staat,  indem  sie  der  Ver- 
folgung und  Unterdrückung  auf  Gebieten  den  Weg 
ebnet,  wo  die  Allgemeinheit  der  Menschen  sehr  tief 
beteiligt  und  betroffen  ist 

Indes  stoße  ich  hier,  fuhr  ich  fort,  bei  deiner 
Hauptthese  auf  eine  Schwierigkeit,  die  ich  dir 
unterbreiten  möchte,  ohne  Nachdruck  darauf  zu 
legen,  damit  wir  uns  nicht  in  zu  spitzfindige  und 
heikle  Gedankengänge  verlieren.  Kurz,  ich  bezweifle 
die  Möglichkeit,  daß  eine  Ursache  nur  aus  ihrer  Wir- 
kung erkannt  werden  könne  (wie  du  es  die  ganze  Zeit 
voraussetzest),  oder  von  so  einzigartiger  und  be- 
stimmter Natur  sei,  daß  sie  kein  Seitenstück  und 
keine  Gleichartigkeit  in  irgend  einer  anderen  Ursache 
oder  einem  anderen  Gegenstand  besitze,  die  je  unter 
unsere  Beobachtung  gefallen  sind.  Nur  wo  zwei 
Gattungen  von  Gegenständen  in  regelmäßigem  Zu- 
sammenhang angetroffen  werden,  können  wir  die  eine 
aus  der  anderen  herleiten;  kommt  aber  eine  Wirkung 
vor,  die  ganz  einzigartig  ist  und  in  keine  bekannte 
Gattung  eingeordnet  werden  kann,  so  darf  nach 
meiner  Ansicht  über  ihre  Ursache  überhaupt  keine 
Vermutung  oder  Ableitung  gebildet  werden.  Sind  Er- 
fahrung, Beobachtung  und  Analogie  in  der  Tat  die 
einzigen  Führer,  denen  wir  vernünftigerweise  bei  Ab- 
leitungen dieser  Art  folgen  dürfen,  so  müssen  beide, 
Wirkung  wie  Ursache,  Gleichartigkeit  und  Ähnlichkeit 
mit  anderen  Wirkungen  und  Ursachen  zeigen,  die  wir 
kennen  und  die  wir  in  vielen  Fällen  im  Zusammenhang 
miteinander  gefunden  haben.  Ich  überlasse  es  deiner 
eigenen  Überlegung,  den  Folgen  aus  diesem  Prinzip 
nachzugehen.  Ich  will  nur  bemerken:  wenn  die  Gegner 
Epikurs  stets  annehmen,  daß  das  Weltall  als  eine 
ganz  einzigartige  und  unvergleichliche  Wirkung  ein 
Beweis  für  eine  Gottheit  als  eine  nicht  minder  einzig- 


174 


Blfter  Abiohuitt 


artige  und  unvergleichliche  Ursache  sei,  so  scheinen 
deine  Gedankengänge  unter  dieser  Voraussetzung 
wenigstens  unsre  Au£nerksamkeit  zu  verdienen.  Es  be- 
steht allerdings  eine  Schwierigkeit  in  der  Art,  wie  wir 
jemals  von  der  Ursache  rückwärts  zur  Wirkung  ge- 
langen und  wie  wir  ausgehend  von  unseren  Vor- 
stellungen über  die  erstere  eine  Veränderung  oder 
einen  Zuwachs  an  der  letzteren  sollten  ableiten  können. 


m 


Zwölfter  Al)schnitt. 

Ober  die  akademische  oder  skeptische 

Philosophie. 


I '' 

1  i 


Erster  Teil. 

Kein  Gegenstand  hat  mehr  philosophische  Ge- 
dankengänge angeregt,  als  der  Beweis  für  das  Dasein 
einer  Gottheit  und  die  Widerlegung  der  Trugschlüsse 
der  Atheisten;  und  doch  streiten  die  frömmsten 
Philosophen  noch  immer  darüber,  ob  irgend  jemand 
verblendet  genug  sein  könne,  aus  spekulativen  Gründen 
zum  Atheisten  zu  werden.  Wie  sollen  wir  diese  Wider- 
sprüche versöhnen?  Die  fahrenden  Ritter,  welche  um- 
herzogen, um  die  Welt  von  Drachen  und  Riesen  zu 
säubern,  hegten  nie  den  geringsten  Zweifel  an  der 
Existenz  dieser  Ungeheuer. 

Ein  anderer  Feind  der  Religion  ist  der  Skep- 
tiker, der  naturgemäß  die  Entrüstung  aller  Gottes- 
gelehrten und  aller  ernsteren  Philosophen  heraus- 
fordert; und  dennoch  ist  gewiß  noch  niemand  einem 
so  verdrehten  Geschöpf  begegnet,  noch  mit  jemandem 
umgegangen,  der  auf  keinem  Gebiet  der  Praxis  wie 
d^r  Theorie  irgend  eine  Meinung  oder  ein  Prinzip 
besaß.  Dies  führt  begreiflicherweise  zu  der  Fraee: 
was  versteht  man  unter  einem  Skeptiker?  Und  ois 
zu  welchem  Punkte  lassen  sich  die  philosophischen 
Prinzipien  des  Zweifels  una  der  Ungewißheit  treiben? 

Es  gibt  eine  Art  des  Skeptizismus,  die  aller 
Forschung  und  Philosophie  vorangeht,  und  die  von 
Descartes  und  anderen  als  ein  hervorragendes  Schutzr 
mittel  gegen  Irrtümer  und  voreilige  Urteile  sehr  ge- 
priesen wird.  Sie  empfiehlt  uns  einen  allgemeinen 
Zweifel  nicht  nur  an  all  unseren  früheren  Meinungen 


1 


I 


176 


Zwölfter  Abschnitt. 


und  Prinzipien,  sondern  auch  an  unseren,  eigenen 
Fähigkeiten,  von  deren  Wahrhaftigkeit,  sagt  man, 
wir  uns  durch  eine  Kette  von  Denkakten  erst  über- 
zeugen müssen,  die  wir  aus  einem  ursprünglichen 
Prinzip  gewinnen,  das  uns  unmöglich  täuschen  oder 
trügen  kann.  Aber  weder  gibt  es  ein  solch  ursprüng- 
liches Prinzip,  das  anderen  gegenüber,  die  von  selbst 
einleuchtend  und  überzeugend  sind,  den  Vorrang  be- 
saiJe,  noch  könnten  wir,  wenn  es  ein  solches  gäbe, 
einen  Schritt  über  es  hinaus  tun  ohne  den  Gebrauch 
eben  der  Fähigkeiten,  denen  wir  doch  bereits  miß- 
trauen wollten.  Der  cartesianische  Zweifel  also,  wäre 
er  einem  menschlichen  Wesen  zu  erreichen  möglich 
(was  er  ersichtlich  nicht  ist),  würde  vollkommen  un- 
heilbar sein;  keine  Vernumfttatigkeit  könnte  uns  je 
einen  Zustand  der  Sicherheit  und  Überzeugung  über 
irgend  einen  Gegenstand  verschaffen. 

Dennoch  muß  zugegeben  werden,  daß  diese  Art 
des  Skeptizismus  in  gemäßigter  Form  in  einem  sehr 
vernünftigen  Sinne  aufgefaßt  werden  kann,  und  eine 
notwendige  Vorbereitung  für  das  Studium  der  Philo- 
sophie bedeutet.  Denn  sie  bewahrt  uns  eine  ange- 
messene Unparteilichkeit  im  Urteil  und  entwöhnt 
unseren  Geist  von  all  jenen  Vorurteilen,  die  wir  mit 
der  Erziehung  oder  durch  übereilte  Ansichten  ein- 
gesogen haben.  Mit  klaren  und  von  selbst  einleuch- 
tenden Prinzipien  zu  beginnen,  mit  behutsamen  und 
sicheren  Schritten  vorzugehen,  immer  wieder  unsere 
Schlüsse  von  neuem  nachzuprüfen  und  genau  all 
ihre  Folgerungen  zu  erwägen  —  sollten  wir  auch  auf 
diesem  Wege  nur  langsam  und  wenig  in  unseren 
Systembildungen  vorwärtskommen  —  das  sind  die  ein- 
zigen Methoden,  nach  denen  wir  je  die  Wahrheit  zu 
erreichen  hoffen  können  und  eine  angemessene  Festig- 
keit und  Gewißheit  unserer  Begriffsbestimmungen  zu 
gewinnen. 

Eine  andere  Art  des  Skeptizismus,  welche  der 
Wissenschaft  und  Forschung  nachfolgt,  entsteht 
dor^  wo  man  angeblich  entdeckt  hat,  daß  die  geistigen 
Fähigkeiten  entweder  völlig  trügerisch  sind  oder  un- 
geeignet zur  Erreichung  einer  bestimmten  Ent- 
scheidung in  all  jenen  fesselnden   lYagen  der  Spe- 


über  die  akademische  oder  skeptische  Philosophie.     177 

kulation,  auf  die  sie  gewöhnlich  angewandt  werden. 
Unsere  Sinne  selbst  werden  von  einer  bestimmten 
philosophischen  Richtung  in  den  Streit  gezogen  und 
die  Grundsätze  des  täglichen  Lebens  demselben  Zweifel 
unterworfen  wie  die  tiefsten  Prinzipien  und  Schluß- 
folgerungen der  Metaphysik  und  Theologie.  Da  diese 
paradoxen  Thesen  (wenn  anders  sie  Thesen  genannt 
werden  dürfen)  sich  bei  einigen  Philosophen  vor- 
finden und  ihre  Widerlegung  bei  mehreren,  so  er- 
regen sie  naturgemäß  unsere  Wißbegierde  und  lassen 
uns  nach  den  Begründungen  forschen,  auf  die  sie  sich 
stützen  mögen. 

Ich  will  nicht  bei  den  geläufigen  Beispielen  ver- 
weilen, die  von  den  Skeptikern  aller  Zeiten  gegen  die 
Evidenz  der  Sinne  geltend  gemacht  worden  sind; 
wie  jene,  die  aus  der  Unvollkommenheit  und  der 
trügerischen  Beschaffenheit  unserer  Organe  ent- 
sprungen, bei  zahllosen  Grelegenheiten  auftreten:  so 
das  im  Wasser  scheinbar  gebrochene  Ruder,  das 
wechselnde  Aussehen  der  Gegenstände  je  nach  den 
verschiedenen  Entfernungen,  die  Doppelbilder,  die  vom 
Druck  auf  ein  Auge  entstehen,  und  viele  anderen 
Erscheinungen  .'derselben  Art  Diese  Beispiele  der 
Skeptiker  genügen  in  der  Tat  nur  zum  Beweis,  daß 
auf  die  Sinne  allein  kein  unbedingter  Verlaß  *ist, 
sondern  daß  wir  ihre  Aussage  durch  die  Vernunft 
und  durch  Betrachtungen  richtigstellen  müssen,  die  sich 
aus  der  Natur  des  Mediums,  der  Entfernung  des  Gegen- 
standes, der  Verfassung  des  Organs  ergeben,  um 
die  Sinne  innerhalb  ihres  Bereichs  zu  geeigneten  Kri- 
terien der  Wahrheit  und  Falschheit  zu  machen.  Es 
gibt  andere,  tiefere  Einwände  gegen  die  Sinne,  die 
keine  so  leichte  Lösung  gestatten. 

Es  scheint  offenbar,  daß  die  Menschen  durch 
einen  natürlichen  Instinkt  oder  eine  Voreingenommen- 
heit dazu  getrieben  werden,  Vertrauen  in  ihre  Sinne 
zu  setzen,  und  daß  wir  ohne  Vernunfttätigkeit, 
je  selbst  fast  vor  dem  Gebrauch  der  Vernunft,  immer 
schon  eine  Außenwelt  annehmen,  die  nicht  von  unserer 
Auffassung  abhängt,  sondern  auch  existieren  würde, 
wenn  wir  und  jedes  bewußte  Geschöpf  abwesend  oder 
vernichtet  wären.  Selbst  das  Tierreich  wird  von  einer 


H  a  m  e ,  Untannohgr.  üb.  d.  mentelü.  Verstand. 


12 


i 


178 


Zwölfter  Abschnitt. 


gleichen  Anschauung  beherrscht  und  bewahrt  diesen 
Glauben  an  äußere  Gegenstände  in  all  seinen  Ge- 
danken, Zwecken  und  Handlungen. 

Ebenso  scheint  es  offenbar,  daß  die  Menschen, 
wenn  sie  diesem  blinden  und  mächtigen  Naturinstinkt 
folgen,  stets  annehmen,  die  von  den  Sinnen  vor  sie  hin- 
gestellten Bilder  selbst  seien  die  äußeren  Gegenstände, 
und  niemals  irgendwie  Verdacht  schöpfen,  daß  die 
einen  nur  Vertreter  der  anderen  seien.  Sie  glauben, 
daß  diser  Tisch  selbst,  den  wir  als  weiß  sehen  und 
als  hart  empfinden,  unabhängig  von  unserer  Auffas- 
sung existiert  und  etwas  außerhalb  unseres  Geistes  ist,» 
der  ihn  auffaßt  Unsere  Gegenwart  verleiht  ihm  nicht 
das  Dasein,  unsere  Abwesenheit  vernichtet  ihn  nicht 
Er  behält  seine  gleichförmige  und  vollkommene 
Existenz,  unabhängig  von  der  Stellung  vernünftiger 
Wesen,  die  ihn  aufiassen  oder  betrachten. 

Aber  diese  allgemeine  und  ursprüngliche  Meinung 
aller  Menschen  wird  durch  den  leisesten  Anflug  von 
Philosophie  bald  zerstört,  die  uns  lehrt,  daß  nichts 
je  dem  Geiste  gegenwärtig  sein  kann  als  nur  ein  Bild 
oder  eine  Auffassung,  daß  die  Sinne  nur  die  Einlaß- 
pforten sind,  durch  welche  diese  Bilder  übermittelt  wer- 
den, und  daß  sie  nicht  imstande  sind,  einen  unmittel- 
baren Verkehr  zwischen  dem  Geiste  und  dem  Gegenstand 
zu  bewirken.  Der  Tisch,  den  wir  sehen,  scheint  kleiner 
zu  werden,  wenn  wir  uns  von  ihm  entfernen;  der 
wirkliche  Tisch  dagegen,  der  unabhängig  von  uns 
existiert,  erleidet  keine  Veränderung.  &  war  daher 
nur  sein  Bild,  das  dem  Geiste  gegenwärtig  war.  Dies 
sind  die  klaren  gebieterischen  Aussagen  der  Vernunft, 
und  kein  Besonnener  hat  je.  daran  gezweifelt,  daß 
die  Daseinsformen,  die  wir  im  Auge  haben,  wenn  wir 
sagen,  dieses  Haus  und  jener  Baum,  nur  Auf- 
fassungen in  unserem  Geiste  sind  und  schwankende 
Abbilder  oder  Vertreter  anderer  Daseinsformen,  die 
sich  gleich  und  selbständig  bleiben. 

Insoweit  sind  wir  also  durch  Vernunfttätigkeit 
genötigt,  den  ursprünglichen  Naturinstinkten  zu  wider- 
sprechen oder  von  ihnen  abzuweichen  und  uns  eine 
neue  Anschauung  über  die  Aussage  unserer  Sinne 
zu  bilden.    Hier  aber   befindet   sich  die  Philosophie 


Ober  die  akademische  oder  skeptische  Philosophie.     17  9 

in  größter  Verlegenheit,  wenn  es  gilt,  diese  neue  An- 
schauung zu  rechtfertigen  und  den  verfänglichen  Ein- 
würfen der  Skeptiker  zu  entgehen.  Auf  den  unfehl- 
baren und  unwiderstehlichen  Naturinstinkt  kann  sie 
sich  nicht  mehr  berufen:  denn  dieser  führte  uns  zu  einer 
ganz  anderen  Anschauung,  die  wir  als  dem  Irrtum 
unterworfen,  ja  als  irrtümlich  erkannten.  Diese  angeb- 
lich philosophische  Anschauung  aber  durch  eine  Reihe 
klarer  und  überzeugender  Begründungen  oder  auch  nur 
durch  den  Schein  einer  Begründung  zu  rechtfertigen, 
übersteigt  die  Leistungsfähigkeit  jedes  menschlichen 
Vermögens. 

Durch  welche  Begründung  läßt  sich  beweisen, 
daß  die  Auffassungen  des  Geistes  durch  äußere  Gegen- 
stände verursacht  sein  müssen,  die  von  ihnen  ganz 
verschieden,  ihnen  doch  ähnlich  sind  (wenn  anders 
das  möglich  ist),  und  daß  sie  nicht  aus  der  Energie 
des  Geistes  selbst  entspringen  könnten,  oder  aus  der 
Eingebung  irgend  eines  unsichtbaren  und  unbekannten 
Geistes  oder  aus  einer  uns  noch  weniger  bekannten 
Ursache  sonst?  Es  wird  nicht  bestritten,  daß  in  der 
Tat  viele  dieser  Auffassungen  nicht  von  einem  äußeren 
Gegenstand  herrühren,  wie  es  beim  Traum,  beim 
Wahnsinn  und  anderen  krankhaften  Zuständen  vor- 
kommt Auch  ist  nichts  so  unerklärlich  wie  die  Art, 
in  der  ein  Körper  so  auf  den  Geist  wirken  sollte,  daß 
er  je  ein  Bild  seiner  selbst  auf  eine  Substanz  über- 
tragen könnte,  deren  Natur  für  so  andersartig,  ja 
ihm  widerstreitend  gilt. 

Es  ist  eine  Tatsachenfrage,  ob  die  Auffassungen 
der  Sinne  durch  äußere  Gegenstände  erzeugt  werden, 
die  ihnen  ähneln;  wie  soll  diese  Frage  entschieden 
werden?  Sicherlich  durch  Erfahrung,  wie  alle  anderen 
Fragen  gleicher  Art  Aber  hier  schweigt  die  Er- 
fahrung völlig  und  muß  es  tun.  Dem  Geiste  ist  nie 
etwas  anderes  gegenwärtig  als  Auffassungen,  und 
er  kann  unmöglich  eine  Erfahrung  über  Sire  Ver- 
knüpfung mit  Gegenständen  gewinnen.  Daher  ist  die 
Annahme  einer  solchen  Verknüpfung  ohne  jede  Grund- 
lage in  der  Vernunfttätigkeit 

Zu  der  Wahrhaftigkeit  des  höchsten  Wesens  seine 
Zuflucht  nehmen,  um  die  Wahriiaftigkeit  unserer  Sinne 

la* 


180 


Zwölfter  Abichnitt 


2ni  beweisen,  heißt  sicherlich  einen  sehr  unerwarteten 
Kreis  beschreiben.  Ware  seine  Wahrhaftigkeit  über- 
haupt bei  dieser  Sache  beteiligt,  so  würden  unsere 
Sinne  ganz  untrüglich  sein,  denn  es  kann  unmöglich 
iemals  täuschen.  Ganz  abgesehen  davon,  daß  wir  m 
Verlegenheit  wären,  stellen  wir  einmal  die  Außenwelt 
in  Frage,  Begründungen  zu  finden,  durch  die  wir  das 
Dasein  dieses  Wesens  oder  eines  seiner  Attribute  be- 
weisen könnten.  ,.    x.-  * 

Daher  ist  dies  ein  Gebiet,  auf  dem  die  tieferen 
und  mehr  phüosophischen  Skeptiker  stets  triumphieren 
werden,  wenn  sie  einen  allgemeinen  Zweifel  über  alle 
Gegenßlände  des  menschlichen  Wissens  und  Forschens 
eiiSühren  wollen.    Sie  dürfen  sagen:  Folgt  ihr  den 
natürlichen  Instinkten  und  Neigungen,  mdem  ihr  die 
Wahrhaftigkeit  der  Sinne  aufrecht  erhaltet?  Aber  das 
führt  euch  zu  dem  Glauben,  daß  die  Auffassung  oder 
das  sinnliche  Bild  selbst  der  äußere  Gegenstand  ist 
Verleugnest  du  dies  Prinzip,  um  dich  zu  der  meto 
vernunftgemäßfen  Ansicht  zu  bekennen,  daß  die  Auf- 
fassungen nur  Vertreter  von  einem  äußeren  Etwas 
sind?      Hier    weichst    du    von    deinen    natürlichen 
Neigungen  und  klareren  Gefühlen  ab  und  bist  doch 
nicht  imstande,  deiner  Vernunft  Genüge  zu  tun,  die 
niemals  eine  überzeugende  Begründung  aus  der  Er- 
fahrung finden  kann,  um  die  Verknüpfung  der  Auf- 
fassungen  mit  äußeren   Gegenständen   zu   beweisen. 
Es  gibt  noch  einen  anderen  skeptischen  Gesichts- 
punkt gleicher  Art,  der  aus  sehr  tiefen  philosophischen 
Betrachtungen    stammt   und   unsere    Aufmerksamkeit 
verdienen  müßte,  wenn  es  erforderlich  wäre,  so  tief 
zu   graben,    um   Begründungen   und   Gedankengänge 
zu    entdecken,    die    ernsthaften    Zwecken    doch    so 
wenig  dienen   können.    Es  wird  von   neueren   For- 
schern  allgemein    zugestanden,    daß    alle   sinnlichen 
Eigenschaften  der  Gegenstände,  wie  Härte,  Weichheit, 
Hitze,  Kälte,  Weiße,  Schwärze  usw.  nur  von  zweiter 
Ordnung  sind  und  nicht  in  den  Gegenständen  selbst 
existieren,    sondern   Auffassungen   des   Geistes    be- 
deuten, ohne  irgend  ein  äußeres  Urbild  oder  Muster, 
das  sie  vertreten.    Wird  dies  für  die  Eigenschaften 
zweiter  Ordnung  eingeräumt,  so  muß  es  auch  für  die 


Über  die  akademische  oder  ekeptisohe  Phüoiophie.     181 

angeblichen  Eigenschaften  erster  Ordnung,  für  Aus- 
dehnung und  Festigkeit  folgen,  und  letztere  können 
nicht  mehr  Recht  a5  die  Benennung  haben  als  erstere. 
Die  Vorstellung  der  Ausdehnung  wird  einzig  durch 
die  Sinne  des  Gesichts  und  Getasts  gewonnen,  und 
wenn  alle  sinnlich  aufgefaßten  Eigenschaften  im  Geist, 
nicht  im  Gegenstand  sein  sollen,  so  muß  die  gleiche 
Schlußfolgerung  auch  für  die  Vorstellung  der  Aus- 
dehnung gelten,  die  völlig  von  den  sinnlichen  Vor- 
stellungen oder  den  Vorstellungen  der  Eigenschaften 
zweiter  Ordnung  abhängt.  Nichts  kann  uns  vor  dieser 
Schlußfolgerung  bewa&en,  als  die  Behauptung,  daß 
die  Vorstellungen  jener  Eigenschaften  erster  Ord- 
nung durch  Abstraktion  gewonnen  werden;  eine 
Ansicht,  die  sich  bei  genauer  Prüfung  als  unver- 
ständlich, ja  widersinnig  herausstellt  Eine  Ausdeh- 
nung, die  weder  tastbar  noch  sichtbar  ist,  kann  un- 
möglich vorgestellt  werden,  und  eine  tastbare  oder 
sichtbare  Ausdehnung,  die  weder  hart  noch  weich, 
weder  schwarz  noch  weiß  ist,  liegt  gleichfalls  außer- 
halb des  Bereichs  menschlicher  Vorstellungskraft.  Es 
versuche  jemand,  sich  ein  Dreieck  im  allgemeinen  vor- 
zustellen, das  weder  gleichseitig  noch  ungleichseitig 
ist,  das  weder  in  der  Länge  noch  in  dem  Verhältnis  der 
Seiten  bestimmt  ist,  und  er  wird  bald  den  Widersinn 
aller  scholastischen  Begriffe  über  Abstraktion  und 
allgemeine   Vorstellungen   bemerken.  ^) 

So  besteht  der  erste  philosophische  Einwurf  gegen 
die  Aussage  der  Sinne  oder  die  Annahme  einer  äußeren 


*)  Diese  Begründung  stammt  von  Dr.  Berkeley;  in 
der  Tat  bilden  die  meisten  Schriften  jenes  hochbegabten 
Verfassers  die  beste  Anleitung  znm  Skeptizismus,  die  sich 
bei  alten  und  neuen  Philosophen,  selbst  Bayle  nicht  ausgenom- 
men, finden  läßt.  Er  erklärt  deßungeachtet  auf  dem  Titelblatt 
(und  zweifellos  vollkommen  aufrichtig),  daß  er  sein  Buch 
sowohl  gegen  Skeptiker  als  gegen  Atheisten  und  Freidenker 
gerichtet  habe.  Daß  aber  all  seine  Begründungen  trotz 
ihrer  anderen  Absicht  in  Wirklichkeit  rein  skeptischer  Natur 
sind,  erhellt  daraus,  daß  sie  keine  Antwort  gestatten 
und  keine  Oberzeugung  hervorrufen.  Ihre  einzige 
Wirkung  ist  die  Erzeugung  jenes  verblüfften  Staunens,  jener 


182 


Zwölfter  Abschnitt. 


Existenz  darin,  daß  solche  Annahme,  wenn  sie  sich 
auf  den  Naturinstinkt  stützt,  der  Vernunft  wider- 
streitet, und  wenn  sie  sich  auf  die  Vernunft  beruft, 
dem  Naturinstinkt  widerstreitet  und  doch  gleichzeitig 
keine  Evidenz  für  die  Vernunft  besitzt,  die  einen 
unparteiischen  Forscher  zu  überzeugen  taugte.  Der 
zweite  Einwurf  geht  weiter  und  zeigt,  daß  diese  An- 
nahme der  Vernunft  sogar  widerstreitet,  wenigstens  wenn 
es  ein  Prinzip  der  Vernunft  ist,  daß  alle  sinnlichen  Eigen- 
schaften im  Geist  und  nicht  im  Gegenstand  sich  be- 
finden. Beraubt  man  aber  die  Materie  aller  ihrer  faß- 
baren Eigenschaften  erster  sowohl  wie  zweiter  Ord- 
nung, so  vernichtet  man  sie  eigentlich  und  behält 
nur  ein  gewisses  unbekanntes,  unerklärliches  Etwas 
zurück  als  Ursache  unserer  Auffassungen,  einen  so 
unvollkommenen  Begriff,  daß  kein  Skeptiker  ihn  des 
Streites  wert  erachten  wird.^) 


Zweiter  Teil. 

Der  Versuch  der  Skeptiker,  die  Vernunft  durch 
Begründungen  und  Vernunfterwägungen  zu  ver- 
nichten, mag  recht  gewagt  ersc"heinen;  und  doch  ist 
dies  das  große  Ziel  all  ihrer  Forschungen  und  Streitig- 
keiten. Sie  suchen  nach  Einwürfen  sowohl  gegen 
unsere  abstrakten  Denkakte  als  gegen  diejenigen, 
welche  Tatsachen  und  Dasein  betreffen. 

Der  Haupteinwand  gegen  alle  abstrakten  Denk- 
akte entnimmt  sich  den  Vorstellungen  des  Raumes 
und  der  Zeit;  Vorstellungen,  die  im  täglichen  Lieben 
und  für  eine  achtlose  Betrachtung  sehr  klar  und 
verständlich  sind,  die  aber  dort,  wo  sie  der  gründ- 
lichen Untersuchung  der  tieferen  Wissenschaften 
unterliegen  (und  sie  sind  der  Hauptgegenstand  dieser 
Wissenschaften),  zu  Prinzipien  führen,  die  durchaus 
verkehrt  und  widerspruchsvoll  erscheinen.  Kein  Dogma 


Unentschlossenheit  und  Verwirrung,    die  das  Ergebnis  des 
Skeptizismas  ist. 

*)  Dieser  Satz  wurde  in  Ausgabe  R  hinzugefügt. 


Ober  die  akademische  oder  skeptische  Philosophie.     183 

der  Priester,  zur  Bändigung  und  Unterjochung  der 
aufsässigen  Vernunft  des  Menschen  erfunden,  hat  je 
den  gesunden  Verstand  mehr  verletzt,  als  die  Lehre 
von  der  unendlichen  Teilbarkeit  der  Ausdehnung  mit 
ihren  Folgerungen,  wie  sie  von  allen  Geometern  und 
Metaphysiken!  mit  einer  Art  von  triumphierendem 
Frohlocken  pomphaft  entwickelt  werden.  Eine  wirk- 
liche Größe,  die  unendlich  kleiner  ist  als  jede  endliche 
Größe  und  die  Größen  enthält,  welche  unendlich 
kleiner  sind  als  sie  selbst,  und  so  ins  Unendliche  fort 
—  ein  so  kühner  und  wunderbarer  Bau  wiegt  zu  schwer, 
als  daß  eine  Demonstration  sich  anmaßen  dürfte, 
ihn  tragen  zu  können,  denn  er  verletzt  die  klarsten 
und  natürlichsten  Prinzipien  der  menschlichen  Ver- 
nunft^) Die  Sache  wird  aber  dadurch  noch  merk- 
würdiger, daß  diese  scheinbar  widersinnigen  Ansichten 
von  einer  Reihe  der  klarsten  und  natürlichsten  Ge- 
dankengänge gestützt  werden;  wir  können  auch  unmög- 
lich die  Vordersätze  zugeben,  ohne  den  Folgerungen 
beizustimmen.  Was  könnte  uns  mehr  einleuchten  und 
zufriedenstellen,  als  all  die  Schlüsse  über  die  Eigen- 
schaften der  Kreise  und  Dreiecke;  und  doch,  sind  diese 
einmal  angenommen,  wie  läßt  sich  leugnen,  daß  der 
Berührungswinkel  zwischen  einem  Kreis  und  seiner 
Tangente  unendlich  kleiner  ist  als  jeder  rechte  Winkel, 
daß  man  durch  Vergrößerung  des  Kreisdurchmessers 
ins  Unendliche  die  Verkleinerung  dieses  Berührungs- 
winkels, und  zwar  ohne  Ende,  bewirken  kann,  daß  der 


^)  Wie  sehr  die  mathematischen  Punkte  auch  umstritten 
sein  mögen,  so  müssen  wir  doch  zugeben,  daß  es  physische 
Punkte  gibt,  d.  h.  Teile  der  Ausdehnung,  die  weder  durch 
die  Gesichtswahrnehmung  noch  durch  die  Einbildungskraft 
geteilt  oder  vermindert  werden  können.  Diese  der  Phantasie 
oder  den  Sinnen  gegenwärtigen  Bilder  sind  also  vollkommen 
unteilbar,  und  folglich  müssen  sie  die  Mathematiker  für 
unendlich  kleiner  gelten  lassen  als  irgend  einen  wirklichen 
Teil  der  Ausdehnung.  Und  doch  scheint  der  Vernunft  nichts 
80  gewiß  zu  sein,  wie  daß  eine  unendliche  Anzahl  von  ihnen 
durch  Zusammensetzung  eine  unendliche  Ausdehnung  ergibt. 
Um  wie  viel  mehr  muß  dies  bei  einer  unendlichen  Zahl 
jener  unendlich  kleinen  Teile  der  Ausdehnung  der  Fall  sein, 
die  selbst  noch  für  unendlich  teilbar  gelten. 


184 


Zwölfter  Abiehoitt. 


Berührongswinkel  zwischen  anderen  Kurven  and  ihren 
Tangenten  unendlich  kleiner  sein  kann  als  diejenigen 
zwischen  jedem  iCreis  und  seiner  Tangente,  und  so 
ins  Unendliche  fort?  Die  Demonstration  für  diese 
Prinzipien  scheint  so  zwingend  wie  jener  Nachweis, 
daß  die  drei  Winkel  im  Dreieck  gleich  zwei  Rechten 
sind;  und  doch  ist  die  eine  Anschauung  so  natürlich 
und  bequem,  die  andere  beladen  mit  Widerspruch  und 
Verkehrtheit.  Die  Vernunft  scheint  hier  in  eine  Art 
Verblüffung  und  Beklemmung  versetzt,  die  sie  auch 
ohne  die  Eingebungen  eines  Skeptikers  an  sich  selbst 
und  an  dem  Boden  unter  ihren  Füßen  irre  macht.  Sie 
sieht  ein  helles  Licht,  das  gewisse  Stellen  erleuchtet; 
aber  dies  Licht  grenzt  an  die  tiefste  Dunkelheit 
Zwischen  beiden  steht  sie  so  geblendet  und  verwirrt, 
daß  sie  sich  kaum  noch  mit  Gewißheit  und  Sicherheit 
über  irgend  einen  Gegenstand  äußern  kann. 

Der  Widersinn  dieser  kühnen  Begriffsbildungen 
der  abstrakten  Wissenschaften  wird,  wenn  möglich, 
noch  greifbarer,  wenn  wir  statt  der  Ausdehnung  die 
Zeit  betrachten.  Eine  unendliche  Zahl  wirklicher  Zeilr 
teile,  die  einander  folgen  und  einer  nach  dem  anderen 
vergehen,  scheint  ein  so  offenbarer  Widerspruch  zu 
sein,  daß  man  wohl  keinem,  dessen  Urteil  durch  die 
Wissenschaften  nicht  verdorben,  anstatt  verbessert 
worden  ist,  zutrauen  sollte,  ihn  anzunehmen. 

Dennoch  kann  die  Vernunft  auch  mit  diesem  Skep- 
tizismus sich  nicht  beruhigen  und  begnügen,  in  den 
sie  durch  jene  scheinbaren  Verkehrtheiten  und  Wider- 
sprüche getrieben  worden  ist.  Wie  irgend  eine  klare, 
deutliche  Vorstellung  Bestandteile  enthalten  kann,  die 
ihr  selbst  oder  irgend  einer  anderen  klaren,  deutlichen 
Vorstellung  widersprechen,  ist  vollkommen  unbegreif- 
lich und  vielleicht  läßt  sich  keine  widersinnigere  Be- 
hauptung erdenken.  Daher  kann  gar  nichts  skep- 
tischer sein  oder  reicher  an  Zweifel  und  Unentschieden- 
heit,  als  dieser  Skeptizismus  selbst,  der  aus  einigen 
der  paradoxen  Schlußfolgerungen  der  Geometrie  und 
Größenlehre  entspringt.^) 


')  Es  scheint  mir  nicht  unmöglich,  diese  Verkehrtheiten 
und  Widersprüche   durch   das  Zugeständnis   zu  yermeiden, 


tTbrnr  die  akademische  oder  skeptisohe  Philosophie.     185 

Die  skeptischen  Einwürfe  gegen  die  moralisch- 
gewisse  Evidenz  oder  gegen  die  Denkakte  über  Tat- 
sachen sind  entweder  populär  oder  philosophisch. 
Die  populären  Einwürfe  sind  von  der  natürlichen 
Schwäche  des  menschlichen  Verstandes  hergenommen, 
von  den  widersprechenden  Meinungen,  die  verschiedene 


daß  es  so  etwas  wie  abstrakte  und  allgemeine  Vorstellungen 
im  eigentlichen  Sinne  nicht  gfibt,  sondern  daß  alle  allgemeinen 
Vorstellungen    in     Wirklichkeit    Einzelvorstellungen    sind, 
einem  allgemeinen  Namen  zugeordnet,   der  bei  Gelegenheit 
andere    Einzelvorstellungen    wachruft,    die    in    bestimmten 
Merkmalen  der  dem  Geiste  gegenwärtigen  Vorstellung  ähn- 
lich  sind.     So   bilden   wir,   wenn  das  Wort  Pferd  ausge- 
sprochen wird,  uns  unmittelbar  die  Vorstellung  eines  schwarzen 
oder  weißen  Tieres  von  bestimmter  Größe  und  Gestalt;  da 
aber   dies   Wort  gewöhnlich  auch   auf  Tiere   von  anderer 
Farbe,    Gestalt   und  Größe   angewandt  wird,  so  sind  diese 
Vorstellungen,  obschon  der  Einbildung  im  Augenblick  nicht 
gegenwärtig,  leicht  wachzurufen,  und  unsere  Vernunfttätigkeit 
und  Schlußfolgerung  geht  in  der  gleichen  Weise  vor  sich,  wie 
wenn  sie  tatsächlich  gegenwärtig  wären.     Gibt  man  dies  zu 
(wie   es   vernünfbig   wäre),   so  folgt  daraus,    daß  alle  Vor- 
stellungen von  Größe,  mit  denen  die  Mathematiker  arbeiten, 
nur  Einzelvorstellungen  sind,  und  zwar  von  den  Sinnen  und 
der  Einbildungskraft  eingegebene,  die  also  nicht  ins  unendliche 
teilbar  sein  können.    (Ausgaben  E  und  F  fügen  ein:  Im  all- 
gemeinen dürfen  wir  behaupten,  daß  die  Vorstellungen  von 
größer,  kleiner  und  gleich,  welche  die  Hauptgegenstände 
der  Geometrie  bilden,  durchaus  nicht  genau  und  bestimmt 
genug  sind,  um  die  Grundlage  für  so  auffallende  Ableitungen 
zu  bilden.    Fragt  einen  Mathematiker,  was  er  meint,  wenn 
•r   zwei  Größen  für  gleich   erklärt,    so    muß    er   gestehen, 
daß  die  Vorstellung  der  Gleichheit  zu  den  undeünierbaren 
gehört,  und  daß  es  genügt,  zwei  gleiche  Größen  vor  jemand 
hinzustellen,  um  diese  Vorstellung  entstehen  zu  lassen.  Nun, 
dies  ist  eine  Berufung  auf   die   allgemeinen  Erscheinungs- 
weisen der  Dinge,  wie  sie  sich  der  Einbildungskraft  oder 
den  Sinnen  zeigen    und  kann  folglich  niemals  Schlußsätze 
abwerfen,  die  diesen  Vermögen  so  geradezu   widerstreiten.) 
Es  genügt  vorläufig  diese  Andeutung,  die  hier  nicht  weiter 
verfolgt  werden  soll.    Allen  Liebhabern    der  Wissenschaft 
liegt  gewiß  daran,  sich  durch  ihre  Schlüsse  nicht  dem  Ge- 
lächter und  der  Verachtung  der  Unwissenden  auszusetzen, 
und  so  scheint  mir  diese  Schwierigkeit  am  leichtesten  ge- 
löst zu  sein. 


186 


Zwölfter  Abschnitt. 


Zeiten  und  Völker  gehegt  haben,  dem  Schwanken  unseres 
Urteils  in  Krankheit  und  Gesundheit,  Jugend  und  Alter, 
Glück  und  Unglück,  dem  dauernden  Widerspruch  in 
jedes  einzelnen  Menschen  Meinungen  und  Ansichten 
und  vielen  derartigen  Fällen  mehr.  Es  ist  überflüssig, 
diesen  Punkt  eingehender  zu  behandeln;  dies  sind  nur 
schwache  Einwürfe.  Denn  da  wir  im  täglichen  Leben 
jederzeit  Denkakte  über  Tatsachen  und  Dasein  bilden 
und  unmöglich  leben  könnten,  ohne  diese  Art  der 
Begründung  dauernd  anzuwenden,  so  können  alle 
populären  Einwürfe,  die  aus  ihr  geschöpft  sind,  nicht 
genügen,  jene  Evidenz  zu  zerstören.  Der  große 
Gegner,  der  den  Pyrrhonismus  oder  die  über- 
triebenen Prinzipien  des  Skeptizismus  untergräbt,  heißt 
Tätigkeit,  Beschäftigung  und  die  Verrichtungen  des 
täglichen  Lebens.  In  den  Schulen  mögen  diese  Prin- 
zipien blühen  und  obsiegen;  dort  ist  es  freilich  schwer, 
wenn  nicht  unmöglich,  sie  zu  widerlegen.  Sobald  sie 
aber  aus  dem  Schatten  heraustreten  und  durch  die 
Gegenwart  der  wirklichen  Dinge,  die  unsere  Affekte 
und  Gefühle  in  Bewegung  setzen,  zu  den  mächtigeren 
Prinzipien  unserer  Natur  in  Gegensatz  geraten,  so 
vergehen  sie  wie  Rauch  und  lassen  den  entschiedensten 
Skeptiker  in  derselben  Lage  wie  andere  Sterbliche 
zurück. 

Der  Skeptiker  täte  daher  besser,  in.  seinem  eigenen 
Reich  zu  verbleiben  und  jene  philosophischen  Ein- 
würfe zu  entwickeln,  die  aus  tieferen  Untersuchungen 
entspringen.  Hier  scheint  sich  ihm  reichliche  Gelegen- 
heit des  Triumphes  zu  bieten,  wenn  er  mit  Recht  be- 
tont, daß  all  unsere  Evidenz  über  Tatsachen,  die  über 
das  Zeugnis  der  Sinne  oder  des  Gedächtnisses  hinaus- 
gehen, einzig  aus  der  Beziehung  von  Ursache  und 
Wirkung  stammt;  daß  wir  keine  andere  Vorstellung 
von  dieser  Beziehung  haben,  als  die  von  zwei  Gegen- 
ständen, die  häufig  im  Zusammenhang  standen; 
daß  wir  keine  Begründung  für  die  Überzeugung  be- 
sitzen, daß  Gegenstände,  die  in  unserer  Erfahrung 
häufig  im  Zusammenhang  standen,  in  anderen  Fällen 
ebenso  im  Zusammenhange  stehen  werden;  und  daß 
uns  nur  Gewohnheit  oder  ein  gewisser  Instinkt  unserer 
Natur  zu  dieser  Ableitung  verführt,   dem  zu  wider- 


tjber  die  akademische  oder  skeptische  Philosophie.     187 

stehen  es  in  der  Tat  schwer  ist,  der  aber,  wie  andere 
Instinkte,  täuschen  und  trügen  kann.  Solange  der 
Skeptiker  auf  diesen  Gebieten  verweilt,  zeigt  er  seine 
Stärke  oder  tatsächlich  vielmehr  seine  eigene  und 
unsere  Schwäche;  er  scheint  wenigstens  solange  alle 
Sicherheit  und  Überzeugung  zu  zerstören.  Diese  Be- 
gründungen könnten  noch  länger  ausgesponnen 
werden,  ließe  sich  nur  irgend  ein  dauernder  Nutzen 
oder  Vorteil  für  die  Gesellschaft  daraus  erwarten. 

Denn  darin  besteht  der  hauptsächliche  und  nieder- 
schlagendste Einwand  gegen  den  übertriebenen 
Skeptizismus,  «daß  kein  dauernder  Nutzen  aus  ihm  je- 
mals hervorgehen  kann,  so  lange  er  in  seiner  vollen 
Kraft  und  Stärke  verharrt.  Wir  brauchen  einen 
solchen  Skeptiker  bloß  zu  fragen:  Was  er  eigentlich 
wolle  und  mit  all  diesen  interessanten  Unter- 
suchungen bezwecke?  Er  gerät  dann  sofort  in 
Verlegenheit  und  weiß  keine  Antwort.  Ein  An- 
hänger des  Kopernikus  oder  Ptolemäus,  der  sein  be- 
sonderes astronomisches  System  verteidigt,  mag 
hoffen,  bei  seinen  Zuhörern  eine  Überzeugung  hervor- 
zurufen, die  auf  die  Dauer  bestehen  bleibt.  Ein 
Stoiker  oder  Epikuräer  entwickelt  Prinzipien,  die 
nicht  nur  sich  dauernder  Geltung  erfreuen  mögen, 
sondern  auch  auf  unser  Verhalten  und  Benehmen  ein- 
wirken. Aber  ein  Pyrrhoniker  kann  nicht  erwarten, 
daß  seine  Philosophie  irgend  einen  beständigen  Ein- 
fluß auf  unseren  Geist  ausüben,  oder  daß  dieser  Ein- 
fluß, wenn  sie  es  täte,  für  die  Gesellschaft  wohltätig 
sein  werde.  Er  muß  im  Gegenteil  zugeben,  wenn 
anders  er  überhaupt  etwas  zugeben  will,  daß  alles 
menschliche  Leben  untergehen  müßte,  wenn  seine 
Prinzipien  allgemein  und  auf  die  Dauer  zur  Herrschaft 
kämen.  Jede  Unterredung  und  jede  Handlung  würden 
sofort  aufhören  und  die  Menschen  in  einem  voll- 
kommenen Dämmerzustand  verharren,  bis  die  un- 
befriedigten Bedürfnisse  der  Natur  ihrem  elenden 
Dasein  ein  Ziel  setzten.  Ein  so  unglücklicher  Ausgang 
ist  allerdings  sehr  wenig  zu  fürchten.  Die  Natur  ist 
immer  stärker  als  alle  Prinzipien.  Wenn  auch  ein  Pyr- 
rhoniker sich  oder  andere  durch  seine  tiefsinnigen 
Gedankengänge  in  eine  augenblickliche  Verblüffung 


188 


Zwölfter  Absehnitt. 


nnd  Verwirrung  stürzen  mag,  so  wird  doch  das  erste  all- 
tägliche Erlebnis  seine  sämtlichen  Zweifel  und  Bedenken 
verjagen,  und  ihn,  was  Handeln  und  Forschen  angeht, 
mit  den  Philosophen  jeder  anderen  Sekte  oder  mit 
Leuten,  die  sich  niemals  um  philosophische  Unter-^ 
suchung  im  geringsten  gekümmert  haben,  vollkommen 
gleichstellen.  Erwacht  er  aus  seinem  Traume,  so  wird 
er  der  Erste  sein,  der  in  das  Gelächter  über  sich 
selbst  mit  einstimmt  und  gesteht,  daß  all  seine 
Einwürfe  bloß  zur  Unterhaltung  taugen  und  nur  die 
wunderliche  Lage  des  Menschen  zu  o&enbaren  dienen, 
der  handeln,  denken  und  glauben  muß,  wenn  er  auch 
nicht  imstande  ist,  durch  die  sorgsamste  Untersuchung 
über  die  Grundlagen  dieser  Tätigkeiten  befriedigende 
Aufldärung  zu  erlangen  oder  die  gegen  sie  erhobenen 
Einwürfe  zurückzuweisen. 


Dritter  TeU. 


Es  gibt  nun  freilich  einen  gemäßigteren  Skepti- 
zismus, nämlich  die  akademische  Philosophie,  der  so- 
wohl von  Dauer  als  von  Nutzen  sein  kann  und  sich  zum 
Teile  aus  diesem  Pyrrhonismus  oder  übertriebenen 
Skeptizismus  ergeben  mag,  wenn  dessen  zahllose  Zwei- 
fel durch  den  gesunden  Verstand  und  durch  Überlegung 
einigermaßen  berichtigt  werden.  Der  größere  Teil 
der  Menschen  ist  naturgemäß  zu  dogmatischen  Be- 
hauptungen geneigt;  da  er  die  Gegenstände  nur  von 
einer  Seite  sieht  und  keine  Vorstellung  von  irgend- 
welchen Begründungen  der  Gregenseite  hat,  so  wendet 
er  sich  unbesonnen  jenen  Prinzipien  zu,  auf  die  ihn 
seine  Neigung  verweist;  auch  kennt  er  keinerlei 
Nachsicht  für  die,  welche  entgegengesetzten  An- 
schauungen huldigen.  Das  Zögern  oder  Abwägen  be- 
unruhigt seinen  Verstand,  tritt  seinen  Affekten  e>nt- 
gegen  und  hemmt  sein  Handeln.  Er  ruht  daher  nicht, 
bis  er  einem  für  sich  so  unbequemen  Zustand 
entflieht,  und  meint,  durch  die  Heftigkeit  seiner 
Behauptungen  und  die  Hartnäckigkeit  seines  Glaubens 
sich  gar  nicht  weit  genug  davon  entfernen  zu  können. 


Ober  die  akademische  oder  ikeptische  Philoeophie.     189 

Würden  aber  diese  dogmatischen  Denker  sich  der 
sonderbaren  Schwächen  des  menschlichen  Verstandes 
selbst  in  seinem  vollkommensten  Zustande  und  m 
seinen  genauesten  und  besonnensten  Begriffsbestim- 
mungen bewußt  werden,  so  würde  eine  solche  Über- 
legung sie  mehr  Bescheidenheit  und  Zurückhaltung 
lehren  und  ihre  gute  Meinung  von  sich  selbst  sowie 
ihr  Vorurteil  gegen  die  Gegner  verringern.  Der  Un- 
gebildete sollte  auf  die  Gemütsverfassung  der  Ge- 
lehrten achten,  die  inmitten  aller  Vorteile,  welche  Ar- 
beit und  Überlegung  zeitigen,  gewöhnlich  in  ihre  Er- 
gebnisse doch  Mißtrauen  setzen;  wer  aber  unter  den  Ge- 
lehrten durch  seine  natürliche  Veranlagung  zu  Hochmut 
und  Hartnäckigkeit  neigt,  dem  wird  ein  leichter  Zu^tz 
von  Pyrrhonismus  seinen  Stolz  niederschlagen  durch  den 
Hinweis,  daß  die  geringen  Vorteile,  die  er  über  seine 
Genossen  etwa  errungen  hätte,  nur  unbeträchtlich  smd 
im  Vergleich  mit  der  allgemeinen  Ratlosigkeit  und 
Verwirrung,  die  der  menschlichen  Natur  anhaftet. 
Im  allgemeinen  sollte  ein  gewisser  Grad  von  Zweifel, 
Vorsicht  und  Bescheidenheit  bei  allen  Arten  von  Unter- 
suchungen und  Entscheidungen  den  folgerichtigen 
Denker  nie  verlassen.  . 

Eine  andere  Art  des  gemäßigten  Skeptizismus, 
die  der  Menschheit  von  Vorteil  sein  könnte  und  viel- 
leicht das  natürliche  Ergebnis  der  pyrrhonischen 
Zweifel  und  Bedenken  ist,  geht  auf  die  Einschränkung 
unserer  Forschung  auf  solche  Gegenstände,  die  sich 
für  die  engen  Fähigkeiten  des  menschlichen  Ver- 
standes am  besten  eignen.  Die  Einbildungskraft 
des  Menschen  ist  von  Natur  hochfliegend,  entzuckt 
sich  an  allem  Entlegenen  und  Außerordentlichen  und 
stürmt  ohne  Aufsicht  in  die  weitesten  Fernen  des 
Raumes  und  der  Zeit,  um  den  Gegenständen  aus  dem 
Wege  zu  gehen,  welche  Gewohnheit  ihr  allzu  vertraut 
gemacht  hat.  Eine  gerade  Urteilskraft  beobachtet 
die  gegenteilige  Methode,  vermeidet  alle  weit  und 
hoch  führenden  Untersuchungen,  beschränkt  sich 
auf  das  gewöhnliche  Leben  und  solche  Gebiete,  die 
im  täglichen  Handeln  und  in  der  Erfahrung  vorkommen 
und  überläßt  die  erhabenen  Vorwürfe  Dichtern  und 
Rednern    zur   Ausschmückung   oder   der   Kunst   der 


190 


Zwölfter  Abschnitt. 


Priester   und  Staatsmänner.    Uns  zu   einem  so  heil- 
samen Entschluß  zu  bewegen,  ist  nichts  so  dienlich, 
als  einmal  völlig  von  der  Kraft  des  pyrrhonischen 
Zweifels  durchdrungen  gewesen  zu  sein  und  von  der 
Unmöglichkeit,   durch  etwas  anderes  als   nur  durch 
die    starke  Macht   des  natürlichen    Instinkts   daraus 
befreit  zu  werden.   Wer  eine  Neigung  zur  Philosophie 
ha^  wurd  seine  Nachforschungen  fortsetzen,  denn  er 
bedenkt,  daß  neben  dem  unmittelbaren  Vergnügen,  das 
solche    Beschäftigung   begleitet,    philosophische   Ent- 
scheidungen weiter  nichts  sind  als  die  in  Regeln  ge- 
brachten und  berichtigten  Überlegungen  des  täglichen 
Lebens.  Aber  sie  werden  sich  nie  versucht  fühlen,  über 
das  gewöhnliche  Leben  hinauszugehen,  solange  sie  die 
Unvollkommenheit  jener  Fähigkeiten  im  Auge  behalten, 
mit  denen  sie  arbeiten,  deren  engen  Bereich  und  unge- 
naue Leistungen.  Solange  wir  nicht  einen  befriedigenden 
Grund  angeben  können,  warum  wir  nach  tausend  Er- 
fahrungstatsachen glauben,  daß  ein  Stein  fallen  oder 
das  Feuer  brennen  wird  —  können  wir  uns  da  mit 
irgend  einer  bestimmten  Anschauung  zufrieden  geben 
die  wir  über  den  Ursprung  der  Welten  und  den  Zustand 
der  Natur  von  Ewigkeit  zu  Ewigkeit  bilden  mögen? 

Diese  enge  Begrenzung  unserer  Untersuchungen 
ist  m  der  Tat  in  jeder  Hinsicht  so  vernunftgemäß, 
daß,  um  sie  uns  zu  empfehlen,  schon  die  oberfläch- 
lichste Prüfung  der  natürlichen  Kräfte  des  mensch- 
lichen Geistes  und  deren  Vergleichung  mit  ihren 
Gegenständen  genügt.  Wir  werden  dann  finden 
welches  die  geeigneten  Gebiete  der  Wissenschaft  und 
Forschung  sind. 

Mir  scheint,  daß  die  einzigen  Gegenstände  der 
abstrakten  Wissenschaften  oder  der  Demonstration 
Große  und  Zahl  sind,  und  daß  alle  Versuche,  diese 
vollkommeneren  Wissensarten  über  diese  Grenzen 
hmaus  zu  erstrecken,  nur  Blendwerk  und  Täuschung 
bedeuten.  Da  die  Bestandteile  von  Größe  und  Zahl 
ganz  gleichartig  sind,  so  werden  ihre  Beziehungen 
schwierig  und  verwickelt;  nichts  kann  daher  wissens- 
werter und  auch  nützlicher  sein,  als  durch  vielfache 
Zwischenglieder  ihre  Gleichheit  oder  Ungleichheit  in 
ihren     verschiedenen     Erscheinungsformen     nachzu- 


Über  die  akademische  oder  skeptische  Philosophie.     191 

weisen.  Da  aber  sämtliche  übrigen  Vorstellungen  deut- 
lich voneinander  getrennt  und  verschieden  sind,  so 
können  wir  auch  mit  der  genauesten  Forschungs- 
weise nie  weiter  dringen,  als  bis  zur  Beobachtung 
dieser  Verschiedenheit,  und  kraft  eines  einleuchtenden 
Aktes  der  Überlegung  die  Aussage  machen,  daß  das 
eine  Ding  nicht  das  andere  ist.  Machen  derartige  Ent- 
scheidungen Schwierigkeiten,  so  kommt  das  allein 
von  dem  unbestimmten  Sinn  der  Wörter,  der  sich  durch 
richtigere  Definitionen  verbessern  läßt  Daß  das 
Quadrat  der  Hypothenuse  gleich  ist  den  Qua- 
draten der  beiden  anderen  Seiten,  kann  man 
auch  bei  genauester  Definition  der  Ausdrücke  nicht 
wissen,  ohne  fortlaufende  Denkakte  und  Unter- 
suchungen anzustellen.  Uns  aber  von  dem  Satz  zu  über- 
zeugen, daß,  wo  kein  Eigentum  ist,  da  keine 
Ungerechtigkeit  sein  kann,  braucht  man  nur 
die  Ausdrücke  zu  definieren  und  Ungerechtigkeit  als 
Verletzung  des  Eigentums  zu  erklären.  Dieser  Satz  ist 
in  der  Tat  nur  eine  unvollkommenere  Definition.  Das- 
selbe gilt  von  all  jenen  angeblichen  syllogistischen 
Denkakten,  die  sich  in  jedem  anderen  Zweig  des 
Wissens  vorfinden,  außer  in  den  Wissenschaften  von 
Größe  und  Zahl.  Diese  können  ruhig,  wie  mich  dünkt, 
für  die  einzigen  wahren  Gegenstände  des  Wissens  und 
der  Demonstration  erklärt  werden. 

Alle  übrigen  Forschungen  des  Menschen  betreffen 
nur  Tatsachen  und  Dasein,  und  diese  sind  ersichtlich 
der  Demonstration  nicht  zugänglich.  Alles,  was  ist, 
kann  auch  nicht  sein.  Keine  Verneinung  einer  Tatsache 
kann  einen  Widerspruch  enthalten.  Das  Nichtsein  eines 
Wesens  ist  ohne  Ausnahme  eine  ebenso  klare  und  deut- 
liche Vorstellung  wie  sein  Dasein.  Der  Satz,  welcher 
behauptet,  daß  es  nicht  ist,  mag  zwar  falsch  sein^), 
aber  er  ist  nicht  weniger  begreiflich  und  verständ- 
lich als  der,  welcher  behauptet,  daß  es  ist.  Der  Fall 
liegt  anders  bei  den  Wissenschaften  im  strengen  Sinn. 
Dort  ist  jeder  Satz,  der  nicht  wahr  ist,  verworren 
und  unverständlich.  Daß  die  Kubikwurzel  von  64 
gleich  ist  der  Hälfte  von   10,  ist  ein  falscher  Satz 

*)  „mag  zwar  falsch  sein"  kam  in  Ausgabe  F  hinza. 


192 


Zwölfter  Abichnitt. 


und  kann  nie  deutlich  vorgestellt  werden.  Daß  aber 
Cäsar,  oder  der  \Engel  Gabriel,  oder  sonst  ein  Wesen 
niemals  existiert  hat,  mag  ein  falscher  Satz  sein,  ist 
aber  jedenfalls  vollkommen  vorstellbar  und  enthält 
keinen  Widerspruch. 

Das  Dasein  irgend  eines  Wesens  kann  also  nur 
durch  Begründungen  bewiesen  werden,  die  aus  seiner 
Ursache  .oder  Wirkung  stammen,  und  diese  Begrün- 
dungen stützen  sich  lediglich  auf  die  Erfahrung.  (Jehen 
wir  a  priori  vor,  so  scheint  jedes  Ding  fähig,  jedes 
andere  hervorzubringen.  Das  Fallen  eines  Kiesels 
könnte,  soviel  wir  wissen,  die  Sonne  auslöschen,  oder 
der  Wunsch  eines  Menschen  den  Lauf  der  Sterne 
lenken.  Es  ist  nur  die  Erfahrung,  die  uns  über 
^e  Natur  und  die  Grenzen  von  Ursache  und  Wirkung 
belehrt  und  uns  befähigt, '  das  Dasein  eines  Gegen- 
standes aus  dem  eines  anderen  herzuleiten.  ^)  Das  ist 
die  Grundlage  der  moralisch-gewissen  Denkakte, 
welche  den  größten  Teil  des  menschlichen  Wissens 
bilden  und  die  Quelle  alles  menschlichen  Handelns  und 
Verhaltens  sind. 

Moralisch-gewisse  Denkakte  betreffen  entweder 
einzelne  oder  allgemeine  Tatsachen.  Alle  Erwägungen 
im  Leben  gehören  zu  den  ersteren  und  ebenso  alle  Er- 
örterungen in  der  Geschichte,  Chronologie,  Geographie 
und  Astronomia 

Wissenschaften,  die  von  allgemeinen  Tatsachen 
handeln,  sind  Politik,  Naturwissenschaft,  Physik,  Chemie 
usw.,  wo  die  Eigenschaften,  Ursachen  und  Wirkungen 
einer  ganzen  Gattung  von  Gegenständen  untersucht 
werden. 

Die  Gottesgelahrtheit  oder  Theologie,  welche  das 
Dasein  einer  Gottheit  und  die  Unsterblichkeit  der  Seelen 


^  Jene  lästerliche  Regel  der  alten  Philosophie:  Ex 
nihilo  nihil  fit,  welche  die  Erschaffimg  der  Materie 
ausschloß,  hört  nach  unserer  Philosophie  anf,  eine  Regel  xa 
sein.  Nicht  nnr  der  Wille  des  höchsten  Wesens  kann  die 
Materie  erschaffen;  soweit  wir  a  priori  wissen,  könnte  sie 
auch  der  Wille  eines  jeden  andern  Wesens  erschaffen,  oder 

i'ode  andere  Ursache,    die   sich   eine   noch   so   launenhafte 
fiinbildnngskrafb  ersinnen  mag. 


Über  die  akademische  oder  skeptische  Philosophie.     193 

beweist,  setzt  sich  aus  Gedankengängen  zusammen,  die 
teils  einzelne,  teils  allgemeine  Tatsachen  betreffen.  Sie 
hat  in  der  Vernunft  ihre  Grundlage,  soweit  sie  durch 
Erfahrung  gestützt  wird.  Aber  ihre  beste  und  festeste 
Grundlage  ist  der  Glaube  und  die  göttliche  Offen- 
barung. 

Ethik  und  Ästhetik  sind  nicht  so  sehr  Gegen- 
stände für  den  Verstand  wie  für  den  Geschmack  und 
das  Gefühl.  Die  Schönheit,  die  sittliche  wie  die  natür- 
liche, wird  eigentlich  mehr  empfunden  als  verstandes- 
gemäß  aufgefaßt  Richten  wir  unsere  Vernunft  auf  sie 
und  versuchen  wir  einen  Maßstab  für  sie  festzustellen, 
so  betrachten  wir  eine  neue  Tatsache,  nämlich  den 
allgemeinen  Geschmack  der  Menschheit  oder  etwas 
ähnliches,  der  dann  Gegenstand  der  Vernunfttätigkeit 
oder  des  Forschens  werden  kann. 

Sehen  wir,  von  diesen  Prinzipien  durchdrungen, 
die  Bibliotheken  durch,  welche  Verwüstungen  müssen 
wir  da  nicht  anrichten?  Greifen  wir  irgend  einen 
Band  heraus,  etwa  über  Gotteslehre  oder  Schulmeta- 
physik, so  sollten  wir  fragen:  Enthält  er  irgend 
einen  abstrakten  Gedankengang  über  Größe 
oder  Zahl?  Nein.  Enthält  er  irgend  einen  auf 
Erfahrung  gestützten  Gedankengang  über  Tat- 
sachen und  Dasein?  Nein.  Nun,  so  werft  ihn  ins 
Feuer,  denn  er  kann  nichts  als  Blendwerk  und  Täu- 
schung enthalten. 


name,  Unttrtnohsr-  Ab.  d.  mentohl.  Verstand. 


18 


DeatBoh-englisoheB  Register. 


195 


Deutsch-englisches  Register/) 


Ableitung,  ableiten: 

A-bstrakt: 

Affekt: 

Analogie: 

Anerkennung,   anerkennen: 

Ästhetik,  Ästhetiker: 

Assoziation: 

Auffassen,  Auffassung: 

Aussage: 

Begriff: 

Begründung: 

Beobachtung,  beobachten: 

Bestandig: 

Betätigung: 

Beweis: 

Büd: 

Bewußtsein,  bewui^t: 

Demonstration: 

Denkakt: 

Denken: 

Denker: 

Eindruck: 

Einbildung(skraf  t) : 

Empfinden,  Empfindung: 

Energie: 

Erdichtung: 


•inference,  infer. 

♦abstract 

♦passion. 

analogy. 

assent      (siehe      ^belief), 

acknowledge. 
♦criticsm,  critic. 

association. 
♦perceive,  perception. 
*evidence. 
•notion. 
♦argument 

Observation,  observe. 

steady,  constant. 
♦action. 
♦proof. 

image    («Gemälde     pict- 

ure). 
*consciousness,  conscious. 
""demonstration. 
♦reasoning. 
♦think,  thought 
♦reäsoner. 
♦impression. 
♦imagination. 
♦feel,  feeling. 

energy  (siehe  ♦connexion). 

fiction  (siehe  *imagina- 
tion). 


^)  Die  mit  •inem  Stero  TeneheneD  WOrter  finden  liob 
mach  im  engÜBoh-dentiohen  Register. 


Ereignis: 

Erfahrung: 

Erfahrungstatsache: 

Erfolg: 

Erscheinung: 

Erstaunlich: 

Evidenz: 

FaU: 

Fest,  Festigkeit: 

Folge,  Folgerung: 

Frische: 

Gedanke: 

Gedankengang: 

Gefühl: 

Gregenstand: 

Gegensatz: 

Gesunder   (gemeiner)   Ver- 
stand: 
Geist,  geistig: 

Greisteswissenschaf  t : 

Gemütserregung: 

Geschmack: 

Geschmacksurteile : 

Gewißheit: 

Gewohnheit: 

Glaube: 

Gleich: 

Gleichartig: 

Grundsatz: 

Handlung: 

Herleiten,  -ung: 

Intuition,  intuitiv: 

Kraft: 

Kenntnis: 
Kontrast: 


event. 

♦experience. 
♦experiment. 

event. 

phaenomenon,   appearance. 

marvellous. 
•evidence. 

instance    (günstiger   Fall: 
Chance). 

firm,  firmness;  solid,  solid- 

ity. 

*consequence. 

vigour. 
*thought. 
*reasoning. 
*sentiment. 

subject,  object. 

Opposition,   contest   (siehe 
♦contrariety). 

common  sense. 

*mind,  spirit,  genius;  ment- 
al, 
moral  science  (siehe  ♦mor- 

al). 
emotion,    affection    (siehe 

*passion). 
taste,  relish. 
*criticism. 
*certainty. 
custom. 
*belief,  faith. 
like  (siehe  *similar). 
♦similar. 

maxim  (siehe  ♦principle). 
action. 

*infer,  inference. 
*intuition,  intuitive, 
force,  power  (siehe  ♦con- 
nexion). 
♦knowledge. 

contrast  (siehe  ♦contrary). 

13* 


! 


196 


Deatach-engliiohef  Register. 


Deattob-ADgliiohM  Register. 


197 


Lebendigkeit,  lebendig: 

Lebbaftigkeit,  lebhaft: 

Macht: 

Matt: 

Metaphysik,  metaphysisch: 

Moralisch,  moralisch-ge- 
wiß: 

Naturwidrig  (widernatür- 
lich): 

Neigung: 

Philosophie: 

Prinzip: 

Schließen,   Schluß: 

Schwach: 

Seele: 

Selbstbesinnung: 

Sicherheit: 

Starke,  stark: 

Tätigkeit: 

Tasten: 

Tatsache: 

Überlegung,  überlegen: 

Übernatürlich: 

Überzeugung: 

Übung: 

Ursache* 

Urteil,  Urteilskraft: 

Verbinden,  -ung: 

Verknüpfen,   Verknüpfung: 

Vernunft: 

Vernünfteln: 

Vernünftig: 

Vernunfttätigkeit: 
Verstand: 
Verständlich: 
Verträglich: 


vivacity,  vivid. 

liveliness,  lively. 

power  (siehe:  ♦connexion). 

faint. 
♦metaphysics,  metaphysical. 

♦moral. 
prodigeous, 

affection,  inclination,  pro- 
pensity  (siehe  *passion). 
♦philosophy. 
♦principle. 
*conclude,  conclusion. 

feeble. 

soul  (siehe  ♦mind). 
♦reflection. 

♦assurance,  security  (siehe 
♦belief). 

strength,  streng,  force. 
♦Operation, 
♦feel. 

fact,  matter  of  fact. 
♦reflection,  reflect. 

supernatural. 

conviction,  persuasion. 
(siehe  ♦belief). 

habit. 

cause. 


judgment. 
bi 


)ind  together,  unite,  union, 
communication. 
♦connect,  connexion. 
♦reason. 
♦to  reason. 

♦reasonable,  rational,  in- 
telligent, 
♦reasoning. 
♦understanding. 
intelligible. 

consistent  (siehe  ♦contra- 
diction). 


Vertrauen: 

Vorgang: 

Vorstellen: 

Vorstellung: 

Vor  Stellungsbild: 

Vor  stellbar: 

Wahr,  Wahrheit: 

Wahrnehmung: 

Wahrscheinlich,  -keit: 

Widerspruch,  -sprechen, 
widerspruchsvoll: 

Widerstreit,  widerstrei- 
tend: 

Wille: 

Willenshandlung: 

Wirksamkeit: 

Wirkung: 

Wißbegierde: 

Wissen: 

Wissenschaft: 


Wunder,   wunderbar: 

Zeugnis: 

Zufall: 

Zusammenhang  (hängen) 

Zusammenstimmend : 


Zustimmung: 


faith. 

♦Operation, 
♦conceive. 
♦idea. 

♦conception. 
*conceivable. 
*true,  truth. 
♦Sensation. 

♦probable,  probability. 
♦contradiction,  contradict, 

contradictory. 
♦contrariety,  contrary. 

will. 

voluntary  action. 
♦Operation. 

effect. 

curiosity. 
♦knowledge. 

♦philosophy,  science;  ganz 
selten:  letters,  learning, 
litterature. 

miracle,    miraculous,    sel- 
ten: wonder. 

testimony. 

Chance,  selten  accident. 

♦conjunction,  conjoin. 

consistent  (siehe  ♦contra- 
diction). 

assent  (siehe  ♦belief). 


Englisch-deutsches  Register. 


Nur  die  in  der  Übersetzung  streng  festgehaltenen  Ausdrücke, 
also  die  eigentlichen  Termini,  erhalten  in  diesem  alpha» 
betischen  Register  eine  selbständige  Stelle;  erwähnens- 
werte,  aber  von  Hume  oder  von  uns  fließend  gebrauchte 
Ausdrücke  werden  bei  den  betreffenden  Grundwörtern  er- 
wähnt, denen  ihre  Bedeutung  am  verwandtesten  ist.  Hin- 
weise auf  Humes  Hauptwerk  den  Treatise  on  human  nature 
beziehen  sich  stets  auf  dessen  erstes  Buch:  Of  fiiC  wnder- 
ttanding.  Die  Nachweise  durch  Angabe  der  Seiten,  aui 
denen   ein   Ausdruck  vorkommt,   erstreben   natürlich'  keine 

Vollständigkeit. 

Abstract:  von  Hume  in  dreierlei  Bedeutung  ge- 
braucht: a)  =  unanschaulich  und  daher  schwer 
verständlich  im  populären  Sinne  (Hauptquelle 
bezeichnenderweise  der  „populäre"  Abschnitt  I); 
dort  wird  die  leichte  (easy),  menschliche  (human), 
augenfällige  (öbvious)  der  tiefsinnigen  (profound), 
schwer  verständlichen  (of  difficult  comprehension), 
genauen  (accurate)  Philosophie  gegenübergestellt; 
vgl.  S.  4,  7,  9,  15,  16,  60,  95.  b)  =  a  priori, 
rein  gedanklich;  so  werden  S.  182  „unsre  ab- 
strakten Denkakte"  (abstract  reasonings)  in  Gegen- 
satz zu  denjenigen  gestellt,  „welche  Tatsachen  und 
Dasein  betreffen"  (toich  regard  matter  of  fact  or 
existence).  Und  zwar  ist  die  Mathematik  in 
diesem  Sinne  die  „abstrakte  Wissenschaft"  xax 
B^oxn^,  S.  184,  vor  allem  die  Arithmetik  (S.  190, 
193),  da  nach  Hume  die  Geometrie  empirische  Ele- 
mente birgt  und  der  Kritik  der  unter  c)  erwähnten 
Bedeutung  von  abstrakt  verfällt,  c)  =  begriff- 
lich, kommt  hauptsächlich  in  der  Verbindung  mit 
idea  vor:  als  allgemeine  und  abstrakte  Vor- 
stellung. Deren  Existenz  wird  bekanntlich  von 
Hume  (im  Treatise  I,  7  ausführlich,  in  unserm 
Werk,  S.  185  A.  nur  nebenbei)  geleugnet  und  jeder 


Englisch-deutsohes  Register. 


199 


Gattungsbegriff  als  „Einzelvorstellung*'  gedeutet, 
die  bei  Nennung  eines  allgemeinen  Namens  andre 
Einzelvorstellungen  assoziativ  wachruft 

Das  Wort  ist  in  jeder  seiner  Bedeutungen  mit 
Abstrakt  wiedergegeben  worden. 

Argument:  der  Weg,  auf  dem  ich  von  einer  un- 
mittelbaren zu  einer  mittelbaren  Erkenntnis  ge- 
lange. Daher  werden  alle  argumenta  von  Hume 
(S.  70  A.)  in  Begründungen  a  priori  und  a  poste- 
riori, d.  h.  in  demonstrations  und  proofs  and  pro- 
habilitiea  eingeteilt  (siehe  dort).  Da  aber  die  En- 
quiry  die  Erkenntnis  a  priori  nur  streift,  so  steht 
argument  meist  im  Sinne  von  Erfahrungsbeweis, 
als  argument  from  experience  (S.  47;  der  Aus- 
druck argumenta  a  priori  S.  38).  Genus  proxi- 
mum:  reasoning  (siehe  dort).  Synonyma:  con- 
clusion  (Schluß),  consequence  (Fdigeinng),  inference 
(Ableitung,  siehe  dort);  Hauptquelle  S.  45 — 51.  Ar- 
gument ist  stets  mit  Begründung  übersetzt  worden; 
nur  zweimal,  wo  es  im  englischen  Text  für  argu- 
mentation  steht,  ist  es  (S.  128)  mit  Beweisführung, 
oder  (S.  145)  mit  Widerlegung  wiedergegeben. 

Association:  die  Verknüpfung  zwischen  einander- 
folgenden  Ideas  (Vorstellungen)  oder  zwischen 
einer  impression  und  einer  idea.  Genus  proxi- 
mum:  Operation  of  the  mind  (siehe  dort).  Syno- 
nym um:  connexion,  Verknüpfung  (siehe  dort). 
Hauptquelle:  3.  Abschnitt.  Association  ist  stets 
mit  Assoziation  übersetzt  worden. 

Belief:  das  bevorzugte  Wort,  um  die  Überzeugung 
von  der  Existenz  oder  Beschaffenheit  einer 
nicht  unmittelbar  erfahrenen,  aber  unter  be- 
stimmten Bedingungen  erfahrbaren  Wirklich- 
keit zu  bezeichnen.  Diese  Überzeugung  wird  durch 
reasonings,  arguments,  inferences,  conclusions, 
consequenceSy  letzten  Endes  durch  einen  auf  dem 
Wege  gewohnheitsmäßiger  Assoziation  erworbenen 
instinct,  auf  Grund  vergangener  Erfahrungen, 
also  im  strengen  Sinne  nur  durch  proofs  an  der 
Hand  des  Kausalitätsgesetzes  erarbeitet.  Ihr  Grad 
bleibt  hinter  der  absoluten  Gewißheit  (certainty) 
zurück  und  erreicht  nur  Wahrscheinlichkeit.    Der 


I  - 


200 


Englitoh-dentsobes  Begifter. 


helief  ist  der  eine  Ast  an  dem  Stamme  der  evidence 
(siehe  dort),  deren  anderer  kräftiger  entwickelter  Ast 
certainty  (siehe  dort)  genannt  wird.  Da  alle  Er- 
kenntnis über  nicht  unmittelbar  gegenwärtige  Wirk- 
lichkeit nach  Hume  der  Erfahrung  entstammt,  so 
kommt  der  helief  stets  nur  empirischen  Einsichten 
zu.  Der  belief  ist  ,,ein  Gefühl  oder  eine  Empfin- 
dnngsweise"  (sentiment  or  feeling),  eine  „Vorstel- 
Inngsart"  (manner  of  conception),  nicht  selbst  eine 
Vorstellung  (S.  59/60).  Genus  proximum:  cvi- 
dence  (siehe  dort).  Synonyma:  assurance,  assent, 
seltener  security,  conviction  (187),  persuasion,  rc- 
liance  (71),  opinion  (136);  assurance  und  security 
meist  mit  Sicherheit,  assent  mit  Zustimmung,  die 
übrigen  mit  Überzeugung  wiedergegeben;  vgl. 
S.  60,  183  (zu  assent),  S.  129  ff.  (zu  assurance). 
Hauptquelle:  S.  59—69;  vgl.  Treat  I,  7,  10 
und  Anhang.  Belief  ist  stets  mit  Glauben  über- 
setzt worden  (S.  154,  155  und  193  mußte  auch 
faith  im  Sinne  des  religiösen  Glaubens  mit  Glaube 
übersetzt  werden). 
Gertain,  certainty:  der  höchste  Grad  der  Evi- 
denz, der  nur  a)  den  Ergebnissen  der  aprio- 
rischen Wissenschaften  (Logik  und  Mathematik), 
deren  Gegenteil  einen  Widerspruch  enthält,  b)  den 
unmittelbaren  Wahrnehmungen,  den  Augen- 
blickserlebnissen (den  external  und  internal  sen- 
sdktions),  und  c)  allenfalls  noch  den  Erinnerungsvor- 
stellungen eignet  Die  Gewißheit  ist  entweder  un- 
mittelbarer <äer  mittelbarer  Art  und  heißt  dem- 
entsprechend intuitive  oder  demonstrative ;  vgl.  S.  35 
und  36.  Mittelbare  Erfahrungsgewißheit  gibt  es 
nicht;  wohl  aber  mittelbare  Gewißheit  a  priori  als 
der  subjektive  Überzeugungsgrad,  der  den  demon- 
strations  eignet  Ausnahmen  von  dieser  Termino- 
logie sind  selten,  doch  finden  sie  sich  gelegent- 
lidi;  so  S.  107 — 109  mehrmals,  wo  von  degrees  of 
certainty  (statt  evidence)  gesprochen  wird,  und 
S.  81,  wo  sich  der  Ausdruck  a  certain  proof  findet 
(während  doch  ein  Erfahrungsbeweis  nach  Hume 
nur  assent,  assurance,  conviction,  kurz  belief,  aber 
nie  certainty  erreicht);  auch  die  Ausdrücke  consid- 


Englischodentiohef  Register. 


301 


erable  certainty  und  certain  auf  S.  111  und  S.  122 
sind  inkorrelä.  Genus  proximum:  evidence  (siehe 
dort).  Synonyma  nicht  vorhanden.  Haupt- 
quelle: S.  35/36.  Die  englischen  Termini  sind  im 
Deutschen  überall  mit  Gewiss  und  Gewissheit 
wiedergegeben.  (Ganz  selten  steht  certain  für  ob- 
jektiv notwendig,  so  S.  90,  wie  true  gelegentlich 
wirklich  statt  wahr  bedeutet). 

Conceive,  conceivable,  conception:  jede  Art  des 
reproduzierten,  mittelbaren  Vorstellens.  Es 
ist  also  eine  Art  des  perceive  (auffassen),  das  un- 
mittelbares Vorstellen  (für  das  Hume's  Terminologie 
keinen  eigenen  Ausdruck  besitzt)  und  mittelbares 
Vorstellen  befaßt  Das  Vermögen  der  conceptions 
ist  die  Einbildungskraft,  imagitiation  (siehe 
dort).  Gegenstück  und  zugleich  Quelle  der  conceptions 
sind  die  unmittelbaren  impressions  (siehe  dort). 
Da  alles  Vorstellen  bei  Hume  ein  anschauliches 
Vorstellen  ist  und  er  ein  begriffliches  Vorstellen 
nicht  kennt,  so  steht  auch  conceivable  und  inconcei- 
vable  (S.  82,  83,  89)  im  Sinne  von  anschaulich, 
vorstellbar  oder  nicht  vorstellbar.  Genus  proxi- 
mum: perceive,  perception  (Auffassung)  (siehe 
dort).  Synonyma:  siehe  think  (denken),  thought 
(Gedanke),  idea  (Vorstellung);  von  conceivable:  con- 
sistmt  (widerspruchslos).  Hauptquelle:  S.  61  bis 
69,  wo  die  Bedeutungsgleichheit  mit  idea,  think, 
thought  am  klarsten  erhellt;  vgl.  S.  18  ff.,  43  u.  a. 
Deswegen  ist  auch  der  Stamm  von  vorstellen  in  der 
Übersetzung  stets  eingehalten  worden  und  zwar 
in  der  Weise:  daß  conceive  gewissermaßen  als  das 
fehlende  Verb  zu  idea  immer  mit  Vorstellen  (wie 
think  und  thought  mit  denken  und  Gedanken),  con- 
ceivable  mit  vorstellbar,  conception  —  da  Vor- 
stellung für  idea  reserviert  werden  mußte  —  mit 
Vorstellungsbild  wiedergegeben  wurde.  (Einmal 
in  der  sonderbaren  Verbindung  von  conception  of 
ideas:  mit  Bildung  von  Vorstellungen  übersetzt, 
S.  86.) 

Conclusion,  conclude:  der  Akt,  der  von  unmittel- 
barer zur  mitteilbaren  Erkenntnis  führt,  resp. 
das  Ergebnis  dieses  Aktes  (die  Konklusion).  Haupt- 


202 


Englisoh-deutiches  Register. 


Problem  ist  die  Analyse  der  experimental  conclusion 
(S.  44,  45),  d.  h.  des  Schlusses,  der  von  gegenwär- 
tiger oder  erinnerter  Erfahrung  auf  nicht  Elr- 
fahrenes  geht  Als  Denkprozesse  a  priori  die  con- 
elmions  der  Mathematik:  S.  183.  Genus  proxi- 
mum:  reasoning  (siehe  dort).  Synonyma:  argu- 
ment,  inference,  consequence  (siehe  dort).  Haupt- 
quelle: S.  42  ff.  Conclude,  conclusion  sind  stets 
mit  Schliessen,  Schluss  (Schlußsatz,  Schluß- 
ergebnis) übersetzt  worden. 

Coinanction,  conjoin:  im  Gegensatz  zur  connexion 
(Verknüpfung,  siehe  dort)  eine  Verbindung  „äußer- 
licher" d.  h.  nur  räumlich-zeitlicher,  nicht  „innerer" 
Natur.  Es  bedeutet  das  bloß  tatsächliche  Anein- 
andergefügtsein von  Dingen,  Ereignissen,  Vorstel- 
lungen, nicht  das  logisch  oder  real  notwendig' 
mit  einander  Gegebensein.  Die  erkennbare 
Kausalität  ist  bloße  conjunction,  und  wer  diesen 
Begriff  im  Gegensatz  zur  necessary  connexion,  in 
der  die  Wirkung  aus  der  Ursache  durch  eine  be- 
sondere „Kraft"  entspringt  oder  in  ihr  „enthalten" 
ist,  verstanden  hat,  besitzt  den  Schlüssel  zu  Humes 
Kausaltheorie.  Genus  proximum:  Operation  (siehe 
dort).  Synonyma  von  to  he  conjoined:  to  folloto,  io 
he  attended  (S.  89).  Hauptquelle:  S.  85,  90 fi; 
▼gl.  auch  S.  48fl  Von  den  meisten  Übersetzern 
wird  conjunction  mit  Verbindung,  connexion  mit 
Verknüpfung  wiedergegeben;  aber  dabei  kommt 
weder  der  sprachliche  noch  der  tief  sachliche  Unter- 
schied deutlich  zur  Geltung.  Wegen  der  Wichtigkeit 
der  Begriffe  haben  wir  (auf  die  Nachahmung  des 
Gleichklangs  der  ersten  Silbe  ,,con"'  im  Englischen 
verzichtend)  conjoin  und  conjunction  überall  durch 
Zusammenhang  und  Zusammenhängen  (im  Zu- 
sammenhang stenen)  ins  Deutsche  übertragen.  Man 
liest  so  schwerer  über  den  Gegensatz  zur  connexion 
(Verknüpfung)    hinweg. 

Connexion,  connect:  die  Verknüpfung  innerer  Natur 
zwischen  Begebenheiten,  Gedanken,  Dingen  usw., 
so  daß  wenn  A  gesetzt  ist,  B  notwendig  mitgesetzt 
ist;  dieses  innere  „Band"  {iycy  S.  89,  90)  heißt  in 
dem  Verhältnis   zwischen   Ursache  und   Wirkung 


Engiifeh-dentsohes  Register. 


203 


gewöhnlich  Kraft  Eine  solche  comiexion  zwischen 
aen  realen  Objekten  an  sich  mag  bestehen,  ist 
aber  unerkennbar  (Abschnitt  VI);  dagegen  bezeich- 
net Hume  die  assoziative  Verbindung  der 
Vorstellungen,  die  uns  solch  eine  innere  Ver- 
knüpfung der  Ereignisse  in  der  realen  Welt  vor- 
täuscht, als  eine  connexion:  S.  24  bis  34;  63,  91, 
92;  94/95,  113.  Genus  proximum:  Operation 
(siehe  dort).  Synonyma:  force,  energy,  power 
(Kraft,  Energie,  Macht).  S.  76:  power,  force,  energy 
or  necessary  connexion,  vgl.  S.  90.  Haupt  quel- 
len: die  gleichen  wie  für  den  Gegensatz  der  con- 
nexiony  die  conjunction:  S.  85,  90 ff.  Unsere 
deutsche  Übersetzung  lautet  stets:  Verknüpfung, 
verknüpfen. 

Conscioasness,  conscions:  selten  gebrauchte,  nur  in 
Abschnitt  VII  häufiger  angewandte  Termini;  sie 
bezeichnen  das  unmittelbare  Innewerden,  das  uns- 
bewußt-sein  eigner  innerer  Erlebnisse.  Con- 
sciousness  ist  die  Quelle  und  das  „Organ''  meist 
nur  der  inneren  „Eindrücke",  der  inward  impres- 
sions,  und  tritt  dann  als  Seitenstück  den  äußeren 
Sinnen,  als  der  Quelle  und  den  Organen  der  out- 
ward impressions  gegenüber;  vgl.  S.  86  either  from 
our  senses  or  consciousness ;  S.  81  wird  es  daher 
•einem  sentiment  (Gefühl)  gleichgesetzt.  Es  gibt 
stets  untrügliche  Auskunft:  consciousness  never  de- 
ceives  (S.  80).  Genus  proximum:  mind  (Geist) 
(siehe  dort).  Synonymum:  reflection  (Selbstbesin- 
nung) (siehe  dort).  Hauptquelle:  S.  79—88. 
Übersetzt  wurden  consciousness  und  conscious  immer 
durch:  Bewusstsein  und  bewusst. 

Consequence:  sowohl  die  reale  Folge  wie  die  ge- 
dankliche Folgerung.  Genus  proximum:  rea- 
soning (siehe  dort).  Im  ersteren  Sinn  synonymum: 
effect  (S.  27, 66, 86, 116, 118, 124, 125);  im  zweiten 
Fall:  argument,  inference,  conclusion  (siehe  dort 
und  S.  44).  Im  Sinn  von  Wirkung  ist  consequence 
stets  mit  Folge,  im  Sinn  von  Folge  eines  Grundes 
stets  mit  Folgerung  wiedergegeben. 

Contradiction,  contradict:  die  gedankliche  Unver- 
träglichkeit  zweier  Vorstellungen;  also   stets   ein 


y 


S04 


Bnglisch-daatschef  Register. 


Widerspruch  a  priori,  der,  ohne  Rat  bei  der  Er- 
fahrung zu  holen,  eingesehen  werden  kann.  Kommt 
nur  in  der  reinen  Logik  und  Mathematik  vor. 
S.  19:  nor  ia  anything  heyond  the  power  of  thought 
except  what  implies  an  absolute  contradiction.  Die 
mathematische  contradiction  S.  182,  184.  Nicht 
häufig  angewandter  Terminus.  Gegensatz:  eon- 
ceiva^le  (82,  83,  86),  consistent  (widerspruchlos), 
S.  19,  40;  intelligibk  (verständlich),  S.  46.  Syno- 
nymum:  incongruous  (unverträglich),  vgl.  S.  19. 
Hauptquelle:  S.  35/36,  46.  Contradict  und  con- 
tradiction ist  stets  mit  Widersprechen,  Wider- 
sprach übersetzt  worden. 
Contrary,  contrariety:  a)  Der  Gegensatz  zwischen 
Dingen,  Ereignissen,  die  einander  zerstören,  auf- 
heben, de  facto  miteinander  unverträglich  sind. 
So  wird  S.  25  das  Wesen  von  contrast  or  contrariety 
(eontrast  ist  der  viel  seltener  gebrauchte  Ter- 
minus) also  beschrieben:  Where  two  ohjects  are 
contrary,  the  one  destroya  the  other.  Dann  bringen 
die  Worte  das  zum  Ausdruck,  was  Kant  „Real- 
repugnanz''  nennt,  b)  Der  scheinbare  Gegensatz 
in  den  Ursachen  und  Wirkungen  dort,  wo  wir  aus 
der  scheinbar  gleichen  Ursache  verschiedene  Wir- 
kungen hervorgehen  sehen.  The  contrariety  of 
events  (im  Sinne  von  b)  may  not  proceed  from 
any  contingency  in  the  cause,  but  from  the  secret 
Operation  of  contrary  causes  (im  Sinne  von  a). 
Solche  Ursachen  und  Wirkungen,  und  ebenso  un- 
sere Beobachtungen  und  Erfahrungen  über  sie  nennt 
Hume  gleichfalls  contrary.  In  dem  Sinne  wird  das 
Wort  am  häufigsten  gebraucht.  Synonyma  von 
a)  und  b):  opposite  und  Opposition  (entgegen- 
gesetzt, Gegensatz);  so  S.  13,  130/31  Opposition 
and  contrariety;  selten  contest  (S.  132)  und  con- 
trast (Kontrast,  S.  3,  33,  132,  141,  A).  Haupt- 
quelle: S.  103,  129—136.  c)  Manchmal  auch  im 
Sinn  des  logischen  Widerspruchs  «  contradiction 
gebraucht;  so  S.  72  contrary  supposition. 

Contrary  und  contrariety  sind  im  Gegensatz 
zu  contradiction  (Widerspruch)  und  Opposition  (Ge- 
gensatz)  stets   mit  widerstreitend,   Widerstreit 


En^lisch-dentiches  Rej^ister. 


205 


übersetzt  worden.    Contrary  als  Substantiv  (ganz 
selten):  Gegenteil  (S.  26). 

Criticism,  critics:  critidsm  bedeutet  bald  die  Ge- 
schmacksurteile (so  S.  4),  bald  die  Wissenschaft 
von  diesen,  die  Ästhetik  (S.  193);  ihre  Bearbeiter 
heißen  critics,  Ästhetiker  (S.  15). 

Demonstration,  demonstrativ:  jede  Art  mittel- 
barer Gewinnung  von  Erkenntnissen  a  priori,  also 
das  direkte  Gegenstück  zum  proof  (siehe dort),  der 
mittelbaren  Gewinnung  von  Erkenntnissen  a  poste- 
riori. Findet  nur  statt  in  der  reinen  Mathematik 
und  Logik;  und  kann  immer  nur  aus  intuitiven 
Einsichten  a  priori  über  relations  of  ideas  neue  re- 
lations  of  ideas,  niemals  matters  of  fact  or  ex-i- 
stence  erschlieJßen.  Genus  proximum:  reasoning^ 
inference,  argument,  conclusion,  consequence  (siehe 
dort).  Synonymum  nicht  vorhanden.  Haupt- 
quelle: S.  25,  45/46,  182—184;  190—193.  (Aus- 
führlicher im  Treatise  II,  und  III,  1.)  Demonstra- 
tion und  demonstrativ  ist  stets  mit  Demonstra- 
tion und  demonstrativ  wiedergegeben. 

Event:  Ereignis,  Erfolg  (73). 

Evidence:  a)  Die  Zustimmung  und  Überzeugung 
hohen  oder  niederen  Grades,  die  wir  allen,  un- 
mittelbaren und  mittelbaren  Einsichten  entgegen- 
bringen. Die  Evidence  umspannt  also  die  absolute 
Gewißheit  (certainty),  sowie  die  Sicherheit  (as- 
surance),  die  Zustimmung  (assent),  die  Wahrschein- 
lichkeit (probability),  kurz  den  „Glauben**  (belief) 
(siehe  dort).  Genus  proximum:  feding,  sentiment 
(siehe  dort).  Synonyma  nicht  vorhanden.  Haupt- 
quelle: S.  35,  36,  130.  Evidence  in  diesem  Sinne 
ist  überall  mit  Evidenz  wiedergegeben  worden, 
b)  Dagegen  herrscht  im  Abschnitt  X  die  zweite 
Bedeutung  des  Wortes  vor,  in  der  es  Aussage  ver- 
zeichnet und,  um  es  gegen  die  Synonyma  t e Sti- 
rn ony  (Zeugnis),  relation  (Bericht),  u.  a.  abzu- 
grenzen, auch  stets  so  wiedergegeben  wurde. 

Experience,  experiment:  experience  bedeutet  bald 
allgemein  die  (abstrakte),  bald  eine  bestimmte  (kon- 
krete) Erfahrung;  experiment  stets  das  letztere, 
und  nicht  Versuch,  EJxperiment  in  unserem  Sinne. 


I    '1 


I 


206 


Engliflch-deatsches  Kegister. 


Der  Ausdruck  experience  durchzieht  gleichmäßig 
das  ganze  Werk,  zu  experiment  vgl.  S.  64/65,  100. 
Synonyma  existieren  nicht  Zur  experience  ge- 
hören alle  impressiona,  zu  ihrem  Gegensatz,  der 
reason  2L  priori  alle  ideas  und  thougthSy  sowie  die 
Operations  of  the  mind,  insofern  sie  die  Erzeuger 
der  letzteren  sind.  Experience  ist  stets  mit  Er- 
fahrung, experiment  mit  Erfahrungstatsache 
übersetzt  worden. 
Feeling,  feel:  kann  jedes  unmittelbare  Erlebnis  oder 
jede  Erfahrung;  d.  h.  jede  impression,  sowohl 
äußere  Sinneseindrücke,  Empfindungen,  wie  Ge- 
fühle und  Willensregungen  bedeuten,  immer  aber 
von  der  Seite  des  innerlichen  Gewahrwerdens  aus 
betrachtet.  Entscheidend:  feit  hy  external  or  in- 
ternal senses.  Es  wird  aber  von  Hume  mit  Vor- 
liebe für  die  Erlebnisse  der  Sinneswahrnehmungen 
gebraucht,  während  sentiment  (Gefühl),  das 
gleichfalls  alle  impressions  in  ihrer  unmittelbaren 
Bewußtheit  begreift,  mit  Vorliebe  für  die  emo- 
tionalen Erlebnisse  der  Gefühle  verwendet  wird. 
Hume  kennt  zwar  sachlich,  aber  nicht  ter- 
minologisch unsere  heutige  Unterschei- 
dung zwischen  Empfindungen  und  Gefühlen; 
wo  er  sprachlich  die  Trennung  hervorheben  will, 
geschieht  es  durch  den  Zusatz:  outward,  inward, 
external,  internal  zu  sensCy  Sensation,  sentiment, 
feeling,  impression.  Genus  proximum:  percep- 
tion  (siehe  dort).  Synonyma:  sentiment  (mit  der 
angegebenen  Einschränkung,  siehe  dort).  Feeling  or 
sentiment:  S.  19,  60,  61.  Hauptquellen:  Für  die 
„Empfindungen"  (im  Sinne  der  modernen  Psycho- 
logie) süß,  kalt,  bitter  usw.  steht  feeling  S.  13  A.; 
für  die  Gefühle  der  Lusl^  Unlust,  der  Sittlichkeit 
(die  sonst  gewöhnlich  mit  sentiment  bezeichnet 
werden)  S.  18  (pain  and  pleasure:  feelings),  S.  19 
(virtue  conceived  hy  a  feeling,  i.  e.  dem  moral 
sentiment);  der  „Kraft"  S.  81;  sentiment  und  feel- 
ing durcheinander  gebraucht  zur  Charakteristik  des 
belief:  S.  60ff.  In  der  Übersetzung  ist  feeling  und 
fed  stets  mit  Empfindung  und  Empfinden  wieder- 
gegeben worden,  um  es  durch  ein  besonderes  Wort 


1 


Englisch-deutBches  Register. 


207 


gegen  sentiment  (Gefühl)  abzugrenzen;  es  ist  also 
nicht  im  Sinne  der  modernen,  rsychologie,  sondern 
im  Sinne  Humes  übersetzt  worden,  der  wie  gesagt 
den  auch  für  die  deutsche  Wissenschaft  relativ 
jungen  terminologischen  Unterschied  zwischen  Emp- 
findung und  Gefühl  noch  nicht  kannte.  Mißver- 
ständnisse (unter  Beibehaltung  unserer  Über- 
setzungsprinzipien: mit  Humes  Text  die  Ausdrücke 
festzuhalten  und  zu  wechseln)  wären  ganz  nur  dann 
zu  vermeiden  gewesen,  wenn  wir  im  Deutschen  für 
feeling  und  sentiment  zwei  getrennte,  Gefühle  und 
Empfindungen  und  zwar  nur  diese  zwei  Gruppen 
von  Bewußtseinsinhalten  zugleich  bezeichnende  Aus- 
drücke besäßen.  Das  ist  nicht  der  Fall,  und  so 
muß  diese  Anmerkung  dazu  dienen,  auftauchenden 
Unklarheiten  zu  begegnen.  Schließlich  schadet  ja 
immer  nur  eine  inkonsequent  oder  unbewußt  ange- 
wandte Terminologie. 

Wo  feeling  und  feel  für  tasten  steht,  wie  S.  18 
und  43,  ist  es  dementsprechend  übersetzt  worden. 
Idea:  stets  die  mittelbare,  reproduzierte  Vor- 
stellung, die  subjektive  Wiederholung  oder  Ab- 
änderung einer  ursprünglichen  Wahrnehmung,  einer 
impression.  Die  ideas  sind  die  matteren  Kopien 
der  Originale:  impressions  =»  internal  +  external 
sensations,  feelings,  sentiments.  Kopien  und  Origi- 
nale sind  die  beiden  Klassen  der  perceptions.  Das 
Vermögen  der  ideas  ist  die  imagination  (siehe  dort). 
Der  Sprachgebrauch  Humes  steht  zwischen  Locke, 
von  dem  alle  Bewußtseinsdata  (Inhalte  und  Akte), 
also  auch  Humes  Operations  of  the  mind  „ideas*  ge- 
nannt werden  und  Berkeley,  dw  alle  Bewußtseins- 
inhalte unmittelbare  und  mittelbare,  also  Humes 
impressions  und  ideas,  aber  nicht  die  Vorgänge  im 
Bewußtsein  als  ideas  bezeichnet  Genus  proxi- 
mum: perception  (siehe  dort).  Synonyma:  concep- 
tion,  thought  (siehe  dort).  Hauptquelle:  S.  17 
bis  23.  Idea  ist  durchgehends  mit  Vorstellung 
wiedergegeben.  Auch  hier  wird  die  Übersetzung 
sich  nicht  allgemeiner  Anerkennung  erfreuen,  da 
von  den  deutscheu  Psychologen  ein  Lager  alle 
Bewußtseinsinhalte,    unmittelbare    und   mittelbare, 


i 


208 


EngUsch-deutschet  Hegiiter. 


Englisoh-deutsches  Register. 


209 


ein  anderes  nur  die  anmittelbaren  und  repro- 
duzierten Sinneswahmehmungen,  ein  drittes  alle 
reproduzierten  Grebilde,  ein  viertes  nur  die  reprodu- 
zierten Gebilde  anschaulicher  Art  Vorstellungen 
nennen  will.  Jedoch  wird  unsere  Wahl,  da  sie 
ihre  Entscheidung  deutlich  mitteilt,  kein  Mißver- 
ständnis der  Gedanken  Humes,  sondern  höchstens 
eine  Mißbilligung  seines  Übersetzers  zur  Folge 
haben  können. 

Imagination:  das  „Vermögen''  die  ursprünglichen 
„Eindrücke"  des  „inneren  und  äußeren  Sinns** 
willkürlich  zu  reproduzieren,  zu  kombinieren, 
abzuwandeln,  zu  den  thoughts,  conceptions,  ideai. 
Diese  Tätigkeiten  der  imagination  heißen:  thitik 
und  conceive  (vgl.  dort),  imagine  (einbilden,  in 
weiterer  Bedeutung  auch  ersinnen,  S.  17).  Die 
eigentlichen  Erkenntnisse,  die  intuitions  und  de- 
monstrations  a  priori  verfallen  nicht  dem  Bereich 
der  imagination;  die  Produkte  der  imagination 
sind  teils  fictiona  (Erdichtungen,  S.  60fl),  teils 
Kausalschlüsse  (S.  95).  Genus  proximum:  fa- 
ctdty  of  the  mind.  Synonymum:  selten  fancy, 
Phantasie  (S.29,  66,  138,  183).  Hauptquelle: 
S.  60 — 63.  Die  Rolle  der  imagination  im  Trea- 
tise  ist  eine  viel  bedeutendere  als  in  der  Enquiry; 
daselbst  verfallen  ihr  auch  die  geometrischen  und 
besonders  die  kausalen  Erkenntnisse,  zu  deren  Er- 
klärung die  Enquiry  nur  ganz  selten  die  imagination 
zu  Hilfe  nimmt,  und  nur  die  demonstrations  und  in- 
tuitions  a  priori  sowie  die  unmittelbar  gegenwär- 
tigen Erfahrungen  entgehen  ihrem  Bereich;  vgl. 
Treat  1, 3  und  IV,  4.  Imagination  ist  stets  mit  Ein- 
bildung oder  Einbildungskraft  übersetzt  worden. 

Impression :  jeder  unmittelbar  erfreue  Bewußtseins- 
inhalt, äußerer  oder  innerer.  Genus  proximum: 
perception  (siehe  dort).  Synonyma:  feelinOy 
sentimenty  Sensation  (siehe  dort).  Gegenstück: 
die  mittelbaren  Bewußtseinsinhalte,  die  ideas,  concep- 
tions, thoughts  (siehe  dort).  Übersetzung:  Eindruck. 

Inier,  Inlerence:  neben  reasoning  das  am  häufigsten 
verwandte  Wort  für  die  Operation  of  the  mind, 
welche  von  unmittelbaren  „Eindrücken"  zu  neuen 


Erkenntnissen  über  die  nicht  wahrgenommene,  son- 
dern nur  unter  Umständen  wahrnehmbare  Wirklich- 
keit führt;  wie  die  gleichsinnigen  Ausdrücke  haupt- 
sächlich zur  Bezeichnung  des  Schrittes  verwandt, 
durch  den  wir  von  der  beobachteten  Erscheinung, 
der  Ursache,  zur  erschlossenen  Erscheinung,  der 
Wirkung  gelangen.  Genus  proximum:  Bea- 
soning  (siehe  dort).  Synonyma:  argument,  eon- 
sequence,  conclusion  (siehe  dort).  Hauptquelle: 
Abschnitt  IV.  Um  infer  und  inference  auch  in  der 
deutschen  Übersetzung  durch  einen  besonderen 
Namen  kenntlich  zu  machen,  ist  es  überall  mit  Ab- 
(her)leiten,  Ab(her)leitung  wiedergegeben  worden. 

Intuition,  intuitiv:  immer  nur  die  unmittelbare 
Erkenntnis  a  priori.  Durch  sie  werden  allein  die 
rein  logischen  und  mathematischen  axiomati- 
schen  Einsichten  ergriffen;  diese  betreffen  einzig 
Beziehungen  (relations)  zwischen  Vorstel- 
lungen (ideas),  niemals  Tatsachen  (matter  of 
facts)  und  Dasein  (existence).  Das  Gegenstück 
zur  intuition  ist  die  demonstration  (siehe  dort); 
d.h.  die  mittelbare  Erkenntnis  apriori.  Beiden 
Erkenntnisarten  allein  eignet  die  absolute  Gewiß- 
wißheit,  die  certainty  (siehe  dort).  Genus  proxi- 
mum: knowledge  (siehe  dort).  Synonyma:  nicht 
vorhanden.  Hauptquelle:  S.25.  In  der  Enquiry  hat 
Hume  die  apriorische  Erkenntnis  nur  gestreift,  im 
Treatise  dagjegesi  eingehend  untersucht  (vgl.  daselbst 
zur  Intuition  III,  1).  Intuition  und  intuitive  sind 
wegen  des  ganz  andersartigen  Gebrauchs  von  An- 
schauung und  anschaulich  im  Deutschen,  der  so 
gut  Anschauungen  a  priori  wie  a  posteriori  be- 
greift, stets  durch  Intuition  und  intuitiv  wieder- 
gegeben worden. 

Knowledge:  jede  Art  von  Erkenntnis;  bedeutet  also 
den  Besitz  sowohl  der  Wahrheit  und  Gewißheit 
(fruth  —  ein  seltener  gebrauchter  Terminus  — 
und  certainty,  siehe  dort),  wie  der  Wahrscheinlich- 
keit und  der  ihr  entsprechenden  niederen  Evidenz- 
grade (prohahüity  und  helief,  siehe  dort).  Daß 
Hume  sich  dieser  Anwendung  des  Ausdrucks  wohl 
bewußt  war,  geht  aus  S.  192  Jiervor,   nach  der 

H am«.  Untenuchg.  üb.  d.  iB«uiclil.  Verstand.  X4 


:l 


210 


Englisch-dentsches  Register. 


die  moral  reasonings,  d.  h.  die  nnr  wahrschein- 
lichen Denkakte  ,,den  größten  Teil  des  mensch- 
lichen Wissens"  (knotoledge)  bilden.  Ganz  im  Ein- 
klang damit  wird  Jcnowledge,  übrigens  kein  sehr 
häufig  gebrauchtes  Worty  in  der  Enquiry,  in  der  das 
apodiktische  und  apriorische  Wissen  nicht  ein- 
gehender untersucht  wird,  meist  zur  Bezeichnung 
des  Wissens  niederer  Ordnung,  d.  h.  der  durch 
die  proofs  erarbeiteten  kausalen  Erkenntnis  ver- 
wandt: so  S.  53,  wo  ,,fast  unser  gesamtes  Wissen^ 
(Tcnowledge)  von  der  Eausalitätserkenntnis  abhängig 
gemacht  wird;  femer  S.  36,  37,  42,  43,  45,  49 
u.  a.  m.  Synonymum:  reason  (siehe  dort). 
Dieser  weite  Gebrauch  des  Tcnowledge  ist  einer 
der  größten  terminologischen  Abweichungen  der 
Enquiry  vom  l^eatise,  wo  Tcnowledge  nur  für  das 
Wissen  von  apriorischer  Herkunft  und  apodik- 
tischer Gewißheit  verwandt  wird  (vgl.  Trea- 
tise  lU,  11  und  in  Lipps'  Register  zu  seiner  Über- 
setzung des  Treatise  die  Bemerkungen  zu  Tcnowledge, 
wo  übrigens  der  Terminologie  in  der  Enquiry  nicht 
gedacht  ist).  Eine  einzige  Stelle  fällt  auch  in  der  En- 
quiry in  den  Sprachgebrauch  des  Treatise  zurück, 
nämlich  S.  191,  wo  die  mathematischen  Demon- 
strationen „allein  für  die  eigentlichen  Gegenstände 
des  Wissens"  (tThe  only  proper  ohjects  of  Tmowledge) 
gehalten  werden.  Übersetzt  wurde  Tcnowledge  stets 
mit  Wissen  oder  Kenntms.  Verbum  to  Tcnow: 
kennen,  wissen. 
Metaphv8ic8,metaphy8ical:  a)  jede  „tiefere"  wissen- 
schaftliche Untersuchung;  Synonymum:  accurate, 
profound,  äbstract  pTiilosopThy.  Gegensatz:  oh- 
vious,  easy,  human  phüosopTiy ;  vgl.  S.  9  und  S.  7: 
profound  reasoning  or  what  is  commonly  called 
metapTiysics  (vgl.  Treat  I,  Einltg.).  Diese  tie- 
feren Untersuchungen  zerfallen  in  b)  die  unbe- 
rechtigten und  aussichtslosen,  welche  über  die  Er- 
fahrung hinaus  schweifen,  in  die  Metaphysik 
in  dem  Sinne,  wie  sie  Kant  bekämpft  und  Mill  als 
metempirische  Spekulation  bezeichnet  (vgL 
S.  193),  und  c)  in  die  berechtigten  und  aussichto- 
voUen  oder  die  Erkenntnistheorie,  welche  Kant 


Ihigliflch-dentsohei  Regiater. 


211 


M 


gleichfalls  gelegentlich  als  Metaphysik  bezeichnet. 
Genus  proximum:  science  of  Tiuman  nature.  Sy- 
nonymum: Enquiry  Conceming  Tiuman  under  Stand- 
ing (S.  11/12).  S.  11:  „wir  müssen  die  echte  Meta- 
physik mit  einer  gewissen  Sorgfalt  pflegen,  um  die 
unechte  und  vermischte  zu  zerstören",  d)  Einige 
Male  steht  dann  metapT^ysical  für  jede  geistes- 
wissenschaftliche Untersuchung  im  Gegensatz  zur 
naturwissenschaftlichen.  So  S.41,  wo  die  natural 
pTiilosopTiy  als  Seitenstück  zur  moral  or  metaphysical 
pTiilosopTiy  erwähnt  wird,  ebenso  S.  75.  Übersetzt 
wurden  metapTiysics  und  metapT^ysical  stets  mit 
Metaphysik  und  metaphysisch. 

Kind:  die  gesamte  geistige  Natur  des  Menschen. 
Genus  proximum:  human  nature.  Gegenstück: 
hody  (Körper,  Leib).  Synonymum:  Soul  (Seele, 
S.  59,  79,  83,  86  u.  a.).  Spirit  (z.  B.  of  accuracy), 
genius  (of  phüosophy,  undertaTcing  geniua  S.  8, 
10,  159,  179,  117)  mußten  auch  mit  Geist  (der 
Genauigkeit,  der  Philosophie,  unternehmender  Geist) 
wiedergegeben  werden.  Adjektiv:  menfoZ,  geistig 
(S.  12,  13  A.).  Mind  ist  stets  mit  Geist  übersetzt 
worden. 

Moral:  a)  sittlich,  moralisch  in  unserem  Sinne 
(morality:  Moral,  S.  13,  morals:  Ethik,  S.  193) 
und  dann  bietet  es  für  die  Übersetzung  keine 
Schwierigkeit,  b)  Wahrscheinlich,  im  Gegen- 
satz zu  absolut  gewiß  (certain).  Synonymum: 
probable  (siehe  dort).  Eine  Terminologie,  die  in 
Deutschland  früher  erloschen  ist  als  in  Frankreich 
und  England,  wo  sie  noch  besteht  (sie  geht  auf 
die  Anschauung  zurück,  daß  die  empirischen  Ge- 
setze von  Gott  aus  freiem,  „moralischem^  Wülen 
und  nicht  aus  logischer  Notwendigkeit  geschaffen 
wurden,  und  dieser  theologische  Same  treibt  bis 
in  die  Erkenntnistheorie  hinein  seine  Blüten).  So 
S.  46:  moral  or  probable  reasonings;  S.  129,  wo 
die  niederste  Art  der  moral  evidence  das  tiefste 
Glied  auf  der  Skala  der  Überzeugungsgefühle  be- 
zeichnet; vgl.  auch  S.  185  und  192.  In  dieser  Be- 
deutung ist  das  Wort»  um  weder  seine  eigentüm- 
liche  Färbung,    noch  seine  Verständlichkeit  auf- 

14* 


f 


212 


Engflisch-deutsches  Kegister. 


zugeben,  mit  moralisch-gewiss  wiedergegeben 
worden,  c)  Geistig  im  Gegensatz  zu  körperlich. 
So  nennt  Hume  die  Philosophie  des  Geistes  und  die 
Geisteswissenschaften:  moral  philosophy,  moral 
acienceSy  moral  reasonings,  moral  ideas,  im 
Gegensatz  zur  natural  philosophy  usw.  So  S.  3, 
41, 75.  Sy  nonymum:  metaphysics  in  der  Bedeutung 
von  d)  (siehe  dort).  In  diesen  Fällen  sah  sich  die 
Übersetzung  genötigt,  dem  Mißverständnis  des 
Sinnes  durch  das  Opfer  der  spezifisch  englischen 
Terminologie  vorzubeugen  und  moral  phüoaophy, 
Science  durch  Geistesphilosophie,  Geisteswissen- 
schaft zu  übersetzen. 

Notion:  eigentlich  kein  Terminus  im  Enquiry.  Das 
selten  auftretende  Wort  bezeichnet  bald  den  „Ge- 
danken'* im  Sinne  der  Vulgärpsychologie  (so  S.  6, 
wenn  der  Philosoph  „eingesponnen  in  seine  prin- 
eiples  and  notions"  genannt  wird;  vgl.  S.  20);  bald 
ist  es  ein  Synonymum  von  idea,  reproduzierter 
Vorstellung,  so  S.  20.  Es  wurde  stets  durch  Begriff 
wiedergegeben,  in  dem  vagen  Sinne,  den  dieses 
Wort  in  der  Alltagssprache  hat  und  nicht  im  Sinne 
einer  logisch  nnd  psychologisch  festgelegten  Be- 
deutung (in  der  Hume  es  ebenso  wie  die  abstraet 
idea  nicht  anerkennen  würde).  Aber  es  mußte 
gegen  idea,  conception,  thought  auch  in  der  Über- 
setzung kenntlich  gemacht  werden  und  ein  anderes 
geeignetes  Wort  wollte  mir  nicht  einfallen. 

Operation:  wie  reasoning  mit  der  häufigste  und 
am  schwierigsten  übertragbare  Terminus  der  En- 
quiry. Operation  bedeutet  jede  Art  von  Vor- 
gang, Begebenheit,  Tätigkeit,  Wirksamkeit 
im  Reiche  der  Dinge  an  sich  und  der  Erschei- 
nungen, der  körperlichen  und  der  geistigen  Natur: 
bald  bloß  von  der  Seite  des  einfachen  Gescheh- 
nisses, der  zeitlichen  Veränderung,  bald  von  der 
Seite  der  erzeugenden  Quelle,  durch  die  eine  Ver- 
änderung entsteht,  betrachtet;  letztere  ist  nach 
Hume  unerkennbar  und  der  Mensch  ist  auf  die  Er- 
forschung der  reinen  Abfolge  von  Inhalten  in  seiner 
Untersuchung  der  Operations  angewiesen.  So  werden 


Englisch-dentichet  Register. 


213 


sowohl  die  empirischen  Naturbegebenheiten,  also 
etwa  das  Fallen  eines  Steines,  natural  Operations 
genannt,  als  auch  von  der  ^.Operation  of  the  cause" 
•(S.72,  107  u.  a.),  von  der  Wirksamkeit  der  Ur- 
Sache  in  der  Natur  gesprochen.  Oft  schillert  die 
Operation  nach  beiden  Seiten  und  bezeichnet  dann 
einen  aktiven  Vorgang,  eine  Tätigkeit  des  Geistes, 
aus  dem  jedes  aktive  Element  hinauserklären 
Hume  weder  wollte  noch  konnte.  Jedenfalls  nahm 
er,  wie  auch  die  Gleichung  actions^ Operations  S.  115 
beweist,  das  Endziel,  dem  er  vielleicht  nachstrebte, 
nicht  in  die  ursprüngliche  Terminologie  mit  auf. 
S.  19  wird  ausdrücklich  die  Verarbeitung  der  im- 
p7'essions  zu  fictions,  also  die  „Verbindung,  Um- 
stellung, Vermehrung  oder  Verminderung",  die 
„Mischung  und  Zusammensetzung**  der  Sinneswahr- 
nehmungen und  Gefühle  zu  Phantasiegebilden  durch 
die  imagination  einer  „creative  power** y  einem 
,ywill'*  zugesprochen;  allerdings  sind  dieses  dort 
die  einzigen  im  eminenten  Sinne  aktiven  Operations 
bei  Hume;  doch  hat  er  auch  die  demonstrations 
a  priori,  ja  selbst  die  reasonings  a  posteriori  öfters 
als  „Tätigkeiten"  geschildert  (S.  115/116  A)  und 
Treat.  III,  2  auch  ausdrücklich  ihre  aktive  Natur 
hervorgehoben.  Synonymum:  process.  Hanpt- 
quelle:  Abschnitt  VII  und  VIII.  Es  ist  mir  leider 
nicht  gelungen  (so  wenig  wie  bei  reasoning)  ein 
Wort  zu  finden,  das  an  den  unzähligen  Stellen,  wo 
Operations  vorkommt,  ohne  der  deutschen  Sprache 
oder  dem  Sinne  Gewalt  anzutun,  einzusetzen  wäre. 
Auch  Operations  mit  Operationen  wiederzugeben, 
ging  nicht  an  (man  denke  oder  besser  man  höre 
nur:  die  Operationen  der  Körper,  Operation  der 
Ursache!);  so  wurden  für  die  drei  Hauptnuancen 
der  Operation  drei  Ausdrücke:  Vorgang,  Wirk- 
samkeit, Tätigkeit  gewählt. 
Passion:  ist  stets  mit  Affekt  (affections  meist  mit: 
Neigungen)  übersetzt  worden.  Beides  sind,  ebenso 
wie  die  sentiments,  wo  diese  Gefühle  bedeuten, 
emotions:  Gemütsbewegungen;  vgl.  S.  13 A, 
17,  18,  20,  26  ff.  (S.  1  mußte  passion  mit  Leiden- 
schaft, S.  7  mit  Liebe  wiedergegeben  werden.) 


SU 


Engliioh-deiitiobM  R«gitUr. 


PerceiTe,  percepüon:  Perception  bedeutet  im  En- 
quiry  jede  Art  von  Bewußtseinsinhalten,  on- 
mittelbaren  und  mittelbaren,  räumlich  und  unräum- 
lich charakterisierten,  d.h.  ,,äui3eren"  und  „inne- 
ren'^;  befaßt  also  sämtliche  impresaions  (siehe  dort) 
(«  auttoard  and  inward  sensations)  und  sämtliche 
ideas  und  thoughts  (siehe  dort).  Das  Haben 
solcher  Inhalte  heißt  perceive.  Den  perceptions 
stehen  innerhalb  unseres  „Geistes"'  in  gewissem 
Sinne  die  Operations  of  the  mind  gegenüber. 
Doch  versucht  Hume  nach  Kräften  die  meisten 
Vorgänge  (Operations)  an  den  perceptions,  wie 
das  logische,  mathematische,  kausale  Denken, 
die  Assoziationen  (mit  Ausnahme  der  Abände- 
rungen der  impressions  durch  die  imagination 
zu  fictions  usw.)  lediglich  in  eine  Mechanik 
der  Perceptions,  in  eine  gewissermaßen  durch 
Druck  und  Stoß  hervorgerufene  passive  Be- 
wegungsweise der  Bewußtseinsinhalte  aufzulösen, 
ohne  ein  neues  spontanes  Prinzip  einzuführen. 
Im  Gegensatz  zur  modernem  Aktualitätstheorie, 
welche  die  Perzeptionen  letzten  Endes  aus 
„Apperzeptionen''  aufbauen  möchte,  bemüht  sich 
Hume,  die  „Apperzeptionen"  aus  Perzeptionen  auf- 
zubauen. Keine  perceptions  sind  die  unerkennbaren 
Dinge  an  sich  und  ihre  unerkennbaren  Operations; 
aUe  erkennbaren  Gegenstände  aber  sind  percep- 
tions. Synonyma:  nicht  vorhanden.  Haupt- 
quelle: S.  IT— 23.  Um  Hume  nicht  zu  moderni- 
sieren, ist  perception  nicht  mit  dem  von  der  neueren 
Psychologie  wieder  aufgenommenen  Terminus  Per- 
zeption,  sondern  stets  mit  Auffassung,  perceive 
mit  auffassen  wiedergegeben  worden.  (S.  198, 
wo  perceive  ausnahmsweise  als  intellektuelles  Per- 
zipieren  im  Gegensatz  zum  gefühlsmäßigen  Per- 
zipieren  steht,  mußte  es  mit  „verstandesmäßig  auf- 
fassen" übersetzt  werden.) 

Philosophy:  der  englische  Gebrauch  des  Ausdrucks  ist 
bekannuich  auch  heute  noch  weiter  als  der  deutsche 
(im  übrigen  ebenso  unbestimmt  und  vieldeutig  wie 
dieser).  Phüosophy  zerfällt  bei  Hume  in  die  Haupt- 
zweige der  moral  und  natural  philosophy,  dar 


Engliioh-deutiohes  Register 


215 


Geistee-    und  der  Naturphilosophie.     Beide  Aus- 
drücke werden  zur  Bezeichnung  a)  bald  der  all- 
gemeinen Prinzipienlehre  über  Geist  und  Na- 
tur, also  der  Philosophie  in  unserm  Sinne,  b)  bald 
der  Spezialdisziplinen  über  die  körperliche  und 
geistige  Welt  benutzt  So  werden  S.  4  Erkenntnis- 
theorie, Metaphysik  und  Ethik,  S.  100  dagegen  Ge- 
schichte und  Politik  als  Zweige  der  moral  philo- 
sophy  aufgeführt;  als  Zweige  der  natural  phüo- 
sophy gibt  der  Enquiry  überhaupt  meist  nur  natur- 
wissenschaftliche Sonderdisziplinen  an,  wie  Botanik, 
Mineralogie,  Physik,  S.  38,  41,   100.    So  umfaßt 
das  Wort  philosophy  die  allgemeinste  Wissenschaft 
und  die  Einzelwissenschaften  von  der  Wirklich- 
keit (die  „formalen",  nur  relations  hetween  ideas 
behandelnden    Disziplinen,    wie    die    Mathematik, 
heißen  stets  sciences  und  sind  nach  S.  191  allein 
Sciences  properly  so  called;    während    die  Real- 
disziplinen   gelegentlich    auch    sciences    genannt 
werden,  vgl.  S.  192  und  S.  75).   Wissenschaft  im 
weiteren,     populären    Sinne     heißt    gelegentlich: 
litterature  (S.  4),  letters  (S.  6),  leaming  (S.  8,  11). 
Genus    proximum:    Jcnowledge,   enquiry ,    specu- 
lation,  science  (S.  3).  Da  die  Wiedergabe  von  philo- 
sophy durch  Philosophie  dort,  wo  der  Ausdruck  reale 
Einzeldisziplinen  bezeichnet,  gerade  in  einer  erkennt- 
nistheoretischen Abhandlung  Mißverständnisse  er- 
regen könnte,  so  ist  philosophy  in  der  Bedeutung 
von  a)  stets  mit  Philosophie,  von  b)  stets  mit 
Wissenschaft  übersetzt  worden    (natural    philo- 
sophy:    Naturwissenschaft,      moral     philosophy: 
Geisteswissenschaft). 
Principle:    a)  Grundsatz,  als  eine  Behauptung  all- 
gemeinen Inhalts;   so  S.  1,  wo  von  den  principles 
and  reasonings  der  Enquiry  gesprochen  wird.   Sy- 
nonymum:  maxim  (Grundsatz),   b)  Gesetz,  z.B. 
principles  of  assodation  S.  24,  25.  Synonym  um: 
law  (welches  Wort  mit  Vorliebe  auf  law  of  nature, 
Naturgesetz,   beschränkt  wird),    c)  Grund  kraft, 
Triebkraft.     Synonyma:    power,   spring   (S.  1, 
14,   41,   43/44,    103).     So    wird  S.  116/117    ein 
„hitziges    Gemüt"    als    Ursache    oder    principle 


916 


Bngliaeh-dtiitsohM  RegittMr. 


von  Handlungen  angesehen.  Oft  schillert  prin- 
dple  in  allen  drei  Tönen,  wie  denn  natürlich  die 
engste  sachliche  Verwandschaft  zwischen  den  drei 
Bedeutungen  obwaltet.  Denn  die  allgemeinen  Sätze 
sind  meist  Behauptungen  über  Gesetze,  und  diese» 
sofern  sie  die  Wirklichkeit  beherrschen,  sind  für 
Hume  der  Ausdruck  allerdings  unbekannter,  aber 
vorhandener  „Kräfte^  Es  fügt  sich  glücklich,  dai3 
wir  im  Deutschen  das  Wort  Prinzip  gleichfalls  in 
all  diesen  Schattierungen  verwenden  und  so  ist 
denn  principle  stets  mit  Prinzip  übersetzt  worden. 
ProbabiUty.  probable:  a)Frohahility  kommt  allem 
Wissen  (icmwledge)  zu,  das  nicht  über  logische  und 
mathematische  rdations  hettoeen  ideas,  noch  über 
unmittelbar  durch  sensations  oder  memory  wahr- 
genommene matters  of  fact  and  existence,  sondern 
über  an  der  Hand  der  Kausalität  mittelbar  er- 
schlossene Tatsachen  berichtet.  Und  zwar  heißt 
eine  solche  Einsicht  probable  sowohl  in  bezug  auf 
ihre  objektive  Richtigkeit,  als  Gegenstück  des  truth^ 
als  auch  in  bezug  auf  das  subjektive  niedere  Evi- 
denzgefühl, die  moral  evidence  (im  Gegensatz  zur 
eertainty),  Genus  proximum:  evidence  und  know" 
ledge  (siehe  dort).  Synonym  um:  helief  (siehe  dort), 
b)  Manchmal  aber  soll  nicht  die  Einsicht  als  £k- 
^ebnis  einer  empirischen  Kausalbegründung,  son- 
dern diese  Begründung  selbst  prohdbilityheiQen, 
nämlich  dort,  wo  sie  nur  auf  wenigen,  oder  schwan- 
kenden, oder  „widerstreitenden"  Erfahrungen  er- 
richtet ist.  Dann  tritt  die  probahility  als  „bloße** 
Wahrscheinlichkeit  dem  proof  als  annähernd  ge- 
wissem, auf  umfangreiche,  sichere  und  einstim- 
mige Erfahrungen  gestützten  Beweis  gegenüber 
(siehe  proof);  so  S.70A  und  131.  Im  Sinne  von  b) 
ist  die  probabüity  also  der  niederste  Grad  des  ar- 
gumenta der  inference,  des  reasoning  usw.  Genus 
proximum:  reasoning  (siehe  dort).  Synonymum: 
nicht  vorhanden.  Hauptquelle:  S.  70^73  (vgl 
Treatise  III,  2).  Frobability,  probable  ist  stets  mit 
Wahrscheinlichkeit,  wahrscheinlich  übersetzt 
worden.  Ein  einziges  Mal  findet  sich  auch  Vertsi- 
militude  (Wahrheitsähnlichkeit,  S,  87). 


Bnglisoh-dentschef  Regiiter. 


217 


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1 

4 

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1 


Prodigy,  prodigious:  sind,  um  sie  gegenüber  den 
gleichsinnigen  Ausdrücken  wondery  miracle  (Wun- 
der), marvellous  (erstaunlich)  extraordinary  (außer- 
ordentlich) kenntlich  zu  machen,  stets  mit  Natur- 
widrigkeit, naturwidrig,  widernatürlich  über- 
setzt worden.  Hauptquelle:  Abschnitt  X. 

Proof:  immer  nur  die  auf  Erfahrung  gestützte 
Begründung,  die  von  einer  unmittelbar,  äußer- 
lich oder  innerlich  wahrgenommenen  impression 
zur  Kenntnis  einer  nicht  unmittelbar  wahrgenom- 
menen Tatsache  fortschreitet.  Alles  knowledgeuher 
nicht  durch  Erinnerungsvorstellungen  verbürgte  Er- 
eignisse der  Vergangenheit,  jedes  Wissen  über 
Ereignisse  der  Zukunft,  über  Natur-  und  Geistes- 
gesetze, aus  denen  solches  Wissen  über  Vergangen- 
heit und  Zukunft  sich  herleitet,  beruhen  auf  einem 
proof.  Die  Erfahrung,  auf  die  sich  jeder  proof 
stützt»  ist  letzten  Endes  immer  und  allein  die  Kau- 
salität (S.  42).  To  prove  falsch  (d.  h.  =  demon- 
strate)  angewandt:  S.  46;  demonstrative  or  in- 
tuitive proof  (S.  112).  Das  Ergebnis  des  proof 
erreicht  nie  certainty,  sondern  nur  moral  evidence. 
Wo  Hume  die  Grade  der  moral  evidence  in  Be- 
tracht zieht»  teilt  er  (S.  70  A)  die  Erfahrungsbe- 
gründungen ein  in  proof s  im  engeren  Sinne, 
d.  h.  auf  reiche,  eindeutige  und  sichere  Erfahrung 
sich  stützende  Beweise,  und  in  probabilities 
(siehe  dort,  S.  131).  Das  Gegenstück  zum  proof: 
demonstration,  die  Begründung  a  priori  (siehe  dort). 
Genus  proximum:  argument,  inference,  con- 
sequence,  conclusion  (siehe  dort).  Synonymum: 
nicht  vorhanden.  Hauptquelle:  S.  1340.  Das 
Wort  ist  stets  gegenüber  demonstration  (Demon- 
stration), argument  (Begründung),  inference  (Ab- 
leitung), conclusion  (Schluß),  consequence  (Folge- 
rung) mit  Beweis  wiedergegeben  worden. 

Reason:  a)  im  weitesten  Sinne  Erkenntnis,  a  priori 
und  a  posteriori.  So  S.  35:  all  objects  of  human 
reason  or  enquiry  may  naturally  be  divided  into 
two  kinds,  to  wit  relations  of  ideas,  and  mat- 
ter s  of  fact.  Synonymum:  knowledge  (siehe 
dort).  Seltener  Gebrauch,  b)  Vernunft  im  engeren 


•1 


'^'t.^'-';?; 


318 


£ngliieh-deattohM  Register. 


Sinne:  den  Gegensatz  zur  Elrfahrung,  d.  h.  die  eigeue 
Tätigkeit  des  Geistes  selbst  bezeichnend,  so 
S.  3o»  39,  43,  55.  Ihre  einzigen  Produkte  sind  dann 
die  fictions  der  imagination  und  von  Erkenntnissen 
die  intuitions  und  demonstrations  (siehe  dort).  Über 
das  Verhältnis  von  a)  zu  b)  siehe  S.  56  Anmkg. 
c)  Logischer  Grund,  im  Sinne  von  Einsichten, 
durch  die  unmittelbar  nicht  einleuchtende  Sätze 
mittelbar  bewiesen  werden;  so  S.  29,  86,  40,  158, 
160,  161  u.  a.  Manchmal  auch  «  Ursache  (cause) 
gebraucht:  S.  55.  Beason  ist  stets  im  Sinne  von 
a)  und  b)  mit  Vernunft  von  c)  mit  Grund  über- 
setzt worden. 

Das  Verbum  dazu:  to  reason:  Denkakte  (Ge- 
dankengänge) bilden.  (S.  16,  42,  52,  129,  133,  141, 
172,  186);  einmal  S.  59,  wo  es  ironisch  gemeint  ist» 
mit  Vernünfteln  wiedergegeben. 

Reasoner :  hauptsächlich  in  der  Verbindung  just  reaso- 
ner  vorkommend,  ist  stets  mit  Denker  übersetzt 
worden  (so  S.  5, 6,  57a,  126,  164, 165).  Reasondble : 
vernünftig.  Synonym  um:  intelligent  (S.  110a, 
111,  127,  161,  175  u.  a.). 

Reasoning.  Reasonings :  wie  Operation  zugleich  häu- 
figer, wichtiger,  mehrdeutiger  und  durch  ein  Wort 
unübersetzbarer  Terminus,  a)  Eeasoning  bedeutet 
a)  einmal  im  weiteren  Sinne  die  gesamten 
Erkenntnistätigkeiten,  empirische  and  aprio- 
rische, der  ersten  Bedeutung  von  reason  ent- 
sprechend. So  wird  reasoning  ganz  allgemein  als 
Erkenntnisfunktion  im  Gegensatz  zur  Ge- 
schmacksbeurteilung gebraucht  S.  4,  33,  vgl.  auch 
S.  193.  An  anderen  Stellen  wird  ß)  nur  die  spontane, 
a  priori  verlaufende  Arbeit  des  Denkens,  m  Gegen- 
satz zu  den  empirischen  Quellen  als  reasoning  (im 
engeren  Sinn)  bezeichnet,  der  zweitenBedeutung 
von  reason  entsprechend:  so  S.  124,  125,  55  u.  a.  m. 
Vor  allem  S.  59:  die  Kausalerkenntnis  ein  natural 
instinet,  kein  reasoning  or  process  of  the  thought 
and  under Standing.  Danach  würde  reasoning  nur 
die  Denkarbeit  in  Logik  und  Mathematik,  also  nur 
die  demonstraiion  begreifen,  b)  Ein  zweiter 
Unterschied  in  der   Anwendung  des  Wortes  ent- 


Eogliieb-deatschefl  Registtr. 


219 


steht  dadurch,  daß  reasoning  (und  weit  häufiger 
sein  Plural  reasonings,  der  für  a)  nicht  besteht)  a) 
bald  abstract  zur  Bestimmung  der  gesamten  Er- 
kenntnisfunktion, der  Vernunfttätigkeit,  z.  B. 
in  method  of  reasoning,  S.  114,  142,  154,  168, 
171  u.  a.),  ß)  bald  zur  Bezeichnung  der  einzel- 
nen konkreten  Akte  und  hier  wieder  1.  des 
Vollzugs  des  Aktes  (so  S.  169,  chain  of  reason- 
ing), 2.  des  vollzogenen  Aktes  dient;  in  diesem 
Sinne  sich  oft  bis  zur  vagen  Bedeutung  von  Er- 
örterungen, Erwägungen  erweiternd:  (S.  1,  S.  193 
u.  a.  m.).  Alle  Bedeutungen  verbindet  1.)  die  Be- 
ziehung auf  die  Erkenntnis,  wodurch  rea- 
soning sich  enger  als  thinking  erweist  (da  es  nie- 
mals wie  dieses  etwa  die  Verarbeitung  der  sensations 
zu  fictions  bedeutet),  und  2.)  der  aktuelle,  funk- 
tionelle Charakter  (S.39  reasoning  or  process  of 
thought  and  understanding),  womit  die  Abgrenzung 
gegenreason  im  Sinne  von  a)  vollzogen  ist,  welche  auch 
die  unmittelbaren,  ohne  Denkarbeit  einleuchtenden 
intuitions  a  priori  und  die  impressions  2.  posteriori 
begreift  (vgl.  S.  35).  Genus  proximum:  Operation 
ofthemind.  Synonyma:  nicht  vorhanden.  Haupt- 
quelle: wegenDurchsetzung  der  ganzen  Enquiry  mit 
diesen  Ausdrücken  nicht  anzugeben.  Im  Sinn  von  b) 
a)  ist  reasoning  stets  mit  Vernunfttatigkeit  im  Sinn 
von  b)  ß)  1.)  mit  Denkakt  von  b)  ß)  2.)  mit  Ge- 
dankengang wiedergegeben.  Ein  terminologischer 
Unterschied  zwischen  der  unter  a)  besprochenen 
weiteren  und  engeren  Bedeutung  von  reasoning  ist 
ebensowenig  wie  bei  der  reason  selbst  gemacht 
worden.  Die  Schwierigkeit  in  der  Übersetzung  von 
reasoning,  schon  an  sich  beträchtlich,  wird  dadurch 
vermehr^  daß  das  Verbum  Denken  zur  Wieder- 
gabe von  think  verwendet  werden  mußte,  und  nicht 
mehr  zur  Verfügung  stand.  Einmal,  S.  8,  mußte 
reasoning  mit  Denken  wiedergegeben  werden,  um 
einem  Apercu  Humes  nicht  stilistisch  die  Spitze  ab- 
zubrechen. 

Die  seltenen  Male,  wo  reasoning  nicht  als  Sub- 
stantiv, sondern  als  Partizip  von  to  reason  steht, 
ist  es  dementsprechend  freier  übersetzt  worden. 


320 


Xngluch-deatoohes  Regifier. 


Reflection,  reflect:  a)  allgemein  die  Überlegung,  Er« 
wägnng,  das  Nachdenken;  ziemlich  häufiger, 
doch  nicht  spezifischer  Ausdruck,  so  S.  24, 
26,  50,  56^  57,  87,  109,  110,  111,  120,  121,  138, 
189,  190.  b)  die  Selbstbesinnung  »  inward  srnsa- 
tiony  aentiment,  feeling;  S.  79:  this  idea  is  an  idea 
of  reflectian,  since  it  arisea  from  reflecting  on  the 
Operations  of  our  own  mind.  Viel  seltener;  vgL 
S.  74,  88,  18.  Im  Sinne  von  a)  sind  die  Wörter 
stets  mit  Oberlegung,  überlegen,  von  b)  mit 
Selbstbesinnung,  sich  besinnen  übersetzt  worden. 

Sensation:  jeder  unmittelbare,  d.h.  sich  mir  auf- 
drängende, durch  den  äußeren  oder  den  inneren 
Sinn  (sense)  vermittelte  Bewußtseinsinhalt.  Gegen- 
stück der  sensations  im  Bewußtsein  sind  die  ideas, 
thoughtSy  concepiions  (siehe  dort),  die  matteren  Re- 
produktionen, genaue  oder  ungenaue,  der  sensations. 
S.  17  werden  die  sensations  als  perceptions  of  the 
aenses  erklärt;  ebenda  erhellt  die  Gleicbsinnigkeit 
des  Wortes  mit  feeling  und  sentiment  (mit  deren 
sachlicher  Unterscheidung  von  den  sensationa  man 
Hume  Finessen  unterschiebt,  die  er  nicht'  kennt). 
Soll  eine  aenaation  als  äußere  oder  innere  be- 
sonders charakterisiert  werden,  so  geschieht  dies 
durch  den  Zusatz  external,  internal,  outward,  in- 
ward  (wie  bei  feeling  und  aentiment,  siehe  dort). 
Daher  konstituieren  <fie  äußeren  und  inneren  Wahr- 
nehmungen alle  Eindrücke.  S.  22:  all  impreasiona, 
that  ia  all  aensationa,  either  outward  or  inward. 
So  werden  sowohl  die  Farbenempfindungen  (S.  20), 
wie  die  Lustgefühle  (S.  17)  aensationa  genannt 
Einmal  (S.  23)  wird  Sensation  nur  als  äußere  Wahr- 
nehmung gefaßt  und  der  pasaion  (die  doch  sonst 
auch  eine  aensation  ist)  gegenübergestellt.  Genus 
proximum:  perception  (siehe  dort).  Synonyma: 
impreaaion,  feeling,  aentiment  (siehe  dort).  Haupt- 
quelle: S.  17—23.  Sensation  ist  stets  mit  Wahr- 
nehmung wiedergegeben  worden. 

Sentiment:  kann  jeden  ursprünglichen,  unmittel- 
baren Bewußtseinsinhalt,  sowohl  den  räumlich 
wie  unräumlich,  äußerlich  wie  innerlich  charakte- 


Snglisoh-deutsches  Jäeglater. 


221 


risierten    bedeuten.      Mit    Vorliebe    aber    wird 
aentiment    zur   Bezeichnung    innerer    Eindrücke, 
also   der    Gefühle   und   Willensregungen,   der   af- 
fectiona,    emotions,    passions,    volitions    verwandt; 
darin      entgegengesetzt     dem     feeling      (siehe 
dort),    das   öfter   für  die  äußeren  Eindrücke  der 
Geruch-,  Geschmack-,  Temperatur-,  Gesicht-,  Ge- 
hörswahrnehmungen   gebraucht    wird.      Soll    die 
äußere  oder  innerliche  Beschaffenheit  eines  Sen- 
timent besonders  hervorgehoben  werden,   so  ge- 
schieht dies  wie  bei  sense,  feeling,  Sensation  durch 
den  Zusatz  inward  or  outward  (S.  19,  90:  inward 
sentiment   gegen   outward  ae/naea).     Eine   Sinnes^ 
empfindung  nach  der  Terminologie  der  modernen 
Psychologie  bezeichnet  aentiment  ohne  Zusatz  z.  B. 
S.  60,   wo   die   Kälteempfindung,    ein   Gefühl  im 
Sinne  der  heutigen  Wissenschaft  unmittelbar  darauf, 
wo  pasaion  of  anger  als  ein  sentiment  bezeichnet 
wird.   Genus  proximum:  perception  (siehe  dort). 
Synonyma:   Sensation,   impression,  feeling  (siehe 
dort).  Vgl.  S.  19  und  61:  feeling  or  sentiment,  (S.77 
impressions  or  original  sentiments,  aentiment  or  in- 
ward impression).    Haupt  quelle   (auch   für  das 
Verhältnis  zu  feeling  und  impression) :  S.  17 — 23, 
g,  60—62.     Da  sentiment    öfter    für  innere  als 
äußere  Bewußtseinsinhalte  verwandt  wird,  so  ist 
es,  unserm  Prinzip  getreu,  einen  wichtigen  Aus- 
druck im  Englischen  stets  identisch  zu  übersetzen, 
immer  mit  Gefühl  wiedergegeben  worden.    Doch 
sei  noch  einmal  das   schon  zu  feeling  bemerkte 
(siehe dort)  wiederholt:  daß  Hume  wohl  einen  sach- 
lichen,  nicht  aber  einen  scharfen   terminolo- 
gischen Unterschied  macht  zwischen  Empfindung 
und  Gefühl  im  Sinn  der  modernen  Psychologie  und 
also  diese  sprachliche  Unbestimmtheit  auch  in  der 
Übersetzung  zur  Geltung  kommen  mußte;  und  dies 
um  so  mehr,    als  die   deutsche  wissenschaftliche 
Sprache  keine  Ausdrücke  besitzt,  welche  die  all- 
gemeine, Empfindung  und  Gefühl  gleichmäßig  ura- 
#  spannende  Bewußtseinsweise  bezeichnen  und  doch 
verbal  zu  Wortstämmen,  die  dem  feeling  und  aen- 
timent entsprechen,  in  Beziehung  stehen  (vgl.  Lipps 


222 


Englisoh-deatflohes  Register. 


Jahretzahlen  der  Ausgaben. 


223 


Übersetzung  des  Treatise,  S.  353,  der  zwischen 
feeling  und  sentiment  Unterschiede  entwickelt^  die 
jedenfalls  in  der  Enquiry  nicht  eingehalten  werden). 
Manchmal  (wie  S.  1,  110  u.  a.)  steht  senti- 
ment «  opinion,  für  Ansicht,  Anschauung,  ist 
aber  dann  kein  eigentlicher  Terminus. 

Similar:  Gleichartig  (S.  75  und  oft);  similitude; 
Gleichartigkeit  (S.  98  u.  a.).  Synonyma:  iame 
(derselbe),  like  (gleich),  resemhlant  (ähnlich). 

Think,  thought:  die  Tätigkeit  des  Geistes,  durch 
welche  dieser  den  Erfahrungsstoff  der  impressions, 
sensationSy  feelings,  aentimenta  a)  umformt  zu  ideaa 
und  thoughts,  oder  auch  b)  im  logischen,  mathe- 
matischen und  kausalen  Raisonnement  bearbeitet 
Thought  ist  das  Ergebnis  dieser  Bearbeitung.  Die 
beiden  Funktionen  des  think  befassen  also  das  con- 
ceive  (siehe  dort),  und  das  reason  (siehe  dort).  Ge- 
nus proximum:  zu  think  Operation  of  the  mind 
(siehe  dort);  zu  thought  perception  (siehe  dort). 
Synonyma  von  thought:  idea  und  conception 
(siehe  dort);  von  think  strenggenommen  nicht 
vorhanden.  Hauptquelle:  S.  17 — 25.  Think 
und  thought  sind  stets  durch:  Denken  und 
Gedanken  wiedergegeben.  Wo  the  thought  nicht 
für  den  einzelnen  Gedanken,  sondern  für  das  sel- 
tenere thinking  (S.  19,  23,  65)  steht  (z.  B.  in  pro- 
ceas  of  the  thought  or  reasoning  S.  71,  a  little  thought 
«  ein  wenig  Nachdenken  S.  57),  so  S.  18,  44, 
67,  69,  73,  75,  78,  93  u.  a.,  da  ist  es  natürlich 
mit  Denken  überseUt  worden. 

Truth:  Wahrheit,  S.  4,  12,  13,  16,  20,  34/35,  38,  53, 
176/77  u.  a.  kein  eigentlicher  Terminus.  Gegen- 
teil: falsehood  (S.  136). 

Understanding :  das  „Vermögen"  intellektueller 
,  Erkenntnis,  im  Gegensatz  zum  Vermögen  gefühls- 
mäßiger,  z.  B.  ästhetischer  und  moralischer  Be- 
urteilung (vgl.  S.  13).  Genus  proximum:  mind 
(siehe  dort).  Synonyma:  reason  in  der  ersten  und 
weitesten  Bedeutung  (siehe  dort).  Understanding 
ist  stets  mit  Verstand  übersetzt  worden.         ^ 

Voltmtary:  nicht  ursachlos-frei,  sondern  dem  eige- 
nen,    aber    kausal    bedingten    Willen    des    Sub- 


jekts entsprungen.  Hauptquelle:  S.  105,  106. 
Voluntary  actum  »  action  of  the  will  (S.  111)  ist 
daher  stets  mit  Willenshandlung  (nicht  mit  frei- 
williger B[andlung)  übersetzt  woT&n. 


JahreszaMen  der  Ausgaben: 


Ausgabe  A — C  , 

.  1742 

f,        B-E  . 

.  1748 

»    F-G  . 

.  1751 

n          H-I 

.  1752 

n          K   .   . 

.  1753/4 

»    I-   « 

,  1757 

.     M 

.  1758 

«    N  . 

.  1760 

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.  1764 

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.  1768 

n         Q 

.  1770 

E 

.  1777. 

i 


ROVIIOIDII  A^h^ni'luno  ^^^^  ^^^  Prlnzipieo  der  mensohlichen 
OlSiulSlISy*    Erkenntnis.    Übersetzt  u.  m.  Anmerk.  versehen  von 

Friedrich  üeberweg.  5.  Auü.  1917.  V,  150  S.  .  .  M.  3.60 
--  English  edition  by  T.  J.McCormack.  1913.  XVII,  128p.  M.  2.50 
--  Drei  Dialoge  zwischen  Hylas  und  Phiionous.  Übersetzt  und  eingel. 

von  Raoul  Richter,  gr.  8».  1901.  XXV1I,131S.  .  M.  3.- 
—  English  edition  by  T.  J.  McCormack.    1913.    VII,  136  p.  W. 


portr. 


M..2.50 


—  Theorie  der  Gesichlswahrnehmung.  Mit  Von^ort  von  Prof.  Dr. 
Paul  Barth,  herausg.  von  R.Schmidt.  1912.  XII,152S.    M.  3.20 

—  SIrli.    Übersetzt  von  L.  u.  F.  Raab.    1913.    24,  139  S.    M.  3.50 

—  Aloiphron.  Übersetzt  und  mit  Anmerkungen  und  Register  heraus- 
gegeben von  L.  u.  Dr.  F.  Raab.    1915,  XXXIX,  438  S.    M.  9.— 

HflhhDt    ^''undzüge  der  Philosophie.  1.  Teil:  Lehre  vom  Körper. 

llUIIIIISwt  In  Auswahl  übersetzt  und  mit  Einleitungen  herausgegeben 

von  M.Frischeisen. Köhler.    1915.    V11I,207S.     .    M.  5.— 

—  2.Teil:  Lehre  V.Menschen.  Lehre  V.  Bürger.  1916.VI,  341 S.    M.  7.— 

—  The  Metaphysicai  System  of  Hobbes  in  12  chapters  from  Elements 
of  Philosophy  conc.  Body.  Tog.  w.  briefer  extracts  from  Human 
Nature  and  Leviathan.  Sei.  by  M.W.  Calkins.  1913.  XXV, 
187  p.    W.  portr M.  3.50 

HliniD    ^"  enquiry  oonc.  Human  Understanding  and  sei.  from  a 

UllilllSt  treatise  of  Human  Nature.    With  H's  Autobiography  and 

a  letter  from  Adam  Smith.    Ed.  by  T.  J.  Mc  Cormack  and 

M.W.  Calkins.   W.  mdex.    1913.   XXVIU,  267  p..    .    M.  3.~ 

—  Dialoge  über  natürliche  Religion.  Über  Selbstmord  und  Un- 
sterblichkeit der  Seele.  Übersetzt  und  eingeleitet  von  Friedrich 
Paulsen.    3.  Aufl.    1905.   28  u.  138  S M.  2.60 

-~  Aq  enquiry  cono.  the  Prinoiples  of  Morals.  Reprinted  from  the 
ed.  of  1777.   W.  index.    1913.    VI,  169  p M.  3.— 

—  Nationalökonomische  Abhandlungen.  Übersetzt  von  H.  Nie  der- 
müller.   IV,  134  S M.  1.50 

InrlfD     V^''^*'ol>  über  den  mensohlichen  Verstand.    Neu  übers., 

liUtlllSf    mit  Einleitung  und  Sachregister  von  Hugo  Winckler. 

2  Bände.    1913.    1911.   XXXIV,  489 ;  VII,  450  S.    .    je  M.  6. - 

—  Essay  conc.  Human  Understanding.  Books  II  and  IV  (with  omis- 
sions).  Sei.  by  M.W.Calkins.  W.  index.  1913.  VII,  348p.    M.  5.- 

—  Ober  den  richtigen  Gebrauch  des  Verstandes.  Übersetzt  von 
Otto  Martin.    1910.    103  S M.  3.— 

Untersuchung  über  die  Tugend.    Übersetzt  und 

eingeleitet  von  Paul  Ziertmann.    1905.    15  u. 

122  S M.  2.50 

Ein  Brief  über  den  Enthusiasmus  an  Lord  Sommers.  —  Die 
Moralisten.  Eine  philosophische  Rhapsodie.  Übersetzt  u.  eingel. 
v.M.  Frischeisen-Köhler.    1909.    31  u.  212  S.    .     .    M.  8.— 

Mierau  Teuerungaau/aehlägß  von  Vorlag  und  ßortimeni. 


Shoftesbury. 


VERLAG  VON  FELIX  MEINER  IN  LEIPZIG 


Katalog 


DER 


PHILOSOPHISCHEN 
BIBLIOTHEK 


/ 


DU  Philosophische  Bibliothek  ist  ein  wirklich  wundervolles  Irh 
Btrumeni  der  Forschung  und  der  Kultur,  um  das  alle  Nationen,  in 
denen  der  Geschmack  an  den  tiefsten  Problemen  des  Geistes  vorhanden 
ikder  im  Erwachen  ist,  Deutschland  beneiden  müssen. 

La  Cultura  (Rom), 


inhattsüfoersicht.  ^^^ 

Ait  der  fiesohlchte  der  PhilosophUchen  Bibliothek     ....  II—UI 
Niunmeriverzeichnie  der  Phlloeophischen  Bibliothek     .    .    .    .    .   HI 

I.  AlphabetUehes  YerzelehiiU  der  Philoeophischeo  Bibliothek    1—21 

II,  LehrbOeher  der  Phiioeophloohen  Bibliothrii  .    .    • 22 

Hl.  Hauptwerke  der  Philosophie  in  ortginalgetreooa  Neudraekeii  23 

IV.  BIbllotheca  Phlloeophorum 24 

V.  Wiesen  und  Forschen.  Schriften  zur  Einführung  i.d..  Philosophie  25 

VI.  Neuere  philosophische  Einzelwerke      .......     26—30 

Vtl.  Phiiosophleche  Zeltfräsen 31 

VIII.  Philosophische  Zeltschriften 32 

DL  Taichenaosaaben  der  PbUosophisohen  Bibliothek     ....    IV 

Zu  den  Preisen  treten  Teuerungsaufschläge  von  Verlag  und  Sortiment 

■n ..     ' —      .  y     . 

Die  in  dieseiii  Verzeichnis  tngcgebcnen  Preise  sind  frdbldbcnd.  -  Bei  Lieferant 
ks  Ausland  ist  jeder  deutsclie  Buchliändler  verpflichtet,  die  Preise  gemifl  der  „Ver- 
ktsfsordrtung  f&r  das  Ausland'*  in  fremde  Währung  nmxarcdmea. 

teipzig,  31.jtntiariwa  FELIX  MEINER. 

Avtgabe  Februar  1020. 


'\ 


Aus  der  Geschichte 
der  „Philosophischen  Bibliothek" 

Kfx'l^  Jahre  1918  konnte  die  Philosophische  Bibliothek  auf  eine 
50  iihriije  reiche  Wirksamkeit  zurückbhcken.  Ungezählt  sind  die  Bände, 
wefchc  m  diesem  Zeitraum  den  Weg  in  die  Offenthchkeit  fanden,  mit 
berechtigtem  Stolz  erföllen  den  Verlag  die  Anerkennungen,  welche 
der  Philosophischen  Bibholhck  während  dieser  Zeit  durch  die  Presse  des 
in-  und  Auslandes  zuteil  wurden. 

n^  FI^k^P^^^dJ'?  der  Entwicklung  des  geistigen  Deutschland  bietet  die 
Geschichte  der  Philosophischen  Bibliothek.  Den  unmittelbaren  Anlaß  zu 
lr/«L  ^^Z'"*  w  ^  ^^  ein  Vortrag,  den  1867  der  Vizepräsident  desAppelia- 
tonsgenehts,  Herr  von  Kirch  mann,  im  Arbeiterbildungsverein  über 
den  •Kommunismus  in  der  Natur*  gehalten  hatte.  (Vgl.  S.  13  des  vor- 
liegenden Veoeichuisses.)  Die  preußische  Regierung  sah  sich  auf 
Grund  desselben  veranlaßt,  das  Disziplinarverfahren  g?gen  Herrn  von 
H«m.iT^cü!I  ^^^l^^^9P'  mit  dem  &folg  der  Amtsentsetzung.  Der 
damals  Schorf  über  öOjahnge  Mann  fand  nun  die  Muße,  sich  ^tema- 
hsch  semer  üeblingsbes^^^^^  dem  Studium  der  Philosophie,  zn 

widmen.  Zahlreiche  Übersetzungen  klassischer  und  modemo-  Philo- 
sophen sowie  eigene  philosophische  Arbeiten,  die  zum  Teil  in  de» 
•Verhandlungen  der  Philosophischen  Gesellschaft-  (Vergl.  S.  32).  deren 
Präsident  er  wurde,  zum  Abdruck  gelangten,  verdanken  wir  dem  Eifer 

^n  «,^21i?^^?^^l'^"^'  *"!*  ^^^  ^^  sich  der  Philosophie  hingab.  Vor 
anem  bekannt  aber  wurde  sein  Name  als  der  des  Herausgeber  der 

fC?i'"Ä^-^^^^,?'''' .?"'""  Handlichkeit  und  Billigkeit  ihr  bald>oß1 
PoiÄilintat  m  allen  Kreisen  der  Bevölkerung  ver^ffte.         "     - 

w  ^. buchhändlerische  Schicksal  der  Sammlung  war  wechselvoll 
Von  Heimanns  Verlag  in  Berlin  kam  sie  zu  KoschnyTSlSpz^e 
Von  dort  nach  dem  frühen  Tode  Koschnn  zu  Weiß  in  HeiÄI' 
Von  dort  wieder  zu  Dr.  Salinger  nach  feeriin.  Von  diesem  eS 
die  Durr'sche  Buchhandlung  die  Sammlung  im  Jahre  1901  und 
vni' F^^J'l^l"?'.  ß':2"d«<^h«n  Neugestaltung.  Unter  der  Leitung 
^?ndi;  h;.\'^^'\'  ^^^"^  12  Au^t  1913),  der^als  geistiger  Neub<? 
grunder  der  Sammlung  anzusehen  Ist,  wurde  den  erhöhten  Ansprüchen 
dw  inzwischen  wesentTidi  fortgeschrittenen  Wissenschaft  durch  Ncub«- 
tJ^Ä"^!!;  P!""^^'  ^^''I''^  ^"^"^  ^"^  Hilfsmittel  der  moderacn 
uS^Ä^ÄfAT*^  ^";^  Neuübertragunget,  der  fremdsprTdi 
liehen  Werke  allenthalben  entsprochen.  Außerdem  wurde  die  Sammlung 
durch  Angliederung  des  philosophischen  Teils  von  Fritz  Eckard^ 
Verlag  und  durch  eine  stattliche  feihe  neuer  Bände  erweit«1 

Selbst  die  Kriegsjahre- 1914-19  brachten  trotz  der  Einziehung  des 
nnw^'-*l"  Veriagspersonals,  trotz  der  dauernden  Behinderung  dS 
tVail  Hir^S'*'"  J^"^^  Heeresdienst  und  Verwaltungsdienst  in  PoleS^ 
H^Ji^'  Papierkontingentierung  und  der  gewaltigen  Erhöhung  da 
Herstellungskosten  m  bezug  auf  den  Weiterausbau  und  die  Erneufrung 

UmeSlcS  ^^^'''^".  ^^'^entlichen   SüllsfaT  'S? 

Un  erzeichnete  ließ  es  sich  angelegen  sein,  nicht  nur  früher  begonnene 

oSoTÄ^"„^^K^  ^'  die^nunmehr  Vollendete  Platc^^ugbe  v^n 
ni^^  A^  %  fortzuführen,  sondern  auch  die  philosophischen  Bedürf- 
msse^  des  Heeres  und  der  Heimat  durch  einwandfreie  Neuausgaben 
klassischer  Schriften,  durch  Feldpost-  und  Taschenausgaben  der ¥^S 
unsrer  großen  Denker  nach  Möglichkeit  zufriede^Äto 


\ 


/ 


Einbände  betn 


Die  „PHILOSOPHISCHE  BIBLIOTHEK"  wird, 
soweit  die  gegenwärtigen  technischen  Schwierig- 
keiten der  Buchbindereien  nicht  Stockungen  und 
zeitweiliges  Fehlen  hervorrufen,  stets  gebun- 
den vorrätig  gehalten.  Die  Einbandpreise 
betragen  zur  Zeit: 


bei  einem 
Ladenpreis 

bis  zu  2.—  M. 
über    2.—  bis   4.—  M. 
über    4.—  bis   6.50  M. 
über    6.50  bis  10.—  M. 
über  10.— •  bis  12.50  M. 


der  Leinen- 
oder Halbleinen  band 

M.  1.50 
M.  2.— 
M.  2.50 
M.  3.— 
M.  3.50 


Leipzig,  im  Februar  1920 


FELIX  MEINER 


Alphabetisch  geordnetes  Verzeichnis 


der 


PHILOSOPHISCHEN  BIBLIOTHEK 


Sammlung  der  philoso- 
phischen Hauptwerke 
alter   und    neuer  Zeit 


Mit  aus^hrlichen  Ein- 
leitungen sowie  Sach- 
und       Namenregistern 


sowie  der  Sammlungen 

Bibliotheca    Philosophorum 

^       und 
Hauptwerke  der  Philosophie  in 

Originalgetreuen  Neudrucken 

Die  „Philosophische  Bibliothek*  verdient  ganz  besonders  das 
Interesse  des  kaufenden  Publikums,  das  nicht  nur  auf  Billigkeit 
deiner  Philosophen- Ausgaben  Wert  legt,  sondern  zugleich  Werke  von 
solider  und  anerkannter  wissenschaftlicher  Arbeit  und  würdiger, 
wenn  auch  sachlich-einfacher  Ausstattung  haben  will. 

Literarischer  Ratgeber  des  Durerbundes  1913. 

.   Eine  Nummemübersicht  der  Sammlung:  befindet  sich  anf  S.  S  des  Umschlag^. 
Band 

40alb  B^Alembert^s  Einleitung  in  die  französ.  Enzyklopädie  v.  1751  (Dis- 
cours preliminaire).  Hrsg.  u.  erl.  v.  E.Hirschberg.  1911.  geb.  6.50 
40a    I.  Teil:  Text.    XXIII,  153  u.  11  S. 2.50 

'40b  II.  Teü:  Erläuterungen.    VIIL  192  S.      . 150 

In  ung-ewöhnlich  brauchbarer  Weise  hat  E.  Hirschbergr  d'Alemberts  Ein- 
leitungf  in  diQ  französische  Enzyklopädie  Ton  1761  (den  Disconrs  prelimi- 
naire) herausg-egreben,  so  zwar,  daß  die  Ausgrabe  als  die  lanee  erwünschte 
Einleitung  in  das  ^anze  Denken  jener  wunderbaren  Epoche  der  Befrei- 
ungf,  der  wir  so  unendlich  viel  verdanken,  gelten  darf.  Sie  ist  formid  eine 
Musterleistung:  alle  erdenklichen  biographischen,  historischen  und  philo- 
sophischen Erklärungen  sind  geschickt  und  leicht  faßlich  angebracht,  und 
so  ist  die  Lektüre  des  ,discours'^  für  jeden  Gebildeten  möglich  und  frucht- 
bar gemacht.  Literarischer  Ratgeber  des  Dürerbundes. 

100    Aqnin  siehe  Thomas  von  A. 

Ardig'O  siehe  Bluwstein,  Abt.  VI,  S.  26. 

1  Aristoteles.    Poetik.    Neuauflage  in  Vorbereitung. 

2  —  Metaphysik.   Übers.,  erläut.  u.  m.  e.  Lebensbeschreibung  versehen 
von  Dr.  E.  Rolfes.  Bd.  I.  1904.  18,  162  u.  36  S 4.— 

3 Bd.  II.    1904.     154  u.  46  S. 4.— 

Das  vorliegende  Werk  ist  mit  besonderer  Freude  zu  begrüßen.  Der  Urtext 
der  aristotelischen  Schriften  bietet  ja  selbst  dem  gewiegtesten  Philologen 
ganz  außerordentliche  Schwierigkelten,  und  ohne  philosophische  Schulung 
sind  überaus  viele  Stellen  der  aristotelischen  Metaphysik,  dieseV  vielleicht 
schwierigsten  Schrift  des  Altertums,  selbst  einem  scharfsinnigen  G-eiste 
schlechterdings  unverständlich.  Da  ist  es  nun  gewiß  hochverdienstlich,  die 
aristotelischen  Schrifter  in  trefflicher  Üliersetzung  mit  gediegenem  Kommen- 
■    tar  weiten  Kreisen  zugänglich  zu  machen.  Katholik. 


Verlag  von  Felix  Meiner  in  Leipzig. 


2  Alphabetisches  Verzeichnis. ^^^ 

T  Arlstotele».  Über  die  Seele:  Neu  übereetet  von  Gymn-Dir.  Dr.  AdoU 
Busse.    1911.    XX,  94  u.  27  8.    .    •    .    •    •    •    •    •    •    •    "■ 

5    -  NikomachiBche  Ethik.   2.  Aufl.   Neu  übersetet  und  erlaut,  von  Dr      . 

theol.  E.  Rolfe..    1911.  XXIV.  234  u.  40  8       .        .    •    6.4ü 
7    _  JoUtik.     Neu  über.,  n.  erläut.  von  Dr.  B.  Eolfe..     1912.  XVI, 

274u.  50S Tj    if'    •         ■    •    ,/_ 

9-13  —  Organen.    Übersetzt  von  Kirohmann  u.  Koltes  .     .     .     .  i«. 

9    ^TrteSen^ndHermeneutica.  übersetzt  von  J.H.v.Kircbma^n. 

12,    82  S ^    \  1     n     \nn  a  '  9  Rft 

10  _  Errte  Analytiken,  oder:  Lehre  vom  Schluß.  172  8.    ..    .     ■     a.w 

11  -  Zweite  Analytiken,  oder:  Lehre  vom  Erkennen     136  S        .     2.50 

12  -Topik.  Neu  übersetzt  von  Dr. B.Rolf es.  1919.  XVII,  227  S_     7.- 
S  _  ä^Jhisti.che  Widerlegungen.     Neu  übersetzt  von  Dr.  E,  Rolfe^ 

1Q1R      TX    80  S  "* 

U-18-  -'Läute'rungen  'zun.   Organon.      Von   J.  H.  von^Kirchmann. 

MiÄ,  F.'^AristoteleB  peri  hermeneias  UW  pro  restituendo  tote 

nhilosophiae  fundamento  interpretatus  est.    »/  &.     •     •  „      •  „r;|~ 

N.Sh'S.  J.    Aristoteles-  Lehre  von  dem  smnhchen  Erkenntn»- 

Pet^Tn^^teShter  Aristot^^^^^^^     PbüoBophie  improte- 

RoreÄe^r!rÄyi:m''a':r%thagor.er  nach  den  Angaben  - 

des  Aristoteles.    87  S • 

Afenarius,  Ed.,  siehe  Raab,  Abt.  VI,  S.  29. 

BaTle.  P.,  siehe  Eucken,  Abt.  VI,  S.  27.  t7-«u^ 

20   ^Ck^CAÖ-Tü^^die  Prinzipien  der  penschHc|.en  E^- 
keS.    Übers,  u.  mit  Anm.  versehen  von  Friedrich  Ueb^er^ 

«sehend  wirkenden  Anfaij9lr»gen  des  Erk«^^^^  ^^^ 

der  zunächst  Ij*««"««"  f  rtahn."|  mcht  verU^^^^^^^^  hervordrüngenden 

r»J.7V. -"C;aWHuman Knowledge.  EditedbyT.J.Mc^ 

102    -  I^etlS'i^cLn  Hyla.  und  P^^-of- „f  |»""  ^  "°««'-  l'l 

R.oul  Richter,  gr.  8«>.    1901.   XXVII,  131  8.     •    •    •    •    <* 
Fol  V.  -  Three  dialogues  between  Hylas  and  PhUonous.     Edited  by  T   J^ 
McCormack.    1913.   VII,  136  p.   W.  portr.      .     •     •     •     •    2.60 

14a    -  Theorie  der  Gesichtewahrnehmung.    Mit  Vorwort  v.  Prof.  Dr.  PauJ 
Barth,  hrsg.  v.  Raymund  Schmidt.  1912.  XII,  15^  »•  ".^ 

Vol.  =  Band  der  Biblioth.ea  phno.o|^o^»m  (Ha^ptwe A.  d^ 
rfN'o.'gpt?.Y^^?l^fn'.l°/^«°«"u'?m^'eul'rr"T  =  T,.ch';nau,^^^^ 

Verlag  von  Fdix  Meiner  in  Leipzig. 


Band 
149 

156 

Or.4 
Or.7 

99 
'  21 

22 
23 
24 


155 


25 
125 


26- 
29 


26 


I.  Philosophische  Bibliothek.  3 

l 

Berkeley,  ^ris..  Obers,  v.  L.  u.  F.  Raab.    1913.  24,  139  S.   .    3.60 

—  Alciphron.  Übers,  u.  mit  Anm.  u.  Reg.  hrsg.  v.  L.  u.  Dr.  F.  Raab. 
1916.    XXXIX,  438  S 9.— 

Bolzano,  B,  Wissenschaftslehre.  In  originalgetreuem  Neudruck 
herausgeg.  von  A.  Höfler.  Band  I.  1914.  XVI,  672,  2  S.  mit 
1  Tafel.  -  Band  IL    1916.  VIII,  670  S.      .....    je  15.^ 

—  Paradoxien  des  Unendlichen.    Mit  einem  Nachwort  von  H.  Hahn.  . 
Im  Druck. 

Bruno,  Giordano.  Von  der  Ursache,  dem  Prinzip  u.  dem  Einen.  Übers, 
u.   erläut.  von  Ad.   Lasson.   3.  Aufl.  1902.  XXIV,  162  S.      3.60 
Basse,  L.   Geist  und  Körper  siehe  Abt.  III,  S.  24. 
Cieero.    Über  das  höchste  Gut  und  Übel.    346  S 3.50 

—  Drei  Bücher  über  die  Natur  der  Götter,    262  S 3.— 

—  Lehre  der  Akademie.    176  S 2.— 

Cohen,  H.  Kommentar  zur  Kritik  der  reinen  Vernunft   siehe  Kant,  Kritik  der 

reinen  Vernunft,  S.  10. 
CohH,  Jonas.  Der  Sinn  der  gregenwärtigeü  Kultur  siehe  Abt.  VI,  S.  26. 
C«mte,  Aaraste.    Die  positive  Philosophie.    Im  Auszuge  von  Jules 

Rig.   2  Bde.  in  Groß  8o.  32,  472  S.  12,  624  S.     .....  16.— 

—  Abhandlung  über   den  Geist    des  Positivismus.      Übersetzt  u.  m. 
Anm.  vers.v.  Fr.  Sebrecht.  1916.   XVII,  141  S 8.— 

^Der  Discours  sur  l'esprit  positif  bleibt  die  Quelle,  die  am  klarsten  und 
in  verdichtester  Form  das  Wesen  des  reinen  Positivismus  ausströnat.*  Der 
Herausgeber  hat  eine  grute  Einleitung  geschrieben,  die  sachlich  wie  biogra- 
phisch das  Notwendigste  bringt.  Die  Übersetzung  scheint  mir  sehr  gelungen, 
die  Anmerkungen  dringen  tief  in  wichtige  Probleme  ein  und  geben  gute 
Erläuterungen.  So  ist  dieser  Band  eine  würdige  Vermehrung  der  vortreff- 
lichen Bibliothek.  Monatsschrift  für  höhere  Schulen. 

Kühnert,  H.     Comtes  Verhältnis  zur  Kunst.     1910.     66  S.      .     1.— 
Levy-Bruhl,  L.  Die  Philosophie  C.s.  Übers,  v.  H.  Molenaar.    1902. 

VI,  288  S. 4.— 

Mehlis,  G.  Die  Geschichtsphilosophie  C.s.    1909.    IV,  168  S.    3.— 
CondlUac.    Abhandlung  über  die  Empfindungen.    Vergriffen. 
Cues,  Nikolaus  v.,  siehe  Eucken,  Abt.  VI,  S.  27. 
Bamaskios  von  Damaskus.     Das  Leben  des  Philosophen  Isidoros. 

Wiederhergestellt,    übersetzt  und  erklärt  von  R.  Asmus.     1911. 

XVI,  126,  68  u.  80  S 7-BO 

Dante.    Über  die  Monarchie.    91  S.    1872.     .     ^  .    .    .     kart.  2.— 
Banrln.     Seine  Bedeutung  im  Ringen  um  Weltanschauung  und 

Lebenswert.     1909.   123  8 Eleg.  kart.  M.  1.60 

Inhalt:    Wilh.  Bölsche,  Darwins  Vorgänger.  —  Max  Apel,  Darwinismus  und 
.  Philosophie.  —  Bruno  Wille,  Wie  die  Natur  zweckmässig  bildet.  —  Eduard  David, 
Darunnismus  und  soziale  Entwicklung.  —  Rudolph  Penzig,  Darwinismus  und  Ethik. 
—  Friedrich  Naumann,  Religion  und  Darunnismus. 

'  Beseartes,  Ren6.  Philosophische  Werke.  Neu  übersetzt  und  mit 
Einleitungen  und  Gesamtregister  versehen  v  on  Dr.  ArturBuchenau. 
In  2  Halbpergamentbände  gebunden 30. — 

DaraiM  einzeln: 
Bd.  I.    Abhandlung  über  die  Methode.   3.  Aufl.    1919.   Die  Reg^  eut 
Leitung  des  Geistes.     Die  Erforschung  der  Wahrheit  durch  das 

natürüche  Licht.     1906.    82  u.  168  S. 6.40 

Die  beiden  Teile  sind  auch  einseln  au  beziehen  (Preis  M.  2.—  bezw.  M.  3.60). 


Verlag  von  Felix  Meiner  in  Leipzig. 


Alphabetisches  Verzeichnis. 


-  -  ««"«"  AuBgao  ^^  ^^^^  Halbleinwand  gebunden  8.- 

Vol  i  _  MeStatione.  dtprima  philoBopMa.  Ui.  ed.  A.  Bnchenau.    1^13. 

2S    B  JI-   K^Prinziplen  der  Phil<»op^V    ^t  d^n'  Be.er^nge^^ü^^^^ 
ein  gewisses  Programm".     3.  Aufl.,  von  J^r.  äi:i.u*  ^^ 

A.  Buchenau.    3.  Aufl.    1911.    AJULli,  i^u  ^  *>"  «•  g^ 

JnfÄ^:nN^:g«1?X!Lte..    Eine  Einfuhrung  in  seine  Werk 

Sch^deT™'.  ÄWung  Ga..enai-.  .zu  D.    1^  '^  S.     1^ 
5^™«' A    Eilzykiopädle  der  Philosophie  a^.  «ehe  Abt.  VI,  S.  »6. 

Schriften  über  Eucken  »«^e  A  ^^7  Q  07 
VAphner  siehe  HalL  St.,  Abt.  VI,  o.  ^r  _^-  ».^ 

;3r-  Ä!  4oh.  Got«:   wirke  in  6  Bänden.   Heransgeg.  Ton  Prof  Dr 
m  FMediouB.    Groß  8».    1908-12    .    .    •■■■    '    '       ^^ 

^^      _  üi  yoraehmen  Halbleinwandbdn.  mit  echt  Gold-PresBung    .  ISO.- 

-  ^?  *S',S?Kf«*79i7n?7->^-^rinXge  der  gesamten  Wiesen- 

,.,    _  l^rrkf  M^Vbtea  nach  dem  Knpferstich^von  S^ch^^^^ 

''''^- J^llieit^n«:  m-  die  W^n^^ 

Einleitnns  in  die  Wissenschaftsleljte   (1797).     S.  S|-i^      »^ 

mnen  D&steUang  der  WiSMO»ch.ftdetoe  /"j^-isöofs   119-880.  -  Die 


\ 


^  I.  Philosophische  Bibliothek. 

Band 

130  Flehte.  Bd.  lY.    1908.    648  S •    *    '    *    *  «* ;  \;;*"' 

DarsteUnng  der  Wissenschaftslehre.  Aus  Äem  ^Jj^^^^OLSL  1-164. - 
Die  Wissenschaftslehre.    YoTgetn^en  i^Jf^  o^^i_L»  ~ 

Grunditige  des  gegenwärtigen  Zeitalters  (1806).    S.  898—648. 

131  —  Bd.  Y.    Mit  Bildnis  Fichtes  nach  dem  Medaillon  von  Wichmann, 

1910."  692  S.   .    . einzeln  vergriffen 

Über  das  Wesen  des  Gelehrten  (1806).  S.  1-102.  -  Änweisungr  «^^J  «e}iS®,S 
Leben  (1806).  S.  103  -308.  -  Bericht  über  den  Be^iff  der  Wissenschaftslehre 
iSd  die  bisherigen  Schicksale  ders.  (1806)  S  809-856  -  Za  «Jac<)bi  an 
Fichte«  (1807).  S.  357-364.  -  Beden  an  die  deutsche  Nation  (1808).  S.  866--610. 

-  Die  Wissenschaftslehre  in  ihrem  al^ememen  Umnß  (1810).    ».  611-628. 

-  Vorlesungen  über  die  Bestimmung:  des  Gelehrten  (1811).    S.  baa— e»4. 

132  —  Bd.  Yl.    Mit  dem  Gesamtregister.    1912.    IV,  680  S.  ...  16.— 

Inhalt:  System  der  Sittenlehre  (1812).  S.  1-118.  -  fl^er  das  Verhält- 
nia  der  Loßik  zur  Philosophie  oder  transzendentale  Logik  (1812).   b.  119— 41^. 

-  Die  sÄehre   oder  Ä>er  das  Verhältnis  des  Urstaates  zum  Vernunft- 
reiche  (1813).    S.  417—625.  —  Eegist^r  der  Gesamtausgabe.    8.  626-680. 

In  Einzelausgaben  erschienen  daraus: 

131  h  Flehte.    Anweisung  zum  seligen  Leben Vergnffen 

1296  —  Atheismusstreit,  Die  phüosophischen  Schriften  zum.  Mit  Einleitung 

vonF.  Medicus.    XXXIII,  142  S. 4.40 

Inhalt:  Über  den  Grund  unseres  Glaubens  an  eine  gottliche  Welt- 
regierung.  -  Forberg,  Entwicklung  des  Begnffs  der  Religion.  -  Fichte^ 
Appellation  an  das  Publikum  über  die  ihm  beigemessenen  atheistischen 
Äußerungen.  Eine  Schrift,  die  man  erst  zu  lesen  bittet,  ehe  man  sie  kon, 
fisziert.  -  ßückerinnerungen,  Antworten,  Fragen.  Eine  Schrift,  die  den  Steeit- 
pmikt  genau  anzugeben  bestimmt  ist.  -  Aus  e.  Pnvatschreiben  (im  Jan.  1800). 

127  a  —  Begriff  der  Wissenschaftslehre.    IV,  61  S. 2.— 

129t  —  Bericht,  Sonnenklarer,  über  das  eigentHche  Wesen  der  neueren 

Philosophie.    IV,  102  S •    •    3^0- 

129  c  —  Bestimmung  des  Menschen Vergnffen 

i5Ia— Über    den    Gelehrten:      Bestimmung    des   Gelehrten    (1794)  - -- 
Wesen  des  Gelehrten  (1805)  —  Bestimmung  des  Gelehrten  (1811). 

IV,  224  S Vergnffen 

127h  —  Gnindlage  der  gesamten  Wissenschaftslehre  (1794).   Mit  Einleitung 

von  F.  Medicus.    XXX,  245  S Vergnffen 

227c  —  Gnindriß  des  Eigentümlichen  der  W.-L.    IV,  83  S.   >     .    .     2.50 

i5ö  6  —  GruWzüge  des  gegenwärtigen  Zeitalters.  IV,  255  S 6.40 

129  d  —  Handelsstaat,    der  geschlossene.    IV.    128  S 3.60 

lS2h  —  Logik,  Transzendentale.    IV,  296*  S 6.— 

128b  -  Natun-echt.   IV,  389  S «"  -;t  '     •«"" 

129  f  —  Nicolais  Leben  und  sonderbare  Meinungen.    IV,  95  S.    Vergnffen 
13U  —  Reden  an  die  deutsche  Nation.  3.  Aufl.  1919.  250  S 8.60 . 

Yollü&näigt  Atisgahe  mit  sämtl.  Zusätzen. 

128a  —  Sittenlehre  von  1798.    IV,  371  S 8.— 

132a  —  Sittenlehre  von  1812.    IV,  118  S. 3.— 

132c  —  Staatslehre.    IV,  210  S •     •     •     -     -     '  /     -    :  .  ^•— 

Enthält  u.  a.    die  Betrachtungen:    Über  den  Begriff   des  wahrhaften 
Krieges  —  Über  Napoleon. 
130a  —  Wissenschaftslehre  von  1801  u.  1804.    396  S.      ....    .     8.60 

Außerhalb  der  Gesamtausgabe  erschienen: 
30    Versuch    einer  Kritik  aller  Offenbarung.    Herausgegeben  von  J.  H. 

V.  Kirchmann.     202  S 3.— 


Verlag  von  Felix  Meiner  in  Leipzig. 


Verlag  von  Felix  Meiner  in  Leipzig. 


6  Alphabetisches  Verzeichnis. 

Band 

*  Flehte.    Ideen  über  Gott  und  Uiwterblichkeit.     Zwei  religionsphilo- 

8ophi8che  Vorlesungen  aus  der  Zeit  vor  dem  Atheismusstreit.  Nach 

e.  verschollenen  JDnick  neu  hrsff.  v.  Fr.  BüchseL  1914.  56  8.    2. — 

Bisher  unter  einem  irreführenden  Titel  verborgen  and  selbst  den  besten 

Fichtekennem  unbekStPct,  sind  die  beiden  Yorlesong^en  für  die  Erkenntnis 

des  Werdens  der  Fichteschen   Religionsphilosophie  und  als  geschlossenste 

Barstellung  derselben  von  höchster  Bedeatong. 

Or,  6  —  Über  den  Begnfif  des  wahrhaften  Krieges.    Anschließend:   Rede 

an  seine  Zuhörer  bei  Abbrechun^^  der  Vorlesungen  am  19.  Febr. 

1813.   Originalgetr.  Neudruck  der  Erstausg.    1914.   VI,  87  S.     1.50 

X0IO     —  „Deduzierter    Plan    einer    zu    Berlin    zu    errichtenden    höheren 

Lehranstalt".    Zusammen  mit  Schleiermachers  und  Steffens* 

Universitätsschriften  mit  ausführl.  Einltg.  hrsg.  v.  Prof.  Dr.  Eduard 

Spranger.    2.  Ausgabe.    1919.  XLIII  u.  291  S 4.— 

*  —  Machiavell.    Nebst  einem  Briefe  Karls  v.  Clausewitz  an  F.   Kritische 

Ausgabe  von  Hans  Schulz     1918.     XXII,  65  S.      ...    2. — 

*  —  Der  Patriotismus  und  sein  Gegenteil.    Patriotische  Dialogen.   Nach 

der  Handschrift  hrsg.  von  Hans  Schulz.     1918.    X,  61  S.     3. — 
Fichtes  Unterscheidung  von  wahrem  Patriotismus  und  von  trügerischem 
eitlen  Chauvinismus  heute  zu  lesen,  gehört  zu  den  erquicklichsten  geistigen 
Genüssen.  Panzers  Armeezeitung. 

*  —  Predigten.  Mit  Einltg.  hrsg.  von  M.  Kunze.    1919.   IV,  70  S     3.-- 

*  —  Zurückforderung  der  DenUfreiheit  von  den  Fürsten  Europens,  die  sie 

bisher    unterdriickten.     Herausg.    von   Keinh.   Strecker.     1920. 
XV.  34  S •.     2.— 

*  —  Beiträge  zur  Berichtigrung  der  Urteile  des  Publikums  über  die  fran-i 

zösische  Revolution.  Hrsg.  von  Reinh.  Strecker.  In  Vorbereitung. 
—  Rechtslehrev.  1812.  Nach  d. Hau dschr. hrsg.  v.H.Schulz.  Im  Druck. 
Bergmann,  Ernst.  Fichte,  der  Erzieher  zum  Deutschtum.  EineDarstel- 

lung  der  Fichteschen  Erziehungslehre.  1915.  VIII,  341  S.       .     6. — 
Eucken  über  Fichte  siehe  Abt.  VI,  S.  27. 
Lassen,   Ad.     Fichte  im  Verhältnis   zu  Kirche   und  Staat.      1863. 

IV,  245  S 4.— 

Medicus,  F.  Fichtes  Leben.  1914.  176  S 3.— 

Moog,  W.    Fichte  über  den  Krieg.    1917.   48  S 1.20 

Strecker,  R.  Die  Anlange  von  Hchtes  Staatsphilosophie.      .    1917. 

154    Fieinus,  Marsillas.  Über  die  Liebe  oder  Piatons  Oastmahl.  Übers,  u. 
mit  Einleitung  u.  Register  versehen  von  K.  P.  Hasse.   1915.  VIII, 

259  S.    (Hpgt.  10.—)  -.....* ^    .     6  — 

Eine  sehr  verdienstvolle  Übersetzung!   Wer  kannte  ein  Werk  des  Be- 
gründers der  fiorentinischen  Akademie?    Nur  der  Spezialist  auf  diesem  Gre- 
biete  las  den.,  italienischen  oder  lateinischen  Text.    Jetzt  liegt  uns  eine  ge- 
wissenhafte Übersetzung  vor,  und  viele  werden  sich  in  das  Werk  vertiefen, 
'       denn  es  ist  nicht  nur  philosophisch  wichtig,  sondern  ist  ein  kulturgeschicht- 
liches Dokument  der  Kenaissancezeit.    Monatsschrift  für  höhere  Schulen. 
*     Friedrich  der  Große.     Antimacbiavell.  —  Betrachtungen  über   den 
gegenwärtigen  Zustand  des  europäischen  Staatskörpers.  —  Fürsten- 
spiegel. —  übers,  u.  eingeL  v.  L.  B.  Förster.    .    .    .     kart.  2. — 
Or.  2  Fries,  Jak.  Friedr.   Philosophische  Rechtslehre  und  Kritik  aller  posi- 
tiven Gesetzgebung.    Mit  Namen-  und  Sachregister.  Hrsg.  von  der 

Fries-Gesellschaft.  1914.  XX,  185  S 2.50 

Or,  5  —  System  der  Logik.   Durchgesehen  und  mit  gänzl.  neu  bearbeitetem 
Namen-  und  Sachregister  herausg.  von  der  Fries-Gesellschaft.  1914. 

XX,  12,  454  S 6.— 

r  ' — — 

Verlag  von  Felix  Meiner  in  Leipzig. 


I.  Philosophische  Bibliothek. 


109 


TU 
T16 


3112 
97 


33 


34 

* 


124    — 


144    — 


€i«7MT.     Pie  Seele  siehe  Abt.  VI,  S.  27. 

Goethes  Philosophie  aus  seinen  Werken.  Ein  Buch  für  jeden  gebil- 
deten Deutschen.  Mit  ausführl.  Einltg.  hersgeg.  von  Max  Hey- 
nacher.    1905.    YIII,  110  u.  318  S.  .    ........     5.— 

Ä.  d,  Inhalt  tt.  a.:  Die  Natur.  —  Metamorphose  der  Pflansen.  —  Der  Vertuck 
al9  Vermüüer  v.  Objekt  u.  Subjekt.  —  Über  epische  und  dramatische  Dichtung.  — 
Über  Wahrheit  und  Wahrscheinlichkeit  der  Kunstwerke.  —  Winckelmann  u.  s.  Jahr- 
hundert. —  Sinnlich- sittliche  Wirkung  der  Farbe.  —  Einunrkung  der  neuen  Philo- 
sophie.  —  Aus  der  Zeit  der  Spinozastudien.  —    Versuch  einer  aüg.  Vergleichungs- 

lehre.  —  Register.  ^  j  j  _i 

Als  ich  dieses  Buch  las,  in  einem,  was  nurn  sonst  nur  von  da  und  dort 
sich  zusammenholen  und  sich  selber  zurechtkonstruieren  muß,  so  Zug  um 
Zug  vom  Urquell  trank  —  da  kam  es  auch  über  iliich  immer  wieder  wie  ein 
Erschrecken  und  Erschauem.  Und  mir  war's  als  wieder  etwas  ganz  Neues, 
als  hätte  ich's  zum  ersten  Male  erfunden  und  entdeckt  und  noch  nie  gehört, 
Goethes  Philosophie  bedeutet  wirklich  und  wahrhaftig  etwas  ganz  Neues. 

Julius  Hart  im  „Tag". 

—  Goethes  Kunstphilosophie.    89  S 2.25 

—  Goethes  Naturphilosophie.    85  S 2.25 

Vorländer,  K.  Kant— Schiller— Goethe.  Gesammelte  Aufsätze.  1907. 

XIV,  294  S 5.— 

Eucken  über  Goethe  siehe  Abt.  VI,  S.  27. 

Grbtius,  Hugo.  Drei  Bücher  über  das  Recht  des  Krieges  und  Frie- 
dens.   2  Bde.    1869.    530  S...  480  S 20.— 

—  Von  der  Freiheit  desMeeres.  Übers.  vonR.Boschan.  1919.  93S.  3.— 

Boschan,  R.,  Der  Streit  um  die  Freiheit  der  Meere  im  Zeitalter 
des  G.    1919.    59  S.     .... 2.70 

Haeckel,  Ernst.  —  Apel,  Max.  Die  "Weltanschauung  Haeckels. 
2.  Aufl.    1910.    80  S Eleg.  kart.  M.  1.— 

Goldschmidt,  L.  Kant  und  Haeckel,  1906.   137  S 3.— 

Hall,  St.  Moderne  Psychologie  siehe  Abt.  VI,  S.  27. 

Hartmann,  Ed.  —  Ziegler,  L.  Das  Weltbild  H.'s.  1910.  196  S.    4.— 
Hegel,  0.  W.  F.    Sämtliche  Werke.     Unter  Mitwirkung  v.  Dr.  0. 
Weiß  hrsg.  v.  Georg  Lasson. 

—  Encyclopädie  der  philosophischen  Wissenschaften  im  Grundrisse. 
Neuhrsg.v.  G.  Lasson.    2. Aufl.    1920.76,522  8 9.— 

Auf  holzfreiem  Papier  in  vornehmen  Halblwbd.  mit  echt  Gold- 
aufdruck geb.  (Werke  Bd.  V) 16.— 

Erläuterungen   dazu  von  K.  Rosenkranz,    (geb.  1.40)   — .80 

Hegels  Entwürfe  zur  Encyclopädie  und  Propädeutik.  Her- 
ausg. von  Dr.  J.  Löwenberg.   Mit  Handschriftprobe.     (Aus  dem 

Hegel- Archiv.) 3.40 

Grundlinien  der  Philosophie  des  Rechts.  Mit  den  von  Gans  re- 
digierten Zusätzen  aus  Hebels  Vorlesungen  neu  herausgeg.  von 
Georg  Lasson.    1911.    XOVI,  380  S 8.— 

—  In  vornehm enHalblwdbd.m.  echt  Gold  geb.  (Werke  Bd.  VI)  16.— 

—  Hegels  handschriftl.  Zusätze  zu  seiner  Rechtsphilosophie.  Drei 
Teile.  Hrsg.  von  G.  Lasson.  (A.  d.  Hegel- Archiv.)  1914/15.  je  3.40 
Schriften  zur  Politik  und  Rechtsphilosophie.  Hrsg.  u.  m.  Einleitg. 
u.  Registern  vers.  v.  G.  Lasson.  1913.  38,  513  S 8. — 

—  In  vornehmen  Halblwdbd.  m.  echt  Gold  geb.  (Werke  Bd.  VII)'    16.— 

Inhalt:  Die  Verfassung  Deutschlands.  —  Verhandlungen  der  Württembergischen 
Landstände  1815116.  —  Die  Englische  Reformhin.  —  Wissenschaßliche  Behand- 
lungsarten des  Naturrechts.  —  System  der  Sittlichkeit. 


Verlag  von  Felix  Meiner  in  Leipzig. 


8  Alphabetisches  Verzeichnis. 

Band  ^ 

114    Hefel,  G.  W.  F.     Phänomenologie    des   Geistes.     Jubiläuinsausgabe. 

Hrs^eg.  und  eingel.  ▼.  O.  Lasson.  1907.    119,  632  S.  Vergriffen. 

'  -  —  Hr8g.u.eingeLv.0ttoWeiß.  1909.  XLIV,  612  u,15S.Gr.8^  7.— 

172  a  —  VorlesungenüberdiePhilo8opliiederWeltgeBchichte.(WerkeBd.VIII) 
Vollständig  neue,  auf  Grund  des  aufbehaltenen  handschriftlichen 
Materials  besorgte,    Ausgabe  von  Georg  Lasson.     I.  Bund:  Die 

Vernunft  in  der  Geschichte.    1917.    X,  264  S 5.60 

i71b II.  Band.     Die  orientalische  Welt.     1919.  XV.  260  S.    .      8.— 

J17J  c  —  —  III.  Band.    Die  griechische  und  römische  Welt.  1920    .      9.— 

X7X^ IV.  Band.    Die  germanische  Welt.     Im  Druck 

T6    —  Über  die  englische  Reformbill.    44  S 1.50 

T12  —  Der  Staat.    85  S 2.25 

Hegel- ArehlT.     Hrsg.    von   Georg  Lasson.     Jährlich  2  Hefte   im 

Umfange  von  je  4 — 6  Bogen.    Abonnementspreis    ....    6. — 

Das  Hegel-Archiv   ist  die  SammelstKtte  des  urkundlichen  Material»  für 

Hegrels  Entwicklungsgeschichte  und  Biographie.  Inhaltsangabe  s.  Abt.  VIII, 

Seite  82. 

Ehrenberg,  Hans.    Parteiung  der  Philosophie.    Studien  wider  Hegel 

und  die  Kantianer.     1911.     VI,  133  S 4.— 

Sydow,  E.  V.    Der  Gedanke  des  Jdealreichs  von  Kant  bis  Hegel. 

1914.    VIII,  130  S 4.50 

üelmholti  siehe  Hall,  Abt.  VI,  S.  27. 

146    Herbart.    Lehrbuch  der  Einleitung  in  die  Philosophie.    Mit  ausführl. 

Einleitung,  hrsg.  v.  H.  Häntsch.  1912.  78,388  8.     ....    6. — 

Dietering,    Paul.      Die    Herbartsche    Pädas:ogik   vom    Standpunkt 

modemer  Erziehungsbestrebungen.  1908.  18,  220  S.        ...    6, — 

112  Herders  Philosophie.  Ausgewählte  Denkmäler  aus  der  Werdezeit  der 
neuen    deutschen   Bildung.     Mit   ausf.   Einltg.  hrsg.  von   Horst 

Stephan.    1906.    44,  275  u.  35  S 5.— 

A.  d.  Inhalt:  Vom  Ursprung  der  Sprache.  —  Vom  Erkennen  und  Empfinden 
der  menscM.  Seele.  —  Aus:  Auch  eine  Philosophie  der  Oesch.  zur  Bildung  der 
Menschen.  —  Aus:  Ideen  z.  Phüos.  d.  6.  d.  M.  —  Oott.  Einige  Gespräche.  — 
A%u  d.  philos.  Lyrik.  —  Lebensanschauung  und  Lebensideal. 

T2    —  Ideen  zur  Philosophie  der  Geschichte  der  Menschheit.  90  S.  2.25 

T7    —  Herders  Religionsphilosophie.   81  S.     . 2.25 

TIB  —  Herders  Sprachphilosophie.   86  S 2.25 

Jac ob y,  Herders  und  Kants  Ästhetik.   1907.    X,  348  S.   .     .     .  5.40 

—  Herder  als  Faust.     1911.    XII,  485  S 7.— 

167  Hobbes,  Th.  Grundzüge  der  Philosophie.  L  Tl. :  Lehre  vom  Körper. 
In  Auswahl  übers,  u.  m.  Einltg.  hrsg.  v.  M.  Frischeisen-Köhler. 

1916.    VIII,  207  S.       6.— 

/55 2.  Tl.:  Lehre  vom  Menschen.  —  Lehre  vom  Bürger.     Hrsg.  v. 

M.  Frischeisen-Köhler.     1918.    VI,  341  S 7.— 

Die  Übersetzung  ist  gut  gelungen  und  gehört  zu  den  besten,  die  die 
philosophische  Bibliothek  in  den  letzten  Jahren  herausgebracht  hat. 

Theologische  Literaturzeitung. 

r<rf.  FT.  —  The  Metaphysical  System  of  Hobbes  in  12  chapters  from  Ele- 
ments of  Phüosophy  conc.  Body.  Tog.  w.  briefer  extracfs  from 
Human  Nature  and  Leviathan.  -Sei.  by  M.  W.  Calkins.  1913.  XXV, 
187  p.    W.  portr ^ 3.50 

Verlag  von  Felix  Meiner  in  Leipzig. 


I.  Philosophische  Bibliothek. 


Band 
123 


TS 
T17 
T22 
85 


Vol  7. 


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36 
Vol.  8. 


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125 
116 

TIS 

37^ 

52 


37 


Hamboldt,  Wilh.  von.  Ausgewählte  philosophische  Schriften.  Her- 
ausgeg.  V.  Joh.  Schubert.  1910.  39,  222  S. 4.60 

Inhalt:  J.  Zur  Ästhetik:  "Über  Goethes  Hermann  und  Dorothea.  Kap. 
I7-XII.  -  Über  Schiller  und  den  Gang'  seiner  Geistesentwicklungf.  —  Bezen- 
sion  von  Goethes  zweitem  römischen  Aufenthalt.  —  II,  Zur  Otschichts- 
Philosophie:  Über  die  Aufgabe  des  Geschichtsthreibers.  —  Betrachtungen 
über  die  bewegenden  Ursachen  der  Weltg-eschichte.  —  Latium  und  HeUas 
oder  Betrachtungen  über  das  klassische  Altertum.  —  III.  Zur  Sprachphüo- 
»ophie:  Über  das  vergleichende  Sprachstudium  in  Beziehung  auf  die  ver- 
schiedenen Epochen  der  Sprachentwicklung.  —  IV.  Zur  Religionsphilosophie: 
über  die  unter  dem  Namen  Bhagavad-Gitä  bekannte  Episode  des  Mahä- 
Bhärata.  —  V.  Zur  Pädagogik:  Über  die  innere  und  äußere  Organisation 
der  höheren  wissenschaftlichen  Anstalten  in  Berlin.  —  Eegister. 

—  ilber  die  Aufgabe  des  Geschichtschreibers.  55  S 1.50 

—  Über  das  vergleichende  Sprachstudium.   22  S 1.50 

—  Denkschrift  über  die  deutsche  Verfassung  1813.    26  S.     .     ,     1.60 
Harne.  David.    Eine  Untersuchung  über  den  menschlichen  Verstand. 

7.  Aufl.  Hrsg.  V.  Raoul  Richter.     1911.   VIII,  224  S.    .     .    2.40 

—  In  vornehmem  Greschenkband 5.50 

—  An  enquiry  conc.  Human  Understanding  and  sei.  from  a  treatise 
of  Human  Nature.  With  H's  Autobiography  and  a  letter  from 
Adam  Smith.  Ed.  by  T.  J.  Mc  Cormack  and  M.  "W.  Calkins.  W. 
index.  1913.  XXVIII,  267  p.      . 3.— 

—  IHaloge  über  natürliche  Religion.  Über  Selbstmord  und  Unsterb- 
lichkeit  der  Seele.  Übersetzt  und  eingeleitet  v.  Friedrich  Paul- 
Ben.    3.  Anfl,     1905.   28  u.  138  S.     .    . 2.60 

—  An  enquiry  conc.  the  Principles  of  Morals.  Reprinted  from  the 
ed.  of  1777.   W.  index.  1913.    VI,  169  p .    3.— 

—  Nationalökonom.  Abhandlungen.  Übers,  v.  H.  N  i  e  d  e  r  m  ü  1 1  e  r.     1 .50 

Inhalt:  Vom  Handel.  —  Von  der  Verfeinerung  in  den  Künsten  und 
Gewerben.  —  Vom  Gelde.  —  Vom  Zinsfuß.  —  Von  der  Handelsbilanz.  — 
Von  der  Handelseifersucht.  —  Von  den  Steuern.  —  Vom  Staatskredit.  — 
über  die  Bevölkerung  der  antiken  Staaten. 

—  Von  der  Freiheit  der  Presse  /  Von  der  Unabhängigkeit  des  Par- 
laments/Von Parteien  überhaupt.     1919.     22  S 1.50 

—  Von  den  ersten  Grundsätzen  der  Regierung  /  Absolutismus  und 
Freiheit  /  Die  Politik  eine  Wissenschaft.     1919.    29  S.      .     .     1.50 

Hasse,  H.,  Das  Problem  der  Gültigkeit  bei  H.    Im  Druck. 
Isidoros,  Das  Leben  des  Philosophen,   s.  u.  Damaskios. 
Kaiser  Jalian.    Philosophische  Werke.    Übers,  u.  erklärt  von  Rud. 
Asmus.  1908.  VII,  205u.  17S 6.40 

—  Rede  gegen  die  ungebildeten  Hunde.  35  S.  .  .  ^  .  .  .  1.50 
Kant,  Imm.  Sämtliche  Werke,  Herausgeg.  v.  K.  Vorländer,  in  Ver- 
bindung mit  0.  ßuek,  0.  Gedan,  W.  Kinkel,  F.  M.  Schiele, 
Th.  Valentiner  u.  a.  In  9  BibUotheksbänden  und  1  Supplement- 
band, enthaltend  Vorländers  Kantbiographie  und  Cohens  Kom- 
mentar z.  Kr.  d.  r.  V.  (brosch.  80.—)      .    .    .     .     .    geb.  100. — 

HP  Gen€m«  XHnzelübmrsiehten  des  Inhalt»  stehen  gsm  zur  Verfügung, 

—  Bd.  I.  Kritik  der  reinen  Vernunft.  11.  Aufl.  Neu  hrsg.  von  Dr.  Th. 
Valentiner.   Mit  Sachregister.     1919.    XII,  770  u.  91  S.    .    5.50 

—  Kritik  der  reinen  Vernunft.  Anastatischer  Neudruck  der  ersten  Auf- 
lage von  1781.    1905.     VII,  24  u.  856  S 10.— 

—  In  Halbfranz  mit  echt  Gold 30  — 


Verlag  von  Felix  Meiner  in  Leipzig. 


10  Alphabetisches  Verzeichnis. 

Band 

Kant.  Imm.  Buchenau,  Artur.  Grundprobleme  der  Kritik  der  • 
reinen  Vernunft  Zugleich  eine  Einführung  in  den  kritischen  Idea- 
liflmus.  Mit  Personen-  und  Sachregister.  1914.  VI,  194  S.  8.— 
Aus  einem  Briefe  von  Qeheimrat  Baeumker  an  den  \eTla.g: 
Die  Beleuchtung  der  Probleme  ist  nicht  aus  einem  Allerwelta-  unü 
NiMendswostandpimkt  gresreben,  sondern  entschieden  unter  dem  üesicnts- 
wiiSel  Hermann  Cohens  eineesteUt.  Aber  das  ist  mit  solcher  Konsequenz 
solcher  Klarheit  der  Entwicklung  und  solchem  didaktischen  Geschick  in 
schwiengen  und  ■chwierigsten  Dingen  geschehen,  daß  ich  zur  Emtuürung 
in  diese  Gedankenwelt,  die  auch  dem,  der  nicht  Anhanger  des  Marburger 
Kritizismus  ist,  so  viel  aufzugeben  und  so  viel  im  einzelnen  auch  zu  geoen 
hat,  kein  besseres  Mittel  kenne,  als  dieses  neue  Buch..  i     tt  -^^i, 

1X3 Cohen,  Hermann.    Kurzer  Handkommentar  zu  Kants  JLntiic 

der  reinen  Vernunft.    2.  Aufl.  1917.    242  S.  .    .    .    ...    4.— 

Mellin,G.S.  Marginalien  und  Kegister  zurKr.  d.r.V.  .     6.-- 

ßomundt,H.  Kants  Kritik  d.  reinen  Vernunft,  abgekiirst  auf 

Grund   der  Entstehungsgeschichte.     Eine  Vorübung   für  kritische 
Philosophie.    1905.  112  S •    •     •     '.  :  .  2"- 

38  —  Bd.  II.  Kritik  der  praktischen  Vernunft    6.  Aufl.     Mit  Einleitung 

hrsg.  V.  Karl  Vorländer.    1916.    47u.  220S 2.80 

Mellin,  G.  S.  Marginalien  und  Register  zur  Kr.  d.pr.V.    6.— 

39  —  Kritik  der   Urteilskraft.     4.  Aufl.    Neu   hrsgeg.  u.  eingeleitet  von 
.      Prof.  Dr.  Karl  Vorländer,  1913.  38, 361  U.33S.    .     •    •    •    3.80 

Mellin,  G.  S.    Marginalien  und  Register  zur  Kr.  d.  U.     b.— 

40  —  Bd.  III.   Prolegomena  zu  einer  jeden  künftigen  Metaphysik.  5.  Auf- 

lage. Herausgegeben  und  eingeleitet  von  Karl  Vorländer.     Mit 

8  Beilagen.   1913.   46,  196  u.  12  S •    •    2.-- 

Kühn,E.    Kants  Pr.  in  sprachl.  Bearbeitung.  1908. 156 S.     J.öü 

41  —  Grundlegung  zur  Metaphysik  der  Sitten.    4.  Aufl.    Mit  Einltg.  her^ 

ausgeg.  V.  K.  Vorländer.     1917.    80  u.  102  S 2.50 

42  —  Metaphysik  der  Sitten.    3.  Aufl.    Herausg.  u.  eingeleit.  von  Prof. 

Dr.  Karl  Vorländer.     1919.  LI,  360  u.  18  S J.— 

Inhalt:  1.  Metaphysische  Anfangsgrunde  der  Rechtslehre.  —  2.  Meta- 
physische Anfangsgründe  der  Tugendlehre.  2-        tp- 

Buchenau,  Ä,,  Kants  Lehre  vom  kategoitschen  Imperattv.  Mne 

Einführung  in  die  Grundfragen  der  Kantischen  Ethik  m  Anschluß 

an  die  „Grundlegung",    1913.    Z/i,  125  S •     ^.— 

Die  Darlegung  gehört  unbedingt  zu  dem  Wertvollsten,  was  seit  langena 
'  auf  diesem  Gebiet  geleistet  worden  ist.  In  der  Durchfiihrung  ze;8rt/»c\f"J 
ebenso  außerordentliches  pädsgogisches  Geschick  als  ein  bedeutendes  Maß 
an  Fähigkeit  «ur  Systematik.  Jede  Zeile  verrät  die  uneingeschränkte  Ver- 
trautheit mit  dem  Gegenstand,  zugleich  aber,  daß  sich  des  Verfassers  metho- 
dische Stellungnahme  zu  demselben  in  häutiger  Beschäftigung  mit  dem  btoH 
bewährt  hat.  So  ist  eine  Arbeit  entstanden,  in  der  sich  Gewissenhaftigkeit 
in  philologisch-historischer  Beziehung  mit  klarer  und  präziser  Herausarbei- 
tung des  Wesentlichen  verbindet.  Geisteswissenschaften. 

-Mellin,  G.  S.    Marginalien  u.  Register  zu  Kants  M.  d.  b.    b.— 

43  —  Bd.  lY.    Logik.    4.  Aufl.     Neu  herausgeg.  u.  eingeleitet  von  Prof. 

Dr.  Walter  KinTcel.    1920.    28  u.  171  S.      ......     4.- 

44  —  Anthropologie  in  pragmatiflcher  Hinsicht.   6.  Aufl.   Neu  herausgeg., 

mit  Einleitung  und  Register  verseben  von  Karl  Vorländer.   1912. 

XXII,  313  u.  15  S .'..•••,/    l    •     5,? 

Die  Anthropologie,  wo  der  -hohe  Denker  in  der  Sinnenwelt  umherwandelt, 
Menschen  und  Natur  mit  der  Fackel  einer  originellen  Vernunft  beleuchtet  , 
4st  ja  leicht  zu  lesen,  und  mag  noch  heute  auch  den  Verwaitungsbeamten, 
Offizier  und  Kaufmann  erfreuen,  wie  das  die  entsprechende  Vorlesung  Kants 
%VL  Königsberg  tat.  Aber  mit  einem  Führer  wie  Vorländer  ist  sie  doppelt 
angenehmes  Gebiet.  Möchten  recht  viele  zu  Kants  Anthropologie  wandern i 
*  Leip7iger  Zeitung. 

Verlag  von  Felix  Meiner  in  Leipzig.   - 


I.  Philosophische  Bibliothek. 


11 


Band 

45 


h 


Kanty  Imm.  Die  Religion  innerhalb  der  Grenzen. der  bloßen  Vernunft. 
4.  Aufl.    Herausgeg.  u.  eingeleitet  von  Karl  Vorländer.     1919. 

96,  286  u.  24  S ,     .     5. — 

Der  pfroße  Vonrag  der  Ausgaben  Dr.  Vorländers  besteht  in  den  ausführr 
liehen  Einleitungen,  welche  die  Grundgedanken  des  kritischen  Idealismus 
erläutern  und  so,  in  Verbindung  mit  genauen  Sachregistern,  das  Studium 
Kants  zu.  erleichtern  und  sein  Verständnis  zu  fördern  recht  geeignet  sind. 
Wie  trefflich  jene  Ausgaben  ihrem  Zwecke  dienen,  wird  nur  der  recht  zu 
würdigen  wissen,  der  sich  ohne  solche  Hilfsmittel  durch  Kants  Philosophie 
naühsam  hat  hindurcharbeiten  müssen.  Protestantische  Monatshefte. 

46  —  Bd.  V.    Kleinere  Schriften  zur  Logik  u.  Metaphysik.  2.  Aufl.  Hrsg.  u. 
eingeleitet  V.  Prof.  Dr.  Karl  Vorländer.   1905 8.— 

Hiervon  einzeln: 

46a  —  Schriften  von  1755—1765.    32,  169  S 2.50 

Inhalt:  Eine  neue  Beleuclitung  der  ersten  Prinzipien  der  metaphys. 
Erkenntnis.  Diss.  1756.  —  Die  falsche  Spitzfindigkeit  der  4  syllogistischen  Fig. 
erwiesen.  1762.  —  Versuch,  den  Begriff  der  negativen  Größen  in  die  Welt- 
weisheit einzuführen.  1763.  —  Unters,  üb.  d.  Deutlichkeit  der  Grundsätze 
der  natürlichen  Theologie  und  der  Moral.  Zur  Beantw.  der  Preisfrage  der 
K.  Akademie  zu  Berlin.  1764.  —  Nachr.  v.  d.  Einrichtung  seiner  Vorlesungen 
in  dem  Winterhalbjahre  1766-1766. 

46b  —  Schriften  von  1766—1786.    40,  172  S 2.50 

Inhalt:  Träume  eines  Geistersehers;  erläut.  durch  Träume  der  Meta- 
physik. 1766.  —  An  Frl.  v.  Knobloch  über  Swedenborg.  1763.  —  Von  dem 
ersten  Grunde  des  Unterschiedes  der  Gegenden  im  Baume.  1768.  —  Über  die 
Form  und  die  Prinzipien  der  sinnlichen  und  Verstandeswelt.  1770.  —  Beant- 
wortung der  Frage:  Was  ist  Aufklärung?  17«4.  —  Was  heißt:  sich  im 
Denken  orientieren?  1786. 

46c  — 


Bd.  V.  Schriften  von  1790—1791.  20, 175  S 2.50 

Inhalt:  Streitschrift  gegen  Eberhard:  Über  eine  Entdeckung,  nach  der 
alle  neue  Kr.  d.  r.  V.  ddrch  eine  ältere  entbehrlich  gemacht  werden  soll. 
17W.  —  Welches  sind  die  wirklichen  Fortschritte,  die  die  Metaphysik  seit 
Leibniz«  und  Wolfs  Zeiten  in  Deutschland  gemacht  hat? 

f     46 d  —  Schriften  von  1796-1798.    31,  175  S 2.50 

Inhalt:  Von  einem  neuerding-s  erhobenen  vornehmen  Tone  in  der 
Philosophie.  1796.  —  Ausgleichung:  emes  auf  Mißverstand  beruhenden  mathe- 
matischen Streites.  1796.  —  Verkündung  des  nahen  Abschlusses  eines  Trak- 
tats zum  ewigen  Frieden  in  der  Philosophie.  1796.  —  Der  Streit  der  Fakul- 
täten in  drei  Abschnitten.  1798.  (3.  Abschnitt:  Von  der  Macht  des  Gemüts^ 
durch  den  bloßen  Vorsatz  seiner  krankhaften  Gefühle  Meister  zu  sein.) 

471  —  Bd.  VI.  Kleine  Schriften  zur  Geschichtsphilosophie,  Ethik  undPolitik. 
In  2.  Aufl.  neu  hrsg.  V.K.Vorländer.  1913.  47,  272  S.  .  4.— 
Inhalt:  Idee  zu  einer  allgemeinen  Geschichte  in  weltbürgerlicher  Ab- 
sicht. 1784.  —  Rezension  von  J.  G.  Herders  Ideen  zur  Philosophie  der  Ge- 
schichte der  Menschheit.  Teil  1.  und  2.  1785.  —  Mutmaßlicher  Anfang  der 
Menschengeschichte.  178«.  —  Über  den  Gemeinspruch:  das  mag  in  der 
Theorie  richtig  sein,  taugt  aber  nicht  für  die  Praxis.  1798.  —  Zum  ewigen 
Frieden.  Ein  philosophischer  Entwurf.  1795.  —  Rezension  von  Hufelands 
Versuch  über  den  Grundsatz  des  Naturrechts.  1786.  —..Rezension  von  Schulz' 
''  Versuch  einer  Anleitung  zur  Sittenlehre  für  alle  Menschen  ohne  Unterschied 
der  Religion.  1783.  —  Von  der  ünrechtmäßigkeit  des  Büchemachdrucks. 
1786.  —  über  ein  vermeintes  Recht ,  aus  Menschenliebe  zu  lügen.  1797.  — 
Über  die  BuQhmacherei.   Zwei  Briefe  an  Herrn  Fr.  Nicolai.  1798. 

47^  —  Kleinere  Schriften  zur  Ethik  und  Religionsphilosophie.    Hrsg.  von 

Fr.  M.  Schiele.  3.  Aufl.    1911.   VIII,  172  S 2.50 

Inhalt:  Versuch  einiger  Betrachtungen  über  den  Optiihismus.  1759.  — 
Der  einzig  mögliche  Beweisgrund  zu  einer  Demonstration  für  das  Dasein 
GNittes.  1763.  —  Bemerkungen  zu  L.  H.  Jacobs  Prüfung  der  Mendelssohn- 
sehen Morgenstunden.  1786.  —  Über  das  Mißlingen  aller  philosophischen 
Versuche  in  der  Theodicee.  1791.  —  Das  Ende  aller  Dinge.  1794. 


Verlag  von  Felix  Meiner  in  Leipzig. 


12 


Alphabetisches  Verzeichnis. 


I.  Philosophische  Bibliothek. 


13 


Band 


48    Kant,  Imm.  Bd.  Vll-  Kleinere  Schriften  zur  Natürplulosophie.  2.  Aufl. 
Herausg.  u.  eingel.  v.  0.  Buek.  Bd.  I,  1909.  42,  838  S.  .     .    .     7— 
Inhalt:  All^meine  Naturgeschichte  und  Theone  des  Himmels.  167Ö.  — 
Metaphysische  Anfangsgrründe  der  Natumissenschaft.  1786. 

4811'-  Metaphysische  Anfangsgründe  der  Naturwissenschaft.     Mit  iLinl. 
von  ü.  ßuek.     (1914.  XX,  132  S.) geb.  3.- 

49 Bd.  2.     1907. .  12  u.  454  S \   \  C    k-   '   ^  hU.^:Z 

Inhalt:  Gedanken  von  der  wahren  Schätzung  der  lebendigen  Kräfte  usw. 
1747.  -  Ob  die  Erde  in  ihrer  Umdrehung  um  die  Achse  einige  Verandenmg 
seit  den  ersten  Zeiten  ihres  Ursprungs  erlitten  habe.  ^'^J;  -  ^jf  *A*,^« 
ob  dio  Erde  veralte,  physikalisch  erwogen.  1754.  -  J^^'J^gefaßte  Darstellung 
einiger  Betrachtungen  Über  das  Feuer.  17«.  -  tJber  die  Ursachen  der  Erd- 
erseSütterungen  bei  Gelegenheit  des  Unglücks  von  i7»6.  ^^^^^J^^^^^!^^ 
und  Naturbeschreibung  der  merkwürdigsten  Vorfalle  des  Erdbebens  von  1/W. 
1V66.  -  Fortgesetzte  Betrachtung  der  seit  eimger  Zeit  wahr^enomnaenen 
Erderschütterungen.  1766.  -  Dissertation  über  den  Nutzen  einer  mit  der 
Geometrie  verbundenen  Metaphysik  in  der  Naturphilosophie  1766.  -JNeue 
Anmerkungen  zur  Erläuterung  der  Theone  dejr  Winde.  l/6o.  -^^f^^ 
und  Ankündigung  eines  Collegii  der  physischen  Geographie,  nebst  e.  An- 
hange üb.  d.  Frage:  ob  die  Westwinde  in  unseren  Gegenden  darum  jeucht 
•eiei,  weil  sie  über  ein  großes  Meer  streichen..  1757.  -  Neuer  Lehrbeg^ 
der  Bewegung  und  Ruhe  usw.  1768.  -  Rezension  der  Schnft  von  Moscatl 
über  den  Unterschied  der  Struktur  der  Tiere  und  Menschen.  "^1- "T^yj®' 
die  Vtilkane  im  Monde.  1786.  —  Etwas  über  den  Einfluß  des  Mondes  aul 
die  Witterung.  17W. 

50  —  Bd.  VHI.    Vermischte  Schriften  und  Briefwechsel 7.ÖU 

51  —  Bd.  IX.  Physische  Geographie.   2.  Aufl.   Neu  herausgeg.  von  Paul 

Gedan.     1905.    30, 366  u.  20  S.    .^    .     -    •    •  .  •    /    •     -.^V- 
m    Kants   Lehen.     Dargestellt  von  K.  Vorländer.    Mit  einem  Büdnis 

u.  e.  Zeittafel,     1911.    XI,  211  u.  12  S 8.— 

In  vornehmem  Geschenkhand *    .     .     .     ö. 

Außerhalb  der  Gesamtausgabe  erschienen: 
T24  Kants  AusgcwUUlte  Kleine  Schriften.   Mit  ausführlicher  Einführung 
und  Anmerkungen  herausg.  von  Lyzeumsdirektor  Dr.  Hermann 
Hegenwald.  1913.  LVI,  125  S .    ••,•2.25 

Inhalt:  Beantwortung  der  Frage:  Was  ist  Aufklärung?  —  ^«»^"/''v  w 
im  Denken  orientieren  ?  —  Idee  su  einer  allgemeinen  Geschichte  tn  weltburgerltcher 
Absieht.  —  Rezensionen  von  J,  G.  Herders  Ideen  zur  Philosophte  der  Oeschtchie 
der  Menschheit.  —  Mutmaßlicher  Anfang  der  Menschengeschiehte.  —  Das  i^nde  aller 
Dinge.   —  Verkündigung  des  nahen  Abschlusses  eines  TraktaU  zum  ewigen  Irteden 

in  der  Philosophie.  ,  .  •  v  -c     * u^«*^^ 

Es  war  bisher  schwer,  einen  Rat  zu  geben,  wie  man  sich  Kant  am  besten 
nahen  solle.  Der  yorliegende  Band  weist  den  Weg,  der  Schiller  einst  zu 
Kant  führte.  In  den  .Kleinen  S«•hriften^  von  denen  bislang  so  ffltsam  es 
auch  klingt,  eine  Ausgabe  gänzlich  fehlte,  behandelt  Kant  in  leirht  ver- 
ständlicher Darstellung  allgemein  interessierende  Fragen.  Die  Beigaben  des 
Herausgeber»  werden  als  weitere  Erleichterung  des  Verstandmsses  begrüßt 
werden.  <  ■  ^ 

52    —  Die  vier  lat.  Dissertationen  im  Urtext.    VI,  122  S       .     .     .    f  oü 
♦      —  Zum    ewigen   Frieden.     Mit  Ergänzungen  aus  Kants  ubngen 
Schriften  und  einer  austührlichen  Einleitung  über  die  Entwicklung 
des  Friedensgedankens  herausg.  von  Karl  Vorländer.    2.* Aufl. 
1919.  VI,  74  S.  (In  Halbperg.  geb.  auf  holzfreiem  Papier  8.--)    3.80 
74—  Idee  zu  einer  allg.  Geschichte  in  weltbürgerl.  Absicht.    20  S.  —.70 

T8   —  Theorie  und  Praxis.    46  S 1.60 

T19  ■—  Pflicht  und  Lebensgenuß.   23  S — ««^ 

Sehriften  ttber  Kant: 

Adamson,  R.    Über  Kants  Philosophie.  1880 2.—  > 

Eucken  über  Kant  siehe  Abt.  VI,  S.  27. 


»5^ 


Falckenberg,  Richard.   Kant  und  das  Jahrhundert.    1907.   — .60 
Goldschmidt,  L.  Kantkritik  od.  Kantstudium?  1901.  XVI,218S.    5.— 

—  Kant  und  Haeckel.  —  Freiheit  und  Naturnotwendigkeit.  —  Eine 
Replik  an  Julius  Bauraann.     1906.     137  S «.     .    3. — 

—  Baumanns  Anti-Kant.    Eine  Widerlegung.     1906.     115  S.    .    2.80 

—  Kant  über  Freiheit,  Unsterblichkeit,  Gott.     1904.    40  S.     .  —.80 

—  Kants  Privatmeinungen  über  das  Jenseits.  —  Die  Kant-Ausgabe  der 
preuß.  Akademie  der  Wissenschaft.  Ein  Protest.    1905.    104  S.    2.40 

—  Vergl.  auch  Mellin,  Marginalien. 

Jacoby,  G.     Kant  und  Herders  Ästhetik.     1907.    X,  348  S.     5.40 
Moog,  W.,xK's  Ansichten  üb.  Krieg  u  Frieden.  1917.  VI,  122  S.    3.— 
M ellin,  G.  S.    Marginalien  und  Register  siehe  Mellin,  S.  15. 
Romundt,H.  Kants  „Widerlegung  des  Idealismus".  1904. 24  S.  —.50 

—  Kants  philosophische  Religionslehren.    1902.  96  S.    .     .     .     .    2. — 

—  Kirchen  U.Kirche  nach  K's  philosoph.  Religionslehre.  1903. 199  S.  4. — 

—  Der  Professorenkant.  Ein  Ende  und  ein  Anfang.  1906.  126  S.    2.40 

—  Kants  Kritik  der  reinen  Vernunft,  abgekürzt.    1905.    112  S.    2. — 
Sydow,  E.  V.,  Der  Gedanke  des  Idealreichs  von  Kant  bis  Hegel. 

1918.    VIII,  130  S 4.60 

Vorländer,  Karl.  Kant-Schiller-Goethe.  Gesammelte  Aufsätze. 
1907.   XIV,  294  S. 5.— 

—  Kant  und  der  Gedanke  des  Völkerbundes.  Mit  Anhang:  Kant 
und  Wilson.    1919.    85  S '.8.60 

Vaihinger,  H.  Die  Philosophie  des  Als  Ob.    Mit  Anhang  über  Kant 
und  Nietzsche.    4.  Aufl.  1920.     Siehe  Abt.  VI,  S.  30     .     .     24.— 
Siehe  auch:  Wolffsche  Begriffsbestimmungen. 
Kepler  siehe  Eucken,  Abt.  VI,  S.  27. 
4.      66    Kirch  mann,  J.  H.  T.   Grundbegriffe  des  Rechtes  und  der  Moral.    —.80 

—  Über  den  Kommunismus  in  der  Natur.  (Vgl.  Umschl.  S.  2).  3.  Aufl.  — .60 

—  Über  das.  Prinzip  des  Realismus   ...........     — .60 

—  Über  die  Wahrscheinlichkeit .    .     .    .    —.40 

Kirchner,  Wörterbuch.  Vergriffen. 

98    Krause,  K.  Ch.  F.    Entwurf  eines  europäischen  Staatenbunde b.    Mit 
Einleitung  von  H.  Reiche  1.    Im  Druck. 
Lassen  siehe  Abt.  VI,  S.  28. 
6$    La  Mettrie.    Der  Mensch  eine  Maschine.    Ubers.  und  erläutert  von 
Dr.  MaxBrahn.     1909.    22,  72  S 1.80 

Lecky,  Wm.  E.  H.  Geschichte  des  Geistes  der  Aufklärung  in  Europa, 
seiner  Entstehung  und  seines  Einflusses.  Nach  der  vierten  Auflage 
des  englischen  Originals  übersetzt  von  J.  H.  Ritter.  2.  Ausg. 
VIII,  465  S :....,.     7.— 

Lcibni«,  G.W.  Philosophische  Werke.  ^ 

/Ö7  —  Bd.  I.  Haupts^ihriften  zur  Grundlegung  der  Philosophie. 
Übers,  von  Dr.  Artur  Buchenau.  .  Durchgesehen  und  mit  Ein- 
/  leitungen  u.  Erläuterungen  herausgeg.  von  Dr.  Ernst  Cassirer. " 
L:  Zur  Logik  und  Methodenlehre;  Zur  Mathematik;  Zur  Phoro- 
nomie  und  Dynamik;  Zur  geschichtlichen  Stellung  des  metaphysi- 
schen Systems.    Mit  17  Fig.     1904.    382  S.      .....     5.— 


Verlag  von  Felix  Meiner  in  Leipzig. 


Verlag  von  Felix  Meiner  in  Leipzig. 


u 


Alphabetisches  Verzeichnis. 


I.   Philosophische  Bibliothek. 


Band 
108 


69 


70 

71 

72 

TU 

T29 

16112 


Leibniz,  G.  W.  Bd.  II.   Hauptschriften  usw.    II.:  Zur  Metaphysik 

(Biologie  und  Entwicklungsgeschichte ;  Monadenlehre);  Zur  Ethik  u. 

Rechtsphilos.;  —  Sach-  u.  Namenregister.     1906.    680  S.^    .    7.— 

Die  Auswahl,  welche  Cassirer  von  den  Schriften  gibt^  strebt  in  grlöck- 
licher  Weise  VoÜständigrkeit  der  Übersicht  in  intensivem  Sinne  an.  Die 
Einleitungren  des  Herausgrebers  sind  zur  Einführung  in  die  sreschichtlichen 
und  sachlichen  Vorbedingrungfen  des  Systems  auch  für  den  höchst  wertvoll, 
welcher  Cassirers  Gesamtauft'assung  des  Systems  nicht  überall  teilt. 

Literarisches  Zentralblatt. 

—  Bd.  111.  Neue  Abhandlungen  über  den  menschlichen  Ver- 
stand. In  dritter  Auflage  n^u  tibersetzt,  eingeleitet  und  erläutert 
V.  Ernst  Cassirer.    1916.    XXV.    647  S 7.50 

Ernst  Cassirer  hat  die  Schaarschmidtsche  Ausgabe  nicht  nur  sorgfältig 
revidiert,  sondern  durch  eine  Neuschöpfung  ersetzt.  Einleitung,  Übersetzung 
und  Anmerkungen  sind  nicht  nur  unter  dem  Gesichtspunkte  der  Verbesse- 
rung, sondern  unter  dem  eines  neuen  Erkenntnisideals  umgestaltet  worden. 
Es  ist  zweifellos,  daß  die  neue  Ausgabe  die  ältere  tiberbietet  und  einen  neuen 
Zugang  zu  Leibniz  geschaffen  hat.  Theologische  Literaturzeitung. 

Erläuterungen.   Von  C.  Schaarschmidt.  2.  Aufl.  .     .     .     2.— 

—  Bd.  lY.   Theodicee.    Vergriffen. 

Erläuterungen  dazu.    162  S.    (geb.  1.10) —.50 

—  VemunftprinzipienderNaturundGnade  — DieMonadologie.34S.  1.60 

—  Von  der  Weisheit  —  Über  die  Freiheit.   15  S —.76 

—  Deutsche  Schriften.  Gesammelt  u.  hrsg.  v.  Dr.  W.  Schmied- 
Kowarzik.  "^ 

Bd.  I.    Muttersprachen,  völkische  Gesinnung.  1916.  XI.  112  S.    2.— 

Bd.  II.    Vaterland  u.  Reichspolitik.  1916.  XXIII.  176  S.      .     .     3.— 

Herzerfrischend  sind  die  stolzen  Worte,  mit  denen  sich  Leibniz  zu  seinem 
deutschen  Volke  bekennt  und  dessen  Leistungen  preist.  Daß  er  dennoch 
oder  gerade  deswegen  nichts  weniger  als  blind  gegen  unsere  Schwächen  ist, 
erscheint  als  die  nötige  Ergänzung  und  als  echtester  Ausdruck  wahrer  völ- 
kischer Gesinnung.  Sehr  schön  und  lesenswert  ist  auch  die  Einleitung,  die 
der  Herausgeber  deui  Buche  gegeben  hat.  Das  Unternehmen  verdient  sicher- 
lich die  Unterstützung  aller,  die  die  Quellen  unserer  deutschen  Bildung  er- 
kennen und  verstehen  wollen.  .    ^  ^..  I>ie  Wartburg. 

Nicht  wenige  Stücke  des  vorliegenden  Buches  sind  für  den  Unterricht 
unmittelbar  nutzbar  zu  machen,  alle  bieten  iedem  Lehrer,  welches  Faches 
immer,  die   fruchtbarste  Anregung.    Das  Buch   gehört  in   jede  Gymnasial- 


bibliothek. 


.Sokrates". 


FoMI  Leibniz.    Ausgewählte  philosoph.  Schriften  im  Originaltext.   Hrsg.  v. 

H.  Schmalenbach.    Bd.  1.   1914.    XX,  164  S 8.— 

VolIU Bd.  2.    Mit  Register   über  beide  Bändchen.     1915.    XVIII, 

224  S. 3.80 

Merz,  J.  Th.   Leibniz' Leben  und  Philosophie.    Aus  dem  Englischen 

mit  Vorwort  von  C.  Schaarschmidt.    226  S 2. — 

119  Lessings  Philosophie.  Denkmäler  aus  der  Zeit  des  Kampfes  zwischen 
Aufklärung  u.  Humanität  in  der  deutschen  Geistesbildung.  Hrsgeg. 
von  Dr.  Paul  Lorentz.     1909.     86,  396  S 4.50 

A.  d.  Inhalt  u.  a.:  Über  e.  Aufgabe  im  Teutschen  Merkur  1776,  —  Gespräch* 
mü  Jacobi  über  Spinoza.  —  Gedanken  über  die  Herrnhuter.  —  Aus:  Des  Andreas 
Wissowatius  Einwürfe  wider  die  Dreieinigkeit.  —  Leibniz'  Von  den  ewigen  Strafen. 
—  Auswahl  aus  den  theolog.  Streitschriften.  —  Ernst  und  Falk.  Gespräche  für 
Freimaurer.  —  Erziehung  des  Menschengesthlechts.  —  Aus  Laokoon  und  der  Ham- 
Imrg.  Dramaturgie.    Register. 


I 


1^ 


Band 

T5   Lessing.  Ernst  und  Falk.  Gespräche  für  Freimaurer  —  Die  Erziehung 

des  Menschengeschlechts.    52  S.      ,    .     . L50 

T9  —  Lessings  Theologische  Streitschriften.    113  S. 2.26 

1^1    — -  Über  das  Trauerspiel.    Briefwechsel  mit  Mendelssohn  und  Nicolai. 

V     Nebst   verwandten  Schriften   dieser  herausgegeb.  und  erläut.  von 

R.  Petsch.    1910.   55,  144  S. 3.— 

75176  Locke,  John,  Versuch  über  den  menschlichen  Verstand.  Neu  übers, 
und  mit  einer  Einleitung  und  Sachregister  versehen  von  Prof.  Dr. 
Hugo  Winckler.  2  Bände.  1913.  1911.  XXXIV,  489;  VII, 
450  S je    6.— 

Der  Übersetzer  hat  die  schwierige  und  verantworttmgsvolle  Arbeit  der 
Verdeutschung  ganz  neu  in  Angriö  genommen  und  in  seiner  Übertragung 
ein  Werk  geschaffen,  das  alle  bi  sherigen  Übersetzungen  im  ganzen 
und  einzelnen  iibertrifft.  Die  klassisch»  Ausgabe  des  englischen 
Textes  von  Fräser  l.'-ei  ist  hier  zum  ersten  Male  benutzt,  die  Abweichungen 
der  verschiedenen  Ausgaben  sind  notiert  und  alle  wichtigen  sachlichen  Er- 
läuterungen gegeben.  So  isteindeutscherLocke  entstanden,  auf  dessen 
Vollendung  wir  uns  treuen.    Lic.  H.  Scholz  in  der  „Tägl.  Kundschau"  1911. 

Vol  IX.  —  Essay  conc.  Human  Understanding.    ßooks  II  and  IV  (with  omis- 

sions).  Sei.  by  M.  W.  Calkins.  W.  index.   1913.  VII,  348  p.     5.— 

79    —  Über  den  richtigen  Gebrauch  des  Verstandes.    Neu , übersetzt  von 

Otto  Martin.     1920.     109  S 3.— 

Lotze,  Hermann.    System  der  Philosophie. 

141  —  Bd.  I.  Logik.  Mit  der  Übersetzung  des  autobiographischen  Auf- 
satzes „Philosophy  in  the  last  forty  years",  einem  Namen-  und 
Sachregister  und  einer  ausführlichen  Einleitung  v.  Georg  Misch. 
CXXII,  608  u.  24  S ^-^^ 

142  —  Bd.  II.  Metaphysik.  Mit  dem  Aufsatz  „Die  Prinzipien  der  Ethik", 
einem  Namen-  u.  Sachregister  hrsg.  von  Georg  Misch.  1912. 
VIII,  626  u.  18  S. "-60 

Ol"  Geschichte  der  Ästhetik  in  Deutschland.  Mit  Namen-  und  Sach- 
register.    1913.    VIII,  689  S ' 9.— 

T25  -  Der  Instinkt.   33  S.  ......     .^    •    -t 2.25 

Hall,  St.  über  Lotze  vgl.  S.  25. 

♦  Macchiavelli,  N.  Vom  Staate.  (Erörterungen  über  die  erste  Dekade  des 
Livius.)    Übers.  V.W.  Grüzmacher.  1871.  268  S.  .     .     kart.  3.50 

Marbe,  Karl.    Über  das  UrteU  siehe  Abt.  VI,  S.  28. 

♦  Melanehthon.    Ethik.    In  der  ältesten  Fassung  zum  1.  Male  lateinisch 
herausgeg.  v.  H.  Hein  eck.    59  S 1.20 

lUelliD,  G.  S.    Bd.  I:  Marginalien  und  Register  zu  Kants  Kritik  der 

reinen  Vernunft.     Neu  herausgegeben  und  mit  einer  Begleitschrift 

Zur  Würdigung  der  Kritik  der  reinen  Vernunft"   versehen  von 

irr.  L.  Goldschmidt.     1900.    XXIV,  .167  S.  u  189  S.     .     .     6.- 

—  Bd.  II:  Marginalien  und  Register  zu  Kants  Grundlegung  zur  Meta- 
physik der  Sitten;  Kritik  der  praktischen  Vernunft;  Kritik  der 
Urteilskraft.  Neu  herausgegeben  und  mit  einei*  Begleitschnft  „Der 
Zusammenhang  der  Kantischen  Kritiken«  versehen  von  Dr.  L. 
Goldschmidt.     1902.    X,  69  u.  237  S 


6.— 


Verlag  von  Felix  Meiner  in  Leipzig. 


Verlag  von  Felix  Meiner  in  Leipzig. 


Alphabetisches  Verzeichnis. 


I.  Philosophische  Bibliothek. 


17 


Band 


■eiaoag,  1.    Gegenstandstheorie  siehe  Abt.  YI,  S.  88. 

Mendelssohn  y  Moses.    Vod  der  Herrschaft  über  die  Neigungen.  3. — 
Siehe  xmter  Lessini^s  Briefwechsel. 

**     MiltOB,  John.    Politische  Hauptschriften.    Ubers.  u«  m.  Anm.  vers. 

T.  Wilh.  Bernhardi.    3  Bde.    828;    859;   XVIII.  842  S.  .      6.— 

Aus  dem  Inh^alt:  Von  der  weltlichen  Macht  in  kirchlichen  An^les^en- 

heiten  —  Über  Erziehungf,   —  Areopagritica.   —  .Eine  ^ede  für  die  Freiheit 

der  Presse,  —  Die  Lehre  und  Wissenschaft  von  der  Ehescheidunfir.  —  Erste 

and  eweite  Yerteidieung   des  englischen  Volkes.  —  Eikonoklastes.  —  Von 

,    der  Beformation   in  England.  —  Der  Grund  des  Kirchenregiments.  —  Der 

S  gerade  und  leichte  Weg  zur  Herstellung  einer  freien  Republik.  —  Verteidigung 

gegen  den  Geistii''hen  Alexander  Morus. 

Natorp,  P.,  siehe  Pläto,  siehe  Pestalozzi,  siehe  Abt.  VI,  S.  39. 
Nieolal,  Friedrich.    Abhandlung  vom  Trauerspiel  (3. — ).    Siehe  unter 
Lessingrs  Briefwechsel. 

Nietzsehe,  Fr. 

Dorn  er,  A.   Pessimismus,  Nietzsche  und  Naturalismus  mit  besonderer 

Beziehung  auf  die  Religion.     1911.    VIII,  328  S 6.— 

Hasse,  H.  Das  Problem  des  Sokrates  bei  Nietzsche.  1918.  26  S.     1.30 
Levenstein,  A.     Friedrich  Nietzsche  im  Urteil  der  Arbeiteirklasse. 

2.  Ausgabe.    1919.  VI,  120  S 2.— 

Oehler,  R.     Nietzsche  und  die  Vorsokratiker    1904.    176  S.    .     3.50 
Richter,  R.   Friedrich  Nietzsche.   Sein  Leben  und  sein  Werk.   3.  Aufl. 

1917.    VIII,  356  S 6.— 

—  Essays.     1913.    XV,  416  S 3.60 

Schaffganz,  H.    Nietzsches  Gefühlslehre.    1913.    VIII,  133  S.     3.50 

Vaihinger,  H.    Die  Philosophie  des  Als  Ob.    Mit  Anhang  über  Kant 

und  Nietzsche.  4.,  durchges.  Auflage.  1920.  XXXIX  u.  804  S.  24. — 

in  weißem  Halbiwd.  m.  ech^  Gold 34. — 

Weichelt,  H.    Friedrich  Nietzsche:  Also  sprach  Zarathustra,  erklärt 

und  gewürdigt.     1910.  VIII,  319  S 6  — 

Paraeelsns  siehe  Bergmann,  Abt.  VI,  S.  26. 

Pestalozzi. 

Buchenau,  A.  Pestalozzis  Sozialphilosophie.  1919.  VIII,  183  S.     5. — 
Natorp,  P.  Der  Idealismus  Pestalozzis.     1919.  IV,  174  S.     .    <    5.60 

Platner  siehe  Bergmann,  Abt.  VI,  S.  26.  ^ 

Piatons  Dialoge.    In  Verbindung  mit  C.  Ritter,  G.  Schneider  u.  a. 
'  hrsg.  von  0.  Apelt. 

Apelts  Übersetzungen  beruhen  auf  langjähriger  ernster  Arbeit  an  der 
sprachlichen  Form   wie   am    philosophischen  Gehalt  dieser  Werke.    Eine 
philologisch    unantastbare   Übertragung    der  Hauptwerke   Piatos 
war  nachgerade  Bedürfnis  geworden,  wo  die  nur  ästhetische,  Wissenschaft' 
lieh  etwas  leichtherzige  Übersetzungsliteratur  täglich  mehr  heranwuchs. 

Lit.  Jahresbericht  des  Dürerbundes. 

Man  wundert  sich  immer  wieder,  wie  getreu  es  Apelt  gelingt,  die  Dy- 
namik der  griechischen  Sätze  ins  Deutsche  zu  übertrafen,  dassel  e  Tempo 
einzuhalten,  das  der  Text  besitzt,  nicht  zu  flüssig,  nicht  zu  schwerfällig. 
Das  ist  noch  mehr  als  philologische  Treue.    Wir  können  uns  freuen,  den 

ganzen  Plato  allmählich  Band  um  Band  in  dieser  Übertragung  vorgelegt  zu 
ekommen.    Möge  er  auch  seine  Leser  finden  i  Frankfurter  Zeitung. 

i7^6  —  Alkibiades.    I  u.  IL    Übers,  v.  0.  Apelt.     1918.    IV,  130  S.    4.— 

180    —  Apologie  des  Sokrates  und  Kriton.     Übersetzt  v.  0.  Apölt.    1919. 

IV,  1 12  S.  (auf  holzfreiem  Papier  in  vornehm.  Halhlwdbd.  6. — )     2.20 

173    —Briefe.     Übers,  v.   0.  Apelt.     1918.     IV,  154  S 4.40 

^ . 

yerlag  von  Felix  Meiner  in  Leipzig. 


1 


'A 


Band 

177  Plato.  Charmides,  Lysis,  Menexenos.  Übersetzt  von  0.  Apelt.  1919. 

IV,  168  S.    .    ,. ö.~ 

176    —  Euthydemos.,   Übersetzt  von  0.  Apelt.     1918.     IV,  107  S.     8.— 
81    —  Gastmahl.     Neu    übertragnen   und    eingeleitet   von   Kurt  Hilde- 
brandt. 2.,  durchges.  Aufl.  1919.  IV,  128  S.  (in  Geschenkband  auf 

holzfreiem  Papier  7.50) 3.50 

Siehe  auch  Ficinus. 

1591160  —Gesetze.      Übers,    v.    0.  Apelt.     2  Bde.     Bd.  I:  Buch   I— VI, 

Bd.  II:  Buch  VII— XII.   32,  573  S.  1916 je  7.50 

rY5  —  Gesetze.    X.  Buch.    43  S 1.50 

148    —  Gorgias.    Übers,  v.  0.  Apelt.    1913.   II,  184  S.      .....    3.50 

172a  —  Hippias  lu  II,  Ion.    Übers,  v.  0.  Apelt.    1918.    IV,  130  S.    4.— 
174    —  Kratylos.    Übersetzt  von.  0.  Apelt.     1918.     IV,  158  S.   .     .     4.50 

178  —  Laches  und  Eutyphron.  Übersetzt  u.  erläutert  v.  Gust.  Schneider. 
1918.    VIII,  112  S 3.50 


f    153    —  Menon  od.  Über  die  Tugend.   Übersetzt  und  erläutert  v.  O.  Apelt.  '   :| 

1  1914.   II,  91S.     . 1.80  ^i\ 


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83    —  Parmenides.    Neu  übersetzt  von  0.  Apelt.  1919.  II,  162  S.    4.50 
147     —  Phaidon   oder  Über    die    Unsterblichkeit   der   Seele.     Neu  über- 
setzt und  erläutert  von  Otto  Apelt.  1913.  II,  155S.      .     .     .     4.— 
152    —  Phaidros.     Übersetzt^  erläutert   und   mit    ausführl.   Register   ver- 
sehen von  Constantin  Ritter.    1914.    II,  157  S 3. — 

145     —  Philebos.    Neu  übers,  v.  O.Apelt.  1912.  II,  157  S.     !     .     .    .     4.— 

Die  hier  gebotene  Übertragung  ist  eine  vortreffliche  Leistung.  Apelts 
Vertrautheit  mit  den  einschlägigen  Fragen  und  seine  Vertiefung  in  Platons 
Gedankengänge  ist  überall  ftihlbar.  nicht  zum  wenigsten  in  den  sehr  ge- 
haltreichen und  doch  nicht  zu  umiangreich  gehaltenen  Anmerkungen,  die 
hinter  dem  Texte  stehen  und  die,  wo  es  nötig  ist,  auch  über  die  Gestaltung 
des  zugrunde  gelegten  grie<?hi sehen  Textes  Auskunft  geben. 

Wilhelm  Nestle  in  der  Deutschen  Literaturzeitung. 

l^l     —  Politiltos    oder   Vom   Staatsmann,     übersetzt    und    erläutert   von 

O.Apelt.    1914.11,142  8 4.— 

175     —  Protagoras.     Übersetzt  von  O.Apelt.     1918.    IV,  147  S.     .     4.— 

ISO    —  Sophistes.    Übers,  v.  0.  Apelt.    1914.    II,  156  S.    ....    4.— 

ßQ    —  Der  Staat.     In  4.   Aufl.   neii  übers,  und  erläut.   sowie  m.  griech.- 

deutschem  u.  deutsch-griech.  Wörterverz.  versehen  von  0.  Apelt. 

1916.    XXXII^  568  S 7.50 

Die  Übersetzungen  Apelts  eignen  sich  vorzüglich  für  den  gebildeten 
Leser,  der  gewöhnt  ist,  hohe  Ansprüche  an  Übertragungen  zu  stellen  und 
der  vor  allem  den  geistigen  Gehalt  des  Werkes  bis  in  seine  zartesten  Ab- 
tönungen kennenlernen  und  genießen  will.  Dabei  erreicht  Apelts  Leistung 
einen  seltenen  Grad  wissenschaftlicher  Zuverlässigkeit.  Die  Post. 

82    —  Theätet.     Übers,  u.  erläut.  von  Dr.  Otto  Apelt.     2.  Aufl.    1911. 

IV.  28,  116  u.  48  S 5.40 

179    —  Timaios  und  Kritias.    Übers,  v.  0.  Apelt.    1919.   IV,  224  S.     7.80 
181    Platon-Index  als  Gesamtregister.    Von  Otto  Apelt.    1920.       15.— 
N  atorp,  Paul.  Piatos  Ideenlehre.  E. Einführung  in  d.  Idealismus.  Vergr, 
Ravaissou,  F.    Französische  Philosophie  siehe  Abt.  VI,  S.  29. 
Behmke  siehe  Hegenwald,  Abt.  VI,  S.  28. 
Richter,  BäooI,  siehe  Abt.  VI,  S.  29. 
13315   Schellin^s  Werk«  in  3  Bänden.    Mit  drei  Porträts  Sch.'s  und  Geleit- 
wort von  Prof.  Dr.  A.  Drews,  hrsg.  u.  eingel.  v.  Dr.  0.  Weiß. 
1907.    Groß  80.    (geb.  in  Hfz.  70.—) 40.— 

Verlag  von  Felix  Meiner  in  Leipzig. 


18  Alphabetisches  Verzeichnis 

Band 

133  Selielliiig.  Bd.  I.  SchrifteA  zur  Naturphilosophie.  1907.  CLXII,  816  S. 

15. — 

134  —  Bd.  II.     Die    Schriften    zum    Identitätssystem.     682  S.      .    13  — 

135  —  Bd.  III.     Philosophie    der   Kunst.    —    Freiheitslehre,    —   Positive 

Phüosophie.    935  S 15.— 

Einzeln  erschienen  daraus: 
134c   Sehelling.    Bruno,  oder  über  das   göttliche  und   natürliche  Prinzip 

der  Dinge  (1802)    II,  120  S geb.     4.40 

134h   —  Darstellung  eines  Systems  der  Philosophie.  II,  108S.geb.     3.— 
133d  —  Einleitung  zu  dem  Entwurf   eines   Systems    der   Naturphilo- 
sophie (1797).   —  Allg.  Deduktion  des   dynamische^   Prozesses 

(1800)    II,  136  S geb.     2.40 

133a  —  Vom  Ich  als  Prinzip  der  Philosophie  (1796)  II,  96  S.  geb.  4.— 
i33h  —  Ideen  zu  einerPhilosophiederNatur  (1797)11,3448.  geb.  5.40 
134d  —  Methode  des  akademischen  Studiums.  II,  146  S.  geb.  4.40 
135a  —  Philosophie  der  Kunst  (aus  dem  Nachlaß)  II, 425  S.  geb.  8.40 
135c  —  Positive  Philosophie  (Philosophie  der  Mythologie  und  Offen- 
barung [Auswahl]  1840/45)  II,  282  S geb.     7.— 

134a    —  System  des  transzendentalen  Idealismus.  II,  308S.   geb.     8. — 

133c    —  Von  der  Weltseele  (1808)    II,  240  S geb.     4.40 

135b    —  Wesen  der  menschlichen  Freiheit  (1809)  II,  86  S.  Vergriffen. 

Außerhalb  dieser  Ausgabe  erschien: 
104    —  Münchener  Vorlesungen:    Zur  Geschichte  der  neueren  Philosophie 
Darstellung  des  philosophischen  Empirismus.    Neu  hrsg.  mit  Erläut 

V.  A.  Drews.     1902.  XVI,  262  u.  92  S 4.60 

0  5    —  Briefe  über  Dogmatismus  und  Kriticismus.     Hrsg.  u.  eingel.  von 

0.  Braun.    1914.    XX,  93  S ' 2.50 

—  Briefwechsel  mit  Niethammer,  s.  S.  32  im  Hegel- Archiv  II,  1.  4.—  ' 

♦      Schelling  als  Persönlichkeit.  Briefe,  Reden,  Aufsätze.  Hrsg.  v.O.  Braun. 
Mit  Abb.  der  Jugendbüste  Sch.'s.    1908.    282  S 4.— 

Groos,  Karl.  Die  reine  Vemunftwissenschaft.  Systemat.  Dar- 
stellung V.  Schellings  rational,  od.  negativ.  Philos.  X,  187  S.  3. — 

Braun,  0.     Hinauf  zum  Idealismus!    Schelling-Studien.    1908.  XII, 

154  S 2.50 

103    Schiller.     Pliilosophische    Schriften    und   (redichte   (Auswahl).     Zur 
Einführung  in  S.Weltanschauung.  Mitausf.Einltg.  hrsg.  von  E.Kühne - 

mann.    2.  vermehrte  Aufl.  1910.    94  u.  344  S 4.50 

Über  der  feinsinnigen  Einleitung  liegt  ein  stimmungrsvoUer  Hauch,  der 
daa  Studium  der  Schrift  zu  einem  Kunstgenuß  macht.  Pädagog.  Zeitung. 
Eühnemanns  Buch,  gerade  in  der  neuen  Gestalt  der  zweiten  Auflage, 
geht  jeden  wissenschaftlich  gebildeten  Lehrer  an,  ohne  Rücksicht  auf  sein 
-Fach'',  das  er  auf  Grund  seiner  Fakultäten  im  Unterricht  vertritt  —  und 
noffentlich  auch  in  jeder  Primanergeneration  immer  den  einen  oder  den  an- 
deren. Monatsschrift  für  höhere  Schulen. 

Tl    -  Über  Alimut  und  Würde. ,  63  S 1.50 

r/0  _  Über  die  ästhetische  Erziehung  des  Menschen.    114  S.     .     .     2.25 

T20  —  Über  naive  und  sentimentalische  Dichtung.    98  S 2.25 

Vorländer,  Karl.     Kant  -  Schiller  -  Goethe.     Gesammelte  Aufsätze. 
1907.    XIV,  294  S: 5.~ 

Verlag  von  Felix  Meiner  in  Leipzig. 


I.  Philosophische  Bibliothek. 


19 


Band 

136'- 

139 

136 


^ 


Sehleiermaehers  Werke  in  4  Bänden.  Mit  Geleitwort  von  Prof. 
D.  Dr.  A.  Dorn  er.  Hrsg.  u.  eingeL  v.  Priv.-Doz.  Dr.  Otto  Braun. 
1910/11.    Groß  80 38.~ 

Sehleiermacher.    Bd.  I.     Mit  Bildnis  Schl.*s  nach   der  Büste  von 

Rauch.    1910.  CXXVIII,  547  S 9.— 

Geleitwort  von  Prof.  D^^Dr.  A.  Dorner.  S.  I. — XXXII.  —  Allgemeine 
Einleitung  von  Priv.-Doz.  Dr.  O.  Braun.  S.  XXXIII-C.  Grundlinien  einer 
Kritik  der  bisherigen  Sittenlehre.  Mit  Inhaltsanalyse  von  Dr.  O.  Braun. 
XXVIII,  846  S.  —  Akademieabhandlungren  S.  847—532.  —  Begister  usw. 
S.  683—647. 


137     — 


138    — 


Bd.  II.  Entwürfe  zu  einem  System  der  Sittenlehre.  Nach  Hand- 
schriften des  Berliner  Literaturarchivs  zum  erstenmal  herausge- 
geben und  mit  einer  Einleitung  und  ausführlichem  Register  ver- 
sehen vonOttoBraun.  1913.  XXX,703S.  (geb.  in  Hfz.  16.—)    12.50 

Dieser  Band  bringet  die  erste  wissenschaftlich  zulängfliche,  weil  auf  voll- 
ständigrer  Wiedergabe  des  überlieferten  handschriftlichen  Materials  beruhende 
Ausgabe  der  Vonesung-en  über  philosophische  Ethik.  Hier  hat  der  Heraus- 
geber Dr.  Braun  sich  ganz  besondere  Verdienste  erworben.  Er  hat  die 
schwer  zu  lesenden  Texte  musterhaft  entziffert  und  das  früher  bereits  Ge- 
lesene und  Herausgegebene  überall  sorgfältig  nachgeprüft.  Er  hat  der  Schleier- 
macherforschung damit  eine  neue  Grundlage  gegeben  und  die  Darstellung  der 
Schleiermacherschen  Ethik  auf  eine  ganz  neue  Fläche  gestellt.  Alle  Kundigen 
werden  diese  Arbeit  mit  wärmstem  Danke  an  den  Herausgeber  benutzen. 

Dr.  H.  Scholz  in  der  .Täglichen  Bundschau*^. 

9.— 


Bd.  III.     1910.    XII.     748  S 

Auswahlen  aus:  Dialektik  (ed  Halpem)  S.  1—118.  —  Die  christliche  Sitte 
(1812/23).  S>  119— ISO  —Vollständig:  Predigten  über  den  christlichen  Haus- 
stand. Hrsg.  von  Prof.  D  Joh.  BaueT.  S.  181—398.  —  Auswahlen  aus: 
Väaagogik  (Msc.  ihl3/14  mit  Teilen  a  d.  Vorlesgn.  1820/1  »81  u.  1826,  sowie 
Aphorismen  1818/14).  S.  899—536.  —  Die  Lehre  vom  Staat  (Entwurf  v.  1829 
m.  Erläut.  aus  Heften  v.  1817  u.  1889).  S.  637—630.  —  Der  christliche  Glaube 
(1830,  etwa  S.  1—90).    S.  631—729.  —  Begister.    S.  731—748. 

139    Bd.  lY.    1911.   X,  663  u.  17  S .     9.— 

i  Auswahlen  aus:  Psychologie  (1830).  S.l— 80.  —  Vorlesungen  über  Ästhetik 

(1862/63).  S.  81—134.  —  Hermeneutik  (Msk.  v.  1805  usw.,  Vorlesungen  1826 
bis  lb33).  S.  135—206.  —  Vollständig:  Beden  über  die  Keligion.  S.  207— 400.  — 
Monologen.  S.  401—472.  —  Weihnachtsfeier.  S.  473-532.  —  Universitäten 
im  deutschen  Sinne.  S.  533—642.  —  Bezensionen:  Engel,  der  Philosoph  für 
die  Welt;  Fichte,  Bestimmung  des  Menschen.  S.  643—662.  —  Begister. 
S.  668—680. 

In  Einzelausgaben  erschienen  daraus: 

136  a  —  Grundlinien  einer  Kritik  der  bisherigen  Sittenlehre.    (1803.  1834. 
1846.)  M.  e.  Inhaltsanalyse.    1911.    XXXII,  346  S.  .     .     .     .     6.— 

136b  -r  Akademieabhandlungen.     1911.    IV,  185  S 4.— 

Inhalt:  Tugendbegriff,  Pflichtbegriff,  Naturgesetz  und  Sittengeset«, 
Begriff  des  Erlaubten ,  Begriff  des  höchsten  Gutes ,  Beruf  des  Staates  zur 
Erziehung,  Begriff  des  großen  Mannes. 

138a  —  Predigten  über  den  christlichen  Hausstand.    Herausgeg.  u.  eingel.  v. 
Prof.J).  Joh.  Bauer.    1910.   IV,  42,  176  u.  4  S.    ....     4.50 

139b  —  Reden  über  die  Religion.    2.  Aufl.  1920.  ...'....     3.60 

i59c  —  Monologen  und  Weihnachtsfeier.   1911.  II,  132  S 3.— 

139  a  —  Universitäten  im  deutschen  Sinne.    1911.    IV,  110  S.      .     .      2.— 

Außerhalb  der  Gesamtausgabe  erschienen  femer: 
84    Schleiermaeher.    Monologen  nebst  den  Vorarbeiten.    Kritische  Aus- 
gabe.  Mit  Einleitung,  Bibliographie,  Index  und  Anm.  von  Friedr. 


Verlag  von  Felix  Meiner  in  Leipzig. 

.  \ 


■4i 


20 


Alphabetisches  Verzeichnis. 


Bamd 


M.  Schiele.    2.  erweit.  u.  durchges.  Aufl.  v.  H.  Mulert.     1914. 
48,  198  S 3.- 

Endlich  sind  uns  die  Monologren  in  mastergriltigrer  Ausgrabe  vorgrelegrtr 
Schiele  g-ibt  den  Text  der  Ausgrabe  vom  Jahre  1799  und  fügt  die  Abweichungen 
sämtlicher  späteren  Ausgaben  im  kritischen  Apparat  hinzu.  Er  hat  damit 
eine  gediegene  Arbeit  geliefert,  und  die  Vergleichung  der  Texte  bietet 
reiche  Ausbeute  zur  Erkenntnis  des  Umbildxm^rsprozesses  in  Schleiermachers 
Gedanken.  Zeitschrift  für  Philqsophie. 

11?    Schlelermaclier,    Weihnachtsfeier.    Krit.  Ausg.    Mit  Einltg.  u.  Reg. 
von  Priv.-Doz.  Lic.  Hermann  Mulert.     1908.    34  u.  78  S.      2.— 

85    —  Grundriß  der  philosophischen  Ethik.    (Grrundlinien  der  Sittenlehre.) 

Hrsgeg.  V.  F.  M.  Schiele.    1911.    219  S 2.80 

Schieies  Verdienst  ist  es,  daß  die  beiden  besten  Manuskripte  Schleier« 
machers,  aus  denen  Twesten  den  Text  konstituiert  hwtte,  hier  in  anderer 
Ordnung  geboten  werden.  Der  in  sich  geschlossene  Text  der  Vorlesungen 
von  lbl2 — 13  wird  als  Einheit  gelassen  und  uinsehlossen  von  einem  andern 
Entwurf  von  1816.  Wir  haben  damit  eine  Textgestalt  des  wichtigen  Werkes, 
die  sowohl  den  inneren  Gedankengang  darstellt  wie  auch  sein  Werden  er- 
kennen läßt.  Zeitsfhr.  f.  d.  deutsch.  Unterricht. 

120    —  Universitäten   im    deutschen   Sinn.      Mit   ausf.    Einltg.    von   Ed. 
Spranger  (vgl.  unter  Fichte)     . 4. — 

Schleiermacher.  Der  Philosoph  des  GlauLens.  1910.  151  S.  kart.-2.50 

Sechs  Aufsätze  von:  E.  Troeltsch.    —  A.  Titius.  —  P.  Natorp.  — 

P.  Hensel.  —   S.  Eck.  —  M.  Rade     —  Mit  Vorwort  von  F.Naumann. 

Schopenhauer.    H  a  s  s e ,  H.  Sch.*s  Erkenntnislehre  siehe  Abt.  VI,  S.  27. 
Schuppe  siehe  Abt.  VI,  S.  30. 

Sf  otus  Eriugena.  Über  die  Einteilung  der  Natur.  Übers,  von  L.  N  o  a  c  k. 
2  Bde.    428  S.  416  S 18.— 

—  Leben  und  Schriften.    Von  L.  Noack.     64  S.    .     .     .    ;     .      1.50 

Sextiis  Empiricus*  Pyrrhoneische  Grundzüge.  Ubers.  von  E.  Pappen-  ♦ 
heim.     19  u.  222  S .•     •     .     3.— 

—  —  Erläuterungen  dazu.     296  S 1.60 

SbftfteBbury.  Untersuchung  über  die  Tugend.  Übers,  und  eingeleitet 
T.  Paul  Ziertmann.     1905.     15  u.  122  S.   .     .     .     i    .     .      2.50 

—  Ein  Brief  über  den  Enthusiasmus  an  Lord  Sommers.  —  Die  Mora- 
listen. Eine  philosophische  Rhapsodie.  Übersetzt  u.  eingeleitet  von 
M.Frischeisen-Köhler.     1909.    31  u.  212  S 3.80 

—  Religion  und  Tugend.  48  S.  . 225 

Spinoza«  SUmtliehe  Werke.  Übersetzt  von  0.  Baensch,  A. 
Buchenau,  C.  Gebhardt  und  0. Schaarschmidt. 

Dies  ist  die  einzige  deutsche  Ausgabe  der  Werke  Spinozas,  die  auf  Grund 
der  umwälzenden  Ergebnisse  der  modernen  Textkritik  erfolgt  ist.  So  bietet 
sie  in  ihrer  Textgrestaltung  der  Forschung  die  sicherste  Grundlage;  die 
Einleitungen  bemtihen  sich,  das  Verständnis  der  Schriften  S.s  nach  allen 
Seiten  sicher  zu  stellen. 

91  Bd.  I.    Abhandlung   von    Gott,    dem    Menschen    und    dessen   Glück. 
Neu  übersetzt  von  C.  Gebhardt.  '  Im  Druck. 

92  —  Ethik.    Übers,  u.  mit  e.  Einleitung  u.  Register  versehen  von  Otto 

Baensch.   9.  Aufl.    1919.    29,  276  u.  39  S 3.80 

Sehr  genau  ist  die  neuere  Forschung  zum  Spinozatext  behandelt.  Die 
Einleitung  gehört  zu  dem  Besten,  was  zur  Einführung  in  Spinozas  Denk- 
weise gegeben  werden  kann.  Die  Bedeutung  dieser  Übersetzung  wird  man 
darin  sehen  dürfen,  daß  sie  die  für  uns  oft  schwierig  gewordenen  Gedanken- 
verachiebungen  bei  Spinoza  klarlegt.      *       •  Zeit8C&.  i.  d.  dtsch.  Unterricht. 


861? 

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T30 

91— 
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I.  Philosophische  Bibliothek. 


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'^ 


96a 


96h 


100 


122 


Verlag  von  Felix  Meiner  in  Leipzig. 


Spinoza.  Bd.  II.   Theologisch -politischer  Traktat.    3.  Aufl.    Übers,  u. 

eingeleitet  von  Dr.  Carl  Gebhardt.  1908.  34,  36^  u.  61  S.     5.40 

Tractatus  theologico-poÜticus.  Lat.  ed.  H.  Ginsberg.  1877.  2.— 

—  Descartes*^  Prinzipien  der  Philosophie  auf  geometrische  Weise  be- 
gründet. —  Anhang,  enth.  metaphysische  Gedanken.  3.  Aufl.  Neu 
übers.  V.  A.  Buchenau.    1907.    8,  190S 2.40 

—  Abhandlung  über  die  Verbesserung  des  Verstandes.  —  Abhandlung 
vom  Staate.  3.'  Aufl.  Übers,  u.  eingeleitet  von  Dr.  Carl  Geb- 
hardt.    1907.    32,  181  u.  33  S .     .     •    460 

. Principia  philosophiae  Cartesianae   —  Appendix  cont.  cogitata 

metaphysica  —  Tractatus  de  intellectus  emendatione  —  Tractatus 
politicus.    Lat.  ed.  H.  Ginsberg.    1882.    LXXIII,  256  S.    2.- 

Bd.  III.   Briefwechsel.   Übertragen  «.  m.  Einl.,  Anm.  u.  Reg.  vers.  v. 

Carl  Gebhardt.     1914.    38,  438  S.  .     . 4.- 

Go  ethe  hat  den  Briefwechsel  Spinozas  das  interessanteste  Buch  genannt, 
das  man  in  der  Welt  von  Aufrichtigkeit  und  Menschenliebe  lesen  könne. 
Er  bedeutet  für  uns  zugleich  die  notwendige  Ergänzung  der  Ethik  Spinozas, 
denn  er  offenbart  die  tiefe  und  reine  Menschlichkeit,  die  hinter  den  mathe- 
matisch starren  Sätzen  jenes  Buches  steht.    ^  .       ^         .  r^^ 

Zeitschrift  Ihr  den  deutschen  Unterricht.  ^ 

Epistolae  doctorüm  quorundam  virorum  ad  B.  de  S.  et  auctoris 

responsiones.     Ed.  H.  Ginsberg.     1876 2.~ . 

Lebensbeschreibungen  und  Gespräche.    Hersg.  v.  Carl  Gebhardt. 

1914.    XI,  147  S.    Mit  Bild,    (in  Hpgt.  8.—) 3.50 

Eine  völlig  neue  Erscheinung  in  der  deutschen  Literatur  ist  Gebhardts 
Übersetzung  der  alten  Lebensbeschreibungen  Spinoaas,  der  die  überlieferten 
Äußerungen  oder  Gespräche  Spinozas  sowie  alle  auf  sein  Leben  beEÜglichen 
Quellen  beigefügt  sind.  Es  ist  ein  höchst  dankenswertes  Buch,  das  rolle 
Anerkennung  verdient.  Spinoza  gehört  zu  den  Philosophen,  deren  Lehre 
der  Ergänzung  durch  das  Bild  des  Menschen  bedarf.  Deshalb  verdienen 
die  Lebensbeschreibungen  Spinozas  als  einWiderschtin  des  großen  Menschen 
starkes  Interresse.  Zeitschrift  für  den  deutschen  Unterricht. 

Spinoza-Brevier.  Zusammengestellt  und  mit  einer  Einleitung  versehen 

von  A.Liebert.  2.Aufl.  1918.  XXXIV,  169 S.  In  eleg.Pappbd.     4.— 

Es  ist  als  ein  glücklicher  Gedanke  Lieberts  zu  bezeichnen,  daß  in  seinem 
Brevier  die  bedeatsamsten  Stellen  der  „Ethik"  von  den  engen  Fesseln  der 
geometrischen  Methode  befreit  worden  sind.  Er  selbst  gibt  in  einena  gehalt- 
vollen Vorworte  Aufschluß  über  die  Grundsätze,  die  ihn  dabei  geleitet  haben. . . 
Allen,  die  nicht  die  nötige  Muße  und  Geduld  aufbringen  können,  zu  den 
Original  werken  des  Philosophen  zu  greifen,  denen  jedoch  jene  ^große  und 
freie  Aussicht  über  die  sinnliche  und  sittliche  Welt",  die  sich  Goethe, aus 
Spinozas  Schriften  „auf zutun  schien",  von  Literesse  sein  mag,  sei  Lieberts 
Brevier  bestens  empfohlen.  Wiener  Fremdenblatt. 

Renan,  E.     Spinoza.    Rede,  geh.  zum  200.  Todestag  .     ...  —.40 

Ginsberg,  H.    Lebens-  und  Charakterbild  S.'s —.40 

Steffens,  Henrik.  Über  die  Idee  der  Universitäten  (4.--).  Siehe 
unter  Flehte. 

Thomas  von  Aquin.  Die  Philosophie  von  Thomas  vonAquin.  In  Aus- 
zügen herausgegeben  von  E.  Rolfes.     Im  Druck. 

TalhinRer,  H.,  siehe  Abt.  V[,  S.  30. 

Volkelt,  J.,  siehe  Abt.  VII,  S.  31. 

^olffsche  Begriffsbestimmungen.  Ein  Hilfsbüchlein  beim  Studium 
Kants.  Zusammengest.  v.  J.  Baumann.   1910.  "VI,  54  S.       .     1.50 

Pichler,  H.    Über  Christian  Wolffs  Ontologie.     1910.     96  S.     2.— 

Wandt,  W.,  siehe  HaU,  Abt.  VI,  S.  27. 

Verlag  von  Felix  Meiner  in  Leipzig. 


22      II.  Lehrbücher  der  Philosophischen  Bibliothek. 


Lehrbucher 

der  Philosophischen  Bibliothek. 

Band  ^ 

67    Kirdmer-Michadlis.  Wörterbuch  der  philoBophischen  Grundbegriffe. 
Neuauflage  in  Vorbereitung. 

Die  Festigkeit  der  Grundlagren,  die  umfassende  Vollständigkeit  des 
Stoffe«,  die  durchsichtige  Anlage  und  vortreffliche  Form,  sowie  die  würdige 
Ausstattung  machen  das  Buch  zu  einem  treuen  Führer  auf  den  verschlun- 
genen Pfaden  der  Philosophie.  Man  kann  ihm  nur  weitere  und  weitere 
Verbreitung  wünschen.  Zeitschrift  für  das  Gymnasialwesen. 

♦  Croee,  B.    Grundlinien  der  Ästhetik.     1913.    IV,  85  S.     Deutsch  v. 

Th.  Poppe.     („Wissen  und  Forschen") 2.— 

*  mring,  A.  GnmdUnien  der  Logik.  1912.  XH,  181  S.    .    .    .     2.50 

Die  Logik  soll  nach  D.  nur  Methodenlehre  sein,  die  uns  anweist ,  in 
die  Gesamtheit  unserer  tatsächlich  vorhandenen  Vorstellun^welt  sachhche 
Ordnung  hineinzutragen.  Ohne  Zweifel  haben  wir  hier  ein  Buch  von  hoher 
Bedeutung  vor  unp.  Reichsbote. 

118   Messer,  Anr.    Einführung  in  die  Erkenntnistheorie.   1909.   VI,  188  u. 

11  ^.    . 8.40 

Die«  ist  die  beste  einführende  Schrift  in  die  Erkenntnistheorie,  die  Eef. 
kennt.  Sie  zeichnet  sich  besonders  dadurch  aus^  daß  sie  trotz  des  kleinen 
Umfanges  eine  Anschauung  erweckt  von  der  Fidle  der  Probleme,  die  der 
Erkenntnistheorie  erwachsen ;  femer  daß  sie  stets  auf  die  richtige  Problem- 
stellung hinweist;  endlich  ragt  sie  noch  durch  große  Klarheit  und  Über- 
Bichtlichkeit  hervor.     Viertel] ahrsschrift  f.  wissensch.  Philos.  u.  Soziologie. 

Odehreeht,  Rnd.  Kleines  philosophisches  Wörterbuch.  Erklärung 
der  Grundbegriffe  der  Philosophie.  3.,  durchgesehene  Aufl.  1919. 
86  S 1.80 

Torl&nder,  Karl.  Geschichte  der  Philosophie.  I.  Bd.:  Altertum, 
Mittelalter  und  Übergang  zur  Neuzeit  5.  Aufl.  1919.  XII, 
868  S Ö.50 

n.  Bd.:    PhüoBophie    der    Neuzeit.      5.  Aufl.      1919.     VIII, 

524  S 6.50 

Zur  Einführung  wird  man  schwerlich  ein  besseres  Buch  finden  als  die«, 
das  den  vielfach  empfimdenen  Wunsch  nach  einer  knappen ,  aber  doch 
klaren,  inhaltlich  ausreichenden  und  zuverlässigen  Darstellung  der  gesamten 
Geschichte  der  Philosophie  aufs  vortrefflichste  erfüllt  hat.  Vortrefflich  ist 
die  I)arstellung  des  Entwicklungsganges  der  Philosophie,  was  schon  im  Auf- 
bau des  Werkes  klar  hervortritt.  Die  biographische  Behandlung  der  em- 
zelnen  Philosophen  und  die  Darstellung  ihrer  Lehren  stehen  in  allem  auf 
der  Höhe  der  Forschung.  Dazu  kommt,  daß  sich  das  Buch  auch  als  Weg- 
weiser für  tiefer  eindringende  Arbeit  bewährt  durch  die  gute  Auswahl  m 
den  Literaturangaben.  Zeitschr.  f.  d.  dtsch.  Unterricht 

Vorländers  Buch  reizt  geradezu  «um  Studium.  Die  gediegene  Art,  In 
der  er  das  historische  mit  dem  systematischen  Element  zu  vereinigen  ver- 
standen hat,  macht  das  Buch  zum  philosophie^schichtlichen  Handbuch 
'  par  excellence.  Es  gehört  auf  den  Arbeitstisch  emes  jBden  der  Philosophie 
„Beflissenen".  Kant-Studien. 

115   Witasek,  StephaB.     Grundlinien   der  Psychologie.     Mit  15  Fig.  im 

Text    1908.    Vm,  370  u.  22  S 3.- 

In  der  Auffassung  und  Durchführung  ein  selbständiges  Werk,  sind 
diese  „Grundlinien"  auch  eine  Zusammenstellung  der  fast  zahllosen  Ei^el- 
Untersuchungen  zur  „modernen"  Psychologie.  Die  Bestimmung,  al«  Ein- 
führung zu  dienen,  hat  wohl  die  Art  der  Ausführung  bedingt,  mcht  aber 
den  Inhalt  und  die  Theorie.  Die  Durchführung  ist  durchsichtig,  überall 
knapp  und  leicht  verständlich  und  das  dargebotene  Material  ma  zweiten 
Teil  überaus  reichhalüg.  Zeitschrift  für  Phüo«ophie. 

>  Verlag  von  Felix  Meiner  in  Leipzig. 


\ 


III.  Hauptwerke  d.  Philos.  in  originalgetr. Neudrucken.    23 

Hauptwerke  der  Philosophie  in 

Originalgetreuen  Neudrucken. 

Die  Sammlung  macht  sich  eine  neue  Erfindung  auf  dem  Gebiete  der 
Photochemie  zunutze,  die  es  ermöglicht,  seltene  Werke  in  technisch  so  vollendeter 
Form  ohne  Neusatz  nachzudrucken,dalJ  selbst  Fachleute  den  Unterschied  vomBuch- 
druck  kaum  feststellen  können.  Dabei  ist  es  aber  möglich,  Verbesserungen,  z.  B. 
▼on  Druckfehlem,  anzubringen.  —  Die  Sammlung  wird  in  geschmackvoller  äußerer 
Form,  die  sich  dem  Stil  der  Entstehungszeit  anschließt,  Werke  dem  Studium 
neu  darbieten,  die  noch  lebendige  Wirkung  auf  die  Gegenwart  auszuüben  be- 
rufen sind.  Durch  Beigabe  von  Registern  und  erforderlichenfalls  auch  emes 
kritischen  Apparates  wird  die  wissenschaftliche  Benutzung  erleichtert. 

Bd.  1:  Lotze,  Herrn.  Geschichte  der  Ästhetik  in  Deutschland.  Mit 
Namen-  und  Sachregister.    1913.  M.  9. — 

Diese  „Geschichte  der  Ästhetik"  mit  der  Fülle  ihrer  Probleme,  der  Tief- 
gründigkeit der  Untersuchung,  sowie  der  fruchtbaren  Verbindung  der  not- 
wendigen Forderungen  des  modernen  Realismus  mit  dem  wertvollen,  ja  unent- 
behrliciien  Gehalt  des  Idealismus,  ist  ein  durchaus  eigenartiges,  trotz  aller  be- 
deutenden Leistungen  der  seitherigen  Ästhetik  auch  heute*  noch  in  hohem 
Maße  beachtenswertes  Werk.  Möchte  der  vorliegende  Neudruck  dem  Werke  wie 
■einem  Schöpfer  neue  Freunde  gewinnen! 

Max   Wentscher  in  der  „Deutschen  Literaturzeitung,'-'' 

Bd.  II:  Fries,  Jak.  Friedr.  Philosophische  Rechtslehre  und  Kritik  aller 
positiven  Gesetzgebung.  Mit  Namen-  und  Sachregister. 
Hrsg.  von  d.  Fries-Gesellschaft.    1914.  M.  2.50 

C'est  certainement  l'une  des  opuvres  principales  de  la  Philosophie  post- 
kantienne:  eile  et  aussi  l'une  de  celles  oü  se  marque  le  plus  heureusement 
l'union  d»une  rare  aptitude  speculative  avec  des  connaissaaices  precises  et  sur 
certains  points  memo  profondes.  Revue  de  metaphysique  et  de  morale. 

Die  philosophische  Rechtslehre  Fries'  fängt  gerade  an  aktuell  zu  werden. 
Während  die  Philosophie  seiner  Zeitgenossen  ihre  Wirkung  auf  ihre  Zeit  schon 
ausgeübt  hat,  so  (mß  man  annehmen  kann,  daß  die  in  ihr  enthaltenen  Gedanken, 
soweit  sie  sich  als  fruchtbar  erwiesen  haben,  bereits  in  das  Zeitbewußtsein  über- 
gegangen sind,  kann  man  die  Friesschen  Gedanken  mit  jenen  in  die  ägyptischen 
Gräber  eingemauerten  Körnern  vergleichen,  die  nach  Jahrtausenden  zu  keimen 
begannen.  Sozialistische  Monatshefte. 

Bd.  III:  Schellini,  F.  W.  J.  t.  Briefe  über  Dogmatismus  und  Kriti- 
zismus.   Hrsg.  u.  eingel.  v.  0.  Braun.    1914.  -M.  2.60 

Wir  haben  es  in  diesen  Briefen  mit  einer  Kritik  des  religiösen  Bewußt- 
seins zu  tun,  die  an  Schärfe  und  rücksichtsloser  Konsequenz  Fichtes  Offen- 
barungskritik  nichts  nachgibt,  nur  daß  sie  viel  schwungvoller  als  diese  geschrieben 
ist  —  ein  Meisterstück  deutscher  philosophischer  Prosa,  und  als  das  Werk  emes 
Zwanzigjährigen  von  einer  fast  unbegreiflichen  Vollendung. 

Man  erstaunt  über  diese  Briefe,  wenn  man  nur  den  Schelling  kennt,  der  die 
Naturphilosophie  und  das  Identitätsystem  geschaffen  hat.  Jedenfalls  muß  man 
die  hier  waltende  Metaphysik  der  Freiheit  kennen,  um  die  unfreie  Metaphysik  de« 
späteren  Schelling  richtig  interpretieren  zu  können.      Preussische  Jahrbücher, 

Bd.  IV:  Bolzano,  B.  Wissenschaftslehre.  Hrsgeg.  von  A.  Höfler. 
Erster  Band.    1914.    XVI,  572,  2  S.  M.  16.- 

Dieser  Neudruck  ermöglicht  es  endlich,  den  größten  Logiker  aller 
Zeiten,  wie  ihn  Husserl  nannte,  wirklich  zu  studieren. 

Bd.  Y:  Fries,  Jak.  Friedr.  System  der  Logik.  Mit  vollständig  neuem 
Register.   Hrsg.  v.  d.  Fries-Gesellsch.    1914.  M.  6.— 

Bd.  VI:  Fichte,  Job.  Gottl.  Über  den  Begriff  des  wahrhaften  Krieges.  Im 
Ajihang:  Rede  bei  Abbrechung  seiner  Vorlesungen.  1914.  M.1.60 

Bd.  VII:  Bolzano,  B.  Wissenschaftslehre.  Zweiter  Band.  1915.  VII, 
670  S.  M.  15.— 


Verlag  von  Felix  Meiner  in  Leipzig. 


24 


IV.  Biblio^heca  Philosophorum.' 


Bibtiotheca  Phiiosophorum. 

Diese  Sammlung  entspricht  Wünschen,  die  immer  wieder  ans  philo- 
sophischen Kreisen  laut  gewordea  waren.  Fehlten  doch  vorher  voll- 
ständig auf  dem  Büchermarkt  leicht  zugängliche  Ausgaben  der 
philosophischen  Hauptwerke  im  Urtext,  die  billigen  Preis  mit 
absoluter  textlicher  Korrektheit  vereinigten.  ^ 

Dem  soll  durch  die  neue  Sammlung  abgeholfen  werden,  die  im 
Format  und  im  Anschluß  an  die  „Philosophische  Bibliothek"  erscheint. 
Bisher  erschienen: 

Vol.  I.     Descartes.     Meditatione«    de    prim»    philosophia.     Curavit 

A.  Buchenau.    1913.  IV,  68  p.  M.  1.50 

„    II.     Leibniz.    Ausgewählte  philosophische  Schriften  im  Original- 

text    Hrsg.  v.  H.  Schmalenbaoh.    Band  1.    1914.    XX, 

164  S.  M,  3.— 

III Band  2.    Mit   dem  Register  über  beide   Bändchen, 

1916.    XVin,  224  S.  M.  8.80 

In  die  Sammlim?  wurden  femer  als  VoL  IV— IX  eine  Anzahl  auBgrezeich- 

neter,  in  Deutschland  noch  fast  anbekannter  amerikanischer  Ausgraben  engr- 

liBcher  Philosophen  eingrereiht,  für  die  ich  das  alleinigre  Vertriebsrecht  für  den 

europäischen  Kontinent  erwarb.    Die  Bände  enthalten: 

Vol.  IV.    Berkeley.    The  Principles  of  Human  Knowledge.    Ed.  by 
T.  J.  McCormack.    1913.    XVII,    128  p.  M.  2.60 

Y.    —    Three  Dialogues  between  Hylas  and  Philonous.    Ed.  by 
T.  J.  McCormack.    1913.   VII,  136  p.  M.  2.50 

„  VI.  Hobbes,  The  Metaphysical  System  of  H.  in  12  chapters  from 
Elements  of  Philosophy  conc.  Body.  Tog.  w.  briefer  extracta 
from  Human  Nature  and  Leviathan.  Sei.  by  M.  W.  Calkins. 
1913.   26,  187  p.  M.  3.50 

„   VII.    Hnme.    An  enquiry  conc.  Human  Understanding  and  sei.  from 
.     a  treatise  of  Human  Nature.     With  H.'ß  Autobiography  and 
a  letter  from  Ad.  Smith.    Ed.  by  T.  J.  McCormack  and  M. 
W.  Calkins.  W.  index.  1913.  28,  267  p.  M.  3.— 

Ylll.    —  An  enquiry  conc.  the  Principles  of  Morals.  Reprinted  from 
the  ed.  of  1777.  W.  index.  1913.  VI,  169  p.      <  M.  3.— 

IX.  Locke.  Essay  conc.  Human  Understanding.  Books  II  and  IV 
(with  omissions).  Sei.  by  M.  W.  Calkins.  W.  index.  1913. 
VU,  348  p.  M.  5.— 

Früher  erschienen  im  gleichen  Verlag: 

Detcartet.  Begrulae  ad  directionem  ingrenü.  Nach  der  Origrinalausg.  von  1701 
herausgcg.  von  Dr.  Artur  Buchenau.    1907.    IV,  66  S.  M.  1.20 

■elanchthOB.  Ethik.  In  der  ältesten  Fassung:  Eum  ersten  Male  (lateinisch) 
berausgregeben  von  H.  He  in  eck.    69  S.  M.  1.80 

Spinoza.    Opera  philosophica.    Ed.  H.  Ginsberg. 

Epistolae  doctorum  quorundam  virorum  ad  B.  de  S.  et  auctoris  responsiones. 

M.  8. — 

TractatuB  theologico-politicus.  .  «     .       ^*  *;"" 

Principia  philosophiae  Cartesianae.   —  Appendix  continens  Go^tata  meta- 
physica.  —  Tractatus  de  intellectus  emendatione.  —  Tractatus  poliücus.    M.8.— 


V.  Wissen  und  Forschen. 


25 


Verlag  von  Felix  Meiner  in  Leipzig. 


Wissen  und  Forschen. 

Schriften  zur  Einitihrimg  in  die  Philosophie. 

Dem  Bedürfnis  nach  Erläuterungen  zu  bestimmten  philosophischen 
Klassikern  und  nach  Einführungen  in  die  Grundprobleme  der  Philo- 
sophie will  diese  Sammlung  dienen.  Frei  von  jeder  Einseitigkeit  und 
unter  Anerkennung  der  Verschiedenheit  der  philosophischen  Rich- 
tungen in  der  Gegenwart  möchte  sie  einen  Sammelpunkt  bilden  für 
alle  Bestrebungen,  die  von  wissenschaftlichem  Boden  aus,  in  allgemein- 
verständlicher Sprache  in  das  weitö  Gebiet  philosophischer  Lektüre 
und  philosophischer  Forschung  einzuführen  beabsichtigen. 

Bd.  I:  Kants  Lehre  vom  kategorisehen  Imperativ.  Eine  Ein- 
führung in  die  Grundfragen  der  Kantischen  Ethik  im  An- 
schluß an  die  „Grundlegung  der  Metaphysik  der  Sitten."  Von 
Dr.  A.  Buchenau.  1913.  XII,  125  S.  M.  2.— 

Bd.    Ij:  Oegenwartspliilosophie    und    ct^ristliche    Religion.      Im 

Anschluß  an  Vaihiuger,  Rehmke,  Eucken  dargestellt  von 
Dr.  iä.  Hegenwald.  1913.  XII,  196  S.  M.  3.60 

Bif.  III:  Gmndprobleme  der  Kritilc  der  reinen  Temnnft.  Eine 
Einführung  in  die  Kantische  Erkenntnistheorie.  Von  Dr. 
Artur  Buchenau.   1914.    VI,  194  S.  M.  3.— 

Bd.  IV:  Wie  ist  In-itische  Philosophie  überhaupt  m^^grllch?    Ein 

Beitrag  zur  systematischen  Phänomenologie   der  Philosophie. 
Von  Dr.  Arthur  Liebert.    1919.  XVII,  228  S.        M.  10.— 

Bd.  V:  Grundriß  def  Asthetilc.  Von  Benedetto  Croce.  Deutsch 
von  Dr.  Th.  Poppe.    1913.    IV,  85  S.  M.  2.— 

Bd.  VI:  Die  Seele.  Ihr  Verhältnis  zum  Bewußtsein  und  zum  Leibe.  Von 
Prof.  Dr.  Joseph  Geyser.  1914.  VI,  117  S.  M.  2.50 

Bd.  VIhBie  Begründer  der  modernen  Psychologie.  Lotze, 
Fechner,  Helmholtz,  Wundt.  Von  Stanley  Hall,  Pre- 
sident of  Clark  University.  Deutsch  von  Raym.  Schmidt 
1914.     28,  392  S.  M.  7.50 

Bd.  VIII:  Einführung  in  die  Philosophie.  Vom  Standpunkte  des  Kriti- 
zismus. Von  Dr.  Kurt  Sternberg.  1919.  XIII,  291  S.    M.6.— 

Bd.  IX:  Pestalozzis  Sozial philosophie.  Eine  Darstellung  auf  Grund 
der  „Nachforschungen  über  den  Gang  der  Natur  in  der  Ent- 
wicklung des  Menschengeschlechts".  Von  Dr.  Art.  Buchenau. 
1919.  VIII,  183  S.  M.5.— 

Bd.  X:  Die  sittlichen  Forderangen  und  die  Frage  nach  ihrer  Gül- 
tigkeit. Von Prof.Dr. Gustav  Störring.  VIII.  136  S.  M.5.60 

Von  Heft  VIII  an  wurde  das  Format  der  Sammlung  verändert.  Die 
Bände  erscheinen  jetzt  im  Format  der  Philosophischen  Bibliothek. 

Verlag  von  Felix  Meiner  in  Leipzig. 


26 


Alphabetisches  Verzeichnis. 


Neuere  philosophische  Werke. 

Bergmann,  Ernst.  Platner  u.  d.  Kunstphilosophie  des  18.  Jahrh. 
Im  Anh.:  P.'s  Briefwechsel  m.  d.  Herzog  von  Augustenburg  über 
die  Kantische  Philosophie  u.  a.     1912.    XVI,  349  S.      .    .     10.— 

—  Fichte,  der  Erzieher  zum  Deutschtum.   1915.  VIII,  341  S.     6.— 

Bertrmann  bietet  aus  Fichte  dar,  was  jeder  Deutsche  aus  ihm  gewinnen 
kann.  Die  tiefschürfende  Gedankenarbeit  der  Wissenschaftslehre  und  das 
(Hirantische  Ringen  mit  ihren  Problemen  wird  nach  F. chtes  eigenem  Urteile 
dem  Verständnis  immer  nur  weniger  vorbehalten  bleiben.  Für  B.  steht  der 
deutsche  Reformator  und  Erzieher  Fichte  im  Mittelpunkte  des  Interresses. 
Und  da  dessen  Person»  ganz  in  seiner  Sache  aufgeht,  so  kann  Bergmann  für 
seine  Absicht  vom  Zentrum  der  Persönlichkeit  aus  das  Verständnis  für  seine 
Sache  zu  erschVfeßen  suchen.  Bruno  Bauch  in  den  „Kantstudien". 

—  Deutsche  Führer  zur  Humanität.     1915.    IV,  44  S.     .     .     .     1.— 
Bluwstein,  J.     Weltanschauung  Ardi'gos.    1911.    122  S.    .     .     1.60 
Bosehan,  Riehard.     Der  Streit  um  die  Freiheit  der  Meere  im  Zeit- 
alter des  Hugo  Grotius.     1919.     53  S.  (Philos.  Zeitfragen)  .     2.70 

Braun.  0.  Hinauf  zum  Idealismus!  Seh elling- Studien.  1908.  XII, 
154'S 2.60 

—  Zum  ßildungsproblem.    2  Vorträge.    (Philosophie  u.  Schule.    Kunst 

u.  Schule).    1911.    49  S «*     '     '    ""'In 

—  Euckens  Philosophie  und  das  Bildungsproblem.  64  S.  .  .  —.60 
Buchenau,  Artur.    Kants  Lehre  vom  kategorischen  Imperativ.    1913. 

XII,  125  S.     („Wissen  und  Forschen«) 2.— 

—  Grundprobleme  der  Kritik  der  reinen  Vernunft.  1914.  VI,  194  S. 
(„Wissen  und  Forschen") 3. — 

—  Pestalozzis  Sozialphilosophie.  1919.VIII,  183  S.  („Wissen  u.  F.«)  6.— 
Bnrekhardt,  G.  E.  Was  ist  Individualismus?  1913.  89  S.  .  2.— - 
Busse,  Ludwig.    Geist  und  Körper,  Seele  und  Leib.     Zweite  Auflage. 

Mit  einem  ergänzenden  und  die  neuere  Literatur  zusammenfassen- 
den Anhang  von  Ernst  Dürr.  1913.  X,  566  S.   ....     .    18. — 

Cohn,  Jonas.  Der  Sinn  der  gegenwärtigen  Kultur.  Ein  philosophischer 

Versuch.     1914.    XI,  297  S ^.     •     -    8.— 

Das  tiefgrabende  und  doch  verständlich  geschriebene  Buch  will  dem 
GebUdeten  hellen,  sich  in  der  heutigen  Kultur  zurechtzufinden.  Die  Kultur 
ist  ihm  nicht  wesentlich  eine  zersetzende  Macht,  sondern  ein  stetes  Schaffen, 
das  immer  neue  Aufgaben  und  immer  neue  Lebensformen  hervorbringt.  Das 
Bingen  um  diese  Aufgaben  erzeugt  die  Lebensgemeinschaften ,  in  denen 
jeder  einzelne  sich  um  einen  überindividuellen  Mittelpunkt  von  der  Person 
Bur Persönlichkeit  aufbauen  kann.  "Was  dabei  über  die  wachsende  Bedeutung 
der  nationalen  Gemeinschaft  gesagt  wird,  das  ist  gerade  in  unsern  IWen 
eindrucksvoU.  Es  wird  durch  die  neue  Welt,  die  uns  mit  dem  Weltkrieg 
aufgegangen  ist,  im  wesentlichen  bestätigt.  Christliche  Welt. 

Bietering,  Paul.  Die  Herbartsche  Pädagogik  vom  Standpunkt  mo- 
derner Erziehungsbestrebungen.    1908.    18,  220  S 6. — 

Bomer,  A.  Encyklopädie  der  Philosophie.  Mit  bes.  Berucks.  d. 
Erkenntnistheorie  u.  Kategorienlehre.  1910.  343  S.  Steifkarton.      6.— 

—  Grundriß  der  Religionsphilosophie.    1903.   466  S.      .     .     .     .     7. — 

—  Pessimismus,  Nietes  sehe  und  Naturalismus  mit  besonderer  Be- 
ziehung auf  die  Religion.    1911.   VIII,  328  S 6.— 

BQhring,  E.  Kursus  der  Philosophie  als  streng  wissenschaftlicher 
Weltanschauung  u.  Lebensgestaltung.     1875.     XII,  559  S. .      9. — 

Ebrenberg,  Hans.  Die  Parteiung  der  Philosophie.  Studien  wider 
Hegel  und  die  Kantianer.     1911.    VI.  133  S 4,— 


VI.  Neuere  philosophische  Werke. 


27 


Eueken,  Kadolf.    Gesammelte  Aufsätze  zur  Philosophie  und  Lebens- 

anschauung.    1911.    IV,  242  S. .     4.20 

Aus  dem  Inhalt:  Die  moralischen  Triebkräfte  im  Leben  der  Gegen- 
wart. ^  Die  innere  Bewegung  des  modernen  Lebens.  Festrede  zur  Jahrhun- 
dertfeier. Goethe  und  die  Philosophie.  Fichte  und  die  Aufgaben  unserer 
Zeit.  Die  Stellung  der  Philosophie  zur  religiösen  Bewegung  der  Gegen- 
wart. Der  moderne  Mensch  und  die  Religion.  Pierre  Bayle,  der  große 
Skeptiker.  (Ein  neuer  Durchblick  der  Weltgeschichte.)  Was  sollte  zur 
Hebung  philosophischer  Bildung  geschehen? 

—  Beiträge  zur  Einführung  in  die  Geschichte  der  Philosophie. 
2.  erweit.  Aufl.     1906.    VI,  196  S 3.60 

Aus  dem  Inhalt:  Nikolaus  von  Cues  als  Bahnbrecher  neuer  Ideen. 
Paracelsus»  Lehren  von  der  Entwicklung.  Kepler  als  Philosoph.  Über 
Bilder  und  Gleichnisse  bei  Kant.  Bayle  und  Kant.  Parteien  und  Partei- 
namen in  der  Philosophie. 

Braun,  0.    Euckens  Philosophie  und  das  Bildungsproblem    .     — .60 

Xappstein,  Th.    Eueken,  der  Erneuerer  des  deutschen  Idealismus, 

1909.    92  S.  . Eleg.  kart.     1.— 

(siehe  auch  unter  Hegenwald) 
Fftlckenberg,Rich.  Kant  und  das  Jahrhundert.  2. Aufl.  1907. 28 S.  —.60 
Falkenfeld,  Hellmuth.    Wort  und  Seele.    Eine  Untersuchung  über 

die  Gesetze  in  der  Dichtung.     1913.     132  S 2.50 

Inhalt:   Die  Dichtung  unter  den  Schwesterknnsten.  —  Die  Tragödie 

des  Dilettantismus.  —  Seele  und  Wortgesetz  (Stil).  —  Wort  und  Zorn  (Drama). 

—  Wort  und  Liebe  (Lyrik).  —  Wort  und  Weltseeie  (Epik).  —  Wort  und 

Gefühlsverlängerung  (Humor  und  Groteske). 

Flovrnoy,  Th.  Beiträge  zur  Religionspsychologie.  Übers,  v.  M.  Regel. 
Mit  Vorwort  v.  G.  Vorbrodt.     1911.     LEI,  62  S 2.60 

—  Die    Seherin    von    Genf.      Mit    Geleitwort    von  Max  D'essoir. 

Autorisierte    Übersetzung.      Mit    64    Figuren.       1914.      XXUI, 

666  S.    (in  Lwd.  geb.  20.—) v^    .     .    .    16.— 

Das  Werk  ist  die  beste  und  gründlichste  Untersuchung  der  Bewußtseins- 
Kustände  eines  sogenannten  ^Mediums*,  die  wir  bisher  überhaupt  besitzen, 
unübertrefflich  an  Sorgfalt  der  Beobachtung  und  Analyse,  unermüdlich  in 
der  Aufhellung  zunächst  undurchsichtiger  Tatbestände,  vorbildlich  objektiv 
in  der  Beurteilung  der  für  die  theoretische  Erklärung  bestehenden  Möglich- 
keiten. Dr.  Österreich  im  Literarischen  Zentralblatt. 

Färtb,  Otto  y.  Träume  auf  derAsphodelosinsel.  1920.  229  S.  geb.  7.— 

Geyser,  Jos.  Die  Seele.  Ihr  Verhältnis  z.  Bewußtsein  "und  z.  Leibe. 
1914.    VI,  117  S.     („Wissen  und  Forschen«) 2.50 

Ooldschniidt,  K.  W.  Der  Wert  des  Lebens.  Optimismus  und  Pessimismus 
in  d.  modernen  Literatur  u.  Philos.  1908.   111  S.  Eleg.  kart.  M.  1.50 

Goldschmidt,  Ludwig.     Schriften  s.  unter  Kantliter.,  Abt.  I,  S.  13. 

Hamburger,  Marg.    Der  Organismus  der  Sprache.    Im  Druck. 

Hall,  Stanley.  Die  Begründer  der  modernen  Psychologie.  (Lotze, 
Fechner,  Helmholtz,  Wundt.)  Übers,  und  mit  Anm.  ver- 
sehen von  Raymund  Schmidt.  Durch  Vorwort  eingeführt  von 
Dr.Max  Brahn.  1914.  XXVIII,392 S.  („Wissen  u. Forschen")     7.50 

—  Wilhelm  Wundt.  Der  Begründer  der  modernen  Psychologie. 
Übersetzt  u.  mit  Anmerkungen  vers.  v.  RaymundSchmidt.  Durch 
Vorwort  eingef.  v.Max  Brahn.  Mit  Bildnisradierung  v.R.  Schmidt. 
1914.  XVII.  158  S.  (S.-Abdr.  aus  dem  vorigen.)      .     .     .     geb.  3.50 

Hasse,  Helnr.  Schopenhauers  Erkenntnislehre  als  System  einer  Gemein- 
schaft des  Rationalen  und  Irrationalen.  1913.  XI,  219  S.  .  6.— 
Hasse  findet  in  der  Erkenntnislehre  Schopenhauers  die  systematischen 
Wurxeln  seiner  Weltanschauung.  Die  Theorie  der  Erkenntnis  ist  bei  Schopen- 
hauer nur  scheinbar  ein  mit  der  Theorie  des  ^Satzes  vom  Grunde"  ab- 
schließender und  abgeschlossener  Bezirk.     Li   Wahrheit  spielt  sie   in  der 


Verlag  von  Felix  Meiner  in  Leipzig. 


Verlag  von  Felix  Meiner  in  Leipzig. 


28 


Alphabetisches  Verzeichnis. 


Metaphysik  der  Natur  wie  in  der  Metaphysik  der  Kunst  und  Moral  eine 

geradezu  grundlegende  BpUe.  ,    .  xt-  a      u      ioiq  oa  Q       1  an 

Hasse,  H.  Das  Problem  des  Sokratea  bei  Nietzsche.  1918.  26  S.  l.dü 
Heirenwald,  üerm.    Gegenwartsphilosophie  und  c^^riBtliche  Religion. 

Im  Anschluß  an  Vaihinger,Rebmke,Eucken.  1913.  Xil,  Ibü  b. 

(„Wissen  und  Forschen") •     •     »-W 

JacobT, «ttnther.  Herders  und  Kants  Ästhetik.  1907.X,348  S.    MO 

—  Der  Pragmatismus.    Neue  Bahnen  in   der  Wissenschaftslehre  des 
Auslands.     1909.     58  S J-20 

—  Herder  als  Faust.     1911.    XII,  485  S 7  — 

Jae8Che,Em.DasGrundgesetzder Wissenschaft.  188p.  XXu.445S.  9.— 
Joel,  Karl  Die  philosoph.  Krisis  der  Gegenwart  2.  Aufl.  1919.  65  S.    3.60 
Kinkel,  Walter.     Der  Humanitätsgedanke.    Betrachtungen  zur  För- 
derung der  Humanität.     1908.     192  S.    .     .     .     .  eleg.  kart.     1.— 

Kliho,  E.  siehe  unter  Kant,  Prolegomena,  Abt.  I,  S.  10. 
Lassoll,  Adolf.  Über  Gegenstand  u.  Behandlungsart  der  Religionsphilo- 
sophie.     1879.     65  S ^  •     •     '''   Z 

—  Fichte  im  Verhältnis  zu  Kirche  und  Staat.    1863.    IV,  245  8.     4.-- 

—  Georg.    Grundfragen  der  Glaubenslehre.    1913.    VI,  376  S.     9.— 
Lempp,   Otto.    Das  Problem  der  Theodicee  in  der  Philosophie  und 

llteratnr  des  18.  Jahrhunderts  l?is  auf  Kant  u.  Schüler.  1910.  VI, 
432  S.     In  steifem  Karton     .     .     .   ^ •     •    Ö— 

Lessing,  Th.  Studien  zur  Wertaxiomatik.  Untersuchungen  über  reine 
Ethik  und  reines  Recht.  2.,  erweiterte  Ausg.  1914.  XIX,  121  S.     3.60 

Levensteln,  Adolf.  Friedr.  Nietzsche  im  Urteil  der  Arbeiterklasse. 
2.  Ausgabe.  1919.   VI,  120  S.     .•••.••••••    P'r 

Leyj,  Helnr.  Über  die  apriorischen  Elemente  der  Hirkenntnis. 
1.  Teil:  Die  Stufen  der  reinen  Anschauung.  Erkenntnistheoretische 
Untersuchungen  über  den  Raum  und  die  geometrischen  Gestalten. 

1914.  IX,  204  s ;  •  •  :.  ,?r; 

Liebert,  Arthur.  Wie  ist  kritische  Philosophie  überhaupt  moghch? 
Ein  Beitrag  zur  systematischen  Phaenomenologie  der  Philosophie. 
1919.    XVII,  228  S.     („Wissen  und  Forschen«)  (geb.  12.—)  10.— 

Ausführlicher  Prospekt  kostenfrei. 

—  Spinoza-Brevier  siehe  Abt.  I,  S.  21. 

Lipps,  Theodor.    Psychologische   Studien.     2.,  umgearb.   u.  erweit. 

Aufl.  1905.     IV,  287  S W     W  *     *  ^  *    ^T 

Inhalt:  Der  Baum  der  Gesichtswahmehmung.  —  Das  Wesen  der  musi- 
kalischen Konsonanis  und  Dissonanz.  —  Das  psychische  Eelatmtatsgesetz 
und  das  Webersche  Gesetz.  ,    ,     .     ,       xt  ^  i.  "u 

Marbe,  Karl.     Experimentell -psychologische   Untersuchungen   ub^ 

das  Urteil.  Eine  Einleitung  in  die  Logik.  1901.  IV,  103  S.  2.80 
Meckauer,  W.     Der  Intuitionismus  und  seine  Elemente  bei  Bergson. 

Eine  kritische  Untersuchung.  1917.  ^^^^  l^^^^.  .  .  .  .  5.— 
Medicus,  Fritz.  Fichtes  Leben.  Mit  Porträt.  1914.  IV.  176  S.  d.— 
]lehlis,G.  Die  Geschichtsphilosophie  Com t es.  1909.  IV,  158  S.  3.— 
Meinong,  A.    Über  die  Stellung  der  Gegenstandstheorie  im  System 

der  Wissenschaften.    1907.   VIII,  156  S 4.80 

Moog,  W.  Fichte  über  den  Krieg.  1917.  48  S.    .     .    .    .     •     .     1.20 

—  Kants  Ansichten  über  Krieg  und  Frieden.    1917.  IV.  122  S.    3.— 
Müuch,  Fritz.  Kultur  und  Recht.  Nebst  einem  Anhang:  Rechtsreform- 
bewegung und  Kulturphilosophie.    1918.  63  S 1.80 

Verlag  von  Felix  Meiner  in  Leipzig. 


VI.  Neuere  philosophische  Werke. 


29. 


Natorp,  Paul.    Piatos  Ideenlehre.    Neuauflage  in  Vorbereitung. 

—  Der  Idealismus  Pestalozzis.    1919.  174  S 560 

Was  in  den  letzten  Jahrzehnten  zur  Erforschung  der  Persönlichkeit  der 
Ideen,  der  praktischen  Versuche  Pestalozzis,  dieses  echtesten  Erziehers 
unseres  Volkes  geschah,  faßt  Paul  Natorp  zum  ersten  Male  zusammen.  Daß 

ferade  er  es  ist,  der  diese  Neubelehung  unternimmt,  kann  nur  dazu  beitragen, 
estalozzi  dem  deutschen  Volke  noch  näher  zu  bringen. 

Oehler,  Bleh.  Nietzsche  und  die  Vorsokratiker.  1904.    176 S.    8.50 

—  Nietzsche  als  Bildner  derPersönlichkeit.  Vortrag.  1911.  31  S.  — .60 

Oesterreicb,  Konstantin.  Die  Staatsidee  des  neuen  Deutschland. 
Prolegomena  zu  einer  neuen  Staatsphilosophie.  1919.  33  S.  („Philo- 
sophische Zeitfragen") 1.35 

Petersen,  P.  Die  Geschichte  der  Aristotelischen  Philosophie.  Im  Druck. 

Plttmaeher,  0.  Der  Pessimismus  in  Vergangenheit  und  Gegenwart. 
2.  Aufl.    1888.  XII,  355  S 7.20 

Poehhammer,  L.,  Prof.  d.  Mathematik.  Zum  Problem  der  Willens- 
freiheit.    1908.    82  S J.20 

Raab,  P.  Die  Philosophie  des  Rieh.  Avenarius.  Systematische  Dar- 
stellung und  immanente  Kritik.  1912.    IV,  164  S 5. — 

Raraissou,  F.  Die  französische  Philosophie  im  19.  Jahrh.  Deutsch 
von  E.  König.     1889.    XVI,  290  S (geb.  7.—)    5.60 

Riehter,  Raool.    Der  Skeptizismus  in  der  Philosophie.    2  Bde. 

Bd.  L     Die  griechische  Skepsis.     1904.    XXIV,  3(()3  u.  61  S.      6.— 

Bd.  II.  Die  Skepsis  in  der  Epoche  der  Renaissance. —  Die  empirische 

Skepsis  des  18.  Jahrhunderts.  —  Der  biologische  Skeptizismus 

im  19.  Jahrhundert.  1908.  VI,  529  und  55  S.      ...      8.60 

—  Friedrich  Nietzsche.    Sein  Leben  und  sein  Werk.    8.  Auflage. 

J917.  VIII,  356S. 6.— 

Ich  habe  selten  ein  Buch  (und  niemals  eins  über  Nietzsche  t)  mit  soviel 
Freude  und  Genuß  gelesen,  wie  diese  musterhaft  klare,  nirgends  über- 
schwengliche ,  doch  überall  von  wohltuender,  liebevollster  Wärme  gleichsam 
durchleuchtete  Arbeit,  deren  letzter  Abschnitt  mit  seiner  sachlich  histo- 
rischen Bearbeitung:  der  Lehre  Nietzsches  vorbildlich  beweist,  wie  bewun- 
dernde Verehrung  für  einen  Großen  und  unbestechliche  kritische  Besonnen- 
heit zu  vereinigen  sind.  Das  liiterarische  Echo. 

—  Essays.    1913.   XV,  416  S 3.60 

Aas  dem  Inhalt;  Friedrich  Nietzsche  t.  —  Nietzsche  und  die  Kultur 
unserer  Zeit.  —  Nietzsches  Stellung  zur  Entwicklungslehre  und  Bassen- 
theorie.  —  Nietzsches  Stellung  zu  Weib,  Kind  und  Ehe.  —  Nietzsches  Ecce 
Homo,  ein  Dokument  der  Selbsterkenntnis  und  Selbstverkenntnis. 

Hasse,  H.    Die  Phüosophie  R.  Richters.    1914.    57  S.    kart.  1.50 
Romundt,  Heinrich.    Kantschriften  siehe  S.  13. 
Rosenkranz,  Karl.   Neue  Studien  zur  Kultur  und  Literaturgeschichte. 
4  Bände.    1875—78 16.— 

—  Von  Magdeburg  bis  Königfsberg.     Selbstbiographie.     1878   .     8.— 
Rosenstoek,  E.  Der  ewige  Prozeß  des  Rechts  gegen  den  Staat.  1919. 

23  S 1.50 

Scliaffganz,  Hans.  Nietzsches  Gefühlslehre.  1913.  VHI,  133  S.    3.50 

Seheier,  Max  F.  Die  transzendentale  und  die  psychologische  Methode. 
Eine  grundsätzl.  Erörterung  zur  philosoph.  Methodü:.    184  S.    4. — 

Schmidt,  Ferd.  Jak.  Prof.  der  Pädagogik  an  der  Univ.  Berlin.  Zur 
Wiedergeburt  des  Idealismus.  1908.  VIII,  325S.  ....  6.— 
Aus  dem  Inhalt:  Kapitalismus  und  Protestantismus.  Der  mittelalter- 
liche Charakter  das  kirchlichen  Protestantismus.      Adolf  Hamack  und  die 


Verlag  von  Felix  Meiner  in  Leipzig. 


..^  ^■-m-',^X-*^J  . 


30 


VI.  Neuere  philosophische  Werke. 


VII.  Philosophische  Zeitfragen. 


31 


ii 


1)^ 


Wiederbelebung  der  spekolatiTen  Fortchtmgr-  I>u  Erlebnis  mnd  die  Dich- 
tung'. Goethe  und  das  Altertum.  Kant-Orthodoxie.  Die  Philosophie  auf 
den  höh.  Schulen.    Die  Frauenbildungr  u.  das  klassische  Altertum. 

Schuppe,  Wilh.  Siehe  Zeitschrift  für  immanente  Philosophie  in 
Abteiiang  VIII,  S.  32. 

Sehwab,  Andreas.  Der  Wille  zur  Lmt.  Zweiter  vermehrter  und 
verbesserter  Abdruck.     1920.    227  S 4.— 

80111IÖ9  Felix.  Juristische  Grundlehre.    1917.  656  S.    .     .    .     .  24. — 

Spranger,  Ednard.  Völkerbund  und  Rechtsgedanke.  1919.  27  S. 
(„Philosophische  Zeitfragen") 1.36 

Stern,  William.    Die  Analogie  im  volkstümlichen  Denken.  1893.    3.— 

Sternberir,  Kurt.  Einführung  in  die  Philosophie  vom  Standpunkt  des 
Kritizismus.     1919.     („Wissen  und  Forschen")      .    6.—,  geb.  8.— 

Störring,  G.  Die  sittlichen  Forderungen  und  die  Frage  nach  ihrer 
Gültigkeit.    VIII.     136  S 6.60 

Streeker,  R.  Die  Anfänge  von  Ficht  es  Staatsphilosophie.  1917. 
Vni.    228  S .5.— 

Sydow,  Eekart  von.  Der  Gedanke  des  Ideal-Reichs  in  der  idea- 
listischen Philosophie  von  Kant  bis  Hegel  im  Zusammenhange  der 
geschichtsphüosoph.  Entwicklung.     1914.     VIII,  130  S.  .     .     4.50 

Unruh,  C.  M.  von.    Zur  Physiologie  der  Sozialwirtschaft.     1918.  X. 

^     276  Seiten 10.— 

—  Zur  Biologie  der  Sozialwirtschaft.  1914.  XII.  206  S.  .  .  10.— 
Taihinger,  ilans.  Die  Philosophie  des  Als  Ob.  System  der  theore- 
tischen, praktischen  und  religiösen  Fiktionen  der  Menschheit  auf 
Grund  eine^  idealistischen  Positivismus.  Mit  einem  Anhang  über 
Kant  und  Nietzsche.  Vierte,  durchgesehene  Aufl.  1920.  Gr.  S°. 
XXXIX  und  804  S.  (Mit  Bildnis  des  Verfassers)  ....  24.— 
In  vornehmem  Halbpergament 34.— 

TT  ij.'i.     xr  •!»•  c!  oß  Ausführlicher  Prospekt  kostenfrei. . 

HegenwalduberVaihingers.  Ö.26.  ^ 

Valentin,  V.  Die  klassische  Walpurgisnacht.  1901 .  XXXII,  172  S.    6.40 

Volkelt,  Joh.  Religion  U.Schule.  1919.  64  S.  („Phil.  Zeitfragen")    2.70 

Vorländer,  Karl.   Kant-Schiller-Go^the.    Gesammelte  Aufsätze. 

1907.    XrV,  294  S.  . 6.— 

—  Kant  und  der  Gedanke  des  Völkerbundes.  Mit  einem  Anhang  über 
Kant  und  Wilson.     1919.     85  S.     („Phü.  Zeitfragen«) .     .     .    3.60 

—  Geschichte  der  Philosophie  s.  Abt.  II,  S.  22 

Waetzoldt,  St.  Drei  Goethevorträge.  —  Die  Jugendspraohe  G.'s.  —  Goethe 
und  die  Romantik.  —  Goethes  Balladen.    2.  Aufl.  1903.  76  S.     1.60 

Waetzold,  Wilhelm.  Das  Kunstwerk  als  Organismus.  Ein  ästhetisch- 
biologischer Versuch.    1905.    53  S 2. — 

Weiehelt,  Hans.  Friedrich  Nietzsche:  Also  sprach  Zarathustra, 
erklärt  und  gewürdigt    1910.  VIII,  319  S 6.— 

Weiße, Ch.H.  In  welchem  Sinne  die  deutsche  Philosophie  jetzt  wieder  an 
Kant  sich  zu  orientieren  hat.  Eine  akademische  Antrittsrede.  1847.  1.60 

Wnst,  P.    Die  Auferstehung  djer  Metaphysik.     Im  Druck. 

Ziegler,  Leopold.  Zur  Metaphysik  des  Tragischen.  Eine  philo- 
sophische Studie.    1902.   XII,  104  S 1.60 

—  Das  Weltbild  Hartmanns.    Eine  Beurteilung.  1910.  196  S.    4.— 

—  Floreütinische  Introduktion  zu  einer  Philosophie  der  Architektur 
nnd  der  schönen  Künste.  Mit  9  Bildtafeln.  1912.  194  S.  In 
vornehmem  Geschenkband 4. — 


ü 


Philosophische  Zeitfragen. 

Spranger,  Eduard.  Völkerbund  und  Rechtsgedanke.  1919.  26  S.  M.  1.35 

Die  in  Form  und  Inhalt  klassische  Schrift  von  Spranger  muss  jeder 
Dentsche,  jeder  Philosoph,  ja  jeder  Mensch,  dem  ein  Gewissen  für  die  Zukunft 
schlägt,  von  A  bis  Z  unterschreiben.  Karl  Joel. 

Oesterreieb,  Konstantin.     Die    Staatsidee  des  neuen  Deutschland. 
\  Prolegomena  zu  einer  neuen  Staatsphilosophie.  1919.  33  S.    M.  1.35 

Vorländer,  Karl.    Kant  und  der  Gedanke  des  Völkerbundes.     Mit 
einem  Anhang  über  Kant  und  Wilson.    1919.  85  S.  M. 360 

Vorländer  knüpft  an  Kants  Schrift  „vom  ewig-en  Frieden"  an,  welche  als 
-Aufg-abe"  jenen  idealen  Staatenbund,  jenes  höhere  Weltbürgertum  und 
Weltbürgerrecht  bereits  enthält,  dessen  verwirklichungr  die  heutig-e  Gene- 
ration herbeiführen  will. 

Boschan,  Richard.  Der  Streit  um  die  Freiheit  der  Meere  im  Zeit- 
alter des  Hugo  Grotius.    1919.  53  S.  M.  2.70 

Der  Name  des  Hugo  Grotius  ist  von  der  Streitfrage  um  die  Freiheit  der 
Meere  nicht  zu  trennen.  Von  großem  Interesse  muß  es  für  die  Gegenwart 
sein,  das  Milieu,  in  welchem  diese  Frage  vor  Jahrhunderten  zuerst  auftauchte, 
and  die  Wendungen,  die  sie  nahm,  näher  kennen  zu  lernen. 

Volkclt,  Johannes.  Religion  und  Schule.    1919.  64  S.  M.2.70 

Volkelt  konstatiert,  daß  die  Religion  zu  vielseitig  mit  dem  Seelenleben 
der  sittlichen  Welt  und  der  Kulturentwicklung  verbunden  sei,  als  daß  die 
Frage  der  religionsfreien  Erziehung  durch  Schlagworte  gelöst  werden  können. 
Er  fordert  dieser  ^problemblinden  Aufklärerei  gegenüber  Befreiungf  des 
Beligiosunterrichts  von  Zwang  und  Bevormundung  und  seine  Ver- 
tiefung: nach  der  Seite  des  religiösen  Moralunterrichtes**. 

JoSl,  Karl.  Die  philosophische  Krisis  der  Gegenwart.  2.  Auflage  1919. 
65  S.  M.3.60* 

Es  leben  nicht  allzuviel  deutsche  Gelehrte  unter  uns,  deren  Wort  den 
Glanz  und  die  Farbenfülle  von  Joels  jug-endfrischer  und  künstlerischer  Sprache 
hat.  Vielleicht  ist  er  mit  Wilhelm  Dilthey  der  einzige  Philosoph  seit  Kietesche, 
dem  wieder  die  Steigerung  und  Hingerissenheit  der  Bede  gegeben  ist,  die 
eigenwillige  und  menschenschöpferische  Sprache,  Wortkunst  tief  er  Weisheit 
voll  und  dabei  immer  das  Bekenntnis  von  der  Welt  als  organische  Einheit. 

Neue  Freie  Presse. 

Hasse,  Karl  Paul.  Der  kommunistische  G  edanke  in  der  Philosophie. 

kart.  6.60 
Aufklärung  über  die  geschichtliche  Entwicklung  der  kommunistischen 
Lehren  und  ihre  philosophischen  Zusammenhänge  tut  unserm  Volke  bitter 
not.  Nur  Vertiefung  in  die  Geistesgeschichte  ermög^licht  ein  selbständig'eB 
urteil  über  diese  Gedankenwelt,  deren  Schlajfworte  heute  die  breiten  Massen 
und  viele  leicht  begeisterte  Intellektuelle  mit  sich  fortreissen. 

Oebhardt,  Carl.    Der  demokratische  Gedanke.    1919.    61  S.    M.  4.60 

Die  Entstehung  des  demokratischen  Gedankens  aus  dem  Schöße  des 
deutschen  Geisteslebens  (Kant,  Fichte),  seine  Entfaltung:  und  endliche  Aus- 
prägung, seine  Bedeutung^  für  die  nahe  und  ferne  Zukunft  bilden  den  Inhalt 
dieses  Bandes.  Es  wird  gezeigt,  warum  und  wie  sich  der  demokratische 
Gedanke  als  Einheitsfaktor  im  Volke  bewähren  kann  und  wird. 

Goedeekemeyer,  Albert.  Die  Idee  vom  ewigen  Frieden.   Im  Druck. 

KeinTenernngsaufschlag. 
;      Weitere   Hefte   in  Vorbereitung.  .    - 


Verlag  von  Felix  Meiner  in  Leipzig. 


Verlag  von  Felix  Meiner  in  Leipzig. 

V 


32 


VIII.  Philosophische  Zeitschriften. 


it  '■ 


Philosophische  Zeitschriften. 

Annalen  der  Phlloisophie.  Mit  besonderer  RückBicht  auf  die 
Probleme  der  Als-Ob-ßetrachtung  in  Verbindung  mit  namhaften 
Vertretern  der  Einzelwissenschaften  (Karl  Heim,  Paul  Krückmann, 
Emil  Abderhalden,  Moritz  Pasch,  Paul  Volkmann,  Adolf  Hansen, 
Ludwig  Pohle,  Konrad  Lange,  Erich  Bfecher,  Ernst  Bergmann,  Hans 
Cornelius,  Karl  Groos,  Kurt  Koffka,  Arnold  Kowalewski)  hrsg.  von 
HaBS  Taihinger  u.  Raymnnd  Schmidt.  Bd.  I.  1919.  VIII,  681  S. 
in  Halbpergament  M.  50. —  M.  40. — 

Philosophische  IHitteiiniigeii.  Mouatsschrift  zur  Förderung 
philosophischer  Bildung  und  Kultur.  Herausgegeb.v.  Dr.  H.  Hegen- 
wald.  Lyceumsdirektor  in  Bielefeld.  Jahrespreis  M.  8. — ,  Einzel- 
preis M. — .80.  Für  philosophische  Gesellschaften  usw.  Mengenpreise. 

He|>:el-A]*chiT*  Herausgegeben  von  Georg  Lassen. 

Bd.    1,1.   Hegreis  Entwürfe  zur  Enzyklopädie  und  Propädeutik.  Herausgegreben 

von  J.  L  ö  w  e  n  b  e  r  g.     1912.  XXII    68  S.  M.  3.40 

Bd.    I,,.   Neue  Brieie  Hegreis  und  Verwandtes.     19i2.  64  S.  M.  8.40 

Bd.  11,1.    Schelling"»    Briefwechsel    mit    Niethammer.      Herausgegreben    von 

G.  Dammköhler.     1912.  104  S.  M.  4.*« 

Bd.  Il,t.    Hegreis  handschriftliche  Zusätze  zu  seiner  Rechtsphilosophie.    Ein 

Brief  Hegels  an  Staatsrat  Schultzf.    1914.  64  S.  M.  3.80 

Bd.  111,1.    —  Zweiter  Teil.    Hegel  und  die  «ganz  moderne*^  Naturphilosophie. 

Von  Prof.  Dr.  Ritter.    1914.  65  S.  M.  3.60 

Bd  lll,f    —  Dritter  Teil.    Eine  Schülerarbeit   und  zwei   bisher  ungedruckte 

Briefe  Hegels.    1916.  64  S.  M.  3.60 

Zeitschrift  für  Rechtsphilosophie  in  I^ehre  und 
Praxis.  Unter  Mitwirkung  von  Bruno  Bauch,  Wilhelm  Ed.  Bier- 
mann, Karl  Diehl,  August  Finger,  Otto  Gerlach,  Heinrich  Gerland, 
Eugen  Huber,  Moritz  Liepmann,  Edgar  Loening,  Paul  Natorp, 
herausgegeben  von  Felix  HoUdack,  Rudolf  Joerges  und  Budolf 
Stammler.    Bisher  2  Bände.  je  M.  13.50 

Zeitschrift  für  immaneiite  Philosophie.  Herausgegebeu 

von  W.  Schuppe.  Bd.  I— IV.  1896—99.  (Alles,  was  erschien;  einige 

Hefte  in  anastatischera  Neudruck.)  M.  40. — 

Atu  dem  Inhalt:  ^ 

W.  Sehappe,  Begriff  und  Grenzen  der  Psychologie 
— *  Das  Becht  und  die  Ehe 

—  Das  System  der  Wissenschaft  und  das  des  Seienden 

—  Die  immanente  Philosophie  und  Wilhelm  Wimdt 

—  Der  Solipsismus 

J.  Rehmke,  Zur  Lehre  vom  Gemüt 

—  Die  Bewußtseinsfrage  in  der  Psychologie 
T.Schabert*8oldern,  Ursprung  und  Elemente  der  Empfindung 

—  Einteilung  der  Wissenschaft  als  Einleitung  in  die  Philosophie 

sowie  weitere  wichtige  Beiträge  von  Stock,  Zenz,  Marschner,  Herrmann, 
Schmitz-Dumont,  Burkhardt,  Jacobs,  Keibel,  Simmel,  Thiele,  Wollny,  Gold- 
schmidt, Töwe. 

Terhahdlaii|s:en  der  Philosophischen  Gesellschaft;  zu 
Berlin.  Jahrgang  1875—  82.  HeftI— XXI.  Mit  Beiträgen  von  Lasson, 
V.  Kirchmann,  Michelet,  Fredrichs,  Schaßler,  0.  Vogel,  Q.  Engel, 
V.  Heydebreck,  Witte,  Dreher,  Rau,  Kauer  u.  a.  M.  10. — 

Philosophische  Monatshefte.  Bd.XlI-XX.  M.  108.- 

Anch  eme  größere  Anzahl  einzelner  Hefte  von  dieser  seltenen  und 
.  gediegenen  Zeitschrift  sind  noch  vorhanden. 

Verlag  von  Felix  Meiner  in  Leipzig. 

Dmok  Ton  O.  Ommbaoh  in  Leipaiff. 


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